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German Pages 215 Year 1996
DIETMAR JANZEN
Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes
Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von
Siegfried Magiera und Detlef Merten Band 26
Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Übertragung der Währungshoheit auf die Europäische Zentralbank
Von Dietmar Janzen
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Janzen, Dietmar: Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes : verfassungsrechtliche Anforderungen an die Übertragung der Währungshoheit auf die Europäische Zentralbank / von Dietmar Janzen. - Berlin : Ouncker und Humblot, 1996 (Schriften zum europäischen Recht; Bd. 26) Zug1.: Münster (Westfalen), Univ., Oiss., 1994/95 ISBN 3-428-08642-2 NE:GT
06 Alle Rechte vorbehalten © 1996 Ouncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 3-428-08642-2 Gedruckt auf alterungsbestllndigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Wintersemester 1994/95 als Dissertation angenommen worden. Ursprünglich wurde sie im Januar 1995 abgeschlossen. Bei der rur die Veröffentlichung notwendigen Überarbeitung wurden Änderungen und Ergänzungen in den Fällen vorgenommen, in denen sich dieses wegen der zwischenzeitlichen Fortschritte auf dem Weg der monetären Integration Europas als unerläßlich erwies. Zu besonderem Dank verpflichtet bin ich Herrn Prof. Dr. Bodo Pieroth rur die Anregung zu diesem Thema und die hilfreichen Hinweise und Gespräche während der Erstellung der Arbeit. Ebenso danke ich Herrn Prof. Dr. Dr. Albert Bleckmann rur die Anfertigung des Zweitgutachtens. Für die Aufuahme der Dissertation in die Schriftenreihe zum Europäischen Recht bedanke ich mich bei den Herausgebern, Herrn Prof. Dr. Siegfried Magiera und Herrn Prof. Dr. DetlefMerten. Schließlich danke ich Frau Irmgard Zengeley und Herrn Volker Zekl rur die Bearbeitung des Manuskripts. Die Arbeit widme ich meinen Eltern.
Münster, I. Februar 1996 Dietmar Janzen
Inhaltsverzeichnis Einleitung: Deutsche Verfassungsreform und Europilische Union ........................ 13
A. Die "Europlisierung" der Wilhrungspolitik....................................................... 18 I. Die europäische Währungsintegration bis zum Vertrag von Maastricht .......... 18
11. Der Weg zur Währungsunion nach dem Vertrag von Maastricht ..................... 29 I. Die erste Stufe...................................................... ..... ........... ......................... 29 2. Die zweite Stufe ............................................................................................ 30
3. Die Übergangsvoraussetzungen ftlr die letzte Stufe ...................................... 31 4. Die dritte Stufe - Währungsunion ...................................................... ........... 32 B. Zur Notwendigkeit einer Verfassungsllnderung ................................................. 34 I. Vereinbarkeit der WWU mit der hergebrachtenVerfassungslage..................... 35
I. Aushöhlung der institutionellen Garantie des Art. 88 S. I GG ..................... 35 2. Einschränkung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes gemäß Art. 73 Nr. 4 GG ........................................................................................... 39
3. Aufgabe des Staatsziels "gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht"? .............. 39
11. Notwendigkeit einer formellenVerfassungsänderung ....................................... 40 l. Gegenstand der Übertragung........................................................................ 41 2. Keine "dingliche" Übertragung der Währungshoheit ................................... 42 3. Die Europäische Union als zwischenstaatliche Einrichtung im Sinne von Art. 24 Abs. I GG? ...................................................................................... 44 4. Die verfassungsrechtlichen Grenzen ftlr den auf der Grundlage des Art. 24 Abs. I GG handelnden Integrationsgesetzgeber ............................... 51 a) Grenzen der Integrationsgewalt ................................................................ 51 b) Die Beachtung der Übertragungsgrenzen im einzelnen ........................... 55 (I) Grundrechtsschutz ............................................................................... 55 (2) Wahrung der Rechtsstaatlichkeit. ........................................................ 57 (3) Bundes- und Sozialstaatlichkeit .......................................................... 58
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Inhaltsverzeichnis (4) Demokratieprinzip .............................................................................. 59 5. Ergebnis........................................................................................................ 60
C. Die Anforderungen des Art. 23 GG n. F. ............................................................. 62
I. Überblick .......................................................................................................... 62 11. Die Integrationseröffnungs- und Struktursicherungsklausel .................... ........ 63 1. Grundrechtsschutz. ........................................................................................ 64 2. Die Verwirklichung des Demokratieprinzips in der EU ............................... 64 3. Die Verpflichtung der EU auf föderative Grundsätze ................................... 67 4. RechtsstaatIichkeit ........................................................................................ 68 5. Sozialstaatlichkeit und Grundsatz der Subsidiarität...................................... 68 111. Die formellen Übertragungsvoraussetzungen .............................................. ..... 69 IV. Die Übertragungsschranke Art. 79 Abs. 3 GG ................................................. 70 V. Fazit .................................................................................................................. 71 D. Der Transfer der Wilhrungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG .................................. 72 I. Das Verhältnis des Art. 88 S. 2 GG zu Art. 23 Abs. 1 GG ............................... 72 11. Übertragung "im Rahmen der Europäischen Union" .......................................... 74 1. Art. 88 S. 2 GG als singulärer "Maastricht-Artikel" ? ................................. 74 a) Der Begriff "Europäische Union" in der gemeinschaftlichen Integrationsgeschichte ......................................................................................... 75 b) Entstehungsgeschichte des Art. 88 S. 2 GG ............................................. 80 (1) Der Weg zur aktuellen Fassung des Art. 88 S. 2 GG .......................... 80 (2) Schlußfolgerungen hinsichtlich des normativen Gehalts des Begriffs "Europäische Union" ........................................................................... 82 c) Systematische und teleologische Argumente ............................................ 83 d) Ergebnis und positiver Begriffsinhalt einer "Europäischen Union" im Sinne des Art. 88 S. 2 GG ...................... ............ ...... ...................... ..... 85 2. Konsequenzen ftlr den Anwendungsbereich des Art. 88 S. 2 GG ................. 87 111. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentral bank ......................................... 89 1. Vorbemerkungen zur Notwendigkeit der Unabhängigkeit einer Europäischen Zentral bank ....... ................................... .............. ............. ...... ......... 89 a) Der Begriff "Unabhängigkeit" .................................................................. 89
Inhaltsverzeichnis
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b) Theoretische Begründungen für die Notwendigkeit der Unabhängigkeit einer Europäischen Zentral bank ............. ... ...... .... ........... ........ ......... ......... 91 c) Gang der Darstellung ................................................................................ 94 2. Die institutionelle Unabhängigkeit ............................................................... 95 a) Der Begriff der institutionellen Unabhängigkeit ....... ............. ............... ... 95 b) Die Stellung der Bundesbank in der Staatsorganisation des Grundgesetzes (zum Vergleich) .......................................................................... 96 c) Die Stellung der EZB im Verfassungsgefüge der Europäischen Gemeinschaft ...... ................... ..... ........ ...... ........ ............. ...... ......... ............ 98 (1) Die Rechtspersönlichkeit der EZB......... ..... ........ ................. ..... ... ..... 100 (2) Ausgliederung aus der Organ struktur .......... ...... ............. ... ............... 102 (3) Aspekte der Eingebundenheit der EZB in die Gemeinschaft ............ 103 (4) Einordnung der EZB in die gemeinschaftliche Organisationsstruktur .............................................................................................. 103 3. Die personelle Unabhängigkeit... ................................................................ 107 a) Begriff der personellen Unabhängigkeit................................................. 107 b) Die Ausgestaltung der personellen Unabhängigkeit im BBankG ........... 108 (1) Ernennung ......................................................................................... 108 (2) Amtszeit und Besoldung ................................................................... 109 (3) Abberufung ....................................................................................... 110 c) Die Ausgestaltung der personellen Unabhängigkeit der Europäischen Zentral bank im EGV .............................................................................. 111 (I) Das Ernennungsverfahren ........ ....... ...... ..... .... ......... ...... ............ ........ 111
(2) Amtszeit und Besoldung ................................................................... 113 (3) Amtsenthebung............................................................. .................... 114 d) Beurteilung der personellen Autonomiegewährleistung nach dem EGV im Vergleich zur deutschen Rechtslage nach dem BBankG .......... 116 4. Die materielle Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank................... 118 a) Der Begriff der materiellen
Unabhängigkeit in seiner EZB-
spezifischen Ausgestaltung..................................................................... 118 b) Das Verhältnis der EZB zum Europäischen Parlament und zum Rechnungshof der Gemeinschaft ...................... ............... ...... ..... ........ .... 120
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Inhaltsverzeichnis c) Das Verhältnis zu den Exekutivorganen der Gemeinschaft.................... 124 (1) Der Dualismus der Art. 107 EGV und Art. 105 Abs. 1 S. 2 EGV .... 124 (2) Kooperationsmechanismen ............................................................... 129 d) Das Verhältnis der EZB zur europäischen Judikative............................. 130 e) Die Unabhängigkeit der EZB von den deutschen Verfassungsorganen . 134 (1) Das Verhältnis EZB - Bundestag ...................................................... 134 (2) Insbesondere: Die Vereinbarkeit der Unabhängigkeit der EZB mit dem Demokratieprinzip..................................................................... 136 (3) Das Verhältnis zu den mitgliedstaatlichen Gerichten ........................ 141 (4) Das Verhältnis zur Bundesregierung................................................. 143 5. Die vermögensrechtliche Unabhängigkeit .................................................. 145 6. Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung ....................... .... .................. 146 7. Relativierung der Unabhängigkeit der EZB durch die "offene Flanke" der Wechselkurspolitik?............................................................................. 147 8. Abschließende Bemerkungen zur Qualität der Autonomiegewährleistung. 149 IV. Das vorrangige Ziel der Sicherung der Preisstabilität. .................................... 151 1. Preisstabilität als Ziel zentralbanklicher Tätigkeit ...................................... 151 2. Die vorrangige Ausrichtung der EZB auf die Zielbestimmung der Preisstabilität .. ~............................................................................................ 154 3. Möglichkeiten strikterer Absicherung der Vorrangigkeit der Preisstabilität....................................................................................................... 156 4. Die Stringenz der Konvergenzkriterien....................................................... 160 V.Quantitative Grenzen der Übertragung währungspolitischer Kompetenzen? .... 167
E. Die Bindungswirkung des Art. 88 S.l GG ........................................................ 169
I. Bindung der nationalen Organe. .... ............. .................... ........ ................... ..... 169 11. Bindung der Organe der Europäischen Gemeinschaft.................................... 171 F. Auswirkungen auf die gegenwärtige Rechtsstellung der Bundesbank............ 174
I. Zur verfassungsrechtlichen Garantie der Unabhängigkeit der Bundesbank ... 174 11. Vorrang der Preisstabilität .............................................................................. 177
Inhaltsverzeichnis
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G. Die Deutsche Bundesbank im ESZB .................................................................. 178
I. Der grundsätzliche Einfluß der Bundesbank auf die Gestaltung einer gemeinschaftlichen Geldpolitik ...................................................................... 178 11. Die künftige Handhabung der einzelnen Notenbankinstrum~nte im ESZB.... 179 1. Notenausgabe .............................................................................................. 180 2. Diskont-, Kredit- und Offenmarktpolitik .................................................... 181
3. Mindestreservepolitik ................................................................................. 181 4. Einlagenpolitik und Geschäfte mit öffentlichen Stellen.............................. 182 5. Devisenmarkt-Operationen.......................................................... ............... 183 6. Statistische Erhebungen.............................................................................. 184 7. Mitwirkung bei der Bankenaufsicht............................................................ 184 8. Fazit ............................................................................................................ 185 III. Die Bundesbank im ESZB - Vergleich mit den Referenzsystemen ................ 185 Zusammenfassung .................................................................................................... 190 Literaturverzeichnis ................................................................................................. 195 Stichwortverzeichnis ................................................................................................ 209
Abkürzungsverzeichnis· AP APuZ BR.-Dr. BT.-Dr. EGV EIB ESZB EUV EWI EWV EZB FS GS GVK WWU
Auszüge aus Presseartikeln (hrsg. von der Deutschen Bundesbank) Aus Politik und Zeitgeschichte ( Beilage zu "Das Parlament" ) Drucksachen des Deutschen Bundesrates Drucksachen des Deutschen Bundestages Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Europäische Investitionsbank Europäisches System der Zentral banken Vertrag über die Europäische Union Europäisches Währungsinstitut Europäischer Wechselkursverbund Europäische Zentral bank Festschrift Gedächtnisschrift Gemeinsame Verfassungskommission Wirtschafts- und Währungsunion
• Wegen der übrigen Abkürzungen wird auf H. Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Aufl. BerHn u. a. 1993, verwiesen.
Einleitung: Deutsche Verfassungs reform und Europäische Union Im Zuge der Vereinigung Deutschlands rückte ein Thema erneut in den Vordergrund des öffentlichen Interesses, das schon in der alten Bundesrepublik periodisch auf der politischen Tagesordnung erschienl: die Reform des "Provisoriums" Grundgesetz. Der Einigungsvertrag 2 enthielt in seinem Art. 5 eine Empfehlung der Regierungen der beiden Vertragsparteien an die gesetzgebenden Körperschaften des vereinten Deutschlands, sich innerhalb von zwei Jahren mit den im Zusammenhang mit der deutschen Einigung aufgeworfenen Fragen zur Änderung oder Ergänzung des Grundgesetzes zu befassen. Daher wurde 1992 die sogenannte Gemeinsame Verfassungskommission gebildet, die sich aus je 32 Mitgliedern von Bundesrat und Bundestag zusammensetzte. Die ersten Beschlüsse der Kommission beschäftigten sich aber nicht etwa mit den in Art. 5 Einigungsvertrag ausdrücklich genannten Themen - Bund-LänderVerhältnis, Neugliederung des Raumes Berlin-Brandenburg, Aufnahme von Staatszielbestimmungen, sowie der Frage einer Anwendung des Art. 146 GG und der Notwendigkeit einer Volksabstimmung - sondern nahmen sich des Themas Grundgesetz und Europäische Union an. Dieses erwies sich als notwendig, weil die Ereignisse der deutschen Vereinigung zeitlich mit einem Meilenstein auf dem Weg zu einer fortschreitenden Integration der in der Europäischen Gemeinschaft vereinigten Völker zusammentrafen: dem Abschluß des Vertrages von Maastricht zur Begründung der Europäischen Union? Das auf den ersten Blick zufiilIige Zusammentreffen deutscher und europäischer Reformbestrebungen steht tatsächlich in einem inneren Zusammenhang: Als sich am 09./10.12.1991 die europäischen Staats- und Regierungschefs nach vorangegangenen einjährigen Verhandlungen im niederländischen Maastricht trafen, waren sie willens, die Konsequenzen, die sich rur die Europäischen Gemeinschaften aus den Umwälzungen in Osteuropa seit 1989 ergaben, durch
1 Vgl. nur die im Jahre 1970 vom Deutschen Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission "Verfassungsrefonn" (Schlußbericht in BT- Dr. 7/5924). 2 BGBI1990 11 S. 891. 3 ABI EG 1992 Nr. C 191; BGBIII1992 S. 1253.
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Einleitung
den Abschluß eines integrationsllirdernden Vertrages zu ziehen. Die Vereinigung Deutschlands fllhrte in den Öffentlichkeiten der übrigen Mitgliedstaaten vielfach zu Irritationen. Man glaubte das größer gewordene Deutschland nur durch eine verstärkte Einbindung in die Europäische Gemeinschaft vor einem Rückfall in antidemokratische Traditionen bewahren zu können. 4 Dem entsprach auf deutscher Seite das Bestreben, den europäischen Partnern den ungebrochenen Integrationswillen Deutschlands zu demonstrieren. Der am 07.02.1992 unterzeichnete Vertrag enthält inhaltlich in groben Zügen die folgenden Beschlüsses: Nach der Auftaktbestimmung des Art. A EUV wird durch den Maastrichter Vertrag die Europäische Union begründet, die auf einem sog. "Drei-Säulen-Konzept" beruht. 6 Den Kern der Union und damit, um im Bilde zu bleiben, ihre erste Säule stellen die drei fortbestehenden Europäischen Gemeinschaften EG (deren verbreiterte Kompetenzgrundlage durch die Umbennenung von der EWG zur EG unterstrichen wird), EAG und EGKS dar. Die zweite Säule repräsentiert die Intergouvernementale Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik, die dritte Säule die ebenfalls intergouvernemental ausgestaltete Zusammenarbeit im Bereich der Innen- und Justizpolitik. Die Gemeinschaften und die Bereiche der Zusammenarbeit werden durch einen gemeinsamen institutionellen Rahmen verknüpft (Art. C EUV), der die Kohärenz und Kontinuität aller Maßnahmen der Union gewährleisteten sol1.7 Eingefllhrt wird desweiteren eine Unionsbürgerschaft (Art. 8 ff. EGV), die zwar keine neue Staatsangehörigkeit begründet8, aber den EU-Bürgern einige Rechtspositionen, wie das kommunale Wahlrecht und ein al1gemeines Aufenthaltsrecht in der Gemeinschaft, garantiert. Eine Innovation stellt auch die vertragliche Verankerung des Subsidiaritätsprinzips in Art. 3 b Abs. 2 EGV dar. 9 Eine Verstärkung erfuhren schließlich die Rechte des Europäischen Parlaments durch die Möglichkeit der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen nach Art. 138 c EGV und Petitionsausschüssen nach Art. 138 d EGV. Die Mitbestimmungsbefugnisse im Bereich der materiellen Gesetzgebung werden durch 4 Oppermann I Classen, NJW 1993, S. 5 (6 0; Oppermann, in: Hrbek (Hrsg.): Maastricht, S. 103 (104); Kees, in: Gramlich u.a. (Hrsg.), Währungsunion, S. 19 (20). S Näher zum Inhalt des EUV: Blanke, DÖV 1993, S. 412; Seidel, EuR 1992, S. 125; Bleckmann, OVBI [992, S. 335; einen Überblick uber die unUbersehbare Lit. zu den Maastrichter BeschlUssen gibt Ever[ing, OVBI [993, S. 936 Fn. [. 6 Seidel, EuR 1992, S. 125; vgl. auch Magiera, Jura 1994, S. I (6). 7 Seidel, a.a.O. 8 Oppermann I Classen, NJW [993, S. 5 (9). 9 Zur Bedeutung des Subsidiaritlltsprinzips im Bereich der Währungsunion vgl. Abschnitt G.
11.
Einleitung
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das Mitentscheidungsverfahren (Art. 189 b EGV) gestärkt. Einen wichtigen Schritt in Richtung auf die Parlamentarisierung der EU stellt das neu eingerichtete Zustimmungsrecht des Parlaments bei der Ernennung der Kommission dar. lo Erwähnenswert sind schließlich Kompetenzerweiterungen, wie Z.B. die Einftlgung eines Titel IX über die Kultur in der EG und die Einrichtung eines Regionalausschusses mit Vertretern der regionalen Gebietskörperschaften (Art. 198 a ff. EGV). Thematischer Schwerpunkt oder "harter Kern"" des Maastricht-Vertrages sind jedoch die Beschlüsse zur Wirtschafts- und Währungsunion. Nach Art. 105 ff. EGV wird die Geldpolitik in der EU künftig von einem Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) betrieben, an dessen Spitze die Europäische Zentralbank steht, weIcher die nationalen Zentralbanken als integraler Bestandteil des Systems zugeordnet werden. Diese institutionellen Neuerungen auf dem Gebiet der Geld- bzw. Währungspolitik wurden in der wissenschaftlichen Literatur allgemein als bahnbrechend empfunden, weil die Geld- und Währungspolitik mit allen zugehörigen Kompetenzen der EU unmittelbar überantwortet wird.'2 Mit der Währungsunion werde erstmals "die Vergemeinschaftung eines Kernbereichs der nationalen Staatlichkeit versucht". IJ Vor diese unionsrechtlichen Vorgaben gestellt, war nun die erste Aufgabe der Gemeinsamen Verfassungskommisssion, auf nationaler verfassungsrechtlicher Ebene die Voraussetzungen rur die Ratifikation des Maastrichter Vertrages zu schaffen.'4 Die Kommission empfahl zu diesem Zweck die Einftlhrung eines neuen Art. 23 GG als speziellen Integrationshebel's zugunsten der Europäischen Union und Änderungen der Art. 24, 26, 50, 52, 45, 88, 115 e Abs. 2 S. 2 GG.16 Gegenstand der vorliegenden Untersuchung soll die Änderung des Art. 88 GG, des Bundesbank-Artikels, sein. Der bis dato unveränderte Art. 88 GG a. F. diente als verfassungsrechtliche Grundlage der Tätigkeit der Deutschen Bundesbank, die sich seit ihrer Gründung überwiegend sehr erfolgreich um den ihr durch § 3 BBankG übertragenen Auftrag gekümmert hat, den Geldumlauf und die Kreditversorgung der Wirtschaft mit dem Ziel der Währungssicherung zu regeln. Die Bedeutung der Änderung des
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Vgl. Art. 158 Abs. 2 EGV.
11 Oppermann / Classen, NJW 1993, 5 (7). 12 Seidel, in: FS Bömer, S. 417 (417 und 421); Herdegen, EuGRZ 1992, S. 589; Tettinger,
EWS 1992, S. 321. 13 Oppermann, in: Hrbck (Hrsg.), Maastricht, S. 103 (109). 14 Scholz, NVwZ 1993, S. 817 (819). 15 Dcr ßegrifTwurde von Ipsen in Bezug auf Art. 24 Abs. I GG geprägt, vgl. EGR, S. 58. 16 Vgl. die Empfehlungen der GVK in BT-Dr. 12/6000, S. 15-18.
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Einleitung
Art. 88 GG wird überdies aus der Rolle ersichtlich, welche die Währungsstabilität in der Verfassungswirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland sowohl in rechtlicher wie in tatsächlicher Hinsicht spielt. Art. 88 GG bildet zusammen mit Art. 73 Nr. 4 GG und Art. 109 Abs. 2 GG, der die staatliche Fiskalpolitik auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht verpflichtet l7 , eine Normengruppe, die bisweilen als "Geld- und Währungsverfassungsrecht"18 bezeichnet wird. Vor dem Hintergrund der sonstigen Zurückhaltung, die sich das Grundgesetz in Fragen der Wirtschaftsordnung auferlegt hat und die zum Schlagwort der "Neutralität der Wirtschaftsverfassung"19 gefilhrt hat, zeigt dieses die besondere Bedeutung, die das Grundgesetz dem Geld- und Währungswesen zum ißt. Der herausgehobenen verfassungsrechtlichen Stellung des Währungswesens entspricht die eminente Rolle, die der Stabilität der Währung im Bewußtsein der deutschen Öffentlichkeit spätestens seit Gründung der Bundesrepublik im Jahre 1949 zukommt. Die Tatsache, daß eine stabile Währung in der Nachkriegszeit mitverantwortlich für ein rasches Aufblühen der bundesdeutschen Volkswirtschaft war, hat dazu gefllhrt, daß die D-Mark "fllr viele Deutsche offenbar ein Symbol des wirtschaftlichen Wiederaufbaus, ja sogar Garant der persönlichen Freiheit und Souveränität geworden" ist. 20 Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen wird die Bedeutung der Frage deutlich, ob die EinfUgung des Art. 88 S. 2 GG gewährleisten kann, daß eine Geldpolitik, die künftig maßgeblich von gemeinschaftlichen Institutionen bestimmt wird, weiterhin dem Ideal eines stabilen Geldwertes verpflichtet sein wird. Zwar garantiert das Vorliegen stabilitätsorientierter rechtlicher Rahmenbedingungen noch nicht den Erhalt des Geldwertes; sie sind aber ein unverzichtbarer Bestandteil sowohl nationaler als auch europäischer stabilitätsorientierter Geldpolitik. 21 Deshalb soll den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung in erster Linie die Frage bilden, welche Voraussetzungen an eine Übertragung der nationalen Zentralbankkompetenzen auf eine Europäische Zentralbank geknüpft sind und ob diese dem Ziel der Stabilität des Geldwertes angemessen sind. Mit den Voraussetzungen werden gleichzeitig die Grenzen der Übertragungskompetenz gezogen. Schließlich soll die Rolle erörtert werden, welche der Deutschen Bundesbank nach Vollendung der Währungsunion
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18 19 20 21
Weikart, Geldwert, S. 109 tT. (119). Schmidt, HbStR 111, S. 1122; ders. in: Wirtschaftsrecht, S. 348. Z.B. Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 52 (mit Hinweis auf BVerfGE 9, 7 tT.). So Tietmeyer, in: Isensee (Hrsg.), Europa, S. 35 (37 f.). Sch1esinger, in: Deutsche Bundesbank, AP Nr. 92 vom 21.12.1992, S. I (2).
Einleitung
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zugedacht ist. Zuvor erfolgt ein historischer Abriß über die zunehmende "Europäisierung" der Währungspolitik, welche die Grundgesetz-änderung zumindest aus der Sicht des Gesetzgebers erforderlich machte und es wird zu der im Schrifttum diskutierten Frage Stellung genommen, ob eine Änderung des Art. 88 GG tatsächlich juristisch notwendig war, um die Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland an der Währungsunion zu ermöglichen.
A. Die "Europäisierung" der Währungspolitik Die Eintllgung des Art. 88 S. 2 GG ist sowohl Symptom als auch Konsequenz der ständig zunehmenden Internationalisierung der deutschen Wirtschaft. Insbesondere die Verflechtung der Volkswirtschaften innerhalb der Europäischen Union hat dazu getllhrt, daß sich ein wesentlicher Teil des deutschen Außenhandels innerhalb ihrer Grenzen abspielt. I Dieser hohe Verflechtungsgrad der nationalen Volkswirtschaften in der EU tllhrte dazu, daß die rechtlichen Grundlagen des sich parallel vollziehenden Integrationsprozesses auf dem Gebiet der Währungspolitik einer Weiterentwicklung bedurften. Der folgende - notwendigerweise skizzenhafte2 - historische Abriß soll die Entwicklung der europäischen Währungspolitik bis hin zur Wirtschafts- und Währungsunion des Maastricht-Vertrages verdeutlichen, durch welche sich der deutsche Gesetzgeber vor die Notwendigkeit der Änderung des Art. 88 GG gestellt sah.
I. Die europäische Währungsintegration bis zum Vertrag von Maastricht Die Maastricher Entscheidung fllr eine Währungsunion ist das Ergebnis eines Integrationsprozesses, der keineswegs geradlinig verlief.) Der Vertrag Ober die Errichtung einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, wie er am 25. März 1957 in Rom unterzeichnet wurde und am 0 I. Januar 1958 in Kraft trat", läßt von dem Ziel der Errichtung einer Währungsunion noch nichts ahnen. Im Gegenteil, er zeichnet sich durch eine "währungspolitische Enthaltsamkeit"s der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten aus. Lediglich die Artikel \03 bis 109 EWGV enthielten einige schwach ausgeprägte Mechanismen zur Koordinierung der nationalen Wirtschaftspolitiken. Speziell den Bereich der Währungspolitik betreffend, den Art. 105 Abs. 2 EWGV als bloßen Teilbereich der allI Nach der Kommission der EG wickeln die ElJ-Mitgliedsländer im Durchschnitt Ober 60 % ihres Außenhandels untereinander ab. vgl. Kommission der EG, Die Wirtschafts- und Währungsunion, S. 47. 2 Eingehende Darstellung bis 1970 bei Ipscn. EGR. S. 793 Ir.; bis 1980 bei Strohmeier. S. 4 1'1'. ) Hellmann / Molitor. S. 13. 4 BGBI 195711 S. 753. 5 So Hahn. Vertrag von Maastricht. S. 12.
I. Die europäische Währungs integration bis zum Vertrag von Maastricht
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gemeinen Wirtschaftspolitik erwähnt6, wurde die Einsetzung eines beratenden Währungsausschusses geregelt, der die Koordinierung der Währungspolitik zu befördern hatte. Seine Zusammensetzung und Arbeitsweise sind der vom Rat am 18.03.1958 erlassenen Satzung zu entnehmen. 7 Verbindlichkeit kam den Stellungnahmen des Ausschusses jedoch nicht zu, seine Tätigkeit beschränkte sich auf eine beratende Funktion. 8 Art. 107 EWGV, wonach der Wechselkurs jeder Währung als eine Angelegenheit von gemeinsamen Interesse zu betrachten war, sowie Art. 108 EWGV, der die Beistandgewährung bei Zahlungsbilanzkrisen vorsah, beinhalteten weitere Regelungen mit dem Gegenstand einer Währungspolitik in der Gemeinschaft. Insgesamt bestätigt aber eine Gesamtschau der einschlägigen Regelungen9 den eher fragmentarischen Charakter der währungspolitischen Normierungen im EWGV.IO ZurUckzuftlhren war diese währungspolitische Enthaltsamkeit der Römischen Verträge in erster Linie auf zwei Faktoren: Der Einfluß des weltweiten Fixkurssystems nach der Übereinkunft über den internationalen Währungsfonds vom 22. Juli 1944 (BrettonWoods-System) mit seinem System fester Wechselkurse sorgte zumindest in den I 950er Jahren fllr internationale Währungsstabilität. So schien sich fllr die Gründerstaaten keinerlei Handlungsbedarf zu ergeben; im übrigen erschien ein regionales Währungssystem ohne Beteiligung von Dollar und Pfund Sterling kaum denkbar. Zum anderen hätte ein solches System dem monetären Bewegungsfreiraum der Mitgliedstaaten weitgehende Schranken auferlegt. Die Gründerstaaten beharrten aber auf einer nationalen Währungspolitik. 11 Dennoch wurde bereits am 24.10.1962 mit dem von der Kommission veröffentlichten Aktionsprogramm fllr die zweite Stufe des gemeinsamen Marktes erstmals die Zielperspektive einer Wirtschafts- und Währungsunion entwikkelt. 12 Schon hier fand sich die Vorstellung eines konkreten Stufenplanes zur Errichtung einer Währungsunion. Die rechtlich greifbaren Ergebnisse dieser Initiative beschränkten sich aber wegen der weiterhin heterogenen wirtschaftsund währungspolitischen Zielvorstellungen der Mitgliedstaaten auf die Errichtung einiger Ausschüsse. So wurde ein Beschluß über die Schaffung eines Ausschusses der Präsidenten aller Zentral banken gefaßt, der vorrangig KonsulIpsen, EGR, S. 805. Vgl. ABI. EG 1958 S.390. 8 Smits in: v.d.Groeben / Thiesing / Ehlermann, EWGV, Art. 105 Rn. 18. 9 Hierzu können noch Art. 6 (Ziel der Koordinierung der Wirtschaftspolitik) sowie der Abschnitt Uber den Zahlungs- und Kapitalverkehr (Art. 67-73) gezählt werden. 10 Vgl. zu dieser Einschätzung l'lahn, Währungsrecht, § \3 Rn. 12; Strohmeier, S. 4. 11 Hahn, Vertrag von Maastricht, S. 13; Ipsen, EGR, S. 794. 12 Vgl. dazu Ipsen, EGR, S. 803. 6
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A. Die "Europäisierung" der Währungspolitik
tationen über die großen Linien der Zentralbankpolitik diente. \3 Ein weiterer Beschluß vom 08.05.1964 über die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Verwaltungsstellen auf dem Gebiet der Haushaltspolitik filhrte zur Bildung des Haushaltsausschusses, der zur Koordinierung der Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten beitragen sollte. 14 Schließlich faßte der Rat am 08.05.1964 einen Beschluß über die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der internationalen Währungsbeziehungen. 1s Danach sollten im Währungsausschuß zu jeder wichtigen Entscheidung oder Stellungnahme auf dem Gebiet der internationalen Währungsbeziehungen Vorkonsultationen geführt werden. 16 Charakteristisch für diese Phase der währungspolitischen Integration war jedoch in erster Linie, daß sie sich auf die Vereinbarung von Konsultationspflichten beschränkte, nicht aber zur Übertragung nationaler Souveränitätsrechte auf europäische Institutionen führte. Der zweite Anlauf zur Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion und eigentliche große Vorläufer der Maastrichter Beschlüsse ist ebenfalls mit dem Namen einer niederländischen Stadt verbunden. Der entscheidende Anstoß erfolgte nämlich auf der Gipfelkonferenz in Den Haag am 1. und 2. Dezember 1969. Erstmals wurde nun das Ziel einer Wirtschafts- und Währungsunion von den Staats- und Regierungschefs selbst in Aussicht genommen. 17 Nachdem die vorhergehenden Jahre 1964 bis 1968 eine Phase ohne weitere nennenswerte Fortschritte auf dem Gebiet der währungspolitischen Integration bildeten lB , sorgten vor allem die politischen Ereignisse des Jahres 1968, insbesondere die Unruhen im Mai 1968 in Frankreich dafür, daß die währungspolitische Entwicklung gemeinschaftsweit krisenhafte Züge annahm. Der Abwertungsdruck auf den französischen Franc und der gleichzeitige Aufwertungsdruck auf die D-Mark führten dazu, daß der Franc im Laufe des Jahres 1969 25 % seines Wertes gegenüber der D-Mark einbüßte. 19 Wegen der Auswirkungen auf den Gemeinsamen Agrarmarkt gewährte die Kommission sogenannte "Währungs-
Beschluß 64/300 / EWG, ABI. EG 1964 S. 1206. Beschluß 64/299/ EWG, ABI. EG 1964 S. 1205. IS Beschluß 64/301/ EWG, ABI. EG 1964 S. 1207. 16 Vgl. zu diesem Beschluß näher Strohmeier, S. 5 f. 17 Vgl. die Stellungnahme im Abschlußkommunique - ZifT. 8, ABI. EG 1970 Nr. C 13, S. 15 (16). 18 Vgl. den Überblick bei BUnger / Molitor, in: v.d.Groeben / Thiesing / Ehlerrnann, EWGV vor Art. 102 a, Rn. 28-31; Strohmeier, S. 5-7. 19 Hahn, Vertrag von Maastricht, S. 15. \3
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I. Die europäische Währungsintegration bis zum Vertrag von Maastricht
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ausgleichsbeträge" zur Neutralisierung der Wechselkursänderungen. 2o Dennoch gerieten die EG-Agrarmarktordnungen durch die Spannungen im weltweiten Fixkurssystem zunehmend unter Druck. Diese Entwicklungen bewogen die Kommission dazu, das Interesse an einer gemeinschaftlichen Wechselkurspolitik und monetärer Zusammenarbeit im sog. "Barre-Plan" erneut in den Vordergrund zu rucken. Die Kommission empfahl dem Rat eine Koordinierung der kurz- und mittelfristigen Wirtschaftspolitik und die Schaffung eines kurzfristigen und eines mittelfristigen Währungsbeistands. 21 Als Reaktion darauf erteilten die Staats- und Regierungschefs auf dem Haager Gipfel dem Rat den Auftrag, ausgehend vom Barre-Plan im Laufe des Jahres 1970 einen Stufenplan für die Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion auszuarbeiten. Es kam am 06. März 1970 zur Einsetzung einer Arbeitsgruppe unter Leitung des luxemburgischen Ministerpräsidenten Pierre Werner. Die Arbeitsergebnisse der Wemer-Kommission wurden in einem Zwischenbericht22 und einem Schluß bericht23 veröffentlicht. 24 Der Plan sah die Verwirklichung einer Europäischen Währungsunion in drei Stufen vor. Als Endpunkt der Entwicklung im Währungsbereich wurde die vollständige Konvertierbarkeit der mitgliedstaatlichen Währungen untereinander zu festgesetzten Paritäten bei vollständiger Freiheit des Kapitalverkehrs angestrebt. Eine einheitliche Währung wurde zwar nicht als technische Notwendigkeit betrachtet; sie sei aus politischen und psychologischen Gründen aber vorzugswürdig. Als institutionelle Neuerung wurde vor allem die Errichtung eines europäischen Zentralbanksystems ins Auge gefaßt. Die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten sollte durch Empfehlungen für die Haushaltspolitik, die Defizitfinanzierung, die Steuerpolitik und die Finanzpolitik koordiniert und harmonisiert werden. Auf der Basis des "Wemer-Plans" verabschiedeten der Rat und die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten am 22.03.1971 eine Entschließung über die stufenweise Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion in der Gemeinschaft innerhalb von zehn Jahren bis zum 1.1.1981,25 Präzisiert wurden aber allein die Aktionsprinzipien rur die erste Stufe von drei Jahren, die unter anderem eine schrittweise Verringerung der Bandbreiten der europäischen Währungen erbringen sollte.
Oppermann, EuR, Rn. 868. Näher zu Inhalt und Folgen des Barre-Plans: Strohmeier, S. 8 ff. 22 Vgl. Beilage zum Bulletin 7 11970 der EG. 23 Abdruck in Sonderbeilage aus Bulletin 11 1 1970 der EG; auch in EA, 1970, S. D 530 ff. 24 Zum Inhalt des Werner-Plans vgl. die eingehenden Darstellungen bei Ipsen. EGR. S. 810 f.; Harbrecht, S. 99 ff.; Strohmeier, S. 26 ff. 25 ABI. EG 1971 Nr. C 28, S. I. 20 21
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Die Idee einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion sah sich jedoch bereits kurz nach ihrer Entstehung mit schwerwiegenden Bedrohungen durch die Entwicklung der weltweiten währungspolitischen Lage konfrontiert. Im Mai 1971 spitzte sich eine schon länger schwelende Währungskrise dadurch zu, daß fortwährende Spekulationen gegen den US-Dollar die D-Mark unter verstärkten Aufwertungsdruck setzten. 26 Dieses fllhrte dazu, daß am 9. Mai 1971 die Wechselkurse der D-Mark und des holländischen Gulden freigegeben wurden. Damit war eine grundlegende Voraussetzung der Einfllhrung der Europäischen Währungsunion, nämlich die schrittweise Verringerung der Bandbreiten bis auf weiteres unmöglich geworden. Schließlich bewirkte der endgUltige Zusammenbruch des Fixkurssystems von Bretton-Woods die Aufhebung der Goldkonvertibilität des US-Dollars am 15.08.1971 und die Suspendierung der EG-Wechselkurse gegenüber dem US-Dollar. 27 Im Zusammenhang mit der ersten Ölpreiskrise fllhrte dieser Einschnitt in die Weltwährungsordnung zum faktischen Ende des zweiten Anlaufs zu einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. 28 Immerhin resultierten aus dieser Phase der währungspolitischen Integration die Errichtung der sog. "Währungsschlange" des Europäischen Wechselkursverbunds (EWV) und des Europäischen Fonds fllr währungspolitische Zusammenarbeit (EFWZ). Der EWV war die Reaktion der Organe der Gemeinschaft auf den Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems. Weltweit wurde eine darauf folgende kurze Phase relativ freien Floatens der einzelstaatlichen Währungen durch das sogenannte Smithsonian Agreement vom 18. Dezember 1971 beendet. Es wurde eine allgemeine Neufestsetzung der Paritäten mit dem Inhalt beschlossen, daß die Bandbreite, innerhalb derer die Währungen vom Leitkurs gegenüber dem Dollar abweichen durften, nunmehr 4,5 % betragen sollte. 29 Dieses bedeutete fllr die EGWährungen, daß im Laufe der Zeit Schwankungen von bis zu 9 % innerhalb der Bandbreiten möglich waren. Eine derartige Schwankungsbreite widersprach jedoch dem Grundgedanken der Bandbreitenverringerung auf dem Weg zur Wirtschafts- und Währungsunion und wurde als schwerwiegendes Hindernis auf dem Weg zum Gemeinsamen Markt erkannt. 30 In der Entschließung vom 21.03.1972 31 forderten der Rat und die Vertreter der Regierungen der
26 27 28
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Harbrecht, S. 103 f. Vgl. Hahn, Vertrag von Maastricht, S. 18. Tietmeyer, in: Isensee, Europa, S. 35 (40). Harbrecht, S. 104. Vgl. Oppermann, EuR, Rn. 868. ABI. EG 1972 Nr. C 38, S. 3.
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Mitgliedstaaten daher die Zentralbanken auf, spätestens ab dem 0 I. Juli 1972 den zu einem bestimmten Zeitpunkt möglichen Abstand zwischen den Währungen zweier Mitgliedstaaten auf höchstens 2,25 % zu verringern. Dabei sollten die notwendigen Interventionen erstmals in Gemeinschaftswährungen erfolgen, sobald die 2,25 %-Marke erreicht war und nur dann in Dollar, wenn die nach dem Smithsonian Agreement zulässige Marge von 4,5 % überschritten wurde. Durch das sogenannte "BaseIer Abkommen"32 kamen die Zentralbanken der Mitgliedstaaten diesem Ersuchen am 10.04.1972 nach und verpflichteten sich, durch die Gewährung unbegrenzter Kreditfazilitäten die erlaubten Bandbreiten einzuhalten. Durch die Bandbreitenverringerung auf 2,25 % innerhalb der nach dem Smithsonian-Agreement zulässigen Marge von 4,5 % erhielt der hiermit begründete Europäische Währungsverbund die Bezeichnung als "Schlange im Tunnel" . Auf die Entschließung vom 22.03.1971 zurück ging die am 06.04.1973 folgende Errichtung des Europäischen Fonds rur Währungspolitische Zusammenarbeit (EFWZ)33, der das "Management des kurzfristigen Beistands"34 übernehmen sollte. Damit wurden erstmals Befugnisse hoheitsrechtlicher Art auf ein nicht im Vertrag vorgesehenes Organ übertragen und dieses mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet. 35 Obwohl der EFWZ nach dem Wortlaut der zu seiner Errichtung ergangenen Verordnungen 36 in der Endphase der geplanten Wirtschafts- und Währungsunion in ein gemeinschaftliches Zentralbanksystem übergehen sollte, kam es faktisch nicht über ein "Schattendasein"37 hinaus, das sich in erster Linie auf Saldierungen der im Zuge der Interventionen am Devisenmarkt notwendigen Transaktionen der mitgliedstaatlichen Zentralbanken beschränkte. Dieses Verharren des EFWZ in einem rudimentären Entwicklungsstadium hing ursächlich zusammen mit der weiteren Entwicklung des Europäischen Währungsverbundes, der vielfachen Spannungen durch Spekulationswellen und einem anhaltenden Mitgliederschwund ausgesetzt war. Durchzuhalten vermochten die notwendige Disziplin und das gegenseitige Engagement letztlich nur Deutschland und die Benelux-Staaten. Daran zeigte sich zugleich, daß der Europäische Währungsverbund an die Grenzen seiner Integrationsmacht gestoßen war. Dementsprechend negativ fiel das Fazit über die 32 Text bei Krägenau / Wetter, S. 110. 33 Aufgrund der Verordnung 73 /907/ AbI. EG Nr. L 89 S. 2 tT. i.V.m. VO vom 24.07.1973
(ABI. C 207/46). 34 Ehlermann, EuR 1973, S. 193 ff. 35 Ehlermann, a.a.O., S. 193. 36 Vgl. Erwägung 1 in der Prllambel der Verordnung (Fn. 33). 37 So Harbrecht, S. 106.
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Fortschritte auf dem Weg zur Währungsunion aus. Man sah keinerlei Fortkommen auf dem Weg zu einer monetären Gemeinschaftspolitik38 , die bis dahin erfolgten Maßnahmen wurden allgemein als Mißerfolg angesehen. Aus heutiger Sicht erscheint der Ertrag der Jahre des EWV nicht derartig negativ: Immerhin zwang der Mechanismus der Interventionsverpflichtungen die Exekutiven und Zentralbanken zu verstärkter Zusammenarbeit mit gemeinschaftsweiter geldpolitischer Perspektive und die Errichtung des EFWZ zeigte zumindest Ansätze einer institutionellen Verselbständigung der gemeinschaftlichen monetären PoIitik. 39 Ein Neubeginn zur Integration der gemeinschaftlichen Währungspolitiken wurde im Juli und im Dezember 1978 auf den Tagungen des Europäischen Rates in Bremen und BrUssel auf Initiative des französischen Staatspräsidenten Giscard d'Estaing und des deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt in die Wege geleitet. Man beschloß die GrUndung des Europäischen Währungssystems (EWS).40 Entscheidende Rechtsgrundlagen des EWS sind bis heute zwei am 15.12.1978 ergangene Verordnungen des Rates: Deren erste41 regelt die Änderung des Wertes der Rechnungseinheit des Europäischen Fonds fi.ir währungspolitische Zusammenarbeit und begrUndet damit die zentrale Rolle der ECU als Rechnungseinheit fi.ir die erforderlichen finanziellen Transaktionen im Rahmen des EWS. Die zweite Verordnung42 gilt als eigentliche Rechtsgrundlage43 des EWS. In ihr wird insbesondere auch die fi.ir den Europäischen Fonds fi.ir währungspolitische Zusammenarbeit anvisierte Rolle als fi.ir die Verwaltung des EWS zuständige Institution definiert. Als Konsequenz einer in der Ratsentschließung vom 05.12.1978 enthaltenen Aufforderung an die Zentralbanken der Mitgliedstaaten, regelten diese durch einen Abänderungsvertrag zum "Baseier Abkommen" vom 13.03.197944 die technischen Einzelheiten Uber die Funktionsweise des Europäischen Währungssystems. Inhaltlich handelt es sich beim Europäischen Währungssystem um ein regional begrenztes System grundsätzlich festgelegter, aber anpassungsfähiger Wechselkurse, die nur innerhalb einer bestimmten Bandbreite schwanken dUrfen, ohne Interventi38 So der sogenannte "Marjolins-Bericht" vom Frühjahr 1975 der Studiengruppe "Wirtschattsund Währungsunion 1980"; zit. nach Harbrecht, S. 107. 39 Ähnlich Hahn, Vertrag von Maastricht, S. 23 f. 40 Vgl. die Entschließung des Europäischen Rates vom 05.12.1978 über die Errichtung des EWS, Text abgedruckt bei Krägenau / Wetter, S. 121 Ir 41 VO Nr. 3180178 vom 18.12.1978, abgedruckt in: ABI. EG 1978 Nr. L 379, S. I. 42 VO Nr. 3181 /78 vom 18.12.1978, abgedruckt in: ABI. EG 1978 Nr. L 379, S. 2. 43 SO Z.B. Oppermann, EuR, Rn. 874. 44 Abgedruckt bei Krägenau / Wetter, S. 124 Ir.
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onspflichten der beteiligten Zentralbanken auszulösen. 45 In seiner Entscheidung vom 05.12.1978 hat der Rat folgende Elemente als grundlegend für das EWS festgelegt4 6 : Den ECU ("European Currency Unit") als Rechnungseinheit, einen Wechselkurs- und Interventionsmechanismus und einen Kreditmechanismus. Die wesentliche Neuerung im Vergleich zur vorhergehenden "Schlange" des Europäischen Währungsverbundes (EWV) bildet dabei vor allem die Rolle der ECUY Sie dient im EWS als Bezugsgröße sowohl für die Festsetzung der Leitkurse, als auch für die Interventions- und Kreditmechanismen des Systems. 48 Jeder mitgliedstaatlichen Währung ist im EWS ein in ECU ausgedrUckter Leitkurs zugeordnet. Werden die einzelnen Leitkurse zueinander in Beziehung gesetzt, so entsteht das sogenannte "Paritätengitter": Die Wechselkurse können um die bilateralen Leitkurse im Rahmen einer Bandbreite von +/- 2,25 % (oder 6 % für Länder, die 1978 nicht dem EWV angehörten und Neumitglieder) schwanken, ohne daß Interventionspflichten der betroffenen Zentral banken entstehen. Gehen die Schwankungen über diese Grenzmarken hinaus, so greift eine Interventionspflicht in Währungen der Teilnehmerstaaten. Daneben besteht die Möglichkeit von Interventionen nach Maßgabe des sogenannten Abweichungsindikators, eines weiteren Novums des EWS. Die Abweichungsmarke besteht hierbei, für jede Währung in ECU ausgedrUckt, aus einer Marge von 75 % der Bandbreiten. Wird diese Grenze erreicht, so besteht eine Vermutung dafür, daß das betroffene Land Gegenmaßnahmen einleitet. 49 Lassen sich die Leitkurse durch derartige Interventionen nicht innerhalb der Schwankungsbreiten halten, besteht die Möglichkeit, die Leitkurse im gegenseitigen Einvernehmen der Mitgliedstaaten und der Kommission neu festzulegen. Im Hinblick auf die Perspektive einer europäischen Währungsunion bedeutsam ist insbesondere, daß die Gestalt des EWS, wie sie vorhergehend beschrieben wurde, nach der Entschließung vom 05.12.1978 eigentlich nur als vorbereitende Phase für eine innerhalb von zwei Jahren zu beginnende zweite, institutionelle Phase, gedacht war. Diese sollte die "Schaffung eines Europäischen Währungsfonds sowie die uneingeschränkte Verwendung der ECU als Reser-
45 Vgl. auch Oppermann, EuR, Rn. 876; eine eingehende Darstellung der Funktionsweise des EWS findet sich bei Hahn, Währungsrecht, § 13 Rn. 17 ff. 46 Vgl. auch BUnger I Molitor, in: v.d.Groeben I Thiesing I Ehlermann, EWGV, vor Art. 102 a, Rn. 48. 47 Hahn, Währungsrecht, § 13 Rn. 18-20. 48 BUnger I Molitor, in: v.d.Groeben I Thiesing I Ehlermann, EWGV, vor Art. 102 a, Rn. 49 49 Ziffer 3.6. der Entschließung vom 05.12.1978 (Fn. 40).
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A. Die "Europäisierung" der Währungspolitik
veaktivum und als Instrument für den Saldenausgleich"50 mit sich bringen. Diese institutionelle Phase ist jedoch nie in Kraft getreten, so daß auch das EWS den angestrebten qualitativen Sprung zur Verwirklichung einer monetären Gemeinschaftspolitik nicht erbringen konnte. Zu Beginn der 1980er Jahre schloß sich infolgedessen erneut eine längere Phase des Erlahmens der währungspolitischen Integrationsbemühungen an. Immerhin wurde durch die Vertragsrevision der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA)51, die zum Juli 1987 in Kraft trat, erstmals das Ziel einer schrittweisen Verwirklichung einer Wirtschafts- und Währungsunion in den Vertrag aufgenommen. 52 Gleichzeitig wurde aber im zweiten Absatz des Art. 102 a EWGV festgelegt, daß institutionelle Änderungen im Rahmen der gemeinsamen Wirtschafts- und Währungspolitik nur im Rahmen des förmlichen Vertragsänderungsverfahrens, mithin nach Art. 236 EWGV, vorgenommen werden durften. Überraschend schnell im Anschluß an diese Vertragsrevision ergaben sich Anstöße zu einem erneuten Versuch der Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion. Diese "Renaissance"53 der Idee der Wirtschafts- und Währungsunion war eine Folge der Entwicklungen, welche die Geldpolitik in der Gemeinschaft in den achtziger Jahren genommen hatte. Nachdem zunächst auch das EWS, wie ein Jahrzehnt zuvor der EWV, mit vielen Realignments zu kämpfen hatte, begann etwa Mitte des Jahrzehnts eine zunehmende Verstetigung der einzelstaatlichen Währungspolitiken. Insbesondere Frankreich vollzog um 1983 einen radikalen Kurswechsel in Richtung auf eine preisstabilitätsorientierte Geld- und Fiskalpolitik54, die einen zunehmenden Konvergenzkurs mit wachsender Einsicht in den Rang der Geldwertstabilität in der Gemeinschaft zur Folge hatte. 55 Gleichzeitig erlangte die Stellung der Bundesbank einen vielerorts geradezu hegemonial erscheinenden Charakter. Dieses war die natürliche Folge der Rolle der D-Mark als "Ankerwährung" im EWS. Vornehmlich die französischen Regierungen drängten jedoch auf eine stärkere Mitbestimmung an der Gestaltung der Geldpolitik in der Gemeinschaft. 56 Geeignetes Mittel zu diesem Zweck schien ihnen die Errichtung einer Europäischen Zentralbank zu sein. Den Beginn des erneuten, insgesamt dritten Anlaufs zur Verwirklichung einer Wirtschafts- und Währungsunion bildete daher fol50 51 52 53
Ziffer 1.4. der Entschließung (Fn. 40). BGBI. 198611, S. 1104. Z.B. in der Präambel der EEA. Tietmeyer, in: Isensee (Hrsg.), Europa, S. 35 (41). 54 Tietmeyer, a.a.O.; vgl. auch Hahn, Vertrag von Maastricht, S. 27. 55 Kloten, in: Jahrbücher rur Nationalökonomie und Statistik, 206 (1989), S. 407 (408 f.). 56 Tietmeyer, in: Isensee (Hrsg.), Europa, S. 35 (41).
I. Die europäische Währungsintegration bis zum Vertrag von Maastricht
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gerichtig eine Initiative des französischen Finanzministers Balladur, der die Zeit fUr die Errichtung einer Europäischen Zentralbank gekommen sah. 57 Es folgte ein Memorandum des deutschen Außenministers vom 26.02.1988 58 , das die Einsetzung eines Sachverständigenrats zur Prüfung der Errichtung eines europäischen Währungsraumes und einer europäischen Zeptralbank forderte. Demgemäß setzte der Europäische Rat am 27.128. Juni 1988 auf seiner Tagung in Hannover einen Ausschuß ein, dem die Aufgabe übertragen wurde, die konkreten Etappen zur schrittweisen Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion in Europa zu prüfen. 59 Dem etwa zwanzigköpfigen Ausschuß gehörten die Leiter der Notenbanken, ein von der Kommission ernanntes und drei vom Europäischen Rat benannte Mitglieder an. Den Vorsitz fUhrte der Präsident der Kommission, Jacques Delors, nach dem der Ausschuß auch bald benannt wurde. Am 17. April 1989 legte die Delors-Kommission ihren Bericht zur Wirtschafts- und Währungsunion in der Europäischen Gemeinschaft vor. 6O Wie der Werner-Bericht erkannte das Delors-Papier als Ziel des Prozesses die Errichtung einer Währungsunion, in der die Wechselkurse der Gemeinschaftswährungen unter Beseitigung der Bandbreiten unwiderruflich festgelegt, die Währungen uneingeschränkt und irreversibel konvertibel und der Kapitalverkehr vollständig liberalisiert sein sollten. 61 Dieses Ziel sollte, auch dabei lag eine Parallelität zum Werner-Plan vor, in einem dreistufigen Prozeß verwirklicht werden62, der aber dennoch als einheitlicher und möglichst irreversibler Ablauf zu gestalten sei. 6] Den Beginn der ersten Stufe terminierte der Bericht auf den 01.07.1990, dem Zeitpunkt der vollständigen Liberalisierung des Kapitalverkehrs in der Gemeinschaft64, gen aue Zeitpunkte fUr die Übergänge in die jeweils darauffolgenden Stufen wurden ausdrücklich nicht genannt. 65 Die erste Vgl. Scharrer, Integration 1988, S. 95. Memorandum rur die Schaffung eines europäischen Währungsraumes und einer europäischen Zentralbank, in: Deutsche Bundesbank, AP, Nr. 15 vom 01.03.1989, S. 6 f. 59 Tagung des Europäischen Rats in Hannover am 27. und 28.06.1988, Schlußfolgerungen des Vorsitz; abgedruckt in: Presse- und fnformationsamt der Bundesregierung, Bulletin Nr. 90 I S. 841 vom 30.06. 1988 (Bulletin der Bundesregierung). 60 Ausschuß zur Prüfung der Wirtschafts- und Währungsunion in der Europäischen Gemeinschaft (1989); abgedruckt auch in EA 1989 S. D 283 ff.; vgl. auch die nähere Darstellung bei Kloten, EA 1989, S. 25 I. 61 Vgl. Ziff. 22 des Delors-Berichts. 62 Vgl. Kapitel m des Delors-Berichts. 6] Vgl. Ziff. 39 des Delors-Berichts. 64 Richtlinie 88 /361 I EWG, ABI EG Nr. L 178, S. 5. 65 Vgl. Ziff. 43 des Delors-Berichts. 57 58
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A. Die "Europäisierung" der Währungspolitik
Stufe sollte inhaltlich hauptsächlich der Erreichung einer größeren Konvergenz der mitgliedstaatlichen Volkswirtschaften durch verstärkte Koordinierung der Wirtschafts- und Währungspolitiken dienen, ohne jedoch Veränderungen des institutionellen Rahmens vorzunehmen. 66 Die Beteiligung sämtlicher Mitgliedstaaten am EWS-Mechanismus wurde als wichtig herausgestellt. 67 In der zweiten Stufe sollten die erforderlichen institutionellen Änderungen erfolgen. Daher sollten bis hierhin die notwendigen Änderungen des EWGV erfolgt sein. Als Träger der europäischen Geldpolitik sah der Delors-Plan ein zu errichtendes Europäisches Zentralbanksystem (EZBS) vor. 68 Die dritte Stufe schließlich bedeutete gleichzeitig das Inkrafttreten der Wirtschafts- und Währungsunion, also die endgültige Fixierung der Wechselkurse und Übertragung monetärer Kompetenzen auf die Gemeinschaftsorgane. 69 Recht detailliert äußerte sich der Bericht überdies zur institutionellen Struktur der künftigen Europäischen Zentralbank. 70 Insbesondere sollte das EZBS eine fMerative Struktur, sowie den Status eines unabhängigen Organs der Gemeinschaft erhalten. Eine neue Institution, die mit der Aufgabe der Koordinierung der Wirtschaftspolitiken der Gemeinschaft zu betrauen wäre, wurde nicht rur erforderlich gehalten. 71 Auf seiner Tagung am 26./27.6.1989 in Madrid beschloß der Europäische Rat, in einen dreistufigen Prozeß zur Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion einzutreten. Der Zeitpunkt rur den Beginn der ersten Stufe wurde, der Empfehlung des Delors-Berichts folgend, auf den 1.7.1990 festgesetzt. 72 Der folgende Gipfel, am 27./28.10.1990 in Rom, benannte den 1.1.1994 als Beginn der zweiten Stufe auf dem Weg zur WWU und befolgte damit ebenfalls den Vorschlag des Delors-Papiers. 73 Vor der zweiten römischen Tagung, am 14./15.12.1990, legte die Kommission den Entwurf eines Vertrages zur Änderung des EWG-Vertrages im Hinblick auf die Errichtung der Wirtschafts- und Währungsunion vor.14 Nach den dortigen Verhandlungen und der entscheidenden Konferenz des Europäischen Rates am 9./10.12.1991 in Maastricht, wurde der "Vertrag über die Europäische Union" am 7.2.1992 unterzeichnet. Vgl. litT. 50 tT. a.a.O. Vgl. litT. 52 a.a.O. 68 Vgl. litT. 55 tT., insbesondere litT. 57 a.a.O. 69 Vgl. litT. 58 a.a.O. 70 Kap. 11 Abschn. 4, litT. 31 tT. a.a.O. 71 Vgl. litT. 33 a.a.O. 72 Vgl. Bulletin der Bundesregierung Nr. 69/ S. 605 vom 30.06.1989. 73 Schlußfolgerungen abgedruckt in: Bulletin der Bundesregierung Nr. 128 / S. 1333 vom 6.11.1990. 74 Vgl. Häde, EuZW 1992, S. 17. 66 67
11. Der Weg zur Währungsunion nach dem Vertrag von Maastricht
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ll. Der Weg zur Währungsunion nach dem Vertrag von Maastricht In der inhaltlichen Ausgestaltung des Weges zu einer europäischen Währungsunion hält sich der "Vertrag zur Gründung einer Europäischen Union" an die von Delors vorgeschlagene Abstufung des Prozesses in ,drei Phasen. Diese werden hier abschließend skizziert. 7s I. Die erste Stufe
Die erste Stufe, die nach dem Beschluß des Rates vom 26./27.06.1989 in Madrid am 01.07.1990 begonnen hatte, diente vornehmlich der Verstärkung der Konvergenz der wirtschafts- und währungspolitischen Entwicklung der Mitgliedstaaten. Die hierfllr maßgebenden Rechtsgrundlagen, in Gestalt der Entscheidung zur Erreichung einer schrittweisen Konvergenz der Politiken und der wirtschaftlichen Ergebnisse während der ersten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion 76 und der Beschluß des Rates über die Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft77 , waren bereits am 12.3.1990 erlassen worden. Daneben forderte die Übergangsbestimmung des Art. 109 e Abs. 2 EGV ft1r die erste Stufe, daß die Mitgliedstaaten als vorbereitende Maßnahmen rur die zweite Stufe ihre nationalen Rechtsvorschriften so zu gestalten hatten, daß diese dem Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit gerecht wurden und daneben die Gewährung von Zentralbankkrediten rur die öffentliche Hand zu verbieten hatten. Schließlich wurde die Notwendigkeit von Konvergenzprogrammen, insbesondere hinsichtlich der Preisstabilität und gesunder öffentlicher Finanzen betont,78 Der Rat hat den Konvergenzprozeß zu überwachen und zu bewerten. 79 Daneben ordnete Art. 109 c Abs. 1 EGV bereits die Bildung eines beratenden Wähnmgsausschusses an, dessen Aufgabe in erster Linie in der Beobachtung der Währungsund Finanzlage von Mitgliedstaaten und Gemeinschaft besteht, sowie in der Erstellung eines jährlichen Berichts hinsichtlich der Lage des Kapital- und Zahlungsverkehrs. Institutionelle Neuerungen fanden in der ersten Stufe nicht statt.
7S Eingehendere Darstellungen des Drei-Stufen-Plans zur WWU u.a. bei: Häde, EuZW 1992, S. 171 ff.; Hahn, Vertrag von Maastricht, S. 42 ff. 76 ABI. EG 1990, Nr. L 78, S. 23. 77 ABI. EG 1990, Nr. L 78, S. 25. 78 Art. 109 e Abs. 2, 2. Spiegelstrich EGV. 79 Art. 109 e Abs. 2lit b EGV.
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A. Die "Europäisierung" der Währungspolitik
2. Die zweite Stufe
Die zweite Stufe der WWU hat am 0 I. Januar 1994 begonnen, ohne daß an ihren Eintritt weitere Voraussetzungen zu knüpfen waren. 80 Hauptereignis der zweiten Stufe ist die Errichtung des Europäischen Währungs instituts (EWI), dessen Organisationsstruktur und Aufbau grundlegend in Art. 109 f EGV, sowie in einem dem Maastricht-Vertrag als Protokoll hinzugerugten EWIStatut geregelt sind. Gemäß Art. 109 f Abs. I EGV und Art. 9 EWI-Statut besitzt das EWI Rechtspersönlichkeit. 81 Seine Verwaltung geschieht durch einen Rat, der sich aus dem Präsidenten des EWI und den Präsidenten der nationalen Zentralbanken zusammensetzt. Art. 109 f Abs. 2 EGV und Art. 4 EWI-Statut enthalten einen Aufgabenkatalog, aus dem als vorrangige Aufgabe des EWI die Verstärkung der Koordinierung der Geldpolitiken der mitgliedstaatlichen Zentralbanken mit dem Ziel der Preisstabilität hervorgeht. 82 Weiterhin hat das EWI das Funktionieren des. weiterbestehenden EWS zu überwachen und die Aufgaben des aufzulösenden EFWZ zu übernehmen. 83 Schließlich soll die Verwendung des ECU erleichtert werden. 84 Daneben hat das EWI die eher technische Aufgabe, die Instrumente und Verfahren rur die Durchruhrung einer gemeinschaftlichen Geldpolitik in der dritten Stufe zu schaffen. 85 Auch kann das EWI durch Stellungnahmen und Empfehlungen, welche bei einstimmigem Beschluß auch veröffentlicht werden können, auf die einzelstaatlichen Geldpolitiken Einfluß zu nehmen versuchen. 86 Trotz dieses umfangreichen Aufgabenkatalogs verbleibt die Verantwortung für die Geldpolitik während der Dauer der zweiten Stufe bei den nationalen Notenbanken. 87 Gerade die deutsche Seite scheint dieser Versicherung jedoch wenig Glauben zu schenken, berurchtet sie doch in der zweiten Stufe eine "Grauzone" der geldpolitischen Kompetenzen, die das Ziel der Geldwertstabilität zu beeinträchtigen in der Lage ist. 88 Neben der Errichtung des EWI ruhrt der Beginn der zweiten Stufe zu einer verstärkten Überprüfung der mitgliedstaatlichen Haushaltspolitiken durch die Art. 109 e Abs. 1 EGV. Naher dazu Hahn, Vertrag von Maastricht, S. 58 t: 82 Art. 109 f Abs. 2, 1./2. und 4. Spiegelstrich EGV; vgl. zu den Aufgaben des EWI auch Häde, EuGRZ 1994, S. 685 (686). 83 Art. 109 f Abs. 2, 3. und 5. Spiegelstrich EGV. 84 Art. 109 f Abs. 2, letzter Spiegelstrich EGV. 85 Art. 109 f Abs. 3 EGV. 86 Art. 109 f Abs. 4 und 5 EGV. 87 So ausdrücklich Art. 3.1 EWI-Statut. 88 Deutsche Bundesbank, AP Nr. 90 vom 28.11.1991; dazu auch Gaddum, ZGesKredW 1992, S. 46 (48). 80
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H. Der Weg zur Währungsunion nach dem Vertrag von Maastricht
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Kommission. Nach den Art. 104 bis 104 c EGV überwacht die Kommission die Entwicklung der Haushaltslage und die Höhe des öffentlichen Schuldenstands im Hinblick auf die Feststellung schwerer FehlerB9; Sanktionsmöglichkeiten sind allerdings in der zweiten Stufe noch nicht eröffnet. 90 In denjenigen Mitgliedstaaten, in welchen die Notenbanken noch keine Autonomie genießen, muß nun das Verfahren eingeleitet werden, das zur Unabhängigkeit der Zentralbank LS. von Art. 108 LV.m. 107 EGV fllhren soll.91 Demzufolge hat insbesondere Frankreich seine Notenbank bereits zum Januar 1994 in die Unabhängigkeit entlassen.92 Schließlich greift auch schon ab Beginn der zweiten Stufe fllr alle Mitgliedstaaten das Verbot, sogenannte "Kassenkredite" bei ihren nationalen Zentralbanken bzw. bei der EZB aufzunehmen, und Beschränkungen des Kapitalverkehrs sind gemäß Art. 73 b EGV grundsätzlich verboten. 93
3. Die Übergangsvoraussetzungenjür die letzte Stufe Für die vorbereitende Zwischenphase sieht der EGV zunächst eine Dauer von annähernd drei Jahren vor. Der fllr den Eintritt in die dritte Stufe maßgebliche Art. 109 j EGV datiert den Beginn des Übergangsverfahrens spätestens auf den 31. 12. 1996. Als Grundlage hierfllr dienen Berichte der Kommission und des EWI an den Rat in der Zusammensetzung der Wirtschafts- und Finanzrninister. 94 Kernstück der Berichte ist die Beantwortung der Frage, ob ein hoher Grad an wirtschafts- und währungspolitischer Konvergenz erreicht worden ist. Als Indikatoren hierfllr sieht der Vertrag vier Kriterien vor, die in Art. 109 j Abs. 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft dargelegt werden: - Der betreffende Mitgliedstaat muß einen hohen Grad an Preisstabilität dadurch nachweisen, daß die Inflationsrate nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte von derjenigen der drei Mitgliedstaaten mit der niedrigsten Inflationsrate abweicht. - Der Haushalt darf kein übermäßiges Defizit aufweisen.
Art. 109 e Abs. 3 EGV. Art. 109 c Abs. 3 i.V.m. Art. 104 c EGV. 91 Art. 109 e Abs. 5 EGV. 92 Deutsche Bundesbank, AI' Nr. I vom 4. Januar 1994, S. 10. 93 Am 01.01.1994 wurden die Art. 67 - 73 EWGV durch die Art. 73 b - 73 g ersetzt, vgl. Art. 73 EGV. 94 Näher dazu in Abschnitt D. IV. 4. 89
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A. Die "Europäisierung" der Währungspolitik
- Der Mitgliedstaat muß in den beiden vorangegangenen Jahren innerhalb der normalen Bandbreiten am Wechselkursmechanismus (EWS) teilgenommen haben. - Die langfristigen Zinssätze dOrfen nicht mehr als 2 % von den drei Mitgliedstaaten mit dem besten Ergebnissen hinsichtlich der Preisstabilität abweichen. 95 Aufgrund der vorgelegten Berichte entscheidet der Rat, ob die einzelnen Mitgliedstaaten die Konvergenzkriterien erreichen und ob es sich um die Mehrheit der Mitgliedstaaten handelt, welche die Voraussetzungen erfüllen. 96 Bis spätestens zum 31.12.1996 hat daraufhin der Rat in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs unter Berücksichtigung dieser Berichte zu entscheiden, ob es für eine Mehrheit der Mitgliedstaaten zweckmäßig ist, in die dritte Stufe einzutreten, und wann diese beginnen soll.97 Ist bis Ende 1997 kein Zeitpunkt rur den Beginn der dritten Stufe festgelegt worden, so erfolgt der Einstieg in die Währungsunion automatisch 98 am 01.01.1999. Der Rat hat dabei nur noch die teilnehmenden Mitgliedstaaten zu bestimmen99, das Erfordernis einer Mehrzahl entfällt. loo 4. Die dritte Stufe - Währungsunion
Erste Maßnahmen nach dem Beschluß Ober den Beginn der dritten Stufe bzw. unmittelbar nach dem 01. Juli 1998, wenn bis dahin kein solcher Beschluß gefaßt worden ist, sollen es dem ESZB ermöglichen, seine Tätigkeit aufzunehmen. Dazu sind technische Einzelheiten hinsichtlich der geldpolitischen Instrumente zu regeln. lol Nach der Ernennung des Direktoriums werden sodann das ESZB und die EZB errichtet lO2, so daß sie mit dem ersten Tag der Währungsunion die geldpolitische Verantwortung rur die Europäische Union übernehmen können. Mit der Errichtung der EZB wird gleichzeitig das EWI liquidiert. 103 Ziele und Aufgaben des ESZB im Rahmen der Währungsunion werden in Art. 105 EGV festgelegt. Demnach ist das ESZB vorrangig auf das 95 96 97 98
Näher zu den Konvergenzkriterien, s. Abschnitt D. IV. 4. Art. 109 j Abs. 2 EGV. Art. 109 j Abs. 3 EGV. Näher zur "Automatik" des Übergangsprozesses unter D. IV. 4. 99 Art. 109 j Abs. 4 EGV. 100 Für Großbritannien und Dänemark sind in den Protokollen Sonderregelungen vorgesehen. 101 Art 1091 i.V.m. Art. 106 Abs. 6 EGV 102 Näher zu deren Organisationsstruktur unter D. 111.2. c). 103 Art. 1091 Abs. 2 EGV.
11. Der Weg zur Währungsunion nach dem Vertrag von Maastricht
33
Ziel der Preisstabilität verpflichtet. Dieses Ziel hat das ESZB bei der Erfllllung der folgenden, vom Vertrag als grundlegend bezeichneten Aufgaben zu beachten: - der Festlegung und AusfUhrung der Geldpolitik der Gemeinschaft, - der DurchfUhrung von Devisengeschäften, - dem Halten und Verwalten der offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten, - der Förderung des reibungslosen Funktionierens der Zahlungssysteme. Kennzeichnendes Merkmal der Währungsunion soll aber die einheitliche Währung sein. Demgemäß werden zu Beginn der dritten Stufe die Wechselkurse der Währungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten unwiderruflich festgelegt. Gleichzeitig wird der Kurs, in der die einzelnen Währungen durch ECU ersetzt werden, fixiert. Damit entsteht die ECU als eigenständige europäische Währung. 104 Für eine Übergangszeit bleiben jedoch die nationalen Währungen neben der ECU erhalten, so daß diese den Status einer "Doppelwährung"105 hat, bis der Rat nach Art. 109 1Abs. 4 S. 3 EGV die sonstigen Maßnahmen getroffen hat, die notwendig sind, um aus der ECU die einheitliche europäische Währung zu machen. Am Ende dieses Prozesses steht ein einheitlicher europäischer Währungsraum. Die traditionelle Übereinstimmung zwischen den Grenzen der Nationalstaaten und ihren jeweiligen Währungsräumen, die durch die Existenz von De-facto-Währungsräumen, wie denjenigen zwischen der Bundesrepublik, den Niederlanden und Österreich lO6 bereits aufgeweicht ist, entfällt dann endgültig.
104 Vgl. zu diesem Verfahren Art. 1091 Abs. 4 EGV. 105 Dazu Wahlig, in GramIich u.a. (Hrsg.), Wllhrungsunion, S. 37 ( 44). 106
Dazu: EG-Kommission, Die: Wirtschafts- und Wllhrungsunion, S. 47.
3 lanzen
B. Zur Notwendigkeit einer Verfassungsänderung Die soeben beschriebene Entwicklung eines europäischen Währungsraumes wird zu derartig einschneidenden Auswirkungen auf Status und Aufgabenbereich der bisherigen nationalen Zentralbanken fUhren, daß sich der deutsche Verfassungsgesetzgeber zu einer Änderung der verfassungsrechtlichen Grundlage der Tätigkeit der Deutschen Bundesbank veranlaßt sah.· Er fUgte dem bisherigen "Bundesbankartikel" 88 GG einen zweiten Satz folgenden Inhalts ein: "Ihre Aufgaben und Befugnisse können im Rahmen der Europäischen Union der Europäischen Zentral bank übertragen werden, die unabhängig ist und dem vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität verpflichtet."
Da im Gefolge des Maastrichter Vertragsschlusses durchaus kontroverse Auffassungen Uber die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Grundgesetzänderung zur Ermöglichung der Übertragung der Währungshoheit auf ein Europäisches System der Zentralbanken geäußert wurden 2, soll diese Frage am Beginn der rechtlichen Untersuchungen zu Art. 88 S. 2 GG stehen. Ob die Übertragung der Währungshoheit auf die Europäische Union auf nationaler verfassungsrechtlicher Ebene dieser Verfassungsänderung juristisch zwingend bedurfte, ist am Maßstab des Art. 24 Abs. 1 GG und des Art. 23 GG n. F. zu beantworten. Dabei dient die Beschäftigung mit dem Art. 24 Abs. 1 GG nicht nur dem Anliegen, deutlich zu machen, inwiefern durch die EinfUgung des Art. 23 GG n. F. ein StUck Integrationsfreundlichkeit der deutschen Verfassung ohne verfassungsjuristische Not verlorengingJ , sondern sie erweist sich insbesondere auch deshalb als sinnvoll, weil der neue Art. 23 Abs. I GG hinsichtlich seiner tatbestand lichen Voraussetzungen und Grenzen deutlich an Art. 24 Abs. 1 GG anknUpft. Ein Rückgriff auf Rechtsprechung und Literatur zu • Vg!. den Vorschlag der GVK zur Änderung des Art. 88 GG, BT-Dr. 12/6000, S. 26 und die Beschlußempfehlung und den Bericht des Sonderausschusses "Europäische Union (Vertrag von Maastricht)", BT-Dr. 12/3896, S. 21. 2 Die Notwendigkeit einer Änderung des Art. 88 GG betonten außer den genannten parlamentariscben Gremien z.B. Scholz, NJW 1993, S. 1690 (1691); Wahlig, in: Gramlich u.a. (Hrsg.), Währungsunion. S. SO f.; v. Simson 1 Schwarze, S. 57; a.A. z.B. lIahn, Vertrag von Maastricht, S. 121 fT.; Weikart, NVwZ 1993, S. 834 (838); Oppcrmann 1 Classen, NJW 1993, S. 5 (11). J So Weikart, NVwZ 1993, S. 834 (836).
I. Vereinbarkeit der WWU mit der hergebrachten Verfassungslage
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Art. 24 Abs. 1 GG kann somit wichtige Rückschlüsse bei der Auslegung des Art. 23 GG ermöglichen. 4 Die Interpretation des Art. 23 Abs. 1 GG wiederum ist auch hinsichtlich der Auslegung des Art. 88 S. 2 GG von Bedeutung, da dessen Tatbestandsmerkmal "im Rahmen der Europäischen Union" im Zusammenhang mit Art. 23 Abs. 1 GG gelesen werden muß und sich die Voraussetzungen und Grenzen einer Übertragung der Währungshoheit generell kumulativ aus Art. 88 S. 2 GG und Art. 23 Abs. I GG ergeben. S Zunächst soll jedoch geprüft werden, ob die Übertragung der Währungshoheit auf die Europäische Union mit der vor EinfUgung des Art. 88 S. 2 GG vom Verfassungsgesetzgeber vorgefundenen Verfassungslage zu vereinbaren war.
I. Vereinbarkeit der WWU mit der hergebrachten Verfassungslage Durch die EinfUhrung einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion werden jene Vorschriften des Grundgesetzes tangiert, die in ihrer Zusammenschau als "Geld- und Währungsverfassungsrecht" bezeichnet werden. Für den Verfassungsgesetzgeber des Jahres 1992 stellte sich insbesondere die Problematik der Vereinbarkeit der WWU mit dem Art. 88 GG a. F., welcher die verfassungsrechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank regelte. Erwähnenswert sind aber auch die Auswirkungen auf die Kompetenzbestimmung des Art. 73 Nr. 4 GG und den Art. 109 Abs. 2 GG, der die Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht verpflichtet.
J. Aushöhlung der institutionellen Garantie des Art. 88 S. J GG Art. 88 S. I GG, also der frühere Art. 88 GG, fordert die Errichtung einer Bundesbank als Währungs- und Notenbank. Mit ihm enthält erstmals eine deutsche Verfassung eine eigenständige institutionelle Standortbestimmung fUr die Zentralbank. Frühere deutsche Verfassungen begnügten sich jeweils mit der Regelung der Gesetzgebungszuständigkeiten fUr das Münz-, Währungs- und Bankwesen. 6 Art. 88 S. 1 GG beinhaltet zunächst die Errichtungskompetenz des Bundes fUr eine Zentralbank. Dieser korrespondiert ein Verfassungsauftrag an den Bundesgesetzgeber zur Errichtung einer Währungs- und Notenbank als
Vgl. Kirchner I Haas, JZ 1993, S. 760 (763). Dazu eingehender Abschnitt D. I. 6 Vgl. Art. 4 Nr.3 und 4 der Reichsverfassung von 1871 und Art. 6 Nr. 5 bzw. Art. 7 Nr. 14 WRV; näher Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 355. 4
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3·
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B. Zur Notwendigkeit einer Verfassungsänderung
Bundesbank. 7 Die Pflicht zur Errichtung der Bundesbank wäre indessen unvollständig ohne eine Pflicht zur Erhaltung derselben. Daher enthält Art. 88 S. 1 GG auch eine Bestands- bzw. institutionelle Garantie. 8 Schwieriger erscheint in diesem Zusammenhang die Bestimmung des durch Art. 88 S. 1 GG verfassungskräftig geschützten Aufgabenkreises. Hierzu hat das BVerfG in einer Entscheidung aus dem Jahre 1962 punktuell an das sogenannte vorverfassungsmäßige Gesamtbild einer deutschen Zentralbank anzuknüpfen versucht. 9 Wegen der Uneinheitlichkeit seines Erscheinungsbildes wird es jedoch überwiegend als untauglich angesehen, eine scharfe Konturierung des Umfangs der institutionellen Garantie zu ermöglichen. lo Einziger Anknüpfungspunkt zur Ermittlung ihrer inhaltlichen Ausgestaltung ist daher der Wortlaut des Art. 88 S. 1 GG, also die Bezeichnung der Bundesbank als "Währungs- und Notenbank". Diese Umschreibung enthält drei Elemente: Zunächst weist der Gebrauch des Begriffs "Bank" darauf hin, daß der Bundesbank zwar nicht alle nach § 1 KWG einem Kreditinstitut möglichen Geschäfte gestattet sein müssen, jedoch zumindest die fUr die Erfüllung ihrer Aufgabe als "Währungs- und Notenbank" wesentlichen. I I Die Funktion der Bundesbank als Notenbank erfordert, daß ihr das Recht zur eigenverantwortlichen Ausgabe von Banknoten eingeräumt wird. Fraglich ist insoweit lediglich, ob sie dieses Recht ausschließlich besitzt, also ein Notenausgabemonopol innehat. 12 Diffiziler ist die Bestimmung des institutionellen Kerns des Begriffs "Währungsbank" . Er weist zunächst daraufhin, daß es die wesentliche Aufgabe der Bundesbank ist, die Währung zu steuern; oder in den Worten des BVerwG, mit der Sorge fUr das Geld sowohl die Volkswirtschaft mit Geldmitteln zu versorgen, als auch die Sicherung des Geldwertes zu gewährleisten. I) Diese abstrakte Umschreibung der Aufgabe bedeutet nicht, daß damit alle üblichen Befugnisse der Zentralbank Gegenstand der verfassungsrechtlichen Garantie sind. Soll andererseits aber die AufgabensteIlung nicht sinnentleert werden, so muß Art. 88 S. 1 GG zumindest die Gewährleistung des zur AufgabenerfUllung notwendigen wähBVerwGE 41,334 (349); Stern, Staatsrecht 11, S. 474. So die überwiegende Auffassung, vgl. Wilke in: v. Mangoldt I Klein, Art. 88, Anrn. 11. 3; Maunz, in: Maunz I Dürig, Art. 88, Rn. 3; Bauer, in: v. Münch, Art. 88, Rn. 6; Pieroth, in: Jarass I Pieroth, Art. 88, Rn. 2; a.A. wohl nur Faber, in AK, Art. 88, Rn. 29. 9 BVerIDE 14, 197 (216). 10 Stern, Staatsrecht 11, S. 475 rn.w. Nachw. 11 So Bauer, in: v. Münch, Art. 88, Rn. 9; weitergehend Stern, Staatsrecht 11, S. 475. . 12 So Maunz, in: Maunz I Dürig, Art. 88, Rn .. 31; Fögen, S. 73 f.; Klein, in: Schrnidt-Bleibtreu / Klein, Art. 88 Rn. 4; gegen ein Monopol der Bundesbank z.B. Bauer, in: v. Münch, Art. 88, Rn. 11. 13 BVcrwGE 41, 334 (349); ähnlich auch schon BVerfOE 14, 197 (216 f.). 7
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rungspolitischen Instrumentariums umfassen. 14 Dabei handelt es sich wohl in erster Linie um das typische, historisch hergebrachte Instrumentarium einer Währungs- und Notenbank, das aber durchaus aufgrund neuer volkswirtschaftlicher Erkenntnisse in seinem Bestand verändert werden kann. ls Unabhängig von der Frage, welche währungspolitischen Befugnisse im einzelnen von Art. 88 S. 1 GG umfaßt sind, besteht hinsichtlich der verfassungsrechtlichen SteIlung der Bundesbank jedoch ein Konsens darüber, daß die Zentralbank generell die Stellung einer "Hüterin der Währung" im Verfassungsgefllge des Grundgesetzes einnimmt. 16 Zwar wird die künftige Rolle der Bundesbank in einem Europäischen System der Zentralbanken noch einer eingehenden Untersuchung unterzogen werden '7, doch kann schon jetzt festgestellt werden, daß die Errichtung des ESZB entscheidend in diesen der Bundesbank durch Art. 88 S. 1 GG garantierten Status eingreifen wird, indem die Geld- und Währungspolitik auf die europäische Ebene "hochgezont" wird. Ab der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion ist es Aufgabe der EZB, die Geldpolitik in der Gemeinschaft zu betreiben. IB Um dieser Aufgabe gerecht werden zu können, wird ihr folgerichtig mit der Befugnis zur Notenausgabe eine rur die Erfllllung des Währungssicherungsauftrags entscheidende Kompetenz l9 währungspolitischer Art übertragen. 20 Zwar sind die nationalen Zentralbanken weiterhin zur Ausgabe von Banknoten befugt; sie bedürfen dazu jedoch der Genehmigung durch die EZB, so daß ihnen in diesem Bereich der eigene Gestaltungsspielraum genommen wird. Ebenso wird der Status der Bundesbank als Währungsbank entscheidend ausgehöhlt. Da nunmehr die EZB die Geldpolitik der Gemeinschaft festlegt 21 , verliert die Bundesbank ihren währungspolitischen Gestaltungsspielraum, obwohl sie nominell einige währungspolitische Kompetenzen behält. 22 Die Maastrichter Vereinbarungen ruhren damit zur Aufgabe einer eigenständigen nationalen Geldpolitik. Somit entflUlt notwendigerweise auch die Rolle der Bundesbank als institutioneller Träger einer souveränen deutschen Geld- und BVerwGE 41, 334 (350). Stern, Staatsrecht 11, S. 476; Bauer, in: v. MOnch, Art. 88, Rn. 10. 16 v.Spindler / Becker / Starke, § 2, Anm. 2; Stern, Staatsrecht 11, S. 478; speziell in der Diskussion um den EU-Vertrag auch Tettinger, RlW 1992 Beil. 3, S. 1 (6); Beisse, BB 1992, S. 645 (648). 17 Vgl. unten im Abschnitt G. 18 Art. 105 Abs. 2. 19 So z.B. GramIich, BBankG, § 14 Rn. 2. 20 Art. 105 a EGV. 21 Art. 105 Abs. 2, I. Spiegel strich EGV. 22 Eingehender dazu der Abschnitt G. II. 14
IS
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Währungspolitik. Sie muß ihren Anspruch aufgeben, "Hüterin der Währung" zu sein. Daraus folgt, daß die Übertragung der währungspolitischen Kompetenzen der Bundesbank auf eine Europäische Zentralbank, wie Art. 88 S. 2 GG sie nunmehr vorsieht, zu einer Aushöhlung der institutionellen Garantie des Art. 88 S. 1 GG filhrt. 23 Entgegen Randelzhofer24 liegt hierin auch eine Verletzung des Art. 88 GG alter Fassung. Zwar räumt die Kompetenzordnung des Grundgesetzes der Bundesbank kein Monopol zur Währungssicherung ein. 2s Bei der Übertragung der währungspolitischen Kompetenzen der Bundesbank auf eine Europäische Zentralbank handelt es sich jedoch nicht lediglich um eine inhaltliche Modifikation des Art. 88 GG a. F.; vielmehr wird der durch Auslegung der Begriffe "Währungs- und Notenbank" gewonnene Umfang der institutionellen Garantie auf einen eher unbedeutenden Anteil von Restkompetenzen reduziert. 26 Auch wenn die Bundesbank im grundgesetzlichen Kompetenzgefilge nicht alleiniger Träger der Währungspolitik war, so ließ doch insbesondere die Kennzeichnung als "Hüterin der Währung" erkennen, daß sie als verantwortliche Instanz filr die Erhaltung der Stabilität des Geldwesens gelten sollte. 27 Dieses beinhaltet notwendigerweise das Innehaben eines eigenen Entscheidungsspielraums zur Gestaltung einer eigenständigen, einem nationalen Geldwertbegriff verpflichteten Geldpolitik. Eine solche zu betreiben, ist der Bundesbank aber als lediglich ausfilhrende Instanz in einem Europäischen System der Zentralbanken verwehrt. Richtigerweise hat demnach die Übertragung der währungspolitischen Kompetenzen der Bundesbank auf eine Europäische Zentralbank eine Veränderung der verfassungsrechtlich festgelegten Zuständigkeitsordnung bewirkt. Eine solche Kompetenzverlagerung verstößt gegen die institutionelle Garantie des Art. 88 GG a. F. 28
23 v.Simson 1 Schwarze, S. 56; Beisse, BB 1992, S. 645 (648); ähnlich Müller, OVBI 1992, S. 1249 (1253). 24 Randelzhofer, in: Maunz 1 Oürig, Art. 24, Rn. 120 2S Stern, Staatsrecht 11, S. 478 26 Oabei handelt es sich im wesentlichen um bloße "Vollzugs- oder Ourchftlhrungskompetenzen", vgl. unten Abschnitt G.II. 27 v.Spindler 1 Beckerl Starke, § 2 Anm. 2 (S. 169). 28 Vgl. auch die Empfehlung der GVK, 8T-Dr.12 16000, S. 26; so auch Müller, OV81 1992, S. 1249 (1253); GramIich, 'fhürV81 1993, S. 241 (249); Wahlig, in: GramIich u.a. (Hrsg.), Währungsunion, S. 37 (50); Weikart, NVwZ 1993, S. 834 (836).
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2. Einschränkung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes gemäß Art. 73 Nr. 4 GG Berührt von einer Übertragung der währungspolitischen Zuständigkeiten auf ein Europäisches System der Zentralbanken wird daneben auch die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes auf dem Gebiet des Währungs-, Geld- und Münzwesens gemäß Art. 73 Nr. 4 GG. Die bisherige ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes wird durch die Übertragung der währungsrechtlichen Kompetenzen auf das ESZB entscheidend eingeschränkt. Die nationale Gesetzgebung verwandelt sich im Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion zu einer reinen Ausfllhrungskompetenz gegenüber dem europäischen Recht. 29 Pointiert ausgedrückt fllhrt die Einfllhrung einer Währungsunion zu einem "dauernden Verzicht auf eine eigenständige deutsche Währungsgesetzgebung".30 Dennoch wird man an dieser Stelle nicht von einem "Verstoß" gegen Art. 73 Nr. 4 GG durch die Einfllhrung der Währungsunion sprechen können. Zwar hat jede künftige nationale Gesetzgebung auf dem Gebiet des Währungsrechts die von der EZB zu bestimmenden Leitlinien der gemeinsamen Geldpolitik zu beachten, der eigentliche Regelungsgehalt des Art. 73 Nr. 4 GG bleibt hiervon jedoch unberührt. Aufgabe der Zuständigkeitsabgrenzung des Art. 73 GG ist nämlich die Kompetenzverteilung im Bund-Länder-Verhältnis. 3 ! Daß hingegen der Bund seine ihm verliehenen Kompetenzen auf supranationale Organisationen überträgt, will Art. 73 GG nicht verhindern. Die inhaltlichen Grenzen einer Übertragung der Währungshoheit müssen sich aus anderen Verfassungsnormen ergeben.
3. Aufgabe des Staatsziels ''gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht"? Obwohl nicht unmittelbar mit der Frage nach der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit einer Änderung des Art. 88 GG zusammenhängend, soll an dieser Stelle der Vollständigkeit halber auch noch auf die Auswirkungen hingewiesen werden, welche die Übertragung der Währungshoheit auf die in Art. 109 Abs. 2 GG konstituierten Grundsätze der Haushaltsfllhrung hat. Hiernach haben Bund und Länder bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. Der Begriff des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist auch heute noch anhand des soge-
29
Nllher dazu noch Abschnitt E. I.
3!
Maunz, in: Maunz I DUrig, Art. 73, Rn. 6.
30 Beisse, BB 1992, S. 645 (647).
B. Zur Notwendigkeit einer Verfassungsänderung
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nannten "magischen Vierecks" aus § 1 Satz 2 StabG aufzuschlüsseln. 32 Demnach sind Maßnahmen, die seiner Erhaltung dienen, so auszurichten, daß sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und zu einem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen. Daher hat insbesondere auch die Wahrung der Preisstabilität in der deutschen Verfassungsordnung den Rang eines Staatsziels. 33 Dessen Verfolgung war bisher vornehmlich der Bundesbank im Rahmen der Zielbestimmung des § 3 BBankGJ4 aufgetragen. Die Übertragung der Währungshoheit auf das ESZB ruhrt nunmehr auch dazu, daß die Zieldefinition der gemeinschaftlichen europäischen Geldpolitik künftig von der EZB im Rahmen des Art. 105 Abs. 1 EGV wahrgenommen wird. Das heißt, daß die Preisniveaustabilität ebenfalls europäisch definiert wird. 3s Die Bundesbank als integraler Bestandteil des ESZB36 wird an diese Zielansprache gebunden sein. Daraus folgt, daß die Verfolgung des Staatsziels "gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht" aufnationaler Ebene hinsichtlich des Teilziels der Preisniveaustabilität künftig nicht mehr eigenverantwortlich wahrgenommen werden kann. Dieses stellt auch das Staatsziel als solches in Frage. 37
11. Notwendigkeit einer formellen Verfassungsänderung Der vorherige Abschnitt hat erwiesen, daß die Übertragung der währungspolitischen Befugnisse der Bundesbank zu einer einschneidenden Änderung der grundgesetzlich vorgesehenen Kompetenzverteilung auf dem Gebiet des Geldund Währungsverfassungsrechts ruhrt. Trotzdem hätte es keiner formellen Korrektur des Verfassungstextes bedurft, wenn der Transfer der Währungshoheit von Art. 24 Abs. 1 GG gedeckt gewesen wäre. Nach dessen Wortlaut kann der Bund durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen. So verzichtet die Bundesrepublik Deutschland auf die ausschließliche Geltung ihrer eigenen Hoheitsgewalt im Staatsinneren zugunsten der Ausübung von Hoheitsrechten durch die Organe der zwischenstaatlichen Einrich-
So BVerfGE 79, 311 (338 f.). Schmidt, HbStR 111, S. 1160. J4 Naher zu dessen inhaltlicher Bedeutung, Abschnitt D.IV.I. 35 Vgl. unten Abschnitt D. IV. 2. 36 Art. 14.3 ESZB-Satzung. 37 Ebenso Beisse, BB 1992, S.645 (648); ähnlich auch Tettinger, EWS 1992, S. 321 (324); zweifelnd Hahn, Vertrag von Maastricht, S. 138. 32 33
H. Notwendigkeit einer formellen Verfassungsänderung
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tung. 38 Dieser durch Art. 24 Abs. 1 GG ennöglichte Verzicht symbolisiert die vom Grundgesetz von Anbeginn an vollzogene Abkehr von der Idee des geschlossenen Nationalstaats hergebrachter Prägung. 39 Zur Charakterisierung des funktionellen Zweckes des Art. 24 Abs. 1 GG wurden in der Rechtsliteratur anschauliche Bezeichnungen, wie "Integrationshebel"40, "besonders geartete Integrationsgewalt"41, "Durchbrechung des Souveränitätspazers"42, "Verfassungsentscheidung fur die internationale Zusammenarbeit"43 oder "supranationale Option des Grundgesetzes"44 kreiert. Die rechtliche Besonderheit der Vorschrift besteht darin, daß sie von der ansonsten zwingend notwendigen Verfassungsänderung dispensiert. Das Übertragungsgesetz gemäß Art. 24 Abs. 1 GG bedarf weder einer ausdrücklichen Textänderung des Grundgesetzes nach Art. 79 Abs. 1 GG noch der verfassungsändernden Mehrheit des Art. 79 Abs. 2 GG.4S
1. Gegenstand der Übertragung Den Gegenstand einer Übertragung nach Art. 24 Abs. 1 GG bilden Hoheitsrechte. Stern46 definiert diese als die dem Staat zustehende Herrschaftsmacht, kraft derer er filhig ist, die Rechtsverhältnisse der im Staatsgebiet befindlichen Personen und Sachen zu ordnen. Einfacher gesagt, handelt es sich bei Hoheitsrechten um die Ausübung öffentlicher Gewalt im innerstaatlichen Bereich, gleichgültig, ob es sich dabei um Gesetzgebung, Vollziehung oder Rechtsprechung handelt. 41 Unter Berücksichtigung dieser weiten Definition erscheinen auch die im Zuge der Errichtung der Wirtschafts- und Währungsunion zu übertragenden Aufgaben und Befugnisse der Bundesbank als Hoheitsrechte. Die Währungssicherung stellt nach heutiger Auffassung eine staatliche Aufgabe dar48 ; dem Staat ist eine "natürliche Sachwaltereigenschaft" in allen Geld-
38 39 40 41 42 43 44 4S
Vgl. BVerfDE 37,271 (280); 58, 1 (28); 73, 339 (374). Allg. Ansicht, vgl. z. B.: Tomuschat, in: BK, Art. 24, Rn. 33; Stern, Staatsrecht 1, S. 516 f. Ipsen, EGR, S. 58. Grewe, VVDStRL 12 (1954), S. 129 (143). Bleckmann, ZaöRV 35 (1975), S. 79 (82). Vogel, S. 4. Stern, Staatsrecht I, S. 518. BVerfDE 58, I (36). 46 Stern, Staatsrecht I, S. 520 f. 41 So Jarass, in: Jarass / Pieroth, Art. 23, Rn. 4, unter Berufung auf Rojahn, in: v.MUnch, Art. 24, Rn. 9 und Tomuschat, in: BK, Art. 24, Rn. 24. 48 Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. I.
42
B. Zur Notwendigkeit einer Verfassungsänderung
und Währungssachen zu eigen. 49 Zur Erfüllung dieser Aufgabe bedient sich die Zentral bank als die vornehmlich zuständige Institution eines hoheitlichen Instrumentariums. so Gemäß Art. 105 Abs.2 EGV wird künftig das ESZB die gemeinschaftliche Geldpolitik festzulegen und auszufilhren haben. Ebenso wie bisher die Bundesbank im innerstaatlichen Bereich, wird sich dann auch die Europäische Zentral bank hoheitlicher Befugnisse bedienen, um ihren Auftrag der Sicherung der Preisstabilität erfüllen zu können; dann in den Handlungsformen der Verordnung, Entscheidung, Empfehlung und Stellungnahme. sl Träger von Hoheitsrechten auf dem Gebiet des Währungswesens werden aber auch Rat, Kommission und Europäisches Parlament sein; wie aus Art. 109 EGV entnommen werden kann, werden sie sich zukünftig maßgeblich an der Festsetzung der Wechselkurse gegenüber Drittländern beteiligen. 52 2. Keine "dingliche" Übertragung der Währungshoheit
In der juristischen Auseinandersetzung vor der Ratifizierung des Maastrichter Vertrages wurde von Beisse geltend gemacht, daß die Übertragung der Währungshoheit auf eine gemeinschaftliche Institution schon deshalb nicht auf dem Wege des Art. 24 Abs. 1 GG erfolgen könne, weil es sich dabei erstmals um eine Hoheitsrechtsübertragung mit "dinglicher Wirkung" handele, die als solche nicht von. Art. 24 Abs. 1 GG gedeckt seiY In der Tat ist heute die allgemeine Auffassung, daß Art. 24 Abs. 1 GG keine "dinglichen" Hoheitsrechtstransfers ermöglicht. Zwar weckt der Begriff "Übertragung" zivilrechtliche Assoziationen, welche insbesondere am Beginn der Auslegungsgeschichte des Art. 24 Abs. I GG dazu verfilhrten, den Vorgang des Hoheitsrechtstransfers auf zwischenstaatliche Einrichtungen mit der Übertragung bzw. Abtretung einer Forderung gleichzusetzen. Auch die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen implizierte dann eine "dingliche Wirkung" in dem Sinne, daß sie gleich einer Forderungszession absolut, das heißt gegenüber jedermann mit ausschließender Wirkung Geltung beanspruchen würde. Die betroffenen Hoheitsrechte schieden dann endgültig und unwiderruflich aus dem Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten aus, so daß diese nicht länger in der
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Müller, DVBI1992, S. 1249 (1251). Gramlich, BBankG, Einftlhrung, Rn. 22 und § 15 Rn. 2. Vgl. Art. 108 a EGV. Vgl. dazu auch Hahn, Vertrag von Maastricht, S.109. Beisse, BB 1992, S. 645 (649).
11. Notwendigkeit einer formellen Verfassungsänderung
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Lage wären, auf dem übertragenen Sachgebiet selbst tätig zu werdenY Durchgesetzt hat sich jedoch die Auffassung, daß mit Art. 24 Abs. 1 GG kein dinglicher Verzicht auf die Ausübung von Staatsgewalt verbunden ist. Wie oben bereits gesagt, handelt es sich hier vielmehr nur um einen Verzicht der Bundesrepublik Deutschland darauf, die Kompetenzen im übertrIlgenen Hoheitsbereich auszuüben, soweit die Befugnisse der zwischenstaatlichen Einrichtung reichen. 55 In den ihr zugewiesenen Aufgabenbereichen tritt die supranationale Gewalt neben die staatliche Gewalt. 56 Eine dingliche Wirkung ist schon aus der praktischen Erfahrung heraus abzulehnen, daß auch auf übertragenen Sachgebieten immer wieder ergänzende oder ausfllhrende nationale Normierungen erforderlich waren. 57 Hieran wird überdies deutlich, daß es sich auch im Fall der Übertragung der Währungshoheit auf das ESZB nicht um eine "dingliche" Übertragung von Hoheitsrechten handelt. Wie aus Art. 105 Abs. 2 EGV hervorgeht, geht zwar der wesentliche, zur aktiven Gestaltung der Geldpolitik erforderliche Teil der währungspolitischen Kompetenzen auf das ESZB über. Dieses verhindert aber nicht, daß auch weiterhin nationale Ergänzungs- und Ausfllhrungsnormen, insbesondere im exekutivischen Bereich der Geldpolitik erforderlich sein werden. Beisse58 scheint die vermeintlich dingliche Wirkung der Übertragung der Währungshoheit im übrigen vornehmlich aus der im Vertrag proklamierten Unwiderruflichkeit des Weges zur Währungsunion 59 herzuleiten. Der zeitliche Rahmen ist fllr die Charakterisierung der rechtlichen Übertragungswirkung aber unerheblich. Eine gewisse "Dauer und Festigkeit" setzt im Gegenteil auch der nicht dinglich wirkende Verzicht auf die Ausschließlichkeit der einzeIstaatlichen Hoheitsentfaltung voraus. 60 Die Dauer des Übertragungs aktes ist nicht mit seiner rechtlichen Qualität zu verwechseln.
54 In diesem Sinne früher vertreten z.B. von Herzog, DÖV 1959, S.44 (46); vgl. auch F. Klein, in: Wehrbeitrag 11, S. 456 (468-470). 55 Heute weitaus h.M. in Rspr. u. Lit.: s. BVerfGE 37, 271 (280); 58, I (28); 73, 339 (374); aus der Lit.: Glaesner, DÖV 1959, S. 653; Ipsen, EGR, S. 56; Ruppert, S.IIO ff.; Tomuschat, in: BK, Art. 24, Rn. 16 u. 19; Randelzhofer, in: Maunz / DUrig, Art. 24, Rn. 59. 56 Stern, Staatsrecht I, S. 522. 57 Tomuschat, in: BK, Art. 24, Rn.l8; vgl. auch Grabitz, AöR 111 (1986), S.l ff. 58 Beisse, BB 1992, S.645 (649). 59 Vgl. Art. 109 j Abs. 4 EGV und insb. das 10. Zusatzprotokoll zum EUV Uber den Übergang zur dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion. 60 Rojahn, in: v.MUnch, Art. 24, Rn. 23; Jarass, in: Jarass / Pieroth, Art. 24, Rn. 4.
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B. Zur Notwendigkeit einer Verfassungsänderung
3. Die Europäische Union als zwischenstaatliche Einrichtung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 GG ?
Die meisten Zweifel in der staatsrechtlichen Diskussion an der Tauglichkeit des Art. 24 Abs. 1 GG zur Ratifikation des Maastrichter Vertragswerkesentzündeten sich an der Frage, ob die neugeschaffene Europäische Union noch den Charakter einer "zwischenstaatlichen Einrichtung" besitze. Nur dann wäre sie ein möglicher Übertragungsadressat von Hoheitsrechtstransfers im Rahmen des Art. 24 Abs. 1 GG gewesen. Die Europäischen Gemeinschaften galten nach ihrer Gründung schnell als Prototyp zwischenstaatlicher Einrichtungen im Sinne von Art. 24 Abs. 1 GG .61 Schon die Römischen Verträge verliehen ihnen Hoheitsbefugnisse, die es ermöglichten, unmittelbar in den mitgliedstaatlichen Rechtsraum hineinzuwirken62 , so daß ihnen die ftlr "zwischenstaatliche Einrichtungen" im Sinne von Art. 24 Abs. 1 GG charakteristische sogenannte Durchgriffswirkung von Beginn an zu eigen war, anhand derer eine zwischenstaatliche Einrichtung unmittelbar verpflichtend und berechtigend wirken kann. 63 Andererseits wähnen spätestens seit der Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) im Jahre 198764 Stimmen in der staatsrechtlichen Diskussion die Europäischen Gemeinschaften auf dem Weg von einem europäischen Staatenbund zu einem europäischen Bundesstaat. 65 Ein europäischer Staat, auch in der Form des Bundesstaats, wäre aber nach nahezu einhelliger Ansicht kein tauglicher Übertragungsadressat mehr, da er den Status einer zwischenstaatlichen Einrichtung notwendig überschritten hätte. 66 Nach dem Inkrafttreten des Maastricht-Vertrages stellt sich die Frage, ob die neuerliche Kompetenzerweiterung zugunsten europäischer Institutionen durch den EUVertrag einen qualitativen Sprung67 bewirkt, der die Umwandlung der Europäischen Union in ein staatliches Gebilde perfekt macht, tatsächlich mit neuer Aktualität. Ein Blick auf die Kompetenzausstattung insbesondere der EG zeigt einen Katalog, der sich auf nahezu alle wirtschaftlichen wie nichtwirtschaftlichen Vg\. z. B. Stern, Staatsrecht I, S. 524 f. Vg\. die Darstellung bei Stern, a.a.O. 63 Tornuschat, in: BK, Art. 24, Rn. 39; Rauser, S. 34. 64 Abgedruckt in: 8GB\. 198611, S. 1104. 65 Schilling, AöR 116 (1991), S. 32 ff.; Thürer, VVDStRL 50 (1991), S. 97 (122 ff.); Tomuschat, in: BK, Art. 24, Rn. 47 m. w. Nachw. 66 Für die h. M. Tomuschat, in : BK, Art. 24, Rn. 46 m. w. Nachw., Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, Art. 24, Rn. 53; a.A. Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 229; auch Stern, Staatsrecht I, S. 521. 67 Der Begriffwird von Scholz, NVwZ 1993, S. 817 (818) in die Diskussion gebracht. 61
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II. Notwendigkeit einer formellen Verfassungsänderung
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Gegenstände staatlicher Betätigung erstreckt. 68 Die in Art. 3 EGV vorgesehenen Tätigkeitsfelder der Europäischen Gemeinschaft reichen von einer gemeinsamen Handelspolitik69 über eine gemeinsame Bildungspolitik70, eine gemeinsame Verbraucherschutzpolitik71 bis hin zu gemeinsamen Maßnahmen auf dem Gebiet des Fremdenverkehrs72 • Ein Vergleich mit den Komp.etenzkatalogen der Art. 73 ff. GG ergibt, daß die EG inzwischen auf nahezu allen Tätigkeitsfeldern Zuständigkeiten wahrnehmen will, auf denen auch ein im herkömmlichen Sinne souveräner und allzuständiger Staat Handlungskompetenzen beansprucht. 73 Der Schluß, daß dieser umfassende Zuständigkeitskatalog den Mitgliedstaaten den wichtigsten Teil ihrer Kompetenzen und damit den "staatlichen Atem"74 nehmen würde, so daß seine eigene Staatsqualität der EU kaum noch zu bestreiten wäre, erweist sich dennoch als voreilig. Das Abgrenzungskriterium "Kompetenzumfang" verfügt im Verhältnis der EU zu ihren Mitgliedstaaten nur über eine begrenzte Aussagekraft. Grundsätzlich unterscheidet sich die Europäische Union von einem Staat nicht so sehr durch den Umfang ihrer Kompetenzen, als durch deren Intensität. 75 Handelte es sich bei den durch den EGV der europäischen Ebene zugeschriebenen Kompetenzen um voll ausgebildete Zuständigkeiten nach dem Vorbild der Art. 73 GG ff., so wäre der Schritt zur Staatlichkeit sicherlich vollzogen. 76 Tatsächlich liegt aber insbesondere den in Art. 3 EGV aufgefllhrten Tätigkeitsfeldern weiterhin das aus dem EWGV überkommene Strukturmodell der Verteilung von Aufgaben zwischen europäischer und mitgliedstaatlicher Ebene zugrunde. Danach bleiben die Mitgliedstaaten in der Regel auch auf den von europäischer Seite beanspruchten Tätigkeitsfeldern letztverantwortlich. Die Zuständigkeit der Gemeinschaft greift häufig erst dort, wo die Koordination der mitgliedstaatlichen Politiken in Frage steht. 77 Dieses bedeutet dann aber auf der anderen Seite, daß die Mitgliedstaaten auf den in Art. 3 EGV genannten Tätigkeitsfeldern weiterhin zu
68 Schachtschneider, Emmerich-Fritsche und Beyer, JZ 1993, S. 751 (751); vgl. auch Bleckmann, DVBI 1992, S. 335 (339 ff.). 69 Art. 3 lit. b EGV. 70 Art. 3 lit. p EGV. 71 Art. 3 Iit. s EGV. 72 Art. 3 Iit. t EGV. 73 So Schi\ling, AöR 116 (1991), S. 32 (45) zum Kompetenzumfang der Gemeinschaft vor Abschluß des EU-Vertrages. 74 So Rupp, ZRP 1993, S. 211 (212). 75 Dagtoglou in: 30 Jahre Gemeinschaftsrecht, S. 37 (46). 76 Vgl. Schilling, AöR 116 (1991), S. 32 (47). 77 Schilling, a.a.O.; Langguth, in: Lenz, EGV, Art. 3 Rn. 20; vgl. auch Bleckmann, EuR. Rn. 123 und 440 f.
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B. Zur Notwendigkeit einer Verfassungsänderung
eigener Politikgestaltung in der Lage sind und sie nicht etwa vollständig von der Gemeinschaft abgelöst werden. 78 Im übrigen handelt es sich bei den Kompetenzerweiterungen des Maastrichter Vertragswerkes vielfach nur um die vertraglichen Fixierungen von Zuständigkeiten, die der Europäische Gerichtshof bereits aus dem bestehenden Recht abgeleitet hatte. 79 Auch die Einflihrung einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)80 und einer Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Justiz- und Innenpolitik81 verändern den zwischenstaatlichen Charakter der EU nicht. Mit diesen Neuerungen werden zwar erneut zwei klassische Staatsaufgaben zum Gegenstand europäischer vertraglicher Regelung; ein Blick auf die inhaltliche Ausgestaltung dieser Politikfelder zeigt aber, daß hier kein Schritt in Richtung europäischer Staatlichkeit vollzogen wurde. Nach nahezu einhelliger Auffassung 82 bleiben die künftigen Kompetenzen der Europäischen Union auf diesen Politikfeldern im Bereich der intergouvernementalen Koordination. 83 Ein Rückgriff auf die supranationalen Handlungsformen des Gemeinschaftsrechts bleibt hier verschlossen, wie aus Art. E EUV hervorgeht. 84 Seidel 85 sieht in der beschlossenen Regelung sogar "eine Absage gegenüber der Supranationalisierung dieser Politikbereiche". Der qualitative Sprung zur europäischen Staatlichkeit könnte sich aber in Anbetracht der umfangreichen Kompetenzübertragungen im Wirtschafts- und Währungsbereich ergeben haben. Entgegen der insoweit irreführenden Bezeichnung als "Wirtschafts- und Währungsunion" unterscheidet sich die strukturelle Gestaltung der Wirtschaftsunion jedoch erheblich von derjenigen der Währungsunion. Wie sich bereits aus den Art. 102 a und 103 EGV als den in die Wirtschafts- und Währungspolitik einführenden Vorschriften ergibt, bleiben die Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik Träger der Letztverantwortlichkeit. Die Funktion der Wirtschaftsunion beschränkt sich im wesentlichen auf die Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten anhand von Leitlinien des Rates. 86 Die zur Ausflihrung dieser Leitlinien erfor78 79
Vgl. hierzu Seidel, EuR 1992, S. 125 (132). Bleckmann, OVBI 1992, S. 335 (338); Everling, OVBI 1993, S. 936 (941); Pemice, Verw 1993, S. 449 (454 und 459 f., m. w. Nachw.). 80 Vgl. Titel V (Art. J tT.) des EU-Vertrages. 81 Vgl. Titel VI (Art. K tT.) des EU-Vertrages. 82 A.A. nur Schachtschneider, Emmerich-Fritsche, Beyer, JZ 1993, S.751 (752), die der Ansicht sind, es handle sich hier um "echte gemeinschaftliche, d. h. nicht lediglich intergouvernemental koordinierte, Zuständigkeiten". 83 Vgl. z. B. Breuer, NVwZ 1994, S. 417 (420). 84 So auch BVertGE 89, 155 (176 f.). 8~ Seidel, EuR 1992, S. 125 (126). 86 Vgl. Art. 103 EGV.
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der lichen Maßnahmen zur Erreichung des anvisierten Konvergenzzieles treffen die Mitgliedstaaten eigenverantwortlich. Sie werden hierbei nur durch wenige Regelungen, wie dem Verbot von Kreditfazilitäten rur öffentliche Einrichtungen 87 und der auch mit Sanktionsgewalt verbundenen Überwachung der öffentlichen Haushalte zwecks Vermeidung übermäßiger Defizite88, eingeschränkt. Kennzeichnend rur die Wirtschaftsunion nach Maßgabe des EGV ist daher, daß ihre Regelungen keine Gemeinschaftshoheit begründen, die sich an die einzelnen Wirtschaftssubjekte selbst wendet, sondern daß es sich ausschließlich um sogenanntes staatenverpflichtendes Gemeinschaftsrecht handelt. 89 Derartige Regelungen beinhalten aber keinen Schritt zur Begründung europäischer StaatIichkeit. 90 Anders stellt sich die Sachlage indes auf dem Gebiet der Währungspolitik dar. Wie oben bereits festgestellt, werden bis zur vollständigen Herstellung der Währungsunion in der dritten Stufe die Hoheitsrechte zur Gestaltung des Währungswesens vollständig auf die Europäische Gemeinschaft bzw. das ESZB übertragen, welches fortan die Geldpolitik auf Gemeinschaftsebene eigenverantwortlich gestalten wird. Einen Handlungspielraum für eine eigenständige nationale Geldpolitik durch die mitgliedstaatlichen Zentral banken wird es wegen deren Einordnung in das ESZB nicht geben. 91 Auch wird das ESZB unmittelbar, also ohne mitgliedstaatliche Vermittlung, gegenüber dem einzelnen Wirtschaftssubjekt tätig. 92 Letztendlich bedeutet dieses, daß im Bereich der Währungspolitik die bisherige Struktur der Gemeinschaft durchbrochen wird. Die Gemeinschaft wird hier deutlich der Struktur eines echten Staatsverbandes angeglichen. 93 Da es sich hierbei jedoch nur um einen eingegrenzten Sektor einer umfassenden Staatstätigkeit handelt, stellt sich die Frage, ob die Europäische Union auch unter dem Gesichtspunkt einer Gesamtwürdigung die Schwelle zur Staatlichkeit überschritten hat und deshalb nicht mehr als zwischenstaatliche Einrichtung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 GG gelten kann. Eine derartige Gesamtwürdigung hat an vorrangiger Stelle die Frage danach zu beantworten, welcher
Art. 104 EGV. Art. 104 c EGV. 89 Vgl. hierzu eingehend Seidel, EuR 1992. S. 125 (135 90 Seidel, EuR 1992, S. 125 (134); Blanke. DÖV 1993. S. 412 (417). 91 Eingehend dazu Abschnitt G. I. 92 Seidel, EuR 1992, S.125 (138). 93 So Seidel, a. a. 0., S.138; vgl. auch Schilling, AöR 116 (1991), S.32 (52); Beisse, BB 1992. S. 645 (650). 87 88
tn.
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B. Zur Notwendigkeit einer Verfassungsänderung
Einheit die sog. Kompetenz-Kompetenz94 bzw. die "potentielle Allzuständigkeit"95 zukommt. Ein Staatswesen ist dann Inhaber der Kompetenz-Kompetenz, wenn es die Zuständigkeitsverteilung im innerstaatlichen Bereich zu ändern in der Lage ist. 96 Übertragen auf die europäische Ebene stellt sich daher die Frage, ob der neugeschaffene EU-Vertrag oder der geänderte EGV die Möglichkeit einräumen, die Durchgriffsbefugnisse der EU bzw. der EG nach Belieben einseitig zu Lasten ihrer Mitgliedstaaten zu erweitern. 97 Auf den ersten Blick mag Art. F Abs. 3 EUV eine Norm darstellen, durch welche die EU künftig mit der Kompetenz-Kompetenz ausgestattet sein könnte. Diese Ansicht wurde insbesondere auch von den Beschwerdeführern im Verfahren vor dem BVerfG vertreten. 98 Sie scheitert aber schon daran, daß der Europäischen Union durch den EU-Vertrag keine eigene Rechtspersönlichkeit verliehen wird, so daß kein selbständiges Rechtssubjekt vorhanden ist, welches Träger der durch Art. F Abs. 3 EUV vermeintlich verliehenen Kompetenz-Kompetenz sein könnte. 99 Im übrigen fehlen Art. F Abs. 3 EUV alle verfahrensrechtlichen Bestandteile, die rur eine Befugnisnorm typisch und notwendig sind, wie die Bestimmung der zuständigen Organe und des Beschlußverfahrens. 100 Eher zutreffend erscheint daher eine Charakterisierung dieser Norm als "politische Absichtserklärung"IOI oder "Programmsatz"I02. Für Kompetenzerweiterungen maßgeblich ist vielmehr Art. N EUV. Damit wird das vor Maastricht rur die EWG in Art. 236 EWGV normierte Verfahren der formellen Vertragsänderung inhaltsgleich übernommen. lo3 Vertragsänderungen treten demnach nur in Kraft, wenn sie von allen Mitgliedstaaten ratifiziert worden sind. Einer Zustimmung des Europäischen Parlaments bedarf es nicht. Jeder einzelne Mitgliedstaat ist also in der Lage, Vertragsänderungen und damit auch Kompetenzerweiterungen aufzuhalten. Diese hängen vom gemeinsamen Willen der Vertragsstaaten ab. Auch Art. N EUV kann der EU daher keine Kompetenz-Kompetenz verleihen.
94 So Tomuschat,in: BK, Art. 24, Rn. 20 und 48; Pemice, Verw 1993, S. 449 (454 fl); Hahn, Vertrag von Maastricht, S.III. 95 Schilling, AöR 116 (1991), S.32 (37). 96 Seidl-Hohenveldem, Völkerrecht, Rn. 9. 97 Tomuschat, in: BK, Art. 24, Rn. 20. 98 Vgl. zur Auffassung der BeschwerdefUhrer: Schachtschneider, Emmerich-Fritsche, Beyer, JZ 1993, S. 751 (753); ähnlich Ress, JuS 1992, S. 985 (987): Art. F Abs. 3 EUV bilde eine "Generalerrnächtigung" zugunsten der EU. 99 BVerfDE 89, ISS (196); so auch schon Everling, DVBI1993, S. 936 (941). 100 BVerfDE 89, ISS (196). 101 Everling, DVBI 1993 S. 936 (941). 102 So schon der Gesetzentwurf der BReg, BT-Dr. 12/3895, S. 17. 103 Hahn, Vertrag von Maastricht, S. III
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Das Fazit der Kompetenzen-Analyse muß daher lauten, daß die zusätzlichen Kompetenzübertragungen im Zuge des Maastricht-Vertrages weder der Europäischen Union als solcher noch etwa der EG die Kompetenz-Kompetenz verliehen haben.1 04 Die Vertragsänderungsbefugnis besitzen weiterhin ausschließlich die Mitgliedstaaten, ohne daß es beispielsweise einer Zustimmung des Europäischen Parlaments bedürfte. Insofern spricht das BVerfG in Anknüpfung an seine frühere RechtsprechunglOS weiterhin zu Recht von den Mitgliedstaaten als den "Herren der Verträge".I06 Dem entspricht es, daß die Europäische Union ihrer äußeren Rechtsform nach weiterhin auf der Basis eines völkerrechtlichen Vertrages ruht, welcher der Dispositionsmacht der Mitgliedstaaten auch insofern unterliegt, als diese den EU-Vertrag durch einen gegenläufigen Akt wieder aufheben können. 107 Der weiterhin zwischenstaatliche Charakter der europäischen Union wird schließlich daraus ersichtlich, daß sämtliche Merkmale der klassischen Drei-Elemente-Lehre der Staatlichkeit nicht erfUllt werden. So verfUgt die Europäische Union auch nach Maastricht sicherlich über keine Gebietshoheit. 108 Aus Art. 227 EGV ergibt sich, daß das Gebiet sowohl der EG wie letztlich auch der Union, von den Mitgliedstaaten abgeleitet ist. 109 Art. A Abs. 2 EUV nennt die EU eine Union der Völker Europas, wie auch das Europäische Parlament gemäß Art. 137 EGV weiterhin aus Vertretern der Völker zusammengesetzt ist. Ebenso ist die durch Art. 8 EGV eingefUhrte Unionsbürgerschaft nur ein, von den Mitgliedstaaten abgeleiteter Schritt in Richtung auf eine Personalhoheit llO, so daß auch noch kein europäisches Staatsvolk exisistiert. Schließlich folgt aus den oben gemachten AusfUhrungen zur Kompetenzausstattung bzw. zur Kompetenz-Kompetenz, daß die Europäische Union über keine originäre und umfassende Staatsgewalt verfUgt. 111 Diese Argumente 104 So auch Blanke, DÖV 1993, S. 412 (418); Hahn, Vertrag von Maastricht, S. 111; ähnlich Everling, OVBI 1993, S. 936 (942 f.); Schotten, Verwaltungsrundschau 1992, S. 305 (310); Oppermann, in Hrbek (Hrsg.), Maastricht, S.l03 (\09); Magiera, Jura 1994, S. 1 (7). 105 Vgl. z. B. BVerftiE 75, 223 (242). 106 BVerftiE 89,155 (190). 107 Vgl. BVerftiE 89, 155 (190); in der europarechtlichen Literatur hatte sich schon bisher die Ansicht als herrschend herauskristallisiert, daß die Mitgliedstaaten den GrUndungsvertrag einvernehmlich aufheben können, vgl. Zuleeg, in: v.d.Groeben I Thiesing I Ehlermann, EWGV, Art I, Rn. 26; Tomuschat, in: BK, Art. 24, Rn. 48; nach Maastricht auch noch Scholz, NVwZ 1993, S. 817 (818); Tomuschat, EuGRZ 1993, S. 489 (494 f.); Blanke, DÖV 1993, S. 412 (420 f.); a.A. insbes. Everling, zuletzt in OVBI 1993, S. 936 (942 f.). 108 Scholz, NVwZ 1993, S. 817 (818). 109 Everling, OVBI 1993, S. 936 (941). 110 Scholz, NVwZ 1993, S. 817 (818); vgl. auch die Austuhrungen des BVerfDE 89, 155 (184). 111 Scholz, a.a.O; Everling, OVBI1993, S. 936 (942); Blanke, OÖV 1993, S. 412 (415 ff.).
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fllhren zu dem Schluß, daß auch der EU-Vertrag weder einen europäischen Bundesstaat, noch überhaupt ein europäisches Staatswesen begründet hat. Immer noch gilt die frühere Kennzeichnung des BVerfG, daß es sich bei der Europäischen Gemeinschaft bzw. jetzt auch bei der EU um eine Gemeinschaft eigener Art in einem Geschehensablauf fortschreitender Integration handelt. I 12 Nichts anderes soll auch die im Maastricht-Urteil eingefllhrte Charakterisierung der EU als "Staatenverbund"113 aussagen, denn auch hierdurch wird in erster Linie eine Abgrenzung zur Eigenstaatlichkeit erzielt. 114 Für die hier zu beantwortende Frage, ob es sich bei der durch den Vertrag von Maastricht geschaffenen Europäischen Union noch um eine "zwischenstaatliche Einrichtung" handelt, sind im übrigen in der Rechtsliteratur vereinzelt vorgenommene Unterscheidungen, wie die Qualifizierung der EU als "Quasi-Staat" I I s, oder als im Entstehen begriffene eigenstaatliche Einrichtung supranationaler Qualität l16, unergiebig. Denn auch diese Charakterisierungen gestehen implizit zu, daß die EU durch den Vertrag von Maastricht das Stadium eigener Staatlichkeit jedenfalls noch nicht erreicht hat; auch wenn Scholz von einem "integrationspolitischen Quantensprung" spricht. 117 Da der Komplementärbegriff zur "zwischenstaatlichen Einrichtung" derjenige des Staates ist und die Integrationsermächtigung des Art. 24 Abs. I GG deshalb die Errichtung eines europäischen Staates nicht mehr deckt, ist zu folgern, daß auch Einrichtungen, die als "Quasi-Staat" oder "im Entstehen begriffene eigenstaatliche Einrichtung supranationaler Art" bezeichnet werden - mithin noch keine Staaten sind -, von Art. 24 Abs.1 GG erfaßt werden und noch als zwischenstaatliche Einrichtungen gelten können, obwohl sie dem Stadium der Eigenstaatlichkeit nähergerückt sind. 1I8 Weil die Europäische Union in der Gestalt des Vertrages von Maastricht aber noch als zwischenstaatliche Einrichtung zu qualifizieren ist, hätte auch dieser bisher vielleicht umfassendste Integrationsschritt jedenfalls tatbestandsmäßig auf der Rechtsgrundlage des Art. 24 Abs. I GG erfolgen können. 119 112 so Hahn, Vertrag von Maastricht. S. 112 f., unter Berufung auf BVerfGE 22, 293 (296); 37, 271 (277 r.). 113 BVerfGE89,155(181). 114 Vgl. Oppermann, DVBI1994, S. 901 (904). 115 So noch zur EWG: Schilling, AöR 116 (1991), S. 32 (40 und 52). 116 Scholz, NVwZ 1993, S.817 (818); ders .. NJW 1993, S.1690 (1691). 117 Scholz, NVwZ 1993, S. 817 (818). 118 wie hier wohl Schwarze. JZ 1993, S.585 (588). 119 So auch Oppermann I Classen, NJW 1993, S. 5 (11); v.Simson I Schwarze, S. 58; Schwarze, JZ 1993, S. 585 (587); Klein lIlaratsch, DÜV 1993, S. 785 (797); Weikart, NVwZ 1993,
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4. Die verfassungsrechtlichen Grenzen für den auf der Grundlage des Art. 24 Abs. 1 GG handelnden Integrationsgesetzgeber Zwar räumt Art. 24 Abs. 1 GG dem Integrationsgesetzgeber zur Übertragung von Hoheitsrechten eine Ermessensentscheidung ein, die nach dem Wortlaut des Artikels an keine weiteren Grenzen gebunden ist. Es besteht heute aber weitgehende Einigkeit darüber, daß die Übertragungsgewalt auch im Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 1 GG nicht schrankenlos gewährleistet ist. 120 Das Auffinden ihrer tatsächlichen Grenzen erweist sich aber als äußerst problematisch und wurde von Stem l21 gar als eine der "großen verfassungsrechtlichen Fragen des Grundgesetzes" bezeichnet. a) Grenzen der Integrationsgewalt Maßgebend für jeden Versuch der Eingrenzung der Integrationsgewalt sind eine Reihe von Urteilen des BVerfG. In der literarischen Auseinandersetzung mit ihnen bildeten sich weitere Ansätze zur Bestimmung ihrer Schranken. Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Bestimmung der Schranken des Art. 24 Abs. 1 GG entwickelte sich hauptsächlich in den drei bekannten Entscheidungen "Solange 1"122, "Eurocontrol 1"123 und "Solange 11"124. In den beiden erstgenannten Entscheidungen tastete sich das BVerfG an die seit der Entscheidung "Solange 11" konsolidierte Abgrenzungsformel heran, nach welcher die Vorschrift nicht dazu ermächtige, "im Wege der Einräumung von Hoheitsrechten für zwischenstaatliche Einrichtungen die Identität der geltenden Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland durch Einbruch in ihr Grundgefüge, in die sie konstituierenden Strukturen aufzugeben."12S Als unverzichtbares Essentiale der Verfassung nennt das Gericht ausdrücklich die dem Grundrechtsteil zugrundeliegenden Rechtsprinzipien. 126 Im übrigen hat das BVerfG bisher auf eine genauere Eingrenzung dessen, was unter dem GrundgeS. 834 (837); Hahn, Vertrag von Maastricht, S.III f.; Scholten, Verwaltungsrundschau 1992, S. 305 (311); a.A. Scholz, NVwZ 1993, S. 817 (818 1'.); Tomuschat, EuGRZ 1993, S. 489 (492). 120 Vgl. Rojahn, in: v.Münch, Art. 24, Rn. 31; Randclzhofer, in: Maunz / Dürig, Art. 24, Rn. 85; rur die früher vereinzelt vertretene Gegcnuuffassung: Menzel, VVDStRL 18 (1960), S. 97 (98 f.). 121 Stern, Staatsrecht I, S. 535. 122 BVerKiE 37, 271 tT. 123 ßVeritJE 58, I 11 124 ßVerfGE 73. 339 11'. 125 ßVerttiE 73, 339 (375 f.). 126 BVerKi, a.a.O. 4*
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fuge bzw. den die Verfassung konstituierenden Strukturen zu verstehen ist, verzichtet. Zumindest eine Andeutung diesbezüglich enthält aber die Entscheidung zur NATO-Nachrüstung. Dort wird festgestellt, allerdings nicht weiter substantiiert, daß die Zustimmung der deutschen Regierung zur Raketenstationierung, die das BVerfG als Fall des Art. 24 Abs. I GG betrachtet, die Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG nicht verletze. 127 Demnach liegt der Schluß nahe, daß das BVerfG den integrationsfesten Kern der deutschen Verfassung mit dem Art. 79 Abs. 3 GG und den dem Grundrechtsteil zugrundeliegenden Rechtsprinzipien identifiziert. 128 Auch in den Veröffentlichungen der rechtswissenschaftlichen Literatur zu den Schranken des nach Art. 24 Abs. 1 GG vorgehenden Integrationsgesetzgebers stellt Art. 79 Abs. 3 GG den Fixpunkt der Diskussion dar. 129 Nach der überwiegend vertretenen Ansicht bildet Art. 79 Abs. 3 GG die absolute Schranke der Integrationsgewalt. 130 Wenn die absolute Bindungswirkung des Art. 79 Abs. 3 GG dazu führe, daß selbst der verfassungsändernde Gesetzgeber nicht in der Lage sei, dessen Grundsätze anzutasten, so müsse dieses erst recht für die Hoheitsrechtsübertragung gemäß Art. 24 Abs. 1 GG gelten, die schließlich durch einfaches Gesetz erfolge. 13I Allerdings wird insbesondere seit der Ratifikation des Maastrichter Vertragswerks und der damit verbundenen Inaussichtnahme einer Wirtschafts- und Währungsunion von einigen Autoren eine Schrankenziehung im Vorfeld des Art. 79 Abs. 3 GG befürwortet. In dem Bemühen, diese Beschränkung begrifflich zu kennzeichnen, soll eine Übertragung von Hoheitsrechten z. B. dann ausgeschlossen sein, wenn wesentliche, identitätsstiftende Staatsfunktionen betroffen sind. 132 Randelzhofer will dage-
BVerfGE 68, 1 (96); vgl. auch Randelzhofer, in: Maunz / DUrig, Art. 24, Rn. 75. So wohl auch Tomuschat, in: BK, Art. 24, Rn. 50; Kirchner / Haas, JZ 1993, S. 760 (762); Siebelt, DÖV 1990, S. 371; a.A. Randelzhofer, in: Maunz / DUrig, Art. 24, Rn. 79. 129 Insb. im älteren Schrifttum wird teilweise sogar die Bindung des Integrationsgesetzgebers an Art. 79 Abs. 3 GG bestritten, vgl. insb. Kaiser, VVDStRL 23 (1966); S. 1 (18); Menzel, VVDStRL 18(1960), S. 97 (98 f.); Emrich, S. 125 f.; ähnlich Ipsen, EGR, S. 65 f. sowie S. 289; diese Ansicht wird heute wohl nicht mehr vertreten, vgl. Randelzhofer, in: Maunz / DUrig, Art. 24, Rn. 85. 130 So schon frUh Scheuner, in: Wehrbeitrag H, S. 94 (143); Kraus, ebenda, S. 517 (552); Erler VVDStRL 18 (1960), S. 7 (40 f.); heute h.M.: Zuleeg, in: AK, Art. 24, Rn. 39; Jarass, in: Jarass / Pieroth, Art. 24, Rn. 7 f.; Stern, Staatsrecht I, S. 535; Tomuschat, in: BK, Art. 24, Rn. 50; Klein, VVDStRL 50 (1991), S. 57 (71); Rupp, ZRP 1993, S. 211; Tettinger, RIW 1992 Beil. 3 z!l Heft 12, S. I (8). 131 SO Z. B. Tomuschat, in: BK, Art. 24, Rn. 51. 132 So Herdegen, EuGRZ, S. 589 (592 f.), der einerseits die Grenze des Art. 79 Abs. 3 GG ausweiten will, andererseits aber auch Relativierungen dieses Artikels zulassen will, solange rur 127 128
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gen einen "materiellen Verfassungsbegriff' als Markierung des geschützten Art. 79 Abs. 3 GG-Vorfelds verwenden. Darunter soll ein Kernbereich der Verfassung zu verstehen sein, der nicht durch eine geschriebene Norm eingegrenzt werde, über dessen Existenz aber ein al1gemeiner Konsens bestehe. \33 Andere Diskussionsbeiträge im Gefolge der Kontroverse um die Errichtung einer europäischen Währungsunion bemühen sich nicht um abstrakte Grenzziehungen, sondern sehen Art. 88 GG als Schranke der Übertragungsgewalt des Art. 24 Abs. 1 GG an. In offensichtlichem Bezug zur Formel des BVerfG, nach der das Grundgefilge der Verfassung zu schUtzen ist, sol1 gen au dieses durch die Übertragung der Währungshoheit berührt sein, welche als "Eigenschaft und Kennzeichen der Staatsgewalt" zu charakterisieren sei. 134 Auch Herdegen, der die Währungshoheit als wesentliche Komponente staatsrechtlichen Eigenlebens betrachtet 13S und Randelzhofer 136 sehen in Art. 88 GG eine mögliche Grenze der Integrationsgewalt. 137. Derartige Versuche, die Grenzen der Integrationsgewalt gegenüber Art. 79 Abs. 3 GG auszuweiten, finden im Grundgesetz keine Anknüpfungspunkte. Die Auslegung des Art. 24 Abs. I GG hat nach Maßgabe der folgenden Maximen zu erfolgen: Auf der einen Seite steht die Entscheidung des GG für eine offene Staatlichkeit und das Gebot der Förderung der internationalen Zusammenarbeit 138 sowie das Bekenntnis zu einem vereinten Europa in der Präambel und neuerdings in Art. 23 GG n. F. Dem steht der besondere Schutz der fundamentalen Staatsprinzipien durch die "Ewigkeitsgarantie"139 des Art. 79 Abs. 3 GG gegenüber. Diese höchstrangige Verfassungsnorm l4o hat zwingend auch der Integrationsgesetzgeber zu beachten. Alle Schranken, die ihm darUber hinaus errichtet werden sol1en, widersprechen der mit Verfassungsrang ausgestatteten Integrationsfreundlichkeit des Grundgesetzes. 141 Wie ihre Befllrworter selbst einräumen, mangelt es den "Vorfeld-Konstruktionen" an normativ begrUndbaren und justiziablen Anhaltspunkten, so daß ein Mehr an Rechtsunsicherheit die
Kompensation im Sinne struktureller Kongruenz auf supranationaler Ebene gesorgt ist; ähnlich i. U. Kirchhof, ZfA 1992, S 459 (466). 133 Randelzhofer, in: Maunz / OUrig, Art. 24, Rn. 97. 134 MUlIer, OVBI 1992, S. 1249 (1250 f.). 13S Herdegen, EuGRZ 1992, S. 589 (592). 136 Randelzhofer, in: Maunz / DUrig, Art. 24, Rn. 101 und 117 tr. 137 So auch Wahlig, in: GramIich u.a. (Hrsg.), Währungsunion, S. 37 (50). 138 s. bereits oben, Abschnitt B. 11., vor I. 139 Vgl. Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 79, Rn. 5. 140 Randelzhofer, in: Maunz / OUrig, Art. 24, Rn. 89. 141 So auch Hahn, Vertrag von Maastricht Fn. 103.
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B. Zur Notwendigkeit einer Verfassungsänderung
Folge ist. 142 Im Widerspruch zur europafreundlichen Grundstimmung des Grundgesetzes wird so zudem die Möglichkeit geschaffen, je nach politischer Opportunität nicht erwünschten Integrationsfortschritten rechtliche Schranken unterzuschieben. 143 Insbesondere erweist sich die Untauglichkeit des Bemühens, Art. 88 GG als Schranke tllr die Übertragung von Hoheitsrechten anzusehen. Bisher ist die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank nach überwiegender Ansicht nur einfachgesetzlich und nicht von Art. 88 GG a. F. garantiert. l44 Schon daher kann auch ihre Eintllgung in ein Europäisches System der Zentralbanken mit der daraus folgenden Aufgabe einer autonomen Geldpolitik keinen Einbruch in das Grundgetllge der Verfassung bzw. eine Identitätsänderung des Gemeinwesens Bundesrepublik Deutschland darstellen, die an Bedeutung einer Verletzung der von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsgrundsätze nahekommen könnte. 145 Als konsensfähige Synthese zwischen den in der Rechtsliteratur überwiegend vertretenen Ansichten und der Formel des BVerfG bietet sich an dieser Stelle die Beschreibung der absoluten Schranke des nach Art. 24 Abs. 1 GG vorgehenden Integrationsgesetzgebers anhand des Gewährleistungsgehalts des Art. 79 Abs. 3 GG an, der - entsprechend der Rechtsprechung des BVerfG - durch die Rechtsprinzipien, die dem Grundrechtsteil zugrunde liegen, ergänzt wird. 146 Daraus folgt aber nicht, daß zwischen der supranationalen Organisation und der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland eine "strukturelle Kongruenz" bestehen muß. 147 Die Formel, daß Hoheitsrechte nur auf solche zwischenstaatlichen Einrichtungen übertragen werden dürfen, die der Bundesrepublik im Hinblick auf ihre Organisationsgrundsätze in concreto entsprechen, ist ein Ausdruck grundgesetzintrovertierten Denkens l48 und wird den Besonderheiten der Struktur internationaler Organisationen nicht gerecht. Aus dem Verbot von EinbrUchen in das Grundgetllge der Verfassung folgt vielmehr Herdegen EuGRZ 1992, S. 589 (593). Ähnlich Weikart, NVwZ 1993, S. 834 (838). 144 Grundlegend BVerwGE 41, 334 (354 tT.); vgl. auch Hahn, Wahrungsrecht, § 18 Rn. 18 ff.; Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 360 jeweils mit weiteren Nachweisen; a.A. ist z. B. Uhlenbruck, S.30. 145 So auch Weikart, NVwZ 1993, S. 824, (838); auch Randelzhofer, in: Maunz I DUrig, Art. 24, Rn. 121 geht von diesem Ergebnis aus. 146 Dieses Vorgehen entspricht im Ubrigen der in der Lit. häufig anzutreffenden fraglosen Gleichstellung der Formel des BVerG mit dem Art. 79 Abs. 3 GG, vgl. dazu Tomuschat, i~: BK, Art. 24, Rn. 50. 147 Geht zurUck aufH. Kraus, in: Wehrbeitrag 11, S. 517 (550-554); Kruse, in: FS Kraus, S. 112 (121 ff.). 148 Vgl. Randelzhofer, in: Maunz I DUrig, Art. 24, Rn. 106 m. w. Nachw. 142 143
11. Notwendigkeit einer formellen Verfassungsllnderung
ss
lediglich, daß die zwischenstaatliche Einrichtung die geschützten verfassungsrechtlichen Prinzipien ihrerseits in einem ihren Eigenarten Rechnung tragenden Ausmaß verwirklichen muß 149, so daß insoweit zumindest eine sog. "Homogenität der Wertvorstellungen"ISO zwischen der Struktur der zwischenstaatlichen Einrichtung und der grundgesetzlichen Verfassungsordnung besteht. b) Die Beachtung der Übertragungsgrenzen im einzelnen Demnach gilt es nun zu überprüfen, ob die mit dem Eintritt in eine Währungsunion verbundene Übertragung von Hoheitsrechten einen Einbruch in die durch Art. 24 Abs. 1 GG geschützten Grundstrukturen der Verfassung bewirkt hätte. (1) Grundrechtsschutz
Eine absolute Schranke der Integrationsgewalt bilden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die grundlegenden Rechtsprinzipien, die dem Grundrechtsteil zugrundeliegen. ISI Eine Verletzung dieses Essentials der deutschen Verfassungsordnung durch die Übertragung der Währungshoheit auf das Europäische System der Zentral banken kommt jedoch nicht in Betracht. Seit dem "Solange 11"- Beschluß stellt das BVerfG in ständiger Rechtsprechung fest, daß die Gemeinschaften generell einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der supranationalen Gemeinschaftsgewalt gewährleisten, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im wesentlichen gleichzuachten ist. ls2 Die Feststellung eines äquivalenten Grundrechtsschutzes auf Gemeinschaftsebene durch das BVerfG kann sich zum einen auf eine umfangreiche und gefestigte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stützen. Der EuGH hat, insbesondere seit der kritischen "Solange 1"- Entscheidung lS3 des BVerfG, in seiner Rechtsprechung vielfach Grundrechtsgewährleistungen, die in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten anerkannt sind, zum Prüfungsmaßstab ftlr hoheitliches Gemeinschaftshandeln gemacht. Als Beispiele seien hier nur das Eigentumsrecht lS4 und das Recht auf freie Be149 Dieses folgt insb. aus der oben genannten Rspr. des BVerfO, z. B. BVerfOE 73, 339 (375 f.); vgl. auch Tomuschat, in: BK, Art. 24, Rn. 54 ff.; zweifelnd an diesem "Kompensationsmodell": Randelzhofer, in: Maunz / DUrig, Art. 24, Rn. 107 ff. ISO Tomuschat, in: BK, Art. 24, Rn. 57. ISI SO Z. B. E 73, 339 (376). IS2 BVerfOE 73, 339 (387). IS3 BVerfOE 37, 271. IS4 EuGH Rs. 44 / 79, Hauer / Rheinland-Pfalz, Slg. 1979, S. 3727 (3745).
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B. Zur Notwendigkeit einer Verfassungsänderung
rufsausübung genanntiSS. Auch als Nebeneffekt des "Solange 1"- Beschlusses zu werten ist die vom Europäischen Parlament, vom Rat und der Kommission verabschiedete Gemeinsame Erklärung l56 , mit der die Achtung der Grundrechte, wie sie aus der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und den Verfassungen der Mitgliedstaaten hervorgehen, betont wird. Nachdem die Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte l57 die erstmalige legislative Anerkennung des Grundrechtsschutzes in der Gemeinschaft brachte l58 , enthält nunmehr Art. F Abs. 2 EUV die Verpflichtung der Europäischen Union zur Achtung der Grundrechte als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, wiederum nach Maßgabe der Menschenrechtskonvention und der gemeinsamen VerfassungsUberlieferungen der Mitgliedstaaten. Neuere Entscheidungen des BVerfG, insbesondere das MaastrichtUrteil und die Tabakrichtlinien-Entscheidung I59, bestätigen darüber hinaus, daß auch in denjenigen seltenen Fällen, in denen der vom Grundgesetz als unabdingbar angesehene Grundrechtsstandard durch Rechtsschutz vor dem EuGH nicht verwirklicht werden kann, noch eine Anrufung des BVerfG offensteht. So führt das vom BVerfG für sein Verhältnis zum EuGH angestrebte, im Maastricht-Urteil sogenannte "Kooperationsverhältnis"16O dann zur Zuständigkeit des BVerfG, wenn ein bestimmter Grundrechtstypus generell (noch) nicht Gegenstand der Rechtsprechung des EuGH ist. 161 Durch dieses Zusammenspiel normativer gemeinschaftsrechtlicher Regelungen und einer sich stetig verdichtenden Rechtsprechung des EuGH, sowie durch eine anhand des "Kooperationsverhältnisses" zu schaffende "Rettungsanker"-Funktion des BVerfD erscheint ein ausreichender Schutz der dem Grundrechtsteil zugrundeliegenden Rechtsprinzipien gesichert zu sein. Da das mit der Übertragung der Währungshoheit zu errichtende Europäische System der Zentralbanken in den Rechtsrahmen des EGV und damit auch in dessen Grundrechtsgebundenheit eingeordnet wird l62 , hat es Anteil am europäischen System des Grundrechtsschutzes. 163
155 156 157 158 159
EuGH Rs. 4/73, Nold / Kommission, Sig. 1974. S. 491 (507). ABI EG 1977 Nr. C 103, S. I. Abgedruckt in BGBI 198611, S. 1102. Siebelt, DÖV 1990, S. 362 (371). BVerfG, EuGRZ 1989, S. 339 f. 160 BVerfGE 89, 155 (175). 161 Näher zum sog. Kooperationsverhätnis: Kirchhof, JZ 1989, S. 453 (454); ders., EuR. Beiheft 111991, S. 11 (24 f.). 162 s. Abschnitt D. 111.4. d). 163 Siebelt, DÖV 1990, S. 362 (371); Hahn, Währungsrecht. ~ 14 Rn. 40.
11. Notwendigkeit einer formellen Verfassungsänderung
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(2) Wahrung der Rechtsstaatlichkeit
Ein weiteres grundlegendes Strukturprinzip des Verfassungsstaates des Grundgesetzes bildet das Rechtsstaatsprinzip. Grundsätzlich werden nach der Ansicht des BVerfGI64 von der Unabänderlichkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG nur die in Art. 20 GG ausdrücklich genannten Grundsätze des Rechtsstaatsprinzips, wie das Gewaltenteilungsprinzip und die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung, wie diejenige der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Recht und Gesetz, geschützt. Weitere durch die Rechtsprechung entwickelte Einzelausprägungen, etwa der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder das Rückwirkungsverbot, gehören bereits nicht mehr zu den unabänderlichen Grundprinzipien. 165 Abgesehen davon, daß die Europäischen Gemeinschaften sich bereits vor Abschluß des Maastrichter Vertrages als Rechtsgemeinschaften betrachteten, in der diese grundlegenden Prinzipien als verwirklicht gelten durfien l66 , liegt hierin keine Übertragungsgrenze, die im Fall des Transfers der Währungshoheit zum Hindernis hätte werden können. Fragwürdig erscheint im vorliegenden Zusammenhang allein folgender Aspekt der Rechtsstaatlichkeit: In seiner Entscheidung "Eurocontrol 1"167 hat das BVerfG festgestellt, daß die Grenzen der Übertragungsermächtigung des Art. 24 Abs. I GG überschritten sind, "wenn bei der Gründung einer zwischenstaatlichen Einrichtung und ihrer rechtlichen und organisatorischen Ausgestaltung dem - schon im Rechtsstaatsprinzip verankerten - Grundprinzip eines wirksamen Rechtsschutzes Abbruch getan würde"}68 Da die künftige europäische Geldpolitik im wesentlichen unmittelbar durch die Europäische Zentralbank gestaltet wird, findet die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG fur die deutsche Gerichtsbarkeit grundsätzlich keine Anwendung. Nach Art. 164 EGV ist im Rahmen des Rechtsschutzsystems der Gemeinschaftsverträge zunächst dem EuGH die Wahrung des Rechts anvertraut. Im Hinblick auf die Währungsunion wird ein Rechtsschutzdefizit aber dadurch vermieden, daß die Europäische Zentral bank in das Rechtsschutzsystem des EGV eingebaut wird. Die Akiv- und Passivlegitimation der EZB vor dem EuGH wird in den Art. 173, 175, 180 und 184 EGV anerkannt. Ohne bereits in Einzelheiten auf das Ver-
164
BVertGE 30, I (24 f.). BVertG, a.a.O.; vgl. auch Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 79, Rn. 9. 166 So EuGH Rs. 294 I 83, Partie ecologiste "Les Verts" I Europäisches Parlament, Slg. 1986, S. 1357 (1365); Tomuschat, in: BK, Art. 24, Rn. 58. 167 BVertGE 58, I ff. 168 BVertG 58, I (30). 165
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B. Zur Notwendigkeit einer Verfassungsllnderung
hältnis der EZB zur Judikative eingehen zu wollen 169, läßt sich doch schon hier erkennen, daß dadurch den grundlegenden Anforderungen, die im Rahmen des Art. 79 Abs. 3 GG an die Wahrung der Rechtstaatlichkeit zu stellen sind, genügt wird. Dieser Eindruck wird dadurch komplettiert, daß Art. 35.2 ESZBSatzung subsidiär fUr bestimmte Konstellationen die Zuständigkeit der nationalen Gerichte feststellt und damit an das bisher schon übliche Verfahren anknüpft, daß die staatlichen Gerichte im Bereich mitgliedstaatlicher Ausfilhrung der Vertragsziele zuständig sindYo (3) Bundes- und Sozialstaatlichlceit
Das ebenfalls durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Bundesstaatlichkeitsprinzip wird durch die Übertragung der Währungshoheit auf das ESZB nicht berührt, da Länderkompetenzen hier nicht involviert sind. Bisher bestimmt die Bundesbank die Leitlinien der deutschen Geldpolitik, die Landeszentralbanken haben lediglich die Stellung von Hauptverwaltungsstellen der Bundesbank. 171 Der Grundsatz der Sozialstaatlichkeit verlangt, daß der Übertragungsadressat dann, wenn ihm Zuständigkeiten filr soziale und wirtschaftliche Angelegenheiten übertragen werden, dem sozialstaatlichen Gedanken verpflichtet sein muß. l72 Eine derartige Zielrichtung der EZB ergibt sich insbesondere aus der ihr primärrechtlich in Art. 105 EGV auferlegten Aufgabe der Wahrung der Preisstabilitat. Fehlende Preisstabilitat fUhrt zu einer unverhältnismäßigen Steigerung der Lebenshaltungskosten, die insbesondere Arbeitnehmer mit geringerem Einkommen hart trifft. 173 Dementsprechend konnte der BFH feststellen, daß "die Erhaltung einer wenigstens relativen Preisstabilitat filr einzelne Bevölkerungsgruppen eine Existenzfrage bilden kann".174 Die Ausrichtung der EZB auf das Ziel der Wahrung der Preisstabilität läßt sich demnach geradezu als Ausprägung des Sozialstaatsprinzips begreifen. 175 In der Zusammenschau mit der grundsätzlichen Ausrichtung der Europäischen Gemeinschaft auf sozialstaatliche Gedanken wie sie in der Präambel und Art. 2 EGV zum Ausdruck kommen, läßt sich daher eine Beeinträchtigung des Grundsatzes der Sozial-
169 170 171
172 173 174 175
Dazu Abschnitt D. III. 4. d) und c) (3). Vgl. dazu v.MUnch, Staatsrecht I, Rn. 963. Vgl. § 8 Abs. I BBankG. Tomuschat, in: BK; Art. 24, Rn. 59. Stern I Münch I Hansmeycr, StabG, § I, S. 122. BFH 89, S.422 (442). So zu Art. 109 Abs. 2 GO: Fischcr-Mcnshausen, in: v.Münch, Art. 109, Rn. 10.
H. Notwendigkeit einer formellen Verfassungsänderung
59
staatlichkeit durch die Übertragung der Währungshoheit auf das ESZB nicht erkennen. (4) Demokratieprinzip
Schwieriger gestaltet sich indes die Frage, ob die Übertragung der Währungshoheit den durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Kern des Demokratiegebots wahrt. Schon vor Inkrafttreten des EU-Vertrages war das Problem der demokratischen Legitimation der EWG eine zentrale Frage der europarechtlichen Diskussion. Vielfach wurde die Ausgestaltung des europäischen Primärrechts in dieser Hinsicht als defizitär empfunden. 176 Hauptangriffspunkt dieser Kritik war die Rolle des Europäischen Parlaments. Im Gegensatz zu den nationalstaatlichen Parlamenten mangelt es diesem an den Entscheidungs- und Steuerungsbefugnissen, die fur Parlamente in demokratischen Staatswesen als charakteristisch empfunden werden 177, insbesondere dem Recht der Gesetzgebung. Die Rechtsetzung in der Gemeinschaft obliegt vielmehr traditionell in erster Linie dem Ministerrat und der Kommission, woraus häufig eine Exekutivlastigkeit der Gemeinschaftsstruktur gefolgert wird. 178 Ein Verstoß dieser Gemeinschaftsstrukturen gegen den von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Kernbereich des Demokratieprinzips wurde jedoch bisher nicht angenommen. Die bestehenden Defizite hinsichtlich der demokratischen Legitimation des Gemeinschaftshandelns werden aus der Struktur der Gemeinschaft als zwischenstaatliche Einrichtung erklärt. 179 Sie halten sich noch innerhalb der Grenzen solcher system immanenter Modifikationen, die das BVerfG fllr die Verwirklichung des Demokratieprinzips innerhalb zwischenstaatlicher Einrichtungen erlaubt. 180 Es stellt sich an dieser Stelle daher die Frage, ob die - hier allein zu untersuchende - Übertragung der Währungshoheit auf das ESZB das Demokratiedefizit soweit verstärkt haben könnte, daß nunmehr tatsächlich der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Kernbereich des Demokratieprinzips berührt ist. Die besondere Problematik der Übertragung der Währungshoheit besteht dabei darin, daß schon die einfachgesetzlich durch § 12 S. 2 BBankG garantierte Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank l81 wegen des Verbots sog. 176 Slreinz, EuR. Rn. 281 und 283; Zuleeg, JZ 1993, S. 1069 (1073); SteindorfT, AöR 116 (1991), S. 460 (462 f.). 177 Dazu Herzog, in: Maunz / OUrig, Art. 20 Abschnitt I, Rn. 82. 178 Kirchner / Haas, JZ 1993, S. 760 (765); OssenbUhl, OVBI 1993, S. 629 (634); Steinberger. VVOStRL 50 (1991), S. 9 (30 fT. und 39 ff.); Oi Fabio, Der Slaa132 (1993), S. 191 (203 ff.). 179 Tomuschat, in: BK, Art. 24, Rn. 47 und 60. 180 BVerfGE 30, I (24); BVerfG, OVBI 1991, S. 575 (577). 181 Vgl. Fn. 144.
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B. Zur Notwendigkeit einer Verfassungsänderung
"ministerialfreier Räume" auf verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Gewährleistungen des Demokratieprinzips stÖßt. 182 Im Bereich der Deutschen Bundesbank erscheint ein Mindestmaß an demokratischer Kontrolle vornehmlich dadurch gewährleistet zu sein, daß der Bundestag zumindest auf dem Weg der Gesetzesänderung auf die Bundesbank einwirken kann. Diese Möglichkeit der Einwirkung auf dem Weg der Gesetzesänderung durch ein unmittelbar demokratisch legitimiertes Parlament entfilllt nach der Übertragung der Währungshoheit auf das ESZB.183 Dadurch könnte der Grundsatz der Volkssouveränität in einem Maße berUhrt sein, der die Übertragungsgrenze des Art. 79 Abs. 3 GG Uberschreitet. 184 Die Beantwortung der Frage, ob das Demokratieprinzip tatsächlich durch den WegfalI der Gesetzgebungskompetenz des Bundestages verletzt wird oder ob etwa durch den EGV eingerichtete Kontrollrechte des Europäischen Parlaments diesen Mangel an demokratischer Legitimation kompensieren können, bedarf einer eingehenden Untersuchung der Stellung der EZB im Organisationsgefllge der EG. Eine solche Analyse wird später im Abschnitt zur Problematik der Unabhängigkeit der EZB erfolgen. 185 Bis dahin muß die Beantwortung der Frage der Vereinbarkeit mit dem Demokratieprinzip aufgeschoben werden.
5. Ergebnis Zusammenfassend kann an dieser Stelle nunmehr folgendes festgestellt werden: Die Übertragung der Währungshoheit auf das ESZB fllhrt zu einer weitgehenden Aushöhlung der bisher durch Art. 88 S. I GG gewährten institutionellen Garantie fll.r die Bundesbank. Dennoch wäre die Einfll.gung des Art. 88 S. 2 GG vom verfassungsrechtlichen Standpunkt aus nicht notwendig gewesen, da der bisherige "Integrationshebel" Art. 24 Abs. I GG den Transfer der Wärungshoheit getragen hätte: Bei der Europäischen Union in der Gestalt des Maastrichter Vertragswerks handelt es sich nach der hier vertretenen Auffassung weiterhin um eine "zwischenstaatliche Einrichtung" und damit um einen tauglichen Übertragungsadressaten i.S.v. Art. 24 Abs. I GG. Auch die Übertragungsgrenzen, die Art. 24 Abs. I GG den IntegrationsbemUhungen setzt, wUr-
182 BVerwGE 41, 334 (356 ff.). 183 Vgl. dazu näher Abschnitt D. 1Il. 4. b). 184 So schon früher GramIich, Europäische Zentralbank, S. 96 ff., insb. 172; ders., ZKredW
1985, S. 334 (335); das Problem sehen auch Schachtschneider, Emmerich-Fritsche und Beyer, JZ 1993, S. 751 (752) und Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, Art. 24, Rn. 122. 185 s. Abschnitt D. 111. 4. e) (2).
11. Notwendigkeit einer formellen Verfassungsänderung
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den respektiert. 186 Die tatsächlich erfolgte Einfilgung des nunmehr bei allen Hoheitsübertragungen zu beachtenden Art. 88 S. 2 GG ist wohl eher als Tribut des Gesetzgebers an das Gebot der Verfassungsklarheit zu begreifen, das wegen der umfangreichen Änderungswünsche und auch -zwänge an die verfassungsmäßige Ordnung im Zusammenhang mit der innerQeutschen und der europäischen Neuordnung zu verstärkter Bedeutung gelangt ist. 187
186 NatUrlich unter dem Vorbehalt der Beachtung des Demokratieprinzips, s. dazu unten D. 111. 4. e) (2). 187 So auch die amtliche BegrUndung, BR-Dr. 501 192, S. 9 und 28; diese Bewertung teilen Weikart, NVwZ; 1993, S. 834, (838); Häde, EuZW 1992, S. 171 (178); Schotten, Verwaltungsrundschau 1992, S. 305 (312); Hahn, Vertrag von Maastricht, S. 131; Oppermann I Classen, NJW 1993, S. 5 (11); v.Simson I Schwarze, S.55 und 57; a.A. sind z.B. Scholz, NJW 1993, S. 1690 (169\); Wahlig, in: Gramlich u.a. (Hrsg.), Währungsunion, S. 37 (51).
C. Die Anforderungen des Art. 23 GG n. F. Nach der Darstellung der Voraussetzungen der Übertragung der Währungshoheit auf die EU anhand des alten Integrationshebels Art. 24 Abs. 1 GG sollen nun die Änderungen dargestellt werden, die sich aus der EinfUgung des nunmehr bei allen Hoheitsrechtsübertragungen zu beachtenden Art. 23 GG n. F. in das Grundgesetz im Vergleich zur alten Rechtslage ergeben. Hierbei handelt es sich notwendigerweise um einen skizzenhaften Überblick, da es nicht Thema der vorliegenden Arbeit sein kann, eine schlüssige Konzeption des Art. 23 GG n. F. zu entwickeln.· Die Betonung wird auf die Darstellung der strukturellen Vorgaben des Grundgesetzes fUr eine Europäische Union gelegt, da deren Existenz im Rahmen des Art. 88 S. 2 GG als Prämisse einer Übertragung der währungspolitischen Kompetenzen auf die Europäische Zenralbank vorausgesetzt wird. 2 Auch die formellen Übertragungsvoraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 GG und die Übertragungsschranke des Art. 79 Abs. 3 GG sind bei einem Transfer der Währungshoheit zu beachten.)
I. Überblick Im Kontext der Grundgesetzänderungen zur Ratifikation des MaastrichtVertrages bildete die EinfUgung des neuen Art. 23 GG das "Herzstück"4 oder den "Schwerpunkt"s der Verfassungsreform. Damit wurde eine Spezialregelung zur Begründung und Fortentwicklung der Europäischen Union geschaffen, die in ihrem Anwendungsbereich als lex specialis zum fortgeltenden Art. 24 Abs. 1 GG bewirkt, daß das Merkmal der "zwischenstaatlichen Einrichtung" aus Art. 24 Abs. 1 GG künftig hinsichtlich von Hoheitsrechtsübertragungen auf die EU unerheblich ist. 6 Dieses stellt eine Erleichterung im Hinblick auf die bei zu• Vgl. dazu die Veröffentlichungen, die Art. 23 GG zum zentralen Gegenstand haben, z. B. Classen, ZRP 1993, S. 57 ff.; OssenbUhl, DVBI 1993, S. 629 (631 ff.); Scholz, NVwZ 1993, S. 817 (820 f.). 2 Näher dazu Abschnitt D. 11., insbesondere unter I. d) (4). ) s. Abschnitt D. I. 4 Herdegen, EuGRZ 1992, S. 589. 5 Randelzhofer, in: Maunz / DUrig, Art. 24 Rn. 200. 6 Jarass, in: Jarass / Pieroth, Art. 23, Rn. I; Magiera, Jura 1994, S. I (7).
11. Die Integrationseröffnungs- und Struktursicherungsklausel
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nehmender Integration immer schwieriger werdende rechtliche Qualifikation der Europäischen Union zwischen Eigenstaatlichkeit und internationaler Organisation dar. Der neue Art. 23 GG umfaßt sieben Absätze, von denen im vorliegenden Zusammenhang lediglich die Übertragungsermächtigung in Absatz 1 von Bedeutung ist. Die Absätze zwei bis sieben formulieren die Mitwirkungsrechte von Bundestag und Bundesrat im europäischen Integrationsprozeß. 7
11. Die Integrationseröffnungs- und Struktursicherungsklausel Der erste Absatz des Art. 23 GG enthält zunächst eine Bestätigung des bereits in der Präambel des Grundgesetzes enthaltenen Staatsziels der Verwirklichung eines "vereinten Europas", so daß die Bundesrepublik nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet ist, an dessen Verwirklichung mitzuarbeiten. 8 Die Verpflichtung zur Schaffung eines vereinten Europas wird aber gleichzeitig mittels einer sogenannten Struktursicherungsklausel9 an bestimmte Voraussetzungen gebunden, durch welche die absoluten Schranken der Integrationsgewalt erstmals ausdrücklich in der Verfassung fixiert werden. 1O Demnach ist die Europäische Union nur dann ein tauglicher Adressat von HoheitsrechtsUbertragungen, wenn sie demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen verpflichtet ist und einen dem GG im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz geWährleistet. Diese strukturellen Vorgaben schließen deutlich an die bisher schon im Rahmen des Art. 24 Abs. 1 GG entwickelten Kriterien an ll , so daß insoweit häufig an die zur alten Verfassungslage gemachten Ausfllhrungen angeknUpft werden kann, wenn nunmehr geprüft werden soll, ob die Europäische Union den grundgesetzlichen Vorgaben genUgt, um Adressat eines Transfers von Hoheitsrechten zu sein. Dieses zeigt aber auch, daß es sich bei der Struktursicherungsklausel keineswegs um eine "undiskutierte Wiederbelebung" der Forderung nach struktureller Kongruenz handelt l2 , sondern vielmehr um die positivrechtliche Fixierung des schon seit
7 Vgl.dazu z.B. Classen, ZRP 1993, S. 57 11: Scholz. NVwZ 1993, S. 817 (822 11); Breuer, NVwZ 1994, S. 417 (425 ff.). 8 Hofmann, APuZ 1993, B 52/53, S. 33. 9 Begriff aus dem Gesetzentwurf der BReg, BR-Dr. 50 I /92, S. 5. 10 Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, Art. 24, Rn. 202. 11 So ausdrücklich die amtliche Begründung der BReg. BR-Dr. 501 /92, S. 5 und 12; vgl. auch Hofmann, APuZ 1993, B 52/53, S. 33 (34); Oppermann / Classen, NJW 1993, S.5 (12); Kirchner / Haas, JZ 1993, S. 760 (762). 12 So aber Everling, DVBI 1993, S. 936 (944).
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c. Die Anforderungen des Art. 23 GG n. F.
langem bekannten Homogenitätsgebots. 13 Die Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der Europäischen Union wird künftig an ein Mindestmaß an Übereinstimmung hinsichtlich des Kernbestands dieser Verfassungsziele geknüpft sein. 14 1. Grundrechtsschutz
Die Forderung des Art. 23 Abs. I S. I GG nach einem Grundrechtsschutz in der EU, der im wesentlichen dem nationalen Grundrechtsschutz vergleichbar ist, knüpft deutlich an die "Solange-Rechtsprechung" des BVerfGI5 an, welche die Rechtsprinzipien, die dem Grundrechtsteil zugrundeliegen, als unverzichtbares Essential der Verfassungsordnung bezeichnet hat. 16 In Anlehnung an die oben zu Art. 24 Abs. I GG gemachten Ausftlhrungen kann daher darauf verwiesen werden, daß das BVerfG seit der Aufgabe seines Grundrechtsvorbehalts in der "Solange II"-Entscheidung I7 davon ausgeht, daß die Europäische Gemeinschaft, also jetzt auch die EU, einen im wesentlichen vergleichbaren Standard des Grundrechtsschutzes erreicht haben. 18 2. Die Verwirklichung des Demokratieprinzips in der EU
Die problematischste Forderung der Struktursicherungsklausel ist zweifellos die nach einer dem GG - Standard vergleichbaren Verwirklichung des Demokratieprinzips in der EU. Oben wurde bereits festgestellt, daß die Übertragung der Währungshoheit die Wahrung des Demokratieprinzips angesichts der Exekutivlastigkeit der Gemeinschaftsstrukturen vor eine erneute Belastungsprobe stellt. 19 Hier stellt sich nun die grundsätzlichere Frage, ob die EU überhaupt den Anforderungen des Grundgesetzes an die Verwirklichung des Demokratieprinzips gerecht werden kann. Grundsätzlich beseitigt der EU-Vertrag das bestehende Demokratiedefizit nicht. Auch nach Abschluß des MaastrichtVertrages fehlen dem Europäischen Parlament die wesentlichen legislativen Tomuschat, in: BK, Art. 24, Rn. 57. Scholz, NJW 1992, S. 2593 (2598); üssenbUhl, DVBI 1993, S. 629 (633); Randelzhofer, in: Maunz I DUrig, Art. 24, Rn. 202. 15 BVerfDE 73, 339 (376). 16 Randelzhofer, in: Maunz I DUrig, Art. 24, Rn. 202; Jarass, in: Jarass I Pieroth, Art. 23, Rn. 12. 17 BVerfDE 73, 334 ( 378). 18 Vgl. Abschnitt B. 11. 4. b) (I). 19 Vgl. Abschnitt B. 11. 4. b) (4). 13
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II. Die Integrationseröffnungs- und Struktursicherungsklausel
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Kompetenzen. Eine Doppelzuständigkeit von Rat und Parlament auf dem Gebiet der Gesetzgebung, die einen wesentlichen Schritt zur Demokratisierung der EU hätte darstellen können, wurde nicht erreicht. 20 Zwar wurden die Rechte des Parlaments durch die EinfUhrung des Mitentscheidungsverfahrens 21 und des Verfahrens der Zusammenarbeit22 gestärkt, so daß in den - relativ seltenen Fällen, in denen der Vertrag auf das Mitentscheidungsverfahren verweist, keine Rechtsakte mehr gegen den Willen des Parlaments ergehen können. Auch räumt Art. 138 c EGV dem Parlament erstmals das Recht zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen ein und nach Art. 158 Abs. 2 EGV ist die Ernennung der Kommission von einem zustimmenden Votum des Parlaments abhängig, so daß auch seine Kontrollrechte gestärkt wurden. 23 Dennoch steht im Mittelpunkt der Entscheidungsstrukturen weiterhin der Rat. 24 An der Dominanz der Exekutive ändert der Maastricht-Vertrag wenig. Diese anhaltend defizitäre Verwirklichung der Anforderungen des Demokratieprinzips in den gemeinschaftlichen Strukturen fllhrte in der rechtswissenschaftlichen Diskussion um den weiteren Integrationsweg nach Maastricht dazu, die Doppelgleisigkeit der demokratischen Legitimation der europäischen Institutionen in den Vordergrund zu rUcken. Ein "Legitimationsstrom"25 geht dabei vom Europäischen Parlament aus. Gerade nach Maastricht wird aber häufig die mangelnde Legitimationswirkung des Europäischen Parlaments gerUgt, die daher rUhren soll, daß das Parlament keine Grundlage in einem europäischen Volk besitze und die Erfllllung rechtlicher, sowie vorrechtlicher Voraussetzungen, wie eine gemeinschaftliche öffentliche Meinung und eine Willensbildung in europäischen Parteien in absehbarer Zeit nicht zu erwarten seien. 26 Auch das BVerfG folgte diesem Argumentationsansatz des "strukturellen Defizits"27 der demokratischen Legitimation des Gemeinschaftshandelns in seiner Maastricht-Entscheidung. 28 Die Konsequenz dieser Diagnose besteht in der Betonung des zweiten Legitimationsstroms ge20 21 22 23
Bleckmann, OVBI 1992, S. 335 (337). Art. 189 b EGV. Art. 189 c EGV. Zur Stellung des EP nach Maastricht, vgl. Nentwich, EuZW 1992, S. 235 (236 ff.); Bleckmann, OVBI 1992, S. 335 (337). 24 Blanke, DÖV 1993, S. 412 (418); Kirchner I Haas, JZ 1993, S. 760 (765). 25 OssenbUhl, OVBI 1993, S. 629 (634). 26 Everling,OVBI 1993, S. 936 (944); Ipsen, EuR 1987, S. 195 (207); Ossenbühl, OVBI 1993, S. 629 (634 f.), m. w. Nachw. 27 Vgl.Grimm,OerSpiegelv. 19.10. 1992,S.S7,S9. 28 BVerfUE 89, 1SS (184 ff.). S lanzen
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C. Die Anforderungen des Art. 23 GG n. F.
meinschaftlichen HandeIns. Dieser fließt aus der Rückkoppelung des HandeIns europäischer Organe an die Parlamente der Mitgliedstaaten. 29 Dennoch besteht andererseits weiterhin Einigkeit über die Notwendigkeit, daß ein weiterer Ausbau der Kompetenzen der Gemeinschaft einhergehen muß mit einem Ausbau der Legislativ- und Kontrollbefugnisse des Europäischen Parlaments. 30 So betont das BVerfG wörtlich: "Ein Übergewicht von Aufgaben und Befugnissen in der Verantwortung des europäischen Staatenverbundes würde die Demokratie auf staatlicher Ebene nachhaltig schwächen, so daß die mitgliedstaatlichen Parlamente die Legitimaton der von der Union wahrgenommenen Hoheitsgewalt nicht mehr ausreichend vermitteln könnten. Vermitteln die Staatsvölker über die nationalen Parlamente - wie gegenwärtig - demokratische Legitimation, sind mithin der Ausdehnung von Aufgaben und Befugnissen der Europäischen Gemeinschaften vom demokratischen Prinzip her Grenzen gesetzt."31 Aber auch unter Beachtung dieser Prämisse wird die Europäische Union in der Gestalt des Maastrichter Vertrages den demokratischen Mindestanforderungen der Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 GG noch gerecht. Wie bereits die Untersuchung des zwischenstaatlichen Charakters der Europäischen Union gezeigt hat32 , bleibt der Kompetenzumfang sowohl der EU als solcher, wie auch derjenige der Europäischen Gemeinschaften weiterhin begrenzt. Die hinzugekommenen klassischen Politikfelder der außen- und sicherheitspolitischen, sowie der innen- und justizpolitischen Zusammenarbeit verharren in einem intergouvemementalen Status. Die weitere wesentliche Kompetenzerweiterung der Gemeinschaft im Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion schafft zwar in ihrer währungspolitischen Komponente nahezu eigenstaatliche Strukturen; eine Gesamtbetrachtung verdeutlicht aber, daß damit nur ein schmaler Bereich staatlicher Hoheitsgewalt dem unmittelbar legitimierten nationalen Gesetzgeber entzogen wird. Dieses gilt insbesondere deshalb, weil der Bereich der Wirtschaftsunion weiterhin zwischenstaatlich organisiert bleibt und der Gemeinschaft keine wesentlichen Rechtsetzungsbefugnisse im Bereich der nationalen Budgethoheit verschafft werden, wodurch in der Tat die Grundsätze des Demokratieprinzips berührt worden wären. J3 Im Zusammenhang mit dem Befund, daß sowohl die Rolle des Europäischen Parlaments durch die oben
29
BVertGE 89, ISS (184).
30 BVertG a.a.D.; die Erkenntnis als solche ist freilich weit älter, vgl. Tomuschat, in: BK,
Art. 4, Rn. 60 m. w. Nachw. 31 BVcrtGE 89, ISS (186). 32 Abschnitt B. 11. 3. 33 So schon Siebelt, OÖV 1990, S. 362 (372).
11. Die Integrationseröffnungs- und Struktursicherungsklausel
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genannten neuen Befugnisse gestärkt worden ist, wie auch eine Verbreiterung des zweiten Legitimationsstroms auf nationaler Ebene dadurch stattgefunden hat, daß die Beteiligung des Bundestages an der Willens bildung in Angelegenheiten der EU durch Art. 23 Abs. 2 und 3 GG verstärkt wurde, entspricht die EU wohl noch den Vorstellungen von einer Homogenität der Wertvorstellungen hinsichtlich seiner demokratischen Strukturen. 34 Weiterhin offen bleibt jedoch die Frage, ob auch die Übertragung der Währungshoheit auf eine unabhängige Europäische Zentralbank mit dem Demokratieprinzip zu vereinbaren ist. 35 3. Die Verpflichtung der EU aufföderative Grundsätze Die in Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG ausgesprochene Verpflichtung der Europäischen Union auf ftlderative Grundsätze vereint zwei Zielrichtungen in sich. Zum einen soll die Europäische Union selbst beim weiteren Ausbau der Integration föderative Prinzipien beachten, um so der Gefahr einer zunehmenden Zentralisierung zu entgehen. Dabei soll aber nicht das Modell der grundgesetzlichen Bundesstaatlichkeit den originalgetreuen Maßstab bilden36, vielmehr soll die Union nur zum Erhalt mehrerer Entscheidungsebenen angehalten werden, die den historisch gewachsenen Eigenarten der Mitgliedstaaten ausreichenden Entfaltungsspielraum lassen. 31 Damit einher geht die zweite Zielrichtung der Klausel. Die Europäische Union wird darüberhinaus angehalten, auch im weiteren Integrationsprozeß die ftlderative Struktur ihrer solcherart gegliederten Mitgliedstaaten zu respektieren. Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG fordert somit aus deutscher Perspektive einen dreistufigen Aufbau der Union mit der europäischen Zentralebene, den Mitgliedstaaten und, soweit vorhanden, deren inneren Teilstaaten. 38 Plastisch gebündelt wurde diese verfassungsrechtliche Forderung in der politischen Diskussion unter dem Schlagwort des "Europa der Regionen".39 Eine Beeinträchtigung dieses Gebots eines föderativen Aufbaus enthält der EUVertrag nicht. Zwar werden durch Art. 126 ff. EGV der Gemeinschaft Kompetenzen auf einem der letzten Hoheitsreservate der deutschen Bundesländer zugesprochen, nämlich im Bereich von Bildung und Kultur. Abgesehen da34 Die Vereinbarkeit des EUV mit dem Demokratieprinzip bejaht auch das BVerfGE 89, ISS
(188).
35 Dazu Abschnitt D. lll. 4. e) (2). 36 Scholz, NJW 1992, S. 2593 (2599). 31 Everling, DVBI. 1993, S. 936 (945). 38
Scholz, a.a.O.; Randelzhofer, in: Maunz / DUrig, Art. 24, Rn. 202.
39 Vgl. d. Nachw. bei Randelzhofer, a.a.O. ~.
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c. Die Anforderungen des Art. 23 GG n. F.
von, daß es sich hierbei nur um koordinierende Maßnahmen handelt, rur weIche der EuGH bereits vorher die Zuständigkeit der Gemeinschaft reklamiert hatte40 , wurde dieser vermeintliche Zuständigkeitsverlust durch andere Neuerungen im EGV kompensiert. So wird in Art. 198 a ff. EGV ein Ausschuß der Regionen eingesetzt, dem verschiedene Anhörungs- und Äußerungsrechte gewährt werden. Insbesondere aber ermöglicht Art. 146 EGV i.V.m. Art. 23 Abs. 6 GG, daß künftig Ländervertreter die Bundesrepublik im Ministerrat vertreten können, wenn ausschließlich Länderkompetenzen nach Art. 72 ff. GG betroffen sind. 4. Rechtsstaatlichkeit
Hinsichtlich der Wahrung der Anforderungen der Struktursicherungsklausel an das Rechtsstaatsprinzips wurde oben41 bereits festgestellt, daß die Gemeinschaft bereits vor Abschluß des EU-Vertrags eine Rechtsgemeinschaft darstellte. 42 An diesem Befund ändert der Maastricht-Vertrag grundsätzlich nichts. 43 Insbesondere stellt der EuGH eine "Dritte Gewalt" der Gemeinschaft dar, der hinsichtlich einer wirksamen Rechtskontrolle den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips Genüge leistet. Er ist nicht nur zuständig zur Entscheidung von Konflikten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten, oder zwischen den Organen der Gemeinschaft, sondern leistet auch den als Komplement zu den Durchgriffsbefugnissen der Gemeinschaft notwendigen Individualrechtsschutz. Zwar weist dieser wegen der hohen Anforderungen an die Klagebefugnis von Individuen, die der EuGH stellt44, Lücken auf, er genügt aber noch rechtsstaatlichen Anforderungen. 45 5. Sozialstaatlichkeit und Grundsatz der Subsidiarität
Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG verpflichtet die Europäische Union weiterhin auf die Beachtung "sozialer" Grundsätze. Damit kann aber nicht die Forderung nach der Errichtung eines "supranationalen Sozialstaats" nach dem Vorbild des Art. 20 Abs. 1 GG gemeint sein, da weder die EU, noch die EG hierzu in absehba-
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Bleckmann, OVBI1992, S. 335 (338). Vgl. B. 11. 4. b) (2). Zuleeg, in: AK, Art. 24, Rn. 40. Bleckmann, OVBI1992, S. 335 (338); Oppermann, OVBI1994, S. 901 (902). Bleckmann, OVBI 1992, S. 335 (338). Tomuschat, in: BK, Art. 24, Rn. 58; Zuleeg, in: AK, Art. 24, Rn. 40.
III. Die formellen Übertragungsvoraussetzungen
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rer Zeit die erforderlichen Mittel und Kompetenzen innehaben werden. 46 Gefordert werden kann hiennit höchstens eine allgemeine Ausrichtung des gemeinschaftlichen Handeins auf soziale Ziele, wie sie in der Präambel und in Art. 2 EGV erfolgt. Das Maastrichter Vertragswerk hat diese sozialpolitische Komponente des Gemeinschaftshandelns durch das Protokoll und das Abkommen über die Sozialpolitik47 mit der Zielrichtung einer Sozialunion verstärkt. Neuartig, weil weder von Art. 79 Abs. 3 GG umfaßt noch in der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG zu den Integrationsschranken gefordert, ist die Verpflichtung auf den Grundsatz der Subsidiarität. Hinsichtlich der Aufgabenverteilung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten fordert Art. 23 Abs. 1 GG deshalb, daß ein Tätigwerden auf supranationaler Ebene nur dann statthaft ist, wenn die Ziele der Maßnahme nicht ausreichend durch eine Aktivität der Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene erreicht werden können und zusätzlich die Zielverwirklichung auf europäischer Ebene effektiver zu gestalten ist. 48 Der Vertrag von Maastricht verpflichtet die Europäische Union anhand des Art. B Abs. 2 EUV i.V.m. Art 3 b EGV ausdrücklich auf die Grundsätze des Subsidiaritätsprinzips.
III. Die formellen Übertragungsvoraussetzungen Die fonnellen Voraussetzungen, die Art. 23 Abs. 1 GG an die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union knüpft, stellen großenteils Erschwerungen im Vergleich zur früheren Rechtslage nach Art. 24 Abs. 1 GG dar. So ist die Übertragungsennächtigung gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG grundsätzlich an die Zustimmung des Bundesrates gebunden, gleichgültig, ob es sich dabei um Hoheitsrechte der Länder handelt, oder nicht. 49 Besondere Unklarheiten ergeben sich hinsichtlich der Frage, welchen Mehrheitserfordernissen die Hoheitsrechtsübertragungen genügen müssen. Grundsätzlich sieht Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG eine einfache Mehrheit vor. Diese Regelung wird aber in Satz 3 dahingehend modifiziert, daß "rur die Begründung der Europäischen Union sowie rur Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbare Regelungen, durch die dieses Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert wird oder solche Änderungen und Ergänzungen ennöglicht werden" eine Zwei-
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Everling, DVBI 1993, S. 936 (944 f.). Abgedruckt in EA 1992, S. D 283 ff. BVerfDE 89,155 (211); Jarass, in: Jarass / Pieroth. Art. 23, Rn. 12. Vg!.die amt!. Begr., BR-Dr. 501 /92, S. 14.
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C. Die Anforderungen des Art. 23 GG n. F.
Drittel-Mehrheit erforderlich ist. In Anbetracht der Rechtsprechung des BVerffi, die davon ausgeht, daß die Übertragung von Hoheitsrechten in jedem Fall in die verfassungsrechtlich festgelegte Zuständigkeitsordnung eingreift und daher eine sogenannte materielle Verfassungsänderung darstellt50, stellt sich Anwendungsbereich verbleibt oder ob fortan jede Hoheitsrechtsübertragung den Anforderungen die Frage, ob ftlr Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG überhaupt ein des Art. 79 Abs. 2 GG unterliegt. In der auf die Verfassungsänderung folgenden rechtsliterarischen Auseinandersetzung wurde Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG teilweise ft1r überflüssig erklärt. 51 Andere sehen einen, wenn auch vergleichsweise schmalen, Anwendungsbereich in der Übertragung sogenannter vertragsausftlllender Hoheitsrechtsübertragungen sowie bei Hoheitsrechtsübertragungen aufgrund sogenannter Evolutivklauseln52, die keine Änderungen der grundgesetzlichen Verfassungsordnung erfordern. 53 Im Hinblick auf die hier interessierende Gründung der Europäischen Union durch den EU-Vertrag und insbesondere die Übertragung der Währungshoheit ergibt sich aber unzweifelhaft das Erfordernis der Zwei-Drittel-Mehrheit. Zum einen, weil die Begründung der EU ausdrücklich als Anwendungsfall des Art. 79 Abs. 2 GG in den Wortlaut der Norm aufgenommen wurde, und zum anderen, weil gerade die Übertragung der Währungshoheit augenscheinlich Verfassungsänderungsqualität hat. 54 Daraus wird ersichtlich, daß hinsichtlich der rur Hoheitsrechtsübertragungen erforderlichen Mehrheiten in weiten Bereichen die durch den alten Integrationshebel eröffnete Möglichkeit, materielle Verfassungsänderungen zugunsten der europäischen Integration durch einfaches Bundesgesetz vorzunehmen, künftig entflUlt. Art. 23 Abs. 1 GG wird dadurch zum Unterfall des Art. 79 Abs. 2 GG und der Unterschied zwischen formeller und materieller Verfassungsänderung wird weitgehend aufgehoben. 55
IV. Die Übertragungsschranke Art. 79 Abs. 3 GG Schließlich bindet Art. 23 Abs. 1 GG die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU ausdrücklich an die Schranken des Art. 79 Abs. 3 GG. Dessen Nennung an dieser Stelle überrascht aus zwei Gründen: Zum einen gilt die Unan-
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Vgl. z.B. BVerfGE 58, I (36). Randelzhofer, in: Maunz I DUrig, Art. 24, Rn. 203; Wilhelm, BayVBI 1992, S. 705 (707). Z.B. Art 138 Abs. 3 EGV. . Vgl. Scholz, NVwZ 1993, S. 817 (822); Jarass, in: Jarass I Pieroth, Art. 23, Rn. 9 f. Vgl. B. I. I. Randelzhofer, in: Maunz I DUrig, Art. 24, Rn. 203.
V. Fazit
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tastbarkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG ohnehin, so daß ihre Aufnahme in den Verfassungstext nur deklaratorischer Natur ist. Zum anderen sind die Vorgaben des Art. 79 Abs. 3 GG schon durch die Anforderungen der Struktursicherungs-cherungsklausel weitgehend abgedeckt. 56 Inhaltlich erbringt die Nennung des Art. 79 Abs. 3 GG neben Art. 23 Abs. I S. 1 GG nur zwei zusätzliche Begrenzungen: Da dort nur die EU auf föderative Grundsätze verpflichtet wird, schützt Art. 79 Abs. 3 GG ausdrücklich vor der Aushöhlung der Bundesstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland und untersagt ihre Entstaatlichung. 57 Daß sich die Übertragung der Währungshoheit an die durch die höchstrangige Norm des deutschen Verfassungsrechts gesteckten Grenzen hält, wurde bereits dargelegt. 58
V. Fazit Da es sich auch bei den im Zuge der Errichtung der Wirtschafts- und Währungsunion zu Ubertragenden Aufgaben und Befugnisse um "Hoheitsrechte" handelt59, wäre der Transfer der Währungshoheit verfassungsrechtlich - ebenso wie nach alter Rechtslage auf der Grundlage des Art. 24 Abs. 1 GG - allein nach Maßgabe des Art. 23 GG möglich gewesen. 60 Einer zusätzlichen Änderung des Art. 88 GG hätte es auch aus dieser Perspektive nicht bedurft. Der neue "Integrationshebel" bietet generell betrachtet insofern eine Erleichterung und damit ein "sicheres Fundament"61 der Integration, als die rechtliche Qualifikation der EU als zwischenstaatliche Einrichtung nicht mehr Voraussetzung der Hoheitsrechtsübertragung ist. Auch die zusätzlichen formellen Erschwerungen des Art. 23 GG sind zumindest verfassungspolitisch nicht negativ zu bewerten, da sie die künftigen Übertragungen, die - wie das Beispiel Währungsunion zeigt - häufig bedeutende Eingriffe in die Souveränität der Mitgliedstaaten darstellen werden, auf einen breiten politischen Konsens verweisen.
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Jarass, in: Jarass / Pieroth, Art. 23, Rn. 13. Herdegen, EuGRZ 1992, S. 589 (590). s. Abschnitt B. 11. 4. Vgl. Abschnitt B. 11. I.; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 88 Rn. 4. 60 So auch die amtliche BegrUndung in BR-Dr. 501 /92, S. 9. 61 Jarass, in: Jarass / Pieroth, Art. 23, Rn. I.
D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG Die im Dezember 1992 in Kraft getretenen Grundgesetzänderungen, die der RatifIkation des Vertrages von Maastricht zur Gründung einer Europäischen Union dienen sollten, umfaßten neben dem grundlegenden neuen "EuropaArtikel" 23 GG, wie bereits mehrfach erwähnt, auch die Neueinftlgung des Art. 88 S. 2 GG. Danach können die Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Bundesbank im Rahmen der Europäischen Union einer Europäischen Zentralbank übertragen werden, wenn diese unabhängig und dem vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität verpflichtet ist.
I. Das Verhältnis des Art. 88 S. 2 GG zu Art. 23 Abs. 1 GG Staatliche Hoheitsrechte auf dem Gebiet des Währungswesens hätten aber auch ohne diese Neueinftlgung nach alter Verfassungslage auf der Grundlage des Art. 24 Abs. 1 GG und nach neuer Rechtslage auf der Grundlage des allgemeinen Europa-Artikels 23 GG übertragen werden könneni, weil es sich um Hoheitsrechte handelt, die generell in den Anwendungsbereich des alten wie des neuen Integrationshebels fallen. 2 Da somit der Anwendungsbereich der spezielleren Norm (Art. 88 S. 2 GG) völlig in dem der allgemeineren Norm (Art. 23 Abs. 1 GG) aufgeht, stehen beide Normen zueinander im logischen Verhältnis der Spezialität. 3 Insoweit die Regelung des neuen Art. 88 S. 2 GG die Möglichkeit enthält, überhaupt staatliche Kompetenzen im Bereich des Währungswesens auf eine europäische Institution zu übertragen, kommt ihr lediglich deklaratorische Wirkung zu. Auch die formellen Anforderungen und die Übertragungsgrenzen, die Art. 23 GG vorschreibt, behalten ftlr die Übertragung der Währungshoheit auf die Europäische Union ihren Sinn. Daraus folgt u.a., daß ein Transfer der geldpolitischen Befugnisse auf ein Europäisches System der Zentralbanken der Mehrheit des Art. 79 Abs. 2 GG bedarf, da es sich dabei in jedem Fall um eine Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union handelt, welche überdies den Charakter einer materiellen I
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s. dazu die beiden vorhergehenden Abschnitte B. und C. Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 88, Rn.4. Vgl. zu dieser Frage der Rechtssatzkonkurrenz Larenz, Methodenlehre, S. 266 f.
I. Das Verhältnis des Art. 88 S. 2 GG zu Art. 23 Abs. 1 GG
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Verfassungsänderung hat. 4 Die in der Literatur vereinzelt geäußerte Ansicht, Art. 88 S. 2 GG enthalte eine Ermächtigung an den einfachen Gesetzgeber zur Übertragung der währungspolitischen BefugnisseS, ist nicht stichhaltig. Es erscheint geradezu systemwidrig, anzunehmen, daß Art. 88 S. 2 GG gerade flIr den eminent bedeutsamen Bereich der Übertragung der Währungshoheit, die hier bereits als eine Kernaufgabe6 der Staatlichkeit bezeichnet wurde, gegenüber dem Art. 23 Abs. 1 GG erleichterte Bedingungen schaffen will. Sein Zweck besteht vielmehr darin, diese an zusätzliche verfassungsrechtliche Voraussetzungen zu knüpfen. Eigenständige Bedeutung erhält die Einfllgung des Art. 88 S. 2 GG in das Grundgesetz nämlich insofern, als die Übertragung der hier betroffenen Hoheitsrechte an folgende weitere Bedingungen geknüpft wird: - Zunächst können die Aufgaben und Befugnisse der Bundesbank nur im Rahmen der Europäischen Union übertragen werden. - Die zu schaffende Europäische Zentralbank muß geprägt sein durch einen Rechtsstatus, der ihre Unabhängigkeit von allen in Betracht kommenden "pressure groups" garantiert. - Die Tätigkeit des neuzuschaffenden europäischen Instituts muß auf das vorrangige Ziel der Sicherung der Preisstabilität ausgerichtet sein. 7 Als weitere Übertragungsgrenze ist schließlich auch hinsichtlich des Transfers der Währungshoheit die nunmehr in Art. 23 Abs. 1 GG ausdrücklich genannte Unabänderlichkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG zu beachten. 8 Es zeigt sich mithin, daß die einzelnen Voraussetzungen flIr die Übertragung der geldpolitischen Befugnisse aus einer Zusammenschau des Art. 23 Abs. 1 GG und des Art. 88 S. 2 GG zu ermitteln sind. Demnach handelt es sich bei Art. 88 S. 2 GG zwar um eine Spezialregelung zu Art. 23 Abs. 1 GG9 in dem Sinne, daß dort die thematisch speziellen Hoheitsrechte auf dem Gebiet der Währungspolitik einer besonderen Regelung zugefllhrt werden. Die Regel, daß die speziellere Norm der allgemeineren dergestalt vorgeht, daß letztere verdrängt wird ("lex specialis derogat legi generali") findet aber im Verhältnis des Art. 88
Vgl. C. 111. So offenbar Jahn, DVBI 1994, S. 177 (178). 6 s. Einleitung. 7 So auch Weikart, NVwZ 1993, S. 834 (839). 8 Dazu schon die Abschnitte C. IV. und B. 11. 4. b) sowie zum Demokratieprinzip noch Abschnitt D. 111. 4. e) (2). 9 Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 88, Rn. 4. 4
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
S. 2 GG zu Art. 23 Abs. 1 GG keine Anwendung. Die Rechtsfolgen des Art. 88 S. 2 GG ergänzen bzw. modifizieren vielmehr diejenigen des Art. 23 Abs. 1 GG.1O
11. Übertragung "im Rahmen der Europäischen Union" Nach der Neufassung des Art. 88 GG durch die EinfUgung des Art. 88 S. 2 GG kann die Übertragung der geldpolitischen Befugnisse, die im StaatsgefUge der Bundesrepublik der Bundesbank zukommen, nur "im Rahmen der Europäischen Union" erfolgen. J. Art. 88 S. 2 GG als singulärer "Maastricht-Artikel" ?
Da die Verfassungsänderung im politischen Kontext des Jahres 1992 dazu dienen sollte, die Ratfikation des Maastricht-Vertrages - jedenfalls aus verfassungsrechtlicher Sicht - reibungslos zu ermöglichen, und andererseits die Bezeichnung "Europäische Union" als solche unmittelbar auf die Gründung der Europäischen Union durch die Maastrichter Verträge vom 7.2.1992 zu verweisen scheint, liegt die Frage nahe, ob die neue Verfassungsbestimmung des Art. 88 S. 2 GG in einem unlösbaren Zusammenhang zu dem konkreten historischen Ereignis des Abschlusses des Vertrages zur Gründung der Europäischen Union vom 7.2.1992 steht oder ob die hier eingerichtete Übertragungskompetenz auch rur andere Versuche einer währungspolitischen Integration zur VerfUgung stUnde, die nicht mehr die in Maastricht beschlossene Gestalt besäßen. I I Diese Fragestellung, die nach der Ratifikation des Vertrages zur Gründung der Europäischen Union durch alle Mitgliedstaaten zunächst eher akademischen Charakters zu sein scheint, kann aus mannigfaltigen Gründen schnell eine aktuelle politische Bedeutung erlangen. Mahnend könnte hier zunächst das Fehlgehen der früheren Anläufe zur Errichtung einer Europäischen Währungsunion 12 wirken, die nicht zuletzt aus weltwirtschaftlichen Gründen scheiterten, die von den Mitgliedstaaten nur schwer beeinflußbar waren. Dieses ist angesichts der langen Rezessionsphase zu Beginn der 1990er Jahre und der schwierigen wirtschaftlichen Entwicklung Osteuropas auch künftig nicht auszuschließen. Bedenken in diese Richtung nötigt schließlich auch der eng mit der Rezession 10
S.6. 11 12
Diese Ansicht geht wohl auch aus den Vorschlägen der GVK hervor, vgl. BT-Dr. 12/6000, Ähnlich Weikart, NVwZ 1993, S. 834 (839). Vgl. dazu Abschnitt A.; so auch Bilger, ORDO 1993, S. 15 (17).
11. Übertragung "im Rahmen der Europäischen Union"
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der 1990er Jahre und den Schwierigkeiten beim wirtschaftlichen Zusammenwachsen Deutschlands zu Beginn des Jahrzehnts zusammenhängende Zustand des Europäischen Währungssystems ab. Die Verbreiterung der Bandbreiten auf 15 % ist mit dem Konvergenzkriterium der Einhaltung der normalen Bandbreiten seit mindestens zwei Jahren l3 als Eintrittsvoraussetzung. in die Währungsunion nur schwer zu vereinbaren. 14 Diese Erwägungen zeigen, daß die Annahme, der Eintritt in eine Europäische Währungsunion könnte möglicherweise anders als auf dem im Maastricht-Vertrag festgeschriebenen Weg erfolgen, nicht von vornherein als abwegig zu bezeichnen ist. Daher soll nun der Versuch gemacht werden, anband einer Auslegung des Begriffs der "Europäischen Union" zu ermitteln, inwieweit Art. 88 S. 2 GG von dem am 7.2.1992 unterzeichneten Vertrag abhängig ist bzw. wann diese Verfassungsnorm ansonsten Bedeutung erlangt. a) Der Begriff "Europäische Union" in der gemeinschaftlichen Integrationsgeschichte Die Betrachtung des Wortlauts des Art. 88 S. 2 GG legt zunächst den Schluß nahe, daß dessen Anwendbarkeit tatsächlich auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Union vom 7.2.1992 beschränkt sein könnte. Hierftlr spricht die Verwendung des bestimmten Artikels "der" zur Kennzeichnung der Europäischen Union. Auch die Verwendung eines unbestimmten Artikels wäre denkbar gewesen. Die Verwendung des bestimmten Artikels an dieser Stelle spricht nunmehr aber daftlr, daß gerade die Europäische Union in der konkreten historischen Gestalt, die sie durch den Vertrag von Maastricht erhalten hat, gemeint sein könnte. ls Da das Grundgesetz hier auf einen Terminus Bezug nimmt, der sich auf supranationaler Ebene herausgebildet hat l6, kann dieses Ergebnis anhand des Sprachgebrauchs, den der Begriff der "Europäischen Union" im Laufe der Entwicklung der europäischen Integration erfahren hat, im Hinblick auf einen untrennbaren Zusammenhang zwischen dem Begriff und dem Maastrichter Vertragswerk überprüft werden. Dabei zeigt sich, daß Vorstellungen von einer "Europäischen Union" bis in die Gründungsjahre der Europäischen Gemeinschaften zurückreichen. Eine lange Reihe von Plänen beschäftigt sich mit Entwürfen, die jeweils über den 13 14 IS
16
Vgl. Art. 109 j Abs. 1,3. Spiegelstrich EGV. Dazu Pfister, EA 1993, S. 71; s. dazu auch Abschnitt D. IV. 4. So auch Weikart, NVwZ 1993, S. 834 (839). Sommennann, DÖV 1994, S. 596 (598).
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
bestehenden Zustand der Gemeinschaften hinaus zu weiteren Integrationsfortschritten fUhren sollten. Am Beginn dieser Abfolge steht der Entwurf eines Vertrages über die Satzung der Europäischen Gemeinschaft durch die sogenannte "ad-hoc-Versammlung" vom 10. März 1953.17 Zwar ist hier noch nicht von einer "Europäischen Union" die Rede, sondern von einer Europäischen Gemeinschaft überregionalen Charakters. In seinem Art. 2 werden aber bereits die Ziele der Gemeinschaft genannt, die für ihren gesamten künftigen Integrationsweg richtungweisend sein sollten, nämlich eine Zielsetzung, die über den Bereich der reinen Wirtschaftsintegration hinaus auch Ziele im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik anstrebt. Der Begriff einer "Europäischen Union" taucht erstmals in den Entwürfen eines Vertrages zur Gründung einer Staatenunion vom 15.3.1962 auf, den sogenannten "Fouchet-Plänen"18. Im vorliegenden Zusammenhang interessant ist dabei insbesondere, daß der Begriff der "Europäischen Union" zur Überdeckung gegensätzlicher Vorstellungen über die Zielperspektive der Integration dienen sollte. 19 Die französische Seite strebte lediglich eine "Staatenunion" an, während die Übrigen fUnf Mitglieder weitergehend von einer "Union europäischer Staaten und Völker" sprachen. Endgültig etablierte sich der Begriff der "Europäischen Union" seit der Konferenz von Paris am 19./20. Oktober 1972. Als Ziffer 16 der Erklärung der Konferenz der Staats- bzw. Regierungschefs der Mitgliedstaaten wird hier proklamiert, daß es ihr vornehmstes Ziel sei, "die Gesamtheit der Beziehungen der Mitgliedstaaten vor dem Ende dieses Jahrzehnts in eine Europäische Union umzuwandeln".20 Damit war der Begriff der "Europäischen Union" als Zielperspektive einer fortwährend angestrebten Vertiefung der Integration eingefilhrt. 21 Als Fernziel wird die Europäische Union auch im Tindemans-Bericht22 von 1975 erwähnt, der sich ansonsten jedoch nicht zu den Grundstrukturen der anzustrebenden Union äußert. Weitere Entwürfe zum Integrationsziel "Europäische Union" sind die Feierliche Erklärung zur Europäischen Union durch den Europäischen Rat vom 20. Juni 1983 23 , der Entwurf eines Vertrages zur Gründung der Europäischen Union des Europäischen Parlaments von
17
Abgedruckt in: Schwarze / Bieber, Verfassung fllr Europa, S. 397-433.
18 Abgedruckt in: Schwarze / Bieber, Verfassung fllr Europa, S. 435-459 (in synoptischer Dar-
stellung). 19 Magiera, in: GS Geck, S. 507 (521). 20 abgedruckt in: EG-Gesarntbericht 6 / 1972, S. 18; auch in EA 1972, S. D 502 (508). 21 Hrbek, in: FS v.d.Groeben, S. 167 (168). 22 Abgedruckt in: EA 1976, S. D 53-84. 23 Abgedruckt in: Schwarze / Bieber, Verfassung fllr Europa, S. 379.
11. Übertragung "im Rahmen der Europäischen Union"
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198424, die Einheitliche Europäische Akte von 1986 25 und natürlich auch der Vertrag zur Gründung der Europäischen Union vom 7.2.1992. Demnach erweist sich, daß der Begriff einer "Europäischen Union" keineswegs untrennbar mit dem Maastrichter Vertrag über die Gründung einer Europäischen Union verbunden ist. Vielmehr stellt er eine Konstante nahezu des gesamten Integrationsprozesses dar. Kennzeichnend für die Art und Weise des Gebrauchs des Begriffes war dabei letztendlich stets die Offenheit und die Unbestimmtheit, mit der Einzelheiten seines Inhalts im unklaren blieben. 26 Wie oben bereits angefllhrt, diente er bezeichnenderweise bereits bei seiner erstmaligen Benutzung im Rahmen der Fouchet-Pläne von 1961/62 als Formelkompromiß zur Überdeckung der zwischen Frankreich und den übrigen Mitgliedstaaten bestehenden Meinungsverschiedenheiten über die Zielperspektive der Integration. Die Tatsache der relativen Unbestimmtheit des Begriffes und seine ständige Verwendung27 fllhrten dazu, daß die Bezeichnung "Europäische Union" geradezu eine Chiffre fllr alle über den status quo hinausgehenden Integrationsfortschritte im Rahmen der europäischen Einigung wurde. 28 Bei allen Unklarheiten hinsichtlich der inhaltlichen Ausfllllung dieser Chiffre zeigt eine Gegenüberstellung gemeinsamer Ansatzpunkte in den einzelnen Entwürfen durchaus Übereinstimmungen auf. Diese können wohl, jedenfalls wenn sich die europäische Einigung auf der Grundlage der bestehenden Gemeinschaften und der daneben bestehenden Formen der Zusammenarbeit fortsetzt, wie es der Unions-Vertrag vom 7.2.1992 andeutet, als konstitutive Grundbestandteile einer Europäischen Union gelten. 29 Dabei besteht zunächst Einigkeit darüber, daß auch in einer "Europäischen Union" dem Faktor der wirtschaftlichen Integration die Rolle eines Kristallisationspunktes 30 zukommen wird. Der durch die drei Gemeinschaften EWG (jetzt EG), EGKS und EAG repräsentierte wirtschaftliche Bereich soll nach allen Entwürfen auch' in einer Europäischen Union im Mittelpunkt des europäischen HandeIns stehen. In den
24 Abgedruckt in: ABI EG 1984 Nr. C 77, S. 33 tT.; auch in: Schwarze / Bieber, Verfassung rur Europa, S. 317 ff. 25 ABI. EG 1987 Nr. L 169, S. I ff.; auch in: EA 1987, S. D 163-182. 26 Hrbek, in: FS v.d.Groeben, S. 167 (167 f.). 27 Neben der Inanspruchnahme durch die offiziellen VertragsentwUrfe ist der Begriff insbesondere durch die im Anschluß an den Tindemans-Bericht jährlich von der Kommission herausgegebenen Berichte unter dem Titel "Europäische Union" in der Reformdiskussion prllsent. 28 Hrbek, in: FS v.d.Groeben, S. 167 (168); Oppermann, EuR, Rn. 794; Beutler / Bieber / Pipkom / Streil, S. 577. 29 Vgl. hierzu die Darstellung bei Oppermann, EuR, Rn. 795 ff. 30 MUller Graff, in: Dauses, Handbuch, AI, Rn. 39.
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
älteren Plänen drückt sich dieses dadurch aus, daß die EG als Grundlage 3 ! oder Kemstück32 der Europäischen Union bezeichnet wird bzw. sich der gemeinschaftliche Besitzstand zu eigen gemacht wird. 33 Die EEA versuchte, dem gesamten Integrationsprozeß insbesondere durch den Ausbau des Binnenmarktes eine neue Dynamik zu geben34 und der Maastrichter Vertrag zur GrUndung der Europäischen Union nennt die GrUndung einer Wirtschafts- und Währungsunion als erstes Ziel der Union 35 sowie die Europäischen Gemeinschaften als den ersten Pfeiler ihrer Konstruktion. 36 Aus den Europäischen Gemeinschaften wird aber andererseits nur dann eine "Europäische Union", wenn ihr integrationspolitischer Ansatz über den einer reinen Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht.J7 Charakteristikum einer Europäischen Union ist, wie die Feierliche Deklaration vom 20. Juni 1983 hervorhebt, daß die "Gesamtheit der Beziehungen der Mitgliedstaaten" 3B erfaßt wird. So betonen alle Entwürfe die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit auch auf außen- und sicherheitspolitischem Gebiet. Schon der Entwurf der "ad-hoc-Versammlung" von 1953 spricht in seinem Art. 2 davon, daß die Außenpolitik in Fragen gemeinsamen Interesses koordiniert werden müsse. Auch die "Fouchet-Pläne" sehen in allen Fassungen in Art. 2 die Vereinheitlichung der Außen- und Sicherheitspolitiken vor. Darin sieht der Tindemans-Bericht in konsequenter Verfolgung dieser Linie ein implizites Element einer Europäischen Union. 39 Eine Stärkung bzw. Förderung der außenpolitischen Zusammenarbeit sahen auch die beiden Entwürfe der frühen 1980er Jahre vor. 40 Die EEA endlich bestätigt in ihrem Art. I dieses Modell einer Europäischen Union, indem sie diese als Synthese zwischen Europäischen Gemeinschaften und Europäischer Politischer Zusammenarbeit sieht. Der Europäischen Politischen Zusammenarbeit wird gleichzeitig in den Art. 1, 3 Abs. 2 und 30 EEA eine vertragliche Grundlage gegeben, wobei insbesondere von dem Bemühen die Rede ist, gemeinsam eine europäische Außenpolitik auszuarbeiten und zu verwirklichen. 4 ! Mit dem Vertrag zur GrUndung einer EuropäiSinngemäß in Art. 2 der "Fauchet-Pläne". Zifr. 1.4.1 der Erklärung des Rates von 1983. 33 Art. 7 Abs. I des Vertragsenwurfs des EP; ähnl. der Tindemans-Bericht unter Kap. I B 6. 34 Vgl. Art. 13 ff. der EEA. 35 Art. B, I.Spiegelstrich EUV. 36 Art. A Abs. 3 EUV. 37 Vgl. dazu auch Oppermann, EuR, Rn. 797. 38 Vgl. die Präambel der Deklaration, a.a.O. 39 Kap. I B, Zifr. I. 40 Art. 9, 3. Spiegelstrich des EP-Entwurfs bzw. Ziff. 1.4.2. der Feierlichen Erklärung von Stutlgart. 4! Art. 30 Ziff. I EEA. 3!
32
11. Übertragung "im Rahmen der Europäischen Union"
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schen Union erfolgt zum einen eine Konsolidierung"2 der bisherigen Ansätze zur Schaffung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, die als eine der Grundpfeiler der Union bezeichnet wird. 43 Zum anderen wird der Konzeption mit der im Titel VI geregelten Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres eine dritte Säule44 hinzugeftlgt. Aber auch darUber hinaus wurden von Beginn an weitere Politikfelder als von der Zielperspektive einer Europäischen Union umfaßt angesehen. So haben z.B. die Soziaipolitik4S oder die Kulturpolitik in einem weiteren Sinne46 seit jeher in den Unionsentwürfen Anklang gefunden. Der Begriff "Europäische Union" impliziert somit einen größeren Aufgabenbereich und eine breitere Kompetenzgrundlage als die bestehenden Europäischen Gemeinschaften. 47 Dieses verbreiterte Aufgabenfeld wird durch ein eigenständiges Organgeftlge zusammengefaßt. 48 Den Übereinstimmungen bei der Beschreibung des Zielkatalogs einer Europäischen Union entspricht im übrigen auch ein Gleichklang der politischen Leitprinzipien, die den Vertragsentwürfen gemeinsam sind und die aus der gemeinsamen Verfassungstradition der Mitgliedstaaten stammen. So berufen sich alle Entwürfe auf das Leitbild der parlamentarischen Demokratie und insbesondere die neueren Pläne bekennen sich ausdrücklich zu der Notwendigkeit des Schutzes der Grund- und Menschenrechte. 49 Der Vertrag von Maastricht stellt kein Endstadium jener Entwicklung dar, die unter der Zielperspektive dieses Begriffes erfolgt ist. Darauf weist schon der Inhalt des Vertrages selbst hin. In seinem Art. A Abs. 2 bezeichnet der Vertrag sich selbst als "eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas", wodurch erneut der ProzeßcharakterSO der Europäischen Gemeinschaft selbst wie auch des Begriffs der "Europäischen Union" unter Beweis gestellt wird. Dieser wird auch dadurch bezeugt, daß sowohl die sogenannten Evolutivkiauseinsl wie Art. N EUV vertragliche Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Union vorsehen. So Beutler / Bieber / Pipkom / Streil, S.585. Vgl. Art. A Abs. 3 EUV, sowie Titel V, Art. J ff. EUV. 44 Zum sog. Drei-Säulen-Konzept, Seidel, EuR 1992, S. 125 ff. 4S Heute Titel VIII des EGV; auch schon im Tindemans-Bericht, Kap. 111 C.; Feierl. Deklaration, Ziff. 1.3; EP- Entwurf, Art. 9 und 56; Titel V der EEA. 46 Heute Titel IX des EGV; Fouchet-Pläne, Art. 2; Tindemans-Bericht, Kap. IV B 2.; Feierl. Deklaration, Ziff. 1.4.3.; EP-Entwurf, Art. 9 und 61; Titel VI der EEA: 47 Vgl. MUller-GratT, in: Handbuch, A. 1., Rn. 6. 48 MUller-GratT, a.a.O. 49 Ad-hoc-Versammlung, Präambel und Art. 2; Fouchet-Pläne, Präambel; Tindemans-Bericht, Kap. IV; Feierl. Deklartion, ZitT. 1.2; EP-Entwurf, Präambel, Art. 4; EEA, Präambel; EUV, Präambel, Art. F. 50 Beutler I Bieber / Pipkom / Streil, S. 578. SI Z.B. Art. 138 Abs. 3 EGV. 42 43
80
D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
Dieses fUhrt zu dem Ergebnis, daß die Analyse des Sprachgebrauchs wie er sich auf supranationaler Ebene entwickelt hat, zu keiner ausschließlichen Beschränkung auf jenes Normen- und Institutionengeflecht fUhrt, das der Vertrag von Maastricht begründet hat. Er stellt nur eine, in einen konkreten historischen Zusammenhang gesetzte und aus diesem erklärbare Ausprägung des Begriffs dar. Die "Europäische Union" erscheint vielmehr, wie oben schon angedeutet, zum einen als Zielperspektive der europäischen Integration und wegen ihrer häufigen Anwendung sogar als Codewort für Fortschritte im Integrationsprozeß schlechthin. 52 Zum anderen ist der Begriff zwar mit dem konkreten Vertragsabschluß vom 7. 2. 1992 verbunden; dieser Vertrag selbst ist aber wiederum geprägt durch seine inhaltliche Offenheit und Prozeßhaftigkeit. b) Entstehungsgeschichte des Art. 88 S. 2 GG
(1) Der Weg zur aktuellen Fassung des Art. 88 S. 2 GG Da die Analyse des Sprachgebrauchs zwar nicht fUr die ausschließliche Verknüpfung des Art. 88 S. 2 GG mit dem Vertrag von Maastricht spricht, eine solche aber auch nicht eindeutig ausschließen kann, soll nun zur Erforschung des normativen Gehalts der Vorschrift auf die Entstehungsgeschichte und die Regelungsabsicht des Gesetzgebers zurückgegriffen werden. 53 Der Vorschlag zur Ergänzung des Art. 88 GG entstammt ursprünglich den Verhandlungen der Gemeinsamen Verfassungskommission, die sich - wie oben ausgefUhrt54 - aus tagespolitischen Gründen zunächst mit den Verfassungsänderungen aus Anlaß der Ratifikation des EU-Vertrages zu befassen hatte. Die Empfehlung, welche die GVK auf ihrer achten Sitzung am 26.6.1992 formulierte, enthielt aber das Tatbestandsmerkmal einer Bindung der Übertragung der Währungshoheit an das Bestehen der Europäischen Union noch gar nicht. Vielmehr begnügte man sich mit folgender Formulierung eines Art. 88 S. 2 GG: "Ihre Aufgaben und Befugnisse können einer Europäischen Zentral bank übertragen werden."s5 Diese Fassung enthielt auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung56, der zur BegrUndung der EinfUgung des Art. 88 S. 2 GG angab, daß die Übertra52 53 54 55
Vgl. Oppennann 1Classen, APuZ 1993, B 28, S. 13 (14 ), zu Art. 23 00. Zur Entstehungsgeschichte vgl. auch Weikart, NVwZ 1993, S. 834 (835). Vgl. die Einleitung. Steno Ber. der 8. Sitzung der Gemeinsamen Verfassungskommission v. 26.6.1992; BT-Dr. 12/6000 (Bericht der GVK), S. 17.
H. Übertragung "im Rahmen der Europäischen Union"
81
gung der Währungshoheit zwar im Grunde schon auf der Grundlage des Art. 23 Abs. 1 GG hätte erfolgen können, andererseits lege die besondere Bedeutung der materiellen Verfassungsänderung eine auch formelle Grundgesetzänderung aus verfassungspolitischen Gründen nahe. Auch der Bundesrat zeigte sich mit dieser voraussetzungslosen Fassung des Art. 88 S. 2 GG einverstanden. 57 Die Beschränkung einer Übertragung der Währungshoheit auf den Rahmen einer Europäischen Union erfolgte erst im Zuge der Verhandlungen des federfUhrenden Sonderausschusses "Europäische Union (Vertrag von Maastricht)". Dem Sonderausschuß lagen einige Änderungsvorschläge mitberatender Ausschüsse vor, welche die Übertragung der Währungshoheit an zusätzliche Voraussetzungen knüpften. So empfahl der Rechtsausschuß folgende Fassung des Art. 88 S.2GG: "Ihre Aufgaben und Befugnisse können einer unabhängigen und vorrangig dem Ziel der Preisstabilität verpflichteten Europäischen Zentral bank übertragen werden."58
Auch hier wird also noch nicht die Notwendigkeit gesehen, die Übertragung der Währungshoheit an die Existenz einer Europäischen Union zu knüpfen. Gerade darum ging es aber zwei weiteren Änderungsvorschlägen, die sich sachlich kaum voneinander abhoben. Der mitberatende Auswärtige Ausschuß empfahl folgende EinfUgung: "Ihre Aufgaben und Befugnisse können einer Europäischen Zentralbank im Rahmen der Europäischen Union übertragen werden."59
Vornehmlich syntaktisch unterschied sich der Änderungsvorschlag der SPDFraktion im Sonderausschuß: "Ihre Aufgaben und Befugnisse können im Rahmen der Europäischen Union einem Europäischen Zentralbanksystem übertragen werden."60
Schließlich lag dem Sonderausschuß ein Ergänzungsvorschlag des Zentralbankrats der Deutschen Bundesbank vor, der als Synthese der Entwürfe des Rechtsausschusses auf der einen Seite sowie des Auswärtigen Ausschusses bzw. der SPD-Fraktion auf der anderen Seite erscheint. Er hatte folgenden Wortlaut:
56 BR-Dr. 501/92, S. 3, auch BT-Dr. 12/3338, S. 3. 57 Die BR-Dr. 501/92 enthält keine Stellungnahme zu Art. 88 S. 2 GG. 58 BT-Dr.12/3896.S.22. 59 BT-Dr. 12 13896, S. 14. 60 BT-Dr. 12/3896, S. 22. 6 lanzen
82
D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
"Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Bundesbank können im Rahmen einer Europäischen Union einem unabhängigen und dem vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität verpflichteten System der Zentral banken übertragen werden."61 Der Sonderausschuß entschied sich in seinen Beratungen angesichts der insbesondere durch das Scheitern des dänischen Referendums vom 2.6.1992 bedingten Unwägbarkeiten im Hinblick auf die Ratifikation des Maastrichter Vertragswerks rur eine endgültige Fassung, die dem Vorschlag des Zentralbankrats nahekommt. Im Beratungsverfahren war der Sonderausschuß übereingekommen, daß eine Übertragung von Befugnissen der Deutschen Bundesbank auf eine Europäische Zentralbank nur dann in Betracht komme, wenn diese den strengen Kriterien des EU-Vertrages und der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Zentralbank und der Priorität der Geldwertstabilität entspräche. 62 So lautete schließlich die endgültige Version: "Ihre Aufgaben und Befugnisse können im Rahmen der Europäischen Union der Europäischen Zentral bank übertragen werden, die unabhängig ist und dem vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität verptl ichtet." (2) Schlußfolgerungen hinsichtlich des normativen Gehalts des Begriffs "Europäische Union"
Aus der Abfolge der Änderungsvorschläge bis hin zur endgültigen Fassung des Art. 88 S. 2 GG wird die Absicht des Gesetzgebers deutlich, eine Übertragung der Währungshoheit unabdingbar an das Bestehen einer "Europäischen Union" zu knüpfen. 63 Da diese Verknüpfung entstehungsgeschichtlich in unmittelbarem Zusammenhang mit den Unsicherheiten hinsichtlich der Ratifikation des Maastrichter Vertrages steht, scheint eine historisch-genetische Auslegung zunächst den Eindruck zu stützen, Art. 88 S. 2 GG in seiner endgültigen Fassung sei ausschließlich auf den konkreten Vertragsschluß vom 7.2.1992 ausgerichtet, so daß es sich bei ihm um einen "singulären Maastricht-Paragraphen"64 handeln müßte. Dem widersprechen jedoch die vorliegenden Gesetzesmaterialien. Nach dem Abgeordnetenbericht über die Verhandlungen des Sonderausschusses "Europäische Union (Vertrag von Maastricht)" wollte der Ausschuß den Begriff "Europäische Union" in einem allgemeinen Sinn verstanden wissen, so daß er gerade nicht nur die konkrete Ausgestaltung der Europäischen 61 BT-Dr. 62 63
64
12/3896, a.3.0. ßT-Dr.12/3896,S.21 f. BT-Dr. 12 1 31196, S. 22. ßegrill'bci Scholz, NVwZ 1993, S. 11 17 (1121).
11. Übertragung "im Rahmen der Europäischen Union"
83
Union durch das Vertragswerk von Maastricht umfassen sollte. 6s Eine Europäische Union im Sinne des "Europa-Artikels" 23 GG und der anderen Artikel, die tatbestandlich an die Existenz einer Europäischen Union anknüpfen, soll danach gegeben sein, "wenn sich die heute bestehende Integrationsgemeinschaft gegenüber dem gegenwärtigen Integrationsstand durch vertragliche Regelungen, durch die das Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird, oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden, in Richtung auf eine Europäische Union weiterentwickelt."66 Dieser offene Begriff einer Europäischen Union zeigt, daß entstehungsgeschichtlich eine unabdingbare Verknüpfung zwischen Art. 88 S. 2 GG und der Währungsunion in der konkreten Gestalt des EU-Vertrages nicht besteht. c) Systematische und teleologische Argumente Um den Bedeutungsgehalt der Verpflichtung, die Aufgaben und Befugnisse der Bundesbank ausschließlich "im Rahmen einer Europäischen Union" auf eine Europäische Zentral bank zu übertragen, erfassen zu können, erweist sich ein Blick auf den systematischen Zusammenhang des eingefUgten Satz 2 des Art. 88 GG zu anderen Normen als nützlich, die ebenfalls dem Ziel der Europäischen Integration dienen. Wie aus der Darstellung der Entstehungsgeschichte bereits hervorging, war Art. 88 S. 2 GG Teil eines Gesetzentwurfes der Bundesregierung, der außerdem die EinfUgung eines neuen Art. 23 GG sowie eine Ergänzung der Art. 24, 28 und 115 e GG enthielt. Alle diese Grundgesetzänderungen knüpfen tatbestandIich an die Existenz einer "Europäischen Union" an. Da sie als Teil eines einheitlichen Gesetzentwurfs insgesamt dem Ziel dienten, die verfassungsrechtlichen Grundlagen für die Ratifikation des Vertrages über die Europäische Union zu schaffen, kann davon ausgegangen werden, daß der Begriff der "Europäischen Union" dementsprechend inhaltlich gleich aufgefaßt werden muß.67 Aufschlußreich für die Bestimmung des Begriffsinhalts im vorliegenden Zusammenhang kann insbesondere die Staatszielbestimmung des Art. 23 Abs. I GG als "Herzstück" der Verfassungsreform und ihr Verhältnis zum fortbestehenden Art. 24 Abs. I GG sein, dem althergebrachten Integrationshebel.
ßT-Dr. 12 1 3896, S. 22 rechte Spalte. ßT-Dr. 12/3896, a.a.O. 67 BT-Dr. 12/3896, S. 22. 65
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6*
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Nonnen besteht bekanntlich 68 darin, daß in Art. 23 GG der Ermächtigungsadressat nicht mehr als zwischenstaatliche Einrichtung qualifiziert wird, sondern daß stattdessen ausdrucklieh die Europäische Union genannt wird. Daraus wird ersichtlich, daß Art. 23 Abs. 1 GG nunmehr Hoheitsrechtsübertragungen ennöglichen soll, die einen Integrationsstandard jenseits der zwischenstaatlichen Einrichtung ennöglichen. Demgegenüber erfaßt Art. 24 Abs. 1 GG weiterhin alle Fälle von Hoheitsrechtsübertragungen auf Institutionen, die einen zwischenstaatlichen Charakter aufweisen wie beispielsweise das Flugsicherungsabkommen "Eurocontrol"69. Dieser wäre im übrigen auch dann die korrekte Rechtsgrundlage gewesen, wenn der Vertrag von Maastricht an der Ratifikation gescheitert wäre und weitere Hoheitsrechtsübertragungen im Rahmen des EWGV erfolgt wären. 7o Da aber zumindest nach der Ansicht des Gesetzgebers die Europäische Union in der Gestalt des Maastrichter Vertrages das Stadium der Zwischenstaatlichkeit hinter sich gelassen hat, knüpft Art. 23 Abs. 1 GG mit dem Begriff der "Europäischen Union" an dieses Vertragswerk an. 71 Mit dem Anknüpfen an den Vertrag zur Grundung einer Europäischen Union vom 7.2.1992 ist andererseits eine ausschließliche Fixierung auf eben diesen Vertrag nicht verbunden. Dieses verdeutlicht auch die Struktur des Art. 23 Abs. 1 GG, die von einem dynamischen, entwicklungsoffenen und nicht auf ein bestimmtes Ziel festgelegten Begriff der Europäischen Union ausgeht, wie bereits die Analyse des Sprachgebrauchs erwiesen hat. 72 Im Unterschied zu Art. 24 Abs. 1 GG erfaßt Art. 23 Abs. I GG demnach grundsätzlich alle in Betracht kommenden Fälle von Hoheitsrechtsübertragungen auf europäische Institutionen, deren Adressaten den Charakter "zwischenstaatlicher Einrichtungen" überschreiten. Da der Begriff "Europäische Union" in Art. 88 S. 2 GG mit demjenigen in Art. 23 Abs. 1 GG inhaltsgleich ist, kann hier nichts anderes gelten. Demnach ist Art. 88 S. 2 GG auch aus systematischer Sicht kein singulärer Maastricht-Artikel. Dieses Ergebnis wird durch einige teleologische Überlegungen bekräftigt. Vordergründiger und unmittelbarer Zweck der Grundgesetzänderungen war zwar die Schaffung der verfassungsrechtlichen Grundlagen rur die Ratifikation des Vertrages über die Europäische Union. 73 Allgemeiner wird aber gleichzei68 Eingehender dazu Abschnitt C. 69 Gegenstand der Entscheidung BVerfGE 58, I tT. 70 71
72 73
Scholz, NVwZ 1993, S. 817 (819). Jarass, in: Jarass / Pieroth, Art. 23, Rn. 6. So auch Sommermann, DÖV 1994, S. 596 (598). Vgl. die Zielsetzung des Gesetzentwurfs in BR-Dr. 501/92.
11. Übertragung "im Rahmen der Europäischen Union"
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tig, hauptsächlich in der Präambel und in Art. 23 GG, die Grundentscheidung für die Schaffung eines vereinten Europas bestätigt bzw. präzisiert. Insbesondere die Neufassung des Art. 23 Abs. I GG erhebt die Verwirklichung eines vereinten Europa durch die Entwicklung der Europäischen Union zu einem Staatsziel.14 Damit wird die europäische Integration zu einem richtungweisenden Verfassungsgrundsatz, der staatliches Tätigwerden schlechthin anleiten solF5, dessen Ausfüllung durch wechselnde Aktivitäten jedoch der politischen Gestaltungsfreiheit überlassen wird. 16 Zur Qualität der europäischen Integration als Staatsziel stünden aber verfassungsrechtliche Integrationsbestimmungen im Widerspruch, die in ihrer Wirkung auf einen konkreten Vertragsschluß beschränkt wären. Aus diesem Grund betrachtet wohl auch die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung die Europäische Union in der Gestalt des EU-Vertrages vom 7.2.1992 nur als eine momentane Ausprägung der Europäischen Integrationsgemeinschaft. 11 Als objektiver Zweck der Verfassungsänderungen aus Anlaß der Ratifikation des Maastricht-Vertrages muß somit die Verwirklichung eines vereinten Europa unabhängig von der konkreten rechtlichen Gestaltung betrachtet werden. d) Ergebnis und positiver Begriffsinhalt einer "Europäischen Union" im Sinne des Art. 88 S. 2 GG Aus den vorhergehenden Überlegungen folgt für den Anwendungsbereich des Art. 88 S. 2 GG, daß die Vorschrift nicht auf die Einfilhrung einer Währungsunion durch den Vertrag von Maastricht beschränkt ist. Vielmehr ist der Begriff der "Europäischen Union" in einem allgemeinen Sinne zu verstehen. 18 Allerdings hat insbesondere die Begriffsgeschichte ergeben, daß ein europäischer Zusammenschluß bestimmte Strukturmerkmale aufweisen muß, um als "Europäische Union" gelten zu können. Hiervon ausgehend können folgende Merkmale als konstitutiv für eine "Europäische Union" im Sinne des Art. 88 S. 2 GG gelten: (1) Die wirtschaftliche Integration dient als Kristallisationspunkt des als "Europäische Union" bezeichneten Integrationsprozesses. Vgl. Abschnitt C. 11. Stern, Staatsrecht I, S. 122. 16 v.MUnch, Staatsrecht I, Rn. 309. 11 Der Entwurf spricht von einer Integrationsgemeinschatl, die sich "derzeit als Europäische Union" darstelle, vgl. BR-Dr. 501 /92, S. 12. 18 So auch BT-Dr. 12/3896, S. 22. 14 15
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
(2) Wesentliches Unterscheidungsmerkmal zur Europäischen Gemeinschaft ist, daß ein integrationspolitischer Ansatz vorliegt, der über denjenigen einer reinen Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht und zumindest dem Anspruch nach die Gesamtheit der Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten zu erfassen sucht. (3) Als kennzeichnend rur die "Europäische Union" kann darüber hinaus ein gemeinsamer institutioneller Rahmen gelten, der alle Politikfelder erfaßt. 79 (4) Schließlich ergeben sich zusätzliche Anforderungen an den Begriff der "Europäischen Union" aus der mehrfach erwähnten Identität der Termini in Art. 88 S. 2 GG und Art. 23 Abs. 1 GG. Hieraus ist nämlich zu folgern, daß der Begriff der "Europäischen Union" in Art. 88 S. 2 GG zugleich die Funktion eines Verweises auf die Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 GG innehat. Voraussetzung einer Übertragung der Währungshoheit auf eine Europäische Zentralbank ist daher auch, daß dieses im Rahmen einer Europäischen Union geschieht, die den Anforderungen des Art. 23 Abs. 1 GG genügt, also demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen dem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. 80 Diese Notwendigkeit ergibt sich allerdings auch schon daraus, daß Art. 88 S. 2 GG als Spezial norm den Art. 23 GG nicht etwa verdrängt, sondern lediglich dessen Voraussetzungen modifiziert bzw. ergänzt. 81 Letztlich entspricht dieses deutsche Verfassungsgebot im übrigen auch den übereinstimmenden politischen Leitprinzipien, die im Laufe der Begriffsgeschichte von jeher als Grundlage einer Europäischen Union betrachtet worden sind. 82 Zu den hier entwickelten Anforderungen an eine "Europäische Union" im Sinne des Art. 88 S. 2 GG scheint die Definition des Sonderausschusses "Europäische Union (Vertrag von Maastricht)"83 in Widerspruch zu stehen, nach welcher rur das Vorliegen einer Europäischen Union im Sinne des Grundgesetzes lediglich erforderlich ist, daß sich die heute bestehende Integrationsgemeinschaft gegenüber dem gegenwärtigen Integrationsstand durch vertragliche Regelungen mit Verfassungsänderungsqualität in Richtung auf eine 79
80 81 82 83
So z.B. Art. C EUV. Zu den Anforderungen im einzelnen s. Abschnitt C. 11. s. Abschnitt D. I. s. den Abschnitt D. 11. I. a). Wortlaut bei Fn. 66.
11. Übertragung "im Rahmen der Europäischen Union"
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Europäische Union weiterentwickelt. Geht man davon aus, daß zur Zeit der Beratungen des Sonderausschusses der EWG-Vertrag alter Fassung als "gegenwärtiger Integrationsstand" zu gelten hatte, so folgt daraus, daß nach der oben genannten Definition nahezu jede weitere Hoheitsrechtsübertragung als Integrationsfortschritt zum Vorliegen einer "Europäischen Union" i.S. des GG ruhrt. Damit wird aber die besondere Qualität, die der Begriff "Europäische Union" im Laufe der Jahrzehnte als Zielperspektive einer umfassenden, insbesondere auch politischen Union erhalten hat, ignoriert. Wie oben aufgezeigt, beinhaltet der Begriff nicht lediglich die Bezeichnung eines Entwicklungsprozesses, sondern er erfordert als materiellen Bestandteil vor allem das Vorliegen eines integrationspolitischen Ansatzes, der über die rein wirtschaftliche Integration hinaus auf die Gesamtheit der Beziehungen der Mitgliedstaaten abzielt. 84 Einen solchen stellt der Vertrag über die Gründung einer Europäischen Union vom 7.2. I 992 dar, da er die oben aufgestellten Mindesterfordernisse errullt. Aber auch andere integrationspolitische Ansätze müssen, wollen sie diesen Mindestanforderungen an eine Europäische Union genügen, durch einen umfassenden politischen Integrationsansatz eine neue Stufe auf dem Weg zur Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas85 zu erreichen suchen. Insofern ist der von der Fraktion der FDP im Sonderausschuß Europäische Union vorgeschlagenen einschränkenden Auslegung der oben genannten Definition zu folgen, nach der jede zu schaffende Integrationsgemeinschaft in ihrer Bedeutung mit dem Maastrichter Vertragswerk oder wesentlichen Teilen desselben vergleichbar sein muß.86 2. Konsequenzenjür den Anwendungsbereich des Art. 88 S. 2 GG
Aus dieser Inhaltsbestimmung des Begriffs einer "Europäischen Union" ergeben sich rur den Anwendungsbereich des Art. 88 S. 2 GG folgende Konsequenzen: a)
Unzweifelhaft handelt es sich bei der Übertragung der Währungshoheit im Rahmen und nach den Regeln des Vertrages zur Gründung einer Europäischen Union vom 7.2.1992 um einen Anwendungsfall des Art. 88 S. 2 GG.
84 Ähnlich Scholz, NVwZ 1993, S. 817 (819): den Gebrauch des Begriffs "Europäische Union" als solchen kritisiert Everling, FAZ vom 15. 10. 1992, S.7, der stattdessen den Terminus eines "Europäischen Zusammenschlusses" vorschlägt. 85 So Art. A Abs. 2 EUV. 86 BT-Dr. 12/3896, S. 22; a.A. ist Weikart NVwZ 1993, S. 834 (839), der sich der weiten Definition der Ausschußmehrheit anschließt.
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
Dieses Ergebnis ist unproblematisch, nimmt doch die Verfassungsänderung gerade Bezug auf den Vertragsschluß von Maastricht. 87 b) An diesem Ergebnis ändert sich nichts durch die Erweiterung der Europäischen Union aufgrund des Beitritts Schwedens, Finnlands und Österreichs, da Grundlage der zu errichtenden Währungsunion weiterhin die Regelungen des EU-Vertrages sind. c) Auch eine vertragsimmanente Korrektur des Zeitplans zur Währungsunion oder der ursprünglichen Fassung der Konvergenzkriterien auf der nach Art. N EUV einzuberufenen Revisionskonferenz ändert nichts daran, daß die Währungsunion "im Rahmen der Europäischen Union" erfolgen soll. d) Nicht in den Anwendungsbereich des Art. 88 S. 2 GG fiele dagegen im Falle eines Scheiterns des Maastricht-Vertrages eine Revision der EWSRegeln bzw. deren Übernahme in den EGV.88 e)
Ebenso wäre die - politisch freilich nach dem Beitritt der Neumitgliedstaaten äußerst unwahrscheinliche - Einführung einer Währungsunion zwischen verschiedenen Hartwährungsländern auf Europarats-Ebene kein Fall des Art. 88 S. 2 GG.
t)
Für die übrigen Fälle der Errichtung einer Währungsunion innerhalb der Integrationsgemeinschaft, aber außerhalb der konkreten Gestalt des Maastricht-Vertrages ist zu unterscheiden: Entgegen Weikart89 deckt Art. 88 S. 2 GG nicht jede Inaussichtnahme einer Währungsunion. Entscheidend ist vielmehr, daß die Währungsunion eingebettet ist in einen Integrationsansatz, der den oben genannten Mindestanforderungen an eine "Europäische Union" genügt. Nach der Einfügung der neuen Verfassungsnorm ist die Übertragung von Aufgaben und Befugnissen der Bundesbank nur noch in diesem Rahmen verfassungsrechtlich zulässig. Die isolierte Abgabe der Währungshoheit der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen einer völkerrechtlichen Übereinkunft auf eine Gemeinschaftsinstitution erfolgt gerade nicht "im Rahmen der (einer) Europäischen Union". Dieser Fall erscheint aber nach der Einfügung des Art. 88 S. 2 GG nicht nur verfassungsrechtlich unzulässig, sondern auch politisch eher unwahrscheinlich, da gerade die deutsche Seite besonderen Wert auf die Einbettung der
87 So auch Weikart, NVwZ 1993, S. 834 (839). 88 So mit Recht Weikart, a.a.O. 89 A.a.O.
III. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank
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Wirtschafts- und Währungsunion in eine Politische Union legt und eine isolierte Abgabe der Währungshoheit nicht in Betracht zieht. 90
111. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank Art. 88 S. 2 GG stellt nunmehr ftir die Übertragung der währungspolitischen Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Bundesbank auf eine Europäische Zentralbank eine weitere Hürde auf, welche die alte Rechtslage nach Maßgabe des Art. 24 Abs. I GG so nicht kannte: Die künftige Europäische Zentralbank muß unabhängig sein. 1. Vorbemerkungen zur Notwendigkeit der Unabhängigkeit einer Europäischen Zentralbank a) Der Begriff "Unabhängigkeit" Das Postulat der Unabhängigkeit der Zentralbank ist dem deutschen Recht seit langem vertraut. Schon in den Materialien zum Bundesbankgesetz findet sich eine grundsätzliche Definition des Begriffs der "Unabhängigkeit", die bis heute große Anerkennung in der wissenschaftlichen Literatur sowohl juristischer wie auch wirtschaftswissenschaftlicher Herkunft erfährt. 91 Danach ist mit dem Begriff der Unabhängigkeit der Zentralbank gemeint, "daß die Bank bei ihren währungspolitischen Entscheidungen nicht der parlamentarischen Kontrolle unterliegt, nicht an Weisungen der (Bundes-)92 Regierung gebunden ist und nicht unter Einfluß potentieller Interessenten an einer für die Sicherheit unserer manipulierten Währung gefährlichen Ausdehnung des Geldvolumens gerät."93 Festzuhalten ist, daß der Begriff konventionellerweise zunächst das (Un-)Abhängigkeitsverhältnis der Zentralbank zu den staatlichen Gewalten bezeichnet, insbesondere, aber nicht ausschließlich, zu denjenigen, die Träger der Wirtschafts- und Finanzpolitik sind. 94 In der Definition des "Schambergberichts" klingt darüber hinaus an, daß der Begriff der Unabhängigkeit grund90 Die Bedeutung des Zusammenhangs von Währungsunion und Politischer Union betont z.B. Bundesbankpräsident Tietmeyer, in: Isensee (Hrsg.), Europa, S. 35 (53 f.). 91 Vgl. etwa Lampe, S. 19; Caesar, S. 57 und neuerding Woll, in: Weber (Hrsg.), Europa auf dem Weg zur Wahrungsunion, S. 157 (159). n Einklammerung v. Verf. 9.1 BT -Dr. 2/2781, S. 5, sog. "Schambergbericht". 94 Hasse, Zentralbank, S. 113.
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
sätzlich auch das Verhältnis zu nicht-staatlichen, also privaten Instanzen umfaßt, die als gesellschaftliche "pressure groups"95 bezeichnet werden können. Die Frage der Unabhängigkeit einer Zentralbank von privaten Interessen spielt jedoch in der heutigen Diskussion so gut wie keine Rolle mehr. Inhaltlich besteht Einigkeit darüber, daß derartige Abhängigkeiten der Notenbankpolitik von Privaten abzulehnen sind. 96 Gegen eine ausfUhrlichere Behandlung dieser Frage im vorliegenden Rahmen spricht aber vor allem, daß zwar einerseits die Möglichkeit erheblicher Druckausübung von Seiten der privaten Wirtschaft auf die Politik einer Zentralbank nicht bestritten werden kann 97, sie sich aber andererseits in der Regel nicht auf dem Wege des Rechts vollzieht und daher einer juristischen Untersuchung nur schwer zugänglich ist. Demnach beschränkt sich die Untersuchung auf das Verhältnis zu öffentlichen Stellen. Daraus, daß das Objekt dieser Darstellung keine nationale Zentral bank, sondern die neu zu errichtende Europäische Zentral bank ist, ergeben sich diesbezüglich neue Begriffskomponenten. So kann die Unabhängigkeit einer Europäischen Zentralbank nicht durch ihr Verhältnis zu den "staatlichen Gewalten" beschrieben werden. Zwar bestimmt sich ihr Status auch durch ihr Verhältnis zu den Instanzen der Mitgliedstaaten. Ihr supranationaler Charakter bedingt jedoch, daß als weitere Dimension ihrer Autonomie auch und vor allem ihr (Un-)Abhängigkeitsverhältnis zu den gemeinschaftlichen Organen und Institutionen bestimmt werden muß. Die Unabhängigkeit einer Europäischen Zentralbank muß notwendig eine "doppelt geschichtete"98 sein. Schließlich soll noch auf weitere inhaltliche Beschränkungen des Unabhängigkeitsbegriffs im Sinne dieser Untersuchung hingewiesen werden. Zum einen wurde der Terminus im Laufe seiner Begriffsgeschichte auf durchaus unterschiedliche Sachverhalte angewandt. So diente er zwar zunächst zur Kennzeichnung des Verhältnisses Staat-Zentral bank. Andererseits sollte der Begriff auch Aufschluß über die Frage der Regelgebundenheit der Notenbankpolitik im Sinne W. Euckens 99 geben. Schließlich bezeichnet "Unabhängigkeit" die Freiheit einer Notenbank, das Ziel der inneren Preisstabilität ohne Rücksicht auf äußere Bindungen bei Konvertibilität und festen Wechselkursen zu verfolgen. roo Hier soll der Begriff der "Unabhängigkeit" ausschließlich im Sinne der 95 Lampe, S. 20. 96
Caesar, S. 53.
97 So auch schon Lampe, S. 22. 98 Diese Kennzeichnung gebraucht Seidel, in: FS Bömer, S. 417 (425) zur Charakterisierung
der "inneren Verfassungsstruktur" des ESZB. 99 Eucken, 255 (261 ff.). roo Vgl. zu den Bedeutungsschichten des Begriffs ausfUhrlieh Caesar, S. 56 ff.
III. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentral bank
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ersten der drei Bedeutungsschichten gebraucht werden, also der Unabhängigkeit von staatlichen bzw. hier auch speziell von supranationalen Instanzen. Zum anderen ist aufflUlig, daß gerade in jüngeren wissenschaftlichen Untersuchungen der Begriff der "Unabhängigkeit" der Zentralbank geradezu gemieden wird. Stattdessen wird vom "Handlungsspielraum"lol, oder vom "Verhaltensspielraum"102 der Zentral bank gesprochen. Der Grund rur diesen Wechsel der Terminologie soll darin bestehen, daß der Begriff der "Unabhängigkeit" zu sehr im juristischen verharre und daher nicht in der Lage sei, das "komplizierte, nicht quantifizierbare Phänomen" der Autonomie einer Zentralbank insbesondere auch in ihrer faktischen Komponente zu kennzeichnen. l03 Im Rahmen einer Untersuchung, die nach den verfassungsreclitlichen Vorgaben einer Übertragung geldpolitischer Hoheitsrechte auf eine Europäische Zentralbank nach Art. 88 S. 2 GG fragt, erweist sich demgegenüber aber der traditionelle Terminus der "Unabhängigkeit" aus zwei Gründen als der angemessenere: Zunächst (und vor allem) spricht der zu interpretierende Verfassungstext selbst von der Notwendigkeit gerade der "Unabhängigkeit" einer Europäischen Zentralbank. Daneben beschränkt sich diese Arbeit auf die Analyse der juristischen Dimension der Problematik anhand des deutschen Verfassungstextes und der gemeinschaftlichen Rechtsgrundlagen des künftigen geldpolitischen Handeins der EZB. Im jetzigen Stadium der monetären Integration, also noch vor der Gründung einer Europäischen Zentralbank, hat eine Berücksichtigung der faktischen Komponente als einer möglichen Abweichung der Realität von den rechtlichen Regelungen ohnedies überwiegend hypothetischen Charakter. b) Theoretische Begründungen rur die Notwendigkeit der Unabhängigkeit einer Europäischen Zentralbank Die Vertrautheit mit dem Status der Unabhängigkeit der Notenbank wie sie oben als charakteristisch rur das deutsche Zentralbankrecht dargestellt wurde, ist jedoch keineswegs ein Befund, der sich auf alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union übertragen läßt. Eine Weisungsfreiheit der Notenbanken, die dem Status der Deutschen Bundesbank vergleichbar wäre, fand sich zu Beginn der Verhandlungen zum Maastricht-Vertrag allenfalls in den Niederlanden. Auch der Neu-Mitgliedstaat Österreich weist eine vergleichbar rechtlich garantierte Weisungsfreiheit seiner Notenbank auf. Die Unabhängigkeit als kenn101 So Caesar, S. 63 tr. 102 Siebelt, Verhaltensspielraum, S. I tr. 103 Caesar, S. 63 f.
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
zeichnendes Merkmal des rechtlichen Status der Notenbank ist dagegen in der überwiegenden Mehrzahl der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen noch zu Beginn der 1990er Jahre weitgehend unbekannt gewesen. 104 Diese Unterschiedlichkeit der Rechtslagen in den Mitgliedstaaten findet eine Parallele in den sich gegenüberstehenden volkswirtschaftlichen Denkschulen, welche die Gestaltung der unterschiedlichen geldpolitischen Wirtschaftsordnungen maßgeblich geprägt haben. So findet sich die Gegnerschaft einer Notenbankautonomie häufig in volkswirtschaftlichen Lagern, die der keynesianischen Theorie zuzuordnen sind. Ihre Stellungnahmen zum Status der Notenbank sind dadurch gekennzeichnet, daß sie eine Koordinierung der Geld- und der Fiskalpolitik, oder sogar eine Unterordnung der Geld- unter die Fiskalpolitik fordern. 105 Die Autonomie der Zentralbank hat in einer solchen wissenschaftlichen Vorstellungswelt naturgemäß keinen Platz. Die Beflirworter der Weisungsfreiheit erblicken ihr volkswirtschaftstheoretisches Rückgrat demgegenüber eher in der auf Milton Friedman zurückgehenden monetaristischen Theorie. '06 Diese gewann mit ihrer Ansicht, daß in der Sicherung der Preisstabilität das einzige von einer Zentralbank mit realistischer Aussicht auf Erfolg verfolgbare Ziel besteht, seit der ersten Hälfte der 1970er Jahre mit seinen erheblichen Preissteigerungen, in der wissenschaftlichen Diskussion an Boden. Das taugliche Mittel zur Zielerreichung soll danach eine konstante Steigerung der jährlichen Geldmengenzuwachsrate sein. Eine derartige Steuerung der Geldmengenexpansion legt die Autonomie der Notenbanken zur Vermeidung externer, fiskalpolitisch motivierter Einflußnahmen auf die Geldpolitik besonders nahe. Neuere empirische Untersuchungen zur Unabhängigkeit von Zentraibanken J07 liefern eine Bestätigung der monetaristischen Hypothese, daß ein von einer unabhängigen Zentralbank gesteuertes konstantes Geldmengenwachstum am ehesten in der Lage sei, inflationäre Entwicklungen zu verhindern. Danach erweist sich, daß die durchschnittliche Inflationsrate und die Schwankungen der Preisstabilität eines Landes um so geringer sind, je unabhängiger der Status der jeweiligen Zentral-
1Q.4 Häde, EuZW 1992, S. 171 (174); Überblicke ober den Status der Zentralbanken in den Mitgliedstaaten bei v.Bonin, S. 93 tT.; Caesar, S. 315 tT.; Hasse, S. 130 tT.; Woll, in: Weber (Hrsg.), Europa auf dem Weg zur Währungsunion, S. 157 (166 f.) m. w. Nachw.; sowie Kommission der EG, Wirtschafts- und Währungsunion, S. 56. 105 Nachweise bei Hasse, S. 121 und 125; Issing, Unabhängigkeit, S. 5 f.; vgl. auch Caesar, S. 52 m. w. Nachw. 106 Grundlegend: Milton Friedman, A Program for Monetary Stability; vgl. hierzu auch Issing, Unabhängigkeit, S. 7 f. 107 Eine Zusammenstellung aktueller Studien zu diesem Thema findet sich bei Issing, Unabhängigkeit, Fn. 6, sowie Hasse, Zentral bank, S. 127.
III. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentral bank
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bank ist. lOB Darüber hinaus werden der Unabhängigkeit der Zentralbank sogar Auswirkungen auf die Höhe des Budgetdefizits zugesprochen, so daß der allgemeine Schluß zulässig erscheint, daß die Wahl eines unabhängigen Status der Zentralbank eine Option zugunsten größerer fiskalischer Disziplin darstellt. 109 Die Vorzüge einer autonomen Notenbank erweist überdies gerade auch in Deutschland die historische Erfahrung. In beiden Weltkriegen bediente sich die Reichsregierung der ihr unterstellten Reichsbank zum Zwecke der Kriegsfinanzierung. Der durch die extensive Zentralbankgeldschöpfung erzeugte Geldüberhang tllhrte jeweils zu katastrophalen inflationären Entwicklungen, die sowohl 1923, wie 1948 Währungsreformen notwendig machten. llo Die Sorge vor deren einschneidenden sozialen Folgen erklärt die außerordentliche Bedeutung, welche ein autonomer Status der Bundesbank für das politische Grundklima der Bundesrepublik hat. Schließlich wird als weiterer Vorzug einer Unabhängigkeit der Zentral bank das Argument angetllhrt, daß die Willensbildung in einer solcherart strukturierten Institution schneller erfolgen kann, als dieses in politischen Entscheidungsprozessen wie etwa auf dem Gebiet der Finanzpolitik möglich wäre, wodurch die zeitlichen Verzögerungen der Geldpolitik ("decision lag") verringert werden könnten. III Andererseits ermögliche die Unabhängigkeit der Zentralbank aber auch eine langfristig orientierte, kontinuierliche Geldpolitik, die von tagespolitischen Rücksichtnahmen befreit seLI12 Aus diesem als Vorzug einer unabhängigen Zentralbank angefuhrten Argument ergibt sich jedoch auch der Hauptangriffspunkt ihrer Kritiker, welche die demokratische Legitimation einer von einer autonomem Zentralbank getllhrten Geldpolitik bezweifeln. Auf diese Problematik soll jedoch an anderer Stelle noch näher eingegangen werden. I13 Die Argumente für die Notwendigkeit einer unabhängigen ZeQtralbank führten dazu, daß sich die Erkenntnis, daß inflationäre Tendenzen nur durch eben diesen autonomen Status zu vermeiden sind und daß die Defizitfinanzie108 Issing, Unabhängigkeit, S. 10; Woll, in: Weber (Hrsg.), Europa auf dem Weg zur Währungsunion, S. 157 (166). 109 Hasse, Zentral bank, S. 127 f. 110 Vgl. Caesar, S. 53; Woll, in: Weber (Hrsg.), Europa auf dem Weg zur Währungsunion, S. 157 (163 f.), der darauf hinweist, daß die Reichsbank 1923 zwar bereits formell unabhängig war, die Regierung aber dennoch praktisch unbegrenzten Zugang zur Notenpresse hatte; dazu auch Issing, Unabhängigkeit, Fn. 10. III Sog. "technisches Argument", vgl. Caesar, S. 54 m. w. Nachw.; Hasse, Zentralbank. S 123f.
"Politisches Argument", vgl. Caesar. a.a.O; Hasse, a.a.O. 113 Unten, Abschnitt D. lll. 4. e) (2). 112
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
rung der Haushalte als Quelle der Geldentwertung l14 gelten muß, inzwischen auch zur "herrschenden Meinung" innerhalb der Ökonomie entwickelt hat. 115 Für die Gründung einer Europäischen Zentral bank ist hieraus die Folgerung zu ziehen, daß ihr unabhängiger Status besonderer Absicherung bedarf, damit die Geldwertstabilität auch auf supranationaler Ebene mit Aussicht auf Erfolg verfolgt werden kann, da zum einen eine einheitliche supranationale Geldpolitik ohne eigentlichen historischen Vergleich ist l16 und zum anderen eine gemeinschaftsweite gesellschaftliche Präferenz fUr das Ziel der Geldwertstabilität, die in Deutschland einen wesentlichen Stützpfeiler der autonomen Bundesbankpolitik darstellt, wohl noch nicht auszumachen iSt. 117 c) Gang der Darstellung Da sich die Notwendigkeit der Unabhängigkeit einer Zentralbank von anderen Stellen, die an einer dem Primat der Preisstabilität gegenläufigen Entwicklung interessiert sein könnten, demnach inzwischen zu einer mehrheitsfähigen und empirisch gestützten Ansicht entwickelt hatte, bestand eine der wesentlichen Forderungen der deutschen Verhandlungsteilnehmer bei der Aushandlung des Maastrichter Vertragswerks darin, eine Europäische Währungsunion nur dann zu errichten, wenn die Autonomie der Europäischen Zentralbank gesichert sei.l 18 Dabei handelte es sich aber ausschließlich um ein Gebot ökonomischer Vernunft, nicht um die Befolgung verfassungsrechtlicher Vorgaben, da die Übertragung der währungspolitischen Kompetenzen vor Inkrafttreten des Art. 88 S. 2 GG nur an die Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG gebunden war. I 19 Dennoch fUgte der Verfassungsgesetzgeber im nachhinein mit Art. 88 S. 2 GG eine spezielle Struktursicherungsklausel für den Bereich des Währungsrechts ein 120, die eine Übertragung der geldpolitischen Hoheitsrechte ausschließlich auf eine Europäische Zentralbank ermöglicht, die hinsichtlich ihrer Autonomie strukturadäquat zur Deutschen Bundesbank ist. Wegen dieses offensichtlichen Modellcharakters der Bundesbank l21 sollen hier die rechtlichen Sicherungen 114 115 116 117 118
Woll, in: Weber (Hrsg.), Europa auf dem Weg zur Währungsunion, S. 157 (168). Issing, Unabhängigkeit, S. 6. Vgl. dazu nur Tietmeyer, Außenwirtschaft 1990, S. 301 (304). Ohr, in: Hrbek (Hrsg.), Maastricht, S. 89 (96). Haller, in: BitburgerGespräche-Jahrbuch 1992, S. I (6). 119 Weikart, NVwZ 1993, S. 834 (840). 120 Weikart, a.a.O., S. 839 f. 121 Vgl. dazu nur aus den Materialien des Verfassungsänderungsgesetzes BT-Dr. 12 / 3896, S. 21; BT-Dr. 12/3334, S. 91; außerdem Scholz, NVwZ 1993, S. 817 (820), der von einer der
III. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank
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der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank denjenigen des BBankG gegenübergestellt und an diesen gemessen werden. Die Darstellung des Unabhängigkeitsgebots und seiner Verwirklichung im EG-Vertrag folgt einer Aufsplittung des Begriffs in einzelne Facetten, die sich sowohl in der wirtschaftswissenschaftlichen 122 wie in der juristischen Literatur 123 herausgebildet haben, um den wegen seiner Allgemeinheit eher konturenlosen Begriff der "Unabhängigkeit" einer Zentralbank mit Inhalt zu rullen. Allerdings ergeben sich hinsichtlich der Bezeichnung der verschiedenen Formen bzw. Stufen der Unabhängigkeit vielfach terminologische Unterschiede. Einigkeit besteht aber wohl über die grobe Unterteilung in eine personelle und eine funktionelle bzw. materielle Unabhängigkeit. 124 Der Begriff der funktionellen Autonomie kann dabei weiter unterschieden werden. Hier soll eine Aufteilung der Untersuchung in die Aspekte der institutionellen, der persönlichen, der materiellen sowie der vermögensrechtlichen Unabhängigkeit erfolgen. 12S Als wichtige Stützpfeiler einer Zentralbankautonomie werden weiterhin die vertraglichen Regelungen zum Verbot einer monetären Haushaltsfinanzierung und zur Verteilung der Wechselkurskompetenz analysiert. Erst aus der Summe dieser EinzeIausprägungen können Rückschlüsse auf die Qualität der Autonomiegewährleistung als solche gezogen werden. 126 2. Die institutionelle Unabhängigkeit
a) Der Begriff der institutionellen Unabhängigkeit Eine wesentliche Vorentscheidung über die Frage, ob sich eine Zentralbank als unabhängig behaupten kann, wird durch ihre Einfügung in den jeweiligen Staatsaufbau, bzw. im Hinblick auf die künftige Europäische Zentral bank, in
Bundesbank vergleichbaren Unabhängigkeit der EZB spricht; sowie Fröhlich, S. 20 f.; Hauser, Außenwirtschaft 1992, S. 151 (154). 122 Zusammenfassend zur wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion, Caesar: S. 59 t1'.; aus jüngster Zeit, Issing, Unabhängigkeit, S. 16. 123 Vgl. z.B. v.Spindlcr I Becker I Starke, § 12 Anm. 111 I (S. 265,); Lampe, S. 18 t1'.; Uhlenbruck, S. 70-94. 124 Vgl. Uhlenbruck, a.a.O.; Lampe, a.a.O.: v.Spindler I Becker I Starke, a.a.O.; Caesar, S. 59, m. umfangreichen weiteren Nachw.; Issing, Unabhängigkeit, S. 16; Woll, in: Weber (Hrsg.), Europa auf dem Weg zur Wirtschafts- und Währungsunion, S. 157 (160). 125 So auch 1·lahn. BayVßI 1982, S. 33, Fn. 9; Uhlcnbruck, S. 70 t1'. zur Stellung der Deutschen Bundesbank. 126 Ähnlich Uhlenbruck, S. 22.
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
das Verfassungsgeflige der Europäischen Union l27 getroffen. Häufig ergeben sich bereits aus der bloßen Rechtsfonn einer Institution Rückschlüsse auf eine durch das Prinzip der Subordination geprägte Stellung im Gesamtgefllge des betreffenden Gemeinwesens. Der Sinn einer Forderung nach institutioneller Unabhängigkeit besteht demgegenüber darin, derartige "Voraus-Festlegungen" durch die Wahl einer Rechtsform, die bereits begrifflich ein Verhältnis der Weisungsabhängigkeit impliziert, zu vermeiden. b) Die Stellung der Bundesbank in der Staatsorganisation des Grundgesetzes (zum Vergleich) Als in der Praxis seit 1957 bewährtes Beispiel fllr eine pragmatische, den besonderen Anforderungen zentralbanklicher Autonomie im wesentlichen gerecht werdende Einfllgung einer Notenbank in ein staatliches Exekutivgefuge soll hier zunächst die Stellung der Bundesbank im Staatsgefllge des Grundgesetzes dargestellt werden. 128 Sie ist ausgehend von Art. 88 GG zu bestimmen, der eine "institutionelle Festlegung und Standortbestimmung"129 der Zentralbank im grundgesetzlichen Staatsgefllge enthält. Der systematische Standort dieses Art. 88 GG im VIII. Abschnitt des Grundgesetzes verdeutlicht bereits, daß es sich bei der Deutschen Bundesbank um einen Teil der Verwaltung handelt. 130 Versuche in der Rechtsliteratur, die Bundesbank in den Rang einer vierten Gewalt zu erheben 13 I oder ihr den Status eines Verfassungsorgans zu verleihen 132, schlugen fehl. 133 Einfachgesetzlich charakterisiert § 2 Satz I BBankG die Bundesbank als eine "bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts". Da durch diese relativ vage Umschreibung der Rechtsfonn der Bundesbank eine Eingliederung in eine der herkömmlichen Organisationsfonnen öffentlich-rechtlicher Verwaltungstätigkeit vennieden wurde, ist ihre tatsächliche Rechtsnatur letztlich bis heute nicht dem Streit enthoben. So wird z. T. die Ansicht vertreten, die Bundesbank sei eine konventionelle Anstalt des öffentli127 Die h.M. der europarechtlichen Literatur interpretiert die Gründungsverträge der EG bzw. jetzt auch der EU als "Verfassung", vgl. Beutler I Bieber I Pipkorn I StreH, S. 50 f.; Bleckmann, EuR, Rn. 43 ff.; Oppermann, DVBI 1994, S. 901 (904), mit Hinweis auf BVerfGE 22, 293 (296); insofern rechfertigt sich der BegritI"Verfassungsgefllge" der EU bzw. EG. 128 Eine eingehende Darstellung bietet Hahn, BayVBI 1982, S. 33 tI und 70 tI.; vgl. auch Siebelt, VerhaItensspielraum, S. 153 tI. 129 Stern, Staatsrecht I, S. 464. 130 Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 357; Bauer, in: v.Münch, Art. 88, Rn. 18 131 Samm, S. 122 tI. 132 Starke, WM 1957, S. 75 (88 f.). 133 Vgl. Stern, Staatsrecht I, S. 468.
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ehen Rechts, da wegen der fehlenden mitgliedschaftlichen Strukturelemente eine körperschaftliche Struktur ausscheide. 134 Andere sehen in ihr eine "atypische Anstalt"l3S, bzw. eine Anstalt mit "regelwidrig kupierter Dienstaufsicht".136 Schließlich fllhrte die Problematik der Einordnung auch zur Qualifizierung der Bundesbank als "institutum sui generis". 131 Gerade in letzter Zeit wird eine endgültige Einordnung der Bundesbank in eine bestimmte Organ isationsform häufig vermieden. 138 Den Hintergrund dieses Klassifizierungsstreits bildet die Frage nach dem Maß an Staatsaufsicht, welchem die Bundesbank unterliegen soll. Bei näherer Betrachtung liegen aber alle Ansichten hinsichtlich der praktischen Ausgestaltung einer Aufsicht über die Deutsche Bundesbank nahe beieinander: Diejenigen Auffassungen, die eine Einordnung der Bundesbank als herkömmliche Anstalt des öffentlichen Rechts vermeiden wollen, tun dieses, um hierdurch der Auffassung Nachdruck zu verleihen, daß die Bundesbank im Bereich ihrer Eigenständigkeit ohnehin keiner Fach- oder Dienstaufsicht, aber auch keiner Rechtsaufsicht unterworfen seL139 Aber auch dann, wenn die Bundesbank als herkömmliche Anstalt öffentlich-rechtlicher Natur charakterisiert wird, bedeutet dieses nicht, daß daraus gleichzeitig auf das Vorliegen einer uneingeschränkten Rechtsaufsicht geschlossen werden könnte. Die zwar grundsätzlich bestehende Rechtsaufsicht wird nämlich auch nach dieser Ansicht im von § 12 S. 2 BBankG erfaßten Bereich der Geldpolitik durch die hier eingeräumte Weisungsfreiheit faktisch wegen des weitgehenden Wertungsspielraums der Zentralbank ausgeschlossen. 14o Hinsichtlich des Bestehens von Aufsichtsmitteln wird daher auch nach dieser Ansicht auf die im BBankG vorgesehenen Mittel verwiesen. 141 Dabei handelt es sich in erster Linie um die in § 13 BBankG vorgesehene Form der Zusammenarbeit zwischen Bundesbank und Bundesregierung sowie um die nach § 34 S. 2 BBankG erforderliche Satzungsgenehmigung. Bezeichnet werden diese Mittel zur Kennzeichnung ihrer Begrenztheit als "Aufsichtsrudimente".142 Da das Beste134 So Maunz, in: Maunz / DUrig, Art. 88, Rn. 8; Bauer, in: v.MUnch, Art. 88, Rn. 19; Wilke, in: v.Mangoldt / Klein, Art. 88, Anm. IV 2 b, Fn. 130; Lampe, S. 37; wohl auch Stern, Staatsrecht I, S. 71; Schmidt, HbStR 111, S. 1133. 135 Fögen, S. 103. 136 v.Spindler / Becker / Starke, § 2 Anm. I (S. 168). 137 Prost, NJW 1957, S. 1303 (1305); Uhlenbruck, S. 41. 138 Gramlich, BBankG, § 2, Rn. 7; Siebelt, Verhaltensspielraum, S. 154, die der Einordnung keine besondere Bedeutung beimessen. 139 So z.B. Hahn, BayVBI 1982, S. 33 (34); vgl. auch Uhlenbruck, S. 40 f. 140 Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 359; vgl. auch Stern, Staatsrecht I, S. 500. 141 Schmidt, a.a.O.; Breuer VVDStRL 44 (1986), S. 211 (239). 142 v.Spindler / Becker / Starke, § 2 Anm. I, AI (S. 168); Stern, StaatsrechtI, S. 471. 7 lanzen
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
hen dieser Aufsichtsmittel andererseits auch nicht von den Vertretern der übrigen Ansichten geleugnet wird, könnte folgende Charakterisierung der Rechtsform der Bundesbank heute als wohl konsensflihig angesehen werden: Die Bundesbank ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die wegen ihrer fehlenden mitgliedschaftlichen Struktur als Anstalt zu charakterisieren ist, welche insofern atypische, also von der konventionellen öffentlich-rechtlichen Anstalt abweichende Merkmale besitzt, als sie im Bereich ihres eigenzuständigen Wirkungsbereichs - mit Ausnahme einiger im BBankG vorgesehener Aufsichtsrudimente - weder einer Fach-, noch einer Rechtsaufsicht unterworfen ist. 143 Als mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete Anstalt des öffentlichen Rechts ist die Bundesbank Teil der mittelbaren Staatsverwaltung. Diese Einordnung in den Staatsaufbau wird dem besonderen Charakter der weisungsfreien Aufgabenerftlllung auf dem Gebiet der Geldpolitik eher gerecht als eine Eingliederung in die unmittelbare Staatsverwaltung als oberste Bundesbehörde oder Bundesoberbehörde, 144 die auf der Grundlage des Art. 88 GG ebenfalls möglich ist. 145 Zusammen mit dem weitgehenden Fehlen einer Dienst- und Fachaufsicht erweist sich somit die institutionelle Stellung der Bundesbank im Staatsgefllge des Grundgesetzes als tragflihige Ausgangsbasis zur Gewährleistung bzw. Absicherung ihrer Autonomie. 146 c) Die Stellung der EZB im Verfassungsgefllge der Europäischen Gemeinschaft Da die kurze Darstellung der institutionellen Autonomie der Bundesbank erwiesen hat, daß die Wahl der Rechtsform einer öffentlichen Einrichtung wesentliche Rückschlüsse auf die Aufsichts- und Weisungsbefugnisse zuläßt, denen sie unterliegt, stellt sich nunmehr die Frage, ob hieraus Anforderungen an die Ausgestaltung der institutionellen Autonomie der Europäischen Zentralbank zu entnehmen sind. Dabei verbietet sich aber eine undifferenzierte Forderung nach einer der Bundesbank entsprechenden Rechtsstellung der Europäischen Zentralbank wegen der unterschiedlichen Organisationsstruktur der Mitgliedstaaten auf der einen Seite und der Europäischen Gemeinschaft auf der Ygl. auch die Definition von Schmidt, in: IlhStR 111, S. 1133. So auch Stern, Staatsrecht I, S. 4711'.; ScllI11idt. in: Der Stuat, (Beiheft 5) 1981. S. 65. 145 Bauer, in: v.Münch, Art. 88, Rn. 19. 146 A.A. ist diesbezüglich wohl Sicbelt, Yerhaltenssriclraum, S. 157, der in der Organisationsform noch keine Stütze der Bundesbankautonomie sieht. 143
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anderen Seite, die schließlich weiterhin den Charakter einer supranationalen Organisation hat l47 und gerade auch im Hinblick auf die Organisationsstruktur ihrer Institutionen vom Status der Eigenstaatlichkeit weit entfernt erscheint. Da das Gemeinschaftsrecht weitgehend von den Mitgliedstaaten vollzogen wird und die Gemeinschaftsorgane überwiegend auf eine norm setzende Funktion beschränkt sind, existieren auf europäischer Ebene keine Strukturen, die ohne weiteres der deutschen unmittelbaren bzw. mittelbaren Staatsverwaltung vergleichbar wären. 148 Dennoch können sich auch hinsichtlich der Einfllgung einer Institution in das Organisationsgefuge der Gemeinschaft Unterschiede im Hinblick auf den Grad ihrer Eigenständigkeit ergeben. 149 Art. 88 S. 2 GG enthält demnach den Verfassungsauftrag an den deutschen Integrationsgesetzgeber, eine Übertragung der Aufgaben und Befugnisse der Bundesbank auf eine Europäische Zentral bank nur dann zuzulassen, wenn deren Autonomie in institutioneller Hinsicht jedenfalls auf einem Niveau abgesichert erscheint, daß nicht von vornherein eine unabhängige Aufgabenwahrnehmung verhindert. Hinsichtlich der konkreten Art und Weise der Einfllgung der EZB in das Organisationsgefllge der Gemeinschaft enthält Art. 88 S. 2 GG jedoch keine Vorgaben. Dieses widerspräche dem weiterhin geltenden Grundsatz der Integrationsfreundlichkeit des Grundgesetzes, da eine detaillierte Vorgabe der gemeinschaftsrechtlichen Strukturen einer EZB sowohl die Gemeinschaftsorgane wie auch den deutschen Integrationsgesetzgeber zu weit einschränkte. ISO Geprüft werden soll nunmehr also, ob die Europäische Zentralbank in der Gestalt, die sie durch das Vertragswerk von Maastricht erhält, über ein Ausmaß an institutioneller Autonomie verfllgt, welches den gerade dargestellten, am Muster der Bundesbank orientierten Anforderungen des Art. 88 S. 2 GG entspricht. Nach der Struktur, die der EGV in der Fassung des Vertrages über die Europäische Union vom 7.2.1992 vorsieht, wird die Europäische Zentralbank gemeinsam mit den weiterbestehenden nationalen Zentral banken das Europäische System der Zentral banken bilden, das als Träger der gemeinschaftlichen Geldund Währungspolitik fungiert. ISI Dabei werden die nationalen Zentral banken aus den staatsorganisatorischen Zusammenhängen der Mitgliedstaaten herausgelöst l52 , um zusammen mit der Europäischen Zentral bank eine HandlungseinVgl. Abschnitt B. 11. 3. Schwarze, Europ. Verwaltungsrecht I, S. 31. 149 Vgl. Hilf, Organisationsstruktur, S. 30 f 150 Hier stellt sich eine ähnliche Problematik wie bei der (allgemeineren) Struktursicherungsklausel des Art. 23 GG; vgl. dazu Oppermann I Classen, NJW 1993, S. 5 (12). 151 Art. 4 a und Art. 106 EGV. 152 Seidel, in: FS Bllmer, S. 417 (425); auch Hahn. Vertrag von Maastricht, S. 73. 147
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
heit zu bilden. ISJ Die Binnenstruktur des ESZB zeichnet sich dadurch aus, daß die nationalen Zentralbanken mit Beginn der dritten Stufe als integraler Bestandteil des ESZB der EZB gegenüber weisungsgebunden sind. ls4 Das ESZB stellt sich also als doppelspurige Einrichtung des Gemeinschaftsrechts in der Weise dar, daß sich die Europäische Zentralbank als übergeordnete Instanz der nationalen Zentralbanken als "dezentrale AusfUhrungsorgane" bedient. ISS (I) Die Rechtspersönlichkeit der EZB
Aufschluß über das Verhältnis der EZB zur Europäischen Gemeinschaft bzw. ihren Organen könnte insbesondere Art. 106 EGV geben. In dessen Absatz 2 wird der Europäischen Zentralbank, nicht aber dem Europäischen System der Zentralbanken als solchem Rechtspersönlichkeit verliehen. Hinsichtlich des ESZB wird so vermieden, daß im Bereich der Geld- und Währungspolitik neben EZB und nationalen Zentralbanken ein zusätzlicher Handlungsfaktor mit eigener Rechts- und Geschäftsfähigkeit Unklarheiten hinsichtlich der Kompetenzverteilung verursacht. ls6 Die Rolle des ESZB beschränkt sich demnach darauf, terminologisch die Verklammerung von EZB und nationalen Zentralbanken zu einer gemeinsamen Handlungseinheit auszudrücken. Die durch Art. 106 Abs. 2 EGV verliehene Rechtspersönlichkeit der EZB präzisiert Art. 9.1 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken folgendermaßen: Die EZB "besitzt in jedem Mitgliedstaat die weitestgehende Rechts- und Geschäftsfähigkeit, die juristischen Personen nach dessen Rechtsvorschriften zuerkannt ist; sie kann insbesondere bewegliches und unbewegliches Vermögen erwerben und veräußern, sowie vor Gericht stehen." Die rechtliche Stellung, die der EZB hiermit durch EGV und ESZB-Satzung eingeräumt wird, entspricht derjenigen der Gemeinschaft selbst. Dieser wird in Art. 210 EGV wortgleich zu Art. 106 Abs. 2 EGV eigene Rechtspersönlichkeit verliehen. Der Vergleich der Vorschriften könnte die Vermutung nahelegen, Gemeinschaft und EZB stünden sich als gleichgeordnete Rechtspersönlichkeiten auf gleicher Ebene gegenüber. Andererseits wird dem ESZB als solchem aber in der Rechtsliteratur eine organschaftliche Stellung in der Organisationsstruktur der Gemeinschaft zugewiesen. 1S7 Im folgenden soU eine Einordnung der EZB in die VerfassungsstrukKoenig, EuZW 1993, S. 661 (662). Vgl. Art. 14.3 ESZB-Satzung. ISS SO Seidel, in: FS Börner, S. 417 (425); näheres zur internen Struktur des ESZB unten Abschnitt G. IS6 Hahn, Vertrag von Maastricht, S. 69. IS7 SO Seidel, in: FS Börner, S. 417 (427). ISJ
IS4
III. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentral bank
101
tur der Gemeinschaft erfolgen, welche die Stellung der EZB zwischen diesen gegensätzlichen Polen kennzeichnen soll. Dieser Versuch einer Einordnung wird an einem Vergleich mit einer anderen Institution des Gemeinschafsrechts orientiert, die insoweit strukturelle Parallelen aufweist, nämlich der Europäischen Investitonsbank (EIB). Im Hinblick auf die Zuerkennung eigener Rechtspesönlichkeit stellt Art. 198 d EG V entsprechend zu Art. 106 Abs. 2 EGV fest, daß die EIB Rechtspersönlichkeit besitzt. Sie ist damit neben der EZB die einzige Institution, der diese Eigenschaft außer der Gemeinschaft selbst durch den EGV verliehen wird. (a) Bedeutung erlangt die Verleihung der Rechtsfiihigkeit zunächst In den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten. Hier verleihen Art. 9.1 ESZBSatzung der EZB und Art. 28 der EIB-Satzung der EIB Rechts- und Geschäftsfiihigkeit, so daß diese Institutionen Vermögen erwerben und veräußern sowie vor Gericht auftreten können. Auf der Ebene der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen stehen EZB und EIB damit gleich geordnet der Gemeinschaft als solcher gegenüber, deren Status sich aus dem insoweit gleichlautenden Art. 211 EGV ergibt. I S8 (b) Die Verleihung der Rechtspersönlichkeit an die EZB durch Art. 106 Abs. 2 EGV hat überdies Auswirkungen auf die völkerrechtliche Rechtsfiihigkeit der EZB. Dieses ergibt sich wiederum aus einem Vergleich mit den entsprechenden Vorschriften bezüglich der EIB und der Gemeinschaft selbst. So ist im Hinblick auf die Gemeinschaft als solche praktisch unbestritten, daß der Art. 106 Abs. 2 EGV entsprechende Art. 210 EGV sich im Gegensatz zu Art. 211 EGV auf die völkerrechtliche Rechtsfiihigkeit bezieht. 159 Auch im Hinblick auJ die EIB wird heute überwiegend angenommen, daß ihr durch Art. 198 d EGV die Möglichkeit zum Erwerb der Völkerrechtspersönlichkeit eingeräumt wird. 160 Zu ihrer tatsächlichen Erlangung bedarf es jedoch bei einer "funktionell begrenzten Handlungseinheit" 161 , wie der EIB, in der Praxis der Anerkennung dieses Rechtsstatus durch vertragliche oder sonstige Rechtsbeziehungen mit Drittstaaten, die ausdrücklich oder konkludent dem Völkerrecht unterworfen werden. 162 Diese Anforderung erflillt die EIB seit dem Abschluß der Vereinbarung über den Rechtsstatus Vgl. insoweit zur EIß: Hilf, Organisationsstruktur, S. 42. Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rn. 813. 160 Krämer, in: Grabitz I Hilf, EGV, Art. 129, Rn. 3; MUller-ßorle, in: v.d.Groeben I Thiesing I Ehlermann, EWGV, Art. 4 Rn. 4; Oppermann, EuR, Rn. 363. 161 ßegrifTbei Hahn, Vertrag von Maastricht, S. 66. 162 Vgl. Seidl-Hohenveldem I Loibl, Internationale Organisationen, Rn. 0700 tl'. 158
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
der EIB in der Schweiz vom 24.3.1972 163 , in welcher die Schweiz die internationale Rechtspersönlichkeit und die Handlungsfllhigkeit der EIB anerkennt. Parallel dazu ergibt sich fUr die EZB die vertragliche Voraussetzung zum Erhalt eigener völkerrechtlicher Rechts- und Handlungsfilhigkeit aus Art. 106 Abs. 2 EGV. Da auch sie eine funktionell begrenzte Handlungseinheit im oben genannten Sinne darstellt, bedarf es jedoch zu ihrer tatsächlichen Erlangung eines praktischen Rechtsakts, der der Schweizer Vereinbarung bezüglich der EIB inhaltlich entsprechen würde. Jedenfalls sind die rechtlichen Voraussetzungen dafUr gegeben, daß die EZB künftig im völkerrechtlichen Rechtsverkehr mit Drittstaaten als selbständiges Völkerrechtssubjekt gleichrangig mit der Gemeinschaft zu handeln vermag. Damit erweist sich, daß die Ausstattung der EZB mit Rechtspersönlichkeit diese, parallel zur EIB, aber in deutlicher Unterscheidung von den in Art. 4 EGV genannten Organen der Gemeinschaft, denen keine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt, in ein Verhältnis der gleichgeordneten Koordination zur Gemeinschaft selbst versetzt. (2) Ausgliederung aus der Organstruktur
Dieser Befund eines durch Koordination geprägten Verhältnisses von EZB und Gemeinschaft wird durch die formale Herauslösung der EZB aus der Organstruktur der Gemeinschaft bestätigt. Art. 4 EGV zählt mit dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission, dem Gerichtshof und dem Rechnungshof die Organe der Gemeinschaft auf. Die Aufzählung soll insoweit abschließend sein l64 , so daß der Begriff des "Organs" auf die genannten Institutionen beschränkt bleiben muß. Dieses wird vertragstechnisch dadurch bestätigt, daß die EZB durch den separaten Art. 4 a EGV konstituiert wird, also ausdrücklich getrennt von den eigentlichen Organen der Gemeinschaft, sowie durch Art. 177 EGV, wonach der Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung "über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft undl 6S der EZB" entscheidet. 166
Abgdr. im Bundesblatt d. Schweizer Eidgenossenschaft 1972, Bd. 11, S. 224. Bieber, in: v.d.Groeben I Thiesing I Ehlermann, EWGV, Art. 4, Rn. 31; Weis, EuR 1980, S. 73 (280). 165 Hervorhebung v. Verf. 166 Zur lustizunterworfenheit der EZB, vgl. Abschnitt 0.111.4. d). 163
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III. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentral bank
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(3) Aspekte der Eingebundenheit der EZB in die Gemeinschaft
Legen die bisherigen Überlegungen eine weitgehende Verselbständigung der EZB gegenüber der Gemeinschaft nahe, so existieren andererseits auch Argumente, die rur eine deutliche Eingebundenheit in die Organisationsstruktur der Gemeinschaft sprechen. Insbesondere errullt das ESZB mit der Ausfllhrung der Geld- bzw. Währungspolitik eine Aufgabe, die nach Art. 2 EGV i.V.m. Art. 3 a EGV der Gemeinschaft obliegt. Das ESZB nimmt daher eine Aufgabe der Gemeinschaft eigenverantwortlich und auf der Grundlage eines besonderen organisatorischen Status wahr. Da dieses als Charakteristikum eines Gemeinschaftsorgans gilt, haben das Europäische System der Zentralbanken und die EZB auch wesentliche Züge einer organschaftlichen Stellung inne. 167 Ebenso erfllllt sie hierdurch ein in der Rechtsliteratur entwickeltes materielles Kriterium rur das Vorliegen der Organeigenschaft einer Institution der Gemeinschaft, nämlich das Innehaben von Lenkungs- und Entscheidungsbefugnissen gegenüber Dritten und den Mitgliedstaaten. 168 (4) Einordnung der EZB in die gemeinschaftliche Organisationsstruktur
Trotzdem vermag die Einordnung der EZB, oder auch des ESZB als solchem, in die Reihe der Organe der Gemeinschaft nicht zu überzeugen. Zunächst kommt an dieser Stelle dem formalen Argument, daß die Errichtung des ESZB eigens in einem neu geschaffenen Art. 4 a EGV geregelt wurde und das ESZB gerade nicht in die Aufzählung der Gemeinschaftsorgane des Art. 4 EGV aufgenommen wurde, besondere Bedeutung zu. Da das Maastrichter Vertragswerk eine umfassende Revision der bisherigen primärrechtlichen Grundlagen der europäischen Integration darstellt, wäre es ein leichtes gewesen, das ESZB bei dieser Gelegenheit in den Art. 4 EGV einzurugen. Daß dieses nicht geschah, spricht rur den eindeutigen Willen der Mitgliedstaaten als Herren der Verträge, das ESZB gerade nicht in die Organstruktur der Gemeinschaft aufzunehmen. Überdies erhält die EZB durch die Verleihung der Rechtspersönlichkeit einen Status, der sie deutlich von den übrigen Organen der Gemeinschaft abhebt: Wie oben festgestellt, handelt die EZB zumindest in den nationalen Rechtsordnungen und bei völkerrechtlicher Regelung unterworfenem Handeln Seite an Seite mit der Gemeinschaft als solcher. Zwar soll die Analyse des Verhältnisses der EZB zu den übrigen Gemeinschaftseinrichtun167 So Seidel, in: FS Börner, S. 417 (427), der genau daraus den Organ-Status des ESZB schließt. 168 So Weis, EuR 1980, S. 273 (282).
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
gen der Prüfung der materiellen Unabhängigkeit vorbehalten werden l69 , bereits hier kann jedoch festgestellt werden, daß diese Relationen durch Art. 107 EGV geprägt werden. Danach sind Weisungen oder sonstige Beeinflussungen der EZB durch andere Organe oder Einrichtungen der Gemeinschaft nicht vorgesehen, so daß auch innergemeinschaftlich jedenfalls kein Verhältnis der Subordination der EZB entsteht. Demnach kann hier festgestellt werden, daß die EZB in allen Rechtskreisen, auf die sich ihr Handeln erstrecken kann, eine gegenüber den traditionellen Organen der Gemeinschaft deutlich herausgehobene Position innehat. Andererseits steht die EZB auch nicht unverbunden, einem Dritten gleich, neben der Gemeinschaft, sondern der ihr übertragene Aufgabenkreis weist ihr einen Platz im Rahmen der Organisationsstruktur der Gemeinschaft zu. Taugt aber weder die Bezeichnung der EZB als einer der Gemeinschaft unverbunden gegenüberstehenden Institution noch ihre Einordnung in das Organgefuge, um ihren Status kenntlich zu machen, so fragt sich, wie eine zutreffende Charakterisierung erreicht werden kann. Der Versuch einer Qualifikation der Europäischen Zentral bank stößt zunächst auf die bereits angedeutete Schwierigkeit der begrifflichen Armut hinsichtlich der zur VerfUgung stehenden Kennzeichnungen europäischer Exekutivorganisationen, die durch den überwiegenden Vollzug supranationalen Rechts durch nationale Institutionen bedingt ist. Zur Kenntlichmachung der institutionellen Stellung der EZB soll daher auch an dieser Stelle die Europäische Investitionsbank zum Vergleich herangezogen werden. Auch deren institutionelle Qualifikation bereitet Schwierigkeiten. 17o Nachdem der EuGH schon in einer früheren Entscheidung l7l festgestellt hatte, daß die EIB nicht etwa unverbunden neben der Gemeinschaft stehe, sondern eine "Gemeinschaftseinrichtung" darstelle, äußerte er sich in einem aktuelleren Urteil l72 eingehender zum Status der EIß. Danach sei die institutionelle Position der EIB durch eine "Doppelnatur" gekennzeichnet: Einerseits sei sie durch die Verleihung eigener Rechtspersönlichke.it und durch eine eigene organschaftliche Verwaltung unabhängig von der Gemeinschaft; andererseits bestehe durch Art. 130 EWGV a.F.173 und der darin vorgesehenen Anbindung an die Ziele der Gemeinschaft eine enge Verbundenheit zur Gemeinschaft. 174 Im 169
Vgl. Abschnitt D. 111.4. b) - d).
170 Siebelt, DÖV 1990, S. 362 (367); einen Überblick über die diversen Versuche, die EIß in
das Organisationsgefllge der Gemeinschaft einzuordnen, gibt Hilf, Organisationsstruktur, S. 31 171 EuGH, Rs. 110/75, Mills / EIß, Sig. 1976, S. 955 (968). 172 EuGH, Rs. 85/86, Kommission / Rat der Gouverveure der EIß, Slg. 1988, S. 1281. 173 Art. 198 e EGV n.F. 174 EuGH (Fn. 172), S. 1320.
Ir
III. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentral bank
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Rahmen der Gemeinschaft komme der EIB eine funktionelle und institutionelle Autonomie zu. 175 Dieser Qualifizierung der EIB schließt sich die Rechtsliteratur weitgehend an. 176 Schwarze 177 bezeichnet die EIB als Sondereinrichtung mit weitgehender institutioneller Autonomie. Hilf1 78 rekurriert auf einen von WolffBachof1 79 im deutschen Verwaltungsrecht geprägten Begriff und sieht in der EIB ein "weitgehend unabhängiges Glied der Gemeinschaft", das sich wegen seiner Rechtspersönlichkeit von den Organen des Art. 4 EGV unterscheidet. Damit wird die Organqualität der EIB einhellig abgelehnt, ihr gleichzeitig aber ein Standort im Rahmen der Gemeinschaft zugeordnet. Diese institutionelle Qualifikation der EIB erlaubt hinsichtlich der Stellung der EZB im Organisationsgefiige der Gemeinschaft folgende Schlüsse: Will man, wie offenbar der EuGH in Bezug auf die EIB, die institutionelle Autonomie allein aus der Ausstattung mit eigener Rechtspersönlichkeit schließen, so hat die mit Rechtspersönlichkeit ausgestattete EZB ohne Zweifel einen solchen Status inne. Andererseits ist aber zu beachten, daß die EZB in den Rahmen des Gemeinschaftsrechts eingegliedert ist. Der Grad dieser Eingliederung ist sogar vergleichsweise höher als derjenige der EIB, weil die EZB mit der Geld- und Währungspolitik eine der Kernaufgaben l80 der Gemeinschaft eigenverantwortlich wahrnimmt. Demnach trifft das Wort des EuGH von der "Doppelnatur" der institutionellen Stellung auch und gerade auf die EZB zu. Nicht zutreffend ist insofern eine Charakterisierung Seidels l81 , nach der das ESZB nach dem Vertrag von Maastricht "eine zwar der Gemeinschaft zugeordnete, aber neben dieser stehende Organisation" ist. Wenn damit angedeutet werden soll, das ESZB stehe der Gemeinschaft als gleichgeordneter Dritter gegenüber, ist die Kennzeichnung wegen des oben beschriebenen funktionalen Zusammenhangs, der aufgrund der Aufgabenerfiillung für die Gemeinschaft besteht, abzulehnen. Ebenso geht die Ansicht Hahns l82 zu weit, der die EZB aus der Ämterverfassung der Gemeinschaft herausgelöst sieht. Die EZB ist zwar aus der Organstruktur des Art. 4 EGV herausgelöst; als Institution der Gemeinschaft, die der Ebenda. Vgl. MUller-Borle, in: v.d.Groeben / Thiesing / Ehlermann, EWGV, Art. 129, Rn. 3; Krämer, in: Grabitz / Hilf, EGV, Art. 129, Rn. 4; s. auch Schmidt, Die Bank 1981, S. 330 (335). 177 Schwarze, Europ. Verwaltungsrecht I, S. 31 [ 178 Hilf, Organisationsstruktur, S. 46. 179 Vgl. Wolfl~Bachot: Verwaltungsrecht 11, § 74 11. 180 Vgl. die Priorität, welche der Währungsunion durch ihre herausragende Stellung in Art. 2 EGV eingeräumt wird. 181 Seidel, EuR 1992, S. 125 (\38); damit scheint Seidel gleichzeitig seine Einstufung der EZB als Organ in: FS Bömer, S. 417 (427) zu korrigieren. 182 Hahn, Vertrag von Maastricht, S. 73. 175
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
Zielverwirklichung der vertraglich definierten Gemeinschaftsaufgaben dienen soll, ist sie aber weiterhin Teil der "Ämterverfassung", um den Begriff von Hahn zu verwenden, wenn man diesen nicht auf die eigentlichen Organe der Gemeinschaft einschränken will. Hier soll letztlich folgende Qualifizierung der institutionellen Stellung der EZB vorgeschlagen werden, in welcher auch die beschriebene Ambivalenz ihrer Stellung in der Gemeinschaft zum Ausdruck kommt: Danach ist die EZB eine durch Verleihung eigener Rechtspersönlichkeit aus der Organstruktur herausgelöste, weisungsunabhängige Institution des primären Gemeinschaftsrechts, die funktionell durch die Wahrnehmung einer Kemaufgabe der Gemeinschaft in den Rahmen des Gemeinschaftsrechts eingegliedert ist. Damit weist die Einordnung der EZB in das OrganisationsgefUge der Europäischen Gemeinschaft deutliche Parallelen zur Stellung der Bundesbank im VerfassungsgefUge des Grundgesetzes auf: Sowohl im Fall der Bundesbank wie im Fall der Europäischen Zentralbank soll die rechtliche Verselbständigung des jeweiligen Instituts durch die Verleihung eigener Rechtspersönlichkeit die Gewähr fUr die Absicherung der institutionellen Unabhängigkeit im hier gemeinten Sinne liefern. Die Verleihung eigener Rechtspersönlichkeit stellt dabei hinsichtlich der Einordnung in das OrganisationsgefUge des jeweiligen Gemeinwesens ein probates Mittel dar, um die ErfUllung der übertragenen Aufgabe in Eigenverantwortlichkeit zu ermöglichen. 183 Insbesondere die Stellung der EZB vermeidet durch ihre institutionelle Ausgestaltung jede, im Sinne einer Autonomie, negative Vorentscheidung hinsichtlich etwaiger Weisungsmöglichkeiten anderer Gemeinschaftsinstitutionen. Die Herleitung von Aufsichtsbefugnissen aus der gewählten Rechtsform, wie dieses im Hinblick auf den Anstaltscharakter der Bundesbank teilweise versucht wurde, erscheint im Fall der EZB unmöglich. Beachtenswert ist überdies, daß der Charakter der EZB als juristische Person durch Art. 106 Abs. 2 EGV sogar primärrechtlich festgelegt ist und damit nur durch eine Vertragsänderung beseitigt werden kann. Damit erweist sich, daß die durch den EGV festgelegte Rechtsform der EZB in noch höherem Maße Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit, die sich aus der bloßen Wahl der Rechtsform der Zentralbank ergeben könnten, ausschließt. Insoweit werden die Regelungen, die der EGV hinsichtlich der institutionellen Unabhängigkeit der EZB trifft, den Anforderungen des Art. 88 S. 2 GG gerecht. 183 Vgl. auch Maurer, § 23 Rn. 50 allgemein zur eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung durch rechtsflthige Anstalten des dt. Verwaltungsrechts.
III. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentral bank
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3. Die personelle Unabhängigkeit
a) Begriff der personellen Unabhängigkeit Der Verfassungsauftrag des Art. 88 S. 2 GG hinsichtlich einer durch ihre Unabhängigkeit geprägten Ausgestaltung der Europäischen Zentral bank erschöpft sich nicht in der Forderung nach institutioneller Autonomie. Eine wesentliche Möglichkeit zur Beeinflussung des Zentralbankhandelns im Sinne politisch opportuner Tätigkeit besteht in der Ernennung von Persönlichkeiten, welche die Gewähr für solches Handeln zu bieten scheinen. Deshalb ist dem Begriff der Autonomie einer Zentralbank immer auch eine personelle Komponente immanent, welche das Abhängigkeitsverhältnis der Angehörigen der Bank zu den politischen Leitungsorganen desjenigen Gemeinwesens, in welches sie eingebunden sind, erfaßt. 184 Inhaltlich erfordert der Begriff der personellen Unabhängigkeit einer Notenbank, "daß deren Willensbildungsorgane nicht schon durch die Auswahl der den Willen bildenden Mitglieder auf eine bestimmte Bankpolitik festgelegt sind."185 Daß die personelle Autonomie unabdingbarer Bestandteil des Begriffs der "Unabhängigkeit" ist, erscheint weithin unbestritten. Aus juristischer Sicht ist diesbezüglich aufschlußreich, daß die Notwendigkeit der Schaffung von Vorkehrungen zur Absicherung der persönlichen Unabhängigkeit der Zentralbankratsmitglieder der Deutschen Bundesbank bei der Gestaltung des Bundesbankgesetzes in den Jahren 1956/57 ein wesentlicher Gegenstand der vorbereitenden Diskussionen war. 186 Auch aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht beinhaltet der Begriff der Unabhängigkeit immer einen personellen Aspekt l87, da man sich auch dort der Gefahr der Aushöhlung aller anderen Aspekte der Autonomiegewährleistung bei Fehlen derartiger Absicherungen bewußt ist. Ob die Regelungen des EGV den Anforderungen an eine personelle Autonomie der EZB genügen, wird nunmehr auch anhand einer Gegenüberstellung mit den Gewährleistungen des BBankG untersucht.
184 Vgl. auch Siebelt, Verhaltensspielraum, S. 163; Uhlenbruck, S. 42; v.Spindler / Becker / Starke, BBankG, § 12 Anm. 3 III 1 (S. 265). 185 Lampe, S. 18. 186 Vgl. dazu die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Dr. 2/2781, S. 25 f.; auch die Rede des BMWi Erhard, abgedr. ebenda, S. 74 (75); sowie aus der Lit. Henckel, WM 1957, Sonderbeilage 7, S. (10 f.). 187 Issing, Unabhängigkeit, S. 16; Hasse, Zentral bank, S. 115; Caesar, S. 60.
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
b) Die Ausgestaltung der personellen Unabhängigkeit im BBankG Eine Überprüfung der Frage, wie es um die personelle Unabhängigkeit der Mitglieder der Leitungsorgane der Deutschen Bundesbank bestellt ist, soll hier anhand einer Darstellung der einschlägigen Regelungen bezüglich der Ernennung, der Amtsdauer, der Dotierung der Anstellungsverträge sowie der Abberufung der Organmitglieder erfolgen. (J) Ernennung
An der Struktur der Leitungsorgane zeigt sich, daß der im Grunde einstufige l88 Organisationsaufbau der Deutschen Bundesbank insofern lliderale Züge aufweist, als sich die Funktionen der Bundesbank auf zwei zentrale Organe (Zentralbankrat und Direktorium) und die Vorstände der Landeszentralbanken als regionale Organe verteilen. Der Zentralbankrat als oberstes, für Grundsatzund Leitentscheidungen zuständiges Organ l89, besteht aus den Mitgliedern des Direktoriums, dem zentralen Exekutivorgan der Bank und den Präsidenten der Landeszentralbanken. 19O Das Ernennungsverfahren gestaltet sich rur die Mitglieder des Direktoriums und die Präsidenten der Landeszentralbanken unterschiedlich. Kennzeichnend ist jedoch, daß jeweils mehrere politische Instanzen am Entscheidungsprozeß beteiligt sind. So werden der Präsident, der Vizepräsident und die weiteren Mitglieder des Direktoriums gemäß § 7 Abs. 3 BBankG auf Vorschlag der Bundesregierung, auf die eine Anhörung des Zentralbankrats folgt, vom Bundespräsidenten bestellt. Demgegenüber bestimmt § 8 Abs. 4 S. 1 und 2 BBankG, daß die Präsidenten der Landeszentralbank vom Bundesrat vorgeschlagen werden. Dieser wiederum hat seinen Vorschlag aufgrund eines Vorschlags der nach Landesrecht zuständigen Stelle und nach Anhörung des Zentralbankrats zu machen. Die eigentliche Bestellung wird vom Bundespräsidenten vorgenommen. Bei der Bestellung der Zentralbankratsmitglieder steht dem Bundespräsidenten, wie bei Ernennungen nach Art. 60 GG, ein formelles und materielles PrUfungsrecht zu. Er besitzt also eine "rechtswahrende Kontrollfunktion"191. Die Darstellung zeigt, daß der Ernennungsvorgang der Zentralbankratsmitglieder der Bundesbank von politischen Instanzen dominiert wird. 192 Um den188 189 190
191 192
Schmidt, Wirtschaftrecht, S. 365. Stern, Staatsrecht 11, S. 488. § 6 Abs. 2 BBankG. Stern, Staatsrecht 11, S. 248. Caesar / Hansmeyer, Dt. Verwaltungsgeschichte V, S. 960.
III. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank
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noch eine personelle Autonomie gewährleisten zu können, enthält der Ernennungsmechanismus des BBankG folgende Sicherungen: Die Beteiligung jeweils mehrerer politischer Gremien an der Ernennung soll zu einem "Pluralismus der Ernennungsinstanzen" 193 fuhren, der nach der Ansicht Sterns l94 zur Teilhabe parlamentarischer und exekutiver, unitarischer und föderativer Kräfte an der personellen Besetzung der Leitungsorgane mit dem Ergebnis fuhrt, daß sich deren Einfluß möglicherweise gegenseitig autbebt. Fest steht aber wohl, daß hierdurch und durch das die Entscheidungsfindung sowohl im Zentralbankrat wie im Direktorium bestimmende Kollegialprinzipl95, eine Gefllgigmachung der Bundesbank durch die Ernennung politisch willfähriger Personen zumindest wesentlich erschwert wird. l96 Eine zusätzliche Sicherung vor einer Politisierung des Ernennungsverfahrens bietet das Erfordernis einer "besonderen fachlichen Eignung" der Mitglieder des Direktoriums und der Vorstände der Landeszentralbanken.'97 Allerdings wird hier allgemein die Problematik gesehen, daß der Gebrauch unbestimmter Rechtsbegriffe einen weiten Beurteilungsspielraum für die vorschlagende politische Instanz eröffnet, der nur bei evidentem Mißbrauch zur Ablehnung des Kandidaten fuhren wird. 198 Auffällig ist im übrigen die untergeordnete Rolle, die der auf ein Anhörungsrecht beschränkte Zentralbankrat l99 bei der Ernennung neuer Mitglieder spielt. Dieser Aspekt des Verfahrens trägt nicht zur Stärkung der personellen Autonomie der Bank bei. In der Rechtsliteratur wird demgemäß die Forderung nach großzügigen Kooptationsmöglichkeiten gestellt. 2°O
(2) Amtszeit und Besoldung Eine Stützung erfährt die personelle Unabhängigkeit der Zentralbankratsmitglieder durch die Dauer der Amtszeit, die gemäß § 7 Abs. 3 und § 8 Abs. 4 BBankG regelmäßig acht Jahre beträgt. Aus wichtigem sachlichen Grund kann die Amtszeit auch verkürzt werden; praktisch geschieht dieses aber nahezu
193 Der Begriff taucht bereits bei Samm, S. 51 m. w. Nachw. auf; vgl. auch Uhlenbruck, S. 48; Siebelt, Verhaltensspielraum, S. 166; zweifelnd hinsichtlich seiner Tauglichkeit Lampe, S. 31; Schmidt, Der Staat (Beiheft 5),1981, S. 61 (69); Gramlich, BBankG § 7 Rn. 18. 194 Stern, Staatsrecht 11, S. 490. 195 § 6 Abs. 3 und § 7 Abs. 5 BBankG. 196 Ähnlich Uhlenbruck, S. 48. 197 § 7 Abs. 2 S. 2 und § 8 Abs. 3 S. 3 BBankG. 198 Siebelt, Verhaltensspielraum S. 169 f.; Uhlenbruck, S. 47. 199 § 7 Abs. 3 S. 2 bzw. § 8 Abs. 4 S. 2 BBankG. 200 Schmidt, Der Staat (Beiheft 5), 1981, S. 61 (69).
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
ausschließlich im Hinblick auf die Altersgrenze von 65 Jahren. 201 Die Spanne von acht Jahren umfaßt in der Regel zwei bis drei Legislaturperioden und bewirkt dadurch, daß nicht jede Regierung kurzfristig ihr opportun erscheinende Persönlichkeiten in den Zentralbankrat entsenden kann. 202 Ob die Möglichkeit einer Verlängerung der Amtszeit durch Wiederwahl, der das BBankG nicht entgegensteht203 , die personelle Autonomie befördert, oder gegenteiligerweise dazu fUhrt, daß sich die Zentralbankratsmitglieder dem politischen Erwartungsdruck beugen, ist umstritten. 204 Jedenfalls erschiene eine weitere Verlängerung der ersten Amtsperiode ohne Möglichkeit der Wiederwahl als die bessere Alternative. Einfluß auf den Status persönlicher Unabhängigkeit kann schließlich auch die Höhe der Gehälter der Organmitglieder haben. Insoweit läßt das BBankG in den § 7 Abs. 4 S. 2 und § 8 Abs. 5 S. 2 der Ausgestaltung weiten Spielraum. 2os Insbesondere existieren keine Bindungen an die engen beamtenrechtlichen Besoldungsordnungen. 206 Die Bemessung der Gehälter hat grundsätzlich so zu erfolgen, daß keine wirtschaftliche Abhängigkeit der Mitglieder der Lenkungsorgane entstehen kann. 207 Zudem soll die, beamtenrechtliche Grenzen übersteigende, Höhe der Gehälter ermöglichen, daß besonders qualifizierte Persönlichkeiten gewonnen werden können und diese nicht aufgrund finanzieller Anreize eine Tätigkeit bei Geschäftsbanken vorziehen. 208 (3) Abberufung
Eine letzte, die persönliche Unabhängigkeit der Zentralbankratsmitglieder stärkende Sicherung enthalten die Modalitäten einer vorzeitigen Abberufung aus dem Zentralbankrat, die auf wenige Tatbestände beschränkt sind. Zwar ist die Frage gesetzlich nicht geregelt209 , dennoch besteht grundsätzlich Einigkeit darüber, daß eine Abberufung gegen den Willen des Zentralbankratsmitglieds möglich ist. 2lO Formell soll die Abberufung als actus contrarius der Bestellung GramIich, BBankG, § 7 Rn. 20. Vgl. Lampe, S. 31; v.Spindler / Becker / Starke § 7 Anm. 4 Nr.2 a.E. (S. 230). 203 GramIich, BBankG, § 7 Rn. 25; v.Spindler / Becker / Starke, § 7 Anm. 5 (S. 232). 204 Vgl. dazu Kaiser, ZGesKrW 1980, S. 330 f.; vgl. auch Fn. 239. 20S Hahn, Wlihrungsrecht, § 17 Rn. 11. 206 GramIich, BBankG, § 7 Rn. 25. 207 Hahn, Wlihrungsrecht, § 17 Rn. 11. 208 So Uhlenbruck S. 49; Lampe, S. 32 f. gibt zu bedenken, daß die Höhe der Gehälter andererseits verstärkten Anlaß zur Ämterpatronage geben könnte. 209 Laut GesetzesbegrUndung (BT-Dr. 2/2781, S. 26) sollte allerdings die Nichtregelung wohl eher die Unabrufbarkeit der Organmitglieder bewirken. 210 GramIich, BBankG, § 7 Rn. 21; v.Spindler / Becker / Starke, § 7 Anm. 4 Nr. 3 (S. 230 f.); Uhlenbruck, S. 49 m. w. Nachw. 201
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erfolgen, also auf Vorschlag der Bundesregierung, nach Anhörung des Zentralbankrats und durch Ausfertigung des Bundespräsidenten. 211 Materielles Erfordernis ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes, welcher insbesondere in einer groben Pflichtverletzung oder Unflihigkeit zur ordnungsgemäßen GeschäftsfUhrung bestehen kann. 212 Eine rechts-konstruktive Stütze fur dieses Erfordernis wurde früher vor allem in einer Analogie zu § 84 Abs. 3 AktG gesehen 2l3 , heute werden hauptsächlich allgemeine arbeits- und dienstrechtliche Prinzipien bemüht21 4, oder man beruft sich aufrichterrechtliche Grundsätze wie sie in § 105 BVerfGG normiert sind. 215 c) Die Ausgestaltung der personellen Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank im EGV Anhand dieser Vergleichsdaten zur Ausgestaltung der personellen Autonomie nach dem BBankG soll nun die persönliche Unabhängigkeit der Mitglieder der Lenkungsorgane der Europäischen Zentralbank untersucht werden. Eine Orientierung hierüber erfolgt wiederum anhand der Gestaltung des Ernennungsverfahrens, der Amtsdauer, der Dotierung der Arbeitsverträge und den Möglichkeiten einer vorzeitigen Abberufung. (1) Das Ernennungsverfahren
Die Lenkungs- oder Beschlußorgane der Europäischen Zentral bank sind gemäß Art. 106 Abs. 3 EGV und Art. 9.3 ESZB-Satzung der Europäische Zentralbankrat und das Direktorium. Der Europäische Zentralbankrat besteht aus den Mitgliedern des Direktoriums der EZB und den Präsidenten der nationalen Zentralbanken. 216 Ebenso wie der Zentralbankrat der Bundesbank stellt er das leitende Organ des Instituts dar, das die Geldpolitik der Gemeinschaft festlegt und die hierzu notwendigen Leitlinien und Entscheidungen erläßt. 217 Parallel zum Direktorium der Deutschen Bundesbank erfUllt das EZB-Direktorium die Aufgaben eines zentralen Exekutivorgans, indem es die Geldpolitik gemäß den
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Hahn, Währungsrecht, § 17 Rn. 13; Gramlich, BBankG, § 7 Rn. 21. v.Spindler I Becker I Starke, § 7 Anm. 4 Nr. 3 (S. 230 f.). v .Spindler I Becker I Starke, a.a.O. GramIich, BBankG, § 7 Rn. 21 nimmt Bezug auf § 626 BGB. Sicbelt, Verhaltensspielraum, S. 177 f.; Hahn, Währungsrecht, § 17 Rn. 16. Art. 109 a EGV und Art.IO.1 ESZB-Satzung. Art. 12.1 Abs. I ESZB-Satzung.
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Richtlinien und Entscheidungen des EZB-Rates ausfUhrt. 218 Hinsichtlich der Ernennungsverfahren der Mitglieder der Beschlußorgane enthalten der EGV und die ESZB-Satzung eine eingehendere Regelung nur zur Bestellung der Mitglieder des EZB-Direktoriums. Die Ernennung der Präsidenten der nationalen Zentralbanken verbleibt weitgehend in der Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten. 219 Die ESZB-Satzung macht den nationalen Regelungen lediglich Vorgaben hinsichtlich der Amtszeit der Zentralbankpräsidenten und der Modalitäten ihrer Abberufung. Dem EZB-Direktorium gehören der Präsident, der Vize-Präsident und vier weitere Mitglieder an. 220 Deren Ernennung erfolgt nach Art. 109 a Abs. 2 lit. b EGV bzw. Art. 11.2 ESZB-Satzung anhand folgender Maßgaben: Nach einer Anhörung des Europäischen Parlaments und des Europäischen Zentralbankrats empfiehlt der Rat den Regierungen der Mitgliedstaaten in Betracht kommende Persönlichkeiten. Die eigentliche Ernennung erfolgt einvernehmlich durch den Rat inder Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs. Damit sind sowohl supranationale Institutionen wie auch die Mitgliedstaaten selbst, vertreten durch ihre Regierungen, am Ernennungsverfahren beteiligt. Insoweit läßt sich also der anhand des BBankG geprägte "Autonomieschutzmechanismus" eines Pluralismus der Ernennungsinstanzen auch im EGV auffinden. Ebenso wie das BBankG enthält der EGV mit dem Erfordernis einer besonderen Sachqualifikation des Bewerbers ein weiteres Auswahlkriterium, das Schutz vor einer überhandnehmenden Politisierung des Bestellungsvorgangs bieten soll. Er muß dem Kreis der in Währungs- und Bankfragen anerkannten und erfahrenen Persönlichkeiten entstammen. 221 Diesbezüglich sind aber die Bedenken, die zum Erfordernis der "besonderen fachlichen Eignung" der BundesbankOrganmitglieder bestehen, auf den EGV übertragbar. Denn auch hier eröffnet die Wahl unbestimmter Rechtsbegriffe einen nur schwer justiziablen Beurteilungsspielraum.
218 Art. 12.1 Abs. 2 ESZB-Satzung; als drittes Beschlußorgan des ESZB existiert daneben noch der sog. Erweiterte Rat nach Art. 45 ESZB-Satzung, der aber keine geldpolitischen Befugnisse im Rahmen der Währungsunion hat. 219 Gleske, in: FS Semler, S. 895 (899). 220 Art. 109 a Abs. 1 EGV sowie Art. 11.1 ESZB-Satzung. 221 Art. 109 a Abs. 2 Iit. b und Art. 11.2 ESZB-Satzung.
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(2) Amtszeit und Besoldung
Als weitere Kriterien filr die Beurteilung des Stellenwerts, welcher der persönlichen Unabhängigkeit der Zentralbankratsmitglieder zugemessen wird, haben sich bereits zum Recht der Bundesbank die Regelungen zur Dauer der Amtszeit und zur Besoldung herausgestellt. Wie schon bei der Darstellung des Ernennungsverfahrens angedeutet wurde, bleibt die nähere Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse der Präsidenten der nationalen Zentralbanken weitgehend den nationalen Rechtsordnungen überlassen. Daraus ergeben sich auch bezüglich der Amtszeiten Unterschiede zwischen Direktoriumsmitgliedern und sonstigen Zentralbankratsangehörigen. Hinsichtlich der Direktoriumsmitlieder sieht der Vertrag regelmäßig eine einheitliche Amtszeit von acht Jahren vor. 222 Art. 50 EGV enthält hierzu einige Sonderbestimmungen filr die erstmalige Ernennung der Direktoriumsmitglieder: Danach wird zunächst nur der Präsident des Direktoriums für acht Jahre ernannt, der Vizepräsident wird filr vier Jahre und die übrigen Mitglieder des Direktoriums werden filr eine Amtszeit zwischen filnfund acht Jahren ernannt. Sinn der Regelung ist es, zu vermeiden, daß die Mitglieder des Direktoriums jeweils blockweise ausscheiden und neu ernannt werden müssen. 223 Abgesehen von der Anlaufphase sieht der Vertrag keine Möglichkeiten vor, die Amtszeit ausnahmsweise zu verkürzen, wie dieses etwa in § 7 Abs. 3 S. 3 BBankG geschieht. Die Amtszeitregelungen hinsichtlich der Präsidenten der nationalen Zentralbanken unterliegen zwar grundsätzlich den nationalen Rechtsordnungen. Der Vertrag macht hier aber folgende Vorgabe: Die Amtszeiten der Präsidenten dürfen die Spanne von filnf Jahren nicht unterschreiten. 224 Damit soll auch hier eine Mindestfrist gewahrt bleiben, weIche zur Entfaltung persönlicher Unabhängigkeit genügen soll. Zur Frage der Wiederwahlmöglichkeit bestimmt der Vertrag für die Direktoriumsmitglieder in Art. 109 a Abs. 2 Iit. b EGV bzw. Art. 11.2 ESZB-Satzung eindeutig, daß eine Wiederwahl unzulässig ist. Eine Wiederwahl der Präsidenten der nationalen Zentralbanken schließt der EGV gemeinschaftsrechtIich nicht ausdrücklich aus. Demnach richtet sich die Frage weiterhin nach nationalem Zentralbankrecht. Steht dieses, wie Z.B. zur Zeit das BBankG22s, einer Wiederernennung nicht entgegen, so können die nationalen Zentralbankpräsidenten auch in einer zweiten Amtsperiode als Mitglied des Europäischen Zentralbankrats fungieren. 222 Art. 109 a Abs. 2 Iit. b EGV und Art. 11.2 ESZB-Satzung. 223 Vgl. Häde, EuZW 1992, S. 171 (174). 224 225
Art. 14.2 Abs. 1 ESZB-Satzung. Vgl. Abschnitt D. III. 3. b) (3).
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Daß zur persönlichen Unabhängigkeit auch die Gewähr einer angemessenen persönlichen Ausstattung der Europäischen Zentralbankratsmitglieder gehört, gilt hier ebenso wie rur die Mitglieder des Zentralbankrats der Bundesbank. Eine Regelung zur Gestaltung der Beschäftigungsbedingungen, insbesondere der Gehälter und Ruhegehälter der Direktoriumsmitglieder enthält Art. I 1.3 ESZB-Satzung. Danach sind die Beschäftigungsbedingungen Gegenstand von Verträgen zwischen den Direktoriumsmitgliedern und der EZB und werden vom Rat festgelegt. Dieser hat dabei den Vorschlag eines Ausschusses zu berücksichtigen, der aus drei vom EZB-Rat und drei vom Rat zu ernennenden Mitgliedern besteht. Formell wird so der EZB bei der Gestaltung der Beschäftigungsbedingungen ein ungewöhnliches Maß an Selbstbestimmung zugebilligt, das über dasjenige, welches § 7 Abs. 4 und § 8 Abs. 5 BBankG der Bundesbank zugestehen, noch hinausgeht, da die Verträge dort unter der aufschiebenden Bedingung226 der Zustimmung der Bundesregierung stehen. Materiell ist die Gestaltung der Beschäftigungsbedingungen an keine weiteren Vorgaben geknüpft, so daß inhaltlich weitgehende Gestaltungsfreiheit herrscht. Insbesondere besteht so die Möglichkeit, Persönlichkeiten an die EZB zu binden, die hinsichtlich ihrer Qualifikation der hohen Bedeutung ihrer Aufgabe gerecht werden. Diese weitgehende Autonomie bei der Gestaltung der Beschäftigungsbedingungen findet ihre Fortsetzung in Art. 36 ESZB-Satzung, der die Möglichkeit bietet, die Beschäftigungsbedingungen rur das EZB-Personal unterhalb der Ebene der Leitungs- und Beschlußorgane durch den EZB-Rat festlegen zu lassen, ohne daß selbst eine Entscheidung über die Rechtsform der Anstellung (Vertrag oder einseitige hoheitliche Ernennung zum Beamten) vorgeschrieben wird. 227
(3) Amtsenthebung Ein weiterer wesentlicher Schutzmechanismus der persönlichen Unabhängigkeit der Mitglieder der Beschlußorgane der EZB besteht darin, daß eine vorzeitige Amtsenthebung aus Gründen, die im Bereich der inhaltlichen Gestaltung einer europäischen Geld- und Währungspolitik liegen, ausgeschlossen ist. Im Gegensatz zum deutschen Bundesbankgesetz enthält der EGV in der gemäß Art. 239 EGV als Bestandteil des Vertrages geltenden ESZB-Satzung eine Regelung zu den Modalitäten des Amtsenthebungsverfahrens. Die maßgeblichen Bestimmungen enthalten Art. 11.4 ESZB-Satzung flir EZB-Direktoriums226 227
GramIich, ßBankG, § 7 Rn. 24. Näher dazu I-lahn, Vertrag von Maastricht, S. 90 r
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mitglieder sowie Art. 14.2 ESZB-Satzung bezüglich der Präsidenten der nationalen Zentralbanken. Inhaltlich sehen beide Vorschriften übereinstimmend die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung ausschließlich rur die Fälle vor, daß das EZB-Ratsmitglied die Voraussetzungen fllr die Ausübung seines Amtes nicht mehr erfllllt oder eine schwere Verfehlung begangen hat. Der Amtsenthebungsgrund des Fehlens von Voraussetzungen fllr die Ausübung des Amtes meint dabei zunächst die in Art. 11.2 ESZB-Satzung vorgesehenen besonderen Beflihigungen zur Ausübung des Amtes eines EZB-Ratsmitglieds, also die besondere Erfahrung in Währungs- und Bankfragen. Darüberhinaus ist dieser Amtsenthebungsgrund vor allem fllr Fälle physischer oder psychischer Behinderungen einschlägig, bei weIchen die objektiven Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Amtsfllhrung entfallen. 228 Eine schwere Verfehlung erfordert schuldhaftes, nicht notwendig strafbares Handeln und bezieht sich in erster Linie auf die gewissenhafte Erfllllung der Amtspflichten. 229 Daraus geht hervor, daß die abschließende Aufzählung der Entlassungsgründe keinen Raum läßt fllr Amtsenthebungen etwa wegen mißliebiger Geldpolitik. Die formellen Voraussetzungen der Amtsenthebung gestalten sich unterschiedlich, da die Präsidenten der nationalen Zentralbanken den Regelungen des nationalen Rechts unterliegen. Für die Mitglieder des Direktoriums gilt, daß sie nur auf Antrag des EZB-Rates oder des Direktoriums durch den Gerichtshof ihres Amtes enthoben werden dürfen 230 , wodurch erneut verdeutlicht wird, daß die EZB keinem anderen Organ der Gemeinschaft subordiniert, sondern lediglich der judikativen Gewalt verpflichtet ist. Das Verfahren der Amtsenthebung der Präsidenten der nationalen Zentral banken richtet sich als mitgliedstaatlicher Rechtsakt nach nationalem Recht. Dennoch räumt Art. 14.2 ESZB-Satzung sowohl dem Betroffenen, wie dem EZB-Rat das Recht ein, den EuGH anzurufen. Auch dieses ist ein Hinweis darauf, daß der persönlichen Unabhängigkeit vom EGV ein hoher Stellenwert eingeräumt wird. 231
228 Vgl. Hummer, in: Grabitz / Hilf, EGV, Art. 160 Rn. 4 zu den sachlich identischen AmtsenthebungsgrUnden rur Kommissare. 229 Schmitt von Sydow, in: v.d.Groeben / Thiesing / Ehlermann, EWGV, Art. 160 Rn. 4; Hummer, in: Grabitz / Hilf, EGV, Art. 160 Rn. 6. 230 Art. 11.4 ESZB-Satzung. 231 Vgl. Nicolaysen. S. 26.
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d) Beurteilung der personellen Autonomiegewährleistung nach dem EGV im Vergleich zur deutschen Rechtslage nach dem BBankG Abschließend soll nun noch eine Bewertung der Frage erfolgen, wie sich die oben dargestellten Sicherungen der persönlichen Unabhängigkeit im EGV im Vergleich zu denjenigen des BBankG darstellen. Im Vorfeld der Ratifizierung des Maastricht-Vertrages wurden diesbezüglich kritische Stimmen geäußert. Besonderes öffentliches Aufsehen erregte eine Stellungnahme von 60 Ökonomen unter dem Titel "Die währungspolitischen Beschlüsse von Maastricht: Eine Gefahr für Europa".232 In der ftlnften These dieses Manifestes heißt es: "Die persönliche Unabhängigkeit der Gouverneure ist nicht gesichert und Sanktionen bei der Verletzung des Stabilitätsziels fehlen." Kritisch insbesondere zum Ernennungsverfahren für die Mitglieder des Europäischen Zentralbankrates äußert sich auch Seide}233, der eine zu starke Einflußnahmemöglichkeit der Mitgliedstaaten konstatiert. Konkret fragt er, "ob dem Unabhängigkeitserfordernis einer supranationalen Geld- und Währungsbehörde nicht besser entsprochen wäre, wenn die betreffenden Mitglieder des (EZB-) Rates nicht ausschließlich einvernehmlich durch die Mitgliedstaaten, sondern zusätzlich von einem die Gemeinschaftsgewalt repräsentierenden Organ der Gemeinschaft bestellt würden. "234 Dem Einwand Seidels ist jedoch entgegen zu halten, daß die Gestaltung des Ernennungsverfahrens seinem vorrangigen Zweck der Verhinderung einer einseitigen Politisierung der Zentralbankratsbesetzung durchaus gerecht werden kann. Ähnlich wie im BBankG geschieht dieses zunächst durch die Teilhabe mehrerer Instanzen am Ernennungsverfahren, so daß auch auf europäischer Ebene ein spezifisch supranationaler "Pluralismus der Ernennungsinstanzen" zustande kommt. So sind bei der Ernennung der Direktoriumsmitglieder der Europäische Rat, das Parlament und der EZB-Rat von gemeinschaftlicher Seite beteiligt. Daß die eigentliche Ernennung durch die Regierungen der Mitgliedstaaten erfolgt, stellt einen Tribut an den supranationalen Charakter des ESZB und damit auch der EZB dar. Überdies würde die von Seide}23s geforderte Ernennung durch ein Organ der Gemeinschaft in Widerspruch zur institutionellen Unabhängigkeit der EZB geraten. Durch die Bestellung entstünde eine Überordnung des betreffenden Gemeinschaftsorgans über die EZB, die gerade zugunsten der Autonomie vennieden werden soll. Das 232 In der FAZ vom 11.6.1992; abgedruckt auch in Dt. Bundesbank, AP v. 1.6.1992, Nr. '41, S. 13; sowie in: Hrbek (Hrsg.), Maastricht, S. 159 ff. 233 Seidel, in: FS Bömer, S. 417 (428); ders., EuR 1992, S. 125 (138 C.). 234 Seidel, in: FS Bömer, S. 417 (428). 2JS Seidel, a.8.0.
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Erfordernis einer einvernehmlichen Ernennung fllhrt zudem dazu, daß alle Mitgliedstaaten sich positiv fllr den betreffenden Kandidaten entscheiden müssen. Dieses gibt der Regierung eines stabilitätsorientierten Landes die Handhabe, die Ernennung einer Persönlichkeit abzulehnen, die nicht die Gewähr für ein Handeln im Sinne der Priorität der Geldwertstabilität bietet. Schließlich kann - außerhalb der Möglichkeiten rechtlicher Verhaltenssteuerung - in dem Kollegialorgan EZB-Rat auch der in der Öffentlichkeit vielzitierte "ThomasBeckett-Effekt" dazu fllhren, daß sich die Zielpräferenzen einer in den Zentralbankrat entsandten Persönlichkeit entgegen den Erwartungen der entsendenden Instanz zur Preisstabilität hinwenden. 236 Als Schwachpunkt des Ernennungsverfahrens erscheint auf den ersten Blick die Regelung, daß die Präsidenten der nationalen Zentralbanken nach nationalen Rechtsvorschriften bestellt werden. 237 Auch hier sieht der Vertrag jedoch Vorkehrungen vor, welche die nationalen Rechtsordnungen an gewisse, die Unabhängigkeit garantierende Mindestanforderungen binden. Gemäß Art. 108, 109 e Abs. 5 EGV sind die Mitgliedstaaten nämlich verpflichtet, ihre nationalen Rechtsvorschriften spätestens bis zum Beginn der dritten Stufe der Währungsunion mit dem EGV in Einklang zu bringen. Dieser fordert aber in Art. 107 EGV die Unabhängigkeit des ESZB sowohl in sachlicher als auch ausdrücklich in persönlicher Hinsicht. Demnach müssen auch die innerstaatlichen Rechtsvorschriften Sicherungen hinsichtlich der personellen Unabhängigkeit enthalten. Zur Gewährleistung persönlicher Autonomie gehört auch ein Schutzmechanismus gegen die Politisierung des Emennungsvorgangs. Daher sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, in ihren Rechtsordnungen Regelungen zu treffen, die dem Standard des EGV hinsichtlich der Gewährleistung der personellen Unabhängigkeit zumindest entsprechen. Überhaupt gewährt der Art. 107 EGV der persönlichen Unabhängigkeit einen Schutz, der über denjenigen des BBankG hinausgeht. Während § 12 S. 2 BBankG lediglich die sachliche Autonomie der Zentralbank statuiert, nimmt Art. 107 EGV die persönliche Unabhängigkeit der Organmitglieder ausdrücklich in seinen Schutzbereich auf. 238 Schließlich schafft der EGV bezüglich der personellen Autonomie in zwei weiteren Punkten Klarheit gegenüber der bisherigen deutschen Rechtslage: Zunächst schließen Art. 109 a Abs. 2 lit. b EGV, sowie Art. 11.2 ESZBSatzung eine Wiederwahl der Direktoriumsmitglieder ausdrücklich aus. DaSchlesinger, in: FAZ vom 27. 3.1993, S. 13; Issing, Unabhllngigkeit, S. 24. Auch dieses klingt bei Seidel, in: FS Bömer, S. 417 (428) an; vgl. auch Jochimsen, Perspektiven, S. 109. 238 Häde, EuZW 1992, S. 171 (175). 236 237
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durch entfällt der potentielle Anreiz, durch währungspolitisches Wohlverhalten gegenüber politischen Instanzen eine erneute Nominierung zu ermöglichen. 239 Ein solches Wohlverhalten eines Direktoriumsmitglieds ist aber auch deshalb nur schwer vorstellbar, weil er sich - wegen der Einvemehmlichkeit der Ernennung - gegenüber allen mitgliedstaatlichen Regierungen, die bekanntlich häufig durchaus unterschiedliche geldpolitische Präferenzen hegen, gleich "wohl" verhalten müßte. Desweiteren enthält der EGV eindeutige Regelungen bezüglich der Frage der vorzeitigen Abberufung von Zentralbankratsmitgliedem. Diese Frage war im BBankG bisher nicht geregelt worden. Die klare Beschränkung auf die dort genannten EntlassungsgrUnde ist im Sinne personeller Autonomie zu begrUßen. Insgesamt erweist sich, daß die Vorschriften des EGV zum Schutz der persönlichen Unabhängigkeit denjenigen des BBankG rechtlich nicht nachstehen, vielmehr in manchem klarere Regelungen treffen. Daraus folgt dann aber auch, daß die Regelungen des EGV den Anforderungen des Art. 88 S. 2 GG an die Unabhängigkeit der EZB unter dem Aspekt der personellen Autonomie gerecht werden. 240 4. Die materielle Unabhängigkeit der Europäischen Zentra/bank
a) Der Begriff der materiellen Unabhängigkeit in seiner EZB-spezifischen Ausgestaltung Handelt es sich auch bei der Feststellung der institutionellen Unabhängigkeit der EZB um eine wesentliche Vorentscheidung und bei dem Aspekt der personellen Unabhängigkeit um ein Merkmal, dessen Fehlen alle anderen Autonomiegewährleistungen zur Formsache werden ließe, so bleibt dennoch letztlich entscheidend die Frage nach der materiellen Unabhängigkeit einer Zentralbank. 241 Materielle Unabhängigkeit meint den Handlungsfreiraum, den die Zentralbank bei der Konzipierung und Durchsetzung der Geld- und Währungspolitik besitzt und der es ihr ermöglicht, frei von Einflußnahmen anderer staat-
239 Zweifel am Wert des Kriteriums der fehlenden Wiederwahl möglichkeit äußert Issing, Unabhängigkeit, S. 16, da stattdessen eine lukrative Anschlußkarriere in Aussicht gestellt werden könnte. 240 s. dazu aber auch noch Abschnitt D. III. 4. e) (4). 241 Statt des Begriffes der "materiellen" Unabhängigkeit werden in der Lit. auch die Begriffe "funktionelle" (Cacsar, S. 59; Hasse, Zentralbank, S. 115; v.Spindler I Becker I Starke, Anm. 3 111 1, S. 265); "sachliche" (Uhlenbruck, S. 52 ff.); "statuarische" (Schmidt, in: FS Zepos, S. 597) Unabhängigkeit synonym gebraucht. Wie hier z.B. Lampe, S. 19.
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licher oder gesellschaftlicher Kräfte zu entscheiden242 , oder kUrzer: die Freiheit der Notenbank von Weisungen und Kontrollen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben. 243 Üblicherweise wird bei der Beschreibung der materiellen Unabhängigkeit einer Zentralbank das Verhältnis zur Regierung in den Vordergrund gerUckt244 , wohl weil hier die Möglichkeit von Konflikten wegen einer Ausrichtung der Regierungspolitik auf andere gesamtwirtschaftliche Ziele als der Geldwertstabilität am wahrscheinlichsten erscheint. Der tatsächliche Handlungsfreiraum einer Notenbank ergibt sich jedoch - auch aus rechtlicher Perspektive - erst aus einer Gesamtbetrachtung ihres Verhältnisses zu allen Staatsgewalten, also auch zur Legislative mit ihren eventuellen Möglichkeiten parlamentarischer Kontrolle sowie zur Gerichtsbarkeit. Die Notwendigkeit einer derartigen umfassenden Perspektive hat zum deutschen Recht insbesondere Siebelt24s betont und deshalb den Begriff der "Unabhängigkeit" gegen denjenigen des "Verhaltensspielraums" ausgetauscht. Hier soll aber weiterhin die traditionelle Terminologie benutzt werden, allerdings im gerade beschriebenen umfassenden Sinne. 246 Eine derartige Analyse der Unabhängigkeit einer Zentralbank in Gestalt einer Untersuchung ihres rechtlichen Verhältnisses zu den traditionellen Staatsgewalten gewinnt in Bezug auf eine Europäischen Zentralbank an Kompliziertheit. Die Europäische Zentralbank ist eine Institution der Gemeinschaft. Als rur die Geld- und Währungspolitik in der Gemeinschaft zuständiges Institut hat sie an deren Supranationalität teil. Hieraus folgt, daß sie sich nicht nur, wie eine traditionelle nationalstaatIiche Zentralbank, den staatlichen Gewalten eines einzelstaatlichen Verfassungsgeruges gegenUbersieht, sondern daß eine Vervielfachung der politischen Instanzen stattfindet, deren potentieller Einflußnahme sich die Europäische Zentralbank erwehren muß: Neben die politischen Instanzen der Mitgliedstaaten treten noch die Gemeinschaftsorgane selbst als mögliche Quellen von Einflußnahmeversuchen. Konkret bezogen auf eine Europäische Zentralbank mUßte die oben genannte Definition der materiellen Unabhängigkeit also folgendermaßen lauten: Die materielle Unabhängigkeit einer Europäischen Zentralbank meint den Handlungsfreiraum, den die Europäische Zentralbank bei der Konzipierung und Durchsetzung ihrer Geld- und Wäh242 Vgl. Hasse, Zentral bank, S. 115; aus den bereits genannten GrUnden beschränkt sich die Untersuchung jedoch auf öffentliche Stellen, vgl. D. 111. I. a). 243 Lampe, S. 18. 244 Vgl. Maunz, in: Maunz / DUrig, Art. 88, Rn. 16. 24S Siebelt, Verhaltensspielraum, S. 179 ff. 246 Zu den terminologischen Unklarheiten vgl. D. 1\1. 1. a).
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rungspolitik besitzt und der es ihr ermöglicht, frei von Einflußnahmen mitgliedstaatlicher wie auch gemeinschaftlicher Stellen zu entscheiden. Eine Analyse des Umfangs der einer Europäischen Zentralbank eingeräumten materiellen Unabhängigkeit hat daher die Mehrpolarität der Beziehungen zwischen der Zentralbank auf der einen und den nationalen bzw. gemeinschaftlichen Gewalten auf der anderen Seite zu beachten. 247 Der supranationale Charakter der Europäischen Zentral bank zwingt dazu, bei der Darstellung des Verhältnisses der EZB zu legislativen, exekutiven und judikativen Gewalten zwischen der Unabhängigkeit von gemeinschaftlichen und von mitgliedstaatlichen, hier exemplarisch von deutschen Institutionen, zu unterscheiden. b) Das Verhältnis der EZB zum Europäischen Parlament und zum Rechnungshof der Gemeinschaft Für das Verhältnis der Europäischen Zentralbank zum Europäischen Parlament ist der bereits erwähnte Art. 107 EGV die grundlegende normative Bestimmung. Dieser Artikel konstituiert die Unabhängigkeit als kennzeichnendes Merkmal aller Beziehungen der EZB zu Einrichtungen und Organen der Gemeinschaft, Regierungen der Mitgliedstaaten und sonstigen Stellen. Das Europäische Parlament als eines der in Art. 4 EGV abschließend aufgezählten Organe der Gemeinschaft ist ein Adressat dieses Weisungsverbots. Dennoch entbindet dieser im generellen verharrende Programmsatz nicht von der Verpflichtung, die rechtlichen Beziehungen der EZB zum Europäischen Parlament im einzelnen zu untersuchen. Die Unabhängigkeit einer Zentralbank vom Parlament läßt sich grundsätzlich in zwei Komponenten unterteilen: Zum einen der Autonomie gegenüber dem Parlament als Gesetzgeber und zum anderen gegenüber dem Parlament als Kontrollorgan. 248 Hinsichtlich dieses Verhältnisses bietet sich wiederum ein kurzer vergleichender Blick auf das deutsche Recht an. Da für die Bundesbank wegen ihres unabhängigen Status keine parlamentarische Verantwortung eines Bundesministers besteht, existieren insoweit keine "regierungsvermittelten" Weisungs- und Kontrollrechte des Bundestages. 249 Dennoch besteht eine erhebliche Einfluß- und Steuerungsmöglichkeit des Bundestages im Verhältnis zur Bundesbank aufgrund der dem Bund zustehenden Gesetzgebungskompe-
247 248 249
Ähnlich Weikart, NVwZ 1993, S. 834 (840). So Samm, S. 35; Lampe, S. 21. Maunz, in: Maunz / Dürig, Art. 88, Rn. 22; Sichelt, Verhaltensspielraum, S. 184 f.
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tenz fiir das Währungs-, Geld- und Münzwesen gemäß Art. 73 Nr. 4 GG.250 Als Teil der Exekutive ist die Bundesbank ohne weiteres an verfassungsgemäß zustande gekommene Gesetze gebunden. 251 Die Rechtslage bezüglich der Kontrollmöglichkeiten des Europäischen Parlaments gegenüber der EZB stellt sich zunächst ähnlich dar: Direkte Weisungsmöglichkeiten schließt Art. 107 EGV ausdrücklich aus. Das Prinzip der ministeriellen Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament ist der Gemeinschaft schon aufgrund ihrer supranationalen Organisationsstruktur fremd. Schließlich hat das Parlament aber auch keine Steuerungsmöglichkeit aufgrund einer Gesetzgebungskompetenz, die es ihm erlauben könnte, das Handeln der Zentralbank mittels einer Änderung ihrer rechtlichen Grundlagen zu lenken. Aus Art. 137 EGV geht hervor, daß das Europäische Parlament auch nach der Vertragsänderung von Maastricht als Vertretung der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Völker zu verstehen ist, nicht aber als Volksvertretung. 252 Dem entspricht es, daß dem Parlament in der gemeinschaftlichen Praxis keineswegs die "demokratische Gesamtleitung"253 zukommt. Insbesondere liegt auch die im Falle der EZB zur Änderung der Rechtsgrundlagen ihres HandeIns entscheidende Vertragsänderungsbefugnis nach Art. N EUV weiterhin bei den Mitgliedstaaten als Herren der Verträge, nicht beim Parlament. Die Tatsache, daß dem Europäischen Parlament in seiner ohnehin nur schwach ausgebildeten legislativen Funktion keine Einflußnahmemöglichkeiten zukommen, bedeutet aber noch nicht, daß es ihm gänzlich an Kontrollmöglichkeiten fehlt. So werden zunächst in Art. 109 b EGV spezielle Kooperationsmodelle 254 für das Verhältnis der EZB zu den Organen der Gemeinschaft und damit auch zum Parlament vorgesehen. Art. 109 b Abs. 3 EGV bestimmt, daß die EZB dem Europäischen Parlament einen Jahresbericht über die Tätigkeit des ESZB und die Geldund Währungspolitik im vergangenen und laufenden Jahr erteilt. Diesen Jahresbericht kann das Parlament zum Anlaß fiir eine, im Vertrag als allgemeine Aussprache bezeichnete, kritische Auseinandersetzung mit der allein vom ESZB zu verantwortenden Geld- und Währungspolitik nehmen. Derartige Aussprachen enden jedoch nicht mit rechtsverbindlichen Beschlüssen, da dieses der in Art. 107 EGV statuierten Weisungsfreiheit widerspräche. Vielmehr hat das 250 251 252
Maunz, a.a. 0., Rn. 23; Lampe, S. 45 f1 Siebelt, Verhaltensspielraum, S. 184. Vgl. zum Status des Europäischen Parlaments nach Maastricht, Bleckmann, OVBI 1992, S. 335 (337); s. auch Abschnitt B. 11.3. 253 Zum Begriff: Oppermann, EuR, Rn. 226. 254 Nicolaysen, S. 28.
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Parlament lediglich die Gelegenheit, seine Auffassung in unverbindlichen einfachen PariamentsbeschlUssen zum Ausdruck zu bringen, die aber zumindest politische Einflußnahmemöglichkeiten bietet, gegebenenfalls auch Uber den Umweg der öffentlichen Meinung. 255 Daneben sieht Art. 109 b Abs. 3 EGV noch jederzeit Anhörungen des EZB-Präsidenten und der anderen Mitglieder des Direktoriums vor den zuständigen AusschUssen des Europäischen Parlaments vor. Die Initiative hierzu kann von beiden Seiten ausgehen. Neben diesen auch speziell rur das Verhältnis von EZB und Europäischem Parlament konzipierten Kontrollrechten lassen sich weitere Einflußnahmemöglichkeiten des Parlaments aus allgemeinen parlamentarischen Kontrollinstrumenten herleiten. Die durch die Maastrichter Vereinbarungen entstandene neue Vertrags lage weist nunmehr auch diesbezUglich deutliche Parallelen zu dem Verhältnis Bundesbank-Bundestag256 auf. So wie die Befugnis des Bundestages, gemäß Art. 44 GG UntersuchungsausschUsse einzusetzen, auch zur Kontrolle der Tätigkeit der Bundesbank eingesetzt werden kann, wenn hierdurch der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortlichkeit insofern gewahrt bleibt, daß nur abgeschlossene Vorgänge untersucht werden251 ; so hat nunmehr das Europäische Parlament durch Art. 138 c EGV das Recht zur Einrichung von Untersuchungsausschüssen eingeräumt bekommen. Inhaltlich hätte der Untersuchungsausschuß die Aufgabe, behauptete Verstöße der EZB gegen das Gemeinschaftsrecht oder Mißstände bei dessen Anwendung zu überprUfen. Ausdrücklich bestimmt Art. 138 c EGV darUberhinaus, daß der Untersuchungs ausschuß sich auf konkrete Anlässe zu beschränken hat und nicht zu einer ständigen Einrichtung werden darf. Ebenso wie UntersuchungsausschUsse nach deutschem Recht hat auch ein europäischer Untersuchungsausschuß die originären Kompetenzen der EZB zu akzeptieren und muß daher seine PrUfungen auf abgeschlossene Vorgänge beschränken. 258 Eine weitere Möglichkeit des Europäischen Parlaments, das Handeln der EZB auf die parlamentarische Tagesordnung zu setzen, bietet das Petitionsrecht nach Art. 138 d EGV. Voraussetzung ist hierzu allerdings, daß ein Bürger bzw. eine natürliche oder juristische Person mit Wohnort oder Sitz in einem Mitgliedstaat eine Petition an das Parlament richtet. Ein Tätigwerden aus eigener Initiative sieht das Rechtsinstitut der Petition nicht vor. Schlußendlich hat das Parlament das allgemeine Recht, Uber jede Frage zu beraten, welche die Gemeinschaft betrifft sowie Entschließungen 255 256 251 258
Vgl. dazu Hahn, Vertrag von Maastricht, S. 130. Siebelt, Verhaltensspielraum, S. 186 ff. Siebelt, Verhaltensspielraum, S. 187 unter Berufung auf BVerfGE 67,100 (167). Hahn, Vertrag von Maastricht, S. 130.
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über derartige Fragen anzunehmen. 259 Demnach kann das Europäische Parlament auch die Tätigkeit der EZB bei gegebenem Anlaß zum Gegenstand seiner Beratungen machen. Die daraufhin zu fassenden Beschlüsse entfalten allerdings auch hier, schon wegen der Weisungsfreiheit der EZB, keine Rechtsverbindlichkeit. 260 Immerhin zeigt sich aber damit, daß das EurQpäische Parlament auch außerhalb der turnusmäßigen Jahresberichte gemäß Art. 109 b EGV über geld- und währungspolitische Themen beraten kann. Diese Darstellung des Verhältnisses von EZB und Europäischem Parlament zeigt, daß dem Parlament zwar eine dem Bundestag vergleichbare legislative Steuerungsmöglichkeit fehlt, daß der EGV aber dennoch den Versuch unternimmt, durch die Einfllhrung verschiedener Kooperationsmodelle und Kontrollmöglichkeiten eine Verflechtung der EZB mit dem Europäischen Parlament zu bewirken. Da die Kontrollmöglichkeiten des Parlaments aber durchgängig im Bereich der rechtlichen Unverbindlichkeit bleiben und somit Einflußnahmeversuche auf die argumentative Überzeugungskraft in der sachlichen Auseinandersetzung angewiesen sind, wird die Garantie der Unabhängigkeit der EZB aus Art. 107 EGV dadurch nicht ausgehöhlt. Eine andere Frage ist, ob die verbleibenden Kontrollmöglichkeiten des Parlaments den Anforderungen an eine ausreichende demokratische Legitimation der EZB genügen können. Diese Frage kann aber erst nach einer Analyse der verbleibenden Kontrollrechte der nationalen Parlamente beantwortet werden. 261 In diesem Zusammenhang soll auch kurz das Verhältnis der EZB zum Rechnungshof der Gemeinschaft dargestellt werden. Grundlegend ist in Art. 188 c EGV bestimmt, daß der Rechnungshof die Rechnung über alle Einnahmen und Ausgaben jeder von der Gemeinschaft geschaffenen Einrichtung, also auch der EZB, prüft. Zum Ablauf des Verfahrens wird die Regelung getroffen, daß der Rechnungshof dem Europäischen Parlament und dem Rat eine ErklärUng Ober die Zuverlässigkeit der Rechnungsfllhrung, sowie die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der zugrundeliegenden Vorgänge vorlegt. Die Satzung des ESZB nimmt jedoch eine wesentliche Einschränkung dieser grundsätzlich fllr alle Gemeinschaftseinrichtungen geltenden Regelung vor. Danach beschränkt sich die Rechnungsprüfung im Tätigkeitsbereich der EZB auf eine PrUfung der Effizienz der Verwaltung. 262 Die PrUfungskompetenz des Rechnungshofes erstreckt sich demnach ausdrUcklich nicht auf die geldpolitischen Beschlüsse 259 260 261 262
EuGH, Rs. 230/81, Luxemburg / Europaisches Parlament, Sig. 1983, S. 255. Vgl. hierzu Beutler / Bieber / Pipkom / Streil, S. 116. S. Abschnitt D. 111. 4. e) (2). Art. 27.2 ESZB-Satzung.
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
der Zentralbankleitung, die zwar selbstverständlich finanzwirtschaftliche Relevanz aufweisen, andererseits aber ebenso deutlich von den in die Kompetenz des Rechnungshofes fallenden Maßnahmen des Haushaltsvollzugs 263 abzugrenzen sind. Der Wortlaut des Art. 27.2 ESZB-Satzung knüpft damit im übrigen an eine Einschränkung der Rechnungsprüfung an, die im deutschen BBankG zwar keine ausdrückliche Regelung erfahren hat, aber dennoch allgemein anerkannt wird. Auch der Bundesrechnungshof ist nicht dazu ermächtigt, die geldpolitischen Maßnahmen der Bundesbank auf ihre Recht- und Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern darauf beschränkt, die Ordnungsgemäßheit der Wirtschafts- und HaushaltsfUhrung festzustellen. 264 Art. 27.1 ESZB-Satzung sieht schließlich weiterhin eine Prüfung der Jahresabschlüsse von EZB und nationalen Zentral banken durch unabhängige externe Rechnungsprüfer vor. Auch das Verhältnis der EZB zum Rechnungshof wird demnach durch einen maßvollen Komprorniß zwischen der Prüfungskompetenz des Rechnungshofes und der notwendigen Weisungsfreiheit der EZB auf ihrem originären Betätigungsfeld der Geld- und Währungspolitik bestimmt. Hierdurch erfährt die Gewährleistung des Art. 107 EGV keine Einschränkung. c) Das Verhältnis zu den Exekutivorganen der Gemeinschaft (1) Der Dualismus der Art. 107 EGVund Art. 105 Abs. 1 S. 2 EGV Das Verhältnis der Europäischen Zentralbank zu Rat und Kommission, also den Exekutivorganen der Gemeinschaft, wird wesentlich bestimmt durch den Dualismus der Art. 107 EGV und Art. 105 Abs. 1 S.2 EGV. Im Vordergrund steht dabei zunächst die eindeutige Klarheit der Autonomiegewährleistung des Art. 107 EGV265, die bekanntlich bestimmt, daß weder die EZB noch ihre Organe bei der Wahrnehmung ihrer Befugnisse, Aufgaben und Pflichten, Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft einholen oder entgegennehmen dürfen. Zur Verstärkung der Unabhängigkeitsgarantie formulieren Art. 107 und Art. 7 ESZB-Satzung das Weisungsverbot auch noch einmal spiegelbildlich aus der Sicht der betroffenen Gemeinschaftsorgane, indem diese sich verpflichten, keine Maßnahmen zur Beeinflussung der EZB oder der nationalen Zentralbanken auszuüben. Dennoch ist auch die Autonomie der EZB 263 Zu den Aufgaben des Europäischen Rechnungshofes vgl. Beutler I Bieber I Pipkom I Streil, S. 52 f. 264 Siebelt, Verhaltensspielraum, S. 152; v.Spindler I Becker I Starke, § 26 Anm.4, ZitT. 3 (S. 472 f.). 265 Wortgleich auch Art. 7 ESZB-Satzung.
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gegenüber den Exekutivorganen Rat und Kommission nicht grenzenlos. Eine Einschränkung erflihrt sie nämlich durch die in Art. 105 Abs. I S. 2 EGV eingeforderte Unterstützungspflicht gegenüber der allgemeinen Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft. Hierdurch wird noch einmal verdeutlicht, daß die EZB zwar hinsichtlich des ihr zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung übertragenen Aufgabenbereichs der geldpolitischen Währungsbeeinflussung Autonomie besitzen soll, daß sie aber gleichzeitig weiterhin in den allgemeinen Rahmen gemeinschaftlicher Aufgabenerftlllung eingebunden bleibt. Deshalb auch wird die Zentralbank in Art. 105 Abs. I S.2 EGV ausdrücklich auf die allgemeinen Aufgaben bzw. Ziele der Gemeinschaft gemäß Art. 2 EGV verpflichtet. 266 Die Zentralbank soll nicht auf dem Wege über die unabhängige Geld- und Währungspolitik quasi durch die Hintertür zu dem entscheidenden Beschlußorgan der Wirtschafts- und Sozialpolitik werden. 267 Die Unterstützungspflicht als Einschränkung der zentralbanklichen Unabhängigkeit unterliegt jedoch auch ihrerseits wiederum einer Begrenzung. Art. 105 Abs. I S. I EGV bestätigt die schon in Art. 3 a Abs. 3 EGV genannte absolute Priorität der Gewährleistung der Preisstabilität. 268 Erst nach dieser grundlegenden normativen Festsetzung des vorrangigen Ziels der EZB in Satz I des Art. 105 Abs. I EGV erfolgt im darauffolgenden Satz die Konstituierung der Unterstützungspflicht, welche gleichzeitig unter einen Vorbehalt des S. I gestellt wird, dadurch daß die Unterstützungspflicht nur insoweit besteht, als dieses ohne Beeinträchtigung des Ziels der Preisstabilität möglich ist. Auch dieser Dualismus von Unabhängigkeitsgewährleistung und Unterstützungspflicht enthält offensichtliche Anklänge an die Rechtslage nach dem BBankG. Hier wird die Unabhängigkeit der Bundesbank in § 12 S. 2 BBankG gewährleistet. Die Unterstützungspflicht als Einschränkung der Autonomie wird dagegen noch vorher, nämlich in § 12 S. I BBankG festgelegt. Ähnlich wie im EGV wird auch hier die Unterstützungspflicht durch die Formulierung "unter Wahrung ihrer Aufgabe" durch den Vorrang des Ziels der Währungssicherung aus § 3 BBankG begrenzt. Gegenüber dieser deutschen Rechtslage weist der EGV einige Präzisierungen im Hinblick auf die Vorrangigkeit der Preis stabilität rur das Handeln der EZB auf. So wurde zunächst die rein satztechnisch unglückliche Lösung des § 12 BBankG, in welchem die Ausnahme
266 In Art. 2 EGV werden die traditionellen Ziele des sog. magischen Vierecks präzisiert und ergänzt; vgl. Nicolaysen, S. 30, Fn. 69. 267 Ähnlich v.Spindler / Becker / Starke, § 12 Anm. 2, Nr. I a (S. 260 f.). 268 Vgl. auch den an Art. lOS EGV anknüpfenden Art. 2 ESZB-Satzung.
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
vor der Regel plaziert ist269 , durch die getrennte Einbettung des Grundsatzes der Autonomie der Zentralbank in Art. 107 EGV und der Ausnahme der Unterstützungspflicht in Art. 105 Abs. 1 S. 2 EGV - gleich hinter die Betonung der Priorität der Preisstabilität - vermieden. Zudem weist der Wortlaut des Art. 105 Abs. 1 EGV größere Klarheit auf, indem eindeutig die Preisstabilität als vorrangiges Ziel der EZB genannt wird, statt wie in § 3 BBankG den schwer eingrenzbaren Begriff der "Währungssicherung" als Zielbestimmung vorzugeben. 270 Obwohl damit die Hauptaufgabe der EZB eindeutig festgelegt ist, bleibt die Frage offen, wie sich die Aufgabe der Erhaltung der Preisstabilität konkret zur Verpflichtung der EZB zur Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft verhält. Möglicherweise kann hier ein Blick auf Lösungsansätze weiterhelfen, die zu dem ähnlich gelagerten Konflikt zwischen § 12 S. 2 und § 12 S. I BBankG in der Rechtsliteratur entwickelt worden sind. Zur Bestimmung der Grenze der Unterstützungspflicht werden hier unterschiedliche Ansichten vertreten, aus denen zunächst nur ersichtlich wird, daß juristisch nachvollziehbare Abgrenzungen in diesem von wirtschaftspolitischen Beurteilungsspielräumen durchdrungenen Bereich kaum möglich sind. Mit Ausnahme eines Versuchs einer konkreten Grenzziehung271 kommt es daher im Ergebnis zu wenig griffigen Formulierungen. So finden sich Grenzmarkierungen wie diejenige, daß die Bundesbank ihre Befugnisse so auszuüben hat, daß die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung gefördert wird, solange dieses keine Verschlechterung des Geldwerts zur Folge habe. 272 Damit werden aber über eine Paraphrasierung des Gesetzestextes hinaus keine juristisch greifbaren Ergebnisse erzielt. Konkreter erscheint der Abgrenzungsversuch von Schmidt. 273 Er weist auf die Verrechtlichung wirtschaftspolitischer Ziele in § 1 StabG hin. Diese fllhre dazu, daß die Bundesbank dann, wenn die Bundesregierung bei ihrer Wirtschaftspolitik die Akzente rechtswidrig auf andere Teilziele des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts als die Preisstabilität setze, mit 269 Der Aufbau des § 12 BBankG wird in der Li!. einhellig kritisiert, vgl. nur Hahn, BayVBI 1982, S. 33 (34) Fn. 22 m.w.Nachw. 270 So auch Wahlig, in: GramIich u.a. (Hrsg.), Währungsunion, S. 37 (46); Nicolaysen, S. 30; näher zur Zielbestimmung der Preisstabilität, unten Abschnitt D. IV. 271 Uhlenbruck, S. 62: Die Grenze der Unterstützungspflicht soll dann erreicht sein, wenn der jährliche Kautkraftschwund über den üblichen Netto-Habenzinsen liegt; kritisch dazu z.B. Hahn, Währungsrecht, § 17, Fn. 72. 272 So Fögen, S. 70 f. ; ähnl. v.Spindlcr / Bccker / Starke, § 12 Anm. 2 11.2 (S. 263); Lampe, S.49. 273 Schmidt, Der Staat (Beiheft 5),1981, S. 61 (66 f.); ähnlich Stern, Staatsrecht 11, S. 501.
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Hinweis auf den Gesetzesverstoß die Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik versagen könne. Da aber die Feststellung, daß eines der Teilziele des § I StabG tatsächlich rechtswidrig vernachlässigt wurde, nur schwerlich justiziabel ist, kommt es in der Praxis entscheidend darauf an, wem die Feststellungskompetenz hinsichtlich der Frage gebührt, ob eine Gefährdung der Stabilität des Preisniveaus vorliegt. 274 Diese soll letztendlich der Bundesbank obliegen. m Die Folge ist, daß der Handlungsspielraum der Bundesbank unter diesen Prämissen durch § 12 S. 1 BBankG nur schwer einschränkbar ist. Ähnliche Schwierigkeiten bereitet der Versuch, das Verhältnis zwischen der Weisungsfreiheit der EZB nach Art. 107 EGV und ihrer Unterstützungspflicht aus Art. 105 Abs. I S. 2 EGV näher zu bestimmen. Unklar ist hier schon der Bezugspunkt der Unterstützungspflicht. Art. 105 Abs. I S. 2 EGV verpflichtet die EZB darauf, die "allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft" zu unterstützen. Die Formulierung einer Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft und nicht etwa der Gemeinschaft weist daraufhin, daß auch nach Maastricht die Wirtschaftspolitik weiterhin grundsätzlich in der Zuständigkeit und Verantwortung der Mitgliedstaaten verbleibt und nicht wie die Währungspolitik zu einer Zuständigkeit der Gemeinschaft wird. 276 In Bezug auf die gemeinschaftlichen Exekutivorgane Rat und Kommission kann daher unter "allgemeiner Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft" nur die ihnen durch Art. 102 a und 103 EGV übertragene Kompetenz zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik anhand eines ihrerseits zu erstellenden Entwurfs für die Grundzüge der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft277 zu verstehen sein. Da sich die Unterstützungspflicht der EZB nur auf die allgemeine Wirtschaftspolitik bezieht, hat sie sich hinsichtlich der gemeinschaftlichen Wirtschaftspolitik auf eben diese aus der Empfehlung des Rates ersichtlichen GrundzUge zu beschränken. Es besteht folglich keine Unterstützungspflicht rur jede EinzeImaßnahme von Rat oder Kommission mit wirtschaftspolitischer Relevanz. Die wesentliche Einschränkung der Unterstützungspflicht besteht jedoch nach Art. 105 Abs. 1 S. 2 EGV darin, daß die EZB nur solange zur Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik angehalten ist, wie dieses ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist. Auch bei der Konkretisierung des Gegensatzes von zentralbanklicher Unabhängigkeit und Unterstützungspflicht auf gemeinschaftlicher Ebene kann die weitgehende Verrechtlichung 274
Vgl. v.Spindler I ßecker I Starke, § 12 Anm. 211 3 (S. 263 f.); Schmidt, a.a.O.
276
Seidel, in: FS ßörner, S. 417 (419 f.); vgl. auch schon Abschnitt ß. 11. 3. Art. 103 Abs. 2 EGV.
m Schmidt, a.a.O. 277
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
der Geldpolitik und ihres allgemeinen wirtschaftlichen Rahmens 218 durch die Art. 2, 3 a, 102 a, 103 und 105 ff. EGV wesentlich zur Bestimmung des Handlungsfreiraums der EZB beitragen. Demnach ergeben sich aus den Regelungen des Art. 105 Abs. I S. 2 und Art. 107 EGV folgende Grundsätze hinsichtlich der Unterstützungspflicht der EZB gegenüber der allgemeinen Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft: Da Rat und Kommission bei der Erstellung der Empfehlung, in welcher die Grundzüge der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft festgelegt werden, gemäß Art. 102 a i.V.m. Art. 2 und 3 a EGV unter anderem auch an den Grundsatz der Preisstabilität gebunden sind, handeln sie vertragswidrig, wenn diese Zielansprache beim Entwurf der Grundzüge der gemeinschaftlichen Wirtschaftspolitik ohne Beachtung bleibt. Einer solchen allgemeinen Wirtschaftspolitik schuldet die EZB aus zwei Gründen keine Unterstützung: Zunächst kann sie nicht zur Unterstützung einer rechtswidrigen Gemeinschaftspolitik verpflichtet werden; zum anderen liegt in derartigen Fällen ein e.videnter Verstoß gegen den von ihr vorrangig zu verfolgenden Grundsatz der Preisstabilität vor. Weniger Eindeutigkeit hinsichtlich des Eingreifens der Unterstützungspflicht besteht in dem anderen denkbaren Fall, daß Rat und Kommission die Preisstabilität beim Entwurf der Grundzüge der Wirtschaftspolitik zwar nicht gänzlich unbeachtet lassen, aber anderen in Art. 3 a bzw. 2 EGV genannten gesamtwirtschaftlichen Zielsetzungen in nicht vertragswidriger Weise den Vorrang einräumen. Hier ist die EZB grundsätzlich zur Unterstützung verpflichtet, hat aber gleichzeitig ihre originäre AufgabensteIlung der Vorsorge fUr die Erhaltung der Preisstabilität zu beachten. Sobald eine Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik zur Mißachtung dieses Prinzips fUhren könnte, erlischt die Unterstützungspflicht. An dieser Stelle stellt sich nun auch nach gemeinschaftlicher Rechtslage die Frage, wer die Feststellungskompetenz hinsichtlich des Vorliegens einer Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität und damit des Entfallens der Unterstützungspflicht hat. Im Hinblick darauf, daß der EZB im Bereich der Geldund Währungspolitik eine weitgehende Alleinverantwortlichkeit eingeräumt ist219 , die einem Prärogativ in Fragen der Währungspolitik gleichkommt und unter Berücksichtigung der im Vergleich zum deutschen BBankG eindeutigeren Betonung der Priorität der Preisstabilität als AufgabensteIlung ist davon auszugehen, daß auch im Anwendungsbereich des EGV der Zentralbank das Recht zusteht, darüber zu entscheiden, ob eine Gefährdung der Preisstabilität
218 219
Nicolaysen, S. 35. Vgl. Art. 105 Abs. 2, I. Spiegelstrich EGV i.V.m. Art. 8 ESZB-Satzung.
111. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank
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vorliegt und damit die Voraussetzungen der Unterstützungspflicht entfallen. Dadurch wird der Europäischen Zentralbank ein erheblicher Gestaltungsspielraum eröffnet. Wenn es im pflichtgemäßen Ermessen der EZB liegt, darüber zu entscheiden, ob in einer konkreten wirtschaftspolitischen Frage eine Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft mit ihrer Kemaufgabe der Wahrung der Preisstabilität zu vereinbaren ist, hat die Gemeinschaftsexekutive kaum Möglichkeiten, ihrer eventuell gegenteiligen Auffassung Geltung zu verschaffen. Zwar hat der EGV die Justiziabilität zentralbanklichen Handeins erheblich verstärkt,280 die rechtlichen Voraussetzungen fUr das Eingreifen der Unterstützungspflicht - nämlich das Fehlen einer Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität - bestehen aber im wesentlichen aus unbestimmten Rechtsbegriffen. Deren Konkretisierung obliegt nach der Rechtsprechung des EuGH den politisch zuständigen Organen der Gemeinschaft bzw. der Mitgliedstaaten281 , mithin im Bereich der Geld- und Währungspolitik der EZB. Der Nachweis einer falschen AusfUllung derartiger unbestimmter Rechtsbegriffe dürfte nur in besonders eklatanten Ausnahmefällen möglich sein. Diese Bestandsaufnahme des rechtlichen Inhalts der Unterstützungspflicht zeigt, daß die EZB durch Art 105 Abs. 1 S. 2 EGV nicht entscheidend in ihrer monetären Autonomie beeinträchtigt wird. Vereinzelte, insbesondere von volkswirtschaftlicher Seite geäußerte BefUrchtungen, daß die Unterstützungspflicht im europäischen Rahmen besonders extensiv ausgelegt werden könnte 282 , erscheinen angesichts der rechtlichen Gestaltung der Unterstützungspflicht und der bisherigen Entscheidungspraxis des EuGH hinsichtlich der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe zumindest als verfrüht. (2) Kooperationsmechanismen
Daneben sieht der EGV im Verhältnis von EZB-Rat auf der einen Seite und Rat und Kommission auf der anderen Seite ähnliche Kooperationsmodelle wie im Verhältnis zum Europäischen Parlament vor. Allerdings sind auch diese vom Respekt vor der monetären Unabhängigkeit der EZB geprägt. So können die Präsidenten von Rat und Kommission zwar an den Sitzungen des EZBRates teilnehmen, sie haben dabei aber kein Stimmrecht. 283 Dem Präsidenten des Rates steht im EZB-Rat ein Antragsrecht ZU. 284 Im Gegenzug wird der 280 281 282 283 284
Zum Verhältnis der EZB zur Judikative, vgl. den folgenden Abschnitt. Bleckmann, DVB11992, S. 329 (340); vgl. auch Weber, JZ 1994, S. 53 (56). So Neumann,in: Duwendag I Siebke (Hrsg.), WWU, S. 81 (93). Art. 109 b Abs. 1 S. 1 EGV. Art. 109 b Abs. 1 S.2 EGV.
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EZB-Präsident zur Teilnahme an den Tagungen des Rates eingeladen, wenn dieser Fragen im Zusammenhang mit den Zielen und Aufgaben der EZB erörtert. 285 Auch der Jahresbericht der EZB wird sowohl dem Rat, wie der Kommission unterbreitet. 286 Diese Kooperationsmodelle sorgen für eine weitere Anbindung der EZB an die gemeinschaftliche Wirtschaftspolitik. In EinzelfiUlen kann durch die Überzeugungskraft sachlicher Argumente möglicherweise eine Beeinflussung der monetären Tätigkeit der Zentralbank erfolgen. Eine Beeinträchtigung der Autonomie der EZB vom rechtlichen Standpunkt aus bedeuten die Teilnahmerechte des Art. 109 b EGV aber sicherlich nicht. d) Das Verhältnis der EZB zur europäischen Judikative Im Gegensatz zu den bisherigen Ausführungen ist das Verhältnis der EZB zum Europäischen Gerichtshof keineswegs von einer Autonomie der Zentralbank geprägt. Gerade die ansonsten das Verhältnis der EZB zu den Organen der Gemeinschaft prägende Unabhängigkeit, die dazu führt, daß es an einer sanktionsbewehrten Verantwortlichkeit gegenüber Parlament und Exekutivorganen fehlt, fordert eine Unterworfenheit des EZB-Handelns unter die rechtsprechende Gewalt. Die erhebliche Steuerungskapazität, welche der Zentralbank aufgrund ihrer vielfältigen Einflußnahmemöglichkeiten auf den Geldmarkt und damit mittelbar auf die allgemeine Wirtschaftsentwicklung zukommt, fordert es aus Gründen der Wahrung des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips, insbesondere des Grundsatzes der Gewaltentrennung, daß ein Gegengewicht durch judikative Kontrolle geschaffen wird. 287 Auch das deutsche Verfassungsrecht macht es seit Einfügung des Art. 23 GG n.F. ausdrücklich zur unverzichtbaren Bedingung weiterer Hoheitsrechtsübertragungen auf europäische Institutionen, daß auf gemeinschaftlicher Ebene rechtsstaatliche bzw. demokratische Sicherungen existieren, die dem Niveau des Grundgesetzes unter Beachtung supranationaler Besonderheiten entsprechen. 288 Da das rechtsstaatliche Prinzip der Gewaltenhemmung auch auf Gemeinschaftsebene durch ein spezifisches System der "checks and balances" verwirklicht wird 289 , bedarf es einer Einordnung des erheblichen wirtschaftspolitischen Machtpotentials der EZB in dieses System. Weil das gleichfalls vom Grundgesetz in Art. 88 S. 2 m Art. 109 b Abs. 2 EGV. Art. 109 b Abs. 3 EGV. 287 Vgl. Koenig, EuZW 1993, S. 661 (664). 288 Vgl. zu den Anforderungen des Art. 23 GG Abschnitt c.; dazu. daß Art. 23 GG auch im Fall der Übertragung der Wlhrungshoheit Geltung beansprucht: Abschnitt D. I. 289 Oppermann, EuR, Rn. 209. 286
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GG geforderte Strukturprinzip der Autonomie der Zentralbank gleichzeitig aber ein Subordinationsverhältnis zu anderen Gemeinschaftsorganen verbietet, falls deutsche Hoheitsrechte auf eine EZB übertragen werden, bleibt letztlich nur die richterliche Kontrolle als Instrument der Gewaltentrennung. Aus dieser Perspektive wird die Gewährung prinzipiellen Rechtsschutzes zum notwendigen Äquivalent der Unabhängigkeit einer Europäischen Zentralbank. 290 Die konkrete Ausgestaltung des Verhältnisses der EZB zum EuGH erhielt durch das Maastrichter Vertragswerk eine ausfllhrliche und eindeutige Regelung. Dazu, daß eine derartige Regelung geschaffen werden konnte, trägt zunächst entscheidend bei, daß die EZB in die konventionellen Handlungsformen des Gemeinschaftsrechts eingeordnet wurde. 291 So bestimmt Art. 108 a Abs. 1 EGV292, daß die EZB in den vertraglich vorgesehenen Fällen Verordnungen bzw. Entscheidungen erlassen darf, sowie zur Abgabe von Empfehlungen und Stellungnahmen berechtigt ist. Damit erübrigt sich hinsichtlich der Handlungsformen ein Streit, wie er bis heute um die rechtliche Qualifikation des Instrumentariums der Bundesbank gefllhrt wird, ohne daß beispielsweise die Rechtsnatur der Festsetzung des Lombardsatzes oder der Mindestreservepolitik abschließend hätte geklärt werden können. 293 Die Folge dieser eindeutigen rechtlichen Einordnung der Handlungsmöglichkeiten ist, daß Art. 35.1 ESZBSatzung generalklauselartig feststellen kann, daß die "Handlungen und Unterlassungen der EZB ( .... ) in den Fällen und unter den Bedingungen, die in diesem Vertrag vorgesehen sind, der Überprüfung und Auslegung durch den Gerichtshof' unterliegen. Mit Recht kann daher davon gesprochen werden, daß hiermit ein erheblicher Schritt der Verrechtlichung währungspolitischer Beschlüsse einer Zentralbank erfolgt ist, wie sie im nationalen Recht einzelner Mitgliedstaaten bisher nicht bekannt ist. 294 Im folgenden soll die Justiziabilität der Maßnahmen der EZB zunächst in dem hier wesentlichen Verhältnis zu den Organen der Gemeinschaft dargestellt werden. Anschließend erfolgt noch ein kurzer Überblick über die Möglichkeiten zur Gewährung subjektiven Rechtsschutzes gegenüber den Maßnahmen der EZB. Die Anerkennung der Aktiv- bzw. Passivlegitimation in den Art. 173, 175, 180 und 184 EGV ermöglicht eine KlarsteIlung des Verhältnisses der EZB zu den Organen der Gemeinschaft unter dem Aspekt der Justiziabilität, welche 290
291 292 293 294
Koenig, EuZW 1992, S. 661 (664). Vgl. auch Weber, JZ 1994, S. 53 (57). Inhaltsgleich auch Art. 34.1 ESZS-Satzung. Zum Stand der Diskussion: Hahn, Währungsrecht, § 20, Rn. 1-13. Weber, JZ 1994, S. 53 (57); Hahn, Vertrag von Maastricht, S. 100.
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
gerade im deutschen Recht bisher vermißt wurde. Hier ist bisher unklar, ob das BVerfG im Falle eines Konfliktes zwischen der Bundesbank auf der einen Seite und der Bundesregierung oder dem Bundestag auf der anderen Seite eine Lösung auf dem verfahrensrechtlichen Wege einer Organklage hätte herbeiftlhren können. 295 Den "springenden Punkt" bildet dabei die Frage, ob die Bundesbank Antragsteller oder Antragsgegner einer Organstreitigkeit gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerffiG sein kann. Die h.M.296 lehnt die Beteiligtenfilhigkeit der Bundesbank mit der Begründung ab, daß die Bundesbank zum einen nicht ausdrücklich in § 63 BVerffiG als Beteiligte genannt wird und sich zum anderen ihre Rechte und Pflichten im wesentlichen aus einfachem Gesetzesrecht und nicht aus der Verfassung selbst ergeben, sodaß sie nicht den Status eines Verfassungsorgans hat und daher auch nicht direkt über den Weg des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG beteiligtenfilhig ist. 297 Dieses bisher im deutschen Recht zwar nicht praktisch gewordene Problem der Justiziabilität von Fragen der Geldmarktsteuerung der unabhängigen Zentralbank im Verhältnis zu anderen Gewalten wird nunmehr durch den EGV auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene einer zumindest verfahrensrechtlich klaren Lösung zugeftlhrt. Da die EZB sowohl in dem Verfahren der Nichtigkeitsklage nach Art. 173 EGV, als auch hinsichtlich der Untätigkeitsklage gemäß Art. 175 EGV aktiv- und passivlegitimiert ist, stehen die rechtlichen Mittel ftlr Klagen von bzw. gegen Rat, Kommission, Parlament und auch die Mitgliedstaaten zur Verftlgung. 298 Derartige Klagen liegen auch keineswegs außerhalb der praktischen Wahrscheinlichkeit, da die Unterstützungspflicht der EZB ftlr die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft nach Art. 105 Abs. 1 S. 1 EGV bei gleichzeitig bestehender monetärer Autonomie einigen Konfliktstoff enthalten kann, falls die Organe oder die Mitgliedstaaten den Schwerpunkt ihres wirtschaftspolitischen Handelns auf andere Ziele des Art. 2 EGV als die Preisstabilität setzen. 299 Das Konfliktpotential vervielfacht sich sogar angesichts dessen, daß der bisherige mitgliedstaatliche Konflikt in der Regel als Streit zwischen Zentralbank und Regierung weitgehend bipolaren Charakter hatte, nunmehr aber alle mitgliedstaatlichen Regierungen und zusätzlich die Organe der Gemeinschaft als potentielle Gegenüber eines geldpolitischen Konflikts in Betracht kommen. Trotz 295
Stern, Staatsrecht 11, S. 469 f.
296 v.Spindler I Becker I Starke, § 2 Anm. I (S. 168); Gramlich, OVBI 1980, S. 531 (534);
Maunz, in: Maunz I DUrig, Art. 88, Rn. 6; Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 358 Fn. 55; Stern, Staatsrecht 11, S. 469 f. 297 A.A. Uhlenbruck, S. 84; zweifelnd Hahn, BayVBI 1982, S. 70 (73 f.). 298 Koenig, EuZW 1993, S. 661 (665). 299 Bleckmann, DVBI 1992, S. 335 (341).
III. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank
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der Zunahme potentieller Interessenkonflikte auf dem Feld der Geldmarktsteuerung ist jedoch die Wirksamkeit einer gerichtlichen Kontrolle durch den EuGH aus den bereits oben zur Unterstiltzungspflicht der EZB erwähnten Grilnden 3°O fraglich. Bleibt der EuGH seiner bisherigen Linie treu und setzt im Zusammenhang mit unbestimmten, schwierige wirtschaftliche Wertungen erfordernden Tatbestandsmerkmalen Entscheidungsspielräume ein, die von den politischen Organen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten zu konkretisieren sind30I , wird der Nachweis eines Rechtsverstoßes des jeweiligen Klagegegners schwer zu fUhren sein. Der EGV ermöglicht im übrigen nicht nur eine gerichtliche Kontrolle im Verhältnis zwischen der Zentralbank und den Organen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten, sondern Art. 180 lit. d EGV erstreckt die Gerichtsbarkeit auch auf Streitigkeiten innerhalb des ESZB. Danach kann die EZB die ErfUliung der sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen durch die nationalen Zentralbanken einklagen. Passivlegitimiert sind demnach allein die nationalen Zentralbanken, sodaß sich das Verfahren nach Art. 180 lit. d EGV nur auf das Innenverhältnis des ESZB bezieht. 302 Will eine nationale Zentralbank gegen Entscheidungen und Verordnungen der EZB gerichtlich vorgehen, ist sie auf das Verfahren nach Art. 173 Abs. 2 EGV angewiesen. 303 Dieser Weg ist ihr aber dann versperrt, wenn es lediglich um Richtlinien und Weisungen der EZB im Innenverhältnis gemäß Art. 14.3 ESZB-Satzung geht. Diese sind von den nationalen Zentralbanken auch nicht im Wege des Art. 180 lit. d EGV anfechtbar, da ihr diesbezüglich keine Aktivlegitimation eingeräumt wurde. 304 Obwohl dieses nicht unmittelbar mit der Frage der Autonomie der EZB zusammenhängt, sei hier schließlich noch erwähnt, daß der EGV auch Möglichkeiten zur Gewährung subjektiven Rechtsschutzes vorsieht. In Betracht kommt insoweit in erster Linie eine Nichtigkeitsklage gemäß Art. 173 Abs. 2 EGV, aber auch eine Schadenersatzklage nach Art. 178 LV.m. Art. 215 Abs. 2 EGV. Obwohl damit die normativen Voraussetzungen für Klagen gegen Rechtsakte der Zentralbank gegeben sind, kann bereits heute die Prognose gestellt werden, daß zwei rechtliche Hürden es verhindern werden, daß die Anzahl der Klagen das eher geringe Aufkommen von Klagen gegen die deutsche Bundesbank Vgl. Abschnitt 0.111.4. c) (I). Bleckrnann, DVB11992, S. 335 (336). 302 Koenig, EuZW 1993, S. 661 (663). 303 Diese können z.B. in Bereichen ergehen, die den nat. Zentralbanken gern. Art. 14.4 ESZBSatzung zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung überlassen wurden; vgl. Potacs, EuR 1993, S. 25 (39). 304 Potacs, EuR 1993, S. 25 (38 tT.). 300 301
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
wesentlich übersteigen werden 30s : Zu einem entscheidenden "Nadelöhr" wird die Klagebefugnis werden. 306 Da von Maßnahmen einer Zentralbank auf dem Gebiet der Geldmarktsteuerung grundsätzlich nur die Geschäftsbanken unmittelbar betroffen werden, können nur sie die Anforderungen des EuGH an das Vorliegen der Klagebefugnis erfllllen. 307 Daneben sorgt die Unbestimmtheit der verwendeten juristischen Begriffe mit überwiegend wirtschaftlichen Bezügen zu der bereits mehrfach erwähnten Einräumung breiter Beurteilungsspielräume, angesichts derer sich der EuGH ein "Hineinjudizieren" möglicherweise versagen wird. e) Die Unabhängigkeit der EZB von den deutschen Verfassungsorganen Da eine umfassende funktionelle bzw. materielle Unabhängigkeit der EZB erfordert, daß sie nicht nur von den Organen der Gemeinschaft nicht in ihrer Handlungsfreiheit beschränkt werden kann, sondern auch eine Einflußnahme der mitgliedstaatlichen Verfassungsorgane verhindert werden muß, soll im folgenden der Handlungsfreiraum der EZB gegenüber den deutschen Verfassungsorganen Bundestag und Bundesregierung, sowie zur deutschen Judikative dargestellt werden. Das Verhältnis der EZB zu den deutschen Verfassungsorganen steht dabei letztlich auch stellvertretend fllr die Relationen zu den mitgliedstaatlichen Gewalten im allgemeinen. (1) Das Verhältnis EZB - Bundestag
Das Verhältnis der EZB zu den mitgliedstaatlichen Parlamenten und damit auch zum deutschen Bundestag wird durch die Vergemeinschaftung der Währungspolitik geprägt. Dadurch wird der deutsche Bundestag sowohl in seiner Rolle als Kontrollorgan der Zentralbank, als auch in seiner gesetzgeberischen Funktion berührt. Die Kontrollfunktion gegenüber der Europäischen Zentralbank nimmt das Europäische Parlament wahr. Diesem und nicht den mitgliedstaatlichen Parlamenten hat die EZB in Form des Jahresberichts und der Anhörungen gemäß Art. 109 b Abs. 3 EGV Rechenschaft abzulegen. 30s Auch die allgemeine parlamentarische Kontrollmöglichkeit mittels eines Untersuchungsausschusses steht nach der Einfllgung des Art. 138 c EGV dem Europäischen Parlament zu. Der Bundestag könnte schon aus kompetenzrechtlichen Gründen 30S 306 307 30S
Hahn, Vertrag von Maastricht, S. 99; Bleckmann, DVBI 1992, S. 329 (338). Bleckmann, a.a.O. Vgl. zur Klagebefugnis vor dem EuGH: Bleckmann, in: FS Menger, S. 871 (875 t1). s. schon Abschnitt 0.111.4. b).
III. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentral bank
135
keinen Untersuchungsausschuß mit dem Untersuchungsgegenstand der Geldpolitik der EZB einrichten. Gegenstand eines Untersuchungsausschusses nach Art. 44 GG können anerkanntermaßen lediglich Sachverhalte sein, die im Zuständigkeitsbereich des Bundes liegen. 309 Da die Geldmarktpolitik der Gemeinschaft vom ESZB und damit von den Beschlußorganen der EZB festgelegt und ausgeführt wird 3lO, fällt die inhaltliche Gestaltung der monetären Geldmarktsteuerung nicht mehr in den Zuständigkeitsbereich des Bundes, so daß die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses diesbezüglich unzulässig wäre. Parallel zur Rechtslage hinsichtlich des Enquete-Rechts sind künftig Bitten und Beschwerden zur Tätigkeit der EZB gemäß Art. 138 d EGV an das Europäische Parlament und nicht an den Deutschen Bundestag zu richten. 3 11 Schließlich vollzieht sich auch die RechnungsprUfung als Hilfsmittel des parlamentarischen Budgetrechts künftig auf europäischer Ebene. 312 Faktisch führt somit die Vergemeinschaftung der Währungspolitik zur Vergemeinschaftung der originären parlamentarischen Kontrollrechte. Der Bundestag ist von einer direkten parlamentarischen Kontrolle der EZB weitgehend ausgeschlossen. Womöglich noch einschneidender wirkt sich jedoch die Änderung aus, die der Bundestag hinsichtlich seiner Rolle als Gesetzgeber auf dem Gebiet des Geld- und Währungsrechts hinnehmen muß. Bisher galt im deutschen Recht die Maxime, daß dem Bundestag zwar wesentliche parlamentarische Kontrollrechte wegen des unabhängigen Status der Bundesbank vorenthalten waren, andererseits aber eine erhebliche Einflußnahmemöglichkeit durch das Innehaben der Gesetzgebungskompetenz nach Art. 73 Nr. 4 GG bestand. 313 Insbesondere das BVerwG hat in dieser Steuerungsmöglichkeit durch Gesetzesänderung einen Grundpfeiler der verfassungsrechtlichen Legitimität der Bundesbank vor dem Hintergrund der Problematik des grundsätzlichen Verbots ministerialfreier Räume gesehen. 314 So könne gerade die der Bundesbank übertragene Normsetzungsmacht31S durch das Rechtsetzungsrecht des Bundesgesetzgebers jederzeit korrigiert werden. 316 Die Übertragung der Kompetenzen auf dem Gebiet des Geld- und Währungswesens führt nunmehr zwar nicht dazu, daß dem Bund die Gesetzgebungskompetenz aufgrund des Art. 73 Nr. 4 GG entzogen wird; sie 309 310 311 312 313 314 315 316
Vgl. Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 44, Rn. 4. Art. 105 Abs. 2, I. Spiegelstrich EGV LV.m. Art. 8 ESZB-Satzung. s. Abschnitt D. 111. 4. b). Abschnitt D. 111. 4. b). Maunz, in: Maunz / DUrig, Art. 88, Rn. 23. BVerwGE 41,334 (357 ff.); näher dazu im folgenden Abschnitt. So BVerwGE 41,334 (350 f.). BVerwGE 41, 334 (358).
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
besteht fonnell durchaus weiter. Da aber im Wege der Gesetzesänderung kein Einfluß auf die Geldpolitik der EZB genommen werden kann, verlieren die Kompetenzen ihren Charakter als Steuerungsinstrument der Geldpolitik.3\1 Die "Substanz der Währungsgesetzgebung"3J8 geht auf die gemeinschaftlichen Institutionen über. Die vorrangige Funktion der verbleibenden deutschen Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Währungs-, Geld- und Müozwesens wird darin bestehen, die zur Ausftlhrung des Gemeinschaftsrechts notwendigen Gesetzesänderungen zu ennöglichen. lI9 Rudimente von Kontrollmöglichkeiten verbleiben dem Bundestag dadurch, daß die Regelungen zur Geld- und Währungspolitik im EGV und in der ESZB-Satzung mit Ausnahme vereinzelter technischer Vorschriften 320 verstärkten Abänderungsschutz genießen. Eine Änderung der rechtlichen Grundlagen der Tätigkeit des EZB ist nur durch Vertragsänderung möglich. Eine solche erfolgt nach dem jetzt maßgeblichen Art. N EUV erst nachdem sie von allen Mitgliedstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften ratifiziert worden sind. Das Ratiftkationsverfahren erfordert die Beteiligung des Bundestages und sorgt somit ftlr einen Rest gesetzgeberischer Kontrolle von Aufgabenbereichen bzw. Handlungsmitteln der EZB.321 Da diese Einflußnahmemöglichkeit einen absoluten Ausnahmetatbestand bildet und gleichzeitig das Europäische Parlament wegen der Vertragsänderungskompetenz der Mitgliedstaaten ebensowenig über eine gesetzgeberische Steuerungsmöglichkeit verftlgt, andererseits die EZB aber mindestens ebenso weitreichende Kompetenzen wie die Bundesbank in Anspruch nimmt, erweist sich an dieser Stelle erneut die Dringlichkeit der Frage nach der demokratischen Legitimation des HandeIns der Europäischen Zentralbank. (2) Insbesondere: Die Vereinbarkeit der Unabhängigkeit der EZB mit dem Demokratieprinzip
Die Tatsache, daß eine europäische Zentral bank weitgehend unabhängig von sanktionsbewehrten parlamentarischen Kontrollrechten sowohl der nationalen Parlamente, wie auch des Europäischen Parlaments Geldpolitik betreiben könnte und ebenso von exekutiven Weisungsabhängigkeiten befreit ist, hat in der Rechtsliteratur schon früher zu der Annahme gefllhrt, daß eine Übertragung Beisse, BB 1992, S. 645 (647); Randelzhofer, in: Maunz I Dürig, Art. 24, Rn. 122. Beisse, a.a.O. 319 Beisse, a.a.O.; vgl. schon Abschnitt B. I. 2. 320 Z.B. Art. 17 bis 19.1 ESZB-Satzung über die währungspolitischen Aufgaben und Operationen der EZB, die der Rat nach Art. 106 Abs. 5 EGV einstimmig verändern kann. 321 Vgl. BVerfUE 89, 155 (207 f.). 317 318
111. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentral bank
137
währungspolitischer Hoheitsrechte auf eine Gemeinschaftsinstitution auch angesichts des allgemeinen Demokratiedefizits in der Gemeinschaft nicht zulässig sei. 322 In jüngerer Zeit bemängelten insbesondere auch die BeschwerdefUhrer im Maastricht-Verfahren des BVerfG die ihrer Ansicht nach fehlende demokratische Legitimation der Europäischen Zentralbank. 32J In der Tat stellt die Frage, ob die DurchfUhrung einer europäischen Geldpolitik durch ein unabhängiges Noteninstitut mit dem Demokratieprinzip zu vereinbaren ist, ein verfassungsrechtliches Problem dar. Hoheitsrechtsübertragungen auf die Europäische Union sind nach neuer deutscher Verfassungslage gemäß Art 23 Abs. 1 GG324, wie auch schon unter Geltung des Art. 24 Abs. 1 GG nur dann verfassungsgemäß, wenn sie die in Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG fUr unveräußerlich erklärten Prinzipien beachten. Demnach muß auch die Übertragung der Währungskompetenzen auf die Europäische Zentralbank den hier geforderten Grundsätzen demokratischer Legitimation entsprechen. Dieses ist nur dann möglich, wenn deren autonomer Status selbst demokratisch zu legitimieren ist. Die Problematik der Vereinbarkeit einer unabhängigen Zentralbank mit den Anforderungen einer parlamentarischen Demokratie ist schon im Hinblick auf die Bundesbank in der deutschen rechtswissenschaftlichen Diskussion eingehend erörtert worden 32s und Gegenstand einer grundlegenden Entscheidung des BVerwG326 gewesen. Nach überwiegender Auffassung ist die der Bundesbank eingeräumte Autonomie verfassungskonform. 327 Zwar sind sogenannte "ministerialfreie Räume", also Stellen der Exekutive, die nicht der Regierung unterworfen sind, weshalb diese auch keine parlamentarische Verantwortung trägt, im System der parlamentarischen Demokratie grundsätzlich zu vermeiden. 328 Eine Durchbrechung des Prinzips im Fall der Bundesbank wird jedoch damit gerechtfertigt, daß Art. 88 GG a. F. eine verfassungsrechtliche Zulassung dieses Ausnahmetatbestands darstelle. Da dem Verfassungsgeber die Unabhängigkeitsproblematik bei Zentralbanken bekannt war, habe er sie durch Art. GramIich, Europäische Zentralbank, S. 96 ff. (172). Vgl. den Aufsatz des Prozeßbevollmächtigten Schachtschneider (mit Emmerich-Fritsche und Beyer), JZ 1993, S. 751 (755f.). 324 Zur Geltung der Anforderungen des Art. 23 GG auch im Anwendungsbereich des Art. 88 S. 2 GG, vgl. oben D. I. 32S Vgl. die Darstellung des Streitstands bei Schmidt, HbStR 111, S. 1136 f. 326 BVerwGE 41, 334 ff. 327 BVerwGE 41,334 (356 ff.); aus der Lit.: Maunz, in: Maunz I Dürig, Art. 88, Rn. 19; Stern, Staatsrecht 11, S. 497; Papier, Der Staat Beiheft 5 (1981), S. 109 (112); Schmidt, HbStR 111, S. 1137; a. A. Klein, S. 215; Bedenken bei Böckenfllrde, S. 184. 328 BVerfGE 9, 268 (282 ff.); 22, 106 (113). 322
323
138
D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
88 GG zumindest nicht ausschließen wollen. J29 Insbesondere das BVerwG330 sieht die Gewährleistung des Handlungsfreiraums der Bundesbank auch durch ihre Einbindung in ein Netz von Abhängigkeiten persönlicher und sachlicher Art als demokratisch legitimiert an. Persönliche Abhängigkeiten entstehen durch die Bestellung der Zentralbankratsmitglieder durch die demokratisch legitimierten Verfassungsorgane Bundesregierung, -rat, und -präsident. Sachliche Verschränkungen bestehen vor allem durch die Koordinationspflichten des § 13 BBankG. Schließlich dient die mehrfach erwähnte Steuerungsmöglichkeit des Parlaments durch seine Gesetzgebungskompetenz nach Art. 73 Nr. 4 GG der Rechtfertigung der Bundesbankautonomie, da auch hierdurch eine Anbindung an das parlamentarische System erreicht wird. An diese Überlegungen zur Rechtfertigung der Autonomie der Bundesbank vor den Anforderungen des Demokratieprinzips kann die Legitimierung der Unabhängigkeit einer Europäischen Zentralbank anknüpfen. Wie oben bereits angeftlhrt, ist auch die Übertragung der Währungshoheit gemäß Art. 79 Abs. 3 i.V.m. 20 Abs. 1 GG an die Anforderungen des Demokratieprinzips gebunden. Dabei ist aber zu beachten, daß Art. 79 Abs. 3 GG mit seiner Bestandsgarantie zwar den Kemgehalt der Verfassung schützt; er schützt diese Verfassungsinhalte jedoch nur als Prinzipien und steht daher einer prinzipienwahrenden Modifikation der unabänderlichen Verfassungsinhalte nicht entgegen. 331 Auch das BVerfG betont, daß die Verselbständigung der Wahrnehmung der währungspolitisehen Befugnisse bei einer unabhängigen Zentralbank eine derartige sachlich gebotene Modifikation des Demokratieprinzips im Sinne einer verminderten unmittelbaren demokratischen Legitimation erfordere. 332 Zwar ist die Tätigkeit einer Zentral bank in einem gerade ftlr ein modemes Gemeinwesen eminent wichtigen Politikbereich prägend und entscheidend333 , so daß eine demokratische Anbindung grundsätzlich unverzichtbar ist. Insbesondere die Erfahrungen mit der Autonomie der Bundesbank zeigen jedoch, daß der besondere Charakter der Geldpolitik nach einem adäquaten Status verlangt. 334 Nur eine unabhängige Zentralbank trägt der Besonderheit Rechnung, daß eine Politik des stabilen Geldwertes längerfristig auch einmal gegen Hoheitsorgane durchgesetzt werden muß, deren von Geldmenge und Geldwert abhängige
329
Maunz, in: Maunz I DUrig, Art. 88, Rn. 19; vgl. auch BVerwGE 41, 334 (356).
333
Klein, S. 215.
330 BVerwGE 41, 334 (357). 331 Kirchhof, HbStR I, S. 802. 332 BVerfUE 89, ISS (207 f.).
334 s. dazu Abschnitt D. 111. I. b).
III. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentral bank
139
Interessen denjenigen einer solchen Politik entgegen laufen. 335 Das bekannte Wort Forsthoffs336, nach dem die Bundesrepublik sich vor sich selbst schützt, indem sie der Bundesbank die volle Unabhängigkeit gewährt, kann - in abgewandelter Fonn - durchaus auch auf die Europäische Zentralbank Verwendung finden. Auf supranationaler Ebene erhält dieser Gedanke d~s demokratischen Selbstschutzes337 wegen der bereits beschriebenen Vennehrung der potentiellen "pressure groups"338 sogar besondere Aktualität. Insbesondere gegen eine legislative parlamentarische Kontrolle spricht im übrigen die besondere Natur der einer Zentralbank zur autonomen Wahrnehmung obliegenden Maßnahmen der Währungssteuerung. 339 Die Handhabung der währungspolitischen Instrumente ist traditionell der Exekutive anvertraut, selbst wenn es sich rechtlich um Akte der Rechtssetzung handelt. Dieses ist eine Folge der besonderen Situationsgebundenheit des währungspolitischen HandeIns, die dazu fllhrt, daß sich Maßnahmen wie z.B. die Festsetzung des Diskontsatzes direkter parlamentarischer Kontrolle entziehen. 340 Aus diesem Grund erscheint eine Modifizierung des Demokratieprinzips im Hinblick auf eine Europäische Zentralbank geradezu als geboten. Als solche hat sie sich jedoch auf die klar umrissene Sachaufgabe der Gestaltung der Geldpolitik zu beschränken. 341 Art. 88 S. 2 GG enthält demnach die ausdrückliche verfassungsrechtliche Zulassung dieser situationsgebundenen Modifikation des Demokratieprinzips. Dieser besondere Funktionsschutz fllr die Währungspolitik der EZB durch die Verfassung legitimiert die Abweichungen von den Anforderungen des Demokratieprinzips, insoweit sie von sanktionsbewehrter parlamentarischer Kontrolle und Weisungsabhängigkeit zur Exekutive befreit ist. Gleichzeitig ist aber festzustellen, daß die Forderung nach einer unabhängigen Europäischen Zentralbank zwar eine Modifikation des Demokratieprinzips bedeutet, keinesfalls jedoch seine Aufgabe. Der Kemgehalt des Deniokratieprinzips, daß nämlich "Volkssouveränität" in dem Sinne bestehen muß, daß jede Ausübung hoheitlicher Gewalt ihre Grundlage in einer Entscheidung des Volkes findet342 , erfährt auch bei Organisation und Tätigkeit der EZB Beachtung. Wie die Bundesbank erlangt die EZB zusätzliche demokratische Legiti335 Vgl. auch BVerfUE 89, ISS (208). 336 Forsthoff, S. 13. 331 331
Vgl. Schmidt, Wirtschaftsrccht, S. 364.
s. D. 111. I. a).
339
Siebelt,DÖV 1990, S. 362 (372).
341
BVcrfUE 89,155 (209).
340 Sicbelt, a.a.O.; ähnlich Hasse, Zentralbank, S. 123 f. 342 Kirchhof, HbStR I, S. 806.
140
D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
mation durch die Einbindung in ein System von Abhängigkeiten persönlicher und sachlicher Art, um die bekannte Formel des BVerwG343 zu verwenden. In sachlicher Hinsicht wurde bereits dargestelltJ44 , daß zwischen der EZB auf der einen Seite und den Gemeinschaftsorganen Rat, Kommission und Parlament auf der anderen Seite ein verzweigtes Kooperationssystem mit wechselseitigen Teilnahmerechten, sowie Berichtspflichten der EZB besteht. Gerade dem Europäischen Parlament sind durch die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen und auch durch das Petitionsrecht parlamentarische Kontrollmöglichkeiten eingeräumt worden. Eine sachliche Anbindung an die Politik des Rates entsteht schließlich durch die Unterstützungspflicht der EZB filr die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft, durch welche sie in das wirtschaftlichpolitische Umfeld der Gemeinschaft eingeordnet wird. 34s Besonders deutlich wird die Einbindung der EZB in eine demokratische Legitimationskette bei der Betrachtung der persönlichen Abhängigkeiten, die durch die Bestellung der Mitglieder des Europäischen Zentralbankrats entstehen. Die Präsidenten der nationalen Zentralbanken werden durch die nationalen Rechtsvorschriften bestimmt. Dieses bedeutet fUr den deutschen Bundesbankpräsidenten, daß er nach derzeitiger Rechtslage gemäß § 7 BBankG vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung bestellt wird. Da die Bundesregierung hinsichtlich ihres Vorschlags parlamentarischer Verantwortung unterliegt, läßt sich die demokratische Legitimationskette ohne weiteres auf die nationalen Parlamente, wie hier den Bundestag, zurückfUhren. Ähnliches gilt auch filr die Mitglieder des Direktoriums, wenn auch in geringerem Maße. Nach Art. 109 a Abs. 2 Iit. b EGV werden die Mitglieder des Direktoriums von den Regierungen der Mitgliedstaaten auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs ernannt. Hinsichtlich ihres Abstimmungsverhaltens werden diese durch ihre nationalen Parlamente kontrolliert, aber auch demokratisch legitimiert. Die Ausübung der Währungshoheit durch eine unabhängige EZB ist daher zumindest hinsichtlich dieses personellen Aspekts ohne weiteres auf eine demokratische Legitimation durch die nationalen Parlamente und damit durch die Staatsvölker der Mitgliedstaaten zurOckzufilhren. Dieses entspricht der vom BVerfG in der Maastricht-Entscheidung erklärten Einschätzung, daß die demokratische Legitimation des Gemeinschaftshandelns bis auf weiteres weiterhin durch die nationalen Parlamente vermittelt werden muß.J46 Schließlich verschafft die Ratifika343 BVerwGE 41, 334 (357). 344 Abschnitt D. 111. 4. a) - d). 345 Nicolaysen, S. 28; zur Einbindung der EZB in den Gemeinschaftsrahmen vgl. auch Pip-
kom, EuR, Beiheft 1/1994, S. 85 (89). 346 BVerIDE 89,155 (185).
III. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentral bank
141
tion des EU-Vertrages, der die Rechtsgrundlagen des EZB-Handelns enthält, der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank eine originäre demokratische Legitimation.]47 So kann auch die Schwierigkeit des Vertragsänderungsverfahrens zu einem Argument zugunsten der demokratischen Absicherung der EZB-Autonomie werden: Das Vertragsänderungsverfahren .nach Art. N EUV erfordert die Ratifikation durch die Mitgliedstaaten. Damit verbleiben den nationalen Parlamenten, also auch dem Bundestag, die erwähnten ansatzweisen Kontrollmöglichkeiten hinsichtlich der Aufgaben der EZB und ihrer Ausstattung mit Befugnissen. Auch hierdurch wird im übrigen der Forderung des BVerfG nach zumindest mittelbarer demokratischer Legitimation entsprochen. Damit zeigt sich, daß der autonome Status der EZB zwar unmittelbar sanktionsbewehrte parlamentarische Kontrolle und exekutive Einflußnahmen auf das Zentralbankhandeln verhindert, aber dennoch demokratischer Absicherung nicht entbehren muß. Die Europäische Zentralbank ist in einem Ausmaß in die demokratischen Legitimationsketten der Gemeinschaft, wie der Mitgliedstaaten eingebunden, die das Fazit erlaubt, daß· die EZB den Anforderungen des Demokratieprinzips im Rahmen der durch ihre besondere AufgabensteIlung notwendigen Modifizierungen, entspricht. ]48 (3) Das Verhältnis zu den mitgliedstaatlichen Gerichten
Schließlich gilt es, das Verhältnis der EZB zu den einzelstaatlichen Gerichten zu untersuchen. Die oben zum Verhältnis der EZB zum EuGH getroffene Aussage]49, daß die EZB grundsätzlich der rechtsprechenden Gewalt unterworfen ist, läßt sich auf das Verhältnis zu den mitgliedstaatlichen Gerichten übertragen. Die in der Rechtsliteratur vereinzelt geäußerte Ansicht, mit der dritten Stufe der Währungsunion werde nicht nur das traditionelle Rechtsverhältnis von Geschäftsbanken und Unternehmen zur nationalen Geld- und Währungspolitik unumkehrbar abgelöst, vielmehr werde auch die diesbezügliche nationale durch eine supranationale Gerichtsbarkeit ersetztlSO, erweist sich nämlich angesichts der Regelungen des EGV als voreilig. Neben der bereits erwähnten Generalklausel des Art. 35.1 ESZB-Satzung, welche die Judizierung durch den EuGH betrifft, enthält Art. 35.2 ESZB-Satzung eine Regelung, welche die Zuständigkeit der nationalen Gerichte rur Rechtsstreitigkeiten, an denen die EZB beteiligt ist, von denjenigen des EuGH abgrenzt. Danach sind rur Rechts]47 Pemice, Verwaltung 1993, S. 465 Fn. 81. ]48 So auch BVerttlE 89, IS5 (209); vgt. auch Hahn, Vertrag von Maastricht, S. 129 f. ]49 s. Abschnitt D. 111. 4. d). ]SO
Koenig, EUZW 1993, S. 661 (665).
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
streitigkeiten zwischen der EZB einerseits und ihren Gläubigern, Schuldnern oder dritten Personen andererseits, grundsätzlich die mitgliedstaatlichen Gerichte zuständig. In der Zusammenschau mit der in Art. 35.1 ESZB-Satzung enthaltenen Generalklausel zugunsten der Zuständigkeit des EuGH ergibt sich daraus folgende Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche: - Der EuGH ist zunächst zuständig rur Streitigkeiten, welche die EZB mit anderen Organen der Gemeinschaft bzw. den Mitgliedstaaten Ober Fragen der Geldmarktsteuerung austrägt. - Art. 180 Iit. d EGV351 weist dem EuGH ausdrücklich auch die Zuständigkeit rur Streitigkeiten innerhalb des ESZB über die Erfilllung der Verpflichtungen aus der ESZB-Satzung durch die nationalen Zentral banken zu. - Aus der Aufnahme der EZB in den Zuständigkeitskatalog nach Art. 173 ff. EGV ergibt sich weiterhin die Zuständigkeit des EuGH ftlr Klagen gegen die EZB wegen der Handhabung ihres währungspolitischen Instrumentariums, welches gemäß Art. 108 a Abs. 1 EGV die Rechtsformen einer Verordnung oder einer Entscheidung erhält. Dieses gilt auch rur die Gewährung subjektiven Rechtsschutzes. - Im selben Umfang, in welchem der Rechtsweg gegen die EZB gemäß Art. 173 ff. EGV eröffnet ist, sind die Handlungen des Instituts auch einer Vorabentscheidung gemäß Art. 177 Iit. b EGV zugänglich. - Schließlich ist der EuGH auch zuständig für Schadenersatzklagen gegen die EZB. Art. 35.3 ESZB-Satzung verweist insoweit ausdrücklich auf die Anwendbarkeit der Art. 178 und 215 EGV. - Eine Möglichkeit, die Zuständigkeit des EuGH vertraglich zu begründen, bietet Art. 35.4 ESZB-Satzung. Damit wird eine in der Praxis anderer Finanzinstitutionen gebräuchliche Vereinbarungsform auf die Tätigkeit der EZB angewendet, aus der sich eine umfangreiche Inanspruchnahme des EuGH ergeben könnte. 352 - In den Zuständigkeitsbereich der nationalen Gerichte fallen demnach vorrangig die bereits erwähnten Rechtsstreitigkeiten zwischen der EZB und ihren Gläubigern, Schuldnern und dritten Personen gemäß Art. 35.2 ESZBSatzung. Da das eigentliche währungspolitische Instrumentarium der EZB, also beispielsweise die Festsetzung des Diskont- oder Lombardsatzes gemäß 351 Inhaltsgleich auch Art. 35.6 ESZB-Satzung. 352 Vgl. dazu näher Hahn, Vertrag von Maastricht, S. 101.
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Art. 18.1 ESZB-Satzung, oder die Festsetzung der Mindestreserven nach Art. 19 ESZB-Satzung, der Judizierung durch den EuGH unterliegt, betrifft Art. 35.2 ESZB-Satzung die Kunden- und Vollzugsgeschäfte, welche die Zentralbank zur Erfllliung ihrer Aufgaben in erster Linie mit den Kreditinstituten 353 , aber auch mit anderen Personen tätigt. 354 Dabei handelt es sich hauptsächlich um den An- und Verkauf von Wechseln, anderen Wertpapieren oder Gold und Devisen. Derartige Rechtsbeziehungen zwischen der Zentralbank und ihren Kunden sind in der Regel privatrechtlicher Natur. 3S5 - Eine weitere Zuständigkeit der nationalen Gerichte ergibt sich aus Art. 35.3 ESZB-Satzung, wonach sich die Haftung der nationalen Zentralbanken im ESZB nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht richtet. Für Schaden ersatzklagen gegen die nationalen Zentralbanken sind demnach die mitgliedstaatlichen Gerichte zuständig. Diese Gesamtschau der einschlägigen justiziablen Tatbestände zeigt einen Grad von Justiziabilität des zentralbanklichen Handeins auf, der das bereits früher geäußerte Urteil bestätigt, daß dieses in seiner Vollständigkeit die einschlägigen Regelungen der nationalen Rechtsordnung übertrifft. 3S6 Die rechtsprechende Gewalt wird so ihrer Rolle als rechtsstaatlichem Korrektiv gegenüber der Unabhängigkeit der EZB, wie des ESZB als ganzem, gerecht. Es zeigt sich damit ein weiterer Aspekt der Einbindung der EZB in die supranationalen und mitgliedstaatlichen Strukturen, die verhindert, daß die Zentral bank zu einer Institution neben der Gemeinschaft wird. (4) Das Verhältnis zur Bundesregierung
Für das Verhältnis der EZB zur Bundesregierung ist wiederum Art. 107 EGV bzw. Art. 7 ESZB-Satzung maßgeblich. Demnach darf weder die EZB Weisungen von der Bundesregierung entgegennehmen, noch darf die Bundesregierung versuchen, die Mitglieder der Beschlußorgane der EZB bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen. Eine Einflußnahme ist den nationalen Regierungen höchstens auf mittelbarem Wege durch die Beteiligung am Bestellungsverfahren rur die Zentralbankratsmitglieder, sowie durch das Mitwirken im Rat möglich, der im Hinblick auf die Geld- und Währungspolitik über einige Ent353 354
sind. 355 356
l.B. Rediskont- und Lombardkredite. l.B. die sog. Offenmarktgeschäfte, welche der ElB nach Art. 18 ESlB-Satzung erlaubt So zum BBankG: Hahn, Wllhrungsrecht, § 20 Rn. I; Stern, Staatsrecht 11, S. 484. Vgl. dazu Hahn, Wllhrungsrecht, § 20 Rn. 14 ff.
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scheidungs- und Kooperationsbefugnisse verfllgt. Auf die Bestellung der Zentralbankratsmitglieder wird auch die Bundesregierung im Hinblick auf die Direktoriumsmitglieder durch die Notwendigkeit einer einvernehmlichen Ernennung lS7 durch die Staats- und Regierungschefs den ihr zukommenden Einfluß ausüben können. Hier erweist sich aber auch die Zweischneidigkeit, weIche dieser Einflußnahmemöglichkeit der nationalen Regierungen wegen des Einvernehmlichkeitsprinzips innewohnt. So kann zwar einerseits hervorgehoben werden, daß stabilitätsbewußte Regierungen auf diese Weise die Möglichkeit besitzen, Kandidaten abzulehnen, die keine Gewähr fllr ein Handeln im Sinne der Vorrangigkeit der Preisstabilität bieten. Dieses schließt aber notwendig auf der anderen Seite die Möglichkeit ein, daß auch Regierungen mit traditionell anderen wirtschaftspolitischen Präferenzen ein regelrechtes Blokkadeinstrument besitzen. Neben dieser Beteiligung am Ernennungsverfahren der Direktoriumsmitglieder besitzen die nationalen Regierungen durch die Ernennung ihrer jeweiligen nationalen Zentralbankpräsidenten nach weitgehend unvereinheitlichtem nationalem Recht eine erhebliche Einflußnahmmöglichkeit auf die Politik der EZB.3S8 Durch ihren jeweiligen Vertreter im Rat hat die Bundesregierung, wie die übrigen Regierungen Anteil an folgenden Entscheidungen: Die möglichen Vereinbarungen des Rates über ein Wechselkurssystem fllr die ECU gegenüber DrittwährungenlS9 ; hinsichtlich des währungspolitischen Instruments der Festlegung der Mindestreserven an der Festsetzung der Basis und der höchstzulässigen Mindestreservesätze360 sowie an der Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kredit- und sonstige Finanzinstitute an die EZB.361 Diese Aufzählung der Beteiligungsmöglichkeiten an Entscheidungen des Rates wird vervollständigt durch den Hinweis darauf, daß die Bundesregierung über ihren Vertreter im Rat auch Anteil an den Teilnahmerechten des Art. 109 b EGV hat. Die Darstellung zeigt, daß die Bundesregierung, wie auch die anderen nationalen Regierungen, auf die eigentliche Gestaltung der Geldpolitik durch die EZB kaum rechtlich vorgesehene Einflußnahmemöglichkeiten besitzt. Der "neuralgische Punkt" des Verhältnisses der EZB zu den nationalen Regierungen liegt vielmehr im Vorfeld, nämlich im Bestellungsverfahren rur die Zentralbankratsmitglieder. Hier läßt sich zumindest faktisch Art. 109 a Abs. 2 Iit. b EGV. s. Abschnitt D. IlI. 3. c). 3S9 Vgl. Art. 109 EGV, naher Abschnitt D. IlI. 7. 360 Art. 19.2 ESZB-Satzung. 361 Art. 105 Abs. 6 EGV. 3S7 3S8
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wohl die Möglichkeit nicht ausschließen, willflihrige Personen zur EZB "abzuordnen", die spezifisch nationale gouvernementale Interessen unter Subordinierung des Ziels der Preisstabilität verfolgen könnten. 362 Jenseits hypothetischer Spekulation kann nur die praktische Erfahrung erweisen, daß die hier rur ausreichend befundenen normativen Vorgaben zur Sicherung der personellen Autonomie, möglicherweise im Zusammenspiel mit einer sich entwickelnden gemeinschaftsweiten Präferenz rur die Geldwertstabilität und dem bereits zitierten Thomas-Beckett-Effekt dazu ausreichen, den Europäischen Zentralbankratsmitgliedern eine persönliche Unabhängigkeit zu gewähren, die sie zur Verfolgung einer konsequenten Stabilitätspolitik beflihigt. 5. Die vermägensrechtliche Unabhängigkeit
Zu den Erscheinungsformen der Unabhängigkeit einer Zentralbank gehört auch die Autonomie in vermögensrechtlicher Hinsicht. Obwohl heute wohl allgemein angenommen wird, daß die Bedeutung des Grundkapitals rur den Bestand eines autonomen Handlungsfreiraums der Zentralbank eher gering einzuschätzen ist363 , trifft der EG-Vertrag im Gegensatz zum BBankG auch in dieser Hinsicht ausreichende Vorsorge. Nach bisheriger deutscher Rechtslage ist der Bund gemäß § 2 Abs. 2 BBankG Eigentümer des Grundkapitals der Bundesbank. Ebenso hat die Bundesbank nach § 27 BBankG einen nach Abzug von Rücklagen verbleibenden Reingewinn an den Bund abzufuhren. Im Gegensatz zu dieser engen vermögensrechtIichen Verquickung von Bundesbank und Bund, also letztlich der Bundesregierung, stellt sich die Lösung nach dem EGV dar. Gemäß Art. 28.2 ESZB-Satzung sind die bis dahin unabhängigen Zentralbanken alleinige Zeichner und Inhaber des Kapitals der EZB, das bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit 5 Mrd. ECU beträgt, aber später durch Beschluß des EZB-Rates durchaus erhöht werden kann. 364 Die Quoten der Kapitalanteile errechnen sich aus dem Anteil des betreffenden Landes an der Gesamtbevölkerung und dem Bruttoinlandsprodukt der Gemeinschaft. 36s Nach diesem Schlüssel richtet sich ebenfalls die Übertragung von Währungsreserven, welche von den nationalen Zentralbanken bis zu einem Gegenwert von 50 Mrd. ECU auf die EZB zu übertragen sind. Ebenso wie die Aufbringung der Zentralbank362 Oie Betllrchtung äußert explizit z.B. Ohr, in: Hrbek (Hrsg.), Maastricht, S. 89 (95); vgl. dazu aber andererseits auch schon die Austllhrungen zur personellen Unabhängigkeit, O. IIJ. 3. c). 363 So schon v.Spindler I Becker I Starke, § 12 Anm. 3 (S. 265 f.); Uhlenbruck, S. 53; vgl. auch die Selbsteinschätzung der Bundesbank in: Ot. Bundesbank, Geldpolitische Aufgaben, S. 7. 364 Vgl. Art 28.1 ESZB-Satzung. 36S Art. 29 ESZB-Satzung.
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
Aktiva, regelt sich die Gewinnverteilung ESZB-intem. Nach den Art. 32 und 33 ESZB-Satzung werden die Gewinne der EZB und der nationalen Zentralbanken verrechnet und entsprechend den Kapitalanteilen an die nationalen Zentralbanken verteilt. Damit wird in vermögensrechtlicher Hinsicht jede Abhängigkeit zur Gemeinschaftsexekutive, aber auch zu den nationalen Regierungen vermieden. Da jede Gewinnabfuhrung einer Zentralbank gleichzeitig durch die Vermehrung des Geldumlaufes zu einer Geldschöpfung fllhrt 366, erleichtert das EZB-Modell die Kontrolle der Geldmenge. In seiner dezentralen Ausgestaltung ähnelt das System der vermögensrechtlichen Autonomie der EZB im Ubrigen weniger der Bundesbank, als der von 1947 bis zur Errichtung der Bundesbank im Jahre 1957 bestehenden Bank deutscher Länder (BdL)367. Auch dort waren die Landeszentralbanken - und nicht der Bund - Anteilseigner des von ihnen geschaffenen Spitzeninstituts BdL. Eine derartige Dezentralisierung hinsichtlich Kapitalaufbringung und Kapitalverteilung erweist sich auch aus dieser Perspektive als geeignet, fUr die weitere Absicherung der Autonomie der EZB zu sorgen. 6. Verbot der monetären Haushaltsjinanzierung
Eine weitere wesentliche potentielle EinbruchsteIle des Staates in die monetäre Autonomie einer Zentralbank besteht dann, wenn der Staat die Möglichkeit hat, seine Ausgaben direkt oder indirekt Uber Zentralbankkredite zu finanzieren. J68 Der Einsatz der Notenpresse ist auch heute noch in manchen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ein gängiges Mittel der Finanzierung öffentlicher Defizite ..169 Die Verpflichtung der Zentralbank zur Gewährung von Kreditfazilitäten an die öffentliche Hand fUhrt zu unfreiwilliger Geldschöpfung l7O, welche die zur Aufrechterhaltung der Geldwertstabilität unabdingbare Kontrolle der Geldmenge erschwert. Gerade im Kontext der Einfuhrung der Wirtschafts- und Währungsunion nach dem Maastrichter Vertragsmodell kommt dem Verbot der monetären Haushaltstinanzierung besondere Bedeutung zuYI Da der EG-Vertrag zwar eine Vergemeinschaftung der Währungspolitik vorsieht, die Wirtschaftspolitik aber in originärer Zuständigkeit der 366
Vgl. Gramlich, BBankG,
~
27 Rn 3.
367 So Glcskc, in: FS Scmlcr, S. 895 (898): Welckcr / Ncrgc, S. 36; zum Vorhildcharaktcr dcr
BdL auch schon Kloten, EA 191111, S. 291 1'.; vgl. dazu noch Ahschnitt G. 111. .16K Hasse, ZCl1trulhank, S. 119. 3(,9 Vgl. Tahelle S. 56 in: Kummissiun der 1:(;. Wirtschalls- und Wllhrungsunion. 370 Grumlich, BBunkO, ~ 20 Rn 4. 371 Gleskc, in: FS Semler, S. 895 (905).
IJI. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank
147
Mitgliedstaaten verbleibt, existiert weiterhin keine institutionalisierte gemeinschaftliche Kontrolle über deren Finanzpolitiken. Die Sicherung der Haushaltsdisziplin in den Mitgliedstaaten wird daher auch zukünftig nur mit Einschränkungen möglich sein. Der EG-Vertrag trägt diesem Bedenken jedoch durch Art. 109 e Abs. 3 i.V.m. Art. 104 EGV Rechnung. Danach sind Überziehungs- und andere Kreditfazilitäten bei der EZB oder den nationalen Zentralbanken rur Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft ebenso verboten, wie rur die Mitgliedstaaten selbst und deren öffentliche Stellen oder Unternehmen. Dieses Verbot tritt bereits mit Beginn der zweiten Stufe in Kraft. Gleichfalls verboten wird der Erwerb von Schuldtiteln durch die EZB oder die nationalen Zentralbanken unmittelbar von den genannten gemeinschaftlichen oder mitgliedstaatlichen Adressaten des Verbots. Damit wird auch dieser Form der indirekten Defizitfinanzierung ein Riegel vorgeschoben. Die Finanzierung öffentlicher Defizite kann angesichts dieser strengen Regelung im Rahmen der Währungsunion nur über die Märkte erfolgen, so daß eine Sanktionierung unsolider Finanzpolitik zu weiterer Haushaltsdisziplinierung der Teilnehmerstaaten führen wird. 372
7. Relativierung der Unabhängigkeit der EZB durch die "offene Flanke" der Wechselkurspolitik? Harter Kritik waren insbesondere auch die Regelungen des Maastrichter Vertragswerkes ausgesetzt, die sich mit der Wechselkurskompetenz gegenüber dritten Ländern, also der Außenstabilität der dann bestehenden Gemeinschaftswährung, beschäftigen. Einen besonderen Bekanntheitsgrad erlangte - wohl wegen seiner pointierten Kürze - das bereits erwähnte sogenannte "Manifest der 60 Ökonomen" gegen die Maastrichter BeschlUsse. Dort wird folgende These aufgestellt: Als Voraussetzung für eine erfolgreiche Politik der Preisstabilität mUßte die Europäische Zentralbank auch die Wechselkurskompetenz gegenüber Drittlandswährungen besitzen. Da diese Kompetenzübertragung nicht vorgesehen ist, bestehe die Gefahr, daß über politische Einflußnahme auf die Wechselkurse die Geldpolitik stabilitätswidrig konterkariert werde. m Wahlig spricht insofern von der "offenen Flanke" der Wechselkurspolitik. 374 In der Tat sieht der EG-Vertrag in seinem Art. 109 vor, daß der Rat einstimmig förmliche Vereinbarungen über ein Wechselkurssystem rur die ECU gegenüber m Glcskc, in: FS Scrnlcr, S. 1195 (906). J7J These 6 des' Manifestes (Fn. 232). 374 Begrill" bei Wahlig in: Gramlieh u.a.(Hrsg.): Währungsunion. S. 37 (46). 10'
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
Drittlandswährungen treffen kann. Dieses soll auf Empfehlung der EZB oder der Kommission und nach Anhörung der EZB in dem "Bemühen" geschehen, zu einem mit dem Ziel der Preisstabilität in Einklang stehenden Konsens zu gelangen. Unter denselben Voraussetzungen kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit Paritätsänderungen festlegen, ändern oder aufgeben. Bestehen dagegen flexible Kurse, so kann der Rat nach Art. 109 Abs. 2 EGV nach demselben Verfahren lediglich "allgemeine Orientierungen" für die Wechselkurspolitik gegenüber diesen Währungen aufstellen. Diese dOrfen das vorrangige Ziel der Erhaltung der Preisstabilität nicht beeinträchtigen. Demnach ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, daß der Rat Wechselkurse gegenüber Drittlandswährungen festsetzt, die der Stabilitätspolitik dadurch zuwiderlaufen, daß erhöhte Interventionsverpflichtungen entstehen, die wiederum die umlaufende Geldmenge in einem nicht erwünschten Ausmaß erhöhen und inflationäre Tendenzen verstärken. Bevor wegen dieser Schwachstelle375 des Vertrages aber die Unabhängigkeit der EZB als solche in Zweifel gezogen wird, sollte folgendes beachtet werden: Daß Entscheidungen über das Wechselkurssystem nicht in erster Linie Zentralbankangelegenheiten sind, entspricht einer verbreiteten Tradition. Schon im System von Bretton-Woods und ebenso im Europäischen Währungssystem fielen Entscheidungen über Paritätsänderungen in den Zuständigkeitsbereich der Regierungen. Auch in Deutschland trifft die Bundesregierung bei bestehenden fl>rmlichen Wechselkursvereinbarungen die Entscheidungen Ober die Festlegung der jeweiligen Interventionspunkte. 376 Diese Regelung hat aber bisher noch nicht dazu gefilhrt, daß der Bundesbank ihre Autonomie als ganzes abgesprochen wurde. Immerhin wurde zugunsten der EZB ausdrücklich eine Konsultationspflicht zur Herbeifilhrung eines mit der Preisstabilitätspflicht zu vereinbarenden Kompromisses vorgesehen. Eine derartige ausdrückliche Festlegung auf das Stabilitätsziel in rechtlicher Form ist im deutschen Zentralbankrecht nicht vorhanden. In der Praxis wesentlich größere Bedeutung dürfte im übrigen die Regelung des zweiten Absatzes erhalten377, da im Verhältnis zu Drittlandswährungen flexible Wechselkurse eine größere Wahrscheinlichkeit haben. In diesem Fall geht die Wechselkurskompetenz aber wieder auf den 375 Diese Bewertung enthält auch eine, dem Maastricht-Vertrag i.U. wohlgesonnene Stellungnahme deutscher Großbanken zu These 6 des Manitestes der 60 Ökonomen, abgedruckt in: Hrbek (Hrsg.), Maastricht, S. 161 ff. 376 Bofinger, Wirtschaftsdienst 1992, S. 457 (458), ders. in Hrbek (Hrsg.), Maastricht, S. 77 (81); vgl. auch Siebelt, Verhaltensspielraum, S. 144, m.w.Nachw. 377 So auch Gleske, in FS Semler, S. 895 (904).
III. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentral bank
149
EZB-Rat über. Der Ministerrat kann lediglich "allgemeine Orientierungen" abgeben. Schon deren Bezeichnung weist daraufhin, daß ihr Inhalt filr den EZB-Rat keinen rechtlich bindenden Charakter entfalten kann 378 • Da die Orientierungen laut Vertrag das Ziel der Preisstabilität nicht beeinträchtigen dürfen, fuhrte dessen Außerachtlassen im übrigen zu ihrer Rechtswidrigkeit. An rechtswidrige Orientierungen ist der EZB-Rat jedoch in keinem Fall gebunden. Demnach läßt sich konstatieren, daß der EG-Vertrag zwar die stabilitätspolitisch wünschenswerte Lösung der vollständigen Übertragung der Wechselkurskompetenz an den EZB-Rat unterläßt, andererseits aber auch hier eine rechtliche Bindung an das beherrschende Ziel der Preisstabilität versucht wird. Damit wird eine politische Einflußnahme auf die Geldpolitik zumindest nachhaltig erschwert und ein positiver Fortschritt im Vergleich zur bisherigen deutschen Rechtslage erreicht. Die Regelung der Wechselkurskompetenz stellt sich somit zwar nicht als zusätzliche Absicherung der Unabhängigkeit der EZB dar, beeinträchtigt diese andererseits aber auch nicht in einem Maße, die zu ihrer Negierung filhren könnte. 379 Zu Recht stellt Wahlig daher fest, man könne nicht erwarten, daß die EZB sich "deutscher als die Deutschen" darstelle. 380 8. Abschließende Bemerkungen zur Qualität der Autonomiegewähr/eistung Die vorhergehenden Untersuchungen der einzelnen Facetten oder Stufen der Unabhängigkeit der EZB haben durchgängig das Resultat aufgezeigt, daß die Qualität der Autonomiegewährleistung des EGV diejenige des BBankG für die Deutsche Bundesbank keineswegs unterschreitet, vielfach sogar übertrifft. Die Vorteile des EGV gegenüber dem BBankG wurden in den Einzeluntersuchungen herausgestellt; hier sei nur noch einmal die grundsätzlich primärrechtliche Absicherung der EZB-Autonomie gegenüber dem nur einfachgesetzlich definierten Status der Bundesbank hervorgehoben. Dennoch sah sich die Autonomiegewährleistung des EGV nach den Maastrichter Vertragsverhandlungen zum Teil harscher Kritik ausgesetzt. 381 Wie bereits erwähnt, wurde insbesondere von ökonomischer Seite eine vermeintlich mangelhafte Absicherung der personellen Autonomie sowie die fehlende umfassende Wechselkurskompetenz 378
EGV).
So auch die Denkschrift des Deutschen Bundestages, BT-Dr. 12 1 3334, S. 92 (zu Art. 109
379 Eine ähnliche Bewertung bei Gleske, in: FS Semler, S. 895 (903 f.).; Bofinger, Wirtschaftsdienst 92, 457 (458); Nicolaysen, S. 20. 380 Wahlig in: GramIich u.a.(Hrsg.), Währungsunion, S. 37 (46); vgl. auch Roth, EuR, Beiheft 1 11994, S. 45 (65). 381 Vgl. nur das Manifest der 60 Ökonomen (Fn. 232).
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
der EZB bemängelt. Ein weiterer häufig genannter Kritikpunkt war das Beste hen einer Unterstützungspflicht der EZB für die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft nach Art. 105 Abs. I S. 2 EGV.J82 Andererseits wird insbesondere von juristischer Seite teilweise die grundsätzliche demokratische Legitimation einer unabhängigen Zentral bank bestritten. 383 Diese Kritikpunkte stehen zueinander in einem unauflöslichen Widerspruch. Letztlich fllhrt nämlich gerade die Notwendigkeit eines Mindestmaßes an demokratischer Legitimation des Handeins einer unabhängigen Zentralbank zu Schwachstellen in ihrem "Autonomiepanzer". So ist die Anbindung an die allgemeine Wirtschaftspolitik aus demokratietheoretischer Perspektive notwendig, da nur so die Exekutivtätigkeit der unabhängigen Zentral bank in den umfassenden Verantwortungs- und Kontrollzusammenhang eines demokratisch legitimierten Gemeinwesens eingefllgt werden kann. 384 Ebenso wie § 12 S. I BBankG verhindern soll, daß die Bundesbank sich außerhalb der staatlichen Ordnung stellt, erfordert die Beachtung des Demokratieprinzips, daß die EZB durch Art. 105 Abs. I S.2 EGV in das supranationale Gesamtgefllge eingeordnet wird. Die Notwendigkeit demokratischer Kontrolle fllhrt schließlich auch dazu, daß die Ernennung der Mitglieder der Leitungsorgane der EZB maßgeblich durch die Regierungen der Mitgliedstaaten erfolgen muß. Die personelle Komponente der Autonomie erfordert als Korrelat eine personelle Anbindung an die demokratische Legitimationskette der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten. Ein bankinternes Ernennungsverfahren wUrde dieser notwendigen Legitimation entbehren. Zum Aspekt der fehlenden Wechselkurskompetenz wurde oben bereits Stellung genommen. 385 Erwähnt sei aber noch, daß auch hier die Regelung des EGV zumindest einen graduellen Fortschritt im Vergleich zum BBankG erbringt. Eine nähere Betrachtung zeigt somit die Unzulässigkeit idealtypischer Argumentation bei der Bewertung der Qualität der Autonomiegewährleistung der EZB.386 Akzeptiert man diese Prämisse, kann resümierend festgestellt werden, daß die Unabhängigkeit der EZB vom rechtlichenStandpunkt aus sowohl in institutioneller und personeller wie in materiel-
382 Zusammengefaßt z.B. bei Neumann, in: Gerken (Hrsg.), Europa 2000, S. 41 (44); Berthold, Außenwirtschaft 1992, S. 175 (196 f.) 383 s. dazu Abschnitt D. III. 4. e) (2). 384 Vgl. zur Unabhängigkeit der BBank: Gramlich, BBankG, § 12 Rn. 4. 385 Vgl. den vorhergehenden Abschnitt. 386 Vgl. auch: "Europa-Wissenschaftler plädieren rur Maastricht", in: Hrbek (Hrsg.), Maastricht, S. 179 (184).
IV. Das vorrangige Ziel der Sicherung der Preisstabilität
151
ler Hinsicht als gesichert anzusehen ist. J87 Der EZB wird zur Ertllllung ihrer Aufgaben nach Art. 105 EGV ein weitestgehender Handlungsfreiraum eingeräumt. Diese normative Absicherung ihrer Autonomie gibt der EZB eine gute Ausgangsbasis zur Gestaltung einer europäischen Geldpolitik, die "den Buchstaben der Stabilität auch mit dem Geist der Stabilität austllllt."388 Dennoch bleibt auch hier festzustellen, daß die rechtliche Absicherung der Unabhängigkeit zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung tllr eine erfolgreiche Währungspolitik im Sinne der Geldwertstabilität ist. Mindestens ebenso wichtig ist die Bildung eines gesamteuropäischen Stabilitätskonsenses, der auch die anderen wesentlichen Faktoren einer funktionierenden Stabilitätspolitik, nämlich die in nationaler Verantwortung verbleibende Lohn- und Fiskalpolitik, auf das Ideal des stabilen Geldwertes verpflichtet. 389
IV. Das vorrangige Ziel der Sicherung der Preisstabilität Art. 88 S. 2 GG knüpft noch eine weitere Voraussetzung an die Übertragung von Aufgaben und Befugnissen der Deutschen Bundesbank an eine Europäische Zentralbank. Derartige Hoheitsrechte können nur dann auf ein gemeinschaftliches Noteninstitut übertragen werden, wenn dieses dem vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität verpflichtet ist. J. Preisstabilität als Ziel zentralbanklicher Tätigkeit
Die Stabilität des Preisniveaus gilt seit jeher als wesentliche Voraussetzung rur das Florieren eines marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaftsraums. Preisstabilität verhindert, daß durch inflatorische Prozesse die Preisstrukturen verzerrt werden. 390 Eine solche Verzerrung tllhrt dazu, daß Unternehmen aus den Veränderungen nomineller Preise nicht mehr auf tatsächliche Angebotsund Nachfrageänderungen rückschließen können. Dadurch werden Investi-
387 Dieses war trotz aller Kritik auch der überwiegende Tenor in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung nach Maastricht. vgl. Opperrnann I Classen, NJW 1993, S. 5 (9); Weber, JZ 1994, S. 53 (57); Nicolaysen, S. 27; Fröhlich, S. 22; Wahlig, in: GramIich u.a. (Hrsg), Währungsunion, S. 37 ( 47); Bofinger, Wirtschallsdienst 1992, S. 457 (459); Tietmeyer, in: Isensee (Hrsg.), Europa, S. 35 (51); Köhler, in: Handelsblatt v. 10.3. 1992, S. 7; Haller, in: Bitburger GeprächeJahrbuch 1992, S. 1 (7). 388 Wahlig, in: GramIich u.a. (Hrsg.), Währungsunion, S. 37 (47). 389 Ohr, in: Hrbek (Hrsg.), Maastricht, S. 89 (96). 390 Stern I Münch I Hansmeyer, StabG, § I, S. 122.
152
D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
tionsentscheidungen mit einem zusätzlichen Risiko behaftet391 ; die Investitionsbereitschaft sinkt. Auch seiner Funktion als Wertaufbewahrungsmittel kann das Geld nur unter den Bedingungen von Preisstabilität gerecht werden. Die Möglichkeit langfristiger Geldkapitalbildung ist wiederum Voraussetzung für Sachinvestitionen. 392 In einer durch das Nominalwertprinzip ("Mark gleich Mark") geprägten Rechtsordnung ist die Preisstabilität zudem ein notwendiges Korrelat, da nur so Verträge in dem Vertrauen abgeschlossen werden können, daß die zugrunde gelegten Beträge bei Vertragserfüllung noch denselben Wert haben. 393 Schließlich kann das Geld auch seine Rolle als "individuelles Freiheitsinstrument"394 nur bei stabilen Preisen erfüllen. Inflation führt zur Umverteilung zu Lasten der Geldvermögensbesitzer (in der Regel also der vergleichsweise sozial schwächeren Bevölkerungsschichten), während Inhaber von Sachvermögen weitgehend ungeschoren bleiben. 395 Dieser unbestrittenen Bedeutung der Preisstabilität im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung entsprach die Rolle, die ihr als Zielbestimmung der zentralbanklichen Tätigkeit zukam, in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft nur unvollkommen. Dieses gilt zunächst sicherlich für diejenigen Mitgliedstaaten, die bisher nicht bereit waren, ihren Notenbanken eine autonome Stellung einzuräumen, da nur die Entscheidung für eine unabhängige Zentralbank auch eine Entscheidung zugunsten der Priorität der Geldwertsicherung sein kann. 396 Aber auch in Deutschland, dem Mitgliedstaat mit der wohl ausgeprägtesten Präferenz für Stabilitätspolitik, war die alleinige Ausrichtung der Bundesbank auf das Ziel der Preisstabilität lange Zeit nicht unstreitig. Zwar geht schon aus den Materialien zum BBankG hervor, daß die überragende Bedeutung der Stabilität der (lnlands-)Kaufkraft im Gesetzgebungsverfahren durchaus nicht verkannt wurde. Andererseits stand jedoch als Aufgabenbestimmung zunächst eine Formulierung zur Diskussion, nach welcher die Bundesbank gleichzeitig auf die Erhaltung der Preisstabilität, auf die Erreichung von Vollbeschäftigung und eine ausgeglichene Zahlungsbilanz verpflichtet werden sollte. 397 Schließlich kam es aber nur zur abstrakten Verpflichtung auf die "Währungssicherung" des § 3 BBankG. Dennoch wurde auch diese Vorschrift lange Zeit von einem gewichtigen Teil der Rechtsliteratur in dem Sinne 391 Hauser, Außenwirtschaft 1992, S. 151 (159); Hasse, Zentral bank, S. 126. m Hasse, Zentral bank, S. 126. 393 AUMEINIESR, S. 79. 394 s.O. Einleitung. 395 Stern / MOnch / Hansmeyer, StabG,§ I, S. 122; s. auch Abschnitt D.m. I. h). 396 Hasse, Zentral bank, S. 128. 397 Vgl. den Regierungsentwurfzum ßBankG, BT-Dr 2/2781, S. 25.
IV. Das vorrangige Ziel der Sicherung der Preisstabilität
153
ausgelegt, daß hierdurch die Bundesbank dazu angehalten werde, den jeweils richtigen Komprorniß zwischen den einzelnen Globalzielen der Wirtschaftspolitik zu finden. Ersichtlich werde diese Zielbestimmung überdies daraus, daß auch die Bundesbank gemäß § 13 Abs. 3 StabG als bundes unmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts auf die Ziele des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts im Sinne des § 1 StabG verpflichtet sei. 398 Heute wird § 3 BBankG einhellig dahingehend verstanden, daß der Bundesbank dadurch die Wahrung des Preisniveaus und der Geldwertstabilität aufgetragen ist. 399 Hinsichtlich des § I StabG i.V.m. § 13 Abs. 3 StabG wird deren Anwendbarkeit entweder komplett abgelehnt4oo, oder betont, daß § 3 BBankG die speziellere Bestimmung sei, welche gegenüber der Soll-Vorschrift des § 13 Abs. 3 StabG vorrangig zu beachten sei. 401 Offen läßt § 3 BBankG auch die Frage, ob die Aufgabe der Währungs sicherung ausschließlich zur Aufrechterhaltung des Binnenwertes, oder auch des Außenwertes402 der D-Mark verpflichtet. In der Praxis steht spätestens seit dem Übergang zu flexiblen Wechselkursen die Sicherung der Binnenstabilität im Vordergrund, da die Wechselkurse sich prinzipiell frei am Markt einpendeln. 403 Dennoch kann auch eine Einwirkung auf die Wechselkurse notwendig werden, die gerade die Erhaltung der Binnenstabilität zum Ziel hat. 404 In diesem Sinne erachtet die Bundesbank selbst Binnen- und Außen wert als zwei unterschiedliche Aspekte des gleichen Ziels. 405 Festzuhalten bleibt demnach, daß sich als wesentlicher Inhalt des Währungssicherungsauftrags der Bundesbank gemäß § 3 BBankG im Laufe der Zeit die Erhaltung der Binnenwertstabilität der D-Mark herauskristallisiert hat. 406 Dieser kurze Abriß über die "Interpretationsgeschichte" des § 3 BBankG weist einige Merkmale auf, die durchaus auch im internationalen Zusammenhang als symptomatisch fur allgemeine Tendenzen gelten können, die Preisstabilität zunehmend als originäre Zielbestimmung zentralbanklichen Handeins 398 Stern / MOnch / Hansmeyer, StabG, § 13, S. 286; v.Spindler / Becker / Starke, S. 258 f.; Schmidt, Der Staat (Beiheft 5) 1981, S. 61 (66). 399 Hahn, Währungsrecht, § 17 Rn. 18; Siebelt, Verhaltensspielraum, S. 158 f.; Gramlich, BBankG, § 3 Rn. 14; Moeschel, S. 77. 400 Z.B. Hahn, BayVBI 1982, S. 33 (34). 401 Stern, Staatsrecht 11, S. 480 f.; Schmidt, Der Staat (Beiheft 1981), S. 61 (66 f.). 402 Die Außenstabilität als Teil des Währungssicherungsauftrags sehen z.B. noch Lampe, S. 48; v .Spindler / Becker / Starke, S. 19 f. 403 v.Arnim, S. 207. 404 v.Arnim, a.a.O. 405 Dt. BBank, Geldpolitische Aufgaben, S. 13. 406 Hahn, BayVBI. 1982, S. 33 (37); Uhlenbruck, S. 58 f; Maunz in: Maunz / DOrig, Art. 88 Rn. 30; v.Arnim, S. 207.
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
aufzufassen. Die Erkenntnis, daß gerade die Sicherung der Geldwertstabilität unbedingte Priorität im Rahmen geldpolitischen HandeIns haben muß, erhielt entscheidenden Auftrieb durch die inflationären Entwicklungen in der ersten Hälfte der 1970er Jahre. 407 Erst seither drangen die Vertreter der von Milton Friedman begründeten monetaristischen Theorie mit ihrer Ansicht durch, die Sicherung der Preisstabilität stelle die zentrale Aufgabe der Geldpolitik dar. Zwar scheiterte das ursprüngliche Konzept der monetaristischen Theorie, das Geldmengenwachstum mittels einer verfassungskräftig festzulegenden strikten Wachstumsrate zu steuern. 408 Ihr Grundanliegen, nämlich die Vermeidung inflationärer Entwicklungen durch die Steuerung der Geldmenge, setzte sich aber zunehmend durch. 409 Rechtliche Konsequenz dieser nunmehr eindeutig als vorrangige Aufgabe erkannten Zielsetzung ist das Bestreben, die Preisstabilität auch in den normativen Vorgaben des Zentralbankhandelns an die erste Stelle zu setzen. Folgerichtig fordert auch Art. 88 S. 2 GG die vorrangige Verpflichtung der Europäischen Zentralbank auf das Ziel der Preisstabilität. Im folgenden soll zunächst dargestellt werden, inwieweit die Regelungen des EGV diesem deutschen Verfassungsgebot gerecht werden. Anschließend werden hauptsächlich von wirtschaftswissenschaftlicher Seite in die Diskussion gebrachte Verbesserungsvorschläge auf ihre Tauglichkeit überprüft. Schließlich wird ein Blick auf die im EGV als Eintrittsvoraussetzung in die Währungsunion formulierten Konvergenzkriterien zu werfen sein, da sie die Ausgangsbasis einer gemeinschaftlichen stabilitätsorientierten Geldpolitik garantieren müssen. 2. Die vorrangige Ausrichtung der EZB auf die Zielbestimmung der Preisstabilität
Im EGV befaßt sich das zweite Kapitel des sechsten Titels mit der Währungspolitik. Schon dessen einleitende Vorschrift, Art. 105 EGV, stellt in aller Klarheit fest: "Das vorrangige Ziel der EZB ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten."
Die Verpflichtung der gemeinschaftlichen Währungspolitik auf das Ziel der Preisstabilität kommt auch bereits in den Art. 2 und 3 a EGV zum Ausdruck und erhält dadurch den Charakter eines Grundsatzes der GemeinschaftspoJi-
407 408 409
Vgl. Issing, Unabhllngigkeit, S. 5 ff. Vgl. dazu Friedman, S. 84 ff. Issing, Unabhllngigkeit, S. 7 ff.; s. auch Abschnitt D. 1II. I. b).
IV. Das vorrangige Ziel der Sicherung der Preisstabilität
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tik. 4lO So wird in Art. 2 EGV die Forderung nach einem beständigen, nichtinflationären Wachstum zu einem vertragsprägenden Grundsatz erhoben. Art. 3 a EGV konkretisiert diese Zielbestimmung dahingehend, daß die Tätigkeit sowohl der Gemeinschaft, wie der Mitgliedstaaten bei der Festlegung und DurchfUhrung einer einheitlichen Geld- und Währungspolitik von:angig das Ziel der Preisniveaustabilität zu verfolgen hat. Voraussetzung soll zu diesem Zweck nach Art. 3 Abs. 3 EGV die Einhaltung der folgenden richtungweisenden Grundsätze sein: stabile Preise, gesunde öffentliche Finanzen und monetäre Rahmenbedingungen, sowie eine dauerhaft finanzierbare Zahlungsbilanz. Der Grundsatz der Preisstabilität prägt nach dem EGV nicht nur die eigentliche Gestaltung der Geldpolitik durch die EZB. Vielmehr wird auch die Festlegung der Wechselkurspolitik nach außen hieraufverpflichtet. 411 Der Rat muß sowohl bei der Vereinbarung eines Wechselkurssystems fUr die ECU gegenüber Drittländern wie auch bei der Änderung der ECU-Leitkurse innerhalb eines solchen Systems Lösungen suchen, die mit dem Ziel der Preisstabilität in Einklang stehen. An demselben Ziel haben sich auch die allgemeinen Orientierungen auszurichten, welche der Rat bei flexiblen Wechselkursen aufstellen kann. Darüber hinaus versucht der Vertrag, auch die weiterhin in mitgliedstaatlicher Kompetenz verbleibende, von der Gemeinschaft nur zu koordinierende Wirtschaftspolitik an den ßrundsatz der Preisstabilität zu binden. Der Problematik, daß eine stabilitätsorientierte gemeinschaftliche Geldpolitik durch unsolide mitgliedstaatliche Finanzpolitiken konterkariert werden könnte, soll durch die Verpflichtung der Mitgliedstaaten auf eine Ausrichtung ihrer Wirtschaftspolitik an den Grundsätzen der Art. 2 und 3 a EGV begegnet werden. 412 Diese Darstellung der Rolle, die das Ziel der Preisstabilität im EGV erhalten hat, erlaubt folgende Rückschlüsse: - Insbesondere auch im Vergleich z.ur Zielbestimmung des § 3 BBarikG fällt die explizite Verpflichtung der EZB auf das Ziel der Preisstabilität positiv ins Gewicht. 413 Damit wurde die Allgemeinheit und Unbestimmtheit der AufgabensteIlung der Zentral bank, wie sie deutscher gesetzgeberischer Tradition entspricht4 14, vermieden. Der Gebrauch des Begriffs "Preisstabilität" schafft terminologische Klarheit. Es erübrigen sich die zum BBankG hinreichend 410 Nach der Auffassung des EuGH steht Art. 2 EGV an der Spitze der vertragsprägenden allgemeinen Grundsätze, vgl. EuGH, Rs. 167 / 73, Kommission / Französische Republik, Sig. 1974, 359 (369 f.). 411 Art. 109 EGV. 412 Vgl. Art. 102 a EGV. 413 So auch Bofinger, Wirtschaftsdienst 1992, S. 457 (458). 414 Moeschel, S. 53.
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
bekannten Auseinandersetzungen über den konkreten Inhalt der Zielbestimmung. "Preisstabilität" heißt Inflationsverhütung durch Sicherung der Binnenkaufkraft, so daß die Aufgabe einer Europäischen Zentralbank in der Gewährleistung der inneren Stabilität des Geldwertes besteht. 41S - Daraus folgt auch, daß eine gleichwertige Anbindung der EZB an die "zum Polygon erweiterten Ziele des magischen Vierecks"416 in Art. 2 EGV durch den Vorbehalt zugunsten der Preisstabilität in Art. 105 Abs. 1 S.2 EGV im Einklang mit Art. 88 S. 2 GG ausdrücklich ausgeschlossen wird. - Zum anderen wird der Kreis der auf das Ziel der Preisstabilität Verpflichteten erheblich ausgeweitet. Nicht allein die EZB ist daran gebunden, sondern durch die Erhebung der Stabilitätspolitik zu einem Grundsatz des Gemeinschaftsrechts in Art. 2 und 3 a EGV werden auch die Gemeinschaft selbst und die Mitgliedstaaten verpflichtet, so daß der Grundsatz gemäß Art. 102 a EGV auch bei der Ausrichtung der Wirtschaftspolitik eine rechtlich substantiierte Bedeutung hat. Daß auch der Rat seine Wechselkurspolitik an diesem Grundsatz auszurichten hat, relativiert zumindest die "offene Flanke der Währungspolitik".417 Der Vertrag verpflichtet auf diese Weise alle die Geldpolitik tangierenden Bereiche des gemeinschaftlichen, wie des mitgliedstaatlichen HandeIns in rechtlich verbindlicher Weise auf das Ziel der Preisstabilität. - Schließlich ist positiv anzumerken, daß die monetäre Zielverpflichtung Eingang in das europäische Primärrecht gefunden hat. Dadurch wird sie der Dispositionsbefugnis der Gemeinschaftsorgane, wie auch einzelner Mitgliedstaaten entzogen, da es zu ihrer Modifizierung einer Vertragsänderung gemäß Art. N EUV bedarf. 3. Möglichkeiten strikterer Absicherung der Vorrangigkeit der Preisstabilität
Obwohl also die im EGV getroffenen Regelungen offensichtlich der Sicherung der Priorität der Preisstabilität einen breiteren Raum einräumen, als dieses im BBankG der Fall ist, werden von wirtschaftswissenschaftlicher Seite Einwände erhoben. Diese gehen in der Regel von der Prämisse aus, in der Europäischen Gemeinschaft herrsche kein gesellschaftlicher Konsens über das Ziel der Geldwertstabilität, wie er insbesondere für die deutsche Nachkriegszeit 415
416 417
Gleske, in: FS Semler, S. 895 (902). Nicolaysen, S. 33. s. Abschnitt D. III. 7.
IV. Das vorrangige Ziel der Sicherung der Preisstabilität
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kennzeichnend geworden sei. Da Zentralbankiers nach der Ansicht einer kritischen wirtschaftswissenschaftlichen Theorie weniger am öffentlichen Wohl orientiert handeln, als in Wahrnehmung von Interessen, die den persönlichen Nutzen mehren, seien sie in einem solchen weniger stabilitätsorientierten Klima nicht bereit, eine Geldpolitik zugunsten der Preisstabilität z~ betreiben. 418 Die Lösung dieses Dilemmas soll dadurch erfolgen, daß die diskretionären Handlungsspielräume der Zentralbankleiter ausgeschlossen oder zumindest verringert werden. Willkürliche persönliche Entscheidungen sollen auf diese Weise durch ein objektiviertes, regelgebundenes Verfahren im Sinne der Geldwertstabilität ausgeschlossen werden. Es stellt sich an dieser Stelle daher die Frage, inwieweit derartige Forderungen nach einer stärkeren Absicherung der Preisstabilität einen Rückhalt in Art. 88 S. 2 GG finden. Verfassungsrechtlich geboten können die jeweiligen Modelle aber nur dann sein, wenn sie überhaupt eine rechtlich praktikable Lösung des Problems darstellen. Dieses soll fur einige, im Zusammenhang mit der Währungsunion zu Aktualität gekommene Vorschläge untersucht werden. Der älteste und zugleich radikalste dieser Vorschläge stammt von Milton Friedman, dem Begründer der monetaristischen Schule. Da seiner Ansicht nach inflationäre Entwicklungen am ehesten durch einen stetigen Anstieg der Geldmenge zu verhindern sind, der am Wachstum des Produktionspotentials orientiert ist, empfiehlt er eine völlige Beseitigung des Handlungsspielraums des Zentralbankrats durch die Vorgabe einer in der Verfassung verankerten Geldmengenregel. 419 Heute ist wohl allgemeine volkswirtschaftliche Ansicht120, daß die Suche nach einer idealen Geldmengenregel erfolglos geblieben ist, so daß eine rechtliche Verankerung von vornherein aussichtslos erscheint. Es wurden aber noch zwei weitere Möglichkeiten diskutiert, um den diskretionären Handlungsspielraum des Zentralbankrats zumindest zu beschränken. Zum einen könnte dieses durch eine numerisch eindeutige Definition des Begriffs "Preisstabilität" erfolgen. Zum anderen sind Sanktionen gegen die Zentralbankratsmitglieder rur den Fall der Verfehlung des Stabilitätsziels denkbar.
418 Sog. Theorie des "public choice" oder Politische Ökonomie, vgl. Vaubel, in: FAZ vom 28.3.1992, S. 13. 419 Friedman, S. 84 tT. 420 Vgl. nur aus der Literatur zum EU-Vertrag: Berthold, Wirtschaftsdienst 1992, S. 23 (28); ders., Aussenwirtschaft 1992, S. 175 (200); Neumann, in: Gerken (Hrsg.), Europa 2000, S. 41 (43); Issing, Unabhängigkeit, S. 24.
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
Die Forderung, daß die Preisniveaustabilität vertraglich eindeutig definiert werden müsse, wurde beispielsweise von Sieberr'21 erhoben. Er schlägt eine Soll-Vorschrift des Inhalts vor, daß die Inflationsrate 2 % nicht Uberschreiten dürfe, wenn von Preisstabilität die Rede sein soll. Eine derartige starre Grenze zur Beschreibung des Begriffsinhalts der Preisstabilität ist aber aus mehreren Gründen problematisch. Der Begriff "Preisstabilität" scheint zunächst begrifflich zu implizieren, daß keine Veränderungen des Preisniveaus zugelassen werden, vielmehr absolute Konstanz zu herrschen hat. 422 Eine Festlegung des Begriffs auf eine Preissteigerungsrate von 0 % ist jedoch schon wegen der statistischen Unsicherheiten bei der Ermittlung eines geeigneten Indexes fragwürdig423 , hinzu kommen Meßungenauigkeiten. Aber auch feste Obergrenzen, die darüber liegen, unterliegen keinen allgemeingültigen Wertmaßstäben, sondern ergeben sich aus den Anschauungen ihrer Zeit. 424 Insbesondere spricht gegen eine Fixierung einer konkreten Obergrenze die Starrheit und fehlende Flexibilität des Zentralbankhandelns, die sich daraus notwendig ergeben mUßte. So kann in Ausnahmesituationen rur die Zentralbank die Notwendigkeit gegeben sein, das Stabilitätsziel zur Förderung anderer wirtschaftspolitischer Ziele kurzfristig zu relativieren. 425 Bei festgelegten Obergrenzen mUßte deren Überschreitung dann ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit des Zentralbankhandelns fuhren. Eine erfolgversprechende Fixierung der Obergrenze verhindert schließlich die Komplexität des Sachverhalts: Die Zentralbank bestimmt das Preisniveau nur mittelbar. Weitere wesentliche Faktoren, wie die Lohn- und Fiskalpolitik kommen als von ihr nicht zu beeinflussende Elemente hinzu. 426 Rechtlich kann die Konsequenz dieser Sachlage nur darin bestehen, daß der Zentral bank keine Zielbestimmung vorgegeben werden kann, deren Realisierung gar nicht in ihrer Macht steht. Die Bestimmung einer Obergrenze zur Beschreibung des Begriffs "Preisstabiltät" erscheint mithin rechtlich nicht als praktikabel. Eine derartige Anforderung an die Ausgestaltung des EGV kann Art. 88 S. 2 GG nicht entnommen werden. Ähnlich liegt der Fall hinsichtlich der persönlichen Sanktionen bei Verfehlung des Stabilitätsziels. Das Verfassungspostulat des Art. 88 S. 2 GG, nach welchem das Ziel der Preisstabilität rur die EZB Priorität besitzen müsse, ver421 Siebert, Weltwirtschaft 1992, S. 40 (44); Jochimsen, Perspektiven, S. 109. 422 Stern / MUnch / Hansmeyer, StabG, § I, S. 125. 423 Stern / MUnch / Hansmeyer, StabG, § I, S. 123 [ 424 Stern / MUnch / Hansmeyer, StabG, § I, S. 125; ein Beispiel hierfllr bietet die Festlegung einer Obergrenze auf 3-3,5 % durch v.Schelling, WM 1976, S. 782 (787). 425 Starke, WM 1977, S. 3 (10); Moeschel, S. 81. 426 Moeschel, S. 81.
IV. Das vorrangige Ziel der Sicherung der Preisstabilität
159
langt nicht nach einer rechtlichen Gestaltung, die persönliche Sanktionen gegen Zentralbankratsmitglieder ftIr den Fall inflationärer Entwicklungen vorsieht, da eine derartige Auslegung gegen den Rechtssatz "impossibilium nulla obligatio est" verstieße. Auch hier trifft der Einwand zu, daß die Komplexität des Sachverhalts häufig eine persönliche Verantwortlichkeit der Zentralbankratsm itglieder verhindert. Diese können nicht flir inflationäre Tendenzen z.B. aufgrund von Steuererhöhungen oder Rohstoffverteuerungen haftbar gemacht werden. 421 Andererseits schließt Art. 88 S. 2 GG eine derartige Regelung unter Beachtung bestimmter Auflagen auch nicht prinzipiell aus. Das Beispiel der "Reserve Bank of New Zealand", wo nach der Einflihrung von Sanktionsmechanismen die Inflationsrate von 7,2 % Ende 1989 auf 0,8 % im März 1992 sank428 , zeigt, daß derartige Regelungen möglicherweise Stabilitätserfolge versprechen. Sie dienen also der im deutschen Verfassungsrecht geforderten Zielverwirklichung im Sinne der Preisstabilität. Durch Klauseln, welche die Sanktionierung bei Tatbeständen ausschließen, die von den Zentralbankratsmitgliedern nicht zu vertreten sind, könnte der Einwand des "impossibilium nulla obligatio est" ausgeschlossen werden. 429 Es stellt sich demnach heraus, daß die Ausrichtung der EZB auf das Ziel der Preisstabilität in der Ausgestaltung des EGV den Anforderungen des Art. 88 S. 2 GG entspricht. Die von den Kritikern der Maastrichter Beschlüsse, insbesondere aus volkswirtschaftlicher Sicht als notwendig erachteten zusätzlichen Absicherungen, entweder in Form einer starren Fixierung des Begriffs Preisstabilität auf einen bestimmten v. H.-Satz oder in Form von Sanktionen ftIr die Notenbankleiter bei Verfehlung des Stabilitätsziels haben sich zumindest nicht als verfassungsrechtlich erforderlich herausgestellt. Vielmehr zeigt sich, daß die Zielbestimmung in Form des unbestimmten Rechtsbegriffs "Preisstabilität" einige Vorteile aufweist. Nach gemeinschaftlichen Rechtsgrundsätzen unterliegen unbestimmte Rechtsbegriffe keiner vollständigen Überprüfung durch den EuGH.430 Setzt die Würdigung wirtschaftlicher Gesamtlagen komplexe wirtschaftspolitische Untersuchungen voraus, die womöglich nicht eindeutig getroffen werden können, bleibt diese den Organen der Gemeinschaft vorbehalten. Um eine solche komplexe wirtschaftspolitische Beurteilung handelt es sich auch bei der Entscheidung über die Frage der Definition .der Preisniveaustabilität, die bei einem Wert jenseits von 0 v.H. liegt. Sie muß daher der EZB über427 428 429 430
So auch Issing, Unabhängigkeit, S. 26 f. Vgl. Issing, a.a.O., Fn. 36; Vaubel, in: FAZ vom 28.3.1992, S. 13. Derartige Klauseln linden sich auch im neuseeländischcn Recht, vgl. Issing, a.a.O. ßlcckmann, EuR, Rn. 558.
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
antwortet sein. Dieses ennöglicht der EZB die notwendige Flexibilität bei der Bewältigung gesamtwirtschaftlicher Krisenlagen, ohne freilich die Priorität der Preisstabilität rechtswidrig zu vernachlässigen. Nicolaysen 431 weist insoweit zu Recht auf die ähnlich gelagerte Auslegung des Begriffs "gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht" in Art. 109 Abs. 2 GG durch das BVerfG hin. Es versteht diesen Begriff "dynamisch", das heißt, nicht an starre nominale Werte gebunden, sondern als aus der jeweiligen wirtschaftlichen Lage heraus von den zuständigen politischen Organen zu beurteilenden Sachverhalt, bei dessen Diagnose insbesondere der Entwicklungstendenz eine wesentliche Rolle zukommt. 432 Die gerichtliche Kontrolle muß sich daher auf die Feststellung von Ennessensmißbräuchen und Verkennungen des zugrundeliegenden Sachverhalts beschränken. Eine engere rechtliche Detennination der Frage, wann Preisstabilität vorliegt, erscheint nicht geboten und wird auch von Art. 88 S. 2 GG nicht gefordert. Andererseits wird der Handlungsspielraum der EZB aber durch die von Art. 105 EGV geforderte Vorrangigkeit der Preisstabilität erheblich eingeschränkt, so daß dem deutschen Verfassungsauftrag entsprochen wird, ohne daß der Handlungsfreiraum der EZB rechtlich auf praxisferne Weise eingeschränkt wird. 4. Die Stringenz der Konvergenzkriterien Nur mittelbar mit dem grundgesetzlichen Verfassungspostulat nach einer Europäischen Zentralbank, die vorrangig dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet ist, hängt die Frage nach der Stringenz der im Vertrag von Maastricht als Eintrittsvoraussetzung in die Währungsunion festgeschriebenen Konvergenzkriterien zusammen. Dennoch soll hier darauf eingegangen werden, da eine als "Stabilitätsgemeinschaft"433 konzipierte Währungsunion ihrem Anspruch nur dann gerecht werden kann, wenn ihr Start aus einer geldpolitisch stabilen Ausgangsposition erfolgt. 434 Nur so kann eine Europäische Zentralbank auch letztlich ihre vorrangige Verpflichtung auf die Preisstabilität verwirklichen, die Art. 88 S. 2 GG zur Voraussetzung einer deutschen Beteiligung macht.
431 432 433 434
Nicolaysen, S. 39 f. BVerfGE 79, 311 (343 f.). BVerfGE 89, 155 (200). So auch Issing, in: Duwendag I Siebke, WWU, S. 181 (186); Hauser, Außenwirtschaft 1992, S. 151 (155).
IV. Das vorrangige Ziel der Sicherung der Preisstabilität
161
Die oben 435 bereits beschriebenen Konvergenzkriterien stießen sowohl in der wirtschaftswissenschaftlichen436 wie in der juristischen 437 Literatur auf Kritik. Von beiden Seiten wurde bemängelt, daß die Übergangsvoraussetzungen in die dritte Stufe zu weich formuliert worden seien. 438 So wird hinsichtlich des Kriteriums der anhaltenden Preisstabilität439 sowie der Konvergenz der Zinssätze440 bemängelt, daß diese nur relativ formuliert seien, anstatt absolute Werte als Eintrittskriterien endgültig festzulegen.441 Auch das Kriterium der auf Dauer tragbaren Finanzlage der öffentlichen Hand 442 eröffuet nach der Ansicht seiner Kritiker zu große Bewertungsspielräume, als daß es als Maßstab einer stringenten gerichtlichen Kontrolle dienen könnte. Insbesondere die Berücksichtigung der investiven öffentlichen Ausgaben und anderer ungenannter "einschlägiger Faktoren"443 fUhre dazu, daß die im Zusatzprotokoll genannten 3 bzw. 60 % keine absoluten Grenzmarken darstellen wUrden. 444 In der Tat problematisch erscheint seit den EWS-Krisen vom Sommer 1992 bis zum Sommer 1993 445 die Zukunft des vierten Konvergenzkriteriums, nach welchem eine mindestens zweijährige Einhaltung der normalen Bandbreiten des Wechselkursmechanismus des EWS Voraussetzung einer Teilnahme an der Währungsunion sein soll. Im Gefolge der Spekulationswellen gegen die Währungen Frankreichs, Belgiens und Dänemarks wurden die Bandbreiten im EWS auf die Marge von 15 % erweitert. Im Hinblick auf das vierte Konvergenzkriterium bestanden somit zunächst die Optionen einer Rückflihrung auf die 2,5 % Marge oder die 15 % Marge durch eine Maßnahme nach Art. 6 des 6. Zusatzprotokolls zum EUV über die Konvergenzkriterien zur "normalen Bandbreite" i.S.v. Art. 109 j Abs. 1 EGV zu erklären. Da aber bis Ende 1995 eine RückfUhrung der Marge auf 2,5 % nicht erfolgt ist und der Europäische Rat gleichzeitig verkündet hat, so früh wie möglich im Jahr 1998 festzustellen, welche Mitgliedstaaten die
435 s. Abschnitt A. 11. 3. 436 Vgl. z.B. Lehment I Scheide, Weltwirtschaft 1992, S. 50 (51 fT.); Matthes, Wirtschaftsdienst 1992, S. 409; Bilger, ORDO 1993, S. 15 (22). 437 Eingehend Tettinger, RIW 1992, Beil. 3, S. I (3 ff.). 438 Vgl. insb. auch das sog. Manifest der 60 Ökonomen (Fn. 232), dessen dritte These die Kriterien ausdrücklich als zu "weich" bezeichnet. 439 Art. 109 j Abs. I, I. Spiegelstrich EGV i.V.m. Art. I des 6. Prot. zum EUV. 440 Art. 109 j Abs. 1,4. Spiegelstrich EGV i.V.m. Art. 4 des 6. Prot. zum EUV. 441 3.These des Manifestes der 60 Ökonomen (Fn. 232); Tettinger, RIW 1992, Beil. 3, S. I (4). 442 Art. 109 j Abs. 1,2. Spiegelstrich EGV i.V.m. Art. 2 des 6. Prot. zum EUV, Art. 104 c Abs. 6 EGV und dem 5. Prot. zum EUV. 443 In Art. 104 c Abs. 3 EGV. 444 Bleckmann, DVBI 1992, S. 335 (340). 445 Vgl. dazu Pfister, EA 1993, S. 711 ff. 11 lanzen
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
Eintrittsvoraussetzungen erfüllen 446 , ist eine Rückkehr zur alten Bandbreite nicht mehr realistisch. Dementsprechend empfiehlt das EWI in seinem Jahresbericht 1995, die Vertragsbestimmungen zu den Wechselkursen, also insbesondere den Begriff der "normalen Bandbreiten", nicht präzise auszulegen, sondern die Wechselkursentwicklung lediglich ausführlich zu beschreiben und als Grundlage weiterer Bewertungen zu verwenden. 447 Da im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die 2,5 % Marge als normale Bandbreite galt, kann aber die 15 % Bandbreite nicht ohne formellen Akt nach Art. 6 des 6. Zusatzprotokolls als "normal" betrachtet werden. 448 Die Beurteilung der Einhaltung des vierten Konvergenzkriteriums erscheint daher zur Zeit nur in der Form Sinn zu ergeben, daß im Zeitpunkt der Beschlußfassung auf das tatsächliche Nichtilberschreiten der 2,5 % Marke abgestellt wird. Ein derartiges Verfahren wäre wegen des Gebrauchs des unbestimmten Rechtsbegriffs der "normalen Bandbreiten" in Art. 109 j EGV und Art. 3 des 6. Zusatzprotokolls zum EUV juristisch vertretbar. Im ilbrigen ist festzustellen, daß die Konvergenzkriterien als solche durchaus in einem Maße präzisiert worden sind, das keine unvertretbaren Beurteilungsspielräume zuläßt. Die höchste, zum Eintritt in die Währungsunion berechtigende Inflationsrate 449 wird zu Beginn der dritten Stufe ebenso genau zu beziffern sein, wie der zulässige langfristige Kapitalmarktzins. Dieses gilt weniger für die Feststellung der tragbaren Finanzlage der öffentlichen Hand. Hier sind aber Beurteilungsspielräume aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll, da die Tauglichkeit des Kriteriums wegen des nicht nachgewiesenen Zusammenhangs zwischen Verschuldensquote und Inflationsrate umstritten ist. 450 Daß eine tragfiihige Haushaltslage auch bei einer Defizitquote von 80 % möglich ist, zeigt das Beispiel der Niederlande. 451 Nicht haltbar ist auch der Vorwurf, der Vertrag erfordere lediglich eine einmalige, stichtagsbezogene und damit mehr oder weniger zufiillige Erfüllung einzelner Kriterien. 452 Nahezu alle Kriterien stellen auf eine Dauerhaftigkeit des 446 Ygl. die Schlußlolgerungen des Europäischen Rates, Madrid 15./16. Dezember 1995. in: Deutsche Bundesbank, AP Nr. 86 vom 20.12.1995, S. I. 447 Deutsche Bundesbank, AI' Nr. 80 v. 27.11.1995, S. I (2). 448 So auch Weber, JZ 1994, S. 53 (36). 449 Das EWI stellt in seinem Jahresbericht auf die Durchschnillsrate der drei preisstabilsten Länder als Yergleichsmaßstab ab, vgl. Deutsche Bundesbank. AI' Nr. SO v. 27.11.1995, S. I (2). 450 Ygl. Lehment / Scheide, Wellwirtschali 1992. S. 50 (531".). 451 Die Ilaushallsdelizite der Mitgliedstaaten im Jahre 1995 bezeichnet das EWI in seinem Jahresbericht (Fn. 447) als "enll!luschcnd" hoch. 452 So die 2. These des Manilcsts der 60 Ökonomen. (Fn. 232).
IV. Das vorrangige Ziel der Sicherung der Preisstabilität
163
Konvergenzprozesses ab. 453 So wird neben der Einhaltung der notwendigen Inflationsrate in Art. 1 des 6. Protokolls zum EUV zusätzlich eine "anhaltende Preisstabilität" gefordert. Ebenso muß die Finanzlage der öffentlichen Hand "auf Dauer" tragbar sein; die Bandbreiten des EWS müssen für zwei Jahre eingehalten werden. Schließlich sind die langfristigen Zinssätze des Kapitalmarktes notwendigerweise Reaktionen auf ein längerfristig bestehendes wirtschaftliches Klima. Damit erscheinen die Konvergenzkriterien des Art. 109 j EGV als hinreichend objektivierbare und daher auch justiziable Kriterien fur den Eintritt in die dritte Stufe.454 Die eigentliche Problematik einer gerichtlichen Kontrolle entsteht erst durch die Gestaltung des Entscheidungsprozesses über die Aufnahme der Mitgliedstaaten in die Währungsunion, wie er in Art. 109 j EGV vorgesehen ist. Dessen Grundlage bilden gemäß Art. 109 j Abs. 1 EGV Berichte von Kommission und EWI, in welchen neben den vier Konvergenzkriterien überprüft wird, inwieweit die Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen zur Rechtsangleichung gemäß Art. 107 und 108 EGV nachgekommen sind; außerdem werden die Entwicklung der ECU, die Entwicklung der Integration der Märkte, die Leistungsbilanzen und die Lohnstückkosten berücksichtigt. An diese Berichte schließt sich die Beurteilung durch den Rat der Wirtschafts- und Finanzminister an, der eine Empfehlung an den Europäischen Rat in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs gibt. 455 Erst dieser entscheidet dann endgültig über den Eintritt in die dritte Stufe und damit in die Währungsunion. 456 Problematisch an diesem vielstufigen Verfahren ist, daß auf jeder Entscheidungsebene durch den Gebrauch unbestimmter Rechtsbegriffe ein dezisionistischer Beurteilungsspielraum eröffnet wird. So sollen die Berichte von Kommission und EWI darlegen, ob ein "hoher Grad an dauerhafter Konvergenz" erreicht ist. Rat und Europäischer Rat prüfen jeweils, ob die "notwendigen Voraussetzungen" fur die EinfLlhrung einer einheitlichen Währung erfLlllt sind. Der Europäische Rat entscheidet schließlich noch über die "Zweckmäßigkeit" des Eintritts in die dritte Stufe. Es bestehen zwischen den Entscheidungsebenen auch keine juristischen Bindungen an die Beurteilungen der jeweiligen Vorgängerebene. m Dieses kommt dadurch zum Ausdruck, daß der Rat gemäß Art. 109 j Abs. 3 EGV die
453 454
S.7. 455 456
457
11'
Nicolaysen, S. 22, Fn. 5. Haller, Bitburger Gespräche-Jahrbuch 1992, S. I (9); Köhler, Handelsblatt vom 10.3.1992, Art. 109 j Abs. 2 EGV. Art. 109 j Abs. 3 EGV. Nicolaysen, S. 24.
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D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
ihm vorgelegten Berichte nur als Beurteilungsgrundlage betrachten muß. Das gleiche gilt fUr die Empfehlung des Rates an den Europäischen Rat. Dieser hat auch die Berichte nach Art. 109 j Abs. 1 EGV und die Stellungnahme des Europäischen Parlaments nach Art. 109 j Abs. 2 EGV nur "gebührend zu berücksichtigen". Rechtlich denkbar ist also z.B die Konstellation, daß bei der "freiwilligen Option" der Art. 109 j Abs. 1-3 EGV vor dem 31. 12. 1996 zwar eine Mehrheit der Mitgliedstaaten die Aufnahmekriterien erftlllt, der Europäische Rat aber trotzdem aus reinen Zweckmäßigkeitserwägungen den Beginn der dritten Stufe verschiebt, etwa weil nur eine Mehrzahl kleinerer Länder die Kriterien erfüllt. Deshalb betrachtet Tettinger458 die Entscheidung über die EinfUhrung der dritten Stufe der Währungsunion als "eine an weiche, dehnbare Kompromißformeln geknüpfte, Grauzonen eröffnende, weithin politisch determinierte Dezision der Staats- und Regierungschefs". Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß die durchaus vorhandenen dezisionistischen Aspekte der Entscheidung nicht dazu fUhren müssen, daß die eindeutig fixierten oder fixierbaren Grenzwerte der Konvergenzkriterien ausgehöhlt werden. Der Vertragstext bezeichnet ausdrücklich die ErfUllung der Konvergenzkriterien als Maßstab ftlr das Vorliegen eines hohen Grades dauerhafter Konvergenz. 4S9 Aus dem Kontext ergibt sich, daß diese auch die bindende Grundlage der Entscheidung des Rates bzw. des Europäischen Rates bilden. Das BVerfG460 hebt zu Recht hervor, daß die Regelung von Einzelheiten der Konvergenzkriterien und daher auch ihre Abänderung gemäß Art. 6 des 6. Protokolls zum EUV nur durch einstimmige Entscheidung erfolgen kann. Daraus folgt, daß die Entscheidungen des Rates und des Europäischen Rates die inhaltlichen Anforderungen, welche die Konvergenzkriterien nach dem 5. und 6. Protokoll zum EUV enthalten, nicht durch Mehrheitsentscheidungen unterlaufen dürfen. 461 Dadurch würde das Einstimmigkeitserfordernis zur Abänderung der Konvergenzkriterien sinnentleert. In Übereinstimmung mit der Auffassung des BVerfG ist die Rolle, welche den Konvergenzkriterien in den Empfehlungen und Entscheidungen des Art. 109 j EGV zukommt, so zu definieren, daß es sich dabei um nicht zu unterschreitende Mindestanforderungen für den Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion handelt. 462 Zu einer politisch determinierten Dezision im Sinne Tettingers und
458 459 460
461
Tettinger, RIW 1992, Beil. 3, S. I (5). Art. 109 j Abs. I S. 2 EGV. BVerfGE 89, 155 (200). BVerfGE 89,155 (202).
IV. Das vorrangige Ziel der Sicherung der Preisstabilität
165
anderer Kritiker der Maastrichter Beschlüsse kann es hiernach erst im Rahmen des dabei verbleibenden Beurteilungs- und Prognosespielraums kommen. 463 Die strikte Beachtung der Konvergenzkriterien muß jedoch nicht nur bei der "freiwilligen Option", sondern auch bei der "automatischen Option" des Eintritts in die Währungsunion gemäß Art. 109 j Abs. 4 EGV absoluten Vorrang genießen. Hier wird die Befürchtung geäußert, daß der fixe Endtermin eine politische Eigengesetzlichkeit entwickeln könnte, die letztlich wiederum zu einer Verwässerung der Kriterien führen werde. 464 Dem versucht das BVerfG in seiner Maastricht-Entscheidung dadurch entgegenzutreten, daß der in Art. 109 j Abs. 4 EGV als endgültiger Beginn der dritten Stufe vorgesehene 1.1.1999 weniger als rechtlich bindendes Datum, denn als unverbindliche Zielvorgabe zu verstehen sein soll. Die Setzung von Zieldaten finde nach gefestigter Gemeinschaftstradition ihren Sinn eher darin, die Integrationsentwicklung anzustoßen und zu beschleunigen, als sie unter allen Umständen fristgerecht zu verwirklichen. 465 Diese Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften durch das BVerfG erscheint jedoch vor dem Hintergrund des Vertragswortlauts zumindest als fragwürdig. 466 Eine textimmanente Würdigung des Art. 109 j EGV und des 6. Protokolls zum EUV stUtzt jedenfalls eher die Auffassung, daß den Vertragsparteien eine Rechtspflicht zum Eintritt in die dritte Stufe zum vorgesehenen Zeitpunkt auferlegt werden sollte. 467 Darauf weist zunächst der detaillierte Zeitplan des Art. 109 j EGV hin, der durch die Annahme seiner Unverbindlichkeit weitgehend überflüssig würde. Entscheidend für eine rechtliche Verbindlichkeit spricht die Aufnahme des 10. Zusatzprotokolls über den Übergang zur dritten Stufe in den EU-Vertrag. Hier werden ausdrücklich Formulierungen, wie die "Unumkehrbarkeit" des Übergangs zur Währungsunion, oder die "Unwiderruflichkeit" des Eintritts in die dritte Stufe am 1.1.1999 gebraucht, welche die Annahme einer unverbindlichen Zielvorgabe zumindest nicht zu stützen vermögen. Als weiteren Begründungsansatz gegen die Annahme eines "Automatismus" zur Währungsunion sieht das Gericht, unter Berufung auf Oppermann468 , die nach dem 10. Protokoll zum Übergang in die dritte Stufe 462 Vgl. auch die Entschließung des Bundestages zur Wirtschafts- und Währungsunion, Ziff. 3, in: BT-Dr. 12/3906 und die inhaltlich übereinstimmende Erklärung des Bundesrates in BR-Dr. 810/92, S. 6 f. 463 Ähnl. Roth, EuR, Beiheft I / 1994, S. 45 (59). 464 4. These des Manifests der 60 Ökonomen, (Fn. 232). 465 BVerfGE 89, 155, (201), unter Berufung auf eine Äußerung des Generaldirektors Dewost. 466 So auch Weber, JZ 1994, S. 53 (57); Götz, JZ 1993, S. 1081 (1084). 467 Vgl. auch Hahn, JZ 1993, S. 481 (484). 468 Oppermann, in: Hrbek, (Hrsg.), Maastricht, S. 103 (116).
166
D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
erforderlichen "vorbereitenden Arbeiten" der Mitgliedstaaten offenbar als Möglichkeit an, dem Übergang in die dritte Stufe eine Hürde entgegenzusetzen. 469 Dieser Ansatz ist aber ebenfalls problematisch. Zum einen soll nämlich die Beschleunigung der vorbereitenden Aufgaben nach Sinn und Zweck des Protokolls gerade der Förderung des Eintritts in die dritte Stufe zum 1.1.1999 dienen, zum anderen kann auch eine vertragswidrige Verzögerung der vorbereitenden Arbeiten nicht verhindern, daß mit qualifizierter Ratsmehrheit der Beschluß gemäß Art. 109 j Abs. 4 EGV zum Beginn der Währungsunion gefaßt wird. 470 Trotz der Fragwürdigkeit der Argumentation, anhand derer das BVerfG eine Aufweichung der Konvergenzkriterien durch die Sogkraft des fixierten Endtermins verhindern will, bleibt festzuhalten, daß auch hier das zur freiwilligen Option gemäß Art. 109 j Abs. 1-3 EGV Gesagte gilt. Die Konvergenzkriterien bilden die unverzichtbaren Mindestanforderungen zur Teilnahme an der Währungsunion, die nicht zur Disposition der qualifizierten Ratsmehrheit stehen. Nur die strikte Beachtung der Konvergenzkriterien bietet die Gewähr dafllr, daß die Währungsunion bei Eintritt in die dritte Stufe tatsächlich ihrem in Art. 88 S. 2 GG geforderten Charakter als Stabilitätsgemeinschaft gerecht werden kann. 471 Das BVerfG472 betont den Vorrang der Preisstabilität schließlich sogar soweit, daß es die Konzeption der Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft zur Grundlage des deutschen Zustimmungsgesetzes zum EU-Vertrag erklärt, deren Scheitern als ultima ratio sogar eine "Lösung aus der Gemeinschaft" erlaube. Die rechtliche Begründung dieser Aussage bleibt wiederum unklar. Aus den Verträgen selbst kann ein Auflösungsrecht nicht hergeleitet werden. In Art. 240 EGV verpflichten sich die Mitgliedstaaten zur Einhaltung des Vertrages auf unbestimmte Zeit und schließen damit grundsätzlich ein Kündigungsrecht aus. 473 Wie oben bereits gesagt, wird auch für den speziellen Teilbereich der Währungsunion im 10. Protokoll zum EUV ausdrücklich deren Unumkehrbarkeit betont und somit eine Lösungsmöglichkeit eher ausgeschlossen. 474 Selbst wenn man ein außerordentliches Kündigungsrecht der Mitgliedstaaten prinzipiell annehmen will, kann dieses aber jedenfalls nicht wegen des Nichterrei-
469 BVerfDE 89, 155 (203).
So auch Roth, EuR, Beiheft I / 1994, S. 45 (60). Vgl. auch BT-Dr. 12/3895, S. 5 f. 472 BVerfDE 89, 155. 473 Heute Uberwiegende Auffassung, vgl. Hilf, in: v.d.Groeben I Thiesing I Ehlerrnann, EWGV, Art. 240, Rn. 8 m.w.Nachw. 474 Götz, JZ 1993, S. 1081 (1085). 470
471
V. Quantitative Grenzen der Übertragung währungspolitischer Kompetenzen? 167
chens einzelner Integrationsziele geltend gemacht werden. 47S Möglicherweise nimmt das BVerfG auch stiIIschweigend Bezug auf die "clausula rebus sic stantibus". Eine solche Bezugnahme auf die Regeln des Völkervertragsrechts wird rur die Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten und Gemeinschaft zwar heute insbesondere vom EuGH, aber auch von der Rechtsliteratur weitgehend abgelehnt, da diese Rechtsbeziehungen abschließend durch die autonome gemeinschaftliche Rechtsordnung geregelt seien. 476 Sogar bei einer Unterstellung der Anwendbarkeit dieser Klausel 477 wäre hier jedoch zunächst an verhältnismäßig mildere Maßnahmen wie Z.B. eine befristete Suspendierung der Währungsunion zu denken. Im übrigen bleibt nur das Verständnis der vom BVerfG angenommenen Lösungsmöglichkeit aus der Währungsunion als Ausfluß der "faktischen Komponente der Staatlichkeit", wie bereits von mehreren Kommentatoren des Urteils angenommen wurde. 478 Selbst wenn die rechtlichen Begründungen der Aussagen des BVerfG einige Zweifelsfragen aufwerfen, bleibt doch festzuhalten, daß seine bindende Rechtsprechung der Priorität der Preisstabilität auch rur die Phase des Übergangs zur Währungsunion Verfassungsrang einräumt. 479 Nur auf diese Weise scheint gewährleistet, daß eine Europäische Zentralbank eine erfolgreiche, dem Ziel der Preisstabilität verpflichtete Geldpolitik betreiben kann. Andererseits gewährleisten die Konvergenzkriterien des Maastrichter Vertrages in der auch vom BVerfG für unaufgebbar befundenen strikten Auslegung, daß eine Währungsunion in der Gemeinschaft nur dann zur Realität werden kann, wenn die ökonomischen Voraussetzungen einer Politik des stabilen Geldwertes gegeben sind.
v. Quantitative Grenzen der Übertragung währungspolitischer Kompetenzen?
Zweifel daran, daß Art. 88 S. 2 GG die Übertragung währungspolitischer Kompetenzen in ihrer gesamten Breite erlaubt, könnte ein Vergleich mit der
475 EuGH, Kommission I Italien, Sig. 1973, 101 (115); vgl. auch Meier, NJW 1974, S. 391 (392) 476 EuGH Slg. 1964, S. 1251; Hilf, in: v.d. Groeben I Thiesing I Ehlermann, EWGV, Rn. 12 m.w.Nachw.; zur Maastricht-Entscheidung des BVertU in diesem Sinne auch 1psen, EuR 1994, S. 1 (15). 477 So z.B. Schweitzer I Hummer, S. 176; Oppermann, EuR, Rn. 190. 478 Götz, JZ 1993, S. 1081 (1085); Ipsen, EuR 1994, S. 1 (17); Bleckmann I Pieper, RIW 1993, S. 975 sprechen von der "Normativität des Faktischen". 479 Ähnlich Weber, JZ 1993, S. 53 (56 f.).
168
D. Der Transfer der Währungshoheit nach Art. 88 S. 2 GG
Rechtslage nach Art. 24 Abs. 1 GG nahelegen. Gramlich480 äußerte bereits früher Zweifel, ob eine Übertragung der Währungshoheit auf dem Wege des Art. 24 Abs. 1 GG möglich sei, da dieser nur die Übertragung bestimmter staatlicher Aufgaben oder eines Komplexes von Aufgaben, nicht aber der Staatsgewalt als solcher oder einer gesamten Staatsfunktion erlaube. Den vom Grundgesetz konstituierten Organen müsse ein Kernbereich von Kompetenzen verbleiben. Allerdings war schon unter dem Integrationshebel Art. 24 Abs. 1 GG anerkannt, daß derartige Residual-Kompetenzen zum Erhalt der Eigenstaatlichkeit nicht bei jedem Träger hoheitlicher Gewalt verbleiben müssen, so daß auch schon im Rahmen des Art. 24 Abs. 1 GG die vollständige Internationalisierung einzelner Aufgabenfelder möglich war. 481 Dieses gilt in Bezug auf die Währungshoheit umso mehr seit der Einfllgung des Art. 88 S. 2 GG. Schon sein Wortlaut läßt keinen Zweifel daran, daß die Gesamtheit der währungspolitischen Kompetenzen der Bundesbank auf die Europäische Zentralbank übertragen werden kann, ansonsten wäre die unspezifizierte Beschreibung der zu übertragenden Hoheitsrechte der Bundesbank als "ihre Aufgaben und Befugnisse" nicht zu erklären. Auch Sinn und Zweck des Art. 88 S. 2 GG erfordern die Übertragung der währungspolitischen Hoheitsrechte als Ganzes. Wenn Art. 88 S. 2 GG eine verfassungskräftige Ermächtigung zur Übertragung der Währungshoheit schafft und diese durch weitere Anforderungen auf eine preisstabilitätsorientierte Geldpolitik festlegen will, so kann nach allgemeiner Auffassung eine solche europäische Geldpolitik nur durch die vielzitierte "Geldpolitik aus einem GUß"482 ermöglicht werden. Diese erfordert jedoch die vollständige Übertragung der mitgliedstaatlichen Währungshoheiten auf die Europäische Zentralbank. Dem widerspräche eine quantitative Grenze der Übertragung währungspolitischer Kompetenzen.
480 Gramlich, Europäische Zentral bank, S. 167 f. 481 Ein Beispiel hierfur bildet insbesondere die umfangreiche Hoheitsrechtsübertragung zur
Begründung einer Zollunion; vgl.lpsen, EGR, S. 55; Rojahn, in: v.Münch, Art. 24, Rn. 10. 482 Zu deren Notwendigkeit z. B. auch Dt. Bundesbank, Internationale Organisationen, S. 318 und 324.
E. Die Bindungswirkung des Art. 88 S. 2 GG Die vorangegangenen Überlegungen haben verdeutlicht, daß die Übertragung der Währungshoheit auf eine Europäische Zentralbank durch die Einfilgung des Art. 88 S. 2 GG an drei konkrete Bedingungen geknüpft wird, die der alte Integrationshebel des Art. 24 Abs. 1 GG in dieser Form nicht kannte. Es wurde auch bereits angefilhrt, daß Art. 88 S. 2 GG seine endgültige Ausgestaltung wegen des politischen Anliegens der deutschen Seite erhielt, die Ausrichtung einer zukünftigen Europäischen Zentralbank auf das Ziel der Preisstabilität durch eine der Bundesbank vergleichbar unabhängige Struktur zu garantieren. I Demnach soll die Ausgestaltung der supranationalen Institution "Europäische Zentralbank" durch eine "währungspolitische Struktursicherungsklausel" im nationalen deutschen Verfassungsrecht abgesichert werden. An dieser Stelle liegt die Frage nahe, ob eine mitgliedstaatliehe Verfassungsnorm einen tauglichen Schutzmechanismus gegen eine stabilitätswidrige Ausgestaltung einer gemeinschaftlichen Institution darstellen kann. Die Beantwortung dieser Frage hängt wesentlich davon ab, inwieweit nationale, aber auch gemeinschaftliche Organe in ihrem Handeln durch Art. 88 S. 2 GG gebunden werden können.
I. Bindung der nationalen Organe Zweifellos setzt der neue Art. 88 S. 2 GG der Integrationsgewalt der zuständigen deutschen Verfassungsorgane hinsichtlich des Transfers der Währungshoheit Grenzen, da sie die originären Normadressaten des Art. 88 S. 2 GG sind. Nach alter Rechtslage, unter Geltung des Art. 24 Abs. 1 GG als maßgeblicher Ermächtigungsgrundlage filr Hoheitsrechtsübertragungen auf europäische Institutionen, unterlag auch die Übertragung der Währungshoheit keiner weiteren Begrenzung des außenpolitischen Ermessens der Bundesregierung sowie des Bundestages als Integrationsgesetzgeber. Nunmehr muß die Bundesregierung dafür Sorge tragen, daß in künftigen Verhandlungen über neue vertragliche Integrationsschritte die Prinzipien des Art. 88 S. 2 GG, also die Unabhängigkeit einer Europäischen Zentralbank und deren Ausrichtung auf das Ziel der PreisI
BT-Dr. 12/3896, S. 22, vgl. auch Abschnitt D. 111. 1 c).
170
E. Die Bindungswirkung des Art. 88 S. 2 GG
stabilität sowie ihre Einbettung in den Rahmen einer Europäischen Union, keine Beeinträchtigungen erfahren. Drohen solche, darf die Bundesregierung den geplanten Integrationsschritten nicht zustimmen. 2 Für den Bundestag als Gesetzgeber folgt aus Art. 88 S. 2 GG die Verpflichtung, im Rahmen seiner verbliebenen Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Währungs-, Geldund Münzwesens gemäß Art. 73 Nr. 4 GG dafUr zu sorgen, daß die notwendigen legislativen Umsetzungen des künftig vorrangigen gemeinschaftlichen Währungsrechts in nationales Recht erfolgen. Auch der Bundestag ist dabei an die Prinzipien des Art. 88 S. 2 GG gebunden. Auffällig ist in diesem Zusammenhang im übrigen, daß das Grundgesetz in Gestalt des Art. 88 S. 2 GG rur den Spezialfall der Übertragung der Währungshoheit eine Forderung aufstellt, die für das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und Verfassungsrecht schon früher in einem allgemeinen Rahmen erhoben, aber nahezu einhellig abgelehnt worden war3 : die Forderung nach struktureller Kongruenz. 4 Mit dem verfassungsrechtlichen Postulat einer Europäischen Zentralbank, die unabhängig und dem Primat der Preisstabilität verpflichtet ist, sollen die grundlegenden Strukturmerkmale der Deutschen Bundesbank auf eine Europäische Zentral bank übertragen werden. Dieses ist die Forderung nach "struktureller Kongruenz der Zentralbanken". Dennoch trifft hier der den Vertretern der "strukturellen Kongruenz" im Rahmen des Art. 24 Abs. 1 GG gemachte Vorwurf des "Grundgesetz- (bzw. hier des "Bundesbankgesetz-") introvertierten Denkens"s nicht im selben Maße zu. Da sich die Zielansprache der Preisstabilität insbesondere im vergangenen Jahrzehnt zu einem gemeinschaftlichen Konsens entwickelt hat6 und empirische Untersuchungen zu dem Schluß berechtigen, daß ein autonomer Status der Zentralbank diesem Ziel am tOrderlichsten ist1, entsprechen die Forderungen nach Autonomie und Priorität der Preisstabilität, die Art. 88 S. 2 GG zur Verfassungspflicht macht, gleichzeitig dem Gebot ökonomischer Vernunft. Festzuhalten bleibt hier, daß die Voraussetzungen des Art. 88 S. 2 GG rechtlich verbindliche Rahmenbedingungen für die Auslagerung der Wäh rungshoheit auf eine Europäische Zentral bank darstellen. Der ehedem nach Art. 24 Abs. 1 GG nicht weiter eingeschränkte Ermessensspielraum der deutschen
2 J
4 5
6
7
Vgl. auch Sommennann, DÖV 1994, S. 596 (602). Dazu Ipsen, EGR, S. 64. Zum Begriff der strukturellen Kongruenz vgl. schon B. II. 4. a). Vgl. Tomuschat, in: BK, Art. 24, Rn. 55, m.w.Nachw. s. Abschnitt D. IV. I. Abschnitt D. 1/1. I. b).
II. Bindung der Organe der Europäischen Gemeinschaft
171
Staatsgewalten ist für künftige Verhandlungen auf dem Feld der Währungspolitik in der Europäischen Gemeinschaft nachhaltig beschränkt. 8
11. Bindung der Organe der Europäischen Gemeinschaft Eine Ergänzung deutschen Verfassungsrechts führt aber nicht zur Bindung der Organe der Europäischen Gemeinschaft. 9 Dennoch sind die Integrationsschranken des Art. 88 S. 2 GG auch auf europäischer Ebene nicht ohne Bedeutung. Gemeinschaftsrechtliche Tragweite erlangen sie zunächst durch das Art. 5 EGV zugrundeliegende Prinzip der Gemeinschaftstreue. lo Danach sind zwar zunächst die Mitgliedstaaten zu loyaler Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft verpflichtet I I , die Gemeinschaft ist aber ebenso gehalten, das Gebot der Rücksichtnahme gegenüber den Mitgliedstaaten zu beachten. 12 Dieses beinhaltet auch, daß die Gemeinschaft Hürden der nationalen Verfassungsordnungen bei der Strukturierung der gemeinschaftlichen geldpolitischen Ordnung beachten muß.13 Die Loyalitätspflicht gegenüber dem deutschen Verfassungsrecht erlegt daher der Gemeinschaft die Pflicht zur Respektierung insbesondere der Autonomie der EZB und ihrer vorrangigen Ausrichtung auf die Preisstabilität auf. Die Wirksamkeit dieser rechtlichen Bindung ist aber durchaus fraglich, da der EuGH die Gemeinschaftstreue bei der Ausübung von Gemeinschaftsbefugnissen in seiner Rechtsprechung noch nicht zugunsten der Mitgliedstaaten herangezogen hat. 14 Eine weitere, eher mittelbare Verpflichtung der Gemeinschaftsorgane zur Beachtung deutscher verfassungsrechtlicher Einschränkungen der Integrationsgewalt ergibt sich aus dem Geltungsgrund des Gemeinschaftsrechts im Bereich der deutschen Rechtsordnung. Zwar geht insbesondere der EuGH davon aus, daß es sich bei dem Europäischen Gemeinschaftsrecht um eine eigenständige Rechtsordnung handelt, deren autonome Gemeinschaftsgewalt getrennt neben derjenigen der Mitgliedstaaten stehe. Aus der Eigenständigkeit und Supranationalität der Rechtsordnung ergebe sich auch bereits, quasi begriffsimmanent, der Vorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber allem nationalen Recht, selbst So auch Weikart, NVwZ 1993, S. 834 (841). Sommermann, DÖV 1994, S. 596 (602). 10 Grundlegend Bleckmann, EuR, Rn. 381 tr. 11 Zuleeg, in: v.d.Groeben I Thiesing I Ehlermann, Art. 5, Rn. 3; Bleckmann, EuR, Rn. 413. 12 So insb. BVerfGE 89, 155 (202). 13 BVerfG, a.a.O. 14 Vgl. Bleckmann I Pieper, RIW 1993, S. 969 (974).
8 9
172
E. Die Bindungswirkung des Art. 88 S. 2 GG
dem Verfassungsrecht.l 5 Eine derartige, originär europarechtliche Lösung der Geltungs- und Vorrangproblematik läßt aber die Frage offen, wie im KolIisionsfall die - auch vom Völkerrecht akzeptierte - Bindung der nationalen Organe an das nationale Recht, die aus dem Souveränitätsprinzip folgt, ohne Rückbezug auf die jeweilige einzelstaatliche Verfassung überwunden werden soll.l6 Richtigerweise kann eine Erklärung dieses Phänomens nur durch das Zusammenwirken von Gemeinschaftsrecht und nationaler Verfassungsordnung erfolgen.'7 Dementsprechend sieht insbesondere auch das BVerfG den Vorrang des Gemeinschaftsrechts erst durch eine früher nach Art. 24 Abs. 1 GG ergangene Ermächtigung im Rahmen des Zustimmungsgesetzes gewährleistet. Wörtlich filhrt das BVerfG aus: Der "Anwendungsvorrang gegenüber späterem wie früherem nationalen Gesetzesrecht beruht auf einer ungeschriebenen Norm des primären Gemeinschaftsrechts, der durch die Zustimmungsgesetze zu den Gemeinschaftsverträgen in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 GG der innerstaatliche Rechtsanwendungsbefehl erteilt worden ist."'8 Dieser Rechtsanwendungsbefehl unterliegt aber der Kontrolle des BVerfG auf seine Verfassungsmäßigkeit hin, wie gerade das Maastricht-Urteil des BVerfG deutlich gemacht hat, das sich mit den Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des EUV eingehend befaßt hat. 19 Demnach überprüft das BVerfG unter der Geltung des Art. 24 Abs. 1 GG die Übertragung von Hoheitsrechten daraufhin, daß sie nicht "die Identität der geltenden Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland durch Einbruch in ihr Grundgefilge, in die sie konstituierenden Strukturen" verletze. 2o Mit dem Überschreiten dieser Grenze verliert der Rechtsanwendungsbefehl seine Wirksamkeit und das Gemeinschaftsrecht folgerichtig seinen Vorrang. Die Verfassungsänderungen, weIche zum Zweck der Ratifikation des Maastricht-Vertrages in das Grundgesetz eingefilgt worden sind, ändern nunmehr an diesen Wirksamkeitsvoraussetzungen bezüglich des Rechtsanwendungsbefehls folgendes: Durch die Einfilgung des neuen Art. 23 GG werden zunächst im wesentlichen die schon vom BVerfG herausgearbeiteten identitätswahrenden Grenzen filr Hoheitsrechtsübertragungen positiviert. 21 Für den Spezialfall der Übertragung der Währungshoheit sind durch die Einfügung des Grundlegend EuGH, Rs. 6/64, Costa / ENEL, Sig. 1964, S. 1251 (1269 tr.). Ausfllhrlich Bleckmann, EuR, Rn. 750 tr. 17 Bleckmann, a.a.O., Rn. 754. 18 BVerffJE 75, 223 (244). 19 BVerffJE 89, ISS (188); anders hingegen H.P. Ipsens "Gesamtakttheorie", nach welcher sich die Funktion des Art. 24 Abs.1 GG in seiner Eigenschaft als "Integrationshebel" erschöpft und keine weitere Verfassungsmäßigkeitskontrolle stattfinden kann, vgl. Ipsen, EGR, S. 60 fl". 20 BVerffJE 73, 339 (375 f.), vgl. auch schon BVerKiE 37, 271 (279); 58, I (40). 21 s. Abschnitt C. 15 16
II. Bindung der Organe der Europäischen Gemeinschaft
173
Art. 88 S. 2 GG aber zusätzliche Anforderungen konstituiert worden. Sie ist nur möglich im Rahmen einer Europäischen Union, die den Anforderungen des Art. 23 GG entspricht22 und bei einer Gewährleistung ihres unabhängigen Status sowie der Zielverpflichtung auf die PreisstabiIität. Eine Übertragung der Währungshoheit ist nur dann verfassungsgemäß und dami~ wirksam 23 , wenn diesen Anforderungen genügt wird. Daraus folgt ebenso, daß nur unter diesen Voraussetzungen ein wirksamer Rechtsanwendungsbefehl vorliegt, welcher dem primären wie dem sekundären Gemeinschaftsrecht auf dem Gebiet der Währungspolitik Vorrang im deutschen Rechtsraum verschaffen kann. Demnach entfaltet Art. 88 S. 2 GG gegenüber den Organen der Gemeinschaft zumindest eine "präventive Wamfunktion"24 dahingehend, daß eine Europäische Währungsunion die Vorgaben des Art. 88 S. 2 GG zu beachten hat, wenn europäisches Recht auf dem Gebiet der Währungspolitik Vorrang im deutschen Rechtsraum haben soll.
22 Dazu Abschnitt C. 23 Vgl. zur Verfassungsmäßigkeit als Wirksamkeitsvoraussetzung: Jarass, in: Jarass / Pieroth,
Art. 23, Rn. 1S. 24 Streinz, EuR, Rn.193 zu Art. 24 Abs. I GG.
F. Auswirkungen auf die gegenwärtige Rechtsstellung der Bundesbank
Stand im Mittelpunkt der bisherigen Untersuchung die Europäische Zentralbank, insbesondere die Ausgestaltung ihrer Rechtsgrundlagen aus dem Blickwinkel des Art. 88 S. 2 GG, so soll nunmehr der Blick sowohl zeitlich als auch gegenständlich in die Gegenwart zurückgelenkt werden. Nachdem die Voraussetzungen, die Art. 88 S. 2 GG an die Übertragung der währungspolitischen Kompetenzen der Bundesbank an die EZB knüpft, erörtert wurden, drängt sich die Frage auf, ob die Einftlgung eines zweiten Satzes in Art. 88 GG, also den bisherigen "Bundesbank-Artikel", auch Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Deutschen Bundesbank, mithin seinen genuinen Regelungsgegenstand, hat. Mögliche Auswirkungen auf die gegenwärtige Rechtsstellung der Bundesbank sollen vor allem unter zwei Aspekten betrachtet werden: I.
Führt die Einfügung des Art. 88 S. 2 GG dazu, daß die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank fortan unter dem Schutz des Grundgesetzes steht und nicht mehr nur einfachgesetzlich garantiert wird?
2.
Wird der weitgehend abstrakte Währungssicherungsauftrag der Bundesbank aus § 3 BBankG durch Art. 88 S. 2 GG konkretisiert und mit Verfassungsrang versehen?
I. Zur verfassungsrechtlichen Garantie der Unabhängigkeit der Bundesbank Wie bereits festgestellt), wurde die Unabhängigkeit der Bundesbank vor der Einftlgung des Art. 88 S. 2 GG nicht durch das Grundgesetz garantiert. Insbesondere das BVerwG hat in seinem grundlegenden Urteil hierzu angemerkt, daß weder Wortlaut, Sinn und Zweck, noch die Systematik des Art. 88 GG a. F. Hinweise auf eine Autonomie der Bundesbank boten. Andererseits stellt dasselbe Urteil aber auch fest, daß die Unabhängigkeit der Bundesbank mit dem
) Vgl. Abschnitt 8., Fn. 144
I. Zur verfassungsrechtlichen Garantie der Unabhängigkeit der Bundesbank
175
Grundgesetz zu vereinbaren sei. 2 Dementsprechend bildete sich in Rechtsprechung und Rechtsliteratur der Konsens heraus, daß die Bundesbankautonomie lediglich einfachgesetzlich in § 12 S. 2 BBankG garantiert werde. Nach der Einfügung des Art. 88 S. 2 GG ändert sich an dieser Verfassungslage grundsätzlich nichts. Zwar taucht nun erstmals der Begriff der "Unabhängigkeit" in adjektivischer Form im Wortlaut des Art. 88 GG auf. Aus dem syntaktischen Zusammenhang wird aber deutlich, daß das Adjektiv "unabhängig" lediglich zur Charakterisierung der Europäischen Zentral bank dienen soll, die das Bezugsobjekt des Relativsatzes mit der Charakterisierung "unabhängig" ist. Ein Zusammenhang zum ersten Satz des Art. 88 GG läßt sich nicht herstellen. Eine grammatische Auslegung des neuen Art. 88 GG spricht daher nicht für die Ausweitung der verfassungskräftigen Unabhängigkeitsgarantie auf die Deutsche Bundesbank. 3 Dieses entspricht auch den Intentionen des verfassungsändemden Gesetzgebers. So stellt der Sonderausschuß Europäische Union (Vertrag von Maastricht) in seiner Beschlußempfehlung ausdrücklich fest, daß die von ihm befürwortete Formulierung des Art. 88 S. 2 GG keine Auswirkungen auf die gegenwärtige Rechtsstellung der Deutschen Bundesbank hat. 4 Dafür, daß Art. 88 GG nunmehr auch die Unabhängigkeit der Bundesbank garantiert, könnte allerdings zunächst der systematische Zusammenhang zwischen den bei den Sätzen des Art. 88 GG sprechen. Wenn der neu eingefügte Satz fordert, daß Aufgaben und Befugnisse der Bundesbank ausschließlich auf eine Europäische Zentralbank übertragen werden dürfen, die unabhängig ist und gleichzeitig nach europäischem Recht EZB und nationale Zentral banken unter dem Dach des ESZB zusammengefaßt werden, so könnte dieses ebenso für eine notwendige strukturelle Übereinstimmung von EZB und Bundesbank sprechen wie der Modellcharakter5, den die Bundesbank bekanntlich für die Organisation der EZB besitzt. Hieraus kann aber höchstens gefolgert werden, daß überhaupt eine strukturelle Übereinstimmung zwischen Bundesbank und EZB bestehen muß, nicht jedoch, daß diese auch verfassungsrechtlich abgesichert sein muß. Da die Autonomie der Bundesbank bereits durch § 12 S. 2 BBankG garantiert wird, besteht die strukturelle Übereinstimmung als solche aber bereits. Auch nach seinem Sinn und Zweck stellt Art. 88 S. 2 GG lediglich eine Struktursicherungsklausel hinsichtlich der Ausgestaltung einer künftigen EZB dar. Die institutionelle Struktur der Bundesbank ist nicht Regelungsge2 J 4
5
tn.
BVerwGE 41, 334 (356 Weikart, NVwZ 1993, S. 834 (840). BT-Dr. 12/3896, S. 22. s. D. 111. 1. cl.
176
F. Auswirkungen auf die gegenwärtige Rechtsstellung der Bundesbank
genstand des Art. 88 S. 2 GG. Maßgebend bleibt insoweit weiterhin Art. 88 S. 1 GG. Dann muß aber auch nach Einftlgung des Art. 88 S. 2 GG ftlr die Bundesbank gelten, daß der Begriff der Währungs- und Notenbank in Art. 88 S. 1 GG ftlr sich alleine keine Unabhängigkeitsgarantie enthält, sondern lediglich den Aufgabenbereich der Zentralbank festlegt. 6 Dennoch erfllhrt auch die Unabhängigkeit der Bundesbank durch den EGV eine zusätzliche rechtliche Absicherung. Unzutreffend oder zumindest mißverständlich sind in dieser Hinsicht aber Behauptungen, die mit dem Tenor erhoben wurden, bisher sei die Unabhängigkeit der Bundesbank lediglich durch das BBankG gesichert gewesen, nun trete hierzu der Schutz der Unabhängigkeit durch den EG-Vertrag, der Verfassungsrang besitze. 7 Ab der dritten Stufe des Übergangs zur Europäischen Währungsunion wird die Bundesbank Bestandteil des ESZB.8 Damit hat sie Teil an dem Schutz, den Art. 107 EGV sowohl der Unabhängigkeit der EZB wie derjenigen der nationalen Zentralbanken gewährt. Dieses bedeutet zum einen, daß auch die Unabhängigkeit der Bundesbank als Teil des ESZB den verstärkten Abänderungsschutz des EG-Primärrechts genießt. 9 Andererseits wird durch Art. 107 EGV auch die Unterlassungspflicht statuiert, daß sich die nationalen Regierungen einer Einwirkung auf die Zentralbank zu enthalten haben. Handelt ein Mitgliedstaat dieser Unterlassungspflicht zuwider, so begeht er eine Vertragsverletzung, welche nach Art. 169 EGV vom EuGH festgestellt werden kann. Dieser zusätzliche gemeinschaftsrechtliche Schutz der Unabhängigkeit der nationalen Zentralbanken greift auch nicht erst mit Beginn der dritten Stufe. Schon ftlr die Übergangsphase fordert Art. 108 EGV, daß die Mitgliedstaaten ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften in Übereinstimmung zum EGV und zur Satzung des ESZB bringen. Das heißt unter anderem, daß die Unabhängigkeit der mitgliedstaatlichen Notenbanken einer rechtlichen Regelung zugeftlhrt werden muß. Beseitigt nun ein Mitgliedstaat im Gegensatz zur Forderung des Art. 108 EGV sogar eine bereits existente Autonomie seiner Zentralbank nach innerstaatlichem Recht, so liegt auch in diesem Fall eine Vertragsverletzung vor, die zur Eröffnung des entsprechenden Verfahrens vor dem EuGH berechtigt. Wollen sich die deutschen Verfassungsorgane demnach nicht dem Vorwurf der Vertragsverletzung aussetzen, so entflillt künftig die Möglichkeit der Novellierung des BBankG mit einfacher Hahn, BayVBI 1982, S. 33 (34). Hauser, Außenwirtschaft 1992, S. 151 (154); vgl. auch Hasse, Zentralbank, S. 156 und die Nachweise bei Weikart, NVwZ 1993, S. 834 (835, Fn. 13). 8 Vgl. Art. 1091 EGV. 9 Weikart, NVwZ 1993, S. 834 (840). 6
7
11. Vorrang der Preisstabilität
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Mehrheit zumindest im Hinblick auf eine mögliche Beseitigung der in § 12 S. 2 BBankG garantierten Unabhängigkeit der Bundesbank. In diesem Sinne ist die Behauptung, die Unabhängigkeit der Bundesbank habe durch den Abschluß des Vertrags zur Gründung der Europäischen Union eine "höhere Qualität"IO gewonnen, berechtigt.
11. Vorrang der Preisstabilität Schließlich ist auch die Fragestellung nicht abwegig, ob das Verfassungspostulat nach einer eindeutigen Ausrichtung der Europäischen Zentralbank auf das Ziel der Preisstabilität in Art. 88 S. 2 GG Auswirkungen auf die gegenwärtige Zielverpflichtung der Deutschen Bundesbank hat. Hierzu ist aber in Anlehnung an die oben gemachten Bemerkungen zur "Unabhängigkeit" zunächst festzustellen, daß sich auch die Zielverpflichtung in Art. 88 S. 2 GG ausschließlich auf die zukünftige Europäische Zentral bank bezieht. Die Frage nach eventuellen Auswirkungen auf die aktuelle Rechtsstellung der Bundesbank ist aber im Hinblick auf die Priorität der Preisstabilität insofern entschärft, als diese Verpflichtung auch nach bisheriger Verfassungslage unter der Herrschaft des Art. 88 GG a. F. Verfassungsrang hatte. Zu entnehmen war dieses bereits dem materiellen Gehalt des Begriffs "Währungsbank". Dieser umfaßt nach allgemeiner Auffassung nicht nur die Obliegenheit der Versorgung der Volkswirtschaft mit den notwendigen Geldmitteln, sondern auch die Sicherung der Stabilität der Währung. 11 § 3 BBankG stellt sich demnach nur als einfachgesetzliche Konkretisierung dieser Aufgabenverpflichtung dar. Daraus folgt, daß die ausdrückliche Verpflichtung der Europäischen Zentral bank auf die Preisstabilität keine rechtliche Aufwertung des Stabilitätsziels der Bundesbank bewirken kann (und muß). Auch unter diesem Aspekt betrachtet, hat Art. 88 S. 2 GG daher keine Auswirkungen auf die gegenwärtige Rechtsstellung der Bundesbank. 12
Haller, Bitburger Gespräche-Jahrbuch 1992, S. I (8). BVerwGE 41, 334 (349); Stern, Staatsrecht 11, S. 475 f.; Maunz, in: Maunz / DUrig, Art. 88, Rn. 30, Uhlenbruck, S. 24. 12 Im Erg. auch Weikart, NVwZ 1993, S. 834 (840 f.) und Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 88, Rn. 4. 10 11
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G. Die Deutsche Bundesbank im ESZB Zum Schluß der Arbeit soll nun noch ein Blick auf das voll ausgebildete Europäische System der Zentralbanken geworfen werden, wie es der EGV möglicherweise schon rur Ende 1996, spätestens aber 1999 in Aussicht stellt. Es gilt die Frage zu beantworten, ob sich aus den Rechtsgrundlagen des Maastrichter Vertragswerkes Rückschlüsse auf den künftigen Handlungsspielraum der Bundesbank als mitgliedstaatlicher Zentralbank im Europäischen System der Zentralbanken ziehen lassen.
J. Der grundsätzliche Einfluß der Bundesbank auf die Gestaltung einer gemeinschaftlichen Geldpolitik Die künftige Rolle der Bundesbank in einem Europäischen System der Zentralbanken wird grundlegend durch Art. 14.3 ESZB-Satzung festgelegt, in dem es heißt, daß die nationalen Zentral banken integraler Bestandteil des ESZB sind und nach den Richtlinien und Weisungen der EZB zu handeln haben. Die dominierende Rolle der EZB findet ihre Bestätigung in Art. 106 EGV und Art. 8 ESZB-Satzung, nach welchem das ESZB von den Beschlußorganen der EZB geleitet wird und Art. 12 ESZB-Satzung. Art. 12.1 Satz 2 ESZB-Satzung bestimmt, daß der EZB-Rat die Geldpolitik der Gemeinschaft festlegt. Diese Aufgabe umfaßt die Definition der geldpolitischen Zwischenziele, die Festlegung der Leitzinssätze wie auch die Bereitstellung von Zentralbankgeld im ESZB und damit alle wesentlichen Tätigkeitsfelder zentralbanklicher Geldmarktsteuerung. Einfluß auf die im EZB-Rat erfolgende Gestaltung der gemeinschaftlichen Geldpolitik haben die mitgliedstaatlichen Zentralbanken und daher auch die Bundesbank nur über ihre Teilhabe an der Beschlußfassung im EZB-Rat. Hier ist aber lediglich der Präsident der Deutschen Bundesbank kraft seines Amtes Mitglied.) Überdies erfolgt die Beschlußfassung in der Regel nach dem Prinzip "one country, one vote"2, ohne nach der monetären Bedeutung der mitgliedstaatlichen Zentral banken zu gewichten, so daß der Bundes) Art. 109 a Abs. 1 EGV und Art. 10.1 ESZB-Satzung. Art. 10.2 Abs. 2 S. 2 ESZB-Satzung.
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11. Die künftige Handhabung der einzelnen Notenbankinstrumente im ESZB
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bankpräsident formell über denselben Einfluß im EZB-Rat verfllgt wie sein künftiger Luxemburger Kollege. Eine Gewichtung nach der Bedeutung der Länderzentralbanken wie sie in wissenschaftlichen Szenarien vor Maastricht gefordert worden war3 , erfolgt nur in Fragen der Gewinnverteilung und der Kapitalerhöhung. Hier werden die Anteile der mitgliedstaatlichen Zentralbanken am gezeichneten Kapital der EZB bei der Stimmgewichtung zugrundegelegt. 4 Aus diesen Regelungen des EGV und der Zentralbanksatzung wird ersichtlich, daß der Einfluß der nationalen Zentralbanken jeweils fUr sich betrachtet im Hinblick auf die Bestimmung der Leitlinien einer europäischen Geldpolitik gering bleiben wird. Beschnitten wird dadurch insbesondere die bisher kaum rechtsverbindlich durch gemeinschaftliche Interessen eingeschränkte Gestaltungsfreiheit der Deutschen Bundesbank. Wurden bisher alle wichtigen geldpolitischen Entscheidungen mit europaweiter Auswirkung von der Bundesbank als "Hüterin der D-Mark" weitgehend eigenverantwortlich getroffen, so verftlgt sie künftig lediglich über eine Stimme im dann maßgeblichen Leitungsgremium EZB-Rat.
11. Die künftige Handhabung der einzelnen Notenbankinstrumente im ESZB Nachdem somit die grundsätzlich dominierende Stellung der EZB bei der künftigen Gestaltung einer gemeinschaflichen Geldpolitik festgestellt wurde, soll nun anhand einer Betrachtung des herkömmlichen Zentralbankinstrumentariums der Handlungsspielraum untersucht werden, der den nationalen Zentralbanken und damit auch der Bundesbank in einem Europäischen System der Zentral banken verbleiben könnte. Dabei ist der fragmentarische Charakter der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundlagen zu beachten. Bisher lassen sowohl der EGV selbst, als auch die ESZB-Satzung die endgültige Aufgabenverteilung zwischen EZB und nationalen Zentralbanken offen. Auch der erste vollständige Jahresbericht des EW{S äußert sich noch nicht definitiv zur endgültigen Gestaltung des dem ESZB zur Verftlgung stehenden geldpolitischen Instrumentatriums, da zunächst eine gründliche Überprüfung der Konvergenz der von den nationalen Zentralbanken verwendeten Instrumente notwendig sei. Trotz der Unvollständigkeit der Rechtsgrundlagen im Detail, ergeben sich doch bereits
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12·
Hasse, Zentral bank, S. 157; vgl. auch schon Kloten, EA 19811, S. 285 (289). Art. 10.3 ESZB-Satzung. Deutsche Bundesbank, AP Nr. 80 v. 27.11.1995, S. \ \1
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G. Die Deutsche Bundesbank im ESZB
einige wesentliche Grundprinzipien der künftigen Aufgabenverteilung, die im folgenden aufgezeigt werden sollen. Grundlegende Bedeutung für die Aufgabenverteilung im ESZB hat die Unterscheidung zwischen der Regelung des "Ob" und "Wie" der geldpolitischen Steuerungsmittel und ihrer Durchsetzung bzw. ihrem Vollzug im Rahmen der Tätigkeit einer Zentralbank. Die der Steuerung der Geldmenge dienenden Entscheidungen der Zentralbank bedürfen zu ihrer Wirksamkeit jeweils einer Vielzahl von Kunden- bzw. Vollzugsgeschäften. 6 Es bedarf daher einer Analyse, ob die Rechtsgrundlagen des Europäischen Systems der Zentralbanken in ihrer derzeitigen Fassung Rückschlüsse auf künftige Handlungsspielräume der Bundesbank zulassen und auf welcher Ebene zentralbanklicher Tätigkeit sich diese befinden werden. Dabei kann an die bisherige Regelung im BBankG angeknüpft werden. 1. Notenausgabe
§ 14 BBankG weist der Bundesbank bisher als währungspolitische Befugnis das ausschließliche Recht zur Ausgabe von Banknoten zu. Diese Ermächtigung der Bundesbank wird mit der Einführung einer Europäischen Währungsunion von Art. 105 a EGV bzw. Art. 16 ESZB-Satzung überlagert. Danach hat künftig allein die EZB das Recht, die Ausgabe von Banknoten innerhalb der Gemeinschaft zu genehmigen. Unter Beachtung dieses Genehmigungsvorbehalts des EZB-Rates bleiben nach Art. 105 a Abs. 1 S.2 EGV die nationalen Zentralbanken aber weiterhin zur Ausgabe von Banknoten berechtigt. Dieser Genehmigungsvorbehalt gilt, wie sich aus Art. 109 lAbs. 1, letzter Satz ergibt, bereits ab Beginn der dritten Stufe, also auch dann, wenn noch keine einheitliche Europäische Währung besteht, sondern eine Währungsunion mit fixierten Wechselkursen der mitgIiedstaatlichen Währungen beginnt. 7 Die Konsequenz dieser Regelung ist, daß den mitgliedstaatlichen Zentralbanken und damit auch der Bundesbank künftig ein eigenständiger Einfluß auf das umlaufende Geldvolumen durch das Instrument der Notenemission genommen wird. Das verbleibende Ausgaberecht ist eine reine Vollzugskompetenz.
6 Vgl. Gramlieh, BBankG, Einfilhrung, Rn. 27 ff. und § 15, Rn. 2; Hahn, Wllhrungsrecht, § 19 Rn. I. 7 Potacs, EuR 1993, S. 23 (34, Fn.73).
11. Die künftige Handhabung der einzelnen Notenbankinstrumente im ESZB 181 2. Diskont-, Kredit- und Offenmarktpolitik
Als weiteres Mittel zur Beeinflussung des Geldumlaufs und der Kreditgewährung und derzeit wohl wichtigstes Mittel der Geldmarktsteuerung setzt die Deutsche Bundesbank bisher nach § 15 BBankG für ihre Geschäfte die Leitzinssätze (Diskont- und Lombardzins) sowie die Grundsätze für ihr Kredit- und Offenmarktgeschäft fest. Auch diese Befugnis wird mit Beginn der dritten Stufe auf den Europäischen Zentralbankrat übergehen. Gemäß Art. 18.2 ESZBSatzung wird nämlich die EZB die allgemeinen Grundsätze für ihre eigenen Offenmarkt- und Kreditgeschäfte, wie auch fUr diejenigen der nationalen Zentralbanken aufstellen. Hierzu gehört auch die Festsetzung der Leitzinssätze der Diskont- und Lombardpolitik. Innerhalb dieser allgemeinen Grundsätze verbleibt der Bundesbank als nationaler Zentralbank aber gemäß Art. 18.1 ESZBSatzung die Möglichkeit, Offenmarkt- und Kreditgeschäfte auf den Finanzmärkten zu betreiben. Dabei mögen die Konditionen der einzelnen nationalen Zentralbanken zu Beginn der dritten Stufe aufgrund regionaler Unterschiede noch leicht divergieren 8 ; letztendlich wird die einer Währungsunion implizite "Geldpolitik aus einem Guß" jedoch zu einer Angleichung der Zinsunterschiede führen. 9 Nur so wird im übrigen auch dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb aus Art. 105 EGV Rechnung getragen. 1O Damit wird aber die Gestaltungsfreiheit der Bundesbank hinsichtlich ihrer Leitzins- und Offenmarktpolitik beseitigt. Ihre Funktion beschränkt sich auf die Konkretisierung und Umsetzung der allgemeinen Grundsätze des EZB-Rates durch die Exekution der dazu notwendigen Kundengeschäfte. 3. Mindestreservepolitik
Unter allen geldpolitischen Instrumentarien am heftigsten umstritten ist die Frage, ob dem EZB auch das Instrument der Mindestreservepolitik zur Verfügung stehen soll. Eine Pflicht zur Unterhaltung von Mindestreserven auf Bankeinlagen ist bisher insbesondere in Großbritannien und Luxemburg unbekannt. Deren Finanzplätze fUrchten nun, den ihnen hieraus resultierenden Wettbewerbsvorteil zu verlieren, wenn es zu einer europaweiten Einführung dieses Instruments käme. Die Deutsche Bundesbank plädiert fUr die Einführung einer Mindestreservepflicht, da diese die Geldmengensteuerung erleichtere und die So Kloten, EA 1988, S. 285 (289). Hannen I Lehment, Weltwirtschaft 1992, S. 50 (59); Winkelmann, in: Bofinger (Hrsg.), Weg zur WWU, S. 65 (72 f.). 10 Tietmeyer, in: Bofinger (Hrsg.), Währungsunion oder Währungschaos, S. 25 (39 f.). 8
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Nachfrage nach Zentralbankgeld verstetige. 11 Der erste Jahresbericht der EWI spricht sich nunmehr dafllr aus, daß Mindestreserven potentiell zum geldpolitischen Instrumentarium des ESZB gehören sollten. Die Entscheidung über den tatsächlichen Einsatz des Instruments könne jedoch erst in Stufe drei "im Lichte der Rahmenbedingungen fllr das ESZB sowie der wirtschaftlichen und finanziellen Lage getroffen werden".12 Der Vertrag und die ESZB-Satzung machen aber jedoch in ihrer derzeitigen Fassung entscheidende Vorgaben fllr die künftige Handhabung des Instrumentes. Art. 19.1 ESZB-Satzung bestimmt, daß Mindestreserven sowohl auf Konten der EZB, als auch der nationalen Zentralbanken unterhalten werden können. Aus der Formulierung ".. kann die EZB ... verlangen" in Art. 19.1 ESZB-Satzung geht jedoch bereits hervor, daß die Einfllhrung des Instruments Mindestreservepolitik nur von der EZB beschlossen werden kann. Auch die nähere Ausgestaltung der Mindestreservepflicht der Geschäftsbanken obliegt gemeinschaftlichen Institutionen. Der Rat selbst legt mit qualifizierter Mehrheit in dem Verfahren des Art. 106 Abs. 6 LV.m. Art. 19.2 und Art. 42 ESZB-Satzung die Basis und die höchstzulässigen Mindestreservesätze fest. Innerhalb dieses Rahmens können vom EZB-Rat Verordnungen im Sinne des Art. 189 Abs. 2 EGV zur Berechnung und Bestimmung des Mindestreservesolls erlassen werden. Zwar deutet der Gebrauch des Begriffs "können" an, daß der EZB hinsichtlich der Festsetzung der Mindestreservesätze ein Entschließungsspielraum zusteht und deshalb auch ein Verzicht auf eine zentrale Regelung möglich erscheint; aus den oben zur Kredit- und Offenmarktpolitik genannten Gründen greift hier aber ebenfalls das Prinzip der Einheitlichkeit der Konditionen ein, so daß langfristig eine Angleichung der Mindestreservesätze erfolgen wird. 13 Somit wird die Rolle der Bundesbank in einer voll ausgebildeten Währungsunion im Hinblick auf die Mindestreservepflicht kaum über diejenige eines "Einlagen-Depots" hinausreichen. Im Unterschied zur bisherigen deutschen Rechtslage nach dem BBankG sieht Art. 32.4 ESZBSatzung im übrigen eine Verzinsung der Mindestreserven vor.
4. Ein/agenpolitik und Geschäfte mit äffentliehen Stellen Nach bisheriger deutscher Rechtslage steht der Bundesbank gemäß § 17 BBankG mit der sog. Einlagenpolitik ein weiteres geldpolitisches Instrument zur Verfllgung, dessen Zweck darin besteht, durch eine Bindung der Kassen11
Tietmeyer, in: Deutsche Bundesbank, AP Nr. 77 v. 13.11.1995, S. I (4).
13
Potaes, EuR 1993, S. 23 ( 35 f.).
12 Deutsche Bundesbank, AP Nr. 80 v. 27.11.1995, S. I (4).
H. Die künftige Handhabung der einzelnen Notenbankinstrumente im ESZB
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bestände der öffentlichen Hand eine kurzfristige Steuerung des Geldmarktes zu ermöglichen. 14 Eine derartige Einlageverpflichtung mit "Freigabevorbehalt"JS steht jedoch in Widerspruch zu Art. 17 ESZB-Satzung, wo lediglich die Möglichkeit einer Kontoftlhrung zugunsten öffentlicher Stellen vorgesehen ist. Daher kann die Bundesbank die Einlagenpolitik nur dann im bisherigen Umfang aufrechterhalten, wenn der EZB-Rat sie gemäß Art. 20 ESZB-Satzung mit Zwei-Drittel-Mehrheit als sonstiges geldpolitisches Instrument billigt. 16 Ganz der Anpassungspflicht des Art. 108 EGV erliegen mußte die bisherige Regelung des § 20 Abs. 1 BBankG, wonach die Bundesbank öffentlichen Verwaltungen sog. Kassenkredite in begrenzter Höhe gewähren durfte. Diese widersprechen dem Verbot des Art. 104 EGV bzw. Art. 21.1 ESZB-Satzung, welche Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten zugunsten öffentlicher Stellen ausnahmslos untersagen. Auch noch nach Beginn der dritten Stufe der Währungsunion wird die Bundesbank aber weiterhin ihre Funktion als "fiscal agent", also als Hausbank des Bundes wahrnehmen können. Dieses bestätigt ausdrücklich Art. 21.2 ESZB-Satzung. Somit wird die Bundesbank auch als integraler Bestandteil des ESZB weiterhin Finanzierungsschätze, Bundesschatzbriefe, Bundesobligationen und andere Schuldtitel des Bundes emittieren können.
5. Devisenmarkt-Operationen Eine weitere bedeutende währungspolitische Befugnis der Bundesbank folgt aus ihrer Zuständigkeit rur das Devisengeschäft, die aus § 19 Abs. 1 Nr. 8 und 9 BBankG hervorgeht. Gerade die sog. Swap-Geschäfte, bei welchen Devisen per Kasse gekauft und gleichzeitig per Termin verkauft werden, bilden heute einen wesentlichen Bestandteil der Zentralbankpolitik. 17 Die ESZB-Satzung weist diesbezüglich sowohl der EZB als auch den nationalen Zentralbanken entsprechende Kompetenzen zu, ohne nähere Angaben Ober die interne Aufgabenverteilung zu treffen. 18 Dementsprechend werden zur Zeit als grundsätzliche Optionen von der EWI im Zuge ihrer vorbereitenden Maßnahmen sowohl eine zentralisierte Regelung, bei welchen Interventionen ausschließlich von der EZB durchgeruhrt werden, als auch eine dezentralisierte Lösung diskutiert, bei der 14
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Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. 47. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 382 f. GramIich, ThUrVBI 1993. S. 241 (243). Hahn, Währungsrecht, § 19 Rn. S6 ff. Art. 23, 2. Spiegelstrich ESZB-Satzung.
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die nationalen Zentralbanken Interventionen nach Maßgabe von Richtlinien der EZB durchführen. Beide Optionen sollen offen gehalten werden. 19 Dem in Art. 12.1 ESZB-Satzung statuierten Grundsatz, zur Durchführung von Geschäften - soweit dieses möglich und sachgerecht erscheint - die nationalen Zentral banken heranzuziehen, entspräche die Realisierung der dezentralen Option. 6. Statistische Erhebungen
Im Abschnitt über die währungspolitischen Befugnisse hat das BBankG in Gestalt des § 18 BBankG auch die Ermächtigung der Bundesbank zur Erhebung von Statistiken auf dem Gebiet des Bank- und Geldwesens geregelt. Diese Ermächtigung geht mit Beginn der Währungsunion auf das ESZB über. 20 Intern soll diese Aufgabe gemäß Art. 5.2 ESZB-Satzung "soweit wie möglich" von den nationalen Zentralbanken ausgeführt werden, so daß die Befugnisse der Bundesbank faktisch weitgehend erhalten bleiben könnten. 7. Mitwirkung bei der Bankenaufsicht
Neben ihrer eigentlichen Aufgabe der Gestaltung der Geldpolitik wirkt die Bundesbank derzeit bei der Bankenaufsicht in Zusammenarbeit mit dem Bundesaufsichtsamt ftlr das Kreditwesen mit. 21 Da gemäß Art. 105 Abs. 6 EGV i.V.m. Art. 25.2 ESZB-Satzung nur der EZB, nicht aber den nationalen Zentralbanken Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über die Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitute übertragen werden können, handelte es sich bei einem Tätigwerden der Bundesbank nach dem KWG um eine in der Satzung nicht bezeichnete Aufgabe im Sine von Art. 14.4 ESZB-Satzung. Ihre Wahrnehmung steht unter dem Vorbehalt, daß der EZB-Rat nicht mit ZweiDrittel-Mehrheit feststellt, daß die Aufgabe nicht mit den Zielen und Aufgaben des ESZB vereinbar sei. Macht der EZB-Rat diesen Vorbehalt nicht geltend, so werden die nationalen Zentral banken in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung, aber nicht im Rahmen des ESZB tätig,22
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Vgl. Deutsche Bundesbank, AP Nr. 80 v. 27.11.1995, S. 1 (4). Art. 5.1 ESZB-Satzung. Vgl. § 7 KWG. Potacs, EuR 1993, S. 23 (38).
III. Die Bundesbank im ESZB - Vergleich mit den Referenzsystemen
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8. Fazit
Vorbehaltlich einer näheren Untersuchung im folgenden Abschnitt kann an dieser Stelle nach der Betrachtung der einzelnen geldpolitischen Instrumente jedenfalls festgestellt werden, daß sich die Handlungsspielräume der nationalen Zentralbanken und daher auch der Bundesbank in einem ESZB auf die Ebene der Kunden- und Vollzugsgeschäfte beschränken werden. Eine Entscheidungsmacht, die ihr unmittelbaren Einfluß auf die Steuerung der Geldmenge gewähren könnte, wird ihr nach Beginn der dritten Stufe der Währungsunion wohl nicht mehr oder nur rur eine Übergangsphase zustehen.
111. Die Bundesbank im ESZB - Vergleich mit den Referenzsystemen Nachdem der vorherige Abschnitt den verbleibenden Handlungsspielraum der Bundesbank bei der Handhabung der währungspolitischen Instrumente rechtlich eingegrenzt hat, soll nun versucht werden, die Stellung der Bundesbank im ESZB durch eine Charakterisierung seiner internen Organisationsstruktur zu verdeutlichen. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung über die Struktur eines künftigen ESZB, die dem Maastrichter Vertragsschluß vorausging, bestand die unbestrittene Auffassung, daß in einer Gemeinschaft souveräner Staaten auch eine einheitliche Geldpolitik nur durch ein föderativ organisiertes Zentralbanksystem zu verwirklichen sei; eine zentralistisch organisierte Zentralbank erschien von vornherein indiskutabel. 23 Dementsprechend forderte schon der Delors-Bericht, daß die interne und internationale Geldpolitik der Gemeinschaft in einem föderalen System organisiert sein müsse. 24 Als Referenzsysteme der neu zu schaffenden europäischen Institution wurden insbesondere das US-amerikanische Federal Reserve System, die Deutsche Bundesbank, aber auch die Bank deutscher Länder genannt,25 In seiner Ausgestaltung durch den EGV läßt das ESZB, wie schon mehrfach erwähnt, insbesondere den Modellcharakter der Bundesbank erkennen, es enthält aber auch einige Charakterzüge, die an die Bank deutscher Länder26 erinnern, das deutsche Zentralbanksystem der unmittelbaren Nachkriegszeit von 1948 bis 1957. Deren
Gleske, in: FS Semler, S. 895 (896). Delors-Bericht (Abschnitt A, Fn. 60), Zi/I 32. 25 Vgl. zu dieser Diskussion insb. Hasse, Zentralbank, S. 161 ff. und Hahn / Siebelt, DÖV 1989, S. 233 (240 fI). 26 Vgl. dazu Siebelt, Verhaltensspielraum, S. 91; Jochimsen, Perspektiven, S. 95. 23
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wichtigstes ist die interne Organisationsstruktur. Im Gegensatz zum einstufigen Zentralbanksystem der Bundesbank, in welchem gemäß § 2 BBankG nur die Bundesbank selbst Rechtspersönlichkeit besitzt, die Landeszentralbanken aber lediglich unselbständige Hauptverwaltungen darstellen 27 , besaß die Bank deutscher Länder ein zwei stufiges Zentralbanksystem. 28 Dabei bildeten die mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Landeszentralbanken die Unterstufe des Systems. Die BdL als übergeordnete Stufe bildete quasi ein gemeinsames Tochterunternehmen der Landeszentralbanken. 29 Ihr Leitorgan, der Zentralbankrat wurde von den Präsidenten der Landeszentralbanken, sowie dem Präsidenten des Direktoriums gebildet. Die LZB brachten auch das Grundkapital der BdL auf. Damit wies die BdL eine ausgesprochen dezentralisierte Binnenstruktur auf, die sich nicht zuletzt aus dem Motiv der alliierten Besatzungsmächte erklärte, eine allgemeine Dezentralisierung des deutschen Wirtschaftslebens zu bewirken. 3o Häufig wird die Bank deutscher Länder als das Modell eines Zentralbanksystems in einem staatlichen Gebilde ohne zentrale Staatsgewalt angesehen. 31 So ist es nur konsequent, wenn das Europäische System der Zentralbanken in der Gestalt des EGV in seinem grundsätzlichen Aufbau eine evidente Ähnlichkeit mit der BdL aufweist. 32 Der fortbestehende Charakter der EG als einer supranationalen Gemeinschaft souveräner Staaten33 ftIhrt auch hier nahezu zwangsläufig zu einem föderativen und zweistufigen Aufbau, bei dem sowohl auf der Unter- wie auch auf der Oberstufe rechtlich selbständige Bankinstitute bestehen. 34 Fraglich erscheint aber, ob neben dieser äußeren Ähnlichkeit des zweistufigen Aufbaus auch die bankgeschäftliche Aufgabenverteilung zwischen EZB und nationalen Zentralbanken ähnlich zu derjenigen zwischen BdL und Landeszentralbanken geregelt sein wird. Die Bank deutscher Länder zeichnete sich durch eine eindeutige Kompetenzverteilung zwischen Unterund Oberstufe des Systems aus. Den Landeszentralbanken war es vorbehalten, die Kreditversorgung und die Zahlungsbereitschaft der jeweiligen regionalen Vgl. § 8 Abs. 1 BBankG. Stern, Staatsrecht 11, S. 473; Hahn I Siebelt, DÖV 1989, S. 233 (240 f.); Hasse, Zentralbank, S.165. 29 Hahn I Siebelt,a.a.O., S. 240. 30 Veit, S. 610. 31 Hasse, Zentral bank, S. 165. 32 So auch Pipkorn, EuR, Beiheft 1 7 1994, S. 85 (87). 33 Vgl. Abschnitt B. 11. 3. 34 Vgl. auch Hahn, Vertrag von Maastricht, S. 69; zumindest mißverstllndlich ist insofern die Charakterisierung von Gischer, S. 11, der das ESZB als "einstufiges Mischbankensystem" bezeichnet. 27 28
III. Die Bundesbank im ESZB - Vergleich mit den Referenzsystemen
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Geschäftsbanken zu regeln sowie deren Mindestreserven zu verwalten. Außerdem fllhrten sie Finanz- und Kassengeschäfte fllr die Landesregierungen durch. 3s Demgegenüber trat die BdL selbst Uberhaupt nicht in den Verkehr mit den Geschäftsbanken ein. Ihre Aufgabe bestand vielmehr in der Refinanzierung der Landeszentralbanken, der Notenemission, dem Auslanqsgeschäft und Geschäften mit dem Bund bzw. der Bundesverwaltung. 36 Die Gesamtsteuerung der Geldpolitik oblag dem Zentralbankrat der BdL. Seine Entscheidungen hatten die Landeszentralbanken im Verkehr mit den Geschäftsbanken auszuführen. Prononciert ausgedrUckt, waren die Landeszentralbanken das "banking department", wahrend die Bank deutscher Länder das "issue department" darstellte.l' Eine derart eindeutige Kompetenzabgrenzung zwischen EZB und nationalen Zentralbanken ist weder dem EGV noch der ESZB-Satzung zu entnehmen. Zwar obliegt der EZB bzw. konkreter dem EZB-Rat ebenso wie der BdL die Gesamtleitung der künftigen gemeinschaftlichen Geldpolitik durch den Erlaß von Leitlinien und Entscheidungen. 38 Auch ist die EZB gemäß Art. 105 a EGV letztverantwortlich für die Notenemission. Es begnügt sich ausweislich der ESZB-Satzung aber nicht mit dieser Rolle als zentralem Entscheidungsgremium und Emissionsstelle. Vielmehr ist nach den Regelungen der ESZB-Satzung auch eine Beteiligung der EZB an der Exekution der gemeinschaftlichen Geldpolitik möglich. Sowohl fllr die Offenmarkt- und Kreditgeschäfte des Art. 18 ESZB-Satzung wie fllr die Haltung von Mindestreserven nach Art. 19 ESZBSatzung und die Ausfllhrung von Devisentransaktionen nach Art. 23 ESZBSatzung schreibt die Satzung konkurrierende Zuständigkeiten von EZB und nationalen Zentralbanken fest. Dieses gilt auch für die Tätigkeit der EZB als "fiscal agent" zugunsten von Einrichtungen der Gemeinschaft nach Art. 21.1 ESZB-Satzung. Eine solche Kompetenzausstattung läßt darauf schließen, daß sich die EZB nicht mit einer Rolle als bloßer Refinanzierungsbank der nationalen Zentralbanken zufrieden geben wird. Darauf deutet insbesondere auch die Ausstattung der EZB mit eigener Rechts- und Geschäftsfähigkeit in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten hin. Die ESZB-Satzung weist der EZB daher keineswegs die Rolle eines "issue-departments" zu, wie sie die BdL ausfllllte. Die Verteilung der Zentralbankaufgaben zwischen EZB und nationalen Zentralbanken scheint daher eher in Anlehnung an das Modell der Bundesbank 3S 36 37
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v.Spindler / Becker / Starke, S. 13. Siebelt, Verhaltensspielraum, S. 91 f. v.Spindler / Becker / Starke, S. 13; Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 365. Vgl. Art. 105 Abs. 2 EGV i.V.m. Art. 8 und 12.1 ESZB-Satzung.
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zu lösen sein. Hier werden die exekutiven Zuständigkeiten nach Maßgabe ihres überregionalen bzw. regionalen Gewichts zwischen Direktorium und Zentralbankrat sowie den Landeszentralbanken aufgeteilt. 39 Eine eindeutige Kompetenzaufteilung zwischen den Ebenen des Zentralbanksystems, wie sie für die Bundesbank in den Katalogen der § 7 Abs. I und § 8 Abs. 2 BBankG vorgenommen wird, bietet die ESZB-Satzungjedoch nicht. Eine nähere organisatorische Aufteilung folgt auch nicht aus dem seit Maastricht vieldiskutierten Subsidiaritätsprinzip.40 Das Subsidiaritätsprinzip als in Art. 3 b Abs. 2 EGV fixierter Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ist hier schon deshalb nicht anwendbar, weil die Währungspolitik der Gemeinschaft mit allen Entscheidungskompetenzen zur ausschließlichen Zuständigkeit überantwortet ist. 41 Die nationalen Geldmonopole werden auf ein ESZB übertragen, daß seine währungspolitischen Aufgaben und die Mittel zu ihrer Wahrnehmung vollständig aus gemeinschaftlichen Rechtsgrundlagen herleitet. 42 Demnach stellt sich die Frage der Ausübung bestehender, eventuell konkurrierender Rechtssetzungsbefugnisse der Mitgliedstaaten als KerngehaIt des Subsidiaritätsprinzips im Bereich der Währungsunion nicht. 43 Wegen der Notwendigkeit des Prinzips der Einheitlichkeit der Geldpolitik verweigert sich die Währungsverfassung dem Zugriff des Subsidiaritätsprinzips in seinem engeren Sinne.44 Dennoch muß der Gedanke der Subsidiarität im Bereich der Geld- und Währungspolitik nicht ohne jede Bedeutung bleiben. Art. 12.1 ESZB-Satzung, der bestimmt, daß die EZB die nationalen Zentralbanken zur Durchführung von Geschäften, die zu den Aufgaben des ESZB gehören, in Anspruch nimmt soweit dieses möglich und sachgerecht erscheint, kann geradezu als Konkretisierung des Subsidiaritätsprinzips im Bereich der Währungspolitik betrachtet werden. In diesem Sinne erlegt die Satzung des ESZB deren Leitorganen die aus dem allgemeinen Subsidiaritätsprinzip folgende Rechtsptlicht auf, den nationalen Zentralbanken weitgehende Spielräume zur Exekution der gemeinschaftlichen Geldpolitik zu lassen und die eigenen, nach der Satzung durchaus vorhandenen Kompetenzen auf diesem Gebiet möglichst zurückzustellen, so39 40
Vgl. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 365 ff. A.A. Lecheier, S. 116 ff, der die Währungsunion als "Paradebeispiel rur die Leistungskraft des Subsidiaritätsprinzip" (S.119) bezeichnet, ohne allerdings seine Ansicht durch ein substantiiertes Eingehen auf die Ausgestaltung der Währungsunion durch den EGV zu begründen. 41 Seidel, in: FS Börner, S. 417 (421); Hahn, Vertrag von Maastricht, S. 87. 42 Jochimsen, in: Deutsche Bundesbank, AP Nr. 40 v. 31.5.1991, S. 4 (7). 43 Weber, JZ 1994, S. 53 (59). 44 Vgl. schon Tietmeyer, Außenwirtschaft 1990, S. 301 (305); jetzt auch Schill, in: Lenz, EGV, Vorbem. Titel VI, Rn. 3; Roth, EuR, Beiheft I / 1994, S. 45 (65).
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weit dieses mit der Notwendigkeit einer einheitlichen Geldpolitik vereinbar erscheint. 45 Gerade im Anfangsstadium der Währungsunion ist eine Beachtung der Subsidiarität in diesem Sinne wegen der unterschiedlich strukturierten Finanzmärkte aber auch schlicht ein Gebot der Zweckmäßigkeit. 46 Dennoch kann Art. 12.1 ESZB-Satzung wegen seiner generalklauselartigem Unbestimmtheit keine genaue Abgrenzung der Vollzugskompetenzen ermöglichen. Der Handlungsspielraum, der den nationalen Zentral banken bei der Durchftihrung der gemeinschaftlichen Geldpolitik verbleibt, muß sich daher letztlich aus den Richtlinien47 und Weisungen ergeben, die von der EZB gemäß Art. 14.3 ESZBSatzung an sie gerichtet werden können. Hinsichtlich der Organisationsstruktur eines ESZB kann daher an dieser Stelle nur soviel festgestellt werden, als daß es sich bei dem Europäischen System der Zentralbanken in der Gestaltung des EGV um ein zweistufiges, dezentral-föderativ organisiertes Zentralbanksystem mit zentralisierter geldpolitischer Willensbildung handelt, in welchem der Bundesbank und den anderen nationalen Zentralbanken vermutlich lediglich regionale Vollzugskompetenzen verbleiben werden, über deren konkretes Ausmaß noch zu entscheiden ist. Um zum Anfang des rechtlichen Teils der Austlihrungen zurUckzukehren, zeigt dieses den fundamentalen Bedeutungswandel, den die Rolle der Bundesbank durch die Errichtung eines ESZB erfahrt. Die Einftigung des Art. 88 S. 2 GG ermöglicht, daß die auf die Staatlichkeit des Grundgesetzes bezogene institutionelle Garantie des Art. 88 S. 1 GG praktisch ausgehöhlt wird. Die Bundesbank muß ihre Stellung als "Hüter der D-Mark", deren geldpolitische Entscheidungen europaweit bestimmende Bedeutung besitzen, gegen eine subordinierte Position im ESZB eintauschen, die ihr auf Dauer nur unwesentlich größere Kompetenzen belassen wird, als zur Zeit die Landeszentralbanken im System der Deutschen Bundesbank innehaben.
45 Jochimsen, Perspektiven, S. 157 t1; Baer, in: RUbel (Hrsg.), Europäische Integration, S. 86 (100), der die besonderen Schwierigkeiten eines dezentralen Vollzugs wegen der Notwendigkeit einer einheitlichen gemeinschaftlichen Geldpolitik betont. 46 Jochimsen, in: Deutsche Bundesbank, AP Nr. 40 v. 31.5.1991, S. 4 (10). 47 "Richtlinien" i.S.v. Art. 14.3 ESZB-Satzung sind nicht "technisch" i.S.v.Art 189 Abs. 2 EGV zu verstehen, vielmehr folgt aus Art. 34 ESZB-Satzung, daß es sich hierbei allgemein um interne Anordnungen des EZB-Rates an das Direktorium (Art.12.1 ESZB-Satzung) und die nat. Zentral banken (Art. 14.3 ESZB-Satzung) handelt; vgl. Potacs, EuR 1993, S. 23 (Fn. 58).
Zusammenfassung 1. Obwohl die Übertragung der Währungshoheit auf ein Europäisches System der Zentralbanken materielle Verfassungsänderungen bewirkt, war die Einrugung des Art. 88 S. 2 GG vom verfassungsrechtlichen Standpunkt aus nicht notwendig. Der bisherige Integrationshebel des Art. 24 Abs. 1 GG hätte auch diesen Hoheitsrechtstransfer getragen. Weder die Europäische Union als solche noch die Europäische Gemeinschaft haben durch die Maastrichter Verträge Staatsqualität erlangt und hätten daher weiterhin als "zwischenstaatliche Einrichtungen" im Sinne von Art. 24 Abs. 1 GG gelten können. Durch die Übertragung der Währungshoheit wird auch nicht die im wesentlichen mit dem Gewährleistungsgehalt des Art. 79 Abs. 3 GG zu identifizierende Identität der geltenden Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland aufgegeben, noch wird in ihr Grundgeruge bzw. in die sie konstituierenden Strukturen eingebrochen. Insbesondere ist die Gestaltung einer gemeinschaftlichen Geldpolitik durch eine unabhängige Europäische Zentralbank mit dem Demokratieprinzip zu vereinbaren. Art. 88 S. 2 GG enthält die ausdrückliche verfassungsrechtliche Zulassung einer durch den besonderen Funktionsschutz filr die Währungspolitik legitimierten situat!onsgebundenen Modifikation des Demokratieprinzips, die Abweichungen von den Anforderungen des Demokratieprinzips insofern ermöglicht, als sie von sanktionsbewehrter parlamentarischer Kontrolle und Weisungsabhängigkeit zur Exekutive befreit. Dennoch ist die EZB im EGV und dem ESZB-Statut nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank durch ein System von Abhängigkeiten persönlicher und sachlicher Art in den demokratischen Legitimationszusammenhang der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten eingebunden. 2. Nach der Einfilgung des Art. 88 S. 2 GG ergeben sich die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer Übertragung der Währungshoheit kumulativ aus Art. 23 Abs. 1 GG und Art. 88 S. 2 GG. Die speziellere Norm (Art. 88 S. 2 GG) schließt die allgemeinere hier nicht aus. Insbesondere die formellen Voraussetzungen ergeben sich aus Art. 23 Abs. 1 GG, so daß der Transfer von Aufgaben und Befugnissen der Deutschen Bundesbank gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG der Mehrheit des Art. 79 Abs. 2 GG bedarf. Materiell knUpft Art. 88 S. 2 GG die Übertragung an die zusätzlichen Bedingungen, daß sie nur im
Zusammenfassung
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Rahmen einer Europäischen Union an eine Europäische Zentralbank erfolgen kann, die unabhängig und der Priorität der Preisstabilität verpflichtet ist. 3. Eine "Europäische Union" im Sinne des Art. 88 S. 2 GG erfordert das Vorliegen folgender konstitutiver Merkmale: - Kristallisationspunkt der als Europäische Union bezeichneten Integrationsgemeinschaft ist die wirtschaftliche Integration. - Zumindest ihrem Anspruch nach umfaßt die Integrationsgemeinschaft jedoch die Gesamtheit der Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten. - Alle Politikfelder werden durch einen gemeinsamen institutionellen Rahmen verbunden. - Zusätzlich muß die Europäische Union den Anforderungen der Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG entsprechen, also demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet sein und einen dem Grundgesetz vergleichbaren Grundrechtsstandard gewährleisten. 4. Art. 88 S. 2 GG enthält desweiteren das Verfassungsgebot der Unabhängigkeit einer Europäischen Zentralbank. Bezeichnet der Status einer autonomen Zentralbank im herkömmlichen Sinne in erster Linie die Weisungsungebundenheit im Verhältnis zur staatlichen Exekutive, so ist der Begriff wegen des supranationalen Charakters der EZB auszuweiten. Er ist in dem Sinne "doppelt geschichtet", daß er sowohl die Weisungsfreiheit von gemeinschaftlichen wie von nationalen Instanzen beinhaltet. Inhaltlich kann generell von einem autonomen Status einer Zentralbank nur dann die Rede sein, wenn verschiedenen Einzelgewährleistungen in Gestalt einer institutionellen, einer personellen und einer materiellen Unabhängigkeit Rechnung getragen wird. Die Ausgestaltung des rechtlichen Status der EZB durch EGV und ESZB-Satzung wird diesem deutschen Verfassungsgebot gerecht. a) Institutionelle Autonomie in dem Sinne, daß nicht die bloße Rechtsfonn der Institution ein Verhältnis der Weisungsabhängigkeit bzw. Subordination impliziert, besitzt die EZB, weil sie zwar durch die Wahrnehmung einer Kernaufgabe der Gemeinschaft in den Rahmen des Gemeinschaftsrechts eingegliedert ist, aber durch die Verleihung eigener Rechtspersönlichkeit aus der Organstruktur der Gemeinschaft herausgelöst und in ein Verhältnis der Koordination zur Gemeinschaft selbst und ihren Organen gesetzt wird. b) Auch unter dem Aspekt der personellen Autonomie werden die Regelungen des EGV und der ESZB-Satzung den Anforderungen des Art. 88 S. 2 GG
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gerecht. Die fllr die Autonomiegewährleistung maßgebende Norm Art. 107 EGV nimmt - im Unterschied zu § 12 S. 2 BBankG - die persönliche Unabhängigkeit ausdrücklich in ihren Schutzbereich auf, so daß diese sogar eine primärrechtliche Absicherung erfährt. Im einzelnen sorgen lange Amtszeiten ohne die Möglichkeit der Wiederwahl, eine ausdrückliche, aber restriktive Regelung der Abberufungsmöglichkeiten im Verbund mit der Möglichkeit weitgehend selbständiger Gestaltung der Beschäftigungsbedingungen dafllr, daß insbesondere die Rechtsverhältnisse der Direktoriumsmitglieder einer autonomen, allein dem Ziel der Geldwertstabilität verpflichteten Geldpolitik nicht entgegenstehen. Einen gewissen Schwachpunkt der vertraglichen Regelungen bilden die Sicherungen der Unabhängigkeit der Präsidenten der nationalen Zentralbanken, da diese grundsätzlich nationaler rechtlicher Regelung unterliegen und die ESZB-Satzung nur einige Vorgaben bezüglich Amtszeit und Entlassungsgründe macht. c) Zumindest aus rechtlicher Perspektive räumen EGV und ESZB-Satzung der EZB auch die Möglichkeit ein, bei der Konzipierung und Durchsetzung ihrer Geld- und Währungspolitik frei von Einflußnahmen gemeinschaftlicher oder mitgliedstaatIicher Stellen zu entscheiden. Damit besitzt die EZB auch materielle Unabhängigkeit im Bereich ihrer eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung. Das Europäische Parlament erhält gegenüber der EZB keinerlei legislative Steuerungskompetenz. Es ist auf die Wahrnehmung speziell auf die EZB bezogener oder allgemeiner parlamentarischer Kontrollmöglichkeiten beschränkt, die nicht zu rechtsverbindlichen Beschlüssen fllhren können. Eine Beeinträchtigung der EZB-Autonomie erfolgt auch nicht durch deren Unterstützungspflicht fllr die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft, weil die EZB die Feststellungskompetenz hinsichtlich der Frage besitzt, ob in einer konkreten wirtschaftspolitischen Situation eine Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik mit ihrer Kernaufgabe der Wahrung der PreisstabiJität zu vereinbaren ist. Im Gegensatz hierzu besteht weder rur die EZB noch fiir das ESZB als ganzes ein Verhältnis der Unabhängigkeit gegenüber den judikativen Gewalten der Gemeinschaft wie der Mitgliedstaaten; die lustitiabilität des Zentralbankhandelns ist sogar im Vergleich zur bisherigen deutschen Rechtslage erheblich erweitert worden. Dieses kann als notwendiger Tribut daran aufgefaßt werden, daß die Gewährung prinzipiellen Rechtsschutzes aus rechtsstaatlichen und demokratietheoretischen Gründen das notwendige Äquivalent zur Unabhängigkeit einer Europäischen Zentralbank darstellt. Den nationalen Parlamenten werden ihre Einflußnahmemöglichkeiten durch die "Hochzonung" der Währungspolitik auf die gemeinschaftliche Ebene weitgehend genommen.
Zusammenfassung
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Auch die nationalen Regierungen sind auf ihre Mitwirkungsbefugnisse im Rat beschränkt. Zur Absicherung der Unabhängigkeit der EZB tragen ferner ihre vennögensrechtliche Unabhängigkeit und das Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung bei. 5. Als dritte materielle Voraussetzung einer Übertragung der Währungshoheit auf eine Europäische Zentralbank fordert Art. 88 S. 2 GG, daß ihre Tätigkeit vorrangig auf das Ziel der Sicherung der Preisstabilität verpflichtet sein muß. Dem wird Art. 105 Abs. I S. I EGV gerecht, durch welchen die EZB in tenninologisch eindeutiger Weise auf die Ziel bestimmung der Preisstabilität, also der Gewährleistung der inneren Stabilität des Geldwertes, festgelegt wird. Zusätzlich verpflichtet der Vertrag alle anderen, die Geldpolitik tangierenden Bereiche der Wirtschaftspolitik auf das Ziel der Preisstabilität, in dem dieses in den Art. 2 und 3 a EGV zu einem Grundsatz des Gemeinschaftsrechts erklärt wird. Insbesondere wird auch die Festlegung der Wechselkurspolitik ausdrücklich hieran gebunden. Eine exakte, rechtlich fixierte Definition des Begriffs der Preisstabilität wird von Art. 88 S. 2 GG nicht gefordert. Der rur das Gelingen des Projekts einer Europäischen Währungsunion notwendige Start aus einer geldpolitisch stabilen Ausgangslage ist im übrigen nur dann möglich, wenn die Konvergenzkriterien des Maastrichter Vertrages als Eintrittsvoraussetzungen in die Währungsunion im Sinne rechtsverbindlicher, nicht zu unterschreitendender Mindestanforderungen verstanden werden. 6. Art. 88 S. 2 GG entfaltet unmittelbare Bindungswirkung gegenüber den deutschen Verfassungsorganen; zumindest mittelbar wirkt er jedoch auch auf das Handeln der Organe der Gemeinschaft ein. Hier sind seine Voraussetzungen insofern von Bedeutung, als die aus dem Gebot der Gemeinschaftstreue fließende Loyalitätspflicht es der Gemeinschaft gebietet, nationale Verfassungshürden zu beachten. Außerdem entfaltet Art. 88 S. 2 GG insofern eine "präventive Warnfunktion" gegenüber den Organen der Gemeinschaft, als die Einhaltung seiner materiellen Anforderungen Voraussetzung rur die Wirksamkeit des innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehls hinsichtlich des gemeinschaftlichen Währungsrechts ist. 7. Die Einfllgung des Art. 88 S. 2 GG hat grundsätzlich keine Auswirkungen auf die gegenwärtige Rechtsstellung der Deutschen Bundesbank. Insbesondere wird ihre Unabhängigkeit auch künftig nur einfachgesetzlich von § 12 S. 2 BBankG garantiert und genießt keinen Verfassungsschutz. Dennoch erfährt die rechtliche Absicherung der Bundesbankautonomie durch den EGV schon ab dem Beginn der zweiten Stufe der Währungsunion eine Verstärkung. Da die 13 lanzen
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Zusammenfassung
Mitgliedstaaten ab diesem Zeitpunkt gemäß Art. 108 EGV i.V.m. Art. 107 EGV verpflichtet sind, die Unabhängigkeit ihrer Zentralbanken nach innerstaatlichem Recht herzustellen, bedeutete die Beseitigung einer bereits existenten Zentralbankautonomie eine Vertragsverletzung, so daß insofern die Möglichkeit des Bundestages, die Bundesbankautonomie mit einfacher Mehrheit zu beseitigen, kUnftig entfiUlt. 8. Das ESZB in der Ausgestaltung des Maastrichter Vertragswerks ist ein zweistufiges, dezentral-föderativ organisiertes Zentralbanksystem mit zentralisierter geldpolitischer Willensbildung. Das Prinzip der Einheitlichkeit der Geldpolitik erfordert, daß die Leitlinien der Geldpolitik vom EZB-Rat in ausschließlicher Zuständigkeit festgelegt werden. Den nationalen Zentral banken und daher auch der Bundesbank werden Handlungsfreiräume lediglich auf der exekutivischen Ebene der Geldpolitik verbleiben. Dieses verdeutlicht, daß die Einfilgung des Art. 88 S. 2 GG eine weitgehende Aushöhlung der auf die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland bezogenen institutionellen Garantie filr die Bundesbank aus Art. 88 S. I GG ermöglicht.
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Stichwortverzeichnis Abänderungsgesetz 135 f., 177 Abberufung von Zentralbankratsmitgliedern - Bundesbank 108, 110 - EZB 111 f., 118 Abweichungsindikator 25 ad-hoc-Versammlung 76 fI. Agrarmarkt, gemeinsamer 21 Aktionsprogramm rur die zweite Stufe des gemeinsamen Marktes 19 Aktivlegitimation der EZB 57, 133 Amtsenthebung, - s. Abberufung Amtszeitzeit von Zentralbankratsmitgliedern - Bundesbank 109 f. - EZB 112 ff. Ankerwährung 26 Anstalt des öffentlichen Rechts 96 ff., 153 Anwendungsvorrang, - s.Vorrang Aufsicht 97 f., 106 - s. auch Dienst-/Fach-/Rechtsaufsicht Aufsichtsrudimente 97 Ausschuß der Regionen 68 Ausschuß des Präsidenten der Zentralbanken 20 Außenstabilität 147 ff. Automatismus 165 ff. Bandbreiten 75, 161 ff. Bankenaufsicht 185 Barre-Plan 21 Base1er Abkommen 23 f. BdL 146, 187f. 14 Janzen
Beschäftigungsbedingungen 114 Besoldung der Zentralbankratsmitglieder - Bundesbank 109 f. - EZB 113 Bestandsgarantie, - s. institutionelle Garantie Beurteilungsspielraum 109, 112, 126, 134, 162f. Bindungswirkung 169 ff., 193 Binnenstabilität 153, 156 Bretton-Woods-System 19,22, 148 Budgethoheit 66 Bundesbank, - s. Deutsche Bundesbank Bundespräsident 108, II 0 Bundesrat 13,63,69,81 Bundesrechnungshof 124 Bundesregierung 80, 83, 85, 97, 108, 111, 114, 126 f., 132, 140, 143 f., 148, 169 f. Bundesstaat 44, 50 Bundesstaatlichkeit bzw. -prinzip 58, 67,86 Bundestag - allgemein 13, 63, 67, 60, 120 ff., 132, 134 ff., 140 f., 169 f. - Auswärtiger Ausschuß 81 - Rechtsausschuß 81 - Sonderauss~huß EU 81 ff., 87,175 BVerfG 36, 49 f., 51 f., 53 ff., 64 ff, 69 f., 132, 137 f., 140, 160, 164 ff., 172 checks and balances 130 c1ausula rebus sie stantibus 167
210
Stichwortverzeichnis
decision lag 93 Defizite, öffentliche 47 Defizitfinanzierung 93, 147 Delors-Plan 27 ff., 185 Demokratiefreiheit 137 f. Demokratieprinzip 59 f., 64 f., 130, 136 ff., 141 Deutsche Bundesbank 96 ff., 106, 107 ff., 114, 125 ff., 131 f, 144, 149f.; 151 ff.; 174ff. - Modellcharakter 94, 175, 185, 187 Devisenmarktoperationen 23, 183 f. Dienstaufsicht 97 dingliche Hoheitsrechtsübertragung 42f. Direktorium - Bundesbank 108 f. - EZB 32, III ff., 140, 144 Diskontsatz / -politik 139, 142, 180 f. Drei-Elemente-Lehre 49 Drei-Säulen-Konzept 14 Durchgriffswirkung 44, 48, 68 EAG 14,77 ECU 24 f., 30, 33 EEA 26, 44, 56, 77 ff. EFWZ 22 ff., 30 EG 14f., 44 ff., 50, 57 f., 64 ff., 75 ff., 88, 98, 100, 103 EGKS 14,77 EIB 101 f., 105 Eigenstaatlichkeit 50, 63, 99, 168 Einigungsvertrag 13 Einlagenpolitik 182 f. Einvernehmlichkeitsprinzip 144 Empfehlung 42, 127, 148, 163 f. Entlassung, - s. Abberufung Entscheidung 42, 111 f., 131, 133, 142 Entscheidungsspielraum, - s. Beurteilungsspielraum Entstehungsgeschichte 80 f.
Ernennung von Zentralbankratsmitgliedern - Bundesbank 108 f. - EZB 112 f., 144, 150 Errichtungskompetenz 35 EuGH 46, 55 ff., 68, 104 f., 115, 129 f., 133 f., 141 ff., 159, 167, 171, 176 Eurocontrol 51, 57, 84 Europa der Regionen 67 f. Europäische Konvention zum Schutz der Menschenwürde und Grundfreiheiten 56 f. Europäische Union - Begriff 75 ff., 85 ff. Europäischer Rat 19, 21 f., 24, 27 ff., 42, 56, 65, 112, 114, 123, 124 ff, 143 f., 147 f., 155 f., 163 f.47 f., 161 f. Europäischer Rechnungshof 102, 120 ff. Europäisches Parlament 14 f., 42, 48 f., 56, 59 f., 64 ff., 76, 102, II 2, 116, 120 ff., 129, 132, 134 ff., 140 f. Europäisches Zentralbanksystem 21, 23,28 Europarat 88 Evolutivklauseln 70, 79 EWG 14,48,59,77 EWI 30 f., 32, 162f., 179, 181, 183 Ewigkeitsgarantie, - s. Unabänderlichkeitsgarantie EWS 24 ff., 28, 30, 32, 88, 163 EWV 22, 24 ff. Fachaufsicht 98 Federal Reserve System 185 Feierliche Erklärung zur Europäischen Union 76 ff. Feststellungskompetenz 127 f. fiscal agent 183, 187 Fiskalpolitik 92, 152, 158 Fixkurssystem 19, 21 f.
Stichwortverzeichnis fonnelle Übertragungsvoraussetzungen 62,69 f. Fouchet-Pläne 76 ff. funktionelle Unabhängigkeit, - s. Unabhängigkeit Gebietshoheit 49 Gehalt, - s. Besoldung Geld- und Währungsverfassungsrecht 16,35,40 Geldmengenregel 93, 160 Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik 14, 46, 66, 76, 78 f. Gemeinsame Verfassungskommission 13, 15,80 Gemeinsamer Markt 19, 22 Gemeinschaftstreue 193 Gerichtsbarkeit, nationale 143 ff. gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht 16,35,39 f., 128, 156, 163 Geschäftsbanken 182, 186 f. Gesetzgebungskompetenz Währungs-, Geld- und Münzwesen, - s. Währungsgesetzgebungskompetenz Gewaltentrennung 57, 130 f. - s. auch checks and balances Gewinnverteilung 146, 179 Grenzen der Integrationsgewalt, - s. Integrationsgewalt Grundgefilge der Verfassung 51 ff. Grundrechtsschutz 55 f.,63 f., 86 Handlungsspielraum 91, 127, 157, 160 Haushaltsausschuß 20 Haushaltsdefizit 31 Haushaltsfinanzierung, monetäre, 146 Hoheitsrechte, Begriff 41 ff., 47, 51 Homogenität der Wertvorstellungen 55,67 Homogenitätsgebot 64 14*
211
Inflationsrate 92, 158 f., 162 f. institutionelle Garantie 35 ff., 189, 194 Instrumente, geldpolitische, - s. Zentralbankinstrumente Intergouvernementale Zusammenarbeit 14,46,66 internationale Organisationen 54, 63 Internationaler Währungsfonds 19 Interventionsverpflichtung 24 f. Jahresbericht 121 f., 134 Judikative, Verhältnis zur EZB 132 ff. juristische Person 77, 79 f., 101, 108, 124 Justitiabilität 128 ff. Kapital der EZB 147f., 179 Kapitalverkehrsfreiheit 21, 27, 29, 31 Kassenkredite 183 Kernbereich der Verfassung 53, 139 keynesianische Theorie 92 Klagebefugnis 134 Kollegialprinzip 109, 117 Kommission 15, 19, 20 f., 25, 27, 30 ff., 42, 56, 59, 102, 124 f., 127 ff., 132, 140, 148, 163 Kompetenzausstattung der EG 44 ff., 65 Kompetenz-Kompetenz 48 f .. Konvergenzkriterien 32, 75, 88, 154, 160 ff. Kooperationsmodell 121, 123, 129 f. Kooperationsverhältnis 56 Kreditpolitik 180 f. Länderkompetenzen 58, 68 Landeszentralbank 108 f., 146, 185 ff, 189 Lebenshaltungskosten 58 Legitimation, demokratische 59 f., 93, 123, 136 ff., 150 Legitimationskette 140 f., 150
212
Stichwortverzeichnis
Legitimationsstrom 65,67 Leitzinssätze 178, 181 lex specialis 62, 72 f. Lohn- und Fiskalpolitik 151, 158 Lombardsatz 131,142, 181 Loyalitätsptlicht, - s. Gemeinschaftstreue Maastricht-Entscheidung des BVerfD 56, 140, 164 ff., 172 Maastricht-Vertrag 13 ff., 29 ff, 34, 37,42,44 ff., 64 ff., 72, 74 ff., 103, 105,116,121,131,147 magisches Viereck 40, 156 materielle Unabhängigkeit, - s. Unabhängigkeit materieller Verfassungsbegriff 52 f. Mindestreserve 131, 143 f., 181 f., 186 f. ministerialfreie Räume 60, 135 Mitentscheidungsverfahren 15,65 mittelbare Staatsverwaltung 98 f. monetaristische Theorie 92, 154, 157 nationale Zentralbanken 15 f., 19, 23 ff., 30, 31, 90, 99 f., 133, 142 f., 145, 147, 178 ff., 183 f. Neutralität der Wirtschaftsverfassung 16 Nichtigkeitsklage 132 f. Nominalwertprinzip 152 Nonnadressaten 169 Notenbankinstrumente, - s. Zentralbankinstrumente Offenmarktpolitik 180 ff. Organe der EG 100 ff., 120 f., 124 ff., 142,171 ff. Organstreitverfahren 132 Paritätengitter 25 parlamentarische Kontrolle 134 f., 139 f.
121 ff.,
ParlamentsbeschlUsse 122 Passivlegitimation 131 ff. persönliche Unabhängigkeit, - s. Unabhängigkeit PetitionsausschuB 14 Pluralismus der Emennungsinstanzen 109, 112, 116 Politische Union 88 f. Präsident - EZB 122, 130 - nationale Zentralbanken 19, 30, 111 f., 113, 115, 117, 140, 144, 177 Preisstabilität 26, 29, 30 ff. 72 f., 81, 90, 92, 117, 124 ff., 144 f., 147 ff., 151 ff., 169f., 177, 191, 193 Primärrecht 103, 106, 149, 156 Public choice 157 qualitativer Sprung 44,46 quantitative Übertragungsschranken 168 Quasi-Staat 50 Rat, - s. Europäischer Rat Ratifikation des EUV 72, 74, 80, 82 ff., 136, 140 f., 172 Realignments 26 Rechnungsprüfung 123 f., 135 Rechts- und Geschäftsflihigkeit 100 f., 133, 185, 187 98, - s. a. Rechtspersönlichkeit 100ff. Rechtsanwendungsbefehl 172 f. Rechtsaufsicht 97 f. Rechtsschutz 56 f. - subjektiver 68, 131, 133, 142 - s. auch lustitiabilität Rechtsstaatlichkeit 143, 191 f. Rechtsstaatsprinzip 57, 68, 86, 130 Referenzsysteme 185 ff. Refinanzierzungsbank 187 Reichsbank 93
Stichwortverzeichnis Revisionskonferenz 88 Richtlinien 133,178,183,189 Römische Verträge 19 f. sachliche Unabhängigkeit, - s. Unabhängigkeit Schadensersatzklage 133, 142 f. Schambergbericht 89 Schlange im Tunnel, - s. EWV Smithsonianagreement 22 f. Solange-Rechtsprechung 51,55 f., 64 Sozialstaatsprinzip bzw. SozialstaatIichkeit 58 f., 68 f., 86 Staatenbund 44 Staatenverbund 50, 66 Staatlichkeit der EU 44 ff. Staatsgewalt 43, 49, 53 Staatsziel 13, 39 f., 63, 83, 85 Stabilitätsgemeinschaft 160, 166 statistische Erhebungen 184 Stellungnahmen 42,92, 116, 131, 164 strukturelle Kongruenz 54, 63, 170 Struktursicherungsklausel 63 ff, 86, 94, 169 Stufenplan 19,21,27 ff. 14, 68 f., 86, Subsidiaritätsprinzip 188 f. Swap-Geschäfte, - s. Devisenmarktoperationen Tabakrichtlinien-Entscheidung 56 Thomas-Beckett-Effekt 117, 145 Tindemans-Bericht 76 Übergangsverfahren 31 Unabänderlichkeitsgarantie 53, 57, 70 f., 73 Unabhängigkeit - allgemein 31,54,59,72 f., 82 - Begriff 89 ff. - institutionelle 95, 106 ff. - materielle 95, 104, 118 ff.
213
- persönliche 95, 107 ff. - vermögensrechtliche 95, 145 f. Unantastbarkeitsgarantie - s. Unabänderlichkeitsgarantie Unionsbürgerschaft 14,49 Untätigkeitsklage ·132 Unterstützungspflicht 125 ff., 132 f., 140, 150 Untersuchungsausschuß 14, 65, 122, 134 f., 140 Unumkehrbarkeit, - s. Automatismus Vereinigung, deutsche 13 f. Verfassungsänderung, - Notwendigkeit 21, 34 ff. Verfassungsklarheit, Gebot der 61 Verfassungsorgane 96, 132, 134 ff. Verfassungsreform, deutsche 13 Verfassungstraditionen 79 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 57 Verhaltensspielraum 91, 119 Verordnung 42, 131, 133, 142 Vertrag über die Errichtung einer EWU, - s. Römische Verträge Vertrag über die Europäische Union, - s. Maastricht-Vertrag Vertragsänderungsbefugnis 49, 121, 136, 156 Vertragsverletzung 176 völkerrechtlicher Vertrag 49 Völkerrechtssubjekt 102 Volkssouveränität 60, 139 Vollzugsgeschäfte, - s. Kunden- und Vollzugsgeschäfte 180, 185 Vorabentscheidung 102, 142 Vorrang des Gemeinschaftsrechts 171 f. vorverfassungsmäßiges Gesamtbild 36 Währungs- und Notenbank
214
Stichwortverzeichnis
- Begriff 35 ff. Währungsausgleichsbeträge 20 f. Währungsausschuß 19 f., 29 Währungsgesetzgebungskompetenz 35,39 f., 60, 121, 135 f., 137 Währungshoheit, Übertragung der 34 f., 39 f., 43 f., 55 f., 57 ff. Währungspolitisches Instrumentarium, - s. Zentralbankinstrumente Währungsraum, europäischer 27, 33, 34 Währungsreform 93 Währungsreserven 145 Währungsschlange, -so EWV Währungssicherung 15, 37 f., 41, 125 f., 152 f., 174 Währungsunion, - S. Wirtschafts- und Währungsunion Wechselkurskompetenz 95, 144, 147 ff., 154 f.
Weisungen 133,178,189 Wemer-Plan 21,27 Wiederwahlmöglichkeit 110, 113, 117 Wirtschafts- und Währungsunion - geschichtliche Entwicklung 18 ff. - im Maastricht-Vertrag 29 ff. Wirtschaftsunion, Struktur 46 f., 66 Zahlungsbilanzkrisen 19 Zentralbankinstrumente 30, 32, 179 ff. Zentralbankkredite 145 f. Zentralbankrat - BdL 186 f. - Bundesbank 81 f., 108 f., 110 - EZB 111 ff., 140, 143 f., 157, 159, 178, 181, 183 f. Zinssätze, langfristige 32 Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Innen- und Justizpolitik 46, 66 Zwischenstaatliche Einrichtung 40, 42,44 ff., 55, 57, 59 f., 62, 71