Der Rückholanspruch: Die rückwirkende Grenze der Eigentumsfreiheit. Habilitationsschrift 9783161556937, 9783161556944, 3161556933

Das deutsche Recht verwendet den Ausdruck 'Rückholanspruch' bisher nicht als juristischen Terminus, kennt solc

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German Pages 510 [545] Year 2018

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
A. Einführung
B. Der Begriff „Clawback-Anspruch/Rückholanspruch“
C. Besonderheiten der Rückholansprüche
D. Abgrenzung zu parallelen Erscheinungsformen
E. Rechtsvergleich
F. Struktur der Arbeit
Kapitel I Analyse und Bewertung der betroffenen Rechtspositionen
Teil 1: Die verschiedenen Regelungsmöglichkeiten und Grundkonzeptionen
A. Rückholanspruch vs. Verfügungsverbote
B. Rechtssysteme ohne Rückholansprüche
C. Missbrauch der Verfügungsmacht
Teil 2: Die Freiheit des Verfügenden
A. Allgemeines
B. Ansatzpunkte für eine Rechtfertigung der Einschränkung der Verfügungsfreiheit
I. Konkludenter Verzicht
II. Venire contra factum proprium/Leistungstreue
III. Schutz familiärer Nähebeziehungen
IV. Teilhaberechte am Vermögen des Schuldners
V. Erhaltene Gegenleistungen?
VI. Engere Grenzen der Verfügungsfreiheit bei der Vornahme unentgeltlicher Rechtsgeschäfte?
VII. Öffentliche Interessen
VIII. Strafbarkeit des Verhaltens
C. Zusammenfassung
Teil 3: Der Schutz des Zuwendungsempfängers
A. Allgemeines
B. Vertrauensschutztatbestände
I. Die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs
II. Bös- bzw. Gutgläubigkeit
III. Zeitablauf und Ausschlussfristen
IV. Erst- oder Zweiterwerber
V. Besonderes Näheverhältnis zum Schuldner
VI. Besondere Schutzwürdigkeit des Zuwendungsempfängers wegen Bedeutung für das Gemeinwohl
C. Zusammenfassung
Teil 4: Die Erwerbserwartung des Berechtigten
A. Allgemeines
B. Vollstreckungsrecht
C. Erbvertrag
D. Pflichtteilsrecht
E. Familienrecht
F. Stufenverhältnis?
Kapitel II Voraussetzungen des Rückholanspruchs
Teil 1: Erbrecht
A. Einführung
B. Deutschland
I. Bindung künftigen Vermögens
II. Regelungszweck und Grundgedanken der Pflichtteilsergänzungsansprüche und des § 2287 BGB
III. Erbverträge
1. Der Begriff der Schenkung
a) Gemischte Schenkungen
b) Unbenannte Zuwendungen bzw. Güterstandswechsel
c) Zuwendungen an Stiftungen
2. Objektive Beeinträchtigung des Vertragserben
3. Subjektive Voraussetzungen in der Person des Schenkenden: Beeinträchtigungsabsicht
a) Sicherung der Altersvorsorge
b) Pflicht- und Anstandsschenkungen
c) Schenkungen zu gemeinnützigen Zwecken und aus persönlichen Rücksichten
d) Weitere Fälle
4. Zeitliche Grenzen
IV. Pflichtteilsrecht
1. Einführung
2. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch in §§ 2325 ff. BGB
3. Die Tatbestandsvoraussetzungen
a) Anspruchsberechtigung
b) Der Begriff der Schenkung
c) Objektive Beeinträchtigung des Pflichtteilsberechtigten
d) Keine weiteren subjektiven Voraussetzungen
e) Zeitliche Grenzen
C. England
I. Bindung künftigen Vermögens
1. Contract to make a will/contract not to revoke a will
2. Mutual wills
II. „Erbverträge“
III. Pflichtteilsrecht
1. Das englische „Pflichtteilsrecht“
2. Sec. 10–12 Inheritance Act 1975
3. Die Tatbestandsvoraussetzungen
a) Anspruchsberechtigung
b) Disposition oder Vertrag
c) Keine vollwertige Gegenleistung
d) Objektive Beeinträchtigung des Berechtigten
e) Beeinträchtigungsabsicht
f) Zeitliche Grenzen
D. Frankreich
I. Bindung künftigen Vermögens
1. Das Verbot vertraglicher Vereinbarungen über den Nachlass (Art. 722 Code civil)
2. Ausnahme für erbrechtliche Regelungen in Eheverträgen (institution contractuelle)
II. „Erbverträge“
1. Der Begriff der „disposition à titre gratuit“
2. Objektive Beeinträchtigung der Rechte des institué
3. Subjektive Voraussetzungen
4. Zeitliche Grenzen
III. Schutz der héritiers réservataires vor lebzeitigen Verfügungen des Erblassers
1. Das französische Pflichtteilsrecht
2. Die action en réduction (Art. 918 ff. Code civil)
3. Die Tatbestandsvoraussetzungen
a) Der Begriff der „donation entre vifs“
(1) Grundsatz
(2) Ausnahmen
(3) Die Vermutungsregelung in Art. 918 Code civil
(4) Der Verzicht auf eine action en réduction
b) Objektive Beeinträchtigung eines heritier réservataire
c) Subjektive Voraussetzungen
d) Zeitliche Grenzen
E. Rechtsvergleich
I. Schenkung bzw. undervalue transaction
II. Gemischte Schenkungen, Zuwendungen an Stiftungen, Zuwendungen zwischen Ehegatten
1. Gemischte Schenkungen
2. Stiftungen
3. Zuwendungen zwischen Ehegatten
4. Folgerungen
III. Benachteiligungsabsicht
IV. Zeitliche Grenzen
Teil 2: Familienrecht
A. Einführung
B. Deutschland
I. Die Güterstände im deutschen Recht
II. Schutz des Ausgleichsanspruchs durch Verfügungsverbote
III. Zugewinnausgleichsanspruch und § 1375 Abs. 2 BGB
IV. Voraussetzungen des § 1390 BGB im Einzelnen
1. Die benachteiligende Handlung
a) § 1390 Abs. 1 BGB
b) § 1390 Abs. 2 BGB
2. Objektive Beeinträchtigung des Zugewinnausgleichsberechtigten
3. Subjektive Voraussetzungen
a) § 1390 Abs. 1 BGB
b) § 1390 Abs. 2 BGB
4. Zeitliche Grenzen
C. England
I. Das eheliche Güterrecht
II. Der Schutz vor Verfügungen des vermögenderen Ehepartners
III. Hinzurechnung zum Endvermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten
IV. Die Tatbestandsvoraussetzungen
1. Die benachteiligende Handlung i. S. v. sec. 37 MCA
2. Beeinträchtigungsabsicht
3. Ausnahme: Werthaltige Gegenleistung und Gutgläubigkeit des Empfängers
4. Beeinträchtigung des Anspruchs des berechtigten Ehegatten
5. Zeitliche Grenzen
D. Frankreich
I. Einführung
II. Die participation aux aquêts und der Deutsch-Französische Wahlgüterstand
III. Schutz des Ausgleichsanspruchs durch Verfügungsverbote im Rahmen der participation aux aquêts
IV. Ausgleichsanspruch und fiktive Hinzurechnung von Verfügungen gem. Art. 1573 Code civil
V. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Art. 1577, 1573 Code civil
1. Die benachteiligende Handlung
2. Beeinträchtigungsabsicht
a) Entgeltliche Rechtsgeschäfte
b) Unentgeltliche Rechtsgeschäfte
3. Bösgläubigkeit des Empfängers
4. Beeinträchtigung des Anspruchs des berechtigten Ehegatten
5. Zeitliche Grenzen
E. Rechtsvergleich
I. Die Schenkung bzw. Verfügung in Beeinträchtigungsabsicht
II. Die Beeinträchtigungsabsicht
III. Bösgläubigkeit des Dritten und Fehlen einer (vollwertigen) Gegenleistung
IV. Zeitliche Grenzen
Teil 3: Vollstreckungsrecht
A. Allgemeines
B. Deutschland
I. Einführung
II. Die Tatbestandsvoraussetzungen der allgemeinen Anfechtungsgründe
1. Anfechtungsberechtigung
2. Die Vorsatzanfechtung (§ 3 Abs. 1 AnfG, § 133 Abs. 1 InsO)
a) Reformen
b) Die benachteiligende Handlung
c) Subjektive Voraussetzungen auf Seiten des Schuldners
d) Subjektive Voraussetzungen auf Seiten des Anfechtungsgegners
e) Beweisanzeichen
f) Zeitliche Grenzen
3. Die Anfechtung von entgeltlichen Verträgen mit nahestehenden Personen (§ 3 Abs. 4 AnfG, § 133 Abs. 4 InsO)
a) Die benachteiligende Handlung
b) Der Begriff der nahestehenden Person
c) Unmittelbarkeit der Benachteiligung
d) Subjektive Voraussetzungen
e) Zeitliche Grenzen
4. Die Schenkungsanfechtung (§ 4 AnfG, § 134 InsO)
a) Der Begriff der unentgeltlichen Leistung
b) Subjektive Voraussetzungen
c) Zeitliche Grenzen
III. Die besonderen insolvenzrechtlichen Anfechtungstatbestände
1. Die kongruente Deckung (§ 130 InsO)
a) Die benachteiligende Handlung
b) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners
c) Subjektive Voraussetzungen
d) Zeitliche Grenzen
2. Die inkongruente Deckung (§ 131 InsO)
a) Die benachteiligende Handlung
b) Zeitliche Abstufung
3. Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen (§ 132 InsO)
C. England
I. Das englische Insolvenzrecht
II. Die Anfechtungsregelungen
III. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Anfechtungsgründe
1. Transaction defrauding creditors (sec. 423 IA)
a) Anspruchsberechtigte
b) Transaction at an undervalue
c) Subjektive Voraussetzungen in der Person des Verfügenden
d) Anforderungen in der Person des Empfängers
e) Zeitliche Grenzen
2. Transaction at an undervalue (sec. 339 IA)
a) Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
b) Zahlungsunfähigkeit im Handlungszeitpunkt
c) Transaction at an undervalue
d) Subjektive Voraussetzungen
e) Zeitliche Grenzen
3. Preferences (sec. 239, 340 IA)
a) Zeitliche Nähe zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens
b) Bevorzugung eines Gläubigers
c) Subjektive Voraussetzungen in der Person des Schuldners
4. Weitere Anfechtungstatbestände
D. Frankreich
I. Das französische Insolvenzrecht
II. Die Voraussetzungen der action paulienne
1. Anspruchsberechtigte
2. Die benachteiligende Handlung
3. Subjektive Voraussetzungen
a) Subjektive Voraussetzungen beim Schuldner
b) Subjektive Voraussetzungen beim Vertragspartner des Schuldners
4. Zeitliche Grenzen
III. Die Voraussetzungen der Anfechtungstatbestände
1. Anfechtungsberechtigte
2. Die benachteiligende Handlung
3. Subjektive Voraussetzungen
4. Zeitliche Grenzen
E. Rechtsvergleich
I. Die benachteiligende Handlung
II. Die Beeinträchtigungsabsicht
III. Bösgläubigkeit des Anfechtungsgegners
IV. Zeitliche Grenzen
Zusammenfassung zu Kapitel II
Übersicht zu Kapitel II
Kapitel III Anspruchsgegner
Teil 1: Erbrecht
A. Deutschland
I. Erbverträge
1. Subsidiarität des Rückholanspruches
2. Fernwirkungen
3. Mehrere Beschenkte
II. Pflichtteilsrecht
1. Subsidiarität des Rückholanspruches
2. Fernwirkungen
3. Mehrere Beschenkte (§§ 2325, 2329 Abs. 3 BGB)
B. England
I. Subsidiarität des Rückholanspruches
II. Fernwirkungen
III. Mehrere Beschenkte
C. Frankreich
I. Erbverträge
II. Pflichtteilsrecht
1. Subsidiarität des Rückholanspruchs
2. Schwierigkeiten bei der Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunktes
3. Durchbrechung des Posteroritätsprinzips
4. Fernwirkungen
D. Rechtsvergleich
I. Subsidiarität des Rückholanspruchs
II. Fernwirkungen
III. Mehrere Beschenkte
Teil 2: Familienrecht
A. Deutschland
I. Subsidiarität des Rückholanspruchs
II. Fernwirkungen
III. Mehrere Beschenkte
B. England
I. Subsidiarität des Rückholanspruchs
II. Fernwirkungen
III. Mehrere Beschenkte
C. Frankreich
I. Subsidiarität des Rückholanspruchs
II. Fernwirkungen
III. Mehrere Beschenkte
D. Rechtsvergleich
I. Subsidiarität des Rückholanspruchs
II. Fernwirkungen
III. Mehrere Beschenkte
Teil 3: Vollstreckungsrecht
A. Subsidiarität des Rückholanspruchs
B. Mehrere Zuwendungsempfänger
C. Fernwirkungen
I. Deutschland
II. England
III. Frankreich
1. Action paulienne
2. Art. L. 632 ff. Code de Commerce
D. Rechtsvergleich
Zusammenfassung zu Kapitel III
Übersicht zu Kapitel III
Kapitel IV Rechtsfolgen
Teil 1: Erbrecht
A. Deutschland
I. Erbverträge
1. Anspruchsinhalt
2. Entreicherung und Wertveränderungen
II. Pflichtteilsrecht
1. Anspruchsinhalt
2. Entreicherung und Wertveränderungen
B. England
I. Ermessensentscheidung
II. Anspruchsinhalt
III. Entreicherung und Wertveränderungen
C. Frankreich
I. Erbverträge
II. Pflichtteilsrecht
1. Anspruchsinhalt
2. Entreicherung und Wertveränderungen
a) Unterscheidung zwischen Wert und Zustand
b) Weiterveräußerung eines Gegenstandes
c) Früchte
D. Rechtsvergleich
I. Gebundene Entscheidung oder Ermessen?
II. Anspruchsinhalt
III. Entreicherung und Wertveränderungen
1. Früchte und Gebrauchsvorteile
2. Veränderungen des Geschenks (Verhalten des Beschenkten/Substanzveränderungen)
3. Veränderungen des Geschenks (äußere Umstände/Beziehung zur Umwelt)
4. Weiterveräußerung des Geschenks
Teil 2: Familienrecht
A. Deutschland
I. Anspruchsinhalt
II. Entreicherung und Wertveränderungen
B. England
I. Ermessensentscheidung
II. Anspruchsinhalt
III. Entreicherung und Wertveränderungen
C. Frankreich
I. Anspruchsinhalt
II. Entreicherung und Wertveränderungen
D. Rechtsvergleich
I. Ermessen
II. Anspruchsinhalt
III. Entreicherung und Wertveränderungen
Teil 3: Vollstreckungsrecht
A. Deutschland
I. Anspruchsinhalt
II. Entreicherung und Wertveränderungen
B. England
I. Ermessensentscheidung
II. Anspruchsinhalt
III. Entreicherung und Wertveränderungen
C. Frankreich
I. Die action paulienne
1. Kein Ermessen
2. Anspruchsinhalt
3. Entreicherung und Wertveränderungen
II. Art. L. 632 ff. Code de Commerce
1. Anspruchsinhalt
2. Entreicherung und Wertveränderungen
D. Rechtsvergleich
I. Ermessen
II. Wertersatz oder Herausgabe in natura?
III. Entreicherung und Wertveränderungen
Zusammenfassung zu Kapitel IV
Kapitel V Vorwirkungen
Teil 1: Erbrecht
A. Deutschland
I. Erbverträge
1. Sicherungsmöglichkeiten zu Lebzeiten des Erblassers
a) Anwartschaftsrecht und deliktsrechtlicher Schutz
b) Feststellungs- und Auskunftsklage
c) Verfügungsunterlassungsverträge
2. Verzicht auf Ansprüche aus § 2287 BGB zu Lebzeiten des Erblassers
II. Pflichtteilsrecht
1. Sicherungsmöglichkeiten zu Lebzeiten des Erblassers
2. Verzicht auf Ansprüche aus §§ 2325, 2329 BGB zu Lebzeiten des Erblassers
B. England
I. Sicherungsmöglichkeiten zu Lebzeiten des Erblassers
II. Verzicht auf family provision Ansprüche zu Lebzeiten des Erblassers
C. Frankreich
I. Erbverträge
1. Sicherungsmöglichkeiten zu Lebzeiten des Erblassers
2. Verzicht auf den Anspruch aus Art. 1083 Code civil zu Lebzeiten des instituant
II. Pflichtteilsrecht
1. Sicherungsmöglichkeiten zu Lebzeiten des Erblassers
2. Verzicht auf die action en réduction zu Lebzeiten des Erblassers
D. Rechtsvergleich
I. Sicherungsmöglichkeiten zu Lebzeiten des Erblassers
II. Anforderungen an einen Verzicht zu Lebzeiten des Erblassers
Teil 2: Familienrecht
A. Deutschland
I. Sicherungsmöglichkeiten vor Auflösung des Güterstandes
II. Verzicht auf Ansprüche aus § 1390 BGB vor Aufhebung des Güterstandes
B. England
I. Sicherungsmöglichkeiten vor Auflösung des Güterstandes
1. Anordnung nach sec. 37 (2) lit. a) MCA
2. Allgemeine zivilprozessuale injuctions
II. Verzicht auf den Anspruch aus sec. 37 MCA vor Auflösung des Güterstandes
C. Frankreich
I. Sicherungsmöglichkeiten vor Auflösung des Güterstandes
1. Vorzeitiger Ausgleich
2. Eintragung einer Sicherungshypothek nach Art. 2402 Code civil
II. Verzicht auf den Anspruch aus Art. 1577 Code civil vor Auflösung des Güterstandes
D. Rechtsvergleich
I. Sicherungsmöglichkeiten während des bestehenden Güterstands
II. Vorausgehender Verzicht auf den Anspruch
Teil 3: Vollstreckungsrecht
Zusammenfassung zu Kapitel V
Kapitel VI Konkurrenzen
Teil 1: Erbvertrag und Pflichtteilsrecht
A. Deutschland
B. England
C. Frankreich
D. Rechtsvergleich
Teil 2: Erbrechtliche und familienrechtliche Rückholansprüche
A. Deutschland
B. England
C. Frankreich
D. Rechtsvergleich
Teil 3: Erb- und Familienrecht und Vollstreckungsrecht
A. Deutschland
B. England
C. Frankreich
D. Rechtsvergleich
Zusammenfassung zu Kapitel VI
Kapitel VII Grenzüberschreitende Sachverhalte
Teil 1: Internationales Erbrecht
A. Die Rechtslage vor Geltung der EuErbVO
I. Die deutsche Perspektive
1. Internationale Zuständigkeit
2. Anwendbares Recht
II. Die französische Perspektive
1. Internationale Zuständigkeit
2. Anwendbares Recht
B. Die Rechtslage nach der EuErbVO
I. Anwendungsbereich der EuErbVO
II. Internationale Zuständigkeit
1. Allgemeines
2. Gerichtsstandsvereinbarungen
3. Drittstaatensachverhalte
III. Anwendbares Recht
1. Pflichtteilsberechtigte
2. Vertragserben
IV. Grenzen der Anwendung des Erbstatuts (Ordre public, Art. 35 EuErbVO)
1. Pflichtteilsberechtigte
2. Rechte eines Vertragserben
3. Rechte des Beschenkten
C. Die englische Perspektive
I. Großbritannien und die EuErbVO
II. Zuständigkeit
III. Anwendbares Recht
IV. Konsequenzen
Teil 2: Internationales Familienrecht
A. Die europäische Güterrechtsverordnung
I. Anwendungsbereich
II. Internationale Zuständigkeit
III. Anwendbares Recht
B. EuUnterhaltsVO
C. Brüssel IIa-VO und Rom III-VO
D. Die nationale Perspektive
I. Deutschland
1. Internationale Zuständigkeit
2. Anwendbares Recht
II. England
1. Internationale Zuständigkeit
2. Anwendbares Recht
III. Frankreich
1. Internationale Zuständigkeit
2. Anwendbares Recht
E. Der deutsch-französische Wahlgüterstand
I. Allgemeines
II. Rückholansprüche im Rahmen des WZGA
1. Anrechnungsregelungen im WZGA
2. Rückgriff auf Rückholregelungen außerhalb des WZGA?
3. Anwendung externer Rückholansprüche
Teil 3: Internationales Vollstreckungsrecht
A. Einführung
B. Die Europäische Insolvenzverordnung
I. Anwendungsbereich
1. Die Rechtsprechung des EuGH
2. Anwendbarkeit der EuInsVO für die Gläubigeranfechtung?
3. Die Neufassung der EuInsVO
II. Die internationale Zuständigkeit
III. Das anwendbare Recht
1. Die Rechtsprechung des EuGH
2. Weitere Problemfelder
3. Verbleibende Spielräume für nationale Kollisionsnormen
C. Anfechtungsmöglichkeiten außerhalb eines Insolvenzverfahrens
I. Die internationale Zuständigkeit
1. Die Rechtsprechung des EuGH zum EuGVÜ und zur Brüssel I(a)-VO
2. Noch offene Fragen
3. Die nationalen Zuständigkeitsregelungen
a) Deutschland
b) England
c) Frankreich
II. Das anwendbare Recht
1. Rom I-VO und Rom II-VO
2. Die Gläubigeranfechtung nach dem AnfG
3. Die Anfechtung nach sec. 423 IA
4. Die action paulienne gem. Art. 1341-2 Code civil
Zusammenfassung zu Kapitel VII
Kapitel VIII Auswertung
A. Einleitung
B. Vorüberlegungen
C. Weitere Anwendungsfelder für den Rückholanspruch?
D. Der objektive Tatbestand: Vermögenstransfer
I. Schenkung oder unentgeltliche Leistung?
II. Unentgeltliche und entgeltliche Geschäfte?
III. Abgrenzung zulässiger von „böslichen“ unentgeltlichen Leistungen
1. Zielsetzung der Zuwendung
a) Pflicht- und Anstandsschenkungen
b) Lebzeitiges Eigeninteresse
2. Art der Übertragung (Genussverzicht)
3. Zuwendungsempfänger
a) Nahestehende Personen
b) Gemeinnützige Organisationen
4. Betroffene Vermögensmasse
a) Stammvermögen oder Erträgnisse
b) Verfügungen über unbewegliches Vermögen
c) Verbleibender Nachlassrestwert
E. Das subjektive Element: Die Beeinträchtigungsabsicht
I. Erforderlichkeit
II. Interessenbewertung
1. Die Interessen des Verfügenden
2. Erwerbsinteressen des Anspruchstellers
3. Bestandsinteressen des Erwerbers
III. Kenntnis des Dritten
IV. Der Nachweis der Beeinträchtigungsabsicht
F. Equity’s darling
G. Das Zeitelement: Zeitliche Grenzen für die Ausübung von Rückholansprüchen
I. Zeitliche Höchstgrenzen der Rückwirkung?
II. Fristbeginn mit Genussverzicht?
III. Einordnung eines anglo-amerikanischen Trust/einer Stiftungserrichtung
IV. Alles-oder-nichts-Prinzip oder ratierliche Abschmelzung
H. Der Anspruchsgegner: Die subjektiven Grenzen des Rückholanspruchs
I. Subsidiarität des Rückholanspruchs
II. Fernwirkungen
1. Ein einheitlicher Ansatz
2. Voraussetzungen der Fernwirkung
3. Subsidiarität
III. Mehrere Empfänger
1. Freie Wahl oder Posterioritätsprinzip?
2. Durchbrechungen des Posterioritätsprinzips
3. Rückgriffansprüche der Empfänger untereinander
I. Die Rechtsfolgen
I. Ermessen?
II. Herausgabe in natura oder Wertersatz?
III. Wertveränderungen
1. Wertsteigerungen
2. Wertverluste und Nutzungen
J. Die Vorwirkungen
I. Präventive Sicherungsmöglichkeiten
II. Präventiver Verzicht
K. Konkurrenzen
I. Erbvertrag und Pflichtteilsrecht
II. Erbrecht und Familienrecht
III. Erbrecht, Familienrecht und Vollstreckungsrecht
L. Grenzüberschreitende Sachverhalte
I. Zuständigkeit
II. Anwendbares Recht
1. Vollstreckungsrecht
2. Erb- und Familienrecht
3. Eine einheitliche Lösung?
III. Ordre public
Zusammenfassung zu Kapitel VIII
Kapitel IX Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines allgemeinen Rückholanspruchs
A. Sinn und Zweck von Rückholansprüchen
B. Allgemeines
C. Vorteile einer einheitlichen Lösung
D. Bausteine eines allgemeinen Rückholanspruchs
I. Schutz des gutgläubigen entgeltlichen Empfängers (equity’s darling)
II. Inanspruchnahme des bösgläubigen Erwerbers
III. Inanspruchnahme des unentgeltlichen Erwerbers
IV. Zwei getrennte Tatbestandsalternativen
V. Die Rückwirkung
VI. Der Anspruchsgegner
VII. Die Rechtsfolgen
VIII. Vorwirkungen
IX. Konkurrenzen
X. Kollisions- und zuständigkeitsrechtliche Einordnung
Schluss
Thesen
Literaturverzeichnis
Sachverzeichnis
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 9783161556937, 9783161556944, 3161556933

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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 223

Robert Magnus

Der Rückholanspruch Die rückwirkende Grenze der Eigentumsfreiheit

Mohr Siebeck

Robert Magnus, geboren 1980; Studium der Rechtswissenschaft in Freiburg i. Br. und Paris; 2006–2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsches und ausländisches Zivilprozessrecht in Freiburg i. Br.; 2009 Promotion; 2009–2011 Rechtsreferendariat in Freiburg i. Br. und Los Angeles; 2011–2017 wissenschaftlicher Mitarbeiter bzw. Akademischer Rat a. Z. am Institut für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht in Heidelberg; 2017 Habilitation; 2017–2018 Lehrstuhlvertretungen in Bonn, Regensburg und Göttingen.

ISBN  978-3-16-155693-7 / eISBN 978-3-16-155694-4 DOI 10.1628/978-3-16-155694-4 ISSN 0940-9610 / eISSN 2568-8472 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Über­ setzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruck­ papier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der RuprechtKarls-­Universität Heidelberg im Sommersemester 2017 als schriftliche Habilitationsleistung angenommen. Die Nachweise wurden bis Ende 2017 aktualisiert und das Manuskript im November 2017 abgeschlossen. Gegenstand dieser Arbeit sind die von mir als „Rückholansprüche“ bezeichneten Rechte, die es bestimmten Personen ermöglichen, vollwirksame Verfügungen eines Rechtsinhabers noch erhebliche Zeit später rückabzuwickeln und veräußerte Gegenstände wieder zu einer geschützten Vermögensmasse zurückzuholen. Solche Rückholansprüche finden sich in den von mir untersuchten Rechtsordnungen (Deutschland, England, Frankreich) im Insolvenzrecht, im Zwangsvollstreckungsrecht, im Erbrecht und im Familienrecht. Sie sind im Einzelnen recht unterschiedlich geregelt, obwohl die typischen Fragestellungen und auftretenden Regelungsprobleme im Kern identisch sind. Die Arbeit unternimmt daher den Versuch, diese Ansprüche zu einer eigenen Anspruchskate­ gorie zusammenzufassen und rechtsgebiets- und rechtsordnungsübergreifend typische Charakteristika und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Sie endet schließlich mit einem Plädoyer für eine stärkere Angleichung der verschiedenen Rückholansprüche. Dank gebührt an erster Stelle meinem hochverehrten akademischen Lehrer, Professor Dr. Dr. h.c. Thomas Pfeiffer. Er hat mich während der Entstehung dieser Arbeit in großzügigster Weise gefördert und unterstützt und mir insbesondere stets die für eine wissenschaftliche Tätigkeit notwendigen Freiräume gelassen. Sowohl in fachlicher als auch in menschlicher Hinsicht hat mich sein Vorbild geprägt und geleitet. Das von ihm als geschäftsführenden Direktor geleitete IPR-Institut in der Heidelberger Augustinergasse war für mich während der Habilitationszeit eine Heimat und ein fester Halt. Herrn Professor Dr. Andreas Piekenbrock bin ich für die Übernahme und zügige Erstellung des Zweitgutachtens zu Dank verpflichtet. Ganz besonders herzlich danken möchte ich auch meinen Kolleginnen und Kollegen und Freunden am Institut, insbesondere Dr. Hannes Wais, LL.M. (Cambridge), Dr. Leonhard Hübner, M.Jur. (Oxford), Professor Dr. Stefan Huber, LL.M. (Köln/Paris), Dr. Michael Heuser, Mirjam Escher, Josef Wittmann, Lisa Fritz, Christian Uhlmann und Valesca Profehsner.

VI

Vorwort

Herrn Dr. Franz-Peter Gillig vom Verlag Mohr Siebeck danke ich für die freundliche Aufnahme in die Reihe Jus Privatum. Gewidmet ist diese Arbeit meiner Familie, die für mich da war, als ich sie am nötigsten gebraucht habe. Heidelberg, im Dezember 2017

Robert Magnus

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Der Begriff „Clawback-Anspruch/Rückholanspruch“ . . . . . . . . 4 C. Besonderheiten der Rückholansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 D. Abgrenzung zu parallelen Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . 8 E. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 F. Struktur der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Kapitel I Analyse und Bewertung der betroffenen Rechtspositionen Teil 1: Die verschiedenen Regelungsmöglichkeiten und Grundkonzeptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 A. Rückholanspruch vs. Verfügungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . 14 B. Rechtssysteme ohne Rückholansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . 16 C. Missbrauch der Verfügungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Teil 2: Die Freiheit des Verfügenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 B. Ansatzpunkte für eine Rechtfertigung der Einschränkung der Verfügungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Teil 3: Der Schutz des Zuwendungsempfängers . . . . . . . . . . . . . . 30 A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 B. Vertrauensschutztatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Teil 4: Die Erwerbserwartung des Berechtigten . . . . . . . . . . . . . . 35 A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 B. Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 C. Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 D. Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 E. Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 F. Stufenverhältnis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

VIII

Inhaltsübersicht

Kapitel II Voraussetzungen des Rückholanspruchs Teil 1: Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 B. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 C. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 D. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 E. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Teil 2: Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 B. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 C. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 D. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 E. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Teil 3: Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 B. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 C. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 D. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 E. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Zusammenfassung zu Kapitel II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Übersicht zu Kapitel II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

Kapitel III Anspruchsgegner Teil 1: Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 B. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 C. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Teil 2: Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 B. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 C. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Teil 3: Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 A. Subsidiarität des Rückholanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 B. Mehrere Zuwendungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

Inhaltsübersicht

IX

C. Fernwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Zusammenfassung zu Kapitel III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Übersicht zu Kapitel III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

Kapitel IV Rechtsfolgen Teil 1: Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 B. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 C. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Teil 2: Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 B. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 C. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Teil 3: Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 B. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 C. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Zusammenfassung zu Kapitel IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

Kapitel V Vorwirkungen Teil 1: Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 B. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 C. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Teil 2: Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 B. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 C. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316

X

Inhaltsübersicht

Teil 3: Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Zusammenfassung zu Kapitel V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319

Kapitel VI Konkurrenzen Teil 1: Erbvertrag und Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 B. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 C. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 Teil 2: Erbrechtliche und familienrechtliche Rückholansprüche . . . . . 327 A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 B. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 C. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 Teil 3: Erb- und Familienrecht und Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . 331 A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 B. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 C. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Zusammenfassung zu Kapitel VI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336

Kapitel VII Grenzüberschreitende Sachverhalte Teil 1: Internationales Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 A. Die Rechtslage vor Geltung der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . 340 B. Die Rechtslage nach der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 C. Die englische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 Teil 2: Internationales Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 A. Die europäische Güterrechtsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 360 B. EuUnterhaltsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 C. Brüssel IIa-VO und Rom III-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 D. Die nationale Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 E. Der deutsch-französische Wahlgüterstand . . . . . . . . . . . . . . . 375 Teil 3: Internationales Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 B. Die Europäische Insolvenzverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 C. Anfechtungsmöglichkeiten außerhalb eines Insolvenzverfahrens . . 390

Inhaltsübersicht

XI

Zusammenfassung zu Kapitel VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402

Kapitel VIII Auswertung A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 B. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 C. Weitere Anwendungsfelder für den Rückholanspruch? . . . . . . . 408 D. Der objektive Tatbestand: Vermögenstransfer . . . . . . . . . . . . . 410 E. Das subjektive Element: Die Beeinträchtigungsabsicht . . . . . . . . 422 F. Equity’s darling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 G. Das Zeitelement: Zeitliche Grenzen für die Ausübung von ­Rückholansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 H. Der Anspruchsgegner: Die subjektiven Grenzen des Rückholanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 I. Die Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 J. Die Vorwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 K. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 L. Grenzüberschreitende Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 Zusammenfassung zu Kapitel VIII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461

Kapitel IX Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines allgemeinen Rückholanspruchs A. Sinn und Zweck von Rückholansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . 463 B. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 C. Vorteile einer einheitlichen Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 D. Bausteine eines allgemeinen Rückholanspruchs . . . . . . . . . . . . 466 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Der Begriff „Clawback-Anspruch/Rückholanspruch“ . . . . . . . . 4 C. Besonderheiten der Rückholansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 D. Abgrenzung zu parallelen Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . 8 E. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 F. Struktur der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Kapitel I

Analyse und Bewertung der betroffenen Rechtspositionen Teil 1: Die verschiedenen Regelungsmöglichkeiten und Grundkonzeptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 A. Rückholanspruch vs. Verfügungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . 14 B. Rechtssysteme ohne Rückholansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . 16 C. Missbrauch der Verfügungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Teil 2: Die Freiheit des Verfügenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 B. Ansatzpunkte für eine Rechtfertigung der Einschränkung der Verfügungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Konkludenter Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Venire contra factum proprium/Leistungstreue . . . . . . . . 21 III. Schutz familiärer Nähebeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . 22 IV. Teilhaberechte am Vermögen des Schuldners . . . . . . . . . . 24 V. Erhaltene Gegenleistungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 VI. Engere Grenzen der Verfügungsfreiheit bei der Vornahme ­unentgeltlicher Rechtsgeschäfte? . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 VII. Öffentliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 VIII. Strafbarkeit des Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

XIV

Inhaltsverzeichnis

Teil 3: Der Schutz des Zuwendungsempfängers . . . . . . . . . . . . . . 30 A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 B. Vertrauensschutztatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs . . . . . . . . . . . 31 I. II. Bös- bzw. Gutgläubigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 III. Zeitablauf und Ausschlussfristen . . . . . . . . . . . . . . . . 32 IV. Erst- oder Zweiterwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Besonderes Näheverhältnis zum Schuldner . . . . . . . . . . 33 V. VI. Besondere Schutzwürdigkeit des Zuwendungsempfängers wegen Bedeutung für das Gemeinwohl . . . . . . . . . . . . . 34 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Teil 4: Die Erwerbserwartung des Berechtigten . . . . . . . . . . . . . . 35 A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 B. Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 C. Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 D. Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 E. Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 F. Stufenverhältnis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

Kapitel II

Voraussetzungen des Rückholanspruchs Teil 1: Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 B. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Bindung künftigen Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 I. II. Regelungszweck und Grundgedanken der ­Pflichtteilsergänzungsansprüche und des §  2287 BGB . . . . 44 III. Erbverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Der Begriff der Schenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 a) Gemischte Schenkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) Unbenannte Zuwendungen bzw. Güterstandswechsel . 48 c) Zuwendungen an Stiftungen . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Objektive Beeinträchtigung des Vertragserben . . . . . . . 52 3. Subjektive Voraussetzungen in der Person des Schenkenden: Beeinträchtigungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) Sicherung der Altersvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . 56 b) Pflicht- und Anstandsschenkungen . . . . . . . . . . . . 57

Inhaltsverzeichnis

XV

c) Schenkungen zu gemeinnützigen Zwecken und aus ­persönlichen Rücksichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 d) Weitere Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4. Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 IV. Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch in §§  2325 ff. BGB . . 61 3. Die Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . 62 a) Anspruchsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 b) Der Begriff der Schenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 c) Objektive Beeinträchtigung des Pflichtteilsberechtigten 66 d) Keine weiteren subjektiven Voraussetzungen . . . . . . 66 e) Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 C. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Bindung künftigen Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 I. 1. Contract to make a will/contract not to revoke a will . . . 70 2. Mutual wills . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 II. „Erbverträge“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 III. Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Das englische „Pflichtteilsrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Sec.  10–12 Inheritance Act 1975 . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3. Die Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . 76 a) Anspruchsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 b) Disposition oder Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 c) Keine vollwertige Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . 78 d) Objektive Beeinträchtigung des Berechtigten . . . . . . 79 e) Beeinträchtigungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 f) Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 D. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Bindung künftigen Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 I. 1. Das Verbot vertraglicher Vereinbarungen über den Nachlass (Art.  722 Code civil) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2. Ausnahme für erbrechtliche Regelungen in Eheverträgen (institution contractuelle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 II. „Erbverträge“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 1. Der Begriff der „disposition à titre gratuit“ . . . . . . . . . 87 2. Objektive Beeinträchtigung der Rechte des institué . . . . 89 3. Subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 4. Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 III. Schutz der héritiers réservataires vor lebzeitigen Verfügungen des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Das französische Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . 91

XVI

Inhaltsverzeichnis

2. Die action en réduction (Art.  918 ff. Code civil) . . . . . . . 93 3. Die Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . 94 a) Der Begriff der „donation entre vifs“ . . . . . . . . . . . 94 (1) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (2) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (3) Die Vermutungsregelung in Art.  918 Code civil . . . 98 (4) Der Verzicht auf eine action en réduction . . . . . . 100 b) Objektive Beeinträchtigung eines heritier réservataire . 102 c) Subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 102 d) Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 E. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Schenkung bzw. undervalue transaction . . . . . . . . . . . . 103 I. II. Gemischte Schenkungen, Zuwendungen an Stiftungen, ­Zuwendungen zwischen Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . 104 1. Gemischte Schenkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Stiftungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3. Zuwendungen zwischen Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . 106 4. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 III. Benachteiligungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 IV. Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Teil 2: Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 B. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Die Güterstände im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . 112 I. II. Schutz des Ausgleichsanspruchs durch Verfügungsverbote . 113 III. Zugewinnausgleichsanspruch und §  1375 Abs.  2 BGB . . . . . 114 IV. Voraussetzungen des §  1390 BGB im Einzelnen . . . . . . . . 115 1. Die benachteiligende Handlung . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) §  1390 Abs.  1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 b) §  1390 Abs.  2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Objektive Beeinträchtigung des Zugewinnausgleichsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . 117 3. Subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) §  1390 Abs.  1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) §  1390 Abs.  2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 4. Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 C. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 I. Das eheliche Güterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Der Schutz vor Verfügungen des vermögenderen Ehepartners 122

Inhaltsverzeichnis

XVII

III. Hinzurechnung zum Endvermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 IV. Die Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. Die benachteiligende Handlung i. S. v. sec.  37 MCA . . . . 124 2. Beeinträchtigungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 3. Ausnahme: Werthaltige Gegenleistung und Gutgläubigkeit des Empfängers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 4. Beeinträchtigung des Anspruchs des berechtigten Ehegatten 127 5. Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 D. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 II. Die participation aux aquêts und der Deutsch-Französische ­Wahlgüterstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 III. Schutz des Ausgleichsanspruchs durch Verfügungsverbote im Rahmen der participation aux aquêts . . . . . . . . . . . . 131 IV. Ausgleichsanspruch und fiktive Hinzurechnung von Verfügungen gem. Art.  1573 Code civil . . . . . . . . . . . . . 131 V. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Art.  1577, 1573 Code civil 132 1. Die benachteiligende Handlung . . . . . . . . . . . . . . . 133 2. Beeinträchtigungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 a) Entgeltliche Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Unentgeltliche Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . 136 3. Bösgläubigkeit des Empfängers . . . . . . . . . . . . . . . . 137 4. Beeinträchtigung des Anspruchs des berechtigten Ehegatten 137 5. Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 E. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 I. Die Schenkung bzw. Verfügung in Beeinträchtigungsabsicht 139 II. Die Beeinträchtigungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 III. Bösgläubigkeit des Dritten und Fehlen einer (vollwertigen) ­Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 IV. Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Teil 3: Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 B. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 II. Die Tatbestandsvoraussetzungen der allgemeinen ­Anfechtungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 1. Anfechtungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Die Vorsatzanfechtung (§  3 Abs.  1 AnfG, §  133 Abs.  1 InsO) 148 a) Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

XVIII

Inhaltsverzeichnis

b) Die benachteiligende Handlung . . . . . . . . . . . . . . 150 c) Subjektive Voraussetzungen auf Seiten des Schuldners . 151 d) Subjektive Voraussetzungen auf Seiten des Anfechtungsgegners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 e) Beweisanzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 f) Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 3. Die Anfechtung von entgeltlichen Verträgen mit nahestehenden Personen (§  3 Abs.  4 AnfG, §  133 Abs.  4 InsO) . 153 a) Die benachteiligende Handlung . . . . . . . . . . . . . 154 b) Der Begriff der nahestehenden Person . . . . . . . . . . 154 c) Unmittelbarkeit der Benachteiligung . . . . . . . . . . . 155 d) Subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 156 e) Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 4. Die Schenkungsanfechtung (§  4 AnfG, §  134 InsO) . . . . 157 a) Der Begriff der unentgeltlichen Leistung . . . . . . . . 157 b) Subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 159 c) Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 III. Die besonderen insolvenzrechtlichen Anfechtungstatbestände 159 1. Die kongruente Deckung (§  130 InsO) . . . . . . . . . . . . 160 a) Die benachteiligende Handlung . . . . . . . . . . . . . . 160 b) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners . . . . . . . . . . . 161 c) Subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 161 d) Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 2. Die inkongruente Deckung (§  131 InsO) . . . . . . . . . . 161 a) Die benachteiligende Handlung . . . . . . . . . . . . . . 161 b) Zeitliche Abstufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 3. Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen (§  132 InsO) . 163 C. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 I. Das englische Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 II. Die Anfechtungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 III. Die Tatbestandsvoraussetzungen der ­Anfechtungsgründe . . 165 1. Transaction defrauding creditors (sec.  423 IA) . . . . . . . 165 a) Anspruchsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 b) Transaction at an undervalue . . . . . . . . . . . . . . . 167 c) Subjektive Voraussetzungen in der Person des Verfügenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 d) Anforderungen in der Person des Empfängers . . . . . . 170 e) Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Transaction at an undervalue (sec.  339 IA) . . . . . . . . . . 171 a) Eröffnung eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . 172 b) Zahlungsunfähigkeit im Handlungszeitpunkt . . . . . . 172 c) Transaction at an undervalue . . . . . . . . . . . . . . . 173

Inhaltsverzeichnis

XIX

d) Subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 173 e) Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 3. Preferences (sec.  239, 340 IA) . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Zeitliche Nähe zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens 175 b) Bevorzugung eines Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . 176 c) Subjektive Voraussetzungen in der Person des Schuldners 176 4. Weitere Anfechtungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . 178 D. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Das französische Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 I. II. Die Voraussetzungen der action paulienne . . . . . . . . . . . 180 1. Anspruchsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2. Die benachteiligende Handlung . . . . . . . . . . . . . . . 181 3. Subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 a) Subjektive Voraussetzungen beim Schuldner . . . . . . 183 b) Subjektive Voraussetzungen beim Vertragspartner des ­Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 4. Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 III. Die Voraussetzungen der Anfechtungstatbestände . . . . . . 186 1. Anfechtungsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 2. Die benachteiligende Handlung . . . . . . . . . . . . . . . 186 3. Subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 4. Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 E. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 I. Die benachteiligende Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 II. Die Beeinträchtigungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 III. Bösgläubigkeit des Anfechtungsgegners . . . . . . . . . . . . 195 IV. Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Zusammenfassung zu Kapitel II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Übersicht zu Kapitel II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

Kapitel III

Anspruchsgegner Teil 1: Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 I. Erbverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Subsidiarität des Rückholanspruches . . . . . . . . . . . . 202 2. Fernwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

XX

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3. Mehrere Beschenkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 II. Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Subsidiarität des Rückholanspruches . . . . . . . . . . . . 206 2. Fernwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 3. Mehrere Beschenkte (§§  2325, 2329 Abs.  3 BGB) . . . . . . 208 B. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 I. Subsidiarität des Rückholanspruches . . . . . . . . . . . . . . 210 II. Fernwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 III. Mehrere Beschenkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 C. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 I. Erbverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 II. Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 1. Subsidiarität des Rückholanspruchs . . . . . . . . . . . . . 214 2. Schwierigkeiten bei der Bestimmung des maßgeblichen ­Zeitpunktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 3. Durchbrechung des Posteroritätsprinzips . . . . . . . . . . 218 4. Fernwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Subsidiarität des Rückholanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . 219 I. II. Fernwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 III. Mehrere Beschenkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Teil 2: Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Subsidiarität des Rückholanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . 224 I. II. Fernwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 III. Mehrere Beschenkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 B. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 I. Subsidiarität des Rückholanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . 228 II. Fernwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 III. Mehrere Beschenkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 C. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 I. Subsidiarität des Rückholanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . 231 II. Fernwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 III. Mehrere Beschenkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Subsidiarität des Rückholanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . 232 I. II. Fernwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 III. Mehrere Beschenkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

Inhaltsverzeichnis

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Teil 3: Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 A. Subsidiarität des Rückholanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 B. Mehrere Zuwendungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 C. Fernwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 II. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 III. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 1. Action paulienne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 2. Art. L. 632 ff. Code de Commerce . . . . . . . . . . . . . . 241 D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Zusammenfassung zu Kapitel III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Übersicht zu Kapitel III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

Kapitel IV

Rechtsfolgen Teil 1: Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 I. Erbverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 1. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 2. Entreicherung und Wertveränderungen . . . . . . . . . . . 246 II. Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 1. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 2. Entreicherung und Wertveränderungen . . . . . . . . . . . 249 B. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 I. Ermessensentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 II. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 III. Entreicherung und Wertveränderungen . . . . . . . . . . . . 252 C. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 I. Erbverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 II. Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 1. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 2. Entreicherung und Wertveränderungen . . . . . . . . . . . 256 a) Unterscheidung zwischen Wert und Zustand . . . . . . 256 b) Weiterveräußerung eines Gegenstandes . . . . . . . . . 258 c) Früchte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

XXII

Inhaltsverzeichnis

D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Gebundene Entscheidung oder Ermessen? . . . . . . . . . . . 260 I. II. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 III. Entreicherung und Wertveränderungen . . . . . . . . . . . . 263 1. Früchte und Gebrauchsvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . 263 2. Veränderungen des Geschenks (Verhalten des Beschenkten/ Substanzveränderungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 3. Veränderungen des Geschenks (äußere Umstände/ Beziehung zur Umwelt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 4. Weiterveräußerung des Geschenks . . . . . . . . . . . . . . 267 Teil 2: Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 I. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 II. Entreicherung und Wertveränderungen . . . . . . . . . . . . 269 B. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 I. Ermessensentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 II. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 III. Entreicherung und Wertveränderungen . . . . . . . . . . . . 272 C. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 I. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 II. Entreicherung und Wertveränderungen . . . . . . . . . . . . 273 D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 I. Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 II. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 III. Entreicherung und Wertveränderungen . . . . . . . . . . . . 275 Teil 3: Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 I. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 II. Entreicherung und Wertveränderungen . . . . . . . . . . . . 277 B. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 I. Ermessensentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 II. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 III. Entreicherung und Wertveränderungen . . . . . . . . . . . . 279 C. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 I. Die action paulienne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 1. Kein Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 2. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 3. Entreicherung und Wertveränderungen . . . . . . . . . . . 282

Inhaltsverzeichnis

XXIII

II.

Art. L. 632 ff. Code de Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . 282 1. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 2. Entreicherung und Wertveränderungen . . . . . . . . . . . 283 D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 I. Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 II. Wertersatz oder Herausgabe in natura? . . . . . . . . . . . . . 284 III. Entreicherung und Wertveränderungen . . . . . . . . . . . . 285 Zusammenfassung zu Kapitel IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

Kapitel V

Vorwirkungen Teil 1: Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 I. Erbverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 1. Sicherungsmöglichkeiten zu Lebzeiten des Erblassers . . . 290 a) Anwartschaftsrecht und deliktsrechtlicher Schutz . . . 290 b) Feststellungs- und Auskunftsklage . . . . . . . . . . . . 291 c) Verfügungsunterlassungsverträge . . . . . . . . . . . . . 293 2. Verzicht auf Ansprüche aus §  2287 BGB zu Lebzeiten des ­Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 II. Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 1. Sicherungsmöglichkeiten zu Lebzeiten des Erblassers . . . 296 2. Verzicht auf Ansprüche aus §§  2325, 2329 BGB zu Lebzeiten des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 B. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 I. Sicherungsmöglichkeiten zu Lebzeiten des Erblassers . . . . 298 II. Verzicht auf family provision Ansprüche zu Lebzeiten des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 C. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 I. Erbverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 1. Sicherungsmöglichkeiten zu Lebzeiten des Erblassers . . . 299 2. Verzicht auf den Anspruch aus Art.  1083 Code civil zu Lebzeiten des instituant . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 II. Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 1. Sicherungsmöglichkeiten zu Lebzeiten des Erblassers . . . 301 2. Verzicht auf die action en réduction zu Lebzeiten des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302

XXIV

Inhaltsverzeichnis

D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Sicherungsmöglichkeiten zu Lebzeiten des Erblassers . . . . 304 I. II. Anforderungen an einen Verzicht zu Lebzeiten des Erblassers 306 Teil 2: Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 I. Sicherungsmöglichkeiten vor Auflösung des Güterstandes . . 308 II. Verzicht auf Ansprüche aus §  1390 BGB vor Aufhebung des ­Güterstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 B. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 I. Sicherungsmöglichkeiten vor Auflösung des Güterstandes . . 310 1. Anordnung nach sec.  37 (2) lit.  a) MCA . . . . . . . . . . . 310 2. Allgemeine zivilprozessuale injuctions . . . . . . . . . . . 312 II. Verzicht auf den Anspruch aus sec.  37 MCA vor Auflösung des Güterstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 C. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 I. Sicherungsmöglichkeiten vor Auflösung des Güterstandes . . 313 1. Vorzeitiger Ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 2. Eintragung einer Sicherungshypothek nach Art.  2402 Code civil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 II. Verzicht auf den Anspruch aus Art.  1577 Code civil vor Auflösung des Güterstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 Sicherungsmöglichkeiten während des bestehenden I. Güterstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 II. Vorausgehender Verzicht auf den Anspruch . . . . . . . . . . 317 Teil 3: Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Zusammenfassung zu Kapitel V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319

Kapitel VI

Konkurrenzen Teil 1: Erbvertrag und Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 B. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 C. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326

Inhaltsverzeichnis

XXV

Teil 2: Erbrechtliche und familienrechtliche Rückholansprüche . . . . . 327 A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 B. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 C. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 Teil 3: Erb- und Familienrecht und Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . 331 A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 B. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 C. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 D. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Zusammenfassung zu Kapitel VI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336

Kapitel VII

Grenzüberschreitende Sachverhalte Teil 1: Internationales Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 A. Die Rechtslage vor Geltung der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . 340 Die deutsche Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 I. 1. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 2. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 II. Die französische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 1. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 2. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 B. Die Rechtslage nach der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 Anwendungsbereich der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . 344 I. II. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 2. Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . 348 3. Drittstaatensachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 III. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 1. Pflichtteilsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 2. Vertragserben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 IV. Grenzen der Anwendung des Erbstatuts (Ordre public, Art.  35 EuErbVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 1. Pflichtteilsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 2. Rechte eines Vertragserben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 3. Rechte des Beschenkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354

XXVI

Inhaltsverzeichnis

C. Die englische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 Großbritannien und die EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . 356 I. II. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 III. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 IV. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Teil 2: Internationales Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 A. Die europäische Güterrechtsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 360 I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 II. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 III. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 B. EuUnterhaltsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 C. Brüssel IIa-VO und Rom III-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 D. Die nationale Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 1. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 2. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 II. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 1. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 2. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 III. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 1. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 2. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 E. Der deutsch-französische Wahlgüterstand . . . . . . . . . . . . . . . 375 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 II. Rückholansprüche im Rahmen des WZGA . . . . . . . . . . 376 1. Anrechnungsregelungen im WZGA . . . . . . . . . . . . . 376 2. Rückgriff auf Rückholregelungen außerhalb des WZGA? . 377 3. Anwendung externer Rückholansprüche . . . . . . . . . . 378 Teil 3: Internationales Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 B. Die Europäische Insolvenzverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 1. Die Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . 381 2. Anwendbarkeit der EuInsVO für die Gläubigeranfechtung? 382 3. Die Neufassung der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . 384 II. Die internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 386 III. Das anwendbare Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 1. Die Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . 387 2. Weitere Problemfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389

Inhaltsverzeichnis

XXVII

3. Verbleibende Spielräume für nationale Kollisionsnormen . 390 C. Anfechtungsmöglichkeiten außerhalb eines Insolvenzverfahrens . . 390 Die internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 390 I. 1. Die Rechtsprechung des EuGH zum EuGVÜ und zur Brüssel I(a)-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 2. Noch offene Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 3. Die nationalen Zuständigkeitsregelungen . . . . . . . . . . 393 a) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 b) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 c) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 II. Das anwendbare Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 1. Rom I-VO und Rom II-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 2. Die Gläubigeranfechtung nach dem AnfG . . . . . . . . . 398 3. Die Anfechtung nach sec.  423 IA . . . . . . . . . . . . . . . 401 4. Die action paulienne gem. Art.  1341-2 Code civil . . . . . . 401 Zusammenfassung zu Kapitel VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402

Kapitel VIII

Auswertung A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 B. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 C. Weitere Anwendungsfelder für den Rückholanspruch? . . . . . . . 408 D. Der objektive Tatbestand: Vermögenstransfer . . . . . . . . . . . . . 410 I. Schenkung oder unentgeltliche Leistung? . . . . . . . . . . . 410 II. Unentgeltliche und entgeltliche Geschäfte? . . . . . . . . . . . 411 III. Abgrenzung zulässiger von „böslichen“ unentgeltlichen Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 1. Zielsetzung der Zuwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 a) Pflicht- und Anstandsschenkungen . . . . . . . . . . . . 412 b) Lebzeitiges Eigeninteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 2. Art der Übertragung (Genussverzicht) . . . . . . . . . . . 414 3. Zuwendungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 a) Nahestehende Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 b) Gemeinnützige Organisationen . . . . . . . . . . . . . . 419 4. Betroffene Vermögensmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 a) Stammvermögen oder Erträgnisse . . . . . . . . . . . . 419 b) Verfügungen über unbewegliches Vermögen . . . . . . 420 c) Verbleibender Nachlassrestwert . . . . . . . . . . . . . . 420

XXVIII

Inhaltsverzeichnis

E. Das subjektive Element: Die Beeinträchtigungsabsicht . . . . . . . . 422 I. Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 II. Interessenbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 1. Die Interessen des Verfügenden . . . . . . . . . . . . . . . 423 2. Erwerbsinteressen des Anspruchstellers . . . . . . . . . . . 424 3. Bestandsinteressen des Erwerbers . . . . . . . . . . . . . . 424 III. Kenntnis des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 IV. Der Nachweis der Beeinträchtigungsabsicht . . . . . . . . . . 427 F. Equity’s darling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 G. Das Zeitelement: Zeitliche Grenzen für die Ausübung von ­Rückholansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 Zeitliche Höchstgrenzen der Rückwirkung? . . . . . . . . . . 430 I. II. Fristbeginn mit Genussverzicht? . . . . . . . . . . . . . . . . 432 III. Einordnung eines anglo-amerikanischen Trust/ einer ­Stiftungserrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 IV. Alles-oder-nichts-Prinzip oder ratierliche Abschmelzung . . 435 H. Der Anspruchsgegner: Die subjektiven Grenzen des Rückholanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 Subsidiarität des Rückholanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . 435 I. II. Fernwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 1. Ein einheitlicher Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 2. Voraussetzungen der Fernwirkung . . . . . . . . . . . . . . 437 3. Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 III. Mehrere Empfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 1. Freie Wahl oder Posterioritätsprinzip? . . . . . . . . . . . . 439 2. Durchbrechungen des Posterioritätsprinzips . . . . . . . . 441 3. Rückgriffansprüche der Empfänger untereinander . . . . . 441 I. Die Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 I. Ermessen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 II. Herausgabe in natura oder Wertersatz? . . . . . . . . . . . . . 444 III. Wertveränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 1. Wertsteigerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 2. Wertverluste und Nutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 J. Die Vorwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 Präventive Sicherungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . 448 I. II. Präventiver Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 K. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 Erbvertrag und Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 I. II. Erbrecht und Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 III. Erbrecht, Familienrecht und Vollstreckungsrecht . . . . . . . 453 L. Grenzüberschreitende Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 I. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454

Inhaltsverzeichnis

XXIX

II.

Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 1. Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 2. Erb- und Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 3. Eine einheitliche Lösung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 III. Ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 Zusammenfassung zu Kapitel VIII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461

Kapitel IX

Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines allgemeinen Rückholanspruchs A. Sinn und Zweck von Rückholansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . 463 B. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 C. Vorteile einer einheitlichen Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 D. Bausteine eines allgemeinen Rückholanspruchs . . . . . . . . . . . . 466 Schutz des gutgläubigen entgeltlichen Empfängers I. (equity’s darling) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 II. Inanspruchnahme des bösgläubigen Erwerbers . . . . . . . . 467 III. Inanspruchnahme des unentgeltlichen Erwerbers . . . . . . . 468 IV. Zwei getrennte Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . 470 Die Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 V. VI. Der Anspruchsgegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 VII. Die Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 VIII. Vorwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 IX. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 X. Kollisions- und zuständigkeitsrechtliche Einordnung . . . . 475

Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509

Abkürzungsverzeichnis a. A. anderer Ansicht Abs. Absatz A.C. Law Reports Appeal Cases AcP Archiv für die civilistische Praxis Act. Actualité a. F. alte Fassung AG Amtsgericht All ER The All England Law Reports Alt. Alternative Anm. Anmerkung Art./Artt. Artikel Aufl. Auflage BayObLG Bayerisches Oberstes Landesgericht BCLC British Company Law Cases Bürgerliches Gesetzbuch BGB BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bsp. Beispiel Bspw. Beispielsweise BT-Drs. Bundestags-Drucksache Bull. Bulletin Bull. civ. Bulletin des arrêts de la Cour des cassation, chambres civiles BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bzw. beziehungsweise ca. circa Court of Appeal CA Cass. Cour de cassation chambres civiles Cass. com. Cour de cassation chambre commerciale C.c. Conseil constitutionnel Chron. Chronique C.L.Y. Current Law Yearbook Comp Company CPC Code de procédure civile D. Recueil Dalloz DB Der Betrieb d. h. das heißt ders. derselbe

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Abkürzungsverzeichnis

Diss. Dissertation Répertoire Dalloz de Jurisprudence Générale D. jur. gén. Doctr. Doctrine EG Europäische Gemeinschaft EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Europäische Menschenrechtskonvention EMRK et cetera etc. EuG Europäisches Gericht erster Instanz EuGH Europäischer Gerichtshof Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EuZW EWHC High Court of England and Wales f. folgende FamRZ Zeitschrift für Familienrecht Fasc. Fascicule ff. folgende (akademischer Plural) FG Festgabe Fn. Fußnote FS Festschrift GA Goltdammer’s Archiv für Strafrecht Gaz. Pal. La Gazette du Palais gem. gemäß GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GS Gedächtnisschrift GVG Gerichtsverfassungsgesetz h.A. herrschende Ansicht Habil. Habilitationsschrift HCA High Court of Australia h. M. herrschende Meinung HL House of Lords Hrsgb. Herausgeber Hs. Halbsatz i. Br. im Breisgau i. d. R. in der Regel IR informations rapides Inc Incorporation in re in reference to insb. insbesondere InsO Insolvenzordnung IPRax Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrecht i. S. d. im Sinne des i. S. v. im Sinne von i. V. m. in Verbindung mit J Justice JA Juristische Arbeitsblätter JC Juris-Classeur JC dr. int. Juris-Classeur de droit international JCP Juris-Classeur périodique, La semaine juridique – Édition générale

Abkürzungsverzeichnis

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jew. jeweils Journal officiel JO JR Juristische Rundschau Jur. Jurisprudence Jura Juristische Ausbildung Juristische Schulung JuS Juristische Wochenschrift JW JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel KG Kammergericht krit. kritisch L.C. Lord Chancellor LG Landgericht LJ Lord Justice LM Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, hrsg. von Lindenmaier/Möhring u. a. Law Quarterly Review L.Q.R. Ltd Limited mwN mit weiteren Nachweisen MDR Monatszeitschrift für deutsches Recht MittBayNot Mitteilungen der Bayerischen Notarkammer MLR Modern Law Review n. numéro n.F neue Fassung NJ Neue Justiz NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungs-Report NK Nomos-Kommentar zum Strafgesetzbuch Nr. Nummer NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZI Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und der Sanierung OHG Offene Handelsgesellschaft OLG Oberlandesgericht OLGR OLG-Report, Zivilrechtsprechung der OLG OLGZ Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen p. page Plc Public limited company R. Rex, Regina RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationals Privatrecht Rec. Recueil Rép. dr. civ. Encyclopedie juridique Dalloz – Répertoire de droit civil RG Reichsgericht RGBL Reichsgesetzblatt RGRK Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

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Abkürzungsverzeichnis

RIN Règlement Intérieur National Recht der Internationalen Wirtschaft RIW Rn. Randnummer RTD civ. Revue trimestrielle de droit civil S. Seite/Satz s. siehe siehe auch s. a. SA Société anonyme sec. section SG Sozialgericht sog. so genannt Somm. Sommaire Sp. Spalte ss. suivants/subsections StGB Strafgesetzbuch str. streitig SW Southwest t. tome u. und u. a. unter anderem UK United Kingdom U.S. United States usw. und so weiter u. U. unter Umständen v. von/vom v. a. vor allem V-C Vice Chancellor Verf. Verfasser VG Verwaltungsgericht VGH Verwaltungsgerichtshof vgl. vergleiche VO Verordnung Vorb. Vorbemerkung vs. versus W.L.R. Weekly Law Reports w.Nw. weitere Nachweise z. B. zum Beispiel ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht z. T. zum Teil ZinsO Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik zust. Zustimmend ZZP Zeitschrift für Zivilprozess

Einleitung A. Einführung Das deutsche Recht verwendet den Ausdruck „Rückholanspruch“ bisher nicht als juristischen Terminus, kennt solche Ansprüche der Sache nach aber durchaus. In einer ganzen Reihe von Situationen können bestimmte Personen vollgültige Verfügungen des Rechtsinhabers zugunsten Dritter noch erhebliche Zeit später wieder rückgängig machen und etwa übertragene Gegenstände von dem Dritten wieder zurückholen. Dogmatisch unterscheiden sich Ansprüche dieser Art deutlich von allen anderen Ansprüchen wie etwa Vertrags-, Delikts-, Be­ reicherungs-, Unterhalts- oder Erbschaftsansprüchen. Der bekannteste und praktisch wichtigste Fall ist die Anfechtung vorinsolvenzlicher Verfügungen des Insolvenzschuldners, mit der der Insolvenzverwalter Vermögen von Dritten wieder zur Masse ziehen kann. Ganz ähnliche, in der Praxis durchaus relevante Rückholmöglichkeiten bestehen im Bereich des Familien- und Erbrechts sowie bei der Gläubigeranfechtung. All diese Rückholansprüche sind im Einzelnen recht unterschiedlich geregelt, obwohl das Regelungsproblem im Kern identisch ist. Es liegt nahe zu fragen, ob hier nicht ein einheitlich gestalteter Anspruch zugrundeliegt oder jedenfalls zugrundegelegt werden sollte. Erstaunlicherweise ist diese Frage bisher weder übergreifend im deutschen Recht noch gar rechtsvergleichend behandelt worden. Es ist das Anliegen dieser Arbeit, – auch rechtsvergleichend – zu untersuchen, ob sich ein einheitliches Institut des Rückholanspruchs feststellen lässt und wünschenswert ist. Mit der Fragestellung, ob diese Ansprüche Ausdruck eines einheitlichen zivilrechtlichen Grundprinzips sind und sich als solches fassen lassen, betritt die Arbeit Neuland. Indirekt ist mit dem Thema auch die Frage berührt, wieweit ein Eigentümer berechtigt ist, frei über sein Eigentum zu verfügen. Es geht allerdings gerade nicht darum, ob die Verfügung des Eigentümers unwirksam ist, weil der Eigentümer seine Verfügungsbefugnis inzwischen verloren hat oder weil der Inhalt der Verfügung sittenwidrig ist oder sie gegen ein Gesetz verstößt. Vielmehr handelt es sich um Fälle, in denen ein verfügungsbefugter und voll geschäfts­ fähiger Eigentümer eine wirksame Verfügung formgerecht trifft, die Verfügung jedoch aufgrund bestimmter späterer Entwicklungen angegriffen und wieder rückgängig gemacht werden kann. Dem Eigentümer wird quasi nachträglich

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Einleitung

die Verfügungsbefugnis genommen. Die Angreifbarkeit der Verfügung ergibt sich in den genannten Konstellationen nicht durch ihren ursprünglichen Inhalt, sondern erst durch nachträgliche Ereignisse, die die Verfügung nun als unangemessen erscheinen lassen. Auch wenn die Zukunft bekanntlich ungewiss ist, lassen sich doch manche Ereignisse bereits vorhersehen und vorausplanen. Der Blick in die Zukunft ist zudem nicht immer erfreulich. Kündigen sich in Krisenzeiten tiefgreifende Veränderungen an, liegt es nahe, bereits in der Gegenwart Vorsorge zu treffen. Die unerwünschte künftige Entwicklung kann nun darin bestehen, dass die bislang noch gänzlich uneingeschränkte Herrschaft über das eigene Vermögen endet und große Teile des Vermögens auf Personen übergehen, die dem Vermögensinhaber wenig genehm, möglicherweise sogar zutiefst unangenehm sind. In einer solchen Situation ist es alles andere als fernliegend, dass der Eigentümer auf die Idee verfällt, seine noch bestehenden Verfügungsmöglichkeiten dafür zu nutzen, das vorhandene Vermögen an ihm genehmere Personen zu verteilen. In der Praxis lassen sich solche Verhaltensweisen in ganz unterschiedlichen, rechtlichen Zusammenhängen feststellen. Zum einen sind Vermögensverschiebungen oft im Vorfeld einer Insolvenz zu beobachten. Sie können hier einerseits dazu dienen, bestimmte Gläubiger gegenüber anderen zu bevorzugen, andererseits aber auch bezwecken, Vermögensgegenstände durch die Übertragung auf Dritte dem Zugriff der Gläubiger insgesamt zu entziehen. In fast allen Rechtsordnungen weltweit sind deshalb Regelungen entwickelt worden, die es dem Insolvenzverwalter, mitunter auch einzelnen Gläubigern, ermöglichen, bestimmte Verfügungen des Schuldners nach der Insolvenzeröffnung wieder rückgängig zu machen. Diese Regelungen sind zudem oft sehr ausdifferenziert. Eine ganz vergleichbare Situation tritt ein, wenn der Schuldner sein Vermögen im Hinblick auf ein anstehendes Zwangsvollstreckungs­ verfahren auf Dritte überträgt, um so den Gläubigerzugriff zu vereiteln. Rückholmechanismen, die sich vielfach noch auf die römischrechtliche actio Pauliana zurückführen lassen, kennen auch hier die meisten Rechtsordnungen.1 Zum anderen finden Vermögensverschiebungen häufig im Vorfeld einer Scheidung statt. Das Bestehen und die Höhe von Ausgleichsansprüchen des einen Ehegatten gegen den anderen hängt ganz wesentlich von den jeweiligen Vermögensverhältnissen bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages ab. Hier besteht also ein Anreiz für den ausgleichspflichtigen Ehegatten, diese Rechnung durch eine Übertragung von wesentlichen Bestandteilen seines Vermögens auf Dritte zu seinen Gunsten zu verändern. Auch in einer solchen Situation sehen deshalb viele Rechtsordnungen die Möglichkeit vor, dass der beeinträchtigte

1  Vgl. etwa Vaquer in: Schulze (Hrsg.), New Features in Contract Law, S.  421; Würdinger, Insolvenzanfechtung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, S.  2 f. mwN.

A. Einführung

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Ehegatte bestimmte Vermögensübertragungen des ausgleichspflichtigten Ehegatten wieder rückgängig machen kann. Schließlich kann auch die erbrechtlich motivierte Nachlassplanung einen Anreiz für Vermögensverschiebungen bieten. Da beinahe jede Rechtsordnung ein Pflichtteilsrecht oder ein zumindest in gewisser Weise ähnlich gelagertes Substitut kennt,2 besteht ein Gegensatz zwischen den grds. uneingeschränkten Verfügungsmöglichkeiten unter Lebenden und der teilweise erheblich eingeschränkten Verfügungsfreiheit von Todes wegen. Diesen Gegensatz kann der Erblasser ausnutzen, wenn er noch zu Lebzeiten wesentliche Teile seines Vermögens auf Dritte überträgt und dadurch dem Nachlass entzieht. Ein Pflichtteilsrecht wäre allerdings wenig wert, wenn es sich einfach dadurch aushebeln ließe, dass der Erblasser noch auf dem Sterbebett sein gesamtes Vermögen einer oder mehreren Personen seiner Wahl überträgt. Vor diesem Hintergrund wird das Pflichtteilsrecht und werden die ihm entsprechenden Institute fast immer durch Regelungen flankiert, die den pflichtteilsberechtigten Personen die Möglichkeit geben, bestimmte Verfügungen des Erblassers rückabzuwickeln. Eine ganz vergleichbare Konstellation besteht, wenn der Erblasser seinen Nachlass durch einen Erbvertrag einem Vertragserben versprochen hat, ihn diese Entscheidung aber inzwischen reut und er deshalb sein gesamtes Vermögen oder zumindest wesentliche Teile davon einem Dritten überträgt. Auch hier sehen viele Rechtsordnungen Regelungen vor, die den Vertragserben berechtigen, bestimmte Verfügungen des Erblassers rückgängig zu machen. Ziel dieser Arbeit ist es, einerseits typische Charakteristika der Rückholsituation und damit verbundener Rückholansprüche rechtsordnungs- und rechtsgebietsübergreifend offenzulegen und miteinander zu vergleichen. Anschließend sollen Möglichkeiten einer Koordinierung, Vereinheitlichung und Angleichung diskutiert und erwogen werden. Als Vorgriff lässt sich bereits hier festellen, dass die Regelungen sowohl innerhalb einer Rechtsordnung als auch im internationalen Vergleich sehr unterschiedlich ausgestaltet sind, ohne dass sich ein klares Konzept erkennen lässt. Gleichwohl weisen die in den Rückholsituationen auftretenden Fragestellungen eine erstaunliche Ähnlichkeit auf. Auch kommt es oft zu einer Konkurrenz zwischen verschiedenen Rückhol­ ansprüchen aus unterschiedlichen Rechtsgebieten. So etwa wenn ein Ehemann sein Vermögen kurz vor der Scheidung seiner neuen Lebenspartnerin überträgt, er kurz darauf verstirbt und einen überschuldeten Nachlass hinterlässt. In Betracht kommen hier sowohl erb-, familien- als auch insolvenzrechtliche Rückholansprüche. Die unterschiedlichen Lösungen für die gleichen Fragestellungen führen in einer solchen Situation zu fragwürdigen und wenig interessengerechten Ergebnissen. 2  Siehe hierzu auch die Übersicht bei Pfundstein, Pflichtteil und ordre public, S.  11 ff. Keinerlei Verwandtenschutz kennen lediglich die Rechtsordnungen Thailands und der Mongolei.

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Einleitung

B. Der Begriff „Clawback-Anspruch/Rückholanspruch“ Obwohl die angesprochenen Bereiche allesamt erhebliche praktische Bedeutung haben und auch und gerade in den letzten Jahren in den Blick gesetzgeberischer Reformbemühungen gelangt sind, fehlt es bislang an einer vertieften wissenschaftlichen Durchdringung dieser Materien, die sich auf die Gemeinsamkeiten und typischen Problemlagen dieser speziellen Anspruchsgruppe fokussiert. Ein deutlicher Beleg hierfür ist unter anderem, dass es im deutschen Recht schon an einer einheitlichen Bezeichnung für diese Ansprüche fehlt. ­Publikationen, die sich in Deutschland mit Rückholansprüchen befassen, tun das immer nur für ihr Sachgebiet, also das Familien-, Erb- oder Vollstreckungsrecht ohne Blick auf die parallele Erscheinung in den anderen Sachgebieten.3 In England wird hingegen zusammenfassend von „clawback-claims“ und „anti-avoidance provisions“ gesprochen. Insbesondere der Ausdruck „clawback“ veranschaulicht dabei sehr plastisch, worum es bei diesen Ansprüchen der­ Sache nach eigentlich geht, nämlich um die Rückholung verteilten Vermögens. Im Folgenden soll daher als übergeordnete Bezeichnung für diese Gruppe von Ansprüchen der Begriff „Rückholansprüche“ verwendet werden. Die im deutschen Vollstreckungsrecht verwendeten Bezeichnungen „Anfechtung“ und „Anfechtungsklage“ sind hingegen missverständlich. Mit ihrem bürgerlich-rechtlichen Pendant, der Anfechtung nach §§  119 ff. BGB, haben sie nichts gemein.4 Es geht bei dieser Anfechtung nicht etwa darum, den freien Konsens der Vertragsparteien vor Willensmängeln zu schützen, sondern um ­einen Rückabwicklungsgrund ganz eigener Art, der von den Umständen des Vertragsschlusses grds. unabhängig ist.

C. Besonderheiten der Rückholansprüche Die Rückholsituation zeichnet sich durch einige sehr charakteristische Eigenheiten aus: Beteiligt sind immer drei Personen, nämlich (1) der verfügende Erblasser/Ehegatte/Schuldner, (2) der durch die Verfügung benachteiligte Gläubiger/Ehegatte/Pflichtteilsberechtigte/Vertragserbe und schließlich (3) der Verfügungsempfänger, der eventuell mit dem Schuldner kollusiv zusammenwirkt, der hinsichtlich der Zwecke der Verfügung aber auch völlig ahnungslos sein kann. Prozessparteien sind in der Regel der beeinträchtigte Gläubiger in der Rolle des Klägers und der Verfügungsempfänger als Beklagter. Zwischen diesen beiden besteht aber grds. keinerlei direkte rechtliche Verbindung. Ihr Kontakt kommt ausschließlich durch Vermittlung über den Schuldner zustande, zu dem sie jeweils beide in einer höchst unterschiedlichen Rechtsbeziehung stehen. 3 

S. z. B. Petersen JURA 2015, 798, 801. Vor. §§  129 ff. InsO Rn.  28.

4 MüKoInsO/Kirchhof

C. Besonderheiten der Rückholansprüche

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Für die Verbindung zwischen dem Anspruchsteller und dem Verfügenden ist charakteristisch, dass der Anspruchsteller die berechtigte Aussicht hat, am Vermögen des Verfügenden zu partizipieren. Übereinstimmend sehen die untersuchten Rechte eine solche legitime Erwartung für den Ehegatten vor, der nach einer Scheidung Ausgleichsrechte haben kann, für den Pflichtteilsberechtigten sowie den Vertragserben, der nach dem Tod des verfügenden Erblassers am Nachlass beteiligt werden soll, und für Gläubiger, die in der Einzel- oder Gesamtvollstreckung am verbleibenden Schuldnervermögen berechtigt sein sollen. Die konkrete Höhe der Beteiligung bzw. ihre konkrete Werthaltigkeit ergibt sich erst nach dem Eintritt eines späteren Ereignisses (Scheidung/Tod/Voll­ streckung). Die Verbindung zwischen dem Verfügenden und dem Verfügungsempfänger beruht dagegen auf völlig anderen Rechtsgründen, häufig einer Schenkung, sonst einem entgeltlichen Rechtsgeschäft. Aus dieser Kombination von Verbindungen resultieren besondere, für die Rückholkonstellation typische Fragestellungen: Inwieweit ist der Zugriff auf den Dritten subsidiär gegenüber Ansprüchen, die dem Gläubiger direkt gegen den Schuldner zustehen und unter welchen Umständen kann eine solche Sub­ sidiarität eventuell durchbrochen werden? Hat der Gläubiger auch noch gegen Personen Rückholansprüche, die ihrerseits den Verfügungsgegenstand vom ursprünglichen Empfänger erworben haben? Wie verhält es sich, wenn der Schuldner mehrere Verfügungen an unterschiedliche Empfänger getätigt hat? Muss der Gläubiger insoweit eine bestimmte Reihenfolge einhalten und bestehen Regressansprüche der Empfänger untereinander, wenn der Gläubiger nur einen von ihnen in Anspruch nimmt? Kompliziert kann es insbesondere bei internationalen Fallgestaltungen werden: Welche Rechtsbeziehung ist hier für die Anknüpfung im internationalen Privat- und Zuständigkeitsrecht ausschlaggebend, diejenige zwischen Gläubiger und Schuldner oder diejenige zwischen Schuldner und Drittem? Eine weitere sehr typische Besonderheit besteht darin, dass die Handlung des Schuldners in dem Zeitpunkt, in dem sie vorgenommen wurde, vollumfänglich wirksam war. Ihre spätere Angreifbarkeit resultiert aus einem nachträglich eingetretenen Ereignis (Tod, Scheidung, Zwangsvollstreckung, Insolvenz), dessen genaue Einzelheiten im Zeitpunkt der Handlung noch gar nicht vorhersehbar waren. Es stellt sich daher die Frage sowohl nach Vor- als auch nach Rückwirkungen dieses Ereignisses: Wie weit zurückreichend können Handlungen nach dem Eintritt des Ereignisses angegriffen werden? Gibt es eine starre zeitliche Höchstgrenze oder ist ein flexiblerer Maßstab, z. B. in Form einer jährlichen Abschmelzung und kontinuierlichen Reduzierung des Anspruchs sinnvoll? Wann gilt eine Handlung in diesem Sinne als vorgenommen und ein Rechts­ geschäft als abgeschlossen? Kann der spätere Berechtigte bereits vor Eintritt des Ereignisses Sicherungsmaßnahmen ergreifen? Steht ihm bereits eine geschützte

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Einleitung

und übertragbare Rechtsposition zu? Ist ein vorheriger Verzicht auf die erst ­später entstehenden Ansprüche möglich und wenn ja, unter welchen Voraus­ setzungen? Eng damit verbunden ist eine besondere Schutzbedürftigkeit des Verfügungsempfängers. War für ihn die spätere Angreifbarkeit der Vermögensübertragung in keiner Weise vorhersehbar, hat er möglicherweise selbst eine werthaltige Gegenleistung erbracht oder in der Zwischenzeit Investitionen in den erlangten Gegenstand getätigt, kann eine vollständige Rückabwicklung, die möglicherweise erst Jahrzehnte nach Abschluss der angegriffenen Vermögensübertragung stattfindet, eine große Härte bedeuten. Hier muss daher, wie insgesamt im Rahmen dieser besonderen Ansprüche, nach einem angemessenen Ausgleich der gegensätzlichen Interessen gesucht werden. Im internationalen Rechtsverkehr kommt noch die zusätzliche Schwierigkeit hinzu, dass die Verfügung nach dem zum Zeitpunkt ihrer Vornahme auf sie anwendbaren Recht möglicherweise auch nachträglich nicht angreifbar gewesen wäre, dass aber ein später statt­ findender sog. Statutenwechsel gleichwohl Rückholansprüche begründet. Gleich mehrere rechtstechnische Möglichkeiten zum Schutz eines solchen gutgläubigen Empfängers bieten sich an und finden sich in den verschiedensten Kombinationen in den einzelnen Rechtsordnungen. Auf der Ebene des Prozessrechts kann der Empfänger durch eine ihm günstige (internationale) Zuständigkeit geschützt werden. Vor einem nachteiligen Statutenwechsel kann eine Art.  16 EuInsVO entsprechende kumulative Anknüpfung Schutz bieten. Aber auch auf der Ebene des materiellen Rechts sind Schutzmechanismen vonnöten. Hier ist zum einen möglich, die Rückholung durch die Vorgabe fester Ausschlussfristen zeitlich zu begrenzen. In Kombination damit bzw. alternativ dazu könnte verlangt werden, dass eine Rückabwicklung der Verfügung nur möglich sein soll, wenn der Dritte von der Benachteiligungsabsicht des Verfügenden Kenntnis hatte oder zumindest (grob) fahrlässig in Unkenntnis war. Auch könnte man eine Rückabwicklung immer dann ausschließen, wenn der Empfänger eine werthaltige Gegenleistung erbracht hat oder er sich auf den Einwand der Entreicherung berufen kann. Inwieweit dem Interesse des Dritten Rechnung zu tragen ist, ohne gleichzeitig die Rechte der Personen zu sehr einzuschränken, die durch die Verfügung benachteiligt wurden, ist eine der zentralen Fragen dieser Arbeit. Im Ergebnis ist demnach zu prüfen, welche Kombination von Schutzmechanismen den Interessensausgleich zwischen den benachteiligten Anspruchsteller und dem (gutgläubigen) Leistungsempfänger am angemessensten verwirklicht und ob und inwieweit dabei die Besonderheiten der jeweiligen Rechtsmaterien, insgesamt oder im Einzelfall, zu Verschiebungen bei der Interessensgewichtung führen können. Die Rechtsbeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner zeichnet sich ebenfalls durch eine typische Besonderheit aus: Der Gläubiger kann die Rückabwicklung von Verfügungen verlangen, die Gegenstände des Schuldnervermö-

C. Besonderheiten der Rückholansprüche

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gens betreffen, an denen der Gläubiger selbst keinerlei konkrete Berechtigung besitzt. Im Familien- und Erbrecht hängt der genaue Inhalt des Anspruchs des Gläubigers zudem von dem Gesamtstand des schuldnerischen Vermögens sowie auch von der Existenz sonstiger Beteiligter (Erben/Unterhaltsberechtigten) in einem späteren Zeitpunkt ab. Die Berechtigung des Gläubigers ist daher in dem Zeitpunkt, in dem die später angegriffene Verfügung vorgenommen wird, noch höchst wandelbar und unkonkret. Bei den Anspruchsvoraussetzungen liegt in allen Konstellationen das gemeinsame Grundproblem darin, die angreifbaren benachteiligenden Verfügungen von grds. unbedenklichen Alltagsgeschäften des Schuldners zu trennen. Auch hier sind mehrere Möglichkeiten denkbar: Ein Ansatz wäre es, dem Schuldner von vornherein bestimmte Geschäfte zu untersagen oder ihm die Verfügungsbefugnis über einen Teil seines Vermögens zu entziehen. Der Nachteil eines solchen Ansatzes ist allerdings, dass zum einen diese Tatbestände sehr klar gefasst werden müssten, Umgehungstendenzen zu befürchten sind und zum anderen mit ihm eine sehr starke Einschränkung einer zentralen persönlichen Freiheit verbunden ist. Je nachdem wie konkret und sicher der Eintritt des späteren Ereignisses im Zeitpunkt der Verfügung ist, würde eine so starke Vorwirkung daher oft unverhältnismäßig erscheinen. Die Gesetzgeber in den meisten europäischen Staaten haben sich daher in der Regel auch nicht für eine Vorwirkung, sondern für eine Rückwirkung entschieden. Dieser Umstand ändert aber nichts daran, dass auch hier geklärt werden muss, welche Rechtsgeschäfte nachträglich angreifbar sein sollen und welche von der allgemeinen Verfügungsfreiheit des Schuldners auch nach Eintritt bestimmter Ereignisse gedeckt bleiben. Die Bandbreite gewählter Lösungen ist erheblich. Generell erscheinen vier Modelle möglich: Zum einen ist ein rein objektiv zu bestimmender Tatbestand denkbar, der ausschließlich an die unentgeltliche Übertragung von Vermögen durch den Schuldner anknüpft. Die Gegenposition wäre ein rein subjektiv zu bestimmender Tatbestand, der ausschließlich den Nachweis einer Benachteiligungsabsicht beim Schuldner verlangt. Da ein solcher Nachweis aber oft schwer zu führen ist, müsste den geschützten Personen unter Umständen durch Vermutungsregeln und Beweiserleichterungen geholfen werden. Die Beweiserleichterungen könnten dabei entweder auf die Art und Weise der Verfügung, den Zeitpunkt der Verfügung oder auch auf die Beziehung der begünstigten Person zum Schuldner abstellen. Auch eine Kombination mehrerer Vermutungsregeln ist möglich. Ein weiterer Ansatz könnte darin liegen, einen Rückholanspruch gegen den Verfügungsempfänger sowohl dann zuzulassen, wenn der objektive Tatbestand erfüllt ist, als auch dann, wenn allein der subjektive Nachweis einer Benachteiligungsabsicht erbracht wurde. Die Gegenauffassung würde hingegen gerade die Erfüllung beider Voraussetzungen verlangen, bevor sie einen Rückholanspruch zulassen würde. Entscheidende Bedeutung hat schließlich auch die Frage, inwieweit es zusätzlich erforderlich

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Einleitung

ist, dass auch der Anspruchsgegner von den Absichten des Schuldners Kenntnis hatte oder selbst mit Benachteiligungsvorsatz handelte. Auf der Rechtsfolgenseite sind Wertveränderungen des übertragenen Gegenstandes von besonderer Bedeutung, da zwischen der angegriffenen Vermögensübertragung und der Geltendmachung des Anspruchs ein erheblicher Zeitraum liegen kann. Fraglich ist aber auch, inwieweit sich der Anspruch primär auf Herausgabe des erlangten Gegenstandes oder von vornherein nur auf Wert­ ersatz richtet. Ein weiterer Problemschwerpunkt liegt darin, dass die verschiedenen Ansprüche in Konkurrenz zueinander treten können. Die mangelnde Abstimmung dieser Ansprüche und das Fehlen eines einheitlichen Gesamtkonzepts werden in einer solchen Situation besonders deutlich. Noch komplizierter wird es bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt, wenn das Nebeneinander einer Vielzahl von Zuständigkeits- und Kollisionsregeln die Abstimmung zusätzlich erschwert. Die Arbeit wird diesen Fragen im deutschen, englischen und französischen Recht für die Gebiete detailliert nachgehen, in denen es Rückholansprüche gibt.

D. Abgrenzung zu parallelen Erscheinungsformen Die Anspruchsberechtigung im Rahmen eines Rückholanspruchs resultiert weder aus einer vertraglichen Beziehung noch aus einer irgendwie gearteten dinglichen Berechtigung an den übertragenen Gegenständen. Sie folgt vielmehr aus einer spezifischen Teilhabeposition an einer geschützten Vermögensmasse.5 Richtigerweise handelt es sich daher um außervertragliche Ansprüche, die durch die oben beschriebenen Besonderheiten der Rückholsituation geprägt sind. Die vielleicht bedeutsamste Eigenheit der Rückholansprüche liegt darin, dass die später angegriffene und „zurückgeholte“ Verfügung im Zeitpunkt ihrer Vornahme unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt problematisch oder bedenklich war. Verfügt hat ein Eigentümer im vollen Besitz seiner Verfügungsbefugnis über sein eigenes, rechtlich ungebundenes Vermögen. Die spätere Angreifbarkeit resultiert allein aus künftigen Entwicklungen (Tod, Scheidung, Zwangsvollstreckung, Insolvenz), die im Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäftes oft noch gar nicht vorhersehbar sind. Im Unterschied zu bereicherungsrechtlichen Ansprüchen, die ebenfalls in Dreipersonenkonstellationen auftreten können, 6 fehlt es der später angegriffenen Vermögensübertragung nicht an einem Rechtsgrund. Das Rechtsgeschäft zwischen dem Schuldner/Erblasser/Ehegatten und dem Anspruchsgegner war in vollem Umfang wirksam und konstituiert eine grds. vorrangige Leistungs­ 5 

Siehe S.  23 f.

6 MüKoBGB/Schwab

§  812 Rn.  59 ff.

D. Abgrenzung zu parallelen Erscheinungsformen

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beziehung. Auch fehlt es an dem Erfordernis, dass etwas aus dem Vermögen des Anspruchstellers abgeflossen und vom Anspruchsgegner erlangt worden sein muss. Der Abfluss von Vermögen erfolgt aus der Vermögensmasse des Schuldners/Ehegatten/Erblassers, nicht jedoch aus derjenigen des Anspruchstellers. Letzterer hat auch noch keine klar zuordenbare Rechtsposition im Hinblick auf das betroffene Vermögen erlangt, deren Verletzung für sich genommen bereicherungsrechtliche Ausgleichsansprüche begründen könnte. Anders als bei dem Anspruch aus §  816 Abs.  1 S.  2 BGB geht es auch nicht um die (bereicherungsrechtliche) Rückabwicklung der Verfügung eines Nichtberechtigten. In den Rückholsituationen verfügt ein unbeschränkt verfügungsbefugter Eigentümer. Die zugrundeliegenden Interessen der Beteiligten sind daher verschieden. Es macht einen entscheidenden Unterschied, ob, wie bei §  816 Abs.  1 S.  2 BGB das Erhaltungsinteresse des ursprünglichen Eigentümers gegen das Verkehrsschutzinteresse des unentgeltlichen Erwerbers abgewogen werden muss oder ob, wie in der Rückholsituation, beide Interessen vielmehr auf einer Seite stehen7 und ihnen ein besonderes Interesse eines eigentlich außenstehenden Dritten entgegentritt. Auch §  822 BGB betrifft zwar, wie §  816 Abs.  1 S.  2 BGB, ein Dreipersonenverhältnis. Er setzt aber einen grds. bestehenden bereicherungsrechtlichen Anspruch gegen den Schuldner/Ehegatten/Erblasser voraus, den es in den Rückholkonstellationen gerade nicht gibt. Von einem Treuhandverhältnis unterscheidet sich die Rückholkonstellation dadurch, dass der Schuldner/Ehegatte/Erblasser bei Vornahme der später angegriffenen Handlung uneingeschränkt verfügungsbefugt war und bei Ausübung seiner Befugnis keinerlei vertraglichen oder gesetzlichen Bindungen unterlag. Er verfügt nicht als Treuhänder über fremdes Vermögen, sondern als Eigentümer über eigenes. Schließlich geht es bei den Rückholansprüchen auch nicht, wie im Treuhandverhältnis, um eine Haftung des Treuhänders im Innenverhältnis zum Treugeber, sondern um einen Rückgriff auf den grds. unbeteiligten Vertragspartner des Treuhänders und um eine Rückabwicklung der vom Treuhänder getroffenen Verfügungen. So weitreichende Rechtsfolgen ermöglicht ein Treuhandverhältnis, schon aus Gründen des Verkehrsschutzes, grds. nicht. 8 Aus dem gleiche Grunde stellt auch die Haftung eines Vorerben gegenüber dem Nacherben keinen Rückholanspruch dar.9 Das Gesellschaftsrecht, in dem ein Rückholanspruch ebenfalls zum Erhalt des Gesellschaftskapitals durchaus vorstellbar wäre, kennt ihn dagegen nicht. Hier bestehen als entfernt ähnliche Ansprüche nur eventuelle Nachschuss7  Der Eigentümer hat in der Rückholsituation das Interesse, dass der von ihm vorgenommene Vermögenstransfer bestehen bleibt. 8  Siehe MüKoBGB/Schubert §  164 Rn.  55; bei einem anglo-amerikanischen Trust besteht hingegen unter Umständen ein solches drittwirksames Verfolgungsrecht, siehe Kötz, Trust und Treuhand, S.  33 ff. 9  Vgl. §§  2113 ff. BGB.

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Einleitung

pflichten der Gesellschafter oder Durchgriffsansprüche gegen Einzel- oder herrschende Gesellschafter, um das Gesellschaftsvermögen aufrechtzuerhalten. Doch beruhen die Nachschusspflichten auf den vertraglichen Bindungen der Gesellschafter und Durchgriffsansprüche auf einem engen Verhältnis des Haftenden zu seiner Gesellschaft sowie gewöhnlich auf einem Missbrauch der formellen Trennung zwischen der Gesellschaft und ihrem Gesellschafter. Diese Ansprüche haben damit andere Voraussetzungen und auch andere Rechtsfolgen. Mit Rückholansprüchen sind sie nicht vergleichbar. Abzugrenzen ist der Rückholanspruch auch von dinglichen Rechtspositionen, insbesondere von Anwartschaftsrechten. Das Teilhaberecht, das Grund­ lage des Rückholanspruchs ist, bezieht sich nicht auf bestimmte, konkretisierte Einzelgegenstände, sondern nur allgemein auf eine wertmäßige Beteiligung an einem – fremden – Vermögen. Diese Erwerbsaussicht hat sich noch nicht zu einer konkreten Anwartschaft an einem bestimmten Gegenstand verdichtet und steht deshalb einem Anwartschaftsrecht nicht etwa gleich. Von Regressansprüchen wie z. B. zwischen Gesamtschuldnern unterscheiden sich Rückholansprüche zum einen dadurch, dass ihnen keine cessio legis zugrundeliegt. Der Berechtigte hat vielmehr einen originären Anspruch gegen den dritten Empfänger der benachteiligenden Verfügung. Zum anderen haften der Verfügende und der Dritte gegenüber dem Berechtigten nicht etwa gleich­rangig. Die Haftung des Dritten ist, wie unten zu zeigen ist, grds. subsidiär.

E. Rechtsvergleich Die Rückholansprüche sind kein speziell deutscher Regelungsmechanismus. Sie finden sich in sehr ähnlicher Weise in vielen Rechtsordnungen. Letztlich stellen sie eine natürliche Schutzreaktion gegen die in den oben angesprochenen Lebensbereichen festgestellten Missbrauchstendenzen dar. Um die Rückholan­ sprüche in ihrer Funktion vollständig zu begreifen und Wege zu einer interessengerechten Handhabung ihrer besonderen Problemlagen aufzeigen zu können, liegt daher eine übergreifende rechtsvergleichende Perspektive nahe, die nicht bei den teilweise historisch gewachsenen Spezifika der deutschen Rechtsordnung stehen bleibt. Wegen der Vielzahl und der Komplexität der mit den Rückholansprüchen zusammenhängenden Rechtsfragen muss sich der Vergleich, wenn er nicht äußerst unübersichtlich und zwangsläufig oberflächlich werden soll, auf einige wenige ausgewählte Rechtsordnungen beschränken. Dabei bietet es sich an, das englische Recht als die Mutterrechtsordnung für das Common Law heranzuziehen und den romanischen Rechtskreis durch das französische Recht zu repräsentieren.10 Wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden, wird da10 

Vgl. zur Rechtskreislehre Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S.  62 ff.

F. Struktur der Arbeit

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durch bereits ein sehr großes Spektrum an unterschiedlichen Regelungsideen und rechtlichen Rahmenbedingungen abgedeckt, die ein vertieftes Verständnis deutscher Besonderheiten im Bereich der Rückholansprüche ermöglichen. Zusätzlich soll vereinzelt und ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit auch auf besonders interessante Ansätze eingegangen werden, die sich in anderen europäischen Rechtsordnungen finden lassen. Da in keinem der verglichenen Rechte Rückholansprüche bislang systematisch und rechtsgebietsübergreifend untersucht wurden, erscheint ihre umfassende Behandlung, die auch die international-rechtlichen Aspekte einbezieht, gerade wegen der besonderen Eigenart dieser Ansprüche als vielversprechend, aber auch überfällig.

F. Struktur der Arbeit Das erste Kapitel kommt auf die an der Rückholsituation beteiligten Personen zurück, identifiziert ihre jeweiligen Interessen und bewertet sie. Es überprüft auch, ob und inwieweit ein Gleichlauf der Interessen festgestellt werden kann und inwieweit sich andererseits eine Notwendigkeit ergibt, nach den verschiedenen Rechtsbereichen zu differenzieren. Die in diesem Kapitel erzielten Ergebnisse sollen quasi als Richtschnur für die anschließende rechtsvergleichende Darstellung der Rückholansprüche de lege lata dienen und werden den Grundstein für die abschließende Bewertung und die Entwicklung eines eigenen Ansatzes bilden. Anschließend werden jeweils bestimmte Problemschwerpunkte rechtsvergleichend und im Zusammenhang in eigenständigen Kapiteln untersucht. Jedes Kapitel ist dabei identisch aufgebaut: Es besteht aus drei Teilen (Erbrecht, Fa­ milienrecht, Vollstreckungsrecht), die sich wiederum in der Regel jeweils in vier Abschnitte unterteilen. In den ersten drei Abschnitten wird dann jeweils der Reihe nach die Rechtslage in Deutschland, England und Frankreich dargestellt und im vierten Abschnitt ein erstes rechtsvergleichendes Fazit gezogen. Thematisch behandelt das Kapitel II die Voraussetzungen der Rückholansprüche. Es ist das umfangreichste Kapitel und geht sowohl den objektiven als auch den subjektiven Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Dritten nach. Ferner befasst es sich mit den zeitlichen Grenzen der Rückwirkung. Kapitel III ist der Bestimmung des Anspruchsgegners gewidmet; es erörtert die Subsidiarität der Rückholansprüche, die Möglichkeit, weitere Dritte in Anspruch zu nehmen, die ihrerseits vom Vertragspartner des Schuldners die strittigen Gegenstände erhielten, und Konstellationen, in denen der Schuldner mehrere angreifbare Verfügungen an verschiedene Personen vorgenommen hat. Die Frage nach den Rechtsfolgen ist Gegenstand des Kapitels IV. Hier geht es um die Behandlung von Wertveränderungen, die zwischen Anspruchserhebung und dem Zeitpunkt, in dem die angreifbare Handlung vorgenommen wurde, eingetreten

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Einleitung

sind, und um die Frage, ob Herausgabe oder Wertersatz geschuldet wird. Kapitel V behandelt eventuelle Vorwirkungen der Rückholansprüche und fragt nach Sicherungsmöglichkeiten des Berechtigten vor dem Eintritt des anspruchsauslösenden Ereignisses (Tod/Scheidung/Insolvenz des Verfügenden). Außerdem wird die Frage erörtert, inwieweit auf spätere Rückholansprüche bereits vor ihrer Entstehung verzichtet werden kann. Kapitel VI befasst sich mit dem schwierigen Thema der Konkurrenz zwischen erb-, familien- und vollstreckungsrechtlichen Rückholansprüchen und den Ansätzen zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen. Kapitel VII geht auf die besondere Problematik grenzüberschreitender Sachverhalte ein und untersucht die Einordnung von Rückholansprüchen im internationalen Zuständigkeits- und Kollisionsrecht. Eine Auswertung der vorangegangenen Kapitel erfolgt in Kapitel VIII. Den Abschluss der Arbeit bildet Kapitel IX, das ein Gesamtkonzept für Rückholansprüche entwickelt.

Kapitel I

Analyse und Bewertung der betroffenen Rechtspositionen In einem ersten Schritt sollen in diesem Kapitel die Rückholansprüche anderen vergleichbaren Regelungsmodellen gegenübergestellt werden, um so die spezifischen Eigenarten, Vorzüge und Probleme des untersuchten Regelungstyps genauer als in der Einleitung angedeutet zu ermitteln. Dabei stehen vor allem die Kernüberlegungen der Modelle und Konzepte im Fokus, die die untersuchten Rechtsordnungen auch in praxi verwenden. Die Einzelheiten dieser Modelle und Konzepte vertieft die Arbeit an späterer Stelle. Hier interessieren die involvierten Interessen sowie die Frage ihrer Bewertung. Wie schon erwähnt, sind an einer Rückholkonstellation immer drei Personen mit ganz unterschiedlichen Interessen beteiligt: Der verfügende Rechtsinhaber (Schuldner/Erblasser/Ehegatte), der frei über sein Eigentum verfügen und dieses nach seinem Belieben im Rahmen seiner grundrechtlich geschützten Eigentumsfreiheit verteilen möchte. Hier ist zu überlegen, welche Ansätze möglicherweise eine Einschränkung dieser Freiheit in der Rückholsituation rechtfertigen können. Auf der gleichen Seite sind die Interessen des erwerbenden Dritten anzusiedeln. Dieser hat wirksam vom Berechtigten Eigentum erworben und möchte sein Eigentum gerne behalten. Möglicherweise lässt sich hier jedoch hinsichtlich der Schutzbedürftigkeit differenzieren zwischen Erwerbern, die gutgläubig oder bösgläubig sind, die entgeltlich oder unentgeltlich erworben haben, die unmittelbar vom Schuldner oder erst mittelbar über einen Zwischenerwerber Eigentum erlangt haben etc. In der anderen Waagschale befinden sich die Interessen des benachteiligten Gläubigers/Pflichtteilsberechtigten/Vertragserben/Ehegatten, der bestimmte Erwartungen auf den ungeschmälerten Bestand des Vermögens des Verfügenden hat. Diese beruhen in den verschiedenen Rechtsgebieten zwar auf im Einzelnen unterschiedlichen Überlegungen und haben auch ein verschiedenes Maß an Konkretisierung erreicht. Gleichwohl liegt ihnen übereinstimmend der gleiche Zweck zugrunde: der Berechtigte soll gegen eine illegitime Verkürzung des Vermögens geschützt werden, an dem er von Rechts wegen künftig partizipieren soll. Insoweit sind in den verschiedenen Rechtsgebieten die gemeinsamen typischen Besonderheiten der Rückholkonstellation feststellbar.

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Kapitel I:  Analyse und Bewertung der betroffenen Rechtspositionen

Teil 1: Die verschiedenen Regelungsmöglichkeiten und Grundkonzeptionen A. Rückholanspruch vs. Verfügungsverbote Der Rückholanspruch zeichnet sich dadurch aus, dass eine zunächst vollumfänglich wirksame Verfügung nach Eintritt eines bestimmten Ereignisses rückabgewickelt werden kann. Die Voraussetzungen, unter denen nachträglich eine Rückabwicklung möglich ist, könnten aber und werden teilweise auch so ausgestaltet, dass sie bereits von vornherein die Verfügungsbefugnis des ursprünglichen Rechtsinhabers begrenzen. Eine solche Lösung bietet sich insbesondere an, wenn der Eintritt des Ereignisses, wie im Erbrecht, gewiss ist. Im Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsrecht wäre ein solcher Ansatz von vornherein unverhältnismäßig. Beispielsweise alle Schenkungen, die nicht der Billigkeit oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprechen, insgesamt und für jedermann zu untersagen, nur weil möglicherweise ein kleiner Teil der von diesem Verfügungsverbot betroffenen Personen eines Tages in Insolvenz fallen wird, ist keine sinnvolle Lösung. Die Wirkungen eines solchen Verbots würden nämlich deutlich über den tatsächlich betroffenen Personenkreis hinausreichen. Im Familienrecht besteht hingegen ein Wahlrecht der Eheleute zwischen mehreren Güterstandsmodellen. Sie können ein Modell wählen, dass die Verfügungsfreiheit der Ehepartner und die Eigentumsverhältnisse völlig unberührt lässt (Gütertrennung). Sie können sich aber in den meisten Rechtsordnungen auch für eine Regelung entscheiden, die zu einer starken Vergemeinschaftung des ehelichen Vermögens führt und weitreichende Einschränkungen der Verfügungsfreiheit vorsieht (Gütergemeinschaft). Als eine vermittelnde Lösung kann ferner – wie in Deutschland – vorgesehen sein, dass die Eheleute während der bestehenden Ehe eine umfassende Verfügungsfreiheit genießen, aber nach einer Scheidung Ausgleichsansprüchen ausgesetzt sind, die von einer gewissen Vergemeinschaftung des Ehevermögens ausgehen (Zugewinngemeinschaft). Diese Ansprüche können durch einen sie absichernden Rückholmechanismus geschützt werden. Der Rückholanspruch ermöglicht demnach eine größere Wahl­ freiheit im ehelichen Güterrecht und den Mittelweg zwischen einer stark einschränkenden Gütervergemeinschaftung und der vollständigen Gütertrennung. Vor diesem Hintergrund kann der Rückholanspruch aber gerade nicht durch ein Verfügungsbeschränkungen vorsehendes Modell ersetzt werden, ohne zu einem Verlust an Wahlmöglichkeiten zu führen. Auch im Erbrecht erweist sich das Modell „Rückholanspruch“ im Regelfall als einem Verfügungsverbot überlegen. Es ermöglicht eine ansonsten nicht durchsetzbare zeitliche Begrenzung. Grundsätzlich angreifbare Verfügungen, die im Zeitpunkt des Todes schon sehr lange zurückliegen, können einem Rück-

Teil 1 – B. Rechtssysteme ohne Rückholansprüche

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holanspruch entzogen werden. Verfügungsbeschränkungen könnten hingegen nur bei Verfügung, also sofort und ohne zeitliche Differenzierungsmöglichkeit eingreifen. Ferner könnten sie, anders als der Rückholanspruch, auch nicht die spätere Vermögensentwicklung berücksichtigen. Erfasst eine Verfügung in dem Zeitpunkt, in dem sie vorgenommen wurde, das wesentliche Vermögen des Erblassers, müsste hierin grds. ein Verstoß gegen Pflichtteilsrechte gesehen werden, der die Unwirksamkeit der Verfügung zur Folge hat. Die nachfolgende Vermögensentwicklung kann aber zu dem Ergebnis führen, dass im Todeszeitpunkt noch mehr als genug Vermögen zur Befriedigung aller Pflichtteilsrechte vorhanden ist. Dabei kann auch das eventuelle Entfallen von vorhandenen Pflichtteilsberechtigten oder das Hinzutreten weiterer Berechtigter bis zum Todesfall beachtet werden. Schließlich stellt das Rückholmodell einen insgesamt schonenderen Eingriff in die Eigentumsfreiheit des Verfügenden dar, weil die Geltendmachung späterer Rückholansprüche durch den Berechtigten optional ist. Es ist keineswegs sicher, dass alle mit Rückholansprüchen angreifbaren Handlungen später auch tatsächlich angegriffen werden. Ein Verfügungsverbot würde hingegen mit Wirkung erga omnes unmittelbar die Unwirksamkeit der verbotenen Verfügung nach sich ziehen. Im Erbrecht sind Verfügungsverbote daher zwar bspw. in Deutschland zum Schutze der Nacherben vor Verfügungen des Vorerben vorgesehen; das grds. überlegene Rückholmodell wird hingegen in allen untersuchten Rechtsordnungen sowohl zum Schutze von Pflichtteilsrechten als auch zum Schutze von Vertragserben verwandt. Die große Schwäche des Rückholmodells ist allerdings, dass sich in dem Zeitpunkt, in dem eine Verfügung vorgenommen wurde, oft nur schwer vorher­ sagen lässt, ob die Verfügung auch in Anbetracht späterer Rückholansprüche Bestand haben wird. Nicht zuletzt angesichts der durchaus erheblichen Fernwirkungen von Rückholansprüchen1 ist hiermit eine starke Beeinträchtigung der Rechtssicherheit verbunden und die Stabilität ursprünglich wirksam getroffener Rechtsgeschäfte wird nachhaltig erschüttert. Diese Beeinträchtigung ist dann besonders groß, wenn zudem über die Voraussetzungen, Rechtsfolgen und das Konkurrenzverhältnis verschiedener Rückholansprüche zueinander Unklarheit herrscht. Die Entwicklung eines einheitlichen Konzepts, klarer Grundregeln und Grenzziehungen kann hier daher einen wichtigen Beitrag für mehr Rechtssicherheit leisten. Dem ist an späterer Stelle nachzugehen.2

B. Rechtssysteme ohne Rückholansprüche Es gibt Rechtssysteme, die in einigen der identifizierten Bereiche auf Rückholansprüche verzichten. So kennt bspw. das schottische Recht zwar, anders als 1  2 

Siehe unten S. 203 ff. Siehe S. 463 ff.

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Kapitel I:  Analyse und Bewertung der betroffenen Rechtspositionen

das englische Recht, einen echten Pflichtteil, dafür aber keine Rückholmöglichkeit.3 Gleiches galt für das Recht der früheren DDR.4 Die nicht von der Hand zu weisende Gefahr eines solchen Ansatzes ist freilich, dass ein rechtskundiger oder rechtlich beratener Erblasser das Pflichtteilsrecht jederzeit, auch noch ganz unmittelbar vor seinem Tode, durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden aushebeln kann. Das Pflichtteilsrecht gilt demnach praktisch nur noch für den rechtlich uninformierten, uninteressierten oder passiven Erblasser. Zwar trifft es zu, dass sich auch in Rechtsordnungen, die einen Rückholanspruch vorsehen, verschiedene Strategien zur Pflichtteilsvermeidung etabliert haben;5 der mit diesen Strategien verbundene Aufwand ist jedoch nicht unerheblich und auch ihr Erfolg keineswegs sicher oder nur sehr begrenzt. Es ist qualitativ doch ein erheblicher Unterschied, ob Teile des Vermögens über eine sog. Güterstandsschaukel6 oder gesellschaftsrechtliche Abfindungsklauseln mit erheblichem planerischen Vorlauf Dritten übertragen werden, oder ob der Erblasser noch an seinem Todestag durch eine einfache Schenkung sein gesamtes Vermögen verteilen kann. Zudem ist meist unsicher, inwieweit diese Pflichtteilsvermeidungsstrategien vor Gericht Bestand haben. Im Insolvenzrecht existieren mehr oder weniger an die römischrechtliche ­actio pauliana angelehnte Anfechtungsmöglichkeiten ebenfalls in praktisch allen europäischen Staaten.7 Sie stellen sicher, dass das Vermögen des Schuldners im unmittelbaren Vorfeld der Insolvenz erhalten bleibt und nicht an Dritte verschoben oder übertragen wird. Ohne solche Bestimmungen wäre es für den Schuldner ein Leichtes, sich durch entsprechende Rechtsgeschäfte (bspw. Übertragung des gesamten Vermögens auf den Ehepartner) den Wirkungen der Insolvenz praktisch zu entziehen. Im Familienrecht wiederum könnte der Ehegatte, der den größeren Zugewinn erwirtschaftet hat, sich ohne Rückholmöglichkeit seiner Ausgleichspflicht relativ einfach entziehen und damit im Ergebnis ein für ihn vorteilhafteres Modell der Gütertrennung durchsetzen, das die Ehegatten gerade nicht gewählt und auf das sie ihre eheliche Lebensführung auch nicht ausgerichtet hatten. Der Güterstand der Zugewinngemeinschaft würde hierdurch erheblich an Attraktivität einbüßen und keine wirkliche Alternative mehr darstellen. Insgesamt kann die Zweckdienlichkeit und Erforderlichkeit von Rückhol­ regelungen kaum in Frage gestellt werden und Rechtsordnungen, die versuchen, ohne sie auszukommen, sind eine seltene Ausnahme.

3  Paisley in: Ministry of Justice, European Commission proposal on succession and wills, S.  15, 25 mwN. 4  Schubel/Wiedemann JZ 1995, 858; Faßbender DNotZ 1994, 359. 5  Vgl. hierzu etwa Herrler in: Dauner-Lieb/Grziwotz, Pflichtteilsrecht, Anh. 2, S.  633 ff. 6  Siehe hierzu unten S. 48 ff. 7 Siehe McBryde/Flessner/Kortmann, Principles of European Insolvency Law, S.  53 ff.

Teil 1 – C. Missbrauch der Verfügungsmacht

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C. Missbrauch der Verfügungsmacht Ein anderer Ansatzpunkt könnte darin bestehen, jede rechtlich gewährte Verfügungsfreiheit durch einen inhärenten Missbrauchsvorbehalt zu begrenzen. Dieser Missbrauchsvorbehalt wäre, anders als ein Verfügungsverbot, das an eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften anknüpft, deutlich flexibler und könnte stärker die jeweiligen Gegebenheiten des Einzelfalles berücksichtigen. Zudem würde er erst aktiviert, wenn später das Opfer des Missbrauchs die Rückabwicklung der Verfügung geltend macht. Wer in welchem Umfang von dem Missbrauch betroffen wäre, ergäbe sich aber erst nach Eintritt des Todes, der Scheidung oder der Insolvenz. In der Tat werden die Rückholmöglichkeiten vielfach mit einem missbräuchlichen Verhalten des Verfügenden gerechtfertigt. Ist die Verfügungsfreiheit im relevanten Zeitpunkt unbegrenzt, stellt sich die Frage, worin der Missbrauch eigentlich genau bestehen soll. Ein Missbrauch liegt jedenfalls dann nahe, wenn der Verfügende mit seiner Handlung (primär) den Zweck verfolgt hat, die Rechtsposition Dritter (Gläubiger, Ehegatte, Pflichtteilsberechtigte, Vertragserbe) zu beeinträchtigen und ihm das auch nachgewiesen werden kann. Ob eine solche Absicht bei einer bestimmten Art von Rechtsgeschäften besonders wahrscheinlich ist und deshalb vermutet werden kann, ist eine praktisch überaus bedeutsame Frage, der im Zusammenhang mit den Voraussetzungen des Rückholanspruches noch genauer nachgegangen werden soll. 8 Ein Konzept, das die Rechtfertigung der Rückholansprüche allein aus dem Gedanken eines Missbrauchs der Verfügungsfreiheit zieht, hätte unter anderem folgende Konsequenzen: Kann dem Verfügenden eine Benachteiligungsabsicht nachgewiesen werden, muss seine Handlung unabhängig von weiteren Voraussetzungen stets angreifbar sein. Allein eine besondere Schutzwürdigkeit des Anfechtungsgegners kann einem Rückholanspruch dann noch entgegenstehen. Scheidet eine Beeinträchtigungsabsicht hingegen sicher aus, weil etwa der später betroffene Gläubiger/Pflichtteilsberechtigte im maßgeblichen Zeitpunkt noch gar nicht vorhanden war oder der Schuldner sich in einem Irrtum über die tatsächlichen (Vermögens-)verhältnisse befand, kann auch ein Rückholanspruch nicht in Betracht kommen. Eine solche Lösung würde allerdings in vielen Konstellationen nicht sachgerecht erscheinen und hätte zudem mit der Schwierigkeit zu kämpfen, ursprünglich vorliegende subjektive Tatbestandsvoraussetzungen eine erhebliche Zeit später in einem Prozess jeweils noch nachweisen zu müssen Aus diesen Gründen wird dieser Ansatz auch, wie noch zu zeigen ist, in keiner der untersuchten Rechtsordnungen konsequent durchgehalten.

8 

Siehe Kapitel II.

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Kapitel I:  Analyse und Bewertung der betroffenen Rechtspositionen

Teil 2: Die Freiheit des Verfügenden A. Allgemeines Die Besonderheit der Rückholansprüche liegt darin, dass die später angegriffene Handlung in dem Zeitpunkt, in dem sie vorgenommen wurde, eigentlich völlig unverdächtig war. Verfügt hat ein Eigentümer über ihm gehörende Vermögensgegenstände im Rahmen seiner Verfügungsbefugnis und in rechtlich zweifelsfrei zulässiger Art und Weise. Die Verfügungsfreiheit ist ein ganz zentraler Baustein und ein Herzstück des Grundrechts auf Eigentum. Das Eigentum ist „ein elementares Grundrecht, das in einem inneren Zusammenhang mit der Garantie der persönlichen Freiheit steht.“9 Jede Einschränkung, auch und gerade wenn sie, wie beim Rückholanspruch, erst nachträglich und rückwirkend einsetzt, steht daher unter einem erheblichen Rechtfertigungsdruck.10 Hinzu kommt, dass es für den Verfügenden oft nur schwer vorhersehbar ist, ob eine von ihm getroffene Vermögensübertragung auch im Falle seines Todes, der Insolvenz oder Scheidung Bestand haben wird. Die Voraussehbarkeit nimmt ferner in dem Maße ab, in dem die Voraussetzungen für einen Rückholanspruch an vage und uneinheitliche Kriterien geknüpft sind. Muss zudem in grenzüberschreitenden Konstellationen die Möglichkeit eines Statutenwechsels in Betracht gezogen werden, können auch rechtliche Experten kaum noch verlässliche Aussagen treffen. Eine solche Unsicherheit über die dauerhafte Bestandsfestigkeit einer einmal getroffenen Verfügung stellt aber eine ganz erhebliche Belastung für jede vorsorgende und vorausschauende Vermögensverwaltung und -strukturierung dar. Sie trifft zudem in einem besonderen Maße unentgeltliche Erwerber.11 Stiftungen, Organisationen und Einrichtungen, die sich primär oder zu einem Großteil durch Spenden freigiebiger Bürger finanzieren und in der Regel soziale Aufgaben und Gemeinwohlzwecke verfolgen, können durch spätere Rückholansprüche in ihrer Existenz bedroht werden. Im Rahmen dieser Untersuchung geht es daher auch darum, den immanenten Grenzen jeder Verfügungsfreiheit nachzuspüren, die letztlich als Rechtfertigung für die Rückholansprüche dienen. Diese Begrenzungen sind in jeder Eigentumsposition bereits angelegt, werden aber erst bei einem Hinzutreten weiterer Umstände virulent und erfassen dann aber in einem gewissen Umfang auch anschließende und nachfolgende Vermögensübertragungen durch Dritte. Diese werden praktisch mit der Rückholmöglichkeit infiziert. 9 

BVerfGE 24, 367, 389; 30, 292, 334; 50, 290, 339; 100, 226, 241. zu der Frage, inwieweit sich das Anfechtungsrecht an den Grundrechten messen lassen muss Klinck, Die Grundlagen der besonderen Insolvenzanfechtung, S.  92 ff.; zur Verfassungsmäßigkeit des §  3 AnfG als Inhalts- und Schrankenbestimmung i. S. d. Art.  14 Abs.  1 S.  2 GG siehe BVerfG NJW 1991, 2695. 11  Siehe zu den Voraussetzungen eines Rückholanspruches Kapitel II. 10  Siehe

Teil 2 – B. Rechtfertigung der Einschränkung der Verfügungsfreiheit

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Ihre Herkunft ist in den behandelten Rechtsgebieten ganz unterschiedlicher Natur, so dass die Entwicklung eines einheitlichen Rechtfertigungs- und Erklärungsmusters schwer fällt. Möglicherweise lassen sich jedoch einerseits Parallelen identifizieren und andererseits Abstufungen treffen.

B. Ansatzpunkte für eine Rechtfertigung der Einschränkung der Verfügungsfreiheit I. Konkludenter Verzicht Ein erster Erklärungsversuch könnte darin liegen, die spätere Rückholmöglichkeit mit einem vorangegangenen Verhalten des Schuldners in Verbindung zu setzen, durch das dieser freiwillig und bewusst auf bestimmte Verfügungsmöglichkeiten verzichtet hätte. Ein solcher Ansatz trägt am ehesten im Hinblick auf den Erbvertrag: Mit Abschluss des Erbvertrages behält sich der Erblasser in den meisten Rechtsordnungen zwar grds. die Möglichkeit vor, (unentgeltliche) Vermögensübertragungen unter Lebenden vorzunehmen; ihm muss aber auch klar sein, dass er bei Ausübung seiner Verfügungsbefugnis in einem gewissen Maße Rücksicht auf den Vertragserben nehmen muss. Der genaue Umfang dieser Pflicht ist allerdings oft nicht eindeutig geregelt und kann daher auch nicht ohne Weiteres beim Erblasser als bekannt vorausgesetzt werden. Ein Verzicht würde nach allgemeinen Grundsätzen jedoch eine solche Kenntnis verlangen. Der Verzichtende muss sich der Tragweite seines Verzichts zwar nicht in allen rechtlichen Einzelheiten, wohl aber in den wesentlichen Grundsätzen bewusst sein.12 Wegen der Vielzahl noch ungelöster Fragen und unscharfer Konturen, die sowohl die Voraussetzungen als auch die Rechtsfolgen der Rückholansprüche betreffen, wird man ein hinreichendes Bewusstsein und Verständnis beim Erblasser in der Regel nicht voraussetzen können. Zu bedenken ist auch, dass ein Verzicht des Erblassers hinsichtlich seiner Verfügungsbefugnis nach deutschem Verständnis grds. keine Wirkung gegenüber Dritten entfalten kann (vgl. §  137 S.  1 BGB). Als alleinige Basis für eine Rechtfertigung wäre dieser Ansatz daher wohl nicht tragfähig. Gleichwohl kann er für die Einschränkungen im Rahmen des Erbvertrags eine gewisse argumentative Stütze bieten. Die aus dem Pflichtteilsrecht resultierenden Einschränkungen lassen sich hingegen bereits von vornherein nicht auf einen Vertragsschluss oder eine unmittelbare freie Willensentscheidung des Erblassers zurückführen. Sie entstehen vielmehr von Gesetzes wegen allein durch das Vorhandensein bestimmter, verwandtschaftlich und ehelich nahestehender Personen. Wenn überhaupt13 12 Vgl.

Walsmann, Der Verzicht, S.  1 ff. Für ein in manchen Rechtsordnungen bestehendes Pflichtteilsrecht der Eltern oder der Geschwister würde es auch insoweit an jeglichen Ansatzpunkten fehlen. 13 

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Kapitel I:  Analyse und Bewertung der betroffenen Rechtspositionen

müsste also eine Rückführung auf die Entscheidung des Erblassers, eine Familie zu gründen oder zu heiraten, erfolgen. Die Konsequenzen, die die Familiengründung möglicherweise für seine Verfügungsbefugnis unter Lebenden hat, werden dem Erblasser bei der maßgeblichen Entscheidung aber in aller Regel weder präsent sein noch die Entscheidung in irgendeiner Form beeinflussen. Der Ansatz, die Einschränkung der Verfügungsbefugnis durch einen konkludenten Verzicht des Erblassers zu rechtfertigen, führt hier daher nicht weiter. Stattdessen muss vielmehr auf die allgemeinen, rechtspolitischen Erwägungen zurückgegriffen werden, die das Pflichtteilsrecht an sich stützen.14 Der Rückholanspruch erhält in diesem Bereich seine Existenzberechtigung dadurch, dass er das Pflichtteilsrecht vor Umgehungen schützt. Er muss daher auch seine Rechtfertigung aus dem Pflichtteilsrecht an sich beziehen. Im Familienrecht hängen die Einschränkungen der Verfügungsbefugnis und die Möglichkeit eines Rückholanspruchs hingegen von dem gewählten Güterstandsmodell ab. Alle untersuchten Rechtsordnungen ermöglichen die Wahl einer Gütertrennung und damit einer auch weiterhin bestehenden schranken­ losen Verfügungsfreiheit jedes Ehegatten, die auch im Falle einer Trennung keinen nachträglichen Einschränkungen unterworfen ist. Die freie Entscheidung der Ehegatten für einen Rückhol-belasteten Güterstand bzw. für dessen Nichtabwahl könnte demnach als Rechtfertigung für entsprechende Einschränkungen herangezogen werden. Allerdings gilt auch hier wiederum, dass die genaue Reichweite des Rückholanspruchs den Ehegatten nicht bekannt sein wird und, wenn überhaupt, bei der Entscheidung für ein Güterstandsmodell allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle einnimmt. Sieht der gesetzliche Güterstand einen Rückholanspruch vor, müssten die Ehegatten, entsprechende Rechtskenntnis vorausgesetzt, zunächst selbst aktiv werden, um sich durch Abschluss eines (notariell beurkundeten) Ehevertrages vom Rückholregime wieder zu befreien. Ein reines Unterlassen aber als konkludenten Verzicht zu deuten, ist durchaus problematisch. Im Insolvenzrecht ist es hingegen eine Vielzahl von meist freiwillig eingegangenen Bindungen, die zu einer Gesamterschöpfung der finanziellen Ressourcen des Schuldners führt. Aus der Zahlungsunfähigkeit folgen wiederum spezifische Pflichten des Schuldners gegenüber seinen Gläubigern, deren Verletzung unter Umständen einen Rückholanspruch ermöglicht. Es erweist sich jedoch zum einen als schwierig, bereits in dem Zeitpunkt, in dem ein Rückholanspruch frühestens möglich ist, die Kenntnis des Schuldners von seiner Zahlungsun­ fähigkeit zu belegen.15 Zum anderen ist zwar die Übernahme der Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger möglicherweise freiwillig (bei bspw. deliktischen An14 

Siehe unten S. 22 f. bei der Schenkungsanfechtung ist diese Kenntnis nämlich gerade keine Tatbestandsvoraussetzung, siehe im Übrigen unten Kapitel II. 15  Bspw.

Teil 2 – B. Rechtfertigung der Einschränkung der Verfügungsfreiheit

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sprüchen fehlt es aber auch bereits hieran). Die Folge, durch das Eintreten der Zahlungsunfähigkeit bei weiteren Rechtsgeschäften später Anfechtungsansprüchen ausgesetzt zu sein, wird der Schuldner im Regelfall aber nicht mitbedenken und sich erst recht nicht freiwillig damit einverstanden erklären. Die mit der Insolvenz und in gleicher Weise auch die mit der Zwangsvollstreckung einhergehenden Einschränkungen lassen sich daher zwar ebenfalls zumindest mittelbar auf ein freiwilliges und bewusstes Verhalten des Schuldners zurückzu­ führen, ein konkludenter, freiwilliger Verzicht auf spätere Verfügungsmöglichkeiten kann hieraus aber nicht konstruiert werden. II. Venire contra factum proprium/Leistungstreue Der Gedanke an ein widersprüchliches Verhalten liegt insbesondere im Insolvenz- und im Zwangsvollstreckungsrecht nahe. Auch Erwägungen der Ingerenz spielen eine Rolle. Aus der Verpflichtung gegenüber den Gläubigern resultiert mittelbar die Pflicht, die Chancen einer Realisierung dieser Ansprüche nicht mutwillig zu vereiteln. Verspricht jemand eine Leistung, verhält er sich widersprüchlich und missbräuchlich, wenn er anschließend alles daran setzt, die Realisierung der Leistung unmöglich zu machen. Man kann insoweit auch von dem Prinzip der Leistungstreue sprechen, das im deutschen Recht aus §  242 BGB hergeleitet wird.16 Freilich besteht keine allgemeine und von den Gläubigern einforderbare Rechtspflicht des Schuldners, sich solvent zu halten. Erschwert er aber bewusst die Realisierungschancen für seine Gläubiger, indem er Vermögensverschiebungen vornimmt, verstößt er gegen seine Pflicht zur Leistungstreue und setzt sich auch zu seinem vorangegangenen Verhalten in Widerspruch. Besonders deutlich ist das im Bereich der Zwangsvollstreckung, wenn bestimmte Vermögensgegenstände dem konkreten Zugriff eines Gläubigers entzogen werden. Die Reichweite dieser Pflicht ist allerdings unklar und die Abgrenzung zwischen unverdächtigen Alltagshandlungen und missbräuchlichen Beeinträchtigungsgeschäften schwierig. Ähnliches gilt auch im Verhältnis Erblasser und Vertragserbe, wobei hier die Besonderheit besteht, dass die Verfügungsfreiheit unter Lebenden ja trotz des Erbvertrages nicht beschränkt werden sollte und deshalb überhaupt nur bestimmte, außergewöhnliche Rechtsgeschäfte als verdächtig erscheinen können. Soweit der Rückholanspruch Teil des gesetzlichen Güterstandes ist, müsste im Familienrecht das Verhalten, zu dem sich der verfügende Ehegatte später in Widerspruch setzt, hingegen bereits in der Eheschließung bzw. in dem Verzicht auf den Abschluss eines Ehevertrages gesehen werden, der eine Gütertrennung vorsieht. Bereits aus diesem Verhalten bzw. Unterlassen einen Vertrauenstatbe16 

Siehe hierzu ausführlich Weller, Die Vertragstreue, S.  302 ff.

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Kapitel I:  Analyse und Bewertung der betroffenen Rechtspositionen

stand dahingehend konstruieren zu wollen, dass die Ehegatten später keine Verfügungen treffen, die einen möglichen Zugewinnausgleichsanspruch beeinträchtigen, erscheint doch zu weit hergeholt. Näher liegt es, eine solche Pflicht aus der geschuldeten ehelichen Solidarität abzuleiten.17 Ist hingegen der Rückholanspruch erst die Folge der aktiven Wahl eines bestimmten Güterstandes, besteht eine Vergleichbarkeit mit dem Abschluss eines Erbvertrages. Kaum einen Ansatzpunkt für ein widersprüchliches Verhalten bietet wiederum die Fallgruppe der Beeinträchtigung von Pflichtteilsrechten. In diesem Kontext fehlt es schlicht an einem Verhalten des Erblassers, das geeignet wäre, einen Vertrauenstatbestand bei den Pflichtteilsberechtigten zu schaffen. Das allgemeine Vertrauen der Pflichtteilsberechtigten, dass der Erblasser sein Vermögen in ihrem Interesse zusammenhalten werde, ist rechtlich jedenfalls nicht geschützt. Der Erblasser darf bis zu seinem Tod frei verfügen. Die Verfügungsbeschränkung durch die Rückholansprüche lässt sich daher kaum einem bestimmten Verhalten des Erblassers zurechnen. III. Schutz familiärer Nähebeziehungen Im Bereich des Pflichtteilsrechts ist der Rückholanspruch letztlich nur ein technisches Instrument, das den Pflichtteil vor Umgehungen durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden schützen soll. Gleiches gilt im Familienrecht, wo es, statt um den Pflichtteil, um den Schutz des Anspruchs auf Zugewinnausgleich geht. Die genauen Zwecke sowie die generelle Berechtigung des Pflichtteilsrechts sind allerdings seit Jahrhunderten umstritten.18 Insgesamt lassen sich wohl mindestens drei Begründungsmöglichkeiten unterscheiden: Das Pflichtteilsrecht soll die Versorgung der nahen Angehörigen des Erblassers sicherstellen und setzt damit die zu Lebzeiten bestehende Unterhaltspflicht nach dem Tode des Erblassers in pauschalierter Form fort (1.). Das Pflichtteilsrecht führt bei mehreren Berechtigten zu einer zwingenden Aufteilung des Nachlasses und wirkt dadurch einer unerwünschten Kumulation großer Vermögen entgegen (2.). Durch das Pflichtteilsrecht soll eine Kontinuität des Nachlasses und die Familienbindung des Vermögens gewahrt werden. So wie der Erblasser sein Vermögen von seinen Vorfahren geerbt hat, so soll er es auch an seine Abkömmlinge weiterreichen müssen. Zudem wird davon ausgegangen, dass die anderen Fa­ milienmitglieder zur Vermögensbildung beim Erblasser in irgendeiner Form beigetragen haben (3.).19 Über die Berechtigung dieser Annahmen und den aus ihnen für das Pflichtteilsrecht abzuleitenden Ergebnissen lässt sich trefflich streiten. Im Rahmen dieser Untersuchung ist jedoch zunächst von Bedeutung, 17 

Siehe hierzu noch unten S. 22 f. Siehe dazu bspw. die Übersicht bei Muscheler, Erbrecht I, S.  189 ff. 19 Vgl. Röthel ZEV 2006, 8, 10 ff. mwN; Dutta FamRZ 2011, 1829; MüKoBGB/Lange §  2303 BGB Rn.  7 ff.; sowie BVerfG ZEV 2005, 301, 303 f. 18 

Teil 2 – B. Rechtfertigung der Einschränkung der Verfügungsfreiheit

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dass die Einschränkungen der Verfügungsfreiheit sich durch allgemeine sozialund gesellschaftspolitische Zwecke rechtfertigen lassen, die unabhängig von einem bestimmten Verhalten des Erblassers sind, sondern jeden treffen. Die ab­ strakte Bewertung dieser Interessen fällt indes schwer, was auch darin seinen Ausdruck findet, dass der Umfang und die Reichweite des Pflichtteilsrechts in den untersuchten Rechtsordnungen stark variiert und das Pflichtteilsrecht in der Regel eine tiefe rechtskulturelle Verwurzelung aufweist. In der Rückholsituation muss zudem beachtet werden, dass sich durch das Hinzutreten einer weiteren Person, nämlich des durch den Erblasser beschenkten Dritten, das Interessengefüge noch einmal erheblich verschiebt und sich ­dadurch wiederum stärker den anderen Rückholansprüchen annähert. Zudem sind bei verschiedenen Begründungselementen Ähnlichkeiten zum Familienrecht feststellbar. Auch der Zugewinnausgleich ist Ausdruck einer eher pauschaliert verstandenen familiären Vermögensbindung.20 Unterhalts- und Umverteilungsgedanken sind ihm ebenfalls nicht fremd, soweit sie als Ausdruck einer weiter gespannten familiären Solidarität aufgefasst werden. Das Vollstreckungsrecht wird hingegen durch andere Wertungen geprägt. Es geht primär um den Schutz der Durchsetzung konkreter rechtlicher Verpflichtungen des Schuldners. Sicherlich spielen auch übergeordnete Zwecke und Zielsetzungen, wie etwa das Gebot der Gewährung effektiven Rechtschutzes, eine Rolle. Die konkreten Verfügungsbeschränkungen sind aber lediglich die Folge einer besonderen Situation, in die der Schuldner sich i. d. R. durch sein eigenes Verhalten gebracht hat, nämlich die Situation der Zahlungsunfähigkeit. Zudem hat der Schuldner, wie in gewisser Weise auch beim Erbvertrag, bereits ganz konkrete und klar umrissene Verpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern übernommen. Die Konstruktion solcher Pflichten über eine allgemeine fami­ lienrechtliche Solidaritätspflicht erübrigt sich daher. Auch sind die Einschränkungen, bspw. ihrer Höhe nach, deutlich klarer konturiert. Diese Unterschiede können etwa bei der Frage Bedeutung erlangen, ob und wenn ja, welche Kenntnisse beim Dritten als Voraussetzung für seine Inanspruchnahme vorliegen müssen.21 IV. Teilhaberechte am Vermögen des Schuldners Dem Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns liegt der Gedanke zugrunde, dass der während der Ehe erzielte Vermögenszuwachs bei einem Ehegatten stets auch Ausdruck von Arbeitsleistungen und Unterstützungshandlungen des anderen Ehegatten ist.22 Der Zugewinn wird dabei notwendigerweise in sehr abs20 Vgl.

Papenbreer, Vermögensmanipulationen und Zugewinnausgleich, S.  12 ff. Vgl. auch Muscheler, Erbrecht I, S.  263 ff. 22 Vgl. Papenbreer, Vermögensmanipulationen und Zugewinnausgleich, S.  12 ff. 21 

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Kapitel I:  Analyse und Bewertung der betroffenen Rechtspositionen

trakter Form pauschaliert, um den schwierigen Nachweis überflüssig zu machen, welche Arbeitsleistungen tatsächlich von wem wann während der Ehe erbracht wurden. Das vom Zugewinnausgleich erfasste Vermögen ist demnach zwar de facto nur einem Ehegatten zugeordnet, es beinhaltet aber auch Vermögenswerte, die eigentlich den anderen Ehegatten zustehen und die eine Rücksichtnahmepflicht und quasi-treuhänderische Bindung des ausgleichspflichtigen Ehegatten begründen können. Ein ähnlicher Ansatz lässt sich auch hinsichtlich des Pflichtteilsrechts konstruieren, wenn man den Schwerpunkt für dessen Begründung auf das Vorhandensein eines in gleicher Weise pauschaliert verstandenen Familienvermögens legt.23 Das Vermögen des Erblassers setzt sich demnach, generell und abstrakt betrachtet, zu einem erheblichen Teil auch immer aus Werten zusammen, die der Erblasser nicht durch eigene Leistungen erzeugt hat, sondern die ihm seinerseits aufgrund von Erbschaften oder bisher nicht oder nicht hinreichend ­entgoltenen Leistungen von Familienmitgliedern zugeflossen sind. Hinsichtlich dieser Vermögensbestandteile besteht aufgrund familiärer Solidarität eine Pflicht des Erblassers, sie an die nächste Generation weiterzureichen bzw. sie gegenüber dem Ehegatten auszugleichen. Bei einer solchen Sichtweise ist der Erblasser eigentlich wiederum nur Treuhänder hinsichtlich ihm vorübergehend anvertrauter fremder Vermögenswerte. Durch den Abschluss des Erbvertrages hat auch der Vertragserbe bereits eine Berechtigung am Vermögen des Erblassers erlangt. Sein Erwerb ist lediglich noch auf den Todeszeitpunkt des Erblassers hinausgeschoben. Wie sich auch aus den Rechtsgedanken der §§  161, 162 BGB ergibt, 24 hat eine solche Berechtigung grds. bereits in einem gewissen Umfang eine Einschränkung der Verfügungsfreiheit des Erblassers zur Folge. Auch im Insolvenz- und Vollstreckungsrecht lässt sich dieses Begründungsmuster aufrechterhalten. Durch die Übernahme schuldrechtlicher Verpflichtungen hat der Schuldner sein Vermögen bereits zur Gänze ausgeschöpft, die ihm noch zustehenden Aktiva sind durch die Passiva bereits vollständig gebunden. Frei verfügbares Vermögen ist somit de facto gar nicht mehr vorhanden. Bei der Verwaltung seiner Aktiva muss der Schuldner daher Rücksicht auf die Interessen seiner Gläubiger nehmen, weil es sich letztlich schon um fremdgebundenes Vermögen handelt. Insoweit liegt auch hier eine gewisse Nähe zur Position eines Treuhänders vor. Der Gedanke eines legitimen Teilhaberechts, das sich im Zeitpunkt des anspruchsauslösenden Ereignisses (Tod, Scheidung, Einzel-/Gesamtvollstreckung) erst konkretisiert, bildet die gemeinsame Basis der Rückholansprüche in den unterschiedlichen Rechtsgebieten. 23 Vgl.

Dutta, Warum Erbrecht?, S.  243 ff. §  162 BGB Rn.  1 ff., 18 ff.

24 MüKoBGB/Westermann

Teil 2 – B. Rechtfertigung der Einschränkung der Verfügungsfreiheit

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V. Erhaltene Gegenleistungen? Zu überlegen ist ferner, ob und inwiefern die Teilhabeberechtigung am Vermögen des Schuldners und eine daraus resultierende Einschränkung der Verfügungsfreiheit mit Gegenleistungen im Zusammenhang steht, die der Schuldner vom Gläubiger erhalten hat. Im Insolvenz- und Vollstreckungsrecht wird die Schuld, soweit sie aus einer Vertragsbeziehung stammt, den Schuldner auch zu einer entsprechenden Gegenleistung berechtigt haben. Bei anderen Arten von Schulden, etwa aus Deliktsrecht oder GoA, hängt die Verpflichtung hingegen nicht von einer erhaltenen Gegenleistung ab, sondern resultiert aus einem bestimmten Verhalten des Schuldners. Auch bei einem Erbvertrag ist es nicht zwingend erforderlich, dass der Erblasser vom Vertragserben eine Gegenleistung erhalten hat. Ist dieses allerdings der Fall, könnte hieraus unter Umständen auch eine erhöhte Rücksichtnahmepflicht resultieren, die zu einer stärkeren Einschränkung der Verfügungs­ freiheit des Erblassers führt.25 Im Familienrecht dient der Zugewinnausgleichsanspruch, wie gesehen, auch zur pauschalen Abgeltung von Leistungen des anderen Ehegatten, die sich werterhöhend auf den erzielten Zugewinn ausgewirkt haben. Von der Anforderung, diese Leistungen im Einzelnen konkret nachzuweisen, entbindet die auf dem Gedanken der ehelichen Solidarität beruhende Pauschalierung. Ähnliches kann auch vom Pflichtteilsrecht behauptet werden, soweit man dessen Rechtfertigung in der Familiengebundenheit ererbten Vermögens und in einer pauschalen und abstrakten Abgeltung von Unterstützungsleistungen sieht, die der Erblasser im Laufe seines Lebens im Regelfall unentgeltlich von anderen Familienmitgliedern erhalten hat. Aufgrund der im Familien- und Erbrecht vorherrschenden abstrakten Betrachtungsweise, die sich von den Gegebenheiten des Einzelfalles löst und pauschalisiert, würde eine Differenzierung anhand des Kriteriums der Gegenleistung zunächst erfordern, dass eine solche konkret nachgewiesen würde. Dieser Nachweis dürfte sich im Regelfall aber als sehr schwierig erweisen. Als Rechtfertigung für die Beschränkung der Verfügungsfreiheit des Erblassers bzw. des ausgleichspflichtigen Ehegatten kann der Gedanke der erhaltenen Gegenlei­stung aber sehr wohl dienen. VI. Engere Grenzen der Verfügungsfreiheit bei der Vornahme unentgeltlicher Rechtsgeschäfte? Die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs ist ein in fast allen Rechtsordnungen bekanntes Konzept, das zahlreiche, unterschiedliche Ausprägungen kennt.26 25  26 

Siehe hierzu unten S. 420 f. Siehe hierzu S. 30 f.

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Kapitel I:  Analyse und Bewertung der betroffenen Rechtspositionen

Grundsätzlich dient es zur Rechtfertigung einer erweiterten Inanspruchnahme eines unentgeltlichen Erwerbers.27 Möglicherweise lässt sich aus ihm aber auch ableiten, dass nicht nur der unentgeltliche Erwerb besonderen Regelungen unterworfen ist, sondern dass auch bereits für die unentgeltliche Veräußerung Sonderregelungen gelten. Genießt demnach die unentgeltliche Veräußerung von vornherein einen geringeren Schutz als die entgeltliche? Hierfür lässt sich anführen, dass nur bei unentgeltlichen Geschäften sich das Vermögen des Schuldners sichtbar verringert, während es bei entgeltlichen Geschäften lediglich seine Zusammensetzung ändert. Zwischen beiden Geschäften besteht demnach ein qualitativer Unterschied. Auch die Frage, ob eine Pflicht zur Erhaltung des Vermögens angenommen werden kann, die nur bei unentgeltlichen, nicht aber bei entgeltlichen Rechtsgeschäften verletzt würde, bedarf einer differenzierten Betrachtung. Während im Insolvenzrecht (vgl. §  283 StGB) und im Familienrecht (vgl. §  1375 Abs.  2 Nr.  2 BGB) eine solche Pflicht ab einem bestimmten Zeitpunkt durchaus bestehen kann, ist das im Erbrecht bislang nicht der Fall. Der Unterschied erklärt sich wohl dadurch, dass im Erbrecht die Bindung des Vermögens durch Rechte Dritter noch vergleichsweise locker ist, 28 typischerweise eine längere Zeitperspektive in den Blick genommen wird und eine entsprechende Regelung daher einen ganz erheblichen Eingriff in die Lebensführung des Erblassers bedeuten würde. Gegen eine Differenzierung zwischen ent- und unentgeltlichen Verfügungen lässt sich ferner anführen, dass auch und gerade die Möglichkeit einer unentgeltlichen Weitergabe von Vermögen zum Wesenskern der Eigentumsfreiheit gehört. Das Recht, sich als Mäzen oder großzügiger Spender zu betätigen, Gemeinwohlzwecke nach Belieben durch großzügige unentgeltliche Zuwendungen zu fördern oder bedürftige Familienangehörige oder Freunde über das vom Anstand oder den Unterhaltspflichten geforderte Maß hinaus zu unterstützen, kann ein wesentlicher Antrieb zur Entfaltung wirtschaftlicher Tätigkeit und zur Vermögensbildung sein. Es erfüllt zudem wichtige gesamtgesellschaftliche Funktionen, indem durch solche Zuwendungen hoheitliche Stellen entlastet und auch im öffentlichen Interesse liegende Aufgaben finanziert werden. Ein Grund dafür, das eher egoistisch motivierte entgeltliche Austauschgeschäft gegenüber der altruistischen Zwecken dienenden freigiebigen Zuwendung zu ­privilegieren, ist deshalb letztlich nicht ersichtlich, sofern man jedenfalls die Perspektive des Vermögensinhabers und seine Verfügungsfreiheit zugrunde legt. Entsprechende Differenzierungsansätze sind daher abzulehnen. Allein aus der Natur des vorgenommenen Rechtsgeschäfts lässt sich eine besondere Ein­ schrän­kung der Verfügungsfreiheit deshalb nicht rechtfertigen.

27 

28 

Siehe auch unten S. 30. Siehe S. 23 f.

Teil 2 – B. Rechtfertigung der Einschränkung der Verfügungsfreiheit

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VII. Öffentliche Interessen In den in dieser Arbeit behandelten Bereichen spielen auch öffentliche Interessen eine wichtige Rolle. Auch sie sollen durch die Rückholansprüche geschützt und abgesichert werden. Das Insolvenzrecht dient zum einen dazu, eine weitere Verschuldung des Schuldners zu verhindern, weshalb ihm auch die Verfügungsmacht über sein eigenes Vermögen entzogen wird. Zum anderen soll die Abwicklung der noch vorhandenen Aktiva in geordneten Bahnen ablaufen und eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger erreicht werden.29 Könnte der Schuldner nach Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit, aber noch vor Entziehung der Verfügungs­ befugnis uneingeschränkt Rechtsgeschäfte tätigen, wäre aber gerade diese Zielsetzung gefährdet und es würde stattdessen zu einem „Kampf Aller gegen Alle“ um das noch verbleibende Vermögen kommen.30 Im Zwangsvollstreckungsrecht außerhalb einer Insolvenz geht es ebenfalls darum, die Effektivität der Rechtsdurchsetzung zu stärken und zu verhindern, dass der Schuldner durch kurzfristige Vermögenstransfers seine Gläubiger ins Leere laufen lassen kann. Das Pflichtteilsrecht wiederum hat gleich mehrere gesamtgesellschaftlich bedeutsame Auswirkungen. Sieht man seine Funktion primär in einer pauschalierten Abgeltung der Unterhaltspflicht, so werden dadurch auch die staatlichen Sozialkassen entlastet. Indem es großen Vermögenskonzentrationen entgegenwirkt, führt es zudem zu einer gleichmäßigeren Verteilung des Wohlstandes innerhalb der Gesellschaft. Der Zugewinnausgleich ist auch Ausdruck einer ehelichen Solidarität im Güterrecht, die eine pauschalierte Abgeltung und Bewertung von Leistungen zulässt und nicht, wie im Verhältnis zu Dritten, einen genauen Nachweis erbrachter Tätigkeiten verlangt.31 Hierdurch soll insbesondere auch einer Diskriminierung und Benachteiligung des nichterwerbstätigen und/oder kinderbetreuenden Ehegatten entgegengewirkt werden, der anderenfalls nach einer Scheidung oft mittellos dastehen würde.32 Auch der Rückholanspruch im Rahmen des Zugewinnausgleichs erfüllt daher eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe. Nicht gleich erkennbar sind öffentliche Interessen hingegen im Hinblick auf den Erbvertrag. Die Notwendigkeit eines Rückholanspruchs resultiert hier hauptsächlich aus der Eigentümlichkeit der vertraglichen Vereinbarung der Parteien, die dem Vertragserben das gesamte, zu einem bestimmten Zeitpunkt noch vorhandene Vermögen verspricht, aber dem Erblasser gleichzeitig zunächst noch die volle Verfügungsfreiheit belässt. Rechtliche Grundprinzipien, 29 MüKoInsO/Kirchhof

Vor. §  129 InsO Rn.  1 ff. Foerste, Insolvenzrecht, Rn.  12. 31  Diederichsen FamRZ 1992, 1, 7 f. 32 Vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  34 Rn.  4. 30 

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Kapitel I:  Analyse und Bewertung der betroffenen Rechtspositionen

wie sie auch in §  162 BGB zum Ausdruck kommen, verlangen aber auch hier, dass der Erblasser der vertraglichen Abrede nicht einseitig durch Verfügungen unter Lebenden jede Wirksamkeit nehmen kann. Das Recht hat insoweit auch die Aufgabe, „der Selbst-Bindung Glaubhaftigkeit zu vermitteln.“33 Mittelbar lassen sich daher auch aus dieser Warte öffentliche Interessen konstruieren. Zudem stärkt die Zurverfügungstellung einer großen Vielfalt an Gestaltungsoptionen zur Regelung der Rechtsnachfolge von Todes wegen die Testierfreiheit und die vorsorgende Rechtspflege. Sind diese Optionen wegen ihrer leichten Manipulierbarkeit keine wirklichen Alternativen, hat das wiederum negative Auswirkungen auf die Testierfreiheit. Insgesamt dienen Rückholansprüche damit, allerdings nur nachrangig, auch der Verwirklichung wichtiger öffentlicher Interessen. VIII. Strafbarkeit des Verhaltens Im Insolvenzrecht kann ein Verhalten des Schuldners, das später eine anfechtbare Handlung begründet, auch eine Straftat darstellen. Im deutschen Recht ist bspw. §  283 StGB einschlägig, wenn ein Schuldner trotz Überschuldung oder drohender oder bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit vorsätzlich Bestandteile seines Vermögens beiseiteschafft oder Waren erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsmäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert. Die Fälle der Vorsatzanfechtung sind daher zum Teil auch als strafbarer Bankrott zu ahnden. In gleicher Weise kann das u. U. auch bei einer Schenkungsanfechtung gelten. Die fahrlässige Begehung wird gem. §  283 Abs.  4 u. 5 StGB ebenfalls grds. unter Strafe gestellt. Die Strafdrohung ist, insbesondere bei einem besonders schweren Fall (§  283a StGB),34 ganz erheblich. Auch der Anfechtungsgegner kann gem. §  283d StGB wegen einer Schuldnerbegünstigung bestraft werden, wenn er in Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit oder nach Zahlungseinstellung mit Einwilligung des Schuldners oder zu dessen Gunsten Massevermögen beiseiteschafft oder verheimlicht. Die Vereitelung der Zwangsvollstreckung wird gem. §  288 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft.35 Im Familien- und Erbrecht ist die Verlagerung und Veräußerung von Vermögen hingegen zwar mitunter ebenfalls moralisch anstößig, aber grds. nicht strafbar. In Deutschland wird zwar die Unterhaltspflicht vor einer Verletzung strafrechtlich geschützt (§  170 StGB), der Zugewinnausgleichsanspruch, auch eines vermögenslosen Ehegatten, jedoch nicht. Selbst wenn der grds. ausgleichspflichtige Ehegatte, vorsätzlich und unmittelbar vor Einreichung des Scheidungsan33 

Unberath, Die Vertragsverletzung, S.  160 f.; Weller, Die Vertragstreue, S.  173 ff. Bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. 35  Heger in: Lackner/Kühl, StGB, §  288 Rn.  1. 34 

Teil 2 – C. Zusammenfassung

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trags, sein gesamtes Vermögen auf eine vollständig eingeweihte Person überträgt, begründet er dadurch zwar Rückholansprüche, aber keine Strafbarkeit. Im Erbrecht fehlt es aufgrund der unzureichenden Konkretisierung des späteren Anspruchs im Verletzungszeitpunkt bereits an einem geschützten Rechtsgut. Später fehlt es, aufgrund des Todes des Erblassers, an einer zu bestrafenden Person. Selbst wenn der Erblasser aufgrund eines Erbvertrages über viele Jahrzehnte Gegenleistungen von erheblichem Wert erhalten hat, entsteht hierdurch noch keine Rechtsposition, die der Erblasser in strafbarer Weise verletzen könnte. Zu überlegen ist, ob und wenn ja, welche Wertungen aus diesem Befund abgeleitet werden können. Richtig ist, dass die Ansprüche der Gläubiger im Insolvenz- und Vollstreckungsrecht bereits genauer bestimmbar sind und deshalb strafrechtlich geschützt werden können, was im Familien- und Erbrecht zwar nicht unmöglich, aber jedenfalls schwieriger ist. Geht damit aber auch ein gesteigerter Unwert des Verhaltens des Schuldners bzw. des Anfechtungsgegners einher? Eine Vermutung in dieser Richtung liegt jedenfalls nahe, wenngleich sie sich nicht in allen Einzelfällen und mit hinreichender Gewissheit verifizieren lassen wird.

C. Zusammenfassung Der Verfügende ist in seiner Dispositionsfreiheit durch das Eigentumsrecht grundrechtlich geschützt. Die Rückholansprüche bilden jedoch eine der Eigentumsfreiheit inhärente Grenze und stellen eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung i. S. d. Art.  14 Abs.  1 S.  2 GG dar. Ihre Rechtfertigung ist dabei nach den betroffenen Rechtsgebieten jeweils graduell unterschiedlich akzentuiert. Im Hinblick auf einen Vertragserben resultiert sie aus dem Grundsatz des venire contra factum proprium, einer eventuell erhaltenen Gegenleistung und einem durch den Vertragsschluss begründeten abstrakten Teilhaberecht am Vermögen des Erblassers. Bei den Pflichtteilsrechten ist es hingegen primär der Schutz der familiären Nähebeziehung und eines daraus resultierenden Teilhaberechts, das als Rechtfertigung herangezogen werden kann. Gleiches gilt im Familienrecht, wo zudem der Gedanke einer erhaltenen Gegenleistung stärker hervortritt. Im Vollstreckungsrecht wiederum spielen Erwägungen des venire contra factum proprium/der Leistungstreue sowie unter Umständen eine erhaltene Gegenleistung eine Rolle. Auch sie führen in einem gewissen Umfang zu einem Teilhaberecht am Vermögen des Schuldners. Übereinstimmender Gedanke und Rechtfertigungsgrund der unterschiedlichen Rückholansprüche ist damit das Teilhaberecht am Vermögen des Schuldners, das seinerseits auf unterschiedlichen Gründen beruht. Ebenfalls übereinstimmend sind ferner in allen untersuchten Rechtsbereichen öffentliche Interessen berührt und tragen ihrerseits zur Rechtfertigung der Rückholansprüche bei.

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Kapitel I:  Analyse und Bewertung der betroffenen Rechtspositionen

Teil 3: Der Schutz des Zuwendungsempfängers A. Allgemeines Es kann nicht überraschen, dass von großer Bedeutung für das vorliegende Thema auch die Stellung des Anspruchsgegners ist. Das besondere Merkmal eines Rückholanspruches liegt darin, dass das Innenverhältnis zwischen Berechtigtem und Verfügendem verlassen und ein außenstehender Dritter in Anspruch genommen wird. Dieser Dritte hat i. d. R. keinerlei rechtliche Beziehung zu dem ihn nun verklagenden Anspruchsteller und auch die Rechtsbeziehung zum Schuldner kann nur flüchtig gewesen sein und schon sehr lange zurückliegen. Eine Verurteilung zur Herausgabe oder zu Ausgleichszahlungen ist für den Dritten daher oft sehr überraschend und kann für ihn auch eine erhebliche Härte bedeuten, wenn etwa der nun streitbefangene Gegenstand für seine Lebensführung von zentraler Bedeutung ist (beispielsweise das mit der Familie bewohnte Grundstück, eine große Spende für eine Stiftung, ein Steinwayflügel für einen Konzertpianisten etc.). Auch hat der Dritte im Laufe der Jahre möglicherweise erhebliche Investitionen in den streitgegenständlichen Gegenstand getätigt, die nun frustriert werden. Die Interessen des Dritten sind daher von erheblichem Gewicht und dürfen bei der notwendigen Abwägung mit den Erwerbsinteressen des Anspruchstellers nicht vernachlässigt werden. Sie treten zu den Interessen des Verfügenden hinzu und sind in die gleiche Waagschale wie diese zu legen. Möglicherweise lassen sich jedoch abstrakte Fallgruppen bilden, in denen der Dritte weniger schutzwürdig ist und sein Bestandsinteresse und Vertrauensschutz eher zurückstehen kann und andere Fälle, in denen gerade das Gegenteil zutrifft.

B. Vertrauensschutztatbestände I. Die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs Eine erste Unterscheidung, die sich in vielen und insbesondere in den untersuchten Rechtsordnungen findet, ist diejenige zwischen einem entgeltlichen und einem unentgeltlichen Erwerber. Hat der Dritte erhebliche eigene Mittel aufwenden müssen, um Eigentümer des nun zurückgeforderten Gegenstandes zu werden, wird er eher als schutzbedürftig angesehen, als wenn er den Gegenstand unentgeltlich erlangt hat. Hinter dieser Überlegung verbirgt sich die in vielen Rechtsordnungen bekannte Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs. Der unentgeltliche Erwerber muss stets damit rechnen, dass sein Erwerb nicht von Dauer sein wird, da der Schenker die Schenkung aus bestimmten Gründen nachträglich noch einseitig widerrufen kann (vgl. §§  528, 530 BGB), und auch

Teil 3 – B. Vertrauensschutztatbestände

31

im Bereicherungsrecht ist ein leichterer Zugriff auf das unentgeltlich Erworbene möglich (vgl. §§  816 Abs.  1 S.  2, 822 BGB). Das Fehlen eines eigenen Vermögensopfers erlaubt zudem eine weiterreichende Haftung des Erwerbers für Nutzungen im Rahmen des Eigentümer-Besitzer Verhältnisses (§  988 BGB).36 Ob allein für sich genommen die Unentgeltlichkeit die Entstehung jedes Vertrauensschutzes beim Anspruchsgegner hindert, wird im Rahmen der Rückholansprüche höchst unterschiedlich bewertet. Wie unten noch im Einzelnen dargestellt wird, genügt auf der Tatbestandsebene teilweise allein die Unentgeltlichkeit der Zuwendung, um eine zeitlich unbefristete Rückholung der Zuwendung zur Ausgangsmasse zu ermöglichen. In anderen Fällen bildet die Unentgeltlichkeit nur ein Element eines mehrstufigen Tatbestandes, der zusätzlich noch eine Bösgläubigkeit auf Seiten des Schuldners und/oder des Dritten und die Einhaltung strenger Fristen verlangt. Wie sich unten zeigen wird, lässt sich auch der Umkehrschluss nicht durchhalten: Selbst ein vollentgeltlicher Erwerber kann unter Umständen im Rahmen eines Rückholanspruchs in Anspruch genommen werden. Der Rückholanspruch schützt insoweit auch eine bestimmte Werthaltigkeit der Vermögensmasse und soll eine Umwandlung in Rechtsgüter verhindern, die besonders einfach beiseitegeschafft werden können. Zu überlegen ist ferner, ob ein Vertrauensschutz auch dann berechtigt ist, wenn zwar der Erwerb ursprünglich unentgeltlich erfolgte, der Erwerber aber nachträglich erhebliche Investitionen in den Gegenstand getätigt hat. Beispiel: A schenkt B in anfechtbarer Weise ein Grundstück im Wert von 100.000  €. B errichtet auf diesem Grundstück für 1.000.000  € ein Wohnhaus.

Hier kommt es zunächst darauf an, ob B die Herausgabe des Grundstücks in natura schuldet oder ob er von Vornherein nur zu Wertersatz verpflichtet ist. Möglicherweise kann er die Herausgabe auch durch eine Wertersatzzahlung abwenden. II. Bös- bzw. Gutgläubigkeit Der Dritte erscheint weniger schutzwürdig, wenn er im Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäfts die Benachteiligungsabsicht des Schuldners kannte oder selbst mit Benachteiligungsvorsatz handelte. Jemand, der kollusiv mit dem Schuldner zusammenarbeitet, um dessen Gläubiger leer ausgehen zu lassen, kann sich seinerseits nicht auf Vertrauensschutz berufen. Sind die die spätere Rückabwicklung ermöglichenden Tatsachen dem Erwerber bekannt, muss er sich entsprechend §  142 Abs.  2 BGB so behandeln lassen, als ob er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts kannte. Auf den dauerhaften Bestand seines 36 

Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, Rn.  403.

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Kapitel I:  Analyse und Bewertung der betroffenen Rechtspositionen

Erwerbs kann der Anfechtungsgegner daher nicht in schutzwürdiger Art und Weise vertrauen. Bei der Frage, welche Kenntnisse der Erwerber konkret haben muss, damit er von der Anfechtbarkeit seines Erwerbs ausgehen muss, ist nach dem jeweiligen Rückholtatbestand zu unterscheiden. Setzt der Tatbestand eine Benachteiligungsabsicht voraus, muss diese auch dem Erwerber bekannt sein. Schwieriger ist es, wenn lediglich eine unentgeltliche Leistung vorausgesetzt wird. Hier muss möglicherweise verlangt werden, dass der Erwerber von dem Vorhandensein des berechtigten Anspruchstellers und dem Grund für dessen spätere Rückholberechtigung (Vermögensinsuffizienz, Erbvertrag, Pflichtteil/ Zugewinn nicht gedeckt) Kenntnis hat. So klar, wie dieser Grundsatz zunächst erscheint, wird er in den untersuchten Rechtsordnungen jedoch nicht umgesetzt.37 Inwieweit ein Rückholanspruch subjektive Tatbestandselemente voraussetzt, wird genauso unterschiedlich bewertet wie die Frage, ob dem Schuldner, dem Dritten oder beiden gemeinsam entsprechende Absichten nachgewiesen werden müssen. Da ein Nachweis subjektiver Vorstellungen in einem Prozess stets gewisse Schwierigkeiten bereitet, finden sich in den untersuchten Rechtsordnungen auch zahlreiche Vermutungen, die dem Anspruchsteller den Beweis erleichtern sollen. Auch sie ergeben jedoch kein einheitliches Bild, sondern vermitteln eher den Eindruck eines ­Flickenteppichs.38 III. Zeitablauf und Ausschlussfristen Die Rückholansprüche entfalten erhebliche Rückwirkungen. Rechtgeschäfte, die im Zeitpunkt ihres Abschlusses völlig unproblematisch wirksam waren, können aufgrund weiterer, später hinzutretender Entwicklungen doch rückabgewickelt werden. Das langjährige Vertrauen des Zuwendungsempfängers in eine bestehende Rechtslage ist für sich geeignet, ein schutzwürdiges Vertrauen zu begründen. Dies gilt in besonderem Maße bei einem Tatbestand, der allein an den Erhalt einer unentgeltlichen Leistung anknüpft, und weniger bei einem Tatbestand, der eine Benachteiligungsabsicht beim Zuwendungsempfänger voraussetzt. Gänzlich unabhängig von dieser Einteilung finden sich aber zum Teil Tatbestände, die keine Ausschlussfrist kennen und eine zeitlich unbegrenzte Rückabwicklung ermöglichen. Diese Tatbestände führen zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit und sind mit Blick auf die Interessen des Zuwendungsempfängers als besonders problematisch einzustufen.

37 

38 

Vgl. Kapitel II. Vgl. S. 141 ff.

Teil 3 – B. Vertrauensschutztatbestände

33

IV. Erst- oder Zweiterwerber Rückholansprüche entfalten mitunter Fernwirkung und ermöglichen nicht nur die Inanspruchnahme von Personen, die unmittelbar mit dem Schuldner kontrahiert haben, sondern auch von Personen, die erst infolge weiterer Transak­ tionen in den Besitz der streitgegenständlichen Sache gelangt sind. Gleiches gilt für die Erben des ursprünglichen Anspruchsgegners. Je mehr Zwischenglieder in der Anspruchskette hinzukommen, desto ferner steht der tatsächlich Inanspruchgenommene dem eigentlichen, streitgegenständlichen Geschehen. Er ist mitunter nur der Erwerber eines Erwerbers eines Erwerbers. Je länger die Kette, desto schwieriger sind die Rückholansprüche für den Letzterwerber vorauszusehen. Hieran könnte ein erhöhter Vertrauensschutz geknüpft werden. In den untersuchten Rechtsordnungen lassen sich zum Teil entsprechende Differenzierungen nachweisen; im Regelfall unterbleiben sie jedoch. Dies liegt womöglich auch daran, dass andernfalls ein erhöhtes Missbrauchspotential geschaffen würde, wenn der eigentliche Anspruchsgegner sich seiner Inanspruchnahme durch die Zwischenschaltung eines Strohmannes entziehen könnte. Interessante Probleme ergeben sich auch im Zusammenhang mit der Frage, ob bei allen Gliedern der Erwerbskette die gleichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen und wann sie durch ein Zwischenglied unterbrochen wird. V. Besonderes Näheverhältnis zum Schuldner Eine weitere Differenzierung könnte daran anknüpfen, ob zwischen dem Schuldner und dem Anspruchsgegner ein besonderes Näheverhältnis besteht. Ist der Empfänger einer Zuwendung ein Familienmitglied des Schuldners oder eine ihm gehörende Gesellschaft, liegt zum einen die Vermutung nahe, dass die Rechtsgeschäfte nur zum Schein vorgenommen wurden und der Schuldner die übertragenen Vermögenswerte auch weiterhin nutzen kann. Zum anderen lässt das Näheverhältnis möglicherweise den Schluss zu, dass der Erwerber über die Vermögensverhältnisse des Schuldners genau informiert und daher bösgläubig ist. Methodisch stehen mehrere Wege offen, über die eine Berücksichtigung erfolgen kann. Zuerst muss entschieden werden, ob die negative Berücksichtigung eines Näheverhältnisses abstrakt und unabhängig von den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalles erfolgen soll. Allein eine anhand vorher festzulegender Kriterien abstrakt zu bestimmende Nähebeziehung führte dann zu erweiterten Rückholansprüchen. Auf die konkreten Gegebenheiten des Einzelfalles und das tatsächliche Vorliegen einer Nähebeziehung würde es dabei nicht ankommen. Andererseits könnte die Nähebeziehung auch lediglich dazu dienen, als eines unter mehreren Indizien die Bösgläubigkeit des Schuldners und/oder des Zuwendungsempfängers im konkreten Fall nachzuweisen. Schließlich könnte an das Vorliegen einer Nähebeziehung auch die widerlegliche Vermutung einer

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Kapitel I:  Analyse und Bewertung der betroffenen Rechtspositionen

Bösgläubigkeit geknüpft werden. Wann ein Näheverhältnis besteht, welche Folgen es für die Schutzbedürftigkeit des Empfängers hat und wann es einen Schluss auf eine Bösgläubigkeit ermöglicht, wird in den untersuchten Rechtsordnungen und Rechtsgebieten, wie unten zu zeigen ist, sehr unterschiedlich beantwortet. Eine klare Linie und interessengerechte Stufung ist dabei nicht erkennbar.39 Auf der anderen Seite wird ein Näheverhältnis zum Schuldner auch relevant, wenn es darum geht, zu bestimmen, ob durch eine Schenkung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wurde. Hier kann das Näheverhältnis Fürsorge und Unterhaltspflichten begründen, die eine großzügigere Handhabung dieser Ausnahme gewährleisten. Aus dem Näheverhältnis folgt daher einerseits eine Verengung des Tatbestandes im Hinblick auf die angreifbaren Schenkungen, andererseits aber auch eine Erweiterung des Tatbestandes im Hinblick auf eine vermutete Bösgläubigkeit. VI. Besondere Schutzwürdigkeit des Zuwendungsempfängers wegen Bedeutung für das Gemeinwohl Das österreichische Recht enthält in §  784 ABGB eine Regelung, die unentgeltliche Zuwendungen für gemeinnützige Zwecke privilegiert. Schenkungen zu gemeinnützigen Zwecken werden im Rahmen von Pflichtteilsergänzungsansprüchen nicht mitberücksichtigt.40 Wie auf der einen Seite ein Näheverhältnis zum Beschenkten besonders verdächtig erscheint, könnten Schenkungen an gemeinnützige Organisationen besonders unverdächtig oder zumindest im Interesse des Gemeinwohls besonders schützenswert sein. Nach herrschender, wenn auch umstrittener Ansicht in der österreichischen Literatur ist diese Ausnahme der Höhe nach nicht begrenzt, so dass der Erblasser auch sein gesamtes Vermögen anrechnungsfrei nach §  784 ABGB an gemeinnützige Organisationen verschenken kann.41 Diese Regelung wird allerdings auch in Österreich teils heftig kritisiert.42 Inwieweit sie gleichwohl als Vorbild dienen kann oder zumindest einen verallgemeinerungsfähigen Grundgedanken zum Ausdruck bringt, soll noch an späterer Stelle erörtert werden.43

39 

Siehe unten Kapitel II. Durch das Erbrechtsänderungsgesetz 2015 (öBGBl. I Nr.  87/2015) ist die Regelung von §  785 Abs.  3 in dem §  784 ABGB verschoben worden, siehe zu §  785 Abs.  2 ABGB a. F. Apathy in: Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg.), ABGB- Kommentar, §  785 Rn.  5. 41  Welser in: Rummel (Hrsg.), ABGB – Kommentar, §  785 Rn.  14 mwN; krit. Eccher in: Kodek/Schwimann, ABGB – Praxiskommentar, §  785 Rn.  14 mwN. 42  Raber JBl 1988, 137, 145 mwN. 43  Siehe unten S. 419. 40 

Teil 3 – C. Zusammenfassung

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C. Zusammenfassung Der Dritte ist weniger schutzwürdig, wenn er unentgeltlich erworben hat oder bösgläubig war. Ein entgeltlicher, gutgläubiger Erwerber muss in jedem Fall geschützt werden. So einfach, wie diese Grundregel klingt, wird sie in den untersuchten Rechtsordnungen jedoch nicht umgesetzt. Fraglich und zu untersuchen bleiben daher die Gründe, die möglicherweise für eine Abweichung sprechen können. Weiterhin muss auch das Vertrauen berücksichtigt werden, das der Dritte in die Aufrechterhaltung eines bestehenden Zustandes gesetzt hat und das mit Zeitablauf zunimmt. Hier könnte eine Differenzierung ansetzen, die die Schutzwürdigkeit erst mit Veränderung des Zustandes, dem Vollzug einer Schenkung und dem Beginn der Nutzungsmöglichkeit für den Zuwendungsempfänger eintreten lässt. Festzustellen ist auch, dass eine Fernwirkung der Rückholansprüche im Hinblick auf das Schutzbedürfnis des Erwerbers durchaus problematisch ist. Inwieweit sie gleichwohl zur Verhinderung von Umgehungen erforderlich ist, soll noch im späteren Verlauf der Untersuchung thematisiert werden. Ein Näheverhältnis zwischen Verfügendem und Empfänger kann auf ein Scheingeschäft oder zumindest auf eine Bösgläubigkeit des Empfängers hindeuten. Inwieweit hieraus rechtliche Konsequenzen gezogen werden bzw. werden sollten und welche Form diese Konsequenzen annehmen (sollten), ist ein weiterer Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung.

Teil 4: Die Erwerbserwartung des Berechtigten A. Allgemeines Neben dem verfügenden Eigentümer, der typischerweise gar nicht Partei eines Rückholprozesses ist, muss auch der Anspruchsteller bzw. Kläger in den Blick genommen werden. Im Erbrecht handelt es sich hierbei um den Pflichtteilsberechtigten bzw. den Vertragserben, im Familienrecht um den ausgleichsberechtigten Ehegatten und im Vollstreckungsrecht um den benachteiligten Gläubiger bzw. den alle Gläubiger repräsentierenden Insolvenzverwalter. Im Rahmen dieser Untersuchung von Bedeutung ist insbesondere, inwieweit der Anspruchsteller bereits im Zeitpunkt der angegriffenen Handlung eine geschützte Rechtsposition besaß, wie konkret diese ausgestaltet war und aus welcher Grundlage sich seine spätere Anspruchsberechtigung speist. Zwischen den verschiedenen Rechtsgebieten können dabei durchaus Unterschiede festgestellt werden. In der Gesamtschau ergibt sich möglicherweise ein Stufenverhältnis.

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Kapitel I:  Analyse und Bewertung der betroffenen Rechtspositionen

B. Vollstreckungsrecht Das Anfechtungsrecht im Rahmen einer Insolvenz oder Zwangsvollstreckung setzt das Bestehen von konkreten, durchsetzbaren Forderungen gegen den Schuldner voraus. Die Rechtsgründe, aus denen diese Forderungen resultieren können (Vertrag, Delikt, Bereicherungsrecht, Familienrecht etc.), sind vielfältig und für das Anfechtungsrecht nicht weiter von Bedeutung. Im Unterschied zu den noch gleich zu behandelnden Rechtsgebieten steht auch die Höhe der Ansprüche des Gläubigers vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. der Erhebung der Anfechtungsklage eindeutig fest und unterliegt auch keinen an das Verhalten des Schuldners gekoppelten Veränderungen. Zudem ist grds. erforderlich, dass die Schuld bereits im Zeitpunkt der angegriffenen Handlung vorhanden war oder zumindest ihre spätere Entstehung schon hinreichend sicher vorhersehbar war. Der Gläubiger hat daher auch im Vorfeld der Insolvenz bzw. Zwangsvoll­ streckung eine genau feststehende, übertragbare und umfassend rechtlich geschützte Position erlangt,44 die auch an der grundrechtlichen Garantie der ­Eigentumsfreiheit teilnimmt (Art.  14 GG, Art.  17 GR-Charta, Art.  1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK).45 Folglich ist der Gläubiger auch berechtigt, Be­ einträchtigungen seiner Rechtsposition durch den Schuldner abzuwehren. Die Entwertung der Forderung durch eine vorsätzliche Vereitelung ihrer Realisierung kann demnach als ein Eingriff angesehen werden, den der Gläubiger mittels Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes46 oder nachträglich durch Anfechtungsklagen abwehren kann. Eine genaue Bestimmung der Reichweite ­dieses Abwehrmechanismus kann das Verfassungsrecht allerdings nicht leisten, da es sich bei dem Eigentum um ein normgeprägtes Grundrecht handelt,47 der zwingende grundrechtliche Schutz sich auf den Wesenskern beschränkt und die Feinsteuerung und diffizile Austarierung der beteiligten Interessen im Rahmen der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative dem Zivilrecht überlassen bleibt. Nun ist es allerdings so, dass zwar die Berechtigung des späteren Klägers bereits im Vorfeld der Insolvenz bzw. Anfechtungsklage vollständig und auch in ihren Einzelheiten klar umrissen ist, die Zuordnung zu einem bestimmten Gegenstand des schuldnerischen Vermögens aber noch fehlt. Es fehlt, um hier eine Parallele zum Schuldrecht zu schlagen, an der Konkretisierung der Verpflichtung auf einen bestimmten Gegenstand des Schuldnervermögens. Deshalb kann der Gläubiger grds. auch noch keine Rechte an einzelnen Bestandtei44  Diese Position muss jedoch noch nicht zwingend auch vor der Vornahme der später angefochtenen Handlung bestanden haben. 45  Maunz/Dürig/Papier Art.  14 GG Rn.  201 mwN. 46  Siehe hierzu ausführlich das Kapitel V. 47 BeckOK-GG/Axer Art.  14 GG Rn.  7 ff.

Teil 4 – C. Erbvertrag

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len des Schuldnervermögens geltend machen. Erst die hinzukommende bzw. drohende Zahlungsunfähigkeit macht eine weitere Konkretisierung entbehrlich und erlaubt dem Gläubiger auf das Schuldnervermögen insgesamt zuzugreifen und es bestimmten Beschränkungen zu unterwerfen. Die Problematik liegt daher weniger in einer noch fehlenden Bestimmtheit der Schuld und ihres Umfanges als vielmehr in der Verknüpfung dieser Pflicht gerade mit dem an den Dritten veräußerten Bestandteil des Schuldnervermögens, der nun Gegenstand des Rückholverfahrens ist. Allein dieser Vermögensgegenstand verbindet schließlich die beiden Parteien des Rückholverfahrens, den Gläubiger und den Anfechtungsgegner. Ohne die vormalige Zugehörigkeit des veräußerten und nun streitbefangenen Gegenstands zum Schuldnervermögen käme es zwischen den Parteien mangels einer irgendwie gearteten Rechtsbeziehung auch zu keiner rechtlichen Auseinandersetzung. Mit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, teilweise aber auch bereits schon früher, wird das gesamte Schuldnervermögen de facto in Beschlag genommen und jeder Gläubiger mit dem Recht ausgestattet, Werte, die entgegen den Geboten einer ordnungsgemäßen Wirtschaft übertragen wurden, wieder in das Schuldnervermögen zurückzuholen und an ihnen – ggfs. pro rata – zu partizipieren. Hervorzuheben ist aber auch die Besonderheit, die die vollstreckungsrechtlichen Rückholansprüche mit den übrigen Rückholansprüchen teilen, dass sich die konkrete Werthaltigkeit der tatsächlichen Partizipation am Schuldnervermögen erst nach dem Eintritt des anspruchsauslösenden Ereignisses (nach der Eröffnung des Einzel- oder Gesamtvollstreckungsverfahrens) ergibt.

C. Erbvertrag Auch beim Erbvertrag ist die Schuld im weiteren Sinne im Zeitpunkt der später angegriffenen Handlung schon klar umrissen, nämlich in dem vertraglich vereinbarten Umfang der Beteiligung des Vertragserben am Nachlass. Der Wert und die genaue Zusammensetzung des Nachlasses stehen letztlich aber erst im Todeszeitpunkt fest. Die Verknüpfung zwischen der Forderung des Gläubigers und den später streitbefangenen Vermögensbestandteilen ist hier deshalb einfacher ermittelbar, weil der Vertragserbe mit dem Tod des Erblassers in dessen gesamtes Vermögen oder zumindest in einen quotalen Anteil hiervon eintritt. Die Schwierigkeit liegt stattdessen jedoch darin, zu bestimmen, welchen Vermögensbestand und welche Vermögenszusammensetzung im Todeszeitpunkt der Vertragserbe aufgrund der vertraglichen Vereinbarung legitimer Weise erwarten darf. Inwieweit muss der Erblasser seinen Vermögensbestand erhalten und Veränderungen unterlassen? Das Risiko, dass sich das Vermögen negativ verändert und seine Zusammensetzung wechselt, ist jedem Erbvertrag immanent und von den Vertragsparteien daher auch bewusst in Kauf genommen worden.

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Kapitel I:  Analyse und Bewertung der betroffenen Rechtspositionen

Fraglich ist, inwieweit eine möglicherweise vereinbarte und vom Vertrags­ erben erbrachte Gegenleistung hierüber Aufschluss geben kann. Kann das im Todeszeitpunkt noch vorhandene Vermögen ins Verhältnis zu dem Wert der Gegenleistungen des Vertragserben gesetzt werden und muss es dabei eine gewisse Mindestäquivalenz wahren? Muss differenziert werden zwischen Veränderungen, die unabhängig vom Verhalten des Erblassers aufgrund allgemeiner Marktentwicklungen eintreten, Verringerungen aufgrund allgemeinen Verbrauchs und unentgeltlicher Vermögensübertragungen auf Dritte? Spielen die subjektiven Vorstellungen des Erblassers bei Vornahme der später angegriffenen Handlung eine Rolle? Diese schwierige Abgrenzung führt zu durchaus unterschiedlichen Lösungen in den verglichenen Rechtsordnungen, die im Rahmen dieser Bearbeitung einander gegenübergestellt, verglichen und bewertet werden.48 An dieser Stelle bleibt lediglich festzuhalten, dass vor dem Tod des Erblassers zwar eine gewisse Berechtigung des Vertragserben an dem Vermögen des Erblassers bereits gegeben ist, der genaue Inhalt und Umfang dieser Rechtsposi­ tion aber noch unsicher ist, weil ihre Entwicklung und endgültige Gestalt von zahlreichen künftigen Faktoren abhängt. Letztlich kann der Vertragserbe nie ganz sicher sein, überhaupt etwas zu erben. Faktisch entspricht diese Unsicherheit freilich derjenigen des Insolvenz- und Vollstreckungsgläubigers, der sich vor dem Verfahren auch nicht über die Werthaltigkeit des Schuldnervermögens (die Insolvenzquote bzw. den tatsächlichen Wert des zurückgeholten Gegenstands) sicher sein kann.

D. Pflichtteilsrecht In gleicher Weise ungewiss ist die Höhe des Pflichtteils. Ob und wenn ja, wieviel Vermögen der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes hinterlässt, ob er eine testamentarische Verfügung vornimmt und wie viele Pflichtteilsberechtigte im Todeszeitpunkt vorhanden sind, bleibt bis zuletzt unsicher. In dem Zeitpunkt, in dem die angegriffene Handlung erfolgt, ist der Umfang eines späteren Pflichtteilsrechts daher noch völlig offen. Da für den Umfang des Pflichtteilsrechts aber das gesamte Vermögen des Erblassers als Bezugspunkt dient, ist die Verbindung zu den streitbefangenen Vermögensgegenständen im Rückholprozess direkter als im Insolvenz- und Vollstreckungsrecht. Im Unterschied wiederum zum Erbvertrag existiert jedoch weder ein Zeitpunkt, in dem ein besonderes Vertrauen der Pflichtteilsberechtigten auf einen bestimmten Vermögensbestand begründet werden könnte, noch kann es eine vereinbarte Gegenleistung der Pflichtteilsberechtigten geben. Es besteht vor

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Siehe unten S. 412 ff.

Teil 4 – E. Familienrecht

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dem Tod des Erblassers nur die allgemeine legitime Erwartung auf Beteiligung am Nachlass.

E. Familienrecht Ähnlich ist die Situation im Familienrecht. Auch hier hängt die Höhe des späteren Zugewinnausgleichsanspruchs von dem Vermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages ab. Dieses ist im Zeitpunkt der später angegriffenen Handlung noch unbekannt und kann durch vielerlei Faktoren beeinflusst werden. Die Ausgleichsberechtigung ist deshalb im Vorfeld der Scheidung sowohl ihrer Höhe als auch ihrem Inhalt nach noch gänzlich unbestimmt. Hinzu kommt zudem, dass auch die spätere Entstehung der Ausgleichspflicht deshalb unsicher ist, weil die Ehe nicht zwingend durch Scheidung, sondern auch durch den Tod eines Ehepartners aufgelöst werden kann und der überlebende Ehegatte sich dann möglicherweise für eine erbrechtliche Lösung des Zugewinnausgleiches entscheidet. Auch ist bis zuletzt unsicher, welcher Ehegatte im Verlauf der Ehe wieviel Zugewinn erzielt hat und wem dann ein Ausgleichsanspruch in welcher Höhe zusteht. Die Berechtigung bemisst sich andererseits nach dem Vermögen des verpflichteten Ehegatten insgesamt, wodurch auch die Verbindung zu den später im Rückholprozess streitbefangenen Vermögensgegenständen hergestellt werden kann.

F. Stufenverhältnis? Fraglich ist, ob aufgrund der graduell unterschiedlichen Erwerbserwartungen ein Stufenverhältnis zwischen den einzelnen Rechtsgebieten festgestellt werden kann. Das Erwerbsinteresse der Gläubiger scheint im Einzel- und Gesamtvollstreckungsrecht am weitesten konkretisiert. Denn die Forderungen gegen den Schuldner stehen in ihrer Höhe bereits fest, haben abstrakt einen festen Vermögenswert und können auch problemlos übertragen werden. Ihr realer Wert ergibt sich aber auch erst im Insolvenz- oder Anfechtungsverfahren, wenn die Insolvenzquote ermittelt oder die Vollstreckung in den zurückgeholten Gegenstand betrieben wird. Der Unterschied zur Konkretisierung des Anspruchs des Vertragserben, des Pflichtteilsberechtigten nach dem Tod des Erblassers oder des ausgleichsberechtigten Ehegatten im Scheidungsverfahren erscheint gering. Aufgrund der graduell etwas stärkeren Konkretisierung mag das Erwerbsinteresse im Vollstreckungsrecht von etwas größerem Gewicht sein als im Familienund Erbrecht und eine stärkere (rückwirkende) Beschränkung der Verfügungsfreiheit rechtfertigen. Die Eröffnung der Insolvenz führt schließlich auch zum vollständigen Verlust der Verfügungsbefugnis. Im Erb- und Familienrecht kann der Berechtigte dagegen nie ganz sicher sein, überhaupt etwas zu erhalten, da sein Anspruch von dem in einem bestimmten, zukünftigen Zeitpunkt vor-

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Kapitel I:  Analyse und Bewertung der betroffenen Rechtspositionen

handenen Vermögen des Erblassers/Ehegatten abhängt. Andererseits lässt sich eine Bindung des gesamten Vermögens des Schuldners im Vollstreckungsrecht erst durch die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (§  19 InsO) begründen, ein Ereignis, dessen Eintritt im Zeitpunkt der angegriffenen Handlung oftmals noch unsicher ist. Im Familien- und Erbrecht ist der Bezug zum Gesamtvermögen dagegen unmittelbar vorhanden. Die Einschränkung der Verfügungsfreiheit durch die gegenläufigen Erwerbsinteressen rechtfertigt sich im Vollstreckungsrecht dadurch, dass der Schuldner Verpflichtungen eingegangen ist oder durch sein Verhalten begründet hat, die sein gesamtes Aktivvermögen aufzehren und noch darüber hinausgehen. Seinen Gläubigern gegenüber ist der Schuldner auch zur Leistungstreue verpflichtet. Beim Erbvertrag ist es dagegen so, dass nach dem Willen der Parteien der Erblasser im Umgang mit seinem Vermögen weitgehend frei bleiben soll und ihm nur bestimmte, missbräuchliche Geschäfte untersagt sind. Gleiches gilt grds. für Ehegatten, wenn sie im Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben. Die Begründung des Pflichtteilsrechts beruht auf allgemeinen sozial- und gesellschaftspolitischen Erwägungen, die unabhängig von einem bestimmten Verhalten des Erblassers sind und grds. für jedermann gelten. Sieht man die Hauptfunktion des Pflichtteilsrechts in einer pauschalierten Fortführung der Unterhaltspflicht, ergibt sich bei sehr großen Vermögen eine Grenze, ab der für den Unterhalt der nahen Verwandten jeweils sicher gesorgt ist. Sieht man die Begründung eher in einer Familienbindung des Vermögens, könnte eine, in der Praxis allerdings nur schwer durchführbare Prüfung des jeweiligen Ursprungs des jetzigen Vermögens des Erblassers (eigene Arbeit oder selbst erbrechtlicher Erwerb) bei der Unterscheidung zwischen pflichtteilsbefangenem und pflichtteilsfreiem Vermögen helfen.

Kapitel II

Voraussetzungen des Rückholanspruchs Im Folgenden sind die Voraussetzungen der unterschiedlichen Rückholansprüche in den drei untersuchten Rechtsordnungen im Einzelnen zu erörtern. Vier Modelle sind auf der Ebene des Tatbestandes grundsätzlich denkbar: Ein rein objektiver Tatbestand, der allein an den Abfluss von Vermögen durch Verfügungen des Rechtsinhabers anknüpft, ein rein subjektiver Tatbestand, der allein an den Nachweis einer Benachteiligungsabsicht beim Verfügenden und/oder beim Verfügungsempfänger abstellt, und ein kombinierter Tatbestand, der sich sowohl aus objektiven als auch aus subjektiven Elementen zusammensetzt. Schließlich sind auch zwei alternative Anspruchsnormen denkbar, die jede für sich einmal aus einem objektiven und einmal aus einem subjektiven Element besteht. Wie sich zeigen wird, verwenden die untersuchten Rechtsordnungen jedes dieser Modelle, lassen aber auch klare Präferenzen erkennen. Die Besonderheit der Rückholansprüche besteht darin, dass sie es ermöglichen, rückwirkend ein ursprünglich voll wirksames Rechtsgeschäft rückgängig zu machen, ohne dass einer der traditionellen Unwirksamkeitsgründe (Willensmangel, Sitten- oder Gesetzwidrigkeit) gegeben ist. Vom Schuldner/Erblasser/ Ehegatten verteiltes Vermögen wird im Interesse bestimmter Berechtigter wieder zur Vermögensmasse gezogen. Stellt man, wie im Verjährungsrecht üblich, für den Verjährungsbeginn auf die Anspruchsentstehung ab, so erfasst man das eigentliche Problem der Rückholansprüche nur unzutreffend. Zwischen Anspruchsentstehung durch Tod, Scheidung oder Insolvenz und dem durch dem Rückholanspruch angegriffenen Geschehen können nämlich sehr lange Zeiträume liegen. Gleichwohl sehen zahlreiche Tatbestände keine auf den Zeitpunkt der angegriffenen Handlung abstellende Ausschlussfrist vor. Die Rückholansprüche führen deshalb in einem verstärkten Maße zu Rechtsunsicherheit und zur Beeinträchtigung von Interessen des Rechtsverkehrs. Die zeitlichen Grenzen, in denen ein Rückgriff möglich ist, unterscheiden sich für die einzelnen Tatbestände sehr stark. Fraglich ist dabei zum einem, wann die Frist zu laufen beginnt, zum andern ob eine flexible oder starre Zeitgrenze gilt und schließlich ob es eine zeitliche Höchstgrenze gibt, nach der eine Rückwirkung zwingend ausscheidet.

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

Teil 1: Erbrecht A. Einführung Im Erbrecht wird die Testierfreiheit des Erblassers aus zwei Richtungen eingeschränkt. Beide geben Anlass für Rückholansprüche und sollen deshalb genauer untersucht werden. Zum einen ist es denkbar, dass sich der Erblasser durch einen Erbvertrag bereits zu Lebzeiten zu einer bestimmten Nachlassverteilung verpflichtet hat. Zur Durchsetzung dieser Verpflichtung ist es notwendig, dem Erblasser auch bestimmte Zuwendungen unter Lebenden im Nachhinein zu untersagen und diese Einschränkung durch Rückholansprüche abzusichern. Zum anderen schränkt das Vorhandensein von pflichtteilsberechtigten Personen die Verfügungsfreiheit von Todes wegen ein. In den untersuchten Rechtsordnungen werden die Rechte testamentarisch übergangener nahestehender Personen aber auf unterschiedlichen Wegen und in einer unterschiedlichen Art und Weise geschützt, was sich mittelbar auch auf die flankierenden Rückhol­ ansprüche auswirkt.

B. Deutschland I. Bindung künftigen Vermögens Als typisch liberale Kodifikation des ausgehenden 19. Jahrhunderts räumt das BGB der Vertragsfreiheit einen hohen Stellenwert ein. Jedem mündigen Bürger steht es frei, Verpflichtungen einzugehen, durch die er sein künftiges Vermögen auch bei Berücksichtigung aller Erwerbsmöglichkeiten zur Gänze abschöpft. Eine Grenze bildet lediglich die Sittenwidrigkeit (§  138 BGB).1 Bei der Frage, inwieweit der Erblasser sich vertraglich verpflichten kann, eine bestimmte letztwillige Verfügung zu treffen, gerät die Vertragsfreiheit jedoch in Konflikt mit der Testierfreiheit. Die Vertragsfreiheit streitet, zumindest bei einer formalen Betrachtung, dafür, dem Erblasser auch insoweit freie Hand zu lassen und ihm eine frühzeitige, verbindliche Festlegung seiner Erbfolge zu gestatten. Die Testierfreiheit zeichnet sich dagegen gerade dadurch aus, dass sie dem Erblasser die freie Entscheidung über seinen Nachlass bis unmittelbar vor seinem Tode uneingeschränkt belässt. Ihre Bedeutung würde erheblich geschmälert, wenn ihr durch das Vertragsrecht Grenzen gesetzt werden könnten. Das BGB steht Bindungen über künftiges Vermögen im Ausgangspunkt kritisch gegenüber. Ein Vertrag, durch den sich der Erblasser schon zu Lebzeiten verpflichtet „eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder nicht zu er-

1  Siehe etwa die Fälle der Angehörigen- oder Arbeitnehmerbürgschaften BGH NJW 2001, 2466.

Teil 1 – B. Deutschland

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richten, aufzuheben oder nicht aufzuheben“, ist gem. §  2302 BGB nichtig.2 Der Schutz der Testierfreiheit schränkt hier die Vertragsfreiheit ein. Auch außerhalb des Erbrechts sind Verträge nichtig, wenn sich eine Partei darin verpflichtet, ihr künftiges Vermögen oder einen prozentualen Anteil hiervon jemand anderem zu übertragen oder mit einem Nießbrauch zu belasten (vgl. §  311b Abs.  2 BGB). Die Besonderheit besteht hier darin, dass das Vermögen selbst Vertragsgegenstand ist und daher alle – auch völlig unerwartete – künftigen Entwicklungen der Vermögensverhältnisse im Ergebnis nur noch den Vertragspartner und nicht mehr den eigentlich Berechtigten treffen. §  311b Abs.  2 BGB soll deshalb davor schützen, dass durch eine vertragliche Bindung des zukünftigen Vermögens die wirtschaftliche Entfaltungsfreiheit übermäßig eingeschränkt und wirtschaftliche Betätigungen gelähmt werden. Zudem wurde befürchtet, dass solche Verträge in der Praxis zu unabsehbaren Verwicklungen führen.3 Ihr Verbot soll letztlich dem materiellen Gehalt der Vertragsfreiheit Geltung verschaffen.4 Andererseits sieht das BGB aber die Möglichkeit vor, einen Erbvertrag (§  2274 BGB) zu schließen oder ein gemeinschaftliches Testament (§  2265 BGB) zu verfassen. Hierdurch kann also sehr wohl bereits zu Lebzeiten künftiges Vermögen gebunden werden, weshalb die eben für das Verbot in §  311b BGB angeführten Argumente eigentlich auch insoweit Platz greifen müssten. Folgende Differenzen sollen jedoch die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen: Dem Erblasser bleibt auch nach Abschluss eines Erbvertrages seine lebzeitige Verfügungsfreiheit grds. erhalten (§  2286 BGB). Anders als dies wohl bei einer strengen (nicht erb-)vertraglichen Bindung des künftigen Vermögens der Fall wäre, ist er nicht schadensersatzpflichtig, wenn er Verfügungen trifft, die dem Erbvertrag entgegenlaufen. Eine Grenze zieht allein das Recht des Vertragserben, bestimmte Verfügungen nach dem Tode des Erblassers gem. §  2287 BGB wieder rückgängig zu machen. Der Erblasser bekommt die erbvertraglichen Bindungen daher zu Lebzeiten praktisch nicht zu spüren. Gleiches gilt für wechselbezüg­ liche Verfügungen (§  2270 BGB) im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testaments, auf die §  2287 BGB nach dem Tode des erstversterbenden Ehegatten ­entsprechend angewendet wird.5 Zudem sind die Möglichkeiten, wechselbezügliche Verfügungen im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testaments zu widerrufen (§  2271 BGB) oder von einem Erbvertrag zurückzutreten (§§  2293 ff. 2 

Siehe MüKoBGB/Musielak §  2302 BGB Rn.  1; Staudinger/Kanzleiter §  2302 BGB Rn.  3. Motive II, S.  186. 4 MüKoBGB//Kanzleiter §  311b BGB Rn.  88 mwN. 5  BGH DNotZ 1951, 344; NJW 1958, 547; FamRZ 1965, 41; NJW 1976, 749; NJW 1982, 43; NJW 1983, 1487; J. Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §  2287 BGB Rn.  15; Staudinger/Kanzleiter §  2287 BGB Rn.  2; für eine analoge Anwendung des §  2287 BGB auch auf Verfügungen zu Lebzeiten beider Ehegatten MüKoBGB/Musielak §  2271 BGB Rn.  45; v. Dickhuth-Harrach FamRZ 2005, 322. 3 

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

BGB), gegenüber dem allgemeinen Vertragsrecht teilweise erleichtert, die Bindung also etwas gelockert. Künftiges Vermögen wird als solches in einem nicht unerheblichen Umfange auch durch das Pflichtteilsrecht gebunden. Entstehungsgrund der Verpflichtung des Erblassers gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten ist jedoch nicht eine freiwillig eingegangene Selbstbindung, die ihre Rechtfertigung aus dem Prinzip der Vertragsfreiheit und der Parteiautonomie bezieht. Vielmehr beruht die Bindung hier auf übergeordneten gesetzgeberischen Wertungen, 6 die es rechtfertigen, die Verfügungsfreiheit des Erblassers in einem gewissen Rahmen einzuschränken. Auch die Bindung des Erblassers gegenüber den Pflichtteilsberechtigten macht sich aber wiederum zu seinen Lebzeiten praktisch nicht bemerkbar. Die Möglichkeiten des Erblassers, sein Vermögen zu Lebzeiten zu verbrauchen oder zu verschenken, werden durch das Pflichtteilsrecht grundsätzlich nicht behindert. Allerdings können die Pflichtteilsberechtigten, ähnlich wie der Vertragserbe, bestimmte Verfügungen nach dem Tode des Erblassers wieder rückgängig machen. II. Regelungszweck und Grundgedanken der Pflichtteilsergänzungsansprüche und des §  2287 BGB Über den Regelungszweck der Pflichtteilsergänzungsansprüche und des §  2287 BGB geben die Motive und die Protokolle zum BGB hinreichend Aufschluss. So begründen die Motive die Einführung des heutigen §  2287 BGB mit dem Ziel des Schutzes „des Vertragserben gegen den Missbrauch des Verfügungsrechtes seitens des Erblassers“.7 In den Protokollen wird dann weiter ausgeführt: „Die juristische Natur des Erbvertrages führe nicht dazu, den Erblasser in der Verfügung über sein Vermögen bei Lebzeiten zu beschränken. Der Erbvertrag gebe den Vertragserben den Anspruch, dasjenige Vermögen des Erblassers, welches bei seinem Tode vorhanden sei, als Erbe zu erhalten. Darauf, daß Vermögen vorhanden sei, habe der Vertragserbe an sich keinen Anspruch. Der Entwurf und die Anträge gingen aber davon aus, daß der wirtschaftliche Zweck des Erbvertrages es nothwendig mache, dem Erblasser hinsichtlich der Verfügungen unter Lebenden gewisse Schranken zu setzen. Es sei zweifelhaft, wie weit man in dieser Hinsicht zu gehen habe. Der Entwurf und die sämtlichen Anträge wollten einem Mißbrauche des Verfügungsrechts des Erblassers durch Schenkungen entgegentreten, wichen aber im Einzelnen von einander ab.“8

Im Hinblick auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch heißt es auf S.  449 der Motive: „Das geltende Recht sucht dem vorzubeugen, dass der Erblasser den Pflichttheil durch freigebige Geschenke unter Lebenden beeinträchtige. Fast ausnahmslos wird ein Schutz 6 

Siehe hierzu S. 22 ff. Motive S.  327 f.; Mugdan, Die gesamten Materialen zum Bürgerlichen Gesetzbuch V, S.  173. 8  Achilles/Spahn/Gebhard, Protokolle, Bd. V, S.  390. 7 

Teil 1 – B. Deutschland

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des Berechtigten dadurch zu erreichen gesucht, daß die Schenkungen für anfechtbar erklärt werden und dem Berechtigten ein Anspruch gegen den Beschenkten gewährt wird. In der Ausgestaltung dieses Anspruches und in der Feststellung der Voraussetzungen, unter welchen solche Schenkungen dem Angriffe unterliegen, ist das geltende Recht verschieden. Der Entwurf kann sich umso weniger der Aufgabe entziehen, dem Berechtigten gegen Freigiebigkeiten des Erblassers unter Lebenden einen Schutz zuzubilligen, als er im §  1952 (heute §  2287 BGB, der Verf.) sogar dem Vertragserben einen Schutz gegen Schenkungen des Erblassers gewährt.“9

Und auf S.  458 der Motive findet sich die Feststellung: „Hauptgrund und Hauptzweck des Anspruches (aus §  2325 BGB, der Verf.) ist, den Erblasser daran zu hindern, das Pflichtteilsrecht durch Schenkungen unter Lebenden zu vereiteln.“10

Schließlich soll auch noch auf die folgenden Ausführungen auf S.  585 der Protokolle hingewiesen werden: „Grundsätzlich müssten Beschränkungen der Schenkungen unter Lebenden mit Rücksicht auf die Pflichtteilsberechtigten als ungerechtfertigt gelten, denn das Pflichttheilsrecht sei, wie man es auch konstruiere, materiell ein Recht auf einen Teil des Nachlasses. Da jedoch hiernach der Erblasser in der Lage sein würde, durch Schenkungen das Recht des Pflichttheilsberechtigten mittelbar ganz zu vereiteln, so nöthige das praktische Bedürfnis dazu, den Schutz des Pflichtteilsberechtigten auch auf die freigebigen Verfügungen unter Lebenden zu erstrecken. Wie weit der Gesetzgeber hierbei gehen solle, müsse unter Abwägung der Interessen aller Betheiligten, der Pflichttheilsberechtigten, des Beschenkten und des Erblassers selbst, nach Billigkeit entschieden werden.“11

Die Parallelität der Zielsetzungen von §  2287 BGB einerseits und §§  2325, 2329 BGB andererseits wird aus diesen Ausführungen sehr deutlich. Beides sind Hilfsvorschriften zur Durchsetzung der vom Erblasser zu Lebzeiten eingegangenen oder ihm von Gesetzes wegen auferlegten Bindungen. Diese Bindungen sind jedoch jeweils nicht so stark, dass sie die Verfügungsfreiheit des Erblassers schon zu Lebzeiten einschränken oder aufheben würden. Vielmehr sollen ihm Verfügungen, auch unentgeltliche, weiterhin grds. gestattet bleiben. Erst dann, wenn die Verfügungsfreiheit durch den Erblasser dazu verwendet wird, sich seiner Beschränkungen auf eine missbräuchliche Art und Weise zu entledigen, entfalten die Bindungen lebzeitige Vorwirkungen und führen dazu, dass Verfügungen nachträglich rückabgewickelt werden können. In der Literatur wird dagegen oftmals vorgebracht, dass die Verhinderung eines Missbrauchs durch den Erblasser nicht der Grundgedanke des Pflichtteilsergänzungsanspruchs sei, sondern dass dieser vielmehr darin bestehe, „daß der Erblasser ethisch und sozial gehalten sei, die Hälfte des während seines Lebens 9 

Mugdan, Die gesamten Materialen zum Bürgerlichen Gesetzbuch V, S.  239. Mugdan, Die gesamten Materialen zum Bürgerlichen Gesetzbuch V, S.  244. 11  Achilles/Spahn/Gebhard, Protokolle, Bd. V, S.  585. 10 

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

angesammelten Vermögens, seinen Pflichtteilsberechtigten zu hinterlassen.“12 Hier wedelt dann allerdings der Schwanz mit dem Hund. Natürlich ist es Aufgabe des Pflichtteilsergänzungsrechts, dem Pflichtteilsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, und die Aufgabe des Pflichtteilsrechts ist nun wiederum so, wie sie von der Literaturmeinung beschrieben wird. Für die Frage, in welchen Grenzen die Durchsetzung des Pflichtteilsrechts über das Ergänzungsrecht ermöglicht werden sollte und welche subjektiven oder objektiven Voraussetzungen auf Seiten des Erblassers dabei erfüllt sein müssen, ist damit jedoch herzlich wenig gewonnen. Die Kritik zielt insoweit auch meist nur gegen eine Grenzziehung über das Kriterium „Missbrauch der Verfügungsmacht“, wobei stillschweigend davon ausgegangen wird, das mit diesem Kriterium zwingend auch subjektive Anforderungen an die Vorstellungen des Erblassers (Beeinträchtigungsabsicht) verbunden sind. Gerade dieses ist, wie der weitere Verlauf der Untersuchung noch zeigen wird, aber oft nicht der Fall. Der neuralgische Punkt ist – für das Pflichtteilsergänzungsrecht genauso wie für den Anspruch aus §  2287 BGB – die richtige Grenzziehung zwischen zulässigen und „missbräuchlichen“ Verfügungen des Erblassers, die Suche nach dem richtigen Maß. Ausschlaggebend für die Grenzziehung ist wiederum, wie insbesondere aus der Stellungnahme auf S.  585 der Protokolle deutlich wird, die Bewertung und Abwägung der Interessen der beteiligten Personen (Erblasser, Berechtigter und Beschenkter). Es stellt sich daher die Aufgabe, die jeweils geschützten Positionen herauszuarbeiten, zu bewerten und zueinander ins Verhältnis zu setzen. Anschließend muss dann der passende Regelungsmechanismus gefunden werden. III. Erbverträge §  2287 Abs.  1 BGB bestimmt: „Hat der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern.“

Nach ganz h. M. wird diese Vorschrift auch analog auf einen Erblasser angewendet, der nach dem Tod seines Ehegatten durch ein gemeinschaftliches Testament gebunden ist.13 12  Reinicke NJW 1973, 597, 598 mit Bezugnahme auf Vaerst in der Zusammenstellung der gutachterlichen Äußerungen zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, Bd. V, 1967, S.  111. 13  BGH DNotZ 1951, 344; NJW 1958, 547; FamRZ 1965, 41; NJW 1976, 749; NJW 1982, 43; NJW 1983, 1487; J. Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §  2287 BGB Rn.  15; Staudinger/Kanzleiter §  2287 BGB Rn.  2; für eine analoge Anwendung des

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§  2287 BGB setzt sich auf der Tatbestandsseite aus einem objektiven Element – dem Vorliegen einer Schenkung – und einem subjektiven Element – der Beeinträchtigungsabsicht – zusammen. Weiterhin ist erforderlich, dass der Vertragserbe durch die Zuwendung objektiv beeinträchtigt wurde. 1. Der Begriff der Schenkung Schon um den Schenkungsbegriff ranken sich zahlreiche Probleme, die hier nur, soweit wie für den Rückholanspruch erforderlich, zu erörtern sind. Grundsätzlich entspricht der Schenkungsbegriff in §  2287 BGB demjenigen in §§  516 ff. BGB.14 Voraussetzung ist daher eine zumindest teilweise Unentgeltlichkeit der Zuwendung, eine Entreicherung des Schenkers, eine Bereicherung des Beschenkten sowie eine Einigung zwischen Schenker und Beschenktem über die Unentgeltlichkeit.15 Unentgeltlichkeit liegt vor, wenn die Zuwendung aufgrund gesetzlicher Vorschriften oder aufgrund des Parteiwillens nicht von einer eigenen Zuwendung des Empfängers abhängig sein soll.16 Von anderen unentgeltlichen Rechtsgeschäften unterscheidet sich die Schenkung dadurch, dass der Vermögensgegenstand dauerhaft in das Vermögen des Beschenkten übergehen soll und ihm nicht nur, wie etwa bei der Leihe (§§  598 ff. BGB), ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht übertragen wird.17 Daher stellt nach herrschender Meinung etwa die Einräumung eines unentgeltlichen Wohnrechts keine Schenkung dar.18 a) Gemischte Schenkungen Von §  2287 BGB erfasst wird auch die sog. gemischte Schenkung, d. h. eine Schenkung, bei der ein Teil der Zuwendung entgeltlich und ein anderer unentgeltlich vorgenommen wird.19 Die Bewertung der wechselseitig erbrachten Leistungen richtet sich dabei zunächst nach der subjektiven Einschätzung der Parteien (sog. Prinzip der subjektiven Äquivalenz).20 Handelt es sich bei dem §  2287 BGB auch auf Verfügungen zu Lebzeiten beider Ehegatten MüKoBGB/Musielak §  2271 BGB Rn.  45; v. Dickhuth-Harrach FamRZ 2005, 322. 14  BGH NJW 1972, 1709; NJW 1981, 1956; Bamberger/Roth/Litzenburger §  2 287 Rn.  2 ; Staudinger/Kanzleiter §  2287 BGB Rn.  3; Spellenberg FamRZ 1972, 349, 350; Keim ZEV 2002, 93. 15  Bamberger/Roth/Litzenburger §  2 287 Rn.  2 ; Staudinger/Chiusi §  516 BGB Rn.  8 ff.; ­MüKoBGB/J. Koch §  516 BGB Rn.  5 ff. 16  Lange, Erbrecht, Bd. 1, §  4 4 Rn.  74; Staudinger/Chiusi §  516 BGB Rn.  38; MüKoBGB/ J. Koch §  516 BGB Rn.  24 ff. 17 MüKoBGB/J. Koch §  516 BGB Rn.  1. 18  BGH NJW 1982, 820; NJW 1985, 1553; ZEV 2008, 192; Staudinger/Chiusi §  516 BGB Rn.  9; MüKoBGB/J. Koch §  516 BGB Rn.  7 mwN. 19 BGH NJW-RR 1989, 259; Bamberger/Roth/Litzenburger §  2 287 Rn.  2 ; J. Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §  2287 BGB Rn.  16. 20  BGH NJW 1995, 1349; NJW 1986, 1755; MüKoBGB/J. Koch §  516 BGB Rn.  21; J. Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §  2287 BGB Rn.  19; Strunz, Der Anspruch des Vertrags- oder Schlußerben wegen beeinträchtigender Schenkungen, S.  69 ff.

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

Begünstigten um einen nahen Familienangehörigen, soll der Einschätzungsspielraum nach der Rechtsprechung zudem besonders groß sein.21 Bei einem groben Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung und dem Wert der Gegenleistung im Zeitpunkt der Zuwendung wird allerdings eine Einigung über die teilweise Unentgeltlichkeit grds. vermutet.22 Wann ein Missverhältnis als grob angesehen werden kann und mit welchen Werten Leistung und Gegenleistung im Einzelfall konkret anzusetzen sind, ist jedoch ex ante schwer abzuschätzen. Tarnt der Erblasser seine Schenkung geschickt als gegenseitiges Rechtsgeschäft, ist eine Klage des Vertragserben aufgrund der Beweislage meist riskant.23 Allein aus der Bezeichnung als „vorweggenommene Erbfolge“ lässt sich noch keine Einigung über die Unentgeltlichkeit einer Zuwendung ableiten 24 und außerhalb des engen Anwendungsbereichs der §§  685 II, 1620 BGB besteht auch keine Vermutung dafür, dass Leistungen zwischen nahen Verwandten Schenkungen darstellen. b) Unbenannte Zuwendungen bzw. Güterstandswechsel Inwieweit unbenannte Zuwendungen zwischen Ehegatten unter §  2287 BGB fallen, ist in der Literatur umstritten.25 Kanzleiter spricht insoweit von einer „unendlichen Geschichte“.26 Der Streit dreht sich hauptsächlich darum, ob die Ehe eine hinreichende causa darstellt, um die Unentgeltlichkeit der Zuwendung entfallen zu lassen. Der BGH wendet §  2287 BGB grds. an, verneint aber eine Unentgeltlichkeit der Zuwendung, wenn diese unterhaltsrechtlich geschuldet war oder ihr eine konkrete Gegenleistung (bspw. Mitarbeit im Betrieb des Ehepartners vor Eingehung der Ehe, Alterssicherung etc.) gegenübersteht, die durch die Zuwendung ganz oder zum Teil abgegolten werden soll.27 Auch die 21  BGH FamRZ 1970, 376; a. A. Strunz, Der Anspruch des Vertrags- oder Schlußerben wegen beeinträchtigender Schenkungen, S.  74 f. 22  BGHZ 59, 132, 136; 82, 274, 282; 116, 178, 183; J. Mayer in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §  2287 BGB Rn.  20 f. 23  Keim ZEV 2002, 93; J. Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §  2287 BGB Rn.  17 ff. 24  BGH NJW 1995, 1349; Keim ZEV 2002, 93, 94. 25  Für grds. Entgeltlichkeit Morhardt NJW 1987, 1734; Kues FamRZ 1992, 924; für grds. Unentgeltlichkeit Sandweg NJW 1989, 1965; Draschka DNotZ 1993, 100; Arend MittRhNotK 1990, 65; Brambring ZEV 1996, 248, 251; differenzierend Staudinger/Kanzleiter §  2287 BGB Rn.  3a; Klingelhöffer NJW 1993, 1097; Kollhosser NJW 1994, 2313; Langenfeld NJW 1994, 2133; J. Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §  2287 BGB Rn.  30 mwN. 26 Staudinger/Kanzleiter (2007) §  2 287 BGB Rn.  3a. 27  BGH NJW 1992, 564; s. a. OLG Karlsruhe ZEV 2000, 108, 109 f.; Anders werden unbenannte Zuwendungen hingegen behandelt, wenn es um die Frage des güterrechtlichen Ausgleichs der Ehegatten untereinander nach einer Scheidung geht, siehe BGH NJW 1983, 1611; NJW-RR 1989, 66; zustimmend zu dieser Differenzierung J. Mayer, in: Reimann/Bengel/

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Begründung einer Gütergemeinschaft kann nach der Rechtsprechung ausnahmsweise eine Schenkung i. S. d. §  2287 BGB darstellen.28 Unentgeltlichkeit wird allerdings nur dann angenommen, wenn mit der Vereinbarung der Gütergemeinschaft ehefremde Zwecke verfolgt werden. 29 Wann das der Fall sein soll, erläutert der BGH in seiner Entscheidung vom 27. November 1991 wie folgt: „In Betracht kommen kann eine derartige Annahme, wenn nach einem einheitlichen Plan zunächst Gütergemeinschaft und nach einiger – auch längerer – Zeit ein anderer Güterstand vereinbart wird (…), oder wenn es sich etwa um die nachträgliche Verschiebung wertvoller Gegenstände aus dem Vorbehaltsgut eines Ehegatten in das des anderen (…) handelt. (…) Ein gewichtiges Anzeichen für die Verfolgung ‚ehefremder Zwecke‘ kann es aber auch sein, wenn Gütergemeinschaft kurz vor dem Tode eines Ehegatten vereinbart wird, oder wenn für die Auseinandersetzung dem zunächst weniger begüterten Teil eine höhere Quote eingeräumt wird, als §  1476 BGB vorsieht, oder auch wenn ein Ehevertrag nur deshalb geschlossen wird, um pflichtteilsberechtigte Angehörige zu benachteiligen.“30

c) Zuwendungen an Stiftungen Die Errichtung einer Stiftung (§§  80 ff. BGB) ist ein einseitiges Rechtsgeschäft des Stifters, weshalb es an einer Vereinbarung über die Unentgeltlichkeit und mithin an einer Schenkung fehlt.31 Umstritten ist, inwieweit die Regeln für die Schenkung gleichwohl analog angewendet werden können.32 Die inzwischen ganz herrschende Ansicht bejaht eine Analogie und beruft sich neben der vergleichbaren Interessenlage vor allem auf die Materialien zum BGB.33 Mayer, Testament und Erbvertrag, §  2287 BGB Rn.  30; Brambring ZEV 1996, 248, 250; s. a. grundlegend Pölzig JZ 2012, 425. 28  BGH NJW 1992, 558; so auch schon das Reichsgericht in RGZ 87, 301; zu den insoweit bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten und ihren jeweiligen Gefahren ausführlich Wegmann ZEV 1996, 201, 203 ff.; Brambring ZEV 1996, 248, 252 ff. 29  BGH NJW 1992, 558, 559; MüKoBGB/Musielak §  2 287 BGB Rn.  5. 30  BGH NJW 1992, 558, 559; zur Problematik der sog. Güterstandsschaukel s. auch Wegmann ZEV 1996, 201, 206 f.; Röthel AcP 212 (2012), 157, 177 ff.; Lange Hereditare 2 (2012), 59, 71 f. mwN. 31  LG Baden-Baden ZEV 1999, 152; Röthel ZEV 2006, 8, 9; Rawert/Katschinski ZEV 1996, 161, 162; Dutta, Vermögenssicherung durch Stiftung, S.  70, 87; Werner ZEV 2007, 560, 561; ausführlich Muscheler AcP 203 (2003), 469, 473 mwN. 32  Für eine Analogie RGZ 54, 399; LG Baden-Baden ZEV 1999, 152; Muscheler AcP 203 (2003), 469, 486; Rawert/Katschinski ZEV 1996, 161, 162 ff.; Staudinger/Olshausen §  2325 BGB Rn.  39; MüKoBGB/Lange §  2325 BGB Rn.  42; Röthel ZEV 2006, 8, 9; Werner ZEV 2007, 560, 561; Jakob, Schutz der Stiftung, S.  278 ff.; Schwab, Der Schutz der Pflichtteilsberechtigten vor einer Aushöhlung ihrer Rechte durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden, S.  115 ff.; ablehnend bzw. Einschränkungen fordernd KG, OLGE 6, 330; Soergel/Dieckmann §  2325 Rn.  33; MüKoBGB/Weitemeyer §  81 BGB Rn.  20 f.; §  82 BGB Rn.  7 ff.; Medicus FS Heinrichs, S.  381, 388 ff. 33 Ausführlich Muscheler AcP 203 (2003), 469, 487 ff.; In den Materialien findet sich unter anderem die im Rahmen der zweiten BGB-Kommission geäußerte Ansicht: „so treffe doch der innere Grund, welcher zur Beschränkung der Schenkungen geführt habe, so sehr bei der Er-

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Neben dem fehlenden Vertragscharakter sind zudem die Entreicherung des Stifters durch die Ausstattung der Stiftung und die Bereicherung der Stiftung problematisiert worden.34 So hatte das Reichsgericht 1905 entschieden, dass eine Schenkung dann nicht vorliege, wenn ein Verein eine ihm gestiftete Summe seinem Satzungszweck entsprechend ausgegeben habe.35 Der Verein sei in diesem Falle nicht endgültig und materiell bereichert, sondern verwende die Mittel nur als Treuhänder nach Auftragsrecht.36 Nur vier Jahre später rückte das Reichsgericht in der Sache37 allerdings von dieser Rechtsprechung wieder ab und stellte in einem steuerrechtlichen Fall fest:38 „Es ist aber auch nicht zuzugeben, dass es in dem vorausgesetzten Falle der unentgeltlichen Zuwendung an eine bestimmte Zwecke verfolgende juristische Person an der wirklichen (materiellen) und endgültigen Bereicherung, wie sie die Schenkung erfordert, fehle. Eine solche juristische Person, sei es ein Verein oder eine Anstalt, besteht niemals um ihrer selbst willen, sondern um des Zweckes willen, dem sie ihr Dasein verdankt. Wer ihr etwas ohne Gegenleistung zuwendet, will damit ihre Zwecke fördern. Indem er dies tut, dem Vereine oder der Anstalt die Mittel gewährt, die sie befähigen, ihrem Daseinszweck in vollkommenerer Weise gerecht zu werden, als es ohne die Zuwendung möglich wäre, bereichert er sie, nicht bloß formal, sondern materiell und endgültig. Die juristische Person ist von ihrem Zwecke nicht zu trennen, was sie diesem widmet, verwendet sie für sich selbst.“

Diese Grundsätze sind inzwischen weitgehend anerkannt.39 Eine Bereicherung einer Stiftung scheidet somit nicht schon dann aus, wenn die Stiftung die ihr zugewandten Mittel entsprechend ihrem Stiftungszweck verwendet. Die Stifrichtung von Stiftungen zu, daß man darauf vertrauen dürfe, die Praxis und die Wissenschaft würden im Wege der Analogie von selbst zur Anwendung der Bestimmungen über die Schenkung gelangen.“ siehe Mugdan, Die gesamten Materialen zum Bürgerlichen Gesetzbuch V, 798. 34  Schwab, Der Schutz der Pflichtteilsberechtigten vor einer Aushöhlung ihrer Rechte durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden, S.  116 ff. 35  RGZ 62, 386; s. a. Rawert NJW 2002, 3151, 3152. 36  Das Reichsgericht stützte sich hierfür auch auf die folgende Bemerkung in den Protokollen für die Zweite Lesung des Entwurfs zum Bürgerlichen Gesetzbuch: „Von einer Seite wurde darauf hingewiesen, dass z. B. Beiträge, die zu einem durch das Zusammenwirken Vieler zu erreichenden Zwecke gegeben werde, etwa zur Errichtung eines Denkmals für einen verdienten Mann, keine Geschenke seien, auch nicht als solche angesehen würden, und dass es sich ebenso verhalte mit Beiträgen zu wohltätigen Zwecken; zwar seien die Wohltaten, die mit den gesammelten Geld erwiesen werden sollen, Geschenke; aber diejenigen, welche zusammentreten, um die Mittel zur Erweisung der Wohltaten aufzubringen, wollen nicht den Geschäftsführern, dem Vereine oder der Anstalt ein Geschenk machen, sondern sich an dem Unternehmen mit dem gespendeten Gelde beteiligen, sei es als eigentlich, sei es als stille Gesellschafter.“ Siehe Protokolle Bd. 2, S.  4. 37  Allerdings wollte sich das Reichsgericht nicht in direkten Widerspruch zu seiner früheren Entscheidung setzen, s. RGZ 71, 140, 144. 38  RGZ 71, 140, 143. 39  BGH NJW 2004, 1382; LG Baden-Baden ZEV 1999, 152; Rawert NJW 2002, 3151, 3152; Dutta, Vermögenssicherung durch Stiftung, S.  70, 86; vgl. auch RGZ 105, 305; RGZ 112, 110; anders aber OLG Dresden NJW 2002, 3181.

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tung wird nicht automatisch als Treuhänder und das Stiftungsvermögen als treuhänderisch gebunden angesehen. Wie der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahre 2003 ausgeführt hat, ist für die Annahme eines Treuhandverhältnisses vielmehr erforderlich, dass die Zuwendung allein zu dem Zweck erfolgt, das Vermögen zugunsten anderer zu verwenden oder dass das Vermögen wieder an den Stifter oder einen Dritten zurückfällt, wenn der Stiftungszweck unmöglich oder der Stifter insolvent wird.40 Die Stiftung muss das Vermögen demnach nur vorübergehend für den eigentlich Berechtigten verwahren und es ihm nach dem Abschluss des Sonderzweckes, z. B. Unterstützung einer Sammlung, wieder aushändigen. Verbleibt das Vermögen hingegen dauerhaft bei der Stiftung oder wird es für ihre satzungsmäßigen Zwecke ausgegeben, ist die Stiftung bereichert.41 Zweifel an der Unentgeltlichkeit der Zuwendung können auch dann bestehen, wenn der Stifter aus der Zuwendung einen unmittelbaren Nutzen zieht, er bspw. bei einer Familienstiftung durch die Zuwendungen der Stiftung an die Destinatäre von seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht befreit wird. Auch hier will die h. M. gleichwohl die Schenkungsregeln analog anwenden, da letztlich die Leistung nicht auf die fremde Schuld des Stifters erfolgt, sondern nach den Geboten der Stiftungssatzung.42 Für die Beurteilung der Unentgeltlichkeit sei zudem allein das Verhältnis Stifter – Stiftung maßgeblich und nicht das Verhältnis des Stifters zu einem beliebigen Dritten.43 Eine ältere Ansicht in der Literatur hat auch die Entreicherung des Stifters bestritten, da dem Willen des Stifters durch die Stiftungssatzung nach wie vor Bedeutung zukomme, dieser quasi „zum Gesetz erhoben“ werde, während bei einer Schenkung die Dispositionsgewalt des Beschenkten durch den Willen des Schenkers nicht mehr gebunden sei.44 Auch diese Einschränkung hat sich allerdings nicht durchgesetzt. Das Stiftungsrecht setzt der Verfügungsgewalt des Stifters enge Grenze: Der durch den Stiftungszweck einmal festgelegte Wille des Stifters wird „versteinert“ und kann durch ihn nicht mehr ohne weiteres geändert werden. Eine Entreicherung des Stifters lässt sich daher kaum bezweifeln.45 40 BGH NJW 2004, 1382, 1383; siehe auch Reuter, Die unselbständige Stiftung, S.   203, 208 ff.; Rawert NJW 2002, 3151, 3152 f.; Muscheler AcP 203 (2003), 469, 475. 41 BGH NJW 2004, 1382, 1383. Ein weiteres Argument ist, dass schließlich auch eine Schenkung unter Auflage (§  525 BGB) eine Schenkung bleibt, selbst wenn die Auflage darin besteht, das geschenkte Vermögen zur Gänze einem Dritten zu übertragen. Umstritten ist dabei allerdings, ob dem Beschenkten zumindest ein immaterieller Vorteil verbleiben muss, so MüKoBGB/J. Koch §  525 BGB Rn.  5 f. 42  Muscheler AcP 203 (2003), 469, 476; Werner ZEV 2007, 560, 562f mwN; s. a. Dutta, Vermögenssicherung durch Stiftung, S.  70, 83 ff.; Rawert/Katschinski ZEV 1996, 161, 164 ff.; Fröhlich, Die selbständige Stiftung im Erbrecht, S.  105; a. A. Medicus FS Heinrichs, S.  381, 384, 388 ff. 43  Fröhlich, Die selbständige Stiftung im Erbrecht, S.  105. 44  Bekker, System des heutigen Pandektenrechts, Bd. I, §  69 Beilage I, S.  281. 45  Muscheler AcP 203 (2003), 469, 475.

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Auf Spenden oder das Stiftungskapital erhöhende Zustiftungen an eine bereits existierende Stiftung ist das Schenkungsrecht hingegen unmittelbar anwendbar.46 Eine Vereinbarung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung zwischen Stifter und Stiftung liegt hier regelmäßig vor. Dies gilt auch unabhängig davon, ob die Stiftung öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist und ob sie gemeinnützige Ziele verfolgt oder nicht.47 Nicht gelöst ist damit allerdings das Problem, dass Vermögen auch auf eine Stiftung ausländischen Rechts übertragen werden kann. Nach der Rechtsprechung des EuGH48 richten sich gesellschaftsrechtliche Fragen innerhalb der Europäischen Union grds. nach dem Recht des Gründungsortes der Gesellschaft.49 Das gilt auch für Stiftungen.50 Eine in Deutschland tätige Stiftung unterliegt daher ihrem Heimatrecht, wenn sie im europäischen Ausland gegründet wurde. 2. Objektive Beeinträchtigung des Vertragserben §  2287 Abs.  1 BGB setzt weiter voraus, dass der Vertragserbe durch die Schenkung objektiv beeinträchtigt wurde. Das ist immer dann der Fall, wenn der für den Vertragserben zur Verfügung stehende Nachlass durch die Schenkung gemindert wurde. Hätte der Erblasser den verschenkten Gegenstand aber auch durch letztwillige Verfügung zuwenden können, ohne gegen seine erbvertraglichen Bindungen zu verstoßen, dann wird der Vertragserbe durch die Schenkung nicht beeinträchtigt.51 Gleiches gilt, wenn der Beschenkte aufgrund von Pflichtteils- oder Zugewinnausgleichsansprüchen einen wertmäßig dem geschenkten Gegenstand entsprechenden Ausgleich hätte verlangen können.52 Eine Beeinträchtigung fehlt schließlich auch dann, wenn der Erblasser zum 46  BGH NJW 2004, 1382; Schiffer NJW 2004, 1565; Rawert NJW 2002, 3151; Werner ZEV 2007, 560, 562; s. aber auch OLG Dresden NJW 2002, 3181. 47  BGH NJW 2004, 1382; Ob Pflichtteilsergänzungsansprüche und Ansprüche benachteiligter Vertragserben auch bei Zuwendungen an gemeinnützige Stiftungen immer sachgerecht sind, wird jedoch zum Teil bezweifelt und de lege ferenda eine Privilegierung solcher Stiftungen gefordert, siehe Matschke FS Bezzenberger, S.  521, 527; mit Blick auf die österreichische Rechtslage Hüttemann/Rawert ZEV 2007, 107, 111 ff.; a. A. Röthel ZEV 2006, 8,12. 48  Vgl. EuGH NJW 1999, 2027 – Centros; NZG 2002, 1164 – Überseering; NZG 2003, 1064 – Inspire Art; NJW 2009, 569 – Cartesio. 49 MüKoBGB/v. Hein Art.  3 EGBGB Rn.  9 0 ff. 50  BGH NJW 2015, 623; eingehend Kronke, in: Frhr.v.Campenhausen u. a. (Hrsg.), Stiftungen in Deutschland und Europa, S.  361, 369 ff.; MüKoBGB/Kindler Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht Rn.  676. 51  So bspw. wenn im Erbvertrag ein entsprechender Vorbehalt vorgesehen ist s. BGHZ 82, 274, 278; Lange, Erbrecht, §  4 4 Rn.  77; MüKoBGB/Musielak §  2287 BGB Rn.  10. 52 BGHZ 116, 167, 175; BGHZ 88, 269, 272; s. a. Spellenberg NJW 1986, 2531. 2534 f.; Strunz, Der Anspruch des Vertrags- oder Schlußerben wegen beeinträchtigender Schenkungen, 109 ff. Nach BGH NJW 1980, 2307 soll dieses selbst dann gelten, wenn der Beschenkte wirksam auf sein Pflichtteilsrecht verzichtet hat. Der Pflichtteilsverzicht könne nämlich nach §  2351 wieder aufgehoben werden, ohne dass hierin eine Beeinträchtigung des Vertragserben

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Zeitpunkt der Zuwendung die vertragliche Bindung durch eine Anfechtung hätte beseitigen können 53 oder wenn die Schenkung im Rahmen der Erbteilung nach §  2050 Abs.  3 BGB wieder ausgeglichen wird.54 Da §  2287 Abs.  1 BGB nur den Nachlasswert als solchen und nicht eine bestimmte gegenständliche Zusammensetzung des Nachlasses sichern soll, scheiden Ansprüche gegen den beschenkten Dritten immer dann aus, wenn sich der Wert des Nachlasses durch die Zuwendung nicht zum Nachteil des Vertragserben vermindert hat. 3. Subjektive Voraussetzungen in der Person des Schenkenden: Beeinträchtigungsabsicht Der Wortlaut des §  2287 BGB spricht von „der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen.“ Wie sich sowohl den Motiven als auch den Protokollen zum BGB entnehmen lässt, haben sich die Verfasser des BGB bewusst für eine weitreichende Verfügungsfreiheit des Erblassers zu seinen Lebzeiten und für einen engen Anwendungsbereich des §  2287 BGB entschieden.55 Im ersten Entwurf war noch vorgesehen, dass der Vertragserbe grds. bei jeder ihn benachteiligenden Schenkung einen Bereicherungsanspruch gegen den Beschenkten erhalten sollte, ohne hierfür eine bestimmte Absicht des Erblassers nachweisen zu müssen.56 Lediglich Schenkungen, die durch eine sittliche Pflicht oder eine „auf den Anstand zu nehmende Rücksicht“ gerechtfertigt wären, sollten ausgenommen sein.57 Im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens konnte sich jedoch der urliegen würde; s. a. Fleischmann, Lebzeitige Verfügungsfreiheit bei erbrechtlicher Bindung und Pflichtteilsberechtigung, S.  198 ff.; Hülsmeier NJW 1981, 2043. 53  BGH ZEV 2006, 505; MüKoBGB/Musielak §  2 287 BGB Rn.  10. 54  BGHZ 82, 274, 278; Jauernig/Stürner §  2 287 BGB Rn.  2. 55  Frieser FS Picker, S.  249, 255; Sticherling, Schenkungen in fraudem testamenti, S.  98 ff., 138 ff., 157 f. 56  Mugdan, Die gesamten Materialen zum Bürgerlichen Gesetzbuch V, Motive S.   173 f. §  1952 (heute §  2287 BGB) hätte folgendermaßen lauten sollen: „Hat der Erblasser nach dem Abschlusses des Erbvertrages eine Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe nach dem Anfalle der Erbschaft von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes nach den für die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung geltenden Vorschriften fordern (…) Auf Schenkungen durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird, finden diese Vorschriften keine Anwendung.“ Siehe Mugdan, Die gesamten Materialen zum Bürgerlichen Gesetzbuch V, Protokolle S.  741; siehe auch ausführlich Sticherling, Schenkungen in fraudem testamenti, S.  122 ff., 135; Lemcke, Ansprüche des Vertragserben wegen beeinträchtigender Schenkungen, S.  115. 57  Mugdan, Die gesamten Materialen zum Bürgerlichen Gesetzbuch V, Motive S.  173 f. Der im preußischen ALR verfolgte Ansatz, nur übermäßige Schenkungen, die insgesamt die Hälfte des Nachlasswertes übersteigen, einzubeziehen, wurde nach einer längeren Diskussion als unpraktikabel verworfen. Gleiches galt für die noch im ersten Entwurf vorgesehene Möglichkeit, den Erblasser bei Verschwendung der Erbmasse durch den Vertragserben entmündigen zu lassen, s. Sticherling, Schenkungen in fraudem testamenti, S.  140; Lemcke, Ansprüche des Vertragserben wegen beeinträchtigender Schenkungen, S.  117 f.; Fleischmann, Lebzeitige Verfügungsfreiheit bei erbrechtlicher Bindung und Pflichtteilsberechtigung, S.  175 ff.

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sprüngliche Antrag nicht durchsetzen. In den Protokollen wird hierzu ausgeführt: „Offenbar bietet die Regelung des Entwurfs den Vorzug der Einfachheit. Es sei darauf hingewiesen, dass die Untersuchung darüber, welche Absichten der Erblasser bei einer Handlung gehabt habe, stets misslich sei, und dass in vielen Fällen, wenn der Erblasser mehrere Zwecke im Auge gehabt habe und der Dolus nicht offensichtlich prävaliere, der Vertragserbe schutzlos sein würde (…) Sachlich ständen aber dem Entwurf erhebliche Bedenken entgegen (…) Der Kreis der Schenkungen, welche durch den Anstand oder eine sittliche Pflicht geboten seien, sei ein beschränkter; insbesondere sei nicht jede Schenkung, welche vom sittlichen Standpunkt aus gut oder zweckmäßig sei, im Sinne des (…) [Entwurfs] auch geboten. (…) Allerdings sei nun gesagt: (…) Wer einen Erbvertrag abgeschlossen habe, dürfe später seinen Neigungen und Liebhabereien nicht in der Weise nachgehen, dass er das Vermögen zum Nachteile des Vertragserben verschleudere. Die Rücksicht auf Treu und Glauben erfordere, dass er Schenkungen, die nicht durch Anstand oder eine sittliche Pflicht geboten seien, überhaupt unterlasse. Aber diese Auffassung werde dem Wesen des Erbvertrages nicht gerecht. Der Erblasser denke jedenfalls beim Abschlusse des Vertrages nicht daran, sich in dieser Weise dem Vertragserben zu unterwerfen. Das Gesetz dürfe eine so weitgehende Beschränkung der persönlichen Freiheit nicht begünstigen.“58

Im Ergebnis hat sich der Gesetzgeber daher im vollen Bewusstsein der mög­ lichen Beweisschwierigkeiten für die Voraussetzung einer Benachteiligungs­ absicht entschieden und dadurch den Tatbestand des §  2287 BGB stark ein­ geschränkt.59 Zugleich hat er angedeutet, dass bei einem Motivbündel eine ­Benachteiligungsabsicht nur angenommen werden kann, wenn die Beeinträchtigung des Vertragserben das dominierende Handlungsmotiv des Erblassers war. 60 Die Rechtsprechung und die herrschende Lehre sind dem zunächst gefolgt mit der Konsequenz, dass auf §  2287 BGB gestützte Klagen nur sehr selten erfolgreich waren. 61 Der Nachweis, dass es dem Erblasser vornehmlich darauf ankam, den verschenkten Gegenstand dem Vertragserben vorzuenthalten und nicht so sehr, ihn dem Beschenkten zu vermachen, lässt sich im Prozess kaum erbringen. Daher hatte die Rechtsprechung als Ausgleichsmöglichkeit die sog. Aushöhlungsnichtigkeit entwickelt und in Extremfällen beeinträchtigende Schenkungen nach §§  134, 138 BGB oder §  826 BGB bzw. wegen Umgehung des §  2271 Abs.  1 BGB als nichtig angesehen. 62 Die Kriterien für die Annahme einer Aushöhlungsnichtigkeit blieben allerdings unklar und die Ergebnisse der 58 

Mugdan, Die gesamten Materialen zum Bürgerlichen Gesetzbuch V, Protokolle S.  743. So auch Lemcke, Ansprüche des Vertragserben wegen beeinträchtigender Schenkungen, S.  118. 60  Spellenberg FamRZ 1972, 349, 354 f. 61  Spellenberg NJW 1986, 2531; Frieser FS Picker, S.  249, 252; Strunz, Der Anspruch des Vertrags- oder Schlußerben wegen beeinträchtigender Schenkungen, S.  14 ff. 62  Siehe etwa RGZ 139, 41, 43; BGH JZ 1954, 676; NJW 1958, 547; NJW 1960, 524; NJW 1961, 111; NJW 1964, 547; NJW 1968, 2052; NJW 1971, 188; FamRZ 1971, 641; s. a. Frieser FS Picker, S.  249, 252. 59 

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Rechtsprechung waren deshalb schwer vorhersehbar. 63 Das Schrifttum hat diesen Zustand stark kritisiert.64 Dieser Kritik schloss sich der IV. Senat des BGH in seiner Entscheidung vom 5. Juli 1972 an. Dabei gab er seine bisherige Rechtsprechung zur Aushöhlungsnichtigkeit auf und änderte im Gegenzug sein Verständnis der Benachteiligungsabsicht i. S. d. §  2287 BGB grundlegend. 65 Dazu führte er aus: „Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift [§  2287 BGB] ist allerdings (…) so eingeengt worden, daß die Vorschrift ihre Schutzfunktion nicht mehr erfüllen kann. Die Rechtsprechung fordert durchweg, daß der Wille, den Vertragserben zu beeinträchtigen, der ‚treibende‘ oder ‚eigentlich leitende‘ Beweggrund der Schenkung gewesen sein müsse (….) Es bedarf keiner näheren Darlegung, daß eine Benachteiligungsabsicht in diesem Sinne kaum je zu beweisen ist. (…) Einzelne Gerichtsentscheidungen haben auch bewußt erheblich geringere Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des geschädigten Vertragserben gestellt, um einer mißbräuchlichen Ausnutzung der Verfügungsfreiheit des Erblassers entgegenzutreten und damit die Schutzfunktion des §  2287 BGB wahren zu können (…) Nach Ansicht des Senats ist dieser Linie zu folgen. Die Auslegung muß dem Zweck der Vorschrift, den Vertragserben gegen den Mißbrauch des in §  2286 BGB gewährten Rechtes zu schützen, gerecht werden. Ist kein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers erkennbar, die Verfügung vielmehr ersichtlich darauf angelegt, daß anstelle des Vertragserben ein anderer sein wesentliches Vermögen ohne angemessenes Äquivalent erhält, so sollte die Anwendung der Vorschrift eigentlich nicht zweifelhaft sein. Die Anwendung darf nach Ansicht des Senats im Besonderen nicht davon abhängig sein, ob die Absicht, den Beschenkten zu begünstigen, oder die Absicht, den Vertragserben zu benachteiligen, die überwiegende Motivationskraft hat. Die beiden Absichten werden praktisch meist in untrennbarem Zusammenhang stehen. Daß der Wortlaut der Bestimmung einer solchen auf den Mißbrauch des Verfügungsrechts abgestellten Auslegung nicht entgegensteht, zeigt die Rechtsprechung zu den Gesetzesvorschriften des AnfG und der KO, die aus der Absicht des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, Rechtsfolgen herleiten (…).“66

§  2287 BGB dient der Rechtsprechung nunmehr als eine Art Generalklausel, in deren Rahmen eine umfassende Abwägung einerseits der Interessen des Erblassers an der Schenkung und andererseits der beeinträchtigten Erwerbsinteressen des Vertragserben vorgenommen wird. 67 Überwiegen letztere kann eine Benachteiligungsabsicht angenommen werden. Das entscheidende, von Spellen63  So der BGH selbst in NJW 1972, 240; siehe auch Mattern MDR 1960, 1; Strunz, Der Anspruch des Vertrags- oder Schlußerben wegen beeinträchtigender Schenkungen, S.  21; ­Sticherling, Schenkungen in fraudem testamenti, 157. 64  Siehe etwa Spellenberg FamRZ 1972, 349 mwN; Lange NJW 1963, 1571; Speckmann NJW 1971, 176; Boehmer FamRZ 1961, 253; Finger/Füser/Hamm/Weber FamRZ 1975, 251. 65  BGH NJW 1973, 240. 66  BGH NJW 1973, 240, 241 f. 67 Große-Wilde/Ouart/Burandt §  2 287 BGB Rn.  10 f.; Soergel/Wolf §  2 287 BGB Rn.  12; Spellenberg NJW 1986, 2531, 2536; Schindler ZEV 2005, 334; Strunz, Der Anspruch des Vertrags- oder Schlußerben wegen beeinträchtigender Schenkungen, 102 ff.; Fleischmann, Lebzeitige Verfügungsfreiheit bei erbrechtlicher Bindung und Pflichtteilsberechtigung, S.  180 ff.

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berg übernommene Abgrenzungskriterium68 ist insoweit das sog. lebzeitige Eigeninteresse. Was sich konkret dahinter verbirgt, ist allerdings nicht eindeutig. 69 Immerhin besteht jedoch inzwischen über einige typische Fallgruppen Einigkeit, in denen ein lebzeitiges Eigeninteresse angenommen werden kann.70 a) Sicherung der Altersvorsorge Will der Erblasser den Beschenkten durch die Schenkung dazu bewegen, ihn im Alter zu pflegen und zu versorgen, liegt eine Benachteiligungsabsicht regelmäßig nicht vor.71 Bereits an der Unentgeltlichkeit der Verfügung kann gezweifelt werden, wenn die erhoffte Pflege nicht bloß ein Motiv der Schenkung war, sondern eine tatsächliche Gegenleistung darstellen sollte.72 Je nach Höhe der Zuwendung und dem erwarteten Umfang und Zeitraum der Pflege kommt gleichwohl auch in einer solchen Situation eine teilweise Unentgeltlichkeit und eine gemischte Schenkung in Betracht. Eine Beeinträchtigungsabsicht kann auch nicht damit begründet werden, dass der Erblasser die erhoffte Altersversorgung von einem Dritten oder auch vom Beschenkten hätte billiger erhalten können.73 Das Interesse des Erblassers, seine Altersversorgung durch eine ihm genehme Person sicherzustellen und durch besondere Großzügigkeit die erwarteten Leistungen positiv zu beeinflussen, wird hier grundsätzlich höher gewertet als die Interessen des Vertragserben.74 Gleichwohl kann bei extremen Wertdifferenzen die Bewertung auch anders ausfallen, insbesondere wenn die Pflege und Versorgung des Erblassers bereits vor der Schenkung weitgehend sichergestellt war.75 Gleiches gilt, wenn durch die Schenkung nicht zu künftigen Pflegeleistungen motiviert, sondern 68  In seiner Entscheidung bezieht sich der BGH mehrfach auf den Aufsatz von Spellenberg FamRZ 1972, 349. Dieser schreibt auf S.  355: „Nach der gesetzlichen Regelung soll der Erblasser durch den Erbvertrag nicht in seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit behindert werden. Erst da, wo seine Rechtsgeschäfte nicht mehr von seinem lebzeitigen Eigeninteresse getragen werden, verläuft die Missbrauchsgrenze.“ Was Spellenberg unter dem Begriff des lebzeitigen Eigeninteresse genau versteht, führt er im Anschluss daran noch genauer aus, s. a. Spellenberg NJW 1986, 2531, 2536. 69  Krit. zu diesem Begriff Speckmann JZ 1974, 543, 544; Finger/Füser/Hamm/Weber FamRZ 1975, 251; Erman/S. u.T. Kappler §  2287 BGB Rn.  4; Strunz, Der Anspruch des Vertragsoder Schlußerben wegen beeinträchtigender Schenkungen, 45 ff., 101. 70 Kritisch zum methodischen Ansatz der Fallgruppenbildung J. Mayer in: Reimann/­ Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §  2287 BGB Rn.  66. 71 Staudinger/Kanzleiter §  2 287 BGB Rn.  13; Frieser FS Picker, S.  249, 254 mwN. 72  Siehe MüKoBGB/Musielak §  2 287 BGB Rn.  18; Spellenberg NJW 1986, 2531, 2537. 73  BGH FamRZ 1977, 539, 540; WM 1979, 442, 445; Spellenberg NJW 1986, 2531, 2537. 74  Auch das Interesse, die erheblich jüngere Ehefrau durch die Schenkung an sich zu binden und dadurch unter Umständen auch die Pflege und Versorgung im Alter sicher zu stellen, wurde vom BGH (NJW 1992, 2630) als hinreichendes lebzeitiges Eigeninteresse gewürdigt. 75  OLG Oldenburg FamRZ 1994, 1423; OLG Koblenz NJW-RR 2005, 883; MüKoBGB/ Musielak §  2287 BGB Rn.  18.

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für bereits geleistete Dienste, Pflege oder Unterstützung gedankt werden soll.76 Auch Betreuungsleistungen im weiteren Sinne (Einkäufe, Haushalt, Gartenarbeiten etc.) begründen ein lebzeitiges Eigeninteresse.77 Inwieweit die Versorgung von nahestehenden Personen und – nicht notwendigerweise pflichtteilsberechtigten – Angehörigen ein lebzeitiges Eigeninteresse darstellt, ist noch nicht vollständig geklärt.78 So hatte der BGH bspw. eine Schenkung an die (zweite) Ehefrau als missbräuchlich angesehen, die bezweckte, die Beschenkte dazu anzuhalten, sich später um die pflegebedürftigen Kinder des Erblassers zu kümmern.79 Jedenfalls die Sicherstellung der Versorgung des überlebenden Ehegatten scheint jedoch als rechtfertigendes Motiv anerkannt. 80 b) Pflicht- und Anstandsschenkungen Im BGB werden Pflicht- und Anstandsschenkungen als eine besondere Fallgruppe der unentgeltlichen Leistungen praktisch durchgehend gesondert behandelt (§§  534, 814, 1425 Abs.  2, 1641, 1804, 2113 Abs.  2, 2205, 2207, 2330 BGB). Die Unbeständigkeit des unentgeltlichen Erwerbs gegenüber Dritten greift für diese Schenkungen gerade nicht. 81 Ausweislich der Materialien zum BGB soll Gleiches auch für §  2287 BGB gelten.82 Die Bindung des Erblassers durch den Erbvertrag soll ihn nicht daran hindern, sich entsprechend den vorherrschenden moralischen und sittlichen Vorstellungen zu verhalten und bspw. in Not geratene Verwandte zu unterstützen oder seinen Kindern in einem angemessenen Umfang Hochzeits- oder Weihnachtsgeschenke zu machen. Voraussetzung ist jedoch, dass diese Geschenke in einem angemessenen Verhältnis zur wirtschaftlichen Lage des Erblassers stehen. 83 Eine Pflichtschenkung liegt dann vor, wenn die Vornahme der Zuwendung als moralisch geboten erscheint, ihre Unterlassung als anstößig empfunden würde.84 Der klassische Fall sind insoweit Unterhaltsleistungen an nahe Verwandte. Im Einzelfall können sie auch größeren Umfanges sein. Bei Anstandsgeschenken handelt es sich hingegen um Geschenke von beschränktem Um76 

BGH NJW 1076, 749; NJW 1978, 423, 424; Spellenberg NJW 1986, 2531, 2538. BGH NJW-RR 2012, 207 mAnm Wellenhofer JuS 2012, 360. 78 BGH NJW 1984, 731; NJW-RR 1986, 2; Nieder/Kössinger/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, §  12 Rn.  13; Spellenberg NJW 1986, 2531, 2538; Frieser FS Picker, S.  249, 254. 79  BGH NJW 1984, 731. 80  OLG Köln NJW-RR 1986, 327; Nieder/Kössinger/Kössinger, Handbuch der Testaments­ gestaltung, §  12 Rn.  13. 81  Nieder/Kössinger/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, §  12 Rn.  21. 82  Mugdan, Die gesamten Materialen zum Bürgerlichen Gesetzbuch V, Protokolle S.  743. 83  BGH WM 1979, 442, 444; WM 1980, 1366; OLG Koblenz MDR 1991, 235, 238; Große-­ Wilde/Ouart/Burandt §  2287 BGB Rn.  14; Soergel/Wolf §  2287 BGB Rn.  16; MüKoBGB/­ Musielak §  2287 BGB Rn.  18. 84  BGH NJW 1984, 2939, 2940; MüKoBGB/J. Koch §  534 BGB Rn.  2 ; Damrau/Krüger, Praxiskommentar Erbrecht, §  2287 BGB Rn.  7. 77 

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fang, die nach der Verkehrssitte üblicherweise zu bestimmten Anlässen (Hochzeit, Geburtstag, Weihnachten, Trinkgeld etc.) geleistet werden. 85 Ähnlich zu behandeln ist die Ausstattung eines Kindes (§  1624 BGB).86 Sowohl der Begriff der Anstandsschenkung als auch der Begriff der Pflichtschenkung sind aber letztlich wenig trennscharf und in einem hohen Maße für außerrechtliche Wertungen offen. 87 c) Schenkungen zu gemeinnützigen Zwecken und aus persönlichen Rücksichten Dass der erbvertraglich gebundene Erblasser nicht mehr sein gesamtes oder auch nur einen Großteil seines Vermögens unentgeltlich karikativen Einrichtungen zukommen lassen darf, ist unstreitig. 88 Fraglich ist jedoch, inwieweit solche Zuwendungen dem Erblasser im geringeren Umfang weiterhin möglich sind. Die Rechtsprechung nimmt hier eine Interessenabwägung im Einzelfall vor, wobei nach herrschender Ansicht als zusätzliche Gesichtspunkte auch berücksichtigt werden sollen, ob der Erblasser bereits vor Abschluss des Erb­ vertrages als Wohltäter in Erscheinung getreten ist, 89 ob für die Schenkung ein bestimmter Anlass (Notfälle, Katastrophen) besteht,90 sowie, ob die Schenkung nur die Erträge des Vermögens abschöpft oder auch den Vermögensstamm angreift.91 Insgesamt soll hier ein eher großzügiger Maßstab gelten, solange das wesentliche Vermögen für den Zugriff des Vertragserben erhalten bleibt. d) Weitere Fälle Ein lebzeitiges Eigeninteresse kann auch in der Absicht liegen, durch die Zuwendung eines Unternehmensanteils einen fähigen Mitarbeiter an das Unterneh­ men zu binden und dadurch den Fortbestand des Unternehmens zu sichern.92

85  BGH NJW 1984, 2939, 2940; NJW 1981, 111; MüKoBGB/J. Koch §  534 BGB Rn.  2 f.; Spellenberg NJW 1986, 2531, 2538. 86  Strunz, Der Anspruch des Vertrags- oder Schlußerben wegen beeinträchtigender Schenkungen, 89 f. 87  Krit. auch Schwab FS Kanzleiter, S.  365, 376 f. 88 Große-Wilde/Ouart/Burandt §   2287 BGB Rn.  15; MüKoBGB/Musielak §  2287 BGB Rn.  16; Soergel/Wolf §  2287 BGB Rn.  16; Strunz, Der Anspruch des Vertrags- oder Schlußerben wegen beeinträchtigender Schenkungen, 147 f. 89 Soergel/Wolf §   2287 BGB Rn.  16; Große-Wilde/Ouart/Burandt §  2287 BGB Rn.  15; ­MüKoBGB/Musielak §  2287 BGB Rn.  16. 90 MüKoBGB/Musielak §   2287 BGB Rn.  16; Große-Wilde/Ouart/Burandt §  2287 BGB Rn.  15. 91 Staudinger/Kanzleiter §  2 287 BGB Rn.  17; Bamberger/Roth/Litzenburger §  2 287 BGB Rn.  16; MüKoBGB/Musielak §  2287 BGB Rn.  16. 92  BGH NJW 1986, 1755; Nieder/Kössinger/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, §  12 Rn.  14; Große-Wilde/Ouart/Burandt §  2287 BGB Rn.  18.

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Nach herrschender, wenn auch umstrittener Ansicht, ist eine Beeinträchtigungsabsicht ebenfalls ausgeschlossen, wenn der Erblasser aufgrund veränderter Umstände vom Erbvertrag zurücktreten oder diesen anfechten könnte.93 Hier fehlt es an einer berechtigten Erberwartung und einem schützenswerten Interesse auf Seiten des Vertragserben. Die Absicht, durch lebzeitige Verfügungen für eine Gleichbehandlung seiner Kinder zu sorgen,94 begründet hingegen für sich genommen genauso wenig ein lebzeitiges Eigeninteresse wie eine langjährige freund- oder verwandtschaftliche Verbundenheit zum Beschenkten.95 4. Zeitliche Grenzen Der Anspruch aus §  2287 BGB verjährt innerhalb der regelmäßigen Frist von drei Jahren. Die Frist beginnt mit dem Erbfall (§  2287 Abs.  2 BGB).96 Der Zeitpunkt der Schenkung spielt hingegen, anders als bei §  2325 BGB, keine Rolle. Es können also auch noch Schenkungen angegriffen werden, die sehr lange, u. U. mehrere Jahrzehnte, zurückliegen.97 Der Schutz des Beschenkten ist in dieser Hinsicht damit geringer als im Rahmen der Pflichtteilsergänzung. Die Wertungsgesichtspunkte für diese Differenzierung leuchten jedoch nicht unmittelbar ein, insbesondere da die Voraussetzungen des §  2325 BGB auf Tatbestands­ ebene im Gegensatz dazu weniger streng sind.98 Ein Beispiel soll die Problematik eines zeitlich unbegrenzten Rückholanspruches zusätzlich verdeutlichen: Kunsthändler E schenkt, nachdem er mit seiner inzwischen verstorbenen Frau ein gemeinschaftliches Testament errichtet hatte, seinem Freund A in Beeinträchtigungsabsicht einen wertvollen Picasso. B, der jüngere Bruder des A, ist auf dieses Geschenk so neidisch, dass er kurzerhand bei E einbricht und ­einen vergleichbaren Picasso stiehlt. 35 Jahre nach diesen Ereignissen verstirbt der inzwischen hochbetagte E. Als die im gemeinschaftlichen Testament als Schluss­erbin eingesetzte Tochter T durch Sichtung mehrerer Unterlagen von 93 LG Gießen MDR 1981, 582; Soergel/Wolf §   2287 BGB Rn.  16; Große-Wilde/Ouart/ Burandt §  2287 BGB Rn.  17; Spellenberg NJW 1986, 2531, 2539; Lemcke, Ansprüche des Vertragserben wegen beeinträchtigender Schenkungen, 45 ff.; a. A. OLG Koblenz OLGZ 1991, 235, 240; MüKoBGB/Musielak §  2287 BGB Rn.  19; Strunz, Der Anspruch des Vertrags- oder Schlußerben wegen beeinträchtigender Schenkungen, 121 ff.; als ein veränderter und zur Anfechtung berechtigender Umstand kommt auch eine neue Eheschließung in Betracht (§§  2281, 2079 BGB), vgl. Remmele NJW 1981, 2290. 94  BGH NJW-RR 2005, 1462. 95  BGHZ 66, 8, 17; OLG Köln FamRZ 1992, 607, 608; Große-Wilde/Ouart/Burandt §  2 287 BGB Rn.  14. 96 Staudinger/Kanzleiter §  2 287 BGB Rn.  30; HK-BGB/Hoeren §  2 287 BGB Rn.  18. 97  Beispiel: Der 1915 geborene Erblasser schließt mit seiner Tochter 1965 einen Erbvertrag ab, in dem die Tochter als Alleinerbin eingesetzt wird. Nur ein Jahr später verschenkt er jedoch ein Grundstück in Benachteiligungsabsicht an seine neue Lebenspartnerin. Im Alter von 99 Jahren verstirbt der Erblasser 2015. Seine Tochter verlangt nun das Grundstück gem. §  2287 von den Erben der im Jahre 2000 verstorbenen früheren Lebenspartnerin des Erblassers zurück. 98  Hierzu ausführlich S. 62 ff.

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der Schenkung und dem Diebstahl erfährt, verlangt sie die Picassos von A und B zurück. A muss den Picasso analog §  2287 BGB99 auch tatsächlich heraus­ geben, während B ihn wegen der inzwischen eingetretenen Verjährung des Her­ ausgabeanspruches nach §  985 BGB behalten darf.100 Eine analoge Anwendung des §  197 Abs.  1 Nr.  2 BGB, an die in diesem Fall vielleicht gedacht werden könnte, kommt nicht in Betracht, weil es sich im Rahmen des §  2287 BGB nicht um eine Verjährungs-, sondern um eine Rückwirkungsproblematik handelt. IV. Pflichtteilsrecht 1. Einführung Das deutsche Pflichtteilsrecht, zumindest dasjenige der Kinder, wurde vom Bundesverfassungsgericht als Verfassungsgut eingeordnet.101 Es ist daher zu weiten Teilen der Disposition des einfachen Gesetzgebers entzogen. Gleichwohl gibt es in Bezug auf das Pflichtteilsrecht seit langem und gerade verstärkt in letzter Zeit eine heftig geführte Diskussion um dessen „Zeitgemäßheit“.102 Auch die letzte, zum 1. Januar 2010 umgesetzte Erbrechtsreform war mit dem Ziel gestartet, umfassende Änderungen und Anpassungen im Bereich des Pflichtteils vorzunehmen, die dann aber weitgehend ausblieben.103 Genauso wurden auf dem Juristentag 2010 unter dem Titel „Ist unser Erbrecht noch zeitgemäß?“ zwar umfangreiche Änderungen, auch im Zusammenhang mit dem Pflichtteilsrecht, diskutiert, dessen Berechtigung jedoch im Kern nicht angezweifelt.104 Auch die gesamteuropäische Entwicklung spricht eher für moderate Anpassungen als für radikale Neuerungen im Bereich des Pflichtteilsrechts.105 99  Nach ganz h. M. wird §  2 287 BGB analog auf einen Erblasser angewendet, der nach dem Tod seines Ehegatten durch ein gemeinschaftliches Testament gebunden ist, siehe oben S.  46. 100 Siehe zur Verjährung des Herausgabeanspruches des Eigentümers R. Magnus/Wais NJW 2014, 1270. 101  BVerfG DNotZ 2006, 60; Weiler MittBayNot 2006, 296, 298 f.; Gaier ZEV 2006, 2, 6 ff.; Staudinger/Otte Einl. Erbrecht Rn.  79. 84 ff. mwN; Hausmann, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Handbuch des Erbrechts, Kap.  1 C II 3 b); Maunz/Dürig/Papier Art.  14 GG Rn.  302. 102  Siehe bspw. Dauner-Lieb DNotZ 2001, 460; Odersky MittBayNot 2008, 2; Petri ZRP 1993, 205; Röthel JZ 2011, 222, 226 f.; s. a. die Literaturnachweise bei Muscheler, Erbrecht Bd. I, Rn.  326 sowie Linker, Zur Neubestimmung der Ordnungsaufgaben im Erbrecht in rechtsvergleichender Sicht, S.  129 ff. 103  Schlitt in: Schlitt/Müller, Handbuch Pflichtteilsrecht, §  1 Rn.  6 ff.; Bonnefeld/Lange/ Tanck ZErb 2007, 292. 104 Siehe Röthel, Ist unser Erbrecht noch zeitgemäß?, Gutachten für den 68. Deutschen Juristentag in Berlin 2010, A 1 ff.; sowie die Sitzungsberichte. 105  Dutta FamRZ 2011, 1829 mwN; Edenfeld ZEV 2001, 457, 459 f.; Henrich DNotZ 2001, 441, 447 ff.; s. a. Helms, in: Zimmermann (Hrsg.), Freedom of Testation/Testierfreiheit, S.  1, 7 ff.; Kolkman in: Zimmermann (Hrsg.), Freedom of Testation/Testierfreiheit, S.  25, 32 ff.; Braun in: Zimmermann (Hrsg.), Freedom of Testation/Testierfreiheit, S.  57, 64 ff., 77; Cooke in: Zimmermann (Hrsg.), Freedom of Testation/Testierfreiheit, S.  125, 128 ff.; Scalise in:

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Die unterschiedlichen Funktionen des Pflichtteilsrechts stehen ebenfalls im Fokus der rechtspolitischen Diskussion. Stark vereinfacht können vier Funk­ tionen des Pflichtteilsrechts unterschieden werden: die Versorgungsfunktion, die Verteilungsfunktion, die Teilhabefunktion und die Solidiaritätsfunktion.106 Auf die verschiedenen Funktionen soll hier aber nur insoweit eingegangen werden, als sie sich auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch auswirken. Dieser Anspruch schützt das Pflichtteilsrecht vor Umgehungen durch Rechtsgeschäfte zu Lebzeiten. Er hat damit immer nur eine Hilfsfunktion und lässt sich primär danach beurteilen, wie effektiv er dieser Funktion nachkommt und missbräuchliche Zuwendungen verhindert. Andererseits muss das Pflichtteilsergänzungsrecht aber auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren und die betroffenen wechselseitigen Interessen im Sinne einer praktischen Konkordanz zur größtmöglichen Entfaltung bringen.107 Im Ergebnis kann also wohl festgehalten werden, dass das Pflichtteilsrecht trotz zum Teil heftiger Kritik und langjähriger Reformbemühungen nach wie vor zu den Eckpfeilern der deutschen (Erb-)rechtsordnung zählt. Es ist darüber hinaus, wenn auch in ganz unterschiedlicher Ausprägung, fast allen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union bekannt und wäre daher auch im Rahmen einer weitergehenden Vereinheitlichung des materiellen Erbrechts ein gewichtiger Faktor.108 2. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch in §§  2 325 ff. BGB Die Erkenntnis, dass ein verfassungsrechtlich geschütztes Pflichtteilsrecht wenig wert ist, wenn der Erblasser es durch lebzeitige Verfügungen jederzeit aushebeln kann, ist weder neu109 noch sonderlich originell. Fast alle Rechtsordnun­ immermann (Hrsg.), Freedom of Testation/Testierfreiheit, S.  143, 144, 158; Vaquer in: Z ­Zimmermann (Hrsg.), Freedom of Testation/Testierfreiheit, S.  85, 103 ff. 106 So Dutta FamRZ 2011, 1829; Röthel ZEV 2006, 8, 10 ff. mwN; ausführlich zu den verschiedenen Begründungsansätzen des Pflichtteilsrechts und ihrer historischen Entwicklung Muscheler, Erbrecht Bd. I, Rn.  421 ff. mwN; siehe zudem BVerfG ZEV 2005, 301, 303 f. mAnm Gaier ZEV 2006, 2, 6 f. 107  Siehe S. 18 ff. 108  Dutta FamRZ 2011, 1829 mwN; Edenfeld ZEV 2001, 457, 459 f.; Henrich DNotZ 2001, 441, 447 ff.; s. a. Helms, in: Zimmermann (Hrsg.), Freedom of Testation/Testierfreiheit, S.  1, 7 ff.; Kolkman in: Zimmermann (Hrsg.), Freedom of Testation/Testierfreiheit, S.  25, 32 ff.; Braun in: Zimmermann (Hrsg.), Freedom of Testation/Testierfreiheit, S.  57, 64 ff., 77; Cooke in: Zimmermann (Hrsg.), Freedom of Testation/Testierfreiheit, S.  125, 128 ff.; Scalise in: Zimmermann (Hrsg.), Freedom of Testation/Testierfreiheit, S.  143, 144, 158; Vaquer in: ­ ­Zimmermann (Hrsg.), Freedom of Testation/Testierfreiheit, S.  85, 103 ff. 109 Bereits im nachklassischen römischen Recht existierte ein Pflichtteilsergänzungs­ anspruch, der es ermöglichte, Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hatte, für unwirksam zu erklären und das verschenkte Vermögen wieder zur Erbmasse zurückzuholen (querela inofficiosae donationis), siehe Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, S.  412 Rn.  10 ff.

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gen kennen Schutzbestimmungen gegen lebzeitige Verfügungen, die das Pflichtteilsrecht aushöhlen.110 Die Ausgestaltung dieser Bestimmungen ist jedoch, sowohl von ihrem Grundansatz her, als auch in ihren Details erstaunlich unterschiedlich. §  2325 BGB ist ein einstufiger, rein objektiv ausgestalteter Tatbestand, der im Unterschied zu §  2287 BGB auf ein weiteres subjektives Merkmal verzichtet. Alleiniger Anknüpfungspunkt ist das Vorliegen einer Schenkung. Der Anspruch aus §  2325 BGB richtet sich zudem zunächst gegen den Erben und ermöglicht dem Pflichtteilsberechtigten nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des §  2329 BGB ein Vorgehen gegen den Beschenkten.111 Der Schutz des Beschenkten wird andererseits zum einen durch die Fristenregelung des §  2325 Abs.  3 BGB und das Niederstwertprinzip in §  2325 Abs.  2 BGB erreicht und zum anderen, wie bei §  2287 BGB, durch die Möglichkeit, sich auf Entreicherung zu berufen.112 3. Die Tatbestandsvoraussetzungen a) Anspruchsberechtigung Ausreichend ist zunächst die abstrakte Pflichtteilsberechtigung, die immer dann gegeben ist, wenn der Betroffene formell zum Kreis der potentiell pflichtteilsberechtigten Angehörigen zählt.113 Auch ein Mit- und Alleinerbe oder ein Vermächtnisnehmer kann den Anspruch aus §  2325 geltend machen, wenn ihm nach der Schenkung nur noch Vermögen verbleibt, das wertmäßig nicht einmal seinen hypothetischen Pflichtteil am vorher vorhandenen Vermögen erreicht.114 Nach einer früheren Ansicht des BGH musste das Pflichtteilsrecht zudem bereits im Zeitpunkt der Schenkung bestanden haben und durfte nicht erst später durch Geburt, Adoption oder Heirat begründet worden sein.115 §  2325 BGB schütze den Pflichtteil nur in seinem Bestand, weshalb eine Berücksichtigung von Ereignissen, die vor seinem Entstehungszeitpunkt liegen, nicht möglich sei. Die weitere Begründung des BGH in seiner Entscheidung vom 21. Juli 1972, veranschaulicht sehr schön die Unklarheiten und Widersprüchlichkeiten im Hinblick auf die den Rückholansprüchen zugrundeliegenden Prinzipien. Sie soll hier daher im Wortlaut wiedergegeben werden: 110  Siehe die Übersicht von Paisley im Auftrag des britischen Justizministeriums, abgedruckt auf S.  15–54 in: Ministry of Justice, European Commission proposal on succession and wills. In England wurde das Pflichtteilsergänzungsrecht allerdings erst 1975 eingeführt, siehe hierzu S. 75. Keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch kennen das schottische Recht und das Recht der ehemaligen DDR. 111  Siehe Kapitel III. 112  Siehe S. 68 ff. und S. 249 f. 113  Vgl. §  2303 BGB (Abkömmlinge, Eltern, Ehegatte). 114 MüKoBGB/Lange §  2325 BGB Rn.  6; s. a. Lange Hereditare 2 (2012), 59, 60. 115  BGH NJW 1973, 40; NJW 1997, 2676.

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„Der eigentliche Zweck der §§  2325 ff. BGB ist darin zu sehen, den Erblasser zu hindern, die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten dadurch zu verkürzen, daß er Teile seines Vermögens zu seinen Lebzeiten verschenkt (…) Dort, wo von einer solchen Beeinträchtigung nicht die Rede sein kann, müssen auch die Belange des Beschenkten Berücksichtigung finden. Der Gesetzgeber hat sich über sie auch nicht ganz hinwegsetzen wollen, wie die in §  2325 Abs.  3 BGB vorgesehene zeitliche Schranke ergibt (…) Für die Annahme dieser Frist spreche schon die billige Rücksicht auf den Beschenkten. Es bestehe aber auch ein innerer Grund für die Fristbestimmung darin, daß während einer längeren Zwischenzeit zwischen der Vornahme der Schenkung und dem Tode des Erblassers nicht nur der letztere selbst, sondern auch seine pflichtteilsberechtigten Angehörigen sich in den durch die eingetretene Vermögensminderung geschaffenen Zustand eingewöhnt hätten. Die ganze Lebenshaltung der Familie werde sich inzwischen den veränderten Verhältnissen angepaßt, die Pflichtteilsberechtigten würden andere Verhältnisse gar nicht gekannt haben. Der Umstand, daß bei solchen Schenkungen der Erblasser selbst deren Folgen zu tragen habe, biete zugleich eine Sicherheit dafür, daß er bei der Vornahme der Schenkung sich von guten Gründen und nicht von der Absicht habe leiten lassen, die Pflichtteilsberechtigten zu benachteiligen (Protokolle V, S.  587 f.). Zumindest das Gleiche trifft auch dann zu, wenn eine beim Erbfall pflichtteilsberechtigte Person zur Zeit der Schenkung zwar vorhanden, aber noch nicht pflichtteilsberechtigt war, weil der Erblasser sie erst in späterer Zeit geheiratet oder an Kindes Statt angenommen hat. Ihr Pflichtteilsrecht ist dann erst zu einer Zeit entstanden, als sich die Vermögenslage des Erblassers infolge der Schenkung bereits verändert hatte. Solche Personen hatten es nicht einmal nötig, sich veränderten Vermögensverhältnissen anzupassen und sich in diese einzugewöhnen. Sie kannten keine anderen. Hinsichtlich des Erblassers kann aber in diesen Fällen der Umstand, daß er bei der Schenkung in erster Linie selbst deren Folgen zu tragen hat, um so mehr Sicherheit dafür bieten, daß er sich von guten Gründen leiten ließ. Die Absicht, das Pflichtteilsrecht dieser Personen zu verkürzen, kann bei ihm nicht bestanden haben.“

Mehrere Argumentationsstränge laufen hier durcheinander. Erwähnt wird einerseits die Schutzbedürftigkeit des Beschenkten, die Grund für die Frist in §  2325 Abs.  3 BGB gewesen sei. Andererseits verringere sich durch Zeitablauf aber auch die Schutzbedürftigkeit der Pflichtteilsberechtigten, die sich in die neuen Verhältnisse einrichten würden, und der Umstand, dass der Erblasser die Folgen der Schenkung über einen längeren Zeitraum selbst zu tragen habe, biete Gewähr dafür, dass eine Beeinträchtigungsabsicht im Regelfall nicht vorliege. Eine Absicht, Pflichtteilsberechtigte zu beeinträchtigen, könne zudem gar nicht vorliegen, wenn die Pflichtteilsrechte zum Zeitpunkt der Schenkung gar nicht bestanden hätten. Nun verhält es sich allerdings so, dass eine Beeinträchtigungsabsicht bei §  2325 BGB, anders als bei §  2287 BGB, gerade keine Tatbestandsvoraussetzung ist.116 Auf die subjektiven Vorstellungen des Erblassers kommt es also eigentlich gar nicht an. Wiederum umgekehrt könnte aus der Argumentation mit der Verringerung der Schutzbedürftigkeit der Berechtigten durch Eingewöhnung in 116 

Siehe unten S. 53 ff.

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die bestehenden Verhältnisse eigentlich geschlossen werden, dass Gleiches auch im Rahmen des §  2287 BGB gelten müsse, was aber nicht zutrifft, da der Anspruch aus §  2287 BGB insoweit keiner zeitlichen Begrenzung ausgesetzt ist. Zu Recht kritisierte daher die Literatur, dass der BGH contra legem ein Kriterium in §  2325 BGB einführt, das dort nicht vorgesehen ist.117 Andererseits wird deutlich, dass auch die Rechtsprechung die positivrechtliche Regelung für unzureichend hielt und sich daher genötigt sah, auf teleologische Erwägungen auszuweichen, die im Gesetzestext keine Stütze fanden. Dabei bleibt sie jedoch auf halbem Wege stehen, indem sie nun nicht generell als ungeschriebene Voraussetzung des §  2325 BGB eine Benachteiligungsabsicht forderte, sondern nur deren Fehlen als Argumentationshilfe zur Begründung einer bestimmten Einzelfallentscheidung verwendete. Gegen diese Rechtsprechung konnten auch die Gesetzesmaterialien in Stellung gebracht werden. Wie sich den Motiven und den Protokollen entnehmen lässt, wurde die Frage, ob die Pflichtteilsberechtigung bereits im Zeitpunkt der Schenkung bestehen muss, im Gesetzgebungsverfahren ausführlich diskutiert und entgegen einem anderslautenden früheren Vorschlag letztlich verneint.118 Diese Kritik hat den BGH letztlich veranlasst, seine bisherige Rechtsprechung in einer Entscheidung vom 23. Mai 2012 auf zugegeben und sich der herrschenden Ansicht in der Literatur anzuschließen.119 Eine Pflichtteilsberechtigung zum Zeitpunkt der Schenkung ist demnach nicht mehr erforderlich. Sinn und Zweck des Pflichtteilsergänzungsanspruches sei die Sicherung der Mindestteilhabe naher Angehöriger am Vermögen des Erblassers. Hierfür sei es aber unerheblich, ob die Pflichtteilsberechtigung schon im Zeitpunkt der Schenkung bestanden habe. Auf eine bewusste Eingewöhnung des Berechtigten in die Vermögensverhältnisse des Erblassers komme es genauso wenig an wie auf eine Benachteiligungsabsicht beim Schenker.120 Die bisher vorgenommene Unterscheidung führe zudem zu einer nicht mit Art.  3 Abs.  1 GG vereinbaren Ungleichbehandlung der Abkömmlinge.121 In der Praxis geht es jedoch oft um Konstellationen, in denen der Erblasser in einem höheren Lebensalter noch einmal heiratet, zuvor jedoch seine Kinder aus erster Ehe und eventuell auch seine erste Ehefrau durch Schenkungen im Wege 117 Staudinger/Olshausen §   2325 BGB Rn.   65; Soergel/Dieckmann §  2325 BGB Rn.  3; Tiedtke DNotZ 1998, 85; Reinicke NJW 1973, 597. 118  Mugdan, Die gesamten Materialen zum Bürgerlichen Gesetzbuch V, Motive S.  244 f.; Achilles/Spahn/Gebhard, Protokolle, Bd. V, S.  586 f.; Es wurde daher kritisiert, dass sich die Rechtsprechung mit einem bloßen Hinweis auf gewandelte soziale Verhältnisse in unzulässiger Weise über diesen Willen des Gesetzgebers hinwegsetze, s. MüKoBGB/Lange §  2325 BGB Rn.  8; Tiedtke DNotZ 1998, 85, 93 f.; Reinicke NJW 1973, 597. 119  BGH NJW 2012, 2730; zustimmend Deppenkemper LMK 2012, 339610; Keim NJW 2012, 3484, 3485 f.; Siebert ZEV 2013, 241, 242. 120  BGH NJW 2012, 2730, 2732. 121  BGH NJW 2012, 2730, 2732

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der vorweggenommenen Erbfolge versorgt. Nach dem Tode ihres Mannes geht die zweite Ehefrau dann aus §  2325 BGB gegen die Kinder oder die frühere Ehefrau vor.122 Das solche Ansprüche der zweiten Ehefrau problematisch sind und dem Rechtsgefühl eigentlich eher entgegenlaufen, wird auch in der Literatur vielfach anerkannt.123 Ob die von der Literatur vorgeschlagenen Alternativen (Pflichtteilsverzicht, Qualifikation als Anstandsschenkung etc.) tatsächlich zu befriedigenden Ergebnissen führen, ist jedoch ebenfalls zweifelhaft. b) Der Begriff der Schenkung Auch bei §§  2325 ff. BGB entspricht der Schenkungsbegriff demjenigen bei §  516 ff. BGB. Auf die obigen Ausführungen kann daher vollumfänglich verwiesen werden. Von einem Teil des Schrifttums wird gefordert, dass Zuwendungen an Stiftungen de lege ferenda stärker gegenüber Pflichtteilsansprüchen privilegiert werden müssten.124 Die Problematik wird deutlich, wenn man sich ein von ­Muscheler 125 verwendetes aktuelles Beispiel vor Augen führt: Der amerikanische Investmentunternehmer Warren Buffett hat versprochen, 99 % seines auf etwa 69 Milliarden US-$ geschätzten Privatvermögens126 nach seinem Tode gemeinnützigen Stiftungen – den Löwenanteil der Bill & Melinda Gates Foundation – zugutekommen zu lassen. Würde Warren Buffet vor seinem Tode allerdings seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach Deutschland verlegen, wäre dieses Versprechen zum größten Teil hinfällig, da seinen pflichtteilsberechtigten Kindern zwingend die Hälfte seines Vermögens, sprich 34,5 Milliarden US-$, vorbehalten bleiben müsste. Eine Wertung, die auch vor dem Hintergrund der verschiedenen Funktionen des Pflichtteilsrechts (Versorgungs-, Verteilungs-, Solidaritäts- und Teilhabefunktion) nicht so recht zu überzeugen vermag. Als einzige Möglichkeit bliebe Warren Buffet, schon zu Lebzeiten seine wesentlichen Vermögenswerte auf die Stiftungen zu übertragen und darauf zu hoffen, dass bis zu seinem Tode die Frist des §  2325 Abs.  3 BGB zumindest weitgehend abgelaufen sein wird. Die damit einhergehende Unsicherheit muss jedoch ebenfalls als unbefriedigend empfunden werden.

Mit Blick auf die österreichische Rechtslage schlagen daher Rawert/Hüttemann vor, einen „Freiteil für gemeinnützige Zuwendungen“ einzuführen.127 Matschke möchte Zuwendungen an gemeinnützige Stiftungen ganz aus dem Anwen122 

Vgl. BGH NJW 1973, 40; NJW 1997, 2676. §  2325 BGB Rn.  65 ff. mwN; Burandt/Stöckel §  2325 BGB Rn.  2; Soergel/Dieckmann §  2325 BGB Rn.  3; Reinicke NJW 1973, 597, 599 f.; Keim NJW 2012, 3484, 3485 f. 124  Matschke FS Bezzenberger, S.   521, 527; mit Blick auf die österreichische Rechtslage Hüttemann/Rawert ZEV 2007, 107, 111 ff.; weitere Nachweise auch bei Röthel ZEV 2008, 112, 113. 125  Muscheler, Erbrecht Bd. I, Rn.  486. 126  Siehe Forbes Magazin, The World’s Billionaires (abrufbar unter: http://www.forbes. com/billionaires/list/#tab:overall). 127  Hüttemann/Rawert ZEV 2007, 107, 113 f. 123 Staudinger/Olshausen

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dungsbereich des §  2325 BGB herauszunehmen und wie Pflicht- und Anstandsschenkungen (§  2330 BGB) behandeln.128 Röthel hält dem mit Berufung auf das Bundesverfassungsgericht129 entgegen, das Pflichtteilsrecht diene maßgeblich der Verwirklichung der Generationengerechtigkeit und statuiere einen grundrechtlich geschützten Anspruch auf bedarfsunabhängige Teilhabe am Erblasservermögen. Einschränkungen dieses Anspruches zugunsten von Zuwendungen an Stiftungen seien dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers entzogen.130 c) Objektive Beeinträchtigung des Pflichtteilsberechtigten Ein Anspruch auf Plichtteilsergänzung scheidet aus, wenn der Pflichtteilsberechtigte durch die Schenkung gar nicht beeinträchtigt wurde. Da eine Schenkung aber praktisch immer zu einem für den Pflichtteilsberechtigten nachteiligen Vermögensabfluss führt, ist diese Voraussetzung in der Regel unproblematisch erfüllt. d) Keine weiteren subjektiven Voraussetzungen Wie bereits mehrfach erwähnt, spielen die subjektiven Vorstellungen des Erblassers und des von ihm Beschenkten bei Vornahme der Schenkung grds. keine Rolle.131 In den Materialien zum BGB heißt es ausdrücklich: „Auf den Dolus bei solchen Schenkungen Gewicht zu legen, würde aber im Interesse der Praktikabilität des Rechtes nicht wohl ausführbar sein; überdies ist nicht ersichtlich, wie der Begriff dieses Dolus sich in befriedigender Weise bestimmen ließe. Würde verlangt, dass die Schenkung geschehen sei, um den Berechtigten zu benachteiligen, so könne die Vorschrift wohl keine praktische Bedeutung gewinnen. Denn die Absicht des Schenkers geht stets dahin, dem Beschenkten einen Vortheil zuzuwenden, kaum aber wird je ein Schenker beabsichtigen, unmittelbar den Berechtigten zu schädigen.“132

Gleichwohl wird in der Rechtsprechung verschiedentlich auf subjektive Vorstellungen Bezug genommen.133 So entschied der BGH bspw. am 17. September 1987, dass die Zehn-Jahres-Frist gem. §  2325 Abs.  3 BGB erst dann zu laufen beginne, „wenn der Erblasser einen Zustand geschaffen hat, dessen Folgen er selbst noch zehn Jahre lang zu tragen hat und der schon im Hinblick auf diese Folgen von einer „böslichen“ Schenkung abhalten kann.“134 Ein Ziel der Pflicht128  Matschke FS Bezzenberger, S.  521, 525 ff.; Die Frage, ob diese Ausnahme dann nicht gelten solle, wenn der Pflichtteilsberechtigte zudem bedürftig ist, lässt Matschke bewußt offen, s. Matschke FS Bezzenberger, S.  521, 527 f. 129  BVerfG ZEV 2005, 301, 303 f. 130  Röthel ZEV 2006, 8, 11 f. sowie Röthel ZEV 2008, 112, 113 f.; a. A. wiederum Hüttemann/Rawert ZEV 2007, 107, 110. 131  Siehe hierzu insbesondere auch Lange Hereditare 2 (2012), 59. 132  Mugdan, Die gesamten Materialen zum Bürgerlichen Gesetzbuch V, Motive S.  241. 133  Siehe S. 66. 134  BGH NJW 1987, 122, 124. Konkret ging es hier um die Frage, wann die Frist des §  2325

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teilsergänzungsansprüche ist hiernach also auch die Verhinderung von „böslichen“ Schenkungen und dieses Ziel ist zudem so gewichtig, dass es konkrete Schlussfolgerungen für die Auslegung des §  2325 Abs.  3 BGB zulässt.135 Auch die Sonderregelung des §  2325 Abs.  3 S.  3 BGB, die den Fristbeginn bei Schenkungen zwischen Ehegatten auf den Zeitpunkt der Auflösung der Ehe verschiebt, wird oft damit begründet, dass zwischen Ehegatten die Gefahr „böslicher“ Schenkungen besonders groß sei.136 Was genau die Rechtsprechung unter einer „böslichen“ Schenkung versteht, bleibt allerdings im Dunkeln. Gleichwohl lässt sowohl die Anlehnung an die Gesetzesmaterialien137 als auch das natürliche Verständnis des Wortes „böslich“ auf ein subjektives Element in Form einer Beeinträchtigungsabsicht schließen. Ein anderes Beispiel für die Berücksichtigung subjektiver Elemente ist die Rechtsprechung des BGH zu der Frage, wann der Wechsel eines ehelichen Güterstandes eine Schenkung i. S. d. §  2325 BGB darstellt.138 Der BGH nimmt an, dass ein Güterstandswechsel dann eine ausgleichspflichtige Schenkung begründet, wenn mit ihm „ehefremde Zwecke“ verfolgt werden.139 In Betracht kommt eine solche Annahme, wenn bspw. nach einem einheitlichen Plan zunächst Gütergemeinschaft und nach einiger Zeit ein anderer Güterstand vereinbart wird (sog. Güterstandsschaukel) oder wenn nachträglich wertvolle Gegenstände aus dem Vorbehalts-/Gesamtgut eines Ehegatten in das des anderen verschoben werden. Auch die zeitliche Nähe zum Erbfall, die Absicht, pflichtteilsberechtigte Angehörige zu benachteiligen, und die Einräumung höherer Quoten für den weniger begüterten Ehegatten bei der Erbauseinandersetzung sind Indizien für solche ehefremden Zwecke.140 Insoweit nimmt die Rechtsprechung wiederum ausdrücklich Bezug auf die subjektiven Vorstellungen der Ehegatten bei Vereinbarung des Güterstandes und auf eine mögliche Benachteiligungsabsicht gegenüber den pflichtteilsberechtigten Erben. Eine weitere Fallgruppe für die Bezugnahme auf subjektive Elemente war bis zur Aufgabe dieser Rechtsprechung im Jahre 2012 die sog. doppelte Pflichtteilsberechtigung, d. h. das Erfordernis einer (abstrakten) Pflichtteilsberechtigung bereits im Zeitpunkt der Schenkung.141 BGB bei einem schenkweisen Erlass einer monatlich fällig werdenden Rentenforderung zu laufen beginne. 135  Siehe auch Lange Hereditare 2 (2012), 59, 66 f. 136 Krit. hierzu Staudinger/Olshausen §   2325 BGB Rn.   60 mwN; Soergel/Dieckmann §  2325 BGB Rn.  57; Bamberger/Roth/G. Müller §  2325 BGB Rn.  53. 137 Vgl. Achilles/Spahn/Gebhard, Protokolle, Bd. V, S.  587 f. 138  BGH NJW 1992, 558, 559. 139  Siehe zur Problematik der Güterstandsschaukel auch Wegmann ZEV 1996, 201, 206 f.; Röthel AcP 212 (2012), 157, 177 ff.; Lange Hereditare 2 (2012), 59, 71 f.; Herrler in: Dauner-Lieb/Grziwotz, Pflichtteilsrecht, Anh. 2 Rn.  168. 140  BGH NJW 1992, 558, 559. 141  BGH NJW 1973, 40; NJW 1997, 2676: siehe hierzu oben S. 62 ff.

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e) Zeitliche Grenzen §  2325 Abs.  3 BGB bestimmt, dass eine Schenkung „innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt“ wird. Liegt die Schenkung beim Erbfall also länger als zehn Jahre zurück, scheiden Pflichtteilsergänzungsansprüche sowohl gegen den Erben als auch subsidiär gegen den Beschenkten aus. Eine Ausnahme macht §  2325 Abs.  3 S.  3 BGB bei Schenkungen zwischen Ehegatten: Die Frist beginnt in diesem Fall erst mit Auflösung der Ehe zu laufen. Der historische Gesetzgeber hat die Ausnahme zu Lasten von Ehepaaren damit begründet, dass bei Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft die Ehepartner wechselseitig von dem vorhandenen Vermögen des jeweils anderen Partners profitierten und daher die wirtschaftlichen Auswirkungen der Schenkung nicht zu spüren bekämen.142 Zudem sei auch die Gefahr missbräuchlicher Vermögensverschiebungen zwischen Ehepartnern besonders groß. Die sog. Pro-rata-Regelung in §  2325 Abs.  3 BGB wurde durch die Erbrechtsreform im Jahre 2009 eingeführt und ist zum 1. Januar 2010 in Kraft getreten. Zuvor galt ein „Alles-oder-nichts-Prinzip“, d. h. nach Ablauf der Zehnjahresfrist schieden Pflichtteilsansprüche aus, während sie auch nach 9 Jahren und 364 Tagen in voller Höhe geltend gemacht werden konnten. Diese starre Fristenregelung wurde als unbefriedigend empfunden und deshalb durch das flexiblere Modell der ratierlichen Abschmelzung im Jahresrhythmus ersetzt. Für die Thematik dieser Arbeit von Bedeutung ist die Begründung, die der Reformgesetzgeber für die Einführung der Pro-rata-Lösung liefert: „Die Pflichtteilsergänzung dient dem Schutz des Berechtigten vor benachteiligenden Schenkungen des Erblassers. Um Streit über die Benachteiligungsabsicht zu vermeiden, hat der historische Gesetzgeber generalisiert: Nach zehn Jahren ist keine Benachteiligungsabsicht mehr gegeben. Dieser treffende Grundgedanke bleibt erhalten: Je länger die Schenkung zurückliegt, desto weniger ist von einer (möglicherweise unlauteren) Benachteiligungsabsicht des Erblassers auszugehen. Der Zeitablauf seit der Schenkung soll daher künftig zur Abmilderung der ‚Alles-oder-nichts‘-Lösung in Ansatz gebracht werden (…). Damit wird auch den berechtigten Interessen des Beschenkten Rechnung getragen.“143

Auch hier wird also erneut, beinahe selbstverständlich auf eine Benachteiligungsabsicht des Erblassers Bezug genommen und der Zweck der Pflichtteils­ ergänzung in einem Schutz vor missbräuchlichen Verfügungen des Erblassers gesehen. Um Streit über den Nachweis einer Benachteiligungsabsicht zu vermeiden, hat der Gesetzgeber eine unwiderlegliche Vermutung einer solchen Absicht eingeführt, die erst durch Zeitablauf nach zehn Jahren widerlegt sei. Das Pro-rata-Modell wirft im Zusammenspiel mit der Regelung in §  2329 Abs.  3 142  143 

Achilles/Spahn/Gebhard, Protokolle, Bd. V, S.  588. Bundestagsdrucksache 16/8954, S.  21.

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BGB bei einer Mehrzahl von Schenkungen Streitfragen auf.144 Diese sollen unten im Zusammenhang mit der generellen Problematik des Rückgriffs nach §  2329 BGB bei mehreren Beschenkten diskutiert werden.145 Wann der verschenkte Gegenstand als i. S. d. §  2325 Abs.  3 S.  2 BGB geleistet gilt, hat den BGH gleich mehrfach beschäftigt. Streitig war insbesondere, ob insoweit der rechtliche oder der wirtschaftliche Erfolg einer Schenkung ausschlaggebend ist. In seinem Grundsatzurteil vom 17. September 1986146 hielt der BGH es für den Fristbeginn in §  2325 Abs.  3 BGB für nicht ausreichend, dass der Erblasser alles für den Erwerb des Gegenstandes Erforderliche getan habe, sondern forderte, dass der Erblasser einen Zustand schaffen müsse, dessen Folgen er selbst noch zehn Jahre lang zu tragen habe und der schon im Hinblick auf diese Folgen geeignet sei, den Erblasser von „böslichen“ Schenkungen abzuhalten. Hierfür ist zumindest eine wirtschaftliche Ausgliederung des geschenkten Gegenstandes aus dem Vermögen des Erblassers,147 auch als Genussverzicht148 bezeichnet, erforderlich. Sie fehlt etwa dann, wenn der Erblasser sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht,149 Wohnrecht150 oder die Verfügungsfreiheit über den Gegenstand (Bsp. Oderkonto)151 vorbehält. Noch nicht abschließend geklärt ist, inwieweit auch vorbehaltene Rückerwerbsrechte einen Fristbeginn verhindern. Nach herrschender Lehre sollen nur Rückerwerbsrechte berücksichtigt werden, die in ihren Voraussetzungen maßgeblich vom Willen des Schenkers abhängen.152 Bei der Einräumung eines Bezugsrechts im Rahmen eines Lebensversicherungsvertrages gilt die Schenkung ebenfalls erst ab dem Todeszeitpunkt als vollzogen. Für die Beurteilung der Höhe der Schenkung ist dabei der Betrag maßgeblich, den der Versicherte für einen Rückkauf der Leistung unmittelbar vor seinem Tode von der Versicherung hätte verlangen können.153

144 Siehe

Trappe Hereditare 1 (2011), 19; van Eymeren Hereditare 1 (2011), 31. Siehe S. 209 ff. 146  BGH NJW 1987, 122, 124. 147  So ausdrücklich BGH NJW 1988, 821, 822. 148  Bamberger/Roth/G. Müller §  2325 BGB Rn.  43. 149  BGH NJW 1994, 1791; MüKoBGB/Lange §  2325 BGB Rn.  62; Staudinger/Olshausen §  2325 BGB Rn.  58; Soergel/Dieckmann §  2325 BGB Rn.  56; Trappe Hereditare 1 (2011), 19, 20; monografisch Reiff, Die Dogmatik der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt, S.  1 ff.; Ungeklärt ist bislang die Behandlung von Bruchtteils- oder Quotennießbrauchsrechten, siehe hierzu Bamberger/Roth/G. Müller §  2325 BGB Rn.  48. 150  Bamberger/Roth/G. Müller §  2325 BGB Rn.  49; Herrler ZEV 208, 461; Herrler in: Dauner-Lieb/Grziwotz, Pflichtteilsrecht, Anh. 2 Rn.  26 ff. 151 MüKoBGB/Lange §  2325 BGB Rn.  58; Bamberger/Roth/G. Müller §  2325 BGB Rn.  46; Staudinger/Olshausen §  2325 BGB Rn.  57. 152  Bamberger/Roth/G. Müller §  2325 BGB Rn.  51; MüKoBGB/Lange §  2325 BGB Rn.  63; Herrler in: Dauner-Lieb/Grziwotz, Pflichtteilsrecht, Anh. 2 Rn.  129 ff.; a. A. Staudinger/­ Olshausen §  2325 BGB Rn.  59. 153  BGH NJW 2010, 3232; dazu Trappe Hereditare 1 (2011), 19, 22 f. 145 

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C. England I. Bindung künftigen Vermögens Nicht nur die Testierfreiheit, auch die Vertragsfreiheit hat im anglo-amerikanischen Recht traditionell starkes Gewicht. In England obsiegt im Konflikt zwischen Testierfreiheit und Vertragsfreiheit grundsätzlich die Vertragsfreiheit. Anders als in Deutschland ist ein Vertrag, durch den sich der Erblasser verpflichtet, ein Testament zu errichten (contract to make a will) bzw. durch den er sich verpflichtet, ein errichtetes Testament nicht zu widerrufen (contract not to revoke a will), wirksam.154 Auch das zukünftige Vermögen kann Gegenstand eines Vertrages sein. Andererseits bleibt aber auch die Testierfreiheit in dieser Konstellation zumindest formal gewahrt: Der Erblasser wird durch eine vertragliche Vereinbarung nicht gehindert, eine abweichende letztwillige Verfügung zu treffen. Die Verfügung ist in diesem Fall wirksam, der Vertragspartner aber berechtigt, gegen den Nachlass eine Schadensersatzklage wegen breach of contract zu erheben.155 1. Contract to make a will/ contract not to revoke a will Weder für den contract to make a will noch für den contract not to revoke a will gelten besondere Formvorschriften. Sie sind nach den allgemeinen Regeln des englischen Vertragsrechts wirksam, wenn sie gegen eine consideration oder in Form einer deed erfolgt sind.156 Bei Grundstücken muss zudem die durch den Land Reform Act 1989 eingeführte Schriftform beachtet werden.157 Die versprochene testamentarische Verfügung kann sich dabei sowohl auf den gesamten Nachlass, einen Teil von ihm oder aber auch nur auf einzelne Gegenstände (z. B. Haus, PKW, Schmuck) beziehen. Inwieweit auch lebzeitige Verfügungen des Erblassers aufgrund dieser vertraglichen Verpflichtung angreifbar sind, hängt von den Einzelheiten ab: Hat der Erblasser versprochen, einen bestimmten Gegenstand testamentarisch zu vermachen, kann der Vertragspartner unmittelbar gegen Verfügungen vorgehen, die diesen Gegenstand betreffen. Er kann sie durch Anordnung einer einstweiligen Verfügung (injunction) unterbinden; über eine Klage auf specific perfomance kann er unter Umständen eine Rückabwicklung erreichen, und er kann den Erblasser auf Schadensersatz verklagen.158 Bei dem Schadensersatzverlangen muss jedoch in Abzug gebracht werden, dass der Berechtigte den Sachwert des versprochenen Gegenstandes 154 

Anders das deutsche Recht, vgl. §  2302 BGB. Oughton, Tyler’s Family Provision, S.  313. 156  Parry/Clark, The law of successions, Rn.  6 -01. 157  Parry/Clark, The law of successions, Rn.  6 -01. 158  Healey v. Brown [2002] EWCH 1405 (Ch), Rn.  14; Mellows, The Law of Successions, Ch. 3 E, S.  25. 155 

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nun bereits deutlich früher realisieren kann und nicht erst mit dem Tode des Erblassers.159 Wurde hingegen der gesamte Nachlass oder eine quotale Beteiligung an ihm zugesagt, bleibt der Erblasser in seinen Verfügungsmöglichkeiten grundsätzlich frei.160 Eine Grenze ist jedoch dann erreicht, wenn der Erblasser lebzeitige Verfügungen trifft, die geeignet sind, die Position des Vertragspartners auszuhöhlen, und einer neuen testamentarischen Verfügung gleichkommen.161 Einen Erbvertrag im deutschen Sinne, d. h. einen Vertrag, durch den gleichzeitig bereits eine Erbeinsetzung bewirkt wird,162 kennt das englische Recht hingegen nicht. 2. Mutual wills Eine besondere Form der vertraglichen Beschränkung der Testierfreiheit, stellt der mutual will dar. Das englische Recht unterscheidet zwischen dem joint will und dem mutual will. Während ein joint will nur zwei äußerlich zusammengefasste, meist gleichzeitig erstellte Verfügungen bezeichnet, die keinen inhaltlichen Zusammenhang aufweisen, zeichnet sich der mutual will gerade durch die wechselseitige inhaltliche Bezugnahme der Verfügungen aus. Für das Vorliegen eines mutual will ist zudem eine äußere Verbindung der Verfügungen in einem einheitlichen Dokument nicht erforderlich.163 Zwar wird ein mutual will in der Praxis meist von Eheleuten abgefasst; anders als nach deutschem Recht ist dies jedoch keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Auch nicht verheiratete Personen können in England wechselseitige letztwillige Verfügungen treffen.164 Die Wechselseitigkeit der Verfügungen setzt voraus, dass jeder Beteiligte eine Verpflichtung (consideration) übernimmt.165 Die Verpflichtung muss dabei aber nicht zwingend der jeweils anderen Partei zugutekommen. Weiter zeichnet sich der mutual will durch die zusätzliche Vereinbarung aus, dass die wechselseitigen Verfügungen nicht widerrufen werden dürfen.166 Zu Lebzeiten aller Beteiligten kann diese Vereinbarung einverständlich wieder aufgehoben werden. Aber auch ein einseitiger Widerruf ist wirksam, soweit er dem anderen Beteiligten offengelegt wird.167 Hierdurch wird auch die andere Partei 159 

Synge v. Synge [1894] 1 Q.B. 466; Schaefer v. Schuhmann [1972] A.C. 572, 586. Zumindest soweit hier nicht etwas anderes ausdrücklich vertraglich vereinbart wurde. 161  Parry/Clark, The law of successions, Rn.  6 -03; Borkowski, Textbook on Successions, Rn.  2.1.2.1. 162 MüKoBGB/Leipold §  1941 Rn.  4. 163  Borkowski, Textbook on Successions, Rn.  2.1.3.1. 164  Mellows, The Law of Successions, Ch. 4 C 1, S.  34. 165 Allein das Versprechen, die Verfügung nicht zu widerrufen, genügt nicht Pearce/­ Stevens/­Barr,The law of trusts and equitable obligation, S.  438. 166  Pearce/Stevens/Barr,The law of trusts and equitable obligation, S.  439. 167 Siehe Lord Camden in Dufour v. Pereira, 2 Hargr. Jurid. Arg., 304, 308. 160 

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automatisch von ihrer Bindung befreit.168 Nach dem Tode eines Verfügenden ändert sich diese Rechtslage hingegen und es tritt eine Bindungswirkung der wechselseitigen Verfügungen ein,169 die der Überlebende nicht mehr einseitig aufheben kann. Der oder die Überlebenden werden ab diesem Zeitpunkt nur noch als Treuhänder des vom mutual will erfassten Vermögens angesehen und unterliegen Verfügungsbeschränkungen.170 Es entsteht ein sog. constructive trust, der sich auch am Nachlass des Letztversterbenden fortsetzt und im Rahmen der Nachlassabwicklung beachtet werden muss. Die Reichweite und die Voraussetzungen der Verfügungsbeschränkungen zu Lasten des Überlebenden sind in vielen Punkten umstritten.171 II. „Erbverträge“ Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung sind insbesondere die Voraussetzungen und die Funktionsweise der lebzeitigen Bindung des Erblasservermögens interessant. Unter welchen Umständen und nach welchen Modalitäten kann eine Verfügung des Erblassers angegriffen werden, wenn sie mit einer vertraglichen Vereinbarung oder einem mutual will nicht in Einklang steht? Während vertragliche Vereinbarungen, die einen bestimmten Vermögensgegenstand betreffen, vergleichsweise einfach zu handhaben sind, treten die typischen Besonderheiten der Rückholansprüche dann auf, wenn sich die vertragliche Vereinbarung unspezifisch auf das gesamte oder einen Teil des zum Todeszeitpunkt vorhandenen Vermögens bezieht. Auch hier muss wiederum einerseits zwischen dem contract to make/not to revoke a will und den Besonderheiten des mutual will unterschieden werden. Insgesamt gibt es recht wenige Entscheidungen, die sich speziell mit der lebzeitigen Vermögensbindung des Erblassers auseinandersetzen. Die insoweit für mutual wills geltenden Grundsätze lassen sich am besten der Entscheidung des High Court of Australia in Birmingham v. ­Renfrew172 entnehmen, die auch in der englischen Rechtsprechung große Zustimmung gefunden hat.173 Dixon J führt hierzu aus: „The purpose of an arrangement for corresponding wills must often be, as in this case, to enable the survivor during his life to deal as absolute owner with the property passing 168  Mellows, The Law of Successions, Ch. 4 C 4, S.  37; Borkowski, Textbook on Successions, Rn.  2.1.3.5. 169 Wann genau diese Bindungswirkung eintritt, ist umstritten, s. Pearce/Stevens/Barr, The law of trusts and equitable obligation, S.  444; Borkowski, Textbook on Successions, Rn.  2.1.3.3; Parry/Clark, The law of successions, Rn.  6-36. Die Bindungswirkung ab dem Tode des Erstversterbenden entspricht aber der ganz h. M. 170  Pearce/Stevens/Barr,The law of trusts and equitable obligation, S.   448; Borkowski, Textbook on Successions, Rn.  2.1.3.4; Parry/Clark, The law of successions, Rn.  6 -39. 171  Siehe hierzu S. 72 f. 172  Birmingham v. Renfrew [1937] 57 C.L.R. 666, 689. 173  Olins v. Walters [2008] EWCA Civ 782; [2009] Ch. 22.

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under the will of the party first dying. That is to say, the object of the transaction is to put the survivor in a position to enjoy for his own benefit the full ownership so that, for instance, he may convert it and expend the proceeds if he chooses. But when he dies he is to bequeath what is left in the manner agreed upon. It is only by the special doctrines of equity that such a floating obligation suspended. So to speak, during the lifetime of the survivor he can descend upon the assets at his death and crystallize into a trust. No doubt gifts and settlements, inter vivos, if calculated to defeat the intention of the compact, could not be made by the survivor and his right of disposition, inter vivos, is, therefore, not unqualified. But, substantially, the purpose of the arrangement will often be to allow full enjoyment for the survivor’s own benefit and advantage upon condition that at his death the residue shall pass as arranged.“

Auch das englische Recht tut sich schwer mit der genauen Abgrenzung zwischen noch zulässigen Geschäften, die der Zweitversterbende noch für eigene Zwecke auch nach dem Tode des erstversterbenden Ehegatten durchführen kann und solchen Geschäften, die ihm als missbräuchliche Verfügungen untersagt sind. Die Lösung wird primär in einer Auslegung der vertraglichen Vereinbarung nach dem common sense gesucht. Zunächst ist mit der herrschenden Meinung festzuhalten, dass die Verfügungsbeschränkung durch den constructive trust das gesamte Vermögen erfasst, also auch das eigene Vermögen des letztversterbenden Ehegatten und nicht nur den vom erstversterbenden Ehegatten erhaltenen Vermögensteil.174 Auch Vermögenszuwächse, die der letztversterbende Ehegatte nach dem Tode seines Partners erzielt hat, werden grds. Bestandteil des constructive trust.175 Gibt der überlebende Ehegatte die Einkünfte aus dem ererbten Vermögen aber auch aus dem Stamm des Geldes für den eigenen Unterhalt aus, so wird hierin regelmäßig keine Verletzung der vertraglichen Absprachen gesehen. Mutual wills werden meist mit dem Ziel abgeschlossen, dem überlebenden Ehegatten ein Nutzungsrecht an dem gemeinsamen Nachlass zu sichern. Auf der anderen Seite stehen unentgeltliche Verfügungen, die mit Benachteiligungsabsicht darauf gerichtet sind, die ursprünglich getroffene Vereinbarung zu umgehen. In Healey v. Brown hatten sich bspw. die Ehegatten Brown wechselseitig als Vollerben und die Nichte der Ehefrau im Hinblick auf eine den Ehegatten gehörende Wohnung als Schlusserbin eingesetzt.176 Nach dem Tod seiner Frau übertrug Mr. Brown die Hälfte des Wohnungseigentums seinem Sohn. Donaldson QC führte dazu aus: „I would, (…), have had little difficulty in concluding that a sale at arm’s length or market price by the survivor, Mr Brown, to permit personal enjoyment of the proceeds was not precluded by the agreement of the parties. But ‚gifts and settlements, inter vivos, if calculated to defeat the intention of the compact‘ would plainly be in breach of it. Had Mr 174  Pearce/Stevens/Barr,The law of trusts and equitable obligation, S.   445  f. mwN; ­Pawlowski Conv. 2012, 467, 477. 175  Pearce/Stevens/Barr,The law of trusts and equitable obligation, S.   446; Pawlowski Conv. 2012, 467, 477. 176  Healey v. Brown [2002] EWCH 1405 (Ch.).

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

Brown sold the flat and used the proceeds to fund a place in a nursing home, there would have been no basis for complaint. But to give away the flat to his son – with immediate effect as to a 50 % undivided share, and with effect on death as to the remainder by operation of the doctrine of survivorship – could scarcely run more directly and fully counter to the intention of the mutual will compact that the flat should pass to his deceased’s wife niece on his own death.“

Man findet in dieser Äußerung durchaus Parallelen zum Abgrenzungskriterium des lebzeitigen Eigeninteresses, das der BGH verwendet.177 Ausgaben für den angemessenen eigenen Unterhalt sind zulässig.178 Schenkungen an Dritte können hingegen einen breach of trust begründen. Die genaue Grenzziehung zwischen zulässigen und unzulässigen Geschäften ist allerdings schwierig und muss im Zweifel von dem zuständigen Gericht mittels Auslegung der im mutual will getroffenen Vereinbarung vorgenommen werden. Die damit verbundene Unsicherheit wird in der Literatur als unbefriedigend empfunden.179 So schreibt Luxton bspw: „Many dispositions, however, will be difficult to: what of expenditure on a world cruise with one’s family, or gifts of only a part of the estate to third parties or to charity? At the moment, it appears that this uncertainty can be cured only on an ad hoc basis by an application to the court to determine the legality of particular dispositions, whether made or proposed. It is not yet clear whether the court would be prepared to make an order declaring precisely the nature and extent of dispositions that the survivor might make, e.g. by prohibiting inter vivos gifts exceeding a specified annual value.“180

In Extremfällen kann der durch die mutual wills begünstigte Schlusserbe den zweitversterbenden Ehegatten bereits zu dessen Lebzeiten an der weiteren Verschwendung des Vermögens durch eine einstweilige Verfügung (injunction) hindern.181 Die Annahme eines breach of trust ermöglicht nach dem Tode des zweitversterbenden Ehegatten auch eine Rückabwicklung von lebzeitigen Schenkungen oder vergleichbaren Rechtsgeschäften, die der Erblasser mit einem Dritten getätigt hat, also ein echtes „clawback“.182 III. Pflichtteilsrecht 1. Das englische „Pflichtteilsrecht“ Der Individualismus anglo-amerikanischer Prägung spiegelt sich auch im Erbrecht wider. Das englische Recht zeichnet sich auch hier dadurch aus, dass der Freiheit des Einzelnen und seinen freien Willensentscheidungen ein hohes Ge177 

Siehe S. 53 ff. Hughes P.C.B. 2011, 131,135. 179 Siehe Hughes P.C.B. 2011, 131, 135; Luxton Conv. 2009, 498, 503 ff. 180  Luxton Conv. 2009, 498, 504. 181 Vgl. Gillet v. Holt [2000] 3 W.L.R. 815 CA; Hughes P.C.B. 2011, 131, 135. 182  Pearce/Stevens/Barr,The law of trusts and equitable obligation, S.  4 48. 178 Siehe

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wicht beigemessen wird. Verfügungsbeschränkungen zugunsten Dritter werden nach diesem Verständnis als Fesseln für die selbstbestimmte Lebensplanung und als gravierender Freiheitsverlust empfunden. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass dem Common Law ein Pflichtteilsrecht im kontinental-­ europäischen Sinne fremd ist und ganz grundlegenden Einwendungen begegnen würde. Gleichwohl gibt es auch in England Ansprüche von Ehegatten oder nahen Verwandten gegen die testamentarischen Erben. Grundlage dieser Ansprüche ist der Inheritance Act, der die sog. family provisions vorsieht. In einer historischen Rückschau können im englischen Recht drei Phasen unterschieden werden: Zur Zeit der Normannenherrschaft war die Hälfte bis hin zum ganzen Vermögen der Verfügungsbefugnis des Eigentümers entzogen und stand dem Ehepartner bzw. den Kindern des Erblassers zu.183 Bereits im 14. Jahrhundert wurden diese Beschränkungen aber in den meisten Teilen des Königreichs aufgehoben und bis zur Einführung des Inheritance Act im Jahre 1938 herrschte vollständige Testierfreiheit. Der Inheritance Act wurde 1952, 1966 und 1975 wiederum durch zum Teil erheblich variierende Nachfolgeregelungen ersetzt. Das heute gültige Gesetz ist der Inheritance (Provision for Family and Dependants) Act 1975. Grundgedanke der gesetzlichen Regelungen war es, Unterhaltsansprüche gegen den Erblasser auch nach dessen Tod aus den Erbschaftsmitteln weiter fortzuführen. Hinsichtlich der Höhe und Modalitäten dieser Ansprüche wurde dem Gericht ein weites Ermessen eingeräumt. Die Regelung aus dem Jahre 1975 rückte von diesem Grundansatz jedoch insoweit ab, als sie für einen überlebenden Ehegatten nunmehr einen Anspruch auf eine angemessene finanzielle Beteiligung am Nachlass, auch unabhängig von einer unterhaltsrechtlichen Bedürftigkeit, vorsieht.184 Darin kann ein erster, wenn auch noch sehr eingeschränkter Schritt hin zu einem echten Pflichtteilsrecht gesehen werden. 2. Sec.  10–12 Inheritance Act 1975 Die Vorschriften zum Schutze der Ansprüche auf family provision vor lebzeitigen Verfügungen und Vertragsabschlüssen des Erblassers (anti-avoidance provisions) wurden erst 1975 in den Inheritance Act aufgenommen. In den Vorgängerregelungen fehlten sie noch vollständig, weshalb sich in der Kautelarpraxis zahlreiche Umgehungskonstruktionen etabliert hatten.185 Zum einen war es möglich, das zum Todeszeitpunkt vorhandene Nettovermögen und damit auch den Anspruch auf family provision dadurch zu reduzieren, dass der Erblasser 183 

Mellows, The Law of Successions, Ch. 14 B, S.  237. Miller L.Q.R. 1986, 445,447 f.; Kerrigan, Scots Law Times 2012, 29, 30. 185  Parry/Clark, The law of successions, Rn.  8 .101 ff.; Maurice, Family Provision Practice, S.  108; Theobald, On Wills, Rn.  16.68. 184 

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

noch vor seinem Tode die wesentlichen Vermögensgegenstände ohne entsprechende Gegenleistung einem Dritten übertrug. Zum anderen konnte der Erblasser das Nettovermögen aber auch dadurch verringern, dass er vertragliche Verbindlichkeiten begründete, die erst mit seinem Tode fällig wurden und den Nachlass im Wesentlichen abschöpften. Der englische Gesetzgeber hat hierauf reagiert und versucht, beiden Umgehungsmöglichkeiten durch die neu aufgenommenen anti-avoidance provisions einen Riegel vorzuschieben.186 Sec.  10 Inheritance Act beschäftigt sich mit den lebzeitigen Verfügungen (dispositions) des Erblassers, während Gegenstand der sec.  11 Inheritance Act die vertraglich begründeten Verbindlichkeiten des Nachlasses sind.187 3. Die Tatbestandsvoraussetzungen Insgesamt fünf Voraussetzungen müssen neben der Anspruchsberechtigung (a) erfüllt sein, damit das Gericht in die lebzeitigen Rechtsgeschäfte des Erblassers eingreifen kann: Der Erblasser muss eine Verfügung (disposition) getroffen oder einen Vertrag über die Übertragung eines Gegenstandes oder die Zahlung einer Geldsumme aus seinem Nachlass abgeschlossen (b) und hierfür keine vollwertige Gegenleistung erlangt haben (c). Durch die Verfügung muss der Antragsteller objektiv schlechter gestellt worden sein (d) und der Erblasser muss zudem in der Absicht gehandelt haben, einen Anspruch auf family provision zu vereiteln (e). Ferner müssen auch die zeitlichen Grenzen der Rückwirkung eingehalten werden (f). a) Anspruchsberechtigung Der Berechtigte muss zu den unter sec.  1 (1) Inheritance Act genannten Personen gehören. Hierzu zählen: der Ehegatte des Verstorbenen, ein früherer Ehegatte, soweit der Verstorbene nicht wieder geheiratet hat, ein nichtehelicher Lebenspartner, mit dem der Verstorbene einen gemeinsamen Haushalt geführt hat, Kinder des Verstorbenen, jeder, der während einer Ehe des Verstorbenen von diesem als aus dieser Ehe stammendes Kind behandelt wurde, jeder, für dessen Unterhalt – zur Gänze oder auch nur zum Teil – der Erblasser unmittelbar vor seinem Tod gesorgt hat.188 186 

Martyn, Family Provision – Law and Practice, S.  62. Zu den rechtspolitischen Hintergründen der Einführung der sec.  11 Inheritance Act s. Oughton, Tyler’s Family Provision, S.  313 ff. 188 Art.   1 Inheritance Act 1975 lautet: „(1) Where after the commencement of this Act a person dies domiciled in England and Wales and is survived by any of the following persons: – (a) the wife or husband of the deceased; (b) a former wife or former husband of the deceased who has not remarried; (ba) any person (not being a person included in paragraph (a) or (b) above) to whom subsection (1A) below applies; (c) a child of the deceased; (d) any person (not being a child of the deceased) who, in the case of any marriage to which the deceased was at 187 

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Ferner darf der Erblasser zu Gunsten des Klägers keine „reasonable financial provision“ vorgesehen haben. Der Nachweis obliegt dabei dem Kläger. Es müssen zwei Fälle unterschieden werden: Im Verhältnis zwischen Ehegatten liegt bereits dann keine „reasonable financial provision“ vor, wenn der überlebende Ehegatte nicht das erhält, was er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vernünftigerweise erwarten konnte. Vergleichsmaßstab sind dabei die finanziellen Ansprüche des Ehegatten im Falle einer Scheidung.189 Gegenüber anderen Berechtigten fehlt eine „reasonable financial provision“ hingegen erst dann, wenn das ihnen Zugewandte nicht dem entspricht, was sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vernünftigerweise als Unterhaltsleistung hätten erwarten können. Der Antrag auf family provision muss innerhalb von sechs Monaten nach der gerichtlichen Übertragung der Verwaltungsbefugnis auf den personal representative gestellt werden (sec.  4 Inheritance Act). Nur ausnahmsweise kann das Gericht auch einen später eingehenden Antrag für zulässig erklären. b) Disposition oder Vertrag Laut sec.  10 (7) Inheritance Act ist eine disposition „any payment of money, and any conveyance, assurance, appointment or gift of property of any description, whether made by instrument or otherwise“. Erfasst sind also bspw. eine Geldzahlung, die Übereignung eines Grundstücks oder einer beweglichen Sache, der Abschluss einer Versicherung etc. Auch der Abschluss einer Güterstandsvereinbarung wird von dem Begriff der disposition erfasst.190 In der Entscheidung Clifford v. Tanner hatte der Erblasser seiner Tochter aus erster Ehe sein Haus übertragen, sich und seiner zweiten Ehefrau aber ein lebenslanges Wohnrecht einräumen lassen.191 Kurz vor seinem Tode kam es jeany time a party, was treated by the deceased as a child of the family in relation to that marriage; (e) any person (not being a person included in the foregoing paragraphs of this subsec­ tion) who immediately before the death of the deceased was being maintained, either wholly or partly, by the deceased; that person may apply to the court for an order under section 2 of this Act on the ground that the disposition of the deceased’s estate effected by his will or the law relating to intestacy, or the combination of his will and that law, is not such as to make reasonable financial provision for the applicant. (1A) This subsection applies to a person if the deceased died on or after 1st January 1996 and, during the whole of the period of two years ending immediately before the date when the deceased died, the person was living – (a) in the same household as the deceased, and (b) as the husband or wife of the deceased.“ 189  Law.Com. No. 61 „Family Provision on Death“, Rn.  2 (b): „So far as is practicable in the differing circumstances, the claim of a surviving spouse upon the family assets should be at least equal to that of a divorced spouse, and the court’s powers to order family provision for a surviving spouse should be as wide as its powers to order financial provision on divorce.“ 190  Ross, Inheritance Act Claims, Rn.  3 -040. 191  Clifford v. Tanner [1987] C.L.Y. 3881; siehe dazu auch Ross, Inheritance Act Claims, Rn.  3-042 f.

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doch zu einem Bruch mit seiner Ehefrau, in dessen Folge der Erblasser gegenüber der Tochter auf das Wohnrecht zugunsten seiner Frau verzichtete. Auch dieser Verzicht stellte nach Ansicht des Gerichts eine Verfügung im Sinne der sec.  10 Inheritance Act dar. Reine Unterlassungen, z. B. von Erhaltungsmaßnahmen oder die Nichtvornahme vorteilhafter Geschäfte, stellen hingegen nach herrschender Ansicht keine disposition dar.192 Sec.  11 Inheritance Act erfasst Verträge, die eine Übertragung von Eigentum oder die Zahlung einer Geldsumme nach dem Todesfall vorsehen.193 Verpflichtungen, die noch zu Lebzeiten zu erfüllen sind, fallen nicht hierunter und stellen, soweit sie noch nicht vollzogen wurden, auch keine „disposition“ i. S. d. sec.  10 Inheritance Act dar.194 Gleichwohl ist unklar, ob bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der anti-avoidance provisions nicht auch insoweit eine gerichtliche Eingriffsmöglichkeit bestehen könnte.195 c) Keine vollwertige Gegenleistung Gerichtliche Maßnahmen scheiden nach sec.  10 (2) lit.  b), 11 (2) lit.  c) Inheritance Act aus, wenn der Begünstigte eine vollwertige Gegenleistung (full valuable consideration) erbringt. Bleibt die Gegenleistung in ihrem Wert hinter der Leistung des Erblassers zurück, sind gerichtliche Anordnungen zwar grundsätzlich möglich; das Gericht muss dann aber im Rahmen seines Ermessens auch die vom Begünstigten erbrachte Gegenleistung berücksichtigen (sec.  10 (6) Inheritance Act).196 Der Begünstigte muss die Gegenleistung nicht selbst erbringen. Es genügt, wenn ein Dritter für ihn an den Erblasser leistet (sec.  10 (2) (b), 11 (2) (c) Inheritance Act). Für das Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ist dabei nach herrschender Ansicht der Zeitpunkt ausschlaggebend, in dem beide Leistungen vollständig erbracht sind.197 Erhöht sich anschließend der Wert der Gegenleistung, bleibt das bei der gerichtlichen Ermessensentscheidung grundsätzlich außer Betracht. Ein unterschiedlicher Fälligkeitszeitpunkt der Leistungen wird hingegen bei der Wertbestimmung berücksichtigt.198 Verspricht bspw. ein Erblasser mit einer Lebenserwartung von weiteren 15 Jahren eine Geldzah192  Oughton, Tyler’s Family Provision, S.  304; vgl. auch Crittenden v. Crittenden [1990] 2 FLR 361. 193  Sec.  11 (2) (a) Inheritance Act lautet: „Where (…) .the court is satisfied that the deceased made a contract by which he agreed to leave by his will a sum of money or other property or by which he agreed that a sum of money or other property would be paid or transferred to any person out of his estate,(…)“. 194  Mellows, The Law of Successions, Ch. 15 D 2a, S.  278 f. 195 Vgl. Mellows, The Law of Successions, S.  278 f. mit Hinweis auf Schaefer v. Schuhmann [1972] A.C. 572. 196  Oughton, Tyler’s Family Provision, S.  306. 197  Mellows, The Law of Successions, S.  274. 198  Mellows, The Law of Successions, S.  274.

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lung zu seinem Todeszeitpunkt in Höhe von 100.000  € und erhält dafür vom Begünstigten sofort 50.000 €, so wird gleichwohl eine vollwertige Gegenleistung angenommen werden können.199 d) Objektive Beeinträchtigung des Berechtigten Hieran fehlt es, wenn die übertragenen Gegenstände wertlos sind und daher ihre Übertragung den Nachlass, der für die Befriedigung der Ansprüche auf family provision zur Verfügung steht, nicht (entscheidend) verringert.200 Eine Anordnung nach sec.  10, 11 Inheritance Act soll nach herrschender Ansicht auch dann ausscheiden, wenn das beim Erbfall vorhandene Vermögen zur vollständigen Befriedigung der Ansprüche auf family provision ausreicht.201 Dies ergäbe sich bereits aus dem Wortlaut der Voraussetzungen in sec.  10 (2), 11 (2) Inheritance Act („facilitate the making of financial provision for the applicant under this Act“). Der Haftung der Erben kommt demnach auch im englischen Recht ein gewisser Vorrang vor der Inanspruchnahme des beschenkten Dritten zu.202 e) Beeinträchtigungsabsicht Der Erblasser muss jeweils mit der Absicht gehandelt haben, mögliche Ansprüche auf family provision durch die Verfügung bzw. den Vertragsschluss zu vereiteln. In sec.  12 (1) Inheritance Act findet sich dazu folgende Regelung: „Where the exercise of any of the powers (…) is conditional on the court being satisfied that a disposition or contract was made by a deceased person with the intention of defeating an application for financial provision under this Act, that condition shall be fulfilled if the court is of the opinion that, on a balance of probabilities, the intention of the deceased (though not necessarily his sole intention) in making the disposition or contract was to prevent an order for financial provision being made under this Act or to reduce the amount of the provision which might otherwise be granted by an order thereunder.“

Die Beeinträchtigung von Ansprüchen nahestehender Personen braucht also nicht das einzige Motiv des Rechtsgeschäfts zu sein.203 Gleichwohl muss ihm mehr als nur eine ganz untergeordnete Bedeutung zukommen.204 Weiter ist es auch nicht erforderlich, dass dem Erblasser die Rechtslage im Einzelnen oder überhaupt nur die Existenz des Inheritance Act bei Vornahme des Rechtsgeschäfts bekannt war.205 Es genügt die Vorstellung, mit Hilfe der Rechtsgeschäf199 

Oughton, Tyler’s Family Provision, S.  316. Mellows, The Law of Successions, S.  274. 201  Hanbury v. Hanbury [1999] Fam. Law 447; Oughton, Tyler’s Family Provision, S.  307; Ross, Inheritance Act Claims, Rn.  3-046. 202  Siehe hierzu ausführlicher auf S. 210 ff. 203  Ross, Inheritance Act Claims, Rn.   3-055 ff.; Martyn, Family Provision – Law and Practice, S.  63. 204 Vgl. Ross, Inheritance Act Claims, Rn.  3-057; Kemmis v. Kemmis [1988] 1 WLR 1307, 1326. 205  Borkowski, Textbook on Successions, Rn.  8 .5.1.2. 200 

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te irgendwie geartete Ansprüche nahestehender Personen auf den Nachlass zu verhindern.206 Der Nachweis ist erbracht, wenn das Gericht das Vorliegen einer Beeinträchtigungsabsicht für überwiegend wahrscheinlich hält („balance of probabilities“). Höhere Anforderungen an das Beweismaß wurden im Hinblick auf die ähnlich gelagerte Vorschrift sec.  37 MCA 207 von Nourse L.J in der Entscheidung Kemmis v. Kemmis diskutiert, im Ergebnis aber abgelehnt.208 Gleiches muss auch für sec.  10, 11 Inheritance Act gelten. Da der Erblasser seine Absichten meist nicht offen kundtut bzw. falls doch, seine Äußerungen wenig glaubwürdig sind, muss im Regelfall aufgrund der ­äußeren Umstände auf die Absichten des Erblassers geschlossen werden. In Kemmis v. Kemmis führt Lloyd LJ hierzu aus: „(…) as in every case where we are called on to investigate a person’s intentions, the court is necessarily thrown back on inference. It will be a rare case where the spouse declares his state of mind in advance, and even then his declaration would not be conclusive, or even very persuasive, unless it is against interest (…) in determining whether a spouse has the requisite state of mind, a court may have regard to the natural consequences of his act. It is true that there is no presumption (…) Nor generally, would the natural consequences of the disposition be enough by itself to support an inference of intention. But natural consequences of the disposition would certainly be a factor to be taken into account in deciding whether or not to draw the inference of intention in any case.“209

Ein Beispiel für einen erfolgreichen Nachweis einer Beeinträchtigungsabsicht ist der Fall Re Dawkins: Der Erblasser hatte seiner Ehefrau testamentarisch einen Geldbetrag und ein lebenslanges Wohnrecht im gemeinsamen Haus versprochen, das Haus dann aber kurz vor seinem Tod für 100 Pfund seiner Tochter übertragen und ansonsten nur noch Schulden hinterlassen. Das Gericht war hier der Ansicht, dass die Übertragung des Hauses vor allem dem Zweck diente, Ansprüche der Ehefrau auf family provision zu verhindern.210 Nicht ganz geklärt ist auch die Frage, inwieweit dem Verhalten des Erblassers ein moralischer Unwertgehalt zukommen muss.211 Die Verwendung von Formulierungen wie „fraud“ 212 oder „dishonest and fraudulent intention“ 213 in den Urteilen verschiedener englischer Gerichte könnte darauf hindeuten, dass das Verhalten des Erblassers zusätzlich eine Nähe zum Straftatbestand des Betruges

206  Re Kennedy [1980] C.L.Y. 2820; Williams, On Wills, Rn.  105.48; Ross, Inheritance Act Claims, Rn.  3-044. 207  Siehe hierzu S. 124 ff. 208  Kemmis v. Kemmis [1988] 1 WLR 1307, 1331. 209  Kemmis v. Kemmis [1988] 1 WLR 1307, 1326. 210  Re Dawkins [1986] 2 FLR 360; s. a. Hanbury v. Hanbury [1999] Fam. Law 447; dazu jeweils Ross, Inheritance Act Claims, Rn.  3-045 f. 211  Oughton, Tyler’s Family Provision, S.  307. 212  K v. K (avoidance of reviewable dispositions) [1982] 4 FLR 31, 36. 213  Kemmis v. Kemmis [1988] 1 WLR 1307, 1331.

Teil 1 – C. England

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aufweisen und generell negativ zu bewerten sein müsse.214 Konsequenz wäre, dass eine Beeinträchtigungsabsicht ausscheiden würde, wenn der Erblasser sich bei Vornahme der Rechtsgeschäfte von moralisch hochwertigen Motiven hat leiten lassen.215 Eindeutige Rechtsprechung existiert hierzu allerdings nicht.216 Eine Beeinträchtigungsabsicht kann jedenfalls dann verneint werden, wenn sich der Erblasser bei einer Verfügung über deren tatsächlichen Wert oder über sein ihm anschließend noch verbleibendes Vermögen geirrt hat („honest mis­ take“).217 Gleiches muss wohl gelten, wenn sich die Vermögensverhältnisse des Erblassers erst nach Vornahme des Rechtsgeschäfts massiv verschlechtert haben und erst dadurch überhaupt die Situation entstanden ist, dass der verbleibende Nachlass den Unterhalt berechtigter Personen nicht mehr deckt. Bei Verträgen i. S. d. sec.  11 Inheritance Act wird anderseits gem. sec.  12 (2) Inheritance Act eine Benachteiligungsabsicht widerleglich vermutet, wenn keinerlei werthaltige Gegenleistung (no valuable consideration) vereinbart wurde.218 Im Unterschied zu der oben auf Seite  78 erörterten Tatbestandsvoraussetzung reicht es nach dem Wortlaut hier nicht, dass die Gegenleistung in ihrem Wert hinter der Leistung des Erblassers zurückbleibt (no full valuable consideration), sondern sie darf gar keinen Gegenwert darstellen. Insoweit tritt nun jedoch das Problem auf, dass nach englischem Vertragsrecht ein Anspruch aus einem Vertrag grds. nur dann durchsetzbar ist, wenn der Anspruchsteller selbst eine consideration erbracht hat.219 Für die Vermutung nach sec.  12 (2) Inheritance Act bleiben deshalb letztlich nur Fälle übrig, in denen die consideration durch einen Vertragsabschluss in der Form einer deed ersetzt wurde oder in denen die consideration in einem Eheversprechen besteht.220 Der Entscheidung des House of Lords in Midland Bank Trust v. Grenn lässt sich zudem entnehmen, dass sec.  12 (2) Inheritance Act wohl selbst dann keine Anwendung findet, wenn die Gegenleistung nur rein symbolischer Natur (nominal consideration) ist.221 214 

Vgl. auch Barns v. Barns [2003] 214 CLR 169, 186 (Rn.  39). Vergleichbar also mit der Differenzierung nach dem lebzeitigem Eigeninteresse des Erblassers bei §  2287 BGB , siehe hierzu S. 53 ff. 216  Eher ablehnend auch Ormrod LJ in K v. K (avoidance of reviewable dispositions) [1982] 4 FLR 31, 37, 41. 217  Williams, On Wills, Rn.  105.48. 218  Sec.  12 (2) Inheritance Act lautet: „Where an application is made under section 11 of this Act with respect to any contract made by the deceased and no valuable consideration was given or promised by any person for that contract then, notwithstanding anything in subsection (1) above, it shall be presumed, unless the contrary is shown, that the deceased made that contract with the intention of defeating an application for financial provision under this Act.“ 219  Treitel, in: Chitty on Contracts, Rn.  3 -001 ff.; s. a. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S.  384 ff. 220  Oughton, Tyler’s Family Provision, S.  317; Theobald, On Wills, Rn.  16.70. 221  Midland Bank Trust v. Grenn [1981] A.C. 513, 531. Lord Wilberforce führt hierzu aus: „The argument is that the protection of section 13 (2) of the Land Charges Act 1925 does not extend to a purchaser who has provided only a nominal consideration and that £500 is nominal. A variation of this was the argument accepted by the Court of Appeal that the considera215 

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

Im Schrifttum wird die Regelung in sec.  12 (2) Inheritance Act auch insgesamt eher kritisch bewertet.222 Die Vermutung entspreche oft nicht der Realität und auch die Differenzierung zwischen den Fällen der sec.  10 Inheritance Act und denjenigen der sec.  11 Inheritance Act überzeuge nicht. Das Fehlen einer werthaltigen Gegenleistung sei kein hinreichend verlässliches Indiz für die Annahme einer Beeinträchtigungsabsicht und selbst wenn dem so wäre, müsse das dann konsequenterweise auch für Verfügungen i. S. d. sec.  10 Inheritance Act gelten.223 f) Zeitliche Grenzen Eine disposition ist gem. sec.  10 Inheritance Act nur dann angreifbar, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Erblassers nicht länger als sechs Jahre zurückliegt.224 Wann genau eine Verfügung als vollzogen gilt, kann mitunter schwierig zu beurteilen sein, wenn bspw. für den Abschluss des Rechtsgeschäfts noch eine anschließende Registrierung erfolgen muss.225 Anders als nach der sog. „Genussverzichtsrechtsprechung“ des BGH 226 ist es für den Fristbeginn jedoch unschäd­ lich, wenn sich der Erblasser an dem verschenkten Gegenstand ein lebzeitiges Nutzungsrecht vorbehält oder den Gegenstand tatsächlich weiter nutzt.227 Gleiches soll sogar für den Fall gelten, dass sich der Erblasser im Hinblick auf die Schenkung zusätzlich ein voraussetzungsloses Widerrufsrecht einräumen lässt. Für vertraglich begründete Verpflichtungen des Nachlasses im Sinne von sec.  11 Inheritance Act gibt es hingegen keine zeitliche Grenze. Wann der Vertrag abgeschlossen wurde, ist irrelevant. Dieser Unterschied wird überwiegend damit begründet, dass bei den Verträgen nach sec.  11 Inheritance Act das Vollzugsgeschäft erst nach dem Tode des Erblassers erfolgt und sie daher auch erst zu diesem Zeitpunkt Wirkung entfalten. Für den Erblasser haben sie, im Unterschied zu den dispositions, grds. keine lebzeitigen Auswirkungen, weshalb auch dem genauen Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts – der im Übrigen leicht manipulierbar ist – keine besondere Bedeutung zukommt.228 tion must be ‚adequate‘ – an expression of transparent difficulty. The answer to both contentions lies in the language of the subsection. The word ‚purchaser,‘ by definition (section 20 (8)), means one who provides valuable consideration – a term of art which precludes any inquiry as to adequacy…There is nothing here which suggests, or admits of, the introduction of a further requirement that the money must not be nominal.“ 222  Oughton, Tyler’s Family Provision, S.  317 f. 223  Oughton, Tyler’s Family Provision, S.  317 f. 224  Zu den dieser Zeitgrenze zugrundeliegenden Erwägungen s. Maurice, Family Provision Practice, S.  111 f. 225  Mellows, The Law of Successions, S.  272 f. mwN. 226  Siehe oben S. 68 ff. 227  Mellows, The Law of Successions, S.  273; Oughton, Tyler’s Family Provision, S.  305. 228  Borkowski, Textbook on Successions, Rn.  8 .5.2.2; Martyn, Family Provision – Law and Practice, S.  6 4; Ross, Inheritance Act Claims, Rn.  3.035; Maurice, Family Provision Practice, S.  116.

Teil 1 – D. Frankreich

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D. Frankreich I. Bindung künftigen Vermögens Ähnlich wie im deutschen Recht (§  2302 BGB) sind auch in Frankreich Verträge, die bereits zu Lebzeiten Rechte am Nachlass des Erblassers begründen oder aufheben, grds. unwirksam. Art.  722 Code civil bestimmt: „Les conventions qui ont pour objet de créer des droits ou de renoncer à des droits sur tout ou partie d’une successions non encore ouverte ou d’un bien en dépendant ne produisent effet que dans les cas où elles sont autorisées par la loi.“

Ergänzt wird dieser Grundsatz durch die Regelungen in Art.  943 Code civil und Art.  1130 Code civil. Art.  943 Code civil erklärt Schenkungen unter Lebenden für unwirksam, soweit sie Gegenstände betreffen, die weder im Eigentum des Schenkers stehen noch im Hinblick auf deren Erwerb der Schenker bereits ein droit conditionnel229 geltend machen kann.230 Solche Gegenstände werden auch als biens à venir bezeichnet und von den biens présents abgegrenzt. Ein potentieller Erbe hat in Bezug auf den Nachlass wegen der zahlreichen Unsicherheiten noch kein droit conditionnel, weshalb es sich für ihn insoweit um biens à venir handelt. Art.  1130 Abs.  2 Code civil bestimmt wiederum, dass vor Eröffnung des Nachlassverfahrens auf Rechte am Nachlass nur in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen verzichtet werden kann und auch nur in diesem Rahmen abweichende vertragliche Vereinbarungen zulässig sind.231 Hinzuweisen ist ferner auf Art.  1389 Code civil, der im Zusammenhang mit der Ehevertragsfreiheit festlegt, dass Ehegatten keine Verträge schließen können, durch die sie die gesetzliche Erbfolge abändern. Ausgenommen davon sind lediglich die weiter unten noch ausführlich behandelten institutions contractuelles.232 1. Das Verbot vertraglicher Vereinbarungen über den Nachlass (Art.  722 Code civil) Das Verbot vertraglicher Vereinbarungen über den Nachlass einer noch lebenden Person hat in Frankreich eine lange Tradition. Seine Ursprünge können 229 Das droit conditionnel bleibt in seiner rechtlichen Verfestigung hinter einem Anwartschaftsrecht zurück, geht aber über die Position einer bloßen Aussicht hinaus, vgl. Döbereiner, Erbrecht in Frankreich, in: Süß (Hrsg.), Erbrecht in Europa, Rn.  126. 230  Art.  943 Code civil: „La donation entre vifs ne pourra comprendre que les biens présents du donateur; si elle comprend des biens à venir, elle sera nulle à cet égard.“ 231  Art.  1130 Code civil: „Les choses futures peuvent être l’objet d’une obligation. On ne peut cependant renoncer à une succession non ouverte, ni faire aucune stipulation sur une pareille succession, même avec le consentement de celui de la succession duquel il s’agit, que dans les conditions prévues par la loi.“ 232  Siehe S. 95 ff.

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bereits auf das römische Recht zurückgeführt werden.233 Marty/Raynaud haben es auch deshalb als die „manifestation la plus caracteristique“ des französischen Erbrechts bezeichnet.234 Drei Ausprägungen lassen sich unterscheiden: Erstens kann ein mutmaßlicher Erbe vor Eröffnung des Nachlassverfahrens nicht wirksam auf sein Erbe verzichten. Zweitens kann er vor diesem Zeitpunkt auch nicht über sein potentielles Erbrecht oder seine potentielle Berechtigung an Teilen des Nachlasses verfügen und es bspw. an einen Dritten abtreten. Drittens ist der Erblasser seinerseits daran gehindert, Rechte zu begründen, die erst mit seinem Tode entstehen, oder Verträge mit seinen potentiellen Erben zu schließen, die die Verteilung seines Nachlasses regeln sollen.235 Als Rechtfertigung für diese Regelung wird zum einen auf die Notwendigkeit verwiesen, die Testierfreiheit des Erblassers vor einer Aushöhlung durch lebzeitige vertragliche Bindungen zu schützen.236 Andererseits sollte der Erblasser aber auch daran gehindert werden, vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten dazu zu nutzen, um die seit der französischen Revolution nachdrücklich proklamierte Gleichheit im Erbrecht wieder zu unterlaufen.237 Zudem seien auch die potentiellen Erben schutzbedürftig, da ihnen bei Abschluss eines solchen Vertrages der Umfang ihrer Rechte und damit ihres Verzichts gar nicht bewußt sein könne.238 Argumentiert wird schließlich auch, dass lebzeitige Vereinbarungen über den Nachlass einen unerwünschten Anreiz setzen könnten, auf den Tod einer Person zu hoffen, mit diesem zu spekulieren, und daher moralisch anstößig wären.239 Das Verbot ist gerade in jüngerer Zeit zunehmend gelockert worden. So ist es etwa in Folge der großen Erbrechtsreform durch die loi n°2006-728 vom 23. Juni 2006 nunmehr auch zulässig, dass potentiell pflichtteilsberechtigte Erben noch zu Lebzeiten des Erblassers auf die Geltendmachung einer Herabsetzungsklage 233  Raoul-Cormeil/Veaux-Fournerie/Veaux, Successions – Pacte sur succession future, JC Civ. Code., Fasc. 20, Rn.  2, 6; Najjar, Pacte sur succession futur, Rép. dr. civ., Rn.  8; Grimaldi, Droit civil – Successions, Rn.  340; Demolombe, Code Napoléon, XXIII, Rn.  271. 234  Marty/Raynaud, Droit civil – Les obligations II, Rn.  76, S.  72. 235  Raoul-Cormeil/Veaux-Fournerie/Veaux, Successions – Pacte sur succession future, JC Civ. Code., Fasc. 20, Rn.  2; Grimaldi, Droit civil – Successions, Rn.  341. 236  Raoul-Cormeil/Veaux-Fournerie/Veaux, Successions – Pacte sur succession future, JC Civ. Code., Fasc. 20, Rn.  32; Grimaldi, Droit civil – Successions, Rn.  341; Coiffard JCP N 2004, n°19, 1223, Rn.  35. 237  Raoul-Cormeil/Veaux-Fournerie/Veaux, Successions – Pacte sur succession future, JC Civ. Code., Fasc. 20, Rn.  31; Grimaldi, Droit civil – Successions, Rn.  341; Coiffard JCP N 2004, n°19, 1223, Rn.  35; Coiffard JCP N 2004, n°19, 1223, Rn.  33. 238  Raoul-Cormeil/Veaux-Fournerie/Veaux, Successions – Pacte sur succession future, JC Civ. Code., Fasc. 20, Rn.  33; Grimaldi, Droit civil – Successions, Rn.  341; Coiffard JCP N 2004, n°19, 1223, Rn.  37. 239  Najjar, Pacte sur succession futur, Rép. dr. civ., Rn.  8; Raoul-Cormeil/Veaux-Fournerie/­ Veaux, Successions – Pacte sur succession future, JC Civ. Code., Fasc. 20, Rn.  30; Coiffard JCP N 2004, n°19, 1223, Rn.  31.

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verzichten (Art.  929 ff. Code civil).240 Zahlreiche weitere Ausnahmen finden sich unter anderem in den Artt.  301, 918, 1048, 1057, 1075, 1390, 1527, 1870, 2420 Code civil.241 Aufgrund der zum Teil doch sehr weit reichenden Durchbrechungen hat Beigner das Verbot von Verträgen über einen künftigen Nachlass auch als „bouteille vide au belle étiquette“ bezeichnet.242 Die wichtigste unter diesen Ausnahmen ist aber nach wie vor die Regelung in Artt.  1082, 1093 Code civil, die es ermöglicht, erbrechtliche Anordnungen in Eheverträgen zu treffen. Sie allein soll daher auch Gegenstand der weiteren Untersuchung sein. 2. Ausnahme für erbrechtliche Regelungen in Eheverträgen (institution contractuelle) Die Möglichkeit, eine auch erbrechtliche Regelungen enthaltende sog. institu­ tion contractuelle zu treffen, hat der französische Gesetzgeber bereits 1804 eingeführt.243 Art.  1082 Code civil erlaubt jedem beliebigen Dritten, in einem Ehevertrag einen Teil oder sein gesamtes im Todeszeitpunkt vorhandenes Vermögen einem Gatten und im Falle seines Vorversterbens ihren aus der Ehe stammenden Kindern zu vermachen.244 Gem. Art.  1093 Code civil gilt grds.245 Gleiches für Schenkungen der Eheleute untereinander, die im Rahmen eines Ehevertrages vorgenommen werden und sich – zumindest auch – auf biens à venir beziehen.246 Zudem können sich Ehegatten während der Dauer ihrer Ehe auch außerhalb eines Ehevertrages gegenseitig mit biens à venir beschenken, also sich bspw. gegenseitig bereits vertraglich ihren künftigen Nachlass zusichern (Artt.  947, 1091 ff. Code civil). Das Verbot des Art.  943 Code civil gilt in 240  Raoul-Cormeil/Veaux-Fournerie/Veaux, Successions – Pacte sur succession future, JC Civ. Code., Fasc. 20, Rn.  17 f. mwN. 241 Siehe hierzu und zu noch anderen Ausnahmen Raoul-Cormeil/Veaux-Fournerie/ Veaux, Successions – Pacte sur succession future, JC Civ. Code., Fasc. 20, Rn.  27. 242  Beignier, Liberalités et successions, N°5, S.  15. 243  Siehe hierzu auch Trasbot/Loussouarn, Donations et testaments, Rn.  767. 244  Art.  1082 Code civil lautet: „Les père et mère, les autres ascendants, les parents colla­ téraux des époux, et même les étrangers, pourront, par contrat de mariage, disposer de tout ou partie des biens qu’ils laisseront au jour de leur décès, tant au profit desdits époux, qu’au profit des enfants à naître de leur mariage, dans le cas où le donateur survivrait à l’époux ­donataire. Pareille donation, quoique faite au profit seulement des époux ou de l’un d’eux, sera toujours, dans ledit cas de survie du donateur, présumée faite au profit des enfants et descendants à naître du mariage.“ 245  Ein Unterschied besteht darin, dass anders als bei Art.  1082 Code civil, die ehelichen Kinder im Zweifel nicht in die Position des beschenkten Ehegatten nachrücken, wenn dieser vor dem Schenker verstirbt; siehe hierzu auch Breton in: Mazeaud u. a., Leçons de droit civil, IV, Rn.  1562. 246  Art.  1093 Code civil lautet: „La donation de biens à venir, ou de biens présents et à venir, faite entre époux par contrat de mariage, soit simple, soit réciproque, sera soumise aux règles établies par le chapitre précédent, à l’égard des donations pareilles qui leur seront faites par un tiers, sauf qu’elle ne sera point transmissible aux enfants issus du mariage, en cas de décès de l’époux donataire avant l’époux donateur.“

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all diesen Konstellationen nicht. Allerdings bleiben die Schenkungen im letztgenannten Fall, wenn sie außerhalb eines notariell beurkundeten Ehevertrages vorgenommen werden, gem. Art.  1096 Code civil frei widerruflich und entfalten somit strenggenommen keine Bindungswirkung. Interessant sind hier deshalb allein die Verfügungen im Rahmen eines Ehevertrages unabhängig davon, ob sie durch einen Dritten (Art.  1082 Code civil) oder durch einen der Ehegatten (Art.  1093 Code civil) vorgenommen wurden. Beide sind im Grundsatz unwiderruflich. Nach herrschender Ansicht ist die institution contractuelle dogmatisch ein Zwitterwesen zwischen der vertragsrechtlich einzuordnenden Schenkung ­(donation) und der erbrechtlich zu qualifizierenden letztwilligen Verfügung (legs/testament).247 Es finden daher teilweise erbrechtliche, teilweise aber auch vertragsrechtliche Grundsätze Anwendung. So richtet sich bspw. die Frage nach der Anfechtbarkeit wegen Willensmängeln im Grundsatz nach Vertragsrecht (Artt.  1109–1117 Code civil). Bei den Anforderungen an die Geschäftsfähigkeit wird unterschieden: Ehegatten als Versprechende (instituant) oder Begünstigte (institué) müssen nur die geringeren Voraussetzungen zum Abschluss eines Ehevertrages gem. Art.  1398 Code civil erfüllen. Für Dritte gelten hingegen wiederum die allgemeinen Anforderungen des Vertragsrechts.248 Während Versprechender praktisch jedermann sein kann, kommen als Empfänger nur ein Ehegatte oder beide Ehegatten zusammen in Betracht. Ist der Versprechende ein Dritter, ist es auch möglich, die Begünstigung auf die später aus der Ehe stammenden Kinder zu erstrecken.249 Die institution contractuelle muss die für den Ehevertrag erforderliche Form der notariellen Beurkundung einhalten. Ist der Versprechende ein Dritter, muss auch er den Ehevertrag mitunterzeichnen und ihm gegenüber muss die Form der notariellen Beurkundung gewahrt sein.250 Folgende Konstellationen sind hinsichtlich des Gegenstandes einer institu­ tion contractuelle denkbar: Erstens, der Versprechende sichert dem/den Begünstigten den Erwerb seines gesamten oder eines Teils seines im Todeszeitpunkt bestehenden Vermögens zu. Zweitens, der Versprechende legt lediglich

247  Raoul-Cormeil/Veaux-Fournerie/Veaux, Successions – Pacte sur succession future, JC Civ. Code., Fasc. 20, Rn.  119; Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  5; Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  750; differenzierend nach den verschiedenen Typen der institution contractuelle Terré/Lequette, Droit civil – Les successions, les libéralités, Rn.  545; stärker das Schenkungselement betonend Guével, Droit des successions et des libéralités, Rn.  499. 248  Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  13 ff., 32; Marty/Raynaud, Droit civil – Les successions et les libéralités, Rn.  534. 249  Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  28 ff.; Trasbot/Loussouarn, Donations et testaments, Rn.  773 f. 250  Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  35 ff.

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bestimmte Gegenstände oder einen bestimmten Geldbetrag fest, die der Begünstigte nach seinem Tod erhalten soll.251 Während in der zweiten Konstellation das Problem nachträglicher lebzeitiger Verfügungen des instituant meist auf der Ebene der Vertragsauslegung gelöst werden kann, handelt es sich in der ersten Konstellation um die typische und in dieser Untersuchung zentrale Fragestellung nach den Wirkungen einer vertraglichen Bindung des künftigen Vermögens. Sie soll hier daher im Vordergrund stehen. II. „Erbverträge“ Mit der Bindungswirkung einer institution contractuelle zu Lebzeiten des Versprechenden (instituant) befasst sich Art.  1083 Code civil, der bestimmt: „La donation dans la forme portée au précédent article, sera irrévocable en ce sens seulement que le donateur ne pourra plus disposer, à titre gratuit, des objets compris dans la donation, si ce n’est pour sommes modiques, à titre de récompense ou autrement.“

Auch im französischen Recht bleibt der Erblasser demnach trotz vertraglicher Bindung in seiner Verfügungsbefugnis und in den Möglichkeiten, sein Vermögen zu verbrauchen, grds. frei.252 Art.  1083 Code civil schränkt seine Freiheit allerdings insoweit ein, als ihm alle Verfügungen „à titre gratuit“ grds. untersagt sind.253 Weitergehende Einschränkungen der Verfügungsbefugnis, auch im Hinblick auf voll entgeltliche Verfügungen, können hingegen nicht vereinbart werden. Entsprechende vertragliche Abreden sind unwirksam.254 Hierdurch soll unter anderem das Verbot des Art.  722 Code civil vor einer noch weitergehenden Aushöhlung geschützt werden.255 1. Der Begriff der „disposition à titre gratuit“ Eine „disposition à titre gratuit“ liegt bei allen Rechtsgeschäften vor, mittels derer Vermögenswerte ohne Gegenleistung einem Dritten übertragen werden.256 251  Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  753; Grimaldi, Donations et testaments, JC Not. Rép., Fasc. 50, Rn.  72 f. 252  Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  756; Trasbot/Loussouarn, Donations et testaments, Rn.  776; Guével, Droit des successions et des libéralités, Rn.  502; Esmein in: Aubry/Rau, Droit civil français, XI, §  739, S.  511. 253  Von vornherein ausgenommen sind geringfügige Summen und Schenkungen, durch die empfangene Leistungen abgegolten werden sollen oder die einen ähnlichen Zweck verfolgen, siehe S. 95. 254  Cass. 5 Juill. 1928, D. 1929, 1, 43; Esmein in: Aubry/Rau, Droit civil français, XI, §  739, S.  514 f.; Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  49; Terré/Lequette, Droit civil – Les successions, les libéralités, Rn.  549. 255  Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.   49; ­Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  181. 256  Najjar, Donation, Rép. dr. civ., Rn.  1 ff.

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Erfasst wird dabei auch eine indirekte Schenkung, die bspw. in einem Verzicht auf die Ausübung von Rechten besteht,257 eine Handschenkung (don manuel) oder eine versteckte Schenkung (donation déguisée).258 Gleiches gilt für eine ­erbrechtliche Vermögensaufteilung zwischen Abkömmlingen (donation-par­ tage).259 Entscheidend ist jeweils, dass durch die Vermögensübertragung die Rechte des instituée beeinträchtigt werden.260 Auch weitere institutions contractuelles oder letztwillige Verfügungen sind unter dieser Voraussetzung unwirksam. Es setzt sich insoweit immer die zeitlich früher abgeschlossene institution contractuelle durch.261 Von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Art.  1083 Code civil ausgenommen sind Verfügungen über „sommes modiques“. Das Wort sommes ist dabei nicht eng auszulegen und etwa nur auf Geldzahlungen zu beziehen. Es kommt insoweit nur auf den insgesamt geringen Wert und nicht auf die konkrete Rechtsnatur des übertragenen Gegenstandes an.262 Wann ein übertragener Wert als gering gilt, beurteilt sich relativ im Verhältnis zum Wert des insgesamt von der institution contractuelle erfassten und nach der Verfügung noch vorhandenen Nachlasses.263 Eine feste Bagatellgrenze gibt es demnach nicht. Für die richterliche Ermessensentscheidung von Bedeutung sind insoweit auch der Zweck der Verfügung und das mit dem Abschluss der institution contractuelle verfolgte Ziel. Noch deutlicher wird der Bezug zum Zweck der Verfügung bei der anderen Ausnahme „à titre de récompense“. Mittels dieser, auch im deutschen Recht bekannten Figur der Pflicht- und Anstandsschenkungen 264 kann der instituant im Einzelfall auch größere Werte zuwenden, ohne die Rechtsfolgen des Art.  1083 Code civil auszulösen. Die Besonderheit liegt jeweils darin, dass die Verfügung zwar nicht durch eine Rechtspflicht – dann wäre sie ja auch nicht mehr „gratuit“ erfolgt – wohl aber durch eine Verpflichtung moralisch/sittlicher Natur motiviert war, bspw. wegen vorher dem instituant erbrachter Dienste.265 Die sehr 257  Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  189 mit Hinweis auf Req. 26 mars 1845, S.  1847.1.120. 258  CA Pau, 27 janv. 1932: S.  1932, 2, p.  125; CA Limoges, 7 déc. 1900: DP 1902, 2, S.  369; Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  58; siehe hierzu auch die zahlreichen Beispiele aus der Rechtsprechung bei Trasbot/Loussouarn, Donations et testaments, Rn.  777. 259 Cass. Req., 7 avril 1873: DP 1873, 1, S.   421. Siehe zur donation-partage Art.  1075 ff. Code civil. 260  Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  189; Trasbot/Loussouarn, Donations et testaments, Rn.  777. 261  Civ. 10 févr. 1914, préc.; Civ. 23 févr. 1818, Jur. gén. 1860, DP 1860.1.153. 262  Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  197; Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  63. 263  Cass. 14 juin 1893: DP 1894, 1, S.  65; Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  63. 264  Siehe S. 57. 265  Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  63.

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weit formulierte dritte Ausnahme „ou autrement“ bezieht sich nach herrschender Ansicht auf übliche Alltagsgeschenke (bspw. zu Hochzeiten, Geburtstagen, Weihnachten) und auf Zuwendungen für religiöse oder karitative Zwecke.266 Der Rahmen des Angemessenen und Üblichen darf dabei aber jeweils nicht überschritten werden. 2. Objektive Beeinträchtigung der Rechte des institué Wann eine Schenkung geeignet ist, die Rechte des institué zu beeinträchtigen, hängt entscheidend davon ab, um was für eine institution contractuelle es sich genau handelt. Bezieht sich die Abmachung auf das gesamte im Todeszeitpunkt vorhandene Vermögen, so verschlechtert praktisch jede Verfügung „à titre gratuit“ die Position des institué.267 Anders ist es hingegen, wenn die Überlassung einer bestimmten abstrakten Quote des Nachlasses vereinbart wurde. Hier kommt eine Beeinträchtigung des institué nur in Betracht, wenn der ihm nach dem Erbfall verbleibende Nachlass(anteil) weniger wert ist als sein unter Hinzurechnung der Schenkung ermittelter ursprünglicher quotaler Anteil.268 Ob dies der Fall ist, lässt sich deshalb in aller Regel erst nach Eröffnung des Nachlassverfahrens sagen. 269 Bei institutions contractuelles, die sich auf bestimmte, genau bezeichnete Gegenstände beziehen, bleibt der Erblasser wiederum selbstverständlich frei, über andere in seinem Eigentum stehende Gegenstände auch im Wege einer Schenkung zu verfügen.270 Nur soweit die in der institution contractuelle bezeichneten Gegenstände betroffen sind, ist an eine Anwendung des Art.  1083 Code civil zu denken. An einer objektiven Beeinträchtigung fehlt es ferner, wenn der Erblasser den institué selbst beschenkt oder er Einschränkungen einer ersten institution con­ tractuelle durch eine zweite aufhebt.271 Gleiches gilt, wenn Rechte, die sich der Erblasser an den übertragenen Gegenständen zunächst hat einräumen lassen, später aufgegeben werden.272

266  Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.   63; ­Esmein in: Aubry/Rau, Droit civil français, XI, §  739, S.  512 f. 267  Terré/Lequette, Droit civil – Les successions, les libéralités, Rn.  5 49; Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  184. 268  Beispiel: Der kinderlose und verwitwete Erblasser E setzt die Eheleute A im Rahmen einer institution contractuelle mit einer Quote von ½ als Erben ein. Das Vermögen betrug zu diesem Zeitpunkt 1.000.000  €. Anschließend verschenkt E 500.000  € an B. Bei seinem Tode sind daher nur noch 500.000  € vorhanden, die aber allein den Eheleuten A zustehen. Die Eheleute A wurde durch die Schenkung an B folglich nicht beeinträchtigt. 269  Terré/Lequette, Droit civil – Les successions, les libéralités, Rn.  5 49. 270  Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  182. 271  Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  190. 272  Civ. 30 nov. 1937, DH 1938. 19.

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3. Subjektive Voraussetzungen Weitere subjektive Voraussetzungen stellt Art.  1083 Code civil nicht auf. In der Literatur wird jedoch vertreten, dass neben den unentgeltlichen Geschäften auch entgeltliche Geschäfte angreifbar werden, wenn der institué einen „mauvaise foi“ oder „fraude“ des Erblassers nachweist.273 Als Rechtsfolgen werden in diesem Fall teilweise die Nichtigkeit der gesamten Verfügung, 274 teilweise aber auch nur Schadensersatzansprüche des institué bzw. die Möglichkeit, eine ­action en réduction zu erheben, angenommen.275 Zu beachten ist allerdings, dass ein Angriff auf die Rechte des institué und damit eine fraude in der Regel nur vorliegen wird, wenn der Erblasser vermögenswerte Rechtspositionen aufgibt. Anders als es zunächst den Anschein hat, geht es hier daher in der Regel weniger um den abstrakten Nachweis einer Benachteiligungsabsicht des Erblassers als vielmehr darum, eine versteckte Schenkung aufzudecken, die sich als entgeltliches Rechtsgeschäft tarnt.276 Insoweit handelt es sich daher wohl letztlich doch nur wieder um den mitunter schwierigen Nachweis der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des Art.  1083 Code civil und nicht um ein echtes alternatives bzw. kumulatives subjektives Kriterium. Beispiele, in denen die Rechtsprechung voll entgeltliche Rechtsgeschäfte mit dem Hinweis auf mauvaise foi/­ fraude für unwirksam erklärt oder dem institué eine action en réduction zugebilligt hat, lassen sich jedenfalls nicht finden. Umstritten ist allerdings, ob der Nachweis einer fraude die Möglichkeit eröffnet, eine action paulienne zu erheben.277 Während das von Teilen der Literatur angenommen wird,278 steht die wohl herrschende Meinung einem solchen Ansatz eher kritisch gegenüber.279 Auch die belgische Cour de Cassation hat die Geltendmachung einer action paulienne durch einen institué verneint.280 Ein­ institué ist nach dieser Auffassung gerade kein Gläubiger und daher im Rahmen einer action paulienne nicht antragsbefugt.

273 

Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  178 mwN. Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  178; Trasbot/Loussouarn, Donations et testaments, Rn.  777 mit Hinweis auf Civ. 5 nov. 1806, D. Jur. gén., Disp. Entre vifs, n° 618, S. chr; Limoges, 13 Mai 1895, D. 98, 2, S.  397. 275  Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  48, 70; Esmein in: Aubry/Rau, Droit civil français, XI, §  739, S.  514 (Fn.  54). 276  CA Limoges 13 mai 1895, DP 1898, 2, S.  397; CA Besancon, 2 juin 1860, DP 1864, 2, S.  61; Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  48; Trasbot/­L oussouarn, Donations et testaments, Rn.  777; Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  178; s.a bereits Demolombe, Code Napoléon, XXIII, Rn.  312. 277  Siehe zur action paulienne S. 179 ff. 278  Josserand, Cours de droit civil, III, Rn.  1782. 279  Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  179. 280  Cass. belge 11 avr. 1958, Rev. Crit. Belge 1958. 143; RTD civ 1969, 212, n°24. 274 

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4. Zeitliche Grenzen Nur Verfügungen nach Abschluss der institution contractuelle fallen unter Art.  1083 Code civil.281 Inwieweit vorher getätigte Rechtsgeschäfte und Real­ akte durch die institution contractuelle widerrufen werden, ist eine Frage der Auslegung und vom Richter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden.282 Außer den zeitlichen Grenzen des allgemeinen Verjährungsrechts und den Erklärungs­ fristen für die Geltendmachung der action en reduction283 nach dem Tode des Erblassers unterliegt der Anspruch in zeitlicher Hinsicht keinen Beschränkungen. Insbesondere spielt der Zeitpunkt, in dem die angreifbare Handlung vorgenommen wurde, nur insoweit eine Rolle, als er nach Abschluss der institution contractuelle liegen muss. III. Schutz der héritiers réservataires vor lebzeitigen Verfügungen des Erblassers 1. Das französische Pflichtteilsrecht Das französische Recht folgt, wie eigentlich alle romanischen Rechte, 284 dem Prinzip des materiellen Noterbrechts. Die Verfügungsfreiheit des Erblassers von Todes wegen ist demnach stark eingeschränkt. Je nachdem, ob und welche Angehörigen im Todeszeitpunkt vorhanden sind, ist der Erblasser nur berechtigt, über einen Teil seines Nachlasses, die sog. quotité disponible, zu verfügen. In Frankreich umfasst die quotité disponible heute immer mindestens ein Viertel des Gesamtnachlasses.285 Der restliche Nachlass, die sog. réserve, verbleibt hingegen seinen Noterben (Art.  912 Code civil), den heritiers réservataires. Trifft der Erblasser Verfügungen, die über die quotité disponible hinausreichen, können die Noterben die Verfügungen auf Antrag gerichtlich herabsetzen lassen.286 Hierbei wird je nachdem, ob der durch die Verfügung Begünstigte selbst ein Noterbe ist oder nicht, zwischen rapport und réduction unterschieden. In dem für diese Arbeit interessanten Bereich – insbesondere in Bezug auf die Möglichkeit, Schenkungen des Erblassers rückabzuwickeln – sind die Regelun281 

Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  187. Cass. 13 oct. 1976, Bull. Civ. I, n °29; Cass. 24 avril 1968: JCP 1968, II. 15564, note M.D; Mathieu/Pillebout, Contrat de mariage, JC Not. Form., Fasc. 14, Rn.  72; Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  187 mwN. 283  Siehe hierzu ausführlich S. 103. 284 Siehe hierzu etwa Cubedu-Wiedemann/Wiedemann, Erbrecht in Italien, in: Süß, ­Erbrecht in Europa, Rn.  121; Huzel/Wollmann, Erbrecht in Portugal, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn.  87 ff.; Steinmetz/Huzel/Garcia Alcázar, Erbrecht in Spanien, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn.  126 ff. 285 Vgl. Art.   913, 914-1 Code civil; Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 10, Rn.  75. 286  Vgl. Art.  920  f f. Code civil. 282 

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gen des rapport und der réduction aber weitgehend identisch, 287 so dass sich die Darstellung im Folgenden auf die action en réduction beschränken kann. Die Möglichkeit, Verfügungen des Erblassers herabzusetzen, besteht nicht nur bei letztwilligen Verfügungen, sondern in gleicher Weise grds. auch bei allen lebzeitigen Schenkungen, wenn diese für sich genommen oder zusammengerechnet die quotité disponible überschreiten.288 Die action en réduction ist allerdings auch hier erst nach dem Tode des Erblassers statthaft. Historisch finden sich die Ursprünge des französischen Noterbrechts bereits im römischen Recht;289 seine konkrete Gestalt wurde aber auch maßgeblich durch die germanischen Gewohnheitsrechte in den „pays de coutumes“ beeinflusst.290 Die französische Revolution von 1789 hatte sich wiederum zum Ziel gesetzt, die Gleichheit und Freiheit aller Bürger auch im Erbrecht zu verwirklichen. Als Konsequenz wurde die Testierfreiheit kurzzeitig sogar abgeschafft und anschließend die quotité disponible auf lediglich 1/10 des Gesamtnachlasses begrenzt, soweit Kinder vorhanden waren.291 Auch durfte die quotité disponible nur einem Dritten und keinem Abkömmling vermacht werden, um deren Gleichheit nicht zu beeinträchtigen.292 Bereits in der späteren Phase der Revolution und anschließend im Code civil von 1804 wurde der frei verfügbare Nachlassanteil jedoch wieder deutlich erhöht.293 Durch das Noterbrecht begünstigt sind seit jeher die Kinder des Erblassers. Die quotité disponible hängt zudem ganz wesentlich von der Anzahl der Kinder ab. Hinterlässt der Erblasser nur ein Kind, verbleibt ihm die Hälfte seines Vermögens zur freien Verfügung, bei zwei Kindern sind es nur noch 1/3 und bei drei und mehr Kindern 1/4 (Art.  913 Code civil). Zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern wird in dieser Hinsicht nicht (mehr) unterschieden.294 Hinterlässt der Erblasser keine Abkömmlinge, besteht ein Noterbrecht des überlebenden Ehegatten in Höhe eines Viertels des Nachlasses (Art.  914-1 Code civil). Trifft der überlebende Ehegatte mit Kindern des Erblassers zusammen, so hat der Erblasser nach Art.  1094 ff. Code civil folgende Möglichkeiten: Zum einen kann er seinem Ehegatten das Eigentum an einem der quotité disponible entsprechenden Nachlassanteil übertragen. Zum anderen ist es aber auch möglich, den 287  Zu den Unterschieden siehe bspw. Deville/Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  6 , 8. 288  Vgl. Art.  921 Code civil. 289  Siehe hierzu Lévy/Castaldo, Histoire du droit civil, Rn.  955 ff. 290  Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 10, Rn.  4 ff. 291  Lévy/Castaldo, Histoire du droit civil, Rn.  970. 292  Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 10, Rn.  6; Muscheler, Erbrecht, Bd. I, Rn.  360 ff. 293  Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 10; Rn.  6 f.; Muscheler, Erbrecht, Bd. I, Rn.  360 ff. 294  Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 10, Rn.   55 ff., 78; ­G rimaldi, Droit civil – Successions, Rn.  290.

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Ehepartner zu 1/4 als Eigentümer und zu 3/4 als Nießbrauchsberechtigten einzusetzen. Schließlich kann der Erblasser auch ein Nießbrauchsrecht des Ehe­ gatten am gesamten Nachlass festlegen.295 Das bis 2007 existierende Not­erbrecht der Eltern und weiterer Vorfahren des Erblassers gibt es heute nicht mehr. 2. Die action en réduction (Art.  918 ff. Code civil) Geregelt in den Art.  918 ff. Code civil, stellt die action en réduction einen echten Rückholanspruch dar, da sie es ermöglicht, Schenkungen des Erblassers an Dritte zum Nachlass zurückzuholen. Für die action en réduction, die in der deutschen Literatur auch als Herabsetzungsklage bezeichnet wird, müssen mehrere Phasen und Voraussetzungen unterschieden werden. Jeder Herabsetzungsklage geht eine Bestimmung der beim Erbfall vorhandenen Vermögensmasse voraus. Von den vorhandenen Vermögenswerten müssen bestehende Verbindlichkeiten und Belastungen abgezogen werden.296 Die Besonderheit besteht hier nun darin, dass zu den tatsächlich noch im Nachlass befindlichen Vermögenswerten auf der Habenseite auch alle durch den Erblasser zu seinen Leb­ zeiten getätigten Schenkungen fiktiv hinzugerechnet werden (Art.  922 Code civil).297 Anhand der so ermittelten Werte wird dann festgelegt, welcher Betrag dem Erblasser als quotité disponible zur freien Verfügung stand und welcher Betrag der réserve zufällt. Beispiel: Der verwitwete E verstirbt und hinterlässt ein Haus im Werte von 1.000.000 € sowie drei Kinder. Aus dem von E für den Hauskauf aufgenommenen Kredit sind noch 300.000 € offen. Zudem hatte E einige Zeit vor seinem Tode an seine damalige Lebensgefährtin A 300.000  € verschenkt. Unter Hinzurechnung der Schenkung und bei Abzug der Darlehensschuld beträgt der fiktive Nachlass 1.000.000 €. Der Freiteil des E lag gem. Art.  913 Code civil bei 250.000 €. Durch die Schenkung an A hat er seinen Freiteil folglich um 50.000 € überschritten. Die Kinder können demnach in Bezug auf diese 50.000 € eine action en réduction gegen A anstrengen.

Zur Geltendmachung der Herabsetzungsklage sind nach Art.  921 Code civil nur die Noterben selbst sowie ihre Erben und Gläubiger berechtigt.298 Anders als im deutschen Recht 299 beruht die Geltendmachung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen also nicht stets auf einer freien Entscheidung der Noterben, sondern kann auch durch deren Gläubiger betrieben werden. Die Gläubiger des

295 

Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 10, Rn.  49 ff. Grimaldi, Droit civil – Successions, Rn.  718; Deville/Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  18 ff. 297  Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  26. 298  Cass. 17 déc. 1968, D. 1969, 149; Cass. 20 oct. 1982, D. 1983, 120; Jacob, Code civil ­( Dalloz), Art.  921 Rn.  1 f.; Deville/Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  92 ff. 299  Vgl. zum deutschen Recht §  852 ZPO, dazu Muscheler, Erbrecht, Bd. 2, Rn.  4134. 296 

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Erblassers können hingegen genauso wenig eine Herabsetzungsklage betreiben wie der Beschenkte oder testamentarisch Begünstigte selbst. 3. Die Tatbestandsvoraussetzungen Auf der Tatbestandsebene spielt zunächst der Begriff der Schenkung eine große Rolle. Er dient als maßgebliches Abgrenzungskriterium für die Frage, ob eine Verfügung des Erblassers gem. Art.  922 Code civil fiktiv dem Nachlass hinzugerechnet wird oder nicht. Weitere subjektive Voraussetzungen sind dem französischen Recht hingegen grundsätzlich unbekannt. a) Der Begriff der „donation entre vifs“ (1) Grundsatz Entscheidendes Kennzeichen ist der Vermögensabfluss infolge einer fehlenden Gegenleistung. Wurde im Gegenzug ein vollwertiges Äquivalent geleistet, scheidet eine Hinzurechnung als fiktives Vermögen aus. Das gilt auch dann, wenn sich ein Rechtsgeschäft aufgrund weiterer Entwicklungen als wirtschaftlich ungünstig herausstellt.300 Auf die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten kommt es hingegen nicht entscheidend an.301 Anders als im deutschen Recht ist eine subjektive Vereinbarung der Unentgeltlichkeit nicht erforderlich. Es genügt der einseitige Schenkungswille (animus donandi) des Schenkenden, der bei einer erheblichen Wertdifferenz der erbrachten Leistungen grds. vermutet wird.302 Hinzugerechnet wird dann, ähnlich wie im deutschen Recht bei einer gemischten Schenkung, nur der unentgeltliche Teil.303 Irrelevant sind dagegen grundsätzlich sowohl die Person des Beschenkten als auch das Objekt der Schenkung. Erfasst werden die Übertragung von körperlichen und unkörperlichen, beweglichen und unbeweglichen Gegenständen oder eines Geldbetrages, sei es zu Eigentum, Nießbrauch oder unter Zurückbehaltung eines Nutzungsrechts.304 Hinzugerechnet werden ferner Schenkungen an noterbberechtigte oder testamentarische Erben in gleicher Weise wie Schenkungen an beliebige dritte Personen.305 Zum fiktiven Vermögen gezählt werden weiter auch eine vorgezogene Teilungsanordnung zwischen den Erben (sog. donation-partage) und Zuwendungen zwischen Ehegatten während bestehender Ehe. Dass letztere Zuwendungen dabei gem. Art.  1096 Code civil grds. frei 300 

Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  26. Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  626. 302  Cass. 6 janv. 1969, Bull. Civ. 1969, I, n°8; Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  351. 303  Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  357 f. 304  Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.   27; Deville/­ Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  31. 305  Cass. 25 juin 1974, Bull. Civ. 1974 n°204; Cass. 5 janv. 1999, n°96-22.054; Grimaldi, Droit civil – Successions, Rn.  725. 301 

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widerruflich sind, spielt keine Rolle, da die Widerrufsmöglichkeit jedenfalls mit dem Tode des Erblassers erloschen ist.306 Gleiches gilt für auch für eine institution contractuelle. Wegen der lebzeitigen Bindungswirkung wird hier der Vermögensabfluss bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses fingiert, obwohl er tatsächlich erst nach dem Erbfall stattfindet.307 Wie die Rechtsprechung an zahlreichen Beispielsfällen demonstriert hat, erhöhen auch indirekte308 oder versteckte Schenkungen 309 das fiktive Nachlassvermögen. Die Schwierigkeit für die Noterben besteht hier allerdings darin, eine solche Schenkung überhaupt nachzuweisen. Der angelegte Maßstab ist insoweit aber relativ großzügig. So wurde bspw. der Verzicht eines Noterben auf die Geltendmachung einer Herabsetzungsklage als indirekte Schenkung zu Lasten seiner eigenen Noterben gewertet und diesen folglich die Möglichkeit einer action en réduction eröffnet.310 Generell wird der lebzeitige Verzicht des Erblassers auf die Geltendmachung werthaltiger Rechtspositionen als indirekte Schenkung eingeordnet.311 Die Errichtung einer Gesellschaft zwischen dem Erblasser und einem begünstigten Erben stellt keine Schenkung dar, wenn sie mittels einer notariellen Urkunde erfolgte und das Rechtsgeschäft auch nicht treuwidrig (sans fraude) war.312 (2) Ausnahmen Wie bereits im Rahmen der institutuion contractuelle sind auch bei der hypothetischen Hinzurechnung nach Art.  922 Code civil bestimmte Schenkungen von vornherein ausgenommen. Unstreitig hierzu gezählt werden wiederum die Pflicht- und Anstandsschenkungen bspw. zu Taufen, Hochzeiten, Geburtstagen, Prüfungserfolgen etc. Eine Pflicht- oder Anstandsschenkung wird allerdings nur angenommen, wenn die übertragenen Vermögenswerte im Zeitpunkt der Schenkung zum Gesamtvermögen des Schenkers und zum gegebenen Anlass nicht außer Verhältnis stehen (vgl. Art.  852 Abs.  2 Code civil).313 Entsprechendes gilt auch für Zuwendungen für soziale und religiöse Zwecke. 306 

Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  27. Siehe hierzu S. 85 ff. 308  Cass. 27 mai 1961, D. 1962, jurisp. S.  657; Cass. 20 nov. 1974, Bull. Civ. 1974, I, n°363; Cass. 28 janv. 2009, n°07-21.376. 309  Cass. 21 déc. 1960, Bull. Civ. 1969, I, n°560; Cass. 16 mai 1971, Bull. Civ. 1971, I, n°88; Cass. 27 mars 1973, JCP G 1973, IV, 191; Cass. 5 janv. 1983, Bull. Civ. 1983, I, n°10; Cass. 24 nov. 1987, Bull. Civ. 1987, I, n°309; Cass. Cass. 18 avril 1989, D. 1992, somm. S.  228. 310  Cass. 24 nov. 1982, Bull. Civ. 1982, I, n°34, siehe auch S. 94 f. 311  Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  29. 312  Vgl. Art.  854 Code civil; Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  628, 891. 313  Cass. 10 mai 1995, Bull. Civ. 1995, I, n°197; Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  30; Deville/Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  35. 307 

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Art.  852 Abs.  1 Code civil, dessen Wertungen auch im Rahmen der action en réduction Anwendung finden,314 bestimmt ferner, dass auch „les frais des nourriture, d’entretien, d’éducation, d’apprentissage, les frais ordinaires d’équipement, ceux de noces“ ebenfalls nicht als Schenkungen gewertet werden. Hintergrund ist, dass insoweit, wenn nicht sogar eine Rechtspflicht angenommen werden kann, zumindest eine moralische Verpflichtung zur Vornahme der Zuwendungen besteht. Eine Anrechnung kommt ausnahmsweise in Betracht, wenn der Erblasser eine solche bei Vornahme der Verfügung ausdrücklich vorgesehen hat (vgl. Art.  852 Abs.  1 Code civil). Seit langem Streit herrscht hingegen bei der Frage, ob auch Schenkungen, die sich lediglich auf die Früchte oder auf ein aus dem Vermögen des Erblassers erzieltes Einkommen beziehen, von der Anrechnung ausgenommen werden sollten. Argumentiert wird einerseits, dass es sich hier um Werte handeln würde, die meist im Verhältnis zum Gesamtwert des Erblasservermögens als gering eingestuft werden könnten. Aus Art.  928 Code civil könne zudem entnommen werden, dass bei einer Herausgabe in natura Früchte erst ab dem Erbfall zu ersetzen seien. Vorher gezogene Früchte könne der Beschenkte hingegen behalten. Eine unterschiedliche Behandlung der Früchte bei Herausgabe in Natur und im Rahmen eines Wertersatzanspruches sei aber unangebracht.315 Auch würden die Einkünfte typischerweise vom Erblasser dazu verwendet, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und wären daher den Erben auch dann nicht zugutegekommen, wenn er sie nicht verschenkt hätte. Darauf wurde entgegnet, dass Einkünfte und Früchte sehr wohl auch der Vermögensbildung dienen könnten und eine Differenzierung nach dem Ursprung des verschenkten Vermögens in Art.  922 Code civil nicht angelegt sei. Auch sehe der neue Art.  851 Code civil eine Berücksichtigung der Zuwendung von Einkünften und Früchten im Rahmen einer Erbauseinandersetzung zwischen Miterben vor, weshalb Gleiches auch bei der action en reduction gelten sollte. Die Rechtsprechung war in diesem Punkt lange Zeit uneinheitlich.316 Heute wird ganz überwiegend von einer grundsätzlichen Anrechenbarkeit ausgegangen.317 Sie erfolgt aber meist nur in Fällen, in denen die verschenkten Einkünfte von einem Umfang waren, dass ihre Verwendung durch den Erblasser zur Vermögensbildung als wahrscheinlich angesehen werden konnte.318 314 

Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  31. Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  32; Malaurie/ Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  627. 316  Siehe einerseits Cass. 28. Juill. 1913, DP. 1917, I,S.  58; Cass. 27 nov. 1917, DP 1921, I, S.  21; andererseits CA Paris 19 nov. 1974, D. 1975, S.  614; Cass. 11 janv. 1882, DP 1882, 1, S.  313. 317  Cass. 13 janv. 1997, Bull. civ. 1997, I, n°22; Comp. Cass. 8 nov. 2005, Bull. civ. 2005, I, n°409. 318  Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  627; vgl. auch Cass. 10 déc. 1969, Bull. civ. 1969, I, n°387. 315 

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Schließt der Erblasser eine Lebensversicherung zugunsten eines Dritten ab, werden die von ihm gezahlten Beiträge nur dann als Schenkungen angesehen, wenn sie „manifestment exagérées a l’égard à ses facultés“ sind.319 Die an den Dritten ausgezahlte Versicherungssumme fällt nicht in den Nachlass und wird auch nicht i. S. d. Art.  922 Code civil fiktiv hinzugerechnet.320 Wann ein Beitrag als „manifestment exagérées“ gilt, bestimmt sich nach dem Alter des Erblassers, seinen familiären Umständen und seiner Vermögenssituation sowie nach dem Zweck und dem Nutzen, den die Versicherung für ihn hat.321 Nicht als Schenkungen gelten auch die sog. avantages matrimoniaux. Dabei handelt es sich um Güterstandsvereinbarungen, durch die ein Ehepartner einen Vermögenszuwachs erhält, indem er bspw. bei zuvor wesentlich geringerem Ausgangsvermögen aufgrund der Vereinbarung einer Gütergemeinschaft nun an allen Vermögenswerten hälftig beteiligt wird.322 Ähnlich wie im deutschen Recht gelten Güterstandsvereinbarungen nämlich auch in Frankreich nicht als unentgeltlich, sondern haben ihren Rechtsgrund in der Ausgestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse. Das lässt sich auch anhand von Art.  1527 Abs.  1 Code civil belegen.323 Die Vermutung der Entgeltlichkeit eines avantage matrimonial ist zudem unwiderleglich und kann nicht mit der Behauptung angegriffen werden, es handele sich in Wirklichkeit um eine versteckte Schenkung.324 Eine gesetzliche Ausnahme von diesem Grundsatz sieht Art.  1527 Abs.  2 Code civil vor.325 Während bei gemeinsamen Kindern der Vermögenserwerb der Kinder durch eine Güterstandsvereinbarung nicht beeinträchtigt, sondern in der Regel nur bis zum Tode des letztversterbenden Ehegatten aufgeschoben wird, ist dies bei Kindern aus früheren oder außerehelichen Beziehungen nicht der Fall. Nicht gemeinschaftliche Kinder sind beim Tode ihres Stiefelternteils nicht noterbberechtigt und werden daher durch eine Vermögensübertragung auf diesen, auch wenn sie mittels einer Güterstandsvereinbarung erfolgt, unmittelbar 319  Siehe Art. L. 132-13 Code des assurances; dazu Cass. ch. mixte 23 nov. 2004, Bull. ch. mixte 2004 n°4. 320  Krit. hierzu Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  33. 321  Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  33; s. a. Cass. ch. mixte 23 nov. 2004, Bull. ch. mixte 2004 n°4. 322  Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  34; Deville/Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  36. 323  Art.  1527 Abs.  1 Code civil lautet: „Les avantages que l’un ou l’autre des époux peut retirer des clauses d’une communauté conventionnelle, ainsi que ceux qui peuvent résulter de la confusion du mobilier ou des dettes, ne sont point regardés comme des donations.“ 324  Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  33, mwN. 325  Art.  1527 Abs.  2 Code civil lautet: „Néanmoins, au cas où il y aurait des enfants qui ne seraient pas issus des deux époux, toute convention qui aurait pour conséquence de donner à l’un des époux au-delà de la portion réglée par l’article 1094-1, au titre ‚Des donations entre vifs et des testaments‘, sera sans effet pour tout l’excédent; mais les simples bénéfices résultant des travaux communs et des économies faites sur les revenus respectifs quoique inégaux, des deux époux, ne sont pas considérés comme un avantage fait au préjudice des enfants d’un autre lit.“

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in ihrem Noterbrecht beeinträchtigt. Zu ihren Gunsten werden dementsprechend gem. Art.  1527 Abs.  2 Code civil die avantages matrimoniaux ausnahmsweise als unentgeltliche Verfügungen angesehen, die den fiktiven Wert des Nachlasses des Ehegatten erhöhen, der durch sie benachteiligt wurde.326 (3) Die Vermutungsregelung in Art.  918 Code civil Art.  918 Code civil bestimmt: „La valeur en pleine propriété des biens aliénés, soit à charge de rente viagère, soit à fonds perdus, ou avec réserve d’usufruit à l’un des successibles en ligne directe, est imputée sur la quotité disponible. L’éventuel excédent est sujet à réduction. Cette imputation et cette réduction ne peuvent être demandées que par ceux des autres successibles en ligne directe qui n’ont pas consenti à ces aliénations.“

Der französische Gesetzgeber nahm an, dass bei den von Art.  918 Code civil erfassten Rechtsgeschäften eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass es sich in Wirklichkeit um versteckte Schenkungen handele und die (Gegen)leistung nur auf dem Papier vereinbart wurde.327 Patarin spricht von einer „logique de suspicion“.328 Um solchen Versuchen von vornherein entgegenzutreten, hat der Gesetzgeber angeordnet, dass die verdächtigen entgeltlichen Rechtsgeschäfte für die Zwecke einer action en réduction ausnahmslos wie Schenkungen behandelt und dem Nachlass fiktiv hinzugerechnet werden. Die Anrechnung erfolgt dabei stets ausschließlich auf die quotité disponible und nicht auf die Erbquote des Vertragspartners. Die Vermutung des Art.  918 Code civil ist unwiderleglich.329 Daraus folgt unter anderem auch, dass eine tatsächlich gezahlte Gegenleistung nicht zurückgefordert werden kann.330 Insoweit kann die Anwendung des Art.  918 Code civil für den Vertragspartner des Erblassers eine erhebliche Härte bedeuten. Ein Eingreifen der Fiktion der Unentgeltlichkeit können die Parteien nur dadurch verhindern, dass sie sich durch die Einholung der Zustimmung sämtlicher potentieller Noterben absichern. Die bloße Kenntnis und Duldung des Rechtsgeschäfts reicht hierfür jedoch nicht aus.331 Zudem bleibt immer das Risiko, dass bspw. durch Adoption, die Geburt eines weiteren Kindes oder die

326 

Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  34. Deville/Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  39. 328  RTDciv 1982, 643. 329  Cass. 28 déc. 1937, DP 1940, 1, S.  41; Cass. 13 mai 1952, JCP G 1952, II, 7173; Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  44 mwN. 330  CA Nîmes 8 juin 1964, D. 1964, S.  670. 331  CA Paris 26 sept. 1986, JurisData n°1986-026016; CA Limoges 2 mai 1996, JurisData n°1996-055552. 327 

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Entdeckung einer Vaterschaft 332 anschließend noch ein neuer Noterbe hinzukommt und dieser dann seine Zustimmung verweigert.333 Angeknüpft wird der Verdacht in Art.  918 Code civil sowohl an die Person des Verfügungsempfängers als auch an eine bestimmte Art und Weise des Leistungsaustausches. Leistungsempfänger muss ein Verwandter in gerader Linie (successibles en ligne directe) sein. In der Regel wird es sich hierbei um die Kinder oder Enkelkinder des Erblassers handeln. Dabei ist ferner auch zu beachten, dass der bedachte Verwandte im Zeitpunkt der Verfügung hypothetisch erbberechtigt sein muss. Trifft der Erblasser bspw. eine Verfügung zu Gunsten seiner Enkel, greift Art.  918 Code civil nur ein, wenn die Kinder des Erblassers bereits vorverstorben und die Enkel dementsprechend in die Erbfolge eingerückt sind.334 Andererseits ist jedoch nicht erforderlich, dass das Verwandtschaftsverhältnis bereits im Zeitpunkt der Verfügung bestanden hat, sondern es genügt, wenn es mit einer entsprechenden Rückwirkung erst zu einem späteren Zeitpunkt begründet oder festgestellt wurde.335 Zu Lasten des Ehegatten,336 von Stiefkindern 337 oder von Schwiegerkindern 338 findet die Vermutung des Art.  918 Code civil hingegen keine Anwendung. 2009 hat die Cour de Cassation zudem entschieden, dass die Vermutung auch dann nicht greift, wenn Vertragspartner des Erblassers eine Gesellschaft ist, an der ein successible en ligne directe maßgeblich beteiligt ist.339 Im Ergebnis ist es bei hinreichender Rechtskenntnis daher sehr leicht möglich, den Anwendungsbereich des Art.  918 Code civil zu umgehen.340 Gelingt es den benachteiligten Noterben aber nachzuweisen, dass die begünstigte Person ein reiner Strohmann ist und die Verfügung tatsächlich ­einem Verwandten in gerader Linie zugutekommen soll, ist der Anwendungs­ bereich des Art.  918 Code civil gleichwohl eröffnet.341 Als weitere Voraussetzung verlangt Art.  918 Code civil, dass als Gegenleistung für die Übertragung von Vermögenswerten eine Leibrente (rente viagère) vereinbart wurde oder die Aussicht auf die tatsächliche Zahlung der Gegen­ leistung unsicher ist (à fonds perdus). Hier besteht die Problematik darin, dass die Erfüllung dieser Verbindlichkeiten schwer nachzuweisen ist, weil sie entweder über einen längeren Zeitraum gestreckt wird oder ihre Erbringung aufgrund der Art und Weise der Vereinbarung ohnehin unsicher ist. Auch dienen Renten332  Cass. 29 févr. 1994, Bull. Civ. I, n°77; Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  628. 333  Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  45. 334  Cass. 17 mars 1982, Bull. civ. 1982, I, n°117. 335  Cass. 23 févr. 1994, Bull. civ. 1994, I, n°77. 336  Cass. 27 juill. 1869, S.  1869, I, 429. 337  CA Aix-en-Provence 28 sept. 1982, JurisData n°1982-043997. 338  Cass. Req. 20 nov. 1917, DP 1921, I, S.  140. 339  Cass. 30 sept. 2009, Bull. Civ. I, n°199; Jacob, Code civil (Dalloz), Art.  918 Rn.  8 . 340  Krit. auch Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  628 mwN. 341  CA Metz 24 avr. 1990, JurisData n°1990-049742.

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leistungen dem Erblasser in der Regel dazu, seinen Unterhalt zu bestreiten und werden von ihm unmittelbar verbraucht, so dass sie im Nachlass typischerweise nicht mehr vorhanden sind.342 Die Vermutung, sie seien gar nicht erfolgt, liegt hier daher nach Auffassung des französischen Gesetzgebers besonders nahe. Ferner erfasst werden Rechtsgeschäfte, bei denen sich der Erblasser ein Nießbrauchsrecht an den übertragenen Gegenständen vorbehält (réserve d’usufruit). Da die Verfügung für den Erblasser aufgrund des Nießbrauchsrechts zu keiner spürbaren Beeinträchtigung führt und der Erwerber nur eine leere Eigentumshülle erhält, soll sich die Vermutung aufdrängen, der vom Erwerber gezahlte Preis sei rein fiktiv.343 Nach der Rechtsprechung bleibt diese Vermutung selbst dann aufrechterhalten, wenn der vereinbarte Preis nachweisbar gezahlt wurde und sich sogar noch unterscheidbar im Nachlass befindet.344 Es erscheint aber bereits zweifelhaft, ob die Vermutung überhaupt in den meisten Praxisfällen zutrifft. Zudem überzeugt es auch nicht, dass die Vermutung ansonsten eng ausgelegt wird und bspw. ein Kaufvertrag, bei dem sich der Erblasser ein Nutzungs- oder Wohnrecht an der verkauften Sache zurückbehält, nicht von Art.  918 Code civil erfasst sein soll.345 Wieso hier die Gefahr einer rein fiktiven Gegenleistung geringer sein soll, ist kaum erkennbar. (4) Der Verzicht auf eine action en réduction Ein Verzicht nach dem Todeszeitpunkt ist im Hinblick auf die Interessen der Not­ erben deutlich weniger problematisch als ein Verzicht zu Lebzeiten des Erb­ lassers, da sich ihre Rechte mit dem Todesfall konkretisiert haben und die zu Leb­ zeiten des Erblassers typische Unsicherheit ihrer Rechtsposition nicht mehr gegeben ist.346 Auch besteht für die Noterben keine Pflicht, ihre Rechte mittels einer Her­absetzungsklage geltend zu machen, was sich auch bereits am Wortlaut des Art.  920 Code civil („sont réductibles“ und nicht „sont réduite“) festmachen lässt. Eine Verzichtserklärung ist nach dem Tode des Erblassers formfrei möglich und kann auch konkludent erfolgen.347 Aus der bloßen Untätigkeit der Not­ erben kann ein Verzichtswille aber regelmäßig nicht abgeleitet werden.348

342  Cass. 13 mai 1952, JCP G 1952, II, 7173; CA Paris 27 janv. 1998, n°96/06725, JurisData 1998-022128; Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  628. 343  Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  38. 344  Cass. 28 déc. 1937, DP 1940, I, S.  41. 345  Cass. 20 janv. 1987, Bull. Civ. 1987, I, n°20; Cass. 16 juin 1992, Bull. Civ. 1992, I, n°187; Cass. 5 févr. 2002, Bull. Cov. 2002, I, n°42. 346  Siehe hierzu auch S. 302 f. 347  Cass. 4 nov. 1975, Bull. civ. 1975, I, n°311; Cass. 12 janv. 1971, Bull. civ. 1971, I, n°16; Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.  36; Brenner, Successions – Réserve héréditaire, JC Not. Rép., Fasc. 30, Rn.  2. 348  Cass. 12 janv. 1971, Bull. civ. 1971, I, n°16; Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  651.

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Der Verzicht auf die Geltendmachung einer Herabsetzungsklage durch einen Noterben wirkt sich jedoch meist auch unmittelbar nachteilig für dessen eigene Noterben aus. Nach Ansicht der Cour de Cassation kann ein solcher Verzicht daher unter Umständen selbst eine durch eine Herabsetzungsklage angreifbare Schenkung darstellen.349 In der maßgeblichen Entscheidung hatte ein Ehepaar sein gesamtes Vermögen seinen beiden Enkeln vermacht und dabei ihr drittes Enkelkind (ein Mädchen) übergangen. Dem einzigen Sohn und Vater der drei Kinder hinterließen die Eheleute ein lebzeitiges Nießbrauchsrecht an dem Vermögen. Der Sohn war mit der Verfügung seiner Eltern einverstanden und verzichtete zu Lebzeiten auf die Geltendmachung einer action en réduction. Nach seinem Tode fühlte sich die übergangene Enkeltochter um ihre Beteiligung an dem Vermögen ihrer Großeltern gebracht und erhob ihrerseits eine Herab­ setzungsklage. Die Klage hatte letztlich Erfolg, weil die Cour de Cassation die unterlassene Geltendmachung einer action en réduction durch ihren Vater als eine ausgleichspflichtige Schenkung an ihre Brüder wertete.350 In der Literatur wird kritisiert, dass Voraussetzung jeder Schenkung eine Begünstigungsabsicht sei (intention libérale), die bei einem bloßen Verzicht aber nicht immer vorliege. So könne es vorkommen, dass es dem Verzichtenden völlig egal sei, wer von seinem Verzicht profitiere. In diesem Fall sei die Annahme einer indirekten Schenkung aber nicht gerechtfertigt.351 Gelingt es nachzuweisen, dass der Verzicht auf die Herabsetzungsklage in einer „intention frauduleux“ geschah, bleibt er gegenüber den Noterben des Verzichtenden ohne jede Wirkung.352 Es gilt der Grundsatz fraus omnia corrum­ pit. Die Noterben des Verzichtenden können daher bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen selbst eine action en réduction geltend machen.353

349 

Cass. 24 nov. 1982, Bull.civ. 1982, I, n°340. 24 nov. 1982, Bull.civ. 1982, I, n°340; Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.  36. 351  Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.  38; Malaurie/ Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  651; Marty/Raynaud, Droit civil – Les successions et les libéralités, Rn.  489; Trasbot/Loussouarn, Donations et testaments, Rn.  419; s.a. Deville/ Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  109. 352  Cass. 4 févr. 1992, Gaz. Pal. 1992, S.  141; Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.  38. 353  Der Entscheidung Cass. 4 févr. 1992, Gaz. Pal. 1992, S.  141 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Großmutter hatte ihrem Sohn ein Nießbrauchsrecht an den wesentlichen Teilen ihres Vermögens bestellt und seiner zweiten Ehefrau einen Tag vor der Hochzeit das Eigentum an den Vermögensgegenständen übertragen. Als Gegenleistung war lediglich eine Unterhaltspflicht vorgesehen. Nach dem Tode der Großmutter machte ihr Sohn keine action en ­réduction geltend, was nach seinem eigenen Tod die Konsequenz hatte, dass das gesamte Vermögen mit Erlöschen des Nießbrauchsrechts seiner zweiten Ehefrau zustand und seine beiden Töchter aus erster Ehe zunächst leer ausgingen. 350  Cass.

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

b) Objektive Beeinträchtigung eines heritier réservataire Damit eine action en réduction Erfolg hat, muss sich die Verfügung des Erb­ lassers negativ auf die resérve héréditaire auswirken. Das ist nur der Fall, wenn der Erblasser den ihm verbleibenden Freiteil, die quotité disponible, überschritten hat. Die Bestimmung der jeweiligen Quoten erfolgt jedoch erst im Todeszeitpunkt,354 weshalb eine ursprünglich von der quotité disponible vollständig gedeckte Verfügung durch eine anschließende Vermögensentwicklung oder durch das Hinzutreten weiterer Noterben angreifbar werden kann. Es ist zudem, wie nunmehr auch in Deutschland,355 nicht erforderlich, dass der oder die beeinträchtigten Noterbe(n) im Zeitpunkt der Verfügung bereits vorhanden waren. Auf eine subjektive Vorstellung, durch die Verfügung potentielle Not­ erben zu beeinträchtigen, kommt es nicht an. c) Subjektive Voraussetzungen Weitere subjektive Anforderungen bestehen nicht. Auch führt der Nachweis einer fraude nach der Rechtsprechung nicht zu erweiterten Rechtsfolgen, wie etwa der Nichtigkeit der treuwidrigen Verfügung.356 Selbst eine vorsätzlich die Rechte der Noterben beeinträchtigende Verfügung bleibt grds. wirksam, wenn sie nicht innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens durch eine action en réduc­ tion angegriffen wird.357 Gleichwohl spielen subjektive Elemente an vielen Stellen eine Rolle. Nach Art.  854 Code civil kann bspw. eine mittels notarieller Urkunde (acte authentique) errichtete Gesellschaft zwischen dem Erblasser und einem begünstigten Erben ausnahmsweise dann als Schenkung gewertet werden, wenn eine bewusste Benachteiligung (fraude) der anderen Noterben bezweckt wurde.358 Genauso erfolgt ein Rückgriff auf die Vorstellungen und Motive des Erblassers auch bei der Frage, ob Beiträge, die an eine Lebensversicherung gezahlt wurden, „manifestment exagérées“ sind.359 Der „caractère frauduleux“ einer versteckten Schenkung rechtfertigt es ferner, den Nachweis der Täuschung durch jede Art von Beweismittel zuzulassen 360 und auch der Vermutungsregelung des Art.  918 Code civil liegt die Annahme einer vorsätzlichen Beeinträchtigung der Not­ erben zu Grunde.361 Schließlich wurde zur vor 2006 geltenden Rechtslage noch entschieden, dass auch der Verzicht eines Noterben auf die Geltendmachung 354 

Cass. 5 avr. 2005, Bull. civ. I, n°175; Jacob, Code civil (Dalloz), Art.  922 Rn.  2. Siehe S. 62 ff. 356  Cass. 2 févr. 1971, D. 1971, 590; Cass. 12 mars 1985, Bull. Civ. I, n°93. 357  Cass. 21 janv. 1969, D. 1969, 179. 358  Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  891. 359  Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  33; s. a. Cass. ch. mixte 23 nov. 2004, Bull. ch. mixte 2004 n°4. 360  Cass. 19 avril 1977, Bull. civ. 1977, I, n°172. 361  Siehe S. 98. 355 

Teil 1 – E. Rechtsvergleich

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einer Herabsetzungsklage unbeachtlich sein kann, wenn er hierdurch vorsätzlich die Rechte seiner eigenen Noterben beeinträchtigen wollte.362 d) Zeitliche Grenzen Eine Begrenzung der action en réduction in zeitlicher Hinsicht findet nicht statt. So können auch Schenkungen, die bereits mehrere Jahrzehnte zurück­ liegen, durch die Herabsetzungsklage angegriffen werden. Maßgeblich ist nicht der Zeitpunkt der Schenkung, sondern der Zeitpunkt, in dem das Nachlassverfahren eröffnet wird. Mit Eröffnung des Nachlassverfahrens beginnt eine fünfjährige Verjährungsfrist zu laufen (Art.  921 Code civil). Alternativ ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in welchem die Erben nach Eröffnung des Nachlassverfahrens von der Beeinträchtigung ihrer Rechte Kenntnis erlangt haben.363 Hier beträgt die Verjährungsfrist dann nur noch zwei Jahre. Auch bei einem Abstellen auf die Kenntnis der Erben verjähren sämtliche Ansprüche spätestens zehn Jahre nach dem Todesfall.364

E. Rechtsvergleich Bei den Voraussetzungen für Rückholansprüche Pflichtteilsberechtigter oder von Vertragserben lassen sich in den Grundstrukturen starke Gemeinsamkeiten, in den Einzelheiten aber auch erhebliche Unterschiede zwischen den drei untersuchten Rechtsordnungen feststellen. So dienen die erbrechtlichen Rückholansprüche übereinstimmend dem Ziel, zu verhindern, dass der Erblasser die Rechte Pflichtteilsberechtigter und von Vertragserben durch lebzeitige Weg­ gabe von Vermögen unterlaufen kann. Übereinstimmender Zweck der Rückholansprüche ist es damit, die Erwerbserwartung der Pflichtteilsberechtigten und der Vertragserben zu schützen. I. Schenkung bzw. undervalue transaction Ebenfalls übereinstimmend verlangen die drei Rechtsordnungen für den erbrechtlichen Rückholanspruch eine Verkürzung des (späteren) Nachlassvermögens, die auf einer Verfügung des Rechtsinhabers und späteren Erblassers beruht. Der Vermögensabfluss muss aus einer unentgeltlichen Verfügung folgen, also nicht durch Gegenleistungen ausgeglichen sein. In der Festlegung der unentgeltlichen Verfügung zeigt der Rechtsvergleich allerdings Varianten, die sich 362 

Cass. 4 févr. 1992, JCP 1992, II, 21946; siehe auch S. 100. sie hingegen bereits vor oder bei Eröffnung des Nachlassverfahrens von der Beeinträchtigung Kenntnis, gilt die fünfjährige Verjährungsfrist, vgl. Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.  29. 364  Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.  29; Malaurie/ Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  653. 363  Hatten

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

im Ergebnis eher selten auswirken: Während im deutschen Recht hier der zentrale Anknüpfungspunkt die Schenkung ist, die eine vertragliche Vereinbarung der Unentgeltlichkeit fordert, stellt das englische Recht lediglich auf das Fehlen einer vollwertigen Gegenleistung ab. Hinsichtlich der angreifbaren Rechtsgeschäfte wird in England zudem zwischen dispositions und contracts to leave property by will differenziert, die jeweils unterschiedlichen Voraussetzungen unterworfen werden.365 Das französische Recht verlangt für die Verletzung einer institution contractuelle das Vorliegen einer unentgeltlichen Verfügung (disposition à titre gratuit), während im Pflichtteilsrecht eine Schenkung (donation) ­vorausgesetzt wird. Der sachliche Unterschied ist allerdings nicht sehr groß, da das Vorliegen einer Schenkung im französischen Recht, anders als im deutschen, keine Einigung der Parteien über die Unentgeltlichkeit voraussetzt.366 Es genügt der einseitige animus donandi des Schenkenden. II. Gemischte Schenkungen, Zuwendungen an Stiftungen, Zuwendungen zwischen Ehegatten Probleme werfen in allen drei Rechten gemischte Schenkungen, Zuwendungen an Stiftungen und Güterstandsvereinbarungen auf. Bei diesen Fallgruppen besteht jeweils die Gefahr, dass der Schenkungscharakter einer Zuwendung verschleiert wird. 1. Gemischte Schenkungen In England stellt sich das Problem der gemischten Schenkung allerdings in anderer Form als in Deutschland und Frankreich, da von vornherein nur eine vollwertige Gegenleistung gerichtliche Maßnahmen nach sec.  10, 11 Inheritance Act ausschließt. Hat die Gegenleistung einen geringeren Wert, bleiben gerichtliche Anordnungen grds. möglich; das Gericht muss dann bei seiner Ermessensausübung aber auch die vom Begünstigten erbrachte Gegenleistung berücksichtigen.367 In Deutschland richtet sich die für den Nachweis einer gemischten Schenkung notwendige Bewertung der wechselseitig erbrachten Leistungen grds. nach der subjektiven Einschätzung der Parteien.368 Ist der Begünstigte ein naher Familienangehöriger, soll der Einschätzungsspielraum sogar besonders groß sein.369 Erst wenn objektiv ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, wird eine Einigung der Parteien über die teilweise Un365 

Siehe S. 77 f. Siehe S. 87 und S. 94. 367  Siehe S. 78 und S. 251. 368  Siehe S. 47. 369  BGH FamRZ 1970, 376; a. A. Strunz, Der Anspruch des Vertrags- oder Schlußerben wegen beeinträchtigender Schenkungen, S.  74 f. 366 

Teil 1 – E. Rechtsvergleich

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entgeltlichkeit vermutet. Hierdurch wird in einem gewissen Rahmen ein Missbrauchspotential eröffnet. Das französische Recht geht dagegen stärker von einer objektiven Bestimmung der Wertverhältnisse aus, da eine subjektive Einigung über die Unentgeltlichkeit nicht erforderlich ist.370 Auch eine versteckte Schenkung wird erfasst, wobei hier die Probleme eher darin bestehen, eine solche Schenkung überhaupt nachzuweisen. Trotz der Unterschiede ist in den drei Rechten klar, dass gemischte Schenkungen nicht einfach als entgeltliche Zuwendungen betrachtet werden dürfen. Am ehesten überzeugt dabei der französische Ansatz, auf die objektiven Wertverhältnisse von Leistung und Gegenleistung abzustellen. Er schließt Missbrauchsmöglichkeiten (durch subjektive Wertfestlegungen) aus, vermeidet aber auch das sehr freie Ermessen des englischen Rechts. 2. Stiftungen Weitgehend einheitlich nehmen das deutsche, englische und französische Recht an, dass die Übertragung von Vermögen auf eine Stiftung im Erbrecht zu Rückholansprüchen von Vertragserben oder Pflichtteilsberechtigten führen kann. Da die Errichtung einer Stiftung in Deutschland ein einseitiges Rechtsgeschäft des Stifters ist, fehlt es an sich an der für eine Schenkung notwendigen Vereinbarung über die Unentgeltlichkeit.371 Wieder erweist sich der deutsche Schenkungsbegriff als problematisch. Nach inzwischen herrschender Meinung werden die Regelungen für die Schenkung gleichwohl analog angewendet und wird auch eine entsprechende Bereicherung der Stiftung angenommen. Das gilt auch im Rahmen des Erbrechts, so dass der Vertragserbe und Pflichtteilsberechtigte hier Rückholansprüche haben können. Von einem Teil des Schrifttums wird allerdings gefordert, dass Zuwendungen an Stiftungen de lege ferenda stärker gegenüber Pflichtteilsansprüchen privilegiert werden müssten.372 Eine solche Privilegierung erscheint insbesondere bei sehr großen Privatvermögen überlegenswert, wenn den Pflichtteilsberechtigten auch nach der Zuwendung an die Stiftung eine hinreichende Vermögensmasse verbleibt, um daraus problemlos ihren Unterhalt bestreiten zu können. Als teilweises Vorbild könnte hier möglicherweise das österreichische Recht dienen, das Zuwendungen an gemeinnützige Organisationen – freilich auch, wenn der Unterhaltsanspruch der Berechtigten dadurch beeinträchtigt wird – nicht als Schenkungen wertet.373 Im englischen Recht stellt die dort sehr übliche Übertragung von Vermögenswerten auf einen Trust eine disposition bzw. einen contract to leave property by 370 

Siehe S. 94 f. Siehe S. 49. 372  Siehe S. 58 f. 373  Siehe S. 58 f. 371 

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

will dar, die bei Fehlen einer vollwertigen Gegenleistung grds. nach sec.  10, 11 Inheritance Act angegriffen werden kann. In Frankreich werden hingegen Übertragungen von Vermögenswerten auf eine zugunsten eines Erben neu errichtete Gesellschaft oder Stiftung nicht als Schenkungen angesehen, soweit die Errichtung mittels notarieller Urkunde erfolgte und das Rechtsgeschäft insgesamt nicht als treuwidrig (sans fraude) angesehen werden kann (vgl. Art.  854 Code civil).374 Die französische Lösung fällt hier etwas aus dem Rahmen, da sie einen unangreifbaren Abfluss aus dem Erblasservermögen nicht allzu schwierig macht. Im Grundansatz sind aber alle drei Rechte einig, dass auch die – regelmäßig ja unentgeltliche – Übertragung von Vermögen auf eine Stiftung zu Rückholansprüchen des Vertragserben oder Pflichtteilsberechtigten führen sollte. 3. Zuwendungen zwischen Ehegatten Zuwendungen zwischen Ehegatten und Güterstandsvereinbarungen finden einerseits oft ohne unmittelbare Gegenleistung statt und führen dann zu einer Minderung des Vermögens des Zuwendenden, die sich im Erbfall auswirkt. Andererseits haben diese Verschiebungen häufig ihren Grund in der Ehe und sollen dann ehebedingte Leistungen (Mitarbeit, Betreuung etc.) ausgleichen. Im Ansatz neigen die untersuchten Rechte dazu, diese Verfügungen als unentgeltlich – mit der Folge möglicher Rückholansprüche – einzuordnen, machen von dieser Ausgangsregel aber erhebliche Ausnahmen. Inwieweit sog. unbenannte Zuwendungen zwischen Ehegatten Schenkungen i. S. d. §§  2287, 2325 BGB darstellen, ist in Deutschland umstritten.375 Der BGH wendet zwar grds. §§  2287, 2325 BGB an, verneint aber eine Unentgeltlichkeit der Zuwendung, wenn diese unterhaltsrechtlich geschuldet war oder ihr eine konkrete Gegenleistung gegenübersteht. Die Begründung einer Gütergemeinschaft wird nach der deutschen Rechtsprechung hingegen nur dann als Schenkung behandelt, wenn mit ihr ehefremde Zwecke verfolgt werden.376 Auch hier dienen also wiederum die subjektiven Vorstellungen der Parteien und insbesondere des Erblassers als (Missbrauchs-)korrektiv. In Frankreich werden ebenfalls unentgeltliche Zuwendungen zwischen Ehegatten während bestehender Ehe grds. der Erbmasse des Zuwendenden hinzugerechnet und können daher Rückholansprüche begründen.377 Gleiches gilt für eine institution contractuelle. Nicht als Schenkungen behandelt werden hingegen die sog. avantages matrimoniaux, also wenn ein Ehepartner infolge einer Güter-

374 

Siehe S. 94 f. Siehe S. 48 f. 376  Siehe S. 48 f. 377  Siehe S. 94 f. 375 

Teil 1 – E. Rechtsvergleich

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standsvereinbarung einen Vermögenszuwachs erhält.378 Güterstandsvereinbarungen gelten auch in Frankreich nicht als unentgeltlich (Art.  1527 Abs.  1 Code civil), sondern haben ihren Rechtsgrund in der Ausgestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse. Die Vermutung der Entgeltlichkeit eines avantage matrimonial ist zudem unwiderleglich und kann, anders als in Deutschland, auch nicht mit der Behauptung angegriffen werden, es handele sich in Wirklichkeit um eine versteckte Schenkung. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz macht Art.  1527 Abs.  2 Code civil lediglich zugunsten von nicht gemeinsamen Kindern des Ehegatten, zu dessen Lasten sich die Güterstandsvereinbarung auswirkt. Das englische Recht knüpft hingegen zunächst rein objektiv an das Fehlen einer vollwertigen Gegenleistung an, ein Kriterium, das bei Zuwendungen zwischen Ehegatten grds. erfüllt ist.379 Etwas Anderes gilt nur dann, wenn ausnahmsweise für die Übertragung der Vermögenswerte eine klar zuordenbare Gegenleistung vereinbart und auch geleistet wurde. Auch der Abschluss einer Güterstandsvereinbarung fällt zudem unter den sehr weit gefassten Begriff der disposition (sec.  10 (7) Inheritance Act). Die Eingrenzung erfolgt hier über die subjektive Tatbestandsseite, die den Nachweis einer Beeinträchtigungsabsicht verlangt.380 Insbesondere bei Güterstandsvereinbarungen oder auch bei zwischen Ehegatten üblichen Alltagsgeschenken oder Geschenken zu besonderen Anlässen lässt sich eine solche Absicht des Erblassers jedoch nur sehr schwer nachweisen. 4. Folgerungen Die Probleme, die das deutsche Recht der erbrechtlichen Rückholansprüche bei der vorgezogenen Übertragung von Erblasservermögen auf Stiftungen und bei gemischten Schenkungen hat, lassen sich durch einen weiter gefassten Begriff der Schenkung lösen, der insbesondere keine Vereinbarung über die Unentgeltlichkeit mehr voraussetzt. Für die Bestimmung, wann Güterstandsvereinbarungen ehefremde Ziele verfolgen, muss hingegen auf die subjektiven Vorstellungen der Parteien abgestellt werden. Hier können die Regeln und Vermutungen für den Nachweis eines Benachteiligungsvorsatzes herangezogen werden. III. Benachteiligungsabsicht Bei der Frage, ob erbrechtliche Rückholansprüche weitere subjektive Tatbestandsvoraussetzungen erfordern sollten, stehen sich das französische und das englische Recht praktisch diametral gegenüber.

378 

Siehe S. 95 ff. Siehe S. 77 ff. 380  Siehe S. 77 ff. 379 

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

Das französische Recht verlangt grds. keine weiteren subjektiven Voraussetzungen. Zwar findet sich in der Literatur die Ansicht, der Nachweis eines „mauvaise foi“ oder einer „fraude“ ermögliche es dem institué, auch entgeltliche Rechtsgeschäfte anzugreifen. In den angeführten Fallgruppen geht es jedoch eher darum, über einen Rückgriff auf die subjektiven Vorstellungen versteckte Schenkungen und damit doch wiederum die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen nachzuweisen.381 Gleichwohl werden zur Abgrenzung des objektiven Tatbestandes oft subjektive Elemente herangezogen. In England setzt die Anwendung der anti-avoidance Vorschriften hingegen voraus, dass der Erblasser in der Absicht gehandelt hat, mögliche Ansprüche auf family provision zu vereiteln. Auch ein breach of trust bei einem mutual will kann durch Rückgriff auf die Motivationslage des Erblassers begründet werden.382 Die Beeinträchtigungsabsicht braucht dabei zwar nicht das einzige Motiv des Rechtsgeschäfts zu sein; ihr darf aber auch nicht eine nur untergeordnete Bedeutung zukommen. Das Gericht muss eine Beeinträchtigungsabsicht für überwiegend wahrscheinlich halten, wobei es regelmäßig gezwungen ist, aufgrund äußerer Umstände auf die Absichten des Erblassers zu schließen. Ungeklärt ist in England die Frage, inwieweit dem Verhalten des Erblassers ein moralischer Unwertgehalt zukommen muss und eine Beeinträchtigungs­ absicht daher ausscheidet, wenn der Erblasser mit der Vornahme der Rechtsgeschäfte (auch) moralisch hochwertige Motive verfolgt hat.383 Eine Beeinträchtigungsabsicht scheidet jedenfalls dann aus, wenn sich der Erblasser über den Wert des übertragenen Vermögens oder über das ihm anschließend noch verbleibende Vermögen geirrt hat. Gleiches muss wohl gelten, wenn sich die Vermögensverhältnisse des Erblassers erst nach Vornahme des Rechtsgeschäfts massiv verschlechtert haben. Bei Verträgen i. S. d. sec.  11 Inheritance Act wird eine Benachteiligungsabsicht andererseits widerleglich vermutet, wenn für die Leistung des Erblassers überhaupt keine (werthaltige) Gegenleistung vereinbart wurde.384 Das deutsche Recht nimmt im Hinblick auf das Erfordernis einer Benachteiligungsabsicht eine seltsam unentschiedene Mittelstellung ein. Während der Anspruch des Vertragserben nach §  2287 BGB grds. eine Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers voraussetzt, ist diese für die Ergänzungsansprüche der pflichtteilsberechtigten Erben nach §§  2325, 2329 BGB nicht erforderlich. Wie im Wortlaut von §  2287 BGB und in den Gesetzesmaterialien eigentlich eindeutig zum Ausdruck kommt, haben sich die Verfasser des BGB bewußt für eine weitreichende Verfügungsfreiheit des Erblassers zu seinen Lebzeiten und für 381 

Siehe S. 90. Siehe oben S. 79 ff. 383  Siehe S. 79 ff. 384  Siehe S. 79 ff. 382 

Teil 1 – E. Rechtsvergleich

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einen nur engen Anwendungsbereich des §  2287 BGB entschieden.385 Weil der Nachweis einer Beeinträchtigungsabsicht aber kaum einmal aussichtsreich erbracht werden konnte, vollzog der BGH im Jahre 1972 eine Kehrtwende und löste sich weitgehend von den ursprünglichen Vorstellungen des Gesetzgebers. §  2287 BGB dient seitdem als eine Art Generalklausel, in deren Rahmen eine umfassende Abwägung der Interessen vorgenommen wird. Als entscheidendes Abgrenzungskriterium fungiert insoweit der allerdings äußerst unscharfe Begriff des lebzeitigen Eigeninteresses.386 Bei den Rückholansprüchen der Pflichtteilsberechtigten spielen die subjek­ tiven Vorstellungen des Erblassers hingegen grds. keine Rolle. Ähnlich wie in Frankreich werden die Motive des Erblassers aber oft als Argumentationshilfe in verschiedenen Fallgruppen wieder in Bezug genommen. Zur Begründung der Auslegung des §  2325 Abs.  3 BGB, dass die Zehn-Jahres-Frist erst mit Entäußerung der Sache (Genussverzicht) zu laufen beginne, verwies der BGH bspw. auch auf den Zweck der Pflichtteilsergänzungsansprüche, „bösliche“ Schenkungen zu verhindern.387 Auch die Sonderregelung in §  2325 Abs.  3 S.  3 BGB wird oft damit begründet, dass die Gefahr „böslicher“ Schenkungen zwischen Ehegatten besonders groß sei. Der Vergleich wirft hier vor allem die Frage auf, weshalb das deutsche Recht für die Rückholansprüche von Vertragserben und von Pflichtteilsberechtigten unterschiedliche Voraussetzungen – bei ersteren eine Benachteiligungsabsicht, bei letzteren nicht – verlangt. Das englische und französische Recht sind hier in sich konsequenter, wenn auch nach gegenteiligen Richtungen. IV. Zeitliche Grenzen Hinsichtlich der Frage, ob es eine an den Zeitpunkt der Vermögensübertragung anknüpfende Ausschlussfrist gibt, existieren erhebliche Unterschiede zwischen den untersuchten Rechtsordnungen. Am großzügigsten ist hier erneut das französische Recht, das eine solche Frist weder für die Ansprüche des institué nach Art.  1083 Code civil noch für die action en réduction der Noterben kennt.388 Ein gewisser Schutz erfolgt bei mehreren zeitlich nachfolgenden Schenkungen dadurch, dass nach dem Posterioritätsprinzip erst die zeitlich jüngeren Schenkungen angegriffen werden müssen, bevor die länger zurückliegenden herangezogen werden können.389 Das englische Recht unterscheidet hinsichtlich der Ansprüche auf family provision danach, ob der Erblasser zu Lebzeiten eine disposition vorgenommen hat 385 

Siehe S. 53 ff. Siehe S. 53 ff. 387  Siehe S. 68 ff. 388  Siehe S. 91 f. und S. 103 f. 389  Siehe S. 214 ff. 386 

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

oder ob nur eine aus dem Nachlass zu erfüllende vertragliche Verpflichtung übernommen wurde.390 Während die disposition nur angreifbar ist, wenn sie im Todeszeitpunkt nicht länger als sechs Jahre zurückliegt, gilt eine vergleichbare Frist für vertragliche Verpflichtungen des Nachlasses nicht. Diese Unterscheidung wird überwiegend damit begründet, dass erst der Vollzug eines Rechtsgeschäfts ein schutzwürdiges Vertrauen des Vertragspartners in den veränderten status quo begründe und für den Erblasser zu einer spürbaren Einbuße führe.391 Hier besteht demnach eine klare Parallele zur sog. Genussverzichtsrechtsprechung des BGH. Anders als in Deutschland ist es für den Fristbeginn jedoch unschädlich, wenn sich der Erblasser an dem verschenkten Gegenstand ein lebzeitiges Nutzungsrecht vorbehält oder er den Gegenstand tatsächlich weiter nutzt.392 In Deutschland spielt der Zeitpunkt der Schenkung nur für den Ergänzungsanspruch der pflichtteilsberechtigten Erben eine Rolle, nicht hingegen für den Anspruch des Vertragserben aus §  2287 BGB. Wieso der Schutz des Beschenkten bei §  2287 BGB allerdings geringer ist als im Rahmen der Pflichtteilsergänzung, leuchtet unter Wertungsgesichtspunkten nicht unmittelbar ein, da, wie oben gesehen, die Tatbestandsvoraussetzungen bei §  2325 BGB ansonsten weniger streng sind.393 Ferner wurde 2010 nur für Pflichtteilsergänzungsansprüche in §  2325 Abs.  3 BGB die sog. Pro-rata-Regelung eingeführt. Hiernach gilt, dass Pflichtteilsergänzungsansprüche sowohl gegen den Erben als auch subsidiär gegen den Beschenkten vollständig ausscheiden, wenn die Schenkung beim Erbfall länger als zehn Jahre zurückliegt. Alle Schenkungen jüngeren Datums sind hingegen Pflichtteilsergänzungsansprüchen ausgesetzt, jedoch nur noch in jährlich um 1/10 abnehmender Höhe. Zu der Frage, wann der verschenkte Gegenstand in diesem Sinne als geleistet gilt, hat der BGH entschieden, dass der Erblasser den geschenkten Gegenstand aus seinem Vermögen wirtschaftlich ausgegliedert haben muss (sog. Genussverzicht).394 Für Schenkungen zwischen Ehegatten bestimmt §  2325 Abs.  3 S.  3 BGB zudem, dass die Frist jeweils nicht vor Auflösung der Ehe zu laufen beginnt. Dieser Regelung liegt zum einem der Gedanke zu Grunde, dass es bei Vermögensübertragungen zwischen Ehegatten regelmäßig an einem Genussverzicht fehlt und dass diese zum anderen oft in missbräuchlicher Absicht oder nur zum Schein erfolgen.395 Der Rechtsvergleich zeigt hier damit ein wenig einheitliches Bild. Unterschiede bestehen sowohl bei der Frage, ob eine Ausschlussfrist überhaupt oder 390 

Siehe S. 82f. Siehe S. 82 f. 392  Siehe S. 82 f. 393  Siehe S. 47 ff. und S. 62 ff. 394  Siehe S. 68 ff. 395  Siehe S. 68 ff. 391 

Teil 2 – A. Einführung

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nur hinsichtlich der Ansprüche der pflichtteilsberechtigten Erben erforderlich ist, bei der Frage an welche Art von Rechtsgeschäft der Fristbeginn anzuknüpfen ist, ob bei einer bestimmten Art von Geschäften oder bei bestimmten Empfängern 396 Ausnahmen zu machen sind sowie hinsichtlich der Länge der Fristen und des gewählten Modells einer ratierlichen Abschmelzung bzw. eines „Alles oder Nichts“-Prinzips. Faktisch halten die untersuchten Rechte dennoch eine Zeitgrenze für Rückholansprüche für erforderlich, mag das in Frankreich auch nur aus dem dort geltenden Posterioritätsprinzip folgen. Sowohl bei grenzüberschreitenden Sachverhalten als auch bei den weiteren Überlegungen in Bezug auf einen einheitlichen Rückholtatbestand stellt die Frage nach einer Ausschlussfrist daher ein wesentliches Problemfeld dar.

Teil 2: Familienrecht A. Einführung Im Ehegüterrecht lassen sich – auch im internationalen Vergleich – im Wesentlichen drei Regelungsmodelle unterscheiden: Die Gütertrennung, die zu zwei völlig unabhängigen Vermögensmassen der Ehegatten führt und auch im Falle der Scheidung keine Ausgleichsansprüche vorsieht; die Gütergemeinschaft, die zu einem Gesamtgut führt, über das die Ehegatten während bestehender Ehe nur noch eingeschränkt jeweils alleine verfügen können, und ein Zugewinn­ modell, das die jeweilige Verfügungsbefugnis während der Ehe uneingeschränkt bestehen lässt, dafür aber im Falle der Trennung Ausgleichsansprüche bereit hält. Nur bei diesem letzten Modell entsteht grds. eine Rückholsituation, weil die Ehegatten in ihrer Verfügungsbefugnis frei bleiben, gleichzeitig jedoch eine Beeinträchtigung und Umgehung der bei Scheidung entstehenden Ausgleich­ ansprüche verhindert werden muss.

B. Deutschland I. Die Güterstände im deutschen Recht Im deutschen Recht ist der gesetzliche Güterstand die Zugewinngemeinschaft. Soweit die Ehegatten diesen Güterstand nicht durch einen notariell beurkundeten Ehevertrag ausschließen (§§  1408 ff. BGB), finden für das eheliche Güterrecht demnach die §§  1363 ff. BGB Anwendung und es kommt bei Auflösung der Ehe

396  Siehe hierzu auch die österreichische Regelung in §  784 ABGB sowie Röthel AcP 212 (2012), 157, 171 f.

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

zu einem Zugewinnausgleich.397 Der Zugewinnausgleich berechnet sich derart, dass für beide Ehegatten zunächst ein Anfangsvermögen bei Eintritt in die Ehe gebildet wird (§  1374 BGB), dem ein Endvermögen im Zeitpunkt der Auflösung der Ehe bzw. der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages (§§  1375, 1384 BGB) gegenübergestellt wird. Ist die Differenz zwischen Anfangs- und Endvermögen zwischen den Ehegatten unterschiedlich, so hat derjenige Ehegatte, der einen geringeren Zuwachs erzielt hat, einen Zugewinnausgleichsanspruch in Höhe der Hälfte der Differenz. Hat also etwa die Ehefrau ihr Vermögen während der Ehe um 200.000  € gemehrt, ihr Ehemann aber lediglich um 100.000  €, steht dem Ehemann eine Ausgleichsforderung in Höhe von 50.000  € zu. Vom gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft können die Ehegatten durch einen notariell beurkundeten Ehevertrag abweichen (§§  1408, 1410 BGB) und entweder Gütertrennung (§  1414 BGB) oder Gütergemeinschaft (§§  1415 ff. BGB) vereinbaren. Beide Güterstände sind jedoch aus unterschiedlichen Gründen für die vorliegende Untersuchung nicht interessant. Bei der Gütertrennung entstehen auch nach der Auflösung der Ehe keine wechselseitigen Ausgleichsansprüche der Ehegatten. Jeder Ehegatte bleibt, wie auch bereits während der Ehe, Eigentümer seines Vermögens.398 Eine Situation, in der ein Rückholanspruch und eine Rückabwicklung von Rechtsgeschäften, die ein Ehegatte mit Dritten getätigt hat, erforderlich werden könnte, kann daher insoweit gar nicht auftreten. Bei der Gütergemeinschaft kommt es umgekehrt deswegen grds. nicht zu einem Rückholproblem, weil bereits während der Ehe die Verfügungsmöglichkeiten der Ehegatten deutlich eingeschränkt sind. Insbesondere Schenkungen (§  1425 BGB) und Grundstücksgeschäfte (§  1424 BGB) kann ein Ehegatte, anders als im Rahmen der Zugewinngemeinschaft, nur noch mit Zustimmung seines Partners vornehmen.399 Wird er ohne diese Zustimmung tätig und auch nachträglich keine Genehmigung erteilt, ist das Geschäft unwirksam (§§  1427, 1366 BGB) und der benachteiligte Ehegatte kann über §  1428 BGB die Rückabwicklung auch im eigenen Namen gerichtlich geltend machen. Nach herrschender Ansicht kann der Dritte Rechte an den übertragenen Gegenständen auch gutgläubig erwerben,400 so dass in diesem Fall der übergangene Ehegatte nur bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen den Vertragspartner geltend machen kann und nicht auch die eigentumsrechtliche Vindikation.401 Im Ergebnis wird im Rahmen einer Gütergemeinschaft der missbräuchlichen Vermögensübertragung durch einen Ehegatten bereits präventiv dadurch entgegengewirkt, dass 397  Diese und die folgenden Ausführungen gelten aufgrund des Verweises in §  6 LPartG auch für eingetragene Lebenspartner. 398  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  40 Rn.  1. 399  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  38 Rn.  65 ff. 400 MüKoBGB/Kanzleiter §  1422 Rn.  2 2; Bamberger/Roth/Siede §  1422 BGB Rn.  10 mwN. 401  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  38 Rn.  71.

Teil 2 – B. Deutschland

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die Verfügungsbefugnis der Ehegatten von vornherein stark beschränkt wird. Ein weiterer wichtiger Unterschied besteht darin, dass das während der Ehe erworbene sog. Gesamtgut Gesamthandsvermögen bildet und nicht etwa im Alleineigentum eines Ehegatten steht. Diese Situation weist wiederum gewisse Ähnlichkeiten zur Stellung eines Vorerben (vgl. §§  2113 ff. BGB) auf und bietet eigene, jedoch anders gelagerte Probleme, die nicht Gegenstand der vorliegenden, auf Rückholsituationen konzentrierten Untersuchung sind. II. Schutz des Ausgleichsanspruchs durch Verfügungsverbote Um die wirtschaftliche Grundlage der Familie nicht zu gefährden,402 sind im deutschen Recht bestimmte Rechtsgeschäfte nur mit Zustimmung beider Ehegatten möglich. Hierbei handelt es sich zum einen um Rechtsgeschäfte, durch die ein Ehegatte über sein gesamtes Vermögen verfügt (§  1365 BGB),403 und zum anderen um Rechtsgeschäfte, die sich auf Gegenstände des ehelichen Haushaltes beziehen (§  1369 BGB).404 Die Konsequenz einer fehlenden Zustimmung des jeweils anderen Ehegatten ist, dass sowohl das Verpflichtungsgeschäft als auch das Verfügungsgeschäft endgültig unwirksam wird, wenn der andere Ehegatte seine Zustimmung endgültig verweigert. Als absolute Verfügungsverbote verhindern §§  1365, 1369 BGB auch einen gutgläubigen Erwerb des Geschäftspartners.405 Anders als in der Rückholsituation erwirbt dieser nie Eigentum. Das verwendete Schutzkonzept ist also insoweit ein anderes und führt auch zu anderen Problemen. Eine ausführlichere Darstellung kann hier daher unterbleiben. Generell lässt sich jedoch feststellen, dass der Schutz durch §§  1365, 1369 BGB über eine bloße Rückholmöglichkeit hinausgeht. Insbesondere kann eine Rückübertragung auch bereits während bestehender Ehe verlangt werden und es muss hierfür nicht erst die Beendigung der Zugewinngemeinschaft abgewartet werden. Zudem gilt auch keine 10-Jahresfrist, nach deren Ablauf Rechtsgeschäfte nicht mehr angegriffen werden können. Der Herausgabeanspruch verjährt stattdessen grds. erst nach 30 Jahren (§  197 Abs.  1 Nr.  2 BGB). III. Zugewinnausgleichsanspruch und §  1375 Abs.  2 BGB Die Regelung des Zugewinnausgleichanspruchs bietet, wie unschwer zu erkennen ist, Anreize für Manipulationen. Angesichts sich verfestigender Differenzen zwischen den Ehegatten und einer sich abzeichnenden Scheidung könnte 402 Zu den Normzwecken dieser Vorschriften s. Staudinger/Thiele §  1365 Rn.  2 , §  1369 Rn.  1. 403  Zu den weiteren Voraussetzungen siehe Staudinger/Thiele §  1365 Rn.  4 ff. mwN. 404  Zu den weiteren Voraussetzungen siehe Staudinger/Thiele §  1369 Rn.  4 ff. mwN. 405 MüKoBGB/Koch §  1365 Rn.  4, §  1369 Rn.  4 jeweils mwN.

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der potentiell ausgleichspflichtige Ehegatte geneigt sein, die Berechnung des Anspruches zu seinen Gunsten zu beeinflussen, indem er sein Endvermögen und damit seinen Zugewinn stark reduziert. Diese Gefahr hat auch der Gesetzgeber erkannt und daher zunächst in §  1375 Abs.  2 BGB Vorsorge gegen solche vermögensmindernden Maßnahmen des Ausgleichsschuldners getroffen.406 Diese Vorschrift bestimmt, dass dem Endvermögen eines Ehegatten auch Beträge hinzugerechnet werden können, die tatsächlich nicht mehr in diesem Vermögen vorhanden sind. Voraussetzung einer solchen Hinzurechnung ist, dass der Ehegatte nach Eintritt in den Güterstand Vermögen durch unentgeltliche Zuwendungen übertragen hat und diese Zuwendungen dabei nicht einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprachen. Gleichgestellt ist nach §  1375 Abs.  2 Nr.  2 BGB die Verschwendung von Vermögen407 und jede Handlung, die in der Absicht vorgenommen wurde, den anderen Ehegatten zu benachteiligen (§  1375 Abs.  2 Nr.  3 BGB), und die zu einer Vermögensminderung führte. Weiter zu beachten ist allerdings, dass der Zugewinnausgleichsanspruch gem. §  1378 Abs.  2 BGB grds. auf das Vermögen begrenzt ist, das im Zeitpunkt der Beendigung des Güterstandes nach Abzug der Verbindlichkeiten noch vorhanden ist. Hat der Ausgleichsschuldner also bspw. einen so erheblichen Betrag unentgeltlich einem Dritten zugewendet, dass sein Endvermögen nunmehr praktisch null beträgt, würde der Zugewinnsausgleichsanspruch wegen §  1378 Abs.  2 BGB eigentlich ins Leere gehen. Der durch die Reform des Zugewinnausgleichsrechts 2009408 eingeführte §  1378 Abs.  2 S.  2 BGB stellt jetzt allerdings klar, dass diese Kappungsgrenze nicht für die in §  1375 Abs.  2 BGB genannten illoyalen Vermögensminderungen409 gilt. Insoweit kann es daher vorkommen, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte über sein im maßgeblichen Zeitpunkt noch vorhandenes Vermögen hinaus einstandspflichtig wird.410 Der illoyal handelnde Ehegatte wird insoweit als nicht schutzwürdig angesehen. Von dieser Neuerung unberührt geblieben ist jedoch die Möglichkeit, parallel dazu über §  1390 BGB auf den vom ausgleichspflichtigen Ehegatten beschenkten Dritten zuzugreifen. Begründet wird die weiterhin bestehende Notwendigkeit für eine Inanspruchnahme auch des Dritten damit, dass der berechtigte Ehegatte anderenfalls von der u. U. sehr unsicheren künftigen Vermögensentwicklung bei seinem Ehepartner abhängig wäre.411 Könne der Ehepartner auch auf lange Sicht

406 

Siehe hierzu auch Schwab FS Kanzleiter, S.  365. Dazu auch Schwab FS Kanzleiter, S.  365, 374. 408  Siehe BT-Drs. 16/10798. 409  Siehe zum Begriff der Illoyalität auch Schwab FS Kanzleiter, S.  365, 372 ff. 410  Brudermüller FamRZ 2009, 1185, 1186 f. 411  Siehe BT-Drs. 16/10798, S.  21. 407 

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seine Schulden nicht zurückzahlen, fiele der berechtigte Partner mit seiner Forderung letztlich aus.412 Die Ausgangssituation ist mit dem erbrechtlichen Rückholanspruch durchaus vergleichbar. Hier wie dort bleibt der Ehegatte/Erblasser in seiner Verfügungsbefugnis über sein Vermögen grds. frei. Nach Beendigung des Güterstandes bzw. nach dem Tode des Erblassers werden vermögensmindernde Handlungen dann jeweils in einer ersten Stufe zunächst im Innenverhältnis zwischen den Ehegatten bzw. zwischen den Erben und den Pflichtteilsberechtigten berücksichtigt. Reicht das noch vorhandene Vermögen zur Befriedigung der Ansprüche jedoch nicht aus, kann in einer zweiten Stufe über einen Rückhol­ anspruch das Innenverhältnis der Beteiligten verlassen werden. Hier ist es dann möglich, auch Rechtsgeschäfte mit Dritten rückabzuwickeln und Vermögenswerte zum Nachlass bzw. zum ehelichen Vermögen zurückzuholen. IV. Voraussetzungen des §  1390 BGB im Einzelnen 1. Die benachteiligende Handlung §  1390 BGB unterscheidet zwei Fallgruppen: Zum einen ist ein Rückgriff beim Dritten möglich, wenn dieser vom ausgleichspflichtigen Ehegatten eine unentgeltliche Zuwendung erhalten hatte und der Ehegatte dabei in der Absicht handelte, den ausgleichsberechtigten Ehegatten zu benachteiligen (§  1390 Abs.  1 S.  1 BGB). Zum anderen besteht nach §  1390 Abs.  2 BGB ein Anspruch gegen den Dritten aber auch bei anderen, entgeltlichen Rechtsgeschäften, wenn die Benachteiligungsabsicht des ausgleichspflichtigen Ehegatten dem Dritten bekannt war. a) §  1390 Abs.  1 BGB Interessant ist zunächst, dass in der ersten Variante, anders als bei §  2329 BGB oder §  2287 BGB, nicht etwa eine Schenkung verlangt wird, sondern jede unentgeltliche Zuwendung für ausreichend erachtet wird. Wie bereits im Erbrecht festgestellt wurde, ist das entscheidende Charakteristikum eines Rückhol­ anspruchs der Vermögensabfluss. Die zusätzliche Anforderung einer Einigung der Vertragsparteien über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung, wie sie das deutsche Recht für die Annahme einer Schenkung verlangt,413 ist hingegen als ein gesetzgeberisches Versehen einzuordnen, das die Rechtsprechung in den erbrechtlichen Konstellationen im Wege der Analogiebildung weitgehend außer

412 Zum Verhältnis des Anspruchs gegen den ausgleichspflichtigen Ehegatten zum Anspruch gegen den beschenkten Dritten siehe noch ausführlich oben S. 224 ff. 413  Vgl. hierzu aus rechtsvergleichender Perspektive Schmidt-Kessel, Schenkung, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. 2, S.  1349.

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

Kraft gesetzt hat.414 Zudem bietet diese zusätzliche Voraussetzung den Parteien weitere Manipulationsmöglichkeiten. Ansonsten entspricht die objektive Tatbestandsseite der unentgeltlichen Zuwendung aber weitgehend dem aus dem Erbrecht Bekannten. Auch hier streitet eine widerlegliche Vermutung bei Vorliegen eines groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung für die Annahme einer (teil-)unentgeltlichen Zuwendung.415 Sowohl die Errichtung einer Stiftung, als auch Spenden an gemeinnützige Einrichtungen sind grds. als unentgeltliche Zuwendungen anzusehen.416 Nicht erfasst sind wiederum unentgeltliche Zuwendungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wurde. Diese Rechtsgeschäfte werden gem. §  1375 Abs.  2 Nr.  1 BGB schon nicht zum hypothetischen Endvermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten hinzugerechnet, weshalb auch keine Inanspruchnahme des Beschenkten über §  1390 BGB in Betracht kommt.417 Der Begriff der sittlichen Pflicht und der auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entspricht der bereits im Erbrecht erörterten Einschränkung (vgl. §  2330 BGB). Es kann daher auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden.418 b) §  1390 Abs.  2 BGB In der zweiten, in Absatz 2 erwähnten Variante ist hingegen lediglich von „andere(n) Rechtshandlungen“ die Rede. Dieser Begriff ist denkbar weit und erfasst insbesondere auch entgeltliche Rechtsgeschäfte. Gleichwohl ist die praktische Bedeutung dieser Variante eher gering.419 Unstreitig erfasst sind lediglich entgeltliche Rechtsgeschäfte mit leistungsunfähigen Dritten, Kreditgewährungen an solche Dritte sowie Sicherheitsleistungen für wenig solvente Schuldner.420 Unklar ist hingegen, inwieweit auch Rechtsgeschäfte unter §  1390 Abs.  2 BGB fallen, in denen der Ausgleichsschuldner Gegenstände in der Absicht veräußert, das im Gegenzug erlangte Geld einfacher verschwenden oder verschlei-

414 

Siehe oben S. 49 ff.

415 Staudinger/Thiele

§  1375 Rn.  22. Palandt/Brudermüller §  1390 Rn.  2 iVm §  1374–1376 Rn.  25, siehe hierzu auch oben S.  49 ff. 417  Bamberger/Roth/Siede §  1390 BGB Rn.  3; Erman/Budzikiewicz §  1390 BGB Rn.  3; Staudinger/Thiele §  1390 Rn.  6 . 418  Siehe S. 57 ff. 419 MüKoBGB/Koch §  1390 Rn.  11; Weinreich in: Weinreich/Klein (Hrsg.), Fachanwaltskommentar Familienrecht, §  1390 BGB, Rn.  14; Jaeger in: Johannsen/Henrich (Hrsg.), Familienrecht, Rn.  3. 420 Staudinger/Thiele §  1390 Rn.  11; MüKoBGB/Koch §  1390 Rn.  11; Weinreich in: Weinreich/Klein (Hrsg.), Fachanwaltskommentar Familienrecht, §  1390 BGB, Rn.  15; Jaeger in: Johannsen/Henrich (Hrsg.), Familienrecht, Rn.  3. 416 

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ern zu können.421 Gegen eine Anwendung von §  1390 Abs.  2 BGB spricht, dass das insoweit vorbereitende Rechtsgeschäft selbst noch keine Vermögensminderung herbeiführt.422 Auch Unterlassungen können den Tatbestand des §  1390 Abs.  2 BGB begründen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der ausgleichspflichtige Gatte eine rechtzeitige oder ordnungsgemäße Rechtsverfolgung bewusst unterlässt und dadurch eine Verjährung, eine Ersitzung oder ein unanfechtbares Versäumnisurteil herbeiführt.423 2. Objektive Beeinträchtigung des Zugewinnausgleichsberechtigten Aus §  1390 Abs.  1 Nr.  2 BGB ergibt sich, dass eine Inanspruchnahme des „beschenkten“ Dritten nur möglich ist, wenn das bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages bzw. im Todeszeitpunkt noch vorhandene Vermögen des verpflichteten Ehegatten nicht ausreicht, um den Anspruch des ausgleichsberechtigten Ehegatten zu decken.424 Ähnlich wie ein pflichtteilsberechtigter Erbe muss sich der ausgleichsberechtigte Ehegatten also zunächst an seinen Ehepartner halten und erst, wenn das hier noch vorhandene Vermögen zur Anspruchsbefriedigung nicht ausreicht, kann subsidiär auf den Dritten zugegriffen werden. Bleibt trotz der Schenkung oder Zuwendung noch ausreichend Vermögen beim Ehegatten zurück, fehlt es an einer objektiven Beeinträchtigung. 3. Subjektive Voraussetzungen a) §  1390 Abs.  1 BGB In subjektiver Hinsicht verlangt §  1390 BGB sowohl in der Variante des Absatzes 1 als auch gemäß Abs.  2 zunächst eine Benachteiligungsabsicht des ausgleichspflichtigen Ehegatten. Leitendes Motiv für die Vornahme des Rechtsgeschäfts muss aus der Sicht dieses Ehegatten die Benachteiligung seines Partners durch die Verkürzung des Ausgleichsanspruchs gewesen sein. Die Benachteiligungsabsicht braucht dabei zwar nicht die einzige Intention gewesen zu sein; gleichwohl muss sie aber eine bestimmende Rolle gespielt haben.425 An die Darlegung des Benachteiligungsmotivs durch den beeinträchtigten Ehegatten sol421 Dafür Weinreich in: Weinreich/Klein (Hrsg.), Fachanwaltskommentar Familienrecht, §  1390 BGB, Rn.  15; Staudinger/Thiele §  1390 Rn.  11; Papenbreer, Vermögensmanipulationen und Zugewinnausgleich, S.  205 f.; dagegen MüKoBGB//Koch §  1390 Rn.  11; offen Jaeger in: Johannsen/Henrich (Hrsg.), Familienrecht, §  1390 BGB Rn.  3. 422 MüKoBGB/Koch §  1390 Rn.  11. 423 Staudinger/Thiele §   1390 BGB Rn.  11; Büte, Zugewinnausgleich bei Ehescheidung, Rn.  387. 424  Siehe auch Papenbreer, Vermögensmanipulationen und Zugewinnausgleich, S.  198 ff. 425  Vgl. BGH NJW 2000, 2347, 2348; OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1858, 1860; Staudinger/Thiele §  1375 BGB Rn.  31; MüKoBGB/Koch §  1375 Rn.  46.

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len dabei allerdings keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Es obliegt dann dem verfügenden Ehegatten, sich hierzu substantiiert zu erklären.426 Eine Übertragung der von der Rechtsprechung zu §  2287 BGB entwickelten Grundsätze, insbesondere also die Vermutung einer Benachteiligungsabsicht, wenn kein lebzeitiges Eigeninteresse besteht,427 wird von der herrschenden Ansicht in der Literatur bisher abgelehnt.428 Anderenfalls, so bspw. die Argumentation von Koch, würden im Ehegüterrecht Bindungen entstehen, die sich nicht mit dem Prinzip der selbständigen Vermögensverwaltung in §  1364 BGB vereinbaren ließen.429 Einzig Finke hat hier eine andere Ansicht vertreten.430 In der Rechtsprechung wurde diese Frage bisher noch nicht eindeutig geklärt. b) §  1390 Abs.  2 BGB Für §  1390 Abs.  2 BGB ist darüber hinaus erforderlich, dass der in Anspruch genommene Dritte von der Beeinträchtigungsabsicht des ausgleichspflichtigen Ehegatten bei Vornahme des Rechtsgeschäfts positive Kenntnis hat. Grob fahrlässige Unkenntnis genügt insoweit nicht.431 Maßgebender Zeitpunkt ist die Vollendung des Rechtserwerbs bzw. die Beendigung der Rechtshandlung.432 Die durch eigene Bösgläubigkeit begründete weitergehende Haftung des Dritten ist ebenfalls eine originäre Erscheinung des ehelichen Güterrechts und findet im Erbrecht keine Entsprechung.433 4. Zeitliche Grenzen Die zeitliche Grenze für die Rückforderung ergibt sich im Rahmen des §  1390 BGB einerseits aus den Verjährungsvorschriften, andererseits aus einer ent­ sprechenden Anwendung des §  1375 Abs.  3 BGB. Die Regelverjährung von drei Jahren setzt mit dem Ende des Güterstandes ein (§  1390 Abs.  3 S.  1 BGB). Nach §  1375 Abs.  3 BGB werden jedoch Rechtsgeschäfte, die im maßgeblichen Zeitpunkt (Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages oder Tod des Ehegatten) schon länger als zehn Jahre zurückliegen, nicht mehr dem Endvermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten hinzugerechnet. Obwohl vom Wortlaut her

426  BGH NJW-RR 1986, 1325, 1326; OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1858, 1860; OLG Köln FamRZ 1988, 174, 175. 427  Siehe oben S. 53 ff. 428 Staudinger/Thiele §   1375 BGB Rn.  31; MüKoBGB/Koch §  1375 Rn.  47; Bamberger/ Roth/Cziupka §  1375 BGB Rn.  77. 429 MüKoBGB/Koch §  1375 Rn.  47. 430  Finke in: RGRK-BGB §  1375 Rn.  14. 431  Bamberger/Roth/Siede §  1390 BGB Rn.  5; Staudinger/Thiele §  1390 BGB Rn.  12. 432 Staudinger/Thiele §  1390 BGB Rn.  12. 433  Vgl. oben S. 46 und S. 62.

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nicht unmittelbar für den Anspruch gegen den beschenkten Dritten anwendbar, soll diese Grenze auch für §  1390 BGB gelten.434 Eine jährliche Abschmelzung der Hinzurechnung und eine dementsprechende Reduzierung der Ausgleichsforderung wurde im Familienrecht hingegen bisher nicht eingeführt.435 Da bei einer Auflösung des Güterstandes durch den Tod des verfügenden Ehegatten oft eine Parallelität zwischen dem Anspruch aus §  1390 BGB und demjenigen aus §  2329 BGB gegeben ist, führt dieser unterschiedliche Ansatz zu problematisch anmutenden Ergebnissen.436

C. England I. Das eheliche Güterrecht In England herrscht der Grundsatz der Gütertrennung.437 Jeder Ehegatte verwaltet sein vor und während der Ehe erworbenes Vermögen selbst. Eine dingliche Berechtigung am Vermögen des jeweils anderen Ehegattens besteht grundsätzlich nicht.438 Eine Vermögensauseinandersetzung oder ein Zugewinnausgleich findet daher bei Aufhebung der Ehe im Regelfall nicht statt. Seit Einführung des Matrimonial Causes Act 1973 verfügen die Gerichte jedoch über sehr weit reichende Möglichkeiten, bei einer Scheidung nach Ermessen vermögensrechtliche Anordnungen zugunsten eines Ehegatten zu treffen.439 Komplexen Sonderregelungen unterliegt zudem die gemeinsame Ehewohnung440 und unter bestimmten Voraussetzungen kann über sec.  14 des Trusts of Land and Appointment of Trustees Act 1996 auch eine Mitberechtigung eines Ehegatten am Grundbesitz des anderen konstruiert werden.441 Wie in den meisten Common-Law-Systemen ist eine inhaltliche Differenzierung zwischen der Vermögensaufteilung einerseits und eventuell bestehenden Unterhaltsansprüchen andererseits weitgehend unbekannt.442 Ausgangspunkt der Vermögensumverteilung im Scheidungsfall sind sec.  23, 24 Matrimonial Causes Act 1973 (MCA). Nach diesen Vorschriften kann der 434 Staudinger/Thiele §  1390 BGB Rn.  7; Finke in: RGRK-BGB §  1390 Rn.  6; Erman/Budzikiewicz §  1390 BGB Rn.  3; Büte, Zugewinnausgleich bei Ehescheidung, Rn.  386; Papenbreer, Vermögensmanipulationen und Zugewinnausgleich, S.  203 f. 435  Siehe zum Erbrecht auf S. 68. 436  Siehe hierzu das Beispiel auf S. 327 f. 437  Miller v. Miller [2006] 2 W.L.R. 1283, Rn.  151; Siehr FamRZ 1972, 419, 420; Pintens ZEuP 2009, 268, 273; Knoche in: Schotten/Schmellenkamp, Das internationale Privatrecht in der notariellen Praxis, Anhang II, Großbritanien I 4a. 438  McClean/Ruiz Abou-Nigm, The conflict of laws, Rn.  14-001. 439  Pintens ZEuP 2009, 268, 276. 440  Siehr FamRZ 1972, 419, 420, 421 ff. 441  Knoche in: Schotten/Schmellenkamp, Das internationale Privatrecht in der notariellen Praxis, Anhang II, Großbritanien I 4a. 442  Pintens ZEuP 2009, 268, 276; Scherpe FamRZ 2006, 1314.

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Richter nach seinem Ermessen Vermögensgegenstände zwischen den Ehegatten oder auf eventuell vorhandene gemeinsame Kinder übertragen oder den Verkauf mit anschließender Erlösverteilung anordnen, eine Verpflichtung zur Zahlung wiederkehrender Leistungen begründen oder aber die Zahlung einer einmaligen Abfindungssumme festlegen.443 Die ermessenssteuernden Gesichtspunkte sind dabei in sec.  25, 25a MCA enthalten. An erster Stelle ist das Wohl minderjähriger Kinder zu berücksichtigen. Weiter sollte der Richter versuchen, durch die Anordnung den finanziellen Ausgleich zwischen den Eheleuten möglichst abschließend und umfassend zu regeln (sog. clean break).444 Berücksichtigung im Einzelfall sollen zudem finden: das Einkommen, das Vermögen und die Erwerbsaussichten der Ehepartner, die finanziellen Bedürfnisse und die (unterhalts-)rechtlichen Verpflichtungen, der eheliche Lebensstandard, das Alter der Ehegatten und die Dauer der Ehe, körperliche oder geistige Beeinträchtigungen, die Beiträge der Eheleute zum Familienvermögen, wobei die Pflege von Haus und Kindern (gleichwertig) berücksichtigt wird, das Verhalten der Ehegatten, soweit es nach Ansicht des Gerichts unbillig wäre, es nicht zu berücksichtigen, sowie etwaige finanzielle Nachteile der Scheidung für einen Ehegatten (z. B. Verlust einer Witwenpension).445 Das dabei bestehende weite gerichtliche Ermessen und den Abwägungsvorgang hat Lord Denning in der Entscheidung Hanlon v. The Law Society sehr anschaulich beschrieben: „The Family Court takes the rights and obligations of the parties all together – and puts the pieces into a mixed bag. Such pieces are the right to occupy the matrimonial home or have a share in it, the obligation to maintain the wife and children, and so forth. The court then takes out the pieces and hands them to the two parties – some to one party and some to the other – so that each can provide for the future with the pieces allotted to him or to her. The court hands them out without paying any too nice a regard to their legal or equitable rights but simply according to what is the fairest provision for the future – for mother and father and the children.“446

Unter Zugrundelegung dieser Kriterien ging die Rechtsprechung ursprünglich davon aus, dass der vermögendere Ehegatte nicht verpflichtet sei, sein Vermögen mit dem anderen Ehegatten vollständig zu teilen, sondern dass er diesem 443  Cretney/Masson/Bailey-Harris, Principles of Family Law, Rn.  14-014 ff.; Odersky in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, England und Wales, Rn.  56 ff. 444  Lowe/Douglas, Bromley’s Family Law, S.   1023 ff.; Cretney/Masson/Bailey-Harris, 14-066 ff.; Probert, Cretney and Probert’s Family Law, Principles of Family Law, Rn.   Rn.  8-037 ff. 445  Lowe/Douglas, Bromley’s Family Law, S.   1030 ff.; Cretney/Masson/Bailey-Harris, 14-046; Probert, Cretney and Probert’s Family Law, Principles of Family Law, Rn.   Rn.  8-022 ff.; Woelke in: Rieck (Hrsg.), Ausländisches Familienrecht, England und Wales, Rn.  34 f.; Odersky in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, England und Wales, Rn.  6 4. 446  Hanlon v. The Law Society [1981] A.C. 124, 177; Cretney/Masson/Bailey-Harris, Principles of Family Law, Rn.  14-010.

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nur ermöglichen müsse, den bisherigen Lebensstandard auch in Zukunft weiter beizubehalten.447 In der Praxis wurde daher oft eine Teilung von 2/3 zu 1/3 zugunsten des erwerbstätigen Ehegatten vorgenommen.448 In der Leitentscheidung White v. White wich das House of Lords von diesen Grundsätzen jedoch ab. Die Vermögensumverteilung im Scheidungsfalle müsse zuallererst dem Gebot der Fairness entsprechen.449 Dieses verlange, dass die Beiträge des erwerbstätigen Ehegatten und diejenigen des haushaltsführenden und kindererziehenden Ehegatten grundsätzlich gleich gewichtet würden (yardstick of equality).450 Eine Abweichung von einer gleichmäßigen Aufteilung der Vermögensmassen erfordere einen guten Grund. Darüber, wie ein solcher Grund im Einzelnen beschaffen sein müsse, geben die Entscheidungen Miller v. Miller, McFarlane v. McFarlane näher Aufschluss.451 Das (damalige) House of Lords berücksichtigte insoweit den jeweiligen Ursprung der Vermögensbestandteile und unterschied dabei matrimonial von non-matrimonial property bzw. family assets von other assets.452 Liege der Ursprung des Vermögens in der ehelichen Lebensgemeinschaft begründet, so soll regelmäßig eine Halbteilung erfolgen; liege er hingegen außerhalb, wie bspw. bei einer Erbschaft, Schenkung oder vor der Ehe erbrachten Arbeitsleistungen, könne auch eine einseitige Zuweisung zu einem Ehe­ gatten vorgenommen werden. Im Ergebnis nähert sich die englische Rechtslage damit sehr stark dem deutschen Zugewinnausgleichsmodell an. Aufgrund des weiten richterlichen Ermessens bleiben die Ergebnisse im Einzelfall aber nach wie vor nur schwer vorhersehbar.453 Andererseits passen sie sich sehr flexibel den Gegebenheiten des Einzelfalls an. Zu beachten ist auch, dass das englische Recht nicht zwischen Zahlungen unterscheidet, durch die eine nacheheliche Unterhaltspflicht abgegolten wird, und solchen, die einen güterrechtlichen Ausgleich im engeren Sinne bewirken ­sollen.454 Das Rückholregime schützt daher auch nach deutschem Verständnis unterhaltsrechtlich zu qualifizierende Ansprüche.

447  Dart v. Dart [1966] 2 FLR 286; Duxbury v. Duxbury [1987] 1 FLR 7; Cretney/Masson/ Bailey-Harris, Principles of Family Law, Rn.  14-033; Pintens ZEuP 2009, 268, 277. 448  Wachtel v. Wachtel [1973] 1 All E.R. 829 (CA). 449  White v. White [2001] 1 A.C. 596; dazu Lowe/Douglas, Bromley’s Family Law, S.  1018 ff. 450  White v. White [2001] 1 A.C. 596, 599. 451  Miller v. Miller, McFarlane v. McFarlane [2006] 2 W.L.R. 1283. 452  Miller v. Miller, McFarlane v. McFarlane [2006] 2 W.L.R. 1283, Rn.  21 ff., 149 ff.; dazu Scherpe FamRZ 2006, 1314, 1315. 453  So auch Scherpe FamRZ 2006, 1314, 1315; Pintens ZEuP 2009, 268, 279. 454  Odersky in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, England und Wales, Rn.   50; ­Heiderhoff IPRax 2011, 156.

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II. Der Schutz vor Verfügungen des vermögenderen Ehepartners Der vermögendere Ehegatte muss also unter Umständen befürchten, infolge der Scheidung einen wesentlichen Teil seines Vermögens an den anderen Ehepartner zu verlieren.455 Es besteht daher durchaus ein Anreiz, möglichen gerichtlichen Anordnungen in dieser Richtung zuvorzukommen, indem wesentliche Vermögenswerte im Vorfeld der Scheidung auf Dritte übertragen werden. Auch der englische Gesetzgeber hat diese Gefahr erkannt und in sec.  37 MCA unter der Überschrift „Avoidance of transactions intended to prevent or reduce financial relief“ entsprechende Vorkehrungen getroffen.456 Sec.  37 (2) lit.  a) MCA befasst sich dabei mit Anordnungen zur Verhinderung unmittelbar bevorstehender Verfügungen und wird daher im Kontext der präventiven Sicherungsmöglichkeiten behandelt.457 Sec.  37 (2) lit.  b) und c) MCA erfassen hingegen die klassische Rückholsituation, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte bereits eine Verfügung an einen Dritten vorgenommen hat, die nunmehr mit Hilfe einer gerichtlichen Anordnung rückabgewickelt werden soll.458 Für Fälle, in denen die Scheidung im Ausland erfolgte, aber in England anerkennungsfähig ist, enthalten die sec.  23 und 24 des Matrimonial and Family Proceedings Act 1984 Vorschriften, die denjenigen in sec.  37 MCA inhaltlich entsprechen.459

455 

Siehe oben S.  119 ff. Lowe/Douglas, Bromley’s Family Law, S.  1072; Black/Bridge/Bond, A practical approach to Family Law, S.  316. 457  Siehe S.  310 ff. 458  Sec.  37 (2) MCA lautet wörtlich: „Where proceedings for financial relief are brought by one person against another, the court may, on the applicaton of the first-mentioned person – (a) if it is satisfied that the other party to the proceedings is, with the intention of defeating the claim for financial relief, about to make any disposition or to transfer out of the jurisdiction or otherwise deal with any property, make such order as it thinks fit for restraining the other party from so doing or otherwise for protecting the claim; (b) if it is satisfied that the other party has, with that intention, made a reviewable disposition and that if the disposition were set aside financial relief or different financial relief would be granted to the applicant, make an order setting aside the disposition; (c) if it is satisfied, in a case where an order has been obtained under any of the provisions mentioned in subsection (1) above by the applicant against the other party, that the other party has, with that intention, made a reviewable disposition, make an order setting aside the disposition; and an application for the purposes of paragraph (b) above shall be made in the proceedings for the financial relief in question.“ 459  Siehe zu den entsprechenden Vorschriften des Matrimonial and Family Proceedings Act 1984 Lowe/Douglas, Bromley’s Family Law, S.  1076 ff., 1081; Passingham/Harmer, Law and Practice in Matrimonial Causes, S.  133. Für einen Anwendungsfall der Sec.  23 Matrimonial and Family Proceedings Act 1984 siehe bspw. Everclear Ltd v. Agrest, Kremen [2011] 2 FLR 506. 456 

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III. Hinzurechnung zum Endvermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten Neben dem tatsächlichen Rückholanspruch, der regelmäßig dazu führt, dass auch Dritte in das Verfahren zwischen den Ehegatten mit einbezogen werden,460 besteht allerdings auch die Möglichkeit, ungerechtfertigte Vermögensübertragungen bei der Betrachtung der zur Verfügung stehenden Vermögensgegenstände auszublenden und sie dem (hypothetischen) Vermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten hinzuzurechnen. Rechtsgrundlage für diese Hinzurechnung ist sec.  25 (2) lit.  g) MCA, die dem Gericht gestattet, bei der Entscheidung über die Vermögensverteilung auch auf das Verhalten der Ehegatten abzustellen.461 Die Anforderungen, die ein Rechtsgeschäft erfüllen muss, damit es bei der Berechnung von Ausgleichsansprüchen außer Betracht bleibt und zu einer hypothetischen Hinzurechnung führen kann, sind allerdings wegen des Fehlens einer klaren gesetzlichen Regelung recht unscharf.462 Erforderlich ist jedenfalls ein Element der Mutwilligkeit und die Abwesenheit eines vernünftigen Grundes für die Vermögensübertragung oder -vernichtung. In der Entscheidung BJ v. MJ führte Mostyn J hierzu aus:463 „Although intellectually pure, the problem with this technique is that it does not re-­ create any actual money. It is in truth a process of penalisation. In my judgment it should be applied very cautiously indeed and only where the dissipation is demonstrably ­wanton. I am not satisfied that here the gifts to C are to be characterised in this way. True, the timing is suspicious, but other than that there was no evidence that the gifts were anything other than bona fide. They would represent sensible IHT planning anyway. I therefore decline to add the gifts back. Generally speaking, I suggest that it would be altogether better where a reversal of a transaction is sought, that it is made pursuant to sec 37 MCA, where the disponee can be heard and where strict statutory criteria must be met.“

Wie insbesondere der letzte Satz deutlich herausstreicht, ist es auch keineswegs etwa so, dass die Rückabwicklung eines Rechtsgeschäfts mit einem Dritten immer erst dann möglich wird, wenn über eine hypothetische Hinzurechnung des übertragenen Vermögens ein angemessener Ausgleich nicht erzielt werden kann. Im Gegenteil scheint vielmehr ein gewisser Vorrang zugunsten der klareren gesetzlichen Regelung in sec.  37 MCA zu bestehen.464 Unbestritten stößt der 460 

Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  160, 171. MCA lautet: „As regards the exercise of the powers of the court under section 23(1) (a), (b) or (c), 24, 24A or 24B above in relation to a party to the marriage, the court shall in particular have regard to the following matters (…) (g) the conduct of each of the parties, if that conduct is such that it would in the opinion of the court be inequitable to disregard it; (…)“. 462  Vgl. hierzu etwa die Entscheidungen Norris v. Norris [2003] 1 FLR 1142, 1167; Vaughan v. Vaughan [2008] 1 FLR 1108; Behzadi v. Behzadi [2008] EWCA Civ 1070; G v. G [2009] EWHC 494 (Fam) Rn.  62. 463  BJ v. MJ [2011] EWHC 2708 (Fam), Rn.  50. 464  Siehe hierzu auch unten S. 228 f. 461  Sec.  25

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Ausgleich über eine hypothetische Hinzurechnung aber immer dann an seine Grenzen, wenn die Rechtsgeschäfte des ausgleichspflichtigen Ehegatten dazu führen, dass bei ihm kein oder nur noch ein höchst unzureichendes Vermögen vorhanden ist. IV. Die Tatbestandsvoraussetzungen 1. Die benachteiligende Handlung i. S. v. sec.  37 MCA Anknüpfungspunkt ist insoweit zunächst lediglich das Vorliegen einer disposition. Der Begriff disposition wird dabei von sec.  37 (6) MCA in weitgehender Entsprechung zu sec.  10 (7) Inheritance Act als „any conveyance, assurance or gift of property of any description, whether made by instrument or otherwise“ umschrieben. Er ist also denkbar weit und umfasst jede Rechtshandlung, die zu einer Verringerung von Vermögenswerten führt.465 Erfasst ist somit bspw. auch die bloße Verschwendung oder Vernichtung von Vermögen zu eigenen Zwecken,466 wobei hier allerdings nur eine Untersagungsanordnung gem. sec.  37 (2) lit.  a) MCA und kein Rückholanspruch in Betracht kommen dürfte. Anordnungen nach sec.  37 (2) MCA sind zudem selbst dann möglich, wenn lediglich Vermögen betroffen ist, das sich im Ausland befindet.467 Ausdrücklich ausgenommen sind Anordnungen, die in einer letztwilligen Verfügung getroffen werden. Der Hintergrund dieser Ausnahme ist, dass die letztwillige Verfügung selbst noch nicht zu einer Vermögensübertragung führt, sondern diese grds. erst mit dem Tode des Verfügenden bewirkt wird. Für die Vermögensübertragung von Todes wegen greifen dann aber vorrangig die sec.  10–12 Inheritance Act.468 Der Verzicht auf ein Mietrecht oder ein Vorkaufsrecht stellt ebenfalls keine disposition dar.469 Diese Rechte erlöschen nach ihrer Aufgabe einfach, ohne einen über die anti-avoidance provision rückholbaren Vermögensbestandteil zu hinterlassen. Auch die Stellung eines Insolvenzantrages durch den beklagten Ehegatten ist nach herrschender Ansicht keine disposition.470 2. Beeinträchtigungsabsicht Sec.  37 (2) MCA setzt weiter voraus, dass die Handlung „with the intention of defeating the claim for financial relief“ vorgenommen wurde. Auch hier ist also 465 

Shipman v. Shipman [1991] 1 FLR 250, 252. Shipman v. Shipman [1991] 1 FLR 250; Black/Bridge/Bond, A practical approach to Family Law, S.  319. 467  Hamlin v. Hamlin [1986] Fam Law 11. 468  Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  164. 469  Bater v. Greenwich London Borough Council [1999] 2 FLR 993; Newlon Housing Trust v. Alsulaimen [1998] 2 FLR 690. 470  Woodley v. Woodley (No. 2) [1993] 4 All E.R. 1010; Ross, Inheritance Act Claims, Rn.  3.052; s. a. Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  118 f. 466 

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in subjektiver Hinsicht eine Beeinträchtigungsabsicht bei Vornahme der disposition erforderlich. Nach ständiger Rechtsprechung muss diese Beeinträchtigungsabsicht aber nicht das einzige oder auch nur das dominierende Motiv der Verfügung gewesen sein. Es genügt, wenn ihr im Rahmen der Überlegungen, die den ausgleichspflichtigen Ehegatten zur Vornahme der Verfügung veranlasst haben, ein substanzielles Gewicht zukommt.471 Der Nachweis der Beeinträchtigungsabsicht obliegt nach allgemeinen Beweisregeln grds. dem Kläger. Allerdings greift zu seinen Gunsten die Vermutung der sec.  37 (5) MCA, wenn die Verfügung in dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf „financial relief“ gestellt wurde, noch nicht länger als drei Jahre zurückliegt. In diesem Fall wird das Vorliegen einer Beeinträchtigungsabsicht auf Seiten des Beklagten widerleglich vermutet und der Kläger muss nur noch nachweisen, dass seine Ausgleichs- oder Unterhaltsansprüche durch die Verfügung des Beklagten beeinträchtigt wurden (vgl. sec.  37 (5) MCA). Der Beklagte hat jedoch die Möglichkeit, diese Vermutung zu widerlegen, wenn er andere plausible Gründe für die Vornahme der disposition geltend machen kann (bspw. fällige Außenstände und erhebliche Konsequenzen ausbleibender Zahlungen) und es ausgeschlossen erscheint, dass eine Beeinträchtigungsabsicht bei seinen Überlegungen eine substanzielle Rolle gespielt hat.472 Die Beweislast spielt im Verfahren oft eine große Rolle, da der Nachweis, welche Ziele der verfügende Ehegatte mit dem Rechtsgeschäft verfolgt hat, erfahrungsgemäß große Schwierigkeiten bereitet. Greift die Vermutung ein, verlagert sich der Schwerpunkt der Streitigkeit dann meist weg von der Voraussetzung der Beeinträchtigungsabsicht und hin zu der in sec.  37 (4) MCA genannten Einschränkung (s. dazu den nächsten Abschnitt).473 Unklar ist, wann eine disposition als vollzogen („took place“) i. S. d. sec.  37 (5) MCA gilt. In der Entscheidung Everclear Ltd v. Agrest and Kremen nahm der Court of Appeal an, dass bei einem Vertrag, in dem die Eigentumsübertragung von der Erfüllung künftiger Bedingungen abhängig gemacht wurde, erst der Zeitpunkt des Bedingungseintrittes und nicht bereits schon der Vertragsschluss für den Fristbeginn in sec.  37 (5) MCA maßgeblich sei.474 Gewisse Parallelen zur sog. Genussverzichtsrechtsprechung des BGH475 scheinen hier daher durchaus zu bestehen.

471  Kemmis v. Kemmis (Welland Intervening) [1988] 1 W.L:R. 1307, 1330  f.; Trowbridge v. Trowbridge [2003] Fam. Law 476, Rn.  58; Re Brabon, Treharne v. Brabon [2001] 1 BCLC 11, 44 f; zustimmend Fortin Conv. 1989, 204, 205 f., siehe auch oben S. 79 ff. 472  Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  132; vgl. auch Shipman v. Shipman [1991] 1 FLR 250; Joy v. Joy-Morancho [2014] EWHC 3769 (Fam), Rn.  23 ff. 473  Fortin Conv. 1991, 370, 371; Duckworth, Matrimonial Property and Finance, S.  9 0. 474  Everclear Ltd v. Agrest and Kremen [2011] 2 FLR 506. 475  Siehe dazu S. 68 ff.

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3. Ausnahme: Werthaltige Gegenleistung und Gutgläubigkeit des Empfängers Eine wichtige Einschränkung enthält sec.  37 (4) MCA. Die Rückabwicklung einer disposition ist danach ausgeschlossen, wenn der Verfügungsempfänger eine „valuable consideration“ erbracht hat, im Zeitpunkt der Verfügung gutgläubig war und keine Kenntnis von der Absicht des Beklagten hatte.476 Ein solcher Dritter wird in der englischen Literatur auch als „equity’s darling“ bezeichnet.477 Interessant sind die Ausführungen zur Begründung dieser Figur:478 „It is a general principle of fairness that a third party who innocently becomes mixed up in another person’s dishonest conduct should not suffer financially if he honestly believed that he was entering into a bona fide transaction without knowledge of the transferree’s intentions behind the transaction.“

Die Grenzen und genauen Voraussetzungen dieses „general principle of fairness“ genauer zu bestimmen, stellt indes eine Herausforderung dar. Sec.  37 (4) MCA hat demnach zwei subjektive und ein objektives Element. Der Nachweis der Voraussetzungen obliegt nach allgemeinen Beweisregeln grds. dem Beklagten. Die beiden subjektiven Voraussetzungen, dass der Empfänger sowohl gutgläubig war (in good faith) als auch keine Kenntnis von den Absichten des Verfügenden hatte, fallen jedoch regelmäßig zusammen. Ein Empfänger ist nämlich grds. immer dann als bösgläubig anzusehen, wenn er von den Absichten des Verfügenden Kenntnis hatte und umgekehrt ist er dann meist gutgläubig, wenn ihm diese Kenntnis fehlt.479 In Ausnahmefällen sind allerdings auch einmal Unterschiede zwischen den beiden Voraussetzungen denkbar.480 Ein Nachweis positiver Kenntnis ist nicht erforderlich. Es genügen nach herrschender Ansicht Umstände, die eine sog. constructive notice begründen,481 was im deutschen Recht etwa der (grob) fahrlässigen Unkenntnis entspricht.482 Die constructive notice wird von der englischen Rechtsprechung unter anderem definiert als „the knowledge which the courts impute to a person upon a presumption so strong of the existence of knowledge that it cannot be allowed to be rebut476  Sec.  37 (4) MCA lautet: „Any disposition made by the other party to the proceedings for financial relief in question (whether before or after the commencement of those proceedings) as is reviewable disposition for the purposes of subsection (2)(b) and (c) above unless it was made for valuable consideration (other than marriage) to a person who, at the time of the disposition, acted in relation to it in good faith and without notice of any intention on the part of the other party to defeat the applicant’s claim for financial relief.“ 477  Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  168. 478  Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  168. 479  Kemmis v. Kemmis (Welland Intervening) [1988] 1 W.L:R. 1307, 1316; Lowe/Douglas, Bromley’s Family Law, S.  1074. 480  Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  169. 481  Kemmis v. Kemmis (Welland Intervening) [1988] 1 W.L:R. 1307; Sherry v. Sherry [1991] 1 FLR 307; Joy v. Joy-Morancho [2014] EWHC 3769 (Fam), Rn.  31 ff.; Fortin Conv. 1991, 370, 372; Fortin Conv. 1989, 204, 206 f. 482  Ausführlich zum Konzept der constructive notice, Kemmis v. Kemmis (Welland Intervening) [1988] 1 W.L:R. 1307, 1317  ff.; s. a. Fortin Conv. 1989, 204, 210.

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ted, either from his knowing something which ought to have put him to further inquiry or from his wilfully abstaining from inquiry, to avoid notice.“483 Der Court of Appeal hat es hierfür bspw. ausreichen lassen, dass der Dritte bei einem weit unter dem Marktpreis liegenden Angebot Kenntnis von den Eheproblemen und möglichen finanziellen Ausgleichsansprüchen des anderen Ehepartners hatte.484 Auch die Beziehung zwischen dem ausgleichspflichtigen Ehepartner und dem Dritten spielt insoweit eine Rolle. Ein ansonsten gänzlich unbeteiligter Dritter wird die fehlende Kenntnis von den Absichten des Ehegatten nämlich in der Regel leichter darlegen können als ein enger Freund oder ein Familienmitglied.485 Neben dem guten Glauben bzw. der fehlenden Kenntnis von den Absichten des verfügenden Ehegatten ist der Nachweis einer valuable consideration erforderlich. Eine solche liegt grds. in jeder Gegenleistung im Sinne eines kommerziellen „quid pro quo“.486 Auch eine keinesfalls gleichwertige Gegenleistung löst deshalb die Sperre der sec.  37 (4) aus, solange die Gegenleistung nicht rein symbolischer Natur ist.487 Im Unterschied zu sec.  10–12 Inheritance Act wird gerade nicht eine „full valuable consideration“ verlangt, sondern nur eine einfache valuable consideration. Dadurch werden lediglich reine Schenkungen ausgenommen. Das deutsche Konzept der gemischten Schenkung ist dem englischen Recht in dieser Hinsicht unbekannt. Gleichwohl differenzierte der Londoner High Court in der Entscheidung Trowbridge v. Trowbridge im Hinblick auf Unterhaltsleistungen, die über einen längeren Zeitraum hinweg erbracht worden waren, zwischen einem angemessenen und einem darüber hinaus gehenden exzessiven Anteil und versagte letzterem den Schutz durch sec.  37 (4) MCA.488 Das Gericht wird allerdings in der Regel zusätzlich einen Nachweis darüber verlangen, dass die Gegenleistung auch tatsächlich erbracht wurde und es sich nicht lediglich um ein Scheingeschäft (sham) handelt.489 Eine Haftungsfreistellung im Gegenzug für die Ablösung einer Hypothek ist nach herrschender Ansicht keine valuable consideration i. S. d. sec.  37 (4) MCA.490 4. Beeinträchtigung des Anspruchs des berechtigten Ehegatten Für einen erfolgreichen Antrag nach sec.  37 MCA ist zudem erforderlich, dass eine Klage auf financial relief erhoben wurde. Nach sec.  37 (1) MCA reicht hier483 

Hunt v. Luck [1901] 1 Ch 45, 52. Sherry v. Sherry [1991] 1 FLR 307; dazu Fortin Conv. 1991, 370, 372. 485  Siehe auch die Beispiele bei Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  170. 486  Trowbridge v. Trowbridge [2003] Fam. Law 476, Rn.  63. 487 Siehe Trowbridge v. Trowbridge [2003] Fam. Law 476, Rn.  63. 488  Trowbridge v. Trowbridge [2003] Fam. Law 476, Rn.  110. 489  Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  169. 490  Re Windle [1975] 1 WLR 1628; Duckworth, Matrimonial Property and Finance, S.  92. 484 

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für aber sowohl ein auf Ausgleichs- oder Unterhaltszahlungen gerichteter Antrag als auch ein Antrag auf die Übertragung von Eigentum an ehelichen Vermögensgegenständen (vgl. sec.  22, 23, 24, 24B, 27, 31, 35 MCA). Die Anordnung einer anti-avoidance Maßnahme erfolgt dann grds. innerhalb des anhängigen Verfahrens auf financial relief. Zwar wird der beklagte Dritte nicht automatisch Partei dieses Verfahrens; auf seinen Antrag hin wird aber eine entsprechende Klagehäufung in aller Regel angeordnet.491 Da eine umfassende Einbeziehung eines außenstehenden Dritten in das streitige Verfahren der Eheleute indessen oft misslich ist, kann es sich für das Gericht auch anbieten, über den Antrag nach sec.  37 MCA getrennt zu verhandeln.492 Die vom beklagten Ehegatten vorgenommene disposition muss sich negativ auf den Antrag des anderen Ehegatten auf financial relief ausgewirkt haben. Das ist immer dann der Fall, wenn die disposition einen Vermögensabfluss von einem solchen Gewicht verursacht hat, dass nunmehr nicht mehr ausreichend Vermögen beim beklagten Ehegatten vorhanden ist, um einen gerechten finanziellen Ausgleich herbeizuführen.493 5. Zeitliche Grenzen Eine zeitliche Grenze für die Rückforderung der übertragenen Gegenstände besteht, anders als bei den Ansprüchen aus sec.  10–12 Inheritance Act, nicht.494 Es ist also grds. auch möglich, Verfügungen anzugreifen, die viele Jahre oder sogar Jahrzehnte zurück liegen. Lediglich Rechtshandlungen, die vor dem 1. Januar 1968 vorgenommen wurden, können nicht mehr nach sec.  37 MCA angegriffen werden, da der Matrimonial Causes Act 1973 nach den einschlägigen intertemporalen Übergangsbestimmungen auf solche Handlungen keine Anwendung findet.495

D. Frankreich I. Einführung Der gesetzliche Güterstand in Frankreich ist derjenige der Errungenschaftsgemeinschaft (communauté réduite aux acquêts).496 Das Kennzeichen dieses Güterstandes ist das sog. Gesamtgut, zu dem alles gehört, was die Ehegatten gemeinsam während der Ehe erwirtschaften und das grds. im Miteigentum beider Ehegatten steht und von beiden gemeinschaftlich verwaltet wird. Davon zu unterscheiden ist das Eigengut, das jedem Ehegatten entweder kraft seines Ur491 

Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  171. Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  171 f. 493  Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  166 f. 494  Ross, Inheritance Act Claims, S.  79 f. 495  Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  164. 496  Döbereiner, Eherecht in Frankreich, in: Süß (Hrsg.), Eherecht in Europa, S.  525 Rn.  61 ff. 492 

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sprunges oder seiner Eigenart einzeln zusteht. Hierzu zählt insbesondere das bei Eheschließung schon vorhandene Vermögen der Ehegatten.497 Ähnlich wie in der deutschen Gütergemeinschaft498 sind die Verfügungsmöglichkeiten der Ehegatten über das Gesamtgut beschränkt. So kann ein Ehegatte gem. Art.  1422 Code Civil Schenkungen aus dem Gesamtgut nur mit Zustimmung seines Ehepartners vornehmen.499 Gleiches gilt gem. Art.  1424 Code civil für die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, von Handelsunternehmen oder von Anteilen an Personengesellschaften, soweit diese dem Gesamtgut zuzurechnen sind.500 Auch die Verpachtung oder Vermietung eines wirtschaftlich genutzten Grundstücks bedarf insoweit gem. Art.  1425 Code ­civil der Zustimmung.501 Verschenkt ein Ehegatte gleichwohl ohne Zustimmung seines Partners zum Gesamtgut gehörendes Vermögen, so ist dieses Rechtsgeschäft relativ unwirksam und der übergangene Ehepartner kann innerhalb von zwei Jahren nach Kenntniserlangung eine action en nullité erheben (Art.  1427 Code civil).502 Dem Beschenkten nützt in diesem Fall dann auch sein guter Glaube nichts.503 Im Ergebnis ist es also auch hier so, dass der Schutz des Ehepartners bereits früher ansetzt und zu einer erheblichen Einschränkung des Eigentums und der Verfügungsfreiheit des jeweils anderen Partners führt. Typische Rückholkonstellationen werden dadurch aber bereits von vornherein verhindert, da die Verfügung nicht voll wirksam ist. Neben dem gesetzlichen Güterstand gibt es in Frankreich auch verschiedene Wahlgüterstände. Für die Begründung eines vertraglichen Güterstandes ist der notariell beurkundete Abschluss eines Ehevertrages erforderlich, der entsprechende Regelungen beinhaltet (vgl. Art.  1394 Code civil). Obwohl im französischen Güterrecht eine recht weitreichende Vertragsfreiheit gilt und daher auch verschiedene Kombinationslösungen denkbar sind,504 gibt der Code civil doch 497 

Döbereiner, Eherecht in Frankreich, in: Süß (Hrsg.), Eherecht in Europa, S.  553 Rn.  66. Siehe S. 111 ff. 499  Art.  1422 Code civil lautet: „Les époux ne peuvent, l’un sans l’autre, disposer entre vifs, à titre gratuit, des biens de la communauté. Ils ne peuvent non plus, l’un sans l’autre, affecter l’un de ces biens à la garantie de la dette d’un tiers.“ 500  Art.  1424 Code civil bestimmt: „Les époux ne peuvent, l’un sans l’autre, aliéner ou grever de droits réels les immeubles, fonds de commerce et exploitations dépendant de la communauté, non plus que les droits sociaux non négociables et les meubles corporels dont l’aliénation est soumise à publicité. Ils ne peuvent, sans leur conjoint, percevoir les capitaux provenant de telles opérations. De même, ils ne peuvent, l’un sans l’autre, transférer un bien de la communauté dans un patrimoine fiduciaire.“ 501  Art.  1425 Code civil lautet: „Les époux ne peuvent, l’un sans l’autre, donner à bail un fonds rural ou un immeuble à usage commercial, industriel ou artisanal dépendant de la communauté. Les autres baux sur les biens communs peuvent être passés par un seul conjoint et sont soumis aux règles prévues pour les baux passés par l’usufruitier.“ 502 Siehe Jacob, Code civil (Dalloz), Art.  1427 Rn.  1 ff. 503  Cass. civ., 6 févr. 1979, JCP N 1979 II, 229; Jacob, Code civil (Dalloz), Art.  1427 Rn.  9. 504 Vgl. Malaurie/Aynès, Les régimes matrimoniaux, Rn.  750 ff.; Piedelièvre, Participation aux acquêts, JC Civ. Code., Fasc. unique, Rn.  10; Rieg Mélanges Marty, S.  921. 933. 498 

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exemplarisch mehrere Güterstände vor. Eine in den Art.  1497 ff. Code civil geregelte Möglichkeit betrifft etwa die Abänderung der Zusammensetzung und insbesondere die Erweiterung des Gesamtgutes zulasten des Eigenguts. Zum Gesamtgut wird dann bspw. auch das voreheliche Vermögen gezählt. In den Art.  1536 ff. Code civil geregelt ist die Gütertrennung (séparation de biens) und in den Art.  1569 ff. Code Civil eine Art Zugewinngemeinschaft (participation aux aquêts). Nur letztere führt zu den für diese Arbeit relevanten Rückhol­problemen, da die Verfügungsfreiheit der Ehegatten bei jeder Form des Gesamtgutes bereits während der Ehe erheblich beschränkt ist und andererseits bei einer vereinbarten vollständigen Gütertrennung mit der Auflösung der Ehe gar kein Ausgleichsanspruch entsteht. II. Die participation aux aquêts und der Deutsch-Französische Wahlgüterstand Die stark an den deutschen Güterstand der Zugewinngemeinschaft angelehnte participation aux aquêts505 spielt in der französischen Praxis nur eine geringe Rolle. Statistischen Erhebungen zufolge entscheiden sich Eheleute, wenn sie einen Güterstand wählen, nur zu etwa 3 % zugunsten der participation aux aquêts.506 Eine Güterstandswahl wird zudem überhaupt nur von etwa 10 % aller Ehepaare getroffen.507 Die Gründe für diesen eher bescheidenen Erfolg der Zugewinngemeinschaft in Frankreich sind zum einen, dass die Auseinandersetzung nach Auflösung des Güterstandes als (zu) kompliziert gilt und zum anderen, dass die meisten Notare von der Vereinbarung dieses Güterstandes abraten. Die skeptische Haltung der Notare ist wiederum wohl darauf zurückzuführen, dass sie selbst meist nur ungenügend mit der genauen Funktionsweise der participation aux aquêts vertraut sind und es zudem auch an einschlägiger Rechtsprechung fehlt.508 Inwieweit sich hieran etwas durch das Inkrafttreten des Deutsch-Französischen Wahlgüterstands ändern wird, ist ungewiss.509 Dieses bislang einzigartige bilaterale Projekt510 zur Schaffung von optional wählbarem Einheitsrecht für den ehelichen Güterstand ist in Deutschland am 1. Mai 2013 (vgl. auch §  1519 BGB)511 und inzwischen auch in Frankreich in Kraft getreten. Der dort vorgesehene neue wählbare Güterstand entspricht im Ausgangspunkt ebenfalls sehr weitgehend 505  Siehe zu den Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen dem französischen und dem deutschen Recht Rieg Mélanges Marty, S.  921. 506  Piedelièvre, Participation aux acquêts, JC Civ. Code., Fasc. unique, Rn.  1; Champenois Defrénois 1988, Art.  34320, Rn.  194. 507  Piedelièvre, Participation aux acquêts, JC Civ. Code., Fasc. unique, Rn.  1, 5. 508  Piedelièvre, Participation aux acquêts, JC Civ. Code., Fasc. unique, Rn.  5, 8 f. 509  Piedelièvre, Participation aux acquêts, JC Civ. Code., Fasc. unique, Rn.  11. 510 Siehe Jäger DNotZ 2010, 804. 511 MüKoBGB/Koch §  1519 BGB Rn.  2.

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der deutschen Zugewinngemeinschaft.512 Allerdings enthält das Abkommen keine eigenen Vorschriften zur Inanspruchnahme Dritter, denen der ausgleichspflichtige Ehegatte in Benachteiligungsabsicht Vermögensgegenstände zugewendet hat. Hier ist es daher stets erforderlich, auf die jeweiligen Regelungen im daneben anwendbaren deutschen oder französischen Recht zurückzugreifen.513 Aus diesem Grunde ist die Kenntnis und der Vergleich der in Deutschland und Frankreich insoweit bestehenden Rückholmöglichkeiten auch bei einer Entscheidung der Eheleute für den Deutsch-Französischen Wahlgüterstand von erheblicher praktischer Bedeutung. III. Schutz des Ausgleichsanspruchs durch Verfügungsverbote im Rahmen der participation aux aquêts In Frankreich ist es den Ehegatten gem. Art.  215 S.  3 Code civil untersagt, ohne Zustimmung des jeweils anderen Partners über Rechte an der gemeinsamen Ehewohnung oder über dort befindliche Einrichtungsgegenstände zu verfügen.514 Verstößt ein Ehepartner hiergegen kann der andere innerhalb eines Jahres nach Kenntniserlangung eine action en nullité erheben und dadurch eine Rückabwicklung des Geschäfts bewirken.515 Auch guter Glaube schützt den erwerbenden Dritten insoweit nicht.516 Trotz dieser Einschränkung besteht im Rahmen der participation aux aquêts im Unterschied zum gesetzlichen Güterstand eine sehr weitreichende Verfügungsfreiheit, die es einem findigen Ehe­ gatten ohne Weiteres ermöglicht, den Ausgleichsanspruch durch vorangehende Rechtsgeschäfte auszuhöhlen und praktisch leerlaufen zu lassen. IV. Ausgleichsanspruch und fiktive Hinzurechnung von Verfügungen gem. Art.  1573 Code civil Art.  1573 Code civil bestimmt: „Aux biens existants on réunit fictivement les biens qui ne figurent pas dans le patri­ moine originaire et dont l’époux a disposé par donation entre vifs sans le consentement 512 Siehe Jäger DNotZ 2010, 804; Jünemann ZEV 2013, 353; Simler Droit de la famille 2010, étude 8. 513  Siehe hierzu noch ausführlich unten S. 377 ff. 514  Art.  215 Code civil lautet: „Les époux s’obligent mutuellement à une communauté de vie. La résidence de la famille est au lieu qu’ils choisissent d’un commun accord. Les époux ne peuvent l’un sans l’autre disposer des droits par lesquels est assuré le logement de la famille, ni des meubles meublants dont il est garni. Celui des deux qui n’a pas donné son consentement à l’acte peut en demander l’annulation : l’action en nullité lui est ouverte dans l’année à partir du jour où il a eu connaissance de l’acte, sans pouvoir jamais être intentée plus d’un an après que le régime matrimonial s’est dissous.“ 515 Siehe Rieg Mélanges Marty, S.  921, 930 ff.; Henry, Méga code civil (Dalloz), Art.  215 Rn.  116 ff. 516  Rieg Mélanges Marty, S.  921, 931.

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de son conjoint, ainsi que ceux qu’il aurait aliénés frauduleusement. L’aliénation à charge de rente viagère ou à fonds perdu est présumée faite en fraude des droits du conjoint, si celui-ci n’y a consenti.“

Zu dem tatsächlich beim Ehegatten im maßgeblichen Zeitpunkt der Auflösung des Güterstandes (vgl. Art.  1572 Code civil) vorhandenen Vermögen werden zum Zwecke der Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruches demnach alle Gegenstände hinzugefügt, die ein Ehegatte ohne Zustimmung seines Partners verschenkt oder in betrügerischer Art und Weise beiseite geschafft hat. Diese fiktive Rechnung dient dabei in einer starken Parallele zum erbrecht­ lichen rapport517 zunächst ausschließlich dazu, das vorhandene Vermögen im Innenverhältnis zwischen den (ehemaligen) Ehepartnern gerecht zu verteilen. Die Wirksamkeit der Transaktionen des ausgleichspflichtigen Partners im Außenverhältnis bleibt hiervon völlig unberührt.518 Da jedoch das tatsächlich vorhandene Vermögen durch eine rein fiktive Hinzurechnung nicht vergrößert wird, bietet diese oft nur einen unzureichenden Schutz, wenn der verpflichtete Partner mit einer gewissen Konsequenz sein gesamtes oder zumindest einen großen Teil seines Vermögens übertragen hat. Wie Art.  1577 Code civil deutlich macht, kann in einem solchen Fall das Innenverhältnis der Ehegatten auch verlassen und eine gegen den Dritten gerichtete Rückholklage initiiert werden.519 Hierbei handelt es sich dann wiederum um einen echten Rückhol­anspruch, der eine genauere Betrachtung verdient. V. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Art.  1577, 1573 Code civil Die ursprüngliche Fassung des Art.  1577 Code civil bezeichnete den gegen den Dritten gerichteten Anspruch als „action en révocation“ und sah zudem ausdrücklich vor, dass der Dritte nur in Anspruch genommen werden konnte, wenn er bösgläubig (mauvaise foi) war.520 Durch die Neufassung im Jahre 1985 wurde der Begriff „action en révocation“ gestrichen und stattdessen ein Verweis auf die nunmehr in Art.  1341-2 Code civil geregelte action paulienne eingefügt. Auch die zusätzliche Anforderung der Bösgläubigkeit des Dritten wird seitdem 517 

Siehe oben S. 93 ff. Cornu JCP G 1970, I, 2368, Rn.  77 ff. 519  Art.  1577 Code civil lautet: „L’époux créancier poursuit le recouvrement de sa créance de participation d’abord sur les biens existants et subsidiairement, en commençant par les aliénations les plus récentes, sur les biens mentionnés à l’article 1573 qui avaient été aliénés par donation entre vifs ou en fraude des droits du conjoint.“ 520 Art.   1577 Code civil in der bis zum 30. Juni 1986 geltenden Fassung bestimmte: „L’époux créancier poursuit le recouvrement de sa créance de participation d’abord sur les biens existants et subsidiairement sur les biens qui avaient été aliénés par donations entre vifs ou en fraude des droits du conjoint, en commençant par les aliénations les plus récentes. L’action en révocation n’est ouverte contre les tiers acquéreurs à titre onéreux qu’autant que leur mauvaise foi est établie.“ 518 

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nicht mehr in Art.  1577 Code civil erwähnt, was in der Sache allerdings keinen Unterschied macht, weil auch die action paulienne eine solche Bösgläubigkeit voraussetzt.521 Der Hintergrund für die Änderung war demnach auch eher ein psychologischer.522 Die Befürchtung, später möglicherweise einer „action en révocation“ ausgesetzt zu sein, hatte viele Vertragspartner von Ehepartnern, die im Güterstand der participation aux acquêts lebten, dazu veranlasst, vor jeden Rechtsgeschäft grds. auch die Zustimmung des jeweils anderen Partners zu verlangen.523 Dadurch, so mutmaßten zumindest die der participation aux acquêts ohnehin meist sehr skeptisch gegenüberstehenden Notare, würde aber die eigentliche Zielsetzung dieses Güterstandes, nämlich während seines Bestehens die volle Verfügungsfreiheit der Ehegatten zu bewahren, verfehlt und teilweise sogar in ihr Gegenteil verkehrt.524 Die Ersetzung des neuen und von vielen französischen Juristen deshalb als unbestimmt empfundenen Begriffs der „action en révocation“ durch den Verweis auf die seit langem etablierte und durch die Rechtsprechung detailliert ausgeformte action paulienne sollte daher vor allem dazu dienen, unbegründete Ängste zu nehmen und damit den Ehegatten in der Praxis auch wieder Rechtsgeschäfte ohne die Zustimmung ihres Partners ermöglichen.525 1. Die benachteiligende Handlung Art.  1577 Code civil verweist insoweit auf die Voraussetzungen des Art.  1573 Code civil. Anknüpfungspunkt ist demnach entweder eine „donation entre vifs“ oder eine „aliénation frauduleuse“. Der Begriff der „donation“ entspricht demjenigen in Art.  922 Code civil, so dass auf die obigen Ausführungen weitestgehend verwiesen werden kann.526 Entscheidendes Kennzeichen ist auch hier der Vermögensabfluss infolge des Fehlens einer (vollwertigen) Gegenleistung. Auch wenn dieses erneut nicht ausdrücklich geregelt ist, wird gleichwohl davon ausgegangen, dass Pflicht- und Anstandsschenkungen (cadeaux d’usage) nicht erfasst werden.527 Die „aliénation frauduleuse“ verweist hingegen auf den Begriff der fraude und insbesondere auf die hierzu im Rahmen der action paulienne entwickelten Grundsätze.528 Erfasst werden damit grds. auch entgeltliche Rechtsgeschäfte, 521 

Siehe unten S. 179 ff. Champenois Defrénois 1988, Art.  34320, Rn.  202. 523  Champenois Defrénois 1988, Art.   34320, Rn.  201; Rieg Mélanges Marty, S.  921, 932; ­Colomer, Participation aux Acquêts, Rép. dr. civ., Rn.  26, 55; siehe auch unten S. 315 f. 524  Malaurie/Aynès, Les régimes matrimoniaux, Rn.  858. 525  Champenois Defrénois 1988, Art.  34320, Rn.  202; Colomer, Participation aux Acquêts, Rép. dr. civ., Rn.  246. 526  Siehe S. 94 ff. 527  Vgl. auch Brémond, Communauté Légale, JC Civ. Code, Fasc. 10, Rn.  98 mwN. 528  Piedelièvre, Participation aux acquêts, JC Civ. Code., Fasc. unique, Rn.  5 4; Pillebout, 522 

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

soweit in subjektiver Hinsicht dem ausgleichspflichtigen Ehegatten eine Be­ einträchtigungsabsicht nachgewiesen werden kann und auch der Leistungsempfänger bösgläubig ist. Damit sich eine Transaktion aber tatsächlich nach­ teilig auf die Ausgleichsansprüche des anderen Partners auswirken kann, muss sie in irgendeiner Form einen Vermögensabfluss zur Folge haben („appauvrissement“).529 In der Praxis geht es insoweit daher meist um Fälle, in denen eine Gegenleistung nur zum Schein erbracht wurde oder ein deutliches Wertgefälle zwischen beiden Leistungen vorliegt.530 Auch der Austausch zweier Vermögens­ gegenstände zu dem Zweck, den neu erlangten Gegenstand einfacher beiseiteschaffen zu können, soll nach einer Ansicht im Schrifttum eine fraude dar­ stellen.531 Ursprünglich wurden vom Gesetzestext auch Transaktionen erfasst, die Güter betrafen, die dem Anfangsvermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten ­zuzurechnen und für die Berechnung des Ausgleichsanspruches ohnehin auszublenden waren (sog. biens originaires).532 Durch die Reform im Jahre 1985 wurde allerdings zumindest für die Fallgruppe der Schenkungen klargestellt, dass keine fiktive Hinzurechnung und auch keine Rückholung stattfindet, wenn und soweit nur biens originaires betroffen sind. Letztlich ergibt sich das aber meist bereits aus dem Umstand, dass eine Beeinträchtigung des Ausgleichsanspruchs des anderen Ehegatten in solchen Konstellationen grds. ausscheidet.533 Für die aliénation frauduleuse ist diese Einschränkung hingegen nicht ausdrücklich in den Gesetzestext mit aufgenommen worden, so dass bis heute unklar ist, inwieweit zumindest im Rahmen dieser Fallgruppe auch eine Übertragung von biens originaires ausreicht.534 Diese Frage kann bspw. dann eine Rolle spielen, wenn infolge der Übertragung des Vermögensgegenstandes den Ehepartnern Einkünfte (Früchte, Erträgnisse) entgehen, die ihrerseits wiederum vom Ausgleichsanspruch erfasst worden wären oder wenn ausgleichsfähige Aufwendungen auf den Gegenstand getätigt wurden, die durch dessen Übertragung nunmehr verloren gehen.535

La participation aux acquêts, Rn.  66 ff.; Malaurie/Aynès, Les régimes matrimoniaux, Rn.  868; siehe hierzu auch unten S.  183 ff. 529  Cornu, Les Régimes Matrimoniaux, S.  786 ff. 530  Cornu JCP G 1970, I, 2368, Rn.  84; Pillebout, La participation aux acquêts, Rn.  2 20. 531  Malaurie/Aynès, Les régimes matrimoniaux, Rn.   858; Champenois Defrénois 1988, Art.  34320, Rn.  229. 532  Malaurie/Aynès, Les régimes matrimoniaux, Rn.   858; Piedelièvre, Participation aux acquêts, JC Civ. Code., Fasc. unique, Rn.  54; Cornu, Les Régimes Matrimoniaux, S.  787 f. 533  Siehe auch unten S. 137. 534  Malaurie/Aynès, Les régimes matrimoniaux, Rn.  858; Morin Defrénois 1987, Art.  33835, S.  32 f.; Champenois Defrénois 1988, Art.  34320, Rn.  202, 229. 535  Cornu JCP G 1970, I, 2368, Rn.  84; Morin Defrénois 1987, Art.  33835. S.  32 f.

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2. Beeinträchtigungsabsicht In dieser Hinsicht muss zwischen den beiden Varianten des objektiven Tatbestandes unterschieden werden: Während bei Vorliegen einer „donation“ keine weiteren subjektiven Voraussetzungen mehr nachgewiesen werden müssen,536 wird die „aliénation“ erst durch das Hinzutreten eines weiteren subjektiven Elements zur „aliénation frauduleuse“.537 a) Entgeltliche Rechtsgeschäfte Wie es Art.  1577 Code civil ausdrückt, ist es erforderlich, dass die Transaktion „en fraude des droits du conjoint“ vorgenommen wurde.538 Der verfügende Ehegatte muss also eine Beeinträchtigung des Ausgleichsanspruches ausdrücklich bezweckt haben.539 Auch hier ist es jedoch grds. ausreichend, wenn die Absicht, den Ausgleichsanspruch zu mindern, ein bestimmendes Handlungsmotiv war.540 Sie braucht nicht das einzige Motiv für die Transaktion gewesen zu sein. Der Nachweis dieser Absicht bleibt allerdings in der Praxis eine hohe Hürde, an der eine entsprechende Klage oft scheitert.541 Die Beeinträchtigungsabsicht scheidet bspw. dann aus, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte andere plausible Überlegungen geltend machen kann, die ihn zur Vornahme des Rechtsgeschäfts bewegt haben. Ihm muss letztlich eine „politique anticommunautaire“ nachgewiesen werden können.542 Eine solche Absicht wird grds. vermutet, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte mit seinem Geschäftspartner als Gegenleistung für die Übertragung von Vermögenswerten eine Leibrente (rente viagère) vereinbart hat oder die tatsächliche Erfüllung der Gegenleistung unwahrscheinlich erscheint (à fonds ­perdu).543 Hintergrund für diese Vermutung ist, dass bei derartigen Vereinbarungen unsicher ist, ob die Gegenleistung tatsächlich erbracht wird bzw. sie sich nur schwer nachweisen lässt. Im vorliegenden Kontext erscheint dadurch das gesamte 536  Cornu JCP G 1970, I, 2368, Rn.  126; Champenois Defrénois 1988, Art.  34320, Rn.  245; siehe insoweit auch zur action paulienne Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  51. 537  Cornu JCP G 1970, I, 2368, Rn.  84. 538 Art.   1574 S.  1 Code civil lautet: „Les biens existants sont estimés d’après leur état à l’époque de la dissolution du régime matrimonial et d’après leur valeur au jour de la liquida­ tion de celui-ci. Les biens qui ont été aliénés par donations entre vifs, ou en fraude des droits du conjoint, sont estimés d’après leur état au jour de l’aliénation et la valeur qu’ils auraient eue, s’ils avaient été conservés, au jour de la liquidation.“ 539  Champenois Defrénois 1988, Art.  34320, Rn.  201; Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  55. 540  Piedelièvre, Participation aux acquêts, JC Civ. Code., Fasc. unique, Rn.  45. 541  Champenois Defrénois 1988, Art.  34320, Rn.  201; Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  55. 542  Cornu, Les Régimes Matrimoniaux, S.  756. 543  Siehe Art.  1573 S.  2 Code civil.

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Rechtsgeschäft verdächtig. Der gleiche Gedanke findet sich auch in Art.  918 Code civil, der bereits oben erörtert wurde. Auf die dortigen Ausführungen kann insoweit daher verwiesen werden.544 Anders als bei Art.  918 Code civil wird im Rahmen des Art.  1573 Code Civil aber nicht zusätzlich verlangt, dass es sich bei dem Leistungsempfänger um einen Verwandten in gerader Linie ­(successibles en ligne directe) handeln muss. Die Vermutungsregelung hat hier dadurch einerseits einen deutlich größeren Anwendungsbereich als bei Art.  918 Code civil. Die bei Art.  918 Code civil oft als problematisch empfundene Fallgruppe des vom Ehegatten vorbehaltenen Nießbrauchsrechts545 ist andererseits nicht in Art.  1573 Code civil übernommen worden. Wieso dieser praktisch bedeutsamste Anwendungsfall der Vermutung zwar im Erbrecht seine Wirkung entfalten soll, nicht aber im Familienrecht, ist unklar. Weder in den Gesetzesmaterialien noch in der Literatur finden sich, soweit ersichtlich, hierzu irgendwelche Stellungnahmen. Auch ist zu bedenken, dass das Eingreifen der Vermutung bei Art.  1573 Code civil, anders als bei Art.  918 Code civil, nicht dazu führt, dass das Rechts­ geschäft als Schenkung behandelt wird, sondern nur, dass das Vorliegen einer Beeinträchtigungsabsicht unwiderleglich 546 vermutet wird.547 Die Vermutung greift allerdings wiederum dann nicht ein, wenn der andere Ehegatte dem Geschäft zugestimmt hat (vgl. Art.  1573 S.  2 Code civil).548 b) Unentgeltliche Rechtsgeschäfte Bei einer Schenkung ist hingegen der Tatbestand allein aufgrund der Natur des Rechtsgeschäfts bereits erfüllt, ohne dass es des Nachweises weiterer subjektiver Elemente bedarf.549 Eine Rückabwicklung ist hier nur dann ausgeschlossen, wenn auch der andere Ehegatte diesem Rechtsgeschäft zugestimmt hatte.550 Dies hat einerseits die Konsequenz, dass die Abgrenzung von entgeltlichen und unentgeltlichen Rechtsgeschäften, insbesondere im Zusammenhang mit der ­Figur der gemischten Schenkung, eine große Bedeutung erlangt.551 Andererseits führt dieser Umstand auch dazu, dass ein vorsichtiger Geschäftspartner in der Praxis meist auch die Zustimmung des anderen Ehegatten verlangt.552 544 

Siehe oben S. 98 ff. Siehe oben S. 98 ff. 546  Champenois Defrénois 1988, Art.   34320, Rn.  228; Colomer, Régimes Matrimoniaux. Rn.  1265; Piedelièvre, Participation aux acquêts, JC Civ. Code., Fasc. unique, Rn.  45; a. A. Terré/Simler, Les régimes matrimoniaux, Rn.  839. 547  Ponsard in: Aubry/Rau, Droit civil français, VIII, Rn.  382 Fn.  136. 548  Colomer, Régimes Matrimoniaux, Rn.  1265. 549  de Juglart in: Mazeaud u. a., Leçons de droit civil, IV 1, Rn.  565. 550  Siehe hierzu auch unten S. 315. 551  Siehe hierzu Ghestin Mélanges Marty, S.  569, 575; Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  26 ff. 552  Siehe oben S. 130 f. 545 

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3. Bösgläubigkeit des Empfängers Auch bei dieser Voraussetzung unterscheiden sich die beiden Fallgruppen: Während im Falle einer Schenkung auch ein gutgläubiger Empfänger in Anspruch genommen werden kann,553 ist das bei einem entgeltlichen Rechts­ geschäft nicht möglich. Hat der gutgläubige Empfänger also eine werthaltige Gegenleistung erbracht, spielt es auch keine Rolle, wenn seinem Vertragspartner (dem illoyalen Ehegatten) eine Benachteiligungsabsicht nachgewiesen werden kann. Im Ergebnis folgt auch das französische Recht somit dem aus dem englischen Recht bekannten Konzept des „equity’s darling“.554 Eine Bösgläubigkeit des Dritten kann grds. dann angenommen werden, wenn ihm die Beeinträchtigungsabsicht des Ehegatten bekannt war oder hätte zumindest bekannt sein müssen.555 Hier kommt es auf die genauen Umstände der Transaktion und auch auf die persönliche Beziehung zwischen dem ausgleichspflichtigen Ehegatten und dem Dritten an. War bspw. ein vereinbarter Kaufpreis derart niedrig, dass sich für den Dritten weitere Nachfragen zwingend aufdrängen mussten, kann in der Regel von Bösgläubigkeit ausgegangen werden. Die Bösgläubigkeit des Dritten wird nach herrschender Ansicht ebenfalls dann unwiderleglich vermutet, wenn die vom Dritten zu erbringende Gegenleistung in einer Leibrente (rente viagère) besteht oder ihre tatsächlich Erbringung als unwahrscheinlich gilt (à fonds perdu).556 Eine Mindermeinung möchte hingegen die Reichweite dieser Vermutung auf den Nachweis der Benachteiligungsabsicht bei verfügenden Ehegatten beschränken und nicht auch auf die Bösgläubigkeit des Dritten erstrecken.557 4. Beeinträchtigung des Anspruchs des berechtigten Ehegatten Weiter ist erforderlich, dass durch die Transaktion der Ausgleichsanspruch des berechtigten Ehegatten gemindert wird. Hieran fehlt es zum einen, wenn im Gegenzug für eine Übertragung von Vermögenswerten eine vollwertige Gegenleistung erbracht wird. Nach herrschender Ansicht in der Literatur soll aber auch dann eine Inanspruchnahme des Dritten möglich sein, wenn die Trans­ aktion insoweit lediglich bezweckte, dem ausgleichspflichtigen Ehegatten die einfachere Beiseiteschaffung des neu erlangten Gegenstandes (bspw. Grundstück gegen Geld) zu ermöglichen. Die in diesem Zusammenhang zur action 553  Cornu JCP G 1970, I, 2368, Rn.  126; Champenois Defrénois 1988, Art.  34320, Rn.  245; Piedelièvre, Participation aux acquêts, JC Civ. Code., Fasc. unique, Rn.  54; Terré/Simler, Les régimes matrimoniaux, Rn.  852. 554  Siehe hierzu S. 126 ff. 555  Cornu JCP G 1970, I, 2368, Rn.  245. 556  Cornu JCP G 1970, I, 2368, Rn.  245; Ponsard in: Aubry/Rau, Droit civil français, VIII, Rn.  382; Terré/Simler, Les régimes matrimoniaux, Rn.  852 (S.  688 Fn.  3); siehe auch Art.  1573 S.  2 Code civil; siehe auch oben S. 98 ff. 557  Guiho, Les régimes matrimoniaux, Rn.  627.

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paulienne ergangene Rechtsprechung soll auch im Rahmen des Art.  1577 Code civil Anwendung finden.558 Zum anderen ist eine Beeinträchtigung des Ausgleichsanspruchs aber auch dann grds. ausgeschlossen, wenn nur sog. biens originaires übertragen werden.559 Diese werden ohnehin sowohl dem Anfangs- als auch dem Endvermögen des ausgleichspflichtigen Ehepartners hinzugerechnet und spielen deshalb für die Berechnung des Ausgleichsanspruches grds. keine Rolle. Anderes gilt möglicherweise dann, wenn dem Ehepartner durch die Übertragung Einkünfte oder Wertsteigerungen verloren gehen, die ansonsten nur in das Endvermögen und nicht in das Anfangsvermögen eingerechnet worden wären.560 5. Zeitliche Grenzen Wie bereits für die erbrechtliche action en réduction, so kennt das französische Recht auch für den familienrechtlichen Rückholanspruch keinerlei Begrenzung der zeitlichen Rückwirkung. Der Zeitpunkt, zu dem das angegriffene Rechts­ geschäft vorgenommen wurde, spielt tatbestandlich keine Rolle. Allerdings muss die Klage spätestens innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss der Güterverteilung im Anschluss an die Aufhebung des ehe­lichen Güterstandes erhoben werden (Art.  1578 S.  4 Code civil).561

E. Rechtsvergleich Auch das Familienrecht bietet in den untersuchten Rechten im Kern einheitliche, in den Einzelheiten aber durchaus unterschiedliche Regelungen für Rückholansprüche. Übereinstimmende Voraussetzung für eine Rückholsituation im Familienrecht ist zum einen, dass die Verfügungsbefugnis der Ehegatten während des Bestehens des Güterstandes grds. unberührt bleibt, die Ehegatten also insbesondere Schenkungen auch ohne die Zustimmung ihres Partners wirksam vornehmen können. Zum anderen ist aber auch erforderlich, dass nach Beendigung des Güterstandes ein finanzieller Ausgleich zwischen den Ehegatten stattfindet, zu dessen Berechnung das gesamte jeweilige Vermögen der Ehegatten herangezogen wird. Stellt sich nämlich bei dieser Berechnung heraus, dass der eigentlich ausgleichspflichtige Ehegatte durch bestimmte (unentgeltliche) Verfügungen sein Endvermögen praktisch auf null gesetzt hat und deshalb der Aus558  So ausdrücklich Champenois Defrénois 1988, Art.  34320, Rn.  2 29 (S.  1148 f.) mwN; vgl. Cass. com. 1 mars 1994, Bull. civ. IV, n°81; Civ. 14 nov. 1970, Bull. civ. III, n°602; Henry, Méga code civil (Dalloz), Art.  1167 Rn.  7. 559  Siehe hierzu bereits oben S. 131 ff. 560  Ausführlich zu dieser Problematik Champenois Defrénois 1988, Art.  34320, Rn.  2 29. 561  Art.  1578 S.  4 Code civil lautet: „L’action en liquidation se prescrit par trois ans à compter de la dissolution du régime matrimonial. Les actions ouvertes contre les tiers en vertu de l’article 1167 Code civil se prescrivent par deux ans à compter de la clôture de la liquidation.“

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gleichsanspruch seines (früheren) Partners ins Leere läuft, dann ermöglichen alle drei Rechtsordnungen über einen Rückholanspruch eine Rückabwicklung dieser Verfügungen. Anderenfalls hätte es der Ehegatte in der Hand, seine Ausgleichsverpflichtung durch Vornahme vermögensmindernder Verfügungen sehr einfach auszuhebeln. Unterschiedlich stark ist das Bedürfnis für einen Rückholanspruch in den drei Rechten. In Deutschland besteht es im Rahmen des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft, nicht aber bei den Wahlgüterständen (Gütertrennung, Gütergemeinschaft).562 Trotz des eigentlich geltenden Prinzips der Gütertrennung ist auch in England ein Rückholanspruch erforderlich, da im Anschluss an die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft zunehmend eben doch ein finanzieller Ausgleich im Weg der family provision durchgeführt wird.563 Eine hervorzuhebende Besonderheit des englischen Rechts besteht zudem darin, dass im Rahmen der finanziellen Abwicklung der Ehe nicht klar zwischen unterhalts- und güterrechtlichen Forderungen getrennt wird. Über beide wird in der Regel zusammen und einheitlich entschieden. Der Rückholanspruch schützt deshalb, anders als in Deutschland und Frankreich, auch primär unterhaltsrechtlich motivierte Forderungen. In Frankreich findet sich eine Rückholregelung hingegen nur für den in der Praxis selten gewählten Güterstand der participation aux acquêts.564 Im Zusammenhang mit dem Deutsch-Französischen Wahlgüterstand könnte diese Regelung aber bald eine größere Bedeutung erlangen.565 I. Die Schenkung bzw. Verfügung in Beeinträchtigungsabsicht Übereinstimmende Mindestvoraussetzung für einen Rückholanspruch ist, dass entweder eine unentgeltliche Zuwendung oder eine Verfügung mit Benachteiligungsabsicht aus dem Vermögen erfolgt, das wegen des späteren Ausgleichszwecks nicht ‚leichtfertig‘ vermindert werden soll. Im Einzelnen werden freilich unterschiedliche Zusatzerfordernisse und Präzisierungen verlangt. Das deutsche Recht unterscheidet dabei in der folgenden Weise: Zum einen kann auf den beschenkten Dritten zugegriffen werden, wenn dieser vom ausgleichspflichtigen Ehegatten eine unentgeltliche Zuwendung erhalten hat und der Ehegatte bei Vornahme der Verfügung in Beeinträchtigungsabsicht handelte. Zum anderen besteht ein Anspruch gegen den Dritten aber auch bei entgeltlichen Geschäften, wenn der Ehegatte hierbei wiederum in Beeinträchtigungsabsicht handelte und dem Dritten diese Absicht bekannt war. 562  Siehe

S. 111. Siehe S. 119 ff. 564  Siehe S. 130 ff. 565  Siehe hierzu noch ausführlich unten S. 375 ff. 563 

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

Interessant ist zunächst, dass in der ersten Variante, nicht wie bei §  2329 BGB oder §  2287 BGB eine Schenkung verlangt wird, sondern stattdessen jede unentgeltliche Zuwendung ausreicht. Entscheidendes Merkmal ist allein der Vermögensabfluss.566 Ansonsten folgt die unentgeltliche Zuwendung aber ähnlichen Grundsätzen wie die Schenkung im Rahmen des erbrechtlichen Rückholanspruchs. Die zweite Variante des §  1390 BGB ist hingegen eine Besonderheit des deutschen Familienrechts, die in den erbrechtlichen Rückholvorschriften keine Entsprechung findet. Hier ist lediglich von „andere(n) Rechtshandlungen“ die Rede, ein denkbar weit gefasster Begriff, der sich auf alle Arten entgeltlicher Geschäfte erstreckt. Nach überwiegender Ansicht fallen auch Vorbereitungsgeschäfte hierunter, so wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte bspw. ein Grundstück veräußert, um den im Gegenzug erlangten Erlös leichter beiseiteschaffen zu können.567 In England wird, vergleichbar mit §  1390 Abs.  2 BGB, lediglich das Vorliegen einer disposition verlangt. Auch dieser Begriff ist sehr weit und umfasst grds. jede Rechtshandlung, die zu einer Verringerung von Vermögenswerten führt.568 Voraussetzung ist allerdings, dass noch eine über die anti-avoidance provision in sec.  37 MCA rückholbare Vermögensposition beim Dritten besteht. Ein Rückholanspruch scheidet immer dann aus, wenn ein gutgläubiger Dritter eine „valuable consideration“ erbracht hat, was keine vollständig entsprechende Gegenleistung voraussetzt.569 Das französische Recht differenziert, wie das deutsche, zwischen einer „donation entre vifs“ und einer „aliénation frauduleuse“. Von dem Begriff der ­„donation“ ausgenommen sind Pflicht- und Anstandsschenkungen (cadeaux d’usage). Auch ist zu beachten, dass der Schenkungsbegriff in Frankreich ein anderer ist als in Deutschland und statt einer zweiseitigen Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung, einen einseitigen animus donandi des Schenkers ausreichen lässt.570 Die „aliénation“ bezieht sich auch auf entgeltliche Rechtsgeschäfte, soweit mit ihnen ein Vermögensabfluss verbunden ist („appauvrissement“). Hier geht es meist um Fälle, in denen eine Gegenleistung nur zum Schein erbracht wurde oder ein deutliches Wertgefälle zwischen beiden Leistungen vorliegt.571 Auch der Austausch von Vermögensgegenständen, um den neu erlangten Gegenstand einfacher beiseiteschaffen zu können, wird nach überwiegender Ansicht erfasst. Zum Tatbestand des familienrechtlichen Rückholanspruchs gehört damit nach allen drei untersuchten Rechtsordnungen jedenfalls als notwendige, wenn 566 

Siehe oben S. 115. Siehe oben S. 115. 568  Siehe oben S. 124. 569  Siehe oben S. 126. 570  Siehe oben S. 133 ff. 571  Siehe oben S. 133. 567 

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zum Teil auch noch nicht ausreichende Voraussetzung, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte sein Vermögen durch eine unentgeltliche Zuwendung an einen Dritten vermindert hat. Darüber hinaus können in den drei Rechten unter weiteren Voraussetzungen auch entgeltliche Zuwendungen zu Rückholansprüchen führen. Auch entgeltliche Zuwendungen müssen aber das Vermögen mindern, z. B. durch Uneinbringlichkeit der Gegenleistung etc. II. Die Beeinträchtigungsabsicht Die drei Rechte sind sich zu einem Teil, aber doch nicht in Gänze einig, was eine Beeinträchtigungsabsicht als weitere subjektive Voraussetzung eines Rückholanspruchs angeht. Auch bei der Frage, ob und wann eine solche Absicht vermutet werden kann, bestehen Unterschiede. In Deutschland verlangt §  1390 BGB in seinen beiden Varianten eine Be­ einträchtigungsabsicht des ausgleichspflichtigen Ehegatten. Die Absicht muss dabei das leitende, wenn auch nicht das einzige Motiv für die Vornahme des Rechtsgeschäfts gewesen sein. Eine Übertragung der von der Rechtsprechung zu §  2287 BGB entwickelten Grundsätze, insbesondere also die Vermutung einer Benachteiligungsabsicht bei fehlendem lebzeitigem Eigeninteresse, wird von der herrschenden Ansicht in der Literatur abgelehnt.572 Für die Rück­ abwicklung entgeltlicher Rechtsgeschäfte nach §  1390 Abs.  2 BGB ist darüber hinaus erforderlich, dass auch der Vertragspartner des ausgleichspflichtigen Ehegatten von dessen Beeinträchtigungsabsicht positive Kenntnis hatte.573 Auch in England ist der Nachweis einer Beeinträchtigungsabsicht des Ehegatten gem. sec.  37 (2) MCA erforderlich. Wie in Deutschland braucht diese Absicht nicht das einzige Motiv gewesen zu sein, solange ihr bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts zumindest ein substantielles Gewicht zugekommen ist.574 Es gelten hier insoweit die gleichen Grundsätze und Maßstäbe wie im Rahmen des erbrechtlichen Rückholanspruchs nach sec.  10–12 Inheritance Act. Eine wichtige Besonderheit besteht allerdings darin, dass nach sec.  37 (5) MCA eine Beeinträchtigungsabsicht widerleglich vermutet wird, wenn die Verfügung in dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf „financial relief“ gestellt wurde, noch nicht länger als drei Jahre zurücklag.575 Unklar ist, wann eine disposition i. d. S. als vollzogen gilt. In der englischen Rechtsprechung lassen sich hier gewisse Ähnlichkeiten zur sog. Genussverzichtsrechtsprechung des BGH feststellen. Das französische Recht unterscheidet sich insoweit grundlegend von den beiden anderen Rechtsordnungen, als es bei Vorliegen einer Schenkung keiner weiteren subjektiven Voraussetzungen für einen erfolgreichen Rückholanspruch 572 

Siehe oben S. 117 ff. Siehe unten S. 116. 574  Siehe S.124. 575  Siehe S. 124 f. 573 

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

mehr bedarf.576 Für die Annahme einer „aliénation frauduleuse“ ist hingegen der Nachweis einer „fraude“ und damit ein weiteres subjektives Element erforderlich. Der verfügende Ehegatte muss die Beeinträchtigung des Ausgleichsanspruches ausdrücklich bezwecken.577 Eine solche Absicht wird unwiderleglich vermutet, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte mit seinem Geschäftspartner als Gegenleistung für die Übertragung von Vermögenswerten eine Leibrente vereinbart hat oder die tatsächliche Erfüllung der Gegenleistung unwahrscheinlich erscheint.578 Wieso diese Vermutung jedoch gegenüber der erbrechtlichen Regelung in Art.  918 Code civil einerseits deutlich weiter reicht – keine Beschränkung auf Verfügungen an bestimmte nahestehende Personen – , dann aber doch wieder hinsichtlich der erfassten Fallgruppen (Zurückbehaltung eines Nießbrauchsrechts) eingeengt wird, ist nicht ohne Weiteres ersichtlich. Der Rechtsvergleich offenbart eine deutliche Wertungsdiskrepanz: Während das deutsche und englische Recht bei allen Verfügungen des ausgleichspflichtigen Ehegatten eine Benachteiligungsabsicht fordern, um einen familienrechtlichen Rückholanspruch zu begründen, ist das in Frankreich keine Voraussetzung, sofern die Verfügung unentgeltlich war. Unter dem Gesichtspunkt, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte Schutz dagegen verdient, dass der andere Gatte sein eigenes Vermögen großzügig wegschenkt, spricht viel für die französische Lösung. Sie sieht praktisch zwei unterschiedliche Rückholtatbestände vor: zum ­einen die unentgeltliche, zum andern die fraudulöse Vermögensminderung. Das englische und französische Recht stellen ferner, anders als das deutsche, eine Vermutung für die Benachteiligungsabsicht auf, da deren Nachweis sonst sehr schwierig ist. III. Bösgläubigkeit des Dritten und Fehlen einer (vollwertigen) Gegenleistung Im Ausgangspunkt stimmen die untersuchten Rechtsordnungen darin überein, dass kein Rückholanspruch gegen einen gutgläubigen Zuwendungsempfänger besteht, der eine volle Gegenleistung erbracht hat. Im Übrigen zeigen sich aber erhebliche Unterschiede in der Gewichtung der Bösgläubigkeit des Zuwendungsempfängers. Die Rückabwicklung entgeltlicher Rechtsgeschäfte nach §  1390 Abs.  2 BGB setzt nach deutschem Recht neben der Beeinträchtigungsabsicht des ausgleichspflichtigen Ehegatten auch voraus, dass der Dritte diese Absicht bei der Vor­ nahme des Rechtsgeschäfts kannte. §  1390 Abs.  2 BGB verlangt ausdrücklich positive Kenntnis; grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne eines Kennenmüssens genügt nicht.579 576 

Siehe oben S. 137. Siehe oben S. 135. 578  Siehe oben S. 135 f. 579  Siehe oben S. 116. 577 

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Nach englischem Recht ist die Rückabwicklung einer disposition ausgeschlossen, wenn der Verfügungsempfänger eine „valuable consideration“ erbracht hat, im Zeitpunkt der Verfügung gutgläubig war und keine Kenntnis von der Absicht des Beklagten hatte.580 Ein solcher „equity’s darling“ muss vor einer möglichen Rückabwicklung der Verfügung unter allen Umständen geschützt werden. Ein Nachweis positiver Kenntnis des Dritten ist zur Widerlegung dieses Schutzes nicht erforderlich. Es genügt nach herrschender Meinung sog. con­ structive notice, was in etwa der (grob) fahrlässigen Unkenntnis entspricht.581 Neben dem guten Glauben muss der Dritte die Erbringung einer valuable consideration nachweisen. Eine solche wird jedoch praktisch durch jede Gegen­ leistung begründet, die nicht nur rein symbolischer Natur ist oder zum Schein erfolgte. Im Unterschied zu sec.  10–12 Inheritance Act ist gerade keine „full valuable consideration“ notwendig.582 In Frankreich kann ein beschenkter Dritter auch dann in Anspruch genommen werden, wenn er gutgläubig war.583 Bei einem entgeltlichen Rechtsgeschäft schützt ihn hingegen seine Gutgläubigkeit. Für eine Bösgläubigkeit des Dritten genügt es aber, im Unterschied zum deutschen Recht, dass ihm die Beeinträchtigungsabsicht des Ehegatten hätte bekannt sein müssen, was wiederum der grob fahrlässigen Unkenntnis entspricht.584 Nach herrschender Ansicht wird die Bösgläubigkeit des Dritten dann unwiderleglich vermutet, wenn die vom Dritten zu erbringende Gegenleistung in einer Leibrente besteht oder ihre tatsächliche Erbringung als unwahrscheinlich gilt.585 Im Vergleich verlangt nur das deutsche Recht als Voraussetzung für den familienrechtlichen Rückholanspruch, dass der Dritte die Benachteiligungsabsicht des Zuwendenden positiv kennt. Das englische und französische Recht lassen dagegen die grob fahrlässige Unkenntnis genügen. Wegen der regelmäßigen Schwierigkeit, positive Kenntnis nachzuweisen, sollte die grob fahrlässige Unkenntnis ausreichen. IV. Zeitliche Grenzen Erstaunlich sind die Unterschiede in der zeitlichen Rückwirkung des familienrechtlichen Rückholanspruchs. In Deutschland scheidet ein Rückholanspruch aus, wenn die fragliche Handlung bei Aufhebung des Güterstandes schon länger als zehn Jahre zurückliegt. Obwohl sich das aus dem Wortlaut des §  1390 BGB nicht ergibt, soll die Zehn-Jahres Grenze des §  1375 Abs.  3 BGB auch in580 

Siehe oben S. 126. Siehe oben S. 126 f. 582  Siehe oben S. 126 ff. 583  Siehe oben S. 135. 584  Siehe oben S. 135 f. 585  Siehe oben S. 135 f. 581 

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

soweit Anwendung finden.586 Eine jährliche Abschmelzung des angreifbaren Teils der Verfügung, wie sie im Erbrecht eingeführt wurde, ist im Rahmen des Familienrechts bisher nicht diskutiert worden, obwohl die für eine solche Regelung sprechenden Überlegungen grds. auch hier Platz greifen dürften. Eine vergleichbare zeitliche Begrenzung kennen hingegen weder das englische587 noch das französische Recht.588 In beiden Rechtsordnungen ist jeweils eine zeitlich unbegrenzte Rückwirkung des Rückholanspruchs möglich. Unter rechtspolitischen Gesichtspunkten spricht allerdings wenig für einen ‚ewigen‘ Rückholanspruch. Gründe der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verlangen eine zeitliche Begrenzung der Rückwirkung des Anspruchs, um nicht noch nach Jahrzehnten die Rückabwicklung zunächst voll wirksamer Geschäfte zu ermöglichen.

Teil 3: Vollstreckungsrecht A. Allgemeines Die bisherige Untersuchung hat ergeben, dass Rückholansprüche sich durch folgende Besonderheiten auszeichnen: Die Verfügungsbefugnis des Veräußerers ist im Zeitpunkt des angegriffenen Rechtsgeschäfts grds. unbeschränkt und die Vermögensübertragung daher zunächst vollständig wirksam. Der Rückholberechtigte kann die Übertragung nach Eintritt eines bestimmten Ereignisses aber rückabwickeln, obwohl er gegenüber dem Veräußerer keinen Anspruch auf die konkret übertragenen Vermögenswerte besitzt, sondern ihm lediglich das Gesamtvermögen des Veräußerers oder ein quotaler Anteil daran zusteht. Für die Ermittlung des Gesamtvermögens, das für den Anspruch des Rückholberechtigten maßgeblich ist, ist auf einen Zeitpunkt nach der angegriffenen Vermögensübertragung abzustellen. Die Höhe des Anspruchs hängt deshalb auch davon ab, inwieweit von dem Verfügenden getätigte Rechtsgeschäfte seinem Gesamtvermögen hypothetisch hinzugerechnet werden können. In dem Zeitpunkt, in dem das angegriffene Rechtsgeschäft vorgenommen wurde, ist der Anspruch des Rückholberechtigten daher noch nicht existent und seiner Höhe nach auch noch nicht konkretisierbar. Die actio pauliana und die aus ihr in den behandelten Rechtsordnungen entwickelten Rechtsinstitute589 innerhalb und außerhalb eines Insolvenzverfahrens weisen zwar zahlreiche Parallelen zu den Rückholansprüchen des Famili586 

Siehe oben S. 118 f. Siehe oben S. 128. 588  Siehe oben S. 153. 589  Siehe hierzu auch die Übersicht bei Vaquer in: Schulze (Hrsg.), New Features in Con­ tract Law, S.  421. 587 

Teil 3 – A. Allgemeines

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en- und Erbrechts auf, unterscheiden sich jedoch insofern von ihnen, als die Berechtigung des anfechtenden Gläubigers in ihrem Umfang nicht von dem Gesamtvermögen des Verfügenden abhängt, sondern hiervon unabhängig ist. Auch wird die maßgebliche Verpflichtung des Schuldners gegenüber dem später anfechtenden Gläubiger im Zeitpunkt der angegriffenen Rechtshandlung meist bereits bestehen und genau bestimmbar sein. Ein weiterer Unterschied liegt in der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Sie wird grds. von allen Anfechtungstatbeständen in den Insolvenzordnungen vorausgesetzt und spielt auch für die meisten Anfechtungstatbestände außerhalb eines Insolvenzverfahrens eine große Rolle. Ist dem Schuldner aber bewusst, dass sein vorhandenes oder künftig zu erwartendes Vermögen zur Befriedigung seiner bereits konkret vorhandenen und durchsetzbaren Verbindlichkeiten nicht ausreicht, so lassen sich aus diesem Umstand bereits weiter­ reichende Einschränkungen seiner Verfügungsfreiheit rechtfertigen als in einer Rückholsituation, in der später entstehende Verpflichtungen von der Höhe des in diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Gesamtvermögens des Schuldners abhängen. Doch ist der Unterschied zur familien- und erbrechtlichen Rückhol­ situation nur graduell. Denn auch dort verkürzt der Rechtsinhaber durch seine Verfügung das Vermögen, das später zur Befriedigung des oder der Berechtigten dienen soll. Andererseits zielen die Anfechtungstatbestände, anders als der familienrechtliche Rückholanspruch, nicht (nur) darauf ab, das am maßgeb­lichen Stichtag vorhandene Gesamtvermögen des Schuldners zu erhöhen, sondern sollen vielmehr auch die gerechte Verteilung des ohnehin unzureichenden Schuldnervermögens zwischen den Gläubigern gewährleisten. Dem dient vor allem, dass im Insolvenzverfahren grds. nur der Insolvenzverwalter Rückholansprüche für die Gesamtheit der Gläubiger geltend machen kann. Die Zielsetzung der par conditio creditorum ist allerdings nicht bei allen insolvenz- und vollstreckungsrechtlichen Anfechtungstatbeständen in gleicher Weise ausgeprägt und in gewisser Weise stellt sie sich auch bei Rückholansprüchen mehrerer Pflichtteilsberechtigter oder mehrerer Vertragserben. Dagegen spielt sie bei dem Rückholanspruch des einen ausgleichsberechtigten Ehegatten naturgemäß keine Rolle. Auf der anderen Seite dürfen trotz der genannten Unterschiede die zahlreichen Gemeinsamkeiten nicht übersehen werden: Im Zeitpunkt des angefochtenen Rechtsgeschäfts war der Schuldner noch ohne Einschränkung zu Verfügungen befugt. Erst nach Eintritt eines späteren, im Verfügungszeitpunkt noch nicht zwingend vorhersehbaren Ereignisses (Insolvenz/erfolglose Zwangsvollstreckung/Güterstandsende/Tod) ist ein Dritter berechtigt, Rechtshandlungen des Schuldners anzufechten und rückabzuwickeln, ohne dass ihm aus sonstigen Rechtsgründen ein konkreter Anspruch auf die mit der angegriffenen Handlung übertragenen Vermögenswerte zustünde. Das gilt für den Insolvenzverwalter ebenso wie für die übrigen Berechtigten. Die Interessen des Zuwendungsempfängers/Anfechtungsgegners, der einen fraglichen Gegenstand u. U.

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

gutgläubig und sogar entgeltlich erworben hat, müssen hingegen dem Wohle des Berechtigten/der Gläubigergesamtheit weichen. Aus der Warte eines solchen gutgläubigen Erwerbers betrachtet, macht es grds. keinen Unterschied, ob er einen Gegenstand, der ihm zunächst wirksam übertragen wurde, aufgrund von insolvenz- oder vollstreckungsrechtlichen Anfechtungstatbeständen oder aufgrund von familien- oder erbrechtlichen Rückholansprüchen zurückgeben muss. Vor allem aber ist der Hauptzweck der insolvenz-/vollstreckungsrechtlichen und der familien-/erbrechtlichen Rückholmöglichkeiten identisch: Eine Vermögensmasse soll im Interesse näher bestimmter Personen gegen ungerechtfertigte Abflüsse dadurch verteidigt werden, dass wirksam ausgegliederte Gegenstände wieder zurückgeholt werden können. Im Folgenden wird sich die Untersuchung daher auf die Herausarbeitung der Gemeinsamkeiten zwischen den Anfechtungstatbeständen und den Rückholansprüchen konzentrieren. Besonderheiten, die sich aus der teilweise unterschiedlichen Zielsetzung und der unterschiedlichen Konkretisierung der Anspruchsberechtigung ergeben, sind vor allem daraufhin zu überprüfen, ob sie zu notwendigen Differenzierungen gegenüber den familien-/erbrechtlichen Rückholansprüchen zwingen. Für diesen Zweck müssen die insolvenz- und vollstreckungsrechtlichen Rückholansprüche hier nicht in allen Einzelheiten vertieft werden, zumal es sich insbesondere bei der Insolvenzanfechtung um ein wissenschaftlich sehr tief durchdrungenes Gebiet handelt, das mit einer großen Fülle von wissenschaftlichen Publikationen und Gerichtsentscheidungen aufwarten kann. Aufgabe der nachfolgenden Darstellung ist es aber gerade nicht, den Meinungsstand zu einer Vielzahl von Einzelproblemen wiederzugeben, sondern den Vergleich mit den familien- und erbrechtlichen Rückholansprüchen durchzuführen und insoweit auch einen Vergleichsmaßstab herauszuarbeiten.

B. Deutschland I. Einführung Rückholansprüche schlagen sich im Gesamt- oder Einzelvollstreckungsverfahren in Form von Anfechtungsmöglichkeiten nieder. Die Anfechtungsmöglichkeiten unterscheiden sich grds., je nachdem, ob bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder ob das (noch) nicht der Fall ist. Während außerhalb der Gesamtvollstreckung das Anfechtungsgesetz (AnfG) maßgeblich ist, stehen einem Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung die §§  129 ff. InsO zur Ver­ fügung. Wie ein Vergleich von §§  3, 4 AnfG mit §§  133, 134 InsO zeigt, sind auf der Tatbestandsseite die Anfechtungsvoraussetzung teilweise identisch und ganz bewußt parallel ausgestaltet worden.590 Freilich gilt das nicht für alle in 590 

Huber, Anfechtungsgesetz, Einf. Rn.  1, 19, 22.

Teil 3 – B. Deutschland

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den §§  129 ff. InsO enthaltenen Tatbestände. Die besonderen Anfechtungsgründe in §§  130- 132 InsO haben im AnfG keine Entsprechung. Dieser Befund lässt grds. die Folgerung zu, dass zwischen zwei Gruppen von Anfechtungstatbeständen unterschieden werden kann: Zum einen existieren Tatbestände, die an ein bestimmtes missbräuchliches Verhalten des Schuldners anknüpfen und eine Rückabwicklung der Rechtsgeschäfte sowohl innerhalb als auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens ermöglichen. Zum anderen bestehen Anfechtungsmöglichkeiten, die speziell auf die Besonderheiten des Insolvenzverfahrens zurückzuführen sind und insbesondere die par conditio creditorum gewährleisten sollen.591 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung sind deshalb vor allem die Tatbestände der erstgenannten Gruppe, die sog. allgemeinen Anfechtungsgründe, interessant. Hier wird sowohl innerhalb der InsO als auch im AnfG zwischen der Vorsatzanfechtung (§  3 Abs.  1 AnfG, §  133 Abs.  1 InsO), der Anfechtung von entgeltlichen Geschäften mit nahestehenden Personen (§  3 Abs.  4 AnfG, §  133 Abs.  4 InsO) und der Schenkungsanfechtung (§  4 AnfG, §  134 InsO) unterschieden. Da sich die Tatbestandsvoraussetzungen und zum überwiegenden Teil auch die Rechtsfolgen bei allen drei Varianten nicht danach unterscheiden, ob das AnfG oder die InsO zur Anwendung kommt, werden beide im Folgenden zusammen erörtert. II. Die Tatbestandsvoraussetzungen der allgemeinen Anfechtungsgründe 1. Anfechtungsberechtigung Hinsichtlich der Anfechtungsberechtigung unterscheidet sich die Insolvenzanfechtung von der Anfechtung nach §  3 AnfG. Die aus den §§  129 ff. InsO resultierenden Rechte kann nur der Insolvenzverwalter nach seiner Bestellung bzw. bei einem Verbraucherinsolvenzverfahren die Gläubigergemeinschaft geltend machen.592 Die Anfechtungsrechte nach dem AnfG kann gem. §  2 AnfG hingegen jeder Gläubiger ausüben, der einen vollstreckbaren Schuldtitel über eine fällige Forderung besitzt, wenn anzunehmen ist, dass eine Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung führen wird.593 Wurde ein Anfechtungsverfahren durch einen Gläubiger nach dem AnfG eingeleitet und anschließend ein Insolvenzverfahren eröffnet, ist der Insolvenzverwalter nach §  16 AnfG berechtigt, das durch die Insolvenzeröffnung unterbrochene Anfechtungsverfahren fortzuführen. Der Gläubiger selbst kann in diesem Fall das Verfahren hingegen erst dann weiterführen, wenn das Insolven591  Siehe hierzu ausführlich Thole ZZP 121 (2008), 67, 70 ff.; ebenso Piekenbrock KTS 2015, 379, 406 f. 592 MüKoInsO/Kayser §  129 InsO Rn.  187 ff. mwN. 593  Huber, Anfechtungsgesetz, §  2 Rn.  4 ff.

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

zverfahren zu einem Abschluss gekommen ist (§  18 Abs.  1 AnfG).594 Der Insolvenzverwalter ist dabei aber, anders als ein anfechtender einzelner Gläubiger nach dem AnfG, für die Gläubigergesamtheit tätig und das von ihm Erlangte fließt in die Insolvenzmasse.595 2. Die Vorsatzanfechtung (§  3 Abs.  1 AnfG, §  133 Abs.  1 InsO) Auch die Vorsatzanfechtung weist einige insolvenzspezifische Besonderheiten auf. Wie bereits erörtert, genügt das Bestehen einer Benachteiligungsabsicht nach deutschem Erbrecht nicht, um Verfügungen eines Erblassers nach §§  2325, 2329 BGB oder über §  2287 BGB zu Fall zu bringen. Vielmehr ist zusätzlich (§  2287 BGB) oder sogar ausschließlich (§  2329 BGB) die Unentgeltlichkeit der angegriffenen Handlung erforderlich.596 Im Rahmen der familienrechtlichen Vorschriften zum Schutze des Zugewinnausgleichsanspruchs können hingegen nach §  1390 Abs.  2 BGB grds. auch entgeltliche Rechtsgeschäfte des ausgleichspflichtigen Ehegattens angegriffen werden.597 Diese Vorschrift spielt allerdings, anders als die Vorsatzanfechtung, in der Praxis eine eher geringe Rolle,598 da ein Anspruch aus §  1390 BGB in der Regel einen Vermögensabfluss voraussetzt, der bei voll entgeltlichen Geschäften grds. fehlt. Der Zugewinnausgleichsanspruch erfasst und bindet erst das nach Abzug der eingegangenen Verbindlichkeit beim verpflichteten Ehegatten noch verbleibende Vermögen. Passiva werden nur dann nicht berücksichtigt, wenn sie die engen Voraussetzungen des §  1375 Abs.  2 BGB erfüllen. Ist aber aufgrund ausstehender Passiva de facto kein Vermögen des Ehegatten mehr vorhanden, besteht bereits kein Zugewinnausgleichsanspruch des anderen Ehegatten, der über §  1390 BGB geschützt werden könnte. Im Vergleich hierzu setzt die Vorsatzanfechtung sowohl im Rahmen eines Insolvenzverfahrens (§  133 InsO) als auch außerhalb eines solchen über §  3 AnfG deutlich früher an. Der Rückgriff auf die Unterscheidung von kongruenten und inkongruenten Deckungen, den die herrschende Ansicht im Rahmen des Nachweises einer Benachteiligungsabsicht vornimmt,599 lässt sich für §  130 InsO nur anhand des Zieles der par conditio creditorum erklären. Es soll nicht der Erhalt der Gesamtmasse des Schuldnervermögens mittels einer Rückabwick­ lung missbräuchlicher Verfügungen des Schuldners gewährleistet werden, son-

594 

Thole ZZP 121 (2008), 67, 84 ff. mwN. Vgl. BGH NJW-RR 2010, 631, 632. 596  Siehe S. 47 u. 65. 597  Siehe S. 115 ff. 598 MüKoBGB/Koch §  1390 Rn.  11; Weinreich in: Weinreich/Klein (Hrsg.), Fachanwaltskommentar Familienrecht, §  1390 BGB Rn.  14; Jaeger in: Johannsen/Henrich (Hrsg.), Familienrecht, Rn.  3. 599  Vgl. etwa MüKoAnfG/Kirchhof §  3 Rn.  60 ff. 595 

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dern bereits die gleichmäßige bzw. ordnungsgemäße Verteilung des ohnehin unzureichenden Schuldnervermögens auf die Gläubiger. Die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, die bei allen Anfechtungstatbeständen im Raume steht, gestattet es, Passiva nicht mehr mit ihrem vollen Wert zu veranschlagen und nur noch teilweise zu berücksichtigen, ohne dass hierfür mit §  1375 Abs.  2 BGB vergleichbare Fallgestaltungen gegeben sein müssen. Mittels dieses Ansatzes wird die Anfechtbarkeit entgeltlicher Rechtsgeschäfte weit über den von §  1390 Abs.  2 BGB erfassten Bereich ausgedehnt, obwohl die Voraussetzungen ihrem Wortlaut nach vergleichbar erscheinen. Anders als nach §  1390 Abs.  2 BGB können nach §  3 AnfG/§  133 InsO auch Rechtsgeschäfte angegriffen werden, durch die der Schuldner ausstehende Passiva begleicht. Vorausgesetzt wird insoweit grds. nur, dass der Gläubiger diese Leistung nicht, nicht in dieser Art und Weise oder nicht zu diesem Zeitpunkt verlangen durfte und es sich folglich um eine inkongruente Deckung handelt. 600 Auch bei einem drohenden Zugewinnausgleichsanspruch seines Ehepartners bleibt der verpflichtete Ehegatte hingegen grds. frei, zuvor in nicht anstößiger Art und Weise begründete Schulden zu begleichen. Hinsichtlich der gewählten Art und Weise sowie des Zeitpunktes der Erfüllung unterliegt er ebenfalls keinen Einschränkungen, jedenfalls soweit damit nicht ein zusätzlicher unentgeltlicher Abfluss von Vermögen verbunden ist. Außerhalb des Kontextes einer drohenden Zahlungsunfähigkeit entbehren erweiterte Anfechtungsmöglichkeiten, die primär der Sicherung der par conditio creditorum dienen, jedoch einer Rechtfertigung. Entsprechende Überlegungen lassen sich deshalb auch nicht oder nur sehr eingeschränkt auf familien- und erbrechtliche Rückholansprüche übertragen, weshalb sie im Rahmen dieser Untersuchung weitgehend ausgeblendet werden können. Gleiches gilt auch für die gesetzliche Vermutung in §  3 Abs.  1 S.  2 AnfG/§  133 Abs.  1 S.  2 InsO. Die Mechanismen zum Schutze eines gutgläubigen Anfechtungsgegners, die zeitlichen Grenzen seiner Inanspruchnahme sowie die konkreten Rechtsfolgen der Vorsatzanfechtung bleiben hingegen als Vergleichsmaßstab gleichwohl interessant und sollen hier daher eingehender dargestellt werden. Auch insoweit muss sich die Darstellung jedoch auf die zentralen Punkte beschränken. a) Reformen Die Vorsatzanfechtung ist in den letzten Jahren vermehrt kritisiert worden. Sie belaste den Wirtschaftsverkehr mit unverhältnismäßigen und unkalkulierbaren Risiken.601 Die höchstrichterliche Rechtsprechung habe die Anforderungen an 600 

Siehe unten auf S. 161 f. Siehe den „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz“ der Bundesregierung, BTDrs. 18/7054 vom 16.12.2015, S.  7. 601 

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners stetig herabgesetzt, wodurch auch vermehrt Erfüllungsleistungen in den Fokus der Vorsatzanfechtung geraten seien, die von ihrem äußeren Erscheinungsbild eine ungebührliche Gläubigerbenachteiligung eigentlich nicht nahelegen. Ein Beweisanzeichen für das Vorliegen einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht war dabei oft bereits das Ersuchen des Schuldners um eine Zahlungserleichterung (Ratenzahlung, Stundung). Verkehrsübliche Erleichterungen hätten daher vielfach bereits das Risiko einer Anfechtbarkeit später erhaltener Zahlungen begründen können. 602 Durch das am 15. April 2017 in Kraft getretene „Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und dem Anfechtungsgesetz“603 wurde diese Kritik aufgegriffen und einige Änderungen – hauptsächlich in Bezug auf die Vorsatzanfechtung – vorgenommen. 604 Eine wesentliche Neuerung besteht darin, dass Rechtshandlungen, durch die dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht wurde, nur noch innerhalb einer Frist von vier Jahren und nicht, wie bisher, innerhalb von zehn Jahren angefochten werden können. Zudem wurde für kongruente Deckungen die Vermutung der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Benachteiligungsabsicht des Schuldners abgeschwächt. Sie greift nur, wenn der Anfechtungsgegner Kenntnis von der tatsächlich eingetretenen Zahlungsun­ fähigkeit des Schuldners hatte. Hat der Anfechtungsgegner dem Schuldner eine Zahlungserleichterung gewährt, wird (widerleglich) vermutet, dass er im Zeitpunkt der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte. 605 Schließlich wurden auch die Anforderungen an das Bargeschäftsprivileg konkretisiert und dieses Privileg zudem ausgeweitet. Steht der Leistung des Schuldners unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung des Anfechtungs­ gegners gegenüber, so ist eine Anfechtung nunmehr nur noch dann möglich, wenn dem Anfechtungsgegner positiv bekannt war, dass der Schuldner unlauter handelte (§  142 Abs.  1 InsO). 606 b) Die benachteiligende Handlung Bei Nachweis der erforderlichen subjektiven Anforderungen ist grds. jede Handlung angreifbar, ohne dass es besonderer qualifizierender Voraussetzungen (Unentgeltlichkeit) bedürfte. Unter den Begriff der Handlung fällt auch ein 602 „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz“ der Bundesregierung, BTDrs. 18/7054 vom 16.12.2015, S.  8, s. a. Piekenbrock in: Lobinger/Piekenbrock/Stoffels (Hrsg.), Zur Integrationskraft zivilrechtlicher Dogmatik, 2014, S.  51, 55 ff. 603  BGBl. 2017 I Nr.  16, S.  654. 604  Dahl/Schmitz NJW 2017, 1505; Hacker NZI 2017, 148. 605  Dahl/Schmitz NJW 2017, 1505, 1506 f.; Hacker NZI 2017, 148, 149. 606  Dahl/Schmitz NJW 2017, 1505, 1509 f.; Hacker NZI 2017, 148, 150.

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Dulden oder Unterlassen (§  1 Abs.  2 AnfG, §  129 Abs.  2 InsO). 607 Eine Besonderheit des AnfG ist es, dass die Handlung durch den Schuldner selbst bewirkt worden sein muss. 608 Hierdurch werden insbesondere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die andere Gläubiger gegen den Schuldner vornehmen, vom Anwendungsbereich der Anfechtungsvorschriften ausgeschlossen. 609 Erforderlich ist grds., dass die Handlung beim Schuldner zu einer Vermögens­ minderung geführt hat. Auch eine Veräußerung eines Vermögensgegenstandes gegen ein angemessenes Entgelt erfüllt allerdings die Voraussetzung des §  3 AnfG/§  133 InsO, wenn ihr die Absicht zugrunde lag, das erlangte Bargeld einfacher dem Zugriff des Gläubigers entziehen zu können oder allgemein das Vollstreckungsverfahren zu erschweren. 610 Praktisch besonders bedeutsam sind dabei die Fälle inkongruenter Deckungshandlungen, also bspw. die Erfüllung einer verjährten Forderung, der Verzicht auf Ansprüche oder die Einräumung einer nicht geschuldeten Sicherheit. 611 c) Subjektive Voraussetzungen auf Seiten des Schuldners Die entscheidende und in der Praxis äußerst umstrittene Voraussetzung dieses Anfechtungstatbestandes ist der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners. Der Vorsatz zur Benachteiligung seiner Gläubiger braucht nicht das einzige oder auch nur das bestimmende Handlungsmotiv zu sein, solange der Schuldner von dieser Konsequenz seiner Handlung sicher ausgeht und sie auch billigt. Bedingter Vorsatz genügt. 612 Auch braucht sich die Benachteiligung nach der Vorstellung des Schuldners nicht gegen den später klagenden Gläubiger oder eine bestimmte Gruppe von Gläubigern gerichtet zu haben. 613 Erforderlich ist lediglich eine, u. U. auch noch gänzlich unkonkrete Vorstellung, vorhandene oder auch erst künftig hinzukommende Gläubiger zu benachteiligen. Der Schuldner muss eine zumindest allgemeine Vorstellung davon haben, dass es unter bestimmten Umständen zu einem Ausfall von Gläubigern kommt. Geht er hingegen davon aus, alle Gläubiger befriedigen zu können, scheidet eine Vorsatzanfechtung aus. Vorstellungen des Schuldners, die über vage Hoffnungen hinsichtlich seiner künftigen Vermögensentwicklung nicht hinausgehen, bleiben insoweit aber unberücksichtigt. 614 607 

Haertlein in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, ZwaVR, §  1 AnfG Rn.  5 f. §  1 Rn.  27 ff. 609  Haertlein in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, ZwaVR, §  1 AnfG Rn.  9 f.; siehe aber auch Piekenbrock in: Lobinger/Piekenbrock/Stoffels (Hrsg.), Zur Integrationskraft zivilrechtlicher Dogmatik, 2014, S.  51, 55 ff. 610 MüKoAnfG/Kirchhof §  1 Rn.  110; vgl. OLG Saarbrücken NZI 2011, 502, 503. 611  Huber, Anfechtungsgesetz, §  3 Rn.  9 ff. 612  BGH NZI 2003, 533, 535; NZI 2005, 215; Ganter/Weinland in: Schmidt (Hrsg.), Insolvenzrecht, §  133 Rn.  34 mwN. 613  Huber, Anfechtungsgesetz, §  3 Rn.  23. 614 MüKoAnfG/Kirchhof §  3 Rn.  18. 608 MüKoAnfG/Kirchhof

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

Will der Schuldner, wie insbesondere in den Fällen der kongruenten Deckung, mit seiner Handlung nur einer Rechtspflicht nachkommen, wird er eine hiermit verbundene Benachteiligung anderer Gläubiger im Regelfall nicht billigen. 615 Insoweit gilt nun auch zu seinen Gunsten die neue Vermutung des §  133 Abs.  3 S.  2 InsO/§  3 Abs.  3 S.  2 AnfG bzw. die erhöhten Anforderungen des §  133 Abs.  3 S.  1 InsO/§  3 Abs.  3 S.  1 AnfG.616 Bei inkongruenten Deckungsgeschäften liegt ein entsprechender Wille hingegen grds. nahe. Der Benachteiligungsvorsatz muss in dem Zeitpunkt bestehen, in dem die strittige Rechtshandlung vorgenommen wurde. Eine weitere Einschränkung dahin gehend, dass es sich um ein besonders unlauteres oder missbräuchliches Verhalten des Schuldners gehandelt haben muss, ist verschiedentlich in der Literatur und Rechtsprechung diskutiert worden, hat sich im Ergebnis aber nicht durchsetzen können. 617 d) Subjektive Voraussetzungen auf Seiten des Anfechtungsgegners Eine weitere Voraussetzung des Anfechtungstatbestandes ist die positive Kenntnis des späteren Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners. Insoweit entsprechen die subjektiven Voraussetzungen denjenigen in §  1390 Abs.  2 BGB. Die Kenntnis wird gem. §  3 Abs.  1 S.  2 AnfG/§  133 Abs.  1 S.  2 InsO allerdings vermutet, wenn der Dritte bei Vornahme der Handlung wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners droht und Gläubiger des Schuldners benachteiligt werden. Kenntnis von der Benachteiligungsabsicht hat demnach derjenige, der weiß, dass durch die Handlung das Schuldnervermögen vermindert wird und dass das noch vorhandene Vermögen des Schuldners zur Befriedigung aller Verbindlichkeiten nicht genügt. 618 Nach ständiger Rechtsprechung des BGH wird bei Kenntnis des Anfechtungsgegners von Umständen, die zwingend auf eine drohende Zahlungsun­ fähigkeit des Schuldners hindeuten, zudem widerleglich eine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit selbst vermutet. 619 e) Beweisanzeichen Ein starkes Beweisanzeichen für das Bestehen eines Benachteiligungsvorsatzes und auch einer Kenntnis hiervon beim Anfechtungsgegner ist das Vorliegen ­einer sog. inkongruenten Deckung. 620 Ein Rechtsgeschäft ist immer dann inkongruent, wenn der Schuldner einem Gläubiger etwas gewährt, was dieser auf615 MüKoAnfG/Kirchhof

§  3 Rn.  21. Dahl/Schmitz NJW 2017, 1505, 1506 ff.; Hacker NZI 2017, 148, 149 f. 617 MüKoAnfG/Kirchhof §  3 Rn.  25 f. mwN. 618  BGH ZInsO 2007, 819, 822; NZI 2009, 768. 619  BGH ZIP 2003, 1799; NZI 2005, 690, 692; NZI 2005, 692, 693. 620 MüKoAnfG/Kirchhof §  3 Rn.  61 ff.; Huber, Anfechtungsgesetz, §  3 Rn.  34. 616 

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grund der vertraglichen Vereinbarung nicht oder zumindest nicht in einer ­solchen Form oder zu einem solchen Zeitpunkt beanspruchen durfte. Das Beweisanzeichen der Inkongruenz wird jedoch bspw. dann entkräftet, wenn der Schuldner im Zeitpunkt seiner Handlung davon ausging, alle Gläubiger befriedigen zu können. 621 Will der Schuldner, wie insbesondere in den Fällen der kongruenten Deckung, mit seiner Handlung nur einer Rechtspflicht nachkommen, wird er eine hiermit verbundene Benachteiligung anderer Gläubiger im Regelfall hingegen nicht billigen. 622 Es gilt dann auch zu seinen Gunsten die Vermutung des §  133 Abs.  3 S.  2 InsO/§  3 Abs.  3 S.  2 AnfG. 623 f) Zeitliche Grenzen Anfechtbar sind nur Rechtshandlungen, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung des Anfechtungsrechts bzw. der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht länger als 10 Jahre zurückliegen. Wann eine Rechtshandlung als vorgenommen gilt, bestimmt §  8 AnfG/§  140 InsO. Maßgeblich ist hiernach, dass die Handlung bereits rechtliche Wirkungen entfaltet hat. Überlegungen, wie sie die Rechtsprechung etwa bei §  2325 Abs.  3 S.  2 BGB unter dem Stichwort des „Genussverzichts“ anstellt,624 sind im Rahmen des Vollstreckungsrechts, soweit ersichtlich, bisher noch nicht diskutiert worden. 625 Die Frist nach dem AnfG kann gem. §  7 Abs.  2 AnfG um maximal zwei Jahre verlängert werden, wenn der Gläubiger dem Anfechtungsgegner seine Anfechtungsabsicht vor Ablauf der ursprünglichen Frist schriftlich mitteilt. Weitere Verlängerungsmöglichkeiten ergeben sich aus §  7 Abs.  3 AnfG und §  18 Abs.  2 AnfG. Kongruente Deckungsgeschäfte können seit dem 15. April 2017 nur noch innerhalb einer Frist von vier Jahren angefochten werden (§  133 Abs.  2 InsO/§  3 Abs.  2 AnfG). 626 Insoweit ist die Frist für die Vorsatzanfechtung an die Frist für die Schenkungsanfechtung angepasst worden. 627 3. Die Anfechtung von entgeltlichen Verträgen mit nahestehenden Personen (§  3 Abs.  4 AnfG, §  133 Abs.  4 InsO) Einen weitgehend eigenständigen Anfechtungstatbestand enthält §  3 Abs.   4 AnfG/§  133 Abs.  4 InsO. Das besondere Charakteristikum ist hier der Verweis auf den Begriff der „nahestehenden Person“. Verträge, die der Schuldner mit

621 MüKoAnfG/Kirchhof

§  3 Rn.  85. §  3 Rn.  21. 623  Dahl/Schmitz NJW 2017, 1505, 1506 ff.; Hacker NZI 2017, 148, 149 f. 624  Siehe oben S. 68 ff. 625  Vgl. etwa OLG Stuttgart IPRax 2008, 417; dazu Koch IPRax 2008, 417. 626  Dahl/Schmitz NJW 2017, 1505, 1506; Hacker NZI 2017, 148, 149. 627  Siehe unten S. 159. 622 MüKoAnfG/Kirchhof

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nahestehenden Personen abschließt, sind in besonderer Weise verdächtig und ermöglichen eine Anfechtung unter einfacheren Voraussetzungen.628 a) Die benachteiligende Handlung Als Handlungen im Sinne des §  3 Abs.  4 AnfG/§  133 Abs.  4 InsO kommen nur entgeltliche Verträge in Betracht. Der Begriff des Vertrages ist dabei allerdings weit auszulegen und erfasst bspw. auch nicht-rechtsgeschäftliche Erwerbsvorgänge, wenn ihnen ein übereinstimmender Wille der beteiligten Parteien zugrunde liegt, dingliche Verträge und Verträge auf dem Gebiet des Familien- und Erbrechts. 629 Entgeltlich sind Verträge, wenn wechselseitig der Austausch werthaltiger Leistungen vereinbart wurde. Bei reinen Erfüllungsgeschäften begründet die Befreiung von der schuldrechtlichen Verpflichtung die Entgeltlichkeit. Durch das Kriterium der Entgeltlichkeit erfolgt eine Abgrenzung zur Anfechtung nach §  4 AnfG/§  134 InsO. Ist die Entgeltlichkeit unklar, ist eine alternative Feststellung möglich.630 b) Der Begriff der nahestehenden Person Die nahestehende Person ist in §  138 InsO legal definiert, auf den auch §  3 Abs.  4 AnfG verweist. Von Interesse für die vorliegende Untersuchung sind vor allem Fälle, in denen es sich beim Schuldner um eine natürliche Person handelt (§  138 Abs.  1 InsO), da hier die Vergleichbarkeit zu den familien- und erbrechtlichen Fallkonstellationen stärker hervortritt. Nahestehende Personen sind demnach: – der Ehegatte oder der Lebenspartner des Schuldners, auch wenn die Ehe/ Partnerschaft erst bis zu einem Jahr nach der angefochtenen Handlung begründet wurde oder bis zu einem Jahr vorher aufgelöst wurde (Nr.  1 u. 1a); – mit dem Schuldner oder seinem Ehegatten/Lebenspartner in gerader Linie verwandte oder verschwägerte Personen sowie Geschwister des Schuldners (Nr.  2); – Personen, die mit dem Schuldner in häuslicher Gemeinschaft leben bzw. bis zu einem Jahr vor der angefochtenen Handlung gelebt haben sowie Personen, die aufgrund dienstvertraglicher Verpflichtungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners unterrichtet sind (Nr.  3); – eine Gesellschaft, wenn der Schuldner oder eine der anderen in Nr.  1–3 genannten Personen zu mehr als 1/4 an ihr beteiligt oder ein persönlich haftender Gesellschafter oder Mitglied des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans ist 628  Siehe zu der Frage, inwieweit sich dieser Rechtsgedanke auch für erb- und familienrechtliche Rückholansprüche fruchtbar machen lässt, S. 416 ff. 629 MüKoAnfG/Kirchhof §  3 Rn.  102; Huber, Anfechtungsgesetz, §  3 Rn.  43. 630  BGH NJW-RR 2006, 552, 553; MüKoAnfG/Kirchhof §  3 Rn.  103.

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oder aufgrund eines vergleichbaren dienst- oder gesellschaftsvertraglichen Verhältnisses sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners informieren kann (Nr.  4). Die erweiterten Anfechtungsmöglichkeiten gegen nahestehende Personen werden in den Gesetzesmaterialien vor allem damit begründet, dass diese Personen in der Regel bessere Informationsmöglichkeiten über die Vermögensverhältnisse des Schuldners haben (ausdrücklich nun auch vorausgesetzt bei Nr.  3 Var. 2 und der letzten Variante der Nr.  4). 631 Zudem besteht bei den genannten Personen aufgrund ihrer persönlichen und/oder wirtschaftlichen Verbundenheit mit dem Schuldner in einem besonderen Maße die Gefahr, dass sie kollusiv mit dem Schuldner zu Lasten der Gläubiger zusammenarbeiten und bspw. Verträge und Vermögensübertragungen nur zum Schein vornehmen, rückdatieren oder den Schuldner auch nach der Übertragung an den Vermögenswerten partizipieren lassen.632 Der BGH hat diesen Gedanken mehrfach mit folgenden Worten umschrieben: „Der Grund für die Regelung (…) ist darin zu finden, dass nahe Angehörige in der Regel die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners kennen, daher seine Absichten leichter durchschauen und wegen ihrer wirtschaftlichen und persönlichen Verbundenheit eher bereit sind, zum Schaden seiner Gläubiger mit ihm Verträge abzuschließen.“633

Neben der Informationsmöglichkeit ist daher die potentielle Geneigtheit dieser Personen, dem Schuldner beizustehen, von besonderer Bedeutung. c) Unmittelbarkeit der Benachteiligung Die Gläubiger müssen ferner „unmittelbar“ benachteiligt werden. Unmittelbar ist jede Benachteiligung, die ohne Hinzutreten weiterer Umstände bereits direkt durch die angefochtene Handlung selbst bewirkt wird. Verschlechterungen, die auf einen späteren Verlust oder eine Entwertung des erlangten Gegenstandes beim Schuldner zurückzuführen sind, werden dadurch ausgeblendet. 634 Entscheidend sind die Wertverhältnisse der ausgetauschten Leistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt bspw. dann vor, wenn trotz bestehender Einwendungen auf eine Schuld gezahlt oder eine nicht geschuldete Kredit­ sicherheit gewährt wird. 635 Entscheidend ist grds. der Abfluss von Vermögenswerten, wobei aber auch hier wiederum die bereits oben diskutierten insol­ 631 

BT-Drucks. 12/2443, S.  161 f. §  138 Rn.  1 mwN; vgl. auch BT-Drucks. 12/2443, S.  160 und Hahn, Die gesamten Materialien zur Konkursordnung, S.  139. 633  BGH NJW 1966, 730, 731; NJW 1972, 495; NJW 1975, 2193; NJW 1986, 1047, 1049. 634 MüKoAnfG/Kirchhof §  3 Rn.  129. 635  BGH ZinsO 2002, 223; BGH NJW 1995, 3046, 3047; MüKoAnfG/Kirchhof §  3 Rn.  130. 632 MüKoInsO/Gehrlein

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venzspezifischen Erweiterungen greifen. 636 Erbringt der Anfechtungsgegner hin­gegen eine vollwertige Gegenleistung, scheidet eine unmittelbare Benachteiligung von Gläubigern und damit auch ein Anspruch aus §  3 Abs.  4 AnfG/§  133 Abs.  4 InsO in jedem Fall aus. Die Gleichwertigkeit der Gegenleistung ist dabei aus Gründen des Gläubigerschutzes anhand eines rein objektiven Maßstabes und nicht nach den subjektiven Vorstellungen der beteiligten Parteien zu beurteilen.637 d) Subjektive Voraussetzungen Sind die Voraussetzungen des §  3 Abs.  4 AnfG/§  133 Abs.  4 InsO erfüllt, wird ein Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon grds. vermutet. Der Anfechtungsgegner kann sich nach §  3 Abs.  4 S.  2 AnfG/§  133 Abs.  4 S.  2 InsO jedoch entlasten, wenn er nachweist, dass ihm im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners unbekannt war. Ihm obliegt insoweit die volle Darlegungs- und Beweislast. 638 Die Vermutung des Benachteiligungsvorsatzes des Schuldners ist, obwohl nicht explizit in §  3 Abs.  4 S.  2 AnfG/§  133 Abs.  4 S.  2 InsO erwähnt, ebenfalls widerleglich. 639 e) Zeitliche Grenzen Der angefochtene Vertrag darf in dem Zeitpunkt, in dem die Anfechtung gerichtlich geltend gemacht bzw. ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt wird, noch nicht länger als zwei Jahre zurückliegen. Wann ein Rechtsgeschäft als vorgenommen gilt, bestimmt wiederum §  8 AnfG bzw. §  140 InsO. Maßgeblich ist insoweit grds. nicht bereits das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft, sondern erst dessen späterer dinglicher Vollzug, der zu einer unmittelbaren Minderung des schuldnerischen Vermögens geführt hat. 640 Durch die 1999 in Kraft getretene Reform wurde die ursprüngliche Frist von einem Jahr auf zwei Jahre verlängert. 641 Um insbesondere missbräuchlichen Rückdatierungen entgegenzuwirken, wird zudem vermutet, dass das angefochtene Rechtsgeschäft in der fraglichen Zeitperiode vorgenommen wurde. Es obliegt dann dem Anfechtungsgegner nachzuweisen, dass das Rechtsgeschäft tatsächlich schon länger als zwei Jahre zurückliegt. 642 636 

Siehe oben S. 144 ff.

637 MüKoAnfG/Kirchhof

§  3 Rn.  134; Huber, Anfechtungsgesetz, §  3 Rn.  34. ZIP 2013, 374; NJW 1966, 730; Nerlich in: Nerlich/Römermann, Insolvenzordnung, §  133 Rn.  61; Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  133 Rn.  196. 639  BGH NZI 2010, 738, 739; NJW-RR 2006, 552; Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  133 Rn.  196; MüKoInsO/Gehrlein §  133 Rn.  45 f. 640 MüKoAnfG/Kirchhof §  3 Rn.  137. 641  Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S.  160. 642 MüKoAnfG/Kirchhof §  3 Rn.  137; Huber, Anfechtungsgesetz, §  3 Rn.  59; Nerlich in: Nerlich/Römermann, Insolvenzordnung, §  133 Rn.  63. 638  BGH

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4. Die Schenkungsanfechtung (§  4 AnfG, §  134 InsO) Die Schenkungsanfechtung setzt eine unentgeltliche Leistung voraus. Der Begriff „Schenkungsanfechtung“ ist unpräzise, da eine Schenkung i. S. d. §§  516 ff. BGB von §  4 AnfG/§  134 InsO gerade nicht vorausgesetzt wird. Gleichwohl ist diese Terminologie seit langem etabliert und soll auch hier im Folgenden verwendet werden. Die Schenkungsanfechtung ist der Tatbestand, der die größten Parallelen zu den familien- und erbrechtlichen Rückholansprüchen aufweist. a) Der Begriff der unentgeltlichen Leistung Der Begriff der „unentgeltlichen Leistung“ ist an die Stelle des früher verwendeten Begriffs „unentgeltliche Verfügung“ getreten.643 Er erfasst Erfüllungshandlungen, die der Schuldner im Hinblick auf unentgeltliche Verbindlichkeiten tätigt, rechtsgeschäftliche Verfügungen über Gegenstände des schuldnerischen Aktivvermögens und auch nicht rechtsgeschäftliche Handlungen, wenn diese bspw. einen gesetzlichen Eigentumserwerb eines Dritten ermöglichen. 644 Die Begründung einer unentgeltlichen Verbindlichkeit selbst führt dagegen in der Regel noch nicht zu einer Verringerung des Aktivvermögens. Sie kann aber gleichwohl als Leistung i. S. d. §  4 AnfG/§  134 InsO angefochten werden, wenn hierdurch bspw. einem Schuldner eine Aufrechnungsmöglichkeit eröffnet wird.645 Unterlassungen stehen auch hier wiederum Handlungen gleich, so dass eine Leistung bejaht werden kann, wenn der Schuldner durch Untätigkeit die Verjährung einer Forderung herbeiführt. Anders als bei §  134 InsO muss die Handlung im Rahmen des §  4 AnfG zudem vom Schuldner ausgehen, wodurch insbesondere die Anfechtung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ausgeschlossen werden soll, die andere Gläubiger vorgenommen haben. 646 Unentgeltlich ist die Leistung, wenn ihr keine oder zumindest keine vollwertige Gegenleistung gegenübersteht. Eine vertragliche Vereinbarung der beteilig­ten Parteien über die Unentgeltlichkeit, wie sie für eine Schenkung gem. §  516 BGB verlangt wird, ist hingegen nicht erforderlich.647 Eine Bereicherung des Empfängers wird ebenfalls nicht vorausgesetzt, weshalb der Tatbestand der unentgelt­ lichen Leistung auch bereits dann erfüllt ist, wenn der Anfechtungsgegner die empfangene Leistung ausschließlich für fremdnützige Zwecke verwendet.648 643 MüKoAnfG/Kirchhof §  4 Rn.  4; siehe ausführlich Held, Die Anfechtung unentgeltlicher Leistungen gem. §  134 InsO, S.  15 ff. 644 MüKoAnfG/Kirchhof §  4 Rn.  6 ff.; Huber, Anfechtungsgesetz, §  4 Rn.  15. 645 MüKoAnfG/Kirchhof §  4 Rn.  5. 646  Haertlein in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, ZwaVR, §  1 AnfG Rn.  9 f. 647  Huber, Anfechtungsgesetz, §  4 Rn.  16; Bork/Gehrlein, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, Rn.  782 ff. 648  Huber, Anfechtungsgesetz, §  4 Rn.  17.

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

Für die Bewertung der Leistung und Gegenleistung ist grds. ein objektiver Maßstab anzulegen. 649 Subjektive Vorstellungen der Parteien spielen jedoch bis zu einer gewissen Grenze eine Rolle. Bei der Frage der Ausgewogenheit des Leistungsaustausches und hinsichtlich der Einschätzung von objektiv unklaren Verhältnissen und Entwicklungen kann für die Bewertung auf die subjektiven Vorstellungen der Parteien beim Vertragsschluss zurückgegriffen werden. 650 Für gemischte Schenkungen gelten insoweit keine Besonderheiten, d. h. sie werden, soweit möglich, in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufgespalten. Ist eine Aufteilung nicht möglich, kommt es auf den jeweiligen Schwerpunkt an. 651 Auch unbenannte Zuwendungen zwischen Ehegatten sind nach der Rechtsprechung des BGH und der herrschenden Ansicht in der Literatur als unentgeltliche Leistungen anzusehen. 652 Zweifel, die sich aus einer in dieser Fallkonstellation möglicherweise fehlenden Einigung über die Unentgeltlichkeit ergeben könnten, sind für §  4 AnfG/§  134 InsO ohne Belang, da eine solche Einigung ja – anders als etwa bei §  2287 BGB oder §  516 BGB – gerade nicht gefordert wird. Vereinbarungen über den Güterstand sind nach §  4 AnfG/§  134 InsO anfechtbar, wenn sie – wie etwa bei der sog. Güterstandsschaukel oder der Vereinbarung eines vorgezogenen Zugewinnausgleichs653 – dazu führen, dass den Gläubigern des Schuldners erhebliche Vermögenswerte unentgeltlich entzogen und dabei ehefremde Zwecke verfolgt werden. 654 Die Nachweisanforderungen sind insoweit allerdings hoch. 655 Ein Wechsel von der Gütergemeinschaft zur Gütertrennung kann grds. nicht mit der Schenkungsanfechtung angegriffen werden. 656 Von vornherein ausgenommen sind gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke von geringem Wert (§  4 Abs.  2 AnfG/§  134 Abs.  2 InsO). Diese Einschränkung entspricht weitgehend der Billigkeits- und Anstandsschenkung. 657 Die Voraussetzung des geringen Wertes ist im Rahmen der Reform zum 1. Januar 1999 mit aufgenommen worden, um einer in dieser Hinsicht als zu großzügig empfunde649  Huber, Anfechtungsgesetz, §  4 Rn.  18; MüKoAnfG/Kirchhof §  4 Rn.  29; Bork/Gehrlein, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, Rn.  781. 650 MüKoAnfG/Kirchhof §  4 Rn.  61; Bork/Gehrlein, Aktuelle Probleme der Insolvenz­ anfechtung, Rn.  784. 651  Huber, Anfechtungsgesetz, §  4 Rn.  29. 652  BGH NJW 1978, 1326; NJW 1999, 1033; OLG München NJW-RR 1998, 1144; Huber, Anfechtungsgesetz, §  4 Rn.  35; MüKoAnfG/Kirchhof §  4 Rn.  52. 653  Siehe hierzu BGH MittBayNot 2010, 493. 654  de Bra in: Braun, InsO, §  134 Rn.  33 f.; siehe hierzu auch oben S. 48 f. 655  de Bra in: Braun, InsO, §  134 Rn.  34. 656  BGH NJW 1972, 48; Huber, Anfechtungsgesetz, §  4 Rn.  33; siehe zum Ganzen auch ausführlich Ponath ZEV 2006, 49. 657 MüKoAnfG/Kirchhof §  4 Rn.  70; MüKoInsO/Kayser §  134 Rn.  46; a. A. Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  134 Rn.  161 (Einschränkung bei Schenkungen zur Unterstützung naher Angehöriger); siehe auch oben S. 57, 65, 115 f.

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nen Rechtsprechung entgegenzuwirken. 658 Eine feste Wertobergrenze hat sich bisher nicht etablieren können. 659 Auch ist umstritten, ob diese starr oder flexibel nach den jeweiligen Vermögensverhältnissen des Schenkers zu handhaben ist. 660 Einer unentgeltlichen Leistung gleichgestellt wird über §  5 AnfG/§  322 InsO die Erfüllung von Pflichtteilsansprüchen, Vermächtnissen und Auflagen durch den Erben des Schuldners, soweit diese Rechte denjenigen des anfechtenden Gläubigers im Rang nachgehen. 661 b) Subjektive Voraussetzungen Weitere subjektive Voraussetzungen kennt §  4 AnfG/§  134 InsO weder für den Leistenden noch für den Leistungsempfänger. 662 Allein die Unentgeltlichkeit der Verfügung wird als hinreichender Grund dafür angesehen, dass die Interessen des Anfechtungsgegners gegenüber den Gläubigerinteressen zurückstehen müssen. Zur Begründung wird auch hier wiederum die „Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs“ bemüht. c) Zeitliche Grenzen Eine Anfechtung der unentgeltlichen Leistung scheidet aus, wenn diese im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtungsklage bereits mehr als vier Jahre zurück liegt. Gegenüber der KO ist die Anfechtungsfrist deutlich verlängert worden. 663 Der Zeitpunkt, in dem die Leistung als vorgenommen gilt, ist nach Maßgabe des §  8 AnfG bzw. §  140 InsO zu bestimmen. Die Vornahme der unentgeltlichen Leistung innerhalb der Vier-Jahres-Frist wird vermutet. 664 Will der Anfechtungsgegner diese Vermutung entkräften, muss er den mitunter schwierigen Nachweis führen, dass er die geschenkten Gegenstände bereits vor mehr als vier Jahren erhalten hat. III. Die besonderen insolvenzrechtlichen Anfechtungstatbestände Wie bereits oben dargelegt, sind die besonderen, nur in der InsO zu findenden Anfechtungstatbestände bei kongruenten und inkongruenten Deckungen 658 

de Bra in: Braun, InsO, §  134 Rn.  4 4; Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  134 Rn.  160. MüKoAnfG/Kirchhof §  4 Rn.  72; MüKoInsO/Kayser §  134 Rn.  46; Nerlich in: ­Nerlich/Römermann, Insolvenzordnung, §  134 Rn.  43; Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  134 Rn.  160 jeweils mwN. 660  Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  134 Rn.  160 jeweils mwN. 661 MüKoAnfG/Kirchhof §  4 Rn.  1; Bauch in: Braun, InsO, §  322 Rn.  1. 662  Huber, Anfechtungsgesetz, §  4 Rn.  11. 663  Nerlich in: Nerlich/Römermann, Insolvenzordnung, 31. EL, §  134 Rn.  40; Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  134 Rn.  38. 664  Huber, Anfechtungsgesetz, §  4 Rn.  9, 13; MüKoInsO/Kayser §  134 Rn.  4 4. 659 Vgl.

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(§§  130, 131 InsO) sowie der unmittelbar nachteiligen Rechtshandlungen (§  132 InsO) stark durch insolvenzrechtliche Besonderheiten geprägt. 665 Sie dienen jeweils primär der Verwirklichung der par conditio creditorum. Ihre Darstellung erfolgt hier daher dementsprechend kurz. 1. Die kongruente Deckung (§  130 InsO) a) Die benachteiligende Handlung Ein Deckungsgeschäft liegt vor, wenn der Schuldner einem Gläubiger eine Befriedigung oder Sicherung ermöglicht oder gewährt hat. Die Befriedigung führt zum Erlöschen des Anspruchs. Erfasst sind Erfüllungshandlungen aller Art, also etwa die Rückführung eines Kredits, Werkleistungen oder die Übergabe der Kaufsache.666 Eine Sicherung ist eine Rechtsposition, mittels derer die Durch­ setzung des Anspruchs erleichtert wird, für den sie eingeräumt wurde. 667 Der Begriff der Sicherung ist weit zu verstehen und erfasst alle Arten von Sicher­ heiten, also etwa Pfand- und Zurückbehaltungsrechte, Sicherungseigentum, die Vorausabtretung von Forderungen oder Bürgschaften. Die Erfüllung oder ­Sicherung muss gewährt oder ermöglicht worden sein. Ermöglichen bezieht sich dabei auf vorbereitende Verhaltensweisen, die den Gläubiger in die Lage versetzen, sich eine Erfüllung oder Sicherung zu verschaffen. 668 Auch bewusste Unterlassungen können den Tatbestand der Deckungsanfechtung erfüllen. Die Deckung muss einem Insolvenzgläubiger zugutekommen, der nun aufgrund der angefochtenen Handlung im Insolvenzverfahren besser steht. Eine Begünstigung eines Aussonderungsberechtigten oder eines Massegläubigers genügt nicht. Bei der Deckungsanfechtung handelt es sich um eine Besonderheit des Insolvenzrechts. Mangels Minderung des Gesamtvermögens können kongruente Deckungshandlungen grds. weder durch familien- und erbrechtliche Rückholansprüche noch im Vollstreckungsrecht nach dem Anfechtungsgesetz angefochten werden. Zu beachten ist aber auch, dass eine Anfechtung eines Deckungsgeschäfts nach §  142 InsO ausscheidet, wenn für die Leistung des Schuldners unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners geflossen ist (sog. Bargeschäftsprivileg). Solche Bargeschäfte sind nur unter den verschärften Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung angreifbar. 669

665 

Siehe oben S. 144 ff.

666 MüKoInsO/Kayser

§  130 Rn.  7. Nerlich in: Nerlich/Römermann, Insolvenzordnung, §  130 Rn.  42. 668 MüKoInsO/Kayser §  130 Rn.  13. 669  Ganter/Weinland in: Schmidt (Hrsg.), Insolvenzrecht, §  142 InsO Rn.  8; s. a. zu den Neuerungen Dahl/Schmitz NJW 2017, 1505, 1509 f.; Hacker NZI 2017, 148, 150 f. 667 

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b) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners Der Schuldner muss im Zeitpunkt der Vornahme der später angefochtenen Handlung zahlungsunfähig gewesen sein. Hier greifen die zu §  17 Abs.  2 InsO entwickelten Grundsätze. Ein Schuldner gilt als zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Erforderlich ist eine Liquiditätslücke, die den Schuldner über einen längeren Zeitraum (mindestens drei Wochen) daran hindert, wenigstens 90 % seiner Gesamtverbindlichkeiten zu tilgen. 670 c) Subjektive Voraussetzungen Welche Kenntnisse der begünstigte Gläubiger gehabt haben muss, hängt davon ab, ob die Deckungshandlung vor oder nach dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorgenommen wurde. Im ersteren Fall muss dem Gläubiger bekannt sein, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Handlung zahlungsunfähig war. Im letzteren Fall genügt wiederum die Kenntnis der Zahlungsun­ fähigkeit, es reicht aber auch aus, dass dem Gläubiger der Antrag auf Insolvenz­ eröffnung bekannt war. Der Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder vom Eröffnungsantrag steht es gleich, wenn dem Gläubiger Umstände bekannt sind, die zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit oder einen Eröffnungsantrag schließen lassen (§  130 Abs.  2 InsO). Handelt es sich bei dem begünstigten Gläubiger um eine nahestehende Person i. S. d. §  138 InsO wird eine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Eröffnungsantrag widerleglich vermutet (§  130 Abs.  2 InsO). Auch hier gelten Rechtshandlungen, von denen nahe­ stehende Personen profitieren, wiederum als besonders verdächtig. d) Zeitliche Grenzen Die Anfechtung ist möglich, wenn das Deckungsgeschäft innerhalb der letzten drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurde. Die besondere Nähe zur Insolvenzeröffnung macht ansonsten an sich ganz reguläre Rechtshandlungen verdächtig. Maßgeblich ist gem. §  140 InsO grds. der letzte für die Vollendung des Rechtserwerbs entscheidende Akt. Ist eine Eintragung in einem Register für den Rechtserwerb erforderlich, gilt §  140 Abs.  2 InsO. 2. Die inkongruente Deckung (§  131 InsO) a) Die benachteiligende Handlung Auch bei §  131 InsO handelt es sich um die Anfechtung von Deckungshandlungen, also um Rechtshandlungen, durch die einem Insolvenzgläubiger eine Be670 MüKoInsO/Kayser

§  130 Rn.  28.

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friedigung oder Sicherung gewährt oder ermöglicht wurde. Die Voraussetzungen sind daher insoweit mit denjenigen in §  130 InsO identisch mit dem einzigen Unterschied, dass es sich um inkongruente Deckungshandlungen gehandelt haben muss. Inkongruent ist eine Deckungshandlung, wenn der Gläubiger sie nicht, nicht in dieser Art oder zu dieser Zeit beanspruchen durfte. Entscheidend ist die Abweichung der Deckungshandlung von dem Inhalt des Schuldverhältnisses, das zwischen Schuldner und Gläubiger besteht. 671 Vom Gläubiger nicht zu beanspruchen ist eine Leistung, auf deren Erfüllung der Gläubiger keinen Anspruch hat oder der eine dauerhafte Einrede oder Einwendung entgegensteht und die deshalb nicht durchsetzbar ist. 672 In der Art nicht zu beanspruchen ist eine Sicherung oder Befriedigung, wenn sie dem Gläubiger zwar zusteht, aber in einer Art und Weise gewährt wurde, die den Insolvenzgläubiger gegenüber der eigentlich geschuldeten Art der Sicherung oder Erfüllung bevorzugt. So etwa, wenn ein werthaltigeres Grundpfandrecht an einem anderen Grundstück als dem ursprünglich vereinbarten gewährt wird. Nicht zu der Zeit zu beanspruchen ist eine Leistung, wenn der Erfüllungs­ anspruch im Zeitpunkt der Leistung noch nicht fällig oder befristet war. b) Zeitliche Abstufung Innerhalb des letzten Monats vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bedarf es, außer der Inkongruenz der gewährten Deckung, keiner weiteren Voraussetzungen. Aufgrund der unmittelbaren zeitlichen Nähe zur Insolvenzeröffnung ist die Handlung so verdächtig, dass sie ohne weitere Voraussetzungen angefochten werden kann (§  131 Abs.  1 Nr.  1 InsO). Fand das Deckungsgeschäft hingegen zwei oder drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens statt, muss zusätzlich nachgewiesen werden, dass entweder der Schuldner in dem Zeitpunkt, in dem die angefochtene Handlung vorgenommen wurde, bereits zahlungsunfähig war oder, dass der Gläubiger in diesem Zeitpunkt wusste, dass durch die Handlung andere Insolvenzgläubiger benachteiligt werden (§  131 Abs.  1 Nr.  1 InsO). Für die Kenntnis von der Benachteiligung anderer Insolvenzgläubiger genügt es, wenn dem begünstigten Gläubiger die wesentlichen Umstände bekannt sind, die zwingend auf eine Benachteiligung anderer Gläubiger schließen lassen. Die Kenntnis wird ferner dann widerleglich vermutet, wenn es sich bei dem begünstigten Gläubiger um eine dem Schuldner nahestehende Person i. S. d. §  138 InsO handelt (§  131 Abs.  2 S.  2 InsO). Zusätzliche objektive (Zahlungsunfähigkeit des Schuldners) oder subjektive Voraussetzungen (Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung) greifen demnach nur, wenn die angegriffene Handlung in dem Zeitpunkt, in dem der erfolgreiche 671 MüKoInsO/Kayser 672 

§  131 Rn.  9. Nerlich in: Nerlich/Römermann, Insolvenzordnung, §  131 Rn.  16.

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Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wird, zwar länger als einen Monat, aber noch nicht länger als drei Monate zurückliegt. 3. Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen (§  132 InsO) Andere Rechtsgeschäfte als Deckungsgeschäfte sind nach §  132 InsO angreifbar. Während §§  130 f. InsO sich gegen Zahlungen und Rechtshandlungen in Bezug auf bereits bestehende Verbindlichkeiten richtet, erfasst §  132 InsO schon die Begründung unausgewogener Verbindlichkeiten, etwa durch Notverkäufe weit unter Wert. 673 Als Auffangtatbestand neben den §§  130 f. InsO erstreckt sich §  132 Abs.  1 InsO auf alle unmittelbar nachteiligen Rechtsgeschäfte gleich welcher Art. Unmittelbar nachteilig ist ein Rechtsgeschäft, wenn die erlangte Gegenleistung in ihrem Wert hinter der Leistung des Schuldners zurückbleibt.674 Das Schuldnervermögen muss im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts verkürzt worden sein. Rechtshandlungen des Schuldners, die keine Rechtsgeschäfte darstellen, sind nach §  132 Abs.  2 InsO anfechtbar. De facto geht es hier um Prozesshandlungen und Unterlassungen,675 durch die der Schuldner ein Recht verliert oder nicht mehr geltend machen kann oder durch die ein vermögensrechtlicher Anspruch gegen ihn erhalten oder durchsetzbar wird. Ein Beispiel hierfür ist etwa das Verjährenlassen einer Forderung oder das Versäumnis, eine Ersitzung zu unterbrechen. Die weiteren Voraussetzungen der Unmittelbarkeitsanfechtung entsprechen denjenigen der kongruenten Deckung. Auf die obigen Ausführungen kann daher verwiesen werden. 676 Das Rechtsgeschäft bzw. die Rechtshandlung darf in dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Insolvenzeröffnung gestellt wurde, noch nicht länger als drei Monate zurückliegen, der Schuldner muss bei Vornahme des Rechtsgeschäfts bzw. der Handlung bereits zahlunfähig gewesen sein und dem begünstigten Gläubiger muss die Zahlungsunfähigkeit bekannt gewesen sein. Bei Handlungen/Rechtsgeschäften nach Insolvenzantragstellung genügt neben der Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit auch die Kenntnis von der Antragstellung. Ist der begünstigte Gläubiger eine nahestehende Person wird eine solche Kenntnis vermutet. Bargeschäfte, bei denen der Schuldner für seine Leistung in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine vollwertige Gegenleistung erhält, können wiederum nicht nach §  132 InsO angefochten werden (§  142 InsO).

673 MüKoInsO/Kayser

§  132 Rn.  1. Siehe zu dieser Voraussetzung auch schon S. 155 f. 675  Foerste, Insolvenzrecht, Rn.  317. 676  Siehe S. 160 ff. 674 

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

C. England I. Das englische Insolvenzrecht Auch das englische Insolvenzrecht kennt Rückholansprüche ebenfalls in der Form von Anfechtungstatbeständen. Allgemein ist es in letzter Zeit vermehrt in den Fokus der deutschen (Fach-)Öffentlichkeit gerückt. Hiervon zeugen zahlreiche, teilweise sehr ausführliche, wissenschaftliche Abhandlungen.677 Ein vielfach festgestellter „Insolvenztourismus“ deutscher Unternehmen und Privatpersonen nach England hat auch das Interesse der Wissenschaft an den dortigen Regelungen geweckt. Das sehr komplexe englische Insolvenzrecht hier auch nur in Ansätzen darstellen zu wollen, würde jedoch sowohl den Rahmen dieser Arbeit sprengen als auch vom eigentlichen Kern der behandelten Thematik wegführen. Hierfür sei daher auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen. Für die vorliegende Arbeit steht das Anfechtungsrecht im Vordergrund. Einige für das Verständnis der Anfechtungsregelungen bedeutsame Besonderheiten des englischen Insolvenzrechts bedürfen jedoch gleichwohl der Erwähnung. Terminologisch wird in England bis heute zwischen der Insolvenz von Gesellschaften (insolvency) und der Insolvenz von natürlichen Personen (bankruptcy) unterschieden. 678 Für beide Fälle existieren eigenständige Regelungen, die im Bereich des Insolvenzanfechtungsrechts aber ganz weitgehend übereinstimmen. Auf die besonderen Insolvenzregeln für Gesellschaften braucht hier deswegen nicht eingegangen zu werden. Neben Insolvenzverfahren im engeren Sinne, die unter gerichtlicher Aufsicht durchgeführt werden, gibt es für natürliche Personen auch die Möglichkeit, mit ihren Gläubigern einen außergerichtlichen Vergleich abzuschließen (scheme of arrangement bzw. voluntary arrangement). In diesem Fall wird das Vermögen des Schuldners dann entweder insgesamt einem trustee übertragen oder der Vergleich und seine Durchführung durch einen Treuhänder überwacht. Wie sich bereits aus dieser Kurzübersicht ergibt, stehen in England eine Vielzahl unterschiedlicher Verfahrensarten zur Verfügung, in denen unterschiedlich bezeichnete Personen weitestgehend die Aufgaben eines deutschen Insolvenzverwalters wahrnehmen. Soweit es im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts auf diese Unterscheidungen nicht ankommt, soll jedoch für alle Verfahrensarten der deutsche Oberbegriff Insolvenzverfahren verwendet und sollen die in diesen Verfahren im Auftrag der Gesamtheit der Gläubiger tätigen Personen als Insolvenzverwalter bezeichnet werden.

677  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  207 ff.; Steffek KTS 2007, 451; Beissenhirtz, Die Insolvenzanfechtung in Deutschland und England; Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft. 678  v. Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S.  176 ff.

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II. Die Anfechtungsregelungen Die Anfechtungsregeln finden sich überwiegend im Insolvency Act 1986 (IA). Von großer praktischer Bedeutung sind insbesondere die Anfechtung wegen „transaction at an undervalue“ und wegen „preference“. Für die vorliegende Untersuchung interessant ist zudem die Vorsatzanfechtung nach sec.  423 IA, die als einzige Regelung auch unabhängig von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Anwendung findet. Die „preference“ Anfechtung entspricht hingegen wiederum eher den deutschen besonderen Insolvenzanfechtungstatbeständen.679 Ihr maßgebliches Ziel ist die Sicherung der par conditio creditorum. 680 Allgemein wird im englischen Schrifttum bemängelt, dass sich die Anfechtungsgründe in ihrer jeweiligen Gestalt historisch unabhängig voneinander entwickelt hätten und es bis heute an einem aufeinander abgestimmten Gesamtkonzept fehle. 681 Die Darstellung wird sich im Folgenden primär auf die der deutschen Vorsatzanfechtung entsprechende transaction defrauding creditors, die mit der Schenkungsanfechtung vergleichbare transaction at an undervalue und die preference-Anfechtung beschränken. III. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Anfechtungsgründe 1. Transaction defrauding creditors (sec.  423 IA) Die Besonderheit der Anfechtung nach sec.  423 IA besteht darin, dass sie auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens zur Anwendung kommt. 682 Sie stellt einen allgemeinen Rechtsbehelf dar, der durchaus mit der actio pauliana vergleichbar ist683 und seine Entsprechung in Deutschland im AnfG hat. Die Weite des Tatbestands der sec.  423 IA, im Vergleich etwa zur transaction at an undervalue nach sec.  339 IA, wird durch erhöhte subjektive Voraussetzungen wieder eingeschränkt. Wie unter anderem die Entscheidung Trowbridge v. Trowbridge684 veranschaulicht, kann die Anfechtung nach sec.  423 IA unmittelbar in Konkurrenz zu den Anfechtungsmöglichkeiten bspw. nach sec.  37 MCA oder nach sec.  10 ff. Inheritance Act treten. Hier besteht nach der Rechtsprechung ein echtes Konkurrenzverhältnis, weshalb sich die jeweils anfechtungsfreundlichste Regelung 679 

Siehe hierzu oben S. 160 ff. Milman Insolv. Int. 2013, 81, 82 f. 681  Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, Rn.  13-04. 682  B v. IB [2013] EWHC 3755 (Fam), Rn.  46 ff.; Keay/Walton, Insolvency Law – Corpo­ rate and Personal, 2. ed. 2008, para. 40.1.; Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, Rn.  13-136. 683 Vgl. Willems, Actio Pauliana und fraudulent conveyances, S.  46 ff.; Keay, McPherson’s Law of Company Liquidation, Rn.  11.053; Keay Conv. 2003, 272, 273. 684  Trowbridge v. Trowbridge [2003] Fam. Law 476. 680 

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

in der Praxis durchsetzt. 685 Auch vor diesem Hintergrund ist der Vergleich der verschiedenen Regelungsmodelle besonders interessant. a) Anspruchsberechtigte Wer berechtigt ist, einen Anspruch nach sec.  423 IA geltend zu machen, regelt sec.  424 (1) IA.686 Neben dem offiziell im Falle einer Insolvenz oder eines Sanierungsverfahrens bestellten Insolvenzverwalter ist dieses insbesondere jede durch die Handlung des Schuldners benachteiligte Person („victim of the transaction“). Ein vorheriger erfolgloser Vollstreckungsversuch des Gläubigers oder zumindest dessen bereits feststehende Aussichtslosigkeit, wie sie etwa das deutsche Recht verlangt (§  2 AnfG), ist nach englischem Verständnis nicht erforderlich. Unter den Begriff „victim“ lassen sich zudem auch nicht nur Gläu­ biger des Schuldners subsumieren, sondern erfasst wird jeder, der durch die Handlung des Schuldners einen Nachteil erleidet. 687 Ferner können Gläubiger und andere „victims“ grds. auch noch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine auf sec.  423 IA gestützte Klage erheben. Sie brauchen allerdings hierfür die Zustimmung des Insolvenzgerichts. 688 Ein Antrag eines einzelnen Gläubigers gilt dann gemäß sec.  424 (2) IA als zugunsten aller Gläubiger gestellt. 689 b) Transaction at an undervalue Eine Anfechtung nach sec.  423 IA verlangt zunächst die Feststellung einer transaction at an undervalue. 690 Der Begriff transaction wird in sec.  436 IA genauer definiert. Demzufolge erfasst er „a gift, agreement or arrangement“ und soll möglichst weit verstanden werden. 691 685  Ein instruktiver Vergleich mit den entsprechenden Voraussetzungen der sec.  37 MCA findet sich in Trowbridge v. Trowbridge [2003] Fam. Law 476, Rn.  62 ff. 686  Sec.  424 (1) IA lautet: „An application for an order under section 423 shall not be made in relation to a transaction except – (a) in a case where the debtor has been adjudged bankrupt or is a body corporate which is being wound up or is in administration, by the official receiver, by the trustee of the bankrupt’s estate or the liquidator or administrator of the body corporate or (with the leave of the court) by a victim of the transaction; (b) in a case where a victim of the transaction is bound by a voluntary arrangement approved under Part I or Part VIII of this Act, by the supervisor of the voluntary arrangement or by any person who (whether or not so bound) is such a victim; or (c) in any other case, by a victim of the transaction.“ 687  Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, Rn.  13-138. 688  Fortress Value Recovery Fund v Blue Skye Opportunities [2013] EWHC 14 (Rn.  115 ff.); Keay/Walton, Insolvency Law – Corporate and Personal, Rn.  40.1; Milman Insolv. Int. 2013, 81, 83. 689  Stubbs Insolv. Int. 2008, 17, 18. 690  Siehe hierzu auch die Beispiele bei Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, Rn.  13-14. 691  Re Taylor Sinclair (Capital) Ltd [2001] 2 B.C.L.C. 176, 184.

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Einige Gerichtsentscheidungen haben weitere Klarstellungen vorgenommen. So wurde in Re Taylor Sinclair (Capital) Ltd ausgeführt, dass eine transaction eine gegenseitige Verständigung der beteiligten Parteien voraussetze. Englehart QC erläuterte im Hinblick auf die insoweit identische Voraussetzung in sec.  238 IA: „Nevertheless, as I read the section it does envisage that, perhaps apart from the mere gift which is expressly included within sections 238 and 436, a transaction will be something which involves at least some element of dealing between the parties to the transaction.“692

Aufgrund dieser Schlussfolgerung nahm Englehart QC an, dass die bloße Zusendung bzw. Entgegennahme zweier Schecks über jeweils 100.000 Pfund keine transaction darstelle, da insoweit eine wechselseitige Übereinkunft, ein „element of dealing“ gefehlt habe. Einseitige Handlungen oder reine Unterlassungen erfüllen die Voraussetzungen von sec.  423 IA daher nicht. 693 Andererseits ist es jedoch nicht erforderlich, dass ein formeller Vertragsschluss vorliegt, solange eine Vereinbarung oder Verständigung, ein „element of dealing“, zwischen den Parteien nachgewiesen werden kann.694 Die transaction muss ferner entweder eine Schenkung darstellen, die erhaltene Gegenleistung in der Eingehung einer Ehe bestehen oder aber es muss infolge des Leistungsaustausches zu einem Vermögensabfluss gekommen sein.695 Aus der Formulierung, dass Leistung und Gegenleistung grds. in Geld erbracht oder zumindest in Geld messbar sein müssen (in money or money’s worth), hat Millet J in der Entscheidung Re MC Bacon Ltd jedoch gefolgert, dass eine Umrechnung in Geld bei der Gewährung einer Sicherheit für eine bestehende Schuld nicht möglich sei und es deshalb an einer anfechtbaren transaction fehle. 696 Ein hinreichender Vermögensabfluss sei insoweit zu verneinen. 697 Angesichts des sehr wohl existierenden Marktes für Sicherungsmittel erscheint diese Argumentation schwer nachvollziehbar und lässt sich wohl am ehesten durch das Interesse an einer klaren Grenzziehung zwischen dem Tatbestand der undervalue transaction einerseits und dem preference-Tatbestand andererseits er692 

Re Taylor Sinclair (Capital) Ltd [2001] 2 B.C.L.C. 176, 184 (Rn.  21). Steffek KTS 2007, 451, 457. 694  Re HHO Licensing Ltd [2008] 1 B.C.L.C. 223 (Rn.   31); Keay, McPherson’s Law of Company Liquidation, Rn.  11.015. 695  Sec.  339 (3 ) IA lautet: „For the purposes of this section and sections 341 and 342, an individual enters into a transaction with a person at an undervalue if – (a) he makes a gift to that person or he otherwise enters into a transaction with that person on terms that provide for him to receive no consideration, (b) he enters into a transaction with that person in consideration of marriage or the formation of a civil partnership, or (c) he enters into a transaction with that person for a consideration the value of which, in money or money’s worth, is significantly less than the value, in money or money’s worth, of the consideration provided by the individual.“ 696  Re MC Bacon Ltd [1990] B.C.C. 78, 92. 697  Re MC Bacon Ltd [1990] B.C.C. 78, 92; Stubbs Insolv. Int. 2008, 17, 19. 693 

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klären. 698 Die Autorität von Re MC Bacon Ltd ist zudem durch die Entscheidung des Court of Appeal in Hill v. Spread Trustee Co. Ltd wieder relativiert worden.699 Der Court of Appeal brachte dort nämlich zum Ausdruck, dass Re MC Bacon Ltd nicht so verstanden werden dürfe, dass bei einer nachträglichen Bestellung einer Sicherheit nie eine transaction vorliege.700 Vielmehr müsse danach differenziert werden, ob für die Sicherheitenbestellung eine Gegenleistung erbracht worden sei oder nicht. Fehle es an jeglicher Gegenleistung, sei sec.  423 IA sehr wohl einschlägig.701 Bei der Konkretisierung des Begriffs der transaction verfolgt die englische Rechtsprechung eine praxisorientierte, wirtschaftliche Gesamtbetrachtung. Hiernach können auch mehrere, wirtschaftlich verbundene Rechtsgeschäfte oder eine Kette von Rechtshandlungen zu einer transaction zusammengefasst werden, wenn sich das wirtschaftliche Ungleichgewicht erst aus einer dergestalt erweiterten Gesamtschau ergibt.702 Ein undervalue, also ein vermögensrechtliches Ungleichgewicht, besteht bei jedem signifikanten Zurückbleiben des Wertes der zugeflossenen Gegenstände hinter dem Wert der abgeflossenen Gegenstände.703 Auch wenn sich hierfür keine starren Wertgrenzen festlegen lassen, ist bei einer Abweichung von mehr als 15–25 % in der Regel ein signifikanter undervalue gegeben.704 Die Beweislast für das Vorliegen einer undervalue transaction trägt derjenige, der ihre Rückabwicklung geltend macht. Bei der Bewertung muss grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts abgestellt werden. Spätere Wertveränderungen werden nur berücksichtigt, wenn sie im ursprünglichen Rechtsgeschäft bereits angelegt waren.705 Inwieweit mittelbare Vor- und Nachteile eines Geschäfts in die Bewertung mit einfließen können, ist in der englischen Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt.706 Tendenziell wird durch die bereits erwähnte wirtschaftliche Gesamtbetrachtung aber ein recht großzügiger Maßstab angelegt, der eine 698 

So auch Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  250 ff. Hill v. Spread Trustee Co. Ltd [2007] 1 W.L.R. 2404; Stubbs Insolv. Int. 2008, 17, 20. 700  Hill v. Spread Trustee Co. Ltd [2007] 1 W.L.R. 2404, 2438. 701  Ob dieses aber auch dann gilt, wenn eine nicht gleichwertige (undervalue) Gegenleistung erbracht wurde oder Re MC Bacon Ltd nur dann nicht zur Anwendung kommt, wenn überhaupt keine Gegenleistung erbracht wurde, ist fraglich und bisher noch nicht entschieden. 702  Phillips v. Brewin Dolphin Bell Lawrie Ltd [2001] 1 WLR 143; Keay/Walton, Insolvency Law – Corporate and Personal, para. 38.3; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  245. 703  Vgl. sec.  423 (1) (c) IA. 704  National Westminster Bank plc v. Jones [2001] 1 B.C.L.C. 98, 129 f.; Steffek KTS 2007, 451, 458; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  252. 705  Pinnewood Joinery v. Starelm Properties Ltd [1994] B.C.C. 569, 574; Reid v. Ramlort [2002] EWHC 2416; Keay, McPherson’s Law of Company Liquidation, Rn.  11.016 (S.  657). 706  Agricultural Mortgage Corporation plc v. Woodward [1994] B.C.C. 688, 697; dazu Keay/Walton, Insolvency Law – Corporate and Personal, para. 38.5. 699 

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weit reichende Einbeziehung mittelbarer Folgen ermöglicht.707 Wie im Rahmen des Inheritance Act braucht der Begünstigte die Gegenleistung auch nicht selbst zu erbringen. Es genügt, wenn ein Dritter die Gegenleistung für ihn erbringt. c) Subjektive Voraussetzungen in der Person des Verfügenden Die entscheidende Einschränkung auf der Tatbestandsseite besteht bei sec.  423 IA darin, dass dem Schuldner nachgewiesen werden muss, dass er bei der Vornahme der Handlung die Absicht hatte, die übertragenen Vermögenswerte dem Zugriff des Antragstellers zu entziehen oder in sonstiger Weise das Begehren des Antragstellers zu beeinträchtigen.708 Insoweit liegt eine weitreichende Übereinstimmung sowohl mit sec.  37 MCA709 als auch mit sec.  10, 11 Inheritance Act vor. Hier, wie dort, braucht die Benachteiligungsabsicht nicht das einzige Motiv zu sein.710 Umstritten ist jedoch, ob die Benachteiligung von Gläubigern der „dominant“711 oder nur ein „substantial purpose“712 sein muss. Zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen diese Ansichten, wenn der Schuldner bspw. zwei, in etwa gleich starke Motive für die Vornahme der Handlung hatte und nur eines davon die Benachteiligung seiner Gläubiger war.713 Nach allen Ansichten nicht ausreichend ist es hingegen, von einer tatsächlich eingetretenen Benachteiligung eines Gläubigers bereits direkt auf einen entsprechenden Vorsatz des Schuldners zu schließen.714 707 

Weiterführend hierzu Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  247 ff. Sec.  423 (3) IA lautet: „In the case of a person entering into such a transaction, an order shall only be made if the court is satisfied that it was entered into by him for the purpose – (a) of putting assets beyond the reach of a person who is making, or may at some time make, a claim against him, or (b) of otherwise prejudicing the interests of such a person in relation to the claim which he is making or may make.“ 709 In Trowbridge v. Trowbridge [2003] Fam. Law 476, Rn.  50 ff. nahm Richards QC einen umfangreichen Vergleich der Anforderungen von sec.  423 IA und sec.  37 MCA vor und stellte dabei fest, dass obwohl in sec.  37 MCA die Formulierung „intention“ und in sec.  423 IA das Wort „purpose“ verwendet wird, die subjektiven Anforderungen in beiden Vorschriften weitgehend identisch sind (Rn.  57 f). Ein Unterschied besteht allerdings in der Beweislastumkehr nach sec.  37 (5) MCA, die im Rahmen der sec.  423 IA keine Entsprechung findet (Rn.  60). 710  Commissioners of Inland Revenue v. Hashmi [2002] 2 B.C.L.C. 489; Royscott Spa ­L easing Ltd v. Lovett [1995] B.C.C. 502; Keay Conv. 2003, 272, 276. 711  So etwa ausdrücklich die Entscheidungen Chohan v. Sagan [1992] B.C.C. 306; Jyske Bank (Gibralta) Ltd v. Spjeldnaes (No. 2) [1999] 2 B.C.L.C. 101; Barclays Bank Pty Ltd v. Eustice [1995] B.C.C. 978, 990. 712  So der Court of Appeal, der in Commissioners of Inland Revenue v. Hashmi [2002] 2 B.C.L.C. 489 das Erfordernis eines dominant purpose sogar ausdrücklich ablehnt; s. a. ­Royscott Spa Leasing Ltd. v. Lovett [1995] BCC 502 und Parker J in Re Brabon [2001] 1 B.C.L.C. 11, 44 f.; ebenfalls in diese Richtung Moseley QC in Pinewood Joinery v. Starelm Properties Ltd [1994] 2 B.C.L.C. 412 und Hart J in The Law Society v. Southall [2001] BPIR 336; s. a. Stubbs Insolv. Int. 2008, 17, 21; Keay Conv. 2003, 272, 275 ff. 713  Keay/Walton, Insolvency Law – Corporate and Personal, Rn.  40.3. 714  Keay/Walton, Insolvency Law – Corporate and Personal, Rn.  40.3. 708 

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d) Anforderungen in der Person des Empfängers Sec.  423 IA verlangt keine besonderen Voraussetzungen in der Person des Empfängers. Anders als bspw. nach dem MCA und dem Inheritance Act ist ein gutgläubiger Erwerber auch dann nicht geschützt, wenn er eine werthaltige Gegenleistung erbracht hat. Sec.  37 (4) MCA hat im Rahmen des sec.  423 ff. IA keine Entsprechung.715 Ein materieller Schutz eines gutgläubigen Erwerbers findet sich erst im Rahmen der sec.  425 (2) IA, wenn der Erwerber das Erlangte bereits seinerseits weiterveräußert hat.716 Der Geschäftspartner des Schuldners selbst kann sich auf diesen Schutz allerdings nicht berufen, weshalb er auch bei Gutgläubigkeit und Erbringung einer werthaltigen Gegenleistung Ansprüchen nach sec.  423 IA ausgesetzt ist. Hierbei handelt es sich um eine wichtige Ausnahme vom Konzept des „equity’s darling“.717 e) Zeitliche Grenzen Feste zeitliche Grenzen für den Anspruch nach sec.  423 IA finden sich im Insolvency Act nicht. Lange Zeit wurde deshalb vertreten, dass eine Rückabwicklung zeitlich unbegrenzt zulässig sei. In der Entscheidung Hill v. Spread Trustee Company Ltd718 hat der Court of Appeal allerdings klargestellt, dass insoweit der Limitation Act 1980 Anwendung findet. Demnach gilt im Grundsatz eine zwölfjährige Verjährungsfrist.719 Für auf Geldzahlung gerichtete Ansprüche beträgt die Verjährung hingegen sechs Jahre.720 Die Verjährung beginnt mit Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen zu laufen. Was zu diesen Voraussetzungen zählt und ob die Verjährung bereits mit Vornahme der Handlung oder erst mit der späteren Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt, war in Hill v. Spread Trustee Company Ltd äußerst umstritten. Nourse J kam zu dem Ergebnis, dass insoweit zwischen den jeweiligen Anspruchsberechtigten zu differenzieren sei.721 So entstehe die Anspruchsberechtigung des Insolvenzverwalters erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Verjährung beginne folglich auch erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen.722 Dadurch ist es, zumindest theoretisch, möglich, auch noch viele Jahrzehnte zurückliegende Handlungen anzugreifen.723 In der Praxis sind die Gerichte, denen

715 

Trowbridge v. Trowbridge [2003] Fam. Law 476, Rn.  63. Fletcher, The law of insolvency, Rn.  8.122; siehe auch S. 239 f. 717  Siehe S. 126. 718  Hill v. Spread Trustee Company Ltd [2006] EWCA Civ 542, Rn.  106 ff. 719  Vgl. Sec.  8 Limitation Act 1980. 720  Vgl. Sec.  9 Limitation Act 1980. 721  Hill v. Spread Trustee Company Ltd [2006] EWCA Civ 542 (Rn.  119 ff., 122). 722  Hill v. Spread Trustee Company Ltd [2006] EWCA Civ 542 (Rn.  127); Brougham Insolv. Int. 2006, 135, 135 f.; Stubbs Insolv. Int. 2008, 17, 18. 723  Hill v. Spread Trustee Company Ltd [2006] EWCA Civ 542, (Rn.  150). 716 

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insoweit ein weites Ermessen zusteht,724 aber eher zurückhaltend, ein Verfahren zu eröffnen, wenn die angegriffene Handlung schon sehr lange zurückliegt.725 Gegenüber anderen Personen, die durch die Handlung des Schuldners benachteiligt wurden (victims of the transaction) und die im Rahmen der sec.  423 IA ebenfalls anspruchsberechtigt sind, beginnt die Verjährung hingegen bereits mit der Vornahme der Handlung bzw. mit dem Eintritt der Benachteiligung zu laufen.726 Dass durch eine solche Handhabung bereits individuell verjährte Rechte doch noch in einem späteren Zeitpunkt nach einer Insolvenzeröffnung durch den Insolvenzverwalter wahrgenommen werden können und damit wieder aufleben, hielt Nourse J für unbedenklich.727 Er führte hierzu aus: „(…) the identity of the claimant or applicant is an ingredient of the cause of action and because two different persons may have the same or a similar cause of action it does not follow that there is only a single cause of action. Further, I see no inherent objection to the notion that there may be separate limitation periods for different applicants under section 423. While it has always been the policy of the Limitation Acts to put an end to stale claims, it has not been part of their policy to provide that time shall run against a claimant or applicant before he has been able to commence his action (…)“.728

2. Transaction at an undervalue (sec.  339 IA) Anders als bei den transactions defrauding creditors ist für Klagen, die sich auf sec.  339 IA stützen, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eine Tatbestandsvoraussetzung. Auch ist nach diesen Vorschriften nur der im Auftrag der Gläubigergesamtheit tätige Insolvenzverwalter anfechtungsberechtigt; die benachteiligten Gläubiger selbst sind es nicht. Zudem braucht auch der Insolvenzverwalter für die Erhebung einer auf sec.  339 IA gestützten Klage die Zustimmung des Gläubigerausschusses oder des Insolvenzgerichts.729 Für eine Anfechtung nach sec.  339 IA muss nachgewiesen werden, dass über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, dass die angegriffene Handlung in zeitlicher Nähe zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattfand und dass der Schuldner zu diesem Zeitpunkt bereits insolvent war. Ferner darf dem Schuldnervermögen keine vollwertige Gegenleistung zugeflossen sein. Zusätzliche subjektive Voraussetzungen, etwa der Nachweis einer Benachteiligungsabsicht des Schuldners, bestehen hingegen nicht. Auch ist 724 

Siehe oben S. 278. Law Society v. Southall [2002] B.P.I.R. 336; Stubbs Insolv. Int. 2008, 17, 18. 726  Hill v. Spread Trustee Company Ltd [2006] EWCA Civ 542 (Rn.  126); Brougham Insolv. Int. 2006, 135, 136. 727  Hill v. Spread Trustee Company Ltd [2006] EWCA Civ 542, (Rn.  128); zustimmend Brougham Insolv. Int. 2006, 135, 136. 728  Hill v. Spread Trustee Company Ltd [2006] EWCA Civ 542, (Rn.  148 ff.). 729  Keay/Walton, Insolvency Law – Corporate and Personal, Rn.  38.1; Milman Insolv. Int. 2013, 81, 82. 725 Vgl.

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es nicht erforderlich, dass dem Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der Vornahme der Handlung bereits bekannt war. a) Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Nach sec.  339 (1) IA ist insoweit der Nachweis erforderlich, dass der Schuldner für bankrupt erklärt wurde. Ein außergerichtlicher Vergleich im Rahmen eines scheme of arrangement, ein voluntary arrangement oder eine administrative receivership ermöglicht hingegen keine Anfechtung vorhergehender undervalue transactions.730 b) Zahlungsunfähigkeit im Handlungszeitpunkt Eine natürliche Person wird als insolvent angesehen, wenn sie entweder nicht in der Lage ist, ihre fälligen Schulden zu begleichen oder wenn der Wert ihrer Aktiva denjenigen ihrer Passiva unterschreitet (sec.  341 (3) IA).731 Dabei ist es ausreichend, wenn die Zahlungsunfähigkeit erst infolge der anfechtbaren Handlung eintritt. Wird durch eine undervalue transaction eine nahestehende Person (associate) begünstigt, so wird die Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Handlung vermutet (sec.  341 (2) IA).732 Der Begriff „associate“ wird in sec.  435 IA legaldefiniert.733 Als in dieser Hinsicht nahestehende Person gelten demnach unter anderem der Ehe- oder Lebenspartner sowie die eigenen Verwandten und die Verwandten des Ehe- oder Lebenspartners (sec.  435 (2) (3) IA). Eine Gesellschaft wird als associate angesehen, wenn der Schuldner oder eine nahestehende Person des Schuldners sie allein oder zusammen kontrollieren (sec.  435 (7) IA). Auch ein trustee kann unter gewissen Umständen als nahestehende Person in Betracht kommen (sec.  435 (5) IA).734 Arbeitnehmer des Schuldners sind nach sec.  341 (2) IA hingegen ausdrücklich ausgenommen.

730 

Keay/Walton, Insolvency Law – Corporate and Personal, Rn.  38.2. Sec 341 (3) IA lautet: „(3) For the purposes of subsection (2), an individual is insolvent if – (a) he is unable to pay his debts as they fall due, or (b) the value of his assets is less than the amount of his liabilities, taking into account his contingent and prospective liabilities.“ 732  Sec.  341 (2) IA lautet: „Where an individual enters into a transaction at an undervalue or gives a preference at a time mentioned in paragraph (a), (b) or (c) of subsection (1) (not being, in the case of a transaction at an undervalue, a time less than 2 years before the end of the period mentioned in paragraph (a)), that time is not a relevant time for the purposes of sections 339 and 340 unless the individual – (a) is insolvent at that time, or (b) becomes insolvent in consequence of the transaction or preference; but the requirements of this subsection are presumed to be satisfied, unless the contrary is shown, in relation to any transaction at an undervalue which is entered into by an individual with a person who is an associate of his (otherwise than by reason only of being his employee).“ 733 Siehe Frieze Insolv. Int. 2014, 105. 734  Fletcher, The law of insolvency, Rn.  8 .095. 731 

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Des Nachweises einer Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der angegriffenen Handlung bedarf es auch dann nicht, wenn die Handlung im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht länger als zwei Jahre zurückliegt (sec.  341 (1a) (2) IA).735 c) Transaction at an undervalue Das Erfordernis der transaction at an undervalue ist bereits aus der Erörterung bei sec.  423 IA bekannt. Die jeweils hierzu ergangene Rechtsprechung gilt für sec.  423 IA und sec.  339 IA gleichermaßen.736 Anders als Gesellschaften kommt natürlichen Personen auch nicht das sog. Sanierungsprivileg zugute (vgl. sec.  238 (5) IA).737 d) Subjektive Voraussetzungen Weitere subjektive Voraussetzungen kennt sec.  339 IA nicht. Hierdurch unterscheidet sich dieser Tatbestand deutlich von der transaction defrauding creditors. Der oft sehr schwierige Nachweis subjektiver Vorstellungen ist bei sec.  339 IA entbehrlich. Der Schutz gutgläubiger Dritter entspricht andererseits demjenigen, der auch bei Anfechtungen nach sec.  423 IA gewährt wird. Ein gutgläubiger Erwerber ist immer dann nicht geschützt, wenn er unmittelbar vom Schuldner selbst erworben hat.738 Erst bei einer anschließenden Weiterveräußerung durch den Empfänger an einen Dritten, kann dieser Dritte sich darauf berufen, in gutem Glauben, ohne Kenntnis der näheren Umstände und gegen eine vermögenswerte Gegenleistung erworben zu haben (vgl. sec.  342 (2) IA).739 Die Beweislast trägt insoweit jedoch der Erwerber.740 e) Zeitliche Grenzen Eine Anfechtung ist immer dann ausgeschlossen, wenn die angefochtene Handlung in dem Zeitpunkt, in dem ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wird, bereits länger als fünf Jahre zurückliegt (sec.  341 (1) (a) IA).741 735  Fletcher, The law of insolvency, Rn.  8 .093; Keay/Walton, Insolvency Law – Corporate and Personal, Rn.  38.2. 736  Siehe daher S. 166 ff. 737  Siehe hierzu Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, Rn.  13.40; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  253. 738  Fletcher, The law of insolvency, Rn.  8 .099. 739  Siehe hierzu auch S. 239 ff. 740  Re Sonatacus Ltd v. Barber [2007] EWCA Civ 31. 741  Sec.  341 (1 a) IA lautet: „Subject as follows, the time at which an individual enters into a transaction at an undervalue (…) is a relevant time if the transaction is entered into (…) – (a) in the case of a transaction at an undervalue, at a time in the period of 5 years ending with the day of the presentation of the bankruptcy petition on which the individual is adjudged bankrupt.“

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

Die Frist wird ab dem Zeitpunkt berechnet, in dem der später erfolgreiche Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bei Gericht eingeht. Für die Erhebung der Anfechtungsklage gelten wiederum die allgemeinen Verjährungsregelungen. Der Insolvenzverwalter hat hierfür also entweder sechs (sec.  9 Limitation Act) oder zwölf Jahre (sec.  8 Limitation Act) Zeit.742 3. Preferences (sec.  2 39, 340 IA) Der praktisch wichtigste besondere Insolvenzanfechtungstatbestand ist die Anfechtungsmöglichkeit wegen „preferences“ (sec.  340 IA). Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass der Schuldner wahlweise bestimmte Gläubiger bevorzugt und durch Verfügungen im Vorfeld der Insolvenzeröffnung die gesetzliche Rangfolge und den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung ad absurdum führt.743 Der Anfechtung wegen preference liegt daher der Umstand zugrunde, dass der Gläubiger durch die Transaktion mehr erhält, als ihm nach Durchführung des Insolvenzverfahrens eigentlich zugestanden hätte. Es wurde ihm also quasi ermöglicht, sich in der Schlange der Gläubiger vorzudrängeln. Typische Beispiele sind die Zahlung von Schulden, die Gewährung einer Sicherheit oder die Rückgabe gelieferter, aber noch nicht bezahlter Ware.744 Voraus­ setzung einer Anfechtung wegen preference ist, dass über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, die angegriffene Transak­tion in zeitlicher Nähe zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurde und der Schuldner zum Zeitpunkt der Transaktion bereits insolvent war oder das in Folge der Transaktion geworden ist. Weiter muss der Begünstigte ein Gläubiger oder Garantie- bzw. Sicherheitsgeber des Gläubigers sein, sich die Position des Antragsgegners im Insolvenzverfahren durch die Transaktion verbessert und der Schuldner das bei Vornahme der Transaktion auch beabsichtigt haben. Zwischen der Anfechtung wegen undervalue transaction und derjenigen wegen preferences bestehen zahlreiche Gemeinsamkeiten. Für beide ist jeweils die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zum Zeitpunkt der Vornahme der Transaktion erforderlich. Im Unterschied zur transaction at an undervalue wird die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners im Zeitpunkt der angegriffenen Handlung bei der preference-Anfechtung jedoch auch dann nicht vermutet, wenn der Empfänger ein associate war.745 Hinsichtlich des Schutzes gutgläubiger Dritter unterscheiden sich beide Regelungen nicht. Nur ein nicht direkt vom Schuldner erwerbender Dritter kann sich auf Gutgläubigkeit, fehlende Kenntnis der Umstände und die Erbrin742 

Keay/Walton, Insolvency Law – Corporate and Personal, Rn.  38.9. Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, Rn.  13.71; Keay/Walton, Insolvency Law – Corporate and Personal, Rn.  39.1. 744 Siehe den Report of the Insolvency Law Review Committee, Insolvency Law and Practice (1982), Rn.  1208. 745  Fletcher, The law of insolvency, Rn.  8 .108. 743 

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gung einer werthaltigen Gegenleistung berufen (sec.  342 (2) IA). Einer erneuten Erörterung dieser oben diskutierten Anforderungen bedarf es hier daher nicht. Wesentlich interessanter sind dagegen die im Folgenden erörterten besonderen Eigenheiten der preference-Anfechtung. a) Zeitliche Nähe zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens Die zeitlichen Grenzen variieren je nachdem, ob es sich beim Transaktionspartner um eine dem Schuldner nahestehende Person (associate) handelt oder nicht. Wird durch den Schuldner eine ihm nahestehende Person begünstigt, beträgt die Suspektsperiode zwei Jahre ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Gehört der Begünstigte hingegen nicht in diese Kategorie, beträgt der Zeitraum nur sechs Monate (sec.  341 (1) lit b u. c IA). Die Frist wird, wie bei sec.  339 IA ab dem Zeitpunkt berechnet, in dem der später erfolgreiche Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bei Gericht eingeht.746 Wer als associate anzusehen ist, ist in sec.  435 IA geregelt. Hier kann daher wiederum auf die Ausführungen im Rahmen der transaction at an undervalue verwiesen werden.747 Da der Begriff des associate recht weit ist, kommt in vielen Fällen die längere Suspektsphase von zwei Jahren zum Tragen. Der Grundgedanke hinter dieser differenzierenden Regelung ist, dass der Schuldner in aller Regel ein besonderes Interesse daran hat, ihm nahestehende Personen zu bevorzugen. Nahestehende Personen haben, was die Vermögensverhältnisse des Schuldners angeht, oftmals zudem gegenüber anderen Gläubigern einen Informationsvorsprung und Verfügungen an solche Personen lassen sich oft relativ einfach und formlos konstruieren. Sie sind daher von vornherein besonders verdächtigt. Andererseits führt die Unterscheidung zwischen nahestehenden und sonstigen Gläubigern zu einer Zwei-Klassen- Gesellschaft im Rahmen des Anfechtungsrechts von der bestimmte, gut informierte und wirtschaftlich mächtige Gläubiger, wie etwa Banken, profitieren. Für sie gelten nur die kurzen Fristen.748 Auch für die preference-Anfechtung gelten die allgemeinen Verjährungs­ fristen der sec.  8, 9 Limitations Act 1980. b) Bevorzugung eines Gläubigers Die Bevorzugung muss nach sec.  340 (3a) IA entweder einem Gläubiger gewährt werden oder jemandem, der für eine Forderung gegen den Schuldner eine Sicherheit bestellt oder eine Garantie übernommen hat. Eine Bevorzugung liegt immer dann vor, wenn sich die Position des Begünstigten in einem späteren Insolvenzverfahren durch die Transaktion verbessert, indem er bspw. bei der 746 

Fletcher, The law of insolvency, Rn.  8.107. Siehe S. 172 f. 748  Steffek KTS 2007, 451, 471. 747 

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

Reihenfolge der Befriedigung einen besseren Rang erhält.749 Vergleichsmaßstab ist daher immer die Realisierungsquote, die der Begünstigte in einem Insolvenzverfahren ohne die vorgenommene Transaktion erzielt hätte. Ob dabei auf ein hypothetisches Insolvenzverfahren zum Zeitpunkt der Transaktion abgestellt werden soll oder ob die Quote im aktuell durchgeführten Verfahren zugrunde zu legen ist, ist umstritten.750 Die Bestellung einer Sicherheit durch den Schuldner führt nur dann zu einer preference, wenn sie ohne entsprechende Gegenleistung für eine bereits bestehende Altverbindlichkeit gewährt wird. Erfolgt die Sicherheitsbestellung hingegen im Gegenzug für den Zufluss von neuem Kapital, so kommt eine Anfechtung nicht in Betracht. Anderenfalls wäre es einem Unternehmen in der Krise auch gar nicht mehr möglich, an neues Kapital zu gelangen, da solches in der Regel nur gegen Sicherheitsleistungen bereit gestellt wird. c) Subjektive Voraussetzungen in der Person des Schuldners Erhebliche praktische Schwierigkeiten bereitet der Nachweis der subjektiven Voraussetzungen des preference-Tatbestandes. Erforderlich ist die Darlegung, dass es dem Schuldner auf die Bevorzugung seines Transaktionspartners gegenüber anderen Gläubigern gerade ankam (sec.  340 (4) IA).751 Ist der Begünstigte allerdings eine dem Schuldner nahestehende Person, so wird eine solche Absicht nach sec.  340 (5) IA widerleglich vermutet.752 Eine Leitentscheidung zu den subjektiven Voraussetzungen des preference-­ Tatbestandes stellt Re MC Bacon Ltd dar.753 Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Bank hatte der schuldnerischen Gesellschaft einen ungesicherten Überziehungskredit eingeräumt. Nachdem der Bank die Zahlungsschwierigkeiten der Gesellschaft zu Ohren gekommen waren, verlangte sie nunmehr eine Sicherheit, die ihr kurz vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Form einer Schuldverschreibung (debenture) auch gewährt wurde. Dieser Sachverhalt scheint auf eine klassische preference-Situation hinzudeuten; die Feststellung der erforderlichen Bevorzugungsabsicht (desire to prefer) bereitete dann jedoch einige Schwierigkeiten und wurde von Millet J letztlich 749 

Burns v. Stapelton [1959] 102 CLR 97, 104. Re Hawkes Hill Publishing Co Ltd [2007] BCC 937. 751  Sec.  340 (4) IA lautet: „The court shall not make an order under this section in respect of a preference given to any person unless the company which gave the preference was in­ fluenced in deciding to give it by a desire to produce in relation to that person the effect mentioned in subsection (3)(b) above.“ 752  Sec.  340 (5) IA lautet: „An individual who has given a preference to a person who, at the time the preference was given, was an associate of his (otherwise than by reason only of being his employee) is presumed, unless the contrary is shown, to have been influenced in deciding to give it by such a desire as is mentioned in subsection (4).“ 753  Re MC Bacon Ltd [1990] BCLC 324. 750 

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verneint. Zur Auslegung der subjektiven Voraussetzung äußerte Millet J mit Blick auf die kurz vor der Entscheidung geänderte, neue Rechtslage Folgendes: „It is no longer necessary to establish a dominant intention to prefer. It is sufficient that the decision was influenced by the requisite desire (…) second (…) it is no longer sufficient to establish an intention to prefer. There must be a desire to produce the effect mentioned in the subsection (…) A man is taken to intend the necessary consequences of his actions, so that an intention to grant a security to a creditor necessarily involves an intention to prefer that creditor in the event of insolvency. The need to establish that such intention was dominant was essential under the old law to prevent perfectly proper transactions from being struck down. With the abolition of that requirement intention could not remain the relevant test. Desire has been substituted. That is a very different matter. Intention is objective, desire is subjective. A man can choose the lesser of two evils without desiring either. It is not, however, sufficient to establish a desire to make the payment or grant the security which it is sought to avoid. There must have been a desire to produce the effect mentioned in the subsection, that is to say, to improve the creditor’s position in the event of an insolvent liquidation. A man is not to be taken as desiring all the necessary consequences of his actions (…) Under the new regime a transaction will not be set aside as a voidable preference unless the company positively wished to improve the creditor’s position in the event of its own insolvent liquidation. There is, of course, no need for there to be direct evidence of the requisite desire. Its existence may be inferred from the circumstances of the case (…) But the mere presence of the requisite desire will not be sufficient by itself. It must have influenced the decision to enter into the transaction. (…) That requirement is satisfied if it was one of the factors which operated on the minds of those who made the decision. It need not have been the only factor or even the decisive one. In my judgment, it is not necessary to prove that, if the requisite desire had not been present, the company would not have entered into the transaction.“

Der Nachweis, welche Absichten mit einem Rechtsgeschäft konkret verfolgt wurden, erscheint generell als schwierig. In den vorliegenden Konstellationen kommt zudem hinzu, dass der Schuldner ein „desire to prefer“ meist relativ einfach dadurch widerlegen kann, dass er die Bedeutung anderer Motive hervorhebt oder die Bevorzugungsabsicht herunterspielt. Tatsächlich erfolgen Zahlungen in der Krise auch meist eher, weil dem Druck hartnäckiger Gläubiger nachgegeben wird, oder aus der Hoffnung, durch im Gegenzug erlangtes neues Kapital oder Sachvermögen die Krise noch überwinden zu können. Hieraus folgt zudem ein zweifelhafter Anreiz. Kann der Gläubiger nachweisen, dass der von ihm aufgebaute Druck auf den Schuldner besonders groß war, erscheint das Hauptmotiv – Befreiung aus der Drucksituation – sehr plausibel und eine Bevorzugungsabsicht eher fernliegend.754 Welche Umstände letztlich einen verlässlichen Schluss auf eine Bevorzugungsabsicht zulassen, erscheint unklar.755 754 Siehe hierzu kritisch Keay/Walton, Insolvency Law – Corporate and Personal, Rn.  39.2.3.4; Fletcher, The law of insolvency, Rn.  8.105; Steffek KTS 2007, 451, 470 mwN. 755  Einer der wenigen Fälle, in denen erfolgreich ein „desire to prefer“ nachgewiesen werden konnte, ist Re Agriplant Services Ltd [1997) BCC 842. Jonathan Parker J unterstellte hier

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

Ohne die Hilfe der Vermutung nach sec.  340 (5) IA sind preference-Klagen daher nur selten erfolgreich.756 Ein Umstand, der Anlass zu berechtigter Kritik gegeben hat und der den Sinn und Zweck der subjektiven Voraussetzungen der sec.  340 IA insgesamt in Zweifel zieht.757 4. Weitere Anfechtungstatbestände Neben diesen eher weiten Anfechtungstatbeständen kennt das englische Recht auch noch auf spezielle Transaktionstypen zugeschnittene Anfechtungstat­ bestände. Eine Anfechtung von sogar drei Jahre zurückliegenden Transaktionen ermöglicht sec.  343 IA (extortionate credit transactions). Voraussetzung ist, dass dem Schuldner ein Darlehen zu weit überzogenen Konditionen (bspw. weit überhöhter Zinssatz) gewährt wurde. Von einem solchen Kredit soll sich der Insolvenzverwalter dann auch noch nach längerer Zeit lösen können. Die praktische Bedeutung dieser Vorschrift erscheint allerdings gering.758 Gleiches gilt für die die Anfechtung eines „general assignment of book debts“ (sec.  344 IA).759

D. Frankreich I. Das französische Insolvenzrecht Auch das französische Insolvenzrecht ist ein beliebter Gegenstand rechtsvergleichender Forschung.760 Es überrascht nicht, dass es ebenfalls Rückholansprüche und zwar ebenfalls in Gestalt von Anfechtungsmöglichkeiten vorsieht. Es differenziert zunächst generell zwischen juristischen Personen, Kaufleuten, Handwerkern und Landwirten, für die die allgemeinen Konkursregelungen in den Art. L. 620-1 ff. des Code de Commerce gelten und den sonstigen natürlichen Personen, für die außerhalb der Departements Bas-Rhin, Haut-Rhin und Moselle 761 in den Art. L. 711-1 ff. Code de la Consommation lediglich eine eingeschränkte Möglichkeit der Schuldenregulierung existiert.762 Mit der deutdem an der Transaktion beteiligten Geschäftsführer der schuldnerischen Gesellschaft, der für den Kredit des Gläubigers selbst eine Garantie übernommen hatte, dass er durch die Rückzahlung des Kredits hauptsächlich seine eigene Verbindlichkeit reduzieren und dadurch als Kehrseite den Gläubiger bevorzugen wollte. 756  Steffek KTS 2007, 451, 472 f. 757  Keay/Walton, Insolvency Law – Corporate and Personal, Rn.  39.2.3.2. 758  Keay/Walton, Insolvency Law – Corporate and Personal, Rn.  42.1. 759  Fletcher, The law of insolvency, Rn.  8 .113. 760  v. Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich; Jung, Die nationale und internationale Gläubigeranfechtung nach deutschem und französischem Recht. 761  Delzant/Schütze ZInsO 2008, 540. 762  Ahrens, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, §  8 0 Rn.  28; durch die Ordonnance n° 2016-301 vom 14. März 2016 relative à la partie législative du code de la consommation

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schen Insolvenzanfechtung vergleichbare Regelungen finden sich in den Art. L. 632-1 ff. Code de Commerce. Das Gesetz unterscheidet dabei zwischen den Handlungen, die zu einer nullité de droit führen, wenn sie in einem bestimmten Zeitraum vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (période suspecte) durchgeführt worden sind, und solchen, die lediglich eine nullité facultative nach sich ziehen.763 Das Insolvenzanfechtungsrecht wird jedoch insoweit nur als eine besondere Ausprägung des wesentlich weiterreichenden Rechtsinstituts der action paulienne verstanden, das in Art.  1341-2 Code civil eine, allerdings nur sehr kursorische Kodifizierung erfahren hat.764 Die action paulienne setzt, wie die parallelen Rechtsinstitute in der deutschen und der englischen Rechtsordnung,765 auch nicht zwingend die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners voraus.766 Im Folgenden soll der Schwerpunkt der Darstellung daher zunächst auf der action paulienne liegen, ehe anschließend auf die Besonderheiten der Regelungen in Art. L. 632-1 ff. Code de Commerce eingegangen wird. Obwohl es in Frankreich einen einheitlichen Berufsstand des Insolvenzverwalters nicht (mehr) gibt,767 soll diese Bezeichnung als Oberbegriff für alle Personen dienen, die im Interesse der Gläubigergesamtheit tätig und dafür mit besonderen Rechten ausgestattet sind. Erfasst ist damit sowohl der administrateur judiciaire, der mandataire-liquidateur als auch der commissaire à l’exécution du plan.768 II. Die Voraussetzungen der action paulienne Die Regelung der action paulienne wurde durch die große Schuldrechtsreform769 in Frankreich von ihrem angestammten Platz in Art.  1167 Code civil in den neuen Art.  1341-2 des Code civil verlagert. Auch wurde der Gesetzeswortwurden insoweit umfangreiche Änderungen vorgenommen und auch die Stellung der Vorschriften innerhalb des Code de la Consommation verändert. 763  Saint-Alary-Houin/Monsièrié-Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullités de droit et nullitées facultatives, JC Proc. coll., Fasc. 2502, Rn.  15. 764  Gautier/Pasqualini, Action Paulienne, Rép. dr. civ., Rn.  24; Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  4. 765  Siehe S. 147 ff. und 165 ff. 766  Gautier/Pasqualini, Action Paulienne, Rép. dr. civ., Rn.  43 ff. 767  Hübner/Constantinesco, Einführung in das französische Recht, S.  264. 768 Der administrateur judiciaire berät und überwacht den Schuldner in einer ersten Prüfungsphase, während der mandataire-liquidateur anschließend mit der Abwicklung, Veräußerung und Verteilung des Schuldnervermögens beschäftigt ist. Ein commissaire à l’exécution du plan wird bestellt, wenn ein Sanierungsplan beschlossen wird. Er ist dann dafür zuständig, die Einhaltung der Planvorgaben zu kontrollieren, vgl. Hübner/Constantinesco, Einführung in das französische Recht, S.  264 f. 769  Vgl. Ordonnance n° 2016-131 du 10 février 2016 portant réforme du droit des contrats, du régime général et de la preuve des obligations, JORF n° 35 du 11 févr. 2016, texte 26 (NOR JUSC1522466R); siehe dazu auch etwa Babusiaux/Witz JZ 2017, 496.

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laut leicht modifiziert und an die Entwicklungen in der Rechtsprechung angepasst.770 Die neue Vorschrift lautet, wie folgt:771 „Le créancier peut aussi agir en son nom personnel pour faire déclarer inopposables à son égard les actes faits par son débiteur en fraude de ses droits, à charge d’établir, s’il s’agit d’un acte à titre onéreux, que le tiers cocontractant avait connaissance de la fraude.“

Tatbestandsvoraussetzung ist, dass die Handlung durch den Schuldner „en fraude de ses droits“ vorgenommen wurden. Schlüsselbegriff ist daher die „fraude“, deren Nachweis auch das Herzstück der Pauliana bildet.772 1. Anspruchsberechtigte Anders als die speziellen Insolvenzanfechtungstatbestände773 steht die action paulienne grds. jedem Gläubiger offen, der nachweisen kann, dass die Handlung des Schuldners ihm die Durchsetzung seiner Rechte erschwert (causé un dommage).774 Im Ausgangspunkt erfasst sind damit zunächst alle Geldgläubiger, die zur Realisierung ihrer Ansprüche auf das gesamte Schuldnervermögen zugreifen können.775 Die Rechtsprechung hat den Anwendungsbereich der ac­ tion paulienne allerdings, gegen starke Kritik aus der Literatur,776 erweitert. Auch der Inhaber eines persönlichen oder dinglichen Rechts an einer oder auf eine konkrete Sache (bspw. eines Nutzungsrechts, einer Dienstbarkeit oder eines Anspruchs auf Übereignung) kann sich auf die action paulienne stützen, wenn sein Schuldner in betrügerischer Art und Weise dieses Recht beeinträchtigt.777 Insoweit fehlt es jedoch an dem für einen Rückholanspruch typischen Merkmal, dass potentiell das gesamte Schuldnervermögen gebunden und eine Rückabwicklung grds. aller es betreffender Rechtsgeschäfte ermöglicht wird. Stattdessen geht es hier um Rechtsgeschäfte, die sich auf einen ganz bestimmten Gegenstand des Schuldnervermögens beziehen, der bereits zuvor besonderen 770 Vgl. François, Présentation des articles 1341 à 1341-3 du nouveau chapitre III „Les a­ ctions ouvertes au créancier“, La réforme du droit des contrats présentée par l’IEJ de Paris 1, (abrufbar unter: https://iej.univ-paris1.fr/openaccess/reforme-contrats/titre4/chap3-actions-­ creancier). 771  Art.  1167 Code civil a. F. lautete hingegen, wie folgt: „Ils peuvent aussi, en leur nom personnel, attaquer les actes faits par leur débiteur en fraude de leurs droits. Ils doivent néanmoins, quant à leurs droits énoncés au titre ‚Des successions‘ et au titre ‚Du contrat de mariage et des régimes matrimoniaux‘, se conformer aux règles qui y sont prescrites.“ „Ils“ bezog sich dabei auf die in Art.  1166 Code civil a. F. erwähnten Gläubiger. 772  Gautier/Pasqualini, Action Paulienne, Rép. dr. civ., Rn.  68. 773  Siehe unten S. 186 ff. 774  Gautier/Pasqualini, Action Paulienne, Rép. dr. civ., Rn.  29 ff.; Ghestin/Jamin/Billiau, Les effets du contrat, Rn.  827. 775  Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  13, 46, 76. 776  Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  13 mwN. 777  Vgl. Cass. 10 déc. 1974, Bull. civ. 1974, I, n 336; Cass. 7 juin 1989, n°87-19.473; Cass. 10 avr. 1948, D. 1948, S.  412; Cass. 13 juill 2004, n°03-10.292; Cass. 16 juill. 1993, JCP G 1993, IV, 2385.

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Bindungen unterlag.778 Bei der weiteren Erörterung kann diese Fallgruppe der (quasi-)dinglichen Ansprüche daher außen vor bleiben. Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Schuld in dem Zeitpunkt der Vornahme der angegriffenen Handlung bereits existierte.779 Ein späteres Hinzutreten eines Gläubigers genügt grds. nicht, da ein solcher Gläubiger ohnehin nur mit dem im Zeitpunkt seines Hinzutretens noch vorhandenen Vermögen rechnen kann und eine vorsätzliche Benachteiligung eines noch gar nicht vorhandenen Gläubigers regelmäßig ausscheidet.780 Die Fälligkeit und Durchsetzbarkeit der Forderung im fraglichen Zeitpunkt ist hingegen nicht erforderlich.781 Ausnahmsweise kann auch eine spätere Entstehung der Schuld ausreichen, wenn die Handlung des (potentiellen) Schuldners gerade darauf abzielte, künftige, bereits klar vorhersehbare Gläubiger zu benachteiligen.782 Die Cour de Cassation nahm das etwa in einem Fall an, in dem ein Schuldner vor der Begehung eines Verbrechens und anschließendem Selbstmord sein Immobilienvermögen auf seine Tochter übertragen hatte, um Regressansprüche des Opfers bzw. seiner Erben zu verhindern.783 2. Die benachteiligende Handlung Erforderlich ist grds., dass die Handlung des Schuldners zu einem Abfluss von Vermögenswerten aus dem Schuldnervermögen führt (acte d’appauvrissement) und dadurch eine Schädigung des Gläubigers verursacht.784 Dies gilt insbesondere für die hier allein interessierende Fallgruppe der Geldgläubiger. Ohne eine Verringerung des Schuldnervermögens oder zumindest eine Erschwerung des Zugriffs auf dieses ist eine Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nur schwer vorstellbar. Ein Vermögensabfluss ist grds. bei allen unentgeltlichen Rechtsgeschäften, also jeder Art von Schenkungen, gegeben.785 Es genügt aber auch, wenn lediglich ein Missverhältnis zwischen den ausgetauschten Leistun778 

Siehe bereits oben S. 4 ff., 144 ff. 14 Jan. 2003, n°00-15-275; Cass. com. 14 mai 2008, n°07-10.137; Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  78; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rn.  1142; Terré/Simler/Lequette, Droit civil – Les obligations, Rn.  1169. 780  Gautier/Pasqualini, Action Paulienne, Rép. dr. civ., Rn.  30; Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  78; Ghestin/Jamin/Billiau, Les effets du contrat, Rn.  828. 781  Cass. com. 25 mars 1991, Bull. civ. 1991, IV, n°119; Cass. 19 nov. 2002, n°00-12.424; Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  79 f. 782  Cass. 18 févr. 2009, n°08-12.306; Cass. 7 janv. 1982, Bull. civ. 1982, I, n° 4; Cass. 15 févr. 1967, Bull. civ. 1967, I, n°66; Gautier/Pasqualini, Action Paulienne, Rép. dr. civ., Rn.  38 ff.; ­Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rn.  1143; Ghestin Mélanges Marty, S.  569, 582 f. 783  Cass. 18 févr. 2009, n°08-12.306. 784  Dross, Action paulienne, JC Art.   1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  20; Malaurie/­ Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rn.  1144. 785  Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  26 mwN. 779  Cass.

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gen vorhanden ist, das zu Lasten des Schuldners geht.786 Eine relative Vermögensverminderung entsteht auch durch die Begründung von vorrangigen Sicherheiten zugunsten anderer Gläubiger.787 Weiter kommt eine action paulienne nur dann in Betracht, wenn nach der beeinträchtigenden Handlung nicht mehr ausreichend Vermögenswerte beim Schuldner verbleiben, um die Forderung des Gläubigers zu befriedigen.788 Dabei kann nach herrschender Ansicht aber auch berücksichtigt werden, inwieweit das Vermögen des Schuldners tatsächlich für den Zugriff der Gläubiger zur Verfügung steht oder der Zugriff z. B. durch die Lage der Vermögenswerte im Ausland erschwert ist.789 Eine action paulienne ist daher auch dann möglich, wenn alle wesentlichen Bestandteile des Schuldnervermögens entweder nicht pfändbar oder nicht auffindbar sind oder sich im Ausland befinden.790 Gleiches gilt, wenn der Schuldner Bestandteile seines Vermögens mit dem Ziel umstrukturiert, die neu erlangten Gegenstände einfacher beiseiteschaffen zu können (bspw. Verkauf eines inländischen Grundstücks, um den Erlös auf ein Auslandkonto transferieren zu können).791 Die Vermögensinsuffizienz muss auch bereits im Zeitpunkt der benachteiligenden Handlung bestanden haben und dem Schuldner bekannt gewesen sein.792 Angreifbar sind zudem grds. nur Rechtsgeschäfte, nicht aber Realakte.793 Zerstört also der Schuldner bspw. in Beeinträchtigungsabsicht seine Wohnungs­ einrichtung, stehen den Gläubigern u. U. deliktsrechtliche Ansprüche gegen den Schuldner zu,794 nicht aber irgendwie geartete Rückgriffsmöglichkeiten bei Dritten im Rahmen einer action paulienne. Auch Unterlassungen können durch eine action paulienne angegriffen werden, etwa wenn es der Schuldner bewusst unterlässt, eine Forderung geltend zu machen und dadurch deren Verjährung herbeiführt.795 Der bloße Verzicht auf 786  Cass. com. 7 avril 1965, Bull. civ. 1965, III n°266; Cass. 27 juin 1984, Bull. civ. 1984, I, n°211; Cass. 3 mai 1973, Bull. civ. 1973, III, n°306. 787  Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  29 f. 788  Cass. 12 juin 2001, RTD civ. 2001, S.  884; Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  21, 39; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rn.  1145. 789  Gautier/Pasqualini, Action Paulienne, Rép. dr. civ., Rn.  43 mwN. 790  Ghestin Mélanges Marty, S.  569, 570. 791  Cas. 14 nov. 1970, D. 1971, somm. 29; Cas. 28 nov. 1973, Bull. civ. III, n°606; Cass. 16 mai 2006, n°03-16.653; Gautier/Pasqualini, Action Paulienne, Rép. dr. civ., Rn.  44; Dross, ­Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  44; Ghestin, Mélanges Marty, S.  569, 577. 792  Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  40 mwN. 793  CA Bordeaux 26 mars 1987, JCP G 1988, IV, S.  36; Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  23. 794  Wegen der regelmäßig bestehenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sind diese Ansprüche aber wenig attraktiv. 795  Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  24 f.; 33.

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Gewinnerzielungsmöglichkeiten stellt andererseits grds. kein angreifbares Verhalten des Schuldners dar.796 Umstritten ist, inwieweit bestimmte Ansprüche einen höchstpersönlichen Charakter haben und deshalb von einem Gläubiger auch im Rahmen einer action paulienne nicht geltend gemacht werden dürfen.797 Eine entsprechende Einschränkung findet sich für die action oblique in Art.  1341-1 Code civil.798 Konkret geht es dabei bspw. um Ansprüche auf immateriellen Schadensersatz, Unterhaltszahlungen, Güterstandswechsel oder den Widerruf von Schenkungen. Da sich der Gläubiger für die Geltendmachung von konkreten Ansprüchen des Schuldners aber zunächst in aller Regel ohnehin auf eine action oblique stützen muss, hat diese Frage nur geringe praktische Bedeutung.799 3. Subjektive Voraussetzungen a) Subjektive Voraussetzungen beim Schuldner Die Rechtsprechung verlangte ursprünglich, dass der Schuldner mit Schädigungsvorsatz gehandelt habe. Es musste nachgewiesen werden, dass er bewusst seine Insolvenz herbeigeführt oder Gegenstände dem Zugriff seiner Gläubiger entzogen hatte. 800 Zunächst für unentgeltliche Rechtsgeschäfte, später aber auch für entgeltliche,801 ist die Rechtsprechung von dieser Voraussetzung zunehmend abgerückt und begnügt sich nunmehr bereits mit dem Nachweis, dass dem Schuldner die Schädigung seiner Gläubiger durch die angegriffene Handlung bekannt war.802 Ist dem Schuldner bewusst, dass seine Handlung zu einem Vermögensabfluss führt und dass das noch vorhandene Vermögen zur Befriedigung der Gläubiger nicht ausreicht, hat er in aller Regel auch Kenntnis von der daraus resultierenden Schädigung der Gläubiger. Diese Kenntnis des Schuldners kann eigentlich nur noch durch den Nachweis widerlegt werden, dass er sich über seine bestehenden Verbindlichkeiten oder seine Vermögensverhält­ 796  Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  32; Ghestin/Jamin/ Billiau, Les effets du contrat, Rn.  833 f. 797  Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  37; Terré/Simler/ Lequette, Droit civil – Les obligations, Rn.  1162. 798  Art.   1341-1 Code civil lautet: „Lorsque la carence du débiteur dans l’exercice de ses droits et actions à caractère patrimonial compromet les droits de son créancier, celui-ci peut les exercer pour le compte de son débiteur, à l’exception de ceux qui sont exclusivement attachés à la personne.“ 799  Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  38. 800  Cass. 18 nov. 1946, JCP G 1947, II, 4011; Cass. 21 juill. 1987, Bull. civ. 1987, I, n°231; Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  50; Ghestin/Jamin/Billiau, Les effets du contrat, Rn.  844. 801  Cass. 29 mai 1985, Bull. civ. 1985, I, n°163; Cass. 13 janv. 1993, Bull. Civ. 1993, I, n°5; Cass. 14 févr. 1995, Bull. Civ. 1995, I, n°79. 802  Cass. 4 nov. 1983, Bull. civ. 1983, I, n°254; Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  51 ff.; Terré/Simler/Lequette, Droit civil – Les obligations, Rn.  1175; Ghestin Mélanges Marty, S.  569, 571 ff.

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nisse insgesamt in einem Irrtum befunden habe.803 In der Rechtsprechung und Literatur ist andererseits umstritten, ob es den Schuldner entlasten kann, wenn nachgewiesen wird, dass er mit einem Rechtsgeschäft andere, legitime Ziele verfolgt hat. 804 Hat der Schuldner im Gegenzug für eine Veräußerung eine vollwertige Gegen­leistung erhalten, wird das Rechtsgeschäft wiederum in der Regel erst durch das Hinzutreten und den Nachweis weiterer Absichten überhaupt erst verdächtig. 805 b) Subjektive Voraussetzungen beim Vertragspartner des Schuldners Die subjektiven Voraussetzungen unterscheiden sich je nachdem, ob es sich bei der benachteiligenden Handlung um ein entgeltliches oder ein unentgeltliches Rechtsgeschäft gehandelt hat: Bei entgeltlichen Rechtsgeschäften muss auch dem Vertragspartner des Schuldners – und Anspruchsgegner – ein Benachteiligungsvorsatz nachgewiesen werden. 806 Bei unentgeltlichen Rechtsgeschäften ist das hingegen nicht notwendig.807 Hinter dieser Differenzierung verbirgt sich zum einem der Gedanke der Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs. Ein Dritter, der selbst keine eigene vermögenswerte Leistung erbracht hat, ist weniger schutzwürdig und kann daher in einem weitergehenden Umfang in Anspruch genommen werden. 808 Die Erbringung einer werthaltigen Gegenleistung schützt aber zum anderen auch nur den gutgläubigen Dritten. 809 Hat der Dritte kollusiv mit dem Schuldner zusammen gewirkt oder zumindest Kenntnis von dessen Absichten, ist er ebenfalls nicht schutzwürdig. Bedarf es bei Vorliegen eines unentgeltlichen Rechtsgeschäfts demnach keinerlei weiterer subjektiver Voraussetzungen, gewinnt die Frage nach der Unterscheidung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Rechtsgeschäften an praktischer Bedeutung. 810 Problemfälle sind in dieser Hinsicht die Mitgift 803 

Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  52 f. einerseits CA Paris 9 oct. 1986, JurisData n°1986-025902; CA Nîmes 26 mars 1996, JurisData n°1996-030226; CA Aix-en-Provence 31 mai 2007, JurisData n° 2007-342242; sowie andererseits Cass. 11 déc. 2001, n°99-14.561; CA Limoges 12 avr. 2007, JCP G 2008, IV, 1430; CA Aix-en-Provence 19 févr. 1998, JurisData n°1998-040438; CA Paris 10 nov. 2005, JurisData n°2005-292234; zum Ganzen Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  56 f. 805  Gautier/Pasqualini, Action Paulienne, Rép. dr. civ., Rn.  8 0; Ghestin/Jamin/Billiau, Les effets du contrat, Rn.  852 ff. 806  Terré/Simler/Lequette, Droit civil – Les obligations, Rn.   1179; Ghestin Mélanges ­Marty, S.  569, 574 f. 807  Cass. 23 avr. 1981, Bull. civ. 1981, I, n°130; Cass. 14 mars 1984, Gaz. Pal. 1985, 1, S.  17; Cass. 14 mai 1996, Bull. Civ. 1996, IV, n°134; Terré/Simler/Lequette, Droit civil – Les obligations, Rn.  1180. 808  Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rn.  1147. 809  Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  59 f. 810  Ghestin/Jamin/Billiau, Les effets du contrat, Rn.  849. 804  Siehe

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(dot), 811 Schenkungen mit bestimmten Auflagen, 812 die Übernahme einer Bürgschaft und die Naturalobligation.813 Bei entgeltlichen Rechtsgeschäften muss hingegen auch dem Vertragspartner eine „fraude“ nachgewiesen werden. Wie bereits beim Schuldner, genügt es nach der neueren Rechtsprechung auch hier, dass dem Dritten lediglich die Schädigung der Gläubiger bekannt war. 814 Ein für einen Vorsatz eigentlich notwendiges Wollenselement muss nicht nachgewiesen werden. Jedenfalls muss der Vertragspartner aber grds. Einblick in die finanziellen Verhältnisse des Schuldners und von dessen Zahlungsunfähigkeit Kenntnis gehabt haben, 815 was sich bei einer persönlichen oder familiären Nähebeziehung im Regelfall leichter nachweisen lässt.816 4. Zeitliche Grenzen Die Möglichkeit, sich auf eine action paulienne zu berufen, verjährt innerhalb von fünf Jahren (Art.  2224 Code civil). 817 Die Verjährung beginnt in dem Moment zu laufen, in dem der Gläubiger Kenntnis von den Umständen erlangt, die die Erhebung einer action paulienne rechtfertigen. 818 Unabhängig von der Kenntnis des Anspruchsstellers verjährt der Rechtsbehelf aber in jedem Fall, wenn seit der Anspruchsentstehung mehr als 20 Jahre vergangen sind (Art.  2232 Code civil). 819 Da die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners in der Regel bereits im Zeitpunkt der angegriffenen Handlung bestehen und dem Schuldner auch bekannt sein muss,820 fehlt es im Unterschied zu den familien- und erbrechtlichen Rückholansprüchen an einem später eintretenden, anspruchsbegründenden Element.

811  Cass. 16 nov. 1910, DP 1911, 1, S.  500; Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  63; Ghestin Mélanges Marty, S.  569, 575. 812  Cass. 26 avr. 1972, Bull. civ. 1972, I, n°109; Cass. 14 janv. 2003, n°00-15.275. 813  Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  6 4. 814  Cass. 29 mai 1985, Bull. civ. 1985, I, n°163; Cass. 19 janv. 1977, Bull. civ. 1977, I, n°34. 815  CA Rennes 20 Janv. 1982, JurisData n°1982-040134; Ghestin Mélanges Marty, S.  569, 576. 816  Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  67 mwN. 817  Art.  2 224 Code civil lautet: „Les actions personnelles ou mobilières se prescrivent par cinq ans à compter du jour où le titulaire d’un droit a connu ou aurait dû connaître les faits lui permettant de l’exercer.“ 818  Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  73; zum alten Recht noch Gautier/Pasqualini, Action Paulienne, Rép. dr. civ., Rn.  103 f.; Sautonie-Laguionie, La fraude paulienne, S.  625 ff. 819 Art.   2232 Abs.  1 Code civil lautet: „Le report du point de départ, la suspension ou l’inter­r uption de la prescription ne peut avoir pour effet de porter le délai de la prescription extinctive au-delà de vingt ans à compter du jour de la naissance du droit.“ 820  Siehe oben S. 183 ff.

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

III. Die Voraussetzungen der Anfechtungstatbestände Nach den Art. L. 632 ff. Code de Commerce (C. com.) sind bestimmte Handlungen, die in zeitlicher Nähe zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden, nichtig. Das Gesetz unterscheidet dabei Fälle der absoluten Nichtigkeit (Art. L. 632 Abs.  1 C. com), bei denen die angegriffenen Handlungen (nachträglich) immer nichtig sind, von den Fällen der relativen Nichtigkeit, bei denen die Anordnung der Nichtigkeitsfolge im gerichtlichen Ermessen liegt (Art. L. 632 Abs.  2 C. com.). 1. Anfechtungsberechtigte Die Nichtigkeitsklage (action en nullité) kann, anders als die action paulienne, nicht von den Gläubigern des Schuldners, sondern nur von den in Art.  632-4 C. com. aufgezählten Berechtigten geltend gemacht werden.821 Anfechtungsberechtigt sind demnach alle Personen, die in Frankreich die Funktion eines deutschen Insolvenzverwalters wahrnehmen (administrateur judiciaire, mandataire-­ liquidateur, commissaire à l’exécution du plan), ferner auch die Staatsanwaltschaft.822 Bei Erfolg der Nichtigkeitsklage führt diese dazu, dass die Handlung des Schuldners keinerlei Rechtswirkungen entfaltet. Im Gegensatz zur action paulienne wird folglich nicht der erfolgreiche Kläger begünstigt, sondern es profitieren alle Gläubiger des Schuldners. 823 Die Berechtigten führen daher den Prozess immer vorrangig mit Blick auf die Folgen für die Masse und die Gläubigergesamtheit. 2. Die benachteiligende Handlung Welche Handlungen des Schuldners mit der Nichtigkeitsklage angegriffen werden können, ist sehr ausführlich in Art. L. 632-1 C. com. geregelt. Eine automatische Nichtigkeit zur Folge haben unter anderem: alle unentgeltlichen Übertragungen von Eigentum an beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen (Nr.  1), alle Verträge, bei denen die Gegenleistung des Vertragspartners deutlich hinter der Leistung des Schuldners zurückbleibt (Nr.  2), Zahlungen auf nicht fällige Schulden (Nr.  3), bestimmte, nicht bar erfolgende Zahlungen (Nr.  4), die Gewährung einer Hypothek, eines Nießbrauches oder eines Pfandrechts an Gegenständen der Masse für bereits bestehende Schulden (Nr.  6), Sicherungsmaßnahmen an Massegegenständen (Nr.  7), der Verzicht auf ein Optionsrecht 821  Art. L. 632-4 C. com. lautet: „L’action en nullité est exercée par l’administrateur, le mandataire judiciaire, le commissaire à l’exécution du plan ou le ministère public. Elle a pour effet de reconstituer l’actif du débiteur.“ 822  Saint-Alary-Houin/Monsièrié-Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullités de droit et nullitées facultatives, JC Proc. coll., Fasc. 2502, Rn.  28 ff. 823  Saint-Alary-Houin/Monsièrié-Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullités de droit et nullitées facultatives, JC Proc. coll., Fasc. 2502, Rn.  18.

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(Nr.  8), die Übertragung von Massevermögen in Treuhandvermögen (Nr.  9), jede nachträgliche Abänderung eines Treuhandvertrages zum Nachteil der Masse (Nr.  10), jede für die Masse nachteilige Verschiebung von Gesellschaftsvermögen ins Privatvermögen und andersherum bei einer Ein-Mann-Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Nr.  11) und die Erklärung von Gegenständen für unpfändbar gem. Art. L. 526-1 C. com. (Nr.  12). 824 In der Praxis bedeutsam sind insbesondere die ersten vier Fallgruppen.825 Nichtig sind zunächst alle unentgeltlichen Geschäfte. 826 Ein Schuldner verliert – im Nachhinein – das Recht, Schenkungen vorzunehmen, wenn er bereits seine Gläubiger nicht mehr bedienen kann. 827 Die Abgrenzung von entgeltlichen und unentgeltlichen Geschäften entspricht derjenigen bei der action paulienne.828 Von Nr.  2 erfasst werden nur zweiseitige Verträge. Dazu zählen nach der Rechtsprechung unter anderem die Änderung des ehelichen Güterstandes, Eheverträ-

824  Art. L. 632-1 C. com. lautet: „Sont nuls, lorsqu’ils sont intervenus depuis la date de cessation des paiements, les actes suivants : 1° Tous les actes à titre gratuit translatifs de propriété mobilière ou immobilière; 2° Tout contrat commutatif dans lequel les obligations du débiteur excèdent notablement celles de l’autre partie; 3° Tout paiement, quel qu’en ait été le mode, pour dettes non échues au jour du paiement; 4° Tout paiement pour dettes échues, fait autrement qu’en espèces, effets de commerce, virements, bordereaux de cession visés par la loi n° 81-1 du 2 janvier 1981 facilitant le crédit aux entreprises ou tout autre mode de paiement communément admis dans les relations d’affaires; 5° Tout dépôt et toute consignation de sommes effectués en application de l’article 2075-1 du code civil (abrogé), à défaut d’une décision de justice ayant acquis force de chose jugée; 6° Toute hypothèque conventionnelle, toute hypothèque judiciaire ainsi que l’hypothèque légale des époux et tout droit de nantissement ou de gage constitués sur les biens du débiteur pour dettes antérieurement contractées; 7° Toute mesure conservatoire, à moins que l’inscription ou l’acte de saisie ne soit antérieur à la date de cessation de paiement; 8° Toute autorisation et levée d’options définies aux articles L. 225-177 et suivants du présent code; 9° Tout transfert de biens ou de droits dans un patrimoine fiduciaire, à moins que ce transfert ne soit intervenu à titre de garantie d’une dette concomitamment contractée; 10° Tout avenant à un contrat de fiducie affectant des droits ou biens déjà transférés dans un patrimoine fiduciaire à la garantie de dettes contractées antérieurement à cet avenant; 11° Lorsque le débiteur est un entrepreneur individuel à responsabilité limitée, toute affectation ou modification dans l’affectation d’un bien, sous réserve du versement des revenus mentionnés à l’article L. 526-18, dont il est résulté un appauvrissement du patrimoine visé par la procédure au bénéfice d’un autre patrimoine de cet entrepreneur; 12° La déclaration d’insaisissabilité faite par le débiteur en application de l’article L. 526-1.“ 825  Gergen RNotZ 2013, 599, 602. 826  Siehe hierzu ausführlich Saint-Alary-Houin/Monsièrié-Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullitées de droit. Liberalités, JC Proc. coll., Fasc. 2507, Rn.  6 ff. 827  Vallasan, Difficultés des entreprises, Rn.  382; Jacquemont, Droit des entreprises en difficulté, Rn.  596. 828  Saint-Alary-Houin/Monsièrié-Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullitées de droit. Liberalités, JC Proc. coll., Fasc. 2507, Rn.  26 ff.; siehe auch oben S. 184 f.

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ge und Kaufverträge. 829 Das Ungleichgewicht zwischen den zu erbringenden Leistungen muss erheblich sein.830 Die Nr.  3 ist hingegen eine Fallgruppe, die primär auf die Wahrung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes abzielt.831 Die Bezahlung von Schulden führt nicht per se zu einer Verringerung des Gesamtvermögens, sondern nur zu einer Bevorzugung einzelner Gläubiger.832 Gleiches gilt für die Fälle, in denen einzelnen Gläubigern eine vorrangige Sicherheit gewährt wird (Nr.  6) oder in denen zu ihren Gunsten einstweilige Sicherungsmaßnahmen getroffen wurden (Nr.  7).833 Nr.  4 liegt die Annahme zugrunde, dass bestimmte, unübliche Zahlungsweisen verdächtig sind, weil sich die tatsächliche Erbringung der Gegenleistung nur schwer nachprüfen lässt. 834 Die Handlung muss grds. vom Schuldner selbst vorgenommen worden sein. Schenkungen Dritter oder Vollstreckungsmaßnahmen von Gläubigern fallen daher grds. nur unter die Nichtigkeitsvorschriften, wenn sie in einer der oben angeführten Nummern explizit erwähnt werden.835 Neben der zwingenden Nichtigkeit findet sich in Art. L. 632-1 Abs.  2 C. com. eine Regelung über die fakultative Nichtigkeit. 836 Das Gericht kann alle unent­ geltlichen Rechtsgeschäfte im Sinne des Abs.  1 Nr.  1 sowie die in Abs.  1 Nr.  12 genannte Erklärung für unwirksam befinden, soweit sie innerhalb von sechs Monaten vor der Einstellung der Zahlungen durch den Schuldner erfolgt sind. 837 Inwieweit das Gericht von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, liegt in seinem Ermessen.838 Die ansonsten geltende „période suspecte“ kann für unentgeltliche

829  Vallasan, Difficultés des entreprises, Rn.  382; Jacquemont, Droit des entreprises en difficulté, Rn.  597; Saint-Alary-Houin/Monsièrié-Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullitées de droit. Liberalités, JC Proc. coll., Fasc. 2507, Rn.  36 ff. 830  Saint-Alary-Houin/Monsièrié-Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullitées de droit. Liberalités, JC Proc. coll., Fasc. 2507, Rn.  46 ff. mwN. 831  Saint-Alary-Houin/Monsièrié-Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullités de droit. Régime des paiements, JC Proc. coll., Fasc. 2505, Rn.  19 ff. 832  Vallasan, Difficultés des entreprises, Rn.  382; Jacquemont, Droit des entreprises en difficulté, Rn.  599. 833  Jacquemont, Droit des entreprises en difficulté, Rn.  606 ff. 834  Jacquemont, Droit des entreprises en difficulté, Rn.  602; Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, Rn.  595 f. 835  Saint-Alary-Houin/Monsièrié-Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullités de droit et nullitées facultatives, JC Proc. coll., Fasc. 2502, Rn.  14; Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, Rn.  590. 836  Art. L. 632-1 Abs.  2 C. com. lautet: „Le tribunal peut, en outre, annuler les actes à titre gratuit visés au 1° du I et la déclaration visée au 12° faits dans les six mois précédant la date de cessation des paiements.“ 837  Saint-Alary-Houin/Monsièrié-Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullités de droit et nullitées facultatives, JC Proc. coll., Fasc. 2502, Rn.  15. 838  Saint-Alary-Houin/Monsièrié-Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullités de droit et nullitées facultatives, JC Proc. coll., Fasc. 2502, Rn.  15; Petel u. a., Code de commerce, Art. L. 632-1 Rn.  14.

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Rechtsgeschäfte demnach durch das Gericht um weitere sechs Monate vorverlegt werden. Vollentgeltliche Rechtsgeschäfte und Zahlungen auf fällige Schulden können nach Art. L. 632-2 C. com. hingegen nur angegriffen werden, wenn der Vertragspartner des Schuldners Kenntnis von dessen Zahlungseinstellung gehabt hatte. 839 Das Gleiche gilt für bestimmte Rechtsbehelfe und Vollstreckungsmaßnahmen, die Gläubiger des Schuldners in Kenntnis der Zahlungseinstellung und zeitlich nach dieser vorgenommen haben. 840 Der Nachweis eines konkreten Schadens für den Schuldner oder seine Gläubiger ist hingegen auch in diesen Fallkonstellationen entbehrlich. 841 Art. L. 632-3 C. com. enthält eine Sondervorschrift zum Schutze des Rechtsverkehrs bei bestimmten Wertpapieren. 842 Hier werden Zahlungen aus Gründen der Rechtssicherheit selbst dann nicht als nichtig angesehen, wenn dem Vertragspartner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners positiv bekannt war. 843 3. Subjektive Voraussetzungen Weitere subjektive Voraussetzungen stellen die Nichtigkeitsgründe nicht auf. Weder braucht der Dritte Kenntnis von den Absichten des Schuldners gehabt zu haben, noch muss dem Schuldner selbst ein Benachteiligungsvorsatz nachgewiesen werden. Aufgrund der zeitlichen Nähe zwischen der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der angegriffenen Handlung wird ein subjektiv unredliches Verhalten unwiderleglich vermutet. 844 Erbringt der Vertragspartner des Schuldners eine vollentgeltliche Gegenleistung oder erfolgte die Zahlung des Schuldners auf eine fällige Schuld, dann ist erforderlich, dass der beklagte Dritte im Zeitpunkt der angegriffenen Handlung Kenntnis von der Einstellung der Zahlungen durch den Schuldner hatte (Art. L. 839  Art.  632-2 C. com. lautet: „Les paiements pour dettes échues effectués à compter de la date de cessation des paiements et les actes à titre onéreux accomplis à compter de cette même date peuvent être annulés si ceux qui ont traité avec le débiteur ont eu connaissance de la cessation des paiements. Tout avis à tiers détenteur, toute saisie attribution ou toute opposition peut également être annulé lorsqu’il a été délivré ou pratiqué par un créancier à compter de la date de cessation des paiements et en connaissance de celle-ci.“ 840  Vallasan, Difficultés des entreprises, Rn.  385. 841  Cass. com. 16 févr. 1993, JCP E 1993, I, 276, n°9; Petel u. a., Code de commerce, Art. L. 632-2 Rn.  11; Vallasan, Difficultés des entreprises, Rn.  384. 842  Art. L. 632-3 Abs.  1 C. com. lautet: „Les dispositions des articles L. 632-1 et L. 632-2 ne portent pas atteinte à la validité du paiement d’une lettre de change, d’un billet à ordre ou d’un chèque.“ 843  Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, Rn.  612; Saint-Alary-Houin/Monsièrié-­ Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullités de droit. Régime des paiements, JC Proc. coll., Fasc. 2505, Rn.  38 ff. 844  Saint-Alary-Houin/Monsièrié-Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullités de droit et nullitées facultatives, JC Proc. coll., Fasc. 2502, Rn.  18; Petel u. a., Code de commerce, Art. L. 632-1 Rn.  4.

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

632-2 C. com.). 845 Die gleiche Kenntnis muss nachgewiesen werden, um bestimmte Vollstreckungshandlungen von Gläubigern des Schuldners für nichtig erklären zu können. 846 4. Zeitliche Grenzen Nichtig sind die oben genannten Handlungen nur, wenn sie innerhalb der sog. période suspecte, d. h. nach der Einstellung der Zahlungen durch den Schuldner (cessation des paiements), aber vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden. Den Zeitpunkt der Zahlungseinstellung legt das angerufene Gericht in seinem Eröffnungsbeschluss fest. 847 Es kann dabei jedoch nur einen Zeitpunkt bestimmen, der maximal 18 Monate vor dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses liegt (Art. L. 631-8 Abs.  2 C. com.).848 Legt das Gericht keinen früheren Zeitpunkt fest, so gilt die Zahlungseinstellung erst als ab dem Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses erfolgt. 849 Das Gericht ist an seine erstmalige Festlegung nicht gebunden und kann das Datum der Zahlungseinstellung auch noch nachträglich verschieben. 850 Bei unentgeltlichen Rechtsgeschäften kann die 18-Monatsfrist um weitere sechs Monate verlängert werden, wenn auch die weiteren Voraussetzungen der fakultativen Nichtigkeit erfüllt sind. 851

E. Rechtsvergleich Im Vergleich ist zunächst festzustellen, dass alle drei Rechtsordnungen die Zweiteilung zwischen Klagen – und ihnen zugrundeliegenden Rückholansprüchen – kennen, die außerhalb eines Insolvenzverfahrens von Gläubigern geltend gemacht werden können, und Klagen, die nur der Insolvenzverwalter innerhalb eines Insolvenzverfahrens erheben kann. Zudem kann zwischen Rechtsbehelfen, die allgemein dem Erhalt der Masse dienen, und solchen, die primär die 845  Cass. com. 14 janv. 1952, Bull. civ. III, n°19; Petel u. a., Code de commerce, Art. L. 6322 Rn.  5 ff.; Vallasan, Difficultés des entreprises, Rn.  384; Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, Rn.  611, 613. 846  Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, Rn.  615 f. 847  Siehe hierzu Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, Rn.  578 ff. 848  Art. L. 631-8 Abs.  2 C. com. lautet: „Elle peut être reportée une ou plusieurs fois, sans pouvoir être antérieure de plus de dix-huit mois à la date du jugement d’ouverture de la procédure. Sauf cas de fraude, elle ne peut être reportée à une date antérieure à la décision définitive ayant homologué un accord amiable en application du II de l’article L. 611-8. L’ouverture d’une procédure mentionnée à l’article L. 628-1 ne fait pas obstacle à l’application de ces dispositions.“ 849  Saint-Alary-Houin/Monsièrié-Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullités de droit et nullitées facultatives, JC Proc. coll., Fasc. 2502, Rn.  12. 850  Saint-Alary-Houin/Monsièrié-Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullités de droit et nullitées facultatives, JC Proc. coll., Fasc. 2502, Rn.  12. 851  Siehe oben S. 186 f.

Teil 3 – E. Rechtsvergleich

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Gläubigergleichbehandlung durchsetzen wollen, unterschieden werden. Allerdings führen auch letztere dazu, dass Vermögensgegenstände zur Masse zurückgeholt werden können, um dann gleichmäßig an alle Gläubiger verteilt zu werden. Damit teilen auch sie die Eigenheiten der Rückholansprüche. Der gemeinsame Ursprung der Anfechtungstatbestände ist die aus dem klassischen römischen Recht stammende actio Pauliana.852 In Frankreich hat sie unter dem Namen action paulienne bis heute überlebt. Auch im französischen Familienrecht wurde, wie gesehen, die Vorschrift über die action paulienne in Bezug genommen. 853 Im deutschen Insolvenzrecht genügt für die Anfechtung entweder der Nachweis einer unentgeltlichen Leistung oder aber der Nachweis einer Benachteiligungsabsicht des Schuldners und der Kenntnis hiervon beim Anfechtungsgegner. Zu Recht wird hier wiederum der Zuwendungsempfänger mit in den Blick genommen und ein bösgläubiger Anfechtungsgegner für nicht schutzwürdig erklärt. Eine Besonderheit stellt die Vermutung der Bösgläubigkeit bei entgeltlichen Verträgen mit nahestehenden Personen dar. Im englischen Recht findet sich mit dem associate eine ähnliche Figur. Bei Rechtsgeschäften mit einem associate wird die Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts im Rahmen einer transaction at an undervalue vermutet. Gleiches gilt für die Bevorzugungsabsicht. Im französischen Recht existiert hingegen keine vergleichbare Vermutung. Es ist deshalb zweifelhaft, wieweit diese gesetzliche Vermutung trägt und ob sie sich verallgemeinern und auch in das Erb- und Familienrecht übertragen lässt.854 Von dem allen drei Rechten bekannten Konzept des „equity’s darling“, des gutgläubigen Empfängers, der dem Schuldner eine volle Gegenleistung erbringt, macht das englische Recht eine Ausnahme und schützt nur den entgeltlichen und gutgläubigen Zweiterwerber, nicht aber den direkten Vertragspartner des Schuldners. Im deutschen und französischen Recht kann hingegen ein „equity’s darling“ in keinem Fall in Anspruch genommen werden. Gleichzeitig ist es aber im englischen Recht auch so, dass bei einer vollwertigen Gegenleistung schon keine undervalue transaction vorliegt und bereits aus diesem Grunde eine Inanspruchnahme des Vertragspartners ausscheidet. Anders als im Familienrecht genügt es aber zum Schutze des Vertragspartners nicht, dass er eine valuable consideration erbracht hat, wenn das Geschäft ansonsten für den Schuldner deutlich nachteilhaft war. Für die einzelnen Tatbestandselemente der vollstreckungsrechtlichen Rückholansprüche – ihre irreführende Bezeichnung als Anfechtung hat mit der An-

852 Vgl.

Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, S.  77 Rn.  12. Siehe S. 132 f. 854  Siehe auch S. 416 ff. 853 

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

fechtung des BGB wenig gemein, sondern ist nur dem Fehlen eines treffenderen Ausdrucks geschuldet – ergibt der Vergleich Folgendes: I. Die benachteiligende Handlung Übereinstimmend sehen die untersuchten Rechte vor, dass die angegriffene Handlung zu einer Minderung des Vermögens des Verfügenden geführt haben muss. Dabei wird der Begriff der Handlung weit gefasst; in Deutschland und Frankreich schließt er deshalb, anders als in England, auch Unterlassungen ein. Die Anforderungen an die benachteiligende Handlung unterscheiden sich im deutschen Recht stark nach dem jeweiligen Anfechtungstatbestand. Erforderlich ist grds., dass die Handlung beim Schuldner zu einer Vermögensminderung geführt hat. Es können jedoch auch sog. Deckungsgeschäfte angegriffen werden, durch die ein Gläubiger bevorzugt wird, indem er im Gegensatz zu anderen Gläubigern Erfüllung oder eine Sicherheit erlangt. Die Anfechtung dient in diesem Fall primär dazu, die Gläubigergleichbehandlung durchzusetzen, und erfüllt damit insolvenzspezifische Zwecke. Gleichwohl wird der abgeflossene Wert auch hier, wie bei den anderen Rückholansprüchen, wieder zur Masse gezogen, an der alle Gläubiger partizipieren sollen. Unabhängig von diesen besonderen Anfechtungsmöglichkeiten sind Rechtshandlungen nach deutschem Recht aber angreifbar, wenn dem Schuldner ein Benachteiligungsvorsatz nachgewiesen werden kann oder es sich um eine unentgeltliche Leistung des Schuldners handelt. Maßgeblich ist ferner grds. das dingliche Vollzugsgeschäft und nicht bereits die schuldrechtliche Begründung von Verbindlichkeiten. Bei der Bewertung der Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung spielen die subjektiven Vorstellungen der Parteien lediglich bei der Einschätzung von objektiv unklaren Verhältnissen und Entwicklungen eine gewisse Rolle, während ansonsten ein streng objektiver Maßstab gilt. 855 Im englischen Recht kommt es auf die Feststellung einer transaction at an undervalue an. Der Begriff transaction ist zwar auch hier weit zu verstehen, erfasst jedoch, anders als in Deutschland, keine bloßen Unterlassungen oder einseitigen Handlungen. Erforderlich ist ein „element of dealing“. Ein undervalue besteht bei jedem signifikanten Zurückbleiben des Wertes der zugeflossenen hinter dem Wert der abgeflossenen Gegenstände. Als signifikant wird die Abweichung in der Regel bei einer Differenz von 15–25 % angesehen. Die preference-Anfechtung verlangt hingegen die Bevorzugung eines Gläubigers, bspw. durch die Gewährung einer Sicherheit, die der Gläubiger so nicht beanspruchen konnte. Sie ähnelt der deutschen Deckungsanfechtung bei inkongruenten ­Deckungen.

855 

Siehe S. 157 f.

Teil 3 – E. Rechtsvergleich

193

Auch die französische action paulienne setzt einen Abfluss von Vermögenswerten aus dem Schuldnervermögen (acte d’appauvrissement) und eine daraus resultierende Schädigung der Gläubiger voraus. 856 Dabei ist grds. erforderlich, dass im Anschluss an die beeinträchtigende Handlung tatsächlich nicht mehr ausreichend Vermögenswerte beim Schuldner zur Verfügung stehen, um die Forderung des Gläubigers zu befriedigen. Durch eine action paulienne können grds. auch Unterlassungen angegriffen werden, nicht aber Realakte. Der bloße Verzicht auf Gewinnerzielungsmöglichkeiten ist wiederum kein angreifbares Verhalten. Welche Handlungen in Frankreich mit einer Nichtigkeitsklage angegriffen werden können, ist sehr ausführlich in Art. L. 632-1 C. com. geregelt, darunter zahlreiche Spezialfälle, die auch den in Deutschland bekannten Fallgruppen der kongruenten und inkongruenten Deckung entsprechen. Unentgeltliche Rechtsgeschäfte können für unwirksam erklärt werden, wenn sie innerhalb von sechs Monaten vor der Einstellung der Zahlungen durch den Schuldner, also noch vor der eigentlichen „période suspecte“, erfolgt sind. Inwieweit das Gericht von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, liegt allerdings in seinem Ermessen. Vollentgeltliche Rechtsgeschäfte können hingegen nach Art. L. 632-2 C. com. nur angegriffen werden, wenn dem Vertragspartner bekannt war, dass der Schuldner zuvor seine Zahlungen eingestellt hatte.857 Der Vergleich zeigt, dass Grundelement der vollstreckungsrechtlichen Rückholansprüche eine in einem weiten Sinn vermögensmindernde Maßnahme des Schuldners ist, die seinen Vermögensstock zu Lasten der Gläubiger im tatsächlichen wirtschaftlichen Wert reduziert. II. Die Beeinträchtigungsabsicht Wieder finden sich zwei alternative Varianten als Grundvoraussetzung eines Rückholanspruchs: zum einen die unentgeltliche Verfügung des Schuldners, zum andern die Verfügung in Benachteiligungsabsicht. Die Beeinträchtigungsabsicht des Schuldners ist im deutschen Recht die entscheidende Voraussetzung einer Vorsatzanfechtung. 858 Bei einer Schenkungsanfechtung ist der Nachweis weiterer subjektiver Elemente hingegen nicht erforderlich. Die gleiche Unterteilung findet sich auch im englischen und französischen Recht: Während die action paulienne und die transaction defrauding creditors ihre Rechtfertigung jeweils aus den nachgewiesenen unredlichen Absichten des Schuldners beziehen, sind dessen subjektive Vorstellungen im Rahmen der besonderen Insolvenzanfechtung nach Art. L. 632 ff. C. com. oder bei 856 

Siehe S. 181 f. Siehe S. 189. 858  Siehe S. 151. 857 

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

der transaction at an undervalue ohne Belang. 859 Für die besonderen Anfechtungen von Deckungshandlungen ist grds. die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners erforderlich. Ausgenommen sind inkongruente Deckungshandlungen, die bei Beantragung der Insolvenzeröffnung lediglich einen Monat zurückliegen.860 Die Schwierigkeiten, die mit dem Nachweis subjektiver Vorstellungen einhergehen, sind dabei auch allen drei Rechtsordnungen immanent. Einigkeit besteht darüber, dass der Benachteiligungsvorsatz nicht das einzige Handlungsmotiv des Schuldners zu sein braucht, solange diesem die Konsequenz seiner Handlung sicher erkennbar ist. Die im englischen Recht geführte Diskussion um einen dominant oder nur substantial purpose ist hingegen eher theoretischer Natur.861 Der Schuldner muss eine zumindest allgemeine Vorstellung davon haben, dass es unter bestimmten Umständen zu einem Ausfall für die Gläubiger kommt. Fehlt es hieran, weil der Schuldner in Verkennung seiner tatsächlichen Vermögensverhältnisse davon ausging, alle seine Gläubiger befriedigen zu können, scheidet auch eine Vorsatzanfechtung aus. Daraus folgt zudem die Einschränkung, dass die Forderung des anfechtenden Gläubigers grds. im Zeitpunkt der angegriffenen Handlung bereits existiert haben muss. 862 Ein später hinzutretender Gläubiger kann in der Regel nur mit dem in diesem Zeitpunkt vorhandenen Schuldnervermögen rechnen. Ausnahmsweise kann allerdings auch eine spätere Entstehung der Forderung ausreichen, wenn die Handlung des Schuldners gerade darauf abzielte, künftige Gläubiger zu benachteiligen. Eine Besonderheit des deutschen und des englischen Rechts besteht in der widerleglichen Vermutung einer Benachteiligungsabsicht bei Geschäften mit nahestehenden Personen. 863 Auch der englische preference-Tatbestand kennt eine entsprechende Vermutung. 864 Nahestehende Personen sind dabei unter anderem Ehepartner, Verwandte, Hauspersonal etc. Hintergrund für diese Vermutung sind zum einen die in der Regel besseren Informationsmöglichkeiten, die solche Personen über die Vermögensverhältnisse des Schuldners haben und zum anderen eine besondere persönliche und/oder wirtschaftliche Verbundenheit, die ein kollusives Zusammenwirken mit dem Schuldner als wahrschein­ licher erscheinen lässt. Folge des Rechtsgeschäfts muss auch hier aber eine Benachteiligung der Gläubiger sein, die bei einer vollwertigen Gegenleistung in der Regel ausscheidet. Der Vergleich zeigt damit deutliche Übereinstimmungen der untersuchten Rechte: ein Rückholanspruch wird nicht nur bei einer unentgeltlichen Verfü859 

Siehe S. 176, 189. Siehe S. 162. 861  Siehe S. 169 ff. 862  Siehe S. 151. 863  Siehe S. 154 ff., 161. 864  Siehe S. 176. 860 

Teil 3 – E. Rechtsvergleich

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gung des Schuldners an Dritte gewährt, sondern auch bei entgeltlichen Verfügungen (die freilich auch die zur Verteilung stehende Masse insgesamt verkürzen müssen), sofern der Schuldner damit Gläubiger – zumindest auch – benachteiligen wollte. Die Benachteiligungsabsicht wird zum Teil vermutet, wenn der Schuldner zugunsten nahestehender Personen verfügt hat. III. Bösgläubigkeit des Anfechtungsgegners Einheitlich lassen die untersuchten Rechte es für einen Rückholanspruch gegen den Empfänger nicht genügen, dass bei entgeltlichen Verfügungen nur der verfügende Schuldner die Gläubiger benachteiligen wollte. Es kommt auch auf die Bösgläubigkeit des Empfängers an. Für die Vorsatzanfechtung deutschen Rechts ist die positive Kenntnis des späteren Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners eine weitere Voraussetzung. Gemäß §  3 Abs.  1 S.  2 AnfG/§  133 Abs.  1 S.  2 InsO wird diese Kenntnis allerdings vermutet, wenn dem Dritten die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bekannt war. Wurde ein entgeltliches Rechtsgeschäft mit einer nahestehenden Person abgeschlossen, ändert sich die Beweislastverteilung.865 Die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wird widerleglich vermutet (§  3 Abs.  4 S.  2 AnfG/§  133 Abs.  4 S.  2 InsO). Gleiches gilt grds. auch für die Deckungsanfechtung und die Anfechtung unmittelbar nachteiliger Handlungen. 866 Im englischen Recht sind weder für die transaction defrauding creditors noch für die transaction at an undervalue besondere Voraussetzungen in der Person des Empfängers erforderlich. 867 Ein gutgläubiger Ersterwerber ist selbst dann nicht geschützt, wenn er eine werthaltige Gegenleistung erbracht hat. Das englische Recht differenziert insoweit zwischen dem unmittelbaren Geschäftspartner des Schuldners und Personen, die erst in weiterer Folge Bestandteile des Schuldnervermögens erlangt haben. Solche weiteren Erwerber werden, anders als die direkten Geschäftspartner des Schuldners, im Falle ihrer Gutgläubigkeit geschützt, soweit sie zudem eine werthaltige Gegenleistung erbracht haben. Bei der transaction at an undervalue gilt allerdings auch ein weiterer Erwerber widerleglich als bösgläubig, wenn er von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und den Begleitumständen Kenntnis hatte oder wenn er ein associate des Schuldners oder des unmittelbaren Vertragspartners des Schuldners ist. 868 Die Vermutung der Bösgläubigkeit aufgrund der Eigenschaft als associate existiert auch bei der preference-Anfechtung.869 Der Begriff des associate weist dabei 865 

Siehe S. 156. Siehe S. 161 u. 163. 867  Siehe S. 170 und S. 176. 868  Siehe S. 176. 869  Siehe S. 176. 866 

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

eine große Ähnlichkeit zum Begriff der nahestehenden Person im deutschen Recht auf. Im Rahmen der transaction defrauding creditors existiert eine solche Vermutung dagegen nicht. Bei der französischen action paulienne unterscheiden sich die subjektiven Vor­ aussetzungen danach, ob es sich bei der benachteiligenden Handlung um ein entgeltliches oder ein unentgeltliches Rechtsgeschäft handelt. Nur bei ersterem ist es notwendig, auch dem Vertragspartner des Schuldners einen Benachteiligungsvorsatz nachzuweisen. 870 Auf einen Benachteiligungsvorsatz kann aber bereits geschlossen werden, wenn der Vertragspartner lediglich Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der Schädigung der Gläubiger hatte. Ein zusätzliches Wollenselement ist nicht erforderlich. Ein Vertragspartner des Schuldners wird zudem auch vor den besonderen insolvenzrechtlichen Anfechtungsmöglichkeiten geschützt, wenn er eine vollentgeltliche Gegenleistung erbracht hat und ihm im Zeitpunkt der angegriffenen Handlung die Einstellung der Zahlungen durch den Schuldner nicht bekannt war (Art. L. 632-2 C. com.). 871 Im Ergebnis zeigt sich wiederum recht weite Übereinstimmung im Grundsätzlichen bei Varianten in Einzelheiten: ein Rückholanspruch gegen den Zuwendungsempfänger wird gewährt, wenn der Empfänger die Benachteiligungsabsicht des Schuldners kennt, was bei Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit vermutet wird. Nur das englische Recht macht eine Ausnahme für Ansprüche gegen den Ersterwerber, der per se als bösgläubig gilt. Dass der Zuwendungsempfänger eine volle Gegenleistung erbracht hat (die aber trotzdem zur Verkürzung der Masse geführt hat, weil sie so nicht berechtigt war), lässt den Rückholanspruch in allen drei Rechten unberührt. IV. Zeitliche Grenzen Im Vergleich hat sich ein recht buntes und vielgestaltiges Bild gezeigt, ob und welche zeitlichen Grenzen für vollstreckungsrechtliche Rückholansprüche gelten sollen. Im deutschen Recht ist eine Vorsatzanfechtung möglich, wenn die angefochtene Handlung bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bzw. bei gerichtlicher Geltendmachung der Anfechtung noch nicht länger als zehn Jahre zurückliegt. Maßgeblich ist insoweit grds. der dingliche Vollzug eines Rechtsgeschäfts und nicht bereits die schuldrechtliche Verpflichtung. 872 Es kommt darauf an, dass die Handlung bereits rechtliche Wirkungen entfaltet hat. Bei unentgeltlichen Leistungen besteht die Anfechtungsmöglichkeit vier Jahre lang, 873 bei Deckungshandlungen und unmittelbar nachteiligen Rechtsgeschäften hingegen 870 

Siehe S. 184. Siehe S. 189. 872  Siehe S. 153. 873  Siehe S. 159. 871 

Teil 3 – E. Rechtsvergleich

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nur drei Monate. Es obliegt jeweils dem Anfechtungsgegner nachzuweisen, dass das Rechtsgeschäft tatsächlich schon länger zurückliegt. Die Vermutung der Benachteiligungsabsicht bei Rechtsgeschäften mit nahestehenden Personen gilt für alle Handlungen innerhalb von zwei Jahren vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bzw. gerichtlicher Geltendmachung der Anfechtung. 874 Für die englische transaction defrauding creditors wurde lange Zeit vertreten, dass eine Rückabwicklung zeitlich unbegrenzt zulässig sei. Der Court of Appeal greift insoweit jedoch auf den Limitation Act 1980 zurück mit der Folge, dass grds. eine zwölfjährige bzw. sechsjährige Verjährungsfrist zur Anwendung kommt.875 Die Verjährung beginnt für den Insolvenzverwalter erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu laufen, so dass er theoretisch auch noch viele Jahrzehnte zurückliegende Handlungen angreifen kann.876 Die Anfechtung einer transaction at an undervalue ist andererseits nur möglich, wenn die angefochtene Handlung in dem Zeitpunkt, in dem ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wird, nicht länger als fünf Jahre zurückliegt. 877 Die preference-Anfechtung entfaltet hingegen eine Rückwirkung von maximal zwei Jahren bzw. sechs Monaten. In Frankreich gilt für die action paulienne eine fünfjährige Verjährungsfrist. Sie beginnt, wenn der Gläubiger Kenntnis von den Umständen erlangt hat, die eine Erhebung einer action paulienne rechtfertigen. Unabhängig von dieser Kenntnis verjährt sie, wenn seit der angegriffenen Handlung mehr als 20 Jahre vergangen sind.878 Für die besonderen insolvenzrechtlichen Anfechtungstatbestände ist die sog. période suspecte von großer Bedeutung. Die période suspecte beginnt mit der Einstellung der Zahlungen durch den Schuldner (cessation des paiements). Der Zeitpunkt, zu dem der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat, wird durch das Insolvenzgericht bestimmt und kann bis zu 18 Monate vor dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses liegen. 879 Bei unentgeltlichen Rechtsgeschäften kann die 18 Monatsfrist unter bestimmten Voraussetzungen um weitere sechs Monate verlängert werden. Es ist wenig verwunderlich, dass die Fristen nicht einheitlich ausfallen, ­sondern zwischen drei Monaten und zwanzig Jahren variieren. Nationale Traditionen und Präferenzen spielen hier, ähnlich wie bei der Verjährung, eine erhebliche Rolle. Übereinstimmung besteht allerdings darin, dass die untersuchten Rechte keine einheitliche Frist, sondern ein sehr differenziertes Fristen­ geflecht für die unterschiedlichen Anfechtungssituationen vorsehen. Einheitlich ist hier aber der Gedanke, dass die Frist für die Rückholung unentgeltlicher 874 

Siehe S. 156. Siehe oben S. 170. 876  Siehe oben S. 170. 877  Siehe oben S. 173. 878  Siehe oben S. 185. 879  Siehe oben S. 190 f. 875 

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

Verfügungen kürzer sein sollte als für den „clawback“ bei Benachteiligungs­ absicht und dass sie noch kürzer sein sollte, wenn bloße Vorrechte eingeräumt wurden.

Zusammenfassung zu Kapitel II Rechtsvergleichend und rechtsgebietsübergreifend ist zunächst festzuhalten, dass die untersuchten Rechtsordnungen Rückholansprüche übereinstimmend im Familien-, Erb- und Vollstreckungsrecht kennen und sie an recht ähnliche Voraussetzungen binden. Zum einen gewähren sie (überwiegend) einen solchen Anspruch, wenn der Empfänger und Anspruchsgegner unentgeltlich Gegenstände aus dem Vermögen des Verfügenden erhalten hat. Zum andern lassen sie einen Anspruch (überwiegend) zu, wenn der Verfügende in der Absicht gehandelt hat, denjenigen zu benachteiligen, in dessen Interesse das Vermögen zusammengehalten werden sollte. Grundsätzlich soll der Empfänger dann nur haften, wenn er diese Absicht kannte. Ferner muss die Verfügung des ursprünglichen Rechtsinhabers sein Vermögen im Wert real vermindern. Prinzipiell nehmen die untersuchten Rechte den gutgläubigen, entgeltlichen Erwerber („equity’s darling“) von jeder Rückholhaftung aus. Im Übrigen regeln die drei Rechtsordnungen die Einzelheiten der Anspruchs­ voraussetzungen aber mit vielen voneinander abweichenden Facetten und zum Teil auch in intern wenig kohärenter Weise. Die Anspruchsvoraussetzungen variieren häufig, je nachdem, ob der Anspruch im Familien-, Erb- oder Vollstreckungsrecht angesiedelt ist, obwohl die Problemlage identisch ist und keine Sachnotwendigkeiten des jeweiligen Gebiets erkennbar sind, die eine Differenzierung zwingend erfordern. Im Vergleich lässt sich sagen, dass das englische Recht, aufs Ganze gesehen, die restriktivsten Anspruchsvoraussetzungen aufstellt. Mit Ausnahme der Anfechtung einer undervalue transaction ist stets der Nachweis einer Beeinträchtigungsabsicht beim Schuldner erforderlich. In der Praxis bereitet dieser Nachweis erhebliche Schwierigkeiten, was das englische Recht durch einige Vermutungen aufzufangen sucht. Das französische Recht begnügt sich hingegen meist mit einer rein objektiv zu bestimmenden Vermögensminderung. Eine Ausnahme bildet insoweit lediglich die action paulienne, die auch die Vorsatzanfechtung einschließt. Das deutsche Recht setzt sich hingegen etwa zu gleichen Teilen aus Vorschriften zusammen, die eine Beeinträchtigungsabsicht erfordern, und solchen, die einen unentgeltlichen Vermögensabfluss ausreichen lassen. Dass diese Differenzierung aus Gründen erforderlich ist, die im Familien-, Erb- oder Vollstreckungsrecht liegen, ist nicht erkennbar. Besondere Vielfalt und Uneinheitlichkeit zeichnet den Komplex der Fristen aus, innerhalb derer Rückholansprüche geltend gemacht werden müssen. So

Teil 3 – E. Rechtsvergleich

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sticht die Besonderheit des französischen Rechts heraus, dass es mit Ausnahme der Insolvenzanfechtung an sich eine zeitlich unbegrenzte Rückwirkung zulässt. Etwas abgemildert wird dieser Befund dadurch, dass in Frankreich überwiegend ein strenges Posterioritätsprinzip gilt, 880 also die zeitlich zuletzt erfolgten Handlungen zuerst angegriffen werden müssen. Zeitlich lange zurückliegende Schenkungen werden im Erbrecht hingegen oft noch durch die quotité disponible abgedeckt. In Deutschland findet mit Ausnahme des §  2287 BGB eine Höchstfrist von zehn Jahren Anwendung, im Insolvenzrecht gelten zudem teilweise noch wesentlich kürzere Fristen (4 Jahre für die Schenkungsanfechtung, 3 Monate für die besonderen Insolvenzanfechtungen). Im englischen Erbrecht gilt eine vergleichsweise kurze Sechs-Jahresfrist, 881 und im Familienrecht greift drei Jahre lang die Vermutung einer Beeinträchtigungsabsicht, aber keine zeitliche Höchstgrenze. Ebenfalls keine Ausschlussfrist kennt sec.  423 IA, jedenfalls wenn die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter erfolgt. Die anderen insolvenzrechtlichen Rechtsbehelfe unterliegen hingegen Ausschlussfristen von fünf Jahren bzw. von zwei Jahren/sechs Monaten. In der Tendenz lässt sich immerhin feststellen, dass für die Rückholansprüche, die eine Benachteiligungsabsicht zur Voraussetzung haben, längere Fristen gelten.

880 

Siehe S. 214 u. 231. von sec.  11 Inheritance Act erfassten Verträge zeichnen sich dadurch aus, dass sie jeweils noch nicht vollzogen wurden und deshalb auch im deutschen Recht eine Frist noch nicht zu laufen begonnen hätte. 881  Die

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Kapitel II:  Voraussetzungen des Rückholanspruchs

Übersicht zu Kapitel II Familienrecht

Vollstreckungsrecht

§  1390 I BGB Unentgelt. Zuwendung Beeinträchtigungsabsicht 10 Jahresfrist

§  3 AnfG/§  133 InsO Handlung Beeinträchtigungsabsicht Vermutung nahestehender Person (2 Jahre) Kenntnis Dritter 10 bzw 4 Jahresfrist

§  2329 BGB Schenkung 10 Jahresfrist (Abschmelzung, Genußverzicht)

§  1390 II BGB Handlung Beeinträchtigungs­ absicht Kenntnis Empf 10 Jahresfrist

§  4 AnfG/ §  134 InsO Unentgeltliche Leistung 4 Jahresfrist

Sec.  10 InhA Disposition Beeinträchtigungsabsicht 6 Jahresfrist

Sec.  37 MCA Disposition Beeinträchtigungs­ absicht Vermutung 3 Jahre Ausn: equity’s darling Keine Frist

Sec.  423 IA Undervalue transaction Beeinträchtigungsabsicht 6/12 Jahresfrist Gläubiger/ InsVer keine Frist

Erbrecht Deutschland §  2287 BGB Schenkung Beeinträchtigungsabsicht Keine Frist

England

Frankreich

Sec.  11 InhA Contract Beeinträchtigungsabsicht Vermutung (no valuable cons.) Keine Frist

Sec.  339 IA Undervalue transaction Zahlungsunfähigkeit im Handlungszeitpunkt Vermutung associate 5 Jahre Frist

Art.  1083 C.c. Art.  1577 C.c. Disposition gratuit Donation Keine Frist Keine Frist

Art.  1341-2 C.c. acte d’appauvrissement Beeinträchtigungsabsicht Kenntnis Dritter bei entgeltl. Geschäften 5 bzw. 20 Jahre Frist

Art.  918 ff. C.c. Donation Keine Frist

Art. L. 632 ff. C. com. Handlung nach Art. L. 632-1 Periode suspecte (18 Monate + 6 Monate)

Art.  1577 C.c. Alienation frauduleuse Bösgl. Gatte u. Dritter Vermutung Keine Frist

Kapitel III

Anspruchsgegner Wie in den beiden vorangehenden Kapiteln gesehen, erlaubt ein Rückholanspruch dem Berechtigten im Grundsatz, bestimmte Gegenstände – oder ihren Wert – von einem Dritten herauszuverlangen, ohne dass ein vertragliches, außervertragliches oder dingliches Rechtsverhältnis zwischen dem Berechtigten und dem Dritten besteht. Grund für die Anspruchsberechtigung ist vielmehr, dass der ursprüngliche Rechtsinhaber sein Vermögen, das im Interesse des Berechtigten zusammenbleiben soll, durch eine Verfügung zugunsten des Dritten ungerechtfertigt verkürzt hat. Grundsätzlich ist also der Dritte der Anspruchsgegner. Trotz dieser scheinbaren Eindeutigkeit sind drei unterschiedliche Pro­ blemkreise mit der Frage nach dem richtigen Anspruchsgegner verbunden, die hier untersucht werden müssen. Zum einem muss überlegt werden, inwieweit ein Rückgriff beim Zuwendungsempfänger eine vorherige Inanspruchnahme des Schuldners/Erblassers/Ehegatten voraussetzt. Inwieweit ist der Rückgriff beim Beschenkten subsidiär? Zum anderen soll der Frage nachgegangen werden, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen auf Personen zugegriffen werden kann, die den streitbefangenen Gegenstand nicht direkt vom Schuldner/Erblasser/Ehegatten selbst erhalten haben, sondern erst infolge einer längeren Erwerbskette als Zweit-, Dritt- oder Vierterwerber oder -beschenkter in seinen Besitz gelangt sind. Hier geht es um die Fernwirkung des Rückholanspruches. Schließlich kommt es in der Praxis häufig vor, dass der Schuldner nicht nur eine angreifbare Zuwendung getroffen hat, sondern dass er eine Vielzahl von Zuwendungen an unterschiedliche Personen vorgenommen hat. Wie mit einer Mehrzahl von Anspruchsgegnern umzugehen ist, ob der Berechtigte ein freies Wahlrecht besitzt oder ob er bei der Inanspruchnahme eine bestimmte (zeitliche) Reihenfolge beachten muss sowie ob die Anspruchsgegner untereinander Ausgleichansprüche geltend machen können, sind Probleme und Fragen, die ebenfalls in diesem Kapitel thematisiert werden sollen.

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Kapitel III:  Anspruchsgegner

Teil 1: Erbrecht A. Deutschland I. Erbverträge 1. Subsidiarität des Rückholanspruches In allen Konstellationen des Missbrauchs der Verfügungsmacht ist das Verhältnis der Ansprüche des Berechtigten gegen den Verfügenden zu den Ansprüchen gegen den Beschenkten von zentraler Bedeutung. Bei §  2287 BGB hat der Gesetzgeber diese Frage zulasten des Beschenkten aufgelöst. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass der Verfügende nach seinem Tode als Rechtssubjekt nicht mehr vorhanden ist und ein eventueller Anspruch gegen seinen Rechtsnachfolger durch Konfusion erlischt, wenn der Vertragserbe oder die Vertragserben als Alleinerbe(n) eingesetzt wurde(n). Schließlich ist es ja die häufige Folge des Erbvertrages, dass der Berechtigte Erbe und damit Rechtsnachfolger des Verfügenden wird. In dieser Konstellation stellt sich die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis daher erst gar nicht. Anders verhält es sich allerdings, wenn dem Vertragserben nur eine bestimmte Quote oder ein bestimmter Anteil des Nachlasses oder ein Vermächtnis zugewandt worden ist. Hier wäre durchaus Raum für Ergänzungsansprüche gegen die Miterben, entsprechend der Regelung in §  2325 BGB. In den Protokollen zum BGB findet sich dazu der Antrag, einen §  1952a (=§  2287a) BGB mit folgendem Wortlaut einzufügen: „Ist der Vertragserbe auf einen Bruchteil der Erbschaft eingesetzt, so kann er, wenn der Erblasser nach der Schließung des Erbvertrages in der Absicht, das Recht des Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht hat oder eine Verbindlichkeit eingegangen ist, Ersatz der dadurch verursachten Minderung seines Erbteils von den Miterben nach den für die Ausgleichung unter Miterben geltenden Vorschriften verlangen. Die Vorschriften des §  1952 BGB (jetzt §  2287 BGB) finden in diesem Falle nur insoweit Anwendung, als der Vertragserbe nicht von den Miterben Ersatz zu verlangen vermag.“1

In den Protokollen ist hierzu weiterhin nur vermerkt, dass sich die 2. Kommission nicht davon überzeugen konnte, dass für eine solche Spezialbestimmung ein Bedürfnis bestehe, und deshalb die Anträge ablehnte.2 Dabei wurde jedoch anerkannt, dass die Frage, „ob nicht das Verhältnis des Vertragserben zu den Miterben von der Art sei, dass diese ihm vor dem Beschenkten hafteten“, nun-

1  Mugdan, Die gesamten Materialen zum Bürgerlichen Gesetzbuch V, S.  743 f. Ein anderer Vorschlag wollte für die Ausgleichung unter Miterben jede Verfügung über einen Gegenstand in Beeinträchtigungsabsicht ausreichen lassen und nicht zusätzlich noch das Vorliegen einer Schenkung verlangen. Siehe auch den weiteren Antrag zur Einfügung eines §  2153 BGB, s. Mugdan, Die gesamten Materialen zum Bürgerlichen Gesetzbuch V, S.  744. 2  Mugdan, Die gesamten Materialen zum Bürgerlichen Gesetzbuch V, S.  744.

Teil 1 – A. Deutschland

203

mehr offenbleibe.3 Aus heutiger Perspektive muss diese Frage verneint werden. Weder stehen dem Vertragserben im Regelfall Ausgleichsansprüche gegen seine Miterben zu4 noch wäre er verpflichtet, diese vorrangig geltend zu machen, ehe er sich nach §  2287 BGB an den Beschenkten wendet. Zur Veranschaulichung soll folgendes Beispiel dienen: Der ledige und kinderlose Erblasser E schließt mit seinem Cousin C einen Erbvertrag ab, in welchem er ihm im Gegenzug für Pflegeleistungen die Hälfte seines Vermögens verspricht. Die andere Hälfte soll aufgrund gesetzlicher Erbfolge an seinen Bruder (B) gehen. Kurz vor seinem Tode kommt es zwischen E und C zum Streit, weshalb E in Beeinträchtigungsabsicht den Großteil seines Vermögens (insgesamt 1.000.000  €) an seinen Nachbarn D verschenkt. Nach dem Tode des E beträgt der Wert des Nachlasses nur noch 100.000  €. Aufgrund dieser Schenkungen stehen C keine Ansprüche gegen B zu, wohl kann er aber gem. §  2287 BGB gegen D vorgehen.5

Der Gesetzgeber hat sich bewusst gegen vorrangige Ausgleichsansprüche des Vertragserben gegen eventuelle Miterben entschieden und damit dem Anspruch gegen den Beschenkten eine stärkere Position eingeräumt, als das bspw. im Rahmen der Pflichtteilsergänzungsansprüche der Fall ist. 6 2. Fernwirkungen Inwieweit ein Vertragserbe auch Personen in Anspruch nehmen kann, die ihrerseits das Geschenk unentgeltlich vom ursprünglich Beschenkten erhalten haben, war lange Zeit umstritten. Das Ergebnis hing davon ab, ob der in §  2287 BGB enthaltene Verweis auf die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts auch §  822 BGB mit einschließt.7 Ein Teil der Lehre lehnte eine Anwendung des §  822 BGB mit dem Argument ab, diese Vorschrift regele nicht nur den Umfang der geschuldeten Herausgabe, sondern enthalte eine eigene, selbständige Anspruchsgrundlage. 8 Der BGH entschied sich im Jahre 2013 hingegen für eine Anwendung des §  822 BGB.9 Im Rahmen einer Abwägung sei der Vertrags- bzw. Schlusserbe schutzwürdiger als der unentgeltliche Erwerber. Auch müsse verhindert werden, dass die Durch3 

Mugdan, Die gesamten Materialen zum Bürgerlichen Gesetzbuch V, S.  744. Siehe hierzu S.  206 ff. 5  C kann jedoch nur insoweit von D Herausgabe des Geschenks verlangen, als er durch die Schenkung beeinträchtigt ist. Ohne die Schenkung hätte er insgesamt 550.000  € erhalten. C hat daher gegen D einen Anspruch in Höhe von 500.000  €. Das restliche Geld kann D behalten, da B als gesetzlicher Erbe nicht durch §  2287 BGB geschützt wird. 6 Siehe S.   206 ff., vgl. auch die Regelung zugunsten eines Vermächtnisnehmers in §  2288 BGB. 7  Dafür MüKoBGB/Musielak §  2 287 BGB Rn.  21; Fleischmann, Lebzeitige Verfügungsfreiheit bei erbrechtlicher Bindung und Pflichtteilsberechtigung, S.  206; Frieser FS Picker, S.  249, 262; dagegen Staudinger/Kanzleiter §  2287 BGB Rn.  26; MüKoBGB/Schwab §  822 Rn.  2 ff. 8 Staudinger/Kanzleiter §  2 287 BGB Rn.  26. 9  BGH FamRZ 2014, 200; krit. dazu R. Magnus LMK 2014, 354195. 4 

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Kapitel III:  Anspruchsgegner

setzbarkeit des Anspruches aus §  2287 BGB davon abhänge, dass sich das Geschenk noch beim ursprünglich Beschenkten befinde und dadurch einem Missbrauch Tür und Tor geöffnet werde. Schließlich finde §  822 BGB nach ständiger Rechtsprechung auch auf den Rückforderungsanspruch des Schenkers nach §  528 BGB Anwendung.10 Problematisch ist dabei allerdings, dass so de facto eine quasidingliche Berechtigung an bestimmten Nachlassgegenständen konstruiert wird, obwohl §  2287 BGB von vornherein nur eine Werthaltigkeit des Nachlasses insgesamt schützen kann und soll und nicht eine bestimmte gegenständliche Zusammensetzung. Zudem können durch die Weiterübertragung der Nachlassgegenstände Wert- bzw. Schadensersatzansprüche gegen den ursprünglich Beschenkten (§§  2287, 818 Abs.  2 BGB bzw. §§  2287, 819, 818 Abs.  4, 292, 989, 990 BGB) entstehen, wenn diesem der Entreicherungseinwand (§  818 Abs.  3 BGB) wegen eigener Bösgläubigkeit abgeschnitten ist (§§  819, 818 Abs.  4 BGB). Durch die Anwendung des §  275 BGB auch im Bereicherungsrecht kommt der BGH dazu, die Voraussetzungen für einen Rückgriff auf einen Zweit- oder Drittbeschenkten über §  822 BGB immer dann als gegeben anzusehen, wenn das Geschenk nicht mehr in natura herausgegeben werden kann.11 Ein Ergebnis, das aus vielerlei Gründen bedenklich ist. Ein Rückgriff beim Zweitbeschenkten könnte aus Wertungsgründen auch dann zu überlegen sein, wenn der ursprünglich Beschenkte insolvent oder nicht mehr greifbar ist. Eine entsprechende Anwendung des §  822 BGB haben die Rechtsprechung und die herrschende Ansicht in der Literatur zumindest im Rahmen des §  2329 BGB aber abgelehnt.12 Zu beachten ist ferner, dass der Anspruch aus §  2287 BGB keine Ausschlussfrist kennt und in Kombination mit der über §  822 BGB erreichten Fernwirkung eine Rückabwicklung von Schenkungen ermöglichen würde, die zeitlich und personell vom ursprünglichen Erbvertrag doch sehr weit entfernt liegen. Beispiel: Erblasser E schließt mit V im Jahre 1975 einen Erbvertrag ab, durch den er V sein gesamtes Vermögen verspricht. Bereits ein Jahr später verschenkt er allerdings in Beeinträchtigungsabsicht ein Grundstück an A. A wiederum verschenkt das Grundstück kurze Zeit später an B, der von dem Erbvertrag und der Beeinträchtigungsabsicht keine Kenntnis hat. B nutzt das Grundstück im Rahmen seiner allgemeinen Lebensführung und errichtet darauf ein Haus und einen Gewerbebetrieb. Im Jahre 2010 stirbt B und seine Tochter T übernimmt als Alleinerbin Haus, Grundstück und Gewerbebetrieb. Während einer Krisenzeit muss T zur Rettung des Unternehmens bei der Bank H Kredite aufnehmen und bestellt dafür als Sicherheit eine erstrangige Hypothek am Grund10 

BGH FamRZ 1989, 595; FamRZ 2004, 691. BGH FamRZ 2014, 200; m. Anm. R. Magnus LMK 2014, 354195. 12 BGH NJW 1969, 605, 606; NJW 2003, 1445, 1446; MüKoBGB/Schwab §   822 BGB Rn.  17 mwN; a. A. (für eine analoge Anwendung des §  822 BGB) Knütel NJW 1989, 2504, 2508; de lege ferenda für eine solche Möglichkeit auch Staudinger/Lorenz §  822 BGB Rn.  11 jeweils mwN. 11 

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stück. Zudem unterwirft sie sich durch notarielle Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung (§  794 Nr.  5 ZPO). Als E 2016 mit inzwischen 106 Jahren stirbt, verlangt V von T gem. §§  2287, 822 BGB das Grundstück heraus.

Nach der Rechtsprechung des BGH müsste einer solchen Klage des V stattgegeben werden. Ein Anspruch des V gegen A nach §  2287 BGB bestand ohne Frage und richtete sich nach der weiteren Schenkung über §  822 BGB auch gegen B. T muss als Erbin des B gem. §§  1922, 1967 BGB für diesen Anspruch einstehen. Eine zeitliche Ausschlussfrist kennt der Anspruch aus §  2287 BGB nicht. Die Verjährung begann nach §  2287 Abs.  2 BGB vielmehr erst mit dem Tode des E im Jahre 2016 zu laufen. Auf Entreicherung (§  818 Abs.  3 BGB) kann sich T nicht berufen, da das Grundstück noch ohne Weiteres unterscheidbar in ihrem Vermögen vorhanden ist. Auch dass auf dem Grundstück mittlerweile ein Haus und ein Gewerbebetrieb errichtet wurden, macht die Herausgabe nicht i. S. d. §  275 BGB unmöglich. T wird insoweit aber u. U. die Möglichkeit haben, von einem Wegnahmerecht nach §  997 BGB analog Gebrauch zu machen,13 was ihr allerdings nur wenig weiter hilft. H bleibt hingegen, auch nach der Rückübertragung des Grundstückes auf V, Inhaberin der Hypothek. Die Hypothek war wirksam von der Eigentümerin T bestellt worden und haftet als dingliches Recht dem Grundstück unmittelbar an. Da H die Hypothek auch nicht unentgeltlich i. S. d. §  822 BGB erhalten hat, kommt eine Inanspruchnahme durch V gem. §§  2287, 822 BGB nicht in Betracht. Durch die eventuelle Beseitigung des Hauses und die Entfernung des Gewerbebetriebs infolge der Rückgabe an V würde allerdings auch die der Hypothek zur Verfügung stehende Haftungsmasse (§  1120 BGB) erheblich geschmälert. Zudem wirkt auch die notariell beurkundete Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (§  794 Nr.  5 ZPO) grds. nur im Verhältnis zu T.14 Will die Bank H bei ausbleibenden Zahlungen der T aus der Hypothek gegen V vorgehen, muss sie daher zunächst Klage erheben und ein gerichtliches Urteil erstreiten, womit ein nicht unerheblicher Mehraufwand verbunden ist. Insgesamt spricht doch deutlich mehr dafür, sowohl den Rückholanspruch zeitlich anders als nur durch die Verjährung nach dem Tod des Erblassers zu begrenzen als auch die Rückholmöglichkeit in der Weiterverfügungskette zu beschränken.

13  Für die analoge Anwendung der §§  987 ff. BGB siehe BGH NJW 1980, 1789, 1790. Allerdings fällt weder die Errichtung des Hauses noch die Ausübung des Gewerbebetriebes unter den engen Verwendungsbegriff des BGH, weshalb T auch kein Verwendungsersatzanspruch nach §  994 BGB oder ein Zurückbehaltungsrecht nach §  1000 BGB analog zusteht (vgl. BGH NJW 1953, 1446). Es bleibt daher nur noch das Wegnahmerecht aus §  997 BGB, das für T freilich eher Kosten als Nutzen bedeuten und das sie deshalb kaum ausüben dürfte. 14  Eine Ausnahme ermöglicht §  8 00 ZPO, der allerdings eine Eintragung der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung im Grundbuch erfordert.

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3. Mehrere Beschenkte Hat der Erblasser gleich mehrere, den Nachlass schmälernde Schenkungen vorgenommen, steht dem Vertragserben grundsätzlich die freie Wahl zu, gegen welche Verfügung er nach §  2287 BGB vorgehen möchte. Er ist dabei auch nicht verpflichtet, etwa die zeitlich zuletzt erfolgte Verfügung zuerst anzugreifen. Die Ansprüche aus §  2287 BGB bestehen gegen jeden Beschenkten separat und unabhängig voneinander. Beispiel: Erblasser E setzt seine Lebensgefährtin A in einem wirksamen Erbvertrag als Erbin der Hälfte seines im Todeszeitpunkt vorhandenen Vermögens ein. Zum Erben der anderen Hälfte seines Vermögens setzt E testamentarisch seinen Schulfreund F ein. Sechs Monate vor seinem Tode schenkt E jedoch jeweils in Beeinträchtigungsabsicht seinem Bruder B 250.000  € und weitere drei Monate später noch einmal 250.000  € seiner Schwester S. Im Todeszeitpunkt ist noch Vermögen im Wert von 500.000  € vorhanden. Bei Hinzurechnung der beiden Schenkungen hätte A Vermögen in Wert von 500.000  € erhalten, nun beträgt ihr Anteil nur 250.000  €. Durch die Verfügungen des E wurde sie daher objektiv in ihren Rechten aus dem Erbvertrag beeinträchtigt. Sie hat daher die Wahl, ob sie gem. §  2287 BGB gegen S oder gegen B vorgeht und Rückzahlung des Geschenks verlangt. Ein Anspruch gegen F besteht hingegen nicht, da A vertraglich nur zur Erbin der Hälfte des Vermögens eingesetzt wurde. Die andere Hälfte der noch beim Erbfall vorhandenen 500.000  € steht rechtmäßig F zu.

Verlangt A von B Zahlung, ist fraglich, ob B ein Rückgriffsanspruch gegen S auf anteilige Beteiligung an der Kompensation der A zusteht. Dies wäre dann der Fall, wenn B und S als Gesamtschuldner anzusehen wären. Ob die Voraussetzungen einer Gesamtschuld hier allerdings vorliegen, ist umstritten.15 II. Pflichtteilsrecht 1. Subsidiarität des Rückholanspruches Der Pflichtteilsberechtigte kann den Beschenkten nach §  2329 BGB nur in Anspruch nehmen, „soweit der Erbe zur Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet ist“. Die Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten gegen die Erben gehen dem Anspruch aus §  2329 BGB vor und verdrängen diesen grundsätzlich. Nur soweit im Einzelfall ein Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht durchgreift, kann auf den Beschenkten zugegriffen werden. Oft zitiert wird in diesem Zusammenhang auch die Formulierung von Edenhofer, „die Haftung des Beschenkten setze da ein, wo die Zahlungsverpflichtung des Erben aufhöre.“16 Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied zu §  2287 BGB.17 Der Erbe ist unproblematisch dann nicht zur Pflichtteilsergänzung verpflichtet, wenn nachweislich kein Nachlass vorhanden oder der Nachlass überschul15 

Siehe hierzu den Meinungsstand zur vergleichbaren Situation bei §  1390 BGB auf S.  226. Palandt/Weidlich §  2329 BGB Rn.  2. 17  Siehe S. 202. 16 

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det ist.18 Hiermit gleichgestellt sind Fälle, in denen der Erbe seine Haftung beschränkt hat oder die Dürftigkeitseinrede erhebt (§§  1975 ff., 1990 f., 2060 BGB, §  327 InsO).19 Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch und damit auch ein Anspruch aus §  2329 BGB entsteht in dieser Konstellation nur, wenn durch Hinzurechnung der Schenkung ein Aktivnachlass ermittelt werden kann.20 Bleibt der Nachlass weiterhin negativ, kommen weder Pflichtteils- noch Ergänzungsansprüche in Betracht. Die Subsidiarität von §  2329 BGB wird schließlich auch dann aufgehoben, wenn ein selbst pflichtteilsberechtigter Erbe eine Pflichtteilsergänzung nach §  2328 BGB verweigert, um sein eigenes Pflichtteilsrecht zu schützen.21 Hier kann der Berechtigte stattdessen auf den Beschenkten zugreifen. Wie weit die Subsidiarität des §  2329 BGB jedoch genau reicht und wann sie aufgelöst werden kann, ist in zwei Fallgruppen umstritten. Zum einen ist fraglich, ob bereits das Bestehen einer Einrede oder Haftungsbeschränkungsmöglichkeit für den Erben ausreicht, um den Beschenkten in Anspruch nehmen zu können, oder ob der Erbe von diesen rechtlichen Möglichkeiten auch tatsächlich Gebrauch gemacht haben muss.22 Zum anderen besteht Streit darüber, ob §  2329 BGB zur Anwendung kommen soll, wenn der Anspruch gegen den Erben aus tatsächlichen Gründen nicht durchsetzbar ist, weil dieser insolvent oder sonst nicht greifbar ist.23 Die herrschende Meinung lehnt im letzteren Fall einen Rückgriff auf den Beschenkten ab und stützt sich hierfür zum einen auf den Wortlaut von §  2329 BGB („nicht verpflichtet ist“) sowie auf die Überlegung, dass es nicht interessengerecht wäre, das Risiko der Insolvenz des Erben nicht den Pflichtteilsberechtigten, sondern den Beschenkten tragen zu lassen.24 Wie §  2329 Abs.  1 S.  2 BGB klarstellt, besteht ein Ergänzungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Beschenkten auch dann, wenn der Pflicht18  BGH FamRZ 1968, 150; NJW 1974, 1327; ZEV 2000, 274; Staudinger/Olshausen §  2329 BGB Rn.  7; MüKoBGB/Lange §  2329 BGB Rn.  7. 19 Staudinger/Olshausen §  2329 BGB Rn.  7; Bamberger/Roth/Litzenburger §  2 287 BGB Rn.  9 mwN. 20 Staudinger/Olshausen §  2329 BGB Rn.  7; MüKoBGB/Lange §  2329 BGB Rn.  7. Beispiel: Der Nachlass ist mit 200.000  € überschuldet. Vor seinem Tode hat der Erblasser Schenkungen in Höhe von 150.000  € vorgenommen. Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch besteht nicht, da auch bei Hinzurechnung der Schenkungen der Nachlass überschuldet bliebe. Möglicherweise können die Schenkungen aber nach dem AnfG oder den §§  129 ff. InsO angefochten werden. 21  Bamberger/Roth/Litzenburger §  2 287 BGB Rn.  9 mwN. 22 Für das Ausreichen der bloßen Möglichkeit Pentz MDR 1998, 132, 133; Soergel/ Dieckmann §  2329 BGB Rn.  7; Kipp/Coing, Erbrecht, §  13 VI 2; Palandt/Weidlich §  2329 BGB Rn.  2; dagegen OLG Zweibrücken NJW 1977, 1825; Lenz/Riedel ZErb 2002, 4, 5 f.; Staudinger/­ Olshausen §  2329 BGB Rn.  9; Erman/Röthel §  2329 BGB Rn.  1. 23  Dafür Staudinger/Olshausen §  2329 BGB Rn.  10; Kipp/Coing, Erbrecht, §  13 VI 2; dagegen OLG Schleswig OLGR 1999, 369; Bamberger/Roth/G. Müller §  2329 BGB Rn.  10 f.; Lenz/Riedel ZErb 2002, 4, 7 f.; Pentz MDR 1998, 132, 133; Burandt/Stöckel §  2329 BGB Rn.  2; Soergel/Dieckmann §  2329 BGB Rn.  8; Erman/Röthel §  2329 BGB Rn.  1. 24  OLG Schleswig OLGR 1999, 369, 370.

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teilsberechtigte Alleinerbe geworden ist (vgl. §  2326 BGB). In diesem Fall richtet sich der Anspruch von vornherein gegen den Beschenkten, da Ansprüche gegen den Erben aufgrund von Konfusion ausscheiden.25 2. Fernwirkungen Nach herrschender Ansicht schließt die Verweisung in §  2329 Abs.  1 BGB auf das Bereicherungsrecht auch §  822 BGB mit ein.26 Der Pflichtteilsberechtigte kann also auch Ansprüche gegen einen Dritten geltend machen, der seinerseits das Geschenk unentgeltlich vom ursprünglich Beschenkten erhalten hat. Aus diesem Grunde liegt es auch nahe, die vom BGH bei §  2287 BGB entwickelten Grundsätze auf §  2329 BGB zu übertragen.27 Im Unterschied zur Rechtslage bei §  2287 BGB stellt sich aber zudem die Frage, wie die Vorschrift des §  2325 Abs.  3 BGB, die eine ratierliche Abschmelzung des Anspruchs im Jahresrythmus vorsieht, bei hintereinandergeschalteten Schenkungen auszulegen ist. Beispiel: Erblasser E schenkt ein Grundstück im Wert von 1.000.000  €, das den größten Teil seines Vermögens ausmacht, im Jahre 2000 seiner Ehefrau F. F verschenkt das Grundstück kurz darauf weiter an ihren Bruder B. Im Jahre 2015 verstirbt E. Seine Kinder aus einer früheren Ehe machen Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen B nach §§  2325, 2329, 822 BGB geltend.

Wegen §§  2325 Abs.  3 S.  3 BGB hat der Fristablauf aufgrund der zwischen E und F bestehenden Ehe grds. noch gar nicht begonnen. Anspruchsgegner ist nun aber nicht F, sondern B und über §  822 BGB wird auch die zweite Schenkung F-B angegriffen, für die §  2325 Abs.  3 S.  3 BGB nicht greift. Stellt man auf den Vornahmezeitpunkt dieser Schenkung ab, scheiden Pflichtteilsergänzungsansprüche gem. §  2325 Abs.  3 S.  1 BGB aus. Für eine solche Lösung spricht auch, dass Gründe für die besondere Behandlung der Schenkung unter Ehegatten (weiterbestehende Nutzungsmöglichkeit, Gefahr missbräuchlicher Vermögensverschiebungen) für die zweite, anschließende Schenkung nicht greifen. 3. Mehrere Beschenkte (§§  2 325, 2329 Abs.  3 BGB) Für den Pflichtteilsergänzungsanspruch nach §  2325 BGB gegen den Erben kommt es nicht darauf an, ob eine oder mehrere Schenkungen erfolgt sind und in welcher zeitlichen Reihenfolge die Schenkungen vorgenommen wurden. Solange die zeitlichen Voraussetzungen des §  2325 Abs.  3 BGB eingehalten sind, 25  Erman/Röthel §  2329 BGB Rn.  1. Bei §  2 287 BGB wird diese Situation als Regelfall angesehen und daher gleich ein Anspruch gegen den Beschenkten gewährt. 26 OLG Hamm FamRZ 2011, 594; MüKoBGB/Lange §   2329 BGB Rn.  19; Staudinger/­ Olshausen §  2329 BGB Rn.  30; Bamberger/Roth/G. Müller §  2329 BGB Rn.  16; Soergel/ Dieckmann §  2329 BGB Rn.  21; offen dagegen BGH NJW 1981, 1446. 27  Siehe oben S. 203 ff.

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werden alle relevanten Schenkungen (anteilig) berücksichtigt und erhöhen den Ergänzungsanspruch des Berechtigten. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Berechtigte subsidiär auf den Beschenkten zugreift: §  2329 Abs.  3 BGB bestimmt, dass bei mehreren Beschenkten der früher Beschenkte nur haftet, soweit der später Beschenkte nicht verpflichtet ist. Es gilt also ein strenges Posterioritätsprinzip. Maßgeblich ist jeweils der Zeitpunkt, in dem die Schenkung vollzogen wurde.28 Für den Rückgriff auf den früher Beschenkten kommt es entscheidend darauf an, wann der später Beschenkte als „nicht verpflichtet“ i. S. d. §  2329 Abs.  3 BGB gilt. Die Inanspruchnahme des früher Beschenkten ist jedenfalls dann möglich, wenn der später Beschenkte sich mit Erfolg auf den Einwand der Entreicherung (§  818 Abs.  3 BGB) berufen kann. Teilweise wird zudem angenommen, auch ein erfolgloser Vollstreckungsversuch gegen den später Beschenkten ermögliche einen Rückgriff auf den früher Beschenkten,29 ein Standpunkt der von der Rechtsprechung und der überwiegenden Ansicht im Schrifttum allerdings nicht geteilt wird.30 Umstritten sind auch die Auswirkungen einer ratierlichen Abschmelzung im Verhältnis zwischen mehreren Beschenkten.31 Es geht dabei um die Frage, ob eine den Letztbeschenkten begünstigende Abschmelzung zu einer entsprechenden Belastung des Erstbeschenkten führt und einen Rückgriff ermöglicht. Diskutiert wird dieses Problem meist anhand folgenden Beispiels: 2005 schenkt E seiner Ehefrau F 100.000  € und 2010 seiner Geliebten G ebenfalls 100.000  €. Nach der Scheidung von F im Jahre 2015 verstirbt E und hinterlässt eine Tochter T, aber keinerlei Vermögen.

T hat als Alleinerbin einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 75.000  €,32 da wegen der Sondervorschrift des §  2325 Abs.  3 S.  2 BGB im Verhältnis zu F anders als im Verhältnis zu G noch keine Abschmelzung eingetreten ist. Es muss deshalb überlegt werden, ob G sich gegenüber dem Pflichtteilsergänzungsanspruch der T auf die ihr gegenüber eingetretene Abschmelzung in Höhe von 50 % berufen und T folglich in Höhe der noch übrigen 25.000  € auf F zugreifen kann. Nach einer Auffassung soll die Abschmelzung unberücksichtigt bleiben und T ihren Pflichtteilsergänzungsanspruch zur Gänze bei G be28  OLG Hamm NJW 1969, 2148; Bamberger/Roth/G. Müller §  2329 BGB Rn.  4; Soergel/ Dieckmann §  2329 BGB Rn.  23. 29 Staudinger/Olshausen §  2329 BGB Rn.  58. 30  BGH NJW 1955, 1185; Bamberger/Roth/G. Müller §  2329 BGB Rn.  5; Erman/Röthel §  2329 Rn.  2; Soergel/Dieckmann §   2329 BGB Rn.   24; differenzierend MüKoBGB/Lange §  2329 BGB Rn.  23 f. 31  Trappe Hereditare 1 (2011), 19; van Eymeren Hereditare 1 (2011), 31; Bamberger/Roth/­ G. Müller §  2329 BGB Rn.  5; Lange/Honzen ZErb 2011, 289, 292 ff. 32  Die Schenkung an F wird wegen der Sonderregelung in §  2325 Abs.  3 S.  2 BGB vollständig hinzugerechnet, die Schenkung an G wegen der inzwischen eingetretenen Abschmelzung aber nur zur Hälfte. Die Hälfte von 150.000  € sind 75.000  € (Pflichtteil).

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friedigen können. Hierfür spreche der Verweis in §  2329 BGB auf das Bereicherungsrecht und die fehlende Intention des Gesetzgebers, durch die Einführung der Pro-Rata-Regelung an der Risikoverteilung in §  2329 BGB etwas zu ändern.33 Die Gegenansicht sieht die Abschmelzung hingegen zu Recht als ein Haftungsprivileg an, das auch im Verhältnis zwischen mehreren Beschenkten durchschlage und die Verpflichtung des Letztbeschenkten in Höhe der Abschmelzung entfallen lässt. Nur so kann verhindert werden, dass die Ablaufsperre des §  2325 Abs.  3 S.  2 BGB plötzlich zum Nachteil des Letztbeschenkten ausschlägt.34 Auch würde es der gesetzgeberischen Intention entgegenlaufen, wenn die Höhe der Inanspruchnahme des Letztbeschenkten nicht vom Zeitablauf, sondern maßgeblich von dem Wert der zeitlich vorangehenden Schenkungen abhängig wäre. Beispiel: Erblasser E schenkt A im Jahre 2006 200.000  € und B einige Monate später 10.000  €. 2015 verstirbt E ohne Vermögen zu hinterlassen. Der für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs der alleinerbberechtigten Tochter T maßgebliche Wert der Erbschaft beträgt aufgrund der ratierlichen Abschmelzung nur noch 21.000  € (20.000  € Schenkung an A, 1.000  € Schenkung an B). T hat folglich einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 10.500  €.

Sieht man die Abschmelzung in §  2325 Abs.  3 S.  1 BGB hier nicht als ein auch im Verhältnis zwischen mehreren Beschenkten wirksames Haftungsprivileg an, müsste B aufgrund des strengen Posterioritätsprinzip in §  2329 Abs.  3 BGB sein gesamtes Geschenk in Höhe 10.000  € zurückzahlen und A nur noch für die restlichen 500  € aufkommen. Hätte E andererseits A nur 10.000  € geschenkt, würde sich der Anspruch gegen B auf 1.000  € beschränken, da T nur einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in dieser Höhe hätte. Die Höhe der Schenkung an A aber über den Umfang der Haftung des B entscheiden zu lassen, erscheint wenig sachgerecht und ist vom Gesetzgeber so auch nicht beabsichtigt gewesen.

B. England I. Subsidiarität des Rückholanspruches Mit dem Verhältnis von Ansprüchen gegen die Erben zu Ansprüchen gegen einen beschenkten bzw. durch einen contract to make a will begünstigten Dritten hat sich das Privy Council in dem Verfahren Schaefer v. Schuhmann ausführlich auseinandergesetzt.35 Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Wenige Monate vor seinem Tode versprach der Erblasser E seiner Haushälterin S formwirksam, ihr nach seinem Tode sein Haus (Wert ca. 15.000 Pfund) zu vermachen, wenn 33 

Trappe Hereditare 1 (2011), 19, 26 ff.; Trappe ZEV 2010, 388, 391. Bamberger/Roth/G. Müller §  2329 BGB Rn.  6; Lange/Honzen ZErb 2011, 289, 293 f.; van Eymeren Hereditare 1 (2011), 31, 33 ff.; Siebert ZEV 2013, 241, 246. 35  Schaefer v. Schuhmann [1972] A.C. 572. 34 

Teil 1 – B. England

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sie zu diesem Zeitpunkt noch für ihn als Haushälterin tätig sein sollte. Im Gegenzug sollte S ihre Arbeit nunmehr ohne weitere Bezahlung verrichten. Im Todeszeitpunkt hinterließ E drei Söhne und vier Töchter sowie Vermögen (inklusive des Hauses) im Wert von ca. 69.000 Pfund. Durch ein wirksames Testament hatte der Erblasser zuvor seine drei Söhne zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt, seinen Töchtern aber jeweils nur 2.000 Pfund vermacht. Der Antrag der Töchter auf Zahlung von family maintenance hatte in der ersten Instanz Erfolg. Der Richter ordnete an, dass die Vermächtnisse der Töchter erhöht werden müssten und die dadurch entstehenden Kosten zu einem Teil von den Söhnen des Erblassers, zum anderen Teil aber auch durch die S aus dem ihr vermachten Hause beglichen werden sollten.

Auf Rechtsmittel der S hob der Privy Council die Anordnung in letzter Instanz auf. Zur Begründung führte er aus, dass sich der Erblasser wirksam zur Übertragung des Hauses verpflichtet habe, diese Verpflichtung vorrangig zu erfüllen sei und daher das Haus zur Befriedigung der Ansprüche der Töchter nicht mehr zur Verfügung stehe.36 Von seiner noch in Dillion v. Public Trustee of New Zea­ land37 vertretenen gegenteiligen Ansicht distanzierte sich der Council dabei ausdrücklich. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen des Berichterstatters Lord Cross of Chelsea, die ein zentrales Problem aller Rückholansprüche ausdrücken:38 „The question whether contracts made by a testator not with a view to excluding the jurisdiction of the court under the (Inheritance, eingefügt d. Verf.) Act but in the normal course of arranging his affairs in his lifetime should be liable to be wholly or partially set aside by the court under legislation of this character is a question of social policy upon which different people may reasonably take different views.“

Wann es sich allerdings um ein Geschäft „in the normal course of arranging his affairs“ und wann um ein solches „with a view to excluding the jurisdiction of the court“ handeln soll und wie diese Unterscheidung in der Praxis umgesetzt werden kann, verrät Lord Cross of Chelsea jedoch leider genauso wenig wie die Kriterien, die im Rahmen der „question of social policy“ jeweils ausschlaggebend sein sollten.39 Die Entscheidung Schaefer v. Schuhmann war unter anderem der Anlass für die Aufnahme der anti-avoidance provisions und dabei insbesondere von sec.  11 in den neu gefassten Inheritance Act 1975.40 Heute wäre daher ein Rückgriff auf das übertragene Haus zur Befriedigung der Ansprüche der Töchter durchaus möglich, wenn es gelingt, dem Erblasser eine Beeinträchtigungsabsicht nachzuweisen.41 36 

Schaefer v. Schuhmann [1972] A.C. 572, 586 ff. Dillion v. Public Trustee of New Zealand [1941] A.C. 294. 38  Schaefer v. Schuhmann [1972] A.C. 572, 592. 39  Mellows, The Law of Successions, Ch. 15 D 2a, S.  279. 40  Vgl. The Law Commission, Law Com. No. 61 (1974), Rn.  2 22 ff. 41  Vgl. aber auch die Entscheidung des High Court of Australia in Barns v. Barns [2003] HCA 9. 37 

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Kapitel III:  Anspruchsgegner

In Deutschland würden Ansprüche der Töchter gegen die Haushälterin nach §  2329 BGB hingegen – selbst bei Annahme einer gemischten Schenkung – nicht in Betracht kommen, da sich die Töchter gem. §  2325 BGB vorrangig an die Söhne halten müssten.42 Inwieweit ein entsprechender Vorrang auch für eine Anordnung nach sec.  11 Inheritance Act gelten würde, ist hingegen unklar. Das hängt auch damit zusammen, dass Anordnungen auf Zahlung von familiy provision stets im gerichtlichen Ermessen liegen.43 Auch bei den Fragen, wer für die Zahlungen aufkommen muss und ob und wenn ja, welche Maßnahmen es nach sec.  10, 11 Inheritance Act ergreift, hat das Gericht einen relativ weiten Ermessensspielraum.44 Andererseits setzt sec.  10 (2), 11 (2) Inheritance Act jedoch voraus, „that the exercise of the powers conferred by this section would facilitate the making of ­financial provision for the applicant under this Act“. Hieraus wird teilweise gefolgert, dass ein Rückgriff auf den Beschenkten nur dann erfolgen soll, wenn der sonstige Nachlass zur Erfüllung der gerichtlichen Anordnungen nicht ausreicht.45 II. Fernwirkungen Die Rückgabe des Geschenks oder Wertersatz kann auch vom Nachlassverwalter (personal representative) verlangt werden, wenn der Beschenkte vor der Geltendmachung der Ansprüche verstorben ist. Hat der Verwalter den Nachlass allerdings zuvor bereits an die Erben des Beschenkten verteilt, erlischt auch der 12 (4) Inheritance Act). (Gesamt-)rechtsnachfolger Wertersatzanspruch (sec.   können im Rahmen eines Rückholanspruches nicht in Anspruch genommen werden.46 Ebenso haftet der personal representative nicht auf Schadensersatz, solange er von den Rückholansprüchen keine Kenntnis hatte. Auch ansonsten beschränkt das englische Recht die Anordnungen nach sec.  10, 11 Inheritance Act jeweils auf den unmittelbar beschenkten Vertragspartner. Hat dieser den geschenkten Gegenstand weiterverschenkt, muss er Wertersatz leisten (vgl. sec.  10 (2) u. (4) Inheritance Act). III. Mehrere Beschenkte Sec.  10 (5) Inheritance Act gibt dem Beschenkten das Recht, selbst gegen weitere Verfügungen oder Vertragsschlüsse des Erblassers nach den anti-avoidance 42 

Siehe S. 206. Ross, Inheritance Act Claims, Rn.  4 -001 ff. 44  Oughton, Tyler’s Family Provision, S.  308 ff., 318 f. 45 So Oughton, Tyler’s Family Provision, S.   308; unklar dagegen Mellows, The Law of Successions, S.  274. 46  Ross, Inheritance Act Claims, Rn.  3 -036: „The remedy provided is not a tracing remedy.“; Williams, On Wills, Rn.  105.45. 43 

Teil 1 – C. Frankreich

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provisions vorzugehen.47 Hierdurch kann er weitere Beschenkte in das Verfahren miteinbeziehen und erreichen, dass die Belastung durch die family provision zwischen allen Beschenkten gerecht verteilt wird.48 Hierzu folgender Beispielsfall: Ein Erblasser hat sein Vermögen von insgesamt 20.000 Pfund kurz vor seinem Tode zu gleichen Teilen an A und B verschenkt. Der überlebende Ehegatte E macht mit Erfolg einen Anspruch auf family provision in Höhe von 10.000 Pfund geltend und verlangt von A die Rückzahlung des Geschenks.

A kann nun über einen auf sec.  10 (5) Inheritance Act gestützten Antrag erreichen, dass auch B in das Verfahren mit einbezogen und an der Rückzahlung beteiligt wird. A und B müssen für den Anspruch des E dann zu gleichen Teilen aufkommen. Auf die zeitliche Reihenfolge der Zuwendungen kommt es dabei grds. nicht an.

C. Frankreich I. Erbverträge Nach herrschender, wenn auch nicht unumstrittener Ansicht in Literatur und Rechtsprechung steht dem institué bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art.  1083 Code civil nur eine action en réduction und keine action en nullité zu.49 Die Verfügung bleibt daher grds. wirksam und der institué hat gegen den Begünstigten auch keinen Anspruch auf Herausgabe des übertragenen Gegenstandes. Stattdessen kann er von ihm oder von einem Dritten, der die Sache in 47  Sec.  10 (5) Inheritance Act lautet: „Where an application (in this subsection referred to as ‚the original application‘) is made for an order under subsection (2) above in relation to any disposition, then, if on an application under this subsection by the donee or by any applicant for an order under section 2 of this Act the court is satisfied – (a) that, less than six years before the date of the death of the deceased, the deceased with the intention of defeating an application for financial provision under this Act made a disposition other than the disposition which is the subject of the original application, and (b) that full valuable consideration for that other disposition was not given by the person to whom or for the benefit of whom that other disposition was made or by any other person, the court may exercise in relation to the person to whom or for the benefit of whom that other disposition was made the powers which the court would have had under subsection (2) above if the original application had been made in respect of that other disposition and the court had been satisfied as to the matters set out in paragraphs (a), (b) and (c) of that subsection; and where any application is made under this subsection, any reference in this section (except in subsection (2) (b)) to the donee shall in­clude a reference to the person to whom or for the benefit of whom that other disposition was made.“ 48  Samuels, Inheritance (Provision for Family and Dependants) Act 1975, 39 MLR.183, 185. 49  Cass. 24 févr. 1969, D. 1969, S.  409; Cass. 13 oct. 1976, D. 1976, 2, somm. S.  276; Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  67; Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  207; Mathieu/Pillebout, Contrat de mariage, JC Not. Form., Fasc. 14, Rn.  73; so auch schon bereits Demolombe, Code Napoléon, XXIII, Rn.  336; a. A. Trasbot/Loussouarn, Donations et testaments, Rn.  777, 778.

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Kapitel III:  Anspruchsgegner

Besitz hat, einen entsprechenden Wertausgleich verlangen.50 Die Rechtslage gleicht dabei sehr stark derjenigen eines Pflichtteilsberechtigten, dessen Ansprüche durch lebzeitige Verfügungen des Erblassers beeinträchtigt wurden.51 Die französische Literatur und in deren Folge auch die Rechtsprechung haben diese Parallele bewusst aufgegriffen und die Rechtspositionen stark aneinander angenähert.52 Es kann hier daher umfassend auf die unmittelbar folgenden Ausführungen zum Pflichtteilsrecht verwiesen werden. II. Pflichtteilsrecht Die Reihenfolge der Anspruchsgegner im Rahmen einer action en réduction bestimmt Art.  923 Code civil: „Il n’y aura jamais lieu à réduire les donations entre vifs, qu’après avoir épuisé la valeur de tous les biens compris dans les dispositions testamentaires; et lorsqu’il y aura lieu à cette réduction, elle se fera en commençant par la dernière donation, et ainsi de suite en remontant des dernières aux plus anciennes.“

1. Subsidiarität des Rückholanspruchs Es gilt ein klares Vorrangverhältnis, demzufolge zunächst sämtliche letztwilligen Verfügungen reduziert werden müssen, ehe Schenkungen unter Lebenden angegriffen werden können. Bei mehreren Schenkungen unter Lebenden findet ebenfalls das Posteroritätsprinzip Anwendung: Auf eine frühere Schenkung kann erst zugegriffen werden, wenn die Herabsetzung einer zeitlich später erfolgten Schenkung zur Befriedigung der Ansprüche der Noterben nicht ausreicht. Die Funktionsweise des Art.  923 Code civil veranschaulicht folgendes Beispiel: Der geschiedene Erblasser E hinterlässt drei Kinder. Sein gesamtes Vermögen (Wert 600.000  €) hat er testamentarisch seiner Lebensgefährtin A vermacht.53 2005 hatte er eine Schenkung in Höhe von 200.000  € an seine frühere Partnerin B und 1985 eine 50  Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  209; Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  67; Esmein in: Aubry/Rau, Droit civil français, XI, §  739, S.  520 f.; Peterka in: Dalloz Action – Droit patrimonial de la familie, Rn.  344.113. 51  Siehe dazu S. 214 ff. 52  Terré/Lequette, Droit civil – Les successions, les libéralités, Rn.  5 49 (S.  5 40); Josserand, Cours de droit civil, III; Rn.  1783; Mathieu/Pillebout, Contrat de mariage, JC Not. Form., Fasc. 14, Rn.  74; Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  208, 212; siehe auch bereits Demolombe, Code Napoléon, XXIII, Rn.  510. 53  Es handelt sich hierbei um ein sog. legs universel gem. Art.  1003 Code civil. Nach französischem Recht kann der Nachlass nur durch unmittelbar dinglich wirkende Vermächtnisse verteilt werden. Erben werden durch letztwillige Verfügungen hingegen nicht geschaffen, sondern bestehen nur von Gesetzes wegen, bei abweichenden letztwilligen Verfügungen als sog. Noterben, siehe Döbereiner, Erbrecht in Frankreich, in: Süß (Hrsg.), Erbrecht in Europa, Rn.  85 ff. mwN.

Teil 1 – C. Frankreich

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Schenkung in gleicher Höhe an die damalige Partnerin C vorgenommen. Bei Hinzurechnung der beiden Schenkungen beträgt der fiktive Nachlasswert gem. Art.  922 Abs.  2 Code civil 1.000.000  €, die quotité disponible bei drei Kindern beträgt folglich 250.000  €. Daraus folgt, dass zunächst die testamentarische Verfügung zugunsten der A gem. Art.  923 Code civil von den Noterben auf null herabgesetzt werden kann. Die anschließend noch fehlenden 150.000  € muss B als Empfängerin der Schenkung aus dem Jahre 2005 erstatten. C hingegen kann ihre 200.000  € vollständig behalten.

Zur Rechtfertigung dieser starren Regelung werden zwei Begründungsstränge angeführt:54 Zum einen gelte es, das Prinzip der Unwiderruflichkeit von Schenkungen unter Lebenden so weit wie möglich zu wahren. Wären frühere Schenkungen zuerst angreifbar oder würden alle Schenkungen unabhängig von ihrer zeitlichen Reihenfolge herabgesetzt, stünde es dem Erblasser praktisch frei, seine Schenkung durch die Vornahme weiterer Schenkungen oder letztwilliger Verfügungen an andere Person jederzeit indirekt zu widerrufen.55 Indem spätere Schenkungen die quotité disponible ausschöpften, würden frühere Schenkungen nachträglich der Herabsetzungsklage der Erben ausgesetzt. Zum anderen sei entscheidend, dass ein Eingriff in zeitlich lange zurück­ liegende Rechtsgeschäfte möglichst vermieden werden soll.56 Je länger sich ein Vertragspartner in einen bestehenden Zustand einrichten konnte, desto schutz­ würdiger sei er.57 Maßgeblich sei daher, wann sich der Erblasser seiner Rechte begeben und der Begünstigte diese erworben habe. Der durch letztwillige Verfügung berufene Vermächtnisnehmer58 oder Erbe ist vor diesem Hintergrund am wenigsten schutzwürdig, da sein Vermögenszuwachs erst mit dem Erbfall eintritt und damit stets später erfolgt als bei einer Schenkung unter Lebenden.59 Auch das Verhältnis zwischen mehreren Schenkungen unter Lebenden bestimmt sich jeweils allein nach ihrer zeitlichen Reihenfolge. Die Lösung allein anhand des Posterioritätsprinzip bietet den Vorteil, dass die zeitliche Reihenfolge als rein objektiver Umstand oft verhältnismäßig ein54 

Siehe auch CA Paris 7 avr. 1999, D. 1999, jurispr., S.  683. Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Not. Rép., Fasc. 25, Rn.  56. Ob dieser Begründungsansatz auch dann gilt, wenn ein Testament zeitlich vor einer Schenkung errichtet wurde, ist umstritten, s. hierzu auch die Diskussion über den zwingenden Charakter des Art.  923 Code civil. 56  Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Not. Rép., Fasc. 25, Rn.  58; Grimaldi, Droit civil – Successions, Rn.  743. 57  Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  654. 58  In Frankreich gilt grds. das Prinzip des Vindikationslegat, d. h. der Vermächtnisnehmer erhält unmittelbar mit dem Erbfall eine dingliche Berechtigung an dem ihm zugedachten Gegenständen, s. aber auch Döbereiner, Erbrecht in Frankreich, in: Süß (Hrsg.), Erbrecht in Europa, Rn.  95. 59  Die letztwillige Verfügung ist deshalb auch dann vorrangig in Anspruch zu nehmen, wenn sich ein konkretes Datum für die Schenkung unter Lebenden nicht mehr nachweisen lässt, vgl. Cass. 12 nov. 1998, Bull. civ. I, n°314. 55 

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Kapitel III:  Anspruchsgegner

fach nachgewiesen werden kann60 und dadurch als Kriterium ein großes Maß an Rechtssicherheit bietet. Im Gegenzug fehlt bei der Bestimmung der Schutzwürdigkeit des Beschenkten allein anhand des Zeitablaufes die notwendige Flexibilität, um auf Härten des Einzelfalls reagieren zu können. Auch bergen die Ergebnisse immer eine gewisse Zufälligkeit. Die vom Erblasser mit der Schenkung verfolgten Motive bleiben genauso ausgeblendet wie die Vermögenssituation des Beschenkten oder von diesem getroffene Vermögensdispositionen. 61 Beispiel: Da sich der verwitwete Erblasser E von seinem einzigen Sohn S entfremdet hat, beschließt er kurz vor seinem Tode, sein Vermögen noch unter Lebenden zu verteilen. Am 30.12.2013 vermacht er deshalb seinem früheren Geschäftspartner P, der wegen angeblicher Außenstände schon lange auf eine Zahlung des E gedrängt hatte, die Hälfte seines Vermögens (300.000  €). Am gleichen Tag nur wenige Minuten später62 überträgt er dann seiner Stieftochter T, die ihn in den letzten Jahren aufopferungsvoll und unter großen persönlichen Entbehrungen gepflegt hatte, die andere Hälfte seines Vermögens (300.000  €). Art.  923 Code civil führt nun dazu, dass T das erhaltene Geld vollständig an den Sohn S zurückzahlen muss, die Schenkung an P hingegen unantastbar bleibt. Ein Rückgriff der T bei P und eine zumindest anteilige Beteiligung des P, wie sie etwa sec.  10 (5) Inheritance Act vorsieht,63 ist in Frankreich nicht möglich.

Art.  923 Code civil hat nach herrschender Ansicht zwingenden Charakter. Zum Teil wird allerdings vertreten, dass die Vereinbarung einer abweichenden Reihenfolge dann möglich sein soll, wenn die testamentarische Verfügung bereits zeitlich vor der Schenkung getroffen wurde. 64 Die Begründung des Posterioritätsprinzips mit der Unwiderruflichkeit von vollzogenen Schenkungen könne nämlich in einem solchen Fall nicht greifen. Die Rechtsprechung hat diese Frage noch nicht abschließend geklärt, tendiert aber dazu, vertragliche Vereinbarungen, die Vermächtnissen Vorrang gegenüber lebzeitigen Schenkungen einräumen, für unwirksam zu halten.65 Die wohl herrschende Lehre lehnt eine solche Möglichkeit mit Verweis auf den Wortlaut des Art.  923 Code civil ebenfalls ab. 66 Wurden die Schenkungen gleichzeitig bewirkt67 oder lässt sich eine zeitliche Vorrangigkeit nicht feststellen68 , richtet sich die Rangfolge der Herabsetzung 60 Siehe hierzu aber auch Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.   655; Deville/­Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  83. 61  So ausdrücklich Cass. 16 mars 1971, Bull. civ. 1971, I, n°88. 62  E hatte T und P zeitgleich zum Notar (vgl. Art.  931 Code civil) eingeladen, vor dem die Schenkungen beurkundet werden sollten. T hatte sich jedoch etwas verspätet, weshalb die Schenkung an P zuerst beurkundet wurde. 63  Siehe hierzu S. 212. 64  Grimaldi, Droit civil – Successions, Rn.  744; Terré/Lequette, Droit civil – Les succes­ sions, les libéralités, Rn.  1020. 65  Vgl. Cass. 24. Nov. 1993, Bull. civ. 1993, I, n°343; Cass. 19 déc. 1882, DP 1883, 1, S.  343. 66  Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Not. Rép., Fasc. 25, Rn.  46, 57 mwN. 67  Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  655; Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Not. Rép., Fasc. 25, Rn.  48. 68  Cass. 20 avrl. 1915, DP 1920, 1. 154; zur Begründung s. a. Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Not. Rép., Fasc. 25, Rn.  59.

Teil 1 – C. Frankreich

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in erster Linie nach dem Willen des Erblassers (vgl. Art.  927 Code civil). Gleiches gilt für das Verhältnis zwischen mehreren Vermächtnissen. 69 Kann ein Wille nicht ermittelt werden, sind die Schenkungen bzw. Vermächtnisse jeweils proportional zu gleichen Teilen zu reduzieren (vgl. Art.  926 Code civil).70 2. Schwierigkeiten bei der Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunktes Hinsichtlich des Zeitpunktes ihrer Rechtswirkungen sind die frei widerruflichen „donations de biens à venir“ zwischen Ehegatten (Art.  1096 Code civil) im Rahmen des Art.  923 Code civil einem Vermächtnis gleichgestellt.71 Die institution contractuelle ist andererseits aufgrund ihrer Bindungswirkung bereits zu Lebzeiten wie eine Schenkung zu behandeln, so dass der Zeitpunkt des Vertragsschlusses entscheidend ist.72 In dem Sonderfall eines anglo-amerikanischen trust (sofern dessen Rechts­ folgen nach französischem Erbrecht zu beurteilen sind) muss hingegen differenziert werden: Entfaltet der trust sämtliche Wirkungen erst mit dem Todesfall, so ist er wie ein Vermächtnis zu behandeln und entsprechend Art.  926, 927 Code civil herabzusetzen. Führt er hingegen bereits zu Lebzeiten zu einer unwiderruflichen Übertragung der Güter auf die beneficiaries, entspricht er einer Schenkung unter Lebenden und ist auch wie eine solche zu behandeln. Regelmäßig wird im Rahmen eines trust aber ein Übergang der Vermögenswerte auf einen Treuhänder (trustee) vereinbart, der die Gegenstände bis zum Tode des Erblassers verwaltet bzw. in festgelegten Zeitabständen Ausschüttungen vornimmt. Zudem behält sich der Erblasser häufig Widerrufsrechte vor. Mit der Frage, wie solche Konstruktionen im Rahmen des Art.  923 Code civil einzuordnen sind, hatten sich die französischen Gerichte in der Rechtssache Zieseniss zu befassen.73 Eine in Frankreich verstorbene Amerikanerin hatte zu Lebzeiten einen trust errichtet und einen großen Teil ihres Vermögens der Verwaltung einer Bank überlassen. Die Einkünfte zahlte die Bank der Erblasserin aus, während der Grundstock des Vermögens nach ihrem Tode an ihre Enkel ausgezahlt werden sollte. Die Erblasserin behielt sich aber das Recht vor, die Regelung betreffend die Begünstigten noch später zu modifizieren, was sie dann auch zweimal tat, um einen ihrer Söhne gegenüber dem anderen zu begünstigen. Zudem nahm sie anschließend weitere Schenkungen unter Lebenden vor. 69 

Deville/Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  85. Beispiel hierzu findet sich bei Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Not. Rép., Fasc. 25, Rn.  52. 71  Cass. 10 févr. 1998, Bull. civ. I, n°52; Cass. 8 nov. 1982, Bull. civ. 1982, I, n°322; Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Not. Rép., Fasc. 25, Rn.  62; siehe hierzu auch S. 85 ff. 72  Cass. 23 juin 1987, Bull. Civ. 1987, I, n°206; Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Not. Rép., Fasc. 25, Rn.  61 mwN; siehe auch S. 85 ff. 73  Siehe hierzu auch Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Not. Rép., Fasc. 25, Rn.  67 mwN. 70  Ein

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Die Cour d’appel in Paris entschied, dass der trust im Rahmen des Art.  923 Code civil einer letztwilligen Verfügung gleichstehe und gegenüber den Schenkungen unter Lebenden vorrangig zu reduzieren sei.74 Als Begründung stellte die Cour d’appel maßgeblich auf die freie Widerruflichkeit der Regelungen ab, die verhindere, dass den Begünstigten vor dem Tode der Erblasserin bereits eine gesicherte Position zustehe. Die Cour de Cassation hob die Pariser Entscheidung auf, bemängelte jedoch nicht die gewährte Vorrangigkeit der Schenkungen, sondern die Gleichstellung mit letztwilligen Verfügungen und die Anwendung des Art.  926 Code civil. Ein wirksam nach US-amerikanischem Recht errichteter trust sei vielmehr als indirekte Schenkung zu werten, die erst im Todeszeitpunkt Wirkung entfalte. Hiernach nimmt der trust im Rahmen des Art.  923 Code civil eine Zwischenstellung hinter den zu Lebzeiten bewirkten Schenkungen, aber vor den erst im Todesfall wirksamen Vermächtnissen ein.75 3. Durchbrechung des Posteroritätsprinzips Ist ein nach Art.  923 Code civil vorrangig haftender Beschenkter insolvent, unbekannt oder aus einem sonstigen Grunde nicht greifbar, kann auf einen nachrangig haftenden Beschenkten zugegriffen werden.76 Die Rechte der Noterben haben insoweit Vorrang vor dem Vertrauensschutz zeitlich früher Beschenkter, die also stets damit rechnen müssen, bei Ausfall eines vorrangigen Schuldners doch noch in Anspruch genommen zu werden.77 4. Fernwirkungen Ein ähnlicher Gedanke liegt auch der Regelung des Art.  924-4 Code civil zugrunde.78 Hiernach können die Noterben auch einen weiteren Dritten in Anspruch nehmen, wenn diesem das Geschenk vom ursprünglich Begünstigten übertragen wurde und sich noch in seinem Besitz befindet (sog. tiers détenteur).79 Voraussetzung ist auch hier, dass der Anspruch gegen den ursprünglich 74 

CA Paris 28 sept. 1993, D. 1993, IR 228; dazu Patarin RTD civ. 1994, 401. Cass. 20 févr. 1996, D. 1996, jurisp.  390; m. krit. Anm. Lequette D. 1996, Chron. 231. 76  Cass. 11 janv. 1882, DP 1882, 1. 313. 77  Im auf S. 214 genannten Beispiel könnte somit doch auf die C zurückgegriffen werden, wenn B inzwischen insolvent geworden wäre oder sich ihre Adresse nicht mehr ermitteln ließe. 78  Art.  924-4 Abs.  1 Code civil lautet: „Après discussion préalable des biens du débiteur de l’indemnité en réduction et en cas d’insolvabilité de ce dernier, les héritiers réservataires peuvent exercer l’action en réduction ou revendication contre les tiers détenteurs des immeubles faisant partie des libéralités et aliénés par le gratifié. L’action est exercée de la même manière que contre les gratifiés eux-mêmes et suivant l’ordre des dates des aliénations, en commençant par la plus récente. Elle peut être exercée contre les tiers détenteurs de meubles lorsque l’article 2276 ne peut être invoqué.“ 79  Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.  53 ff. 75 

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Beschenkten wegen dessen Insolvenz nicht werthaltig ist. Zudem scheidet ein Rückgriff auf den Dritterwerber aus, wenn der Erblasser und alle mutmaßlichen Noterben der Veräußerung zugestimmt haben (Art.  924-4 Abs.  2 Code civil). 80 Handelt es sich um bewegliche Gegenstände, scheidet die Inanspruchnahme eines gutgläubigen Erwerbers aus, soweit auch sonst die Voraussetzungen des Art.  2276 Code civil erfüllt sind.81 Ein gutgläubiger Erwerber einer ­Immobilie ist hingegen nicht geschützt.82 Hat der Beschenkte mehrere Gegenstände weiter übertragen, müssen die Noterben entsprechend dem Postero­ ritätsprinzip zunächst die zuletzt vorgenommene Übertragung angreifen, ehe sie sich gegen zeitlich früher liegende Rechtsgeschäfte wenden können (vgl. Art.  924-4 S.  2 Code civil). Ansprüche gegen den oder die besitzenden Dritten richten sich auf die Herausgabe der Sache, wenn die Verfügung zur Gänze nicht von der quotité disponible gedeckt war, und auf Herabsetzung, wenn die Verfügung nur zum Teil über diese Quote hinausging.83 Im letzteren Fall werden die Noterben so behandelt, als ob Miteigentum an den fraglichen Gegenständen bestehen würde. Der tiers détenteur hat zudem stets die Möglichkeit, die Herausgabe in Natur durch Zahlung eines entsprechenden Wertersatzes abzuwenden. 84

D. Rechtsvergleich I. Subsidiarität des Rückholanspruchs Insgesamt sind die drei Rechtsordnungen zurückhaltend, einen erbrechtlichen Rückholanspruch gegen den Dritten sofort und unmittelbar zuzulassen. Wenn auch in unterschiedlichem Maß, neigen sie eher zu einer subsidiären Haftung des Dritten, halten diese Regel aber auch nicht konsequent durch. So besteht in Deutschland eine vorrangige Haftung der Erben nur im Hinblick auf die Pflichtteilsergänzungsansprüche. Der Vertragserbe kann sich, auch wenn andere Miterben existieren, unmittelbar an den Beschenkten wenden, ohne vorrangig Ausgleich bei seinen Miterben suchen zu müssen.85 Ein 80  Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.  5 4; Malaurie/ Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  667; krit. zu dieser Möglichkeit auch Deville/­ Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  178. 81  Art.  2 276 Code civil lautet: „En fait de meubles, la possession vaut titre. Néanmoins, celui qui a perdu ou auquel il a été volé une chose peut la revendiquer pendant trois ans à compter du jour de la perte ou du vol, contre celui dans les mains duquel il la trouve; sauf à celui-ci son recours contre celui duquel il la tient.“; siehe hierzu auch Jacob, Code civil ­( Dalloz), Art.  2276 Rn.  7 ff., 18. 82  Deville/Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  177. 83  Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.  53. 84  Cass. 18 oct. 1966, D. 1966, 2, S.  709; Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  667; Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.  56. 85  Siehe S. 202 f.

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Kapitel III:  Anspruchsgegner

Rückholanspruch gegen den Beschenkten ist den Pflichtteilsberechtigten hingegen nur subsidiär gestattet, wenn die vorrangige Haftung der Erben zur Befriedigung ihrer Ansprüche nicht ausreicht. Eine Durchbrechung der Subsidiarität der Haftung des Beschenkten wird diskutiert, wenn der Erbe insolvent oder nicht greifbar ist. Die herrschende Meinung lehnt hier einen Rückgriff auf den Beschenkten jedoch ab, da es nicht interessengerecht sei, das Risiko einer Insolvenz der Erben nicht die Pflichtteilsberechtigten, sondern den Beschenkten tragen zu lassen. Nach wohl überwiegender Ansicht genügt es zudem nicht, dass eine Dürftigkeitseinrede oder eine Haftungsbeschränkungsmöglichkeit zugunsten der Erben zu einem bestimmten Zeitpunkt bestand, sondern es ist weiter erforderlich, dass sich die Erben auf diese Möglichkeiten auch tatsächlich berufen haben. 86 Wohl eher eine flexible Haltung nimmt das englische Recht ein. Hatte der Privy Council in der Entscheidung Schaefer v. Schuhmann noch vor der Einführung der anti-­avoidance provisions einen grds. Vorrang der Haftung der Erben vor der Inanspruchnahme eines begünstigten Dritten angenommen, ist die Rechtslage heute insoweit nicht eindeutig. 87 Das hängt auch damit zusammen, dass Anordnungen auf Zahlung von familiy provision stets im gerichtlichen Ermessen liegen und dem Gericht auch bei der Frage, wer für die Zahlungen aufkommen muss, ein relativ weiter Ermessensspielraum zugebilligt wird. 88 Aus sec.  10 (2), 11 (2) Inheritance Act wird jedoch andererseits gefolgert, dass ein Rückgriff auf den Beschenkten nur dann erfolgen soll, wenn der vorhandene Nachlass zur Befriedigung der Ansprüche aus dem Inheritance Act 1975 nicht ausreicht. Das französische Recht folgt im Kern dem Subsidiaritätsgrundsatz, wonach der Dritte nur nachrangig haftet, lässt aber doch erhebliche Ausnahmen zu. Die Reihenfolge der Anspruchsgegner im Rahmen einer action en réduction bestimmt sich in Frankreich nach Art.  923 Code civil. Hiernach müssen zuerst sämtliche letztwillige Verfügungen reduziert werden, ehe Schenkungen unter Lebenden angegriffen werden können. 89 Wie in Deutschland gilt also ein Vorrang der Haftung der testamentarischen Erben. Erst wenn der vorhandene Nachlass zur Befriedigung der Noterben nicht ausreicht, wird auf einen Beschenkten zugegriffen. Ist allerdings ein nach Art.  923 Code civil vorrangig Haftender insolvent, unbekannt oder aus einem sonstigen Grunde nicht greifbar, kann auch ein nachrangig Haftender in Anspruch genommen werden. Darüber hinaus können die Noterben gem. Art.  924-4 Code civil sogar von einem im Besitz der Sache befindlichen Dritten (tiers détenteur) Herausgabe verlangen, wenn der Anspruch gegen den ursprünglich Beschenkten wegen dessen 86 

Siehe S. 206. Siehe S. 210 f. 88  Siehe S. 251 f. 89  Siehe S. 214 ff. 87 

Teil 1 – D. Rechtsvergleich

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Insolvenz nicht werthaltig ist und sich der Dritte auch nicht gutgläubig auf Art.  2276 Code civil berufen kann.90 Es besteht in Frankreich daher sogar ein eingeschränktes Folgerecht (droit de suite). Wiederum im Unterschied zur deutschen Rechtslage macht das französische Recht in dieser Hinsicht keinen Unterschied zwischen einem durch eine institution contractuelle begünstigten instituée und einem Noterben. Die in Art.  923 Code civil vorgesehene Reihenfolge der Herabsetzungsklagen gilt in beiden Fällen gleichermaßen.91 II. Fernwirkungen Deutlich unterscheiden sich die Lösungen der drei Referenzländer, soweit es um die Frage geht, ob u. U. auch noch Weiterschenkungen des Beschenkten Rückholansprüche begründen können. Dabei ist vorausgesetzt, dass ein Rückhol­ anspruch gegen den ersten Beschenkten überhaupt besteht und nicht am gerade erörterten Subsidiaritätsgrundsatz scheitert. Ob nach deutschem Recht die Verweisung des §  2287 BGB auf das Bereicherungsrecht auch §  822 BGB umfasst und damit dem Vertragserben ermöglicht, einen Dritten in Anspruch zu nehmen, der das Geschenk seinerseits unentgeltlich vom ursprünglich Beschenkten erhalten hat, war lange Zeit umstritten. Der BGH hat sich 2013 für eine solche Anwendung des §  822 BGB entschieden. Ein Rückgriff auf den (zweit-)beschenkten Dritten soll über §  822 BGB bereits immer dann zulässig sein, wenn der ursprünglich Beschenkte das Geschenk weitergegeben hat und dadurch gem. §  275 BGB von seiner Haftung gegenüber dem Vertragserben frei geworden ist. Die in §  822 BGB eigentlich vorgesehene strikte Subsidiarität der Haftung des Dritten wird dadurch in weiten Teilen aufgehoben und dem Vertragserben ein quasi-dingliches Nachverfolgungsrecht zugestanden. Im Hinblick auf die gegenläufigen Verkehrsinteressen ist dieser Ansatz höchst problematisch.92 Nach der wohl herrschenden Ansicht findet §  822 BGB auch bei der Verweisung in §  2329 Abs.  1 BGB Anwendung, so dass es nahe liegt, die vom BGH zu §  2287 BGB entwickelten Grundsätze auch auf §  2329 BGB zu übertragen.93 Diametral entgegengesetzt ist die Lage in England. Das englische Recht beschränkt die Anordnungen nach sec.  10, 11 Inheritance Act jeweils auf den unmittelbar Beschenkten. Hat dieser den geschenkten Gegenstand weiterverschenkt, muss er Wertersatz leisten (vgl. sec.  10 (2) u. (4) Inheritance Act).94 Im Unterschied zur deutschen und französischen Rechtslage können auch nicht

90 

Siehe S. 218 f. Siehe S. 213. 92  Siehe S. 203 ff. 93  Siehe S. 208. 94  Siehe S. 212. 91 

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Kapitel III:  Anspruchsgegner

einmal die Erben des Beschenkten in Anspruch genommen werden, wenn der Nachlass durch den Nachlassverwalter bereits an sie ausgekehrt wurde.95 Am großzügigsten lässt das französische Recht Rückholansprüche gegen weiterbeschenkte Dritte zu, auch wenn dies gleichwohl nicht einschränkungslos geschieht. In Frankreich ist es sogar grds. möglich, jeden Dritten in Anspruch zu nehmen, der sich momentan im Besitz des Geschenks befindet.96 Voraussetzung hierfür ist allein die Zahlungsunfähigkeit des ursprünglich Beschenkten (Art.  924-4 Code civil). Wie der Dritte in den Besitz der Sache gelangt ist, ist irrelevant. Der Rückgriff ist daher nicht nur auf Schenkungen beschränkt, sondern kann auch entgeltliche Geschäfte erfassen. Allerdings schützt guter Glaube den Besitzer (Art.  2276 Code civil).97 III. Mehrere Beschenkte Hat der Erblasser gleich mehrere den Nachlass schmälernde Schenkungen an verschiedene Personen vorgenommen, stellt sich die Frage, welchen Empfänger der Berechtigte auf Herausgabe (ggfs. Wertersatz) – eventuell in welcher Reihen­ folge – in Anspruch nehmen kann oder muss und in welchem Verhältnis diese Dritten untereinander haften. Wieder ist Voraussetzung, dass ein Rückhol­ anspruch überhaupt besteht. Im deutschen Recht hat ein Vertragserbe grundsätzlich die Wahl, gegen welche der Verfügungen und gegen welchen Dritten er nach §  2287 BGB vorgehen möchte. Er ist grds. nicht verpflichtet, die zeitlich letzte Verfügung zuerst anzugreifen. Die Ansprüche gegen jeden Beschenkten bestehen neben- und unabhängig voneinander.98 Ob zwischen den Beschenkten ein Gesamtschuldverhältnis besteht, das einen entsprechenden Regress unter ihnen ermöglicht, ist umstritten. Anders ist die Rechtslage im Hinblick auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen mehrere beschenkte Dritte nach §  2329 BGB.99 Hier legt §  2329 Abs.  3 BGB ein strenges Posterioritätsprinzip fest: Ein früher Beschenkter haftet nur, soweit der später Beschenkte nicht verpflichtet ist. Die Inanspruchnahme des früher Beschenkten ist unter anderem möglich, wenn sich der später Beschenkte erfolgreich auf Entreicherung beruft. Nach der Rechtsprechung und der überwiegenden Ansicht im Schrifttum eröffnet die Insolvenz des später Beschenkten hingegen keinen Rückholanspruch gegen den früher Beschenkten.100 Zu beachten ist auch, dass die nunmehr in §  2325 Abs.  3 BGB vorgesehe95 

Siehe S. 212 ff. Siehe S. 218. 97  Siehe S. 218. 98  Siehe S. 206. 99  Siehe S. 209 ff. 100  Siehe S. 209 f. 96 

Teil 1 – D. Rechtsvergleich

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ne ratierliche Abschmelzung insgesamt zu einer erheblichen Entlastung insbesondere der früher Beschenkten führt. Beispiel: E schenkte 2007 seinem Cousin A, 2010 seinem Cousin B und 2013 seiner Cousine C jeweils 100.000  €. E verstirbt 2015 vermögenslos. Seine einzige Tochter T macht Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend. Aufgrund der ratierlichen Abschmelzung nach §  2325 Abs.  3 BGB wird die Schenkung an C nur noch mit 80.000  €, die Schenkung an B mit 50.000  € und die Schenkung an A mit 20.000  € dem Nachlass hinzugerechnet. Ein Pflichtteilsanspruch der T besteht daher nur noch in Höhe von 75.000  €, den sie zur Gänze gegenüber C geltend machen muss (§  2329 Abs.  3 BGB). Nach früherer Rechtslage hätte sie hingegen C mit 100.000  € und B mit 50.000  € in Anspruch nehmen können, während A auch hier unbehelligt geblieben wäre.

Würde man auf diesen Fall hingegen englisches Recht anwenden, so könnte C bei Inanspruchnahme durch T gem. sec.  10 (5) Inheritance Act selbst aufgrund der anti-avoidance provisions gegen B vorgehen. B würde dadurch in das Verfahren T/C mit einbezogen und müsste sich anteilig an der Belastung durch die family provision beteiligen. Da sie länger als sechs Jahre zurückliegt, könnte die Schenkung an A hingegen nicht mehr angegriffen werden.101 Ein Posterioritätsprinzip ist in England unbekannt. Ob und wenn ja welche Rechtsgeschäfte der Antragsteller nach den anti-avoidance provisons angreifen will, steht ihm frei. Gegen eine einseitige Lastenverteilung können sich die Antragsgegner wehren, indem sie selbst weitere Rechtsgeschäfte des Erblassers gem. sec.  10 (5) Inheritance Act angreifen und damit auch diese zum Gegenstand der Verhandlung über die family provision machen.102 In Frankreich bestimmt sich hingegen auch die Herabsetzungsmöglichkeit in Bezug auf lebzeitige Schenkungen gem. Art.  923 Code civil allein nach ihrer zeitlichen Reihenfolge, wobei jeweils die zuletzt erfolgte Schenkung zuerst anzugreifen ist.103 Erst wenn eine zeitlich später erfolgte Schenkung zur Befriedigung der Ansprüche der Noterben nicht ausreicht, kann auf eine frühere Schenkung zugegriffen werden. Bei Gleichzeitigkeit der Schenkungen, richtet sich die Rangfolge der Herabsetzung in erster Linie nach dem Willen des Erblassers; falls ein solcher nicht festgestellt werden kann, findet eine proportional anteilige Herabsetzung statt.104 Durchbrochen wird das Posterioritätsprinzip aber, wiederum anders als in Deutschland, bereits im Falle der Insolvenz oder der nicht Ermittelbarkeit eines vorrangig haftenden Beschenkten. Bei einem Ausfall vorrangiger Schuldner müssen also auch noch vor sehr langer Zeit Beschenkte damit rechnen, in Anspruch genommen zu werden. Diese Prinzipien gelten in gleicher Weise auch für die Ansprüche eines institué.105 101 

Siehe S. 82. Siehe S. 212 f. 103  Siehe S. 214 ff. 104  Siehe S. 217. 105  Siehe S. 213. 102 

224

Kapitel III:  Anspruchsgegner

Der Vergleich zeigt, dass die beteiligten Rechtsordnungen dem Berechtigten entweder die Wahl überlassen, gegen welchen von mehreren Drittempfängern er vorgehen möchte, oder dass er strikt nach der zeitlichen Posteriorität vorzu­ gehen hat. Für das deutsche Recht fällt auf, dass es für Vertragserben dem ersten Prinzip, für Pflichtteilsberechtigte dem zweiten folgt. Ein überzeugender Grund für diese Differenzierung ist indessen nicht ersichtlich.

Teil 2: Familienrecht A. Deutschland I. Subsidiarität des Rückholanspruchs Vor der Reform im Jahre 2009 war völlig unstreitig, dass der Anspruch aus §  1390 BGB als subsidiäre Ausfallhaftung nur dann und auch nur insoweit eingreift, als der ausgleichsberechtigte Ehegatte von seinem primären Ausgleichsschuldner (seinem Ehepartner) keine Befriedigung erlangen kann. Diese strenge Subsidiarität hatte sich auch im Wortlaut des §  1390 BGB a. F. niedergeschlagen. Dieser begann mit den Worten „Soweit einem Ehegatten gemäß §  1378 Abs.  2 eine Ausgleichsforderung nicht zusteht (…)“. In der heutigen Fassung findet sich eine solche Einschränkung allerdings nicht mehr. Zudem wurde auch die strenge Alternativität zwischen der Haftung des ausgleichspflichtigen Ehegatten einerseits und der Haftung des beschenkten Dritten andererseits durch die Reform aufgehoben. Die Begrenzung des Ausgleichsanspruchs durch §  1378 Abs.  2 BGB auf das noch vorhandene Vermögen gilt gerade für die dem Anspruch aus §  1390 BGB zugrundeliegenden Fälle des §  1375 Abs.  2 BGB nicht mehr. Dadurch ist in weiten Teilen eine Parallelität der Ansprüche aus §  1390 BGB einerseits und aus §  1378 BGB andererseits eröffnet worden.106 Von Teilen der Literatur wird daraus der Schluss gezogen, dass §  1390 BGB insgesamt seinen Charakter als Ausfallhaftung gänzlich verloren habe und nunmehr auch der Höhe nach nicht mehr durch das noch vorhandene Vermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten begrenzt werde.107 Beispiel: Der ausgleichspflichtige Ehemann M schenkt in Benachteiligungsabsicht seinem Bekannten B 100.000  €. Der Zugewinnausgleichsanspruch der benachteiligten Ehefrau besteht in einer Höhe von ebenfalls 100.000  €. Bei M ist allerdings noch Vermögen im Wert von 80.000  € vorhanden. Fraglich ist, ob sich F daher in voller Höhe (100.000  €) nach §  1390 BGB an B halten kann oder nur wegen der nicht durch das Vermögen des M abgedeckten 20.000  €. 106 

Siehe hierzu bereits oben, S. 114 ff. etwa Büte NJW 2009, 2776, 2779; Büte FPR 2009, 283, 286; Brudermüller FamRZ 2009, 1185, 1190; Jaeger in: Johannsen/Henrich (Hrsg.), Familienrecht, §  1390 BGB Rn.  4; Krause ZFE 2009, 379. 107  So

Teil 2 – A. Deutschland

225

Die überwiegende Ansicht nimmt hier mit Verweis auf die Gesetzesmaterialien hingegen zu Recht eine teleologische Reduktion des zu weit geratenen Wortlautes des §  1390 BGB vor.108 Eine noch weitergehende Aufhebung der Subsidiarität der Haftung des Dritten hatte der Gesetzgeber mit der Reform im Jahre 2009 nicht beabsichtigt.109 Es bleibt daher bei dem Prinzip, dass durch §  1390 BGB nur das tatsächliche Ausfallrisiko abgedeckt wird und der Wertersatzanspruch deshalb nur in der Höhe des Betrags gegeben ist, um den der Zugewinnausgleichsanspruch das noch beim ausgleichspflichtigen Ehegatten vorhandene Vermögen übersteigt. Die Frage, ob sich die Haftung des Dritten erhöht, wenn der Zugriff auf das Vermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten letztlich scheitert, ist, soweit ersichtlich, bisher kaum diskutiert worden. Zu einem Fehlschlagen des Zugriffs kann es bspw. dann kommen, wenn der verpflichtete Ehegatte mitsamt seinem Vermögen während des Scheidungsverfahrens untertaucht oder er in Insolvenz fällt. Hier bestehen wiederum große Parallelen zu den erbrechtlichen Rückholansprüchen. Eine einheitliche Antwort auf die Frage nach der genauen Natur und den Umfang der Ausfallhaftung erscheint daher insoweit möglich und aus vielerlei Gründen auch sinnvoll.110 Wie §  1390 Abs.  1 S.  4 BGB ausdrücklich klarstellt, haften der beschenkte Dritte und der ausgleichspflichtige Ehegatte für das Ausfallrisiko als Gesamtschuldner.111 Der ausgleichsberechtigte Ehegatte kann daher grds. frei wählen, an welchen Schuldner er sich zuerst wendet. Da bereits Anspruchsvoraussetzung des §  1390 BGB ist, dass bei dem anderen Ehegatten kein hinreichendes Vermögen mehr vorhanden ist, wird sich der ausgleichsberechtigte Ehegatte wegen des noch fehlenden Betrages allein aus praktischen Erwägungen aber in aller Regel an den Dritten halten. Aufgrund der Gesamtschuld kann der Dritte im Rahmen des Gesamtschuldnerinnenausgleichs dann Regress beim ausgleichspflichtigen Ehegatten nehmen. II. Fernwirkungen Nach ganz herrschender Ansicht schließt die Verweisung in §  1390 Abs.  1 BGB auf das Bereicherungsrecht wiederum §  822 BGB mit ein.112 Der ausgleichsbe108 Soergel/Kappler/Kappler §  1390 BGB Rn.  20; Erman/Budzikiewicz §  1390 BGB Rn.  8 f.; MüKoBGB/Koch §  1390 Rn.  12; Roth in: jurisPK-BGB, §  1390 Rn.  9; Papenbreer, Vermögensmanipulationen und Zugewinnausgleich, S.  207 ff.; a. A. Bamberger/Roth/Siede §  1390 BGB Rn.  6 . 109  So ausdrücklich nun auch Palandt/Brudermüller §  1390 BGB Rn.  6; vgl. auch BT-Drs. 16/10798, S.  21. 110  Siehe hierzu unten S. 436 ff. 111 Soergel/Kappler/Kappler §  1390 BGB Rn.  25; siehe hierzu auch Schwab FS Kanzleiter, S.  365, 372. 112 Staudinger/Thiele §  1390 BGB Rn.  22; Bamberger/Roth/Siede §  1390 BGB Rn.  7; Soergel/­

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Kapitel III:  Anspruchsgegner

rechtigte Ehegatte kann demnach auch auf einen Zweitbeschenkten zugreifen, der seinerseits das Geschenk unentgeltlich vom ursprünglich Beschenkten erhalten hat. Welche Voraussetzungen dieser weitere Durchgriff nach §  822 BGB genau hat und wie das Verhältnis der Ansprüche gegen den Erst- und den Zweitbeschenkten im Einzelfall zu konstruieren ist, ist dabei aber erneut durchaus nicht unproblematisch. Auch hier könnte die Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2013 Wirkung entfalten.113 III. Mehrere Beschenkte Anders als beim Pflichtteilsergänzungsanspruch gibt das Gesetz in §  1390 BGB keine Reihenfolge der Inanspruchnahme vor, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte gleich mehrere angreifbare Rechtsgeschäfte mit verschiedenen Personen vorgenommen hat. Die herrschende Ansicht geht daher davon aus, dass die verschiedenen Ansprüche aus §  1390 BGB unabhängig nebeneinander bestehen und der benachteiligte Ehegatte ein freies Wahlrecht hat, welchen Schuldner er wann und mit welchem Umfang in Anspruch nimmt.114 Beispiel: Kurz vor der Einreichung des Scheidungsantrages schenkt der ausgleichspflichtige Ehegatte E seinen Freunden A, B und C jeweils 100.000  €. Im Zeitpunkt der Antragstellung ist deshalb bei E keinerlei Vermögen mehr vorhanden. Nach Maßgabe der §§  1375 Abs.  2, 1378 Abs.  2 S.  2 BGB beträgt der Zugewinnausgleichsanspruch der Ehefrau F jedoch 100.000  €. F kann sich aussuchen, ob sie sich zur Befriedigung dieser Forderung nach §  1390 BGB jeweils an A, B oder C hält.

Ob die Beschenkten untereinander als Gesamtschuldner anzusehen sind und deshalb der jeweils in Anspruch genommene Schuldner bei den anderen anteilig Rückgriff nehmen kann, ist umstritten. Die überwiegende Ansicht in der Literatur bejaht die Voraussetzungen einer Gesamtschuld und verweist hierfür auf das gleichartige Gläubigerinteresse.115 Die Diskussion beschränkt sich dabei – soweit ersichtlich – aber lediglich darauf, festzustellen, die Voraussetzungen der Gesamtschuld lägen vor oder fehlten. Gemäß §  421 BGB setzt die Gesamtschuld voraus, dass eine Schuldnermehrheit besteht, die Schuldner jeweils einzeln verpflichtet sind, die vollständige Leistung zu erbringen, der Gläubiger die Leistung aber nur einmal fordern Kappler/Kappler §  1390 BGB Rn.  22; Erman/Budzikiewicz §  1390 BGB Rn.  9; MüKo­BGB/ Koch §  1390 Rn.  15; Finke in: RGRK-BGB §  1375 Rn.  12. 113 BGH NJW 2014, 782; m. Anm. R. Magnus LMK 2014, 354195. Siehe hierzu oben S.  203 ff. 114 Staudinger/Thiele §   1390 BGB Rn.  27; Soergel/Kappler/Kappler §  1390 BGB Rn.  26; ­Erman/Budzikiewicz §  1390 BGB Rn.  10; MüKoBGB/Koch §  1390 Rn.  17. 115 Staudinger/Thiele §   1390 BGB Rn.  27; Soergel/Kappler/Kappler §  1390 BGB Rn.  26; ­Erman/Budzikiewicz §  1390 BGB Rn.  10; MüKoBGB/Koch §  1390 Rn.  17; Papenbreer, Vermögensmanipulationen und Zugewinnausgleich, S.  213 f.; a. A. MüKoBGB/Gernhuber (3.  Aufl.) §  1390 Rn.  17; Soergel/Lange (12.  Aufl.) §  1390 BGB Rn.  16.

Teil 2 – A. Deutschland

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kann und die Verpflichtungen gleichstufig sind.116 Insoweit ist aber zu beachten, dass die Ansprüche aus §  1390 BGB aufgrund ihrer Subsidiarität bei zeitlich gestaffelten Übertragungen von Vermögenswerten erst sukzessive zur Entstehung gelangen und sich in ihrer Höhe wechselseitig beeinflussen. Beispiel: Die Ehefrau F hat in der Ehe einen Zugewinn von 1.000.000  € erzielt, ihr Ehemann M hingegen überhaupt keinen. Jeweils noch vor der Scheidung schenkt F in Beeinträchtigungsabsicht ihrem neuen Freund A zunächst 200.000  € und einige Monate später ihrer besten Freundin B die restlichen 800.000  €. Da die Schenkungen nach §  1375 Abs.  2 BGB zum Endvermögen der F jeweils hinzugerechnet werden, beträgt die Ausgleichsforderung des M insgesamt 500.000  €.

Ohne die zweite Schenkung an B wäre es in dieser Konstellation aber gar nicht zu einem Anspruch nach §  1390 BGB gegenüber A gekommen, weil dann noch ausreichend Vermögen bei F vorhanden gewesen wäre, um den Ausgleichsanspruch des M zu decken. Zudem haftet A nicht für den gesamten Ausgleichsanspruch, sondern nur in einer Höhe von maximal 200.000  €. Eine solche Konstellation ist für eine Gesamtschuld eher untypisch. Grundlage der Ansprüche gegenüber A und B sind jeweils Rechtsgeschäfte, die getrennt und völlig unabhängig voneinander mit dem ausgleichspflichtigen Ehegatten abgeschlossen wurden. Auch an der Gleichartigkeit der Verpflichtung könnte man zweifeln, wenn A im Falle einer Sachschenkung den Anspruch gem. §  1390 Abs.  1 S.  3 BGB bspw. durch Herausgabe eines geschenkten Rennpferdes, B aber durch Herausgabe eines geschenkten Grundstücks abwenden könnte. Nimmt man mit der heute herrschenden Meinung gleichwohl eine Gesamtschuld an, stellt sich die Folgefrage, ob dem in Anspruch genommenen Dritten dann auch ein Auskunftsanspruch gegenüber dem ausgleichsberechtigten Ehegatten zusteht. Könnte A also verlangen, von F über alle weiteren Rechtshandlungen aufgeklärt zu werden, durch die potentielle weitere Gesamtschuldner i. S. d. §  1390 BGB entstanden sein könnten? Hier stellt sich jedoch das Problem, dass ein Anspruch nach §  1390 Abs.  1 BGB auch voraussetzt, dass F in Benachteiligungsabsicht gehandelt hat, und F demnach gezwungen wäre, über ihre missbräuchlichen subjektiven Vorstellungen bei Vornahme dieser Rechtsgeschäf­ te Auskunft zu geben.117 Gibt das Rechtsgeschäft Anlass für eine Anwendung des §  1390 Abs.  2 BGB, würde die gleiche Verpflichtung zudem auch noch den Vertragspartner des ausgleichspflichtigen Ehegatten treffen. Ohne entsprechende Auskunftsmöglichkeiten würde die Gesamtschuldverpflichtung aber in der Regel leerlaufen. Aufgrund dieser Erwägungen ist bei der Annahme einer Gesamtschuld Zurückhaltung geboten. Inwieweit die Gesamtschuld insgesamt

116 

Siehe statt vieler MüKoBGB/Bydlinsky §  421 Rn.  3 ff. mwN. Darlegungsanforderungen an die Benachteiligungsabsicht sind hier allerdings nicht allzu hoch, siehe hierzu Büte, Zugewinnausgleich bei Ehescheidung, Rn.  391. 117 Die

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Kapitel III:  Anspruchsgegner

eine tragfähige Lösung für die bei mehreren Beschenkten auftretenden Probleme ist, soll weiter unten noch in größerer Ausführlichkeit diskutiert werden.

B. England I. Subsidiarität des Rückholanspruchs Wie bereits dargelegt,118 besteht im englischen Recht kein strenger Vorrang der Inanspruchnahme des Ehegatten vor der Inanspruchnahme Dritter. Sind jedoch noch ausreichend finanzielle Mittel beim beklagten Ehegatten vorhanden, wird sich das Gericht im Rahmen seiner Ermessensausübung meist gegen eine Rückabwicklung von Verfügungen und die Einbeziehung Dritter in den Rechtsstreit entscheiden.119 Auch wird in einer solchen Situation bereits die Voraussetzung, dass sich die disposition negativ auf das Begehren des Klägers nach financial relief ausgewirkt hat, regelmäßig nicht nachweisbar sein.120 II. Fernwirkungen Anders als etwa in sec.  425 (2) Insolvency Act werden weitere Transaktionen, die der ursprüngliche Vertragspartner des ausgleichspflichtigen Ehegatten mit weiteren Dritten tätigt, vom Wortlaut der anti-avoidance provisions des Matrimonial Causes Act nicht ausdrücklich erfasst. In der Entscheidung Green v. Green lehnte es Eastham J daher auch ab, über sec.  37 (3) MCA121 Anordnungen zu erlassen, die sich gegen einen solchen „Vierten“ richten würden.122 In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der Ehemann ein im Miteigentum der Eheleute stehendes Grundstück auf eine „Isle of Man company“ übertragen und diese hatte ihrerseits eine Sicherheit zugunsten einer Bank an dem Grundstück bestellt. Die durch die Verfügung benachteiligte Ehefrau verlangte eine Aufhebung der Sicherheit nach sec.  37 MCA. Eastham J führte hierzu Folgendes aus: „Mr. Oppenheimer, on behalf of the bank, says, first of all, that he disagrees with Mr. Jackson’s submission that the subsection (sec.  37 (3) MCA) is in wide terms, and he lays particular emphasis on the words ‚consequential directions,‘ submitting that that restricts very largely or entirely the subsection to directions requiring, for example, the 118 

Siehe S. 122 f. Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  159 f. 120  Siehe oben S. 127. 121  Sec.  37 (3) MCA lautet: „Where the court makes an order under subsection (2)(b) or (c) above setting aside a disposition it shall give such consequential directions as it thinks fit for giving effect to the order (including directions requiring the making of any payments or the disposal of any property).“ 122  Green v. Green [1981] 1 WLR 391; ähnlich auch der Court of Appeal in National Provincial Bank v. Hastings Car Mart ltd (No. 3) [1964] Ch 665. 119 

Teil 2 – B. England

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repayment of any money which had been paid under the conveyance which had been set aside. He also submits that, if Mr. Jackson’s submissions are correct, it would deprive his client, the bank, entirely of the statutory defence set out in subsection (4) which it could rely on if it were possible for the proceedings to be brought against the bank under section 37 (1) and (2) MCA (…) I have come to the conclusion that Mr. Oppenheimer’s submissions are correct and that I have no discretion or power under section 37 (3) MCA to attack the charge under the provisions of that subsection.“

Deuteten diese Ausführungen noch darauf hin, dass generell Anordnungen sich auf den unmittelbaren Vertragspartner des ausgleichspflichtigen Ehegatten zu beschränken hätten, wich der Court of Appeal in der Entscheidung Ansari v. Ansari 123 von diesem Standpunkt allerdings ab und hielt auch die Rückabwicklung von nachfolgenden Transaktionen grds. für möglich. Voraussetzung sei allerdings, dass sich dieser „Vierte“ nicht auf den durch sec.  37 (4) MCA gewährten Schutz berufen könne.124 Auch hier lag der Sachverhalt so, dass der ausgleichsverpflichtete Ehegatte ein Grundstück zunächst an ein befreundetes Ehepaar übertragen hatte und dieses dann eine Hypothek (mortgage) zugunsten einer Bank an dem Grundstück bestellte. Longmore J stellte dabei zunächst klar, dass die Bestellung der Hypothek selbst keine disposition i. S. d. sec.  37 (2) MCA125 sei. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift („the other ­party to the proceeding“) seien insoweit nur Transaktionen erfasst, die der beklagte Ehegatte selbst vorgenommen habe. Zur Reichweite der nach sec.  37 (3) MCA möglichen Anordnungen führte Longmore J anschließend dann Folgendes aus:126 „The broad question is whether the court can set aside a disposition which is made subsequently to the reviewable disposition. One can envisage a case in which a husband sells to X who knows the husband intends to defeat the wife’s claim and X then sells to Y who likewise knows that such is the husband’s intention. If all parties conspire to defeat the wife’s claim, the wife should surely be able to set aside both dispositions. The second disposition is not a reviewable disposition for the purpose of sec.  37 (2) MCA because it was not made by the husband. It could only be set aside by invoking sec.  37 (3) MCA but, 123 

Ansari v. Ansari [2009] 1 FLR 1121. Ansari v. Ansari [2009] 1 FLR 1121. 125  Sec.  37 (2) MCA lautet: „Where proceedings for financial relief are brought by one person against another, the court may, on the application of the first-mentioned person – (a) if it is satisfied that the other party to the proceedings is, with the intention of defeating the claim for financial relief, about to make any disposition or to transfer out of the jurisdiction or otherwise deal with any property, make such order as it thinks fit for restraining the other party from so doing or otherwise for protecting the claim; (b) if it is satisfied that the other party has, with that intention, made a reviewable disposition and that if the disposition were set aside financial relief or different financial relief would be granted to the applicant, make an order setting aside the disposition; (c) if it is satisfied, in a case where an order has been obtained under any of the provisions mentioned in subsection (1) above by the applicant against the other party, that the other party has, with that intention, made a reviewable disposition, make an order setting aside the disposition; and an application for the purposes of paragraph (b) above shall be made in the proceedings for the financial relief in question.“ 126  Ansari v. Ansari [2009] 1 FLR 1121, Rn.  20 ff. 124 

230

Kapitel III:  Anspruchsgegner

for my part, I can see no reason not to invoke the sub-section in those circumstances. If it cannot be invoked, there would be an easy way to defeat a wife’s legitimate claim (…) I am however, clear that it should not be used in the circumstances of the present case since there is no question at all of the Bank being a party to any conspiracy or even (as I have already said) having notice of any intention on the part of the husband to defeat the wife’s rights. The discretion conferred by sec.  37 (3) MCA, even if it can be used to set aside dispositions subsequent to the first disposition in a case where the parties acted in bad faith, should certainly not be used to set aside a subsequent disposition for valuable consideration to a person who acted in relation to it in good faith and without such notice.“

Scheidet eine Inanspruchnahme des jetzigen Eigentümers des veräußerten Gegenstandes wegen dessen Gutgläubigkeit aus, stellt sich die Frage, ob ein bösgläubiger Erstkäufer oder Erstbeschenkter stattdessen Wertersatz leisten oder dasjenige herausgeben muss, was er durch die Weiterveräußerung erlangt hat.127 Der Court of Appeal hat eine solche Verpflichtung in der Entscheidung Sherry v. Sherry abgelehnt und sich zur Begründung dieses Ergebnisses vor allem auf den Wortlaut von sec.  37 (3) MCA gestützt.128 Danach setze der Erlass von Maßnahmen nach sec.  37 (3) MCA voraus, dass zuvor die Rückabwicklung von Verfügungen des Ehegatten nach sec.  37 (2) lit.  b) und lit.  c) MCA gerichtlich angeordnet wurde. Eine solche Anordnung unterbleibt aber regelmäßig, wenn eine Rückabwicklung in Natur aufgrund der Weiterveräußerung oder Zerstörung des übertragenen Gegenstandes gar nicht mehr möglich ist.129 III. Mehrere Beschenkte Anders als der Inheritance Act (sec.  10 (5)) enthält der Matrimonial Causes Act keine Regelung für den Fall, dass der Ehegatte mehrere angreifbare Verfügungen an unterschiedliche Dritte vorgenommen hat. Wie hier zu verfahren ist und ob insoweit Ausgleichsansprüche der verschiedenen Dritten untereinander bestehen, ist demnach unklar. Grds. ist jede disposition, die die Voraussetzungen der sec.  37 MCA erfüllt, angreifbar. Ein Posterioritätsprinzip oder eine anders geartete Bestimmung der Reihenfolge der Rückabwicklung kennt das englische Recht nicht. Werden über sec.  37 MCA mehrere Dritte in das Verfahren der Eheleute mit einbezogen, wird das Gericht bei Erlass seiner Anordnungen und im Rahmen seiner Ermessensausübung gem. sec.  37 (3) MCA aber auch auf eine gerechte Verteilung der Lasten zwischen den Dritten untereinander achten. Eigenständige Rückgriffsansprüche, bspw. mehrerer Beschenkter untereinander, existieren hingegen wohl nicht.130 127 Bejahend

Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  165. Sherry v. Sherry [1991] 1 F.L.R. 307; kritisch dazu Fortin Conv. 1991, 370, 377 ff. 129  Sherry v. Sherry [1991] 1 F.L.R. 307. 130  Literatur oder Rechtsprechung zu dieser Thematik existiert, soweit ersichtlich, nicht. 128 

Teil 2 – C. Frankreich

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C. Frankreich I. Subsidiarität des Rückholanspruchs Es besteht eine strikte Subsidiarität. Solange das bei Auflösung des Güterstandes vorhandene Vermögen zur Befriedigung des Ausgleichsanspruches ausreicht, ist ein Rückgriff auf Dritte nicht möglich. Der Rückholanspruch greift also nur, wenn und soweit das im maßgeblichen Zeitpunkt vorhandene Vermögen nicht genügt.131 Unklar ist, ob die Subsidiarität auch dann aufgehoben wird, wenn die Forderung gegen den ausgleichspflichtigen Ehegatten anschließend nicht realisiert werden kann, weil sich dieser bspw. während des Scheidungsverfahrens mitsamt seinem Vermögen ins Ausland abgesetzt hat. II. Fernwirkungen Nach herrschender Ansicht können auch weitere Dritte in Anspruch genommen werden, soweit diese entweder selbst bösgläubig waren oder den Gegenstand durch eine weitere Schenkung erlangt haben.132 Es gelten insoweit die gleichen Voraussetzungen, wie im Rahmen der action paulienne.133 III. Mehrere Beschenkte Wie Art.  1577 Code civil ausdrücklich bestimmt, findet wiederum das Posterioritätsprinzip Anwendung. Es muss bei mehreren Rechtsgeschäften zunächst das zeitlich am nächsten liegende angegriffen werden, ehe auf ein zeitlich schon länger zurückliegendes Geschäft zugegriffen werden kann.134 Eine Differen­ zierung zwischen den beiden Tatbestandsvarianten (donation, aliénation frauduleuse) wird dabei nicht vorgenommen, so dass auch ein gutgläubiger Beschenkter vorrangig vor einem bösgläubigen Erwerber haftet, nur weil er den geschenkten Gegenstand wenige Augenblicke früher erhalten hat. Ausgleichsansprüche der Verfügungsempfänger untereinander bestehen nicht. Nach herrschender Ansicht sollen für das Posterioritätsprinzip an dieser Stelle die gleichen Grundsätze gelten, wie sie bereits im Rahmen der action en réduction im 131  Piedelièvre, Participation aux acquêts, JC Civ. Code., Fasc. unique, Rn.  5 4; Cornu JCP G 1970, I, 2368, Rn.  126; Champenois Defrénois 1988, Art.  34320, Rn.  201; Malaurie/Aynès, Les régimes matrimoniaux, Rn.  869; Colomer, Participation aux Acquêts, Rép. dr. civ., Rn.  247. 132  Ponsard in: Aubry/Rau, Droit civil français, VIII, S.  633; Champenois Defrénois 1988, Art.  34320, Rn.  245 Fn.  270. 133  Ponsard in: Aubry/Rau, Droit civil français, VIII, S.  633; Champenois Defrénois 1988, Art.  34320, Rn.  245 Fn.  270. Siehe zur action paulienne die Ausführungen auf S. 241. 134  Colomer, Participation aux Acquêts, Rép. dr. civ., Rn.  249; Ponsard D. 1966, L. 111, Rn.  185; Malaurie/Aynès, Les régimes matrimoniaux, Rn.  869; Rieg Mélanges Marty, S.  921, 942 (Fn.  72).

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Kapitel III:  Anspruchsgegner

Erbrecht entwickelt wurden.135 So müssen bspw. auch letztwillige Verfügungen zuerst herabgesetzt werden, bevor es zu einer Rückabwicklung bereits vollzogener Schenkungen kommen kann.136 Insgesamt kann daher umfassend auf die obigen Ausführungen zur action en réduction verwiesen werden.137

D. Rechtsvergleich I. Subsidiarität des Rückholanspruchs Die untersuchten Rechte neigen deutlich dazu, den eherechtlichen Rückhol­ anspruch gegen einen Dritten, dem der ausgleichspflichtige Ehegatte Vermögen übertragen hat, nur subsidiär – nach dem Anspruch gegen den Ausgleichspflichtigen selbst – zu gewähren. Diese Subsidiarität war im deutschen Recht vor der Reform im Jahre 2009 völlig unstreitig. Aufgrund der Änderung im Wortlaut des §  1390 BGB ist sie nunmehr zweifelhaft. Die überwiegende Ansicht in der deutschen Literatur möchte die Subsidiarität der Haftung des Dritten aber gleichwohl grundsätzlich beibehalten und nimmt zu diesem Zwecke eine teleologische Reduktion des zu weit geratenen Wortlautes des §  1390 BGB vor.138 Die Frage, ob sich die Haftung des Dritten erhöht, wenn der Zugriff auf das Vermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten aus tatsächlichen Gründen scheitert, wird bisher, soweit ersichtlich, nicht diskutiert.139 Zu bedenken ist jedoch auch, dass aus Sicht des ausgleichsberechtigten Ehegatten der beschenkte Dritte und der ausgleichspflichtige Ehegatte für das Ausfallrisiko als Gesamtschuldner haften.140 Der Ehegatte sollte daher grds. frei wählen können, welchen Schuldner er zuerst in Anspruch nimmt; er sollte nicht zwangsläufig zuerst gegen seinen Ehepartner klagen müssen. Im englischen Recht gibt es hingegen keinen strengen Vorrang der Ansprüche auf financial relief gegen den anderen Ehepartner vor der Inanspruchnahme eines außenstehenden Dritten nach sec.  37 MCA. Sind jedoch noch ausreichend finanzielle Mittel beim beklagten Ehegatten vorhanden, wird sich das Gericht im Rahmen seiner Ermessensausübung meist gegen eine Rückabwicklung von Verfügungen und die Einbeziehung Dritter in den Rechtsstreit entscheiden.141 Damit folgt man hier rein faktisch dem Subsidiaritätsgrundsatz.

135  Cornu JCP G 1970, I, 2368, Rn.  124; Ponsard in: Aubry/Rau, Droit civil français, VIII, Rn.  382 (Fn.  134); Terré/Simler, Les régimes matrimoniaux, Rn.  852 (S.  688 Fn.  2); Cornu, Les Régimes Matrimoniaux, S.  804. 136  Cornu JCP G 1970, I, 2368, Rn.  124 (Fn.  129bis). 137  Siehe oben S. 214 ff. 138  Siehe oben S. 224. 139  Siehe aber auch unten S. 206 f. 140  Siehe oben S. 226. 141  Siehe oben S. 228.

Teil 2 – D. Rechtsvergleich

233

In Frankreich wiederum gilt für die Haftung des Dritten eine strikte Subsidiarität. Ein Rückgriff auf den Dritten scheidet aus, solange das bei Auflösung des Güterstandes vorhandene Vermögen zur Befriedigung des Ausgleichsanspruches noch ausreicht.142 Wie in Deutschland ist unklar, ob die Subsidiarität dann durchbrochen wird, wenn sich die gegen den ausgleichspflichtigen Ehegatten gerichtete Forderung aus tatsächlichen Gründen als nicht realisierbar erweist. II. Fernwirkungen Wie im Erbrecht stellt sich auch im Familienrecht die Frage, ob der Rückholanspruch ggfs. Weiterschenkungen erfasst. Im Kern lassen die untersuchten Rechte eine solche Fernwirkung im Familienrecht zu. Als Voraussetzung genügt übereinstimmend die Unentgeltlichkeit der Weiterverfügung. Ob der Anspruch auch gegen einen bösgläubigen entgeltlichen ‚Vierten‘ besteht, wird uneinheitlich beurteilt. Welche Einzelheiten im Übrigen gelten, ist noch wenig geklärt. Nach der in Deutschland herrschenden Meinung schließt die Verweisung in §  1390 Abs.  1 BGB auf das Bereicherungsrecht wiederum §  822 BGB mit der Folge ein, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte auch auf einen Zweitbeschenkten zugreifen kann, der seinerseits das Geschenk unentgeltlich vom ursprünglich Beschenkten erhalten hat.143 Welche Voraussetzungen dieser weitere Durchgriff dabei genau besitzt und wie sich das Verhältnis der Ansprüche gegen den Erst- und den Zweitbeschenkten im Einzelfall darstellt, ist dabei aber noch weitgehend ungeklärt. In England werden weitere Transaktionen, die der ursprüngliche Vertragspartner des ausgleichspflichtigen Ehegatten mit weiteren Dritten abschließt, vom Wortlaut der sec.  37 MCA zumindest nicht ausdrücklich erfasst.144 In der Entscheidung Green v. Green wurde der Erlass von Anordnungen gegen einen solchen „Vierten“ über sec.  37 (3) MCA daher auch zunächst abgelehnt. In ­Ansari v. Ansari wich der Court of Appeal dann aber von diesem Standpunkt ab und hielt auch die Rückabwicklung von nachfolgenden Transaktionen grds. für möglich, wenn jedenfalls auch gegenüber dem Vierten die Voraussetzungen der sec.  37 MCA erfüllt sind.145 Ob der Dritte nach der Weiterveräußerung des geschenkten Gegenstandes noch auf Wertersatz oder Herausgabe des Veräußerungserlöses in Anspruch genommen werden kann, erscheint nach der Entscheidung Sherry v. Sherry eher zweifelhaft.146

142 

Siehe oben S. 231. Siehe oben S. 226. 144  Siehe oben S. 228. 145  Siehe oben S. 228 f. 146  Siehe oben S. 228 ff. 143 

234

Kapitel III:  Anspruchsgegner

Nach französischem Recht können mit der action en révocation grds. auch weitere Dritte in Anspruch genommen werden, soweit diese entweder selbst bösgläubig sind oder den Gegenstand durch eine weitere Schenkung vom ursprünglichen Vertragspartner des ausgleichspflichtigen Ehegatten erhalten haben.147 III. Mehrere Beschenkte Unterschiedlich ist auch die Antwort auf die Frage, wie Rückholansprüche gegen mehrere Beschenkte zu behandeln sind. Der Möglichkeit, dass der Berechtigte unter den mehreren Dritten frei wählen kann (Deutschland, England), steht ein strikter Posterioritätsgrundsatz (Frankreich) gegenüber. In Deutschland gibt das Gesetz, anders als beim Pflichtteilsergänzungsanspruch, keine Reihenfolge der Inanspruchnahme vor. Nach herrschender Ansicht hat der Ehegatte daher ein freies Wahlrecht, gegen welchen Beschenkten er zuerst vorgeht.148 Ob die Beschenkten untereinander als Gesamtschuldner anzusehen sind, ist umstritten, wird jedoch von der herrschenden Meinung bejaht.149 Gleichwohl sind mit der Annahme einer Gesamtschuld auch zahlreiche Schwierigkeiten verbunden (etwa hinsichtlich einer möglichen Auskunftspflicht der Gesamtschuldner untereinander), die noch einer genaueren Untersuchung bedürfen. Auch das englische Recht enthält, wiederum im Unterschied zum Erbrecht, keine ausdrückliche Regelung für die Rückabwicklung bei mehreren Schenkungen des ausgleichspflichtigen Ehegatten. Grundsätzlich ist daher jede disposition für sich angreifbar, ohne dass ein Posterioritätsprinzip oder sonstige Vorgaben für die Reihenfolge der Inanspruchnahme zu beachten wären. Werden über sec.  37 MCA mehrere Dritte in das Verfahren der Eheleute mit einbezogen, wird das Gericht bei Erlass seiner Anordnungen aber gem. sec.  37 (3) MCA auch auf eine gerechte Verteilung der Lasten zwischen den Dritten untereinander achten.150 Im Unterschied zum deutschen und englischen Recht gilt in Frankreich gem. Art.  1577 Code civil auch insoweit ein Posterioritätsprinzip. Bei mehreren Rechtsgeschäften muss zuerst das zeitlich am nächsten liegende angegriffen werden, ehe ein zeitlich früher vorgenommenes Geschäft rückabgewickelt werden kann.151 Eine Differenzierung zwischen den beiden Tatbestandsvarianten (donation, aliénation frauduleuse) wird dabei nicht vorgenommen, so dass auch ein gutgläubiger Beschenkter vorrangig vor einem bösgläubigen Erwerber haftet, selbst wenn er den geschenkten Gegenstand nur wenige Augenblicke früher 147 

Siehe oben S. 231. Siehe oben S. 226. 149  Siehe oben S. 226 ff. 150  Siehe oben S. 230. 151  Siehe oben S. 231. 148 

Teil 3 – A. Subsidiarität des Rückholanspruchs

235

erhalten hat. Ausgleichsansprüche der Verfügungsempfänger untereinander bestehen nicht.

Teil 3: Vollstreckungsrecht A. Subsidiarität des Rückholanspruchs Die Anfechtungstatbestände der InsO, des Code de Commerce und des Insolvency Act setzen, mit Ausnahme der sec.  423 IA, stets die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner voraus. Auch wenn sich der eigentliche Anspruch des Gläubigers nach wie vor gegen den Schuldner richtet, ist daher davon auszugehen, dass er praktisch wertlos ist bzw. dass sich nur noch ein Bruchteil seines Wertes realisieren lässt. Dieser Umstand ist auch der Hauptgrund für die Existenz der Insolvenzanfechtung und die damit verbundene Rückgriffsmöglichkeit auf Dritte. Sie führt zu einer Aufweichung der Relativität der Schuldverhältnisse in der Insolvenzsituation und hebt die grds. Subsidiarität der Inanspruchnahme Dritter gegenüber der Haftung des unmittelbaren Schuldners auf. Es wäre sinnwidrig, den Anfechtungsberechtigten zunächst auf seine Ansprüche gegen den Schuldner zu verweisen, wenn die Insolvenzanfechtung doch gerade zu einer Anreicherung der beim Schuldner vorhandenen Haftungsmasse führen soll. Im Insolvenzrecht haftet der Dritte in den untersuchten Rechtsordnungen immer primär, nicht subsidiär. Ähnlich verhält es sich mit der Anfechtung außerhalb eines Insolvenzverfahrens. Auch hier ist der tatsächliche oder wahrscheinliche Ausfall des Schuldners in den Referenzrechten die Voraussetzung für die Anfechtungsmöglichkeit. Darin mag eine in der Sache liegende, ‚natürliche‘ Subsidiarität gesehen werden. Im Anfechtungsverfahren muss aber jedenfalls nicht erst der Schuldner in Anspruch genommen werden. Im deutschen Recht ist es nach §  2 AnfG erforderlich, dass der Gläubiger einen vollstreckbaren Schuldtitel gegen den Schuldner besitzt, dessen Vollstreckung mangels ausreichenden Schuldnervermögens fehlgeschlagen ist oder zumindest fehlzuschlagen droht.152 Es ist also auch hier die bereits konkret festgestellte (bzw. drohende) Vermögensinsuffizienz, die den Vorrang der Haftung des Schuldners durchbricht und den Rückgriff auf Dritte ermöglicht, zu denen der Gläubiger in keiner vertraglichen oder außervertraglichen Beziehung steht. Sec.  423 IA ermöglicht in England ebenfalls eine Anfechtung außerhalb einer Insolvenzsituation. Anspruchsberechtigt ist aber nur, wer durch die Handlung des Schuldners benachteiligt wurde („victim of the transaction“). Eine solche Benachteiligung entsteht insbesondere, wenn die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines Gläubigers beeinträchtigt wird. Ist eine ausreichende Haf152 

Siehe oben S. 147.

236

Kapitel III:  Anspruchsgegner

tungsmasse vorhanden, wird eine Schädigung Dritter durch eine Handlung des Schuldners in der Regel ausscheiden. Auch hier ist es also letztlich wiederum die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, die den Rückgriff auf vertraglich mit dem Berechtigten nicht verbundene Dritte ermöglicht. Eine allenfalls mittelbare Subsidiarität des Anspruchs aus sec.  423 IA wird allein dadurch erreicht, dass der Berechtigte eine Schädigung durch die schuldnerische Handlung nachweisen muss. Gleiches gilt auch für die französische action paulienne, die ebenfalls außerhalb eines Insolvenzverfahrens zur Verfügung steht.153 Erst die Gefahr des Ausfalls der Schuld ermöglicht den Rückgriff beim Dritten.

B. Mehrere Zuwendungsempfänger Der Fall ist nicht selten, dass der Schuldner in anfechtbarer Weise Gegenstände an mehrere Personen weggegeben hat. Wie im Familien- und weitgehend auch im Erbrecht stehen sich zwei Grundsätze gegenüber: Entweder kann der Berechtigte zwischen mehreren Verpflichteten frei wählen oder er muss strikt in zeitlicher Reihenfolge vorgehen und zunächst die zeitlich jüngste Verfügung angreifen. Der Vergleich zeigt, dass die freie Wahlmöglichkeit wohl überwiegt, aber auch Einschränkungen unterliegt. Im deutschen Recht kann der Anfechtungsberechtigte frei wählen, wen er in Anspruch nimmt.154 Ein Insolvenzverwalter ist hingegen grds. kraft Amtes verpflichtet, alle für eine Anfechtung in Betracht kommenden Rechtsgeschäfte auch tatsächlich anzufechten.155 Ihm steht bei einer Mehrzahl von Anfechtungsgegnern aber grds. ein weiter Beurteilungsspielraum zu, da sich die Erfolgsaussichten einer Anfechtungsklage und die anschließenden Befriedigungsmöglichkeiten ex ante oft nur schwer beurteilen lassen.156 Der Inanspruchgenommene kann den Anfechtenden im deutschen Recht auch nicht auf anderweitige Ersatzmöglichkeiten verweisen.157 Ein Posterioritätsprinzip oder eine anderweitig vorgegebene Reihenfolge der Inanspruchnahme besteht nicht. Regressmöglichkeiten der Anfechtungsgegner untereinander werden in der insolvenzrechtlichen Literatur, soweit ersichtlich, nicht diskutiert und sind, soweit zwischen den Beteiligten keine vertraglichen Beziehungen bestehen, grds. nicht vorgesehen. Beispiel: Schuldner S schenkt innerhalb von vier Jahren zunächst A, dann B und dann C jeweils 100.000  €. Infolge dieser letzten Schenkung ist sein Vermögen nun vollständig aufgebraucht und ein Vollstreckungsversuch des Gläubigers G, der einen Titel in Höhe 153 

Siehe oben S. 179 f. Huber, Anfechtungsgesetz, §  11 Rn.  58. 155 BGH NZI 2004, 496; MüKoInsO/Brandes/Schoppmeyer §  61 InsO Rn.  12 ff.; Bork ZIP 2006, 589, 593; Keay/Walton, Insolvency Law – Corporate and Personal, Rn.  23.3.1. 156  Vgl. BGH 1996, 850, 851; MüKoInsO/Brandes/Schoppmeyer §  61 InsO Rn.  12. 157  Vgl. BGH KTS 1966, 35. 154 

Teil 3 – C. Fernwirkungen

237

von 100.000  € gegen S besitzt, bleibt erfolglos. G ficht deshalb die an A vorgenommene Schenkung in voller Höhe an. A möchte, nachdem er das Geld zurückgezahlt hat, bei B und C anteilig Regress nehmen.

Das für ein Posterioritätsprinzip insbesondere in der französischen erbrechtlichen Literatur158 angeführte Argument, dass es der Schuldner anderenfalls in der Hand hätte, das erste Schenkungsgeschäft durch die Vornahme weiterer Schenkungen unwirksam werden zu lassen, ist auch in einer solchen Konstellation nicht von der Hand zu weisen. Die englische transaction at an undervalue und die besonderen französischen Insolvenzanfechtungstatbestände setzen andererseits die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners im Zeitpunkt der Vornahme der anfechtbaren Handlung voraus. In bestimmten Fällen führt diese Voraussetzung de facto doch zu einem Posterioritätsprinzip. Beispiel: A verschenkt 2015 innerhalb weniger Stunden jeweils 100.000 Pfund zunächst an B, dann an C und dann an D. Im Zeitpunkt der Schenkung an D überwogen seine Passiva (20.000  €) aber bereits das noch vorhandene Aktivvermögen. Kurz darauf wird über das Vermögen des A ein Insolvenzverfahren eröffnet.

Da A in dem Zeitpunkt, in dem er die Schenkungen an B und C vorgenommen hat, noch nicht zahlungsunfähig war, können diese Schenkungen, obwohl sie in zeitlicher Nähe zur Insolvenzeröffnung vorgenommen wurden, nicht angefochten werden. Der Insolvenzverwalter ist darauf beschränkt, die zeitlich zuletzt erfolgte Schenkung an D anzufechten. War der Schuldner hingegen bereits vor der ersten Schenkung zahlungsunfähig, bleibt es bei der Wahlfreiheit des Anfechtungsberechtigten. Wie der Fall zu entscheiden wäre, wenn alle Schenkungen zeitgleich erfolgt wären, ist zweifelhaft. Für die transaction defrauding creditors und die action paulienne ist die Zahlungsunfähigkeit/Zahlungseinstellung im Zeitpunkt der angefochtenen Handlung hingegen keine Voraussetzung.

C. Fernwirkungen I. Deutschland Eine eigenständige Regelung der Problematik der Fernwirkung – des Zugriffs auf Vermögen des Schuldners, das sich inzwischen in den Händen weiterer Erwerber befindet – enthalten §  15 AnfG und §  145 InsO. Hiernach kann die Anfechtung jeweils auch gegen einen Erben oder Gesamtrechtsnachfolger des Schuldners geltend gemacht werden. Einzelrechtsnachfolger können hingegen nur in Anspruch genommen werden, wenn sie das Erlangte unentgeltlich erworben haben oder ihnen die Umstände, die die Anfechtbarkeit des Erwerbs 158 

Siehe Seite 214 ff.; vgl. auch §  528 Abs.  2 BGB.

238

Kapitel III:  Anspruchsgegner

ihres Rechtsvorgängers begründen, im Zeitpunkt ihres eigenen Erwerbs bekannt waren. Bei nahestehenden Personen i. S. d. §  138 InsO wird diese Kenntnis grds. vermutet. Nahestehenden Personen obliegt daher der Nachweis, dass diese Tatsachen ihnen im Erwerbszeitpunkt unbekannt waren.159 Obwohl auch die Anfechtungsvorschriften sich auf der Rechtsfolgenseite eines Verweises in das Bereicherungsrecht bedienen, sind doch ganz erhebliche Unterschiede zu den familien- und erbrechtlichen Rückholansprüchen feststellbar.160 Wurde im Familien- und Erbrecht überwiegend von einer Anwendung des §  822 BGB ausgegangen,161 wird diese Vorschrift für die Anfechtungsrechte durch eigenständige Sonderregelungen verdrängt.162 §  15 AnfG bzw. §  145 InsO beschränkt sich dabei aber nicht auf die Fallgruppe des unentgeltlichen Zweiterwerbers, sondern ermöglicht auch einen Rückgriff auf entgeltliche Einzelrechtsnachfolger, wenn und soweit ihnen eine Kenntnis der Anfechtbarkeit nachgewiesen werden kann. Zudem findet insoweit auch die Vermutung einer solchen Kenntnis bei nahestehenden Personen Anwendung. Welche Kenntnis beim Zweiterwerber vorhanden sein muss, hängt davon ab, welcher Anfechtungstatbestand gegenüber dem Ersterwerber erfüllt war. Bei der Schenkungsanfechtung würde es daher grds. genügen, dass der Zweiterwerber weiß, dass sein Rechtsvorgänger die übertragenen Gegenstände unentgeltlich erhalten hat.163 Erwirbt also beispielsweise A ein Grundstück gegen Zahlung von 1.000.000  €, von dem er weiß, dass es der Veräußerer vor drei Jahren geschenkt bekommen hat, wäre sein Erwerb grds. nach §   15 Abs.   2 Nr.   1 AnfG/§  145 Abs.  2 Nr.  1 InsO anfechtbar.164 Ein solches Ergebnis wird von einigen Stimmen in der Literatur als unbillig empfunden, da A als entgeltlicher Erwerber grds. schutzbedürftig sei. Zusätzlich sei daher zu verlangen, dass dem Zweiterweber auch die Anfechtbarkeit der Schenkung bzw. die konkrete Gläubigerbenachteiligung bewusst war.165 Die wohl herrschende Ansicht in der Literatur lehnt hingegen solche Einschränkungen ab. Zum einen sei ein entsprechender Vorschlag im Gesetzgebungsverfahren zur InsO diskutiert, letztlich aber abgelehnt worden. Der damit zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers müsse respektiert werden.166 Zum anderen bestünde für den entgeltlichen Erwerber auch immer die Möglichkeit, bei seinem Rechtsvorgänger Re159 

Huber, Anfechtungsgesetz, §  15 Rn.  19; MüKoAnfG/Kirchhof §  15 Rn.  32. Siehe auch Brinkmann, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  145 Rn.  29. 161  Siehe oben S. 203, 208, 226. 162  Vgl. BGH ZIP 2012, 1617 Rn.  2 ; Brinkmann, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  145 Rn.  2. 163  Huber, Anfechtungsgesetz, §  15 Rn.  17. 164  Huber, Anfechtungsgesetz, §  15 Rn.  17; Schillig MittBayNot 2002, 347, 349 f. 165  Huber, Anfechtungsgesetz, §  15 Rn.  17; Gerhardt FS Kirchhof, 2003, S.   121, 124 ff.; a. A. Thole in: Kayser/Thole, InsO, §  145 Rn.  10. 166  Henckel, Insolvenzanfechtung, §  145 Rn.  58; MüKoInsO/Kirchhof §  145 Rn.  26; Brinkmann, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  145 Rn.  30. 160 

Teil 3 – C. Fernwirkungen

239

gress zu nehmen.167 Das bisher immer wieder feststellbare Prinzip, einen sog. equity’s darling zu schützen,168 wird dadurch allerdings sehr weit zurückgedrängt und hinsichtlich der Anforderungen an eine Bösgläubigkeit stark eingeschränkt. Die Inanspruchnahme des Zweiterwerbers muss jeweils noch innerhalb der für die ursprüngliche Anfechtung geltenden Fristen erfolgen.169 Im AnfG kann der Gläubiger den Fristenlauf durch eine schriftliche Mitteilung der Anfechtungsabsicht an den Anfechtungsgegner unterbrechen (§  15 Abs.  3 AnfG). Die Haftung des Zweiterwerbers verdrängt nicht die Haftung des ursprünglichen Anfechtungsgegners, sondern tritt neben diese.170 Soweit sie sich auch ihrem Inhalt nach entsprechen – jeweils Haftung auf Wertersatz –, sind der ursprüngliche Anfechtungsgegner und sein Einzelrechtsnachfolger als Gesamtschuldner anzusehen.171 Der Gläubiger bzw. der Insolvenzverwalter hat grds. die freie Auswahl, an welchen Dritten er sich wendet. Auch ist die Herausgabe des ursprünglich Erlangten nicht gegenüber der Wertersatzverpflichtung vorrangig. II. England Eine Inanspruchnahme weiterer Dritter ist im englischen Recht grds. möglich. Sec.  425 (2) IA bestimmt ausdrücklich: „An order under section 423 may affect the property of, or impose any obligation on, any person whether or not he is the person with whom the debtor entered into the transaction (…)“

Sec.  342 (2) IA ist insoweit identisch. In wessen Händen sich der abgeflossene Vermögenswert inzwischen befindet, ist demnach zunächst irrelevant.172 Auch ist die Haftung des Zweitempfängers gegenüber der Haftung des Erstempfängers nicht subsidiär.173 Der Schutz gutgläubiger Dritter wird über den zweiten Halbsatz der sec.  342 (2), 425 (2) IA verwirklicht. Sec.  342 (2) IA gilt für die transaction at an under-

167  Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §   145 Rn.  27; Henckel, Insolvenzanfechtung, §  145 Rn.  58; Schillig MittBayNot 2002, 347, 349 f. 168  Siehe zu diesem Begriff oben S. 126. 169  Bei der Vorsatzanfechtung 10 Jahre, bei der Schenkungsanfechtung 4 Jahre; vgl. ­Huber, Anfechtungsgesetz, §  15 Rn.  15. 170  BGH ZIP 1996, 184 f.; Huber, Anfechtungsgesetz, §  15 Rn.  2 2; Brinkmann, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, §  145 Rn.  4 4 f. 171  Huber, Anfechtungsgesetz, §  15 Rn.  2 2; Brinkmann, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  145 Rn.  44 f.; Henckel, Insolvenzanfechtung, §  145 Rn.  70. 172  Keay, McPherson’s Law of Company Liquidation, Rn.  11.019. 173  Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, Rn.   13.48; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  271.

240

Kapitel III:  Anspruchsgegner

value und den preference-Tatbestand gleichermaßen. Sec.   425 (2) IA, dem 174 sec.  342 (2) IA inhaltlich entspricht, lautet wie folgt: „(…) but such an order – (a) shall not prejudice any interest in property which was acquired from a person other than the debtor and was acquired in good faith, for value and without notice of the relevant circumstances, or prejudice any interest deriving from such an interest, and (b) shall not require a person who received a benefit from the transaction in good faith, for value and without notice of the relevant circumstances to pay any sum unless he was a party to the transaction.“

Der gewährte Schutz greift daher nur für Dritte, die nicht direkt vom Schuldner erworben haben. Sie werden zudem nur geschützt, wenn sie im Zeitpunkt des Erwerbes gutgläubig (in good faith) waren und eine werthaltige Gegenleistung (for value) erbracht haben. Ein solcher gutgläubiger Empfänger soll auch nicht zu einer Ausgleichszahlung verpflichtet werden können. Das Konzept des equity’s darling175 greift also grds. auch hier, allerdings mit der wichtigen Einschränkung, dass es für den unmittelbaren Vertragspartner des Schuldners nicht gilt und dieser selbst bei Gutgläubigkeit und Erbringung einer werthaltigen Gegenleistung in Anspruch genommen werden kann. Hinsichtlich der Gutgläubigkeit enthält sec.  342 (2A) IA eine praktisch bedeutsame widerlegliche Vermutung. Ein Erwerber gilt bis zum Beweis des Gegenteils als bösgläubig, wenn er Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und den Begleitumständen hatte oder wenn er ein associate des Schuldners oder des unmittelbaren Vertragspartners des Schuldners ist.176 Für den Begriff des associate gilt wiederum die oben177 ausführlich erörterte Legaldefinition in sec.  435 IA. Im Rahmen der transaction defrauding creditors findet sich in sec.  425 IA hingegen keine vergleichbare Vermutung. Auch insoweit sind die Voraussetzungen 174  Sec.  342 (2) IA lautet: „An order under section 339 or 340 may affect the property of, or impose any obligation on, any person whether or not he is the person with whom the individual in question entered into the transaction or, as the case may be the person to whom the preference was given; but such an order – (a) shall not prejudice any interest in property which was acquired from a person other than that individual and was acquired in good faith and for value, or prejudice any interest deriving from such an interest, and (b) shall not require a person who received a benefit from the transaction or preference in good faith and for value to pay a sum to the trustee of the bankrupt’s estate except where he was a party to the transaction or the payment is to be in respect of a preference given to that person at a time when he was a creditor of that individual.“ 175  Siehe oben S. 126 f. 176  Sec.  342 (2A) IA lautet: „Where a person has acquired an interest in property from a person other than the individual in question, or has received a benefit from the transaction (…), and at the time of that acquisition or receipt – (a) he had notice of the relevant surrounding circumstances and of the relevant proceedings, or (b) he was an associate of, or was connected with, either the individual in question or the person with whom that individual entered into the transaction (…), then, unless the contrary is shown, it shall be presumed for the purposes of paragraph (a) or (as the case may be) paragraph (b) of subsection (2) that the interest was acquired or the benefit was received otherwise than in good faith.“ 177  Siehe S. 172.

Teil 3 – C. Fernwirkungen

241

für eine erfolgreiche Klage und Durchsetzung des Rückholanspruchs wiederum höher. Wieso Rechtsgeschäfte und Folgegeschäfte mit nahestehenden Personen weniger verdächtig sein sollen, wenn sie unter den (zusätzlichen) Voraussetzungen der sec.  423 IA erfolgt sind, ist zumindest nicht auf den ersten Blick einsichtig.178 III. Frankreich 1. Action paulienne Auch eine Inanspruchnahme weiterer Dritter ist möglich. Für Gesamtrechtsnachfolger des Dritten (Erbschaft, Fusion) gilt das auch im Falle ihrer Gutgläubigkeit.179 Einzelrechtsnachfolger werden hingegen geschützt, wenn sie den Gegenstand gutgläubig und gegen Entgelt erworben haben.180 Den Nachweis der Bösgläubigkeit oder der Unentgeltlichkeit des Erwerbes muss der Anspruchsteller erbringen. Gleiches gilt für Inhaber von Sicherungsrechten an einem übertragenen Gegenstand.181 Bei längeren entgeltlichen Veräußerungsketten ist umstritten, ob es genügt, die Bösgläubigkeit des aktuellen Besitzers nachzuweisen oder ob auch die jeweiligen Vorbesitzer bösgläubig gewesen sein müssen.182 Teilweise wird angenommen, zumindest ein unentgeltlicher Erwerber sei vor einer action paulienne geschützt, wenn sein unmittelbarer Rechtsvorgänger den Gegenstand entgeltlich und gutgläubig erworben habe.183 2. Art. L. 632 ff. Code de Commerce Die Nichtigkeit einer Handlung infolge des Eingreifens der Art. L. 632 ff. C. com. entfaltet hingegen von vornherein Rechtswirkung erga omnes. Auch ein Zweit-, Dritt- oder Vierterwerber ist daher zur Rückgabe des erlangten Gegenstandes verpflichtet. Auf seine Bös- oder Gutgläubigkeit kommt es hierfür nicht an.184 Auch ein gutgläubiger Eigentumserwerb nach Art.  2276 C. civ. ist nicht 178 

Siehe zu diesem Themenkomplex noch ausführlich unten S. 416 ff. Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  68. 180  Cass. 25 janv. 1983, Bull. civ. 1983, III, n°25; Cass. 19 déc. 1990, Bull. Civ. 1990, III, n°266; Cass. 9 mars 1994, Bull. civ. 1994, III, n°43. 181  Cass. 13 déc. 2005, Gaz. Pal. 2006, S.  3902; Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  69. 182  Für einen Nachweis der Bösgläubigkeit allein beim Anspruchsgegner Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  71 f.; Gautier/Pasqualini, Action Paulienne, Rép. dr. civ., Rn.  66; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rn.  1147 Fn.  51; a. A. Terré/Simler/Lequette, Droit civil – Les obligations, Rn.  1181; Sautonie-Laguionie, La fraude paulienne, S.  584 f. 183  Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rn.   1147 Fn.  51; a. A. Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  72. 184 Cass. com. 30 juin 2004, Juris Data n°2004-024382; Saint-Alary-Houin/Monsièrié-­ 179 

242

Kapitel III:  Anspruchsgegner

möglich.185 Eine Ausnahme bildet wiederum Art.  631-2 C. com. Ein vollentgeltlicher Erwerber kann nur bei positiver Kenntnis der Zahlungseinstellung durch den Schuldner in Anspruch genommen werden.186

D. Rechtsvergleich Im Vollstreckungsrecht spielt der Grundsatz der Subsidiarität naturgemäß keine oder allenfalls mittelbar eine Rolle, da die Vermögensinsuffizienz des Schuldners Verfahrensvoraussetzung ist und der Gläubiger seinen Anspruch gegen den Schuldner gewöhnlich bereits erfolglos im Vorfeld der Einzel- oder Gesamtvollstreckung erhoben hat. In der Vollstreckung muss er bzw. der Insolvenzverwalter den Schuldner deshalb nicht vorweg in Anspruch nehmen, bevor er den Rückholanspruch gegen den Dritten geltend machen kann. Hat der Schuldner angreifbare Zuwendungen an mehrere Personen geleistet, darf der Insolvenzverwalter/Gläubiger im Grundsatz frei wählen, wen von ihnen er in Anspruch nehmen will. Allerdings verlangen das englische und französische Insolvenzrecht zum Teil, dass die Zahlungsunfähigkeit bereits im Zeitpunkt der Verfügung bestand. Daraus kann faktisch eine Einschränkung der Wahlfreiheit folgen. Der Rechtsvergleich zeigt, dass die untersuchten Rechte den vollstreckungsrechtlichen Rückholansprüchen übereinstimmend Fernwirkungen zubilligen. Der Insolvenzverwalter/Gläubiger kann auch weitere Empfänger in der Erwerberkette in Anspruch nehmen. Dabei ist ein gutgläubiger und vollentgeltlicher Zweit- oder weiterer Erwerber freilich wiederum nach dem Prinzip des equity’s darling vor Rückholansprüchen geschützt; ein bösgläubiger entgeltlicher Zweiterwerber bleibt ihnen dagegen ausgesetzt. Im Übrigen variieren die Einzelheiten. Im deutschen Recht muss die Inanspruchnahme des Zweiterwerbers jeweils noch innerhalb der für die ursprüngliche Anfechtung geltenden Fristen erfolgen. Die Haftung des Zweiterwerbers tritt ferner neben die Haftung des ursprünglichen Anfechtungsgegners, so dass zwischen beiden in der Regel eine Gesamtschuld entsteht.187 In Frankreich ist bei längeren Veräußerungsketten umstritten, ob es genügt, die Bösgläubigkeit des aktuellen Besitzers nachzuweisen oder ob auch die jeweiligen Vorbesitzer bösgläubig gewesen sein müssen.188 Die Haftung der weiteren Erwerber besteht auch hier grds. neben der Haftung früherer Erwerber,

Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullités de droit et nullitées facultatives, JC Proc. coll., Fasc. 2502, Rn.  77; Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, Rn.  622 mwN. 185  Jacquemont, Droit des entreprises en difficulté, Rn.  629. 186  Siehe oben S. 189 f. 187  Siehe S. 237 ff. 188  Siehe S. 241.

Teil 3 – D. Rechtsvergleich

243

so dass der anfechtungsberechtigte Gläubiger grds. die freie Wahl hat, bei wem er zugreifen möchte.

Zusammenfassung zu Kapitel III Die Subsidiarität ist ein Kennzeichen beinahe aller familien- und erbrechtlichen Rückholansprüche. Erst wenn die geschützte Vermögensmasse zur Befriedigung der Ansprüche der Berechtigten nicht ausreicht, kann das Innenverhältnis Schuldner-Gläubiger verlassen und ein außenstehender Dritter in Anspruch genommen werden. Einzige echte Ausnahme ist in dieser Hinsicht §  2287 BGB, obwohl auch im englischen Erbrecht die Subsidiarität des Rückholanspruchs teilweise unklar ist. Im Insolvenz- und Einzelvollstreckungsrecht gilt dagegen eine faktische Subsidiarität, da die fehlende Durchsetzbarkeit des Anspruchs gegen den Schuldner bereits die Grundvoraussetzung für die Anfechtungsrechte und Rückholansprüche ist. Soweit nicht der Subsidiaritätsgrundsatz entgegensteht, ist im Grundsatz stets der erste Empfänger der benachteiligenden Verfügung der richtige Anspruchsgegner. Doch ist allen drei untersuchten Rechtsordnungen auch eine Fernwirkung bekannt, das heißt die Möglichkeit, auch einen späteren Erwerber in Anspruch zu nehmen, der seinerseits vom ursprünglichen Erwerber erworben hat. Die konkrete Ausgestaltung dieser Fernwirkung unterscheidet sich jedoch im Einzelnen. Bereits innerhalb des deutschen Rechts bestehen Unterschiede. Im Vollstreckungsrecht ist ein Rückgriff auch auf einen bösgläubigen Zweiterwerber möglich, während im Erb- und Familienrecht nur der unentgeltliche Zweiterwerber haftet. Keinen generellen Zugriff auf Zweiterwerber ermöglicht das englische Recht. Im Familien und Erbrecht ist nur die Inanspruchnahme eines bösgläubigen oder unentgeltlichen Zweiterwerbers möglich. Das Gleiche gilt für das französische Recht, wobei hier auch im Erbrecht sehr weitreichend auf einen tiers détenteur zugegriffen werden kann. Bei der Entscheidung zwischen einem Posterioritätsprinzip und einem freien Wahlrecht des Berechtigten bei mehreren Schenkungen an unterschiedliche Personen folgen das deutsche Pflichtteilsrecht und das französische Erb- und Familienrecht dem Posterioritätsprinzip, also dem Prinzip, dass die letzte Schenkung zuerst angegriffen werden muss, während ansonsten ein freies Wahlrecht des Berechtigten herrscht. Im englischen Erbrecht hat der Beschenkte, der vom Berechtigten in Anspruch genommen wird, aber die Möglichkeit, seinerseits gegen weitere Beschenkte vorzugehen und diese mit in den Prozess gegen den Berechtigten einzubeziehen.

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Kapitel III:  Anspruchsgegner

Übersicht zu Kapitel III Erbrecht Deutschland §  2287 BGB Keine Subsidiarität Fernwirkung (§  822 BGB) Freies Wahlrecht

Familienrecht

Vollstreckungsrecht

§  1390 BGB Eingeschränkte Subsidiarität Fernwirkung (§  822 BGB) Freies Wahlrecht

§§  3, 4 AnfG/§§  129 ff. InsO Subsidiarität Fernwirkung (§  15 AnfG/ §  145 InsO) Freies Wahlrecht

§  2329 BGB Subsidiarität Fernwirkung (§  822 BGB) Posterioritäts­prinzip England

Sec.  10, 11 InhA Subsidiarität (str.) Keine Fernwirkung (Ausnn.: personal representative) Wahlrecht, aber sec.  10 (5) InhA

Sec.  37 MCA Eingeschränkte Subsidiarität Enge Fernwirkung Freies Wahlrecht/ Gerichtliches Ermessen

Sec.  339 f., 423 IA Subsidiarität Fernwirkung (sec.  425 (2) IA) Freies Wahlrecht

Frankreich

Art.  918 ff., 1083 C.c. Subsidiarität Fernwirkung (Art.  924-4 C.c.) Posterioritäts­prinzip

Art.  1577 C.c. Subsidiarität Fernwirkung Posterioritätsprinzip

Art.  1341-2 C.c. Art. L. 632 ff. C. com. Subsidiarität Fernwirkung Freies Wahlrecht

Kapitel IV

Rechtsfolgen Die Rechtsfolgen der Rückholansprüche weisen viele Ähnlichkeiten aber auch Unterschiede im Detail auf. Stets ist zunächst der Anspruchsinhalt zu bestimmen. Ist dieser auf Herausgabe des erlangten Gegenstandes oder aber von vornherein auf Wertersatz gerichtet? Kann die Herausgabe durch Zahlung oder umgekehrt die Zahlung durch Herausgabe abgewendet werden? Einen Schwerpunkt der Untersuchung bilden Wertveränderungen. Kann sich der Beschenkte auf Entreicherung berufen, wenn die Sache sich durch sein Verschulden verschlechtert hat oder untergegangen ist? Wie ist es bei unverschuldeten Einbußen und üblichen Abnutzungen? Wem gebühren Wertsteigerungen, die auf äußeren Umständen (Beispiel: Außenbereich wird zu Bauland erklärt) oder Leistungen des Beschenkten beruhen? Welcher Bewertungszeitpunkt ist für einen Wertersatzanspruch maßgeblich, derjenige der Schenkung, derjenige einer Weiterveräußerung oder derjenige der Anspruchsentstehung?

246

Kapitel IV:  Rechtsfolgen

Teil 1: Erbrecht A. Deutschland I. Erbverträge Der Vertragserbe hat nach dem Tode des Erblassers zunächst die Wahl, ob er die Erbschaft im vollen Umfange annimmt, seine Haftung auf den Nachlass beschränkt oder gar die Erbschaft ausschlägt. Schlägt der Vertragserbe die Erbschaft aus, stehen ihm auch keine Ansprüche nach §  2287 BGB zu. 1. Anspruchsinhalt §  2287 BGB verweist hinsichtlich der Rechtsfolgen in das Bereicherungsrecht. Der Vertragserbe kann daher vom Beschenkten zunächst die Herausgabe des ­Geschenks oder, soweit das nicht möglich ist, Wertersatz verlangen (§§  812, 818 BGB).1 Nutzungsersatz kann hingegen erst nach Anspruchsentstehung, d. h. nach dem Erbfall, verlangt werden. Nach dem Prinzip der Gesamtrechtsnach­ folge (§  1922 BGB) kann der Wertersatzanspruch auch gegenüber den Erben des Beschenkten geltend gemacht werden, wenn letzterer vor Anspruchserhebung verstorben ist.2 Ist der Beschenkte pflichtteilsberechtigt, darf er die Rücküber­ tragung des Geschenks in Höhe seines fiktiven Pflichtteilsanspruchs verweigern.3 Die Rechtsfolgen bei einer gemischten Schenkung sind umstritten. Nach inzwischen ganz herrschender Meinung muss danach differenziert werden, ob der Schenkungsanteil überwiegt oder nicht.4 Bei einem Überwiegen des Schenkungsanteils kann der Vertragserbe die Herausgabe des Geschenks verlangen, wenn er Zug-um-Zug dem Beschenkten, die erbrachte Gegenleistung zurückerstattet. Überwiegt hingegen der entgeltliche Anteil, besteht nur ein Anspruch auf Ausgleich der Wertdifferenz entsprechend §§  812, 818 Abs.  2 BGB.5 2. Entreicherung und Wertveränderungen §  2287 BGB stellt keine besonderen Anforderungen an den Kenntnisstand des Beschenkten. Gleichwohl spielt dieser im Rahmen der Rechtsfolgen eine Rolle. Nur der gutgläubige und unverklagte Beschenkte kann sich auf Entreicherung 1  J. Mayer in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §  2 287 BGB Rn.  114; MüKoBGB/Musielak §  2287 BGB Rn.  21. 2  Anders ist dagegen die Rechtslage in England, siehe S. 212. 3  BGH NJW 1984, 121; Jauernig/Stürner §  2 287 BGB Rn.  4. 4  BGH NJW 1953, 501; FamRZ 1961, 73; NJW 1980, 2307, 2309; NJW 1984, 121, 122; J. Mayer in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §  2287 BGB Rn.  119; Staudinger/Kanzleiter §  2287 BGB Rn.  29; MüKoBGB/Musielak §  2287 BGB Rn.  22; Kohler NJW 1964, 1393, 1398; differenzierend Soergel/Wolf §  2286 BGB Rn.  7. 5  BGH NJW 1953, 501; FamRZ 1961, 73; Bamberger/Roth/Litzenburger §  2 287 Rn.  26; Erman/S. u. T. Kappler §  2287 BGB Rn.  7.

Teil 1 – A. Deutschland

247

gem. §  818 Abs.  3 BGB berufen (§§  818 Abs.  4, 819 BGB). Erlangt der Beschenkte hingegen Kenntnis von der Bindung des Erblassers durch den Erbvertrag und von Tatsachen, die nach allgemeiner Lebenserfahrung auf eine Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers schließen lassen, gilt er als bösgläubig und der Einwand der Entreicherung ist ihm versperrt. 6 In diesem Fall muss er folglich auch dann Wertersatz leisten, wenn ein entsprechender Gegenwert der Zuwendung in seinem Vermögen nicht mehr vorhanden ist. Nach herrschender Meinung sind für Bereicherungsansprüche die Wert­ver­ hältnisse im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung maßgeblich, hier also im Zeitpunkt des Erbfalles.7 Nach diesem Zeitpunkt eintretende Wertverände­r ungen kommen dem Bereicherungsschuldner zugute. 8 Das Niederstwertprinzip des §  2325 Abs.  2 S.  2 BGB findet bei §§  2287, 818 BGB keine Anwendung. Bei einer früher vollzogenen Schenkung wird daher nur der in der Zeit bis zum Erbfall eingetretene Kaufkraftschwund durch eine Indexierung berücksichtigt und der Wert der Zuwendung nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen entsprechend erhöht.9 Wie mit ungewöhnlichen Wertsteigerungen zu verfahren ist, ist hingegen unklar. Die Problematik veranschaulicht folgender Fall: Der unverheiratete und kinderlose Erblasser E schließt mit seinem Schulfreund S einen Erbvertrag ab, in welchem er S als alleinigen Erben einsetzt. Nach einem Streit mit S schenkt E jedoch schon wenig später in Beeinträchtigungs­absicht einem anderen Schulfreund D ein unbebautes Grundstück im Außen­bereich (Wert: 100.000  €). Aufgrund städteplanerischen Veränderungen wird das Grundstück in der Folgezeit zu Bauland erklärt, was dessen Wert vervierfacht.10 Nachdem E viele Jahre später verstirbt, ohne weiteren nennenswerten Nachlass zu hinterlassen, verlangt S von D die Herausgabe des Grundstücks.

Nach herrschender Ansicht ist der Anspruch des S berechtigt und er braucht auch keinen Wertausgleich an D zu zahlen. Die ungewöhnliche Wertsteigerung zwischen Schenkung und Tod des E kommt ausschließlich S zugute. D, der von dem Vertrag mit S nichts wusste, das Grundstück möglicherweise mit Hypotheken und Grundschulden belastet und seine wirtschaftliche und berufliche Existenz auf das Vorhandensein dieses Vermögensgegenstandes gegründet hat, ist schutzlos.11 Auch an dieser Stelle überrascht die im Vergleich zum Pflichtteilsergänzungsrecht schwächere Position des Beschenkten.12 6 MüKoBGB/Musielak §   2287 BGB Rn.  21; Bamberger/Roth/Litzenberger §  2287 BGB Rn.  24; Große-Wilde/Ouart/Burandt §  2287 BGB Rn.  24. 7 Große-Wilde/Ouart/Burandt §  2 287 BGB Rn.  19. 8  BGH NJW 1952, 697; NJW 1963, 1299, 1301; MüKoBGB/Schwab §  818 BGB Rn.  116 mwN. 9  BGH NJW-RR 1989, 259, 260; NJW 1975, 1831, 1832 f.; NJW 1974, 137. 10  Ein anderes Beispiel wäre, dass E dem D ein Bild eines unbekannten Künstlers schenkt, der wenige Jahre später zu einem gefeierten Star avanciert, wodurch sich der Wert des Gemäldes vervielfacht. 11  Da das Grundstück nach wie vor unterscheidbar im Vermögen des D vorhanden ist, werden die Voraussetzungen einer Entreicherung nur schwer nachweisbar sein. 12 Die vom historischen Gesetzgeber für die Einführung des Niederstwertprinzips bei

248

Kapitel IV:  Rechtsfolgen

Werterhöhungen infolge von Investitionen des Beschenkten in den geschenkten Gegenstand berechtigen ihn, analog zu §§  994 ff. BGB Verwendungsersatz zu verlangen oder ein Zurückbehaltungsrecht auszuüben.13 Hat der Beschenkte das Geschenk weiter veräußert oder gegen einen anderen Gegenstand getauscht, orientiert sich die Bemessung des geschuldeten Wertersatzes nach §§  2287, 818 Abs.  2 BGB grds. am objektiven Wert des Geschenks im Zeitpunkt der Veräußerung.14 Ob ein Veräußerungsgewinn über das Bereicherungsrecht abgeschöpft werden kann, ist umstritten, richtigerweise aber zu verneinen.15 Weitere durch die anschließende Investition des Veräußerungserlöses erzielte Wertsteigerungen und Gewinne bleiben für die Bemessung des Wertersatzanspruches aber in jedem Fall außer Betracht. Ist der Veräußerungserlös ersatzlos verbraucht worden, kann ein gutgläubiger Beschenkter sich auf Entreicherung berufen (§  818 Abs.  3 BGB). II. Pflichtteilsrecht 1. Anspruchsinhalt Im Rahmen der Pflichtteilsergänzung haftet primär der Erbe und erst subsidiär der Beschenkte. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist wie der Pflichtteilsanspruch dabei generell auf eine Ausgleichszahlung in Geld gerichtet.16 Eine Entreicherung (§  818 Abs.  3 BGB) kann der Erbe nicht geltend machen, wohl aber stehen ihm die Dürftigkeitseinrede (§  1990 BGB) und die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass zu (§§  1975 ff., 2060 BGB, §  327 InsO). Auch §  2328 BGB ermöglicht eine Beschränkung der Haftung eines selbst pflichtteilsberechtigten Erben. Der Anspruch nach §  2329 BGB gegen den Beschenkten richtet sich hingegen in erster Linie auf die Herausgabe des Geschenks zum Zwecke der Deckung des noch fehlenden Geldbetrages im Wege der Zwangsvollstreckung in den geschenkten Gegenstand.17 Zahlung kann der Pflichtteilsberechtigte nur verlangen, wenn es um die Rückholung eines Geldgeschenks geht oder der Gegenstand im Vermögen des Beschenkten nicht mehr vorhanden ist, dieser sich aber §  2325 Abs.  2 S.  2 BGB gegebene Begründung scheint auch bei §§  2287, 818 zu passen, s. ­Mugdan, Die gesamten Materialen zum Bürgerlichen Gesetzbuch V, Protokolle S.  789. Zu dem schwierigen Verhältnis der Ansprüche aus §  2325 BGB und §  2287 BGB in diesem Zusammenhang siehe Muscheler FamRZ 1994, 1361, 1365 ff. 13  BGH NJW 1980, 1789, 1790; Lange, Erbrecht, §  45 Rn.  86. 14 Staudinger/Lorenz §  818 BGB Rn.  31 mwN. 15 Staudinger/Lorenz §  818 BGB Rn.  27 mwN. 16 BGH NJW 1952, 1173; Heisel in: Dauner-Lieb/Grziwotz, Pflichtteilsrecht, §   2303 BGB Rn.  96. 17  Erman/Röthel §   2329 BGB Rn.  3; Staudinger/Olshausen §  2329 BGB Rn.  22; Soergel/ Dieckmann §  2329 BGB Rn.  18; siehe hierzu auch das Beispiel bei Heisel in: Dauner-Lieb/ Grziwotz, Pflichtteilsrecht, §  2329 BGB Rn.  13.

Teil 1 – A. Deutschland

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auch nicht auf Entreicherung berufen kann (§§  818 Abs.  4, 819 BGB). Für Zahlungsansprüche trifft §  2329 BGB, genauso wie §  2287 BGB, eine Rechtsfolgenverweisung in das Bereicherungsrecht.18 Der Beschenkte kann die Herausgabe des Geschenks durch Zahlung des ausstehenden Betrages abwenden (§  2329 Abs.  2 BGB). Ist der Beschenkte vor Geltendmachung des Anspruches aus §  2329 BGB verstorben, richtet sich der Anspruch gem. §§  1922, 1967 BGB unmittelbar gegen die Erben des Beschenkten.19 2. Entreicherung und Wertveränderungen Da weder §  2325 BGB für die Inanspruchnahme des Erben noch §  2329 BGB für den Rückgriff auf den Beschenkten subjektive Tatbestandsvoraussetzungen aufstellt, ist es nur konsequent, dass auch weder die Gutgläubigkeit des Erben noch die des Beschenkten im Ausgangspunkt eine Rolle spielt. Der Beschenkte wird wiederum zunächst dadurch geschützt, dass er nur subsidiär und im Verhältnis zum Erben nachrangig haftet.20 Zudem verweist §  2329 BGB, wie schon §  2287 BGB, in das Bereicherungsrecht. Ein gutgläubiger und unverklagter Beschenkter kann deshalb gem. §  818 Abs.  3 BGB auch seine eigene Entreicherung einwenden. Für eine verschärfte Haftung des Beschenkten vor Eintritt des Erbfalles (§§  818 Abs.  4, 819 BGB) ist dagegen regelmäßig kein Raum, da die Entstehung des Anspruchs aus §  2329 BGB mit vielerlei Unsicherheiten behaftet ist (konkrete Höhe der Pflichtteile, Ablauf der Frist in §  2325 Abs.  3 BGB) und die anspruchsbegründenden Umstände dem Beschenkten daher oft gar nicht bekannt sein können.21 Vor nachträglichen Wertveränderungen wird der Beschenkte durch das sog. Niederstwertprinzip in §  2325 Abs.  2 S.  2 BGB geschützt.22 Bei verbrauchbaren Sachen ist der Wert der Sache zur Zeit der Schenkung zugrunde zu legen. Bei allen anderen Sachen ist grds. der Wert zum Zeitpunkt des Erbfalles ausschlaggebend. Die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten bestehen daher nur, wenn das Geschenk im Zeitpunkt des Erbfalles noch (irgendwo) vorhanden ist.23 Ist es untergegangen oder beschädigt worden, scheiden Ergänzungsansprüche hingegen aus bzw. beziehen sich nur noch auf den verbleibenden Restwert. Keine Rolle spielt es insoweit, beim wem die Sachen untergegangen sind und ob ein Verschulden vorlag.24 Hat der Beschenkte das Geschenk weiterveräußert, 18 Staudinger/Olshausen

§  2329 BGB Rn.  31. BGH DNotZ 1983, 111, 113; Staudinger/Olshausen §  2329 BGB Rn.  51. 20  Siehe oben S. 206 ff. 21 MüKoBGB/Lange §  2329 BGB Rn.  18. 22  Für die Berechnung des Ergänzungsanspruches werden die geschenkten Gegenstände grds. mit dem Verkehrswert angesetzt, landwirtschaftlich genutzte Grundstücke hingegen mit dem Ertragswert (§  2312 BGB). 23 Staudinger/Olshausen §  2325 BGB Rn.  99; MüKoBGB/Lange §  2325 BGB Rn.  49. 24 Staudinger/Olshausen §  2325 BGB Rn.  99; MüKoBGB/Lange §  2325 BGB Rn.  49. 19 

250

Kapitel IV:  Rechtsfolgen

kommt es folglich auch nicht auf den erzielten Erlös und dessen weiteres Schicksal an, sondern nach wie vor auf das ursprüngliche Geschenk.25 Ergeben sich jedoch nach der Schenkung bis zum Erbfall ungewöhnliche Wertsteigerungen, ist ausnahmsweise der niedrigere Wert der Sache im Schenkungszeitpunkt heranzuziehen (sog. Niederstwertprinzip §  2325 Abs.  2 S.  2 BGB).26 Der Kaufkraftschwund zählt allerdings nicht als Wertsteigerung, sondern wird durch eine entsprechende Indexierung der Werte im Schenkungszeitpunkt herausgerechnet.27 Für die praktische Bedeutung dieser Regelung sei auf das oben genannte Beispiel verwiesen, dass ein geschenktes Grundstück im Außenbereiche nach dem Vollzug der Schenkung aber noch vor dem Tode des Erblassers zu Bauland erklärt wird und damit seinen Wert um ein Vielfaches steigert. In den Protokollen wird die Einführung des Niederstwertprinzips mit folgenden Erwägungen gerechtfertigt: „Eine etwaige Verminderung des Werthes, welche der verschenkte Gegenstand in der Zeit zwischen der Schenkung und dem Erbfall erleide, dürfe man den zur Gewährung des Pflichttheils Verpflichteten nicht tragen lassen. Denn der Pflichttheilsberechtigte werde nur dadurch geschädigt, daß der Werth, welchen der verschenkte Gegenstand zur Zeit (…) (der Schenkung, eingefügt d. Verf.) (…) habe, zur Zeit des Erbfalles nicht mehr vorhanden sei (…) Habe sich der Werth in der Zwischenzeit erhöht, so sei es gleichfalls billig, diesem Umstand auf die Erhöhung des Pflichttheilsanspruchs keinen Einfluß einzuräumen. Denn der Pflichttheilsberechtigte könne nur verlangen, daß der Erblasser solche Verfügungen unterlasse, durch welche sein Pflichttheil illusorisch gemacht werde, auf etwaige Erhöhungen des Werthes der verschenkten Sachen habe er keinen Anspruch.“ 28

Wurde die Schenkung vor dem Tode des Erblasers noch nicht vollzogen, will die Rechtsprechung im Rahmen des §  2325 Abs.  2 S.  2 BGB stattdessen auf den Zeitpunkt des Schenkungsversprechens abstellen, 29 was in der Literatur überwiegend kritisiert wird.30 Von Bedeutung ist §  2325 Abs.  2 BGB auch, wenn der Beschenkte die Herausgabe des Geschenks durch Zahlung des noch ausstehenden Betrages abwenden will (§  2329 Abs.  2 BGB). Beispiel: Erblasser E hat seiner Lebensgefährtin L 2010 einen Sportwagen im Wert von 100.000  € geschenkt. 2015 verstirbt E ohne weiteres Vermögen zu hinterlassen. Die Alleinerbin und einzig pflichtteilsberechtigte Tochter T verlangt von L Herausgabe des Sportwagens. Aufgrund der Abnutzung hat der Sportwagen im Jahre 2015 nur noch einen Marktwert von 70.000  €.

25 Staudinger/Olshausen §   2325 BGB Rn.   99; MüKoBGB/Lange §   2325 BGB Rn.   49; Soergel/Dieckmann §  2325 BGB Rn.  49. 26 Große-Wilde/Ouart/Gemmer §  2325 BGB Rn.  21. 27  BGH NJW 1983, 1485, 1486; Soergel/Dieckmann §  2325 BGB Rn.  52. 28  Achilles/Spahn/Gebhard, Protokolle, Bd. V, S.  583 f. 29  BGH NJW 1983, 1485, 1486. 30 Große-Wilde/Ouart/Gemmer §   2325 BGB Rn.   21; Soergel/Dieckmann §  2325 BGB Rn.  50; MüKoBGB/Lange §  2325 BGB Rn.  50; Staudinger/Olshausen §  2325 BGB Rn.  94.

Teil 1 – B. England

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Hier stellt sich zunächst die Frage, ob für die Abschmelzung nach §  2325 Abs.  3 BGB der Wert des Sportwagens im Zeitpunkt der Schenkung oder im Todesfall zugrunde zu legen ist. Geht man, wie im Ausgangspunkt auch §  2325 Abs.  2 BGB, vom Wert des Wagens im Zeitpunkt des Erbfalles aus und nimmt aufgrund des fünfjährigen Zeitablaufes eine entsprechende Abschmelzung in Höhe von 50 % vor, so wird die Sportwagen nur noch mit einem Wert von 35.000  € zum Nachlass hinzugerechnet. Der hypothetische Pflichtteilsanspruch der T beträgt somit insgesamt 17.500  € und L kann die Herausgabe des Wagens durch Zahlung eben dieses Betrages an T gem. §  2329 Abs.  2 BGB abwenden.

B. England I. Ermessensentscheidung Bei der Ausgestaltung der Anordnung über Rückholansprüche kommt dem Gericht ein weites Ermessen zu. Dabei soll es unter anderem auf die Umstände Rücksicht nehmen, unter denen die Verfügung bzw. der Vertragsschluss erfolgt sind, auf eine eventuelle vom Anspruchsgegner erbrachte Gegenleistung, auf die persönlichen Beziehungen zwischen Erblasser und Beschenktem sowie allgemein auf das Verhalten und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschenkten (ss. 10 (6), 11 (4) Inheritance Act).31 Der Hinweis auf die persönlichen Beziehungen zwischen Erblasser und Beschenktem scheint darauf hinzudeuten, dass bei Vermögensübertragungen zugunsten von Familienmitgliedern ein großzügigerer Maßstab angelegt werden soll.32 Andererseits könnte er aber auch gemeint sein, dass Zuwendungen an nahestehende Personen als besonders verdächtig behandelt werden sollen. II. Anspruchsinhalt Der Anspruch gegen den Beschenkten hängt nicht davon ab, dass sich der übertragene Gegenstand oder ein entsprechender Gegenwert noch bei ihm befindet (vgl. sec.  10 (2) Inheritance Act).33 Hat der Beschenkte das Geschenk bspw. verbraucht oder weiterverschenkt, muss er ggfs. Wertersatz leisten. Im Rahmen des Anspruches aus sec.  10 Inheritance Act wird das Gericht in der Regel entweder die Rückgabe des übertragenen Gegenstandes (unter Umständen auch Zug-um-Zug gegen eine Ausgleichzahlung) oder einen zumindest teilweisen Wertausgleich anordnen.34 Konsequenz eines Anspruches aus sec.  11 Inheritance Act ist hingegen, dass dem personal representative des Erb­lassers untersagt wird, 31 

Williams, On Wills, Rn.  105.46. Oughton, Tyler’s Family Provision, S.  308. 33  Williams, On Wills, Rn.  105.45. 34  Theobald, On Wills, Rn.  16.73; s. a. Williams, On Wills, Rn.  105.46. 32 

252

Kapitel IV:  Rechtsfolgen

die anfechtbaren Verbindlichkeiten zu erfüllen. Sind aufgrund der Verbindlichkeit bereits Leistungen erfolgt, ordnet das Gericht deren Rück­abwicklung an.35 III. Entreicherung und Wertveränderungen Hat der Beschenkte den erhaltenen Gegenstand weiter veräußert und das erlangte Geld ausgegeben, entlässt ihn dieser Umstand nicht automatisch aus der Haftung. Gleichwohl wird ihn das Gericht bei der Bemessung der Höhe des Wertersatzanspruches berücksichtigen, wenn der Beschenkte finanziell schlecht aufgestellt ist und ihn die Rückforderung des Geleisteten möglicherweise wirtschaftlich überfordert.36 Sec.  10 (3) und (4) Inheritance Act37 bestimmen, dass die Rückgriffsansprüche in ihrer Höhe auf den Wert des Zugewandten im Zeitpunkt des Todes des Erblassers beschränkt bleiben.38 Hiervon ist zudem noch die unter Umständen vom Beschenkten gezahlte Kapitalverkehrssteuer abzuziehen. Eine anschließende Wertsteigerung, ein erzielter Verkaufsgewinn oder Zinsen können nicht herausverlangt werden.39 Bei Wertsteigerungen zwischen Schenkung und Todesfall muss zwischen den zugewendeten Gegenständen differenziert werden: Wurde eine Geldsumme zugewandt und diese bspw. vorteilhaft in Aktien angelegt, gebührt der erzielte Gewinn dem Beschenkten. Werterhöhungen im Hinblick auf andere körperliche Gegenstände, bspw. steigende Grundstückspreise bei einem geschenkten Haus, kommen dagegen den Anspruchsberechtigten zugute.40 Hat der Beschenkte die Gegenstände jedoch weiterveräußert, ist stattdessen deren Wert zum Zeitpunkt der Weiterveräußerung ausschlaggebend.41 Wie mit zwischen Schenkung und Todesfall eingetretenen Wertverlusten, bspw. bei verbrauchbaren oder stark abnutzbaren Sachen, umzugehen ist, ist umstritten. Während teilweise angenommen wird, die gesetzliche Regelung schließe eine Haftung des Beschenkten bei anderen Gegenständen als Geld

35 

Vgl. Sec.  11 (2) Inheritance Act. Parry/Clark, The law of successions, Rn.  8.113; Theobald, On Wills, Rn.  16.74. 37  Sec.  10 (4) Inheritance Act lautet: „Where an order is made under subsection (2) above as respects any disposition made by the deceased which consisted of the transfer of property (other than a sum of money) to or for the benefit of the donee, the amount of any sum of m ­ oney or the value of any property ordered to be provided under that subsection shall not exceed the value at the date of the death of the deceased of the property disposed of by him to or for the benefit of the donee (or if that property has been disposed of by the person to whom it was transferred by the deceased, the value at the date of that disposal thereof) after de­ducting there­from any capital transfer tax borne by the donee in respect of the transfer of that property by the deceased.“ 38  Martyn, Family Provision – Law and Practice, S.  6 4; Williams, On Wills, Rn.  105.44. 39  Ross, Inheritance Act Claims, Rn.  3 -037; Mellows, The Law of Successions, S.  275. 40  Williams, On Wills, Rn.  105.44. 41  Ross, Inheritance Act Claims, Rn.  3 -037. 36 

Teil 1 – C. Frankreich

253

aus,42 steht die Gegenansicht auf dem Standpunkt, der Beschenkte müsse für den Verbrauch Wertersatz leisten.43

C. Frankreich I. Erbverträge Nach dem Tode des Erblassers hat der institué zunächst die Wahl, ob er die Erbschaft annimmt, ausschlägt oder seine Haftung auf den Nachlass beschränkt (acceptation à concurrence de l’actif net).44 Schlägt der institué die Erbschaft aus, bleiben Verfügungen, die unter Verletzung des Art.  1083 Code civil vorgenommenen wurden, dauerhaft wirksam, soweit sie nicht aus einem anderen Grunde – etwa wegen Beeinträchtigung der Pflichtteilsrechte – zu Fall gebracht werden.45 Nimmt der institué hingegen die Erbschaft an, gilt das Folgende: Nach herrschender Ansicht kann der institué bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art.  1083 Code civil eine action en réduction geltend machen.46 Es gelten für ihn daher grds. die gleichen Rechtsfolgen wie für einen Noterben. Einige wichtige Unterschiede bleiben jedoch zwischen institué und héritier reservataire bestehen. Sie werden vor allem mit dem unterschiedlichen Ursprung – einerseits Gesetz, andererseits Vertrag – der jeweiligen Verpflichtung begründet.47 So erlaubt bspw. die vertragliche Verfestigung der Ansprüche, bei gegebenem Anlass noch zu Lebzeiten des Erblassers Schutzmaßnahmen zugunsten des institué zu treffen, nicht jedoch zugunsten eines Pflichtteilsberechtigten.48 Andererseits sind wiederum nicht alle dem Pflichtteilsberechtigten von Gesetzes wegen zukommenden Rechte auch ohne Weiteres auf den institué übertragbar.49 Da eine Verfügung „a titré gratuit“ oft zugleich eine Verletzung der vertraglichen Pflichten des instituant aus der institution contractuelle darstellt, kommen

42 

Mellows, The Law of Successions, S.  275 f. Williams, On Wills, Rn.  105.44; offen Ross, Inheritance Act Claims, Rn.  3-037; ­Oughton, Tyler’s Family Provision, S.  309. 44  Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  86 ff.; Terré/Lequette, Droit civil – Les successions, les libéralités, Rn.  550. 45  Terré/Lequette, Droit civil – Les successions, les libéralités, Rn.  550. 46  Cass. 24 févr. 1969, D. 1969, S.  409; Cass. 13 oct. 1976, D. 1976, 2, somm. S.  276; Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  67; Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  207; Mathieu/Pillebout, Contrat de mariage, JC Not. Form., Fasc. 14, Rn.  73; so auch schon bereits Demolombe, Code Napoléon, XXIII, Rn.  336; a. A. Trasbot/Loussouarn, Donations et testaments, Rn.  777, 778. 47 Siehe Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  55, 67; Trasbot/Loussouarn, Donations et testaments, Rn.  778. 48  Josserand, Cours de droit civil, III; Rn.  1784; siehe hierzu auch S. 299 und S. 301. 49  Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  212; Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  55; Peterka in: Dalloz Action – Droit patrimonial de la familie, Rn.  344.96. 43 

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Kapitel IV:  Rechtsfolgen

zusätzlich auch vertragliche Schadensersatzansprüche des institué in Betracht.50 Diese Ansprüche richten sich gegen den Nachlass und setzen voraus, dass die action en réduction zur Befriedigung des institué nicht ausreicht, weil bspw. ein Rückgriff beim Beschenkten an Art.  2276 Code civil scheitert.51 Allerdings erweist sich diese zusätzliche Rückgriffsmöglichkeit über das Schadensersatzrecht in der Praxis aufgrund der schwierigen Beweislage und der finanziellen Situa­tion des Nachlasses in den meisten Fällen als unergiebig.52 II. Pflichtteilsrecht Ansprüche der Noterben bestehen wiederum nur, wenn sie die Erbschaft annehmen.53 Schlägt ein Noterbe die Erbschaft aus, verliert er auch sein Recht, die Herabsetzungsklage geltend zu machen. Die reservé verringert und die quotité disponible erhöht sich entsprechend, es sei denn, der Verzicht erfolgte zugunsten der eigenen Kinder des Noterben, die diesem dann als Noterben nachfolgen (Art.  913 Abs.  2 Code civil).54 1. Anspruchsinhalt Ging das französische Recht bis zur Erbrechtsreform im Jahre 2006 vom Grundsatz einer Herausgabe in natura aus, ist heute der Wertersatz die Regel.55 Eine Herausgabe in Natur wird nur noch in wenigen Ausnahmefällen geschuldet. Durch den Übergang auf einen Wertersatzanspruch wollte der französische Gesetzgeber die Eigentumsrechte von Erwerbern und generell die Verkehrsfähigkeit verschenkter Güter stärken.56 Insbesondere Dritterwerber und Inhaber von Sicherungsrechten müssten nun im Regelfall nicht mehr befürchten, dass ihre Rechte bei einer Rückgabe des verschenkten Gegenstandes an die Noterben untergehen.57 Der Wertersatzanspruch treffe zudem zielgenauer nur den ursprünglich Beschenkten und berühre Rechtspositionen Dritter meist nicht. Schließlich entfalle auch die komplizierte Aufteilung in Miteigentumsanteile, wenn eine unentgeltliche Verfügung des Erblassers seine quotité disponiblé nur teilweise überschreitet. 50  Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  211; Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  70. 51  Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  211. 52  Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  211; Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  70. 53  Req. 2 mai 1899, DP 1900, 1, S.  217; Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 10, Rn.  52; Jacob, Code civil (Dalloz), Art.  923 Rn.  2. 54  Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  631. 55  Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  659. 56  Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.   48; Deville/ Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  146. 57  Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  659.

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Die Position der Noterben wurde hierdurch allerdings geschwächt.58 Von dem Grundgedanken, den Noterben stehe eine Berechtigung an der konkreten Zusammensetzung des Nachlasses und an einzelnen Nachlassgegenständen zu, hat sich das französische Recht weitgehend verabschiedet. Affektionsinteressen der Noterben, die gerade in Erbfällen bei vielen Nachlassgegenständen eine große Rolle spielen, werden nicht mehr geschützt und auch die Schwierigkeit, die Nachlassgegenstände im Rahmen des Wertersatzanspruchs richtig zu bewerten, kann sich in vielen Fällen für die Noterben nachteilig auswirken. Gleiches gilt für Inflationsrisiken, die die Entwicklung des Wertersatzanspruchs negativ beeinflussen können. Andererseits führt der Wertersatzanspruch zu einer gewissen Stärkung der Testierfreiheit, indem er dem Erblasser ermöglicht, Nachlassgegenstände auch außerhalb der quotité disponible an ihm genehme Personen zu verteilen und seine Noterben auf Wertersatzansprüche zu verweisen.59 In zwei Fällen macht der Code civil nach wie vor eine Ausnahme zugunsten einer Herausgabe in Natur: Da der Wertersatzanspruch hauptsächlich dazu dient, die Position des Beschenkten und eventueller Dritterwerber zu verbessern, steht es dem Beschenkten gem. Art.  924-1 Code civil grundsätzlich frei, sich dieses Schutzes zu begeben und freiwillig das Geschenk in natura zurückzugewähren. 60 Voraussetzung ist allerdings, dass durch die Rückgabe schutz­ würdige Rechte Dritter nicht beeinträchtigt werden. Art.  924-1 Code civil verlangt deshalb, dass der geschenkte Gegenstand nach wie vor dem ursprünglich Beschenkten gehören muss und auf dem Gegenstand auch keine Sicherungsrechte oder Besitzpositionen lasten dürfen, die erst nach der Übertragung durch den Erblasser entstanden sind. 61 Aufgrund dieser strengen Anforderungen ist das Wahlrecht des Beschenkten in der Praxis nur von geringer Bedeutung. 62 Die zweite Ausnahme vom Grundsatz des reinen Wertersatzes ist die Zahlungsunfähigkeit des ursprünglich Beschenkten, die es gem. Art.  924-4 Code civil unter Umständen ermöglicht, einen Herausgabeanspruch gegen einen tiers détenteur geltend zu machen.63 Da der tiers détenteur einen Herausgabean58  Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.   48; Deville/ Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  147. 59  Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.   49; Deville/ Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  147. 60  Art.  924-1 Code civil lautet: „Le gratifié peut exécuter la réduction en nature, par dérogation à l’article 924, lorsque le bien donné ou légué lui appartient encore et qu’il est libre de toute charge dont il n’aurait pas déjà été grevé à la date de la libéralité, ainsi que de toute occupation dont il n’aurait pas déjà fait l’objet à cette même date. Cette faculté s’éteint s’il n’exprime pas son choix pour cette modalité de réduction dans un délai de trois mois à compter de la date à laquelle un héritier réservataire l’a mis en demeure de prendre parti.“ 61  Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.   52; Deville/­ Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  176. 62  Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  666. 63  Siehe hierzu bereits oben auf S. 218 ff.

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spruch aber stets durch eine Geldzahlung abwenden kann, hat auch diese Ausnahme nur einen kleinen Anwendungsbereich. 2. Entreicherung und Wertveränderungen a) Unterscheidung zwischen Wert und Zustand Für die Bewertung verschenkter Nachlassgegenstände und für die Berücksichtigung von Wertveränderungen enthält der Code civil eine sehr ausdifferenzierte Regelung. Art.  924-2 Code civil bestimmt: „Le montant de l’indemnité de réduction se calcule d’après la valeur des biens donnés ou légués à l’époque du partage ou de leur aliénation par le gratifié et en fonction de leur état au jour où la libéralité a pris effet. S’il y a eu subrogation, le calcul de l’indemnité de réduction tient compte de la valeur des nouveaux biens à l’époque du partage, d’après leur état à l’époque de l’acquisition. Toutefois, si la dépréciation des nouveaux biens était, en raison de leur nature, inéluctable au jour de leur acquisition, il n’est pas tenu compte de la subrogation.“

Im Rahmen der fiktiven Hinzurechnung von Gütern, die der Erblasser noch zu Lebzeiten verschenkt hat, trifft Art.  922 Abs.  2 Code civil eine inhaltlich praktisch identische Regelung mit dem einzigen Unterschied, dass an die Stelle des Zeitpunktes der partage, also des Zeitpunktes der verbindlichen Aufteilung des Nachlasses unter den Erben, der frühere Zeitpunkt tritt, in dem der Erblasser verstorben ist. 64 Nachdem für die Bewertung der (fiktiven) Nachlassgegenstände bis 1938 zunächst der Zeitpunkt des Erbfalles maßgeblich war, 65 wurde die Regelung bis zur nächsten Reform im Jahre 1971 praktisch umgekehrt und stattdessen allein auf den Zeitpunkt abgestellt, in dem der Erblasser die Gegenstände an den Anspruchsgegner übertragen hatte. 66 Die heutige Rechtslage entspricht wieder eher derjenigen vor 1938, enthält aber auch einige Neuerungen. Die Bewertungs­ regeln sind nach herrschender Ansicht zudem zwingend und nicht abdingbar. 67 64  Art.  922 Abs.  2 Code civil lautet: „Les biens dont il a été disposé par donation entre vifs sont fictivement réunis à cette masse, d’après leur état à l’époque de la donation et leur valeur à l’ouverture de la succession, après qu’en ont été déduites les dettes ou les charges les grevant. Si les biens ont été aliénés, il est tenu compte de leur valeur à l’époque de l’aliénation. S’il y a eu subrogation, il est tenu compte de la valeur des nouveaux biens au jour de l’ouverture de la succession, d’après leur état à l’époque de l’acquisition. Toutefois, si la dépréciation des nouveaux biens était, en raison de leur nature, inéluctable au jour de leur acquisition, il n’est pas tenu compte de la subrogation.“; siehe hierzu auch Jacob, Code civil (Dalloz), Rn.  2; Malaurie/ Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  675. 65  Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  673; Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  48. 66  Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  674; Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  48. 67  Vgl. Art.  860 Abs.  4 Code civil, eine vereinbarte Bewertungsregel, die zu einer Verringerung des Nachlasses führen würde, stellt selbst eine indirekte Schenkung zu lasten der Noterben dar und ist als solche wiederum selbst einer Herabsetzungsklage zugänglich, s. Cass. 27

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Art.  922 Abs.  2, 924-2 Code civil unterscheiden zunächst zwischen dem Wert eines Nachlassgegenstandes, der im Zeitpunkt der partage bzw. des Todes des Erblassers zu bestimmen ist, und dem Zustand des Gegenstandes (état), der sich grds. nach dem Zeitpunkt der Schenkung richtet. Im Ausgangspunkt werden nach der Schenkung eingetretene Wertveränderungen daher sowohl in nega­ tiver als auch in positiver Hinsicht berücksichtigt. 68 Von einem Wertzuwachs profitieren in erster Linie die Noterben und nicht der Beschenkte. Der Beschenkte wiederum wird davor geschützt, Vermögenswerte ersetzen zu müssen, die in seinem Vermögen gar nicht mehr vorhanden sind. Wertveränderungen, die erst nach dem Todes-/Partagezeitpunkt eingetreten sind, bleiben hingegen unbeachtlich und berühren den vorher entstandenen Herabsetzungsanspruch der Noterben nicht mehr. 69 In diese klare Grundregel wird allerdings durch den Verweis auf den Zustand der Sache im Zeitpunkt der Schenkung eine Differenzierung eingezogen, die auf die Ursachen der jeweiligen Wertveränderungen abstellt. Ist eine Wertveränderung nicht auf äußere Umstände oder allgemeine ökonomische Entwicklungen zurückzuführen, sondern beruht sie auf einem Verhalten des Beschenkten, so verändert sie den ursprünglichen Zustand des verschenkten Gegenstandes und muss daher im Rahmen der Bewertung außer Betracht bleiben.70 Hat der Beschenkte etwa den geschenkten Gegenstand durch unsachgemäße Behandlung beschädigt und dadurch dessen Wert gemindert, so findet diese Wertminderung genauso wenig Berücksichtigung, wie eine Wertsteigerung, die auf eine Arbeitsleistung oder Investition des Beschenkten in das Geschenk zurückzuführen ist. Beruht die Wertveränderung andererseits auf der Inflation, der Marktentwicklung, einer Veränderung der unmittelbaren Umgebung (bspw. Infrastrukturmaßnahmen), einer behördlichen Entscheidung (Bsp. Außenbereich wird zu Bauland),71 einer rechtlichen Entwicklung,72 treten Verschlechterungen aufgrund höherer Gewalt ein (Bsp. Naturkatastrophen), liegt ein all­ gemeiner Verschleiß vor oder beruht ein Wertzuwachs auf einer natürlichen Entwicklung (Bsp. Wachstum einer Plantage), so liegt keine Veränderung des mars 2007, JurisData n°2007-038279; Cass. 19 nov. 1991, JurisData n°1991-003193; Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  51; Deville/Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  47. 68  Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.   63; Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  50. 69  Cass. 28 mai 1991, JurisData n°1991-001467; Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  50. 70 Cass. 8 juill. 2009, Defrénois 2009, art. 39032, S.   2173; Cass. 31 oct. 1989, Bull. Civ. 1989, I, n°338; Cass. 14. févr. 1990, Bull. Civ. 1990, I, n°50; Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  676, 914; Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.  68 ff.; Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  52 ff. 71  So Cass. 13 oct. 1981, Bull. Civ. 1981, I, n°288; vgl. auch CA Versailles 4 févr. 1980, ­JurisData n°80-080441. 72  Siehe Cass. 14 févr. 1990, D. 1990, 2, S.  359.

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Zustandes der Sache i. S. d. Art.  922 Abs.  2, 924-2 Code civil vor und die Entwicklung bis zum Todeszeitpunkt bzw. bis zur partage wird berücksichtigt.73 Für Veränderungen des Verwendungszwecks gelten die gleichen Grund­ sätze.74 Beruhen sie maßgeblich auf einem Verhalten des Beschenkten und wurden sie nicht kausal durch eine veränderte Beziehung zur Umwelt verursacht, fließen sie nicht in die Bewertung ein. So hatte die Cour de cassation 1989 entschieden, dass eine landwirtschaftliche Nutzfläche, die von der beschenkten Tochter nach der Schenkung in freier Entscheidung nur noch als Weidefläche genutzt wurde und dadurch einen sehr viel geringeren Ertrag erzielte, mit ihrem ursprünglichen, vor der Schenkung bestehenden Wert, angesetzt werden müsse.75 Nicht immer lassen sich jedoch die Ursachen einer Wertveränderung eindeutig feststellen und entweder einem Verhalten des Beschenkten oder äußeren Umständen zuordnen. Denkbar ist es auch, dass erst ein Zusammenwirken von Beschenktenverhalten und wechselhaften Markt- bzw. Umweltbeziehungen die konkrete Wertveränderung verursacht haben.76 b) Weiterveräußerung eines Gegenstandes Eine weitere Unterscheidung trifft der Code civil, wenn der Beschenkte das Geschenk weiterübertragen hat.77 Es findet dann das Prinzip der sog. dette de valeur Anwendung.78 Würde man die Bewertung auch nach der Veräußerung weiterhin vom Schicksal des übertragenen Gegenstandes abhängig machen, würde der Beschenkte bei einer positiven Wertentwicklung u. U. mit einer hohen Ausgleichsforderung konfrontiert, ohne gleichzeitig von der Wertentwicklung in irgendeiner Form zu profitieren.79 Deshalb ist gem. Art.  922, 924-2 Code civil für die Bewertung des Nachlassgegenstandes auf den Zeitpunkt der 73 

Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  54. Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  55; Malaurie/ Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  915. 75  Cass. 31 oct 1989, Bull civ. 1989, I, n°338; CA Chambéry 3 févr. 2006, JurisData n°2006311314; einen anderen Ansatz verfolgt hingegen die Entscheidung Cass. 11 mai 1977, Bull. civ. 1977, I, n°225, die von der Literatur aber ganz überwiegend als fehlerhaft abgelehnt wird, s. Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  55 mwN. 76  Vgl. auch Cass. 8 juill. 2009, Bull. civ. 2009, I, n°168, in dieser Entscheidung ging es um die Bewertung von geschenkten Anteilen an einer Aktiengesellschaft. Der Mehrwert dieser Anteile konnte möglicherweise auch darauf zurückzuführen sein, dass der Beschenkte die Aktiengesellschaft als Mehrheitsgesellschafter erfolgreich vertreten hatte. 77  Dieses war unter der bis 1938 geltenden Rechtslage ein erhebliches Problem, s. Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  48, 57. 78  Das Prinzip der dette de valeur kommt nach h. M. auch bei Geldgeschenken zur Anwendung, so dass ein mittels dieses Geldes erworbener Gegenstand als subrogation herangezogen werden kann, Cass. 4 juin 2007, JurisData n°2007-039256; Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  676, 912 f.; Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  60 mwN. 79  Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.   71; Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  57. 74 

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Veräußerung abzustellen und die weitere Wertentwicklung bis zum Todeszeitpunkt bzw. bis zur partage ist grds. unbeachtlich. Hat jedoch der Veräußerer im Gegenzug einen anderen Gegenstand oder einen entsprechenden Gegenwert erhalten (sog. subrogation), tritt dieser vollumfänglich an die Stelle des Geschenks und seine Bewertung vollzieht sich wiederum nach den oben dargestellten Grundsätzen, d. h. sein Wert wird im Todes-/Partagezeitpunkt bestimmt, sein Zustand richtet sich hingegen nach dem Zeitpunkt, in dem der Beschenkte ihn erworben hat. 80 Beispiel: A tauscht das ihm vom Erblasser E geschenkte Aktienpaket der Firma Apple (Wert: 10.000  €) im Jahre 2008 gegen einen entsprechenden Gegenwert an TelekomAktien. Als E im Jahre 2014 stirbt, sind die Telekom-Aktien nur noch 5.000  € Wert, die Apple-Aktien hingegen 30.000  €. Für die Bewertung gem. Art.  924-2 Code civil sind allein die im Vermögen des A noch vorhandenen Telekom-Aktien maßgeblich. Die Entwicklung der Aktienkurse ist zudem ein Umstand, der vom Verhalten des A unabhängig ist, so dass der Wert der Telekom-Aktien im Jahre 2014 (5.000  €) und nicht ihr Wert im Erwerbszeitpunkt (10.000  €) anzusetzen ist.

Eine Ausnahme gilt seit der Erbrechtsreform 2006, wenn der als Ersatz erlangte Gegenstand von vornherein nur eine kurze Haltbarkeit aufweist oder typischerweise einem starken Wertverfall unterliegt. 81 Da das Surrogat hier in der Regel bis zum Erbfall aufgezehrt oder zumindest im Werte stark vermindert ist, verbliebe dem Noterben keine Nachlassmasse mehr, auf die er zugreifen könnte. Der Beschenkte könnte sich diesen Umstand daher bewusst zu Nutze machen, indem er alle ihm übertragenen Gegenstände in Verbrauchsgüter umtauscht und sie dadurch dem Zugriff der Noterben entzieht. Der französische Gesetzgeber hat auf diese Problematik reagiert, indem nun in Art.  922 Abs.  2, 924-2 Code civil angeordnet wird, dass eine subrogation bei einem Erwerb von Gütern, die von Natur aus einem starken Wertverlust unterliegen, ausscheidet. Stattdessen kommt hier der Wert des durch den Beschenkten veräußerten Gegenstandes im Zeitpunkt der Veräußerung zum Ansatz. 82 Beispiel: A tauscht das ihm von E im obigen Beispiel geschenkte Aktienpaket in Gebrauchsgüter (Koberinderfilets, Kaviar und die neuesten Smartphones) um, die durch Verbrauch bzw. durch die Marktentwicklung sehr stark an Wert verlieren. Ausnahmsweise ist hier nicht die Wertentwicklung der erlangten Güter entscheidend, sondern der Wert des Aktienpakets im Zeitpunkt seiner Veräußerung (10.000  €).

In der Praxis stellt sich allerdings oft das Problem, dass die Anschaffung eines Ersatzgegenstandes für die Noterben nur sehr schwer nachweisbar ist. Die 80  Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.   71; Deville/ Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  183. 81  Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.  71; Malaurie/ Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  676. 82  Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  63.

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Kapitel IV:  Rechtsfolgen

Rechtsprechung hilft hier bei einem engen zeitlichen Zusammenhang mit einem Anscheinsbeweis. 83 c) Früchte Die Früchte84 eines Geschenks muss ein gutgläubiger Besitzer nicht herausgeben. Erst wenn er von einer gegen ihn angestrengten action en réduction Kenntnis erlangt, erstreckt sich seine Ersatzpflicht auch auf die Früchte. 85 Für den heute nur noch seltenen Fall einer Herausgabe in Natur bestimmt Art.  928 Code civil hingegen, dass der Beschenkte Früchte bereits ab dem Todeszeitpunkt des Erblassers schuldet, wenn innerhalb eines Jahres – ab dem Todeszeitpunkt gerechnet – gegen ihn eine Herausgabeklage erhoben wird. 86 Herauszugeben sind die vom Beschenkten tatsächlich gezogenen Früchte sowie Früchte, die der Beschenkte hätte ziehen können und müssen, tatsächlich aber nicht gezogen hat.87 Die Regelung des Art.  928 Code civil ist ein weiterer Grund, wieso ein Beschenkter kaum jemals eine Herausgabe in natura anstatt eines Wertersatzes wählen dürfte.

D. Rechtsvergleich I. Gebundene Entscheidung oder Ermessen? Für die Rechtsfolgen, die ein Rückholanspruch auslöst, ist zunächst von Bedeutung, ob das befasste Gericht in seiner Entscheidung weitgehend gebunden ist oder über ein breites Ermessen verfügt. In England besteht ein sehr weites gerichtliches Ermessen, sowohl bei der Frage, ob das Gericht überhaupt eine Anordnung nach sec.  10, 11 Inheritance Act erlässt als auch hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung dieser Anordnung. Das Gericht soll sich dabei unter anderem davon leiten lassen, unter welchen Umständen die Verfügung bzw. der Vertragsschluss erfolgt ist, ob durch 83  Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  919; Brenner, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  61. 84  Der Fruchtbegriff ist in Frankreich ähnlich weit, wie in Deutschland und erfasst sowohl Sach- als auch Rechtsfrüchte, siehe Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.  88. 85  Cass. 15 janv. 1908, DP 1909, 1, S.  153; Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.  57. 86  Art.  928 Code civil lautet: „Lorsque la réduction s’exécute en nature, le donataire restitue les fruits de ce qui excède la portion disponible, à compter du jour du décès du donateur, si la demande en réduction est faite dans l’année; sinon, du jour de la demande.“; s. a. Malaurie/ Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  670; Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.  88 ff.; Deville/Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  188, 196. 87  Cass. 10 mai 1978, Bull. civ. 1978, I, n°190; CA Besancon 12 mai 1987, JurisData n°1987043875; Donnier, Libéralités – Réserve héréditaire, JC Civ. Code, Fasc. 40, Rn.  90.

Teil 1 – D. Rechtsvergleich

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den Beschenkten eine Gegenleistung erbracht wurde, wie die persönlichen Beziehungen zwischen dem Erblasser und dem Beschenkten ausgestaltet sind, sowie allgemein das Verhalten und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschenkten berücksichtigen. 88 Nach wohl herrschender Ansicht ist der Hinweis auf die persönlichen Beziehungen zwischen Erblasser und Beschenktem in ss. 10 (6), 11 (4) Inheritance Act so zu deuten, dass bei Zuwendungen an Familienmitglieder ein großzügigerer Maßstab Anwendung findet. Im deutschen und französischen Recht ist auf der anderen Seite das Gericht bei Vorliegen der Anspruchsvorausetzungen grds. verpflichtet, relativ genau vorgegebene Maßnahmen zu erlassen. Ein Entschließungsermessen besteht hier nicht und auch das Ausübungsermessen ist relativ stark eingeschränkt. Zu beachten ist jedoch, dass auch im französischen und deutschen Recht sowohl auf der Tatbestandsseite als auch auf der Rechtsfolgenseite verschiedene Möglichkeiten bestehen, Ermessenserwägungen einfließen zu lassen. Hierzu dient zum einen die Berücksichtigung subjektiver Vorstellungen des Erblassers, selbst wenn das im Tatbestand gar nicht vorgesehen ist, und zum anderen eine abweichende Bestimmung des Schenkungsbegriffs. 89 Auf der Rechtsfolgenseite bietet die Bestimmung der Voraussetzungen für einen möglichen Durchgriff auf den Beschenkten oder auf Dritte sowie die Berücksichtigung von Wertveränderungen des vermachten Gegenstandes dem Gericht eine gewisse Flexibilität, die aber weit hinter derjenigen des englischen Rechts zurückbleibt.90 II. Anspruchsinhalt Als Inhalt eines Rückholanspruchs im Erbrecht kommt in erster Linie die Herausgabe des übertragenen Vermögensgegenstands in Betracht, daneben oder an seiner Stelle aber auch ein Anspruch auf Wertersatz. Das deutsche und das englische Recht gehen zwar im Ausgangspunkt von der Herausgabe aus, lassen aber doch unterschiedlich weitreichend auch Wertersatz als Anspruchsinhalt zu. Frankreich sieht dagegen in der Regel einen Wertersatzanspruch und nur noch ausnahmsweise einen Herausgabeanspruch vor. In Deutschland kann der Vertragserbe ebenso wie der Pflichtteilsberechtigte vom Beschenkten zunächst Herausgabe des Geschenks oder, soweit das nicht möglich ist, Wertersatz verlangen (§§  812, 818 Abs.  2 BGB).91 Der Wertersatz­ anspruch richtet sich auch gegen die Erben des Beschenkten, wenn dieser vor Anspruchserhebung verstorben ist. Bei einem Anspruch aus sec.  10 Inheritance Act wird ein englisches Gericht in der Regel entweder die Rückgabe des übertragenen Gegenstandes (unter Um88 

Siehe S. 251 f. Siehe S. 49 ff., 62 ff., 68 ff. 90  Siehe hierzu die Bewertung auf S. 443 f. 91  Siehe S. 246. 89 

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Kapitel IV:  Rechtsfolgen

ständen auch Zug-um Zug gegen eine Ausgleichszahlung) oder einen zumindest teilweisen Wertausgleich anordnen.92 Für welche Möglichkeit es sich im konkreten Fall entscheidet, bleibt grds. seinem Ermessen überlassen. Bei der Ermessensausübung soll das Gericht sich unter anderem von den in sec.  10 (6), 11 (4) Inheritance Act aufgezählten Gesichtspunkten (u. a. Umstände der Verfügung, Verhalten und wirtschaftliche Verhältnisse des Beschenkten, Beziehung zum Erblasser) leiten lassen. Konsequenz eines Anspruches aus sec.  11 Inheritance Act ist hingegen, dass dem Nachlassverwalter (personal representative) des Erblassers untersagt wird, die entsprechenden Verbindlichkeiten zu erfüllen. Sind bereits Leistungen erfolgt, ordnet das Gericht deren Rückabwicklung an.93 Die Rückgabe des Geschenks oder Wertersatz kann auch vom Nachlassverwalter (personal representative) des Beschenkten verlangt werden, wenn der Beschenkte vor der Geltendmachung der Ansprüche verstorben ist. Hat der Verwalter den Nachlass allerdings bereits an die Erben des Beschenkten verteilt, erlöschen auch die Wertersatz- oder Herausgabeansprüche (sec.  12 (4) Inheritance Act). Solange er keine Kenntnis von der Geltendmachung von Ansprüchen nach sec.  10, 11 Inheritance Act hatte, haftet der Nachlassverwalter auch nicht auf Schadensersatz.94 Im Rahmen der action en réduction ging das französische Recht bis zum Jahre 2006 vom Grundsatz der Herausgabe in natura aus.95 Heute ist dagegen der Wertersatz die Regel, wodurch die Eigentumsrechte von Erwerbern und generell die Verkehrsfähigkeit verschenkter Güter gestärkt wird. Damit verbunden ist aber auch eine Schwächung der Position des Vertrags- bzw. Noterben, der eine Berechtigung an der konkreten Zusammensetzung des Nachlasses und an einzelnen Nachlassgegenständen nicht länger durchsetzen kann. In zwei Fällen macht der Code civil nach wie vor eine Ausnahme zugunsten einer Herausgabe in natura:96 Zum einen kann der Beschenkte das Geschenk freiwillig in natura zurückgeben und sich dadurch von dem Wertersatzanspruch befreien. Diese Möglichkeit besteht allerdings nur, wenn durch die Rückgabe schutzwürdige Rechte Dritter (etwa von Inhabern von Sicherungsrechten) nicht beeinträchtigt werden. Zum anderen ermöglicht die Zahlungsunfähigkeit des ursprünglich Beschenkten den Noterben, einen Herausgabeanspruch gegen einen tiers détenteur geltend zu machen. Dieser Dritte kann den Herausgabeanspruch aber stets durch eine Geldzahlung abwenden.97

92 

Siehe S. 251 f. Siehe S. 251 f. 94  Siehe S. 251 f. 95  Siehe S. 254 ff. 96  Siehe S. 254 ff. 97  Siehe hierzu auch unten S. 218 ff. 93 

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III. Entreicherung und Wertveränderungen Bei der Frage, wie Wertveränderungen des geschenkten Gegenstandes, eine mögliche Entreicherung des Beschenkten und aus dem Geschenk gezogene Nutzungen und Früchte zu behandeln sind, müssen folgende Konstellationen unterschieden werden: Zum einen ist es denkbar, dass das Geschenk beim Beschenkten aufgrund bzw. ohne dessen Verschulden untergeht. Der Beschenkte kann das Geschenk zum anderen auch weiterveräußert oder gegen einen anderen Gegenstand getauscht haben. Ferner wird sich der Wert des Gegenstandes ganz unabhängig vom Verhalten des Beschenkten oft aufgrund allgemeiner Abnutzung beim gewöhnlichen Gebrauch oder aufgrund allgemeiner Marktentwicklungen entweder erhöht (Grundstückspreise, Kunstgegenstände) oder verringert (Gebrauchsgegenstände) haben. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn zwischen der Schenkung und der Anspruchsentstehung ein sehr langer Zeitraum liegt. Schließlich werden bei vielen Gegenständen auch Früchte oder Gebrauchsvorteile anfallen, so dass auch geklärt werden muss, wem diese jeweils zustehen. 1. Früchte und Gebrauchsvorteile Für die Frage, wem Früchte und Gebrauchsvorteile des übertragenen Vermögensgegenstandes gebühren, zeigt der Vergleich folgendes Bild: Nach deutschem Recht entstehen die Ansprüche aus §  2329 BGB und §  2287 BGB jeweils erst mit dem Erbfall, so dass auch erst ab diesem Zeitpunkt über §  818 Abs.  1 BGB vom Beschenkten gezogene Nutzungen herausverlangt werden können.98 Bei §  2325 BGB ist ebenfalls nur der Wert des geschenkten Gegenstandes fiktiv dem Nachlass hinzuzurechnen. Nutzungen, die der Beschenk­ te bis zum Erbfall aus dem Geschenk gezogen hat, bleiben hingegen unberücksichtigt. Das gleiche Ergebnis findet sich auch im englischen Recht. Wie sec.  10 (3) und (4) Inheritance Act zu entnehmen ist, ist die Rückabwicklung in ihrem Wert auf das ursprünglich dem Beschenkten Zugeflossene beschränkt. Nach der Übertragung gezogene Nutzungen werden folglich nicht ausgeglichen.99 In Frankreich müssen Früchte nach herrschender Ansicht grds. erst heraus­ gegeben werden, wenn der Beschenkte von einer gegen ihn angestrengten action en réduction Kenntnis erlangt hat.100 Für den seltenen Fall einer Herausgabe in natura bestimmt Art.  928 Code civil jedoch, dass der Beschenkte Früchte bereits ab dem Todeszeitpunkt des Erblassers schuldet, wenn innerhalb eines Jahres nach dem Erbfall gegen ihn eine Herausgabeklage erhoben wird. 98 

Siehe S. 246 und S. 249. Siehe S. 252. 100  Siehe S. 260. 99 

264

Kapitel IV:  Rechtsfolgen

2. Veränderungen des Geschenks (Verhalten des Beschenkten/ Substanzveränderungen) Grundsätzlich berücksichtigen alle drei Rechtsordnungen den Umstand, dass der geschenkte Gegenstand untergegangen ist oder beschädigt wurde, auch wenn das Verhalten des Beschenkten oder Substanzveränderungen dafür ursächlich waren. Zumindest der gutgläubige Beschenkte wird dann im Prinzip von einer Haftung entlastet. Umgekehrt sind werterhöhende Investitionen, die der Beschenkte an dem Gegenstand vorgenommen hat, im Grundsatz abzurechnen. Unterschiedlich sind jedoch die Modifikationen, die die Referenzrechte zu diesen Regeln vorsehen. Der Untergang, Beschädigungen und Beeinträchtigungen des geschenkten Gegenstandes befreien den gutgläubigen Beschenkten in Deutschland grds. auch dann von seiner Wertersatzpflicht nach §§  2287, 818 Abs.  2 BGB, wenn sie auf einem schuldhaften Verhalten beruhen (§  818 Abs.  3 BGB). Als gutgläubig wird der Beschenkte jedoch nur angesehen, solange er von der Bindung des Erblassers durch den Erbvertrag und von Tatsachen, die nach allgemeiner Lebens­ erfahrung auf eine Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers schließen lassen, keine Kenntnis hat und auch noch keine Herausgabeklage gegen ihn rechtshängig ist (§§  818 Abs.  4, 819 BGB).101 Der bösgläubige Beschenkte haftet hingegen auf Schadensersatz. Auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch besteht gem. §  2325 Abs.  2 S.  2 BGB nur, wenn das Geschenk im Zeitpunkt des Erbfalles noch vorhanden ist. Ist es untergegangen oder beschädigt worden, scheiden Ergänzungsansprüche aus bzw. beziehen sich nur noch auf den verbleibenden Restwert. Keine Rolle spielt es insoweit, bei wem die Sache untergegangen ist und ob ein Verschulden vorlag.102 Werterhöhungen, die der Beschenkte durch Investitionen in den geschenkten Gegenstand herbeigeführt hat, berechtigen ihn, einem Anspruch aus §  2287 BGB gem. §§  994 ff. BGB analog ein Zurückbehaltungsrecht entgegenzusetzen und Verwendungsersatz zu verlangen.103 Im Rahmen des §  2325 BGB führt das Niederstwertprinzip (§  2325 Abs.  2 S.  2 BGB) grds. dazu, dass Werterhöhungen durch Investitionen des Beschenkten grds. nicht zur fiktiven Erbmasse hinzugerechnet werden.104 Im englischen Recht beschränken sec.  10 (3) und (4) Inheritance Act die Rückgriffsansprüche der Höhe nach auf den Wert, den das ursprünglich Zugewandte noch im Zeitpunkt des Todes des Erblassers hat. Daraus folgt, dass bei einem Untergang oder bei Wertverschlechterungen des Geschenks nach Übergabe an den Beschenkten auch die Rückholansprüche nur entsprechend reduziert zur

101 

Siehe S. 246. Siehe S. 249 f. 103  Siehe S. 246 ff. 104  Siehe S. 249 f. 102 

Teil 1 – D. Rechtsvergleich

265

Verfügung stehen.105 Die Gründe für den Untergang bzw. die Wertverschlechterung sind dabei, wie im deutschen Recht, unerheblich. Werterhöhende Investitionen des Beschenkten sind wiederum bei der gerichtlichen Ermessensausübung zu berücksichtigen (sec.  10 (6) 11 (4) Inheritance Act). Die Folge ist, dass entweder der geschuldete Wertausgleich um die getroffenen Aufwendungen reduziert oder die Herausgabe des Geschenks Zug-um-Zug von einer Ausgleichszahlung des Antragstellers abhängig gemacht wird (vgl. sec.  12 (3) In­ heritance Act).106 Art.  922 Abs.  2, 924-2 Code civil führen in Frankreich dagegen eine Unterscheidung ein, zwischen einerseits dem Wert des Geschenks, der sich nach dem Zeitpunkt der partage bzw. des Todes des Erblassers richtet, und andererseits dem Zustand des Geschenks (état), für den grds. der Zeitpunkt der Schenkung maßgeblich ist.107 Wird eine Verschlechterung oder Beschädigung des Geschenks folglich auf den Wert des Geschenks angerechnet, muss der Beschenkte keinen Ausgleich leisten. Insoweit entspricht die Rechtslage derjenigen in Deutschland und England. Anders verhält es sich hingegen, wenn ein Umstand als eine Veränderung des Zustandes des Geschenks angesehen wird. Hier bleibt nach wie vor der ursprüngliche Zustand bei Übergabe an den Beschenkten maßgeblich und für die Verschlechterung wird ein Ausgleich geschuldet. Entscheidend ist somit die jeweilige Einordnung einer Veränderung als nur den Wert oder den Zustand des Gegenstandes betreffend. Nach der Rechtsprechung und herrschenden Lehre ist hierfür ausschlaggebend, ob die Veränderung der Sache auf ein Verhalten des Beschenkten zurückzuführen ist (bspw. unsachgemäße Behandlung, Veränderung der Nutzung), dann betrifft sie den Zustand, oder ob sie durch äußere Umstände (Inflation, Marktentwicklung, allgemeiner Verschleiß) herbeigeführt wurde, dann handelt es sich nur um eine Wertveränderung.108 Auch hier ist die Position des Noterben also vergleichsweise stärker ausgestaltet, da er in allen Fällen, in denen eine Wertverschlechterung auf einem Verhalten des Beschenkten beruht, Wertersatz verlangen kann. Im Gegenzug werden aber gleichermaßen Wertsteigerungen, die durch Arbeitsleistungen oder Investition des Beschenkten entstanden sind, bei der Bestimmung des Wertes des Geschenks ebenfalls nicht berücksichtigt und reduzieren dadurch automatisch den Ausgleichsanspruch des Noterben. Ob das Verhalten des Beschenkten schuldhaft war oder ob der Beschenkte von möglichen Ausgleichsansprüchen Kenntnis hatte, ist zwar nach der gesetzlichen Regelung grds. unerheblich. Gleichwohl spielen Verschuldensgesichtspunkte für die jeweilige Zuordnung (etwa die Unterscheidung unsachgemäßer Gebrauch/allgemeiner Verschleiß) oft eine wichtige Rolle. 105 

Siehe S. 252. Siehe S. 252. 107  Siehe S. 256 ff. 108  Siehe S. 256 ff. 106 

266

Kapitel IV:  Rechtsfolgen

3. Veränderungen des Geschenks (äußere Umstände/Beziehung zur Umwelt) Soweit Veränderungen des Geschenks auf äußeren Umständen, insbesondere Änderungen in der Beziehung zur Umwelt beruhen, entscheidet man nur zum Teil ähnlich. Im deutschen Recht sind bei §  2287 BGB grds. die Wertverhältnisse im Zeitpunkt des Erbfalles maßgeblich.109 Das Niederstwertprinzip des §  2325 Abs.  2 S.  2 BGB findet bei §§  2287, 818 BGB keine Anwendung. Ein nach der Schenkung bis zum Erbfall eingetretener Kaufkraftschwund wird durch eine Indexie­ rung berücksichtigt. Jede, auch ungewöhnliche, Wertsteigerung (etwa durch einen neuen Bebauungsplan) nach der Schenkung kommt bis zum Erbfall dem Vertragserben zugute. Bei den Pflichtteilsergänzungsansprüchen führt §  2325 Abs.  2 S.  2 BGB zumindest für nicht verbrauchbare Sachen hingegen zu dem genau umgekehrten Ergebnis. Von Wertsteigerungen, die nach der Schenkung und vor dem Erbfall eingetreten sind, profitiert der Beschenkte bzw. der Erbe und nicht der Pflichtteilsberechtigte.110 Bei verbrauchbaren Sachen ist dagegen der Wert im Zeitpunkt der Schenkung maßgeblich, weshalb hier spätere Wertveringerungen zu Lasten des Erben bzw. des Beschenkten gehen. Allerdings ist hier auch zu berücksichtigen, dass sich der Beschenkte im Rahmen des §  2329 BGB oft auf den Einwand der Entreicherung (§  818 Abs.  3 BGB) wird berufen können.111 In England wird bei Wertsteigerungen zwischen Schenkung und Todesfall danach differenziert, ob eine Geldsumme oder andere körperliche Gegenstände zugewandt wurden.112 Bei ersteren verbleibt ein bspw. durch vorteilhafte Anlage erzielter Gewinn dem Beschenkten, bei letzteren kommt die Werterhöhung hingegen grds. dem Antragsteller zugute. Wie in dieser Hinsicht verbrauchbare oder stark abnutzbare Sachen zu behandeln sind, ist umstritten. Verluste gehen während dieses Zeitraumes aufgrund der Regelung in sec.  10 (3) und (4) Inheritance Act grds. zu Lasten des Antragstellers. Im französischen Recht werden Wertsteigerungen, die nicht auf das Verhalten des Beschenkten zurückzuführen sind, grds. bei der Berechnung der fiktiven Erbmasse berücksichtigt und stehen damit im vollen Umfange den Not­ erben zu.113 Gleiches gilt umgekehrt für Wertverluste, die auf äußeren Umständen beruhen. Diese treffen den Noterben, ohne dass er vom Beschenkten Aus­gleich verlangen könnte.114

109 

Siehe S. 246. Siehe S. 249 f. 111  Siehe S. 249 f. 112  Siehe S. 252 f. 113  Siehe S. 256 ff. 114  Siehe bereits oben S. 256 ff. 110 

Teil 2 – A. Deutschland

267

4. Weiterveräußerung des Geschenks Wird das Geschenk weiterveräußert, kommt es für die Bewertung im Kern in den Referenzrechten übereinstimmend auf den objektiven Wert und nicht etwa auf den Veräußerungserlös an. Differenzierter ist jedoch die Lösung in Frankreich. Hat der Beschenkte das Geschenk weiter veräußert, ist im deutschen Recht für den Wertansatz im Rahmen des §  2325 BGB weiterhin das Schicksal des Geschenks und nicht etwa des dafür im Gegenzug erhaltenen Erlöses maßgeblich.115 Auch der Anspruch aus §§  2287, 818 Abs.  2 BGB orientiert sich nach einer Veräußerung grds. am objektiven Wert des Geschenks im Zeitpunkt der Veräußerung und nicht am Veräußerungserlös. Weitere durch die anschließende Investition des Veräußerungserlöses erzielte Wertsteigerungen und Gewinne bleiben daher für die Bemessung des Wertersatzanspruches außer Betracht.116 Gleiches gilt im englischen Recht, wo ebenfalls der Wert des geschenkten Gegenstandes im Zeitpunkt der Weiterveräußerung maßgeblich ist.117 Allerdings entlässt den Beschenkten der Umstand, dass er den Veräußerungserlös ausgegeben hat, nicht automatisch aus der Haftung, sondern wird nur bei der Höhe des Wertersatzanspruches berücksichtigt. In Frankreich findet bei einer Veräußerung des Geschenks das Prinzip der sog. dette de valeur Anwendung, wonach ebenfalls im Ausgangspunkt auf den Wert des veräußerten Gegenstandes im Zeitpunkt der Veräußerung abzustellen ist.118 Hat der Veräußerer jedoch im Gegenzug einen anderen Gegenstand oder einen entsprechenden Gegenwert erhalten (sog. subrogation), tritt dieser vollumfänglich an die Stelle des Geschenks. Für die Bewertung ist daher die weitere Entwicklung dieses Surrogates bis zum Todeszeitpunkt entscheidend, wobei erneut wiederum zwischen Entwicklungen, die auf äußeren Umständen beruhen, und Entwicklungen, die durch ein Verhalten des Beschenkten ausgelöst wurden, unterschieden wird.119

Teil 2: Familienrecht A. Deutschland Die Rechtsfolgen des Anspruchs aus §  1390 BGB weisen zahlreiche Parallelen, aber auch wichtige Unterschiede zu den erbrechtlichen Rückholansprüchen auf. 115 

Siehe S. 249 f. Siehe S. 246 f. 117  Siehe S. 252 f. 118  Siehe S. 258 ff. 119  Siehe oben S. 256 ff. 116 

268

Kapitel IV:  Rechtsfolgen

I. Anspruchsinhalt Anders als die Ansprüche aus §  2329 BGB und §  2287 BGB ist der Anspruch aus §  1390 BGB von vornherein nur auf Wertersatz und nicht auf Herausgabe des Geschenks gerichtet. Von dem ursprünglich auch hier geltenden Prinzip der Herausgabe in natura ist der Reformgesetzgeber aus Praktibilitätsgründen abgerückt.120 Der Beschenkte kann allerdings den Zahlungsanspruch abwenden, indem er das Erlangte herausgibt (§  1390 Abs.  1 S.  3 BGB). Es handelt sich insoweit nicht um eine Wahlschuld, sondern um eine echte Ersetzungbefugnis des Schuldners.121 Die Wertersatzpflicht richtet sich auch hier grds. nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Die Verweisung in §  1390 BGB ist wiederum eine Rechtsfolgenverweisung. Der Beschenkte kann sich also grds. auch auf Entreicherung (§  818 Abs.  3 BGB) berufen, soweit er nicht durch das Eingreifen einer verschärften Haftung (§§  819, 818 Abs.  4 BGB) hieran gehindert ist. In einer Analogie zu §  142 Abs.  2 BGB genügt dabei bereits die Kenntnis, dass ein späterer Zugewinnausgleichsanspruch entstehen kann, um dem Beschenkten über §  819 BGB den Entreicherungseinwand zu versagen.122 Die Fälle des §  1390 Abs.  2 BGB werden von §  819 BGB demnach stets erfasst. Umstritten ist, inwieweit sich die Wertersatzpflicht nach §  818 Abs.  1 BGB auch auf gezogene Nutzungen und ersatzweise erhaltene Surrogate bezieht.123 Richtigerweise kann auch hier eine Nutzungsersatzpflicht des Dritten aber wohl frühestens mit Rechtshängigkeit des Antrages auf vorzeitigen Zugewinnausgleich (§  1385 BGB) entstehen. Vorher besteht nämlich noch keine irgendwie geartete Herausgabepflicht des Dritten und es ist für ihn auch nicht vorhersehbar, ob und inwieweit eine solche später einmal entstehen wird. Den Dritten gleichwohl für Nutzungen, die er in diesem Zeitraum zieht, haften zu lassen, würde daher über den Gedanken der Ausfallhaftung hinausgehen und zu einer erheblichen und nicht zu rechtfertigenden Beeinträchtigung der Interessen des Dritten führen. Davon getrennt ist die Frage zu erörtern, wie mit Wertveränderungen des geschenkten Gegenstandes umzugehen und welcher Zeitpunkt insoweit für die Bewertung maßgeblich ist.124 120  Büte NJW 2009, 2776, 2779; Papenbreer, Vermögensmanipulationen und Zugewinnausgleich, S.  209 f. 121 Soergel/Kappler/Kappler §   1390 BGB Rn.  23; Staudinger/Thiele §  1390 BGB Rn.  24; Papenbreer, Vermögensmanipulationen und Zugewinnausgleich, S.  211 f. 122  Bamberger/Roth/Siede §   1390 BGB Rn.   6; Staudinger/Thiele §  1390 BGB Rn.  23; Erman/­Budzikiewicz §  1390 BGB Rn.  9. 123 Für eine solche Pflicht Erman/Budzikiewicz §   1390 BGB Rn.  8; MüKoBGB/Koch 1390 BGB Rn.   5; §  1390 Rn.  13; Jaeger in: Johannsen/Henrich (Hrsg.), Familienrecht, §   Soergel/­K appler/Kappler §  1390 BGB Rn.  21; Papenbreer, Vermögensmanipulationen und Zugewinnausgleich, S.  210; dagegen Bamberger/Roth/Siede §  1390 BGB Rn.  7; NK-Löhnig §  1390 BGB Rn.  7. 124  Siehe hierzu sogleich.

Teil 2 – A. Deutschland

269

Beispiel: Die Ehefrau F schenkt ihrem Geliebten G im Jahre 2008 in Beeinträchtigungsabsicht einen fabrikneuen Porsche (Wert: 150.000  €). Im Jahre 2015 beantragt der Ehemann E vorzeitigen Zugewinnausgleich. G schuldet nach §  1390 BGB keinen Ersatz für die Nutzung des Porsche in den Jahren 2008-2014.

II. Entreicherung und Wertveränderungen Die Konsequenz aus der Verweisung in §  1390 BGB auf das Bereicherungsrecht ist, dass sich wiederum nur ein gutgläubiger und unverklagter Leistungsempfänger gem. §  818 Abs.  3 BGB auf Entreicherung berufen kann (§§  818 Abs.  4, 819 BGB). Hat der Beschenkte hingegen, wie stets in den Fällen des §  1390 Abs.  2 BGB, Kenntnis von der Benachteiligungsabsicht des ausgleichspflichtigen Ehegatten, ist ihm der Entreicherungseinwand abgeschnitten und er muss Wertersatz auch dann leisten, wenn ein entsprechender Gegenwert in seinem Vermögen nicht mehr vorhanden ist.125 Grundsätzlich sind für Bereicherungsansprüche die Wertverhältnisse im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung maßgeblich. Je nach Fallkonstellation wären hier also grds. die Wertverhältnisse im Zeitpunkt der Stellung eines Scheidungsantrages, eines Antrages auf vorzeitigen Zugewinnausgleich oder im Todeszeitpunkt eines Ehegatten maßgeblich.126 §  1376 Abs.  2 BGB bestimmt nun allerdings, dass es für die Bewertung von sog. illoyalen Vermögensminderungen i. S. d. §  1375 Abs.  2 S.  1 BGB, die dem Endvermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten fiktiv hinzugerechnet werden, auf den Zeitpunkt ankommt, in dem diese Minderungen eingetreten sind.127 Entscheidend ist insoweit i. d. R. das Verpflichtungsgeschäft, da bereits hiermit eine Minderung des Vermögens verbunden ist. Das anschließende Erfüllungsgeschäft, etwa die Vollziehung einer Schenkung i. S. d. §  1375 Abs.  2 Nr.  1 BGB, ist hingegen nicht maßgeblich.128 Bei einer Handschenkung, bei der das Schenkungsversprechen sofort erfüllt wird, ist jedoch auf den Wert des geschenkten Gegenstandes und nicht auf das Schenkungsversprechen selbst abzustellen.129 Nach ständiger Rechtsprechung muss zudem zur Bereinigung des Kaufpreisschwundes wiederum eine Indexierung vorgenommen werden. Der Wert einer Schenkung, die schon einige Zeit zurückliegt, wird dadurch zum Teil beträchtlich erhöht, um den Geldwertverlust infolge von Inflation auszugleichen.130

125 Staudinger/Thiele

§  1390 BGB Rn.  23; Bamberger/Roth/Siede §  1390 BGB Rn.  7. Vgl. §  1376 Abs.  2, 1384, 1387 BGB; s. a. MüKoBGB/Koch §  1376 Rn.  7. 127 Staudinger/Thiele §  1376 BGB Rn.  8 . 128 MüKoBGB/Koch §  1376 Rn.  7. 129 MüKoBGB/Koch §  1376 Rn.  7. 130 BGH NJW 1974, 137 siehe auch oben S. 246 und S. 249; rechtsvergleichend hierzu Rieg Mélanges Marty, S.  921, 940 f. 126 

270

Kapitel IV:  Rechtsfolgen

Das aus §  2325 Abs.  2 S.  2 BGB bekannte Niederstwertprinzip findet im Gegensatz dazu keine Anwendung.131 Ungewöhnliche Wertsteigerungen, die nach der Übertragung des geschenkten Gegenstandes beim Dritten eintreten, spielen für die Berechnung des Wertersatzanspruches aus §  1390 BGB folglich keine Rolle. Wertverluste, die in diesem Zeitraum eingetreten sind, können mit dem Einwand der Entreicherung geltend gemacht werden, wenn und soweit dieser nicht durch §§  819, 818 Abs.  4 BGB versperrt wird. Obwohl die Ausgangssituation aufgrund des Verweises auf das Bereicherungs­ recht zunächst identisch erscheint, führt die Sonderreglung in §  1376 Abs.  2 BGB zusammen mit dem unterschiedlichen Anspruchsziel (Wertersatz – Herausgabe in natura) dazu, dass im Rahmen des §  1390 BGB das Risiko bei un­ gewöhnlichen Wertsteigerungen genau andersherum verteilt ist als bei §  2287 BGB.132

B. England I. Ermessensentscheidung Ein typisches Charakteristikum des englischen Rechts ist es, dass das Gericht auch bei Vorliegen aller Voraussetzungen der sec.  37 MCA keinesfalls verpflichtet ist, überhaupt irgendwelche Maßnahmen zu erlassen. Ob und in welcher Weise es tätig wird, steht grds. in seinem Ermessen.133 Das Gericht kann daher bspw. auch jegliche Maßnahmen unterlasen, wenn es der Ansicht ist, der beschenkte Dritte würde durch die Rückabwicklung über Gebühr belastet.134 Für den Antragsteller ist damit allerdings eine erhebliche Rechtsunsicherheit verbunden. Auch bezüglich der möglichen Rechtsfolgen einer Anordnung nach sec.  37 MCA hat das Gericht ein Ermessen. Allerdings ist in sec.  37 (2) MCA davon die Rede, dass das Gericht „may set aside a transaction“, während bspw. sec.  10 (2) Inheritance Act anordnet, dass das Gericht den Beschenkten verpflichten kann „to provide (…) such sum of money or other property as may be specified in the order“. Daraus wird gefolgert, dass das Ermessen im Rahmen der sec.  37 (2) MCA enger ist und sich die Anordnung grds. auf die Rückgabe des übertragenen Gegenstandes beschränkt.135 Wertersatzansprüche kommen hingegen nur ganz ausnahmsweise in Betracht.136 131 

Siehe hierzu oben S. 249 ff. Siehe oben S. 246 ff. 133  Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  133, 167, 170 f. 134  Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  170 f.; vgl. auch Everclear Ltd v. Agrest and Kremen [2011] 2 FLR 506, Rn.  23 ff.; Sherry v. Sherry [1991] 1 FLR 307. 135  B v. IB [2013] EWHC 3755 (Fam) Rn.  37 ff.; Ross, Inheritance Act Claims, Rn.  3 -051 ff. 136  Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  172. 132 

Teil 2 – B. England

271

Hält das Gericht eine vorgenommene disposition für angreifbar, soll und kann es nach sec.  37 (3) MCA auch Anweisung zu den Modalitäten der Rückabwicklung erteilen. Eine solche Anordnung kann z. B. auch Ausgleichszahlungen umfassen, die der beklagte Ehegatte seinem Vertragspartner im Gegenzug für die Rückübertragung der Vermögenswerte zu leisten hat.137 Denkbar ist auch, dass der beklagte Ehegatte verpflichtet wird, den Dritten für alle mit der Rückabwicklung verbundenen Vermögenseinbußen zu entschädigen.138 II. Anspruchsinhalt Anordnungen gem. sec.  37 (2) lit.  b) und lit.  c) MCA sind meist auf eine Rückabwicklung der vorgenommenen disposition gerichtet. Die Anordnungen führen dabei grds. zur Unwirksamkeit der getroffenen Verfügungen ex tunc.139 Damit ist ebenfalls die Konsequenz verbunden, dass ein übertragener Gegenstand in natura herauszugeben und rückzuübereignen ist. Im Einzelfall kann das Gericht im Rahmen seines weiten Ermessens über sec.  37 (3) MCA aber auch statt einer Herausgabe in natura eine Wertersatzpflicht anordnen. Auf die Wertersatzpflicht wird es dabei regelmäßig erst dann zurückgreifen, wenn eine Herausgabe in natura aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich ist.140 Insoweit besteht ein Unterschied zu den erbrechtlichen Rückholansprüchen und insbesondere zu sec.  10 (2) Inheritance Act.141 III. Entreicherung und Wertveränderungen Da sich der Anspruch primär auf eine Herausgabe des geschenkten oder gekauften Gegenstandes in natura richtet, wurden die Auswirkungen von Wertveränderungen oder der Einwand einer Entreicherung in der englischen Rechtsprechung und Literatur bisher kaum erörtert. In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, auch ein vom ausgleichpflichtigen Ehegatten beschenkter Dritter könne gem. sec.  37 (3) MCA verpflichtet werden, Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn sich der übertragene Vermögensgegenstand bei ihm aufgrund seines Verschuldens verschlechtert hat.142 Rechtsprechung hierzu existiert allerdings, soweit ersichtlich, noch nicht. Ist der übertragene Gegenstand beim Dritten untergegangen oder vollständig verbraucht worden, wird das Gericht in der Regel schon gar keine Anordnung 137  Black/Bridge/Bond, A practical approach to Family Law, S.  318; Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  172. 138 Vgl. Kremen v. Agrest [2011] 2 FLR 490, Rn.  39. 139 Vgl. AC v. DC [2012] EWHC 2032 (Fam), Rn.  13 ff. 140  Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  165, 172. 141  B v. IB [2013] EWHC 3755 (Fam), Rn.  37 ff. 142  Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  172.

272

Kapitel IV:  Rechtsfolgen

nach sec.  37 (2) lit.  b) oder lit.  c) MCA mehr erlassen, die das Rechtsgeschäft zwischen Schuldner und Dritten aufhebt (setting aside the disposition). Damit fehlt es dann aber, so zumindest das Verständnis des Court of Appeal in der Entscheidung Sherry v. Sherry,143 bereits an der Basis für eine auf sec.  37 (3) MCA gestützte Wertersatzpflicht. Ob der Dritte andersherum einen Ausgleich für eine inzwischen bei ihm eingetretene Wertsteigerung (bspw. eines Aktienpakets) verlangen kann, ist ebenfalls noch nicht abschließend geklärt. Die Ausführungen des Court of Appeal in der Entscheidung Kremen v. Agrest lassen sich möglicherweise zugunsten eines solchen Ausgleiches deuten.144 Dabei ist allerdings auch zu beachten, dass der Court of Appeal hier nur Rückgriffsansprüche gegen den ausgleichspflichtigen Ehemann erörtert hat und nicht etwaige, verrechenbare Ansprüche gegen die ausgleichsberechtigte Ehefrau. Letztere scheinen demnach wohl doch eher nicht in Betracht zu kommen.

C. Frankreich I. Anspruchsinhalt Der Anspruch gegen den Dritten ist auf eine Geldzahlung und nicht auf eine Herausgabe der übertragenen Gegenstände in natura gerichtet.145 Dies erscheint auch insoweit folgerichtig, als im Innenverhältnis der Ehegatten untereinander der Anspruch grds. ebenfalls auf einen Geldausgleich und nicht auf die Ein­ räumung von Eigentum an bestimmten Gegenständen zielt.146 Der Dritte muss folg­lich einen am Wert des übertragenen Gegenstandes orientierten Ausgleichsbetrag zahlen. Als Obergrenze für diesen Anspruch gilt der noch für die vollständige Befriedigung des ausgleichsberechtigten Ehegatten fehlende Betrag. Beispiel: Unter fiktiver Hinzurechnung aller ohne Zustimmung des Partners vorgenommener Geschenke hat der Ehemann M einen Zugewinn (acquêts) von 500.000  € erzielt, während die Ehefrau F keinerlei Zugewinn erwirtschaftet hat. F hat daher einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 250.000  €. Da M allerdings ein Grundstück mit einem Wert von 400.000  € an G übertragen hat, sind in seinem tatsächlichen Endvermögen nur noch 100.000  € vorhanden. G muss an F daher gem. Art.  1577 Code civil einen Geldausgleich in einer Höhe von maximal 150.000  € zahlen.

Das übliche Vorgehen besteht allerdings darin, dass der berechtigte Ehegatte die übertragenen Güter im Rahmen der Zwangsvollstreckung beim Dritten einziehen und anschließend verkaufen lässt. Der Erlös wird dann zur Befriedigung 143 

Sherry v. Sherry [1991] 1 F.L.R. 307, siehe hierzu auch oben S. 221 ff. Kremen v. Agrest [2011] 2 FLR 490, Rn.  39. 145  Ponsard D. 1966, L. 111, Rn.   185; Terré/Simler, Les régimes matrimoniaux, Rn.  852; Rieg Mélanges Marty, S.  921, 942. 146  Zu den insoweit ausnahmsweise bestehenden Möglichkeiten eines Ausgleichs in Natur siehe Ponsard D. 1966, L. 111, Rn.  186 ff.; Rieg Mélanges Marty, S.  921, 942 f. 144 

Teil 2 – D. Rechtsvergleich

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der Ausgleichsforderung verwendet. Ein eventueller Übererlös steht dem Dritten zu.147 Der Dritte kann den Zwangsverkauf jedoch durch eine vorherige Begleichung der Ausgleichsforderung abwenden.148 II. Entreicherung und Wertveränderungen Wie in Deutschland, so ist auch in Frankreich für die Bewertung von Gegenständen, die tatsächlich noch im Endvermögen der Ehegatten vorhanden sind, der Zeitpunkt der Auflösung des Güterstandes ausschlaggebend (Art.  1574 Code civil).149 Bei Bewertung von Gegenständen, die dem Endvermögen nur fiktiv hinzugerechnet werden, wird hingegen wiederum differenziert: Ihr Zustand (état) richtet sich nach dem Zeitpunkt, in dem sie übertragen wurden, ihr Wert (valeur) bemisst sich dagegen danach, welchen Wert sie im Zeitpunkt der Aufhebung des Güterstandes gehabt hätten, wenn sie nicht übertragen worden wären.150 Diese Differenzierung zwischen état und valeur ist bereits aus dem Erbrecht bekannt und hier in gleicher Weise anzuwenden. Auf die obigen Ausführungen kann daher umfassend verwiesen werden.151 Durch die Unterscheidung wird ein Wertungselement eingeführt, das eine relativ präzise Verteilung des Risikos und der Haftung für Wertveränderungen ermöglicht und insbesondere auch auf das Verhalten des Dritten reagieren und dieses in die Bewertung mit einbeziehen kann. Der Nachteil dieser Lösung liegt allerdings darin, dass der Bewertungsvorgang insgesamt recht komplex und unübersichtlich wird.152

D. Rechtsvergleich I. Ermessen Während bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen die Gerichte in Deutsch­ land und Frankreich eine entsprechende Rückabwicklung der Verfügung anordnen müssen, ist es ein typisches Charakteristikum des englischen Rechts, dass dem Gericht auch in dieser Situation noch ein weites Ermessen zukommt. Das 147  Piedelièvre, Participation aux acquêts, JC Civ. Code., Fasc. unique, Rn.  5 4; Colomer, Régimes Matrimoniaux, Rn.  1299; Ponsard in: Aubry/Rau, Droit civil français, VIII, S.  633; Rieg Mélanges Marty, S.  921, 942. 148  Terré/Simler, Les régimes matrimoniaux, Rn.  852. 149  Art.  1574 S.  1 u. S.  2 Code civil lauten: „Les biens existants sont estimés d’après leur état à l’époque de la dissolution du régime matrimonial et d’après leur valeur au jour de la liqui­dation de celui-ci. Les biens qui ont été aliénés par donations entre vifs, ou en fraude des droits du conjoint, sont estimés d’après leur état au jour de l’aliénation et la valeur qu’ils auraient eue, s’ils avaient été conservés, au jour de la liquidation.“ 150  Cornu JCP G 1970, I, 2368, Rn.  9 0 ff.; Colomer, Régimes Matrimoniaux, Rn.  1279; Rieg Mélanges Marty, S.  921, 937 ff. 151  Siehe oben S. 256 ff. 152  Rieg Mélanges Marty, S.  921, 938.

274

Kapitel IV:  Rechtsfolgen

Gericht kann daher in England trotz Vorliegens der Voraussetzungen der sec.  37 MCA auch jegliche Maßnahmen unterlassen, wenn es etwa der Ansicht ist, eine Rückabwicklung der Verfügung würde den beschenkten Dritten über Gebühr belasten.153 Auch bezüglich der möglichen Rechtsfolgen hat das Gericht in England – anders als in Deutschland und Frankreich – ein sehr weites Ermessen. Eine Grenze findet die gerichtliche Entscheidungsbefugnis allerdings, wenn der Beklagte durch die Anordnung nach sec.  37 MCA zu bestimmten Tätigkeiten angehalten werden soll. Das Gericht wird zudem auch oft konkrete Anweisungen zu den Modalitäten der Rückabwicklung geben und bspw. Ausgleichszahlungen durch den verfügenden Ehegatten an den Dritten anordnen.154 II. Anspruchsinhalt Ob der Rückholanspruch primär zur Herausgabe oder nur zu Wertersatz berechtigt, changiert in den Referenzländern. Während in Deutschland und Frankreich Wertersatz die Ausgangsregel ist, geht in England im praktischen Ergebnis meist der Herausgabeanspruch vor. In den Details zeigen sich freilich wieder Unterschiede. Anders als die erbrechtlichen Rückholansprüche ist §  1390 BGB in Deutschland von vornherein nur auf Wertersatz gerichtet. Der Beschenkte hat allerdings die Möglichkeit, den Zahlungsanspruch abzuwenden, indem er das Erlangte herausgibt.155 Die Wertersatzpflicht richtet sich dabei grds. nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Sie erstreckt sich nach §  818 Abs.  1 BGB demnach auch auf gezogene Nutzungen und ersatzweise erhaltene Surrogate, setzt allerdings insoweit frühestens mit der Rechtshängigkeit des Antrages auf vorzeitigen Zugewinnausgleich ein.156 In England sind Anordnungen gem. sec.  37 (2) lit.  b) und lit.  c) MCA meist auf eine Rückabwicklung der vorgenommenen disposition gerichtet.157 Das hat zur Folge, dass ein übertragener Gegenstand grds. in natura herauszugeben und rückzuübereignen ist. Im Einzelfall kann das Gericht im Rahmen seines weiten Ermessens über sec.  37 (3) MCA aber auch statt einer Herausgabe in natura eine Wertersatzpflicht anordnen. Auf die Wertersatzpflicht wird es dabei aber regelmäßig erst dann zurückgreifen, wenn eine Herausgabe in natura aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich ist.158

153 

Siehe oben S. 270. Siehe oben S. 270. 155  Siehe oben S. 268. 156  Siehe oben S. 268. 157  Siehe oben S. 271. 158  Siehe oben S. 271. 154 

Teil 2 – D. Rechtsvergleich

275

In Frankreich ist der Anspruch gegen den Dritten hingegen grds. auf eine Geldzahlung und nicht auf eine Herausgabe der übertragenen Gegenstände in natura gerichtet.159 Üblicherweise lässt der anspruchsberechtigte Ehegatte jedoch die übertragenen Güter im Rahmen der Zwangsvollstreckung einziehen und anschließend verkaufen. Ein nach Befriedigung der Ausgleichsforderung bestehender Übererlös steht dem Dritten und nicht den weiteren Gläubigern des ausgleichsverpflichteten Ehegatten zu.160 Der Dritte kann den Zwangsverkauf jedoch auch durch eine vorherige Begleichung der Ausgleichsforderung abwenden. III. Entreicherung und Wertveränderungen Die drei verglichenen Rechtsordnungen reagieren auf einen Wegfall der Bereicherung beim Dritten und auf Wertänderungen des übertragenen Gegenstands rechtstechnisch auf verschiedenen Wegen, in der Sache aber recht ähnlich. Beide Situationen werden berücksichtigt und beeinflussen den Rückholanspruch. In Deutschland kann sich der Beschenkte auf Entreicherung (§  818 Abs.  3 BGB) berufen, soweit nicht über §§  819, 818 Abs.  4 BGB eine verschärfte Haftung eingreift.161 §  1376 Abs.  2 BGB bestimmt, dass es für die Bewertung von Vermögensminderungen i. S. d. §  1375 Abs.  2 S.  1 BGB auf den Zeitpunkt ankommt, in dem diese Minderungen eingetreten sind.162 Zur Bereinigung des Kaufpreisschwundes muss jedoch wiederum eine Indexierung vorgenommen werden, die zu einer Werterhöhung führt, wenn die Schenkung schon einige Zeit zurückliegt.163 Ungewöhnliche Wertsteigerungen, die nach der Übertragung des geschenkten Gegenstandes beim Dritten eintreten, spielen für die Berechnung des Wertersatzanspruches aus §  1390 BGB folglich keine Rolle. Wertverluste innerhalb dieses Zeitraumes können hingegen mit dem Einwand der Entreicherung geltend gemacht werden. Die Risikoverteilung im Hinblick auf ungewöhnliche Wertsteigerungen erfolgt hier daher genau umgekehrt als bei §  2287 BGB. Eine überzeugende Begründung für diese unterschiedliche Wertung ist nicht erkennbar. Da nach englischem Recht primär die Herausgabe des geschenkten oder gekauften Gegenstandes in natura geschuldet wird, sind Stellungnahmen zu dem Problem der Wertveränderungen kaum zu finden. Ist der übertragene Gegenstand beim Dritten untergegangen oder vollständig verbraucht worden, wird das Gericht in der Regel schon gar keine Anordnung nach sec.  37 (2) lit.  b) oder lit.  c) MCA mehr erlassen, die die getroffene ursprüngliche Verfügung aufhebt. 159 

Siehe oben S. 272. Siehe oben S. 272. 161  Siehe oben S. 269. 162  Siehe oben S. 269. 163  Siehe oben S. 269. 160 

276

Kapitel IV:  Rechtsfolgen

Damit fehlt es dann auch an einer Basis für eine Wertersatzpflicht.164 Ob der Dritte wiederum einen Ausgleich für eine inzwischen bei ihm eingetretene Wertsteigerung verlangen kann, ist ebenfalls noch nicht abschließend geklärt, dürfte aber wohl eher zu verneinen sein. In Frankreich wird bei der Bewertung von Gegenständen, die dem Endvermögen nur fiktiv hinzugerechnet werden, differenziert zwischen ihrem Zustand, der sich nach dem Zeitpunkt ihrer Veräußerung bemisst, und ihrem Wert, für den der Zeitpunkt der Aufhebung des Güterstandes maßgeblich ist.165 Diese bereits aus dem französischen Erbrecht bekannte Unterscheidung ermöglicht eine relativ präzise Zuweisung von Wertveränderungen, bei der insbesondere auch das jeweilige Verhalten des Dritten berücksichtigt werden kann. Andererseits ist dieses Bewertungsverfahren aufwendig und kompliziert.

Teil 3: Vollstreckungsrecht A. Deutschland Die Rechtsfolgen einer Anfechtung sind relativ detailliert in §  11 AnfG/§  143 InsO geregelt. Das durch die anfechtbare Rechtshandlung dem Schuldnervermögen Entzogene muss rückerstattet werden. Ist eine Rückgabe bzw. Zurverfügungstellung für den oder die Gläubiger nicht mehr möglich, finden die Wertersatzregelungen des Bereicherungsrechts Anwendung. Mit Ausnahme der Schenkungsanfechtung wird bei allen Anfechtungstatbeständen zudem fingiert, dass dem Anfechtungsgegner der fehlende Rechtsgrund für die Leistung bekannt war. Die Folge ist, dass sich der Anfechtungsgegner auf eine Entreicherung nicht berufen kann. Bei der Schenkungsanfechtung steht ihm dieser Einwand hingegen grds. zur Verfügung (§  11 Abs.  2 AnfG/§  143 Abs.  2 InsO). Anderes gilt nur, wenn er wusste oder den Umständen nach hätte wissen müssen, dass die unentgeltliche Leistung den oder die Gläubiger benachteiligt. I. Anspruchsinhalt §  11 Abs.  1 AnfG zielt auf die Wiederherstellung der Zugriffslage in den übertragenen Gegenstand für den Gläubiger.166 Eine tatsächliche Rückgabe oder Rückübertragung muss nicht erfolgen, solange der Anfechtungsgegner dem Gläubiger in anderer Weise den Zugriff auf den Gegenstand im Rahmen einer Zwangsvollstreckung ermöglicht. 164 

Siehe oben S. 271 f. Siehe oben S. 272. 166  Huber, Anfechtungsgesetz, §  11 Rn.  8 . 165 

Teil 3 – A. Deutschland

277

Im Insolvenzrecht ist hingegen der Vermögensgegenstand zur Insolvenz­ masse in Natur zurückzugewähren.167 Ist eine Rückgewähr des Erlangten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich, muss der Anfechtungsgegner nach §  818 Abs.  1 und Abs.  2 BGB stattdessen Wert- und Nutzungsersatz leisten.168 Sowohl §  11 Abs.  1 AnfG als auch §  143 Abs.  1 InsO enthalten eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht.169 II. Entreicherung und Wertveränderungen §  11 Abs.  1 S.  2 AnfG/§  143 Abs.  1 S.  2 InsO verweisen für die Rechtsfolgen der Anfechtung auf das Bereicherungsrecht mit der Maßgabe, dass „dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist.“ Die hierdurch fingierte Anwendung des §  819 BGB führt dazu, dass sich der Anfechtungsgegner auf eine eingetretene Entreicherung grds. nicht berufen kann. Eine Ausnahme macht §  11 Abs.  2 AnfG/§  143 Abs.  2 InsO für die Schenkungsanfechtung. Ein Empfänger einer unentgeltlichen Leistung muss diese nur zurückgewähren, wenn er durch sie noch bereichert ist, es sei denn, er weiß oder hätte aufgrund der Umstände wissen müssen, dass die Leistung die Gläubiger des Schuldners benachteiligt. Diese Differenzierung auf der Rechtsfolgenebene erklärt sich dadurch, dass die meisten Anfechtungstatbestände, anders als die Schenkungsanfechtung, bereits im Tatbestand eine Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Gläubigerbenachteiligung voraussetzen. Für Wertminderungen des übertragenen Gegenstandes haftet der Anfechtungsgegner nur, soweit sie aufgrund seines Verschuldens oder nach Rechtshängigkeit einer Herausgabeklage eingetreten sind (§§  819 Abs.  1, 818 Abs.  4, 292, 989, 990 BGB). Für einen zufälligen Untergang muss der Anfechtungsgegner grds. nicht (mehr) aufkommen.170 Bei Werterhöhungen muss unterschieden werden: Ist der Wertzuwachs Folge einer allgemeinen Marktlage und wäre er auch beim Schuldner eingetreten, muss der Anfechtungsgegner ihn an den Gläubiger herausgeben, ohne seinerseits einen Ausgleich verlangen zu können.171 Beruht der Wertzuwachs hingegen auf werterhöhenden, notwendigen oder nützlichen Verwendungen oder auf Aufwendungen des Anfechtungsgegners, die auch der Schuldner hätte vornehmen müssen, sind ihm diese zu ersetzen.172 167 

168 

Leithaus in: Andres/Leithaus, InsO, §  143 Rn.  2. Huber, Anfechtungsgesetz, §  11 Rn.  37; vgl. auch ausführlich Eckardt FS Walter, 2004,

S.  145. 169  Leithaus in: Andres/Leithaus, InsO, §  143 Rn.  4. 170  Huber, Anfechtungsgesetz, §   11 Rn.   41  f., 45; MüKoInsO/Kirchhof §  143 Rn.  70a; ­Nerlich in: Nerlich/Römermann, Insolvenzordnung, §  143 Rn.  21. 171  Huber, Anfechtungsgesetz, §  11 Rn.  32; Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  143 Rn.  39. 172  Huber, Anfechtungsgesetz, §  11 Rn.  30; Nerlich in: Nerlich/Römermann, Insolvenzordnung, §  143 Rn.  16 ff.

278

Kapitel IV:  Rechtsfolgen

Der Anfechtungsgegner hat auch aus dem anfechtbar erlangten Gegenstand gezogene Nutzungen herauszugeben. Schuldhaft nicht gezogene Nutzungen muss er ersetzen, wenn er bösgläubig oder eine Klage auf Herausgabe des Gegenstandes rechtshängig war.173

B. England I. Ermessensentscheidung Die Rechtsfolgen des Rückholanspruchs sind in England für alle Anfechtungstatbestände weitgehend identisch.174 Zwar betont sec.  423 (2b) IA, anders als sec.  339 (2) IA, dass auch die Interessen der Geschädigten besonders berücksichtigt werden müssen, inhaltliche Unterschiede folgen hieraus freilich nicht. Im Zentrum der Regelungen steht jeweils der Gedanke, den status quo ante durch die gerichtliche Anordnung so weit wie möglich wieder herzustellen (sec.  339 (2), 423 (2) IA).175 „The court shall, on such an application, make such order as it thinks fit for restoring the position to what it would have been if that individual had not entered into that trans­ action.“

Mögliche gerichtliche Anordnungen werden beispielhaft in sec.  342 (1), 425 (1) IA aufgezählt. Das Gericht kann danach unter anderem anordnen: die Rück­ übertragung von Vermögenswerten, die Herausgabe des Erlöses aus den Verkauf eines übertragenen Vermögenswertes, die Aufgabe einer bestellten Sicherheit, eine Ausgleichszahlung, die Stellung einer Sicherheit etc. Das Gericht kann und wird in der Regel auch vom Anfechtungsgegner geleistete Zahlungen berücksichtigen und entsprechende Ausgleichszahlungen anordnen, wenn der Anfechtungsgegner verpflichtet wird, einen erlangten Gegenstand wieder zurückzugeben.176 Die häufigste Anordnung im Rahmen des preference-Tatbestandes ist die Leistung einer Ausgleichszahlung nach sec.  342 (1d) IA in Höhe der erhaltenen Begünstigung oder die Aufgabe einer erhaltenen Sicherheit nach 342 (1c) IA. Wie bereits aus dem Erbrecht und dem Familienrecht bekannt, steht dem englischen Gericht hier ein sehr weites Ermessen zu. Auch wenn die Voraussetzungen von sec.  339, 342, 423 IA gegeben sind, ist es nicht verpflichtet, überhaupt eine Anordnung zu erlassen.177 Eine Besonderheit ist, dass auch von ei173 MüKoAnfG/Kirchhof

§  11 Rn.  91. Vgl. sec.  423 (2), 425 IA mit sec.  339 (2), 342 (1) IA. 175  Keay/Walton, Insolvency Law – Corporate and Personal, Rn.  38.7; Keay, McPherson’s Law of Company Liquidation, Rn.  11.018. 176  Siehe hierzu die Beispiele bei Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, Rn.  13.49 ff. 177  National Westminster Bank plc v. Jones [2001] 1 B.C.L.C. 98, Rn.  121; Re Paramount Airways Ltd [1993] Ch 223; Singla v. Brown [2007] EWCH 405, Rn.  51 ff.; siehe aber auch Keay, McPherson’s Law of Company Liquidation, Rn.  11.018 (während sec.  423 (2) IA die Formulierung „may“ verwendet, spricht sec.  339 (3) IA von „shall“). 174 

Teil 3 – B. England

279

ner Anordnung nach sec.  423 IA nicht nur der Antragsteller selbst profitiert, sondern dass sie regelmäßig allen durch die Handlung geschädigten Gläubigern zugutekommt.178 Nach sec.  424 (2) IA wird der Antrag eines geschädigten Gläubigers so behandelt, als sei er im Namen aller Gläubiger erhoben worden, die durch die angefochtene Handlung geschädigt wurden. II. Anspruchsinhalt Ist demnach die Rückabwicklung der vorgenommenen Handlung der angestrebte Regelfall, so soll ein erlangter Gegenstand in erster Linie in natura herausgegeben werden.179 Aufgrund seines weiten Ermessens kann das Gericht stattdessen aber auch eine Verpflichtung zu Wertersatz anordnen, wenn es dieses aufgrund der Umstände des Einzelfalles für angemessener hält.180 III. Entreicherung und Wertveränderungen Für die Ermittlung des Wertes kommt es vorrangig auf den Zeitpunkt der angegriffenen Handlung an. Allerdings muss ein Gericht im Rahmen seines Ermessens grds. auch später eingetretene Wertveränderungen berücksichtigen.181 Wert­ steigerungen, die auf Investitionen des Anfechtungsgegners in die Sache zu­r ück­ zuführen sind, müssen, wie eine Gegenleistung des Anfechtungsgegners,182 i. d. R. ausgeglichen werden.183 Hat die Sache nach ihrer Übertragung auf den Anfechtungsgegner erheblich an Wert eingebüßt, sollte das Gericht diesen Umstand bei der Bemessung der Höhe eines vom Anfechtungsgegner zu zahlenden Wertersatzes grds. berücksichtigen.184 Inwieweit Gleiches auch für Wertsteigerungen gilt, die nicht auf Leistungen des Anfechtungsgegners, sondern auf allgemeinen Entwicklungen beruhen, ist unklar.185 Das Gericht kann den Anfechtungsgegner auch verpflichten, für die Zeit, in der sich der Gegenstand bei ihm befand, Zinsen zu zahlen. Als zu verzinsender Betrag ist dabei der jeweilige „undervalue“ anzusetzen.186

178 

Moon v. Franklin [1996] B.P.I.R. 196. Keay/Walton, Insolvency Law – Corporate and Personal, Rn.  38.7; Keay, McPherson’s Law of Company Liquidation, Rn.  11.019. 180  Keay, McPherson’s Law of Company Liquidation, Rn.  11.018 f. 181  Keay/Walton, Insolvency Law – Corporate and Personal, Rn.  38.7. 182  Siehe oben S. 278. 183  Weisgard v. Pilkington [1995] B.C.C. 1108, 1114; Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, Rn.  13.53. 184  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  270 f. mwN. 185  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  270 f. 186  Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, Rn.  13.56 ff. 179 Vgl.

280

Kapitel IV:  Rechtsfolgen

C. Frankreich I. Die action paulienne Die Wirkung der Pauliana ist nach heute in Frankreich ganz herrschender Ansicht die „inopposabilité“ und nicht die Nichtigkeit des angegriffenen Rechts­ geschäfts. Der Anspruchsgegner kann gegenüber dem klagenden Gläubiger ­keinerlei Rechtsfolgen aus dem streitgegenständlichen Rechtsgeschäft herleiten. Dieses ist im Verhältnis der Streitparteien zueinander relativ unwirksam, entfaltet gegenüber Dritten aber gleichwohl volle Wirksamkeit.187 Anders als bei den Insolvenzanfechtungsansprüchen profitiert von der action paulienne daher grds. auch nur der jeweils klagende Gläubiger und nicht die Gläubigergesamtheit.188 In den Gesetzestext des neuen Art.  1341-2 Code civil ist diese Rechts­ folge nunmehr auch explizit aufgenommen worden.189 Zudem ist es in der Regel erforderlich, dass die veräußerten Vermögenswerte wieder zum Schuldner zurückgelangen, damit der Gläubiger dort auf sie zu­ greifen kann. Der status quo ante wird wieder hergestellt.190 Der Anspruch des Gläubigers ist in seiner Höhe aber durch den ihm entstehenden Schaden begrenzt. Hat der Gläubiger einen Anspruch in Höhe von 10.000  € gegen den Schuldner, kann er auch nur die Rückübertragung von Vermögenswerten in einer entsprechenden Höhe verlangen.191 Verbleibt nach dem Zugriff des Gläubigers noch ein Überschuss beim Schuldner, steht dieser allerdings dem Vertragspartner des Schuldners zu und nicht dem Schuldner selbst.192 Das Rechtsgeschäft ist im Verhältnis zwischen Schuldner und Vertragspartner schließlich nach wie vor wirksam.

187  Dross, Action paulienne, JC Art.   1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  94 ff.; Gautier/ Pasquali­ni, Action Paulienne, Rép. dr. civ., Rn.  87 ff.; Sautonie-Laguionie, La fraude paulienne, S.  427 ff. 188  Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  114 ff.; Malaurie/ Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rn.  1148; Terré/Simler/Lequette, Droit civil – Les obligations, Rn.  1185. 189  Art.  1341-2 Code civil lautet: „Le créancier peut aussi agir en son nom personnel pour faire déclarer inopposables à son égard les actes faits par son débiteur en fraude de ses droits, à charge d’établir, s’il s’agit d’un acte à titre onéreux, que le tiers cocontractant avait connaissance de la fraude.“ 190  Cass. 12 juill. 2005, Bull. civ. 2005, I, n°318; Gautier/Pasqualini, Action Paulienne, Rép. dr. civ., Rn.  94; Sautonie-Laguionie, La fraude paulienne, S.  461 ff.; Ghestin/Jamin/Billiau, Les effets du contrat, Rn.  860. 191  Dross, Action paulienne, JC Art.   1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  100; Gautier/­ Pasqualini, Action Paulienne, Rép. dr. civ., Rn.  92. 192  Cass. 1 jull. 1975, Bull. civ., I, n°213; Gautier/Pasqualini, Action Paulienne, Rép. dr. civ., Rn.  92; Terré/Simler/Lequette, Droit civil – Les obligations, Rn.  1183.

Teil 3 – C. Frankreich

281

1. Kein Ermessen Sind die Voraussetzungen der action paulienne erfüllt, kann die betrügerische Handlung den klagenden Gläubiger nicht entgegengehalten werden. Diese folge ist zwingend, ein Ermessensspielraum verbleibt dem Gericht Rechts­ nicht.193 2. Anspruchsinhalt Die action paulienne führt im Ausgangspunkt zu einer Wiederherstellung des status quo und damit zu einer Rückabwicklung von vollzogenen Rechtsgeschäften.194 Der Anspruchsgegner hat aber immer auch die Möglichkeit, die Herausgabe eines erlangten Gegenstandes durch Geldzahlung abzuwenden.195 Ein bösgläubiger Anspruchsgegner muss zudem gezogene Früchte herausgeben (vgl. Art.  549 Code civil).196 Hat der Vertragspartner des Schuldners den erhaltenen Gegenstand weiterveräußert, kann der Gläubiger versuchen, nun bei diesem Zweiterwerber zuzugreifen.197 Stattdessen kann er sich aber auch an den ursprünglichen Vertragspartner halten und diesen auf Wertersatz in Anspruch nehmen.198 Ein solches Vorgehen bietet sich insbesondere an, wenn ein Zugriff auf den Zweiterwerber an dessen Gutgläubigkeit scheitert. Der Wertersatz berechnet sich für einen bösgläubigen Anspruchsgegner immer nach dem aktuellen Zustand der Sache.199 Dass er selbst im Gegenzug weniger erhalten oder die Sache sogar verschenkt hat, ist unerheblich. Ein gutgläubiger Anspruchsgegner braucht hingegen nur das zu ersetzen, was er selbst vom Zweiterwerber für die Sache erhalten hat.200 3. Entreicherung und Wertveränderungen Bei Wertverschlechterungen kommt es maßgeblich darauf an, ob sie durch ein schuldhaftes Verhalten des Anspruchsgegners verursacht wurden oder nicht. Im ersteren Fall ist der Anspruchsgegner immer verpflichtet, Wertersatz zu leis-

193 

Gautier/Pasqualini, Action Paulienne, Rép. dr. civ., Rn.  94. Terré/Simler/Lequette, Droit civil – Les obligations, Rn.  1183. 195  Gautier/Pasqualini, Action Paulienne, Rép. dr. civ., Rn.   92; Terré/Simler/Lequette, Droit civil – Les obligations, Rn.  1183. 196  Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  105. 197  Siehe S. 241 ff. 198  Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  106; Terré/Simler/ Lequette, Droit civil – Les obligations, Rn.  1183. 199  Cass. 19 avril 1967, Gaz. Pal. 1967, 1, S.  342; CA Lyon 21 févr. 1978, JCP G 1979, IV, 345. 200  CA Paris 30 juin 1998, JurisData n°1998-023308. 194 

282

Kapitel IV:  Rechtsfolgen

ten, im letzteren hingegen nur, wenn er zudem bösgläubig war.201 Diese Rechtslage entspricht auch der Regelung in Art.  1379 Code civil.202 Aufwendungen, die der Anspruchsgegner auf die Sache getätigt hat, müssen ihm ersetzt werden, soweit sie notwendig oder nützlich waren und den Wert der Sache erhöht haben.203 Auf die Bös- oder Gutgläubigkeit des Anspruchs­gegners kommt es dabei nicht an. Wertsteigerungen, die unabhängig von einem Verhalten des Anspruchsgegners eingetreten sind (Beispiel: Grundstück im Außen­bereich wurde zu Bauland erklärt), sind zu berücksichtigen, wenn dieser die Rückgabe des Gegenstandes durch eine Ausgleichszahlung abwenden möchte.204 II. Art. L. 632 ff. Code de Commerce Im Unterschied zur action paulienne ordnen die Anfechtungsvorschriften im C. com. die Nichtigkeit der angefochtenen Handlung an und nicht lediglich eine „inopposabilité“. Von der Unwirksamkeit profitieren daher sämtliche Gläubiger und bei Erfolg der action en nullité wird die Insolvenzmasse insgesamt angereichert.205 Während bei den Fallgruppen der Art. L. 631-2 C. com., Art. L. 631-1 Abs.  2 C. com. die Anordnung der Nichtigkeitsfolge im Ermessen des Gerichts liegt (nullités facultatives), ist sie im Rahmen des Art. L. 631-1 C.com. zwingend (nullités de droit).206 1. Anspruchsinhalt Die Konsequenz der Nichtigkeit ist, dass dem Anfechtungsgegner kein Recht mehr zusteht, die erlangten Gegenstände behalten zu dürfen und er diese folglich an den Schuldner zurückgeben muss.207 Sind die Gegenstände beim Anfechtungsgegner nicht mehr vorhanden, tritt eine Wertersatzpflicht an die Stelle der 201  Dross, Action paulienne, JC Art.   1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  108; Gautier/­ Pasqualini, Action Paulienne, Rép. dr. civ., Rn.  93; Sautonie-Laguionie, La fraude paulienne, S.  501; Ghestin/Jamin/Billiau, Les effets du contrat, Rn.  862. 202  Art.  1379 Code civil lautet: „Si la chose indûment reçue est un immeuble ou un meuble corporel, celui qui l’a reçue s’oblige à la restituer en nature, si elle existe, ou sa valeur, si elle est périe ou détériorée par sa faute; il est même garant de sa perte par cas fortuit, s’il l’a reçue de mauvaise foi.“ 203  Dross, Action paulienne, JC Art.  1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  108. 204  Dross, Action paulienne, JC Art.   1167 Code civil, Fasc. unique, Rn.  107; Gautier/­ Pasqualini, Action Paulienne, Rép. dr. civ., Rn.  95; siehe auch oben S. 256 ff. 205  Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, Rn.  617. 206  Saint-Alary-Houin/Monsièrié-Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullités de droit et nullitées facultatives, JC Proc. coll., Fasc. 2502, Rn.  12. 207  Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, Rn.  622; Saint-Alary-Houin/Monsièrié-­ Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullités de droit et nullitées facultatives, JC Proc. coll., Fasc. 2502, Rn.  65 f.

Teil 3 – D. Rechtsvergleich

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Herausgabepflicht.208 Der Anfechtungsgegner kann andererseits die Herausgabe des erlangten Gegenstandes nicht durch eine Geldzahlung abwenden.209 2. Entreicherung und Wertveränderungen Hat sich der Gegenstand beim Anfechtungsgegner verschlechtert, muss dieser grds. für den eingetretenen Minderwert aufkommen.210 Ob hierfür ein schuldhaftes Verhalten des Anfechtungsgegners erforderlich ist oder eine Einstandspflicht auch bei einem zufälligen Untergang oder einer zufälligen Verschlechterung der Sache entsteht, ist umstritten.211 Für den Wertverlust durch die übliche Abnutzung der Sache muss der Anfechtungsgegner hingegen jedenfalls auch verschuldensunabhängig einstehen, da für die Bewertung der veräußerten Sache der Zeitpunkt der angegriffenen Handlung angesetzt wird und nicht ihr aktueller Wert.212 Früchte muss der Anfechtungsgegner nach überwiegender Ansicht nur herausgeben, wenn und soweit er bösgläubig war oder wenn er sie gezogen hat, nachdem eine Anfechtungsklage bereits erhoben war.213 Für auf die Sache getätigte notwendige oder noch vorhandene nützliche Verwendungen kann der Anfechtungsgegner seinerseits einen Ausgleich verlangen, 214 für Wertsteigerungen, die unabhängig von seinem Verhalten eingetreten sind, hingegen nicht.

D. Rechtsvergleich I. Ermessen Die deutschen Anfechtungsvorschriften lassen keinen Spielraum für Ermessenserwägungen des zuständigen Gerichts: Sind die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, ergeht auch eine entsprechende gerichtliche Anordnung. Sowohl das englische, als auch zum Teil das französische Recht sind in dieser Hinsicht flexibler. In England ist ein Gericht, auch wenn die Voraussetzungen von sec.  339 IA oder sec.  423 IA eindeutig gegeben sind, nicht verpflichtet, überhaupt eine An208  Saint-Alary-Houin/Monsièrié-Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullités de droit et nullitées facultatives, JC Proc. coll., Fasc. 2502, Rn.  71; v. Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich. S.  308 ff. 209  Cass. com. 11. mai 1959, Bull. civ. 1959, III, Nr.  200; v. Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich. S.  309 mwN. 210 CA Aix-en-Provence 13 juin 2001, JurisData n°2001-148532; Saint-Alary-Houin/ Monsièrié-Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullités de droit et nullitées facultatives, JC Proc. coll., Fasc. 2502, Rn.  71. 211  v. Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich. S.  309 f. mwN. 212  Cass. com. 29. Févr. 1972, Bull. civ. 1972, IV, Nr.  7 7; v. Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich. S.  311 mwN. 213  v. Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich. S.  311 mwN. 214  v. Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich. S.  313 mwN.

284

Kapitel IV:  Rechtsfolgen

ordnung zu erlassen.215 Auch hinsichtlich der konkreten Art und Weise der Rückabwicklung sowie bei der Frage, ob für eventuelle Zahlungen des Anfechtungsgegners ein Ausgleich geleistet werden muss, steht dem Gericht ein weites Ermessen zu. In Frankreich enthält Art. L. 632-1 Abs.  2 C. com. eine Regelung über die sog. fakultative Nichtigkeit. Das zuständige Gericht kann alle unentgeltlichen Rechts­geschäfte, die innerhalb von sechs Monaten vor der Zahlungseinstellung durch den Schuldner erfolgt sind, für unwirksam erklären.216 Es ist hierzu aber nicht verpflichtet, sondern hat einen weiten Ermessensspielraum. Im Rahmen der action paulienne besteht ein solcher Spielraum hingegen nicht.217 II. Wertersatz oder Herausgabe in natura? Das AnfG zielt auf die Wiederherstellung der Zugriffslage auf den übertragenen Gegenstand. Solange diese auch auf andere Art und Weise wieder hergestellt werden kann, muss eine Rückübertragung nicht erfolgen. Im Insolvenzrecht erfolgt hingegen grds. eine Rückübertragung in natura. Ist diese nicht möglich, muss Wertersatz nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts geleistet werden.218 Auch in England bezwecken die behandelten Regelungen primär die Herstellung des status quo ante. Übertragene Gegenstände werden zu diesem Zweck typischerweise in natura zurückgegeben. Aufgrund seines weiten Ermessens kann das Gericht stattdessen aber auch eine Wertersatzpflicht anordnen.219 Die action paulienne des französischen Rechts möchte ebenfalls den Ausgangszustand wiederherstellen und führt daher grds. zu einer Rückabwicklung der vollzogenen Rechtsgeschäfte.220 Der Anfechtungsgegner kann die Herausgabe eines erlangten Gegenstandes aber durch eine Geldzahlung abwenden, was im Rahmen der besonderen insolvenzrechtlichen Anfechtungstatbestände hingegen nicht möglich ist. Bei diesen Tatbeständen führt die Nichtigkeit der angegriffenen Handlungen ebenfalls dazu, dass die erlangten Gegenstände grds. an den Schuldner zurückzugeben sind.221 Ist die Rückgabe unmöglich, entsteht eine Wertersatzpflicht.

215 

Siehe S. 278. Siehe S. 283. 217  Siehe S. 281. 218  Siehe S. 276. 219  Siehe S. 279. 220  Siehe S. 281. 221  Siehe S. 283. 216 

Teil 3 – D. Rechtsvergleich

285

III. Entreicherung und Wertveränderungen Wertänderungen und eine Entreicherung werden in allen drei Rechten im Grundsatz auch für den insolvenz- und vollstreckungsrechtlichen Rückholanspruch berücksichtigt. Unterschiede gibt es wiederum nur in Details. So ist der Entreicherungseinwand im deutschen Recht nur im Rahmen der Schenkungsanfechtung möglich und zwar auch nur dann, wenn dem Beschenkten die Gläubigerbenachteiligung unbekannt war.222 Werterhöhungen, die auf notwendigen oder nütz­lichen Verwendungen des Anfechtungsgegners beruhen, müssen diesem ersetzt werden, andere Werterhöhungen hingegen nicht. Der Anfechtungsgegner muss auch gezogene und schuldhaft nicht gezogene Nutzungen herausgeben.223 Bei der Bemessung des Wertersatzanspruches hat das englische Gericht ein weites Ermessen. Es soll jedoch grds. eingetretene Wertveränderungen berücksichtigen.224 Als Ausgangspunkt dient dabei der Wert der erlangten Sache im Ver­äußerungszeitpunkt. Verschlechterungen muss der Anfechtungsgegner grds. ausgleichen, während ihm (nützliche) Verwendungen zu ersetzen sind. Der erlangte „undervalue“ ist zudem i. d. R. zu verzinsen.225 In Frankreich ist bei Wertverschlechterungen entscheidend, ob sie durch ein schuldhaftes Verhalten des Anspruchsgegners verursacht wurden oder nicht. Im ersteren Fall muss der Anspruchsgegner Wertersatz leisten, im letzteren hingegen nicht, wenn er zudem gutgläubig war.226 Für den Wertverlust durch die übliche Abnutzung der Sache muss der Anfechtungsgegner verschuldensunabhängig einstehen. Bewertungsmaßstab ist insoweit der Wert der Sache im Veräußerungszeitpunkt.227 Notwendige und nützliche Verwendungen sind andererseits dem Anfechtungsgegner wiederum zu ersetzen. Früchte muss der Anfechtungsgegner nur herausgeben, wenn er bösgläubig war oder wenn er sie nach Rechtshängigkeit einer Anfechtungsklage gezogen hat.228

222 

Siehe S. 277. Siehe S. 277 ff. 224  Siehe S. 279. 225  Siehe S. 279. 226  Siehe S. 282 f. 227  Siehe S. 283. 228  Siehe S. 283. 223 

286

Kapitel IV:  Rechtsfolgen

Zusammenfassung zu Kapitel IV Eine Besonderheit des englischen Rechts liegt darin, dass das Gericht ein sehr weites Ermessen hat, ob und wenn ja welche Rechtsfolgen es anordnet. In Deutschland und Frankreich handelt es sich hingegen um eine gebundene Entscheidung, die, mit Ausnahme der fakultativen Nichtigkeit im französischen Insolvenzrecht, dem Gericht wenig Entscheidungsspielraum lässt. Eine weitere grundlegende Weichenstellung liegt darin, ob primär Heraus­ gabe des erlangten Gegenstandes oder Wertersatz geschuldet wird. Das französische Erb- und Familienrecht ist seit der Reform im Jahre 2006 nunmehr primär auf Wertersatz gerichtet. Gleiches gilt für das deutsche Familienrecht. Das französische und deutsche Vollstreckungsrecht und das deutsche Erbrecht gehen hingegen von einer Herausgabe in natura aus. Die Einordnung des englischen Rechts erweist sich als schwierig, da aufgrund des weiten richterlichen Ermessens die getroffenen Maßnahmen vom jeweiligen Einzelfall abhängen. Bei der Berechnung des Wertersatzes unterscheidet das französische Erbund Familienrecht zwischen dem Zustand der Sache, der sich nach dem Zeitpunkt bestimmt, in dem die Sache an den Anspruchsgegner veräußert wurde, und dem Wert der Sache, für dessen Bemessung grds. der Zeitpunkt des Erb­ falles bzw. der Aufhebung des Güterstandes maßgeblich ist. Hierdurch wird erreicht, dass Wertveränderungen, die auf äußere Einflüsse zurückzuführen sind, grds. dem Anspruchsteller zugutekommen bzw. den Anspruchsgegner entlasten, während Wertveränderungen, die auf ein Verhalten des Anspruchsgegner zurückzuführen sind genau andersherum behandelt werden. Im deutschen Pflichtteilsrecht findet das Niederstwertprinzip Anwendung. Von positiven Wertveränderungen profitiert daher immer der Beschenkte. Negative Wertveränderungen kann er als Entreicherung geltend machen. Für den Vertragserben ist hingegen der Wert der Sache zum Zeitpunkt des Erbfalles maßgeblich; von Wertsteigerungen profitiert also der Vertragserbe. Im Fami­lienrecht werden Gegenstände über §  1376 Abs.  2 BGB im Endvermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten mit dem Wert angesetzt, den sie im Zeitpunkt ihrer Veräußerung hatten. Im englischen Recht werden Wertveränderungen des geschenkten Gegenstandes im Rahmen des gerichtlichen Ermessens angemessen berücksichtigt. Im Erbrecht ist der Ausgleichsanspruch auf den Wert des zugewendeten Gegenstandes im Zeitpunkt des Todes begrenzt und auch im Familienrecht scheiden Anordnungen grds. aus, wenn der zugewendete Gegenstand inzwischen untergegangen ist. Das deutsche Vollstreckungsrecht lässt den Einwand der Entreicherung nur bei einem gutgläubigen Zuwendungsempfänger zu; für einen zufälligen Untergang muss der Empfänger allerdings nicht einstehen. Notwendige und nützliche Verwendungen sind dem Verwender zu ersetzen, andere Wertsteigerungen,

Zusammenfassung zu Kapitel IV

287

die unabhängig von einem Verhalten des Empfängers eintreten, gebühren hingegen dem Anspruchsteller. In England sind Wertsteigerungen durch Verwendungen des Zuwendungsempfängers i. d. R. auszugleichen und sonstige Wertveränderungen angemessen zu berücksichtigen. Das französische Recht sieht vor, dass der Zuwendungsempfänger im Rahmen einer action paulienne für Verschlechterungen haftet, wenn er diese verursacht hat oder wenn er bösgläubig war. Bei der Insolvenzanfechtung ist hingegen umstritten, ob der Empfänger auch für zufällige Verschlechterungen einstehen muss. Jedenfalls ist der Wert des empfangenen Gegenstandes im Zeitpunkt der Veräußerung maßgeblich. Notwendige und nützliche Verwendungen sind dem Anspruchsteller jeweils zu ersetzen, andere Wertsteigerungen hingegen nicht.

Kapitel V

Vorwirkungen Die Besonderheit der Rückholansprüche besteht darin, dass sie nach Eintritt eines bestimmten Ereignisses (Tod, Scheidung, Vollstreckung, Insolvenz) eine Rückabwicklung zeitlich zurückliegender Rechtsgeschäfte ermöglichen. Es stellt sich bei ihnen daher auch stets die Frage, inwieweit sie vor Eintritt dieses Ereignisses bereits Rechtswirkungen entfalten können. Besteht hier bereits ein Anwartschaftsrecht des später Rückholberechtigten? Sind Sicherungsmaßnahmen sowie Auskunfts- und Feststellungsklagen zulässig? Kann der später Berechtigte bereits vor der Materialisierung seines Anspruchs auf diesen verzichten? Welche Voraussetzungen muss ein solcher Verzicht einhalten und kann er auch konkludent erfolgen?

290

Kapitel V:  Vorwirkungen

Teil 1: Erbrecht A. Deutschland I. Erbverträge 1. Sicherungsmöglichkeiten zu Lebzeiten des Erblassers a) Anwartschaftsrecht und deliktsrechtlicher Schutz Nach herrschender Meinung steht dem Vertragserben bis zum Tode des Erblassers kein Anwartschaftsrecht zu.1 Inhalt, Umfang und Wert der Erbschaft sind aufgrund der Verfügungsfreiheit des Erblassers (§  2286 BGB) bis zum Eintritt des Erbfalles unsicher. Einzelne Vermögensgegenstände oder ein bestimmter Bestand der Erbschaft können dem Vertragserben zu Lebzeiten des Erb­ lassers nicht zugeordnet werden. Außerdem bestehen weitreichende Möglichkeiten des Erblassers, sich vom Erbvertrag wieder zu lösen (§§  2299, 2281, 2078, 2079 BGB).2 Aus diesem Grunde kann der Vertragserbe auch keine deliktsrechtlichen Schadensersatzansprüche geltend machen, wenn der Erblasser sein Vermögen verschwendet oder ein Dritter das Vermögen beeinträchtigt. Es fehlt insoweit an einem absoluten Recht i. S. d. §  823 Abs.  1 BGB und die §§  2287 ff. BGB sind auch keine Schutzgesetze i. S. d. §  823 Abs.  2 BGB.3 Auch Ansprüche aus §  826 BGB scheiden nach überwiegender Ansicht aus, da die §§  2287 ff. BGB insoweit eine abschließende Sonderregelung darstellen.4 Die nicht hinreichend verfestigte Rechtsposition des Vertragserben hat nach herrschender Ansicht weiter zur Folge, dass für ihn eine Auflassungsvormerkung, ein Arrest oder eine einstweilige Verfügung erst nach Eintritt des Erb­ falles bestellt werden können.5

1 BGH NJW 1954, 633; WM 1961, 1113, 1115; DNotZ 1962, 497, 498; MüKoBGB/­ Musielak §  2286 BGB Rn.  2 f.; Große-Wilde/Ouart/Burandt §  2286 BGB Rn.  3; Staudinger/ Kanzleiter §  2286 BGB Rn.  6; a. A. Raiser, Dingliche Anwartschaften, S.  8. 2  Krebber AcP 204 (2004), 149. 3 MüKoBGB/Musielak §   2286 BGB Rn.   5; Große-Wilde/Ouart/Burandt §  2286 BGB Rn.  4; Bamberger/Roth/Litzenburger §  2286 BGB Rn.  3. 4  BGH NJW 1989, 2389 mAnm Kohler FamRZ 1990, 464; Schubert JR 1990, 159; Bamberger/Roth/Litzenburger §  2286 BGB Rn.  3; MüKoBGB/Musielak §  2286 BGB Rn.  5 mwN; Lemcke, Ansprüche des Vertragserben wegen beeinträchtigender Schenkungen, S.  145 f.; a. A. Soergel/Wolf §  2286 BGB Rn.  2. 5  BGH NJW 1954, 633; FamRZ 1967, 470, 472; BayOblGZ 1952, 289, 290.; MüKoBGB/ Musielak §  2286 BGB Rn.  6; Soergel/Wolf §  2286 BGB Rn.  2; Staudinger/Kanzleiter §  2287 BGB Rn.  21; Kroppenberg Hereditare 2 (2012), 39, 48 ff.; a. A. Hohmann ZEV 1994, 133, 137; Kuchinke FS Henkel, S.  475, 492 f.

Teil 1 – A. Deutschland

291

b) Feststellungs- und Auskunftsklage Wird die Wirksamkeit des Erbvertrages bestritten, kann der Vertragserbe nach überwiegender Ansicht noch zu Lebzeiten des Erblassers eine Klärung mittels einer Feststellungsklage erreichen. 6 Äußerst umstritten und bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden ist hingegen die Frage, ob der Beschenkte zu Lebzeiten des Erblassers auch das Vorliegen der Voraussetzungen des §  2287 BGB feststellen lassen kann.7 Gegen eine solche Möglichkeit wird unter anderem eingewandt, dass der Erblasser nicht zu seinen Lebzeiten in einen Rechtstreit über seine Beerbung hereingezogen werden dürfe.8 Das OLG Schleswig führte hierzu aus:9 „Es wäre unerträglich und mit dem Freiheitschutz des Erblassers an Verfügungen unter Lebenden unvereinbar, dass dieser im Rechtstreit sich den Vorwürfen des Vertragserben wegen einer angeblichen Beeinträchtigungsabsicht ausgesetzt sehe, seine Rechtsgeschäfte und Motivation dazu vor den Prozessbeteiligten und dem Gericht ausbreiten und sein etwaiges lebzeitiges Eigeninteresse an Schenkungen rechtfertigen müsste und sich über all das „zu Tode ärgern“ muss.“

Diese Argumentation wird auch durch den Rechtsgedanken der Vorschrift des §  311b Abs.  4 BGB gestützt, die Verträge über den Nachlass eines noch lebenden Dritten für nichtig erklärt.10 Ferner fehle es an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis, da weder die Entstehung des Anspruchs aus §  2287 BGB noch dessen Inhalt zu Lebzeiten des Erblassers sicher seien.11 Zu einem Anspruch aus §  2287 BGB käme es bspw. gar nicht, wenn der Erblasser noch vom Erbvertrag zurücktreten (§  2294 BGB) oder ihn anfechten würde, der Vertragserbe die Erbschaft wegen Überschuldung ausschlüge, vorverstürbe oder die beeinträchtigende Schenkung vom Erblasser widerrufen würde (§§  528, 530 BGB). Auch sei der Inhalt des Anspruchs unklar, da er sich, je nachdem, ob der verschenkte 6 BGH NJW 1962, 1913; OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 141; MüKoBGB/Musielak §  2286 BGB Rn.  7; Kuchinke FS Henkel, S.  475, 478 ff.; Hohmann ZEV 1994, 133, 134; Große-­ Wilde/Ouart/Burandt §  2286 BGB Rn.  5; a. A. Staudinger/Kanzleiter §  2287 BGB Rn.  21; Lange NJW 1963, 1571, 1573. 7  Dafür OLG Koblenz MDR 1987, 935; J. Mayer in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §  2287 BGB Rn.  128; Palandt/Weidlich §  2287 BGB Rn.  17; Kuchinke FS Henkel, S.  475, 488 f.; für eine Zulässigkeit nur in seltenen Ausnahmefällen OLG München NJW-RR 1996, 328; ablehnend OLG Schleswig OLGR Schleswig 2003, 89; Staudinger/Kanzleiter §  2287 BGB Rn.  21; Jauernig/Stürner §  2287 BGB Rn.  9; Muscheler, Erbrecht, Bd. 1, Rn.  2321; krit. auch OLG Koblenz ZEV 2003, 242; Kroppenberg Hereditare 2 (2012), 39, 50 f.; Sarres ZEV 2003, 232. 8 Staudinger/Kanzleiter §  2 287 BGB Rn.  18; Lange NJW 1963, 1571; s. a. OLG München NJW-RR 1996, 328; OLG Schleswig OLGR Schleswig 2003, 89, 91. 9  OLG Schleswig OLGR Schleswig 2003, 89, 91. 10  Kroppenberg Hereditare 2 (2012), 39, 51; Kuchinke FS Henkel, S.  475, 486; a. A. J. ­Mayer in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §  2287 BGB Rn.  128. 11  OLG Schleswig OLGR Schleswig 2003, 89, 90 f.; Kroppenberg Hereditare 2 (2012), 39, 50 f.; Kuchinke FS Henkel, S.  475, 480.

292

Kapitel V:  Vorwirkungen

Gegenstand beim Beschenkten noch vorhanden ist oder nicht, entweder auf Herausgabe des Gegenstandes oder auf Wertersatz richten würde. Dagegen wird vorgebracht, dass sich der Tatbestand der missbräuchlichen Schenkung schon zu Lebzeiten des Erblassers hinreichend konkretisieren lasse. Auch bedingte Ansprüche seien feststellungsfähig, wenn der Rechtsboden für ihre Entstehung soweit bereitet sei, dass nach der Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die Anspruchsentstehung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne.12 Zudem habe der Vertragserbe auch ein rechtliches Interesse an dieser Feststellung, insbesondere wenn er – wie etwa bei einem sog. Verpfründungsvertrag nach §  2295 BGB – eine Gegenleistung erbringen müsse.13 Anderenfalls drohe ihm, neben einer schwierigen Beweissituation (die Schenkung liegt möglicherweise schon Jahrzehnte zurück und der Hauptzeuge – der Erblasser – ist nicht mehr greifbar), die Berufung des Beschenkten auf den Einwand der Entreicherung (§  818 Abs.  3 BGB). Oft wird der Beschenkte das Geschenk nämlich inzwischen weiterveräußert und den Gegenwert ausgegeben haben. Durch eine Festellungsklage könne der Vertragserbe einerseits die verschärfte Haftung des Beschenkten nach §  818 Abs.  4 BGB auslösen und gewönne andererseits Planungssicherheit, bspw. im Hinblick auf das Bestehen eines Kündigungsrechts für seine eigene Gegen­ leistung.14 Da sich die Klage gegen den Beschenkten und nicht gegen den Erblasser richte, bestehe auch keine Gefahr, dass Letzterer in eine unwürdige ­Situation gerate.15 Zudem soll nach dieser Ansicht der Vertragserbe dann auch die Weiterveräußerung des geschenkten Gegenstandes mittels einer einstweiligen Verfügung oder eines Arrestes verhindern können.16 Für den Fall, dass eine Feststellungsklage für unzulässig gehalten wird, sei noch zu überlegen, ob der Vertragserbe zumindest ein selbständiges Beweisverfahren (§§  485 ff. ZPO) zur Sicherung von Beweismitteln gegen den Beschenkten einleiten könne.17 Ein prämortaler Auskunftsanspruch des Vertragserben gegen den Beschenkten wird hingegen überwiegend abgelehnt.18 Für diejenigen, die eine Feststel12 

OLG Koblenz MDR 1987, 935, 936; Hohmann ZEV 1994, 133, 135. Hohmann ZEV 1994, 133, 135 f.; J. Mayer in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §  2287 BGB Rn.  128. 14  Hohmann ZEV 1994, 133, 135 ff.; J. Mayer in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §  2287 BGB Rn.  128 mwN. 15  Kuchinke FS Henkel, S.  475, 487 f.; Hohmann ZEV 1994, 133, 136. 16  Grundlage der einstweiligen Verfügung bzw. des Arrestes ist dann der Feststellungsanspruch, s. Hohmann ZEV 1994, 133, 136 f.; Kuchinke FS Henkel, S.  475, 492 f. Bejaht wird auch die Zulässigkeit einer Vormerkung zur Sicherung dieses Anspruchs s. Hohmann ZEV 1994, 133, 137; Kuchinke FS Henkel, S.  475, 489 ff. 17  In diese Richtung OLG Koblenz ZEV 2003, 242, 243. 18  Kroppenberg Hereditare 2 (2012), 39, 57; MüKoBGB/Musielak §   2286 BGB Rn.   8; ­ausführlich Lemcke, Ansprüche des Vertragserben wegen beeinträchtigender Schenkungen, S.  155 ff. 13 

Teil 1 – A. Deutschland

293

lungsklage zu Lebzeiten des Erblassers für unzulässig halten, folgt das bereits aus einem „Erst-recht-Schluss“. Aber auch die Gegenansicht erörtert die eigentlich naheliegende Möglichkeit eines begleitenden Auskunftsanspruchs in der Regel nicht.19 Lediglich Sarres spricht sich mit Rückgriff auf den Rechtsgedanken des §  2127 BGB für eine Auskunftsmöglichkeit des Vertragserben aus, wenn dessen Vermögensinteressen durch einen krassen Missbrauch der Verwaltungsbefugnis durch den Erblasser erheblich gefährdet erscheinen.20 c) Verfügungsunterlassungsverträge Will sich der Vertragserbe vor weiteren lebzeitigen Verfügungen des Erblassers schützen, so bietet es sich an, einen sog. Verfügungsunterlassungsvertrag zu schließen.21 In einem solchen Vertrag verpflichtet sich der Erblasser gegenüber dem Vertragserben, über bestimmte Gegenstände nicht zu verfügen und sie nicht zu belasten.22 Wegen §  137 BGB hat ein solcher Vertrag nur schuldrechtliche Wirkungen. Die Verfügungen bleiben gleichwohl wirksam, der Vertragserbe hat aber nach §§  280 Abs.  1, 249 Abs.  1 BGB einen Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustandes gegen den Erblasser bzw. dessen Erben.23 Ist die Wiederherstellung nicht mehr möglich, bleiben dem Vertragserben Schadensersatzansprüche. Soweit der Vertragserbe als Alleinerbe Gesamtrechtsnachfolger wird, erlöschen die Schadensersatzansprüche allerdings mit dem Tode des Erblassers durch Konfusion, so dass die Sicherung durch den Verfügungsunterlassungsvertrag ins Leere läuft.24 In der Praxis wird daher meist eine zusätzliche Sicherung bestellt, entweder durch die Eintragung eines Veräußerungsverbots in das Grundbuch aufgrund einer einstweiligen Verfügung oder durch Bürgschaften, Pfandrechte oder Vertragsstrafen.25 Genauso kann stattdessen auch auf eine sog. Sicherungsschenkung zurück­ gegriffen werden:26 Der Erblasser verpflichtet sich bei einem Verstoß gegen den 19  Siehe hierzu Lemcke, Ansprüche des Vertragserben wegen beeinträchtigender Schenkungen, S.  154 mwN. 20  Sarres ZEV 2003, 232, 233; für einen prämortalen Auskunftsanspruch auch Loritz, Freiheit des gebundenen Erblassers und Schutz des Vertrags- und Schlusserben vor Zweitverfügungen, S.  168. 21  J. Mayer in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §   2286 BGB Rn.  24 mwN; s. a. BGH NJW 1954, 633, 634; NJW 1959, 2252; NJW 1963, 1602; FamRZ 1967, 470. 22 MüKoBGB/Musielak §   2286 BGB Rn.   11; Soergel/Wolf §   2286 BGB Rn.   4; Große-­ Wilde/­Ouart/Burandt §  2286 BGB Rn.  8; Staudinger/Kanzleiter §  2286 BGB Rn.  16. 23 Große-Wilde/Ouart/Burandt §  2 286 BGB Rn.  9; Muscheler, Erbrecht, Bd. 1, Rn.  2322; J. Mayer in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §  2286 BGB Rn.  24; Bamberger/Roth/Litzenburger §  2286 Rn.  8; Soergel/Wolf §  2286 BGB Rn.  5. 24  J. Mayer in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §  2 286 BGB Rn.  25; Kroppenberg Hereditare 2 (2012), 39, 43. 25  Kroppenberg Hereditare 2 (2012), 39, 43; J. Mayer in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §  2286 BGB Rn.  26; Große-Wilde/Ouart/Burandt §  2286 BGB Rn.  10 f. 26 Siehe dazu J. Mayer in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §   2286

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Kapitel V:  Vorwirkungen

Verfügungsunterlassungsvertrag, dem Vertragserben bestimmte Vermögensgegenstände zu übertragen.27 Bei beweglichen Gegenständen kann zu diesem Zwecke auch schon die Übereignung aufschiebend bedingt vorgenommen werden.28 Bei Grundstücken besteht diese Möglichkeit wegen §  925 Abs.  2 BGB nicht. Nach überwiegender Ansicht kann aber auch bereits die (bedingte) schuldrechtliche Verpflichtung zur Übertragung eines Grundstücks durch Eintragung einer Auflassungsvormerkung im Grundbuch gesichert werden.29 Krebber hat sich insgesamt gegen die Zulässigkeit von Verfügungsunterlassungsverträgen ausgesprochen.30 Diese seien nicht allein am Maßstab des §  137 BGB zu messen, sondern müssten darüber hinaus auch im Lichte erbrechtlicher Prinzipien betrachtet werden. Aus §  2286 BGB könne aber der Grundsatz ge­ folgert werden, dass Verfügungen von Todes wegen erst mit dem Erbfall Wirkung entfalten und die Verfügungsfreiheit des Erblassers zu Lebzeiten grds. unberührt lassen. §  2286 BGB stehe daher auch einer mittelbaren lebzeitigen Bindung aufgrund des Verfügungsunterlassungsvertrages, etwa durch ein zusätzliches Veräußerungsverbot oder durch eine Vormerkung, entgegen.31 Die §§  2287 ff. BGB seien insoweit eine abschließende Regelung.32 Diese Bedenken haben jedoch bislang wenig Gefolgschaft gefunden.33 Die in §  2286 BGB zum Ausdruck kommende Freiheit des Erblassers, lebzeitige Verfügungen vorzunehmen, hindert den Erblasser nach herrschender Meinung nicht daran, sich vertraglich zu verpflichten, von Verfügungen in Bezug auf bestimmte Gegenstände Abstand zu nehmen.34 Umstritten ist, welche Formvorschriften für den Verfügungsunterlassungsvertrag zur Anwendung kommen. Während teilweise vollständige Formfreiheit proklamiert wird,35 verlangt die herrschende Ansicht zumindest dann die EinBGB Rn.  28; MüKoBGB/Musielak §  2286 BGB Rn.  13; Staudinger/Kanzleiter §  2286 BGB Rn.  17 jeweils mwN. 27 Eine Verpflichtung, das gesamte oder einen Bruchteil des Vermögens zu übertragen wäre allerdings wegen Verstoß gegen §  311b Abs.  2 BGB nichtig. 28  J. Mayer in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §  2 286 BGB Rn.  29. 29 BGH NJW 1997, 861; BayOblG DNotZ 1989, 370; Bamberger/Roth/Litzenburger §  2286 Rn.  9; Staudinger/Kanzleiter §  2286 BGB Rn.  17 mwN. 30  Krebber AcP 204 (2004), 149, siehe zur problematischen Abgrenzung von lebzeitigen und letztwilligen Verfügungen in diesem Zusammenhang Kroppenberg Hereditare 2 (2012), 39, 44 ff. 31  Krebber AcP 204 (2004), 149, 172. 32  Krebber AcP 204 (2004), 149, 175. 33 Siehe nur J. Mayer in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §   2286 BGB Rn.  24; Kroppenberg Hereditare 2 (2012), 39, 44 ff.; MüKoBGB/Musielak §  2286 BGB Rn.  11; Bamberger/Roth/Litzenburger §  2286 Rn.  7; Staudinger/Kanzleiter §  2286 BGB Rn.  16 sowie BGHZ 12, 122; 31, 18; 59, 350. 34 MüKoBGB/Musielak §  2 286 BGB Rn.  11. 35 Staudinger/Kanzleiter §  2286 BGB Rn.  16; ebenso Große-Wilde/Ouart/Burandt §  2286 BGB Rn.  8; Soergel/Wolf §  2286 BGB Rn.  5, die allerdings eine Formbedürftigkeit dann annehmen, wenn der Verfügungsunterlassungsvertrag zu einem Bestandteil des Erbvertrages wird.

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haltung der erbrechtlichen Formvorschriften, wenn der Verfügungsunterlassungsvertrag und der Erbvertrag eine rechtliche Einheit bilden.36 2. Verzicht auf Ansprüche aus §  2287 BGB zu Lebzeiten des Erblassers Der Anspruch aus §  2287 BGB ist nach herrschender Meinung dispositiv. Hierfür spricht insbesondere der Vergleich mit der Möglichkeit, einen Rücktrittsvorbehalt zu vereinbaren: Können die Parteien bestimmen, dass dem Erblasser der Rücktritt vorbehalten bleiben soll und er sich damit jederzeit vollständig von der erbvertraglichen Bindung lösen kann, so muss es ihnen a maiore ad minus erst recht möglich sein, dem Erblasser lediglich die Vornahme beeinträchtigender Schenkungen zu gestatten.37 Vereinzelt wird allerdings vertreten, dass ein solcher Verzicht stets nach §  138 BGB sittenwidrig sei und auch gegen §  276 Abs.  3 BGB verstoße.38 Eine Ab­rede, wonach sich der Schuldner das Recht vorbehalte, seinen Vertragspartner vorsätzlich zu benachteiligen, sei nichtig.39 Wiederum andere bejahen zwar grds. die Möglichkeit, §  2287 BGB abzubedingen, wollen aber bei dem Hinzutreten weiterer Umstände im Einzelfall eine Sittenwidrigkeit nach §  138 BGB annehmen.40 Ein Missbrauch der lebzeitigen Verfügungsfreiheit lässt sich allerdings nur schwerlich konstruieren, wenn der Erblasser von vornherein seine eingeschränkte Bindung deutlich macht und auf mögliche spätere Handlungsnotwendigkeiten hinweist.41 In seiner Entscheidung vom 12. Juli 1989 hat der BGH festgelegt, dass eine Zustimmung des Vertragserben zu einer ihn beeinträchtigenden Schenkung des Erblassers grds. den Formerfordernissen analog §   2348 BGB entsprechen muss.42 Hat jedoch der Vertragserbe formlos einer Verfügung des Erb­lassers zugestimmt, liegt es nahe, dem Vertragserben den Einwand widersprüchlichen Verhaltens entgegenzuhalten bzw. eine Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers

36 BGH FamRZ 1967, 470; WM 1969, 1055; MüKoBGB/Musielak §   2286 BGB Rn.  11; ­ uscheler, Erbrecht, Bd. 1, Rn.  2322; noch weitergehend J. Mayer in: Reimann/Bengel/Mayer, M Testament und Erbvertrag, §  2286 BGB Rn.  24. 37  OLG Köln ZEV 2003, 76, 77 mAnm Mayer ZEV 2003, 77; OLG München ZEV 2005, 61; MüKoBGB/Musielak §   2287 BGB Rn.   24; Staudinger/Kanzleiter §  2287 BGB Rn.  31; ­Jauernig/Stürner §  2287 BGB Rn.  3; Große-Wilde/Ouart/Burandt §  2287 BGB Rn.  21; Bamberger/Roth/Litzenburger §  2287 Rn.  20; J. Mayer in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §  2287 BGB Rn.  134; Lemcke, Ansprüche des Vertragserben wegen beeinträchtigender Schenkungen, S.  135 ff. 38  Kipp/Coing, Erbrecht, §  38 IV 2c mwN. 39  v. Lübtow, Erbrecht, Bd. 1, S.  4 42 f.; siehe auch Mayer ZEV 2003, 77. 40 Soergel/Wolf §  2286 BGB Rn.  1; Bamberger/Roth/Litzenburger §  2287 Rn.  20; Erman/­ S. u. T. Kappler §  2287 BGB Rn.  9. 41  Mayer ZEV 2003, 77, 79. 42  BGH NJW 1989, 2618.

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Kapitel V:  Vorwirkungen

zu verneinen, wenn der Vertragserbe anschließend nach §  2287 BGB gegen dieselbe Verfügung vorgeht.43 Diese Rechtsprechung hat in der Literatur ein geteiltes Echo gefunden: Während die wohl überwiegende Ansicht ihr zustimmt,44 lehnt eine stark vertretene Gegenansicht den Analogieschluss ab und hält stattdessen die Zustimmung stets für formfrei möglich.45 II. Pflichtteilsrecht 1. Sicherungsmöglichkeiten zu Lebzeiten des Erblassers Der Pflichtteilsanspruch entsteht, genauso wie der ihn flankierende Ergänzungsanspruch, erst mit dem Erbfall (§  2317 BGB). Vor Eintritt des Erbfalles besteht keine Klarheit darüber, ob ein potentiell Pflichtteilsberechtigter tatsächlich den Erblasser überlebt und von ihm enterbt wird. Auch ist nicht sicher, welche weiteren Pflichtteilsberechtigten beim Erbfall vorhanden sein werden und in welchem Umfang eine Abschmelzung nach §  2325 Abs.  3 BGB vorgenommen werden muss. Die gleiche Unsicherheit gilt für Wert, Inhalt und Umfang des beim Erbfall noch vorhandenen Nachlasses. Aufgrund dieser Unsicherheiten entfalten Pflichtteilsergänzungsansprüche nach deutschem Verständnis keine Vorwirkungen zu Lebzeiten des Erblassers. Weder steht den potentiellen Pflichtteilsberechtigten ein Anwartschaftsrecht zu noch können sie bei lebzeitigen Beeinträchtigungen des späteren Nachlasses eigene deliktische Ansprüche geltend machen. Nach ganz herrschender Ansicht sind auch Auskunftsverlangen oder Festellungsklagen im Hinblick auf Schenkungen des späteren Erblassers zu dessen Lebzeiten unzulässig und auch eine Sicherung des Nachlasses durch Arrest oder einstweilige Verfügung ist nicht möglich.46 Der spätere Rückholanspruch entfaltet keinerlei Vorwirkung. 2. Verzicht auf Ansprüche aus §§  2 325, 2329 BGB zu Lebzeiten des Erblassers Ein Erbverzicht oder ein Verzicht auf das Pflichtteilsrecht gem. §  2346 BGB führt grds. dazu, dass auch Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht mehr geltend gemacht werden können. Das Pflichtteilsergänzungsrecht ist somit im Aus43 

Siehe BGH NJW 1989, 2618, 2619. Spellenberg NJW 1986, 2531, 2536; Ivo ZEV 2003, 101, 102; Stumpf FamRZ 1990, 1057, 1059 f.; MüKoBGB/Musielak §   2287 BGB Rn.   24; Bamberger/Roth/Litzenburger §  2287 Rn.  20; Keim ZEV 2002, 93, 95; J. Mayer in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, §  2287 BGB Rn.  135. 45 Staudinger/Kanzleiter §   2287 BGB Rn.  33; Soergel/Wolf §  2286 BGB Rn.  10; Erman/ S. u. T. Kappler §  2287 BGB Rn.  9; Spanke ZEV 2006, 485, 487 f. 46  KG OLG 16, 276; Bamberger/Roth/G. Müller §  2325 BGB Rn.  59; MüKoBGB/Lange §  2325 BGB Rn.  5; Staudinger/Olshausen Vor. §  2325 BGB Rn.  17; Soergel/Dieckmann Vor. §  2325 BGB Rn.  6; Gietl in: Dauner-Lieb/Grziwotz, Pflichtteilsrecht, §  2325 Rn.  134; für die Möglichkeit einer Feststellungsklage dagegen Erman/Röthel Vor. §§  2325–2331 BGB Rn.  7. 44 

Teil 1 – A. Deutschland

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gangspunkt dispositiv. Als Form ist in §  2348 BGB die notarielle Beurkundung vorgesehen. Wie bei §  2287 BGB stellt sich allerdings die Frage, ob auch eine formlose Genehmigung einer lebzeitigen Schenkung des Erblassers durch die Pflichtteilsberechtigten ausreicht, um diesen spätere Ansprüche aus §§  2325, 2329 BGB zu versagen. Beispiel: Der Unternehmer A verschenkt nach Rücksprache und im Einverständnis mit seiner ebenfalls sehr gut situierten Ehefrau E einen Großteil seines Vermögens (200.000  €) an seinen in Not geratenen und von der Insolvenz bedrohten Schulfreund B. Nach dem Tode des A macht die E als Alleinerbin Pflichtteilsergänzungsansprüche gem. §  2329 BGB gegen B geltend, da der ihr verbleibende Nachlass nur noch 100.000  € beträgt.

Die vom BGH in seiner Entscheidung vom 12. Juli 1989 getroffenen Wertungen47 lassen sich wohl auch auf den Anspruch aus §  2325 BGB übertragen. Aufgrund der oben beschriebenen Unsicherheiten werden dem Pflichtteilsberechtigten die genauen rechtlichen Konsequenzen einer Schenkung für seinen späteren Pflichtteilsanspruch oft nicht bewusst und auch noch nicht endgültig vorhersehbar sein. Er bedarf deshalb des Schutzes vor einer Übereilung durch notarielle Beratung und Beurkundung. Diese Form dient zudem dem Interesse an Rechtsklarheit, weshalb §  2348 BGB auch hier analoge Anwendung finden sollte. Der Einwand widersprüchlichen Verhaltens (§  242 BGB) wird hierdurch allerdings nicht ausgeschlossen48 und könnte unter Umständen auch im Beispielsfall Platz greifen. Äußerst umstritten ist zudem, in welchem Umfang ein Pflichtteilsverzicht einer Inhaltskontrolle unterliegt. Auslöser dieser Debatte waren die Entscheidungen des BGH49 und des BVerfG50 zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen. Inwieweit gleiche Prinzipien auch für einen Pflichtteilsverzicht gelten, wird heute vielfach und kontrovers diskutiert.51 Eine Übertragung der Rechtsprechung liegt zum einem nahe, weil Pflichtteilsverzichte in der Praxis oft im Zusammenhang mit einem Ehevertrag oder einer Scheidungsvereinbarung getroffen werden und die nach der Rechtsprechung des BGH erforderliche Gesamtbetrachtung aller Umstände daher auch den Pflichtteilsverzicht erfassen könnte.52 Zum anderen spielt die Unterhalts- und Versorgungsfunktion, die vom BGH zum nicht dispositiven Kernbereich des Ehegüter- bzw. Scheidungsfolgenrechts gezählt wird, im Pflichtteilsrecht oft gleichermaßen eine Rolle. 47 

BGH NJW 1989, 2618, 2619. So auch BGH NJW 1989, 2618, 2619. 49  BGH DNotZ 2004, 550. 50  BVerfG NJW 2001, 957. 51 MüKoBGB/Wegerhoff §  2346 BGB Rn.  35 ff.; Staudinger/Schotten §  2346 BGB Rn.  197; Bamberger/Roth/J. Mayer, 37. Ed., §  2346 BGB Rn.  38 ff.; Dutta AcP 2009 (2009), 760; Bengel ZEV 2006, 192; Kapfer MittBayNot 2006, 385; Münch ZEV 2008, 571; Wachter ZErb 2004, 238; Röthel NJW 2012, 337. 52  Bamberger/Roth/J. Mayer, 37. Ed., §  2346 BGB Rn.  38; Wachter ZErb 2004, 238, 243 f. 48 

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Kapitel V:  Vorwirkungen

Es wird deshalb vertreten, Erbverzichtsverträge seien nach §  138 BGB unwirksam, wenn dem Pflichtteil im konkreten Fall die Funktion zukomme, die lebzeitige Unterhaltspflicht des Erblassers nach dessen Tode fortzusetzen. Er­ gäbe sich die Bedürftigkeit der Berechtigten erst nachträglich, müsste der Verzichtsvertrag im Wege einer Ausübungskontrolle nach §  242 BGB angepasst werden.53 Von der Gegenansicht wird vorgebracht, der unterschiedliche Rechts­ charakter und der andersartige Schutzzweck ließen eine Übertragung der für den Ehevertrag aufgestellten Grundsätze nicht zu. Das Scheidungsfolgenrecht diene vor allem dazu, ehebedingte Nachteile auszugleichen, die ein Ehepartner bspw. wegen der Übernahme der Kindererziehung im Hinblick auf sein berufliches Fortkommen oder seine Vermögensbildung erlitten habe. Im Erbrecht würden diese Aspekte hingegen keine große Bedeutung haben.54 Zudem sei die Versorgungsfunktion des Pflichtteilsrechts nicht mit derjenigen des Unterhaltsrechts vergleichbar, da der Pflichtteil nicht bedarfsorientiert ausgestaltet sei. Das bereits bestehende gesetzliche Instrumentarium (§§  119, 123, 138, 313 BGB) sei im Übrigen zur Kontrolle von Pflichtteilsverzichtsvereinbarungen völlig ausreichend.55

B. England I. Sicherungsmöglichkeiten zu Lebzeiten des Erblassers Sicherungsmaßnahmen für spätere Ansprüche auf family provision sind in England noch zu Lebzeiten des Erblassers nicht zulässig.56 Der Vorschlag, dem Erblasser ein Recht einzuräumen, noch zu Lebzeiten gerichtlich die Wirksamkeit einer Verfügung feststellen zu lassen, wurde bei Einführung des Inheritance Act 1975 ausführlich diskutiert, letztlich aber abgelehnt. In der Begründung der Law Commission heißt es wörtlich:57 „The proposed powers are aimed at cases where there was clearly an intention to defeat a possible application. It would be difficult, if not impossible, for the court to decide whether to approve a particular transaction without going into all the circumstances of the case and, possibly, hearing all interested parties. This would be a cumbersome procedure to invoke as a safeguard against a possible application for family provision. There 53  Dutta AcP 2009 (2009), 760, 803 f.; Wachter ZErb 2004, 238, 243 ff.; für eine strengere Kontrolle und mit Reformvorschlägen auch Röthel NJW 2012, 337. 54 MüKoBGB/Wegerhoff §   2346 BGB Rn.  36; Staudinger/Schotten §  2346 BGB Rn.  197; Bamberger/Roth/J. Mayer, 37. Ed., §  2346 BGB Rn.  39; Kapfer MittBayNot 2006, 385, 387 ff.; Münch ZEV 2008, 571, 576 ff. 55 MüKoBGB/Wegerhoff §  2346 BGB Rn.  35c; Staudinger/Schotten §  2346 BGB Rn.  197; Bamberger/Roth/J. Mayer, 37. Ed., §  2346 BGB Rn.  40 ff.; Kapfer MittBayNot 2006, 385, 390; s. a. Bengel ZEV 2006, 192, 194 ff. 56  Als Präjudiz hierfür führt Oughton, Tyler’s Family Provision, S.  308 Fn.  8 fälschlicherweise Dower v. Alberta (Public Trustee) 1962 CarswellAlta 11 an. 57  The Law Commission, Law Com. No. 61 (1974), Rn.  2 21.

Teil 1 – C. Frankreich

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might be a case for a provision preventing an applicant from questioning a transaction to which he or she has consented in writing. We think this is unnecessary as the court would be hardly likely to reopen a transaction for the benefit of any applicant who had consented to it.“

In der Literatur wird dieser Begründung nicht uneingeschränkt zugestimmt, sondern teilweise nach wie vor für die Einführung einer Feststellungsmöglichkeit bereits zu Lebzeiten des Erblassers plädiert.58 II. Verzicht auf family provision Ansprüche zu Lebzeiten des Erblassers Ein ausdrückliches Einverständnis des Anspruchstellers mit einer nun im Rahmen der anti-avoidance-provisions angegriffenen Transaktion führt in der gerichtlichen Ermessensentscheidung regelmäßig dazu, dass der Anspruch nicht anerkannt wird.59 Besondere Formanforderungen an das Einverständnis bestehen insoweit nicht. 60 Die bloße Kenntnis von der Transaktion ist andererseits jedoch nicht ausreichend, da der Anspruchsteller regelmäßig keine Möglichkeit hat, den Erblasser an der Vornahme des Rechtsgeschäfts zu hindern. 61

C. Frankreich I. Erbverträge 1. Sicherungsmöglichkeiten zu Lebzeiten des Erblassers Die Position des institué zu Lebzeiten des instituant wird in der französischen Literatur unterschiedlich bewertet. Während vor allem die ältere Literatur die Ansicht vertrat, der institué habe bereits ein droit conditionnel,62 steht ihm nach anderer Auffassung lediglich ein droit éventuel zu. 63 Eine dritte Ansicht unterscheidet wie folgt: das Recht des institué ist conditionnel, was seine Entstehung angeht, und éventuel, was seinem Umfang betrifft. 64 Je nach der Bewertung der Rechtsnatur seiner Position variieren auch die Möglichkeiten des institué. Die Ansicht, die die stärker verfestigte Rechtsposi58 

So etwa Martyn, Family Provision – Law and Practice, S.  67 f. Oughton, Tyler’s Family Provision, S.   308; Martyn, Family Provision – Law and Practice, S.  67; s. a. Law Comm. 61, Rn.  221; sowie zur parallelen Vorschrift sec.  37 MCA ­Jordan v. Jordan [1965] 109 Sol Jo 353. 60  Diese wurden von der Law Commission diskutiert, aber für überflüssig gehalten, siehe The Law Commission, Law Com. No. 61 (1974), Rn.  221. 61  Oughton, Tyler’s Family Provision, S.  308. 62  Siehe die Nachweise bei Trasbot/Loussouarn, Donations et testaments, Rn.  7 78 (S.  976 Fn.  2). 63  Voirin in: Beudant/Lerebours-Pigeonnière: Cours de droit civil français, VIII, Rn.  486; Demolombe, Code Napoléon, XXIII, Rn.  324. 64 So ausdrücklich Esmein in: Aubry/Rau, Droit civil français, XI, §   739, S.  515 Fn.  57; Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  213. 59 

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Kapitel V:  Vorwirkungen

tion eines droit conditionnel befürwortet, gesteht dem institué konsequenterweise auch weitergehende Sicherungs- und Verwertungsmöglichkeiten zu. Mittlerweile herrschend ist jedoch, dass sowohl eine Übertragung der Rechte des institué durch Abtretung auf einen Dritten als auch ein Zugriff der Gläubiger des institué auf die Rechtsgüter des instituant vor dem Tode des Letzteren nicht möglich sind.65 Auch kann der institué nicht bereits vor diesem Zeitpunkt die Rückabwicklung beeinträchtigender Verfügungen des instituant verlangen. 66 Der instituant kann zudem dem institué auch vertraglich keine zusätzliche Sicherheit durch Eintragung einer Hypothek gewähren. 67 Andererseits erlaubt sowohl die Rechtsprechung als auch die ganz herrschende Ansicht in der Literatur einstweilige Sicherungsmaßnahmen des institué ­bereits zu Lebzeiten des instituant. 68 Der institué muss die Maßnahmen beim zuständigen Gericht beantragen und zudem nachweisen, dass seine ihm aus der institution contractuelle erwachsene Rechte konkret bedroht sind. 69 2. Verzicht auf den Anspruch aus Art.  1083 Code civil zu Lebzeiten des instituant Eine ausdrückliche oder konkludente Zustimmung des institué zu einer Verfügung des Erblassers, die Art.  1083 Code civil widerspricht, ist nach Ansicht der Rechtsprechung und der (wohl noch) herrschenden Lehre unbeachtlich.70 Da es sich insoweit um eine nicht im Gesetz vorgesehene vertragliche Vereinbarung über den Nachlass handele, sei die Zustimmung nach Art.  722 Code civil un65  Cass. 16 juill. 1981, Bull. Civ. 1981, I, n°261; Esmein in: Aubry/Rau, Droit civil français, XI, S.  518; Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  220, 222; Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  83. 66  Cass. 2 mai 1855, Sir. 1856, 1, 178; Req. 22 janv. 1873, D. 1873, 1, 473; Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  216; Levillain, Libéralités – Donations de ­biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  71. 67  Paris 9 févr. 1875, DP 1875, 2, S.  155; Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  220; Esmein in: Aubry/Rau, Droit civil français, XI, §  739, S.  519; Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  73. Der Grund liegt darin, dass der instituant auf sein Recht, zu Lebzeiten entgeltliche Verfügungen zu treffen, nicht verzichten kann. Die Gewährung einer Hypothek würde in dieses Prinzip eingreifen. 68  Cass. 2 Mai 1855, DP 1855, 1, S.  193; Req. 22 janv. 1873, DP 1873. 1, S.  473; Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  220 f.; Esmein in: Aubry/Rau, Droit civil français, XI, S.  518; Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  71; a. A. Voirin in: Beudant/Lerebours-Pigeonnière: Cours de droit civil français, VIII, Rn.  486; Demolombe, Code Napoléon, XXIII, Rn.  323. 69  Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  2 21. 70  Cass. 11 janv. 1853, DP 1853, 1, S.  17; Cass. 23 janv. 1894, DP 1894, 1, 394; Cass. Cass. 16 juill. 1981, Bull. Civ. I, n°261; Cass. 20 avril 1983, JCP 1984 II. 20257; ); Josserand, Cours de droit civil, III; Rn.  1785; Terré/Lequette, Droit civil – Les successions, les libéralités, Rn.  552; Trasbot/Loussouarn, Donations et testaments, Rn.  778; Esmein in: Aubry/Rau, Droit civil français, XI, §  739 S.  516 f.; Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  217 ff.; Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  76 ff.

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wirksam.71 Zudem würde hierdurch auch das Prinzip der Unveränderlichkeit des ehelichen Güterstandes verletzt.72 Diese lange Zeit unumstrittene Position ist aber zunehmend in die Kritik geraten.73 So wurde zum einen der Grundsatz der Unveränderlichkeit des ehe­ lichen Güterstandes durch die Loi du 13 juillet 196574 sehr weitgehend eingeschränkt, weshalb dieses Argument heute kaum noch überzeugt.75 Zum anderen wird mit Blick auf die Zwecke des Verbots des Art.  722 Code civil bezweifelt, ob dessen Zielsetzung tatsächlich eine Unwirksamkeit der vertraglichen Verein­ barung rechtfertigt. Durch die einvernehmliche Aufhebung einer institution contractuelle werde schließlich die uneingeschränkte Testierfreiheit des instituant gerade wiederhergestellt und jeder Anreiz, auf seinen Tode zu spekulieren, unterbunden. Die Beseitigung von Vereinbarungen, die dem Prinzip des Art.  722 Code civil entgegenlaufen und nur ausnahmsweise zulässig sind, verschaffe dem zugrundeliegenden Verbot doch wieder Geltung. Es überzeuge daher nicht, ­solche Vereinbarungen mit Hinweis auf eben dieses Verbot zu unterbinden.76 Die Rechtsprechung und große Teile der Literatur sind diesen Überlegungen jedoch nicht gefolgt und halten eine vertragliche Aufhebung einer institution contractuelle zu Lebzeiten des instituant nach wie vor für unwirksam.77 II. Pflichtteilsrecht 1. Sicherungsmöglichkeiten zu Lebzeiten des Erblassers Die Position der Noterben zu Lebzeiten des Erblassers ist äußerst schwach ausgestaltet. Nach herrschender Meinung handelt es sich insoweit nur um ein droit hypothétique. Als Folge hiervon können die Noterben zu Lebzeiten des Erblassers von diesem weder Auskunft über sie benachteiligende Verfügungen verlangen noch können sie solche Verfügungen mit einstweiligen Maßnahmen verhindern oder Sicherungen erlangen.78 Auch ein Schutz über das Deliktsrecht steht ihnen nicht zu. 71 

Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  218 mwN. 16 août 1841, S.  1841, 1, 684; Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  77 mwN. 73 Siehe Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  219; Peterka in: Dalloz Action – Droit patrimonial de la familie, Rn.  344.80; mit Einschränkungen Terré/­ Lequette, Droit civil – Les successions, les libéralités, Rn.  552. 74  L. n°65-570, 13 juill. 1965; Journal Officiel 13 Nov. 1965. 75  Siehe zu den insoweit vertretenen Ansichten Levillain, Libéralités – Donations de ­biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  78. 76  Colomer, Donations par contrat de marriage, Rép. dr. civ., Rn.  219. 77  Cass. Cass. 16 juill. 1981, Bull. Civ. I, n°261; Cass. 20 avril 1983, JCP 1984 II. 20257; Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  756; Levillain, Libéralités – Donations de biens à venir, JC Civ. Code, Fasc. 20, Rn.  78 mwN. 78 CA Paris 16 mars 1949, JCP G 1949, II, 4960; Brenner, Libéralités – Réserve héré­ 72  Cass.

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Kapitel V:  Vorwirkungen

2. Verzicht auf die action en réduction zu Lebzeiten des Erblassers Bis Ende 2006 war ein Verzicht auf eine Herabsetzungsklage zu Lebzeiten des jeweiligen Erblassers nicht möglich. Ein solcher Verzicht war als gesetzlich nicht vorgesehene vertragliche Vereinbarung über einen künftigen Nachlass gem. Art.  722 Code civil unwirksam.79 Die Erbrechtsreform 200680 hat mit diesem Grundprinzip des französischen Rechts gebrochen. Auch insoweit hat sich das Bestreben nach einer Stärkung der Testierfreiheit des Erblassers und nach mehr Flexibilität und Rechtssicherheit bei der Nachlassplanung gegen die gegenläufigen Schutzinteressen der Noterben durchgesetzt. 81 Art.  929 bis 930-5 Code civil regeln nunmehr in großer Detailliertheit die Möglichkeit eines Verzichts zu Lebzeiten des Erblassers. Als wichtige Einschränkung gilt dabei, dass nur ein Verzicht zugunsten einer oder mehrerer konkret bezeichneter Personen möglich ist (Art.  929 Code civil).82 Ein rein abstrakter Verzicht ohne Benennung eines Begünstigten ist unzulässig (Art.  930-2 Abs.  2 S.  2 Code civil). 83 Zudem benötigt ein bindender Verzicht die Zustimmung des Erblassers (Art.  929 Abs.  1 Code civil). 84 Der Verzicht kann, je nach Vereinbarung, umfassend sein und sich auf jegliche Handlung des Erblassers beziehen; er kann aber auch genauso gut nur partiell wirken und die action en réduction im Hinblick auf ein ganz bestimmtes Rechtsgeschäft des Erblassers über einen bestimmten Gegenstand oder im Hinblick auf einen bestimmten Anteil der réserve ausschließen (Art.  929 Abs.  2 Code civil). 85 Art.  930 Code civil enthält für den Verzicht äußerst strenge Formanforderungen: Die Verzichtserklärung muss in einem eigenständigen Dokument enthalditaire, JC Civ. Code, Fasc. 10, Rn.  19; Breton in: Mazeaud u. a., Leçons de droit civil, IV, Rn.  927. 79  Brenner, Successions – Réserve héréditaire, JC Not. Rép., Fasc. 30, Rn.  4 ff.; siehe zur Begründung der Unwirksamkeit vertraglicher Vereinbarungen über den Nachlass bereits oben S. 83 ff. 80  Loi n°2006-728 vom 23. Juni 2006. 81  Deville/Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  113; krit. Brenner, Successions – Réserve héréditaire, JC Not. Rép., Fasc. 30, Rn.  6 ff. mwN. 82 Art.   929 Code civil lautet: „Tout héritier réservataire présomptif peut renoncer à exercer une action en réduction dans une succession non ouverte. Cette renonciation doit être faite au profit d’une ou de plusieurs personnes déterminées. La renonciation n’engage le renonçant que du jour où elle a été acceptée par celui dont il a vocation à hériter. La renonciation peut viser une atteinte portant sur la totalité de la réserve ou sur une fraction seulement. Elle peut également ne viser que la réduction d’une libéralité portant sur un bien déterminé. L’acte de renonciation ne peut créer d’obligations à la charge de celui dont on a vocation à hériter ou être conditionné à un acte émanant de ce dernier.“ 83  Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  652; Brenner, Successions – Réser­ ve héréditaire, JC Not. Rép., Fasc. 30, Rn.  18. 84  Brenner, Successions – Réserve héréditaire, JC Not. Rép., Fasc. 30, Rn.  26, 35 ff. 85 Ausführlich auch zur Frage der Rechtsnatur des antezipierten Verzichts Brenner, ­Successions – Réserve héréditaire, JC Not. Rép., Fasc. 30, Rn.  16, 20 f.; Deville/Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  116 jeweils mwN.

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ten sein, das zudem die „consequences juridiques futures“ für jeden Verzichtenden genau auflistet. Das Dokument muss von jedem Verzichtenden einzeln und bei alleiniger Anwesenheit von zwei Notaren unterschrieben werden und eine acte authentique darstellen.86 Untersagt ist es auch, die Verzichtserklärung von einer Gegenleistung des Erblassers abhängig zu machen (Art.  929 Abs.  3 Code civil). 87 Art.  930-1 Abs.  2 Code civil stellt klar, dass ein formwirksam erklärter Verzicht keine Schenkung oder Verfügung von Todes wegen darstellt und daher selbst nicht mit einer Herabsetzungsklage angegriffen werden kann. 88 Der Widerruf eines Verzichts ist gem. Art.  930-3 Code civil nur in drei Fällen denkbar: Erstens, wenn der Erblasser seine Unterhaltspflichten gegenüber dem Verzichtenden nicht erfüllt. Zweitens, wenn der Verzichtende bei Testamentseröffnung bedürftig ist und er das ohne seinen Verzicht nicht wäre. Drittens, wenn sich der durch den Verzicht Begünstigte eines Verbrechens oder eines Vergehens gegen die Person des Verzichtenden schuldig gemacht hat. 89 Es ist umstritten, wie sich der Verzicht auf die Geltendmachung einer action en réduction durch nur einen von mehreren Noterben auswirkt. Zum einem wird vertreten, dass die volle dem Verzichtenden zustehende Quote auf eine beeinträchtigende Schenkung anzurechnen ist.90 Nach anderer Ansicht ist hingegen nur eine Anrechnung in Höhe der konkreten Herabsetzungsmöglichkeit des Verzichtenden vorzunehmen.91 Insgesamt mehr spricht wohl für die zweite Ansicht.92 Beispiel: E verstirbt und hinterlässt seinen Söhnen A und B Vermögen im Wert von 100.000  €. Noch zu Lebzeiten hatte E seiner Lebensgefährtin L 200.000  € geschenkt und A hatte anschließend insoweit auf die Geltendmachung einer action en réduction wirksam verzichtet. B hatte sich hingegen geweigert. Bei fiktiver Hinzurechnung der Schenkung (Art.  922 Code civil), stehen dem E eine quotité disponible in Höhe von 100.000  € und A und B Noterbrechte in Höhe von ebenfalls jeweils 100.000  € zu. Rechnete man 86  Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  652; Brenner, Successions – Réserve héréditaire, JC Not. Rép., Fasc. 30, Rn.  40 ff. 87  Brenner, Successions – Réserve héréditaire, JC Not. Rép., Fasc. 30, Rn.  23 f. 88  Brenner, Successions – Réserve héréditaire, JC Not. Rép., Fasc. 30, Rn.  5 4. 89 Art.   930-3 Code civil lautet: „Le renonçant ne peut demander la révocation de sa renonciation que si : 1° Celui dont il a vocation à hériter ne remplit pas ses obligations alimentaires envers lui; 2° Au jour de l’ouverture de la succession, il est dans un état de besoin qui disparaîtrait s’il n’avait pas renoncé à ses droits réservataires; 3° Le bénéficiaire de la renonciation s’est rendu coupable d’un crime ou d’un délit contre sa personne“; siehe hierzu auch Brenner, Successions – Réserve héréditaire, JC Not. Rép., Fasc. 30, Rn.  75; Deville/Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  136 ff. 90  Levillain JCP N 2006, Étude 1349, Rn.  15 ff. 91  Brenner, Successions – Réserve héréditaire, JC Not. Rép., Fasc. 30, Rn.  55 ff. 92 Vgl. das offizielle Schreiben des Justizministeriums vom 12. August 2008 (Réponse ministérielle 12 août 2008, n°22306, JOAN Q 12 août 2008, S.  6991) sowie Brenner, Successions – Réserve héréditaire, JC Not. Rép., Fasc. 30, Rn.  59; Deville/Nicod, Réserve héréditaire – Reduction des libéralités, Rn.  132.

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Kapitel V:  Vorwirkungen

nun die Schenkung auf den gesamten Anteil des A an, könnte L das Geschenk in voller Höhe behalten, B bekäme die noch bei E vorhandenen 100.000  € und A nichts. Andererseits stünde A aber nur eine action en réduction in Höhe von 50.000  € gegen L zu und man könnte seinen Verzicht daher auch auf diesen Betrag beschränken. B könnte dann nach wie vor eine Zahlung in Höhe 50.000  € von L verlangen und das bei E noch vorhandene Vermögen müsste zwischen A und B hälftig geteilt werden. L verblieben dann 150.000  €, B insgesamt 100.000  € und A 50.000  €.

D. Rechtsvergleich I. Sicherungsmöglichkeiten zu Lebzeiten des Erblassers Einigkeit besteht in den untersuchten Rechtsordnungen darin, dass bis zum Tode des Erblassers ein Anwartschaftsrecht oder ein deliktsrechtlicher Schutz weder dem Pflichtteilsberechtigten/Noterben, dem Antragsteller auf family provision, dem Vertragserben, noch dem institué zusteht. Genauso wenig kann verlangt werden, dass vor dem Todeszeitpunkt beeinträchtigende Verfügungen jeweils rückabgewickelt werden. Hinsichtlich der Möglichkeiten, zu Lebzeiten des Erblassers einstweilige Sicherungsmaßnahmen zu verlangen, ergibt sich hingegen ein differenzierteres Bild: In Deutschland kann nach der Rechtsprechung und herrschenden Lehre weder der pflichtteilsberechtigte Erbe noch der Vertragserbe eine einstweilige Sicherung seines Anspruches, etwa durch eine Auflassungsvormerkung, einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung erreichen.93 In der Literatur ist diese Ansicht allerdings zumindest für den Vertragserben nicht unumstritten. Auch in England bestehen entsprechende Möglichkeiten für einen Antragsteller auf family provision nicht.94 In Frankreich hat der institué dagegen nach herrschender Ansicht das Recht, einstweilige Sicherungsmaßnahmen zu verlangen, wenn er eine konkrete Bedrohung der ihm aufgrund der institution contractuelle zustehenden Rechte nachweisen kann.95 Den Noterben steht eine vergleichbare Befugnis hingegen wiederum nicht zu.96 Unterschiedlich beantwortet wird auch die Frage, ob zu Lebzeiten des Erblassers bereits eine Auskunfts- oder Feststellungsklage erhoben werden kann. Durch den u. U. langen Zeitablauf zwischen Schenkung und Todesfall verschlechtert sich die Beweissituation in der Regel zunehmend und auch der Erblasser steht als Hauptzeuge nicht mehr zur Verfügung. Für den Berechtigten könnte es daher durchaus ratsam erscheinen, bei entsprechenden Anhaltspunkten vom Erblasser zunächst Auskunft über eventuell vorgenommene Schenkungen zu verlangen und anschließend deren Anfecht- oder Anrechenbarkeit 93 

Siehe S. 290 ff. und 296. Siehe S. 298. 95  Siehe S. 299 f. 96  Siehe S. 301. 94 

Teil 1 – D. Rechtsvergleich

305

gerichtlich feststellen zu lassen. In Deutschland ist es umstritten und höchstrichterlich noch ungeklärt, ob der Vertragserbe das Vorliegen der Voraussetzungen des §  2287 BGB feststellen lassen kann.97 Für den Pflichtteilsberechtigten wird eine solche Möglichkeit hingegen von der ganz herrschenden Meinung abgelehnt.98 Auch eine Auskunftsklage des Pflichtteilsberechtigten soll unzulässig sein. In England wurde die umgekehrte Möglichkeit, den Erblasser noch zu Lebzeiten gerichtlich die Wirksamkeit einer disposition oder eines Vertrages feststellen zu lassen, bei Einführung des Inheritance Act 1975 ausführlich diskutiert, letztlich aber abgelehnt.99 Die Literatur teilt diese Einschätzung allerdings nicht uneingeschränkt. Das französische Recht unterscheidet hier erneut zwischen dem Noterben und dem institué. Während letzterer nach wohl herrschender Ansicht sowohl Auskunft als auch die Feststellung einer Verletzung der institution contractuelle verlangen kann,100 ist ersterer hierzu unstreitig nicht berechtigt.101 In diesem Zusammenhang muss ferner auch überlegt werden, inwieweit sich ein Vertragserbe vertraglich zusätzliche Sicherheiten einräumen lassen kann. In Deutschland werden sog. Verfügungsunterlassungsverträge sowie deren umfassende Absicherung durch dingliche Sicherheiten ganz überwiegend für zulässig gehalten.102 Das französische Recht ist insoweit zurückhaltender. Da der instituant auf sein Recht, zu Lebzeiten entgeltliche Verfügungen zu treffen, nicht wirksam verzichten kann, kann er dem institué auch vertraglich keine zusätzlichen Sicherheiten, etwa durch die Eintragung einer Hypothek, gewähren.103 Das englische Recht räumt hier andererseits umfassende Vertragsfreiheit ein, so dass auch dinglich abgesicherte Unterlassungsverträge sehr weitreichend möglich sind. In allen untersuchten Rechtsordnungen wird somit eine klare Trennung deutlich zwischen einerseits der Rechtsposition derjenigen Anspruchsinhaber, die ihre Berechtigung aus den gesetzlichen Vorschriften herleiten (Noterben, Pflichtteilsberechtigte, durch die family provisions Begünstigte), und andererseits denjenigen, die sich auf eine vertragliche Vereinbarung mit den Erblasser berufen können (Vertragserben, institué). Während aufgrund der vertraglichen Vereinbarung überwiegend auch eingeschränkte Sicherungsmaßnahmen für möglich gehalten bzw. zumindest ernsthaft diskutiert werden, sind solche Maßnahmen nach ganz herrschender Ansicht in allen untersuchten Rechtsordnungen nicht möglich, wenn sich die Berechtigung des Antragstellers lediglich aus gesetzlichen Vorgaben ableitet. Dies lässt den Schluss zu, dass sich die Erwerb97 

Siehe S. 291 ff. Siehe S. 296. 99  Siehe S. 298. 100  Siehe S. 299 f. 101  Siehe S. 301. 102  Siehe S. 293 ff. 103  Siehe S. 299 f. 98 

306

Kapitel V:  Vorwirkungen

saussicht des berechtigten Vertragserben bereits stärker verfestigt und konkretisiert hat, während die Erwerbserwartung der Pflichtteilsberechtigten/Noterben bis zum Todesfall weitgehend diffus bleibt. II. Anforderungen an einen Verzicht zu Lebzeiten des Erblassers Auch die Anforderungen an einen Verzicht des Vertragserben bzw. des Pflichtteilsberechtigten/Noterben/family-provision-Empfängers auf seine Ansprüche unterscheiden sich erheblich. Erneut stellen das englische und das französische Recht hier die konträren Gegenpositionen dar, während das deutsche Recht in gewisser Weise einen Mittelweg beschreitet. Folgende Konstellationen sind dabei auseinanderzuhalten: Erstens, der Berechtigte verzichtet gegenüber dem Erblasser noch zu dessen Lebzeiten abstrakt darauf, Ansprüche wegen späterer Verfügungen des Erblassers gegen den Nachlass oder den jeweiligen Empfänger geltend zu machen. Zweitens, der Berechtigte verzichtet in Kenntnis einer bestimmten Transaktion darauf, wegen dieser später Rechte geltend zu machen. In England führt ein ausdrückliches Einverständnis des Anspruchstellers mit einer später durch die anti-avoidance-provisions angegriffenen Transaktion grds. dazu, dass das Gericht eine Benachteiligungsabsicht des Erblassers verneinen und daher von den anti-avoidance-provisions keinen Gebrauch machen wird.104 Das gilt wohl auch dann, wenn sich das Einverständnis nicht auf ein bestimmtes Rechtsgeschäft bezog, sondern abstrakt sämtliche vom Erblasser noch vorzunehmende dispositions umfasste. Besondere Formanforderungen an das Einverständnis bestehen nicht.105 Sie wurden von der Law Commission bei Einführung des Inheritance Act diskutiert, aber für überflüssig gehalten. Es stellt sich für den Antragsgegner daher nur das Problem, das Einverständnis des Antragstellers jeweils zur Überzeugung des Gerichtes nachzuweisen. Der bloße Nachweis der Kenntnis des Rechtsgeschäfts genügt insoweit allerdings nicht, da er keine Rückschlüsse auf ein Einverständnis des Antragstellers zulässt. Schließlich hat dieser regelmäßig keine Möglichkeit, den Erblasser an der Vornahme des Rechtsgeschäfts zu hindern. Das französische Recht ist hier hingegen sehr viel restriktiver. Es gilt der Grundsatz, dass vertragliche Vereinbarungen über den Nachlass nach Art.  722 Code civil unwirksam sind.106 Selbst eine ausdrückliche Zustimmung des institué zu einer Art.  1083 Code civil widersprechenden Verfügung des Erblassers wird als eine solche Vereinbarung über den Nachlass angesehen und ist daher nach herrschender Ansicht unbeachtlich.107 Der zunehmenden Kritik in der Literatur an der strikten Handhabung dieses Grundsatzes ist die Rechtsprechung 104 

Siehe S. 299 f. Siehe S. 299 f. 106  Siehe S. 300 ff. 107  Siehe S. 300. 105 

Teil 1 – D. Rechtsvergleich

307

bisher nicht gefolgt. Aus dem gleichen Grunde war bis Ende 2006 auch ein Verzicht auf die action en réduction zu Lebzeiten des Erblassers nicht möglich. Heute sehen allerdings die Art.  929–930-5 Code civil sehr detaillierte Regelungen vor, die einen vorherigen Verzicht auf die Herabsetzungsklage doch ausnahmsweise gestatten. Nach dem Tode des Erblassers ist ein Verzicht auf die Rechte aus der institution contractuelle hingegen genauso möglich wie der Verzicht auf die Erhebung einer action en réduction.108 Formanforderungen bestehen hier im Gegensatz zum lebzeitigen Verzicht grds. nicht mehr. Zu beachten bleibt aber, dass der Verzicht insbesondere auf die action en réduction sich meist unmittelbar nachteilig für die eigenen Noterben des Berechtigten auswirkt. Nach der Rechtsprechung wird er daher u. U. als indirekte Schenkung angesehen, die selbst durch eine Herabsetzungsklage angreifbar ist.109 In Deutschland wird der Anspruch des Vertragserben aus §  2287 BGB von der herrschenden Meinung für dispositiv gehalten.110 Im Regelfall ist ein Verzicht auch nicht nach §  138 BGB sittenwidrig, da der Erblasser schon von Gesetzes wegen die Möglichkeit gehabt hätte, sich gem. §  2293 BGB einen Rücktritt vom Erbvertrag vorzubehalten. Der BGH hat in seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 1989 einen Verzicht des Vertragserben auf den Anspruch aus §  2287 BGB für möglich gehalten, diesen allerdings von der Einhaltung der Formerfordernisse des §  2348 BGB analog (notarielle Beurkundung) abhängig gemacht.111 Das Formerfordernis schützt den Vertragserben insbesondere bei einem abstrakten vorherigen Verzicht, der keinen Bezug zu einer bestimmten Verfügung aufweist. Hat der Vertragserbe andererseits einer konkreten Verfügung des Erblassers zugestimmt, ohne dass die Zustimmung notariell beurkundet wurde, wird sich der Vertragserbe grds. den Einwand widersprüchlichen Verhaltens (§  242 BGB) entgegenhalten lassen müssen, wenn er anschließend gegen dieselbe Verfügung nach §  2287 BGB vorgeht. Auch eine Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers wird hier dann meist zu verneinen sein. Allein die Kenntnis von der Verfügung ist hingegen unschädlich, da der Vertragserbe keine rechtliche Handhabe hat, um den Erblasser von einer Verfügung unter Lebenden abzuhalten. Die Dispositivität des Pflichtteilsergänzungsanspruchs kann bereits a maiore ad minus aus §  2346 BGB abgeleitet werden. Auch hier ist jedoch umstritten, inwieweit ein Verzicht die Form analog §  2348 BGB einhalten muss und ob auch ein nicht notariell beurkundeter Verzicht beachtlich ist.112 Die Rechtsprechung des BGH zu §  2287 BGB lässt sich insoweit wohl auch auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch übertragen. Ein Verzicht muss demnach grds. die Maßgaben des §  2348 BGB beachten, was aber nicht ausschließt, dass im Einzelfall auch eine 108 

Siehe S. 302 ff. Siehe S. 100 ff. 110  Siehe S. 295 ff. 111  Siehe S. 295 ff. 112  Siehe S. 296 ff. 109 

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Kapitel V:  Vorwirkungen

nicht notariell beurkundete Zustimmung zu einem konkreten Rechtsgeschäft über den Einwand des widersprüchlichen Verhaltens nach §  242 BGB Berücksichtigung finden kann. Äußerst umstritten ist zudem, in welchem Umfang ein Pflichtteilsverzicht einer Inhaltskontrolle unterliegt und ob hier auf die Grundsätze der Inhaltskontrolle von Eheverträgen zurückgegriffen werden kann.113 Nach Eintritt des Erbfalls ist ein Verzicht sowohl auf den Anspruch aus §  2287 BGB als auch auf die Pflichtteilsergänzungsansprüche unstreitig auch ohne die Einhaltung von Formerfordernissen möglich.

Teil 2: Familienrecht A. Deutschland I. Sicherungsmöglichkeiten vor Auflösung des Güterstandes Eine der großen Neuerungen durch das Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrecht vom 6. Juli 2009114 war die Erweiterung des Anspruchs auf vorzeitigen Zugewinnausgleich.115 Gemäß §  1385 BGB ist jeder Ehegatte berechtigt, vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns bei vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft zu verlangen, wenn einer der in dieser Vorschrift erwähnten vier Tatbestände erfüllt ist. Für die vorliegende Untersuchung von Bedeutung ist allein die Nr.  2, die ein solches Vorziehen des Zugewinnausgleichs ermöglicht, wenn „Handlungen der in §  1365 oder §  1375 Absatz 2 bezeichneten Art zu befürchten sind und dadurch eine erhebliche Gefährdung der Erfüllung der Ausgleichsforderung zu besorgen ist“. Neben dem in §  1365 BGB geregelten Fall, dass über das Vermögen als Ganzes verfügt wird, rechtfertigt also insbesondere die Gefahr von unentgeltlichen Verfügungen i. S. d. §  1375 BGB und anderen Handlungen in Benachteiligungsabsicht, einen vorzeitigen Ausgleich. Nach §  1387 BGB wird bei einem entsprechenden Antrag das Endvermögen der Ehegatten auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit dieses Antrages fixiert.116 Voraussetzung hierfür ist, dass der Ehegatte seinen Befürchtungen, sein Partner plane illoyale Vermögensminderungen, durch den Nachweis bestimmter Vorbereitungsmaßnahmen (Beispiel: Umwandlung von Grundin Barvermögen, um dieses einfacher beiseiteschaffen zu können; Buchung einer teuren Kreuzfahrtreise etc.)117 hinreichende Plausibilität verleihen kann.118 113 

Siehe S. 296 ff. BGBl. 2009 I Nr.  39, S.  1696. 115  Vgl. BT-Drs. 16/10798, S.  19 ff. 116 MüKoBGB/Koch §  1387 Rn.  1. 117  Vgl. auch BT-Drs. 16/10798, S.  19 f. 118  Siehe zu den Anforderungen an die Darlegungslast BGH NJW 2012, 3635, dazu Koch LMK 2013, 342085. 114 

Teil 2 – A. Deutschland

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Der durch den vorzeitigen Zugewinnausgleich gewährte Schutz geht insoweit über §  1375 Abs.  2 BGB hinaus, als er bereits ansetzt, bevor es überhaupt zu einer Vermögensübertragung oder Minderung gekommen ist und der Prozess insbesondere auch den Auskunftsanspruch nach §  1379 BGB aktiviert.119 Gelingt der Nachweis der Voraussetzungen des §  1385 BGB nicht, ist für einen späteren Zugewinnausgleich hingegen der Zeitpunkt der Beendigung des Güterstandes durch den Tod eines Ehegatten bzw. der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages maßgeblich. Der ursprünglich in §  1390 BGB vorgesehene Anspruch auf Sicherheitsleistung gegen den beschenkten Dritten ist durch die Umwandlung des §  1390 BGB in einen Zahlungsanspruch im Jahre 2009 entfallen.120 Zudem wurde durch die Aufhebung des §  1389 BGB ausdrücklich klargestellt, dass eine Sicherung des künftigen Zugewinnausgleichsanspruchs auch im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes durch Arrest gem. §  916 ZPO möglich ist.121 Gleiches soll nach herrschender Ansicht nun auch für den abgeleiteten Anspruch aus §  1390 BGB gelten.122 Diese Sicherungsmöglichkeiten bestehen aber jeweils erst dann, wenn ein Antrag auf vorläufigen Zugewinnausgleich oder ein Scheidungsantrag rechtshängig gemacht wurde.123 Vorher ist der Ausgleichsanspruch nämlich infolge des Fehlens eines fixierten Berechnungszeitpunktes noch zu unbestimmt, um durch einstweilige Maßnahmen geschützt werden zu können. II. Verzicht auf Ansprüche aus §  1390 BGB vor Aufhebung des Güterstandes Nach herrschender Ansicht findet auf einen vorzeitigen Verzicht auf den Ausgleichsanspruch die Regelung des §  1375 Abs.  3 BGB analoge Anwendung.124 War der ausgleichsberechtigte Ehegatte mit der konkreten Zuwendung einverstanden, kann er anschließend nicht mehr über §  1390 BGB deren Rückabwicklung verlangen. Ansonsten wird §  1390 BGB aber überwiegend als nicht dispositive Norm angesehen. Dieser Anspruch kann daher nicht von vornherein im Rahmen eines Ehevertrages ausgeschlossen werden.125 Nach einem auch in §  276 Abs.  3 BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsprinzip ist ein vorheriger Verzicht auf An119 MüKoBGB/Koch

120 MüKoBGB/Koch

§  1386 Rn.  36; vgl. BT-Drs. 16/10798, S.  18, 20. §  1390 Rn.  26; Roth in: jurisPK-BGB, §  1390 Rn.  12; s. a. BT-Drs.

16/10798, S.  21. 121  So ausdrücklich BT-Drs. 16/10798, S.  19, 21 mit Nachweisen zum vorherigen Meinungs­ stand. 122  Erman/Budzikiewicz §  1390 BGB Rn.  14; Bamberger/Roth/Siede §  1390 BGB Rn.  11; MüKoBGB/Koch §  1390 Rn.  26. 123  Erman/Budzikiewicz §  1390 BGB Rn.  14. 124  Bamberger/Roth/Siede §   1390 BGB Rn.   3; MüKoBGB/Koch §  1390 Rn.  5; Erman/­ Budzikiewicz §  1390 BGB Rn.  3; Staudinger/Thiele §  1390 BGB Rn.  7. 125 Staudinger/Thiele §   1390 BGB Rn.  37; MüKoBGB/Koch §  1390 Rn.  27 f.; Bamberger/ Roth/Siede §  1390 BGB Rn.  12; Finke in: RGRK-BGB §  1375 Rn.  25.

310

Kapitel V:  Vorwirkungen

sprüche, die sich aus einem sittenwidrigen oder vorsätzlichen Verhalten des Schuldners ergeben, nicht möglich. Da über eine Abbedingung des §  1390 BGB zumindest mittelbar auch Regressansprüche des Dritten gegen den ausgleichspflichtigen Ehegatten ausgeschlossen würden, träfe dieses Prinzip auch auf die hier erörterte Konstellation zu.126 Gleichwohl bleibt es selbstverständlich die freie Entscheidung des ausgleichsberechtigten Ehegatten, ob und inwieweit er tatsächlich aus §  1390 BGB gegen den beschenkten Dritten vorgeht.

B. England I. Sicherungsmöglichkeiten vor Auflösung des Güterstandes Das englische Recht gewährt bereits vor der endgültigen Auflösung der Ehe eine Mehrzahl an Sicherungsmöglichkeiten, zwischen denen der potentiell beeinträchtigte Ehegatte grds. die freie Wahl hat.127 Damit billigt es dem familienrechtlichen Rückholanspruch eine Vorwirkung zu, die weiter geht als im deutschen Recht. 1. Anordnung nach sec.  37 (2) lit.  a) MCA Ist bereits ein Antrag auf financial relief anhängig gemacht worden,128 kann das zuständige Gericht gem. sec.  37 (2) lit.  a) MCA auch noch nicht vollzogene, sondern erst unmittelbar bevorstehende Handlungen mit Hilfe von Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes unterbinden. In besonders eiligen Fällen kann der Antrag nach sec.  37 (2) lit.  a) MCA auch vor der Klage auf financial relief eingereicht werden. Es ist dann jedoch notwendig, die Klage auf financial relief in einem kurzen zeitlichen Abstand nachzureichen.129 Als relevante Handlungen werden in sec.  37 (2) lit.  a) MCA ausdrücklich erwähnt: die Gefahr, dass der beklagte Ehegatte eine disposition vornimmt, Vermögen ins Ausland verschiebt oder in anderer Weise mit seinem Vermögen zum Nachteil des Klägers verfährt (otherwise deals with any property). Der Begriff disposition ist hier genauso zu verstehen, wie in sec.  37 (2) lit.  b) und lit.  c) MCA.130 Es werden nicht nur Vermögensübertragungen auf Dritte erfasst, sondern auch Belastungen von Vermögensgegenständen und deren Verschiebung in das Ausland. Eine Grenze findet die gerichtliche Entscheidungsbefugnis jedoch, wenn dem beklagten Ehegatten bestimmte Verhaltensweisen auferlegt werden sol-

126 Staudinger/Thiele

§  1390 BGB Rn.  37. Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  137. 128  Siehe oben S. 119 ff. 129  Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  133. 130  Siehe oben S. 77 ff. 127 

Teil 2 – B. England

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len.131 So hat der Court of Appeal in Crittenden v. Crittenden entschieden, dass er nicht befugt sei, dem beklagten Ehemann nach sec.  37 (2) MCA Anweisungen zu geben, wie er sich in Bezug auf eine ihm gehörende Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zu verhalten habe und ob er vertragliche Verpflichtungen eingehen oder ein Kaufangebot annehmen solle.132 In Green v. Green wurden jedoch andererseits auch Anordnungen für zulässig erachtet, die Gesellschaftsanteile an einer Gesellschaft betrafen, deren alleiniger Gesellschafter der beklagte Ehegatte war.133 Der Antragsteller muss nachweisen, dass die benachteiligende Handlung unmittelbar bevorsteht. Auch hier gilt die allgemeine Anforderung, dass das Gericht den Eintritt der fraglichen Tatsachen für wahrscheinlicher halten muss als ihr Ausbleiben.134 Erforderlich sind daher handfeste Beweise für die geplante Vornahme einer benachteiligenden Handlung und nicht bloße Gerüchte oder Verdächtigungen.135 Zudem setzt eine Anordnung nach sec.  37 (2) lit.  a) MCA den Nachweis einer Benachteiligungsabsicht beim ausgleichspflichtigen Ehegatten voraus. Hier wird der Antragssteller aber durch die in sec.  37 (5) MCA angelegte Vermutung unterstützt,136 weshalb der Nachweis der bevorstehenden Verfügungen und ­deren Auswirkungen auf den Antrag auf financial relief meist die größeren ­Herausforderungen sind. 2. Allgemeine zivilprozessuale injuctions Neben dem speziellen Rechtsbehelf aus sec.  37 MCA kann der berechtigte Ehegatte auch nach allgemeinen zivilprozessualen Regelungen eine injunction beantragen.137 Ein solches Vorgehen bietet sich insbesondere dann an, wenn noch kein Antrag auf financial relief anhängig gemacht wurde oder andere Voraussetzungen der sec.  37 MCA nicht gegeben sind. Rechtsgrundlage ist insoweit für den High Court die sec.  37 Senior Courts Act 1981. Eine vergleichbare Vorschrift findet sich auch im County Courts Act 1984. Die für die Gewährung einer injunction geltenden Anforderungen entsprechen allerdings sehr weitgehend den Voraussetzungen der sec.  37 (2) lit.  a) MCA. In der Entscheidung ND v. KP hat Mostyn J hierzu ausgeführt:138 131 

Lowe/Douglas, Bromley’s Family Law, S.  1072 f. Crittenden v. Crittenden [1990] 2 FLR 361. 133  Green v. Green [1993] 1 FLR 326. 134  Blyth v. Blyth [1966] AC 643 „balance of probabilities“. 135  Smith v. Smith [1974] 4 Fam Law 80; siehe hierzu auch die weiteren bei Duckworth, Matrimonial Property and Finance, S.  9 0 angeführten Beispielsfälle. 136  Siehe oben S. 124 ff. 137  Roche v. Roche [1981] 1 Fam Law 243; Walker v. Walker [1983] 4 FLR 455; Shipman v. Shipman [1991] 1 FLR 250. 138  ND v. KP (Freezing Order: Ex Parte Application) [2011] 2 FLR 662, Rn.  8 . 132 

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Kapitel V:  Vorwirkungen

„So whilst the words used are different the language all points in the same direction, namely that there must be a good case to put before the court, supported by objective facts, that there is a likelihood of the movement, or the dissipation, or the spiriting away, or the salting away, or the squirreling away, or the making of a disposition, or the transfer of assets, with the intention of defeating a claim. It all comes to the same thing.“

Ein Unterschied besteht aber wohl darin, dass aufgrund eines Rechtsbehelfs, der sich auf die allgemeinen zivilprozessualen Vorschriften stützt, mitunter weitergehende Maßnahmen angeordnet werden können, als das nach sec.  37 MCA möglich ist.139 II. Verzicht auf den Anspruch aus sec.  37 MCA vor Auflösung des Güterstandes War der anspruchsberechtigte Ehegatte mit der nun angegriffenen dispositon ausdrücklich einverstanden, wird ein Antrag nach sec.  37 MCA regelmäßig keinen Erfolg haben. Eine erteilte Zustimmung schließt die Geltendmachung von Ansprüchen im Hinblick auf diese Transaktion aus.140 Besondere Formanforderungen gelten für die Erteilung der Zustimmung nicht. Wann Rechtshandlungen zu einem Verzicht (waiver) auf den Anspruch aus sec.  37 MCA führen, ist hingegen nicht ganz eindeutig. Generell sind an die Annahme eines waiver strenge Anforderungen zu stellen. Der ausgleichsberechtigte Ehegatte muss sich seiner Rechte vollends bewusst gewesen sein und gleichwohl durch eine Handlung gegenüber dem verpflichteten Ehegatten den unmissverständlichen und schützenswerten Eindruck erweckt haben, von seinen Rechten keinen Gebrauch machen zu wollen.141

C. Frankreich I. Sicherungsmöglichkeiten vor Auflösung des Güterstandes Auch in Frankreich gibt es gleich mehrere Sicherungsmöglichkeiten, die ein ausgleichsberechtigter Ehegatte ergreifen kann, um sich noch während des bestehenden Güterstandes vor benachteiligenden Verfügungen zu schützen. Da die Verfügungsfreiheit der Ehegatten im Rahmen einer participation aux acquêts aber grds. unbeschränkt ist, kann er, anders als etwa in England, geplante Vermögensübertragungen nicht bereits im Vorfeld durch eine einstweilige Verfügung verhindern. Stattdessen ist er auf die später ansetzenden Mittel des An139 

Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  138. Jordan v. Jordan [1965] 109 Sol Jo 353; Oughton, Tyler’s Family Provision, S.  308; ­Martyn, Family Provision – Law and Practice, S.  67. 141 Vgl. Trowbridge v. Trowbridge [2003] Fam. Law 476, Rn.  72 f. Siehe auch zu den allgemein nur sehr beschränkten Möglichkeiten im englischen Recht durch eine vorherige vertragliche Vereinbarung auf familienrechtliche Ansprüche zu verzichten In Re M (Deceased) [1968] P. 174. 140 

Teil 2 – C. Frankreich

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trags auf vorzeitigen Ausgleich und die Eintragung einer Sicherungshypothek verwiesen. 1. Vorzeitiger Ausgleich Ähnlich wie im deutschen Recht gibt es auch in Frankreich die Möglichkeit, einen vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns (acquêt) zu beantragen. Art.  1580 S.  1 Code civil bestimmt hierzu: „Si le désordre des affaires d’un époux, sa mauvaise administration ou son inconduite, donnent lieu de craindre que la continuation du régime matrimonial ne compromette les intérêts de l’autre conjoint, celui-ci peut demander la liquidation anticipée de sa créance de participation.“

Voraussetzung ist demnach, dass das Verhalten eines Ehegatten Anlass zu der Befürchtung gibt, bei einer Fortsetzung des Güterstandes würden die Interessen seines Partners in Mitleidenschaft gezogen.142 Als Beispiele solcher Verhaltensweisen sind mit den Formulierungen „désordre des affaires“, „mauvaise admininstration“ und „inconduite“ bewußt weit gefasste Begriffe gewählt worden.143 Aus diesem Grunde erscheint es auch unproblematisch, Schenkungen, die ohne Einwilligung des Partners vorgenommen wurden, und Rechtsgeschäfte, bei denen eine Beeinträchtigungsabsicht des handelnden Ehegatten nachgewiesen werden kann, unter diese Fallgruppen zu subsumieren. Im Unterschied zur ansonsten weitgehend parallelen Vorschrift des Art.  1443 Code civil für den gesetzlichen Güterstand genügt hier bereits die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Interessen des anderen Ehegatten.144 Inwieweit tatsächlich Interessen beeinträchtigt wurden, steht nämlich regelmäßig erst nach Abschluss der Vermögensauseinandersetzung infolge der Aufhebung des Güterstandes fest. Besteht das eheliche Vermögen andererseits ausschließlich aus sog. biens originaires, kann die Möglichkeit einer Beeinträchtigung regelmäßig ausgeschlossen werden, da nach Beendigung des Güterstandes sowieso kein Ausgleich stattfinden würde, sondern nur jeder Ehegatte seine eigenen Güter behält. Wie Art.  1580 S.  2 Code civil zu entnehmen ist, hat der Antrag zur Folge, dass ein gerichtliches Verfahren zur Aufteilung der vorhandenen Ehegüter in Gang gesetzt wird (séparation de biens judiciare).145 Maßgeblich für die Aufteilung ist dabei der Zeitpunkt, in dem der Antrag auf vorzeitigen Ausgleich gestellt wurde.146 Nach Durchführung dieser Aufteilung gelten für die Ehegatten nun-

142 

Ponsard D. 1966, L. 111, Rn.  173. Siehe hierzu auch Terré/Simler, Les régimes matrimoniaux, Rn.  592 ff. 144  Piedelièvre, Participation aux acquêts, JC Civ. Code., Fasc. unique, Rn.  2 2. 145  Siehe für weitere Einzelheiten Terré/Simler, Les régimes matrimoniaux, Rn.  598 ff. 146  Brémond, Hypothèque légale des époux, JC Civ. Code, Fasc. unique, Rn.  34. 143 

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Kapitel V:  Vorwirkungen

mehr die Regelungen über den Güterstand der Gütertrennung (Art.  1536-1541 Code civil).147 2. Eintragung einer Sicherungshypothek nach Art.  2402 Code civil Gemäß Art.  2402 Code civil hat der ausgleichsberechtigte Ehegatte zudem die Möglichkeit, zur Sicherung seines Ausgleichsanspruches eine Hypothek (hypotheque légale) eintragen zu lassen.148 Ohne dass hierfür weitere Voraussetzungen einzuhalten wären, kann die Eintragung der Hypothek auch jederzeit während des Bestehens des Güterstandes verlangt werden.149 Da zu diesem Zeitpunkt möglicherweise noch unklar ist, welcher Ehepartner später Schuldner des Ausgleichsanspruches sein wird, kann die Eintragung der Hypothek von beiden Ehepartnern beantragt werden.150 Ihre Wirkung entfaltet sie allerdings erst mit Auflösung der participa­tion aux acquêts und erfasst dann auch nur Güter, die im Vermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten zu diesem Zeitpunkt noch vorhanden sind.151 Zur Sicherung des Ausgleichsanspruchs vor Vermögensübertragungen durch den Schuld­ ner, die der Auflösung des Güterstandes vorangehen, ist die Hypothek deshalb ungeeignet.152 Praktische Bedeutung erlangt die Hypothek vor allem im Zusammenhang mit dem Anspruch auf vorzeitige Aufhebung des Güterstandes und als dessen Ergänzung (vgl. Art.  2402 S.  3 Code civil).153

147  Piedelièvre, Participation aux acquêts, JC Civ. Code., Fasc. unique, Rn.   22; Terré/­ Simler, Les régimes matrimoniaux, Rn.  611; Ponsard D. 1966, L. 111, Rn.  173. 148  Art.  2402 Code civil bestimmt: „Quand les époux ont stipulé la participation aux acquêts, la clause, sauf convention contraire, confère de plein droit à l’un et à l’autre la faculté d’inscrire l’hypothèque légale pour la sûreté de la créance de participation. L’inscription pourra être prise avant la dissolution du régime matrimonial, mais elle n’aura d’effet qu’à compter de cette dissolution et à condition que les immeubles sur lesquels elle porte existent à cette date dans le patrimoine de l’époux débiteur. En cas de liquidation anticipée, l’inscription antérieure à la demande a effet du jour de celle-ci, l’inscription postérieure n’ayant effet que de sa date ainsi qu’il est dit à l’article 2425. L’inscription pourra également être prise dans l’année qui suivra la dissolution du régime matrimonial; elle aura alors effet de sa date.“ 149  Brémond, Hypothèque légale des époux, JC Civ. Code, Fasc. unique, Rn.  33 f.; Cornu JCP G 1970, I, 2368, Rn.  129. 150  Brémond, Hypothèque légale des époux, JC Civ. Code, Fasc. unique, Rn.  33; Piedelièvre RTD civ. 1968, 229, 241 f. 151  Piedelièvre, Participation aux acquêts, JC Civ. Code., Fasc. unique, Rn.  23; Brémond, Hypothèque légale des époux, JC Civ. Code, Fasc. unique, Rn.  22, 34. 152  Brémond, Hypothèque légale des époux, JC Civ. Code, Fasc. unique, Rn.  34; Piedelièvre RTD civ. 1968, 229, 241 f. 153  Brémond, Hypothèque légale des époux, JC Civ. Code, Fasc. unique, Rn.  34.

Teil 2 – D. Rechtsvergleich

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II. Verzicht auf den Anspruch aus Art.  1577 Code civil vor Auflösung des Güterstandes Ist eine Schenkung mit Zustimmung auch des anderen Ehepartners erfolgt, scheidet eine action en révocation nach dem eindeutigen Wortlaut des Art.  1573 Code civil aus.154 Für die Fallgruppe der „aliénation frauduleuse“ gilt dieser Ausschluss hingegen nicht. Auch wenn sich bspw. die Vertragsparteien die Werthaltigkeit der vom Dritten zu erbringenden Gegenleistung durch den ausgleichsberechtigten Ehegatten bestätigen lassen, wird man wohl nicht davon ausgehen können, dass hierin ein wirksamer Verzicht auf die action en révocation liegt, wenn dem Ehegatten bspw. der Scheincharakter dieser Abrede unbekannt war.155 Der Begriff der „fraude“ beinhaltet letztlich, dass der benachteiligte Ehegatte über die tatsächlichen Vorgänge und ihre rechtlichen Folgen entweder nicht vollständig informiert war oder diese zumindest nicht gebilligt hat. Eine Zustimmung des Ehegatten zu dem fraglichen Rechtsgeschäft genügt jedoch zumindest, um die in Art.  1573 S.  2 Code civil vorgesehene Vermutung einer „fraude“ bei einer Gegenleistung in Form einer „rente viagère“ oder „à fonds perdu“ zu widerlegen und in ihr Gegenteil zu verkehren.156 Auch erschwert sie generell die Beweissituation zulasten des ausgleichsberechtigten Ehegatten.157 Nach herrschender Ansicht ist es zudem auch möglich, in einem Ehevertrag von vornherein auf die Geltendmachung eventueller Rückholansprüche in Bezug auf Schenkungen zu verzichten.158 Hierin liegt ein wichtiger Unterschied zur deutschen Rechtslage.159

D. Rechtsvergleich I. Sicherungsmöglichkeiten während des bestehenden Güterstands Die verglichenen Rechte sind sich einig, dass der voraussichtlich ausgleichsberechtigte Ehegatte schon im Vorfeld gewisse Sicherungsmöglichkeiten gegen

154 

Terré/Simler, Les régimes matrimoniaux, Rn.  838. Malaurie/Aynès, Les régimes matrimoniaux, Rn.  858. 156  Colomer, Participation aux Acquêts, Rép. dr. civ., Rn.  181 f.; Ponsard D. 1966, L. 111, Rn.  170, 180; Ponsard in: Aubry/Rau, Droit civil français, VIII, S.  632 Fn.  137. 157 Vgl. Colomer, Participation aux Acquêts, Rép. dr. civ., Rn.  183. 158  Colomer, Participation aux Acquêts, Rép. dr. civ., Rn.  175; Terré/Simler, Les régimes matrimoniaux, Rn.  838 (S.  679 Fn.  1); Champenois Defrénois 1988, Art.  34320, Rn.  228 (Fn.  181). 159  Rieg Mélanges Marty, S.   921, 932 (Fn.   41); ebenso Champenois Defrénois 1988, Art.  3432020, Rn.  201 (Fn.  73). Allerdings geht Rieg wohl zu Unrecht davon aus, auch die ausdrückliche Zustimmung des Ehegatten zu einem konkreten Rechtsgeschäft hindere eine spätere Rückabwicklung dieses Geschäfts über §  1390 BGB nach deutschem Recht nicht. ­Siehe hierzu oben S. 309 f. 155 

316

Kapitel V:  Vorwirkungen

illoyale Vermögensverfügungen des anderen Gatten haben sollte. In den Einzelheiten variieren diese Möglichkeiten indessen. Die Sicherungsmöglichkeit für den anspruchsberechtigten Ehegatten besteht in Deutschland primär in dem Anspruch auf vorzeitigen Zugewinnausgleich.160 Ganz ähnlich gibt es auch in Frankreich die Möglichkeit, einen vorzeitigen Zugewinnausgleich zu beantragen. Voraussetzung ist nach beiden Rechten, dass das Verhalten des anderen Gatten Anlass zu der Befürchtung gibt, bei einer Fortsetzung des Güterstandes würden die Interessen seines Partners in Mitleidenschaft gezogen werden.161 Während in Frankreich die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Interessen des anderen Ehegatten genügt, wird in Deutschland ein höherer Grad an Gefährdung gefordert (§  1375 Absatz 2 BGB: „eine erhebliche Gefährdung der Erfüllung der Ausgleichsforderung“). Der Vorteil dieser Sicherungsmöglichkeit besteht darin, dass sie bereits ansetzt, bevor es überhaupt zu einer Vermögensübertragung oder Minderung gekommen ist. Andererseits muss ein Verfahren zum vorzeitigen Zugewinnausgleich anschließend auch eingeleitet werden. In England kann der Gläubiger nach sec.  37 (2) lit.  a) MCA ebenfalls bevorstehende Handlungen des Schuldners verhindern, sofern er alsbald anschließend eine Klage auf financial relief einreicht. Daneben stehen ihm aber auch die allgemeinen zivilprozessualen injunctions zur Verfügung, die er unabhängig von einem Verfahren auf financial relief geltend machen kann.162 Damit kann er Einzelhandlungen des anderen Gatten unterbinden, ohne gleichzeitig über den Zugewinnausgleich verhandeln zu müssen. Allerdings sind die – recht strengen – Anforderungen an den Nachweis der beeinträchtigenden Handlung bei einer injunction identisch mit den Anforderungen, die sec.  37 MCA aufstellt. In Deutschland und Frankreich sind zwar ebenfalls Rechtsschutzmaßnahmen des allgemeinen Zivilprozessrechts möglich (in Deutschland der Arrest,163 in Frankreich die hypotheque légale164). Sie können gegen einen Vermögensabfluss aber erst von dem Zeitpunkt an sichern, zu dem ein Antrag auf vorzeitigen Zugewinnausgleich gestellt oder der Güterstand beendet wurde. Im Kern erkennen die untersuchten Rechte eine Vorwirkung des familienrechtlichen Rückholanspruchs an, dem sie überwiegend durch ein besonderes Verfahren auf vorzeitigen Zugewinnausgleich Rechnung tragen. Selbst in England muss der Antragsteller einer allgemeinen injunction darlegen, dass ihn die Handlung des anderen Gatten benachteiligt.

160 

Siehe oben S. 308. Siehe oben S. 311. 162  Siehe oben S. 310 ff. 163  Siehe oben S. 308 f. 164  Siehe oben S. 314. 161 

Teil 3 – D. Rechtsvergleich

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II. Vorausgehender Verzicht auf den Anspruch Die klare und voll informierte Zustimmung des ausgleichsberechtigten Ehegatten zu einer vermögensmindernden Verfügung des anderen schließt grundsätzlich einen späteren Rückholanspruch aus. Ein abstrakter Verzicht generell auf Rückholansprüche wird in den Referenzrechten dagegen unterschiedlich beurteilt. Während ihn das deutsche Recht nicht erlaubt,165 lassen ihn das englische166 und französische Recht167 grundsätzlich zu, wobei beide Rechte hohe Anforderungen an den notwendigen Kenntnisstand des Verzichtenden stellen.

Teil 3: Vollstreckungsrecht Hinsichtlich eventueller Vorwirkungen unterscheiden sich die insolvenz- und vollstreckungsrechtlichen Anfechtungsvorschriften in den drei Rechtsord­ nungen von den familien- und erbrechtlichen Rückholansprüchen. Während bei letzteren dem Berechtigten ein quotaler Anteil am Gesamtvermögen des Schuldners zusteht, ist die Höhe der Berechtigung der jeweiligen Gläubiger bei den Anfechtungsvorschriften von der Entwicklung des Schuldnervermögens rechtlich unabhängig. De facto spielt die (negative) Vermögensentwicklung beim Schuldner für die noch zu realisierende Quote oder die Einzelvollstreckung zwar ebenfalls eine Rolle; jedoch können die Gläubigeransprüche nicht über ihren vorher feststehenden Betrag hinauswachsen. Die Anfechtungsvorschriften dienen der Realisierung bereits hinreichend bestimmter Ansprüche, während ein Rückholanspruch im Familien- und Erbrecht zunächst eine fiktive Hinzurechnung der angreifbaren Rechtsgeschäfte zum Schuldnervermögen voraussetzt und dadurch den Anspruchsinhalt selbst erst noch ausgestaltet. Insoweit besteht zwischen den insolvenzrechtlichen und den familien- und erbrechtlichen Rückholansprüchen zwar rechtstechnisch ein beachtlicher Unterschied. Für die Anspruchsverwirklichung und die Bestimmung der tatsächlichen Anspruchshöhe spielt dieser Unterschied aber keine Rolle. Soweit der Anspruch des Gläubigers im Zeitpunkt des später angegriffenen Rechtsgeschäfts bereits bestand, steht dem Gläubiger deshalb grds. auch das volle Instrumentarium des einstweiligen Rechtschutzes zur Verfügung. Er kann durch eine einstweilige Verfügung den Anfechtungsgegner insbesondere an einer Weiterübertragung des vom Schuldner veräußerten Gegenstandes hindern, wofür ein Veräußerungs- und Verfügungsverbot erlassen werden kann.168 165 

Siehe oben S. 309. Siehe oben S. 312. 167  Siehe oben S. 315. 168  Huber, Anfechtungsgesetz, §  2 Rn.  40 ff.; Leithaus in: Andres/Leithaus, InsO, §   143 166 

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Kapitel V:  Vorwirkungen

Besonderheiten gelten insoweit nicht. Ist der Anspruch des Gläubigers dagegen erst später entstanden, was eine Anfechtung grds. nicht ausschließt, dann kann der Gläubiger auch erst frühestens ab diesem Zeitpunkt auf die Mittel des einstweiligen Rechtsschutzes zurückgreifen. Die Besonderheiten, die sich bei Rückholansprüchen aus der noch weitgehenden Unbestimmtheit des Anspruchs im Zeitpunkt der angegriffenen Handlung ergeben, bestehen bei den Anfechtungsrechten nicht, weshalb es hier auch keine Beschränkungen für den einstweiligen Rechtsschutz gibt und sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen. Auch ein vorheriger Verzicht auf Anfechtungsansprüche kommt nicht in Betracht. Die besonderen insolvenzrechtlichen Anfechtungsmöglichkeiten sind originäre Rechte des Insolvenzverwalters, die grds. erst mit Insolvenzeröffnung entstehen und dem Schutz der Gläubigergesamtheit dienen. Ein vorangegangener Verzicht durch einzelne Gläubiger kann die übrigen Gläubiger, die zudem regelmäßig erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens feststehen, folglich nicht binden.169 Inwieweit der Insolvenzverwalter selbst auf ein Anfechtungsrecht wirksam verzichten kann, ohne sich pflichtwidrig zu verhalten, ist hingegen eine offene Frage, die stark von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles abhängt.170 Für das Anfechtungsrecht außerhalb eines Insolvenzverfahrens171 gilt zunächst, dass dem Schuldner eine Haftung für vorsätzliche Handlungen grds. nicht im Voraus erlassen werden kann.172 Ein vorheriges Einverständnis eines später anfechtenden Gläubigers kann daher grds. nur im Hinblick auf die Schenkungsanfechtung Wirkung entfalten. Soweit er überhaupt einmal vorkommt, wird der Fall aber in der Regel so liegen, dass der Gläubiger sein Einverständnis in der Annahme erteilt, es sei noch ausreichendes Vermögen des Schuldners vorhanden. Erweist sich diese Annahme als Irrtum, ist der Gläubiger auch nicht mehr an sein Einverständnis gebunden (vgl. §  779 Abs.  1 BGB).173 Ein Verzicht des Gläubigers auf seinen Anspruch – und nicht lediglich auf das den Anspruch schützende Anfechtungsrecht – ist hingegen nach allgemeinen Regeln grds. möglich.

Rn.  2; in England kann eine freezing order ergehen, siehe Fligthwise Travel Service Ltd v. Gill [2003] EWHC 3082 (Rn.  26); Stubbs Insolv. Int. 2008, 17, 24 f.; Keay, McPherson’s Law of Company Liquidation, Rn.  11.060. 169  Vgl. bspw. MüKoInsO/Kirchhof Vorb. §§  129–147 Rn.  4; §  129 Rn.  196. 170  Vgl. bspw. Bork ZIP 2006, 589 mwN. 171  In Deutschland sind dieses die Anfechtungsmöglichkeiten nach den AnfG, in Frankreich die actio paulienne (Art.  1341-2 Code civil) und in England sec.  423 IA. 172  Vgl. §  276 Abs.  3 BGB, siehe auch oben S. 309 f. 173  Vgl. auch Sautonie-Laguionie, La fraude paulienne, S.  634.

Zusammenfassung zu Kapitel V

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Zusammenfassung zu Kapitel V Im Vollstreckungsrecht sind Maßnahmen des einstweiligen Rechtschutzes in den drei Rechten ohne weitere Besonderheiten bereits im Vorfeld der Insolvenz oder der Zwangsvollstreckung möglich. Auch im Familienrecht sind Maßnahmen des einstweiligen Rechtschutzes im Vorfeld einer Scheidung übereinstimmend möglich, wobei hier aber vor allem besondere Schutzmechanismen greifen (§§  1385 ff. BGB, sec.  37 Abs.  2 lit.  a) MCA, Art.  1580 S.  1, 2402 Code civil). Im Pflichtteilsrecht kommen solche Maßnahmen hingegen nach ganz herrschender Ansicht in allen drei Rechtsordnungen nicht in Betracht, da der zu sichernde Anspruch noch zu unbestimmt ist. Im Hinblick auf einen Vertragserben ist die Zulässigkeit einstweiliger Sicherungsmaßnahmen in Deutschland umstritten, in Frankreich aber anerkannt. Für den Verzicht auf künftige Rückholansprüche ist zwischen einem gene­ rellen und abstrakten Verzicht auf solche Ansprüche und dem Verzicht im ­Hinblick auf eine einzelne Handlung des Schuldners/Erblassers/Ehegatten zu unterscheiden. Auch sind die Regeln in den drei Rechtsbereichen, in denen Rückholansprüche anerkannt sind, unterschiedlich, ohne dass sich diese Unterschiede aber auf Sachgesetzlichkeiten zurückführen lassen: So ist ein allgemeiner Verzicht im französischen Erbrecht nur unter sehr strengen Formvorgaben und auch nur im Hinblick auf die Rechte der Noterben und nicht für einen Vertragserben möglich. Im deutschen Erbrecht ist für einen Verzicht noch zu Lebzeiten des Erblassers nach der Rechtsprechung eine notarielle Beurkundung erforderlich, während er in England grds. formfrei möglich ist. Im französischen Familienrecht kann die Zustimmung des ausgleichsberechtigten Ehegatten auch präventiv bereits in einem Ehevertrag erteilt werden. In Deutschland gilt §  1390 BGB hingegen als nicht dispositive Norm, da auf Ansprüche aus einem vorsätzlichen oder sittenwidrigen Verhalten nicht im Vorfeld verzichtet werden könne. Die Zustimmung zu einem konkreten Rechtsgeschäft schließt allerdings in Deutschland ebenso wie in Frankreich und England eine spätere Rückholung aus. Auch ein präventiver Verzicht auf die Geltendmachung von Anfechtungsklagen scheidet in allen drei Rechtsordnungen grds. aus.

Kapitel VI

Konkurrenzen Es ist denkbar und in der Praxis sogar relativ häufig, dass Rückholansprüche zueinander in Konkurrenz treten. Verschenkt ein Ehemann sein Vermögen kurz vor seiner Scheidung, verstirbt er kurz darauf und hinterlässt einen überschuldeten Nachlass, kommen sowohl erb- und familienrechtliche Rückholansprüche als auch eine insolvenzrechtliche Anfechtung in Betracht. Die Unterschiede und die fehlende Abstimmung zwischen den verschiedenen Rückholregimen werden in solchen Konstellationen besonders deutlich. Im Folgenden sollen daher rechtsgebietsübergreifend die jeweiligen Konkurrenzfragen angesprochen und die Sachgerechtigkeit der festgestellten Unterschiede auf den Prüfstand gestellt werden.

322

Kapitel VI:  Konkurrenzen

Teil 1: Erbvertrag und Pflichtteilsrecht A. Deutschland Die Ansprüche aus §  2329 BGB und §  2287 BGB bestehen nach ganz herrschender Meinung selbständig nebeneinander.1 Es sind demnach drei Fallkonstella­ tionen zu unterscheiden: Setzt der Vertragserbe seinen Anspruch aus §  2287 BGB gegen den Beschenkten zuerst durch, entfällt nach einer Ansicht die Haftung des Beschenkten gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten, da der Dritte nicht mehr bereichert ist.2 Teilweise wird angenommen, dass der Pflichtteilsberechtigte dann analog §§  2325, 2329 BGB wieder auf den Vertragserben zugreifen kann.3 Die Gegenauffassung geht hingegen davon aus, dass der Vertragserbe durch die Rückholung des Geschenks in Höhe des Pflichtteilsrechts ungerechtfertigt bereichert sei, weil der Anspruch aus §  2287 BGB nicht zum Nachlass gehöre.4 Dem Beschenkten stünde daher ein Bereicherungsanspruch nach §  812 Abs.  1 S.  1 (1. Alt.) BGB zu, den der Pflichtteilsberechtigte nach §§  2329, 818 Abs.  2 BGB herausverlangen könne.5 Wird stattdessen der Anspruch aus §  2329 BGB geltend gemacht, ist man sich einig, dass der Vertragserbe einen bei der Zwangsversteigerung des geschenkten Gegenstandes erzielten Überlös herausverlangen kann. 6 Hat der Beschenkte die Zwangsversteigerung durch Zahlung abgewendet (§  2329 Abs.  2 BGB), kann der Vertragserbe das Geschenk herausverlangen, muss aber im Gegenzug dem Beschenkten die Zahlung an den Pflichtteilsberechtigten erstatten. Stehen einem pflichtteilsberechtigten Vertragserben sowohl Ansprüche aus §  2287 BGB als auch aus §  2329 BGB zu, soll §  2287 BGB nach Ansicht der Rechtsprechung §  2329 BGB verdrängen.7 Der für §  2329 BGB erforderliche Fehlbetrag bestehe in diesem Fall nicht. 8 Die überwiegende Auffassung in der Literatur will dem Berechtigten dagegen die Wahl lassen, auf welchen Anspruch er sich für die Rückholung des Geschenks stützen will.9 Aufgrund der doch 1 MüKoBGB/Lange §  2329 BGB Rn.  26; Staudinger/Olshausen §  2329 BGB Rn.  52; Bamberger/Roth/G. Müller §  2329 BGB Rn.  19; Soergel/Dieckmann §  2329 BGB Rn.  30; ­Siebert ZEV 2013, 241, 245. 2 Staudinger/Olshausen §  2329 BGB Rn.  52; NK-Bock §  2329 BGB Rn.  29. 3 Staudinger/Olshausen §  2329 BGB Rn.  52; MüKoBGB/Lange §  2329 BGB Rn.  26; a. A. NK-Bock §  2329 BGB Rn.  29. 4  Ausführlich zu dieser Frage Muscheler FamRZ 1994, 1361. 5  Bamberger/Roth/G. Müller §  2329 BGB Rn.  19; Muscheler FamRZ 1994, 1361, 1367. 6 MüKoBGB/Lange §  2329 BGB Rn.  26; Staudinger/Olshausen §  2329 BGB Rn.  52; Bamberger/Roth/G. Müller §  2329 BGB Rn.  19; Soergel/Dieckmann §  2329 BGB Rn.  30; ­Siebert ZEV 2013, 241, 245. 7  BGH NJW 1990, 2063; zustimmend NK-Bock §  2329 BGB Rn.  32. 8  BGH NJW 1990, 2063, 2065. 9  Muscheler FamRZ 1994, 1361, 1367 Fn.   42; Staudinger/Olshausen §  2329 BGB Rn.  52; MüKoBGB/Lange §  2329 BGB Rn.  27; Soergel/Dieckmann §  2329 BGB Rn.  2.

Teil 1 – A. Deutschland

323

sehr unterschiedlichen Voraussetzungen und Zwecke beider Ansprüche10 hat diese Ansicht einiges für sich und der Streit ist auch nicht, wie J. Mayer behauptet,11 lediglich akademischer Natur. In folgenden Beispielen treten Unterschiede zwischen den Ansprüchen nach §  2329 BGB und §  2287 BGB auf: (1)  Der Erblasser E schenkt 2015 seiner Haushälterin H 100.000  €, damit sie sich in der Folgezeit um seine Pflege kümmere. Zuvor hatte E aber bereits seinem Schulfreund F die Erbschaft gegen eine entsprechende finanzielle Gegenleistung durch formgerechten Erbvertrag versprochen. Kurz nach der Schenkung verstirbt E und hinterlässt seinen allein pflichtteilsberechtigten Sohn S. Der Nachlass ist dürftig.

Da eine Beeinträchtigungsabsicht des E durch ein lebzeitiges Eigeninteresse widerlegt werden kann, steht F kein Anspruch aus §  2287 BGB gegen H zu. S kann dagegen gem. §  2329 BGB von H Pflichtteilsergänzung in Höhe von 50.000  € verlangen, da er den Anspruch gegen F aus §  2325 BGB wegen der Dürftigkeit des Nachlasses nicht durchsetzen kann. (2)  E schenkt – bei im Übrigen selben Verhältnissen wie im vorigen Fall – seiner Haushälterin 2015 ein Grundstück im Außenbereich (Wert 100.000  €). Durch einen neuen Bebauungsplan wird das Grundstück anschließend zu Bauland und verzehnfacht dadurch seinen Wert (1.000.000  €). Ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung kann im Prozess nicht nachgewiesen werden. Der Vertragserbe F macht den Anspruch aus §  2287 BGB und der allein pflichtteilsberechtigte Sohn S denjenigen aus §  2329 BGB gegenüber H geltend. Der Nachlass ist wiederum dürftig.

Da nun eine Beeinträchtigungsabsicht des E vorliegt, kann F gem. §  2287 BGB von H Herausgabe des Grundstücks verlangen. Der Pflichtteilsergänzungs­ anspruch beträgt wegen des Niederstwertprinzips (§  2325 Abs.  2 S.  2 BGB) hingegen nur 50.000  €, den letztlich F gegenüber S begleichen muss.12 Die Wert­ steigerung kommt bei einer wortlautgetreuen Gesetzesanwendung hier also ausschließlich dem Vertragserben zu Gute.13 (3)  E schenkt seiner Haushälterin im Jahre 2006 ohne lebzeitiges Eigeninteresse einen Geldbetrag in Höhe von 100.000  €. Im Jahre 2015 verstirbt er und hinterlässt wiederum einen dürftigen Nachlass. Der Vertragserbe F und der allein pflichtteilsberechtigte Sohn S gehen gem. §  2287 BGB bzw. §  2329 BGB gegen H vor.

Wegen der Abschmelzung gem. §  2325 Abs.  3 BGB besteht ein Pflichtteils­ ergänzungsanspruch des S nur noch in einer Höhe von 5.000  €.14 Auf den Anspruch des Vertragserben hat der Zeitablauf hingegen keinen Einfluss, weshalb 10 

Siehe hierzu auch S. 46 ff. Bamberger/Roth/G. Müller §  2329 BGB Rn.  19. 12  Siehe zu den Einzelheiten S. 249 ff. 13 Ebenso Muscheler FamRZ 1994, 1361, 1366. 14 Hinzurechnung der Schenkung zum fiktiven Nachlass gem. §   2325 Abs.  3 BGB nur noch in einer Höhe von 10.000  €. Der Pflichtteil des gesetzlichen Alleinerben S beträgt deshalb 5000  € (§  2303 Abs.  1 S.  2 BGB: 1/2 des gesetzlichen Erbteils). 11 

324

Kapitel VI:  Konkurrenzen

dieser nach wie vor in voller Höhe besteht. F erhält daher 95.000  € und S letztlich nur 5.000  € von H zurück. Der Zeitablauf wirkt sich somit stark zugunsten des F aus. Die von den Gesetzesmaterialien propagierte Entlastung des Beschenkten durch die Abschmelzungsregelung,15 tritt hingegen in dieser Kon­ stellation nicht ein. Die Ergebnisse erscheinen beinahe als zufällig und die Risikoverteilung widersprüchlich. Geht man zum einen davon aus, dass das Interesse des Beschenkten daran, sein Geschenk behalten zu dürfen, in seinem Gewicht nicht davon abhängt, ob er von einem Vertragserben oder von einem Pflichtteilsberechtigten in Anspruch genommen wird,16 und nimmt man zum anderen an, dass auch das Interesse des Erblassers, über sein Vermögen frei zu verfügen, durch Bindungen gegenüber Vertragserben bzw. Pflichtteilsberechtigten in seinem Gewicht nicht verändert wird,17 so erhält man eine Gleichung mit lediglich einer Unbekannten. Das einzige zulässige Differenzierungskriterium ist somit die unterschiedliche Verfestigung der Erwerbserwartung. Hier konnte aber bereits im Kapitel zu den Vorwirkungen festgestellt werden, dass die Verfestigung und Bestimmtheit des Anspruches beim Erbvertrag grds. größer ist als bei den Pflichtteilsrechten.18 Hierzu steht aber nun im direkten Widerspruch, dass §  2287 BGB auf der Tatbestandsebene zusätzliche Voraussetzungen aufstellt (Beeinträchtigungsabsicht). Andererseits ist es aber auch so, dass der Erblasser auch durch einen Erbvertrag im Ergebnis nur über dasjenige Vermögen verfügen darf, das ihm nach Befriedigung der Pflichtteilsrechte noch verbleibt. Die Ansprüche der pflichtteilsberechtigten Personen sind daher grds. vorrangig und müssen sich im Ergebnis gegenüber dem Vertragserben durchsetzen. Bei einem Zusammentreffen eines Vertragserben mit pflichtteilsberechtigten Personen wirken sich das Niederstwertprinzip (§  2325 Abs.  2 S.  2 BGB) und die Abschmelzungsregelung (§  2325 Abs.  3 BGB) jedoch unmittelbar zugunsten des Vertragserben aus, für dessen Rückholanspruch vergleichbare Beschränkungen nicht gelten. Die eigentliche Regelungsintention, den Beschenkten zu entlasten und vor übermäßigen Rückholansprüchen zu schützen, wird dadurch aber gerade unterlaufen. Insbesondere die in §  2287 BGB vorgesehene zeitlich unbegrenzte Rückwirkung erscheint dabei unter Wertungsgesichtspunkten problematisch. Beispiel: Erblasser E verschenkt im Jahre 2005 100.000  € an seine Haushälterin H. 2016 verstirbt er, ohne Vermögen zu hinterlassen. Sein pflichtteilsberechtigter Sohn S geht leer aus, weil die Schenkung an H schon zu lange zurückliegt, um nach §  2329, 2325 Abs.  3 BGB noch angegriffen werden zu können. Der Vertragserbe F kann bei fehlendem Eigeninteresse des Erblassers aber über §  2287 BGB noch die vollständige Rückabwick15 

Siehe S. 68 ff. Siehe hierzu ausführlich S. 30 ff. 17  Hierzu ausführlich S. 18 ff. 18  Siehe S. 304 ff. 16 

Teil 1 – B. England

325

lung der Schenkung verlangen und erhält insoweit eine Erbschaft in Höhe von 100.000  €. Diese muss er auch nicht mit dem Pflichtteilsberechtigten teilen.

Verlegt man die Schenkung hingegen in das Jahr 2016, dann müsste der Vertragserbe noch den Pflichtteilsanspruch des Sohnes S in Höhe der Hälfte der Erbschaft begleichen und würde daher im Ergebnis nur 50.000  € erhalten.

B. England Mit dem Verhältnis der Ansprüche auf family provision zu den Ansprüchen eines Vertragserben befasst sich unter anderem sec.  11 (5) Inheritance Act.19 Führt eine gerichtliche Anordnung nach sec.  11 (2) Inheritance Act dazu, dass Ansprüche aus einem contract to make a will vereitelt werden, kann der Vertragserbe nur insoweit Schadensersatz verlangen oder sonstige Rechte geltend machen, als hierdurch der Zweck der gerichtlichen Anordnung nicht beeinträchtigt wird. Es kommt somit zu einer gerichtlichen Vertragsanpassung. Bei rein wörtlicher Auslegung des Verweises in sec.  11 (5) auf sec.  11 (2) Inheritance Act scheinen allerdings nur die Fälle erfasst zu sein, in denen eine bereits erfolgte Vermögensübertragung (transfered (…) in accordance with the contract) durch eine Anordnung nach sec.  11 (2) Inheritance Act rückgängig gemacht wurde. Hat der Erblasser hingegen eine vertraglich zugesagte letztwillige Verfügung (contract to make a will) nicht oder nicht wie versprochen in die Tat umgesetzt, würde sec.  11 (5) Inheritance Act keine Anwendung finden.20 Eine so enge Auslegung wäre jedoch der vom Gesetzgeber beabsichtigten Zielsetzung wenig zuträglich. Gewährt man den Schadensersatzansprüchen des Vertragserben im letzteren Fall Vorrang, werden diese den Nachlass oft weitgehend erschöpfen und nachrangige Ansprüche auf family provision ausfallen.

C. Frankreich Die Ansprüche der Noterben und die Ansprüche des instituée bestehen grds. nebeneinander, soweit nicht die institution contractuelle selbst zum Gegenstand einer action en réduction der Noterben gemacht werden kann.21 Wegen ihrer lebzeitigen Bindungswirkung nimmt die institution contractuelle den Rang einer Schenkung ein und der Zeitpunkt ihres Abschlusses ist entscheidend. Die Noterben können folglich eine Zuwendung mittels institution contractuelle nur 19  Sec.  11 (5) Inheritance Act lautet: „Where an order has been made under subsection (2) above in relation to any contract, the rights of any person to enforce that contract or to recover damages or to obtain other relief for the breach thereof shall be subject to any adjustment made by the court under section 12 (3) of this Act and shall survive to such extent only as is consistent with giving effect to the terms of that order.“ 20  Oughton, Tyler’s Family Provision, S.  320. 21  Siehe S. 100 ff.

326

Kapitel VI:  Konkurrenzen

herabsetzen, wenn die Rückholung zeitlich später erfolgter Schenkungen und Vermächtnisse zur Auffüllung der réserve nicht ausreicht. Erfasst die institution contractuelle dagegen auch die quotité disponible, können Herabsetzungsklagen des institué und der Noterben problemlos nebeneinander geltend gemacht werden, ohne in Konflikt zu geraten. Beispiel: Erblasser E verspricht in der Form einer institution contractuelle 1/4 seines im Todeszeitpunkt vorhandenen Vermögens den Eheleuten X. Wenige Jahre später verschenkt er ein Grundstück (Wert: 300.000  €) an seinen Bruder B. Im Zeitpunkt seines Todes hinterlässt E Vermögen im Wert von 700.000  € und drei Kinder. Die drei Kinder des E können nun als Noterben von 75 % des Vermögens des E (dem Nachlass ist das verschenkte Grundstück hinzuzurechnen) von B Zahlung von 50.000  € verlangen. Den Eheleuten X steht daneben als instituées gem. Art.  1083 Code civil ein Anspruch auf Zahlung weiterer 250.000  € gegen B zu. B kann sich von diesem Zahlungsbegehren u. U. durch Herausgabe des Grundstücks befreien. 22

D. Rechtsvergleich Rückholansprüche von Vertragserben und Pflichtteilsberechtigten können durchaus in einem nicht einfachen Konkurrenzverhältnis stehen. Lässt sich die Konkurrenz nicht auflösen, ist fraglich, ob dem Interesse des Vertragserben oder der Pflichtteilsberechtigten der Vorrang gebührt. Es überwiegt die Haltung, den Pflichtteilsberechtigten zu bevorzugen. Die Ansprüche aus §  2329 BGB und §  2287 BGB bestehen in Deutschland grds. selbständig nebeneinander.23 Im Grundsatz ist der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten vorrangig zu befriedigen. Die rechtstechnische Umsetzung ist jedoch umstritten. Stehen einem pflichtteilsberechtigten Vertragserben sowohl Ansprüche aus §  2287 BGB als auch aus §  2329 BGB zu, verdrängt §  2287 nach Ansicht der Rechtsprechung §  2329 BGB. Die herrschende Lehre will dem Berechtigten dagegen ein Wahlrecht zugestehen.24 Im englischen Recht passt das Gericht den Erbvertrag in dem Umfang an, der erforderlich ist, um den Vorrang der Ansprüche auf family provision sicherzustellen. Auch in Frankreich bestehen die Ansprüche der Noterben und die Ansprüche des institué grds. nebeneinander. Im Kollisionsfall gehen jedoch die Ansprüche der Noterben vor. Deshalb kann auch eine institution contractuelle zum Gegenstand einer action en réduction gemacht werden.25 Im Ergebnis räumen also alle untersuchten Rechtsordnungen den Ansprüchen von Noterben und Pflichtteilsberechtigten bzw. den Ansprüchen auf 22 

Vgl. Art.  924-1 Code civil, siehe dazu auch bereits S. 254 ff. Siehe S. 322. 24  Siehe S. 322. 25  Siehe S. 325. 23 

Teil 2 – A. Deutschland

327

f­ amily provision grds. den Vorrang gegenüber den Ansprüchen von Vertrags­ erben ein. Das ist auch wenig verwunderlich, da hierdurch letztlich nur ver­ hindert wird, dass sich der Erblasser durch erbvertragliche Vereinbarungen von seinen gesetzlichen Verpflichtungen befreit.

Teil 2: Erbrechtliche und familienrechtliche Rückholansprüche A. Deutschland Wird der eheliche Güterstand durch den Tod des verfügenden Ehegatten aufgelöst, stellen sich Fragen nach dem Verhältnis der Ansprüche aus §  1390 BGB zu jenen aus §  2329 BGB. Aufgrund der recht unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen kommt es hier oft zu gegensätzlichen und teilweise auch geradezu widersprüchlichen Ergebnissen. Die Hintergründe für die getroffenen Differenzierungen und die ihnen zugrundeliegenden Sacherwägungen erschließen sich jedenfalls nicht ohne Weiteres. Beispiel: Der ursprünglich mittellose E ist in 25 Ehejahren mit F zum Millionär aufgestiegen. F konnte hingegen kein eigenes Vermögen erwirtschaften. In den letzten Ehejahren hatten sich E und F allerdings entfremdet; E hatte im Jahre 2007 daher in Benachteiligungsabsicht 80 %26 seines damaligen Vermögens (800.000  €) seiner neuen Lebensgefährtin G übertragen. Das ursprünglich anvisierte Scheidungsverfahren verzögerte sich aus verschiedenen Gründen immer wieder, so dass immer noch kein Scheidungs­ antrag anhängig war, als E im Jahre 2015 überraschend verstarb. E hinterließ weder ein Testament noch Kinder. F ist folglich Alleinerbin des E. Aufgrund der Schenkung an G beträgt der verbliebene Nachlass allerdings nur noch 200.000  €.

Gemäß §§  2325, 2329 BGB könnte F ohne die Regelung in §  2325 Abs.  3 BGB grds. von G Zahlung in Höhe von 300.000  € verlangen. Die ratierliche Abschmelzung hat nun allerdings zur Folge, dass die Schenkung nur noch zu 20 % in den hypothetischen Nachlass miteingerechnet wird und ein Anspruch der F gegen G nicht mehr besteht.27 Fraglich ist, inwiefern F auch einen Anspruch aus §  1390 BGB geltend machen kann, wenn sie sich gem. §  1371 Abs.  1 BGB für die erbrechtliche Auflösung der Gütergemeinschaft entschieden hat. Da §  1371 Abs.  2 BGB auf §  1390 26 Bei einem größeren Betrag würde möglicherweise §   1365 BGB eingreifen, s. MüKo­ BGB/Koch §  1365 Rn.  9 ff. 27 Der Wert des hypothetischen Nachlasses liegt damit bei 400.000  €. Das Pflichtteilsrecht der F besteht grds. in der Höhe der Hälfte, also 200.000  €. Da genau in dieser Höhe noch Nachlass vorhanden ist, bestünde kein Ergänzungsanpruch. Nicht ganz eindeutig ist hingegen, ob dieser hälftige Pflichtteil gem. §  1371 Abs.  1 BGB noch um 1/8 erhöht werden müsste. Obwohl durch §  1371 BGB der Erbanteil des Ehegatten zur Abgeltung des Zugewinns zwingend um 1/4 zu erhöhen ist, kann hierdurch wohl nicht ein Ausgangswert von über 100 % geschaffen werden und der Pflichtteil daher auch nie die Hälfte des tatsächlich vorhandenen Nachlasses übersteigen.

328

Kapitel VI:  Konkurrenzen

BGB als anwendbare Norm im Falle einer güterrechtlichen Lösung explizit verweist, sprechen Wortlaut und Systematik gegen eine Anwendbarkeit des §  1390 BGB auch im Falle einer erbrechtlichen Lösung.28 Wählt F dagegen gem. §  1371 BGB die güterrechtliche Lösung29 und schlägt die Erbschaft aus, könnte sie neben diesem (kleinen) Pflichtteilsanspruch auch noch einen Zugewinnausgleich verlangen. Für die Ermittlung des Zugewinns würde, da 10 Jahre noch nicht verstrichen sind, die Schenkung an G im vollen Umfange dem Endvermögen des E hinzugerechnet, wodurch sich ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 500.000  € ergäbe. Soweit das noch vorhandene Vermögen diesen Anspruch nicht deckt, kann sich F wiederum – diesmal gem. §  1390 BGB – an G halten und nun tatsächlich Zahlung von 300.000  € verlangen. Verändert man das obige Beispiel nun dahingehend, dass E keine Benachteiligungsabsicht (mehr) nachgewiesen werden kann, würden Ansprüche der F gegen G aber auch nach der güterrechtlichen Lösung ausscheiden. Verlegt man hingegen die Schenkung wiederum in das Jahr 2015, würde F trotz des Fehlens einer Beeinträchtigungsabsicht und unabhängig davon, ob sie die Erbschaft ausschlägt oder annimmt, einen Anspruch nach §  2329 BGB gegen G in Höhe von 300.000  € besitzen, da hier die Schenkung mangels Abschmelzung nach §  2325 Abs.  3 BGB noch im vollen Umfange für das hypothetische Pflichtteilsrecht berücksichtigt werden müsste. Schlägt F in dieser Konstellation die Erbschaft aus und gelingt ihr zudem der Nachweis einer Benachteiligungsabsicht, bestünde sogar sowohl ein Anspruch nach §  1390 BGB als auch ein Anspruch nach §  2329 BGB und zwar jeweils gerichtet auf eine Zahlung in Höhe von 300.000  €, was die Frage nach dem – alternativen oder gar kumulativen – Konkurrenzverhältnis dieser beiden Ansprüche aufwerfen würde. §  1371 Abs.  3 BGB scheint in dieser Hinsicht eher für ein unabhängiges Nebeneinander beider Ansprüche zu sprechen.30 Durch eine Kombination beider Ansprüche könnte F dann sogar in einer Höhe von insgesamt 600.000  € gegen G vorgehen. Richtiger ist es aber wohl anzunehmen, dass die erfolgreiche Geltendmachung eines dieser Ansprüche den jeweils anderen Anspruch zum Erlöschen bringt. Mehr als eine hälftige Beteiligung am ursprünglichen Vermögen ihres Ehemannes kann E weder über das Pflichtteilsrecht noch über den Zugewinnausgleich erlangen. Dieses Ergebnis muss dann auch bei einer Kombination beider Regime gelten. Wie diese Beispiele jedoch eindrücklich zeigen, ist die Abstimmung zwischen den erbrechtlichen und den güterrechtlichen Rückholansprüchen im deutschen Recht bisher wenig gelungen und auch die Berechtigung der jeweils unter28 

Ebenso MüKoBGB/J. Koch §  1390 Rn.  22. Siehe hierzu Staudinger/Thiele §  1371 BGB Rn.  39 ff. 30  In diese Richtung tendiert auch die herrschende Ansicht, vgl. etwa Erman/Budzikiewicz §  1390 BGB Rn.  15; Soergel/Kappler/Kappler §  1390 BGB Rn.  9; Staudinger/Thiele §  1371 BGB Rn.  35; Finke in: RGRK-BGB §  1390 Rn.  23. 29 

Teil 2 – B. England

329

schiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen ist zweifelhaft. Insbesondere die neue Abschmelzungsregelung in §  2325 Abs.  3 BGB führt dazu, dass die Wahl der erbrechtlichen Auflösung des Zugewinnausgleichs über §  1371 Abs.  1 BGB oft unattraktiv wird. Der Weg über die güterrechtliche Lösung und §  1390 BGB verlangt aber andererseits den Nachweis einer Benachteiligungsabsicht, was in der Praxis auch oft eine hohe Hürde darstellt. Von dem eigentlichen Zweck der Wahlmöglichkeit in §  1371 Abs.  1 BGB, nämlich den Ehegatten einen pauschalen Ausgleich wechselseitig erbrachter Leistungen zu ermöglichen, ohne genaue Nachweise über die jeweilige Vermögensentwicklung vorlegen zu müssen, führen solche Rechtsfolgen aber weg und entwerten das Wahlrecht. Nach ganz herrschender Ansicht besteht zudem in den Fällen des kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem Dritten und dem ausgleichspflichtigen Ehe1390 Abs.   2 BGB) parallel ein Schadensersatzanspruch aus §   826 gatten (§   BGB.31 Anders als etwa bei dem Anspruch aus §  2287 BGB32 wird §  1390 BGB kein abschließender Regelungscharakter zuerkannt. §  826 BGB setzt unter anderem voraus, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte dem Dritten den Vorsatz einer sittenwidrigen Schädigung nachweist. Hat der Dritte, wie in §  1390 Abs.  2 BGB vorausgesetzt, Kenntnis von der Benachteiligungsabsicht des ausgleichspflichtigen Ehegatten, wird regelmäßig auch zumindest ein dolus eventualis hinsichtlich der eingetretenen Schädigung in Betracht kommen.33

B. England Vermögensübertragungen, die in letztwilligen Verfügungen angeordnet werden, stellen keine disposition i. S. d. sec.  37 MCA dar. Für sie finden daher ausschließlich die sec.   10–12 Inheritance Act Anwendung.34 Da insbesondere sec.  10 Inheritance Act aber auch Verfügungen erfasst, die der Erblasser bereits zu seinen Lebzeiten getroffen hat, scheint gleichwohl ein Konkurrenzverhältnis zwischen beiden Rückholregimen denkbar. Allerdings endet mit dem Tod des verfügenden Ehegatten auch das auf financial relief gerichtete Gerichtsverfahren, was einer Anordnung nach sec.  37 MCA die Basis entzieht.35 Der ausgleichsberechtigte Ehegatte muss in diesem Fall daher seinen Antrag umstellen und ihn anstatt auf sec.  37 MCA nunmehr auf sec.  10–12 Inheritance Act stützen.36 31 Staudinger/Thiele §  1390 BGB Rn.  36; Bamberger/Roth/Siede §  1390 BGB Rn.  1; ­MüKoBGB/Koch §  1390 Rn.  21; Soergel/Kappler/Kappler §  1390 BGB Rn.  9. 32  Siehe BGH NJW 1989, 2389 sowie oben S. 53 ff. 33  Siehe zu den Vorsatzanforderungen bei §  826 BGB MüKoBGB/Wagner §  826 Rn.  26. 34  Siehe bereits oben S. 77 ff. 35  B v. IB [2013] EWHC 3755 (Fam), Rn.  17 mwN. 36 Vgl. B v. IB [2013] EWHC 3755 (Fam); Stow v. Stow [2008] EWHC 495 (Ch); s. a. Lowe/Douglas, Bromley’s Family Law, S.  1123.

330

Kapitel VI:  Konkurrenzen

C. Frankreich Wird der Güterstand durch den Tod eines Ehegatten beendet, kann es zu einer Parallelität der action en révocation gem. Art.  1577 Code civil und der action en réduction nach Art.  918 ff. Code civil kommen. Beide Rechtsbehelfe bestehen dabei grds. unabhängig voneinander und ermöglichen eine Anreicherung des Nachlasses bzw. des ehelichen Vermögens. Da sich der Nachlass des verstorbenen Ehegatten aber aus dem Vermögen zusammensetzt, das nach Befriedigung der güterrechtlichen Ausgleichsforderungen noch vorhanden ist,37 setzt sich letztlich der Ausgleichsanspruch des Ehegatten gegenüber den Rechten der Noterben vorrangig durch. Das nach Durchführung des Rückholanspruchs vorhandene Vermögen dient zunächst der Befriedigung des güterrechtlichen Ausgleichs und kommt erst anschließend den (Not-)erben des verstorbenen Ehegatten zugute. Beispiel: Die Eheleute F und M leben im Güterstand der participation aux acquêts. Ehefrau F hat während der Ehe einen Zugewinn in Höhe von 800.000  € erwirtschaftet und Ehemann M keinerlei Zugewinn erzielt. F verschenkt ein ihr gehörendes Hausgrundstück im Wert von 600.000  € an ihren Geliebten G. Nach dem Tode der F hat M einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 400.000  € gegen den Nachlass der F, den er – da das noch vorhandene Vermögen (200.000  €) zur Befriedigung nicht ausreicht – gem. Art.  1577 Code civil in einer Höhe von 200.000  € auch gegenüber G geltend machen kann. Daneben können sich auch die drei gemeinsamen Kinder A, B und C auf eine Verletzung ihrer Noterbrechte und eine Überschreitung der quoitité disponible berufen. Nach Abzug der Verbindlichkeit gegenüber M hat das Vermögen der F unter Hinzurechnung der Schenkung an G einen hypothetischen Wert von 400.000  €. Die quotité disponible beträgt folglich nur 100.000  €, weshalb A, B und C eine action en réduction gem. Art.  918 ff. Code civil in einer Höhe von insgesamt 300.000  € gegen G geltend machen können.

D. Rechtsvergleich Wird der eheliche Güterstand durch den Tod des verfügenden Ehegatten aufgelöst, können die ehe- mit den erbrechtlichen Rückholansprüchen konkurrieren. Die verglichenen Rechtsordnungen lösen dieses Konkurrenzverhältnis auf unterschiedlichen Wegen. In Deutschland bestehen grds. parallele Ansprüche aus §  1390 BGB und aus §  2329 BGB, wenn sich der überlebende Ehegatte gegen die erbrechtliche Auflösung des Güterstandes durch §  1371 Abs.  1 BGB entscheidet.38 Ihr Konkurrenzverhältnis ist allerdings unklar. Es sollte ein Verhältnis der Alternativität gelten. Bei Wahl der Abwicklung über §  1371 Abs.  1 BGB steht dem Ehegatten hingegen ein Rückgriff beim Beschenkten über §  1390 BGB nicht zu. Durch die Erbrechtsreform im Jahre 2009 haben sich die Gewichte aber zu Lasten der er37 Vgl. Döbereiner, Eherecht in Frankreich, in: Süß (Hrsg.), Eherecht in Europa, S.   564 Rn.  116; Rieg Mélanges Marty, S.  921, 943. 38  Siehe oben S. 327 f.

Teil 3 – A. Deutschland

331

brechtlichen Abwicklung verschoben: War §  2329 BGB zuvor regelmäßig der erfolgversprechendere Rückholanspruch, da er, anders als §  1390 BGB, keinen Nachweis einer Beeinträchtigungsabsicht verlangt, ist nun bei einem gewissen Zeitablauf infolge der Abschmelzungsregelung in §  2325 Abs.  3 BGB der Anspruch aus §  1390 BGB meist attraktiver. Das englische Recht regelt das Konkurrenzverhältnis zwischen familien- und erbrechtlichen Rückholansprüchen recht eindeutig. Vermögensübertragungen, die in letztwilligen Verfügungen angeordnet werden, stellen keine disposition i. S. d. sec.  37 MCA dar, weshalb für sie ausschließlich die sec.  10–12 Inheritance Act Anwendung finden.39 Sec.  10 Inheritance Act erfasst allerdings vor allem Verfügungen, die der Erblasser bereits zu seinen Lebzeiten getroffen hat, wodurch grds. doch ein Konkurrenzverhältnis entstehen könnte. Mit dem Tod des verfügenden Ehegatten endet aber das auf financial relief gerichtete Gerichtsverfahren, so dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte seinen Antrag umstellen und nunmehr auf sec.  10–12 Inheritance Act stützen muss.40 Wird in Frankreich der Güterstand durch den Tod eines Ehegatten beendet, kommt es ebenfalls oft zu einer Parallelität der action en révocation gem. Art.  1577 Code civil und der action en réduction nach Art.  918 ff. Code civil. Da der Nachlass des verstorbenen Ehegatten aber aus dem nach Befriedigung der güterrechtlichen Ausgleichsforderungen noch vorhandenen Vermögen besteht, setzt sich der Ausgleichsanspruch des Ehegatten letztlich durch.41 Das nach Durchführung des Rückholanspruchs vorhandene Vermögen dient erst nachrangig der Befriedigung der (Not-)erben.

Teil 3: Erb- und Familienrecht und Vollstreckungsrecht A. Deutschland Die erb- und familienrechtlichen Rückholansprüche werden überwiegend als abschließende Spezialregelungen zugunsten bestimmter Gläubiger aufgefasst, die einen Rückgriff auf die Anfechtungsvorschriften nicht zulassen.42 Beispiel: Ehemann E schenkt im Jahre 2015 ein Grundstück mit einem Wert von 500.000  € seiner Geliebten G. Seine Ehefrau F beantragt kurz darauf einen vorzeitigen Zugewinnausgleich gem. §  1385 BGB, dessen Vollstreckung mangels bei E noch vorhandenen Vermögens aber scheitert. Ein Rückgriff auf G ist für F nur unter den Voraussetzungen des §  1390 BGB möglich, nicht jedoch unter den insoweit einfacheren Voraussetzungen des §  4 AnfG (kein Nachweis einer Benachteiligungsabsicht). 39 

Siehe oben S. 346. Siehe oben S. 346. 41  Siehe oben S. 330. 42 MüKoInsO/Kirchhof Vor. §§  129–147 Rn.  84; MüKoAnfG/Kirchhof Einführung Rn.  66; Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor. §  129 Rn.  23. 40 

332

Kapitel VI:  Konkurrenzen

Ein Konkurrenzverhältnis zwischen §  1390 BGB und den Ansprüchen aus dem AnfG soll nach herrschender Meinung nicht in Betracht kommen, weil vor dem Antrag auf vorzeitigen Zugewinnausgleich bzw. der Scheidung oder dem Tod eines Ehegatten noch kein Ausgleichsanspruch bestehe und das AnfG deshalb nicht zur Anwendung gelangen könne.43 Nach der Entstehung der Ausgleichsforderung werde diese durch anschließende Vermögensverschiebungen aber nicht mehr verändert und auch der korrespondierende Anspruch aus §  1390 BGB bleibe insoweit unberührt. Vermögensverschiebungen nach Entstehung des Zugewinnausgleichsanspruches seien daher ausschließlich nach dem AnfG angreifbar.44 Unberücksichtigt bleibt dabei aber, dass die Rückholansprüche und auch die Anfechtung nach dem AnfG eine erhebliche Rückwirkung entfalten. Es ist zwar richtig, dass der geschützte Anspruch erst später entsteht. Alle Rückholansprüche ermöglichen es aber, zeitlich deutlich vorgelagerte Handlungen anzugreifen und können daher, wie das Beispiel zeigt, im Rahmen dieser Rückwirkung zueinander in Konkurrenz treten. Hier muss daher die Frage beantwortet werden, ob §  1390 BGB als lex specialis einen Rückgriff auf die allgemeineren Vorschriften des AnfG versperrt. Die herrschende Ansicht nimmt das ohne weitere Begründung an.45 Wieso im Beispielsfall der Ehegatte gegenüber jedem anderen Gläubiger, der nach §  4 AnfG ohne Nachweis einer Benachteiligungsabsicht gegen den Beschenkten vorgehen kann, schlechter gestellt werden soll, ist nicht ohne Weiteres ersichtlich. Auch soll die Zugewinnausgleichsforderung nach ihrer Entstehung ja sehr wohl durch das AnfG geschützt werden, so dass es maßgeblich darauf ankommt, ob die Schenkung durch den Erblasser vor oder nach der Erhebung der Klage auf vorzeitigen Zugewinnausgleich bzw. Scheidung vorgenommen wurde. Andererseits ist das Fehlen ausreichender Masse beim ausgleichspflichtigen Ehegatten stets die Voraussetzung für einen Rückgriff über §  1390 BGB beim Dritten, so dass bei einem parallelen Neben­ einander von §  1390 BGB und den Ansprüchen nach dem AnfG sich stets das anfechtungsfreundlichere Recht durchsetzen würde. Die von §  1390 BGB aufgestellten Hürden würden dabei weitgehend entwertet. Auch zu den erbrechtlichen Rückholansprüchen kann das AnfG in Konkurrenz treten, wenn nach dem Tode des Erblassers nicht mehr genug Nachlass vorhanden ist, um die Ansprüche eines Vertragserben oder der Pflichtteils­ berechtigten zu befriedigen. Ein Rückgriff beim Dritten setzt im Rahmen der Pflichtteilsergänzung stets voraus, dass der vorhandene Nachlass zur Befriedigung der Pflichtteilsansprüche nicht ausreicht. Eine Anwendung von §§  3, 4 43 MüKoBGB/Koch

§  1390 Rn.  23; Bamberger/Roth/Siede §  1390 BGB Rn.  3. §  1390 BGB Rn.  3; MüKoBGB/Koch §  1390 Rn.  23; ­Weinreich in: Weinreich/Klein (Hrsg.), Fachanwaltskommentar Familienrecht, §  1390 BGB Rn.  2; Staudinger/Thiele §  1390 BGB Rn.  3. 45 MüKoInsO/Kirchhof Vor. §§   129–147 Rn.   84; MüKoAnfG/Kirchhof Einführung Rn.  66; Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor. §  129 Rn.  23. 44 Soergel/Kappler/Kappler

Teil 3 – B. England

333

AnfG würde daher dazu führen, dass etwa die Abschmelzungsregelung in §  2325 Abs.  3 BGB ihrer wesentlichen Wirkung beraubt würde, da bspw. auf den Beschenkten innerhalb der ersten vier Jahre über §  4 AnfG auch ohne eine Abschmelzung zugegriffen werden könnte. Bei §  2287 BGB würde wiederum das Erfordernis der Beeinträchtigungsabsicht leerlaufen, wenn parallel über §  4 AnfG vorgegangen werden könnte. Durch die Einordnung von §§  1390, 2287, 2329 BGB als abschließende Spezialregelungen, die, wie der Rechtsvergleich sogleich zeigen wird, allerdings keinesfalls zwingend ist, werden solche Ergebnisse vermieden. Ob die gegenüber der Anfechtung nach dem AnfG teils limitiertere, teils erweiterte Haftung des Dritten gerechtfertigt ist, ist hingegen durchaus zweifelhaft. Gleiches gilt für die inhaltlich entsprechende Haftung nach den insolvenzrechtlichen Anfechtungsvorschriften. Ist ein Insolvenzverfahren eröffnet worden, verliert der Gläubiger die Berech­ tigung, eine nach dem AnfG eröffnete Anfechtungsklage weiter zu verfolgen. Das Verfahren kann dann allerdings vom Insolvenzverwalter weitergeführt werden, der dann im Interesse der Gläubigergesamtheit tätig ist.46

B. England Die englische Rechtsprechung hat sich in mehreren Entscheidungen ausführlich mit den hier behandelten Konkurrenzfragen beschäftigt. In der Entscheidung Trowbridge v. Trowbrdige47 befasste sich Richards J sehr detailliert mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Anspruchsgrundlagen in sec.  37 MCA und sec.  423 IA, die er beide für einschlägig hielt.48 Ohne eine genauere Begründung ging Richards J wie selbstverständlich davon aus, dass beide Anspruchsgrundlagen nebeneinander angewendet werden können.49 Parker J musste sich in der Entscheidung B v. IB mit der Behauptung des Beklagten auseinandersetzen, sec.  10 Inheritance Act verdränge in seinem Anwendungsbereich als lex specialis die allgemeine Regelung der sec.  423 IA.50 Nach einer gründlichen Analyse der vom Beklagten vorgebrachten Entscheidungen und Argumente, kam sie aber zu dem Ergebnis, dass ein solcher Vorrang der sec.  10 Inheritance Act gerade nicht existiere, sondern mit der Entscheidung Trowbridge v. Trowbrdige von einer parallelen Anwendbarkeit beider Vorschriften auszugehen sei.51 Demnach besteht ein echtes Konkurrenzverhältnis zwischen den Anfechtungsmöglichkeiten nach sec.  423 IA, sec.  10 Inheritance Act und sec.  37 MCA, 46 

BGH NJW-RR 2010, 631, 632. Trowbridge v. Trowbridge [2003] Fam. Law 476. 48  Trowbridge v. Trowbridge [2003] Fam. Law 476, Rn.  50 ff. 49  Trowbridge v. Trowbridge [2003] Fam. Law 476, Rn.  51. 50  I v. IB [2013] EWHC 3755 (Fam), Rn.  30. 51  I v. IB [2013] EWHC 3755 (Fam), Rn.  51 ff. 47 

334

Kapitel VI:  Konkurrenzen

mit der Folge, dass sich in der Praxis die jeweils anfechtungsfreund­lichste Regelung durchsetzt.52 Auch vor diesem Hintergrund ist der Vergleich mit dem deutschen und französischen Regelungsmodell besonders interessant.53 Ist allerdings ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten/Erblassers eröffnet worden, was bei sec.  423 Insolvency Act nicht der Fall sein muss,54 geht die Verfügungsbefugnis über dieses Vermögen auf den Insolvenzverwalter über. Dadurch wird das Familiengericht aber daran gehindert, Vermögen des Insolvenzschuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens an dessen Ehegatten zu übertragen.55 Eine an einen Dritten gerichtete Anordnung nach sec.  37 MCA, die dazu führt, dass Verfügungen rückabgewickelt werden und dadurch das beim Insolvenzschuldner vorhandene Vermögen insgesamt vergrößert wird, ist aber wohl trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach wie vor möglich. Allein die anschließende Verteilung des vergrößerten Schuldnervermögens an die Gläubiger, ist durch den Insolvenzverwalter bzw. das Insolvenzgericht vorzunehmen und richtet sich ausschließlich nach dem anwendbaren Insolvenzrecht.56

C. Frankreich Nach herrschender Ansicht besteht zwischen der action en révocation und der action paulienne Anspruchskonkurrenz. Neben dem ausgleichsberechtigten Ehegatten können auch andere Gläubiger gegen den Dritten vorgehen, wenn und soweit die Voraussetzungen der action paulienne erfüllt sind.57 Ob hingegen auch der benachteiligte Ehegatte selbst ein Wahlrecht hat, ob er statt nach Art.  1577 Code civil auch direkt über Art.  1341-2 Code civil und die Grundsätze der action paulienne vorgehen kann, ist unklar.58 Da Art.  1577 Code civil aber einige zusätzliche Voraussetzungen enthält, etwa die Beachtung eines strengen Posterioritätsprinzips, die anderenfalls recht einfach umgangen werden könnten, spricht insgesamt wohl mehr dafür, Art.  1577 Code civil in dieser Hinsicht als abschließende Spezialregelung anzusehen.59 Der Anspruch aus Art.  1577 Code civil kann allerdings nur von dem berechtigten Ehegatten selbst und nicht von anderen Gläubigern des verpflichteten 52 Vgl. Trowbridge v. Trowbridge [2003] Fam. Law 476, Rn.  62 ff.; Sugar/Bojarski, Unlock­ ing matrimonial assets on divorce, S.  172 f. 53  Siehe zu weiteren Konkurrenzfragen bereits oben S. 325. 54  B v. IB [2013] EWHC 3755 (Fam), Rn.  49 f. 55  Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  118 f. 56 Vgl. Ram v. Ram [2004] EWCA Civ 1452, Rn.  29; Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  175. 57  Colomer, Participation aux Acquêts, Rép. dr. civ., Rn.  252; de Juglart in: Mazeaud u. a., Leçons de droit civil, IV 1, Rn.  580. 58 Skeptisch Malaurie/Aynès, Les régimes matrimoniaux, Rn.  869 Fn.  63. 59 Vgl. Cornu JCP G 1970, I, 2368, Rn.  125 f.

Teil 3 – D. Rechtsvergleich

335

Ehegatten geltend gemacht werden. 60 Wird über die action en révocation das Vermögen des Schuldners angereichert, profitiert hiervon zudem auch nur der Ehegatte. Ein eventueller Überschuss, der bei der Versteigerung des übertragenen Gegenstandes erzielt wird, steht dem Dritten zu und nicht den anderen Gläubigern des ausgleichspflichtigen Ehegatten oder diesem selbst. 61 Die action paulienne ist auch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und neben den besonderen insolvenzrechtlichen Anfechtungsmöglichkeiten des Code de commerce anwendbar.62 Sie kann insbesondere dann sinnvoll sein, wenn die Einhaltung der zeitlichen Grenzen der insolvenzrechtlichen Anfechtungstatbestände unklar erscheint oder es sich um einen Fall der fakultativen Nichtigkeit handelt. 63 Auch ein Insolvenzverwalter kann die action paulienne im Namen der Gläubigergemeinschaft geltend machen. 64 In diesem Fall entfaltet eine erfolgreiche action paulienne allerdings, ähnlich wie eine Nichtigkeitsklage, Wirkung für alle Gläubiger und nicht bloß für den klagenden Insolvenzverwalter.65 Hat die Insolvenzanfechtung durch den Insolvenzverwalter Erfolg, gilt die angefochtene Handlung gegenüber jedermann als nichtig. 66 Ein Rechtschutzbedürfnis für eine anschließende action paulienne eines einzelnen Gläubigers besteht aus diesem Grunde dann nicht mehr. 67

D. Rechtsvergleich Die drei untersuchten Rechtsordnungen lösen das Konkurrenzverhältnis familien-/erbrechtlicher Rückholansprüche zu den Rückholmöglichkeiten des Insolvenz- und Anfechtungsrechts unterschiedlich. Im Kern stehen sich ein Aus60  Cornu JCP G 1970, I, 2368, Rn.  127; Colomer, Participation aux Acquêts, Rép. dr. civ., Rn.  251. 61  Ponsard in: Aubry/Rau, Droit civil français, VIII, Rn.  382; Colomer, Régimes Matrimoniaux, Rn.  1299. 62  Cass. com. 8 oct. 1996, D. 1997, jurispr. S.  87; Saint-Alary-Houin/Monsièrié-Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullités de droit et nullitées facultatives, JC Proc. coll., Fasc. 2502, Rn.  19 mwN; ausführlich Pizzio-Delaporte RTD com 1995, 715, 718 ff.; Boillot, Études Viney, 2008, S.  113. 63  Saint-Alary-Houin/Monsièrié-Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullités de droit et nullitées facultatives, JC Proc. coll., Fasc. 2502, Rn.  19 f.; Boillot, Études Viney, 2008, S.  113, 127 ff. 64  Cass. 13 nov. 2001, JCP G 2002, II, 10151; Saint-Alary-Houin/Monsièrié-Bon, Redresse­ ment et liquidation judiciares – Nullités de droit et nullitées facultatives, JC Proc. coll., Fasc. 2502, Rn.  20. 65  Saint-Alary-Houin/Monsièrié-Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullités de droit et nullitées facultatives, JC Proc. coll., Fasc. 2502, Rn.  20; Boillot, Études Viney, 2008, S.  113, 125 ff. 66  Cass. com. 7 avr. 2009, JCP G 2009, doctr. 391, §  17; Saint-Alary-Houin/Monsièrié-­Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullitées de droit. Liberalités, JC Proc. coll., Fasc. 2507, Rn.  32. 67  Saint-Alary-Houin/Monsièrié-Bon, Redressement et liquidation judiciares – Nullités de droit et nullitées facultatives, JC Proc. coll., Fasc. 2502, Rn.  20.

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Kapitel VI:  Konkurrenzen

schlussverhältnis (Deutschland) und ein Anspruchskonkurrenzverhältnis mit der Wahlmöglichkeit für den Berechtigten (England, Frankreich) gegenüber. Nach der in Deutschland herrschenden Ansicht handelt es sich bei den Ansprüchen aus §§  1390, 2287, 2329 BGB um abschließende Sonderregelungen, die eine parallele Anwendung der Vorschriften aus dem AnfG bzw. der Insolvenz­ anfechtung ausschließen. Inwieweit die Sonderstellung dieser Gläubiger berechtigt ist, ist aber fraglich. In England besteht hingegen sowohl zwischen den erbrechtlichen als auch den familienrechtlichen Rückholansprüchen und den insolvenzrechtlichen Anfechtungsrechten, insbesondere nach sec.  423 IA, eine umfassende Anspruchskonkurrenz. 68 Ist allerdings ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet worden, was bei sec.  423 Insolvency Act nicht der Fall sein muss, geht die Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter über. Ein gegen einen Dritten nach sec.  37 MCA oder sec.  10, 11 Inheritance Act eröffnetes Verfahren, das auf eine Vergrößerung der Insolvenzmasse abzielt, ist aber wohl nach wie vor möglich. Auch zur action paulienne besteht in Frankreich mit den familien- und erbrechtlichen Rückholansprüchen grds. Anspruchskonkurrenz. 69 Ob jedoch auch der benachteiligte Ehegatte selbst ein Wahlrecht hat und statt nach Art.  1577 Code civil direkt über die Grundsätze der action paulienne vorgehen kann, ist zweifelhaft.70 Hat der ausgleichsberechtigte Ehegatte über die action en révocation das Vermögen des Schuldners angereichert, profitiert er hiervon ausschließlich selbst.

Zusammenfassung zu Kapitel VI Die Ansprüche eines Vertragserben und eines Pflichtteilsberechtigten treten in Deutschland nach herrschender Ansicht in Konkurrenz zueinander, was zu zum Teil merkwürdig anmutenden Ergebnissen führt. Nach der Rechtsprechung soll der Anspruch aus §  2287 BGB denjenigen aus §  2329 BGB verdrängen, wenn diese Ansprüche bei einem pflichtteilsberechtigten Vertragserben in einer Person zusammenfallen. In England wird das Zusammenspiel von Ansprüchen des Vertragserben und gerichtlichen Anordnungen nach sec.  10, 11 Inheritance Act über sec.  11 (5) Inheritance Act geregelt und der Erbvertrag entsprechend an die gerichtlichen Anordnungen angepasst. Auch in Frankreich bestehen die Ansprüche der Vertrags- und Noterben nebeneinander, soweit

68 

Siehe oben S. 333 f. Siehe oben S. 334. 70  Siehe oben S. 334. 69 

Zusammenfassung zu Kapitel VI

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nicht die institution contractuelle selbst zum Gegenstand einer action en réduction der Noterben gemacht werden kann. Auch zwischen familienrechtlichen und erbrechtlichen Rückholansprüchen besteht Anspruchskonkurrenz. Sie treten etwa dann nebeneinander auf, wenn der Güterstand durch den Tod eines Ehegatten beendet wird. Im deutschen Recht kann der überlebende Ehegatte in einem solchen Fall zwischen einer ­g üterrechtlichen und einer erbrechtlichen Auflösung des Güterstandes wählen. Nur bei der güterrechtlichen Lösung stehen ihm aber sowohl erb- als auch familienrechtliche Rückholansprüche zur Verfügung, während er bei der erb­ rechtlichen Lösung auf die erbrechtlichen Rückholansprüche beschränkt bleibt. Im Ergebnis wird dadurch die erbrechtliche Lösung, die den überlebenden Ehegatten von dem Erfordernis, einen Zugewinn des verstorbenen Ehegatten nachweisen zu müssen, befreien sollte, in vielen Konstellationen entwertet. In England endet das Verfahren auf financial relief mit dem Tode des beklagten Ehegatten und der ausgleichsberechtigte Ehegatte muss seinen Antrag gegen den beschenkten Dritten statt auf sec.  37 MCA nunmehr auf sec.  10, 11 Inheritance Act stützen. Nach französischem Recht besteht hingegen wiederum Anspruchskonkurrenz, wobei der Ausgleichsanspruch des berechtigten Ehepartners vorrangig vor den Noterben zu befriedigen ist. Die familien- und erbrechtlichen Rückholansprüche gelten in Deutschland als leges speciales, die einen Rückgriff insbesondere auf die Vorschriften des AnfG ausschließen. Hierdurch wird verhindert, dass die teilweise strengeren Voraussetzungen dieser Rückholansprüche durch die allgemeinen Regelungen des Vollstreckungsrechts unterlaufen werden. In England und Frankreich herrscht dagegen Anspruchskonkurrenz insbesondere zur action paulienne bzw. zum Anspruch aus sec.  423 IA. Im Ergebnis setzt sich daher dort das jeweils anfechtungsfreundlichere Recht durch. Insgesamt zeigt der Rechtsvergleich, dass es Konkurrenzsituationen zwischen den einzelnen Rückholansprüchen geben kann, die zum einen nicht befriedigend gelöst werden, zum andern sich aber vor allem den Unterschieden verdanken, die die Rechtsordnungen zwischen diesen Ansprüchen vorsehen, ohne dass überzeugende Gründe für diese Unterschiede bestehen. Gerade die Konkurrenzprobleme drängen daher auch zu einer Vereinheitlichung der Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen der Rückholansprüche.

Kapitel VII

Grenzüberschreitende Sachverhalte Schwierige Probleme treten auf, wenn die rein nationale Perspektive verlassen wird und der streitige Sachverhalt einen grenzüberschreitenden Bezug aufweist. Die Rückholansprüche liegen in einem Grenzbereich zwischen dem allgemeinen Schuldrecht und der jeweiligen Spezialmaterie (Güterrecht, Erbrecht, Insolvenzrecht, Zwangsvollstreckungsrecht). Der Anspruchsgegner ist ein außenstehender Dritter, der mit dem erb-, familien-, insolvenz- oder einzelvollstreckungsrechtlichen Geschehen grds. nichts zu tun hat. Er ist vom Eigentümer beschenkt worden oder hat den streitgegenständlichen Vermögenswert sogar entgeltlich erworben. Die Berechtigung des Anspruchstellers leitet sich andererseits gerade und ausschließlich aus familien-, erb- bzw. vollstreckungsrechtlichen Besonderheiten ab. Eine irgendwie geartete vertragliche oder außervertragliche Rechtsbeziehung zwischen Anspruchsteller und Anspruchsgegner besteht nämlich grds. nicht. Die einzige Verbindung zwischen beiden liegt darin, dass der Anspruchsgegner einen Gegenstand erworben hat, der aus einer zugunsten des Anspruchstellers geschützten Vermögensmasse stammt. Bei der Einordnung im Rahmen des Kollisionsrechts kommt es somit entscheidend darauf an, ob stärker der Anspruchsteller oder der Anspruchsgegner in den Blick genommen wird. Von besonderer Bedeutung ist dabei aber auch die Position des Verfügungsempfängers. War für ihn die spätere Angreifbarkeit der Vermögensübertragung in keiner Weise vorhersehbar, kann eine vollständige Rückabwicklung, die möglicherweise erst Jahrzehnte nach Abschluss der angegriffenen Vermögensübertragung stattfindet, für ihn eine große Härte bedeuten. Im internationalen Rechtsverkehr kommt u. U. noch die Schwierigkeit hinzu, dass die Verfügung nach dem Recht, das zum Zeitpunkt ihrer Vornahme auf sie anwendbar war, auch nachträglich nicht hätte angegriffen werden können, dass aber ein später stattfindender sog. Statutenwechsel gleichwohl Rückholansprüche begründet. Die Vorhersehbarkeit solcher Ansprüche und damit auch eine entsprechende Vorsorge durch den Verfügungsempfänger ist praktisch kaum möglich. Wie in diesem Kapitel veranschaulicht wird, führt die Vielzahl einschlägiger europäischer Rechtsakte zudem zu einem komplizierten Zusammenspiel sowohl dieser Rechtsakte untereinander als auch im Verhältnis zu den verschiedenen autonomen Regelungen der Mitgliedstaaten.

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Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

Teil 1: Internationales Erbrecht Im Folgenden ist für Deutschland und Frankreich zunächst noch die Rechtslage vor dem Inkrafttreten der EuErbVO (17. August 2015) darzustellen, da die alte Rechtslage die Gerichte noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte für Erbfälle und Testamente aus der Zeit vor diesem Termin beschäftigen wird. Auch erklären sich manche Regeln der EuErbVO aus ihr. Für England gilt die EuErbVO dagegen nicht. Hier ist die Rechtslage unverändert geblieben. Sie wird daher im Anschluss an die Darstellung der Neuregelung durch die EuErbVO untersucht.

A. Die Rechtslage vor Geltung der EuErbVO I. Die deutsche Perspektive 1. Internationale Zuständigkeit Die erbrechtlichen Rückholansprüche liegen im Grenzbereich des Erbrechts. Insbesondere der Umstand, dass der Anspruchsgegner bei §  2287 und §  2329 BGB ein Beschenkter Dritter ist, der mit dem Erbfall grds. nichts weiter zu tun hat, lässt es fraglich erscheinen, ob ein Rückgriff auf die besonderen erbrechtlichen Gerichtsstände gerechtfertigt ist. Der Anspruch aus §  2287 BGB fällt zudem nach herrschender Meinung nicht in den Nachlass, sondern gehört zum persönlichen Vermögen des Vertragserben.1 Nach der zum deutschen Recht bisher ganz herrschenden Ansicht fand der besondere erbrechtliche Gerichtsstand in §  27 ZPO allerdings – auch im Hinblick auf die internationale Zuständigkeit – zumindest für den Anspruch aus §  2329 BGB uneingeschränkt Anwendung.2 Dieses Ergebnis wurde von der einschlägigen Kommentarliteratur als so selbstverständlich angesehen, dass es nicht einmal mehr einer Begründung bedurfte.3 Ein entscheidender Unterschied zur heutigen Rechtslage unter Geltung der EuErbVO liegt allerdings darin, dass es sich bei §  27 ZPO nur um einen besonderen, zusätzlichen Gerichtsstand handelt, die Gerichtsstände nach der EuErbVO hingegen jeweils ausschließlich sind. Eine Anwendung der Brüssel Ia-VO scheiterte hingegen an dem Ausschluss des Erbrechts in Art.  1 Abs.  2 lit.  f ) Brüssel Ia-VO.4 Für den Anspruch aus §  2287 BGB kann Gleiches hingegen nicht gelten. Von seinem Anspruchsziel und Inhalt her passt er unter keine der in §  27 ZPO er1 

Muscheler FamRZ 1994, 1361; Geiger in: jurisPK-BGB, §  2287 BGB Rn.  5 jeweils mwN. §  27 Rn.  11; Musielak/Voit/Heinrich §  27 ZPO Rn.  8; Vorwerk/ Wolf/Toussaint §  27 ZPO Rn.  2. 3 MüKoZPO/Patzina §  27 ZPO Rn.  11; Musielak/Voit/Heinrich §  27 ZPO Rn.  8; Vorwerk/­ Wolf/Toussaint §  27 ZPO Rn.  2. 4 Vgl. Kropholler/v. Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art.  1 EuGVO Rn.  28; Rogerson in: Magnus/Mankowski (Hrsg.), Brussels Ibis Regulation, Art.  1 Rn.  54. 2 MüKoZPO/Patzina

Teil 1 – A. Die Rechtslage vor Geltung der EuErbVO

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wähnten Fallgruppen.5 Die herrschende Ansicht fasste ihn daher auch nicht unter §  27 ZPO, sondern hielt insoweit lediglich die allgemeinen Gerichtsstände der ZPO für einschlägig. Auch hier erschien das Ergebnis wiederum als so eindeutig, dass eine weitere Argumentation nicht als erforderlich angesehen wurde. 6 Auch eine Anwendung der Brüssel Ia-VO wird nicht erörtert. Da aber der Anspruch bei §  2287 BGB auf einem stark durch Besonderheiten des Erbrechts geprägten Erbvertrag beruht, ist es wohl tatsächlich näherliegend, eine Anwendbarkeit der Brüssel Ia-VO mit Blick auf Art.  1 Abs.  2 lit.  f) Brüssel ­Ia-VO zu verneinen. Für den Anspruch aus §  2287 BGB stand folglich allein der allgemeine Gerichtsstand nach §§  12 ff. ZPO am Wohnsitz des beklagten Dritten offen. Ob der Anspruch aus §  2287 BGB über §  27 ZPO gleichwohl am letzten Wohnsitz des Erblassers geltend gemacht werden könnte, wenn dort auch eine Klage aus §  2329 BGB anhängig gemacht wird, ist fraglich. Die Annahme eines solchen forum attractivitatis könnte, entsprechend der Rechtsprechung des BGH zu §  32 ZPO,7 durchaus in Betracht kommen. Da die Ansprüche aus §  2329 BGB und §  2287 BGB immer dann zusammen auftreten, wenn der Vertragserbe auch pflichtteils(ergänzungs)berechtigt ist, erscheint eine Aufspaltung im Zuständigkeitsrecht wenig sinnvoll und würde auch zu zahlreichen Folgepro­ blemen führen. 8 Durch die vorrangige Anwendbarkeit der EuErbVO seit dem 17. August 2015 ist diese Frage allerdings nur noch für Altfälle relevant.9 2. Anwendbares Recht Das anwendbare Recht bestimmte sich in Deutschland vor Inkrafttreten der EuErbVO gem. Art.  25 EGBGB einheitlich nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers.10 Zudem bestand die Möglichkeit, gem. Art.  25 Abs.  2 EGBGB für in Deutschland belegenes unbewegliches Vermögen deutsches Recht zu wählen. Von großer praktischer Bedeutung war allerdings auch, dass Art.  3a Abs.  2 EGBGB11 in der Rechtsprechung und im deutschen Schrifttum bisher so ausge5  §  27 ZPO erwähnt „Klagen, welche die Feststellung des Erbrechts, Ansprüche des Erben gegen einen Erbschaftsbesitzer, Ansprüche aus Vermächtnissen oder sonstigen Verfügungen von Todes wegen, Pflichtteilsansprüche oder die Teilung der Erbschaft zum Gegenstand haben“. Nicht genannt werden hingegen Klagen eines Vertragserben gegen beschenkte Dritte. 6  Auf eine mögliche Anwendung von §  27 ZPO im Rahmen eines Anspruches aus §  2 287 BGB wird weder in den Kommentaren zu §  27 ZPO noch in den Kommentaren zu §  2287 BGB überhaupt auch nur eingegangen. 7  Vgl. BGH NJW 2003, 828, 830; dazu Kiethe NJW 2003, 1294; a. A. MüKoZPO/­Patzina §  32 ZPO Rn.  19. 8  Vgl hierzu auch unten S. 345 ff. 9  Vgl. zum zeitlichen Anwendungsbereich Art.  83 EuErbVO. 10  Siehe MüKoBGB/Dutta Art.  25 EGBGB Rn.  7 ff. 11  Art.  3a Abs.  2 EGBGB bestimmt: „Soweit Verweisungen im Dritten und Vierten Abschnitt das Vermögen einer Person dem Recht eines Staates unterstellen, beziehen sie sich

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Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

legt wurde, dass eine von der lex rei sitae für unbewegliches Vermögen angeordnete Nachlassspaltung vom deutschen Erbstatut akzeptiert wurde und somit für das unbewegliche Vermögen das Belegenheitsrecht zur Anwendung kam.12 Besaß also etwa ein deutscher Erblasser auch Grundstücke in Frankreich und England, fand über Art.  25 EGBGB auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen zwar grundsätzlich deutsches Recht Anwendung, für die Rechtsnachfolge hinsichtlich des englischen Grundstücks galt jedoch englisches Recht13 und für die Rechtsnachfolge in das französische Grundstück französisches.14 Ein sehr probates Mittel, um Pflichtteilsansprüche zu umgehen, war daher der Erwerb von unbeweglichem Vermögen, das in einem Land belegen war, das keinen Pflichtteil kennt oder dessen Pflichtteilsergänzungsrecht sehr eingeschränkt ist und das dafür aber eine Nachlassspaltung vornimmt.15 Der Wert des im Ausland belegenen Grundvermögens wird dann zur Berechnung des Pflichtteilsanspruchs nach deutschem Recht nicht hinzugezogen, so dass dieser Anspruch entsprechend niedriger ausfällt.16 II. Die französische Perspektive 1. Internationale Zuständigkeit Vor Inkrafttreten der EuErbVO ergab sich die internationale Zuständigkeit für Klagen der Noterben, wie bspw. eine action en réduction, ebenfalls nicht aus der EuGVO, sondern war dem autonomen französischen Recht zu entnehmen.17 Für die Zuständigkeitsregelung musste dabei zwischen Klagen und Anträgen, die sich auf bewegliche Nachlassgegenstände bezogen, und solchen, die hinsichtlich unbeweglicher Vermögensgegenstände geltend gemacht wurden, differenziert werden.18 Für Erbstreitigkeiten in Zusammenhang mit beweglichen nicht auf Gegenstände, die sich nicht in diesem Staat befinden und nach dem Recht des Staates, in dem sie sich befinden, besonderen Vorschriften unterliegen.“ 12  Müller-Lukoschek, Die neue EU-Erbrechtsverordnung, S.   223 ff.; Everts ZEV 2013, 124, 125. 13 Im englischen Kollisionsrecht gilt das Prinzip der Nachlassspaltung, siehe Dicey/ Morris/­­Collins, The Conflict of Laws, Bd. 2, Rn.  27-011 ff. 14 Auch das französische Kollisionsrecht folgt dem Prinzip der Nachlassspaltung, s. ­Döbereiner, Erbrecht in Frankreich, in: Süß (Hrsg.), Erbrecht in Europa, Rn.  1. 15  Siehe hierzu Müller-Lukoschek, Die neue EU-Erbrechtsverordnung, S.   223 ff.; Everts ZEV 2013, 124, 125; die prominentesten Beispiele sind hier insbesondere die Länder des Common Law (England, zahlreiche US-Staaten, Australien, Kanada). 16 BGH NJW 1993, 1920 (1921); OLG Celle FamRZ 2003, 1876 (1877 f.); Everts ZEV 2013, 124; Klingelhöffer ZEV 1996, 258, 259 f.; Gruber ZEV 2001, 463, 464; Jülicher ZEV 1999, 466; s. a. Bestelmeyer ZEV 2004, 359; zum französischen Recht siehe Audit, Droit international privé, Rn.  894. 17  Droz/Revillard, Libéralités – Donations, JC Droit int., Fasc. 557-30, Rn.  151 ff., 160. 18  Droz/Revillard, Successions – Conflit de jurisdictions, JC Droit int., Fasc. 557-15, Rn.  1; Mayer/Heuzé, Droit international privé, Rn.  800.

Teil 1 – A. Die Rechtslage vor Geltung der EuErbVO

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Nachlassgegenständen waren nach Art.  45 CPC19 i. V. m. Art.  720 Code civil 20 grds. die Gerichte am letzten gewöhnlichen Aufenthalt (domicile) des Erblassers zuständig.21 In einer erstaunlichen Parallele zum deutschen Recht wurde dabei von den Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit auf eine internationale Zuständigkeit französischer Gerichte geschlossen.22 Als Erbstreitigkeiten in diesem Sinne galten grds. auch eine action en réduction eines Noterben oder eines institué.23 Für unbewegliche Nachlassgegenstände ergab sich die Zuständigkeit französischer Gerichte hingegen dann, wenn diese Gegenstände in Frankreich belegen waren (vgl. auch Art.  44 CPC).24 Der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers war in diesem Fall irrelevant.25 Eine weitere Besonderheit folgt aus Artt.  14, 15 Code civil.26 Aus diesen Vorschriften ergibt sich nach herrschender Ansicht eine besondere internationale Zuständigkeit, die sich auf die französische Staatsbürgerschaft einer der Verfahrensparteien stützt.27 Artt.  14, 15 Code civil galten auch für erbrechtliche Streitigkeiten, allerdings nur solange es dabei um bewegliches Vermögen ging.28 Demnach genügt es bspw., dass ein Noterbe als Antragsteller/Kläger die französische Staatsbürgerschaft besitzt, um eine Zuständigkeit in Frankreich zu begründen. Auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers kommt es hingegen nicht an.29 Die Folge dieser Unterteilung war, dass es oft auch im Zuständigkeitsrecht zu einer Nachlassspaltung kam. Für den gesamten Nachlass zuständig waren französische Gerichte nur, wenn sich sowohl das gesamte unbewegliche Vermögen 19  Art.  45 CPC lautet: „En matière de succession, sont portées devant la juridiction dans le ressort de laquelle est ouverte la succession jusqu’au partage inclusivement: – les demandes entre héritiers; – les demandes formées par les créanciers du défunt; – les demandes relatives à l’exécution des dispositions à cause de mort.“ 20  Art.  720 Code civil bestimmt: „Les successions s’ouvrent par la mort, au dernier domicile du défunt.“ 21  Cadiet/Jeuland, Droit judiciaire privé, Rn.  184. 22  Siehe hierzu ausführlich Huet, Competénce des tribunaux francais à l’égard des litiges internationaux – Compétence internationale ordinaire, JC Droit int., Fasc. 581-20, Rn.  5 ff. 23  Siehe CA Paris, 6 nov. 1967, Rev. crit. DIP 1968, S.  503 sowie Droz/Revillard, Libéral­tés – Donations, JC Droit int., Fasc. 557-30, Rn.  151 f. 24  Cass. civ., 14 mars 1961, Rev. crit. DIP 1961, S.  7 74; Droz/Revillard, Libéralités – Dona­ tions, JC Droit int., Fasc. 557-30, Rn.  153 mwN. 25  Droz/Revillard, Successions – Conflit de jurisdictions, JC Droit int., Fasc. 557-15, Rn.  21. 26 Art.   14 Code civil bestimmt: „L’étranger, même non résidant en France, pourra être cité devant les tribunaux français, pour l’exécution des obligations par lui contractées en France avec un Français; il pourra être traduit devant les tribunaux de France, pour les obligations par lui contractées en pays étranger envers des Français“. Art.  15 Code civil lautet: „Un Français pourra être traduit devant un tribunal de France, pour des obligations par lui contractées en pays étranger, même avec un étranger.“ 27 Ausführlich Huet, Compétence „privilégiée“ des Tribunaux français ou compétence fondée sur la nationalité française de l’une des parties, JC Droit int., Fasc. 581-30. 28  Droz/Revillard, Successions – Conflit de jurisdictions, JC Droit int., Fasc. 557-15, Rn.  26. 29  Droz/Revillard, Successions – Conflit de jurisdictions, JC Droit int., Fasc. 557-15, Rn.  28.

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Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

als auch der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers in Frankreich befand. Hatte hingegen ein in Frankreich lebender Erblasser auch Grundvermögen in Deutsch­land, waren für die Beurteilung der Erbfolge in das deutsche Grundstück und andere erbrechtliche Fragen in diesem Zusammenhang ausschließlich deutsche Gerichte zuständig.30 Artt.  14, 15 Code civil sind für unbewegliche Nachlassgegenstände nicht anwendbar, so dass eine Zuständigkeit französischer Gerichte auch nicht durch eine französische Staatsbürgerschaft des Antragstellers begründet werden konnte.31 2. Anwendbares Recht In einer bewussten Parallele zum Zuständigkeitsrecht unterschied auch das französische Internationale Privatrecht bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts zwischen beweglichen und unbeweglichen Vermögensgegenständen. Für bewegliches Vermögen wurde das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes des Erblassers zur Anwendung berufen,32 für unbewegliches Vermögen hingegen die jeweilige lex rei sitae.33 Diese Grundregel des französischen internationalen Erbrechts galt dabei wiederum auch für Herabsetzungsklagen von Notererben oder instituées.34 Auch hinsichtlich des anwendbaren Rechts kam es daher häufig zu einer Nachlassspaltung, mit der Folge, dass verschiedene Bestandteile eines einheitlichen Nachlasses unterschiedlichen Rechtsordnungen unterfielen. Rechtswahlmöglichkeiten waren im französischen Recht hingegen nicht vorgesehen.35

B. Die Rechtslage nach der EuErbVO36 I. Anwendungsbereich der EuErbVO

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Art.  23 Abs.  2 lit.  i) EuErbVO bestimmt, dass „die Ausgleichung und Anrechnung unentgeltlicher Zuwendungen bei der Bestimmung der Anteile der einzel30  Zur im Ergebnis wohl zu verneinenden Frage, ob bei einer französischen Staatsbürgerschaft des Erblassers eine Rückverweisung des deutschen Belegenheitsrechts auf das französische Recht Einfluss auf die Zuständigkeit französischer Gerichte hätte, s. Droz/Revillard, Successions – Conflit de jurisdictions, JC Droit int., Fasc. 557-15, Rn.  25. 31  Cass. civ., 17 nov. 1980, JDI 1982, S.  927; Droz/Revillard, Successions – Conflit de juris­ dictions, JC Droit int., Fasc. 557-15, Rn.  30 ff.; Mayer/Heuzé, Droit international privé, Rn.  801. 32  Droz/Revillard, Successions – Conflits de lois, JC Droit int., Fasc. 557-10, Rn.   19 ff. mwN; Mayer/Heuzé, Droit international privé, Rn.  802 ff.; Audit, Droit international privé, Rn.  889. 33  Droz/Revillard, Successions – Conflits de lois, JC Droit int., Fasc. 557-10, Rn.   14 ff. mwN; Audit, Droit international privé, Rn.  887 f. 34  Droz/Revillard, Libéralités – Donations, JC Droit int., Fasc. 557-30, Rn.  71 mwN. 35 Vgl. Droz/Revillard, Successions – Conflits de lois, JC Droit int., Fasc. 557-10, Rn.  69; Audit, Droit international privé, Rn.  891. 36  Dieser Abschnitt wurde auch in abgewandelter Form in der Kommentierung R. Mag-

Teil 1 – B. Die Rechtslage nach der EuErbVO

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nen Berechtigten“ dem Erbstatut unterliegt. Pflichtteilsergänzungsansprüche fallen daher zumindest insoweit unproblematisch unter das Erbstatut, als sie sich, wie bspw. §  2325 BGB, auf eine Ausgleichung von Schenkungen im Innenverhältnis zwischen den am Nachlass Berechtigten beschränken.37 Umstritten ist die Rechtslage hingegen, wenn Pflichtteilsergänzungsansprüche, wie §  2329 BGB, oder Ausgleichungsansprüche der Erben, in Deutschland für den Vertragserben §  2287 BGB, das Innenverhältnis der Berechtigten verlassen und eine Inanspruchnahme nachlassfremder Dritter ermöglichen, es sich also um echte Rückholansprüche handelt. Lorenz vertritt die Ansicht, solche Ansprüche fielen nicht mehr in den Anwendungsbereich der EuErbVO.38 Für seine Auffassung stützt er sich maßgeblich auf den Wortlaut des Art.  23 Abs.  2 lit.  i) EuErbVO und den Erwägungsgrund 14, der in der deutschen Fassung das Erbstatut für die Frage der Ausgleichung und Anrechnung unentgeltlicher Zuwendungen nur „für die Zwecke der Bestimmung der Anteile der Berechtigten“ beruft. Ansonsten greife der Ausschluss durch Art.  1 Abs.  2 lit.  g) EuErbVO. Gegen eine solche Auslegung lässt sich zum einem die Gesetzgebungsgeschichte anführen. Die Rückholansprüche hatten bei den Verhandlungen insbesondere mit Großbritannien und Irland erheblichen Konfliktstoff geboten.39 Die britische Regierung befürchtete, im Falle einer Teilnahme an der EuErbVO kontinentaleuropäische Rückholansprüche anerkennen zu müssen, die in einem erheblichen Umfange eine Rückabwicklung von in England vorgenommenen Schenkungen unter Lebenden ermöglichen würden.40 Die polnische Ratspräsidentschaft hatte deshalb als Vermittlungsversuch vorgeschlagen, für die Rückholansprüche eine Sonderregelung zu schaffen, die das zum Zeitpunkt der Schenkung geltende Erbstatut für maßgeblich erklären würde, war hiermit aber im Ergebnis ohne Erfolg geblieben.41 Ganz unstreitig waren alle Parteien wäh­ nus, Internationales Schenkungsrecht in: Dutta/Weber (Hrsg.), Internationales Erbrecht verwendet. 37  So auch Lorenz in: Dutta/Herrler (Hrsg.), Die Europäische Erbrechtsverordnung, S.  113, 117. 38  Lorenz in: Dutta/Herrler (Hrsg.), Die Europäische Erbrechtsverordnung, S.  113, 117 f.; ebenso J.P. Schmidt in: Dutta/Weber (Hrsg.), Internationales Erbrecht, Art.  23 EuErbVO Rn.  123 ff. 39  Siehe hierzu unten S. 356. 40  Siehe hierzu unten S. 356. 41 Siehe Geimer in: Hager (Hrsg.), Die neue europäische Erbrechtsverordnung, S.  9, 29; Bonomi in: Bonomi/Wautelet (Hrsg.), Le droit européen des successions, Art.  23 Rn.  98. Die Idee einer entsprechenden Sonderregelung fand sich zuvor auch bereits in der Stellungnahme des Hamburger Max-Planck-Instituts zum Kommissionsvorschlag, siehe Max Planck Institute RabelsZ 74 (2010), 522, 629 ff. Dort wurde die Schaffung eines Art.  19a (Restitution of gifts from the donee) vorgeschlagen; siehe auch den gleichen Vorschlag bei Dutta RabelsZ 73 (2009), 547, 582 f. Auch die sog. Lechner-Kommission sah in verschiedenen Entwürfen noch Sonderregelungen für das Rückholproblem zumindest im Zusammenhang mit den Übergangsvorschriften vor, s. R. Magnus in: Europäische Kommission (Hrsg.), Stellungnahme zum Vorschlag für eine Europäische Erbrechtsverordnung, S.  21, 24 u. 28 f.

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Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

rend der Verhandlungen davon ausgegangen, dass Rückholansprüche in den An­wendungsbereich der (künftigen) EuErbVO fallen würden. Auch stützte Großbritannien schließlich seine Ablehnung, an der EuErbVO teilzunehmen, ganz maßgeblich auf die Besorgnis, kontinentaleuropäische Rückholansprüche anerkennen zu müssen. Zudem spricht auch der Wortlaut der englischen und der französischen Sprach­ fassung für eine solche Auslegung. In der französischen Fassung des Art.  23 Abs.  2 lit.  i) EuErbVO ist etwa von „le rapport et la réduction des libéralités“ die Rede. Der Begriff „rapport“ bezieht sich dabei auf die in Art.  843 ff. Code civil vorgesehene Anrechnung von Schenkungen zwischen mehreren Berechtigten, während der Begriff „réduction“ auf die in Art.  918 ff. Code civil geregelte action en réduction verweist. Letztere ist aber ein echter Rückholanspruch und ermöglicht auch und gerade die Inanspruchnahme außenstehender Dritter.42 In der französischsprachigen Literatur ist es deshalb unstreitig, dass auch eine action en réduction, die sich gegen einen außenstehenden Dritten richtet, in den Anwendungsbereich der EuErbVO fällt.43 In der englischen Sprachfassung lautet die fragliche Stelle in Art.  23 Abs.  2 lit.  i) EuErbVO „any obligation to restore or account for gifts“. Das Wort „restore“ verweist dabei ebenfalls recht eindeutig auf die Rückabwicklungsmöglichkeit im Rahmen eines Rückholanspruchs. Der unglückliche Wortlaut der deutschen Fassung erklärt sich durch die im deutschen Recht fehlende terminologische Unterscheidung von einerseits Anrechnungsund Pflichtteilsergänzungsmöglichkeiten gegenüber Mitberechtigten und andererseits erbrechtlichen Rückholansprüchen gegenüber Dritten (§   2329 BGB, §  2287 BGB). Zur Abgrenzung wurde daher neben dem Begriff der „Anrechnung“ der missverständliche Begriff der „Ausgleichung“ gewählt. Auch der Verweis auf die wortlautgleiche Vorschrift in Art.  7 Abs.  2 lit.  c) der Haager Erbrechtskonvention führt zu keinem anderen Ergebnis. In den allein authentischen englischen und französischen Sprachfassungen ist nämlich wiederum von „restore“ und „réduction“ die Rede. Allein der Umstand, dass der begleitende Bericht von Waters Rückholansprüche gegenüber Dritten nicht explizit erwähnt,44 lässt keinen gegenteiligen Schluss zu.45 Zu Recht geht daher auch die überwiegende Ansicht in der deutschen Literatur davon aus, dass Rückholansprüche von der EuErbVO erfasst werden.46 42 

Siehe hierzu Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  6 46 ff., 880 ff. Bonomi in: Bonomi/Wautelet (Hrsg.), Le droit européen des successions, Art.  23 Rn.  98; Revillard in: Khairallah/Revillard (Hrsg.), Droit européen des successions internationales, S.  67, 77 f.; Revillard, Règlement (UE) N° 650/2012 du Parlement Européen et du Conseil du 4 Juillet 2012, JC Dr. int., Fasc. 557-50, Rn.  81; Lagarde Rev. crit. DIP 101 (2012), 691, 708 (Rn.  19). 44  Waters, Explanatory Report – Convention on the law applicable to the succession to the estates of deceased persons (1989), S.  515, 567 (Rn.  78). 45  So auch Max Planck Institute RabelsZ 74 (2010), 522, 631; Dutta RabelsZ 73 (2009), 547, 583. 46 MüKoBGB/Dutta Art.   1 EuErbVO Rn.  23, Art.  23 EuErbVO Rn.  30; Herzog ErbR 43 

Teil 1 – B. Die Rechtslage nach der EuErbVO

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Dies gilt jedenfalls für die Rückholansprüche der pflichtteilsberechtigten ­Erben (§  2329 BGB, action en réduction Art.  918 ff. Code civil, sec.  10–12 In­ heritance Act). Die Einordnung von Rückholansprüchen eines Vertragserben (§  2287 BGB, Art.  1083 Code civil) wurde hingegen bisher wenig diskutiert.47 Richtigerweise sind auch sie erbrechtlich zu qualifizieren, da sich die Anspruchsberechtigung aus einem originär erbrechtlichen Rechtsgeschäft – dem Abschluss eines Erbvertrages – ableitet und der Rückholanspruch erst beim Tod des Erblassers entsteht.48 II. Internationale Zuständigkeit 1. Allgemeines Zentraler Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit im Rahmen der EuErbVO ist der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers. Nach Art.  4 EuErbVO sind die dort ansässigen Gerichte grds. ausschließlich zuständig. Problematisch ist dabei, dass der Beklagtenwohnsitz keine Rolle spielt und der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers für den später Beklagten in dem Zeitpunkt, in dem die streitgegenständliche Handlung vorgenommen wird, kaum vorhersehbar ist. Das bspw. aus der Brüssel Ia-VO bekannte Prinzip actor sequitur forum rei 49 wird dadurch praktisch auf den Kopf gestellt. Zur Veranschaulichung soll folgendes Beispiel dienen:50 Der deutsche Unternehmer E schenkt nach einem für ihn sehr gut verlaufenen Geschäftsjahr 1990 der Universität Heidelberg ein zentral in Heidelberg belegenes Grundstück. Für seinen Ruhestand zieht E im Jahre 2015 an die Côte d’Azur in Südfrankreich, wo er einige Zeit später verstirbt. Da das Vermögen des E im Todeszeitpunkt weitgehend aufgebraucht war, machen seine erbberechtigten Kinder gegen die Universität Heidelberg eine auf Rückgabe des geschenkten Grundstücks, hilfsweise auf Wertersatz gerichtete action en réduction geltend.

Gemäß Art.  4 EuErbVO sind die französischen Gerichte am letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort des E international zuständig. Selbst wenn das zuständige Gericht über die Ausweichklausel in Art.  21 Abs.  2 EuErbVO zu einer Anwen2013, 2 (3); Dutta FamRZ 2013, 4, 5; Janzen DNotZ 2012, 484, 487; Geimer in: Hager (Hrsg.), Die neue europäische Erbrechtsverordnung, S.  9, 29 (Fn.  82); Müller-Lukoschek, Die neue EU-Erbrechtsverordnung, S.  78; vgl. auch Max Planck Institute RabelsZ 74 (2010), 522, 631; Dutta RabelsZ 73 (2009), 547, 583. 47  Eine Ausnahme in dieser Hinsicht bilden MüKoBGB/Dutta EuErbVO Art.  1 Rn.  23; Geiger in: jurisPK-BGB §  2287 Rn.  7, der sich für eine Anwendung der EuErbVO ausspricht, sich hierfür aber etwas unklar auf Erwägungsgrund 7 stützt. 48 MüKoBGB/Dutta EuErbVO Art.  1 Rn.  23. Im Ergebnis ebenso Geiger in: jurisPK-­BGB §  2287 Rn.  7. 49  Vlas in: Magnus/Mankowski (Hrsg.), Brussels Ibis Regulation, Art.  4 Rn.  3. 50  Beispiel nach R. Magnus in: Dutta/Weber (Hrsg.), Internationales Erbrecht, Int. Schen­ kungsrecht Rn.  57.

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Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

dung deutschen Rechts gelangen würde, fehlt es doch im Zuständigkeitsrecht an einer vergleichbaren Ausweichmöglichkeit und die ausschließliche Zuständigkeit französischer Gerichte würde hierdurch unberührt bleiben. Jeder Beschenk­ te muss daher theoretisch damit rechnen, dass er u. U. viele Jahre nach Vornahme der Schenkung in irgendeinem Mitgliedstaat der EuErbVO auf Rückgabe des Geschenks verklagt wird. Das Ergebnis ist eine erhebliche Rechtsunsicherheit und Instabilität unentgeltlicher Zuwendungen. Da Art.  1 Abs.  2 lit.  g) EuErbVO auf Art.  23 Abs.  2 lit.  i) EuErbVO verweist und dieser ausdrücklich nur den Umfang des Erbstatuts regelt, könnte argumentiert werden, dass die Einbeziehung der Rückholansprüche in den Anwendungsbereich der EuErbVO nur das anwendbare Recht erfasse, während es im Hinblick auf die Zuständigkeit beim allgemeinen Ausschluss lebzeitiger Vermögensübertragungen nach Art.  1 Abs.  2 lit.  g) bleibe. Der Ausschluss würde dann allerdings auch die Zuständigkeit für Ausgleichungsansprüche zwischen den Erb- und Pflichtteilsberechtigten untereinander erfassen, was nicht sachgerecht erscheint. 2. Gerichtsstandsvereinbarungen Ein weiteres Problem ergibt sich bei einer leichten Abwandlung des obigen Beispiels: Der Unternehmer E zieht im Anschluss an die Schenkung zugunsten der Universität Heidelberg nicht nach Frankreich, sondern verbringt auch seinen Lebensabend in der schönen Kurpfalz. Da E neben der deutschen auch die französische Staatsbürgerschaft besitzt, trifft er im Jahre 2016 eine gem. Art.  22 EuErbVO wirksame Rechtswahl zugun­ sten des französischen Erbrechts.

Diese Rechtswahl eröffnet den erbberechtigten Kindern des E nunmehr unter Umständen die Möglichkeit, mittels einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art.  5 EuErbVO eine ausschließliche Zuständigkeit französischer Gerichte zu begründen und vor diesen dann anschließend die Rückabwicklung der Schenkung an die Universität Heidelberg zu verlangen. Entscheidend hierfür ist der Begriff der „betroffenen Parteien“ im Sinne des Art.  5 EuErbVO. In dem zugehörigen Erwägungsgrund 28 ist von den „von dem Nachlass betroffenen Parteien“ und den Rechten „der anderen Parteien am Nachlass“ die Rede, was eher gegen eine Einbeziehung nachlassfremder Dritter in den Parteienbegriff zu sprechen scheint. Andererseits kann Erwägungsgrund 28 aber auch entnommen werden, dass der Parteibegriff relativ, d. h. an der jeweiligen Verfahrensart und dem jeweiligen Klagebegehren orientiert, zu verstehen ist. Legt man einen solchen relativen Begriff zu Grunde, lassen sich die Parteien im Sinne des Art.  5 EuErbVO bei Rückholansprüchen gegen nachlass-

Teil 1 – B. Die Rechtslage nach der EuErbVO

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fremde Dritte mit den Verfahrensparteien gleichsetzen.51 Ohne Zustimmung der Universität wäre es daher im obigen Beispiel wohl nicht möglich, eine auch den Rückholanspruch erfassende Gerichtsstandsvereinbarung zu schließen. 3. Drittstaatensachverhalte Noch ungeklärt ist die Frage, ob die Gerichtsstände der EuErbVO auch dann greifen, wenn der beklagte Dritte seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat, sondern in einem Drittstaat hat. Für eine solche Einbeziehung spricht zum einem, dass die EuErbVO, anders als etwa die Brüssel Ia-VO, keine Einschränkung des räumlichen Anwendungsbereichs mit Blick auf den Beklagtenwohnsitz kennt. Zum anderem legt es auch die Entscheidung des EuGH in der Rechtsache Schmid/Hertel, die zu der insoweit parallelen Problematik im Rahmen der EuInsVO ergangen ist,52 nahe, für die EuErbVO in gleicher Weise zu entscheiden. Die Konsequenz wäre, dass die EuErbVO auch dann anwendbar ist, wenn bspw. die Schenkung zwischen zwei Amerikanern in den USA stattgefunden hat und der Beklagte dort auch immer noch sein Domizil hat. Alleiniges Anknüpfungskriterium ist der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Schenkers. Es genügt für eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art.  4 EuErbVO, dass der Schenkende nach der Schenkung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einen Mitgliedstaat der EuErbVO verlegt hat und dort verstorben ist. Ob Entscheidungen, die auf einer so dürftigen Verbindung zum Forumsstaat beruhen, in dem Drittstaat anerkannt und vollstreckt werden können, dürfte in vielen Fällen zweifelhaft sein.53 III. Anwendbares Recht 1. Pflichtteilsberechtigte Das für Rückholansprüche anwendbare Recht richtet sich einheitlich nach dem Erbstatut.54 Die EuErbVO findet als loi uniforme auch dann Anwendung, wenn durch sie das Recht eines Drittstaates berufen wird (Art.  20 EuErbVO). Nach Art.  21 EuErbVO ist grds. das Recht am letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort 51 

Siehe auch MüKoBGB/Dutta Art.  5 EuErbVO Rn.  6 mwN. Urt. v. 15.01.2014, C-328/12, NJW 2014, 610 – Schmid/Hertel, siehe auch S.  381 ff. 53 Eine Anerkennung und Vollstreckung solcher Entscheidungen in Großbritannien dürfte jedenfalls ausscheiden, siehe hierzu S.  8 f. der Stellungnahme des Ministry of Justice, European Commission proposal on succession and wills. 54  Das war auch bereits vor Inkrafttreten der EuErbVO die in Deutschland ganz herrschende Ansicht, siehe Dutta RabelsZ 73 (2009), 547, 583; Merkle, Pflichtteilsrecht und Pflichtteilsverzicht, S.  416; Staudinger/Dörner (2007) Art.  25 EGBGB Rn.  199 jeweils mwN; vgl. auch BGH NJW 2002, 2469; a. A. Miller, International Aspects of Succession, S.  239. 52 EuGH

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Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

des Erblassers anzuwenden.55 Besitzt der Erblasser (auch) die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates als diejenige seines Aufenthaltes, kann er über Art.  22 EuErbVO auch das Recht dieses Staates wählen. Die Anknüpfung an das Aufenthaltsrecht im Zeitpunkt des Todes des Erblassers hat nun aber die Konsequenz, dass es für die Parteien eines Schenkungsvertrages unmöglich ist, sicher vorherzusehen, welche erbrechtlichen Rückforderungsmöglichkeiten welchen Rechts für die Schenkung später maßgeblich sein werden. Dieses Problem wurde bereits während des Entstehungsprozesses der Verordnung vielfach angespro­ chen56 und als Lösungsmöglichkeit unter anderem vorgeschlagen, die Anknüpfung an das Erbstatut zu verstetigen und das im Schenkungszeitpunkt maßgebliche Erbstatut zu berufen.57 Die Mehrheit im Ministerrat war jedoch der Auffassung, ausreichend Rechtssicherheit durch die in der Verordnung vorgesehene Möglichkeit einer Rechtswahl gewährleisten zu können. Hierzu ist allerdings anzumerken, dass die Rechtswahlmöglichkeit den Parteien zunächst einmal überhaupt bewusst sein muss, sie ferner nicht für jeden Fall greift (so kann bspw. der in Deutschland lebende Franzose nur französisches, nicht aber deutsches Recht wählen) und dass sie bei einem späteren Wechsel der Staatsangehörigkeit auch wieder entfallen kann. Ferner hat der Beschenkte, um dessen Schutz es maßgeblich geht, auch keine Möglichkeit, auf die tatsächliche Ausübung der Rechtswahl durch den Schenkenden oder deren anschließende Aufrechterhaltung einzuwirken.58 Das Problem der durch mögliche Rückholansprüche verursachten Rechtsun­sicher­ heit und der Instabilität insbesondere unentgeltlicher Zuwendungen ist daher im geltenden Recht bisher ungelöst. 2. Vertragserben Der Anspruch eines Vertragserben auf Rückabwicklung von Schenkungen, die der Erblasser in Beeinträchtigungsabsicht vorgenommen hat (§   2287 BGB, Art.  1083 Code civil), könnte sich möglicherweise nach Art.  25 EuErbVO richten.59 Ausdrücklich erwähnt ist in Art.  25 EuErbVO auch die Bindungswirkung 55  In seltenen Ausnahmefällen kann über die Ausweichklausel in Art.  21 Abs.  2 EuErbVO allerdings stattdessen das Recht eines Staates berufen werden, zu dem der Erblasser in seinem Todeszeitpunkt offensichtlich engere Verbindungen unterhält. 56 Siehe Geimer in: Hager (Hrsg.), Die neue europäische Erbrechtsverordnung, S.  9, 29; Bonomi in: Bonomi/Wautelet (Hrsg.), Le droit européen des successions, Art.  23 Rn.  98; ­L agarde Rev. crit. DIP 101 (2012), 691, 709. 57  Max Planck Institute RabelsZ 74 (2010), 522, 629 ff.; Dutta RabelsZ 73 (2009), 547, 582 f.; für Schenkungen zwischen Ehegatten auch bereits Ancel, Les Conflits de qualification a l’épreuve de la donation entre époux, Rn.  555. 58 Siehe auch Matthews in: House of Lords, European Union Comitee, 6th Report of Session 2009–10, The EU’s Regulation on Succession, S.  23 f. 59 MüKoBGB/Dutta Art.  1 Rn.  23, Art.  24 Rn.  5 EuErbVO.; a. A. aber wohl Bonomi in: Bonomi/Wautelet (Hrsg.), Le droit européen des successions, Art.  25 Rn.  16.

Teil 1 – B. Die Rechtslage nach der EuErbVO

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eines Erbvertrages. Ob und inwieweit ein Vertragserbe unentgeltliche Verfügungen nach dem Tode des Erblassers rückabwickeln kann, hängt maßgeblich von der Bindungswirkung des Erbvertrages ab, die deshalb in den entsprechenden Vorschriften über den Rückholanspruch unmittelbar zum Ausdruck kommt. Über Art.  25 EuErbVO würde demnach das hypothetische Erbstatut im Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrages berufen, soweit die Vertragsparteien nicht von der Rechtswahlmöglichkeit nach Art.  25 Abs.  3 EuErbVO Gebrauch machen würden. 60 Auch diese Lösung birgt allerdings erhebliche Probleme. Ein später vom Erblasser beschenkter Dritter ist nämlich regelmäßig über die Einzelheiten des Abschlusses des Erbvertrages sowie über das zu diesem Zeitpunkt anwendbare oder gewählte Statut nicht informiert und das für die Rückholansprüche maßgebliche Recht wäre für den Dritten daher wiederum nur schwer ermittelbar und oftmals auch überraschend. Beispiel:61 Erblasser E schloss an seinem gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich im Jahre 1985 mit seiner Ehefrau einen Erbvertrag (institution contractuelle) ab. Kurz danach zog er nach Deutschland, wo er 30 Jahre später eine Schenkung an seinen Schulfreund F vornahm. Maßgebliches Statut für den Rückholanspruch der durch die Schenkung beeinträchtigten Ehefrau ist das französische Recht.

Zudem tritt hier das Problem auf, dass der für das Statut entscheidende gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Todeszeitpunkt schon Jahrzehnte zurückliegen kann. Den damaligen gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Prozess zu ermitteln, kann sich aber als sehr mühsam erweisen, zumal der Hauptzeuge – der Erblasser selbst – fehlt. Ferner kommt es zu dem Problem, dass im Falle eines pflichtteilsberechtigten Vertragserben zwei Rückholregime nebeneinander bestehen – in Deutschland §  2329 BGB einerseits und §  2287 BGB andererseits62 –, für die unterschiedliche Rechte zur Anwendung kommen würden. Beispiel:63 Erblasser E schließt mit seinem einzigen Sohn und Alleinerben S in Deutschland einen Erbvertrag ab. Anschließend zieht er nach Frankreich und schenkt dort kurz vor seinem Tod seiner neuen Lebensgefährtin in Beeinträchtigungsabsicht den wesentlichen Teil seines Vermögens.

Gemäß Art.  21 EuErbVO würde für die von S als Noterbe/Pflichtteilsberechtigter geltend gemachte action en réduction französisches Recht gelten. Der An60  Siehe dazu Bonomi in: Bonomi/Wautelet (Hrsg.), Le droit européen des successions, Art.  25 Rn.  18 ff. 61  Beispiel nach R. Magnus in: Dutta/Weber (Hrsg.), Internationales Erbrecht, Int. Schen­ kungsrecht Rn.  66. 62 Zum in Deutschland umstrittenen Konkurrenzverhältnis dieser beiden Ansprüche siehe MüKoBGB/Lange §  2329 Rn.  26; Staudinger/Olshausen §  2329 BGB Rn.  52; Siebert ZEV 2013, 241, 245. 63  Beispiel nach R. Magnus in: Dutta/Weber (Hrsg.), Internationales Erbrecht, Int. Schen­ kungsrecht Rn.  67.

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Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

spruch, den S als beeinträchtigter Vertragserbe erhebt, würde sich gem. Art.  25 EuErbVO hingegen nach deutschem Recht (§  2287 BGB) richten. Eine solche Aufspaltung erscheint allerdings misslich, da sie geeignet ist, unabgestimmte und widersprüchliche Ergebnisse zu produzieren. Um sie zu verhindern, sollte Art.  25 EuErbVO doch enger ausgelegt und nicht auf die flankierenden Rückholansprüche erstreckt werden. Sämtliche erbrechtlichen Rückholansprüche unterliegen daher richtigerweise dem allgemeinen Erbstatut nach Art.  21–23 EuErbVO. IV. Grenzen der Anwendung des Erbstatuts (Ordre public, Art.  35 EuErbVO) Die EuErbVO strebt einen sehr weitreichenden Gleichlauf von forum und ius an. 64 Dadurch kommt dem Ordre-public-Vorbehalt, dessen Eingreifen eine Anwendung fremden Rechts voraussetzt, nur noch eine geringere Bedeutung zu. Er spielt aber noch über Art.  40 lit.  a) EuErbVO im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung eine hier nicht unerhebliche Rolle. Der Kommissionsvorschlag aus dem Jahre 2009 sah in seinem Art.  27 Abs.  2 noch vor, dass eine Vorschrift „nicht allein deshalb als mit der öffentlichen Ordnung des Staates des angerufenen Gerichts unvereinbar angesehen werden kann, weil sie den Pflichtteilsanspruch anders regelt als das Recht am Ort des angerufenen Gerichts.“65 In die heutige Verordnung wurde diese Einschränkung dann jedoch nicht übernommen. Daraus kann der Schluss abgeleitet werden, dass abweichende Pflichtteilsregelungen unter engen Voraussetzungen doch geeignet sind, einen Ordre-public-Verstoß zu begründen. 66 Hierfür spricht aus deutscher Sicht auch, dass das bedarfsunabhängige Pflichtteilsrecht der Kinder grundrechtlich geschützt wird. 67 64 

Vgl. Erwägungsgrund 27. Siehe Art.  27 Abs.  2 des Vorschlages für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses vom 14. Oktober 2009 (KOM [2009] 154 endg.). 66  Burandt in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, Art.   35 EuErbVO Rn.  2; Müller-Lukoschek, Die neue EU-Erbrechtsverordnung, S.  110; Lorenz in: Dutta/Herrler (Hrsg.), Die Europäische Erbrechtsverordnung, S.  113, 123 ff.; Mansel/Thorn/Wagner IPRax 2013, 1, 7; Dörner ZEV 2012, 505, 512; Frodl ÖJZ 2012, 950, 956; Vollmer ZErb 2012, 227, 232 f.; Simon/Buschbaum NJW 2012, 2393, 2395; Grimaldi Defrénois 2012, 755, 758 ff.; Khairallah in: Khairallah/Revillard (Hrsg.), Droit européen des successions internationales, S.  47, 58 f.; sehr zurückhaltend Bonomi in: Bonomi/Wautelet (Hrsg.), Le droit européen des successions, Art.  35 Rn.  24 ff.; Fischer-Czermak in: Schauer/Scheuba (Hrsg.), Europäische Erbrechtsverordnung, S.  43, 54 f.; Wilke RIW 2012, 601, 607; Lechner in: Dutta/Herrler (Hrsg.), Die Europäische Erbrechtsverordnung, S.  5, 11 noch weitergehend gegen eine Anwendung des Orde-public-­ Vorbehalts Herzog ErbR 2013, 2, 5; ausführlich zur besonders problematischen englischen family provision Röthel FS v. Hoffmann, S.  348. 67  BVerfG NJW 2005, 1561. 65 

Teil 1 – B. Die Rechtslage nach der EuErbVO

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1. Pflichtteilsberechtigte Damit ist aber noch nicht entschieden, ob und inwieweit auch erbrechtliche Rückholansprüche, die das Pflichtteilsrecht flankieren, ebenfalls zum ordre ­public gehören. 68 Die Rückholansprüche dienen der effektiven Wahrung und Durchsetzung des Pflichtteilsrechts, indem sie verhindern, dass der Erblasser die Regelung des Pflichtteilsrechts durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden umgeht. Jedenfalls in ganz eindeutigen Fällen spricht diese Zielsetzung für eine Aufnahme in den ordre public. 69 Inwieweit auch nur geringere Abweichungen bei der Ausgestaltung dieser Ansprüche geeignet sind, den Ordre-public-Vorbehalt auszulösen, ist hingegen zweifelhaft. Beispiel:70 Ein in Frankreich lebender Österreicher schenkt 25 Monate vor seinem Tod seiner neuen Lebensgefährtin sein ganzes Vermögen (1.000.000  EUR) und trifft gleichzeitig gem. Art.  22 EuErbVO eine Rechtswahl zugunsten seines österreichischen Heimatrechts. Seine drei erbberechtigten französischen Kinder erhalten nach dem österreichischen Erbstatut deshalb praktisch nichts, weil eine mehr als zwei Jahre zurückliegende Schenkung nach österreichischem Recht nicht mehr durch einen Rückholanspruch angegriffen werden kann.71 Nach französischem Recht, das eine zeitlich unbegrenzte Hinzurechnung von lebzeitigen Schenkungen zur hypothetischen Nachlassmasse vorsieht,72 könnten die Kinder hingegen Ansprüche in Höhe von 750.000  EUR gegen die Lebensgefährtin geltend machen.

Ob die französischen Richter gem. Art.  35 EuErbVO auf den ordre public zurückgreifen und dem österreichischen Erbstatut insoweit seine Geltung versagen würden, ist eine offene und bisher nicht entschiedene Frage.73 Eine ähnliche Problematik tritt auf, wenn die Schenkung bei der Wahl eines deutschen Erbstatuts gem. §  2325 Abs.  3 BGB aufgrund der jährlichen Abschmelzung nur noch zum Teil oder gar nicht mehr angreifbar ist.

68 Dafür Grimaldi Defrénois 2012, 755, 760; a. A. Bonomi in: Bonomi/Wautelet (Hrsg.), Le droit européen des successions, Art.  35 Rn.  32. 69 Ebenso Pfundstein, Pflichtteil und ordre public, S.  185, 257, 309 f. mit einem umfassenden rechtsvergleichenden Überblick auf S.  39 ff.; vgl. auch OLG Jena OLG-NL 1999, 108 (109) sowie Staudinger/Rauscher Art.  235 §  1 EGBGB Rn.  114. 70 Beispiel nach R. Magnus in: Dutta/Weber (Hrsg.), Internationales Erbrecht, Int. Schenkungsrecht Rn.  72. 71  §  785 Abs.  3 S.  2 ABGB a. F.; s. a. Haunschmidt, Erbrecht in Österreich, in: Süß (Hrsg.), Erbrecht in Europa, Rn.  4 4. Durch das Erbrechtsänderungsgesetz 2015 (öBGBl. I Nr.  87/2015) wurde die Frist allerdings auf zehn Jahre verlängert (vgl. §  781 Abs.  3 ABGB n. F.). 72  Siehe hierzu Malaurie/Aynès, Les successions, Les libéralités, Rn.  6 46 ff. sowie S. 103. 73 Befürwortend Grimaldi, Defrénois 2012, 755, 760 (Fn.  27); zu den Gründen, wieso sich die französische Rechtsprechung bisher noch nicht zu der Frage des Ordre-public-Gehalts der action en réduction äußern musste siehe Bonomi in: Bonomi/Wautelet (Hrsg.), Le droit européen des successions, Art.  35 Rn.  26; Khairallah in: Khairallah/Revillard (Hrsg.), Droit européen des successions internationales, S.  47, 58 f.; siehe hierzu auch die beiden neueren Entscheidungen des Cour de Cassation (Civ 1ere, 27 sept. 2017, n°16-17198 und n°16-13151).

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Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

2. Rechte eines Vertragserben Zu überlegen ist ferner, inwieweit auch ein Anspruch, wie bspw. derjenige aus §  2287 BGB oder Art.  1083 Code civil, der einen Vertragserben vor der Aus­ höhlung des Nachlasses durch unentgeltliche Zuwendungen schützt, zum ordre public gerechnet werden kann. Die Anspruchsberechtigung leitet sich hier nicht länger von einer gesetzlich garantierten Mindestbeteiligung bestimmter Per­ sonen am Nachlass ab, sondern resultiert aus der Bindung des Erblassers an seine vertragliche Zusage.74 Es besteht somit eher eine Nähe zum Grundsatz des venire contra factum proprium und zu einem allgemeinen Missbrauchsverbot.75 Ob vor einem solchen Ansatz auch die Rechte gutgläubiger Dritter zwingend weichen müssen, ist zweifelhaft und eher zu verneinen. Beschränkt sich eine Rechtsordnung darauf, den beeinträchtigten Vertragserben im konkreten Fall auf Ansprüche gegen den Nachlass und die (Mit-)Erben zu verweisen, ohne ihm einen Rückgriff auf weitere Dritte zu ermöglichen, dürfte hierin kein Verstoß gegen den ordre public zu sehen sein. Ein anderes Ergebnis ist jedoch denkbar, wenn auch eine Inanspruchnahme nachweisbar bösgläubiger Dritter ausscheidet. 3. Rechte des Beschenkten Aus der Perspektive des Beschenkten kann eine Verletzung des ordre public darin liegen, dass durch einen Statutenwechsel infolge eines Umzuges des Erblassers eine nach dem bisher anwendbaren Recht unangreifbare Schenkung doch wieder rückabgewickelt werden kann. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein in Deutschland lebender französischer Staatsbürger nach Ablauf der in §  2325 Abs.  3 BGB geregelten Zehn-Jahres-Frist eine Rechtswahl gem. Art.  22 EuErbVO zugunsten seines französischen Heimatrechts trifft oder wieder nach Frankreich zurückkehrt. Ansatzpunkte für den ordre public wären hier zum einen das Eigentumsrecht der Beschenkten und zum anderen das verfassungsrechtliche Rück­ wirkungsverbot und der Vertrauensschutz.76 Diese Bedenken dürften aber wohl im Ergebnis nicht durchgreifen. Wegen der Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs77 ist die Position eines unentgeltlichen Erwerbers stets mit zahlreichen Unsicherheiten verbunden,78 die sich auch auf das normgeprägte Grund74 

Siehe oben S. 19 ff. Vgl. Staudinger/Kanzleiter §  2287 BGB Rn.  1; MüKoBGB/Musielak §  2287 Rn.  1. 76 Gegen einen solchen kollisionsrechtlichen Vertrauensschutz aber Staudinger/Hass (2006) Einl. §§  2303 BGB ff. Rn.  63; Staudinger/Dörner (2000) Art.  25 EGBGB Rn.  188; MüKo­BGB/Dutta EGBGB Art.  25 Rn.  228; Soergel/Schurig Art.  25 EGBGB Rn.  19, 44. 77  Siehe S. 30 ff. 78  Ganz ähnliche Tendenzen finden sich auch in anderen europäischen Rechtsordnungen, siehe Hyland, Gifts – A study in comparative law, S.  499 ff.; Schmidt-Kessel, Schenkung, in: 75 

Teil 1 – B. Die Rechtslage nach der EuErbVO

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recht79 des Eigentums auswirken. Aus verfassungsrechtlicher Sicht handelt es sich zudem nur um eine sog. unechte Rückwirkung. 80 Die EuErbVO knüpft tatbestandlich an Umstände an (Tod des Erblassers), die ausschließlich nach ihrem Inkrafttreten verwirklicht wurden. 81 Dass es hierdurch aufgrund nunmehr veränderter Anknüpfungspunkte zu einem Statutenwechsel kommen kann, der wiederum rechtliche Konsequenzen für in der Vergangenheit abgeschlossene Sachverhalte hat, ist eine nur mittelbare Folge, wie sie für die Fallgruppe der unechten Rückwirkung kennzeichnend ist.82 Verfassungsrechtlich ist eine unechte Rückwirkung aber regelmäßig zulässig und verstößt daher auch nicht gegen den ordre public. So hatte es der BGH im Zuge der deutschen Einheit auch für zulässig gehalten, §§  2325, 2329 BGB auf Schenkungen anzuwenden, die auf dem Staatsgebiet der früheren DDR und unter Geltung des ZGB vorgenommen worden waren, obwohl es im ZGB einen entsprechenden Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht gab. 83 In gleicher Weise hatte zuvor bereits das Reichsgericht im Hinblick auf Schenkungen geurteilt, die vor dem Inkrafttreten des BGB vorgenommen worden waren.84 Obwohl ein Ordre public-Verstoß wohl nicht angenommen werden kann, bleibt es de lege ferenda gleichwohl erwägenswert, ob nicht bspw. ein Art.  16 EuInsVO85 entsprechender Schutzmechanismus eingeführt werden sollte. Der Beschenkte würde dann die Möglichkeit erhalten, nachzuweisen, dass nach dem zum Zeitpunkt der Schenkung geltenden Erbstatut eine auf erbrechtliche Gründe gestützte Rückabwicklung nicht (mehr) möglich gewesen wäre.

Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. 2, S.  1349, 1352. 79 BeckOK-GG/Axer Art.  14 Rn.  7 ff. mwN. 80  Siehe hierzu die Unterscheidung des BVerfG in BVerfGE 13, 261, 271 f.; zuletzt wieder BVerfG NJW 2010, 3629; siehe auch Hess, Intertemporales Privatrecht, S.  291 ff. 81  Vgl. auch Art.  83 EuErbVO. 82  Für eine Einordnung als unechte Rückwirkung auch BGH ZEV 2001, 238, 239; Staudinger/Rauscher Art.  235 §  1 EGBGB Rn.  114; im Ergebnis anders dagegen Schubel/Wiedemann JZ 1995, 858, 863, 866. 83  BGH NJW 2001, 2398, 2399 mit Anmerkungen auch im Hinblick auf die international­ privatrechtliche Perspektive Klingelhöffer ZEV 2001, 238; zustimmend Staudinger/Rauscher Art.  235 §  1 EGBGB Rn.  112 ff. mwN; ablehnend wegen Beeinträchtigung der Eigentumsposition des beschenkten Dritten durch den Anspruch aus §  2329 BGB hingegen OLG Jena OLG-NL 1999, 110; Schubel/Wiedemann JZ 1995, 858, 866; Kuchinke JZ 2001, 1089, 1090 f. 84  RGZ 54, 241; 58, 124, 126 f. 85  Verordnung (EU) Nr.  848/2015 des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren. Art.  16 lautet: „Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe m) findet keine Anwendung, wenn die Person, die durch eine die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Handlung begünstigt wurde, nachweist, dass a) für diese Handlung das Recht eines anderen Mitgliedstaats als des Staates der Verfahrenseröffnung maßgeblich ist und b) diese Handlung im vorliegenden Fall in keiner Weise nach dem Recht dieses Mitgliedstaats angreifbar ist.“

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Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

C. Die englische Perspektive I. Großbritannien und die EuErbVO Großbritannien hat die EuErbVO nicht übernommen. Der bevorstehende Brexit wirkt sich damit im Feld des internationalen Erbrechts voraussichtlich nicht aus. Insbesondere die Befürchtung, dass lebzeitige Schenkungen eines Erblassers in Bezug auf in Großbritannien belegene Gegenstände durch die Anwendung ausländischen Erbrechts mit entsprechenden Rückholansprüchen angegriffen werden könnten, war einer der Hauptgründe für das Vereinigte Königreich, sich nicht an der EuErbVO zu beteiligen. 86 Da diese Problematik auch für die vorliegende Untersuchung von großer Bedeutung ist, sollen die im Bericht des britischen Justizministeriums aufgeführten Bedenken hier im Original wiedergegeben werden:87 „The issue commonly referred to as ‚clawback‘ arises in relation to gifts made by individuals during their lifetime. Such gifts are generally complete and valid at the time they are made. However, an individual may subsequently die in a country under whose law of succession mandatory, or forced, heirship rights are established in favour of close family members. If that law governs the deceased’s succession, it may also provide that under certain conditions lifetime gifts made by the individual, or their monetary value, should be brought back into their estate for distribution to their family heirs. This happens where the amount of their property left at the time of their death is not adequate to satisfy such forced heirship rights established under that law of succession. Although the precise conditions under which such clawback regimes operate vary significantly from country to country, such regimes are to be found in the legal systems of many Member States. Under most clawback regimes compulsory family inheritance rights depend on the applicable law at the time of death and not at the time when the gift in question was made. The result of this can be illustrated by an example. An individual gives away property during his lifetime, at a time when he has neither spouse nor children, and moreover is a citizen of and resident in a country with no compulsory family inheritance rights. However, he dies some years later, having in the meantime become a citizen of and resident in a country with such compulsory inheritance rights and is survived by his spouse and children. In a case of this kind, the applicable law of succession may well seek to invalidate the transaction which, at the time it was completed by the individual, no-one would have considered it being in any way potentially subject to any subsequent compulsory family inheritance claim. This example demonstrates the clear potential for legal uncertainty. The current position under the law in the UK is that clawback claims based on a foreign law of succession are simply not recognised or enforced here, even if in principle the estate of an individual in this country is governed by that law because he died when domiciled abroad. As a result, there is significantly greater legal stability in property ow86  Siehe hierzu auch die ausführliche Untersuchung von Paisley im Auftrag des britischen Justizministeriums, abgedruckt auf S.  15–54 in: Ministry of Justice, European Commission proposal on succession and wills; sowie Harris J.Pr.Int.’L 2008, 347, 365. 87  Ministry of Justice, European Commission proposal on succession and wills, S.  8 f.

Teil 1 – C. Die englische Perspektive

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nership in the UK compared to the situation in those countries where clawback claims may be made. This reflects the underlying philosophy of the laws in the UK which places the importance of an individual’s freedom to alienate property during his or her lifetime above the protection of the interests of family members on his death.“

Eine ausführliche Erörterung dieser Problematik mit zahlreichen Ausführungen von Experten findet sich auch in der Stellungnahme des House of Lords.88 Erwähnenswert ist an dieser Stelle insbesondere die Bewertung der möglichen gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der Rückholansprüche: „Given that clawback forms part of the law of the majority of Member States and given that processes having a similar effect can arise in the UK, we considered whether clawback presents a particular problem to the UK. We believe it does. As a number of our witnesses pointed out, there is in the UK a legal culture of freedom for individuals to dispose of their property as they wish; and there is a strong UK cultural heritage of providing social support through gifts to charity. To this may be added the important role played by trusts in the UK. Trusts are not part of the law of many other Member States and trustees frequently acquire property through gifts; for example, trusts set up to provide for a disabled person or protecting the interests of a child could be vulnerable to clawback. Professor Matthews attributed clawback as the main reason he considered that the proposal would have detrimental effects on the City. Lord Bach expanded on this by indicating that clawback would have a chilling effect on the functioning of trusts within the City.“

Nach dem oben dargestellten Befund zur EuErbVO scheinen diese Bedenken tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Im Folgenden bleibt daher nur noch zu untersuchen, inwieweit das in England geltende Zuständigkeits- und Kollisionsrecht tatsächlich eine Durchsetzung ausländischer Rückholansprüche verhindert. II. Zuständigkeit Englische Nachlassverfahren setzen zwingend einen sog. grant of representation voraus. Bevor Vermögen aufgrund erbrechtlicher Ansprüche verwaltet oder verteilt werden kann, muss gerichtlich ein Verwalter bestellt werden, auf den die Erbschaft zunächst übergeht und der auch Eigentümer der Nachlassgegenstände wird. 89 Dieser Verwalter ist – in einer gewissen Entsprechung zu einem Insolvenzverwalter – für die weitere Abwicklung des Nachlasses, die Befriedigung der Nachlassgläubiger und die Auskehrung des verbleibenden Vermögens an die Erben zuständig. Je nachdem, ob die Person des Verwalters bereits durch den Erblasser in seinem Testament bestimmt oder durch den High Court ausgewählt wurde, wird

88  House of Lords, European Union Committee, 6th Report of Session 2009–10, The EU’s Regulation on Succession, S.  25 ff. 89  Dicey/Morris/Collins, The Conflict of Laws, Rn.  26-002.

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Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

sie als executor oder als administrator bezeichnet.90 Beide fallen unter den Oberbegriff des personal representative. Die Bestellung eines Verwalters ist in jedem Fall erforderlich. Ohne einen durch ein englisches Gericht erteilten grant of representation können ausländische Erben oder Verwalter in England keine Rechte an Nachlassgegenständen geltend machen.91 Die englischen Gerichte würden sich in diesem Falle für unzuständig erklären.92 Ein grant of representation wird im Regelfall nur erlassen, wenn zumindest Teile des Nachlasses in England belegen sind.93 Sinn und Zweck des grant of probate ist es, dem representative die Verwaltung des Vermögens in England zu ermöglichen.94 Auf den gewöhnlichen Aufenthalt oder das domicile des Erb­ lassers kommt es hingegen nicht an. Der Effekt des grant of probate ist, dass in England belegenes Vermögen auf den representative übergeht. Für ausländisches Vermögen des Erblassers gilt das indes grds. nicht.95 Andererseits entsteht in England eine Zuständigkeit für den gesamten, also auch den im Ausland belegenen Nachlass.96 Diese Zuständigkeit ist aber wiederum nur im Hinblick auf in England belegenes unbewegliches Vermögen ausschließlich. Die Koordination mehrerer, nicht ausschließ­ licher Zuständigkeiten wird durch die forum non conveniens-Doktrin97 ermöglicht.98 III. Anwendbares Recht Aus Sicht des Internationalen Privatrechts wird die Erforderlichkeit eines grant of probate mit einer eigenständigen Sonderanknüpfung für die Nachlassabwicklung begründet, die sich nach der lex rei sitae bzw. der lex fori richtet und damit stets zur Anwendung des Rechts des Belegenheitsortes der jeweiligen Nachlassgegenstände führt.99 Die Erbfolge und weitere Fragen des materiellen Erbrechts werden hingegen getrennt davon angeknüpft und bei unbeweglichem Vermögen ebenfalls durch die lex rei sitae, bei beweglichem Vermögen hingegen grds. durch das Recht am letzten domicile des Erblassers bestimmt.100 90 

Dicey/Morris/Collins, The Conflict of Laws, Rn.  26-002. ausführliche Darstellung des englischen Rechts findet sich auch bei Denkinger, Europäisches Erbkollisionsrecht, S.  299 f. 92  Dicey/Morris/Collins, The Conflict of Laws, Rn.  27-002. 93  Dicey/Morris/Collins, The Conflict of Laws, Rn.  26-004. 94  In the Goods of Coode (1867) L.R. 1 P. & D. 449. 95  Dicey/Morris/Collins, The Conflict of Laws, Rn.  26-023. 96  Re Ross [1930] 1 Ch. 377; Re Bonnefoi [1912] P. 233 (CA). 97  Huber, Die englische forum-non-conveniens-Doktrin und ihre Anwendung im Rahmen des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens, S.  50 ff. 98  Dicey/Morris/Collins, The Conflict of Laws, Rn.  27-008. 99  Godechot-Patris in: Khairallah/Revillard (Hrsg.), Droit européen des successions inter­ nationales, S.  87, 89. 100  Dicey/Morris/Collins, The Conflict of Laws, Bd. 2, Rn.  27-011 ff. 91  Eine

Teil 1 – C. Die englische Perspektive

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Hatte der Erblasser sein domicile im Ausland, wird das englische Gericht daher grds. auch denjenigen zum personal representative bestellen, der nach dem Recht am Ort des domicile zur Verwaltung des Nachlasses berechtigt ist.101 Die Idee dahinter ist, die Verwaltung des gesamten Nachlasses möglichst in einer Hand zu konzentrieren. Besteht der Nachlass in England aber (auch) aus Immobilien, kann für diese unter Umständen doch ein anderer Verwalter bestellt werden, wenn das Recht am domicile vom insoweit maßgeblichen englischen Recht abweicht.102 Ansprüche auf family provision, deren genaue kollisionsrechtliche Einordnung oft Schwierigkeiten verursacht,103 setzen zudem den Nachweis voraus, dass der Erblasser mit „domicile“ in England oder Wales verstorben ist. Diese Beschränkung auf ein englisches „domicile“ wird vom Schrifttum seit langem kritisiert.104 Die Verlegung des domicile, bspw. in das nahe gelegene „Ausland“ (Schottland,105 Jersey oder die Isle of Man), bietet so nämlich eine recht einfache Möglichkeit, Ansprüche auf family provision zu umgehen.106 Die Law Reform Commission hatte daher 2011 vorgeschlagen, den räumlichen Anwendungsbereich des Inheritance Act auch dann zu eröffnen, wenn der Erblasser im Inland belegenes Vermögen besaß, auf das englisches Erbrecht Anwendung findet.107 Dieser Vorschlag wurde allerdings bisher nicht umgesetzt. Die Ansprüche aus sec.  10–12 Inheritance Act werden von der herrschenden Meinung im Schrifttum als bereicherungsrechtlich (restitutionary) qualifiziert.108 Maßgeblich ist demnach eine akzessorische Anknüpfung an die vertragliche Verpflichtung, aus der der Bereicherungsanspruch resultiert. Fehlt es an einer solchen, ist der Ort entscheidend, an dem die Bereicherung eingetreten bzw. an dem das Vermögen abgeflossen ist.109 IV. Konsequenzen Ein deutscher Vertragserbe oder Pflichtteilsberechtigter muss daher, wenn er Ansprüche aus §  2329 BGB bzw. §  2287 BGB an in England belegenen Vermögenswerten oder gegenüber englischen Beklagten geltend machen möchte, zu101 

Dicey/Morris/Collins, The Conflict of Laws, Rn.  26-009 ff. Dicey/Morris/Collins, The Conflict of Laws, Rn.  26-015. 103  Ross, Inheritance Act Claims, S.  78 f. und Oughton, Tyler’s Family Provision, S.  60 gehen von einer bereicherungsrechtlichen Einordnung der auf sec.  10–12 Inheritance Act gestützten Ansprüche aus. Allerdings wird auch bei einer solchen Anknüpfung in der Regel englisches Recht Anwendung finden. 104  Siehe bereits Mellows, The Law of Successions, S.  239. 105  Zur Rechtslage in Schottland siehe Kerrigan, Scots Law Times 2012, 29. 106  Mellows, The Law of Successions, Ch. 15 B, S.  270. 107  Law Commission, Intestacy and family provision claims on death, Report Law Com No. 331, S.  127 ff. 108  Ross, Inheritance Act Claims, Rn.  3 -049 mwN. 109  Ross, Inheritance Act Claims, Rn.  3 -049. 102 

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Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

nächst einen grant of representation beantragen. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass das englische Recht und die dortige Rechtsprechung erbrechtlichen Rückholansprüchen, die zu einer Rückabwicklung von Rechtsgeschäften unter Lebenden führen, ablehnend gegenüber stehen. Entsprechende Begehren deutscher Gläubiger sind bisher vor englischen Gerichten nicht durchsetzbar, woran auch das Inkrafttreten der EuErbVO in Deutschland nichts geändert hat.110 Eine recht einfache Strategie, um Pflichtteilsbegehren oder Ansprüche von Vertragserben auszuhebeln, liegt daher nach wie vor darin, in England belegenes unbewegliches Vermögen zu verschenken.

Teil 2: Internationales Familienrecht A. Die europäische Güterrechtsverordnung I. Anwendungsbereich Am 28. Juli 2016 ist die neue europäische Güterrechtsverordnung (EuGüVO) in Kraft getreten.111 Zeitgleich mit ihr ist die parallele Verordnung 2016/1104 in Kraft getreten, die sich mit den güterrechtlichen Wirkungen eingetragener Partnerschaften befasst.112 Anwendungsbeginn beider Verordnungen ist der 29. Januar 2019. Deutschland und Frankreich sind jeweils Mitgliedstaaten, England hingegen nicht. Auch insoweit wird der Brexit die Rechtslage im Vereinigten Königreich voraussichtlich nicht ändern. Fraglich ist hier zunächst, inwieweit Rückholansprüche (§  1390 BGB, sec.  37 MCA, Art.  1577 Code civil) in den Anwendungsbereich der Güterrechtsverordnungen fallen. Anders als die EuErbVO enthält die Bestimmung über den Anwendungsbereich (Art.  1) keinen Ausschluss von unentgeltlichen Zuwendun27 EuGüVO. Nach gen. Die Reichweite des Güterrechtsstatuts regelt Art.   Art.  27 lit.  e) EuGüVO wird dabei „die Auflösung des ehelichen Güterstandes und die Teilung, Aufteilung oder Abwicklung des Vermögens“ erfasst. Gemäß Art.  27 lit.  f ) EuGüVO unterfallen auch „die Wirkungen des ehelichen Güterstandes auf ein Rechtsverhältnis zwischen einem Ehegatten und Dritten“ dem Güterrechtsstatut.

110 

Siehe oben, S. 356 ff. zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterechts (EU) 2016/1103 vom 24. Juni 2016. 112  Verordnungen zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften (EU) 2016/1104 vom 24. Juni 2016. 111  Verordnungen

Teil 2 – A. Die europäische Güterrechtsverordnung

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Ob zu den Wirkungen des ehelichen Güterstandes auch die aus dem Güterstand folgenden und gegen Dritte gerichteten Rückholansprüche zu zählen sind, ist unklar. Obwohl sich familienrechtliche Rückholansprüche in vielen Rechtsordnungen finden lassen, ist ihre internationalprivat- und zuständigkeitsrechtliche Einordnung bisher kaum bis gar nicht diskutiert worden.113 Für eine Einbeziehung dieser Ansprüche in die Güterrechtsverordnung sprechen jedoch zahlreiche Gründe: Zum einen stützt sich die Anspruchsberechtigung des ausgleichsberechtigten Ehegatten gegenüber dem Dritten auf den Schutz des ehelichen Vermögensbestandes und des aus der Ehe resultierenden internen Ausgleichsanspruchs. Ihr liegen also unmittelbare und ureigene Wertungen und Prinzipien des ehelichen Güterrechts zugrunde. Der auch inhaltlich enge Zusammenhang der Rückholregelung mit dem Güterstandsrecht streitet daher stark dafür, einen einheitlichen Regelungskomplex anzunehmen, dessen Aufspaltung im Rahmen der internationalen Zuständigkeit und im Kollisionsrecht ungeschickt wäre und zu unabgestimmten und möglicherweise widersprüchlichen Ergebnissen führen würde. Zum anderen besteht wiederum eine deutliche Parallele zu den erbrechtlichen und insolvenzrechtlichen Rückholansprüchen, für die auch im Kollisions- und internationalen Zuständigkeitsrecht jeweils eine Zuweisung zu der jeweiligen Spezialmaterie (EuErbVO, EuInsVO) im Schrifttum befürwortet wird bzw. sich sogar inzwischen explizit im Gesetzestext findet.114 Ein entsprechendes Ergebnis scheint daher auch hier naheliegend. II. Internationale Zuständigkeit Wird der eheliche Güterstand durch den Tod eines Ehegatten aufgelöst, entsteht ein Konflikt mit der Zuständigkeit für die Nachlassaufteilung und -abwicklung nach der EuErbVO. Art.  4 EuGüVO sieht daher vor, dass das mit der Nachlasssache befasste Gericht auch für Entscheidungen über den ehelichen Güterstand zuständig ist, wenn und soweit diese Entscheidungen den Nachlass betreffen. Sämtliche güterrechtliche Streitigkeiten anlässlich des Todes eines Ehegatten werden daher vor den Nachlassgerichten verhandelt.115 Die an den Zuständigkeitsregelungen der EuErbVO geäußerte Kritik116 greift also auch hier. Für einen Dritten, der von einem Ehegatten beschenkt wurde, ist es in der Regel kaum vorhersehbar, wo der Ehegatte später versterben und wo sich dann sein gewöhnlicher Aufenthaltsort befinden wird. Die Verbundzuständigkeit erscheint 113  Soweit ersichtlich, wurde diese Frage in der noch zum Verordnungsvorschlag bisher erschienen Literatur nicht diskutiert. Vgl. etwa Martiny IPRax 2011, 437, 443 ff.; Dutta/Wedemann FS Kaissis, S.  133, 145 f.; Kohler/Pintens FamRZ 2011, 1433, 1435 f. 114  Siehe oben S. 345 f. sowie unten S. 384 f. 115  Dutta/Wedemann FS Kaissis, S.  133, 134 f. 116  Siehe oben S. 347 ff.

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Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

allerdings sinnvoll, da hierdurch das gleiche Gericht über die oftmals parallelen Rückholansprüche im Erbrecht und im Familienrecht entscheiden kann und es nicht zu einer äußerst unpraktischen Aufspaltung der Zuständigkeiten kommt. Andererseits werden die zuständigkeitsrechtlichen Interessen des beklagten Dritten uU gänzlich vernachlässigt. Wird die eheliche Gütergemeinschaft durch Scheidung, Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung der Ehe (im Folgenden: Ehescheidung) aufgelöst, ist nach Art.  5 EuGüVO das mit der Ehescheidung befasste Gericht auch für die Entscheidung über Fragen des ehelichen Güterstandes zuständig, die mit dem Scheidungsantrag in Verbindung stehen. Die Verbundzuständigkeit führt dazu, dass im Scheidungsverfahren auch über die finanziellen Folgen der Scheidung und die wechselseitig bestehenden Ausgleichsforderungen verhandelt werden kann. Die Zuständigkeit für das Scheidungsverfahren richtet sich dabei primär nach der Brüssel IIa-VO und liegt am (letzten) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort der Ehegatten bzw. in dem Staat, dessen gemeinsame Staatsangehörigkeit die Ehegatten besitzen (vgl. Art.  3 Brüssel IIa-VO). Auch diese Zuständigkeit ist aber primär an den Interessen der Ehegatten ausgerichtet und auf interne Streitigkeiten zugeschnitten. Für den im Rahmen eines Rückholanspruchs in Anspruch genommenen Dritten ist sie weder vorherseh- noch beeinflussbar. Gleiches gilt für die Zuständigkeit nach Art.  6 EuGüVO, die in den verbleibenden Fällen (Antrag auf vorzeitigen Zugewinnausgleich, Wechsel des Güterstandes) greift. Maßgeblich ist an erster Stelle der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten. Fehlt ein solcher, ist der letzte gemeinsame Aufenthalt ausschlaggebend, wenn er noch von einem Ehegatten beibehalten wurde. Auf der dritten Stufe kommt es auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners und auf der vierten Stufe auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten an. In den Fällen des Art.  6 sieht Art.  7 EuGüVO für „die Parteien“ zudem die Möglichkeit vor, in engen Grenzen eine Gerichtsstandsvereinbarung zu treffen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Zuständigkeitsregelungen für Klagen, die sich, wie §  1390 BGB, gegen Dritte richten, nicht recht passen.117 Andererseits ist nicht zu verkennen, dass der Anspruch aus §  1390 BGB bzw. sec.  37 MCA oder Art.  1577 Code civil eng mit dem ehelichen Güterrecht verknüpft ist und immer eine Feststellung der konkreten (Zugewinn)ausgleichsberechtigung des klagenden Ehegatten erfordert. Ihn daher als allgemeine zivilrechtliche Klage einzuordnen, fällt ebenfalls schwer. Möglicherweise sollte deshalb generell eine eigenständige Regelung für die internationale Zuständigkeit in Bezug auf Rückholansprüche überlegt werden.118 117  Ebenfalls für einen insoweit engen Anwendungsbereich Dutta/Wedemann FS Kaissis, S.  133, 145 f. 118  Siehe hierzu unten S. 454 und S. 475.

Teil 2 – A. Die europäische Güterrechtsverordnung

363

III. Anwendbares Recht Das anwendbare Recht bestimmt sich zuvörderst nach einer von den Ehegatten getroffenen Rechtswahl (Art.  22 EuGüVO). Die Ehegatten können dabei wählen zwischen dem Recht des Staates, in dem beide oder auch nur einer von ihnen seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben/hat, und dem Recht, dessen Staatsangehörigkeit zumindest ein Ehegatte besitzt. Die Ehegatten können auch eine Rückwirkung der Rechtswahl vereinbaren, soweit hierdurch Ansprüche Dritter nicht beeinträchtigt werden. Haben die Ehegatten keine Rechtswahl getroffen, ist gem. Art.  26 EuGüVO das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Ehegatten nach der Eheschließung ihren ersten gemeinsamen Aufenthalt hatten. Fehlt es an einem solchen Aufenthalt, ist stattdessen auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung abzustellen. Ist auch eine solche nicht gegeben, ist das Recht des Staates anzuwenden, mit dem die Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung bei Abwägung aller Umstände am engsten verbunden sind. Ähnlich wie die Regelungen zur Zuständigkeit sind auch die Vorschriften zum anwendbaren Recht an den Interessen der Ehegatten ausgerichtet und primär auf eheinterne Streitigkeiten zugeschnitten. Für außenstehende Dritte ist der Abschluss einer – möglicherweise auch erst nachträglichen – Rechtswahl durch die Ehegatten nicht beeinflussbar und im Regelfall auch nicht ohne Weiteres zu erkennen.119 Gleiches gilt grds. für den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung, wobei hier die Fixierung auf den Zeitpunkt der Eheschließung die Erkennbarkeit etwas erleichtert. Speziell mit der Wirkung des ehelichen Güterstandes gegenüber Dritten befasst sich Art.  28 EuGüVO. Der Ehegatte darf dem Dritten das für den ehelichen Güterstand maßgebliche Recht nur entgegenhalten, wenn der Dritte Kenntnis von diesem Recht hatte oder bei gebührender Sorgfalt hätte haben müssen. Von einer solchen Kenntnis wird gem. Art.  28 Abs.  2 EuGüVO ausgegangen, wenn für den ehelichen Güterstand das Recht maßgeblich ist, das auch für das streitige Rechtsgeschäft gilt, oder es sich bei diesem Recht um das Recht des Staates handelt, in dem die Streitparteien ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben, oder aber es sich bei einem Streit um unbewegliche Vermögensgegenstände um das Recht des Staates handelt, in dem diese Gegenstände belegen sind. Gleiches ist anzunehmen, wenn ein Ehegatte die Publizitäts- oder Registrierungsanforderungen eines dieser Rechte eingehalten hat. Ist der Dritte gutgläubig, unterliegen die Wirkungen des ehelichen Güterstandes der für das streitige Rechtsgeschäft geltenden lex causae und bei unbeweglichen Gegenständen der lex rei sitae bzw. dem am Registrierungsort geltenden Recht.

119 

Zum Schutz der Rechte Dritter bei einer Rechtswahl s. aber noch unten S. 475 ff.

364

Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

Ob Art.  28 EuGüVO auch für familienrechtliche Rückholansprüche gilt, ist wiederum fraglich. Einerseits spricht Art.  28 Abs.  1 EuGüVO denkbar weit von „Streitigkeiten zwischen einem Dritten und einem oder beiden Ehegatten“. Hierunter lassen sich auch problemlos Klagen des ausgleichsberechtigten Ehegatten gegen den von seinem Partner beschenkten Dritten subsumieren. Die Fälle, die der Verordnungsgeber bei Art.  28 EuGüVO vor Augen hatte und die in der Literatur diskutiert wurden, waren jedoch typischerweise andere, nämlich insbesondere die mit einem Güterstand einhergehenden Verfügungsbeschränkungen. Der rückwirkend eingreifende Rückholanspruch ist letztlich ein Schwestermodell zur präventiv wirkenden Verfügungsbeschränkung und führt zu ähnlichen Ergebnissen. Andererseits wird in der Literatur auch vertreten, dass die EuGüVO auf Verfahren mit Drittbeteiligung nur anwendbar sein soll, wenn das Güterrecht in dem Verfahren die Hauptfrage bildet und es sich nicht nur um eine Vorfrage, bspw. hinsichtlich der Wirksamkeit eines dinglichen Rechtserwerbs, handelt.120 Im Verordnungstext hat diese Ansicht allerdings keine Stütze gefunden. Wendet man daher gleichwohl Art.  28 EuGüVO auf Rückholansprüche an, so ist festzustellen, dass der Schutz des Dritten insgesamt recht lückenhaft erscheint. Er greift nur ein, wenn der Dritte gutgläubig war. Wegen der gesetzlichen Vermutungen in Art.  28 Abs.  2 EuGüVO wird der beschenkte Dritte aber oft als bösgläubig gelten. Die Bösgläubigkeit im Sinne des Art.  28 EuGüVO verlangt dabei keineswegs, dass dem Dritten etwa eine Benachteiligungsabsicht des verfügenden Ehegatten bekannt sein muss, sondern es genügt insoweit bereits die rein potentielle Kenntnis davon, in welchem Güterstand welchen Rechts die Ehegatten leben. Ein Schutz des beschenkten Dritten könnte ferner auch dadurch bewirkt werden, dass eine Rechtswahl, die die Ehegatten mit einer Rückwirkung versehen, Ansprüche Dritter nicht beeinträchtigen darf (Art.  22 Abs.  3 EuGüVO). Die Verwendung des Wortes „Ansprüche“ könnte allerdings darauf hindeuten, dass Rückholsituationen nicht erfasst werden sollen, da es insoweit nicht um den Schutz eines Anspruchs des Dritten geht, sondern um dessen Eigentumsrecht. In der englischen Version ist hingegen weiterfassend von „rights“ die Rede, so dass es sich in der deutschen Übersetzung wohl nur um eine sprachliche Ungenauigkeit handelt. Richtigerweise darf eine retroaktive Wahl eines Rechts, das (zeitlich) weiterreichende Rückholansprüche vorsieht, die Position des beschenkten Dritten nicht verschlechtern. Würde der beschenkte Dritte ohne die Rechtswahl keinen Rückholansprüchen ausgesetzt sein, aufgrund der Rechtswahl aber haften, dürfte die Rechtswahl ihm gegenüber deshalb unwirksam sein. Gleiches gilt gem. Art.  26 Abs.  3 S.  3 EuGüVO für den Fall, dass ausnahmsweise ein Recht nach Art.  26 Abs.  3 S.  1 EuGüVO zur Anwendung kommt. 120 

Dutta/Wedemann FS Kaissis, S.  133, 145 f. mwN.

Teil 2 – B. EuUnterhaltsVO

365

B. EuUnterhaltsVO Im Hinblick auf die englische sec.  37 MCA kommt es zusätzlich zu einem Abgrenzungsproblem zur EuUnterhaltsVO.121 Da das englische Recht nicht klar zwischen Unterhaltszahlungen und dem finanziellen Ausgleich anlässlich der Auflösung des Güterstandes trennt, kann die anti-avoidance provision auch in Zusammenhang mit Ansprüchen zum Tragen kommen, die nach kontinentaleuropäischem Verständnis als unterhaltsrechtlich zu qualifizieren wären.122 Hier muss der Funktion der eingeklagten Zahlung entsprechend qualifiziert werden und damit auch der die financial provision absichernde Antrag aus sec.  37 MCA nach dem Schwerpunkt im Einzelfall entweder dem Güterrecht oder dem Unterhaltsrecht zugewiesen werden.123

C. Brüssel IIa-VO und Rom III-VO Weder die Brüssel IIa-VO124 noch die Rom III-VO125 sind hingegen für die familienrechtlichen Rückholansprüche anwendbar. Gemäß Art.  1 Abs.  2 lit.  e) Rom III-VO werden „die vermögensrechtlichen Folgen der Ehe“, also insbesondere der Ausgleichsanspruch bei Auflösung einer Zugewinngemeinschaft, vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen. Die Rom III-VO beschränkt sich somit primär auf die Regelung des für die Scheidungsvoraus­ setzungen anwendbaren Rechts und erfasst die Scheidungsfolgen nur sehr eingeschränkt.126 Auch die Brüssel IIa-VO erfasst insbesondere die finanziellen Folgen einer Scheidung nicht.127 In Art.  1 Abs.  1 lit.  a) Brüssel IIa-VO ist explizit nur von der Ehescheidung selbst die Rede und der Erwägungsgrund 8 stellt klar, dass diese

121  Verordnung (EG) Nr.  4/2009 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen vom 18. Dezember 2008 (ABl. EU 2009 Nr. L 7, S.  1). 122  Siehe oben S. 119 ff. 123  Heiderhoff IPRax 2011, 156; Ni Shúilleabháin IntCompLQ 59 (2010), 1021; McClean/ Ruiz Abou-Nigm, The conflict of laws, Rn.  9 -067; Martiny IPRax 2011, 437, 445; vgl. auch BGH FamRZ 2009, 1659 und EuGH, Urt. v. 27.03.1979, IPRax 1981, 19 – De Cavel. 124  Verordnung (EG) Nr.  2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr.  1347/2000 vom 27. November 2003 (ABL. EU Nr. L 338, S.  1). 125  Verordnung (EU) Nr.  1259/2010 des Rates zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts vom 20. Dezember 2010 (ABL. EU Nr. L 343, S.  10). 126 MüKoBGB/Winkler v. Mohrenfels Art.  1 Rom III-VO Rn.  1, 46. 127  Pintens in: Magnus/Mankowski (Hrsg.), Brussels IIbis Regulation, Art.   1 Rn.   40; Pabst, Entscheidungszuständigkeit und Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit in Ehe­ sachen, S.  144.

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Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

Verordnung „nicht für Fragen wie die Scheidungsgründe, das Ehegüterrecht oder sonstige mögliche Nebenaspekte gelten“ soll.

D. Die nationale Perspektive I. Deutschland 1. Internationale Zuständigkeit Mangels vorrangiger internationaler oder europäischer Regelungen richtet sich die internationale Zuständigkeit für den Anspruch auf Zugewinnausgleich bis zum 29. Januar 2019128 nach §  105 FamFG.129 Es kommt dabei darauf an, ob der Ausgleichsanspruch isoliert oder als sog. Verbundsache im Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren eingeklagt wird.130 Im erstgenannten Fall finden über den Verweis in §  105 FamFG und §  262 Abs.  2 FamFG die Vorschriften der ZPO über die örtliche Zuständigkeit (§§  12 ff. ZPO) entsprechende Anwendung, im letzteren Fall ist hingegen das bereits mit dem Scheidungsverfahren befasste Gericht auch für die Entscheidung über den Zugewinn ausschließlich zuständig (Art.  3 Brüssel IIa-VO, §§  98 Abs.  2, 262 Abs.  1 FamFG). Für das Scheidungsverfahren richtet sich die internationale Zuständigkeit dabei vorrangig zunächst nach der Brüssel IIa-VO. §  98 FamFG wird dadurch sehr weitgehend verdrängt.131 Fraglich ist, ob auch der gegen einen Dritten gerichtete Anspruch aus §  1390 BGB als Verbundsache angesehen werden und vor dem im Scheidungsverfahren angerufenen Gericht mitverhandelt werden kann. Erwägungen des Beklagtenschutzes könnten grds. gegen eine solche Einbeziehung eines Dritten sprechen. §  261 Abs.  1 FamFG definiert allerdings Güterrechtssachen, als „Verfahren, die Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht betreffen, auch wenn Dritte an dem Verfahren beteiligt sind.“ Nach ganz herrschender Ansicht sind daher auch auf §  1390 BGB gestützte Klagen Güterrechtsachen, für die die Zuständigkeitsregelung in §  262 FamFG Anwendung findet.132 Dass hiermit für den Dritten insbesondere in einem internationalen Kontext erhebliche Lasten verbunden sein können, wird dabei jedoch nicht erörtert.

128 

Ab diesem Zeitpunkt gilt dann vorrangig die EuGüVO. Siehe oben S. 361 f. 130 Siehe zur Problematik der Verbundzuständigkeit im internationalen Rechtsverkehr auch Jayme IPRax 1984, 121. 131 MüKoFamFG/Rauscher §  98 Rn.  8 ff.; Bork/Jacoby/Schwab/Heiderhoff §  98 FamFG Rn.  4 ff. 132 BeckOK-FamFG/Nickel §  261 Rn.  13; MüKoFamFG/Pasche §  261 Rn.  10; Musielak/ Borth/Grandel §  261 FamFG Rn.  3; Prütting/Helms/Heiter §  261 FamFG Rn.  22, 24; Giers in: Keidel (Hrsg.), FamFG, §  261 Rn.  7. 129 

Teil 2 – D. Die nationale Perspektive

367

Beispiel: Der Deutsche M schenkt während eines Aufenthaltes in Florida im Jahre 2006 seinem dort lebenden Neffen N einen Sportwagen in Wert von 15.000  €. In Jahre 2015 verlangt seine Ehefrau F vor dem Landgericht Heidelberg die Scheidung und macht einen Anspruch auf Zugewinnausgleich geltend. Da M jedoch wegen zahlreicher Schenkungen in den letzten Jahren kaum noch eigenes Vermögen besitzt, nimmt F im Rahmen dieses Verfahrens über §  1390 BGB auch den amerikanischen Neffen N in Anspruch.

Hier stellt sich, wie generell bei den Rückholsituationen, die Frage, ob die „vis attractiva“ des Scheidungsverfahrens es rechtfertigt, grundsätzliche Erwägungen des Beklagtenschutzes beiseite zu wischen. Diese Erwägungen finden insbesondere in dem praktisch weltweit geltenden Grundsatz „actor sequitur forum rei“ ihren Ausdruck. Die einzige Verbindung, die N zum deutschen Forumstaat aufweist, ist, dass er vor neun Jahren von M beschenkt wurde. Es ist daher auch durchaus zweifelhaft, inwieweit amerikanische Gerichte ein gegen N ergehendes deutsches Urteil anerkennen und vollstrecken würden.133 Die Zuständigkeit für das Ehescheidungsverfahren richtet sich hingegen grds. nach der Brüssel IIa-VO. Nach deren Art.  3 sind die Gerichte desjenigen Mitgliedstaates zuständig, in dessen Hoheitsgebiet die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen. Zudem sieht Art.  3 Abs.  1 lit a) Brüssel IIa-VO zahlreiche weitere an den gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsstellers oder des Antragsgegners anknüpfende Zuständigkeiten vor (letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt, wenn ein Ehegatte diesen noch weiter beibehalten hat; gewöhnlicher Aufenthalt des Antragsgegners; gewöhnlicher Aufenthalt eines Ehegatten, wenn ein gemeinsamer Antrag gestellt wurde; gewöhnlicher Aufenthalt des Antragstellers, wenn er sich dort entweder bereits seit einem Jahr oder sechs Monaten aufgehalten hat und im letzteren Fall zudem die Staatsangehörigkeit dieses Staates besitzt). Alle diese Zuständigkeiten sind nicht ausschließlich, so dass der Antragsteller grds. zwischen ihnen die freie Auswahl besitzt.134 Wird der Anspruch aus §  1390 BGB hingegen außerhalb eines Scheidungsverfahrens anhängig gemacht, etwa im Rahmen einer Klage auf vorzeitigen Zugewinnausgleich (§  1385 ff. BGB), so richtet sich die internationale Zuständigkeit gem. §§  105, 262 Abs.  2 FamFG nach den allgemeinen Regelungen der ZPO. An die Stelle des Wohnsitzes tritt dabei allerdings der gewöhnliche Aufenthalt. Grds. hat eine Klage gegen den beschenkten Dritten folglich in dessen Aufenthaltsstaat zu erfolgen (§§  12 ff. ZPO). Daneben besteht die Möglichkeit, eine Gerichtsstandsvereinbarung abzuschließen (§§  38 ff. ZPO) oder vertragliche Ansprüche am Erfüllungsort geltend zu machen (§  29 ZPO).135 Der Vermögensgerichtstand des §  23 ZPO ist allerdings nur gegeben, wenn auch ansonsten 133  Vgl. allgemein zur Vollstreckung von Urteilen in den USA Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, S.  73. 134  Borrás in: Magnus/Mankowski (Hrsg.), Brussels IIbis Regulation, Art.  3 Rn.  7. 135  Andrae, Internationales Familienrecht, §  3 Rn.  34.

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Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

eine hinreichende Beziehung des Rechtsstreits zum Forumstaat besteht.136 Für den obigen Beispielsfall müsste man demnach wohl feststellen, dass eine inländische Zuständigkeit über die ZPO nicht begründet werden könnte und die Gerichtspflichtigkeit des beschenkten N also davon abhängt, dass ein inländisches Scheidungsverfahren unter Beteiligung des Schenkenden eingeleitet wird. Ein merkwürdig anmutendes Ergebnis. 2. Anwendbares Recht Vorrangig zu beachtende staatsvertragliche Kollisionsnormen finden sich, wiederum bis zum 29. Januar 2019, nur in Art.  8 Abs.  3 des Deutsch-Iranischen Niederlassungsübereinkommens.137 In allen übrigen Fällen ist Art.  15 EGBGB die maßgebliche Anknüpfungsvorschrift.138 Art.  15 EGBGB verweist dabei grds. auf das im Zeitpunkt der Eheschließung geltende allgemeine Ehewirkungs­ statut des Art.  14 EGBGB. Hiernach maßgeblich ist in absteigender Folge auf der sog. Kegel’schen Leiter139 zunächst das gemeinsame bzw. letzte gemeinsame Staatsangehörigkeitsrecht der Ehegatten, wenn zumindest ein Ehegatte diese Staatsangehörigkeit noch besitzt, dann das gemeinsame Aufenthaltsrecht bzw. das Recht des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsortes, wenn ein Ehegatte im Zeitpunkt der Eheschließung dort noch seinen Aufenthalt hatte, und schließlich, wenn auch diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, das Recht des Staates, „dem die Ehegatten auf andere Weise gemeinsam am engsten verbunden sind.“ Daneben können die Ehegatten auch bereits im Zeitpunkt der Eheschließung von den ihnen über Art.  14 Abs.  2 und 3 EGBGB eröffneten Wahlmöglichkeiten Gebrauch machen.140 Zusätzlich zu diesen objektiven Anknüpfungen bestehen für die Ehegatten über Art.  15 Abs.  2 EGBGB noch mehrere Rechtswahlmöglichkeiten.141 So können sie in notariell beurkundeter Form auch das Recht jedes Staates wählen, dem einer von ihnen angehört oder in dem einer von ihnen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für unbewegliches Vermögen kann zudem das Recht des Lageorts gewählt werden. 136 

BGH FamRZ 1992, 1060; OLG Saarbrücken FamRZ 1994, 579. zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17. Februar 1929 (RGBl. 1930 II, S.  1006). Art.  8 Abs.  3 dieses Abkommens lautet: „In Bezug auf das Personen-, Familien- und Erbrecht bleiben die Angehörigen jedes der vertragschließenden Staaten im Gebiet des anderen Staates jedoch den Vorschriften ihrer heimischen Gesetze unterworfen. Die Anwendung dieser Gesetze kann von dem anderen vertragschließenden Staat nur ausnahmsweise und nur insoweit ausgeschlossen werden, als ein solcher Ausschluss allgemein gegenüber jedem anderen fremden Staat erfolgt.“ 138 MüKoBGB/Siehr Art.  15 EGBGB Rn.  70 f.; Staudinger/Mankowski Art.   15 EGBGB Rn.  277 ff. 139 Siehe Kropholler, Internationales Privatrecht, S.  347 Fn.  8 . 140 Staudinger/Mankowski Art.  15 EGBGB Rn.  79 ff. 141 MüKoBGB/Siehr Art.  15 EGBGB Rn.  25 ff.; Staudinger/Mankowski Art.   15 EGBGB Rn.  90 ff., 129 ff. 137  Niederlassungsabkommen

Teil 2 – D. Die nationale Perspektive

369

Ein Bedürfnis für einen kollisionsrechtlichen Schutz des über §  1390 BGB in Anspruch genommenen Dritten wird bei diesen ausschließlich auf die Ehe­ gatten selbst zugeschnittenen Anknüpfungen erkennbar nicht gesehen. Auch dies ist allerdings problematisch, da der Dritte weder auf die Voraussetzungen für die objektive Anknüpfung noch auf den Abschluss einer Rechtswahlvereinbarung durch die Ehegatten Einfluss nehmen kann. Da sich die familienrechtlichen Rückholansprüche, bspw. was die Grenzen ihrer zeitlichen Rückwirkung angeht, durchaus erheblich unterscheiden, kann so ein Missbrauchspotential entstehen. Zumindest ist es für den beschenkten Dritten aber im Zeitpunkt der Schenkung erneut kaum vorhersehbar, welche Rückholregelungen im Falle einer Scheidung für eine eventuelle Rückabwicklung der Schenkung maßgeblich sein werden. Im Hinblick auf die für die Ehegatten bestehende Möglichkeit, auch nachträglich noch eine Rechtswahl treffen zu können und dieser sogar Rückwirkung zu verleihen,142 stellt sich die Frage, ob der beschenkte Dritte bereits eine derart rechtlich gesicherte Position erworben hat, dass sie ihm nach allgemeinen kollisionsrechtlichen Prinzipien nicht mehr rückwirkend entzogen werden kann. Die Grenzen für die Rechtswahl im Vertragsrecht, die Art.  3 Abs.  2 S.  2 Rom I-VO festlegt,143 sollen grds. auch für das Familienrecht Gültigkeit besitzen.144 Allerdings ist, soweit ersichtlich, die Thematik, ob auch erweiterte Rückholmöglichkeiten zu einer Beeinträchtigung von Rechten Dritter i. S. d. Art.  3 Abs.  2 S.  2 Rom I-VO führen, bisher noch nicht erörtert worden. Schließlich ist zu bedenken, dass sich die Verschlechterung der Position des beschenkten Dritten auch unabhängig von einer Rechtswahl, allein durch eine Veränderung der objektiven Anknüpfungselemente ergeben kann. In diesem Fall können die Art.  3 Abs.  2 S.  2 Rom I-VO zugrundeliegenden Erwägungen schon von vornherein nicht greifen. Inwieweit Art.  16 Abs.  1 EGBGB Schutz bieten kann, ist ebenfalls unklar. Unstreitig von Art.  16 Abs.  1 EGBGB erfasst werden jedenfalls die mit einem ausländischen Güterstand einhergehenden Verfügungsbeschränkungen.145 Es wäre daher durchaus naheliegend, Gleiches auch für mit dem ausländischen Güterstand verbundene Rückholmöglichkeiten anzunehmen. Diese könnten, wenn sie sich für den Dritten im Vergleich zu den deutschen Vorschriften als nachteilig erweisen, gem. Art.  16 Abs.  1 EGBGB nur dann im Inland Wirkung 142 MüKoBGB/Siehr Art.   15 EGBGB Rn.   46; Staudinger/Mankowski Art.   15 EGBGB Rn.  116. 143 Staudinger/Magnus Art.  3 Rom I-VO Rn.  127; vgl. auch Bauer, Grenzen nachträglicher Rechtswahl durch Rechte Dritter im Internationalen Privatrecht, S.  10 ff. 144 Staudinger/Mankowski Art.  15 EGBGB Rn.  108, 116 mwN. 145 Staudinger/Mankowski Art.  16 EGBGB Rn.  15 ff.; Bamberger/Roth/Mörsdorf-Schulte Art.  16 EGBGB Rn.  21; Hausmann in: Reithmann/Martiny, Intern. Vertragsrecht, Rn.  6073 ff.; Dästner, Der Verkehrsschutz im deutschen internationalen Eherecht, S.  150  ff.; Schotten DNotZ 1994, 670, 678.

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Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

entfalten, wenn der ausländische Güterstand auch in ein deutsches Güterrechtsregister eingetragen wurde oder dem Dritten bekannt war.146 Rechtsprechung oder Literatur zu dieser Problematik existiert allerdings bislang noch nicht. II. England 1. Internationale Zuständigkeit Wie bereits oben dargelegt, findet im englischen Recht nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft nur in Ausnahmefällen ein finanzieller Ausgleich zwischen den Ehegatten statt.147 Das Gericht hat aber die Möglichkeit, auf Antrag financial relief zu gewähren. Da im Rahmen einer solchen Anordnung grds. ein finanzieller Gesamtausgleich aller wechselseitigen Forderungen angestrebt wird, grenzt das englische Recht, wie schon erwähnt, nicht streng zwischen Pensions-, Unterhalts- und/oder güterrechtlich motivierten Forderungen ab.148 Für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit muss allerdings dann doch genauer hingeschaut werden, da unter anderem die Anwendbarkeit der EuUnterhaltsVO149 davon abhängt, dass es sich bei der geltend gemachten Forderung um Unterhalt i. S. d. Art.  1 EuUnterhaltVO handelt.150 Wird über sec.  37 MCA ein finanzieller Ausgleich angestrebt, der sich unabhängig von einer konkreten Bedürftigkeit des Antragstellers primär an der gesamten Vermögensentwicklung während der Ehe orientiert, liegt eine güterrechtliche Einordnung nahe.151 Finden die Zuständigkeitsvorschriften der EuUnterhaltsVO demnach keine Anwendung, besteht in England nach sec.  23 MCA, ähnlich wie in Deutschland, eine umfassende Verbundzuständigkeit zugunsten des mit der Scheidung befassten Gerichts. Die aufgrund der Brüssel IIa-VO152 zu ermittelnde Zuständigkeit für das Scheidungsverfahren erfasst quasi als Annex auch die Zuständigkeit, über die vermögensrechtlichen Folgen der Ehescheidung zu entscheiden und entsprechende Anordnungen zu treffen.153 Maßgeblich sind insoweit also auch hier die bereits oben dargelegten Zuständigkeitsvorschriften

146 Vgl.

Schotten DNotZ 1994, 670, 675; Bader MittRhNotK 1994, 161, 163 ff. Siehe oben S. 119 ff. 148  Siehe zu den kollisionsrechtlichen Konsequenzen dieser Paketlösung auch IPG-Gutachten 1999, Nr.  24, S.  240 f. 149  In Großbritannien gilt zwar die EuUnterhaltsVO, nicht aber das Haager Protokoll von 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht, auf das die EuUnterhaltsVO verweist und das das anwendbare Unterhaltsrecht für die übrigen EU-Mitgliedstaaten (außer Dänemark) bestimmt. 150  Siehe oben S. 365. 151  Dicey/Morris/Collins, The Conflict of Laws, Bd. II, Rn.  18-179. 152  Aufgrund des Brexit wird es hier allerdings in England demnächst voraussichtlich zu Änderungen kommen. 153  Dicey/Morris/Collins, The Conflict of Laws, Bd. II, Rn.  18-180. 147 

Teil 2 – D. Die nationale Perspektive

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der Brüssel IIa-VO.154 Dass dadurch Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel IIa-VO, die auf die Ehegatten zugeschnitten sind, auch auf Klagen Anwendung finden, die sich gegen am Scheidungsverfahren unbeteiligte Dritte richten, wird in der englischen Literatur und Rechtsprechung bisher nicht als Problem wahrgenommen. Besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zu einem Scheidungsverfahren, kann sich die internationale Zuständigkeit englischer Gerichte aus dem Domestic Proceedings and Magistrates’ Courts Act 1978 ergeben. Nach sec.  30 dieses Act sind Magistrates’ Courts zuständig, wenn der Antragsgegner oder der Antragsteller im Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in ihrem Gerichtsbezirk hat.155 Diese Vorschrift bezieht sich nach ihrem Absatz 5 auch ausdrücklich auf die internationale Zuständigkeit.156 Wurde das Scheidungsverfahren im Ausland durchgeführt, kann sich unter engen Voraussetzungen eine Zuständigkeit englischer Gerichte auch aus Part III des Matrimonial and Family Proceedings Act 1984 ergeben. Wurden im Scheidungsverfahren keine Bestimmungen zur Verteilung des ehelichen Vermögens getroffen, so sollen diese noch nachträglich durch englische Gerichte vorgenommen werden können.157 Voraussetzung ist dafür unter anderem ein hinreichender Inlandsbezug der Streitigkeit. Wann ein solcher Bezug anzunehmen ist, beurteilt sich anhand der in sec.  16 (2) Matrimonial and Family Pro­ ceedings Act 1984 genannten Faktoren.158 Auch hier fällt auf, dass sämtliche 154 

Siehe oben S. 366 ff. (1) Domestic Proceedings and Magistrates’ Courts Act 1978 lautet: „A magistrates’ court shall, subject to section 2 of the Family Law Act 1986 and section 70 of the Magistrates’ Courts Act 1980 and any determination of a magistrates’ courts committee thereunder, have jurisdiction to hear an application for an order under this Part of this Act if at the date of the making of the application either the applicant or the respondent ordinarily resides within the commission area for which the court is appointed.“ 156  Sec.  30 (5) Domestic Proceedings and Magistrates’ Courts Act 1978 lautet: „It is hereby declared that any jurisdiction conferred on a magistrates’ court by this Part of this Act is exercisable notwithstanding that any party to the proceedings is not domiciled in England.“ 157  Dicey/Morris/Collins, The Conflict of Laws, Bd.  II, Rn.   18-202 ff.; McClean/Ruiz Abou-Nigm, The conflict of laws, Rn.  9 -074 ff. 158  Sec.  16 (2) Matrimonial and Family Proceedings Act 1984 bestimmt: „The court shall in particular have regard to the following matters—(a) the connection which the parties to the marriage have with England and Wales; (b) the connection which those parties have with the country in which the marriage was dissolved or annulled or in which they were legally separated; (c) the connection which those parties have with any other country outside England and Wales; (d) any financial benefit which the applicant or a child of the family has received, or is likely to receive, in consequence of the divorce, annulment or legal separation, by virtue of any agreement or the operation of the law of a country outside England and Wales; (e) in a case where an order has been made by a court in a country outside England and Wales requiring the other party to the marriage to make any payment or transfer any property for the benefit of the applicant or a child of the family, the financial relief given by the order and the extent to which the order has been complied with or is likely to be complied with; (f) any right which the applicant has, or has had, to apply for financial relief from the other party to the marriage under the law of any country outside England and Wales and if the applicant has omitted to 155  Sec.  30

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Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

Faktoren ausschließlich auf die Parteien des Scheidungsverfahrens abstellen und auch nur auf diese zugeschnitten sind. Die Interessen eines möglicherweise infolge des financial relief in Anspruch genommenen Dritten finden hingegen weder Erwähnung noch Berücksichtigung. 2. Anwendbares Recht Sind englische Gerichte für den güterrechtlichen Ausgleich infolge einer Scheidung zuständig, wenden sie in aller Regel englisches Recht an.159 Im Bereich des Scheidungsfolgenrechts gilt unbestritten das Gleichlaufprinzip.160 Der Anspruch auf financial relief und die ihn sichernden Anträge sind zudem grds. dem Scheidungsfolgenrecht zuzurechnen und nicht dem allgemeinen ehelichen ­Güterrecht.161 Das Gleichlaufprinzip gilt auch dann, wenn die Scheidung im Ausland erfolgt ist und sich die Zuständigkeit erst aus Part III des Matrimonial and Family Proceedings Act 1984 ergibt.162 III. Frankreich 1. Internationale Zuständigkeit Mangels vorrangiger internationaler Übereinkommen oder einschlägiger europäischer Verordnungen finden auch in Frankreich grds. bis zum 29. Januar 2019 die auf die örtliche Zuständigkeit zugeschnittenen Vorschriften des französischen CPC für die internationale Zuständigkeit entsprechende Anwendung.163 Nach Art.  42 CPC ist insoweit zunächst der allgemeine Beklagtenwohnsitz maßgeblich. Besondere Zuständigkeiten finden sich in Art.  46 CPC für deliktsrechtliche, vertragliche und unterhaltsrechtlich motivierte Ansprüche, die aber für eine auf Art.  1577 Code civil gestützte Klage alle nicht einschlägig sein dürften.164 In Art. L. 213-3 Code de l’organisation judiciare ist allerdings auch eine exercise that right the reason for that omission; (g) the availability in England and Wales of any property in respect of which an order under this Part of this Act in favour of the applicant could be made; (h) the extent to which any order made under this Part of this Act is likely to be enforceable;(i) the length of time which has elapsed since the date of the divorce, annulment or legal separation.“ 159  Sealey v. Callan [1953] P. 135; Cammel v. Cammel [1965] P. 467; Granatino v. Rad­ macher [2010] UKSC 42; s. a. Odersky in: Süß/Ring, Eherecht in Europa, S.  6 46 Rn.  48. 160  Dicey/Morris/Collins, The Conflict of Laws, Bd. II, Rn.  18-230. 161  Odersky in: Süß/Ring, Eherecht in Europa, 2. Auflage, S.   565, 573; IPG-Gutachten 1999, Nr.  24, S.  237. 162  Dicey/Morris/Collins, The Conflict of Laws, Bd. II, Rn.  18-230. 163  Döbereiner, Eherecht in Frankreich, in: Süß (Hrsg.), Eherecht in Europa, S.   551, Rn.  56 ff.; Mayer/Heuzé, Droit international privé, Rn.  293; Després, Code de procédure civile (Dalloz), Art.  1070 Rn.  8 ff. 164  Vgl zu Art.  46 CPC Le Bayon, Compétence territorial en matière civile, JC Proc. civ., Fasc. 211, Rn.  143 ff.

Teil 2 – D. Die nationale Perspektive

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weitreichende Verbundzuständigkeit vorgesehen, die dem mit dem Scheidungsverfahren befassten Richter auch die Regelung des güterrechtlichen Ausgleiches ermöglicht.165 Durch Art.  3 Abs.  1 Satz  1 des Loi n°2015-17 vom 16. Februar 2015 wurde diese Zuständigkeit noch weiter gestärkt.166 Maßgeblich wäre in diesem Fall dann wiederum Art.  3 Brüssel IIa-VO.167 Ob allerdings auch eine über Art.  1577 Code civil gegen einen Dritten gerichtete Klage unter die Verbundszuständigkeit fällt, ist unklar.168 Daneben finden schließlich auch die besonderen Zuständigkeiten aus Art.  14, 15 Code civil Anwendung, die es französischen Staatsbürgern stets ermöglichen, in Frankreich zu klagen, aber andererseits auch eine an die französische Staatsangehörigkeit anknüpfende Gerichtspflichtigkeit in Frankreich begründen.169 Nach ganz herrschender Ansicht sind diese Vorschriften auch in Güterstandssachen und Scheidungsfolgeangelegenheiten anzuwenden.170 2. Anwendbares Recht In Frankreich ist am 1. September 1992 das Haager Übereinkommen über das auf Ehegüterstände anwendbare Recht (HGA) in Kraft getreten.171 Für alle nach diesem Datum geschlossenen Ehen gilt daher das HGA. Der finanzielle Ausgleich infolge der Auflösung des Güterstandes fällt nach in Frankreich herrschender Ansicht unter das Güterstatut.172 Gemäß Art.  3 HGA ist zunächst das von den Eheleuten ausdrücklich oder konkludent gewählte Sachrecht maßgeblich (vgl. auch Art.  11, 13 HGA). Die Rechtswahlmöglichkeiten der Eheleute sind dabei auf die Rechte der Staaten beschränkt, in denen ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder im Zeitpunkt der Eheschließung hatte oder dessen Staatsangehörigkeit ein Ehegatte besitzt.173 Fehlt es an einer Rechtswahl, wird über Art.  4 HGA grds. das 165  Fricero, Procédure de divorce – Compétence d’attribution – Compétence territoriale, JC Divorce, Fasc. 35, Rn.  8; vgl. auch Art.  267 Code civil. 166  Fricero, Procédure de divorce – Compétence d’attribution – Compétence territoriale, JC Divorce, Fasc. 35, Rn.  8; Combret/Baillon-Wirtz JCP N 2015, n°8-9, act. 288. 167  Siehe oben S. 366 ff. 168  In der ohnehin nur sehr wenig umfangreichen Literatur zur participation aux acquêts finden sich hierzu – soweit ersichtlich – keine Stellungnahmen. 169 Ausführlich Huet, Compétence „privilégiée“ des Tribunaux français ou compétence fondée sur la nationalité française de l’une des parties, JC Droit int., Fasc. 581-30. 170  Cass. civ, 25 sept. 2013, Dr. famille 2014, comm. 18; Fricero, Procédure de divorce – Compétence d’attribution – Compétence territoriale, JC Divorce, Fasc. 35, Rn.  27 mwN. 171  Haager Übereinkommen über das auf Ehegüterstände anwendbare Recht vom 14. März 1978, abrufbar unter: http://www.hcch.net/index_de.php?act=conventions.text&cid=87. 172 Vgl. Döbereiner, Eherecht in Frankreich, in: Süß (Hrsg.), Eherecht in Europa, S.  552 Rn.  60; v. Overbeck, Explanatory Report on the 1978 Hague Matrimonial Property Regimes Convention, Rn.  17 ff., 110 ff.; Mayer/Heuzé, Droit international privé, Rn.  821; Revillard, Régimes matrimoniaux – Droit international privé francais, JC Dr. int., Fasc. 556, Rn.  165. 173  Art.  3 HGA lautet: „The matrimonial property regime is governed by the internal law

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Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

Recht am ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort der Ehegatten nach der Eheschließung berufen.174 In bestimmten Situationen ist stattdessen aber das gemeinsame Staatsangehörigkeitsrecht beider Ehegatten maßgeblich.175 Besteht weder ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthaltsort noch eine gemeinsame Staatsangehörigkeit, ist das Recht des Staates anzuwenden, zu dem das eheliche Güterregime die engste Verbindung aufweist.176 Wie sich dem Bericht von v. Overbeck entnehmen lässt, wurde eine Beschränkung der Wirkungen des Güterrechtsstatuts auf das Verhältnis der Ehegatten untereinander auf der Haager Konferenz diskutiert, letztlich aus Praktikabilitätsgründen aber verworfen.177 Im Verhältnis zu außenstehenden Dritten hätte anderenfalls weiterhin auf das autonome Kollisionsrecht der Mitgliedstaaten zurückgegriffen werden müssen, was der gewünschten Vereinheitlichung entgegengelaufen wäre und zu schwierigen Abgrenzungsfragen geführt hätte.178 Wie Art.  9 HGA nunmehr ausdrücklich klarstellt, ist das über das HGA ermittelte Recht daher grds. auch für das Außenverhältnis der Ehegatten zu

designated by the spouses before marriage. The spouses may designate only one of the following laws – (1) the law of any State of which either spouse is a national at the time of designation; (2) the law of the State in which either spouse has his habitual residence at the time of designation; (3) the law of the first State where one of the spouses establishes a new habitual residence after marriage. The law thus designated applies to the whole of their property. Nonetheless, the spouses, whether or not they have designated a law under the previous paragraphs, may designate with respect to all or some of the immovables, the law of the place where these immovables are situated. They may also provide that any immovables which may subsequently be acquired shall be governed by the law of the place where such immovables are situated.“ 174  Art.  4 HGA bestimmt: „If the spouses, before marriage, have not designated the applicable law, their matrimonial property regime is governed by the internal law of the State in which both spouses establish their first habitual residence after marriage. Nonetheless, in the following cases, the matrimonial property regime is governed by the internal law of the State of the common nationality of the spouses – (1) where the declaration provided for in Article 5 has been made by that State and its application to the spouses is not excluded by the provisions of the second paragraph of that Article; (2) where that State is not a Party to the Convention and according to the rules of private international law of that State its internal law is applicable, and the spouses establish their first habitual residence after marriage – a) in a State which has made the declaration provided for in Article 5, or b) in a State which is not a Party to the Convention and whose rules of private international law also provide for the application of the law of their nationality; (3) where the spouses do not establish their first habitual residence after marriage in the same State. If the spouses do not have their habitual residence in the same State, nor have a common nationality, their matrimonial property regime is governed by the internal law of the State with which, taking all circumstances into account, it is most closely connected.“ 175  Mayer/Heuzé, Droit international privé, Rn.  820. 176  Dörner FS Seul, S.  107, 113. 177  v. Overbeck, Explanatory Report on the 1978 Hague Matrimonial Property Regimes Convention, Rn.  97 ff. 178  v. Overbeck, Explanatory Report on the 1978 Hague Matrimonial Property Regimes Convention, Rn.  101.

Teil 2 – E. Der deutsch-französische Wahlgüterstand

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Dritten maßgeblich.179 Ähnlich wie bei Art.  16 EGBGB ist unklar, inwieweit die zum Schutze der Dritten vorgesehenen Ausnahmebestimmungen in Art.  9 S.  2–4 HGA auch für Rückholsituationen greifen. Auch hier sind diese Vorschriften primär auf Verfügungsbeschränkungen zugeschnitten, die aus dem Güterstand resultieren.180 Ein Ehegatte kann sich auf die Verfügungsbeschränkungen gegenüber Dritten grds. nur dann berufen, wenn der Ehegüterstand im Zeitpunkt des Rechtsgeschäfts – bspw. durch Registereintragung – hinreichend publik gemacht wurde.181 Ob auch mit dem Güterstand verbundene Rückabwicklungsmöglichkeiten erfasst werden, ist hingegen auch in Frankreich bisher nicht diskutiert worden.

E. Der deutsch-französische Wahlgüterstand I. Allgemeines Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft (WZGA) ist in Deutschland am 1. Mai 2013 in Kraft getreten. Vereinbaren die Ehegatten in ihrem Ehevertrag die Geltung des WZGA, finden nach §  1519 BGB die Vorschriften dieses Abkommens Anwendung. Das WZGA ist das erste internationale Projekt zur Vereinheitlichung des materiellen Ehegüterrechts. Nach Art.  21 WZGA steht er auch anderen EU-Mitgliedstaaten für einen Beitritt offen. Inhaltlich orientiert sich das Abkommen sehr weitgehend am deutschen Modell der Zugewinngemeinschaft und ergänzt dieses um einige französische Besonderheiten, etwa bei der Bewertung und Berechnung des Anfangs- und des Endvermögens182 oder der Verfügung über die Familienwoh179  Art.  9 HGA lautet: „The effects of the matrimonial property regime on the legal relations between a spouse and a third party are governed by the law applicable to the matrimonial property regime in accordance with the Convention. Nonetheless, the law of a Contracting State may provide that the law applicable to the matrimonial property regime may not be relied upon by a spouse against a third party where either that spouse or the third party has his habitual residence in its territory, unless (1) any requirements of publicity or registration specified by that law have been complied with, or (2) the legal relations between that spouse and the third party arose at a time when the third party either knew or should have known of the law applicable to the matrimonial property regime. The law of a Contracting State where an immovable is situated may provide an analogous rule for the legal relations between a spouse and a third party as regards that immovable. A Contracting State may specify by declaration the scope of the second and third paragraphs of this Article.“ 180 Vgl. Revillard, Régimes matrimoniaux – Droit international privé francais, JC Dr. int., Fasc. 556, Rn.  175 ff.; v. Overbeck, Explanatory Report on the 1978 Hague Matrimonial Property Regimes Convention, Rn.  178 ff. 181  Frankreich hat von dieser Vorbehaltsmöglichkeit durch die Loi du 28 Octobre 1997 Gebrauch gemacht, siehe Revillard, Régimes matrimoniaux – Droit international privé francais, JC Dr. int., Fasc. 556, Rn.  176. 182  Simler Droit de la famille 2010, étude 8, II 11 f.; Jäger DNotZ 2010, 804, 810 ff.

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Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

nung.183 Dass dieser Güterstand allerdings größere praktische Bedeutung erlangt, wird überwiegend bezweifelt.184 Anwendungsvoraussetzung des WZGA ist, dass der Güterstand der Ehegatten dem Sachrecht eines Vertragsstaates unterliegt, d. h. dass über das interna­ tionale Privatrecht die Anwendung deutschen oder französischen Rechts für den Güterstand ermittelt wurde (Art.  1 WZGA). Das Abkommen definiert seinen Anwendungsbereich somit nicht selbst, sondern macht ihn von einer vor­ geschalteten IPR-Prüfung abhängig.185 Bemerkenswert ist zudem, dass keinerlei internationaler Bezug vorausgesetzt wird. Der Wahlgüterstand steht auch zwei Deutschen offen, die in Deutschland leben und noch nie in Frankreich waren.186 II. Rückholansprüche im Rahmen des WZGA 1. Anrechnungsregelungen im WZGA Die Durchsicht der materiellen Regelungen des WZGA führt zu dem erstaunlichen Befund, dass zwar das Problem der illoyalen Vermögensminderungen durch einen Ehegatten durchaus gesehen und in Art.  10 Abs.  2 WZGA auch geregelt wurde, eine ergänzende Rückholvorschrift jedoch fehlt. Die Folge hiervon ist eine unglückliche Aufteilung zweier eigentlich zusammengehöriger Regelungskomplexe. Inwieweit Schenkungen und andere vemögensmindernde Handlungen durch einen Ehegatten das jeweilige Endvermögen erhöhen und zu einem Zugewinnausgleichsanspruch führen, beantwortet das WZGA in Art.  10 Abs.  2 selbst. Ob und in welchem Umfang aufgrund dieser Hinzurechnung auch gegenüber einem beschenkten Dritten vorgegangen werden kann, wenn der Ausgleichsanspruch gegen den illoyalen Ehegatten wegen dessen Vermögenslosigkeit nicht durchgreift, bleibt im WZGA hingegen offen. Art.  10 Abs.  2 WZGA bestimmt: „Dem Endvermögen wird der Wert der Gegenstände hinzugerechnet, die ein Ehegatte 1. verschenkt hat, es sei denn, die Schenkung ist nach der Lebensführung der Ehegatten angemessen oder es wurde einem Verwandten in gerader Linie ein Gegenstand aus dem Anfangsvermögen geschenkt. Der Wertzuwachs durch Verbesserungen an einem solchen Gegenstand, der während der Dauer des Güterstands durch vom Anfangsver183  Bamberger/Roth/Siede §  1519 BGB Rn.  5 f.; Milzer in: Langenfeld/Milzer, Eheverträge, §  4 Rn.  377; speziell zum Problem der Anrechnung von Schmerzensgeldansprüchen Erger/ Kaesling NZFam 2014, 631. 184  Bamberger/Roth/Siede §  1519 BGB Rn.  6; Kemper in: jurisPK-BGB §  1519 Rn.  4 ff.; Amann DNotZ 2013, 252, 278 ff.; Kemper FS Seul 2014, S.  225, 243; optimistischer Jünemann ZEV 2013, 353, 361; Simler Droit de la famille 2010, étude 8, II 16; Milzer in: Langenfeld/ Milzer, Eheverträge, §  4 Rn.  378. 185 Vgl. Dörner FS Seul, S.  107, 110 ff. 186  Jünemann ZEV 2013, 353, 353 f.; Simler Droit de la famille 2010, étude 8, I 3; Stürner JZ 2011, 545, 548.

Teil 2 – E. Der deutsch-französische Wahlgüterstand

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mögen unabhängige Mittel erzielt wurde, ist dem Endvermögen gleichwohl zuzurechnen, 2. in der Absicht, den anderen zu benachteiligen, veräußert hat, oder 3. verschwendet hat. Dies gilt nicht, wenn die Schenkung, Veräußerung in Benachteiligungsabsicht oder Verschwendung mehr als zehn Jahre vor der Beendigung des Güterstandes erfolgt ist oder der andere Ehegatte damit einverstanden gewesen ist.“

Anders als sowohl das deutsche als auch das französische Recht nimmt Art.  10 Abs.  2 WZGA Schenkungen, die an einen Verwandten in gerader Linie erfolgten, aus dem Anwendungsbereich der Hinzurechnungsbestimmungen heraus, soweit sie Gegenstände des Anfangsvermögens betreffen.187 Die Zehn-Jahresfrist wiederum entspricht derjenigen in §  1375 Abs.  3 BGB, ist jedoch dem französischen Recht unbekannt.188 2. Rückgriff auf Rückholregelungen außerhalb des WZGA? Unklar ist, was gelten soll, wenn das Endvermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten zur Befriedigung der Zugewinnausgleichsforderung nicht ausreicht. Da das WZGA die Inanspruchnahme Dritter nicht vorsieht, den Zugewinnausgleich aber grds. abschließend regelt, könnte man annehmen, dass insoweit Ansprüche gegen Dritte ausgeschlossen sein sollen und sich der berechtigte Ehegatte ausschließlich an seinen Partner halten muss. Immerhin erscheint es denkbar, dass dieser im weiteren Verlauf seines Lebens noch ausreichend Vermögen erwirbt, um den Zugewinnausgleichsanspruch letztlich doch noch zu erfüllen. In diesem Sinne könnte auch §  1519 BGB verstanden werden, der in seinem Satz  2 ausdrücklich nur §  1368 BGB als einzige Vorschrift aus dem Bereich des gesetzlichen Güterrechts für anwendbar erklärt, §  1390 BGB hingegen nicht erwähnt. In den Gesetzesmaterialien finden sich hierzu allerdings keinerlei Ausführungen.189 Dieser Befund ist auch deshalb überraschend, weil gerade der Rückgriffsanspruch gegen den Dritten in §  1390 BGB erst wenige Jahre zuvor in Deutschland Gegenstand einer ausführlichen rechtspolitischen Diskussion war, die letztlich sogar zu einer Erweiterung der Rückholmöglichkeiten geführt hat.190 Wieso die Interessenbewertung für den WZGA nun anders ausfallen sollte, ist nicht recht ersichtlich, zumal auch keine anderen, ersatzweisen Vorkehrungen getroffen wurden, um Vermögensübertragungen durch den illoyalen Ehegatten zu verhindern. Die in Art.  10 Abs.  2 WZGA vorgesehenen Anrechnungsmöglichkeiten greifen immer dann zu kurz, wenn der illoyale Ehegatte mit einer gewissen Konsequenz vorgeht und nicht nur einen kleinen, sondern den Großteil oder sogar sein gesamtes Vermögen schenkweise auf einen Dritten, bspw. seinen neu187 

Jünemann ZEV 2013, 353, 356; BeckGOK/Jäger Art.  10 WahlZugAbk-F Rn.  23 ff. Siehe oben S. 138. 189  Vgl. BT-Drs. 17/5126, S.  34 ff., 37. 190  Siehe BT-Drs. 16/10798, S.  21. 188 

378

Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

en Partner, überträgt. Hierdurch hätte er es stets in der Hand, dem Zugewinnausgleichsanspruch seines früheren Partners die Grundlage zu entziehen. Das deutsche und das französische Recht der Zugewinngemeinschaft stimmen deshalb auch darin überein, dass in einer solchen Situation ein Rückgriff auf den Dritten möglich sein muss (§  1390 BGB, Art.  1577 Code civil). Dass im Rahmen des WZGA nun, ohne jegliche Diskussion der Problematik, von den Lösungen des nationalen Rechts abgewichen werden sollte, erscheint doch unwahrscheinlich. Vielmehr ist der Rückholanspruch wohl schlichtweg vergessen worden. Richtigerweise ist daher davon auszugehen, dass die Rückholansprüche von vornherein außerhalb des Anwendungsbereichs des WZGA liegen und durch dieses daher auch nicht gesperrt werden.191 3. Anwendung externer Rückholansprüche Muss also eine Rückholnorm außerhalb des WZGA gesucht werden, fragt sich, wie diese zu ermitteln ist. Maßgeblich ist hierfür zunächst das anwendbare Internationale Privatrecht. Wegen der Anwendungsvoraussetzungen in Art.  1 WZGA wird in aller Regel entweder das deutsche oder das französische materielle Recht berufen werden. Denkbar ist aber auch, dass das Recht eines dritten Staates zur Anwendung kommt, wenn sich nach der Entscheidung für den Wahlgüterstand die maßgeblichen Anknüpfungspunkte verschoben haben. Beispiel: Ein deutsch-französisches Ehepaar mit gewöhnlichem Aufenthalt in Paris entscheidet sich für den Güterstand der Wahlzugewinngemeinschaft. Während des Bestehens der Ehe erwirtschaftet die Ehefrau F einen Zugewinn in Höhe von 1.000.000  €, während der Ehemann M keinerlei eigenen Zugewinn erzielen kann. Nachdem es zwischen F und M zunehmend zu Spannungen kommt, verschenkt F kurz vor Einreichung der Scheidung ihr gesamtes Vermögen (1.500.000  €) an ihre Tochter (T) aus einer früheren Ehe. M klagt vor dem Tribunal de grande instance in Paris gegen T auf Zahlung von 500.000  € Zugewinnausgleich.

Da das WZGA keinen eigenständigen Rückholanspruch enthält, muss das französische Gericht zunächst das anwendbare Recht ermitteln, dem dann möglicherweise eine Rückholvorschrift entnommen werden könnte. Maßgeblich ist in Frankreich insoweit das Haager Übereinkommen über das auf Ehegüterstände anwendbare Recht (HGA).192 Mangels Rechtswahl wird über Art.  4 Abs.  1 HGA das Recht des Aufenthaltsstaates und damit französisches Recht berufen. Das französische Recht kennt auch in Art.  1577, 1573 Code civil, wie oben gesehen, einen Rückholanspruch. Dessen Anwendung setzt aber grds. voraus, dass sich die Ehegatten für den Wahlgüterstand der participation aux aquêts entschieden haben, was vorliegend gerade nicht der Fall war. Der gesetzliche Gü191  Vgl. auch zu weiteren Fällen, in denen auf Regelungen außerhalb des WZGA zurückgegriffen werden muss, Stürner JZ 2011, 545, 550. 192  Siehe oben S. 373 f.

Teil 3 – A. Einführung

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terstand der communauté réduite aux acquêts hätte hingegen eine solche Schenkung durch F ohne Zustimmung des M gar nicht ermöglicht (Art.  1422 Code civil). Er wurde allerdings von den Eheleuten aufgrund ihrer Entscheidung für den WZGA ausdrücklich abgewählt, was auch für die mit ihm verbundenen Verfügungsbeschränkungen gelten muss. Zu überlegen wäre daher wohl, die für die Rückholsituation passenden Regelungen desjenigen Güterstandes anzuwenden, der dem von den Ehegatten gewählten Güterstand am ehesten entspricht. Dieses wäre hier die participation aux aquêts. Erhebliche Schwierigkeiten bereitet zudem, dass die so ermittelte Rückholregelung nicht auf den Wahlgüterstand zugeschnitten oder auf diesen abgestimmt ist. So enthält Art.  10 Abs.  2 WZGA z. B. eine Einschränkung für Schenkungen an Verwandte in gerader Linie und eine Ausschlussfrist von 10 Jahren, die dem französischen Güterstand der participation aux aquêts grds. unbekannt sind. Müssen diese Wertungen daher auch für den Rückholanspruch Berücksichtigung finden? Art.  1573 Code civil, den Art.  1577 Code civil ausdrücklich in Bezug nimmt, trifft wiederum eine Vermutungsregelung für die Benachteiligungsabsicht, die im WZGA keine Entsprechung hat. Könnte diese Vermutungsregelung gleichwohl auch in einer Fallgestaltung wie der obigen Platz greifen? Hier besteht folglich noch erheblicher Anpassungsbedarf. Auch bei der Anwendung deutschen Rechts kommt es zu nahezu identischen Problemen. Obwohl sich die Eheleute bewußt für den Wahlgüterstand und gegen den deutschen gesetzlichen Güterstand entschieden haben, muss ergänzend auf Normen gerade dieses Güterstandes zurückgegriffen werden. Ferner sind auch Art.  10 Abs.  2 WZGA und §  1375 Abs.  2 BGB keineswegs deckungsgleich,193 da bspw. die Einschränkung für Schenkungen an Verwandte in gerader Linie im BGB nicht existiert oder dem WZGA eine mit §  1375 Abs.  2 S.  2 BGB vergleichbare Beweislastregelung fehlt.194

Teil 3: Internationales Vollstreckungsrecht A. Einführung Eine entscheidende Weichenstellung sowohl für das Zuständigkeits- als auch das Kollisionsrecht ist die Frage, ob der geltend gemachte Antrag in einem engen Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren steht oder auch unabhängig von einem solchen erhoben werden kann.195 Während sich die Zuständigkeit und das anwendbare Recht im erst genannten Fall grds. nach der Europäischen 193 

Vgl. hierzu MüKoBGB/Koch WahlZugAbk Art.  10 Rn.  4 ff.; Jäger DNotZ 2010, 804, 811. Kemper FS Seul 2014, S.  225, 243. 195  Pretelli YbPIL 13 (2011), 589, 606 f.; s. a. Linna Journal of Private International Law 10 (2014), 69, 70 f. 194 

380

Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

Insolvenzverordnung (EuInsVO) richten, ist die Einordnung der insolvenzunabhängigen Rechtsbehelfe in den untersuchten Rechtsordnungen höchst umstritten. In Betracht kommen insoweit sowohl eine Anwendung der Brüssel IaVO, der Rom I-VO oder der Rom II-VO als auch eine ausschließliche Anwendung des autonomen nationalen Kollisionsrechts (z. B. §§  12 ff. ZPO, §  19 AnfG). Eine klare Unterscheidung zwischen insolvenzgebundenen und insolvenzunabhängigen Rechtsbehelfen bereitet nun allerdings Schwierigkeiten. Insbesondere ist es in den untersuchten Rechtsordnungen jeweils möglich, dass ein ursprünglich ohne Bezug zu einer Insolvenz eröffnetes Verfahren durch den Eintritt oder die Übernahme durch einen Insolvenzverwalter nachträglich seine Rechtsnatur ändert.196 Einem dergestalt wechselhaften Umstand für die Zuständigkeit und das anwendbare Recht so große Bedeutung einzuräumen, erscheint daher zumindest nicht unproblematisch.197 Auch die genaue Einordnung der Anfechtungstatbestände und die Anwendbarkeit der EuInsVO für Annexverfahren, die sich, wie die Anfechtungsklagen, ja auch nach einer Insolvenzeröffnung nicht gegen den Schuldner, sondern stets gegen insolvenzferne Dritte richten, war lange Zeit äußerst umstritten. Die Rechtsprechung des EuGH hat hier jedoch, zumindest in einem gewissen Umfang, für Klarheit gesorgt. In einem ersten Schritt soll daher zunächst der Anwendungsbereich der EuInsVO im Hinblick auf die Anfechtungsklagen erörtert werden. Die Behandlung der ihr unterfallenden Klagen im Rahmen der EuInsVO ist dann der nächste logische Schritt, ehe sich als dritter Punkt Überlegungen zu den nicht von der EuInsVO erfassten Klagearten anschließen.

B. Die Europäische Insolvenzverordnung I. Anwendungsbereich Fragen nach dem Anwendungsbereich der EuInsVO haben den EuGH in den letzten Jahren relativ häufig beschäftigt.198 Das hängt zum einem damit zusammen, dass der Ablauf eines Insolvenzverfahrens in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich geregelt ist, es zahlreiche Mechanismen gibt, die bereits im Vorfeld eine Insolvenz verhindern sollen, und die Insolvenz schließlich auch eine große Ausstrahlungswirkung auf eine Vielzahl von rechtlichen Beziehungen hat.

196 

Siehe S. 147 f., 166 f., 180 f. Ebenfalls kritisch Piekenbrock KTS 2015, 379, 407. 198  Siehe zu verschiedenen Problemfeldern und auch zu Rechtsprechung aus den unterschiedlichen Mitgliedstaaten Hess in: Hess/Oberhammer/Pfeiffer (Hrsg.), European Insolvency Law, S.  24 ff.; speziell zu den Annexverfahren Laukemann in: Hess/Oberhammer/ Pfeiffer (Hrsg.), European Insolvency Law, S.  112 ff.; siehe auch Piekenbrock ZIP 2014, 250. 197 

Teil 3 – B. Die Europäische Insolvenzverordnung

381

1. Die Rechtsprechung des EuGH Noch vor Inkrafttreten der EuInsVO hatte der EuGH in der Entscheidung Gourdain/Nadler angenommen, dass eine französische Klage „en comblement de passif social“, die unter bestimmten Umständen einen Durchgriff auf das Privatvermögen eines Geschäftsführers einer Gesellschaft ermöglicht, dem Bereich des Konkursrechts zuzurechnen sei.199 Maßgeblich für die insolvenzrechtliche Einordnung war dabei, dass die Klage in die ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts fiel, nur von Amts wegen durch das Insolvenzgericht oder durch den Insolvenzverwalter eingeleitet werden konnte und stets Wirkung für die Gläubigergesamtheit entfaltete.200 An diesen Grundsätzen hat sich auch die spätere Rechtsprechung immer wieder orientiert. In der Entscheidung Seagon/Deko Marty musste sich der EuGH mit der bis dahin sehr umstrittenen Frage auseinandersetzen, ob die Regelung zur internationalen Zuständigkeit in Art.  3 EuInsVO auch für Anfechtungsklagen gilt, die der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhebt. 201 Die deutsche Firma Frick hatte einen Tag vor Eröffnung ihres Insolvenzverfahrens auf ein deutsches Konto des belgischen Unternehmens Deko Marty 50.000  € überwiesen. Der Insolvenzverwalter Seagon verlangte die Rückzahlung dieses Betrages und erhob vor dem Landgericht Marburg Insolvenzanfechtungsklage. Das LG Marburg hielt sich, genauso wie das Berufungsgericht, für international unzuständig. Der BGH legte dagegen die Frage nach der Zuständigkeit dem EuGH vor. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass eine auf Art.  3 EuInsVO gestützte internationale Zuständigkeit gegeben sei. Zur Begründung berief sich der EuGH unter anderem auf die Erwägung, dass eine Zuständigkeit im Staat der Insolvenzeröffnung auch für Annexverfahren der Beschleunigung des Insolvenzverfahrens diene, dessen Effizienz steigere und ein forum shopping durch den Schuldner verhindere.202 Auch könne Art.  25 Abs.  1 S.  3 EuInsVO a. F. (heute Art.  32 Abs.  1 S.  2 EuInsVO n. F.) zumindest mittelbar entnommen werden, dass eine Zuständigkeit nach der EuInsVO auch für Verfahren eingeräumt werden sollte, „die unmittelbar auf Grund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen, auch wenn sie von einem anderen Gericht getroffen werden.“ Offen geblieben war damit zunächst die Frage, ob Art.  3 EuInsVO auch dann für Anfechtungsklagen Anwendung findet, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz nicht in einem Mitgliedstaat der EuInsVO, sondern in einem Drittstaat hat. In der Entscheidung Schmid/Hertel gab der EuGH auch insoweit eine positive 199 

EuGH Urt. v. 22.02.1979, C-133/78 – Gourdain/Nadler. EuGH Urt. v. 22.02.1979, C-133/78 – Gourdain/Nadler, Rn.  5. 201  EuGH Urt. v. 12.02.2009, C-339/07, EuZW 2009, 179 – Seagon/Deko Marty. 202  EuGH Urt. v. 12.02.2009, C-339/07, EuZW 2009, 179 – Seagon/Deko Marty, Rn.  2 2 ff.; kritisch dazu Stürner/Kern LMK 2009, 278572. 200 

382

Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

Antwort.203 Ein Bezug zu einem weiteren Mitgliedstaat werde bei Art.  3 Eu­ InsVO nicht zwingend vorausgesetzt204 und auch die vorgebrachten Bedenken, dass der Beklagte vor einem für ihn ausländischen Gericht verklagt werde und die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung in einem Nichtmitgliedstaat mitunter unsicher sein könne, greife im Ergebnis nicht durch.205 Eine besondere Konstellation betraf die Entscheidung F-Tex.206 Hier hatte der deutsche Insolvenzverwalter seinen Anfechtungsanspruch durch Abtretung einem Dritten übertragen, der aus diesem Recht zunächst sowohl am Wohnsitz des Anfechtungsgegners in Litauen als auch am Ort der Insolvenzeröffnung in Deutschland vorgegangen und jeweils wegen Unzuständigkeit abgewiesen worden war. Der EuGH nahm auf Vorlage des obersten litauischen Gerichts an, dass insoweit nicht mehr die EuInsVO einschlägig sei, sondern stattdessen die Gerichtsstände der Brüssel I-VO zur Anwendung kommen würden.207 Durch die nach deutschem Recht grds. zulässige Abtretung scheide das Anfechtungsrecht aus der Insolvenzmasse aus und werde Bestandteil des Vermögens des Zessionars.208 Die vor der Zession existierende Verbindung zwischen dem Anfechtungsrecht und dem Insolvenzverfahren werde ebenfalls gelöst, weil nicht mehr der Insolvenzverwalter verpflichtet sei, das Anfechtungsrecht im Interesse der Gläubigergesamtheit auszuüben und das Erlangte der Masse zugutekomme, sondern die Entscheidung über die Ausübung des Anfechtungsrechts nunmehr allein dem Zessionar obliege und auch nur dieser von einer erfolgreichen Klage profitiere.209 Ferner könne der Zessionar sogar nach Beendigung des Insolvenzverfahrens noch aufgrund des Anfechtungsrechts vorgehen.210 2. Anwendbarkeit der EuInsVO für die Gläubigeranfechtung? Trotz der umfangreichen Rechtsprechung des EuGH bestehen weiterhin zahlreiche Zweifelsfragen. Ist spätestens seit der Seagon Entscheidung geklärt, dass die Insolvenzanfechtung grds. in den Anwendungsbereich der EuInsVO fällt, 203 

EuGH Urt. v. 15.01.2014, C-328/12, NJW 2014, 610 – Schmid/Hertel. EuGH Urt. v. 15.01.2014, C-328/12, NJW 2014, 610 – Schmid/Hertel, Rn.  19 ff. 205  EuGH Urt. v. 15.01.2014, C-328/12, NJW 2014, 610 – Schmid/Hertel, Rn.  34 ff.; zustimmend Brinkmann LMK 2014, 356291. 206  EuGH Urt. v. 19.04.2012, C-213/10, EuZW 2012, 427 – F-Tex/Jadecloud-Vilma; kritisch dazu Piekenbrock KTS 2015, 379, 407 f. 207  EuGH Urt. v. 19.04.2012, C-213/10, EuZW 2012, 427 – F-Tex/Jadecloud-Vilma, Rn.  54. 208  Vgl. EuGH Urt. v. 19.04.2012, C-213/10, EuZW 2012, 427 – F-Tex/Jadecloud-Vilma, Rn.  40. In die Insolvenzmasse fließt dafür in aller Regel eine Gegenleistung des Zessionars, die wiederum nun den besonderen insolvenzrechtlichen Bestimmungen unterliegt. Im Ergebnis unterscheidet sich der Fall deshalb nicht wesentlich von einer Situation, in der der Insolvenzverwalter im Rahmen der Verwertung zum Schuldnervermögen gehörende Gegenstände veräußert. 209  EuGH Urt. v. 19.04.2012, C-213/10, EuZW 2012, 427 – F-Tex/Jadecloud-Vilma, Rn.  42 ff. 210  EuGH Urt. v. 19.04.2012, C-213/10, EuZW 2012, 427 – F-Tex/Jadecloud-Vilma, Rn.  46. 204 

Teil 3 – B. Die Europäische Insolvenzverordnung

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steht eine Entscheidung über die Gläubigeranfechtung (§§  3, 4 AnfG, sec.  423 IA, Art.  1341-2 Code civil) noch aus. Die bisherigen Begründungsansätze des EuGH scheinen aber darauf hinzudeuten, dass eine Anwendung der EuInsVO für die Gläubigeranfechtung nicht in Betracht kommt. So treffen bspw. die Begründungen, mit denen der EuGH in der Entscheidung F-Tex eine Anwendung der EuInsVO für Klagen eines Zessionars abgelehnt hat, 211 auch und erst recht für die Gläubigeranfechtung zu. Auch der anfechtende Gläubiger ist nur freiwillig im eigenen Interesse und mit Wirkung für sein eigenes Vermögen tätig. Zudem ist die Gläubigeranfechtung von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens grds. unabhängig und wird typischerweise auch ohne ein solches durchgeführt. Die überwiegende Ansicht in der Literatur spricht sich daher gegen eine Anwendung der EuInsVO aus. In der Entscheidung Baillies Ltd (in Liquidation) hat der englische High Court die Anwendung der EuInsVO auf einen Antrag nach sec.  423 IA abgelehnt.212 Judge Purley QC führte hierzu aus: „Sec.  423 is a section which is applicable, as I have mentioned, irrespective of whether or not there is a liquidation or other form of insolvency process. Any victim, including the company itself, could have brought these proceedings at any time. It is clear from European jurisprudence, namely Gourdain v. Nadler (C-133/79) [1979] E.C.R. 733, [1979] 3 C.M.L.R. 180 and from the more recent decision of Byers v. Yacht Bull Corp [2010] EWHC 133 (Ch); [2010] B.C.C. 368, that insolvency proceedings for the purpose of the Judgments Regulation do not include all cases arising in an insolvency but must arise directly from the insolvency and be closely connected to proceedings relating to the winding up of insolvent companies. A s.423 claim is not so connected.“

Auch der BGH nahm in einer Entscheidung aus dem Jahre 2015 an, dass die Gläubigeranfechtung nicht in den Anwendungsbereich der EuInsVO falle, und hielt dieses Ergebnis zudem für so eindeutig, dass eine Vorlage an den EuGH nicht notwendig sei.213 Schwierigkeiten bereiten allerdings Konstellationen, in denen die Gläubigeranfechtung und die Insolvenzanfechtung miteinander verknüpft werden. Im deutschen Recht ist grds. vorgesehen, dass ein Anfechtungsverfahren, das von einem Gläubiger nach dem AnfG begonnen wurde, nach einer Insolvenzeröffnung durch den Insolvenzverwalter fortgeführt werden kann.214 Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens kann hingegen wiederum der Gläubiger das Anfechtungsverfahren weiterführen. Solange der Insolvenzverwalter tätig ist, fließt das durch die Anfechtung Erlangte in die Insolvenzmasse und nicht län211 

Siehe oben S. 381 ff. Baillies Ltd (in Liquidation) [2012] EWHC 285 (Ch); siehe auch Piekenbrock KTS 2015, 379, 406; McCormack E.B.O.R. 2014, 309; Parry u. a., Transaction avoidance in insolvencies, Rn.  21.75, 21.86. 213  BGH NJW 2016, 246, 248. 214  Siehe oben S. 147 ff. 212 

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Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

ger in das private Vermögen des anfechtenden Gläubigers. Würde die Übernahme des Verfahrens durch den Insolvenzverwalter aber zu einer Änderung der Zuständigkeit und möglicherweise auch des anwendbaren Rechts führen, weil nunmehr die EuInsVO einschlägig wäre, würde ein solches Vorgehen deutlich an Attraktivität verlieren, weil bisherige Prozessergebnisse nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt verwertet werden könnten. Inwieweit zumindest hinsichtlich der Zuständigkeit §  261 Abs.  3 Nr.  2 ZPO weiterhilft, erscheint aufgrund der europäischen Vorgaben unklar.215 In England 216 und Frankreich 217 besteht ebenfalls die Möglichkeit, dass sich ein Insolvenzverwalter an einem Anfechtungsverfahren beteiligt, das ursprünglich ein einzelner Gläubiger eingeleitet hatte. Auch hier ist die Konsequenz des Eintritts des Insolvenzverwalters, dass bei einem Erfolg der Anfechtungsklage die Masse angereichert wird und nicht mehr das Privatvermögen des Gläubigers. 3. Die Neufassung der EuInsVO Auf Insolvenzverfahren, die nach dem 26. Juni 2017 eröffnet werden, findet die Neufassung der EuInsVO Anwendung. Diese enthält in Art.  6 eine speziell auf Annexverfahren zugeschnittene Zuständigkeitsregelung.218 Unter der Überschrift „Zuständigkeit für Klagen, die unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen“ bestimmt Art.  6 Abs.  1 EuInsVO, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet das Insolvenzverfahren nach Art.  3 EuInsVO eröffnet wurde, auch für alle Klagen zuständig sind, die unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen. Ausdrücklich als Beispiel erwähnt werden die Anfechtungsklagen. Der Begriff „unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen“ wurde direkt aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH übernommen und fand sich auch bereits im Erwägungsgrund 6 der EuInsVO a. F. Der Sache nach ist insoweit daher keine Veränderung eingetreten. In den Erwägungsgründen 6 und 35 EuInsVO n. F. wird nunmehr daneben auch die inhaltlich wohl gleichwertige 215 Ebenso

Piekenbrock KTS 2015, 379, 407. Siehe oben S. 166 ff. 217  Siehe oben S. 180 f. 218  Art.  6 EuInsVO lautet: „(1) Die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet das Insolvenzverfahren nach Artikel 3 eröffnet worden ist, sind zuständig für alle Klagen, die unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen, wie beispielsweise Anfechtungsklagen. (2) Steht eine Klage nach Absatz 1 im Zusammenhang mit einer anderen zivil- oder handelsrechtlichen Klage gegen denselben Beklagten, so kann der Verwalter beide Klagen bei den Gerichten in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat, oder – bei einer Klage gegen mehrere Beklagte – bei den Gerichten in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat, erheben, vorausgesetzt, die betreffenden Gerichte sind nach der Verordnung (EU) Nr.  1215/2012 zuständig (…)“. 216 

Teil 3 – B. Die Europäische Insolvenzverordnung

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Formulierung „Klagen (…), die sich direkt aus dem Insolvenzverfahren ableiten und eng damit verknüpft sind“ verwendet. In Erwägungsgrund 35 werden als Beispiel „Anfechtungsklagen gegen Beklagte in anderen Mitgliedstaaten“ aufgeführt. Daraus schließen zu wollen, dass Anfechtungsklagen gegen in Drittstaaten ansässige Beklagte nicht mehr erfasst sein sollen, wäre allerdings vorschnell, zumal die Aufzählung in Erwägungsgrund 35 ersichtlich keinen abschließenden Charakter hat und die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Schmid/Hertel sich mit den Verhandlungen über die Neufassung der EuInsVO überschnitten hatte.219 Eine echte Neuerung stellt hingegen Art.  6 Abs.  2 EuInsVO dar. Hiernach kann der Insolvenzverwalter, wenn eine Klage nach Art.  6 Abs.  1 EuInsVO mit einer anderen zivil- oder handelsrechtlichen Klage gegen denselben Beklagten im Zusammenhang steht, beide Klagen vor den Gerichten des Mitgliedstaates erheben, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat, wenn insoweit eine Zuständigkeit nach der Brüssel Ia-VO besteht.220 Als Beispiel führt Erwägungsgrund 35 den Fall an, dass der Insolvenzverwalter eine insolvenzrechtliche Haftungsklage gegen einen Geschäftsführer mit einer gesellschaftsrechtlichen oder deliktsrechtlichen Klage verbinden will. Ein Zusammenhang zwischen zwei Klagen i. S. d. Art.  6 Abs.  2 EuInsVO ist dann anzunehmen, „wenn zwischen ihnen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung zweckmäßig ist, um die Gefahr zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen.“ Allein die Existenz dieser Vorschrift lässt bereits den Umkehrschluss zu, dass die Zuständigkeiten nach der EuInsVO auch im Hinblick auf Annexverfahren grds. als ausschließliche Zuständigkeiten zu behandeln sind.221 Der EuGH ­hatte diese Frage hingegen in der Entscheidung F-Tex noch offen gelassen.222 In den klassischen Anfechtungskonstellationen gibt es allerdings in der Regel keine weiteren deliktsrechtlichen oder schuldrechtlichen Ansprüche gegen den Anfechtungsgegner und daher auch keine Wahlmöglichkeit des Insolvenzverwalters nach Art.  6 Abs.  2 EuInsVO. Die Vornahme einer anfechtbaren Handlung wird grds. nicht als eine deliktsrechtlich zu ahndende sittenwidrige Schädigung angesehen.223 Zahlreiche Probleme treten hingegen bei parallel bestehenden familien- oder erbrechtlichen Rückholansprüchen auf.224

219 

Vgl. zum zeitlichen Ablauf auch Erwägungsgrund 1 der EuInsVO n. F. Siehe hierzu auch Linna Journal of Private International Law 10 (2014), 69, 79 ff. 221 Ebenso Piekenbrock KTS 2015, 379, 407. 222 EuGH Urt. v. 19.04.2012, C-213/10, EuZW 2012, 427 – F-Tex/Jadecloud-Vilma, Rn.  50 f.; siehe aber auch BGH NJW 2009, 2215, 2216 (Rn.  16). 223  Siehe oben S. 331 f. 224  Siehe hierzu S. 331. 220 

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Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

II. Die internationale Zuständigkeit Gemäß Art.  3 Abs.  1 EuInsVO sind grds. die Gerichte des Mitgliedstaates zuständig, in dem der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners liegt (sog. COMI).225 Ab Juni 2017 ergibt sich die Zuständigkeit für Annexverfahren zudem speziell aus Art.  6 EuInsVO, der wiederum auf Art.  3 EuInsVO verweist. In Art.  3 Abs.  2 EuInsVO ist ferner die Möglichkeit eines Sekundärinsolvenzverfahrens vorgesehen. Ein Sekundärinsolvenzverfahren kann in einem anderen Mitgliedstaat nur eröffnet werden, wenn der Schuldner dort eine Niederlassung besitzt (Art.  3 Abs.  2 EuInsVO). Es betrifft zudem nur das in diesem Mitgliedstaat belegene Vermögen des Schuldners. Ist ein solches Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden, stellt sich die Frage, ob Anfechtungsklagen, die sich gegen Beklagte mit Sitz in dem Staat des Sekundärverfahrens richten und Handlungen betreffen, die von der dortigen Niederlassung vorgenommen wurden, am Gerichtsstand des Hauptverfahrens oder des Sekundärverfahrens erhoben werden müssen.226 Der Zielsetzung des Sekundärverfahrens entspricht es, die Zuständigkeit auch für Annexverfahren dem dortigen Gericht zu übertragen, soweit es um Vermögenswerte geht, die zur Masse des Sekundärverfahrens zählen. In allen anderen Konstellationen bleibt es bei der Zuständigkeit des Gerichts des Hauptverfahrens. Beispiel: Die Insolvenzschuldnerin A-GmbH überträgt ihr in Heidelberg belegenes Grundstück in anfechtbarer Art und Weise auf B, der sich gewöhnlich in Frankreich aufhält. In Deutschland wird ein Hauptinsolvenzverfahren und in Frankreich ein Sekundärverfahren eröffnet. Das Grundstück ist Teil des Hauptinsolvenzverfahrens und auch die Anfechtungsklage gegen B muss daher in Deutschland erhoben werden.

Der EuGH hat in der Entscheidung Nortel Networks/Rogeau diese Auslegung bestätigt.227 Er führte hierzu aus, dass Art.  3 Abs.  2 EuInsVO im Hinblick auf die Systematik und die praktische Wirksamkeit der Verordnung dahingehend aufzufassen sei, „dass er den Gerichten des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden ist, eine internationale Zuständigkeit zur Entscheidung über Annexverfahren zuweist, soweit sich diese Klagen auf das im Gebiet dieses Staats belegene Vermögen des Schuldners beziehen.“228 Zudem nahm der EuGH lediglich eine alternative und keine ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte im Staate des Sekundärverfahrens an. 229 Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es in diesem Verfahren darum ging, festzustel225 

COMI = Centre of main interests. Stürner/Kern LMK 2009, 278572. 227  EuGH Urt. v. 11.06.2015, C-649/13, EuZW 2015, 593 – Nortel Networks/Rogeau. 228 EuGH Urt. v. 11.06.2015, C-649/13, EuZW 2015, 593 – Nortel Networks/Rogeau, Rn.  33. 229 EuGH Urt. v. 11.06.2015, C-649/13, EuZW 2015, 593 – Nortel Networks/Rogeau, Rn.  39 ff. 226 

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len, ob bestimmte Vermögenswerte dem Hauptinsolvenz- oder dem Sekundärinsolvenzverfahren zuzurechnen waren. Ob das gleiche Verhältnis der Zuständigkeiten auch bei anderen Verfahrensarten anzunehmen ist, ist daher noch offen und eher zu bezweifeln.230 Infolge der Seagon Entscheidung war es im deutschen Recht notwendig, auch Bestimmungen für die örtliche und sachliche Zuständigkeit zu finden, wenn eine Anfechtungsklage gegen einen ausländischen Beklagten vor deutschen Gerichten erhoben wird. Der BGH hat insoweit §  19a ZPO i. V. m. §  3 InsO, Art.  102 §  1 EGInsO analog für die örtliche Zuständigkeit herangezogen, während die sachliche Zuständigkeit sich auch hier nach dem GVG richtet.231 In Frankreich und England existierten dagegen aufgrund der dort grds. geltenden vis attractiva concursus bereits zuvor Regelungen über die örtliche und sachliche Zuständigkeit.232 III. Das anwendbare Recht 1. Die Rechtsprechung des EuGH Nach Art.  7 Abs.  2 lit.  m) EuInsVO ist im Anfechtungsverfahren grds. das Recht desjenigen Mitgliedstaates anzuwenden, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde (sog. lex fori concursus). Art.  16 EuInsVO (Art.  13 EuInsVO a. F.) ermöglicht dem Anfechtungsgegner jedoch sich unter bestimmten Umständen auf das für die angefochtene Handlung selbst geltende Recht zu berufen, wenn nach diesem eine Anfechtung nicht möglich ist.233 Art.  16 EuInsVO ist eine in vielerlei Hinsicht problematische und sehr umstrittene Vorschrift. 234 Gleichwohl ist ihr grundsätzliches Anliegen rechtspolitisch durchaus berechtigt.235 Erste Erkenntnisse zur Auslegung des Art.  16 EuInsVO haben die Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Lutz/Bäuerle und Nike/Sportland gebracht. In Lutz/Bäuerle nahm der EuGH an, dass Art.  16 EuInsVO auch dann anwendbar sei, wenn die angefochtene Zahlung erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte. Es genüge insoweit, dass die Zahlung auf eine Sicherheit hin geleistet worden sei, die bereits vor der Eröffnung des Insolvenz230 Vgl.

Baumert LMK 2015, 371693 sowie BGH NJW 2009, 2215, 2216 (Rn.  16). BGH NJW 2009, 2215. 232 Vgl. Piekenbrock KTS 2015, 379, 390 ff. mwN; Sautonie-Laguionie, La fraude paulienne, Rn.  944; Willemer, Vis attractiva concursus und die Europäische Insolvenzverordnung, S.  28 ff. 233  Art.  16 EuInsVO lautet: „Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe m findet keine Anwendung, wenn die Person, die durch eine die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Handlung begünstigt wurde, nachweist, dass a) für diese Handlung das Recht eines anderen Mitgliedstaats als des Staates der Verfahrenseröffnung maßgeblich ist und b) diese Handlung im vorliegenden Fall in keiner Weise nach dem Recht dieses Mitgliedstaats angreifbar ist.“ 234  Ausführlich auch Piekenbrock IPRax 2016, 219. 235 Ebenso Pfeiffer in: Hess/Oberhammer/Pfeiffer (Hrsg.), European Insolvency Law, S.  213 ff. 231 

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verfahrens bestellt wurde.236 Zudem gelte diese Vorschrift auch im Hinblick auf Verjährungs-, Anfechtungs- und Ausschlussfristen, die von der Rechts­ordnung aufgestellt werden, die für die anfechtbare Handlung maßgeblich sei.237 Ebenfalls von Art.  16 EuInsVO erfasst seien die bei Erhebung der Anfechtungsklage zu beachtenden Formvorschriften.238 Der Entscheidung Lutz/Bäuerle liegt ein weites Verständnis des Art.  16 EuInsVO zugrunde, das letztlich zu einem umfassenden Schutz des Anfechtungsgegners vor Nachteilen führt, die mit einem nachträglichen Statutenwechsel verbunden sind.239 Für den Insolvenzverwalter und damit die Gläubigergesamtheit ist ein solches Verständnis hingegen nachteilig.240 In der Entscheidung Nike/Sportland beschäftigte sich der EuGH dagegen vorwiegend mit Beweislastfragen und versuchte, in dieser Hinsicht dem Insolvenzverwalter stärker entgegenzukommen. Zunächst sei die Formulierung „in keiner Weise angreifbar“ in Art.  16 EuInsVO so zu verstehen, dass die angefochtene Handlung nach der lex causae insgesamt wirksam gewesen sein müsse.241 Einer teilweise im (deutschen) Schrifttum geforderten Beschränkung des Nachweises auf das Nichtvorliegen speziell insolvenzrechtlicher Unwirksamkeitsgründe242 erteilte der EuGH damit eine Absage. Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des Art.  16 EuInsVO trägt grds. der Anfechtungsgegner. Was das aber bei den im Rahmen des Art.  16 EuInsVO bestehenden Besonderheiten – es geht primär um die Ermittlung und Auslegung anwendbarer Rechtsregeln sowie um den Nachweis einer negativen Tatsache („in keiner Weise […] angreifbar“) – konkret bedeutet, bleibt bisher im Dunkeln. So ist unter anderem fraglich, ob das Gericht selbst eigene Ermittlungen anstellen oder Hinweise erteilen darf, wie tiefgreifend die Ausführungen des Anfechtungsgegners in Bezug auf welche potentiell relevanten Vorschriften sein müssen und ob die in Deutschland entwickelten Grundsätze zur sog. sekundären Darlegungslast Anwendung finden können.243 Der EuGH hat sich in der Entscheidung Nike/Sportland bislang auf den Standpunkt zurückgezogen, dass die Einzelheiten der Beweisermittlung, Beweiserhebung und Beweiswürdigung den nationalen Verfahrensrechten überlassen bleiben. Diese dürfen allerdings aufgrund der effet utile-Rechtsprechung die Anwendung des Art.  16 236 

EuGH Urt. v. 16.04.2015, C-557/13, EuZW 2015, 429, 430 f. – Lutz/Bäuerle, Rn.  32 ff. EuGH Urt. v. 16.04.2015, C-557/13, EuZW 2015, 429, 431 – Lutz/Bäuerle, Rn.  44 ff. 238  EuGH Urt. v. 16.04.2015, C-557/13, EuZW 2015, 429, 431 – Lutz/Bäuerle, Rn.  50 ff. 239  Siehe auch Piekenbrock IPRax 2016, 219, 220 ff. 240  Kern/Stangl LMK 2015, 370158. 241  EuGH Urt. v. 15.10.2015, C-310/14, NZI 2015, 954, 956 f. – Nike/Sportland, Rn.  32 ff.; s. a. Piekenbrock IPRax 2016, 219, 228. 242  Mäsch, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht (2015), Art.  13 InsVO Rn.  7 mwN; a. A. Huber ZZP 114 (2001), 133, 165; s. a. Linna Journal of Private International Law 10 (2014), 69, 83 f. 243  R. Magnus LMK 2015, 373972. 237 

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EuInsVO weder übermäßig erschweren noch aufgrund zu geringer Anforderungen die vorgesehene Beweislastverteilung de facto umkehren.244 Um eine Konkretisierung dieser Grundsätze wird der EuGH allerdings wohl kaum herumkommen. 2. Weitere Problemfelder Unklar ist zum einen, was genau als die „benachteiligende Rechtshandlung“ i. S. d. Art.  16 EuInsVO anzusehen ist und inwieweit sich hier die aus dem deutschen Recht bekannte Unterscheidung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften wiederfinden lässt.245 Eine weitere Besonderheit ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des Art.  16 EuInsVO. Hatte der EuGH entschieden, dass die Zuständigkeitsregelung des Art.  3 EuInsVO auch dann anwendbar sei, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Drittstaat hat, scheint Gleiches für Art.  16 EuInsVO nicht gelten zu können.246 Art.  16 EuInsVO setzt nämlich ausdrücklich voraus, dass „für diese Handlung das Recht eines anderen Mitgliedstaates […] maßgeblich ist.“ Da die maßgebliche IPR-Regel häufig an die Niederlassung bzw. den Sitz einer Partei anknüpft, scheidet die Anwendung dieser Vorschrift nach ihrem Wortlaut an sich aus, wenn dieser Sitz in einem Drittstaat liegt. Welche Konsequenzen es hat, wenn die durch Art.  16 EuInsVO berufene lex causae der angefochtenen Handlung das Recht eines Drittstaates ist, ist allerdings umstritten. Eine Möglichkeit wäre, insoweit das anwendbare Recht nunmehr allein nach Art.  7 Abs.  2 lit.  m) EuInsVO zu bestimmen und ausschließlich die lex fori concursus, d. h. das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung, für maßgeblich zu halten.247 Der Anfechtungsgegner würde in dieser Konstellation dann aber jeglichen kollisionsrechtlichen Schutz verlieren. Ein anderer Ansatz wäre, den kollisionsrechtlichen Anwendungsbereich der EuInsVO in einem solchen Fall für gar nicht erst eröffnet zu erachten und stattdessen insgesamt auf das autonome nationale Kollisionsrecht auszuweichen.248 Im erläuternden Bericht von Virgos/Schmit zum ursprünglich geplanten Übereinkommen über Insolvenzverfahren heißt es hierzu: „Die Ausnahmeregelungen zu der Anwendung des Rechts des Staates der Verfahrenseröffnung (Artikel 4) sind in den Artikeln 5 bis 15 des Übereinkommens enthalten. Von den Artikeln 6 und 14 abgesehen, die aufgrund systematischer Erwägungen in derselben Wei244 

EuGH Urt. v. 15.10.2015, C-310/14, NZI 2015, 954, 956 – Nike/Sportland, Rn.  27 ff. hierzu ausführlich Huber FS Heldrich 2005, S.  695; Stangl, Die kollisionsrechtliche Umsetzung des Art.  13 EuInsVO, S.  39 ff. 246  So auch Brinkmann LMK 2014, 356291. 247  Mäsch, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht (2015), Art.   13 InsVO Rn.   8; MüKo­InsO/Reinhart Art.  13 EuInsVO Rn.  20 f.; Fletcher, Insolvency in private international law, S.  402. 248 MüKoBGB/Reinhart Art.  13 EuInsVO Rn.  4; Gruber in: Haß/Huber/Gruber/Heider­ hoff, EU-Insolvenzverordnung, Art.  13 Rn.  9. 245  Siehe

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se auszulegen sind, fällt diese Ausnahmeregelung durchweg zugunsten des Rechts eines ‚Vertragsstaates‘ aus. Dies bedeutet jedoch im Umkehrschluss nicht, dass das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung anwendbar ist, wenn es sich bei dem betreffenden Staat nicht um einen Vertragsstaat handelt. Die Notwendigkeit des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit des Geschäftsverkehrs besteht auch in den Beziehungen zu Nichtvertragsstaaten. Die Absicht der Gruppe war lediglich, für diese Fälle eine Regelung festzulegen, die der allgemeinen Beschränkung des Übereinkommens auf die innergemeinschaftliche Wirkung von Insolvenzverfahren entspricht (…). Den Vertragsstaaten steht es folglich frei, für andere Fälle die Vorschriften zu erlassen, die sie für am geeignetsten halten (dieselben wie in den Artikeln 5 bis 15 des Übereinkommens oder andere).“249

Vor diesem Hintergrund spricht doch einiges für die letztgenannte Ansicht, die in einer solchen Konstellation dann auf das nationale Recht zurückgreift. Eine weitere Schwierigkeit kann dadurch entstehen, dass eine von einem Gläubiger initiierte Anfechtungsklage durch den Insolvenzverwalter übernommen wird oder andersherum ein Gläubiger den ursprünglich vom Insolvenzverwalter eingeleiteten Anfechtungsprozess nach Abschluss des Insolvenzverfahrens weiterführt. Geht hiermit eine kollisionsrechtlich relevante Änderung der Rechtsnatur der Klage einher, kann es zu einem sehr komplizierten Zusammenspiel von Vorgaben kommen, die sich einerseits aus dem autonomen nationalen und andererseits aus dem europäischen Kollisionsrecht ergeben. 3. Verbleibende Spielräume für nationale Kollisionsnormen Folgt man der Auffassung, dass der Anwendungsbereich der EuInsVO verlassen wird, sobald eine Sonderkollisionsnorm das Recht eines Drittstaates beruft, verbleibt ein Anwendungsbereich für das autonome nationale Kollisionsrecht. Der deutsche Gesetzgeber hat sich bemüht, in diesem Bereich einen weitgehenden Gleichlauf mit der EuInsVO herzustellen, und daher mit §  339 InsO eine Vorschrift erlassen, die Art.  16 EuInsVO weitgehend entspricht.250 In England und Frankreich wurden vergleichbare Abstimmungen hingegen nicht vorgenommen.

C. Anfechtungsmöglichkeiten außerhalb eines Insolvenzverfahrens I. Die internationale Zuständigkeit Die internationale Zuständigkeit für Insolvenzanfechtungsklagen richtet sich grds. nach der EuInsVO. Dies gilt auch dann, wenn der Beklagte seinen Wohn249  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht zum EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rn.  93. 250  §  339 InsO lautet: „Eine Rechtshandlung kann angefochten werden, wenn die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung nach dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung erfüllt sind, es sei denn, der Anfechtungsgegner weist nach, dass für die Rechtshandlung das Recht eines anderen Staats maßgebend und die Rechtshandlung nach diesem Recht in keiner Weise angreifbar ist.“

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sitz nicht in einem Mitgliedstaat hat.251 Nach herrschender Ansicht fällt hingegen die Gläubigeranfechtung (§§  3, 4 AnfG, sec.  423 IA, Art.  1341-2 Code civil) nicht in den Anwendungsbereich der EuInsVO.252 In Betracht kommt stattdessen einerseits eine Anwendung der Brüssel Ia-VO oder andererseits der Rückgriff auf das autonome nationale Zuständigkeitsrecht. 1. Die Rechtsprechung des EuGH zum EuGVÜ und zur Brüssel I(a)-VO In der Entscheidung Reichert/Dresdner Bank verneinte der EuGH die Anwendung des ausschließlichen dinglichen Gerichtsstandes in Art.  16 Nr.  1 EuGVÜ (heute Art.  24 Nr.  1 Brüssel Ia-VO) für eine französische action paulienne.253 Die in Deutschland wohnenden Eheleute Reichert hatten ein ihnen gehörendes Grundstück in Antibes (Frankreich) schenkweise ihrem Sohn übertragen. Die Dresdner Bank focht dieses Rechtsgeschäft als Gläubigerin der Eheleute an und stützte sich dafür vor dem Tribunal de grande instance in Grasse mit Erfolg auf die action paulienne. Auf die Berufung der Eheleute Reichert hin kamen der Cour d’appel in Aix en-Provence Bedenken, ob sich eine internationale Zuständigkeit tatsächlich aus Art.  16 Nr.  1 EuGVÜ ergebe, so dass sie diese Frage dem EuGH vorlegte. Der EuGH führte hierzu aus: „Die Gläubigeranfechtungsklage des französischen Rechts hat ihre Grundlage (…) im Forderungsrecht, einem persönlichen Recht des Gläubigers gegenüber seinem Schuldner, und dient dem Schutz des Zugriffs des Gläubigers auf das Vermögen des Schuldners. Hat sie Erfolg, so bewirkt sie, daß der vom Schuldner absichtlich zur Beeinträchtigung der Gläubigerrechte vorgenommene Verfügungsakt allein gegenüber dem Gläubiger unwirksam ist. Zudem erfordert ihre Prüfung weder die Beurteilung von Tatsachen noch die Anwendung der Regeln und Gebräuche des Ortes, an dem die Sache belegen ist, die die Zuständigkeit eines Gerichts des Staates begründen können, in dem die unbewegliche Sache belegen ist.“254

In einer Folgeentscheidung stellte der EuGH zudem klar, dass auch der ausschließliche Vollstreckungsgerichtsstand (heute Art.  24 Nr.  5 Brüssel Ia-VO), der Deliktsgerichtsstand (heute Art.  7 Nr.  2 Brüssel Ia-VO) sowie der Gerichtsstand für einstweilige Maßnahmen (heute Art.  35 Brüssel Ia-VO) für die action paulienne jeweils nicht einschlägig seien.255 Zum Deliktsgerichtsstand äußerte sich der EuGH wie folgt: „Zweck einer derartigen Klage (action paulienne, hinzug. durch Verf.) ist es nicht, den Schuldner zum Ersatz des Schadens verurteilen zu lassen, den er dem Gläubiger durch seine zur Beeinträchtigung von dessen Rechten vorgenommene Verfügungshandlung verursacht hat, sondern dem Gläubiger gegenüber die Wirkungen der Verfügungshand251 

Siehe oben S. 381 ff. Siehe oben S. 383. 253  EuGH Urt. v. 10.01.1990, C-115/88, IPRax 1991, 45 – Reichert/Dresdner Bank. 254  EuGH Urt. v. 10.01.1990, C-115/88, IPRax 1991, 45 – Reichert/Dresdner Bank, Rn.  12. 255  EuGH Urt. v. 26.03.1992, C-261/90, IPRax 1993, 28 – Reichert/Dresdner Bank, Rn.  12 ff. 252 

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lung seines Schuldners zu beseitigen. Die Klage richtet sich nicht nur gegen den Schuldner, sondern auch gegen den – am Schuldverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner nicht beteiligten – durch die Verfügung Begünstigten, und zwar bei unentgeltlichen Verfügungen auch dann, wenn den Begünstigten kein Verschulden trifft. Unter diesen Umständen kann eine Klage wie die Gläubigeranfechtungsklage des französischen Rechts nicht als eine Klage angesehen werden, mit der eine Schadenshaftung des Beklagten im Sinne von Artikel 5 Nr.  3 des Übereinkommens (heute Art.  7 Nr.  2 Brüssel Ia-VO) geltend gemacht wird“. 256

Wie der EuGH in der Entscheidung SCT Industri festgelegt hat, ist seine Auslegung des EuGVÜ auch für die Brüssel I(a)-VO verbindlich, soweit die in Rede stehenden Vorschriften inhaltlich nicht verändert wurden.257 2. Noch offene Fragen Als denkbare Gerichtsstände im Rahmen der Brüssel Ia-VO kommen somit grds. nur noch der Vertragsgerichtsstand in Art.  7 Nr.  1 Brüssel Ia-VO und der allgemeine Beklagtengerichtsstand in Art.  4 Brüssel Ia-VO in Betracht.258 Gegen eine Anwendung von Art.  7 Nr.  1 Brüssel Ia-VO spricht jedoch, dass eine irgendwie geartete vertragliche Beziehung zwischen dem Kläger und dem Beklagten bei einer Gläubigeranfechtung in aller Regel nicht besteht.259 Beide Parteien sind überhaupt nur durch ihren jeweiligen Kontakt zum Schuldner miteinander verbunden. Weder dem Anspruch des Gläubigers gegen den Schuld­ ner noch der anfechtbaren Handlung selbst muss zudem eine vertragliche Beziehung zugrunde liegen. Gleichwohl hat die italienische Corte di cassazione den besonderen Vertragsgerichtsstand bei einer Gläubigeranfechtung für anwendbar gehalten.260 Folgt man dieser Ansicht mit guten Gründen nicht, würde es im Rahmen der Brüssel Ia-VO bei dem Grundsatz actor sequitur forum rei bleiben.261 Einwenden ließe sich hiergegen eventuell, dass die Gerichtsstände der Brüssel Ia-VO auf die Besonderheiten der Gläubigeranfechtungsklagen generell nicht zugeschnitten seien und deshalb nicht passten. Wäre die Brüssel Ia-VO deshalb für solche Klagearten von vornherein nicht anwendbar, wären wiederum die autonomen nationalen Zuständigkeitsregelungen eröffnet. Als Ansatzpunkt für eine solche Argumentation müsste aber wohl Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel Ia-VO dienen, nach dem die Brüssel Ia-VO auf „Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren“ nicht anwendbar ist. Erwägungsgrund 7 der neugefassten EuInsVO 256 

EuGH Urt. v. 26.03.1992, C-261/90, IPRax 1993, 28 – Reichert/Dresdner Bank, Rn.  19 f. EuGH Urt. v. 02.07.2009, C-11/08, EuZW 2009, 610 – SCT Industri. 258  So auch Pretelli YbPIL 13 (2011), 589, 603. 259  Zweifelnd daher auch Sautonie-Laguionie, La fraude paulienne, Rn.  951. 260  Siehe hierzu ausführlich die Anmerkung von Pretelli Rev. Crit. DIP 93 (2004), 612, 617 ff. 261  So auch OLG Stuttgart IPRax 2008, 436 (Rn.  32); Koch IPRax 2007, 466, 467. 257 

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enthält nun allerdings das Regelungsziel, Rechtslücken zwischen der EuInsVO und der Brüssel Ia-VO möglichst zu vermeiden; die jeweiligen Ausschlüsse sollen deshalb auch entsprechend ausgelegt werden.262 Fällt eine Klage nicht unter die EuInsVO, dann soll sie grds. von der Brüssel Ia-VO aufgefangen werden. Der Ausschluss in Art.  1 Abs.  2 lit.  b) Brüssel Ia-VO lässt sich in einer solchen Situation daher nur schwerlich aktivieren. Liegt der Wohnsitz des Beklagten im Rahmen einer Gläubigeranfechtung aber nicht in einem Mitgliedstaat der Brüssel Ia-VO, sondern in einem Drittstaat, so ist bereits der räumliche Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO gemäß ihrem Art.  6 nicht eröffnet. Insoweit finden dann in jedem Fall die nationalen Zuständigkeitsvorschriften Anwendung. Im Ergebnis ergibt sich demnach folgendes Bild: Wird eine Anfechtungsklage (auch) durch den Insolvenzverwalter erhoben, sind gem. Art.  6 Abs.  1 EuInsVO ausschließlich die Gerichte desjenigen Staates zuständig, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Das gilt auch dann, wenn der Beklagtenwohnsitz in einem Drittstaat liegt. Ist hingegen allein ein Gläubiger tätig, muss dieser gem. Art.  4 Brüssel Ia-VO seine Klage grds. im Wohnsitzstaat des Beklagten erheben. Liegt der Wohnsitz des Beklagten jedoch in einem Drittstaat, finden stattdessen höchst unterschiedliche nationale Zuständigkeitsregelungen Anwendung, die wiederum zum Teil weitere besondere Gerichtsstände eröffnen.263 Eine kohärente Lösung für ein inhaltlich doch weitgehend gleich gelagertes Problem sieht anders aus. 3. Die nationalen Zuständigkeitsregelungen a) Deutschland In einer Entscheidung aus dem Jahre 1998 stützte der BGH seine internationale Zuständigkeit für eine Anfechtungsklage auf §  23 ZPO.264 Der Kläger hatte gegen den Präsidenten (nachfolgend: Schuldner) einer nach dem Recht des US-Bundesstaates Hawaii gegründeten, auf Honolulu ansässigen Kapitalgesellschaft einen Zahlungstitel in Höhe von fast 1.000.000 DM erwirkt. Der Schuldner war Eigentümer eines in Deutschland belegenen Hausgrundstücks von er262  Erwägungsgrund 7 der EuInsVO lautet: „Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren sowie damit zusammenhängende Klagen sind vom Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr.  1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates ausgenommen. Diese Verfahren sollten unter die vorliegende Verordnung fallen. Die vorliegende Verordnung ist so auszulegen, dass Rechtslücken zwischen den beiden vorgenannten Rechtsinstrumenten so weit wie möglich vermieden werden. Allerdings sollte der alleinige Umstand, dass ein nationales Verfahren nicht in Anhang A dieser Verordnung aufgeführt ist, nicht bedeuten, dass es unter die Verordnung (EU) Nr.  1215/2012 fällt.“; vgl. aber auch Piekenbrock ZIP 2014, 2067, 2072. 263  Siehe hierzu Hess in: Hess/Oberhammer/Pfeiffer (Hrsg.), European Insolvency Law, S.  56 ff. sowie unten S. 393 ff. 264  BGH NJW 1999, 1395.

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heblichem Wert. Bevor es zu einer Vollstreckung in dieses Grundstück kommen konnte, ließ der Schuldner Eigentümergrundschulden in Höhe von insgesamt 1.200.000 DM eintragen und übertrug diese auf die amerikanische Kapitalgesellschaft. Diesen Übertragungsakt griff der Kläger im Wege der Gläubigeranfechtung mit einer gegen die Kapitalgesellschaft gerichteten Klage an. Zur internationalen Zuständigkeit führte der BGH aus: „Das LG hat (…) seine örtliche Zuständigkeit nach §  23 S.  1 Alt.  1 ZPO bejaht, weil das Grundstück, an dem ein Vermögen der Bekl. in Gestalt der streitgegenständlichen Grundschulden bestehe, sich in seinem Bezirk befinde. Dies ist zutreffend. Die Indiz­ wirkung der örtlichen Zuständigkeit für die internationale Zuständigkeit gilt auch für den Gerichtsstand des Vermögens, falls – gemäß dem Sinn und Zweck des §  23 ZPO – neben der Vermögensbelegenheit ein hinreichender Inlandsbezug des Rechtsstreits gegeben ist (…). Dies ist hier der Fall, weil der deutsche Schuldner die Grundpfandrechte der Bekl. unstreitig nach deutschem Recht übertragen hat.“

Neben den Beklagtenwohnsitz als zuständigkeitsbegründendes Kriterium tritt somit über §  23 S.  1 Alt.  1 ZPO der Belegenheitsort der streitbefangenen Sache.265 Ob das auch in gleicher Weise gelten soll, wenn die angegriffene Übertragung eine bewegliche Sache und nicht unbewegliches Vermögen betrifft, ist zweifelhaft. Das einschränkende Kriterium des hinreichenden Inlandsbezuges bleibt blass. Denkbare weitere Bezugspunkte sind etwa der Wohnsitz des Schuldners, der Ort, an dem die angegriffene Handlung vorgenommen wurde, das auf die angegriffene Handlung anwendbare Recht, die Belegenheit der streitgegenständlichen Vermögenswerte im Zeitpunkt ihrer Übertragung und/ oder im Zeitpunkt der Klageerhebung etc. Darüber, wie diese Elemente sich im Rahmen der Zuständigkeit nach §  23 S.  1 Alt.  1 ZPO zueinander verhalten und welches Gewicht ihnen von der Rechtsprechung jeweils beigemessen würde, lässt sich freilich im Voraus nur spekulieren.266 Beispiel: Der Amerikaner A übereignet in anfechtbarer Art und Weise in den USA ein wertvolles Gemälde an den in New York lebenden B. Der ebenfalls in New York lebende Gläubiger C greift diese Übertragung an und erhebt vor dem Landgericht Berlin eine Gläubigeranfechtungsklage, weil das Gemälde sich gerade kurzzeitig für eine Ausstellung in Berlin befindet. Besteht ein hinreichender Inlandsbezug?

Das OLG Düsseldorf hat – vor der zeitlichen Anwendbarkeit des EuGVÜ – eine Zuständigkeit am Wohnort des Beklagten nach §  13 ZPO angenommen. Auch wenn die Klage auf Rückübereignung eines im Ausland belegenen Grundstücks gerichtet sei, bestehe kein ausschließlicher dinglicher Gerichtsstand am Belegenheitsort der Sache (§  24 ZPO).267 265 Zustimmend

Kubis IPRax 2000, 501. Vgl. auch Musielak/Voit/Heinrich §  23 ZPO Rn.  3; ausführlich Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S.  523 ff. 267  OLG Düssseldorf IPRax 2000, 534, 536; a. A. Huber, Anfechtungsgesetz, §  13 Rn.  35; offen Adolphsen in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  147 Anh. II CRn.  11. 266 

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Ebenfalls für nicht einschlägig erachtet hat der BGH die besondere Zuständigkeit am Ort einer unerlaubten Handlung (§  32 ZPO).268 Allerdings ergingen die Entscheidungen bislang nur zur Insolvenz- und nicht zur Gläubigeranfechtung. Auch nicht anwendbar ist nach zwei Entscheidungen des Reichsgerichts die besondere Zuständigkeit am Erfüllungsort (§  29 ZPO).269 b) England Die maßgebliche Entscheidung zur extraterritorialen Anwendbarkeit der sec.  423 IA ist Re Paramount Airways Ltd (No. 2).270 In dieser Entscheidung focht ein englischer Insolvenzverwalter Vermögensübertragungen auf eine auf Jersey ansässige Gesellschaft an. Nicholls V-C nutzte die Gelegenheit zu grundsätzlichen Ausführungen zur territorialen Reichweite der Anfechtungsbestimmungen. Unter anderem auch zu sec.  423 IA merkte er an: „In particular, if a foreign element is involved the court will need to be satisfied that, in respect of the relief sought against him, the defendant is sufficiently connected with England for it to be just and proper to make the order against him despite the foreign element. This connection might be sufficiently shown by the residence of the defendant. If he is resident in England, or the defendant is an English company, the fact that the transaction concerned movable or even immovable property abroad would by itself be unlikely to carry much weight. Likewise if the defendant carries on business here and the transaction related to that business. Or the connection might be shown by the situation of the property, such as land, in this country. In such a case, the foreign nationality or residence of the defendant would not by itself normally be a weighty factor against the court exercising its jurisdiction under the sections. (…) Thus in considering whether there is a sufficient connection with this country the court will look at all the circumstances, including the residence and place of business of the defendant, his connection with the insolvent, the nature and purpose of the transaction being impugned, the nature and locality of the property involved, the circumstances in which the defendant became involved in the transaction or received a benefit from it or acquired the property in question, whether the defendant acted in good faith, and whether under any relevant foreign law the defendant acquired an unimpeachable title free from any claims even if the insolvent had been adjudged bankrupt or wound up locally. The importance to be attached to these factors will vary from case to case. By taking into account and weighing these and any other relevant circumstances, the court will ensure that it does not seek to exercise oppressively or unreasonably the very wide jurisdiction conferred by the sections.“ 271

Ob ein Sachverhalt eine hinreichende Verbindung zum englischen Forumstaat aufweist, entscheidet die englische Rechtsprechung aufgrund einer Gesamtbetrachtung und Abwägung aller relevanten Umstände (Aufenthalt der Parteien, Belegenheit von Vermögen, Ort, an dem die angefochtene Handlung vorge268 

BGH NJW 1990, 990, 991 mwN; Huber, Anfechtungsgesetz, §  13 Rn.  36. RGZ 30 402; RG SeuffArch 56, 191; so auch Stein/Jonas/H. Roth §  29 ZPO Rn.  6; ­Huber, Anfechtungsgesetz, §  13 Rn.  36; und in einem obiter dictum BGH NJW 1956, 1920, 1921. 270  Re Paramount Airways Ltd (No 2) [1992] B.C.C. 416. 271  Re Paramount Airways Ltd (No 2) [1992] B.C.C. 416, 422 ff. 269 

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nommen wurde, Beziehung der Parteien zueinander, Schutzwürdigkeit des Beklagten, anwendbares Recht, etc.).272 Klare Ergebnisse lassen sich dabei kaum vorhersehen. Es besteht andererseits aber eine starke Parallele zu dem Kriterium des „hinreichenden Inlandsbezugs“, dessen Einhaltung der BGH für eine Zuständigkeit nach §  23 ZPO fordert.273 Darüber, ob dieses Kriterium von deutschen und englischen Gerichten in der Praxis jedoch tatsächlich ähnlich gehandhabt wird, lassen sich mangels ausreichenden Fallmaterials zur Gläubigeranfechtung keine verlässlichen Aussagen treffen. Art.  23 der englischen Cross-Border Insolvency Regulation 2006274 ist hingegen ein reiner Koordinationsmechanismus, der die internationale Zuständigkeit englischer Gerichte weder erweitert noch einschränkt.275 Gleiches gilt grds. für sec.  426 IA, die ohnehin im Verhältnis zu deutschen und französischen Gerichten keine Anwendung findet.276 c) Frankreich Ähnlich wie im deutschen Recht werden in Frankreich die eigentlich für die örtliche Zuständigkeit geltenden Vorschriften des CPC für die internationale Zuständigkeit entsprechend angewendet.277 Gemäß Art.  42 CPC besteht daher auch für die action paulienne eine allgemeine Zuständigkeit am Beklagtenwohnsitz.278 Bei einer Mehrzahl von Beklagten kann der Kläger nach Art.  42 S.  2 CPC auch die weiteren Beklagten grds. am Wohnsitz nur eines Beklagten mitverklagen.279 Für Fälle der internationalen Zuständigkeit soll diese Regelung nach der französischen Rechtsprechung allerdings nicht gelten.280 Von den weiteren besonderen Zuständigkeiten in Art.  46 CPC281 kommen als zuständig272  McCormack Journal of Business Law 2013, 141, 149 f.; Parry u. a., Transaction avoidance in insolvencies, Rn.  10.125, 21.43 ff. 273  Siehe oben S. 393. 274 Die Cross-Border Insolvency Regulation geht auf das UNCITRAL Model Law on Cross-Border Insolvency zurück. 275  McCormack Journal of Business Law 2013, 141, 153. 276  Fletcher, Insolvency in private international law, Rn.  4.05 f.; siehe hierzu ausführlich Schmitt v. Deichmann [2013] EWHC 62 (Ch), Rn.  58 ff. 277  Mayer/Heuzé, Droit international privé, Rn.  293; Després, Code de procédure civile (Dalloz), Art.  1070 Rn.  7 ff. 278  Sautonie-Laguionie, La fraude paulienne, Rn.  947, 938. 279  Art.  42 CPC lautet: „La juridiction territorialement compétente est, sauf disposition contraire, celle du lieu où demeure le défendeur.S’il y a plusieurs défendeurs, le demandeur saisit, à son choix, la juridiction du lieu où demeure l’un d’eux. Si le défendeur n’a ni domicile ni résidence connus, le demandeur peut saisir la juridiction du lieu où il demeure ou celle de son choix s’il demeure à l’étranger“; siehe auch Després, Code de procédure civile (Dalloz), Art.  42 Rn.  2 ff. 280  Aix-en-Provence, 8 juill. 1947, D. 1947, 456; Després, Code de procédure civile (Dalloz), Art.  42 Rn.  4. 281  Art.  46 CPC lautet: „Le demandeur peut saisir à son choix, outre la juridiction du lieu où demeure le défendeur : – en matière contractuelle, la juridiction du lieu de la livraison ef-

Teil 3 – C. Anfechtungsmöglichkeiten außerhalb eines Insolvenzverfahrens

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keitsbegründende Elemente für die action paulienne in Betracht: der Erfüllungsort einer vertraglichen Verpflichtung, der Ort der schädigenden Handlung oder des Schadenseintritts und der Belegenheitsort der streitbefangenen Sache.282 Während die letzteren beiden Möglichkeiten für die action paulienne nach herrschender Ansicht keine Anwendung finden, 283 ist die Rechtslage hinsichtlich der Erfüllungsortzuständigkeit umstritten.284 Eine internationale Zuständigkeit französischer Gerichte kann sich zudem aus Art.  14, 15 Code civil ergeben, die als zuständigkeitsbegründendes Element bereits die französische Staatsangehörigkeit einer Partei ausreichen lassen.285 Auch für eine action paulienne sollen diese Vorschriften anwendbar sein.286 Art.  14, 15 Code civil sind gegenüber anderen Vorschriften, die bereits eine Zuständigkeit französischer Gerichte begründen, grds. subsidiär.287 Anders als für die exorbitanten Zuständigkeiten in Deutschland und England wird aber gerade kein hinreichender Inlandsbezug des Sachverhalts verlangt. Allein die französische Staatsangehörigkeit eines Beteiligten wird insoweit bereits für ausreichend genügt. II. Das anwendbare Recht Außerhalb eines Insolvenzverfahrens kommen für die Gläubigeranfechtung bislang als vereinheitlichte europäische Kollisionsnormen die Rom I-VO und die Rom II-VO in Betracht. Soweit diese nicht für anwendbar erachtet werden, findet das autonome nationale Kollisionsrecht Anwendung. 1. Rom I-VO und Rom II-VO Nach herrschender Ansicht sind weder die Rom I-VO noch die Rom II-VO für die Gläubigeranfechtung anwendbar.288 Wie bereits im Rahmen der Zuständigfective de la chose ou du lieu de l’exécution de la prestation de service; – en matière délictuelle, la juridiction du lieu du fait dommageable ou celle dans le ressort de laquelle le dommage a été subi; – en matière mixte, la juridiction du lieu où est situé l’immeuble; – en matière d’aliments ou de contribution aux charges du mariage, la juridiction du lieu où demeure le créancier.“ 282  Vgl zu Art.  46 CPC Le Bayon, Compétence territorial en matière civile, JC Proc. civ., Fasc. 211, Rn.  143 ff. 283  Sautonie-Laguionie, La fraude paulienne, Rn.  941 mwN. 284 Befürwortend Sautonie-Laguionie, La fraude paulienne, Rn.   940; enger hingegen Consard, Mélanges Hébraud, S.  207, 212 f. 285 Ausführlich Huet, Compétence „privilégiée“ des Tribunaux français ou compétence fondée sur la nationalité française de l’une des parties, JC Droit int., Fasc. 581-30. 286  Sautonie-Laguionie, La fraude paulienne, Rn.  947; siehe zu dieser besonderen Zuständigkeit auch Cadiet/Jeuland, Droit judiciaire privé, Rn.  187 ff. 287  Cass. 19 nov. 1985, D. 1986, S.  362; Cadiet/Jeuland, Droit judiciaire privé, Rn.  195. 288  BGH NJW 2012, 1217, 1218 (ohne Begründung); Meller-Hannich LMK 2012, 329801; MüKoBGB/Martiny Art.  1 Rom I-VO Rn.  14; Martiny in: Reithmann/Martiny, Intern. Vertragsrecht, Rn.  3.113; Staudinger/Magnus Art.  12 Rom I-VO Rn.  60; NK-Knöfel Art.  1 Rom II-VO Rn.  5; Bamberger/Roth/Spickhoff Art.  1 Rom II-VO Rn.  9; Hohloch IPRax 2012, 110,

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keit erläutert, liegt der Beziehung zwischen Gläubiger und Anfechtungsgegner weder eine irgendwie geartete vertragliche Verpflichtung zugrunde noch hat der Anfechtungsgegner in der Regel ein Delikt begangen oder sind bereicherungsrechtliche Ansprüche oder Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag gegeben. 2. Die Gläubigeranfechtung nach dem AnfG Durch den zum 1. Januar 1999 in Kraft getretenen §  19 AnfG289 hat sich der deutsche Gesetzgeber im Grundsatz für die Maßgeblichkeit der lex causae der angegriffenen Handlung entschieden und dadurch dem zuvor in der Rechtsprechung und Literatur herrschenden Meinungsstreit 290 ein Ende bereitet. Entscheidend ist somit das für die angefochtene Handlung maßgebliche Recht. Das Bestehen eines Hauptanspruchs zwischen Gläubiger und Schuldner wird zwar für eine Anfechtung vorausgesetzt, es handelt sich hierbei jedoch um eine selbstständig anzuknüpfende Vorfrage, die von §  19 AnfG nicht erfasst wird.291 Der Beziehung zwischen Anfechtungsgegner und Schuldner wird durch die Anknüpfung in §  19 AnfG der Vorrang eingeräumt. Die Anfechtungsvoraussetzungen und Rechtsfolgen 292 richten sich nach der Rechtsbeziehung zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner und nicht nach derjenigen zwischen Schuldner und Gläubiger. Überlegungen des Vertrauensschutzes und der Stabilität von Rechtsgeschäften kommen im Rahmen dieser Anknüpfung stärker zum Tragen.293 Die Vollstreckungsinteressen des Gläubigers werden hingegen zurückgesetzt. Beispiel: Der Schuldner A verschenkt sein in Deutschland belegenes Grundstück an den in Paris lebenden Franzosen B. Der Schenkungsvertrag wird durch eine Rechtswahl dem besonders anfechtungsfeindlichen Recht des Landes X unterstellt. Kurze Zeit später wird das Grundstück auch an B übereignet. Der Gläubiger C möchte nach einem erfolglosen Vollstreckungsversuch in das Vermögen des A sowohl das schuldrechtliche als auch das dingliche Rechtsgeschäft anfechten. 112; Sonnenberger IPRax 2011, 325, 329; Pretelli YbPIL 13 (2011), 589, 629 ff.; a. A. MüKoBGB/Junker Art.  1 Rom II-VO Rn.  19 f. (vertragliche Zuordnung); noch zum Entwurf der Rom II-VO Jung, Die nationale und internationale Gläubigeranfechtung nach deutschem und französischem Recht, S.  207 ff. (Anwendung Rom II-VO). 289  §  19 AnfG lautet: „Bei Sachverhalten mit Auslandsberührung ist für die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung das Recht maßgeblich, dem die Wirkungen der Rechtshandlung unterliegen.“ 290  Siehe hierzu bspw. Jung, Die nationale und internationale Gläubigeranfechtung nach deutschem und französischem Recht, S.  177 ff.; Schmidt-Räntsch, Die Anknüpfung der Gläubigeranfechtung außerhalb des Konkursverfahrens, S.  18 ff.; Hohloch IPRax 1995, 306, 307 ff.; OLG Düsseldorf IPRax 2000, 534, 537. 291 MüKoAnfG/Kirchhof §  19 AnfG Rn.  4. 292 MüKoAnfG/Kirchhof §  19 AnfG Rn.  6 . 293  Hohloch IPRax 1995, 306, 308; Koch IPRax 2007, 466, 468 f.; Koch IPRax 2008, 417, 418; siehe auch Sautonie-Laguionie, La fraude paulienne, Rn.  958.

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Das schuldrechtliche Rechtsgeschäft (Schenkungsvertrag) richtet sich aufgrund der nach Art.  3 Abs.  1 Rom I-VO grds. wirksamen Rechtswahl nach dem Recht von X. Für das dingliche Rechtsgeschäft ist hingegen gem. Art.  43 Abs.  1 EGBGB die lex rei sitae, mithin deutsches Recht, anwendbar.294 Problematisch ist insoweit zum einen, dass der Schuldner es in einer Anfechtungssituation quasi in der Hand hat, im Zusammenwirken mit dem Anfechtungsgegner durch eine Rechtswahl für das Verpflichtungsgeschäft ein besonders anfechtungsfeindliches Recht zur Anwendung zu bringen. Zum anderen führt die strikte Trennung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften, die in vielen Rechtsordnungen unbekannt ist, dazu, dass für beide Rechtsgeschäfte oft unterschiedliche Rechtsordnungen anwendbar sind.295 Ist aber bspw. das Verpflichtungsgeschäft nach der gewählten Rechtsordnung anfechtbar, während das Verfügungsgeschäft nach der maßgebenden Sachenrechtsordnung als unangreifbar gilt, ist dem anfechtenden Gläubiger insgesamt wenig geholfen. Fraglich ist auch, ob im umgekehrten Fall der Anfechtungsgegner aufgrund des wirksamen und nach der anwendbaren Rechtsordnung unangreifbaren Verpflichtungsgeschäfts dem Rückübertragungsanspruch eventuell die Einrede dolo agit qui petit quod statim redditurus est (§  242 BGB) entgegenhalten könnte.296 Zudem sind erhebliche Unterschiede zum anwendbaren Recht innerhalb eines Insolvenzverfahrens nach Art.  7, 16 EuInsVO feststellbar. Zwar wird über Art.  16 EuInsVO grds. auch die lex causae der angreifbaren Handlung berufen, doch handelt es sich insoweit nur um eine Alternativ- und nicht um eine Primäranknüpfung. Ferner obliegt bei Art.  16 EuInsVO die Beweislast und damit uU297 auch der Nachweis der anwendbaren Rechtsregeln dem Anfechtungsgläubiger und schließlich ist auch der Anwendungsbereich beider Kollisionsnormen unterschiedlich.298 Ulrich Huber hat daher vorgeschlagen, stattdessen wie folgt zu differenzieren: Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Anfechtung sollten sich gegenüber einem unmittelbaren Transaktionspartner des Schuldners stets einheitlich nach dem Schuldstatut des Verpflichtungsgeschäfts richten und zwar auch dann, wenn nicht das Verpflichtungsgeschäft selbst, sondern das aus ihm folgende Verfügungsgeschäft angegriffen wird.299 Ohne einen Rückgriff auf das Verpflichtungsgeschäft ließen sich die Anfechtungsvoraussetzungen für das grds. neutrale Verfügungsgeschäft nämlich gar nicht beurteilen.300 Richtet sich die Anfechtung hingegen gegen weitere Dritte, bspw. einen Zweiterwerber, die 294 

Siehe etwa BGH NJW 2016, 246; NJW 2012, 1217, 1218; Koch IPRax 2007, 466, 468. Kritisch hierzu Huber FS Heldrich 2005, S.  695, 700 ff. 296  Vgl. MüKoBGB/Schubert §  242 BGB Rn.  4 40 ff. 297  Siehe oben S. 387 ff. 298  Siehe oben S. 387 ff. 299  Huber FS Heldrich 2005, S.  695, 709 ff. 300  Huber FS Heldrich 2005, S.  695, 709 ff.; ähnlich OLG Schleswig, OLGR 2004, 226, 227; a. A. mit ausführlicher Begründung OLG Stuttgart IPRax 2008, 436, 438. 295 

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nicht unmittelbar mit dem Schuldner in Kontakt standen, soll zusätzlich verlangt werden, dass die Anfechtung auch nach der jeweiligen lex rei sitae möglich ist. In einer solchen Konstellation ginge es nämlich letztlich um eine Beschränkung der sachenrechtlichen Verfügungsbefugnis des Ersterwerbers.301 Dieser Gedanke von Huber ist auch deshalb interessant, weil er die bspw. im materiellen englischen Recht festgestellte Differenzierung zwischen unmittelbaren und ferneren Erwerbern 302 auch im Kollisionsrecht aufgreifen will. Inwieweit diese Differenzierung tatsächlich ihre Berechtigung hat und möglicherweise auch in anderen Bereichen herangezogen werden könnte, soll noch an späterer Stelle behandelt werden.303 Über die mittelbar anwendbaren Ausweichklauseln, bspw. in Art.  46 EGBGB und Art.  4 Abs.  3 Rom I-VO, kann das Gericht in Einzelfällen missbräuchlichen Tendenzen der Parteien und nicht sachgerechten Anknüpfungen entgegenwirken. Bei einer Rechtswahl besteht eine solche Möglichkeit jedoch nicht, und auch in anderen denkbaren Konstellationen ist nicht immer eine Ausweichklausel zur Hand. Teilweise ist daher erwogen worden, andere Ausweichklauseln (bspw. Art.  4 Abs.  3 Rom I-VO) analog anzuwenden, wenn das über §  19 AnfG berufene Recht nur eine unzureichende Verbindung zum Sachverhalt aufweist.304 In §  19 AnfG ist eine solche Möglichkeit aber grds. nicht vorgesehen. Der BGH hat zudem in einer Entscheidung aus dem Jahre 1980 einen generellen Missbrauchsvorbehalt angenommen:305 Wurden die für die Anknüpfung maßgeblichen Faktoren in arglistiger Art und Weise herbeigeführt, sollen sie außer Betracht bleiben. Eine Anknüpfung, die primär „dem Vertrauensschutz dritter Erwerber und der Verkehrssicherheit Rechnung trägt“, muss nicht berücksichtigt werden, wenn im konkreten Fall kein echtes Verkehrsgeschäft vorliegt, weil der Schuldner lediglich Vermögenswerte auf eine von ihm vollständig beherrschte ausländische juristische Person übertragen hatte.306 Den Missbrauchsvorbehalt konkret zu fassen, bereitet allerdings erhebliche Schwierigkeiten.307 Die Vermögensübertragung erschien im vorliegenden Fall wohl hauptsächlich deshalb als problematisch, weil sie an eine „nahestehende Person“ erfolgt war. Auch die Tragweite dieses Ansatzpunktes bedarf jedoch noch einer genaueren Untersuchung.308 301 

Huber FS Heldrich 2005, S.  695, 716 ff. Siehe oben S. 170, 176 f. 303  Siehe unten S. 436 ff. 304  Vgl. OLG Stuttgart IPRax 2008, 436, 439; Haertlein in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, ZwaVR, §   19 AnfG Rn.   6; Huber, Anfechtungsgesetz, §  19 Rn.  10; Kemper in: Kübler/­ Prütting/Bork, InsO, Anh. I, §  19 AnfG Rn.  11; Hohloch IPRax 1995, 306, 309. 305  BGH NJW 1981, 522, 524. 306  BGH NJW 1981, 522, 524. 307  Huber FS Heldrich 2005, S.  695, 710 ff.; Pfeiffer in: Hess/Oberhammer/Pfeiffer (Hrsg.), European Insolvency Law, S.  214 f. 308  Siehe hierzu unten S. 416 ff. 302 

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3. Die Anfechtung nach sec.  423 IA In England gilt der Grundsatz, dass englische Gerichte, wenn sie sich für zuständig erachten, auch englisches Recht anwenden (sog. Gleichlaufprinzip).309 Im Rahmen der oben beschriebenen Abwägung, ob ein hinreichender Bezug zum englischen Forum besteht, entscheiden die Gerichte auch gleichzeitig über die Anwendbarkeit der englischen Anfechtungsvorschriften.310 Im Anwendungsbereich der sec.  426 IA haben die englischen Gerichte zudem die Möglichkeit, statt englischen Rechts das Recht desjenigen Staates anzuwenden, in dem das Insolvenzverfahren gegen den Schuldner eröffnet wurde.311 Zusätzlich ist auch immer ein Rückgriff auf die englischen Vorschriften möglich.312 Weder Deutschland noch Frankreich sind jedoch Staaten, im Verhältnis zu denen sec.  426 IA zur Anwendung kommen könnte.313 4. Die action paulienne gem. Art.  1341-2 Code civil Die Qualifikation der action paulienne ist in der französischen Literatur zum internationalen Privatrecht sehr umstritten. Einschlägige Entscheidungen französischer Gerichte zu dieser Thematik existieren bislang nicht.314 Die wohl herrschende Ansicht geht von einer kumulativen Anwendung sowohl des für die anfechtbare Handlung als auch des für den Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner maßgeblichen Rechts aus.315 Die action paulienne hat demnach nur Erfolg, wenn ihre Voraussetzungen in beiden Rechtsordnungen erfüllt sind.316 Die hiermit einhergehende Begünstigung des Anfechtungsgegners erscheint insbesondere dann berechtigt, wenn der geschützte Erwerber gutgläubig ist. Sautonie-Laguionie hat daher vorgeschlagen, grds. auf das für die Rechtsbeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner maßgebliche Recht abzustellen und eine kumulative Anwendung des für die anfechtbare Handlung geltenden Rechts nur bei Gutgläubigkeit des Anfechtungsgegners zuzulassen.317 Gegen 309  Parry u. a., Transaction avoidance in insolvencies, Rn.  21.33, 21.40 ff.; Fletcher, Insolvency in private international law, Rn.  2.79 ff. 310  Parry u. a., Transaction avoidance in insolvencies, Rn.   21.49; Fletcher, Insolvency in private international law, Rn.  2.82 ff. 311  Parry u. a., Transaction avoidance in insolvencies, Rn.  21.70. 312  Re Bank of Credit and Commerce International SA [1993] BCC 787; Schmitt v. Deichmann [2013] EWHC 62 (Ch), Rn.  55 ff. 313  Parry u. a., Transaction avoidance in insolvencies, Rn.  21.69. 314  Sautonie-Laguionie, La fraude paulienne, Rn.   954; Audit, Droit international privé, Rn.  783. 315  Sautonie-Laguionie, La fraude paulienne, Rn.  959 mwN; Batiffol/Lagarde, Droit international privé, Rn.  541; Audit, Droit international privé, Rn.  783; Jung, Die nationale und internationale Gläubigeranfechtung nach deutschem und französischem Recht, S.  204 f. 316  Sautonie-Laguionie, La fraude paulienne, Rn.  959; s. a. Fragista RabelsZ 12 (1938/1939), 452, 463 f. 317  Pretelli, La protection du droit de gage général en droit international privé, Rn.  42 f.

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diesen Ansatz spricht allerdings, dass er bereits weit in das materielle Recht vorgreift und zudem zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führt.318 Eine kumulative Anwendung beider Rechte ist vor allem deshalb problematisch, weil Schuldner und Anfechtungsgegner das für die anfechtbare Handlung geltende Recht grds. frei wählen können. Sie erhalten dadurch die Möglichkeit, ihre Transaktion durch die Wahl eines extrem anfechtungsfeindlichen Rechts praktisch unangreifbar zu machen. Die französische Literatur möchte deshalb in solchen Fällen der Rechtswahl über die Figur der fraude à la loi319 die Wirksamkeit versagen. Dieser generelle Missbrauchsvorbehalt ist allerdings mit erheblichen rechtlichen Unsicherheiten und Beweisschwierigkeiten belastet.320 Eine andere Mindermeinung vertritt die Einordnung der action paulienne in den Kontext des Vollstreckungsrechts und möchte deshalb das Belegenheitsrecht des jeweiligen Vollstreckungsobjekts zur Anwendung bringen.321 Schließlich wird im älteren Schrifttum zum Teil auch eine deliktsrechtliche Qualifikation der action paulienne befürwortet, mit der Folge, dass primär das am Handlungs- oder Erfolgsort geltende Recht maßgeblich wäre.322

Zusammenfassung zu Kapitel VII Die erbrechtlichen Rückholansprüche fallen nach herrschender, wenn auch nicht unbestrittener Ansicht in den Anwendungsbereich der EuErbVO. Die Zuständigkeit richtet sich folglich primär nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers und ist für den Anspruchsgegner nur schwer vorherseh- und nicht beeinflussbar. Hinsichtlich des anwendbaren Rechts sollten auch die Rückholansprüche des Vertragserben nicht unter Art.  25 EuErbVO, sondern unter das allgemeine Erbstatut des Art.  21 EuErbVO gefasst werden. Dass auf eine Sonderregelung für Rückholansprüche verzichtet wurde, ist bedauerlich. Ordre public-Fragen können sich auch im Zusammenhang mit Rückholansprüchen stellen, fehlen etwa in einer nach Art.  22 EuErbVO gewählten Rechtsordnung Rückholmöglichkeiten vollständig und kann dadurch ein Pflichtteilsrecht ausgehebelt werden, so könnte hierin unter Umständen ein Ordre-public-Verstoß liegen. Die Verletzung von Rechten eines Vertragserben oder des beschenkten Dritten begründen hingegen für sich genommen grds. keinen Ordre-public-­ Verstoß. 318 

So auch Sautonie-Laguionie, La fraude paulienne, Rn.  959. zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieses Prinzips Loussouarn/Bourel/ Vareilles-Sommières, Droit international privé, Rn.  411 ff. mwN. 320  Sautonie-Laguionie, La fraude paulienne, Rn.  960. 321  Mayer/Heuzé, Droit international privé, Rn.  665. 322  Niboyet, Traité de droit international privé français IV, Rn.  1120; diese Ansicht wird zum Teil auch in der US-amerikanischen Literatur vertreten, s. die Nachweise bei Pretelli YbPIL 13 (2011), 589, 626 f. 319  Siehe

Zusammenfassung zu Kapitel VII

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England ist, anders als Deutschland und Frankreich, nicht an die EuErbVO gebunden. Es erkennt kontinentaleuropäische Rückholansprüche grds. nicht an. Bevor Rechte an in England belegenen Nachlassgegenständen geltend gemacht werden können, muss ein englisches Gericht einen grant of probate erlassen. Zudem gilt für unbewegliches Vermögen die lex rei sitae. Ob die EuGüVO auch für familienrechtliche Rückholansprüche offen steht, ist eine bisher noch kaum diskutierte Frage. Vieles scheint aber dafür zu sprechen. Die vorgesehenen Zuständigkeiten am Ort des Nachlass- oder Scheidungsverfahrens oder am gemeinsamen Aufenthaltsort der Ehegatten sind jeweils einseitig an den Interessen der Ehegatten ausgerichtet und berücksichtigen die problematische Stellung des beklagten Anfechtungsgegners nicht hinreichend. Gleiches gilt generell für die bislang noch geltenden Regelungen im autonomen Recht der untersuchten Staaten. Im Kollisionsrecht existieren zwar zum Teil Vorschriften, die sich mit dem Schutz Dritter befassen; es ist jedoch unklar, wie weit diese Vorschriften auch für die Rückholsituation greifen und der durch sie gewährte Schutz bleibt zudem unvollständig. Im deutsch-französischen Wahlgüterstand wurde eine Rückholregelung offensichtlich vergessen. Die insoweit bestehende Lücke kann und muss durch Rückgriff auf die Regelungen geschlossen werden, die in den anwendbaren nationalen Güterständen vorgesehen sind, die dem WZGA am ehesten entsprechen. Die internationale Zuständigkeit für Insolvenzanfechtungsklagen ergibt sich aus Art.  6 EuInsVO und liegt an dem Ort, an dem das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wurde. Der hier lange Zeit herrschende Meinungsstreit ist dadurch entschieden. Im Kollisionsrecht sieht Art.  16 EuInsVO vor, dass der Anfechtungsgegner sich darauf berufen kann, dass das angefochtene Rechtsgeschäft nach dem Recht nicht anfechtbar war, dem es im Zeitpunkt seines Abschlusses unterstand. Es kommt dadurch zur kumulativen Anwendung der lex fori concursus und der lex causae des angefochtenen Rechtsgeschäfts. Die Gläubigeranfechtung (§§  3,4 AnfG, sec.  423 IA, Art.  1341-2 Code civil) fällt hingegen nach herrschender Ansicht nicht in den Anwendungsbereich der EuInsVO. Für sie stehen grds. die Zuständigkeiten des Brüssel Ia-VO offen. Der EuGH hat allerdings in der Rechtssache Reichert/Dresdner Bank entschieden, dass für die Gläubigeranfechtung weder der ausschließliche dingliche Gerichtstand (Art.  24 Nr.  1 Brüssel Ia-VO), der ausschließliche Vollstreckungsgerichtsstand (Art.  24 Nr.  5 Brüssel Ia-VO), der Deliktsgerichtsstand (Art.  7 Nr.  2 Brüssel Ia-VO) noch der Gerichtsstand für einstweilige Maßnahmen (Art.  35 Brüssel Ia-VO) einschlägig seien.323 Der Gläubiger muss hier daher wohl grds. am Wohnsitz des Beklagten Klage erheben. Liegt der Wohnsitz des Beklagten nicht in einem Mitgliedstaat der Brüssel Ia-VO, ist diese jedoch nicht anwendbar und es ist auf das autonome Kollisionsrecht zurückzugreifen. In Deutsch323 

Siehe S. 391 ff.

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Kapitel VII:  Grenzüberschreitende Sachverhalte

land kann hier der besondere Gerichtsstand des §  23 ZPO zum Zuge kommen, der an die Belegenheit von Vermögen anknüpft, für die internationale Zuständigkeit aber einen hinreichenden Inlandsbezug voraussetzt. Ein solcher Bezug wird auch für eine Zuständigkeit englischer Gerichte verlangt, so dass es, wie in Deutschland, zu einer umfassenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalles kommt. In Frankreich genügt demgegenüber bereits die französische Staatsangehörigkeit einer Partei, um eine internationale Zuständigkeit zu begründen. Wenn man bedenkt, dass die Gläubigeranfechtung in Deutschland inhaltlich der Insolvenzanfechtung entspricht und, wie auch in England und Frankreich, auch von einem Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortgeführt werden kann, ist diese Zersplitterung im Zuständigkeitsrecht recht misslich. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens kann an dem Ort geklagt werden, an dem das Hauptverfahren eröffnet wurde, außerhalb des Insolvenzverfahrens muss grds. am Wohnsitz des Schuldners geklagt werden. Liegt dieser in einem Drittstaat, ist möglicherweise jedoch der besondere deutsche Vermögensgerichtsstand oder die an die Staatsangehörigkeit anknüpfende französische Zuständigkeit einschlägig, je nachdem, wo konkret geklagt wird. Von einer einheitlichen Lösung für ein einheitliches Problem ist man also weit entfernt. Das Recht, das für die Gläubigeranfechtung in Deutschland maßgeblich ist, ist gem. §  19 AnfG die lex causae des angefochtenen Geschäfts. Da hierdurch die Parteien des angefochtenen Rechtsgeschäfts aber die Möglichkeit erhalten, durch Rechtswahl ein besonders anfechtungsfeindliches Recht zur Geltung zu bringen, steht diese Anknüpfung unter einem allgemeinen Missbrauchsvorbehalt. Problematisch ist auch, dass für Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäfte oft unterschiedliche Rechte zur Anwendung berufen werden. Das englische Recht folgt hingegen dem Gleichlaufprinzip und wendet bei einem hinreichenden Inlandsbezug englisches Recht an. Die wohl herrschende Ansicht in Frankreich geht von einer kumulativen Anwendung sowohl des für die anfechtbare Handlung als auch des für den Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner maßgeblichen Rechts aus.

Kapitel VIII

Auswertung Die vorangehenden Kapitel dienten dem rechtsvergleichenden Überblick über die Behandlung von Rückholansprüchen. In diesem Kapitel soll nun eine nach den einzelnen Problemschwerpunkten gegliederte Diskussion und Bewertung der Ergebnisse erfolgen. Zudem soll vor allem für das deutsche Recht der rechtsvergleichende Befund ausgewertet, auf Widersprüche und Inkongruenzen hingewiesen und über Anpassungsmöglichkeiten de lege lata und de lege ferenda nachgedacht werden.

A. Einleitung Der Rechtsvergleich zeigt eine Grundübereinstimmung in Folgendem: Das deutsche, englische und französische Recht kennen eine Sonderform von Ansprüchen, die weder auf vertraglichen noch außervertraglichen oder dinglichen Rechts­ beziehungen von Anspruchsteller und Anspruchsgegner beruhen. Rechtfertigende Grundlage ist vielmehr allein, dass das Vermögen eines Dritten im Interesse bestimmter Personen, zu denen der Anspruchsteller gehört, zusammengehalten werden soll. Dem dienen die Rückholansprüche in diesen drei Rechtsordnungen. Übereinstimmung besteht auch insoweit, als solche Ansprüche nur im Familienund Erbrecht sowie im Einzel- und Gesamtvollstreckungs­recht für notwendig erachtet werden und in anderen Rechtsgebieten nicht vorkommen. Trotz aller Unterschiede in den Einzelheiten hat der Vergleich auch einige grundlegende Strukturgemeinsamkeiten erkennen lassen: (1) Der Vermögensinhaber muss über sein Vermögen mindernd verfügt haben. (2) Der von der Verfügung Begünstigte darf nicht schutzwürdig sein, weil er etwa unentgeltlich erworben hat oder bösgläubig hinsichtlich der Verfügung war. (3) Der Anspruchsteller muss eine hinreichend verfestigte und schutzwürdige Erwartung auf das Vermögen oder eine Beteiligung daran haben. (4) Rückholansprüche unterliegen überwiegend einer Zeitschranke; nach Ablauf mehrerer Jahre nach der Verfügung sind sie meist ausgeschlossen. (5) Der gutgläubige entgeltliche Erwerber („equity’s darling“) wird grds. keinen Rückholansprüchen ausgesetzt. (6) Der gutgläubige unentgeltliche Erwerber kann sich in aller Regel auf Ent­ reicherung berufen. (7) Rückholansprüche sind grundsätzlich subsidiär und entfalten auch eine Fernwirkung, so dass sie sich auch gegen Zweit- und Dritt­ erwerber richten können.

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Kapitel VIII:  Auswertung

B. Vorüberlegungen Primär zwei Gründe rechtfertigen die Inanspruchnahme eines außenstehenden Zuwendungsempfängers: Erstens, der Empfänger hat unentgeltlich erworben, also keine eigenen Vermögensopfer erbracht und sein Vertrauen darauf, den erworbenen Gegenstand dauerhaft behalten zu dürfen, ist wegen der Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs nicht schutzwürdig. Sein Vertrauen kann durch überwiegende Interessen des Berechtigten verdrängt werden. Die Abwägung der Interessen des Berechtigten und des unentgeltlichen Empfängers fällt jedenfalls zunächst zugunsten des Ersteren aus und dreht sich erst nach längerer Besitzzeit zugunsten des Empfängers und des Schutzes seines Vertrauens. Zweitens, der Zuwendungsempfänger ist bösgläubig. Der Schuldner/Erblasser/Ehegatte hat entgeltlich in Benachteiligungsabsicht verfügt und dem Vertragspartner war das bekannt. Ein kollusiv mit dem Schuldner zusammenwirkender Dritter kann ebenfalls nicht in schützenswerter Weise darauf vertrauen, das Erworbene behalten zu dürfen. Daraus folgt drittens, dass ein vollentgeltlicher und gutgläubiger Empfänger (equity’s darling) nicht in Anspruch genommen werden kann. Schließlich rechtfertigt der Gedanke Rückholansprüche, dass der Rechtsinhaber seine Vermögensmasse nicht zu Lasten derjenigen verkürzen soll, die an ihr aus Rechtsgründen (Erbvertrag, Pflichtteilsberechtigung, ehelicher Vermögensausgleich, Befriedigung bestehender Ansprüche) partizipieren sollen. Der Rechtsinhaber darf nicht zu ihren Lasten Großzügigkeit gegenüber Dritten walten lassen. Die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs findet sich als Rechtfertigung für Rückholansprüche im deutschen Recht in §  2329 BGB, §  134 InsO und §  4 AnfG, in England in der transaction at an undervalue und in Frankreich in der action en réduction und der Insolvenzanfechtung nach L. 632 ff. Code de Commerce. Die Bösgläubigkeit des Dritten ermöglicht eine Anfechtung nach §  1390 Abs.  2 BGB, §  133 InsO und §  3 AnfG sowie innerhalb der transaction defraud­ ing creditor und der action paulienne. Von diesem klaren Grundprinzip gibt es jedoch zahlreiche Ausnahmen und auch Unstimmigkeiten in Einzelheiten. §  2287 BGB und §  1390 Abs.  1 BGB verlangen zusätzlich zum Vorliegen einer Schenkung/unentgeltlichen Leistung eine Benachteiligungsabsicht des Erblassers. Auf den Zuwendungsempfänger kommt es hier dagegen nicht an. Gleiches gilt für die französische action paulienne bei unentgeltlichen Rechtsgeschäften und für die englischen anti-avoidance provisions in sec.  10–12 Inheritance Act. Hier setzt sich der Tatbestand jeweils aus zwei Elementen zusammen. Im deutschen und französischen Pflichtteilsergänzungsrecht wiederum fehlt die Möglichkeit, auf einen entgeltlichen bösgläubigen Empfänger zuzugreifen. In Frankreich kann in einem solchen Fall aber unter Umständen die action paulienne einschlägig sein. Das englische Insolvenzrecht macht wiederum eine Ausnahme vom Prinzip des „equity’s dar-

B. Vorüberlegungen

407

ling“, als auch auf einen gutgläubigen und entgeltlichen Erwerber zugegriffen werden kann, wenn er unmittelbar mit dem Schuldner selbst kontrahiert hat. Geschützt wird erst der gutgläubige Zweiterwerber. Diese Ausnahmen lassen es zweifelhaft erscheinen, ob tatsächlich ein gemeinsames, an den Interessen und der Schutzwürdigkeit des Zuwendungsempfängers ausgerichtetes Grundgerüst für Rückholansprüche besteht. Aus der Sicht des Zuwendungsempfängers macht es jedenfalls keinen Unterschied, aus welchem Rechtsbereich und aus welcher Anspruchsgrundlage sich die Berechtigung des Klägers herleitet. Folgende Überlegungen können zur Glättung dieser Unebenheiten führen: Zwar genügt die Unentgeltlichkeit der Leistung bereits, um den Empfänger – jedenfalls in einem gewissen zeitlichen Rahmen – in Anspruch nehmen zu können, jedoch müssen auch die Interessen der anderen Parteien mit in den Blick genommen werden. Es kann sich dabei ergeben, dass die (rückwirkende) Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Schuldners/Erblassers/Ehegatten zu weit reicht und von der konkreten Erwerbserwartung des Berechtigten nicht gedeckt wird. Hier kann und muss dann entweder der objektive Tatbestand durch bestimmte Ausnahmen weiter eingeschränkt werden oder aber als Regulativ ein zweites, subjektives Element eingefügt werden. Der umgekehrte Fall, dass ein rein subjektiv anknüpfender Tatbestand die Verfügungsfreiheit zu stark einschränkt und eines zweiten regulativen Tatbestandsmerkmals bedarf, ist hingegen nicht plausibel begründbar. Hier gilt: Fraus omnia corrumpit. Zudem wird eine Beeinträchtigung der Interessen der Gläubiger vorausgesetzt, die in der Regel nur dann gegeben ist, wenn sich das vorhandene Vermögen verringert oder die Zugriffsmöglichkeiten auf das Vermögen erschwert werden. Neben einseitigen, auf eine unentgeltliche Leistung abstellenden Regelungen sollte daher stets Raum für einen allgemeinen Missbrauchstatbestand bleiben. Kollusiv zum Nachteil eines Dritten zusammen­ arbeitende Vertragsparteien sind nicht schutzwürdig. Als Vorbild könnte hier die action paulienne dienen, die im französischen Recht systematisch im allgemeinen Teil des Vertragsrechts angesiedelt ist. Die actio paulienne verweist wiederum auf das historische Vorbild der actio Pauliana, das aus dem römischen Recht stammt. Die actio Pauliana entstand bei ­Justinian durch die Zusammenfassung der in integrum restitutio und des Interdikts gegen Gläubigerbetrug (interdictum fraudatorium) zu einer einheitlichen Klage.1 In ihrem Tatbestand verlangte sie einerseits den Nachweis eines „fraus“ beim Schuldner und die Kenntnis von diesem beim Erwerber sowie die Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen durch den unentgeltlichen Vermögensabfluss.2 Dem entspricht die französische action paulienne. Auch die transaction

1  2 

Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, S.  77 Rn.  12. Vaquer in: Schulze (Hrsg.), New Features in Contract Law, S.  421, 426 (Fn.  20).

408

Kapitel VIII:  Auswertung

defrauding creditors in sec.  423 IA ähnelt in gewisser Weise einem solchen all­ gemeinen Missbrauchstatbestand.3 Im französischen Familienrecht wird durch die Verwendung des Begriffs „fraude“ auf die action paulienne als allgemeinen Missbrauchstatbestand Bezug genommen.4 Die Überlegung, einen allgemeinen Grundtatbestand für alle Rückholansprüche zu schaffen, liegt deshalb nicht fern. Was andererseits die Schutzbedürftigkeit eines entgeltlichen und gutgläubigen Erwerbers (equity’s darling) angeht, so findet sich dieses Prinzip in praktisch allen Rechtsgebieten in den verglichenen Rechtsordnungen wieder. Die einzige Ausnahme bildet das englische Insolvenzrecht. Der Schutz wird allerdings insoweit nur um eine Stufe verschoben; denn geschützt wird nur derjenige Erwerber, der nicht direkt vom Schuldner selbst erwirbt. Dahinter verbirgt sich in England das Misstrauen, dass ein unmittelbarer Vertragspartner des Schuldners eben doch Kenntnis von der finanziellen Situation des Schuldners gehabt hat, ihm diese nur nicht mehr nachweisbar ist. Man könnte insoweit auch von einer unwiderleglichen Vermutung der Bösgläubigkeit sprechen, so dass das Prinzip des equity’s darling doch gewahrt bliebe. Von genereller Bedeutung ist auch die Frage, inwieweit durch einen Rückholanspruch auch auf weitere Glieder im Rahmen einer Erwerbskette, also auf einen Zweit- oder Dritterwerber, zugegriffen werden kann.5

C. Weitere Anwendungsfelder für den Rückholanspruch? Im englischen Recht schützt der Rückholanspruch in sec.  37 MCA auch mögliche nacheheliche Unterhaltsrechte. 6 Daher stellt sich die Frage, ob nicht auch im deutschen Recht eine entsprechende Erweiterung des Anwendungsbereichs des familienrechtlichen Rückholanspruchs möglich und sinnvoll ist. Nach der deutschen Rechtsprechung und herrschenden Lehre soll derjenige, der seine Leistungsfähigkeit leichtfertig herabgesetzt hat, gehindert sein, sich dem Unterhaltsgläubiger gegenüber erfolgreich auf eine nunmehr eingetretene Leistungsunfähigkeit zu berufen.7 Das gebiete bereits der Grundsatz der Waffengleichheit, da auch der Unterhaltsgläubiger seine Bedürftigkeit nicht leichtfertig herbeiführen dürfe (§  1579 Nr.  4 BGB). Hat der Unterhaltsschuldner etwa leichtfertig für luxuriöse Zwecke oder ohne verständigen Grund Verbindlichkeiten begründet, werden diese bei der Ermittlung seiner Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigt. 8 Rechtsgrundlage hierfür sind jeweils die Gebote von Treu 3 

Vaquer in: Schulze (Hrsg.), New Features in Contract Law, S.  421, 431 f. Siehe S. 132 f. 5  Siehe S. 202 ff. 6  Siehe S. 119 ff. 7 Staudinger/Verschraegen §  1581 BGB Rn.  97. 8  BGH NJW 1982, 380, 381. 4 

C. Weitere Anwendungsfelder für den Rückholanspruch?

409

und Glauben (§  242 BGB). Ein einfaches Verschulden der Leistungsunfähigkeit genügt nicht, es ist vielmehr ein arglistiges oder zumindest leichtfertiges Verhalten des Unterhaltsschuldners erforderlich. Arglist liegt etwa immer dann vor, wenn der Schuldner die Verbindlichkeit gerade zu dem Zwecke eingegangen ist, sich seiner Unterhaltspflicht zu entziehen.9 Wann ein Verhalten leichtfertig ist, muss hingegen im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung nach billigem Ermessen bestimmt werden. Bedeutsame Umstände sind nach Ansicht des BGH dabei unter anderem „der Zweck der Verbindlichkeit, der Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Dringlichkeit der beiderseitigen Bedürfnisse, die Kenntnis des Unterhaltsverpflichteten von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld, seine Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit in zumutbarer Weise ganz oder teilweise wieder herzustellen, und gegebenenfalls auch schutzwürdige Belange des Drittgläubigers.“10 Die Verletzung einer Unterhaltspflicht wird zudem gemäß §  170 Abs.  1 StGB sogar strafrechtlich geahndet. Eine Rückabwicklung von Rechtsgeschäften, die der Unterhaltspflichtige mit der Absicht vorgenommen hat, seine Leistungsfähigkeit zu reduzieren und sich dadurch seiner Unterhaltspflicht zu entziehen, ermöglicht das deutsche Recht bislang dagegen nicht. Die Sanktionen eines solchen Verhaltens sind auf das Innenverhältnis zwischen Unterhaltsgläubiger und Unterhaltsschuldner begrenzt. Dem Schuldner wird verwehrt, sich auf seine tatsächlich bestehende Leistungsunfähigkeit zu berufen. Spätestens im Vollstreckungsrecht stößt ein solcher Ansatz aber an seine Grenzen. Ist beim Unterhaltsschuldner schlicht kein pfändbares Vermögen mehr vorhanden, geht die Unterhaltspflicht ins Leere.11 Es besteht insoweit demnach eine Rechtsschutzlücke. Ein praktisches Bedürfnis für einen Rückholanspruch ist deshalb durchaus gegeben, wenn der Unterhaltsschuldner in arglistiger Art und Weise sein gesamtes pfändbares Vermögen einem Dritten, bspw. seinem neuen Lebenspartner, überträgt und sich dadurch leistungsunfähig macht. Hat dieser Dritte unentgeltlich erworben oder hatte er Kenntnis von der Benachteiligungsabsicht des Schuldners, erscheint er bei einer gebotenen Interessenabwägung als nicht besonders schutzwürdig. Die Interessenlage entspricht vollständig jener der geregelten Rückholsituationen im Familien- und Erbrecht. Steht die Vermögensübertragung zudem in einem hinreichend engen zeitlichen Zusammenhang zur Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs, sollte ein Rückholanspruch grds. zugelassen werden. Die berechtigten Interessen des Unterhaltsgläubigers an der Durchsetzung seines Unterhaltsanspruchs überwiegen insoweit die gegenläufigen Interessen des arglistigen Schuldners und des ebenfalls arglistigen bzw. unentgeltlichen Erwerbers. Im Weg der Gesetzesanalogie könnte ein solcher An9 Staudinger/Engler/Kaiser

§  1603 BGB Rn.  209 ff. mwN. BGH NJW 1982, 380 (Rn.  3). 11  Daran ändert auch die über §  850d ZPO erweiterte Pfändbarkeit von Arbeitseinkommen nicht viel. 10 

410

Kapitel VIII:  Auswertung

spruch schon de lege lata anerkannt werden. In jedem Fall sollte ihn der Gesetzgeber de lege ferenda einführen.

D. Der objektive Tatbestand: Vermögenstransfer I. Schenkung oder unentgeltliche Leistung? Die rechtsvergleichende Übersicht hat ergeben, dass im deutschen Erbrecht und zum Teil auch im französischen Recht das formelle Vorliegen einer Schenkung mit entsprechender Unentgeltlichkeitsvereinbarung verlangt wird, während insbesondere im englischen Recht, im deutschen und französischen Insolvenzrecht und im deutschen Familienrecht eine vermögensmindernde Handlung (unentgeltliche Leistung/undervalue transaction/acte d’appauvrisement) schon ausreicht. Hieran irritiert bereits, dass im deutschen Recht Rückholansprüche in nah benachbarten Gebieten wie dem Familien- und Erbrecht unterschiedlichen Vor­ aussetzungen genügen sollen, während das in England und faktisch auch in Frankreich nicht der Fall ist. Denn bei einer Bewertung ist zu berücksichtigen, dass die Schenkung nach französischem Verständnis keine Einigung der Parteien über die Unentgeltlichkeit voraussetzt und daher viele, mit dem deutschen Schenkungsbegriff verbundene Probleme vermeidet.12 Zum anderen spricht für sich, dass der deutsche Schenkungsbegriff bspw. im Hinblick auf die Errichtung einer Stiftung als zu eng empfunden wird, weshalb die Rechtsprechung und die herrschende Lehre hier auf einen Analogieschluss zurückgreifen müssen.13 Zudem treten Schwierigkeiten bei gemischten Schenkungen auf, da in Deutschland auch insoweit der Nachweis einer Einigung über die teilweise Unentgeltlichkeit erbracht werden muss.14 Das Erfordernis, über die Unentgeltlichkeit eine Vereinbarung treffen zu müssen, führt auf der Tatbestandsebene ein subjektives Element ein, das unausgewogene vertragliche Vereinbarungen in einem weiten Umfange vor einem Rückholanspruch schützt. Es bietet den Parteien daher auch ein gewisses Missbrauchspotential, da die Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung zunächst durch ihre subjektiven Vorstellungen bestimmt wird; ferner macht es insbesondere die Anfechtung gemischter Schenkungen riskant. Aus Sicht der Interessen der Anspruchsberechtigten allein entscheidend ist der Abfluss von Vermögen aus dem Nachlass. Der weiterreichende, auch im Familien- und Insolvenzrecht verwendete Begriff der unentgeltlichen Zuwendung/Leistung erscheint insoweit überlegen, als er auch einseitige Handlungen des Schuldners umfasst. Auch ist es keinesfalls so, dass etwa spezielle Besonderheiten des Erbrechts die Verwendung des engeren Schenkungsbegriffs erfordern würden. Die Inter12 

Siehe S. 94 f. Siehe S. 49 ff. 14  Siehe S. 47. 13 

D. Der objektive Tatbestand: Vermögenstransfer

411

essenlage ist in dieser Hinsicht vielmehr für alle Rückholansprüche identisch. Geschützt wird jeweils eine bestimmte Vermögensmasse vor einer Ausdünnung durch den verfügungsberechtigten Eigentümer zu Lasten derjenigen, die an dieser Masse von Rechts wegen partizipieren sollen. In welcher konkreten Form diese Ausdünnung stattfindet, ob ihr ein Vertrag oder eine einseitige Handlung des Verfügenden zugrunde liegt, ist irrelevant. Entscheidend ist allein das Ergebnis, nicht der konkrete objektive Vorgang, der zur Verminderung der Vermögensmasse geführt hat. Zu subjektiven Elementen ist freilich noch unten Stellung zu nehmen. Erforderlich ist allerdings, dass die Handlung des Schuldners dazu geführt hat, dass der streitigen Masse Vermögenswerte entzogen und auf einen Dritten übertragen wurden. Ein bloßer Verbrauch zu eigenen Zwecken bietet keinen Ansatzpunkt für einen Rückholanspruch. Fraglich ist, ob auch ein Unterlassen einen Rückholanspruch begründen kann. Während das im englischen Recht grds. nicht möglich ist,15 sehen die französische action paulienne16 und die deutschen Anfechtungsvorschriften entsprechende Möglichkeiten vor.17 Hier muss einerseits beachtet werden, dass dem Schuldner keine weitreichenden Erhaltungs- und Tätigkeitspflichten auferlegt werden sollten, dass aber in begründeten Fällen, etwa beim bewussten Verjährenlassen einer Forderung, doch eine Handhabe notwendig erscheint. In engen Grenzen, die insoweit durch eine subjektive Benachteiligungsabsicht gezogen werden können, sollte daher auch bei einem Unterlassen ein Rückhol­anspruch in Betracht kommen. II. Unentgeltliche und entgeltliche Geschäfte? Der Rechtsvergleich hat gezeigt, dass sich das deutsche und das französische Erbrecht durch die Besonderheit auszeichnen, dass dort nur unentgeltliche, nicht aber entgeltliche Rechtsgeschäfte angegriffen werden können. Im englischen Recht, aber auch im deutschen und französischen Familien- und Vollstreckungsrecht ist hingegen bei Nachweis einer Benachteiligungsabsicht auch die Rückabwicklung eines entgeltlichen Rechtsgeschäfts möglich. Auch hier leuchtet die Sonderrolle des Erbrechts nicht recht ein. Zwar trifft es zu, dass insbesondere der Vermögensabfluss durch entgeltliche Leistungen problematisch ist und nur uU zur Schmälerung der vorhandenen Vermögensmasse führt. Gewährt der Erblasser aber bspw. in Beeinträchtigungsabsicht insolventen Personen Kredit oder übernimmt er Sicherheitsleistungen für solche Personen, dann ist unklar, wieso im Erbrecht, anders als im Familien- und Insolvenzrecht, ein Rückholanspruch ausscheiden soll. 15 

Siehe S. 166. Siehe S. 181. 17  Siehe S. 150. 16 

412

Kapitel VIII:  Auswertung

Die Interessenlage ist wiederum identisch. Wenn auch der Leistungsempfänger bösgläubig ist und mit dem Erblasser kollusiv zusammenwirkt, ist eine sich auf die Schutzbedürftigkeit des Empfängers stützende Argumentation schwer haltbar. Missbräuchliches Verhalten verdient keinen Schutz. Fraus omnia corrumpit. Das gilt im Erbrecht in gleicher Weise wie in den anderen Rechtsgebieten. Dass die Erwerbserwartung des Gläubigers im Vollstreckungsrecht bereits weiter konkretisiert ist als im Erbrecht, spielt für die Frage, ob bei einem missbräuchlichen Verhalten auch erbrechtliche Rechtsgeschäfte angefochten werden können, keine Rolle. In den untersuchten Rechtsordnungen ist umstritten, inwieweit bereits Vorbereitungshandlungen mit einem Rückholanspruch angreifbar sein sollen, wenn der Schuldner bspw. sein Grundvermögen in Bargeld umwandelt, um dieses einfacher beiseiteschaffen zu können. Ist das Bargeld aber noch in der streitigen Vermögensmasse vorhanden und konnte der Schuldner den ursprünglichen Plan nur noch nicht realisieren, dann fehlt es an einer Beeinträchtigung von Gläubiger- oder Berechtigteninteressen und damit an den Voraussetzungen eines Rückholanspruchs. III. Abgrenzung zulässiger von „böslichen“ unentgeltlichen Leistungen Eine der schwierigsten Aufgaben im Bereich der Rückholansprüche ist es, eine genaue Trennlinie zwischen unverdächtigen und weiterhin zulässigen Alltagshandlungen und angreifbaren „böslichen“ unentgeltlichen Leistungen zu finden. Mögliche Unterscheidungskriterien können dabei sowohl an den Zweck der Zuwendung, an die Art und Weise der Übertragung sowie an die Person des Zuwendungsempfängers anknüpfen als auch nach der jeweils betroffenen Vermögensmasse differenzieren. 1. Zielsetzung der Zuwendung a) Pflicht- und Anstandsschenkungen Notwendigerweise der Beurteilung des Einzelfalles überlassen bleibt die Bestimmung der Trennlinie zwischen nicht angreifbaren Pflicht- und Anstandsschenkungen verhältnismäßig geringer Summen und einer darüber hinausreichenden schenkweisen Zuwendung von Vermögenswerten, die nicht mehr mit den Rechten von Vertrags-, Pflichtteils- oder Noterben, ausgleichsberechtigtem Ehegatten oder Gläubigern vereinbar ist. Der Versuchung, hier starre Prozentgrenzen vorzusehen, wie das etwa noch im Preußischen ALR der Fall war,18 haben die untersuchten Rechtsordnungen jeweils widerstanden. Es gilt stattdessen ein wesentlich flexiblerer Maßstab, der einerseits den Anlass und Zweck 18 

Siehe S. 53 f.

D. Der objektive Tatbestand: Vermögenstransfer

413

der Schenkung in den Blick nimmt und andererseits auf die soziale Üblichkeit der Schenkung und die Vermögensverhältnisse des Schenkers (Erblasser/Ehegatte/Schuldner) abstellt.19 Was in den Gesellschaftskreisen, in denen sich der Schenker bewegt, noch als sozialübliche Schenkung gilt und was nicht, ist in starkem Maße von der Auslegung des zuständigen Gerichts abhängig. b) Lebzeitiges Eigeninteresse Die Gewichte verschieben sich im deutschen Recht allerdings je nachdem, ob es sich um eine Beeinträchtigung eines Vertragserben oder eines Pflichtteilsberech­ tigen/Ehegatten/Gläubigers handelt. Anders als in den anderen Rechtsgebieten kann ein Vertragserbe eine Schenkung nicht nur dann nicht angreifen, wenn es sich um ein Gelegenheitsgeschenk von geringem Wert oder eine sog. Anstandsschenkung handelt. Vielmehr scheidet ein Rückholanspruch nach ständiger Rechtsprechung des BGH bereits dann aus, wenn der Erblasser durch die Schenkung ein lebzeitiges Eigeninteresse verfolgt hat.20 Im Detail folgen hieraus durchaus erhebliche Unterschiede: Sind Anstandsschenkungen in der Regel auf bestimmte Anlässe und einen geringen Prozentoder eher Promillesatz des im Schenkungszeitpunkt beim Erblasser vorhandenen Vermögens begrenzt, so kann die schenkweise Übertragung auch ganz erheblicher Vermögenswerte noch durch ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers geleitet und damit unangreifbar sein, wenn er hierdurch etwa seine Pflege im Alter sicherstellen will. Ein lebzeitiges Eigeninteresse kann aber bspw. auch in der Absicht liegen, einen fähigen Mitarbeiter durch Zuwendung eines Unternehmensanteils an ein Unternehmen des Erblassers zu binden.21 Wieso die Sicherung der Pflege im Alter im Verhältnis zu einem Vertragserben als berechtigtes Anliegen des Erblassers angesehen wird, nicht jedoch gegenüber einem pflichtteilsberechtigten Abkömmling oder einem zugewinnausgleichsberechtigten Ehegatten ist nicht unmittelbar einleuchtend. Insgesamt problematisch ist in dieser Hinsicht auch, dass die Grenzziehung letztlich maßgeblich von einer gerichtlichen Bewertung der Motive abhängt, die der Erblasser mit seiner Schenkung verfolgt hat. Je nach den sittlichen und moralischen Vorstellungen der zuständigen Richter kann diese Bewertung sehr unterschiedlich ausfallen und nur schwer vorhersehbar sein. Die gesetzlichen oder von der Rechtsprechung bisher entwickelten Begrifflichkeiten bieten hier nur wenig Hilfestellung. Wie ist jeweils zu entscheiden, wenn der Erblasser 19 Siehe S.  57, 65, 87. Im englischen Recht kommt aufgrund der Funktion der Ansprü­ che auf family provision, den Unterhalt zu sichern, eine objektive Beeinträchtigung bzw. der Nachweis einer Beeinträchtigungsabsicht bei wertmäßig geringen Anstands- und Pflichtschenkungen von vornherein nicht in Betracht, ohne dass in England diese Kategorien im Einzelnen unterschieden werden, vgl. S. 78 ff. 20  Siehe S. 53 ff. 21  Siehe S. 58 f.

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Kapitel VIII:  Auswertung

bspw. 10 %–50 % seines Vermögens seinem Sportverein, einem afrikanischen Waisenhaus, der Stiftung preußischer Kulturbesitz, einem guten Schulfreund oder seiner Lebensgefährtin im Hinblick auf künftige Pflege- und Versorgungsleistungen schenkt? Insbesondere der wenig glückliche Begriff des lebzeitigen Eigeninteresses scheint dabei in Deutschland in Bezug auf Vertragserben egoistische gegenüber altruistischen Motiven zu bevorzugen. Für Schenkungen, durch die der Erb­ lasser seine eigene Pflege sicherstellen will, soll daher ein großzügigerer Maßstab gelten als für Schenkungen, durch die er bspw. die Versorgung seines behinderten Kindes absichern möchte.22 An moralisch/sittlichen Gesichtspunkten gemessen, scheint diese Differenzierung durchaus zweifelhaft. Ein etwas anderer Ansatz kann der englischen Rechtsprechung zur Bindungswirkung von mutual wills entnommen werden.23 Es entspricht in aller Regel den Vorstellungen der Parteien bei Abschluss der mutual wills, dass dem Erblasser die übliche Nutzung und der übliche Verbrauch seines Vermögens bis zu seinem Tode gestattet bleiben sollen. Zuwendungen, die im Rahmen dieser Nutzung, auch zur Absicherung künftiger Pflege und Betreuung, getätigt werden, widersprechen daher nicht den Zielsetzungen der mutual wills. Dieser Gedanke wird auch dadurch gestützt, dass der Erblasser für den Verbrauch seines Vermögens, auch wenn er auf einem verschwenderischen Lebensstil beruht, nicht einstehen muss und er in seiner Lebensweise durch den Abschluss eines Erbvertrags grds. nicht beschränkt werden soll. Die unentgeltliche Übertragung großer Vermögenswerte auf Dritte wird von den Zielen der mutual wills hingegen regelmäßig nicht gedeckt sein; vielmehr laufen sie diesen zuwider. Auch diese Abgrenzung ist jedoch letztlich wenig trennscharf und beruht wiederum auf dem Gedanken, dass Schenkungen dann eher gestattet sind, wenn der Erblasser mit ihnen egoistische und keine altruistischen Ziele verfolgt. 2. Art der Übertragung (Genussverzicht) Eine Abgrenzung erleichtern könnten Vermutungsregelungen, die bestimmte Arten von – auch entgeltlichen – Rechtsgeschäften von vornherein mit dem Verdacht eines Rechtsmissbrauchs belegen. Diesen Weg geht Art.  918 Code civil.24 Der Verdacht knüpft hier zum einen an die enge verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Erblasser und seinem Vertragspartner (Abkömmling in gerader Linie) und zum anderen an die Natur der vereinbarten Gegenleistung (Leibrente oder Erfüllung à fonds perdu) oder an die Zurückbehaltung eines Nießbrauchsrechts durch den Erblasser an. Die wenig konsequente Handhabung dieser Regelung durch die französische Rechtsprechung macht es einem rechts22 

In diese Richtung BGH NJW 1984, 731. Siehe S. 72 ff. 24  Siehe S. 98 ff. 23 

D. Der objektive Tatbestand: Vermögenstransfer

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kundigen Erblasser aber nicht allzu schwer, ihren Anwendungsbereich zu vermeiden. Zudem betrifft sie auch zahlreiche Fälle, in denen ein Missbrauchsverdacht eher fern liegt. Sie wird daher von der französischen Literatur zu Recht scharf kritisiert und eignet sich daher kaum als (europäisches) Vorbild.25 Gleichwohl bleibt der Gedanke, bestimmte Vermutungsregelungen zu schaffen, überlegenswert.26 Behält sich der Erblasser ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an den übertragenen Rechtsgütern vor, bekommt er die Auswirkungen seiner Schenkung nicht zu spüren. Er kann die Güter, wie bisher, uneingeschränkt nutzen. Der Eigentumsverlust trifft so vor allem seine Erben. Zur deutschen Rechtslage hat der BGH deshalb entschieden, dass die in §  2325 Abs.  3 BGB vorgesehene Frist in einem solchen Fall erst mit dem Tode des Erblassers zu laufen beginnt. 27 Ob eine solche Vereinbarung aber die Vermutung oder sogar den zwingenden Schluss begründen kann, dass es sich bei ihr um eine „bösliche“ Schenkung handelt, die in der Absicht geschlossen wurde, den Vertragserben, die Pflichtteilsberechtigten, den ausgleichsberechtigten Ehegatten oder die Gläubiger zu beeinträchtigen und deshalb im Rahmen eines Rückholanspruchs angreifbar ist, ist doch zweifelhaft. Eine Übertragung von Vermögen unter Gewährung eines Nießbrauchsrechts oder eines lebenslangen Wohnrechts bspw. im Rahmen einer vorgezogenen Erbfolge ist in der notariellen Praxis ein ganz üblicher Vorgang, der keineswegs immer auf missbräuchliche Absichten des späteren Erblassers schließen lässt. Für ihn sprechen oft lediglich steuerrechtliche Gründe. Andererseits spricht der Umstand, dass zu Lebzeiten nur eine leere Eigentumshülle übertragen wird und die tatsächlichen Rechtsfolgen erst die Erben treffen sollen, doch dafür, dass bei dieser Vereinbarung auch die Interessen des Vertragserben oder der pflichtteilsberechtigten Angehörigen eine Rolle gespielt haben. Er stellt daher zumindest ein erstes Indiz für das Vorliegen einer noch weiter nachzuweisenden Benachteiligungsabsicht dar. Das englische Recht differenziert zwischen Verfügungen, die der Erblasser zu seinen Lebzeiten bereits vollzogen hat, und Verträgen, die erst nach seinem Tode zu erfüllen sind. Bei Letzteren wird eine Benachteiligungsabsicht immer schon dann vermutet, wenn keinerlei Gegenleistung vom Vertragspartner zu erbringen ist, es sich also um eine vollständig unentgeltliche Leistung handelt (sec.  12 (2) Inheritance Act).28 Die Unterscheidung kann auch hier darauf zurückgeführt werden, dass der Erblasser bei Verträgen, die erst nach seinem Tode erfüllt werden, selbst keinerlei Einbuße erlebt und die Vermögensschmälerung erst seine Erben trifft. Ob diese Vermutung jedoch in den meisten Fällen zutrifft, wird mit Recht bezweifelt. Zudem kann diese Regelung in der Praxis re25 

Siehe S. 98 ff. Siehe hierzu 427 ff. 27  Siehe oben S. 68 ff. 28  Siehe S. 79 ff. 26 

416

Kapitel VIII:  Auswertung

lativ einfach unterlaufen werden, indem eine ganz geringfügige, rein symbolische Gegenleistung (nominal consideration) vereinbart wird.29 Der Gedanke, dass Schenkungen besonders verdächtig sind, wenn sie erst nach dem Tode des Erblassers vollzogen werden bzw. ihre Wirkung entfalten, findet sich in allen untersuchten Rechtsordnungen. Nur das englische Recht geht aber so weit, hieran die Vermutung einer Benachteiligungsabsicht zu knüpfen und stets einen Rückholanspruch zuzulassen. Eine solche Regelung stellt allerdings alle Konstruktionen, die dem Erblasser noch eine Nutzungsmöglichkeit vorbehalten, unter Generalverdacht. Frühzeitige und vorausschauende Nachlassplanungen, bei denen sich die späteren Erblasser noch durch die Zurückbehaltung eines Wohnrechts oder eines Nießbrauchs absichern wollen, werden hierdurch erschwert. Richtiger ist es daher wohl, dem Umstand, dass der Erblasser eine Nutzungsmöglichkeit zurückbehalten hat, eine Indizwirkung beizumessen, aber keine Beweislastumkehr an ihn zu knüpfen. 3. Zuwendungsempfänger a) Nahestehende Personen Im deutschen Insolvenzrecht findet sich in §  133 Abs.  2 InsO die Vermutung einer Benachteiligungsabsicht, wenn der Insolvenzschuldner mit einer ihm nahestehenden Person kontrahiert. Wer zu den nahestehenden Personen zählt, bestimmt §  138 InsO. Eine Differenzierung nach dem Verhältnis zwischen dem Verfügenden und dem Zuwendungsempfänger sehen auch Art.  918 Code civil, die englische preference-Anfechtung und §  2325 Abs.  3 S.  2 BGB vor. Im Insolvenzrecht wird diese Vermutung damit begründet, dass nahestehende Personen einerseits oft über die Vermögensverhältnisse des Schuldners genau informiert sind und dass sie andererseits eher dazu bereit sind, mit dem Schuldner Rechtsgeschäfte nur zum Schein abzuschließen oder dem Schuldner die weitere Nutzung der übertragenen Gegenstände zu gewähren.30 Die gleichen Erwägungen treffen allerdings auch im Erb- und Familienrecht zu. Zwar ist die Sozialüblichkeit von Schenkungen an Abkömmlinge, den Ehepartner oder sonstige nahestehende Personen wesentlich größer als bei Schenkungen an völlig unbekannte Dritte. Die Gefahr, dass über die Sozialüblichkeit hinaus Vermögensverschiebungen im engsten Familienkreis stattfinden, ist aber in der Tat nicht von der Hand zu weisen. Verschenkt der verwitwete Vater dreier Töchter, wie König Lear, etwa im hohen Alter sein gesamtes Vermögen an seine beiden ältesten Töchter, um zu verhindern, dass die ungeliebte dritte Tochter etwas erbt, ist sicherlich der Bereich der sozial üblichen Schenkungen verlassen. Ob ein lebzeitiges Eigeninteresse an diesen Schenkungen angenom29 

30 

Siehe S. 79 ff. Siehe S. 154 ff.

D. Der objektive Tatbestand: Vermögenstransfer

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men werden könnte, weil sich der Erblasser Betreuung und Pflege von seinen älteren Töchtern erhofft, ist fraglich. Unterscheiden muss man wohl zwischen zwei unterschiedlichen Begründungsansätzen. Zum einem geht es um das beweisrechtliche Problem, Geschäfte, die der Erblasser mit nahestehenden Personen nur zum Schein vornimmt, als solche zu erkennen und nachzuweisen. Hierbei könnte eine abstrakte Vermutung helfen, dass alle Rechtsgeschäfte, die der Erblasser mit nahestehenden Personen vornimmt und die über den Bereich des sozial Üblichen hinausgehen, im Rahmen eines Rückholanspruchs angreifbar sind. Zum anderen weiß eine nahestehende Person in der Regel über die Familien- und Vermögensverhältnisse des Erblassers eher Bescheid als ein außenstehender Dritter und kann daher auch eine Benachteiligungsabsicht leichter erkennen. Sie ist deshalb insgesamt weniger schutzwürdig. Beide Begründungsstränge lassen Raum für einen Gegenbeweis und können daher auch nur eine widerlegliche, nicht aber eine unwiderlegliche Vermutung stützen. Aufschlussreich ist, dass in beiden Begründungssträngen jeweils der Zuwendungsempfänger mit einbezogen wird. Seine vermutete Bösgläubigkeit führt zu einer geringeren Schutzwürdigkeit und demnach zu erweiterten Rückholmöglichkeiten. Der Rechtsvergleich hat nun allerdings ergeben, dass die Gut-/Bösgläubigkeit des Dritten längst nicht bei allen Rückholansprüchen eine Rolle spielt. Das englische Recht stellt überhaupt nur im Rahmen der Ausnahme in sec.  37 (4) MCA (zugunsten des equity’s darling) auf den subjektiven Kenntnisstand des Dritten ab, das französische Recht erweitert die Rückholmöglichkeiten bei der action paulienne und der Rückabwicklung nach Art.  1577 Code civil und das deutsche Recht tut dies bei §  1390 Abs.  2 BGB und bei der Vorsatzanfechtung. Betrachtet man die beteiligten Interessen und nimmt dabei insbesondere den Zuwendungsempfänger in den Blick, so erstaunt es doch, dass Bösgläubigkeit und ein kollusives Zusammenwirken mit dem Schuldner zwar im deutschen Familien- und Vollstreckungsrecht schaden, im Erbrecht aber völlig unbeachtlich sind. Die Gewichte müssten sich doch eigentlich jeweils in gleicher Weise zu Lasten des Zuwendungsempfängers verschieben. Ist, wie in §  2329 BGB, im objektiven Tatbestand allein eine Schenkung/unentgeltliche Leistung erforderlich, stellt sich die bereits oben diskutierte Frage, ob nicht auch eine entgeltliche Leistung angreifbar sein sollte, wenn und soweit der Empfänger bösgläubig war. Auch für die Abgrenzung, etwa bei §  2287 BGB, zwischen zulässigen Alltagsgeschenken und böslichen Schenkungen, die einem Rückholanspruch unterliegen, kann die (fehlende) Schutzwürdigkeit des Empfängers ein wichtiger Faktor sein. Folgt man diesem Gedankengang, muss als nächstes noch die schwierige Frage beantwortet werden, ob der Schluss des §  133 Abs.  4 InsO/§  3 Abs.  4 AnfG von einem Näheverhältnis auf das Vorliegen eines Scheingeschäfts bzw. einer Bösgläubigkeit des Empfängers im Regelfall zutrifft. Empirische Untersuchun-

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Kapitel VIII:  Auswertung

gen darüber, wie oft tatsächlich missbräuchliche Vermögensverschiebungen an nahestehende Personen stattfinden und ob hierbei ein Unterschied zwischen dem Vollstreckungsrecht, dem Familien- und dem Erbrecht festzustellen ist, existieren nicht. Möglicherweise ist es jedoch so, dass im Familien- und Erbrecht tendenziell eine größere Verfügungsfreiheit angenommen werden sollte, weil die fraglichen Verpflichtungen sich erst später konkretisieren und im Zeitpunkt der Vermögensübertragung noch gänzlich unbestimmt sind. Hiermit einhergehen könnte zudem eine größere Freiheit, Geschäfte auch mit nahestehenden Personen abzuschließen. Tatsächlich erlangen die Geschäfte mit nahestehenden Personen ihre besondere Verdächtigkeit im Vollstreckungsrecht erst durch die zeitliche Nähe zur Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Die Zahlungsunfähigkeit zeichnet sich aber oft bereits lange im Voraus ab und ist in der Regel auch stärker beeinfluss- und voraussehbar als der eigene Tod. Ohne eine enge zeitliche Bindung an die Erhebung einer Anfechtungsklage oder den Insolvenzeintritt greift die pauschale Verdächtigung aller Rechtsgeschäfte, die mit nahestehenden Personen abgeschlossen wurden, aber zu weit und schränkt die Verfügungsfreiheit des Schuldners/Erblassers/Ehegatten zu stark ein. Beim Abschluss eines Erbvertrages gehen die Parteien sicherlich nicht davon aus, dass der Erblasser nunmehr das Recht verlieren soll, Rechtsgeschäfte mit nahestehenden Personen abzuschließen. Gleiches gilt, wenn pflichtteilsberechtigte Personen vorhanden sind. Hier sämtliche, jemals mit nahestehenden Personen abgeschlossene Rechts­ geschäfte für angreifbar zu halten, wäre ersichtlich unbillig. Die zeitliche Nähe zum Tod macht solche Rechtsgeschäfte auch nicht zwingend besonders verdächtig, da diese Nähe oft dem Zufall entspringt und sich dann vorausschauender Planung entzieht. Allerdings kann sich auch der Tod, etwa bei entsprechenden Krankheiten, im Voraus andeuten und konkreter kalkulierbar werden. Das gilt entsprechend auch für Fälle, in denen der eheliche Güterstand durch den Tod eines Ehegatten aufgelöst wird. Im Hinblick auf das Scheidungsverfahren ist die Situation hingegen eine andere, da auch der Zeitpunkt des Scheidungsantrages meist relativ gut vorhersehund planbar ist. Eine Übertragung der Vermutung einer Benachteiligungsabsicht bei Geschäften mit nahestehenden Personen liegt bei einer unmittelbaren zeitlichen Nähe der angegriffenen Handlung zum Scheidungsverfahren nahe. Zu den nahestehenden Personen sollte zusätzlich zu den in §  138 InsO genannten Personen insbesondere auch ein eventueller neuer Partner des ausgleichspflichtigen Ehegatten gezählt werden. Gegen eine Gleichstellung mit dem Vollstreckungsrecht könnte man allerdings einwenden, dass dem Schuldner durch die Insolvenz seine Verfügungs­ befugnis insgesamt entzogen wird und dass alle unmittelbar vorher noch ge­ tätigten Geschäfte dadurch in eine Art Generalverdacht geraten (vgl. auch die Rückschlagsperre in §  88 InsO). Obwohl die Auflösung der Gütergemeinschaft

D. Der objektive Tatbestand: Vermögenstransfer

419

nur Teile des Vermögens mit einem Beschlag belegt und dieser auch nur soweit reicht, wie ein entsprechender (Zugewinn-)ausgleichsanspruch besteht, kann ein ähnlicher Verdacht aber auch bereits im Vorfeld einer Scheidung angenommen werden. Oft wird es für den ausgleichspflichtigen Ehegatten nämlich möglich sein, den (Zugewinn-)ausgleichsanspruch im Vorfeld der Scheidung bereits relativ genau zu bestimmen. Getroffene Verfügungen können dann leicht den Zweck haben, den Zugewinnausgleichsanspruch bewusst zu beeinflussen. Auch deswegen sieht bspw. das englische Recht in diesem Bereich eine sehr weit reichende Vermutung der Beeinträchtigungsabsicht vor, wenn die Verfügung in zeitlicher Nähe zum Antrag auf financial relief erfolgt ist.31 b) Gemeinnützige Organisationen Das Gegenstück zur Vermutung der Bösgläubigkeit bei nahestehenden Personen ist die Privilegierung von Schenkungen an gemeinnützige Organisationen. Diese Organisationen haben in der Regel keinen intimen Einblick in die Vermögens- und Familienverhältnisse des Spenders, sind daher gutgläubig und zudem auf unentgeltliche Zuwendungen für die Erfüllung ihrer Aufgaben angewiesen. Das österreichische Recht nimmt Zuwendungen zu gemeinnützigen Zwecken deshalb von der Pflichtteilsergänzung aus.32 Hierdurch wird allerdings ein relativ einfacher Weg eröffnet, auf dem Pflichtteilsansprüche umgangen werden können. Auch ist es unter sittlichen Gesichtspunkten nicht einfach zu vermitteln, wieso der Erblasser sein gesamtes Vermögen ohne Rückholmöglichkeit seinem Sportverein übertragen darf, nicht aber seiner ihn seit vielen Jahren aufopferungsvoll pflegenden ältesten Tochter. Weder das englische noch das französische Recht folgen diesem Beispiel. Es empfiehlt sich auch nicht als feste Regel für das deutsche Recht. 4. Betroffene Vermögensmasse a) Stammvermögen oder Erträgnisse Eine immer wieder aufgegriffene Abgrenzungsmöglichkeit bietet auch die Unterscheidung danach, ob sich die Schenkung nur auf Früchte und sonstige Erträgnisse des Erblasservermögens bezieht und den Vermögensstamm im Wesentlichen unberührt lässt oder ob das nicht der Fall ist. Im französischen Recht ist umstritten, ob Schenkungen, die nur Früchte oder Vermögenseinkünfte betreffen, Ausgleichsansprüche begründen können.33 Auch die deutsche Rechtsprechung und Literatur hat diese Unterscheidung verschiedentlich aufgegriffen.34 31 

Siehe S. 124. Siehe oben S. 58. 33  Siehe S. 95 ff. 34 Siehe S. 58 f.; siehe auch die Regelung in §   785 Abs.  3 S.  1 1. Fall ABGB a. F., dazu Eccher in: Kodek/Schwimann, ABGB – Praxiskommentar, §  785 Rn.  13. 32 

420

Kapitel VIII:  Auswertung

Bleibt der Vermögensstamm erhalten, spricht vieles dafür, einen Missbrauchsfall abzulehnen. Allerdings wäre dadurch auch nur eine gewisse Untergrenze gewonnen, die nicht besagt, inwieweit darüber hinausgehende Verfügungen nicht doch im Einzelfall gerechtfertigt sein können. Zudem ist die Unterscheidung Früchte/Einkommen und Vermögensstamm in der Regel nicht so einfach festzustellen, wie das zunächst den Anschein hat. Der Erblasser wird nämlich aus seinem Einkommen oftmals seinen Lebensunterhalt bestreiten. Verschenkt er dieses, ist er gezwungen, für seine Lebensführung nun doch auf den Vermögensstamm zurückzugreifen. Die Unterscheidung zwischen Vermögensstamm und Erträgnissen eignet sich daher allenfalls begrenzt dazu, angreifbare und rechtsbeständige Verfügungen zu trennen. b) Verfügungen über unbewegliches Vermögen Bei den Situationen, die im Erbrecht zu Rückholansprüchen führen, besteht eine gewisse Parallelität zur Situation eines Nacherben. Der Vorerbe darf über den Nachlass grds. frei verfügen und der Nacherbe kann noch keine konkreten Rechte im Hinblick auf einzelne Bestandteile des Nachlasses geltend machen. In zweierlei Hinsicht ist die Verfügungsbefugnis des Vorerben aber beschränkt: Er darf über die Nachlassgegenstände nicht unentgeltlich verfügen und über zum Nachlass gehörende Grundstücke oder Schiffe darf er überhaupt nicht verfügen, wenn dadurch die Rechte des Nacherben beeinträchtigt werden.35 Der besondere Schutz von Grundvermögen erklärt sich dadurch, dass das Grundstück oft den wesentlichen Vermögenswert des Nachlasses bildet und es für den Nacherben daher erhalten bleiben soll. Der Vergleich mit dem Nacherben hinkt jedoch, da das Verfügungsrecht des Vorerben im Hinblick auf den Nachlass von vornherein eingeschränkt ist, während in den Rückholkonstellationen der Erblasser als Volleigentümer zunächst die uneingeschränkte Verfügungsfreiheit genießt. Es würde deshalb entschieden zu weit gehen, nämlich dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit eklatant widersprechen, dem Erblasser allein im Hinblick auf mögliche spätere Pflichtteilsrechte jegliche, auch entgeltliche Verfügung über sein unbewegliches Vermögen zu untersagen. Derart weitreichende Einschränkungen der Verfügungsfreiheit des Erblassers entsprechen in der Regel auch nicht dem Willen der Parteien bei Abschluss eines Erbvertrages. c) Verbleibender Nachlassrestwert Ein weiterer denkbarer Ansatz wäre es, für die Ermittlung einer benachteiligenden Vermögensminderung stets auf den nach einer Schenkung noch verbleibenden Restwert des Nachlasses abzustellen. Beim Erbvertrag müsste überlegt werden, ob der verbleibende Wert des Nachlasses als Ausgleich für die Leistun35 MüKoBGB/Grunsky

§  2113 BGB Rn.  2 ff.

D. Der objektive Tatbestand: Vermögenstransfer

421

gen ausreicht, die der Vertragserbe dem Erblasser erbracht hat. Die vom Vertragserben erbrachten Leistungen könnten mit dem Betrag angesetzt werden, den der Erblasser hätte zahlen müssen, wenn sie von einem professionellen Dritten erbracht worden wären. Als Maßstab könnten hier die zu §  2057a BGB entwickelten Grundsätze herangezogen werden. Verbleibt nach der Schenkung noch ein ausreichendes Vermögen, kann eine Benachteiligungsabsicht des Erblassers ausgeschlossen werden. Hat der Vertragserbe keinerlei Gegenleistung erbracht, so hat er auch keine schützenswerte Rechtsposition erlangt und die Verfügungsfreiheit des Erblassers bleibt grds. unbeschränkt. Ein gewisser Vertrauensschutz kann allerdings bestehen, wenn sich der Vermögensstamm durch eine Schenkung gegenüber dem Vermögen deutlich reduziert, das im Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrags beim Erblasser vorhanden ist, und der Vertragserbe im Hinblick auf den Erhalt der Erbschaft schutzwürdige Dispositionen getroffen hat. Jedenfalls über eine nach Abschluss des Erbvertrages eingetretene Vermögensmehrung kann der Erblasser frei verfügen, ohne hierdurch Rückholansprüche auszulösen. Auch im Hinblick auf die Pflichtteilsberechtigten wäre ein Ansatz über den verbleibenden Restwert des Nachlasses denkbar. Sieht man die Hauptaufgabe des Pflichtteilsrechts darin, abstrakt und pauschaliert den Unterhalt der Abkömmlinge bzw. des Ehepartners sicherzustellen, so könnte dieser auch als eine Richtschnur für die Abgrenzung von zulässigen und böslichen Schenkungen dienen. Verbleibt nach der Schenkung Nachlassvermögen, das den gesamten zukünftigen Unterhalt aller Abkömmlinge und des Ehepartners abdeckt, sollte die Schenkung nicht im Rahmen eines Rückholanspruchs angreifbar sein. Bei der Berechnung der Höchstgrenze könnte hier in einem großzügigen Rahmen auf die entsprechenden Unterhaltstabellen abgestellt und eine bedarfsunabhängige Unterhaltspflicht bis zum voraussichtlichen Unterhalts- oder Lebensende unterstellt werden. Im Familienrecht führt dieser Ansatz allerdings nicht weiter. Durch den (Zugewinn-)ausgleich sollen pauschal und abstrakt Leistungen des berechtigten Ehegatten berücksichtigt werden, die indirekt zu einer Mehrung des Vermögens beim ausgleichspflichtigen Partner geführt haben. Gerade wegen dieser Ausgleichsfunktion kann schwerlich mit einem verbleibenden Restwert des ehelichen Vermögens argumentiert werden, da die Höhe der Ausgleichsforderung durch jeden Vermögensabfluss verringert wird, zumindest soweit es sich um Vermögen handelt, das in das Endvermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten einzurechnen ist. Vielmehr müsste argumentiert werden, dass bestimmte Vermögensentwicklungen ganz selbständig und unabhängig von dem Einfluss des Partners stattgefunden haben. Auch hier zeigt sich, dass die Anknüpfung an den Restwert des Nachlasses zwar ein nützliches Hilfsargument bedeuten kann, aber nicht für die grundsätzliche Trennung zwischen zulässiger und anstößiger Vermögensminderung taugt.

422

Kapitel VIII:  Auswertung

E. Das subjektive Element: Die Beeinträchtigungsabsicht I. Erforderlichkeit Der Nachweis einer Beeinträchtigungsabsicht wird im englischen Recht stets verlangt. Einzige Ausnahme ist die Anfechtung einer undervalue transaction nach sec.  339 IA. Im französischen Recht ist die Beeinträchtigungsabsicht für den Anspruch aus Art.  1577 C.c. bei entgeltlichen Geschäften und für die action paulienne erforderlich, im deutschen Recht für den Anspruch aus §  2287 BGB, für beide Fallgruppen des §  1390 BGB und für die Vorsatzanfechtung. Teilweise ist die Beeinträchtigungsabsicht dabei eine zusätzliche Voraussetzung neben dem Erfordernis einer unentgeltlichen Leistung (§  2287 BGB, §  1390 Abs.  1 BGB), teilweise ermöglicht sie aber auch selbständig einen Rückholanspruch selbst bei entgeltlichen Geschäften (§  1390 Abs.  2 BGB, §  3 AnfG/§  133 InsO, Art.  1577 C.c., action paulienne). Ohne den Nachweis einer Beeinträchtigungsabsicht kommen die Schenkungsanfechtung und §  2329 BGB aus sowie die action en réduction, der Anspruch aus Art.  1577 C.c. bei unentgeltlichen Geschäften und die französische Insolvenzanfechtung. Dieser Befund lässt zwei Erklärungen zu: Zum einem könnte geschlossen werden, dass in den Fallgruppen, die auf den Nachweis einer Beeinträchtigungsabsicht verzichten, letztere bereits aufgrund der Erfüllung des objektiven Tatbestandes unwiderleglich vermutet wird. Hierfür spricht, dass auch bei solchen rein objektiv zu bestimmenden Tatbeständen im Rahmen von Gerichtsentscheidungen und Gesetzesbegründungen immer wieder auf die missbräuchlichen Absichten des Schuldners Bezug genommen wird.36 Scheiden missbräuchliche Absichten allerdings sicher aus, etwa weil die beeinträchtigte Person im Zeitpunkt der angegriffenen Handlung noch gar nicht existierte oder beim Schuldner ein Irrtum über seine Vermögensbestände bzw. eine zukünftige Vermögensentwicklung vorlag, dann dürften jedoch auch die rein objektiven Tatbestände an sich nicht durchgreifen.37 Damit ist diese Erklärung wenig überzeugend. Zum anderen ist aber auch denkbar, dass es sich tatsächlich um insoweit grundverschiedene Tatbestände handelt. Hieran knüpft sich dann die Frage an, wodurch sich diese unterschiedliche Behandlung rechtfertigt und woraus sich bei den rein objektiven Tatbeständen die spezielle Rechtfertigung für die Einschränkung der Interessen des verfügenden Eigentümers und des erwerbenden Dritten speist. Als Argument bleibt hier nur die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs und die daraus folgende mindere Schutzwürdigkeit des Beschenkten. Fraglich ist dann aber auch, wieso diese Schwäche des Erwerbs im manchen Bereichen größer ist und für sich genommen bereits einen Rückholanspruch 36  37 

Siehe S. 62 f., 68 ff. Anders jetzt BGH NJW 2012, 2730, siehe S. 62 f.

E. Das subjektive Element: Die Beeinträchtigungsabsicht

423

begründet, während in anderen Bereichen noch eine Beeinträchtigungsabsicht hinzutreten muss. In anderen Fallgestaltungen reicht wiederum bereits der Nachweis einer Beeinträchtigungsabsicht beim Schuldner, ohne dass der Rückholanspruch zusätzlich durch einen unentgeltlichen Erwerb gestützt werden muss. Die fehlende Schutzwürdigkeit wird, zumindest in diesen Konstellationen, durch die Kenntnis der Beeinträchtigungsabsicht beim Dritten nachge­ wiesen. Ein klares Muster oder eine bestimmte Abstufung ist auch bei dieser Erklärung nicht erkennbar und die Unterschiede sind eher historischen Zufälligkeiten geschuldet als einer klaren Interessenbewertung. II. Interessenbewertung 1. Die Interessen des Verfügenden Die (rückwirkende) Einschränkung der Verfügungsfreiheit des Eigentümers lässt sich in allen untersuchten Bereichen mit einem mehr oder minder konkreten Teilhaberecht des Anspruchstellers am Vermögen des Schuldners (bzw. des Erblassers oder des ausgleichspflichtigen Ehegatten) begründen.38 Fraglich ist, ob sich die Interessenbewertung durch den Nachweis einer Benachteiligungsabsicht beim Schuldner ändert. Hier ist zum einen festzustellen, dass nicht der Schuldner, sondern der beschenkte Dritte Anspruchsgegner ist und primär durch den Rückholanspruch betroffen wird. Ein besonderes schutzwürdiges Interesse an der Erhaltung des status quo und einer bestehenden Nutzungsmöglichkeit hat daher möglicherweise der Dritte, nicht aber der Schuldner. Schließlich hat der Schuldner auch keine Möglichkeit, eine Weiterveräußerung oder einen Verbrauch des übertragenen Gegenstandes durch den Dritten zu verhindern. Für den Schutz der Beständigkeit (un-)entgeltlicher Rechtsgeschäfte und die Rechtsicherheit ist es daher unerheblich, ob der Schuldner mit Benachteiligungsabsicht gehandelt hat oder nicht. Für die Interessenbewertung entscheidend ist primär der Vertrauensschutz des Anspruchstellers und des Dritten. Diese Interessenbewertung ändert sich möglicherweise, wenn der Dritte von der Benachteiligungsabsicht Kenntnis hat, nicht jedoch bereits, wenn nur der Schuldner eine solche Absicht hat. Erweiterte Rückgriffsmöglichkeiten können aus dieser Perspektive deshalb nicht durch eine Benachteiligungsabsicht lediglich des Schuldners gerechtfertigt werden. Die Benachteiligungsabsicht des Schuldners dient vielmehr vor allem als ein Hilfsmittel zur Eingrenzung eines als zu weit empfundenen objektiven Tatbestandes. Es verwundert daher auch nicht, dass die Rechtsprechung durch Vermutungen, die an eine bestimmte zeitliche Nähe zur Antragstellung oder an einen bestimmten Zweck der Verfü­g ung, wie z. B. ein fehlendes lebzeitiges Eigeninteresse bei §  2287 BGB, anknüpfen, die subjektive Absicht ganz abstrakt 38 

Siehe oben S. 23 ff.

424

Kapitel VIII:  Auswertung

und gelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalles aus bestimmten Begleitumständen der Schenkung ableitet. Die Beeinträchtigungsabsicht wird demnach verwendet, um die Trennlinie zwischen zulässigen Alltagsgeschäften und böslichen Schenkungen zu verschieben.39 Je nachdem, ob und wenn ja, welche Vermutungen zugunsten des Antragstellers greifen, verschiebt sich dann diese Grenzlinie. Ferner ist die Benachteiligungsabsicht des Schuldners wohl stets Voraussetzung für eine Benachteiligungsabsicht oder Bösgläubigkeit auf Seiten des Dritten. Denn dass nur der Dritte, nicht aber der Schuldner den Anspruchsteller benachteiligen will, dürfte kaum einmal der Fall sein. 2. Erwerbsinteressen des Anspruchstellers Der Rückholanspruch soll in erster Linie das Erwerbsinteresse des Vertragserben, Pflichtteilsberechtigten, ausgleichsberechtigten Ehegatten oder vollstreckenden Gläubigers auf Teilhabe am Vermögen des Schuldners (bzw. des Erblassers oder ausgleichspflichtigen Ehegatten) befriedigen. Diese Erwartung des Anspruchstellers auf einen Erwerb ist im Vollstreckungsrecht bereits früher konkretisiert als im Familien- und Erbrecht.40 Die (maximale) Höhe des Anspruchs des Gläubigers steht schon vor der Vollstreckung fest. Es ist die Höhe seiner Forderung gegen den Schuldner. Diese Tatsache könnte möglicherweise eine stärkere Vermögensbindung begründen, die eine weiterreichende Inanspruchnahme des Dritten rechtfertigt. In den untersuchten Rechtsordnungen lässt sich eine solche Tendenz allerdings nicht feststellen. Auch ist zu bedenken, dass die Verbindung zu den streitbefangenen Gegenständen im Vollstreckungsrecht, anders als im Erb- und Familienrecht, erst durch die Vermögensinsuffi­ zienz des Schuldners hergestellt wird. Die konkrete Höhe der Beteiligung des Gläubigers am Vermögen des Schuldners, im Insolvenzrecht die Quote und im Anfechtungsrecht der konkrete Vollstreckungserfolg, steht auch erst im Laufe des Verfahrens fest. Eine klare Abstufung zwischen den familien- und erbrechtlichen Rückholansprüchen einerseits und jenen im Vollstreckungsrecht andererseits lässt sich daher nicht feststellen. 3. Bestandsinteressen des Erwerbers Für eine differenzierte Abstufung zwischen den unterschiedlichen Rückholansprüchen am ehesten geeignet ist daher der Blick auf die Interessen des Anspruchsgegners. Insbesondere zwei Gründe rechtfertigen seine Inanspruchnahme und bilden dabei voreinander unabhängige Begründungsmuster. Einerseits handelt es sich um die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs und anderer39 

40 

Siehe S. 412 ff. Siehe S. 36 ff.

E. Das subjektive Element: Die Beeinträchtigungsabsicht

425

seits um die mögliche Bösgläubigkeit des Empfängers. Ist die Benachteiligungsabsicht dem Empfänger nachweisbar bekannt, so muss dieser grds. damit rechnen, das Erworbene nicht dauerhaft behalten zu dürfen. Die Interessenabwägung sollte hier stets zu seinem Nachteil ausfallen, da ein kollusives Zusammenwirken zweier Parteien zum Nachteil eines Dritten nicht schutzwürdig ist. Der Grundsatz fraus omnia corrumpit findet sich in allen untersuchten Rechtsordnungen und kommt hier zur Anwendung. Eine Frage, die noch weiter unten zu behandeln ist, ist es hingegen, wann eine solche Kenntnis anzunehmen ist und ob insoweit zugunsten des Anspruchstellers (gesetzliche) Vermutungen greifen sollten. Hat hingegen nur der Schuldner in Benachteiligungsabsicht gehandelt, ohne dass dies dem Dritten bekannt war, bleibt letzterer grds. schutzwürdig und kann, wie etwa bei §  2287 BGB und §  1390 Abs.  1 BGB, nur in Anspruch genommen werden, wenn er unentgeltlich erworben hat. War der Empfänger gutgläubig, bietet allein die Schwäche seines unentgeltlichen Erwerbs eine hinreichende Rechtfertigung. Aus dieser Erkenntnis folgt das Prinzip des sog. „equity’s darling“: Ein gutgläubiger, entgeltlicher Erwerber kann nie in Anspruch genommen werden. Das Prinzip des equity’s darling findet sich auch durchgehend in allen untersuchten Rechtsordnungen wieder und stellt daher eine anerkannte Grundregel dar. Eine einzige Ausnahme macht das englische Vollstreckungsrecht. Hier wird ein gutgläubiger, entgeltlicher Erwerber nur geschützt, wenn er nicht direkt vom Schuldner erworben hat.41 Diese Lösung könnte man noch, ohne das Prinzip des equity’s darling durchbrechen zu müssen, damit erklären, dass jeder unmittelbare Erwerb vom Schuldner als besonders verdächtig gilt und die Bösgläubigkeit des Erwerbers unwiderleglich vermutet wird. Allerdings erscheint eine solche allgemeine und unwiderlegliche Annahme doch sehr weitreichend. Aus der allgemeinen Interessenbewertung ergeben sich daher bereits zwei Grundregeln: Erstens, ein bösgläubiger Erwerber kann, zumindest in einem bestimmten zeitlichen Rahmen,42 stets in Anspruch genommen werden. Zweitens, ein entgeltlicher, gutgläubiger Erwerber ist grds. immer geschützt. Offen bleibt hiernach allein noch die Behandlung eines gutgläubigen unentgeltlichen Erwerbers. Hier ist insbesondere zu beachten, dass die Position des gutgläubigen Erwerbers an Schutzwürdigkeit gewinnt, je länger er auf den Bestand des status quo und seine Nutzungsmöglichkeit im Hinblick auf den zugewendeten Gegenstand vertraut. Die erst nach Jahrzehnten erfolgende Rückübertragung bspw. eines geschenkten Grundstücks kann für einen gutgläubigen Empfänger eine große Härte bedeuten, wenn er in den vergangenen Jahrzehnten seine Lebensführung auf das Grundstück hin ausgerichtet, hierauf ein Haus 41 

42 

Siehe S. 170 u. S. 176. Siehe S. 430 ff.

426

Kapitel VIII:  Auswertung

errichtet, einen landwirtschaftlichen Betrieb geführt hat etc. Daraus lässt sich zweierlei ableiten: Erstens sollten die Rückforderungsmöglichkeiten gegenüber einem gutgläubigen Beschenkten zeitlich eng begrenzt sein und zweitens sollten im Rahmen der Rechtsfolgen der Rückholansprüche Investitionen des Anspruchsgegners in den streitbefangenen Gegenstand umfassend berücksichtigt werden. Die besondere Schutzwürdigkeit des Dritten hängt allerdings davon ab, dass er tatsächlich in den Genuss des Geschenks gelangt ist und dieses nutzen konnte. Hat der Schuldner/Erblasser/Ehegatte die Schenkung nicht vollzogen oder sich ein Nießbrauchsrecht an dem geschenkten Gegenstand vorbehalten, fehlt es an einem schutzwürdigen Vertrauen des Empfängers auf die Fortdauer eines bestehenden Zustandes. Zu überlegen ist ferner, ob zum Schutze des Dritten auch der objektive Tatbestand durch das Erfordernis einer Benachteiligungsabsicht weiter verengt werden sollte. Gleichermaßen könnte aber auch, statt einer Vermutungsregel für das Vorliegen einer Benachteiligungsabsicht, eine inhaltlich entsprechende Ausnahme (Beispiel: keine Anfechtbarkeit von Geschäften im lebzeitigen Eigen­ interesse) in den Tatbestand aufgenommen werden. III. Kenntnis des Dritten Zwei Fragen sind hier zu erörtern: Erstens muss überlegt werden, ob der Dritte, wie im deutschen Recht, nur bei positiver Kenntnis der Benachteiligungsabsicht als bösgläubig gilt oder ob das auch bei (grob) fahrlässiger Unkenntnis der Fall sein sollte wie in England und Frankreich. Zweitens muss der Frage nachgegangen werden, welche konkreten Kenntnisse der Dritte jeweils haben muss und wann deren Vorliegen vermutet wird. Der Nachweis subjektiver Vorstellungen ist im Prozess stets mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und muss in der Regel durch einen Schluss von äußeren Indizien auf eine innere Willensrichtung erfolgen. Sind die äußeren Umstände aber so, dass sich für jedermann der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners aufdrängen muss oder zumindest weitere Nachforschungen hätten er­ wartet werden können, verliert der Zuwendungsempfänger seine besondere Schutzbedürftigkeit. Richtigerweise ist Bösgläubigkeit daher auch bei einem Kennenmüssen anzunehmen. Verschließt sich der Schuldner Kenntnissen, die für jedermann unmittelbar einleuchtend sind, dann muss er sich so behandeln lassen, als ob ihm diese Umstände bekannt gewesen wären. Hiermit wird auch ein Gleichlauf mit allgemeinen Prinzipien des gutgläubigen Erwerbs erzielt. Ohne einen besonderen Publizitätsträger, wie bspw. das Grundbuch, wird ein Erwerber in seinem guten Glauben an die Eigentümerstellung des Veräußerers nur geschützt, wenn ihm nicht bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, dass es sich bei dem Veräußerer nicht um den Eigentümer gehandelt hat (§  932 Abs.  2 BGB). Gleiches sollte auch hinsichtlich der Kenntnisse von

E. Das subjektive Element: Die Beeinträchtigungsabsicht

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den Voraussetzungen konkreter Rückholansprüche und insbesondere in Bezug auf die Benachteiligungsabsicht gelten. Zu überlegen ist ferner, welche Kenntnisse beim Empfänger für die Annahme der Bösgläubigkeit jeweils erforderlich sind und ob dabei nach Rechtsgebieten zu differenzieren ist. So müsste bspw. bei §  2287 BGB, wie auch bei §  1390 Abs.  2 BGB, an die Kenntnis der Benachteiligungsabsicht des Erblassers/Ehegatten angeknüpft werden, während bei §  2329 BGB wohl die Kenntnis davon verlangt werden müsste, dass der vorhandene Nachlass zur Deckung der Pflichtteilsrechte nicht ausreicht und die Schenkung daher die später pflichtteilsberechtigten Personen benachteiligt. Im Vollstreckungsrecht geht es ebenfalls um die Kenntnis der Benachteiligungsabsicht, die dann vermutet wird, wenn dem Dritten die drohende Zahlungsunfähigkeit und die Gläubigerbenachteiligung bekannt war. Im Ergebnis ist also stets die Kenntnis erforderlich, dass durch die später angegriffene Handlung die verfügbare Vermögensmasse so weit reduziert wird, dass Rechte Dritter (Vertragserbe, Pflichtteilsberechtigte, Ehegatte, Gläubiger) beeinträchtigt werden. Die Nachweisanforderungen sind daher grds. gleich gelagert, auch wenn die Rechte der Gläubiger im Vollstreckungsrecht ihrem Inhalt nach schon konkreter bestimmbar sind als die vergleichbaren Ansprüche im Familien- und Erbrecht. Eine Differenzierung nach Rechtsgebieten ist daher grds. nicht erforderlich. IV. Der Nachweis der Beeinträchtigungsabsicht Der Nachweis der Beeinträchtigungsabsicht bzw. der Kenntnis des Dritten hiervon bereitet in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten. Entsprechend unterschiedlich regeln die untersuchten Rechte diesen Komplex. Einigkeit besteht noch insoweit, als die Beeinträchtigung des Anspruchsberechtigten nicht das alleinige oder Hauptmotiv für die Vornahme der Verfügung gewesen zu sein braucht. Der Schuldner wird mit der Verfügung in aller Regel aber zumindest auch die Bereicherung des Empfängers bezwecken; somit wird meist ein Motivbündel gegeben sein. Von entscheidender Bedeutung ist daher, ob und inwieweit der Nachweis für den Anspruchsteller durch Vermutungsregeln oder eine Beweislastumkehr erleichtert wird. In den untersuchten Rechtsordnungen ist die Rechtslage hier höchst uneinheitlich. Während bei §  2287 BGB eine Beeinträchtigungsabsicht nach ständiger Rechtsprechung immer dann angenommen wird, wenn ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung fehlt, gelten im Familienrecht für §  1390 BGB keine Vermutungen. Im Vollstreckungsrecht wird in Deutschland wiederum eine Benachteiligungsabsicht und die Kenntnis des Dritten hiervon vermutet, wenn es sich beim Empfänger um eine nahestehende Person handelt und die angefochtene Handlung noch nicht länger als zwei Jahre zurückliegt. Im englischen Familienrecht wird die Beeinträchtigungsabsicht vermutet, wenn das angegriffene

428

Kapitel VIII:  Auswertung

Rechtsgeschäft bei Antragstellung noch nicht länger als drei Jahre zurückliegt. Gleiches gilt im Erbrecht nach sec.  11 Inheritance Act, wenn der Empfänger keinerlei Gegenleistung erbracht hat. Im Vollstreckungsrecht (sec.  423 IA) und in sec.  10 Inheritance Act greifen hingegen keine Vermutungen Platz. Das französische Familienrecht vermutet unwiderleglich eine Beeinträchtigungsabsicht, wenn die Gegenleistung des Zuwendungsempfängers in der Zahlung einer Leibrente oder à fonds perdu bestand. Keine solche Vermutung gilt hingegen für die action paulienne. Ein klares System oder Stufenverhältnis der einzelnen Regelungen ergibt sich aus diesem Befund nicht. Gegen eine Verallgemeinerung der Vermutung der Beeinträchtigungsabsicht bei einem fehlenden lebzeitigen Eigeninteresses sprechen die bereits oben erörterten Bedenken.43 Gleiche Bedenken bestehen dagegen, die Vermutung einer Beeinträchtigungsabsicht bei Rechtsgeschäften mit nahestehenden Personen auf Bereiche außerhalb des Vollstreckungsrechts zu erstrecken.44 De lege lata leuchtet nicht recht ein, wieso ausgerechnet im deutschen Familienrecht keine Vermutungen zur Unterstützung des Anspruchstellers greifen sollen, während gerade in diesem Bereich das englische Recht besonders großzügig ist und auch das französische Recht eine gesetzliche Vermutung kennt. In Anschluss an die obigen Erörterungen ist es daher de lege ferenda zu überlegen, ob nicht die Vermutung einer Benachteiligungsabsicht bei Rechtsgeschäften mit nahestehenden Personen, die in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Auflösung des Güterstandes durch Scheidung abgeschlossen wurden, auch im Familienrecht greifen sollte. Eine noch weiterreichende Vermutung, wie sie das englische Recht kennt, die allein an die zeitliche Nähe zum (Scheidungs-)antrag anknüpft, ist hingegen abzulehnen. Ein Stufenverhältnis zwischen Familienrecht und Vollstreckungsrecht ist, wenn überhaupt, nämlich eher zugunsten des Vollstreckungsrechts anzunehmen, da hier das Erwerbsinteresse des Anspruchstellers bereits etwas stärker konkretisiert ist, weil die Höhe seines Anspruchs feststeht, allerdings noch nicht seine endgültige Bedienung.45 Eine weiterreichende Vermutung im Fami­ lienrecht würde daher zu rechtsgebietsübergreifenden Inkohärenzen führen. Unabhängig von der Frage nach dem Eingreifen einer (gesetzlichen) Vermutung können aber zumindest sowohl einige Indizien identifiziert werden, die gegen eine Benachteiligungsabsicht sprechen, als auch Indizien, die für eine solche Absicht ins Feld geführt werden können. Als Indiz für das Vorliegen einer Benachteiligungsabsicht kann wiederum eine enge persönliche Beziehung zwischen dem Schuldner und dem Zuwendungsempfänger (nahestehende Person) dienen. Ein weiteres Indiz ist die Zurückbehaltung der Nutzungsmöglichkeit 43 

Siehe S. 413 ff. Siehe S. 416 ff. 45  Siehe S. 36 ff. 44 

F. Equity’s darling

429

an dem übertragenen Vermögensgegenstand (Genussverzicht) und eine zeitliche Nähe zwischen der Vermögensübertragung und dem Anlass und Grund der Rückholklage (Tod, Scheidung, Vermögensinsuffizienz). Auch die Verfügung über das ganze Vermögen oder den wesentlichen Teil kann ein Benachteiligungsindiz darstellen. Gegen eine Benachteiligungsabsicht sprechen hingegen: ein auch nach der Schenkung noch vorhandenes großes Vermögen, das zur angemessenen Befriedigung erbrachter Gegenleistungen bzw. beim Pflichtteilsrecht zur Befriedigung aller hypothetischen, künftigen Unterhaltsleistungen ausreicht; eine Zuwendung, die nur die Erträgnisse, nicht aber den Vermögensstamm angreift; die soziale Üblichkeit der Schenkung in den Gesellschaftskreisen des Schuldners/Erblassers/Ehegatten.

F. Equity’s darling Als eine für alle Rückholansprüche geltende Grundregel wurde oben der Schutz eines gutgläubigen, entgeltlichen Erwerbers (equity’s darling) identifiziert.46 Gutgläubig ist ein Empfänger immer dann, wenn er von der Benachteiligungsabsicht des Schuldners keine Kenntnis hatte und er diese Absicht auch nicht grob fahrlässig verkannt hat. Einer Kenntnis der Benachteiligungsabsicht steht es dabei gleich, wenn der Erwerber wusste, dass das noch beim Schuldner vorhandene Vermögen zur Befriedigung der Ansprüche Dritter (des Vertragserben, der Pflichtteilsberechtigten, des ausgleichsberechtigten Ehegatten, der Gläubiger) nicht ausreicht und diese daher objektiv benachteiligt werden (vgl. §  3 Abs.  1 S.  2 AnfG/§  133 Abs.  1 S.  2 InsO). Beim Vertragserben tritt insoweit das Problem auf, dass dieser in der Regel keinen Anspruch auf eine klar umgrenzte (Mindest-) Vermögensmasse hat, es sei denn, es wurde nur ein Vermächtnis als Vertragsleistung vereinbart. Deshalb muss es genügen, wenn dem Erwerber bekannt ist, dass der Erblasser einen Erbvertrag geschlossen hat und dass nach der Verfügung nur noch ein Bruchteil des ursprünglich einmal vorhandenen Vermögens verbleibt. Eine abstrakte Grenzziehung kann hier nicht erfolgen, sondern die jeweilige Grenze sollte sich aus einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalles ergeben. Weiter muss überlegt werden, wie entgeltliche und unentgeltliche Leistungen voneinander abgegrenzt werden. Das englische Recht lässt für einen umfassenden Schutz des Erwerbers grds. jede valuable consideration genügen. Auf eine Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen kommt es dabei nicht an. Das deutsche und das französische Recht kennen hingegen das Konzept der gemischten Schenkung und nehmen daher eine Teilunentgeltlichkeit an, wenn die vom Erwerber gewährte Gegenleistung deutlich hinter dem Wert der erhaltenen Leistung zurückbleibt. Diese Lösung verhindert, dass das vorhandene Ver46 

Siehe S. 406 ff.

430

Kapitel VIII:  Auswertung

mögen durch wirtschaftlich unausgewogene Verträge aufgezehrt wird und kollusiv zusammenwirkende Parteien Raum für Manipulationen und Umgehungen erhalten. Allerdings ist die Abgrenzung von Verträgen, bei denen der Erwerber nur ein gutes Geschäft gemacht hat, und solchen, in denen sich tatsächlich eine teilunentgeltliche Leistung versteckt, alles andere als einfach. Das englische Recht geht in seinem Schutz auch des teilentgeltlichen Erwerbers zu weit, erlegt den Beweis dieser Voraussetzungen aber auch dem beklagten Zuwendungsempfänger auf.

G. Das Zeitelement: Zeitliche Grenzen für die Ausübung von Rückholansprüchen I. Zeitliche Höchstgrenzen der Rückwirkung? Überwiegend gelten für Rückholansprüche zeitliche Grenzen, innerhalb derer frühere Verfügungen liegen müssen, um noch angreifbar zu sein. §  2329 BGB, §  1390, §  3 AnfG/§  133 InsO kennen jeweils eine Zehn-Jahresfrist. Eine nur vierjährige Rückwirkung entfaltet die Schenkungsanfechtung. Keinerlei zeitliche Begrenzung kennt hingegen §  2287 BGB. Im englischen Recht sieht sec.  10 Inheritance Act eine Frist von sechs Jahren und sec.  339 IA eine Frist von fünf Jahren vor. Das französische Insolvenzrecht ermöglicht eine 18-monatige Rückwirkung, die um weitere sechs Monate verlängert werden kann. Ansonsten kennt das französische Recht keine zeitliche Begrenzung der Rückwirkung. Auch wenn der Rechtsvergleich also zeigt, dass das französische Recht sehr weitgehend und in Teilen auch das englische Recht ohne eine Höchstfrist auskommen, scheint sie mir im deutschen Recht doch unverzichtbar. Die englischen Regelungen erklären sich dadurch, dass das Gericht stets einen sehr weiten Ermessenspielraum hat,47 ob und wenn ja welche Maßnahmen es gegenüber wem anordnet. Es kann und muss dabei einen durch Zeitablauf u. U. entstandenen Vertrauensschutz berücksichtigen. Im französischen Recht gilt hingegen sehr weitreichend ein Posterioritätsprinzip, das heißt, dass alle Schenkungen in umgekehrter Reihenfolge ihrer Vornahme rückabgewickelt werden müssen. Rein praktisch führt dieses Prinzip daher meist dazu, dass zeitlich sehr weit zurückliegende Schenkungen noch durch die quotité disponible abgedeckt werden und damit faktisch nicht angreifbar sind. Im deutschen Recht hingegen bildet §  2287 BGB die einzige Ausnahme von der ansonsten geltenden zehnjährigen Höchstfrist. Eine zeitlich unbegrenzte Rückwirkungsmöglichkeit stellt im deutschen Recht aber eine ungewöhnliche Besonderheit dar, beträgt doch die längste, dem BGB bekannte Verjährung 30 Jahre (vgl. §  197 BGB). Eine längere Verjährungsdauer kann auch nicht von den 47 

Siehe S. 170 f.

G. Das Zeitelement

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Parteien privatautonom vereinbart werden (§  202 BGB).48 Vereinbarungen, die die Verjährung ausschließen oder über 30 Jahre hinaus verlängern, sind unwirksam.49 Selbst der Herausgabeanspruch des Eigentümers gegen den Dieb verjährt in 30 Jahren.50 Auch die Möglichkeit der Testamentsanfechtung endet nach 30 Jahren.51 Die zeitliche Begrenzung der Rückwirkung dient wie die Verjährung einerseits Allgemeininteressen – der Schaffung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit sowie der Entlastung der Gerichte – als auch dem Schutz eines gutgläubigen Besitzers und der Rücksichtnahme auf entstehende Beweisprobleme.52 Rückabwicklungen, die im Rahmen eines Rückholanspruchs auch Rechts­ geschäfte erfassen können, die länger als 30 Jahre zurückliegen, erscheinen deshalb durchaus problematisch. Generell sind solche Regelungen geeignet, das Vertrauen in die Stabilität insbesondere von unentgeltlichen Rechtsgeschäften zu unterminieren. Der Beschenkte kann letztlich nie sicher sein, das unent­ geltlich Erworbene auch dauerhaft behalten zu dürfen. Betroffen sind hiervon in besonderem Maße Stiftungen und Einrichtungen des Gemeinwohls, die sich hauptsächlich durch Spenden und unentgeltliche Zuwendungen finan­ zieren. Sie müssen an sich stets ein erhebliches finanzielles Polster zur Befrie­ digung potentieller Rückholansprüche beiseitelegen. Wann und unter welchen Voraussetzun­gen mit Rückholansprüchen zu rechnen ist, ist für die betroffenen Personen, potenziert noch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, kaum vorhersehbar. Auch der folgende Vergleich veranschaulicht die Problematik: Befindet sich eine Person zehn Jahre im Besitz einer beweglichen Sache, so erwirbt sie bei Gutgläubigkeit Eigentum (§  937 ff. BGB). Bei unbeweglichen Sachen wird der gutgläubige Besitzer nach 30 Jahren zum Eigentümer (§  900 BGB). Das gilt auch dann, wenn er unentgeltlich in den Besitz der Sache gelangt ist. Guter Glaube und Zeitablauf vermögen daher einen bloßen Besitzer zum Eigentümer zu machen, sie schützen jedoch den tatsächlichen Eigentümer nach der derzeitigen Rechtslage nicht zwingend vor Rückholansprüchen. Die zeitlich unbegrenzte Rückwirkung eines Rückholanspruchs steht ferner auch in Kontrast zu der bei Schenkungen bestehenden Widerrufsmöglichkeit nach §  528 BGB, die ebenfalls nach zehn Jahren erlischt. Ein Grund für diese Sonderstellung des §  2287 BGB könnte darin liegen, dass mit dem Abschluss des Erbvertrages eine zeitliche Zäsur erreicht wird, nach der sich die Verfügungsfreiheit des Erblassers in einem gewissen Umfange einschränkt. Aus der Perspektive des Zuwendungsempfängers, der möglicherweise 48 MüKoBGB/Grothe

§  202 Rn.  11. BGH NJW-RR 1994, 1327. 50  Siehe hierzu das Beispiel auf S. 59 f. sowie Magnus/Wais NJW 2014, 1270. 51  §  2082 Abs.  3 BGB. 52 Ausführlich Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung, Verwirkung, S.  317 ff. 49 

432

Kapitel VIII:  Auswertung

Jahrzehnte später verpflichtet wird, das Erlangte herauszugeben, spielen solche Erwägungen indes keine Rolle. Auch können sie letztlich nicht überzeugen. Die Schwierigkeiten, Absichten und Handlungsumstände im Prozess nachzuweisen, vergrößern sich linear mit dem Zeitablauf und in gleicher Weise gewinnt das Vertrauen des Zuwendungsempfängers und des Rechtsverkehrs auf den Bestand des status quo an Gewicht. Je mehr Zeit vergeht, desto stärker wird das Bestandsinteresse des Erwerbers. In dieser Hinsicht weist der Anspruch aus §  2287 BGB gegenüber anderen Rückholansprüchen keine Besonderheit auf. Auch besteht oft ein Konkurrenzverhältnis zu dem Anspruch aus §  2329 BGB, wenn der Vertragserbe zum pflichtteilsberechtigten Personenkreis zählt. Das führt zu seltsamen und inkohärenten Ergebnissen. Beispiel: Der verwitwete E hat zwei Kinder (Sohn und Tochter). Mit seiner Tochter schließt er im Jahre 2000 einen Erbvertrag ab, in dem er T als Alleinerbin einsetzt. Kurz darauf verschenkt er 100.000  € an seine neue Lebensgefährtin L. Im Jahre 2016 verstirbt E mittellos. Pflichtteilsergänzungsansprüche der Kinder S und T gegen L scheiden aus, da die Schenkung schon länger als zehn Jahre zurückliegt. Der Anspruch aus §  2287 BGB hat hingegen bei Nachweis einer Beeinträchtigungsabsicht Erfolg, da für ihn keine Zeitgrenze gilt.

Auch eine Vorsatzanfechtung (§  3 AnfG, §  133 InsO) durch Gläubiger des E würde im vorliegenden Beispiel ausscheiden, da die fragliche Schenkung schon mehr als zehn Jahre zurückliegt. Da auch im Familienrecht in §  1390 BGB eine Zehn-Jahresfrist gilt, bietet es sich an, diese Frist im Rahmen eines allgemeinen Rückholanspruchs als einheitliche Höchstgrenze aufzustellen und auch auf den Rückholanspruch eines Vertragserben zu erstrecken. Schließlich findet sich eine Zehn-Jahresfrist auch im allgemeinen Schenkungsrecht und schließt dort den Widerruf einer Schenkung wegen Verarmung des Schenkers nach §  528 BGB aus (§  529 BGB). Im Endeffekt geht es bei den Rückholansprüchen, die unentgeltliche Leistungen betreffen, auch um nichts anderes als den Widerruf und die Rückabwicklung einer Schenkung, wenn auch durch einen Dritten (den Berechtigten) in dessen Interesse. II. Fristbeginn mit Genussverzicht? Ist die Entscheidung für eine Frist einmal getroffen, stellt sich als nächstes die Frage, wann diese Frist zu laufen beginnt. Die verglichenen Rechtsordnungen sehen dazu Unterschiedliches vor. Richtigerweise sollten hier für alle Rückholansprüche die gleichen Grundsätze gelten. Die Gemeinsamkeiten der Rückholsituation überwiegen in dieser Hinsicht bei weitem. Die Problemlagen sind jeweils identisch. Die Notwendigkeit für eine Differenzierung ergibt sich demnach nicht. Zu überlegen ist, ob insoweit die vom BGH im Rahmen des Pflichtteilsrechts entwickelten und unter dem Stichwort Genussverzicht bekannt gewordenen

G. Das Zeitelement

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Grundsätze zur Anwendung gelangen sollten.53 Hierfür spricht, dass das Vertrauen des Empfängers in eine bestehende Rechtslage nur dann durch Zeitablauf an zusätzlichem Gewicht gewinnt, wenn diese Rechtslage bereits tatsächlich eingetreten ist, jedoch nicht, wenn ihr Eintritt lediglich für die Zukunft in Aussicht gestellt wurde. Maßgeblich ist danach zum einen nicht das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft, sondern immer erst das dingliche Vollzugsgeschäft. Zum anderen beginnt die Frist erst zu laufen, wenn der Schuldner/Erblasser/ Ehegatte auch das Nutzungsrecht an den übertragenen Gegenständen aufgegeben hat. Behält sich der Schuldner ein Nießbrauchs- oder Nutzungsrecht vor, wird die Frist erst mit der Aufgabe dieses Rechts in Gang gesetzt. Der Beginn der Frist setzt voraus, dass „der Erblasser einen Zustand geschaffen hat, dessen Folgen er selbst noch zehn Jahre lang zu tragen hat und der schon im Hinblick auf diese Folgen von einer „böslichen“ Schenkung abhalten kann.“54 Erforderlich ist die wirtschaftliche Ausgliederung des Gegenstandes aus dem Vermögen des Erblassers (sog. Genussverzicht). Sie fehlt etwa bei der Einräumung eines Bezugsrechts im Rahmen einer Lebensversicherung, bei Vorbehalt eines Nießbrauchs oder eines Wohnungsrechts. Diese Einschränkung ist wichtig, um Umgehungen und Missbrauchsmöglichkeiten entgegen zu wirken. Hier wird nur die formale Inhaberschaft übertragen, während der wirtschaftliche Nutzwert beim Schenker verbleibt.55 Zu überlegen ist ferner, ob beim Fristbeginn auch zwischen verschiedenen Empfängern differenziert werden sollte. So sieht §  2325 Abs.  3 S.  3 BGB vor, dass bei Schenkungen an den Ehepartner die Zehn-Jahresfrist erst mit Auflösung der Ehe zu laufen beginnt. Der Grund hierfür ist, dass im Rahmen der Ehe typischerweise eine wechselseitige Nutzungsmöglichkeit besteht und der Schenker daher den Eigentumsverlust nicht zu spüren bekommt. Zudem ist die Gefahr missbräuchlicher Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten besonders groß.56 Das österreichische Recht differenziert daher generell zwischen Schenkungen an pflichtteilsberechtigte Personen, für die keine Ausschlussfrist zu laufen beginnt, und Schenkungen an andere Personen, die nur innerhalb einer strengen Frist von zwei Jahren nach ihrem Vollzug angegriffen werden können.57 Noch genereller könnte beim Lauf der Frist danach unterschieden werden, ob der Zuwendungsempfänger bösgläubig war, was bei nahestehenden Personen (un)widerleglich vermutet wird. 53 

Siehe oben S. 68 ff. BGH NJW 1987, 122, 124. Konkret ging es hier um die Frage, wann die Frist des §  2325 BGB bei einem schenkweisen Erlass einer monatlich fällig werdenden Rentenforderung zu laufen beginnt. 55 Siehe zur Frage der Anwendbarkeit dieser Grundsätze auf die Rückforderung des Schenkers wegen Verarmung in §§  528, 529 BGB Schippers RNotZ 2006, 42. 56  Siehe oben S. 68 f. 57  Apathy in: Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg.), ABGB- Kommentar, §  785 Rn.  5 f.; zustimmend auch Röthel AcP 212 (2012), 157, 172. 54 

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Kapitel VIII:  Auswertung

Eine unbefristete Anfechtungsmöglichkeit sollte allerdings auch nicht gegenüber einem bösgläubigen Empfänger angenommen werden. Eine Frist, die allein durch die Behauptung, der Zuwendungsempfänger sei bösgläubig gewesen, ausgehebelt werden kann, sorgt nicht für die erforderliche Rechtssicherheit. Gerade der Nachweis subjektiver Tatsachen ist im Prozess nach vielen Jahren oder sogar einem Jahrzehnt äußerst schwierig, weshalb der Beweislastverteilung großes Gewicht zukommen würde. Die geltende deutsche Lösung in §  2325 Abs.  3 S.  3 BGB und auch die Lösung des österreichischen Rechts bleiben zudem merkwürdig unvollständig. Die Nutzungsmöglichkeit und die Missbrauchsgefahr ist sicherlich genauso groß, wenn der Erblasser Schenkungen an eine von ihm zu 100 % beherrschte Ein-Mann-GmbH oder, der noch häufigere Fall, an seine neue Lebensgefährtin tätigt. Will man Missbrauch tatsächlich effektiv verhindern, sollte daher der Begriff der nahestehenden Person i. S. d. §  138 InsO verwendet werden. Eine denkbare Möglichkeit wäre etwa, die eigentlich geltende Zehn-Jahresfrist bei Schenkungen an nahestehende Personen auf 20 Jahre zu verlängern. Durch das klare Kriterium der nahestehenden Person spielen subjektive Absichten für den Fristbeginn keine Rolle mehr und es kann ein relativ umfassender Missbrauchsschutz gewährt werden. Zu den nahestehenden Personen sollte allerdings auch ein neuer Partner des verfügenden Ehegatten/ Schuldners/Erblassers gezählt werden. III. Einordnung eines anglo-amerikanischen Trust/ einer Stiftungserrichtung Wegen seiner praktischen Bedeutung verdient der Trust anglo-amerikanischen Zuschnitts, sofern er vor kontinentalen Gerichten zu beurteilen ist, hier eine Sonderbetrachtung. Die französische Cour de casssation hatte in der Rechtsache Zieseniss angenommen, dass die Errichtung eines Trust nach US-amerikanischen Recht als indirekte Schenkung zu werten sei, die erst im Todeszeitpunkt Wirkung entfalte.58 In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die Erblasserin große Teile ihres Vermögens im Rahmen eines Trust der Verwaltung einer Bank überlassen. Die Einkünfte zahlte die Bank der Erblasserin aus, während der Grundstock des Vermögens nach ihrem Tode an ihre Enkel ausgezahlt werden sollte. Auch im deutschen Recht liegt eine entsprechende Einordnung nahe. Wird das Vermögen erst mit dem Todesfall an die endgültigen Berechtigten ausgekehrt und bestehen zuvor noch umfangreiche Widerrufs- und Gestaltungsrechte des Erblassers, dann kann die Schenkung noch nicht als im Sinne der Genußverzichtsrechtsprechung vollzogen gelten. Der Vollzug findet erst mit dem Todesfall statt. Gleiches gilt für die Errichtung und Ausstattung einer Stiftung auf den Todesfall. 58 

Cass. 20 févr. 1996, D. 1996, jurisp.  390; m. krit. Anm. Lequette D. 1996, Chron. 231.

H. Der Anspruchsgegner: Die subjektiven Grenzen des Rückholanspruchs

435

IV. Alles-oder-nichts-Prinzip oder ratierliche Abschmelzung Zuletzt muss noch die Frage geklärt werden, ob das bei §  2325 Abs.  3 S.  1 BGB eingeführte Modell der ratierlichen Abschmelzung Schule machen sollte. Es findet sich nur in Deutschland. Weder England noch Frankreich kennen einen vergleichbaren Regelungsmechanismus. Sinnvoll ist auch hier jedenfalls wiederum eine einheitliche Lösung für alle Rückholansprüche, da andernfalls die Effekte der Abschmelzung in den häufigen Konstellationen der Anspruchskonkurrenz überspielt werden bzw. zu merkwürdigen Verzerrungen führen.59 Durch das flexible Abschmelzungsmodell sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass umso weniger von einer unlauteren Benachteiligungsabsicht auszugehen ist, je länger die Schenkung zurückliegt. 60 Auch sollte die bisher geltende „Alles-oder-nichts“-Lösung abgemildert werden. Ob diese Verknüpfung zwischen Beeinträchtigungsabsicht und Zeitablauf tatsächlich zutrifft, ist zweifelhaft. Zum einen wird eine Beeinträchtigungsabsicht im Rahmen der §§  2325, 2329 BGB de lege lata gar nicht verlangt und zum anderen ist fraglich, wieso diese Erkenntnis dann nicht ebenso für §  2287 BGB gelten soll, der nun tatsächlich eine Beeinträchtigungsabsicht voraussetzt, aber keine Zeitgrenzen kennt. Den Vorteil, die Alles-oder-nichts-Lösung abzufedern, bietet das Abschmelzungsmodell aber in der Tat, weshalb es durchaus erwägenswert bleibt. Andererseits macht es die praktische Handhabung relativ kompliziert. 61 Insbesondere bei konkurrierenden Rückholansprüchen, die jeweils einen unter­ schiedlichen Ausgangspunkt für die Fristberechnung haben (Tod, Scheidung, Insolvenz) entstehen komplizierte und wenig abgestimmte Ergebnisse. Zudem ist fraglich, wie sich die Abschmelzung auf mögliche Regressansprüche mehrerer Beschenkter untereinander auswirkt. Schließlich und letztlich sind die Härten einer klaren Fristenregelung nichts Ungewöhnliches und daher wohl verschmerzbar.

H. Der Anspruchsgegner: Die subjektiven Grenzen des Rückholanspruchs I. Subsidiarität des Rückholanspruchs Ein für alle Rückholansprüche prägender Grundsatz ist ihre Subsidiarität. Der außenstehende Dritte darf erst in Anspruch genommen werden, wenn das beim Schuldner/Erblasser/Ehegatten noch vorhandene Vermögen zur Anspruchsbefriedigung nicht ausreicht. Eine Ausnahme macht §  2287 BGB im Hinblick auf den Vertragserben, der nicht gezwungen ist, vorrangig eventuelle Miterben in 59 

Siehe S. 327 ff. Siehe oben S. 68 f. 61  Siehe hierzu S. 68 f. 60 

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Kapitel VIII:  Auswertung

Anspruch zu nehmen. Auch im englischen Recht ergibt sich die Subsidiarität eher mittelbar aus dem Erfordernis, dass sich die Handlung des Schuldners negativ auf das Begehren des Anspruchstellers ausgewirkt hat. Hieran fehlt es, wenn beim Schuldner noch ausreichend Vermögen zur Anspruchsbefriedigung vorhanden ist. Auch in dieser Hinsicht erscheint eine einheitliche Behandlung aller Rückholansprüche sinnvoll und leuchtet die Sonderrolle des §  2287 BGB nicht recht ein. Zwar trifft es zu, dass Ansprüche gegen die Erben durch Konfusion erlöschen, wenn es sich beim Vertragserben um den alleinigen Erben handelt. Für Konstellationen, in denen der Vertragserbe nur auf einen Bruchteil eingesetzt ist, ist aber zunächst eine vorrangige Befriedigung aus den Erbteilen der Miterben denkbar und sinnvoll. Die Miterben erhalten nur das, was im Todeszeitpunkt an Nachlass noch übrig ist. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand eines eingetretenen Zustandes können sie, anders als ein beschenkter Dritter, nicht entwickeln. Aus Wertungsgesichtspunkten sollten hier daher die Miterben, entsprechend den auch sonst im Bereich der Rückholansprüche geltenden Prinzipien, vorrangig haften. Erst wenn auch bei den Miterben kein hinreichendes Vermögen mehr vorhanden ist, sollte ein Rückgriff auf an der Erbschaft unbeteiligte Dritte möglich sein. II. Fernwirkungen Mit Ausnahme des englischen Erbrechts sind Fernwirkungen der Rückholan­ sprüche in allen untersuchten Rechtsordnungen und Rechtsgebieten festzustellen. Mittels der Fernwirkung soll verhindert werden, dass Rückholansprüche durch die Zwischenschaltung eines Strohmannes oder durch eine kurzzeitige Weiterverschiebung des erlangten Gegenstandes ausgehebelt werden können. Da die Fernwirkung andererseits ermöglicht, auf einen Dritten zuzugreifen, der von dem eigentlichen Geschehen (Scheidung, Erbfall, Vollstreckung, Insolvenz) noch weiter entfernt ist, ist sie durchaus nicht unproblematisch und wirft auch zahlreiche offene Rechtsfragen auf. 1. Ein einheitlicher Ansatz Zunächst ist dabei festzustellen, dass sich eine Notwendigkeit differenzierender Lösungen aus den zugrundeliegenden Interessen nicht ergibt. Die Frage nach den Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Inanspruchnahme weiterer Dritter, die den streitgegenständlichen Gegenstand ihrerseits vom ursprünglichen Erwerber erhalten haben, stellt sich in allen untersuchten Rechtsgebieten in cher Weise. Gleichwohl erweitert das deutsche Vollstreckungsrecht die glei­ Rück­griffsmöglichkeiten (§  15 AnfG/§  145 InsO) gegenüber den Regelungen, die allgemein für die erb- und familienrechtlichen Rückholansprüche gelten

H. Der Anspruchsgegner: Die subjektiven Grenzen des Rückholanspruchs

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(§  822 BGB), noch einmal deutlich. Dabei wird jedoch verkannt, dass das schutzwürdige und für die Unterscheidung primär maßgebliche Interesse des Anspruchsgegners in allen Fallgruppen identisch ist. Die etwas stärkere Konkretisierung der Ansprüche im Vollstreckungsrecht vermag eine erweiterte Fernwirkung ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Es gibt gerade im Vollstreckungsrecht keinen Anspruch auf eine bestimmte Zusammensetzung der schuldnerischen Vermögensmasse und praktisch ein droit de suite im Hinblick auf einzelne veräußerte Gegenstände. Die Verknüpfung des Anspruchs des Gläubigers mit den streitbefangenen Gegenständen erfolgt erst überhaupt durch das Hinzutreten der Vermögensinsuffizienz. Gelangen im Gegenzug gleichermaßen werthaltige Vermögensgegenstände in die Masse, ist eine Veräußerung an Dritte oder Vierte im Vollstreckungsrecht grds. unproblematisch und lässt keine Ansprüche entstehen. 2. Voraussetzungen der Fernwirkung Bei den Voraussetzungen der Fernwirkung können die Rückholvoraussetzungen selbst als Richtschnur dienen. Es erschiene unbillig, den Zweiterwerber weitergehend haften zu lassen als einen Ersterwerber. Der Zweiterwerber steht dem Geschehen noch ferner und ist daher in mindestens dem gleichen Maße schutzwürdig wie der Ersterwerber. Daraus folgt unmittelbar, dass ein equity’s darling, also ein gutgläubiger und entgeltlicher Erwerber, in jedem Falle schutzwürdig ist und auch im Rahmen einer Fernwirkung nicht in Anspruch genommen werden kann. Der unentgeltliche (Zweit-)Erwerb kann im Rahmen der Fernwirkung im deutschen Recht de lege lata sowohl im Vollstreckungsrecht als auch im Familien- und Erbrecht angegriffen werden, ein bösgläubiger Erwerb hingegen nur im Vollstreckungsrecht. Dass eine unterschiedliche Behandlung dieses aus Sicht des Erwerbers einheitlichen Problems nicht sinnvoll erscheint – auch und gerade im Hinblick auf möglicherweise eintretende Konkurrenzen zwischen Ansprüchen aus verschiedenen Rechtsbereichen –, wurde bereits dargelegt. Ferner sollte auch hier der bereits oben erörterte Grundsatz fraus omnia corrumpit greifen und einem bösgläubigen Erwerber, auch wenn er den streitbefangenen Gegenstand nicht direkt vom Schuldner erlangt hat, der Schutz deshalb versagt werden. Nur so kann missbräuchlichen Taktiken, die darin bestehen, beim Erwerb einen Strohmann zwischenzuschalten oder die umstrittenen Gegenstände kurzzeitig zu einem Vierten weiter zu verschieben, effektiv begegnet werden. Auch im französischen Recht kann sowohl auf einen bösgläubigen als auch auf einen unentgeltlichen Erwerber zugegriffen werden. 62 Problematisch ist jedoch, welche Kenntnis der Zweiterwerber besitzen muss, damit er als bösgläubig gilt. Grds. muss ihm die Anfechtbarkeit des Ersterwerbs 62 

Siehe S. 218, 231, 241.

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bekannt sein. Handelt es sich, wie bei §  2329 BGB und §  4 AnfG/§  134 InsO, insoweit aber um einen rein objektiven Tatbestand, soll es nach in Deutschland herrschender Meinung bereits genügen, dass dem Zweiterwerber bekannt ist, dass der Ersterwerb eine Schenkung war. Ein solches Verständnis der Bösgläubigkeit reicht jedoch zu weit. Ein entgeltlicher Ersterwerber haftet im deutschen Vollstreckungsrecht nur, wenn ihm die Benachteiligungsabsicht des Schuldners positiv bekannt ist, ein entgeltlicher Zweiterwerber soll hingegen bereits dann haften, wenn ihm nur die Unentgeltlichkeit des Ersterwerbs bekannt ist. Hierdurch würden aber alle Schenkungen per se unter Generalverdacht geraten und der auch entgeltliche Erwerb geschenkten Gutes wäre im Hinblick auf die Rückholmöglichkeiten ähnlich riskant wie der Erwerb gestohlener Ware. Zudem liegt in dieser Behandlung des Zweiterwerbers ein klarer Wertungswiderspruch. Der Zweiterwerber ist von der Insolvenzeröffnung (dem Erbfall, der Scheidung) ja noch weiter entfernt und diese für ihn daher noch schwieriger vorherzusehen als für einen Ersterwerber, so dass er deswegen immer mindestens genauso schutzwürdig ist wie der Ersterwerber. Letztlich würde ein so weites Verständnis der Bösgläubigkeit auch das Konzept des equity’s darling aushöhlen und zu einer Instabilität rechtlicher Beziehungen und zu Rechtsunsicherheit führen. Richtigerweise sollte daher verlangt werden, dass dem Zweiterwerber auch die bezweckte Benachteiligung von Gläubigern bzw. von Pflichtteilsberechtigten durch die Schenkung bekannt war. 63 Zu der Frage, ob hinsichtlich der Bösgläubigkeit, bspw. bei Rechtsgeschäften mit nahestehenden Personen, zugunsten des Anspruchstellers Vermutungen greifen sollten, kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Liegt eine längere Erwerbskette vor, stellt sich ferner die Frage, ob bei jedem dieser Glieder die Voraussetzungen eines Rückholanspruches erfüllt sein müssen oder ob es genügt, wenn sie beim jetzigen Besitzer der streitgegenständlichen Sache gegeben sind. Hat der Vorbesitzer als equity’s darling unangreifbares Eigentum erworben, so reißt die Erwerbskette ab und nachfolgende Glieder sollten nicht mehr in Anspruch genommen werden können. Hier besteht auch kein Ansatzpunkt mehr für eine Bösgläubigkeit, da der vorangegangene Erwerb ja gerade nicht mehr angreifbar ist. Hierdurch wird verhindert, dass die Rückholmöglichkeit quasi als rezessive dingliche Belastung an den übertragenen Gegenständen klebt und bei jedem späteren unentgeltlichen Erwerb wieder hervorbrechen kann. 3. Subsidiarität Schwierig zu beantworten ist auch die Frage nach dem Verhältnis zwischen Ansprüchen gegen den Ersterwerber und den Ansprüchen gegen den Zweiterwer63 So auch Huber, Anfechtungsgesetz, §  15 Rn.  17; Gerhardt FS Kirchhof, 2003, S.   121, 124 ff.

H. Der Anspruchsgegner: Die subjektiven Grenzen des Rückholanspruchs

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ber. Hat der Ersterwerber den erlangten Gegenstand weiter übertragen und kann ihn daher nicht mehr herausgeben, muss er möglicherweise Wertersatz leisten. Im deutschen Recht greift hier aufgrund der jeweiligen Verweisung auf das Bereicherungsrecht §  818 Abs.  2 BGB. Richtigerweise sollte auch dieser Wertersatzanspruch einer Inanspruchnahme eines weiteren Erwerbers vorgehen und ein Zugriff auf letzteren nur dann möglich sein, wenn dem Wertersatzanspruch der Einwand der Entreicherung (§  818 Abs.  3 BGB) entgegensteht. Der BGH hat sich jedoch gegen eine solche strenge Subsidiarität der Inanspruchnahme eines Zweiterwerbers entschieden und stattdessen §  275 BGB im Bereicherungsrecht angewendet. Ist eine Herausgabe des streitbefangenen Gegenstandes den vorhergehenden Besitzern nicht möglich, kann über §  822 BGB auf den aktuellen Besitzer zugegriffen werden. Herausgabe- und Wertersatzpflicht bestehen dann parallel zueinander und der Anspruchsteller hat die Wahl, an wen er sich halten möchte. Diese Überkompensation durch eine Bereitstellung gleich mehrerer Schuldner übersieht aber die problematischen Folgen, die die Fernwirkung generell für die Rechtssicherheit und für die Stabilität rechtlicher Beziehungen hat. Je ferner der aktuelle Besitzer dem Geschehen steht, desto schwieriger ist es für ihn, den späteren Rückholanspruch vorherzusehen und desto größer ist die Verunsicherung und der Verlust an Rechtssicherheit, wenn er gleichwohl in Anspruch genommen werden kann. Richtigerweise sollte auch im Verhältnis Erst- zu Zweiterwerber eine strenge Subsidiarität bestehen, die einen Zugriff auf letzteren nur gestattet, wenn (Wertersatz-)Ansprüche gegen den Ersterwerber ausscheiden. Aus welchen Gründen die Subsidiarität durchbrochen werden kann und ob hierzu, neben der Einwendung der Entreicherung, auch die Insolvenz oder die Nichtgreifbarkeit des Ersterwerbers zählen soll, ist umstritten. Während in Frankreich ein solcher Durchgriff im Falle der Insolvenz oder der fehlenden Erreichbarkeit möglich ist, lehnt ihn in Deutschland die herrschende Lehre ab. Die faktische Realisierbarkeit eines Anspruchs zur Voraussetzung eines anderen Anspruchs zu machen, ist jedoch zumindest ungeschickt. Die Realisierungsaussichten können sich nämlich ständig verändern und stehen praktisch nie mit absoluter Sicherheit fest. III. Mehrere Empfänger 1. Freie Wahl oder Posterioritätsprinzip? Das Posterioritätsprinzip besagt, dass – auch bei mehreren voneinander unabhängigen Zuwendungen – immer nur die zeitlich letzte angegriffen werden darf und ein Rückgriff auf einen früheren Empfänger nur erfolgt, wenn der spätere Empfänger nicht verpflichtet ist oder seine Inanspruchnahme zur Anspruchsbefriedigung nicht ausreicht.

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Kapitel VIII:  Auswertung

Es findet im Rahmen des deutschen Pflichtteilsrechts in §  2329 Abs.  3 BGB und im französischen Familien- und Erbrecht Anwendung. In allen anderen untersuchten Bereichen hat der Anspruchsteller hingegen ein freies Wahlrecht, welchen von mehreren Empfängern oder Beschenkten er in Anspruch nimmt. Für die Begründung des Posterioritätsprinzips wird zum einen darauf verwiesen, dass derjenige, der einen Gegenstand schon länger besitzt und sich auf den bestehenden status quo eingerichtet hat, schutzwürdiger ist als derjenige, der den Gegenstand im Vergleich noch nicht so lange in Besitz hat. Das Posterioritätsprinzip berücksichtigt daher das Erstarken des Vertrauensschutzes und der Rechtsposition des Empfängers durch Zeitablauf. Zum anderen wird das Posterioritätsprinzip damit begründet, dass es der Schuldner/Erblasser/Ehegatte anderenfalls in der Hand hätte, frühere Schenkungen, die ihn nun reuen, durch die Vornahme weiterer Schenkungen angreifbar zu machen. Auch hier ist zunächst zu überlegen, ob eine einheitliche Lösung für alle Rückholansprüche sinnvoll und möglich ist. Das Posterioritätsprinzip führt zu einer Entlastung früherer Empfänger, ist aber für den Anspruchsteller im Vergleich zu einem freien Wahlrecht nachteilig. Es ist demnach ein Mittel zur Verschiebung der Gewichte zwischen Anspruchsteller und Anspruchsgegner. Möglicherweise könnte daher differenziert werden zwischen einem gutgläubigen Empfänger, der durch das Posterioritätsprinzip geschützt werden sollte, und einem bösgläubigen Empfänger, dem gegenüber ein freies Wahlrecht angebracht ist. Eine Differenzierung nach Rechtsbereichen ist hingegen nicht sinnvoll. Die Problemlage und die (fehlende) Schutzwürdigkeit des Dritten ist nämlich in allen untersuchten Rechtsbereichen identisch. Wieso deshalb gerade das Pflichtteilsrecht in Deutschland eine Sonderstellung einnehmen sollte, ist nicht ersichtlich. Anders als man zunächst meinen könnte, tritt die Problematik auch im Insolvenzrecht auf. Verschenkt der Schuldner innerhalb der Anfechtungsfristen nämlich mehr Vermögen, als für die Befriedigung aller Forderungen erforderlich ist, muss sich auch der Insolvenzverwalter entscheiden, welche Schenkung er angreifen und welche er unberührt lassen will. Beispiel: 2013 verschenkt S 100.000  € an A, 2014 100.000  € an B und 2015 100.000  € an C. 2016 wird ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des S eröffnet, weil die Passiva die Aktiva um 80.000  € überwiegen.

Das Posterioritätsprinzip kann zwar für sich in Anspruch nehmen, einen klaren und relativ einfach handhabbaren Regelungsmechanismus zur Verfügung zu stellen. Aufgrund seiner alleinigen Fixierung auf die zeitliche Reihenfolge der Schenkungen erweist es sich jedoch als zu starr und unflexibel. Hat der Schuldner/Erblasser/Ehegatte etwa im Abstand weniger Tage oder Stunden mehrere Schenkungen bewirkt, erscheint eine einseitige Lastenverteilung zwischen den Beschenkten allein anhand des Vornahmezeitpunkts willkürlich. Vorzugswürdig ist daher ein Modell, dass eine volle Haftung jedes Beschenkten im Außen-

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verhältnis zum Anspruchsteller und eine anteilige Regressmöglichkeit gegen die anderen Beschenkten im Innenverhältnis vorsieht. 64 Im Rahmen des Binnenregresses könnte dann auch Berücksichtigung finden, ob der jeweilige Erwerber gut- oder bösgläubig war. Ist der Zeitpunkt, in dem eine Schenkung vorgenommen wurde, nicht ermittelbar, sollte das non liquet nach allgemeinen Grundsätzen zu Lasten des Beschenkten gehen.65 Es würde dann vermutet, dass die Schenkung erst unmittelbar vor dem Tode des Erblassers/der Insolvenz/der Scheidung erfolgt ist. 2. Durchbrechungen des Posterioritätsprinzips Befürwortet man entgegen der hier vertretenen Ansicht die Anwendung eines Posterioritätsprinzips, stellt sich noch die Frage, ob und gegebenenfalls wann es durchbrochen werden sollte. Unstreitig ist insoweit, dass ein Rückgriff auf einen früher Beschenkten dann möglich sein sollte, wenn der zuerst Beschenkte sich erfolgreich auf den Einwand der Entreicherung (§  818 Abs.  3 BGB) beruft. Wiederum umstritten ist, wer das Risiko tragen sollte, dass der zuerst Beschenkte insolvent oder nicht greifbar ist. Hier ist, wie bereits oben für das Verhältnis zwischen Erst- und Zweitbeschenktem im Rahmen der Fernwirkungsproblematik entschieden wurde, richtigerweise ein Durchgriff nicht zuzulassen. Die fehlende faktische Durchsetzbarkeit eines Anspruchs ist als Tatbestandsvoraus­ setzung für einen anderen Anspruch ein wenig taugliches Kriterium. Mit ihm würde eine erhebliche Rechtsunsicherheit einhergehen, da auch der zeitlich früher Beschenkte bei einem Ausfall vorrangiger Schuldner stets damit rechnen müsste, doch noch in Anspruch genommen zu werden. Die Solvenz bzw. faktische Greifbarkeit einzelner Schuldner ist ein Kriterium, das für den Rechtsverkehr schwer zu erkennen und auch stets im Wandel begriffen ist. 3. Rückgriffansprüche der Empfänger untereinander Die Besonderheit der Rückholsituation liegt darin, dass eine irgendwie geartete Rechtsbeziehung zwischen den verschiedenen Zuwendungsempfängern grds. nicht besteht. 66 Bei Geltung eines Posterioritätsprinzips kommen Ausgleichsansprüche der Empfänger oder Beschenkten untereinander nicht in Betracht. Aufgrund des Posterioritätsprinzip liegt gerade keine gleichstufige Haftung vor, wie sie für die Annahme einer Gesamtschuld erforderlich wäre, sondern nur eine subsidiäre Haftung des früher Beschenkten bzw. eine vorrangige Haftung des zuletzt Beschenkten. Über die Annahme einer Gesamtschuld würde zudem gerade die durch das Posterioritätsprinzip eingeführte und aus Wertungsgründen abgestufte Haftung wieder rückgängig gemacht. Der früher Be64 

Siehe dazu sogleich S. 441 ff. Vgl. MüKoBGB/Lange §  2325 Rn.  57 mwN. 66  Hierin liegt ein wichtiger Unterschied zu Fällen der Fernwirkung. 65 

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Kapitel VIII:  Auswertung

schenkte könnte dann zwar grds. nicht vom berechtigten Vertragserben/ Pflichtteilsberechtigten/Ehegatten/Gläubiger in Anspruch genommen werden, würde aber anteilig den anderen Beschenkten gegenüber haften. Anders ist die Situation bei einem freien Wahlrecht des Anspruchstellers. Hier ist es letztlich allein dem Zufall überlassen, welcher Empfänger gegenüber dem Berechtigten für die Schuld aufkommen muss. Teilweise wird insoweit daher die Annahme einer Gesamtschuld befürwortet. Das englische Erbrecht enthält zudem in sec.  10 (5) Inheritance Act eine Regelung, die es dem in Anspruch genommenen Dritten erlaubt, selbst Rückholansprüche gegen weitere Beschenkte geltend zu machen und diese mit in den Prozess einzubeziehen. Gegen die Annahme einer Gesamtschuld spricht aber, dass der Anspruch gegen den Dritten grds. nur eine subsidiäre Ausfallhaftung darstellt für den Fall, dass in der streitgegenständlichen Insolvenz-, Nachlass-, Gütervermögensmasse nicht mehr genug Vermögen vorhanden ist. Inwieweit gegen den Dritten vorgegangen werden kann, hängt von der Höhe des Fehlbetrages ab, der wiederum dadurch beeinflusst wird, wie viele Schenkungen gemacht worden sind. Möglicherweise ist der Fehlbetrag erst durch die letzte Schenkung entstanden, während bei den vorangegangenen Schenkungen noch ausreichend Vermögen vorhanden war. Auch ist die Haftung der Beschenkten in ihrer Höhe jeweils durch den Wert des jeweiligen Geschenks begrenzt. Gleichwohl scheint es angemessen, einen Ausgleichsmechanismus zwischen den mehreren Empfängern vorzusehen. Die rein willkürliche Entscheidung des Anspruchstellers ist kein sachgerechtes Verteilungskriterium. Die Regeln über die Gesamtschuld sollten deshalb entsprechend angewendet werden und zu einer Aufteilung pro rata führen. Prozessökonomisch geschickt erscheint die Regelung in sec.  10 (5) Inheritance Act, die es ermöglicht, den Regressprozess gleichzeitig mit der ursprünglichen Klage zu verhandeln. In Deutschland wären die Gesamtschuldner zwar einfache Streitgenossen;67 eine Einbeziehung eines anderen Streitgenossen gegen seinen Willen, bspw. über eine Streitverkündung, ist hingegen nicht möglich. 68 Es müssen daher zwei Prozesse statt eines geführt werden. Auch kann das Gericht im Hauptprozess nicht berücksichtigen, inwieweit der Regress des einen Erwerbers gegen den anderen in einem zweiten Prozess erfolgsversprechend ist. Bei der Bestimmung der Höhe der jeweiligen Haftungsanteile sollte insbesondere berücksichtigt werden, ob der Erwerber gut- oder bösgläubig war. Bösgläubige Erwerber sollten im Ergebnis vor gutgläubigen, unentgeltlichen Erwerbern haften und ihrerseits nur bei anderen bösgläubigen Erwerbern Regress nehmen können. 67 MüKoZPO/Schultes §  62 Rn.  31; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, §  48 Rn.  5. 68  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, §  51 Rn.  12 ff.

I. Die Rechtsfolgen

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Mit der Gesamtschuld einher geht auch eine Auskunftspflicht des Verfügenden. Der Schuldner/ausgleichspflichtige Ehegatte/Erbe muss dem Berechtigten Auskunft über eventuell angreifbare Schenkungen geben. Dabei spielen auch die subjektiven Vorstellungen des Verfügenden und des Zuwendungsempfängers bei Vornahme des Rechtsgeschäfts eine Rolle. Hierüber muss im Prozess unter Umständen Beweis erhoben werden, wobei dann die Grundsätze der sekundären Darlegungslast Anwendung finden. 69

I. Die Rechtsfolgen I. Ermessen? Die Rechtsfolgen unterscheiden sich in England, Deutschland und Frankreich insbesondere darin, dass im englischen Recht ein sehr weites Ermessen besteht, ob und wenn ja, welche Maßnahmen das Gericht erlässt. Bei der Ausübung seines Ermessens nimmt das englische Gericht eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalles vor. Maßgeblich sind dabei unter anderem die Umstände, unter denen die Verfügung erfolgt ist, insbesondere eine eventuelle vom Anspruchsgegner erbrachte Gegenleistung, die persönlichen Beziehungen zwischen dem Schuldner und dem Beschenkten sowie allgemein das Verhalten und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschenkten. Im deutschen und französischen Recht handelt es sich hingegen um eine gebundene Entscheidung, die dem zuständigen Gericht nur wenig Spielraum lässt. Ein Vorteil der englischen Lösung ist, dass das Gericht sehr flexibel auf die Umstände des Einzelfalles eingehen und dessen spezifische Besonderheiten berücksichtigen kann. Der entscheidende Nachteil besteht hingegen darin, dass die konkrete Entscheidung für die Parteien nur sehr schwer vorauszusehen ist. Dadurch entsteht eine erhebliche Rechtsunsicherheit, die geeignet ist, die Parteien bereits im Vorfeld von einer Verfahrenseinleitung abzuhalten. Die Vorhersehbarkeit der Entscheidung spielt aber gerade für die Rückholansprüche wegen ihrer Rückwirkung und wegen des Schutzes eines (gutgläubigen) Empfängers eine große Rolle. Abstrakte Kriterien und Typisierungen, die bei der Entscheidung als Leitplanken dienen können, sind nach deutschem Verständnis ferner deshalb unverzichtbar, weil sie eine einheitliche Entscheidungspraxis sicherstellen. Gleichwohl ist zu überlegen, ob nicht auch dem deutschen Richter ein größerer Entscheidungsfreiraum eingeräumt werden sollte. Insbesondere bei der Abgrenzung böslicher Schenkungen von Alltagsgeschäften bietet sich ein flexiblerer Maßstab an. Hier kann mit einer Reihe von Indizien gearbeitet werden, die in ihrer Gesamtschau für bzw. gegen eine Angreifbarkeit des vorgenommenen Rechtsgeschäfts sprechen.70 Für andere Fragen, etwa die zeitliche Obergrenze 69 

70 

Vorwerk/Wolf/Bacher §  284 ZPO Rn.  84 ff. Siehe S. 412 ff., 427 ff.

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Kapitel VIII:  Auswertung

einer Rückwirkung, die Inanspruchnahme weiterer Empfänger oder die Frage, ob überhaupt eine gerichtliche Anordnung erlassen werden soll, sollte es hingegen bei klaren (gesetzlichen) Vorgaben verbleiben und kein Ermessensspielraum eingeräumt werden. Anders sind die hier besonders wichtigen Gebote der Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit nicht zu wahren. II. Herausgabe in natura oder Wertersatz? Sehr unterschiedlich wird auch die Frage beantwortet, ob der Zuwendungsempfänger Herausgabe des Erlangten oder Wertersatz schuldet. Beide Ansätze sind in den untersuchten Rechtsordnungen etwa gleichmäßig verteilt. Das französische Recht folgt außerhalb des Vollstreckungsrechts dem Wertersatzprinzip. In England liegt die Rechtsfolge grds. im Ermessen des Gerichts. Im Familienrecht wird jedoch eine in der Regel vorrangige Herausgabepflicht angenommen. In Deutschland ist §  1390 BGB auf Wertersatz gerichtet, während in den anderen Rechtsgebieten primär Herausgabe des Erlangten geschuldet wird. Auch hier ist wiederum die Notwendigkeit für eine Differenzierung nach Rechtsgebieten nicht ersichtlich. Durch das Anspruchsziel „Herausgabe des Erlangten“ wird eine quasi-dingliche Berechtigung an einzelnen Gegenständen geschaffen, die zum Rechtscharakter des Rückholanspruchs nicht recht passt. Der Verfügende ist in allen untersuchten Rechtsgebieten frei, die konkrete Zusammensetzung seines Vermögens nach seinem Belieben zu verändern, einzelne Vermögensgenstände zu veräußern, Barvermögen in Grundvermögen zu investieren etc. Der Schutz durch die Rückholansprüche setzt überhaupt erst da an, wo es aufgrund der Rechtsgeschäfte des Schuldners zu einer Vermögensminderung kommt. Bloße Umstrukturierungen und Bestandsveränderungen werden nicht erfasst. Der Vorwurf im Rahmen des Rückholanspruchs richtet sich daher in aller Regel nicht gegen die Veräußerung als solche, sondern gegen das Fehlen einer vollwertigen Gegenleistung. Zu einem solchen Anspruchsziel passt der Wertersatzgedanke besser als der dinglich geprägte Herausgabeanspruch. Die Konsequenz und der Vorteil eines solchen Verständnisses ist es, dass auch eine Fernwirkung, die an die Weiterübertragung eines Vermögensgegenstandes durch den Ersterwerber anknüpft, nur ganz eingeschränkt zuzulassen ist.71 Der Berechtigte hat kein Anrecht auf eine bestimmte sachliche Zusammensetzung des Nachlasses, Ehe- oder Schuldnervermögens. Die Rückholansprüche sollten ihm daher auch nicht gestatten, eine bestimmte dingliche Zusammensetzung des schuldnerischen Vermögens wiederherzustellen, sondern lediglich die Wertdifferenz ausgleichen, die durch die Verfügung des Schuldners entstanden ist. Primärer Anspruchsgegner ist und bleibt damit der Erstbeschenkte, während auf Zweitbeschenkte nur zugegriffen werden kann, wenn und soweit der 71 

Siehe S. 436 f.

I. Die Rechtsfolgen

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Wertersatzanspruch gegen den Erstbeschenkten aus Rechtsgründen (§  818 Abs.  3 BGB) ausscheidet. Dem Empfänger sollte es jeweils auch offenstehen, die Wertersatzpflicht durch die Herausgabe des erlangten Gegenstandes abzuwenden. Insoweit ist ihm eine Ersetzungsbefugnis einzuräumen. III. Wertveränderungen Bei allen Rückholansprüchen muss die Frage beantwortet werden, wie mit Wertveränderungen umgegangen werden soll, die vor Anspruchsentstehung, aber nach Übertragung des streitbefangenen Gegenstandes eingetreten sind. Wiederum zeigt die rechtsvergleichende und rechtsgebietsübergreifende Umschau eine Vielzahl unterschiedlicher Lösungen, die aber weder ein kongruentes noch ein in sich stimmiges Bild ergeben. Wieso, um ein Beispiel zu nennen, gilt das Niederstwertprinzip zum Schutze des Beschenkten vor Ansprüchen der Pflichtteilsberechtigten, nicht jedoch zum Schutze vor Ansprüchen eines Vertragserben? Wieso kommen ungewöhnliche Wertsteigerungen bei §  1390 BGB aufgrund von §  1376 Abs.  2 BGB dem Beschenkten zugute, während im Erbrecht der Anspruchsteller von ihnen profitiert? Das französische Erb- und Familienrecht folgt einem relativ komplizierten System, das zwischen dem Zustand der Sache (état) und dem Wert der Sache (valeur) unterscheidet. Für den Zustand der Sache ist der Zeitpunkt der Anspruchsentstehung maßgeblich, für den Wert der Sache hingegen der Zeitpunkt der Schenkung. Wertveränderungen, die auf ein Verhalten des Beschenkten zurückzuführen sind, werden aber wiederum nicht berücksichtigt. Ist der geschenkte Gegenstand weiterübertragen worden, dann ist der Wert im Zeitpunkt dieser Übertragung maßgeblich. Im Vollstreckungsrecht kommt es darauf an, ob eine Wertverschlechterung schuldhaft durch den Beschenkten verursacht wurde, für den Ersatz von Aufwendungen, ob diese notwendig oder nützlich waren. Im englischen Erbrecht wird danach differenziert, ob eine Geldsumme oder ein anderer Gegenstand zugewandt wurde. Während Gewinne aus der Anlage des Geldes dem Beschenkten zugutekommen, profitiert von anderen Werterhöhungen grds. der Anspruchsteller. Bei einer Weiterveräußerung ist der Wert im Veräußerungszeitpunkt maßgeblich. Ob für den Verbrauch von Gegenständen gehaftet wird, ist umstritten. Auch in den anderen Rechtsgebieten ist die Rechtslage relativ unklar, was auch daran liegt, dass das englische Gericht Wertsteigerungen und Wertverluste des streitbefangenen Gegenstandes im Rahmen seiner Ermessensausübung angemessen berücksichtigt. Im deutschen Pflichtteilsrecht findet zum Schutze des Beschenkten das Niederstwertprinzip Anwendung. Ansonsten wird auf das Bereicherungsrecht verwiesen, wobei hier, wie etwa durch §  1376 Abs.  2 BGB, teilweise Besonderheiten zu beachten sind.

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Kapitel VIII:  Auswertung

Die Interessen sind aufgrund der jeweils gleichen Ausgangslage – Rückholung wirksam übertragenen Vermögens zur Masse – eigentlich identisch, weshalb die getroffenen Differenzierungen nicht überzeugen. Auch typisch für alle Rückholsituationen ist, dass zwischen der angegriffenen Handlung und der späteren Anspruchsentstehung ein relativ langer Zeitraum liegen kann, innerhalb dessen sich die Wertverhältnisse erheblich verändern können. Folgt man aus den oben dargelegten Gründen dem Prinzip, dass im Rahmen eines Rückholanspruchs nur Wertersatz und nicht Herausgabe des erlangten Gegenstandes geschuldet wird, vereinfacht sich die Rechtslage erheblich. Auszugleichen ist die Vermögensminderung, die infolge der Verfügung des Schuldners eingetreten ist. Für die Bestimmung der Höhe dieser Minderung ist zunächst der Wert der übertragenen Gegenstände im Zeitpunkt ihrer Übertragung maßgeblich. Um den tatsächlichen Wert des übertragenen Gegenstandes im Zeitpunkt seiner Übertragung bestimmen zu können, muss allerdings eine Indexierung vorgenommen werden, die einen inzwischen eingetretenen Kaufkraftschwund berücksichtigt.72 1. Wertsteigerungen Erhöht sich der Wert des Gegenstandes nach seiner Übertragung durch Investitionen des Empfängers oder durch allgemeine Marktentwicklungen ist hiermit grds. keine weitere Minderung des schuldnerischen Vermögens verbunden. Von Wertsteigerungen beim Empfänger profitiert auch nur dieser. Die Verbindung zum Vermögen des Schuldners wird in dem Moment unterbrochen, in dem der Gegenstand dem Empfänger übertragen wird und aus der Vermögensmasse des Schuldners ausscheidet. Beispiel: Schuldner S tauscht mit E sein Aktienpaket (Wert: 80.000  €) gegen einen alten Opel (Wert: 5.000  €). Es liegt eine gemischte Schenkung in Höhe von 75.000  € vor. Die weitere Wertentwicklung des Aktienpakets spielt für die Höhe der Schenkung keine Rolle mehr.

Für eine solche Handhabung sprechen auch Überlegungen des Vertrauensschutzes. Würde die Wertersatzpflicht auch noch nachträglich eingetretene Wertsteigerungen berücksichtigen, könnte hierin für den Empfänger eine große Härte liegen. Als Eigentümer des Gegenstandes nimmt er in schützenswerter Weise an, von den allgemeinen Marktentwicklungen zu profitieren und vertraut auf die Dauerhaftigkeit dieser positiven Vermögensentwicklung. Der Anspruchsteller muss hingegen der Tatsache Rechnung tragen, dass der Gegenstand vor der Wertsteigerung bereits aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschieden war. Ein Vertrauen darauf, gleichwohl noch an den späteren Wertentwicklungen teilzuhaben, ist nicht schützenswert. 72 

Siehe S. 246 f., 249 ff.

I. Die Rechtsfolgen

447

Beispiel: A schenkt B ein Grundstück im Außenbereich (Wert: 100.000  €). Einige Zeit später wird der Außenbereich zu Bauland erklärt und der Wert des Grundstücks verzehnfacht sich.

Zu überlegen ist allerdings, ob eine andere Risikoverteilung angebracht ist, wenn der Empfänger bösgläubig war. Hatte der Empfänger Kenntnis von einer Benachteiligungsabsicht des Schuldners und von der Anfechtbarkeit seines Erwerbs, kann er nicht mehr in schutzwürdiger Weise auf dessen Dauerhaftigkeit vertrauen. Wäre der Gegenstand beim Schuldner verblieben, könnte der Anspruchsteller nunmehr auf ihn zugreifen und würde von der inzwischen eingetretenen Wertsteigerung profitieren. Die Früchte eines kollusiven Zusammenwirkens zum Nachteil eines Dritten sollten weder dem Schuldner noch dem Empfänger belassen werden. Für eine effektive Missbrauchsverhinderung ist es daher erforderlich, den Wertersatzanspruch ausnahmsweise nach dem höheren Wert im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung zu bemessen, wenn der Empfänger bösgläubig war. Es sollte also ein umgekehrtes Niederstwertprinzip bzw. ein Höchstwertprinzip gelten. Wertsteigerungen, die auf Investitionen des Empfängers in die Sache beruhen, kommen dem Empfänger allerdings auch dann zugute, wenn er bösgläubig war, und sind daher insoweit auszublenden. 2. Wertverluste und Nutzungen Die Unterscheidung zwischen einem gutgläubigen und einem bösgläubigen Empfänger hat auch Bedeutung für die Behandlung von Wertverlusten und Nutzungen. Sie findet sich ebenso im deutschen Bereicherungsrecht, auf das für die jeweiligen Rückholansprüche ja weitgehend verwiesen wird. Ist der Empfänger gutgläubig, kann er sich auf Entreicherung berufen, wenn ein Wertverlust zwischen der Vollziehung der Schenkung und der Anspruchsentstehung eingetreten und kein Äquivalent in das Vermögen des Empfängers gelangt ist. Ein bösgläubiger Empfänger hat diese Möglichkeit nicht (§§  819, 818 Abs.  4 BGB entsprechend). Er haftet auch dann auf Wertersatz, wenn der Vermögenswert bei ihm nicht mehr vorhanden ist. Nutzungsersatz muss der Empfänger, wenn überhaupt, erst ab Anspruchsentstehung leisten. Vorher steht dem Anspruchsteller noch kein Nutzungsrecht zu und die Nutzung des Gegenstandes erfolgt durch den Eigentümer in ganz legitimer Weise. Auch würde der Anspruchsteller andernfalls besser stehen, als wenn der Gegenstand durchgehend beim Schuldner verblieben wäre. Für die übliche Nutzung von Gegenständen durch den Schuldner/Erblasser/ Ehegatten bis zur Anspruchsentstehung mit Tod/Scheidung/Insolvenz kann der Anspruchsteller auch keinen Ersatz verlangen.

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Kapitel VIII:  Auswertung

J. Die Vorwirkungen I. Präventive Sicherungsmöglichkeiten In diesem Bereich ist nun tatsächlich eine Differenz zwischen den untersuchten Rechtsgebieten feststellbar. Während im Vollstreckungsrecht der genaue Inhalt der Forderung bereits vor dem anspruchsauslösenden Ereignis – der Einzeloder Gesamtvollstreckung – feststeht, ist das im Familien- und Erbrecht nicht der Fall. Die Forderung des Gläubigers kann in allen drei behandelten Rechtsordnungen im Vollstreckungsrecht deshalb bereits im Vorfeld einer Insolvenz oder eines Vollstreckungsversuchs umfassend durch Maßnahmen des einstweiligen Rechtschutzes gesichert werden, ohne dass sich dabei rückholtypische Besonderheiten ergeben. Ähnlich ist die Lage im Familienrecht, sobald der Eintritt der Scheidung vorhersehbar ist. Neben dem allgemeinen Instrumentarium des einstweiligen Rechtschutzes sind hier zudem besondere Sicherungsmöglichkeiten eröffnet, die eine frühzeitige Auflösung des Güterstandes ermöglichen (§§  1385 ff. BGB, Art.  1580 S.  1 Code civil). Im Erbrecht ist die Vorwirkung hingegen schwächer, weil der genaue Zeitpunkt des Todes und damit auch der genaue Anspruchsinhalt bis zuletzt unsicher ist. Dennoch lässt sich noch eine gewisse Abstufung zwischen Ansprüchen des Vertragserben und Ansprüchen von Pflichtteilsberechtigten vornehmen, da bei letzteren die Vorwirkung am schwächsten ausgeprägt ist. Die Unsicherheiten sind hier am größten. Vor Eintritt des Erbfalles besteht nämlich weder Klarheit über die Anzahl pflichtteilsberechtigter Personen noch über den Wert und Inhalt des beim Erbfall noch vorhandenen Nachlasses oder über eine eventuell eingetretene ratierliche Abschmelzung (§  2325 Abs.  3 S.  1 BGB). In dieser letzten Fallgruppe herrscht daher auch rechtsvergleichend Übereinstimmung, dass eine Vorwirkung nicht entsteht. Weder können die pflichtteilsberechtigten Personen vor dem Tode des Erblassers Maßnahmen des einstweiligen Rechtschutzes in Anspruch nehmen, noch können sie wirksam Auskunftsoder Feststellungsklagen erheben. Auch ein Anwartschaftsrecht, das über das Deliktsrecht geschützt wäre, besteht nicht. Im Hinblick auf den Vertragserben ergibt sich hingegen ein gemischtes Bild. Im französischen Recht sind Maßnahmen des einstweiligen Rechtschutzes zum Schutze des institué zu Lebzeiten des Erblassers zulässig, während sie in Deutschland von der herrschenden Ansicht abgelehnt werden. Äußerst umstritten ist im deutschen Recht die Frage, ob auch Auskunfts- und Feststellungsklagen gegen den beschenkten Dritten zu Lebzeiten des Erblassers zulässig sind. Eine weitere Absicherungsmöglichkeit bieten Verfügungsunterlassungsverträge. Durch eine Feststellungsklage kann der Anspruchsteller eine verschärfte Haftung des Beschenkten nach §  818 Abs.  4 BGB auslösen und im Hinblick auf seine eigene Leistung Rechtssicherheit gewinnen. Ein praktisches Bedürfnis für

J. Die Vorwirkungen

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sie ist daher zweifelsfrei gegeben. Auch wenn die Einschätzung des Gerichts wegen der unsicheren weiteren Entwicklung bis zum Todesfall stets nur eine vorläufige sein kann, hilft sie dem Vertragserben doch bei der Beurteilung, ob er seine eigene Leistung weiterhin anstandslos erbringt oder sie eventuell aufkündigt. Richtigerweise sollte daher eine entsprechende Feststellungsklage zu Lebzeiten des Erblassers zulässig sein. Eine Absicherung durch Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ist hingegen nicht möglich. Der Anspruchsteller hat keinen Anspruch auf eine bestimmte dingliche Zusammensetzung des Nachlasses und kann daher weder dem beschenkten Dritten noch dem Erblasser verbieten, über einzelne Gegenstände wirksam zu verfügen. II. Präventiver Verzicht Im deutschen Erbrecht ist sowohl der Anspruch aus §  2287 BGB als auch derjenige aus §  2329 BGB grds. dispositiv. Nach einer zu §  2287 BGB ergangenen Entscheidung des BGH bedarf ein wirksamer Verzicht aber der Form einer notariellen Beurkundung (§  2348 BGB analog).73 §  1390 BGB gilt hingegen als nicht dispositive Norm; ein vorheriger Verzicht auf Ansprüche, die sich aus einem sittenwidrigen oder vorsätzlichen Verhalten des Schuldners ergeben, sei nicht möglich. War allerdings der ausgleichsberechtigte Ehegatte mit der konkreten Zuwendung einverstanden, hindere eine analoge Anwendung von §  1375 Abs.  3 BGB ihn daran, anschließend über §  1390 BGB die Rückabwicklung der Zuwendung zu verlangen. Sowohl im englischen Familienrecht als auch im englischen Erbrecht ist ein Verzicht dagegen grds. formfrei möglich, erfordert aber eine hinreichend informierte Entscheidung. Das französische Erbrecht hielt hingegen einen lebzeitigen Verzicht lange Zeit für gänzlich unzulässig. Er stelle eine im Gesetz nicht vorgesehene vertragliche Vereinbarung über den Nachlass dar und sei deshalb nach Art.  722 Code civil unwirksam. Für die action en réduction ist nunmehr aber in Art.  929-930-5 Code civil die Möglichkeit eines Verzichts zu Lebzeiten des Erblassers sehr detailliert geregelt. Der Verzicht unterliegt dabei sehr strengen Voraussetzungen: Er ist nur zugunsten einer oder mehrerer konkret bezeichneter Personen möglich, er muss in einem eigenständigen Dokument enthalten sein, das zudem die „consequences juridiques futures“ auflistet und das Dokument muss von jedem Verzichtenden einzeln und bei alleiniger Anwesenheit von zwei Notaren unterschrieben werden. Im Familienrecht sind diese Voraussetzungen hingegen deutlich weniger streng und eine Anfechtung scheidet aus, wenn eine Zuwendung mit der Zustimmung des ausgleichsberechtigten Ehepartners erfolgt ist. Nach dem Prinzip, dass auf Ansprüche wegen vorsätzlichen oder sittenwidrigen Verhaltens des Vertragspartners nicht im vornherein 73 

BGH NJW 1989, 2618.

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Kapitel VIII:  Auswertung

verzichtet werden kann, ist ein Verzicht bei Vorliegen einer „aliénation frauduleuse“ hingegen grds. unwirksam. Im Vollstreckungsrecht kommt ein vorheriger Verzicht in den untersuchten Rechten hingegen grds. nicht in Betracht, weil die Anfechtungsrechte erst mit der Insolvenz und in der Person des Insolvenzverwalters entstehen und auch außerhalb des Insolvenzverfahrens ein vollinformierter Verzicht praktisch kaum denkbar erscheint. Grundsätzlich müssen bei der Verzichtsproblematik zwei Fallgestaltungen auseinandergehalten werden: Einerseits ist es denkbar, dass der Berechtigte unabhängig von einem konkreten Anlass ganz abstrakt und im Vorhinein auf spätere Rückholansprüche verzichten soll, bspw. im Rahmen eines Ehevertrages, eines Erbvertrages oder einer Regelung des Pflichtteilsrechts. Ein solcher abstrakter Verzicht ist problematisch, weil dem Verzichtenden die spätere Situation nicht unmittelbar vor Augen steht und er zukünftige Entwicklungen oft gar nicht richtig abschätzen kann. Zum Schutz vor Übereilung sollten hier daher Formerfordernisse bestehen, die, wie die notarielle Beurkundung, zudem durch Beratungsmöglichkeiten eine vollinformierte Entscheidung sicherstellen. Richtigerweise nicht verzichtet werden kann auf Ansprüche aus vorsätzlichem oder sittenwidrigem Verhalten. Ein Rückholanspruch, der an das Vorliegen einer Beeinträchtigungsabsicht beim Schuldner anknüpft, muss daher trotz eines ansonsten wirksamen Verzichts möglich bleiben. Eine Differenzierung nach Rechtsgebieten erscheint hier im Grundsatz nicht geboten, da die Konsequenzen des Verzichts in allen Rechtsgebieten dieselben sind. Nur das Insolvenzrecht nimmt im Hinblick auf Verzichtsmöglichkeiten aus den beschriebenen, eher faktischen Gründen eine gewisse Sonderstellung ein. Von einem abstrakten Generalverzicht auf Rückholansprüche zu unterscheiden ist die Zustimmung des Berechtigten zu einem konkreten Geschäft. Diese sollte grds. formfrei möglich sein und einen späteren Rückholanspruch hinsichtlich dieses Geschäfts ausschließen. Dies ergibt sich bereits aus dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium, §  242). Erforderlich hierfür ist jedoch zum einen, dass es sich tatsächlich um eine echte Zustimmung und nicht bloß um eine Duldung oder eine widerwillige Billigung gehandelt hat. Die bloße Kenntnis der Schenkung reicht nicht aus, da der Pflichtteilsberechtigte/Vertragserbe/Ehegatte die Vornahme der Schenkung in der Regel doch nicht verhindern kann. Zum anderen muss die Zustimmung auch aufgrund einer vollinformierten Entscheidung erfolgt sein und kein Irrtum bspw. über die Vermögensverhältnisse des Schenkenden vorgelegen haben. Schwierig zu beurteilen ist die Frage, ob ein Verzicht auf ein Rückholrecht einer Inhaltskontrolle unterliegt. Diskutiert wird sie im deutschen Recht in Bezug auf den Pflichtteilsverzicht. Für die Rückholansprüche scheint bei Beachtung der oben entwickelten Grundsätze ein über das allgemeine Instrumentarium (§§  119, 123, 138, 242 BGB) hinausgehender Schutz nicht erforderlich.

K. Konkurrenzen

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K. Konkurrenzen Die Widersprüchlichkeit unterschiedlicher Lösungen der Rückholproblematik tritt im Zusammenhang mit den Konkurrenzen besonders deutlich hervor. I. Erbvertrag und Pflichtteilsrecht Der Erblasser kann einem Vertragserben grds. nur das hinterlassen, was vom Nachlass nach Erfüllung der Verbindlichkeiten gegenüber den Pflichtteilsberechtigten noch übrig ist. Die Rückholansprüche des Vertragserben und des oder der Pflichtteilsberechtigten bestehen in den untersuchten Rechtsordnungen daher grds. frei nebeneinander, ermöglichen aber insgesamt nur einmal die Inanspruchnahme des Empfängers. Ist der Vertragserbe, wie in vielen Fällen, zugleich eine pflichtteilsberechtigte Person, soll nach der Rechtsprechung des BGH der Anspruch aus §  2287 BGB denjenigen aus §  2329 BGB verdrängen.74 Wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen beider Ansprüche ist diese Ansicht aber strikt abzulehnen. Kann bspw. ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an der Schenkung nachgewiesen werden, würde der pflichtteilsberechtigte Vertragserbe leer ausgehen, während alle weiteren Pflichtteilsberechtigten zumindest Ansprüche aus §  2329 BGB gegen den Empfänger geltend machen könnten. Dieses stoßende Ergebnis lässt sich unter keinem Gesichtspunkt rechtfertigen. Auch führt die jährliche Abschmelzung gem. §  2325 Abs.  3 BGB dazu, dass sich die Gewichte zwischen dem Vertragserben und Pflichtteilsberechtigten jährlich verschieben. Wertungsgesichtpunkte für diese Begünstigung des Vertragserben sind nicht ersichtlich. Das Ergebnis erscheint eher zufällig. Beispiel 1: A stirbt im Jahre 2016 und hinterlässt Vermögen im Wert von 1.000.000  € sowie eine pflichtteilsberechtigte Tochter. Zum Alleinerben wurde in einem Erbvertrag der B bestimmt. T erhält als Pflichtteil 500.000  €, B den anschließend noch vorhandenen Nachlass im Werte von ebenfalls 500.000  €. Beispiel 2: Wie Beispiel 1, nur hatte A kurz vor seinem Tode sein gesamtes Vermögen in Benachteiligungsabsicht C übertragen. B und T können ihre Ansprüche aus §  2287 BGB bzw. §  2329 BGB gegen C durchsetzen und das verschenkte Vermögen wieder zurückholen. T erhält über §  2329 BGB 500.000  € und B über §  2287 BGB die restlichen 500.000  €. Beispiel 3: Wie Beispiel 2, nur hatte A die Schenkung bereits 2006 vorgenommen. T kann wegen der Abschmelzung nach §  2325 Abs.  3 BGB nur noch 1/10 ihres ursprünglichen Pflichtteils, also 50.000  €, von C verlangen. Die restlichen 950.000  € stehen über §  2287 BGB nunmehr dem Vertragserben B zu.

Eine valide Begründung, weshalb der Vertragserbe von dem Zeitablauf zulasten des Pflichtteilsberechtigten profitieren sollte, ist schwerlich ersichtlich. Das Er74 

BGH NJW 1990, 2063.

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Kapitel VIII:  Auswertung

gebnis lässt sich allenfalls mit Vorbehalten gegen Pflichtteilsrechte erklären, wirkt aber doch arbiträr. Letztlich sind solche Widersprüche nur durch eine Abstimmung und Vereinheitlichung der Rückholansprüche zu vermeiden. II. Erbrecht und Familienrecht Ähnlich unbefriedigend und widersprüchlich ist die Rechtslage – zumal im deutschen Recht – bei einer Konkurrenz erbrechtlicher mit güterrechtlichen Rückholansprüchen. Grundsätzlich kann nur das vererbt werden, was nach Durchführung des güterrechtlichen Ausgleichs noch vorhanden ist. Im englischen Recht endet das auf financial relief gerichtete Verfahren mit dem Tode des ausgleichspflichtigen Ehegatten, so dass eine Antragsumstellung erforderlich ist. Im deutschen und französischen Recht bestehen beide Ansprüche hingegen auch nach dem Tode des ausgleichspflichtigen Ehegatten fort, wobei im deutschen Recht die Besonderheit gilt, dass der überlebende Ehegatte zwischen einer güterrechtlichen Auflösung des Güterstandes und einer erbrechtlichen Lösung wählen kann. Nur bei der Wahl der güterrechtlichen Lösung stehen dem ausgleichsberechtigten Ehegatten auch güterrechtliche Rückholansprüche zu, die zu den erbrechtlichen Rückholansprüchen in Konkurrenz treten können. Die erbrechtliche Lösung, die zur pauschalen Erhöhung des Erbteils des überlebenden Ehegatten um ¼ führt, soll einen Ausgleich güterrechtlicher Ansprüche ermöglichen, ohne dass hierfür die Vermögensentwicklung und ein eventuell erzielter Zugewinn im Einzelnen nachgewiesen werden müssten. Damit diese Wahl eine echte Alternative bleibt, ist es aber erforderlich, dass die erbrechtlichen Rückholansprüche im Vergleich zu den güterrechtlichen Ansprüchen grds. gleichwertig sind. Unter anderem wegen der in §  2325 Abs.  3 BGB vorgesehenen ratierlichen Abschmelzung und dem Niederstwertprinzip in §  2325 Abs.  2 S.  2 BGB, die in §  1390 BGB keine Entsprechung haben, fehlt es aber in vielen Fällen an der Gleichwertigkeit. Beispiel: F schenkt wesentliche Teile ihres Vermögens in einem Gesamtwert von 500.000  € an G. Als sie neun Jahre später verstirbt, hinterlässt sie kein eigenes Vermögen. Ehemann M als Alleinerbe kann wegen der Abschmelzung von G über §  2329 BGB nur noch 25.000  € zurückfordern. Über §  1390 BGB würde hingegen die Schenkung noch mit vollem Wert zum hypothetischen Vermögen der F hinzugerechnet. Der Anspruch aus §  1390 BGB würde aber voraussetzen, dass F einen höheren Zugewinn erzielt hat als M, was hier nicht der Fall sein muss.

Die Abschmelzung entwertet bei Vorliegen illoyaler Vermögenstransfers in vielen Fällen die erbrechtliche Lösung in §  1371 Abs.  1 BGB. Auch das Posterioritätsprinzip in §  2329 Abs.  3 BGB kann in diesem Zusammenhang zu merkwürdigen Ergebnissen führen.

K. Konkurrenzen

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Beispiel: F schenkt 2013 A, 2014 B und 2015 C jeweils 100.000  €. Als sie 2016 stirbt, hinterlässt sie kein Vermögen. Ihr Ehemann M, der einen Zugewinnausgleichsanspruch in Höhe 100.000  € besitzt, kann bei Entscheidung für die güterrechtliche Lösung über §  1390 BGB wahlweise auf A, B oder C zugreifen. Bei Wahl der erbrechtlichen Lösung hätte M aufgrund der teilweisen Abschmelzungen noch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 135.000  €, den er zu 100.000  € bei C und zu 35.000  € bei B befriedigen könnte. Die Schenkung an A würde hingegen unberührt bleiben.

Wieso nun allerdings die Entscheidung des überlebenden Ehegatten für die erboder die güterrechtliche Auflösung der Zugewinngemeinschaft für die Lastenverteilung zwischen mehreren Beschenkten maßgeblich sein soll, ist ebenfalls rätselhaft. Auch hier kann letztlich nur eine Angleichung und Abstimmung der verschiedenen Rückholanspruchsregime Abhilfe schaffen. III. Erbrecht, Familienrecht und Vollstreckungsrecht In Deutschland sollen §§  1390, 2287, 2329 BGB abschließende Sonderregelungen darstellen, die einen Rückgriff insbesondere auf die Vorschriften des AnfG ausschließen. In England und Frankreich besteht hingegen insbesondere zu dem Anspruch aus sec.  423 IA bzw. zur action paulienne umfassend Anspruchskonkurrenz. Unklar erscheint es, inwieweit die Insolvenz des Schuldners die Berechtigten daran hindert, ihre Rückholansprüche aus §§  2287, 2329, 1390 BGB gegen Zuwendungsempfänger weiterzuverfolgen. Gehört das über den Rückholanspruch erlangte Vermögen dem klagenden Ehegatten/Pflichtteilsberechtigten/Vertragserben oder der Gläubigergesamtheit? Die herrschende Meinung nimmt an, der Anspruch aus §  2287 BGB falle nicht in den Nachlass und der beschenkte Dritte könne nach einer Beschränkung der Haftung auf den Nachlass von den Nachlassgläubigern nicht in Anspruch genommen werden.75 Gleiches gelte für den Anspruch aus §  2329 BGB.76 Ist der Nachlass überschuldet oder kein Vermögen beim ausgleichspflichtigen Ehepartner mehr vorhanden, entsteht ein Konkurrenzverhältnis zu den Ansprüchen nach dem AnfG und der Insolvenzanfechtung. Nach herrschender Ansicht sperren aber §§  1390, 2287, 2329 BGB den Rückgriff auf die allgemeinen Anfechtungsvorschriften. Dadurch wird verhindert, dass die teilweise strengeren Voraussetzungen dieser Vorschriften an Wirkung verlieren. Wieso jedoch nun gerade diese Gläubiger gegenüber allen anderen Gläubigern teils schlechter, teils aber auch wiederum besser gestellt werden, ist nicht ohne Weiteres einsichtig und ergibt sich auch nicht aus den zugrundeliegenden Interessen. Auch über diese Unstimmigkeiten kann deshalb nur eine Angleichung und Abstimmung der verschiedenen Rückholansprüche hinweghelfen. 75  76 

Muscheler FamRZ 1994, 1361, 1365 mwN. Muscheler FamRZ 1994, 1361, 1365.

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Kapitel VIII:  Auswertung

L. Grenzüberschreitende Sachverhalte Die Rückholansprüche liegen in einem Grenzbereich zwischen dem allgemeinen Schuldrecht und der jeweiligen Spezialmaterie (Güterrecht, Erbrecht, Insolvenzrecht). Der Anspruchsgegner ist ein außenstehender Dritter, der mit dem erb-, familien-, insolvenz- oder einzelvollstreckungsrechtlichen Geschehen grds. nichts zu tun hat. Die Berechtigung des Anspruchstellers leitet sich andererseits gerade und ausschließlich aus familien-, erb- bzw. vollstreckungsrechtlichen Besonderheiten ab. Eine irgendwie geartete vertragliche oder außervertragliche Rechtsbeziehung zwischen Anspruchsteller und Anspruchsgegner besteht nämlich nicht. Die einzige Verbindung zwischen beiden liegt darin, dass der Anspruchsgegner einen Gegenstand erworben hat, der aus einer zugunsten des Anspruchstellers geschützten Vermögensmasse stammt. Bei der Einordnung im Rahmen des internationalen Zuständigkeits- und Kollisionsrechts kommt es somit entscheidend darauf an, ob stärker der Anspruchsteller oder der Anspruchsgegner in den Blick genommen wird. Für das internationale Insolvenzrecht hat der EuGH entschieden, dass die Insolvenzanfechtungsklagen unter die EuInsVO fallen. In der Neufassung der EuInsVO ist in Art.  6 inzwischen auch eine entsprechende Zuständigkeitsvorschrift aufgenommen worden.77 Für die vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe, die oft mit den insolvenzrechtlichen Anfechtungsklagen parallel laufen, ist der Anwendungsbereich der EuInsVO hingegen nach herrschender Ansicht nicht eröffnet. Sie unterfallen der Brüssel Ia-VO, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat dieser Verordnung hat, andernfalls dem autonomen nationalen Zuständigkeitsrecht. Im Erbrecht ist es bislang noch umstritten und höchstrichterlich ungeklärt, ob die Rückholansprüche der EuErbVO unterliegen. Die herrschende Ansicht nimmt dies aber mit guten Gründen an. Im Familienrecht wird sich mit dem Anwendungsbeginn der Ehegüterrechtsverordnung genau das gleiche Problem stellen, was allerdings bisher – soweit ersichtlich – noch gar nicht erörtert wurde. I. Zuständigkeit Der allgemeine Grundsatz im internationalen Zuständigkeitsrecht ist das Prinzip actor sequitur forum rei. Der Beklagte ist in der schlechteren Ausgangsposition, da er den Beginn des Verfahrens nicht beeinflussen kann, sondern meist nur relativ kurze Fristen zur Stellungnahme zur Klage erhält.78 In dieser Frist muss er den Sachverhalt und eventuelle Beweismittel sichten, einen Anwalt auswählen und beauftragen, eine Verteidigungsstrategie entwickeln etc. Dieser Si77 

Siehe oben S. 384 ff.

78 Musielak/Voit/Voit/Heinrich

§  12 ZPO Rn.  1; MüKoZPO/Patzina §  12 ZPO Rn.  2; ausführlich Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S.  651 ff.

L. Grenzüberschreitende Sachverhalte

455

tuation trägt die Regelung der internationalen Zuständigkeit Rechnung, die den Kläger darauf verweist, am Aufenthaltsort bzw. Wohnsitz des Beklagten seine Klage zu erheben. Von diesem Grundprinzip werden jedoch in bestimmten Fällen Ausnahmen zugelassen. In Zusammenhang mit den Rückholansprüchen ist es das Interesse an einer einheitlichen und effektiven Abwicklung der geschützten Vermögensmasse, das eine Abweichung vom actor sequitur-Grundsatz rechtfertigen kann. Der Insolvenzverwalter soll das gesamte Vermögen an dem Ort sammeln können, an dem das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wurde. Dafür ist es notwendig, dass er grds. auch im Ausland belegene Vermögensgegenstände zur Masse ziehen kann. Für die Erben gilt Gleiches. Die effektive Abwicklung und Verteilung des Nachlasses soll dadurch gestärkt werden, dass sämtliches Vermögen des Erblassers an einem Ort, seinem letzten gewöhnlichen Aufenthalt bzw. Wohnsitz, gebündelt wird und für alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Nachlass eine einheitliche Zuständigkeit gilt. Im Scheidungsverfahren hat die Verbundzuständigkeit den gleichen Effekt und ermöglicht eine endgültige und abschließende, auch finanzielle Trennung der Vermögen der Ehegatten. Alle Rückholverfahren entfalten daher zu einem gewissen Grade eine vis attractiva am Ort der verminderten Vermögensmasse. Vor dieser soll das berechtigte Inter­ esse des Beklagten, am eigenen Sitz verklagt zu werden, jeweils zurücktreten. Eine Ausnahme bildet das Zwangsvollstreckungsrecht. Zumindest im Rahmen der Brüssel Ia-VO, also bei einem Wohnsitz des Beklagten in einem Mitgliedstaat, wird nach herrschender Ansicht mangels einschlägiger besonderer Zuständigkeitsgründe der actor sequitur-Grundsatz gewahrt. Wird ein Anfechtungsverfahren, das ein Gläubiger eingeleitet hat, nach Insolvenzeröffnung von einem Insolvenzverwalter weitergeführt, stellt sich die Frage, ob sich insoweit der Grundsatz der perpetuatio fori79 durchsetzt oder auch die vis attractiva concursus Wirkung entfaltet und das Verfahren in die Zuständigkeit der Gerichte am Ort, an dem das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wurde, überführt werden kann.80 Wiederum ist die Ausgangslage in den behandelten Rechtsgebieten gleich. Die Entscheidung gegen den actor sequitur-Grundsatz dient der Vereinfachung und Vereinheitlichung der Verteilung und der Abwicklung der Vermögensmasse. Für den Anspruchsgegner ist es letztlich gleichgültig, woraus sich die Klageberechtigung des Anspruchstellers ergibt, seine Schutzwürdig- und bedürftigkeit ist jeweils gleich. Vor dem Hintergrund des Beklagtenschutzes ist die vis attractiva aber durchaus bedenklich. Wie gesehen, entfalten die Rückholansprüche eine, zum Teil sogar zeitlich unlimitierte Rückwirkung und meist auch eine beträchtliche 79 

80 

Vgl. MüKoZPO/Becker-Eberhard §  261 ZPO Rn.  86 mwN. Vgl. S. 379 f.

456

Kapitel VIII:  Auswertung

Fernwirkung. Über die vis attractiva werden daher Personen in das Verteilungsverfahren miteingebunden, die diesem Verfahren eigentlich sehr fern stehen. Die einzige Verbindung besteht unter Umständen darin, dass sie vor vielen Jahren einen Gegenstand von einem Erwerber eines Erwerbers erworben haben und der Gegenstand zu einer später nach Insolvenz, Tod oder Scheidung geschützten Vermögensmasse gehört. Für den Anspruchsgegner ist diese später entstehende Zuständigkeit in dem Zeitpunkt, in dem der angegriffene Erwerb stattfindet, praktisch überhaupt nicht vorhersehbar. 81 Ihn hier mit den Nachteilen eines Prozesses im Ausland zu belasten, ist eine rechtspolitisch fragwürdige Entscheidung. Jeder unentgeltliche Erwerber muss so damit rechnen, auch noch viele Jahre nach dem Erwerb an einem für ihn nicht vorhersehbaren Ort auf Rückgabe des Geschenks verklagt zu werden. Im Insolvenzrecht ist die Rechtslage mit der Einführung des neuen Art.  6 EuInsVO für die nächste Zeit festgeschrieben, in den anderen Rechtsgebieten kann de lege lata, ansonsten aber auch de lege ferenda darüber nachgedacht werden, ob nicht doch actor s­equitur forum rei für die besondere Konstellation der Rückholansprüche die sachgerechtere Lösung wäre. Der Blick müsste dann stärker auf den Anfechtungsgegner und dessen Rechtsbeziehung zum Schuldner bzw. auf die nicht vorhandene Rechtsbeziehung zwischen den beiden Parteien des Rückholverfahrens gelegt werden. Hierdurch würden auch die nachfolgenden Probleme vermieden, die entstehen, wenn parallele Ansprüche unterschiedlichen Anknüpfungen folgen. Beispiel: Während eines in Deutschland anhängigen Scheidungsverfahrens verstirbt der Ehemann M mit letztem gewöhnlichen Aufenthaltsort in Frankreich. Im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren hatte die zugewinnausgleichsberechtigte, in Deutschland ansässige Ehefrau F gegen G, die von M großzügig beschenkt worden war, als Verbundsache ein Verfahren nach §  1390 BGB angestrengt. Dieses Verfahren wird sie trotz §  131 FamFG nach herrschender Ansicht auch nach dem Tode des Ehemannes fortführen können, wenn sie sich gemäß §  1371 Abs.  2 BGB für die güterrechtliche Auflösung der Zugewinngemeinschaft entscheidet.82 Zwar endet mit dem Tod des M das Scheidungsverfahren, verbundene Folgesachen können aber fortgeführt werden, wenn sie, wie der Zugewinnausgleichsanspruch, unabhängig vom Ausspruch einer Scheidung Bestand haben. Eine weitere Klage gegen G in Form einer action en réduction können nunmehr aber auch die Kinder des M erheben mit der Behauptung, M habe durch die Schenkung an G seine quotité disponible überschritten. Ausschließlich zuständig für diese Klage sind die französischen Gerichte am letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort des M (Art.  4 EuErbVO). Hatte M in Belgien gearbeitet und war dort noch vor seinem Tode ein Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden, könnte auch der Insolvenzverwalter I die G über die Regelungen zur Insolvenzanfechtung in Anspruch nehmen und zwar in Belgien als dem Ort, in dem das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wurde (Art.  6 EuInsVO). Durch den Tod des M würde das gegen G gerichtete Insolvenzanfechtungsverfahren auch nicht beendet, sondern könnte vom Insolvenzverwalter im Rahmen 81 

Siehe S. 402 ff. NJW 1987, 1764; MüKoZPO/Hilbig-Lugani §  131 ZPO Rn.  11; BeckOK-FamFG/Nickel §  131 FamFG Rn.  12 f. 82 BGH

L. Grenzüberschreitende Sachverhalte

457

des Nachlassinsolvenzverfahrens83 weitergeführt werden. G muss ihren unentgeltlichen Erwerb folglich in drei parallelen Verfahren mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen in drei Ländern verteidigen. Da zudem unklar ist, inwieweit die Verfahren wechselseitig aufeinander Rücksicht nehmen – schließlich handelt es sich ja auch um drei unterschiedliche Berechtigte – besteht die Gefahr, dass G wegen der gleichen Schenkung gleich dreifach in Anspruch genommen wird und das Erlangte dreimal zurückzahlen muss.

Die fehlende Abstimmung der Rückholregime wird auch an diesem Beispiel wiederum sehr deutlich. De lege ferenda empfiehlt es sich daher, die jeweiligen Verordnungen dahin zu ergänzen, dass für Rückholansprüche das Prinzip actor sequitur forum rei erhalten bleibt. II. Anwendbares Recht 1. Vollstreckungsrecht Die EuInsVO enthält in Art.  16 (früher: Art.  13 EuInsVO a. F.) eine besondere Regelung für das anwendbare Recht. Zwar gilt gem. Art.  7 Abs.  2 lit.  m) EuInsVO auch im Anfechtungsverfahren grds. die lex fori concursus; Art.  16 EuInsVO ermöglicht dem Anfechtungsgegner jedoch, sich auf das für die angefochtene Handlung selbst geltende Recht zu berufen, wenn nach diesem eine Anfechtung nicht möglich ist. Rechtsbehelfe der Gläubiger, die außerhalb eines Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden können (§§  3, 4 AnfG, sec.  423 IA, action paulienne) unterliegen mangels Einschlägigkeit der Rom I-VO oder der Rom II-VO dem autonomen nationalen Kollisionsrecht. In Deutschland wird über §  19 AnfG die lex causae des angegriffenen Rechtsgeschäfts berufen, während England dem Gleichlaufprinzip folgt. Im französischen Recht ist die Anknüpfung der action paulienne umstritten. Die wohl herrschende Ansicht geht von einer kumulativen Anwendung sowohl des für die anfechtbare Handlung als auch des für den Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner maßgeblichen Rechts aus. 84 Alle untersuchten Rechtsordnungen ermöglichen es, dass der Insolvenzverwalter einen Anfechtungsprozess, den noch ein Gläubiger eingeleitet hatte, nach Insolvenzeröffnung fortführen kann (vgl. auch §§  16 ff. AnfG). Die materiellen Anfechtungsvoraussetzungen sind in Deutschland im AnfG und in der InsO bewußt gleich ausgestaltet worden. Ändert sich allerdings durch die Übernahme des Verfahrens durch den Insolvenzverwalter das anwendbare Recht, dann sind bisher erzielte Prozessergebnisse hinfällig und das Verfahren muss praktisch wieder von vorn beginnen.

83 MüKoInsO/Siegmann 84 

Siehe S. 401 ff.

Vor §§  315 bis 331 InsO Rn.  3 mwN.

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Kapitel VIII:  Auswertung

Beispiel: Gläubiger G hat vergeblich versucht, in das Vermögen des Schuldners S zu vollstrecken, und deshalb in Deutschland einen Anfechtungsprozess eingeleitet. Gegenstand des Anfechtungsprozesses ist die Schenkung eines in Frankreich belegenen Grundstückes von S an D. Als über das Vermögen des S in Deutschland ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, möchte der Insolvenzverwalter I den Anfechtungsprozess gem. §§  16 Abs.  1, 17 Abs.  1 S.  2 AnfG fortsetzen.

Für das bisherige Verfahren des Gläubigers war gem. §  19 AnfG die lex causae der angefochtenen Schenkung maßgeblich, hier also gem. Art.  4 Abs.  1 lit.  c) Rom I-VO französisches Recht. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens findet nun aber die EuInsVO Anwendung, die auch für Anfechtungsprozesse grds. die lex fori concursus beruft. Soweit der Anfechtungsgegner die für Art.  16 EuInsVO erforderlichen Nachweise nicht erbringt, bleiben Beweisaufnahmen und Ergebnisse, die noch auf der Anwendung französischen Rechts beruhen, für den neuen Prozess unverwertbar und werden hinfällig, da nunmehr deutsches Recht anwendbar ist. 2. Erb- und Familienrecht In der EuErbVO wurde trotz ausführlicher Diskussion auf eine besondere kollisionsrechtliche Anknüpfung für Rückholansprüche verzichtet. Sie unterliegen daher dem allgemeinen Erbstatut (Art.  21 EuErbVO). Im ehelichen Güterrecht sieht zwar Art.  28 EuGüVO vor, dass ein Ehegatte das für den ehelichen Güterstand maßgebliche Recht Dritten nur entgegenhalten darf, wenn der Dritte Kenntnis von diesem Recht hatte oder bei gebührender Sorgfalt hätte haben müssen. Ob diese Vorschrift allerdings auch Rückholsituationen erfassen soll, erscheint zweifelhaft. Zudem wird die Kenntnis des Dritten in Art.  28 Abs.  2 EuGüVO sehr weitgehend vermutet. Die Kenntnis des maßgebenden Rechts wird bereits dann angenommen, wenn das für den ehelichen Güterstand maßgebliche Recht auch für das streitige Rechtsgeschäft gilt oder es sich bei diesem Recht um das Recht des Staates handelt, in dem die Streitparteien beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder in dem – bei einem Streit um unbewegliche Vermögensgegenstände – diese Gegenstände belegen sind. Die Kenntnis des maßgeblichen Rechts wird dem Dritten ferner unterstellt, wenn die Publizitäts- oder Registrierungsanforderungen eines dieser Rechte eingehalten wurden. Beim Kennenmüssen handelt es sich folglich um eine Fiktion, die allerdings noch nicht mit der Kenntnis des Dritten von den materiellrechtlich erforderlichen Tatsachen, etwa der Benachteiligungsabsicht des ausgleichspflichtigen Ehegatten, gleichzusetzen ist. Gleichwohl vermindert die unterstellte Kenntnis des anwendbaren Rechts die Position des Anspruchsgegners. Auch wenn man Art.  28 EuGüVO bei Rückholansprüchen anwenden würde, bliebe sein Schutz damit unvollständig.

L. Grenzüberschreitende Sachverhalte

459

3. Eine einheitliche Lösung? Eine einheitliche kollisionsrechtliche Anknüpfung für alle Rückholansprüche scheint de lege ferenda möglich und sinnvoll. Besonders deutlich treten Frik­ tionen bei der oft parallel oder hintereinander erfolgenden Anfechtung innerhalb und außerhalb eines Insolvenzverfahrens hervor; aber auch hinsichtlich der familien- und erbrechtlichen Rückholansprüche ist eine unterschiedliche Behandlung nicht sachgerecht. So leuchtet nicht ein, weshalb eine Art.  16 EuInsVO entsprechende Regelung in der EuGüVO und in der EuErbVO fehlt. Gerade in einem internationalen Kontext ist die Schutzbedürftigkeit des Anspruchsgegners besonders groß. Hängt die kollisionsrechtliche Anknüpfung von Tatsachen ab, die erst nach dem angefochtenen Rechtsgeschäft in der Person des Schuldners eintreten (Aufenthalt bei Tod, Scheidung, Insolvenz), ist es für den Anspruchsgegner praktisch unmöglich, das Recht, das später für die Rückholansprüche maßgeblich sein wird, vorherzubestimmen. Hierbei macht es auch keinen Unterschied, ob er sich später insolvenz-, zwangsvollstreckungs-, erb- oder familienrechtlichen Ansprüchen ausgesetzt sieht. Erklärt man zum Schutze des Anspruchsgegners die lex causae des angegriffenen Rechtsgeschäfts für maßgeblich, besteht allerdings die Gefahr, dass kollusiv zum Nachteil des Berechtigten zusammenarbeitende Parteien etwa eine Rechtswahl nach Art.  3 Rom I-VO dazu nutzen, ein besonders anfechtungsfeindliches Recht zur Geltung zu bringen. Auch diese Gefahr ist bei allen Rückholansprüchen in gleicher Weise gegeben. Inwieweit sich entsprechende Vereinbarungen und Manipulationsversuche auch in der Praxis nachweisen lassen, ist zweifelhaft. 85 Dass Parteien, die ein Rechtsgeschäft allein aus dem Grunde abschließen, Vermögenswerte dem Zugriff eines Dritten zu entziehen, sich hierfür auch zusätzlich einer Rechtswahlvereinbarung bedienen könnten, erscheint immerhin denkbar. Allerdings müssten die Parteien, um sich diesen Umstand zunutze machen zu können, über den Umfang möglicher Rückholansprüche in verschiedenen Rechtsordnungen genau informiert sein, was wohl nur selten der Fall sein dürfte. Gleichwohl scheint es sich nicht nur um ein rein akademisches Scheinproblem zu handeln. Ein von Sautonie-Laguionie zur französischen action paulienne vertretener Ansatz sieht daher vor, grds. auf die Beziehung Gläubiger–Schuldner abzustellen und eine kumulative Anwendung des für die anfechtbare Handlung geltenden Rechts nur bei Gutgläubigkeit des Anfechtungsgegners zuzulassen. 86 Obwohl dieser Ansatz unter Wertungsgesichtspunkten durchaus einleuchtet, ist er aufgrund von Praktikabilitätserwägungen abzulehnen. Zunächst müsste nämlich geklärt werden, welches Recht nach welchen Grundsätzen und eventuell Vermutungsregeln darüber bestimmt, ob der Anfechtungsgegner gut- bzw. 85 Vgl. 86 

Pfeiffer in: Hess/Oberhammer/Pfeiffer (Hrsg.), European Insolvency Law, Rn.  841. Pretelli, La protection du droit de gage général en droit international privé, Rn.  42 f.

460

Kapitel VIII:  Auswertung

bösgläubig ist. Der Streit über das anwendbare Recht würde dadurch zudem bereits erheblich mit Wertungen des materiellen Rechts aufgeladen und würde in vielen Fällen eine komplizierte Beweiserhebung erforderlich machen, bevor überhaupt zur materiellen Rechtslage vorgetragen werden könnte. Ergibt sich etwa erst in zweiter oder dritter Instanz, dass der Anspruchsgegner doch gutgläubig war, muss unter Umständen der ganze Prozess noch einmal von vorne beginnen. Ein anderer Ansatz könnte darin bestehen, zwar grds. die lex causae des angegriffenen Geschäfts für maßgeblich zu halten, dabei aber eine eventuell von den Parteien getroffene Rechtswahl nicht zu berücksichtigen. In den objektiven Anknüpfungen bspw. des Art.  4 Rom I-VO kommt das Prinzip der engsten Verbindung zum Ausdruck. Weichen die Vertragsparteien von diesem Prinzip durch eine Rechtswahl ab, so mag das für ihre internen Verhältnisse im Vertragsrecht unproblematisch sein; Rückholrechte Dritter sollten hierdurch aber nicht berührt, geschweige denn ausgeschlossen werden können. Dieser Gedanke ist bereits in Art.  3 Abs.  2 S.  2 Rom I-VO angelegt, auch wenn diese Vorschrift den Drittschutz nur für nachträgliche Änderungen vorsieht. Das für alle Rückholansprüche maßgebliche Recht sollte demnach die rein objektiv zu bestimmende lex causae des konkret angefochtenen Geschäfts sein. Um zu vermeiden, dass das Verpflichtungs- und das Verfügungsgeschäft unterschiedlichen Rechten unterworfen werden, sollte, wie Ulrich Huber vorgeschlagen hat, 87 die Anknüpfung des Verpflichtungsgeschäfts grds. auch für das Verfügungsgeschäft maßgeblich sein. Gegen eine kumulative Anknüpfung, wie sie etwa Art.  16 EuInsVO vorsieht, spricht zum einen, dass sie die Rechtsanwendung in einem ohnehin komplexen Themengebiet noch weiter kompliziert. Sie führt zu Anpassungsproblemen und durch die Kumulation unterschiedlicher Voraussetzungen zweier Rechtsordnungen im Ergebnis zu sehr hohen Hürden für die Anfechtung. Die Gewichte werden dadurch (zu) einseitig zu Lasten des Anspruchstellers verschoben. Die bei Art.  16 EuInsVO notwendigen Vorgaben zur Beweislastverteilung greifen zudem tief in das Prozessrecht des jeweiligen Mitgliedstaats ein und führen zu zahlreichen Folgeproblemen. 88 III. Ordre public Ein fehlendes oder abweichendes Pflichtteilsrecht kann nach herrschender Meinung in engen Grenzen einen Ordre-public-Verstoß begründen. 89 Daraus folgt, dass auch das Rückholregime, das den Pflichtteilsanspruch absichert, unter 87 

Siehe S. 398 ff. R. Magnus LMK 2015, 373972. 89  Siehe S. 353 f. 88 Vgl.

Zusammenfassung zu Kapitel VIII

461

Umständen einen Ordre-public-Gehalt erlangen kann. Allerdings muss es sich hierbei um gravierende Abweichungen handeln, da nicht sämtliche Voraussetzungen eines Rückholanspruchs gleich einen Ordre-public-Charakter erhalten. Am ehesten in Betracht kommt ein Ordre-public-Verstoß bei stark abweichenden Rückwirkungszeiträumen. Die Rechte des Beschenkten und des Vertragserben bieten hingegen keinen hinreichenden Anhaltspunkt für einen Ordre-public-Verstoß.90 Gleiches muss auch für das Vollstreckungsrecht und das Ehegüterrecht gelten. Zwar sind auch in diesen Rechtsgebieten durchaus gewichtige öffentliche Interessen berührt.91 Sie verpflichten den Gesetzgeber aber nicht zu einer bestimmten Lösung, sondern lassen ihm, etwa hinsichtlich der Modalitäten des Zugewinnausgleichsanspruchs oder der Gläubigeranfechtung, einen relativ weiten Gestaltungsspielraum.

Zusammenfassung zu Kapitel VIII Als rechtspolitische Tendenz ist deutlich zu erkennen, dass das englische Recht der Vertrags- und Verfügungsfreiheit des Eigentümers den höchsten Stellenwert einräumt und daher bemüht ist, die Rückholansprüche durch hohe subjektive Voraussetzungen und eine nur begrenzte Fernwirkung auch in personeller Hinsicht soweit wie möglich einzuschränken. Die Rechtssicherheit und das Vertrauen des Rechtsverkehrs auf die Stabilität vollzogener Rechtsgeschäfte werden hier sehr ernst genommen, was auch mit den Besonderheiten des Trust-­ Wesens und der großen Bedeutung von Spenden an Wohltätigkeitseinrichtungen in England zu tun haben mag. Gleichzeitig zeichnet sich das englische Recht auch durch seine hohe Flexibilität und ein weites gerichtliches Ermessen aus, was ein typisches Markenzeichen des Common Law ist, dem Bestreben nach mehr Rechtssicherheit aber gerade entgegenläuft. Das andere Extrem bildet die französische Rechtsordnung. Hier entfalten die Rückholansprüche nach wie vor eine ungeheure Kraft und sind insbesondere in zeitlicher Hinsicht, aber auch im Hinblick auf die Fernwirkung äußerst großzügig ausgestaltet. Im Erbrecht erklärt sich dieser Umstand durch die Idee, dass die heutige Genera­tion einen Großteil ihres Vermögens nur für die ihr nachfolgenden Generationen aufbewahrt und daher in ihrer Verfügungsfreiheit sehr stark eingeschränkt ist. Ihr bleibt allein eine oft sehr magere quotité disponible. Diese über das Erbrecht zu verwirklichenden Grundsätze des Vermögensrechts gehen zudem den Interessen des Rechtsverkehrs an der Stabilität vollzogener Rechtsgeschäfte grds. vor und setzen sich im Regelfalle durch. Da sie abstrakte,

90  91 

Siehe S. 354 f. Siehe S. 25 ff.

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Kapitel VIII:  Auswertung

vom Einzelfall gelöste Interessen verfolgen, erscheinen die französischen Lösungen zudem oft sehr starr und unflexibel. Die deutsche Rechtslage ist zwischen diesen beiden Polen anzusiedeln, wobei jedoch wohl insgesamt größere Ähnlichkeiten zum französischen Recht festzustellen sind.

Kapitel IX

Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines allgemeinen Rückholanspruchs A. Sinn und Zweck von Rückholansprüchen Rückholansprüche finden sich in den verglichenen Rechtsordnungen übereinstimmend dort, wo eine Vermögensmasse im Interesse bestimmter Berechtigter zusammengehalten werden soll, die Unwirksamkeit von Verfügungen über dieses Vermögen wegen der Ungewissheit der künftigen Entwicklung aber eine unverhältnismäßige Sanktion wäre. Stattdessen darf der Berechtigte, wenn sich seine Berechtigung konkretisiert, den an sich wirksam ausgegliederten Gegenstand zur Vermögensmasse zurückholen, um seine Berechtigung nicht leerlaufen zu lassen. Der Zweck der Rückholansprüche besteht damit darin, die Erwerbsaussicht des Berechtigten dagegen zu sichern, dass sie durch Verfügungen praktisch entwertet wird, die im Vorfeld stattfinden, bevor sich die Erwerbsaussicht tatsächlich materialisiert. Überraschend einheitlich bewerten die verglichenen Rechte die Fälle, in denen eine Erwerbsaussicht auf Teilhabe an einem Vermögen den Schutz durch einen Rückholanspruch verdient. Dieser Schutz soll nur dem Ehegatten zukommen, der Aussicht auf Beteiligung am Vermögen des anderen Gatten hat, ferner den Pflichtteilsberechtigten oder Vertragserben und den Insolvenz- oder Vollstreckungsgläubigern. Nur bei diesen Personen sieht man die Erwerbsaussicht als so hinreichend verdichtet und begründet an, dass sie den Rückholanspruch rechtfertigt. Lediglich das englische Recht billigt denselben Schutz auch Unterhaltsberechtigten zu, wenn der Verpflichtete sein Vermögen zu ihren Lasten durch Zuwendungen an Dritte verkürzt.

B. Allgemeines Die Rückholkonstellation ist stets durch folgende faktische Situation gekennzeichnet, die sie von allen anderen Anspruchssituationen unterscheidet: Ein Rechtsinhaber verfügt wirksam zugunsten eines Dritten über Teile oder die Gesamtheit seines Vermögens. Aus Rechtsgründen hat jedoch ein anderer, der mit dem Rechtsinhaber als Vertragserbe, Pflichtteilsberechtigter, Ehegatte oder vollstreckungsberechtigter Gläubiger – und wie zu fordern ist, auch als Unterhaltsberechtigter – in einer Rechtsbeziehung steht, die legitime Erwartung, an

464

Kapitel IX:  Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines allg. Rückholanspruchs

dem Vermögen teilzuhaben. Der Rückholanspruch erlaubt dem berechtigten Vertragserben etc., von dem Dritten, mit dem ihn keinerlei Rechtsbeziehung verbindet, den verfügten Gegenstand (u. U. nur seinen Wert) wieder zurückzuholen und in das verminderte Vermögen einzugliedern. Bei einer Abwägung der Interessen der Beteiligten dieser Dreieckssituation ergibt sich: Auf der einen Seite stehen die Interessen des verfügenden Eigentümers, mit seinem Eigentum nach Belieben zu verfahren. Sie werden zusätzlich unterstützt durch die Interessen des Verfügungsempfängers, das wirksam Erworbene behalten zu dürfen. Ihnen gegenüber steht das Erwerbsinteresse des jeweils Berechtigten auf Teilhabe an einem bestimmten Vermögen. Zu diesen Interessen der Beteiligten hinzu kommen Interessen der Allgemeinheit, die sich auf Erwägungen der Rechtssicherheit und des Verkehrsschutzes stützen. Ursprünglich unangreifbare Verfügungen des Eigentümers werden im Rahmen eines Rückholanspruchs rückabgewickelt, das Vertrauen des Rechtsverkehrs in ihren Bestand wird schwer erschüttert. Diese Erschütterung ist auch deshalb so gravierend, weil im Zeitpunkt, in dem das Rechtsgeschäft vorgenommen wird, der Eintritt des zum Rückholanspruch führenden Ereignisses oft noch gar nicht vorhersehbar ist. Andererseits besteht ein gegenläufiges Interesse der Allgemeinheit auch daran, dass Vermögensmassen nicht verkürzt werden, die der Befriedigung Berechtigter dienen sollen, die sonst unter Umständen der Allgemeinheit zur Last fallen können. Weiter kommt hinzu, dass nach der gegenwärtigen Rechtslage – nicht nur in Deutschland – die Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines Rückholanspruchs in den verschiedenen Rechtsgebieten höchst unterschiedlich geregelt sind, die Anspruchsgrundlagen in Konkurrenz zueinander treten können und dann, ganz besonders in internationalen Fällen, zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen. Auch sind nicht hinzunehmende Wertungswidersprüche zu verzeichnen. Rechtsunsicherheit besteht aber auch insoweit, als Rückholansprüche derzeit in vielen Situationen noch sehr lange nach der angegriffenen Verfügung geltend gemacht werden können und damit die Rechtsbeständigkeit der Verfügung in Frage stellen. Die genannte Rechtszersplitterung verwundert auch deshalb, weil die durch einen Rückholanspruch beeinträchtigten Interessen des Eigentümers und des Zu­ wendungsempfängers grds. in allen Rechtsgebieten gleich sind. Diese Interessen wen­ richten sich auf den Erhalt der angegriffenen Verfügung. Für den Zu­ dungsempfänger spielt es keine Rolle, ob die Rückabwicklung des Rechts­geschäfts recht­ lichen aufgrund eines familienrechtlichen Rückholanspruchs, eines erb­ Rück­holanspruchs oder aufgrund einer insolvenz- oder vollstreckungsrecht­ lichen Anfechtung erfolgt. Gleiches gilt für das Interesse des Erblassers/Schuldners/Ehegatten an dem Bestand der von ihm getroffenen Verfügungen. Die eine Waagschale ist – bildlich gesprochen – folglich für die untersuchten Gebiete immer mit dem gleichen Gewicht beladen. Auch innerhalb der anderen Waagschale

C. Vorteile einer einheitlichen Lösung

465

erscheinen die Unterschiede zwischen den Rechtsgebieten nicht als signifikant.1 Zwar ist das Erwerbsinteresse des Berechtigten im Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht – anders als das Interesse des ausgleichsberechtigten Ehegatten, des Pflichtteilsberechtigten oder des Vertragserben – bereits auf einen genau feststehenden Betrag und Inhalt konkretisiert, was für einen weiterreichenden Schutz sprechen könnte. Andererseits wird aber auch hier die Verknüpfung mit dem konkret streitigen Vermögens­gegenstand erst durch das Hinzutreten eines künftigen Ereignisses (erfolglose Vollstreckungsversuche, Insolvenz­eröffnung) hergestellt. Erst innerhalb des Verfahrens klären sich ferner die genaue Höhe und Wertigkeit des Anspruchs (Insolvenzquote, Vollstreckungserfolg). Die Interessen der Allgemeinheit, insbesondere an Rechtssicherheit, drängen ebenfalls nicht zu einer Differenzierung zwischen den einzelnen Sachbereichen, in denen Rückholansprüche anerkannt sind. Denn die Rechtsbeständigkeit an sich gültiger Verfügungen ist in all diesen Bereichen in gleicher Weise berührt. Schließlich verlangen auch nicht etwa besondere insolvenz- oder vollstreckungsrechtliche Verfahrensinteres­sen eine Ungleichbehandlung der hier gegebenen Rückholan­ sprüche gegenüber jenen im Familien- und Erbrecht. Einzige verfahrensrechtliche Besonderheit ist es, dass der Insolvenzverwalter den Anspruch für die berechtigten Gläubiger geltend macht, um die par conditio creditorum zu wahren. Dieser Unterschied berührt aber nicht die Substanz des Rückholanspruchs. Raum für eine stärkere Angleichung der verschiedenen Ansätze in den einzelnen Rechtsgebieten, die Rückholansprüche kennen, sollte daher durchaus bestehen.

C. Vorteile einer einheitlichen Lösung Ein erheblicher Teil der Rechtsunsicherheit resultiert aus dem unkoordinierten Nebeneinander verschiedener Rückholsysteme. Verschenkt bspw. der Ehemann sein gesamtes Vermögen an seine neue Lebensgefährtin, lässt sich anschließend scheiden und verstirbt kurz darauf unter Hinterlassung eines überschuldeten Nachlasses, kommen Rückholansprüche aus erbrechtlicher, familienrechtlicher und insolvenzrechtlicher Perspektive in Betracht. Diese Ansprüche einander anzugleichen und interessengerecht abzustimmen, ist daher dringend anzustreben. Im Folgenden wird deshalb ein einheitliches Konzept für das Institut des Rückholanspruchs im deutschen Recht entwickelt. Die zentrale Annahme meiner Untersuchung ist dabei eine weitgehende Identität der Interessen der Beteiligten in den jeweils durch die Rückholansprüche erfassten Sachverhalten. Für den Beschenkten spielt es jedenfalls keine Rolle, aufgrund welcher, konkreten späteren Entwicklungen er nun verpflichtet ist, den erlangten Vermögensgegenstand wieder zurückzugeben. Gleiches gilt für den verfügungsberechtigten Eigentümer. Im Zeitpunkt der Verfügung kann er 1 

Siehe oben S. 35 ff., 39 ff.

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Kapitel IX:  Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines allg. Rückholanspruchs

die künftigen Entwicklungen, die zur Entstehung der Rückholansprüche führen werden, oft weder vorausahnen noch verhindern. Er hat allein ein Interesse daran, dass die von ihm getätigten Rechtsgeschäfte auch später wirksam bleiben. Dieses Interesse ist in allen erfassten Sachverhalten gleich. Einzig auf Seiten des Berechtigten sind in den faktischen Situationen gewisse Unterschiede und damit notwendige rechtliche Differenzierungen denkbar. Innerhalb eines allgemeinen Rückholanspruchs kann gleichwohl noch genügend Raum für ggfs. wünschenswerte Differenzierungen bestehen. Die Vorteile einer Angleichung liegen unmittelbar auf der Hand. Aufgrund seiner teilweise zeitlich unbegrenzten Rückwirkung stellt der Rückholanspruch eine erhebliche Gefahr für die Rechtssicherheit und die Beständigkeit einer Vielzahl von Rechtsgeschäften dar. Je unübersichtlicher die Rechtslage in Bezug auf die verschiedenen Rückholansprüche ist, desto größer ist auch die Rechtsunsicherheit. Besonders im Fokus der Rückholansprüche stehen unentgeltliche Zuwendungen. Typische Empfänger solcher Zuwendungen sind gemeinnützige Organisationen. Sie können nach dem gegenwärtigen Stand des deutschen Rechts – aber auch in England und Frankreich – praktisch nie sicher sein, dass sie Spenden, die ihnen unentgeltlich zugewendet wurden, auch endgültig behalten dürfen. Außerdem besteht bei einer Rechtszersplitterung immer die Gefahr widersprüchlicher oder auch nicht interessengerechter Ergebnisse. Ferner ist es ein elementares Gerechtigkeitsgebot, gleichliegende Sachlagen auch gleich zu behandeln. Zwar berühren die Rückholansprüche des Vertragserben, eines Pflichtteilsberechtigten, eines ausgleichberechtigten Ehegatten oder von Gläubigern in der Vollstreckung ganz unterschiedliche Rechtsgebiete. Das zugrundeliegende Regelungsproblem ist aber in all diesen Gebieten im Kern identisch und bedarf schon wegen der möglichen Konkurrenzen der Ansprüche einer Lösung, die möglichst einheitlich ist.

D. Bausteine eines allgemeinen Rückholanspruchs Ein allgemeiner Rückholtatbestand hat sich an den folgenden Grenzlinien zu orientieren. I. Schutz des gutgläubigen entgeltlichen Empfängers (equity’s darling) Um einen Dritten in einen Rechtstreit hineinziehen zu können, zu dem er bis auf die ihm zugewendeten Gegenstände keinerlei Beziehung aufweist, ist eine besondere Rechtfertigung notwendig. Im Unterschied zu einem Streit über Eigentumsrechte ist hier festzustellen, dass dem Empfänger vollumfänglich wirksam das Eigentumsrecht vom berechtigten Eigentümer übertragen wurde. Der Verkehrsschutz und die Rechtssicherheit, die in besonderem Maße betroffen sind, wenn das Innenverhältnis der streitenden Parteien (Berechtigter – Schuld-

D. Bausteine eines allgemeinen Rückholanspruchs

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ner/Erblasser/Ehegatte) verlassen und ein grds. außenstehender Dritter einbezogen werden soll, weichen nur in Ausnahmefällen. Den untersuchten Rechtsordnungen sind dabei insbesondere zwei Ausnahmefälle zu entnehmen: der unentgeltliche Erwerb und der bösgläubige Erwerb. Daraus folgt insbesondere auch, dass ein (voll)entgeltlicher, gutgläubiger Erwerber – in England auch als equity’s darling bezeichnet 2 – grds. immer zu schützen ist. II. Inanspruchnahme des bösgläubigen Erwerbers Andersherum lässt sich folgern, dass ein bösgläubiger Erwerber grds. keinen Schutz verdient. Wer kollusiv mit dem Schuldner/Erblasser/Ehegatten zum teil des Berechtigten zusammenwirkt, kann – entsprechend der alten Nach­ Rechts­parömie fraus omnia corrumpit – nicht darauf vertrauen, die solchermaßen erlangten Gegenstände auch endgültig behalten zu dürfen. Fraglich ist dabei aber, welche Kenntnisse der Erwerber genau besitzen muss und wie ihm diese nachgewiesen werden können. Im Vollstreckungsrecht muss dem Erwerber grds. die Zahlungsunfähigkeit des Rechtsinhabers und die Benachteiligung der Gläubiger durch das vorgenommene Geschäft bekannt sein. Im Erbrecht müsste wohl zumindest die Kenntnis vom Erbvertrag oder den bestehenden Pflichtteilsrechten vorausgesetzt und im Familienrecht die Kenntnis des Güterstandes und der drohenden Scheidung verlangt werden. Zudem ist erforderlich, dass dem Erwerber bekannt war, dass durch die später angegriffene Handlung die verfügbare Vermögensmasse so weit reduziert wird, dass Rechte Dritter (Vertragserbe, Pflichtteilsberechtigte, Ehegatte, Gläubiger) beeinträchtigt werden. Da es sich bei der Bösgläubigkeit um eine innere Tatsache handelt, auf die von äußeren Umständen her geschlossen werden muss, sollte grds. neben der sicheren Kenntnis auch ein Kennenmüssen im Sinne einer grob fahrlässigen Unkenntnis ausreichen. Weiter kann es notwendig sein, den Berechtigten beim Nachweis der Bösgläubigkeit des Empfängers durch gesetzliche Vermutungen zu unterstützen. Diese Vermutungen können einerseits an eine persönliche Nähebeziehung zwischen dem Schuldner/Erblasser/Ehegatten und dem Zuwendungsempfänger (nahestehende Person), an einen direkten Erwerb vom Schuldner oder aber auch an eine zeitliche Nähe zwischen der vorgenommenen Handlung und dem Ereignis (Tod, Scheidung, Insolvenz) anknüpfen, das Grundlage der Klage des Berechtigten ist. Insbesondere nahe liegt es, die Vermutung einer Beeinträchtigungsabsicht bei Rechtsgeschäften mit nahestehenden Personen im deutschen Recht auch auf Rechtsgeschäfte im Vorfeld einer Scheidung zu erstrecken.3 2  3 

Sugar/Bojarski, Unlocking matrimonial assets on divorce, S.  168. Siehe S. 416 ff.

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Kapitel IX:  Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines allg. Rückholanspruchs

Unabhängig vom Eingreifen einer (gesetzlichen) Vermutung können aber zumindest Indizien identifiziert werden, die für bzw. gegen eine Benachteiligungs­ absicht sprechen.4 Für das Vorliegen einer Benachteiligungsabsicht sprechen wiederum die enge persönliche Beziehung zwischen Schuldner und Zuwendungsempfänger, die Zurückbehaltung der Nutzungsmöglichkeit an dem übertragenen Vermögensgegenstand, eine zeitliche Nähe zwischen der Vermögensübertragung und dem Anlass der Rückholklage (Tod, Scheidung, Vermögensinsuffizienz), sowie eine Verfügung über das ganze Vermögen oder den wesentlichen Teil des Vermögens. Gegen eine Benachteiligungsabsicht sprechen ein auch nach der Verfügung noch vorhandenes großes Vermögen, das zur angemessenen Befriedigung erbrachter Gegenleistungen bzw. beim Pflichtteilsrecht zur Befriedigung aller hypothetischen, künftigen Unterhaltsleistungen ausreicht, eine Zuwendung, die nur die Erträgnisse, nicht aber den Vermögensstamm angreift sowie die soziale Üblichkeit der Verfügung, etwa einer Schenkung. III. Inanspruchnahme des unentgeltlichen Erwerbers Ein weiterer Grundstein eines allgemeinen Rückholanspruchs ist die übereinstimmend geteilte Auffassung der untersuchten Rechtsordnungen, dass unentgeltliche Verfügungen über das zusammenzuhaltende Vermögen eher rückabzuwickeln sind als entgeltliche. Hintergrund der leichteren Inanspruchnahme des unentgeltlichen Erwerbers ist die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs: Jemand, der keine eigenen Vermögensopfer für seinen Erwerb erbringt, ist weniger schutzwürdig als ein entgeltlicher Erwerber. Richtigerweise sollte im Rahmen eines Rückholanspruchs eine unentgeltliche Zuwendung genügen und auf die erhöhten Voraussetzungen einer Schenkung – wie sie zum Teil das deutsche Recht fordert – verzichtet werden.5 Auch im deutschen Bereicherungsrecht ermöglicht dieser Grundsatz, das Prinzip des Vorrangs der Leistungskondiktion zu durchbrechen, und erlaubt einen Rückgriff gegen einen dritten unentgeltlichen Erwerber. 6 Trotzdem ist die Unentgeltlichkeit als alleinige Voraussetzung des Rückholanspruchs nicht unproblematisch. Verfügungen des Schuldners/Erblassers/Ehegatten angreifbar und widerrufbar zu machen, durch die er die Erwerbserwartung des Berechtigten bewusst beeinträchtigen will, ist dagegen rechtspolitisch ohne weiteres zu rechtfertigen. Auch der Rückholanspruch gegen den Dritten ist ohne Zweifel sachgerecht, wenn der Dritte ebenfalls die Benachteiligungsabsicht kennt oder grob fahrlässig nicht kennt. 4 

Siehe S. 427 ff. Siehe S. 410 f. 6  Vgl. §§  816 Abs.  1 S.  2 , 822 BGB. 5 

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Anders kann sich die Rechtslage aber darstellen, wenn eine Rückholmöglichkeit im Tatbestand allein an das Vorliegen einer unentgeltlichen Leistung anknüpft. Hier wird eine Abwägung der dem Schuldner verbleibenden Verfügungsfreiheit mit dem Erwerbsinteresse des Berechtigten notwendig. Ergebnis dieser Abwägung kann dann bspw. sein, dass der durch einen Erbvertrag gebundene Erblasser nach dem Verständnis der Vertragsparteien frei bleiben sollte, im bisher praktizierten Umfange auch künftig unentgeltliche Leistungen vorzunehmen, und ihm nur bewusst missbräuchliche Verfügungen in Beeinträchtigungsabsicht untersagt sein sollten. Generell kann auch hier davon ausgegangen werden, dass die Beeinträchtigung der Verfügungsfreiheit dann weniger schwer wiegt, wenn der Schuldner/ Erblasser/Ehegatte bösgläubig war und in Beeinträchtigungsabsicht gehandelt hat. Ob gleichzeitig das Erwerbsinteresse dann besonders hoch ist, wenn der Berechtigte eine konkrete Gegenleistung erbracht hat, ist fraglich. Ein solcher Ansatz würde dazu führen, dass im Insolvenzrecht und Vollstreckungsrecht sowie oft auch beim Erbvertrag sich die Waagschale eher zu Gunsten des Berechtigten neigen würde, während im Pflichtteilsrecht und im Familienrecht das nicht der Fall ist. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass auch im Familienrecht der Zugewinnausgleich in abstrakter Form Gegenleistungen des berechtigten Ehegatten abgelten soll und auch das Pflichtteilsrecht, jedenfalls wenn man zu seiner Begründung auf die Familiengebundenheit des Vermögens abstellt, in gewisser Weise abstrakt im Familienverbund erbrachte Leistungen abgilt. Zu beachten ist ferner, dass die Schutzwürdigkeit des gutgläubigen Erwerbers mit Zeitablauf zunimmt. Je länger der Erwerber auf den Bestand des status quo und seine Nutzungsmöglichkeit im Hinblick auf den geschenkten Gegenstand vertraut, desto schwerer wiegt der Eingriff in die Verkehrsinteressen durch den Rückholanspruch. Ausdruck dieses Gedankens sind auch die Vorschriften über die Ersitzung.7 Erlangt ein gutgläubiger Besitzer einer beweglichen Sache – auch wenn er unentgeltlich in ihren Besitz gelangt ist – nach zehn Jahren Eigentum und wird dadurch vor Rückforderungsansprüchen des Eigentümers geschützt, 8 so muss a maiore ad minus auch ein gutgläubiger Eigentümer spätestens nach zehn Jahren Eigenbesitz vor einem Rückholanspruch geschützt werden. Schließlich bleibt die Erwerbsposition des Rückholberechtigten in Bezug auf die übertragene Sache in ihrer Konkretisierung grds. hinter derjenigen eines Eigentümers zurück.9 7 

Vgl. §  937 ff. BGB. Siehe MüKoBGB/Baldus §  937 BGB Rn.  62 ff. mwN. 9 Andererseits ist auch zu bedenken, dass ein gutgläubiger Erwerber auch bei einem unentgeltlichen Geschäft zwar Eigentum erwirbt und daher vor (dinglichen) Ansprüchen des Eigentümers geschützt ist, er aber gleichwohl im Rahmen eines Rückholanspruchs in Anspruch genommen werden kann. 8 

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Die Schutzwürdigkeit des Dritten beruht hier allerdings darauf, dass er tatsächlich in den Genuss der unentgeltlichen Zuwendung gelangt ist und sie nutzen konnte. Hat der Schuldner die Zuwendung nicht vollzogen oder sich ein Nießbrauchsrecht an dem zugewendeten Gegenstand vorbehalten, fehlt es an einem schutzwürdigen Vertrauen des Empfängers auf die Fortdauer eines bestehenden Zustandes. IV. Zwei getrennte Tatbestandsalternativen Vier unterschiedliche Regelungsmodelle sind für Rückholansprüche denkbar und wurden auch in den untersuchten Rechtsordnungen nachgewiesen: Ein rein objektives Modell, das allein auf den Vermögensabfluss und die Beeinträchtigung des Berechtigten hierdurch abstellt. Ein rein subjektives Modell, das allein eine Beeinträchtigungsabsicht des Schuldners/Erblassers/Ehegatten und eventuell die Kenntnis des Anspruchsgegners hiervon verlangt. Ein gemischtes Modell, das im Tatbestand sowohl die Erfüllung objektiver als auch subjektiver Voraussetzungen voraussetzt, und ein gemischtes Modell, das sowohl die Erfüllung objektiver Voraussetzungen als auch den Nachweis subjektiver Absichten für einen Klageerfolg ausreichen lässt. Das englische Recht zeichnet sich dadurch aus, dass es mit Ausnahme der Insolvenzanfechtung nach sec.  339 IA stets den Nachweis einer Beeinträchtigungsabsicht des Schuldners verlangt und damit bereits auf der Tatbestandsebene eine hohe Hürde aufstellt. Im Familienrecht (Handlung liegt noch nicht länger als 3 Jahre zurück) und bei sec.  11 Inheritance Act (keine werthaltige Gegenleistung) wird dem Kläger zumindest durch widerlegliche Vermutungen geholfen. Das französische Recht begnügt sich hingegen überwiegend mit der Feststellung einer Beeinträchtigung des Berechtigten infolge einer unentgeltlichen Leistung und verlangt nur im Rahmen der action paulienne den Nachweis einer fraude und bei entgeltlichen Leistungen die Kenntnis des Empfängers hiervon. Das deutsche Recht befindet sich in einer Art Mittelstellung, indem es alle genannten Alternativen verwendet, allerdings in jedem Sachgebiet eine andere. Es verlangt bspw. bei §  2287 BGB sowohl die Erfüllung objektiver wie subjektiver Elemente, im Anfechtungs- und Familienrecht hingegen entweder objektive Elemente (Schenkungsanfechtung) oder subjektive Elemente (Vor­ satzanfechtung, Benachteiligungsvorsatz bei §  1390 BGB) und im Pflichtteilsrecht nur objektive Elemente. Wie bereits oben angedeutet, wird hier für ein gemischtes Modell plädiert, das freilich für alle Sachgebiete, die Rückholansprüche kennen, einheitlich ist. Die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs einerseits und die Bösgläubigkeit des Erwerbers andererseits stellen zwei voneinander getrennte Begründungen für die Inanspruchnahme des Erwerbers dar und sollten sich daher auch in zwei getrennten Tatbestandsalternativen widerspiegeln. Ein Rückholanspruch sollte

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deshalb gegeben sein, wenn der Dritte entweder unentgeltlich erworben hat oder wenn er bösgläubig war. V. Die Rückwirkung Von großer Bedeutung für den Rechtsverkehr und die Rechtssicherheit ist die zeitliche Grenze des Rückholanspruchs. Wieweit können in der Vergangenheit liegende Rechtsgeschäfte angegriffen werden? Gibt es überhaupt ein zeitliches Limit und falls ja, wo sollte es liegen? Wann beginnt die Frist zu laufen und ist sie flexibel oder starr? Diese Fragen stellen sich für alle Rückholansprüche in gleicher Weise. Umso erstaunlicher ist es, dass die Regelungen in den untersuchten Rechtsordnungen und Rechtsgebieten doch sehr unterschiedlich sind. Zur Rechtsicherheit trägt dieser Befund jedenfalls nicht bei. Die Rekonstruktion eines Geschehens, das schon viele Jahrzehnte zurückliegt, stößt in einem Prozess oft an Grenzen: Urkunden sind nicht mehr vorhanden, Zeugen sind nicht auffindbar oder können sich nicht mehr erinnern etc. Die zeitliche Höchstgrenze für die Verjährung liegt daher im deutschen Recht bei 30 Jahren.10 Aus Gründen des Rechtsfriedens soll ein status quo, der bereits so lange aufrechterhalten wurde, auch nicht mehr geändert werden. Erwägungen der Rechtssicherheit und des Verkehrsschutzes streiten auch im Rahmen der Rückholansprüche für eine zeitliche Obergrenze für zurückliegende Verfügungen, nach deren Erreichung eine Rückabwicklung zwingend ausscheidet. Auch hier wird die Notwendigkeit einer Koordinierung und Vereinheitlichung besonders deutlich, wenn mehrere Rückholansprüche aus verschiedenen Rechtsgebieten auf den gleichen Sachverhalt Anwendung finden, jedoch unterschiedliche Zeitgrenzen ziehen.11 Für einen einheitlichen Rückholanspruch sollte deshalb auch eine – weitgehend – einheitliche zeitliche Höchstgrenze gelten. Im deutschen Recht bietet es sich an, die für die §  2329 BGB, §  1390, §  3 AnfG/§  133 InsO, §§  528, 529 BGB geltende zehnjährige Höchstfrist auch auf den Anspruch aus §  2287 BGB zu erstrecken und sie damit als allgemeine Höchstfrist zu fixieren. Die kurze vierjährige Verjährung für die Schenkungsanfechtung und die noch kürzeren Fristen für die Anfechtung kongruenter und inkongruenter Deckungen sollten hingegen unberührt bleiben. Diese ansonsten sehr weiten Tatbestände schöpfen ihre besondere Rechtfertigung aus der verdächtigen zeitlichen Nähe der angefochtenen Handlung zur Insolvenzeröffnung bzw. zur Erhebung der Anfechtungsklage. Ohne diese zeitliche Nähe können sie keinen Bestand haben. Die zeitliche Begrenzung der Rückwirkung schützt das Vertrauen des Zuwendungsempfängers in den Fortbestand des status quo und seiner Nutzungs10  11 

Siehe §§  197, 199 BGB. Siehe S. 451 ff.

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möglichkeit in Bezug auf den zugewendeten Gegenstand. Ein Vertrauen auf eine erst künftig eintretende Rechtsänderung oder entstehende Nutzungsmöglichkeit ist vor diesem Hintergrund nicht in gleicher Weise schutzwürdig. Die Ausschlussfrist sollte deshalb erst zu laufen beginnen, wenn der Erwerber durch den Vollzug des angefochtenen Rechtsgeschäfts in den Besitz des veräußerten Gegenstandes gelangt ist und ihm auch eine Nutzungsmöglichkeit eingeräumt wurde. Die ratierliche Abschmelzung nach §  2325 Abs.  3 BGB führt demgegenüber insbesondere bei einer Mehrzahl angreifbarer Zuwendungen an mehrere Beschenkte und bei einer Konkurrenz verschiedener Rückholansprüche zu schwierigen Problemen und sollte deshalb nicht als Modell für einen einheitlichen Rückholanspruch dienen. Es spricht für sich, dass weder das englische noch das französische Recht diese Lösung vorsehen. Stattdessen empfiehlt sich eine klare Fristenregelung nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip, auch wenn das im Einzelfall zu Härten führen mag. Soweit Vermutungen, etwa für die Bösgläubigkeit, gelten sollen, muss die Frist für diese Vermutungen nicht mit der zehnjährigen Höchstfrist identisch sein. Ihre Geltungsdauer sollte vielmehr kürzer bemessen werden, da solche Vermutungen in der Regel ihre Berechtigung auch aus einer engen zeitlichen Verknüpfung mit dem Ereignis ableiten, das den Rückholanspruch auslöst. Nach dem Ablauf der Vermutungsfrist trägt der Anspruchsteller dann die volle Beweislast für die während der Frist vermutete Tatsache. VI. Der Anspruchsgegner Der Rechtsvergleich spricht nachhaltig dafür, dass der Rückholanspruch grds. subsidiär sein und nur in Betracht kommen sollte, wenn das in der geschützten Masse noch vorhandene Vermögen zur Befriedigung der Ansprüche des Berechtigten nicht ausreicht. Bei §  2287 BGB hat der Subsidiaritätsgrundsatz freilich keine Funktion, wenn dem Vertragserben der gesamte Nachlass zustehen soll. Dann genügt der verminderte Nachlass per se nicht zur vollen Anspruchsdeckung. Anders ist das, wenn der Vertragserbe nur einen Bruchteil am Nachlass erhält. Dann sollte ein Rückgriff auf einen außenstehenden Dritten erst zugelassen werden, wenn das dem Erben oder eventuellen Miterben zugedachte Vermögen zur Anspruchsbefriedigung nicht genügt. Der Rückholanspruch entfaltet auch eine Fernwirkung, die wiederum einheitlich für alle Ansprüche gleich ausgestaltet sein sollte. Ein bösgläubiger (Zweit-)Erwerber verdient ebenfalls keinen Schutz und sollte deshalb im Rahmen der Fernwirkung genauso in Anspruch genommen werden können wie ein unentgeltlicher (Zweit-)Erwerber. Die deutsche Rechtslage, die im Familienund Erbrecht, anders als im Vollstreckungsrecht, nur den Rückgriff auf einen unentgeltlichen (Zweit-)Erwerber zulässt, ist insoweit unbefriedigend. Da je-

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doch die Beeinträchtigung von Verkehrsinteressen in dem Maße zunimmt, in dem sich der Erwerber vom anspruchsbegründenden Geschehen (Tod/Scheidung/Insolvenz) entfernt, sollte auch für die Fernwirkung eine strenge Subsidiarität gelten. Ein Zweiterwerber kann demnach nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Wertersatzanspruch12 gegen den Ersterwerber aus Rechtsgründen (Entreicherung) nicht durchsetzbar ist. Die rein faktische Realisierbarkeit des Anspruchs sollte dabei allerdings keine Rolle spielen, da sie als Abgrenzungskriterium zu große Rechtsunsicherheit birgt. Bei mehreren angreifbaren Zuwendungen an verschiedene Adressaten stellt sich die Frage, ob dem Berechtigten die freie Wahl gelassen werden sollte, welche Zuwendung er (zuerst) angreift oder ob er dabei ein Posterioritätsprinzip beachten und stets gegen die zeitlich zuletzt erfolgte Zuwendung zuerst vorgehen muss. Das Posterioritätsprinzip schützt den Zuwendungsempfänger davor, dass seine Rechtsposition durch spätere Schenkungen untergraben wird, und hält denjenigen für schutzwürdiger, der sich bereits länger in einem bestehenden Zustand eingerichtet hat. Es verhindert jedoch andererseits auch anteilige Regressansprüche der Empfänger untereinander und erweist sich dadurch, insbesondere bei zeitlich dicht hintereinander erfolgten Zuwendungen, als zu unflexibel. Die zeitliche Reihenfolge der Zuwendungen als alleiniges Kriterium für die Verteilung des Haftungsrisikos zwischen mehreren Zuwendungsempfängern zu verwenden, erscheint in vielen Fällen als wenig sachgerecht, da sie ganz zufällig sein kann. Ein freies Wahlrecht für den Berechtigten verhindert auch, dass von ihm geführte Prozesse dadurch verloren gehen, dass er von einer zeitlich später erfolgten unentgeltlichen Zuwendung erst verspätet Kenntnis erlangt. Regressansprüche mehrerer Zuwendungsempfänger untereinander sollten über eine entsprechende Anwendung der Regelungen über die Gesamtschuld zugelassen werden. Bei der Haftungsverteilung kann und sollte dann auch berücksichtigt werden, ob ein Empfänger gut- oder bösgläubig war. VII. Die Rechtsfolgen Das weite richterliche Ermessen hinsichtlich der anzuordnenden Rechtsfolgen ist eine englische Besonderheit, die sich nicht ohne weiteres in die kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen übertragen lässt. Der dadurch erzielte Vorteil an Flexibilität für die Berücksichtigung der besonderen Umstände des Ein­ zelfalles geht mit erhöhter Rechtsunsicherheit und oft auch mit fehlender Ko­ härenz der Rechtsprechung einher. Da Rückholansprüche schon ihrer Natur nach – insbesondere bei großen Zeitabständen zwischen Verfügung und An-

12 

Siehe S. 439 f.

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spruchsentstehung – auf erhebliche Unsicherheiten reagieren müssen, sollten für sie möglichst klare und voraussehbare Vorgaben gelten. Der Rückholanspruch soll die Werthaltigkeit der geschützten Vermögensmasse sichern, nicht aber eine bestimmte dingliche Zusammensetzung dieser Masse. Der Schuldner/Erblasser/Ehegatte ist deshalb frei, die Struktur und Zusammensetzung der Masse nach seinem Belieben zu verändern. Erst ein Vermögensabfluss durch eine fehlende oder unzureichende Gegenleistung löst grds. einen Rückholanspruch aus.13 Richtigerweise korrespondiert hiermit eine Pflicht des Zuwendungsempfängers, diesen Vermögensabfluss zu ersetzen, nicht aber zwingend eine Pflicht, durch Rückgabe des erlangten Gegenstandes die ursprüngliche Zusammensetzung der Masse wiederherzustellen. Auch wenn dieses Problem de lege lata in den untersuchten Rechtsordnungen sehr unterschiedlich und wenig konsistent gehandhabt wird,14 sollte ein allgemeiner Rückholanspruch de lege ferenda auf Wertersatz und nicht auf die Herausgabe des erlangten Gegenstandes in natura gerichtet sein. Allerdings sollte es dem Zuwendungsempfänger freigestellt werden, den Anspruch im Sinn einer Ersetzungsbefugnis auch durch Herausgabe des zugewendeten Gegenstandes erfüllen zu können. Für die Bestimmung der Höhe des Wertersatzanspruchs ist der Wert des übertragenen Gegenstandes im Zeitpunkt seiner Übertragung maßgeblich, wobei die Inflation durch eine Indexierung herauszurechnen ist. Anschließende Werterhöhungen beim Zuwendungsempfänger vergrößern den Verlust der geschützten Vermögensmasse nicht mehr. Ob der Erwerber Wertverluste des übertragenen Gegenstandes geltend machen kann, hängt davon ab, ob er bösoder gutgläubig ist. Nur im letzteren Fall sollte eine Berufung auf Entreicherung zulässig sein. Nutzungen sollten dem Anspruchsteller erst ab Anspruchsentstehung und nicht bereits vorher zustehen. VIII. Vorwirkungen Im Hinblick auf die Möglichkeit, bereits vor Anspruchsentstehung präventive Sicherungsmaßnahmen treffen zu können, entsteht nun doch die Notwendigkeit, nach den untersuchten Rechtsgebieten zu differenzieren: Maßnahmen des einstweiligen Rechtschutzes sind im Vorfeld einer Insolvenz, Zwangsvollstreckung oder Scheidung problemlos möglich, während sie im Erbrecht, zumindest im Hinblick auf die Ansprüche von Pflichtteilsberechtigten, ausscheiden. Die Erwerbserwartung ist aufgrund der in der Regel fehlenden Vorhersehbarkeit des genauen Todesdatums im Erbrecht weniger konkret als in den anderen 13  Ausgenommen sind die Fälle, in denen ausnahmsweise auch ein entgeltliches Rechtsgeschäft angefochten werden kann, weil die Gegenleistung bspw. voraussichtlich nicht realisiert werden kann. 14  Siehe S. 444 f.

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Rechtsgebieten. Richtigerweise sollte auch der Vertragserbe noch keine Maßnahmen des einstweiligen Rechtschutzes geltend machen können, da er keinen Anspruch auf eine bestimmte dingliche Zusammensetzung des Nachlasses hat und er diesen daher auch nicht durch einstweilige Anordnungen konservieren kann. Zulässig sein sollte hingegen eine Auskunfts- und Feststellungsklage, wenn und soweit sich der Vertragserbe auf diesem Wege über eventuelle Kündigungsmöglichkeiten im Hinblick auf seine eigene Leistungsverpflichtung Sicherheit verschaffen kann. Ein rein abstrakter Verzicht auf alle Rückholansprüche bereits vor ihrer Entstehung, etwa in einem Ehe- oder Erbvertrag, ist problematisch, weil der Verzichtende künftige Entwicklungen oft nicht richtig abschätzen kann. Strenge Formvorgaben (notarielle Beurkundung) sollten ihn daher vor Übereilung schützen und eine vollinformierte Entscheidung gewährleisten. Auch ist zu beachten, dass eine Haftung für vorsätzliche Beeinträchtigungen nicht im Vornhinein abbedungen werden kann. Ein Rückholanspruch, der eine Beeinträchtigungsabsicht des Schuldners/Erblassers/Ehegatten voraussetzt, bleibt daher auch trotz eines vorherigen Verzichts möglich. Eine Zustimmung zu einem konkreten Geschäft des Schuldners/Erblassers/Ehegatten ist hingegen auch formlos möglich und hindert aufgrund des Verbots widersprüchlichen Verhaltens eine spätere Anfechtung dieses Geschäfts im Rahmen eines Rückholanspruchs. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um eine echte Zustimmung und nicht um eine bloße Duldung gehandelt hat und der Zustimmende auch ausreichend informiert war. IX. Konkurrenzen Die Frage nach möglichen Konkurrenzen erledigt sich durch einen einheitlichen allgemeinen Rückholanspruch. Der Rückholanspruch stünde den jeweils berechtigten Personen, also dem Vertragserben, den Pflichtteilsberechtigten, dem ausgleichsberechtigten Ehegatten, den Gläubigern, dem Insolvenzverwalter, sowie zusätzlich auch Unterhaltsgläubigern15 zur Verfügung und würde im Wesentlichen die gleichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen aufweisen. X. Kollisions- und zuständigkeitsrechtliche Einordnung Im internationalen Zuständigkeits- und Kollisionsrecht sollte wiederum eine einheitliche Behandlung aller Rückholansprüche erfolgen, da die zu beachtenden Interessen grds. gleich gelagert sind. Im internationalen Zuständigkeitsrecht gilt praktisch weltweit der Grundsatz des actor sequitur forum rei als feststehender Ausgangspunkt. Der Rück15 

Siehe S. 408 f.

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holberechtigte muss daher den Zuwendungsempfänger prinzipiell an dessen Sitz verklagen. Hiervon Ausnahmen zuzulassen, besteht kein Anlass, zumal der Zuwendungsempfänger in dem Zeitpunkt, in dem das später angefochtene Rechtsgeschäft abgeschlossen wird, unmöglich vorhersehen kann, wo der Erblasser später einmal versterben, in Insolvenz fallen oder sich scheiden lassen wird. Auch sind dies alles Umstände, auf die er keinerlei Einfluss besitzt. Aus Gründen des Beklagtenschutzes hat es daher mit dem Grundprinzip des actor sequitur forum rei sein Bewenden. Eine – alternative oder gar ausschließliche – Zuständigkeit am Ort des Erbfalls, der Scheidung, Insolvenz oder Vollstreckung würde die Zuständigkeit zu sehr zu Lasten des Beklagten verschieben. Für Fälle, für die die EuInsVO in ihrer Neufassung gilt, bestimmt Art.  6 Abs.  1 EuInsVO jetzt freilich, dass Anfechtungsklagen am Insolvenzgerichtsstand erhoben werden können. Dass sich damit aber z. B. jemand, der vor nicht ganz zehn Jahren eine Zuwendung erhalten hat, vor dem Insolvenzgericht eines anderen Mitgliedsstaats verantworten muss, weil behauptet wird, er habe seinerzeit von einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung durch den jetzigen Insolvenzschuldner gewusst, kann zuständigkeitsrechtlich schwerlich überzeugen. Der Beklagtenschutz kommt hier zu kurz. Auch eine Zuständigkeit am Belegenheitsort des zugewendeten Gegenstandes sollte ausscheiden, da nach der hier vorgeschlagenen Lösung der Rückholanspruch primär auf Wertausgleich gerichtet ist. Für die Bestimmung des anwendbaren Rechts ist zu bedenken, dass der Rückholanspruch auf die – wertmäßige – Rückabwicklung der angegriffenen Zuwendung zielt. Er sollte daher prinzipiell dem Recht unterstehen, das für diese Zuwendung maßgeblich ist. Sie wird vielfach dem Recht unterliegen, das am Sitz des Zuwendenden (Schuldners/Erblassers/Ehegatten) gilt. Denn der Zuwendende dürfte durchweg die charakteristisch leistende Partei im Sinn des Art.  4 Abs.  2 Rom I-VO sein, soweit nicht die Sonderregeln des Art.  4 Abs.  1 Rom I-VO eingreifen. Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäft, die in vielen Rechtsordnungen ja gar nicht unterschieden werden, sollten einheitlich dem für das Verpflichtungsgeschäft maßgeblichen Recht unterliegen. Um einem Missbrauch durch die Vertragsparteien entgegenzuwirken, sollte ein von den Parteien gewähltes Recht hingegen nicht maßgeblich sein; um den an der Rechtswahl nicht beteiligten Berechtigten zu schützen, sollte allein das objektiv anzuknüpfende Vertragsstatut gelten.

Schluss Sowohl der Binnenvergleich der Rückholansprüche im deutschen Recht als auch der Rechtsvergleich mit dem englischen und französischen Recht hat erwiesen, dass sich die unterschiedlichen Rückholansprüche auf ein einheitliches Grundprinzip zurückführen lassen. Dieses Prinzip besteht darin, dass die Rechtsordnung Mittel an die Hand gibt, Vermögensmassen im Nachhinein wieder zusammenzuführen, die bestimmten berechtigten Personen dienen sollen. Die Berechtigung dieser Personen beruht auf einem legitimen Partizipationsrecht, das der Vermögenseigentümer durch Verfügungen zugunsten Dritter beeinträchtigt hat. Der Binnen- und Rechtsvergleich hat auch offenbart, dass das gegenwärtige unabgestimmte Nebeneinander von Rückholansprüchen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen nicht auf Sachgesetzlichkeiten der Rechtsgebiete beruht, die solche Ansprüche kennen. Im Gegenteil ist das Regelungsproblem und sind die Interessen, die zu berücksichtigen sind, in diesen Gebieten identisch. Sie nötigen nicht dazu, unterschiedliche Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen vorzusehen. Diese Feststellung und die erheblichen Probleme und Wertungswidersprüche, die bei konkurrierenden Rückholansprüchen sowie bei internationalen Rückholsituationen auftreten, drängen dazu, den Rückholanspruch einheitlich zu regeln und darauf zu verzichten, ihn für jedes Rechtsgebiet in einer anderen Variante vorzusehen. In welcher Variante er geregelt werden sollte, ist in der vorstehenden Auswertung ausführlich dargelegt und in den folgenden Thesen knapp zusammengefasst.

Thesen 1.  Die in dieser Arbeit behandelten sog. Rückholansprüche stellen eine eigene Anspruchskategorie dar. 2.  Die Besonderheit der Rückholansprüche liegt darin, dass der Anspruchsteller vollständig wirksame Verfügungen rückgängig machen kann, die der Verfügende und ursprüngliche Rechtsinhaber zugunsten eines Dritten vorgenommen hat. Zwischen dem Anspruchsteller und dem Dritten bestehen keinerlei Rechtsbeziehungen, die für sich zu einer Rückforderung berechtigen würden. 3.  Ihre Berechtigung erhalten diese Ansprüche dadurch, dass ein Vermögen noch nachträglich zugunsten derjenigen zusammengehalten werden soll, die daran aus bestimmten Rechtsgründen partizipieren sollen. 4.  Ein solches Teilhaberecht ist, wie der Rechtsvergleich zeigt, für den ausgleichsberechtigten Ehegatten, den Vertragserben, Pflichtteilsberechtigte und für Gläubiger in der Einzel- oder Gesamtvollstreckung anzuerkennen. 5.  Ein weiterer Anwendungsbereich für einen Rückholanspruch könnte, wie im englischen Recht, das Unterhaltsrecht sein. Im deutschen Recht besteht de lege lata eine Rechtsschutzlücke, wenn ein Unterhaltsschuldner sein gesamtes pfändbares Vermögen einem Dritten überträgt. Ein Rückgriff auf diesen Dritten ist nach herrschender Meinung zurzeit selbst dann nicht möglich, wenn der Dritte über alles informiert war und selbst in Benachteiligungsabsicht handelte. 6.  Der Rückholanspruch ist ein sinnvolles Instrument zum Schutze von Vermögensmassen im Familien-, Erb- und Vollstreckungsrecht. Er schafft einen Interessenausgleich, indem er Verfügungen des Eigentümers bis zum Eintritt des Todes, der Scheidung, der Insolvenz vollumfänglich zulässt und erst nachträglich ihre Rückabwicklung ermöglicht. Im Vergleich zu einem Verfügungsverbot ist er das weniger einschneidende Mittel. Er ermöglicht auch, die weitere Entwicklung in dem Zeitraum zwischen der angegriffenen Handlung und dem Eintritt des Todes, der Scheidung, der Insolvenz zu berücksichtigen. 7.  Die Interessen der Parteien, die an einer Rückholsituation beteiligt sind, sind in allen untersuchten Rechtsgebieten weitgehend identisch. Auf der einen Seite steht die Erwerbserwartung des Berechtigten und das Allgemeininteresse am Schutz der Vermögensmasse vor missbräuchlichen Vermögensverschiebungen. Ihnen gegenüber stehen die Interessen des verfügenden Eigentümers und

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des Erwerbers an dem Bestand der getroffenen Verfügung. Für sie streiten zudem Erwägungen der Rechtssicherheit und des Verkehrsschutzes. 8.  Trotz dieser weitgehenden Interessenparallelität sind die rechtlichen Regelungen in den verschiedenen Rechtsgebieten erstaunlich unterschiedlich. Das gilt besonders für das deutsche Recht. Eine stärkere Vereinheitlichung ist jedoch möglich und sinnvoll. 9.  Der Anspruchsgegner ist bei einem Rückholanspruch immer dann nicht schutzwürdig, wenn er unentgeltlich erworben hat oder selbst bösgläubig war. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass ein vollentgeltlicher, gutgläubiger Erwerber (sog. equity’s darling) immer zu schützen ist. Bösgläubig ist ein Erwerber, wenn er von der Benachteiligungsabsicht des Schuldners/Ehegatten/Erblassers Kenntnis hatte oder aufgrund der Umstände hätte haben müssen (grob fahrlässige Unkenntnis). 10. Ein bösgläubiger Erwerber sollte auch bei entgeltlichen Geschäften in Anspruch genommen werden können und zwar in allen untersuchten Rechtsgebieten. Kollusiv zum Nachteil eines Dritten zusammenwirkende Parteien sind nicht schützenswert und sollten aus ihrer Handlung keine Vorteile ziehen können. Voraussetzung ist freilich auch hier, dass die angegriffene Verfügung die Vermögensmasse tatsächlich in irgendeiner Weise, z. B. auch durch Uneinbringlichkeit einer Forderung, gemindert hat. 11.  Die Inanspruchnahme eines unentgeltlichen Erwerbers beruht hingegen allein auf der Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs. 12.  Die im deutschen Erbrecht verwendete Voraussetzung der Schenkung ist zu eng, da es für die Rechtfertigung eines Rückholanspruchs allein auf einen Vermögensabfluss und nicht auf den Nachweis einer Einigung über die Unentgeltlichkeit ankommt. 13.  Bei einer unentgeltlichen Verfügung ist zudem eine weitere Einschränkung erforderlich, die zulässige von unzulässigen Rechtsgeschäften abgrenzt. Die Abgrenzung sollte durch eine umfassende Abwägung der Interessen des verfügenden Eigentümers mit den Interessen des Anspruchstellers gewonnen werden. 14. Indizien für die Zulässigkeit einer unentgeltlichen Verfügung sind ein nach der Verfügung noch verbleibender beträchtlicher Restwert der geschützten Vermögensmasse, der zur angemessenen Befriedigung erbrachter Gegenleistungen bzw. beim Pflichtteilsrecht zur Befriedigung aller hypothetischen, künftigen Unterhaltsleistungen ausreicht, ein Bestreiten der Verfügung aus den Erträgen der Vermögensmasse bei unberührtem Vermögensstamm und die soziale Üblichkeit der Verfügung in den Gesellschaftskreisen des Verfügenden. 15. Gegen eine Zulässigkeit der unentgeltlichen Verfügung sprechen eine enge persönliche Beziehung zwischen dem Schuldner und dem Zuwendungsempfänger, die Zurückbehaltung der Nutzungsmöglichkeit an dem übertragenen Vermögensgegenstand (fehlender Genussverzicht), eine zeitliche Nähe zwi-

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schen der Vermögensübertragung und dem Anlass und Grund der Rückhol­ klage (Tod, Scheidung, Vermögensinsuffizienz) sowie eine Verfügung über das ganze oder wesentliche Teile des Vermögens. 16.  Ein unentgeltlicher Empfänger ist zudem umso schutzwürdiger, je länger er sich in dem bestehenden status quo eingerichtet hat. Für seine Inanspruchnahme sollte daher eine klare zeitliche Obergrenze gelten. 17. Die zeitlich unbegrenzte Rückwirkung in §  2287 BGB ist aus vielerlei Gründen problematisch. Auch stößt sie sich unter Wertungsgesichtspunkten mit parallelen Rückholansprüchen in den häufigen Konkurrenzsituationen. Sie sollte de lege ferenda durch eine zehnjährige Ausschlussfrist ersetzt werden. 18.  Für den Fristbeginn sollte stets das dingliche Vollzugsgeschäft und nicht bereits das vertragliche Verpflichtungsgeschäft maßgeblich sein. Zudem sollte es den Fristbeginn hindern, wenn der Verfügende sich ein Nutzungsrecht an der übertragenen Sache vorbehalten hat (Genussverzicht). Diese Grundsätze sollten für alle Rückholansprüche gleichermaßen gelten. 19.  Die in §  2325 Abs.  3 S.  1 BGB vorgesehene jährliche Abschmelzung führt bei konkurrierenden Rückholansprüchen, die jeweils einen unterschiedlichen Ausgangspunkt für die Fristberechnung haben (Tod, Scheidung, Insolvenz), zu komplizierten und wenig abgestimmten Ergebnissen. Es sollte daher stattdessen bei einer klaren „Alles-oder-nichts“-Lösung bleiben, auch wenn diese im Einzelfall zu Härten führen mag. 20.  Der Rückholanspruch ist grds. subsidiär und greift nur durch, wenn in der geschützten Vermögensmasse nicht mehr genügend Vermögen zur Anspruchsbefriedigung vorhanden ist. Von diesem Grundsatz sollten, auch im Rahmen des §  2287 BGB, keine Ausnahmen zugelassen werden. Ein Vertrags­ erbe sollte sich daher de lege ferenda zunächst an seine Miterben halten müssen, soweit solche vorhanden sind, ehe er auf einen außenstehenden Dritten zugreifen darf. 21. Der Rückholanspruch ermöglicht auch die Inanspruchnahme weiterer Dritter, die ihrerseits einen Gegenstand aus der geschützten Masse vom ursprünglichen Erwerber erworben haben. Auch in dieser Hinsicht sollten für alle Rückholansprüche die gleichen Regeln gelten. 22.  Ein Zweiterwerber sollte immer dann in Anspruch genommen werden können, wenn er selbst unentgeltlich erworben hat oder bösgläubig ist. Insoweit sollten für Erst- und Zweiterwerber die gleichen Grundsätze Anwendung finden. 23. Die Inanspruchnahme des Zweiterwerbers sollte gegenüber der Inanspruchnahme des Ersterwerbers streng subsidiär sein und nur durchgreifen, wenn Ansprüche gegen den Ersterwerber aus Rechtsgründen (§  818 Abs.  3 BGB) ausscheiden. 24.  Die rein faktische Uneinbringlichkeit der Forderung gegen den Ersterwerber (Insolvenz, fehlende Greifbarkeit) sollte für einen Rückgriff auf den

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Zweiterwerber nicht genügen, da die faktische Uneinbringlichkeit ein Kriterium darstellt, das mit zu großen Unsicherheiten belastet ist. 25. Bei mehreren angreifbaren Verfügungen an unterschiedliche Personen sollte der Anspruchsteller die Wahl haben, wen er aus welchen Gründen in welcher Reihenfolge in Anspruch nimmt. Ein Posterioritätsprinzip ist aufgrund seiner Fixierung allein auf die zeitliche Reihenfolge der Verfügungen zu starr und unflexibel und hindert grds. sachgerechte Regressansprüche der Zuwendungsempfänger untereinander. 26.  Mehrere Zuwendungsempfänger sollten aufgrund einer entsprechenden Anwendung der Regelungen über die Gesamtschuld untereinander Regress nehmen können. Bösgläubige Empfänger würden dabei vorrangig vor unentgeltlichen Empfängern haften. 27.  Auch die Rechtsfolgen der Rückholansprüche sollten grds. einheitlich geregelt werden. Ein Grund für Differenzierungen ist – auch im Rechtsvergleich – nicht erkennbar geworden. 28.  Hinsichtlich der Rechtsfolgen des Rückholanspruches sollte es bei klaren gesetzlichen Vorgaben bleiben und kein gerichtliches Ermessen, wie etwa in England, eingeführt werden. Die Rechtssicherheit und die Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen ist im Bereich der Rückholansprüche von erheblicher Bedeutung. 29.  Der Rückholanspruch sollte auf Wertersatz und nicht auf Herausgabe der übertragenen Gegenstände in natura gerichtet sein. Der Berechtigte hat nur einen Anspruch auf eine bestimmte Werthaltigkeit der geschützten Vermögensmasse, nicht jedoch einen Anspruch auf eine bestimmte dingliche Zusammensetzung dieser Masse. Vollentgeltliche Austauschgeschäfte (Bargeschäfte) können deshalb auch nicht im Rahmen eines Rückholanspruches angegriffen werden. 30.  Dem Erwerber sollte jedoch jeweils das Recht eingeräumt werden, den Wertersatzanspruch durch Herausgabe der erhaltenen Gegenstände abzuwenden (Ersetzungsbefugnis). 31.  Für die Berechnung des Wertersatzanspruches sollte der Wert der übertragenen Gegenstände im Zeitpunkt ihrer Übertragung maßgeblich sein. 32.  Spätere Werterhöhungen führen zu keiner weiteren Schmälerung der geschützten Vermögensmasse. Ein gutgläubiger Erwerber kann sich aber auf Entreicherung berufen, wenn er den erlangten Gegenstand weiterverschenkt oder verbraucht hat oder bei ihm eine Verschlechterung eingetreten ist. Ein bösgläubiger Erwerber sollte hingegen auch in diesen Fällen auf Wertersatz haften. Nutzungsersatz ist erst ab Anspruchsentstehung zu leisten, da vorher die Nutzung durch den berechtigten Eigentümer in legitimer Weise erfolgt ist. 33.  Präventive Sicherungsmaßnahmen vor dem Eintritt des jeweils maßgeblichen Ereignisses (Tod, Scheidung, Vollstreckung, Insolvenz) sind im Familienund Vollstreckungsrecht problemlos zulässig, wobei im Familienrecht zudem

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noch spezielle Sicherungsmaßnahmen vorgesehen sind (§§  1385 ff. BGB, sec.  37 lit.  a) MCA, Art.  1580 S.  1, 2402 Code civil). Im Pflichtteilsrecht scheiden solche Maßnahmen wegen der noch bestehenden Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die Anspruchsentstehung unstreitig aus. Im Hinblick auf einen Erbvertrag sollten zwar bereits Feststellungs- und Auskunftsklagen zulässig sein, nicht jedoch dinglich wirkende Maßnahmen des einstweiligen Rechtschutzes. 34.  Ein präventiver Verzicht sollte, wenn er abstrakt für alle späteren Rückholansprüche erfolgt, eine notarielle Beurkundung erfordern. Zudem sollten Rückholansprüche, die den Nachweis einer Benachteiligungsabsicht bei Verfügenden erfordern, von einem solchen Verzicht unberührt bleiben. Eine Zustimmung zu einem konkreten Rechtsgeschäft schließt hingegen, wenn ihr eine vollinformierte Entscheidung zugrunde liegt, eine spätere Geltendmachung von Rückholansprüchen im Hinblick auf dieses Geschäft aus. Das folgt bereits aus dem Gebot widerspruchsfreien Verhaltens. 35. Die de lege lata feststellbaren Widersprüche und Ungereimtheiten bei mehreren konkurrierenden Rückholansprüchen könnten und sollten durch eine stärkere Abstimmung der Rückholansprüche untereinander bzw. durch den hier vorgeschlagenen einheitlichen Rückholanspruch vermieden werden. 36.  Auch im Kollisions- und internationalen Zuständigkeitsrecht weisen alle Rückholansprüche die gleichen Problemlagen und Fragestellungen auf und sollten deshalb einheitlich behandelt werden. 37. Im internationalen Zuständigkeitsrecht ist zum Schutze des Beklagten vom Grundsatz actor sequitur forum rei auszugehen, der nur in engen Grenzen Ausnahmen zulässt. Für Rückholansprüche sollte eine Ausnahme, die an die vis attractiva des Konkurses, der Erbschaft oder des Scheidungsverfahrens anknüpft, nicht in Betracht kommen. Der Ort an dem der Verfügende später einmal versterben, sich scheiden lassen oder in Insolvenz fallen wird, ist für den beklagten Anspruchsgegner nämlich weder vorhersehbar noch irgendwie beeinflussbar. Das Interesse an Prozesskonzentration sollte das Beklagteninteresse, sich an seinem Sitz verteidigen zu können, nicht überwiegen. Es sollte daher für Rückholklagen bei dem Grundsatz actor sequitur forum rei bleiben. 38.  Für das Kollisionsrecht sollte die objektiv zu bestimmende lex causae des angegriffenen Rechtsgeschäfts maßgeblich sein. Dabei sollten Verpflichtungsund Verfügungsgeschäfte einheitlich dem Recht unterliegen, das für das Verpflichtungsgeschäft maßgeblich ist. Eine Rechtswahl durch die Vertragsparteien sollte hingegen für die Anknüpfung des Rückholanspruchs ausgeblendet werden, um zu verhindern, dass die Parteien zum Nachteil des späteren Anspruchstellers ein besonders anfechtungsfeindliches Recht wählen.

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Sachverzeichnis Abschmelzung 208 ff., 251, 324, 435, 451 ff. action paulienne 90, 132 f., 179 ff., 191, 193, 196 ff., 241, 280 ff., 287, 334 ff., 396 f., 401 f., 406 ff., 459 action en réduction 90 ff., 95 f., 98, 100 ff., 213 f., 220, 231 f., 262 f., 302 ff., 307, 325 f., 330 f., 346 f. action oblique 183 actor sequitur forum rei 347, 367, 392, 454 ff., 475 f., 482 Anstandsschenkung 57 f., 65 f., 88 f., 95 f., 133, 140, 158, 412 f. Anwartschaftsrecht 10, 289 f., 296, 304, 448 associate 172, 174 ff., 191, 195, 240 Auskunftsklage 291, 305, 482 Altersvorsorge 56 Benachteiligungsabsicht 6 f., 17, 31 f., 54 ff., 67 f., 81, 107 ff., 141 ff., 148, 152, 193 ff., 197, 269, 328 f., 406, 411, 415 ff., 421, 423 ff., 447, 468, 478 f. Beweisanzeichen 152 bösliche Schenkungen 66 f., 109, 417, 421, 424, 443 Brüssel Ia-VO 347, 391 ff. Brüssel IIa-VO 365, 370 f. clawback 4, 356 f. contract to make a will 70, 72, 325 Deutsch-Französischer Wahlgüterstand 130 f., 375 ff., 403 dette de valeur 258, 267 dolo agit qui petit quod statim redditurus est 399 Drittstaatensachverhalte 349

eheliche Güterstände 67, 111, 130, 138 f., 301, 360 ff. element of dealing 167, 192 Ermessen 251, 260 ff., 270 ff., 278 f., 281 ff., 443 ff. Entreicherung 245 ff., 252, 256, 263, 269 ff., 273, 275, 277, 279, 281, 283, 285 f. equity’s darling 126, 170, 191, 198, 239 f., 405 f., 408, 425, 429, 437 f., 466 f., 479 EuErbVO 340 ff., 355 ff., 360 f., 402 f., 454, 458 f. EuGüVO 360 ff., 403, 458 f. EuUnthVO 365, 370 EuInsVO 380 ff., 454, 456 ff., 476 familiäre Nähebeziehungen 22, 29, 185 family provision 75 ff., 298 f., 304 ff., 325 ff., 359 Fernwirkungen 203, 208, 212, 218, 221, 225, 228, 231, 233, 237, 239, 241 f., 436 Feststellungsklage siehe Auskunftsklage fraus omnia corrumpit 101, 407, 412, 425, 437, 467, Früchte 96, 260, 263, 419 f., 447 Gegenleistungen 25 Gemeinwohl 34 gemischte Schenkung 47, 56, 94, 104 f., 105, 107, 127, 136, 158, 212, 246, 410 Genußverzicht 69, 109 f., 125, 141, 153, 200, 414, 429, 432 f., 479 f. Gerichtsstandsvereinbarungen 348 f., 362, 367 Gütergemeinschaft 14, 49, 67, 97, 106, 111 f., 129, 158, 327 Gütertrennung 14, 111 f., 119, 130, 158 Güterstandswechsel 48 f., 67 herausgabe in natura siehe Wertersatz

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Sachverzeichnis

honest mistake 81 institution contractuelle 85 ff., 91, 301, 325 f. inkongruente Deckung 148 f., 151 f., 161 f., 192 ff. Insolvenzverwalter 145 ff., 164, 166, 170 f., 179 f., 186, 236 f., 318, 333 ff., 380 ff., 404, 440, 450, 455, 457 f. injunction 70, 74, 311, 316 kongruente Deckung 148 ff., 159 ff., 192 ff., 471 Konkurrenzen 321 f., 324, 326, 328, 330, 332, 334, 336, 451, 453, 475 künftiges Vermögen 42 ff., 70, 83 ff., 114, 151 lebzeitiges Eigeninteresse 55 ff., 118, 291, 323, 413, 416, 451 Leistungstreue 21, 29 lex specialis 332 f. Missbrauch der Verfügungsmacht 17, 46, 202 mutual wills 71 ff., 414 mehrere Empfänger 222, 224, 236, 440, 442, 473, 481 Nachlassrestwert 420 nahestehende Person 154 f., 172, 175 f., 194 ff., 238, 416 ff., 427 f., 434 Niederstwertprinzip 249 f., 445, 447 nullités facultatives 282 ff. Nutzungen siehe Früchte Öffentliche Interessen 27 ff., 461 Ordre-public 352 ff., 460 f. par condicio creditorum 145, 147 ff., 160, 165, 465 partage 88, 256 f., participation aux acquêts 130, 133 ff., 139, 314, 379 personal representative 77, 212, 251, 262, 358 f. Pflichtschenkungen, siehe Anstandsschenkung

Pflichtteil 22 ff., 38 ff., 44 ff., 60 ff., 74 f., 91, 103 ff, 206 ff., 214, 248 ff., 254, 296 ff., 301, 322 ff., 336, 349, 353, 451 ff. Posterioritätsprinzip 199, 230 f., 439 ff., 473 preferences 174 rapport 91 f., 132, 346 Rom I-VO 397 ff. Rom II-VO 380, 397 f. Rom III-VO 365 Schenkungen zu gemeinnützigen Zwecken 34, 58, 419 Schenkungsanfechtung 157 f., 276 f. Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs 30, 406 Sicherungshypothek 313 f. Stammvermögen 419 Strafbarkeit 28 f. Stufenverhältnis 35, 39, 428 subrogation 259, 267 Subsidiarität 202, 206 f., 210, 214, 219 ff., 224, 227 f., 231 ff., 235 f., 242 ff., 435 f., 438 f., 472 Stiftungen 18, 49 ff., 65 f., 105 f., 431 transaction defrauding creditors 165, 171, 193, 195 ff., 237, 240 transaction at an unvervalue 103, 165 ff., 171 ff., 191 f., 194 f., 197 f., 237 trust 72 ff., 217 f., 434 unbenannte Zuwendungen 48, 106, 158 venire contra factum proprium 21, 29, 354, 450 Verfügungsverbote 14 f., 113, 131 Verfügungsunterlassungsverträge 293 f., 305, 448 Verzicht 295 ff., 449 f., 475 Vorsatzanfechtung 148 ff. Vorwirkungen 289 ff., 448 ff., 474 f. Vorzeitiger Zugewinnausgleich 308 f. Wertersatz 246 ff., 444 ff., 473 f. Zuständigkeit 340 ff., 347 ff., 357 f., 361 f., 366 ff., 370 ff., 386 f., 390 ff., 454 ff., 475 f.