Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts (Artikel 11 des Grundgesetzes) [1 ed.] 9783428420612, 9783428020614


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Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts (Artikel 11 des Grundgesetzes) [1 ed.]
 9783428420612, 9783428020614

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 119

Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts (Artikel 11 des Grundgesetzes) Von Detlef Merten

Duncker & Humblot · Berlin

DETLEF

MERTEN

Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts

Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Band 119

Recht

Der I n h a l t des Freizügigkeitsrechts (Artikel 11 des Grundgesetzes)

Von Dr. Dr. Detlef Merten

DUNCKER

& HUMBLOT

/

BERLIN

Alle Rechte vorbehalten (5) 1970 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1970 bei Alb. Sayffaerth, Berlin 61 Printed in Germany

Vorwort Die vorliegende Schrift wurde i m Sommersemester 1969 von der Juristischen Fakultät der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen. Gesetzgebung, Literatur und Rechtsprechung sind bis Ende 1969, vereinzelt auch darüber hinaus berücksichtigt. Ausgezeichneten Dank sage ich meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. K a r l August Bettermann, der diese Arbeit angeregt und betreut und mich als Schüler und Assistenten stets gefördert hat. Für seine liebenswürdige Unterstützung bin ich Herrn Professor Dr. Roman Herzog, dem Korreferenten der Arbeit, zu vorzüglichem Dank verpflichtet. Dank sage ich schließlich Herrn Ministerialrat a. D. Dr. Johannes Broermann für die Aufnahme der Schrift i n sein Verlagsprogramm. Berlin, i m Juni 1970 Detlef Merten

Inhaltsverzeichnis Einleitung § 1: Ziel und Methode

der Arbeit

Erstes

13

Kapitel

Die persönliche Freizügigkeit § 2: Begriff

15

der Freizügigkeit

§ 3: Die Umzugsfreiheit

15

als Recht der Wohnsitzverlegung

und

Aufent-

haltsnahme

17

I. Wohnsitzverlegung

17

I I . Aufenthaltsnahme

18

1. Abgrenzungsschwierigkeiten 2. Dauernder Aufenthalt 3. Vorübergehender Aufenthalt § 4: Die Umzugsfreiheit

von Bundesland

18 19 20 zu Bundesland

I. Begriff der „interterritorialen Freizügigkeit" I I . Bedeutung u n d Rechtsinhalt § 5: Die Umzugsfreiheit

von Gemeinde zu Gemeinde

I. Schutzbereich

22 25

26

1. Aufenthaltsgebote 2. Aufenthaltsverbote innerhalb

21

25

I I . Einschränkungen

§ 6: Umzugsfreiheit

21

26 28 der Gemeinde

I. Bestimmung des Begriffs „ O r t " 1. Deutungsmöglichkeiten 2. Wortlautargumentation 3. Historische Interpretation

29 30 30 30 31

I I . Teleologische Neubesinnung auf G r u n d gewandelter Verhältnisse

32

1. Unzulässigkeit einer voreiligen Erst-Recht-Argumentation . .

33

8

Inhaltsverzeichnis 2. Erst-Recht-Argumentation wegen gewandelter Verhältnisse

33

3. Schutzbereich der interlokalen Freizügigkeit

35

a) Schutz vor gewerberechtlichen Beschränkungen?

35

b) c) d) e)

35 36 37 39

Schutz vor baurechtlichen Beschränkungen? Ausklammerung der Unterkommensfrage Freizügigkeit u n d Wohnraumbewirtschaftung Zuzugsbeschränkungen wegen Wohnungsnot

§ 7: Recht auf Heimat

39

§ 8: Die negative Freizügigkeit

41

§ 9: Die

42

Reisefreiheit

I. Historischer Rückblick

42

I I . Reiseaufenthalt als vorübergehender Aufenthalt

43

I I I . Zeitliche Untergrenze des Reiseaufenthalts

Zweites

44

Kapitel

Freizügigkeit und Bewegungsfreiheit § 10: Die Bewegungsfreiheit

als Bestandteil

45

der Freizügigkeit?

I. Historische Interpretation

45 45

1. Wortlaut des Freizügigkeitsgesetzes

45

2. Gesetzeszweck

46

I I . Systematische u n d teleologische Interpretation

46

1. Unterschiedliche Schrankenregelung 2. Bedeutungslosigkeit der Schrankendivergenz schriebener Schranken? I I I . Vergleichende Interpretation

47 wegen unge-

48 49

1. Internationale Erklärungen u n d A b k o m m e n

49

2. Ausländergesetzgebung

50

I V . Ergebnis §11: Verfassungsrechtliche

51 Einordnung

der Bewegungsfreiheit

I. Freiheit der Person

52 52

1. Schutz vor Freiheitsentziehungen

52

2. Schutz vor Freiheitsbeschränkungen? a) Wortlautargumentation b) Historische Entwicklung c) Schrankensystematische Interpretation

53 53 55 55

Inhaltsverzeichnis 3. Keine Garantie einer allgemeinen Bewegungsfreiheit

56

4. A r t . 2 Abs. 2 S. 2 als bloßes Abwehrrecht

57

I I . Freie Entfaltung der Persönlichkeit I I I . Verhältnis von Freizügigkeit zur Bewegungsfreiheit u n d Freiheit der Person

58 59

1. Verhältnis von Freizügigkeit u n d Bewegungsfreiheit

59

2. Verhältnis von Freizügigkeit u n d Freiheit der Person

60

Drittes

Kapitel

Vermögensmitnahmefreiheit und wirtschaftliche Freizügigkeit § 12: Die Vermögensmitnahmefreiheit § 13: Die wirtschaftliche

61 61

Freizügigkeit

64

I. Historische Entwicklung

65

I I . A r t . 11 als Schutzort der wirtschaftlichen Freizügigkeit I I I . Umfang des Grundrechtsschutzes I V . Beschränkung und Behinderung der wirtschaftlichen Freizügigkeit

68 71 73

1. Beschränkungen

73

2. Schutz vor Behinderungen

74

Viertes

Kapitel

Räumlicher Umfang und persönlicher Geltungsbereich der Freizügigkeit § 14: Der Umfang

des Bundesgebiets

I. Bedeutung der Fragestellung I I . Die Entscheidung des Grundgesetzes I I I . Grundgesetz u n d Besatzungsrecht

77 77 77 78 79

1. Eingliederungstheorie

79

2. Als-ob-Theorie

79

§15: Grundrechtsträger

des Art. 11

I. Natürliche Personen

81 81

1. Die Freizügigkeit als Deutschen-Recht

81

2. Die Grundrechtsberechtigung Jugendlicher

83

I I . Juristische Personen

85

10

Inhaltsverzeichnis Fünftes

Kapitel

Freizügigkeit und Staatsgrenzen § 16: Der Zuzug

87 87

I. A r t . 11 als Schutzort des Zuzugsrechts

87

1. Wortlautargumentation

87

2. Historische Entwicklung u n d Entstehungsgeschichte

88

3. Unergiebigkeit der systematischen Interpretation

89

I I . Zusätzliche Absicherung durch A r t . 16?

90

1. Asylrecht

90

2. Staatsangehörigkeit

91

I I I . Erscheinungsformen des Zuzugs 1. Einwanderung

91 91

2. Einreise

91

3. Zeitliche Untergrenze des Zuzugs

92

§ 17: Das Wohnrecht

im Staatsgebiet

I. Die Schutzfunktion des Wohnrechts I I . A r t . 16 Abs. 2 Satz 1 als Verbot der Zwangsentfernung?

93 93 94

1. I n h a l t des Auslieferungsverbots

94

2. Analoge Anwendung?

95

I I I . Staatsangehörigkeit als Schutz gegen Zwangsentfernungen?

96

1. Schutzzweck u n d Entstehungsgeschichte des A r t . 16 Abs. 1 Satz 1 97 2. Wohnrecht als Element des Staatsangehörigkeitsverhältnisses?

97

a) i m Völkerrecht? 98 b) i m Staatsrecht? 98 c) Ergebnis: Keine Ableitbarkeit aus der Staatsangehörigkeit 101 I V . Freizügigkeit und Aufenthaltsrecht i m Bundesgebiet 1. Sachliche Nähe des Aufenthaltsrechts zu A r t . 11

101 102

2. Anwendbarkeit der Schrankenvorbehalte der Freizügigkeit . . 103 a) b) c) d)

Fehlende Lebensgrundlage Staatssicherheit K r i m i n a l vorbehält Seuchengefahr

103 103 104 104

Inhaltsverzeichnis e) Verteidigungsvorbehalt f) Jugendschutz 3. Schrankenentnahme aus A r t . 16 Abs. 1 Satz 1? § 18: Der Wegzug

105 106

I. Die verfassungsrechtliche Verankerung des Wegzugsrechts 1. Verhältnis von Freizügigkeit zur Wegzugsfreiheit a) b) c) d)

104 104

Wortlautargumentation Schrankensystematik Genetische Interpretation Historische Interpretation

2. Wegzugsfreiheit u n d Staatsangehörigkeit

106 107 107 107 108 109 111

3. Ergebnis: Schutz i m Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit 112 a) Interpretation des A r t . 2 Abs. 1 b) Unterschiedliche Behandlung von Abzug u n d Zuzug I I . Auswanderung u n d Ausreise § 19: Aufenthaltsrecht

im Ausland

112 112 114 116

I. Negatives Zuzugsrecht als Ausfluß der Staatsangehörigkeit? I I . Negativer Grundrechtsbereich des A r t . 11 I I I . Verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Rückrufs

116 117 119

Thesen

122

Literaturverzeichnis

125

Sachwortregister

133

Abkürzungsverzeichnis BayVerfGHE

BB1. BK/L BK/O BV B.-VG. Ch.E.

FreizG GS HeimatG JIR Slg. StGG VerfGH WP

= Entscheidungen des Bayer. Verfassungsgerichtshofs, i n : Sammlung v o n Entscheidungen des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs m i t Entscheidungen des Bayer. Verfassungsgerichtshofs = Bundesblatt der Schweizerischen Eidgenossenschaft = A l l i i e r t e Kommandantura Berlin, Letter = A l l i i e r t e Kommandantura Berlin, Order = Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft = Gesetz v o m 1. Oktober 1920, w o m i t die Republik Österreich als Bundesstaat eingerichtet w i r d [Bundes-Verfassungsgesetz], (BGBl. Nr. 1/1920 bzw. Nr. 1/1930) = Verfassungssausschuß der Ministerpräsidentenkonferenz der westlichen Besatzungszonen. Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee v o m 10. bis 23. August 1948 = Gesetz über die Freizügigkeit v o m 1. November 1867 (BGBl. S. 55) = Gesetz-Sammlung f ü r die Kgl. Preußischen Staaten; Preußische Gesetzessammlung = Gesetz über die Aufnahme neu anziehender Personen v o m 31. Dezember 1842 [Preußisches Heimatgesetz], (GS 1843 S.5) = Jahrbuch für internationales u n d ausländisches öffentliches Recht = Sammlung der Erkenntnisse u n d wichtigsten Beschlüsse des (österreichischen) Verfassungsgerichtshofs = (österreichisches) Staatsgrundgesetz v o m 21. Dezember 1867, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (RGBl. Nr. 142) = (österreichischer) Verfassungsgerichtshof = Wahlperiode

Allgemein gebräuchliche oder juristische Abkürzungen, die sich bei Hildebert Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Hechtssprache (2. Aufl., B e r l i n 1968), finden, werden nicht aufgeführt.

Einleitung § 1: Ziel und Methode der Arbeit 1. Deutschlands Situation nach dem Krieg brachte es m i t sich, daß die Erörterungen zum Grundrecht der Freizügigkeit (Art. I I ) 1 zu Lasten des reinen Verfassungstextes oftmals von politischen Emotionen überschattet waren. Wäre der Schutzbereich der Freizügigkeit i n Rechtsprechung und Literatur bereits hinreichend geklärt worden, so hätte diese Arbeit zur Beantwortung von Einzelfragen vordringen dürfen, statt bei grundsätzlichen Erwägungen zu verharren. Ziel der Untersuchung ist es, den Grundrechtsinhalt des A r t . 11 zu bestimmen, insbesondere ihn durch seine räumliche und zeitliche Komponente von anderen Grundrechten abzugrenzen. Dabei ist auf das Verhältnis der Freizügigkeit zur Bewegungsfreiheit, die oftmals vermengt werden, ebenso einzugehen wie auf die Beziehungen des A r t . 11 zu Art. 16, die für die Freizügigkeit über die Staatsgrenzen von Bedeutung sind. Da sich der Wert der Freizügigkeit niemals i n der Umzugsfreiheit für privatisierende Kapitalisten erschöpft hat, müssen auch die Zusammenhänge zwischen A r t . 11 und 12 klargelegt werden. Dabei w i r d eine saubere Inhaltsbestimmung nicht als Selbstzweck postuliert. Sie ist erforderlich wegen der unterschiedlichen Schrankenvorbehalte der einzelnen Grundrechte und w i r d auch nicht bei Anerkennung ungeschriebener Schranken 2 überflüssig. Durch diese können nur grobe Ungereimtheiten bei den Schrankenregelungen des Grundgesetzes beseitigt, nicht aber die Schutzbereiche tradierter Grundrechte nivelliert werden. Es ist nicht beabsichtigt, den Kommentierungen zu A r t . 11 eine weitere hinzuzufügen. Demzufolge werden die Schrankenvorbehalte des A r t . 11 Abs. 2 nur insoweit behandelt, als sie Rückschlüsse für die Inhaltsbestimmung der Freizügigkeit liefern. Des weiteren kann die Arbeit die Landesverfassungen ebenso wie europarechtliche Fragen nur am Rande berücksichtigen. Sie beschränkt sich auf eine Darstellung der grundgesetzlichen Freizügigkeit. 1 2

A r t i k e l ohne nähere Angabe sind solche des Grundgesetzes. Hierzu Bettermann, Grenzen der Grundrechte.

Einleitung

14

2. Da die Freizügigkeit keine bundesrepublikanische Erfindung, sondern ein klassisches Grundrecht ist, hat die historische Betrachtung i m Vordergrund der Untersuchung zu stehen 3 . Für A r t . 11 ist sie unerläßlich, weil der komprimierte Verfassungstext unergiebig ist. A u f zahlreiche Zweifelsfragen findet sich erst dann eine Antwort, wenn man auf die ausführlicheren Hegelungen der Freizügigkeit i n früheren Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen, insbesondere i m Gesetz über die Freizügigkeit 4 zurückgeht, das die Probleme des freien Zuges eingehend geregelt hat. Damit soll nicht einer konservativen Grundrechtsinterpretation das Wort geredet werden. Selbstverständlich darf die Auslegung der Verfassung nicht bei der historischen Betrachtung stehenbleiben, sondern muß die gewandelten Verhältnisse berücksichtigen 5 . Die Untersuchung w i l l aber weder von einem grundrechtlichen Wertsystem ausgehen, noch politischen Realitäten, die nicht i n Abrede gestellt werden sollen, bei der Interpretation der Verfassung eine selbständige Bedeutung zubilligen. Bildhafte Beschwörungen der Verhältnisse i m geteilten Deutschland sind allenfalls für eine rechtswirkliche, nicht aber für eine rechtsdogmatische Betrachtung von Erkenntniswert.

3 H. Peters, Auslegung der Grundrechtsbestimmungen aus der Geschichte, Hist. Jahrb. Jg. 72 (1953) S. 457 ff.; vgl. auch Enneccerus/Nipper dey, Lehrbuch des Bürgerl. Rechts, Bd. 1/1, §56 I I S. 334. Z u r Notwendigkeit einer historischen Interpretation des Freizügigkeitsbegriffs Thoma, AöR Bd. 75 S. 364. 4 V o m 1.11.1867 (BGBl. S. 55); Reichsgesetz seit dem 16. 4.1871. 5

vgl. unten S. 32 ff.

Erstes

Kapitel

Die persönliche Freizügigkeit § 2: Begriff der Freizügigkeit 1. D e r B e g r i f f „ F r e i z ü g i g k e i t " w i r d i m j u r i s t i s c h e n Sprachgebrauch i n u n t e r s c h i e d l i c h e n Z u s a m m e n s e t z u n g e n v e r w e n d e t . Das Grundgesetz k e n n t n e b e n d e r F r e i z ü g i g k e i t d e r D e u t s c h e n i n A r t . 11 d i e „ F r e i z ü g i g k e i t des W a r e n v e r k e h r s " ( A r t . 73 N r . 5). W e i t e r spricht m a n v o n „ a k a d e m i s c h e r " oder „ s t u d e n t i s c h e r " F r e i z ü g i g k e i t 1 , v o n d e r F r e i z ü g i g k e i t der R i c h t e r , d e r B e a m t e n 2 , d e r Ä r z t e 3 o d e r der Rechtsa n w ä l t e 4 , der D a m p f k e s s e l 5 u n d der G e r i c h t s k o s t e n m a r k e n 6 . Abgesehen v o n dieser spezifisch j u r i s t i s c h e n T e r m i n o l o g i e g i l t „ f r e i z ü g i g " i n der Umgangssprache als S y n o n y m f ü r „ g e w a g t " oder „ a n s t ö ß i g " 7 . 2. D a s Grundgesetz selbst e n t h ä l t k e i n e B e g r i f f s b e s t i m m u n g der F r e i z ü g i g k e i t . I h r I n h a l t ist d a h e r i m W e g e der A u s l e g u n g z u e r m i t t e l n . D i e W o r t i n t e r p r e t a t i o n e r g i b t , daß d i e F r e i z ü g i g k e i t d e n f r e i e n „ Z u g " g e w ä h r l e i s t e t . N u n k ö n n t e eine e t y m o l o g i s c h e B e t r a c h t u n g des 1 Ermacora, Handbuch S. 488; Köttgen, N J W 1964, 290; Gerber, Das Recht der wissenschaftlichen Hochschulen i n der jüngsten Rechtsentwicklung, Bd. I (Tübingen 1965) S. 118 u. 119; Hinz/Mayer-Tasch, JZ 1968, 59. Die „ F r e i zügigkeit der Gelehrten" erwähnen E w a l d Horn, Akademische Freiheit (Berlin 1905) S. 26; Günther Frohberg, Die Bedeutung des A r t . 5 Abs. 3 des Bonner Grundgesetzes . . . , Diss. (Kiel 1959) S. 117; Friedrich Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts, 3. Aufl., Bd. I (Leipzig 1919) S. 258, Bd. I I (Berlin u. Leipzig 1921) S. 266. 2 Haueisen, N J W 1957, 1089ff.; Sauer, A n w B l . 1955, 134 r. Sp.; Totzek, DVB1. 1950, 328. 3 Vgl. Daniels [Bulling, Bundesärzteordnung (Berlin u. Neuwied 1963), Einl. S . X X . 4 Vgl. die Gesetzesüberschrift des § 5 B R A O u n d die Amtliche Begründung hierzu (Verhandlungen des Deutschen Bundestages, I I I . WP, Drucks. Nr. 120 S. 50 f.); ferner Bülow, Bundesrechtsanwaltsordnung (Berlin u. Frankfurt 1959) S. 2 f.; Schilling, JZ 1951, 28. 5 Vgl. Fröhler i n Landmann/Rohmer, GewO, 11. Aufl. (München u. Berlin 1956), 1. Bd., §24 A n m . 7 b S.307; BVerfGE 11, 6 (20). 6 Vgl. die „Ländervereinbarung über die Freizügigkeit der Gerichtskostenmarken sowie Anschluß Berlins (West) an diese Vereinbarung ab 1.11.1950" sowie die „Ergänzung der Ländervereinbarung über die Freizügigkeit der Gerichtskostenmarken", abgedruckt bei Piller/Hermann, Justizverwaltungsvorschriften, Stand 1968. 7 I n diesem Sinne etwa OLG Köln, N J W 1965, 2346 1. Sp.

16

1. Kap.: Die persönliche Freizügigkeit

Wortes dazu verführen, die Bedeutung der Freizügigkeit (des „fry zugs" oder „frey zugs") 8 auf den Vorgang des Ziehens 9 zu beschränken. Die logische Interpretation zeigt aber, daß unter Freizügigkeit sowohl der freie „Ab-Zug" als auch der freie „Zu-Zug" zu begreifen sind, da die Tätigkeit des Ziehens als Selbstzweck, 'ohne die Berechtigung, eine Bleibe zu begründen oder aufzugeben, nahezu bedeutungslos ist 1 0 . Zuzug und Abzug bedingen einander, da der Abzug die Möglichkeit eines anderweitigen Zuzugs erfordert, wie umgekehrt der Zuzug einen vorherigen ungehinderten Abzug voraussetzt. 3. M i t diesen Überlegungen stimmt überein, daß eine i n den Entwürfen zum Grundgesetz zunächst enthaltene 11 , später gestrichene 12 Definition die Freizügigkeit als die Befugnis umschrieb, „an jedem Ort des Bundesgebiets Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen" 1 3 . Die Anlehnung an frühere Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen ist offensichtlich. So umfaßte nach Art. 111 der Weimarer Reichsverfassung 14 (WRV) die Freizügigkeit der Person das Recht, „sich an beliebigem Orte des Reichs aufzuhalten und niederzulassen", wie es fast wörtlich auch i n § 1 Abs. 1 Nr. 1 FreizG hieß. I n ähnlicher Weise hatte schon Art. 1 § 3 des Gesetzes betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes 1 5 das Recht jedes Deutschen statuiert, „an jedem Orte des Reichsgebietes seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen" — wörtlich übernommen von § 133 der Programm gebliebenen Frankfurter Reichsverfassung 16 . 8 Z u r Verwendung des Wortes i n der älteren Rechtssprache: Deutsches Rechtswörterbuch (Wörterbuch der älteren deutschen Rechtesprache), hrsg. von der Preußischen Akademie der Wissenschaften Bd. I I I (Weimar 1935), Sp. 851. 9 Z u r Etymologie vgl. auch Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 19. Aufl. (Berlin 1963) sub „Zug". 10 Vgl. Dürig, Grundrechte I I S. 507 u. 513, der die Freizügigkeit m i t Recht als „finales Grundrecht" bezeichnet. Zustimmend BVerwGE 3, 308 (312). n Hierzu Matz, JöR N.F. Bd. 1 S. 128 ff. 12 I n der 4. Lesung des Hauptausschusses am 5. 5.1949 (57. Sitzung, Sten. Berichte S. 746) i n Übernahme der Fassung des Allg. Redaktionsausschlusses (Drucks. Nr. 751 v. 2. 5.1949). 13 Vgl. die ähnlichen Formulierungen i n deutschen Landesverfassungen: A r t . 8 der Verfassung Badens v. 22. 5.1947 (RegBl. S. 129); A r t . 109 Abs. 1 der Verfassung Bayerns v. 2.12.1946 (GVB1. S. 333); A r t . 11 der Verfassung von B e r l i n v. 1.9.1950 (VOB1. S. 433); A r t . 6 der Hessischen Verfassung v. 1.12. 1946 (GVB1. S. 229); A r t . 9 der Verfassung des Landes Mecklenburg v. 16.1. 1947 (RegBl. S. 1); A r t . 15 Abs. 1 der Verfassimg für Rheinland-Pfalz v. 18. 5. 1947 (VB1. S. 209); A r t . 10 der Verfassung des Landes Sachsen v. 28.2.1947 (Gesetze, Befehle, Verordnungen . . . S. 163); A r t . 10 der Verfassung der Provinz Sachsen-Anhalt v. 10.1.1947 (GBl. I S. 9). 14 Vom 11. 8. 1919 (RGBl. S. 1383). is Vom 27.12.1848 (RGBl. S. 49). iß Vom 28. 3.1849 (RGBl. S. 101).

§ 3 : Die Umzugsfreiheit

17

Das Recht „zum festen Wohnsitz" hatten ebenfalls die IndigenatsVorschriften der Verfassungen des Norddeutschen Bundes 17 (Art. 3) und des Deutschen Reichs 18 (Art. 3) vorgesehen. 4. Von der Auslegung dieser überkommenen Definition hängt der Grundrechtsinhalt der persönlichen Freizügigkeit 1 9 ab. Dabei w i r d die zeitliche Komponente des freien Zuges durch die Begriffe „Wohnsitz" und „Aufenthalt" bestimmt: aus ihnen ergibt sich, wie lange jemand an einem Ort verweilen darf. Die räumliche Komponente w i r d durch den Begriff „ O r t " angegeben: er besagt, wo jemand sich aufhalten und niederlassen darf. Damit stellt sich die Frage, ob Teüfreiheiten wie Umzugsfreiheit, Reisefreiheit, Bewegungsfreiheit, die man auf Grund des bloßen Wortlauts der Freizügigkeit zuordnen könnte, von A r t . 11 umfaßt werden.

§ 3: Die Umzugsfreiheit als Recht der Wohnsitzverlegung und Aufenthaltsnahme Das Recht umzuziehen, d. h. sich an einem Ort eine Wohnung zu nehmen, hat stets i m Vordergrund des Freizügigkeitsrechts gestanden. Ziel des Umzugs kann es sein, sich an dem neuen Ort ständig oder für längere Zeit niederzulassen oder sich mehr oder weniger lange dort aufzuhalten. I. Wohnsitzverlegung Wer sich an einem Orte eine Wohnung nimmt, u m sich ständig niederzulassen, begründet gemäß § 7 BGB dort seinen Wohnsitz. Das Recht zur Wohnsitzbegründung an jedem inländischen Orte war schon von jeher Bestandteil der Freizügigkeit. Z u Recht wurde daher in den Entwürfen zum Grundgesetz die Freizügigkeit — wie schon in § 133 der Frankfurter Reichsverfassung — als das Recht definiert, an jedem Orte des Bundesgebietes „Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen". Einen lediglich redaktionellen Unterschied bedeutet es, wenn i n anderen Begriffsbestimmungen der Freizügigkeit, insbesondere i n § 1 Abs. 1 Nr. 1 FreizG, von dem Recht die Rede ist, sich an jedem Ort aufzuhalten oder niederzulassen. Denn die Begriffe „Niederlassen" und „Wohnsitz« V o m 17.4.1867 (BGBl. S. 1). is V o m 16.4.1871 (RGBl. S. 64). is Dieser Terminus ist schon bei den Beratungen zum Freizügigkeitsgesetz gebraucht worden; vgl. den Bericht der 6. Commission (Sten.Ber. des N o r d deutschen Bundes 1867, Bd. 2, S. 187); vgl. i m übrigen auch Kutzer S. 854 f.; Rohmer i n Nipperdey, Die Grundrechte I, S. 237. 2

Merten

18

1. Kap.: Die persönliche Freizügigkeit

nähme" meinen dasselbe1. Insbesondere ist unter „Niederlassung" nicht etwa die Gründung eines Gewerbebetriebs 2 , sondern nur das Recht zu verstehen, an einem Orte mit der vorgefaßten Absicht des dauernden Verweilens zu bleiben und ihn damit zum Mittelpunkt oder Schwerpunkt des beruflichen oder außerberuflichen Lebens zu machen. Diese Umstände führen aber auch zur Begründung eines Wohnsitzes. Denn für § 7 BGB muß nur das Niederlassen, nicht aber auch die Rechtsfolge der Wohnsitzbegründung gewollt sein 3 . Damit ergeben sich für die Wohnsitzbegründung keine anderen Voraussetzungen als für die Niederlassung. Das Recht der Wohnsitzbegründung ist gegenüber der Niederlassungsfreiheit entgegen der Ansicht Dürigs 4 kein maius, sondern ein idem 5 . Anderenfalls müßte man konsequenterweise zu dem merkwürdigen Ergebnis gelangen, daß § 1 FreizG, der auf die Niederlassung abstellt, nicht auch das Recht zur Wohnsitzbegründung einschloß, und daß dieses erst durch A r t . 11 gewährt wurde, obwohl das Grundgesetz von dem überkommenen Begriff der persönlichen Freizügigkeit ausging. II. Aufenthaltsnahme Neben dem Recht der Wohnsitzverlegung hat die Freizügigkeit stets auch das Recht enthalten, sich an einem Ort aufzuhalten. 1. Abgrenzungsschwierigkeiten

Schwieriger als die Bestimmung der „Niederlassung" oder „Wohnsitznahme" ist die Umgrenzung des schillernden Begriffs „Aufenthalt", der i n den verschiedenen Gesetzen in unterschiedlicher Bedeutung gebraucht wird. 1 Vgl. auch RGSt, Regers Entsch. Bd. 17 S. 317. I n diesem Sinne w i r d der Begriff verwendet v o n Meyer-Marsilius, Niederlassungsrecht S. 18; vgl. auch BVerfGE 17, 232 (243 f.). F ü r die U n t e r scheidung zwischen Wohnsitz u n d Aufenthalt ist n u r die Länge des V e r weilens entscheidend. Ebenso Kimminich, Bonner Kommentar (Zweitbearb.), A r t . 74 Nr. 4 Rdnr. 4. 3 Denecke i n R G R K Bd. I § 7 A n m . 1; Enneccerus/Nipper dey, Lehrbuch des Bürgerl. Rechts, Bd. 1/2, §137 I V 2 a a) S. 867; Soergel/Schultze-v. Lasaulx, Bürgerliches Gesetzbuch (10. A u f l . 1967), §7 Rdnr. 5. 4 Grundrechte I I S. 512 sub 2, ders. i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 11 Rdnr. 29. 5 I m Ergebnis ebenso Feldmann/Geisel, Verfassüngsrecht S. 40. V o n einer Gleichsetzung ging auch der frühere § 1 Abs. 1 S. 3 B V F G (i. d. Fassimg des Gesetzes v. 19.5.1953 [BGBl. I S. 201]) aus: Wer infolge v o n Kriegseinwirkungen seinen Wohnsitz i n bestimmte Gebiete verlegt hatte, w a r Vertriebener nur, w e n n „er sich auch nach dem K r i e g i n diesen Gebieten ständig niederlassen wollte". 2

§ 3: Die Umzugsfreiheit

19

So erwähnt § 2 des Jugendschutzgesetzes den Aufenthalt i n Gaststätten, der seiner Natur nach auf ein kürzeres Verweilen beschränkt ist. Auch ein Aufenthaltsverbot nach § 39 Nr. 1 StGB kann dem Verurteilten selbst ein momentanes Verweilen an bestimmten ö r t l i c h keiten untersagen 6 . Demgegenüber verwendet das Preußische Heimatgesetz 7 , der Vorläufer des Freizügigkeitsgesetzes, den Begriff i n anderem Sinne. Nach seinem § 2 konnte die Landespolizeibehörde einen entlassenen Sträfl i n g von dem „Aufenthalt" an gewissen Orten ausschließen, wodurch jedoch nicht jede augenblickliche Anwesenheit des Verurteilten, also auch der flüchtige Besuch, sondern nur das ständige Verweilen, die Domizilierung i n der betreffenden Ortschaft ausgeschlossen werden sollte 8 . Ein längeres Verweilen meinen auch zahlreiche Gesetzesbestimmungen, wenn sie von dem „festen" 9 , „ständigen" 1 0 , „dauernden" 1 1 oder „gewöhnlichen" 1 2 Aufenthalt sprechen. So definiert § 14 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes 13 den gewöhnlichen Aufenthalt ausdrücklich als nicht nur vorübergehendes Verweilen. Da somit dem Terminus „Aufenthalt" ein von vornherein eindeutiger Bedeutungsinhalt fehlt, kann dieser allein dem Freizügigkeitsrecht entnommen werden. 2. Dauernder Aufenthalt

Daß die Freizügigkeit einen dauernden Aufenthalt schützt, ein Verweilen, bei dem jemand auf längere Zeit eine Wohnung nimmt, ohne zugleich einen Wohnsitz zu begründen, war nie streitig. Schon nach § 1 des Preußischen Heimatgesetzes durfte „keinem selbständigen Unterthan . . . an dem Orte, wo er eine eigene Wohnung oder ß Vgl. Jagusch i n Leipz. Kommentar, § 39 A n m . 1 a. 7 Gesetz über die Aufnahme neu anziehender Personen v. 31.12.1842 (GS 1843 S.5). 8 PrOVG, Regers Entsch. Bd. 4 S. 450. 9 § 9 Abs. 1 AusländerpolizeiVO v. 22. 8.1938 (RGBl. I S. 1053). 10 § 9 BundesvertriebenenG i . d . F . v o m 23.10.1961 (BGB1.I S.1883); § 1 WehrpflichtG i. d. F. v o m 28. 9.1969 (BGBl. I S. 1773), hierzu BVerwGE 8, 173 (174 f.). 11 § 12 Abs. 1 Nr. 2 BundeswahlG; auf einen Aufenthalt von längerer Dauer stellt auch § 20 ZPO ab. H i e r f ü r reicht ein tageweiser Aufenthalt nicht aus. Vgl. Wieczorek, ZPO Bd. I § 20 A n m . B I a. 12 § 606 ZPO (vgl. hierzu OLG Stuttgart i n M D R 1964, 768); § 7 Abs. 2 StPO; A r t . 29 E G B G B ; §2 des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser A u s länder i m Bundesgebiet v. 25.4.1951 (BGBl. I S.269); §1319 Abs. 2 RVO (hierzu BSGE 27, 88); §§98 Abs. 2, 100 A V G ; § 1 l i t . b FremdrentenG; §11 JWG. 1 3 V o m 16.10.1934 (RGBl. I S. 925). 2*

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1. Kap.: Die persönliche Freizügigkeit

ein Unterkommen sich selbst zu verschaffen imstande ist, der Aufenthalt verweigert oder durch lästige Bedingungen erschwert werden". Hierbei herrschte Einigkeit, daß als „Aufenthalt" nur ein längeres, nicht auch ein vorübergehendes Verweilen anzusehen sei 14 . 3. Vorübergehender Aufenthalt

Gerade angesichts dieses Rechtszustandes i n Preußen kann es allein fraglich sein, ob die Freizügigkeit des Grundgesetzes auch das Recht zum vorübergehenden Aufenthalt 1 5 an einem Ort (Studienaufenthalt, Aufenthalt der Saisonarbeiter) umfaßt. Aber schon das Freizügigkeitsgesetz von 1867 verstand den Begriff „Aufenthalt" anders als das Preußische Heimatgesetz. So normiert § 12 FreizG die grundsätzliche Unzulässigkeit einer polizeilichen Ausweisung Bundesangehöriger „aus dem Orte ihres dauernden oder vorübergehenden Aufenthalts". Ferner bestimmt § 8 Satz 2, daß „Neuanziehende" den Gemeindelasten nicht unterworfen sind, „wenn die Dauer des Aufenthalts nicht den Zeitraum von 3 Monaten" übersteigt. Hieraus folgt, daß das Freizügigkeitsgesetz auch den vorübergehenden Aufenthalt schützt und daß auch ein Verweilen von weniger als 3 Monaten als „Aufenthalt" und „ A n - Z u g " i m Sinne des Gesetzes aufgefaßt w i r d 1 6 . Die Richtigkeit dieser Ansicht w i r d durch die Genesis des Gesetzes bestätigt. I n dem Regierungsentwurf war die Freizügigkeit ursprünglich nur als das Recht umschrieben worden, sich an einem Ort „dauernd aufzuhalten". Als bei den Gesetzesberatungen und i m Schrifttum bezweifelt wurde, daß m i t dieser Terminologie auch ein bloß vorübergehender Aufenthalt gesetzlich gewährleistet sei, wurde die Freizügigkeit schließlich auf Grund einer Empfehlung der Gesetzeskommission 17 14

v. Gneist, AöR Bd. 1 S. 268, 270. Vgl. auch §§ 1320 S. 1 RVO, 99 A V G , wonach als vorübergehender Aufenthalt ein Aufenthalt bis zu einem Jahr angesehen w i r d (hierzu auch BSGE 26, 277 [278 f.]; vgl. ferner § 59 JWG. V o n einem nicht n u r vorübergehenden Aufenthalt spricht A r t . 4 Abs. 1 des 2. Deutsch-Österreichischen Sozialversicherungsabkommens v. 11. 7.1953 (BGBl. I I 1954, S. 773). Vgl. hierzu BSGE 21, 91 (93). iß Vgl. PrOVG Bd. 3, 102 (105); PrOVG i n Regers Entsch. Bd. 6 S. 479 (480). i7 Z w a r hatte der Vertreter der Bundesgewalt bei den Kommisionsberatungen darauf hingewiesen, daß das Erfordernis der Aufenthaltskarten schon durch das Paßgesetz beseitigt u n d damit die bisherige Ausweisungsbefugnis hinfällig geworden sei. Die Kommission n a h m jedoch den Zusatzantrag an, nachdem der Antragsteller auf eine Reihe v o n Ausweisungsmaßregeln auch i n der jüngsten Zeit hingewiesen u n d die Zweckmäßigkeit seines Antrags damit gerechtfertigt hatte, daß sich keine Behörde bei Uberschreitungen ihrer Befugnisse auf eine Lücke der Gesetzgebimg solle berufen können. Vgl. den Bericht der 6. Commission über den Gesetz-Entwurf über die Freizügigkeit (Sten. Ber. des Reichstages des Nordd. Bundes Bd. I I [1867] S. 190 zu § 12). 15

§4: Die Umzugsfreiheit von Bundesland zu Bundesland

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definiert als das Hecht, „sich aufzuhalten oder niederzulassen". Damit sollte jeder „Zweifel bei dem Vollzug des Gesetzes abgeschnitten werden". Hatte also das zur Zeit der Reaktion i n Preußen erlassene Heimatgesetz unter Aufenthaltsfreiheit nur die Befugnis zum dauernden Aufenthalt verstanden, so ist seit dem liberalen Freizügigkeitsgesetz auch die Freiheit des vorübergehenden Aufenthalts gewährleistet. Schwierigkeiten kann es allein bereiten, die zeitliche Untergrenze des vorübergehenden Aufenthalts festzulegen. Dieses Problem taucht jedoch nicht bei der Umzugsfreiheit, sondern erst bei der Frage auf, ob auch die Bewegungsfreiheit durch die Freizügigkeit geschützt ist.

§ 4: Die Umzugsfreiheit von Bundesland zu Bundesland Das Recht jedes Deutschen, an jedem Ort des Bundesgebiets A u f enthalt oder Wohnsitz zu nehmen, enthält begrifflich und auf Grund der historischen Entwicklung zunächst die Befugnis, von Bundesland zu Bundesland ohne Behinderung durch die Ländergrenzen frei zu ziehen. I . Begriff der „interterritorialen Freizügigkeit"

Dieses Teilrecht w i r d als „interterritoriale Freizügigkeit" bezeichnet 1 , da es die Zugfreiheit zwischen den Länderterritorien betrifft. Der Begriff ist also an den Bundesstaat gebunden, da die Zugfreiheit zwischen den souveränen Mitgliedstaaten eines Staatenbundes als „internationale Freizügigkeit" 2 zu bezeichnen ist. Die Staaten des Deutschen Bundes sahen, wie ihre Verfassungen zeigen 3 , den Wegzug eines Untertanen i n einen anderen Mitgliedstaat ebenso als Auswanderung an, wie dessen Übersiedlung i n außerdeutsche Staaten. M i t diesen hatten sie in gleicher Weise wie untereinander Freizügigkeitsverträge geschlossen4. 1 So Rohmer i n Nipperdey, Grundrechte I S. 237; K o n r a d Hesse, Grundzüge S. 145. 2 Vgl. Brinckmann, Diss. S. 4. 3 Vgl. die unten S. 110 i n Fußn. 21 angeführten Verfassungsbestimmungen. Ferner auch A r t . 14 l i t . c Nr. 1 der Deutschen Bundesakte von 1815, wonach die mediatisierten Reichsstände die Freiheit hatten, „ i h r e n Aufenthalt i n jedem zu dem Bunde gehörenden oder m i t demselben i n Frieden lebenden Staat zu nehmen". 4 Vgl. z.B. die Freizügigkeitsverträge Preußens, abgedruckt bei Simon, Preuß. Staatsrecht Bd. I I S. 598 ff.

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1. Kap.: Die persönliche Freizügigkeit

M i t „interterritorialer Freizügigkeit" kann daher zur Zeit des Deutschen Bundes nur die Zugfreiheit zwischen den Landesteilen eines souveränen Mitgliedstaates gemeint sein, die durchaus nicht i n allen Staaten selbstverständlich war. So wurden beispielsweise i n Bayern bis 1868 die Angehörigen der übrigen Regierungsbezirke bei dem Erwerb des Gemeindebürgerrechts und der Heimat i n der Pfalz als Ausländer behandelt und umgekehrt 5 . Ungleichheiten bestanden auch innerhalb Preußens zwischen den älteren und neueren Provinzen 6 . Diese klare Abgrenzung würde verwischt werden, wenn man, statt den überkommenen Terminus „interterritoriale Freizügigkeit" zu verwenden, mit Dürig 7 von „innerterritorialer Freizügigkeit" spräche. Es ist nötig, die abgestufte Zugfreiheit von Staat zu Staat, Bundesland zu Bundesland und Gemeinde zu Gemeinde als internationale, interterritoriale und interkommunale Freizügigkeit zu bezeichnen, wobei die Begriffsdifferenzierung nach 1945 noch durch die „interzonale Freizügigkeit" 8 bereichert wurde. Demgegenüber ist die von Dürig vorgeschlagene Gliederung i n interterritoriale, innerterritoriale und interkommunale Freizügigkeit mißverständlich und knüpft an falsche Bezugspunkte an. Seine Begründung, der Begriff der interterritorialen Freizügigkeit stamme „noch aus der Zeit des Deutschen Bundes" und müsse „allein dem Recht der Ein- und Auswanderung vorbehalten bleiben", ist, wie gezeigt, historisch unrichtig. II. Bedeutung und Rechtsinhalt 1. Das Recht, von Bundesland zu Bundesland zu ziehen, kann i m Gegensatz zu anderen Erscheinungsformen der Freizügigkeit nur von Bundesverfassungs, nicht aber von Landesverfassungs wegen gewährleistet sein. Denn die Landesverfassungen können jeweils nur einen Ausschnitt der interterritorialen Freizügigkeit regeln: den Zuzug i n das eigene Land und den Abzug aus ihm. Landesverfassungsrechtlich könnte die interterritoriale Freizügigkeit nur durch Gliedstaatsverträge bundeseinheitlich garantiert werden. 5

Vgl. Seydel/Piloty, Bayer. Staatsrecht Bd. I S. 545. ß Vgl. hierzu den Bericht der 6. Commission über den Gesetz-Entwurf über die Freizügigkeit (Sten. Ber. d. Reichstags d. Nordd. Bundes, Bd. I I 1867, S. 187 1. Sp.); Rönne, Staatsrecht Bd. I I , S. 56. 7 Grundrechte I I S. 512 zu Fußn. 16; ders. i n Maunz/Dürig/Herzog A r t . 11 Rdnr. 28. 8 Vgl. z. B. Gesetz Nr. 161 der Militärregierung Deutschland (Amerik. Zone) v. 1.12.1945 u. Allgemeine Genehmigung Nr. 1, erteilt auf G r u n d des Gesetzes Nr. 161 der Militärregierung (Veröffentlicht i n : Gesetzliche Vorschriften der A m e r i k . Militärregierung Ausg. A S. 53 u n d Ausg. D S. 7; hierzu Wottge i n B B 1948 S. 153 f.

§4: Die Umzugsfreiheit von Bundesland zu Bundesland

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Die interterritoriale Freizügigkeit stellt die bundesstaatsrechtliche Komponente der Freizügigkeit dar. Sie w i r d noch durch den speziellen Gleichheitssatz des Art. 33 Abs. 1 verstärkt, wonach jeder Deutsche i n jedem Land die gleichen staatsbürgerlichen Hechte und Pflichten hat, und erhält ihre praktische Bedeutung vor allem durch die i n A r t . 11 Abs. 1 enthaltene wirtschaftliche Freizügigkeit 9 : das Recht, sich i n gleicher Weise wie die Einheimischen wirtschaftlich zu betätigen 10 . Dieser verfassungsrechtliche Dreiklang verurteilt die noch nicht eingeführte, i n der Kompetenzvorschrift des A r t . 74 Nr. 8 aber erwähnte „Staatsangehörigkeit in den Ländern" 1 1 von vornherein zur Bedeutungslosigkeit 12 , da es jedem Deutschen freisteht, i n jedem Bundesland Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, und er dort gegenüber den Einheimischen nicht benachteiligt werden darf. 2. Die interterritoriale Freizügigkeit verbietet, soweit nicht Gesetzesvorbehalte eingreifen, den Abzug Deutscher i n andere Bundesländer oder den Zuzug aus diesen zu verhindern oder Deutsche des Bundeslandes zu verweisen 13 . Dieses Recht ist gerade i m Bundesstaat von Bedeutung. Nicht nur wegen der verschiedenen politischen Strukturen der einzelnen Länder, sondern auch wegen der unterschiedlichen Verwaltungsleistungen, insbesondere auf sozialem Gebiet, kann der Bürger ein Interesse daran haben, i n ein anderes Bundesland zu ziehen 14 . Dieser Wunsch w i r d sich weiterhin dann verstärken, wenn von außen militärischer oder politischer Druck auf einzelne Länder ausgeübt wird. Allerdings lassen i n diesen Fällen die Gesetzesvorbehalte des 9 Diese Prinzipien könnten auch durch Gliedstaatsverträge weder zum Vorteil noch zum Nachteil der Einwohner bestimmter Länder abgeändert werden. Vgl. Hans Schneider D Ö V 1957 S. 646. 10 Hierzu unten S. 64 ff. 11 Vgl. auch die Zweiteilung der österreichischen Staatsbürgerschaft i n eine Bundes- u n d eine Landesbürgerschaft (Art. 6 B.-VG.). Dennoch ist i n dem österr. StaatsbürgerschaftsG 1965 (BGBl. Nr. 250) n u r eine einheitliche Staatsbürgerschaft vorgesehen, wobei die Lösung der Diskrepanz durch den als Verfassungsbestimmung beschlossenen § 1 des Gesetzes aufgeschoben wurde. Vgl. hierzu eingehend Ringhof er, Strukturprobleme S. 7 ff. 12 Ä h n l i c h v. Mangoldt/Klein, A r t . 33 A n m . I I I 2 u n d A r t . 74 A n m . X V I 2. is Anders als i n Deutschland ist i n der Schweiz das I n s t i t u t der Kantonsverweisung bekannt. Hiernach k a n n ein Schweizer durch verwaltungsbehördliche oder strafrichterliche Anordnung eines Kantons (mit Ausnahme des Heimatkantons) verwiesen werden. Vgl. A r t . 44, 45 B V , A r t . 291 Schweiz. StGB v. 1937. Hierzu Schwander, Schweiz. StGB S. 492 u n d Fleiner/Giacometti, Schweiz. Bundesstaatsrecht S. 260 ff. 14 Z u r Frage, ob Leistungsunterschiede innerhalb eines modernen Sozialstaates verfassungsrechtlich l e g i t i m sind, vgl. Hettlage, W D S t R L H. 14 S. 28; ferner Dürig, V V D S t R L H. 19 S. 133. A u f die Binnenwanderung ist die Finanzkraft der einzelnen Länder von Einfluß, so daß die Frage des h o r i zontalen Finanzausgleichs auch unter diesem Gesichtspunkt von Interesse ist (vgl. Patzig i n AöR Bd. 92 [1967] S. 303 f.).

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1. Kap.: Die persönliche Freizügigkeit

A r t . 17 a Abs. 2 und des A r t . 11 Abs. 2 i n seiner neuen Fassung eine Beschränkung des interterritorialen Zuges zu. Die Zugfreiheit zwischen den Bundesländern und das Hecht zum Aufenthalt in ihnen steht auch den Deutschen zu, die erstmalig i n das Bundesgebiet einreisen 15 . Daher verbietet es die interterritoriale Zugfreiheit grundsätzlich, Neuankömmlinge oder Flüchtlinge gegen ihren Willen nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten auf die einzelnen Länder zu „verteilen" 1 6 . Mag auch bei gesamtwirtschaftlicher Betrachtung und bei der Berücksichtigung der i n den einzelnen Ländern unterschiedlichen W i r t schafts- und Arbeitsmarktlage eine staatlich dirigierte Umsiedlung effektvoller sein, so w i r d dem Verfassungsbild des Grundgesetzes grundsätzlich nur eine freiwillige Teilnahme an Umsiedlungen gerecht, wie sie § 27 des Bundesvertriebenengesetzes 17 statuiert. Demgegenüber hatte § 2 der Verteilungsverordnung von 195218 vorgesehen, daß die i n den Durchgangslagern vorläufig untergebrachten Personen auf die Länder verteilt werden, „wenn sie keine Zusage für die Unterbringung i n einem Lande besitzen und für die Begründung eines ersten Wohnsitzes auf öffentliche Hilfe angewiesen sind". Noch weiter geht § 5 des Notaufnahmegesetzes 19 , wonach die zuständige Stelle das Land bestimmt, i n dem der nach § 2 Aufgenommene seinen ersten Wohnsitz zu nehmen hat. I n beiden Fällen bestimmt sich die Zulässigkeit dieser Beschränkungen der interterritorialen Freizügigkeit nach A r t . 11 Abs. 2: es müßte den Betroffenen an einer ausreichenden Lebensgrundlage mangeln m i t der Folge besonderer Lasten für die Allgemeinheit. Während dieser Fall von § 2 der Verteilungsverordnung angesprochen w i r d 2 0 , enthält § 5 des Notaufnahmegesetzes ein unlimitiertes Zuweisungsrecht. Diese Regelung kann — wie andere Bestimmungen des is Vgl. Dürig i n Maunz/Dürig/Herzog A r t . 11 Rdnr. 63. iß Eine solche Befugnis läßt sich hinsichtlich der Flüchtlinge u n d V e r triebenen auch nicht aus A r t . 119 GG f ü r eine Übergangszeit herleiten. A r t . 119 ist lex specialis i m Verhältnis zu den A r t . 74 Nr. 6 u n d 80 GG, gestattet aber keine über A r t . 11 Abs. 2 hinausgehenden Beschränkungen der Freizügigkeit (vgl. Holtkotten, Bonner K o m m e n t a r A r t . 119 I I 2 a, b, S.4f.). M i t Erlaß des Bundesvertriebenengesetzes ist die Verfassungsermächtigung des A r t . 119 gegenstandslos geworden. 17 V o m 19. 5.1953 (BGBl. I S. 201). Ä h n l i c h auch schon §§6, 11 des Gesetzes zur Umsiedlung von H e i m a t vertriebenen aus den Ländern Bayern, Niedersachsen u n d Schleswig-Holstein v. 22. 5.1951 (BGBl. I S. 350) i. d. F. v. 23. 9.1952 (BGBl. I S. 637) u n d § 3 der Verordnimg über die Umsiedlung v o n Heimatvertriebenen aus den Ländern Bayern, Niedersachsen u n d Schleswig-Holstein v. 29.11.1949 (BGBl. 1950 S. 4). 18 V o m 28. 3.1952 (BGBl. I S. 236). 19 V o m 22. 8.1950 (BGBl. S. 367). 20 Z u r „Erstverteilung" zuziehender Deutscher Dürig i n Maunz/Dürig/ Herzog A r t . 11 Rdnr. 63.

§ 5: Die Umzugsfreiheit von Gemeinde zu Gemeinde

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Gesetzes21 — nur aufrechterhalten werden, wenn man sie i m Wege verfassungskonformer Interpretation auf die Fälle des Fehlens einer ausreichenden Lebensgrundlage beschränkt.

§ 5: Die Umzugsfreiheit von Gemeinde zu Gemeinde I. Schutzbereich Aus dem Recht, an jedem Ort des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, ist weiter die interkommunale Freizügigkeit abzuleiten. Unabhängig von der Frage, wie der Begriff „ O r t " i m einzelnen zu interpretieren ist 1 , umfaßt A r t . 11 zumindest die Zugfreiheit von Gemeinde zu Gemeinde. Während sich die i n den Landesverfassungen gewährleistete interkommunale Freizügigkeit notwendigerweise auf das Landesgebiet beschränkt, gilt sie von Grundgesetzes wegen für das gesamte Bundesgebiet, so daß die bundesverfassungsrechtlich gewährleistete interkommunale Freizügigkeit des A r t . 11 die interterritoriale Freizügigkeit umschließt. Denn wenn der Deutsche i n jede Gemeinde des Bundesgebietes ziehen darf, so hat er damit auch das Recht, i n jedem Bundesland Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, weil es keine staatsfreien ( = landesfreien) Kommunen gibt. Aus dem Recht, i n jede Gemeinde zu ziehen, folgt die Befugnis, die bisherige Wohnung zu verlassen. Art. 11 schützt vor Beschränkungen des Zuzugs und des Abzugs. Schon § 1 Abs. 2 FreizG hatte vorgesehen, daß der Bundesangehörige i n Ausübung seines Freizügigkeitsrechts „weder durch die Obrigkeit seiner Heimat noch durch die Obrigkeit des Ortes, i n welchem er sich aufhalten oder niederlassen w i l l , gehindert oder durch lästige Bedingungen beschränkt werden" darf. Unhaltbar ist daher die Ansicht der Bundesregierung 2 , Art. 11 verbiete nur „Maßnahmen, die dem Staatsbürger den Zugang zu irgendeinem Orte des Bundesgebietes unmöglich machen", er befasse sich „aber nicht m i t der Frage, ob ein Staatsbürger an einem Orte festgehalten werden darf". Diese Argumentation verkennt, daß der freie Zuzug als notwendiges Korrelat den ungehinderten Abzug voraussetzt und daß die Freizügigkeit von jeher beide Teilfreiheiten gewährleistete. Man kann auch nicht, wie die Bundesregierung meint, die 21 Z § 1 N A G vgl. die verfassungskonforme Interpretation des BVerfG i n E 2, 266 (276 ff.). 1 Vgl. hierzu unten S. 30 ff. 2 Stellungnahme der Bundesregierung i n : Der K a m p f u m den Wehrbeitrag, Halbbd. 2, Das Gutachtenverfahren, München 1953, S. 25.

1. Kap.: Die persönliche Freizügigkeit

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Behinderung des Abzugs als eine Frage der Freiheitsbeschränkung oder -entziehung sehen, die sich nach A r t . 2 Abs. 2 und Art. 104 regele. Die Behinderung des Abzugs aus einer Gemeinde ist kein Eingriff i n die Freiheit der Person und daher nicht an den A r t i k e l n 2 Abs. 2 und 104, sondern an A r t . 11 zu messen3. Art. 11 schützt gegen Maßnahmen, durch die jemandem die Wohnsitz» oder Aufenthaltsnahme in einer Gemeinde geboten oder verboten wird, durch die er an einem Ort festgehalten oder aus ihm vertrieben wird. II. Einschränkungen 1. Aufenthaltsgebote

a) Einen Eingriff i n die interkommunale Freizügigkeit durch Zuweisung eines bestimmten Aufenthaltsortes sieht z.B. §24b Abs. 2 Nr. 1 StGB vor, wonach das Gericht für die Dauer der Bewährungszeit einem Verurteilten Weisungen erteilen darf, die sich auf den A u f enthalt beziehen 4 . A u f Grund dieser Vorschrift kann dem Verurteilten nicht nur der Aufenthalt in bestimmten Ortschaften verboten, sondern ihm auch eine bestimmte Aufenthaltsgemeinde angewiesen werden 5 , 6 . Ähnliche Regelungen enthielten früher § 2 des Jesuitengesetzes7 und § 9 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutze der Republik 8 . Nach letzterem Gesetz konnte dem wegen Hochverrats oder anderer bestimmter Ver3

Vgl. hierzu unten S. 52 ff. Diese Regelung ist deshalb verfassungsmäßig, w e i l sie ein minus gegenüber der an sich zulässigen Strafvollstreckung darstellt. Da die Freizügigkeit nicht durch eine Freiheitsentziehung beschränkt w i r d , braucht auch der geringere Eingriff i n Form der Auflage nicht an A r t . 11 Abs. 2 gemessen zu werden. Denn A r t . 11 setzt voraus, daß der Bürger sich auf freiem Fuße befindet (vgl. unten S. 60). Bedenklich ist die Argumentation Strees, Deliktsfolgen u n d Grundgesetz (Tübingen 1960) S. 172: Die Auflagen sollen durch den K r i m i n a l v o r b e h a l t des A r t . 11 Abs. 2 gedeckt sein, w e i l sie dem Zweck dienen, dem Verurteilten zu einem gesetzmäßigen Leben zu verhelfen u n d seine Straffälligkeit zu v e r hindern. s I m Unterschied zu §39 Nr. 1 StGB; vgl. hierzu Jagusch, Leipziger K o m m e n t a r § 39 A n m . 1 a. e Dagegen k a n n einem Vater nicht auf G r u n d des § 1666 Abs. 1 S. 1 B G B aufgegeben werden, die häusliche Gemeinschaft m i t seiner Familie wieder aufzunehmen, da hierdurch i n sein Recht auf freie W a h l des Wohnsitzes u n d Aufenthaltes eingegriffen w ü r d e und dieser Eingriff nicht durch A r t . 11 Abs. 2 gedeckt w i r d . Vgl. OLG Hamburg i n FamRZ 1957 S. 426 f. 7 Gesetz, betreffend den Orden der Gesellschaft Jesu, v. 4.7.1872 (RGBl. S. 253). Vgl. i n diesem Zusammenhang auch A r t . 51 Schweiz. Bundesverf. s V o m 21.7.1922 (RGBl. I S. 585), hinsichtlich der Ausländerausweisung geändert durch Gesetz v. 8. 7.1926 (RGBl. I S. 397). Das Republikschutzgesetz t r a t m i t A b l a u f des 22.7.1929 außer K r a f t . I m Gesetz zum Schutze der Republik v o m 25. 3.1930 (RGBl. I S. 91) w a r eine derartige Bestimmung nicht mehr enthalten. 4

§ 5: Die Umzugsfreiheit von Gemeinde zu Gemeinde

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brechen Verurteilten gerichtlich „der Aufenthalt in bestimmten Teilen oder an bestimmten Orten des Reichs auf die Dauer bis zu 5 Jahren angewiesen werden". § 5 des Notaufnahmegesetzes gestattet es, dem Aufgenommenen nicht nur das Land, i n das er zu ziehen hat. sondern auch den einzelnen Aufenthaltsort vorzuschreiben. Einschränkungen der interkommunalen Freizügigkeit enthalten weiter diejenigen Gesetzesbestimmungen, die dem Beamten eine sogenannte Residenzpflicht 9 auferlegen. Nach öffentlichem Dienstrecht kann dem Beamten vorgeschrieben werden, seine Wohnung innerhalb bestimmter Entfernung von seiner Dienststelle zu nehmen 10 . Damit w i r d i n der Regel die freie Wohnsitz- oder Aufenthaltswahl des Beamten berührt 1 1 , da durch die dienstliche Anordnung der Kreis der i n Betracht kommenden Gemeinden auf einige oder nur eine verengt w i r d 1 2 . I n die Freizügigkeit des Beamten w i r d auch dann eingegriffen, wenn er auf Grund bundes- oder landesrechtlicher Vorschriften angewiesen wird, sich während der dienstfreien Zeit i n erreichbarer Nähe seines Dienstortes aufzuhalten. Diese Bestimmungen schränken auch das Grundrecht der Freizügigkeit ein, w e i l sie nicht n u r kurzfristige Ausflüge, die allein dem Schutz der Bewegungsfreiheit unterfallen, sondern auch eine längere Abwesenheit (z. B. an dienstfreien Wochenenden, während der großen christlichen Feste) verbieten und damit einen durch A r t . 11 geschützten Aufenthaltswechsel verhindern. ® Eine generelle Residenzpflicht, w i e sie z. B. § 92 T e i l I I T i t e l 10 A L R vorsah, wonach k e i n Beamter, „den zur Ausübung seines Amtes i h m angewiesenen Wohnort ohne Vorwissen u n d Genehmigung seiner Vorgesetzten verlassen" durfte, ist schon durch das Deutsche Beamtengesetz v. 26.1.1937 (RGBl. I S. 39) beseitigt worden u n d auch i m Bundesbeamtengesetz nicht mehr enthalten. 10 Vgl. §§74 f. BBG, die gemäß §46 D R i G f ü r Bundesrichter und i n V e r bindung m i t § 69 D R i G auch f ü r Bundesverfassungsrichter gelten. Abwegig daher Heinz Lauf er, Verfassungsgerichtsbarkeit und politischer Prozeß (Tübingen 1968) S. 316 f., der das Richtergesetz f ü r unanwendbar auf die Richter am BVerfG hält u n d damit schon am Wortlaut des §69 D R i G vorbeigeht. Vgl. jedoch seine brauchbaren rechtstatsächlichen Ausführungen zu den Wohnsitzen der Bundesverfassungsrichter, a.a.O. S. 317 Fußn. 18. 11 Die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen hängt v o n der Zulässigkeit von Grundrechtseingriffen i m besonderen Gewaltverhältnis ab. Z u r Verfassungsmäßigkeit der Residenzpflicht neuestens Friedrich Dermietzel, Freiheitsrechte u n d Deutsches Beamtenverhältnis . . . , Diss. (Würzburg 1967) S. 205 ff.; Klaus Scheffer, Grundrechte u n d Beamtenrecht, Diss. (Tübingen 1966) S. 147 ff. Vgl. ferner BDHE 6, 100 (101); Schick, B a y V B l . 1962, 41 ff. 12 Dagegen w i r d die Freizügigkeit nicht berührt, w e n n dem Beamten auf G r u n d der Ausnahmevorschrift des § 14 Abs. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes (i. d. F. v. 18.12.1963, BGBl. I S. 917) ein dienstlicher Wohnsitz angewiesen w i r d . Denn der dienstliche Wohnsitz ist ein fingierter, f ü r die Berechnung des Ortszuschlags nach § 12 BBesG entscheidender Begriff, der jedoch den Aufenthalt oder Wohnsitz des Beamten nicht beeinflußt. Vgl. auch BVerwG DVB1.1966, 536 (537).

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1. Kap.: Die persönliche Freizügigkeit

Für Notare begründet § 10 Abs. 2 Satz 2 BNotO 1 3 eine Residenzpflicht. Danach hat der Notar an dem ihm als Amtssitz zugewiesenen Ort (§ 10 Abs. 1 Satz 1) seine Wohnung zu nehmen. Er unterliegt der Anzeigeoder gar der Genehmigungspflicht, wenn er sich für mehr als eine Woche bzw. einen Monat entfernt (§ 38) 14 . Der Rechtsanwalt hat gemäß § 27 Abs. 1 BRAO innerhalb des Oberlandesgerichtsbezirks 15 , in dem er zugelassen ist, seinen Wohnsitz zu nehmen. b) Eine Bleibe-Pflicht in der Gemeinde statuieren § 116 Abs. 1 Nr. 2 StPO, § 101 KonkursO und § 13 KatastrophenschutzG. Nach § 116 Abs. 1 StPO kann der Vollzug eines Haftbefehls ausgesetzt werden, wenn der Zweck der Untersuchungshaft durch weniger einschneidende Maßnahmen erreicht werden kann 1 6 . Als derartige Maßnahme ist u. a. die richterliche Anweisung vorgesehen, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis zu verlassen. § 101 KonkursO verbietet dem Gemeinschuldner, sich ohne Erlaubnis von seinem Wohnort zu entfernen 17 . Nach § 13 KatastrophenschutzG 18 kann unter bestimmten Voraussetzungen angeordnet werden, daß der gewählte Aufenthaltsort nicht ohne Erlaubnis verlassen werden darf. I n allen Fällen sind die Betroffenen gehindert, ihren Wohnsitz oder Aufenthalt i m Sinne des Freizügigkeitsrechts ohne Erlaubnis zu verlegen. 2. Aufenthaltsverbote

Eine Beschränkung der interkommunalen Freizügigkeit kann schließlich dadurch erfolgen, daß der Aufenthalt an einzelnen Orten verboten w i r d 1 9 . Diese Möglichkeit besteht z. B. gemäß § 39 Nr. 1 StGB. Wenn is V. 24. 2.1961 (BGBl. I S. 97). 14 Vgl. hierzu die Sanktion des § 54 Abs. 1 Nr. 3 BNotO. Z u einer Wohnsitzverlegung w i r d der Notar gezwungen, w e n n gegen i h n disziplinarrechtlich auf Entfernung v o m bisherigen Amtssitz erkannt u n d i h m ein neuer Amtssitz zugewiesen wurde (§§ 97 Abs. 2 i. V. m. § 10 Abs. 2 S. 2). is Nach § 18 Abs. 1 der Rechtsanwaltsordnung v. 1.7.1878 (RGBl. S. 177) w a r der Rechtsanwalt sogar gehalten, an dem Ort des Gerichts, bei dem er zugelassen war, seinen Wohnsitz zu nehmen. Z u r geschichtlichen Entwicklung vgl. die amtl. Begründung zu §27 BRAO, abgedruckt i n : B R A O m. d. amtl. Begründung (München u. B e r l i n 1959) S. 60 f. iß Z u r Verfassungsmäßigkeit einer richterlichen Aufenthaltsbestimmung vgl. oben S. 26 Fußn. 4. 17 Diese Regelung dürfte verfassungswidrig sein. Bedenken hat auch Hartmann Diss. S. 115 Fußn. 6, der § 101 K O verfassungskonform interpretiert. is Gesetz über die Erweiterung des Katastrophenschutzes v. 9.7.1968 (BGBl. I S. 776). is Vgl. auch § 28 des Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie v. 21.10.1878 (RGBl. S. 351), wonach Personen, von denen eine Gefährdimg der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu besorgen war, der Aufenthalt i n bestimmten Bezirken u n d Ortschaften versagt werden konnte.

§ : Umzugsfreiheit i n e

Gemeinde

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auf Polizeiaufsicht erkannt wurde, kann dem Verurteilten der Aufenthalt in bestimmten Ortschaften versagt werden, was nach § 24b Abs. 2 Nr. 1 StGB auch gegenüber einem Verurteilten für die Dauer der Bewährungsfrist zulässig ist 2 0 . Aufenthaltsverbote kann ferner der Jugendrichter als Weisungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 J G G 2 1 verhängen. Entgegen der Auffassung Dürigs 22 ist diese Regelung nicht auf solche Weisungen zu beschränken, die nicht i n den Schutzbereich des Art. 11 eingreifen, sondern sich mit Einschränkungen der Bewegungsfreiheit begnügen. A r t . 11 gebietet diese restriktive Interpretation nicht. Dabei braucht die Frage nicht beantwortet zu werden, ob solche Auflagen i m Vergleich mit einer trotz A r t . 11 zulässigen Freiheitsentziehung ein minus und daher verfassungsmäßig sind. Denn A r t . 11 Abs. 2 gestattet Freizügigkeitsbeschränkungen, „ u m strafbaren Handlungen vorzubeugen". Diesen Zweck verfolgen auch die Erziehungsmaßregeln der §§ 9 ff. JGG, die aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen angeordnet werden (§ 5 Abs. I) 2 3 .

§ 6: Umzugsfreiheit innerhalb der Gemeinde Nachdem festgestellt wurde, daß A r t . 11 die interterritoriale und die interkommunale Freizügigkeit umfaßt, bleibt zu prüfen, ob auch die Umzugsfreiheit innerhalb einer Gemeinde geschützt ist. Dieses Recht kann man als interlokale Freizügigkeit bezeichnen. Es könnte sich einmal schon aus einer Interpretation des Begriffs „ O r t " ergeben. Bezieht sich das Recht, an jedem Ort Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, von jeher nicht nur auf die Ortschaft 1 , sondern auf jede ö r t lichkeit 2 , so würde A r t . 11 auch das Umzugsrecht innerhalb einer Ortschaft gewährleisten. 20 Grundrechtliche Bedenken gegen J. Baumann, Goltd. Arch. 1958 S. 202.

strafrichterliche

Auflagen

äußert

21 v. 4. 8.1953 (BGBl. I S. 751). 22 Maunz/Dürig/Herzog A r t . 11 S. 23 Fußn. 3. 23 Vgl. hierzu auch Bruns i n Goldt. Arch. 1959 S. 221. 1 Dürig, Grundrechte I I S. 514 A n m . 21; Reich, Das bayer. Zigeuner- u n d Arbeitsscheuengesetz A n m . 1 zu A r t . 6; Wachinger, D R i Z 1927 S. 239, r. Sp.; PrOVG i n Regers E Bd. 7 S.70; vgl. auch v.Gneist i n AöR Bd. 1 S.270 f ü r den Begriff „ O r t " i n §2 HeimatG. 2

So Smoschewer i n Gruchot 67 S. 33 Fußn. 23; Schlottner,

Diss. S. 39 A n m . 1.

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1. Kap.: Die persönliche Freizügigkeit

I. Bestimmung des Begriffs „Ort" 1. Deutungsmöglichkeiten

I n der Gesetzesprache w i r d der Begriff „ O r t " bald i m geographischen Sinn als örtlichkeit oder Punkt der Erdoberfläche, bald politisch i m Sinne von Ortschaft oder Gemeinde verstanden 3 » 4 . Wenn § 206 Abs. 3 ZPO bestimmt, daß es auf die Gültigkeit der öffentlichen Zustellung keinen Einfluß hat, wenn das anzuheftende Schriftstück von dem „Ort der Anheftung" zu früh entfernt wird, so bezieht sich diese Bestimmung auf eine örtlichkeit 6 . Eine Ortschaft ist dagegen gemeint 6 , wenn § 27 Abs. 2 BRAO statuiert, daß der Rechtsanwalt an dem Ort des Gerichts, an dem er zugelassen ist, eine Kanzlei einrichten muß, oder wenn § 570 BGB bestimmten Mietern ein Kündigungsrecht „ i m Fall der Versetzung nach einem anderen Ort" einräumt 7 . 2. Wortlautargumentation

Art. 11 selbst ist für die Auslegung unergiebig. Die Gesetzesvorbehalte des Absatz 2 — auch der Jugendschutzvorbehalt — lassen keine Rückschlüsse zu. Zwar entstehen sittliche Gefahren für Jugendliche meist gerade an gewissen örtlichkeiten (Lokalen, Spielhallen, Vergnügungszentren) 8 , so daß man meinen könnte, der Gesetzesvorbehalt habe dem Erlaß von „Lokalverboten" dienen sollen und der Verfassungsgesetzgeber habe hierin eine Beschränkung der Freizügigkeit 3 Der Begriff „Ortschaft" ist juristisch nicht einwandfrei abzugrenzen. Vgl. die letztlich auf die Umstände des Einzelfalls abstellende Definition des K G Beschl. v. 12.11.1888, K G J 8, 11 (12): auf den Namen soll es dabei nicht entscheidend ankommen. A. A . Düringer/HachenburglHoeninger H G B Bd. I (3. Aufl. 1930) § 30 Anm. I I 1 c. Eine Abgrenzung gelingt nur, wenn spezialgesetzlich rein formale K r i t e r i e n verwendet werden, w i e bei der Abgrenzung der geschlossenen Ortschaft i. S. des § 9 Abs. 5 StVO durch das Aufstellen von Ortstafeln m i t der Folge, daß bei deren Fehlen auch keine geschlossene Ortschaft vorliegt (.BayObLG N J W 61, 840). 4 M i t u n t e r w i r d der Begriff „ O r t " auch i n doppeltem Sinne gebraucht, w i e z.B. i n §39 StGB; hier ist unter „ O r t " sowohl eine Ortschaft als auch eine einzelne Räumlichkeit (Gastwirtschaft, Bahnhof) zu verstehen; vgl. Jagusch i n LeipzKomm. Bd. I § 39 A n m . 1 a; Schönke/Schröder, StGB § 39 A n m . I I . s Ebenso § 701 I I S. 1 Nr. 1 B G B n. F., § 701 I I B G B a. F. (hierzu BGH N J W 1958 S. 825); §447 1 B G B (vgl. Palandt/Putzo §447 A n m . 4); §960111 B G B ; §167 StGB; § 6 1 1 l i t k, 1 der Wahlordnung zum PersonalvertretungsG v. 4.11.1955 (BGBl. I S. 709). e Ebenso §1236 B G B (hierzu Palandt/Degenhart A n m . 1); §368 a I I RVO (was durch die Gegenüberstellung von O r t u n d Ortsteil deutlich w i r d ) ; A r t . 88 W G ; §§4991, 604 I I u n d I I I ZPO; §22 des BundesreisekostenG v. 20.3.1965 (BGBl. I S. 133). 7 Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse (5. A u f l . 1929) §570 A n m . 4; Mittelstein, Die Miete (4. A u f l . 1932) S. 494; Hagen, Zeitschrift f ü r Rechtspflege i n Bayern, 1907 S. 403 ff. (405). 8 Vgl. das Gesetz zum Schutze der Jugend i n der Öffentlichkeit i n der Fassung v. 27. 7.1957 (BGBl. I S. 1058).

§ : Umzugsfreiheit i n e

Gemeinde

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gesehen. Aber auch wenn man unter „ O r t " eine Ortschaft oder Gemeinde versteht, ist der Jugendschutzvorbehalt sinnvoll: Er ermöglicht Aufenthaltsverbote für bestimmte Ortschaften oder die Anordnung eines Ortschaftswechsels, z. B. um Jugendliche von den Gefahren der Großstadt fernzuhalten. 3. Historische Interpretation

Bei einem so traditionellen Grundrecht wie der Freizügigkeit liegt es nahe, zur Klärung der Zweifelsfrage zunächst auf die früheren Regelungen i m Preußischen Heimatgesetz von 1842, i m Freizügigkeitsgesetz und i n der Weimarer Verfassung zurückzugehen. Nach § 1 Abs. 1 FreizG hat jeder Bundesangehörige das Recht, innerhalb des Bundesgebietes „an jedem Orte sich aufzuhalten oder niederzulassen, wo er eine eigene Wohnung oder Unterkommen sich zu verschaffen imstande ist". Eine ähnliche Regelung traf § 1 des Preußischen Heimatgesetzes. I n beiden Gesetzen war m i t dem Begriff „ O r t " die Ortschaft gemeint 9 . Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß die Gesetze daneben von „Gemeinden" und „Ortschaften" 1 0 sprechen. Diese Terminologie erklärt sich aus der Tatsache, daß das Staatsgebiet damals nicht nur i n Gemeinden, sondern auch i n Gutsbezirke gegliedert w a r 1 1 und es daneben Gebietsteilverbände (Ortschaften, Bauernschaften, Ortsgenossenschaften) gab, die teilweise mit eigenen Rechten ausgestattet waren 1 2 . Daher ist der Terminus „ O r t " als Oberbegriff aufzufassen, was durch § 9 FreizG bestätigt wird. Die Freizügigkeit umfaßte also lediglich das Recht, sich in einer Ortschaft und nicht an jeder beliebigen örtlichkeit niederzulassen oder aufzuhalten. Dementsprechend sieht auch § 1 Abs. 2 FreizG nur vor, daß der Bundesangehörige i n „Ausübung seines Freizügigkeitsrechts weder durch die Obrigkeit seiner Heimat noch durch die Obrigkeit des Ortes, i n welchem er sich » v. Gneist AöR Bd. 1 S. 269 f. f ü r das PrHeimatG; Dürig, Grundrechte I I S. 514 Fußn. 21. Vgl. auch PrOVG, Regers Entsch. Bd. 7, S. 70. 10 Vgl. §§ 3 Abs. 3, 9, 12 FreizG. 11 F ü r das I n s t i t u t der Gutsbezirke vgl. Bornhak, Preußisches Staatsrecht Bd. I I S. 226 f.; bei Auflösung der Gutsbezirke i n Preußen auf Grund des § 11 des Gesetzes über die Regelung verschiedener Punkte des Gemeindeverfassungsrechts v. 27.12.1927 (GS. S.211) bestanden i n Preußen 11.894 (!) Gutsbezirke, vgl. Sur&n/Loschelder, Die deutsche Gemeindeordnimg, Bd. I I (Berlin 1940) S. 550. Vgl. ferner RGZ 67, 191 (194). Die Gemeindeordnungen i n den Bundesländern sehen vielfach vor, daß jedes Grundstück zu einer Gemeinde gehören soll u n d gemeindefreie Grundstücke u n d Gutsbezirke den Gemeinden eingegliedert werden sollen. Vgl. z. B. § 12 Abs. 2 GemeindeO N R W v. 28. 10.1952 (GS. 167). 12 Vgl. Gönnenwein, Gemeinderecht S. 365 f.; ferner Hölzl, Gemeindeordnung f ü r den Freistaat Bayern, 4. Aufl. (München 1963), Vorbem. vor A r t . 66 bis 67 S. 298 ff., 5. A u f l . (München 1968), A r t . 66 A n m . 1.

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1. Kap.: Die persönliche Freizügigkeit

aufhalten oder niederlassen w i l l , gehindert oder beschränkt werden darf". Hiernach sollte der Bürger vor Abzugsbeschränkungen („durch die Obrigkeit seiner Heimat") und vor Zuzugsbeschränkungen („durch die Obrigkeit des Ortes, i n welchem er sich aufhalten oder niederlassen w i l l " ) geschützt werden. Durch die Kombination von Abzugs- und Zuzugsfreiheit w i r d deutlich, daß ein weitergehendes Recht auf Umzugsfreiheit innerhalb der Gemeinde gesetzlich nicht gewährt werden sollte. Dieses Ergebnis stimmt mit dem Anliegen des Freizügigkeitsgesetzes überein: Die exklusive „Bürgergemeinde", die das Bürgerrecht an Merkmale wie Abstammung, Vermögen, Grundbesitz, Gewerbebetrieb geknüpft hatte, sollte durch die „Ein wohner gemeinde" ersetzt werden, die eine Mitgliedschaft lediglich von dem Tatbestand des Wohnens abhängig machte 13 . Der Zu- und Abzug der Bürger innerhalb des Staates sollte ohne Behinderungen gewährleistet und die Gleichbehandlung der Neuankömmlinge mit den Einheimischen sichergestellt werden 1 4 . Die Freizügigkeit verbot letztlich also eine Differenzierung zwischen Einheimischen und Fremden auf bestimmten Gebieten, sagte aber über die innerhalb der Gemeinde für alle geltenden Rechte nichts aus und garantierte daher auch nicht die Zugfreiheit innerhalb einer Ortschaft. Diesen überkommenen Inhalt der persönlichen Freizügigkeit hat der Grundgesetzgeber nicht geändert, da er von der Umschreibung, die er i n § 1 FreizG und i n A r t . I l l WRV vorfand, ausgegangen ist und auch bei den Gesetzesvorbehalten i n Art. 11 Abs. 2 die Beschränkungen des Freizügigkeitsgesetzes berücksichtigt hat 1 5 . II. Teleologische Neubesinnung auf Grund gewandelter Verhältnisse W i l l man bei der historischen Betrachtung nicht stehenbleiben, so kann man sich nicht m i t der Feststellung begnügen, daß die Freizügigkeit von jeher Wohnsitz- und Aufenthaltsrecht i n einer Ortschaft, nicht aber den freien Zug innerhalb dieses Bereichs schützte. Hier ist zu prüfen, welche Erwägungen angesichts der gewandelten Verhältnisse 16 und bei Berücksichtigung der beteiligten Interessen für eine 13 Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung Rehm/Loening, Handwörterbuch S. 374 f. ' * 4 Vgl. RGZ 73, 16 (20). 15 Vgl. die Ausführungen des Berichterstatters v. Mangoldt i m Pari. Rat (Schriftl. Bericht zum E n t w u r f des GG S. 11). 16 Z u m Wandel der „Normsituation" bei der Norminterpretation Larenz, Methodenlehre S. 333 ff., 374. Vgl. auch K o n r a d Hesse, Grundzüge S. 16; Ossenbühl, D Ö V 1965 S.649f.; BayerVerfGH DÖV 1967 S. 306 (307).

§ : Umzugsfreiheit i n e

Gemeinde

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Beibehaltung des bisherigen Ergebnisses sprechen und ob i m Wege der ausdehnenden Auslegung die interlokale Zugfreiheit i n die Freizügigkeit einzubeziehen ist. 1. Unzulässigkeit einer voreiligen Erst-Recht-Argumentation

a) Dabei kann man allerdings nicht, wie es das Kammergericht t u t 1 7 , aus der Unzulässigkeit einer Beschränkung der Freizügigkeit von Ort zu Ort folgern, daß „selbstverständlich" erst recht die Beschränkung der Bewegungsfreiheit innerhalb eines Ortes unzulässig sei. Diese A r gumentation ist schon deshalb unrichtig, w e i l sie die Begriffe Freizügigkeit und Bewegungsfreiheit vermengt. Auch wenn man i m Wege des Erst-Recht-Schlusses eine Freizügigkeit innerhalb der Gemeinde herleiten möchte, kann es immer nur darum gehen, ob der Aufenthalts- oder Wohnungswechsel, nicht aber, ob die Bewegungsfreiheit in der Gemeinde durch A r t . 11 gesichert ist. b) Prüft man die Argumentation des Kammergerichts unter dieser Fragestellung, so fällt auf, daß hier m i t Hilfe einer unbewiesenen Ausgangsthese das Verhältnis von Ortschaftswechsel und innerörtlichem Wohnungswechsel apriorisch als maius-minus und nicht als aliud-Relation aufgefaßt wird. Historisch ergeben sich, wie gezeigt, für die Erst-Recht-Argumentation keine Anhaltspunkte. Die Freizügigkeit bezweckte die Gleichbehandlung von Neu-Anziehenden und Einheimischen, wollte aber über den i n den einzelnen Ländern und Ortschaften geltenden Rechtszustand, zu dem auch die innerörtliche Umzugsfreiheit rechnet, nichts aussagen, wie § 1 Abs. 1 Nr. 3 FreizG auch lediglich das Recht garantierte, Gewerbe aller A r t unter den für Einheimische geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu betreiben, über die Gewerbefreiheit aber keine Aussage enthielt. 2. Erst-Recht-Argumentation wegen gewandelter Verhältnisse

Die historischen Gründe, die zur Entstehung des Freizügigkeitsrechts führten, spielen heute jedoch nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Gegensätze zwischen Einheimischen und Neuankömmlingen sind gerade durch die Neuansiedlung der Vertriebenen und Flüchtlinge und eine damit verbundene Umstrukturierung der Bevölkerung weitgehend abgebaut. Die Rechtsungleichheit gerade auf dem Gebiet der Gewerbefreiheit, die den Zug i n einen anderen deutschen Staat oder nur in einen anderen Ort verlockend machte und dann zu dem Ruf einer Gleichbehandlung m i t den Einheimischen führte, ist einer weitgehenden Rechtsgleichheit gewichen, so daß heute ein Ortswechsel wegen unterschiedlicher Zulassungsbedingungen für Gewerbe und Beruf i m allgemeinen ausscheidet. Hinzu kommt, daß sich die gewachsenen Ge17 Beschl. v. 13. 3.1924, KGB1.1924 S. 64 1. Sp. 3

Merten

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1. Kap.: Die persönliche Freizügigkeit

meinden und Ortschaften des 19. Jahrhunderts i n einem Umwandlungsprozeß befinden. Angesichts einer Eingemeindungswelle 18 , der Schaffung von Großgemeinden und dem Ineinanderwachsen vieler Ortschaften führt eine auf den Ortschaftswechsel beschränkte (sog. interkommunale Freizügigkeit) zu Ungereimtheiten. Es ist nicht einzusehen, weshalb Art. 11 den freien Zug zwischen den benachbarten Dörfern A und B garantiert, wenn es sich hier u m selbständige Gemeinden handelt, nicht aber einen Umzug innerhalb der Berliner Bezirke, die gemessen an ihrer Einwohnerzahl Großstädte sind, ohne den Status von Gemeinden zu haben 19 . Warum sollte ein Wohnsitzwechsel von Bad Godesberg nach Bonn nur so lange durch das Grundrecht der Freizügigkeit geschützt sein, wie es sich um selbständige Gemeinden handelt, aber nicht mehr nach Schaffung eines „Groß-Bonn" 2 0 ? Warum besteht das Recht des Wohnsitzwechsels, wenn trotz des räumlichen Zusammenwachsens der Orte die verwaltungsrechtliche Selbständigkeit erhalten bleibt, während umgekehrt das Zuzugsrecht i n eine räumlich geschlossene Ortschaft mit eigener Kirche und Schule entfiele, wenn sie nur Teil einer Gemeinde ist, wie dies z. B. bei den früheren selbständigen Ortschaften i n einigen rheinischen Großgemeinden 21 der Fall ist. Es ist daher fraglich, ob die verwaltungsrechtliche Selbständigkeit heute noch für das Freizügigkeitsrecht entscheidend sein kann. Bei der herkömmlichen Interpretation der Freizügigkeit wirken sich Gebietsänderungen auf das Recht des Wohnsitzwechsels aus. Wegen der Gleichheit der Interessenlage muß heutzutage der Wohnungswechsel innerhalb einer politischen Gemeinde i m gleichen Maße frei sein wie der interkommunale Umzug. Das historisch auf den Gemeindewechsel beschränkte Freizügigkeitsrecht ist daher i m Wege eines a-fortioriSchlusses auf den Wohnungswechsel innerhalb einer Gemeinde zu erstrecken, A r t . 11 umfaßt dann auch die innerkommunale oder interlokale Freizügigkeit 2 2 und enthält i n örtlicher Hinsicht keine Begrenzung. 18 Nach einer eingehenden Untersuchimg Frido Wageners, Neubau der V e r w a l t u n g (Berlin 1969) beträgt der optimale Bevölkerungsbereich f ü r ländliche Gemeinden mindestens 7000 Einwohner (S. 556). Vgl. ferner Scholtissek, V e r fassungsprobleme zur Eingemeindung, DVB1.1968, 825 ff. Vgl. A r t . 1 Abs. 1 u n d 3 Abs. 2 der Verfassung v o n B e r l i n v. 1. 9.1950 (VOB1.1 S. 433); § 1 des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes v. 2.10.1958 (GVB1. S. 947); ferner Landsberg/Goetz S. 129; A r t u r Breitfeld, Die verfassungsrechtliche Stellung der Berliner Bezirke (Berlin 1953) S. 15 u n d 20. 20 Gesetz zur kommunalen Neugliederung des Raumes Bonn v. 10.6.1969 (GVB1. N R W S. 236). 21 Siehe Odenbreit/Hensel, GemeindeO . . . i n Nordrhein-Westfalen, 12. Aufl. (Münster 1964) S. 259. 22 i m Ergebnis ebenso KG i n KGB1.1924 S. 64 1. Sp.; Schlottner Diss. S. 39 S. 39 A n m . l ; Smoschewer i n Gruchot 67 S. 33 Fußn. 23; a . A . die h. M.; vgl.

§6: Umzugsfreiheit innerhalb der Gemeinde

35

3. Schutzbereich der interlokalen Freizügigkeit

Enthält die Freizügigkeit auch die interlokale Zugfreiheit, so sind innerörtliche Umzugsbeschränkungen an A r t . 11 Abs. 2 zu messen. Gerade hier ist aber stets genau zu untersuchen, ob tatsächlich die Freizügigkeit beschränkt wird. a) Schutz vor gewerberechtlichen

Beschränkungen?

Keine Einschränkung des freien Zuges enthält A r t . 2 des Fünften Strafrechtsänderungsgesetzes 23 , wonach die Landesregierung je nach Größe der Gemeinde die Ausübung der Gewerbsunzucht entweder für das ganze Gemeindegebiet oder für einzelne Bezirke verbieten kann 2 4 . Denn auf Grund dieser Vorschrift w i r d nicht der Zuzug i n einzelne Gemeindebezirke, sondern nur die Ausübung einer mißbilligten Tätigkeit prohibiert. Da die bloße Wohnsitznahme einer Prostituierten i m Dirnensperrgebiet nicht untersagt ist, w i r d A r t . 11 nicht berührt. Die Zulässigkeit des Eingriffs ist daher kein Konkurrenzproblem der Grundrechte aus A r t . 11 und 12, sondern ist allein unter dem Gesichtspunkt der Berufsfreiheit 2 5 zu beurteilen. b) Schutz vor baurechtlichen

Beschränkungen?

Schrankenprobleme ergeben sich, wenn der Zuzug i n bestimmte Gemeindegebiete aus baurechtlichen Gründen beschränkt wird. Derartige Zuzugsbeschränkungen berühren die Freizügigkeit nicht, solange man diese auf die interkommunale Zugfreiheit verengt. Sobald man dem A r t . 11 jedoch eine interlokale Zugfreiheit, die Umzugsfreiheit i n der Gemeinde entnimmt, erhebt sich die Frage, ob das Verbot der Niederlassung i n bestimmten Gemeindebezirken aus Gründen der Stadtsanierung ein Eingriff i n die Freizügigkeit ist, für den es an einem ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt in A r t . 11 Abs. 2 fehlt. Gegen Beschränkungen der Niederlassung aus bau- 2 6 oder siedlungsrechtlichen Gründen i n bestimmten Gemeindegebieten hat die Freizügigkeit niemals Schutz gewährt 2 7 . Das beweist schon die Unterkomstatt aller Dürig i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 11 Rdnr. 28; ebenfalls noch Merten, M D R 1964 S. 807 r. Sp. 2» V o m 24.6.1960 (BGBl. I S. 477). Z u m früheren Rechtszustand vgl. BGHSt 11, 31. 24 Vgl. zum Rechtstatsächlichen Hanack, Verhandlungen des 47. Deutschen Juristentages, Bd. I (Gutachten) T e ü A S. 163 ff., insbes. Rdnr. 252. 25 Es sei denn, daß man i n diesem F a l l die Qualifizierung als „ B e r u f " wegen fehlender Sozialwertigkeit bestreitet. Vgl. hierzu Bachof, G r u n d rechte I l l / l S. 1901; Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 12 Rdnr. 20. 26 Vgl. z. B. §§ 35 ff. BBauG. 27 Regelungen w i e § 13 des preußischen Gesetzes betr. die Verteilung der öffentlichen Lasten bei Grundstücksteilungen . . . v. 25.8.1876 (GS S. 405), wonach eine Genehmigung f ü r die Errichtung v o n Gebäuden außerhalb der i m Zusammenhang bebauten Ortschaften erforderlich w a r , sind niemals als 3*

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1. Kap.: Die persönliche Freizügigkeit

mensklausel des § 1 Abs. 1 Nr. 1 FreizG („wo er eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen sich zu verschaffen imstande ist"). Aus ihr ist zu folgern, daß die Freizügigkeit nicht nur unbeschadet der Rechte Dritter bestand 28 , sondern daß das erwählte Unterkommen auch den öffentlich-rechtlichen (z. B. polizeirechtlichen) Anforderungen genügen mußte. § 1 Abs. 1 Nr. 1 FreizG sollte dem Fremden nicht mehr Rechte als den Einheimischen geben: Seine Niederlassung sollte nur nicht deshalb untersagt oder behindert werden, weil er Neuankömmling war. c) Ausklammerung

der Unterkommens fr age

Hieraus ergibt sich, daß der Umfang des Grundrechtsschutzes geringer ist, als man zunächst annimmt. Die Freizügigkeit beantwortet von vornherein nicht die Frage, ob eine bestimmte Wohnung oder ein bestimmtes Unterkommen bezogen werden darf. W i r d der Einzug i n eine Wohnung untersagt, weil sie den baupolizeilichen Anforderungen nicht entspricht, werden Mieter zur Räumung aufgefordert, weil das Grundstück enteignet wurde, so liegt kein Eingriff i n die Freizügigkeit vor. Nur wenn und soweit öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Vorschriften dem Bezug einer Wohnung nicht entgegenstehen, kann sich der Bürger unter Berufung auf die Freizügigkeit an der gewählten Stelle niederlassen 29 . Es bedarf daher nicht eines Rückgriffs auf den Seuchenvorbehalt des A r t . 11 Abs. 2, u m den Einzug in eine Behausung zu untersagen, die den polizeilichen A n forderungen i n hygienischer Hinsicht nicht genügt. Die Existenz eines Seuchenvorbehalts i n Art. 11 Abs. 2 kann andererseits auch die Richtigkeit des gefundenen Ergebnisses nicht widerlegen. Ein Einschränkungsvorbehalt „zur Bekämpfung von Seuchengefahren" ist erforderlich, um den Zuzug i n Seuchengebiete oder den Abzug aus ihnen zu beschränken. Wollte man Art. 11 Abs. 2 auch für Regelungen anwenden, die für den Bezug eines Unterkommens gelten, so würden die Schrankenvorbehalte des A r t . 11 Abs. 2 nicht ausreichen, und es wäre auch nicht einsichtig, weshalb seuchen-, nicht aber bau- oder feuerpolizeiliche Gründe i n A r t . 11 Abs. 2 aufgeführt werden. Klammert man die Frage des Unterkommens aus dem Freizügigkeitsbereich aus, so muß die Gefahr eines Leerlaufs des Grundrechts gesehen werden. Beschränkung der Freizügigkeit angesehen worden. I m Rüfner, AöR Bd. 89 S. 305 Fußn. 166. 28 Vgl. Merten, M D R 1964 S. 807 r. Sp. 29 Vgl. PrOVG 49, 382 (386); 51, 210 (211); Illing/Kautz, Vgl. ferner Reich, ZigeunerG A r t . 6 A n m . 1, wonach die Lagerplätzen aus feuer- u n d straßenpolizeilichen Gründen k u n g i m Sinne des FreizG war.

Ergebnis

ebenso

Handbuch S. 177. Anweisung von keine Beschrän-

§ : Umzugsfreiheit i n e

Gemeinde

37

Man könnte darauf verweisen, daß die Anforderungen an ein Unterkommen möglicherweise deshalb besonders hochgeschraubt werden, um den Aufenthalt eines unerwünschten Personenkreises (Zeltbewohner, Wohnwagenbenutzer) zu verhindern 3 0 . Dieser vermeintlichen Schwierigkeit kann der Grundrechtsinterpret jedoch m i t dem Instrument der „Grundrechtsbehinderung" Herr werden: Eine Maßnahme, die die Behinderung eines Grundrechts beabsichtigt oder bewirkt, muß sich an den geschriebenen und ungeschriebenen Schranken des behinderten Grundrechts messen lassen 31 . W i r d beispielsweise das Aufstellen von Wohnwagen 3 2 aus gesundheitspolizeilichen Gründen kontrolliert und beschränkt, z. B. von einer zufriedenstellenden Regelung der Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung abhängig gemacht, so w i r d A r t . 11 nicht tangiert. Verfolgt die Wohnwagengesetzgebung aber das Ziel, den Zuzug sog. Landfahrer 3 3 zu verhindern, so liegt ein Eingriff in die Freizügigkeit vor, dessen Zulässigkeit nach Art. 11 Abs. 2 und möglichen weiteren Schranken der Freizügigkeit zu beurteilen ist. Indessen nötigt die Anerkennung einer sog. interlokalen Freizügigkeit nicht dazu, den Grundrechtsschutz auch auf die Regelung des Unterkommens auszudehnen. Hierdurch würde die Freizügigkeit eine andere Prägung erhalten und der Freizügigkeitsbereich i m übrigen nicht erweitert werden, da die für diesen Fall nicht mehr ausreichenden Schrankenvorbehalte des A r t . 11 Abs. 2 durch sog. ungeschriebene Schranken verstärkt werden müßten. d) Freizügigkeit

und

Wohnraumbewirtschaftung

W i r d schon von Verfassungs wegen der Unterkommens-Komplex aus dem Freizügigkeitsrecht ausgeklammert, so stellt auch eine staat30 Nachdem i n Preußen f ü r die Armenversorgung nicht mehr die Heimatgemeinde, sondern der durch Zeitablauf zu erwerbende Unterstützungswohnsitz maßgeblich w a r (vgl. Gesetz über die Verpflichtung zur Armenpflege v. 31.12.1842 [GS 1843 S. 8]), gab es i n ländlichen Gegenden an manchen Orten Verabredungen m i t dem Ziel, neu Anziehenden die Niederlassung durch Verweigerung der Wohnung unmöglich zu machen. F ü r die Ü b e r tretung waren Konventionalstrafen vorgesehen. Vgl. Seydel i n Hirth's Annalen 1877 S. 554. 31 Vgl. i n diesem Zusammenhang auch Lerche, Werbung u n d Verfassung S. 108; Friauf, Wirtschaftslenkung S.39ff.; ders. B B 1967 S. 1347 sub I I jeweils m i t Nachweisen. 32 Vgl. A r t . 30 des Bayer. Landesstraf- u n d Verordnungsgesetzes v. 17.11. 1956 (BayBS I S. 327); Brem. Gesetz über das Aufstellen von Wohnwagen u n d die Zulassung von Wohnwagenplätzen (Wohnwagengesetz) v. 19. 6.1956 (GBl. S. 71); Ortsgesetz über Wohnwagenplätze der Stadt Bremerhaven v. 14.10. 1960 (GBl. S. 133); Gesetz über das Aufstellen von Wohnwagen i m Gebiet der Freien u n d Hansestadt Hamburg v. 19.12.1952 (GVB1. S. 275); hierzu L V G Hamburg, DÖV 1954, 349. 33

Dürig

Vgl. Bayer. Landfahrerordnung v. 22.12.1953 (GVB1. S. 197). Vgl. auch i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 11 Rdnr. 67.

38

1. Kap.: Die persönliche Freizügigkeit

liehe Wohnraumbewirtschaftung keinen Eingriff i n A r t . 11 dar 3 4 . Darf eine Wohnung nur mit staatlicher Genehmigung i n Benutzung genommen werden, so verfügt ein Wohnungssuchender ohne die erforderliche Genehmigung nicht über ein Unterkommen und kann von seinem Freizügigkeitsrecht keinen Gebrauch machen. Die Frage, ob ein Junggeselle bei Wohnungsknappheit eine Vierzimmerwohnung mieten darf, berührt nicht seine Freizügigkeit. Der Grundrechtsschutz des Art. 11 greift erst dann ein, wenn einem Bewerber die erforderliche Genehmigung allein deshalb versagt wird, weil er nicht bisher i n der Gemeinde oder — z. B. i n den Großgemeinden Berlin und Hamburg — i n dem Gemeindebezirk gewohnt hat. Derartige Maßnahmen verstoßen gegen die Freizügigkeit, deren Leitgedanke stets das Verbot der Differenzierung zwischen Einheimischen und Zuziehenden war. Das Verhältnis von Freizügigkeit und Wohnraumerlangung w i r d von Dürig 35 anders gesehen. Sowohl seiner früheren These, Art. 11 sei durch A r t . 13 „bedingt", weil die Freizügigkeit ein Recht auf Wohnung voraussetze, als auch seiner späteren Auffassung von der „Unbedingtheit des Freizügigkeitsbegriffs durch Wohnungsrecht" kann jedoch nicht gefolgt werden. Der ersten These ist entgegenzuhalten, daß A r t . 13 keinen Anspruch auf Wohnung begründet 36 , so daß A r t . 11 nicht durch A r t . 13 bedingt sein kann. Die Bedeutung der Unverletzlichkeit der Wohnung liegt in ihrer Abwehrfunktion gegenüber Verletzungen. Der Verfassungssatz hat allein negatorischen Charakter, ohne einen Leistungsanspruch zu begründen. Nur wer Inhaber einer Wohnung ist, kann sich auf deren „Unverletzlichkeit" berufen. Dieses Grundrecht hat daher m i t der Freizügigkeit überhaupt keine Berührungspunkte. Z u weitgehend ist die spätere Auffassung Dürigs 37, die Wohnungsund Unterkommensklausel des § 1 Abs. 1 Nr. 1 FreizG sei „für den Freizügigkeitsbegriff irrelevant". Es ist daran festzuhalten, daß von 34 Wie hier BayVerfGH N J W 1951, 735 1. Sp.; HessVGH, Hess. Staatsanzeiger 1949, 250 f.; v.Mangoldt, Kommentar A r t . 11 A n m . 2 S. 90; Wernicke , Bonner Kommentar A r t 11 I I 1 b S. 3; widersprüchlich BVerwGE 3, 308 (312 f.); unentschieden BVerfGE 8, 95 (97 f.). Zutreffend ferner österr. VerfGH (Slg. Nr. 1914/1950), wonach die Wohnraumbewirtschaftung auf G r u n d des österr. Wohnungsanforderungsgesetzes nicht die Freiheit der Niederlassimg berührt. 35 Grundrechte I I S. 512 ff. sub 3; ders. i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 11 Rdnr. 30 ff.; hierzu auch BVerwGE 3, 308 (312 f.). 36 h. M.: v. Mangoldt/Klein, A r t . 13 A n m . I I / 2 S. 400; Dagtoglou, Bonner Kommentar (Zweitbearb.) A r t . 13 Rdnr. 48; Manfred Gentz, Die Unverletzlichkeit der Wohnung, (Berlin 1968) S. 41 m. w. Nachw. 37 i n Maunz/Dürig/Herzog A r t . 11 Rdnr. 30 ff.

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§ 7: Recht auf Heimat

der Zugfreiheit nur Gebrauch machen kann, wer über ein Unterkommen verfügt 3 8 . Die entgegengesetzte These müßte konsequenterweise aus der Freizügigkeit ein Recht auf Wohnraum ableiten, wofür A r t . 11 nichts hergibt 3 9 . Sind in einem Ort keine freien Wohnungen oder sonstige Unterknüfte vorhanden, so kann von der Umzugsfreiheit aus tatsächlichen Gründen kein Gebrauch gemacht werden. Das Freizügigkeitsrecht w i r d also bei der Wohnraumbewirtschaftung nur bedeutsam, wenn der Staat bei der Wohnungsvergabe zwischen Einheimischen und Zuziehenden differenziert. e) Zuzugsbeschränkungen

wegen

Wohnungsnot

Von der Wohnraumbewirtschaftung sind gesetzliche Zuzugsbeschränkungen zu trennen, die aus Gründen der Wohnungsknappheit erfolgen 40 . I n diesem Fall w i r d nicht nur der Wohnraum bewirtschaftet, seine Erlangung sowohl für Einheimische als auch für Zuziehende von der Genehmigung der Wohnungsbehörde abhängig gemacht, sondern es w i r d der freie Zug unmittelbar beschränkt. Hierfür bedarf es eines Schranken Vorbehalts, der für die Übergangszeit in A r t . 117 Abs. 2 zu finden war. Danach blieben Gesetze, die die Freizügigkeit m i t Rücksicht auf die damalige Raumnot einschränkten, bis zu ihrer Aufhebung durch Bundesgesetz i n Kraft.

§ 7: Recht auf Heimat1 Wenn abschließend geprüft wird, ob die Freizügigkeit ein „Recht auf Heimat" einschließt, so ist angesichts der Vieldeutigkeit dieser Formulierung zu präzisieren, daß die Fragestellung nicht auf die völkerrechtliche Problematik abzielt, die nur ungenügend mit den Markierungen „Selbstbestimmungsrecht", „Verbot der Zwangsumsiedlung", „Diskriminierungsverbot für einzelne Bevölkerungsgruppen" 2 eingegrenzt werden kann. I m Rahmen des A r t . 11 kann es von vornherein nicht darum gehen, ob die i m Zuge einer völkerrechtmäßigen oder völkerrechtswidrigen Besetzung vorgenommene Zwangsumsiedlung 38

So schon der Berichterstatter i m Pari. Rat, v. Mangoldt, a.a.O. (Fußn. 15). & Ebenso BayerVGH, Wohnungswirtschaft u n d Mietrecht 1963 S. 142 f. 40 Vgl. A r t . X I des inzwischen aufgehobenen Wohnungsgesetzes ( K o n t r o l l ratsgesetz Nr. 18) v. 8. 3.1946, wonach die zuständigen deutschen Wohnungsbehörden Zuzugsbeschränkungen f ü r diejenigen Gemeinden oder Bezirke erlassen konnten, die durch die Militärregierung zu „Brennpunkten des Wohnungsbedarfs" erklärt waren. Hierzu Ule i n D V 1949 S. 69. 1 Hierzu Bülck, Das Recht auf Heimat. J I R Bd. 3 S. 58 ff.; Seebohm i n Festschrift f. Lodgman v. A u e n S. 18ff.; Scupin i n Laun-Festschrift S. 195 ff.; Herrfahrdt i n Ev. Staatslexikon Sp. 1651 ff. 2 Vgl. Wengler, Völkerrecht Bd. I I S. 1031. 3

40

1. Kap.: Die persönliche Freizügigkeit

der Bevölkerung m i t dem Völkerrecht i m Einklang steht 3 oder ob es einen Satz des positiven Völkergewohnheitsrechts gibt, daß die Bevölkerung eines Gebiets darüber entscheiden darf und muß, zu welchem Staat sie mit ihrem Gebiet gehören w i l l . Bei der Interpretation des A r t . 11 kann es vielmehr nur darauf ankommen, inwieweit die durch das Grundgesetz verpflichtete Staatsgewalt Deutschen gegenüber ein Recht auf Heimat zu respektieren hat 4 , wobei auch der Teilaspekt ausgeklammert bleiben soll, ob es ein Menschenrecht (im Sinne eines vorstaatlichen Rechts) auf Heimat gibt 5 . Aus der Grundfreiheit, an jedem Ort des Bundesgebiets Wohnsitz und Aufenthalt zu nehmen, folgt auch das Recht, i n dem angestammten Gebiet wohnen zu bleiben und nicht vertrieben zu werden. Dieser Ansicht war der Grundgesetzgeber offensichtlich ebenfalls. Ein Antrag des Abgeordneten Seebohm, das Recht auf Heimat i n den Grundrechtsteil des Grundgesetzes aufzunehmen 6 , wurde u. a. mit der Begründung abgelehnt, daß der verfassungsrechtlichen Bedeutung der beantragten Zusatzbestimmung bereits durch die Freizügigkeit m i t ihrer Niederlassungs- und Aufenthaltsfreiheit Genüge getan sei 7 . Von den Bundesländern hat nur Baden-Württemberg ein Recht auf Heimat i n seiner Verfassung verankert 8 . A u f die Frage, wie der schillernde Begriff „Heimat" abzugrenzen ist, kommt es nicht an. Denn da sich die Freizügigkeit auf die interterritoriale, interkommunale und interlokale Zugfreiheit erstreckt, erfaßt A r t . 11 erst recht die Freiheit, in einer größeren Region, der „Heimat" zu bleiben 9 . Über das individualrechtliche Wohnrecht i n der Hei3 Vgl. Wengler, a.a.O., Fußn. 3. A u f der Tagung des I n s t i t u t de Droit International 1952 i n Siena konnte über diese Frage keine Einigkeit erzielt werden („les transferts internationaux des populations", Annuaire de l ' I n s t i t u t de Droit International Bd. 44 (1952) I I S. 138 ff.). Auch Bülck a.a.O., S. 73 f. berichtet darüber. Dagegen wurde auf der Tagung deutscher Völkerrechtslehrer 1947 i n H a m b u r g ein Beschluß gefaßt, wonach „Massenausweisungen der einheimischen Bevölkerimg aus besetztem feindlichem Gebiet" völkerrechtswidrig sind. Vgl. Barandon, Die Vereinten Nationen u n d der V ö l k e r bund . . . (Hamburg 1948) S. 90. 4 Die eigentliche Problematik des Rechtes auf Heimat liegt allerdings nicht i n dem staatsrechtlichen, sondern i n dem völkerrechtlichen Aspekt. Daher ist auch A r t . 13 Abs. 2 der UN-Menschenrechtserklärung unergiebig, der ebenfalls n u r v o n einem gegen den Heimatstaat gerichteten Recht auf Rückkehr i n das eigene L a n d spricht. Vgl. hierzu Schaumann i n Veiter/Klein S. 31. 5 Ablehnend Wengler, a.a.O. e Pari. Rat, 9. Sitzung v. 6. 5.1949, Sten. Ber. S. 175. 7 Hierüber berichten Seebohm, Recht auf Heimat S. 24 u n d Bülck, J I R Bd. 3 S. 78 Fußn. 75. 8 Vgl. A r t . 2 Abs. 2 der Verfassung v. 11.11.1953 (GBl. S. 173). 9 A u f die enge Verknüpfung von Freizügigkeits- u n d Heimatrecht macht Ermacora, Das Grundrecht der Freizügigkeit, S. 58, aufmerksam.

§ 8: Die negative Freizügigkeit

41

mat 1 0 hinaus verleiht Art. 11 jedoch nicht — parallel zu dem i m Völkerrecht diskutierten Selbstbestimmungsrecht — die Befugnis, auf das Schicksal des heimatlichen Gebiets, insbesondere seine Zuordnung zu den einzelnen Bundesländern, Einfluß zu nehmen. So sieht auch Art. 29 Abs. 1 nur vor, daß bei der Neugliederung des Bundesgebietes die landsmannschaftliche Verbundenheit und die geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge neben anderen Momenten zu berücksichtigen sind. Heimatliche, wohnsitzmäßige und sprachlich-mundartliche Zusammengehörigkeit als Elemente der landsmannschaftlichen Verbundenheit 1 1 dürfen daher von Verfassungs wegen nicht außer acht gelassen werden, ohne daß ihnen jedoch — wegen Art. 11 — eine verfassungsrechtliche Präponderanz vor den übrigen Richtbegriffen des Art. 29 Abs. 1 zukommt.

§ 8: Die negative Freizügigkeit Wie bei anderen Grundrechten 1 , so stellt sich auch bei der innerstaatlichen Freizügigkeit die Frage, ob sie den negativen Aspekt gewährleistet: das Recht, etwas nicht zu tun. Betrachtet man den Inhalt der Freizügigkeit, so fällt auf, daß sie ein Doppeltes gewährleistet: Aus dem Recht, sich an jedem Ort aufzuhalten und niederzulassen, folgt einmal die Zugfreiheit, das Recht, seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu verlegen. Zum anderen gewährleistet die Niederlassungs- und Aufenthaltsfreiheit aber auch ein Bleibe-Recht, die Befugnis, seinen Wohnsitz und Aufenthalt an dem gewählten Ort beizubehalten. Ohne dieses Bleibe-Recht wäre die Freizügigkeit nur unvollkommen gewährleistet. Denn dieses Grundrecht ist nur sinnvoll, wenn dem Ziehenden garantiert wird, daß er an dem Zuzugsort bleiben darf. Wenn § 1 Abs. 2 FreizG verbietet, daß ein Bundesangehöriger, der sich an einem Ort aufhalten oder niederlassen will, daran durch die Obrigkeit dieses Ortes gehindert oder durch lästige Bedingungen beschränkt wird, verbietet er nicht nur anfängliche Eingriffe gegen den Zuzug, sondern auch spätere Maßnahmen gegen das Verbleiben. Die Freizügigkeit schützt also nicht nur, wie eine flüchtige Betrachtung des Verfassungstextes nahelegen könnte, das Recht des Ziehens. 10 Vgl. hierzu auch Bülck a.a.O., S. 68, der zwischen dem „bloß negativen Schutzrecht" u n d dem „positiven Entfaltungsrecht einer auf Seßhaftigkeit gegründeten Volksgruppe" unterscheidet. 11 Vgl. Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog A r t . 29 Rdnr. 26. i Vgl. unten S. 117 f.

1. Kap.: Die persönliche Freizügigkeit

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sondern stellt den Bürger in der Wahl seines Wohnsitzes und A u f enthalts innerhalb des Staatsgebiets frei. Damit gewährleistet A r t . 11 nicht nur das Recht, i n jedes Bundesland und i n jede Gemeinde zu ziehen, sondern auch die Befugnis, i n jedem Bundesland und i n jeder Gemeinde zu bleiben; er umfaßt nicht nur die Freiheit, seinen Wohnsitz oder Aufenthalt zu verlegen, sondern auch das Recht, den augenblicklichen Wohnsitz oder Aufenthalt zu behalten 2 . Die Freizügigkeit verbietet also — vorbehaltlich der Beschränkungsmöglichkeiten nach A r t . 17 a Abs. 2 und 11 Abs. 2 — Zwangsevakuierungen i n andere Bundesländer und Ausweisungen aus dem Ort, an dem der Betroffene augenblicklich seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat. A n Art. 11 sind nicht nur Zuzugs- oder Abzugsverbote, sondern auch Zuzugs- oder Abzugsgebote zu messen. § 39 StGB schränkt die Freizügigkeit also nicht nur insoweit ein, als dem Verurteilten der Zuzug an einzelne Orte untersagt wird, sondern auch und gerade dann, wenn er seinen bisherigen Wohnort verlassen soll.

§ 9: Die Reisefreiheit Eine reine Wortlautargumentation aus Art. 11 könnte zu dem Schluß führen, daß die Freizügigkeit als Garantie des freien Zuges zwar die Umzugsfreiheit, nicht aber die Reisefreiheit schützt. I . Historischer Rückblick

Diese Auslegung könnte sich zur Rechtfertigung auf den Rechtszustand unter dem Preußischen Heimatgesetz von 1842 berufen. Dieses Gesetz umfaßte das Verweilen der Reisenden deshalb nicht, weil es sich ausdrücklich auf den dauernden Aufenthalt beschränkte 1 . Demgegenüber schützte bereits § 12 Abs. 1 FreizG — anders als i m Regierungsentwurf vorgesehen 2 — jeden Bundesangehörigen vor einer polizeilichen Ausweisung aus dem Orte seines dauernden oder vorübergehenden Aufenthalts in anderen als den gesetzlich vorgesehenen Fällen. Zwar läßt § 12 Abs. 2 FreizG „ i m übrigen" die Bestimmungen über die Fremdenpolizei unberührt. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen 2

Ebenso Dürig i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 11 Rdnr. 38. Nach seinem § 14 w a r das Gesetz auf Personen, welche sich bloß als Fremde oder Reisende an einem Ort aufhalten, nicht zu beziehen. Vgl. auch PrOVG, Regers Entsch. Bd. 4 S.450f. 2 Hiergegen n a h m Flottwell, Gesetzentwurf über die Freizügigkeit insbes. S. 19 f., Stellung. Die auch von anderer Seite geäußerten Bedenken wurden von der Gesetzes-Commission berücksichtigt. Vgl. Bericht der 6. Commission, Sten. Ber. des Reichstages des Nordd. Bundes Bd. I I (1867) S. 187 f. Hierüber berichten auch Weinberger, FreizG S. 39; Brinckmann Diss. S. 33. 1

§9: Die Reisefreiheit

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werden, daß das Gesetz den Reise- oder Fremdenaufenthalt von der Freizügigkeit ausnehmen wollte 3 . Vielmehr werden durch § 12 Abs. 1 FreizG die Befugnisse der Fremdenpolizei ebenfalls eingeschränkt. Sie darf auch eine Person, die sich nur vorübergehend an einem Ort aufhält, nicht mehr ausweisen. Die Richtigkeit dieser Auslegung w i r d vor allem durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bewiesen. Bei den Kommissionsberatungen 4 wurde ausdrücklich das Institut der sogenannten Aufenthaltskarten i n Preußen angesprochen. Durch deren Verweigerung hatte die Polizei die Möglichkeit, einen längeren als zweitägigen Aufenthalt von Personen zu verhindern und sie auszuweisen 5 . Durch die endgültige Fassung des § 12 Abs. 1 sollte sichergestellt werden, daß diese Befugnis i n Zukunft entfiel. II. Reiseaufenthalt als vorübergehender Aufenthalt Wollte man den Reiseaufenthalt vom Schutz des Freizügigkeitsgesetzes ausnehmen, so dürfte man ihn nicht als vorübergehenden Aufenthalt qualifizieren, sondern müßte neben dem dauernden und dem vorübergehenden Aufenthalt als tertium den Begriff eines „Reiseoder Fremdenaufenthalts" schaffen 6. Es gibt aber keine Anhaltspunkte dafür, daß der Reiseaufenthalt nicht als vorübergehender Aufenthalt anzusehen ist. Ist der vorübergehende Aufenthalt an einem Orte durch die Absicht des Neu-Anziehenden gekennzeichnet, nur für kurze Zeit zu verweilen und den Ort alsbald wieder zu verlassen, so w i r d auch der Reiseaufenthalt von dieser Begriffsbestimmung umfaßt. Denn der mehrwöchige Aufenthalt von Künstlern oder Saisonarbeitern unterscheidet sich nicht wesentlich von dem der Erholungssuchenden oder Kurgäste; der vorübergehende Aufenthalt umfaßt sowohl den Umzugsaufenthalt für einen vorübergehenden Zeitraum wie auch den Reiseaufenthalt. Eine Differenzierung zwischen Reiseaufenthalt und vorübergehendem A u f enthalt liefe auch dem Sprachgebrauch zuwider, wie er bei Erlaß des Freizügigkeitsgesetzes herrschte. Bislang hatte man das Verweilen der Reisenden stets als vorübergehenden Aufenthalt qualifiziert und hierauf das preußische Gesetz von 1842 nur deshalb nicht angewendet, weil es sich lediglich auf den dauernden Aufenthalt bezog. 3 Vgl. Ziegler, FreizG § 1 A n m . 4 b; Grill, Reichsgesetze § 1 FreizG A n m . 4 S, 153. 4 Vgl. Bericht der Gesetzeskommission a.a.O. (Fußn. 2) S. 190. s Das Erfordernis der Paßkarten wurde aufgehoben durch das Gesetz über das Paßwesen v. 12.10.1867 (BGBl. S. 33). 6 Ebenso Brinckmann Diss. S. 33 f.

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1. Kap.: Die persönliche Freizügigkeit

Wurde durch die Aufnahme des vorübergehenden Aufenthalts i n das Freizügigkeitsgesetz auch der Reiseaufenthalt geschützt 7 , so hat sich dieser Rechtszustand nicht gewandelt, da der Freizügigkeitsbegriff insoweit unverändert in die Weimarer Reichsverfassung und das Grundgesetz übernommen wurde 5 . Durch die stärkere Mobilität des 20. Jahrhunderts hat gerade diese Seite der Freizügigkeit an Bedeutung gewonnen und w i r d stärker betont 9 . So umschreibt Geiger 10 Art. 11 als die Freiheit, von Ort zu Ort zu reisen und sich niederzulassen. I I I . Zeitliche Untergrenze des Reiseaufenthalts Wollte man jedes Verweilen während einer Reise als Reiseaufenthalt ansehen, so müßte auch die bloß momentane Anwesenheit zur Besichtigung von Sehenswürdigkeiten, das Verbleiben auf dem Bahnhof während eines Zug„aufenthalts" durch Art. 11 geschützt sein. Würde die Reisefreiheit die flüchtige Präsenz an einem Orte umschließen, so widerspräche das nicht nur der Sprachweise, sondern würde auch den Unterschied zwischen Reisefreiheit und Bewegungsfreiheit verwischen 11 . Sucht man nach einer zeitlichen Untergrenze für den Reiseaufenthalt, so bietet sich hierfür die Übernachtung in einem Ort als Mindestdauer an. Hierfür spricht nicht nur, daß die Unterkommensklausel des § 1 Abs. 1 Nr. 1 FreizG ein Unterkommen am Aufenthaltsort voraussetzt. Die Abgrenzung erscheint auch deshalb sinnvoll, w e i l sie nicht nur einen quantitativen, sondern auch einen qualitativen Unterschied zur Bewegungsfreiheit hervorhebt. Es w i r d nicht nur eine mehr oder weniger willkürlich erscheinende Zeitgrenze gezogen, sondern eine gewisse Intensität der Beziehungen zum Aufenthaltsort gefordert.

7 Grill, Reichsgesetze, § 1 FreizG Anm. 4 S. 153; Luthardt, Blätter f. adm. Praxis Bd. 30 S. 378 f.; Lichter, Staatslexikon S.249; Dames, Freizügigkeit S. 21 ff.; Ziegler, FreizG § 1 A n m . 4 b ; Weinberger, FreizG S. 5 f.; 8 I m Ergebnis ordnet auch das BVerwG, D Ö V 1959 S. 227, die Reisefreiheit dem A r t . 11 zu. 9 Z u den Vorstellungen v o n Reisefreiheit i n einer idealen, auf Gemeineigentum beruhenden Gesellschaft vgl. dagegen Thomas Morus, Utopia, übersetzt von Gerhard Ritter (Berlin 1922) S. 59. 10 Grundrechte i n der Privatrechtsordnung S. 21. 11 Hierzu unten S. 51 f.

Zweites

Kapitel

Freizügigkeit und Bewegungsfreiheit M i t dem Ergebnis, daß als „Aufenthalt" i m Sinne des Freizügigkeitsrechts auch der Heiseaufenthalt zu verstehen ist, sofern er mindestens eine Übernachtung umfaßt, kann die Untersuchung jedoch nicht abgeschlossen werden. Es bleibt zu klären, weshalb nicht jede Präsenz an einem Ort, auch die bloß momentane körperliche Anwesenkeit, von Art. 11 geschützt w i r d und welcher Grundrechtsschutz ihr andernfalls zukommen könnte.

§ 10: Die Bewegungsfreiheit als Bestandteil der Freizügigkeit? I. Historische Interpretation 1. Wortlaut des Freizügigkeitsgesetzes

Aus dem Wortlaut des Freizügigkeitsgesetzes w i r d deutlich, daß der „Aufenthalt" ein wenn auch für kürzere Dauer bestimmtes Zustandsverhältnis voraussetzt, das noch nicht durch die bloß flüchtige Berührung des örtlichen Bereiches begründet w i r d 1 . Das w i r d einmal dadurch erkennbar, daß das Freizügigkeitsgesetz an verschiedenen Stellen den Begriff des „Neu-Anziehenden" verwendet. Dafür spricht auch der bereits erwähnte § 1 Abs. 1 Nr. 1 FreizG, der das Recht des Verweilens davon abhängig macht, daß der Bundesangehörige sich „eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen" verschaffen kann und damit auch für den vorübergehenden Aufenthalt eine über die momentane Anwesenheit hinausgehende Zeitdauer voraussetzt 2 . Weiterhin ist § 1 Abs. 1 Nr. 3 FreizG anzuführen, der das Recht verleiht, „umherziehend oder an dem Orte des Aufenthalts bzw. der Nie1 Vgl. PrOVG 2 Vgl. PrOVG

Bd. 22, 388 (394) u n d Bd. 14, 153 (155 f.). Bd. 15 S.56f.; Bd. 40 S. 417 (424).

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2. Kap.: Freizügigkeit u n d Bewegungsfreiheit

derlassung, Gewerbe aller A r t zu betreiben". Aus dem Nebeneinander der Begriffe „umherziehen" und „Aufenthalt" folgt, daß für den A u f enthalt gegenüber dem augenblicklichen Verweilen des Umherziehenden an verschiedenen Orten ein quantitatives und qualitatives Mehr erforderlich ist. Schließlich ist auf § 8 FreizG hinzuweisen, wonach „Neuanziehende zu den Gemeindelasten herangezogen werden können, wenn i h r A u f enthalt den Zeitraum von 3 Monaten übersteigt". Würde man hier unter „Aufenthalt" die körperliche Anwesenheit verstehen, so müßte jeder Spaziergang über die Gemeindegrenzen hinaus, jeder Ausflug oder kurze Besuch in anderen Orten den Fristenlauf des § 8 FreizG unterbrechen, was offensichtlich nicht Sinn der Vorschrift sein kann. Vielmehr zeigt gerade auch § 8 FreizG, daß der Begriff „Aufenthalt" einen Zustand meint, der einerseits über ein momentanes Verweilen hinausgeht und andererseits von einer zeitweiligen Abwesenheit nicht beeinträchtigt w i r d 3 . 2. Gesetzeszweck

Die Richtigkeit dieser Ansicht w i r d durch den Gesetzeszweck erhärtet. Anders als z. B. das Sozialistengesetz 4 , das unerwünschte Personen von gewissen Orten fernhalten sollte und daher unter Aufenthalt auch die momentane Anwesenheit 5 begreifen mußte, sollte das Freizügigkeitsgesetz die Aufnahme von Personen an jedem Ort sicherstellen, ohne damit aber auch ein augenblickliches Verweilen schützen zu müssen 6 . Z u r Proklamierung der Freizügigkeit hatten die Erschwerungen für die Niederlassung ortsfremder Personen und auch die Behinderung ihres vorübergehenden Aufenthalts durch die Einführung der Paß- und Aufenthaltskarten, nicht aber Eingriffe i n die Bewegungsfreiheit geführt. Daher bestand kein Anlaß, die Freiheit des augenblicklichen Verweilens i n das Freizügigkeitsgesetz einzubeziehen. I I . Systematische und teleologische Interpretation

Hat die historische Interpretation zu einer Differenzierung zwischen Freizügigkeit und Bewegungsfreiheit geführt, so bleibt zu prüfen, ob dieses Ergebnis m i t der Systematik des Grundgesetzes übereinstimmt und ob die Unterscheidung sinnvoll ist. Die Richtigkeit der Ausgangs3 Ebenso PrOVG 14, 153 (1551); P r O V G i n Regers Entsch. Bd. 6, 314; 22, 408 (417); Weinberger, FreizG § 8 A n m . 6; Illing/Kautz, Handbuch S. 177. 4 Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie v. 21.10. 1878 (RGBl. S. 351). * Ä h n l i c h § 39 StGB; vgl. hierzu v. Gneist AöR Bd. 1 S. 269 f. 6 Ebenso Riedel, Reichsverfassungsurkunde § 1 FreizG, A n m . 7. S. 227.

§ 10: Bewegungsfreiheit als Bestandteil der Freizügigkeit?

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these muß an den Konsequenzen der unterschiedlichen Grundrechtszuordnung gemessen werden. 1. Unterschiedliche Schrankenregelung

Klammert man die Bewegungsfreiheit aus dem Komplex der Freizügigkeit aus, so kann ihr verfassungsrechtlicher Schutzort nur noch i n A r t . 2 Abs. 2 Satz 2 oder i n A r t . 2 Abs. 1 zu suchen sein. I n beiden Fällen würde die Freiheitsbetätigung nicht mehr unter dem qualifizierten Gesetzesvorbehalt des A r t . 11 Abs. 2, sondern unter dem unbeschränkten Gesetzesvorbehalt des A r t . 2 Abs. 2 Satz 3 oder sogar unter dem Rechtsvorbehalt des Absatz 1 stehen. Gerade die Schrankendivergenz macht die Gegenprobe erforderlich, ob Freizügigkeit und Bewegungsfreiheit unterschiedliche Beschränkungsmöglichkeiten verlangen. Die Lösung dieses Problems ist in dem Verhältnis der beiden Freiheitsbetätigungen zu suchen. Sieht man i n der Freizügigkeit die Umzugs« und Reisefreiheit, deren zeitliche Untergrenze ein Übernachtungsaufenthalt ist, und in der Bewegungsfreiheit das Recht der momentanen Ortsveränderung, so liegt die Folgerung nahe, daß zwischen beiden nur ein gradueller Unterschied besteht. I n diesem Fall könnte man sogar i m Wege des a-fortiori-Schlusses A r t . 11 auf die Freiheit des momentanen Verweilens und der augenblicklichen Ortsveränderung anwenden. Jedenfalls wäre nicht einzusehen, weshalb für die Bewegungsfreiheit andere Schranken gelten sollten als für die Freizügigkeit. Eine Betrachtungsweise, die nur einen graduellen Unterschied zwischen Freizügigkeit und Bewegungsfreiheit annimmt, ist jedoch zu eng. Es handelt sich hier nicht u m eine Betätigung, die je nach ihrer zeitlichen Dauer einem der Begriffe unterfällt, sondern um unterschiedliche Lebenssachverhalte. Das Recht, sich augenblicklich überall aufzuhalten und sich an alle örtlichkeiten zu begeben, ist etwas anderes, als an einem Ort seinen Wohnsitz, einen längeren oder auch nur einen kürzeren (Reise-)Aufenthalt zu nehmen. Wenn Schaulustige sich bei Verkehrsunfällen, bei Brand- oder Flutkatastrophen ansammeln, so machen sie nur von ihrer Bewegungsfreiheit Gebrauch. Dagegen üben die Journalisten, die anläßlich eines solchen Ereignisses (z. B. des Bergwerksunglücks i n Lengede) für eine dauernde Berichterstattung anreisen, das Grundrecht des A r t . 11 aus. Dieses Beispiel zeigt, daß die Schrankendivergenz gerechtfertigt ist. Denn i n die Bewegungsfreiheit muß öfter eingegriffen werden als i n die Freizügigkeit. I n den geschilderten Fällen muß die Polizei i m Interesse der Rettungsarbeiten die Ansammlung Neugieriger zer-

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2. Kap.: Freizügigkeit u n d Bewegungsfreiheit

streuen und möglicherweise sogar das Betreten einer ganzen Ortschaft verbieten können, u m Behinderungen bei Bergungsarbeiten zu vermeiden. Desgleichen muß die Polizei eingreifen können, um Ansammlungen bei Grenzzwischenfällen i n Grenzgemeinden zu verhindern oder der Zusammenballung von Zuschauern auf Grund tatsächlicher oder vermeintlicher transzendentaler Erscheinungen (z. B. Konnersreuth) Herr zu werden. Diese Maßnahmen tangieren nicht A r t . 11, weil sie vorübergehender Natur sind und die Schaulustigen in den betreffenden Ortschaften keinen Aufenthalt i m Sinne des Freizügigkeitsrechts nehmen wollen 7 . Ein Eingriff in die Freizügigkeit ist i n allen diesen Fällen nicht erforderlich, weil wahrscheinlich nur wenige Personen anläßlich der genannten Ereignisse ein Aufenthaltsverhältnis i m Sinne des A r t . 11 begründen würden. Die grundrechtliche Schrankenregelung spricht also nicht gegen die überkommene Differenzierung zwischen Bewegungsfreiheit und Freizügigkeit, sondern bestätigt i m Gegenteil, daß die Ausklammerung der Bewegungsfreiheit aus A r t . 11 von den Konsequenzen her gerechtfertigt ist. 2. Bedeutungslosigkeit der Schrankendivergenz wegen ungeschriebener Schranken?

Das schrankensystematische Argument scheint allerdings entkräftet, wenn man sich zu einer ungeschriebenen Schranke der polizeirechtlichen Abwehr von Störungen und Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung 8 bekennt. Denn unter dieser Voraussetzung kann aus den Gründen des § 14 PVG in die Bewegungsfreiheit eingegriffen werden, gleichgültig welchem Grundrechtsartikel man sie zuordnet. Es ist jedoch methodisch unsauber, unter Berufung auf allgemeine ungeschriebene Grundrechtsschranken i m Wege eines Rückschlusses den Inhalt der historisch gewachsenen Grundrechte zu verändern oder 7 Vgl. hierzu auch die Ausführungen v o n Scheuner u n d Ule, die sich i n den sog. Notstandshearings gegen eine Vermengung der Bewegungsfreiheit u n d der Freizügigkeit u n d gegen eine Ausdehnung des Begriffs der Freizügigkeit wandten. Deutscher Bundestag, 5. WP., Protokoll der 3. öffentl. Informationssitzung des Rechts- u n d des Innenaiusschusses am 30.11.1967, S. 13 (Scheuner), S. 59 f. (Ule); unrichtig Polizeipräsident Dr. Schreiber (S. 58). Vgl. ferner Drews/Wacke, Polizeirecht S. 141, die m i t Recht darauf h i n weisen, daß i n einigen Polizeigesetzen der Länder A r t . 11 zu Unrecht als eingeschränktes Grundrecht genannt w i r d . Denn polizeiliche Maßnahmen w i e Verwahrung, Durchsuchung, Verbringung zur Wache beschränken nicht die Freizügigkeit. 8 Bettermann, Grenzen der Grundrechte, insbes. S. 15 ff.; vgl. ferner Dürig i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 2 Abs. 1 Rdnr. 80 ff. m i t weiteren Nachweisen; f ü r A r t . 5 Abs. 1 differenzierend Herzog a.a.O. A r t . 5 Rdnr. 263 ff.

§ 10: Bewegungsfreiheit als Bestandteil der Freizügigkeit?

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zu nivellieren. Vielmehr muß zunächst stets die Reichweite der Grundrechte ermittelt werden; und wenn die geschriebenen Schranken für die ermittelten Grundrechtsbereiche nicht ausreichen, kann auf die ungeschriebenen Schranken zurückgegriffen werden 9 . Da die Bewegungsfreiheit nicht zum Grundrechtsgehalt des A r t . 11 gehört, kann sie auch nicht unter Hinweis auf ungeschriebene Grundrechtsschranken hineininterpretiert werden. I I I . Vergleichende Interpretation Da viele internationale Abkommen die Materie „Freizügigkeit" regeln, liegt es nahe, das für A r t . 11 erarbeitete Interpretationsergebnis an der dort verwendeten Terminologie zu messen. 1. Internationale Erklärungen und Abkommen

A r t . 13 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte w i r d oftmals übersetzt als das Recht jedes Menschen „auf Freizügigkeit und freie Wahl seines Wohnsitzes innerhalb eines Staates" 10 . I m Originaltext heißt es: „Everyone has the right to freedom of movement and residence w i t h i n the borders of each state" 1 1 . I n ähnlicher Weise spricht A r t . 2 des Vierten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention 1 2 vom „right to liberty of movement and freedom to choose his residence". Ferner enthält die i n A r t . 48 des EWG-Vertrages 13 statuierte „Freizügigkeit der Arbeitnehmer" gem. Abs. 3 lit. b das Recht, sich — allerdings nur zum Zwecke der Stellungssuche — „ i m Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen". Aus dieser Terminologie können jedoch keine Rückschlüsse für die Interpretation des A r t . 11 gezogen werden. Zunächst fehlt es i n den zitierten Bestimmungen an einem dem Begriff „Freizügigkeit" ent9 Unrichtig ist es jedoch, die Zulässigkeit von Grundrechtseingriffen v o r eilig i m Hinblick auf immanente Schranken zu bejahen; vgl. R. Wimmer, DVB1.1967, 140 sub B. 10 Vgl. Kraus/Heinze, Völkerrechtliche Urkunden zur europäischen Friedensordnung seit 1945, Nr. 24; Schätzel, Die Charta der Vereinten Nationen (4. A u f l . 1967) S. 73; vgl. i n diesem Zusammenhang auch Kraus i n JellinekGedächtnisschrift S. 96. 11 Le droit de circuler et de choisir sa residence ä Tint^rieur d'un Etat. 12 Protokoll Nr. 4 v. 16. 9.1963 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte u n d Grundfreiheiten, durch das gewisse Freiheiten gewährleistet werden, die nicht bereits i n der Konvention oder i m ersten Zusatzprotokoll enthalten sind (BGBL I I 1968 S. 423 ff.); f ü r die Bundesrepublik i n K r a f t getreten am 1. 6.1968 (vgl. die Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Protokolls Nr. 4 — BGBl. I I 1968 S. 1109). 13 Vgl. Groeben/Boeckh, Kommentar, A r t . 48; Meyer-Marsilius, Niederlassungsrecht S. 59 ff.

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Merten

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2. Kap.: Freizügigkeit u n d Bewegungsfreiheit

sprechenden Ausdruck. Z u m anderen enthält auch A r t . 11 neben dem Recht der Wohnsitznahme die Freiheit der „Bewegung" i m Staatsgebiet i n Gestalt der Umzugs- und Reisefreiheit. Ob die i n den genannten Abkommen enthaltene Teilfreiheit des „free movement" noch weitergehende Rechte gewährleistet, könnte nur durch eingehende Interpretation ermittelt werden. Rückschlüsse für die Auslegung des A r t . 11 können jedoch daraus angesichts der Unterschiede i n Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Umfang der Gesetzesvorbehalte nicht hergeleitet werden. Jedenfalls ist es i m Hinblick auf Art. 11 unrichtig, die Formulierung „freedom of movement and residence" als „Recht auf Freizügigkeit und freie Wahl des Wohnsitzes" wiederzugeben, weil die grundgesetzlich garantierte Freizügigkeit auch und i n erster Linie die freie Wahl des Wohnsitzes garantiert, dagegen aber nicht schlechthin die „Bewegungsfreiheit" umfaßt. 2. Ausländergesetzgebung

Für einen terminologischen Vergleich ist § 12 des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer i m Bundesgebiet 14 interessanter, weil er den Begriff „Freizügigkeit" enthält. Die Gesetzesbestimmung stellt die Ausländer „ i n der Wahl ihres Aufenthaltsortes und i n der Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes" 15 den deutschen Staatsangehörigen gleich. Geht man hier nicht von vornherein von einem tautologischen Mißgriff des Gesetzgebers aus, so muß „Freizügigkeit" etwas anderes meinen als die außerdem gewährleistete freie Wahl des (jeweiligen) Aufenthaltsortes. I n den Gesetzesmaterialien findet sich für die Interpretation kein unmittelbarer Hinweis 1 6 . Da jedoch der Gesetzentwurf inhaltlich und i m Wortlaut auf das damals i n Vorbereitung befindliche internationale Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge 1 7 abgestimmt wurde 1 8 , können hieraus Rückschlüsse 14 v. 25. 4. 1951 (BGBl. I S. 269). is Eine ähnliche Differenzierung findet sich i m österr. Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger v. 21.12.1867 (RGBl. Nr. 142): A r t . 4 Abs. 1 StGG gewährleistet die Freizügigkeit der Person und des V e r mögens, während A r t . 6 Abs. 1 StGG garantiert, daß jeder Staatsbürger an jedem O r t des Staatsgebiets seinen Aufenthalt u n d Wohnsitz nehmen darf. Vgl. hierzu Ermacora, Handbuch S. 111 ff. u n d S. 181 ff. Vgl. ferner A r t . 8 Nr. 3 des bayerischen Gesetzes, betreffend die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes v. 8.8.1878 (Bayer. GVB1. S. 369), wonach „bestrittene Rechtsansprüche u n d Verbindlichkeiten" auf dem Gebiet „ F r e i zügigkeit u n d Aufenthalt" Verwaltungsrechtssachen waren. 16 Es heißt dort n u r lapidar, daß § 12 den Grundsatz der Freizügigkeit enthalte (Amtl. Begründung zu § 12 S. 14, BT-Drucks. 1. W P Nr. 1372). " Vgl. Gesetz betreffend das A b k o m m e n v. 28. 7.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge v. 1. 9.1953 (BGBl. I I S. 559). 18 So die A m t l . Begründung a.a.O. (Fußn. 16) S. 9.

§ 10: Bewegungsfreiheit als Bestandteil der Freizügigkeit?

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gezogen werden. A r t . 26 des Abkommens gewährt den Flüchtlingen „the right to choose their place of residence and to move freely w i t h i n its territory" („le droit d'y choisir le lieu de residence et d'y circuler librement"). Während diese Bestimmung i n der deutschen Übersetzung des Abkommens zutreffend als das Recht der Flüchtlinge wiedergegeben wird, i m Staatsgebiet „ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen" 19 , verwendet das Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer die Begriffe „Wahl des Aufenthaltsortes" und „Freizügigkeit", obwohl die Gesetzesbestimmung inhaltlich dem Konventionsentwurf entsprechen sollte 20 . Diese Terminologie kann jedoch nicht als Indiz für die Interpretation des A r t . 11 herangezogen werden, weil es sich hier nicht um die bewußte Begriffsverwendung i n einem Ausführungsgesetz zur Verfassung, sondern um Ungenauigkeiten bei der Transponierung eines internationalen Abkommens handelt. I V . Ergebnis Als Ergebnis ist daher festzuhalten, daß die augenblickliche Präsenz an einem Ort Ausdruck der Bewegungsfreiheit ist und nicht von der Freizügigkeit geschützt wird. A r t . 11 garantiert nur die Aufenthalts» und Niederlassungsfreiheit, umfaßt aber nicht das bloße „SichBefinden" 21 , das beispielsweise die Fürsorgepflichtverordnung 22 in deutlichen Gegensatz zu den Begriffen „Aufenthalt" und „gewöhnlichen Aufenthalt" 2 3 stellt. Daher kann der Ansicht Dürigs 24 nicht zugestimmt werden, die Freizügigkeit decke auch das vorübergehende Verweilen wie „Erholung an der Nordsee, Besichtigung des Bamberger Reiters, Taufe der Enkeltochter, Heilkur i n Freudenstadt". Diese Beispielsreihe umfaßt nämlich Freiheitsbetätigungen von ganz unterschiedlicher Zeitdauer. Während ein Erholungsaufenthalt und eine Heilkur eine mehrtägige A n wesenheit voraussetzen und sich damit als „Aufenthalt" i m Sinne des 19 Vgl. die Amtliche Übersetzung i n BGBl. I I 1953 S. 559. 20 Vgl. die Amtliche Begründung a.a.O. (Fußn. 16), wonach § 12 dem A r t . 21 des Konventionsentwurfs entsprechen sollte. 21 Vgl. § 7 Abs. 1 u n d Abs. 2 Fürsorgepflicht V O : Nach Abs. 1 w a r jeder hilfsbedürftige Deutsche vorläufig von demjenigen Bezirksfürsörgeverband zu unterstützen, i n dessen Bezirk er sich bei E i n t r i t t der Hilfsbedürftigkeit befand. Nach Abs. 2 w a r zur Fürsorge endgültig derjenige Bezirksfürsorgeverband verpflichtet, i n dessen Bezirk der Hilfsbedürftige bei E i n t r i t t der Hilfsbedürftigkeit den gewöhnlichen Aufenthalt hatte. 22 Verordnung über die Fürsorgepflicht v. 13. 2.1924 (RGBl. I S. 100). 23 Vgl. § 8 Abs. 1 FürsorgepflichtVO. 24 Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 11 Rdnr. 37.

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2. Kap.: Freizügigkeit u n d Bewegungsfreiheit

Freizügigkeitsbegriffs qualifizieren, erfordert die Besichtigung eines Denkmals nur eine so kurze Anwesenheit, daß sie als Ausdruck der Bewegungsfreiheit aufzufassen ist. Daher w i r d das flüchtige Verweilen der Reisenden von der Freizügigkeit nicht erfaßt 25 . Da nicht alle Betätigungen während einer Reise von der Freizügigkeit gedeckt werden, stellen auch Reisebeschränkungen nicht ohne weiteres eine Beschränkung der Freizügigkeit dar. Insbesondere sind Eingriffe, die nur die Reiseroute 26 , nicht aber das Reiseziel betreffen, nicht an A r t . 11 zu messen. Eine Sperrung der Autobahn (z. B. wegen Überfüllung oder eines Staatsbesuchs) tangiert von vornherein nicht die Freizügigkeit. Ebenfalls w i r d dieses Grundrecht nicht berührt, wenn Amtsträgern aus Sicherheitsgründen aufgegeben wird, bei Reisen zwischen Berlin und Westdeutschland den Luftweg zu benutzen oder innerhalb Berlins die durch Ostberlin führenden Verkehrsmittel zu meiden 27 . „Aufenthalt" i m Sinne des Freizügigkeitsrechts ist sowohl das ständige als auch das vorübergehende Verweilen, wobei jedoch in allen Fällen ein Zustand von einiger Dauer erforderlich ist. Die momentane Anwesenheit reicht nicht aus. Nicht das stundenweise Verweilen an einem Ort, w o h l aber eine Übernachtung begründet ein Aufenthaltsverhältnis.

§ 11: Verfassungsrechtliche Einordnung der Bewegungsfreiheit Hat die Interpretation des A r t . 11 gezeigt, daß die Bewegungsfreiheit nicht Teil der Freizügigkeit ist, so verbleibt als i h r verfassungsrechtlicher Schutzort entweder Art. 2 Abs. 2 Satz 2 oder A r t . 2 Abs. 1. I . Freiheit der Person 1. Schutz vor Freiheitsentziehungen

Nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ist die Freiheit der Person unverletzlich. Diese Verfassungsbestimmung enthält wie ihr Vorläufer (Art. 114 WRV) die Grundsätze der Habeas-Corpus-Akte und steht i n unlösbarem Zusammenhang m i t A r t . 1041. Wie die Entstehungsgeschichte 2 25

Vgl. oben S. 44. 6 Ä h n l i c h W. Jellinek, Verwaltungsrecht S. 481. 27 Vgl. die (unveröffentlichten) Erlasse des Berliner Senators f ü r Inneres über das Verlassen von B e r l i n (West) durch Angehörige der Polizeibehörde v. 4. 5.1966 und 29. 5. 1968. 1 h . M . Vgl. BVerfGE 10, 302 (322); 14, 174 (186). 2 Ursprünglich sollten beide Vorschriften zusammengefaßt werden, was später aus redaktionellen Erwägungen unterblieb; vgl. hierzu v. Doemming i n JöR N.F. Bd. 1 S. 745 ff. 2

§ 11: Verfassungsrechtliche Einordnung der Bewegungsfreiheit

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beweist, sollte diese Vorschrift das Verhaftungsrecht und andere Freiheitsentziehungen umgrenzen. Sie soll willkürliche Verhaftungen, Festnahmen, Internierungen und ähnliche Maßnahmen verhindern. Freiheit der Person ist i m Gegensatz zur „Gefangenschaft" zu sehen und meint das Leben „auf freiem Fuße" 3 , das strafrechtlich durch §239 StGB gesichert ist 4 . Diese Verfassungsgarantie schließt sich systematisch zutreffend an das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit an. Denn der Schutz des körperlichen Bereichs wäre unvollkommen, wenn i n i h n unter Respektierung der menschlichen Existenz und der körperlichen Unversehrtheit durch willkürliche Freiheitsentziehungen eingegriffen werden könnte. 2. Schutz vor Freiheitsbeschränkungen?

Weitergehend vertritt insbesondere Dürig 5 die These, daß A r t . 2 Abs. 2 Satz 2 nicht nur vor Freiheitsentziehungen, sondern auch vor Freiheitsbeschränkungen schützt. Die Freiheit der Person soll nicht nur das Festhalten an einem Ort verbieten, sondern bereits verletzt sein, wenn jemand gehindert wird, bestimmte Orte aufzusuchen und/oder sich dort aufzuhalten. Konsequent w i r d daher Art. 2 Abs. 2 Satz 2 als das Recht umschrieben, einen beliebigen Ort aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten 6 . a) Wortlautargumentation Eine Differenzierung zwischen Freiheitsentziehung und Freiheitsbeschränkung kann für sich den Wortlaut des A r t . 104 i n Anspruch nehmen. Während dessen Absatz 2 Satz 1 von „Freiheitsentziehung" spricht, sieht Absatz 1 Satz 1 eine „Beschränkung" der Freiheit der Person vor. Der Wortlautargumentation kommt jedoch keine entscheidende Bedeutung zu, weil die grundgesetzliche Terminologie ungenau ist. So erscheint der Begriff der Beschränkung ebenfalls i n A r t . 10 Abs. 2 und 13 Abs. 3, obwohl diese Grundrechte begrifflich nicht „beschränkt" werden können. Denn das Briefgeheimnis und die 3

So richtig Eckstein, Diss. S. 50. Vgl. J. Baumann, Unterbringungsrechit S. 7; zur Begriffsbestimmung Deyßing, Diss. S. 47. ß Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 104 Rdnr. 5 ff.; ähnlich J. Baumann, a.a.O.; zu weitgehend auch Kern, Grundrechte I I S. 70, der i n dem Verbot des A u f e n t halts i n einer bestimmten Gemeinde eine Beeinträchtigung der Freiheit der Person sieht; differenzierend W. Hoffmann, DVB1.1967 S. 752, der einen bestimmten Intensitätsgrad des Eingriffs verlangt, entsprechend der i n A r t . 104 verwendeten Begriffe. 6 Dürig i n Maunz/Dürig/Herzog A r t . 2 I I Rdnr. 50 u. A r t . 104 Rdnr. 12, ähnlich J. Baumann, Unterbringungsrecht S. 7. Bei dieser weiten Definition würde auch der Straßenverkehr unter die Bewegungsfreiheit fallen, w e i l er durch die „Absicht einer Ortsveränderung" gekennzeichnet ist (Marschall, BundesfernstraßenG, 2. Aufl. 1963, §7 Rdnr. 2; Siederl Zeitler, Bayer. Straßen- u. WegeG (1960) A r t . 14 Rdnr. 13). 4

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2. Kap.: Freizügigkeit u n d Bewegungsfreiheit

Unverletzlichkeit der Wohnung sind Schutzrechte 7 , aber keine Freiheits- oder Darf-Rechte 8 . Sie schützen keine Freiheitsbetätigungen, können durch Handlungen nicht ausgeübt werden 9 und sind daher auch nicht „beschränkbar". Vielmehr kann i n die geschützten Bereiche nur „eingegriffen" werden. Zudem ist der Wortlaut des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i n sich widersprüchlich, was schon bei den Beratungen zum Grundgesetz gerügt wurde 1 0 . Denn die Freiheit der Person ist nicht „unverletzlich", sondern schon nach dem Wortlaut der Verfassung „verletzlich", w e i l in sie durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden darf (Art. 2 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. Art. 104). Aber nicht nur wegen der ungenauen Terminologie, sondern auch aus systematischen und genetischen Gründen darf der Wortlaut des Art. 104 nicht überbewertet werden. Nachdem Art. 104 Abs. 1 i m ersten Satz die Beschränkbarkeit der Freiheit der Person regelt, verwendet er unmittelbar anschließend den Begriff „festgehaltene Personen", was gegen eine gewollte Unterscheidung von Freiheitsbeschränkung und Freiheitsentziehung spricht. Für diese läßt sich auch i n der Entstehungsgeschichte der Vorschrift kein Anhaltspunkt finden. I m Gegenteil ergibt sich bereits aus den Verfassungsberatungen auf Herrenchiemsee, daß m i t Freiheitsbeschränkung die Freiheitsentziehung gemeint war, wenn es zu A r t . 3 Ch. E. heißt 1 1 , er gewähre „auch Schutz vor außerstrafrechtlicher Beschränkung der persönlichen Freiheit, indem er beispielsweise die zwangsweise Unterbringung i n einem Irrenhaus, die Schutzhaft, die Zwangsgestellung von Geschlechtskranken und die Unterbringung von gefährdeten Jugendlichen einer richterlichen Kontrolle" unterwerfe. Nicht anders hat offensichtlich der Parlamentarische Rat den Begriff verstanden. I n einer vom Grundsatzausschuß12 behandelten Formulierung heißt es: „ N u r i n den Fällen, die ein förmliches Gesetz bestimmt, und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen darf jemand verfolgt, festgehalten, vorläufig festgenommen, i n Haft gehalten oder sonst i n seiner persönlichen Freiheit beschränkt werden." 7 Vgl. zu der Unterscheidung von Schutzrechten u n d Freiheitsrechten Giese, Grundrechte S. 90 ff.; ders. Preuß. Rechtsgeschichte S. 198. 8 Hierzu Wilke, V e r w i r k u n g der Pressefreiheit u n d das strafrechtliche Berufsverbot (Berlin 1964) S. 20 ff. Die „Darf-Rechte" entsprechen den F r e i heitsrechten i n der Terminologie Gieses. 9 Vgl. f ü r A r t . 13 Manfred Gentz, Die Unverletzlichkeit der Wohnung (Berlin 1968) S. 38 f. 10 Vgl. Matz i n JöR N. F. Bd. 1 S. 64. 11 Vgl. Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee S. 21 f. 12 Vgl. Matz i n JöR N.F. Bd. 1 S. 63.

§11: Verfassungsrechtliche Einordnung der Bewegungsfreiheit

b) Historische

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Entwicklung

Die Qualifizierung der Freiheit der Person als Bewegungsfreiheit und ihre Beanspruchung zum Schutz vor Freiheitsbeschränkungen w i r d auch der historischen Entwicklung dieses Grundrechts nicht gerecht. Denn die Freiheit der Person des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ist m i t dem Grundrecht der „persönlichen Freiheit", wie es i n A r t . 7 der constitution beige 13 und A r t . 5 der Preußischen Verfassungsurkunde 14 verankert war, nicht mehr identisch. Selbst für A r t . 5 der Preußischen Verfassungsurkunde war es bestritten, ob er nur vor willkürlicher Verhaftung schützte 15 oder die individuelle Handlungsfreiheit garantierte und damit andere benannte und unbenannte Freiheiten umschloß 16 . Da sich i n der Folgezeit viele der ursprünglich der persönlichen Freiheit zugeordneten Grundrechte wie Freizügigkeit und Unverletzlichkeit der Wohnung verselbständigten 1 7 , kann die Freiheit der Person nicht mehr i n dem umfassenden Sinne einer „liberte individuelle" verstanden werden 1 8 . Das gilt schon für A r t . 114 W R V 1 9 , aber erst recht für A r t . 2 Abs. 2 S. 2. Der enge Zusammenhang von A r t . 114 Abs. 1 und Abs. 2 WRV einerseits und A r t . 2 Abs. 2 Satz 2 und A r t . 104 andererseits macht das grundrechtliche A n liegen dieser Vorschriften deutlich: N u r i n den durch förmliches Gesetz bestimmten Fällen und unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen soll jemand i n staatlichen Gewahrsam genommen werden dürfen. M i t diesem Schutzzweck des A r t . 2 Abs. 2 Satz 2 hat jedoch die Frage nichts zu tun, ob und unter welchen Voraussetzungen jemandem der Aufenthalt an bestimmten Orten (Spielhallen, Wirtshäusern) untersagt werden kann. c) Schrankensystematische

Interpretation

N u r bei restriktiver Interpretation w i r d auch die Schrankendivergenz von A r t . 2 Abs. 1 und Abs. 2 verständlich. Während ein Eingriff in den Bereich des Art. 2 Abs. 2 unter Gesetzesvorbehalt steht, weist Art. 2 Abs. 1 — wenn man der herrschenden Meinung 2 0 folgt — einen 13 v. 7.2.1831, abgedruckt bei Franz, Staatsverfassungen S. 54 ff. i* Verfassungs-Urkunde f ü r den Preußischen Staat v. 31.1.1850 (GS S. 17). is So Anschütz, Die gegenwärtigen Theorien über den Begriff der gesetzgebenden Gewalt (2. Aufl. 1901) S. 113 f. iß So Anschütz, Preußische Verfassungsurkunde, S. 135 (unter Aufgabe der früheren Ansicht u n d m i t weiteren Nachweisen zum Streitstand); Arndt, Preußische Verfassungsurkunde, A r t . 5 A n m . 2; Giese, Grundrechte S. 113 f. 17 Vgl. zum Verhältnis v o n persönlicher Freiheit u n d Freizügigkeit sowie Gewerbefreiheit Giese, Grundrechte S. 113 f. u. 115. 18 Z u m Begriff der bürgerlichen Freiheit vgl. Carl Schmitt, Verfassungslehre S. 160. 19 So richtig Köttgen i n Nipperdey, Grundrechte Bd. I S. 348 f.; a. A. Anschütz, W R V A r t . 114 A n m . 1. 20 Statt aller BVerfGE 6, 32 (38, 41).

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2. Kap.: Freizügigkeit u n d Bewegungsfreiheit

Rechtsvorbehalt auf. Diese Differenzierung ist sinnvoll, wenn Abs. 2 Eingriffe i n das Leben, die körperliche Integrität sowie Freiheitsentziehungen hindern soll. Dagegen wäre es wenig einleuchtend, daß in eine aus A r t . 2 Abs. 2 Satz 2 abgeleitete Bewegungsfreiheit nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes eingegriffen werden dürfte, während die Persönlichkeitsentfaltung unter Rechtsvorbehalt stünde. Weshalb das Recht, sich fortzubewegen und sich an irgendeinen Punkt zu begeben, stärker geschützt sein soll als die allgemeine Handlungsfreiheit, ist nicht einzusehen. 3. Keine Garantie einer allgemeinen Bewegungsfreiheit

Zu weitgehend und ungenau ist es, wenn man mit Dürig aus A r t . 2 Abs. 2 Satz 2 das Recht entnimmt, einen beliebigen Ort aufzusuchen und sich dort aufzuhalten 21 . Diese Interpretation ist m i t dem Zweck, dem systematischen Zusammenhang und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift unvereinbar. Zudem kollidiert die Definition Dürigs m i t der Freizügigkeit, die er als das Recht umschreibt, „an jedem Ort innerhalb des Bundesgebiets Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen" 2 2 . Dadurch würden erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten auftauchen, worauf schon Herzog 23 hingewiesen hat. Wie wenig die Gleichsetzung von Freiheit der Person und Bewegungsfreiheit aufgeht, w i r d vollends deutlich, wenn man m i t Dürig zwar das Verbot, bestimmte Orte aufzusuchen, als Freiheitsbeschränkung qualifiziert, das Gebot, an bestimmten Orten zu erscheinen, aber nicht unter A r t . 2 Abs. 2 Satz 2 fallen läßt 2 4 . Weshalb gerade der stärkere Eingriff i n Form des Gebots, einen bestimmten Ort aufzusuchen, für die Freiheit der Person irrelevant sein soll, ist unerfindlich. I m übrigen ist die Differenzierung nur scheinbar möglich, denn jedes Gebot, an einem Ort zu erscheinen, führt i m Ergebnis dazu, daß der Betroffene sich zu dieser Zeit nicht an anderen Orten aufhalten kann. Diese Überlegungen zeigen, daß die allzu theoretische Unterscheidung nicht weiterführt, weil sie von einem falschen Ansatzpunkt ausgeht. A r t . 2 Abs. 2 Satz 2 gewährleistet nicht das Recht, sich an jeden Ort zu begeben, sondern schützt nur vor dem Festhalten an einem Ort, vor Verhaftung, Internierung und ähnlichen Zwangsmaßnahmen 25 . I n dieses klassische Grundrecht der Habeas-Corpus-Akte w i r d nicht ein21 Vgl. oben Fußn. 6. 22 Grundrechte I I S. 512 sub 2; ders. i n Maunz/Dürig/Herzog A r t . 104 Rdnr. 5. 23 AöR Bd. 86 S. 204 Fußn. 45. 24 Maunz/Dürig/Herzog A r t . 2 I I Rdnr. 50 u. A r t . 104 Rdnr. 12; m i t richtiger Begründung lehnt das BVerfG i n E 22, 21 (26) einen Eingriff i n die Freiheit der Person ab. 25 BVerfGE 22, 21 (26); vgl. ferner E 22, 180 (218 f.).

§ 11: Verfassungsrechtliche Einordnung der Bewegungsfreiheit

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gegriffen, wenn einem Jugendlichen das Betreten von Gaststätten verboten w i r d oder wenn i m Zuge der Polizeiaufsicht einem Verurteilten der Aufenthalt an einzelnen bestimmten Orten untersagt wird. Denn in diesen Fällen bleibt der Betroffene „auf freiem Fuße" 2 6 . Entgegen der Ansicht Dürigs ist die Freiheit der Person nicht partiell beschränkbar. Jeder Eingriff in Art. 2 Abs. 2 S. 2 führt zu einer Totalentziehung der Freiheit, wobei allein die Zeitdauer in den einzelnen Fällen differiert 2 7 . Es ist eine Frage des terminologischen Geschmacks, ob man die Freiheit der Person als körperliche Bewegungsfreiheit 28 bezeichnen w i l l . Es muß nur deutlich bleiben, daß A r t . 2 Abs. 2 Satz 2 nicht das Recht verleiht, sich überall hinzubegeben, sondern nur vor permanenter oder temporärer Freiheitsentziehung schützt. Die Umschreibung der Freiheit der Person als körperliche Bewegungsfreiheit kann daher mißverständlich sein, da sie weder eine allgemeine Bewegungsfreiheit, noch gar die Freiheit von jedem staatlichen Zwang 2 9 oder die „Freiheit vor Furcht" 3 0 garantiert. 4. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 als bloßes Abwehrrecht

Die Freiheit der Person ist also ein bloßes Abwehr- oder Schutzrecht. Es garantiert ähnlich wie die Unverletzlichkeit der Wohnung und das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis keine Freiheitsbetätigungen, sondern erschöpft sich darin, daß in den grundrechtlich geschützten Bereich nur unter bestimmten Voraussetzungen eingegriffen werden darf. Insofern ist es m i t dem i n Art. 2 Abs. 2 Satz 1 gewährleisteten Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verwandt. Die Freiheiten des A r t . 2 Abs. 2 schützen den körperlichen Bereich des Menschen gegen staatliche Eingriffe, nicht aber ein aktives Tun. Das Recht auf Leben bedeutet, daß der Staat die menschliche Existenz nicht antasten darf, gewährleistet aber nicht eine biologische Entfaltung des Menschen. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit besagt, daß staatliche Eingriffe in den menschlichen Körper unzulässig 26 I m Ergebnis auch W. Hoffmann DVB1.1967 S. 752, w e i l der geforderte „Intensitätsgrad" nicht erreicht w i r d . 27 Der temporäre Freiheitsentzug (z. B. polizeilicher Gewahrsam) w i r d teilweise als Freiheitsbeschränkung bezeichnet, z. B. von Röttgen i n Nipperdey, Grundrechte I S. 349. Andere Autoren unverscheiden zwischen Freiheitsentziehung u n d Freiheitsbeschränkung nach der „Intensität" der Beeinträchtigung: Holtkotten i n Bonner Kommentar, A r t . 1 0 4 I I C 1 ; vgl. auch Baumann, Unterbringungsrecht, S. 14. 28 So BVerfGE 22, 21 (26); Dürig, a.a.O., A r t . 104 Rdnr. 5; v. Mangoldt/Klein, A r t . 2 A n m . V I 2 S. 188; Kern, Grundrechte I I S. 66. 29 So aber Wernicke, Bonner Kommentar, A r t . 2 Erl. I I 2 d; Koellreutter, Staatsrecht S. 53. so So Maunz, Staatsrecht § 15 I I I 3 S. 116.

2. Kap.: Freizügigkeit u n d Bewegungsfreiheit

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sind, schützt aber nicht das unversehrte körperliche Existieren als Tätigkeit. Die Freiheit der Person w i l l Freiheitsentziehungen verhindern, nicht aber die körperliche Bewegung als Tätigkeit garantieren. Daher ist Art. 2 Abs. 2 Satz 2 kein Freiheits-, Handlungs- oder Darfrecht, sondern reines Schutz- oder Abwehrrecht 3 1 . II. Freie Entfaltung der Persönlichkeit Auffanggrundrecht für die nach A r t . 11 nicht garantierte allgemeine Bewegungsfreiheit ist also nicht A r t . 2 Abs. 2 Satz 2, sondern A r t . 2 Abs. 1, wenn man die Persönlichkeitsentfaltung m i t der allgemeinen Handlungsfreiheit identifiziert, sie m i t dem Recht, alles tun und lassen zu können, gleichsetzt 32 . Zu Unrecht weist die herrschende Meinung 3 3 das Recht des Bürgers zur Mobilität i m Staatsgebiet allein den A r t i k e l n 11 und 2 Abs. 2 Satz 2 zu, wobei es zudem an einer exakten Abgrenzung mangelt. Das Grundgesetz hat die Bewegung i m Staatsgebiet nicht lückenlos durch Spezialgrundrechte gewährleistet, sondern nur besonders schutzwürdige und i n der Vergangenheit gefährdete Teilrechte geregelt: Die Umzugsund Reisefreiheit in A r t . 11, das Recht, auf „freiem Fuße" zu leben, i n A r t . 2 Abs. 2 Satz 2. Weiterhin stellt A r t . 1 sicher, daß selbst Gefangene über ein M i n i m u m an Bewegungsfreiheit verfügen 34 . Die Mobilität zu Versammlungszwecken oder zu religiöser Kultausübung (Prozession) w i r d von A r t . 8 und 4 Abs. 2 geschützt 35 . I m übrigen w i r d das Recht, sich überall hinzubegeben und an jedem Ort momentan zu verweilen, allein von der allgemeinen Handlungsfreiheit erfaßt.

31

Vgl. schon Giese, Grundrechte S. 97 ff. 32 Diese Formulierung lag dem Grundsatzausschuß des Pari. Rates i n seiner 4. Sitzung vor (vgl. Matz i n JöR N. F. Bd. 1 S. 55). 33 Vgl. Dürig, a.a.O. A r t . 104 Rdnr. 5. Deshalb ist es auch ungenau, die Freizügigkeit als „Bewegungsfreiheit" zu bezeichnen: so BGH VerwRspr. Bd. 5 S. 690; BVerwG D Ö V 1958 S.474; Maunz, Staatsrecht §20111 S. 162; v.Mangoldt, Kommentar A r t . 11 A n m . 2; Koellreutter, Staatsrecht S. 125; Lichter, Staatsangehörigkeit S. 1; Feneberg, Grundgesetz, A r t . 11 A n m . 2; hiergegen schon überzeugend Eckstein, Diss. S. 52. 34 Ebenso Herzog, AöR Bd. 86 S. 204 f ü r A r t . 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention. 35 Z u m Verhältnis von A r t . 8 u n d 4 Abs. 2, Merten, Demonstration unter dem Gesetz i n : Aus P o l i t i k u n d Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament 1969 Nr. 10 S. 30 f. u n d i n : Das Recht auf Demonstration, Schriften der Bundeszentrale f ü r politische B i l d u n g (Bonn 1969) S. 64 f.

11: Verfassungsrechtliche Einordnung der Bewegungsfreiheit

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I I I . Verhältnis von Freizügigkeit zur Bewegungsfreiheit und Freiheit der Person 1. Verhältnis von Freizügigkeit und Bewegungsfreiheit

Wie dargelegt, gehen Freizügigkeit und Bewegungsfreiheit nicht ineinander über, sondern sind unterschiedliche Freiheitsbetätigungen, die verschiedenen Grundrechtsbestimmungen zugeordnet sind. Demzufolge lassen Freizügigkeitsbeschränkungen die Bewegungsfreiheit unberührt, wie auch umgekehrt Einschränkungen der Bewegungsfreiheit die Freizügigkeit unangetastet lassen. a) So w i r d die Bewegungsfreiheit nicht beeinträchtigt, wenn der Notar sich gem. § 10 Abs. 2 BNotO an seinem Amtssitz niederlassen muß oder der A n w a l t seinen Wohnsitz innerhalb des Oberlandesgerichtebezirks zu nehmen hat, in dem er zugelassen ist (§ 27 Abs. 1 BRAO). Dasselbe gilt für § 101 Abs. 1 KonkursO, der dem Gemeinschuldner verbietet, sich ohne Erlaubnis des Gerichts von seinem Wohnort zu entfernen. Die Bestimmung beschränkt nicht die Bewegungsfreiheit, denn der Gemeinschuldner darf sich i n seinem Wohnort bewegen und die Gemeindegrenzen auch kurzfristig (z. B. i m Rahmen eines Ausflugs) überschreiten. Dagegen ist er ohne gerichtliche Erlaubnis gehindert, seinen Wohnsitz oder seinen Aufenthalt i. S. des Freizügigkeitsrechts zu verlegen. b) Andererseits tangieren Gebote oder Verbote, die sich nur auf die Bewegungsfreiheit beziehen 36 , nicht die Freizügigkeit. So liegt i n dem Verbot des Betretens von Gaststätten (Wirtshausverbot) 37 , das Schlottner 3 8 zu den schwersten Beschränkungen der Freizügigkeit zählt, kein Eingriff i n A r t . 11. Ferner greifen Anordnungen auf Grund der §§ 24 b Abs. 2 Nr. 1, 39 Abs. 1 StGB nicht i n die Freizügigkeit ein, wenn sie sich nur auf einzelne Punkte innerhalb einer Ortschaft beziehen, was z. B. bei Verboten, Spielhallen, bestimmte Vergnügungsbetriebe oder Bahnhöfe zu betreten, der Fall ist. Ebenso bedarf es keiner Erörterung, daß die 36 Z. B. Ausgangsbeschränkungen nach §§ 10 Abs. 1 Nr. 5, 14 der WehrdisziplinarO v. 15. 3.1957 (BGBl. I S. 189), die i n dem Verbot bestehen, „sich von Dienstschluß an oder einer bestimmten Stunde danach außerhalb der U n t e r k u n f t aufzuhalten". 37 Vgl. z. B. A r t . 26 des Bayer. Landesstraf- u. VerordnungsG v. 17. 11. 1956 (BayBS I 327). 38

Diss. S. 38; ebenso Baerensprung,

Diss. S. 27.

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2. Kap.: Freizügigkeit u n d Bewegungsfreiheit

Freizügigkeit nicht durch das Aufstellen von Parkverbotsschildern berührt w i r d 3 9 . c) Allerdings gibt es Maßnahmen, die sowohl die Freizügigkeit als auch die Bewegungsfreiheit beschränken. Beide Grundrechte werden berührt, wenn beispielsweise aus seuchenpolizeilichen Gründen das Verlassen oder Betreten einer Ortschaft untersagt wird. I n diesen Fällen ist sowohl eine kurze Stadtbesichtigung wie auch ein Reiseaufenthalt für Auswärtige untersagt. I n beide Grundrechte w i r d ferner eingegriffen, wenn i m Zuge der Polizeiaufsicht einem Verurteilten gem. § 39 Abs. 1 StGB der Aufenthalt in einer Ortschaft schlechthin untersagt wird. Da in beiden Beispielsfällen sowohl A r t . 2 Abs. 1 als auch A r t . 11 eingeschränkt werden, ist die Zulässigkeit der Grundrechtseingriffe an den Schrankenvorbehalten beider Grundrechtsbestimmungen zu messen. Sie ergibt sich für die Freizügigkeit aus dem seuchenpolizeilichen und dem präventiven Kriminalvorbehalt des Art. 11 Abs. 2. 2. Verhältnis von Freizügigkeit und Freiheit der Person

Die Freiheitsbereiche des A r t . 11 und des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 stehen nebeneinander und nicht i m Verhältnis der Spezialität zur Generalität. Beschränkungen der Freizügigkeit berühren die Freiheit der Person nicht. Nur wenn ein Eingriff in Art. 11 zwangsweise durchgesetzt wird, werden beide Grundrechte tangiert, wie z. B. bei zwangsweisen Deportationen. Allerdings ist die Freiheit der Person Voraussetzung für die Ausübung des Freizügigkeitsrechts. Nur wer auf freiem Fuße lebt, kann von A r t . 11, wie auch von anderen Grundrechten, die Mobilität erfordern, Gebrauch machen. Jede Freiheitsentziehung beschränkt begriffsnotwendig auch die Freizügigkeit 4 0 . Die Ausübung des Freizügigkeitsrechts ist davon abhangig, daß Eingriffe i n die Freiheit der Person unterbleiben. Dennoch ist A r t . 2 Abs. 2 Satz 2 nicht lex specialis, weil der Freiheitsbereich des A r t . 11 nicht i n der Freiheit der Person enthalten ist.

39 Überflüssig insoweit die Ausführungen des O L G Frankfurt N J W 1955, 1769 1. Sp. u n d des VGH Kassel N J W 1964, 566 f. 40 Ebenso Dürig i n Maunz/Dürig/Herzog A r t . 11 Rdnr. 24 u. A r t . 2 Abs. 1 S. 67 Fußn. 2; ferner O L G Celle, DVB1.1961, 175. Vgl. auch BayObLG, J W 1925, 64 r. Sp. m. A n m . v. Nawiasky.

Drittes

Kapitel

Vermögensmitnahmefreiheit und wirtschaftliche Freizügigkeit Wenn auch die persönliche Freizügigkeit, die „Zugfreiheit an sich", m i t Recht i m Vordergrund jeder Interpretation des A r t . 11 steht, so darf doch nicht vergessen werden, daß sie zunächst nur ein „nudum ius" verleiht. Das allein ist i n einer (möglicherweise) klassen-, aber nicht güterlosen Gesellschaft, i n der das Einkommen aus dem Beruf regelmäßig die wirtschaftliche Lebensgrundlage des einzelnen bildet, wenig. Solange die Freizügigkeit nicht das Recht einschließt, die w i r t schaftlichen Bindungen zur Altgemeinschaft zu lösen und zur Neugemeinschaft zu begründen, ist sie nur von theoretischer Bedeutung. Denn nur die wenigsten werden bereit sein, ihren Wohnort zu verlegen, wenn sie nicht auch das Recht haben, ihren Besitz mitzunehmen und am Ort ihrer neuen Niederlassung ihrem Beruf oder Gewerbe nachzugehen. Unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Abstützung interessiert daher die Frage, ob A r t . 11 eine „Vermögensmitnahmefreiheit" und das von jeher als wirtschaftliche Freizügigkeit bezeichnete Recht umfaßt, am Orte der Niederlassung unter den für Einheimische geltenden Bedingungen ein Gewerbe zu betreiben und Grundstücke zu erwerben.

§ 12: Die Vermögensmitnahmefreiheit 1. Die Vermögensmitnahmefreiheit w i r d schon i n den ersten Verfassungsbestimmungen über den freien Zug erwähnt. Bereits i m Tübinger Vertrag von 15141 w i r d i m Falle der Verheiratung eines Kindes außer Landes die Verfügungsbefugnis „ m i t Abzug des zehennden pfennigs, aller Hab die das yßgestürt kind hinuß n i m p t " gewährt. Später w i r d die Freizügigkeit allgemein als das Recht umschrieben, „ m i t seiner Habe aus der Heimat, ohne Abzugsgeld, fortzuziehen" 2 . I n der Folgezeit war dann auch bei einem Wegzug nicht mehr das 1 Abgedruckt bei Dürig, Gesetze des Landes Baden-Württemberg. 2 Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 4 Abt. 1, Hälfte 1 (Leipzig 1878) Sp. 125 sub „Freizügigkeit".

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3. Kap.: Vermögensmitnahmefreiheit u n d wirtschaftliche Freizügigkeit

Recht z u r V e r m ö g e n s m i t n a h m e , s o n d e r n n u r noch d i e F r a g e p r o b l e matisch, ob u n d i n w e l c h e r H ö h e sog. A b f a h r t s - u n d A b z u g s g e l d e r oder N a c h s t e u e r n (ius detractus, gabella e m i g r a t i o n i s ) e r h o b e n w e r d e n d u r f t e n . Das Recht d e r V e r m ö g e n s m i t n a h m e w u r d e i n d e n V e r f a s s u n g s b e s t i m m u n g e n des 19. J a h r h u n d e r t s , m i t A u s n a h m e des P a t e n t s f ü r das H e r z o g t u m Nassau 3 , n i c h t m e h r a u s d r ü c k l i c h e r w ä h n t 4 , sond e r n e r g i b t sich i m p l i z i t aus d e r zugesicherten F r e i h e i t v o n A b f a h r t s g e l d e r n 5 u n d aus B e s t i m m u n g e n w i e § 33 A b s . 2 d e r Verfassungsu r k u n d e des K ö n i g s r e i c h s W ü r t t e m b e r g 6 , w o n a c h „das V e r m ö g e n d e r jenigen Kinder, welche nicht m i t den E l t e r n auswandern, i m Lande zurückbehalten w i r d " . D i e F r e i h e i t v o n A b z u g s g e l d e r n u n d d a m i t e i n unbeschränktes V e r m ö g e n s m i t n a h m e r e c h t h a t d a n n auch § 1 A b s . 2 F r e i z G i m A u g e , der sicherstellt, daß d e r B u n d e s a n g e h ö r i g e i n A u s ü b u n g seiner F r e i z ü g i g k e i t w e d e r d u r c h die O b r i g k e i t seiner H e i m a t , noch d u r c h d i e O b r i g k e i t des Ortes, i n w e l c h e m er sich a u f h a l t e n oder niederlassen w i l l , g e h i n d e r t oder d u r c h l ä s t i g e B e s t i m m u n g e n b e s c h r ä n k t w e r d e n d a r f . Das Recht, u n t e r M i t n a h m e des b e w e g l i c h e n V e r m ö g e n s o h n e j e d e B e h i n d e r u n g abziehen z u d ü r f e n , w a r d u r c h d i e V e r f a s s u n g s e n t w i c k 3 v. 1/2.9.1814 (abgedruckt bei Zachariä S.749); „ W i r haben i n landesherrlichen Edicten Unseren Unterthanen u n d Staatsangehörigen den freien Abzug m i t I h r e m Vermögen, nach erfüllter Militairpflicht, i n alle diejenigen Staaten zugestanden, w o gleiche Abzugsfreiheit i n Unser Gebiet gestattet wird." 4 Anders dagegen i m Schweiz, u. österr. Verfassungsrecht. Vgl. A r t . 62 Schweiz. Bundesverf. v. 29.5.1874 (hierzu Burckhardt, Kommentar, A r t . 62 Bern. I I S. 580 u n d Fischli i n Veiter/Klein, Menschenrechte S. 82); ferner A r t . 4 Abs. 1 u. 4 österr. StGG, hierzu Ermacora, Handbuch S. 111 ff.). s A r t . 18 l i t . c der Deutschen Bundesakte v. 8. 6.1815 (E. R. Huber, D o k u mente Bd. I S. 75); §136 der Paulskirchenverf. v. 28.3.1849 (RGBl. S. 101); A r t . 10 der Verf.-Urk. f. d. Preuß. St. v. 5.12.1848 (GS S. 375) u n d A r t . 11 der Verf.-Urk. f. d. Preuß. St. v. 31.1.1850 (GS S. 17); A r t . 4 lit. a der Constitutions-Ergänzungs-Acte zu der alten Stadtverfassung der Freien Stadt F r a n k f u r t v. 19.7.1816 (Zachariä S. 1149); §12 der Verf.-Urk. f ü r das Großherzogtum Baden v. 22. 8.1818 (Stoerk S. 214) i. V. m. Nr. 1 ff. der VO v. 14. 8.1817 (Staats- u. RegBl. S. 77); §70 des Grundgesetzes für das Herzogtum Sachsen-Altenburg v. 29.4.1831 (Stoerk S. 406); A r t . 35 der Neuen Landschaftsordnung f ü r das Herzogtum Braunschweig v. 12.10. 1832 (Stoerk S. 336); §47 des Verfassungsgesetzes f ü r das Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen v. 12.12.1849 (Zachariä S. 989); §1511 des L a n desverfassungsgesetzes f ü r das Herzogtum A n h a l t - B e r n b u r g v. 28.2.1850 (Zachariä S. 962); § 29 des Staats-GG der Herzogtümer Coburg u n d Gotha v. 3.5.1852 (Stoerk S. 445); §1811 des Revidierten Staatsgrundgesetzes f ü r das Fürstentum Reuß j. L . v. 14. 4.1852 (Stoerk S. 535); A r t . 1 des Gesetzes für die Landgrafschaft Hessen-Homburg, die individuellen Personenrechte betreffend, v. 20. 4.1852 (Zachariä S. 1118); A r t . 55 § 2 des Revidierten Staatsgrundgesetzes f ü r das Großherzogtum Oldenburg v. 22.11.1852 (Zachariä S. 910); §9 der Verf. der Freien Hansestadt Bremen v. 21.2.1854 (Stoerk S. 593); § 25 I I I des Gesetzes, die Verf. des Fürstentums Reuß ä. L. betreffend, v. 28. 3.1867 (Stoerk S. 519). e v. 25. 9.1819 (Stoerk S. 175).

§12: Die Vermögensmitnahmefreiheit

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lung i m 19. Jahrhundert ein so selbstverständliches Element des Freizügigkeitsrechts geworden, daß es i n den Konstitutionen des 20. Jahrhunderts nicht mehr ausdrücklich erwähnt wurde. Ein verfassungsrechtlicher Rückschritt war damit zu keiner Zeit beabsichtigt und kann auch der verkürzenden Formulierung des A r t . 11 nicht entnommen werden. 2. Verfassungssystematische Bedenken können ebenfalls nicht geltend gemacht werden. Die Verankerung des Eigentumsschutzes i n A r t . 14 spricht nicht dagegen, das Recht zur Vermögensmitnahme i m Falle einer Wohnsitz- oder Aufenthaltsverlegung A r t . 11 zu entnehmen. Denn beide Grundrechtsbestimmungen differieren i n ihrer Schutzrichtung: A r t . 14 sichert schlechthin das Eigentum gegen staatliche Eingriffe, während A r t . 11 i m Falle eines Wegzugs das Recht zur M i t nahme des beweglichen Vermögens garantiert. Für diesen Fall steht A r t . 11 zu A r t . 14 i m Verhältnis der Spezialität. Die Aufdeckung der Grundrechtskonkurrenz zwischen A r t . 11 und 14 als Spezialität hat für das Vermögensmitnahmerecht erhebliche Konsequenzen: Einmal w i r d das Recht, zusammen m i t seiner beweglichen Habe zu ziehen, dem eingriffsoffenen, weil sogar ausfüllungsbedürftigen A r t . 14 (arg. Abs. 1 Satz 2) entzogen und dem wegen seines qualifizierten Gesetzesvorbehalts eingriffsunfreundlichen A r t . 11 zugewiesen. Zweitens w i r d das auf Grund der verfassungsgeschichtlichen Entwicklung i m 19. Jahrhundert m i t dem Freizügigkeitsrecht verbundene Verbot der Nachsteuer aus einer Zone minderen Grundrechtsschutzes gebracht, in die es spätestens gerät, wenn man m i t der herrschenden Meinung 7 dem A r t . 14 eine Schutzfunktion gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten abspricht und allein auf A r t . 2 Abs. 1 rekurriert. Wohin eine oberflächliche Grundrechteinterpretation führen kann, zeigt der Fall eines Berliner Industriellen, der nach Westdeutschland ziehen wollte, vom Berliner Senat aber nicht die Genehmigung zur Verlagerung seiner maschinellen Anlagen erhielt. Hierzu führt der Bundesgerichtshof 6 aus, es sei „nicht ersichtlich, wie bei der jetzigen Fassung des Freizügigkeitsartikels Eigentumsbeschränkungen durch Ausfuhrverbote irgendwie als Verletzung der Freizügigkeit i n Betracht kommen könnten". Gerade dieser Sachverhalt ist ein Musterbeispiel für die Bedeutung der Vermögensmitnahmefreiheit, deren enger Zusammenhang m i t der persönlichen Freizügigkeit heute offenbar nicht mehr gesehen wird. 7 BVerfGE 4, 7 (17); 8, 274 (330); 10, 89 (116); 354 (371); 11, 105 (126); 14, 221 (241). Kimminich, Bonner Kommentar (Zweitbearb.) A r t . 14 Rdnr. 11 m i t weiteren Nachweisen. 8 Verw. Rspr. Bd. 5 (1953) S. 686 ff. (690) = JR 1953 S. 296.

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3. Kap.: Vermögensmitnahmefreiheit u n d wirtschaftliche Freizügigkeit

§ 13: Die wirtschaftliche Freizügigkeit Neben der persönlichen Freizügigkeit, d. h. dem Recht, i n jeder Gemeinde Wohnsitz und Aufenthalt zu nehmen, enthielten die Freizügigkeitsbestimmungen bisher i n „historisch bedingter Dreierkonnexität" 1 weiterhin Aussagen über die Gewerbefreiheit und die Freiheit des Grundstückserwerbs (wirtschaftliche Freizügigkeit) 2 . Noch Art. 111 WRV hatte die Freizügigkeit als das Recht bezeichnet, „sich an beliebigem Orte des Reichs aufzuhalten und niederzulassen, Grundstücke zu erwerben und jeden Nahrungszweig zu betreiben". I n ähnlicher Weise war sie i n § 1 FreizG gewährt und ebenfalls i n §133 der Frankfurter Reichsverfassung vorgesehen. Auch das gemeinsame Indigenat des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reiches von 1871, das die Gleichbehandlung der Angehörigen fremder Bundesstaaten mit den Einheimischen einführte, sah ausdrücklich deren Recht „zum festen Wohnsitz", „zum Gewerbebetrieb" und zur „Erwerbung von Grundstücken" unter den für Einheimische geltenden Voraussetzungen vor. A n diese Definition haben sich auch einige der nach 1945 erlassenen deutschen Landesverfassungen angelehnt, soweit sie die Freizügigkeit umschreiben 3 . Bei der Grundgesetzinterpretation w i r d nun vielfach unter Hinweis auf A r t . 12 und 14 festgestellt, daß aus dem Freizügigkeitsrecht die Teilrechte der freien Berufswahl und des freien Grundstückserwerbs ausgeklammert und anderen Verfassungsbestimmungen zugewiesen seien 4 . Diese Argumentation übersieht jedoch, daß die A r t . 12 und 14 altes Verfassungsgut enthalten, das neu entdeckte Konkurrenzproblem also schon früher hätte bestehen müssen. Sie verkennt gleichzeitig den Inhalt der überkommenen wirtschaftlichen Freizügigkeit, deren Schutz1 Dürig, 2

G r u n d r e c h t e i l S. 511.

Kutzer, Wörterbuch S. 854 f. bezeichnet die wirtschaftliche Freizügigkeit sogar als Freizügigkeit i m engeren Sinn u n d die persönliche Freizügigkeit als Freizügigkeit i m weiteren Sinn. Damit gibt er jedoch zu Unrecht die wirtschaftliche Freizügigkeit als Kernbereich des Grundrechts aus. Hiergegen auch R. Schmitt, Freizügigkeit, S. 1, der diese Gliederung als irreführend ablehnt, sich aber nicht gegen jegliche Unterscheidung dieser A r t . wendet, w i e Strauch, Diss. S. 3 meint. Vgl. auch Ziegler, FreizG § 1 A n m . 4 S. 72, der die persönliche Freiz. als „erste u n d wichtigste Erscheinungsform des Rechts der Freizügigkeit" bezeichnet. 3 A r t . 8 der Verfassung Badens v o m 22.5.1947 (RegBl. S. 129); A r t . 109 Abs. 1 der Verfassung Bayerns v o m 2. 12.1946 (GVB1. S. 333); A r t . 15 Abs. 1 der Verfassung f ü r Rheinland-Pfalz v o m 18. 5.1947 (VB1. S. 209). * Dürig, Grundrechte I I S. 511 f.; ders. i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 11 Rdnr. 19 ff.; v. Mangoldt/Klein, A r t . 11 A n m . 111,1 S. 347; Wernicke i n Bonner Kommentar, A r t . 11 S. 6 sub g).

§ 13: Die wirtschaftliche Freizügigkeit

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funktion die Bestimmungen der Art. 12 und 14 nicht übernehmen können. I . Historische E n t w i c k l u n g

Weder das gemeinsame Indigenat des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reichs noch das Freizügigkeitsgesetz sicherten jedem Bundesangehörigen schlechthin Gewerbefreiheit und freien Grundstückserwerb 5 zu. Das versteht sich für das Indigenat von selbst. Dieses gewährte nicht selbst Rechte, sondern bestimmte nach A r t einer völkerrechtlichen Meistbegünstigungsklausel nur, daß Fremde hinsichtlich der bürgerlichen Rechte, insbesondere des Gewerbebetriebs und des Grundstückserwerbs, wie Einheimische zu behandeln seien. Ähnliches gilt für das Freizügigkeitsgesetz. Bei seiner Beratung wurde hervorgehoben, daß es keine Gewerbefreiheit bringen könne, weil die Gesetzgebung der Einzelstaaten noch zu unterschiedlich sei 6 . Der Abgeordnete Miquel betonte i m Reichstag ausdrücklich, daß das Freizügigkeitsgesetz keine Gewerbefreiheit gebe, aber hinsichtlich des Gewerbebetriebs und des Erwerbs von Grundeigentum den Auswärtigen m i t den Einheimischen vollständig gleichstelle, w o r i n allein der Begriff der Freizügigkeit beruhe; die Einführung der Gewerbefreiheit sei hingegen „nicht eine Frage der Freizügigkeit, sondern eine Frage nach den Rechten der Einheimischen" 7 . Das entsprach auch dem politischen Anliegen der Freizügigkeit, die wie alle Freiheitsrechte nicht aus einer abstrakten Verwirklichung liberaler Ideen, sondern als Reaktion auf konkrete Freiheitsbeschränkungen 8 entstanden ist. Aussagen über den Betrieb eines Gewerbes und die Grunderwerbsfreiheit wurden i n das Freizügigkeitsgesetz aufgenommen, weil diese bis dahin oftmals an das Gemeindebürgerrecht geknüpft waren. Ebenso wie die persönliche Freizügigkeit eine Gleichstellung jedes Bundesangehörigen m i t den Einheimischen durch Gewährung des Aufenthalts- und Niederlassungsrechts bezweckte, so diente auch die wirtschaftliche Freizügigkeit allein diesem Ziel. Sie war als Komplementärfreiheit erforderlich, u m den freien Zug zu ermöglichen. Ihre große Bedeutung liegt i n dem Diskriminierungsver5

Vgl. Motive zu dem Gesetz über die Freizügigkeit, Sten.Ber. d. Reichstages des Nordd. Bundes Bd. I I (1867) S. 120. 6 Anträge, den Zunftzwang i n § 1 FreizG aufzuheben, wurden i n der Gesetzeskommission abgelehnt. Vgl. den Bericht der 6. Commission, Sten. Ber. a.a.O. S. 186. 7 Verhandlungen des Reichstages des Nordd. Bundes, 25. Sitzung v. 21.10. 1867 (Sten. Ber. Bd. 11867 S. 541). 8 Vgl. Forsthoff, Festschrift f. C. Schmitt S. 40; Scheuner, DÖV 1967, 590 1. Sp. 5

Merten

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3. Kap.: Vermögensmitnahmefreiheit u n d wirtschaftliche Freizügigkeit

bot. Über das Gebot, Einheimische und Fremde gleich zu behandeln, ist die wirtschaftliche Freizügigkeit aber nicht hinausgegangen 9 . Demgemäß hatte das Freizügigkeitsgesetz in § 1 Abs. 1 Nr. 3 das Recht, „Gewerbe aller A r t zu betreiben" nur „unter den für Einheimische geltenden gesetzlichen Bestimmungen" gewährleistet 10 . Folgerichtig wurde zwei Jahre später die Gewerbefreiheit nicht durch eine Änderung des Freizügigkeitsgesetzes, sondern durch die Gewerbeordnung 1 1 eingeführt. Nur der Grundgedanke des Differenzierungs- und Diskriminierungsverbotes und das historische Anliegen der Umwandlung der Bürgergemeinden i n Einwohnergemeinden erklärt die Trinität des § 1 FreizG. Von diesem Hintergrunde losgelöst, bestünde kein rechtlicher Zusammenhang zwischen den Teilrechten, und es wäre nicht einzusehen, weshalb § 1 Abs. 1 Nr. 2 FreizG aus dem Eigentumsschutz nur und gerade die Grunderwerbsfreiheit herausgreift. Ein Inhaltswandel der wirtschaftlichen Freizügigkeit ist auch unter der Weimarer Reichsverfassung nicht eingetreten. Das zeigt schon die systematische Stellung des A r t . 111 WRV, der auf den Gleichheitssatz des A r t . 109 folgt und unmittelbar an die Vorschrift des A r t . 110 Abs. 2 anschließt, wonach jeder Deutsche „ i n jedem Lande des Reichs die gleichen Rechte und Pflichten wie die Angehörigen des Landes selbst" hat. Diese Aufeinanderfolge legt auch eine inhaltliche Verwandtschaft der Verfassungsartikel nahe, die sich zwanglos ergibt, wenn man in den A r t . 110 und 111 WRV Anwendungsfälle des allgemeinen Gleichheitssatzes des A r t . 109 sieht, wobei A r t . 110 Abs. 2 die Gleichbehandlung der Angehörigen verschiedener Länder und A r t . 111 ein Verbot der Diskriminierung zwischen Einheimischen und Ortsfremden statuiert. Dabei werden die Sachzusammenhänge, die schon zwischen dem gemeinsamen Indigenat des A r t . 3 RV und § 1 FreizG bestanden, i n den Nachfolgevorschriften der A r t . 110 und 111 WRV durch die räumliche Nähe noch deutlicher. Zwar fehlt i n A r t . 111 WRV für das Recht, „jeden Nahrungszweig zu betreiben" der einschränkende Zusatz „unter 9 Wenn Smoschewer, JW1924 S. 784 r. Sp., der Qualifizierung des § 1 FreizG als eines Rechts auf Gleichbehandlung den „ W o r t l a u t des § 1 Abs. 2 FreizG entgegenhält u n d einwendet, das so interpretierte Recht sei keine „Befugnis", es könne nicht „ausgeübt" u n d erst recht könne die „Ausübung dieser Befugnis" nicht „gehindert" werden, so handelt es sich u m eine typische begriff s juristische Argumentation, die nicht zu überzeugen vermag. 10 Dagegen braucht eine ähnliche Einschränkung f ü r die Grunderwerbsfreiheit i n § 1 1 Nr. 2 FreizG nicht vorgesehen zu werden, w e i l dieses Recht f ü r Gemeindebürger — abgesehen von den durch das FreizG beseitigten konfessionellen Benachteiligungen — damals keinen öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterlag. n v. 21.6.1869 (BGBl. S. 245). Z u r Geschichte der Gewerbefreiheit i n Preußen, Giese, Grundrechte S. 115.

§ 13: Die wirtschaftliche Freizügigkeit

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den für Einheimische geltenden gesetzlichen Bestimmungen". Diese Abweichung ist jedoch durch die Änderung der Verhältnisse erklärlich: Die bei Erlaß des Freizügigkeitsgesetzes für den Gewerbebetrieb i n einigen deutschen Bundesstaaten noch bestehenden gesetzlichen Beschränkungen, insbesondere der Zunftzwang und andere „Herrlichkeiten des Mittelalters" (Wigard) 12, waren durch die Gewerbeordnung abgeschafft, und das Gewerberecht war vereinheitlicht worden. Auch aus der Entstehungsgeschichte des A r t . 111 W R V ergibt sich kein Hinweis für eine Inhaltsänderung 13 . Dieses Schweigen ist deswegen bedeutsam, w e i l es zu dieser Zeit nicht nur Reichs- 14, sondern auch Landesgesetze 15 gab, die die Grunderwerbsfreiheit beschränkten, A r t . 111 Satz 3 WRV jedoch ausdrücklich nur eine Einschränkung durch Reichsgesetz zuließ. Es hätte daher nahegelegen, bei den Verfassungsberatungen die Fortgeltung einschränkender Landesgesetze zu erörtern, wenn man i n A r t . 111 WRV über den bisherigen Rechtszustand hinausgehend die Grunderwerbsfreiheit schlechthin hätte sicherstellen wollen 1 6 . Als bloßes Recht auf Gleichbehandlung hat auch das Reichsgericht 17 stets die Freizügigkeit interpretiert. So hat es eine Verletzung des A r t . 111 WRV durch Landesgesetze, die die Grunderwerbsfreiheit für alle Reichsangehörigen beschränkten, m i t der Begründung verneint, 12 Verhandlungen des Reichstags des Nordd. Bundes, 25. Sitzung v. 21.10. 1867 (Sten.Ber. Bd. 11867 S. 540 r. Sp.). 13 I n den Verhandlungen der Nationalversammlung (54. Sitzung v. 11.7. 1919) hatte der Berichterstatter, Dr. Düringer, lediglich erwähnt, daß A r t . 110 — der spätere A r t . 111 W R V — das Prinzip der Freizügigkeit aufstelle, „übereinstimmend m i t dem geltenden Recht". (Verhandl. der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 328 S. 1497.) Vgl. auch den Bericht des Verfassungsausschusses (Verhandl. der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 336, A n l . zu den Sten. Ber., Nr. 391 S. 373 u. 499). 14 Ebenso Verordnungen: Vgl. z. B. die Bekanntmachung über den Verkehr m i t landwirtschaftlichen Grundstücken v. 15.3.1918 (RGBl. S. 123), nach dessen § 1 die Auflassung bestimmter Grundstücke der behördlichen Genehmigung bedurfte. is z. B. § 15 des preußischen Gesetzes betreffend die Verteilung der öffentlichen Lasten bei Grundstücksteilungen u n d die Gründung neuer Ansiedlungen v. 25. 8.1876 (GS S. 405). 16 Der Hinweis Smoschewers, J W 1924 S. 784 1. Sp., auf die unterschiedliche gesetzgeberische Situation i n den Jahren 1867 u n d 1919 reicht f ü r eine I n haltsänderung nicht aus. Entgegen seiner Auffassimg müßten nicht f ü r eine Beibehaltung, sondern f ü r eine Änderung des bisherigen Rechtszustandes Anhaltspunkte vorliegen. 17 RGZ 107, 261 (264); 84, 100 (105); 73, 16 (20); ebenso Rechtsgutachten des KG betr. die Rechtsgültigkeit des preuß. Gesetzes über den Verkehr m i t Grundstücken v. 10.2.1923 (GS S. 25) i n JMB1.1923 S. 690 ff. (691 r.Sp.); Rohmer i n Nipperdey, Grundrechte I S. 239 u. 248; vgl. Anschütz, WRV, A r t . 111 A n m . 2. A . A . Arndt, AöR Bd. 25 S. 458; w o h l auch Apeit, Geschichte S. 322.



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daß dieses Grundrecht lediglich alle Reichsangehörigen hinsichtlich der Niederlassungs- und Grunderwerbsfreiheit gleichstellen und nur eine Beeinträchtigung dieses Rechts aus Gründen, die i n der Person des einzelnen liegen, ohne reichsgesetzlichen Grund verbieten wollte. Auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof 18 betont heute, daß der dem A r t . 111 WRV beinahe wörtlich entsprechende A r t . 109 Abs. 1 BayVerf nicht das Grundrecht der Gewerbefreiheit enthalte, sondern den einzelnen (lediglich) davor schütze, daß er an einem Ort i n seiner Erwerbstätigkeit deshalb behindert werde, weil er neu zugezogen und nicht alteingesessen sei. Nach allem hat auch A r t . 111 WRV nur die wirtschaftliche Freizügigkeit als Gleichbehandlung Ortsfremder und Einheimischer beim Gewerbebetrieb und beim Grunderwerb, nicht aber die Gewerbefreiheit und Grunderwerbsfreiheit schlechthin statuiert. Andernfalls wäre es unverständlich, weshalb die Weimarer Reichsverfassung im Grundrechtsabschnitt über „Das Wirtschaftsleben" neben der Vertragsfreiheit, dem Schutz des Eigentums und des Erbrechts i n Art. 151 Abs. 3 „die Freiheit des Handels und des Gewerbes . . . nach Maßgabe der Reichsgesetze gewährleistet" hat. Nur bei der Interpretation des A r t . 111 als Gleichbehandlungsgebot erscheint das Nebeneinander der A r t . 111 und 151 Abs. 3 sinnvoll. So wie A r t . 111 WRV die verfassungsrechtliche Bekräftigung des § 1 FreizG ist, so hat der Grundsatz des § 1 GewO i n A r t . 151 Abs. 3 WRV seinen Verfassungsniederschlag gefunden. Die Entstehungsgeschichte ergibt, daß bei der Fassung dieser Vorschrift peinlich auf eine Übereinstimmung m i t der Gewerbeordnung geachtet wurde 1 9 . Anders ist auch die ausdrückliche Erwähnung des Gewerbes und des Bodenrechts neben der Freizügigkeit i n der Kompetenzvorschrift des A r t . 6 Nr. 6 WRV nicht zu erklären, die überflüssig wäre, wenn schon die Freizügigkeit des A r t . 111 WRV die Gewerbefreiheit und die Grunderwerbsfreiheit umfaßte. I I . A r t . 11 als Schutzort der wirtschaftlichen Freizügigkeit

Für die Interpretation des A r t . 11 stellt sich also gar nicht die Frage, ob er die freie Berufswahl und den freien Grundstückserwerb sichert, da diese Rechte auch früher nicht i m Freizügigkeitsrecht enthalten is BayerVerfGH, Verw. Rspr. Bd. 1 S. 149 f.; BayerVerfGHE N.F. Bd. 5 T. I I S. 119 ff. u n d 297 ff. Ebenso Leisner, Die bayerischen Grundrechte S.74 f. 19 Vgl. den A n t r a g 304, Ziff. 1 des Abg. Dr. Düringer, wodurch der spätere A r t . 151 Abs. 3 seine endgültige Fassung erhielt (Verhandlungen der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung Bd. 336 S. 509). Vgl. ferner den A n t r a g 247 des Abg. Dr. Beyerle, die Freiheit des Handels und Gewerbes „nach Maßgabe der Gewerbeordnung" zu gewährleisten (a.a.O. S. 383).

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waren. Vielmehr ist lediglich zu ermitteln, ob die Verfassungsbestimmung weiterhin das als wirtschaftliche Freizügigkeit bezeichnete Recht der Gleichbehandlung mit den Einheimischen hinsichtlich der Berufsausübung und des Grunderwerbs enthält. Dabei können aus dem systematischen Nebeneinander der A r t . 11, 12 und 14 keine Rückschlüsse gezogen werden, da die Weimarer Reichsverfassung ebenfalls neben dem Art. 111 Vorschriften über die Gewerbefreiheit und den Eigentumsschutz enthielt. Vorläufer der A r t . 12 und 14 ist nicht A r t . 111 WRV, sondern sind die Art. 151 Abs. 3 2 0 und A r t . 153 WRV. Bei den Verhandlungen i m Parlamentarischen R a t 2 1 hat man allerdings den Grundrechtscharakter der wirtschaftlichen Freizügigkeit nicht richtig erkannt. Während man die Freizügigkeit ursprünglich als das Recht jedes Bundesangehörigen formulierte, „an jedem Ort des Bundesgebiets seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen sowie seinen Beruf und seinen Arbeitsplatz frei zu wählen", wurde die Materie dann i n zwei A r t i k e l n geregelt: A r t . 5, der spätere A r t i k e l 11, sah das Recht zum Aufenthalt und Wohnsitz, A r t . 5 a, der spätere A r t . 12, die freie Wahl des Berufes und des Arbeitsplatzes vor. Die Grunderwerbsfreiheit war von vornherein nicht in den Grundrechtskatalog aufgenommen worden, weil man meinte, daß eine derartige Garantie angesichts umfangreicher gesetzlicher Beschränkungen nicht i m Einklang m i t der Rechtswirklichkeit stehen würde 2 2 . Gerade das letzte Argument ist ein Beweis für die Fehleinschätzung des überkommenen Freizügigkeitsrechts, denn ähnliche gesetzliche Beschränkungen hatten auch zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung bestanden, ohne daß sie von der herrschenden Meinung als Eingriff i n die Freizügigkeit verstanden wurden. Daher muß aus der Entscheidung des Verfassungsgebers, die Freiheit der Berufswahl und die Grunderwerbsfreiheit aus A r t . 11 herauszuhalten, nicht der Schluß gezogen werden, daß auch die wirtschaftliche Freizügigkeit aus dieser Bestimmung eliminiert wurde, zumal man als Vorläufer der Berufsfreiheit A r t . 111 und nicht A r t . 151 Abs. 3 WRV angesehen hatte 2 3 . Aus der Entstehungsgeschichte folgt nicht zwingend, daß der Parlamentarische Rat die Freizügigkeit auf das bloße Recht zu Wohnsitz und Aufenthalt an jedem Ort reduzieren und das Recht, sich dort i n gleicher Weise 20 So auch BVerfGE 7, 377 (397), wobei es allerdings A r t . 151 Abs. 3 W R V als objektives Prinzip der Gesellschafts- u n d Wirtschaftsordnung ansieht. Hiergegen zu Recht Bachof, Grundrechte I I I / l S. 164 Fußn. 33 unter Berufung auf Anschütz, WRV, A r t . 151 A n m . 4 S. 701. 21 Vgl. Matz i n JöR N. F. Bd. 1 S. 128 u. S. 133 f. 22 Vgl. Matz a.a.O.; v.Mangoldt, A r t . 11 A n m . 2. 23 Vgl. Matz a.a.O. S. 133 f.

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3. Kap.: Vermögensmitnahmefreiheit u n d wirtschaftliche Freizügigkeit

wie die Einheimischen wirtschaftlich zu betätigen, abschaffen wollte. Das Gegenteil klingt i n den Ausführungen des Abgeordneten Zinn an: Von Freizügigkeit könne nur dann die Rede sein, wenn jeder i n der Lage sei, seinen Arbeitsplatz frei zu wählen 2 4 . Tatsächlich ist die wirtschaftliche Freizügigkeit ein wesentliches Element des Grundrechts 25 . Erst die Gleichstellung des Zuziehenden m i t dem Alteingesessenen i n der wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeit verleiht der persönlichen Zugfreiheit ihren praktischen Wert. Die Freiheit des Ziehens ohne wirtschaftliche Freizügigkeit wäre die Zugfreiheit für Rentiers 26 und Couponschneider. Für einen solchen Rückschritt fehlt i m Grundgesetz jeder Ansatzpunkt 2 7 . A r t . 3 Abs. 3 und A r t . 33 Abs. 1 zeigen, daß Deutsche nicht nur i n jedem Land die gleichen Rechte genießen, sondern auch innerhalb eines Landes nicht wegen ihrer örtlichen Herkunft, der Heimat 2 8 , diskriminiert werden dürfen. Daher liegt es nahe, daß die bisher i m Freizügigkeitsrecht enthaltene spezielle Ausprägung des Gleichheitssatzes, das Verbot der Diskriminierung zwischen Ortsansässigen und Zuziehenden hinsichtlich ihrer beruflichen Tätigkeit, verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Dieser Grundrechtsschutz ist andererseits trotz der speziellen Gleichheitsbestimmungen der Art. 33 Abs. 1 und 3 Abs. 3 nicht überflüssig. Denn A r t . 33 Abs. 1 gewährleistet seinem Wortlaut nach nur die gleichen staatsbürgerlichen Rechte für alle Deutschen i n jedem Bundesland, und es ist zumindest fraglich, ob damit auch andere Rechte als die des status activus gemeint sind 2 9 . A r t . 3 Abs. 3 stellt — jedenfalls nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts — kein absolutes Differenzierungsverbot dar, sondern verbietet nur eine Ungleichbehandlung, für die die i n A r t . 3 Abs. 3 aufgeführten Gründe ursächlich sind 3 0 . Geht man bei einer Zusammenschau der Art. 11 und 12 31 davon aus, daß nach wie vor die wirtschaftliche Freizügigkeit geschützt wird, so muß doch wegen der unterschiedlichen Schrankenregelungen entschieden werden, ob man diese Komponente der Freizügigkeit i n A r t . 11 oder A r t . 12 ansiedeln w i l l . Ihre geschichtliche Herkunft und ihre Un24 Hierüber berichtet Matz a.a.O. S. 134. 25 Ä h n l i c h Rüfner, Staat 1968 S. 48. 26 So Braun, Preuß. Jahrb. Bd. 20 S. 426. 27 I m Ergebnis auch Thoma, AöR Bd. 75 S. 363 f.; a. A. Wernicke , Bonner Kommentar A r t . 11 I I 1 g; Dürig, Grundrechte I I S. 511 ff. 28 BVerfGE 5, 17 (22); 9, 124 (128); unentschieden noch BVerfGE 2, 266 (286). 29 F ü r diese weite Interpretation Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog A r t . 33 Rdnr. 6. Sie k a n n sich auf die frühere Regelung des A r t . 110 Abs. 2 W R V stützen, a. A . v. Mangoldt/Klein A r t . 33 A n m . I I 1 a. 30 BVerfGE 2, 266 (286); 5, 17 (22). 31 Vgl. auch Ballerstedt, Grundrechte I I I / l S. 84 f., der die Bedeutung des A r t . 11 jedoch lediglich i n der Mobilität der Arbeitskräfte sieht.

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erläßlichkeit für die Effektivität der Zugfreiheit sprechen dafür, sie in A r t . 11 zu lokalisieren 32 . Auch w i r d sie von der für Art. 12 Abs. 1 i m Vordergrund stehenden Frage, unter welchen Voraussetzungen die Berufsausübung gesetzlich beschränkt werden kann, nicht berührt. Denn die wirtschaftliche Freizügigkeit hinderte und hindert nicht gesetzliche Regelungen der Berufsausübung, sondern allein solche Beschränkungen, die Ortsansässige und Zugezogene ungleich treffen. I I I . U m f a n g des Grundrechtsschutzes

Steht fest, daß die wirtschaftliche Freizügigkeit i n A r t . 11 verfassungsrechtlich verankert ist, so bleibt der nähere Umfang dieses Teilgrundrechts zu bestimmen. 1. Dabei taucht zunächst die Frage auf, ob die wirtschaftliche Freizügigkeit sich auch heute i n einem Verbot der Differenzierung zwischen einheimischen und neuanziehenden (selbständigen) Gewerbetreibenden erschöpft oder ob sie schlechthin ein Diskriminierungsverbot auf dem Gebiet der Berufsfreiheit enthält und damit insbesondere nicht nur selbständige, sondern auch abhängige Tätigkeiten schützt. Als liberales Grundrecht bezweckte die wirtschaftliche Freizügigkeit traditionell nur den Schutz der selbständigen Gewerbetreibenden, wie auch § 1 der Gewerbeordnung und A r t . 151 Abs. 3 WRV auf selbständige Tätigkeiten beschränkt waren. I n gleicher Weise bezog § 1 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 FreizG das Diskriminierungsverbot auf den Gewerbebetrieb. Nachdem das Grundgesetz i n Art. 12 Abs. 1 über die Gewerbefreiheit hinausgegangen ist und die grundrechtliche Gleichstellung aller beruflichen Arbeit gebracht hat 3 3 , ist auch für die w i r t schaftliche Freizügigkeit nicht länger an dem engen Gewerbebegriff festzuhalten. Wenn die Verfassung die unselbständige Berufsausübung und die Ausbildung in den Grundrechtsschutz einbezieht, so muß auch hinsichtlich dieser Tätigkeit eine Differenzierung zwischen Einheimischen und Neuankömmlingen untersagt sein. 2. Da die wirtschaftliche Freizügigkeit nur Diskriminierungen i m Bereich der beruflichen Tätigkeit verbietet, setzt die Schutzfunktion erst ein, wenn ein Eingriff i n den Bereich des A r t . 12 Abs. 1 vorliegt. Für diesen Fall untersagt A r t . 11 zusätzlich eine Differenzierung zwischen Einheimischen und Zuziehenden. Werden dagegen Einheimische oder Neuankömmlinge i n anderen Lebensbereichen diskriminiert, so werden derartige Regelungen unter dem Gesichtspunkt der wirtschaft32 So auch Maunz, Staatsrecht § 20 I I I S. 162. Nicht zu Unrecht w i r d hier A r t . 11 i m Rahmen der „Wirtschafts- u n d Sozialordnung" behandelt. Ebenso Feldmann/Geisel S. 40; Drews/Wacke S. 141. 33 Bachof, Grundrechte I I I / l S. 160 u. 186 f.; vgl. auch BVerfGE 7, 377 (397).

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3. Kap.: Vermögensmitnahmefreiheit und wirtschaftliche Freizügigkeit

liehen Freizügigkeit erst relevant, w e n n sie eine Behinderung dieses Grundrechts beabsichtigen oder wegen ihrer Intensität bewirken. Nunmehr kann auch das Problem der Zulässigkeit von Eingriffen zufriedenstellend gelöst werden, die sowohl die Freizügigkeit als auch die Berufsfreiheit berühren. Für die unproblematischen Fälle k o m m t man m i t der angebotenen Faustregel aus, daß der Bürger sich gegen die Verweigerung des Zuzugs nur auf A r t . 11 berufen, sich gegen die Versagung der Zulassung zu einem Beruf aber allein m i t H i l f e des A r t . 12 wenden kann 3 4 . Wenn aber bei einer Gewerbekonzession einheimische Antragsteller bevorzugt werden, w e n n ein Student zum Studium m i t der Begründung nicht zugelassen w i r d , daß erst die „Landeskinder" zu berücksichtigen sind, dann erscheinen die Lösungsversuche der h. M. unzureichend. Nach Bachof 35 soll die Möglichkeit der beruflichen Tätigkeit an einem bestimmten O r t zwar oft bestimmend oder sogar wirtschaftliche Voraussetzung f ü r eine Wohnsitzbegründung sein, durch Hindernisse beruflicher A r t jedoch niemand an seiner freien Wohnsitzgründung rechtlich gehindert werden. Obw o h l Dürig 36 darauf hinweist, daß Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit vielfach „faktisch" und „ m i t t e l b a r " auch den freien Ortschaftswechsel beeinträchtigen, w i l l er sie rechtlich ausschließlich an A r t . 12 messen. Wohin eine isolierte Betrachtungsweise führen kann, zeigt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 37. Nach seiner Ansicht soll A r t . 11 dem einzelnen nicht auch das Recht gewährleisten, „den erwählten Beruf an jedem Ort des Bundesgebiets auszuüben", und der Wesensgehalt der freien Berufswahl so lange nicht angetastet sein, als die Zulassung zum Beruf zumindest i n einem Bundesland gewährleistet sei. Aber selbst w e n n man aus A r t . 12 das Recht entnimmt, an jedem O r t seinen Beruf auszuüben 38 , seiner A r b e i t nachzugehen u n d sich ausbilden zu lassen 39 , muß die Gleichbehandlung m i t den Einheimischen sichergestellt sein. Jedes andere Ergebnis w ü r d e einen Rückschritt hinter das Freizügigkeitsgesetz von 1867 bedeuten u n d eine Lücke zwi34 Vgl. Bachof, Grundrechte I I I / l S. 172. 35 a.a.O. S. 171; ders. Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht Bd. I I S. 103 f. 36 Grundrechte I I S. 514. 37 BVerwGE 2, 151 (152). 38 BVerfG N J W 1969 S. 501 r. Sp.; vgl. i n diesem Zusammenhang A r t . 58 der Verfassimg v o n Rheinland-Pfalz, wonach jeder berechtigt ist, i n Übereinstimmung m i t den Erfordernissen des Gemeinwohls seinen Beruf frei zu wählen und i h n nach Maßgabe des Gesetzes i n unbehinderter Freizügigkeit auszuüben. 39 Vgl. BVerwGE 16, 241 (245 f.); Rüfner t Staat 1968 S. 48.

§ 13: Die wirtschaftliche Freizügigkeit

sehen den Grundrechten der Freizügigkeit und der lassen.

Berufsfreiheit

I V . Beschränkung und Behinderung der wirtschaftlichen Freizügigkeit 1. Beschränkungen

a) Eine Beschränkung der wirtschaftlichen Freizügigkeit enthält § 8 GaststättenG 40 . Diese Bestimmung sieht vor, daß bei einem vorübergehenden Bedürfnis der Betrieb einer Gast- oder Schankwirtschaft vorübergehend auf Widerruf gestattet werden kann, und statuiert, daß hierbei ortsansässige Inhaber einer Erlaubnis i. S. des § 1 Abs. 1 i n der Regel vor anderen zu berücksichtigen sind. Damit differenziert diese Regelung zwischen den Ortsansässigen und den Zuziehenden; sie soll sogar diejenigen Gewerbetreibenden benachteiligen, die zwar ortsansässig sind, aber ihre gewerbliche Niederlassung i n einem anderen Ort haben 41 . Selbst wenn man i n dieser Vorschrift keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des A r t . 3 Abs. 1 sehen w i l l , weil die unterschiedliche Regelung „ i n der Sache" begründet sei 42 , so steht sie nicht m i t der wirtschaftlichen Freizügigkeit i m Einklang, die unter anderem auch denjenigen, der sich nur in der Gemeinde aufhält, hinsichtlich des Gewerbebetriebs m i t den Einheimischen gleichstellt. Da die Schrankenvorbehalte des A r t . 11 den Eingriff nicht gestatten, verstößt die auf A n t r a g 4 3 der mittelständischen „Wirtschaftspartei" 4 4 i n das Gaststättengesetz aufgenommene Privilegierung der ansässigen Gewerbetreibenden gegen A r t . 11. b) A m Maßstab der wirtschaftlichen Freizügigkeit müssen sich auch diejenigen Verwaltungsvorschriften und Verwaltungsakte messen las40 v. 28.4.1930 (RGBl. I S. 146). Die Neufassung v. 5. 5.1970 (BGBl. I S. 465) konnte nicht mehr berücksichtigt werden. 41 Michel, GaststättenG (4. Aufl. 1952) S. 154. 42 So Rohmer/Eyermann, Kommentar zum GaststättenG (2. Aufl. 1952) §8 A n m . 2 S. 58. Welche sachlichen Unterschiede bestehen sollen, blieb offen. § 8 1 2 läßt sich insbesondere nicht m i t einer leichteren gewerbepolizeilichen Kontrolle der Antragsteller rechtfertigen, da die Erlaubniserteilung nach §8 GaststättenG ohnehin die Innehabung der Schankerlaubnis nach § 1 Abs. 1 voraussetzt, so daß die erforderliche Qualifikation auch der nicht ortsansässigen Antragsteller von vornherein feststeht. 43 Bericht des 8. Ausschusses (Volkswirtschaft) über den E n t w u r f eines Schankstättengesetzes, Verhandlungen des Reichstages I V . W. P. A n l . Nr. 1791 zu den Sten.Ber., S. 11, 75, 87. 44 Vgl. die aufschlußreichen „Richtlinien" dieser Partei, die u. a. die Rückkehr „zu den guten u n d einfachen Sitten der Väter" erstrebte (abgedruckt bei Wolfgang Treue, Deutsche Parteiprogramme seit 1861 [4. Aufl., Zürich, Berlin, Frankfurt, 1968] S. 150).

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3. Kap.: Vermögensmitnahmefreiheit u n d wirtschaftliche Freizügigkeit

sen, die bei der Vergabe von Studienplätzen einheimische Studenten bevorzugen 45 . Denn eine Differenzierung bei der Zulassung zum Studium darf nicht unter dem Gesichtspunkt der Ortsansässigkeit oder des Zuzugs erfolgen 46 , es sei denn, daß ein mittelloser ortsansässiger Bewerber aus sozialen Gründen bevorzugt wird, weil er sein Studium an einem anderen Studienort nicht finanzieren kann. Die freie Wahl der Ausbildungsstätte w i r d nur effektiv, wenn man sie durch das Diskriminierungsverbot aus A r t . 11 absichert. Erst dann schützt die auf Betreiben der Studenten aufgenommene Teilfreiheit wirksam die „studentische Freizügigkeit", das Recht, an jeder Universität ohne Rücksicht auf die Landeszugehörigkeit zu studieren. c) Unter dem Gesichtspunkt einer Beschränkung der wirtschaftlichen Freizügigkeit müssen schließlich Gesetzesbestimmungen geprüft werden, die wie § 69 B V F G eine bevorzugte Berücksichtigung bestimmter Personengruppen (Vertriebene, Sowjetzonenflüchtlinge) bei der Zulassung zu einem Beruf oder der Erteilung einer Gewerbeerlaubnis statuieren. Diese Gesetzesvorschriften diskriminieren jedoch nicht einheimische Bewerber, noch differenzieren sie zwischen Neuanziehenden und Ortsansässigen. Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist vielmehr ein bestimmtes Schicksal der vom Gesetz privilegierten Personengruppen, das ausgeglichen werden soll. Daher liegt keine unzulässige Differenzierung zwischen Einheimischen und Neuankömmlingen i n beruflicher Hinsicht vor. 2. Schutz vor Behinderungen

a) Anhand der wirtschaftlichen oder beruflichen Freizügigkeit ist § 1 Abs. 3 des Hessischen Gesetzes über Unterrichtsgeld, Lehrmittelfreiheit und Erziehungsbeihilfe 47 zu prüfen, wonach Unterrichtsgeldfreiheit nur den deutschen Studierenden zusteht, die ihren Wohnsitz i n Hessen oder i n einem Land haben, m i t dem Gegenseitigkeit verbürgt ist. 45 Vgl. z.B. die Richtlinien f ü r die Zulassung von Studienanfängern zum Studium der Medizin, Zahnmedizin u n d Tiermedizin der Freien Universität Berlin, i n denen f ü r das Sommersemester 1969 von den 190 vorhandenen Plätzen 140 f ü r Bewerber reserviert waren, die am 1.12.1968 ihren Wohnsitz i n B e r l i n hatten (abgedruckt i n : Informationsblatt über die Richtlinien f ü r die Zulassung von Studienanfängern zum Studium der Medizin, Zahnmedizin u n d Tiermedizin f ü r das Sommersemester 1969 i n der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von der Zentralen Registrierstelle der Westdeutschen Rektorenkonferenz). 46 Z u m Problem der Privilegierung v o n Landeskindern, vgl. Abraham, Bonner Kommentar, A r t . 12 A n m . I I 3 c; Hamann, A r t . 12 A n m . B 4; Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 1956 S. 311; ders. J Z 1959, 269; Wimmer DVB1.1967, 140; Kaiisch, DVB1. 1967, 134 ff. 47 v. 28. 6.1961 (GVB1. S. 100).

§13: Die wirtschaftliche Freizügigkeit

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Wenn die Gesetzesvorschrift auch zwischen einheimischen Studenten und solchen unterscheidet, die i n Hessen nicht ihren Wohnsitz, sondern nur ihren Studienaufenthalt haben, so fehlt es doch an einer Beschränkung der Rechte des A r t . 12. Die Erhebung von Studiengebühren läßt das Recht aller deutschen Studenten, i n Hessen zu studieren, unangetastet. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift können jedoch unter dem Gesichtspunkt der Grundrechtsbehinderung erhoben werden. Wenn die Regelung i m Ergebnis dazu führt, daß Studenten aus anderen Bundesländern von einem Studium i n Hessen abgehalten und i m Vergleich mit hessischen Studenten benachteiligt werden, stellt sie einen Eingriff in die wirtschaftliche Freizügigkeit dar. Das ist allerdings so lange nicht der Fall, wie auch i n den übrigen Bundesländern Studiengebühren erhoben werden, weil es dann an einem behindernden Effekt mangelt. Unter diesen Voraussetzungen w i r d nur eine Sozialleistung versagt. Solche „Gefällesituationen" sind i n einem Bundesstaat hinzunehmen 48 . Die verfassungsrechtliche Prüfung hat jedoch anders auszufallen, wenn einige oder die übrigen Bundesländer die uneingeschränkte Gebührenfreiheit einführen. I n diesem Falle würde die hessische Regelung grundrechtsbehindernd wirken, weil sie Studenten aus anderen Bundesländern von einem Studium i n Hessen abhielte. b) Die wirtschaftliche Freizügigkeit des A r t . 11 w i r d gleichfalls nicht dadurch verletzt, daß §§ 22, 27 des Berlinhilfegesetzes 49 eine Steuerermäßigung für Arbeitnehmer an eine Beschäftigung für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens drei Monaten knüpfen und demzufolge diejenigen steuerlich benachteiligen, die sich für kurze Zeit i n Berlin aufhalten. Auch hier liegt keine berufliche, sondern allein eine steuerliche Benachteiligung vor, die nicht grundrechtsbehindernd w i r k t . Denn das Berlinhilfegesetz beabsichtigt gerade nicht eine Schlechterstellung westdeutscher Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Berufstätigkeit i n Berlin, noch führt es diese Folge i m Ergebnis herbei. Ziel des Gesetzes ist es, einen steuerlichen Anreiz für eine Berufstätigkeit i n Berlin zu schaffen. Wenn dieser eine längere als dreimonatige Tätigkeit i n Berlin voraussetzt, so verstößt diese Regelung nicht gegen die wirtschaftliche Freizügigkeit. c) Dagegen stellte die Zweigstellensteuer eine unzulässige Behinderung der wirtschaftlichen Freizügigkeit dar. Nach § 17 des Gewerbesteuergesetzes 50 konnte der Hebesatz für Bank-, Kredit- und Waren« Vgl. hierzu Dürig i n W D S t R L H. 19 S. 133; ferner oben S. 23 Fußn. 14. 49 I n der Fassung v. 1.10.1968 (BGBl. I S. 1050). so Zuletzt i n der Fassung v. 25. 5.1965 (BGBl. I S. 459).

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3. Kap.: Vermögensmitnahmefreiheit u n d wirtschaftliche Freizügigkeit

einzelhandelsunternehmen, die i n einer Gemeinde eine Betriebsstätte unterhielten, ohne i n dieser ihre Geschäftsleitung zu haben, höher sein als für die übrigen Gewerbebetriebe. Die Absicht des Gesetzes, die ortsansässigen Einzelhandelsunternehmen gegen die Konkurrenz durch Zweigstellen auswärtiger Unternehmer zu schützen, mußte zu seiner Verfassungswidrigkeit führen 5 1 . Denn die wirtschaftliche Freizügigkeit verlangt, daß Einheimische und Ortsfremde hinsichtlich der Berufsausübung gleich behandelt werden. A n diesem Grundsatz sind nicht nur Gesetze zu messen, die unmittelbar i n die Berufsausübung eingreifen, sondern auch solche, die einen Eingriff durch die Erhebung von Abgaben beabsichtigen.

si BVerfGE 19, 101 (111); vgl. ferner Forsthoff, Die Verfassungswidrigkeit der Zweigstellensteuer (Unternehmung u n d Steuer, Heft 4, 1960) S. 21 f.; Werner Weber AöR Bd. 90, 476.

Viertes

Kapitel

Räumlicher Umfang und persönlicher Geltungsbereich der Freizügigkeit § 14: Der Umfang des Bundesgebiets I . Bedeutung der Fragestellung

Die Freizügigkeit besteht gemäß A r t . 11 „ i m ganzen Bundesgebiet", ohne daß das Grundgesetz die Grenzen dieses Gebiets ausdrücklich festlegt. Dagegen hatte noch die Weimarer Verfassung, die die Freizügigkeit gemäß A r t . 111 „ i m ganzen Reiche" gewährleistete, in A r t . 2 Abs. 1 bestimmt, daß das Reichsgebiet aus den Gebieten der deutschen Länder besteht. Der räumliche Umfang der Freizügigkeit hängt damit von einer Umschreibung des Begriffs „Bundesgebiet" ab. Während die geographische Festlegung des Staatsgebiets i m Normalfall keiner besonderen Erörterung bedarf, bereitet sie für die Bundesrepublik wegen der komplizierten und umstrittenen Rechtslage Berlins Schwierigkeiten. Eingebettet i n die allgemeine Frage, ob Berl i n ein Land der Bundesrepublik ist 1 , stellt sich für A r t . 11 das Problem, ob die Freizügigkeit von Grundgesetzes wegen das Recht umschließt, von Westdeutschland nach Berlin und umgekehrt sowie innerhalb Berlins zu ziehen. Diese Frage ist entgegen der Ansicht Dürigs 2 keineswegs nur dogmatisch, sondern sehr wohl von praktischer Bedeutung. So entscheidet allein die Auslegung des Begriffs „Bundesgebiet" darüber, ob Wehrpflichtige auf Grund des A r t . 11 auch von Westdeutschland nach Berlin ziehen dürfen oder ob sich der Schutzbereich des A r t . 11 von vornherein m i t dem auf Westdeutschland beschränkten Geltungsbereich des Wehrpflichtgesetzes deckt 3 . 1 Vgl. hierzu insbesondere BVerfGE 7, 1 (7 ff.); 19, 377 (388); Finkelnburg JuS 1967, 542 ff.; 1968, 10 ff. u n d 58 ff. m i t weiteren Nachweisen; Czermak, Die Stellung Berlins i n der Rechts-, Gerichts- u n d Finanzordnung der B u n desrepublik Deutschland, Diss. Bonn 1967 S.41ff.; a. A Wengler, LeibholzFestschrift Bd. I I S. 941; vgl. ferner unten Fußn. 13. 2 Grundrechte I I S. 516 f. 3 Vgl. hierzu BVerwGE 27, 123 m. A n m . von Merten, D Ö V 1967 S. 755.

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4. Kap.: Räumlicher Umfang u n d persönlicher Geltungsbereich I I . Die Entscheidung des Grundgesetzes

Eine Exegese hat zunächst m i t dem Verfassungstext zu beginnen, wobei sich A r t . 23 als Ansatzpunkt anbietet. Danach g i l t das Grundgesetz auch i n „Groß-Berlin", wovon offensichtlich auch die A r t . 127 und 147 Abs. 1 ausgehen. Gegenüber dem Gewicht des Art. 23 ist die Nichterwähnung Berlins in der Präambel nicht entscheidend. Unbeschadet seiner politischen Bedeutung 4 ist der Verfassungsvorspruch nicht i n derselben Weise rechtsverbindlich wie der Verfassungstext 5 . Die Länderaufzählung i n der Präambel kann daher nicht als Umschreibung des Bundesgebietes, sondern nur als Hinweis auf die Genesis des Grundgesetzes verstanden werden 6 . Allerdings enthält auch Art. 23 zunächst nur eine Aussage über den Geltungsbereich des Grundgesetzes — i m vorliegenden Fall über die Anwendbarkeit des A r t . 11 i n Berlin —, beantwortet aber nicht unmittelbar die Frage nach dem territorialen Umfang der Freizügigkeit. Hierfür läßt A r t . 23 jedoch einen a-fortiori-Schluß zu: wenn das Grundgesetz — unbeschadet des A r t . 144 Abs. 2 — seine Geltung zunächst auf Berlin erstreckt, dann muß es dieses Tentorium auch zum Bundesgebiet rechnen. Hält man als Ergebnis der Verfassungsinterpretation fest, daß Berl i n zum Bundesgebiet i m Sinne von A r t . 11 gehört, so kann man m i t der uneinheitlichen Terminologie brechen, die zwischen „Bundesgebiet i m Sinne der Präambel" und „Bundesgebiet i m Sinne des A r t . 23" differenziert und sogar vom „eigentlichen Bundesgebiet i m Sinne der Präambel" spricht 7 . A u f die Verfassungsexegese ist auch ohne Einfluß, daß der Bundesgesetzgeber teilweise die Begriffe „Bundesgebiet" und „Geltungsbereich des Grundgesetzes" auf das westdeutsche Staatsgebiet verengt hat. So spricht das „Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer i m Bundesgebiet" 8 vom „Geltungsbereich des Grundgesetzes oder Berlin (West)" (§§ 12, 15 I), wenn es den größeren Bereich meint, während es den Begriff „Bundesgebiet" für Westdeutschland vorbehält. * Vgl. BVerfGE 5, 85 (127). 5 A . A . Hans-Helmut Dietze, Der Gesetzesvorspruch i m geltenden deutschen Reichsrecht, Berlin—Wien 1939 S. 79 ff., m i t aufschlußreichen, die „formalistische Rechtslehre" ablehnenden Ausführungen zur NS-Rechtsauffassung. 6 Vgl. v. Mangoldt/Klein, Präambel A n m . V I 2. 7 So Dürig, Grundrechte I I S. 516 f.; kritisch hierzu auch v. Mangoldt/Klein, A r t . 23 A n m . I I I 1 S. 645. 8 v. 28. 4.1965 (BGBl. I S. 353).

§ 14: Der Umfang des Bundesgebiets

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I I I . Grundgesetz und Besatzungsrecht Eine Untersuchung des A r t . 11 kann sich jedoch nicht auf die Feststellung beschränken, daß Berlin von Grundgesetzes wegen zu dessen territorialem Geltungsbereich gehört. Es muß auch der Frage nachgegangen werden, wie sich die so verstandene Verfassungsbestimmung zum Besatzungsrecht verhält, zumal das Grundgesetz i n A r t . 144 Abs. 2 Regelungen für den Fall einer Beschränkung der Anwendung des Grundgesetzes getroffen hat (Berlin-Klausel). 1. Eingliederungstheorie

Keine Schwierigkeiten ergeben sich, wenn man m i t der herrschenden Meinung annimmt, daß das Grundgesetz „ i n und für Berlin gelte", soweit nicht besatzungsrechtliche Vorbehalte seine Anwendung beschränken 9 . Von diesem Ansatzpunkt aus kommt es auf die Interpretation des Genehmigungsschreibens der Militärgouverneure 1 0 , insbesondere seines „govern-Vorbehalts" an, dem man — noch dazu bei Anwendung der objektiven Auslegungsmethode 11 — nicht entnehmen kann, daß Berlin nicht zum Bundesgebiet i m Sinne des A r t . 11 gehören soll 1 2 . 2. Als-ob-Theorie

Schwieriger w i r d die Lösung, wenn man sich der, insbesondere auch von den Westmächten in Berlin vertretenen sog. Als-ob-Theorie 1 3 anschließt: Danach ist Berlin kein Land der Bundesrepublik, und diese besitzt keine Staatsgewalt i n Berlin. Die von den Westmächten gebilligten Organe in Westberlin können aber grundsätzlich „das Rechtsleben so gestalten, als ob Westberlin ein Bestandteil der Bundesrepublik wäre, wenn die ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung der Besatzungsmächte hierzu vorliegt" 1 4 . 9

Vgl. statt aller BVerfGE 7, 1 (7). Schreiben der Militärgouverneure betreffend die Genehmigung des Grundgesetzes v. 12. 5.1949, abgedruckt bei v. Münch, Dokumente S. 130 f. Hierzu neuestens Peter Hauck, Das richterl. Prüfungsrecht i n B e r l i n (Berlin 1969) S. 51 ff. u Vgl. hierzu Drath, AöR Bd. 82 S. 39 ff.; einen neuen Weg geht Lerche, Leibholz-Festschrift Bd. I I S. 473 ff. insbes. S. 475 f. 12 BVerfGE 7, 1 (10); vgl. ferner BVerfGE 1, 70 (72). 13 Wengler, Bl. f. deutsche u. intern. P o l i t i k 1965 S. 336 ff., 426 ff., insbes. S. 346 Fußn. 12 a; ders. i n Leibholz-Festschrift Bd. I I S. 941 f.; Lush, The Relationship between B e r l i n and the Federal Republic of Germany, i n : The International and Comparative L a w Quarterly, Vol. 14 (1965) S. 742 ff. Vgl. insbesondere das Schreiben der A l l i i e r t e n K o m m a n d a n t u r v. 24.5.1967 ( B K / L [67] 10), abgedruckt bei v.Münch, Dokumente S. 200; deutsche Übersetzung i n N J W 1967, 1743; vgl. hierzu auch Wengler, N J W 1967 S. 1743. 14 So Wengler, Bl., a.a.O. (Fußn. 13) S. 346 Fußn. 12 a; ders. Leibholz-Festschrift Bd. I I S. 942. 10

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4. Kap.: Räumlicher Umfang u n d persönlicher Geltungsbereich

Jedoch ist auch vom Standpunkt dieser Theorie ein Teilproblem des freien Zuges zwischen Westdeutschland und Westberlin leicht zu lösen. Selbst wenn man von einer auf Westdeutschland beschränkten Gebietshoheit der Bundesrepublik ausgeht, bestehen keine Bedenken, daß A r t . 11 den freien Abzug nach und den freien Zuzug von Berlin gestattet, indem er einerseits das Verlassen Westdeutschlands und andererseits den Zuzug nach Westdeutschland grundgesetzlich schützt 15 . Denn das ungehinderte Verlassen und Betreten seines Territoriums kann jeder Staat gewährleisten, weil er damit keine Staatsgewalt über fremdes Gebiet beansprucht. Problematischer ist der Komplementäraspekt: Gewährleistet A r t . 11 auch den ungehinderten Zuzug nach und den Wegzug von Berlin sowie die Freizügigkeit innerhalb Berlins? I n diesem Fall würde A r t . 11 eine territoriale Verknüpfung zum Berliner Gebiet herstellen, die über das westdeutsche Staatsgebiet hinausreichte. Diese Rechtsfolge kann, wenn man die Eingliederung Berlins i n die Bundesrepublik bestreitet, nur eintreten, wenn Berlin m i t Zustimmung oder ohne Widerspruch der Besatzungsmächte den A r t . 11 rezipiert hat 1 6 . I n A r t . 87 Abs. 3 seiner Verfassung hat Berlin die Bestimmungen des Grundgesetzes auch i n Berlin für anwendbar erklärt, „soweit i n der Übergangszeit die Anwendung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland i n Berlin keinen Beschränkungen (Abs. 1) unterliegt". I n dem Bestätigungsschreiben der Alliierten Kommandantur 1 7 wurde die Anwendung des A r t . 87 Ber 1 Verf. so weit gestattet, „als es zwecks Vorbeugung eines Konfliktes zwischen diesem Gesetz (seil. Grundgesetz) und der Berliner Verfassung erforderlich ist". Das steht i m Einklang m i t der Auffassung der Westmächte, daß mit ihrer Duldung das Recht i n Berlin so gestaltet werden kann, als ob Westberlin ein Land der Bundesrepublik sei. Die Frage der Berlin-Geltung des A r t . 11 beantwortet sich also danach, ob zwischen den Freizügigkeitsbestimmungen des Grundgesetzes und der Berliner Verfassung Normenkongruenz oder -Inkongruenz besteht 18 . is Richtig daher OVG Lüneburg, DVB1. 52, 58, wonach es f ü r die Frage, ob Westberliner f ü r die Wohnsitzbegründung i m Bundesgebiet einer Zuzugsgenehmigung bedürfen, nicht auf die B e r l i n - G e l t u n g des A r t . 11 ankommt. *« Vgl. hierzu Wengler, Leibholz-Festschrift Bd. I I S. 959. 17 Nr. 2 c des Schreibens der A l l i i e r t e n K o m m a n d a n t u r B e r l i n betreffend die Genehmigung der Verfassung von B e r l i n v. 29. 8.1950 (BK/O [50] 75), abgedruckt bei v. Münch, Dokumente S. 172. 18 Hierfür ist A r t . 142 G G entscheidend; vgl. i n diesem Zusammenhang auch Lush a.a.O., S. 755.

§15: Grundrechtsträger des A r t . 11

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I m Unterschied zu dem qualifizierten Gesetzesvorbehalt des A r t . 11 Abs. 2 und A r t . 17 a enthält A r t . 23 BerlVerf. einen einfachen Gesetzesvorbehalt. Damit besteht ein Normenkonflikt. Der Berliner Gesetzgeber könnte weitergehende Einschränkungen der Freizügigkeit vornehmen als der Bundesgesetzgeber. Der Normenvergleich erfordert daher die Anwendung des A r t . 11 GG auch i n Berlin, da nur so einem auch von den Besatzungsmächten nicht gewollten Konflikt vorgebeugt werden kann. Als Indiz für die Berlin-Geltung des A r t . 11 kann schließlich angeführt werden, daß Berlin ohne Widerspruch der Besatzungsmächte das Gesetz über die Notaufnahme von Deutschen i n das Bundesgebiet 19 übernommen hat 2 0 , das i n § 1 Abs. 1 A r t . 11 als eingeschränktes Grundrecht nennt. Der Theorienstreit über die Rechtsstellung Berlins i m Bunde ist also für A r t . 11 i m Ergebnis ohne Einfluß. Die Freizügigkeit i m Bundesgebiet erstreckt sich nicht nur auf Westdeutschland, sondern umfaßt auch das Recht des freien Zuges zwischen Westdeutschland und Berlin sowie innerhalb Berlins, weil Art. 11 eine territoriale Verknüpfung mit Berlin herstellt und die so verstandene Verfassungsnorm auch i n Berlin gilt 2 1 .

§ 15: Grundrechtsträger des Art. 11 I. Natürliche Personen 1. Die Freizügigkeit als Deutschen-Recht

Rechtsträger der Freizügigkeit sind gem.0 Art. 11 Abs. 1 die Deutschen i m Sinne der Legaldefinition des Art. 116. Die Freizügigkeit ist daher ein Deutschen-Recht und kein Menschenrecht. 19 v. 22. 8.1950 (BGBl. I S. 367). 20 Durch Gesetz über die Notaufnahme von Deutschen i n B e r l i n v. 21.12. 1951 (GVB1.1952 S. 1). 21 Allerdings können die Sektorenkommandanten i m Einzelfall bestimmten Personen das Betreten der Sektoren untersagen, was z. B. i m Falle eines Ostberliner Rechtsanwalts geschehen ist. A n diese Anordnung sind die Westberliner Behörden u n d Gerichte gebunden (Art. 3 Nr. 2 S. 3 des Gesetzes Nr. 7 der A l l i i e r t e n K o m m a n d a n t u r B e r l i n v. 17. 3.1950 — VOB1.1 S. 89 — i. d. F. des Gesetzes Nr. 17 v. 27.8.1951 — GVB1. S. 639). I n jüngster Zeit hat die A l l i i e r t e K o m m a n d a n t u r nach Presseberichten (Der Tagesspiegel Nr. 7268 v. 9.8.1969) i n einem B K / L den Aufenthalt von BundeswehrDeserteuren i n B e r l i n f ü r unvereinbar m i t dem Berlin-Status erklärt. Derartige Letters werden üblicherweise nicht veröffentlicht. 6

Merten

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4. Kap.: Räumlicher Umfang u n d persönlicher Geltungsbereich

a) Angesichts dieser klaren Verfassungsaussage muß der Versuch Dürigs 1 abgelehnt werden, aus A r t . 11 „einen Wesensgehalt = Menschenrechtsgehalt" zu entnehmen, „der wegen A r t . 1 Abs. 1 und A r t . 19 Abs. 2 nicht nach der Staatsangehörigkeit fragen darf". Schon der systematische Ansatz ist bedenklich, aus der Schrankenschranke der Wesensgehaltsgarantie, die einen Grundrechtskern absichern w i l l , zu einer Erweiterung des Kreises der Grundrechtsträger zu kommen. Der Hinweis auf A r t . 1 Abs. 1 ist deshalb nicht überzeugend, weil die Menschenwürde zwar Auslegungsmaßstab auch für die Grundrechtsbestimmungen ist, jedoch nicht dazu dienen kann, DeutschenRechte i n Menschenrechte zu verwandeln. Dagegen spricht vor allem, daß die Verfassung trotz ihres Hinweises auf unverletzliche und unveräußerliche Menschenrechte (Art. 1 Abs. 2) für A r t . 11 daraus gerade keine Konsequenzen gezogen hat 2 . Schließlich kann Dürig als Beweis für einen angeblichen Menschenrechtsgehalt der Freizügigkeit nicht auf § 1 Abs. 2 des Notaufnahme^ gesetzes hinweisen. Denn dieses Gesetz regelt, wie schon seine Uberschrift besagt, nur die „Notaufnahme von Deutschen i n das Bundesgebiet". Es ist daher auf Nichtdeutsche gar nicht anwendbar und kann folglich auch einen angeblichen Menschenrechtsgehalt nicht berücksichtigen. b) Eine vorstaatliche Natur der Freizügigkeit läßt sich auch aus ihrer Aufnahme i n die UN-Deklaration nicht ableiten. Als bloße Empfehlung der Generalversammlung hat sie keinen Normcharakter 3 . A u f schlußreich ist i n diesem Zusammenhang, daß die Freizügigkeit i n der Europäischen Menschenrechtskonvention 4 fehlte und erst durch das Vierte Zusatzprotokoll aufgenommen wurde 5 . c) Daher ist die Ansicht Brinkmanns 6, A r t . 11 Abs. 1 sei „insoweit nicht haltbar, als er die Freftiden ausschließt", i n ihrer rigorosen Konsequenz abzulehnen. Statt Hand an die Verfassung zu legen, lassen sich i n systematisch überzeugender Weise andere Lösungen finden: 1 Dürig i n Maunz/Dürig/Herzog A r t . 11 Rdnr. 107; ders. Grundrechte I I S. 521 ff.; ders. i n Nawiasky-Festschrift S. 178 („menschlicher Grundwert"). 2 Gegen einen überpositiven Charakter des A r t . 11 spricht sich auch Dahm, Deutsches Recht S. 292 Fußn. 5 v o m Standpunkt einer grundsätzlich n a t u r rechtlichen Auffassung aus; der BGH (Z) läßt es dahingestellt, ob A r t . 11 u n d andere Grundrechte Ableitungen aus der v o m Grundgesetz „vorausgesetzten Personhaftigkeit des Menschen" oder die verfassungsrechtliche Verankerung „politischer Wünschbarkeiten" sind (BGHSt 4, 385 [390]). 3 Sie k a n n auch nicht unbedingt als Wiedergabe des geltenden V ö l k e r gewohnheitsrechts angesehen werden; Wengler, Völkerrecht I I S. 1025. 4 Hierzu Herzog AöR Bd. 86 S. 202 ff. s Vgl. oben S. 49 Fußn. 12. 6 Grundrechtskommentar zum Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland (Bonn 1967) A r t . 11 S. 2.

§ 15: Grundrechtsträger des A r t . 11

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Geht es wie bei den von Dürig gebildeten Beispielsfällen um Fragen des Zuzugs, so liegt es näher, i n extensiver Interpretation den Kreis der politischen Verfolgten des A r t . 16 Abs. 2 zu erweitern. Denn das Asylrecht und nicht die Freizügigkeit ist von jeher das Institut zur Aufnahme und zum Schutz der i n einem fremden Staat verfolgten Ausländer gewesen 7 . Handelt es sich aber u m den freien Zug i m Bundesgebiet, so verbleibt für Ausländer der Rückgriff auf A r t . 2 Abs. I 8 . Dient dieses Hauptfreiheitsrecht schon als Auffangtatbestand für die nicht ausdrücklich i n den Grundrechtskatalog aufgenommenen Freiheiten, so kann es auch zur Erweiterung des Freiheitsbereichs für die i n einzelnen Grundrechtsbestimmungen ausgeschlossenen Personengruppen herangezogen werden. Dagegen kann auch nicht die abschließende Freiheitsausgrenzung der Spezialgrundrechte ins Feld geführt werden, die nicht den weitgehenden Gegenschluß zuläßt, daß über sie hinaus kein Grundrechtsschutz besteht. Für die Lückenfunktion des A r t . 2 Abs. 1 ist es ohne Bedeutung, ob der spezielle Grundrechtsschutz wegen sachlicher oder wegen persönlicher Beschränkung versagt. M i t der Zuweisung der Ausländer-Freizügigkeit zu A r t . 2 Abs. 1 w i r d die verfassungsrechtlich gezielte Schlechterstellung der Ausländer auch so lange nicht eingeebnet, als man die Schrankentrias, insbesondere den Begriff der „verfassungsmäßigen Ordnung", weit zieht 9 . I n diesem Fall gelangt man zu dem sachgerechten Ergebnis, daß die Freizügigkeit der Deutschen unter dem qualifizierten Gesetzesvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 steht, während die Ausländerfreizügigkeit zwar nicht jedes Grundrechtsschutzes entbehrt, aber nach Maßgabe des A r t . 2 Abs. 1 beschränkbar ist. 2. Die Grundrechtsberechtigung Jugendlicher

Genießen nach A r t . 11 alle Deutschen die Freizügigkeit, so bleibt die Frage, ob Rechtsträger jeder rechtsfähige Deutsche ist oder ob von vornherein ein bestimmter Personenkreis auszuklammern ist. Letzterer Ansicht scheint Scheuner 10 zu sein, der aus den immanenten Schranken der Freizügigkeit folgert, daß sie „ n u r für die der elterlichen Gewalt Entwachsenen gelte". Untersucht man die Geltung des Grundrechts für Jugendliche, so hat man zwischen ihrer Grundrechtsfähigkeit und ihrer Grundrechtsmündigkeit zu unterscheiden. Wäh7 Vgl. Kimminich, Asylrecht S. 7 ff. passim, insbes. S. 74 ff.; ders., Bonner Kommentar A r t . 16 Rdnr. 92 ff., insbes. 116 ff. 8 Wie hier f ü r A r t . 12 Bachof, Grundrechte I I I / l S. 178; Uber, Freiheit des Berufs S. 88. 9 Dürig i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 2 I Rdnr. 66 k o m m t i n diesem Punkte n u r deshalb zu einem anderen Ergebnis, w e i l er die Schrankentrias des A r t . 2 I abweichend interpretiert. Recht—Staat—Wirtschaft, Bd. I I I S. 165 Fußn. 106.

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4. Kap.: Räumlicher Umfang u n d persönlicher Geltungsbereich

rend die Grundrechtsfähigkeit darüber bestimmt, wer Träger des Grundrechts sein kann, besagt die Grundrechtsmündigkeit, daß der Grundrechtsträger das Grundrecht auch selbst geltend machen kann 1 1 . a) Für eine Begrenzung des Kreises der Rechtsträger ergeben sich keine Anhaltspunkte. Wollte man die Grundrechtsberechtigung aller Deutschen nicht schon mit Hilfe der allgemeinen Grundrechtsdogmat i k ableiten, so würde sie sich aus dem Schrankenvorbehalt des A r t . 11 Abs. 2 ergeben. Denn der Einschränkungstatbestand „zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung" setzt die Grundrechtsberechtigung auch dieses Personenkreises voraus. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß dieser Gesetzesvorbehalt als Eingriffsermächtigung i n die Grundrechte der Erwachsenen zu verstehen ist, u m dadurch die Jugendlichen vor Verwahrlosung zu bewahren. Hat man auch die Minderjährigen als Träger des Freizügigkeitsrechts anzusehen, so schützt Art. 11 diesen Personenkreis beispielsweise vor Deportation oder Zuzugsbehinderung. Dabei kann es i m Einzelfall zu einer Grundrechtskonkurrenz m i t A r t . 6 Abs. 3 kommen, wenn eine Maßnahme nicht nur in das Freizügigkeitsrecht der Jugendlichen, sondern auch i n das durch A r t . 6 Abs. 2 geschützte Erziehungs- und damit auch Aufenthaltsbestimmungsrecht der Eltern eingreift, das nur i m Rahmen des Art. 6 Abs. 3 einschränkbar ist. b) Hinsichtlich der Grundrechtsmündigkeit ergibt sich bereits aus der Geschichte der Freizügigkeit, daß Beschränkungen für Minderjährige von jeher bekannt waren. So bestimmt schon § 2 FreizG, daß derjenige, der die aus der Reichsangehörigkeit folgenden Befugnisse i n Anspruch nimmt, den Nachweis der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters zu erbringen hat, sofern er unter elterlicher Gewalt oder Vormundschaft steht. Ebenso sieht § 8 BGB vor, daß Geschäftsunfähige oder beschränkt Geschäftsfähige einen Wohnsitz ohne Zustimmung der gesetzlichen Vertreter weder begründen noch aufheben können 1 2 . Da es an jedem Anhaltspunkt dafür fehlt, daß Art. 11 eine hiervon abweichende Regelung treffen wollte, ist davon auszugehen, daß es auch unter der Geltung des Grundgesetzes bei diesem Rechtszustand bleiben sollte. Es liegt hier i m Ergebnis eine „Grundrechtsprägung durch externes Normengefüge" i m Sinne Lerches 13 vor, und es handelt 11 Vgl. hierzu Hildegard Krüger, FamRZ 1956, 329 ff.; Peters, Grundrechte I V / 1 S. 394 ff.; Fehnemann, Recht der Jugend 1967 S. 281 ff.; ferner Gustav Kuhn, Grundrechte u n d M i n d e r j ä h r i g k e i t (Neuwied u. B e r l i n 1965) passim (z.Art. 11: S. 94 f.); Dieter Reuter, Kindesgrundrechte u n d elterliche Gewalt (Berlin 1968). 12 Diese Regelung ist nicht grundgesetzwidrig. Ebenso Peters, Grundrechte I V / 1 S. 395; Kuhn, Grundrechte u n d M i n d e r j ä h r i g k e i t S. 94 f. 13 Übermaß u n d Verfassungsrecht (1961) S. 107 ff., S. 112 ff.

§ 15: Grundrechtsträger des A r t . 11

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sich i n diesem engen Rahmen tatsächlich u m ein „gesetzmäßiges Grundrecht" 1 4 . I I . Juristische Personen 1 5

1. Die früher umstrittene Frage, ob auch juristische Personen Träger des Freizügigkeitsrechts sein können 1 6 , w i r d für das Grundgesetz durch A r t . 19 Abs. 3 geklärt. Danach gilt A r t . 11 für inländische j u r i stische Personen, soweit er seinem „Wesen", d. h. seinem Inhalt nach 17 auf diese anwendbar ist. Die Freizügigkeit ist nicht von vornherein für juristische Personen unanwendbar. Ebenso wie für eine natürliche Person der Wohnsitz Lebensmittelpunkt ist, so ist für die juristische Person der Sitz regelmäßig Mittelpunkt ihrer Tätigkeit. Wie der Wohnsitz einer natürlichen Person nicht durch bloße Willenserklärung begründet oder verändert werden kann, so kann auch die Satzung einer juristischen Person grundsätzlich nicht einen fiktiven Ort als Sitz wählen 1 8 . I n beiden Fällen sind bestimmte Anknüpfungspunkte erforderlich, wie umgekehrt gewisse Beziehungen zu einem Ort zu der Begründung eines (Wohn-)Sitzes führen. Da eine juristische Person ihren Sitz ebenso wie eine natürliche Person ihren Wohnsitz verlegen kann, so ist auch für sie die Freizügigkeit von Bedeutung und A r t . 11 auf sie anwendbar 19 . Allerdings geht es wie bei den natürlichen Personen nicht nur darum, rechtlich den (Wohn-)Sitz an einem Ort zu begründen, sondern sich auch dort aufzuhalten oder niederzulassen. Da die Freizügigkeit 14 Hierzu Leisner, V o n der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung (1964). 15 Die Frage, ob u n d inwieweit juristische Personen des öffentlichen Rechts Grundrechtsträger sein können, k a n n nicht speziell f ü r A r t . 11 gelöst, sondern muß f ü r alle Grundrechte beantwortet werden. Z u undifferenziert BVerfGE 21, 362. Hiergegen zu Recht Bettermann, N J W 1969, 1321 ff. Z u r Gewerbefreiheit der öffentlichen H a n d vgl. Bettermann i n : Berliner Festschrift für Ernst E. Hirsch (Berlin 1968) S. 1 ff. m i t eingehenden Nachweisen; vgl. ferner Dürig i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 19 I I I Rdnr. 29 ff. Ablehnend Carl Schmitt, Verfassungslehre S. 173; ders. HdbDStR Bd. I I S. 594; bejahend Giese, W R V Vorbem.5 zum 2. Hauptteil. 17 Ebenso Geiger, Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (Berlin, F r a n k f u r t 1952) §90 Erl. 1 Abs. 1 S. 276 M i t t e ; v.MangoldtfKlein, A r t . 19 A n m . V I 3 S. 567; Bettermann, Hirsch-Festschrift S. 6 zu Fußn. 13. 18 Vgl. §5 A k t G ; f ü r die G m b H ist die Frage streitig, vgl. Schilling in Hachenburg, GmbH-Ges. Bd. I, 6. Aufl. (Berlin 1956), § 3 A n m . 3 S. 154 m. Nachweisen; Baumbach-Hueck, GmbH-Ges., 13. Aufl. (München 1970), §3 A n m . 3. 19 Ebenso v. MangoldtlKlein, A r t . 19 A n m . V I 3 b ; Dürig, Grundrechte I I S. 520; ders. i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 11 Rdnr. 41; Rüfner, AöR Bd. 89 S. 305 f.

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4. Kap.: Räumlicher Umfang u n d persönlicher Geltungsbereich

auch das Recht enthält, an dem Zuzugsort unter den für Einheimische geltenden Bedingungen ein Gewerbe zu betreiben, liegt eine Anwendung auf juristische Personen nahe. Für eine Beschränkung der Freizügigkeit auf natürliche Einzelpersonen könnten nur die Schrankenvorbehalte des A r t . 11 Abs. 2 angeführt werden, die für juristische Personen nicht passend erscheinen. Dennoch läßt sich aus der Ausgestaltung der Schrankenregelung kein zwingender Gegenschluß herleiten, da bei der Freizügigkeit der Zug der natürlichen Personen und seine Beschränkbarkeit stets i m Vordergrund gestanden haben und es bei der Geltung für juristische Personen nur um eine entsprechende Anwendung gehen kann. 2. Gemäß A r t . 19 Abs. 3 können nur inländische juristische Personen Grundrechtsträger sein. Dabei ist der Begriff Inland m i t dem Geltungsbereich des Grundgesetzes i m Sinne des A r t . 23 gleichzusetzen 20 , so daß alle juristischen Personen, die i n diesem Gebiet ihren Sitz haben 21 , Grundrechtsträger des Art. 11 sind 2 2 . A u f ausländische j u r i stische Personen sind die Grundrechte schon nach dem Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 nicht anzuwenden. Ihnen kann auch die Auffangnorm des A r t . 2 Abs. 1 nicht zu Hilfe kommen. Denn die Frage, wann Grundrechte juristischen Personen zustehen können, w i r d i n A r t . 19 Abs. 3 abschließend geregelt. Nur nach Maßgabe dieser Bestimmung ist eine Anwendung der i n erster Linie den natürlichen Personen zustehenden Grundfreiheiten möglich.

20 Ä h n l i c h Wernicke , Bonner Kommentar, A r t . 19 I I 3 a, der aber juristische Personen m i t Sitz i n B e r l i n ausnimmt; weitergehend: v. Mangoldt/Klein, A r t . 19 Anm. V I 2 S. 566; Dürig, Grundrechte I I S. 520 f.; w i e hier W. W. Schmidt, Grundrechte u. Nationalität S. 151 ff., insbes. S. 157. 21 Vgl. i n diesem Zusammenhang die subtilere Regelung des § 1 Abs. 2 FlaggenrechtsG v. 8. 2.1951 (BGBl. I S. 79). 22 Eine entsprechende Anwendung des A r t . 116 Abs. 1 i m Rahmen des A r t . 19 Abs. 3 hat auszuscheiden. Überzeugend W. W. Schmidt, S. 153 ff.

Fünftes

Kapitel

Freizügigkeit und Staatsgrenzen Nachdem der Inhalt der innerstaatlichen Freizügigkeit umrissen ist, bleibt zu klären, ob Art. 11 auch die Zugfreiheit aus dem Staatsgebiet, die Rückkehr über die Staatsgrenzen und den Aufenthalt i m Staatsgebiet schützt. Diese Probleme sind m i t dem Staatsangehörigkeitsrecht eng verzahnt, da die Frage nach dem Ein- oder Auswanderungsrecht zugleich eine Frage nach den Rechtsbeziehungen zwischen dem Staat und seinen Staatsangehörigen ist. Prüft man daher, ob die Freizügigkeit auch die Zugfreiheit über die Staatsgrenzen umfaßt, so muß gleichzeitig das Verhältnis des A r t . 11 zu A r t . 16 geklärt werden. Wie bei der innerstaatlichen Freizügigkeit, so ist auch bei dem Zug über die Staatsgrenzen hinaus zwischen dem Zuzug und dem Wegzug, dem Betreten und dem Verlassen des Staatsgebietes*zu unterscheiden.

§ 16: Der Zuzug I . A r t . 11 als Schutzort des Zuzugsrechts 1. Wortlautargumentation

Gerade weil A r t . 11 auf die Gewährung der Freizügigkeit den einschränkenden Zusatz „ i m ganzen Bundesgebiet" folgen läßt, kann i h m nicht ohne weiteres entnommen werden, daß er auch die äußere Freizügigkeit oder den Teilaspekt des freien Zuzugs verbürgt 1 . Als Gegenargument kann weiter die Kompetenznorm des A r t . 73 Nr. 3 vorgebracht werden, der neben der Freizügigkeit die Ein- und Auswanderung ausdrücklich erwähnt. Eine zwingende Folgerung ist jedoch daraus nicht abzuleiten, auch wenn man voraussetzt, daß die Begriffe i n A r t . 11 und Art. 73 Nr. 3 dieselbe Bedeutung haben. Selbst dann wäre die ausdrückliche Erwähnung der „Ein- und Auswanderung" nicht überflüssig, weil es i m Rahmen des A r t . 11 nur um den Zu- und Abzug der Deutschen, bei A r t . 73 Nr. 3 aber auch u m die Gesetzgebungszuständigkeit für die Ein- und Auswanderung der Nichti Ähnlich Doehring,

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5. Kap.: Freizügigkeit u n d Staatsgrenzen

deutschen geht, wobei gerade die Einwanderungsgesetzgebung Ausländer eine bedeutende Holle spielt.

für

Aus der Tatsache, daß nach dem Grundgesetz „alle Deutschen" und nicht nur die Bundesangehörigen Freizügigkeit i m ganzen Bundesgebiet genießen, w i r d gefolgert, daß die Deutschen auch das Recht haben, i n Ausübung der Freizügigkeit i n das Bundesgebiet zu ziehen 2 . Diesen Schluß zieht insbesondere Dürig 3 m i t dem bildlichen Hinweis, daß der Kreis der Rechtsträger größer sei als der Kreis des territorialen Geltungsbereichs und daß sich daraus das Recht zum Zuzug ergebe. Zufriedenstellend erscheint diese Begründung indes nicht, da die Diskrepanz zwischen dem Grundrechtsträgerkreis und der notwendigerweise auf das Bundesgebiet beschränkten Geltung der Grundrechte auch bei anderen Grundfreiheiten vorliegt. Bisher wurde jedoch aus A r t . 8 nicht das Recht der Deutschen abgeleitet, zu Versammlungszwecken in das Bundesgebiet einzureisen. A r t . 11 besagt zunächst nicht mehr, als daß keinem Deutschen das Recht der Zugfreiheit i m Bundesgebiet mit dem Hinweis verwehrt werden kann, er sei nicht Bundesangehöriger 4 . Der Verfassungswortlaut allein würde es jedoch nicht ausschließen, daß das Recht der Freizügigkeit nur solchen Deutschen zugestanden wird, die sich bereits i m Bundesgebiet befinden. So hat auch das %undesministerium des Innern nach Aufhebung der besatzungsrechtlichen Zuzugsbeschränkungen zunächst die Ansicht vertreten, daß zwar die Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebiets wiederhergestellt sei, daß aber „der Zuzug i n das Bundesgebiet selbst, von außerhalb" weiterhin einer Genehmigung bedürfe 5 . 2. Historische Entwicklung und Entstehungsgeschichte

I n der Tat muß auf die geschichtliche Entwicklung des Freizügigkeitsrechts und die Entstehungsgeschichte des A r t . 11 zurückgegriffen werden, u m aus ihm die Freiheit des Zuzugs i n das Bundesgebiet abzuleiten. Verständlicherweise hat dieses Recht i n früheren Zeiten nicht dieselbe Bedeutung gehabt wie die innere Freizügigkeit und das Recht, das Staatsgebiet zu verlassen, weil schon zahlenmäßig der Zuzug der i m Ausland lebenden Deutschen nicht ins Gewicht fiel. Daher ist es 2 h . M . : BVerfGE 2, 266 (273); BVerwGE 3, 130 (132); O V G Lüneburg DVB1. 1952 S. 57 (58); v. Mangoldt, A r t . 11 A n m . 2 S. 90; v. Mangoldt/Klein, A r t . 11 A n m . I I I 2 S. 347; Wernicke i n Bonner Kommentar A r t . 11 I I I b ; Dürig (s. Fußn. 3). 8 Grundrechte I I S. 516; ders. i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 11 Rdnr. 83. * Vgl. Hess.VGH i n E S V G H 2, 130 (131) wonach sich auf A r t . 11 „auch die deutschen Bewohner anderer als der westlichen Besatzungszonen i m r ä u m lichen Geltungsbereich des Grundgesetzes (!) berufen können". ß M i t t e i l u n g ohne Datum, veröffentlicht i m B A n Z Nr. 120 v. 27. 6.1950 S.5; hiergegen OVG Lüneburg DVB1.1952 S. 58.

§ 16: Der Zuzug

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erklärlich, daß die Einwanderung in den Freizügigkeitsbestimmungen nicht erwähnt wurde, obwohl man sie beispielsweise i n A r t . 111 WRV als m i t gewährleistet ansah6. Diese Situation änderte sich bei Gründung der Bundesrepublik, w e i l jetzt nicht nur das Problem bestand, ob die aus den fremdstaatlich „verwalteten" deutschen Gebieten vertriebenen Deutschen i n das Bundesgebiet ziehen durften, sondern auch die Frage des Zuzugs der i n der sowjetischen Besatzungszone lebenden Deutschen auftauchte. Bei den Beratungen des A r t . 11 i m Parlamentarischen Rat 7 war man sich darüber klar, daß mit der Lösung des Meinungsstreits, ob Rechtsträger der Freizügigkeit nur die Bundesangehörigen oder alle Deutschen und damit auch die Bewohner der sowjetischen Besatzungszone sein sollten, die Frage des Zuzugsrechts dieses Personenkreises i n das Bundesgebiet entschieden wurde. Dieser Wille des Verfassungsgebers hat i n A r t . 11 einen objektivierten Ausdruck gefunden 8 . Durch einen Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte können daher die Zweifel geklärt werden, die der Wortlaut durch die Gegenüberstellung der Rechtsträger („alle Deutschen") und des Geltungsbereichs ( „ i m ganzen Bundesgebiet") aufgibt. 3. Unergiebigkeit der systematischen Interpretation

Gegen die Einordnung des Zuzugsrechts (Einwanderung und Einreise) in Art. 11 können verfassungssystematische Bedenken nicht daraus hergeleitet werden, daß die Auswanderungs- und die Ausreisefreiheit vielfach nicht unter Art. 11, sondern unter A r t . 2 Abs. 1 subsumiert werden. Zuzugs- und Abzugsfreiheit sind systematisch deshalb nicht vergleichbar, w e i l die Abzugsfreiheit i m Unterschied zur Zuzugsfreiheit auch früher stets i n gesonderten Verfassungsbestimmungen enthalten war und gegenüber der Freizügigkeit eine gesonderte historische Entwicklung durchgemacht hat 9 . Daher kommt der Nichterwähnung der Abzugsfreiheit i m Grundgesetz eine andere Bedeutung zu als der nicht ausdrücklichen Regelung der Zuzugsfreiheit. 6 So Rohmer i n Nipperdey, Grundrechte I S. 237; vgl. i n diesem Zusammen* hang § 23 des Gesetzes zum Schutze der Republik v. 21.7.1922 (RGBl. I S. 585), wonach Mitgliedern ehemals regierender Familien v o n der Reichsregierung das Betreten des Reichsgebiets untersagt werden konnte. 7 Vgl. Matz i n JöR N.F. Bd. 1 S. 129 ff. 8 Z u r Maßgeblichkeit der objektiven Auslegungsmethode BVerfGE 1, 299 (312); 8, 274 (307); 10, 234 (244); 11, 126 (130f.); vgl. i m übrigen Enneccerusi Nipperdey, Lehrbuch d. Bürgerl. Rechts Bd. 1/1 § 54 I I S. 324 ff. 9 Vgl. hierzu unten S. 109 f.

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5. Kap.: Freizügigkeit u n d Staatsgrenzen I I . Zusätzliche Absicherung durch A r t . 16 ?

1. Asylrecht Als verfassungsrechtlicher Schutzort des Zuzugsrechts für Deutsche hat A r t . 16 Abs. 2 Satz 2 von vornherein auszuscheiden. Zwar statuiert diese Verfassungsnorm ein Asylrecht für politisch Verfolgte. Sie bezieht sich jedoch trotz ihrer systematischen Nähe zum Verbot der Auslieferung Deutscher (Art. 16 Abs. 2 Satz 1) nur auf politisch verfolgte Ausländer und nicht auf Deutsche 10 , weil schon der Begriff „Asyl" lediglich die örtliche Beziehung zu einem Gaststaat, nicht aber zum Heimatstaat ausdrückt. Daher liegt beim Zuzug eines politisch verfolgten Deutschen keine Grundrechtskonkurrenz zwischen A r t . 11 und A r t . 16 Abs. 2 Satz 2 vor 1 1 . A n dem aus der Freizügigkeit abzuleitenden Zuzugsrecht aller Deutschen ändert sich auch dann nichts, wenn man eine „DDR-Staatsangehörigkeit" anerkennen würde. Entgegen der Ansicht Kimminichs 12 würde die Fluchtbewegung der Deutschen dann nicht aus dem Freizügigkeitsrecht herausfallen und dem Asylrecht zuzuweisen sein. Das Argument Kimminichs, zwei verschiedene Völkerrechtssubjekte dürften nicht dieselbe Staatsangehörigkeit verleihen, ist nicht entscheidend. Selbst wenn die Bundesrepublik wegen des Gebots der Völkerrechtsfreundlichkeit (arg. A r t . 25) gehalten wäre, das Zuzugsrecht auf die eigenen Staatsangehörigen zu beschränken, würde sich bis zu einer Neufassung des A r t . 11 die Verfassungsrechtslage nicht ändern. Weder wäre Art. 11 i m Hinblick auf A r t . 25 wegen Völkerrechtswidrigkeit teilweise nichtig, noch wäre er völkerrechtskonform zu interpretieren 1 3 . Selbst wenn der Völkerrechtssatz, daß zwei verschiedene Völkerrechtssubjekte nicht dieselbe Staatsangehörigkeit verleihen dürfen 1 4 , als allgemeine Regel des Völkerrechts gelten würde und gemäß Art. 25 Bestandteil des Bundesrechts wäre, so würde er weder i m Range dem deutschen Verfassungsrecht vorgehen noch ihm gleichstehen 15 . 10

Statt aller Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 16 Rdnr. 44. Daher sind schon aus diesem Grunde Erwägungen des Westberliner Senats unhaltbar, zur Ermöglichung eines innerstädtischen Besucherverkehrs die Rückkehr Ostberliner m i t der Begründung zuzusichern, f ü r diesen Besucherkreis käme dann „ e i n Asylrecht nicht i n Frage". (So der damalige Berliner Innensenator Albertz i n einem I n t e r v i e w — Der Spiegel 1962 Nr. 36 v. 5. 9.1962 S. 26 1. Sp.) 12 Asylrecht S. 76. 13 Vgl. Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 25 Rdnr. 12 a. E.; insbesondere Herzog, DÖV 1959 S.44f.; ders. D Ö V 1960 S. 776 1. Sp. 14 Kimminich a.a.O. S. 76; ders. Bonner Kommentar (Zweitbearb.) A r t . 16 Rdnr. 23. 15 Vgl. hierzu Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 25 Rdnr. 25 m i t weiteren Nachweisen. 11

§ 16: Der Zuzug

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2. Staatsangehörigkeit

Zu klären bleibt, ob das Zuzugsrecht außer durch die Freizügigkeit auch durch die Staatsangehörigkeit gewährleistet w i r d 1 8 . Hierfür könnte der völkerrechtliche Grundsatz sprechen, daß ein Staat anderen Staaten gegenüber verpflichtet ist, seine Staatsangehörigen auf sein Staatsgebiet zurückzunehmen. Die völkerrechtliche Verknüpfung von Staatsangehörigkeit und Übernahmepflicht hat jedoch nicht die Folge, daß sich staatsrechtlich das Zuzugsrecht aus A r t . 16 Abs. 1 ergibt. Die aus der Staatsangehörigkeit folgenden Rechte und Pflichten werden nicht durch A r t . 16 geregelt, sondern der Bestimmung des Gesetzgebers überlassen. Daher ist A r t . 16 für die verfassungsrechtliche Absicherung des Zuzugsrechts unergiebig, so daß allein A r t . 11 verbleibt 1 7 . I I I . Erscheinungsformen des Zuzugs Wie bei der inneren Freizügigkeit zwischen Wohnsitz- und A u f enthaltsnahme unterschieden wird, so ist auch bei dem Zuzug i n das Staatsgebiet je nach der beabsichtigten Dauer des Verbleibens zwischen Einwanderung und Einreise zu trennen. 1. Einwanderung

Unter Einwanderung ist derjenige Zuzug zu verstehen, der in der Absicht erfolgt, i m Bundesgebiet den räumlichen Mittelpunkt des Lebens zu begründen. Normalerweise ist das Einwanderungsrecht der eigenen Staatsangehörigen unproblematisch und allein das Einwanderungs- und Einbürgerungsrecht der Staatsfremden von Interesse. Für das Grundgesetz kommt dem Zuzugsrecht deshalb so erhebliche Bedeutung zu, w e i l der Kreis der Grundrechtsberechtigten auf alle Deutschen ausgeweitet und nicht auf „Bundesrepublikaner" beschränkt wurde. 2. Einreise

Als Einreise ist das Betreten des Staatsgebietes zum Zwecke eines kürzeren oder längeren Aufenthalts zu begreifen. Wie bei der innerstaatlichen Freizügigkeit die Reisefreiheit innerhalb des Bundesgebietes garantiert ist 1 8 , so berechtigt A r t . 11 auch dazu, die Staatsgrenzen für einen Reiseaufenthalt zu überschreiten. 16 Vgl. hierzu eingehend unten S. 93 ff. * 7 Bedenken äußern Scholler, D Ö V 1967 S. 469; Doehring, S. 273 Fußn. 31. is Vgl. oben S. 42 ff.

Staat Bd. 4 (1965)

5. Kap.: Freizügigkeit u n d Staatsgrenzen

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Dennoch wäre es unrichtig, Art. 11 als Grundrecht der Touristik zu qualifizieren, weil es wiederum nur u m ein Einreiserecht der Deutschen geht. Die gesamtdeutsche Klammerfunktion der Freizügigkeit w i r d daran deutlich, daß die Verfassungsbestimmung z. B. die Reisen der Rentner aus der DDR in das Bundesgebiet schützt. 3. Zeitliche Untergrenze des Zuzugs

a) Da das Zuzugsrecht aus A r t . 11 abgeleitet wird, damit jeder Deutsche i m Bundesgebiet seinen Wohnsitz oder Aufenthalt nehmen kann, muß die von dem Zuziehenden beabsichtigte Dauer die von dem „Aufenthalt" i m Sinne des Freizügigkeitsrechts vorausgesetzte Mindestzeit erreichen. Da der Freizügigkeit schon begrifflich ein kürzeres Verweilen nicht zuzurechnen ist 1 9 , so schützt sie auch nicht das Überschreiten der Staatsgrenze für eine auf wenige Stunden berechnete Präsenz i m Inland. Das Betreten des Bundesgebiets zur Teilnahme an einer Versammlung oder einer kulturellen Veranstaltung w i r d nicht durch A r t . 11 garantiert, so daß sich auch ein Bewohner der DDR nicht auf die Freizügigkeit berufen kann, wenn er lediglich auf einem westdeutschen Kongreß reden will. Unabhängig von der Dauer des Aufenthalts i m Staatsgebiet liegt eine Einreise i m Sinne des Freizügigkeitsrechts auch dann nicht vor, wenn nur eine Bewegung von Ort zu Ort beabsichtigt ist. Da die Freizügigkeit die Bewegungsfreiheit nicht umschließt, gewährt A r t . 11 auch nicht das Recht, das Bundesgebiet zu Transitzwecken zu betreten, wenn an keinem Ort ein Aufenthalt i m Sinne des Freizügigkeitsrechts begründet wird. Das Durchqueren des Bundesgebiets kann daher nicht nur Ausländern, sondern auch Deutschen untersagt werden, ohne daß die Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 2 vorliegen müssen. b) Unabhängig von der deutschen Verfassungsrechtslage ist der Touristik-Ausschuß der OEEC 20 , zurückgehend auf Empfehlungen des statistischen Ausschusses des Völkerbundes von 1937, zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen. So w i r d nicht als „Tourist", sondern nur als „Ausflügler" angesehen, wer ein anderes Land als das, i n dem er gewöhnlich lebt, für weniger als 24 Stunden aufsucht. Nicht als Tourist soll ebenfalls derjenige gelten, der als Reisender ein Land ohne Rast durchquert, auch wenn die Reise länger als 24 Stunden dauert. Diese vorgeschlagene Differenzierung stimmt mit dem Inhalt des Freizügigkeitsrechts überein: Das Einreiserecht des A r t . 11 umfaßt nicht einen Ausflug ohne Übernachtungsaufenthalt und nicht ein Durchreiserecht durch das Staatsgebiet. « Vgl. oben S. 51 f. Vgl. Tourism i n Europe (published by the Organisation for European Economic Co-Operation, Paris 1961) S. 3 f. 20

§17: Das Wohnrecht i m Staatsgebiet

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§ 17: Das Wohnrecht im Staatsgebiet M i t d e m Z u g ü b e r die Staatsgrenzen h ä n g t das W o h n r e c h t der Staatsa n g e h ö r i g e n zusammen. U n t e r W o h n - oder A u f e n t h a l t s r e c h t w i r d die B e f u g n i s der Staatsangehörigen verstanden, i m Staatsgebiet d e n W o h n sitz oder A u f e n t h a l t zu h a b e n 1 . D i e dogmatische E i n o r d n u n g dieses Rechts ist b e s t r i t t e n . T e i l w e i s e w i r d es d e m A r t . 11 zugewiesen 2 , t e i l weise d e m Staatsangehörigkeitsrecht e n t n o m m e n 3 . Z u r K l ä r u n g des verfassungsrechtlichen Standortes ist es zweckmäßig, zunächst die S c h u t z f u n k t i o n des Wohnrechtes z u b e s t i m m e n .

I . D i e S c h u t z f u n k t i o n des W o h n r e c h t s Das W o h n r e c h t k a n n d e n B e r e c h t i g t e n i n z w e i R i c h t u n g e n schützen. E i n m a l k a n n das Recht z u r A u f e n t h a l t s n a h m e i m Staatsgebiet e i n Z u t r i t t s r e c h t des i m A u s l a n d l e b e n d e n Deutschen b e g r ü n d e n . Z u m a n deren k a n n das A u f e n t h a l t s r e c h t den i m I n l a n d l e b e n d e n Deutschen 4 v o r d a u e r n d e r oder v o r ü b e r g e h e n d e r Z w a n g s e n t f e r n u n g aus d e m Staatsgebiet b e w a h r e n , z. B . v o r A u s l i e f e r u n g , A u s w e i s u n g 5 , V e r t r e i 1 Vgl. Strupp, HdbDStR I S.275; v. Martitz, Hirth's Annalen 1875 Sp.800; Scholler DÖV 1967 S. 473. 2 So W.Jellinek, Bilfinger-Festgabe S. 111; ders. Verwaltungsrecht s. 479 f.; Wernicke, Bonner Kommentar A r t . 11 I I 1 c S. 3 u. I I 1 d S. 4; Dürig, G r u n d rechte I I S. 516; ders. i n Maunz/Dürig/Herzog A r t . 11 Rdnr. 93; Kreppel Diss. S. 121. U n k l a r Koellreutter, Staatsrecht S. 125. Schon aus dem Indigenat des Norddeutschen Bundes wurde ein Ausweisungsverbot entnommen, vgl. Goltd. Archiv 1868 (o. Verf.) S. 459 Fußn. 3. 3 r . Martitz, Hirth's Annalen 1875 Sp.800; Scholler DÖV 1967 S. 469 ff., insbes. S. 472 ff.; Doehring, Staat 1965 S. 273 Fußn. 31; Brinckmann Diss. S. 4; ferner die i n Fußn. 26 Genannten. 4 Ausländer sind dagegen nicht durch ein spezielles Grundrecht vor Ausweisungen geschützt. Vgl. §§ 10 ff. AusländerG u n d die früheren Regelungen i n der Ausländerpolizeiverordnung v o m 22. 8.1938 (RGBl. I S. 1053), i m Gesetz über Reichsverweisungen v o m 23. 3.1934 (RGBl. I S. 213); die durch das Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher u n d über Maßregeln der Sicherung u n d Besserung v. 24.11.1933 (RGBl. I 995) i n das StGB eingefügten §§42a, 42 m ; ferner die speziellen reichsrechtlichen Regelungen i n § 14 Abs. 2 des Gesetzes gegen den Verrat militärischer Geheimnisse v. 3.6.1914 (RGBl. S. 195); §5 Abs. 1 S. 2 des Renwett- u n d Lotteriegesetzes v. 20.4.1922 (RGBl. I S. 393); §9 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutze der Republik v. 21.7.1922 (RGBl. I S. 585); §2 der Verordnung über die Bestrafung von Zuwiderhandlungen gegen die Paß Vorschriften v. 6. 4.1923 (RGBl. I S.249); §28 der PreistreibereiVO v. 28.7.1923 (RGBl. I S.700); §7 der V O gegen verbotene Ausfuhr lebenswichtiger Gegenstände v. 28. 7.1923 (RGBl. I S. 705); §33 der Verordnung über Handelsbeschränkungen v. 28.7.1923 (RGBl. I S. 706); §10 Abs. 6 des Gesetzes über den Verkehr m i t Betäubungsm i t t e l n v. 10.12.1929 (RGBl. I S. 215); §3 Abs. 2 des Gesetzes über die Zulassung öffentlicher Spielbanken v. 14. 7.1933 (RGBl. I S. 480). 5 Die Terminologie schwankt. Statt Ausweisung werden auch die Begriffe Verweisung u n d Aufenthaltsverbot verwendet; vgl. W. Jellinek, Bilfinger-

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5. Kap.: Freizügigkeit u n d Staatsgrenzen

bung 6 , Zwangsumsiedlung, Zwangsevakuierung. Denn eine Verweisung eigener Staatsangehöriger aus dem Staatsgebiet ist nicht apriorisch 7 , sondern nur nach Maßgabe des Völker- und/oder Staatsrechts ausgeschlossen8. Die Schutzfunktion des Wohnrechts umfaßt daher den Zuzug i n das Staatsgebiet und das Verbleiben i n ihm. Diese Ambivalenz des Wohnrechts offenbart zugleich die Schwierigkeit seiner systematischen Einordnung. Denn die Zuzugskomponente w i r d durch Art. 11 gewährleistet, während zumindest ein Aspekt des Bleibe-Rechts, nämlich der Schutz vor Auslieferung, von A r t . 16 Abs. 2 Satz 1 erfaßt wird. Die Zuordnung des Wohnrechts zu einer einzigen Verfassungsbestimmung scheidet daher von vornherein aus. Z u prüfen bleibt, ob die Teilfreiheit des Zuzugs Art. 11 und das Bleibe-Recht Art. 16 zuzuweisen ist oder ob es mit Ausnahme des Auslieferungskomplexes ebenfalls dem A r t . 11 unterfällt. I I . A r t . 16 Abs. 2 Satz 1 als Verbot der Zwangsentfernung?

Art. 16 Abs. 2 Satz 1 schützt alle Deutschen vor einer Auslieferung an das Ausland 9 und regelt damit einen Teilaspekt der Zwangsentfernung Deutscher aus dem Staatsgebiet. Eine analoge Anwendung der Verfassungsbestimmung auf die übrigen Erscheinungsformen einer zwangsweisen Entfernung käme nur i n Betracht, wenn die Fälle einander rechtsähnlich wären. 1. Inhalt des Auslieferungsverbots a) Unter Auslieferung i m überkommenen Sinne w i r d die amtliche Überstellung einer Person i n die Strafgewalt eines anderen Staates zum Zwecke der Strafverfolgung oder Strafvollstreckung verstanden 10 . Festgabe S. 109 f.; Walter Stein DÖV 1965, 553 Fußn. 5; Bordewin, Diss. S. 4 f. Z u r Definition der Ausweisung Castren, Z a ö R V B d . 11 (1942) S. 360; Doehring i n Strupp/Schlochauer, Wörterbuch Bd. I S. 129 ff. Vgl. ferner die Legaldefinition der Reichsverweisung (für Ausländer) i n § 1 des Gesetzes über Reichsverweisungen v. 23. 3.1934 (RGBl. I 213); hierzu i m übrigen Bernhard Wolff , Reichsreform des Ausweisungsrechts i n AöR N.F. Bd. 26 (1935) S. 1 ff. 6 Z u r Begriffsabgrenzung vgl. Bülck i n Strupp/Schlochauer, Wörterbuch Bd. I I I S. 560. 7 Ä h n l i c h Kimminich, Bonner K o m m e n t a r (Zweitbearb.) A r t . 74 Nr. 4 Rdnr. 11. 8 Vgl. jetzt A r t . 3 Abs. 1 des 4. Zusatzprotokolls zur Europäischen M e n schenrechtskonvention, wonach niemand i n Vollzug von K o l l e k t i v m a ß n a h men aus dem Staat, dessen Staatsangehöriger er ist, ausgewiesen werden darf. 9 Z u m Auslieferungsverbot eigener Staatsangehöriger ausführlich Lammasch, Auslieferungspflicht u n d Asylrecht S. 376 ff. 10 Vgl. statt aller Grützner i n Strupp/Schlochauer, Wörterbuch Bd. I S. 115; RGSt 65, 374 (387).

§ 17: Das Wohnrecht i m Staatsgebiet

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Diese Begriffsbestimmung steht i n Ubereinstimmimg mit § 9 RStGB von 1871 und A r t . 112 Abs. 3 WRV. b) I m Gegensatz zu früheren Formulierungen ist i n Art. 16 Abs. 2 Satz 1 die Limitierung des Auslieferungsverbotes „zur Verfolgung oder Bestrafung" nicht mehr enthalten. Diese Abweichung erfolgte nicht zufällig, wie sich aus der Entstehungsgeschichte ergibt 1 1 . Die herkömmliche Fassung des Auslieferungsverbots wurde aufgegeben, nachdem i n den Beratungen darauf hingewiesen wurde, daß ein Deutscher „ganz gleich aus welchen Gründen immer nicht ausgeliefert werden" darf. Art. 16 Abs. 2 Satz 1 verbietet also jede Uberantwortung eines Deutschen i n fremde Staatsgewalt oder fremden Gewahrsam auf Ersuchen eines ausländischen Staates 12 . 2. Analoge Anwendung?

a) Die Auslieferung hat mit anderen Fällen der Zwangsentfernung wie Ausweisung, Verbannung oder Zwangsevakuierung gemeinsam, daß dem Betroffenen das weitere Verbleiben i m Staatsgebiet untersagt wird. Die Besonderheit der Auslieferung besteht jedoch darin, daß der Heimatstaat auf Antrag einer fremden Regierung tätig w i r d und den Staatsangehörigen i n fremden Gewahrsam gibt. Damit unterscheidet sich die Auslieferung von den übrigen Fällen einer Zwangsentfernung. So verbietet die Ausweisung das Verbleiben i m Inland, ohne daß eine Entscheidung über den neuen Aufenthaltsstaat des Ausgewiesenen getroffen oder das Verfahren auf Antrag einer fremden Regierung eingeleitet wird. Ebenso ist die Landesverweisung i n Form der Verbannung allein eine Strafsanktion des Heimatstaates und setzt nicht das Zusammenwirken m i t einer fremden Regierung voraus. Eine Zwangsevakuierung der Bevölkerung über die Grenzen des Staatsgebiets hinaus, wie sie etwa i m Rahmen eines europäischen Militärbündnisses denkbar ist, falls das Bundesgebiet oder große Teile durch Kampfeinwirkung unbewohnbar würden, wäre w o h l nur i n Zusammenarbeit m i t fremden Staaten denkbar; aber auch diese Zwangsevakuierung würde sich von einer Auslieferung dadurch unterscheiden, daß die Uberstellung des Staatsangehörigen an den fremden Staat nicht zu Verfolgungs-, sondern zu Schutzzwecken erfolgt. Daher ist auch die Zwangsevakuierung mit der Auslieferung nicht vergleichbar. Die Auslieferung ist ein Sonderfall, der sich von allen anderen Fällen der Zwangsentfernung unterscheidet. « Hierzu Matz i n JöR N.F. Bd. 1 S. 165 ff. Vgl. insbesondere die A u s führungen des Abg. Wagner i n der 44. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates v. 19.1.1949 (Sten.Ber. S. 583). 12 v g l . BVerfGE 10, 136 (139); Kimminich, Bonner Kommentar (Zweitbearb.) A r t . 16 Rdnr. 54 ff.; Kreppel Diss. S. 263.

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5. Kap.: Freizügigkeit u n d Staatsgrenzen

b) Die Entstehungsgeschichte des Art. 16 Abs. 2 Satz 1 ist ein weiteres Argument gegen einen Analogieschluß. Denn ein Antrag des Abgeordneten Seebohm, neben die Auslieferung auch die Landesverweisung zu stellen und den jetzigen A r t . 16 Abs. 2 Satz 1 wie folgt zu fassen: „ K e i n Deutscher darf ausgeliefert oder des Landes verwiesen werden" wurde abgelehnt 13 . c) Zuletzt muß die interpretatorische Zweifelsfrage, ob aus A r t . 16 Abs. 2 Satz 1 ein Analogie- oder ein Umkehrschluß zu ziehen ist, an den Konsequenzen gemessen werden. Wiese man alle Fälle der Zwangsentfernung dem A r t . 16 Abs. 2 Satz 1 zu, so wäre es wegen des Fehlens eines Schrankenvorbehalts verfassungsrechtlich ausgeschlossen, einem Staatsangehörigen aus welchen Gründen auch immer das weitere Verbleiben i m Staatsgebiet auch nur vorübergehend zu untersagen. Während die Folgen eines uneinschränkbaren Auslieferungsverbots absehbar sind, würden die Konsequenzen bei einem absoluten Verbot jeder Zwangsentfernung erheblich weiter reichen. Sie würden etwa darin bestehen, daß selbst eine Zwangsevakuierung der Bevölkerung über die Staatsgrenzen hinaus verfassungswidrig wäre. Diese Folge träte nicht ein, wenn man das Bleiberecht der Freizügigkeit zuwiese, weil dieses Grundrecht gerade zu Verteidigungszwecken gem. A r t . 17 a Abs. 2 oder zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitlich demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes einschränkbar ist. Daher sprechen auch die Rechtsfolgen gegen eine analoge Anwendung der speziellen Regelung des Art. 16 Abs. 2 Satz 1 auf die übrigen Fälle der Zwangsentfernung 14 . I I I . Staatsangehörigkeit als Schutz gegen Zwangsentfernungen? Art. 16 Abs. 1 Satz 1 schützt davor, daß die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt, das Rechtsverhältnis zwischen dem Staat und seinem Angehörigen aufgelöst und aus dem Staatsbürger ein Fremder gemacht wird. Uber seinen Wortlaut hinausgehend könnte die Verfassungsbestimmung auch die Garantie enthalten, daß ein Staatsbürger nicht i m Wege der Zwangsentfernung aus dem Staatsgebiet weitgehend seiner Rechte als Staatsbürger beraubt und er auf diese Weise zwar nicht rechtlich aber faktisch zu einem Fremden gemacht wird. 13

Pari. Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, 44. Sitzung v. 19.1.1949 (Sten.Ber. S. 580, 582 ff.). 14 Ebenso hat sich schon Mettgenberg, E i n Deutscher darf nicht ausgeliefert werden S. 34, dagegen ausgesprochen, aus der entsprechenden Vorschrift des A r t . 112 Abs. 3 W R V den Grundsatz abzuleiten, daß Reichsangehörige nicht aus dem „deutschen Hoheitsbereich entfernt werden dürfen".

§ 17: Das Wohnrecht i m Staatsgebiet

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1. Schutzzweck und Entstehungsgeschichte des Art. 16 Abs. 1 Satz 1

Der Schutzzweck der Vorschrift gibt für diese weitgehende Auslegung keinen Anhaltspunkt. Art. 16 Abs. 1 Satz 1 ist als Reaktion auf die Ausbürgerungsgesetze der nationalsozialistischen Epoche 15 i n die Verfassung eingefügt worden 1 6 und hat i m früheren deutschen Verfassungsrecht keine Vorläufer. Die Ausbürgerungsgesetze sollten jedoch nicht die Ausweisung jüdischer Staatsangehöriger ermöglichen, sondern bezweckten über den Entzug der Staatsangehörigkeit i n erster Linie eine Beschlagnahme und einen Entzug des Vermögens. I n den Ausbürgerungsgesetzen war nicht eine Ausweisungsbefugnis, sondern der Verlust der Staatsangehörigkeit für den Fall der Wohnsitzverlegung ins Ausland vorgesehen. Daher ist es verständlich, daß i n Art. 16 Abs. 1 Satz 1 das Verbot eines Entzugs der Staatsangehörigkeit i m Vordergrund steht, um i n Zukunft eine Diskriminierung einzelner Gruppen des Staatsvolks zu verhindern. Die Verfassungsbestimmung entspricht den internationalen Bemühungen, Fälle von Staatenlosigkeit möglichst zu verhindern 1 7 und steht i n Ubereinstimmung m i t A r t . 15 der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen 18 , wonach jeder ein Recht auf Nationalität hat. Aus den Verfassungsberatungen ergibt sich an keiner Stelle, daß ein Ausweisungsverbot als dem A r t . 16 Abs. 1 Satz 1 immanent angesehen wurde. I m Gegenteil wurde i m Parlamentarischen Rat, wie bereits erwähnt 1 9 , angeregt, neben der Auslieferung auch die Landesverweisung zu untersagen. Dieser Zusatz ist jedoch nicht i n den Grundgesetzentwurf aufgenommen worden. 2. Wohnrecht als Element des Staatsangehörigkeitsverhältnisses?

Das Verbot von Zwangsentfernungen ließe sich aus Art. 16 Abs. 1 Satz 1 herleiten, wenn das Bleibe-Recht i m Staatsgebiet ein so wesentliches Element der Staatsangehörigkeit wäre, daß seine Einschränkung einem Entzug der Staatsangehörigkeit gleichkäme. Diesen Weg geht Scholler 20, der das Recht auf Aufenthalt i m Staatsangehörigkeitsrecht 15 Gesetz über den W i d e r r u f von Einbürgerungen u n d die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit v. 14.7.1933 (RGBl. I S.480); 11. V O z u m Reichsbürgergesetz v. 25.11.1941 (RGBl. I S. 722). Derartige Ausbürgerungen w u r d e n außer von Deutschland auch von der UdSSR, der T ü r k e i u n d I t a l i e n vorgenommen. Vgl. hierzu Dubois , Diss. S. 42 f. 16 Vgl. zur Entstehungsgeschichte Matz i n JöR N.F. Bd. 1 S. 159 ff. 17 Vgl. hierzu Kimminich, Bonner Kommentar (Zweitbearb.) A r t . 16 Rdnr. 9, Boetius, AöR Bd. 92 S. 48 f. w v. 10.12.1948; vgl. auch die Konvention über die Verminderung der Staatenlosigkeit v. 30. 8.1961, hierzu Kimminich a.a.O. 19 s. Fußn. 13. 20 DÖV 1967, S. 469 ff. insbes. S. 472 ff.

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Merten

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5. Kap.: Freizügigkeit u n d Staatsgrenzen

ansiedelt. Die Richtigkeit dieser These setzt voraus, daß völkerrechtlich oder staatsrechtlich das Recht des Staatsbürgers zum Aufenthalt i m Staatsgebiet als Bestandteil der Staatsangehörigkeit anerkannt wird. a) im Völkerrecht? Dem klassischen Völkerrecht würde ein solcher Satz schon deshalb widersprechen, weil nicht das Individuum, sondern nur der Staat als Völkerrechtssubjekt angesehen wurde 2 1 . Der völkerrechtliche Satz, daß der Heimatstaat den ausgewiesenen Staatsangehörigen zurücknehmen muß, wenn kein anderer Staat i h n aufnehmen w i l l 2 2 , berechtigt und verpflichtet nur Staaten. N u r von diesem Ausgangspunkt ist die — auch i m Staatsrecht anzutreffende — Differenzierung zwischen Auslieferung und Ausweisung verständlich. Denn die Interessen eines fremden Staates werden nur i m Falle der Ausweisung, nicht aber bei beantragter Auslieferung berührt. Vom Standpunkt des Staatsangehörigen wäre es dagegen nicht einsichtig, weshalb nur die Ausweisung, nicht aber die Auslieferung völkerrechtlich unzulässig sein kann, w e i l i n beiden Fällen sein Aufenthaltsrecht i m Staatsgebiet tangiert wird. Die neuere Entwicklung i m Völkerrecht geht dahin, daß völkerrechtliche Rechte auch Einzelmenschen zustehen können, daß der Staat insbesondere völkerrechtlich gegenüber seinen Staatsangehörigen und Staatenlosen Menschenrechte zu respektieren hat 2 3 . Wenn auch über den Kreis dieser Rechte noch keine Einigkeit herrscht, so w i r d jedenfalls ein Menschenrecht auf Nichtentziehung der Staatsangehörigkeit oder gar ein Recht zum Aufenthalt i m Staatsgebiet als Ausfluß der Staatsangehörigkeit nach geltendem Völkergewohnheitsrecht nicht anerkannt 2 4 . Lediglich die diskriminierende Entfernung nationaler und anderer Gruppen aus ihrem bisherigen Wohngebiet w i r d für völkerrechtswidrig gehalten 25 . b) im Staatsrecht? Wer das Aufenthaltsrecht aus dem „Wesen" oder der Institution der Staatsangehörigkeit ableitet 26 , kann sich allerdings darauf berufen, daß 21 Vgl. hierzu statt aller Verdross , Völkerrecht S. 216 ff. 22 Wengler, Völkerrecht I I S, 1034; Dahm, Völkerrecht I S. 530. Ungenau ist es, hieraus ein allgemeines völkerrechtliches Verbot der Ausweisung eigener Staatsangehöriger abzuleiten (so Kimminich, Bonner Kommentar, Zweitbearb., A r t . 74 Nr. 4 Rdnr. 11). I m Einzelfall mag ein fremder Staat den ausgewiesenen Staatsangehörigen aufnehmen. D a n n ist die Ausweisung nicht völkerrechtswidrig gewesen. 23 Vgl. statt aller Wengler, Völkerrecht I I S. 1024. 24 Wengler, a.a.O., S. 1029 ff. 25 Wengler, a.a.O., S. 1031 f. Fußn. 3. 26 So Laband, Staatsrecht Bd. I S. 153 („ursprünglichste, natürlichste . . . Seite des Staatsbürgerrechts"); Lichter, Staatslexikon Sp. 247 („natürliche

§ 17: Das Wohnrecht i m Staatsgebiet

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i n älteren, aus dem 19. Jahrhundert stammenden Theorien einige Rechte und Pflichten als der Staatsangehörigkeit immanent angesehen wurden, ohne daß allerdings Einigkeit über den Kreis dieser Rechte und Pflichten bestand. Seitdem jedoch erkannt ist, daß zwischen dem völkerrechtlichen und dem staatsrechtlichen Begriff der Staatsangehörigkeit zu unterscheiden ist, können diese undifferenzierten Theorien nicht mehr ohne weiteres angewendet werden. Zwar knüpfen völkerrechtlich, wie bereits dargelegt, bestimmte Rechte und Pflichten für die Staaten untereinander an die Staatsangehörigkeit an, ohne daß diese jedoch gleichzeitig das Rechtsverhältnis zwischen dem Staatsangehörigen und seinem Heimatstaat bestimmen. Die völkerrechtliche Pflicht des Staates, ausgewiesene Staatsangehörige notfalls auf sein Gebiet zurückzunehmen, führt staatsrechtlich nicht zu einem Aufenthalts- oder Rückkehrrecht des Bürgers 27 . Der Inhalt der Staatsangehörigkeit i m staatsrechtlichen Sinne w i r d vielmehr erst durch die staatliche Rechtsetzung bestimmt 2 8 . Schon Jellinek 29 hat darauf hingewiesen, daß alle Versuche mißlungen seien, die Mitgliedschaft i n einem Staate zu definieren. Als „dürftige Schablone" 30 hat er die Ansicht bezeichnet, das Wohnrecht i m Inlande als juristischen K e r n der Staatsangehörigkeit anzusehen, wie man auch nicht i n der Wehrpflicht oder i n dem Anspruch auf diplomatischen Schutz das entscheidende Merkmal sehen könne. Die Staatsangehörigkeit ist daher lediglich ein Rechtsverhältnis, das Rechte und Pflichten des Staates und seiner Bürger zur Folge hat, ohne daß aber bereits bestimmte Rechte und Pflichten aus dem Begriff der Staatsangehörigkeit folgen, weshalb man diesen Status auch als abstrakten qualifiziert 3 1 . Winkler 32 macht angesichts des historischen Wandels i n der Rechtsstellung des Staatsbürgers zu Recht auf die Fragwürdigkeit aufmerksam, den Begriff der Staatsbürgerschaft zu umschreiben. Es bedürfte i n der Tat, wie Seydel meint 3 3 , einer Rundreise durch das gesamte Staatsrecht, um seinen Inhalt zu erschöpfen. Folge aus der Zugehörigkeit zu einem T e r r i t o r i u m " ) ; Doehring, Staat Bd. 4 (1965) S. 273 Fußn. 31 („ungeschriebener, aber unbestrittener Grundsatz, daß jeder Staatsbürger ein Recht hat, i n seinem Staat zu leben"). 27 So auch Doehring, Teilung Deutschlands S. 9. Allerdings k a n n sich das staatsrechtl. Grundrecht auf Aufenthalt i m Ergebnis m i t der völkerrechtl. Übernahmeverpflichtung des Heimatstaates decken: Wengler t J Z 1967 S. 753. 28 v g l . G. Jellinek, System S. 116ff.; Makarov, Lehren S.30ff. 29 System S. 117 ff. so a.a.O., S. 117. 31 Vgl. Makarov, Lehren S. 30 f. 32 Staatslexikon (6. Aufl.) 7. Bd. S. 571 1. Sp. 33 Bayer. Staatsrecht Bd. 1 S. 167. 7*

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5. Kap.: Freizügigkeit u n d Staatsgrenzen

Wollte man das Aufenthaltsrecht unmittelbar aus dem Institut der Staatsangehörigkeit entnehmen, dann könnte man m i t derselben Begründung die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Wehrpflicht aus Art. 16 Abs. 1 herleiten. Denn zu den Pflichten, die durch die Staatsangehörigkeit begründet werden, hat stets die Wehrpflicht gehört, die i m Unterschied zum Aufenthaltsrecht auch vom Reichs- und StaatsangehörigkeitsG angesprochen w i r d : Nach § 17 Nr. 3 ging die Staatsangehörigkeit durch Nichterfüllung der Wehrpflicht verloren. Zum Teil ist die Wehrpflicht sogar als das entscheidende Merkmal der Staatsangehörigkeit bezeichnet worden. Dennoch würde man allein aus dem Institut der Staatsangehörigkeit keine Verfassungsentscheidung für die Wehrpflicht entnehmen. Daß sich aus der Staatsangehörigkeit unmittelbar, wie Scholler 34 meint, das Wohnrecht und das Recht auf diplomatischen Schutz ergeben, ist auch historisch widerlegbar. Für das Kaiserreich wurde das Recht zum festen Wohnsitz i n einem Bundesstaat i n der Indigenatsvorschrift des A r t . 3 RV ausdrücklich neben der Erlangung der Staatsbürgerschaft i n Abs. 1 erwähnt; in Abs. 6 wurde der Anspruch auf Schutz des Reiches gegenüber dem Ausland ausdrücklich statuiert, was auch schon deshalb erforderlich war, weil das Staatsangehörigkeitsverhältnis zwischen dem Bürger und dem Gliedstaat bestand 35 , der diplomatische Schutz aber vom Reich gewährt wurde. Auch in der Weimarer Verfassung wurde das Schutzrecht nicht bei der Staatsangehörigkeit in Art. 110, sondern i n der Auswanderungsbestimmung des Art. 112, also in sachlicher Nähe zur Freizügigkeit geregelt. Bei den Beratungen i m Parlamentarischen Rat wurde ein Antrag des Abgeordneten Seebohm, i n das Grundgesetz „ein Recht auf Heimat" aufzunehmen, mit der Begründung abgelehnt, daß der rein verfassungsrechtlichen Bedeutung des Satzes durch den Schutz der Freizügigkeit genüge getan sei 36 . Daraus folgt, daß man das Bleibe-Recht aus Art. 11 und nicht aus Art. 16 ableitete. Daß eine „Wesensschau" der Staatsangehörigkeit nicht zur Ableitung des Aufenthaltsrechts führen muß, zeigt auch ein rechtsvergleichender Hinweis: Dem anglo-amerikanischen Recht ist das Auslieferungsverbot eigener Staatsangehöriger unbekannt 3 7 , und auch dem deutschen Rechtskreis ist es erst seit Beginn des 19. Jahrhunderts eigentümlich 38 . 34

D Ö V 1967 S. 474 1. Sp. sub 3. Vgl. § 1 des Gesetzes über die Erwerbung u n d den Verlust der Bundesu n d Staatsangehörigkeit v. 1. 6.1870 (BGBl. S. 355) u n d § 1 R u S T A G 1913. 36 s. oben S. 40. 37 Vgl. hierzu Lange, Grundfragen S. 22 ff.; Oehler i n G r ü n h u t - E r i n n e rungsgabe S. 114 ff.; Wengler, Völkerrecht I I S. 1126 Fußn. 5. 38 Vgl. Grützner i n Strupp/Schlochauer, Wörterbuch Bd. I S. 119 sub C 1. 35

§ 17: Das Wohnrecht i m Staatsgebiet

c) Ergebnis: Keine Ableitbarkeit

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aus der Staatsangehörigkeit

Aus dem von A r t . 16 Abs. 1 Satz 1 angesprochenen Staatsangehörigkeitsverhältnis kann nach allem ein Grundrecht auf Aufenthalt i m Bundesgebiet nicht entnommen werden. Das Aufenthaltsrecht und das Recht auf diplomatischen Schutz i m Ausland mögen zwar traditionell den Staatsangehörigen zustehen. Für eine verfassungsunmittelbare Gewährleistung m i t der Folge, daß der Gesetzgeber i n diese Rechte nicht eingreifen dürfte, ist der Anknüpfungspunkt zu Art. 16 Abs. 1 Satz 1 viel zu schwach. Der historische Zusammenhang von Staatsangehörigkeit und Aufenthalt i m Staatsgebiet ist längst entfallen. Weder setzt die Auswanderung die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit voraus, noch folgt das Recht des Zuzugs aus der Staatsangehörigkeit unmittelbar 3 9 . Schon Jellinek i0 hat die Staatsangehörigkeit als eine vom Aufenthalt auf dem Staatsgebiet unabhängige Zugehörigkeit zu einem Staat umschrieben. Das Verbot der Denationalisation besagt also nichts darüber, ob Deutsche zum Verlassen des Bundesgebiets gezwungen werden dürfen. Für vorübergehende Beschränkungen (z. B. infolge von Zwangsevakuierungen) ist diese These einleuchtend, weil es hier an einem dem Entzug der Staatsangehörigkeit gleichenden Eingriff fehlt. Aber auch für einen dauernden Eingriff i n das Bleibe-Recht erscheint das Ergebnis richtig, w e i l Art. 16 nur das Rechtsverhältnis der Staatsangehörigkeit gegen eine Aberkennung schützt, jedoch keine Regelung über die sich aus diesem Verhältnis ergebenden Rechte und Pflichten enthält, die aus der staatlichen Verfassungs- und Rechtsordnung abzuleiten sind. Hinzu kommt, daß Art. 16 Abs. 1 nur deutsche Staatsangehörige, nicht aber Deutsche i. S. des Art. 116 Abs. 1 berechtigt. Wollte man nur der ersteren Personengruppe ein Aufenthaltsrecht zugestehen, so entstünde die merkwürdige Konsequenz, daß die Verfassung einigen Deutschen das Wohnrecht i m Bundesgebiet abspricht, ihnen aber andererseits wegen Art. 11 das Recht zum Zuzug i n das Bundesgebiet und zur freien Wahl des Wohnsitzes zuspricht. I V . Freizügigkeit und Aufenthaltsrecht i m Bundesgebiet

W i l l man eine verfassungsrechtliche Verankerung des Aufenthaltsrechts i m Staatsgebiet nicht überhaupt leugnen oder nur dem Auffang39 Interessant ist der Hinweis von Ingles , S. 4, daß n u r 24 Staaten ausdrücklich das Recht des Staatsbürgers anerkennen, i n seinen Heimatstaat zurückzukehren, 49 Staaten dagegen dieses Recht nicht ausdrücklich gewährleisten. 40 System S. 118.

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5. Kap.: Freizügigkeit u n d Staatsgrenzen

recht des Art. 2 Abs. 1 zuweisen, so kann der Grundrechtsschutz allein aus Art. 11 folgen. 1. Sachliche Nähe des Aufenthaltsrechts zu A r t . 11

a) Scholler hält es für bedenklich, das Aufenthaltsrecht i m status negativus anzusiedeln, statt es als Ausfluß der Staatsangehörigkeit anzusehen 41 . Die Auffassung verkennt jedoch, daß es sich u m ein Freiheitsrecht handelt, gleichgültig, ob der Bürger unter Berufung auf das Wohnrecht das Staatsgebiet betreten oder sich gegen eine Entfernung aus dem Staatsgebiet wenden w i l l : Der einzelne darf sich i m Bundesgebiet aufhalten, und der Staat darf i n diesen Freiheitsbereich nicht eingreifen. Das Wohnrecht ist weder ein Recht des status positivus 4 2 noch des status activus 43 . Es gewährleistet weder positive Leistungen des Staates i m individuellen Interesse noch ein Recht auf M i t w i r k u n g an der politischen Willensbildung. Es kann daher allein dem status negativus zugewiesen werden. Daher ist seine Zuordnung zu A r t . 11 systemgerecht. b) Bei logischer Interpretation w i r d die Nähe des Wohnrechts zur Freizügigkeit offenbar. Denn das Grundrecht, an jedem Ort und i n jedem Bundesland Wohnsitz oder Aufenthalt zu nehmen, setzt als Basis die Befugnis voraus, überhaupt i m Staatsgebiet zu bleiben 4 4 . Schützt A r t . 11 gegen eine Ortsverweisung und gegen eine Landesverweisung, so liegt es nahe, aus dieser Grundrechtsbestimmung auch den Schutz gegen eine Bundesverweisung abzuleiten. c) Siedelt man das Zuzugsrecht i n A r t . 11 an, so sprechen systematische Gründe dafür, das Wohnrecht ebenfalls i n diesen Grundrechtsbereich zu verlegen. Denn Zuzugsrecht und Aufenthaltsrecht stehen, wie i m einzelnen dargelegt, i n Wechselbeziehung. Das Zuzugsrecht schließt das Recht zur Aufenthaltsnahme i m Staatsgebiet ein, wie umgekehrt das Wohnrecht für einen Bürger bedeutungslos ist, wenn er das Staatsgebiet nicht betreten darf. Als systematisches Gegenargument kann auch nicht die Sonderregelung des Auslieferungsverbots angeführt werden. A r t . 16 Abs. 1 Satz 1 ist eine Spezialvorschrift, die auf andere Fälle der Zwangsentfernung nicht analog angewendet werden kann. W i l l man diese nicht überhaupt vom Grundrechtsschutz ausschließen, so muß man sie einer anderen Verfassungsnorm zuweisen. Hierfür bietet sich A r t . 11 stärker als alle anderen Grundrechte an. 41 D Ö V 1967 S. 469 r. Sp. 42 Vgl. hierzu G. Jellinek, System S. 114ff.; ders., Staatslehre S. 418ff.; Zippelius, Staatslehre § 25 I S. 153. 43 G. Jellinek, System S. 136 ff. 44 Ä h n l i c h Koellreutter, Staatsrecht S. 125.

§ 17: Das Wohnrecht i m Staatsgebiet

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2. Anwendbarkeit der Schrankenvorbehalte der Freizügigkeit

Die Richtigkeit der verfassungsrechtlichen Zuordnung muß sich daran messen lassen, ob die Schrankenvorbehalte der Art. 11 Abs. 2 und A r t . 17 a Abs. 2 dem Aufenthaltsrecht i m Bundesgebiet gerecht werden. Die Anwendbarkeit bezweifelt Scholler, nach dessen Ansicht „Einschränkungen der Freizügigkeit unter Einschluß des K r i m i n a l vorbehalts dem Wohnrecht nicht entgegengehalten werden können" 4 5 . Für die Geeignetheit der Schrankenvorbehalte kann es allerdings nicht entscheidend sein, ob jeder einzelne Einschränkungstatbestand zu einem Eingriff i n das Aufenthaltsrecht führen könnte. Denn da A r t . 11 neben dem Wohnrecht die innerstaatliche Freizügigkeit und das Zuzugsrecht enthält, müssen nicht alle Einschränkungstatbestände auf jede Teilfreiheit passen. Hinzu kommt, daß ein Eingriff i n das Wohnrecht die Freiheit des einzelnen stärker antastet als Beschränkungen der innerstaatlichen Freizügigkeit, so daß die Schrankenschranke des Art. 19 Abs. 2 sorgfältig zu beachten ist. a) Fehlende

Lebensgrundlage

Betrachtet man die Gesetzesvorbehalte der Art. 11 Abs. 2 und 17 a Abs. 2, so würde eine Einschränkung des Wohnrechts für Fälle, „ i n denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden" am ehesten auf K r i t i k stoßen. Schon i m Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip erscheint es ausgeschlossen, daß der Staat sich eines Bürgers entledigen kann, wenn dieser bedürftig wird. Zwar ist der Einschränkungsgrund des A r t . 11 Abs. 2 auf die Zuzugsfreiheit angewendet worden. Deutschen aus der sowjetischen Besatzungszone kann gemäß § 1 des NotaufnahmeG — abgesehen von zwingenden Fluchtgründen — die Aufnahme i n die Bundesrepublik versagt werden, wenn wegen Fehlens einer ausreichenden Lebensgrundlage die Allgemeinheit belastet würde. Abweisung und Ausweisung sind jedoch nicht vergleichbar, weil der Bürger i m ersten Fall nur an der Wohnsitz- oder Aufenthaltsnahme gehindert, i m zweiten Fall aber seines bisherigen Lebensmittelpunktes beraubt wird. Es ist daher nicht vorstellbar, daß wegen Fehlens einer ausreichenden Lebensgrundlage eine Ausweisung erfolgen darf. b) Staatssicherheit Dagegen ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, daß „zur A b wehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitlich demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes" Ein« D Ö V 1967, 473 r. Sp.

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5. Kap.: Freizügigkeit u n d Staatsgrenzen

schränkungen des Aufenthaltsrechts erfolgen 46 . Diese Vorbehaltsschranke, die i m Zuge der sogenannten Notstandsverfassung 47 i n A r t . 11 eingefügt wurde, sollte i n erster Linie Einschränkungen der innerstaatlichen Freizügigkeit ermöglichen. Sie kann und muß aber auf das Zuzugsrecht und das Aufenthaltsrecht i m Staat ebenso angewandt werden. c) Kriminalvorbehalt Dasselbe gilt für den Kriminalvorbehalt. Zwar kann sich die Bundesrepublik — schon aus völkerrechtlichen Gründen — nicht eines Bürgers entledigen, um damit wahrscheinliche Straftaten zu verhindern. Dennoch hat dieser Schrankenvorbehalt für das Aufenthaltsrecht nicht von vornherein auszuscheiden, da man beispielsweise an eine Verbannung für Hoch- oder Landesverräter denken könnte. d) Seuchengefahr Maßnahmen „zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen" können sehr leicht zu einer vorübergehenden Zwangsevakuierung auch über die Grenzen des Staatsgebiets und damit zu einer Einschränkung des Aufenthaltsrechts führen. So mag i n Katastrophenfällen die Verlegung der Bevölkerung einer Grenzgemeinde (z. B. Passau) i n einen befreundeten Nachbarstaat leichter durchzuführen sein als ins Landesinnere. Wenn A r t . 11 Abs. 2 innerstaatliche Zwangsevakuierungen erlaubt, dann paßt diese Schranke auch auf die Zwangsevakuierung über die Staatsgrenzen. e) Verteidigungsvorbehalt I n gleicher Weise ist der Schrankenvorbehalt des Art. 17 a Abs. 2 auf das Aufenthaltsrecht i m Staatsgebiet anwendbar. Wie bereits erwähnt, kann es gerade i m Rahmen eines europäischen Militärbündnisses erforderlich werden, die Bevölkerung zu ihrem Schutz und zur besseren Landesverteidigung i n fremdes Staatsgebiet zu verlegen. f) Jugendschutz Die Jugendschutzklausel ermöglicht ebenfalls Einschränkungen des Aufenthaltsrechts. Denn zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung kann es nicht nur geboten sein, dem Jugendlichen die Wohnsitznahme an bestimmten Orten des Staates zu verbieten oder zu gebieten. Aus denselben Gründen kann es erforderlich sein, dem Jugendlichen einen 46 Ä h n l i c h f ü r das Schweiz. Verfassungsrecht, Burckhardt, Kommentar, A r t . 44 B V Bern. 2 S. 381 f. 47 17. Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes v. 24.6.1968 (BGBl. I S. 709).

§17: Das Wohnrecht i m Staatsgebiet

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Aufenthaltsort außerhalb des Staatsgebiets anzuweisen, z. B. wenn der Jugendliche aus Gründen der Jugendfürsorge zeitweise i n einem Jugendlager untergebracht werden soll, das sich auf Grund eines zwischenstaatlichen Abkommens auf fremdem Staatsgebiet befindet. Die Schrankenvorbehalte des A r t . 11 Abs. 2 sprechen somit nicht gegen, sondern für eine Einordnung des Aufenthaltsrechts i n A r t . 11. Unerheblich ist, daß nicht jeder Gesetzesvorbehalt eine Zwangsentfernung rechtfertigen wird. Das ist angesichts der Schwere des Grundrechtseingriffs und der Geltung sogenannter Schrankenschranken, insbesondere des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, nicht verwunderlich. Wichtig ist, daß die Schranken nicht schon ihrem Inhalt nach auf das Aufenthaltsrecht unanwendbar sind. 3. Schrankenentnahme aus Art. 16 Abs. 1 Satz 1 ?

Würde man demgegenüber das Aufenthaltsrecht aus der Staatsangehörigkeit ableiten, so wäre es nur folgerichtig, m i t Scholler 48 die Anwendbarkeit des Art. 11 Abs. 2 zu leugnen und auf „mögliche immanente Schranken des Wohnrechts" zurückzugreifen, wobei dann das Wohnrecht i n derselben Weise wie die Statsangehörigkeit vom Gesetzgeber geregelt werden könnte. Die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ist jedoch für die Fälle systematisch ungeeignet, i n denen es um temporäre Beschränkungen des Aufenthaltsrechts geht, wie z. B. bei vorübergehenden Zwangsevakuierungen. Bei kurzfristigen Beschränkungen fehlt es von vornherein an der sachlichen Nähe zum Staatsangehörigkeitsrecht. Denn ein aus dem Institut der Staatsangehörigkeit abgeleitetes und auf die Dauer verstandenes Wohnrecht würde durch vorübergehende Beschränkungen gar nicht berührt werden. Aber auch für dauernde Zwangsentfernungen dürften die klaren Schrankenvorbehalte des A r t . 11 Abs. 2 unklaren „immanenten Schranken" vorzuziehen sein. Während die Eingriffsbefugnisse des Gesetzgebers i m ersten Fall klar umrissen sind, sind sie i m zweiten Fall unlimitiert. Die Regelung der Staatsangehörigkeit ist dem Gesetzgeber, abgesehen von dem Verbot der Entziehung i n A r t . 16, überlassen. Nach allem sprechen daher weit mehr Argumente für eine Zuordnung des Aufenthaltsrechts zu A r t . I I 4 9 als für seine Ableitung aus dem Staatsangehörigkeitsrecht. 48 D Ö V 1967, 473 r. Sp. 49 I m Ergebnis ebenso die i n Fußn. 2 Genannten. Bereits aus § 1 FreizG wurde ein Verbot der Verweisung Deutscher aus dem Reichsgebiet entnommen; vgl. Zorn, Reichs-Staatsrecht Bd. I S. 385. Auch bei der Erörterung einer Grundrechtsreform i n Österreich w i r d das

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5. Kap.: Freizügigkeit u n d Staatsgrenzen

§ 18: Der Wegzug Stärker als die Zuzugsfreiheit hat zu allen Zeiten das Recht interessiert, das eigene Staatsgebiet, sei es aus religiösen, wirtschaftlichen oder politischen Gründen zu verlassen 1 . I m Rahmen einer verfassungsrechtlichen Untersuchung kann die Frage unberücksichtigt bleiben, ob es ein vor- oder überstaatliches Recht auf Wegzug aus dem Heimatstaat gibt 2 , ebenso wie es auf das Argument nicht ankommt, dem Staat stehe „ursprünglich aus der . . . Kraft seiner Selbsterhaltung die Befugnis und die Macht zu, das Betreten und Verlassen seines Staatsgebiets . . . zu regeln", und der einzelne könne nicht ein hiergegen gerichtetes Grundrecht besitzen 3 . Denn das Problem, ob staatspolitisch oder staatstheoretisch 4 ein Auswanderungs- oder Ausreiserecht zu bejahen oder zu verneinen ist, gehört in den Bereich der Allgemeinen Staatslehre 5 . Für das Verfassungsrecht des Grundgesetzes ist allein zu klären, ob und wo das i m Grundrechtsteil an keiner Stelle ausdrücklich erwähnte Wegzugsrecht verankert ist. I. Die verfassungsrechtliche Verankerung des Wegzugsrechts Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts 6 w i r d die Ausreisefreiheit nicht durch Art. I I 7 , sondern als Ausfluß der allgemeinen HandVerbot der Ausweisung aus dem Staatsgebiet i m Zusammenhang m i t der Freizügigkeit, aber getrennt von dem Schutz gegen w i l l k ü r l i c h e n Entzug der Staatsbürgerschaft behandelt. Vgl. die bei Pernthaler, AöR Bd. 94 (1969) S. 77 ff. (81) abgedruckte Dokumentation. 1 Wobei ein enger Zusammenhang zwischen dem Auswanderungsproblem u n d staatlicher Toleranz besteht. Der Ruf nach freiem Abzug w i r d u m so stärker, je weniger Toleranz i n der Heimat besteht. Daher ist es auch n u r bedingt richtig, i n §24 des Augsburger Religionsfriedens v o n 1555, der andersgläubigen Untertanen den Abzug gestattete, die Verankerung der Toleranzidee zu sehen (so Eisenhardt i n J Z 1968 S. 216). H i e r w u r d e gerade die Lösung des Toleranzproblems durch die Öffnung eines Auswanderungsventils umgangen (ähnlich F r i t z Werner, Recht u n d Toleranz, Verh. d. 44. Deutschen Juristentages, Bd. I I S. B 5). Vgl. i n diesem Zusammenhang auch Luhmann, AöR Bd. 90 S. 283. 2 Der amerikanische Kongreß hat i n einer Resolution v. 27.7.1868 ein Naturrecht des Menschen auf Entlassung aus seinem Staatsverband behauptet. Dieser Satz ist jedoch nicht geltendes Völkergewohnheitsrecht. Vgl. Dahm, Völkerrecht Bd. I S. 480 f. Z u m Menschenrecht freier Ausreise vgl. auch Hartmann, Diss. S. 60 ff.; ders., JöR Bd. 17 S. 441 ff. 3 Bad. VGH Freiburg i n D Ö V 1954, 376 sub I a. 4 Vgl. Piaton, K r i t o n (Ausgabe: Sämtliche Werke, Bd. I , Heidelberg, L a m bert/Schneider) p. 51 D. 5 Vgl. Merten, M D R 1964 S. 806 sub I . 6 BVerfGE 6, 32 m. A n m . v o n Dürig, J Z 1957 S. 169 ff.; ebenso jetzt BVerwG M D R 1969, 246. Eine Ableitbarkeit aus A r t . 11 haben verneint: BVerwGE 3, 130 (133); Bad. VGH Freiburg D Ö V 1954 S. 375; Wernicke , Bonner Kommentar, A r t . 11 I I 1 e S. 4; Maunz, Staatsrecht § 20 I I I S. 162; H. J. Wolff , V e r w R I § 33 V b 10 S. 197;

§ 18: Der Wegzug

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lungsfreiheit durch A r t . 2 Abs. 1 innerhalb der Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet. Weniger das Ergebnis als vielmehr die teilweise ungenügende und wesentliche Punkte nicht berührende Begründung lassen es angezeigt erscheinen, dem Verhältnis zwischen Freizügigkeit und Wegzug aus dem Staatsgebiet nachzugehen. 1. Verhältnis von Freizügigkeit zur Wegzugsfreiheit

a) Wortlautargumentation Unbefriedigend, weil vordergründig, ist zunächst eine Wortlautargumentation 8 : Es ist zwar richtig, daß A r t . 11 nur die Freizügigkeit „ i m ganzen Bundesgebiet" und nicht „aus dem Bundesgebiet" gewährleistet 9 . A u f den Wortlaut kann sich das Gericht aber deshalb nicht berufen, weil er gegen die auch vom Bundesverfassungsgericht dem A r t . 11 zugewiesene Zuzugsfreiheit verwendbar wäre. Denn das Recht der Freizügigkeit „ i m ganzen Bundesgebiet" umschließt nach seinem Wortlaut auch nicht das Recht zur Einreise „ i n das Bundesgebiet" 10 . Aus demselben Grunde läßt die Kompetenznorm des A r t . 73 Nr. 3 keine Rückschlüsse zu 1 1 , weil hier Aus- und Einwanderung neben der Freizügigkeit aufgeführt werden, die Bestimmung i m Gegensatz zu A r t . 11 aber auch das Aus- und Einwanderungsrecht der Ausländer betrifft. b) Schrankensystematik Der vom Bundesverfassungsgericht hauptsächlich ins Feld geführte Schranken vorbehält des A r t . 11 Abs. 2, insbesondere das Fehlen eines Hamann, Grundgesetz A r t . 11 A n m . B 2 ; Giesel Schunck, G G A r t . 2 Anm. 112, A r t . 11 A n m . I I 1; Schmidt-Bleibtreul Klein, A r t . 11 Rdnr. 4; FeldmannlGeisel, Verfassungsrecht S. 41; SüsterhennlSchäfer, Kommentar A r t . 16 Anm. 2 S. 125; Grünwald, JZ 1966 S. 636; Strauch, Diss. S. 157 ff.; Bengelsdorf, Diss. S. 153 ff.

(166).

7 Aus der Freizügigkeit leiten die Auswanderungs- u n d Ausreisefreiheit jedoch ab: v. Mangoldt, Kommentar, A r t . 11 A n m . 2 S. 90 u. Vorbem. Nr. 12 S. 41; ders., AöR Bd. 75 S. 2871; Scheuner i n Thoma-Festschrift S. 199 ff., insbes. S. 222; Dürig, Grundrechte I I S. 518 f.; ders. i n Maunz/Dürig/Herzog A r t . 11 Rdnr. 94; ders. J Z 1953 S. 462 f.; ders. W D S t R L H. 22 S. 195; v. MangoldtlKlein, Kommentar, A r t . 11 A n m . I I I 2 S. 348; K o n r a d Hesse, Grundzüge S. 146; Preisenhammer i n Mang, V e r w R S. 57 f.; Eschenburg, Staat u n d Gesellschaft S. 410; v. Wolff, Paßrecht §7 PaßG A n m . 1 S.8; Schaffarczyk, §7 PaßG Rdnr. 21 S. 38; Hartmann, JöR Bd. 17 S. 460. F ü r das Schweiz. Verfassungsrecht Burckhardt, Kommentar S. 391; GiacomettilFleiner, Bundesstaatsrecht S. 251, 255; Rüegg, Niederlassungsfreiheit S. 60. 8

BVerfGE 6, 32 (34). • Vgl. hierzu auch Bordewin, Diss. S. 31 ff. Hierauf weist auch Doehring, Staat Bd. 4 (1965) S. 273 Fußn. 31 hin. 11 A . A . jedoch Wernicke, Bonner Kommentar, A r t . 11 I I 1 e, der m i t diesem Argument die begriffliche Zugehörigkeit des Wegzugs zur Freizügigkeit leugnet.

108

5. Kap.: Freizügigkeit u n d Staatsgrenzen

Staatssicherheitsvorbehalts 12 , erscheint ebenfalls nur Indiz gegen die Lokalisierung des Wegzugs i n A r t . 11.

als schwaches

Geht man von der Verfassungslage nach dem 17. Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes 13 aus, so ist die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts überholt. Denn da nunmehr die Freizügigkeit „zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes" und schon nach A r t . 17 a Abs. 2 durch Verteidigungs- und Zivilschutzgesetze einschränkbar ist, können die herkömmlichen Beschränkungen der Wegzugsfreiheit (Staatssicherheit, Wehrpflicht) auch auf Grund dieser Gesetzesvorbehalte durchgeführt werden. Aber auch wenn man bei subjektiv-historischer Betrachtungsweise die Interpretationsfrage an Hand des ursprünglichen Textes des A r t . 11 Abs. 2 lösen w i l l , ist die Begründung des Bundesverfassungsgerichts nicht unanfechtbar. Denn das Fehlen eines Staatssicherheitsvorbehalts in der früheren Fassung kann zwar ein Indiz sein, daß der Grundgesetzgeber i n A r t . 11 nicht die Ausreisefreiheit gewähren wollte. Es kann aber ebensogut ein Anzeichen dafür sein, daß der Grundgesetzgeber diesen Einschränkungsgrund für überflüssig hielt. Dafür würde sprechen, daß bei den Beratungen i m Parlamentarischen Rat eine zunächst vorgeschlagene Eingriffsmöglichkeit „zur A b wehr einer schweren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit" als zu weitgehend abgelehnt wurde 1 4 und daß auch für die Zuzugsfreiheit ein Staatssicherheitsvorbehalt nicht eingefügt wurde, obwohl das wegen der noch unstabilen politischen Verhältnisse und einer erwarteten Massenzuwanderung aus der sowjetischen Besatzungszone nahegelegen hätte. Wenn der Einordnung der Ausreisefreiheit i n A r t . 11 Abs. 1 nur der fehlende Schrankenvorbehalt entgegengestanden hätte, so wäre i m übrigen bei schweren Gefahren für die innere und äußere Sicherheit möglicherweise auf eine ungeschriebene Schranke zurückzugreifen gewesen, was der Grundrechtsinterpretation bei unbeschränkten und scheinbar unbeschränkbaren Grundrechten geläufig ist. c) Genetische

Interpretation

Wie die systematische, so ist auch die genetische Interpretation letztlich unergiebig. Zwar wurde i m Ausschuß für Grundsatzfragen des Parlamentarischen Rates eine als A r t . 6 vorgeschlagene Bestimmung über die Aus12 BVerfGE 6, 32 (35). 13 v. 24. 6.1968 (BGBl. I S. 709). 14 Vgl. Matz, JöR N.F. Bd. 1 S. 131 ff.; v. Mangoldt,

A r t . 11 Anm. 1 S. 88 f.

§ 18: Der Wegzug

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Wanderungsfreiheit gestrichen. Diese Maßnahme erfolgte angesichts der damaligen prekären wirtschaftlichen und sozialen Lage Deutschlands, um die Freiheit des Auswanderns nicht besonders zu betonen und nicht zu ihr anzureizen 15 . Damit beweist die Entstehungsgeschichte nur, daß der Grundgesetzgeber von einer ausdrücklichen Verankerung der Auswanderungsfreiheit absehen wollte. Offen bleibt aber die Frage, ob die Wegzugsfreiheit wie andere, nicht ausdrücklich i n den Grundrechtsteil aufgenommene Grundfreiheiten der allgemeinen Handlungsfreiheit unterfällt oder ob man sie, weil implicite i n der Freizügigkeit enthalten, aus A r t . 11 herausinterpretieren kann. So war man beispielsweise bei der Beratung der Berliner Verfassung i m Verfassungsausschuß ebenfalls der Auffassung, ein Auswanderungsrecht nicht besonders erwähnen zu sollen, ging aber andererseits davon aus, daß es Bestandteil der Freizügigkeit war 1 6 . d) Historische

Interpretation

Das Verhältnis von Freizügigkeit zu Wegzugsfreiheit kann daher nur anhand der vom Bundesverfassungsgericht nicht behandelten geschichtlichen Entwicklung beantwortet werden. Ursprünglich bestand beim Freizügigkeitsrecht kein begrifflicher Unterschied, ob es sich u m den freien Zug innerhalb des Staatsgebietes oder über dessen Grenzen handelte 17 . Das kommt schon dadurch zum Ausdruck, daß einerseits die innerstaatliche Freizügigkeit oft als Binnenwanderung oder i m Falle interterritorialer Freizügigkeit als Überwanderung 1 8 bezeichnet wurde und daß andererseits Verträge mit deutschen oder ausländischen Staaten über die Ein- und Auswanderung Freizügigkeitsverträge genannt wurden 1 9 . Auch heute w i r d i m Sprachgebrauch die Auswanderung oftmals als Teil der Freizügigkeit angesehen 20 . Hierüber berichtet v. Mangoldt, Vorbem. Nr. 12 S. 41. Auch bei den Beratungen zur Weimarer Reichsverfassung w a r beantragt worden, die A u s wanderungsfreiheit zu streichen, w e i l ihre feierliche Verkündung „ n u r den Auswanderungsagenten als Reklame dienen" würde (so Abg. Katzenstein; vgl. Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversamml u n g Bd. 336, A n l . zu den Sten.Ber., Nr. 391, Bericht des Verfassungsausschusses S. 374). 16 Vgl. Landsberg/Goetz, Berliner Verfassung, A r t . 11 Erl. 1 S. 65. 17 I n diesem Sinne Bluntschli, Völkerrecht S. 24; Giese, Grundrechte S. 113; Meyer/Anschütz, Lehrbuch S. 961; Rockstroh, Diss. S. 4. 18 Hubrich, Verfassungsrecht S. 204; Reger, Reichsverwaltungsgesetze S. 26. 19 Wobei die Freizügigkeit zwischen deutschen Staaten teilweise erst auf G r u n d dieser Verträge, m i t außerdeutschen Staaten sogar ohne Verträge bestand. Vgl. die Übersicht bei Simon, Preußisches Staatsrecht I I S. 598 u. 601. 20 Vgl. z.B. den Abg. Noll v. d. Nahmer, der die Reichsfluchtsteuer als Beschränkung der Auswanderung u n d damit der Freizügigkeit ansah, B T Sten.Ber. 1/4968.

110

§ 18: Der Wegzug

Spätestens i n d e n K o n s t i t u t i o n e n des 19. J a h r h u n d e r t s h a t sich jedoch die A u s w a n d e r u n g s f r e i h e i t v o n der g e m e i n s a m e n W u r z e l der F r e i z ü g i g k e i t gelöst u n d e i n verfassungsrechtliches E i g e n l e b e n g e f ü h r t , w a s d u r c h die gesonderten V e r f a s s u n g s b e s t i m m u n g e n ü b e r d i e W e g z u g s f r e i h e i t d e u t l i c h w i r d 2 1 . D e r Rechtszustand i m Deutschen Reich v o n 1871 b e s t ä t i g t diese E n t w i c k l u n g . W ä h r e n d sich das F r e i z ü g i g keitsgesetz v o n 1867 a l l e i n m i t d e r i n n e r e n F r e i z ü g i g k e i t b e s c h ä f t i g t 2 2 , w u r d e das A u s w a n d e r u n g s r e c h t i n d e m Gesetz ü b e r das Paßwesen, d e m Gesetz ü b e r E r w e r b u n d V e r l u s t d e r B u n d e s - u n d Staatsangeh ö r i g k e i t u n d d e m Gesetz ü b e r das A u s w a n d e r u n g s w e s e n i n d i r e k t a n e r k a n n t 2 3 . F o l g e r i c h t i g w a r e n i n der W e i m a r e r Reichsverfassung die Freizügigkeit u n d die Auswanderungsfreiheit i n getrennten Verfass u n g s b e s t i m m u n g e n ( A r t . 111 u n d 112) e n t h a l t e n . Diese historische V e r s e l b s t ä n d i g u n g der A u s w a n d e r u n g s f r e i h e i t v e r b i e t e t es, a u f A r t . 11 z u r ü c k z u g r e i f e n , w e n n d e r Verfassungsgeber d i e A u f n a h m e e i n e r spezialverfassungsrechtlichen R e g e l u n g ü b e r d i e W e g z u g s f r e i h e i t abgelehnt hat24. 21 A r t . 18 lit. b der Deutschen Bundesakte v. 8. 6.1815 (E. R. Huber, D o k u mente Bd. I S. 75); §136 der Paulskirchenverf. v. 28.3.1849 (RGBl. S. 101); A r t . 10 der Verf.-Urk. f. d. Preuß. Staat v. 5.12.1848 (GS S. 375); A r t . 11 der V e r f . - U r k f. d. Preuß. Staat v. 31.1.1850 (GS S.17); § 1 5 1 des Landesverfassungsgesetzes f ü r das Herzogthum A n h a l t - B e r n b u r g v. 28.2.1850 (Zachariä S. 962); §12 der Verf.-Urk. f. d. Großherzogthum Baden v. 22.8. 1818 (Stoerk S. 214) i. V. m. § 1 der V O v. 14. 8.1817 (Staats- u. Reg. Bl. S. 77); § 14 der Verf.-Urk. f. d. Königreich Bayern v. 26. 5.1818 (Stoerk S. 75); A r t . 35 der Neuen Landschaftsordnung f ü r das Herzogthum Braunschweig v. 12.10. 1832 (Stoerk S.336); §8 der Verf. d. freien Hansestadt Bremen v. 21.2.1854 (Stoerk S.593); §41 der Verf.-Urk. v. 5.1.1831 (Pölitz, Bd. 1 S. 618) u n d §30 der Verf.-Urk. v. 13.4.1852 (Zachariä S. 364) f ü r Churhessen; § 29 des StaatsG G v. 3.5.1852 f. d. Herzogthümer Coburg u n d Gotha (Stoerk S. 445); A r t . 4 der Constitutions-Ergänzungs-Acte zu der alten Stadtverfassung der freien Stadt F r a n k f u r t v. 19.7.1816 (Zachariä S. 1149); §43 des Landesverfassungsgesetzes f ü r das Königreich Hannover v. 6.8.1840 (Zachariä S. 218); T i t . I I I A r t . 24 der Verf.-Urk. des Großherzogthums Hessen v. 17.12.1820 (Stoerk S. 242); Patent f. d. Herzogthum Nassau v. 1./2.9.1814 (Zachariä S. 749); A r t . 55 § 1 des Revidierten Staatsgrundgesetzes f ü r das Großherzogthum Oldenburg v. 22.11.1852 (Zachariä S. 910); §25 des Gesetzes, die Verfassung des Fürstenthums Reuß ä. L. betreffend, v. 28. 3.1867 (Stoerk S. 519); § 18 des Revidierten Staatsgrundgesetzes f. d. Fürstenthum Reuß j. L . v. 14.4.1852 (Stoerk S.535); §29 der Verf.-Urk. f. d. Königreich Sachsen v. 4.9.1831 (Stoerk S. 114); §69 des Grundgesetzes f. d. Herzogthum Sachsen-Altenburg v. 29.4.1831 (Stoerk S.406); §16 der Verf.-Urk. f. d. Herzogthum SachsenCoburg-Saalfeld v. 8. 8.1821 (Pölitz S. 807); §9 des Grundgesetzes f. d. vereinigte landschaftl. Verf. des Herzogthums Sachsen-Meiningen v. 23.8.1829 (Stoerk S. 370); §47 des Verfassungsgesetzes f. d. Fürstenthum SchwarzburgSondershausen v. 12.12.1849 (Zachariä S. 989); §32 der Verf.-Urk. f. d. Fürstenthum Waldeck v. 17.8.1852 (Stoerk S.498); §24 der Verf.-Urk. f. d. Königreich Württemberg v. 25.9.1819 (Stoerk S. 174). 22 Ebenso Riedel, Reichsverfassungsurkunde S. 222. 23 Vgl. Wiebe S. 9; Waltershausen i n Handwörterbuch S. 9 6 1 ; Welz, Diss. S. 45. 24 Ä h n l i c h Strauch, Diss. S. 157; a. A. Scheuner i n Thoma-Festschrift S. 223,

5. Kap.: Freizügigkeit u n d Staatsgrenzen

Ist folglich i n A r t . 11 nicht die Auswanderungsfreiheit enthalten, so muß dasselbe für die Ausreisefreiheit gelten, die als vorübergehendes Verlassen des Staatsgebiets von jeher als ein Minus gegenüber dem endgültigen angesehen wurde. 2. Wegzugsfreiheit und Staatsangehörigkeit

Neben A r t . 11 ermangelt es der Verfassung auch an einem anderen Spezialgrundrecht, das die Wegzugsfreiheit bergen könnte. a) Das gilt zunächst für das Auslieferungsverbot des A r t . 16 Abs. 2. Zwar hat A r t . 112 WRV nicht, ohne Grund das Auswanderungsrecht und das Auslieferungsverbot i n einer Verfassungsvorschrift geregelt, da die Rechte, das Staatsgebiet verlassen zu dürfen und es nicht verlassen zu müssen, durchaus verwandt sind. Dennoch kann aus der Regelung eines Spezialfalles der Zwangsentfernung nicht umgekehrt das Recht zum ungehinderten Verlassen des Staatsgebietes gefolgert werden. b) Gleichfalls wäre A r t . 16 Abs. 1 Satz 1 ein unrichtiger Ansatzpunkt. Zwar meint Giacometti, die Frage nach der Auswanderungsfreiheit sei „identisch mit dem Anspruch auf Aushändigung eines Passes und damit letzten Endes auf Nichtentzug der Staatsangehörigkeit" 25 . Diese Argumentation jedoch erscheint unrichtig, w e i l die verfassungsrechtliche Garantie eines Nichtentzugs der Staatsangehörigkeit noch nicht die Auswanderungsfreiheit verbürgt, ebenso wie der Entzug der Staatsangehörigkeit noch nicht die Auswanderung ausschließen oder erzwingen würde. Richtig ist allein, daß die Auswanderung nicht m i t dem Verlust der Staatsangehörigkeit geahndet werden darf. I m übrigen ist auch hier, wie beim Zuzugsrecht und beim Aufenthaltsrecht i m Staatsgebiet, der Anknüpfungspunkt zur Staatsangehörigkeit zu schwach 26 . Zwar stehen Staatsangehörigkeit und Auswanderung i n Beziehung zueinander: Einmal ist der Staat eher gehindert, Staatsfremde als Staatsangehörige i n seinem Staatsgebiet festzuhalten 27 . Zum anderen war die Auswanderung nach früherer Auffassung m i t einem Verlust der wegen des engen historisch-dogmatischen Zusammenhanges von A u s wanderungs- u n d Niederlassungsfreiheit die Wegzugsfreiheit aus A r t . 11 entnimmt. 2ß Zeitschr. f. Schweiz. Recht N.F. Bd. 74 (1955) I , S. 158. 26 Vgl. hierzu oben S. 96 ff. 27 Denn es besteht der völkerrechtl. Grundsatz, daß Staatsfremde nicht am Verlassen des Aufenthaltsstaates gehindert werden dürfen; vgl. Schnitzer i n Strupp/Schlochauer, Wörterbuch Bd. I S. 568 r. Sp. Vgl. ferner §22 des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer i m Bundesgebiet, wonach einem Ausländer die Rückkehr i n seine Heimat oder die Auswanderung nicht versagt werden darf.

112

5. Kap.: Freizügigkeit u n d Staatsgrenzen

der Staatsangehörigkeit verbunden 2 8 . Z u weitgehend ist es jedoch, aus der Staatsangehörigkeit ein Recht auf Auswanderung abzuleiten. Dieser Argumentation liegt ein Verständnis der Staatsangehörigkeit zugrunde, für das die Verfassung keinen Anhaltspunkt bietet. Es ist ein Zirkelschluß, in die Staatsangehörigkeit zunächst bestimmte Rechte hineinzulesen, um sie dann aus Art. 16 herauszuinterpretieren. 3. Ergebnis: Schutz im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit

Der verfassungsrechtliche Schutz des Wegzugs ist allein nach A r t . 2 Abs. 1 und dessen Schranken zu beurteilen. a) Interpretation

des Art. 2 Abs. 1

Das setzt allerdings die Ablehnung der vom Bundesverwaltungsgericht früher vertretenen Ansicht voraus, die Ausreisefreiheit entbehre jedes grundrechtlichen Schutzes und sei auch nicht in A r t . 2 gewährleistet 2 9 . Hier hat das Gericht den Auffangcharakter des A r t . 2 Abs. 1 übersehen und der Freizügigkeit „nach außerhalb" wegen ihrer Nichterwähnung i n Art. 11 zu Unrecht jeden grundrechtlichen Schutz versagt, obwohl die Auswanderung von der Verfassung durchaus anerkannt w i r d (arg. Art. 73 Nr. 3) 30 . Lokalisiert man den Wegzug in A r t . 2 Abs. 1, so w i r d jede Form des Wegzugs erfaßt, wenn man m i t der herrschenden Meinung 3 1 die Persönlichkeitsentfaltung als allgemeine Handlungsfreiheit versteht. b) Unterschiedliche

Behandlung

von Abzug und Zuzug

Die Zuordnung des Wegzugs zu A r t . 2 Abs. 1, des Zuzugs zu A r t . 11 ist allerdings systematisch nicht befriedigend. Dieses Argument ist jedoch nicht überzubewerten, da der Grundrechtskatalog eine Anein28 Vgl. z.B. Loening i n Bluntschlis Staatswörterbuch S. 204; später w u r d e ausdrücklich hervorgehoben, daß die Auswanderung nicht m i t der Aufgabe der Reichsangehörigkeit verknüpft sei; vgl. Hub rieh, Verfassungsrecht S. 204; Hatschek I S. 208. 2 9 BVerwGE 3, 130 (133); BVerwG DÖV 1958 S. 474. Z u r K r i t i k vgl. Dürig i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 2 1 Rdnr. 7; Bachof, Verfassungsrecht, V e r waltungsrecht, Verfahrensrecht Bd. I S. 14, 23; Ernst Hesse, B i n d u n g des Gesetzgebers S. 50 f. Inzwischen hat das Gericht seine Ansicht ausdrücklich aufgegeben (Urt. v. 29. 8.1968 — I C 67/67 — M D R 1969, 246). 30 Vgl. hierzu i m weiteren Zusammenhang BVerfGE 12, 45 (50). 31 BVerfGE 6, 32 (36ff.); BVerwGE 7, 125 (134); vgl. ferner statt aller Dürig i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 2 I Rdnr. 5 ff. A. A. insbesondere Peters (in Laun-Festschrift S. 669 ff.; ders., Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit), der i n A r t . 2 Abs. 1 n u r den Schutz des Persönlichkeitskerns sieht. A u f diese Weise klammert er auch große Teile der Wegzugsfreiheit v o m Grundrechtsschutz aus. So soll nach Peters i n dem konkreten Ausreiseverbot keine Behinderung der Persönlichkeitsentfaltung liegen, w o h l aber dann, wenn allgemein eine Bewegung über die Landesgrenzen untersagt oder ein bestimmter Bürger grundsätzlich an der Ausreise gehindert würde (Peters, Recht auf freie Entfaltung S. 76 f.).

§ 18: Der Wegzug

113

anderreihung historisch überkommener oder auf Grund konkreter Gefährdungen geschaffener Grundrechte enthält 3 2 . Das Ergebnis muß aber wegen der divergierenden Schrankenvorbehalte der A r t . 11 Abs. 2 und 2 Abs. 1 überprüft werden. Die unterschiedliche Zuordnung ist nur gerechtfertigt, wenn der Wegzug weniger schutzwürdig oder -bedürftig ist als der Zuzug oder von i h m größere Gefahren als von der Einwanderung und Einreise drohen. Das Zuzugsrecht ist für den Staatsbürger deshalb von besonderer Bedeutung, weil er i m jeweiligen Aufenthaltsstaat nur Fremder ist und i n der Regel ausgewiesen werden kann, i h m i n seinem Heimatstaat aber das Aufenthaltsrecht zusteht und er grundsätzlich nur dort die ihm als Staatsbürger zustehenden Grundrechte ausüben kann. Daher ist es gerechtfertigt, sein Recht, i m Heimatstaat einen neuen Lebensmittelpunkt zu begründen oder an den bisherigen zurückzukehren, nur unter qualifizierten Voraussetzungen für einschränkbar zu erklären, zumal der Heimatstaat völkerrechtlich zur Rücknahme des Staatsangehörigen verpflichtet sein kann. Vergleicht man Ein- und Auswanderung hinsichtlich der von ihnen ausgehenden Gefahren, so ist festzustellen, daß sich eine Massenflucht bei Verschlechterung der politischen oder wirtschaftlichen Verhältnisse für den Staat verhängnisvoll auswirken kann. Aus diesen Gründen ist auch die Auswanderungsfreiheit vom Parlamentarischen Rat nicht ausdrücklich i n den Grundrechtskatalog aufgenommen worden. Ähnliche Gefahren gehen von Zuzugsbewegungen eigener Staatsangehöriger normalerweise nicht aus, weil der Kreis der i m Ausland lebenden Staatsangehörigen vergleichsweise gering ist. Für die verfassungsrechtliche Lage der Bundesrepublik überzeugt dieses Argument jedoch deshalb nicht, weil die Freizügigkeit hier als Deutschenrecht ausgestaltet wurde und die Einwanderung damit bewußt einem großen Kreis, insbesondere der Bevölkerung Mitteldeutschlands eingeräumt wurde. Trotz des Schrankenvorbehalts des A r t . 11 Abs. 2 (Fehlen einer ausreichenden Lebensgrundlage) hat man damit, was bei den Verfassungsberatungen betont wurde, bewußt wirtschaftliche Risiken i n Kauf genommen. Trotz gleicher oder ähnlicher Gefahren, die von Massenbewegungen i n das oder aus dem Bundesgebiet ausgehen, ist die Privilegierung der Zuzugsfreiheit nicht zu beanstanden. Denn das Interesse, insbesondere der Deutschen i n Mitteldeutschland, unter der Verfassungsordnung 32 v g l . BVerfGE 6, 32 (37). Daher überzeugen auch die Zweifel Schollers (DÖV 1967 S. 469 r. Sp.) nicht, ob m a n die Einreisefreiheit dem A r t . 11 zuordnen könne, w e n n m a n den actus contrarius der Ausreise unter A r t . 2 Abs. 1 subsumiere, w e i l dieser Gesichtspunkt allein allzu formal ist. 8

Merten

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5. Kap.: Freizügigkeit u n d Staatsgrenzen

der Bundesrepublik zu leben, ist schutzwürdiger als das Auswanderungsverlangen der i n der Bundesrepublik ansässigen Deutschen. Unabhängig von einer Massenflucht aus dem Bundesgebiet gehen auch von der Auswanderung und Ausreise i m Einzelfalle größere Gefahren aus als von der Einwanderung oder Einreise eigener Staatsangehöriger 33 , weil der Wegziehende versuchen kann, ohne Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Verpflichtungen das Staatsgebiet zu verlassen. Aus diesem Grunde ist eine stärkere Einschränkbarkeit des Abzugs gerechtfertigt. Zwar sind viele der geltenden Paßversagungsgründe des § 7 PaßG auch durch die Schrankenvorbehalte der A r t . 11 Abs. 2, 17 a Abs. 2 gedeckt. Eine Versagung des Passes gemäß § 7 Abs. 1 lit. b, der eine Strafverfolgung oder Strafvollstreckung sicherstellen soll, wäre jedoch nach A r t . 11 Abs. 2 nicht möglich. I m übrigen sind auch Gründe für ein Wegzugsverbot denkbar, die nicht i m Paßgesetz enthalten sind. Gehen von der Auswanderung und Ausreise größere Gefahren als von der Einwanderung und Einreise aus, so sind die unterschiedlichen Schrankenvorbehalte gerechtfertigt. I I . Auswanderung und Ausreise

Wie bei dem Zuzug begrifflich zwischen Einwanderung und Einreise, so ist bei dem Wegzug zwischen Auswanderung und Ausreise zu trennen. Eine Definition der Auswanderung haben weder die früheren Verfassungsvorschriften enthalten noch findet sie sich i n den zahlreichen Gesetzesbestimmungen, die von der Auswanderung handeln oder an diesen Begriff anknüpfen 3 4 . Wesentliches Merkmal des überkommenen 33 N u r u m diesen Personenkreis geht es, w e i l A r t . 11 ein Deutschen-Hecht ist. Der Zuzug Fremder bedarf weitergehender Schrankenvorbehalte, w e i l v o n i h m stärkere Gefahren ausgehen können. Vgl. i n diesem Zusammenhang eine Verfassungsinitiative i n der Schweiz, die zum Schutze vor Überfremdung folgende Verfassungsergänzung vorsah: A r t . 69 quater „Der B e stand an ausländischen Niedergelassenen u n d Aufenthaltern darf insgesamt einen Zehntel der Wohnbevölkerung nicht übersteigen". (Bundesbeschluß über das Volksbegehren gegen die Überfremdung v. 15. 3.1968 — BB1. 19681 S. 526.) 34 Vgl. Gesetz über das Auswanderungswesen v. 9.6.1897 (RGBl. S. 463); hier w u r d e auf eine Definition ausdrücklich verzichtet (vgl. Sten. Ber. des Reichstages 1897 S. 5105 C); Verordnung gegen Mißstände i m Auswanderungswesen v. 14.2.1924 (RGBl. I S. 107); Gesetz über die Errichtung eines Bundesamtes f ü r Auswanderung v o m 8.5.1952 (BGBl. I S. 289); Verordnung über die Einrichtung von Auswandererschiffen v. 21.12.1956 (BGBl. I I S. 2145). Den Begriff der Auswanderung verwenden auch § 4 Abs. 1 Nr. 1 lit. c B E G (i. d. F. v. 29. 6.1956 [BGBl. I S. 562]) u n d § 230 Abs. 1 L A G i n seiner früheren Fassung (durch A r t . I Nr. 11 des 4. Ä n d G L A G v. 12. 7.1955 [BGBl. I S. 403], abgeändert durch § 1 Nr. 2 des 19. Ä n d G L A G v. 3. 5.1967 [BGBl. I S. 509]),

§ 18: Der Wegzug

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Auswanderungsbegriffs ist die Absicht, sich i m Ausland niederzulassen, dort einen Wohnsitz zu begründen 35 . Damit w i r d wiederum an die von der Freizügigkeit und der Zuzugsfreiheit bekannten Unterscheidungskriterien angeknüpft. Voraussetzung der Auswanderung ist, daß das Verbleiben i m Ausland für immer oder für eine längere, unbekannte Zeitdauer geplant ist 3 6 . Die Absicht einer späteren Rückkehr i n den Heimatstaat schließt aber die Auswanderung begrifflich nicht aus. Neben der Absicht des Verweilens für eine bestimmte Zeitdauer ist ein weiteres subjektives Merkmal 3 7 , insbesondere die vom Bundesverwaltungsgericht vorausgesetzte Absicht „zur Erreichung irgendwelcher als bedeutsam erscheinender Ziele auf dem Gebiet eines anderen Staats" 3 8 nicht erforderlich, weshalb offenbleiben kann, was das Gericht mit dieser Leerformel meinte. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Auswanderung und der Aufgabe der Staatsangehörigkeit besteht entgegen früheren Auffassungen 39 nicht. Der Auswandernde muß nicht die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit beantragen. Er w i r d das u m so weniger tun, als er vielfach nicht ohne weiteres die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates erlangen kann. Gegen seinen Willen kann i h m jedoch wegen Art. 16 Abs. 1 Satz 1 die Staatsangehörigkeit auf Grund der Auswanderung nicht entzogen werden 4 0 : Diese Rechtsfolge kann gemäß A r t . 16 Abs. 1 Satz 2, § 25 RuStAG erst angeordnet werden, wenn der ausgewanderte Staatsangehörige eine neue Staatsangehörigkeit erworben hat. Somit knüpft die Auswanderung an die bloße Wohnsitznahme i m Ausland an. Sie ist zu definieren als ein Verlassen des Bundesgebiets i n der Absicht, dauernd oder wenigstens für unbestimmte längere Zeit i m Ausland den Wohnsitz zu nehmen 41 . Ein Indiz für die Aushierzu BVerwGE 12, 72; 15, 42 (44 ff.); 347 (349); BVerwG N J W 1963 S. 1891. Vgl. ferner § 13 Abs. 1 BundesrückerstattungsG v. 19. 7.1957 (BGBl. I S. 734). Hierauf stellen ab Stengel/Fleischmann, Wörterbuch S. 267; Hatschekl S. 208; K a r l Neumeyer, Intern. V e r w R S. 272; v. Waltershausen, H a n d w ö r t e r buch Bd. I I S. 60. 36 Vgl. Pohl i n Nipperdey, Grundrechte I S. 250 f. 37 Unrichtig Größer, Staatslexikon (5. Aufl.) Bd. I Sp. 508 (zu „wirtschaftlicher Betätigung"). Die Ehefrau, die f ü r i m m e r zu ihrem M a n n ins Ausland ziehen w i l l , wandert aus, ohne sich dort wirtschaftlich betätigen zu müssen. 38 BVerwGE 12, 72 (73), w o die Definition Soders, Handbuch des Flüchtlingsrechts S. 4, wörtlich übernommen w i r d . 39 s. oben Fußn. 28. 40 Hierzu Kimminich, Bonner Kommentar (Zweitbearb.) A r t . 16 Rdnr. 26 ff.; Schätzel, Grundrechte I I S. 570 ff.; Scholler, D Ö V 1967, S. 475 ff. Ä h n l i c h v. Martitz, Hirth's Annalen 1875 Sp. 1148 zu Fußn. 1; Stengel/ Fleischmann, Wörterbuch S. 267; K a r l Neumeyer, Intern. VerwR. Bd. I I I S.272; Pohl i n Nipperdey, G r u n d r e c h t e ! S.250. 8*

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5. Kap.: Freizügigkeit u n d Staatsgrenzen

Wanderung ist stets die Vermögensmitnahme, weshalb auch die Freiheit von Abzugssteuern ein Bestandteil der Wegzugsfreiheit wurde. Von der Auswanderung unterscheidet sich die Ausreise, die von vornherein mit dem Ziel der Rückkehr i n das Staatsgebiet erfolgt, mag sie auch einen kürzeren oder längeren Aufenthalt i m Ausland bezwecken. Daher fällt eine Auslandsreise unabhängig von ihrer Zeitdauer von vornherein nicht unter die Auswanderung, da sie nicht den Zweck verfolgt, i m Ausland den Lebensmittelpunkt zu begründen. Für den Wegzug braucht die Frage nicht erörtert zu werden, ob Art. 2 Abs. 1 auch das Recht umschließt, nicht aus dem Staatsgebiet wegziehen zu müssen. Denn diese negative Komponente w i r d m i t weit stärkerer Grundrechtseffektivität bereits durch das i n Art. 11 enthaltene Wohnrecht i m Staatsgebiet geschützt.

§ 19: Aiiienthaltsrecht im Ausland Wegen der auf das Staatsgebiet beschränkten Territorialhoheit eines Staates kann eine nationale Verfassung nicht das Wohn- oder A u f enthaltsrecht i n einem fremden Staat schlechthin garantieren. Wohl aber kann das Grundgesetz eine Aussage darüber enthalten, ob die i m Ausland lebenden Deutschen auf staatliche Anordnung i n das Bundesgebiet zurückkehren müssen 1 . I. Negatives Zuzugsrecht als Ausfluß der Staatsangehörigkeit? 1. Unrichtig ist es, daß das Problem, ob die negative Einreisefreiheit von A r t . 11 mitgeschützt ist, „ i n den status activus überschlagen" soll 2 . Von allen Teilfreiheiten des A r t . 11 ist die Beziehung des Rechts, i m Ausland bleiben zu dürfen und nicht einreisen zu müssen, zur Staatsangehörigkeit und zum status activus am schwächsten. W i r d durch die Einreise die Wahrnehmung der Rechte des status activus ermöglicht, so bringt umgekehrt das negative Zuzugsrecht eine Distanz zum status activus m i t sich, weil diese Rechte i m allgemeinen i m Ausland nicht ausgeübt werden können. 2. Das negative Zuzugsrecht kann aus der Staatsangehörigkeit auch nicht mit der Begründung abgeleitet werden, daß sowohl § 27 RuStAG als auch § 2 Abs. 1 Satz 2 des Ausbürgerungsgesetzes von 19333 an die 1 Hierzu Merten, Z u r Verfassungsmäßigkeit eines Rückrufgesetzes, M D R 1964 S. 806 ff.; Scholler, Staatsangehörigkeit u n d Freizügigkeit — Z u m Problem des Rückrufs und seiner Sanktionen, D Ö V 1967, 469 ff. 2 Scholler a.a.O., S. 470 sub I 2 a. E. 3 Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen u n d die Aberkennimg der deutschen Staatsangehörigkeit v. 14.7.1933 (RGBl. I S. 480).

§ 19: Aufenthaltsrecht i m Ausland

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Nichtbefolgung eines Einreisegebots den Entzug der Staatsangehörigkeit knüpften. Hieraus ergibt sich nicht, daß das negative Zuzugsrecht und seine Einschränkbarkeit Folgen des Staatsangehörigkeitsrechts sind. Vielmehr hat der Gesetzgeber nur — mangels anderer Sanktionen — die Zuwiderhandlung gegen eine Rückkehraufforderung mit der Sanktion des Entzugs der Staatsangehörigkeit bedroht. Das zugrundeliegende negative Zuzugsrecht ist damit ebensowenig ein Problem des status activus, wie z. B. das Recht, einen Ausländer zu heiraten, obwohl eine derartige Eheschließung gemäß § 17 Nr. 6 RuStAG zum Verlust der Staatsangehörigkeit führte. Bei sauberer Interpretation muß i n den genannten Bestimmungen zwischen Normbefehl und Normsanktion unterschieden werden. Ob dem Auslandsdeutschen ein Recht zusteht, i m Ausland zu bleiben und nicht i n seinen Heimatstaat zurückzukehren, ist ein Problem des status negativus und beantwortet sich danach, ob diese negative Freiheitsbetätigung von einem Grundrecht geschützt wird. N u r wenn feststeht, daß der Normbefehl verfassungsrechtlich unbedenklich ist, weil keine Freiheitsrechte entgegenstehen oder sie i n zulässiger Weise eingeschränkt werden, stellt sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Normsanktion, d. h. der Entziehung der Staatsangehörigkeit. Erst jetzt bestehen Beziehungen zum status activus. Daher kann es bei der Diskussion um das negative Zuzugsrecht nur um die Frage gehen, ob es durch A r t . 11 oder allein durch Art. 2 Abs. 1 geschützt ist. I L Negativer Grundrechtsbereich des A r t . 11 Als dogmatischer Ansatzpunkt für eine negative Zuzugsfreiheit kommt das Zuzugsrecht des A r t . 11 in Betracht, das als Negativkomponente auch die Freiheit einschließen kann, nicht i n das Bundesgebiet ziehen zu müssen, d. h. im Ausland bleiben zu dürfen 4 . 1. Es würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen, wollte man zunächst die konkreten Grundfreiheiten des Grundgesetzes daraufhin untersuchen, ob ein allgemeiner dogmatischer Satz ableitbar ist, daß die positive Grundrechtsbetätigung auch die negative einschließt 5 . Immerhin ist zu erwähnen, daß für das Hauptfreiheitsrecht des A r t . 2 Abs. 1 i m Parlamentarischen Rat wiederholt die Formulierung zur Debatte stand: „Jedermann ist frei, zu t u n und zu lassen, 4 Vgl. Merten,

M D R 1964 S. 806 sub I I 2.

s Vgl. f ü r A r t . 11 Dürig i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 11 Rdnr. 38; f ü r A r t . 9: v. Mangoldt/Klein A r t . 9 Anm. V 11; Dietz, Grundrechte I I I / l S. 455 3. Absatz.

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5. Kap.: Freizügigkeit u n d Staatsgrenzen

was die Rechte anderer nicht verletzt . . . " , und daß mit der jetzigen Formulierung jedenfalls nicht die Ausklammerung des negativen Freiheitsrechts beabsichtigt war 6 . Es bedarf allerdings keiner besonderen Darlegung, daß eine negative Freiheit dort nicht besteht, wo sie von Verfassungs wegen ausdrücklich ausgeschlossen ist oder ihr geschriebene oder ungeschriebene Schranken entgegenstehen 7 . Weitergehend ist jedoch entgegen der Auffassung Krügers 8 ein gegen die grundrechtliche Nichtbetätigung gerichteter kategorischer Imperativ, von seinen Grundrechten Gebrauch zu machen, zumindest für den Bereich des A r t . 11 und seines Zuzugssektors abzulehnen, da dem Staat nichts an einer gesteigerten Mobilität seiner Bürger liegt. 2. Für einen negativen Grundrechtsbereich spricht, daß es Sinn gerade des status negativus ist, eine staatsfreie Sphäre auszugrenzen und dem einzelnen i n diesem Bereich die Entschließungsfreiheit zu bewahren. Da Kern der Grundfreiheiten die Freiheit vom staatlichen Zwang ist, schützen die Grundrechte auch die Untätigkeit 9 . Hinzu kommt, daß positive und negative Freiheit miteinander verzahnt sind und einander bedingen: Der Wissenschaftler kann das Gebiet A nur erforschen, wenn er nicht gezwungen wird, sich zur selben Zeit dem Gebiet B zu widmen. Das Recht des Bürgers, an einer Versammlung teilzunehmen, ist nur dann sinnvoll gewährleistet, wenn er nicht gehalten ist, zur selben Zeit eine andere Versammlung zu besuchen. Das Zuzugsrecht eines i m Ausland lebenden Deutschen w i r d schließlich gegenstandslos, wenn er aufgrund einer staatlichen Anordnung schon einige Monate früher als geplant i n das Bundesgebiet ziehen muß. 3. Für die Frage, ob man A r t . 11 ein „Bleibe-Recht" i m Ausland entnehmen kann, kommt es auch auf die sachliche Nähe dieses Rechts zur Wegzugs- und Zuzugsfreiheit an. Das Recht, i m Ausland zu bleiben und nicht i n das Bundesgebiet zurückkehren zu müssen, setzt i m Regelfall einen vorherigen Wegzug aus dem Bundesgebiet voraus. Dennoch besteht Einigkeit darüber, daß man den Rückruf nicht als Widerruf einer Ausreisegenehmigung ansehen kann 1 0 . Zwar kann das Wegzugsrecht gem. A r t . 2 Abs. 1 beschränkt werden. W i r d einem Deute Vgl. zur Entstehungsgeschichte Matz JöR N. F. Bd. 1 S. 54 ff. 7 Da A r t . 6 Abs. 2 S. 1 eine Erziehungspflicht der Eltern statuiert, ist Scholler (DÖV 1967 S. 469 f.) zuzustimmen, daß der Nichtgebrauch des G r u n d rechts nicht geschützt w i r d . Diese spezielle Verfassungsregelung spricht aber nicht gegen, sonder eher f ü r ein Recht auf Nichtbetätigung i n den übrigen Fällen. s Allgemeine Staatslehre S. 542 f. 9 Ä h n l i c h E . R . Huber D Ö V 1956, 137 l.Sp.; Götzfried N J W 1963, S. 1962. 10 Merten, M D R 1964 S. 806 sub I I 2; ebenso Scholler D Ö V 1967 S.470 sub I 3.

§19: Aufenthaltsrecht i m Ausland

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sehen aber die Auswanderung oder Ausreise gestattet, so ist der Wegzug beendet. Es wäre eine formale, inhaltlich nicht überzeugende K o n struktion, den Rückruf nicht als Einreisepflicht, sondern als W i d e r r u f einer Ausreisegenehmigung zu betrachten. Auch sachlich unterscheiden sich Wegzugsfreiheit und negatives Zuzugsrecht. V o m Standpunkt des Bürgers ist ein Wegzugsverbot anders zu beurteilen als das nach ungehindertem Verlassen des Staatsgebiets an i h n ergehende Rückkehrgebot. Das negative Zuzugsrecht ist schutzwürdiger, w e i l der Staatsbürger, dem die Ausreise nicht versagt w i r d , darauf vertrauen kann, daß gegen seinen Auslandsaufenthalt keine Bedenken bestehen. I I I . Verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Rückrufs Die stärkere Schutzwürdigkeit des negativen Zuzugsrechts spricht dafür, es dem A r t . 11 u n d nicht dem A r t . 2 Abs. 1 zuzuweisen, damit es nicht durch jede Rechtsnorm, sondern n u r unter den Voraussetzungen der A r t . 11 Abs. 2, 17 a Abs. 2 einschränkbar ist. Diese Interpretat i o n wäre allerdings angreifbar, wenn sie zu einem „dem Staate unerträglichen Ergebnis" führte, w i e Scholler 11 meint. Untersucht m a n diese These näher, so erweist sie sich jedoch als nicht stichhaltig. Als wichtigster F a l l eines jus revocandi k o m m t der frühere § 27 R u S t A G i n Betracht, wonach ein Deutscher seiner Staatsangehörigkeit f ü r verlustig erklärt werden konnte, w e n n er i m Falle eines Krieges oder einer Kriegsgefahr einer Rückkehraufforderung nicht Folge leistete. Eine gesetzliche Rückkehraufforderung i m Verteidigungs- und Spannungsfall könnte aber auch ergehen, w e n n m a n das negative Zuzugsrecht dem A r t . 11 zuordnet, da A r t . 17 a Abs. 2 einen entsprechenden Gesetzesvorbehalt enthält. Weiterhin würde es A r t . 11 Abs. 2 bei entsprechender gesetzlicher Regelung gestatten, Deutsche zur A b w e h r einer drohenden Gefahr f ü r den Bestand des Bundes, zur Bekämpfung von Naturkatastrophen oder besonders schweren U n glücksfällen oder jugendliche Deutsche zum Schutz vor ihrer V e r w a h r losung aus dem Ausland zurückzurufen. I n vielen Fällen w ü r d e es allerdings an einer wirksamen Sanktion f ü r die Rückkehraufforderung fehlen, zumal A r t . 18 Abs. 1 den Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit nunmehr verbietet. Dennoch ist die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit eines Rückrufs nicht bedeutungslos. Die Bundesrepub l i k könnte z. B. i m Falle der verwahrlosten Jugendlichen die Überstellung durch Zusammenarbeit m i t den Behörden des Aufenthaltsstaates erreichen. Die Jugendlichen könnten sich dann den deutschen Behörden gegenüber nicht auf ein Recht berufen, nicht einreisen zu müssen. " a.a.O. S. 473 r. Sp.

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5. Kap.: Freizügigkeit u n d Staatsgrenzen

Für ein unlimitiertes Revokationsrecht des Staates besteht auch kein Bedürfnis, was die früheren Regelungen i n den deutschen Staatsangehörigkeitsgesetzen beweisen, die i m wesentlichen nur den Rückruf i m Kriegsfalle kannten. Zum anderen liegt der einseitigen Uberbetonung des Staatsinteresses eine Staatsauffassung zugrunde, die dem Verfassungsbild des Grundgesetzes widerspricht. Ein vor einiger Zeit erwogenes Rückrufgesetz für die i n Ägypten arbeitenden deutschen Wissenschaftler hätte Art. 11 Abs. 2 allerdings nicht ohne weiteres gerechtfertigt, selbst wenn man ihre Tätigkeit als Vorbereitung eines Angriffskrieges qualifiziert hätte. Zwar kann aus A r t . 26 Abs. 1 eine allgemeine Grundrechtsschranke entnommen werden, wonach jegliche friedensstörende Grundrechtsbetätigung untersagt w i r d und insoweit alle Grundrechte begrenzt werden 1 2 . Wenn aber ein deutscher Statsangehöriger während seines Auslandsaufenthalts dem A r t . 26 Abs. 1 zuwiderhandelt, so bietet dieser keine Handhabe zu einem Rückruf. Denn von A r t . 11 macht der i m Ausland lebende Deutsche gerade keinen Gebrauch. Es fehlt an einem positiven Handeln. Durch bloße Nichtbetätigung oder Unterlassung kann aber ein Grundrecht nicht mißbraucht werden 1 3 . A u f Grund des Kriminalvorbehalts des A r t . 11 Abs. 2 könnte ein Rückrufgesetz i n die Freizügigkeit eingreifen, um schwerwiegende oder die Gemeinschaft besonders gefährdende Delikte zu verhindern. Hier käme jetzt die später aufgrund des Verfassungsgebots des Art. 26 Abs. 1 Satz 2 eingefügte Strafvorschrift des § 80 StGB 1 4 i n Betracht. Danach w i r d bestraft, wer einen Angriffskrieg vorbereitet, an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, und dadurch eine Kriegsgefahr für die Bundesrepublik herbeiführt. A u f kriegerische Auseinandersetzungen fremder Staaten i m Nahen Osten ohne Beteiligung der Bundesrepublik ist diese Vorschrift jedoch unanwendbar. Daher scheidet auch der Kriminalvorbehalt des A r t . 11 Abs. 2 als Grundlage eines Rückrufgesetzes für die i n Ägypten lebenden Deutschen aus. Dieses Ergebnis spricht nur dann gegen die Einordung des negativen Zuzugsrechts i n A r t . 11, wenn man unter Überbetonung des Staatsinteresses dafür eintritt, daß der Staat auch aus politischen Gründen seine Staatsangehörigen soll zurückrufen können. Sieht man dagegen in dem Rückruf eine derart einschneidende Freiheitsbeschränkung, daß sie nur gerechtfertigt erscheint, wenn überragende Staatsinteressen es u 12 Hierzu Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 26 Rdnr. 3; Merten, M D R 1964 S. 807 sub I V . 13 v. Mangoldt jKlein , A r t . 18 A n m . I I I 3 a; Merten, a.a.O. S. 807 zu Fußn. 27. 1 4 I n der Fassung des Achten Strafrechtsänderungsgesetzes v. 25. 6.1968 (BGBl. I S. 741).

§ 19: Aufenthaltsrecht i m Ausland

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zwingend gebieten, so sind die Gesetzesvorbehalte der A r t . 11 Abs. 2, 17 a Abs. 2 ausreichend. Bedroht der Staat eine von i h m mißbilligte Tätigkeit seiner Staatsangehörigen nicht einmal m i t Strafe, so ist nicht einzusehen, weshalb eine Rückkehraufforderung ergehen soll. Angesichts der bestehenden Möglichkeiten für eine gesetzliche Regelung des Rückrufs kann von „unerträglichen Ergebnissen" nicht gesprochen werden.

Thesen I. 1. Die herkömmliche Definition des Freizügigkeitsrechts als Befugnis, an jedem Ort Aufenhalt u n d Wohnsitz zu nehmen, ist unzulänglich, w e i l weder die örtliche noch die zeitliche Komponente ausreichend bestimmt sind. 2. Die Freizügigkeit umfaßt zunächst die Umzugsfreiheit als Recht der Wohnsitzverlegung u n d Aufenthaltsnahme. a) Das Recht der Wohnsitzbegründung an jedem O r t w a r schon v o n jeher Bestandteil der Freizügigkeit. Lediglich einen terminologischen Unterschied macht es, w e n n i n einigen Begriffsbestimmungen v o m Recht auf „Niederlassung" die Rede ist. b) Daneben schützt die Freizügigkeit den dauernden, aber auch den vorübergehenden Aufenthalt (Studienaufenthalt, Aufenthalt der Saisonarbeiter). 3. Die Umzugsfreiheit w i r d von Bundesland zu Bundesland gewährleistet (interterritoriale Freizügigkeit). 4. Sodann besteht eine Umzugsfreiheit von Gemeinde zu Gemeinde. A r t . 11 Abs. 1 verbietet Maßnahmen, durch die jemandem die Wohnsitz- oder Aufenthaltsnahme i n einer Gemeinde geboten oder verboten w i r d , durch die er an einem Ort festgehalten oder aus i h m vertrieben w i r d . 5. Ferner garantiert A r t . 11 die Umzugsfreiheit innerhalb der Gemeinde. a) Allerdings bezieht sich das Recht, an jedem O r t Aufenthalt u n d Wohnsitz zu nehmen, von jeher n u r auf eine Ortschaft u n d nicht auf jede ö r t l i c h k e i t . Das entspricht dem Anliegen des Freizügigkeitsgesetzes, die exklusive „Bürgergemeinde" durch die „ E i n w o h n e r gemeinde" zu ersetzen. b) Die historischen Gründe haben jedoch heute keine Bedeutung mehr. Die verwaltungsrechtliche Selbständigkeit ist nicht mehr das geeignete A n k n ü p f u n g s k r i t e r i u m für das Freizügigkeitsrecht. Die teleologische Interpretation f ü h r t daher i m Wege eines a-fortiori-Schlusses zur Bejahung einer interlokalen Freizügigkeit. c) E n t n i m m t m a n aus A r t . 11 auch die Umzugsfreiheit innerhalb einer Gemeinde, so stellt sich anders als früher die Frage, ob Zuzugsverbote i n bestimmte Gemeindebezirke aus bau- oder planungsrechtlichen Gründen die Freizügigkeit einschränken. Das ist zu verneinen, w e i l dieses Grundrecht stets die Frage ausgeklammert hatte, unter welchen Voraussetzungen eine Wohnung oder ein Unterkommen bezogen werden darf. N u r w e n n u n d soweit öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Vorschriften dem Bezug einer Wohnung nicht entgegenstehen, k a n n sich der Bürger unter Berufung auf A r t . 11 an der gewählten Stelle niederlassen.

Thesen

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6. Schließlich folgt aus A r t . 11 ein staatsrechtliches Recht auf Heimat, die Befugnis, i n dem angestammten Gebiet wohnen zu bleiben u n d nicht vertrieben zu werden. 7. A r t . 11 gewährleistet die negative Freizügigkeit. E r umfaßt nicht n u r das Recht, i n jedes Bundesland u n d i n jede Gemeinde zu ziehen, sondern auch die Befugnis, i n jedem Bundesland u n d i n jeder Gemeinde zu bleiben; er schützt nicht n u r die Freiheit, den Wohnsitz oder Aufenthalt zu verlegen, sondern auch das Recht, den augenblicklichen Wohnsitz oder Aufenthalt zu behalten. 8. Neben der Umzugsfreiheit ist aus A r t . 11 die Reisefreiheit abzuleiten. Der Reiseaufenthalt genießt als vorübergehender Aufenthalt G r u n d rechtsschutz, was früher bestritten war. Als Mindestdauer eines Reiseaufenthalts w i r d die Übernachtung i n einem Ort gefordert. II. 9. V o n der Freizügigkeit ist die Bewegungsfreiheit abzugrenzen. Der Freizügigkeitsbegriff hat stets ein Aufenthaltsverhältnis vorausgesetzt, das über ein momentanes Verweilen hinausging. Die Ausklammerung der Bewegungsfreiheit aus der Freizügigkeit ist auch i m Hinblick auf die grundgesetzliche Schrarikensystematik geboten, w e i l Freizügigkeit u n d Bewegungsfreiheit unterschiedliche Beschränkungsmöglichkeiten verlangen. 10. Die Bewegungsfreiheit w i r d aber nicht durch die Freiheit der Person, sondern allein durch das Auffanggrundrecht des A r t . 2 Abs. 1 erfaßt. Denn A r t . 2 Abs. 2 Satz 2 gewährleistet nicht das Recht, sich überall hinzubewegen, sondern schützt n u r vor dem Festhalten an einem Ort, vor Verhaftung, Internierung u. ä. Eingriffen. III. 11. Die Freizügigkeit hat von jeher das Recht umschlossen, die bewegliche Habe mitzunehmen (Vermögensmitnahmefreiheit), w i e der K a m p f gegen sog. Abfahrtsgelder u n d Nachsteuern i m 19. Jahrhundert zeigt. 12. A r t . 11 ist nach w i e vor Schutzort der sog. wirtschaftlichen Freizügigkeit, die sich i n einem Diskriminierungsverbot erschöpft: Ortsfremde u n d Einheimische müssen hinsichtlich des Gewerbebetriebs u n d der G r u n d erwerbsfreiheit gleichbehandelt werden. Nachdem das Grundgesetz i n A r t . 12 Abs. 1 die Gleichstellung aller beruflichen A r b e i t gebracht hat, ist auch f ü r die wirtschaftliche Freizügigkeit die unselbständige Berufsausübung u n d die Ausbildung i n den Grundrechtsschutz einzubeziehen. IV. 13. Bundesgebiet i. S. des A r t . 11 ist das Gebiet Westdeutschlands u n d Berlins, wobei es f ü r die Freizügigkeit gleichgültig ist, ob m a n der herrschenden Eingliederungstheorie oder der Als-ob-Theorie folgt. 14. A r t . 11 ist ein Deutschen-Recht u n d hat entgegen der Ansicht Dürigs keinen Menschenrechtsgehalt. I n Verbindung m i t A r t . 19 Abs. 3 schützt A r t . 11 auch die Sitzverlegung juristischer Personen.

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Thesen V.

15. A r t . 11 enthält f ü r alle Deutschen das Hecht des Zuzugs i n das Staatsgebiet. Dabei ist Einwanderung derjenige Zuzug, der i n der Absicht erfolgt, i m Bundesgebiet den Lebensmittelpunkt zu begründen, während das Betreten des Staatsgebietes zum Zwecke eines kürzeren oder längeren Aufenthalts als Einreise zu begreifen ist. Wie bei der innerstaatlichen Freizügigkeit, so fällt auch bei dem Zuzug ein kurzes Verweilen oder eine Durchreise nicht unter den Schutz des A r t . 11. 16. V o n A r t . 11 w i r d ebenfalls das Recht des Staatsangehörigen geschützt, i m Staatsgebiet Wohnsitz u n d Aufenthalt zu haben (sog. Wohnrecht oder Aufenthaltsrecht). Diese Teilfreiheit w i r d nicht durch das Auslieferungsverbot des A r t . 16 Abs. 2 Satz 1 gewährleistet, der n u r eine Erscheinungsform der zwangsweisen Entfernung regelt. Sie k a n n auch nicht aus A r t . 16 Abs. 1 Satz 1 (Schutz vor Entziehung der Staatsangehörigkeit) entnommen werden. Denn das Verbot der Denationalisation besagt nichts darüber, ob Deutsche zum Verlassen des Bundesgebiets gezwungen w e r den dürfen. Dagegen besteht eine sachliche Nähe des Wohnrechts zur Freizügigkeit. 17. Der Wegzug w i r d nicht durch A r t . 11 garantiert. Das „Elfes-Urteil" ist i m Ergebnis, nicht aber i n der Begründung richtig. Entscheidend ist, daß sich die Wegzugsfreiheit seit dem 19. Jahrhundert von der Freizügigkeit losgelöst u n d sich verfassungsrechtlich verselbständigt hat. Daher k a n n auf A r t . 11 als Auffangrecht nicht mehr zurückgegriffen werden, w e n n der Grundgesetzgeber die Aufnahme einer spezialverfassungsrechtlichen Regelung über die Wegzugsfreiheit abgelehnt hat. 18. Das Zuzugsrecht schließt als Komplementärfreiheit auch das Recht ein, nicht i n das Bundesgebiet ziehen zu müssen (negatives Zuzugsrecht, Fernbleiberecht).

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Merten

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gegenseitige

Ergänzung

der

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Sachwortregister Abfahrtsgeld s. Abzugsgeld Abwehrrecht 57, 58 Abweisung 103 Abzug s. a. Wegzug -sfreiheit 16, 22, 25, 26, 87, 88, 89 -sbeschränkungen 25, 32, 42 -sgebote 42 -sgeld, -ssteuer 61, 62, 63, 116 -sverbote 42 Als-ob-Theorie 79 ff. Amtssitz 28, 59 des Notars 59 Angriffskrieg 120 Ansammlung 47, 48 Anwesenheit, augenblickliche, momentane 19, 44, 45, 52 Arbeitsplatz, freie W a h l des -es 70 Armenversorgung 37 N. 30 Asylrecht 83, 90 Aufenthalt 16, 17, 19, 20, 45, 46, 51, 52, 92 Begriff 18 ff. dauernder 19 ff., 42, 43 fester 19 N. 9 i n Gaststätten 19 gewöhnlicher 19 N. 12, 51 Reiseaufenthalt s. dort ständiger 19 N. 10 vorübergehender 20 ff., 42, 43, 45 -sbestimmung, richterliche 26, 28 -sgebote 26 ff. -skarten 20 N. 17, 43, 46 -snahme 17, 18 ff., 26 des Beamten 27 -sort, Anweisung eines 27 -srecht i m Ausland 116 ff. -srecht i m I n l a n d s. Wohnrecht -sverbote 19, 28 ff. Auflagen, richterliche 26, s. a. Weisungen Augsburger Religionsfrieden 106 Ausbildungsstätte, freie W a h l der 74 Ausbürgerung 97, 116 Ausflug, Ausflügler 27, 59, 92 Ausfuhrverbote 63

Ausgangsbeschränkungen 59 N. 36 Ausland s. Aufenthaltsrecht i m — Ausländer 83 G über die Rechtsstellung heimatloser — 19 N. 12, 50, 51, 78, 111 N. 27 -gesetzgebung 50 f. Auslieferung 93 ff., 98, 102, 111 Ausreise s. Wegzug Begriff 116 Auswanderung 21, 87, 100, s. a. Wegzug Begriff 114 ff. Ausweisung 93, 95, 98, 103, s. a. V e r weisung von Ausländern 93 N. 4 polizeiliche 20, 42 Berlin, Rechtslage 77 ff. Berliner Bezirke 34 BerlinhilfeG 75 Berufsausübung 71, 72, 76 Berufswahl 64, 68, 69, 72 Besatzungsrecht 79 ff. Besatzungszone, sowjetische 89, 108, 113 Besichtigung 44 Besuch 19 Bewegungsfreiheit 13, 17, 27, 33, 44, 45, 52 ff., 92 u n d Freizügigkeit 45 ff., 59 f. der Strafgefangenen 58 Binnenwanderung s. Freizügigkeit, interterritoriale Bleibepflicht 28 Bleiberecht 40, 41, 94, 96, 97 i m Ausland s. Aufenthaltsrecht i m I n l a n d s. Wohnrecht Briefgeheimnis 53, 57 Bürgergemeinde 32 Bundesakte, Deutsche 62 N. 5 Bundesangehörige 20, 65, 88, 91 Bundesgebiet 25, 77 ff., 87, 107

134

Sachwortregister

Bundesländer Freiz. zwisch - n s. Freiz., interterritoriale Leistungsunterschiede i n - n 23, 75 Bundesvertriebenengesetz 24 Bundeswehrdeserteure 81 N. 21 Darf-Rechte 54, 58 Deutsche 81, 101 i n Mitteldeutschland 113 Dirnensperrgebiet 35 Diskriminierungsverbot 65, 66, 70, 71, s. auch Einheimische Durchreise 92 Durchsuchung 48 N. 7 Eigentumsrecht 63, 69 Einbürgerung 91 Eingemeindung 34 Eingliederungstheorie 79 ff. Einheimische, Gleichstellung m i t - n 23, 32, 33, 38, 64, 65, 66, 68, 70, 72, 73, 76 Einreise 89, 91 f., 107, s. auch Zuzug Einwanderung 87, 89, 91, s. auch Z u zug Einwohnergemeinde 32 Erholungsaufenthalt 51 E W G - V e r t r a g 49 Festnahme 53 Flüchtlinge 24, s. auch Vertriebene Gesetz über die Rechtsstellung der — 50 Freiheit, persönliche 55 der Person 26, 52 ff., 57, 60 -sbeschränkung 26, 53, 57 N. 27 -sentziehung 26, 53, 57 N. 27, 58, 60 -srechte 54, 58 Freizügigkeit akademische, studentische 15 N. 1, 74 der Beamten 15 N. 2, s. auch Residenzpflicht Begriff 15 ff. u n d Bewegungsfreiheit 59 f. der Dampfkessel 15 N. 5 u n d Freiheit der Person 60 der Gerichtskostenmarken 15 N. 6 innerstaatliche 87, 109 innerterritoriale 22 interkommunale 22, 26 ff., 28 ff. interlokale 29, 35 ff. internationale 21, 22 interterritoriale 21 ff., 24, 109

interzonale 22 i n Landesverfassungen 16 N. 13, 64 negative 41 f. i n Österreich 38 N. 34, 50 N. 15, 62 N. 4, 105 N. 49 persönliche 15 ff., 32, 61, 63, 64, 65, 70 der Rechtsanwälte 15 N. 4 i n der Schweiz 23 N. 13, 62 N. 4, 104 N. 46, 107 N. 7, 114 N. 33 u n d Staatsgrenzen 87 ff. des Vermögens 50 N. 15 des Warenverkehrs 15 zwischen Westdeutschland und B e r l i n 77 ff. wirtschaftliche 23, 61, 64 ff., 73 f. Freizügigkeitsgesetz 14, 16, 17 N. 19, 31, 32, 36, 38, 42, 43, 44, 45, 46, 62, 64, 65, 66, 67, 68, 71, 72, 84, 105 N. 49, 110 FreizügigkeitsVerträge 21, 109 Fremdenpolizei 42 FürsorgepflichtVO 51 GaststättenG 73 Gefangenschaft 53 Geltungsbereich des GG 86 Gemeindebürgerrecht 65 Gemeindelasten 20 Gemeinschuldner 28, 59 Genehmigungsschreiben der M i l i t ä r gouverneure 79 Gewahrsam, staatlicher 55 Gewalt, elterliche 84 Gewerbebetrieb 18, 64, 71 Gewerbefreiheit 33, 65, 66, 67, 68, 85 Gewerbeordnung 66, 67, 68, 71 GewerbesteuerG 75 Gewerbsunzucht 35 Gleichheitssatz 66, 70, 73 spezieller 23 govern- Vorbehalt 79 Grenzzwischenfälle 48 Grunderwerbsfreiheit 64 ff. Grundgesetz, Geltungsbereich 78 Grundrechte, negative 41 f., 116 ff. Grundrechtsbehinderung 37, 72, 75 Grundrechtsfähigkeit 83 f. Grundrechtskonkurrenzen 35, 63, 64, 84, 90 Grundrechtsmißbrauch 120 Grundrechtsmündigkeit 83 f.

Sachwortregister Grundrechtsschranken, geschriebene s. unter Schrankenvorbehalt immanente —, ungeschriebene 13, 37, 48, 49, 83, 105, 108 Grundrechtsträger 81 ff., 87 Grundstücke, gemeindefreie 31 N. 11 Gutsbezirke 31

Neuankömmlinge 24 Neugliederung des Bundesgebiets 41 Niederlassen, Niederlassung 17, 18, 35 NotaufnahmeG 24, 27, 81, 82, 103 Notstandshearing 48 N. 7 Notstands Verfassung 104, 108

Habeas-Corpus-Akte 52, 56 Handlungsfreiheit, allgemeine 106 f., 112 Handlungsrecht 58 Heimat 61, 70 Recht auf — 39 ff., 100 -gemeinde 37 N. 30 Heimatgesetz, Preußisches 19, 20, 21, 29 N. 1, 31, 42, 43

ö r t l i c h k e i t 19, 29, 30 Ort 17, 25, 29, 30 ff. Ortschaft 26, 29, 30, 31, 48 Ortstafeln 30 N. 3 Ortsveränderung, momentane 47 Orts Verweisung 102 Ostgebiete 89

Indigenat 17, 64, 65, 66, 93 N. 2, 100 I n l a n d 86 Internierung 53 Jesuitengesetz 26 Jugendliche, Grundrechtsberechtigung - r 83 ff. JugendschutzG 19 Jugendschutzvorbehalt 30, 31, 84, 104, 119 Kriminalvorbehalt 26 N. 4, 29, 60, 103, 104, 120 K u r 51 -gäste 43 Landeskinder, Privilegierung v o n - n 72, 74 N. 46 Landfahrer 37 Lagerplätze, Anweisung von - n 36 Leben, Recht auf — 53, 57 Lebensgrundlage, ausreichende 24, 25, 103, 113 Lehrmittelfreiheit 74 f. Lokalverbote 30, 59 Menschenrechte 40, 98 U N - E r k l ä r u n g der — 49, 82, 97 -skonvention, Europäische 58 N. 34, 82 4. Zusatzprotokoll 49, 82, 94 N. 8 Menschenwürde 82 Nachsteuer s. Abzugsgeld Nahrungszweig, Betreiben eines s. Gewerbefreiheit

-s

Parkverbotsschilder 60 Parlamentarischer Rat 40, 54, 69, 89, 95 N. 11, 96, 97, 100, 108, 113, 117 Paß 111 -gesetz 110, 114 - k a r t e n s. Aufenthaltskarten Personen, natürliche, juristische 85, 86 Polizeiaufsicht 29, 57, 60 Präambel des GG 73 Prozession 58 Reichs- u n d StaatsangehörigkeitsG 100, 115, 116, 117, 119 Reichsfluchtsteuer 109 N. 20 Reichsgebiet 77 Reichsverfassung Frankfurter — 16, 17, 64 von 1871 17, 100 Weimarer — 16, 44, 64, 66, 67, 68, 69, 71, 77, 89, 95, 109 N. 15, 110, 111 Reiseaufenthalt 43 ff., 60, 91 Reisebeschränkungen 52 Reisefreiheit 17, 42 ff., 50, 91 Reisende 42 Reiseroute 52 Reiseziel 52 RepublikschutzG 26, 89 N. 6 Residenzpflicht 27, 28 Revokation s. Rückruf Rückkehr i n das Staatsgebiet 87, 101 N. 39, s. auch Zuzug Rückruf 116 ff. Schaulustige 47, 48

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Sachwortregister

Schrankenvorbehalt des A r t . 2 I 47, 55, 83, 113 des A r t . 2 I I 47, 55 des A r t . 11 13, 24, 30, 35, 47, 73, 83, 86, 103 ff., 107 f., 113, 114, 119, 121 Schutz, diplomatischer 100, 101 Schutzhaft 54 Schutzrecht 54, 57, 58 Selbstbestimmungsrecht 39, 41 Seuchengefahr 104 Seuchenvorbehalt 36, 60 Sitz 85, 86 N. 20 Sowjetzonenflüchtlinge 74 SozialistenG 28 N. 19, 46 Sozialstaatsprinzip 103 Spannungsfall 119 Spaziergang 46 Staatsangehörigkeit 87, 90, 91, 93, 97, 98, 99, 100, 101, 105, 111, 112, 115, 116, 117, 119 i n den Ländern 23 Staatsbürgerschaft, österreichische 23 N. 11 Staatsgrundgesetz, österreichisches 50 N. 15 Staatssicherheit 103 f., 108 status activus 70, 102, 116, 117 status negativus 102, 117, 118 status positivus 102 SteueranpassungsG 19 Steuerermäßigung 75 Strafgefangene 19 Straßenverkehr 53 N. 6 Studiengebühren 74 f. Studium, Zulassung zum 72, 74 Toleranz 106 N. 1 Tourist 92 Tübinger Vertrag 61 Übernachtung 44, 47, 52, 92 Übernahmepflicht eigener Staatsangehöriger 91, 98, 99, 113 Umsiedlung 24 Umzugsbeschränkungen 35 Umzugsfreiheit 17, 21 ff., 50 von Bundesland zu Bundesland 21 ff. von Gemeinde zu Gemeinde 25 ff. innerhalb der Gemeinde 29 Unterbringung, zwangsweise 54 Unterkommen 20, 36, 45

Unterkommensklausel 35, 44 Unterstützungswohnsitz 37 N. 30 Unversehrtheit, körperliche 53, 57 Utopia 44 N. 9 Verbannung 27, 95 Verbringung zur Wache 48 N. 7 Verfassung s.a. Reichsverfassung Bayerische 68 Belgische 55 Berliner 80, 109 des Norddeutschen Bundes 17 Preußische 55 Verfolgte 90 Verhaftung 53, 55 Vermögensmitnahmefreiheit 61 ff., 116 Verteidigungsfall 119 Verteidigungsvorbehalt 104, 108, 119, 121 VerteilungsVO 24 Vertreibung 26, 93 Vertriebene 24, 74, s.a. Flüchtlinge V e r w a h r u n g 48 N. 7 Verweilen augenblickliches 46, s.a. Anwesenheit, augenblickliche dauerndes, ständiges 18, 19 kürzeres 19, 92 längeres 19, 20 vorübergehendes 19, 20 Verweisung 23, 94 N. 5, 96, 102, 105, s. a. Ausweisung Wegzug 106 ff., 118, 119, s. a. Ausreise, Auswanderung Wehrpflicht 77, 100, 108 Wertsystem, grundrechtliches 14 Wesensgehalt 82 Wirtschaftspartei, mittelständische 73 Weisungen, richterliche 29, 59, s. a. Auflagen Wirtshausverbot s. Lokalverbot Wohnraumbewirtschaftung 37 ff. Wohnrecht 40, 93 ff., 113 Wohnsitz 16, 17, 18, 26, 27, 28, 59, 85 dienstlicher 27 Wohnung 17, 19, 36, 45 Recht auf — 38 f. Unverletzlichkeit der — 38, 54, 55, 57 WohnungsanforderungsG, österreichisches 38 N. 34

Sachwortregister WohnungsG 39 N. 40 Wohnwagen 37 Zeltbewohner 37 Zunftzwang 65 N. 6, 67 Zuzug 16, 22, 25, 87 ff., 103, 104, 107, 108, 112, 113, 114, s.a. Einreise, Einwanderung

Zuzugsbeschränkungen 32 Zuzugsgebote 42 Zuzugsgenehmigung 80 N. 15 Zuzugsrecht, negatives 116 ff. Zuzugsverbote 42 Zwangsentfernung 93, 94, 96, 105. 111