Der Rücktritt des Reisenden vom Reisevertrag vor Reisebeginn (§ 651 i BGB) [1 ed.] 9783428455935, 9783428055937


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German Pages 140 Year 1984

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Der Rücktritt des Reisenden vom Reisevertrag vor Reisebeginn (§ 651 i BGB) [1 ed.]
 9783428455935, 9783428055937

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KARL EICHINGER

Der Rücktritt des Reisenden vom Reisevertrag vor Reiseheginn

Schriften zum Bürgerl ichen Recht

Band 89

Der Rücktritt des Reisenden vom Reisevertrag vor Reiseheginn (§651i BGB)

Von

Dr. Karl Eichinger

DUNCKER & HUMBLOT I

BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Eichinger, Karl: Der Rücktritt des Reisenden vom Reisevertrag vor Reisebeginn (§ 651 i BGB) I von Karl Eichinger. Berlin: Duncker und Humblot, 1984. (Schriften zum Bürgerlichen Recht; Bd. 89) ISBN 3-428-05593-4 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten

© 1984 Duncker & Humblot, Berlin 41

Gedruckt 1984 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3-428-05593-4

Für Vater und Mutter in Dankbarkeit

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Oktober 1982 bei der Universität München als Dissertation eingereicht und angenommen. Literatur und Rechtsprechung sind berücksichtigt bis einschließlich September 1982. Seit September 1982 finden sich zu Thema und Anliegen der Arbeit keine Beiträge oder Urteile, die eine überarbeitung erforderlich erscheinen lassen. Daher erschien es gerechtfertigt, die Dissertation im Original zu veröffentlichen. Die Anregung zum vorliegenden Werk gab mir mein Doktorvater, Herr Prof. Dr. Hermann Nehlsen, der mich auch im weitern Verlauf in jeder Hinsicht unterstützt hat. Ihm bin ich daher zu ganz besonderen Dank verpflichtet. Weiter bedanke ich mich bei den zahlreichen kleinen und großen Reisebüros, die mir nicht nur ihre Prospekte zur Verfügung gestellt haben, sondern zum Teil auch Einblick in unveröffentlichte Originalurteile gewährt haben. Nicht zuletzt bedanke ich mich bei Frau Sonja Saaro, die in unermüdlicher Arbeit das Manuskript geschrieben hat. Der Verfasser

Inhaltsverzeichnis Einleitung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

17

Erster Teil

Grundla.gen 1. Kapitel

Das Reisevertragsgesetz 1. Entstehungsgeschichte .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Die systematische Stellung des Reisevertragsgesetzes im BGB .... III. Der sachliche Anwendungsbereich des Reisevertragsgesetzes

19 20 21

2. Kapitel

Der Reisevertrag 1. Die am Reisevertrag beteiligten Rechtssubjekte. .. . . . . .. ....... ..

1. Der Reiseveranstalter ........................................

2. Der Reisende ................................................ 3. Die Leistungsträger .......................................... 4. Das Reisebüro .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Rechtsbeziehungen der am Reisevertrag Beteiligten .......... 1. Reisender - Reiseveranstalter ............................... 2. Reisender - Reisebüro ...................................... 3. Reisender - Leistungsträger ................................ 4. Reisebüro - Reiseveranstalter ..............................

23 23 23 23 23 24 24 25 26 27

Zweiter Teil

Die Vora.ussetzungen des Rüddritts des Reisenden vor Reisebeginn 3. Kapitel

Das Verhältnis des Rücktritts (§ 651 i I) zu anderen Fällen der Vertragsbeendigung 1. Einleitung II. Rücktritt und Nichtzustandekommen des Reise"vertrages" ....... .

29 29

10

Inhal tsverzeichnis

111. Rücktritt und anderweitige Lösungsmöglichkeiten des Reisenden vom Reisevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kündigung gern. § 651 e ...................................... 2. Kündigung gern. § 651 j ...................................... 3. Rücktritt gern. § 325 .......................................... 4. Rücktritt gern. § 326 .......................................... 5. Kündigung aus wichtigem Grund............................ 6. Vertragsauflösung aus c.i.c. .................................. 7. Anfechtung gern. §§ 119, 123 .................................. IV. Rücktritt und Widerruf des Vertragsangebotes durch den Reisenden............................................................. V. Rücktritt nach Reisebeginn ...................................... VI. Rücktritt und Ersetzungsbefugnis des Reisenden gern. § 651 b .... VII. Der Tod des Reisenden .......................................... VIII. Zusammenfassung

30 30 30 32 33 34 34 35 35 37 39 40 41

4. Kapitel

Die Ausübung des Rücktrittsrechts I. Einleitung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Die Rücktrittserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Ausdrückliche Rücktrittserklärung ............................ 2. Konkludente Rücktrittserklärung ............................. 3. Fingierte Rücktrittserklärung ................................ 111. Die Form der Rücktrittserklärung ............................... 1. Der Grundsatz der Formfreiheit .............................. 2. Vereinbarung der Schriftform oder anderer Formerfordernisse IV. Das Wirksamwerden der Rücktrittserklärung .................... 1. Abgabe der Rücktrittserklärung gegenüber dem Reiseveranstalter ....................................................... 2. Abgabe der Rücktrittserklärung gegenüber dem Reisebüro .... 3. Klauseln über den Zugangszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

42 42 42 43 43 44 44 45 46 46 46 49

DritterTeil Der Entschädigungsanspruch des Reiseveranstalters nach dem Rücktritt des Reisenden (§ 651 i 11, 111) Überblick

53

5. Kapitel

Die Rechtslage vor Inkrafttreten des Reisevertragsgesetzes I. Die Rechtsgrundlagen für Ansprüche des Reiseveranstalters im Rücktrittsfall .................................................... 55

Inhaltsverzeichnis 11. Die konkrete Berechnung des Anspruchs des Reiseveranstalters 111. Die pauschalierte Berechnung des Anspruchs des Reiseveranstalters 1. Die Rechtsnatur der Rücktrittskostenpauschale ................ a) Die Notwendigkeit der rechtlichen Einordnung ............ b) Eigene vertragliche Regelung .... , . .. . ... . ... . ... . .. . . .. ... c) Reuegeldvereinbarung ..................................... d) Vertragsstrafenvereinbarung .............................. e) Aufwendungsersatzpauschale .............................. f) Schadensersatzpauschale .................................. g) Vergütungspauschale ...................................... 2. Richterliche Kontrolle der Angemessenheit der Pauschale vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes ............................. . a) Grundsätzliche Zulässigkeit ............................... . b) Prüfungsmaßstab : Treu und Glauben ..................... . c) Konkretisierung des Prüfungsmaßstabes durch gesetzgeberische Leitbilder .......................................... . aa) Unterscheidung nach Rücktrittsgründen ............... . bb) Berücksichtigung von Vorteilen ............... . ....... . (1) Ersparte Aufwendungen .......................... . (2) Abstrakte Chance anderweitigen Erwerbs ......... . (3) Weiterverkauf im Einzelfall ....................... . d) Konkretisierung des Prüfungsmaßstabes durch Entwürfe zum Reisevertragsgesetz ...................................... . 3. Die richterliche Kontrolle der Angemessenheit der Rücktrittspauschale nach Inkrafttreten des AGB-Gesetzes ............. . 4. Die Beweislast für die Angemessenheit der Pauschale

11

55 56 56 56 57 57 59 60 60 61

62 62 63

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6. Kapitel

Die konkrete Berechnung des Entschädigungsanspruchs (§ 651 i 11 3) I. Die Berechnungsfaktoren ........................................ 1. Reisepreis .............................. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Ersparte Aufwendungen ...................................... 3. Erwerb durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen .. 4. Möglicher Erwerb durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen ....... " ............................. , . . .... . ... . .. 5. Mögliche ersparte Aufwendungen ............................ 6. Weitere Faktoren ............................................ 11. Charakterisierung: Konkrete Berechnungsmethode ............... 111. Bewertung ...................................................... 1. Gewährleistung von Einzelfallgerechtigkeit .................. 2. Verbesserung der Rechtsstellung des Reisenden ..............

70 70 70 71 74 74 75 76 76 76 76

7. Kapitel

Die pauschalierte Berechnung des Entschädigungsanspruchs (§ 651 i 111) I. Die Rechtsnatur der Entschädigungspauschale ....................

78

12

Inhaltsverzeichnis

1. Die Notwendigkeit der rechtlichen Einordnung 2. Teilvergütungspauschale ..................................... 3. Aufwendungsersatzp·auschale ................................. 4. Schadensersatzpauschale ...................................... 5. Vertragsstrafe... ... ... ... . .. .. . ... . . .. .. . .. . .. . .. . . .. . .. . . ... 6. Reuegeldvereinbarung ................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Entschädigungsanspruch eigener Art .......................... H. Die Berechnungsfaktoren ........................................ 1. Reisepreis .................................................... 2. Differenzierung nach der Reiseart ............................ 3. Gewöhnlich ersparte Aufwendungen .......................... 4. Durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen gewöhnlich möglicher Erwerb ........................................ a) Stellungnahme des Rechtsausschusses des Bundestages zu dem Begriff .............................................. b) Der Begriff der anderweitigen Verwendung................ c) Der Begriff des gewöhnlich möglichen Erwerbes. . ... .. . .... d) Die Ermittlung des durch anderweitige Verwendung gewöhnlich möglichen Erwerbes .................................. 5. Formel zur Berechnung der Entschädigungspauschale unter Berücksichtigung gewöhnlich ersparter Aufwendungen und anderweitigen Erwerbes ........................................... 6. Weitere Faktoren ............................................ a) Fluktuation und Mehrkosten .............................. b) Ausbuchungsquote .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rücktrittszeitpunkt ........................................ d) Rücktrittsgrund ........................................... IH. Charakterisierung ............................................... 1. Abstrakte Berechnungsmethode .............................. 2. Abstrakt-normative Berechnungsmethode im Hinblick auf den einzelnen Rücktrittsfall ...................................... 3. Abstrakt-typisierende Berechnungsmethode im Hinblick auf die jeweilige Reiseart ............................................ IV. Bewertung...................................................... 1. Gewährleistung von "Gruppengerechtigkeit" .................. 2. Verbesserung der Rechtsstellung des Reisenden ..............

78 78 79 79 81 81 81 82 82 83 83 84 84 84 85 86 87 88 89 90 91 93 94 94 96 96 97 97 98

8. Kapitel

Die Wahl der Berechnungsmethode 1. Einleitung H. Bei Fehlen oder Unwirksamkeit einer Pauschalierungsabrede .... IH. Bei Vorliegen einer Pauschalierungsabrede ...................... 1. Ohne Einräumung eines Wahlrechts zwischen konkreter und abstrakter Berechnung ........................................ a) Wahlrecht des Reiseveranstalters .......................... b) Wahlrecht des Reisenden ..................................

99 99 100 100 100 102

Inhal tsverzeichnis 2. Mit Einräumung eines Wahlrechts zwischen konkreter und abstrakter Berechnung ....................................... a) Wahlrecht des Reiseveranstalters .......................... b) Wahlrecht des Reisenden .................................. c) Wahlrecht des Reiseveranstalters und des Reisenden ...... IV. Zusammenfassung

13 108 108 110 110 113

9. Kapitel

Die Höhe der Entschädigung: Richterliche Kontrolle und Beweislast I. Prüfungsmaßstab: § 651 i ........................................ 11. Prüfungsmaßstab: AGBG ........................................ 1. Kontrolle bei konkreter Berechnung (§ 651 i 11 3) .............. 2. Kontrolle bei pauschalierter Berechnung (§ 651 i 111) .......... a) Kontrollschranke § 8 AGBG .............................. b) Inhaltskontrolle gern. §§ 9 - 11 AGBG ...................... 111. Die Unwirksamkeitsfolgen ...................................... IV. Die Beweislast

114 114 114 115 115 116 118 119

10. Kapitel

Gläubiger- und Schuldnerstellung I. Aktiv- und Passivlegitimation für die Entschädigungsforderung 120 1. Aktivlegitimation des Reiseveranstalters ...................... 120

2. Aktivlegitimation des Reisebüros ............................. a) Aus fremdem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) In fremdem Namen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) In eigenem Namen .................................... b) Aus eigenem Recht ........................................ aa) Nach Abtretung durch den Reiseveranstalter ........... bb) Aus den AGB des Reiseveranstalters .................. ce) Aus Geschäftsbesorgung für den Reis'enden, §§ 675, 670 analog ................................................ dd) Aus Geschäftsführung ohne Auftrag für den Reisenden, §§ 677, 683, 670 ........................................ ee) Aus ungerechtfertigter Bereicherung §§ 684, 812 ...... 3. Das Ausfallrisiko ............................................ 4. Die Passivlegitimation des Reisenden - auch bei Bestehen einer Reiserücktrittskosten-Versicherung ........................... 11. Passivlegitimation bei Rückforderung zu Unrecht bezahlter Entschädigung durch den Reisenden ................................ 1. Passiv legitimation des Reiseveranstalters .................... 2. Passivlegitimation des Reisebüros ............................

120 120 120 120 122 122 123 123 124 125 126 127 128 128 128

Schlußbetrachtung ..................................................... 130 Literaturverzeichnis ................................................... 132

Abkürzungsverzeichnis a.A.

AcP a.F. AG AGB AGBG allg. M. a.M. Anm. AnwBl Art. AT BAG BB Betrieb BGBl BGH BGHZ BinnSchG BlGBW BMJ BR BT c. i. c. DAR ders. Diss. DRiZ Drucks. DRV Einl. EVO Fn.

FVE

FVW

GG

GK HdVR HGB

andere Ansicht Archiv für civilistische Praxis alte Fassung Amtsgericht Allgemeine ~schäftsbedingungen ~setz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom 9. 12. 76, BGBl I 3317 allgemeine Meinung anderer Meinung Anmerkung Anwaltsblatt Artikel Allgemeiner Teil Bundesarbeitsgericht Der Betriebsberater Der Betrieb Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des BGH in Zivilsachen Binnenschiffahrtsgesetz Blätter für Grundstücks-, Bau- und Wohnungsrecht Bundesministerium der Justiz Bundesrat Bundestag culpa in contrahendo Deutsches Autorecht derselbe Dissertation Deutsche Richterzeitung Drucksache Deutscher Reisebüro-Verband e. V. Einleitung Eisenbahn-Verkehrsordnung vom 8.8.39, RGBl II 663, BGBl III 9 Nr. 934-1 Fußnote Sammlung fremdenverkehrsrechtlicher Entscheidungen Fremdenverkehrswirtschaft Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 49 BGBll, BGBl III 100-1 Gemeinschaftskommentar Handbuch des Verbraucherrechts Handelsgesetzbuch vom 10.5.97, RGBl 219, BGBl III 4 Nr. 4100-1

Abkürzungsverzeichnis h.M. Hrsg. JA JR JurBüro JuS Jura JZ LG Lit. MDR Mot. MünchKomm m.w.N. NJW OLG PostG RabelsZ Rdn. RegE RG RGZ RGRK Rspr. RTour SR str. StudKomm VersR vgl. VOB WM z.B. ZfV ZHR zit. ZLW ZRP z.T. zust.

15

herrschende Meinung Herausgeber Juristische Arbeitsblätter Juristische Rundschau Das juristische Büro Juristische Schulung Juristische Ausbildung Juristenzeitung Landgericht Literatur Monatsschrift für Deutsches Recht Motive Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenzeitschrift Oberlandesgericht Gesetz über das Postwesen vom 28. 7. 69, BGBl I 1006 Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begründet von Ernst Rabel Randnummer Regierungsentwurf Reichsgerich t amtliche Sammlung der RG-Rechtsprechung in Zivilsachen Reichsgerichtsrätekommentar Rechtsprechung Recht der Touristik Schuldrecht streitig Studienkommentar Versicherungsrecht vergleiche Verdingungsordnung für Bauleistungen Zeitschrift für Wirtschaft und Bankrecht, Wertpapiermitteilungen zum Beispiel Zeitschrift für Versicherungswesen Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für Luftrecht und Weltraumrechtsfragen Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil zustimmend

Einleitung Durch das Gesetz über den Reisevertrag1 soll nach der Begründung des Rechtsausschusses des Bundestages2 das Reisevertragsrecht auf eine eindeutige, auf einen angemessenen Interessenausgleich zwischen dem Reisenden und dem ReiseveranstaIter gerichtete Grundlage gestellt werden. Zugleich will der Gesetzgeber die Rechtsstellung des Verbrauchers verbessern. Diese Anliegen sollen im Auge behalten werden, wenn mit vorliegender Arbeit ein in der Vergangenheit besonders umstrittener Ausschnitt aus dem Reiserecht dargestellt wird: Der Rücktritt des Reisenden vom Reisevertrag vor Reisebeginn (§ 651 i)3. Den Hauptteil der Arbeit (Teil 3) bildet die Erörterung des Entschädigungsanspruchs des ReiseveranstaIters (§ 651 i 11 2, 3, 111). Vor Inkrafttreten des Reisevertragsgesetzes war dies der neuralgische Punkt im Zusammenhang mit dem Rücktritt des Reisenden, was durch zahlreiche Entscheidungen belegt ist (5. Kapitel). Nicht daß dem Reiseveranstalter infolge des Rücktritts ein Anspruch erwächst, war umstritten, sondern die Höhe des Anspruchs. Rechtswirklichkeit war (und ist), daß alle Reiseveranstalter im Anschluß an die Konditionenempfehlungen des Deutschen Reisebüro-Verbandes e. V. (DRV)' diesen Anspruch in ihren AGB im voraus pauschalierten. Die Rechtsprechung sah sich vor die Aufgabe gestellt, über die Höhe der Pauschalen zu befinden: die Urteile zeugen von der Rechtsunsicherheit auf diesem Gebiet: Eine Pauschale von 75 % des Reisepreises wurde einmal angezweifelt5 , ein andermal auf 15 Ofo herabgesetzt6 ; Pauschalen von 55 % wurden teils für angemessen befunden7 , teils auf 45 % herabgesetzts. Es gab also zwar Anhaltspunkte aus der Rechtsprechung zur Höhe der Pauschalen9 , verläßlich jedoch waren sie nicht. Es verwundert deshalb nicht, wenn HenBGB11979 I, 509. BT-Drucks. 8/2343, 6. 3 Vorschriften ohne Gesetzesangabe sind solche des BGB. 4 Ziff. 5.1 (Bundesanzeiger Nr. 210 vom 5. 11. 1976). 5 BGHZ 60, 14 = JZ 73, 366 (Medicus) = FVE 7, 249. 6 AG Ludwigshafen FVE 9, 296. 7 AG München FVE 8, 305, LG Düsseldorf FVE 9, 211. 8 AG Augsburg FVE 10, 257. 9 a. M. Eberle Reiseveranstaltungsvertrag 20, wonach Anhaltspunkte aus der Rspr. fehlen. 1

2

2 Eichinger

Einleitung

18

sen10 davon abriet, die Höhe der Pauschalsätze zu bestreiten; allerdings lag im Bestreiten ein Risiko nicht "wegen der Undurchsichtigkeit dieses Gewerbes"l1, sondern deshalb, weil die Gerichte keine einheitlichen Kriterien für die Bemessung der Pauschalhöhe zur Hand hatten (5. Kapitel II! 2). Ob die Angabe von Kriterien in § 651 i II! ein Schritt in Richtung Rechtssicherheit ist, bleibt zu untersuchen.

10

11

Ulmex / Brandner / Hensen (3. Auflage 1978) AGBG § 11 Nr. 5 Rdn. 25. Ulmer / Brandner I Hensen (3. Auflage 1978) AGBG § 11 Nr. 5 Rdn. 25.

Erster Teil

Grundlagen 1. Kapitel

Das Reisevertragsgesetz I. Entstehungsgeschichte Auf die unklaren rechtlichen Verhältnisse im Pauschalreisewesen war im Bundestag bereits 1971 durch eine sogenannte Kleine Anfraget hingewiesen und um eine gesetzliche Regelung der Materie zum besseren Schutz der Reisenden nachgefragt worden. Die Bundesregierung hatte in ihrer Antwort vom 21. 9. 19712 die Prüfung zugesagt, "ob u. U. eine auf das innerstaatliche Recht beschränkte Regelung dieser Materie in Betracht zu ziehen ist"; denn zu diesem Zeitpunkt wurde noch erwogen, dem Brüsseler "Internationalen übereinkommen über den Reisevertrag" vom 23. 3. 1970 (CCV)3 beizutreten. Dieses übereinkommen wurde durch die Bundesrepublik wegen Unklarheiten in wesentlichen Fragen des Gewährleistungsrechts und in der Abgrenzung des Verantwortungsbereichs des Reiseveranstalters von demjenigen der Leistungsträger' nicht ratifiziert6 • Im August 1973 wurde im Bundesjustizministerium der erste Referentenentwurf eines Gesetzes über den Reiseveranstaltungsvertrag veröffentlichte. Dieser Entwurf sah ebenso wie der hierauf basierende Entwurf der Bundesregierung vom 6. 5. 1976' , unverändert in die 8. Wahlperiode eingebracht am 27. 7. 19778 , eine Regelung des Reiseveranstaltungsvertrages außerhalb des BGB vor9 • Der BT-Drucks. VI/2557. BT-Drucks. VI/2587. 3 Ausführlich hierzu Rebmann Betrieb 71, 1949 ff., 2002 ff.; Riese RabelsZ 68, 651 mit dem Entwurf des Textes, TonneT Einl. Rdn. 22 - 24. 4 BT-Drucks. 81786, 10. 3 Ratifiziert wurde das Abkommen bisher lediglich durch Belgien, Kamerun und Taiwan, TonneT Einl. Rdn. 24. 8 BMJ-3420/13-11487/73; dazu Schulz ZRP 73, 273, TonneT Einl. Rdn. 25 - 32. 7 BT-Drucks. 7/5141. 8 BT-Drucks. 81786. 9 Im einzelnen TonneT Einl. Rdn. 33 - 36. 1

2

20

1.

Kap.: Das Reisevertragsgesetz

Bundesrat10 hielt zwar gesetzliche Vorschriften über den Reisevertrag grundsätzlich für notwendig, meldete aber gegen ein derartiges "Sondergesetz" Bedenken an: Durch eine Regelung außerhalb des BGB bestehe die Gefahr der Rechtszersplitterung und der Erschwerung der Rechtsanwendung, insbesondere würde die vorgesehene, an das Haager Kaufrecht angelehnte, völlig neue Konzeption des Leistungsstörungsrechts zu Unklarheiten über das Verhältnis dieser Vorschriften zu denen des BGB führen. Diese Bedenken griff der Bundestag auf; Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages vom 4. 12. 1978 11 .integrierten den Reisevertrag als einen dem Werkvertrag ähnlichen Vertrag in das BGB12. In dieser Fassung wurde die von der Bundesregierung eingebrachte Vorlage vom 13. 12. 1978 in zweiter und dritter Beratung vom Bundestag als Gesetz beschlossen 13 . Hiergegen rief der Bundesrat!' mit dem Ziel der Straffung und Kürzung der Regelung, insbesondere der Streichung des § 651 h (Haftungsbeschränkung) gern. Art. 77 11 GG den Vermittlungsausschuß an. Dort wurde das Verfahren ohne Einigungsvorschlag abgeschlossen15 , worauf der Bundesrat beschloß, keinen Einspruch zu erheben 1G . Das Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches (Reisevertragsgesetz) vom 4. 5. 1979 wurde im BGBl I, 509 am 10. 5. 1979 verkündet und trat am 1. 10. 1979 in Kraft.

11. Die systematische Stellung des Reisevertragsgesetzes im BGB Der Reisevertrag ist im BGB im 7. Kapitel unter der 'überschrift "Werkvertrag und ähnliche Verträge" geregelt. Dadurch, daß der Reisevertrag als ein dem Werkvertrag ähnlicher Vertrag bezeichnet wird, soll sichergestellt werden, daß auf die Vorschriften des Werkvertrages zurückgegriffen werden kann, soweit die §§ 651 a - k keine besondere Regelung vorsehen17 . Für Fragen der Gewährleistung gilt daher, daß ein subsidiärer Rückgriff auf die Vorschriften des Werkvertrages unzulässig ist, da die §§ 651 c - f für den Reisevertrag eine abschließende 10 Beschluß vom 3. 6. 1977 - BR-Drucks. 194177 = BT-Drucks. 81786, 35 (Anlage 2). 11 BT-Drucks.8/2343. 12 Im einzelnen Tonner Einl. Rdn. 37 - 45. 13 Plenarprotokoll 8/124. 14 Beschluß vom 16.2. 1979 BR-Drucks. 29179 = BT-Drucks. 8/2589. 15 Mitteilung des Vorsitzenden des Vermittlungsausschusses vom 29.3. 1979 - BR-Drucks. 80179 = BT-Drucks. 8/2712. 16 Beschluß vom 6. 4. 1979 BR-Drucks. 80179 (Beschluß). 17 BT-Drucks. 8/2343, 7 zu Art. 1 Nr. 1.

III. Sachlicher Anwendungsbereich

21

Sonderregelung enthalten18 • Aber auch soweit im Reisevertragsrecht keine Regelung getroffen ist, ist zu berücksichtigen, daß der Reisevertrag gegenüber dem Werkvertrag typologische Verschiedenheiten aufweistt 9 • Auf die Regeln des Werkvertrages darf daher nur insoweit zurückgegriffen werden, als dies die Ähnlichkeit der Vertragstypen erlaubt 20 • Ein Beispiel von LaTenz21 soll dies verdeutlichen: Während beim Werkvertrag das fertige Resultat, gedanklich abgelöst von der Tätigkeit des Unternehmers, den "Erfolg" darstellt, zieht der Reisende den erstrebten Erfolg oder Nutzen bereits fortlaufend während der gesamten Reise und nicht erst bei ihrer Beendigung. Wegen dieser Verschiedenheit ist es nicht gerechtfertigt, die an der Erfolgsbezogenheit des Werkes orientierte Gefahrtragungsregel des § 644 I 1 i. V. m. § 646 in dem Fall anzuwenden, daß die Reise ohne Verschulden eines Vertragsteiles nicht vollendet werden kann; zurückzugreifen ist vielmehr auf die allgemeine Leistungsstörungsregel des § 323 22 • Dagegen ergeben sich aus der typologischen Verschiedenheit von Werkvertrag und Reisevertrag keine Bedenken gegen die entsprechende Anwendung des § 645, wenn die Reise infolge eines in der Sphäre des Reisenden liegenden Umstandes nicht vollendet werden kann23 • Im Verhältnis zum Recht der Leistungsstörungen, § 323 ff., dessen Anwendbarkeit neben den Vorschriften des Reisevertragsgesetzes außer Zweifel steht 24, treten Probleme bei der Abgrenzung zwischen Unmöglichkeit und Mangel26 sowie bei der Frage der Anwendbarkeit des § 651 j auf den Fall der Unmöglichkeit20 auf. Insoweit muß auf die angegebene Literatur verwiesen werden. 111. Der sachliche Anwendungsbereich des Reisevertragsgesetzes Sachlicher Anwendungsbereich der §§ 651 a - k ist der Reisevertrag 27 , d. h. der Vertrag über die Pauschalreise28 • Nach § 651 a I ist WesensMünchKomm / Löwe vor § 651 c Rdn. 1. Eingehend LaTenz VersR 80, 689 ff. 20 LaTenz VersR 80, 689, MünchKomm / Löwe § 651 a Rdn. 1. 21 VersR 80,689,690. 22 LaTenz VersR 80, 689, 690. 23 So bereits der BGH (Pockenfall), BGHZ 60, 14 = JZ 73, 373 (mit zust. Anm. Medicus); vgl. dazu auch unten 3. Kap. V. 24 MünchKomm / Löwe vor § 651 c Rdn. 4 - 11, OLG Celle NJW 82, 770. 25 Dazu Teichmann JZ 79, 737, 738, MünchKomm / Löwe vor § 651 c R.dn. 8 - 10, LaTenz VersR 80, 689, 690 f. 28 Näher dazu unten 3. Kap. III 2. 27 Vor Inkrafttreten des Reisevertragsgesetzes als ReiseveranstaItungsvertrag bezeichnet; eine sachliche Änderung ergibt sich durch die Bezeichnung als Reisevertrag nicht, BT-Drucks. 8/2343, 7 zu § 651 a. 28 BT-Drucks. 8/2343, 7 zu § 651 a. 18 19

22

1.

Kap.: Das Reisevertragsgesetz

merkmal des Reisevertrages, daß sich der Reiseveranstalter verpflichtet, eine Gesamtheit von Reiseleistungen (Reise) zu erbringen. Eine Gesamtheit von Reiseleistungen liegt unter zwei Voraussetzungen vor: Es müssen objektiv mindestens zwei Reiseteile, z. B. Flug und Unterkunft, vorhanden sein, wobei der eine Leistungsteil nicht nur eine unerhebliche Nebenleistung neben dem anderen Leistungsteil sein darf2 8 ; die Vermittlung eines Ferienhauses fällt daher nicht unter die Vorschriften des ReisevertragsgesetzegllO. Zum anderen muß die Reise nach einem vorher festgelegten ausgeschriebenen Programm angeboten seins!, d. h. es muß eine vorherige "Verschmelzung"32 mehrerer Leistungsteile zur Pauschalreise stattgefunden haben; die "Einzelreise" - davon spricht man, wenn z. B. ein Reisebüro für einen Geschäftsreisenden Flug und Hotelunterkunft bucht -, fällt daher nicht unter den Anwendungsbereich des Reisevertragsgesetzes33•

!9

Bartl NJW 79, 1385. BT-Drucks. 8/2343, 7 zu § 651 a. -

Zur Einordnung des Vertrages über ein Ferienhaus vgl. Tonner NJW 81, 1921 ff. 31 BT-Drucks. 8/2343, 7 zu § 651 a. 32 Bartl NJW 79, 1385. 33 BT-Drucks. 8/2343, 7 zu § 651 a. 30

2. Kapitel

Der Reisevertrag I. Die am Reisevertrag beteiligten Rechtssubjekte 1. Der Reiseveranstalter

Wer unter den oben1 genannten Voraussetzungen eine Reise anbietet, ist Reiseveranstalter, § 651 a I, auch wenn er erklärt, lediglich Vermittler zu sein, § 651 a II. Gewerbliche Tätigkeit ist nicht Voraussetzung der Veranstaltereigenschaft2 • Daher kann auch ein Zeitungsverlags, ein Sportverein oder eine Volkshochschule4 , die eine Reise organisieren, Reiseveranstalter sein5 • 2. Der Reisende

Der Reisende ist der Vertragspartner des Reiseveranstalters, der in eigenem Namen für sich oder/und andere Reiseteilnehmer die Reise bucht6 • Der Reisende kann zwar nach § 651 b verlangen, daß statt seiner ein Dritter an der Reise teilnimmt, er bleibt aber Vertragspartner des Reiseveranstal ters7 • 3. Die Leistungsträger

Leistungsträger sind diejenigen Personen, welche die einzelnen Reiseleistungen ausführen, § 651 a H, z. B. Hotelier oder Busunternehmer8 • 4. Das Reisebüro

In seiner Funktion, die es nach der Verkehrsauffassung typischerweise hat, ist das Reisebüro Verkaufsstelle für Leistungen Dritter, d. h. 1. Kap. !II. h. M., z. B. MünchKomm I Löwe vor § 651 a Rdn. 11, Palandt I Thomas Einf. vor §§ 651 a - k Anm. 3, Jauernig I Teichmann § 651a Anm. 2 b. 3 LG Darmstadt NJW 78, 2300. 4 LG Darmstadt FVE 9, 315. 5 Zweifelnd Pickartz NJW 82, 1135, dagegen Löwe NJW 82, 1633. 6 MünchKomm I Löwe vor § 651 a Rdn. 13. 7 Dazu unten 3. Kap. VI. B Näher Grunewald NJW 80, 1924 ff. 1

2

24

2. Kap.: Der Reisevertrag

Vermittler aller Arten von Fremdleistungen9 , z. B. von Fahrkarten, Flugtickets, Schiffspassagen usw. 10, aber auch von Pauschalreisen anderer Reiseveranstalter. Daneben kann sich auch das Reisebüro mit der Organisation von Pauschalreisen befassen. 11. Die Rechtsbeziehungen der am Reisevertrag Beteiligten 1. Reisender - ReiseveranstaIter

Der Reisevertrag im Sinne von § 651 a I wird zwischen dem Reiseveranstalter und dem Reisenden abgeschlossen. Allein in diesem Verhältnis gelten die Vorschriften der §§ 651 a - k. Mit der Schaffung des Typus Reisevertrag ist der Streit über die rechtliche Einordnung dieses Vertrages beendetl l . Durch § 651 allwird klargestellt, daß die Erklärung des Reiseveranstalters, lediglich Verträge mit den Leistungsträgern zu vermitteln, unberücksichtigt bleibt, wenn nach den sonstigen Umständen der Anschein begründet wird, der Erklärende werde die Reiseleistungen in eigener Verantwortung erbringen11!. Die Bestimmung enthält eine Konkretisierung der in §§ 133, 157 enthaltenen Rechtsgrundsätze13, die bereits im sogenannten Ferienhaus-Urteil des BGH14 zur Unwirksamkeit der lange Zeit für ohne weiteres gültig gehaltenen16 "Vermittlerklausel" geführt hatte. Der Reiseveranstalter haftet somit dem Reisenden nach den Vorschriften des Reisevertragsgesetzes, wobei nach allgemeiner Meinung16 die Leistungsträger Erfüllungsgehilfen des Reiseveranstalters sind, für die er gemäß § 278 einzustehen hat, ohne daß es darauf ankäme, ob die Leistungsträger von Weisungen des Reiseveranstalters abhängig sind oder nicht.

o Bartl RTour Gruppe 130 Rdn. 21.

BGHZ 52, 194, 198. überblick über die Einordnungsmöglichkeiten vor Inkrafttreten des Rcisevertragsgesetzes bei Sünner 39 ff., Arndt 21, 24 ff.; durchgesetzt hatte sich die Einordnung als Werkvertrag, BGHZ 60, 14, BGHZ 61, 275, jeweils r!1. w. N. Aus dogmatischen Erwägungen zweifelnd Rother FS Larenz 1973, 435,451. 12 Zuletzt LG Frankfurt MDR 82, 229. 13 BT-Drucks. 8/2343, 7 zu § 651 a. 14 BGHZ 61, 275 = NJW 74, 37 = JZ 73, 335 (m. Anm. Medicus); in dieser Richtung bereits Sünner 39 ff. 1;; Klatt 1 Fischer 146, Klatt 56, Weima1° Das Recht auf der Reise, 1970, 50. 16 Z. B. MünchKomm 1Löwe vor § 651 a Rdn. 14, ausführlich dazu Grunewald NJW 80, 1924 ff. 10 11

II. Die Rechtsbeziehungen der Beteiligten

25

2. Reisender - Reisebüro

Die rechtliche Qualifikation der Beziehungen zwischen dem Reisebüro und dem Reisenden richtet sich danach, in welcher Weise das Reisebüro tätig wird. In seiner typischen Funktion wird das Reisebüro als Verkaufsstelle für Leistungen Dritter tätig t7 • In dieser Funktion erbringt es die Reiseleistungen nicht in eigener Verantwortung, sondern vermittelt lediglich Verträge zwischen dem Reisenden und z. B. der Bundesbahn oder einem Reiseveranstalter. Wenn das Reisebüro eine von einem anderen Unternehmen organisierte Pauschalreise nach einem von diesem herausgegebenen Prospekt verkauft18, kommt der Reisevertrag i. s. v. § 651 a zwischen diesem Reiseveranstalter und dem Reisenden zustande. Aber auch zwischen dem Reisebüro und dem Reisenden bestehen eigene rechtliche Beziehungen. Welcher Art diese Beziehungen sind, war in der Vergangenheit unklar. Daß es sich bei dem Vertrag zwischen Reisebüro und Reisenden um einen Reisevermittlungsvertrag handle, dient nur der Klarstellung, daß kein Reiseveranstaltungsvertrag vorliegt; eine rechtliche Qualifikation ist damit aber nicht vorgenommen19 • Die Auffassung, daß zwischen Reisebüro und Reisenden in der Regel keine Rechtsbeziehungen bestehenlW, trifft nur für das veranstaltereigene2l, nicht aber für das selbständige Reisebüro zu. Die Qualifizierung des Vermittlervertrages als "eine dem Maklervertrag ähnliche Vereinbarung"22 wurde nicht weiter aufgegriffen. Unentgeltlicher Auftrag, § 662, liegt deshalb nicht vor, weil der Reisende mit dem Pauschalreisepreis gleichzeitig die darin enthaltene Provision für das Reisebüro bezahlt23 • Durchgesetzt hat sich die Einordnung des Vermittlervertrages als Geschäftsbesorgungsvertrag24 mit Werkvertragscharakter25 , bzw. als Oben 2. Kap. I 4. z. B. BGHZ 61, 275, 278, LG Freiburg WM 79, 118, 120. 19 Bartt RTour Gruppe 130 Rdn. 25. 20 Eberle Betrieb Beilage 3173, 3; wohl auch Baumbach / Duden HGB § 84 Anm.4D. 21 Ist das Reisebüro nur Verkaufsstelle des veranstaltenden Unternehmens, - sogenannte "veranstaltereigene Buchungsstelle" - so ist die Rechtslage nicht anders, als wenn der Reisende direkt an den Veranstalter herangetreten wäre: Da veranstaltereigene Buchungsstellen keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen, entstehen in diesem Fall keine eigenen Rechtsbeziehungen zwischen dem Reisebüro und dem Reisenden. Vgl. dazu Sünner 81. - Einen überblick über wirtschaftliche Aspekte veranstaltereigener und -fremder Buchungsstellen geben Klatt / Fischer 37 ff. 22 LG Frankfurt FVE 2,146,148. 23 BGHZ 61, 275, BGH NJW 74, 37. 24 MünchKomm / Löwe vor § 651 a Rdn. 17, LG Frankfurt FVE 4,165,168 f., Eberle Reisevertrag 12. 25 Tonner § 651 a Rdn. 7 m. w. N. 17 18

2. Kap.: Der Reisevertrag

26

Geschäftsbesorgungsvertrag, der einen Werkvertrag zum Gegenstand hat21l • Zum anderen kann sich aber auch ein Reisebüro mit der Organisation und Durchführung von Pauschalreisen befassen. Bucht der Reisende eine solche, vom Reisebüro selbst organisierte Reise, so hat er mit dem Reisebüro einen Reisevertrag i. S. v. § 651 a geschlossen. Das Reisebüro ist dann selbst Reiseveranstalter und es gelten keine Besonderheiten gegenüber der oben 11 1 dargestellten Lage. Der Firmenzusatz "Reisebüro" hat für die Beurteilung, ob das Reisebüro selbst Veranstalter ist oder nicht, nicht einmal indizielle Bedeutung27 ; denn selbst Großveranstalter firmieren unter dem Namen "Reisebüro"28. Es ist vielmehr in allen Fällen, in denen ein Reisebüro für den Reisenden tätig geworden ist, vorweg zu klären, ob das Reisebüro eine "eigene", d. h. von ihm selbst organisierte Reise verkauft hat und deshalb Veranstalter i. S. v. § 651 a ist. Aber auch wenn das Reisebüro nicht Selbstorganisator der Pauschalreise ist, jedoch nach außen so auftritt, als sei es der Veranstalter, so gilt es gemäß § 651 allals Reiseveranstalter und haftet dem Reisenden nach den Vorschriften des Reisevertragsgesetzeg29. 3. Reisender - Leistungsträger

Zwischen Reisendem und Leistungsträgern werden in aller Regel keine Verträge abgeschlossen. Zum Teil wird daher angenommen, daß zwischen dem Reisenden und den Leistungsträgern keinerlei vertragliche Beziehungen bestehen30 • Jedoch ist es denkbar, daß der Reisende im Verhältnis zu den Leistungsträgern die Stellung eines Dritten i. S. v. § 328 hat. Dies hängt von der Gestaltung der Verträge zwischen dem Reiseveranstalter und den einzelnen Leistungsträgern ab31 • Daß Reiseveranstalter und Leistungsträger im Normalfall einen echten Vertrag zugunsten des Reisenden i. S. v. § 328 abschließen32 mit der Folge, daß der Reisende von den einzelnen Leistungsträgern die Leistung unmit26 Bartl Rdn. 10, RTour Gruppe 130 Rdn. 21 ff., insb. Rdn. 27 ff. m. N. aus Rspr. und Lit. 27 So aber Bartl NJW 78, 730. 28 z. B. "Hapag-Lloyd-Reisebüro", "abr" (Amtliches Bayerisches Reisebüro), "Reisebüro Gargano Tours". 2D So bereits BGHZ 61, 275, 278, BGHZ 52, 194, 198, LG Freiburg WM 79,

119.

Tonner Einl. Rdn. 14. MünchKomm / Löwe vor § 651 a Rdn. 15, Brox JA 79, 493, 494, Larenz VersR 80, 689, 693. 82 MünchKomm / Löwe vor § 651 a Rdn. 15, Erman / Seiler § 651 a Rdn. 11, Pafandt / Thomas § 651 a Anm. 4, Eberle Reisevertrag 11, LG Paderborn FVE 80

31

9,319,321.

11. Die Rechtsbeziehungen der Beteiligten

27

telbar fordern und somit auch Mängelansprüche geltend machen kann, wird mit Recht bezweifel1;3s; denn § 651 allgeht davon aus, daß der Reiseveranstalter die Reiseleistungen in eigener Verantwortung erbringt und daher auch alle Konsequenzen trägt, die sich aus der Mangelhaftigkeit der Leistungen ergeben; dem entspricht aber, daß sich der Reiseveranstalter selbst mit den Leistungsträgern auseinandersetzt und nicht jeder Reisende auf eigene FaustS4• Doch kann die Auslegung im Einzelfall ergeben, daß zwischen Reiseveranstalter und Leistungsträger ein Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte3ö, nämlich für die Reisenden, abgeschlossen is1;36; nach der Rechtsprechung des BGH37 ist aber der Kreis der berechtigten Personen eng zu ziehen. Ergibt die Auslegung im Einzelfall nichts für einen Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, so haften die Leistungsträger dem Reisenden nach den Vorschriften der §§ 823 ff.a s. 4. Reisebüro - Reiseveranstalter

Selbständiges Reisebüros9 und Reiseveranstalter arbeiten in der Regel aufgrund eines sogenannten Agenturvertrages zusammen40 • Die Ausgestaltung dieses Vertrages41 zeigt, daß das Verhältnis zwischen Reisebüro und Reiseveranstalter als Handelsvertreterverhältnis i. S. v. §§ 84 ff. HGB zu qualifizieren istc . Ob das Reisebüro Vermittlungs- oder Abschlußvertreter des Reiseveranstalters ist, bestimmt sich nach dem im Innenverhältnis erteilten Auftrag und der gegebenen Vollmacht4S • Im Zweifel ist der Handelsvertreter Vermittlungsvertreter44 • Als solcher führt er die Verhandlungen und bereitet den Vertragsschluß vor, überläßt aber den Abschluß selbst dem Unternehmer 45 ; zur Entgegennahme Larenz VersR SO, 689, 693, Soergel/ Müht vor § 651 a Rdn. 6. Larenz VersR 80, 689, 693, Soergel / Müht vor § 651 a Rdn. 6. 35 Zu diesem Vertrag Larenz SR I § 17 11. 3S Jauernig / Teichmann § 651 a Anm. 3 a, Soergel/ Müht vor § 651 a Rdn. 6, Eberte Betrieb 78, 2157, 2158, Larenz VersR 80, 689,691. 33 34

37

38 39

BGH NJW 77, 2073 m. w. N.

Tonner Einl. Rdn. 14.

Zum unselbständigen vgl. oben Fn. 21.

Sünner 83,85, BGH NJW 82, 377; AG München FVE 5, 218, 219. 41 Vgl. den Mustervertrag bei Ktatt / Fischer 301. 42 Ganz h. M. in Lit. und Rspr., Sünner 83, Baumbach / Duden HGB § 84 Anm. 3 c, Ktatt / Fischer 143, 175, Ktatt 142, BGH NJW 74, 852, NJW 74, 1242, 40

NJW 82, 377, LG Duisburg FVE 2, 158, AG Köln FVE 5, 264. - a. M. ohne Begründung LG Freiburg WM 79, 118, 119. 43 Baumbach / Duden HGB § 84 Anm. 3 B. U Baumbach / Duden HGB § 84 Anm. 3 B. 45 Bandasch / Haumann, GK-HGB § 84 Rdn. 3, Schlegelberger / Schröder HGB § 84 Anm. 17.

2. Kap.: Der Reisevertrag

28

von Vertragsangeboten ist er ermächtigt46 . Dieser Tätigkeitsbereich entspricht in aller Regel dem eines Reisebüros: Es nimmt, zumeist auf Vordrucken des Reiseveranstalters, die Anmeldung (Angebot auf Abschluß eines Reisevertrages) des Reisenden entgegen und sendet sie an den Reiseveranstalter; dieser bestätigt die Anmeldung und sendet die Bestätigung dem Reisebüro zurück, das sie wiederum dem Reisenden aushändigt (Annahme)47. In der Regel ist daher das Reisebüro Vermittlungsvertreter des Reiseveranstalters i. S. v. § 84 I S. 1, 1. Alt. HGB4s.

46 47 48

Schlegelberger / Schröder HGB § 84 Anm. 18 c. Klatt / Fischer 143. So auch BGH NJW 82, 377, AG Köln FVE 5, 264, 266.

Zweiter Teil

Die Voraussetzungen des Rücktritts des Reisenden vor Reiseheginn 3. Kapitel

Das Verhältnis des Rücktritts (§ 651 i I) zu anderen Fällen der Vertragsbeendigung I. Einleitung Gern. § 651 i I kann der Reisende vor Reisebeginn jederzeit vom Reisevertrag zurücktreten. Auf den Grund des Rücktritts soll es nicht ankommen1 ; daraus ist jedoch nicht zu folgern, daß jeder Rücktritt vor Reisebeginn nach § 651 i .abzuwickeln wäre. Denn ohne daß dies in der Vorschrift ausdrücklich erwähnt wäre!, bleiben anderweitige Kündigungs- und Rücktrittsmöglichkeiten des Reisenden unberührt3 • Dies ist für ihn deshalb von Bedeutung, weil er bei einem Rücktritt nach § 651 i I stets dem Entschädigungsanspruch des Reiseveranstalters gern. § 651 i II 2 ausgesetzt ist, bei einer Vertragsauflösung nach anderen Vorschriften aber meist weniger Belastungen zu tragen hat'. Im folgenden soll der Rücktritt i. S. v. § 651 i zu anderen Möglichkeiten der Loslösung vom Reisevertrag abgegrenzt werden. 11. Rücktritt und Nichtzustandekommen des Reise" vertrages" Nicht um einen Rücktritt i. S. v. § 651 i I handelt es sich in den Fällen, in denen ein Vertrag nicht zustande gekommen ist. Ein Rücktritt vom Reise " vertrag " , der in § 651 i I vorausgesetzt ist, ist bereits begrifflich nicht möglich. BT-Drucks. 8/2343, 12. Der RegE BT-Drucks. 7/5141 hatte in § 8 IV ausdrücklich bestimmt, daß die übrigen nach dem Reisevertragsrecht bestehenden Rücktrittsrechte unberührt bleiben. 3 Allg. M., z. B. MünchKomm / Löwe § 651 i Rdn. 2. 4 MünchKomm / Löwe § 651 i Rdn. 4. 1

2

30

3. Kap.: Rücktritt und anderweitige Vertragsbeendigung

Kein Vertrag existiert in den Fällen des offenen oder versteckten Dissenses, §§ 154, 155, der Nichtigkeit des Angebots oder der Annahme eines Geschäftsunfähigen, §§ 104, 105, der wegen Genehmigungsverweigerung endgültigen Unwirksamkeit des Angebots oder der Annahme eines beschränkt Geschäftsfähigen, § 108 III6, der Nichtigkeit des Vertrages wegen Verstoßes gegen ein Gesetzesverbot, § 134, oder gegen die guten Sitten, § 138, sowie in den Fällen anfänglicher Unmöglichkeit, § 306. 111. Rücktritt und anderweitige Lösungsmöglichkeiten des Reisenden vom Reisevertrag 1. Kündigung gemäß § 651 e

Nach § 651 e I kann der Reisende den Reisevertrag kündigen, wenn die Reise infolge eines Mangels erheblich beeinträchtigt wird oder ihm die Reise infolge eines solchen Mangels aus wichtigem, dem Reiseveranstalter erkennbaren Grund nicht zugemutet werden kann. In der Regel stellt sich ein Reisemangel erst im Verlauf der Reise heraus: Das Kündigungsrecht gern. § 651 e I konkurriert dann nicht mit dem Rücktrittsrecht nach § 651 i, das nur bis zum Reisebeginn gilt. Steht jedoch der gravierende und nicht behebbare6 Mangel bereits vor Reisebeginn fest7 , so kann der Reisende gern. § 651 eI kündigen8 ; dann entfällt der gern. § 651 e III 2 grundsätzlich bestehende Teilvergütungsanspruch des Reiseveranstalters für bereits erbrachte Leistungen, da diese Leistungen für den Reisenden kein Interesse haben, vgl. § 651 e III 3. Die Mehrkosten für die infolge der Aufhebung des Vertrages notwendigen Maßnahmen trägt gern. § 651 e IV der Reiseveranstalter. 2. Kündigung gemäß § 651 j

Nach § 651 j kann der Reisende, - ebenso wie der Reiseveranstalter -, den Reisevertrag kündigen, wenn die Reise infolge bei Vertragsschluß nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt wird. Da dieses Kündigungsrecht bereits vor Reisebeginn ausgeübt werden kann9 , kann es mit dem Rücktrittsrecht gern. § 651 i I konkurrieren. 5

Für den Vertreter des Reiseveranstalters gilt diese Rechtsfolge nicht, vgl.

§ 165.

Vgl. § 651 e 11. Teichmann JZ 79, 737, 738 erwähnt den Fall, daß der Reisende von einem zurückkehrenden Teilnehmer derselben Reise von einem derartigen Mangel erfährt. 8 Teichmann JZ 79, 737, 738. 9 BT-Druck.s. 8/2343, 12. 6

7

111. Anderweitige Lösungsmöglichkeiten

31

Der Begriff der höheren Gewalt ist in § 651 j ebensowenig definiert wie an anderer Stelle, vgl. z. B. § 203 H. Auch die Begründung des Rechtsausschusses gibt statt einer Definition Beispiele10. Nach Schmid11 muß es sich dabei um außergewöhnliche, von außen auf die Vertragspartner zukommende, mit ihnen nicht zusammenhängende und nicht vorhersehbare und mit äußerster Sorgfalt auch nicht abwendbare Umstände handeln. Bei Vorliegen auch nur eines geringen Verschuldens eines Vertragspartners liegt ebensowenig höhere Gewalt vor12 wie dann, wenn das Ereignis der Einflußsphäre einer Partei zuzurechnen ist13 . Das Merkmal der Unvorhersehbarkeit wurde überflüssigerweise in das Gesetz aufgenommen, da dies bereits ein Begriffsmerkmal der höheren Gewalt ist 14. Ein Kündigungsrecht für die Vertragsparteien besteht nur dann, wenn infolge der höheren Gewalt erhebliche Beeinträchtigungen der Reise entstehen. Leichtere Folgen der höheren Gewalt hingegen führen nicht zu der Ausnahmeregelung von dem Grundsatz pacta sunt servanda. Andererseits braucht die Durchführung der Reise aber nicht unmöglich zu sein15. Zur Frage des Regelungsbereiches des § 651 j16 besteht weitgehende übereinstimmung darin, daß § 651 j eine Sonderregelung für Fälle des nachträglichen Wegfalls der Geschäftsgrundlage darstellt 17 . Ebenso ist nach h. M. in dem Fall, daß die Reise infolge höherer Gewalt nicht nur erheblich beeinträchtigt, sondern gänzlich vereitelt wird, § 651 j als Sonderregelung gegenüber § 323 ebenfalls anwendbar 18. Die Fälle, die vor Inkrafttreten des Reisevertragsgesetzes unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage untersucht wurden19 , wären demnach heute daraufhin zu prüfen, ob eine erhebliche Erschwerung oder Vereitelung der Reise infolge höherer Gewalt vorliegt. Im berühmten "Pockenfall"20 würde die Anwendbarkeit des § 651 j 10 BT-Drucks. 8/2343, 12: "Solche außergewöhnlichen Umstände wie Krieg, innere Unruhen oder Naturkatastrophen". 11 NJW 79, 18, ähnlich Teichmann JZ 79, 737, 741. 12 MünchKomm / Löwe § 651 j Rdn. 3. 13 LaTenz SR 11 § 53 V. 14 BaTtZ Rdn. 146 Fn. 312, Schmid NJW 79, 15, 18. 15 BT-Drucks. 8/2343/12. 16 Nach Jauernig / Teichmann § 651 j Anm. 1 faßt § 651 j mehrere Gruppen von Leistungsstörungen systemwidrig zusammen. 17 Unter Hinweis auf BT-Drucks. 8/2343/12, Jauernig / Teichmann § 651 j Anm. 1, Jauernig JZ 79, 737, 740, MünchKomm 1 Löwe § 651 j Rdn. 1. - a. A. Leonardy DRiZ 78, 269. 18 Jauernig / Teichmann § 651 j Anm. 1, Jauernig JZ 79, 737, 740, Larenz SR 11 § 53 V, LeonaTdy DRiZ 78, 269, Rebmann DRiZ 78, 271. - a. M. BartZ Rdn. 145, undeutlich MünchKomm / Löwe § 651 j Rdn. 1. 18 Vgl. sogleich Fn. 20 - 22. 20 BGHZ 60, 14 = NJW 73, 318 = BB 73, 261 = JuS 73, 318 JZ 73, 366

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3. Kap.: Rücktritt und anderweitige Vertragsbeendigung

ausscheiden, da die Impfverträglichkeit der Einflußsphäre des Reisenden zuzurechnen ist. Auch die Fälle, in welchen sich der Reisende ein Visum nicht rechtzeitig beschaffen konnte21 würden aus demselben Grunde nicht unter § 651 j fallen. Dagegen würde es in dem Fall aus dem Jahre 1974, da ein Reisender wegen einer Verschärfung der Zypernkrise den Reisevertrag kündigte22 , darauf ankommen, ob eine erhebliche oder aber eine nur unerhebliche Erschwerung der Reise vorliegt. Bei der Frage, ob ein Streik als höhere Gewalt zu qualifizieren ist, kommt es darauf an, ob er vorhersehbar bzw. der Einflußsphäre einer Partei zuzurechnen war23 • Dauernde Streiks im Reiseland, d. h. Streiks, die schon bei Vertragsabschluß vorliegen, oder schon des öfteren stattgefunden haben und mit deren Wiederholung zu rechnen ist24 , sind vorhersehbar und stellen keinen Fall höherer Gewalt dar2 5 • Streiks der Leistungsträger des Reiseveranstalters, etwa des Hotelpersonals, sind dessen Einflußsphäre zuzuordnen und daher ebenfalls keine höhere Gewalt2'6. Dagegen handelt es sich beim unvorhersehbaren Streik der öffentlichen Transportdienste, etwa einem Fluglotsenstreik, um einen Fall höherer GewaW~7. Als Folge einer Kündigung gern. § 651 j I wegen höherer Gewalt kann der Reiseveranstalter nach § 651 j I! 1 i. V. m. § 651 e II! 2 für die bereits erbrachten Reiseleistungen Teilvergütung verlangen. 3. Rücktritt gemäß § 325 Nach § 325 I 1 steht dem Reisenden ein Rücktrittsrecht zu, wenn dem Reiseveranstalter die Leistung nach Abschluß des Reisevertrages infolge eines von ihm zu vertretenden Umstandes unmöglich geworden ist; bei teilweiserUnmöglichkeJ.t28 steht ihm gern. § 325 I 2 dasselbe Recht (m. Anm. Medicus) = FVE 7, 249, OLG Frankfurt BB 71, 1306 = JuS 72, 410 = JZ 72, 245 (m. Anm. Beuthien) = MDR 72, 50 = Betrieb 71, 1306 = FVE 6, 25 = FVE 6, 353. 21 AG Würzburg FVE 8,172,175, AG Aschaffenburg FVE 5,186,188. 22 OLG Stuttgart, Urteil vom 7.12.1975 4 U 108/75 - nicht veröffentlicht. 23 a. M. Bart[ Rdn. 148, Eberle Reisevertrag 29, wonach ein Streik nicht unter den Begriff der höheren Gewalt fällt. 24 MünchKomm / Löwe § 651 j Rdn. 3. 25 BT-Drucks. 8/2343/12. 26 MünchKomm / Löwe § 651 j Rdn. 3, Larenz SR 11 § 53 V m. w. N. in Fn. 1. 27 MünchKomm / Löwe § 651 j Rdn. 3, Teichmann JZ 79, 737, 741. a. M. Bart[ Rdn. 148, Eberle Reisevertrag 29. 28 Zur Abgrenzung von teilweiser Unmöglichkeit und Mangel i. S. v. § 651 c vgl. Teichmann JZ 79, 737, 738.

III. Anderweitige Lösungsmöglichkeiten

33

zu, wenn die teilweise Erfüllung des Reisevertrages für ihn ohne Interesse ist. Unmöglichkeit der Leistung liegt vor, wenn endgültig feststeht, daß sie vom Schuldner nicht erbracht werden kann, gleichgültig, aus welcher Sphäre das Leistungshindernis stammt29 , insbesondere bei dauernder Mitwirkungs- oder Annahmeunmögl.ichkeit des Reisenden30 , als wenn feststeht, daß der Reisende etwa wegen Krankheit, Impfunverträglichkeit31 oder Tod32 die Reise nicht wird antreten können. Die Erbringung der Reiseleistung ist dann unmöglich, auch wenn die Reisezeit nicht verstrichen ist33. Weiter setzt § 325 voraus, daß der Reiseveranstalter die Unmöglichkeit der Leistung zu vertreten hat. Bejaht wurde dies in dem Fall34, daß ein Reisender wenige Tage vor Reisebeginn erfahren hatte, ihm gehe von den laut Katalog gebuchten ,,7 Tagen" infolge ungünstiger Abflug- und Ankunftszeiten ein Tag verloren; er war zurückgetreten, da der Reiseveranstalter nicht bereit war, die Flugzeiten zu ändern; das Gericht gestand dem Reisenden ein Rücktrittsrecht gern. § 325 I wegen teilweiser, vom Reiseveranstalter zu vertretender, Unmöglichkeit und Interessewegfalls zu. In einem anderen Fall3ö konnte sich der Reisende bis zum Abfahrtstermin das notwendige Visum nicht besorgen und somit an der Reise nicht teilnehmen; da der Reiseveranstalter das Fehlen des Visums nicht zu vertreten hatte, mußte der Reisende Stornokosten zahlen. 4. Rücktritt gemä.ß § 326

Befindet sich der Reiseveranstalter mit der Reiseleistung in Verzugder Abfahrtstermin verzögert sich infolge von Umständen, die der Reiseveranstalter zu vertreten hat, §§ 284 H, 285 -, so steht dem Reisenden gern. § 326 ein Rücktrittsrecht zu36 • Werden jedoch die Voraussetzungen des § 326 I, nämlich Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung, 2P h. M., Staudinger / Werner Vorbem. zu § 293 Rdn. 3 ff., Palandt / Heinrichs § 293 Anm. 2 b, zur früher herrschend vertretenen Abstrahierungsformel vgl. Enneccerus / Lehmann § 57 I11 b m. w. N. 30 Palandt / Heinrichs § 293 Anm. 2 b. 31 BGHZ 50, 14 nimmt Unmöglichkeit der Leistung gegenüber allen Familienmitgliedern, die zusammen eine Reise gebucht haben, bereits dann an, wenn ein Mitglied das zur Einreise notwendige Impfzeugnis nicht beschaffen kann. Zu Recht zweifelnd Medicus JZ 73, 370, und Beuthien JZ 72, 247, da sich die übrigen Familienmitglieder auch dazu entschließen können, trotzdem zu reisen. 32 Bei Tod des Reisenden tritt aber der Erbe in dessen Rechtsstellung ein, vgl. unten 3. Kap. VII. 33 Medicus JZ 73, :re9. 34 LG Aachen Urteil vom 4.2. 1977 3 S 101176 - nicht veröffentlicht. 35 LG Bielefeld FVE 8, 355. 36 LG Berlin FVE 6, 368.

3 Eichinger

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3. Kap.: Rücktritt und anderweitige Vertragsbeendigung

nicht eingehalten und liegt auch kein Interessenwegfall gem. § 326 II vor, so hat der Reisende die Stornokosten zu zahlen37 • 5. Kündigung aus wichtigem Grund

Für den Bereich des § 649 hat die Rechtsprechung ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund anerkanntS8• Danach kann der Besteller kündigen, ohne den noch ausstehenden Teil der Vergütung erbringen zu müssen, wenn das Verhalten des Unternehmers den Vertragszweck gefährdet; denn anderenfalls würde der Unternehmer aus seiner eigenen Vertragswidrigkeit Nutzen ziehen, § 242. Dasselbe gilt für den Reisevertrag. Zu beachten ist, daß gesetzliche Lösungsrechte dem aus § 242 entwickelten Kündigungsrecht aus wichtigem Grund vorgehen. So ist der Fall, daß ein Reisender der Meinung ist, der Reiseveranstalter verzögere schuldhaft die Beschaffung der Reiseunterlagen, und deshalb zurücktritt, danach zu beurteilen, ob die Voraussetzungen des § 326 erfüllt sind und nicht danach, ob der Reisende gem. § 242 ausnahmsweise keine Rücktrittsgebühr zu zahlen hat39 • Ein den Vertragszweck gefährdendes Verhalten des Reiseveranstalters dürfte in dessen Zahlungseinstellung, Konkurs- oder Vergleichsantrag 40 , in wettbewerbswidrigen PreisabsprachenH oder in strafbaren Handlungen gegenüber dem Reisenden liegen. 6. Vertragsaußösung aus c. i. c.

Die Haftung für c. i. c."! führt nach ständiger Rechtsprechung des BGH43 zu einem Anspruch auf Rückgängigmachung des Vertrages, wenn die Pflichtverletzung für den Vertragsschluß ursächlich war. Die Anwendung der durch Rechtsfortbildung entwickelten Haftungsregelung für c. i. c. wird nicht durch die Anfechtungsrechte ausgeschlossen, da diesen gegenüber den Schadensersatzrechten im Hinblick auf die Verschiedenartigkeit ihrer Wirkungen der Charakter von Sondervorschriften fehlt 4'. Ebensowenig bilden Gewährleistungsrechte eine Sonderre37 AG Hannover FVE 1, 72 Bereitstellung von Reiseunterlagen, AG München FVE 8, 305. 3B Zunächst nur für Dauerschuldverhältnisse: RGZ 169, 203, 206 ff., BGH NJW 51, 836, vgl. auch LaTenz SR 11 § 53 111 b, später ohne Beschränkung auf Dauerschuldverhältnisse, BGHZ31, 224, 229 m. w. N., BGHZ 45, 372, 375. 39 So aber AG Wiesbaden FVE 3, 188, 190. 40 Vgl. VOB Teil B § 8 Nr. 2. 41 Vgl. VOB Teil B § 8 Nr. 4. 42 Dazu LaTenz SR I § 9. 43 BGH NJW 62, 1196, NJW 68, 986, NJW 69, 1625, NJW 70, 653 (Anm. Putzo), NJW 74, 851. 44 BGH NJW 61, 1196, 1199 m. w. N. a. M. Medicus JuS 65, 209, 217 (Vorrang des Anfechtungsrechts).

IV. Widerruf des Vertragsangebotes

35

gelung gegenüber der Haftung für c. i. c. 4D • Daher konnte das LG Frankfur1;46 den Fall, daß ein Reiseveranstalter von einem Streik im Zielland und der dadurch gefährdeten Einreise wußte, und trotzdem die Buchung vornahm, ohne den Reisenden über die Umstände aufzuklären, nach den Grundsätzen der Haftung für c. i. c. entscheiden, ohne auf Anfechtungs- oder Leistungsstörungsfragen überhaupt eingehen zu müssen47 • 7. Anfechtung gemäß §§ 119, 123 Gem .§ 119 kann der Reisende den Reisevertrag wegen Irrtums, gem. § 123 wegen arglistiger Täuschung oder Drohung anfechten, ohne eine Entschädigung nach § 651 i 11, 111 zahlen zu müssen. Im Falle der Irrtumsanfechtung hat er jedoch dem Reiseveranstalter nach § 122 den Vertrauensschaden, d. h. die bisher entstandenen Kosten zu ersetzen. Zu beachten ist weiter, daß einer Anfechtung gem. § 119 11 wegen solcher verkehrswesentlicher Eigenschaften der Reise, die als Fehler i. S. v. § 651 c zu qualifizieren sind, die Gewährleistungsvorschriften der §§ 651 c - f als Sonderregelung vorgehen48 • In diesem Fall hat der Reisende die dort beschriebenen Voraussetzungen einzuhalten. IV. Rücktritt und Widerruf des Vertragsangebotes durch den Reisenden Mit der Reiseanmeldung bietet der Reisende dem Reiseveranstalter den Abschluß eines Reisevertrages an49 • Die Anmeldungsbestätigung durch den Reiseveranstalter ist die zur Wirksamkeit des Vertrages notwendige Vertragsannahme50 • Denkbar ist, daß der Reisende nach der Anmeldung, aber noch vor der Bestätigung dem Reiseveranstalter gegenüber erklärt, er werde die Reise nicht durchführen. Es fragt sich, ob diese Erklärung den Regeln über den Rücktritt vor Reisebeginn gem. § 651 i zu unterstellen ist, mit der Folge, daß der Reisende Rücktrittsgebühren zu zahlen hat. Bedenken ergeben sich deshalb, weil nach § 651 i I ein Vertrag vorausgesetzt Diederichsen BB 65, 401 mit überblick über den Meinungsstand in Rspr. a. M. das RG, z. B. RGZ 161, 330, 337 m. w. N., vom BGH bisher offengelassen oder nur beiläufig entschieden, z. B. BGH NJW 70, 653, 655, vgl. auch Ha.rtwieg JuS 73, 733 mit Vorschlägen zur Eingrenzung der Möglichkeit der Vertrags aufhebung. 46 BB 69, 848. 47 Zur Haftung für c. i. c. vgl. ferner LG Essen FVE 5, 183, 185. 48 h. M. für das Verhältnis von § 119 II zu §§ 459 ff., Palandt / Putzo Vorbem. vor § 459 Anm. 2 e, für das Verhältnis von § 119 II zu §§ 633 ff. Palandt / Thoma.s Vorbem. vor § 633 Anm. 4 f. (m. w. N.). 45

und Lit. -

48

50

3*

Arndt 34. Arndt 38.

36

3. Kap.: Rücktritt und anderweitige Vertragsbeendigung

ist, ein solcher aber wegen fehlender Annahme (noch) nicht zustande gekommen ist51 • Die Interessenlage ist jedoch dieselbe wie bei einer Rücktrittserklärung nach Vertragsannahme durch den Reiseveranstalter: Mit der Anmeldung ist der Reiseplatz für andere potetielle Teilnehmer blockiert, gleichgültig, ob die Bestätigung bereits erfolgt ist oder nicht. Durch die Erklärung des Reisenden, er werde die Reise nicht antreten, weiß der Reiseveranstalter, daß ihm die betreffende Reise wieder zur Verfügung gestellt ist; er kann sich auf die veränderten Umstände einstellen und die Reise an einen anderen Kunden weitergeben. Mit Recht stellten daher viele Reiseveranstalter den Rücktritt vor Buchungsbestätigung dem Rücktritt vom Reisevertrag gleich52 • Der Reisende ist dadurch nicht benachteiligt. Denn er ist an seine Anmeldung grundsätzlich gebunden, § 145; der Reiseveranstalter kann dieses Angebot innerhalb einer gewissen Annahmefrist, § 147 I1, annehmen. Würde daher eine Rücktrittserklärung vor der Buchungsbestätigung durch den Reiseveranstalter nicht als Erklärung gern. § 651 i I gelten, sondern müßte erst die Annahme durch den Reiseveranstalter abgewartet werden, so müßte der Reisende u. U. eine höhere Entschädigungspauschale zahlenl>3; hierfür besteht aber kein sachlicher Grund. Eine Rücktrittserklärung vor Buchungsbestätigung ist daher grundsätzlich entsprechend § 651 i I zu behandeln54 • Einschränkungen dieses Grundsatzes ergeben sich in mehrfacher Hinsicht: Zum einen ist es nicht gerechtfertigt, daß der Reisende Rücktrittsgebühren zu zahlen hat, wenn feststeht, daß der Reiseveranstalter das Angebot ohnehin nicht hätte annehmen können, z. B. weil die Reise bereits ausgebucht war. Zum anderen stehen dem Reisenden alle anderweitigen Lösungsmöglichkeiten offen55 • Drittens schließlich ist zu beachten, daß die Loslösung von einem Angebot unter einfacheren Voraussetzungen möglich ist, als die Auflösung eines geschlossenen Vertrages: Gern. § 130 I 2 kann der Reisende bereits das Wirksamwerden des Angebotes, das er dem Reiseveranstalter in dessen Abwesenheit macht, verhindern, wenn er vorher oder gleichzeitig den Widerruf zugehen läßt66 • Weiter ist in der Literatur anerkannt57, daß dem Antragenden 51

Löwe 55, MünchKomm / Löwe § 651 i Rdn. 6.

"Wenn Sie zurücktreten, auch wenn die Reise unsererseits noch nicht bestätigt worden ist ... " - TUI 80, Gargano Tours 80, Hellas Orient Reisen 80, Lesses Reisen 80, N-U-R/gut 80. - Die Prospekte 1982 enthalten diese Gleichstellung nicht mehr. 53 Zur Staffelung der Pauschalen vgl. unten 7. Kap. 11 6 C. 54 Im Ergebnis ebenso Löwe 55, MünchKomm / Löwe § 651 i Rdn. 6. 55 Im einzelnen oben 3. Kap. 111. 56 Weitergehend MünchKomm / Löwe § 651 i Rdn. 6, der im Ergebnis dem Reisenden solange ein kostenfreies Widerrufsrecht einräumt, als die Anmeldung nicht bearbeitet ist. 52

V. Rücktritt nach Reisebeginn

37

gem. § 242 ein Widerrufsrecht wegen einer wesentlichen, bei Angebotsabgabe für ihn nicht vorhersehbaren und für den Angebotsempfänger evidenten Veränderung der Umstände zusteht. Zu beachten ist endlich, daß gem. § 146 der Antrag bei nicht rechtzeitiger Annahme erlischt; rechtzeitig aber ist die Annahme eines in Anwesenheit gemachten Antrages gem. § 147 I nur sofort, eines in Abwesenheit gemachten Antrages gem. § 147 11 nur bis zu dem Zeitpunkt, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf s8 . Als durchschnittliche Annahmefrist wird man zwei Wochen ansehen können, wenn nicht besondere Umstände etwas anderes ergebens,. Nach Ablauf der Annahmefrist ist der Antrag nicht mehr annahmefähigG°. Die nunmehr erfolgte Buchungsbestätigung gilt gem. § 150 I als neuer Antrag, das Schweigen des Reisenden hierauf als Annahme, §§ 149, 15161 •

v.

Rücktritt nach Reisebeginn

Nach dem Wortlaut des § 651 i I beschränkt sich das Rücktrittsrecht des Reisenden auf die Zeit vor dem Reisebeginn62 • Welche Rechte dem Reisenden nach Reisebeginn zustehen, wird in den bisherigen Stellungnahmen zum Reisevertragsgesetz nicht einheitlich beantwortet. Daß der Rücktritt dem Reisenden jederzeit gestattet istt3 , daß er entgegen dem Wortlaut des § 651 i I auch noch nach Reiseantritt möglich seiM, läßt sich im Hinblick auf die eindeutige Wortwahl und deren Bestätigung in der Begründung des Rechtsausschusses des BundestagesilS jedenfalls nicht in dem Sinne vertreten, daß auch bei einem Abbruch der Reise nach Reisebeginn die Rechtsfolgen des § 651 i 11,111 eintreten. Andererseits stimmt die Behauptung, daß nach Reisebeginn ein Rücktritt grundsätzlich ausscheide66 , nur insofern, als damit ein Rücktritt nach § 651 i gemeint ist; denn daß ein Reisender auch nach Reisebeginn seine Reise jederzeit 51 Flume AT II § 35 I 3 d, Larenz AT § 27 I c, MünchKomm / Kramer § 145 Rdn.16. 58 Die Bindungsfrist besteht aus drei Komponenten: Transportfrist des Angebots, überlegungsfrist, Transportfrist für die Annahme der Erklärung, Mot. 1,170. 59

Arndt 38.

MünchKomm / Kramer § 146 Rdn. 2. 81 MünchKomm / Kramer §§ 151 Rdn. 5, 149 Rdn. 6 m. w. N. 62 Kritisch hierzu Leonardy DRiZ 79, 267, 269, der darin zu Unrecht eine Verschlechterung der Rechtsstellung des Reisenden gegenüber der Rechtslage vor Inkrafttreten des Reisevertragsgesetzes sieht. 63 Eberte Betrieb 79, 341, 346. 64 StudKomm / Beuthien § 651 i Anm. 1. 65 BT-Drucks. 8/2343, 12. 86 Bartt Rdn. 140. 80

38

3. Kap.: Rücktritt und anderweitige Vertrags beendigung

abbrechen kann, versteht sich von selbst, da niemand zur Durchführung einer Erholungsreise gezwungen werden kann67 • Die Frage ist nur, welche Rechtsfolgen dann eintreten. Kann sich der Reisende auf eine anderweitige Lösungsmöglichkeit berufen68, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach diesen Vorschriften89 • Für einen Rücktritt aus freien Stücken oder aus einem in der Sphäre des Reisenden gelegenen wichtigen Grund 70 findet sich im Reisevertragsgesetz keine Regelung. Zurückzugreifen ist daher auf die subsidiär anwendbaren71 Vorschriften des Werkvertragsrechtes: Für den willkürlichen Rücktritt des Reisenden bestimmt § 649, daß der Reiseveranstalter grundsätzlich den Anspruch auf den vollen Reisepreis behält, während bei einem Rücktritt aus wichtigem Grund in der Person des Reisenden § 645 dem Reiseveranstalter einen Anspruch auf Teilvergütung gewährF2. Der Auffassung von Larenz73 und Löwe74, § 649 75 sei unanwendbar, wenn der Reisende seine Reise abbricht, kann nicht gefolgt werden. Nach Löwe76 verdrängt § 651 i die Vorschrift des § 649 77 , indem § 651 i die gesetzliche Möglichkeit auf einen Rücktritt vor Reiseantritt beschränkt. Diese Auffassung ist kaum mit der Intention des Reisevertragsgesetzes in Einklang zu bringen. Nach der Begründung des Rechtsausschusses78 soll das Reisevertragsgesetz einen angemessenen Interessenausgleich zwischen dem Reisenden und dem Reiseveranstalter herstellen und zugleich die Rechtsstellung des Verbrauchers verbessern. Vor Inkrafttreten des Reisevertragsgesetzes waren für den Fall des Rücktritts des Reisenden, gleichviel ob vor oder nach Reisebeginn, § 649 bzw. § 645 die einschlägigen Vorschriften, nach denen sich die Rechtsfolgen bestimmten. Für den Rücktritt vor Reisebeginn verbesserte § 651 i die Rechtsstellung des Reisenden. Wenn das Reisevertragsge87 Tonner § 651 i Rdn. 5 unter Hinweis auf die Begründung zum RegE, Hoppmann BIGBW 79, 161, 164, AlternativKomm / Derleder § 651 i Rdn. 1.

Oben 3. Kap. II!. Die Ersetzungsbefugnis des Reisenden gem. § 651 b besteht hingegen nur bis zum Reisebeginn, vgl. unten 3. Kap. VI. 70 Dies sind die Fälle des § 651 i, vgl. unten 3. Kap. VIII. 71 Vgl. oben 1. Kap. 11. 72 Zur analogen Anwendung des § 645 auf diesen Fall vgl. BGH JZ 73, 366 (Anm. Medicus). - Nach Bartl Rdn. 211 kommt nach Reisebeginn § 649 zur Anwendung. 73 SR I! § 53 V c. 74 MünchKomm § 651 i Rdn. 6. 75 Dasselbe gilt wohl für § 645, ohne daß dies ausdrücklich gesagt wird. 78 MünchKomm § 651 i Rdn. 6. 77 Ebenso die Ansicht des Bundesrates vgl. BR-Drucks. 29/79 (Beschluß), 15. 78 BT-Drucks. 8/2343, 6. 88

69

VI. Ersetzungsbefugnis gemäß § 651 b

39

setz über den Rücktritt nach Reisebeginn keine Neuregelung enthält, so ist damit nicht gesagt, daß die bisher für diesen Fall einschlägigen Vorschriften nicht mehr anwendbar seien. Denn durch das Reisevertragsgesetz sollen dem Reisenden nicht bislang bestehende Rechte genommen, sondern zusätzliche Rechte gegeben werden. Deshalb ist davon auszugehen, daß es für den Fall des Rücktritts nach Reisebeginn bei der bisherigen Rechtslage bleibt, ohne daß es einer entsprechenden Klausel in den AGB des Reiseveranstalters bedürfte79 • Die von Löwe 80 vorgeschlagene Lösung, §§ 323 ff. anzuwenden, führt nicht zu Ergebnissen, die den Reisenden gegenüber §§ 645, 649 besser stellten. Denn nicht nur der willkürliche, sondern auch der Rücktritt aus wichtigem Grund in der Person des Reisenden wäre nach § 324 I zu behandeln81 • Die Regelung des § 324 I entspricht § 649, ist aber für den Reisenden ungünstiger als die Rechtsfolgen des § 645. Nicht uneingeschränkt ist im Ergebnis Löwe 82 zuzustimmen, daß der Reisende regelmäßig den gesamten Reisepreis schuldet. Denn bei einem Abbruch der Reise ist eine anderweitige Verwertung der nicht in Anspruch genommenen Reiseleistungen zwar in der Regel nicht möglich, Erstattungen seitens der Leistungsträger an den Veranstalter sind jedoch denkbar 82a •

VI. Rücktritt und Ersetzungsbefugnis des Reisenden gemäß §651 b Nach § 651 b I kann der Reisende bis zum Reisebeginn83 verlangen, daß statt seiner ein Dritter an der Reise teilnimmt. Nach der eindeutigen Begründung des Rechtsausschusses 84 enthält § 651 b kein Recht des Reisenden zur Vertragsauflösung85 : "Das Vertragsverhältnis zwischen Besteller und Reiseveranstalter bleibt unberührt ... Vertragspartner des Reiseveranstalters bleibt vielmehr weiterhin der Besteller81J ." Dies bedeutet, daß der Reisende weiterhin zur Zahlung des Reisepreises ver79 Eine vertragliche Vereinbarung aber verlangt Löwe in MünchKomm § 651 i Rdn. 6 und DAR 79, 264, 270. 80 MünchKomm § 651 i Rdn. 6. 81 OLG Frankfurt JZ 72, 245. 82 DAR 79, 264, 271. 82a Unten 6. Kap. I 2. 83 Unwirksam gern. § 651 k ist daher die Klausel von China Tours 82, wonach die Ersetzungsbefugnis bis 30 Tage vor Reisebeginn besteht. 84 BT-Drucks. 8/2343, 8. 85 Ebenso Löwe DAR 79, 264, 267, BB 79, 1357, Bara Rdn. 26, Tonner § 651 b Rdn. 2, Eberle Reisevertrag 22 (krit.). - a. M. Held BB 80, 185 ff., der im

Reisendenwechsel eine Vertragsübernahme sieht. 86 Den Parteien bleibt es aber überlassen, hierüber andere Vereinbarungen zu treffen, BT-Drucks. 8/2343, 8. .

40

3. Kap.: Rücktritt und anderweitige Vertragsbeendigung

pflichtet bleibt87 • Ansprüche aus dem Reisevertrag hat der Reiseveranstalter gegen den Reisenden geltend zu machen 88 • Schäden des Dritten sind in der Regel durch den Reisenden im Wege der Drittschadensliquidation beizutreiben89 • Der Vorteil, den die Ersetzungsbefugnis nach § 651 b für den Reisenden bringt, besteht darin, daß er, wenn er einen Dritten stellen kann, vom Reiseveranstalter nicht auf den kostspieligen Rücktritt gern. § 651 i verwiesen werden kann; er muß lediglich gern. § 651 b II die durch die Teilnahme des Dritten entstehenden Mehrkosten zahlen.

VII. Der Tod des Reisenden Keine Regelung enthält das Reisevertragsgesetz für den Fall, daß der Reisende vor Reiseantritt stirbt. Die Lösung ergibt sich aus den allgemeinen Vorschriften des BGB. Stirbt der Reisende nach Abgabe der Reiseanmeldung aber vor der Bestätigung durch den Reiseveranstalter, so ist gern. § 130 II das Angebot des Reisenden wirksam und gern. § 153 grundsätzlich annahmefähig. Dies gilt nicht, wenn ein anderer Wille des Antragenden anzunehmen ist, was bei Bestellungen zum persönlichen Bedarf in der Regel zu bejahen ist9o• Eine Reise dient dem persönlichen Bedarf des Reisenden mit der Folge, daß gern. § 153 ein Reisevertrag nicht zustande kommt. In entsprechender Anwendung des § 122 kann aber der Reiseveranstalter vom Erben Ersatz seines Vertrauensschadens, d. h. seiner bisherigen Kosten, verlangenllt . Stirbt der Reisende nach Abschluß des Reisevertrages, so geht sein Vermögen als Ganzes gern. § 1922 I auf den Erben über. Vermögen ist die Gesamtheit der Rechtsverhältnisse des Erblassers 92 , also auch die Rechtsstellung aus dem Reisevertrag; um ein höchstpersönliches, grundsätzlich unvererbliches Recht1l3 handelt es sich hierbei nicht, wie allein die Ausgestaltung der Ersetzungsbefugnis des Reisenden gern. § 651 b zeigt. Der Erbe hat nun die Möglichkeit, die Reise selbst anzutreten, BT-Drucks. 8/2343, 8. BT-Drucks. 8/2343, 8. 89 BT-Drucks. 8/2343, 8, ebenso Soergell Mühl § 651 b Rdn. 2, Eberle Reisevertrag 22. - Anders die h. M., wonach der Ersatzteilnehmer als Dritter i. s. v. § 328 eigene Ansprüche hat: MünchKomm / Löwe § 651 b Rdn. 9, Tonner § 651 b Rdn. 3, BarH Rdn. 26, Jauemig / Teichmann § 651 b Anm. 1 b. Anders AlternativKomm / Derleder § 651 b Rdn. 4: gewillkürte Prozeßstandschaft. 90 Palandt / Heinrichs § 153 Anm. 2. U Palandt / Heinrichs § 153 Anm. 2 m. w. N. 92 Palandt / Keidel § 1922 Anm. 3 vor a). 93 Palandt / Keidel § 1922 Anm. 3 b. 87 88

VII!. Zusammenfassung

41

gern. § 651 b einen Dritten zu stellen, oder gern. § 651 i vom Reisevertrag zurückzutreten. Ein Rücktrittsrecht gern. § 651 j steht ihm hingegen nicht zu, da das Reisehindernis aus seiner Sphäre kommt, womit kein Fall höherer Gewalt94 vorliegt.

VIII. Zusammenfassung § 651 i regelt das Rücktrittsrecht des Reisenden vor Reisebeginn, wenn ihm kein anderweitiges Lösungsrecht zur Seite steht und er auch keinen Dritten stellen kann, der statt seiner an der Reise teilnimmt. Ob der Reisende aus freien Stücken oder auf Grund eines in seiner Person gelegenen Reisehindernisses die Reise nicht antritt, spielt keine Rolle u5 ; denn § 651 i geht davon aus, daß niemand gezwungen werden soll, eine Erholungsreise anzutreten"; und auch der Reiseveranstalter hat kein Interesse an unfreiwilliger Teilnahme des Reisenden, sondern lediglich an einem finanziellen Ausgleich97 •

Vgl. oben 3. Kap. I!I 2. Jauernig / Teichmann § 651 i Anm. I, Teichmann JZ 79, 737, 740, Larenz SR I! § 53 V, Tonner § 651 i Rdn. I, zweifelnd MünchKomm / Löwe § 651 i Rdn. 3 Fn. 1. - Zu beachten ist aber, daß sich der Reisende gegen die Folgen eines Rücktritts aus wichtigem Grund versichern kann, vgl. unten 7. Kap. I! 84

85

6d.

96

U7

Tonner § 651 i Rdn. 5, Hoppmann BlGBW 79, 161, 164. AlternativKomm / Derleder § 651 i Rdn. 1.

4. Kapitel

Die Ausübung des Rücktrittsrechts I. Einleitung

Der Rücktritt erfolgt gern. § 349 durch Erklärung gegenüber dem anderen Teile. Die Rücktrittserklärung ist einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung'. Eine Willenserklärung als Äußerung, durch die der Erklärende zu erkennen gibt, daß eine bestimmte Rechtsfolge nach seinem Willen eintreten solle!, kann ausdrücklich oder konkludent abgegeben werden. Für den reisevertraglichen Rücktritt stellt sich dabei insbesondere die Frage, ob der Nichtantritt der Reise als konkludente Rücktrittserklärung ausgelegt werden kann3 • Für die Abgabe der Erklärung gelten keine Besonderheiten: Abgegeben ist eine Willenserklärung, wenn der Erklärende alles bei ihm liegende getan hat, einen rechtsgeschäftlichen Willen in einer solchen Weise zu äußern, daß an der Endgültigkeit dieses Willens kein Zweifel mehr sein kann 4 • Probleme aber ergeben sich bei der Frage, wann eine Rücktrittserklärung wirksam wird, wenn sie nicht gegenüber dem Reiseveranstalter, sondern gegenüber dem Reisebüro erklärt wird 5 ; schließlich ergeben sich Zweifel bei der Beurteilung von Klauseln über den Zugangszeitpunkt8. 11. Die Rücktrittserklärung 1. Ausdrückliche Rücktrittserklärung

In der Regel erklärt der Reisende, der von einer Reise zurücktreten will, ausdrücklich seinen Rücktritt; der Gebrauch des Ausdrucks Rücktritt ist dabei nicht erforderlich, da es bei der Auslegung der Erklärung auf den wirklichen Willen und nicht auf den buchstäblichen Sinn des Ausdrucks ankommt, § 133. Entscheidend ist, daß der Reisende durch seine Erklärung eindeutig zu verstehen gibt, daß er die Reise nicht antreten werde. Von diesem Zeitpunkt an kann sich der Reiseveranstalter auf die neue Situation einstellen. 1 2

3 4

5 8

Palandt I Heinrichs § 349 Anm. 1. Larenz AT § 19 I. Unten 4. Kap. II 2. Larenz AT § 21 II a. Unten 4. Kap. IV 2. Unten 4. Kap. IV 3.

11. Die Rücktrittserklärung

43

2. Konkludente Rücktrittserklärung

Nicht selten kommt es vor, daß ein Reisender zum vereinbarten Abfahrtstermin nicht erscheint, ohne sich vorher gegenüber dem Reiseveranstalter in irgendeiner Weise geäußert zu haben7 • Fraglich ist, ob man im Nichtantritt der Reise einen Rücktritt durch schlüssiges Verhalten sehen kann. Von einer Willenserklärung durch schlüssiges Verhalten spricht man, wenn eine Handlung den Schluß auf einen sich darin äußernden Rechtsfolgewillen zuläßt8. Mittelbare Willenserklärungen durch schlüssiges Verhalten sind wie Willenserklärungen überhaupt mit Rücksicht auf die Verständnismöglichkeit des Empfängers auszulegen, d. h. des in dieser Situation "Angesprochenen"9. Bei der Annahme einer Erklärung durch schlüssiges Verhalten ist größte Vorsicht geboten10 • Aus der Sicht des Reiseveranstalters kann ein Nichtantritt der Reise ohne ausdrückliche Erklärung ebenso gedeutet werden als Erklärung des Reisenden, an der Reise nicht teilnehmen zu wollen, wie der Reiseveranstalter daraus schließen kann, der Reisende habe lediglich den Abfahrtstermin versäumt. Als konkludente Rücktrittserklärung kann daher der Nichtantritt der Reise nicht ausgelegt werden l1 . 3. Fingierte Rücktrittserklärung

In den meisten AGB der Reiseveranstalter ist der Nichtantritt der Reise dem Rücktritt gleichgestellt12 , wobei z. T. ausdrücklich der Fall verpaßter Anschlüsse 13 oder das nicht rechtzeitige Eintreffen in der gebuchten Unterkunft bei eigener Anreise14 genannt werden. Die Anwendung der Rücktrittsregelung auf diese Fälle bedeutet, daß aufgrund eines Verhaltens, nämlich des Nichtantritts der Reise, dem Reisenden eine Erklärung, die Rücktrittserklärung, zugerechnet werden soll, ohne daß es auf das wirkliche Erklärungsverhalten des Reisenden ankommt. Es liegt somit eine Erklärungsfiktion vor1S • Diese Fiktion hat vor Inz. B. AG Ludwigshafen FVE 9, 296. Larenz AT § 19 IV b. 9 Larenz AT § 19 IV b. 10 Larenz AT § 19 IV b, der auf den Mißbrauch hinweist, der mit dieser 7 8

Rechtsfigur getrieben wurde. 11 So aber AG Ludwigshafen FVE 9, 296, Larenz SR 11 § 53 V, MünchKomm I Löwe § 651 i Rdn. 7. - Für entsprechende Anwendung des § 651 i auf den Fall des Nichtantritts Jauernig I Teichmann § 651 i Anm. 1. 12 Im Anschluß an Ziff. 5.1 der Konditionenempfehlungen des DRV (Bundesanzeiger Nr. 191 vom 11. 10. 1980). 13 N-U-R Neckermann und Reisen GmbH 81/82. 14 ITS International Tourist Services 82. 15 Ulmer I Brandner / Hensen AGBG § 10 Nr. 5 Rdn. 8.

44

4. Kap.: Die Ausübung des Rücktrittsrechts

krafttreten des AGBG Arndt H1 für den Fall anerkannt, daß Unklarheit über die Möglichkeit eines späteren Anschlusses oder den Willen des Kunden besteht, während bei einer Erklärung des Kunden, er wolle etwa auf die Anreise verzichten, kein begründeter Anlaß bestehe, ihm den Anspruch auf die übrigen Leistungen zu nehmen. Daß diese Auffassung den Reisenden unangemessen benachteiligt, zeigt der Fall, daß der Reisende den Abflugtermin versäumt hat. Da beim Abflug Unklarheit über den Willen des Kunden herrschte, könnte er, wenn er auf eigene Kosten in das gebuchte Hotel nachreist, mit dem Hinweis auf die Rücktrittsfiktion abgewiesen werden. Seit dem Inkrafttreten des AGBG richtet sich die Gültigkeit einer Rücktrittsfiktion nach § 10 Nr. 5 AGBG, wonach die Fiktion von Erklärungen nur wirksam ist, wenn dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens hinzuweisen. Diese Voraussetzungen werden von sämtlichen durchgesehenen AGB nicht erfüllt17 mit der Folge der Nichtigkeit derartiger Fiktionsklauseln. Dies bedeutet eine Verbesserung der Rechtsstellung des Reisewilligen, der lediglich den Anschluß verpaßt hat: Er kann nachreisen, muß aber nicht befürchten, von der Reise ausgeschlossen zu werden. Für denjenigen, der die Reise bewußt nicht antrat, aber eine Erklärung gegenüber dem Reiseveranstalter nicht für nötig hielt, verschlechtert sich die Lage: Mangels Rücktrittsfiktion bleibt er zur Zahlung des Reisepreises verpflichtet18 ; erspart allerdings der Reiseveranstalter Reiseaufwendungen oder kann er Teile der Reise weiterverkaufen, so muß er sich dies anrechnen lassen19 • III. Die Form der Rücktrittserklärung 1. Der Grundsatz der Formfreiheit

Die Rücktrittserklärung gern. § 651 i ist nicht an eine bestimmte Form gebunden; daher ist eine schriftliche ebenso wie eine mündliche, auch 95. Eine Fiktionsklausel müßte etwa lauten: "Nichtantritt der Reise gilt als Rücktritt, wenn nicht innerhalb von 5 Tagen nach vertraglichem Reisebeginn eine anderslautende Erklärung des Reisenden beim Reiseveranstalter vorliegt. Hierauf werden Sie bei Fristbeginn gesondert hingewiesen." Sofort nach Reisebeginn müßte der Reiseveranstalter allen nicht Erschienenen den formularmäßigen Hinweis auf die Rücktrittsfiktion zusenden. 18 Richtig daher die entsprechende Klausel bei Club Mediterranee 81/82, ADAC-Reisen 82. 19 BarH Rdn. 211. 18

17

IIr. Die Fonn der Rücktrittserklärung

45

telefonische 20 Rücktrittserklärung wirksam. Dies gilt auch dann, wenn der Reisevertrag schriftlich geschlossen wurde; denn es besteht weder ein allgemeiner Grundsatz, daß von einem Vertrag nur in der Form zurückgetreten werden kann, in der er geschlossen worden ist, noch eine derartige Verkehrssitte im Reisebürogewerbe21 . 2. Vereinbarung der Schriftform oder anderer Formerfordernisse

Enthalten die AGB des Reiseveranstalters eine Klausel, wonach der Kunde schriftlich vom Vertrag zurücktreten könne22, der Rücktritt durch eingeschriebenen Brief mitgeteilt werden müsse23 , unter Angabe der Teilnehmernummer erklärt werden müsse24, so ist dies eine Abweichung von § 651 i zu Lasten des Kunden; denn § 651 i I statuiert ein uneingeschränktes Rücktrittsrecht des Reisenden vor Reisebeginn, dessen Ausübung an keinerlei Form gebunden ist; derartige Klauseln sind gem. § 651 k nichtig25 • § 651 k stellt somit gegenüber § 11 Nr. 16 AGBG, wonach nur die Vereinbarung einer strengeren Form als der Schriftform unwirksam ist, eine Erweiterung des Schutzes des Reisenden dar. Im Anschluß an die Konditionenempfehlungen des DRV28 wird daher von den meisten Reiseveranstaltern dem Kunden lediglich empfohlen, den Rücktritt schriftlich zu erklären. Begründet wird die Empfehlung mit dem "eigenen Interesse" des Kunden und "Gründen der Beweissicherheit"27. Welche "Beweissicherheit" der Kunde allerdings hierdurch haben soll, ist nicht ersichtlich; denn den Reisenden trifft die Beweislast für den Zugang der Rücktrittserklärung. Durch ein einfaches Schreiben, auch durch ein Einschreiben ohne Rückschein, wird aber nicht einmal der Beweis des ersten Anscheins für den Zugang des Schriftstückes beim Empfänger erbracht 28 • Daher ist dem Reisenden dringend zu raten, den Rücktritt per eingeschriebenen Brief, und zwar in der Form eines Einschreibens mit Rückschein, zu erklären 29 .

LG Berlin FVE 6, 320. LG Berlin FVE 6, 320. 22 Club Mediterranee 81/82, YUGOTOURS 82, China Tours 82. 23 Hotelplan 82. 24 N-U-R Neckennann+Reisen 8li82, gut-Reisen 82. 25 MünchKomm 1 Löwe § 651 i Rdn. 7. a. M. BarH Rdn. 206. 28 ZUf. 5.1 (Bundesanzeiger Nr. 191 vom 11. 10. 1980). 27 Sehr verbreitete Fonnulierung, z. B. TUI 82, abr 82/83, Isaria 82, ITS 82. 28 BGHZ 24, 308, 312. 29 Ulmer / Brandner 1 Hensen AGBG § 11 Nr. 16 Rdn. 8, Löwe 1 Graf von Westphalen 1Trinkner AGBG § 11 Nr. 16 Rdn. 6. 20 21

4. Kap.: Die Ausübung des Rücktrittsrechts

46

IV. Das Wirksamwerden der Rücktrittserklärung 1. Abgabe der Rücktrittserklärung gegenüber dem Reiseveranstalter

Gern .§ 130 wird eine Willenserklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie dem anderen Vertragsteil zugeht. Vertragspartner des Reisenden ist der Reiseveranstalter3°. Nach heute allgemeiner MeinungS1 setzt der Begriff des Zugehens voraus, daß eine Erklärung in verkehrsüblicher Weise so in den Machtbereich des Empfängers gelangt sein muß, daß diesem unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme gegeben ist32 • Vielfach33 wird angenommen, daß nach dem Gelangen in den Machtbereich des Empfängers noch eine angemessene Frist verstreichen müsse, innerhalb derer sich der Empfänger bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse Kenntnis vom Inhalt der Erklärung verschaffen konnte und dies nach den Gepflogenheiten des Verkehrs von ihm erwartet werden durfte. Dieses zusätzliche Erfordernis eines für die Kenntnisnahme üblichen angemessenen Zeitablaufs ist für die Frage des vom Gesetz bezweckten Risikowechsels beim Erklärungsvorgang ohne Bedeutung. Es ist jedoch dort zu verlangen, wo der Zeitpunkt des Zugehens wichtig ist, weil die Rechtzeitigkeit der Erklärung in Frage steht3'. Im Falle der Rücktrittserklärung kommt es auf den Zugangszeitpunkt an. Ab jetzt erst kann der Reiseveranstalter versuchen, die Reise weiterzuverkaufen, wobei seine Chance um so geringer ist, je kürzer die Zeit zwischen Rücktritt und Reisebeginn ist, was sich in den entsprechend höheren Rücktrittsgebühren niederschlägt. Daher ist eine Rücktrittserklärung nicht bereits mit dem Gelangen in den Machtbereich des Reiseveranstalters zugegangen, sondern erst dann, wenn zusätzlich eine angemessene Frist verstrichen ist, innerhalb derer sich der Reiseveranstalter bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse Kenntnis vom Inhalt der Erklärung verschaffen konnte. Gelangt also z. B. eine Rücktrittserklärung abends in den Briefkasten des Reiseveranstalters, so ist sie erst am anderen Morgen, wenn üblicherweise der Posteingang behandelt wird, zugegangen. 2. Abgabe der Rücktrittserklärung gegenüber dem Reisebüro

Gibt der Reisende seine Rücktrittserklärung nicht gegenüber dem Reiseveranstalter als seinem Vertragspartner, sondern gegenüber dem Reisebüro, das die Buchung vorgenommen hat, ab, so fragt sich, wann 30 31 3! 33 34

Oben 2. Kap. II 1. Staudinger / Coing § 130 Rdn. 3, Nachweise bei Dilcher AcP 154, 120 ff. RGZ 50, 194, BGH NJW 65, 966, BAG Betrieb 76, 1018. Nachweise MünchKornm / Förschler § 130 Rdn. 14 Fn. 22. MünchKornm / Förschler § 130 Rdn. 14.

IV. Das Wirksamwerden der Rücktrittserklärung

47

in diesem Fall die Rücktrittserklärung dem Reiseveranstalter zugegangen und damit wirksam geworden ist. Die Antwort hängt davon ab, welche Rechtsstellung das Reisebüro zwischen den Vertragsparteien Reisender und Reiseveranstalter innehat, soweit es um die Entgegennahme der Rücktrittserklärung geht. Ist es Empfangsv.ertreter des Reiseveranstalters, so wirkt der Zugang der Rücktrittserklärung beim Reisebürounmittelbar gegenüber dem Reiseveranstalter, § 164111. Ist es Empfangsbote des Reiseveranstalters, so ist für den Zugang der Zeitpunkt entscheidend, in dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge das Eintreffen der Rücktrittserklärung beim Reiseveranstalter oder seine Unterrichtung über den Inhalt der Erklärung zu erwarten war 35 • Nach allgemeiner Meinung36 ist das Reisebüro Handelsvertreter des Reiseveranstalters gern. § 84 ff. HGB. Als Handelsvertreter gilt das Reisebüro gern. § 91 11 HGB auch dann, wenn es nur Vertragsvermittler ist, "als ermächtigt; die Anzeige von Mängeln einer Ware, die Erklärung, daß eine Ware zur Verfügung gestellt werde, sowie ähnliche Erklärungen, durch die ein Dritter seine Rechte aus mangelhafter Leistung geltend macht oder sich vorbehält, entgegenzunehmen". Soweit diese Ermächtigung reicht, ist das Reisebüro Empfangsvertreter, nicht Empfangsbote37 • Ob als ähnliche Erklärung i. S. v. § 91 11 HGB auch der Rücktritt nach § 651 i I anzusehen ist, erscheint fraglich. Denn nach der Formulierung des § 91 11 HGB sollen den dort genannten Erklärungen nur diejenigen Erklärungen als ähnlich gleichgestellt sein, durch welche Rechte aus mangelhafter Leistung geltend gemacht oder vorbehalten werden. Der Rücktritt gern. § 651 i 11 beruht aber gerade nicht auf einem Mangel der Leistung des Reiseveranstalters, sondern erfolgt aus freien Stücken oder aus einem Grund in der Person des Reisenden. Daher wird der Teil der Literatur, der den ähnlichen Erklärungen i. S. v. § 91 11 HGB ohne weitere Unterscheidung jegliche Rücktrittserklärungen zuordnet38, auch die Rücktrittserklärung nach § 651 i I als solche bezeichnen. Dagegen ist nach der differenzierenden Auffassung, wonach zwar eine Rücktrittserklärung wegen mangelhafter Leistung,nicht aber ein Rücktritt aus freien Stücken den ähnlichen Erklärungen i. S. v. § 91 11 HGB unterfällt39 , der Rücktritt des Reisenden gern. § 651 i I keine BGH NJW 65, 965, Erman / Brox § 130 Rdn. 11, 12. Arndt 27 bei Fn. 41, zuletzt BGH NJW 82, 337, w. N. oben 2. Kap. II 4. 37 Ehrenberg / Schmidt-Rimpler Handbuch HGB, S. 237 zu § 86 II a. F., Schlegelberger / Schröder HGB § 91 Rdn. 9. 38 Ehrenberg / Schmidt-Rimpler Handbuch HGB S. 237 zu § 86 Ha. F., RGRK / Würdinger HGB § 55 Anm. 6, Bandasch / Nickel GK-HGB § 55 Anm.6. 3V Schlegelberger / Schröder HGB § 91 Rdn. 10, Baumbach / Duden HGB § 55 Anm. 3 E, wohl auch Heymann / Kötter HGB § 55 Anm. 4 trotz undeutlicher Formulierung. 35

36

4. Kap.: Die Ausübung des Rücktrittsrechts

48

ähnliche Erklärung i. S. v. § 91 II HGB. Für letztere Meinung spricht nicht nur der Wortlaut des § 91 II HGB. Auch ein Vergleich mit § 43 Nr. 2 VVG, wonach der Versicherungs agent zur Entgegennahme einer Rücktrittserklärung ausdrücklich ermächtigt ist, läßt den Schluß zu, daß ohne eine ausdrückliche Anordnung grundsätzlich keine Ermächtigung zur Entgegennahme von Rücktrittserklärungen bestehen soll. Das Reisebüro ist also bei der Entgegennahme der Rücktrittserklärung nicht Empfangsvertreter des Reiseveranstalters. Empjangsboteneigenschaft ist nach herrschender Meinung demjenigen zuzusprechen, der als zur Entgegennahme derartiger Erklärungen geeignet und nach der Verkehrs auffassung auch als dazu ermächtigt anzusehen ist 4o • Das Reisebüro nimmt Buchungen vor, ist also auch als geeignet für die Entgegennahme von Rücktrittserklärungen anzusehen. Nach der Verkehrsauffassung ist das Reisebüro hierzu auch ermächtigt, denn für den Reisenden ist es die Anlaufstelle für den Vertragsabschluß mit dem Reiseveranstalter ebenso wie für eine etwaige Auflösung. Nach der Verkehrsauffassung gilt der Vermittlungsvertreter auch als zur Entgegennahme von Rücktrittserklärungen ermächtigt. Das Reisebüro ist somit Empfangsbote des Reiseveranstalters. Hinsichtlich des Zugangs der Willenserklärung fungiert der Empfangsbote ähnlich wie andere Empfangseinrichtungen des Empfängers, z. B. der Hausbriefkasten oder das Postfach41 • Dies bedeutet für den Zugangszeitpunkt: Da es im Falle einer Rücktrittserklärung nicht nur auf den Risikowechsel beim Erklärungsvorgang, sondern auch auf die Rechtzeitigkeit der Erklärung ankommt42 , genügt für den Zugang nicht das Gelangen in den Machtbereich des Reiseveranstalters mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme. Vielmehr muß nach dem Eintreffen der Rücktrittserklärung im Machtbereich des Reiseveranstalters, also beim Reisebüro, noch eine angemessene Frist verstreichen, innerhalb derer sich der Reiseveranstalter unter gewöhnlichen Verhältnissen Kenntnis verschaffen kann43 • Eine angemessene Frist muß zwei Faktoren berücksichtigen: Zum einen die Zeit, die ein ordentliches Reisebüro zur Weiterleitung der Rücktrittserklärung an den Reiseveranstalter benötigt; man wird verlangen können, daß die Weiterleitung unverzüglich44 erfolgt. Zum anderen die Zeit der gewöhnlichen Bearbeitung des Posteinlaufs 40 LaTenz AT § 30 I C, demgegenüber verlangen Staudinger I Coing Vorbem. zu § 164 Rdn. 76 für den Tatbestand der Botenschaft das Vorliegen eines zum Botenhandeln berechtigenden Innenverhältnisses zwischen Boten und Hinter-

mann. 41

4! 43

44

AT § 30 I c. MünchKomm / FÖTschleT § 130 Rdn. 14. Ähnlich BGH NJW 65, 695. D. h., ohne schuldhaftes Zögern, § 121 BGB.

LaTenz

IV. Das Wirksamwerden der Rücktrittserklärung

49

beim Reiseveranstalter, d. h.: Trifft die Rücktrittserklärung nachmittags um 14.00 Uhr beim Reiseveranstalter ein, wird aber um diese Zeit keine Post mehr bearbeitet, so ist die Erklärung am nächsten Tag zur gewöhnlichen Bearbeitungszeit zugegangen. 3. Klauseln über den Zugangszeitpunkt

In den AGB der Reiseveranstalter finden sich fast ausnahmslos Bestimmungen über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Rücktrittserklärung. Die wichtigsten Klauseln sind: (1) a) "Ihre Abmeldung wird wirksam an dem Tag, an dem sie beim

Reiseveranstalter eingeht"45

b) "Maßgeblich ist der Posteingangsstempel des Reiseveranstalters"46 (2)

"Der Rücktritt muß gegenüber den Zentrale des Reiseveranstalters erklärt werden"47

(3)

"Unter gleichzeitiger schriftlicher Benachrichtigung der Buchungsstelle"48

(4)

"Im Falle des Rücktritts ... unter Beifügung evtl. schon ausgehändigter Reiseunterlagen ... " 49.

Vor Inkrafttreten des AGBG wurden derartige Klauseln, soweit sie den Zugang beim Veranstalter für maßgeblich erklärten, als wirksam erachtet: Die Höhe der Rücktrittskosten hänge wesentlich davon ab, von welchem Zeitpunkt an der Reiseveranstalter seine Maßnahmen auf den Rücktritt einstellen könneso. Zu den Klauseln (2) bis (4) finden sich keine Stellungnahmen. Unter der Geltung des AGBG51 richtet sich die Wirksamkeit derartiger Klauseln nach § 11 Nr. 16 AGBG, wonach u. a. eine Bestimmung in AGB unwirksam ist, durch die ... Erklärungen, die dem Verwender .. , gegenüber abzugeben sind, ... an besondere Zugangserfordernisse gebunden werden. Der Sache nach nichts anderes ergibt sich aus § 651 k, wonach von den Vorschriften der §§ 651 a - 651 j nicht zum Nachteil des Reisenden abgewichen werden kann. Im folgenden kann daher für die TUI 82, N-U-R 81182, Air Conti 81182, Isaria 82. TUI 82, Club Mediterranee 81/82. 41 Orion-Interconti 82, terra Reisen 82. 48 Orion-Interconti 82. 49 ITS International Tourist Services 82, ähnlich Hotelplan 82, deutlicher noch Hotelplan 79: "Maßgeblich für den Zeitpunkt des Rücktritts ist der Empfang dieser Sendung bei Hotelplan. " 45

48

50 51

Arndt 94.

In Kraft getreten am 1. 4. 77, § 30 AGBG.

4 Eichinger

50

4. Kap.: Die Ausübung des Rücktrittsrechts

Beurteilung der Unwirksamkeit besonderer Zugangserfordernisse nach § 651 kauf § 11 Nr. 16 AGBG zurückgegriffen werden. Unwirksamkeit gemäß § 11 .Nr. 16 AGBG bedeutet gleichzeitig Unwirksamkeit gemäß § 651 k. Was unter "besonderen" Zugangserfordernissen zu verstehen ist, ist durch Auslegung 62 zu ermitteln. Nach dem Sprachgebrauch der Rechtsgemeinschaft bedeutet "besonderes" etwas über das "allgemeine" hinausgehendes. Die allgemeinen Zugangserfordernisse für empfangsbedürftige Willenserklärungen sind in den §§ 130 - 132 festgelegt 63 • Ob aber alle darüber hinausgehenden Erfordernisse unwirksam sind, ist an Hand des vom Gesetzgeber mit der Vorschrift verfolgten Zweckes zu ermitteln, welchem bei der Auslegung vorrangige Bedeutung zukommt 54 • Die amtliche Begründung66 weist darauf hin, daß § 11 Nr. 16 übersteigerte Vorschriften über Zugangserfordernisse verhindern will, da sie dem Kunden die Wahrung vertraglicher Rechte erschweren. Denn die Einhaltung derartiger Zugangserfordernisse werde leicht übersehen, weil sie ungewöhnlich seien, der Kunde die AGB nach längerer Vertragszeit nicht mehr zur Hand habe oder weil sie ihm bei Vertragsschluß nicht ausgehändigt worden seien, was häufig unverhältnismäßige Rechtsnachteile nach sich ziehe66 • Diese Begründung in Verbindung mit der allgemeinen und umfassenden Formulierung "Zugangserfordernisse" läßt daher den Schluß zu, daß alle Zugangserfordernisse verboten sein sollen, die dem Kunden die Wahrung seiner Rechte erschweren67 , die unverhältnismäßige Präklusionsfolgen nach sich ziehen58 • Dabei muß dem Kunden keine unverhältnismäßige Benachteiligung entgegen Treu und Glauben drohen. Andererseits führt die Auslegung nach dem Gesetzeszweck dazu, daß besondere Zugangserfordernisse ohne nachteilige Auswirkung auf Rechte des Kunden nicht verboten sein sollen. Für den Bereich des reisevertraglichen Rücktritts gilt danach: Da der Reisende um so höhere Rücktrittspauschalen zu zahlen hat, je später seine Rücktrittserklärung wirksam ist, führen Klauseln, die faktisch den Wirksamkeitszeitpunktder Rücktrittserklärung hinausschieben, zu Rechtsnachteilen für den Reisenden und sind daher unwirksam59 • 52 Zur Auslegung Larenz Methodenlehre 291 ff., ZippeHus Methodenlehre 53 ff. 53 Vgl. oben 4. Kap. IV 1. 54 Larenz Methodenlehre 321. 55 BT-Drucks. 7/3919, 39. 55 BT-Drucks. 7/3919, 39. 57 Dürr BB 78, 1546. 58 Staudinger / Schlosser AGBG § 11 Nr. 16 Rdn. 1. 5g Stau dinger / Schlosser AGBG § 11 Nr. 16 Rdn. 6, Koch / Stübing AGBG § 11 Nr. 16 Rdn. 11.

IV. Das Wirksamwerden der Rücktrittserklärung

51

Klausel (1) a, b stellt für den Fall, daß der Rücktritt gegenüber dem Reisebüro als Empfangsboten erklärtt'° wird, entgegen den allgemeinen Zugangsregeln auf den tatsächlichen Zugang beim Reiseveranstalter ab. Diese Klausel führt bei einer verzögerten Weiterleitung der Erklärung durch das Reisebüro zu Rechtsnachteilen für den Reisenden und unterliegt daher dem Verbot des § 11 Nr. 16 AGBG61. Klausel (2) verlangt, daß die Rücktrittserklärung an eine bestimmte Organisationseinheit des Reiseveranstalters zu richten ist. Dies kann, wenn der Rücktritt nicht dieser Stelle gegenüber erklärt wird, zu einem Hinausschieben des Wirksamkeitszeitpunktes der Erklärung führen. Daher hat diese Klausel vor § 11 Nr. 16 AGBG keinen Bestand62 • Klausel (3) verlangt die zusätzliche Benachrichtigung eines Dritten und ist als ungewöhnliche Wirksamkeitsvoraussetzung, die leicht übersehen werden kann63, verboten64 • Klausel (4) stellt ungewöhnliche und leicht übersehbare65 Wirksamkeitsvoraussetzungen auf, ist daher gern. § 11 Nr. 16 nichtig. Die Kontrolle der Auslegungsergebnisse am Maßstab der Gerechtigkeit der Fallentscheidung66 bestätigt deren Richtigkeit. Klauseln (3) und (4) erlegen dem Reisenden zusätzliche, unübliche Maßnahmen auf, die dieser leicht übersehen kann, denen aber andererseits kein erkennbares Interesse des Verwenders entgegensteht: Die Nachricht an die Buchungsstelle oder die Rückgabe der Reisedokumente betreffen die endgültige Rückabwicklung mit dem zurückgetretenen Kunden. Die Möglichkeit des Weiterverkaufs der Reise durch den Reiseveranstalter ist hierdurch nicht berührt67 ; und nur diese Möglichkeit rechtfertigt die Staffelung der Rücktrittsgebühren je nach dem Rücktri ttszeitpunkt. Oben 4. Kap. IV 2. Staudinger / Schlosser AGBG § 11 Nr. 16 Rdn. 6, Koch / Stübing AGBG § 11 Nr. 16 Rdn. 11. - Unzutreffend ist die Bemerkung von Staudinger / Schlosser AGBG § 11 Nr. 16 Rdn. 6 am Ende, wonach das Verbot von § 11 Nr. 16 AGBG nicht Klauseln über Erklärungen erfasse, die beim Handelsvertreter des Verwenders eingegangen sind. Dazu Dürr BB 78, 1546, 1547 f. 62 Staudinger / Schlosser AGBG § 11 Nr. 16 Rdn. 6, Ulmer / Brandner / Hensen AGBG § 11 Nr. 16 Rdn. 8, Palandt / Heinrichs AGBG § 11 Anm. 16, Dürr BB 78, 1546, 1547. - a. M. Löwe / Graf von Westphalen / Trinkner AGBG § 11 Nr. 16 Rdn. 8. 63 BT-Drucks. 7/3919, 39. U Staudinger / Schlosser AGBG § 11 Nr. 16 Rdn. 6, Koch / Stübing AGBG § 11 Nr. 16 Rdn. 11. 65 BT-Drucks. 7/3919, 39. 66 Larenz Methodenlehre 323 ff. 67 a. M. Arndt 95. 60

61

4. Kap.: Die Ausübung des Rücktrittsrechts

52

Der Zugang bei der intern zuständigen Stelle des Reiseveranstalters, Klausel (2), kann aus organisatorischen Gründen für ihn von Wichtigkeit sein. Daß aber umgekehrt die Klausel den Reisenden nicht nennenswert belasteil8 , ist nur bedingt richtig. Sicher ist dem Reisenden ohne weiteres zuzumuten, seine Rücktrittserklärung an die intern zuständige Stelle des Verwenders zu richten, wenn er bei Abgabe der Rücktrittserklärung an diese Obliegenheit denkt. Häufig wird sich der Reisende aber hierüber keine Gedanken machen, da er die AGB nicht in Händen hat. Dann ist der Reisende mit der Zeit belastet, die der Organisationsapparat des Reiseveranstalters braucht, um das Rücktrittsschreiben an die intern zuständige Stelle zu leiten. Dies sollte in der Regel nicht mehr als einen Tag ausmachen, bei schlechter Organisation aber müßte der Reisende im Ergebnis für Organisationsmängel des Reiseveranstalters einstehen69 • Wenn die amtliche Begründung70 als Beispiel für ein leicht zu übersehendes und damit belastendes Erfordernis den verhältnismäßig einprägsamen Einschreibebrief nennt, so muß dies um so mehr für die Bestimmung einer Organisationseinheit gelten 71 • Schließlich wurde der Hinweis gegeben, daß sich der Verwender gegen derartige faktische Fristverlängerung kalkulatorisch absichern kann72 • Solche Klauseln für nichtig gemäß § 11 Nr. 16 AGBG zu halten, erscheint daher nicht als evident ungerecht. Mit Klausel (1) will der Reiseveranstalter im Ergebnis nichts anderes erreichen, als das Risiko einer verzögerten Weiterleitung der Rücktrittserklärung durch das Reisebüro von sich auf den Reisenden abzuwälzen: Denn nach den allgemeinen Zugangsregeln ist eine Erklärung bei Abgabe an den Empfangsboten in dem Zeitpunkt zugegangen, zu welchem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge das Eintreffen der Rücktrittserklärung beim Reiseveranstalter oder die Unterrichtung des Reiseveranstalters über den Inhalt der Erklärung zu erwarten ist7 3 • Versäumt daher das Reisebüro die Weiterleitung, so ist die Rücktrittserklärung dennoch nach ca. 2 Tagen dem Reiseveranstalter zugegangen74 • Angesichts der wirtschaftlichen Vorteile, die sich für den Reiseveranstalter aus der Einschaltung von Reisebüros als Verkaufsstellen ergeben, ist es nur konsequent, wenn er nach den allgemeinen Zugangsregeln auch die Risiken zu tragen hat, die hieraus erwachsen.

68 69

70

71

72 73 74

Löwe / Graf von Westphalen / Trinlmer AGBG § 11 Nr. 16 Rdn. 8.

Dürr BB 78, 1546, 1547. BT-Drucks. 7/3919, 39. Dürr BB 78, 1546, 1547. Dürr BB 78, 1546, 1547. BGH NJW 65, 965.

Vgl. oben 4. Kap. IV 2.

Dritter Teil

Der Entschädigungsanspruch des Reiseveranstalters nach dem Rücktritt des Reisenden (§ 651 i 11,111)

überblick Mit dem Rücktritt des Reisenden verliert der Reiseveranstalter gern. § 651 i II 1 den mit Abschluß des Reisevertrages gern. § 651 a I 2 entstandenen Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Reisepreises; statt dessen kann er nach § 651 i II 2 eine angemessene Entschädigung verlangent. Für die Berechnung des Entschädigungsanspruchs stellt das Gesetz dem Reiseveranstalter grundsätzlich zwei Methoden zur Verfügung: Die konkrete, § 651 i II 22 , und die abstrakte, § 651 i HP, Berechnungsmethode. Rechte des Reisenden, die sich aus dem Rücktritt ergeben, scheinen auf den ersten Blick "überhaupt ungeregelt"4. Jedoch folgt aus § 651 i II 1, wonach der Reiseveranstalter den Anspruch auf den Reisepreis verliert, das Recht des Reisenden, nach seinem Rücktritt die Zahlung des Reisepreises zu verweigern. Der praktisch häufigere Fall ist jedoch, daß der Reisende den Reisepreis bereits teilweise oder vollständig bezahlt hat. Denn nach den Konditionenempfehlungen des DRV5 und daran anschließend den AGB der Reiseveranstalter hat er bei Reiseanmeldung eine Anzahlung und spätestens bei Aushändigung der Reiseunterlagen die Restzahlung des Reisepreises zu leistenil. Ob und nach welcher Vorschrift der Reisende geleistete Zahlungen im Falle des Rücktritts zurückfordern kann, ergibt sich aus § 651 i nicht. Der Entwurf der Bundesregierung7 hatte noch bestimmt, der Reiseveranstalter habe die 1 Kritisch zu dieser Regelung, da sie den Reiseveranstalter ohne erkennbaren Grund gegenüber allen Werkunternehmern benachteilige, Leonardy DRiZ 78,267,269. 2 Unten 6. Kap. 3 Unten 7. Kap. 4 Erman 1 SeHer § 651 i Rdn. 1. 5 Ziff.2 (Bundesanzeiger Nr. 191 vom 11. 10. 1980). 6 Zur Vorauszahlungspflicht des Reisenden kritisch Tonner Betrieb 80, 1629 ff., der darin einen Verstoß gegen § 11 Nr. 2 a AGBG sieht. 7 BT-Drucks. 7/5141, 5 § 8 II S.1 HS. 1, unverändert in die 8. Legislaturperiode übernommen, vgl. BT-Drucks. 8/786, 5.

überblick

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Vergütung zurückzugewähren, soweit sie bereits entrichtet ist. Diese Bestimmung wurde zu Recht gestrichen, da sich die Rückzahlungspflicht des Reiseveranstalters bereits aus den Vorschriften des BGB ergibt. Anspruchsgrundlage ist nicht § 812 18 , sondern, da das Gesetz den Ausdruck Rücktritt gebraucht9 , "unzweifelhaft"10 § 346 S. P1. Zur KlarsteIlung und im Hinblick auf die Verweisungstechnik des BGB, vgl. §§ 327,462,634, wäre freilich eine ausdrückliche Verweisung auf § 346 S. 1 wünschenswert gewesen12. Beide Ansprüche entstehen mit dem Rücktritt des Reisenden und sind gern. § 271 1 sofort fällig. Da auch die übrigen Voraussetzungen des § 387 BGB vorliegen, besteht zugleich mit dem Rücktritt des Reisenden die Aufrechnungslage. Sowohl er als auch der Reiseveranstalter können gegenüber dem anderen Teil aufrechnen13 , und zwar gern. § 388 durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Gern. § 389 erlöschen damit die gegenseitigen Forderungen, soweit sie sich decken. Nach Verrechnung der gegenseitigen Forderungen14 kann den überschießenden Betrag diejenige Partei, zu deren Gunsten er sich ergibt, von der anderen Seite verlangen15 .

So aber TonneT § 651 i Rdn. 7. LaTenz VersR 80, 689, 691. 10 LaTenz SR II § 53 V. 11 LaTenz SR II § 53 V und VersR 80, 689, 691, Löwe BB 79, 1357, 1366, MünchKomm / Löwe § 651 i Rdn. 8; für analoge Anwendung des § 346 S.l Palandt / Thomas § 651 i Anm. 1, Erman / SeileT § 651 i Rdn. 5. 12 Nach Erman / SeileT § 651 i Rdn. 5 ist diese Verweisung versehentlich unterblieben. 13 Erman / SeileT § 651 i Rdn. 5. 14 LaTenz SR I § 18 VI. 8

9

15

Löwe BB 79, 1357, 1366.

5. Kapitel

Die Rechtslage vor Inkrafttreten des Reisevertragsgesetzes I. Die Rechtsgrundlagen für Ansprüche des Reiseveranstalters im Rücktrittsfall Vor Inkrafttreten des Reisevertragsgesetzes bestimmten sich die Rechtsbeziehungen zwischen Reiseveranstalter und Reisenden in erster Linie nach den getroffenen Vereinbarungen, insbesondere also nach den AGB des Reiseveranstalters. Diese sahen in übereinstimmung mit den Konditionenempfehlungen des DRV1 ein jederzeitiges Rücktrittsrecht des Reisenden vor Reisebeginn vor, verpflichteten ihn aber gleichzeitig zur Zahlung von Rücktrittsgebühren. Dieselbe Rechtslage war bei Anwendung des BGB festzustellen: Seit der Entscheidung des BGH vom 30. 11. 19722 wurde der Reisevertrag allgemein als Werkvertrag eingeordnet; nach § 649 S. 1 konnte der Reisende als Besteller des Werkes Reise zwar jederzeit den Reisevertrag aufkündigen, war aber gern. § 649 S. 2 zur Zahlung der vereinbarten Vergütung abzüglich Aufwendungsersparnis und anderweitigen Erwerbes verpflichtet. Zur Berechnung der Höhe der Rücktrittsgebühr sahen die Konditionenempfehlungen des DRV3 und ihnen folgend die AGB des Reiseveranstalters zwei Methoden vor: die konkrete Berechnung und die Pauschalierung des Anspruchs des Reiseveranstalters. 11. Die konkrete Berechnung des Anspruchs des Reiseveranstalters Nach Ziff. 5.1 der Konditionenempfehlungen des DRV4 behielt im Falle des Rücktritts des Reisenden der Reiseveranstalter den Anspruch auf die vereinbarte Vergütung; er mußte sich jedoch den Wert der ersparten Aufwendungen sowie derjenigen Vorteile anrechnen lassen, die er aus einer anderweitigen Verwertung der nicht in Anspruch genommenen Reiseleistungen erlangte. 1 2

3 4

Ziff. 5 (Bundesanzeiger Nr. 210 vom 5. 11. 1976). BGHZ 60, 14 = NJW 73, 318. Ziff. 5 (Bundesanzeiger Nr. 210 vom 5. 11. 1976). Bundesanzeiger Nr. 210 vom 5. 11. 1976.

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5. Kap.: Rechtslage vor dem Reisevertragsgesetz

Diese Regelung entsprach der Vorschrift des § 649 und war grundsätzlich nicht zu beanstanden. Aus der Rechtsprechung ist kein Fall bekannt, daß über die Höhe einer konkret berechneten Rücktrittsgebühr gestritten wurde; dies aber wohl deshalb, weil die Reiseveranstalter stets die festgesetzten Pauschalen geltend gemacht hatten und nicht aus dem Grunde, weil eine derartige Bestimmung nicht Anlaß zu Streitigkeiten hätte geben können: Zum einen unterscheidet die Regelung nicht nach den Gründen, die zum Rücktritt geführt haben 5 , zum anderen kann zweifelhaft sein, wann eine anderweitige Verwendung der Reiseleistungen vorliegt6 • In der Praxis erlangte die Einzelabdrechnung so gut wie keine Bedeutung.

111. Die pauschalierte Berechnung des Anspruchs des Reiseveranstalters 1. Die Redltsnatur der Rücktrittskostenpauschale

a) Die Notwendigkeit der rechtlichen Einordnung Die Notwendigkeit einer rechtlichen Qualifizierung ergab sich deshalb, weil hiervon die Möglichkeit richterlicher Kontrolle abhing 7 • Wie unklar die Einordnunng einer AGB-Klausel über Rücktritt und Stornopauschale war, zeigt sich daraus, daß sämtliche Deutungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden. Nach Medicus 8 kann eine AGB-Klausel über Rücktrittspauschalen entweder eine eigene Rechtsgrundlage schaffen sollen oder aber die Pauschalierung einer aus einem anderen Rechtsgrund geschuldeten Leistung bedeuten. Als weitere, auch von Medicus angedeutete Unterteilung bietet sich an: Eine eigene Rechtsgrundlage kann der Abschluß eines Vertrages sui generis, § 305, die Vereinbarung eines Reuegeldes, § 359, oder das Versprechen einer Vertragsstrafe, §§ 339 ff., schaffen. Die aus anderem Rechtsgrund geschuldete und durch die AGB-Klausel pauschalierte Leistung kann Aufwendungsersatz, Schadensersatz oder Vergütung sein. Je nach rechtlicher Deutung gestaltete sich die richterliche Kontrollmöglichkeit: Vertrag sui generis, Reuegeld, Schadensersatz-, Vergütungs- und Aufwendungsersatzpauschale unterlagen vor Inkrafttreten des AGBG den Grenzen der §§ 138, 242, die 5 Eberle Reiseveranstaltungsvertrag 19 zieht daher die Gültigkeit einer derartigen Klausel in Zweifel; im einzelnen unten 5. Kap. III 2 c) aa). S Im einzelnen unten 6. Kap. I 3. 7 a. M. SchlechtTiem 71, wonach über die Möglichkeit richterlicher Kontrolle derartiger Klauseln nicht deren Rechtsnatur, sondern deren Angemessenheit entscheide. S Medicus JZ 73, 369, 370.

IH. Die pauschalierte Berechnung

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Vertragsstrafe der Herabsetzungsmöglichkeit nach § 343; unter der Geltung des AGBG richten sich die Wirksamkeit von Vergütungs- und Aufwendungsersatzpauschalen nach § 10 Nr. 7 AGBG, von Schadensersatzpauschalen nach § 11 Nr. 5 AGBG, von Vertragsstrafen nach § 11 Nr. 6 AGBG, während die Vereinbarung eines Reuegeldes oder der Abschluß eines Vertrages sui generis in AGB nach der Generalklausel des § 9 AGBG zu beurteilen ist. b) Eigene vertragliche Regelung

Ein Teil der Rechtsprechung 9 und Literatur lO sah in einer AGB-KlauseI über Rücktrittspauschalen eine eigene vertragliche Regelung. Nach dem AG Frankfurt l l ergeben sich "Forderungsgrund und Höhe aus den Reisebedingungen". Auch Beuthien12 wies darauf hin, daß besondere vertragliche Störungsregeln allgemeine Leistungsstörungsvorschriften ausschließen können. Ihm folgend stützte das LG Frankfurt1 3 den Anspruch auf Zahlung von Rücktrittsgebühren dem Grunde nach auf die "vereinbarten Reise- und Zahlungsbedingungen". Nach dieser Auffassung setzten die Beteiligten aufgrund ihrer Vertragsfreiheit, §§ 305, 341, die Tatbestandsvoraussetzung fest, an welche sich bestimmte Folgen knüpfen sollen. Die Frage, ob hierbei ein gesetzlich geregelter Vertragstyp Eingang in den Reisevertrag gefunden hat, oder aber die Pauschalierung einer aus anderem Rechtsgrund geschuldeten Leistung vorgenommen wurde, wird nicht weiter verfolgt. Dies zu Unrecht, denn zwar besteht für schuldrechtliche Verpflichtungen kein Typenzwang, d. h. die Parteien müssen sich nicht eines gesetzlich geregelten Vertragstyps bedienen. Entspricht jedoch der Inhalt einer Vereinbarung einem im Gesetz geregelten Vertragstyp, so wird das Recht dieses Vertragstyps nicht schon dadurch unanwendbar, daß die Parteien dem Vertrag eine andere Bezeichnung gegeben haben14 • Mit anderen Worten war die Annahme eines Vertrages sui generis nur dann gerechtfertigt, wenn die Vereinbarung nicht einem gesetzlich geregelten Vertrags typ unterfiel. c) Reuegeldvereinbarung

Die Zuordnung der Pauschalierungsklausel zu dem gesetzlich geregelten Vertragstyp einer Reuegeldvereinbarung gern. §§ 346, 359 unter9

853. 10 11

12

13 14

AG Frankfurt FVE 9, 262, 263, LG Frankfurt FVE 9, 132, 133

Beuthien Anm. zu OLG Frankfurt JZ 72, 247. FVE 9, 262, 263. Anm. zu OLG Frankfurt JZ 72, 247. LG Frankfurt FVE 9, 132, 133 = BB 75, 853.

RG JW 13, 639.

BB 75,

5. Kap.: Rechtslage vor dem Reisevertragsgesetz

58

nahm Wolf15. Diese Möglichkeit sei nach der Vertragsfreiheit zulässig und im Gesetz ausdrücklich berücksichtigt. Die Pflicht zur Zahlung eines Reuegeldes sei zu unterscheiden von der Pflicht zur Zahlung einer Vergütung, von der Pflicht zur Zahlung einer Vertragsstrafe sowie von der Verpflichtung, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu leisten. Keine dieser Pflichten könne entstehen, wenn der Rücktritt erfolgt sei. Diese Auffassung trifft nicht zu: Entgegen der Meinung Wolfs kann auch im Falle des Rücktritts die Pflicht zur Zahlung einer Vergütung entstehen, wie die Bestimmung des § 346 S. 2 zeigt. Die Höhe der Vergütung kann gern. § 10 Nr. 7 AGBG formularmäßig vereinbart werden, wobei es unerheblich ist, ob ein fester Betrag oder eine Pauschale in Form eines bestimmten Prozentsatzes der Gesamtvergütung eingesetzt wird 16• Weiter ist festzustellen, daß bei einem Rücktritt gegen Reuegeld gern. § 359 S. 1 dem Empfänger der Rücktrittserklärung ein Zurückweisungsrecht zusteht, wenn der Berechtigte das Reuegeld nicht vor oder bei der Erklärung entrichtet. Dies würde für den Reisevertrag bedeuten: Erklärt ein Reisender den Rücktritt, ohne die für den betreffenden Rücktrittszeitpunkt angesetzte Pauschale zu entrichten, bzw. ohne an den Reiseveranstalter eine Anzahlung auf den Reisepreis in Höhe der Rücktrittspauschale geleistet zu haben, so kann dieser die Erklärung zurückweisen und der Rücktritt wäre unwirksam, § 359 S. 1. Zahlt der Reisende nunmehr nicht unverzüglich, wodurch die Rücktrittserklärung wirksam wäre, § 359 S. 2, und tritt er auch die Reise nicht an, so bliebe er weiterhin zur Zahlung des Reisepreises verpflichtet17 • Eine derartige Rechtsfolge ist aber von redlich denkenden Parteien mit der Vereinbarung von Rücktrittspauschalen nicht beabsichtigt. Denn das Erfordernis einer Rücktrittserklärung soll in erster Linie bewirken, daß der Reiseveranstalter von der Absicht des Reisenden erfährt und seine Maßnahmen treffen18, d. h. die Reise weiterverkaufen kann. Um diesen Zweck zu erreichen, ist die Zahlung eines Reuegeldes nicht erforderlich. Wegen der im Zurückweisungsrecht des Reiseveranstalters begründeten Rechtsfolgen war daher die Qualifizierung einer reisevertraglichen Stornoklausel als Reuegeldvereinbarung nicht zutreffend 19 • Ernst Wolf, Betrieb 74, 465, ebenso wohl Arndt 94. h. M., z. B. Löwe I Graf v. Westphalen /Trinkner AGBG § 10 Nr. 7 Rdn. 4, Ulmer I Brandner I Hensen AGBG § 10 Nr. 7 Rdn. 10, Koch I Stiibing AGBG § 10 Nr. 7 Rdn. 4. - a. M. Schlosser I Coester-Waltjen I Graba § 10 Nr. 7 Rdn.l1. 17 Vgl. oben 4. Kap. II 2, 3. 15

18

18 19

Arndt 94. Arndt 94, 95 hält die Zurückweisungsmöglichkeit für nach der Verkehrs-

sitte ausgeschlossen.

III. Die pauschalierte Berechnung

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d) Vertragsstrafen vereinbarung

Die Qualifizierung einer Rücktrittspauschale als Vereinbarung einer Vertragsstrafe nahm das AG Ludwigshafen20 vor. Auch Coester-Waltjen21 und Beuthien22 hielten die Deutung einer Stornoklausel als Vertragsstrafenvereinbarung für möglich. Ob eine Vertragsstrafe - im Gegensatz zur Schadenspauschalierung23 - vereinbart ist, hängt nicht von der Formulierung ab. Nach den von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Kriterien liegt eine Vertragsstrafe vor, wenn die Vereinbarung in erster Linie auf die Sicherung des Hauptvertrages abzielt und auf den Vertragspartner einen möglichst wirkungsvollen Druck ausüben soll, alle vertraglichen Pflichten einzuhalten, eine Schadenspauschale dagegen, wenn die vereinfachte Durchsetzung eines als bestehend vorausgesetzten Vertragsanspruches bezweckt ist!4. Die Vereinbarung einer Rücktrittskostenpauschale verfolgt nicht den Zweck, den Reisenden zur Durchführung eines Vertrages anzuhalten: Vielmehr wird durch die Einräumung eines Rücktrittsrechts vor Reisebeginn deutlich, daß dem Kunden eine Erholungsreise nicht aufgezwungen werden so1l25. Allerdings steht bereits im vorhinein fest, daß der Reiseveranstalter infolge des Rücktritts des Reisenden gewisse Einbußen erleidet; dem vereinfachten Ausgleich dieser Einbußen soll die Stornopauschale dienen. Orientiert sich jedoch die Höhe des zu zahlenden Betrages nicht an dem tatsächlich eingetretenen oder in derartigen Fällen typischerweise eintretenden Schaden, und liegt die Pauschale von vornherein jenseits des möglicherweise eingetretenen Schadens, so soll ebenfalls eine Vertragsstrafe vereinbart sein28 • Das AG Ludwigshafen27 hat mit dieser Begründung eine Stornoklausel in Höhe von 75 % als Vertragsstrafenvereinbarung qualifiziert, ohne allerdings näher darauf einzugehen, warum die Klausel nicht auf den tatsächlich eintretenden Schaden oder entgangenen Gewinn abstellen soll. Gerade die Staffelung der Rücktrittsgebühren, die um so höher sind, je näher der Rücktritt zum Reisebeginn liegt, zeigt aber, daß auf die Weiterverkaufsmöglichkeit und damit auf den typischerweise entgangenen Ge20

FVE 9, 296, 289.

Schlosser / Coester-Waltjen / Graba AGBG § 11 Nr. 5 Rdn. 22. FS Larenz 514. 23 Die Ansicht von Belke Betrieb 69, 559, 562, die Abred€ einer Schadenspauschalielrung sei ein unhaltbares Rechtsgebilde, das in der Vertragsstrafe aufgehe, ist durch die Fassung der §§ 11 Nr. 5, 6 AGBG obsolet geworden. 24 BGH NJW 70, 29, 32, BGHZ 49, 84, 89 = NJW 68, 149. 25 RegE BT-Drucks. 81786, 19, Tonner § 651 i Rdn. 5, Hoppmann BlGBW 79, 161, 164, AlternativKomm / Derleder § 651 i Rdn. 1. 26 BGH NJW 68, 149, AG Ludwigshafen FVE 9, 296, 298, Eggert NJW 74, 242, Beuthien FS Larenz 500, 513, Lindacher 180, Schlosser / Coester-Waltjen I Graba § 11 Nr. 5 Rdn. 22 für den Reisevertrag. 21

22

27

FVE 9, 296, 298.

5. Kap.: Rechtslage vor dem Reisevertragsgesetz

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winn abgestellt wird 28, daß somit erkennbar der möglicherweise eintretende Schaden vorweg ernsthaft geschätzt und diese Schätzung der Bemessung der Pauschale zugrunde gelegt wurde 29 • Wenn im Einzelfall ein wesentlich niedrigerer oder überhaupt kein Schaden entstanden ist, so hat dies nicht zur Folge, daß eine Klausel nunmehr notwendigerweise als Vertragsstrafe zu qualifizieren wäre, wie die Fassung des § 11 Nr. 5 b AGBG zeigt, wonach in diesem Fall die Möglichkeit des entsprechenden Nachweises eröffnet ist. Die Einordnung einer Stornoklausel als Vertragsstrafe erscheint daher verfehlt. e) Aufwendungsersatzpauschale

Blaurock30 und Heinrichs 31 bezeichneten die Stornopauschalen der Reiseveranstalter als pauschalierten Aufwendungsersatz. Wenn Blaurock32 einige Zeilen weiter von Pauschalierung des Schadens spricht, ist dies insoweit konsequent, als der Begriff Aufwendungsersatz unter den Oberbegriff Schadensersatz fäll~. Die Bezeichnung als "Aufwendungsersatzpauschale" ist jedoch deshalb nicht zutreffend, weil die Stornoklausel nicht nur gemachte Aufwendungen, sondern auch entgangenen Gewinn pauschalieren soll. f) Schadensersatzpauschale

Wie Blaurock34 so bezeichneten auch Bartl 35 , Huhn36 , Klimke 37 , Spill 38 und die Amtsgerichte Frankfur~ und Rotenburg/Wümme4o die Rücktrittsklauseln als Pauschalierung eines Schadensersatz anspruches. Auch Coester-Waltjen4t, Hensen 42 , Kötz 43 und Dittmann / Stahl 44 nannten als Beispiel für Schadensersatzpauschalierungen i. S. v. § 11 Nr. 5 28

Huhn Probleme des Werkvertragsrechts 99, 120.

OLG Köln NJW 74, 1952, 1953. ZHR Beiheft 46, 29. 31 Palandt / Heinrichs (37. Aufl.) AGBG § 10 Anm. 7 a) ce). 32 ZHR Beiheft 46, 29. 33 Schlosser / Coester-Wattjen / Graba AGBG § 10 Nr. 7 Rdn. 12, §§ 11 Nr. 5 Rdn. 33, 36. 34 ZHR Beiheft 46, 29. 85 BB 73 Beil. 10, 11, anders ders. in RTour Gruppe 130 Rdn. 94, 160. 38 Probleme des Werksvertragsrechts 99, 120. 37 ZfV 74, 500, 501. 38 Der Personenverkehr 74, 122, 124. 39 FVE 9, 262, 263. 40 Urteil vom 22. 12. 1978 Az.: 3 C 572/78 - nicht veröffentlicht. 41 Schlosser / Coester-Waltjen / Graba AGBG § 11 Nr. 5 Rdn. 9. 42 Ulmer / Brandner / Hensen (3. Aufl. 1978) AGBG § 11 Nr. 5 Rdn. 25. 43 MünchKomm / Kötz AGBG § 11 Rdn. 32. 44 AGBG § 11 Nr. 5 Rdn. 387, 395. 29

30

IH. Die pauschalierte Berechnung

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AGBG die reisevertraglichen Stornoklauseln. Begründungen für die Einordnung als Schadensersatzpauschalierung wurden allerdings nicht gegeben. Voraussetzung für eine derartige Einordnung wäre, daß dem Reiseveranstalter im Falle des Rücktritts des Reisenden gegen diesen dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch zustand. Grundsätzlich entstehen Schadensersatzansprüche nur im Falle rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens des Vertragsgegners, was für die Ausübung eines vertraglich eingeräumten Rücktrittsrechts verneint werden muß45. Es ging vielmehr um die Folgen der durch den Rücktritt ausgelösten Unmöglichkeit der Leistung des Reiseveranstalters, d. h. um die Frage, ob und in welcher Höhe der Reiseveranstalter trotz Unmöglichkeit der eigenen Leistung Anspruch auf die Gegenleistung hatte 46 • Da der Rücktrittspauschale kein Schadensersatzanspruch des Reiseveranstalters zugrundelag, war die Qualifizierung als Schadensersatzpauschale nicht zutreffend.

g) Vergütungspauschale Beuthien47 sah in der Stornoklausel die Pauschalierung der dem Reiseveranstalter gern. § 324 I zustehenden Gegenleistung, wobei das Vertretenmüssen des Reisenden vertraglich bis zur Risikoverantwortung ausgeweitet werde 48 • Nach Bartl49 handelte es sich bei dem Anspruch des Reiseveranstalters aus der Stornoklausel um einen pauschalierten Vergütungsanspruch; denn da der Reisevertrag Werkvertrag sei, sei zur rechtlichen Beurteilung der Rücktrittsklauseln auf § 649 zurückzugreifen, der eine besondere Ausgestaltung des § 632 darstelle. Ebenso hielt Löwe 50 die Stornoklausel ohne Rücksicht auf die jeweilige Bezeichnung für einen pauschalierten Vergütungsanspruch aus § 649, der zwar noch eine Art Erfüllungsanspruch sei, dem wirtschaftlichen Gehalt nach aber die Funktion eines Schadensersatzanspruches habe. Auch Medicus 5t, der BGH52 sowie die Landgerichte Frankfurt53 und Konstanz 54 sahen in der Stornoklausel die Pauschalierung der aus § 649 bzw. § 645 geNäher unten 7. Kap. 14. FS Larenz 495, 513. 47 FS Larenz 495, 513. 48 Näher Beuthien JZ 72,247. 49 RTour Gruppe 130 Rdn. 94, 160, anders noch BB 73 Beil. 10, 11 (Schadensersatz), offen gelassen in NJW 78, 729, 734, wo BartL die Stornoklauseln je nach der Höhe des eingesetzten Betrages qualifizieren will. 50 Löwe / Graf v. Westphalen / Trinkner AGBG § 9 Rdn. 60. 51 JZ 73, 369. 52 JZ 73, 366. 53 FVE 9, 132 = BB 75, 853, FVE 8, 299. 54 Urteil vom 15.9.1978 Az.: 7 S 34178, S. 5 -, nicht veröffentlicht. 45

46

Beuthien

5. Kap.: Rechtslage vor dem Reisevertragsgesetz

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schuldeten Leistung. Dietlein / Rebmann55 schließlich sahen in den Rücktrittsgebühren Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche kombiniert. Die Beurteilung als Vergütungspauschalierung erscheint zutreffend. Denn Rechtsgrund für die Leistung des Reisenden im Falle seines Rücktritts war, da der Reisevertrag den Regeln des Werkvertrages unterlag, § 649, bzw., falls der Reisende aus in seiner Person liegenden Gründen die Reise nicht antreten konnte, § 645 56 • Der nach diesen Vorschriften dem Reiseveranstalter zustehende (Teil-)vergütungsanspruch wurde durch die Stornoklausel pauschaliert. 2. Richterliche Kontrolle der Angemessenheit der Pauschale vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes

a) Grundsätzliche Zulässigkeit

Für den Bereich des Reisevertrages war die grundsätzliche Zulässigkeit einer Pauschalierung der Rücktrittsgebühren einhellig anerkannt 57 • Als Begründung hierfür wurde neben der üblichkeit derartiger Pauschalierungen58 und dem Grundsatz der Vertragsfreiheit59 vor allem angeführt, daß eine Pauschalierung im beiderseitigen Interesse liege: Im Interesse des Reiseveranstalters liege die Pauschalierung deshalb, weil sie ihm zum einen die Offenlegung der Kalkulation für den Nachweis eines Schadens erspare1lO, zum anderen ihn der Schwierigkeit enthebe, den konkret entstandenen Anspruch genau zu beziffern und aufzuschlüsseln, was mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäretli. Im Interesse des Reisenden liege die Pauschalierung, da sie ihm den Nachweis ersparter Kosten gem. § 649 S. 2, den grundsätzlich der Besteller zu führen hat62, erlasse63 • Im Interesse beider Vertragsparteien liege die durch die Pauschalsätze bewirkte Vereinfachung des Rücktritts64 • AGBG § 10 Nr. 7 Rdn. 5. BGH JZ 1973, 366 (Anm. Medicus). 57 BGH JZ 73, 366 (m. Anm. Medicus), OLG Frankfurt JZ 72, 245 (m. Anm. Beuthien), LG Düsseldorf FVE 9, 211, 213, LG Frankfurt FVE 4, 165, 174, AG Frankfurt FVE 9, 262, 263, LG Frankfurt FVE 9, 132 = BB 75, 853, 854, LG Frrankfurt FVE 8, 299, 300. - Die Auffassung, Pauschalierungen seien ganz allgemein unzulässig, vgl. z. B. Schmidt-Salzer AGB Rdn. 192, ist durch die Fassung des § 11 Nr. 5 AGBG überholt. 58 LG Düsseldorf FVE 9, 211, 213. 59 LG Frankfurt FVE 4,165,174. 80 AG Frankfurt FVE 9, 262, 263, Eberle Reiseveranstaltungsvertrag 20. 81 LG Frankfurt FVE 9, 132 = BB 75, 853, 854, LG Frankfurt FVE 4, 165, 174, LG Frankfurt FVE 8, 299, 300, Eberle Reiseveranstaltungsvertrag 20. 82 Palandt I Thomas § 649 Anm. 2, MünchKomm I Soergel § 649 Rdn. 14. 55 SB

63

Arndt 93.

u Arndt 93.

111. Die pauschalierte Berechnung

63

b) Prüfungsmaßstab: Treu und Glauben War die grundsätzliche Zulässigkeit einer Pauschalierung der Rücktrittskosten auch anerkannt, so unterlag die Pauschale doch der richterlichen Inhaltskontrolle. Maßstab für die Wirksamkeit einer AGBKlausel war unter der Rspr. des BG!I% der Grundsatz von Treu und Glauben, § 242; danach war der Verwender verpflichtet, schon bei der Abfassung seiner AGB die Interessen seiner künftigen Vertragspartner angemessen zu berücksichtigen1l6, insbesondere keine unzumutbare Risikoverteilung vorzunehmen1i7, keine unangemessenen68, überraschenden6D oder unüblichen7il Klauseln aufzunehmen, bei abweichender Regelung von dispositiven Normen, die nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen, sondern auf Gerechtigkeitsvorstellungen beruhen, die zugrundeliegenden Gerechtigkeitsgedanken zu einem Mindestmaß zu berücksichtigen71 • Diese und ähnliche72 Kriterien wurden von der Rspr. genannt, soweit es um die Frage der Vereinbarkeit einer AGB-Klausel im allgemeinen mit § 242 ging. c) Konkretisierung des Prüfungsmaßstabes

durch gesetzgeberische Leitbilder

Es liegt auf der Hand, daß aufgrund dieser - wenn auch noch so zahlreichen - unbestimmtenRechtsbegriffe noch nicht unmittelbar festgestellt werden konnte, ob eine konkrete Klausel tatsächlich angemessen etc. war oder nicht. Die angegebenen Begriffe waren nicht unmittelbar subsumtionsfähig, sondern ihrerseits wertausfüllungsbedürftig. Mit anderen Worten waren an die einzelne Klausel konkrete Anforderungen zu stellen, die erfüllt sein mußten, damit die Klausel angemessen war und vor § 242 bestehen konnte. Je nach dem Regelungsbereich einer Klausel kam es dabei auf ganz unterschiedliche Einzelgesichtspunkte an. In welcher Richtung nach relevanten Einzelumständen zu suchen war, wurde durch die geschriebenen und ungeschriebenen Normen des dispositiven Rechts bestimmt, da sie zum Ausdruck bringen, 65 Grundlegende Entscheidung BGH vom 29.10.1956 BGHZ 22, 90; ferner z. B. BGHZ 33,216; 38, 183; 41, 151; 54, 106; BGH JZ 71,623. - Das RG orientierte sich an § 138, Nachweise bei Raiscr Das Recht der AGB 1935, 277 ff. Das LG Frankfurt, FVE 4, 165, 173 überprüft eine reisevertragliche Rücktrittsklausel an '1\"eu und Glauben, dispositivem Recht und guten Sitten. 66 BGH JZ 71, 623. 61 BGH Betrieb 69, 1337, 1338. 08 BGH NJW 69, 1485. Og BGH Betrieb 69, 1337, 1338. 70 BGH NJW 70,992. 71 BGH JZ 71, 623. 72 Weitere Formulierungen und Nachweise bei Schmidt-Salzer Rdn. 125.

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5. Kap.: Rechtslage vor dem Reisevertragsgesetz

auf welchen Orientierungsprinzipien das Zivilrecht beruht73 • Orientierungsmaßstab waren somit die durch die AGB-Klausel abbedungenen dispositiven Normen. Fragte man nach der Rechtslage, die ohne die Existenz der Stornoklausel bestehen würde7 4, so ergab sich: Da der Reisevertrag als Werkvertrag eingeordnet wurde 75 , griffen im Falle des willkürlichen Rücktritts § 649'76 und im Falle des Rücktritts aus wichtigem Grund in der Person des Reisenden § 645 77 ein. Aufgrund der in diesen Vorschriften getroffenen gesetzgeberischen Entscheidungen wurden von Rspr. und Lit. für die Beurteilung der Angemessenheit einer Rücktrittsklausel folgende Bewertungskriterien aufgestellt: aa) Unterscheidung nach Rücktrittsgründen Nach der Gesetzeslage ohne die Rücktrittsklausel bestimmten sich die Folgen des Rücktritts, je nachdem ob der Reisende aus freien Stücken oder aus wichtigem, in seiner Person liegenden Grund von einer Reise Abstand nahm, unterschiedlich: Im ersten Fall hätte der Reisende gern. § 649 die volle Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen und anderweitigen sowie böswillig unterlassenen Erwerbes zu zahlen; dies bedeutete, daß dem Reiseveranstalter der gesamte entgangene Gewinn verblieb. Im zweiten Fall schuldete der Reisende gern. § 645 nur die der geleisteten Arbeit entsprechende Teilvergütung sowie Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen, d. h., daß der Reisende nur die Kosten der Buchung und den darin enthaltenen Unternehmergewinn, nicht aber, da diese Arbeit nicht geleistet wurde, auch den der eigentlichen Reise zugrunde liegenden Gewinn zu erstatten gehabt hätte; insoweit schuldete der Reisende nur Auslagenersatz, d. h. die Erstattung der vom Reiseveranstalter an die Leistungsträger zu leistenden Entschädigungen. Die unterschiedlichen Rechtsfolgen, die das Gesetz je nach dem Rücktrittsgrund vorsah, waren daher Anlaß, an der Angemessenheit einer Klausel zu zweifeln, die nicht nach den Rücktrittsgründen unterschied 78 • Es entspricht auch dem der gesetzlichen Regelung zu73 Sog. Ordnungs- und Leitbildfunktion des dispositiven Rechts, SchmidtSalzer AGB Rdn. 135 m. w. N. 74 LG Frankfurt FVE 9, 132 = BB 75, 853. 75 Seit BGH Urteil vom 30.11. 1972 BGHZ 60, 14 ff. NJW 73, 318 allg. M. 7& z. B. AG Frankfurt FVE 9, 262. 77 BGH JZ 73, 366 (zust. Anm. von Medicus), LG Frankfurt BB 75, 853 FVE 9, 132. - a. A. OLG Frankfurt JZ 72, 245 (zust. Anm. von Beuthien): Anwendbar sei § 324. 78 BGH JZ 73, 366, 369, Eberle Reiseveranstaltungsvertrag 18. a. M. Medicus JZ 73, 370, wonach zu einer Unterscheidung kein Anlaß bestehe, da der Unterschied zwischen den Rechtsfolgen praktisch wenig ergebe.

II!. Die pauschalierte Berechnung

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grunde liegenden Gerechtigkeitsgedanken, daß ein Reisender, der z. B. wegen einer plötzlich auftretenden Krankheit von der Reise zurücktreten muß, nicht eine ebenso hohe Stornogebühr zahlen muß wie jemand, der aus einer Laune heraus nicht mehr reisen will. Zu beachten ist aber, daß das Leitbild der gesetzgeberischen Entscheidung nicht nur auf die Weise eingehalten werden kann, daß Normen mit Gerechtigkeitsgehalt vollinhaltlich in die AGB aufgenommen werden. Entscheidend ist vielmehr, daß eine abweichende AGB-Klausel die Interessen des Vertragspartners zu einem Mindestmaß wahrt, das dem Wesensgehalt des der gesetzlichen Regelung zugrundeliegenden Gerechtigkeitsgedanken entspricht79 • Dementsprechend ist in nicht wenigen Urteilen80, z. T. entscheidend8!, darauf abgestellt, ob sich der Reisende gegen die Kosten eines unverschuldeten Rücktritts, also die Fälle des § 645 I, versichern kann. Diese Möglichkeit bieten Versicherungsgesellschaften in Form einer Reiserücktrittskosten-Versicherung an. Dem Reiseveranstalter wurde auferlegt, auf die Versicherungsmöglichkeit hinzuweisen82 • Eine Pflicht des Reiseveranstalters, die Reiserücktrittskostenversicherung für den Reisenden allemal selbst abzuschließen, sollte hingegen nicht bestehen83 • Ebensowenig wurde gefordert, die Versicherung müsse die gesamten Rücktrittskosten tragen84 ; ein maßvoller Selbstbehalt des Versicherten ist auch in anderen Versicherungszweigen üblich85 und durch ein berechtigtes Interesse des Versicherers gedeckt; im Falle der Reiserücktrittskosten-Versicherung bestehen keine besonderen Umstände, die einen Selbstbehalt als unbillig erscheinen ließen. Die infolge der unterschiedslosen Behandlung der Fälle des § 645 und § 649 auftretenden Bedenken wurden also durch die vom Reiseveranstalter angebotene Möglichkeit, die Fälle des § 645 zu versichern, ausgeräumt. bb) Berücksichtigung von Vorteilen Der Gedanke des Vorteilsausgleichs ist in § 649 S. 2 Hs 2 niedergelegt: Der Unternehmer muß sich auf die vereinbarte Vergütung anrechnen lassen, was er infolge der Vertragsaufhebung einspart oder BGH JZ 71,623. BGH JZ 73, 366, 369 (mit Anm. Medicus), LG Frankfurt FVE 9, 132 = BB 75, 853, 854, LG Düsseldorf FVE 9, 211, LG Frankfurt FVE 8, 299, 300, AG Frankfurt FVE 9, 262. 81 LG Frankfurt FVE 9, 132 = BB 75, 853, 854. 82 Medicus JZ 73, 370, unklar BGH JZ 73, 366, 369. 83 Fn.82. 84 So aber Arndt 94. 85 Vgl. z. B. die Selbstbeteiligung bei der sog. "Vollkaskoversicherung". 79

80

5 Eichinger

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5. Kap.: Rechtslage vor dem Reisevertragsgesetz

anderweitig erwirbt. Für den Bereich der reisevertraglichen Rücktrittspauschalen wurden unter dem Stichwort Vorteilsausgleich verschiedene Kriterien genannt, anhand derer die Angemessenheit der Stornoklausel überprüft wurde. Im Vordergrund stand dabei das Bestreben, aufgrund sachgerechter Differenzierungsmerkmale zu einer gerechten Abstufung der Pauschalsätze zu gelangen. (1) Ersparte Aufwendungen

Allgemein anerkannt8'6 war, daß der Reiseveranstalter bei Festsetzung der Pauschalen zu berücksichtigen hatte, in welcher Höhe er bei einem Rücktritt des Reisenden Kosten ersparte. Dies entsprach § 649 S. 2 und stand auch in den vom DRV empfohlenen Konditionen87 • Was eingespart bzw. von den Leistungsträgern dem Reiseveranstalter gutgeschrieben wurde, bestimmte sich nach den mit den Leistungsträgern geschlossenen Vereinbarungen und den Besonderheiten der angebotenen Reisess . Wird z. B. ein Hotelzimmer nicht in Anspruch genommen, so hat der Hotelier gern. Nr. 4 b der Geschäftsbedingungen im Hotelgewerbes9 dennoch Anspruch auf 80 % (bei übernachtungsvertrag) bzw. 60 % (Pensionsvertrag) des vereinbarten Preises. Gern. § 24 Evosva wurde bei Rückgabe einer Fahrkarte deren Preis im allgemeinen erstattet, während bei Rückgabe eines Flugtickets in der Regel keine Erstattung zu erwarten ist. Dementsprechend war bei allen Reiseveranstaltern in übereinstimmung mit den Konditionenempfehlungen des DRV90 die Differenzierung der Rücktrittspauschalen je nach der Reiseart üblich. (2) Abstrakte Chance anderweitigen Erwerbs

Weiter wurden an eine Stornoklausel Anforderungen gestellt, die man als Berücksichtigung der Chance anderweitigen Erwerbs zusammenfassen kann. Es handelt sich um eine Differenzierung der Rücktrittspauschalen danach, ob ein Rücktritt in die Vor- oder Hauptsaison falle 9t, ob die Buchung kurz- oder langfristig erfolgt sei 92 und wie weit der Rücktrittszeitpunkt vom vorgesehenen Zeitpunkt des Reiseantritts entfernt liege93• se Arndt 93, LG Frankfurt FVE 4, 165, 174. 87 Ziff. 5.1 (Bundesanzeiger Nr. 210 vom 5. 11. 1976). 88 Arndt 93. 89 Abgedruckt bei Corsten Anl. 1. 89a Jetzt § 18 EVO, unten 6. Kap. 12. DO Ziff. 51 (Bundesanzeiger Nr. 210 vom 5. 11. 1976). 91 BGH JZ 73, 366, 369, LG Frankfurt FVE 9, 262, 263. 92 BGH JZ 73, 366, 369, LG Frankfurt FVE 4, 165, 174. 93 BGH JZ 73, 366, 369 (mit zust. Anm. von Medicus), Huhn Probleme des Werkvertragsrechts 120.

II!. Die pauschalierte Berechnung

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Die These, für die Frage der Angemessenheit einer Stornoklausel könne die Differenzierung danach von Bedeutung sein, ob der Reisende in der Vor- oder Hauptsaison zurückgetreten sei94 , erweist sich als wenig hilfreich. Denn zwar kann man sagen, ein kurzfristiger Rücktritt während der Hauptsaison führe zu einer echten Einbuße, weil ein bei "rechtzeitigem" Rücktritt verhältnismäßig leicht zu veräußernder Platz frei bleibe, während außerhalb der Hochsaison ohnehin ein Teil der Plätze unbesetzt sei, womit der Reiseveranstalter von vornherein rechnen müsse 96 • Man kann aber auch umgekehrt argumentieren: Bei einem Rücktritt innerhalb der Hochsaison besteht eher die Möglichkeit, die Reise oder Teile davon weiterzuveräußern, außerhalb der Hochsaison hingegen ist dies viel unwahrscheinlicher". Dies deshalb, weil außerhalb der Hauptsaison in der Regel ohnehin ein Teil der Plätze unbesetzt ist und ein "anrechenbarer" Weiterverkauf nur dann in Betracht kommt, wenn der Weiterverkauf gerade auf dem Rücktritt des Reisenden beruhte, in der Regel also nur bei Ausbuchung der Reise 97 • Dagegen erscheint der Gesichtspunkt, für die Angemessenheit einer Klausel könne von Bedeutung sein, ob sie danach unterscheide, wie kurzfristig vor Reisebeginn der Reisende gebucht habe1l8 , von größerem Gewicht. Denn es liegt auf der Hand, daß ein Reisender, der bereits lange vor Reisebeginn bucht und kurz vorher zurücktritt, den anderweitigen Verkauf der Reise damit für lange Zeit blockiert hat, während ein anderer, der kurz vor Reisebeginn bucht und ebenso kurzfristig wieder zurücktritt, auf die Chance anderweitiger Veräußerung möglicherweise überhaupt keinen Einfluß genommen hat. Beide müssen aber bei Rücktritt zum selben Zeitpunkt vor Reisebeginn die gleiche Stornogebühr zahlen, worin der BGH98 eine Härte gegenüber dem kurzfristig Buchenden gesehen hat. Allerdings erscheint es nicht ganz zutreffend, darauf abzustellen, wie kurzfristig vor Reisebeginn die Buchung vorgenommen wurde. Denn entscheidend ist, wie lange der Reisende durch seine Buchung einen möglichen Weiterverkauf blockiert hat. Eine Differenzierung danach, wieviel Zeit zwischen Buchung und Rücktritt liegt, erschiene daher sachgerechter. Allgemein üblich100 und als gerechtfertigt anerkannt101 war die Staffelung der Rücktrittsgebühren je nach Lage des Rücktrittszeitpunkts BGH JZ 73, 366. 369. AG Frankfurt FVE 9, 262, 263. BGH JZ 73, 366. 98 Medicus JZ 73, 370, LG Frankfurt FVE 9, 132, 135. 97 Unten 6. Kap. I 3. 98 BGH JZ 73, 369. UD BGH JZ 73, 369. 100 Im Anschluß an die Konditionenempfehlungen des DRV Ziff. 5.1 (Bundesanzeiger Nr. 210 vom 5. 11. 1976). 101 Medicus JZ 73, 371, Huhn Probleme des Werkvertragsrechts 120. V4

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5'

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5. Kap.: Rechtslage vor dem Reisevertragsgesetz

zum vereinbarten Reisebeginn: Je kürzer vor Reisebeginn der Reisende zurücktritt, desto höher ist die Stornogebühr angesetzt. Eine Abstufung der Rücktrittsgebühr nach dem Zeitpunkt des Rücktritts ist deshalb gerechtfertigt, weil hiervon die Möglichkeit anderweitiger Verwendung der Reiseleistungen abhängt. (3) Weiterverkauf im Einzelfall Nach nahezu allgemeiner Meinung in Rechtsprechung 102 und Literatur103 spielte es eine Rolle, ob eine Reise im konkreten Fall weiterverkauft werden konnte oder nicht. Denn der Reisende sollte nicht für einen wiederbesetzten Reiseplatz Stornogebühren zahlen müssen, der Reiseveranstalter, der durch den Rücktritt des Reisenden keine Einbuße erlitten hat, sich an dem Rücktrittsfall nicht bereichern. In dem hier zur Sprache stehenden Zusammenhang der richterlichen Inhaltskontrolle der Rücktrittsklauseln bedeutete dies, daß eine Rücktrittsklausel nicht ausschließen durfte 10" der Reisende könne den Einwand des Weiterverkaufs erheben; dann wäre eine Klausel unwirksam gewesen. d) Konkretisierung des Prüfungsmaßstabes

durch Entwürfe zum Reisevertragsgesetz

Nicht zuletzt kommen die in der Rechtsgemeinschaft vorhandenen Gerechtigkeitsvorstellungen auch in Gesetzesvorhaben zum Ausdruck. Daher erscheint es durchaus als zutreffend, wenn einige Gerichte10ö zur Beurteilung der Angemessenheit einer Rücktrittsklausel den jeweils jüngsten Referentenentwurf des Reisevertragsgesetzes herangezogen haben. Originell zwar, jedoch nicht vertretbar ist die Methode des AG Augsburg106 : "Mangels näherer Anhaltspunkte für die Berechtigung eines Ansatzes von 55 % des Reisepreises" nimmt das AG als angemessenen Prozentsatz kurzerhand den Mittelwert zwischen den einseitig aufgestellten Bedingungen des Reiseveranstalters und dem im RefE für den entsprechenden Fall vorgesehenen Vomhundertsatz an. Unvertretbar ist dies deshalb, da, wenn keine näheren Anhaltspunkte für die 102 AG München FVE 5, 213, AG Köln FVE 4, 147, AG Köln FVE 2, 162, LG Frankfurt FVE 8, 299. - a. M. AG Frankfurt FVE 9, 269. 103 Bara BB Beilage 10173, 11 und RTour Gruppe 130 Rdn. 97, Eberle Reiseveranstaltungsvertrag 19, Blaurock ZHR Beiheft 46, 29, Beuthien FS Larenz 513, Löwe I Graf v. Westphalen I Trdnkner AGBG § 9 Rdn. 60, Ulmer I Brandner I Hensen (3. Auflage) AGBG Anhang §§ 9 - 11 Rdn. 587. 104 Nach neuerer Rspr. ist dies bereits der Fall, wenn der Durchschnittskunde nach der Fassung der AGB davon ausgehen muß, daß er sich. auf einen im Einzelfall wesentlich niedrigeren Schaden nicht berufen könne, vgl. z. B. OLG Hamburg NJW 81, 2420, 2421. 105 LG Frankfurt FVE 9, 132 = BB 75, 853, 854, AG Augsburg FVE 10, 257, 259. 108 FVE 10, 257, 259.

III. Die pauschalierte Berechnung

69

Berechtigung einer Forderung gegeben werden können, nach den allgemeinen Grundsätzen zur Beweislastverteilung der Anspruchsteller beweisfällig ist107 • 3. Die ridtterliche Kontrolle der Angemessenheit der Rücktrittspauschale nach Inkrafttreten des AGB-Gesetzes

Seit dem 1. 4. 1977 richtete sich die Inhaltskontrolle von Rücktrittspauschalen nach dem AGBG. Je nachdem, wie die Pauschale rechtlich qualifiziert wurde 108 , gestaltete sich die richterliche überprüfungsmöglichkeit. Als Vertragsstrafe war sie gern. § 11 Nr. 6 AGBG unwirksam, als Vergütungs- bzw. Aufwendungsersatzpauschale unterlag sie der Angemessenheitsprüfung nach § 10 Nr. 7 a bzw. b AGBG, als Schadensersatzpauschale konnte sie gern. § 11 Nr. 5 AGBG unwirksam sein, als Vertrag sui generis durfte sie keine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners enthalten, § 9 AGBG. 4. Die Beweislast für die Angemessenheit der Pauschale

Nach den allgemeinen Grundsätzen über die Beweislastverteilung obliegt dem Geschädigten die Beweislast für die Voraussetzungen seines Anspruchs Hl9 , also auch für die Entstehung eines Schadens und dessen Höhe. Dies gilt auch, wenn der Anspruch im voraus pauschal festgesetzt wurde. Dem Reiseveranstalter oblag daher der Nachweis, daß die pauschalierte Rücktrittsgebühr dem typischen Schadensumfang entsprach l1O ; er mußte im Streitfall die Bemessungsgrundlagen für die Pauschale darlegen und beweisen, was durch Vorlage der t,ypisierten Kalkulation geschehen konnte 111 • Dem Reisenden oblag dagegen der Nachweis, im Einzelfall seien die dem Reiseveranstalter entstandenen Nachteile wesentlich geringer gewesen als die Pauschale oder es sei überhaupt keine Einbuße entstanden112 • Zur Rechtswahrung des Reisenden sollte dessen substantiiertes Bestreiten genügen113 •

Unten 5. Kap. III 4. Oben 5. Kap. III 1. 109 Larenz SR I § 29 IV, Palandt I Heinrichs Vorbem. vor § 249 Anm. 8 vor a). 110 Bartl NJW 78, 729, 735 m. w. N. in Fn. 118. 111 Str., Bartl NJW 78, 729, 735 m. w. N. in Fn. 119. 112 Bartl NJW 78, 729, 735. 113 Str., Bartl NJW 78, 729, 735 m. w. N. in Fn. 121. 107

108

6. Kapitel

Die konkrete Berechnunl!: des Entschädigungs8nspruchs (§ 651 i 11 3) I. Die Berechnungsfaktoren 1. Reisepreis Ausgangspunkt für die konkrete Berechnung des Entschädigungsanspruchs des Reiseveranstalters ist der Reisepreis. Mangels anderer Anhaltspunkte ist dies der im Einzelfall vereinbarte Reisepreis. Dazu gehören sämtliche Zuschläge wie z. B. Saison-, Einzelzimmer- und Treibstoffzuschläge. Andererseits sind aber dem Reisenden eingeräumte Rabatte vom Reisepreis abzuziehen. Grundlage ist der Reisepreis, den der Reisende an den Reiseveranstalter tatsächlich zu zahlen gehabt hätte. 2. Ersparte Aufwendungen

Vom Reisepreis abzuziehen ist der Wert der Aufwendungen, die der Reiseveranstalter infolge des Rücktritts des Reisenden erspart. In Betracht kommen Aufwendungen für Hotel und Unterkunft, Verpflegung, Beförderungsmittel, die der Reiseveranstalter unabhängig von der Inanspruchnahme zahlen muß. Entscheidend ist, welche Beträge er trotz Ausbleibens des Reisenden an die Leistungsträger abführen mußt. Dies bestimmt sich nach den zwischen Reiseveranstalter und Leistungsträgern geschlossenen Verträgen2 • In der Regel schließen die Reiseveranstalter, um die mögliche Ersparnis bei der Unterkunft als Beispiel zu nehmen, mit den Hoteliers sogenannte Kontingentsverträge ab3 • Gemeinsam ist allen Kontingentsverträgen, daß für den Reiseveranstalter eine bestimmte Anzahl von Hotelbetten, - das Kontingent für eine Reisesaison - reserviert wird; für den Fall, daß Betten unbelegt bleiben, sehen die Kontingentsverträge Entschädigungen für den Hotelier 1 2

3

Tonner § 651 i Rdn. 13, vgl. auch die Berechnungsbeispiele Rdn. 10 - 12. Tonner § 651 i Rdn. 13, AlternativKomm I Derleder § 651 i Rdn. 3. Muster dreier verschiedener Kontingentsverträge abgedruckt bei Corsten

Anlagen 8,9 und 10.

1. Die Berechnungsfaktoren

71

vor. Als Entschädigung kann ein fester Betrag pro Leerbett4 oder eine nach dem Zeitpunkt der Annullierung gestaffelte Leerbettgebühr5 vereinbart sein. Nach den Grundsätzen der Vorteilsanrechnung, die gern. §§ 649 S. 2 HS 2, 324 I 2 auch im Verhältnis Reiseveranstalter und Leistungsträger gilt6 , muß sich der Hotelier seine Ersparnisse anrechnen lassen7 • Musterkontingentsverträge und Geschäftsbedingungen im Hotelgewerbe zeigen, daß dem Reiseveranstalter bei Nichtbelegung der Unterkünfte in jedem Fall Ersparnisse des Beherbergungsunternehmens gutgeschrieben werdens. Diese Ersparnisse hat der Reiseveranstalter gern. § 651 i 11 3 seinerseits dem Reisenden gutzubringen. Dasselbe gilt für die Rückerstattung nicht in Anspruch genommener Beförderungsleistungen: Muß der Reiseveranstalter gern. § 18 EV09 eine Fahrkarte oder gern. Art. 11 IATA-Beförderungsbedingungen10 einen Flugschein nicht bezahlen, so hat er sich diese Ersparnisse nach § 651 i 11 3 anrechnen zu lassen. 3. Erwerb durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen

Erwerb durch. anderweitige Verwendung der Reiseleistungen kann grundsätzlich dann vorliegen, wenn der Reiseveranstalter die durch den Rücktritt des Reisenden freigewordene Reise - auch teilweise an einen anderen Kunden weiterverkauft. Wann ein anrechnungsfähiger Weiterverkauf vorliegt, ist nicht unproblematisch. Tritt z. B. ein Reisender von einer nicht ausgebuchten Pauschalreise zurück, am nächsten Tag aber bucht ein anderer Kunde dieselbe Reise, kann man dann davon sprechen, der Reiseveranstalter habe die Reiseleistungen "anderweitig verwendet"? Oder wird man sagen müssen, solange Plätze frei sind, liege keine anderweitige Verwendung vor, sondern es handle sich um weitere Geschäfte, die der Reiseveranstalter ohne Rücksicht auf den Rücktritt des Reisenden gemacht hätte? Daß man also von einem anrechnungsfähigen Weiterverkauf nur sprechen könne, wenn die betreffende Reise vollständig ausgebucht ist? Denn dann habe der Musterkontingentsvertrag bei Corsten Anlage 9, § 2. Musterkontingentsvertrag bei Corsten Anlage 10, § 6. B BGH JZ 73, 366 (m. Anm. Medicus). 7 Lt. Geschäftsbedingungen im Hotelgewerbe, Ziff. 4 b, abgedruckt bei Corsten Anlage 1, betragen die Einsparungen bei der übernachtung 20 f1/0, bei der Pensionsvereinbarung (Zimmer und Verpflegung) 40%. 8 Der Auffassung von Löwe 56 und MünchKomm § 651 i Rdn. 9 a. E., die Buchung fester Kontingente führe meist ohne tatsächliche Belegung zur Zahlungspflicht, kann daher nicht beigetreten werden. 9 Text bei Baumbach / Duden HGB Anh. § 46. 10 Text bei Schleicher / Reymann / Abraham Das Recht der Luftfahrt, 418 ff. 4

5

72

6. Kap.: Die konkrete Berechnung gemäß § 651 i II 3

den letzten Platz Buchende nur mit Rücksicht auf den Rücktritt des Reisenden überhaupt einen Platz erhalten, die Reise sei also nur in diesem Fall "weiter"verkauft. Soweit im Schrifttum zu dieser Frage SteUung genommen wird l l , spricht sich nur Derleder 12 dafür aus, auch bei nicht ausgebuchter Reise eine Buchung, die nach dem Rücktritt des Reisenden erfolgt, als anrechnungsfähig i. S. v. § 651 i II 3 zu werten. Denn da es auf die anderweitige Verwendung im Einzelfall ankomme, dürfe nicht unterstellt werden, daß ohne den Rücktritt ein Reisevertrag mehr abgeschlossen und insofern ein Gewinn erzielt worden wäre. Nach Löwe l3 , Eberle 14 und Erman / Seiler 15 hingegen kann eine anderweitige Verwendung der Reiseleistungen nur dann vorliegen, wenn die Reise völlig ausgebucht ist. Denn nur dann hat der Ersatzkunde die dem ausscheidenden Reisenden zukommende Reiseleistung an dessen Stelle in Anspruch genommen l6 , hat der Reiseveranstalter gerade im Hinblick auf das Freiwerden eines Reiseplatzes durch den Rücktritt diese Reise noch an einen anderen Kunden verkaufen können l7 • Das bei Löwe und Erman / Seiler anklingende Postulat, der Rücktritt des Reisenden müsse kausal sein für die Neubuchung des anderen Kunden, damit die Neubuchung als anderweitige Verwendung gewertet werden kann, überzeugt. Denn wenn eine Buchung unabhängig davon vorgenommen werden kann, ob ein Reisender zurückgetreten ist oder nicht, handelt es sich nicht um eine "anderweitige" Verwendung der Reiseleistung i. S. v. § 651 i II 3, sondern um ein weiteres Geschäft. Der Parallelfall im Schadensersatzrecht bestätigt diese Auffassung: Berechnet der Verkäufer, dem der Käufer die marktgängige Ware nicht abgenommen hat, seinen Schaden abstrakt nach der Differenz zwischen dem Marktpreis und dem vereinbarten Verkaufspreis, so wird der Käufer nicht damit gehört, der Verkäufer habe die nicht abgenommene Ware an einen anderen Käufer zu demselben Preis veräußert und somit keinen Schaden erlitten; denn im Warenhandel besteht eine Vermutung dafür, daß der Verkäufer bei Erfüllung des ersten Kaufvertrages auch den zweiten Kaufvertrag durch Lieferung anderweitig beschaffener Ware abgewickelt und dabei einen Gewinn erzielt hätte l8 • Für den 11 Keinen Hinweis enthält die Begründung des Rechtsausschusses, BTDrucks. 8/2343, 12, unerwähnt bleibt die Frage bei Palandt / Thomas, Soergel / Mühl, Jauernig / Teichmann, Larenz, Bartl, Tonner, Brox, Hoppmann. 12 AlternativKomm / Derleder § 651 i Rdn. 3. 13 Löwe 56 und MünchKomm § 651 i Rdn. 10. 14 Reisevertrag 23, Betrieb 79, 341, 346. 15 § 651 i Rdn. 4. 18 Erman / Seiler § 651 i Rdn. 4. 17 MünchKomm / Löwe § 651 i Rdn. 10. t8 BGH NJW 70, 29, 32 m. w. N., ausführlich Steindorff JZ 61,12 ff.

1.

Die Berechnungsfaktoren

73

Fall einer weiteren Buchung, die unabhängig von einem Rücktritt erfolgt, braucht man nicht einmal auf eine Vermutung zurückzugreifen: Es steht fest, daß der Reiseveranstalter auch den weiteren Vertrag mit Gewinn abwickeln kann. Akzeptiert man das Erfordernis der Kausalität zwischen Rücktritt und Neubuchung eines anderen Kunden als Voraussetzung für die Anrechenbarkeit i. S. v. § 651 i II 3, so stimmt freilich die von der herrschenden Meinung 19 aufgestellte These, Anrechenbarkeit könne nur bei völliger Ausbuchung einer Reise vorliegen, nicht. Denn wenn z. B. bei einer Reise mit einer Kapazität von 100 Teilnehmern 90 Buchungen vorliegen, 5 Reisende zurücktreten und 14 weitere Buchungen vorgenommen werden, so ist die Reise nunmehr mit 99 Teilnehmern nicht ausgebucht. Trotzdem konnte der Reiseveranstalter 4 der Neubuchungen nur im Hinblick auf das Freiwerden der Reiseplätze infolge von 4 Rücktritten vornehmen, war in 4 Fällen also der Rücktritt kausal für die Neubuchungen, und damit gern. § 651 i II 3 anzurechnen, während eine der zurückgegebenen Reisen nicht anderweitig verwendet werden konnte. Die Feststellung, welcher der 5 Rücktritte ohne anrechnungsfähigen Weiterverkauf geblieben ist, kann nach dem Prinzip der zeitlichen Priorität erfolgen: da man davon ausgehen kann, daß der Reiseveranstalter den zuerst freigewordenen Reiseplatz als ersten weiterverkauft, als nächsten den zweiten usw., so ergibt sich, daß die zuletzt zurückgegebene Reise nicht mehr anderweitig verwendet werden konnnte und damit ohne Anrechnung gern § 651 i II 3 bleibt. Eine weitere Konstellation zeigt, daß das Postulat der Kausalität zwischen Rücktritt des Reisenden und Buchung des Ersatzteilnehmers nicht ohne Problematik ist: Bucht ein Kunde den infolge Rücktritts freigewordenen Reiseplatz, kann dann der Reiseveranstalter einwenden, der Kunde hätte, auch wenn dieser Reiseplatz nicht infolge Rücktritts zur Verfügung gestanden hätte, ohnehin irgend eine - andere - Reise des Reiseveransalters gebucht, die Buchung sei somit nicht durch den Rücktritt bedingt2(}? Zu bestimmen ist, wofür nach dem Gesetz der Rücktritt kausal sein muß: Für die Buchung des Ersatzreisenden oder für die anderweitige Verwendung der Reise. Kommt es darauf an, ob der konkrete Ersatzreisende auch ohne den Rücktritt eine Buchung vorgenommen hätte, so ist der Rücktritt nicht kausal für die Buchung gerade dieses Kunden; denn es steht fest, daß der Kunde auch ohne Rücktritt in jedem Fall eine Reise gebucht hätte. Ist hingegen entscheidend, ob die konkrete Reiseleitung auch ohne den Rücktritt hätte vergeben werden können, so ist der Rücktritt kausal für die Vergabe gerade dieser Reise; denn es ist sicher, daß ohne den Rücktritt 19 20

Oben Fn. 13 - 15. Arndt 92 zu § 649.

74

6. Kap.: Die konkrete Berechnung gemäß § 651 i II 3

wegen Ausbuchung eine derartige Reise nicht mehr hätte verkauft werden können. Das Gesetz stellt in § 651 i II 3 darauf ab, was mit den konkreten Reiseleistungen geschehen ist. Hat der Reiseveranstalter die infolge des Rücktritts wieder zur Disposition stehenden Reiseleistungen anderweitig verwenden können, so ist auch der dadurch erzielte Erwerb auf den Entschädigungsanspruch anzurechnen. Der Umstand, daß der Ersatzteilnehmer in jedem Fall eine Reise des Reiseveranstalters gebucht hätte, ist wegen der eindeutigen Formulierung in § 651 i II 3 ohne rechtliche Bedeutung21 • 4. Möglicher Erwerb durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen

Der Reiseveranstalter muß sich nicht nur das, was er durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen erworben hat, sondern das, was er erwerben kann, anrechnen lassen. Dies bedeutet, daß der objektiv noch mögliche anderweitige Erwerb anzurechnen ist22 • Zu verlangen ist, daß der Reiseveranstalter alle einem ordentlichen Reisekaufmann zur Verfügung stehenden Verwendungsmöglichkeiten ausschöpft und dies auch nachweist23 • Genügen dürfte dabei freilich, daß der Reiseveranstalter seinen Geschäftsbetrieb wie bislang aufrecht erhalten hat. Eine Verpflichtung zu Sonderangeboten dürfte hingegen ausscheiden24 • Das Abstellen auf die objektive Möglichkeit anderweitiger Verwendung darf allerdinngs nicht dazu verleiten, Pauschalierungen vorzunehmen25 , da hierfür Abs. III eingreift; im Rahmen des § 651 i II 3 unzulässig weil pauschalierend wäre es daher zu sagen, der Reiseveranstalter werde kaum damit gehört werden können, ein Platz sei in der Hauptsaison leergeblieben, wenn Reisen der fraglichen Art in der Hauptsaison normalerweise ausgebucht sindll8• Allerdings kann dies ein Indiz dafür sein, daß objektiv bestehende anderweitige Verwendungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft wurden. 5. Mögliche ersparte Aufwendungen

Für ersparte Aufwendungen scheint § 651 i II 3 nur bei tatsächlicher, nicht auch bei objektiv möglicher aber unterlassener Ersparnis eine Anrechnung vorzusehen. Dies würde für den Fall, daß ein Reiseveran21 So auch Löwe 57 und MünchKomm / Löwe § 651 i Rdn. 10 mit der Begründung, dieser Umstand könne nur unter dem Gesichtspunkt des entgangenen Gewinns berücksichtigt werden, der jedoch im Rahmen des Anspruchs auf angemessene Entschädigung, da kein Schadensersatzanspruch, ausscheide. 22 BT-Drucks. 8/2343, 12. 23 Bartl Rdn. 141 und NJW 79, 1389. 24 Bartl Rdn. 205. 25 AlternativKomm / Derleder § 651 i Rdn. 10. 26 So aber Tonner § 651 i Rdn. 14.

I. Die Berechnungsfaktoren

75

stalter mit den Leistungsträgern Verträge abschließt, wonach ohne Rücksicht auf die tatsächliche Inanspruchnahme der Leistung stets die volle Vergütung zu zahlen ist, bedeuten, daß mangels ersparter Aufwendungen des Reiseveranstalters auch keine Abzüge zugunsten des Reisenden stattfinden27 • Mit dem Gedanken des Vorteilsausgleichs, wie er in § 651 i 11 3, 2. Alt. niedergelegt ist, nämlich daß nicht nur tatsächlich erzielte, sondern auch objektiv mögliche, aber nicht wahrgenommene Vorteile auf den Ersatzanspruch des Reiseveranstalters anzurechnen sind, ist dies nicht vereinbar. Sind in der Branche Hotelkontingentsverträge üblich, wonach sich der Hotelier bei Nichtbelegung von Plätzen seine Ersparnisse anzurechnen lassen hat, so ist für den Reiseveranstalter eine derartige Aufwendungsersparnis objektiv möglich. Nimmt der Reiseveranstalter in seinen Vertrag mit dem Hotelier dennoch keine Regelung des Vorteilsausgleichs auf28 , so darf dies nicht zu Lasten des Reisenden gehen. In Anwendung des Rechtsgedankens des § 651 i 11 3, 2. Alt. ,sind daher auch objektiv mögliche, aber nicht wahrgenommene Aufwendungsersparnisse des Reiseveranstalters vom Reisepreis abzuziehen. 6. Weitere Faktoren

Nach dem Wortlaut der Regelung des § 651 i 11 3 - "bestimmt sich" - der in der Begründung des Rechtsausschusses lediglich wiederholt wird 29 , sind die Bemessungsfaktoren für den Entschädigungsanspruch des Reiseveranstalters abschließend aufgezählt30 • Sollen demnach weitere Faktoren nicht existieren, so führt dies zu einem Wertungswiderspruch innerhalb des Reisevertragsgesetzes in folgendem Fall: Der Reiseveranstalter bietet den stornierten Reiseplatz mit der ordnungsgemäßen Sorgfalt, wozu er nach § 651 i 11 3 verpflichtet ist, weiter an und verkauft den Reiseplatz zum gleichen Preis. Da sich der Reiseveranstalter den Preis auf seinen Entschädigungsanspruch anrechnen lassen muß, beträgt sein Ersatzanspruch gleich Null. Die Mehraufwendungen für die Neubuchung hat der Reiseveranstalter zu tragen, da diese Kosten nicht als Faktor innerhalb des § 651 i 11 3 aufgeführt sind31 • Dies würde bedeuten, daß wenn der Reiseveranstalter selbst den Weiterverkauf arrangiert, er die Mehrkosten besorgt, während dann, wenn sich der Reisende um den Weiterverkauf bemüht, dieser nach § 651 b 11 die Mehrkosten zu tragen hat. Zur Vermeidung dieses Dies hält offenbar MünchKomm 1 Löwe § 651 i Rdn. 9 a. E. für möglich. Denkbar ist dies, wenn es sich um ein wirtschaftlich zum Reiseveranstalter geh&endes Hotel handelt. 29 BT-Drucks. 8/2343, 12. 3~ AlternativKomm 1 Derleder § 651 i Rdn. 3. U AlternativKomm / Derteder § 651 i Rdn. 3. 27 28

76

6. Kap.: Die konkrete Berechnung gemäß § 651 i II 3

unbilligen Ergebnisses bieten sich zwei Wege an3l!. Zum einen kann man dem Reiseveranstalter durch entsprechende Anwendung des § 651 b 11 zum Ersatz seiner Mehraufwendungen verhelfen. Andererseits kann man aber auch sagen, den Reisepreis des Ersatzkunden habe der Reiseveranstalter nur unter Aufwendungen erworben und in der Höhe der Buchungskosten den anderweitigen Erwerb mindern, so daß im Ergebnis ein Entschädigungsanspruch in Höhe der Mehraufwendungen verbliebe. 11. Charakterisierung: Konkrete Berechnungsmethode Die Berechnung des Entschädigungsanspruchs nach § 651 i 11 3 besteht darin, daß die dem Reiseveranstalter im Einzelfall erwachsende Einbuße festgestellt wird. In Anlehnung an die Formen der Schadensberechnung33 ist daher die Berechnung gern. § 651 i 11 3 als konkrete Berechnungsmethode zu charakterisieren. 111. Bewertung: 1. Gewährleistung von Einzelfallgerechtigkeit

Die konkrete Berechnung des Entschädigungsanspruchs gern. § 651 i 11 3 führt zu Vertragsgerechtigkeit im Einzelfall: Von der Frage, wie sich der weitere Verlauf im konkreten Rücktrittsfall gestaltet, hängt die Höhe der Einbuße des Reiseveranstalters ab. Diese Einbuße hat der Reisende auszugleichen. Dem Reiseveranstalter verbleibt in jedem Einzelfall sein Gewinn- und Kostenanteil 34 • Für den Reisenden besteht bei dieser Berechnungsart die Chance, im Falle des Weiterverkaufs der zurückgegebenen Reise lediglich die Umbuchungskosten zahlen zu müssen, während er umgekehrt aber auch damit rechnen muß, nahezu den gesamten Reisepreis zu schuldenas . 2. Verbesserung der Rechtsstellung des Reisenden Vor Inkrafttreten des Reisevertragsgesetzes bestimmte sich im Falle des Rücktritts des Reisenden der Anspruch des Reiseveranstalters nach § 649. Gegenüber der Vorschrift des § 649 S. 2, dem § 651 i 11 3 nachgebildet ist 36 bestehen zwei bedeutende Unterschiede: Bewußt hat der 32 Zur Vermeidung wertungsmäßiger Widersprüche durch den Ausleger Larenz Methodenlehre 316. 33 Dazu Lange Schadensersatz § 6 XI. 34 Tonner § 651 i Rdn. 3. 35 Vgl. die Berechnungsbeispiele bei Tonner § 651 i Rdn. 10 - 12. 36 Erman / Seiler § 651 i Rdn. 4, Jauernig / Teichmann § 651 i Anm. 2.

II!. Bewertung

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Gesetzgeber den Anspruch des Reiseveranstalters nicht als Vergütungsanspruch wie in § 649 S. 2 ausgestaltet, sondern ihm in § 651 i II 2 einen besonderen Entschädigungsanspruch gewährt. Dieser konstruktive Unterschied hat zur Folge, daß, anders als nach § 649 S. 237 nicht der Reisende, sondern der Reiseveranstalter die Beweislast für etwaige Aufwendungsersparnisse und anderweitigen Erwerb trägt38 • Eine weitere Besserstellung des Reisenden findet dadurch statt, daß sich der Reiseveranstalter nicht nUr böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerb anrechnen lassen muß (§ 649 S. 2), sondern den "objektiv noch möglichen"39 anderweitigen Erwerb. Verlangt wird damit, daß der Reiseveranstalter alle einem ordentlichen Reisekaufmann zur Verfügung stehenden Verwendungsmöglichkeiten ausschöpft und dies nachweist40.

37

38 39 40

z. B. MünchKomm / Soergel § 649 Rdn. 14. Dazu unten 9. Kap. IV. BT-Drucks. 8/2343, 12. Bartl Rdn. 141 und NJW 79, 1387, 1389.

7. Kapitel

Die pauschalierte Berechnung des Entschädigungsanspruchs . (§ 651 i 111) I. Die Rechtsnatur der Entschädigungspauschale 1. Die Notwendigkeit der rechtlichen Einordnung

Auch unter der Geltung des Reisevertragsgesetzes ist die rechtliche Einordnung von Rücktrittspauschalen nicht entbehrlich geworden1 ; denn neben den Schranken des § 651 i III sind auch die Vorschriften des AGBG Maßstab für die Wirksamkeitskontrolle von Rücktrittspauschalen2 • Je nach rechtlicher Qualifikation aber gestaltet sich die Inhaltskontrolle nach dem AGBG: Teilvergütungs- und Aufwendungsersatzpauschalen unterliegen der Kontrolle nach § 10 Nr. 7 a und b AGBG, Schadensersatzpauschalen der nach § 11 Nr. 5 AGBG, Vertragsstrafenvereinbarungen der nach § 11 Nr. 6 AGBG, während Pauschalierungen von Ansprüchen eigener Art nach § 9 AGBG zu beurteilen sind. 2. Teilvergütungspauschale

Nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 651 i II 1 verliert der Reiseveranstalter, anders als bei der Kündigung des Bestellers eines Werkes, vgl. § 649, mit dem Rücktritt des Reisenden den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. An die Stelle des Vergütungsanspruchs3 tritt gern. § 651 i II 2 der Anspruch auf angemessene Entschädigung. Dies bedeutet, daß nach Wortlaut und Begründung der Vorschrift der Entschädigungsanspruch des Reiseveranstalters nicht als Teilvergütungsanspruch gern. § 10 Nr. 7 a AGBG qualifiziert werden kann4 •

1 a. M. offenbar Ulmer / Brandner / Hensen AGBG Anh. §§ 9 -11 Rdn. 588, die auf eine rechtliche Einordnung verzichten und eine PauschalierungsklauseI sowohl an § 11 Nr. 5 b AGBG als auch an § 10 N1r. 7 b AGBG messen. 2 Unten 9. Kap. II 2. 3 BT-Drucks. 8/2342, 12. 4 Teichmann JZ 79, 737, 739, Jauernig / Teichmann § 651 i Anm. 1.

1. Die Rechtsnatur der Entschädigungspauschale

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3. Aufwendungsersatzpauscbale

Nach der Bestimmung des § 651 i III errechnet sich der Entschädigungsanspruch des Reiseveranstalters nicht nach der Höhe der von ihm gemachten Aufwendungen, sondern bestimmt sich nach dem Reisepreis unter Berücksichtigung des Wertes von ihm ersparter Aufwendungen. Der Reiseveranstalter verlangt nach § 651 i III keinen Aufwendungsersatz, sondern muß sich die gewöhnlich ersparten Aufwendungen abziehen lassen5• Zwar sind in dem nach § 651 i III errechneten Entschädigungsanspruch die vom Reiseveranstalter gemachten Aufwendungen mitenthalten, doch ist damit der Inhalt des Anspruches nicht zureichend beschrieben. Denn stets enthält der Entschädigungsanspruch gern. § 651 i II 2, gleichgültig ob konkret oder pauschaliert berechnet, den gesamten Unternehmergewinn6 • Daher kann eine Entschädigungspauschalierung gern. § 651 i III nicht als Abwicklungsregelung i. S. v. § 10 Nr. 7 beingeordnet werden 7 • 4. Scbadensersatzpauscbale

Die ersten Kommentierungen zum Reisevertragsgesetz gingen ohne weiteres davon aus, daß es sich bei dem Entschädigungsanspruch gern. § 651 i II 2 um einen Schadensersatzanspruch und demnach bei der Pauschale gern. Abs. III um eine nach § 11 Nr. 5 AGBG überprüfbare Schadensersatzpauschale handele8 • Da dogmatische Begründungen für diese Ansicht nicht geliefert wurden, dürfte die Erklärung für diese Einordnung sein, daß vor Inkrafttreten des Reisevertragsgesetzes die meisten AGB-Kommentatoren reisevertragliche Stornoklauseln einer Kontrolle nach § 11 Nr. 5 AGBG unterwarfen9 • Aus der Rechtsprechung liegen bislang zwei Urteile aus Hamburg10 vor, worin diese Auffassung vertreten wird. Zur Begründung wird ausgeführt: Der Gesetzeswortlaut ("Entschädigung") lasse die Einordnung als Schadensersatzanspruch i. S. v. § 11 Nr. 5 AGBG zu; das zeige einerseits die UnterscheiMünchKomm I Löwe § 651 i Rdn. 14. i Rdn. 13, 16. 7 Jauernig I Teichmann § 651 i Anm. 1. a. M. Palandt I Heinrichs AGBG § 10 Anm. 7 a) ce) und b), für denkbar hält dies Bartt NJW 79, 1389 Fn. 87. 8 Bartl NJW 79, 1384, 1389, Tonner § 651 i Rdn. 18. Ohne ausdrückliche Einordnung als Schadensersatzpauschale wenden § 11 Nr. 5 b AGBG an: Löwe BB 79, 1357, 1366, Bartt Rdn. 143, Larenz SR II § 53 V, Hoppmann BlGBW 79, 161, 164. D mmer I Blrandner I Hensen (3. Auflage) AGBG § 11 Nr. 5 Rdn. 25, Schlosser I Coester-Watt jen I Graba § 11 Nr. 5 AGBG Rdn. 9 und 22, Dittmann I Stah~ § 11 Nr. 5 AGBG Rdn. 387, 395, teilweise auch Löwe I Graf v. Westphalen I Trinkner § 9 AGBG Rdn. 60. 10 OLG Hamburg NJW 81, 2420, LG Hamburg (Vorinstanz) AGBE I § 11 Nr.44. 5

e Tonner § 651

7. Kap.: Die pauschalierte Berechnung gemäß § 651 i 111

80

dung zur Regelung in § 649, wonach es sich hier anders als im allgemeinen Werkvertragsrecht nicht um den ursprünglichen Erfüllungsanspruch handle. Andererseits werde in § 651 f II derselbe Begriff ("Entschädigung") für einen Anspruch benutzt, der in der vorangegangenen Rechtsprechung ausschließlich als Schadensersatz diskutiert worden sei11 • Außerdem habe den Referenten des Regierungsentwurfes vom 6. 5. 1976 die Parallele zu Schadensersatzansprüchen vorgeschwebt, wie die Erwähnung der entsprechenden AGB-Gesetzentwurfregelung, damals § 9 Nr. 5 b, jetzt § 11 Nr. 5 b AGBG, in der Begründung zu § 8 dieses Entwurfs, heute § 651 i, zeige l2 . Diese Argumente vermögen die Einordnung des Entschädigungsanspruchs als Schadensersatz nicht nachzuweisen. Daß der Wortlaut eine derartige Qualifizierung zuläßt, ist nicht von der Hand zu weisen, heißt es doch auch in § 847 "Entschädigung", ohne daß die Qualifizierung des Anspruchs als Schadensersatz anspruch in Frage gestellt ist l3 • Andererseits aber ist der Begriff "Entschädigung" an anderer Stelle, vgl. Art. 14 III GG, nicht als voller Schadensersatz anspruch zu verstehenl4 • Denn während der Schadensersatz anspruch grundsätzlich auf Wiederherstellung des früheren Zustandes gerichtet ist, bedeutet Entschädigung i. S. v. Art. 14 III GG Schadloshaltung und zielt damit grundsätzlich auf die Schaffung eines gleichwertigen, dem früheren Zustand entsprechenden Zustandes ab 10 • Mit dem Hinweis auf gleiche Begriffe ist man daher einer zutreffenden Qualifizierung nicht näher gerückt. Auch die historische Interpretation führt nicht zu einer Deutung als Schadensersatzanspruch: Wenn nach dem RefE 1976 gegen die Entschädigungspauschale dieselben Einreden des Reisenden zugelassen wurden wie nach dem AGBG-Entwurf gegen eine Schadensersatzpauschale, so ist damit nicht geklärt, ob der Entschädigungsanspruch seinem Wesen nach ein Schadensersatzanspruch ist. Systematische und strukturelle Gesichtspunkte sprechen dagegen, den Entschädigungsanspruch des § 651 i II 2 als Schadensersatzanspruch im Sinne des BGB einzuordnen. Systematisch legt das BGB den Schuldinhalt für alle Schadensersatzansprüche in §§ 249 - 255 durch gleiche Normen einheitlich fest, ohne einen speziellen Bezug zum jeweils betroffenen Haftungsgrund herzustellen l6 • Der Entschädigungsanspruch des Reiseveranstalters hingegen ist nach Grund und Inhalt in derselben 11

12

OLG Hamburg NJW 81, 2420 unter Hinweis auf BGH NJW 80, 1947. OLG Hamburg NJW 81, 2420, vgl. BT-Drucks. 7/5141, 19, ebenso Tonner

§ 651 i Rdn. 18. 13 U

15 16

Palandt! Thomas § 847 Anm. 1 b. z. B. Palandt / Bassenge § 903 Anm. 5 Ga. Maunz / Dürig / Herzog GG Art. 14 Rdn. 111. Lange Schadensersatz Einl. 1111.

1.

Die Rechtsnatur der Entschädigungspauschale

81

Vorschrift des § 651 i definiert, vom Gesetzgeber also nicht in das allgemeine System des Schadensersatzrechtes eingefügt1 7 • Schwerer wiegt ein anderes Bedenken: Im Schadenshaftungsrecht steht auf der Stufe der Haftungsbegründung das Verschuldensprinzip im Vordergrund18 • Rechtsgrund der Haftung ist in der Regel ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten, vgl. für die Verletzung von Pflichten im Rahmen bestehender Schuldverhältnisse §§ 280, 286, 325, 326, positive Vertragsverletzung, culpa in contrahendo19 • Dagegen kann das den Entschädigungsanspruch des Reiseveranstalters auslösende Verhalten des Reisenden, nämlich die Erklärung des Rücktritts, zum einen nicht rechtswidrig sein, da durch das Gesetz selbst in § 651 i I als Recht des Reisenden ausgestaltet, zum anderen kommt es auf den Grund des Rücktritts, und damit auf ein Verschulden des Reisenden, nicht an20 • Diese wesentlichen strukturellen Unterschiede zu den haftungsbegründenden Normen des 'BGB verbieten es, den Entschädigungsanspruch des Reiseveranstalters als Schadensersatzanspruch zu qualifizieren21 • 5. Vertragsstrafe

Angesichts des strikten Verbots des § 11 Nr. 6 AGBG ist es nicht denkbar, daß der Gesetzgeber den Entschädigungsanspruch des Reiseveranstalters als Vertragsstrafe verstanden wissen will 22 • 6. Reuegeldvereinbarung

Die Einordnung der Entschädigungspauschale als Reuegeldvereinbarung scheidet aus denselben Gründen wie vor Inkrafttreten des Reisevertragsgesetzes aus23 und wurde in Rechtsprechung und Literatur nicht mehr aufgegriffen. 7. Entschädigungsanspruch eigener Art

Als Ergebnis ist festzuhalten, daß der Entschädigungsanspruch gern. § 651 i 11 2, 111 nach den herkömmlichen Typen nicht qualifiziert wer17 § 651 f II hingegen enthält nichts über die Höhe der zu gewährenden Entschädigung, läßt sich somit unter systematischen Gesichtspunkten als Schadensersatzanspruch einordnen. 18 Palandt I Heinrichs Vorbem. vor § 249 Anm. 1. 19 Palandt I Heinrichs Vorbem. vor § 249 Anm. 1. 20 BT-Drucks. 8/2343, 12. Im einzelnen unten 7. Kap. II 6 d. 21 Im Ergebnis ebenso MünchKomm I Löwe § 651 i Rdn. 10 und 14, AlternativKomm I Derleder § 651 i Rdn. 3. - Unklar Bartl Rdn. 202 Fn. 72. !2 OLG Hamburg NJW 81, 2420, LG Hamburg AGBE I § 11 Nr. 44. 23 Oben 5. Kap. III 1 c.

6 Eichinger

82

7. Kap.: Die pauschalierte Berechnung gemäß § 651 i III

den kann. Mit der h. M. in der Literatur 24 ist deshalb der Entschädigungsanspruch als Anspruch eigener Art hinzunehmen. 11. Die Berechnungsfaktoren Nach der Begründung des Rechtsausschusses des Bundestages25 soll die Pauschalierungsmöglichkeit des § 651 i III die schwierige Einzelabrechnung ersparen. Wie aber die Pauschalen im einzelnen zu errechnen sind, läßt die Vorschrift nicht erkennen. Immerhin liefert das Gesetz Kriterien, die in jedem Fall berücksichtigt werden müssen, soll die Pauschale wirksam sein. Ausdrücklich vorgeschrieben ist durch das Gesetz die Zugrundelegung des Reisepreises, die Differenzierung nach der Reiseart, sowie die Berücksichtigung der gewöhnlich ersparten Aufwendungen und des durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen gewöhnlich möglichen Erwerbes2~. Im folgenden sollen diese Begriffe näher definiert werden. Sodann soll der Versuch unternommen werden, anhand der vom Gesetzgeber aufgestellten Kriterien eine Formel zu erstellen, nach welcher der Reiseveranstalter die Rücktrittspauschalen festzusetzen hat. Schließlich soll noch der Frage nachgegangen werden, ob es weitere berücksichtigungsfähige Kriterien gibt. 1. Reisepreis

Wie bei der konkreten Berechnung der Entschädigung ist auch im Falle einer Pauschalierung gern. § 651 i III der Reisepreis Ausgangspunkt der Berechnung. Im Gegensatz zur Einzelabrechnung ist, da dem Reiseveranstalter im Zeitpunkt der Festsetzung der Pauschale zukünftige Zu- oder Abschläge nicht bekannt sind, der Nettopreis zugrundezulegen. Die Entschädigungspauschalen sind nach § 651 i II als Prozentsätze vom Reisepreis festzusetzen.

24 Teichmann JZ 79, 737, 739, Jauernig / Teichmann § 651 i Anm. I, Erman / Seiler § 651 i Rdn. I, MünchKomm / Löwe § 651 i Rdn. 9 und 14, Soergel/ Mühl § 651 i Rdn. 1 ("Ausgleichsanspruch"), wohl auch Ulmer / Brandner / Hensen AGBG Anh. §§ 9 -11 Rdn. 588, unklar Bartl Rdn. 143 und 202. - a. M. Tonner § 651 i Rdn. 18 und die bisher bekannte Rechtsprechung, vgl. OLG Hamburg NJW 81, 2420, LG Hamburg AGBE I § 11 Nr. 44. 25 BT-Drucks. 8/2343, 12.

26 Wurden daher Rücktrittsgebühren lediglich "unter Berücksichtigung der ersparten Aufwendungen festgelegt" (FTS Frantour 82), so ist die Pauschalierungsklausel nichtig. -

H. Die Berechnungsfaktoren

83

2. Differenzierung nach der Reiseart

Der Grund für die vorgeschriebene Differenzierung nach der Reiseart liegt darin, daß je nach Art der Reise bei Freibleiben eines Reiseplatzes auf den Reiseveranstalter unterschiedliche Kosten zukommen27 , sowie darin, daß je nach Reiseart unterschiedliche Möglichkeiten des Weiterverkaufs bestehen28 • Als verschiedene Reisearten hat die bisherige Praxis29 Reisen mit verschiedenen Beförderungsmitteln bezeichnet. Zu unterscheiden sind danach Pauschalreisen mit Charter, Flüge aufgrund behördlich genehmigter Sondertarife (ABC, APEX, BULK u. ä.), Flugpauschalreisen mit Linienfluggesellschaften, wobei in Gruppen- und Einzelreise aufgeteilt wird, Schiffs-, Bus- und Bahnreisen. Diese Einteilung war vor Inkrafttreten des Reisevertragsgesetzes allgemein anerkannt und es ist kein Grund ersichtlich, hiervon unter der Geltung des neuen Rechts abzuweichen. Die Konditionenempfehlungen sehen für "andere Reisearten" als die eben genannten - bei der Einteilung nach dem Beförderungsmittel fehlt z. B. der Selbstfahrer - eine entsprechende Behandlung vor. Stets wird sich daher der Reiseveranstalter fragen müssen, ob eine Reiseart im Falle eines Rücktritts zu höheren oder niedrigeren Kosten als die anderen führt und danach seine Pauschalen gestalten. Daraus ergibt sich, daß der Reisezweck (Bildungs-, Bade-, Abenteuerreise) keine Rolle spielt311, wenn sich nicht zugleich auf Grund der besonderen Art der Beförderung oder Unterbringung kostenmäßige Auswirkungen ergeben. 3. Gewöhnlich ersparte Aufwendungen

Wird eine Reise nicht angetreten, so erspart der Reiseveranstalter in aller Regel Aufwendungen, da er in diesem Fall an die Leistungsträger nicht die vollen Beträge abführen muß31. Was er beim Rücktritt des Reisenden gewöhnlich erspart, bzw. welche Ersparnis ihm gewöhnlich möglich ist3O!, hat der Reiseveranstalter bei der Errechnung des Prozentsatzes gern. § 651 i III zu berücksichtigen. Besteht z. B. eine Pauschalreise aus Busfahrt (20 G/o des Reisepreises) und Unterkunft (80 11 / 0 des Reisepreises) und hat der Reiseveranstalter bei Rücktritt des Reisenden an das Busunternehmen trotzdem den vollen Preis, an den 27

TonneT § 651 i Rdn. 15.

MünchKomm / Löwe § 651 i Rdn. 12. Konditionenempfehlungen des DRV Ziff. 5.1 (Bundesanzeiger Nr. 210 vom 5. 11. 1976, ebenso Bundesanzeiger Nr. 191 vom 11. 10. 1980). 30 Anders BaTH Rdn. 142 für die Abenteuerreise. 31 Oben 6. Kap. I 2. 32 Die zu § 651 i II vertretene Analogie, vgl. oben 6. Kap. I 5, ist auch für § 651 i III zu vollziehen. 28

29

6'

84

7. Kap.: Die pauschalierte Berechnung gemäß § 651 i III

Hotelier aber nur 3/4 des Bettenpreises zu zahlen, so beträgt die Ersparnis des Reiseveranstalters insgesamt 20 0J0 des Reisepreises. Die Entschädigung gern. Abs. III beträgt dann in jedem Fall nicht mehr als 80 0J0 des Reisepreises, wovon noch ein Abschlag wegen gewöhnlich möglichen anderweitigen Erwerbes zu machen ist33 • Der Nachweis der gewöhnlichen Ersparnisse erfolgt durch Vorlage der mit den Leistungsträgern abgeschlossenen V erträge34 • 4. DurclJ. anderweitige Verwendung der Reiseleistungen gewöhnliclJ. mögliclJ.er Erwerb

Die Frage, was unter "durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen gewöhnlich möglicher Erwerb" zu verstehen und wie dieser Erwerb rechnerisch zu berücksichtigen ist, stellt das Hauptproblem im Rahmen des § 651 i III dar.

a) Stellungnahme des Rechtsausschusses des Bundestages zu dem Begriff Wenig hilfreich und eher mißverständlich ist der - zu § 651 i III übrigens einzige - Hinweis des Rechtsausschussess5 : "Die Höhe der Entschädigung ist an Abs. II auszurichten." Da in Abs. II die Höhe der von dem Reisenden zu leistenden Entschädigung für den Einzelfall errechnet wird, was je nach Aufwendungsersparnis und Weiterverkauf zu völlig unterschiedlichen Beträgen führt 36 , gern. Abs. III aber eine Pauschale festgelegt werden soll, kann dieser Hinweis des Rechtsausschusses entgegen der Formulierung keinerlei Anhaltspunkte für die Art und Weise der Berechnung der Höhe der Pauschale nach Abs. III bieten. Der Hinweis kann nur bedeuten, daß die Begriffe "ersparte Aufwendungen" und "anderweitige Verwendung der Reiseleistungen" in Abs. II und Abs. III identisch sind, daß es sich grundsätzlich um die gleichen Rechnungsposten handelt37 • Der grundlegende Unterschied zwischen Abs. III und Abs. II 3 besteht darin, daß es bei Abs. II 3 auf den im Einzelfall möglichen, bei Abs. III auf den "gewöhnlich" möglichen Erwerb ankommt. b) Der Begriff der anderweitigen Verwendung

Wenn also Abs. II und Abs. III die gleichen Rechnungsposten enthalten, kann auch bei Abs. III von einer anderweitigen Verwendung 33 34

S5 36 37

Sogleich unten 4. Tonner § 651 i Rdn. 13, 16. BT-Drucks. 8/2343, 12. Oben 6. Kap. III 1. Tonner § 651 i Rdn. 16.

Ir. Die Berechnungsfaktoren

85

nur dann gesprochen werden, wenn eine Neubuchung nur aufgrund des vorhergegangenen Rücktritts erfolgen konnte, wenn also der Rücktritt für die Neubuchung kausal war38 • Dies soll noch einmal beispielhaft verdeutlicht werden:

Beispiel A Haben bei einer Reise mit einer Kapazität von 100 Teilnehmern 70 Reisende gebucht, treten sodann 10 zurück und buchen 20 weitere, so wurde nicht eine der zurückgegebenen Reisen weiterverkauft, da die 20 Reisenden auch ohne die Rücktritte hätten buchen können.

Beispiel B Buchen hingegen im Beispiel A 38 weitere Reisende, so beträgt nun die Teilnehmerzahl 98 und es wurden insgesamt 108 Buchungen vorgenommen. Die 8 Buchungen, die die Kapazität von 100 übersteigen, konnten nur wegen des Rücktritts von 8 anderen Reisenden vorgenommen werden. Als Ergebnis ist festzuhalten, daß als "anderweitige" Verwendung nur die Buchungen in Betracht kommen, die über die Kapazität hinaus erfolgten, weil eben diese Buchungen nur wegen der Rücktritte vorgenommen werden konnten. Dabei kommt es nicht auf die Reihenfolge von Rücktritt und Buchung an. Die Angewohnheit vieler Reiseveranstalter, über die Kapazität hinauszubuchen, da erfahrungsgemäß bis zur letzten Minute Rücktritte erfolgen bzw. Reisen nicht angetreten werden, hat auf die Frage der anderweitigen Verwendung keinen Einfluß; denn auch die Buchungen, die im voraus erfolgten, konnten nur wegen der späteren Rücktritte der anderen Reisenden eingehalten werden. Formelhaft läßt sich der Begriff "anderweitige Verwendung" wie folgt darstellen: (Anderweitige Verwendung) = (Buchungen insgesamt) - (Kapazität) oder aV

= B -

K

c) Der Begriff des gewöhnlich möglichen Erwerbes

Wenn es darauf ankommt, welcher Erwerb "gewöhnlich" möglich ist, so weist dies zunächst darauf hin, daß es auf Sonderumstände nicht ankommen darf39 • Ebensowenig kann ein Einzelfall Maßstab für die Festlegung der Pauschale nach Abs. III sein. Denn im Einzelfall wird Oben 6. Kap. I 3. Vgl. auch die Formulierung des § 252, wonach entgangener Gewinn entweder nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen verlangt werden kann. 38

39

7. Kap.: Die pauschalierte Berechnung gemäß § 651 i III

86

eine Reise entweder weiterverkauft oder nicht. Weiter deutet das Wort "gewöhnlich" an, daß der Reiseveranstalter Erfahrungssätze zugrundezulegen und demnach anhand von in der Vergangenheit liegenden Fällen den gewöhnlich möglichen Erwerb darzutun hat. Auf die Kalkulation für das kommende Jahr zu verweisen, erscheint demgegenüber nicht zulässig. Damit wäre kein gewöhnlich möglicher, sondern ein vermutlich möglicher Erwerb dargelegt. Da die Wendung "gewöhnlich möglich" darauf hindeutet, daß der Reiseveranstalter eine Art Durc.hschnitt festzustellen, einen prozentualen Anteil festzulegen hat, ist es auch nicht zulässig, einzelne Fälle, oder auch eine Reihe von Fällen40 herauszugreifen und anhand derer die Pauschale gern. § 651 i 111 festzusetzen. Denn die Möglichkeit, Fälle auszuwählen, bringt die Gefahr der Manipulation mit sich. Der Reiseveranstalter hat vielmehr, um gern. Abs. 111 die durchschnittliche Weiterverkaufsmöglichkeit feststellen zu können, für jede Reiseart alle Fälle des Vorjahres, besser noch mehrerer Vorjahre, heranzuziehen. Allein anhand der Vorjahresstatistiken läßt sich der gewöhnlich mögliche Erwerb feststellen. d) Die Ermittlung des durch anderweitige Verwendung

gewöhnlich möglichen Erwerbes

Mit dieser Erkenntnis ist noch nicht festgestellt, wie sich der "durch anderweitige Verwendung gewöhnlich mögliche Erwerb" - im folgenden kurz als "anderweitiger Erwerb" bezeichnet - im konkreten Fall errechnet. Formulierungen wie "der Reiseveranstalter wird anhand einer Reihe von Fällen und deren Ablauf nachzuweisen haben, daß z. B. Absetzbarkeit einer Reise einige Tage vor Reisebeginn nahezu ausgeschlossen ist und typischerweise nicht erwartet werden kann"41 helfen nicht weiter, wenn die Errechnung konkreter Prozentsätze für eine bestimmte Reiseart verlangt ist. Den richtigen Ansatz scheint Derleder42 gefunden zu haben, der meint: "Für die Berechnung. des Pauschalsatzes hat der Reiseveranstalter darzutun, wieviele Pauschalreiseplätze gewöhnlich infolge von Rücktrittserklärungen frei werden und dann nicht mehr besetzt werden können. Der Prozentsatz des Reisepreises, der als Pauschale angesetzt werden darf, ergibt sich dann grundsätzlich aus dem Anteil der nicht wieder besetzten zu den insgesamt freigewordenen Plätzen." Oder, umgekehrt ausgedrückt: Der Prozentsatz des Reisepreises, der als anderweitiger Erwerb zu berücksichtigen ist, ergibt sich grundsätzlich aus dem Anteil der wiederbesetzten zu den insgesamt freigewor40

41 42

So aber MünchKomm / Löwe § 651 i Rdn. 14, BarH Rdn. 142. BarH Rdn. 142. AlternativKomm § 651 i Rdn. 4.

II. Die Berechnungsfaktoren

87

denen Plätzen. Ausgangspunkt ist der Reisepreis mit 100 (J/o. Die Formel für den anderweitigen Erwerb heißt demnach: anderweitiger Erwerb

Reisepreis x anderweitige Verwendung =

Rücktritte

oder: aE

=

100 x aV

~~-

R

= Ofo

100 x (B - K)

R

°/0

Die Anwendung der Formel auf die Beispiele oben 4 b) ergibt: Beispiel A:

aE =

100 x (90 - 100) 10

0/0

=

100 x (-10) 10

Glo

Ergebnis: kein positiver anderweitiger Erwerb Beispiel B:

aE =

100 x (108 - 100) 10

0/0

100 x 8

= - - - - -