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German Pages 270 Year 2008
I Stefanie Dick Der Mythos vom „germanischen“ Königtum
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Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Herausgegeben von Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer
Band 60
Walter de Gruyter · Berlin · New York
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Stefanie Dick
Der Mythos vom „germanischen“ Königtum Studien zur Herrschaftsorganisation bei den germanischsprachigen Barbaren bis zum Beginn der Völkerwanderungszeit
Walter de Gruyter · Berlin · New York
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Ü Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt
ISBN 978-3-11-020034-8 Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar
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Vorwort Die vorliegende Studie wurde im Sommersemester 2006 von der Fakultät für Kulturwissenschaften an der Universität Paderborn als Dissertation angenommen. Für den Druck habe ich sie geringfügig überarbeitet und dabei noch einiges an inzwischen erschienener Literatur berücksichtigt, ohne hier jedoch Vollständigkeit angestrebt zu haben. Die Frage nach der Entstehung des Königtums hat mich schon während meines Studiums beschäftigt. Dass schließlich eine Dissertation daraus geworden ist, habe ich in erster Linie meinem wissenschaftlichen Lehrer und Doktorvater, Herrn Professor Dr. Jörg Jarnut, zu verdanken, der mich stets ermutigt sowie wissenschaftlich gefördert und auch gefordert hat. Danken möchte ich weiterhin Herrn Professor Dr. Lutz E. von Padberg, der freundlicherweise das Zweitgutachten übernommen und das Entstehen der Arbeit mit wachem Interesse und vielen hilfreichen Anregungen begleitet hat. Im Laufe der Jahre, in denen ich an der Dissertation gearbeitet habe, hatte ich (nicht zuletzt im Rahmen von Tagungen und Kongressen) immer wieder Gelegenheit, über meine Fragen und Lösungsansätze zu diskutieren, wofür ich insbesondere Prof. Dr. Matthias Becher, Dr. Guido Berndt, Prof. Dr. Dieter Flach, Prof. Dr. Dieter Geuenich, Prof. Dr. Hans-Werner Goetz, Dr. Matthias Hardt, Manuel Koch, Dr. Mareike Menne, Prof. Dr. Steffen Patzold, Prof. Dr. Walter Pohl, Dr. Helmut Reimitz, Dr. Jürgen Strothmann und Prof. Dr. Herwig Wolfram herzlich danken möchte. Ganz besonderen Dank schulde ich zudem Herrn Prof. Dr. Wolfgang Haubrichs, der freundlicherweise mein Kapitel zur Sprachwissenschaft vorab gelesen hat und mir hoffentlich verzeiht, dass ich seinem Rat nicht immer gefolgt bin, sowie Herrn Prof. Dr. Heiko Steuer, dem ich für Kritik, Hinweise und Anregungen zu meinem Kapitel über die Archäologie ebenso wie für sein anhaltendes Interesse an meiner Arbeit verpflichtet bin. Danken möchte ich ferner den Herausgebern der „Ergänzungsbände zum Reallexikon für Germanische Altertumskunde“, Herrn Prof. Dr. Heinrich Beck, Herrn Prof. Dr. Dieter Geuenich und Herrn Prof. Dr. Heiko Steuer, die meine Dissertation in diese Reihe aufgenommen haben, was ich als eine besondere Ehre betrachte und worüber ich mich sehr gefreut habe. Herzlich gedankt sei schließlich auch Frau Prof. Dr. Ingrid Baumgärtner, die mich im April 2008 als Wissenschaftliche Assistentin an ihrem Kasseler
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Vorwort
Lehrstuhl angestellt und den Abschluss der Druckvorbereitungen durch großzügige Freiräume gefördert hat, ferner Frau Dr. Nicola Karthaus, welche die Last des Korrekturlesens mit der ihr eigenen Sorgfalt und Zuverlässigkeit auf sich genommen hat. Der größte, mit Worten gar nicht angemessen auszudrückende Dank gilt freilich meinem Mann Walter, dem dieses Buch gewidmet sei. Paderborn, im Juli 2008
Stefanie Dick
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Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Germanenforschung und Germanenbegriff . . . . . . . . . . . .
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2. „Germanisches Königtum“ als Forschungskonzept . . . . . . . .
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3. Die frühen Germanen im Spiegel der Schriftquellen . . . . . . . 3.1 Caesars „Commentarii de bello Gallico“ . . . . . . . . . . . 3.2 Die „Germania“ des Tacitus . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. „Rex vel princeps …“ – Zur germanischen Herrschaftsorganisation nach Caesar und Tacitus . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Die Nachrichten bei Caesar . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Die Nachrichten bei Tacitus . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5. Die Aussagemöglichkeiten von Archäologie und Sprachwissenschaft zur Frage der „germanischen“ Herrschaftsorganisation . 5.1 Der Germanenbegriff in der Archäologie . . . . . . . . . 5.1.1 Probleme der Erforschung gesellschaftlicher Strukturen in vor- und frühgeschichtlicher Zeit – methodische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Lebensverhältnisse und Sozialstrukturen der „Germanen“ in vorrömischer Zeit. Ein Vergleich mit den Verhältnissen im keltischen Kulturraum . . Exkurs: Die sogenannte „gallisch-westgermanische Revolution“ 5.2 Zum sprachwissenschaftlichen Germanenbegriff . . . . . . 5.3 Die germanischsprachigen Königsbezeichnungen . . . . .
. 105 . 109
. 114
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6. Aspekte der sozio-ökonomischen und sozio-politischen Entwicklung bei den germanischsprachigen gentes vom 1. bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 6.1 Der Mythos von einer „germanischen Ethnogenese“ . . . . 161
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Inhalt
6.2 Wirtschaftsverhältnisse und Sozialstrukturen . . . . . . . . 6.3 Elitenbildung und Gesellschaftsorganisation: Überlegungen zur Entwicklung gefolgschaftlich strukturierter Kriegerverbünde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Das Beutewesen als Impulsgeber für soziale Differenzierungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Zur Entstehung und Etablierung barbarischen Kriegertums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.3 Die gesellschaftliche Bedeutung der militärischen Anführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.4 Zur „germanischen Gefolgschaft“ nach Tacitus . . . .
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179 180 188 197 201
7. Der römische rex-Begriff: Gentile Herrschaftsorganisation im Spannungsfeld römischer Außenpolitik . . . . . . . . . . . .
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8. Resümee
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Abkürzungen . . Quellen . . . . . Literatur . . . . Personenregister Sachregister . . .
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Einleitung
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Einleitung Die Frage nach dem Königtum bei den germanischsprachigen barbarischen gentes bis zum Ausgang der Völkerwanderungszeit berührt einen für die Erforschung des Mittelalters bedeutsamen Gegenstand, denn aus den Königtümern jener Zeit sollte sich in einem lange andauernden und unterschiedlichste Einflüsse aufnehmenden Prozess jene monarchische Form der Herrschaftsorganisation herausbilden, welche als strukturgebendes Element die europäischen Gesellschaften bis weit in die Neuzeit hinein maßgeblich geprägt hat. Dennoch sind die Anschauungen der Geschichtswissenschaft über die Grundlagen dieser frühen Formen des Königtums zum Teil recht unscharf und, das wird im Folgenden noch darzulegen sein, in mancherlei Hinsicht problematisch. Folgt man der herrschenden Forschungsmeinung, so wie sie sich in den einschlägigen Handbüchern und Lexika manifestiert, dann ist das völkerwanderungszeitliche Königtum in erster Linie als Heerkönigtum anzusprechen und von einem älteren, eher sakral fundierten Volkskönigtum zu unterscheiden.1 Diese vorerst nur sehr grob umrissene Vorstellung basiert im 1
Hans K. Schulze, Art. Monarchie III: Germanische, christliche und antike Wirkungsverbindungen im Mittelalter, in: Geschichtliche Grundbegriffe 4 (1978), S. 141–168; Ders., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter. Bd. I: Stammesverband, Gefolgschaft, Lehnswesen, Grundherrschaft, Stuttgart/Berlin/Köln 31995 (1. Aufl. Stuttgart/Berlin/Köln 1985), S. 35 ff.; Hans Hubert Anton, Art. König, Königtum, A. Allgemein und Germanische Königreiche, in: LexMA 5 (1991), Sp. 1298–1304, bes. Sp. 1299; Ders., Art. Sakralität (sakrales Herrschertum), in: LexMA 7 (1995), Sp. 1263–1266; Herwig Wolfram, The Shaping of the Early Medieval Kingdom, in: Viator 1 (1970), S. 1–20, bes. S. 4 f.; Ders., Art. Heerkönigtum, in: RGA 14 (1999), S. 115–118; Ders., Die Germanen, München 1995, S. 63 ff.; Reinhard Schneider, Art. König und Königtum, II. Historisches, in: RGA 17 (2001), S. 103–109. – Kritisch hierzu äußerte sich im Übrigen bereits Joachim Ehlers, Grundlagen der europäischen Monarchie in Spätantike und Mittelalter, in: Majestas 8/9 (2000/2001), S. 49–80, bes. S. 49 f.; sowie zuletzt auch Herwig Wolfram, Gotische Studien. Volk und Herrschaft im frühen Mittelalter, München 2005, S. 15–65, der zwar an der Vorstellung von einem archaischen Königtum grundsätzlich festhält, dieses aber nicht mehr als sakral fundiertes Volkskönigtum verstanden wissen will und zudem den römischen Einfluss auf die sog. germanische Verfassungsentwicklung stärker betont. – Vgl. zu dem Phänomen Sakralkönigtum insbesondere Lutz E. von Padberg et al., Art. Sakralkönigtum, in: RGA 26 (2004), S. 179–320.
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Einleitung
Kern auf den in den 1950er und 60er Jahren formulierten Positionen Otto Höflers2, Walter Schlesingers3 und Reinhard Wenskus’4, deren gemeinsame Grundlage insbesondere in der Annahme besteht, dass es sich bei dem hier betrachteten Königtum um ein dem Wesen nach urgermanisches Phänomen gehandelt habe. Der in diesem Zusammenhang verwendete Germanenbegriff steht dabei noch ganz in der Tradition der sogenannten älteren Germanenforschung. Mit dem inzwischen methodisch wie ideologisch in die Kritik geratenen Germanenbegriff 5 jener älteren, in weiten Teilen durch das Bedürfnis nach einer nationalkulturellen Identitätsbestimmung motivierten Geschichtsforschung6 ist bereits ein für die hier zu behandelnde Fragestellung zentraler Aspekt angesprochen. Die derzeitige disparate Situation, die vor allem durch ein unvermitteltes Nebeneinander überkommener und aktueller Ergebnisse gekennzeichnet ist, ist nicht zuletzt als Resultat einer nicht hinrei-
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Vgl. vor allem Otto Höfler, Germanisches Sakralkönigtum. Bd. I: Der Runenstein von Rök und die germanische Individualweihe, Tübingen/Köln 1952; Ders., Der Sakralcharakter des germanischen Königtums, in: Das Königtum. Seine geistigen und rechtlichen Grundlagen. Mainauvorträge 1954 (VuF 3), Darmstadt 1965 (ND Sigmaringen 1956), S. 75–104; ferner Wilhelm Grönbech, Kultur und Religion der Germanen, Darmstadt 121997 (dän. Ausgabe: Vor Folkært i Oltiden, Kopenhagen 1909/12), da Höfler in wesentlichen Punkten hierauf aufsetzt. Walter Schlesinger, Über germanisches Heerkönigtum, in: Das Königtum, S. 105–141; und Ders., Herrschaft und Gefolgschaft in der germanisch-deutschen Verfassungsgeschichte, in: HZ 176 (1953), S. 225–275, wieder abgedruckt in: Herrschaft und Staat im Mittelalter, hg. v. Hellmut Kämpf (WdF 2), Darmstadt 1956, S. 135–190. Reinhard Wenskus, Stammesbildung und Verfassung. Das Werden der frühmittelalterlichen gentes, Köln/Wien 21977 (1. Aufl. Köln/Graz 1961). Vgl. vor allem die Beiträge in Heinrich Beck (Hg.), Germanenprobleme in heutiger Sicht (RGA Ergbd. 1), Berlin/New York 1986, insbesondere Reinhard Wenskus, Über die Möglichkeit eines allgemeinen interdisziplinären Germanenbegriffs, in: ebda., S. 1–21; aber auch schon Piergiuseppe Scardigli, Einleitende Bemerkungen zu: Der Begriff des Germanischen. Erste Folge, in: JiG 7 (1975), S. 106–112; Rolf Hachmann, Der Begriff des Germanischen, in: ebda., S. 113–144; und Gerd Tellenbach, Zur Geschichte des mittelalterlichen Germanenbegriffs, in: ebda., S. 145–165, bes. S. 145–150; ferner Dieter Timpe, Art. I. Geschichte, A. Germanen, historisch §§ 1–5, in: Germanen, Germania, Germanische Altertumskunde, hgg. v. Heinrich Beck, Heiko Steuer u. Dieter Timpe (RGA Studienausgabe – Die Germanen), Berlin/New York 1998, S. 2–65, hier S. 10–13; und Walter Pohl, Die Germanen (EDG 57), München 2000, etwa S. IX, S. 1, S. 6, S. 25, S. 65 u. passim. Grundlegend Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert. Zeitgebundene Fragestellungen und Leitbilder, Berlin 1961; vgl. ferner Klaus von See, Deutsche Germanen-Ideologie vom Humanismus bis zur Gegenwart, Frankfurt am Main 1970; sowie Ders., Barbar, Germane, Arier. Die Suche nach der Identität der Deutschen, Heidelberg 1994.
Einleitung
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chend erfolgten substantiellen Aufarbeitung jener problematischen Forschungsbestände zu betrachten, denn die im Wesentlichen auf einer methoden- und ideologiekritischen Ebene vollzogene Demontage des älteren Germanenbegriffs hat nicht gleichzeitig auch zu einer Revision der auf diesen rekurrierenden Erklärungsmodelle geführt. Bezogen auf das Königtum ergibt sich in der Folge ein etwas eigentümlich anmutender Befund mit nahezu paradoxen Zügen: Einerseits kommen in der modernen Forschung „die Germanen“ vielfach nur mehr zwischen vielsagenden und kritische Distanz zum Ausdruck bringenden Anführungsstrichen vor, werden auf ihren sprachlichen Aspekt reduziert oder schlicht unter dem sehr viel weniger anstößigen Oberbegriff „Barbaren“ geführt, während andererseits ein von der Idee her auf eben denselben Grundlagen fußendes Phänomen wie die Vorstellung von einem originär „germanischen“ Königtum weiterhin Akzeptanz findet. Inzwischen hat sich, darauf wird im folgenden Kapitel noch näher einzugehen sein, der historische Germanenbegriff in weiten Teilen als Konstrukt erwiesen, entsprechend kommt auch der Bezeichnung „germanisch“ keine über das Moment einer Sprachgemeinschaft hinausweisende Aussagekraft zu. Es ist daher zu fragen, wie es sich vor diesem Hintergrund mit den als typisch und autochthon „germanisch“ verstandenen Institutionen wie etwa dem „germanischen Königtum“ verhält. An eben diesem Punkt setzt die vorliegende Untersuchung an. Obschon die Diskussion um den Germanenbegriff alles andere als neu ist, sondern ihrerseits auf eine nunmehr etwa dreißig Jahre währende Geschichte zurückblicken kann7, erweisen sich die Strategien, welche die Forschung zur Lösung der in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen entwickelt hat, insofern als unbefriedigend, als vielfach lediglich auf den Begriff „germanisch“ verzichtet wurde8, die sich mit diesem verbindenden überkommenen Erklärungsmodelle indes weitgehend unverändert beibehalten wurden. Angesichts des Umstandes, dass sich die Kritik an der älteren Forschung ja nicht allein auf den Germanenbegriff als solchen, sondern vor allem auch auf die aus heutiger Perspektive problematischen Methoden richtet, ist eine solche Vorgehensweise kontraproduktiv, verstellt sie doch den Blick darauf, dass die Mehrzahl der auf „die Germanen“ bezogenen Forschungskonstrukte ihre 7 8
Vgl. vor allem den programmatischen Band von Beck (Hg.), Germanenprobleme. So äußert Wolfram, Art. Heerkönigtum, S. 116 f.: Schlesinger hob zu Recht die Bedeutung von Tac. Germ. c. 7 hervor, als er die Typen „Volkskönig“ und „Heerkönig“ entwickelte. […] Was Tacitus hier wie ein Nebeneinander von königlichem und – im eigentlichen Wortsinn – heer-zoglichen Herrschaftsträger darzustellen scheint, ist nach Schlesinger und Wenskus die Feststellung zweier, einander ergänzender, schließlich ablösender Typen germ. Kg. gewesen. Daran ist wohl nur die Eingrenzung auf „germanisch“ zu ändern, […].
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Einleitung
Beweiskraft allein darauf gründen, dass sie zunächst die ethnische, kulturelle und verfassungsrechtliche Einheit der germanischsprachigen gentes voraussetzen und dann auf der Grundlage dieser Vorstellung von „germanischer Einheit“ Einzelbefunde verallgemeinern.9 Im Hinblick auf die Frage nach dem gentilen Königtum in Antike und Völkerwanderungszeit ergibt sich eingedenk der oben entwickelten Zusammenhänge mithin die Notwendigkeit, die Quellen erneut einer gründlichen Untersuchung zu unterziehen, und zwar in deutlicher Abgrenzung von den die Forschung nach wie vor dominierenden „germanischen“ Erklärungsmodellen. Konkret bedeutet dies, dass für die gentilen Verbände zunächst einmal weder von einem älteren sakral fundierten (germanischen) Volkskönigtum, noch von einem (germanischen) Heerkönigtum ausgegangen werden kann. In einem ersten Schritt muss vielmehr überprüft werden, ab wann und in welchem Kontext in den Quellen überhaupt von gentilen reges die Rede bzw. wie dieser rex-Begriff inhaltlich zu fassen ist und welche Vorstellung oder welches Konzept von Königtum sich dahinter verbirgt. Angesichts der dringend gebotenen inhaltlichen Auseinandersetzung mit den im Vorfeld angesprochenen Germanenkonstrukten erscheint es dabei sinnvoll, den Schwerpunkt der Untersuchung auf die germanischsprachigen gentes zu konzentrieren und die Verhältnisse bei anderen barbarischen Verbänden allenfalls vergleichend hinzuzuziehen. Wichtige Impulse für das hier umrissene Vorhaben ergeben sich aus den Ergebnissen der jüngeren, international betriebenen und damit nicht so nachhaltig von den überkommenen deutschen Forschungstraditionen geprägten Frühmittelalterforschung10, durch welche zum einen die Alltagsbeziehungen zwischen Römern und Barbaren schärfer konturiert, und darüber hinaus auch völlig neue Perspektiven auf die Quellen eröffnet worden sind.11 Bedeutsam ist hier vor allem, dass der Herkunft der überlieferten Schriftzeugnisse sowie den Modalitäten und Begleitumständen, unter de9
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Jörg Jarnut, Germanisch. Plädoyer für die Abschaffung eines obsoleten Zentralbegriffes der Frühmittelalterforschung, in: Die Suche nach den Ursprüngen. Von der Bedeutung des frühen Mittelalters, hg. v. Walter Pohl (Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 8), Wien 2004, S. 107–113, hier S. 112, spricht in diesem Kontext von einer nur als abenteuerlich zu bezeichnenden Melange aus Quellenzeugnissen, die in anderthalb Jahrtausenden zwischen Nordafrika und Skandinavien entstanden sind. Zu nennen sind hier beispielsweise die im Rahmen des von der European Science Foundation geförderten internationalen, interdisziplinären Großprojekts „The Transformation of the Roman World“ erschienenen Bände. Hans-Werner Goetz/Karl-Wilhelm Welwei (Hgg.), Altes Germanien. Auszüge aus den antiken Quellen über die Germanen und ihre Beziehungen zum Römischen Reich. Bd. I: Quellen der alten Geschichte bis zum Jahre 238 n. Chr., Teil 1 (FSGA 1a), Darmstadt 1995, S. 3 f.
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nen sie einst entstanden sind, nun ein sehr viel höheres Maß an Aufmerksamkeit gewidmet wird, als das bislang der Fall war. So beruhen unsere Kenntnisse über das Königtum bei den germanischsprachigen, aber auch bei anderen barbarischen gentes in Antike und Völkerwanderungszeit nahezu ausschließlich auf römischen Quellen, die in ihrer Darstellung der gentilen Verhältnisse naturgemäß eine einseitig römische Sicht wiedergeben.12 Berücksichtigt man diese letztlich auf die Aspekte und Möglichkeiten von Fremdwahrnehmung zulaufenden Zusammenhänge, dann stellt sich die Frage, ob die zuerst bei römischen Autoren auftretende Bezeichnung gentiler Anführer als reges nicht vornehmlich als Ausdruck römischer Denkkategorien respektive römischer Rechts- und Staatsvorstellungen betrachtet werden muss13, welche dann freilich im Laufe der Zeit – darauf jedenfalls deuten die späteren Verhältnisse hin – von den Betroffenen übernommen und in die eigene Gesellschaftsordnung adaptiert wurden. Das bei den völkerwanderungszeitlichen gentes, wenngleich in unterschiedlicher Ausprägung als Institution staatlicher Herrschaftsorganisation auftretende Königtum wäre dann als eine ihrem Wesen und ihrer Herkunft nach römische Einrichtung zu betrachten.14 Für diese Sicht spricht nicht zuletzt auch die Beobachtung, dass ein Königtum gar nicht bei allen germanischsprachigen gentes gleichermaßen vorhanden war. Besonders auffällig ist zunächst die Situation bei den kontinentalen Sachsen, für die zu keiner Zeit auch nur Ansätze einer monarchischen Organisation erkennbar sind.15 Aber auch bei anderen gentilen Verbänden, wie zum Beispiel den Goten 12
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J. M. Wallace-Hadrill, Early Germanic Kingship in England and on the Continent, Oxford 1971, bes. S. 1; Matthias Springer, Zu den begrifflichen Grundlagen der Germanenforschung, in: Abhandlungen und Berichte des Staatlichen Museums für Völkerkunde Dresden 44 (1990), S. 169–177, hier S. 169; Roger Collins, Early Medieval Europe 300–1000 (History of Europe), New York 31994 (1. Aufl. New York 1991), S. 45 f.; Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 12; Schneider, Art. König und Königtum, S. 104; Pohl, Germanen, S. 65; Peter Heather, Der Untergang des Römischen Weltreichs, Stuttgart 22008 (1. Aufl. Stuttgart 2007; engl. Ausgabe: The Fall of the Roman Empire. A New History, Oxford 2006), S. 70 f. Grundsätzlich hierzu auch Helmut Castritius, Art. Princeps, in: RGA 23 (2003), S. 453–458, bes. S. 453 f.; sowie Schneider, Art. König und Königtum, S. 103 f. Stefanie Dick, Zu den Grundlagen des so genannten germanischen Königtums, in: Akkulturation. Probleme der germanisch-romanischen Kultursynthese in Spätantike und frühem Mittelalter, hgg. v. Dieter Hägermann, Wolfgang Haubrichs u. Jörg Jarnut (RGA Ergbd. 41), Berlin/New York 2004, S. 510–527, hier S. 511. Zudem spricht nach Walter Pohl, Die Völkerwanderung. Eroberung und Integration, Stuttgart/Berlin/Köln 2002, S. 95 (Zitat) u. S. 98, vieles dafür, daß die Sachsen auch in Britannien zunächst in einem, wenn auch meist prekären Gleichgewicht lokaler Gewalten lebten.; zu den Sachsen insgesamt vgl. zuletzt Matthias Springer, Die Sachsen, Stuttgart 2004.
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Einleitung
und den Langobarden, gibt es in den ältesten Überlieferungen deutliche Reflexe darauf, dass Erinnerungen an eine Zeit ohne Könige existierten.16 Ein weiterer im Rahmen dieser Studie zu berücksichtigender Aspekt betrifft schließlich die Aussagemöglichkeiten der Nachbardisziplinen, insbesondere der Archäologie und der Sprachwissenschaft, im Hinblick auf unseren Untersuchungsgegenstand. Der Grund hierfür ist primär forschungsgeschichtlicher Natur und hängt eng damit zusammen, dass „Germanenforschung“ von jeher interdisziplinär betrieben wurde und neben historischen in erheblichem Maße auch archäologische wie sprachwissenschaftliche Ansätze bzw. Ergebnisse verarbeitet hat. Vor diesem Hintergrund kann sich die Auseinandersetzung mit jenem Konzept von einem „germanischen Königtum“ nicht darauf beschränken, mit den historischen Zeugnissen nur einen Teil der darin eingegangenen Elemente in den Blick zu nehmen, sondern muss sich auch mit denjenigen Einflüssen beschäftigen, welche darüber hinaus bei der Modellierung dieser Vorstellung wirksam geworden sind. Konzediert man im Übrigen den angesichts der oben angesprochenen Wahrnehmungsproblematik doch recht eingeschränkten Aussagewert der Schriftquellen hinsichtlich der Herrschaftsorganisation bei den germanischsprachigen Barbaren, dann ergibt sich zudem fast zwangsläufig die Notwendigkeit, auch andersgeartete Zeugnisse heranzuziehen und zu prüfen, inwiefern diese dazu beitragen können, das anhand der schriftlichen Überlieferung gewonnene, aber durch die römische Wahrnehmung gebrochene Bild zu verifizieren, zu ergänzen oder gegebenenfalls auch zu korrigieren. Besonders aussichtsreich erscheint hier vor allem der Zugriff auf die Ergebnisse der Archäologie. Zwar erlaubt das archäologische Quellenmaterial keine Aussagen über konkrete Herrschaftsformen, etwa dahingehend, ob nun beispielsweise ein Häuptling, eine Adelsoligarchie, eine Priesterschaft oder ein König an der Spitze einer bestimmten Gesellschaft standen; es lässt aber zumindest einige Rückschlüsse auf das Vorhandensein und den Grad der Ausprägung grundlegender sozialer Strukturen zu und bietet damit eine Basis für die Erhellung jener Prozesse, in deren Rahmen sich die Entwicklung gentiler Gesellschafts- wie auch Herrschaftsorganisation vollzog. 16
Zu den Goten vgl. Herwig Wolfram, Die Goten als Gegenstand einer historischen Ethnographie, in: Tradition als historische Kraft. Interdisziplinäre Forschungen zur Geschichte des frühen Mittelalters, hgg. v. Norbert Kamp u. Joachim Wollasch, Berlin/New York 1982, S. 53–64, hier S. 63; zu den Langobarden vgl. Stefanie Dick, Langobardi per annos decem regem non habentes, sub ducibus fuerunt. Formen und Entwicklung der Herrschaftsorganisation bei den Langobarden. Eine Skizze, in: Die Langobarden. Herrschaft und Identität, hgg. v. Walter Pohl u. Peter Erhart (Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 9), Wien 2005, S. 335–343.
Einleitung
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Ausgehend von den hier formulierten Überlegungen soll die vorliegende Untersuchung mithin Folgendes leisten: 1.) Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Konzept von einem „(ur)germanischen Königtum“, wobei zum einen die forschungsgeschichtlichen Zusammenhänge berücksichtigt werden müssen, zum anderen die methodischen Grundlagen und Prämissen aufzuarbeiten sind. Darüber hinaus ist es notwendig, die in diesem Modell zusammengeführten zentralen Argumentationselemente herauszupräparieren und auf der Basis eines aktuellen Forschungsstandes und Methodenbewusstseins zu überprüfen. Dementsprechend erfolgt zunächst eine gründliche Untersuchung der ältesten historischen Zeugnisse von der Kontaktaufnahme zwischen Römern und germanischsprachigen Barbaren, ehe im Anschluss daran die Aussagemöglichkeiten der Nachbardisziplinen Archäologie und Sprachwissenschaft näher beleuchtet werden. Es wird zu zeigen sein, dass bei genauerem Hinsehen die mit jenen älteren Vorstellungen vom „germanischen Königtum“ verbundenen Positionen aus heutiger Sicht nicht mehr zu überzeugen vermögen, wodurch sich letztlich das Konzept selbst als revisionsbedürftig erweist. In Anbetracht dessen stellt sich als weitere Aufgabe 2.) die Erarbeitung einer alternativen Perspektive auf die Entwicklung der Herrschaftsorganisation im germanischsprachigen Barbaricum, nach der das gentile Königtum keine seinem Wesen nach „germanische“ Institution war, sondern sich vielmehr erst durch die in den nachchristlichen Jahrhunderten zusehends intensivierenden Kontakte mit dem kulturell überlegenen Imperium Romanum herausbilden konnte und wohl auch in seiner konkreten Ausgestaltung vornehmlich auf römische Einflüsse zurückzuführen ist. Darauf deuten jedenfalls sowohl die – unter dem Eindruck der bereits umrissenen Wahrnehmungsproblematik – neu zu interpretierenden Schriftquellen als auch die aus dem archäologischen Fundgut ablesbaren Erkenntnisse über die sozioökonomischen Strukturen innerhalb der den „Germanen“ zugeschriebenen Gebiete hin, welche anzeigen, dass die dort ansässigen Gesellschaften aufgrund der noch um die Zeitenwende wenig entwickelten Wirtschaftskraft wie auch der nur gering ausgeprägten sozialen Differenzierung kaum in der Lage gewesen sein dürften, eine monarchische Spitze, die deutlich komplexere Strukturen voraussetzt, auszubilden. Der zeitliche Rahmen der Untersuchung umfasst – allerdings auf z. T. unterschiedlicher Materialbasis – im Wesentlichen die Zeitspanne vom 4. vorchristlichen bis zum 4. nachchristlichen Jahrhundert. Die Notwendigkeit, bis in die vorgeschichtliche Zeit auszuholen, ergab sich dabei unmittelbar aus der Auseinandersetzung mit jenem überkommenen Forschungskonzept, welches die Ursprünge des gentilen Königtums auf eine sogenannte urgermanische Vorzeit zurückgeführt hat, die man glaubte anhand etwa des
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Einleitung
Jastorf-Befundes oder (re)konstruierter gemeingermanischer Wörter näher erfassen zu können. Was das Ende der Studie und den im 4. Jahrhundert n. Chr. angesetzten Schnitt anbelangt, so erscheint dieser insofern gerechtfertigt, als mit dem Einsetzen der Völkerwanderungszeit sowohl die allgemeinen Rahmenbedingungen wie auch die gesellschaftlichen Verhältnisse innerhalb des germanischsprachigen Raumes grundlegend in Bewegung gerieten, wobei die sich hier entfaltende Dynamik insbesondere auf die Entwicklung gentiler Herrschaftsorganisation eingewirkt und nachhaltige strukturelle Veränderungen, wenngleich nicht eigentlich bedingt, so aber doch zumindest enorm beschleunigt hat. Die Überlieferung spiegelt die hiermit angesprochenen Prozesse eindrucksvoll wider: Während die materielle Hinterlassenschaft der im germanischsprachigen Barbaricum ansässigen, in zahllosen kleinen Verbänden organisierten Bevölkerung bis etwa über das 3. Jahrhundert hinaus eine relative Gleichförmigkeit ausstrahlt, die keine Unterscheidung nach einzelnen „Stämmen“ oder Völkern erlaubt, ist im Verlauf des 4. Jahrhunderts eine Tendenz zu sich in zunehmendem Maße ausdifferenzierenden Trachtmerkmalen erkennbar. Zwar lassen diese keine unmittelbaren Rückschlüsse auf die ethnischen Verhältnisse zu, aber sie bezeugen grundsätzlich die Existenz von Gruppierungen, die durch eine gewisse Uniformität von Kleidung und Accessoires Gemeinschaft zum Ausdruck gebracht haben. Dieser Befund korrespondiert auch mit den historischen Zeugnissen. So hat sich, gemessen an dem, was beispielsweise noch bei Tacitus oder Ptolemaios überliefert ist, die Anzahl der in den Schriftquellen erwähnten Stammesnamen bis zum 4. Jahrhundert signifikant verringert. Offenbar haben wir es jetzt mit vergleichsweise wenigen, aber dafür zahlenmäßig stärkeren Verbänden zu tun, die – anders als die vielen kleinen Gruppierungen zuvor, von denen häufig nur der Name bekannt ist – nun auch in der antiken Überlieferung etwas deutlicher hervortreten. Es ist gewiss kein Zufall, dass seit eben dieser Zeit die Pauschalbezeichnung Germani immer seltener begegnet, sondern stattdessen zumeist sehr viel konkreter von Alamanni, Franci oder Gothi die Rede ist17; von Großverbänden, die von den Römern allem Anschein nach aufgrund ihres individuellen Gepräges in ihrer Eigenständigkeit klarer wahrgenommen und besser voneinander abgegrenzt werden konnten. 17
Vgl. ausführlich Walter Pohl, Der Germanenbegriff vom 3. bis 8. Jahrhundert – Identifikationen und Abgrenzungen, in: Zur Geschichte der Gleichung „germanisch– deutsch“. Sprache und Namen, Geschichte und Institutionen, hgg. v. Heinrich Beck et al. (RGA Ergbd. 34), Berlin/New York 2004, S. 163–183, bes. S. 170, S. 172 u. S. 177; Ders., Vom Nutzen des Germanenbegriffes zwischen Antike und Mittelalter: eine forschungsgeschichtliche Perspektive, in: Hägermann/Haubrichs/Jarnut (Hgg.), Akkulturation, S. 18–34.
Einleitung
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Erweist sich aufgrund der gleichartigen sozio-ökonomischen Verhältnisse bis ins 4. Jahrhundert ein eher generalisierender Zugriff durchaus als sinnvoll und zielführend, würde eine genauere Untersuchung der mit der Völkerwanderungszeit einsetzenden und hier nur angedeuteten Prozesse eine stärker differenzierende Vorgehensweise erfordern, bei der die einzelnen gentes aufgrund der unterschiedlichen Entwicklungen jeweils gesondert behandelt werden müssten18. Angesichts dessen bietet sich auch unter pragmatischen Gesichtspunkten das 4. Jahrhundert als Schnittstelle an.19 Dabei wäre es mit Blick auf die zugrunde gelegte Fragestellung ohne Zweifel wünschenswert gewesen, die Entwicklung des Königtums bis zum Jahr 751 zu verfolgen; also bis zu jenem Zeitpunkt, an welchem die noch stark von völkerwanderungszeitlichen Traditionen geprägte Merowingerdynastie abgelöst wurde und Pippin der Jüngere das fränkische Königtum durch sein epochemachendes Bündnis mit dem Papst in besonderer Weise mit dem Christentum verbunden und auf eine neue, zukunftsweisende Grundlage gestellt hat, die für das gesamte Mittelalter bestimmend werden sollte20. Dass ein solches, einen Zeitraum von mehr als tausend Jahren sowie geographisch große Teile Europas umspannendes Programm aus arbeitsökonomischen Gründen in diesem Rahmen nicht realisiert werden konnte, ist zu bedauern, aber mit Hinweis sowohl auf die zeitlichen wie räumlichen Dimensionen als auch den mit einer interdisziplinären Arbeitsweise verbundenen Aufwand gewiss verständlich. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Gelegenheit ergibt, in einem Folgeprojekt die Entwicklung des Königtums in der Zeit vom 4. bis zum 8. Jahrhundert zu untersuchen – die Grundlagen hierfür sind jedenfalls mit der vorliegenden Studie erarbeitet.
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Thomas F. X. Noble, Barbarians and Romans in Merovingian Gaul, in: From Roman Provinces to Medieval Kingdoms, hg. v. Dems. (Rewriting Histories), New York 2006, S. 325 f., hier S. 326; vgl. ferner die in dem folgenden Band versammelten Beiträge: Hans-Werner Goetz/Jörg Jarnut/Walter Pohl (Hgg.), Regna and Gentes. The Relationship between Late Antique and Early Medieval Peoples and Kingdoms in the Transformation oft the Roman World (TRW 13), Leiden/Boston 2003. Auch Schneider, Art. König und Königtum, S. 104, konstatiert, dass mit Blick auf das Königtum die Verhältnisse vor der Völkerwanderungszeit von denen danach unterschieden werden müssen. Vgl. hierzu insbesondere die Beiträge in Matthias Becher/Jörg Jarnut (Hgg.), Der Dynastiewechsel von 751. Vorgeschichte, Legitimationsstrategien und Erinnerung, Münster 2004.
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1. Germanenforschung und Germanenbegriff Durch die Wiederentdeckung der Germania des Tacitus im 15. Jahrhundert fand „der Germane“ seinen Platz im Bewusstsein der humanistischen Bildungselite Europas.1 Schon früh ist dabei eine Gleichsetzung von „germanisch“ und „deutsch“ erkennbar, denn von Anfang an nutzten insbesondere deutsche Humanisten die taciteische Darstellung, um die Wesenszüge ihres Volkes zu bestimmen.2 Als etwa Jakob Wimpfeling – um nur ein Beispiel herauszugreifen – die in seiner 1501 erschienenen „Germania“ formulierten territorialen Ansprüche auf das Elsass damit rechtfertigte, dass dort laut Tacitus schon seit dem römischen Kaiser Augustus Deutsche gelebt 1
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Vgl. insbesondere Ludwig Krapf, Germanenmythos und Reichsideologie. Frühhumanistische Rezeptionsweisen der taciteischen „Germania“ (Studien zur deutschen Literatur 59), Tübingen 1979; von See, Germanen-Ideologie, S. 9; Volker Losemann, Aspekte der nationalsozialistischen Germanenideologie, in: Alte Geschichte und Wissenschaftsgeschichte. FS Karl Christ, hgg. v. Peter Kneissl u. Volker Losemann, Darmstadt 1988, S. 256–284, hier S. 257 ff.; Donald R. Kelley, Tacitus noster: The Germania in the Renaissance and Reformation, in: Tacitus and the Tacitean Tradition, hgg. v. Torrey James Luce u. Anthony John Woodman (Magie Classical Publications), Princeton (New Jersey)/Oxford 1993, S. 152–167; Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 3; Pohl, Germanen, S. 5 f.; sowie zur Tacitus-Rezeption insgesamt Ronald Mellor (Hg.), Tacitus. The Classical Heritage (Classical Heritage 6), New York/ London 1995, S. XIX–LII; und zuletzt Dieter Mertens, Die Instrumentalisierung der „Germania“ des Tacitus durch die deutschen Humanisten, in: Beck et al. (Hgg.), „Germanisch-deutsch“, S. 37–101. Grundlegend hierzu die philologische Studie von Hans Tiedemann, Tacitus und das Nationalbewußtsein der deutschen Humanisten Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts, Diss. Berlin 1913; vgl. ferner die Untersuchung von Karl Langosch, Zur Germania des Johannes Cochlaeus, in: Liber Floridus – Mittellateinische Studien. FS Paul Lehmann, hgg. v. Bernhard Bischoff u. Suso Brechter, St. Ottilien 1950, S. 373–384; Klaus von See, Der Germane als Barbar, in: JiG 13 (1981), S. 42–72, hier S. 42; Hans Kloft, Die Germania des Tacitus und das Problem eines deutschen Nationalbewußtseins, in: AKG 72 (1990), S. 93–114; Carlrichard Brühl, Deutschland – Frankreich. Die Geburt zweier Völker, Köln/Wien 21995 (1. Aufl. Köln/Wien 1990), S. 32–51; Arnulf Krause, Die Geschichte der Germanen, Frankfurt am Main 2002, S. 260 f.; Alfred Haverkamp, Perspektiven deutscher Geschichte während des Mittelalters, in: Gebhardt – Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 1, hg. v. Dems., Stuttgart 2004, S. 3–143, hier S. 66–78; und Frank Rexroth, Deutsche Geschichte im Mittelalter, München 2005, S. 120 f.
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hätten3, hatte die Tacitus-Rezeption auch eine politische Dimension erreicht. Damit waren die wesentlichen Merkmale jenes Germanenbildes, welches später in ganz anderen Zusammenhängen die Grundlage der nationalsozialistischen Germanenideologie mit ihren unheilvollen Auswüchsen bilden sollte, bereits im 15. Jahrhundert vorgezeichnet.4 Von Bedeutung sind in diesem Kontext vor allem zwei Aspekte: Zunächst die Vorstellung von den Germanen als einem homogenen Volk von Ureinwohnern, welche man in Anlehnung an die Darstellung in Caesars Bellum Gallicum5, wo die in Abgrenzung von den Galliern als Germanen Bezeichneten zwischen Rhein und Elbe verortet werden, als Vorfahren der Deutschen betrachtete. Das andere Moment betrifft den schon bei Tacitus als Strukturelement angelegten Gegensatz zwischen Germanen und Römern.6 Die Bildung eines „germanischen“ bzw. deutschen Gemeinschaftsgefühls vollzog sich auf der Basis dieser antithetischen Sicht und mithin im Kontrast zu allem Römischen respektive Romanischen. Dieser Dualismus ließ sich – und hierin dürfte eine der Hauptursachen für seine enorme Prägekraft gelegen haben – immer wieder für die Tagespolitik nutzbar machen, wodurch das auf die Humanisten zurückgehende Germanenbild im Laufe der folgenden Jahrhunderte stets von Neuem aktualisiert werden konnte: „War es im Zeitalter des Humanismus und der Reformation vor allem der Gegensatz zum römischem Papsttum, so war es während des Siebenjährigen Krieges der militärische Konflikt mit dem romanischen Nachbarn im Westen, im Ossianismus und im Sturm und Drang der Kampf von Originalität 3
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Vgl. Manfred Fuhrmann, Einige Dokumente zur Rezeption der taciteischen „Germania“, in: Der Altsprachliche Unterricht 21 (1978), S. 39–49, hier S. 44; sowie Hans Kloft, Die Idee einer deutschen Nation zu Beginn der frühen Neuzeit. Überlegungen zur Germania des Tacitus und zum Arminius Ulrichs von Hutten, in: Arminius und die Varusschlacht. Geschichte – Mythos – Literatur, hgg. v. Rainer Wiegels u. Winfried Woesler, Paderborn et al. 1995, S. 197–210, hier S. 207 f. Ausführlicher hierzu Pohl, Germanen, S. 59–62, mit weiterer Literatur; vgl. auch den Überblick bei Malcolm Todd, Die Germanen. Von den frühen Stammesverbänden zu den Erben des Weströmischen Reiches, Darmstadt 2000, S. 241–252 (engl. Ausgabe: The Early Germans (The Peoples of Europe), Oxford/Cambridge 1992); sowie die ikonographisch-ikonologische Untersuchung der Germania-Darstellungen von Elke Trzinski, Studien zur Ikonographie der Germania, Recklinghausen 1992, zugl. Diss. Münster 1990; ferner Jörn Echternkamp, Der Aufstieg des deutschen Nationalismus (1770–1840), Frankfurt am Main/New York 1998, zugl. Diss. Bielefeld 1996, hier bes. S. 92–95. Der taciteische Germanenbegriff ist in hohem Maße an dem caesarischen orientiert. Infolge des durch die Tacitus-Rezeption erwachten Interesses an „den Germanen“, fand dann auch das Werk Caesars größere Beachtung. Vgl. vor allem Allan A. Lund, Zur Gesamtinterpretation der „Germania“ des Tacitus, in: ANRW II/33,3 (1991), S. 1858–1988.
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und Gefühl gegen Rationalität und Kühle der französischen klassizistischen Poetik, dann in den ‚Freiheitskriegen‘, in der Rheinkrise 1840, im Krieg 1870/71 und schließlich in der Polemik gegen das ‚Versailler Diktat‘ von 1919 wiederum die politische Front gegen den ‚welschen Erbfeind‘, daneben seit der Mitte des 19. Jahrhunderts auch die Front gegen Süden in der Auseinandersetzung um die mannigfachen Formen des politischen und konfessionellen ‚Ultramontanismus‘, in der Frage ‚kleindeutsch-national‘ oder ‚großdeutsch-universal‘, im Streit der Historiker um die Italienpolitik der mittelalterlichen deutschen Kaiser, im Streit der Juristen um den Anteil des römischen und deutschen Rechts am ‚Bürgerlichen Gesetzbuch‘.“7 Vor diesem Hintergrund gewann das Germanenbild beständig an Kontur, wobei es durch die Berührung mit den jeweiligen zeitgenössischen geistigen und politischen Strömungen freilich auch immer wieder graduellen Veränderungen unterlag. Im Verlauf der etwa in der Mitte des 18. Jahrhunderts einsetzenden Diskussion um Volksidentitäten und -charaktere und mit dem Aufkommen des „nationalen Gedankens“ wuchs dem Germanentum eine besondere Bedeutung zu, indem es zum identitätsstiftenden Bezugspunkt für das im Entstehen begriffene deutsche Nationalbewusstsein wurde.8 Es ist bezeichnend, 7 8
von See, Germanen-Ideologie, S. 10 f. Als ein durchaus typisches Beispiel für die tagespolitischen Implikationen „germanisch-deutschen“ Geschichtsverständnisses sei hier eine Äußerung Jacob Grimms aus der an Georg Gottfried Gervinus gerichteten (unpaginierten) Widmung angeführt, welche er seiner 1848 veröffentlichten „Geschichte der deutschen Sprache“ vorangestellt hat: In wie ungelegner zeit nun mein buch erscheine, das vom vorgesteckten ziel sich nicht abwandte, ist es doch, wer aus seinem inhalt aufgabe und gefahr des vaterlandes ermessen will, durch und durch politisch. Es lehrt dasz unser volk nach dem abgechüttelten joch der Römer seinen namen und seine frische freiheit zu den Romanen in Gallien, Italien, Spanien und Britannien getragen, mit seiner vollen kraft allein den sieg des christenthums entschieden und sich als undurchbrechlichen wall gegen die ungestüm nachrückenden Slaven in Europas mitte aufgestellt hat. Von ihm zumal gelenkt wurden die schicksale des ganzen mittelalters, aber welche höhe der macht wäre ihm beschieden gewesen, hätten Franken, Burgunden, Langobarden und Westgothen gleich den Angelsachsen ihre angestammte sprache behauptet. Mit deren aufgeben giengen sie uns und groszentheils sich selbst verloren: Lothringen, Elsasz, die Schweiz, Belgien und Holland sind unserm reich, wir sagen noch nicht unwiderbringlich entfremdet. Viel zäher auf ihre muttersprache hielten die Slaven und darum kann uns heute ein übermütiger slavismus bedrohen; in unserer innersten art lag je etwas nachgibiges, der ausländischen sitte sich anschmiegendes, sollen wir von dem fehler bis zuletzt nicht genesen?, Jacob Grimm, Geschichte der deutschen Sprache. Zwei Bände in einem Band, Hildesheim/New York 1970 (ND der 4. Aufl. Leipzig 1880). – Aus der Literatur vgl. etwa von See, GermanenIdeologie, S. 21; aber auch Ulrich Muhlack, Die Germania im deutschen Nationalbewußtsein vor dem 19. Jahrhundert, in: Beiträge zum Verständnis der Germania des Tacitus. Bericht über die Kolloquien der Kommission für die Altertumskunde Nord- und Mitteleuropas im Jahr 1986, Teil 1, hgg. v. Herbert Jankuhn u. Dieter
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dass sich die Gleichsetzung von „germanisch“ und „deutsch“ nun auch im öffentlichen Bewusstsein niederschlug. Alles „Germanische“ stieß auf großes Interesse, was nicht nur im Hinblick auf die Unterhaltungsliteratur zum Ausdruck kommt.9 Auch für die Geschichtswissenschaft ergaben sich hieraus Konsequenzen, denn das Germanentum entwickelte sich rasch zu einem zentralen Forschungsgegenstand und schließlich – unter der Bezeichnung „Germanische Altertumskunde“ – sogar zu einem eigenständigen Forschungsgebiet. Ziel der sich hier vereinigenden Bemühungen von Historikern, Archäologen, Volkskundlern, Rechtswissenschaftlern und Philologen war es, die „germanische Urzeit“, welche als deutsche Vorzeit betrachtet wurde, möglichst vollständig zu rekonstruieren, um so eine lückenlose Sicht auf die Anfänge der eigenen Geschichte zu gewinnen.10 Dabei griff man, angesichts der im deutschsprachigen Raum nur spärlich vorhandenen Überreste „germanischer“ Kultur, auf die sehr viel reichhaltigeren altnordischen Quellen zurück.11 Doch „anstatt diese Texte als Zeugnisse einer eigentümlich skandinavischen Mittelalter-Kultur zu begreifen, sieht man von vornherein an ihren mittelalterlichen Bedingtheiten vorbei und versetzt sie in einen merkwürdig schwebenden geschichtslosen Zustand, weil man allein nach dem ursprünglich germanischen, dem angeblich gemein-
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Timpe (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, phil.-hist. Kl., III/175), Göttingen 1989, S. 128–154; Hermann Engster, Germanisten und Germanen. Germanenideologie und Theoriebildung in der deutschen Germanistik und Nordistik von den Anfängen bis 1945 in exemplarischer Darstellung (Texte und Untersuchungen zur Germanistik und Skandinavistik 16), Frankfurt am Main/Bern/ New York 1986, S. 12; Echternkamp, Aufstieg, S. 306 f.; Peter Burke, Geschichte als soziales Gedächtnis, in: Mnemosyne. Formen und Funktionen der kulturellen Erinnerung, hgg. v. Aleida Assmann u. Dietrich Harth, Frankfurt am Main 21993 (1. Aufl. Frankfurt am Main 1991), S. 289–304, hier S. 298; und Rainer Kipper, Der Germanenmythos im deutschen Kaiserreich. Formen und Funktionen historischer Selbstthematisierung (Formen der Erinnerung 11), Göttingen 2002, zugl. Diss. Gießen 2000, S. 16 u. passim. – Vgl. in diesem Zusammenhang ferner die Ausführungen von Patrick J. Geary, Europäische Völker im frühen Mittelalter. Zur Legende vom Werden der Nationen (Europäische Geschichte), Frankfurt am Main 2002, bes. S. 25–52 (engl. Ausgabe: The Myths of Nations. The Medieval Origins of Europe, Princeton 2001). Ausführlich hierzu Klaus Düwel/Harald Zimmermann, Germanenbild und Patriotismus in der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts, in: Beck (Hg.), Germanenprobleme, S. 358–395. Vgl. auch Wolf-Daniel Hartwich, Deutsche Mythologie. Die Erfindung einer nationalen Kunstreligion (Kulturwissenschaftliche Studien 3), Berlin/Wien 2000, S. 11. Siehe etwa Julia Zernack, Germanische Restauration und Edda-Frömmigkeit, in: Politische Religion – religiöse Politik, hg. v. Richard Faber, Würzburg 1997, S. 143–160, hier S. 146 ff.
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samen volkstümlichen Erbe sucht, denn nur dies rechtfertigt ja die Einverleibung der skandinavischen in die ‚deutsche‘ Kulturtradition.“12 Im 19. Jahrhundert vollzog sich eine zunehmende Emotionalisierung der mit den „Germanen“ verbundenen Vorstellungen. Ideale Überhöhung und romantische Verklärung prägten das zum nationalen Identifikationsmodell erhobene Germanenbild13, wobei vor dem Hintergrund der napoleonischen Kriege der Idee von der „germanischen Freiheit“ besondere Bedeutung zukam.14 Arminius, als wichtigster Exponent dieses Phänomens, wurde gleichsam zum Nationalhelden stilisiert15, was in dem bereits um 1830 geplanten, aber erst 1875 eingeweihten Hermanns-Denkmal noch heute weithin sichtbar zum Ausdruck kommt.16 Auch die Bewertung des 12 13
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von See, Germanen-Ideologie, S. 36 f.; siehe auch Engster, Germanisten, S. 12 f. Losemann, Aspekte, S. 262, spricht in diesem Kontext von „politischem Germanismus“; vgl. des Weiteren die Ausführungen von Ekkehard Hieronimus, Von der Germanen-Forschung zum Germanen-Glauben, in: Die Restauration der Götter. Antike Religion und Neo-Paganismus, hgg. v. Richard Faber u. Renate Schlesier, Würzburg 1985, S. 241–257, bes. S. 246–251; Brühl, Deutschland – Frankreich, S. 19–24; sowie den literaturgeschichtlichen Beitrag von Michael Titzmann, Die Konzeption der „Germanen“ in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts, in: Nationale Mythen und Symbole in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Strukturen und Funktionen von Konzepten nationaler Identität, hgg. v. Jürgen Link u. Wulf Wülfing (Sprache und Gesellschaft 16), Stuttgart 1991, S. 120–145. – Zu den figürlichen Darstellungen der Germania siehe ferner Lothar Gall, Die Germania als Symbol nationaler Identität im 19. und 20. Jahrhundert (Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, phil.-hist. Kl., Jg. 1993, H. 2), Göttingen 1993, S. 37–88. Vgl. hierzu Böckenförde, Verfassungsgeschichtliche Forschung, S. 85f. u. passim; Werner Weiland, Die „deutsche Freiheit“ in der bürgerlichen und proletarischen Emanzipationsgeschichte, in: Faber/Schlesier (Hgg.), Restauration der Götter, S. 215–240, bes. S. 234f.; Herbert W. Benario, Tacitus’ Germania and Modern Germany, in: Illinois Classical Studies 15 (1990), S. 163–175, hier S. 169ff.; sowie zuletzt die Beiträge in Jost Hermand/Michael Niedermeier (Hgg.), Revolutio germanica. Die Sehnsucht nach der „alten Freiheit“ der Germanen. 1750–1820 (Berliner Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte 5), Frankfurt am Main et al. 2002. – Während dieser Zeit kam z.B. auch der auf das rechtsrheinische Germanien bezogene Begriff „Germania libera“ auf, für den es in den antiken Quellen freilich keinerlei Rückhalt gibt. Zu dem fraglichen Sachverhalt vor allem Maria Alföldi, Germania magna – nicht libera. Notizen zum römischen Wortgebrauch, in: Germania 75 (1997), S. 45–52; und Helmut Neumaier, „Freies Germanien“/„Germania libera“ – Zur Genese eines historischen Begriffs, in: ebda., S. 53–67. Zur Rezeption des Arminius als nationaler Leitfigur vgl. Monika Flacke, Deutschland: Die Begründung der Nation aus der Krise, in: Mythen der Nationen – Ein europäisches Panorama, hg. v. Ders., München/Berlin 1998, S. 101–128, hier S. 102–107, mit weiterer Literatur in den Anm. Vgl. Thomas Nipperdey, Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert, in: HZ 206 (1968), S. 529–585, hier S. 567 f.; Dieter Timpe, Arminius-Studien, Heidelberg 1970, S. 13, mit weiteren Literaturangaben; Klaus von See,
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Nibelungenliedes als Nationalepos17 sowie das Bemühen, Arminius als historisches Vorbild für die literarische Figur des Siegfried nachzuweisen18, ordnen sich in diesen Zusammenhang ein. Nach 1918 entwickelte sich dann eine regelrechte Blüte deutscher Germanenbegeisterung. Die isolierte politische Stellung in Europa begünstigte die Besinnung auf die nationalen Wurzeln, wobei der ideelle Rückgriff auf „germanische Tugenden“ und „germanische Tapferkeit“ ganz offensichtlich geeignet war, das durch die verheerende Niederlage arg in Mitleidenschaft gezogene nationale Selbstbewusstsein wieder aufzurichten.19 Vor diesem Hintergrund verfestigte sich das unterdessen durch die Rezeption der Werke von Joseph-Arthur Graf von Gobineau und Houston Stewart Chamberlain durch biologistische und rassistische Elemente angereicherte Germanenbild20 zu einer regelrechten Ideologie, welche schließlich als Legiti-
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Germanenbilder, in: Die Nibelungen – Bilder von Liebe, Verrat und Untergang. Ausstellungskatalog, hg. v. Wolfgang Storch, München 1987, S. 85–90, bes. S. 85; Ders., Vom „edlen Wilden“ zum „Volk der Dichter und Denker“. Die Anfänge der Germanen-Ideologie, in: Ders., Barbar, Germane, Arier, S. 61–82, bes. S. 81. Vgl. hierzu Ulrich Wyss, Zum letzten Mal: Die teutsche Ilias, in: Pöchlarner Heldengespräch. Das Nibelungenlied und der mittlere Donauraum, hg. v. Klaus Zatloukal (Philologica Germanica 12), Wien 1990, S. 157–179; sowie die zusammenfassende Darstellung bei Klaus von See, Das Nibelungenlied – ein Nationalepos?, in: Die Nibelungen. Studien und Dokumente zur Rezeption des Nibelungenstoffs im 19. und 20. Jahrhundert, hgg. v. Joachim Heinzle u. Anneliese Waldschmidt, Frankfurt am Main 1991, S. 43–110. Siehe vor allem die Beiträge in Karl Hauck (Hg.), Zur germanisch-deutschen Heldensage (WdF 14), Darmstadt 1961; Rudolf Much, Die Germania des Tacitus, Heidelberg 31967 (1. Aufl. Heidelberg 1937), S. 76 f. Kritisch hierzu Timpe, Arminius-Studien, S. 11 ff., bes. Anm. 2 u. 3; Horst Callies, Art. Arminius, in: RGA 1 (1973), S. 417–420, hier S. 419 f., mit weiterer Literatur; Frantiˇsek Graus, Lebendige Vergangenheit. Überlieferung im Mittelalter und in den Vorstellungen vom Mittelalter, Köln/Wien 1975, S. 246–252. – Vgl. in diesem Zusammenhang ferner Heinrich Beck, Zu Otto Höflers Siegfried-Arminius-Untersuchungen, in: PBB 107 (1985), S. 92–107, der resümiert, dass der These das historische Ereignis der Varusschlacht lebe als Siegfrieds Drachenkampf in der Heldensage fort […], weiterhin mit Skepsis zu begegnen sein wird (S. 107); sowie Joachim Heinzle, Das Nibelungenlied. Eine Einführung, Frankfurt am Main 1996 (überarb. Neuausgabe, 1. Aufl. München 1987), S. 24 f. Vgl. Klaus von See, Kulturkritik und Germanenforschung zwischen den Weltkriegen, in: HZ 245 (1987), S. 343–362, hier S. 344 f. u. passim. Zur rassistischen Dimension der Germanenideologie ausführlich Uwe Puschner, Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich. Sprache – Rasse – Religion, Darmstadt 2001, S. 92–99 u. passim. – Vgl. des Weiteren von See, Germanen-Ideologie, S. 56–62; Luciano Canfora, La Germania di Tacito da Engels al nazismo (Forme, materiali e ideologie del mondo antico 16), Napoli 1979; Engster, Germanisten, S. 47–56; Losemann, Aspekte, S. 262 f.; Pohl, Germanen, S. 5 f.; und Krause, Geschichte der Germanen, S. 264 f.
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mationsbasis für den NS-Faschismus instrumentalisiert werden konnte. Führer-Prinzip, Blut-und-Boden-Ideologie sowie die Vorstellung von einer arischen Herrenrasse ließen sich nahezu nahtlos in die vermeintlichen germanischen Traditionen einfügen.21 Mit dem Zusammenbruch der NS-Diktatur 1945 sind der „Germanismus als politisch-metapolitische Größe“22, sind „Germanen-Ideologie und arisch-nordischer Rassenmythos von der Bildfläche verschwunden“23; die Geschichtswissenschaft indes hat immer noch an jenem Germanenbild, welches sie ja nicht unwesentlich mitgeprägt und -geformt hat, zu tragen.24 Die Folge ist ein seltsam verzerrtes und nur schwer fassbares Germanenbild, welches sich zwischen dem unter der Oberfläche teilweise fortwirkenden Germanenmythos der Vergangenheit und den im Vergleich hiermit deutlich reduzierten Vorstellungen der jüngeren Forschung bewegt.25 Fasst man nun deren Ergebnisse zusammen, und damit kommen wir zu der aktuellen Perspektive auf „die Germanen“, dann ergibt sich als Hauptschwierigkeit zunächst der Umstand, dass selbige ethnisch kaum näher zu bestimmen sind. Weder wissen wir, welche gentes ihnen im Einzelnen zugerechnet werden müssen, noch in welchem geographischen Raum sie ange21
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Vgl. hierzu zuletzt Uwe Puschner, Germanenideologie und völkische Weltanschauung, in: Beck et al. (Hgg.), „Germanisch-deutsch“, S. 103–129, bes. S. 120; sowie Allan A. Lund, Germanenideologie im Nationalsozialismus. Zur Rezeption der „Germania“ des Tacitus im „Dritten Reich“, Heidelberg 1995, bes. S. 11–31; ferner Ruth Römer, Der Germanenmythos in der Germanistik der dreißiger Jahre, in: Literatur und Germanistik nach der „Machtübernahme“. Colloquium zur 50. Wiederkehr des 30. Januar 1933, hg. v. Beda Allemann, Bonn 1983, S. 216–231, bes. S. 221–224; und Klaus Rosen, Die Völkerwanderung, München 2002, S. 109–121. – Zur Rolle Otto Höflers und seiner Kontinuitätstheorie in diesem Zusammenhang siehe Jan Hirschbiegel, Die „germanische Kontinuitätstheorie“ Otto Höflers, in: ZSHG 117 (1992), S. 181–198, bes. die abschließende Bewertung S. 197 f.; vgl. allerdings auch die „Reaktionen auf Jan Hirschbiegels Aufsatz über die ‚germanische Kontinuitätstheorie‘ Otto Höflers (ZSHG 117) mit abschließender Stellungnahme des Verfassers“, in: ZSHG 118 (1993), S. 299–308, mit massiver Kritik an Hirschbiegel; sowie vor allem Esther Gajek, Germanenkunde und Nationalsozialismus. Zur Verflechtung von Wissenschaft und Politik am Beispiel Otto Höflers, in: Faber (Hg.), Politische Religion, S. 173–203, die den Aufsatz von Hirschbiegel im Detail ebenfalls als fehlerhaft ausweist (S. 174 mit Anm. 6), von der Sache her aber zu ähnlichen Ergebnissen kommt (bes. S. 202 f.). Heinz Gollwitzer, Zum politischen Germanismus des 19. Jahrhunderts, in: FS Hermann Heimpel, Bd. I (VMPIG 36/1) Göttingen 1971, S. 282–356, hier S. 356. von See, Germanen-Ideologie, S. 104. Vgl. auch Alexander Demandt, Der Untergang Roms als Menetekel, in: AKG 61 (1979), S. 272–291, bes. S. 285 f.; sowie sehr prägnant Otto Holzapfel, Die Germanen. Mythos und Wirklichkeit, Freiburg/Basel/Wien 2001, S. 11. Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 3.
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siedelt waren. Wir wissen auch nicht, ob es sich bei ihnen, wie Tacitus glauben wollte, um Ureinwohner handelte26 oder, wenn nicht, woher sie dann ursprünglich gekommen waren. Genau genommen können wir nicht einmal mit Bestimmtheit sagen, „ab wann man überhaupt von Germanen reden darf.“27 Nach heutiger Sicht umfasst der Begriff „Germanen“ vor allem eine sprachliche und eine historische Dimension. Aus sprachwissenschaftlicher Perspektive weist die Bezeichnung „Germanen“ die so Genannten als Träger einer germanischen Sprache aus, wobei sich aus dem Moment gemeinsamer Sprache nicht zwingend auch eine ethnische oder politische Zusammengehörigkeit herleiten lässt.28 Aussagen über die ethnische Zusammensetzung, die gesellschaftliche Organisation oder den kulturellen Kontext der germanisch sprechenden Menschen können allein anhand des sprachlichen Befundes nicht getroffen werden. Da im Übrigen der Zeitpunkt der germanischen Lautverschiebung, also jenes Prozesses, in dessen Verlauf sich das Germanische als eigene Sprache aus dem Indogermanischen herausgelöst hat, umstritten ist29, des Weiteren die ältesten Runenschriften als greif26
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Tac. Germ. 2,1 u. 4. – Vgl. auch Allan A. Lund, P. Cornelius Tacitus. Germania (Wissenschaftliche Kommentare zu griechischen und lateinischen Schriftstellern), Heidelberg 1988, S. 111, mit weiteren Literaturangaben; sowie den überaus luziden Beitrag von Dieter Flach, Tacitus über Herkunft und Verbreitung des Namens Germanen, in: Kneissl/Losemann (Hgg.), Alte Geschichte, S. 167–185. Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 4. – Vgl. zu dieser Problematik wie auch zu den nachfolgenden Ausführungen vor allem Pohl, Germanen. Vgl. hierzu Jürgen Untermann, Ursprache und historische Realität. Der Beitrag der Indogermanistik zu Fragen der Ethnogenese, in: Studien zur Ethnogenese (Abhandlungen der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften 72), Opladen 1985, S. 133–164, bes. S. 163 u. passim; Springer, Begriffliche Grundlagen, S. 175; Ludwig Rübekeil, Suebica – Völkernamen und Ethnos (IBS 68), Innsbruck 1992, zugl. Diss. Freiburg 1989/90, S. 11; und aus der Perspektive der Ethnologie Ernst Wilhelm Müller, Der Begriff „Volk“ in der Ethnologie, in: Saeculum 40 (1989), S. 237–252, etwa S. 244. – Siehe außerdem Krause, Geschichte der Germanen, S. 23 f. Vgl. u. a. Hans Kuhn, Das Zeugnis der Namen, in: Völker zwischen Germanen und Kelten. Schriftquellen, Bodenfunde und Namengut zur Geschichte des nördlichen Westdeutschlands um Christi Geburt, hgg. v. Rolf Hachmann, Georg Kossack u. Hans Kuhn, Neumünster 1962, S. 105–135, hier S. 116–125; Gerhard Mildenberger, Sozial- und Kulturgeschichte der Germanen. Von den Anfängen bis zur Völkerwanderungszeit, Stuttgart et al. 21977 (1. Aufl. Stuttgart 1972), S. 7 f.; ausführlich Wenskus, Stammesbildung, S. 152–159, mit der älteren Literatur; Rafael von Uslar, Die Germanen. Vom 1. bis 4. Jahrhundert n. Chr. (Handbuch der Europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Teilveröffentlichung), Stuttgart 1980, S. 37 f.; Emil Nack, Die Germanen. Länder und Völker der Germanen (Kindlers Kulturgeschichte Europas 7), München 1983 (ND Wien 1958), S. 59–64; Elmar Seebold, Die Konstituierung des Germanischen in sprachlicher Sicht, in: Beck (Hg.), Germanenpro-
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bares Zeugnis germanischer Sprache erst aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. datieren und damit deutlich jünger sind als die historisch bezeugten Germanen30, bleibt auch der zeitliche Rahmen ungewiss. Der historische Germanenbegriff hingegen bezeichnet von seinem Anspruch her eine Völkergruppe oder Kulturgemeinschaft und hat seine Grundlage in den antiken Schriftquellen. Die älteste Darstellung der Germanen in diesem umfassenden Sinn findet sich bei Caesar, welcher rückwirkend auch die Kimbern und Teutonen dazu zählte, so dass die Germanen aus historischer Perspektive frühestens seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. greifbar sind.31 Caesar war es auch, der das Siedlungsgebiet der Germani, die sogenannte Germania, erstmals genauer als jenseits von Rhein und Donau liegend bestimmt und damit die römischen Vorstellungen nachhaltig geprägt hat.32 Entsprechend ist auch der an den Schriftquellen orientierte historische Germanenbegriff in hohem Maße an die caesarische Darstellung angelehnt.33 Der objektive Realitätsgehalt jener von Caesar so scharf konturierten Germania muss dabei freilich unsicher bleiben, denn es ist fraglich, inwiefern seine Ausführungen tatsächlich die zeitgenössischen ethnischgeographischen Verhältnisse widerspiegeln, oder ob es nicht vor allem politisches Kalkül war, welches ihn dazu bewog, den Rhein als Völkerscheide herauszustellen.34
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bleme, S. 168–182, bes. S. 178 f. u. S. 182; Wilhelm Schmidt, Geschichte der deutschen Sprache. Ein Lehrbuch für das germanistische Studium, Stuttgart/Leipzig 61993 (1. Aufl. Berlin 1969), S. 44–52; sowie Timpe, Art. Germanen, historisch, S. 13. Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 4. Ernst Gamillscheg, Romania Germanica. Sprach- und Siedlungsgeschichte der Germanen auf dem Boden des alten Römerreiches. Bd. I: Zu den ältesten Berührungen zwischen Römern und Germanen. Die Franken (Grundriß der germanischen Philologie 11/1), Berlin 21970 (1. Aufl. Berlin 1934), S. 3; Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 4; Lund, Gesamtinterpretation, S. 1961; Timpe, Art. Germanen, historisch, S. 3 u. S. 8 ff.; Pohl, Germanen, S. 1. Vgl. etwa Wolfgang Hering, Das Germanenbild im Rom des 1. Jh. v. u. Z., in: Rom und Germanien. Dem Wirken Werner Hartkes gewidmet (Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften der DDR, Gesellschaftswissenschaften, Jg. 1982, 15/G), Berlin 1983, S. 24–28, hier S. 25; ferner Wolfram, Germanen, S. 25; vor allem aber Springer, Begriffliche Grundlagen, S. 170 f. Wenskus, Germanenbegriff, S. 16 f. u. S. 20 f.; Timpe, Art. Germanen, historisch, S. 10–13. Caes. Gall. 1,1,3. – Vgl. insbesondere die vielbeachtete Deutung von Gerold Walser, Caesar und die Germanen. Studien zur politischen Tendenz römischer Feldzugsberichte (Historia Einzelschriften 1), Wiesbaden 1956; sowie Michel Rambaud, L’art de la déformation historique dans les commentaires de César (Collection d’Etudes Anciennes), Paris 21966 (1. Aufl. Paris 1953), bes. S. 115 ff., S. 128 ff. u. S. 273, der aufgrund seiner rigiden Anschauung freilich eher kritisch rezipiert wird – vgl. etwa die
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Genährt werden diese Zweifel insbesondere durch den archäologischen Befund. Obschon die Archäologie von sich aus „die Frage, was unter dem Begriff ‚Germanen‘ denn eigentlich zu verstehen sei, […] nicht zu beantworten“35 vermag, da bevölkerungsgeschichtliche Vorgänge nicht zwangsläufig auch formenkundlich erfassbar sein müssen36, kann sie, indem sie die
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Rezension von John H. Collins, in: Gnomon 26 (1954), S. 527–533; oder Hans Oppermann, Neuere Forschungen zur Glaubwürdigkeit Caesars, in: Gymnasium 68 (1961), S. 258–269, bes. S. 259–265; zur Resonanz auf Rambaud des Weiteren Helga Gesche, Caesar (EdF 51), Darmstadt 1976, S. 74 ff. – ferner Sabine Rieckhoff-Pauli, Das Ende der keltischen Welt. Kelten – Römer – Germanen, in: Die Kelten in Mitteleuropa. Kultur – Kunst – Wirtschaft. Katalog der Salzburger Landesausstellung (1. Mai–30. Sept. 1980) im Keltenmuseum Hallein (Österreich), Salzburg 21980, S. 37–47, hier S. 45; Hering, Germanenbild, S. 26; Wolfgang Maria Zeitler, Zum Germanenbegriff Caesars: Zum Germanenexkurs im sechsten Buch von Caesars Bellum Gallicum, in: Beck (Hg.), Germanenprobleme, S. 41–52, bes. S. 52; Rübekeil, Suebica, S. 164; Dieter Timpe, Rom und die Barbaren des Nordens, in: Die Begegnung mit dem Fremden. Wertungen und Wirkungen in Hochkulturen vom Altertum bis zur Gegenwart, hg. v. Meinhard Schuster (Colloquium Rauricum 4), Stuttgart/Leipzig 1996, S. 34–50, hier S. 38; Allan A. Lund, Die ersten Germanen. Ethnizität und Ethnogenese, Heidelberg 1998, S. 95 f. Gerhard Mildenberger, Die Germanen in der archäologischen Forschung nach Kossinna, in: Beck (Hg.), Germanenprobleme, S. 310–320, hier S. 319; vgl. des Weiteren Hachmann, Begriff des Germanischen, S. 117. So schon früh Ernst Wahle, Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen (Heidelberger Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Kl., Jg. 1940/41,2), Heidelberg 21952 (1. Aufl. Heidelberg 1941), S. 47; dagegen Lothar Kilian, Zum Ursprung der Germanen, Bonn 1988, welcher hartnäckig an der Gültigkeit der siedlungsarchäologischen Methode Gustaf Kossinnas, nach der scharf umrissene Kulturprovinzen sich mit Siedlungsgebieten von Völkern oder Stämmen decken (ebda., S. 11), festhält. – Zu der Arbeit Kilians unlängst Lund, Germanenideologie, S. 106; sowie Todd, Germanen, S. 17. – Zu dem Ansatz Kossinnas vgl. insbesondere Sebastian Brather, Ethnische Identitäten als Konstrukte der frühgeschichtlichen Archäologie, in: Germania 78 (2000), S. 139–177, bes. S. 153–156; sowie Ders., Art. Kossinna, Gustaf, in: RGA 17 (2000), S. 263–267; aber auch Rolf Hachmann, Germanen und Kelten am Rhein in der Zeit um Christi Geburt, in: Ders./Kossack/Kuhn (Hgg.), Völker, S. 9–68, hier bes. S. 12 f. u. S. 25 ff.; Ulrich Veit, Gustaf Kossinna und V. Gordon Childe. Ansätze zu einer theoretischen Grundlegung der Vorgeschichte, in: Saeculum 35 (1984), S. 326–364, der sich mit dem Stellenwert der siedlungsarchäologischen Methode Kossinnas als Paradigma für die Vor- und Frühgeschichtsforschung auseinandersetzt; Rübekeil, Suebica, S. 75–86; sowie Lund, Die ersten Germanen, S. 16–19. – Zur Person Wahles und zu seinen Forschungen siehe auch Sabine Rieckhoff-Pauli, Die ethnische Deutung aus der Sicht der Ur- und Frühgeschichte, in: Dacoromania 3 (1975), S. 17–28, hier S. 18 ff.; und ausführlicher Dietrich Hakelberg, Deutsche Vorgeschichte als Geschichtswissenschaft. Der Heidelberger Extraordinarius Ernst Wahle im Kontext seiner Zeit, in: Eine hervorragend nationale Wissenschaft. Deutsche Prähistoriker zwischen 1900 und 1995, hg. v. Heiko Steuer (RGA
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Existenz von Formengruppen, ihre Erscheinung und geographische Verbreitung untersucht und dokumentiert, die historischen Schriftzeugnisse ergänzen. Für das Gebiet der Germania zur Zeit Caesars (~100 bis 44 v. Chr.) belegen die Bodenfunde folgende Verhältnisse: Von den Alpen bis etwa zur Mittelgebirgslinie ist die wohl als keltisch anzusprechende Spätlatènekultur (seit ~125 v. Chr.) nachweisbar.37 Über stadtähnliche Gebilde (oppida) mit dichter, geordneter Bebauung und einer Umwehrung, über Münzprägung, Geldverkehr und – in eingeschränktem Maße – auch über Schriftlichkeit verfügend, dürften ihre Vertreter gleichsam an der Schwelle zur Hochkultur gestanden haben.38 Der an das Verbreitungsgebiet der Latènekultur angrenzende Mittelgebirgsraum war von einer Mischkultur geprägt, welche sich trotz ihrer zahlreichen Ähnlichkeiten vor allem mit dem südlichen Nachbargebiet (befestigte Großsiedlungen, Münzprägung, Geldverkehr sowie Anzeichen hochentwickelter Produktionsformen) als eigener Kulturhorizont fassen lässt.39 Demgegenüber war der den Mittelgebirgen im Norden vorgelagerte Raum von einer deutlich weniger weit entwickelten, im Allgemeinen der sogenannten Jastorf-For-
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Ergbd. 29), Berlin/New York 2001, S. 199–310. – Zur Problematik interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Archäologen und Historikern auf diesem Gebiet sehr prägnant Helmut Castritius, Die spätantike und nachrömische Zeit am Mittelrhein, im Untermaingebiet und in Oberhessen, in: Kneissl/Losemann (Hgg.), Alte Geschichte, S. 57–78, hier S. 57 f. Wilfried Menghin, Kelten, Römer und Germanen. Archäologie und Geschichte (Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg zur deutschen Kunst- und Kulturgeschichte N.F. 1), München 1980, S. 110–129; Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 7. Hermann Ament, Die Ethnogenese der Germanen aus der Sicht der Vor- und Frühgeschichte, in: Ethnogenese europäischer Völker. Aus der Sicht der Anthropologie und Vor- und Frühgeschichte, hgg. v. Wolfram Bernhard u. Anneliese Kandler-Pálsson, Stuttgart/New York 1986, S. 247–256, bes. S. 248, mit weiterer Literatur zur Fundsituation; Rupert Gebhard, Die Kelten – ein Volk Alteuropas, in: Das keltische Jahrtausend. Ausstellungskatalog, hgg. v. Hermann Dannheimer u. Rupert Gebhard (Prähistorische Staatssammlung München), Mainz 1993, S. 2–6, hier S. 3. Zur Spätlatènekultur ferner Gerhard Dobesch, Das europäische Barbaricum und die Zone der Mediterrankultur. Ihre historische Wechselwirkung und das Geschichtsbild des Poseidonios (Tyche Supplementband 2), Wien 1995, S. 24; speziell zu den Oppida John Collis, Die Oppidazivilisation, in: Dannheimer/Gebhard (Hgg.), Das keltische Jahrtausend, S. 102–106; sowie Bernhard Maier, Die Kelten. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart (Frühe Völker), München 2000, S. 69–73. Zu keltischen Münzprägungen siehe Maria R.-Alföldi, Antike Numismatik, Teil I: Theorie und Praxis (Kulturgeschichte der Antiken Welt 2), Mainz 1978, S. 127–143. Vgl. u. a. Menghin, Kelten, S. 155 f.; Ament, Ethnogenese, S. 248; und Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 7; Martin Goodman, The Roman World 44 bc – ad 180, London/New York 1997, S. 14 u. S. 220.
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mengruppe40 zugerechneten Kultur bestimmt: „Es fehlen dort die umwehrten, stadtartigen Großsiedlungen, es fehlen auch die Indizien für die damit einhergehenden höherentwickelten Produktions- und Wirtschaftsformen. Wir sehen uns einer kleinräumig organisierten, bäuerlich wirtschaftenden, letztlich aus bronzezeitlichen Traditionen lebenden Bevölkerung gegenüber.“41 In diesem Kontext zeigt sich in erster Linie ein nach Norden hin zunehmendes Kulturgefälle42, daneben aber ist mit Blick auf die Darstellung Caesars hervorzuheben, dass sich alle drei Kulturgruppen43 in westlicher Richtung über die Rheingrenze hinweg erstrecken und somit deutlich in das Gebiet der Gallia hineinragen.44 Der von Caesar kolportierte große Unterschied zwischen den durch den Rhein getrennten Völkern der Gallier und Germanen45 findet mithin in den materiellen Zeugnissen keine Bestätigung.46 40 41 42
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Vgl. hierzu Kap. 5. Ament, Ethnogenese, S. 249. Siehe auch Harald von Petrikovits, Die Rheinlande in römischer Zeit. Textteil, Düsseldorf 1980, S. 41. Zu den sich mit diesem Begriff verbindenden Schwierigkeiten vgl. Roland Girtler, „Ethnos“, „Volk“ und soziale Gruppe. Zum Problem eines zentralen Themas in den anthropologischen Wissenschaften, in: MAGW 112 (1982), S. 42–57, hier S. 45; vor allem aber Sebastian Brather, Art. Kulturgruppe und Kulturkreis, in: RGA 17 (2000), S. 442–452, bes. S. 448 f. (Zitat): Arch. Kulturen sind keine unmittelbaren Realitäten, auch wenn sie diese zu beschreiben suchen. „Arch. Kultur“ ist eine wiss. Kategorisierung bzw. Klassifizierung, mit deren Hilfe das vorhandene Material geordnet wird. […] Je nach Auswahl der Merkmale (Einzelelemente von Keramik, Kleidung, Bestattung, Hausbau, Siedlung, Wirtschaftsweise) fallen die Abgrenzungen arch. Kulturen unterschiedlich aus. Auch der Gang der Forsch. spielt eine Rolle: manch eingeführte arch. Kultur würde heute anders abgegrenzt als vor 100 J. Dies unterstreicht, daß Kulturen wiss. Kategorisierungen sind – oder mit anderen Worten deskriptive und nicht konstative Begriffe. Menghin, Kelten, S. 157; Ament, Ethnogenese, S. 249; Barry Cunliffe, Greeks, Romans and Barbarians. Spheres of Interaction, London 1988, S. 116 ff.; Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 6; Goodmann, Roman World, S. 220. Caes. Gall. 6,21,1. Siehe bereits Hachmann, Germanen und Kelten, S. 29; Rieckhoff-Pauli, Ethnische Deutung, S. 24 ff.; Dies., Das Ende der keltischen Welt, S. 45; sowie C. M. Wells, The German Policy of Augustus. An Examination of the Archaeological Evidence, Oxford 1972, S. 14–24, der darauf hinweist, dass im Normalfall Flüsse gerade keine natürlichen Grenzen oder Barrieren darstellten, sondern vielmehr als Kontakträume und Verkehrswege fungierten. – Vgl. auch die interessanten Überlegungen Jörg Heiligmanns, der gute Argumente für eine vornehmlich keltische Besiedlung des südlich der Mainregion gelegenen Raumes beibringt: Jörg Heiligmann, Die Bevölkerung im süddeutschen Raum in augusteischer und frühtiberischer Zeit, in: Wiegels/Woesler (Hgg.), Arminius und die Varusschlacht, S. 29–40, bes. S. 30–34 u. S. 39. Des Weiteren zeigt Reinhard Wolters am Beispiel der zahlreichen politischen Kontakte zwischen der links- und rechtsrheinischen Bevölkerung, dass der Rhein auch in dieser
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Seit dem vierten nachchristlichen Jahrhundert ist nun in den Schriftquellen kaum mehr von Germanen die Rede; offenbar hat man in der Völkerwanderungszeit den „Oberbegriff ‚germanisch‘ nicht mehr als ethnographisch-historisches Klassifizierungsinstrument benützt. Stattdessen wurden in der Regel die einzelnen gentes präzise benannt, wenn sie in Kontakt mit dem Imperium traten.“47 Hinzu kommt, dass es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass sich germanischsprachige Verbände in ihrer Selbstwahrnehmung jemals als Germanen betrachtet oder über ein wie auch immer geartetes germanisches Gemeinschaftsbewusstsein verfügt hätten.48 Angesichts dieser Verhältnisse bleibt festzuhalten, dass die Bezeichnung „Germanen“ bzw. „germanisch“ allenfalls für die Zeit bis zum dritten Jahrhundert n. Chr. durch den sich im Wesentlichen auf den von Caesar eingeführten Bezugsrahmen beschränkenden Gebrauch in den Quellen eine gewisse Berechtigung bezieht. Mit Blick auf die bereits angedeuteten Vorbehalte gegenüber
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Beziehung in vorcaesarischer und caesarischer Zeit keinesfalls eine „trennende Funktion“ besaß; vgl. Reinhard Wolters, Römische Eroberung und Herrschaftsorganisation in Gallien und Germanien. Zur Entstehung und Bedeutung der sogenannten Klientel-Randstaaten (Bochumer historische Studien, Alte Geschichte 8), Bochum 1990, S. 257. Auch in sprachlicher Hinsicht lässt sich der Rhein nicht als Trennungslinie nachweisen; vgl. Ludwig Rübekeil, Diachrone Studien zur Kontaktzone zwischen Kelten und Germanen (Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.hist. Kl., Sitzungsberichte 699), Wien 2002, S. 64 f. Jarnut, Germanisch, S. 109. – Vgl. ferner Hachmann, Begriff des Germanischen, S. 138; Ders., Caesar gab ihnen den Namen. Die Germanen und das Zeitalter der großen Wanderungen, in: Alte Kulturen ans Licht gebracht. Neue Erkenntnisse der modernen Archäologie, hg. v. Rudolf Pörtner, Düsseldorf/Wien 1975, S. 435–452, hier S. 442; Norbert Wagner, Der völkerwanderungszeitliche Germanenbegriff, in: Beck (Hg.), Germanenprobleme, S. 130–154; Klaus von See, „Blond und blauäugig“. Der Germane als literarische und ideologische Fiktion, in: Ein Lied von gestern? Wormser Symposium zur Rezeptionsgeschichte des Nibelungenliedes, hgg. v. Gerold Böhnen u. Volker Gallé (Der Wormsgau Bh. 35), Worms 1999, S. 105–139, hier S. 113; sowie Pohl, Germanen, S. 1 u. S. 4; Ders., Germanenbegriff, bes. S. 170, S. 172 u. S. 177; Ders., Forschungsgeschichtliche Perspektive. Hachmann, Caesar gab ihnen den Namen, S. 442; Wolfgang Meid, Zum „Germanen“-Problem, in: NOWELE 9 (1987), S. 91–97, hier bes. die Zusammenfassung S. 95 f.; von See, Blond und blauäugig, S. 109; Pohl, Germanen, bes. S. 10 u. S. 50 f.; Maureen Carroll, Römer, Kelten und Germanen. Leben in den germanischen Provinzen Roms, Darmstadt 2003, bes. S. 10, S. 14 u. S. 144; Jarnut, Germanisch, S. 109 f. – Anders, wenngleich wenig überzeugend, Piergiuseppe Scardigli, Der Weg zur deutschen Sprache. Von der indogermanischen bis zur Merowingerzeit (Germanistische Lehrbuchsammlung 2), Bern et al. 1994, S. 81 u. passim, der bestimmte sprachliche Phänomene als Beleg für ein germanisches Zusammengehörigkeitsgefühl deutet; sowie – nicht minder fragwürdig – Friedrich Prinz, Von Konstantin zu Karl dem Großen. Entfaltung und Wandel Europas, Düsseldorf/Zürich 2000, S. 164.
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der caesarischen Darstellung, vor allem aber unter Berücksichtigung der spätestens seit der Völkerwanderungszeit fehlenden Quellengrundlage, muss die Vorstellung von „den Germanen“ als bis in das Mittelalter hineinwirkende geschichtsmächtige Kraft49 aus historischer Sicht in hohem Maße fragwürdig erscheinen50, weshalb in jüngerer Zeit mit guten Gründen der Verzicht auf den anachronistischen wie irreführenden Germanenbegriff gefordert wurde.51 Nun kommt eine auf die Aufarbeitung überkommener Forschungsbestände der Germanischen Altertumskunde zielende Untersuchung nicht gänzlich ohne „Germanen“ aus, d. h. sie kann den Germanenbegriff weder negieren, indem sie auf den pauschaleren Barbarenbegriff ausweicht, noch ihn auf einen einzelnen Aspekt, wie z. B. die Sprache, reduzieren, da damit der Zugang zu jenen älteren, auf einem umfassenden und undifferenzierten Germanenbegriff beruhenden Forschungen schon dem Ansatz nach verstellt wäre. Angesichts dessen ist es, ausgehend von der Einsicht, dass die nebeneinander existierenden unterschiedlichen disziplinären Germanenbegriffe nicht zur Übereinstimmung gebracht werden können, vielmehr notwendig, mit den jeweils zu behandelnden Aspekten auch den zugrunde liegenden Germanenbegriff zu problematisieren. Dies hat freilich Konsequenzen für die Bestimmung des zeitlichen und räumlichen Rahmens, in den die vorliegende Studie eingebettet ist. In Bezug auf den Untersuchungszeitraum besteht die Hauptschwierigkeit vor allem darin, dass die unterschiedlichen disziplinären Germanenbegriffe gerade in diesem Punkt stark voneinander abweichen. Während ein auf den historischen Schriftzeugnissen basierender Germanenbegriff auf Caesar und damit in das erste vorchristliche Jahrhundert zurückgeht, verweist eine sich an archäologischen Befunden orientierende Betrachtung etwa in das 5. Jahrhundert v. Chr., so dass die oben konturierte Vorgehensweise zwangs49
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Vgl. etwa Karl Bosl, „Reges ex nobilitate, duces ex virtute sumunt“ (Tacitus, Germania c. 7), in: Aus dem Bildungsgut der Antike. Bildungsgut der höheren Schule. Klassische Reihe, Bd. I, München 1956, S. 123–134, wieder abgedruckt in: Ders., Frühformen der Gesellschaft im mittelalterlichen Europa. Ausgewählte Beiträge zu einer Strukturanalyse der mittelalterlichen Welt, München/Wien 1964, S. 62–73, hier S. 63; ferner Karl Hauck, Die geschichtliche Bedeutung der germanischen Auffassung von Königtum und Adel, in: XIe Congrès International des Sciences Historiques (Stockholm, 21–28 Août 1960), Rapports III: Moyen Age, Göteborg/Stockholm/Uppsala 1960, S. 96–120, hier S. 107. Vgl. auch Gerold Walser, Rom, das Reich und die fremden Völker in der Geschichtsschreibung der frühen Kaiserzeit, Baden-Baden 1951, S. 103 f.; sowie Frantiˇsek Graus, Verfassungsgeschichte des Mittelalters, in: HZ 243 (1986), S. 529–589, bes. S. 572; und Pohl, Völkerwanderung, S. 38. Springer, Begriffliche Grundlagen, S. 175; Jarnut, Germanisch, S. 112 f.
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läufig zu unterschiedlichen zeitlichen Ansätzen führt, die sich aus dem jeweils heranzuziehenden Quellenmaterial ergeben. Ähnlich schwierig verhält es sich hinsichtlich der genauen Bestimmung des Untersuchungsraumes, dessen Eingrenzung nicht nur von dem jeweils zur Anwendung gebrachten Germanenbegriff abhängt, sondern auch von der Zeitstellung. Konkret bedeutet das, dass beispielsweise unter archäologischen Gesichtspunkten für die vorgeschichtliche Zeit der sich nördlich an die Mittelgebirgszone anschließende Raum bis einschließlich Dänemark in den Blick zu nehmen ist, auf der Grundlage der schriftlichen Überlieferung nur mehr das von den Römern als „Germania“ bezeichnete Gebiet zwischen Rhein und Donau interessiert, derweil aus sprachwissenschaftlicher Sicht auch westlich des Rheins mit germanischsprachiger Bevölkerung gerechnet werde muss. Auch hier ergibt sich mithin eine gewisse Abhängigkeit von der jeweils zugrunde gelegten disziplinären Perspektive. Die Ursachen für diese disparate Ausgangslage sind forschungsgeschichtlicher Natur und werden im Kontext der Auseinandersetzung mit den Aussagemöglichkeiten von Archäologie und Sprachwissenschaft noch eingehender zu behandeln sein.52 Obgleich das Problem der inkompatiblen Germanenbegriffe auf diesem Wege nicht gelöst werden kann, vermag eine stärker differenzierende und keineswegs beliebige Herangehensweise zum einen die Möglichkeiten und Grenzen sowohl der disziplinären wie auch der interdisziplinären „Germanenforschung“ deutlicher zu bestimmen, und damit zum anderen Perspektiven für einen zeitgemäßeren, nicht von Germanenkonstrukten prädominierten Zugriff auf diesen frühen Abschnitt der Geschichte zu gewinnen.
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Vgl. insbesondere Kap. 5.1 und Kap. 5.2.
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2. „Germanisches Königtum“ als Forschungskonzept Nachdem die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, dass der umfassende Germanenbegriff, so wie ihn die ältere Forschung geprägt und verwendet hat, angesichts der aktuellen Erkenntnisse sowohl der Archäologie als auch der Geschichtswissenschaft nicht mehr trägt, erweist es sich als notwendig zu fragen, welche Konsequenzen sich daraus für die Aussagekraft und letzthin auch die Gültigkeit der auf der Grundlage jenes überkommenen „Zentralbegriffs der Frühmittelalterforschung“1 entwickelten Vorstellungen von einem „germanischen Königtum“ ergeben. Geht man davon aus, dass der Terminus „germanisch“ lediglich eine linguistische Information transportiert und daneben noch einen gewissen Eindruck von der römischen Wahrnehmung der Bevölkerungsverhältnisse im Barbaricum vermittelt, darüber hinaus aber keinerlei Aussagen etwa über die ethnischen Verhältnisse der Germanisch-Sprechenden, ihre materielle(n) Kultur(en) oder gar ihre gesellschaftlichen Strukturen erlaubt, dann ist damit im Grunde allen auf jenem weitgefassten älteren Germanenbegriff basierenden Konzepten methodisch der Boden entzogen. An dieser Stelle wird das aus der Demontage des Germanenbegriffs resultierende Dilemma der Forschung in vollem Ausmaß deutlich, wobei die Dimension besagter Bodenlosigkeit – denkt man hier konsequent weiter – beängstigend ist. So umfasst sie nicht allein die Vorstellungen von „germanischer“ Gesellschaftsstruktur und Herrschaftsorganisation, sie betrifft, um nur einige Aspekte zu nennen, genau genommen auch die Anschauungen von einem „germanischen“ Recht, von der „germanischen“ Sippe, Treue und Gefolgschaft2 und schließt ferner archäologische Kategorien wie beispielsweise die von den 1 2
Vgl. Jarnut, Germanisch. Wobei diese Vorstellungen aus unterschiedlichen Gründen bereits seit längerem strittig sind; vgl. vor allem Graus, Verfassungsgeschichte, S. 570–573; sowie die – allerdings in einen anderen Zusammenhang eingebetteten – Ausführungen von Karl Kroeschell, Verfassungsgeschichte und Rechtsgeschichte des Mittelalters, in: Gegenstand und Begriffe der Verfassungsgeschichtsschreibung. Tagung der Vereinigung für Verfassungsgeschichte in Hofgeismar am 30./31. März 1981 (Der Staat Bh. 6), Berlin 1983, S. 47–77, Aussprache S. 78–103, hier S. 55 f. u. bes. Anm. 48, mit einer guten Zusammenstellung der einschlägigen Literatur; ferner Walter Pohl, Art. Herrschaft, in: RGA 14 (1999), S. 443–457, hier S. 450 f.
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„germanischen“ Fürsten- bzw. Prunkgräbern oder kunsthistorische wie die „germanische“ Tierornamentik3 mit ein. Das heißt nun keinesfalls, dass die in den vergangenen anderthalb Jahrhunderten auf diesen Gebieten gewonnenen Ergebnisse sämtlich hinfällig geworden wären und als wertlos betrachtet werden müssten. Es bedeutet aber, dass es aus methodischen Gründen dringend erforderlich ist, die in allen mit „Germanen“ befassten Forschungsbereichen bestehenden Modelle noch einmal gründlich zu überdenken und zu prüfen, inwieweit sie Elemente der inzwischen als nicht zutreffend erkannten Prämisse von „den Germanen“ als ethnischer Einheit aufgenommen und verarbeitet haben bzw. zu klären, ob und in welcher Form sie gegebenenfalls auch ohne diese Prämisse von Bestand sein können. Für das sogenannte germanische Königtum soll das im Folgenden versucht werden. Dabei erscheint es geboten, die eingangs nur grob umrissene Sicht noch einmal schärfer zu konturieren, um ihre Grundlagen und Voraussetzungen etwas näher in Augenschein nehmen zu können. Die heute von weiten Teilen der Forschung akzeptierte und sich sowohl in den einschlägigen Lexikon- und Handbuchartikeln wie auch in der Mehrzahl breit angelegter Überblicksdarstellungen widerspiegelnde Sicht auf das Königtum bei den germanisch(sprachig)en Völkern der Frühzeit geht, wie bereits dargelegt, von einem älteren, d. h. schon in vorrömischer Zeit existierenden, sakral fundierten Volkskönigtum und von einem jüngeren Heerkönigtum aus, welches sich im Verlauf der völkerwanderungszeitlichen Migrationen herausgebildet habe. Forschungsgeschichtlich lässt sich dieses Konzept im Wesentlichen mit drei prominenten Namen verbinden,
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Vgl. hierzu vor allem Sibylle Ehringhaus, Germanenmythos und deutsche Identität. Die Frühmittelalter-Rezeption in Deutschland 1842–1933, Weimar 1996, zugl. Diss. Berlin 1995, welche zunächst den Germanenbegriff in der Kunstgeschichte problematisiert (S. 14 f.) und anschließend u. a. die Bedeutung der 1904 von Bernhard Salin vorgelegten und bis heute richtungsweisenden Untersuchung zur „Altgermanischen Thierornamentik“ für die Etablierung eines „nordisch-germanischen“ Stilempfindens herausarbeitet (bes. S. 115–119 u. S. 168). Des Weiteren legt sie die nationalidentitätsstiftende Absicht offen (S. 124 f.), die der Autor mit seinem Werk verband und welche diesem ein besonderes Maß an Aufmerksamkeit und positiver Resonanz zuteil werden ließ (S. 115): Die Ornamentik war damit nicht als kulturelle Leistung von Bedeutung, sie wurde […] als Ausdruck einer „Volksgemeinschaft“ angesehen (S. 167). Im Hinblick auf die kunsthistorische Forschung nach 1945 konstatiert Ehringhaus: Man hätte sich, wie es 1948 ja geklungen hatte, konsequent von der Forschungsarbeit vorausgegangener Kunsthistorikergenerationen verabschieden oder sie analysieren müssen, um Einems Programm folgen zu können. Tatsächlich verhielt man sich aber so, daß die Arbeiten früherer Autoren […] unreflektiert, im Sinne einer scheinbar zeitlosen objektivierbaren Wissenschaftlichkeit in die aktuellen Untersuchungen mit einflossen. Unterschwellig sind so alte Nationalismen und Ideologien mitgeführt worden. (S. 20)
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mit Otto Höfler, Walter Schlesinger und Reinhard Wenskus, die – natürlich jeweils im Rückgriff auf ältere Vorarbeiten4 und in der Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen Diskurs – die Kernelemente jener Theorie entwickelt und formuliert haben. Otto Höfler steht in diesem Zusammenhang vor allem für die Etablierung der Vorstellung von einem „germanischen Sakralkönigtum“. 1952 erschien zunächst sein Buch „Der Runenstein von Rök und die germanische Individualweihe“, in dem er seine gegen die Anschauung von einer „Religionslosigkeit wesentlicher germanischer Lebensformen“5 gerichtete Auffassung von dem bis in älteste Zeiten zurückreichenden Sakralcharakter des germanischen Königtums erstmals breit entfaltete. Nur wenige Jahre später wurde dann ein von ihm 1954 im Rahmen des Konstanzer Arbeitskreises für Geschichte gehaltener Vortrag in dem bis heute stark rezipierten Band „Das Königtum. Seine geistigen und rechtlichen Grundlagen“ publiziert, wo er seine These noch einmal prägnant zusammengefasst hat.6 Inzwischen werden die Arbeiten Höflers nicht zuletzt aufgrund seines problematischen methodischen Zugriffs weitgehend kritisch gesehen.7 Im 4
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Eine recht ausführliche Auseinandersetzung mit der hier angesprochenen älteren Forschung bietet insbesondere Alfons Dopsch, Wirtschaftliche und soziale Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung aus der Zeit von Cäsar bis auf Karl den Grossen, 2 Teile, Aalen 1968 (2. ND Wien 21923/24, 1. Aufl. Wien 1918/20). Von Interesse ist in diesem Kontext vor allem der Abschnitt „Der politische Aufbau“, in: Teil II, S. 1–96, und dort insbesondere die Ausführungen über das Königtum (S. 23–29 u. passim). Das seinerzeit aufsehenerregende und entsprechend stark rezipierte Werk von Dopsch hat die Forschung in vielerlei Hinsicht befruchtet und nachhaltig beeinflusst. Auf seine nicht zuletzt im Gegensatz zu Heinrich von Sybel (Entstehung des deutschen Königthums, Frankfurt am Main 21881 (1. Aufl. Frankfurt am Main 1844)) und Wilhelm Sickel (Die Entstehung der fränkischen Monarchie, in: Westdeutsche Zeitschrift 4 (1885)) formulierte Position hinsichtlich des „germanischen Königtums“ – Heute kann wohl kaum mehr Zweifel darüber obwalten, daß das Königtum bei den Germanen von allem Anfang an vorhanden gewesen ist. (Teil II, S. 23 f.) – und die von ihm dafür beigebrachten Argumente stützt sich insbesondere noch Wenskus. – Zur Rezeption der Studie von Dopsch vgl. etwa Paul Egon Hübinger, Einleitung, in: Ders. (Hg.), Kulturbruch und Kulturkontinuität, S. VII–X, bes. S. VIIIff.; sowie die ebda. wieder abgedruckten Rezensionen von Hermann Wopfner, Rez. von A. Dopsch, Wirtschaftliche und soziale Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung, 1. Teil, in: Historische Vierteljahrsschrift 20 (1920/21), S. 47–64 (wieder abgedruckt S. 1–21); Ders., Rez. von A. Dopsch, Wirtschaftliche und soziale Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung, 2. Teil, in: Historische Vierteljahrsschrift 21 (1922/23), S. 196–206 (wieder abgedruckt S. 22–33). Höfler, Germanisches Sakralkönigtum, S. VII. Höfler, Sakralcharakter. Vgl. S. 15 Anm. 15; ferner Graus, Verfassungsgeschichte, S. 561; und Pohl, Art. Herrschaft, S. 450.
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Hinblick auf seinen Entwurf von der sakralen Fundierung des vermeintlich altgermanischen Königtums richtet sich der Hauptvorwurf vor allem darauf, dass Höfler seine These zunächst auf Quellenzeugnisse aus dem hochmittelalterlichen Skandinavien gestützt, die so gewonnenen Ergebnisse dann an die ältesten bekannten Nachrichten über die Germanen bei Caesar und Tacitus rückgebunden und den sich daraus ergebenden Befund, weiter angereichert durch völkerwanderungszeitliches Material, schließlich als Beleg für die Verhältnisse der weitgehend schriftlosen Frühzeit herangezogen hat. Nun steht freilich Höfler mit seiner Vorgehensweise nicht allein. Zugespitzt formuliert ist diese vielmehr als ein Spezifikum jener älteren Germanenforschung zu betrachten, deren weit gefasster Germanenbegriff und die damit implizit angenommene ethnische wie kulturelle Einheit aller germanischsprachigen Stämme und Völker, als deren Urheimat man Skandinavien ansah, es nahelegte, solche Verbindungslinien zu ziehen und die hochmittelalterlichen nordischen Quellen als späten Reflex auf die mehr als tausend Jahre zurückliegenden Verhältnisse der Frühzeit zu werten.8 Höfler hat dies dann allerdings noch einmal insofern gesteigert, als er zudem eine ungebrochene Kontinuität des „Germanentums“ voraussetzte.9 Von dieser Prämisse aus konnte man etwa die skandinavischen Sagas gleichberechtigt neben die Nachrichten der ältesten griechischen und römischen Autoren stellen und nun gewissermaßen aus dem Vollen schöpfen, wo man sich zuvor im günstigsten Fall mit dünnen Rinnsalen hatte begnügen müssen.10 Aus heutiger Sicht ist eine derart undifferenzierte Verarbeitung und Vermengung solch räumlich wie zeitlich disparaten Quellenmaterials völlig inakzeptabel. Eve Picard hat sich in ihrer 1991 erschienenen Dissertation „Germanisches Sakralkönigtum? Quellenkritische Studien zur Germania des Tacitus und zur altnordischen Überlieferung“ intensiv mit diesen Aspekten auseinandergesetzt und überzeugend dargelegt, dass die von Otto Höfler auf der oben skizzierten Grundlage angeführten Nachweise sein Konstrukt von einem germanischen Sakralkönigtum nicht zu tragen vermögen: „Von einer Theorie, die antrat mit der Zielsetzung, die Forschung ‚hinsichtlich eines zentralen Irrtums zu korrigieren‘, muß mehr verlangt 8
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Vgl. auch von See, Germanen-Ideologie, S. 36 f.; Pohl, Germanen, S. 24; sowie speziell zur sog. „germanischen“ Mythologie Zernack, Germanische Restauration, S. 144 f. Otto Höfler, Das germanische Kontinuitätsproblem, in: HZ 157 (1938), S. 1–26. – Zur Kritik daran vgl. insbesondere Klaus von See, Kontinuitätstheorie und Sakraltheorie in der Germanenforschung. Antwort an Otto Höfler, Frankfurt am Main 1972. Eine Sicht bzw. ein Verfahren, welche(s) auch bei anderen Zustimmung fand, siehe u. S. 31 Anm. 11.
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werden können, als […] der allgemeine Hinweis, der ethnologische Vergleich mit Völkern derselben Kulturstufe mache den Sakralcharakter des germanischen Königtums ‚wahrscheinlich‘. Letzteres war der Ausgangspunkt des Forschungsbemühens, da der ‚eigene‘ Quellenbestand eine Fragestellung ‚Sakralkönigtum‘ nicht veranlaßt hat. Die Ausgangsvermutung kann aber nicht zugleich die Funktion eines Beweises übernehmen und damit auch am Ende der Diskussion stehen.“11 Abschließend resümiert sie: „Die Tatsache, daß sich die Sakraltheorie auf ‚Bruchstücke‘ zur Rekonstruktion der ‚wahren alten Sinnzusammenhänge‘ verwiesen sieht, läßt sie nicht wahrnehmen, daß eine Addition von schwachen Hinweisen, Wahrscheinlichkeiten, Vermutungen und Zweifelhaftem zusammengenommen keinen sicheren Beweis ergeben kann.“12 Spätestens seit dieser als Ergebnis einer sorgfältigen Untersuchung formulierten Fundamentalkritik kann, so sollte man meinen, das germanische Sakralkönigtum Höflerscher Provenienz ad acta gelegt werden.13 Dass zentrale Elemente seiner Sicht – im modernen Sprachgebrauch von einem sakral fundierten Volkskönigtum nur oberflächlich bemäntelt – dennoch Eingang in das Bild gefunden haben, welches sich die aktuelle Forschung, oder wenigstens Teile derselben, von den fraglichen Verhältnissen macht, hängt nun nicht unwesentlich mit der zeitgenössischen Rezeption der These vom Sakralcharakter des germanischen Königtums zusammen. So hat der „Runenstein von Rök“ seinerzeit in der Fachwelt ein hohes Maß an Zustimmung gefunden14, weshalb die dort formulierten Überlegungen in 11
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Eve Picard, Germanisches Sakralkönigtum? Quellenkritische Studien zur Germania des Tacitus und zur altnordischen Überlieferung (Skandinavistische Arbeiten 12), Heidelberg 1991, zugl. Diss. Frankfurt am Main 1989/90, S. 223. Picard, Germanisches Sakralkönigtum?, S. 223. Hinzu kommt, dass Otto Höfler aufgrund seiner ideologischen Nähe zum Nationalsozialismus als Wissenschaftler in besonderem Maße diskreditiert ist. Vgl. hierzu vor allem Gajek, Germanenkunde, bes. S. 202 f.; und nicht zuletzt den der 1997 erschienenen 12. Neuauflage des von Wilhem Grönbech verfassten Werkes „Kultur und Religion der Germanen“ als loses Blatt beigefügten Hinweis der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft und des Primus Verlages. – Zur Zeitgebundenheit und einschlägig ideologischen Ausrichtung der Höflerschen Arbeiten siehe bereits Klaus von See, Das „Nordische“ in der deutschen Wissenschaft des 20. Jahrhunderts, in: JiG 15 (1984), S. 8–38, hier bes. S. 29–36; während der im Jahr 2000 im „Reallexikon für Germanische Altertumskunde“ publizierte Artikel über Otto Höfler diesen Aspekt nahezu vollständig ausspart, vgl. Heinrich Beck, Art. Höfler, Otto, in: RGA 15 (2000), S. 30–34, bes. S. 33. Vgl. auch die Rezensionen von Karl Hauck, in: HZ 176 (1953), S. 558–564; Otto Brunner, in: MIÖG 61 (1953), S. 409–412; und Jan de Vries, in: DA 10/1 (1953), S. 550 f., der bei aller Begeisterung freilich betont, dass Höfler den Beweis seiner These noch schuldig sei (S. 551).
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der Folge in zahlreiche weitere Arbeiten eingeflossen sind.15 Von besonderer Bedeutung für das Fortwirken der von Otto Höfler entwickelten Sakraltheorie war indes die Akzeptanz durch Walter Schlesinger, der selbige in seinen im Kern bis heute Gültigkeit beanspruchenden Vorstellungen von der „germanischen Gefolgschaft“, vor allem aber dem „germanischen Heerkönigtum“ verarbeitet hat.16 Der grundlegende Aufsatz Schlesingers über das Heerkönigtum17 wurde 1956 in eben jenem, die Mainauvorträge des Jahres 1954 versammelnden Band18 veröffentlicht, der auch den Beitrag Höflers über das Sakralkönigtum enthält. Im Hinblick auf unsere Fragestellung ist danach zwischen zwei grundlegend unterschiedlichen Qualitäten des „germanischen Königtums“ zu differenzieren, nämlich zwischen einem mit sakralen Funktionen begabten und seinem Wesen nach vor allem auf das Volk bezogenen Königtum einerseits, dessen Ursprünge vermutlich in älteste Zeiten zurückreichen, und einem sich vornehmlich in Kriegszeiten aus dem Amt des Heerführers entwickelnden gefolgschaftlich organisierten Königtum andererseits. Für diese Unterscheidung führt Schlesinger eine Reihe von Argumenten an, wobei er zunächst von den germanischen Königsbezeichnungen ausgeht, deren älteste, thiodan19, keinerlei Bezüge zum Bereich des Kriegerischen aufweise, sondern vielmehr die Funktion des so Bezeichneten als Repräsentanten des Volkes betone.20 Vor diesem Hintergrund greift er dann auf die Nachrichten antiker Schriftsteller zurück, die schon für die ersten mit den Römern nachweislich in Kontakt getretenen germanischen Stämme, die Bastarner21 sowie die Kimbern und Teutonen, Könige bezeugen, diese 15
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Ausführlicher hierzu Picard, Germanisches Sakralkönigtum?, S. 26 f., die in diesem Kontext vor allem Heinrich Mitteis, Karl Bosl, Otto Brunner, Reinhard Wenskus und Walter Schlesinger als Vermittler der Höflerschen Sakraltheorie herausstellt. Vgl. insbesondere Schlesinger, Heerkönigtum; Ders., Herrschaft und Gefolgschaft; sowie Ders., Randbemerkungen zu drei Aufsätzen über Sippe, Gefolgschaft und Treue, in: Ders., Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters. Bd. I: Germanen, Franken, Deutsche, Göttingen 1963, S. 286–335. – Zur Aktualität des auf Schlesinger zurückgehenden Konzepts vom Heerkönigtum siehe zuletzt Wolfram, Art. Heerkönigtum, bes. S. 116 f. Schlesinger, Heerkönigtum. Das Königtum. Seine geistigen und rechtlichen Grundlagen. Mainauvorträge 1954 (VuF 3), Sigmaringen 1956. Die Schreibung ist in der Literatur nicht ganz einheitlich. Während ältere Arbeiten zumeist die o. g. Form geben, heißt es in neueren Werken gewöhnlich thiudans (vgl. auch Kap. 5.3). Schlesinger, Heerkönigtum, S. 106–110. Die Zuordnung der Bastarner zu den „germanischen“ Völkern ist dabei durchaus nicht gesichert, vgl. etwa Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/2, S. 372 ff.; Lund, Die ersten Germanen, S. 41; Todd, Germanen, S. 29.
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allerdings zumeist in der Funktion von Heerführern zeigen.22 Den hier erkennbaren Unterschied zwischen dem sich aus der Untersuchung der Königsbezeichnungen ergebenden sprachlichen Befund und den Aussagen der ältesten Schriftquellen findet Schlesinger auch bei Tacitus bestätigt, der in dem berühmten 7. Kapitel seiner „Germania“ reges und duces voneinander abhebt.23 Zur Erklärung des ebenfalls bei Tacitus bezeugten Umstandes, dass zumindest im ersten nachchristlichen Jahrhundert die Mehrzahl der germanischen Stämme augenscheinlich gar nicht unter der Führung von Königen stand, entwickelt er schließlich folgenden Lösungsansatz, nach dem lange Phasen von Sesshaftigkeit und Frieden eine Rückbildung insbesondere des Königtums alter Prägung bewirkt, Kriegszeiten hingegen die Etablierung eines gefolgschaftlich organisierten Heerkönigtums gefördert hätten.24 In dem Maße, in dem sich die römisch-germanischen Beziehungen konfrontativ gestalteten, habe die von Tacitus mit dem Begriff dux gekennzeichnete Heerführerschaft an Bedeutung gewonnen und gerade im Verlauf der Völkerwanderungszeit bei erfolgreicher Landnahme zu einem regelrechten Heerkönigtum gesteigert werden können, in dem Schlesinger die noch bei Tacitus voneinander geschiedenen Positionen von rex und dux schließlich miteinander verschmolzen sieht.25 Mit Blick auf das mittelalterliche Königtum stellt er weiterhin fest: „Man wird zu dem Schluß gedrängt, daß das mittelalterliche Königtum aus der Vereinigung beider Führungsformen entstanden ist und daß diese Vereinigung in Form des Heerkönigtums vollzogen wurde.“26 In den so entwickelten Kontext ordnet er dann in der Folge noch eine Vielzahl verfassungsgeschichtlich relevanter Phänomene ein, wie beispielsweise das Klein- oder Vielkönigtum27, das Verhältnis von Königtum und Herzogtum28, die königlichen Sakralfunktionen29 und ferner das Verhältnis von Erbrecht und Wahl30 sowie von Geblütsheiligkeit und Idoneitätsprinzip.31 22 23
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Schlesinger, Heerkönigtum, S. 112 f. Schlesinger, Heerkönigtum, S. 110. – Ähnlich argumentiert auch Jan de Vries, Das Königtum bei den Germanen, in: Saeculum 7 (1956), S. 289–309. Schlesinger, Heerkönigtum, S. 115 f. Schlesinger, Heerkönigtum, S. 131; sowie Ders., Die Grundlegung der deutschen Einheit im frühen Mittelalter, in: Die deutsche Einheit als Problem der europäischen Geschichte, hgg. v. Carl Hinrichs u. Wilhelm Berges, Stuttgart [1960], S. 5–45, wieder abgedruckt in: Ders., Beiträge I, S. 245–285, hier S. 255. Schlesinger, Heerkönigtum, S. 133. Schlesinger, Heerkönigtum, S. 124 f. Schlesinger, Heerkönigtum, S. 126 ff. Schlesinger, Heerkönigtum, S. 132 f. Schlesinger, Heerkönigtum, S. 133. Schlesinger, Heerkönigtum, S. 135 ff.
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Ähnlich wie im Falle Otto Höflers ist auch das von Walter Schlesinger herangezogene Quellenmaterial in seiner Zusammenstellung mitunter problematisch, etwa wenn die Glaubwürdigkeit des Tacitus anhand karolingerzeitlicher Beispiele erwiesen wird.32 Immerhin verschweigt er nicht, dass sich die von ihm angeführten, zum Teil sehr weit auseinanderliegenden Argumentationselemente kaum zu Aussagen von echter Beweiskraft verdichten lassen; vielmehr weist er seine Kernthesen wiederholt als Vermutungen aus, denen er freilich – trotz ihres spekulativen Charakters – insofern Berechtigung und Nutzen zuerkannt wissen will, als sie einige der bislang bestehenden Schwierigkeiten zu lösen vermöchten.33 Was von Schlesinger selbst noch in aller Deutlichkeit als rein hypothetisch gekennzeichnet worden war, greift dann später Reinhard Wenskus in seinem erstmals 1961 erschienenen, für die Frühmittelalterforschung bahnbrechenden Werk „Stammesbildung und Verfassung. Das Werden der frühmittelalterlichen gentes“34 als feststehende Tatsachen auf.35 Im Gegensatz zu der Sicht der älteren Forschung, nach der das Königtum bei den sogenannten germanischen Völkern zutreffend als relativ junge, erst in römischer Zeit auftretende Erscheinung betrachtet wurde36, legt Wenskus seinen Überlegungen die im Vorfeld skizzierten Ansätze Otto Höflers und Walter Schlesingers zugrunde, die er nicht nur in Teilen weiter ausarbeitet, sondern auch in ein weite Bereiche überspannendes und damit größere Zusammenhänge herstellendes verfassungsgeschichtliches Modell einpasst. Grundlegend ist für ihn zunächst ebenfalls die Vorstellung von der Existenz eines ursprünglichen und bis in älteste vorgeschichtliche Zeiten zurückreichenden germanischen Volkskönigtums mit sakralen Zügen37, welches er vor allem durch den philologischen Befund, d. h. im Wesentlichen die bereits angesprochenen Königsbezeichnungen, als hinreichend bewiesen erachtet.38 Schlesinger folgend hebt er dann von diesem älteren Typus des „germanischen Königtums“ das sogenannte Heerkönigtum als jüngere Form
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Schlesinger, Heerkönigtum, S. 123 f. Schlesinger, Heerkönigtum, bes. S. 131, S. 133, S. 137 u. passim. Wenskus, Stammesbildung (siehe S. 2 Anm. 4). – Vgl. auch Rafael von Uslar, Stämme und Fundgruppen. Zu „Stammesbildung und Verfassung“ von R. Wenskus, in: Germania 43 (1965), S. 138–148; zur forschungsgeschichtlichen Bedeutung siehe ferner Haverkamp, Perspektiven, S. 78 ff. Vgl. hierzu jüngst auch Wolfram, Gotische Studien, S. 33. Vgl. beispielsweise von Sybel, Königthum; und Sickel, Fränkische Monarchie. – Siehe auch die Darstellung bei Dopsch, Kulturentwicklung, S. 23–29, mit weiteren Hinweisen. Wenskus, Stammesbildung, bes. S. 311, S. 410 u. passim. Wenskus, Stammesbildung, S. 307.
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desselben ab39, welchem er eine zentrale Funktion für das Moment der Stammesbildung zuweist. Nach Wenskus war die erfolgreiche Ethnogenese eng mit der Ausbildung eines als Traditionskern fungierenden (Heer-)Königtums verbunden: „Stammesbildung und Ausbildung des Königtums sind dabei nur zwei Aspekte des gleichen Vorgangs.“40 Das sich aus der Vorstellung von zwei aus verfassungsgeschichtlicher Sicht unterschiedlichen Typen „germanischen Königtums“ ergebende Hauptproblem bestand nun in erster Linie darin, eine überzeugende Erklärung für die Phase des Übergangs zu finden, die man aufgrund der in der Germania dargestellten Verhältnisse in taciteischer Zeit zumindest noch fortdauern sah. Während Schlesinger in dieser Frage noch vorsichtig auf allgemeine anthropologische Zusammenhänge rekurriert hatte, die zwar nicht ganz von der Hand zu weisen waren, aber eben auch nicht eigentlich bewiesen werden konnten, gelang Wenskus im Zuge des Vergleichs mit den herrschaftsorganisatorischen Zuständen bei den gallischen Kelten eine Lösung, die bis heute weithin Akzeptanz findet41. Im Hinblick auf die Kelten führte er dabei zunächst aus: „Genau wie bei allen anderen indogermanisch sprechenden Gruppen stehen auch bei den Kelten Könige am Anfang ihrer Geschichte. Aber bei ihnen ist der Zeitpunkt, zu dem ein großer Teil ihrer civitates das Königtum abschaffte deutlich zu erkennen und ist daher nicht unbemerkt geblieben. Während zu der Zeit als Rom die Narbonensische Provinz eroberte, noch alle gallischen Stämme des Südens Könige hatten, bietet das Gallien Caesars bereits ein verändertes Bild. […] Offensichtlich war diese keltische ‚Revolution‘ […], die zur Abschaffung des Königtums führte, zur Zeit Caesars noch nicht überall abgeschlossen.“42 Die Ursachen für die hier angesprochene „keltische Revolution“43 sah Wenskus, sich in diesem Punkt eng an die Darstellung Caesars anlehnend, vor allem durch den zunehmenden Missbrauch des Klientelwesens bedingt, welcher letztlich zur Zerstörung der monarchischen Verfassung bei den Kelten geführt habe.44 Den mit Blick auf die Verhältnisse bei den als germanisch bezeichneten Völkern insofern ähnlichen Befund eines eigentümlichen Neben39 40 41
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Wenskus, Stammesbildung, S. 409 f. Wenskus, Stammesbildung, S. 323. Vgl. hierzu insbesondere Anton, Art. König, Königtum, Sp. 1299; Wolfram, Art. Heerkönigtum, S. 116; aber auch Gerhard Dobesch, Die Kelten in Österreich nach den ältesten Berichten der Antike. Das norische Königtum und seine Beziehungen zu Rom im 2. Jahrhundert v. Chr., Wien/Köln/Graz 1980, bes. S. 204. Wenskus, Stammesbildung, S. 413 f. Der Begriff stammt wohl von Albert Grenier, Les Gaulois (Bibliothèque Historique), Paris 1945, S. 184. Wenskus, Stammesbildung, S. 416.
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einanders von Stämmen mit und ohne Königtum erklärte er vor diesem Hintergrund mit dem Übergreifen jener keltischen Revolution auch auf die westgermanischen gentes. Als Hauptargument führte er den insbesondere bei Tacitus gelegentlich auftretenden Begriff der stirps regia bei Stämmen an45, die gerade nicht über eine monarchische Spitze verfügten, was für Wenskus den zwingenden Beweis dafür ergab, dass das zu konstatierende Nebeneinander eben nicht auf ein sich gerade erst herausbildendes Königtum hindeute, sondern vielmehr als Ausdruck von Auflösungserscheinungen einer älteren monarchischen Verfasstheit betrachtet werden müsse, von der bei manchen Stämmen über die Existenz einer stirps regia immerhin noch ein Reflex greifbar sei: „Wo eine stirps regia erwähnt wird, hat es einmal ein Königtum gegeben.“46 Damit wäre der forschungsgeschichtliche Horizont des Modells vom „germanischen Königtum“, also dem älteren sakral fundierten Volkskönigtum, dem jüngeren Heerkönigtum und der gallisch-westgermanischen Revolution als Bindeglied, in seinen wesentlichen Zügen skizziert, wobei deutlich geworden sein dürfte, dass sich mit diesem von der Warte unseres aktuellen Forschungsstandes aus eine ganze Reihe sehr grundlegender Probleme verbinden. Ein zentraler Aspekt in diesem Zusammenhang – und damit kehren wir zu unserer Ausgangsbeobachtung zurück – ist zunächst der dem Konzept vom „germanischen Königtum“ zugrunde liegende umfassende und in dieser Dimension inzwischen überholte Germanenbegriff. Reduziert man Letzteren auf ein heute konsensfähiges Maß, dann brechen nicht nur der Höflerschen Sakraltheorie fundamentale Argumentationselemente weg; auch Walter Schlesinger und Reinhard Wenskus haben, von jenem extensiven Germanenbegriff ausgehend, räumlich wie zeitlich weit auseinanderliegendes Quellenmaterial zur Fundierung ihrer Vorstellungen von den herrschaftsorganisatorischen Verhältnissen in der „germanischen Frühzeit“ herangezogen. Obgleich Letzteres bei ihnen nicht in demselben Umfang erfolgt ist wie etwa bei Otto Höfler, bleibt dadurch doch ein grundsätzlicher methodischer Vorbehalt bestehen, zumal beide sich verschiedentlich auf die Höflersche These beziehen, deren Hauptaussage sie nicht nur akzeptiert, sondern im Sinne einer Voraussetzung in ihr eigenes Modell adaptiert haben. Insbesondere für Schlesinger trifft dies ganz unmittelbar zu: Dessen Konzept vom Heerkönigtum ist insofern untrennbar mit der Vorstellung von einem älteren Sakralkönigtum verbunden, als es von dieser ausgehend überhaupt erst entwickelt wurde.
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Wenskus, Stammesbildung, S. 420 ff. Wenskus, Stammesbildung, S. 422.
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Die verschiedenen, in das Konstrukt vom „germanischen Königtum“ eingegangenen Einzelelemente sind eng miteinander verwoben, weshalb es letztlich kaum möglich ist, einzelne Fäden zu entfernen ohne das Gewebe als Ganzes nachhaltig zu beschädigen oder gar zur Auflösung zu bringen. Konkret bedeutet dies, dass ein Festhalten etwa an der Schlesingerschen Idee von einem jüngeren Heerkönigtum unweigerlich auch das Festhalten an der Vorstellung von einem älteren sakral fundierten Volkskönigtum impliziert und darüber hinaus einen umfassenden Germanenbegriff voraussetzt. Ohne diese beiden Prämissen, die ja nicht allein als Ausgangspunkt bzw. Grundlage fungieren, sondern auch die Argumentation und die Auswahl der herangezogenen Belege ganz maßgeblich mitbestimmt haben, gehen der Theorie vom Heerkönigtum wesentliche Kernzusammenhänge verloren. Vor diesem Hintergrund mag es nun erstaunlich anmuten, dass trotz der zusehends kritischen Auseinandersetzung mit der älteren Germanenforschung47 die hier angesprochenen durchaus naheliegenden Zusammenhänge bislang kaum thematisiert worden sind. Die Gründe hierfür sind zweifellos vielfältiger Natur und sicher nicht in jedem Fall allein aus der Sache heraus begreifbar. Man wird indes nicht fehlgehen, wenn man in diesem Kontext die breite wie nachhaltige Zustimmung, welche das von Wenskus vorgestellte Ethnogenesemodell erfahren hat und – wenngleich durch die anhaltende Forschungstätigkeit inzwischen in mancherlei Hinsicht modifiziert und weiterentwickelt – zu Recht noch erfährt48, als einen wich47
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Vgl. vor allem die Beiträge in Beck (Hg.), Germanenprobleme; sowie Pohl, Germanen. Siehe hierzu besonders Herwig Wolfram, Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts. Entwurf einer historischen Ethnographie (Frühe Völker), München 42001 (1. Aufl. München 1979); Patrick J. Geary, Ethnic Identity as a Situational Construct in the Early Middle Ages, in: MAGW 113 (1983), S. 15–26; sowie Walter Pohl, Tradition, Ethnogenese und literarische Gestaltung: eine Zwischenbilanz, in: Ethnogenese und Überlieferung. Angewandte Methoden der Frühmittelalterforschung, hgg. v. Karl Brunner u. Brigitte Merta (VIÖG 31), Wien/München 1994, S. 9–26, mit einem instruktiven forschungsgeschichtlichen Überblick und weiterer Literatur; ferner Ders., Völkerwanderung, bes. S. 17–23; und Geary, Europäische Völker. – Grundsätzliche, zum Teil recht polemische Kritik an der Ethnogeneseforschung, die sich insbesondere mit der von Herwig Wolfram begründeten Wiener Schule sowie dessen Schüler Walter Pohl verbindet, wurde allerdings unlängst aus dem Umfeld von Walter Goffart geäußert; vgl. dazu Charles Bowlus, Ethnogenesis Models and the Age of Migrations: A Critique, in: Austrian History Yearbook 26 (1995), S. 147–164; Ders., Ethnogenesis: The Tyranny of a Concept, in: On Barbarian Identity. Critical Approaches to Ethnicity in the Early Middle Ages, hg. v. Andrew Gillett (Studies in the Early Middle Ages 4), Turnhout 2002, S. 241–256; Andrew Gillett, Ethnicity, History, and Methodology, in: ebda., S. 1–18; Walter Goffart,
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tigen Aspekt herausstellt. Durch die Einbindung in seine Theorie vom „Werden der frühmittelalterlichen gentes“ hat Wenskus dem Konstrukt vom „germanischen Königtum“ ein hohes Maß an Geltung verliehen49, das es ungeachtet der inzwischen offenkundig gewordenen methodischen Probleme bis heute nahezu unantastbar macht. Hinzu kommt aber auch, dass die von Schlesinger im Rahmen seines Konzepts vom Heerkönigtum beschriebenen Prozesse zumindest die in der Völkerwanderungszeit bei einem Teil der gentilen Verbände erkennbaren Verhältnisse durchaus zutreffend abbilden, wobei solche punktuellen Bestätigungen dann gleichsam als Legitimation des Gesamtkonzeptes gewirkt und eine kritische Auseinandersetzung mit den Grundlagen erschwert bzw. verhindert haben.50 Im Übrigen ist Reinhard Wenskus selbst im Zuge seiner späteren Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Ethnosoziologie zu der Einschätzung gelangt, „daß das Germanentum der Zeit um Christi Geburt nicht aus einer einheitlichen Wurzel zu stammen scheint, sondern aus mehreren Komplexen verschiedener kultureller Tradition zusammengewachsen ist […]“51, woraus er zwei methodische Konsequenzen abgeleitet hat: „Einmal wird dadurch jene Arbeitsweise bedenklich, bei der Nachrichten aus verschiedenen Räumen der germanisch sprechenden Welt zur Rekonstruktion einer urgermanischen Verfassungs- und Sozialstruktur benutzt werden. Zum anderen scheint aber auch die Auffassung, daß dort, wo kein ‚gemeingermanisches‘ Wort für eine Institution zu belegen ist, eine spätere ‚Neuerung‘ in den betreffenden Teilgebieten vorauszusetzen sei, im Ansatz
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Does the Distant Past Impinge on the Invasion Age Germans?, in: ebda., S. 21–37; Alexander Callander Murray, Reinhard Wenskus on „Ethnogenesis“, Ethnicity, and the Origin of the Franks, in: ebda., S. 39–68; und Michael Kulikowski, Nation versus Army: A Necessary Contrast?, in: ebda., S. 69–84. – Siehe ferner die ebenso eindrucks- wie gehaltvolle Stellungnahme Walter Pohls in demselben Band: Walter Pohl, Ethnicity, Theory, and Transition: A Response, in: ebda., S. 221–239; sowie Helmut Castritius, Art. Stammesbildung, Ethnogenese, in: RGA 29 (2005), S. 508–515, hier S. 514 f. (Zitat), der mit Blick auf den von Gillett herausgegebenen Band feststellt: Unerträglich und auch nachweislich falsch ist jedoch der Versuch, Wenskus in die Nähe germanophiler Interpretationen der 30er und 40er Jahre des vorigen Jh.s zu rücken, sogar sein und Wolframs Werk als eine Art Vorkriegsrassentheorie, die im Schafspelz daherkäme, zu charakterisieren. Zur Akzeptanz des Modells von Wenskus vgl. auch Timpe, Art. Germanen, historisch, S. 24. Ein Beispiel hierfür bietet etwa der RGA-Artikel „Heerkönigtum“ von Herwig Wolfram (siehe S. 1 Anm. 1). Reinhard Wenskus, Probleme der germanisch-deutschen Verfassungs- und Sozialgeschichte im Lichte der Ethnosoziologie, in: Historische Forschungen für Walter Schlesinger, hg. v. Helmut Beumann, Köln/Wien 1974, S. 19–46, hier S. 19.
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verfehlt, da sie auf der als irrig erkannten Vorstellung einer ursprünglich germanischen einheitlichen Kultur beruht.“52 In diesem Zusammenhang stellte er ferner bezogen auf das Königtum, die Gefolgschaft sowie auf viele andere Institutionen der „germanischen“ Verfassung heraus, dass diese „weit über den Bereich des germanischen Sprachraums hinweg verbreitet waren.“53 Bei der nachfolgenden Problemdiskussion indes hat Wenskus seine bemerkenswerten theoretischen Überlegungen leider nicht konsequent umgesetzt, im konkreten Einzelfall bewegt er sich weiterhin in dem durch die traditionellen Paradigmen abgesteckten Rahmen der Germanenforschung. Wie sich gezeigt hat, sind die Schwierigkeiten, welche sich mit der herkömmlichen Sicht auf das „germanische Königtum“ verbinden, vor allem auf darin immanente, nicht einzeln herauslösbare, inzwischen jedoch obsolet gewordene Argumentations- und Beweiselemente zurückzuführen, so dass es wenig aussichtsreich erscheint, hier ansetzen und die Details jenes Modells überprüfen zu wollen. Will man nicht Gefahr laufen, am Ende tatsächlich nur mehr lose Fäden in den Händen zu halten, empfiehlt sich hinsichtlich unserer Fragestellung vielmehr eine Vorgehensweise, welche darauf zielt, die Quellen selbst noch einmal in den Blick zu nehmen und auf der Grundlage des derzeitigen Kenntnisstandes fruchtbar zu machen. Dass dabei dann jeweils auch zumindest die zentralen Argumentationselemente der älteren Sicht kritisch zu würdigen und zu untersuchen sind, ergibt sich schon aus methodischen Gründen als Notwendigkeit. Im Unterschied zu den sich mit diesem Gegenstand beschäftigenden älteren Untersuchungen wird allerdings mit Rücksicht auf den deutlich relativierten Germanenbegriff das heranzuziehende Quellenmaterial stark einzuschränken und auch anders zu handhaben sein. So werden beispielsweise die in der Vergangenheit vielfach als zentral betrachteten mittelalterlichen skandinavischen Zeugnisse im Folgenden nicht berücksichtigt. Weiterhin gilt es gemäß der Einsicht in die Heterogenität der germanischsprachigen Verbände zu vermeiden, dass die für eine einzelne gens bezeugten Verhältnisse unreflektiert verallgemeinert und auf eine fiktive germanische Gesamtgesellschaft übertragen werden. Stattdessen soll – wie es im Übrigen schon von Martin Lint-
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Wenskus, Probleme, S. 19 f.; zur Kritik an dem methodischen Vorgehen Wenskus’ vgl. auch Rübekeil, Suebica, S. 13, der überhaupt vor vermischter Argumentation warnt, ebda., S. 11; sowie Thomas F. X. Noble, Introduction. Romans, Barbarians, and the Transformation of the Roman Empire, in: Ders. (Hg.), Roman Provinces, S. 1–27, hier S. 11 f. Wenskus, Probleme, S. 20.
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zel gefordert wurde54 – versucht werden, die einzelnen in den Blick zu nehmenden Völkerschaften nach Möglichkeit anhand der sie jeweils konkret betreffenden Überlieferung zu untersuchen; was – neben dem Gesichtspunkt methodischer Konsequenz – den Vorteil bietet, dass gegebenenfalls vorhandene Unterschiede sichtbar bleiben und nicht von vornherein eingeebnet werden. Da sich nun die Geschichte der germanischsprachigen gentes aus der Perspektive der Quellen in zwei zeitliche Abschnitte untergliedern lässt, nämlich in eine frühe, bis etwa ins 4. Jahrhundert n. Chr. andauernde Phase, in der zumeist pauschal von „den Germanen“ die Rede ist, und eine spätere, völkerwanderungszeitliche, in der zusehends zwischen den einzelnen gentilen Verbänden differenziert wird, wird diesem Umstand auch im Rahmen der vorliegenden Untersuchung Rechnung getragen werden müssen. Konkret bedeutet das, dass wir uns, gerade was die erste, hier im Mittelpunkt der Betrachtung stehende Phase anbelangt, vor allem mit der römischen Wahrnehmung von „den Germanen“ auseinander zu setzen haben, zumal diese über einen langen Zeitraum hinweg nahezu die alleinige Grundlage unserer Erkenntnismöglichkeiten darstellt. Freilich darf nicht vergessen werden, dass es sich hierbei um eine Hilfskonstruktion handelt, die in der Hauptsache dazu dient, überhaupt einen Zugang zu den zeitgenössischen Verhältnissen zu eröffnen. Die Alamanneneinfälle des 3. Jahrhunderts n. Chr.55 markieren dann gewissermaßen einen Wendepunkt. Zum einen setzt im Umfeld dieser Ereignisse römischerseits eine vermehrt auf die Unterscheidung der benachbarten germanischsprachigen Verbände gerichtete Betrachtung ein, was in der Folge dazu führt, dass in der schriftlichen Überlieferung gehäuft von Alamannen, Goten, Vandalen etc. und weniger von Germanen allgemein die Rede ist.56 Zum anderen – und das mag die Modifikation der Wahrnehmung durchaus mitbeeinflusst haben – traten den Römern mit den Alamannen auf dem Gebiet der sogenannten Germania wohl erstmals großangelegte barbarische Kampfverbände entgegen57, womit gleichzeitig auch 54
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Vgl. Martin Lintzel, Germanische Monarchien und Republiken in der Germania des Tacitus, in: ZRG/GA 54 (1934), S. 227–237, hier S. 236, dessen Ausführungen zwar vom Ansatz her veraltet, im Ergebnis jedoch bemerkenswert sind. Differenzierter hierzu Dieter Geuenich, Geschichte der Alemannen, Stuttgart 22005 (1. Aufl. Stuttgart/Berlin/Köln 1997), bes. S. 21–27. Vgl. auch Pohl, Germanenbegriff, S. 170; Ders., Forschungsgeschichtliche Perspektive, S. 23. Möglicherweise hat man sich die hier angesprochenen Verhältnisse ähnlich wie bei den schon von Caesar und Tacitus bezeugten Sueben vorzustellen, bei denen vieles darauf hindeutet, dass es sich bei diesen wohl nicht um eine gens im eigentlichen
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eine neue Phase innerhalb des gegenseitigen Akkulturationsprozesses eingeleitet wurde. Aus den zahlreichen kleinen und kleinsten gentilen Einheiten, die beispielsweise noch bei Tacitus Erwähnung finden und wohl in erster Linie als überschaubare Siedlungsgemeinschaften anzusehen sind, welche seitens der Römer augenscheinlich gut kontrolliert werden konnten, entwickelten sich durch Zusammenschluss vermehrt größere Kampfgebilde, die sowohl schlagkräftiger als auch überlebensfähiger waren und sich dadurch den bewährten Strategien römischer Außenpolitik vorerst entzogen. Im Folgenden ist die Aufmerksamkeit jedoch zunächst auf die sogenannte Frühzeit zu richten, für welche wir quellenmäßig in erster Linie auf die beiden Kronzeugen der germanischen Geschichte, auf Caesar und Tacitus, angewiesen sind. Angesichts des hohen Stellenwertes, der in der Germanenforschung gerade den Werken dieser beiden Autoren stets beigeSinne gehandelt hat, sondern es allem Anschein nach eher stammesübergreifend gebildete Gefolgschaftsverbände waren, die in unterschiedlichen Regionen unabhängig voneinander unter diesem Namen agierten, wobei Letzterer mit jedem aufsehenerregenden kriegerischen Erfolg an Berühmtheit und Attraktivität gewann. Die Diskussion zu dieser Frage ist indes noch nicht abgeschlossen, so dass abzuwarten bleibt, welche Aspekte sie noch zu Tage fördern wird. Vgl. hierzu vor allem Karl Peschel, Die Sueben in Ethnographie und Archäologie, in: Klio 60/2 (1978), S. 259–309, bes. S. 284, S. 292–295 und die abschließende Zusammenfassung S. 306–309; ferner die folgenden in dem Sammelband „Beiträge zum Verständnis der Germania des Tacitus Teil II“ publizierten Arbeiten, die sich aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven mit dieser Thematik beschäftigen: Günter Neumann, Der Name der Sweben, in: Beiträge zum Verständnis der Germania des Tacitus Teil II. Bericht über die Kolloquien der Kommission für die Altertumskunde Nord- und Mitteleuropas im Jahre 1986 und 1987, hgg. v. Dems. u. Henning Seemann (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, phil.-hist. Kl., 3. Folge, Nr. 195), Göttingen 1992, S. 153–166, bes. S. 163 f.; Heiko Steuer, Interpretationsmöglichkeiten archäologischer Quellen zum Gefolgschaftsproblem, in: ebda., S. 203–257, bes. S. 246–249 u. S. 256 f. sowie die Anm. 96 auf S. 243, mit weiterer Literatur; und Dieter Timpe, Der Sueben-Begriff bei Tacitus, in: ebda., S. 278–310, bes. S. 301 f.; vgl. des Weiteren Rübekeil, Suebica, S. 202 f., der die Anschauung Peschels ablehnt und von dem ethnischen Charakter des Suebenbegriffs ausgeht, allerdings ohne wirklich zwingende Beweise vorlegen zu können. – Bereits bei den Markomannen und Quaden unter Marbod sind im Übrigen Ansätze zu der Ausgestaltung einer solchen größeren Organisationsform erkennbar, wenngleich wohl nicht in derselben Ausprägung bzw. Intensität wie dann später bei den Alamannen. So haben beispielsweise die Quaden, aber auch die Semnonen und Langobarden ihre eigene gentile Identität innerhalb des Großverbandes offenbar nicht aufgegeben (Tac. ann. 2,45), was für eine eher lose Form der Zusammenbindung spricht. Dass die römischen Zeitgenossen die Herrschaftsbildung des Marbod indes durchaus als qualitativ neuartig und bedrohlich einschätzten, zeigen etwa die Ausführungen des Velleius Paterculus (Vell. Pat. 2,108–109).
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messen wurde58, erscheint es sinnvoll, in einem ersten Schritt eine von dem aktuellen Diskussionsstand ausgehende, gründliche Untersuchung ihrer Aussagemöglichkeiten vorzunehmen, auch wenn sich die Bedeutung des Bellum Gallicum und der Germania vor dem Hintergrund der Neubewertung des Germanenbegriffs aus heutiger Sicht äußerst reduziert hat und beide Quellen mit der Aufgabe des Kontinuitätsgedankens zugleich ihre überzeitliche Gültigkeit verloren haben.
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Siehe hierzu zuletzt Pohl, Germanen, S. 59–62, mit weiterer Literatur.
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3. Die frühen Germanen im Spiegel der Schriftquellen Wir haben gesehen, dass das Interesse der Nachwelt an „den Germanen“ von Anfang an eng mit der Germania des Tacitus verbunden war, letzthin überhaupt erst durch die mit der Wiederentdeckung des Werkes durch die Humanisten einsetzende Rezeption vermittelt wurde. Daher erstaunt es auch nicht, dass die sich mit den „Germanen“ beschäftigenden Wissenschaften von jeher – neben den Nachrichten bei Caesar, dessen Aufzeichnungen über den Gallischen Krieg als ältestes Zeugnis für römische Kontakte mit den germanischsprachigen Völkerschaften gelten1 – gerade diesen Text zum Ausgangs- und Mittelpunkt ihrer Forschungen gewählt haben. Mit Blick auf die Quellenlage insgesamt ist dabei zunächst hervorzuheben, dass die Beschäftigung mit der Herrschafts- und Gesellschaftsorganisation bei den sogenannten frühen Germanen nahezu ausschließlich auf der Grundlage römischer und griechischer Nachrichten beruht, denn mit Ausnahme einiger spärlicher und für unsere Fragestellung wenig aussagekräftiger Runenfragmente liegen bis ins zweite nachchristliche Jahrhundert keinerlei Selbstzeugnisse der hier interessierenden gentes vor.2 Alles, was wir 1
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So etwa Eckart Mensching, Caesar und die Germanen im 20. Jahrhundert. Bemerkungen zum Nachleben des Bellum Gallicum in deutschsprachigen Texten (Hypomnemata 65), Göttingen 1980, S. 16; Christine Trzaska-Richter, Furor teutonicus. Das römische Germanenbild in Politik und Propaganda von den Anfängen bis zum 2. Jahrhundert n. Chr. (BAC 8), Trier 1991, zugl. Diss. Bochum 1990, S. 80; oder Rübekeil, Suebica, S. 156. – Vgl. allerdings auch Timpe, Art. Germanen, historisch, S. 2, der in diesem Zusammenhang die Triumphalfasten zum Jahr 222 v. Chr. anführt, welche den Sieg des M. Claudius Marcellus bei Clastidium de Galleis Insubribus et Germ[an(eis)] verzeichnen, wobei er herausstellt, dass die Annahme, es handle sich hierbei um ein Ergebnis der augusteischen Fastenredaktion, nicht zu beweisen sei. Leandro Polverini, Germani in Italia prima dei Cimbri?, in: Germani in Italia, hgg. v. Barbara u. Piergiuseppe Scardigli (Monografie scientifiche, serie scienze umane e sociali), Rom 1994, S. 1–10, indes hält die Teilnahme germanischer Verbände bei der Schlacht von Clastidium für völlig abwegig, zumal es mit Ausnahme dieser einen, in ihrer Überlieferung durchaus problematischen Nachricht bis in das erste vorchristliche Jahrhundert in den Quellen keinerlei anderweitige Hinweise auf Germanen gibt. Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 3 f.; vgl. auch Ernst Schwarz, Germanische Stammeskunde, Heidelberg 1956, S. 9.
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über die Völker jener Zeit in Erfahrung bringen können, ist uns über Autoren vermittelt, die als Angehörige des römischen Imperium, als Teilhaber und Exponenten einer den am Rande des orbis Romanus lebenden Barbarenvölkern kulturell und zivilisatorisch weit überlegenen, hochentwickelten Gesellschaft eine ganz eigene Perspektive auf eben diese Barbaren entwickelt haben.3 Neben individuellen und persönlichen Aspekten, welche im Kontext der Frage nach der Intention eines Werkes, den darstellungsbestimmenden Motiven sowie dem jeweiligen Erfahrungshorizont und Kenntnisstand eines Autors stets zu berücksichtigen sind, ist diese Perspektive vor allem durch zwei für das Verständnis der Quellen grundlegende Elemente geprägt, die im Folgenden mit den Begriffen „Fremdbild“ und „Fremdverstehen“ gefasst werden. Beide Termini stehen jeweils für einen aus der Begegnung mit (dem) Fremden resultierenden und die Wahrnehmung (desbzw.) derselben bestimmenden charakteristischen Problemkomplex. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem sich aus den Gegenpolen des Fremden und des Eigenen ergebenden Spannungsfeld setzte verstärkt in den 1970er Jahren ein und hat seitdem unter Beteiligung der verschiedensten Disziplinen, allen voran der Ethnologie und der Soziologie, zu wichtigen Erkenntnissen geführt, die auch für die Geschichtswissenschaft zusehends nutzbar gemacht werden.4 So hat sich im Bereich der Mittelalterforschung die Auseinandersetzung etwa mit Fragen zeitgenössischer Wahrnehmung inzwischen durchaus als eigenständiger Forschungsbereich etabliert.5 3
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Vgl. auch allgemein hierzu Verena Postel, Die Ursprünge Europas. Migration und Integration im frühen Mittelalter, Stuttgart 2004, S. 62. Einen kommentierten Überblick über die Konjunktur dieses Themas bietet Alois Wierlacher, Kulturwissenschaftliche Xenologie. Ausgangslage, Leitbegriffe und Problemfelder, in: Kulturthema Fremdheit. Leitbegriffe und Problemfelder kulturwissenschaftlicher Fremdheitsforschung, hg. v. Dems. (Kulturthemen 1), München 1993, S. 19–112, hier S. 19–32. Vgl. hierzu den richtungsweisenden Beitrag von Hans-Werner Goetz, „Vorstellungsgeschichte“: Menschliche Vorstellungen und Meinungen als Dimension der Vergangenheit. Bemerkungen zu einem jüngeren Arbeitsfeld der Geschichtswissenschaft als Beitrag zu einer Methodik der Quellenauswertung, in: AKG 61 (1979), S. 253–271, bes. S. 262f., zur notwendigen Verschränkung von Ereignis- und Strukturgeschichte mit der Vorstellungsgeschichte; vgl. ferner den instruktiven Überblick in Ders., Moderne Mediävistik. Stand und Perspektiven der Mittelalterforschung, Darmstadt 1999, Kap. IV/1: Zwischen Gesellschaft und Kultur: Der Trend zu einer historischen Anthropologie in der Mediävistik, bes. S. 262–276; sowie zuletzt Ders., Wahrnehmungsund Deutungsmuster als methodisches Problem der Geschichtswissenschaft, in: Das Mittelalter 8/2 (2003), S. 23–33. Seine maßgeblichen Arbeiten zu diesem Themenfeld sind unlängst in einem Band versammelt wieder abgedruckt worden: Hans-Werner Goetz, Vorstellungsgeschichte. Gesammelte Schriften zu Wahrnehmungen, Deutungen und Vorstellungen im Mittelalter, hgg. v. Anna Aurast et al., Bochum 2007.
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Die hiermit angesprochenen Faktoren sind nun auch bei den im Folgenden näher in den Blick zu nehmenden antiken Quellen zu berücksichtigen. Auch für Caesar und Tacitus, um jene beiden Autoren zu nennen, durch deren Germanendarstellungen das römische und ebenso das moderne Germanenbild wohl am nachhaltigsten geprägt worden ist, beziehen die aus dem erwähnten Spannungsverhältnis zwischen Eigenem und Fremden resultierenden Wahrnehmungsphänomene Gültigkeit und sind daher bei der Deutung in Rechnung zu stellen. Ein in beiden Fällen zu beobachtender Aspekt ist der Rückgriff auf Elemente der ethnographischen Barbarentopik.6 Als Topos bezeichnet man in diesem Zusammenhang ein aus verschiedenen Stereotypen und Vorurteilen bestehendes Bild mit stark verallgemeinernden Zügen, welches sich im Laufe der Zeit zu einem bloßen Schema verdichtet und als solches dann vielfach übertragbar ist.7 In der antiken Ethnographie begegnen uns, wie Eduard Norden eindrucksvoll dargelegt hat8, zahlreiche solcher Topoi. Dabei wurden Vorstellungen und Beobachtungen, die sich ursprünglich mit einem bestimmten fremden Volk verbanden, in schematisierter Form für die Beschreibung fremder Völker überhaupt herangezogen, so dass eine regelrechte Fremdvölkertypologie entstand. Diese wird, da aus griechischer Sicht das Barbarentum als bestimmendes Kennzeichen fremder Völker galt, auch als Barbarentopik bezeichnet. Der griechische Begriff bárbaroi bezog sich ursprünglich auf die fremd bzw. unverständlich Redenden, hatte sich aber schon früh als Bezeichnung für Nicht-Griechen schlechthin verfestigt und wurde seit hellenistischer
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Dieter Timpe, Ethnologische Begriffsbildung in der Antike, in: Beck (Hg.), Germanenprobleme, S. 22–40, hier S. 27–32; Barbara Patzek, Die historischen Bedingungen des Fremdverstehens, in: HZ 247 (1988), S. 27–51, hier S. 29 ff. – Der Topos-Begriff an sich ist freilich nicht unumstritten, vgl. in diesem konkreten Zusammenhang etwa den Beitrag von Klaus Bringmann, Topoi in der taciteischen Germania, in: Jankuhn/ Timpe (Hgg.), Beiträge I, S. 59–78; aber auch die auf ein stärker interdisziplinäres Topos-Verständnis zielenden Überlegungen von Lothar Bornscheuer, Topik. Zur Struktur der gesellschaftlichen Einbildungskraft, Frankfurt am Main 1976, bes. S. 91–108, zu den Strukturmomenten eines allgemeinen Topos-Begriffs. Vgl. hierzu die grundlegende Darstellung von Klaus Roth, „Bilder in den Köpfen“. Stereotypen, Mythen, Identitäten aus ethnologischer Sicht, in: Das Bild vom Anderen. Identitäten, Mentalitäten, Mythen und Stereotypen in multiethnischen europäischen Regionen, hgg. v. Valeria Heuberger, Arnold Suppan u. Elisabeth Vyslonzil, Frankfurt am Main et al. 21999 (1. Aufl. Frankfurt am Main 1997), S. 21–43, mit weiterer Literatur. Vgl. Eduard Norden, Die germanische Urgeschichte in Tacitus Germania, Leipzig/ Berlin 31923 (ND der 1. Aufl. Leipzig/Berlin 1920 mit gesondert angefügten Ergänzungen), S. 42–170.
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Zeit zusehends in pejorativem Sinn gebraucht.9 Dieser eher ethnisch begründete Barbarenbegriff gewann im Laufe der Zeit auch eine ethisch-moralische Dimension, wobei das Fehlen von humanitas zu einem wesentlichen Merkmal des Barbarischen wurde.10 Die Römer, die von den Griechen ursprünglich selbst als Barbaren bezeichnet worden waren, haben sich im Verlauf ihrer zivilisatorischen und kulturellen Entwicklung, bei welcher sie sich in vielfacher Hinsicht an dem griechischen Vorbild orientierten, auch den griechischen Barbarenbegriff zu Eigen gemacht. Mit der zunehmenden territorialen Ausdehnung des Imperium Romanum verband sich ein ausgeprägtes Überlegenheitsbewusstsein, infolgedessen zwischen Griechen und Römern als Vertretern einer hochentwickelten Zivilisation auf der einen und den primitiven, wilden Barbarenvölkern außerhalb des Imperium auf der anderen Seite unterschieden wurde.11 Dieses hier nur sehr grob skizzierte Phänomen wird unter sozio-psychologischen Gesichtspunkten auch mit dem Begriff „Ethnozentrismus“12 9
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Arnold Ruge, Art. Barbaroi, in: RE (1896), Sp. 2858; Joseph Vogt, Kulturwelt und Barbaren. Zum Menschheitsbild der spätantiken Gesellschaft (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, geistes- und sozialwissenschaftliche Kl., Jg. 1967, Nr. 1), Wiesbaden 1967, S. 5–68, hier S. 7; ausführlicher Reimar Müller, Hellenen und Barbaren im Spiegel der hellenistischen Philosophie, in: Klio 60/1 (1978), S. 183–189; Allan A. Lund, Zum Germanenbild der Römer. Eine Einführung in die antike Ethnographie, Heidelberg 1990, S. 3–9; Dobesch, Barbaricum, S. 7 ff.; siehe auch den ebenso kenntnisreichen wie anregenden Essay von Wolfgang Detel, Griechen und Barbaren. Zu den Anfängen des abendländischen Rassismus, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 43/6 (1995), S. 1019–1043. Vgl. Lund, Germania, S. 28; und Ders., Germanenbild, S. 12. Vgl. etwa Walser, Rom, S. 68 f.; Vogt, Kulturwelt, S. 8; A. N. Sherwin-White, Racial Prejudice in Imperial Rome, Cambridge 1970; J. V. P. Dacre Balsdon, Romans and Aliens, London 1979, S. 30–58; Hadwig Helms, Zur Wandlung des Germanenbildes im 1. Jh. u. Z., in: Rom und Germanien, S. 29–31; Ingomar Weiler, Zur Xenophobie und ähnlichen Einstellungen gegenüber Fremden bei den Völkern der Alten Welt. Eine Anregung für den Geschichtsunterricht, in: Domus Austriae. FS Hermann Wiesflecker, hgg. v. Walter Höflechner, Helmut J. Melzer-Andenberg u. Othmar Pickl, Graz 1983, S. 426–435, hier S. 428 f.; Timpe, Begriffsbildung, S. 22 f.; Ders., Rom und die Barbaren, S. 36 f.; Lund, Germanenbild, S. 12–18; Trzaska-Richter, Furor teutonicus, S. 22–35; Heather, Untergang, S. 93 f.; sowie Karl Christ, Römer und Barbaren in der hohen Kaiserzeit, in: Saeculum 10 (1959), S. 273–288, der darauf hinweist, dass der römische Barbarenbegriff über eine weniger exklusive Qualität verfügt als der griechische, da die Römer ursprünglich selbst der Barbarenkategorie zugerechnet worden waren. Zum Begriff vgl. Dieter Fuchs/Jürgen Gerhards/Edeltraut Roller, Wir und die Anderen. Ethnozentrismus in den zwölf Ländern der europäischen Gemeinschaft, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 45 (1993), S. 238–253, hier S. 238 f., mit weiterer Literatur.
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gefasst. In diesem Kontext ist festzuhalten, dass jedwede Form der Auseinandersetzung mit dem Fremden oder den Anderen eine klare gedankliche Differenzierung zwischen diesen und dem Eigenen voraussetzt. Die Selbstidentifikation einer Wir-Gruppe vollzieht sich dabei in einem ganz erheblichen Maße durch einen Abgrenzungsprozess von den Außenstehenden, den Fremden, welche an den verabsolutierten Leitlinien der eigenen Kultur und Lebensweise gemessen werden. Im Ergebnis läuft diese Art der Beurteilung – nicht zuletzt aus Gründen der Psychohygiene13 – oftmals auf eine moralische Abwertung der fremden Lebensform hinaus, wobei das als zivilisiert betrachtete Eigene und das im Vergleich dazu als unzivilisiert empfundene Andere einander konträr gegenüberstehen, jedoch stets aufeinander bezogen bleiben.14 Durch die Zuordnung zu der Kategorie der Barbaren war die römische Perspektive auf die als „Germanen“ betrachteten Völker somit von vornherein festgelegt.15 Die vielfach anzutreffenden Urteile und Wertungen über die barbarischen Völker sind daher nicht unbedingt als Resultat konkreter Begegnungen und Erfahrungen zu be13
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Bedrich Loewenstein, Wir und die anderen, in: Mit Fremden leben. Eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart, hg. v. Alexander Demandt, München 1995, S. 9–23, hier S. 16. Zu dieser Wechselwirkung zwischen den relationalen Kategorien „eigen“ und „fremd“ vgl. grundlegend Karlheinz Ohle, Das Ich und das Andere. Grundzüge einer Soziologie des Fremden (Sozialwissenschaftliche Studien 15), Hamburg 1978, bes. S. 6–18 u. passim; ferner Lund, Germanenbild, S. 4 f.; Trzaska-Richter, Furor teutonicus, S. 22 f.; Frank-Olaf Radtke, Lob der Gleich-Gültigkeit. Zur Konstruktion des Fremden im Diskurs des Multikulturalismus, in: Das Eigene und das Fremde. Neuer Rassismus in der alten Welt, hg. v. Uli Bielefeld (Hamburger Institut für Sozialforschung), Hamburg 1991, S. 79–96, hier S. 79; Ortfried Schäffter, Modi des Fremderlebens. Deutungsmuster im Umgang mit Fremdheit, in: Das Fremde. Erfahrungsmöglichkeiten zwischen Faszination und Bedrohung, hg. v. Dems., Opladen 1991, S. 11–42, hier S. 12; Wierlacher, Xenologie, S. 35 u. S. 63; Loewenstein, Wir und die anderen, S. 15; Herfried Münkler/Bernd Ladwig, Dimensionen der Fremdheit, in: Furcht und Faszination. Facetten der Fremdheit, hgg. v. Dens. (Studien und Materialien der Interdisziplinären Arbeitsgruppe „Die Herausforderung durch das Fremde“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften), Berlin 1997, S. 11–44, bes. S. 14 f.; und Steffen Bruendel, Kulturelle Identität: Vergangenheitsdeutung, Zukunftserwartung und Distinktion. Eine methodische Einführung, in: Kulturelle Identität, hgg. v. Dems. u. Nicole Grochowina (Les travaux du Centre Marc Bloch – Histoire, Sociologie et Droit comparés 18), Berlin 2000, S. 4–16, hier S. 11 ff. – Zu den unterschiedlichen Graden von Fremdheit siehe vor allem Justin Stagl, Grade der Fremdheit, in: Münkler/Ladwig (Hgg.), Furcht und Faszination, S. 85–114; und Bernhard Waldenfels, Das Eigene und das Fremde, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 43/4 (1995), S. 611–620, bes. S. 615. Vgl. auch die überaus anregenden Ausführungen von Timpe, Rom und die Barbaren, S. 36 ff.
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trachten, sondern gehen häufig auf überkommene literarische Traditionen zurück.16 Im Hinblick auf die Darstellung der sogenannten Germanen in den römischen Quellen ist vor dem hier umrissenen Hintergrund also zunächst einmal zu berücksichtigen, dass das auf unmittelbaren oder mittelbaren Kontakten zu Germanen beruhende Erleben eines römischen Autors grundsätzlich den allgemeingültigen Mechanismen des menschlichen Wahrnehmungsprozesses unterlag, nach denen individuelle Primärbilder nach Möglichkeit in größere Vorstellungszusammenhänge eingebettet werden. Das erfolgte gewöhnlich im Rahmen der Verwendung etablierter ethnographischer Topoi, wie z. B. dem sowohl bei Caesar als auch bei Tacitus auftretenden Motiv des „einfachen Lebens“, nach welchem etwa die Körpergröße und die Kraft der Barbaren auf ihre primitive Lebensweise zurückgeführt wurden.17 Als weitere Größe mit einzubeziehen sind ferner die besonderen Bedingungen des Fremdverstehens.18 So vermochte ein römischer Beobachter die völlig andersartige kulturelle Realität der Barbaren nicht aus sich heraus zu erfassen, da er stets an seinen eigenen kulturellen Hintergrund und die ihm durch diesen vermittelten Bezugsgrößen gebunden blieb. Das in den Quellen vielfach zu beobachtende, durchaus nicht nur in religiösen Zusammenhängen auftretende Prinzip der interpretatio Romana19, nach dem das Fremde etwa auf dem Wege der Analogiebildung an den vertrauten Strukturen der eigenen Umwelt gemessen, mit diesen verglichen und so letztlich erfassbar bzw. verständlich gemacht wird, führt zu einer „verzerrenden Verähnlichung“20 der fremden Gesellschaft und damit zu einer zumindest partiellen Nivellierung bestehender Unterschiede, was sich vor 16
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Grundlegend hierzu etwa Jan Assmann, Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: Kultur und Gedächtnis, hgg. v. Dems. u. Tonio Hölscher, Frankfurt am Main 1988, S. 9–19; sowie Roth, Bilder, bes. S. 28 u. S. 30; vgl. ferner Trzaska-Richter, Furor teutonicus, S. 173 u. passim; und Sonja Hutter, Vestis virum reddit. Zur Beurteilung des äußeren Erscheinungsbildes von Fremdvölkern in der Ethnographie der späten Republik und frühen Kaiserzeit (Grazer Altertumskundliche Studien 8), Frankfurt am Main et al. 2002, S. 16. Caes. Gall. 4,1,8–10; und Tac. Germ. 20,1. Vgl. auch Hans Georg Gadamer, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, Tübingen 41975 (1. Aufl. Tübingen 1960), S. 250 ff.; Robert Hettlage, Fremdheit und Fremdverstehen. Ansätze zu einer angewandten Hermeneutik, in: AKG 70 (1988), S. 195–222, hier S. 211 u. passim; Patzek, Fremdverstehen, S. 28; sowie Roth, Bilder, S. 30 ff. – Weiterführend etwa Uli Bielefeld, Das Konzept des Fremden und die Wirklichkeit des Imaginären, in: Ders. (Hg.), Das Eigene, S. 97–128, hier bes. S. 98. Lund, Germanenbild, S. 23 f. Hettlage, Fremdheit, S. 207.
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allem im Sprachgebrauch, also den von den römischen Beobachtern verwendeten Begriffen und Bezeichnungen, niederschlägt.21 Der Vergleich ist nun ohne Zweifel das wichtigste Medium zur Wahrnehmungsverarbeitung und hinsichtlich des auf das Verstehen von Fremdem gerichteten Prozesses wohl auch das wichtigste Instrument zur Wahrnehmungsvermittlung. Er ermöglicht sowohl das Herausstellen von Unterschieden wie etwa im Falle des Ethnozentrismus, aber auch die Bildung von Analogien, wodurch das Fremdartige in vertraute Zusammenhänge eingeordnet bzw. übersetzt und damit überhaupt erst beschreibbar wird. Dass beide Varianten letzthin zu Verzerrungen führen ist bereits angedeutet worden. In beiden Fällen wird das Andere nicht aus sich heraus verstanden, sondern stets an den persönlichen und kulturellen Maßstäben des Beobachters gemessen, gedeutet und beurteilt, weshalb wir mit einer mehrfachen Brechung der uns aus einer Fremdperspektive überlieferten Nachrichten rechnen müssen.22 Allan A. Lund geht in diesem Kontext mindestens von einer „Triangulierung des Verstehensprozesses“ aus, zumal gerade die antiken Autoren keinerlei Bemühen darum erkennen lassen, sich in das beobachtete Andere hineinzuversetzen.23 Sie bieten immer eine reine Außensicht auf die von ihnen beschriebenen Fremden und deren Lebensverhältnisse, so dass einmal mehr zu fragen bleibt, inwiefern die auf dieser Grundlage über die „Germanen“ vermittelten Kenntnisse überhaupt etwas über selbige auszusagen vermögen?24 Hinzu 21
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Dies ist am Beispiel der taciteischen Germania eindrucksvoll herausgearbeitet bei Walser, Rom, S. 74–78. – Siehe hierzu ergänzend auch die den Aspekt der Abgrenzung stärker betonende Beobachtung von Radtke, Gleich-Gültigkeit, S. 80 f.: Sowohl für den einzelnen als auch für die gesellschaftlichen Instanzen kommt das Fremde/das Andere nicht als schlichte „Realität“ vor, sondern nur als soziale, kontextabhängige Deutung, die ihrerseits auf Unterscheidungen und Bezeichnungen beruht und eine Konstruktion ist. – Vgl. des Weiteren Lund, Germanenbild, bes. S. 22 f. u. S. 34; ferner Dick, Grundlagen, S. 512; sowie, mit konkretem Bezug auf Caesars Bellum Gallicum, Dobesch, Kelten in Österreich, S. 252 f. u. S. 406 f.; und Timothy C. Champion, Power, Politics and States, in: The Celtic World, hg. v. Miranda J. Green, London/New York 21997 (1. Aufl. London 1995), S. 85–94, hier S. 86. – Damit ist im Übrigen ein Phänomen angesprochen, welches nicht allein für die antiken Barbarendarstellungen Gültigkeit bezieht, sondern grundsätzlich auch die moderne Ethnographie betrifft, vgl. etwa Clifford Geertz, Die künstlichen Wilden. Der Anthropologe als Schriftsteller, Frankfurt am Main 1993, S. 18 u. S. 132. Vgl. hierzu auch Dick, Langobardi, S. 336 f. Lund, Germanenbild, S. 33 f., Zitat S. 34. So bereits Wallace-Hadrill, Early Germanic Kingship, S. 1: How was a Roman historian able to understand the Germanic practice of kingship?; ferner Pohl, Germanen, S. 65, der konstatiert: Das methodische Problem besteht darin, daß Wahrnehmungen und Terminologie der lateinischen Autoren sich an römischen Institutionen orientierten, was dem Schluß vom Wort auf die Sache im Wege steht.
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kommt, dass angesichts einer sich auf dem Wege des Vergleichs vollziehenden Wahrnehmungsverarbeitung und -vermittlung, welche in hohem Maße auf das Vorhandensein vergleichbarer Elemente angewiesen ist, davon ausgegangen werden muss, dass etwa im Bereich soziokultureller Institutionen überhaupt nur solche beschrieben werden, die sich in irgendeiner Form auf die eigenen beziehen lassen.25 Nicht Vergleichbares ist auf diesem Wege schlechterdings nicht vermittelbar, weshalb das von römischer Seite auf uns gekommene Bild von den barbarischen Völkern in vielen Bereichen unvollständig sein dürfte. Die Auswahl derjenigen Elemente des Andersartigen, die tatsächlich ihren Weg auf den Papyrus oder das Pergament gefunden haben, sagt eingedenk dieser Zusammenhänge wohl mehr über die „Mentalität der Bezugsgruppe“26 aus, als dass sie eine kohärente und zutreffende Darstellung der Fremden bietet.27 Diese Problematik ist bereits von Rolf Hachmann angesprochen worden, der konstatiert: „Die Germanen der Jahrhunderte um Christi Geburt waren also in der Gestalt, in der sie die Antike sah, gewiß keine Realität, sondern eine gelehrte Konstruktion, in der sich objektive Beobachtungen und subjektive Annahmen ziemlich unkontrolliert vermischten.“28 Das bedeutet nun freilich nicht, dass wir unsere Quellen, die – wie wir gesehen haben – kaum authentische Nachrichten über die Lebens- und Gesellschaftsordnung der germanischsprachigen Verbände enthalten dürften, im Hinblick auf die hier zu verfolgende Fragestellung getrost beiseite legen können. Es wird vielmehr im jeweiligen Einzelfall abzuwägen sein, ob eine Nachricht etwa auf ethnographische Topoi oder auf persönliche Beobach-
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Vgl. etwa Lund, Germanenbild, S. 25; sowie Reinhard Wenskus, Die neuere Diskussion um Gefolgschaft und Herrschaft in Tacitus’ Germania, in: Neumann/Seemann (Hgg.), Beiträge II, S. 311–331, hier S. 323 u. S. 326. Lund, Germanenbild, S. 28; Alfons Städele, „Germania“-Interpretationen – gestern und heute, in: Motiv und Motivation, hg. v. Peter Neukam (Dialog 27), München 1993, S. 106–124, hier S. 110. Wenigstens erwähnt sei in diesem Zusammenhang noch das Konzept der „discrepant experiences“, nach dem davon auszugehen ist, dass Einheimische und Römer oft ein und dieselbe Situation unterschiedlich erlebt und beurteilt haben. David G. Wigg hat darauf hingewiesen, dass dieses Prinzip nicht nur für die Beurteilung der Schriftquellen Konsequenzen hat, sondern auch in die Interpretation materiellen Fundguts einbezogen werden muss, vgl. David G. Wigg, Die Stimme der Gegenseite? Keltische Münzen und augusteische Germanienpolitik, in: Kontinuität und Diskontinuität. Germania inferior am Beginn und am Ende der römischen Herrschaft. Beiträge des deutsch-niederländischen Kolloquiums in der Katholieke Universiteit Nijmegen (27. bis 30. 06. 2001), hgg. v. Thomas Grünewald u. Sandra Seibel (RGA Ergbd. 35), Berlin/New York 2003, S. 218–241, hier S. 219, mit weiterer Literatur (dort auch das o. a. Zitat). Hachmann, Germanen und Kelten, S. 16.
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tung zurückgeht, ob sie auf reinem Hörensagen bzw. verbreiteten Stereotypen basiert oder von gut informierten Instanzen vermittelt wurde, vor allem aber inwiefern bzw. in welcher Intensität sie durch den römischen Bezugsrahmen gebrochen ist. Oder mit den Worten Walter Pohls: „Um die einzelnen Wahrnehmungen beurteilen zu können, müssen sie vor dem Hintergrund der Absichten des Autors, aber auch der literarischen Tradition, aus der sie kommen, gesehen werden.“29 Denn trotz aller erkennbaren Verzerrung liegt solchen überlieferten Fremdwahrnehmungen ein reales zeitgenössisches Moment zugrunde, welches wir, wenngleich nicht immer sicher bestimmen, so doch vielleicht annähernd erfassen können.30 Nimmt man die hier für die römische Perspektive auf die barbarischen Anrainervölker entwickelten Modalitäten zusammen, dann gewinnt die Frage nach der Aussagekraft und dem Gehalt der antiken Quellen für die sozialen und politischen Verhältnisse innerhalb der germanischsprachigen gentes eine fundamentale Bedeutung. Dementsprechend sind gerade die Aussagen jener beiden römischen Autoren, welche nicht nur das Germanenbild ihrer Zeitgenossen31, sondern auch das der Forschung in hohem Maße beeinflusst haben und immer noch beeinflussen32, unter Berücksichtigung der oben erläuterten Bedingungen von Fremdwahrnehmung und Fremdverstehen neu zu überprüfen.
3.1 Caesars „Commentarii de bello Gallico“ Als Caesars Bellum Gallicum irgendwann in dem Zeitraum zwischen dem Herbst des Jahres 52 und dem Frühjahr des Jahres 51 v. Chr. in Rom veröffentlicht wurde, waren die Germanen – jedenfalls unter dieser Be29
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Walter Pohl, Barbarenbilder seit Tacitus, in: Markomannenkriege – Ursachen und Wirkungen, hgg. v. Herwig Friesinger, Jaroslav Tejral u. Alois Stuppner (Spisy Aecheologického Ùstavu av CR ˇ Brno 1), Brno 1994, S. 59–65, hier S. 60. Vgl. hierzu auch Goetz, Wahrnehmungs- und Deutungsmuster, S. 28 f. Vgl. etwa A. J. Woodman, Tacitus Reviewed, Oxford 1998, S. 113. Zur Illustration sei hier lediglich die vielzitierte Äußerung Willy Krogmanns angeführt: Unter allen diesen Hilfsmitteln nimmt jedoch ein Werk einen ganz hervorragenden Platz ein: die Germania des Tacitus, die uns bereits im ersten nachchristlichen Jahrhundert eine Kulturkunde der Germanen an die Hand gibt. Daß diese Schrift, die in der Kulturgeschichte aller Völker eine Sonderstellung einnimmt, auf uns gekommen ist, ist ein Glücksfall, für den wir nicht dankbar genug sein können.; Willy Krogmann, Die Kultur der alten Germanen. Teil 1: Die materiellen Voraussetzungen (Handbuch der Kulturgeschichte, 1. Abt.: Zeitalter deutscher Kultur), Wiesbaden 1978, S. 3 (Zitat). – Allgemein hierzu ferner Herwig Wolfram, Das Reich und die Germanen. Zwischen Antike und Mittelalter (Siedler Deutsche Geschichte: Das Reich und die Deutschen 1), Berlin 1998, S. 17.
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zeichnung – der antiken Welt noch weitgehend unbekannt. Zwar hatte schon der griechische Gelehrte Poseidonios von Apameia (135 bis 51/50 v. Chr.) in seinen „Historien“, wenngleich recht vage, über einen Stamm dieses Namens berichtet33; die Etablierung des Germanenbegriffs als vereinheitlichende Bezeichnung sämtlicher in dem Gebiet jenseits von Rhein und Donau ansässiger Barbaren geht indes allein auf die Darstellung Caesars zurück34, der damit nicht nur eine scharfe Trennung zwischen Gallia und Germania konstruiert, sondern auch die komplexen, nur schwer überschaubaren politischen Verhältnisse östlich des Rheins begrifflich eingeebnet hat. Dass dies gelingen konnte, ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Caesar auf bereits existierende Vorstellungen von wilden Nordvölkern am Rande des orbis terrarum anknüpfen konnte, wel-
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Pos. FgrHist 87 F 22. – Vgl. hierzu auch Jürgen Malitz, Die Historien des Poseidonios (Zetemata 79), München 1983, S. 204 f.; Rübekeil, Suebica, S. 161 ff.; Dobesch, Barbaricum, S. 61 f., mit einem guten Überblick über die ältere Literatur; und Alexander Demandt, Die Kelten, München 1998, S. 13. – Die Frage, inwieweit Caesar die Historien des Poseidonios bekannt gewesen waren und ob er auf diese Quelle zurückgegriffen hat, ist zwar ausgiebig diskutiert worden, lässt sich jedoch mangels entsprechender Belege nicht mit Sicherheit beantworten. Die Forschung geht indes mehrheitlich davon aus, dass Caesar das Werk des berühmten Griechen geläufig gewesen sein müsse und er es auch herangezogen habe; vgl. etwa H. D. Rankin, Celts and the Classical World, London/Sydney 1987, S. 75, S. 131 ff. u. passim. Vor diesem Hintergrund deutet Malitz (S. 23 u. S. 170) die fehlende Nennung des Poseidonios – bezüglich der Geographie des Nordens führt Caesar allein den Erastothenes als Gewährsmann an (Caes. Gall. 6,24,2) – entweder als Urteil über seine wissenschaftliche Bedeutung oder als Affront gegen den Freund von Männern, die Caesar nicht nahestanden (S. 23). Mit Blick auf die Entstehungsbedingungen der Commentarii wäre freilich auch eine andere Erklärung denkbar: Da Caesar mit der Abfassung seiner Kriegstagebücher in erster Linie politischen Implikationen folgte, dürfte „wissenschaftliche Korrektheit“ kaum ein wichtiges Kriterium dargestellt haben, weshalb der fehlende Bezug auf Poseidonios schlicht als Zeichen einer angesichts der heiklen Lage des Verfassers nur allzu verständlichen Oberflächlichkeit zu bewerten wäre. Als Ausweis für die Bildung und Belesenheit Caesars mag die Nennung des Erastothenes für den hier verfolgten Zweck völlig ausgereicht haben. Vgl. ausführlicher hierzu Gerhard Dobesch, Caesar als Ethnograph, in: Wiener humanistische Blätter 31 (1989), S. 16–51, hier S. 36 ff. Siehe etwa Malitz, Poseidonios, S. 205; Lund, Germanenbild, S. 90; Ders., Die ersten Germanen, bes. S. 48 f. u. S. 86; Trzaska-Richter, Furor teutonicus, S. 87 f.; Dobesch, Barbaricum, S. 89. – Eine extreme Position bezieht Lund, Die ersten Germanen, bes. S. 48 f. u. S. 86, indem er betont, Caesar habe die Germanen „erfunden“. Entschieden dagegen wendet sich Hermann Ament, Rez. von Allan A. Lund, Die ersten Germanen, in: Germania 78 (2000), S. 530 ff.; vgl. auch die fundamentale Kritik an diesem Werk Lunds und die sehr ausführliche Gegendarstellung von Hermann Reichert, Rez. von Allan A. Lund, Die ersten Germanen, in: GGA 252 (2000), S. 139–175.
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chen er nun durch deren Benennung als Germani deutlichere Konturen verlieh.35 Mit der Bezeichnung der Commentarii als „Kriegstagebücher“ sind im Hinblick auf die Frage nach dem Quellenwert gleich zwei Aspekte angesprochen: Zum einen die Gattungszugehörigkeit des Werkes und zum anderen die Modalitäten der römisch-germanischen Begegnung. Commentarii, also Erinnerungen, Tagebücher, Notizen und ähnliches mehr, galten ursprünglich lediglich als Rohmaterial der Historiographie, hatten sich allerdings in spätrepublikanischer Zeit schon weitgehend zu einer eigenständigen Gattung entwickelt36, womit sich naturgemäß auch gewisse formale, vor allem aber die Intention betreffende Besonderheiten verbinden. Während für die reguläre Geschichtsschreibung neben der kunstvollen Komposition der Anspruch auf eine möglichst objektive, die wahren Begebenheiten wiedergebende Darstellung im Vordergrund stand, hatten die auf persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen der jeweiligen Autoren basierenden commentarii einen eher subjektiven Charakter, der indes durch den betont sachlichen und anspruchslosen Stil in der Wirkung relativiert wurde. Bei den Verfassern handelte es sich gewöhnlich um Politiker, welche die Publikation
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Zur Herkunft der von Caesar benutzten Bezeichnung Germani vgl. vor allem Gerhard Dobesch, Zur Ausbreitung des Germanennamens, in: Pro Arte Antiqua. FS Hedwig Kenner, Bd. I (Sonderschriften des Österreichischen Archäologischen Instituts in Wien 18), Wien/Berlin 1982, S. 77–99, mit reichhaltiger Literatur; sowie Rübekeil, Suebica, bes. S. 163–167 u. S. 173–176. Während Dobesch die Sammelbezeichnung Germani auf ursprünglich gallischen Sprachgebrauch zurückführen will und dem Diviciacus bei der Vermittlung eine zentrale Bedeutung zuschreibt, geht Lund von der Urheberschaft Caesars aus; so Allan A. Lund, Die Erfindung der Germanen, in: Der Altsprachliche Unterricht 38 (1995), S. 4–20, bes. S. 14 u. S. 16 ff.; vgl. zuletzt ferner Franz Schön, Germanen sind wir gewesen? Bemerkungen zu den Tungri und Germani Cisrhenani und zum sogenannten taciteischen Namensatz (Tac. Germ. 2,2 f.), in: „Troianer sind wir gewesen“ – Migrationen in der antiken Welt. Stuttgarter Kolloquium zur historischen Geographie des Altertums 8, 2002, hgg. v. Eckart Olshausen u. Holger Sonnabend (Geographica Historica 21), Stuttgart 2006, S. 167–183, der die folgende Anschauung vertritt (Zitat S. 181): Es handelt sich beim Germanennamen nämlich ursprünglich nicht um ein Ethnonym oder einen Sippennamen. Nachdem durch den ‚Erfinder‘ Caesar aus dem lat. Appellativum germanus ein Sammelnamen [sic!] für verschiedene Völker geworden war, bezeichnete Germania das Territorium rechts des Rheins. Vgl. insbesondere Dieter Flach, Einführung in die römische Geschichtsschreibung (Die Altertumswissenschaft. Einführungen in Gegenstand, Methoden und Ergebnisse ihrer Teildisziplinen und Hilfswissenschaften), Darmstadt 1985, S. 97 f.; speziell zum „Commentarius“ siehe Franz Bömer, Der Commentarius. Zur Vorgeschichte und literarischen Form der Schriften Caesars, in: Hermes 81 (1953), S. 210–250.
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ihrer „Erinnerungen“ in erster Linie als Medium zur Selbstdarstellung bzw. Rechtfertigung ihres politischen Handelns nutzten.37 Auch die Commentarii Caesars dürften aus dieser Motivation heraus entstanden sein38, zumal sein eigenmächtiges Vorgehen während seiner Amtszeit als Prokonsul der Gallia Narbonensis (58 bis 50 v. Chr.) den politischen Gegnern in Rom Anlass zu scharfer Kritik geboten hatte.39 In der Hauptsache wurde ihm dabei offenbar angelastet, dass er durch sein unangemessenes, weil über die Grenzen seiner Provinz hinausreichendes Eingreifen, einen Krieg provoziert habe, der nicht durch einen Senatsbeschluss legitimiert gewesen sei.40 Mit den gegen Ende seiner Amtszeit in der Narbonensis vermutlich um die Jahre 52 oder 51 entstandenen Commentarii41 stellte Caesar dann den gegen ihn erhobenen Vorwürfen, welche sich zu einer handfesten Anklage zu verdichten drohten, seine eigene Version der Ereignisse entgegen. Diese war angesichts der prekären Situation vor allem darauf gerichtet, glaubhaft zu machen, dass sein Eingreifen in Gallien allein der Sicherung der Provinz gedient habe, und der hieraus resultierende Krieg entsprechend als bellum iustum zu betrachten sei.42 Die apologetischen Züge
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Vgl. auch Gerhard Perl, Geschichtsschreibung in der Zeit der römischen Republik und der Kaiserzeit, in: Klio 66/2 (1984), S. 562–573, hier S. 568; sowie mit Beispielen Flach, Geschichtsschreibung, S. 95 f.; ferner Gerold Walser, Bellum Helveticum. Studien zum Beginn der caesarischen Eroberung von Gallien (Historia Einzelschriften 118), Stuttgart 1998, S. 9 u. S. 81, mit konkretem Bezug auf Caesar. Perl, Geschichtsschreibung, S. 568. – Zur politischen Lage Caesars siehe insbesondere Ulrich Maier, Caesars Feldzüge in Gallien (58–51 v. Chr.) in ihrem Zusammenhang mit der stadtrömischen Politik (Saarbrücker Beiträge zur Altertumskunde 29), Bonn 1978; zur Intention seiner Kommentarien vgl. etwa Ulrich Knoche, Caesars commentarii, ihr Gegenstand und ihre Absicht, in: Gymnasium 58 (1951), S. 139–160, bes. S. 142 ff.; Cunliffe, Greeks, Romans and Barbarians, S. 106 f.; und Ralf Urban, Die Treverer in Caesars Bellum Gallicum, in: Labor omnibus unum. FS Gerold Walser, hgg. v. Heinz E. Herzig u. Regula Frei-Stolba (Historia Einzelschriften 60), Stuttgart 1989, S. 244–256, bes. S. 245. Siehe hierzu auch Suet. Iul. 24,3; sowie App. Celt. 18,1–4. Vgl. Matthias Gelzer, Caesar als Historiker, in: Ders., Kleine Schriften, Bd. II, hgg. v. Hermann Strasburger u. Christian Meier, Wiesbaden 1963, S. 307–335, hier S. 317 f.; Christian Meier, Caesar, Berlin 1982, S. 288 f.; und Flach, Geschichtsschreibung, S. 103. Zur Datierung siehe Gelzer, Caesar als Historiker, S. 315; Knoche, Caesars commentarii, S. 144; ferner den Forschungsbericht in Gesche, Caesar, S. 78–83; Mensching, Bemerkungen, S. 16; sowie zusammenfassend Michael von Albrecht, Geschichte der römischen Literatur. Von Andronicus bis Boethius, mit Berücksichtigung ihrer Bedeutung für die Neuzeit, Bd. I, Bern 1992, S. 329 f. Flach, Geschichtsschreibung, S. 98; von Albrecht, Römische Literatur I, S. 333. – Zu den römischen Vorstellungen bezüglich eines bellum iustum vgl. etwa Werner Dahl-
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in Caesars Bellum Gallicum treten in diesem Zusammenhang deutlich hervor und bedingen den grundsätzlich tendenziösen Charakter seiner Darstellung.43 Kommen wir nun zu dem zweiten oben angesprochenen Aspekt, den Modalitäten der römisch-germanischen Begegnung. In dem von Caesar verfassten Bericht über sein militärisches Eingreifen in Gallien beziehen die Germanen in erster Linie als traditionelle und überaus gefährliche Gegner des Römischen Reiches Bedeutung. Die Bezugnahme auf die Kimbern und Teutonen44, welche hier erstmals ebenfalls als Germanen klassifiziert werden45, und mit deren Erwähnung Caesar auf die in der Vergangenheit von ihnen ausgegangene massive Bedrohung Roms sowie die infolgedessen immer noch latent vorhandenen Ängste und Befürchtungen anspielt46, führt dies klar vor Augen. Der Grund für diese Art der Darstellung ist naheliegend – er ergibt sich aus den politischen Bedingungen, unter denen die Commentarii entstanden waren. Indem Caesar die Germanen als potentielle Aggressoren herausstellte und ihnen die Verantwortung für den Ausbruch des Krieges in Gallien zuschrieb, konnte er nicht nur sein eigenes Handeln als notwendige und vorausschauende Schutzmaßnahme rechtfertigen, sondern darüber hinaus Ruhm und Anerkennung für die erfolgreiche Verteidigung des Reiches beanspruchen.47 Die Darstellung der Germanen im
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heim, Struktur und Entwicklung des römischen Völkerrechts im dritten und zweiten Jahrhundert v. Chr. (Vestigia 8), München 1968, bes. S. 179 f. So schon Schwarz, Germanische Stammeskunde, S. 9; und beispielsweise Karl Christ, Caesar 100–44 v. Chr., in: Die römischen Kaiser. 55 historische Portraits von Caesar bis Justinian, hg. v. Manfred Clauss, München 1997, S. 13–25, hier S. 24. Caes. Gall. 1,33,3–4. Vgl. etwa Peschel, Sueben, S. 269; Pohl, Germanen, S. 11; oder Janine Fries-Knoblach, Die Kelten – 3000 Jahre europäischer Kultur und Geschichte, Stuttgart 2002, S. 21. Hierzu auch Matthias Gelzer, Caesar. Der Politiker und Staatsmann, Wiesbaden 61960 (1. Aufl. Stuttgart 1921), S. 77; Horst Callies, Zur Vorstellung der Römer von den Cimbern und Teutonen seit dem Ausgang der Republik. Ein Beitrag zur Behandlung außenpolitischer Ideologie in Rom, in: Chiron 1 (1971), S. 341–350, hier S. 347 f.; Friederike Heubner, Das Feindbild in Caesars Bellum Gallicum, in: Klio 56/1 (1974), S. 103–182, hier S. 171–174; Flach, Geschichtsschreibung, S. 103; Trzaska-Richter, Furor teutonicus, S. 126 f. Siehe z. B. Springer, Begriffliche Grundlagen, S. 170 f.; ferner Dobesch, Ausbreitung, S. 86; Ders., Anmerkungen zur Wanderung der mitteleuropäischen Boier, in: Tyche 8 (1993), S. 9–17, hier S. 11; Karl Christ, Caesar und Ariovist, in: Chiron 4 (1974), S. 251–292, hier S. 259; Ders., Caesar und die Geschichte, in: Historische Interpretationen. FS Gerold Walser, hg. v. Marlies Weinmann-Walser (Historia Einzelschriften 100), Stuttgart 1995, S. 9–22, hier S. 21; sowie Thomas Grünewald, Art. Kelten, II. Historisches, in: RGA 16 (2000), S. 372–388, hier S. 383 f.
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Bellum Gallicum muss mithin als in hohem Maße zweckgebunden betrachtet werden – es ist ein Feindbild, welches Caesar hier entwirft.48 Angesichts der offenkundigen politischen Intention und der daraus resultierenden Überzeichnung der von den Germanen ausgehenden Bedrohung, wodurch die Commentarii geradezu in die Nähe der Propaganda geraten49, ist die Frage nach der Glaubwürdigkeit der in diesem Kontext vermittelten Nachrichten über die Germanen aufzuwerfen. Folgt man den Ausführungen von Christine Trzaska-Richter50, die darauf hinweist, dass für die Schilderung der Ereignisse selbst, über die man in Rom ja auch aus an-
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Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen Bernhard Kremers zur Darstellung der Kelten in Caesars Bellum Gallicum: Bernhard Kremer, Das Bild der Kelten bis in augusteische Zeit. Studien zur Instrumentalisierung eines antiken Feindbildes bei griechischen und römischen Autoren (Historia Einzelschriften 88), Stuttgart 1994, bes. S. 258–263. Hier zeigt sich deutlich, dass Caesar das überkommene keltische Feindbild, da wo es propagandistisch notwendig erscheint, durchaus gezielt zu aktivieren und zu nutzen versteht, dessen zentrale Elemente aber insgesamt gesehen weitgehend auf die neu entdeckten Feinde, die Germanen, überträgt. – Zur Lesersuggestion bei Caesar siehe Gerhard Petersmann, Caesar als Historiograph, in: IANUS 11 (1990), S. 2–7, bes. S. 5 f.; Franz Ferdinand Schwarz, Caesar oder der Triumph der Verwirklichung, in: ebda., S. 8–14, bes. S. 11; Hutter, Vestis virum reddit, S. 34; sowie bereits Heubner, Feindbild, S. 153–170; und, bezogen auf die Darstellung Ariovists, Sherwin-White, Racial Prejudice, bes. S. 14–17 (Zitat S. 14): In destroying an officially recognized ally, a rex socius et amicus populi Romani, as Ariovistus was, without formal sanction, Caesar had undoubtedly laid himself open to a charge treason. All the art of one of the most skilful advocates of the day is concentrated on presenting Ariovistus as an impossible person […]; sowie Trzaska-Richter, Furor teutonicus, S. 101; Dies., Das römische Germanenbild und wie man es benutzte, in: Der Altsprachliche Unterricht 36 (1993), S. 37–51, bes. S. 45 f. Vgl. Courtenay Edward Stevens, The Bellum Gallicum as a Work of Propaganda, in: Latomus 11 (1952), S. 3–18 u. S. 165–179; ferner Trzaska-Richter, Furor teutonicus, S. 80. Die von Peter Kehne, Die Eroberung Galliens, die zeitweilige Unterwerfung Germaniens, die Grenzen des Imperium Romanum und seine Beziehungen zu den germanischen gentes im letzten Jahrzehnt der Forschung, in: Germania 75 (1997), S. 265–284, hier S. 276 mit Anm. 56, bezüglich der Arbeit Trzaska-Richters vorgebrachten methodischen Monita sind im Kern durchaus zutreffend. Dennoch wird die von ihm formulierte pauschale Ablehnung der Dissertation nicht gerecht, denn trotz aller Schwächen und Ungeschicklichkeiten wurde ein ertragreiches Feld immerhin abgesteckt und dabei gerade in dem, nach Ausweis von Franz Schön, Rez. zu Christine TrzaskaRichter, Furor teutonicus. Das römische Germanenbild in Politik und Propaganda von den Anfängen bis zum 2. Jahrhundert n. Chr., in: HZ 262 (1996), S. 188 f. (Zitat S. 189), besonders gelungen Abschnitt über Caesar in einer exakten Analyse der Quellen gezeigt […], wie dieser das vorhandene Bild von den Nordvölkern zur Durchsetzung seiner eigenen politischen Ziele benutzte, sich selbst aber in seiner Handlungsweise von Realitätssinn und Pragmatismus leiten ließ.
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derweitigen Quellen unterrichtet gewesen sein dürfte, keine groben Verfälschungen, sondern allenfalls durch die Art der Darstellung bedingte Verzerrungen anzunehmen sind, dann ist „Mißtrauen […] vor allem gegenüber den Bereichen angebracht, in denen Caesar seinen Lesern Beurteilungen, Einschätzungen, Motivationen oder Hintergrundinformationen mitteilt.“51 Es sind demnach in erster Linie die sogenannten Germanenexkurse im ersten, vierten und sechsten Buch des Bellum Gallicum, die vor diesem Hintergrund fragwürdig erscheinen müssen. In der Forschung wird die Beurteilung der caesarischen Nachrichten überaus kontrovers diskutiert.52 Während etwa Gerold Walser und Michel Rambaud die Glaubwürdigkeit derselben grundsätzlich in Zweifel ziehen53, halten Joachim Szidat und J. H. Collins das Bellum Gallicum insgesamt für verlässlich.54 Grundlage der zuletzt genannten Sicht ist die Vorstellung, dass Caesars Kenntnisse über die Germanen insofern herausragend gewesen sein müssten, als sich den Zeitgenossen der Blick auf die germanischen Völker und auf den Raum, in dem jene lebten, überhaupt erst durch sein Ausgreifen eröffnet habe. Hinzu komme, dass Caesar selbst unmittelbar mit Germanen in Berührung gekommen sei, also aus eigener Anschauung berichten konnte, und darüber hinaus noch zusätzlich Informationen von den aufgrund der Nachbarschaft zu den Germanen als gut unterrichtet geltenden Galliern bezogen haben wird.55 Aufgrund seiner umfassenden Bildung sei er befähigt gewesen, seine Beobachtungen „in das System der damaligen wissenschaftlichen Ethnographie einzuordnen“56 und angemessen darzulegen. 51 52
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Trzaska-Richter, Furor teutonicus, S. 81. Vgl. hierzu vor allem die Ausführungen von Will Richter, Caesar als Darsteller seiner Taten. Eine Einführung, Heidelberg 1977, S. 152–164; aber auch Christ, Caesar und die Geschichte, S. 9. Walser, Caesar und die Germanen, S. 37 ff. u. passim; und Rambaud, Déformation, S. 363 f. u. passim. Joachim Szidat, Caesars diplomatische Tätigkeit im Gallischen Krieg (Historia Einzelschriften 14), Wiesbaden 1970, S. 153 f.; sowie John H. Collins, Caesar as Political Propagandist, in: ANRW I/1 (1972), S. 922–966. Vgl. etwa Ernst Schwarz, Germanische Stammeskunde zwischen den Wissenschaften, Konstanz/Stuttgart 1967, S. 8 f.; und Mensching, Bemerkungen, S. 15. Mensching, Bemerkungen, S. 15; vgl. außerdem Dieter Timpe, Die germanische Agrarverfassung nach den Berichten Caesars und Tacitus’. Literarische Zeugnisse als Quellengattung, in: Untersuchungen zur eisenzeitlichen und frühmittelalterlichen Flur in Mitteleuropa und ihrer Nutzung (Bericht über die Kolloquien der Kommission für die Altertumskunde Mittel- und Nordeuropas in den Jahren 1975 und 1976). Teil 1, hgg. v. Heinrich Beck, Dietrich Denecke u. Herbert Jankuhn (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, phil.-hist. Kl., III/115), Göttingen 1979, S. 11–40, wieder abgedruckt in: Ders., Romano – Germanica. Gesammelte Studien zur Germania des Tacitus, Stuttgart/Leipzig 1995, S. 169–201, hier S. 179.
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Vor dem Hintergrund des Krieges freilich dürften sich Caesars persönliche Kontakte zu den Germanen im Wesentlichen auf die Beobachtung der Kampfhandlungen beschränkt haben. Intensivere Berührungspunkte ergaben sich allenfalls beim Empfang von Gesandtschaften, bei Verhandlungen und bei der Befragung von Kriegsgefangenen. Da aber kaum anzunehmen ist, dass Caesar die germanische Sprache beherrscht hat, wird er in all diesen Fällen auf Dolmetscher angewiesen gewesen sein. In germanisches Gebiet selbst ist er im Übrigen lediglich zweimal, und zwar in den Jahren 55 und 53 v. Chr., vorgedrungen57, und bei beiden Gelegenheiten hat er sich dort weder lange aufgehalten noch sich weit vom Rheinufer entfernt.58 Da sich nun anhand der Bodenfunde im Hinblick auf Siedlungsstrukturen, Bauweise, landwirtschaftliche Nutzung sowie die Art der Gebrauchsgegenstände keine gravierenden Unterschiede für die Verhältnisse westlich und östlich des Rheins ergeben59, bleibt zu fragen, was Caesar wohl auf der germanischen Rheinseite hat sehen können, das ihm nicht schon von der gallischen her vertraut gewesen wäre? Auch Gerhard Dobesch, der die ethnographische Leistung Caesars als herausragend würdigt und betont, „daß seine völkerkundlichen Nachrichten meist hervorragenden Wert besitzen“, stellt hinsichtlich der Berichte über Germanien und Britannien fest, dass diese Angaben „teilweise Mißverständnisse, Verallgemeinerungen und Ungenauigkeiten“ zeigen, da Caesar hier „nur zum Teil aus eigenem Wissen schöpfen [konnte] und […] auf Nachrichten vor allem aus gallischem Mund und auf bloße Erkundigungen angewiesen [war].“60 Natürlich ist einzuräumen, dass Caesar durchaus auf qualitativ hochwertige Informationen von professionellen „Spähern“, „Spionen“ oder auch „Scouts“ zurückgreifen konnte. Es gibt gerade im Bellum Gallicum zahlreiche Hinweise darauf, dass solche Informanten regelmäßig eingesetzt wurden und als reguläre Einheiten in die römische Militärorganisation eingebunden waren.61 Zumindest kann davon ausgegangen werden, dass we57 58
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Caes. Gall. 4,16–19 u. 6,9,1–5. Die Dauer des ersten Aufenthaltes in der Germania gibt Caesar selbst mit 18 Tagen an (Caes. Gall. 4,19,4), und die Darstellung der zweiten Rheinüberschreitung legt nahe, dass sich auch der zweite Aufenthalt auf germanischem Territorium in dieser Dimension bewegt haben muss (Caes. Gall. 6,9–10 u. 6,29). Ament, Ethnogenese, S. 249; Anthony King, Roman Gaul and Germany, London 1990, bes. S. 32 u. S. 156; Goodman, Roman World, S. 14. Dobesch, Caesar als Ethnograph, S. 16. Mordechai Gichon, Military Intelligence in the Roman Army, in: Herzig/Frei-Stolba (Hgg.), Labor omnibus unum, S. 154–170, bes. S. 156 u. passim; vgl. ferner Dieter Timpe, Geographische Faktoren und politische Entscheidungen in der Geschichte der Varuszeit, in: Wiegels/Woesler (Hgg.), Arminius und die Varusschlacht, S. 13–27, hier S. 16 f.
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nigstens ein Teil der so – etwa im Rahmen von Militärkampagnen oder auch bei der gewöhnlichen Überwachung der Grenzen – gewonnenen Kenntnisse verschriftlicht und zur Unterrichtung des Senats nach Rom gesandt wurde, wo man diese Nachrichten offenbar gesammelt und archiviert hat.62 Gemessen an den zeitgenössischen Möglichkeiten und unter Berücksichtigung der Einschränkungen, die sich aus den allgemeinen Bedingungen des Verstehens fremder Kulturen ergeben, ist Caesar also in der Tat eine vergleichsweise fundierte Kenntnis jener Verbände, mit denen er im Zuge seiner Amtszeit als Prokonsul der Gallia Narbonensis in Berührung kam, zu unterstellen – wenngleich auch nicht aus den etwa von Szidat und Collins angeführten Gründen. Dass er in seinen Commentarii indes nur wenig davon einfließen lässt, sondern stattdessen wiederholt auf konventionelle Topoi rekurriert, hängt eng mit der durch und durch politischen Intention dieses ganz auf eine bestimmte Wirkung beim Lesepublikum hinzielenden Werkes zusammen.63 Es wird also stets im Einzelfall zu prüfen sein, welches Maß an Glaubwürdigkeit den jeweils herangezogenen Nachrichten zukommt, zumal bereits von dem zeitgenössischen Historiker Asinius Pollio in diesem Punkt Zweifel geltend gemacht wurden.64
3.2 Die „Germania“ des Tacitus Bei der Germania handelt es sich um eine thematisch wie gattungsgeschichtlich einzigartige Erscheinung. Sie ist nicht nur die einzige überlieferte ethnographische Monographie innerhalb der römischen Literatur 65, sondern darüber hinaus auch die mit Abstand ausführlichste Quelle, über welche wir im Hinblick auf die seit Caesar als germanisch bezeichneten Völker62
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So Gerold Walser, Die römische Überlieferung vom staatlichen und kulturellen Zustande der Barbaria, in: Carnuntina. Ergebnisse der Forschung über die Grenzprovinzen des römischen Reiches. Vorträge beim internationalen Kongreß der Altertumsforscher, Carnuntum 1955 (Römische Forschungen in Niederösterreich 3), Graz/ Köln 1956, S. 195–201, hier S. 195 f. Vgl. Petersmann, Caesar als Historiograph, S. 5 f. Suet. Iul. 56: Pollio Asinius parum diligenter parumque integra ueritate compositos putat, cum Caesar pleraque et quae per alios erant gesta temere crediderit et quae per se, uel consulto uel etiam memoria lapsus perperam ediderit; existimatque rescripturum et correcturum fuisse. – Vgl. im weiteren Zusammenhang auch den originellen und nach wie vor lesenswerten Beitrag von Hermann Strasburger, Cäsar im Urteil der Zeitgenossen, in: HZ 175 (1953), S. 225–264. Vgl. Karl Trüdinger, Studien zur Geschichte der griechisch-römischen Ethnographie, Diss. Basel 1918, S. 146–170; Lund, Germania, S. 17; und Klaus E. Müller, Geschichte der antiken Ethnologie, Reinbek bei Hamburg 1997, S. 413.
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schaften verfügen. Kein anderes Werk vermittelt ein derart geschlossenes Bild von den Sitten und Gebräuchen, der Lebensweise und Gesellschaftsstruktur der „Germanen“, aber auch kein anderes wird so kontrovers diskutiert.66 Schwierigkeiten bereitet in diesem Zusammenhang zunächst die literarische Sonderstellung. Selbst wenn, wie gelegentlich angenommen, zur Zeit des Tacitus (~55 bis 120 n. Chr.) noch andere ethnographische Einzelschriften vorgelegen hätten67, die Germania also keine singuläre Erscheinung war, so sind diese heute doch verloren und mit ihnen auch die Vergleichsmöglichkeiten. Wir können demnach weder beurteilen, ob die Germania als Sonderfall aus der zeitgenössischen Literaturproduktion herausragte, noch ob sie, sollte es denn Vorläufer gegeben haben, diesen entsprach. Nachrichten über fremde Völker liegen ansonsten nur im Rahmen ethnographischer Exkurse vor68, die in größere historiographische oder geographische Werke eingebettet dem Leser entweder, wie in Caesars Bellum Gallicum, zusätzliche Hintergrundinformationen vermitteln oder aber die Lektüre abwechslungsreicher gestalten sollten69. Für die Germania kommen aufgrund ihrer Eigenständigkeit diese Funktionen letztlich nicht in Betracht, so dass sich hier aus der Gattungszugehörigkeit keinerlei Anhaltspunkte für die Motivation und die Intention des Autors ergeben. 66
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Hier kann selbstverständlich nur eine Auswahl geboten werden: Georg Wissowa, Die germanische Urgeschichte in Tacitus’ Germania, in: Neue Jahrbücher für das klassische Altertum, Geschichte und deutsche Literatur und für Pädagogik 47 (1921), S. 14–31; Erwin Wolff, Das geschichtliche Verstehen in Tacitus’ Germania, in: Hermes 69 (1934), S. 121–164, wieder abgedruckt in: Tacitus, hg. v. Victor Pöschl (WdF 97), Darmstadt 21986 (1. Aufl. Darmstadt 1969), S. 242–308; Herbert Nesselhauf, Tacitus und Domitian, in: Hermes 80 (1952), S. 222–245, wieder abgedruckt in: Pöschl (Hg.), Tacitus, S. 219–251; Dieter Flach, Die Germania des Tacitus in ihrem literaturgeschichtlichen Zusammenhang, in: Jankuhn/Timpe (Hgg.), Beiträge I, S. 27–58; Ralf Urban, Aufbau und Gedankengang der Germania des Tacitus, in: ebda., S. 80–105; Dieter Timpe, Die Absicht der Germania, in: ebda., S. 106–127; Ders., Zum politischen Charakter der Germanen in der „Germania“ des Tacitus, in: Kneissl/Losemann (Hgg.), Alte Geschichte, S. 502–525. – Ein umfassender Überblick findet sich bei Allan A. Lund, Kritischer Forschungsbericht zur „Germania“ des Tacitus, in: ANRW II/33,3 (1991), S. 1989–2222. Vgl. Trüdinger, Studien, S. 147; Norden, Urgeschichte, S. 28; Jan-Wilhelm Beck, „Germania“ – „Agricola“: Zwei Kapitel zu Tacitus’ zwei kleinen Schriften. Untersuchungen zu ihrer Intention und Datierung sowie zur Entwicklung ihres Verfassers (Spudasmata 68), Hildesheim/Zürich/New York 1998, S. 10; daneben aber auch Flach, Germania, S. 27. Siehe hierzu Lund, Gesamtinterpretation, S. 1859. Tac. ann. 4,33,3: […] nam situs gentium […] retinent ac redintegrant legentium animum […].
Die „Germania“ des Tacitus
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Über Tacitus selbst, sein Leben und seine Person, ist insgesamt wenig bekannt. Da sein Vater allem Anschein nach Procurator der Gallia Belgica war, wird angenommen, dass Tacitus dort geboren wurde (um 55 n. Chr.) und wohl auch den größten Teil seiner Kindheit und Jugend verbracht hat. Nach seinem Militärdienst schlug er mit Zustimmung Vespasians die höhere Verwaltungslaufbahn, den sogenannten cursus honorum, ein, stieg unter Domitian vom Praetor zum Legaten auf und wurde schließlich unter Traian Prokonsul der Asia, womit er eines der höchsten der für einen Senator erreichbaren Ämter bekleidete. Während Tacitus aufgrund seiner rhetorischen Fähigkeiten schon früh einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hatte, trat er schriftstellerisch erst spät hervor.70 98 n. Chr. veröffentlichte er zunächst den Agricola, eine Biographie seines verstorbenen Schwiegervaters, und bald darauf, noch im gleichen Jahr, die Germania.71 Unser Wissen über die Person des Tacitus erschöpft sich in diesen alles in allem doch eher dürftigen Nachrichten. Seine Vorstellungen, Ansichten und Ziele liegen dabei so weitgehend im Dunkeln, dass aus der Biographie letztlich nicht zu ersehen ist, was Tacitus veranlasst haben mochte, gerade über die Germanen zu schreiben, bzw. welche Absichten er mit diesem Werk verband. Auch die Germania selbst bietet hier keine näheren Anhaltspunkte – an keiner Stelle lässt sie einen persönlichen Bezug des Autors zum Thema erkennen. Die Unsicherheit, welche sich aus der nur schwer zu bestimmenden Intention Tacitus’ ergibt, hat für das Verständnis und die Deutung der Germania weitreichende Konsequenzen, denn „[d]ie Frage nach der Motivation der Schrift ist […] kein biographischer Schnörkel, keine Zugabe, die auch ausfallen könnte, sondern um der Sache willen, zur Beurteilung ihrer Aussagen, unerläßlich. Die Germania verlangt – zumindest wenn wir sie lesen und wie wir sie allein lesen können – nach einer Erklärung auch unter dem Aspekt der Absicht und Zweckbestimmung, ohne dessen Einbeziehung ein befriedigendes Verständnis auch der Einzelheiten nicht denkbar ist. […] 70
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Zu den biographischen Daten vgl. Friedrich Leo, Tacitus, in: Pöschl (Hg.), Tacitus, S. 11–25, hier S. 11 f.; Eduard Fraenkel, Tacitus, in: ebda., S. 26–48, hier S. 28; Ronald Syme, Tacitus und seine politische Einstellung, in: ebda., S. 127–157, hier S. 140; Timpe, Die Absicht der Germania, S. 106; von Albrecht, Römische Literatur II, S. 869 ff.; Müller, Ethnologie, S. 412 f.; Mellor (Hg.), Tacitus, S. XVII; und Richard Alston, Aspects of Roman History, ad 14–117, London/New York 1998, S. 3 f. Zum Erscheinungsdatum vgl. Charles-Marie Ternes, Römisches Deutschland. Aspekte seiner Geschichte und Kultur, Stuttgart 1986, S. 119; Lund, Germania, S. 17; Flach, Germania, S. 34; sowie Franz Fischer/Jörg Heiligmann, Bemerkungen zur „Germania“ des Tacitus aus archäologischer Sicht, in: ANRW II/33,3 (1991), S. 2223–2254, hier S. 2227.
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Das Verstehen dessen, was Tacitus mit und in der Germania wollte, berührt die zentralen Fragen ihrer Interpretation und die Bewertung ihrer Aussagen.“72 Die Forschung hat vor diesem Hintergrund ein breites Spektrum unterschiedlichster Deutungsansätze hervorgebracht.73 Doch trotz aller Disparität, was das Verständnis der Germania im Allgemeinen anbelangt, ist zumindest in Teilbereichen so viel Übereinstimmung erkennbar, dass die Frage nach dem Quellenwert auf dieser Grundlage behandelt werden kann. Unstrittig ist, dass Tacitus seine Ethnographie über die Germanen nicht aus wissenschaftlichem Interesse und nicht mit wissenschaftlichem Anspruch verfasst hat. Da die letzten größeren Germanien betreffenden Entdeckungen zur Abfassungszeit der Germania bereits mehr als 90 Jahre zurück lagen, ist kaum anzunehmen, dass Tacitus in erster Linie an der Zusammenfassung und Vermittlung eines erweiterten Kenntnisstandes gelegen war.74 Dafür spricht auch der wenig systematische Umgang mit den Fakten, deren Darstellung offenbar eher unter assoziativen als unter sachlich ordnenden Gesichtspunkten erfolgt ist, sowie der Umstand, dass einige Gegebenheiten, die zu der fraglichen Zeit durchaus bekannt gewesen sein dürften, gar nicht angesprochen werden.75 Gerade in diesem Zusammen72 73
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Timpe, Die Absicht der Germania, S. 107. Vgl. hierzu auch die pointierte Zusammenfassung von Jan-Wilhelm Beck, Nec impune C. Marius …: Zu Tacitus’ Sicht der römischen Erfolge gegen die Germanen im 37. Kapitel seiner „Germania“, in: Philologus 139 (1995), S. 97–132, hier S. 97 f.; sowie die Übersicht bei Rainer Wiegels, Zur deutenden Absicht von Tacitus: Germania, in: Aspekte römisch-germanischer Beziehungen in der frühen Kaiserzeit. Vortragsreihe der Sonderausstellung „Kalkriese – Römer im Osnabrücker Land“ 1993 in Osnabrück, hg. v. Georgia Franzius (Quellen und Schrifttum zur Kulturgeschichte des Wiehengebirgsraumes, Reihe B 1 = Schriftenreihe Kulturregion Osnabrück 6), Espelkamp 1995, S. 155–175, hier S. 161–169. – Ein grundlegend anderes Verständnis findet sich bei Ellen O’Gorman, die – auf Aspekte der alten „Sittenspiegeltheorie“ zurückgreifend – die Germania als rein literarischen Text verstanden wissen will, welcher im Wesentlichen der römischen Selbstvergewisserung diente; vgl. Ellen O’Gorman, No Place like Rome: Identity and Difference in the Germania of Tacitus, in: Ramus 22 (1993), S. 135–154. Vgl. insbesondere Flach, Germania, S. 29; sowie Ders., Der taciteische Zugang zu der Welt der Germanen, in: Wiegels/Woesler (Hgg.), Arminius und die Varusschlacht, S. 143–166, hier S. 145; daneben aber auch Gerhard Perl, Die gesellschaftliche Terminologie in Tacitus’ Germania, in: Rom und Germanien, S. 56–66, hier S. 56; Timpe, Die Absicht der Germania, S. 117 u. S. 121; sowie Ders., Die Landesnatur der Germania nach Tacitus, in: Neumann/Seemann (Hgg.), Beiträge II, S. 258–277, bes. S. 277. Sehr deutlich herausgestellt schon bei Alfons Dopsch, Vom Altertum zum Mittelalter. Das Kontinuitätsproblem, in: AKG 16 (1926), S. 159–182, wieder abgedruckt in: Kulturbruch und Kulturkontinuität im Übergang von der Antike zum Mittelalter, hg. v. Paul Egon Hübinger (WdF 201), Darmstadt 1968, S. 78–103, hier S. 81; vgl. fer-
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hang zeigt sich deutlich, dass Tacitus keine umfassende ethnographische Beschreibung der Germanen auf wissenschaftlichem Niveau angestrebt hat, sondern es ihm vielmehr darum ging, durch gezielte Pointierung bestimmte Aspekte der germanischen Gesellschaft hervorzuheben, wobei er sich, wenngleich mit unterschiedlicher Intensität, auch an der älteren Literatur orientiert hat. Zu nennen ist hier neben den uns nur fragmentarisch überlieferten Werken von Plinius d. Ä. und Livius vor allem das Bellum Gallicum Caesars76, den Tacitus ausdrücklich als Gewährsmann angibt77. Ein weiterer Aspekt, über den in der Forschung im Wesentlichen Konsens herrscht, betrifft die Zeitgebundenheit der taciteischen Germanendarstellung. Hiernach ist davon auszugehen, dass die persönlichen Erfahrungen Tacitus’ sowie die zeitgeschichtlichen Bedingungen seines Erlebens in irgendeiner Form in sein literarisches Werk mit eingeflossen sind. Während die Germania in diesem Zusammenhang wenig Rückschlüsse zulässt, kann über die anderen taciteischen Schriften doch so etwas wie eine weltanschaulich-politische Grundeinstellung erschlossen werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Abfassung der Germania mehr oder minder beeinflusst haben dürfte. Als wichtigstes Element dieser Grundeinstellung gilt die kritische bis ablehnende Haltung des Tacitus gegenüber dem Prinzipat78, wobei freilich der konkrete Bezug zur Germania dann wieder sehr unterschiedlich interpretiert wird.79
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ner Timpe, Zum politischen Charakter, bes. S. 505 f. u. S. 509 ff.; sowie Ders., Die Absicht der Germania, S. 119; Städele, „Germania“-Interpretationen, S. 117; Beck, „Germania“ – „Agricola“, S. 17 f.; Todd, Germanen, S. 13 f.; anders hingegen Reinhard Wolters, Eine Anspielung auf Agricola im Eingangskapitel der Germania? Zur tagespolitischen Aktualität der taciteischen Schrift über die Germanen, in: Rheinisches Museum für Philologie N.F. 137 (1994), S. 77–95, hier S. 82 f., der den vielfach erhobenen „Vorwurf“, Tacitus habe auf der Basis eines durchweg veralteten Informationsstandes operiert, relativiert sehen will. – Zur assoziativen Struktur siehe Günther Wille, Der Aufbau der Werke des Tacitus (Heuremata 9), Amsterdam 1983, S. 66 u. passim, dessen Analyse allerdings insgesamt oberflächlich bleibt. Siehe auch Norden, Urgeschichte, S. 414; Much, Germania, S. 29 f.; Krogmann, Kultur, S. 3; Flach, Germania, S. 43 u. S. 45 ff.; Lund, Germania, S. 52 ff.; ferner Urban, Aufbau und Gedankengang, S. 81; ferner Jos Bazelmans, Conceptualising Early German Political Structure: A Review of the Use of the Concept of Gefolgschaft, in: Images of the Past. Studies on Ancient Societies in North-western Europe, hgg. v. Nico Roymans u. Frans Theuws (Studies in Pre- en Protohistorie 7), Amsterdam 1991, S. 91–129, hier S. 95. Tac. Germ. 28,1. Grundsätzlich hierzu C. J. Classen, Tacitus. Historian between Republic and Principate, in: Mnemosyne 41 (1988), S. 93–116. Vgl. Joseph Vogt, Tacitus und die Unparteilichkeit des Historikers, in: Pöschl (Hg.), Tacitus, S. 49–69, hier S. 62; Einar Löfstedt, Über den Stil bei Tacitus, in: ebda., S. 70–84,
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Der Quellenwert der taciteischen Germanendarstellung ist angesichts der zahlreichen Unsicherheiten, die sich gerade mit diesem Werk verbinden, schwer zu bestimmen. Am wenigsten problematisch sind dabei noch jene Nachrichten, welche nachweislich auf ältere Quellen zurückgehen. Woher nun Tacitus seine Informationen im Einzelnen bezogen hat, ist nicht mit letzter Sicherheit zu ermitteln. Zu vermuten ist lediglich, dass sie nicht auf eigener Anschauung beruhen, da er germanisches Gebiet wohl nie betreten hat.80 Anders als noch bei Caesar ist allerdings in diesem Fall durchaus mit gut unterrichteten Gewährsleuten auch in Rom zu rechnen, hatten doch die römisch-germanischen Beziehungen zur Abfassungszeit der Germania schon nahezu 150 Jahre Bestand und, was häufig nicht genügend berücksichtigt wird, in vielen Bereichen bereits den Charakter des Alltäglichen.81 Neben in Triumphzügen mitgeführten germanischen Gefangenen und gelegentlichen Besuchen germanischer Gesandtschaften, werden es vor allem die in römischen Diensten stehenden germanischen Auxiliareinheiten gewesen sein, welche zu einer Normalisierung der Beziehungen und zu einer Erweiterung der Kenntnisse beigetragen haben. Germanen leisteten dabei nicht nur in untergeordneten Rängen Dienst im römischen Heer, sie konnten durchaus in Führungspositionen aufsteigen und sogar das römische Bürgerrecht erlangen.82 Immer mehr Söhne germanischer
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hier S. 76; Nesselhauf, Tacitus und Domitian, S. 248; Victor Pöschl, Der Historiker Tacitus, in: Ders. (Hg.), Tacitus, S. 111–126, hier S. 116; Ternes, Römisches Deutschland, S. 119f.; Timpe, Zum politischen Charakter, S. 523f.; Ders., Die Absicht der Germania, S. 123 ff.; Bazelmans, Political Structure, S. 102 f. – Gegen eine prinzipatskritische Haltung des Tacitus sowie eine „tagespolitische“ Intention der Germania äußern sich Walser, Rom, S. 17, der die bei Tacitus verschiedentlich zu beobachtende Idealisierung der republikanischen Zeit als rein literarische bzw. rhetorische Stellungnahme akademischen Charakters bewertet, die auf das politische Handeln selbst keinen Einfluss gehabt habe; und Flach, Geschichtsschreibung, S. 198 u. S. 201–204. Vgl. etwa Flach, Germania, S. 57; Lund, Gesamtinterpretation, S. 1863; und Müller, Ethnologie, S. 413; dagegen, allerdings ohne echte Argumente beizubringen, Benario, Tacitus’ Germania, S. 164: There is no direct evidence that Tacitus ever saw Germany himself, but I think it by no means unlikely that he had seen the land and perhaps even commanded a legion there. Siehe hierzu auch Allan A. Lund, Zur Schilderung der germanischen Gesellschaft bei Caesar und Tacitus, in: Classica et Mediaevalia 36 (1985), S. 177–197, hier S. 177 f. Vgl. z. B. Konrad Kraft, Zur Rekrutierung der Alen und Kohorten an Rhein und Donau (Dissertationes Bernensis I,3), Bern 1951; aber auch Heinz Bellen, Die germanische Leibwache der römischen Kaiser des julisch-claudischen Hauses (Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Kl., Jg. 1981, Nr. 1), Wiesbaden 1981, S. 14 (Zitat) u. passim: Seit Caesar gehörten germanische Truppenkörper, insbesondere Reiterschwadronen, zum festen Bestand römischer Heere.
Die „Germania“ des Tacitus
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nobiles wurden in Rom erzogen und ausgebildet, wodurch sich nicht nur verbesserte Verständigungsmöglichkeiten, sondern auch Kontakte zur römischen Oberschicht ergeben haben werden.83 Und nicht zu vergessen sind schließlich die in der Germania Handel treibenden Geschäftsleute, deren Beobachtungen wohl ebenfalls den allgemeinen Kenntnisstand bereichert haben dürften.84 Wie intensiv Tacitus dieses doch recht beachtliche Informationspotential ausgeschöpft hat, ist allerdings kaum sicher zu bestimmen.85 Während seine geographischen Ausführungen allem Anschein nach zumeist an den noch sehr ungenauen Nachrichten Caesars orientiert sind und damit hinter den zeitgenössischen Möglichkeiten zurückbleiben, ist er in der Darstellung archäologisch nachweisbarer Realien mitunter erstaunlich präzise.86
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Siehe etwa Bazelmans, Political Structure, S. 95. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Timpe, Zum politischen Charakter, S. 514 f., mit Quellenangaben; Reinhard Wolters, Römische Funde in der Germania magna und das Problem römisch-germanischer Handelsbeziehungen in der Zeit des Prinzipats, in: Franzius (Hg.), Aspekte, S. 99–117; sowie Todd, Germanen, S. 12 f. – Ulla Lund Hansen, Römischer Import im Norden. Warenaustausch zwischen dem Römischen Reich und dem freien Germanien während der Kaiserzeit unter besonderer Berücksichtigung Nordeuropas (Nordiske Fortidsminder, Serie B, Bd. 10), København 1987, S. 218, S. 220 u. S. 242 (Zitat), lehnt freilich die Vorstellung ab, dass es in der älteren Kaiserzeit in Germanien einen von römischen Kaufleuten geführten Handel gegeben habe. Dies sei lediglich für die grenznahen Gebiete anzunehmen. Siehe vor allem Flach, Der taciteische Zugang, S. 145 ff., der darauf hinweist, dass Tacitus vor allem in den Bereichen einen aktuellen Stand bietet, über die er als aufmerksamer Beobachter des Zeitgeschehens selbstverständlich informiert war, in jenen Bereichen jedoch, bei denen es einiger gezielter Nachforschungen bedurft hätte, um wirklich zeitgemäße Informationen zu präsentieren, mitunter veraltete Auskünfte gibt. Vgl. Herbert Jankuhn, Die Glaubwürdigkeit des Tacitus in seiner „Germania“ im Spiegel archäologischer Beobachtungen, in: Politik und literarische Kunst im Werk des Tacitus, hg. v. Gerhard Radke, Stuttgart 1971, S. 142–151, hier S. 151. Allerdings werden die konkreten Aussagemöglichkeiten der Germania auch für die Archäologie inzwischen eher skeptisch beurteilt, siehe etwa Wiegels, Absicht, S. 163.
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Die frühen Germanen im Spiegel der Schriftquellen
Die Nachrichten bei Caesar
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4. „Rex vel princeps …“ – Zur germanischen Herrschaftsorganisation nach Caesar und Tacitus Angesichts der in den vorangegangenen Kapiteln erläuterten Zusammenhänge ist die Aussagekraft der Quellen, was die Darstellung der germanischen Verhältnisse anbelangt, doch sehr begrenzt. Während Gegenständliches anhand von Beschreibung und Vergleich noch einigermaßen zutreffend dargestellt werden kann1, führt das Prinzip der interpretatio Romana bei eher abstrakten Phänomenen, also da, wo es – wie bei der Frage nach der Herrschaftsorganisation – um das Erfassen komplexer Sinn- und Wirkungszusammenhänge geht, naturgemäß zu stärkeren Verzeichnungen. Mit Blick auf die eingangs formulierte Fragestellung ist daher im Folgenden zu prüfen, wie die Nachrichten über die „germanische“ Gesellschaftsstruktur vor diesem Hintergrund zu bewerten sind bzw. was genau sie über das Königtum bei den germanischsprachigen gentes aussagen.
4.1 Die Nachrichten bei Caesar2 Die einzige Stelle, an welcher sich Caesar über die Art der germanischen Herrschaftsorganisation äußert, findet sich im Rahmen des Germanenexkurses im sechsten Buch des Bellum Gallicum. Dort heißt es: (4) cum bellum civitas aut inlatum defendit aut infert, magistratus, qui ei bello praesint et vitae necisque habeant potestatem, deliguntur. (5) in pace nullus est communis magistratus, sed principes regionum atque pagorum inter suos ius dicunt controversiasque minuunt.
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Vgl. in diesem Sinne die Ausführungen von Jankuhn, Glaubwürdigkeit, S. 150. Die im Folgenden angeführten Zusammenhänge wurden in komprimierter Form bereits an anderer Stelle publiziert (siehe Dick, Grundlagen). Da sie indes für die hier zu bearbeitende Fragestellung wesentlich sind, erschien es sinnvoll, sich nicht nur auf ein Referat der Ergebnisse zu beschränken, sondern die seinerzeit angestellten Überlegungen weiter auszuarbeiten und in dieser erweiterten Fassung noch einmal in Gänze auszubreiten.
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„Rex vel princeps …“
„(4) Wenn ein Stamm einen Verteidigungs- oder Angriffskrieg führt, werden Amtsträger gewählt, die in diesem Krieg die Führung innehaben und die Gewalt über Leben und Tod besitzen. (5) Im Frieden gibt es (dagegen) keine gemeinsamen Amtsträger, sondern die principes der Regionen und Gaue sprechen unter ihren Leuten Recht und legen Streitigkeiten bei.“3
Aus eigener Anschauung wird Caesar diese Informationen schwerlich bezogen haben, vielmehr ist anzunehmen, dass sie auf Auskünfte germanischer Gefangener oder gallischer Informanten zurückgehen, wobei in beiden Fällen ein vergleichsweise hohes Maß an Authentizität angenommen werden kann. Bedeutsam sind diese Ausführungen nun vor allem insofern, als Caesar zwei Arten von Herrschaftsträgern, magistratus und principes, unterscheidet. Eine zentrale Gewalt mit übergeordneten und umfassenden Befugnissen war nach dieser Darstellung nur für den Kriegsfall vorgesehen, stellte also eine Ausnahmesituation dar und wurde zudem auf mehrere Amtsträger verteilt, während die Regelung des alltäglichen Zusammenlebens sogenannten principes oblag, die aus einer offenbar herausgehobenen Stellung zumindest in kleinräumigen Zusammenhängen Autorität bezogen. Obschon aus den Ausführungen Caesars nicht hervorgeht, welcher Art die Position jener principes war, bzw. wodurch sie begründet wurde, haben sich für den römischen Leser durchaus bestimmte Vorstellungen mit diesem Begriff verbunden. In seiner Ursprungsbedeutung bezeichnet das Wort princeps ganz allgemein zunächst den Ersten, den Vornehmsten und in diesem Sinne auch den Inhaber einer führenden Position. Im Hinblick auf die spezifisch römischen Verhältnisse ist dann im Sprachgebrauch der spätrepublikanischen Zeit insofern eine gewisse Bedeutungsverengung erkennbar, als man unter principes nunmehr vorrangig Personen adliger Herkunft verstand, die sich durch hervorragende Leistungen bzw. die Ausübung des Konsulats um die res publica verdient gemacht hatten und infolgedessen über großes Ansehen und besonderen Einfluss verfügten.4 Der Begriff princeps hatte jedoch keine im engeren Sinne staatsrechtliche Bedeutung, sondern bezeichnete in erster Linie eine herausgehobene soziale Stellung, die sich mit gewissen gesell3
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Caes. Gall. 6,23,4–5; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 75. – In Fällen, bei denen sich die Übersetzung einzelner Begriffe als problematisch oder strittig erweist, wird diese im Folgenden jeweils durch die dann kursiv gesetzte lateinische Bezeichnung ersetzt. Eigene Übersetzungen werden durch eckige Klammern ausgewiesen. Vgl. auch Lothar Wickert, Art. Princeps, in: RE (1954), Sp. 1998–2296, hier Sp. 2029 ff.; J. Hellegouarc’h, Le vocabulaire latin des relations et des partis politiques sous la république (Collection d’Ètudes Anciennes), Paris 21972 (1. Aufl. Paris 1963), S. 329 f. u. S. 339; sowie Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 22.
Die Nachrichten bei Caesar
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schaftlichen und politischen Führungsfunktionen verband. Aufgrund dieses eher allgemeinen Charakters konnte er daher problemlos auch auf die Staatsmänner und Anführer fremder Völker übertragen werden.5 Die Unbestimmtheit des römischen princeps-Begriffs lässt nur wenig Rückschlüsse auf die Natur der „germanischen“ Anführerschaft zu. Ein Hinweis ergibt sich möglicherweise aus seiner sozialen Komponente, welche nahe legt, dass die herausragende Stellung der germanischen principes auf einem besonderen Ansehen beruhte, welches nach römischer Auffassung – gemäß den Verhältnissen innerhalb der römischen Gesellschaft – durch Herkunft und Besitz begründet war.6 Die grundsätzliche Existenz von Rangunterschieden bereits in der Zeit vor Christi Geburt ist durchaus wahrscheinlich. Dafür spricht nicht zuletzt das Vorkommen reicher Waffengräber, wie man sie etwa auf den Gräberfeldern in Groß Romstedt und Rondsen gefunden hat.7 Inwieweit indes schon von einer ausgeprägten und stabilen sozialen Schichtung ausgegangen werden kann, ist jedoch fraglich8 – die archäologische Befundlage insgesamt spricht eher dagegen.9 Caesar differenziert nun sehr deutlich zwischen magistratus und principes, von Königen aber ist in diesem Kontext nicht die Rede, obgleich er an anderer Stelle Ariovist ausdrücklich als rex Germanorum ausweist.10 Was zunächst eigenartig widersprüchlich wirkt, erhellt bei genauerer Betrachtung der fraglichen Textpassagen. Im Bellum Gallicum wird Ariovist überhaupt nur dreimal mit dem Begriff rex in Verbindung gebracht: Bei seiner ersten Erwähnung wird er in der stilisierten Rede des Häduers Diviciacus, in welcher dieser die krisenhafte Situation in Gallien erläutert und gemeinsam 5 6 7
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Vgl. Wickert, Art. Princeps, Sp. 2004 ff.; ferner Castritius, Art. Princeps, S. 454. Vgl. u. a. Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 25. Vgl. hierzu Rolf Hachmann, Zur Gesellschaftsordnung der Germanen in der Zeit um Christi Geburt, in: Archaeologia Geographica 5 (1956), S. 7–24, hier S. 16 f.; skeptisch in der Beurteilung von Waffengräbern als Ausweis sozialer Gliederung freilich Heiko Steuer, Frühgeschichtliche Sozialstrukturen in Mitteleuropa. Eine Analyse der Auswertungsmethoden des archäologischen Quellenmaterials (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, phil.-hist. Kl., 3. Folge, Nr. 128), Göttingen 1982, S. 238 f., der zeigt, dass die Art der Waffenbeigabe auch vom Alter des Bestatteten abhängig sein dürfte. Vgl. in diesem Zusammenhang etwa den Beitrag von Heinrich Dannenbauer, Adel, Burg und Herrschaft bei den Germanen. Grundlagen der deutschen Verfassungsentwicklung, in: HJb 61 (1941), S. 1–50, wieder abgedruckt in: Kämpf (Hg.), Herrschaft und Staat, S. 66–134; sowie des Weiteren Herbert Jankuhn, Siedlung, Wirtschaft und Gesellschaftsordnung der germanischen Stämme in der Zeit der römischen Angriffskriege, in: ANRW II/5,1 (1976), S. 65–126, hier S. 110–122; Fischer/Heiligmann, Bemerkungen, S. 2243 f.; und Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 25. Vgl. Kap. 5.1.2. Vgl. Caes. Gall. 1,31,10.
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„Rex vel princeps …“
mit den anderen gallischen principes civitatum Caesars Hilfe erfleht, als „rex Germanorum“11 charakterisiert. In den beiden anderen Fällen begegnet Ariovist als „rex atque amicus“ des römischen Volkes: (1) His responsis ad Caesarem relatis iterum ad eum Caesar legatos cum his mandatis mittit: (2) quoniam tanto suo populique Romani beneficio affectus, cum in consulatu suo rex atque amicus a senatu appellatus esset, hanc sibi populoque Romano gratiam referret, ut in conloquium venire invitatus gravaretur neque de communi re di < s> cendum sibi et cognoscendum putaret, haec esse, quae ab eo postularet: […]. „(1) Als man Caesar diese Antwort überbrachte, schickte er noch einmal Gesandte mit folgenden Aufträgen an (Ariovist): (2) Da er trotz der zuteilgewordenen Auszeichnung durch ihn und das römische Volk, als er unter seinem Konsulat vom Senat ‚König und Freund‘ genannt worden sei, ihm und dem römischen Volk nun diesen Dank abstatte, daß er es als lästig empfinde, auf seine Einladung hin zu einer Unterredung zu kommen und auch nicht glaube, mit ihm über die gemeinsamen Interessen sprechen und sich unterrichten zu müssen, fordere er nun folgendes von ihm: […].“12 (4) ubi eo ventum est, Caesar initio orationis sua senatusque in eum beneficia commemoravit, quod rex appellatus esset a senatu, quod amicus, quod munera amplissime missa; quam rem et paucis contigisse et a Romanis pro maximis hominum officiis consuesse tribui docebat; (5) illum, cum neque aditum neque causam postulandi iustam haberet, beneficio ac liberalitate sua ac senatus ea praemia consecutum. „(4) Sobald man dort ankam, erinnerte Caesar zu Beginn seiner Rede an die Gunsterweise durch ihn und den Senat jenem gegenüber, daß dieser vom Senat als König und Freund tituliert worden sei und man ihm reichlichst Geschenke übersandt habe; er machte ihm klar, daß das nur wenigen zuteil geworden sei und gewöhnlich nur für große Dienste der Menschen vergeben werde; (5) (Ariovist) aber habe diese Auszeichnungen dank der Begünstigung durch den Senat erhalten, obwohl er weder eine Veranlassung noch einen gerechten Grund hatte, sie zu fordern.“13
Die Bezeichnung rex begegnet hier in erster Linie als ein vom römischen Senat verliehener Ehrentitel, der über die Stellung Ariovists innerhalb der germanischen Gesellschaft nur indirekt Aufschluss gibt, und zwar insofern, als Ariovist in irgendeiner Form berechtigt gewesen sein muss, die Interessen einer bestimmten Gruppe von „Germanen“ gegenüber den Römern zu vertreten.14 Die Aufnahme Ariovists in die formula amicorum im Jahre 59
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Caes. Gall. 1,31,10. Caes. Gall. 1,35,1–2; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 285. Caes. Gall. 1,43,4–5; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 293. Dazu passt auch die Einschätzung von Horst Callies, Art. Ariovist, in: RGA 1 (1973), S. 407 f., der zudem betont, dass Caesar ganz offensichtlich ein ausgeprägtes Interesse daran gehabt habe, die Stellung A[riovist]s als besonders bedeutsam erscheinen zu lassen (S. 407).
Die Nachrichten bei Caesar
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v. Chr. war dabei nicht, wie Caesar suggeriert, aus reinem Wohlwollen erfolgt, sondern gemäß der Darstellung Appians im Kontext folgender Ereignisse: „Ariovist, König der Germanen jenseits des Rheins15, ging noch vor Caesars Ankunft (in Gallien) auf das andere Ufer über und bekämpfte die Häduer, die ‚Freunde der Römer‘ waren. Er zog sich aber aus dem Gebiet der Häduer zurück, indem er einer entsprechenden Aufforderung der Römer Folge leistete, und wünschte, ‚Freund der Römer‘ zu werden. Dies wurde ihm im Konsulat Caesars, der selbst den Antrag stellte, gestattet.“16
Vor dem Hintergrund der im sechsten Buch des Bellum Gallicum befindlichen Erläuterung der germanischen Herrschaftsorganisation dürfte Ariovist die Funktion eines der für Kriegszeiten gewählten Amtsträgers innegehabt und aus dieser Position auch die Legitimation für Verhandlungen mit Vertretern Roms bezogen haben.17 Ein auf „germanischem Recht“ beruhendes eigenständiges Königtum ist hier nicht erkennbar, vielmehr geht der rexTitel des Ariovist, wie schon die Formulierung bei Cassius Dio nahe legt, der über Ariovist berichtet: „[…] er hatte die Bestätigung seiner Königswürde von den Römern erhalten und war gerade von Caesar in seinem Konsulatsjahr unter ihre Freunde und Bundesgenossen eingeschrieben worden“18, aus-
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Appian schrieb seine Celtica vermutlich in der zweiten Hälfte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts, so dass die Bezeichnung Ariovists als basileus auf eine ex-postPerspektive zurückzuführen ist. App. Celt. fr. 16; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 305. – Die Anerkennung Ariovists als rex atque amicus durch den römischen Senat erwähnen auch Plut. Caes. 19 u. Dio 38,34,3, der sogar ausdrücklich festhält, dass Ariovist die Bestätigung seines „Königtums“ von den Römern erhalten habe. – Vgl. zu den Ereignissen in Rom vor allem Christ, Caesar und Ariovist; ferner Peschel, Sueben, S. 276, der in diesem Zusammenhang die berechtigte Frage aufwirft, ob dieser Auszeichnung wirklich eine entsprechende Machtfülle zugrunde lag. Vgl. auch die Darstellung der Ereignisse bei Karl Ferdinand Werner, Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000, München 21995 (mit bibliogr. Ergänzungen zur 1. Aufl. Stuttgart 1989; frz. Ausgabe: Les Origines (avant l’an mil), Paris 1984), S. 182 ff. Dio 38,34,3; Übers. nach Renate Johne/Klaus-Peter Johne, in: Griechische und lateinische Quellen zur Frühgeschichte Mitteleuropas bis zur Mitte des 1. Jahrtausends u. Z., hg. v. Joachim Herrmann, Teil 3: Von Tacitus bis Ausonius (2. bis 4. Jh. u. Z.) (Schriften und Quellen der Alten Welt 37,3), Berlin 1991, S. 267–335, hier S. 271. – Dass Cassius Dio Ariovist den Kelten zurechnet, ist nicht weiter ungewöhnlich, da die Mehrzahl der griechischen Autoren die von Caesar eingeführte Differenzierung zwischen Germanen und Kelten nicht übernommen hat. Otto Veh etwa „übersetzt“ dennoch an dieser Stelle Keltoi mit „Germanen“, vgl. Cassius Dio, Römische Geschichte, Bd. II, übers. v. Otto Veh (Die Bibliothek der Alten Welt, Griechische Reihe), München/Zürich 1985, S. 137.
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schließlich auf jene römische Auszeichnung zurück und erweist sich damit als Bestandteil des völkerrechtlichen Instrumentariums, auf dessen Grundlage das Imperium Romanum seine außenpolitischen Beziehungen gestaltete.19 Auf Ariovist werden daneben noch zwei weitere, auf den Historiker Cornelius Nepos zurückgehende Nachrichten bei Plinius dem Älteren20 und Pomponius Mela21 bezogen, in denen davon berichtet wird, dass Quintus Metellus Celer als römischer Statthalter in Gallien von einem rex Sueborum22 einige Inder als Geschenk erhalten habe. Cornelius Nepos (~100 bis 25 v. Chr.) war nun ein Zeitgenosse Caesars und hat die fraglichen Ereignisse gleichsam als „Zeitzeuge“ wahrgenommen.23 Bemerkenswert ist dabei, dass die Erwähnung eines rex Sueborum gerade in jenem Zeitraum begegnet, in dem Ariovist der rex atque amicus populi Romani-Titel verliehen wurde, was zum einen darauf hindeutet, dass er vor dem Ausbruch des gallischen Krieges in Rom lediglich als Anführer der Sueben, als der er auch den rö19
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Vgl. hierzu bereits Carl Erdmann, Forschungen zur politischen Ideenwelt des Frühmittelalters. Aus dem Nachlass hg. v. Friedrich Baethgen, Berlin 1951, bes. S. 13; Szidat, Caesars diplomatische Tätigkeit, S. 40 f., S. 45 f. u. S. 126 f.; sowie vor allem Dieter Timpe, Rechtsformen der römischen Außenpolitik bei Caesar, in: Chiron 2 (1972), S. 277–295. Im Übrigen hat bereits Gerhard Dobesch herausgestellt, dass man hinsichtlich der Verleihung des rex atque amicus-Titels in Verbindung mit den bei dieser Gelegenheit von Seiten Roms überreichten hochrangigen Geschenken von einer echten Verleihung des Königstitels ausgehen müsse, betrachtet aber gerade den Fall des Ariovist als Ausnahme, wobei indes die hierfür indirekt angeführte Begründung fehlender Abhängigkeit von Rom zu vage bleibt, als dass sie zu überzeugen vermöchte, vgl. Dobesch, Kelten in Österreich, S. 145 f. – Zur Bedeutung der formula amicorum für die römische Außenpolitik vgl. insbesondere den grundlegenden Beitrag von Dietmar Kienast, Entstehung und Aufbau des römischen Reiches, in: ZRG/RA 85 (1968), S. 330–367, bes. S. 335–338, S. 341 u. S. 348–352; zur amicitia vgl. des Weiteren Verena Epp, Amicitia. Zur Geschichte personaler, sozialer, politischer und geistlicher Beziehungen im frühen Mittelalter (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 4), Stuttgart 1999, S. 7–16 u. bes. S. 13, mit einem knappen Überblick über die Begriffsgeschichte. Plin. nat. 2,170. Mela 3,5,45. Bei Pomponius Mela heißt es – vermutlich aufgrund einer Verschreibung – rex Botorum. Die genaue Datierung ist freilich etwas unsicher. Während Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 102 Anm. 19 u. S. 105 Anm. 25, aufgrund der Amtszeit des Quintus Metellus Celer die Jahre 62 oder 61 v. Chr. wahrscheinlich machen, gibt Lund, Erfindung, S. 14, ohne nähere Begründung das Jahr 59 v. Chr. an. Vgl. zur Datierung auch Ludwig Schmidt, Die Westgermanen, München 1970 (ND der Ausgabe: Geschichte der deutschen Stämme bis zum Ausgang der Völkerwanderung. Die Westgermanen. Teil 1 (München 21938) und Teil 2 (München 1940)), S. 135 f. Anm. 5.
Die Nachrichten bei Caesar
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mischen Ehrentitel erhalten hatte, bekannt war und eben nicht als Anführer von „Germanen“. Zum anderen zeigt sich auch hier der enge Zusammenhang zwischen der Verwendung der Königsbezeichnung für „germanische“ Anführer und der Verleihung des rex-Titels durch den römischen Senat. Nur am Rande sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass Ariovist als vermeintlich erster bezeugter „germanischer König“ gerade hinsichtlich seiner ethnischen Zuordnung nicht ganz unproblematisch ist. So hat Helmut Birkhan ihn treffend als eine „zwischen den Kulturen“ stehende Persönlichkeit charakterisiert: Mit einem keltischen Namen ausgestattet, keltisch sprechend und – neben einer Ehe mit einer Suebin – mit einer keltischen Frau vermählt24, wird sein „Germanentum“ vor allem mit seiner Herkunft aus dem rechtsrheinischen Gebiet und seiner Anführerschaft über die Sueben begründet. Ob ersteres freilich, angesichts der Feststellung, dass dort ebenfalls Kelten lebten und zudem mit ausgedehnten, durch keltisch-germanische Mischkultur geprägten Räumen zu rechnen ist, genügt, um ihn als „Germanen“ auszuweisen, sei dahingestellt. Auch die Zuordnung zu den Sueben erscheint, eingedenk der großen Unsicherheiten, die sich mit diesem Begriff nach wie vor verbinden25, nicht übermäßig aussagekräftig. Ohne diesen Aspekt weiter vertiefen zu wollen, ließen sich mithin auch von dieser Seite her begründete Zweifel an einem sich auf die hier behandelten Nachrichten stützenden Nachweis für ein autochthon „germanisches“ Königtum geltend machen. Die von Caesar in seinem Bellum Gallicum konturierten Strukturen germanischer Herrschaftsorganisation deuten letztlich auf ein von archaischen Staatsformen noch weit entferntes gesellschaftliches Organisationssystem hin, wie es auch in anderen Kulturen als frühes Stadium der Entwicklung vielfach bezeugt ist.26 Aus sozioanthropologischer Perspektive ist hier mit kleinräumigen Lineage- oder Klanstrukturen zu rechnen, deren Vorsteher – vielleicht auch Älteste – ihre Position aufgrund von sozialem, eventuell auch wirtschaftlich begründetem Rang innehatten und als Vertreter und Vermittler nach außen fungierten. Nur in Ausnahme- oder Krisensituationen kam es gelegentlich zu zeitlich begrenzten Bildungen größerer Einheiten im Sinne von Zweckverbünden, wobei dann für die Dauer der Bedrohung Anführer mit umfassenden Befugnissen bestimmt wurden. Aufgrund
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Siehe beispielsweise Helmut Birkhan, Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur, Wien 1997, S. 192; Demandt, Kelten, S. 66; Pohl, Germanen, S. 12 f.; Krause, Geschichte der Germanen, S. 22. Siehe o. S. 40 Anm. 56. Vgl. hierzu insbesondere die Ausführungen von Stefan Breuer, Der archaische Staat. Zur Soziologie charismatischer Herrschaft, Berlin 1990.
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der zahlreichen Parallelen, die sich für die hier geschilderten Zustände anführen lassen27, erscheint die caesarische Darstellung im Kern durchaus glaubwürdig. Dafür sprechen auch die Beobachtungen etwa der Siedlungsarchäologie, die insbesondere in den nicht keltisierten Gebieten auf kleinräumige Siedlungsstrukturen bei völligem Fehlen von urbanen Zentren und Monumentalarchitektur hinweisen.28 In eben diese Richtung ließen sich nicht zuletzt die gerade für die frühe Zeit – etwa bei Tacitus oder Ptolemaios29 – ungeheuer zahlreich überlieferten Stammesnamen interpretieren.
4.2 Die Nachrichten bei Tacitus Was den Aufbau anbelangt, zerfällt die Germania in zwei Teile, von denen der erste eher allgemeine Informationen enthält, während der zweite eine sogenannte Völkertafel darbietet.30 In diesem Zusammenhang steht das Werk noch ganz in der Tradition der antiken Ethnographie. Auffällig ist jedoch, dass Tacitus in einigen Punkten von den Vorgaben der literarischen Gattung abweicht. Hervorzuheben ist hier zum einen das Fehlen einer umfassenden administratio gentis, welche man bei einer ethnographischen Schrift eigentlich hätte erwarten dürfen31, und zum anderen die eher assoziativ bestimmte und weniger an Sachzusammenhängen orientierte Abhandlung der einzelnen Themen32. Als Folge ergibt sich, dass die Nachrichten über die germanische Gesellschaftsordnung mehr oder weniger unverbunden über den gesamten Text verstreut sind. Da es in dem vorliegenden Beitrag im Wesentlichen um die Frage nach dem Königtum, seinen Ursprüngen, seiner Ausprägung und seiner Entwicklung geht, sind vornehmlich jene Stellen zu betrachten, an denen Tacitus ausdrücklich von reges spricht. Zum ersten Mal erwähnt werden Könige im Umfeld der geographischen Beschreibung Germaniens:
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Vgl. noch einmal Breuer, Staat, passim. Siehe ausführlicher hierzu Kap. 5.1.2. Vgl. Ptol. 2,11,6–11. Vgl. zum Aufbau u. a. den Beitrag von Urban, Aufbau und Gedankengang; sowie Lund, Germania, S. 20 f., mit weiterer Literatur; und Trzaska-Richter, Furor Teutonicus, S. 223. Trüdinger, Studien, S. 164 f.; siehe auch Werner Suerbaum, Interpretationen zum Staatsbegriff des Tacitus, in: Interpretationen (Gymnasium Bh. 4), Heidelberg 1964, S. 105–132, hier S. 126 f. H. Drexler, Die Germania des Tacitus, in: Gymnasium 59 (1952), S. 52–70, hier S. 52 ff.; Urban, Aufbau und Gedankengang, passim; Lund, Gesamtinterpretation, S. 1870; sowie Picard, Germanisches Sakralkönigtum?, S. 46.
Die Nachrichten bei Tacitus
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[…] nuper cognitis quibusdam gentibus ac regibus, quos bellum aperuit. „[…] wo erst jüngst einige Völkerschaften und Könige bekannt geworden sind, die der Krieg entdeckt hat.“33
Die letzten größeren Entdeckungen, auf die Tacitus hier anspielen könnte, waren die Flottenunternehmungen des Drusus (12 v. Chr.) und des Tiberius (5 n. Chr.)34, die allerdings zum Zeitpunkt der Abfassung der Germania schon mehr als 90 Jahre zurücklagen. Da Tacitus keine weiteren Angaben macht, muss letztlich offen bleiben, welche Völkerschaften und Könige in diesem Zusammenhang gemeint sind35, entsprechend unbestimmt ist auch die Aussagekraft dieser Stelle für den taciteischen rex-Begriff – deutlich wird nur, dass ihm die Vorstellung von germanischen reges grundsätzlich geläufig war. Die nächsten Äußerungen zum Themenbereich „König/Königtum“ finden sich dann im siebten Kapitel: (1) Reges ex nobilitate, duces ex virtute sumunt. nec regibus infinita aut libera potestas, et duces exemplo potius quam imperio, si prompti, si conspicui, si ante aciem agant, admiratione praesunt. ceterum neque animadvertere neque vincire, ne verberare quidem nisi sacerdotibus permissum, non quasi in poenam nec ducis iussu, sed velut deo imperante, quem adesse bellantibus credunt. „(1) Könige erwählen sie nach der edlen Abstammung, Heerführer nach der Tüchtigkeit. Doch besitzen die Könige keine unumschränkte oder willkürliche Gewalt, und die Heerführer führen eher durch ihr Vorbild als durch ihre Amtsgewalt, weil sie bewundert werden, wenn sie entschlossen handeln, wenn sie herausragen, wenn sie sich vor der Schlachtenreihe aufhalten. Übrigens ist es allein den Priestern erlaubt, zu strafen oder zu fesseln oder auch nur zu züchtigen, (und zwar) nicht wie zur Strafe und auch nicht auf Befehl des Heerführers, sondern wie auf Geheiß des Gottes, der wie sie glauben, den Kämpfern beisteht.“36
Von jeher hat vor allem diese Passage die Forschung in besonderem Maße beschäftigt, was nicht zuletzt durch die ebenso zahlreichen wie unterschiedlichen Deutungsansätze eindrucksvoll dokumentiert wird. Umso bemerkenswerter ist es, dass gerade in diesem Zusammenhang die Frage nach der Glaubwürdigkeit vielfach entweder gar nicht erst gestellt oder nur am Rande berücksichtigt wurde. So konstatierte schon Gudemann in seiner 1916 erschienen Germania-Edition: „Bei der fast unübersehbaren Literatur, die
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Tac. Germ. 1,1; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 127. Vgl. Flach, Germania, S. 29; und Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 126 Anm. 75. Wolters, Anspielung, S. 88, vermutet, dass Tacitus an dieser Stelle die Verhältnisse in Britannien anspricht. Tac. Germ. 7,1; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 133.
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sich an die Eingangsworte dieses Kapitels geknüpft hat, ist, was T[acitus] hat wissen und daher auch nur hat sagen können (und darauf kommt es hier doch allein an), meist unter der verwirrenden Fülle späterer Zeugnisse aus den Augen verloren worden.“37 Im Folgenden ist daher zunächst etwas auszuholen und auf die sich hiermit verbindenden Aspekte einzugehen. Tacitus kannte die Verhältnisse in der Germania wohl nicht aus eigener Anschauung, hatte aber aufgrund der inzwischen deutlich intensivierten römisch-germanischen Beziehungen ein wesentlich größeres Informationspotential zur Verfügung als beispielsweise noch Caesar, wobei freilich ungewiss ist, wie intensiv er dieses tatsächlich auch genutzt hat. Betrachten wir nun die Germania im Kontext des taciteischen Gesamtwerkes, dann fällt vor allem die enorm kurze Abfassungszeit auf. Seinen Erstling De vita et moribus Iulii Agricolae hat er spätestens nach der Adoption Traians durch Nerva im Jahr 97 n Chr. begonnen und wohl erst nach dem Tod Nervas im Frühjahr 98 abgeschlossen.38 Bereits im Herbst desselben Jahres, also allenfalls sechs Monate später, erschien dann die Germania39; Tacitus muss demnach unmittelbar nach der Fertigstellung des Agricola mit seinem nächsten Werk begonnen haben. Vor diesem Hintergrund kann er allein unter zeitlichen Gesichtspunkten keine sonderlich intensive Recherche betrieben haben, zumal er als Senator in zahlreiche und vielfältige politische wie gesellschaftliche Verpflichtungen eingebunden gewesen sein wird und seinen literarischen Ambitionen allenfalls nebenher nachgehen konnte. Es ist kaum denkbar, dass Tacitus, der sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn befand, sich gerade in dem Moment, in welchem der Senat wieder an Bedeutung und Einfluss gewann, um des Schreibens willen aus der Politik zurückgezogen haben wird. Eher darf davon ausgegangen werden, dass „[d]ie Erfahrungen seines Standes, vielseitige Lektüre, rhetorischer Drill und trainiertes Gedächtnis […] ihm erlaubt haben, diese Schrift, soweit es um das Tatsachenmaterial dafür ging, fast aus dem Stand zu verfassen.“40 Auch die lose assoziative Struktur der Germania weist in diese Richtung, indem sie den Eindruck von einer, wenn auch nicht direkt spontanen, so doch zumindest eiligen Niederschrift vermittelt, denn dass Taci37 38 39
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A. Gudemann, P. Cornelii Taciti de Germania, Berlin 1916, S. 79. Vgl. die Herrscherangaben in Tac. Agr. 3,1 u. 44,5. So etwa Ternes, Römisches Deutschland, S. 119; Flach, Germania, S. 34; und von Albrecht, Römische Literatur II, S. 872. – Für eine genau umgekehrte Reihenfolge hinsichtlich der Abfassung des Agricola und der Germania plädiert Beck, „Germania“ – „Agricola“, bes. S. 32–41, S. 81 sowie S. 99 ff., allerdings mit wenig überzeugenden Argumenten; vgl. hierzu auch die Rezensionen von Ulrich Lambrecht, in: HZ 271 (2000), S. 420 f.; und Stefan Borzsák, in: Gnomon 72 (2000), S. 457 ff. Timpe, Die Absicht der Germania, S. 117.
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tus bewusst eine kunstvoll verschränkte Komposition des Werkes angestrebt haben könnte41, ist unter den oben umrissenen Umständen wenig wahrscheinlich. Dafür, dass hier kaum ein künstlerischer Anspruch im Vordergrund gestanden haben wird, spricht nicht zuletzt der Vergleich mit den „Annalen“ und den „Historien“. Beide Werke sind deutlich umfangreicher, sehr viel komplexer und sorgfältiger angelegt, stilistisch wesentlich ausgereifter und haben dementsprechend auch entschieden mehr Zeit in Anspruch genommen.42 Da die Germania zeitlich so eng an den Agricola anschließt, liegt es nahe, hier eine Verbindung zu vermuten43 und zu prüfen, ob der Impuls zur Abfassung der Germania sich nicht vielleicht aus dem Agricola ergeben haben könnte. Vordergründig ist Agricola Nachruf und Biographie, daneben aber will Tacitus diese Schrift – und das bringt er in dem Prooemium sehr deutlich zum Ausdruck – als „memoriam prioris servitutis“44 verstanden wissen: „(2) Wie nun, wenn während fünfzehn Jahren45 – einer langen Frist innerhalb eines Menschenlebens – viele durch zufälliges Schicksal, gerade die Beherztesten aber durch das Wüten des Ersten Mannes zugrunde gingen? In kleiner Zahl nur sind wir noch da und haben – um es so zu sagen – nicht nur andere, sondern auch uns selbst überlebt, da man uns aus der Mitte unseres Lebens so viele Jahre gerissen, in denen wir in Schweigen als Männer zu Alter, als Greise fast an die Grenzen eines zu Ende geführten Lebens gelangt sind. (3) Dennoch soll es mich nicht verdrießen, wenngleich in ungeschlachter und rauher Sprache, ein Denkmal früherer Knechtschaft und ein Zeugnis gegenwärtigen Glücks zu erstellen. Einstweilen aber wird dieses Buch, zur Ehrung meines Schwiegervaters Agricola bestimmt, als Äußerung der Liebe entweder gelobt oder doch entschuldigt werden.“46
Tacitus stellt zwar die großen Leistungen seines Schwiegervaters um die Unterwerfung und Befriedung Britanniens heraus und charakterisiert diesen als außergewöhnlich fähigen Politiker und Feldherrn, gleichzeitig aber zeichnet er, vor allem in der Schlusssequenz47, ein unmissverständliches Bild von der Tyrannis Domitians, der schließlich auch Agricola zum Opfer 41 42
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Wie etwa Bazelmans, Political Structure, S. 95, S. 99 u. passim, annimmt. Vgl. hierzu vor allem Löfstedt, Über den Stil, S. 71; anders freilich Beck, „Germania“ – „Agricola“, S. 39 u. dort Anm. 64, mit Hinweisen auf weitere seine Einschätzung unterstützende Meinungen. So grundsätzlich bereits Wiegels, Absicht, S. 170, allerdings ohne weitergehende Folgerungen daraus abzuleiten. Tac. Agr. 3,3. Gemeint sind die Herrschaftsjahre Domitians 81–96 n. Chr. Tac. Agr. 3,2–3; Übers. nach Robert Feger, Publius Cornelius Tacitus. Agricola. Lateinisch und Deutsch, Stuttgart 1990, S. 7. Tac. Agr. 39–46.
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gefallen sei48. Mit Blick auf die Germania ist vor diesem Hintergrund anzunehmen, dass die im Agricola so leidenschaftlich geäußerten Anschauungen Tacitus auch bei dem direkt im Anschluss hieran verfassten Werk in irgendeiner Form bewegt haben werden. Ein erster Anhaltspunkt mag sich aus dem Vergleich der beiden Schriften ergeben: Während Tacitus im Rahmen der Agricolavita ein vorbildliches Beispiel für die gelungene Unterwerfung eines Barbarenvolkes bietet, führt er mit der Germania eine lange Geschichte militärischen Scheiterns vor Augen, über welches auch die unter Domitian auf überwiegend gallischer Rheinseite eingerichteten Provinzen Germania superior und Germania inferior49 nicht hinwegtäuschen konnten. Deutlich wird seine Sicht auf die Verhältnisse vor allem in Kapitel 37, wo er, bezogen auf die nun mehr als zwei Jahrhunderte andauernden römisch-germanischen Beziehungen, nicht ohne Ironie bemerkt: „tam diu Germania vincitur“50, und wenig später feststellt, dass in jüngster Zeit mehr über die Germanen triumphiert als gesiegt wurde51. Der Kerngedanke, dem Tacitus in der Germania folgt, und der sich einem roten Faden gleich durch das gesamte Werk zieht, betrifft indes das Moment der libertas.52 Freiheit ist in diesem Kontext allerdings kein durchweg positiver Begriff, vielmehr entwickelt Tacitus hier zwei völlig unterschiedliche Konzepte von libertas. Mit diesen korrespondiert im Übrigen auch der zweiteilige Aufbau der Germania, denn in jedem der beiden großen Abschnitte wird jeweils ein eigenständiger Aspekt von Freiheit dargestellt. Der erste Teil behandelt in der Hauptsache die Freiheit der Germanen, welche sich nicht allein darin äußert, dass diese frei von römischer Herrschaft sind, sondern sich grundsätzlich auf alle Bereiche ihres Lebens erstreckt. Sogar die Sklaven verfügen – horribile dictu – in der germanischen
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Tac. Agr. 43,2 u. 44,3. – Mit dieser Kritik an Domitian verbindet sich nicht zwingend auch eine grundsätzlich prinzipatskritische Haltung, worauf Flach bereits 1973 hingewiesen hat; vgl. Dieter Flach, Tacitus in der Tradition der antiken Geschichtsschreibung (Hypomnemata 39), Göttingen 1973, S. 210–214; beachte ferner die Überlegungen Karl-Heinz Schwartes zur Intention des Agricola: Karl-Heinz Schwarte, Trajans Regierungsbeginn und der „Agricola“ des Tacitus, in: BJb 179 (1979), S. 139–175, bes. S. 170 f. Vgl. hierzu Nesselhauf, Tacitus und Domitian, S. 238. Tac. Germ. 37,2. Tac. Germ. 37,5; vgl. auch Tac. Agr. 39,1. Anders Sherwin-White, Racial Prejudice, S. 41, der den Aspekt der libertas in der Germania verglichen mit seiner Bedeutung in den übrigen taciteischen Schriften als marginal ansieht, und aus diesem Grund sogar die Urheberschaft des Tacitus an der Germania in Zweifel zieht.
Die Nachrichten bei Tacitus
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Gesellschaft noch über ein gewisses Maß an Freiheit.53 Diese Form von libertas wird von Tacitus vor allem als Ausdruck mangelnder disciplina bewertet und damit in die Nähe der licentia gerückt.54 Indem er des Weiteren vor allem die kriegerischen Züge der germanischen Gesellschaft betont, charakterisiert er die Germanen gleichzeitig als homines iracundi55 und verstärkt damit den negativen Aspekt der germanischen Freiheit, denn ira war nach römischem Denken eng mit dem Moment der feritas verbunden56. Deutlicher hätte man einem zeitgenössischen gebildeten Publikum den großen Abstand der noch in jeder Beziehung wilden und „ungezähmten“ Germanen von jeglicher Zivilisation kaum darstellen können. Vor diesem Hintergrund ergeben sich für das Verständnis der berühmten Einleitungssequenz des siebten Kapitels folgende Bedingungen: Bei genauerer Betrachtung fällt zunächst auf, dass Tacitus sich hier ganz offensichtlich an der bereits angesprochenen Erläuterung Caesars57 orientiert hat. Wie dieser differenziert er zwischen zwei Arten von Herrschaftsträgern, die er indes nicht principes und magistratus, sondern reges und duces nennt. Die Erklärung hierfür ist naheliegend: Zum einen wird ihm das Bellum Gallicum so geläufig gewesen sein, dass er Caesar zumindest sinngemäß aus dem Gedächtnis zu zitieren vermochte, zum anderen ist aufgrund des großen zeitlichen Abstands zwischen Caesar und Tacitus durchaus mit leichten Verschiebungen im Sprachgebrauch zu rechnen. Während die Germanen zur Zeit Caesars gerade erst in das Bewusstsein der römischen Öffentlichkeit geraten waren, konnte Tacitus bereits auf eine lange Tradition römisch-germanischer Beziehungen zurückblicken. Angesichts der römischen Praxis, die Anführer barbarischer Völker oder Stämme über die Verleihung des rex atque amicus-Titels an Rom zu binden, ist es nicht unwahrscheinlich, dass viele der bekannteren Germanenführer tatsächlich den rex-Titel trugen, wobei dann im Laufe der Zeit aus dem Blick geraten sein mag, dass es sich hierbei um einen in erster Linie auf Rom bezogenen Rang handelte.
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Tac. Germ. 25,1. Vgl. Tac. Germ. 11,1 u. 21,1; sowie Much, Germania, S. 208 f. u. S. 301; und Patzek, Fremdverstehen, S. 32. Vgl. auch Lund, Germania, S. 27 f. Vgl. Y. A. Dauge, Le Barbare. Recherches sur la conception romaine de la barbarie et de la civilisation, Bruxelles 1981, S. 209 u. passim; von See, Der Germane, S. 50 ff.; Allan A. Lund, Zum Germanenbegriff bei Tacitus, in: Beck (Hg.), Germanenprobleme, S. 53–87, hier S. 66 f.; Patzek, Fremdverstehen, S. 32 f.; und Trzaska-Richter, Furor teutonicus, S. 224. Caes. Gall. 6,23,4–5.
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Dem Sinn nach bleibt Tacitus jedenfalls der caesarischen Darstellung treu, wenn er angibt „reges [principes] ex nobilitate, duces [magistratus] ex virtute sumunt [deliguntur]“58. Schon Caesar deutete mit dem princepsBergriff eine sich vermutlich aus Herkunft und Besitz ergebende herausragende soziale Stellung an, welche dann von Tacitus gemäß dem Prinzip der interpretatio Romana als nobilitas aufgefasst wurde. In diesem Zusammenhang ist auch die Verwendung des im Vergleich mit deligere in seiner Bedeutung abgeschwächten Verbums sumere verständlich, denn Tacitus, der offenbar die römischen Verhältnisse vor Augen hatte, musste das caesarische deligere, welches das Moment des Wählens oder Auswählens stärker betont, unangemessen erscheinen.59 Die Ersetzung des Begriffs magistratus durch die Bezeichnung dux ist ebenfalls wenig spektakulär, denn welche Aufgaben sollten den speziell in Kriegszeiten eingesetzten Amtsinhabern zukommen, wenn nicht die von Feldherren? Und dass man solche am ehesten nach ihren militärischen Fähigkeiten (virtutes) auswählte, ist an und für sich naheliegend. Die bei Tacitus an dieser Stelle erfolgende Darstellung der germanischen Herrschaftsorganisation ist mithin nicht auf eigene Erkenntnisse zurückzuführen, sondern im Wesentlichen eine Interpretation der caesarischen Nachricht. Vor diesem Hintergrund kann man darin auch nicht zwei einander ablösende Typen „germanischen“ Königtums sehen.60 Eine „scharfe Unterscheidung […] zwischen rex und dux“61 erfolgt zudem nur insofern, als schon Caesar zwischen principes und magistratus differenziert hat, und sie lässt sich auch nicht, wie vielfach behauptet62, an dem vermeintlichen Gegensatzpaar nobilitas und virtus festmachen63. Denn in anderen Zusammenhängen trennt Tacitus keineswegs zwischen diesen beiden Aspekten, vielmehr erscheint gerade das Moment der virtus als eine dem „Adel“ genuin zugehörige Eigenschaft. So führt er beispielsweise im Agricola an, „ducis boni imperatoriam virtutem esse“64, und in der Germania erläutert er:
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Vgl. Tac. Germ. 7,1; und Caes. Gall. 6,23,4–5. – Siehe auch Wolfram, Gotische Studien, S. 18 f., der die inhaltliche Nähe der Aussagen Caesars und Tacitus’ über die germanische Herrschaftsorganisation zumindest indirekt bestätigt. Siehe hierzu auch Lund, Germania, S. 134. Wie etwa Wolfram, Das Reich und die Germanen, bes. S. 42 u. passim, postuliert. Schlesinger, Heerkönigtum, S. 110 u. passim. Vgl. etwa Much, Germania, S. 154; und Bosl, Reges, S. 66 ff. Gegen ein dualistisches Verhältnis von nobilitas und virtus äußert sich u. a. Picard, Germanisches Sakralkönigtum?, S. 99, die auch weitere Literatur anführt. Tac. Agr. 39,2.
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dominum ac servum nullis educationis deliciis dignoscas: inter eadem pecora, in eadem humo degunt, donec aetas separet ingenuos, virtus agnoscat. „Herr und Knecht lassen sich durch keinerlei Vorzug in der Erziehung unterscheiden: Sie leben bei demselben Vieh, auf demselben Erdboden, bis das Alter die Edelgeborenen scheidet (und) die Tapferkeit sie bestätigt.“65 (2) si civitas, in qua orti sunt, longa pace et otio torpeat, plerique nobilium adulescentium petunt ultro eas nationes, quae tum bellum aliquod gerunt, quia et ingrata genti quies et facilius inter ancipitia clarescunt magnumque comitatum non nisi vi belloque tueare. „(2) Erlahmt der Stamm, in dem sie geboren wurden, in langer Friedens- und Mußezeit, so suchen die meisten jungen Adligen freiwillig die Völker auf, die gerade irgendeinen Krieg führen, weil die Ruhe dem Volk nicht behagt, sie sich leichter in Gefahren auszeichnen und man eine große Gefolgschaft nur durch Gewalt und Krieg unterhalten kann.“66
In den „Annalen“ schließlich lässt er den Cheruskerkönig Italicus, auf den noch zurückzukommen sein wird, wie folgt sprechen: non enim inrupisse ad invitos, sed accitum memorabat, quando nobilitate ceteros anteiret: virtutem experirentur, an dignum se patruo Arminio, avo Actumero praeberet. „Er [Italicus] erinnerte sie nämlich daran, daß er nicht gegen ihren Willen eingedrungen, sondern gerufen worden sei, da er die anderen an Adel übertraf: Sie sollten seine Tüchtigkeit auf die Probe stellen, ob er sich seines Oheims Arminius und seines Großvaters Actumerus würdig erweise.“67
In dem zweiten Satz der Einleitungssequenz des siebten Kapitels geht Tacitus dann auf die Befugnisse der von ihm als Machthaber ausgewiesenen reges und duces ein, und auch hier bewegt er sich durchaus noch im Rahmen der caesarischen Vorlage. Die Anmerkung „nec regibus infinita aut libera potestas“68 – bei Caesar heißt es in diesem Kontext, dass die „principes regionum atque pagorum“69 unter ihren Leuten Recht sprechen und Streitigkeiten beilegen – ergibt sich in erster Linie aus der Verwendung des Wortes rex, welches aus römischer Perspektive stets eine gewisse Affinität zur Tyrannis beinhaltete70 und daher der Einschränkung bedurfte. Mit dem Hinweis, dass die duces eher durch ihr Vorbild als durch ihre Amtsgewalt führen, knüpft er ebenfalls an Caesar an, nach welchem die in Kriegszeiten bestell-
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Tac. Germ. 20,1; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 143. Tac. Germ. 14,2; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 139. Tac. ann. 11,17,1; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/2, S. 155. Tac. Germ. 7,1. Caes. Gall. 6,23,5. Vgl. Arthur Rosenberg, Art. Rex, in: RE (1914), Sp. 702–721, hier Sp. 710; sowie Andreas Alföldi, Die monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreiche, Darmstadt 1970, S. 20 u. passim.
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ten Heerführer die Gewalt über Leben und Tod innehatten. Indem Tacitus von imperium spricht, bekräftigt er diese Aussage im Grundsatz, auch wenn er sie dann im oben genannten Sinne für die Praxis relativiert. Die sich hieran wie beiläufig anschließende Bemerkung, dass es ausschließlich den Priestern erlaubt sei zu strafen, zu fesseln oder zu züchtigen und zwar „non quasi in poenam nec ducis iussu, sed velut deo imperante“71, lässt sich nun freilich nicht mehr auf Caesar zurückführen. Vielmehr ergibt sich hier ein eklatanter Widerspruch sowohl zur caesarischen Darstellung, als auch zu der von Tacitus selbst noch im vorangegangenen Satz zumindest indirekt angesprochenen Amtsgewalt des Heerführers. In diese Darstellung scheinen aus der eigenen, römischen Geschichte herrührende Vorstellungen über das Verhältnis von rex und pontifices eingeflossen zu sein.72 Die alten römisch-etruskischen Könige hatten einst sowohl über staatliche als auch über sakrale Macht verfügt.73 Nachdem sie (vermutlich um 470 v. Chr.) vertrieben worden waren, war die Mehrzahl ihrer staatlichen Funktionen sowie einige ihrer religiösen Rechte und Pflichten von den republikanischen Magistraten übernommen worden: „Der Rest wurde einem Ersatzkönig zugewiesen, dem rex sacrorum, der wenigstens nominell den Vorsitz bei allen Kulthandlungen hatte. In der Praxis waren seine Aufgaben jedoch vollständig auf die Pontifices übergegangen, so daß das Amt in der späten Republik keine Bedeutung mehr hatte. Cicero und seine Zeitgenossen erwähnen es kaum; […].“74 Möglicherweise hat sich Tacitus, der jene Aufgabenverschiebung von einem schließlich völlig funktionsentleerten rex-Amt hin zu den pontifices nur mehr im Ergebnis erlebt hat, bei der Schilderung der germanischen Verhältnisse von diesen, ihm aus seinem persönlichen Erfahrungshorizont geläufigen Gegebenheiten leiten lassen. Letzteres ist insofern nicht ganz von der Hand zu weisen, als sich derartige Zusammenhänge auch für andere Stellen wahrscheinlich machen lassen.75 71 72 73
74 75
Tac. Germ. 7,1. Siehe auch Wallace-Hadrill, Early Germanic Kingship, S. 1. Vgl. etwa Wolfgang Kunkel, Zum römischen Königtum, in: Ius et Lex. FS Max Gutzwiller, Basel 1959, S. 1–22, wieder abgedruckt in: Ders., Kleine Schriften. Zum römischen Strafverfahren und zur römischen Verfassungsgeschichte, hg. v. Hubert Niederländer, Weimar 1974, S. 345–366, bes. S. 354; Franz Kiechle, Römische Geschichte. Teil 1: Roms Aufstieg zur Weltmacht, Stuttgart et al. 1967, S. 33; Robert M. Ogilvie, … und bauten die Tempel wieder auf. Religion und Staat im Zeitalter des Augustus, Stuttgart 1982, S. 136; Klaus Bringmann, Römische Geschichte. Von den Anfängen bis zur Spätantike, München 21996 (1. Aufl. München 1995), S. 9 ff. Ogilvie, Tempel, S. 136. So schon Walser, Rom, S. 93.
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Zu erklären ist dieser Passus, der jedenfalls für die Germanen insofern wenig glaubwürdig ist, als nicht so recht deutlich wird, woher Tacitus diese doch etwas eigentümlich wirkende Nachricht bezogen haben könnte, letztlich nur, wenn man annimmt, es sei ihm in erster Linie darum gegangen, zu dokumentieren, dass selbige „[…] keine verfassungsrechtlich definierbaren Herrschaftsstrukturen [kennen]“76, und das Moment der Freiheit, welches sich auch als Unbeherrschtheit charakterisieren ließe, mithin in allen Bereichen der germanischen Gesellschaft zum Ausdruck komme. Für diese Einschätzung spricht, dass Tacitus, wie oben gezeigt wurde, die Machtbefugnisse der reges und duces im Vergleich zu Caesar eher einschränkend darstellt, also auch hier schon die autoritären Elemente gegenüber den freiheitlichen zurücknimmt. Es zeigt sich, dass Tacitus zwar auf die von Caesar gebotenen Informationen über die Herrschaftsorganisation bei den Germanen zurückgegriffen, diese dann jedoch gemäß seinen eigenen Vorstellungen von der germanischen Freiheit interpretiert bzw. umgebogen hat.77 Da nach römischem Denken ein militärischer Oberbefehl ohne jegliche Disziplinargewalt völlig undenkbar war, der Begriff imperium gleichsam von Natur aus immer auch das Moment der Strafgewalt mit einschloss78, musste gerade dieser Passus die Germanen in den Augen der römischen Leser als überaus fremdartig und barbarisch erscheinen lassen. Von Tacitus als ein Volk ohne fest umrissene, auf imperium begründete Herrschaftsstrukturen dargestellt, welches sich allein durch den Willen numinoser Kräfte lenken ließ, als ein Volk also ohne leges, ohne disciplina und letztlich auch ohne ratio, konnten die sich aus römischer Perspektive auf einem extrem primitiven Entwicklungsniveau befindlichen Germanen nur als „Wilde“ betrachtet werden.79 Vor diesem Hintergrund ist es wenig wahrscheinlich, dass Tacitus durch die Verwendung des rex-Begriffs die monarchische Struktur der germanischen Gesellschaft zum Ausdruck bringen wollte. Dieser wird vielmehr darauf zurückzuführen sein, dass die Mehrzahl der germanischen Anführer in Rom in erster Linie als Inhaber des rex atque amicus-Titels bekannt waren 76 77
78 79
Picard, Germanisches Sakralkönigtum?, S. 108. Dass sich die Germania in vielfacher Hinsicht eng an die caesarische Vorlage anlehnt, hat bereits Thielscher, ungeachtet seiner mitunter problematischen Deutungen, durch die Gegenüberstellung zahlreicher Textpassagen eindrucksvoll herausgearbeitet; vgl. Paul Thielscher, Das Herauswachsen der „Germania“ des Tacitus aus Caesars „Bellum Gallicum“, in: Das Altertum 8 (1962), S. 12–26. Picard, Germanisches Sakralkönigtum?, S. 108. Vgl. hierzu auch Seneca über die Germanen (De ira 2,15,4): Deinde omnes istae feritate liberae gentes leonum luporumque ritu ut seruire non possunt, ita nec imperare; non enim humani uim ingenii, sed feri et intractabilis habent; nemo autem regere potest nisi qui et regi.
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und dementsprechend auch als reges bezeichnet wurden. Dass damit keine Königsherrschaft im eigentlichen Sinne gemeint war, verdeutlicht Tacitus zum einen durch die nachfolgenden Ausführungen80, und zum anderen, indem er in Kapitel 37 dem (echten) Königtum des Partherkönigs Arsaces die Freiheit der Germanen vergleichend gegenüberstellt: „quippe regno Arsacis acrior est Germanorum libertas.“81 Die nächste Erwähnung von Königen findet sich dann in den Kapiteln zehn und elf: (2) et illud quidem etiam hic notum, avium voces volatusque interrogare; proprium gentis equorum quoque praesagia ac monitus experiri. publice aluntur iisdem nemoribus ac lucis, candidi et nullo mortali opere contacti; quos pressos sacro curru sacerdos ac rex vel princeps civitatis comitantur hinnitusque ac fremitus observant. „(2) Zwar ist es auch hier bekannt, Vogelstimmen und Vogelflug zu befragen; eine Besonderheit dieses Volkes (aber) ist es, Vorzeichen und Weissagungen auch von Pferden zu erforschen. Sie werden aus öffentlichen Mitteln in jenen Wäldern und Hainen unterhalten, sind strahlend weiß und kommen mit keiner Arbeit von Sterblichen in Berührung; der Priester [und der König beziehungsweise princeps; die Vf.in] begleiten diese an einen heiligen Wagen gespannten (Tiere), und sie beobachten ihr Wiehern und Schnauben.“82 mox rex vel princeps, prout aetas cuique, prout nobilitas, prout decus bellorum, prout facundia est, audiuntur auctoritate suadendi magis quam iubendi potestate. „Darauf hört man den König [beziehungsweise princeps, je nach seinem Alter, seinem Adel, seinen Auszeichnungen im Krieg und seiner Redegewandtheit; die Vf.in], wobei [die] Überzeugungskraft mehr (wiegt) als [die] Befehlsgewalt.“83
Die erste Nachricht steht im Kontext der Behandlung religiöser Bräuche und erläutert, in Abgrenzung zu den bei den Römern gebräuchlichen Verfahren, die germanische Art der Vorzeichenbefragung; die zweite Nachricht ist Bestandteil einer Beschreibung der „germanischen Volksversammlung“. In beiden Fällen begegnet die Wendung „rex vel princeps“, was insofern aufschlussreich ist, als die Konjunktion vel keinen ausschließenden, sondern einen gleichstellenden Charakter hat. Das Nebeneinander von rex und princeps kann demnach nicht so gedeutet werden, dass einige gentes einen König hatten, andere hingegen von principes geführt wurden84, sondern ist wiederum auf das bereits angesprochene Missverhältnis zwischen dem sich an dem rex atque amicus-Titel orientierenden römischen Sprachgebrauch 80 81 82 83 84
Vgl. auch Lund, Gesamtinterpretation, S. 1890 f. Tac. Germ. 37,3; vgl. darüber hinaus Lund, Germanenbild, S. 54. Tac. Germ. 10,2; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 135. Tac. Germ. 11,2; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 137. So beispielsweise Lund, Germanische Gesellschaft, S. 187 f. – In diesem Fall hätte es heißen müssen: rex aut princeps.
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und der germanischen „Verfassungsrealität“ zurückzuführen. Eben dies bringt Tacitus mit der Formulierung „rex vel princeps“, die sinngemäß etwa mit „der König oder vielmehr der princeps“ zu übersetzen ist, zum Ausdruck. Etwas anders verhält es sich mit der Äußerung im zwölften Kapitel, in welchem das Thema Volksversammlung unter dem Aspekt Gerichtsbarkeit fortgeführt wird: (2) sed et levioribus delictis pro modo poena: equorum pecorumque numero convicti multantur. pars multae regi vel civitati, pars ipsi, qui vindicatur, vel propinquis eius exsolvitur. „(2) Doch auch leichteren Verbrechen wird angemessene Strafe zuteil: Die Überführten werden mit (der Abgabe) einer Anzahl von Pferden und Vieh bestraft. Ein Teil der Strafe wird dem König [beziehungsweise; die Vf.in] dem Stamm, ein Teil demjenigen, dem Recht verschafft wird, [beziehungsweise; die Vf.in] seinen Verwandten gezahlt.“85
Schon das in Kap. 12,1 dargestellte Verfahren bei der Vollstreckung der Todesstrafe ist „völlig aus römischer Denkweise konzipiert“86, und auch in der Überleitung spielt Tacitus mit dem Ausdruck „levioribus delictis“ auf den jedem Römer vertrauten Begriff von der severitas legum an87. Die Aussage, dass ein Teil der Strafe an den König bzw. die civitas zu entrichten sei, fügt sich hier insofern ein, als nach römischem Recht Geldbußen ebenfalls dem Staat bzw. seinem höchsten Vertreter zuflossen. Entsprechend ist die Wendung reges vel civitates in erster Linie als Chiffre für die res publica zu verstehen. Aufgrund des großen zivilisatorischen und kulturellen Abstands, den Tacitus stets herauszustellen bemüht ist, vermeidet er diesen Begriff jedoch und greift stattdessen zu der oben genannten Umschreibung. Damit sind die im ersten Teil der Germania erwähnten reges auch schon erfasst, wobei sich erwiesen hat, dass die Aussagekraft des taciteischen rexBegriffs im Hinblick auf die Existenz eines genuin germanischen Königtums deutlich zu relativieren ist. Gestützt wird diese Einschätzung des Weiteren dadurch, dass Tacitus insgesamt sehr viel häufiger von principes spricht, und dies gerade auch in Zusammenhängen, in denen – setzte man ein echtes regnum voraus – die Nennung des Königs zu erwarten gewesen wäre. Ein Beispiel hierfür findet sich etwa im fünften Kapitel, wo ausschließlich legati et principes als Empfänger römischer Geschenke (argentea vasa) ausgewiesen werden88, oder in Kapitel elf, wo es heißt:
85 86 87 88
Tac. Germ. 12,2; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 137. Lund, Gesamtinterpretation, S. 1896. Vgl. Lund, Germania, S. 147; Ders., Gesamtinterpretation, S. 1896. Tac. Germ. 5,3.
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(1) De minoribus rebus principes consultant, de maioribus omnes, ita tamen, ut ea quoque, quorum penes plebem arbitrium est, apud principes praetractentur. „(1) Über weniger wichtige Angelegenheiten beraten die principes, über die wichtigeren alle, doch so, daß auch das, worüber die Entscheidung beim Volk liegt, unter den principes vorberaten wird.“89
Überhaupt wäre vor diesem Hintergrund zu fragen, welche Funktion einem König gemäß der taciteischen Darstellung zugekommen sein könnte, wenn die militärischen Aufgaben von durch virtus ausgezeichnete duces wahrgenommen wurden90, die Politik, wie wir oben gesehen haben, von den principes, welche darüber hinaus auch für die Rechtsprechung zuständig waren91, bestimmt wurde und die religiösen Belange in den Händen von Priestern lagen? Die im zweiten Teil der Germania im Kontext der Völkertafel auftretenden Nachrichten über das Königtum bei den germanischen gentes sind demgegenüber von gänzlich anderer Qualität. Königtum, als die Herrschaft eines Einzigen, und zwar ohne alle Einschränkungen und mit unwiderruflichem Recht auf Gehorsam definiert92, wird hier von Tacitus unmissverständlich als Tyrannis charakterisiert, wobei die Darstellung der germanischen Völker nur mehr als Folie fungiert. Ein erster Hinweis auf seine Einstellung gegenüber dem monarchischen Prinzip ergibt sich bereits in Kapitel 25, wo er bezogen auf die gesellschaftliche Stellung der Freigelassenen feststellt: (2) liberti non multum supra servos sunt, raro aliquod momentum in domo, numquam in civitate, exceptis dumtaxat iis gentibus quae regnantur. ibi enim et super ingenuos et super nobiles ascendunt […]. „(2) Die Freigelassenen stehen nicht hoch über Sklaven und haben selten Einfluß im Haus (und) niemals im Stamm, außer vielleicht bei […] Völkern, die von Königen beherrscht werden. Dort steigen sie nämlich noch über die Freien und über die Adligen auf […].“93
Dass Tacitus hier nicht germanische, sondern vielmehr die römischen Verhältnisse im Blick hat, ist offensichtlich, zumal er sich, das wird auch in anderen Zusammenhängen deutlich94, die soziale Gliederung der germani89 90 91
92 93 94
Tac. Germ. 11,1; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 137. Tac. Germ. 7,1. Tac. Germ. 12,2: „eliguntur in iisdem conciliis et principes, qui iura per pagos vicosque reddunt; […].“ Tac. Germ. 44,3: „[…] unus imperitat, nullis iam exceptionibus, non precario iure parendi.“ Tac. Germ. 25,2; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 147. Vgl. hierzu auch Lund, Germania, S. 34 f. u. S. 179; sowie Flach, Der taciteische Zugang, S. 155 f.
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schen Gesellschaft analog zu der römischen vorstellt. Noch deutlicher wird der konkrete Bezug, wenn man hier eine Passage aus dem Agricola heranzieht, in welcher Tacitus berichtet, dass „ein Freigelassener vom Geheimdienst […] mit einem Schreiben, worin Agricola Syrien übertragen wurde, zu diesem gesandt worden [sei] mit dem Befehl, es nur zu übergeben, wenn er noch in Britannien wäre; ebendieser Freigelassene sei Agricola aber bereits im Kanal begegnet und ohne ihn auch nur anzusprechen zu Domitian zurückgereist […].“95 Vor diesem Hintergrund kann die Bemerkung nur als verschlüsselter, aber nichtsdestotrotz deutlicher Seitenhieb zum einen auf Domitian und zum anderen als Kritik an den monarchischen Strukturen der Prinzipatsverfassung verstanden werden. Zugleich wird hier das bereits angesprochene zweite Konzept von Freiheit vorbereitet, welches sich mit dem Verhältnis bzw. dem Gegensatz von libertas und regnum beschäftigt96 und vor allem im Kontext der gewöhnlich als climax regia charakterisierten Ausführungen zum Ausdruck kommt: (1) Trans Lugios Gotones regnantur, paulo iam adductius quam ceterae Germanorum gentes, nondum tamen supra libertatem. protinus deinde ab Oceano Rugii et Lemovii; omniumque harum gentium insigne rotunda scuta, breves gladii et erga reges obsequium. „(1) Jenseits der Lugier werden die Gotonen schon ein wenig straffer als die übrigen Germanenstämme, doch noch nicht jenseits (aller) Freiheit, von Königen beherrscht. Unmittelbar am Ozean folgen dann die Rugier und Lemovier; Kennzeichen all dieser Stämme sind die runden Schilde, die kurzen Schwerter und der Gehorsam gegenüber den Königen.“97 (3) est apud illos et opibus honos, eoque unus imperitat, nullis iam exceptionibus, non precario iure parendi. nec arma, ut apud ceteros Germanos, in promiscuo, sed clausa sub custode, et quidem servo, quia subitos hostium incursus prohibet Oceanus, otiosae porro armatorum manus facile lasciviunt: enimvero neque nobilem neque ingenuum, ne libertinum quidem armis praeponere regia utilitas est. „(3) Bei ihnen [den Suionen] bringt auch Macht Ehre, und daher herrscht ein einziger, nunmehr ohne alle Einschränkungen, mit unwiderruflichem Recht auf Gehorsam. Und auch die Waffen sind nicht, wie bei den übrigen Germanen, an alle verteilt, sondern unter einem Wächter, und zwar einem Sklaven, verschlossen, weil das Meer plötzliche Einfälle der Feinde verhindert, andererseits arbeitslose Hände von Bewaffneten leicht Unheil anrichten: Es liegt ja in königlichem Interesse, weder einem Edlen noch einem Freien und nicht einmal einem Freigelassenen die Aufsicht über die Waffen zuzuweisen.“98
95 96 97 98
Tac. Agr. 40,2; Übers. nach Feger, Agricola, S. 61. Vgl. auch Patzek, Fremdverstehen, S. 34 f. Tac. Germ. 44,1; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 163. Tac. Germ. 44,3; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 165.
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(6) Suionibus Sithonum gentes continuantur. cetera similes uno differunt, quod femina dominatur: in tantum non modo a libertate, sed etiam a servitute degenerant. „(6) Den Suionen folgen die Völker der Sithonen. Im übrigen gleich, unterscheiden sie sich (doch) in dem einen (Punkt), daß eine Frau herrscht: darin zeigen sie sich nicht nur der Freiheit, sondern auch der Sklaverei unwürdig.“99
Betrachten wir diese Nachrichten genauer, so drängt sich zunächst die Frage nach der Glaubwürdigkeit auf. Während Rom zu den eher in den westlichen und südlichen Regionen der Germania lebenden gentes durchaus, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung, so etwas wie geregelte diplomatische Beziehungen unterhielt100, waren nicht nur die Gebiete nördlich und östlich der Elbe, sondern auch die dort ansässigen Völker weitgehend unbekannt, worauf im Übrigen auch Tacitus selbst in den vorausgehenden Abschnitten mehrfach hinweist101. Eine sichere Informationsgrundlage kann hier also nicht angenommen werden, vielmehr dürften die Nachrichten, welche über jene abgelegenen Gegenden nach Rom gelangten, unbestimmt und verschwommen gewesen sein und müssen in mancherlei Hinsicht eher dem Bereich der fama zugerechnet werden102. Ganz sicher gilt dies für die von Tacitus als Kennzeichen der Gotonen, Rugier und Lemovier beschriebene Art der Bewaffnung mit Rundschilden und Kurzschwertern, welche nicht nur „eine ebenso unvollständige Ausrüstung wie sonderbare Mischung von Reiterbewaffnung und Bewaffnung von Fußkriegern darstellen würde“103, sondern darüber hinaus durch den archäologischen Befund, nach dem solche Waffen neben anderen überall in der Germania verbreitet waren104, widerlegt ist. Vor diesem Hintergrund muss auch das von Tacitus behauptete Königtum fragwürdig erscheinen, denn es ist kaum nachvollziehbar, dass, wenn schon die geographische Einordnung unsicher ist und sich die Beschreibung der Bewaffnung schlicht als falsch erwiesen hat, ausgerechnet diese Nachricht, zu welcher zudem nicht die Spur einer Parallelüberlieferung vor99 100
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Tac. Germ. 45,6; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 167. In den Quellen durch zahlreiche Nachrichten, die etwa über den Austausch von Geschenken oder den Aufenthalt germanischer Gesandtschaften in Rom berichten, hinreichend bezeugt; vgl. z. B. Tac. Germ. 5,3; oder Tac. ann. 13,54. Vgl. Tac. Germ. 34,1 u. 35,1; ferner Mildenberger, Sozial- und Kulturgeschichte, S. 75. Vgl. auch Jens Ulrich, Barbarische Gesellschaftsstruktur und römische Außenpolitik zu Beginn der Völkerwanderung. Ein Versuch zu den Westgoten 365–377 (Habelts Dissertationsdrucke, Reihe Alte Geschichte), Bonn 1995, zugl. Diss. Bonn 1994, S. 40f. Wolfram, Goten, S. 52. Vgl. etwa Much, Germania, S. 490 ff.; Jankuhn, Siedlung, S. 150; Lund, Germania, S. 228 f.; und Ders., Gesamtinterpretation, S. 1943.
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liegt105, zutreffend sein soll. Vielmehr ist anzunehmen, dass Tacitus die Darstellung der germanischen Völker hier nun ganz seiner eigentlichen, auf das antithetische Verhältnis von regnum und libertas zielenden Intention untergeordnet und die Faktizität der Ausführungen wohl eher als sekundär betrachtet hat. In der von ihm konstruierten climax regia kommt seine Anschauung ganz deutlich zum Ausdruck: Je ausgeprägter die monarchischen Strukturen einer Gesellschaft sind, desto schlechter ist es um die libertas der Menschen bestellt. Unter libertas im positiven Sinne versteht Tacitus freilich – anders als der moderne Freiheitsbegriff impliziert – keinen allgemein übertragbaren oder gar absoluten menschlichen Wert106, sondern die Wahrung der jedem nach seinem gesellschaftlichen Rang zukommenden Lebensform einschließlich der hiermit verbundenen Aufgaben und Rechte. Diese Form von libertas, die in ihrem Ursprung im Wesentlichen auf die traditionelle republikanische Gesellschafts- und Werteordnung zurückgeht, war für Tacitus, der dies mehr oder weniger deutlich in allen seinen Schriften thematisiert107, unter einer monarchischen Herrschaft nicht mehr gegeben.108 Dass regnum – im Sinne der Herrschaft eines Einzelnen – aus taciteischer Sicht letztendlich zu einem Werteverlust und moralischem Verfall führt, zeigt sich auch im weiteren Verlauf der climax regia. In diesem Kontext ist zunächst auf die Darstellung der Verhältnisse bei den Suionen einzugehen. Auch hier muss die Glaubwürdigkeit der Nachricht grundsätzlich angezweifelt werden, da man über diese entlegenen Gegenden in Rom kaum mehr als dürftige Kenntnisse und nicht einmal genaue Vorstellungen von der geographischen Lage hatte109. Ein wahrer Kern mag der Darstellung allerdings insofern zugrunde liegen, als man die geschilderten Verhältnisse auf die Situation während des Nerthusfestes beziehen kann.110 Ein entsprechender Hinweis ergibt sich aus der Beschreibung der sogenannten Nerthusvölker in Kapitel 40, wo ebenfalls die Rede davon ist, dass, so lange 105
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Vgl. hierzu Dietrich Claude, Adel, Kirche und Königtum im Westgotenreich (VuF Sbd. 8), Sigmaringen 1971, S. 10 f.; und zur Überlieferungssituation hinsichtlich der Goten insbesondere auch Bernhard Tönnies, Die Amalertradition in den Quellen zur Geschichte der Ostgoten. Untersuchungen zu Cassiodor, Jordanes, Ennodius und den Excerpta Valesiana (BAW 8), Hildesheim/Zürich/New York 1989, S. 34 u. passim. Eine solche Bedeutungserweiterung hat der römische libertas-Begriff nicht erfahren; vgl. auch Jochen Bleicken, Staatliche Ordnung und Freiheit in der römischen Republik, Kallmünz 1972, S. 52 ff. Vgl. auch Patzek, Fremdverstehen, S. 34. Vgl. hierzu ferner die Überlegungen von Bazelmans, Political Structure, S. 101 ff. So schon Much, Germania, S. 494. Siehe Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 164 Anm. 80.
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die Feierlichkeiten andauerten, nicht zu den Waffen gegriffen werde und alles Eisen verschlossen bliebe.111 Durch die Art, wie Tacitus diesen Ausnahmezustand dann jedoch umdeutet und als Folge der Herrschaft eines Einzelnen darstellt, wird seine Intention klar erkennbar, vor allem, wenn er abschließend einmal mehr den für ihn unerträglichen Umstand herausstellt, dass es ein Sklave sei, der die Schlüsselgewalt über die weggesperrten Waffen innehabe und dadurch, obschon von niedrigstem sozialen Rang, gleichsam über allen anderen stehe. Diese Verkehrung der gesellschaftlichen Hierarchie und der damit verbundenen Werte – der Verlust der libertas – aber liegt im königlichen Interesse und ist demgemäß untrennbar mit dem regnum verbunden. Die letzte und aus römischer Perspektive wohl auch nicht mehr steigerungsfähige Stufe des aus dem Moment der Königsherrschaft resultierenden Werteverfalls schildert Tacitus dann bei den Sithonen, die er als von einer Frau beherrscht darstellt. Die hier gebrauchte Wendung „femina dominatur“ ist insofern sinnfällig, als Tacitus zuvor immer das Verbum regnare verwendet hat. Dominor hängt indes eng mit dominus zusammen und beinhaltet daher eine genuin männliche Komponente, so dass die Verbindung zu femina in hohem Maße paradox wirkt. Genau darauf zielt die taciteische Darstellung ab – regnum führt zum Verlust der libertas und zu einer Verkehrung der Welt112, die nach der bei den Suionen geschilderten, kaum mehr zu überbietenden Demütigung, dass die waffentragenden nobiles die Insignien ihres gesellschaftlichen Ranges den Händen eines Sklaven und damit einer Unperson überantworten mussten, in der Alleinherrschaft einer Frau gipfelt. Abschließend ist noch auf eine Nachricht einzugehen, die im Hinblick auf das Königtum eine Sonderstellung im Kontext des zweiten Abschnittes der Germania einnimmt: (2) Marcomanis Quadisque usque ad nostram memoriam reges mansere ex gente ipsorum, nobile Marobodui et Tudri genus […], sed vis et potentia regibus ex auctoritate Romana. raro armis nostris, saepius pecunia iuvantur, nec minus valent. „(2) Den Markomannen und Quaden sind bis in die Zeit unserer eigenen Erinnerung Könige aus dem eigenen [Volk113] verblieben, das edle Geschlecht des Marbod und 111
112 113
Tac. Germ. 40,3: laeti tunc dies, festa loca, quaecumque adventu hospitioque dignatur. non bella ineunt, non arma sumunt; clausum omne ferrum […]. Vgl. Lund, Gesamtinterpretation, S. 1947. Zur Bedeutung und Übersetzung von gens vgl. auch den Beitrag von Jörg Jarnut, Aspekte frühmittelalterlicher Ethnogenese in historischer Sicht, in: Entstehung von Sprachen und Völkern. Glotto- und ethnogenetische Aspekte europäischer Sprachen, hg. v. Per Sture Ureland (Linguistische Arbeiten 162), Tübingen 1985, S. 83–91, wieder abgedruckt in: Ders., Herrschaft und Ethnogenese im Frühmittelalter. Gesammelte Aufsätze von Jörg Jarnut. Festgabe zum 60. Geburtstag, hg. v. Matthias Becher, Münster 2002, S. 19–27.
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Tudrus […], Kraft und Macht aber (erhalten) die Könige aus römischer Vollmacht. Selten hilft man ihnen mit unseren Waffen, häufiger mit Geld, und das vermag nicht weniger.“114
Das regnum Marbods fällt aus der Zielrichtung der Darstellung des zweiten Teils insofern heraus, als es nicht negativ dargestellt wird, sondern in gewisser Hinsicht sogar eher positive Züge trägt, da es ein Königtum „ex auctoritate Romana“ ist. Tacitus erwähnt es in diesem Zusammenhang offenbar nur, weil im Rahmen der Völkertafel auch die Markomannen zu behandeln waren und die Gestalt des Marbod in Rom über einen gewissen Bekanntheitsgrad verfügt haben dürfte. Der Hinweis, dass die Könige bei den Markomannen und Quaden ihre Kraft und Macht aus römischer Vollmacht beziehen, deutet allerdings darauf hin, dass dieses Königtum auf die Verleihung des rex atque amicus-Titels zurückgeht, wobei erstmals deutlich wird, wie man sich die hieraus resultierenden Beziehungen vorzustellen hat.115 Über die Herrschaft Marbods äußert sich des Weiteren auch der im ersten nachchristlichen Jahrhundert schreibende Velleius Paterculus in seiner Historia Romana. Da er unter Tiberius als Legat in Germanien und Pannonien tätig gewesen war, ist bei ihm – anders als bei Tacitus – durchaus ein tiefergehendes, auf eigener Anschauung und Erfahrung gründendes Verständnis der fraglichen Verhältnisse vorauszusetzen, weshalb seine nachstehend angeführte Bemerkung Beachtung verdient: Maroboduus, genere nobilis, corpore praeualens, animo ferox, natione magis quam ratione barbarus, non tumultuarium neque fortuitum neque mobilem et ex uoluntate parentium constantem inter suos occupauit principatum sed certum imperium uimque regiam complexus […]. „Marbod, aus edlem Geschlecht und von kräftiger Gestalt und wilder Gesinnung, war eher durch seine Volkszugehörigkeit als von seinem Denken her ein Barbar; er hatte sich bei seinen Volksgenossen eine Führerstellung angeeignet, die weder aus dem Augenblick [durch einen Aufstand] heraus noch zufällig entstanden war oder schwankte und vom Willen der Untertanen abhing, sondern er ergriff eine sichere Herrschaft und Königsgewalt […].“116
Velleius bringt hier sehr unmissverständlich zum Ausdruck, dass er die Herrschaft Marbods über die Markomannen als eine von den ansonsten auf dem Gebiet der Germania gegebenen Verhältnissen deutlich abweichende Ausnahmeerscheinung wahrgenommen hat. Gerade indem er betont, dass Marbod – obwohl volksmäßig den Barbaren zugehörig – seine Anführer114 115 116
Tac. Germ. 42,2; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 163. Vgl. hierzu vor allem Kienast, Entstehung. Vell. Pat. 2,108,2; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/2, S. 119 mit Anm. 59.
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schaft (principatus) weder durch einen Aufstand noch durch bloße Zufälligkeiten erlangt hatte, bietet er einen Anhaltspunkt dafür, wie man sich die Herrschaftsorganisation im germanischsprachigen Barbaricum für das 1. Jahrhundert n. Chr. vorstellen muss, zumindest aber, wie sie sich einem römischen Beobachter dargeboten hat: wenig verlässlich, von Zufällen und Unwägbarkeiten bestimmt, stets unsicher und schwankend und vom Willen des Volkes abhängig. Von diesen aus römischer Perspektive schwer durchschaubaren und ungeordneten Zuständen hebt Velleius die Stellung Marbods nun insofern positiv ab, als er ihm „certum imperium vimque regiam“ bescheinigt und damit gerade jene Qualitäten zuspricht, deren Fehlen gewöhnlich zu den wesentlichen Charakteristika der als besonders wild und unbezähmbar geltenden germanischen Barbaren zählten. Was auf den ersten Blick vielleicht etwas widersprüchlich anmuten mag, findet seine Erklärung in der Person des Marbod, der von Velleius bereits im Vorfeld mit folgenden Worten charakterisiert wird: „Maroboduus […] natione magis quam ratione barbarus […].“117 Eine Bewertung, die nicht von ungefähr kommt, hatte doch Marbod seine Erziehung und Ausbildung in Rom, allem Anschein nach wohl im engeren Umfeld des Augustus genossen118, von dem er laut Strabon während dieser Zeit sogar besonders begünstigt worden war119. Marbod wird demnach in hohem Maße romanisiert gewesen sein, und so verwundert es denn auch nicht, dass er seinen principatus über die Markomannen gemäß römischen Vorstellungen von Herrschaft strukturiert und, anders als es nach der Wahrnehmung des Velleius sonst bei den germanischsprachigen Barbaren üblich war120, auf certum imperium vimque regia begründet hat. – Zusammenfassend bleibt mithin festzuhalten, dass auch der zweite Teil der Germania keine Zeugnisse für ein eigenständiges germanisches Königtum aufweist. Dies gilt im Übrigen gleichermaßen für die „Historien“ und „Annalen“, wo – ähnlich wie im ersten Teil der Germania – zumeist von principes die Rede ist. Werden dennoch reges genannt, sind diese recht gut als reges ex auctoritate Romana erkennbar. Was die „Historien“ anbelangt, so sind mit 117 118
119 120
Vell. Pat. 2,108,2. Vgl. hierzu vor allem Josef Dobiáˇs, King Maroboduus as a Politician, in: Klio 38 (1960), S. 155–166, hier S. 155 f.; ferner bereits Franz Miltner, Germanische Führer der Antike, Essen 1997 (ND Potsdam 1938), S. 38. – Kritisch hierzu freilich Paul Kehne, Art. Marbod, in: RGA 19 (2001), S. 258–262, bes. S. 258. Strab. 7,1,3. – Siehe auch Wolters, Römische Eroberung, S. 180. Auf die hier angesprochene Unterscheidung, die Velleius zwischen den herkömmlichen Formen der Herrschaftsorganisation bei den Germanen und dem Königtum Marbods vornimmt, hat bereits Dobiáˇs hingewiesen; vgl. Dobiáˇs, Maroboduus, S. 156.
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Blick auf die Germanen vor allem die den Bataveraufstand (69/70 n. Chr.) betreffenden Nachrichten von Interesse. In diesem Zusammenhang werden zunächst die Suebenkönige Sido und Italicus erwähnt: […] trahuntur in partes Sido atque Italicus reges Sueborum, quis vetus obsequium erga Romanos et gens fidei quam iussorum patientior. „[…] Sie zogen (auch) die Suebenkönige Sido und Italicus auf ihre Seite, die den alten Gehorsam gegenüber den Römern (bewiesen) und deren Volk geduldiger die Treue (bewahrte), als es Befehle (entgegennahm).“121
Da die Bezeichnung „Sueben“ als Oberbegriff für eine Vielzahl von selbständigen gentes fungierte122, ist hier kein Doppelkönigtum angesprochen, gemeint ist vielmehr, dass die Genannten jeweils einen der Suebenverbände anführten. Über Sido wissen wir aus den „Annalen“, dass er gemeinsam mit seinem Bruder Vangio und dem Hermundurenanführer Vibilius auf die Vertreibung seines Onkel Vannius hingewirkt hatte, um sich anschließend mit Vangio dessen Herrschaftsbereich zu teilen.123 Vannius, selbst den Quaden zugehörig, war noch von Drusus (19 n. Chr.) als rex über die ehemaligen Anhänger von Marbod und Catualda eingesetzt worden, welche, nachdem sich die Anführer aufgrund ihrer Niederlagen ins römische Exil zurückgezogen hatten, nunmehr führerlos waren. Damit sie den jüngst errungenen Frieden in den Provinzen nicht störten, hatte man sie dann jenseits der Donau zwischen March und Cusus unter der Herrschaft des Vannius angesiedelt.124 Das Reich des Vannius gilt als der erste echte „germanische Klientelstaat“ des Imperium Romanum125, und selbst wenn seine Nachfolger nicht direkt von Rom eingesetzt wurden, waren sie bei ihrer Machtergreifung doch in hohem Maße auf die Billigung der Römer angewiesen. Auch das Königtum Vangios und Sidos war mithin römischen Ursprungs und blieb wohl stets eng auf Rom bezogen, denn Tacitus weiß zu berichten, dass sie sich Rom gegenüber durch hervorragende Treue auszeichneten126.
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Tac. hist. 3,5,1; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/2, S. 179. Vgl. Tac. Germ. 38,1: […] propriis adhuc nationibus nominibusque discreti, quamquam in commune Suebi vocentur. – Zur Forschungslage siehe o. S. 40 Anm. 56. Tac. ann. 12,29,1 u. 12,30,2. Tac. ann. 2,63,5–6; sowie Plin. nat. 4,79; vgl. ferner Achim Leube, Das regnum Vannianum im Spiegel neuer Forschungsergebnisse, in: Rom und Germanien, S. 52–55; und Trzaska-Richter, Furor teutonicus, S. 173, mit weiterer Literatur. Vgl. auch Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/2, S. 126 Anm. 74; und ferner Jürgen Kunow, Das Limesvorland der südlichen Germania inferior, in: BJb 187 (1987), S. 63–77, hier S. 74 f. mit Anm. 49. Tac. ann. 12,30,2.
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Zu dem eingangs ebenfalls genannten Italicus127 vermelden die „Annalen“: (1) Eodem anno Cheruscorum gens regem Roma petivit amissis per interna bella nobilibus et uno reliquo stirpis regiae, qui apud urbem habebatur, nomine Italicus. paternum huic genus e Flavo fratre Arminii, mater ex Actumero principe Chattorum erat; ipse forma decorus et armis equisque in patrium nostrumque morem exercitus. igitur Caesar auctum pecunia, additis stipatoribus, hortatur gentile decus magno animo capessere: illum primum Romae ortum nec obsidem, sed civem ire externum ad imperium. „(1) In demselben Jahr128 erbat [das Volk] der Cherusker aus Rom einen König, da [es] in den inneren Kriegen seine Adligen verloren hatte und aus de[r] stirps regia nur ein einziger mit Namen Italicus übrig geblieben war, der sich bei der Stadt (Rom) aufhielt. Er stammte väterlicherseits von Flavus, dem Bruder des Arminius, seine Mutter von [Actumerus, einem princeps der Chatten,] ab; er selbst war von stattlicher Gestalt und im Umgang mit Waffen und Pferden nach heimischer wie nach unserer Weise ausgebildet. Deshalb mehrte Caesar129 sein Vermögen, gab ihm noch Leibwächter mit und forderte ihn auf, die seiner Familie (angemessene) Würde mit hoher Gesinnung zu übernehmen: Er sei der erste, der in Rom geboren sei und nicht als Geisel, sondern als Bürger in ein auswärtiges Reich gehe.“130
Auffällig ist die Wendung von der stirps regia, die – wörtlich genommen – voraussetzen würde, dass bei den Cheruskern schon vor der Herrschaft des Italicus ein Königtum existiert hat. Über einen älteren Cheruskerkönig ist indes nichts bekannt. Denn Flavus, Arminius und Actumerus, die als Ausweis für die edle Abstammung des Italicus und seine Zugehörigkeit zum „königlichen Geschlecht“ angeführt werden, sowie andere in irgendeiner Form herausragende Persönlichkeiten dieses Volkes begegnen in den Quellen ausschließlich als duces oder principes.131 Das Fehlen jedweder Nachrichten über einen cheruskischen rex selbst da, wo man seine Erwähnung zwin127
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Zur Gleichsetzung des „Suebenkönigs“ Italicus mit dem cheruskischen rex vgl. Rübekeil, Suebica, S. 196. 47. n. Chr. Claudius (41–54 n. Chr.). Tac. ann. 11,16,1; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/2, S. 155. Vgl. Strab. 7,1,4; Vell. Pat. 2,118,2; Frontin 2,9,4; sowie Tac. ann. 1,55,2/ 2,7,2/ 2,9,1 u. 2,88,1. – Zur Beurteilung der Situation bei den Cheruskern vgl. ferner Hachmann, Germanen und Kelten, S. 66: Im Cheruskergebiet erlangte angesichts eines „nationalen Notstandes“ einer der zahlreichen Stammeshäuptlinge aufgrund persönlicher Tapferkeit und Klugheit vorübergehend eine ungewöhnliche Stellung innerhalb des Stammes, die aber niemals allgemeine Anerkennung fand. Der Versuch des Arminius, die Bindungen der altüberlieferten Sozialordnung zu beseitigen und sich selbst aus einer Anzahl durchaus gleichgestellter Häuptlinge herauszuheben, mißlang völlig. Auch wenn die Ausführungen über die Sueben, in welche diese Beobachtung eingebettet ist, so nicht geteilt werden können, ist hiermit doch das Richtige getroffen.
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gend hätte erwarten dürfen132, hat jedoch der Bewertung o. g. Passage als Ausweis für die Existenz eines älteren cheruskischen Königtums nicht im Wege gestanden. Vielmehr wurde der Erwähnung einer stirps regia bei einzelnen, den Germanen zugerechneten gentes im Hinblick auf die Frage nach der Existenz eines althergebrachten „urgermanischen“ Königtums eine derart fundamentale Bedeutung beigemessen133, dass das konsequente Schweigen der Quellen bezüglich eines cheruskischen Königs gegenüber der einmaligen Erwähnung einer cheruskischen stirps regia kaum Berücksichtigung erfuhr. Angesichts dieses Missverhältnisses erscheint es geboten, an dieser Stelle etwas auszuholen und die fraglichen Zusammenhänge einmal genauer zu betrachten. Fest steht, dass Italicus im Einvernehmen mit dem römischen Kaiser Claudius – und wenn nicht sogar tatsächlich auf Wunsch, so doch wohl zumindest mit dem Einverständnis der cheruskischen gens – im Jahre 47 n. Chr. die Führung des Stammes134 übernahm. Warum für diese Aufgabe jemand von außen berufen wurde, ist in den Quellen freilich nur schemenhaft erkennbar. Offenbar war es in den Jahren nach dem Tod des Arminius zu massiven innergentilen Auseinandersetzungen gekommen, in deren Verlauf sich die um die Herrschaft konkurrierenden nobiles gegenseitig aufgerieben bzw. so geschwächt hatten135, dass das einstmals angesehene und 132
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Vgl. hierzu auch die in diesem Punkt zutreffenden Überlegungen von Alexander Demandt, Arminius und die frühgermanische Staatenbildung, in: Wiegels/Woesler (Hgg.), Arminius und die Varusschlacht, S. 185–196, hier S. 194. So etwa bei Wenskus, Stammesbildung, S. 420 ff. – Ausführlich hierzu Kap. 2. Zur Problematik des Stammesbegriffs grundlegend Wenskus, Stammesbildung, S. 87–112, dessen Ansatz, wenngleich mit einiger zeitlicher Verzögerung, zu einer Relativierung des Stammesbegriffs der älteren Forschung geführt und damit die Vorstellung vom Stamm „als einer natürlich gewachsenen Abstammungsgemeinschaft“ abgelöst hat; siehe hierzu auch Bernd Schneidmüller, Reich, Volk, Nation: Die Entstehung des deutschen Reiches und der deutschen Nation im Mittelalter, in: Mittelalterliche nationes – neuzeitliche Nationen. Probleme der Nationenbildung in Europa, hgg. v. Almut Bues u. Rex Rexheuser (Deutsches Historisches Institut Warschau, Quellen und Studien 2), Wiesbaden 1995, S. 73–101, Zitat S. 80; sowie Jörg Jarnut, Gedanken zur Entstehung des mittelalterlichen deutschen Reiches, in: GWU 32 (1981), S. 99–114, wieder abgedruckt in: Ders., Herrschaft und Ethnogenese, S. 35–49, hier S. 35; Ders., Frühmittelalterliche Ethnogenese, S. 19 f.; Walter Pohl, Strategie und Sprache – zu den Ethnogenesen des Frühmittelalters, in: Ureland (Hg.), Entstehung von Sprachen und Völkern, S. 93–101, bes. S. 94 f.; und Matthias Becher, Rex, Dux und Gens. Untersuchungen zur Entstehung des sächsischen Herzogtums im 9. und 10. Jahrhundert (Historische Studien 444), Husum 1996, S. 15 f., mit einem knappen Überblick und weiterer Literatur. Tac. ann. 11,16,1. – Siehe auch Wolters, Römische Eroberung, S. 257; sowie Pohl, Germanen, S. 20.
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mächtige Volk der Cherusker in die Bedeutungslosigkeit abgesunken, möglicherweise sogar in seiner Existenz als eigenständige gens bedroht war. Vor diesem Hintergrund innerer Zwistigkeiten, in denen sich allem Anschein nach keine der um den Vorrang und die Anführerschaft ringenden Parteien dauerhaft durchzusetzen vermochte, wird sich Italicus aufgrund ganz unterschiedlicher Qualitäten als Kandidat des Ausgleichs empfohlen haben: Zum einen durch seine Zugehörigkeit zu einer der traditionell führenden Familien der Cherusker, vor allem aber durch seine außenständige Position, aufgrund der er wohl nicht unmittelbar in die Auseinandersetzungen involviert gewesen war. Eine nicht zu vernachlässigende Rolle dürfte darüber hinaus auch seine nahe Verwandtschaft mit der charismatischen Persönlichkeit des Arminius gespielt haben, welcher als Symbolfigur für die letzte ruhmreiche Blütephase des cheruskischen Stammesverbandes stand136, an die man vermittelst der Erhebung seines Brudersohnes Italicus zum Anführer womöglich wieder anzuknüpfen hoffte. Und nicht zuletzt ist schließlich noch seine Romnähe anzuführen, die er als Sohn des einst auf römischer Seite kämpfenden Arminiusbruders Flavus in besonderem Maße repräsentierte. Gerade dieses Moment dürfte ihn in den Augen der im Niedergang befindlichen cheruskischen gens als Anführer attraktiv erschienen haben lassen, insofern als sich damit wohl die Erwartung verband, dass die Kontakte, die Italicus, der in Rom aufgewachsen, erzogen und ausgebildet worden war, dort hatte aufbauen und pflegen können, sowie die Gunst des Kaisers, die er augenscheinlich genoss, sich für die gens als Ganzes würden fruchtbar machen lassen. Aber auch für Rom war die Entsendung des Italicus von Nutzen, bot sich hier doch die Möglichkeit, durch die Installation eines in Rom sozialisierten Anführers ein gewisses Maß an – wenn auch wahrscheinlich nur lockerem – Einfluss bei den Cheruskern zu gewinnen und damit auf gefahrlosem Weg und ohne nennenswerten Einsatz den Kreis potentieller Bündnis- bzw. Kooperationspartner auf dem nur schwer kontrollierbaren Gebiet der Germania magna zu erweitern. Eine außenpolitische Strategie, die im Übrigen keineswegs neu war, sondern insbesondere im Umgang mit den Völkern des östlichen Mittelmeerraums und Vorderasiens, etwa den Parthern, den Medern oder den Armeniern, schon vielfach zur Anwendung gekommen war und dort geradezu zum diplomatischen Tagesgeschäft gehörte.137 Dass derlei Maßnahmen nicht immer zu dem gewünschten Erfolg 136
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Tacitus berichtet, dass die Taten des Arminius noch zu seiner Zeit in Liedern besungen und verbreitet wurden; Tac. ann. 2,88,3. Vgl. insbesondere Karl-Heinz Ziegler, Die Beziehungen zwischen Rom und dem Partherreich. Ein Beitrag zur Geschichte des Völkerrechts, Wiesbaden 1964, zugl. Diss.
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führten, konnte Rom angesichts des geringen eigenen Engagements offenbar problemlos verschmerzen. Das Hauptrisiko trugen ohnehin die solcherart geförderten Prätendenten, die von Rom neben ihrer in einer würdevollen Zeremonie vollzogenen Ernennung zum König ihres jeweiligen Volkes138 zumeist nur repräsentative Ehrengeschenke, vielleicht einige weitere Finanzmittel und im günstigsten Fall noch einen Begleitschutz erhielten, den man sich freilich zahlenmäßig nicht allzu groß vorstellen darf und der ganz gewiss nicht geeignet war, eventuell vor Ort vorhandenen größeren Widerständen wirksam zu begegnen. Da im Falle auftretender Schwierigkeiten von Seiten Roms gewöhnlich keine militärische Hilfeleistung erfolgte, waren nicht wenige der auf diesem Wege installierten Könige mit ihrem Herrschaftsanspruch, der oftmals nur von einzelnen Parteien in der Heimat unterstützt wurde, und in Ermangelung tiefergehender struktureller Kenntnisse über die inneren Verhältnisse dort zum Scheitern verurteilt. Immerhin durften diejenigen, denen noch rechtzeitig die Flucht gelang, auf ein standesgemäßes Domizil und einen angemessenen Unterhalt auf Reichskosten hoffen.139 Die zahlreichen, insbesondere die Verhältnisse im Osten betreffenden Beispiele für diese Form außenpolitischer Einflussnahme belegen, dass sich diese diplomatische Praxis trotz der durchwachsenen Erfolgsaussichten offenbar großer Beliebtheit erfreute. Es ist daher davon auszugehen, dass die Intention solcher Vorgehensweisen nicht ausschließlich in der Etablierung romfreundlicher oder gar -abhängiger Machthaber lag, sondern es vielmehr auch darum ging, durch derartige öffentlich inszenierte Herrschereinsetzungen die kaiserliche Machtfülle in Rom selbst zu demonstrieren. Die bei solchen Gelegenheiten ausgegebenen Münzen jedenfalls, die mit Umschrif-
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Frankfurt am Main 1963, bes. S. 55–66, S. 75 ff. u. S. 95; aber auch David Braund, Rome and the Friendly King. The Character of the Client Kingship, London/Canberra/New York 1984, passim; sowie Erdmann, Ideenwelt, S. 13; und Goodman, Roman World, S. 110 f. – Vgl. hierzu ferner Mon. Anc. 27 u. 33; Suet. Aug. 73; Tac. ann. 2,1–4. – Dass Rom diese im Osten erprobte Form der Gestaltung der Beziehungen zu Anrainervölkern auch gegenüber den auf dem Gebiet der Germania lebenden gentes praktiziert hat, hat Pitts am Beispiel der Markomannen und Quaden eindrucksvoll herausgearbeitet; vgl. Lynn F. Pitts, Relations between Rome and the German „Kings“ on the Middle Danube in the First to Fourth Centuries a.d., in: JRS 74 (1989), S. 45–58, bes. S. 54. Etwas eindimensional bzw. auf der Grundlage eines sehr eingeengten Diplomatiebegriffs urteilt Gesche über die römische Außenpolitik, der sie relative diplomatische Inaktivität (S. 69) bescheinigt; vgl. Helga Gesche, Rom. Welteroberer und Weltorganisator, München 1981, bes. S. 55 ff. Siehe Braund, Friendly King, S. 26 f., mit Beispielen. Mon. Anc. 32. – Vgl. des Weiteren Ziegler, Beziehungen, S. 55–67; Braund, Friendly King, S. 165.
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ten wie beispielsweise „rex Quadis datus“140 und einem entsprechenden Bildprogramm das jeweilige Ereignis als solches herausstellten, die Kenntnis darüber verbreiteten und in Erinnerung riefen, deuten darauf hin, dass besagte Praxis auch eine innenpolitische Zielrichtung hatte, für die der tatsächliche langfristige Erfolg nicht unbedingt maßgeblich war. Wenden wir uns nun wieder dem Fall des Italicus zu, dann ist zunächst festzuhalten, dass sich die Umstände seiner Königsernennung völlig in das oben skizzierte Bild einfügen. Dies wird sich auch den römischen Zeitgenossen so dargestellt haben, denen solche, den römischen Superioritätsanspruch unterstreichenden Maßnahmen grundsätzlich geläufig waren. Allerdings – und hierin liegt ein zentraler Unterschied – waren es bislang zumeist Völker der östlichen Mittelmeerwelt gewesen, bei denen derartige Strategien zur Anwendung gekommen waren. Völker, die sich mit Rom in ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung auf gleicher Augenhöhe befanden und erwiesenermaßen schon seit langer Zeit monarchisch organisiert waren; bei denen also ein von Rom eingesetzter und geförderter König seinem Herrschaftsanspruch gemäße Strukturen vorfand.141 Für die Cherusker freilich trifft dies nicht zu – Italicus war der erste cheruskische Anführer, der in den Quellen als rex bezeugt ist. Zudem haben die vorangegangenen Ausführungen gezeigt, dass die in der Vergangenheit auch für die Beurteilung dieser Nachricht grundlegende Annahme von der Existenz eines überkommenen originär germanischen Königtums zunächst einmal der Überprüfung bedarf, und daher auch nicht als Argument für die Deutung der hier betrachteten cheruskischen Verhältnisse herangezogen werden kann. Die am Ausgangspunkt dieser Überlegungen stehende Frage nach der stirps regia ist mithin allein auf der Grundlage der entsprechenden Quellenstelle142 sowie der übrigen zeitgenössischen Nachrichten über die Cherusker zu beantworten, wobei insbesondere die spezifischen, den bereits erläuterten Aspekt der Fremdwahrnehmung143 beinhaltenden Überlieferungsbedingungen berücksichtigt werden müssen. Führen wir uns die hiermit verbundenen Mechanismen und Modalitäten noch einmal vor Augen, dann lässt sich die Erwähnung einer cheruskischen stirps regia mit einiger Wahrscheinlichkeit darauf zurückführen, dass Tacitus bei der Niederschrift der besagten Stelle an die oben angespro-
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Vgl. etwa Pitts, Relations, S. 49; sowie Robert Göbl, Antike Numismatik, Bd. 2, München 1978, S. 248, Nr. 3139, und Tafel 147 mit der Abb. des aus der Zeit um 140/144 stammenden Sesterzen. Vgl. hierzu auch Walser, Rom, S. 153 f.; sowie Pitts, Relations, S. 45. Tac. ann. 11,16,1; siehe auch o. S. 94 mit Anm. 131. Siehe o. Kap. 3.
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chene, insbesondere unter Augustus intensivierte Praxis römischer Diplomatie gedacht haben wird. Dafür spricht auch, dass ihm als ehemaligem Prokonsul der Provinz Asia die Verhältnisse im östlichen Teil und der östlichen Einflusssphäre des Imperium Romanum in besonderem Maße vertraut gewesen sein dürften. Es erscheint daher mehr als naheliegend, dass er mit einer gewissen Selbstverständlichkeit davon ausging, bei dem von Claudius zu den Cheruskern gesandten Italicus habe es sich – wie es in vergleichbaren Fällen, etwa bei den Parthern, durchaus üblich gewesen war – um einen Dynasten, also den Angehörigen einer von ihm vorausgesetzten cheruskischen Königsfamilie, gehandelt. Am Beispiel der taciteischen Ausführungen über die Cherusker wird abermals deutlich, dass Tacitus weder über sichere Kenntnisse noch auch nur über zutreffende und in sich konsistente Vorstellungen über die Herrschaftsorganisation bei den auf dem Gebiet der Germania magna ansässigen Völker verfügt haben kann. Cheruskische Anführer werden von ihm stets mit eher unspezifischen Begriffen wie proceres, primores oder principes und nur gelegentlich einmal als duces bezeichnet. Von einem cheruskischen Königtum weiß auch er nichts zu berichten, allerdings unterstellt er dem Arminius, er habe nach der Vertreibung Marbods die Königsherrschaft angestrebt, woraufhin dieser jedoch die Freiheitsliebe seiner Landsleute gegen sich gehabt hätte und schließlich durch die Hinterlist seiner Verwandten umgekommen sei: ceterum Arminius, abscedentibus Romanis et pulso Maroboduo regnum adfectans, libertatem popularium adversam habuit, petitusque armis cum varia fortuna certaret, dolo propinquorum cecidit […].144
Wie nun ausgerechnet diese freiheitsliebenden Cherusker zu einer stirps regia gekommen sein sollen, erklärt Tacitus leider nicht. Und selbst wenn man mit der älteren Forschung annehmen wollte, es habe sich hierbei um ein Überbleibsel jenes inzwischen aufgrund besagter Freiheitsliebe abgeschafften urtümlichen Königtums gehandelt, so erklärt das nicht, warum die Zugehörigkeit zu dieser stirps regia nach der Abschaffung des Königtums überhaupt noch eine Rolle gespielt haben soll. Die einzige Möglichkeit bestünde darin, restaurative Kräfte anzunehmen, die sich für eine Wiederherstellung jenes älteren Königtums eingesetzt und den Mitgliedern der stirps regia eine besondere Vorrangstellung zuerkannt hätten. Darauf gibt es jedoch keinerlei Hinweise in den Quellen. Zudem bliebe zu fragen, warum, wenn die Zugehörigkeit zu dem vermeintlichen cheruskischen Königsgeschlecht irgendeine hervorragende Bedeutung gehabt haben soll, diese mit Ausnahme jener Italicus betreffenden Stelle nirgends Erwähnung findet. 144
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Die hier aufgezeigten Widersprüche lassen sich kaum mit Bestimmtheit auflösen. Konzediert man jedoch, dass Tacitus die fraglichen Zusammenhänge gemäß seiner spezifisch römischen Perspektive darstellt, dann ergibt sich folgender Zusammenhang: Vor dem Hintergrund der Erfahrung, dass die Mehrzahl der Völker, mit denen Rom seinerzeit in Kontakt stand, tatsächlich monarchisch organisiert war, und eingedenk der römischen Praxis, socius-Verhältnisse über die Verleihung des rex atque amicus-Titels zu begründen, tendiert Tacitus ganz offensichtlich dazu, die Anführer auch der germanischen Völker pauschal als Könige zu betrachten. Zwar dürfte ihm bewusst gewesen sein, dass dies nicht grundsätzlich zutraf – die zum Teil variabel gehaltenen Bezeichnungen weisen jedenfalls darauf hin –, dennoch zeigt sich in seinen Werken nahezu durchgehend, dass er die ihm nicht aus eigener Anschauung bekannten innergermanischen Verhältnisse stets anhand der modellgebenden Vorstellung von monarchisch strukturierten Gesellschaften gemessen, verarbeitetet und dargelegt hat.145 Ein Arminius, der soeben das markomannische regnum zerschlagen und die in voller Blüte stehende146 Weltmacht Rom aus dem Gebiet der Germania zurückgedrängt hatte, konnte nach dem Verständnis eines Tacitus nur nach eigener Königsherrschaft streben.147 Wenn die Cherusker in Rom um einen König nachsuchten, dann war es naheliegend, dass der ihnen übersandte Prätendent, wie es auch sonst den Gepflogenheiten römischer Diplomatie entsprach, durch seine Zugehörigkeit zur stirps regia legitimiert war. Immer wieder fällt Tacitus so auf ihm geläufige Erklärungsmuster zurück, die sich nicht immer mit den vorliegenden Nachrichten in Übereinstimmung bringen lassen und zu mitunter eigentümlichen Widersprüchen führen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang aber auch der zeitliche Abstand, der zwischen den Ereignissen und ihrer Verschriftlichung durch Tacitus lag. Angesichts einer fehlenden unabhängigen Parallelüberlieferung sind Verzeichnungen in der Darstellung kaum auszuschließen, so dass es ebenso gut denkbar wäre, dass die Cherusker ursprünglich gar nicht um die 145
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Bereits Walser hat darauf hingewiesen, dass Tacitus seine Germanendarstellung in hohem Maße an dem römischen Bezugsrahmen orientiert hat: Das Barbarische ist nicht als selbständige Erscheinung begriffen, sondern nur in Beziehung auf das Römische. So finden wir trotz den vielen Angaben über fremde Sitte und den Aussprüchen von Barbaren nie ein wirkliches historisches Erkennen des Fremden (S. 154); vgl. Walser, Rom, bes. S. 78. Tac. ann. 2,88,2. Siehe hierzu auch Wallace-Hadrill, Early Germanic Kingship, S. 6; ferner Dieter Timpe, Der römische Verzicht auf die Okkupation Germaniens, in: Chiron 1 (1971), S. 267–284, hier S. 277 f., der diese Bemerkung des Tacitus als ideologisch verfärbte Behauptung einstuft.
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Entsendung des Italicus als König gebeten hatten, sondern ihn – aus den bereits dargelegten Gründen – lediglich als Anführer wollten und gleichzeitig die Aufnahme in die römische amicitia anstrebten. Gemäß des von Seiten Roms üblichen Verfahrens, ein solches amicitia-Verhältnis mit der Verleihung des rex-Titels an den jeweiligen Anführer zu begründen, mag es dann zu der Installation eines ersten cheruskischen Königs gekommen sein. Für diese Sicht spräche, dass der gewissermaßen aus Rom importierte rex Italicus sich faktisch nicht lange aus eigener Kraft zu behaupten vermochte und schon bald abgesetzt wurde, was auch mit den übrigen Nachrichten über die Ablehnung des Königtums durch die Cherusker korrespondiert. Erst mit massiver Unterstützung durch langobardische Truppen konnte Italicus später seine einstige Position wieder einnehmen.148 Vor diesem Hintergrund ist es mehr als problematisch, einzelnen Wendungen wie der singulären Erwähnung einer cheruskischen stirps regia derart fundamentale Bedeutung zuweisen zu wollen, wie dies in der Vergangenheit überwiegend der Fall war.149 Vielmehr wird man annehmen dürfen, dass Tacitus hier in Ermangelung genauer Kenntnis der Verhältnisse unwillkürlich auf die Cherusker übertragen hat, was ihm in anderen Zusammenhängen völlig selbstverständlich gewesen sein wird. Dies gilt des Weiteren auch für das Verständnis der folgenden Passage der „Historien“, wo es im Kontext der Anfänge des Bataveraufstandes heißt: (1) Iulius Civilis et Claudius Paulus regia stirpe multo ceteros anteibant. „(1) Julius Civilis und Claudius Paulus überragten durch ihre königliche Abstammung die übrigen bei weitem.“150
Die Nachricht lässt sich kaum als Hinweis auf die Existenz eines batavischen Königtums deuten151, vielmehr soll hier die exponierte Stellung des Civilis zum Ausdruck gebracht und erklärt werden, warum dieser einer re148 149
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Tac. ann. 11,17,1–3. So z. B. bei Wenskus, Stammesbildung, S. 421 ff.; oder Wolfram, Das Reich und die Germanen, S. 42. – Anders freilich schon Timpe, Arminius-Studien, S. 15 Anm. 10, der „regius“ hier lieber mit „königswürdig“ oder „überragend“ übersetzt wissen will; und zuletzt auch Wolfram, Gotische Studien, S. 24 f., der die fragliche Wendung von der stirps regia nunmehr darauf zurückführt, dass Arminius durch seine im Kampf gegen die Römer und nicht zuletzt gegen Marbod erworbene Nobilität sein Geschlecht gewissermaßen „verköniglicht“ habe (Zitat S. 25). Tac. hist. 4,13,1; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/2, S. 183. So auch Oliver Schmitt, Anmerkungen zum Bataveraufstand, in: BJb 193 (1993), S. 141–160, hier S. 151; und Ralf Urban, Gallia rebellis. Erhebungen in Gallien im Spiegel antiker Zeugnisse (Historia Einzelschriften 129), Stuttgart 1999, S. 70 Anm. 115, der Schmitt in der Sache zustimmt, aber an dessen methodischem Vorgehen Kritik übt.
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gulären Bataverkohorte als praefectus vorstand152. Nach altem Brauch nämlich, so hat Tacitus zuvor erläutert, waren es die „nobilissimi popularium“153, welche die Kohorten befehligten (regebant). Civilis selbst wird ansonsten nirgendwo als König, sondern – gemäß seiner militärischen Funktion – gewöhnlich als dux angesprochen154, allerdings unterstellt Tacitus auch hier wieder, dass er nach der Königsherrschaft über Gallien und Germanien getrachtet habe155. Angesichts dessen, dass der Bataveraufstand heute mehrheitlich als Parteibildung im Kontext der römischen Bürgerkriege des Vierkaiserjahres und nicht mehr als „gallische Separatismusbewegung“ bewertet wird156, ist diese Bemerkung wohl vor allem als Produkt der taciteischen Vorstellungen über die Motive, Strategien und Ziele eines barbarischen Anführers zu betrachten. Eine etwas andere Perspektive ergibt sich, folgt man Ludwig Rübekeil, der auf der Grundlage ortsnamenkundlicher Untersuchungen herausgearbeitet hat, dass, ebenso wie schon die Chatten ursprünglich zu den keltischen Volcae zählten, auch die Bataver als ihre Abkömmlinge157 in keltischer Tradition standen.158 Betrachtet man nun die Bataver als germanisierte Kelten, dann könnte der Bemerkung des Tacitus, Civilis sei von königlicher Herkunft gewesen, doch ein gewisser Realitätsgehalt zukommen, zumal für die latènezeitlichen Kelten die Existenz von Königtümern grundsätzlich überliefert ist159. Anders als bei den Cheruskern, für die Letzteres nicht zutrifft, wäre hier immerhin denkbar, dass sich wenigstens insofern ein Reflex auf eine ältere, inzwischen offenbar aufgegebene Form monarchischer Herrschaftsorganisation erhalten hat, als den Nachfahren der einstigen Macht-
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Tac. hist. 4,32,3; vgl. hierzu auch Géza Alföldy, Die Hilfstruppen der römischen Provinz Germania inferior (Epigraphische Studien 6), Düsseldorf 1968, S. 46 f.; und Wolfgang Will, Römische „Klientel-Randstaaten“ am Rhein? Eine Bestandsaufnahme, in: BJb 187 (1987), S. 1–60, hier S. 15 mit Anm. 93. Tac. hist. 4,12,3. Vgl. z. B. Tac. hist. 4,34,1/ 4,66,2 u. 4,70,1. Tac. hist. 4,17,6. Vgl. hierzu zusammenfassend Grünewald, Art. Kelten, S. 387; ferner Urban, Gallia rebellis, S. 69–83. – Schmitt, Bataveraufstand, bes. S. 146–151, sieht in der Erhebung des Civilis vor allem den Ausdruck eines batavischen Unabhängigkeitsstrebens, welches durch die seit den 60er Jahren offenbar verschärften Aushebungsverfahren römischerseits ausgelöst und durch die Wirren des Bürgerkriegs in seiner Ausführung begünstigt worden war; vgl. dazu freilich auch die Kritik von Urban, Gallia rebellis, S. 69. Siehe etwa Horst Callies, Art. Bataver, in: RGA 2 (1976), S. 90 f., hier S. 91. Rübekeil, Kontaktzone, bes. S. 152–156 u. S. 420. Vgl. beispielsweise Dobesch, Kelten in Österreich, bes. S. 182–227; Fries-Knoblach, Kelten, S. 193.
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elite, indem man ihre Herkunft erinnerte und damit als herausragend akzeptierte, weiterhin eine besondere soziale Stellung zuerkannt wurde. Gerade von dieser Warte aus aber kann die taciteische Erwähnung einer batavischen stirps regia kaum als Zeugnis für ein genuin germanisches Königtum herangezogen werden. Die Untersuchung der das Königtum betreffenden Nachrichten bei Caesar und bei Tacitus hat gezeigt, dass sich die Existenz eines originär germanischen Königtums anhand dieser Zeugnisse nicht nachweisen lässt. Vielmehr konnte wahrscheinlich gemacht werden, dass die meisten der als reges bezeichneten germanischen Anführer, wie etwa Ariovist, Marbod, Vannius, Sido und Italicus, ihren Königstitel ursprünglich aus römischer Vollmacht bezogen haben. Die im zweiten Teil der Germania befindlichen Nachrichten weichen nun freilich hiervon ab, sind allerdings, was ihre Glaubwürdigkeit anbelangt, auch in hohem Maße fragwürdig. Da die entlegenen Gebiete im Norden und im Osten der Germania römischem Zugriff und römischer Anschauung weitgehend entzogen waren, kann die taciteische Informationsgrundlage hier allenfalls die Qualität von Gerüchten gehabt haben. Hinzu kommt der Umstand, dass Tacitus die wenigen Informationsfragmente, auf welche er für die Darstellung der am Rande des orbis terrarum lebenden Barbarenvölker zurückgreifen konnte, ganz offensichtlich seinem Leitgedanken von dem antithetischen Verhältnis zwischen regnum und libertas angepasst bzw. sie dementsprechend nuanciert oder umgebogen hat.
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5. Die Aussagemöglichkeiten von Archäologie und Sprachwissenschaft zur Frage der „germanischen“ Herrschaftsorganisation Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass die älteste schriftliche Überlieferung für die von Caesar „Germanen“ genannten Völker keinerlei Anhaltspunkte für ein urtümliches, in vorhistorische Zeit zurückreichendes Königtum bietet. Vielmehr ist ein guter Teil der verstreuten und zum Teil widersprüchlichen Nachrichten, welche darauf hinzudeuten scheinen, auf die aus heutiger wissenschaftlicher Sicht wenig reflektierte Wahrnehmungspraxis der antiken Autoren und nicht zuletzt auf die Modalitäten des zeitgenössischen Literaturbetriebs zurückzuführen, während sich ansonsten ein deutlicher Zusammenhang zwischen Königsbezeichnung und der Verleihung des rex atque amicus-Titels erkennen lässt. Angesichts dieser Befundlage ist zu fragen, wie man sich die Herrschaftsorganisation bei den späterhin als Germanen bezeichneten Völkern überhaupt vorzustellen hat. Wir haben gesehen, dass in den Quellen vielfach von principes die Rede ist, die im Detail jeweils über unterschiedliche Kompetenzen und Zuständigkeitsbereiche verfügten, deren konkreter Zuschnitt aber nicht selten durch Autoren entstellt sein dürfte, die bei ihren Beschreibungen den ihnen sehr viel besser bekannten, wohlstrukturierten römischen Staat vor Augen hatten. Die Schriftquellen sind mithin von allenfalls eingeschränkter Aussagekraft1, daher sollen im Folgenden einmal die diesbezüglichen Aussagemöglichkeiten der sich ebenfalls mit der „Germanischen Altertumskunde“ beschäftigenden Nachbardisziplinen und hier zunächst die archäologischen Zeugnisse in den Blick genommen werden. Dies erscheint gerade deshalb sinnvoll, weil bei der Auseinandersetzung mit der Frage nach der Herrschaftsorganisation einer Gesellschaft auch ihr Sozialgefüge insgesamt und in Verbindung damit grundlegende Faktoren wie Wirtschaftsweise, Produktivkraft, Siedlungsformen und dergleichen mehr 1
Vgl. hierzu auch die am Beispiel der caesarischen Darstellung der gallischen Sozialstrukturen entwickelten Überlegungen von Sean B. Dunham, Caesar’s Perception of Gallic Social Structures, in: Celtic Chiefdom, Celtic State. The Evolution of Complex Social Systems in Prehistoric Europe, hgg. v. Bettina Arnold u. D. Blair Gibson (New Directions in Archaeology), Cambridge 1995, S. 110–115, bes. S. 110 f.
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berücksichtigt werden müssen.2 Obschon, wie Heiko Steuer mit guten Gründen wiederholt betont hat, die Archäologie nichts über rechtliche Qualitäten auszusagen vermag, und daher beispielsweise ohne Schriftzeugnisse auch nicht sicher bestimmen kann, ob es sich etwa bei einer auffällig reichen Bestattung um ein Königs-, ein Fürsten- oder ein Häuptlingsgrab handelt, lässt ein solcher Befund doch Rückschlüsse auf die Existenz von Rangabstufungen innerhalb der untersuchten sozialen Gruppe zu.3 Hilfreich sind dabei auch die insbesondere von der amerikanischen Archäologie verarbeiteten kulturanthropologischen Modelle und Deutungsansätze zum Verständnis der Entwicklung sogenannter primitiver Gesellschaften. Zwar können deren zumeist an vergleichsweise modernen und nichteuropäischen Beispielen gewonnenen Erkenntnisse nicht unbesehen auf vorund frühgeschichtliche Verhältnisse übertragen werden, doch bietet sich hier immerhin ein Fundus an strukturellem Vergleichsmaterial, vor allem aber ein wissenschaftliches Instrumentarium, das nicht nur die Auseinandersetzung mit diesem in jeder der beteiligten Disziplinen immer wieder umstrittenen und diskutierten Problemkreis erleichtert, sondern darüber hinaus die Perspektive der ansonsten auf einer gänzlich andersgearteten Grundlage forschenden Historiker und Archäologen zu erweitern vermag.4 Nachdem bislang vor allem die sich durch die Einbeziehung der Nachbarwissenschaften ergebenden Möglichkeiten angesprochen worden sind, 2
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Siehe etwa Hachmann, Gesellschaftsordnung, S. 13 f.; Jankuhn, Siedlung, S. 119 u. S. 124. – Zur Bedeutung der Archäologie für die Geschichtswissenschaft (allerdings in einem anderen thematischen Kontext) vgl. auch Patrick J. Geary, Zur Problematik der Interpretation archäologischer Quellen für die Geistes- und Religionsgeschichte, in: Archaeologia Austriaca 64 (1980), S. 111–118, bes. S. 117. Steuer, Frühgeschichtliche Sozialstrukturen, S. 51 u. passim; ähnlich auch John Collis, The European Iron Age, London 21989 (1. Aufl. London 1984), bes. S. 18 f.; Peter S. Wells, Settlement and Social Systems at the End of the Iron Age, in: Arnold/Gibson (Hgg.), Celtic Chiefdom, S. 88–95, hier S. 88 (Zitat): Archaeology cannot recover social systems, but only the material remains left behind, intentionally or unintentionally, by persons who belonged to them.; Konrad Spindler, Die frühen Kelten, Stuttgart 31996 (1. Aufl. Stuttgart 1983), bes. S. 355–365, am Beispiel der Hallstattkultur; sowie Champion, Power, S. 87 f. – Zu den unterschiedlichen Richtungen hinsichtlich der Gräberanalyse vgl. Heinrich Härke, Die anglo-amerikanische Diskussion zur Gräberanalyse, in: Archäologisches Korrespondenzblatt 19 (1989), S. 185–194. Vgl. im Hinblick auf die interdisziplinären Möglichkeiten auch Rudolf Vierhaus, Traditionen vergleichender historischer Kulturwissenschaft in Deutschland. Bemerkungen und Fragen, in: Saeculum 40 (1989), S. 132–135; Bettina Arnold/Blair D. Gibson, Introduction. Beyond the Mists: Forging an Ethnological Approach to Celtic Studies, in: Dies. (Hgg.), Celtic Chiefdom, S. 1–10, hier S. 1–5; skeptisch äußert sich hingegen Franz Fischer, The Early Celts of West Central Europe: The Semantics of Social Structure, in: ebda., S. 34–40, hier S. 38 f.
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erscheint es geboten, bei dieser Gelegenheit auch einige grundsätzliche Bemerkungen über die besonderen Bedingungen, die Schwierigkeiten und nicht zuletzt die Grenzen interdisziplinärer Versuche anzufügen5. Unstrittig ist, dass da, wo sich Nachbardisziplinen aus ihren jeweils unterschiedlichen Blickwinkeln und auf der Basis des ihnen eigenen Quellenmaterials, zu dessen Erforschung sie spezialisierte Methoden und Verfahren entwickelt haben, mit demselben Gegenstand beschäftigen, Kommunikation und Austausch nicht nur in hohem Maße wünschenswert, sondern unerlässlich sind. Diese Form „instrumentalisierender Interdisziplinarität“6 wird vielfach praktiziert und darf wohl als weitgehend selbstverständlich gelten. Sie führt allerdings gewöhnlich nur dann zu zufriedenstellenden Ergebnissen, wenn sich die jeweiligen Befunde tatsächlich decken bzw. ergänzen. Ist das nicht zu erreichen, bietet ein solches, vornehmlich auf bestätigende Materialanreicherung hin angelegtes Verfahren wenig Möglichkeiten. Versteht man zudem mit Helmut Hundsbichler die eigentliche Intention von Interdisziplinarität als innovativ7, dann greift jene Strategie – zumindest unter dem Etikett „Interdisziplinarität“ – insofern zu kurz, als sie vor allem auf eine Verbreiterung von Wissen zielt und damit kumulativ ausgerichtet ist. Ein dem Wortsinn entsprechendes „echtes“ interdisziplinäres Vorgehen ist demgegenüber in erster Linie auf neue Erkenntnis und die „Vertiefung von Verstehen“ angelegt, und kann nach Hundsbichler nur als Einzelleistung einer fächerübergreifend arbeitenden Person erreicht werden.8 Ohne die sich mit der Frage nach den Implikationen von Interdisziplinarität verbindende Diskussion an diesem Ort weiter vertiefen zu wollen,
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Vgl. zum Thema Interdisziplinarität auch die Beiträge in der diesem Schwerpunkt gewidmeten Ausgabe der Zeitschrift des Mediävistenbandes: Das Mittelalter 4/1 (1999); ferner den anregenden Beitrag von Jens Schneider, Mittelalterforschung zwischen den Kulturen, in: Das Mittelalter 5/1 (2000), S. 149–155, bes. S. 153 ff. Helmut Hundsbichler, Interdisziplinarität und Mediävistik, in: Das Mittelalter 4/1 (1999), S. 17–29, hier S. 23. Hundsbichler, Interdisziplinarität, S. 26. Hundsbichler, Interdisziplinarität, S. 26 f. (Zitat S. 26). – Das nach Hundsbichler „echte“ interdisziplinäre Vorgehen wird von Heinrich Beck in Bezug auf die sich im Rahmen „Germanischer Altertumskunde“ vollziehende Forschung als integrative Position bezeichnet. Beck betont in diesem Zusammenhang, dass – ohne damit den durch interdisziplinäres Zusammenwirken möglichen Erkenntnisfortschritt in Abrede stellen zu wollen – interdisziplinäre Altertumskunde Fächerautonomie nicht überwinden wolle und könne, während sich dem Anspruch einer integrativen Altertumskunde […] bisher in der Praxis allenfalls „Ein-Mann[sic!]-Unternehmungen“ näherten; vgl. Heinrich Beck, „Germanische Altertumskunde“ – Annäherung an eine schwierige Disziplin, in: Ders. et al. (Hgg.), „Germanisch-deutsch“, S. 629–647, hier S. 636–644 (Zitat S. 642).
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ist mit dem letztgenannten Aspekt doch eine grundsätzliche Problematik angesprochen, die alle Formen interdisziplinären Zugriffs betrifft: die Schwierigkeit, auch in Nachbarwissenschaften einen solchen Grad an Orientierung zu erlangen, der es erlaubt, den dort erreichten Forschungsstand hinlänglich überschauen und angemessen beurteilen zu können. Angesichts einer in wohl allen Wissenschaften zunehmenden Spezialisierung sowie einer – ebenso den im Zeitalter elektronischer Datenverarbeitung vereinfachten technischen Möglichkeiten, wie auch den Anforderungen des modernen Wissenschaftsbetriebs geschuldeten – wachsenden Fülle von Publikationen, ist Letzteres kaum in einem auch den Fachwissenschaftler zufriedenstellenden Maße zu gewährleisten. Vor dem Hintergrund sich beständig weiter ausdifferenzierender Fachkompetenzen müssen daher Versuche, fächerübergreifend vorzugehen, geradezu subversiv wirken, da sie dem streng monodisziplinären Charakter einer hochspezialisierten Fachkompetenz schon ihrem Wesen nach zuwiderlaufen9 und zum anderen zwangsläufig gewisse disziplinäre Standards unterschreiten10. Aufgrund dieser Rahmenbedingungen ist interdisziplinäres Forschen, obwohl vielfach postuliert, stets der Gefahr ausgesetzt, als dilettantisch wahrgenommen zu werden11, was in einer auf Spezialisierung ausgerichteten Wissenschaftswelt nicht unproblematisch ist. Dabei kann ein solcher „Dilettantismus“ – die heute negative Konnotation des Wortes ist im Übrigen sekundär12 –, zumindest hinsichtlich interdisziplinärer Forschung und des darin enthaltenen Erkenntnispotentials, durchaus fruchtbar und ergiebig sein. Selbst wenn die im Hinblick auf eine bestimmte Fragestellung vorgenommene Interpretation der nachbarwissenschaftlichen Forschungsergebnisse den Anforderungen der jeweiligen Fachdisziplin nicht in vollem Umfang entspricht, kann der erweiterte Zusammenhang, der sich durch das Einbringen einer Außenperspektive ergibt, dennoch für die Diskussion auch innerhalb der Nachbardisziplin bereichernd sein. Für die Ausgangsdisziplin liegt der Vorteil insofern auf der Hand, als in einer Situation, in welcher etwa der eigene Quellenbestand keine zuverlässigen Aussagen ermöglicht, durch die vorsichtige Einbeziehung andersgearteter Materialien unter Umständen größere Klarheit oder wenigstens die Aussicht auf Klärung durch anders9
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Zum Charakter von „Fachkompetenz“ vgl. noch einmal Hundsbichler, Interdisziplinarität, S. 26. Frank Fürbeth, Was heißt, wozu dient und wohin führt uns Interdisziplinarität?, in: Das Mittelalter 4/1 (1999), S. 7–16, hier S. 15. Siehe hierzu etwa Wilhelm G. Busse, Vorwort, in: Das Mittelalter 4/1 (1999), S. 3–6, hier S. 5. Vgl. Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, bearb. v. Elmar Seebold, Berlin/New York 231999 (1. Aufl. 1883), S. 181.
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gelagerte Fragestellungen gewonnen werden kann. In diesem Sinne verstehen sich die folgenden Ausführungen als ein Versuch, den allein auf der Grundlage historischer Quellen nicht weiter zu erhellenden Prozess „frühgermanischer“ Gesellschaftsentwicklung vermittelst einer interdisziplinären Herangehensweise näher zu beleuchten. Dass es der auf diesem Wege ausgeweiteten Perspektive mitunter an fachwissenschaftlicher Tiefenschärfe gebrechen wird, lässt sich angesichts der oben dargelegten Zusammenhänge kaum vermeiden.13
5.1 Der Germanenbegriff in der Archäologie Angesichts der bereits in Kapitel 1 erörterten Problemlage erweist es sich als unerlässlich, in einem ersten Schritt zunächst zu klären, ob, auf welcher Grundlage und inwiefern die archäologischen Befunde überhaupt für eine auf „germanische“ Verhältnisse zielende Fragestellung fruchtbar gemacht werden können. Da die Archäologie über keinen eigenständigen Germanenbegriff verfügt14, die philologischen Befunde bezüglich der Verbreitung germanischer Sprachen vielfach nicht mit den archäologisch abgrenzbaren Fundgruppen in Einklang zu bringen sind und sich zudem aufgrund ihrer nicht näher bestimmbaren zeitlichen Zuordnung überhaupt schlecht auf die archäologischen Quellen beziehen lassen15, da schließlich die historische Überlieferung zum Teil recht widersprüchliche Angaben macht, die nicht selten weniger den Realitäten vor Ort, als vielmehr den von überkommenen Traditionen, Vorurteilen und Stereotypen geprägten Vorstellungen eines Autors im fernen Rom oder aber – man denke nur an Caesar und die von ihm konstruierte Rheingrenze – seinen tagespolitischen Interessen entsprachen, bedarf es zuallererst einmal der Verständigung darüber, mit welchem Germanenbegriff im Folgenden operiert wird.16 Während bei der Un13
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Vgl. hierzu auch die Zusammenfassung der Diskussion zu Sektion 1, in: Hans-Werner Goetz/Jörg Jarnut (Hgg.), Mediävistik im 21. Jahrhundert. Stand und Perspektiven der internationalen und interdisziplinären Mittelalterforschung (MittelalterStudien 1), München 2003, S. 130 f., hier S. 130, in der die Forderung nach einem „Recht auf Irrtum bzw. Inkompetenz“ in der fächerübergreifenden Diskussion erhoben wird. Heiko Steuer, Art. III Archäologie, C. Wirtschafts- und Sozialgeschichte §§ 22–34, in: Beck/Steuer/Timpe (Hgg.), Germanen, S. 147–176, hier S. 172. Vgl. etwa Steuer, Art. Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 153 u. passim. Rosemarie Müller, Art. III Archäologie, A. Sachkultur § 20, in: Beck/Steuer/Timpe (Hgg.), Germanen, S. 129–137, hier S. 132 (Zitat), konstatiert in diesem Zusammenhang, dass das Verständnis dessen, was unter ‚Germanisch‘ zu verstehen sei, in den einzelnen Wissensgebieten weit auseinander gedriftet und eine übereinstimmende interdisziplinäre Grundlage für einen auch noch so weit gefaßten Germ.-Begriff nicht in Sicht sei.
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tersuchung der Schriftzeugnisse unter Berufung auf den zeitgenössischen Gebrauch mit dem in den Quellen verwendeten Germanenbegriff gearbeitet werden konnte, ist die Begriffsbestimmung für eine auf archäologischem Material basierende Untersuchung deutlich schwieriger. Denn der historische, auf Caesar zurückgehende Germanenbegriff weicht in seiner räumlichen Dimension nicht nur von den archäologischen Erkenntnissen ab, sondern läuft diesen geradezu zuwider17 und erweist sich damit für die hier zu behandelnden Zusammenhänge als völlig ungeeignet.18 Der in den antiken Schriftquellen gebrauchte Germanenbegriff bezeichnet vor allem die östlich des Rheins ansässigen Barbaren, genauer jene zwischen den gallischen Kelten im Westen und den Skythen im Osten siedelnden Völker19, wobei die sogenannten Germanen ebenso wie die der antiken Welt schon länger bekannten Kelten und Skythen als ein in zahlreiche kleinere Stammeseinheiten untergliedertes Großethnos aufgefasst wurden. Diese Sicht hat sich, mit all den bereits dargelegten problematischen Konsequenzen, auch die Forschung zu Eigen gemacht.20 So impliziert die Vorstellung von einem solchen Großethnos per se ein gewisses Maß an kultureller Einheitlichkeit und Geschlossenheit, das die bei struktureller Quellenarmut ohnehin gegebene Tendenz zur Verallgemeinerung von Einzelbefunden und lokalen Phänomenen noch verstärkt. Im Falle der „Germanen“ liegt die Hauptschwierigkeit nicht zuletzt darin, dass sich der geographische Raum, die sogenannte Germania, welchen unsere antiken Gewährsmänner als germanisches Siedlungsgebiet ausweisen21, dem archäologischen Befund nach nicht in dem Maße als einheitlich darstellt, wie man es in Anbetracht des angenommenen Großethnos hätte erwarten dürfen. Betrachten wir zunächst die Verhältnisse in vorrömischer Zeit, dann lässt sich für den als Siedlungsgebiet der Germanen angegebenen Raum zwischen Rhein, Donau und Elbe (bzw. Weichsel) der Süden etwa bis zur Mittelgebirgslinie aufgrund der Dominanz von der Latènekultur zuzurechnenden Funden dem Ausdehnungsgebiet keltischer Kultur zuordnen. In weiten Bereichen der 17
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Vgl. auch die Ausführungen zur archäologischen Beurteilung der von Caesar als Völkerscheide propagierten Rheingrenze in Kap. 1. Vgl. zu diesem Problemfeld etwa Timpe, Art. Germanen, historisch, S. 10–13, bes. S. 12. Siehe z. B. Georg Kossack, Archäologisches zur frühgermanischen Besiedlung zwischen Main und Nordsee, in: Hachmann/Kossack/Kuhn (Hgg.), Völker, S. 69–104, hier S. 69. Timpe, Art. Germanen, historisch, S. 8 u. S. 14. Vgl. zu diesem Aspekt auch die zusammenfassende Darstellung bei Siegmar von Schnurbein, Germanien in römischer Sicht. Germania Magna und die römischen Provinzbezeichnungen, in: Beck et al. (Hgg.), „Germanisch-deutsch“, S. 25–36.
Der Germanenbegriff in der Archäologie
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norddeutschen Tiefebene, in Nordfriesland, Jütland und zum Teil auch an der Ostseeküste wird die sogenannte Jastorf-Kultur lokalisiert, die etwa mit dem fünften vorchristlichen Jahrhundert einsetzt und deren materielle Hinterlassenschaft von den latènezeitlichen Funden deutlich abgrenzbar ist.22 Daneben existiert noch eine Vielzahl weiterer Fundgruppen, die in ihrem Habitus jeweils durchaus eigenständig sind, so dass sich für das Gebiet östlich des Rheins in vorrömischer Zeit auf der Basis des archäologischen Fundguts keine kulturelle Geschlossenheit nachweisen lässt.23 Augenfällig sind vielmehr die gravierenden Unterschiede, insbesondere zwischen dem keltisch beeinflussten, hochentwickelten Süden und dem in mancherlei Hinsicht noch an bronzezeitlichen Traditionen orientierten Norden. Erst mit dem auf Dauer angelegten Ausgreifen Roms in den Raum nördlich der Alpen, der Eingliederung Galliens in das Imperium und der Etablierung des Rheins als Außengrenze des Römischen Reichs vollzog sich eine am archäologischen Material ablesbare Vereinheitlichung der dinglichen Kultur innerhalb des seitdem als „Germania“ bezeichneten Gebiets.24 Die Neuorganisation des linksrheinischen Territoriums unter römischer Verwaltung und die Errichtung von Provinzialstrukturen mit vergleichsweise festen Grenzverläufen führte zu einer abrupten Trennung der rechts des Rheins befindlichen keltischen Siedlungsräume von ihrem kulturellen Zentrum. Ohne den intensiven kulturellen und wirtschaftlichen Austausch mit dem keltischen Gallien aber konnte die rechtsrheinische keltische Kultur ihr Zivilisationsniveau offenbar nicht aufrecht erhalten.25 Jedenfalls kam es um die Zeitenwende zu einem raschen Niedergang etwa der auch auf rechtsrheinischem Gebiet noch im ersten vorchristlichen Jahrhundert blühenden 22 23
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Siehe etwa Birkhan, Kelten, S. 320. Vgl. Steuer, Art. Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 155; und Rosemarie Müller, Art. Jastorf-Kultur, in: RGA 16 (2000), S. 43–55, hier S. 43 u. S. 49. Siehe hierzu bereits Kossack, Archäologisches, S. 76 u. S. 99; und Wells, German Policy, S. 30; ferner Hermann Ament, Art. Germanen, II. Archäologie, in: LexMA 4 (1989), Sp. 1339–1342, hier Sp. 1339; Wiebke Künnemann, Jastorf – Geschichte und Inhalt eines archäologischen Kulturbegriffs, in: Die Kunde N.F. 46 (1995), S. 61–122, hier S. 68; sowie Heiko Steuer, Art. III Archäologie, B. Ursprung und Ausbreitung der Germanen § 21, in: Beck/Steuer/Timpe (Hgg.), Germanen, S. 138–147, hier S. 140. Hermann Ament, Unterwegs zu höherer Zivilisation – Die Germanen, in: Frühe Völker Europas. Thraker, Illyrer, Kelten, Germanen, Etrusker, Italiker, Griechen, Darmstadt 2003 (ND Leipzig/Mannheim 1997), S. 44–73, hier S. 47 f. – Zum keltischen Gallien vgl. etwa Françoise Le Roux/Christian-J. Guyonvarc’h, La civilisation celtique (De mémoire d’homme: l’histoire), Rennes 1990; sowie Olivier Büchsenschütz, Art. Gallien § 6 Eisenzeit, in: RGA 10 (1998), S. 376–383, jeweils mit weiterführenden Angaben insbesondere zur französischen Forschung.
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Aussagemöglichkeiten von Archäologie und Sprachwissenschaft
Oppida26; ein Vorgang, der sich im Rahmen des oben erwähnten Vereinheitlichungsprozesses vollzogen haben dürfte und unter dem Eindruck der Schriftquellen wie auch der sprachlichen Verhältnisse vielfach als „Germanisierung“ gedeutet wird.27 Die Vorstellung von einem solchen, etwa um die Zeitenwende einsetzenden „Germanisierungsprozess“ auf dem Gebiet der sogenannten Germania berücksichtigt die soeben umrissenen Bedingungen und trägt dem archäologischen Befund damit grundsätzlich Rechnung. Sie setzt allerdings voraus, dass es zu diesem Zeitpunkt „Germanen“ gegeben haben muss, die sich schließlich in dem (in weiser Voraussicht bereits im Vorfeld nach ihnen benannten) Gebiet ausbreiten und die anderen archäologisch nachgewiesenen Kulturgruppen in irgendeiner Form integrieren konnten – eine Rolle, die gewöhnlich den Trägern der ursprünglich im nördlichen Mitteleuropa beheimateten Jastorf-Kultur zugewiesen wird, die man dementsprechend auch als frühe Germanen auffasst. Mit der konstruierten Verbindung Träger der Jastorf-Kultur = Germanen und Jastorf = germanisch28 erhält der in den Schriftquellen seit Caesar bezeugte römische Germanenbegriff unvermittelt eine prähistorische Dimension, für welche die archäologische Befundsituation an sich keine Grundlage bietet. So stellt Wiebke Künnemann in ihrer kritischen Bestandsaufnahme der Forschungslage zu „Jastorf“ als archäologischem Kulturbegriff in aller Deutlichkeit fest, dass „eine Bezeichnung archäologischer Kulturen als germanisch […] erst um Christi Geburt zulässig [ist], da sich auf diesen Zeitraum die ersten detaillierten Nachrichten über Germanen beziehen und sich andererseits in der archäologischen Kultur der Römi26
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Vgl. die Verbreitungskarte bei Barry Cunliffe, Die Kelten und ihre Geschichte, Bergisch Gladbach 1980, S. 64 (engl. Ausgabe: The Celtic World, London 1979). Für die ersten Jahrzehnte nach der römischen Eroberung sind beispielsweise im schwäbischbayerischen Alpenvorland ausgesprochen unstabile Siedlungsverhältnisse erkennbar, so Siegmar von Schnurbein, Nachleben in römischer Zeit, in: Dannheimer/Gebhard (Hgg.), Das keltische Jahrtausend, S. 244–248, hier S. 248 (Zitat); siehe ferner Jaroslav Tejral, Die archäologischen Zeugnisse der römisch-germanischen Beziehungen im Gebiet nördlich der mittleren Donau bis zu den Markomannenkriegen, in: Die Königsgruft von Musˇov. Germanen und Römer nördlich der mittleren Donau in den ersten zwei nachchristlichen Jahrhunderten, hg. v. Jaroslav Peˇska, Mikulov 1991, S. 7–16, hier S. 7, der freilich den Niedergang der Oppida in Böhmen etwas verkürzt auf „germanischen Druck“ zurückführt. In diesem Sinne etwa Collis, European Iron Age, S. 173 f. Zum diesbezüglichen Ansatz von Gustav Schwantes vgl. Künnemann, Jastorf, bes. S. 77, vgl. dort ferner S. 90, zur Gleichsetzung des Auftretens der Jastorf-Kultur mit der „Ethnogenese der Germanen“ (mit reichlichen Literaturangaben); des Weiteren Müller, Art. Sachkultur, S. 136.
Der Germanenbegriff in der Archäologie
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schen Kaiserzeit eine Vereinheitlichung im oben umrissenen Gebiet abzeichnet.“29 Zu berücksichtigen ist in diesem Kontext ferner, dass schon der konkrete Gehalt des Begriffs „Jastorf“ selbst nicht sicher zu bestimmen ist.30 Während er ursprünglich eine kleine, scharf umgrenzte Fundgruppe im unteren Elbegebiet (Kr. Uelzen) bezeichnete, erfuhr er inzwischen eine Ausweitung auf „verschiedene Gruppen in einem großen Kulturgebiet […], das von Hannover bis zur Nordsee, Schleswig-Holstein und Jütland sowie Mecklenburg, Brandenburg und die [sic!] Altmark reicht, das sich an seiner ö[stlichen] Flanke bis nach Pommern und Schlesien erstreckt und im W[esten] bis in das Wesergebiet hineinzieht.“31 Gemeinsam ist diesen Gruppen vor allem das Moment der Brandbestattung sowie das Vorkommen bestimmter Fibeltypen, ansonsten ist das Bild von zum Teil erheblichen Unterschieden geprägt, die es schwer machen „überhaupt von einer JastorfKultur zu sprechen“32. Die Rückprojizierung der von Caesar ausgemachten Germanen in vorgeschichtliche Zeit vermittelst ihrer Anbindung an das – in seiner umfassenden, über den eponymen Fundort hinaus verwendeten Bedeutung ebenso schwer fassbare wie umstrittene – Phänomen „Jastorf“ muss vor diesem Hintergrund methodisch mehr als fragwürdig erscheinen. Das konstatiert auch Heiko Steuer in seinem einschlägigen Beitrag im „Reallexikon für Germanische Altertumskunde“, wenn er resümiert: „Die übliche Verknüpfung der Jastorf-Kultur mit den Germanen ist daher nicht mehr länger aufrecht zu erhalten.“33 Die sich hier zumindest in Teilen der Forschung abzeichnende Loslösung von jenem Theorem, nach dem speziell die Jastorf-Kultur als Keimzelle frühen Germanentums betrachtet wird, ist für ein unvoreingenommenes Verständnis der fraglichen Verhältnisse von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Denn nur der inzwischen mit guten Gründen immer häufiger postulierte Verzicht auf gemischte Argumentation sowie die Konzentration
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Künnemann, Jastorf, S. 69. Künnemann, Jastorf, S. 105 f.; ferner Müller, Art. Jastorf-Kultur, S. 43. Müller, Art. Jastorf-Kultur, S. 43. Künnemann, Jastorf, S. 105; ebenso Müller, Art. Jastorf-Kultur, S. 43. Steuer, Art. Ursprung und Ausbreitung der Germanen, S. 146. – Wenigstens erwähnt sei in diesem Zusammenhang noch die grundsätzliche Skepsis der skandinavischen Forschung gegenüber der Vereinnahmung der vorrömischen Eisenzeit im Norden als „germanisch“. Aus methodischen Gründen wird dort bis zum Einsetzen schriftlicher Überlieferung zumeist auf eine ethnische Interpretation der archäologischen Befunde verzichtet, ohne dass freilich ein grundsätzlicher kultureller Zusammenhang mit dem norddeutschen Raum negiert würde, vgl. ebda., S. 138–143, zur Haltung der skandinavischen Forschung gegenüber der sog. Jastorf-Kultur siehe bes. S. 145 f.
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auf die Aussagemöglichkeiten zunächst des eigenen Quellenmaterials34 gestatten es, a) das inzwischen nur mehr schwer zu überschauende Knäuel interdisziplinärer Zirkelschlüsse zu entwirren und b) in diesem Bereich methodisch abgesicherte Erkenntnisfortschritte zu erzielen. Im Hinblick auf die Frage nach dem archäologischen Germanenbegriff bleibt mithin festzuhalten, dass auf der Grundlage der archäologischen Zeugnisse für die vorrömische Zeit keinerlei Aussagen über „Germanen“ oder „Germanisches“ getroffen werden können. Für den darauffolgenden Zeitraum ist dies allenfalls auf der Grundlage des in den antiken Schriftquellen gebrauchten Germanenbegriffs möglich35, gegen den freilich inzwischen von Seiten der Geschichtsforschung massive Vorbehalte formuliert worden sind36. Vor diesem Hintergrund erscheint es geboten, dem Postulat Sebastian Brathers zu folgen und bei der Betrachtung der Sachkultur auf ethnische Deutungen und Zuordnungen zu verzichten37, so wie es bereits von der skandinavischen Archäologie, die für den hier fokussierten Zeitraum schlicht von „Iron Age Societies“38 spricht, praktiziert wird.39
5.1.1 Probleme der Erforschung gesellschaftlicher Strukturen in vor- und frühgeschichtlicher Zeit – methodische Überlegungen Das mit der materiellen Hinterlassenschaft in den Blick zu nehmende Quellenmaterial ist von gänzlich anderer Natur und Aussagekraft als die bislang behandelte historische Schriftüberlieferung und bedarf dementsprechend einer etwas anderen Herangehensweise, vor allem aber einer an34
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So schon Hachmann, Germanen und Kelten, S. 25; zuletzt beispielsweise Rübekeil, Suebica, S. 11; und Künnemann, Jastorf, S. 69. Vgl. Künnemann, Jastorf, S. 69; Brather, Ethnische Identitäten, S. 172; und Ders., Die Projektion des Nationalstaats in die Frühgeschichte. Ethnische Interpretationen in der Archäologie, in: Inventing the Pasts in North Central Europe. The National Perception of Early Medieval History and Archaeology, hgg. v. Matthias Hardt, Christian Lübke u. Dittmar Schorkowitz (Gesellschaften und Staaten im Epochenwandel 9), Frankfurt am Main et al. 2003, S. 18–42, hier S. 38 f. Vgl. bes. Springer, Begriffliche Grundlagen; und Jarnut, Germanisch. Brather, Projektion, S. 42; vgl. zu den eingeschränkten Aussagemöglichkeiten der Archäologie bezüglich der ethnischen Verhältnisse auch John Collis, Reconstructing Iron Age Society, in: Europe in the First Millennium b.c., hgg. v. Kristian Kristiansen u. Jørgen Jensen (Sheffield Archaeological Monographs 6), Sheffield 1994, S. 31–39, hier S. 31 f. So z. B. Lotte Hedeager, Iron Age Societies. From Tribe to State in Northern Europe 500 bc to ad 700 (Social Archaeology), Cambridge 1992. Siehe o. S. 113 Anm. 31.
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ders formulierten Fragestellung – denn allein auf sich gestellt vermag die Archäologie kaum etwas Konkretes über „Königtum“ auszusagen. Ehe wir uns daher den archäologischen Zeugnissen selbst zuwenden, ist es notwendig, einige grundsätzliche methodische Vorüberlegungen anzustellen, deren erste den gewählten zeitlichen Rahmen betrifft. Da die älteste schriftliche Erwähnung „germanischen“ Königtums auf Caesar zurückgeht und damit etwa auf die Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts zu datieren ist, erscheint es sinnvoll, zunächst die Verhältnisse der vorrömischen Eisenzeit (etwa 500 v. Chr. bis zur Zeitenwende) zu betrachten und zu prüfen, ob sich aus den archäologischen Befunden für diesen Zeitraum Hinweise auf den Grad der gesellschaftlichen Entwicklung jener später als „germanisch“ bezeichneten Verbände ergeben. Grundlage dieser Vorgehensweise ist die Überlegung, dass als Voraussetzung für die Ausbildung und Etablierung eines auch noch so primitiven und rudimentären Königtums als Institution im Rahmen der Genese früh- oder protostaatlicher Strukturen wenigstens ein gewisses Maß an gesellschaftlicher Entwicklung und Differenzierung gegeben sein muss.40 Das bedeutet konkret, die fragliche Gesellschaft muss zumindest über so viel Produktivkraft verfügen, dass auf längere Sicht Überschüsse erwirtschaftet werden können, die ihrerseits – sehr verkürzt dargestellt – Spezialisierungen ermöglichen und Differenzierungsprozesse wenn nicht anstoßen, so doch begünstigen.41 40
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Von diesem Zusammenhang geht beispielsweise auch Roman Herzog, Staaten der Frühzeit. Ursprünge und Herrschaftsformen, München 1988, S. 65, aus. Vgl. hierzu grundsätzlich Hedeager, Iron Age Societies, S. 24 u. passim; Kristian Kristiansen, The Formation of Tribal Systems in Later European Prehistory: Northern Europe, 4000–500 b.c., in: Theory and Explanation in Archaeology. The Southampton Conference, hgg. v. Colin Renfrew, Michael J. Rowlands u. Barbara Abbott Segraves, New York et al. 1982, S. 241–280, hier S. 244 f.; Ders., Chiefdoms, States, and Systems of Social Evolution, in: Chiefdoms: Power, Economy, and Ideology, hg. v. Timothy K. Earle (School of American Research Advanced Seminar Series), Cambridge et al. 1991, S. 16–43, bes. S. 39 u. passim; Timothy K. Earle, Property Rights and the Evolution of Chiefdoms, in: ebda., S. 71–99, bes. S. 71 u. passim; Ders., The Evolution of Chiefdoms, in: Current Anthropology 30/1 (1989), S. 84–88, hier S. 86 f.; Patrice Brun, From Chiefdom to State Organization in Celtic Europe, in: Arnold/Gibson (Hgg.), Celtic Chiefdom, S. 13–25, hier S. 23 f.; Patricia Crone, Die vorindustrielle Gesellschaft. Eine Strukturanalyse, München 1992, bes. S. 13 f. u. S. 46 (engl. Ausgabe: Pre-industrial Societies, Oxford 1989). – In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass die beiden angeführten Elemente im Hinblick auf Ursache und Wirkung kaum sicher voneinander abgegrenzt werden können, vielmehr ist hier eine ausgeprägte Wechselwirkung erkennbar, bei der Veränderungen in einem Bereich die Entwicklung des anderen fördern; vgl. auch Bernard Wailes, Some Comments on Method and Interpretation, in: Tribe and Polity in Late Prehistoric Europe. Demography, Production, and Exchange in the Evolution of Complex Social Systems, hgg.
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Lotte Hedeager hat in diesem Zusammenhang für den „process of state formation“ die folgenden Bedingungen als zwingend notwendig herausgearbeitet: „specialization of leadership“, „centralization of power“, „permanence of structure, or at least a certain measure of stability“ und „liberation from a real or fictive kinship structure as the basis of the hierarchy of power“.42 Alle vier genannten Voraussetzungen sind eng mit den Machtstrukturen einer Gesellschaft verbunden und damit in hohem Maße von ihrem sozialen Gefüge abhängig. Die Grundlagen für die Herausbildung von Macht und Herrschaft sieht Hedeager in „possession of or control over the sources and distribution of wealth and therewith the ability to offer or withhold the means of subsistence“, „attribution by subjects and/or fellow citizens of superior honour or prestige, whether derived from sacred or secular personal or institutional charisma, and therewith the ability to attract and retain a following“ sowie „command of the technical and organizational means of physical coercion and therewith the ability to impose obedience by force.“43 Für die Entwicklung protostaatlicher Strukturen und der dazugehörigen Institutionen, wie z.B. das Königtum, müssten nun alle drei möglichen Machtgrundlagen zusammenkommen, „that is to say power must combine economic productivity with ideological legitimization and military organization.“44 Die insbesondere seitens der Ethnosoziologie diskutierten Modelle hinsichtlich der Entstehung archaischer Staatlichkeit sind durchaus anregend, da sie den Blick für die Strukturen und Zusammenhänge sozialer Wirksamkeit schärfen und zudem die Möglichkeit ganz unterschiedlicher Entwicklungen vor Augen führen. Der konkrete Nutzen etwa im Hinblick auf das Verständnis der Herrschaftsorganisation bei den germanischsprachigen gentes ist indes sehr eingeschränkt, vor allem dann, wenn die unterschiedlichen Stufen, Phasen oder Erscheinungsformen von Gesellschaften als Sequenz begriffen werden, was eine nach evolutionistischem Verständnis festgefügte Reihenfolge zu durchlaufender Stadien impliziert.
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v. D. Blair Gibson u. Michael N. Geselowitz, New York/London 1988, S. 219–228, bes. S. 227. – Kritisch hierzu jedoch D. A. Welbourn, Craft Specialization and Complex Societies: A Critique, in: Settlement and Society: Aspects of West European Prehistory in the First Millennium b.c., hgg. v. Timothy C. Champion u. J. V. S. Megaw, Leicester 1985, S. 123–131, der anhand beachtenswerter Beispiele ausführt, dass Überschussproduktion und Spezialisierung nicht zwingend auch eine ausgeprägte Differenzierung bedingen müssen. Allerdings gilt dies nicht im Umkehrschluss, insofern als ein hohes Maß an Differenzierung ohne diese beiden Gegebenheiten auch weiterhin kaum denkbar erscheint. Hedeager, Iron Age Societies, S. 86. Hedeager, Iron Age Societies, S. 86. Hedeager, Iron Age Societies, S. 86.
Der Germanenbegriff in der Archäologie
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Nun zeigt die Praxis, dass es eine Vielzahl von gut untersuchten Beispielen gibt, die der angenommenen regelhaften Abfolge der einzelnen Phasen, wie sie beispielsweise von Stefan Breuer als tribales System, Häuptlingstum, konischer Klanstaat, Prestigegüter-System und urbaner Territorialstaat gekennzeichnet werden45, entgegenstehen. Diese kurzerhand als sekundäre Bildungen zu klassifizieren und und damit als Sonderfälle auszuweisen, die bei der Untersuchung des „Hauptzweiges“ außer Acht gelassen werden können, erscheint vom methodischen Zugriff her problematisch. Aus Sicht des Historikers fragwürdig erweist sich zudem die konkrete Anwendbarkeit solcher Modelle, insbesondere im Hinblick auf die Unterscheidung der einzelnen Phasen innerhalb des Entwicklungsprozesses einer Gesellschaft auf dem Weg zum archaischen Staat. So ist der Ethnosoziologie mittels der ihr zur Verfügung stehenden Methoden eine sichere Abgrenzung kaum möglich, entsprechend kontrovers werden denn auch die Zuordnungen einzelner Gesellschaften zu den jeweiligen Organisationstypen diskutiert. Bei dem zugegeben nur eingeschränkt und von außen erfolgten Einblick, den wir in die fraglichen Zusammenhänge haben gewinnen können, erscheint der unmittelbare Gebrauchswert solcherart festgefügter und pauschalisierender Modelle insofern problematisch, als die Erkenntnisgrundlage mangels „handfester“ Überlieferung doch eher schwammig, um nicht zu sagen spekulativ, bleiben muss. Die Einbeziehung von an „modernen“ Naturvölkern gewonnenen empirischem Material vermag sicherlich manches Erhellende zum Verständnis der archaischen Gesellschaftsentwicklung beizutragen, auch wenn zu bedenken wäre, dass auch diese sogenannten Naturvölker im Verlauf der letzten Jahrhunderte oder gar Jahrtausende wiederholt direkt oder indirekt Kontakt zu zivilisatorisch überlegenen Völkern gehabt haben und daher wohl keinen echten archaischen Zustand mehr repräsentieren dürften. Gerade an diesen Beispielen zeigt sich aber auch die ganze Vielfalt potentieller Entwicklungsverläufe, die sich gerade nicht in ihrer Gesamtheit zu einem kohärenten System zusammenfassen lassen. Gesellschaftsentwicklung unterliegt zwar einer gewissen Regelhaftigkeit bzw. gewissen Regelhaftigkeiten, allerdings entfalten diese nur sekundäre Wirkung. Ausschlaggebend sind vielmehr historische Faktoren, weshalb auch mit zufälligen Erscheinungen gerechnet werden muss. Gesellschaftsentwicklung kann daher nur sehr bedingt unter teleologischen oder evolutionistischen Gesichtspunkten verstanden werden. Es steht wohl außer Frage, dass das Königtum bereits eine entwickeltere Form der Herrschaftsorganisation darstellt. Ethnosoziologische bzw. an45
Breuer, Staat, passim.
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Aussagemöglichkeiten von Archäologie und Sprachwissenschaft
thropologische Modelle neoevolutionistischer Prägung, die hinsichtlich der Gesellschaftsentwicklung zwischen „Family level societies“, „Tribal level societies“, „Segmentary/Big-man societies“, „Chiefdoms“ und „Primitive/ Early states“ unterscheiden46, ordnen es gewöhnlich der letzten Kategorie, also dem Stadium früher Staatenbildung zu.47 Die Existenz jener Phasen bzw. Zustände der Gesellschaftsentwicklung ist grundsätzlich unbestritten. Anders verhält es sich hingegen mit dem neoevolutionistischen Ansatz an sich, nach dem Gesellschaftsentwicklung als ein regelhafter, verschiedene hierarchisch gedachte Stadien durchlaufender Prozess verstanden wird, dessen Fortschreiten mit der Erringung immer höherer evolutionärer Standards einhergeht. Diese Vorstellung ist insbesondere seit den ausgehenden 1970er Jahren zusehends in die Kritik geraten48, als die wachsende Materialfülle und die vor allem innerhalb der anglo-amerikanischen Forschung intensiv geführte Theorie- und Methodendebatte erwiesen hat, dass sich hiermit nur ein Teil der beobachteten Phänomene erfassen lässt.49 Inzwischen geht man davon aus, dass Gesellschaftsentwicklung eben nicht als ein geradlinig voranschreitender Prozess verläuft, sondern neben Phasen der Weiterentwicklung auch solche des Zurückfallens in bereits durchlaufene Phasen möglich sind. Kontrovers diskutiert werden dabei vor allem die
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Diese Einteilung geht ursprünglich auf Elman R. Service, Primitive Social Organization: An Evolutionary Perspective, New York 1962, zurück. Vgl. dazu auch die Übersicht bei D. Blair Gibson/Michael N. Geselowitz, The Evolution of Complex Society in Late Prehistoric Europe: Toward a Paradigm, in: Dies. (Hgg.), Tribe and Polity, S. 3–37, bes. S. 20–28; Hedeager, Iron Age Socities, etwa S. 87, fasst die Stadien bis einschließlich „chiefdoms“ unter dem Oberbegriff „tribal societies“, die sie von „(early) state societies“ unterscheidet. Dahin tendiert beispielsweise auch Crone, Vorindustrielle Gesellschaft, S. 14, welche die Existenz von Herrschern an die Existenz von Staaten gebunden sieht. Grundlegend hierzu Niklas Luhmann, Geschichte als Prozeß und die Theorie sozio-kultureller Evolution, in: Historische Prozesse, hgg. v. Karl-Georg Faber u. Christian Meyer (Beiträge zur Historik 2), München 1978, S. 413–440, bes. S. 437, S. 439 u. passim; zu den konkurrierenden (ethno-)soziologischen Modellen zur Gesellschaftsentwicklung vgl. insbesondere Samuel Noah Eisenstadt, Soziologische Betrachtungen zum historischen Prozeß, in: ebda., S. 441–459, bes. S. 441–450, mit einer überblicksartigen Zusammenfassung und Einordnung der unterschiedlichen Richtungen Vgl. z. B. Henri J. M. Claessen/Pieter van de Velde, Social Evolution in General, in: Dies./Smith (Hgg.), Development and Decline. The Evolution of Sociopolitical Organization, Massachusetts 1985, S. 1–12, hier S. 7 f.; Christian E. Guksch, The Conceptual Approach, or Modeling Evolution, in: ebda., S. 13–22, hier S. 14; Anatolii M. Khazanov, Rank Society or Rank Societies: Processes, Stages and Types of Evolution, in: ebda., S. 82–96, hier S. 91; sowie Joan B. Townsend, The Autonomous Village and the Development of Chiefdoms, in: ebda., S. 141–155, bes. S. 142 f.
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Ursachen respektive Auslöser von gesellschaftlicher Entwicklung und sozialem Wandel50 sowie – damit zusammenhängend – die jeweils konkret zu treffenden Abgrenzungen der einzelnen Zustände, etwa jener zwischen „chiefdoms“ und „early states“51, deren Kriterien gerade in den Übergangsbereichen kaum scharf voneinander geschieden werden können. Letzteres wird auch durch die Natur des insbesondere für die Prähistorie maßgeblichen Quellenmaterials begünstigt: Denn das archäologische Fundgut vermag in erster Linie Zustände, nicht aber Prozesse widerzuspiegeln und kann demgemäß Veränderungen nicht in ihrem „Werden“ sondern erst in ihrem
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51
Insbesondere seitens der angelsächsischen, amerikanischen, skandinavischen und niederländischen Forschung, wobei sich diesbezüglich eine Vielzahl unterschiedlicher Richtungen ausgebildet haben. Ohne die sich hiermit verbindenden Fragen und Probleme an diesem Ort weiter vertiefen zu können, sei exemplarisch zumindest auf einige einschlägige Arbeiten und Sammelbände verwiesen: vgl. etwa Renfrew/ Rowlands/Segraves (Hgg.), Theory and Explanation; Claessen/van de Velde/Smith (Hgg.), Development and Decline; Robert Paynter, The Archaeology of Equality and Inequality, in: Annual Review of Anthropology 18 (1989), S. 369–399; Christopher Tilley (Hg.), Reading Material Culture. Structuralism, Hermeneutics and PostStructuralism (Social Archaeology), Oxford/Cambridge 1990; speziell zur archäologischen Forschung in Europa siehe vor allem Ian Hodder, Archaeological Theory in Contemporary European Societies: The Emergence of Competing Traditions, in: Archaeological Theory in Europe: The Last Three Decades, hg. v. Dems. (Material Cultures), London/New York 1991, S. 1–24. – Mit Ausnahme der niederländischen hat die kontinentaleuropäische und insbesondere die deutsche Archäologie an diesen Diskussionen wenig Anteil gehabt und selbige auch nur sehr eingeschränkt rezipiert; vgl. hierzu etwa Härke, Diskussion, S. 187 u. S. 190 f.; Ders., All Quiet on the Western Front? Paradigms, Methods and Approaches in West German Archaeology, in: Hodder (Hg.), Archaeological Theory, S. 187–222; sowie Ingolf Ericsson, Archäologie des Mittelalters – eine Kulturwissenschaft?, in: Das Mittelalter 5/1 (2000), S. 141–147, bes. S. 141 f., der sich freilich in erster Linie auf die noch relativ junge Disziplin der Mittelalterarchäologie bezieht. Ein zu gering entwickelt[es] Theorie-Interesse der deutschen Vor- und Frühgeschichtsforschung hat im Übrigen bereits Eggert konstatiert, siehe Manfred K. H. Eggert, Zum Kulturkonzept in der prähistorischen Archäologie, in: BJb 178 (1978), S. 1–20, hier S. 1. Siehe hierzu John F. Cherry, Generalization and the Archaeology of the State, in: Social Organisation and Settlement. Contributions from Anthropology, Archaeology and Geography, Part II, hgg. v. David Green, Colin Haselgrove u. Matthew Spriggs (BAR International Series, Supplementary 47,2), Oxford 1978, S. 411–437, hier S. 415; grundlegend zum Thema „chiefdoms“ siehe Timothy K. Earle, Chiefdoms in Archaeological and Ethnohistorical Perspective, in: Annual Review of Anthropology 16 (1987), S. 279–308; Ders., Evolution; Ders., Property Rights; sowie Petr Charvat, Chiefdoms or Early States?, in: Památky Archaeologické 80 (1989), S. 207–222, bes. S. 216 f.; und Kristiansen, Chiefdoms. – Grundsätzlich zu derartigen Abgrenzungsschwierigkeiten bereits Aidan Southall, Art. Stateless Society, in: International Encyclopedia of the Social Sciences 15 (1968), S. 157–168, bes. S. 158.
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„Sein“ abbilden, also dann, wenn der die Veränderung(en) auslösende Prozess bereits weitgehend abgeschlossen ist.52 Betrachtet man vor diesem Hintergrund das Königtum als eine sich erst im Rahmen protostaatlicher Entwicklung herausbildende Institution und damit als ein Phänomen fortgeschrittener Gesellschaftsentwicklung, dann erscheint auch ein fortgeschrittener Grad an sozialer Differenziertheit insofern als unabdingbare Voraussetzung, als nur schwer vorstellbar ist, wie ein König als eine in materieller und/oder ideeller Hinsicht deutlich herausgehobene und mit Machtmitteln ausgestattete Person unmittelbar aus einer bis dahin weitgehend egalitären Gesellschaft hervorgegangen sein soll. Viel naheliegender ist die Annahme, dass ein durch ganz unterschiedliche Faktoren bedingter gesellschaftlicher Differenzierungsprozess in seinem Verlauf einzelnen Personen und/oder Familien die Möglichkeit eröffnete, ihre ohnehin schon vorhandene Vorrangstellung weiter auszubauen, zu institutionalisieren und damit auf Dauer anzulegen. Hiermit eng verbunden ist die Möglichkeit einer Überschussproduktion, da ein institutionalisiertes Königtum impliziert, dass ein mehr oder weniger großer Personenkreis nicht direkt an der Sicherung der Nahrungsgrundlage beteiligt ist, sondern stattdessen von der Gesamtgesellschaft unterhalten werden muss. Um dies gewährleisten zu können, ist es notwendig, dass die gesellschaftliche Produktivkraft dauerhaft über den unmittelbar existentiellen Bedarf hinausgeht, was wiederum das Vorhandensein entwickelterer Wirtschaftsformen voraussetzt. Damit wären zunächst die grundsätzlichen Bedingungen für die Ausbildung einer monarchischen Gesellschaftsorganisation umrissen. Die bewusst vage gehaltenen Formulierungen deuten dabei auf eine sich mit der Fragestellung substantiell verbindende Problematik hin, welche sowohl auf die Beschaffenheit der zur Verfügung stehenden Quellen, aber auch auf ein gewisses Defizit an theoretischer Reflexion, nicht zuletzt seitens der historischen Forschung, zurückzuführen ist. Was genau meint die Bezeichnung „König“ bzw. welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit wir einen Anführer oder Herrscher als „König“ bezeichnen? Muss er über 500 Menschen geherrscht haben, über 5000 oder über 50 000? Wie groß muss das Gebiet sein, über dessen Bevölkerung er Herrschaft ausüben konnte? Soll er in einem Palast gewohnt haben oder in einer Burg oder genügt ein besonders großes Langhaus? Reicht es, wenn sich in der Umgebung seiner wie auch immer gearteten „Residenz“ etwa besonders schöne und sorgfältig gearbeitete Stücke zeitgenössischer einheimischer Keramik finden oder wird zwingend Importware (griechisch, etruskisch, keltisch, römisch) erwartet, und 52
Vgl. dahingehend auch Jerzy Gassowski, Is Ethnicity Tangible?, in: Hardt/Lübke/ Schorkowitz (Hgg.), Inventing the Pasts, S. 9–17, hier S. 9.
Der Germanenbegriff in der Archäologie
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wenn ja, wie viel davon? Die hier relativ willkürlich zusammengestellte Auswahl an Fragen, die mühelos um ein Vielfaches vermehrt werden könnte, zeigt sehr deutlich, wo die eigentlichen Schwierigkeiten liegen und wie fundamental diese sind. Bezogen auf die „germanischen“ bzw. frühgeschichtlichen Verhältnisse existiert mit dem Quellenterminus rex zwar ein Begriff „König“, es fehlt jedoch eine klare Vorstellung oder ein Konzept davon, was dieser Begriff 1.) unter Berücksichtigung der spezifischen Überlieferungsmodalitäten überhaupt konkret bezeichnen sollte, was er 2.) angesichts der zeitgenössischen Bedingungen bezeichnen konnte und 3.) welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit er seitens der Forschung gemäß seiner verfassungs- wie rechtsgeschichtlichen Implikationen verwendet werden kann.53 Nachdem die ersten beiden Punkte bereits in den vorangegangenen Kapiteln im Rahmen der Auseinandersetzung mit den ältesten Schriftzeugnissen54 eingehend behandelt worden sind, wird im Folgenden vor allem Punkt drei zu erörtern sein. Die oben aufgeworfenen Fragen bieten dabei einen guten Ausgangspunkt, indem sie direkt zu einem der Hauptprobleme, nämlich der Unmöglichkeit einer Quantifizierung, hinführen. Auch wenn über den inhaltlichen Zuschnitt der gewöhnlich als Ausweis für die Existenz monarchischer Gesellschaftsorganisation herangezogenen Kriterien im Wesentlichen Konsens herrscht, zu nennen wären etwa die Herrschaft über Personen55, das Verfügen über ein „Mehr“ an materiellen Gütern, wel53
54 55
Auf die sich mit der Bezeichnung „König“ für frühgeschichtliche Verhältnisse verbindenden Schwierigkeiten verweist auch Herzog, Staaten, S. 116, bleibt aber mit seinen Überlegungen eher im Allgemeinen. Siehe Kap. 3 u. 4. Zur Definition siehe Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. Studienausgabe, Tübingen 51972 (ND 1. Aufl. Tübingen 1922), S. 120: „Herrschaft“ soll, definitionsgemäß […], die Chance heißen, für spezifische (oder: für alle) Befehle bei einer angebbaren Gruppe von Menschen Gehorsam zu finden. Nicht also jede Art von Chance, „Macht“ und „Einfluß“ auf andere Menschen auszuüben. Herrschaft („Autorität“) in diesem Sinn kann im Einzelfall auf den verschiedensten Motiven der Fügsamkeit: von dumpfer Gewöhnung angefangen bis zu rein zweckrationalen Erwägungen, beruhen. Ein bestimmtes Minimum an Gehorchen wollen, also: Interesse (äußerem oder innerem) am Gehorchen, gehört zu jedem echten Herrschaftsverhältnis. Vgl. etwa auch die Definition von Alexander Demandt, Antike Staatsformen. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte der Alten Welt, Berlin 1995, S. 20. – Zur Problematik des Begriffs und zur Forschungslage siehe vor allem Pohl, Art. Herrschaft; sowie Ders., Soziale Grenzen und Spielräume der Macht, in: Grenze und Differenz im frühen Mittelalter, hgg. v. Dems. u. Helmut Reimitz (Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 1), Wien 2000, S. 11–18, bes. S. 15. Nach wie vor interessant, obschon sich die Forschung in einigen Bereichen inzwischen deutlich weiterentwickelt hat, ist ferner der umfangreiche Beitrag im „Historischen Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland“; vgl. Horst Günther et al., Art. Herrschaft, in: Geschichtliche Grundbegriffe 3 (1982), S. 1–102.
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ches wiederum die Verfügung über repräsentative Gebäude, wenigstens aber über repräsentative Gegenstände ermöglicht etc., lassen sich – immer bezogen auf die hier betrachtete vor- und frühgeschichtliche Zeit – die einzelnen Kriterien weder auf der Grundlage der archäologischen noch der historischen Befunde auch nur annähernd quantifizieren; jedenfalls nicht dergestalt, dass man daraus fundierte Regeln bzw. Gesetzmäßigkeiten für die Unterscheidung konkreter herrschaftsorganisatorischer Institutionen56 wie Adelsherrschaft, Häuptlings- oder Königtum sowie ihre Abgrenzung voneinander ableiten könnte.57 Das archäologische Material vermag letztlich nur zu zeigen, dass beispielsweise in der Siedlung X ein Gebäude deutlich größer und repräsentativer war als die Übrigen, und dass auf dem Gräberfeld Y eine Bestattung mit sehr viel reicheren Beigaben versehen worden ist als all die Anderen. Es kann aber nichts darüber aussagen, wer in dem größeren Haus gelebt hat oder mit den reichen Grabbeigaben bestattet wurde, und auch nichts darüber, welche konkrete gesellschaftliche Position der Besitzer des auffällig großen Hauses oder der auffällig reich Bestattete dereinst innegehabt hatte. Anstatt also das archäologische Material mit Fragen zu traktieren, für deren Beantwortung es seinem Wesen gemäß keine sichere Grundlage bietet, erscheint es sehr viel erfolgversprechender, die Fragen so zu formulieren, dass sie anhand des zur Verfügung stehenden Materials sinnvoll bearbeitet werden können. An genau diesem Punkt setzen die eingangs für die Ausbildung und Etablierung eines Königtums formulierten Voraussetzungen an, als da wären ein fortgeschrittenes Stadium sozialer Differenzierung sowie ein Maß an Produktivkraft, welches die dauerhafte Erwirtschaftung von Überschüssen ermöglicht.58 Es versteht sich dabei von selbst, dass diese beiden Parameter die Entwicklung sozialer Komplexität keinesfalls umfassend zu erklären vermögen; die hiermit angesprochenen Vorgänge sind entschieden zu vielschichtig, als dass man sie auf lediglich ein oder zwei Wirkungsmechanismen zurückführen könnte. Nicht ohne Grund werden in der einschlägigen Forschung seit langem eine Vielzahl von Ansätzen und Modellen diskutiert, welche die unterschiedlichen Einflüsse herauszukristallisieren und funktionale bzw. strukturelle Entwicklungszusammenhänge zu
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Zum Begriff „Institution“ in diesem Kontext siehe Gibson/Geselowitz, Complex Society, S. 15, mit grundlegender Literatur. Vgl. zu den grundsätzlichen Schwierigkeiten, die sich ergeben, will man aus Bodenfunden auf frühe Elemente von Staatlichkeit schließen, auch Herzog, Staaten, S. 54 f. Den Zusammenhang von Wirtschaftsform und Gesellschaftsordnung betont bereits Hachmann, Gesellschaftsordnung, S. 13 f.
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(re)konstruieren versuchen.59 Ein einigermaßen „verlässliches“ Ergebnis im Sinne eines breiten internationalen Forschungskonsenses, nach welchem etwa einem Modell der Vorzug gegeben würde, ist – soweit das von außen beurteilt werden kann – nach wie vor nicht in Sicht. Zu unterschiedlich sind offenbar die jeweiligen weltanschaulichen Standorte, die gerade bei einer Frage wie dieser, die sich in nuce darauf richtet „was die Welt im Innersten zusammenhält“, in besonderem Maße ins Gewicht fallen. Aber auch wenn sich derzeit keine zufriedenstellende umfassende Antwort auf die Frage nach den konkreten Ursachen, ihren Wertigkeiten und Kohärenzen für die Herausbildung komplexer Gesellschaften und damit letztlich auch von Machteliten und Herrschaftsformen geben lässt, so zeichnen sich doch mit großer Sicherheit bestimmte Faktoren ab, die bei diesen Prozessen eine maßgebliche Rolle gespielt haben. Da es im Hinblick auf den zu verfolgenden Untersuchungsgegenstand nicht darum geht, die allgemeinen Modalitäten der Gesellschaftsentwicklung zu erhellen, sondern allenfalls darum, zu prüfen, welchen sozioevolutionären Entwicklungsstand die als Germanen betrachteten Völker zu dem Zeitpunkt ihres Eintretens in die Geschichte erreicht hatten, erscheint die Konzentration auf die grundlegenden und in ihrer Bedeutung unstrittigen Faktoren „soziale Differenzierung“ und „Überschussproduktion“ gerechtfertigt. Obgleich auch hier, wie bereits hervorgehoben, keine absolute Quantifizierung möglich ist, verfügt diese Strategie immerhin über den Vorteil, dass das oben angedeutete vielgestaltige Kriterienbündel auf zwei zentrale Basiselemente reduziert werden kann, die aber, da sie nicht so sehr auf äußerliche Phänomene, sondern vielmehr auf die dahinter wirksamen „Mechanismen“ oder Funktionsprinzipien gerichtet sind, gleichwohl das gesamte Spektrum der hier interessierenden gesellschaftlichen Prozesse wenigstens annäherungsweise zu erfassen vermögen.60
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Ein sehr konziser Forschungsüberblick findet sich bei Henri J. M. Claessen/Pieter van de Velde, Social Evolution; Dies., The Evolution of Sociopolitical Organization, in: ebda., S. 126–140. Vgl. hierzu auch die in eine ähnliche Richtung weisenden Überlegungen von John Collis, States without Centers? The Middle La Tène Period in Temperate Europe, in: Arnold/Gibson (Hgg.), Celtic Chiefdom, S. 75–80, hier S. 77.
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5.1.2 Lebensverhältnisse und Sozialstrukturen der „Germanen“ in vorrömischer Zeit. Ein Vergleich mit den Verhältnissen im keltischen Kulturraum Als vergleichsweise feste Größen jenseits aller begrifflichen Schwierigkeiten, die unseren Untersuchungsgegenstand immer wieder ins Nebulöse zu entrücken drohen, bleiben der zu betrachtende Raum und die Menschen, die dort lebten, lange bevor sie in der römischen Literatur als „Germanen“ und Bewohner der „Germania“ charakterisiert wurden. Der Raum wurde bereits weiter oben konturiert, es handelt sich – grob umrissen – um das Gebiet rechts des Rheins. Die dort weiträumig konstatierte fortlaufende Nutzung von Bestattungs- und Siedlungsplätzen deutet auf eine Bevölkerungskontinuität hin, die etwa vom 5./4. vorchristlichen Jahrhundert bis in die Römische Kaiserzeit andauerte.61 Dadurch ist es möglich, mit der Untersuchung der Frage nach dem Grad der Gesellschaftsentwicklung, vor allem aber nach dem Vorhandensein der für die Ausprägung eines Königtums eingangs dargelegten notwendigen Bedingungen62 bereits in der vorrömischen Zeit anzusetzen, was sich insofern anbietet, als die nunmehr auch am archäologischen Quellenmaterial zu überprüfende These von einem bis auf älteste Zeiten zurückgehenden „germanischen Volkskönigtum“ auf ebendiesen Zeitraum verweist. Es wurde bereits dargelegt, dass ein großer Teil des zu betrachtenden Gebietes dem keltischen Kulturraum zuzurechnen ist. Die materielle Hinterlassenschaft mit ihren ausgeprägten Stilmerkmalen63 erweist insbesondere das Gebiet südlich der Mainlinie als einen der Kernräume keltischer Kultur, welche in nördlicher Richtung etwa seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. bis in 61
62 63
Dahingehend schon Gerhard Mildenberger, Die thüringischen Brandgräber der spätrömischen Zeit (Mitteldeutsche Forschungen 60), Köln/Wien 1970, S. 25 f.; vgl. ferner Barry Cunliffe, Der Einfluß Roms auf die barbarischen Gesellschaften 140 v. Chr.– 300 n. Chr., in: Illustrierte Vor- und Frühgeschichte Europas, hg. v. Dems., Frankfurt am Main/New York 1996, S. 457–494, hier S. 493; Steuer, Art. Ursprung und Ausbreitung der Germanen, S. 139; Ders., Art. Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 158. Siehe o. Kap. 5.1. Zur keltischen Kunst siehe vor allem Paul-Marie Duval, Die Kelten, München 1978 (frz. Ausgabe: Les Celtes, Paris 1977); Ders., Celtic Art, in: The Celts, hgg. v. Sabatino Moscati et al., London 1991, S. 25–28, siehe auch die übrigen Beiträge in diesem ebenso umfassend angelegten wie opulent ausgestatteten Band; vgl. ferner Georg Kossack, Hallstatt- und Latèneornament, in: Dannheimer/Gebhard (Hgg.), Das keltische Jahrtausend, S. 138–152; Otto-Hermann Frey, Die Bilderwelt der Kelten, in: ebda., S. 153–168; sowie, allerdings weniger speziell, Cunliffe, Kelten; Christiane Éluère, Die Kelten, Ravensburg 1994 (frz. Ausgabe: L’Europe des Celtes, Paris 1992); Spindler, Die frühen Kelten.
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die Mittelgebirgszone und in Teilen auch darüber hinaus ausstrahlte.64 Anders als die „Germanen“, die erst durch Caesars Bellum Gallicum in das Bewusstsein der römischen Welt gelangten, waren die Kelten dort schon lange präsent. Die wohl älteste, allerdings nicht ganz gesicherte Erwähnung findet sich in einem in das frühe 6. Jahrhundert v. Chr. datierten Bericht über eine Küstenreise von Gades (Cadiz) nach Massilia (Marseille), zuverlässigere Nachrichten bietet Hekataios von Milet (um 500 v. Chr.), spätestens aber Herodot (um 450 v. Chr.).65 Obschon auch für die Darstellung der Kelten in der griechisch-römischen Literatur mit Fremdvölkertopoi und Verzerrungen gerechnet werden muss, dürften die über Jahrhunderte andauernden Kulturkontakte, die zwischen dem mediterranen Raum und den sich zusehends weiter ausdehnenden keltischen Gebieten bestanden und sich an den dort nicht eben seltenen Funden beispielsweise etruskischer Schnabelkannen, attischer Keramik oder griechischer (später auch römischer) Amphoren zweifelsfrei nachweisen lassen66, doch zu einer einigermaßen fest umrissenen Vorstellung von den Kelten und den von ihnen besiedelten Gegenden geführt haben.67 Es ist daher anzunehmen, dass man in Rom die schon lange bekannten keltischen Barbaren durchaus von denen, die Caesar als „Germanen“ eingeführt hat, zu unterscheiden wusste. Im Grunde
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Zur Ausdehnung der keltischen Kultur vgl. beispielsweise die Karten bei John Haywood, Die Zeit der Kelten. Ein Atlas, Frankfurt am Main 2002 (engl. Ausgabe: The Historical Atlas of the Celtic World, London 2001), S. 32 f. (zur Ausdehnung der Hallstattkultur), S. 51 (keltisches Siedlungsgebiet um 500 v. Chr.) u. S. 47 (keltisches Siedlungsgebiet um 300 v. Chr.). Der Reisebericht selbst ist nicht erhalten, allerdings wird er in der Ora Maritima des römischen Dichters Festus Rufius Avienus (4. Jh. n. Chr.) zitiert. Die zeitlich nächsten Hinweise bieten Hekataios von Milet, der zwei keltische Städte nennt und Massilia (Marseille) als in der Nähe des Keltenlandes gelegen ausweist, sowie Herodot, der in seinen Historien an zwei Stellen das Land der Kelten erwähnt (Hdt. II,33 u. IV,49). Vgl. hierzu ausführlicher Cunliffe, Kelten, S. 8 u. S. 28 f.; Rankin, Celts, S. 2–10; Gerhard Dobesch, Ancient Literary Sources, in: Moscati et al. (Hgg.), The Celts, S. 35–41; Maier, Kelten, S. 13 f.; und Fries-Knoblach, Kelten, S. 16 f. Vgl. Otto-Hermann Frey, Der Ostalpenraum und die antike Welt in der frühen Eisenzeit, in: Germania 44 (1966), S. 48–66; Ders., Der Westhallstattkreis im 6. Jahrhundert v. Chr., in: Die Hallstattkultur. Frühform europäischer Einheit. Internationale Ausstellung des Landes Oberösterreich 25. April bis 26. Oktober 1980, Schloß Lamberg, Steyr 2. Aufl. o. J., S. 80–116, hier S. 106–109; Franz Fischer, KEIMHIA. Bemerkungen zur kulturgeschichtlichen Interpretation des sogenannten Südimports in der späten Hallstatt- und frühen Latène-Kultur des westlichen Mitteleuropa, in: Germania 51 (1973), S. 436–459, hier S. 436 ff. u. S. 457 f.; Birkhan, Kelten, S. 316–320; Maier, Kelten, S. 28 f. Vgl. Ludwig Pauli, Die Herkunft der Kelten. Sinn und Unsinn einer alten Frage, in: Die Kelten in Mitteleuropa, S. 16–24, hier S. 18.
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genommen haben die seitens der Forschung in ihrer Haltung vielfach als konservativ charakterisierten griechischen Autoren68 mit ihrer Ablehnung des Germanenbegriffs, wie sie vor allem in dem Festhalten an der Bezeichnung Keltoi für die Bewohner der sogenannten Germania zum Ausdruck kommt69, die tatsächlichen Verhältnisse, zumindest bis in das erste Jahrhundert n. Chr. hinein, sehr zutreffend erfasst. Da Caesar aber ganz offensichtlich daran gelegen war, mit „den Germanen“ eine neue ethnisch-politische Größe zu etablieren, die er – auch wenn die von ihm konstruierte Rheingrenze faktisch zu Ungereimtheiten führen musste70 – deutlich von den altbekannten Kelten unterschied, können die caesarischen „Germanen“ und damit auch jene der Forschung, welche Caesar in diesem Punkt folgt, nur in dem sich nördlich an das Verbreitungsgebiet keltischer Kultur anschließenden Raum lokalisiert werden. Es ist also die materielle Hinterlassenschaft der Bevölkerung dieses Raumes, die im Folgenden vorrangig in den Blick zu nehmen sein wird. Angesichts der bereits angesprochenen Schwierigkeit, archäologische Befunde hinsichtlich ihrer sozio-politischen Aussagemöglichkeiten zu quantifizieren und damit in diesen Bereichen zu konkreteren Ergebnissen zu gelangen, erscheint es sinnvoll, die reichen Zeugnisse der keltischen Nachbarn bei der Betrachtung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse der in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends v. Chr. im Norden der späteren Germania lebenden Gruppen vergleichend mitheranzuziehen.71 Dafür spricht des Weiteren, dass – insbesondere bei Caesar – die sogenannten Germanen von Anfang an im Kontrast zu den Kelten gesehen wurden sowie der archäologische Befund. Man denke hier nur an die breiten, durch unterschiedliche Formen keltisch-germanischer Mischkultur geprägten Akkulturationszonen72, deren Existenz auch seitens der Sprach68 69 70
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Vgl. z. B. Demandt, Kelten, S. 13. Vgl. etwa Pohl, Germanenbegriff, S. 170. Siehe hierzu auch Rieckhoff-Pauli, Ethnische Deutung, S. 24; sowie Lund, Germanische Gesellschaft, S. 178 f. u. S. 183 f., die zeigen, dass Caesar sich dieser Ungereimtheiten sehr wohl bewusst gewesen sein dürfte. Vgl. hierzu bereits Joachim Werner, Die Bedeutung des Städtewesens für die Kulturentwicklung des frühen Keltentums, in: Die Welt als Geschichte 5 (1939), S. 380–391, wieder abgedruckt in: Ders., Spätes Keltentum zwischen Rom und Germanien. Gesammelte Aufsätze zur Spätlatènezeit, hg. v. Ludwig Pauli, München 1979, S. 1–20, hier S. 1; sowie Steuer, Art. Wirtschafts- und Sozialgeschichte, der feststellt (S. 156): Germanische Erscheinungen im Bereich von Wirtschaft und Gesellschaft zeichnen sich am ehesten […] in der Frühphase durch den Gegensatz zu Kelten und später zum Röm. Reich als „höhere“ sozioökonomische Organisationsformen ab, […]. Vgl. Karl Peschel, Die Kelten als Nachbarn der Germanen, in: ZfA 4 (1970), S. 1–36, hier S. 22 ff.
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wissenschaft bestätigt wird: „Auch wenn dem Ansatz einer Mischkultur zwischen Kelten und Germanen etwas Provisorisches und Unbefriedigendes anhaftet, weil diese Vorstellung zu oft mechanisch als letzter Ausweg für Undeutbares gewählt wurde, so kann man das Phänomen an sich doch nicht leugnen. Allein um die Entlehnungen zwischen Kelten und Germanen zu erklären sind wenigstens Kulturkontakte vonnöten und es läßt sich trotz gegenteiliger Versuche nicht abstreiten, daß die Zielrichtung dieser Kulturkontakte lange Zeit recht einseitig war.“73 Wegen der langen Dauer und außerordentlich großen Ausdehnung der als keltisch anzusprechenden Kultur, die sich, grob skizziert, in einem ungleichmäßig breiten Gürtel vom Atlantik im Westen bis in den kleinasiatischen Raum im Osten erstreckte74, hat die Keltenforschung früh erkannt und in Rechnung gestellt, dass im Einzelnen zu beobachtende Phänomene zum einen nicht unbedingt für den gesamten keltischen Kulturraum Geltung bezogen haben müssen, und zum anderen, dass „keine allgemeine Kontinuität von der vorrömischen Eisenzeit bis ins Frühmittelalter nachweisbar ist.“75 Da sich aufgrund der Quellenlage sowie der zeitlichen und räumlichen Dimensionen, welche durch den Keltenbegriff miteinander verbunden werden, hier ganz ähnliche Schwierigkeiten wie für den Germanenbegriff ergeben76, ist dies insofern eine wichtige Prämisse, als dadurch Einzelbefunde nicht gewaltsam einer übergeordneten Leitvorstellung wie etwa von d e r keltischen Gesellschaftsordnung anzupassen bzw. einzugliedern sind. Vielmehr erlaubt eine derartige Grundanschauung – in einem höheren Maße als dies etwa bei der auf Homogenität und Kontinuität ausgerichteten Germanenforschung der Fall ist – die Koexistenz unterschiedlicher, 73
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Rübekeil, Kontaktzone, S. 86; vgl. zur Zielrichtung der Kulturkontakte auch Helmut Birkhan, Germanen und Kelten bis zum Ausgang der Römerzeit. Der Aussagewert von Wörtern und Sachen für die frühesten keltisch-germanischen Kulturbeziehungen (Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Kl., Sitzungsberichte 272), Wien 1970, bes. S. 581; sowie Ders., Kelten, S. 321. Vgl. z. B. Arnold/Gibson, Introduction, S. 8; Demandt, Antike Staatsformen, S. 415–418 (Karte S. 416); Ders., Kelten, S. 17–27. Fries-Knoblach, Kelten, S. 179. Zu dieser Problematik vgl. Fries-Knoblach, Kelten, S. 9; ferner Pauli, Herkunft der Kelten, bes. S. 23; Ders., Early Celtic Society: Two Centuries of Wealth and Turmoil in Central Europe, in: Champion/Megaw (Hgg.), Settlement and Society, S. 23–43, hier S. 26–29; Collis, Iron Age Society, S. 32; Ders., States without Centers?, S. 76 f.; Miranda J. Green, Introduction: Who Were the Celts?, in: Dies. (Hg.), Celtic World, S. 3–7, hier S. 3 f.; Champion, Power, S. 85; Maier, Kelten, S. 16 f.; vor allem jedoch Malcolm Chapman, The Celts. The Construction of a Myth, New York 1992, der sich im Rahmen einer Monographie kritisch mit diesem Themenkomplex auseinandersetzt.
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zum Teil auch konkurrierender Vorstellungen, welche die Diskussion wie Interpretation in alle Richtungen offen halten und die Einbeziehung von neuen Erkenntnissen aus verschiedenen Disziplinen erleichtern. So existieren beispielsweise im Hinblick auf die Frage nach der Gesellschaftsorganisation für die Hallstattzeit (ca. 800 bis 450 v. Chr.)77 drei Modelle, die von Janine Fries-Knoblach als „traditionell“, „kulturanthropologisch“ sowie als „Mischform“ apostrophiert werden.78 Während der traditionelle Ansatz in Anlehnung an die griechischen Verhältnisse von hierarchisch organisierten und aristokratisch geführten Gesellschaften ausgeht, denen gelegentlich auch größere Zusammenschlüsse gelangen79, greift die kulturanthropologische Deutung auf ethnologische Erkenntnisse zurück und rechnet mit kleinräumigen, verwandtschaftlich strukturierten Verbänden ohne Zentralinstanzen80. Als Mischform nimmt man demgegenüber eine unter wechselnden Häuptlingen organisierte, relativ statische Agrargesellschaft an.81 Diese unterschiedlichen Auffassungen drücken sich nicht zuletzt in unterschiedlichen Termini aus. So interpretiert etwa die traditionelle Sicht bestimmte, durch besonders reiche Beigaben herausragende Bestattungen als „Fürstengräber“ und die nicht selten in der Nähe gelegenen Siedlungsplätze
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Datierung nach der Übersicht von Dirk Raetzel-Fabian, Kelten, Römer und Germanen. Eisenzeit in Nordhessen (Vor- und Frühgeschichte im Hessischen Landesmuseum in Kassel 4), Kassel 2001, S. 24; vgl. hierzu auch Fries-Knoblach, Kelten, S. 12–16. Fries-Knoblach, Kelten, S. 192; Raetzel-Fabian, Kelten, S. 70. Vgl. insbesondere Wolfgang Kimmig, Zum Problem späthallstättischer Adelssitze, in: Siedlung, Burg und Stadt: Studien zu ihren Anfängen. FS Paul Grimm. Bd. 1, hgg. v. Karl-Heinz Otto u. Joachim Herrmann (Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Schriften der Sektion für Vor- und Frühgeschichte 25), Berlin 1969, S. 95–113; ferner Demandt, Kelten, S. 73–82. Vgl. vor allem Manfred K. H. Eggert, Prestigegüter und Sozialstruktur in der Späthallstattzeit: Eine kulturanthropologische Perspektive, in: Saeculum 42 (1991), S. 1–28, hier S. 27; sowie Hermann Parzinger, Zwischen „Fürsten“ und „Bauern“ – Bemerkungen zu Siedlungsform und Sozialstruktur unter besonderer Berücksichtigung der älteren Eisenzeit, in: Mitteilungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte 13 (1992), S. 77–89. Vgl. etwa Georg Kossack, Prunkgräber – Bemerkungen zu Eigenschaften und Aussagewert, in: Studien zur vor- und frühgeschichtlichen Archäologie. Teil 1: Allgemeines, Vorgeschichte, Römerzeit. FS Joachim Werner, hgg. v. Dems. u. Günter Ulbert (Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte, Ergbd. I/1), München 1974, S. 3–33; Wolfram Schier, Fürsten, Herren, Händler? Bemerkungen zu Wirtschaft und Gesellschaft der westlichen Hallstattkultur, in: Archäologische Forschungen in urgeschichtlichen Siedungslandschaften. FS Georg Kossack, hgg. v. Hansjörg Küster, Amei Lang u. Peter Schauer (Regensburger Beiträge zur prähistorischen Archäologie 5), Regensburg/Bonn 1998, S. 493–514, bes. S. 514.
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als „Adels-“ oder „Fürstensitze“.82 Vertreter der Mischform hingegen sprechen dieselben Fundstellen als „Prunkgräber“ und „Häuptlingssitze“ an. Es zeigt sich, dass ein und derselbe Befund mit vergleichbarer Plausibilität sehr unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten impliziert, ohne dass derzeit mit letzter Sicherheit erwiesen werden könnte, welcher Erklärung der Vorzug zu geben ist, oder ob nicht vielleicht sogar mit einem Nebeneinander aller drei angenommenen Typen gerechnet werden muss. In der Mitte des ersten Jahrtausends v. Chr. hatten die Kelten, die als Träger der Hallstatt- und Latènekultur aufgrund ihrer reichen materiellen Hinterlassenschaft vergleichsweise gut bezeugt sind83, einen ersten kulturellen Höhepunkt erreicht. Während die sich im Norden in dieser Zeit gerade erst herausbildenden Gruppen noch im Wesentlichen in spätbronzezeitlichen Traditionen verhaftet waren, zeugt der archäologische Niederschlag der Kelten in der späten Hallstattzeit von einem demgegenüber deutlich fortgeschrittenen Entwicklungsstand.84 Als besonders aussagekräftiges Beispiel seien hier zunächst die reich ausgestatteten Prunk-, Adels- oder Fürstengräber jener Epoche angeführt.85 Diese hoben sich allein von der Anlage her, 82
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Siehe insbesondere Kimmig, Adelssitze. – Vgl. zu der sich hiermit verbindenden Diskussion Kossack, Prunkgräber, bes. S. 32 f.; vor allem aber Manfred K. H. Eggert, Die „Fürstensitze“ der Späthallstattzeit. Bemerkungen zu einem archäologischen Konstrukt, in: Hammaburg N.F. 9 (1989), S. 53–66; Fischer, Early Celts, S. 34 ff., der darauf hinweist, dass all diese interpretativen Bezeichnungen sich nicht unmittelbar aus dem archäologischen Material ableiten lassen; und Schier, Fürsten, Herren, Händler, der einen guten Forschungsüberblick bietet. Siehe beispielsweise Birkhan, Kelten, S. 334 f.; sowie Fries-Knoblach, Kelten, S. 12–16. – Zu der sich zusehends durchsetzenden Verwendung des Keltenbegriffs auch für die der Latèneperiode vorangehende Hallstattzeit vgl. etwa Hartwig Zürn, Zum Übergang von Späthallstatt zu Latène A im südwestdeutschen Raum, in: Germania 30 (1952), S. 38–45, bes. S. 38 f. u. S. 45; Wolfgang Dehn, Einige Bemerkungen zu Gesellschaft und Wirtschaft der Späthallstattzeit. „Transhumance“ in der westlichen Späthallstattkultur?, in: Beumann (Hg.), Historische Forschungen, S. 1–18, hier S. 2; Cunliffe, Kelten, bes. S. 19; vor allem aber Hans Peter Uenze, Ein keltisches Jahrtausend? Kontinuität und Diskontinuität, in: Dannheimer/Gebhard (Hgg.), Das keltische Jahrtausend, S. 7–14, bes. S. 7 u. passim; hierzu ferner Green, Who Were the Celts?, S. 4; und Birkhan, Kelten, S. 45 ff. u. S. 334 f.; kritisch allerdings Spindler, Die frühen Kelten, S. 22; sowie Gebhard, Kelten, S. 4 f. Vgl. etwa Otto-Hermann Frey, „Celtic Princes“ in the Sixth Century b.c., in: Moscati et al. (Hgg.), The Celts, S. 75–92. Zu den Begrifflichkeiten siehe o. – Zur Fundlage (überblicksartig) vgl. z.B. Spindler, Die frühen Kelten; Alfred Haffner, The Princely Tombs of the Celts in the Middle Rhineland, in: Moscati et al. (Hgg.), The Celts, S. 155–162; Jean-Pierre Mohen, The Princely Tombs of Burgundy, in: ebda., S. 103–107; Wolfgang Kimmig, The Heuneburg Hillfort and the Proto-Celtic Princely Tombs of Upper Rhineland, in: ebda., S. 114f.
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als zumeist eindrucksvolle hügelförmige Erdaufschüttungen, die gelegentlich noch mit Monumenten versehen waren, wie z.B. der Stele von Hirschlanden86, aber auch durch die Anzahl der Beigaben und nicht zuletzt die Qualität derselben deutlich von den übrigen zeitgenössischen Bestattungen ab.87 Prominente Beispiele sind etwa der Hohmichele bei der Heuneburg, der Magdalenenberg bei Villingen oder die Grabanlage von EberdingenHochdorf 88. Bereits dieses noch nach dem Tod weithin sichtbare Herausragen Einzelner lässt, ganz unabhängig davon, welche gesellschaftlichen Positionen oder Funktionen die so Bestatteten innerhalb ihrer Bezugsgruppe ursprünglich eingenommen hatten, deutliche soziale Unterschiede erkennen. Die Prunkgräber bezeugen aber noch weitaus mehr. Sie fungieren gleichzeitig als Indikatoren für die Existenz einer nennenswerten Überschussproduktion, die über mehrere Generationen hinweg immerhin leidlich stabil gewesen sein muss und ohne die die Anhäufung jener Luxusgüter bzw. -gegenstände, welche den derart aufwendig bestatteten Toten so reichlich mit ins Grab gegeben wurden, gar nicht möglich gewesen wäre. In diesem Zusammenhang ist zudem der für die Errichtung derart gewaltiger Grabstätten notwendige Arbeitseinsatz zu berücksichtigen, der angesichts der denkbar einfachen Werkzeuge und technischen Hilfsmittel enorm gewesen sein muss. Die in der ausgehenden Hallstattzeit erbauten monumentalen Grabhügel sind daher nur als Gemeinschaftsleistungen denkbar.89 Für den größten unter ihnen, den Magdalenenberg, hat Manfred Eggert eine Mindestbaudauer von vier Jahren errechnet, während Konrad Spindler sogar von fünfzehn bis zwanzig Jahren ausgeht.90 Unabhängig davon, wessen Berech86
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Vgl. Frey, Westhallstattkreis, S. 99 ff.; Ders., Art. Keltische Großplastik, in: RGA 16 (2000), S. 395–407, bes. S. 395 ff. u. S. 398, mit weiterer Literatur; Maier, Kelten, S. 35; Torsten Capelle, Art. Hügelgrab, in: RGA 15 (2000), S. 179 ff.; speziell zu der Stele insbesondere Hartwig Zürn, Ein hallstattzeitliche Stele von Hirschlanden Kr. Lechberg (Württbg.). Vorbericht, in: Germania 42 (1964), S. 27–36; siehe ferner die bemerkenswerten Überlegungen von Julius Beeser, Der Kouro-Keltos von Hirschlanden, in: Fundberichte aus Baden-Württemberg 1983, S. 21–46, Abb. S. 22, der zudem weitere Beispiele für hallstattzeitliche Großplastiken anführt. Vgl. Heiko Steuer, Art. Fürstengräber, § 1 Allgemeines, in: RGA 10 (1998), S. 168–175, hier S. 169 f.; ferner Peter S. Wells, Mediterranean Trade and Culture Change in Early Iron Age Central Europe, in: Champion/Megaw (Hgg.), Settlement and Society, S. 69–89, hier S. 72–75; Maier, Kelten, S. 29. Siehe insbesondere Jörg Biel, Ein Fürstengrabhügel der späten Hallstattzeit bei Eberdingen-Hochdorf, Kr. Ludwigsburg (Baden-Württemberg). Vorbericht, in: Germania 60 (1982), S. 61–104; und Ders., Der Keltenfürst von Hochdorf, Stuttgart 1985. Vgl. beispielsweise Spindler, Die frühen Kelten, S. 300 f.; Maier, Kelten, S. 29. Manfred K. H. Eggert, Riesentumuli und Sozialorganisation: Vergleichende Betrachtungen zu den sogenannten „Fürstenhügeln“ der späten Hallstattzeit, in: Archäologisches Korrespondenzblatt 18 (1988), S. 263–274, hier S. 269 f.
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nung letztlich zutreffen mag, ist kaum anzunehmen, dass die Errichtung eines solchen repräsentativen Grabmonuments, die für diejenigen, welche die Arbeit konkret zu leisten hatten, ohne Zweifel über einen langen Zeitraum hinweg mit erheblichen Anstrengungen verbunden war, ohne eine wie auch immer geartete zentrale Instanz vonstatten gegangen sein wird, welche das Bauprojekt initiiert, organisiert und koordiniert hat.91 Für die Existenz solcher Instanzen sprechen im Übrigen auch die vielfach in der Nähe jener „Fürstengrabhügel“ entdeckten sogenannten „Fürstensitze“, als deren prominentester wohl die Heuneburg92 anzusprechen ist. Bei diesen handelt es sich zumeist um befestigte Höhensiedlungen, die über „gehobene, auffällige Baustrukturen“, eine Häufung von wertvollem Fundmaterial und „Werkstätten der Buntmetallverarbeitung sowie der Schmuck- und Waffenherstellung“93 verfügen, und die gewöhnlich als Wohnsitze jener so aufwendig Bestatteten und ihrer Familien aufgefasst werden.94 Auch wenn das zur Verfügung stehende Quellenmaterial keine konkreten Aussagen über die tatsächliche(n) Struktur(en) der hallstattzeitlichen Gesellschaften erlaubt, bezeugen die oben skizzierten Befunde doch erkennbare Rangunterschiede und die Existenz sozial deutlich abgehobener Gruppen: „Diese Elite, deren Tote wir fassen, muß polit[ische] und wirtschaftl[iche] Macht besessen haben.“95 91
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Das von Eggert, Riesentumuli, S. 267 f., beigebrachte zentralafrikanische Vergleichsbeispiel – der mit ähnlich einfachen technischen Hilfsmitteln vorgenommene Bau von Befestigungsanlagen –, an welchem er zeigt, dass die gemeinschaftliche Errichtung monumentaler Erdwerke auch in akephalen Gesellschaften möglich ist und praktiziert wurde, greift in diesem Fall nicht, da sich mit Befestigungsanlagen eine völlig andersgeartete gemeinschaftliche Interessenlage verbindet als mit dem Bau aufwendiger Grabmonumente. Zur Heuneburg vgl. etwa Frey, Westhallstattkreis, S. 81–89; Kimmig, Die Heuneburg an der oberen Donau (Führer zu archäologischen Denkmälern in Baden-Württemberg 1), Stuttgart 21983 (1. Aufl. Stuttgart 1968); Ders., The Heuneburg Hillfort; Maier, Kelten, S. 30 f.; eine ergiebige Zusammenstellung weiterer Literatur findet sich bei Parzinger, Fürsten und Bauern, S. 84 Anm. 19. Heiko Steuer, Art. Fürstensitze, § 1 Allgemeines, in: RGA 10 (1998), S. 220 f., hier S. 220; Spindler, Die frühen Kelten, S. 52 f. Vgl. z. B. Eggert, Riesentumuli, S. 263 f.; sowie Jörg Biel, Frühkeltische Fürsten, in: Dannheimer/Gebhard (Hgg.), Das keltische Jahrtausend, S. 40–46, der zu bedenken gibt, dass das archäologische Umfeld jener sogenannten Fürstensitze bislang kaum erforscht sei, was die aktuellen Deutungsansätze in ihrer Aussagekraft relativiere. Otto-Hermann Frey, Art. Fürstengräber, § 3 Hallstatt- und Frühlatènezeit, in: RGA 10 (1998), S. 178–185, hier S. 181; vgl. ferner Cunliffe, Kelten, S. 33; Rankin, Celts, S. 10. – Kritisch äußert sich allerdings Parzinger, Fürsten und Bauern, S. 85 u. S. 88 f., der betont, dass mit Ausnahme der Heuneburg kaum einer der sogenannten „Fürstensitze“ systematisch untersucht ist, und es vor diesem Hintergrund für methodisch unzulässig erachtet, über die Beigaben von Bestattungen die Struktur benachbarter, teilweise gar nicht ausgegrabener Siedlungsplätze erfassen zu wollen (S. 88).
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Ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang ist das Vorhandensein gleichsam „protoindustrieller“ Zentren. Die seit der ausgehenden Hallstattzeit in großem Stil betriebene Salzgewinnung, vor allem in Hallstatt und Hallein96, sowie die Dimensionen der Erzförderung und -verarbeitung97 lassen aufgrund der zahlreichen, in diesem Umfeld notwendigen Fertig- und Fähigkeiten zum einen auf ein sich spezialisierendes Handwerk schließen.98 Darüber hinaus deutet das Ausmaß der Förderung bzw. Herstellung derartiger begehrter und benötigter Rohstoffe oder Rohmaterialien darauf hin, dass die Produktion nicht ausschließlich an kleinräumigen Bedürfnissen orientiert, sondern vielmehr für ein ausgedehnteres Verteilungsgebiet bestimmt war.99 Inwieweit man in diesem Zusammenhang allerdings bereits von geregelten Fernhandelsbeziehungen ausgehen darf, ist in der Forschung umstritten.100 Immerhin zeugen die in den reichen Bestattungen häufig auftretenden hochwertigen Importgegenstände aus dem mediterranen Raum, als eindrucksvolles Beispiel sei hier der Krater von Vix angeführt101, zumin96
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Vgl. z. B. Ernst Penninger, Der Salzbergbau auf dem Dürrnberg, in: Die Kelten in Mitteleuropa, S. 182–188; Fritz Eckart Barth, The Hallstatt Salt Mines, in: Moscati et al. (Hgg.), The Celts, S. 163–166; Frey, Celtic Princes, S. 76; Anthony Harding, Neuordnung in Europa nördlich des Mittelmeeres 1300–600 v. Chr., in: Cunliffe (Hg.), Vor- und Frühgeschichte, S. 341–374, hier S. 365 f. Siehe etwa Stane Gabrovec, Zur Hallstattzeit in Slowenien, in: Germania 44 (1966), S. 1–48, hier S. 42 f.; sowie Jürgen Driehaus, „Fürstengräber“ und Eisenerze zwischen Mittelrhein, Mosel und Saar, in: Germania 43 (1965), S. 32–49, bes. S. 33 f., der allerdings vorwiegend die Frühlatènezeit behandelt; zu den technischen Aspekten der Eisenverarbeitung, aber auch zur Rolle des Eisens im Hinblick auf gesellschaftliche Entwicklungsprozesse vgl. Michael N. Geselowitz, Technology and Social Change: Ironworking in the Rise of Social Complexity in Iron Age Central Europe, in: Gibson/Geselowitz (Hgg.), Tribe and Polity, S. 137–154. Vgl. auch Brun, Chiefdom, S. 15 f. So etwa Peschel, Kelten, S. 2 ff. Während beispielsweise Wells, Mediterranean Trade, S. 69–75; und Spindler, Die frühen Kelten, S. 367, dafür eintreten, spricht sich Eggert, Prestigegüter, S. 9–12 u. passim, dezidiert dagegen aus. Grundlegend hierzu René Joffroy, Le Trésor de Vix. Histoire et portée d’une grande découverte (Résurrection du Passé), Paris 1962; ferner Nadine Berthelier-Ajot, The Vix Settlement and the Tomb of the Princess, in: Moscati et al. (Hgg.), The Celts, S. 116 f.; sowie Wolfgang Kimmig, Etruskischer und griechischer Import im Spiegel westhallstättischer Fürstengräber, in: Etrusker nördlich von Etrurien. Etruskische Präsenz in Norditalien und nördlich der Alpen sowie ihre Einflüsse auf die einheimischen Kulturen. Akten des Symposions von Wien-Schloß Neuwaldegg, 2.–5. Oktober 1989, hg. v. Luciana Aigner-Foresti (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Sitzungsberichte 589), Wien 1992, S. 281–328, hier S. 314–318, mit neuerer Literatur; siehe ferner Spindler, Die frühen Kelten, S. 104–112, der freilich – entgegen der mehrheitlichen Anschauung – die in der Nähe des Mont Lassois gelegene Bestattung von Vix nicht als ein Frauen- sondern als ein Männergrab deutet.
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dest von recht intensiven Kulturkontakten102 und deuten ein weiteres Mal darauf hin, dass an der Spitze der hallstattzeitlichen Gesellschaften jeweils rangmäßig herausragende, wirtschaftlich potente Personen oder Gruppen standen, die zu Lebzeiten über besondere Wohn- und im Tode über besondere Begräbnisplätze verfügten und die offenbar in der Lage waren, die Früchte gesellschaftlicher Gemeinschaftsleistungen einzufordern bzw. deren Überschüsse abzuschöpfen. Allerdings konnte in diesem Stadium die Entwicklung der Produktivkräfte mit dem durch die Möglichkeit einer Überschussproduktion angestoßenen Differenzierungsprozess noch nicht dauerhaft Schritt halten. Durch die Art ihrer Verwendung, zum einen im Rahmen aufwendiger Bestattungen, zum anderen aber wohl auch durch demonstrativ verschwenderische Festmähler, die dem Statuserhalt der sich eben erst herausbildenden gesellschaftlichen Eliten dienten, wurden jene Überschüsse dem Wirtschaftskreislauf weitgehend entzogen.103 Bei gleichzeitigem Bevölkerungswachstum, wie es für den fraglichen Zeitraum feststellbar ist104, war die weiterhin vornehmlich agrarisch wirtschaftende hallstattzeitliche Bevölkerung aufgrund der vergleichsweise primitiven Anbaumethoden, die eine rasche Erschöpfung der Böden und dementsprechend nachlassende Erträge bedingten, auf lange Sicht nicht in der Lage, den für das erreichte Differenzierungsniveau notwendigen Überschuss in dem erforderlichen Umfang zu gewährleisten. Die sich um 500 v. Chr. abzeichnende Krise jenes hier zumindest in groben Zügen konturierten, für die frühkeltische(n) Gesellschaft(en) der späten Hallstattzeit typischen sozio-politischen Organisationssystems dürfte nicht zuletzt auf diese Zusammenhänge zurückzuführen sein.105 In der Folge kam es zu sowohl archäologisch als auch in der schrift102
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Vgl. allgemein Wells, Mediterranean Trade, S. 70 ff.; Kimmig, Etruskischer und griechischer Import; Franz Fischer, Art. Fürstensitze, § 2 Jüngere Hallstattzeit und Frühlatènezeit, in: RGA 10 (1998), S. 221–225, hier S. 224; zu den frühesten Handelsverbindungen des Hallstattraumes mit dem Süden siehe Friedrich-Wilhelm von Hase, Etrurien und Mitteleuropa. Zur Bedeutung der ersten italisch-etruskischen Funde der späten Urnenfelder- und frühen Hallstattzeit in Zentraleuropa, in: Aigner-Foresti (Hg.), Etrusker, S. 235–266, der insbesondere die Westalpen und den Rhône-SaôneCouloir als wichtigste Verkehrswege ausmacht. Siehe vor allem Cunliffe, Kelten, S. 40; Maier, Kelten, S. 36. Cunliffe, Kelten, S. 40. Siehe auch Pauli, Early Celtic Society, S. 33 u. S. 35; sowie Spindler, Die frühen Kelten, S. 300 f. – In eine gänzlich andere Richtung zielt der Erklärungsansatz von Daphne Nash, Celtic Territorial Expansion and the Mediterranean World, in: Champion/Megaw (Hgg.), Settlement and Society, S. 45–67. Nash führt die Blüte des Westhallstattkreises darauf zurück, dass dessen Exponenten sich gewinnbringend als eine Art Zwischenhändler zwischen den weiter nördlich und westlich lebenden
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lichen Überlieferung, vor allem bei Polybios und Livius, gut bezeugten Wanderungsbewegungen keltischer Bevölkerungsgruppen, von denen einige in südlicher Richtung über die Alpen nach Italien sowie östlich nach Griechenland und Anatolien vordrangen.106 Ein höheres Maß an Stabilität trat erst um ca. 200 v. Chr. ein und mit einer raschen Ausbildung der sogenannten Oppidakultur einher.107 Von diesem Zeitpunkt an häufen sich die Zeugnisse für eine an der Schwelle zur Hochkultur stehende Zivilisation, als da wären urbane Zentren, ein entwickeltes, spezialisiertes Handwerk, Münzprägung, Handel, Ansätze zur Ausbildung von Schriftlichkeit sowie, damit einhergehend, eine sich zusehends ausprägende gesellschaftliche Differenzierung.108 So ist in den Schriftquellen seit dieser Zeit wiederholt von reges die Rede, wobei sich die frühesten Belege auf Noricum beziehen109, wo erstmals Ansätze einer keltischen Reichsbildung erkennbar sind.110 Dass eine solche Vorreiterrolle
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keltischen „warrior societies“ und der Mittelmeerwelt hätten etablieren können. Die Emanzipation der bis dahin wirtschaftlich unterlegenen Kriegergesellschaften habe dann zur Krise der Westhallstattkultur und zu den keltischen Expansionen geführt. Obgleich die hier vorgebrachten Überlegungen durchaus bedenkenswert sind, fehlt ihnen doch größtenteils die quellenmäßige Grundlage. Weder für die vermuteten Beziehungen zwischen den „warrior societies“ mit den Hallstattfürsten noch für den Sklavenhandel, auf dem diese beruht haben sollen, gibt es sichere Belege oder auch nur deutliche Hinweise. Vgl. hierzu Ferdinand Maier, Keltische Altertümer in Griechenland, in: Germania 51 (1973), S. 459–477; ferner Frey, Westhallstattkreis, S. 111 ff.; Pauli, Early Celtic Society, S. 23 ff.; Peter Berresford Ellis, The Celtic Empire. The First Millennium of Celtic History c. 1000 bc – 51 ad, London 1990; Venceslas Kruta, The First Celtic Expansion: Prehistory to History, in: Moscati et al. (Hgg.), The Celts, S. 195–214; Barry Cunliffe, Die Gesellschaften Westeuropas während der Eisenzeit 800–140 v. Chr., in: Ders., Vor- und Frühgeschichte, S. 375–414, hier S. 399 f. Siehe bes. Ferdinand Maier, The Oppida of the Second and First Centuries b.c., in: Moscati et al. (Hgg.), The Celts, S. 410–425; ferner Collis, Oppidazivilisation; Peschel, Kelten, S. 23 ff.; und Gebhard, Kelten, S. 3. Vgl. etwa Wells, Settlement, S. 91–95; Collis, Oppidazivilisation, S. 106; Prinz, Entfaltung, S. 158; Wigg, Keltische Münzen, S. 230–234. Ein erster rex namens Cincibilus ist für das Jahr 170 v. Chr. überliefert; vgl. Liv. 43,5,1. Zu Noricum vgl. vor allem Géza Alföldy, Noricum (History of the Provinces of the Roman Empire), London/Boston 1974; Dobesch, Kelten in Österreich; Ders., Das Keltentum des Donauraums und der Ostalpen in vorrömischer Zeit, in: Der römische Limes in Österreich. Ein Führer anläßlich des 14. Internationalen Limeskongresses 1986 in Carnuntum, hgg. v. Manfred Kandler u. Hermann Vetters, Wien 1986, S. 11–19; Diether Schlinke, Kelten in Österreich, Wien 21988 (1. Aufl. Wien 1987), S. 18–30; Cunliffe, Die Gesellschaften Westeuropas, S. 413 f.; sowie Wolfram, Gotische Studien, S. 42–50, insbesondere zum Königtum bei den Alpenkelten.
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gerade den Alpenkelten zukam, ist freilich wenig überraschend, immerhin hatten diese als unmittelbare Nachbarn der Römer, mit denen sie auch in engen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen standen, ein Orientierung bietendes Modell vor Augen.111 Während die Frage nach der konkreten Ausprägung sozialer Strukturen für die hallstattzeitlichen Gesellschaften kaum zuverlässig beantwortet werden kann, sondern sich hier lediglich feststellen lässt, dass es Rangunterschiede gab, die sich offenbar auch „politisch“ umsetzen ließen, indem sie die Herausbildung von Machteliten begünstigten, sind die Verhältnisse der sich anschließenden Latèneperiode etwas besser greifbar. Dabei legt insbesondere das Phänomen der Oppida das Vorhandensein zentraler Institutionen nahe. Zudem zeigt die materielle Hinterlassenschaft eine Kulturhöhe, die eine gesellschaftliche Organisation unter der Herrschaft von Königen durchaus ermöglicht haben dürfte, was freilich nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass diese „Könige“ den Anführern oder auch Häuptlingen der Hallstattzeit noch sehr ähnlich gewesen sein werden.112 Nachdem im Vorfeld die sozio-politischen Verhältnisse bei den Kelten in den Blick genommen worden sind, haben wir uns nunmehr ihren nördlichen Nachbarn zuzuwenden: „Germani multum ab hac consuetudine differunt.“113 Bezieht man diese Äußerung Caesars auf die nördlich des Verbreitungsgebietes der Latènekultur lebende Bevölkerung, dann ist sie in der Tat überaus zutreffend. Als die hallstattzeitliche Kultur nach einer jahrhundertelangen Entwicklung und längerandauernden Blütephase ab etwa 500 v. Chr. in eine Krise geriet, formierte sich im Norden ein Kulturraum, dessen materielle Erscheinung zunächst stark auf ältere Traditionen verweist und dessen weitere Entwicklung in nicht unerheblichem Maße von Impulsen und Entlehnungen aus der Hallstattkultur angeregt und befördert wurde114, deren Formen sich in diesen peripheren Regionen zum Teil sehr viel länger erhalten haben als in ihrem hauptsächlichen Verbreitungsgebiet. Während sich in dem keltisch geprägten Raum in den folgenden Jahrhunderten die Latènekultur herausbildete, die ihren Höhepunkt schließlich in der hochentwickelten Oppidazivilisation fand, lebten und wirtschafteten
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Die Ansicht, dass der zusehends intensiver werdende Kontakt zum Imperium Romanum die Ausbildung der keltischen Gesellschaftsorganisation nicht unerheblich mitbeeinflusst hat, vertritt auch Champion, Power, S. 86; vgl. ferner King, Roman Gaul and Germany, S. 30 f. Fries-Knoblach, Kelten, S. 193. Caes. Gall. 6,21,1. Vgl. z. B. Steuer, Art. Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 158; Peschel, Kelten, S. 5.
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ihre nördlichen Nachbarn auf sehr viel „primitiverem“ Niveau. Hier sind allenfalls kleinräumige Siedlungsstrukturen erkennbar. Auf stadtähnliche Gebilde oder Formen protoindustrieller Produktion gibt es keinerlei Hinweise, vielmehr scheint eine für den eigenen Bedarf bestimmte Landwirtschaft, die kaum nennenswerte Überschüsse hervorzubringen vermochte, die dominierende Wirtschaftsform gewesen zu sein.115 Allerdings setzt der als Exportgut bezeugte Bernstein, der sich im mediterranen Raum als Schmuckstein großer Beliebtheit erfreute, gewisse Handelsaktivitäten voraus, die man sich indes nicht allzu ausgreifend vorstellen darf. Wahrscheinlich ist vielmehr, dass der Bernstein über mehrere Stationen hinweg in die keltischen Kontakträume verhandelt wurde, von wo aus er dann vermittelst etablierter Fernhandelsbeziehungen weiter nach Süden gelangte.116 Auch die technischen und handwerklichen Erzeugnisse bleiben weit hinter dem keltischen Standard zurück; so ist beispielsweise Drehscheibenkeramik aus eigener Herstellung erst in der Römischen Kaiserzeit, vermutlich ab dem 3. Jahrhundert n. Chr., nachweisbar.117 Natürlich muss eingeräumt werden, dass es in dem hier recht pauschal behandelten Gebiet räumliche Unterschiede gab und insbesondere die in den Kontaktzonen siedelnden Nicht-Kelten durchaus die ein oder andere Fertigkeit, vor allem aber die Erzeugnisse ihrer zivilisatorisch höher entwickelten Nachbarn übernommen haben. Dabei ist jedoch auffällig, dass es sich bei solchen 115
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Vgl. hierzu Hachmann, Germanen und Kelten, bes. S. 34 u. S. 38; Collis, European Iron Age, S. 173; und Cunliffe, Die Gesellschaften Westeuropas, S. 394. Zum Bernsteinhandel siehe auch Albrecht Jockenhövel, Ortsfest und mobil – Hausund Handwerk, Handel und Verkehr, in: Bronzezeit in Deutschland, hgg. v. Dems. u. Wolf Kubach (Archäologie in Deutschland, Sonderheft), Stuttgart 1994, S. 41–44, hier S. 42 ff.; Harding, Neuordnung, S. 345 u. S. 366; Hans Joachim Drexhage/Heinrich Konen/Kai Ruffing, Die Wirtschaft des Römischen Reiches (1.–3. Jahrhundert). Eine Einführung (Studienbücher Geschichte und Kultur der Alten Welt), Berlin 2002, S. 134 f.; zur Funktionsweise „primitiven“ Handels bzw. Güterflusses vgl. vor allem Eggert, Prestigegüter. Vgl. Andje Knaack, Handwerkliche Tätigkeiten im Bereich der bäuerlichen Produktion, in: Die Germanen. Geschichte und Kultur der germanischen Stämme in Mitteleuropa, hg. v. Bruno Krüger, Bd. 2: Die Stämme und Stammesverbände in der Zeit vom 3. Jahrhundert bis zur Herausbildung der politischen Vorherrschaft der Franken (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Alte Geschichte und Archäologie der Akademie der Wissenschaften der DDR 4/2), Berlin 21986 (1. Aufl. Berlin 1983), S. 123–154, hier S. 123; sowie Heinz Grünert, Die Gebrauchsgüterproduktion, in: Krüger (Hg.), Die Germanen, Bd. 1: Von den Anfängen bis zum 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Alte Geschichte und Archäologie der Akademie der Wissenschaften der DDR 4/1), Berlin 41983 (1. Aufl. Berlin 1976), S. 470–504, hier S. 470 f.; siehe ferner Hachmann, Germanen und Kelten, S. 29 f.; sowie Steuer, Art. Ursprung und Ausbreitung der Germanen, S. 157.
Der Germanenbegriff in der Archäologie
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Vorgängen größtenteils um singuläre Aneignungen handelte, welche sich dementsprechend archäologisch zumeist in Form von Einzelfunden niederschlagen, die kaum von der Peripherie in das Zentrum ausstrahlten. Alles dies weist darauf hin, dass die hier betrachteten Gesellschaften in vorrömischer Zeit wohl gar nicht über die Voraussetzungen für weitergehende Kulturtransfers verfügten. Zur Verdeutlichung ist noch einmal auf das Beispiel der bereits erwähnten Drehscheibenkeramik zurückzukommen: Eine Gesellschaft, die durch Ackerbau gerade das zum Leben Notwendige erwirtschaftete, konnte – obwohl die Töpferscheibe allem Anschein nach bereits um 300 v. Chr. durch keltische Vermittlung grundsätzlich bekannt war, jedenfalls ist im SaaleUnstrut-Gebiet, im südlichen Niedersachsen und im Mittelelbe-Havel-Gebiet eine begrenzte Verwendung von Drehscheibengefäßen aus keltischer Herstellung nachgewiesen118 – kaum Personen für eine (kunst)handwerkliche Spezialisierung freistellen. Für die Herstellung von scheibengedrehter Töpferware bedarf es neben einer besonderen technischen Ausstattung auch einiger Übung. Lohnend ist das Verfahren vor allem dann, wenn eine dauerhaft größere Produktion erfolgen soll, was wiederum entsprechende Absatzmöglichkeiten voraussetzt. Genau hieran aber dürfte es in den kleinräumig organisierten, nördlich an das Verbreitungsgebiet der Latènekultur angrenzenden Gesellschaften, für die Zentralorte nicht bezeugt sind, gefehlt haben.119 Es fehlen weiterhin die für die ausgehende Hallstattzeit bei den Kelten typischen „Prunkgräber“ und die dazugehörigen „Häuptlings-“ bzw. „Fürstensitze“. Die in dem hier betrachteten Raum vorherrschende Sitte relativ gleichförmiger, insgesamt beigabenarmer Brandbestattungen lässt keine Rückschlüsse auf eventuell bestehende soziale Unterschiede zu120, womit solche allerdings auch nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden können. Allerdings legt das Nichtvorhandensein herausgehobener Wohnplätze nahe, dass der gesellschaftliche Differenzierungsprozess noch nicht besonders ausgeprägt gewesen sein kann. Sogenannte „Herrenhöfe“121, d. h. auffällig große, mitunter befestigte Hofanlagen wie in Hodde (Jütland) oder auf der nördlich von Bremerhafen gelegenen Wurt Feddersen Wierde, sind
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Vgl. Heinz Seyer, Erzeugung der Gebrauchsgüter (Eisengewinnung und -bearbeitung, Bronzeverarbeitung, Töpferei, Spinnen und Weben), in: Krüger (Hg.), Die Germanen I, S. 138–160, hier S. 153. Vgl. in diesem Kontext die Ausführungen von Collis, European Iron Age, S. 15. Steuer, Frühgeschichtliche Sozialstrukturen, S. 156–164. Zum Terminus „Herrenhof“ siehe Steuer, Frühgeschichtliche Sozialstrukturen, S. 49, mit weiterer Literatur.
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Aussagemöglichkeiten von Archäologie und Sprachwissenschaft
erst um Chr. Geburt nachweisbar122 und „Fürstengräber“ begegnen sogar noch später: jene vom Typ Lübsow werden auf das 1./2. Jahrhundert n. Chr., jene vom Typ Haßleben-Leuna auf das späte 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. datiert.123 Der Vergleich mit den Kelten hat gezeigt, dass in vorrömischer Zeit der seitens der Forschung zumeist als „germanisch“ angesprochene nördliche Kulturraum hinsichtlich seiner gesellschaftlichen Entwicklung weit zurücklag.124 Zwar ist auch hier mit der Existenz von Rangunterschieden zu rechnen, allerdings waren diese noch nicht solcherart verfestigt, dass sie sich in nennenswertem Umfang auch materiell – und damit für uns erkennbar – niedergeschlagen hätten. Der geringe Grad an sozialer Differenzierung ist dabei eng mit der Wirtschaftsweise verbunden, die offenbar kaum Möglichkeiten oder Anreize zu einer Überschussproduktion bot. Vor diesem Hintergrund und gemessen an den eingangs vorgestellten zwei Basiskriterien, muss die Annahme, in diesen augenscheinlich wenig ausdifferenzierten Gesellschaften von nur geringer Produktivkraft habe schon in ältester Zeit eine doch immerhin recht komplexe Institution wie ein Königtum ausgebildet werden können, jeder Wahrscheinlichkeit entbehren. Während monarchische Strukturen für die latènezeitlichen Kelten aufgrund des erreichten Entwicklungsniveaus recht gut vorstellbar, wenngleich auch hier nicht gänzlich unumstritten sind, gibt es in der materiellen Hinterlassenschaft der Gesellschaften des nördlichen Kulturraums aus archäologischer Perspektive keine Anhaltspunkte, die dafür sprächen. Erkennbar sind hier vielmehr kleinräumige Organisationsformen, also neben Einzelgehöften und Hofverbänden überschaubare Siedlungen und Dörfer, die untereinander allem Anschein nach zumeist wohl nur in loser Verbindung standen. Was die „Herrschaftsverhältnisse“ angeht, so wird man am ehesten mit Anfüh122
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Steuer, Art. Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 158 f.; zu Hodde siehe S. Hvass, Art. Hodde, in: RGA 15 (2000), S. 25–28; zur Feddersen Wierde vgl. auch Jankuhn, Siedlung, S. 117 ff.; siehe ferner Parzinger, Fürsten und Bauern, S. 79 ff.; Malcolm Todd, Das Europa der Barbaren 300–700 n. Chr., in: Cunliffe (Hg.), Vor- und Frühgeschichte, S. 495–533, hier S. 501 ff.; sowie grundlegend Werner Haarnagel, Die Grabung Feddersen Wierde. Methode, Hausbau, Siedlungs- und Wirtschaftsformen sowie Sozialstruktur (Römisch-Germanische Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts zu Frankfurt am Main u. Niedersächsisches Landesinstitut für Marschen- und Wurtenforschung in Wilhelmshaven; Feddersen Wierde. Die Ergebnisse der Ausgrabung der vorgeschichtlichen Wurt Feddersen Wierde bei Bremerhaven in den Jahren 1955–1963, Bd. 2), Wiesbaden 1979. Steuer, Art. Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 168. Vgl. Hachmann, Germanen und Kelten, S. 34–38; Collis, European Iron Age, S. 173; sowie Ursula Heimberg, Was bedeutet „Romanisierung“? Das Beispiel Niedergermanien, in: Antike Welt 29 (1998), S. 19–40, hier S. 24 f.
Exkurs: Die sogenannte „gallisch-westgermanische Revolution“
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rern (oder auch Häuptlingen) zu rechnen haben, deren Autorität sich vornehmlich auf ihre jeweilige Siedlungsgemeinschaft bezog.125 Dabei sind Kontakte benachbarter Siedlungen untereinander, die vielleicht sogar größere Kultgemeinschaften gebildet haben mögen, schon mit Blick auf den andernfalls sehr eingeschränkten „Heiratsmarkt“ wahrscheinlich. Wenn Caesar bemerkt, „in pace nullus est communis magistratus, sed principes regionum atque pagorum inter suos ius dicunt controversiasque minuunt“126, dann deutet er genau derartige Verhältnisse an.
Exkurs: Die sogenannte „gallisch-westgermanische Revolution“ Obschon der sich hinsichtlich eines ursprünglichen germanischen Königtums sowohl aus den Schriftquellen als auch aus den archäologischen Zeugnissen ergebende Befund hinreichend deutliche Ergebnisse geliefert hat, soll im Folgenden die bereits im Vorfeld angesprochene Frage nach der „keltischen/gallischen Revolution“ noch einmal aufgegriffen werden, da diesem Aspekt, wie wir gesehen haben, für die Argumentation der älteren Forschung eine zentrale Bedeutung zukommt127. Kern der von Reinhard Wenskus formulierten Vorstellung ist, dass an diesem zur Zeit Caesars noch nicht bei allen gallischen Völkern abgeschlossenen Prozess auch etliche der sogenannten westgermanischen Gemeinschaften partizipiert hätten, die infolgedessen ihr ursprünglich vorhanden gewesenes Königtum verloren bzw. abgeschafft haben sollen.128 Damit versuchte er – von der Prämisse eines älteren genuin germanischen Königtums ausgehend – dem auffälligen Umstand zu begegnen, dass hinsichtlich der Bezeichnung von Anführern germanischer gentes gerade in der ältesten Schriftüberlieferung bis hin zu Tacitus sehr viel häufiger von principes als von reges die Rede ist, es also genau besehen eher einen Erklärungsbedarf für das Auftreten jener vereinzelten Nachrichten über Könige als für die deutlich breiter bezeugte Existenz nicht monarchisch organisierter Gemeinschaften gibt129. Mit der Ausweitung des von Albert Grenier als „(keltische) Revolution“ bezeichneten Phänomens130,
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Siehe Collis, European Iron Age, S. 173. Caes. Gall. 6,23,5. Siehe o. S. 35. Vgl. Wenskus, Stammesbildung, S. 413 f. Siehe hierzu auch Timpe, Art. Germanen, historisch, S. 23. Grenier, Les Gaulois, S. 183 ff. – Dabei scheint dieser Terminus in der Keltenforschung selbst eher wenig Verwendung zu finden.
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Aussagemöglichkeiten von Archäologie und Sprachwissenschaft
welches sich auf in den Schriftquellen erkennbare Veränderungen der Herrschaftsorganisation bei den im ersten vorchristlichen Jahrhundert in Gallien lebenden Keltenvölkern bezieht, auch auf die benachbarten Germanen konnte dieses Problem zumindest vordergründig behoben werden. Die Grundlage für diese Übertragung ist allerdings in hohem Maße fragwürdig131: Schriftzeugnisse, die hier einen Anhaltspunkt böten, existieren nicht. Nirgendwo gibt es auch nur den geringsten Hinweis darauf, dass die für die gallischen Kelten angenommenen gesellschaftlichen Umwälzungen132 auch ihre nichtkeltischen Nachbarn erfasst hätten, die in ihrer zivilisatorischen Entwicklung zudem deutlich zurücklagen und nicht einmal entfernt über eine vergleichbare Ausgangsbasis verfügt haben. Die zweimalige Erwähnung einer stirps regia bei Tacitus133 steht vor diesem Hintergrund völlig isoliert, insofern als das archäologische Material für die Annahme derart komplexer sozio-politischer Organisationsformen keinerlei Rückhalt bietet. Im Gegenteil deutet die Befundlage vielmehr darauf hin, dass die als Voraussetzung für die Ausbildung eines Königums notwendigen Differenzierungsprozesse bei den als „germanisch“ betrachteten Gesellschaften in der Zeit um Christi Geburt eben erst einzusetzen begannen. Die bereits im Umfeld der Untersuchung der schriftlichen Quellen formulierten Zweifel hinsichtlich des Aussagewerts jener taciteischen Bemerkungen über das Vorhandensein einer cheruskischen bzw. batavischen stirps regia werden hierduch noch einmal bestätigt. Angesichts dieser Zusammenhänge bleibt die These vom Übergreifen jener „keltischen Revolution“ auf die sogenannten westgermanischen Völker 131
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Diesbezügliche Zweifel äußert auch Castritius, Art. Stammesbildung, Ethnogenese, S. 513. Auch für die gallischen Kelten ist die Überlieferungslage in diesem Zusammenhang nicht sonderlich üppig. Als Grundlage dienen hier im Wesentlichen die Nachrichten bei Caesar, der sowohl monarchisch als auch aristokratisch regierte gallische Stämme nennt; vgl. dazu etwa Fries-Knoblach, Kelten, S. 192 f.; vor allem aber Carole L. Crumley, Building an Historical Ecology of Gaulish Polities, in: Arnold/Gibson (Hgg.), Celtic Chiefdom, S. 26–33, hier S. 31 ff., die darauf hinweist, dass durchaus damit gerechnet werden muss, dass die von Caesar bei den Galliern beobachteten Unterschiede hinsichtlich ihrer Herrschaftsorganisation nicht zwei Phasen ein und desselben Prozesses darstellen, sondern vielmehr unterschiedliche sozio-politische Entwicklungsrichtungen anzeigen, die aus dem Vorhandensein unterschiedlicher natürlicher Ressourcen bzw. ihrer ungleichmäßigen Verteilung resultieren. Eine traditionelle Position, nach der in den 50er Jahren v. Chr. das Königtum bei den Kelten aufgrund der missbräuchlichen Auswüchse des dort üblichen Klientelwesens in Auflösung begriffen gewesen und durch aristokratische Oligarchien ersetzt worden sei, vertritt etwa Dobesch, Kelten in Österreich, S. 199–213, S. 228 f. u. passim; Ders., Caesar als Ethnograph, S. 32 ff. Siehe o. S. 94–103.
Zum sprachwissenschaftlichen Germanenbegriff
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letzthin ein rein theoretisches Konstrukt, das jeglicher Quellenbasis entbehrt. Ohne die Prämisse eines urtümlichen germanischen Königtums muss die Anschauung von einer „gallisch-westgermanischen Revolution“ ebenso unmotiviert wie haltlos erscheinen. Dass sie dementsprechend auch nicht als „Beweis“ für ein angenommenes urgermanisches Königtum herangezogen werden kann, ist evident.
5.2 Zum sprachwissenschaftlichen Germanenbegriff Gerade an dieser Stelle ist noch einmal nachdrücklich auf die Fallstricke und Probleme interdiszipinärer Bemühungen hinzuweisen. Es steht außer Frage, dass das Thema hier nicht mit der erforderlichen sprachwissenschaftlichen Kompetenz behandelt werden kann und zweifellos in manchen Bereichen aus fachwissenschaftlicher Perspektive veraltete Positionen aufgreift.134 Im Zentrum der nachfolgenden Überlegungen steht daher nicht die sprachwissenschaftliche Forschung selbst, sondern vielmehr die Art und Weise wie deren Ergebnisse und Befunde seitens der historischen Forschung aufgefasst bzw. weiterverarbeitet wurden und werden. Und hier ist nun einmal zu konstatieren, dass in der Sprachwissenschaft längst aufgegebene oder zumindest mit kritischer Distanz betrachtete Anschauungen in der Geschichtsforschung nach wie vor Verwendung finden, so dass es mit Blick auf die historisch ausgerichtete zentrale Fragestellung durchaus sinnvoll und notwendig erscheint, auch aus sprachwissenschaftlicher Sicht überholte Thesen noch einmal aufzugreifen, sofern diese in der Geschichtsforschung weiterhin Wirkung entfalten. Es wurde bereits in Kapitel 2 dargelegt, dass die germanischsprachigen Königsbezeichnungen für jene in die Vorstellung von einem uralten germanischen Volkskönigtum mit sakralen Zügen mündende Argumentation insbesondere der älteren Forschung eine zentrale Rolle gespielt haben, weshalb dieser Aspekt noch einmal aufgegriffen und etwas eingehender behandelt werden muss. Dabei ist freilich nicht intendiert, den sprachwissenschaftlichen Befund als solchen zu prüfen – das liegt außerhalb unserer Möglichkeiten –, vielmehr wird zu untersuchen sein, ob und inwiefern dieser überhaupt für die hier interessierende historische Fragestellung fruchtbar gemacht werden kann. Da dieses Vorhaben auf das Verständnis und die 134
Darauf hat mich bereits Prof. Dr. Wolfgang Haubrichs aufmerksam gemacht, der so freundlich war, das Kapitel vorab zu lesen und kritisch zu kommentieren, wofür ihm an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich gedankt sei, auch wenn ich seinen Empfehlungen nicht in jedem Punkt gefolgt bin.
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Aussagemöglichkeiten von Archäologie und Sprachwissenschaft
Beurteilung sprachlicher Zusammenhänge aus historischer Sicht zielt, ist in einem ersten Schritt zunächst der Bezugsrahmen zu konturieren, in welchem sich die historische Sprachwissenschaft bewegt und innerhalb dessen sie argumentieren und Aussagen treffen kann. Erst im Anschluss daran wird auf die Befundlage und die fraglichen Königsbezeichnungen selbst einzugehen sein. Grundlage sprachhistorischer Forschung sind auf der Basis bestimmter regelhafter sprachlicher Phänomene und Gesetzmäßigkeiten konstruierte Sprachentwicklungsmodelle, nach welchen die Entstehung der einzelnen Sprachen erklärt wird.135 Für den hier in den Blick zu nehmenden Raum geht man von einer indogermanischen Grundsprache als ältester (re)konstruierbarer Sprachschicht aus, aus welcher sich im Verlauf verschiedener, nicht näher bestimmbarer Prozesse die ältesten indogermanischen Einzelsprachen, z. B. das Lateinische, Keltische, Baltische und Germanische, herausgelöst haben. In der Folge wurden diese ältesten Einzelsprachen dann ihrerseits zum Ausgangspunkt weiterer sprachlicher Differenzierung: So entwickelten sich aus dem Germanischen – um nur einige zu nennen – etwa das Gotische, Langobardische oder auch das Fränkische. Alle jene im Rahmen dieses Modells auf die indogermanische Grundsprache zurückführbaren Sprachen stellen aufgrund einer Reihe signifikanter Gemeinsamkeiten in ihrem Wort- und Lautbestand sowie ihrer grammatischen Struktur 135
Zur Methode vgl. z. B. Jürgen Untermann, Sprachvergleichung und Sprachidentität: methodische Fragen im Zwischenfeld von Keltisch und Germanisch, in: Germanische Rest- und Trümmersprachen, hg. v. Heinrich Beck (RGA Ergbd. 3), Berlin/New York 1989, S. 211–239, hier S. 214 f. – Zur Forschungsgeschichte (mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen) siehe Karl Stackmann, Die klassische Philologie und die Anfänge der Germanistik, in: Philologie und Hermeneutik im 19. Jahrhundert. Zur Geschichte und Methodologie der Geisteswissenschaften, hgg. v. Hellmut Flashar, Karlfried Gründer u. Axel Horstmann, Göttingen 1979, S. 240–259; Brigitte Schlieben-Lange, Geschichte der Sprachwissenschaft und Geschichte der Sprachen, in: Der Diskurs in der Literatur- und Sprachhistorie. Wissenschaftsgeschichte als Innovationsvorgabe, hgg. v. Bernard Cerquiglini u. Hans Ulrich Gumbrecht, Frankfurt am Main 1983, S. 464–491; Werner Bahner/Werner Neumann (Hgg.), Sprachwissenschaftliche Germanistik, ihre Herausbildung und Begründung (Akademie der Wissenschaften der DDR, Zentralinstitut für Sprachwissenschaft), Berlin 1985; Bärbel Rompeltien, Germanistik als Wissenschaft. Zur Ausdifferenzierung und Integration einer Fachdisziplin, Opladen 1994; sowie die einschlägigen Beiträge in Wolfgang Haubrichs/Gerhard Sauder (Hgg.), Wissenschaftsgeschichte der Philologien (LiLi 14, H. 53/54), Göttingen 1984; Werner Besch et al. (Hgg.), Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung (HSK 2/1), Berlin/New York 21998 (vollständig neu bearb. u. erw. Auflage); Sylvain Auroux et al. (Hgg.), Geschichte der Sprachwissenschaften, Bd. 2/2 (HSK 18,2), Berlin/New York 2001.
Zum sprachwissenschaftlichen Germanenbegriff
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eine auf Sprachverwandtschaft beruhende Gruppe dar und werden als solche unter dem Begriff der „indogermanischen Sprachfamilie“ zusammengefasst.136 Dieses Modell ist für die Sprachwissenschaft selbst von unbestreitbarem Nutzen, indem es die beobachteten sprachlichen Phänomene in einem schlüssigen System organisiert. Man darf jedoch nicht daran vorbeisehen, dass es sich auf in weiten Teilen oder sogar zur Gänze (re)konstruierte Sprachen stützt, welche sich weder absolutchronologisch noch geographisch näher einordnen lassen.137 Die indogermanische Grundsprache beispielsweise ist vollständig erschlossen. Ihr Wortschatz ergibt sich allein aus dem Vorhandensein von jeweils in wenigstens drei indogermanischen Einzelsprachen bezeugten Wörtern, die einer gemeinsamen Sprachschicht angehören müssen und mit Hilfe bestimmter Gesetzmäßigkeiten auf einen gemeinsamen älteren Sprach(zu)stand zurückgeführt werden können (sogenanntes Meilletsches Kriterium).138 Direkt überlieferte Zeugnisse für das Indogermanische liegen nicht vor. Dem solcherart (re)konstruierten Sprachmaterial139 fehlt – und das ist aus historischer Pespektive mit aller Deutlichkeit hervorzuheben – mit der Quellenbasis zugleich jegliche Grundlage für eine genauere zeitliche und damit auch für eine historische Einordnung. (Re)konstruierte Sprachelemente lassen allenfalls relativchronologische Aussagen zu, etwa dahinge-
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Vgl. etwa Elmar Seebold, Indogermanisch – Germanisch – Deutsch: Genealogische Einordnung und Vorgeschichte des Deutschen, in: Besch et al. (Hgg.), Sprachgeschichte, S. 963–973; Robert Schmitt-Brandt, Einführung in die Indogermanistik, Tübingen/Basel 1998, S. 1–7; sowie die Darstellungen bei Schmidt, Geschichte der deutschen Sprache, S. 32–52; Scardigli, Weg zur deutschen Sprache, S. 23–27; und Werner König, dtv-Atlas zur deutschen Sprache, München 101994 (1. Aufl. München 1978), S. 39 ff. Siehe z. B. D. Ellis Evans, Celts and Germans, in: Bwletin y Bwrdd Gwybodau Celtaidd (The Bulletin of the Board of Celtic Studies) 29 (1982), S. 230–255, hier S. 231 ff., bes. S. 233; Edgar C. Polomé, Who are the Germanic People?, in: ProtoIndo-European: The Archaeology of a Linguistic Problem. Studies in Honour of Marija Gimbutas, hgg. v. Susan Nacev Skomal u. Dems., Washington 1987, S. 216–244, hier S. 231 u. S. 237; Wolfgang Meid, Archäologie und Sprachwissenschaft. Kritisches zu neueren Hypothesen der Ausbreitung der Indogermanen (IBS Vorträge und Kleinere Schriften 43), Innsbruck 1989, S. 6; Rüdiger Schmitt, Art. Indogermanische Altertumskunde, I. Sprachliches, in: RGA 15 (2000), S. 384–402, hier S. 388. Vgl. Scardigli, Weg zur deutschen Sprache, S. 43–46; Schmitt, Art. Indogermanische Altertumskunde, I. Sprachliches, S. 386. Zur Methode der Rekonstruktion vgl. etwa Herbert Penzl, Methods of Comparative Germanic Linguistics, in: Toward a Grammar of Proto-Germanic, hgg. v. Frans van Coetsem u. Herbert L. Kufner, Tübingen 1972, S. 1–42.
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Aussagemöglichkeiten von Archäologie und Sprachwissenschaft
hend, dass ein Worttyp X älter oder jünger ist als ein Worttyp Y.140 Sie bieten jedoch keinerlei Anhaltspunkte für eine darüber hinausgehende konkrete Datierung, nach der z. B. das Indogermanische in dem von A bis B reichenden Zeitraum gesprochen wurde. Dies gilt im Übrigen auch für eine räumliche Einordnung, die ohne schriftliche Quellengrundlage nicht vorzunehmen ist141, wie sich nicht zuletzt an der seit mehr als 150 Jahren vergeblichen und inzwischen auch innerhalb der Fachwissenschaft zusehends skeptisch bis ablehnend beurteilten Suche nach der „Urheimat der Indogermanen“ erweisen lässt.142 Vor diesem Hintergrund hat man sich „das“ Indo140
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Heinrich Beck, Art. V Germanische Altertumskunde, in: Ders./Steuer/Timpe (Hgg.), Germanen, S. 240–258, hier S. 255. Dies räumt dem Grundsatz nach auch Colin Renfrew, Archaeology and Language. The Puzzle of Indo-European Origins, London 1987, S. 285 ff., ein, ist aber dennoch optimistisch, entsprechende Ansatzmöglichkeiten gefunden zu haben; ähnlich ferner James P. Mallory, The Homelands of the Indo-Europeans, in: Archaeology and Language I. Theoretical and Methodological Orientations, hgg. v. Roger Blench u. Matthew Spriggs (One World Archaeology 27), London/New York 1997, S. 93–121, der betont (S. 106): While it must be granted that there is no direct correlation between archaeological culture and language group, the lack of a total correlation does not mean that no correlation exists at all […]. – Zur Kritik an Renfrew vgl. Meid, Archäologie und Sprachwissenschaft, bes. S. 29–39. Zur Forschungsgeschichte der sog. Indogermanenfrage vgl. insbesondere Anton Scherer, Die Urheimat der Indogermanen, hg. v. Dems. (WdF 166), Darmstadt 1968, der in seinem Band 26 einschlägige Beiträge aus dem Zeitraum von 1892 bis 1963 versammelt, welche einen guten Einblick in den Gang der diesbezüglichen Forschung und die z. T. sehr kontroversen Diskussionen ermöglichen. Eine aktuellere Bestandsaufnahme bietet etwa Meid, Archäologie und Sprachwissenschaft; ebenso, allerdings sehr knapp, Stefan Zimmer, Ursprache, Urvolk und Indogermanisierung. Zur Methode der Indogermanischen Altertumskunde (IBS Vorträge und Kleinere Schriften 46), Innsbruck 1990, bes. S. 8 ff., der die Frage nach nach einer „Urheimat“ a priori ablehnt; kritisch ferner Pauli, Herkunft der Kelten, S. 17; Evans, Celts and Germans, S. 231 f.; Ilia Pejros, Are Correlations between Archaeological and Linguistic Reconstructions Possible?, in: Blench/Spriggs (Hgg.), Archaeology and Language I, S. 149–157, bes. S. 155 f.; Schmitt, Art. Indogermanische Altertumskunde, I. Sprachliches, S. 385 f.; sowie Alexander Häusler, Art. Indogermanische Altertumskunde, II. Archäologisches, in: RGA 15 (2000), S. 402–408, aus dezidiert archäologischer Perspektive. – Die hier dokumentierte Skepsis hinsichtlich der Frage nach „den“ Indogermanen und ihrer „Urheimat“ ist im Übrigen keinesfalls neu. Erst kürzlich hat Heiko Steuer, Das „völkisch“ Germanische in der deutschen Ur- und Frühgeschichtsforschung. Zeitgeist und Kontinuitäten, in: Beck et al. (Hgg.), „Germanisch-deutsch“, S. 357–502, hier S. 460, auf folgende Äußerung Jacob-Friesens aus dem Jahr 1928 aufmerksam gemacht: Die ganze Frage nach einer Urheimat und Urkultur der Indogermanen erübrigt sich u. E. ebenso wie die Frage nach der „Ursprache“. Überlassen wir doch das Indogermanische den Linguisten, die dieses Volk, von dem sie selbst noch nicht wissen, ob es ein Volk gewesen ist, geschaffen haben!; vgl. Karl Hermann Jacob-Friesen, Grundfragen der Urgeschichtsforschung. Stand und Kritik der Forschung über Ras-
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germanische bzw. die indogermanische Grundsprache in erster Linie als ein gedachtes Konstrukt vorzustellen, welches vor allem dazu dient, „die Verwandtschaftsbeziehungen der idg. Sprachengrenzen angeben zu können.“143 Da für das sogenannte „Germanische“ zumindest einige wenige quellenmäßig belegte Sprachzeugnisse existieren, stellt sich die Situation hier, wenngleich nicht grundsätzlich anders, so doch etwas komplexer dar. Betrachten wir zunächst die Quellenlage: „Die frühesten Zeugnisse für germ[anisches] Sprachmaterial sind Namen und ganz vereinzelte Wörter in ant[iken] Qu[ellen] oder sonst im Kontext der ant[iken] Überlieferung. […] Der älteste (nur durch Zitate überlieferte) Autor, auf den solche Namen zurückgehen ist Pytheas von Massilia aus dem 4. Jh. v. Chr. Hier wie auch sonst in der frühesten Überlieferung machen die Namen einen eher kelt[ischen] Eindruck und sind wohl von Kelten vermittelt.“144 Darüber hinaus finden sich in der antiken literarischen Überlieferung germanische Namen im Griechischen seit Strabon und im Lateinischen seit Caesar, der, neben Plinius dem Älteren und Tacitus, auch die ältesten schriftlich bezeugten germanischen Wörter bietet.145 Die schriftsprachliche Quellengrundlage für das Germanische ist aber nicht nur mengenmäßig außerordentlich dünn; überlieferungsbedingte Verzerrungen geben immer wieder auch zu Vorbehalten hinsichtlich der Qualität bzw. Originalität des solcherart auf uns gekommenen Sprachmaterials Anlass. So weist Elmar Seebold u. a. darauf hin, dass im Unterschied zu den Inschriften, die „mit Sicherheit die Namenform der Zeit, in der die Inschr[ift] verfaßt wurde […] und der Sprachform dessen oder derer, die die Inschr[ift] veranlaßten“, angeben, literarische Quellen zumeist „in wesentlich späteren H[andschriften] erhalten [sind], deren Schreiber die Namenformen leicht den ihnen geläufigen angepaßt oder zusätzliche Namen eingefügt haben können.“146 Mit Blick auf die Personennamen kommt
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sen, Völker und Kulturen in urgeschichtlicher Zeit (Veröffentlichungen der urgeschichtlichen Abteilung des Provinzial-Museums zu Hannover 1), Hannover 1928, S. 194. Siehe des Weiteren O. Kunkel, Art. Ostsee, in: RE (1942), Sp. 1689–1854, bes. Sp. 1729 f., der bemerkt (Sp. 1729): Übrigens dürfte es angesichts der trotz jahrzehntelangen Mühens noch recht bescheidenen Forschungslage kaum allzu ketzerisch klingen, wenn jemand die ins einzelne gehende archäologisch-anthropologische Suche nach dem „Volk“ der doch philologisch immerhin bloß konstruierten indogermanischen sog. Ursprache geradezu als Jagd nach einem Phantom charakterisieren wollte. So Wolfgang Haubrichs in einem Brief vom 1. Februar 2007. Elmar Seebold, Art. II Sprache und Dichtung, B. Sprache und Schrift §§ 14–16, in: Beck/Steuer/Timpe (Hgg.), Germanen, S. 95–125, hier S. 120. Seebold, Art. Sprache und Schrift, S. 120. Seebold, Art. Sprache und Schrift, S. 120.
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Aussagemöglichkeiten von Archäologie und Sprachwissenschaft
ferner erschwerend hinzu, dass sich diese gerade in der ältesten Überlieferung nicht zuverlässig nach keltischer oder germanischer Provenienz unterscheiden lassen147, so dass man auf der Grundlage schriftlicher Zeugnisse kaum weiter als auf die Zeit Caesars und damit in das erste vorchristliche Jahrhundert zurückgelangt. Der weitaus größte Teil des heute bekannten germanischen Wortschatzes besteht freilich aus (re)konstruierten Wörtern, deren Erschließung nach einem ähnlichen Verfahren, welches freilich ungleich sicherer ist, da nur eine Sprachstufe zurück rekonstruiert werden muss, wie es bereits für das Indogermanische umrissen wurde, erfolgte. Im Unterschied zum Indogermanischen kann das Germanische anhand der Schriftzeugnisse von einem bestimmten Zeitpunkt an, der durch das Auftreten entsprechenden Sprachmaterials in den Quellen markiert und etwa im ersten Jahrhundert v. Chr. anzusetzen ist, datiert und damit historisch verortet werden. Dies darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Verortung eine partielle ist, die sich ausschließlich auf die Belegsituation bezieht. Für eine chronologische Strukturierung der sprachlichen Verhältnisse innerhalb des dem ersten vorchristlichen Jahrhundert vorausgehenden Zeitraumes ergeben sich hieraus keinerlei Anhaltspunkte. Es ist zwar durchaus zulässig anzunehmen, dass die in den antiken Schriftquellen dokumentierten germanischen Wörter und Namen dort nicht unmittelbar nach ihrer Entstehung festgehalten worden sind, sondern schon vor ihrer schriftlichen Fixierung eine Zeit lang vorhanden gewesen sein werden. Jeder Versuch indessen, dieses „eine Zeit lang“ näher zu bestimmen, muss unweigerlich Spekulation bleiben, wie sich etwa an den zahlreichen, im Ergebnis z. T. weit auseinandergehenden Versuchen, die Germanische Lautverschiebung zu datieren und damit den Zeitraum, in welchem sich die germanische Sprache aus dem Indogermanischen herausgelöst hat, auch nur einzugrenzen, deutlich zeigt.148 Wir können also lediglich feststellen, dass es im ersten Jahrhundert v. Chr. bereits germanische Sprachen gab, aber nichts darüber aussagen, wie lange selbige 147 148
Vgl. Seebold, Art. Sprache und Schrift, S. 95. Die extremsten Positionen hinsichtlich der Datierung klaffen um ca. 2000 Jahre auseinander. Zu den hiemit verbundenen Schwierigkeiten vgl. insbesondere Richard Schrodt, Die germanische Lautverschiebung und ihre Stellung im Kreise der indogermanischen Sprachen (Wiener Arbeiten zur Germanischen Altertumskunde und Philologie 1), Wien 21976 (korr. u. erw. Aufl.), bes. S. 72; siehe ferner Evans, Celts and Germans, S. 249; Polomé, Germanic People, S. 219 f.; Scardigli, Weg zur deutschen Sprache, S. 24; Reichert, Rez. Lund, S. 167; und Rübekeil, Kontaktzone, S. 430 Anm. 1976. – Zum Phänomen der 1. Lautverschiebung vgl. neben Schrodt (s. o.) insbesondere Elmar Seebold, Art. Germanische Lautverschiebung, in: RGA 11 (1998), S. 450–453.
Zum sprachwissenschaftlichen Germanenbegriff
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zu diesem Zeitpunkt schon im Gebrauch waren bzw. wann sie entstanden sind. Ein weiterer in diesem Zusammenhang anzusprechender Aspekt betrifft die Bezeichnung jenes in den antiken Quellen im letzten vorchristlichen Jahrhundert auftretenden und – zumindest was die Wörter anbelangt – erkennbar nicht-lateinischen, nicht-griechischen und nicht-keltischen Sprachmaterials als „germanisch“ und damit den sprachwissenschaftlichen Germanenbegriff oder – um es präzise auszudrücken – den dort verwendeten Begriff des Germanischen. Hervorzuheben ist hierbei zunächst, dass sich die Bezeichnung „Germani“ – deren Herkunft im Übrigen völlig ungeklärt ist und von der man allenfalls sagen kann, dass es sich hierbei wohl gerade nicht um ein „germanisches“ Wort handelt149 – weder unmittelbar noch mittelbar aus dem so benannten Sprachmaterial herleiten lässt. Die Interpretation jenes Materials und der auf dieser Grundlage (re)konstruierten Sprache als „germanisch“ beruht vielmehr auf einer Übertragung des historischen Germanenbegriffs auf den sprachlichen Befund und ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund zeitgenössischer Befindlichkeiten insbesondere des 18. Jahrhunderts zu sehen, insofern als sich die zu dieser Zeit verbreiteten, auf nationale Identitätsstiftung gerichteten gesellschaftlichen Bestrebungen auch auf Gegenstand und Perspektive der Wissenschaften auswirkten.150 So ermöglichte die von Heiko Steuer unlängst als ein Phänomen des Zeitgeistes ausgemachte populäre Gleichsetzung von „germanisch“ und „deutsch“151, nach der die Germanen als direkte Vorfahren der Deutschen betrachtet wurden, eine Rückverlängerung der nationalen Geschichte Deutschlands bis in die sogenannte germanische Vorzeit, so 149
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Siehe zuletzt Stefan Zimmer, Germani und die Benennungsmotive für Völkernamen in der Antike, in: Beck et al. (Hgg.), „Germanisch-deutsch“, S. 1–23, bes. S. 1, S. 7 u. S. 19; zum Forschungsstand vgl. den Überblick von Günter Neumann, Art. II Sprache und Dichtung, A. Name und Namen § 10, in: Beck/Steuer/Timpe (Hgg.), Germanen, S. 79–85, mit weiterer Literatur; vgl. des Weiteren etwa von See, Blond und blauäugig, S. 108 f., der für eine lateinische Herkunft des Wortes eintritt; desgleichen unlängst Schön, Germanen, S. 181 u. passim. Vgl. hierzu vor allem den umfassenden Beitrag von Steuer, Das „völkisch“ Germanische, mit einer breiten Auswahl weiterführender Literatur; ferner Römer, Germanenmythos, S. 220 f.; Stefan Sonderegger, Sprachgeschichte als Idee und Verwirklichung. Zur Problematik der deutschen Sprachgeschichtsschreibung, in: Idee – Gestalt – Geschichte. FS Klaus von See. Studien zur europäischen Kulturtradition, hg. v. Gerd Wolfgang Weber, Odense 1988, S. 381–403, hier S. 397 ff.; und Ulrike HaßZumkehr, Die gesellschaftlichen Interessen an der Sprachgeschichtsforschung im 19. und 20. Jahrhundert, in: Besch et al. (Hgg.), Sprachgeschichte, S. 349–358, bes. S. 351 ff. Steuer, Das „völkisch“ Germanische, bes. S. 372 f.
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Aussagemöglichkeiten von Archäologie und Sprachwissenschaft
dass etwa „Hermann, der Cherusker“ als „Deutscher“ angesehen werden konnte.152 Mit der Etikettierung des oben genannten Sprachmaterials als „germanisch“ (= deutsch) wurden die sich hiermit verbindenden Kontinuitätsvorstellungen auch sprachgeschichtlich umgesetzt und gleichzeitig um eine prähistorische sowie um eine ethnische Dimension erweitert.153 Von der solcherart modellierten Grundlage aus konnte man nunmehr die als Träger der „germanischen“ Sprache identifizierten Germanen mit Hilfe der überwiegend (re)konstruierten sprachlichen Befunde bis in entfernteste Zeiten zurückverfolgen. Inzwischen werden die hier in nur groben Zügen nachgezeichneten Zusammenhänge zusehends problematisiert.154 Dabei wird aus sprachwissenschaftlicher Sicht sowohl die Relativität ihres „Germanenbegriffs“ als auch die Eigenständigkeit ihres Quellenmaterials betont: „Es ist wichtig zu sehen, daß diese Einteilung und die Abgrenzung dieser Einheiten rein sprachlich (genauer: nach Sprachverwandtschaft) begründet ist – die Benennung 152
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Vgl. auch o. Kap. 1; ferner Echternkamp, Aufstieg, S. 90 f.; Kipper, Germanenmythos, S. 11 f.; sowie – bezogen auf die Germanistik – Römer, Germanenmythos, S. 221 f.; Sonderegger, Sprachgeschichte, S. 387; und Oskar Reichmann, Sprachgeschichte: Idee und Verwirklichung, in: Besch et al. (Hgg.), Sprachgeschichte, S. 1–41, hier S. 4 u. passim. Zu der stilistischen Parallelisierung von Sprache und Volk siehe Reichmann, Sprachgeschichte, S. 30 (dort auch das Zitat); vgl. ferner Hartwich, Deutsche Mythologie, S. 10 f.; und Beck, Germanische Altertumskunde, S. 633 f. Siehe etwa Beck (Hg.), Germanenprobleme; vor allem aber Steuer, Das „völkisch“ Germanische, bes. S. 438–460, der indes bei allem Problembewusstsein auch gegenläufige Tendenzen ausmacht. So zeigt er auf, dass in nicht wenigen jüngeren Überblicksdarstellungen sowohl der Geschichtswissenschaft wie auch der Ur- und Frühgeschichtsforschung germanisch-deutsche Kontinuitätsvorstellungen unter der Oberfläche fortwirken. – Zu den unterschiedlichen disziplinären Germanenbegriffen und den damit verbundenen Schwierigkeiten und Missverständnissen vgl. grundsätzlich Wenskus, Germanenbegriff; ferner Untermann, Sprachvergleichung, S. 221; und Müller, Art. Sachkultur, S. 132 u. S. 136. – Zur Inkompatibilität der Germanenbegriffe in wesentlichen Bereichen vgl. etwa Kossack, Archäologisches, S. 72 f.; sowie Wolfgang P. Schmid, Bemerkungen zum „Werden“ des Germanischen, in: Sprache und Recht. Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters. FS Ruth Schmidt-Wiegand, Bd. 2, hgg. v. Karl Hauck et al., Berlin/New York 1986, S. 711–721, hier S. 711 u. S. 721; vgl. des Weiteren Siegfried Gutenbrunner, Der Begriff Germanisch, in: Germanic Dialects: Linguistic and Philological Investigations, hgg. v. Bela Brogyanyi u. Thomas Krömmelbein (Amsterdam Studies in the Theory and History of Linguistic Science 38), Amsterdam/Philadelphia 1986, S. 183–197, der konstatiert, dass sich der Begriff Germanisch […] nur philologisch bestimmen lässt (S. 183); und Reichert, Rez. Lund, S. 151, der ebenfalls für einen rein sprachwissenschaftlichen Germanenbegriff plädiert.
Zum sprachwissenschaftlichen Germanenbegriff
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als ‚germanisch‘ (und nicht etwa als ‚mitteleuropäisch‘) ist eine Zweckmäßigkeitsentscheidung, und das geschichtl[ich] gewachsene Germ[anen] verständnis muß deshalb nicht notwendigerweise mit dem sprachlichen übereinstimmen.“155 Ein anschauliches Beispiel für die Relativität der Bezeichnung von Sprachen, Sprachschichten oder sprachlichen Kategorien bietet der Terminus „indogermanisch“156, welcher fast ausschließlich im deutschsprachigen Raum verwendet wird, während sich im internationalen Sprachgebrauch die Bezeichnung „indoeuropäisch“ (Proto-Indo-European) durchgesetzt hat.157 Zusammenfassend ist mithin festzuhalten, dass die vielfach vorausgesetzte Einheit von Germanischsprechenden und Germanen ein bloßes Konstrukt darstellt158, das auf einer Übertragung des historisch bezeugten Germanennamens auf bestimmtes Sprachmaterial beruht, welches aus sich heraus keinerlei ethnische Zuweisung erlaubt und ebensogut als „mitteleuropäisch“ hätte bezeichnet werden können. Ausgehend von vergleichsweise wenigen schriftlich überlieferten Wörtern und Namen ist die heute „germanisch“ genannte Sprache größtenteils (re)konstruiert und kann aufgrund dieser Eigenschaft weder im Hinblick auf ihre Entstehung (bzw. die Dauer ihrer Existenz vor dem Auftreten einiger konkreter Zeugnisse in den Schriftquellen) noch auf ihre geographische Verbreitung näher eingeordnet werden159. Geschichte jedoch vollzieht sich in einem Spannungsfeld von Zeit und Raum. Rekonstruiertes Sprachmaterial, welches sich nicht in dieses raum-zeitliche Kontinuum einpassen lässt, ist dem geschichtswissenschaftlichen Zugriff vollständig entzogen, da sich ohne sichere Fixpunkte in Raum und Zeit nirgendwo Anknüpfungsmöglichkeiten bieten, die eine auf methodisch festem Grund ruhende Verbindung des Sprachmaterials mit historischen Befunden erlauben würden.160 155 156
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Seebold, Art. Sprache und Schrift, S. 100. Siehe hierzu Gustav Meyer, Von wem stammt die Bezeichnung Indogermanen?, in: Indogermanische Forschungen 2 (1892), S. 125–136. Vgl. Seebold, Konstituierung, S. 168; Ders., Art. Sprache und Schrift, S. 100; Wouter W. Belier, Decayed Gods. Origin and Development of Georges Dumézil’s „idéologie tripartie“ (Studies in Greek and Roman Religion 7), Leiden et al. 1991, S. 2; Léon Poliakov, Der arische Mythos. Zu den Quellen von Rassismus und Nationalismus, Hamburg 1993, S. 215 f. u. S. 220; Beck, Art. Germanische Altertumskunde, S. 240. Pohl, Germanen, S. 47. Dies hat – bezogen auf die Archäologie – bereits Kossack, Archäologisches, S. 76, problematisiert: Wollte man demnach eine sprachgeschichtlich eindeutig gesicherte Schicht zur Basis archäologischer Untersuchung machen, so könnte diese strengen Sinnes erst während der jüngeren Kaiserzeit einsetzen. Vgl. auch die von Hachmann, Begriff des Germanischen, S. 129, formulierten Bedenken.
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Aussagemöglichkeiten von Archäologie und Sprachwissenschaft
5.3 Die germanischsprachigen Königsbezeichnungen Nachdem mit den vorangegangenen Ausführungen einige grundlegende methodische Rahmenbedingungen für die historische Verwertung „germanischer“ Sprachzeugnisse abgesteckt worden sind, sollen im Folgenden die germanischsprachigen Königsbezeichnungen selbst in den Blick genommen werden, vor allem aber jene, welche seitens der Forschung immer wieder als Ausweis für ur(altes)-germanisches Königtum herangezogen wurden. Damit sind insbesondere die beiden gotischen Wörter „thiudans“ und „reiks“ angesprochen, die beide in der von Bischof Wulfila (~311 bis 383) im 4. Jahrhundert n. Chr. angefertigten Übersetzung der Bibel vom Griechischen ins Gotische überliefert sind.161 Daneben gibt es noch einige weitere germanischsprachige Wörter, welche semantisch auf Funktionen wie Herrschaft, Anführerschaft, Vorstand, Vorrang oder Statthalterschaft verweisen, aber in der hier fokussierten Diskussion nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Diese können zwar im Weiteren nicht eingehender behandelt werden, sind aber dennoch kurz vorzustellen, um wenigstens einen Eindruck von dem terminologischen Spektrum zu vermitteln. Zu nennen ist hier zunächst got. kindins, welches aus demselben Überlieferungszusammenhang stammt wie got. thiudans und reiks und als Analogon zu gr. hegemon gewöhnlich mit „Statthalter“162 bzw. „gover161
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Zur Person und zum Wirken Bischof Wulfilas vgl. etwa Knut Schäferdiek, Wulfila. Vom Bischof der Goten zum Gotenbischof, in: ZKG 90 (1979), S. 253–292; Ernst A. Ebbinghaus, Some Remarks on the Life of Bishop Wulfila, in: General Linguistics 32 (1992), S. 95–105; Herwig Wolfram, Art. Ulfila, in: LexMA 8 (1997), Sp. 1189 f.; Ders., Goten, S. 84–90; Klaus-Gunther Wesseling, Art. Ulfilas, in: BBK 12 (1997), Sp. 854–861, mit umfangreichen weiterführenden Literaturangaben; Irmengard Rauch, The Gothic Language. Grammar, Genetic Provenance and Typology, Readings (Berkeley Models of Grammar 5), New York et al. 2003, S. 1 ff.; eine Zusammenstellung der Quellen zur Wulfila-Biographie bietet Elfriede Stutz, Gotische Literaturdenkmäler (Realienbücher für Germanisten, Abt. D: Literaturgeschichte), Stuttgart 1966, S. 9; zu den unterschiedlichen überlieferten Namensformen zu „Wulfila“ siehe Wolfgang Binnig, Gotisches Elementarbuch (De-Gruyter-Studienbuch), Berlin/New York 51999 (völlig neu bearb. Aufl. der früheren Darstellung von Heinrich Hempel), S. 37; sowie ausführlicher Ernst A. Ebbinghaus, Ulfila(s) or Wulfila?, in: Historische Sprachforschung 104 (1991), S. 236 ff.; zur Überlieferungslage vgl. außerdem Wolfgang Griepentrog, Zur Text- und Überlieferungsgeschichte der gotischen Evangelientexte (IBS Vorträge und Kleinere Schriften 49), Innsbruck 1990. Hans Conen von der Gabelentz/J. Loebe (Hgg.), Ulfilas, Veteris et novi testamenti versionis Gothicae fragmenta quae supersunt. Bd. 2: Glossarium Linguae Gothicae Continens. Beigedruckt ist: Grammatik der Gotischen Sprache und Uppströms Codex Argenteus, eine Nachschrift zu der Ausgabe des Ulfilas, Hildesheim 1980 (ND Leipzig 1843, 1846 u. 1860), S. 100; Wilhelm Streitberg (Hg.), Die gotische
Die germanischsprachigen Königsbezeichnungen
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nor“163 übersetzt wird; ferner ahd. truhtin, das zumeist als Bezeichnung für den Mächtigen bzw. „Fürsten“, im engeren Sinne auch für den Gefolgsherren aufgefasst wird, und sich, allerdings sehr viel später, im Ostnordischen zu der Bezeichnung „König“ ausgeweitet hat164; und schließlich ahd. kuning, welches unserem modernen Königswort zugrunde liegt, bis zur Ausprägung des merowingischen „Großkönigtums“ jedoch zunächst eine Bezeichnung für hohen, aber unköniglichen Adel darstellte165. Nun sind truhtin und kuning deutlich jünger als die zuerst genannten Begriffe. Zu beiden gibt es aber Parallelbildungen in jeweils mehreren anderen germanischen Sprachen, weshalb man in beiden Fällen eine ältere (re)konstruierte germanische Form, *truhtinaz und *kuningaz, zugrunde legt.166 Im Gotischen indes finden sich diesbezüglich keinerlei Zeugnisse. Dabei wird mit guten Gründen angenommen, dass ein gotisches Wort für ahd. truhtin wohl nur zufällig nicht überliefert ist167, während eine gotische Entsprechung *kuniggs für ahd. kuning allem Anschein nach tatsächlich nie existiert hat und den Goten dieses Wort „vielmehr gänzlich unbekannt gewesen zu sein [scheint]“168. Die hiermit angesprochenen Zusammenhänge können an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden, allerdings werden gerade am Beispiel von got.
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Bibel. Teil 1: Der gotische Text und seine griechische Vorlage mit Einleitung, Lesarten und Quellennachweisen sowie den kleinern [sic!] Denkmälern als Anhang (Germanische Bibliothek, 2. Abt.: Untersuchungen und Texte 3), Heidelberg 21919 (1. Aufl. Heidelberg 1908), S. 75. Winfred P. Lehmann, A Gothic Etymological Dictionary, based on the third edition of Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache by Sigmund Feist, Leiden 1986, S. 218. Vgl. hierzu insbesondere Wolfgang Meid, Die Königsbezeichnungen in den germanischen Sprachen, in: Die Sprache 12 (1966), S. 182–189, hier S. 188; ausführlicher Dennis Howard Green, Language and History in the Early Germanic World, Cambridge 1998, S. 127–130. Vgl. Hans-Dietrich Kahl, Europäische Wortschatzbewegungen im Bereich der Verfassungsgeschichte. Ein Versuch am Beispiel germanischer und slawischer Herrschernamen. Mit Anhang: Zum Ursprung von germ. König, in: ZRG/GA 77 (1960), S. 154–240, hier S. 163; sowie Herwig Wolfram, Intitulatio, Bd. 1: Lateinische Königs- und Fürstentitel bis zum Ende des 8. Jahrhunderts (MIÖG Ergbd. 21), Graz/ Wien/Köln 1967, S. 89. Zu kuning siehe auch Wolfgang Haubrichs, Thungin, Kuning, Meistar. Amtsbezeichnungen in elsässischen Siedlungsnamen des frühen Mittelalters, in: Regionen Europas – Europa der Regionen. FS Kurt-Ulrich Jäschke, hgg. v. Peter Thorau, Sabine Penth u. Rüdiger Fuchs, Köln/Weimar/Wien 2003, S. 7–19, hier S. 9. So etwa Meid, Königsbezeichnungen, S. 185. Meid, Königsbezeichnungen, S. 187; siehe ferner Green, Language and History, S. 130. – Anders jedoch Kahl, Europäische Wortschatzbewegungen, S. 179 Anm. 56, der insistiert, dass aus dem Fehlen bei Wulfila keine zwingenden Schlüsse zu ziehen seien.
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Aussagemöglichkeiten von Archäologie und Sprachwissenschaft
*kuniggs noch einmal Ausmaß und Tragweite all jener Schwierigkeiten offenbar, mit denen das (re)konstruierte Sprachmaterial den Historiker konfrontiert: Hier zeigt sich in aller Deutlichkeit, dass allein die Möglichkeit, ein Wort für eine bestimmte Sprache oder Sprachschicht (re)konstruieren zu können, keine Gewähr dafür bietet, dass es ein solches Wort auch jemals wirklich gegeben hat. (Re)konstruiertes Sprachmaterial sagt also vor allem etwas über sprachliche Möglichkeiten, jedoch nicht unbedingt etwas über die sprachliche Realität und – nimmt man die Erkenntnisse der modernen Zeichentheorie hinzu, nach denen von dem Vorhandensein eines Wortes nicht schon auf die Existenz der durch dieses bezeichneten Sache geschlossen werden darf169 – noch weniger über die materielle oder gar gesellschaftliche Realität.170 Kehren wir nun zu unserem Ausgangspunkt zurück und wenden uns den gotischen Wörtern thiudans und reiks zu, denen vor allem deshalb ein besonderes Interesse zukommt, da es sich um die ältesten schriftlich bezeugten germanischsprachigen „Königsbezeichnungen“ handelt. Für die Zeit vor dem vierten nachchristlichen Jahrhundert gibt es keinerlei Belege dieser Art und auch die seit dem 2. Jahrhundert zunächst sporadisch und vielfach nur in Fragmenten, später dann in größerer Fülle überlieferten Runeninschriften171 bieten nichts dergleichen. Der Terminus „Königsbezeichnungen“ ist dabei durchaus absichtsvoll in Anführungsstriche gesetzt, denn got. reiks bezeichnet in der Bibelübersetzung Wulfilas nicht den König, sondern bedeutet „im günstigsten Fall ‚Herrscher‘; […] in den meisten Fällen aber ledig169
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Vgl. vor allem Untermann, Ursprache, bes. S. 155–163; Zimmer, Ursprache, S. 14; und Beck, Art. Germanische Altertumskunde, S. 254. Siehe u. a. Herbert Penzl, Zur gotischen Urheimat und Ausgliederung der germanischen Dialekte, in: Indogermanische Forschungen 90 (1985), S. 147–167, bes. S. 151 u. S. 157. – Vgl. zudem mit grundsätzlichen Überlegungen zur Begriffsbildung Goetz, Moderne Mediävistik, S. 273. Zur Runenüberlieferung allgemein vgl. Elmar Seebold, Die sprachliche Deutung und Einordnung der archaischen Runeninschriften, in: Runische Schriftkultur in kontinental-skandinavischer und angelsächsischer Wechselbeziehung. Internationales Symposium in der Werner-Reimers-Stiftung vom 24.–27. Juni 1992 in Bad Homburg, hg. v. Klaus Düwel (RGA Ergbd. 10), Berlin/New York 1994, S. 56–94; Klaus Düwel, Art. Runeninschriften, in: RGA 25 (2003), S. 525–537, mit weiterführender Literatur; Ders., Zur Auswertung der Brakteateninschriften. Runenkenntnis und Runeninschriften als Oberschichtenmerkmale, in: Der historische Horizont der Götterbild-Amulette aus der Übergangsepoche von der Spätantike zum Frühmittelalter. Bericht über das Kolloquium vom 28. 11.–1. 12. 1988 in der Werner-Reimers-Stiftung, Bad Homburg, hg. v. Karl Hauck (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, phil.-hist. Kl., 3. Folge, Nr. 200), Göttingen 1992, S. 32–90; sowie Tineke Looijenga, Texts and Contexts of the Oldest Runic Inscriptions (The Northern World 4), Leiden/Boston 2003.
Die germanischsprachigen Königsbezeichnungen
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lich ‚vornehmer Mann, Mächtiger‘“172. Dass des ungeachtet got. reiks dennoch vielfach als Wort für „König“ aufgefasst wird173, ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass es sich hierbei um ein keltisches Lehnwort, abgeleitet von kelt. ri x, handelt174, welches seinerseits wiederum als Parallelbildung zu lat. rex gilt und schon von daher mit einem „quasi-königsmäßigen“ Bedeutungsgehalt versehen ist, obwohl nach Herwig Wolfram auch kelt. ri x vermutlich eher eine Bezeichnung für einen Herrn dargestellt haben dürfte, „wie zahlreiche damit zusammengesetzte Personennamen lehren.“175 Hinzu kommt, dass noch bis in die Mitte der 1980er Jahre von der Existenz eines indogermanischen Wortes *re gˆ -s für „König“, ausgegangen wurde.176 Dies begünstigte zum einen die Vorstellung vom Königtum als einer buchstäblich uralten Institution jener indogermanischen Sprachengemeinschaft177, zum anderen war dadurch der semantische Gehalt sowohl 172
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Meid, Königsbezeichnungen, S. 183; vgl. dazu ferner Wolfram, Intitulatio I, S. 42, der annimmt, daß „reiks“ bei Ulfila […] die Schicht der militärischen Anführer und Gefolgschaftsherren einstweilen noch unköniglichen Ranges meinte. – In den Wörterbüchern finden sich zu got. reiks folgende Übersetzungen: Gabelentz/Loebe (Hgg.), Glossarium, S. 149: ein Mächtiger, Oberer, Häuptling; Streitberg (Hg.), Die gotische Bibel, S. 110 f.: Herrscher, Obrigkeit; Lehmann, Gothic Etymological Dictionary, S. 283: ruler. Siehe etwa Birkhan, Kelten, S. 987. Vgl. hierzu auch Evans, Celts and Germans, S. 249; und Polomé, Germanic People, S. 221 f. u. bes. Anm. 6. Wolfram, Intitulatio I, S. 41. Vgl. z. B. Wenskus, Stammesbildung, S. 307; Wolfgang Meid, Bemerkungen zum indogermanischen Wortschatz des Germanischen, in: Das Germanische und die Rekonstruktion der indogermanischen Grundsprache. Akten des Freiburger Kolloquiums der Indogermanischen Gesellschaft, Freiburg, 26.–27. Februar 1981, hgg. v. Jürgen Untermann u. Bela Brogyanyi (Amsterdam Studies in the Theory and History of Linguistic Science 22), Amsterdam/Philadelphia 1984, S. 91–112, hier S. 93 f.; Scardigli, Weg zur deutschen Sprache, S. 101 f. So noch bei Demandt, Antike Staatsformen, S. 113 u. passim; Ders., Kelten, S. 73 u. S. 76f. – Im Übrigen hat auch die von Georges Dumézil begründete idéologie tripartie, nach der „die“ indogermanische Gesellschaftsordnung durch die drei Grundfunktionen Macht bzw. Herrschaft (souveraineté), physische Kraft bzw. Kriegertum (force) und Fruchtbarkeit bzw. Reichtum (fécondité) strukturiert war, diese Vorstellung verarbeitet; vgl. etwa Georges Dumézil, L’idéologie tripartie des Indo-Européens, Bruxelles 1958; ferner Emile Benveniste, Indoeuropäische Institutionen. Wortschatz, Geschichte, Funktionen, Frankfurt am Main/New York 1993, S. 304 u. passim (frz. Ausgabe: Le vocabulaire des institutions indo-européens, Paris 1969). – Eine umfassende Darstellung der Lehre Dumézils findet sich bei Belier, Decayed Gods; vgl. ferner Rüdiger Schmitt, Art. Dumézilsche Dreifunktionentheorie, in: RGA 6 (1986), S. 276–280; eine kritische inhaltliche Auseinandersetzung bietet Bernfried Schlerath, Georges Dumézil und die Rekonstruktion der indogermanischen Kultur. 1. Teil, in: Kratylos 40 (1995), S. 1–48; vgl. zudem Rübekeil, Kontaktzone, S. 205, der seine Kritik an dem Dreifunktionenschema auf der Grundlage keltischen Materials formuliert.
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Aussagemöglichkeiten von Archäologie und Sprachwissenschaft
von kelt. ri x als auch von got. reiks in gewisser Weise prädisponiert. Inzwischen ist aufgrund neuerer Untersuchungen die Grundlage für idg. *re gˆ -s entfallen178, so dass lat. rex und kelt. ri x als parallele, wohl in Nachbarschaft zueinander entstandene, Neubildungen anzusehen sind. In Anlehnung an kelt. ri x hat sich dann vermutlich in einem (relativ gesehen) späteren, absolut aber nicht näher zu bestimmenden Zeitraum die „germanische Wortsippe Reich“179 herausgebildet, welcher auch got. reiks zuzurechnen ist. Während got. reiks angesichts dieser Zusammenhänge als alte (!) Königsbezeichnung obsolet ist180, ist got. thiudans, welches Wulfila wiederholt als Übersetzung für gr. basileus verwendet hat, eindeutig als Wort für „König“ erkennbar. Wortgeschichtlich wird es zunächst auf ein (re)konstruiertes germanisches Wort *qeud-ana-z zurückgeführt, darüber hinaus geht man aber von einer älteren Bildung *qeud-o aus und bringt es mit idg. *teuta in Verbindung. Auch hier wird die Möglichkeit, got. thiudans an ein indogermanisches Wort anschließen zu können, zumeist als aussagekräftiger Hinweis auf ein „germanisches“ Königtum seit ältesten Zeiten angesehen. Da germ. *qeud-ana-z und idg. *teuta semantisch auf die Bedeutungen „Volk“ oder „Land“ verweisen181, wird got. thiudans, insbesondere seit der einschlägigen Studie von Walter Schlesinger182, als begrifflicher Reflex auf ein uraltes Königtum betrachtet, bei welchem der König jedoch nicht als militärischer Oberbefehlshaber fungierte. Vielmehr soll die völlig unkriegerische Semantik des durch die Begriffe „Volk“ und „Land“ nur angedeuteten Wortfeldes auf den obersten Repräsentanten eines Volkes ohne militärische Aufgaben hindeuten – eine Vorstellung, die in Unterscheidung zum jüngeren Heerkönigtum unter dem Schlagwort „älteres germanisches Volkskönigtum (mit sakralen Zügen)“ in die historische Forschung eingegangen ist. Obschon die hiermit angesprochene Forschungslage um einiges komplexer ist als in diesem Rahmen dargestellt werden konnte, dürften die zentralen Argumentationselemente doch hinreichend deutlich geworden sein. Eingedenk der eingangs ausgeführten Überlegungen ist nunmehr die Frage zu stellen, inwieweit got. thiudans die ihm aufgebürdete Beweislast hinsicht178
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Ausführlicher hierzu Zimmer, Ursprache, S. 13 f. u. bes. Anm. 98, mit weiterer Literatur. Meid, Königsbezeichnungen, S. 182. Damit soll nicht ausgeschlossen werden, dass es, wie Wolfram ausführt, aufgrund seiner lautlichen Nähe zu lat. rex später nicht doch gelegentlich so verwendet wird. – Vgl. Wolfram, Intitulatio I, S. 40 ff. Vgl. Meid, Königsbezeichnungen, S. 184; Evans, Celts and Germans, S. 247 f.; und differenzierter Green, Language and History, S. 125 f. Schlesinger, Heerkönigtum.
Die germanischsprachigen Königsbezeichnungen
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lich eines (ur)germanischen (Volks)Königtums tatsächlich zu tragen imstande ist.183 Es wurde bereits dargelegt, dass sich aus der Etikettierung eines bestimmten Sprachmaterials als „germanisch“ bzw. „indogermanisch“ keine zwingenden Rückschlüsse auf historische „Germanen“ ableiten lassen und auf dieser Grundlage auch nicht von weit in prähistorische Zeiten zurückreichenden ethnischen Kontinuitäten ausgegangen werden darf. Mit dem Wegfall dieser auf „die Germanen“ bezogenen Kontinuitätsvorstellungen als Prämisse reduziert sich der sprachliche Befund auf zwei (re)konstruierte Wörter, germ. *qeud-ana-z bzw. *qeud-o und idg. *teuta , die jedoch aufgrund der Unmöglichkeit einer konkreten raum-zeitlichen Einbettung einem historischen Zugriff keinerlei Ansatzpunkte bieten und daher auch nicht ohne Weiteres mit dem historischen Germanenbegriff in Verbindung gebracht werden können. Vor diesem Hintergrund bezeugt got. thiudans lediglich, dass die gotische Sprache im 4. Jahrhundert n. Chr. über ein Wort verfügte, welches Bischof Wulfila als Übersetzung für gr. basileus geeignet schien. Ob die beiden Wörter bis dahin tatsächlich das Gleiche gemeint haben, muss ungewiss bleiben, auch wenn von einer gewissen semantischen Schittmenge ausgegangen werden darf. Wie diese freilich konkret aussah, also ob thiudans wie basileus ein institutionalisiertes monarchisches Herrscheramt bezeichnete, oder ob die Schnittmenge eher darin bestand, dass es um einen Begriff für die mächtigste oder am meisten angesehene Person ging, ist anhand des Sprachmaterials letztlich kaum sicher zu beurteilen. Abschließend ist noch einmal hervorzuheben, dass das seitens der Sprachwissenschaft als „germanisch“ deklarierte Sprachmaterial nur wenig zur Erhellung des Phänomens „Germanen“ beizutragen vermag. Im Hinblick auf die Frage nach einem uralten germanischen Königtum bietet es keine hinreichend tragfähige Grundlage, noch weniger kann ihm eine wie auch immer geartete Beweiskraft zukommen. Erst mit dem Einsetzen einer breiteren schriftlichen Überlieferung ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. gewinnen auch die Sprachzeugnisse an historischer Relevanz und Aussagekraft, allerdings nicht für eine (gemein)germanische Sprachgemeinschaft, sondern jeweils bezogen auf – nach sprachwissenschaftlicher Terminologie – germanische Einzelsprachen, wie etwa Gotisch, Langobardisch, Altsäch-
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Zu beachten wäre hier auch die Feststellung Wolfgang Binnigs, der hervorhebt: Gotisch ist nicht „das Germanische“. Niemand weiß, ob es je eine einheitliche Grundsprache gegeben hat. Gotisch ist, wenn auch zeitlich sehr nahe, eine Sonderausformung“, vgl. Wolfgang Binnig, Der Quellenwert des Gotischen für die sprachgeschichtliche Beschreibung der älteren Sprachstufen des Deutschen, in: Besch et al. (Hgg.), Sprachgeschichte, S. 973–979, hier S. 978 (Zitat).
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Aussagemöglichkeiten von Archäologie und Sprachwissenschaft
sisch etc., und deren Sprecher. Die seit dem 4. Jahrhundert in den verschiedenen, der germanischen Sprachengruppe zugerechneten Sprachen zunehmend auftretenden Bezeichnungen für die Inhaber von Führungs- und Herrschaftsfunktionen weisen dabei – auch wenn sie in ihrer genauen Bedeutung nicht immer präzise bestimmt werden können – für diese Zeit auf ein erhebliches und über reine Rangunterschiede deutlich hinausgehendes Maß an gesellschaftlicher Differenzierung hin. Die Sprachzeugnisse selbst geben jedoch keine Hinweise darauf, ob dieser am Wortschatz strukturell ablesbare Differenzierungsprozess schon länger Bestand hatte (wie lange?) oder eben erst (seit wann?) begonnen hatte. Das Schweigen der Quellen bzw. das Fehlen konkreter älterer Zeugnisse lässt grundsätzlich beide Möglichkeiten offen, so dass man auf dieser Basis und nicht zuletzt in Anbetracht des Umstandes, dass schon der Zeitraum, in welchem sich die sogenannten germanischen Einzelsprachen aus dem Gemeingermanischen herausgelöst haben, nicht näher eingegrenzt werden kann184, zu keiner begründeten Aussage gelangen wird. Ebenso wenig, wie mit Hilfe des hier behandelten Sprachmaterials ein originär „germanisches“ Königtum nachgewiesen werden kann, kann allein aus dieser Gegebenheit auf eine römische Herkunft des Königtums bei den germanischsprachigen gentes geschlossen werden. Allerdings stehen, anders als sich dies im Rahmen der älteren Argumentation darstellte, nach den oben entwickelten Zusammenhängen die Sprachzeugnisse der Auffassung von einer Entwicklung des Königtums bei den germanischsprachigen Barbaren unter römischem Einfluss auch nicht entgegen. Und vielleicht darf der Umstand, dass sich wohl erst ab dem 7. Jahrhundert185 mit ahd. kuning eine volkssprachliche Bezeichnung für die barbarischen Herrscher in den Gebieten nördlich der Alpen durchzusetzen begann, welche neben die bis dahin fast ausnahmslos römische Titulatur „rex“ trat, als Hinweis in diesem Sinne verstanden werden. Offenbar fanden die germanischsprachigen Völker erst unter dem Eindruck stabilerer und größerer Reichsbildungen, die sich nach dem Niedergang des westlichen Imperium Romanum als zentraler Ordnungsmacht als innen- wie außenpolitisch eigenständige Größen etablieren und damit auch ein entsprechend autonomes Selbstverständnis entwickeln konnten, zu einem eigenen sprachlichen Begriff für jenes übergeordnete Herrscheramt, welches sie bis dahin vorwiegend mit dem lateinischen Wort „rex“ bezeichnet hatten. Es ist gewiss nicht ganz abwegig, hierin 184 185
Vgl. etwa Seebold, Indogermanisch – Germanisch – Deutsch, S. 971 f. Kahl und Wolfram nennen hier die fränkisch-merowingische Großreichsbildung als zentrales Movens; vgl. Kahl, Europäische Wortschatzbewegungen, S. 162 ff.; und Wolfram, Intitulatio I, S. 89.
Die germanischsprachigen Königsbezeichnungen
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das Resultat eines Aneignungsprozesses zu sehen, in dessen Verlauf die barbarischen Verbände, durch die Auseinandersetzung mit dem römischen Imperium und seiner überlegenen Organisationsform angeregt und genötigt, ebenfalls zu einer stärker zentralisierten und vor allem großräumigeren gesellschaftlichen Organisation gelangten, die zunächst auch begrifflich am römischen Vorbild orientiert war, im Laufe der Zeit jedoch zusehends eigenständige Ausprägungen annahm. Dazu passt der sich mit ahd. kuning verbindende sprachliche Befund insofern, als es sich um eine erst spät im Sinne von „König“ verwendete Bezeichnung handelt186, die vermutlich zuvor sehr viel allgemeiner den Angehörigen eines vornehmen Geschlechts auswies, allerdings sprachetymologisch nach wie vor nicht wirklich zufriedenstellend abgeleitet werden kann.187 Allem Anschein nach waren die bereits vorhandenen älteren Wörter wie thiudans oder truhtin nicht in demselben Maße geeignet, die neue Qualität des Anführers oder Herrschers bzw. der institutionalisierten Herrschaft angemessen zum Ausdruck zu bringen, so dass sich die Notwendigkeit ergab, für diese neue Form der Herrschaftsorganisation auch einen neuen, unbelasteten Begriff zu prägen.
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Vgl. etwa Kahl, Europäische Wortschatzbewegungen, S. 196 Anm. 91; Green, Language and History, S. 135. Vgl. Kluge, Etymologisches Wörterbuch, S. 470, mit weiterer Literatur.
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Die germanischsprachigen Königsbezeichnungen
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6. Aspekte der sozio-ökonomischen und soziopolitischen Entwicklung bei den germanischsprachigen gentes vom 1. bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. Während in dem vorangegangenen Kapitel vor allem die Verhältnisse in vorrömischer Zeit behandelt worden sind, wird nunmehr der Zeitraum vom 1. bis zum 4. Jahrhundert n. Chr. in den Blick zu nehmen sein. Angestrebt ist freilich keine der ereignisgeschichtlichen Chronologie folgende Darstellung – derer gibt es, zumal aus berufenerer Hand, genug. Vielmehr soll versucht werden, die aus dem zur Verfügung stehenden Quellenmaterial seitens der jeweiligen Fachwissenschaften gewonnenen Erkenntnisse zusammenzuführen und für die Frage nach der Entwicklung der Herrschaftsorganisation bei den germanischsprachigen gentes fruchtbar zu machen. Dabei bedingen sowohl der weitgesteckte zeitliche wie geographische Rahmen, als auch die gegebene Materialfülle einen eher generalisierenden Zugriff, dem es in erster Linie auf die Erhellung allgemeiner bzw. zu verallgemeinernder Tendenzen ankommt, weshalb die im Einzelfall vielfach erkennbaren regionalen Unterschiede bzw. Ungleichzeitigkeiten notwendigerweise in den Hintergrund treten und nicht immer im Detail gewürdigt werden können. Dies gilt auch für die in ihrer Gesamtheit nur schwer zu überschauende Überlieferung, welche neben den Texten der römischen und griechischen Autoren sowie den zahlreichen Inschriften so disparate Zeugnisse wie Gräber- und Siedlungs(be)funde, darunter Münzen, Keramik, Waffen, Schmuck u. v. m. umschließt, und die keinesfalls auch nur annähernd vollständig ausgebreitet, sondern lediglich in Ausschnitten exemplarisch herangezogen werden kann. Als Ausgangspunkt für die folgenden Ausführungen dienen die in Kapitel 5.1.1 formulierten Überlegungen, nach denen die Form der Herrschaftsorganisation eng mit den in einer Gesellschaft ausgebildeten Sozialstrukturen zusammenhängt und dementsprechend für die Etablierung eines Königtums eine gewisse Wirtschaftskraft sowie ein gewisses Maß an fortgeschrittener sozialer Differenzierung gegeben sein müssen.1 Für die vorrömi1
Zum Zusammenhang von Wirtschaftsform und Gesellschaftsordnung vgl. Hachmann, Gesellschaftsordnung, S. 14; sowie die Überlegungen und Beobachtungen
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Sozio-ökonomische und sozio-politische Entwicklungen bei den gentes
sche Zeit konnte gezeigt werden, dass die sozio-ökonomischen Verhältnisse der in jenen, später den Germanen zugeschriebenen Gebieten lebenden Bevölkerung so wenig entwickelt waren, dass kein Anlass besteht, bereits für diesen Zeitraum von der Existenz eines doch immerhin komplexere Strukturen voraussetzenden Königtums auszugehen.2 In einem nächsten Schritt wird nun folgerichtig der Versuch zu unternehmen sein, die um die Zeitenwende sichtbar werdenden gesellschaftlichen Differenzierungsprozesse und die sich damit verbindenden Aspekte der Herrschaftsorganisation auf der oben umrissenen Grundlage genauer zu erfassen, um so zu einer deutlicheren Vorstellung von der Entstehung gentilen Königtums zu gelangen. Freilich sind im Hinblick auf den breit gewählten Ansatz naturgemäß keine detailscharfen Ergebnisse zu erwarten, wobei ohnehin zu fragen wäre, ob solche für die hier verfolgte Zeit- und Fragestellung anhand des zur Verfügung stehenden Quellenmaterials überhaupt erzielt werden können. So bietet beispielsweise die Schriftüberlieferung gerade für die ersten nachchristlichen Jahrhunderte eine Vielzahl von Stammesnamen, die jedoch nur in wenigen Fällen einigermaßen sicher lokalisiert werden können und die zudem in ihrer materiellen Hinterlassenschaft nicht unterscheidbar sind. Historische und archäologische Zeugnisse lassen sich in diesem Fall nur sehr punktuell aufeinander beziehen, so dass sich eine dem Anspruch nach stärker spezifizierende Herangehensweise entweder auf eine allein auf die Schriftquellen gestützte Untersuchung einzelner gentes beschränken müsste oder aber, unter weitgehendem Verzicht auf selbige, sich mit den archäologischen Befunden zu bescheiden hätte. Dass damit auch Einschränkungen hinsichtlich möglicher Fragestellungen und Erkenntnisse verbunden sind, liegt auf der Hand, weshalb die im Folgenden praktizierte Vorgehensweise für unsere Zwecke in höherem Maße zielführend sein dürfte – zumindest so lange, wie tatsächlich mit gleichartigen sozio-ökonomischen Verhältnissen zu rechnen ist.
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von Kristiansen, Tribal Systems, bes. S. 244 f., die zwar auf vorgeschichtliche Verhältnisse bezogen sind, aber grundsätzliche Wirkungsmechanismen offen legen; ferner Tilmann Bechert, Wirtschaft und Gesellschaft in der Provinz Germania inferior. Zum Stand der Forschung, in: Germania inferior. Besiedlung, Gesellschaft und Wirtschaft an der Grenze der römisch-germanischen Welt, hg. v. Thomas Grünewald (RGA Ergbd. 28), Berlin/New York 2001, S. 1–18, hier S. 12. Vgl. auch Bechert, Wirtschaft und Gesellschaft, bes. S. 3 ff., der für die vorrömische Zeit die egalitäre Schlichtheit bäuerlicher Existenz (S. 3) einer vergleichsweise prähistorische[n] Gesellschaft (S. 4) betont.
Der Mythos von einer „germanischen Ethnogenese“
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6.1 Der Mythos von einer „germanischen Ethnogenese“ Gleichartige sozio-ökonomische und sogar gleichartige sozio-politische Verhältnisse bedingen nun nicht gleichzeitig auch eine volksmäßige Einheit. Um Missverständnissen vorzubeugen, ist daher zu betonen, dass der hier verfolgte Ansatz keinesfalls der überholten Vorstellung von einer „germanischen Ethnogenese“ das Wort reden will. Zwar kommt der Bezeichnung „Germanen“ für den im Folgenden zu behandelnden Zeitraum noch am ehesten eine gewisse Berechtigung zu, nämlich als Fremdbezeichnung, welche die römische Perspektive auf die jenseits des Rheins und östlich bzw. nördlich der transalpinen Provinzen Roms lebende Bevölkerung spiegelt. Davon scharf zu trennen sind jedoch a) die tatsächlichen ethnischen Verhältnisse in dem fraglichen Raum, b) die Selbstwahrnehmung bzw. das Selbstverständnis der von den Römern als „Germanen“ bezeichneten Menschen und c) die sprachlichen Verhältnisse, da, wie wir gesehen haben, erst mit dem Aufkommen entsprechender Schriftzeugnisse Zusammenhänge zwischen Sprachen oder Dialekten und konkreten Bevölkerungsgruppen hergestellt werden können. Obwohl „die Germanen“ römischerseits – jedenfalls vermitteln die Schriftquellen diesen Eindruck – als Ethnos angesehen wurden, gibt es keinerlei belastbare Hinweise darauf, dass jene von den Römern als „Germanen“ bezeichneten Völker diese Einschätzung geteilt hätten.3 Belege für ein umfassendes germanisches Zusammengehörigkeitsgefühl lassen sich nicht beibringen4, auch wenn das Moment der Sprachverwandtschaft oder das
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Vgl. auch Pohl, Germanen, S. 50 f.; ferner Jarnut, Germanisch, S. 109. Siehe bereits Walser, Rom, S. 103 f.; sowie zuletzt Bryan Ward-Perkins, Der Untergang des Römischen Reiches und das Ende der Zivilisation, Darmstadt 2007, S. 60 (engl. Ausgabe: The Fall of Rome and the End of Civilization, Oxford 2005). – Anders freilich Lotte Hedeager, The Creation of Germanic Identity. A European Origin-Myth, in: Frontières d’empire. Nature et signification des frontières romaines. Actes de la Table Ronde Internationale de Nemours 1992 = Mémoires du Musée de Préhistoire d’Ile de France 5 (1993), S. 121–131, die insbesondere aus dem archäologischen Fundgut the construction of a Germanic identity as an antitype of the Roman ablesen möchte; ähnlich unlängst Heiko Steuer, Kriegerbanden und Heerkönige – Krieg als Auslöser der Entwicklung zum Stamm und Staat im ersten Jahrtausend n. Chr. in Mitteleuropa. Überlegungen zu einem theoretischen Modell, in: Runica – Germanica – Mediaevalia, hgg. v. Wilhelm Heizmann u. Astrid van Nahl (RGA Ergbd. 37), Berlin/New York 2003, S. 824–853, hier S. 826 ff. Es wäre jedoch zu fragen, ob die hier aus archäologischer Sicht angeführten Gemeinsamkeiten, welche die materielle Hinterlassenschaft in den östlich des Rheins gelegenen Gebieten zu erkennen gibt, nicht zuallererst Ausdruck gleichartiger Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse in einem weitgespannten Kommunikationsraum sind.
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Sozio-ökonomische und sozio-politische Entwicklungen bei den gentes
von Süddeutschland bis Skandinavien etwa seit dem 2. Jahrhundert n. Chr. verwendete Runenalphabet, das nach den ersten sechs Runenzeichen benannte Futhark, gelegentlich dahingehend gedeutet werden5. Gewiss hat die Sprachverwandtschaft und die in frührömischer Zeit wohl noch in hohem Maße gegebene gegenseitige Verständlichkeit zusammen mit den vergleichbaren Lebensbedingungen die Ausbildung ähnlicher kultisch-religöser Vorstellungen gefördert. Dafür spräche etwa die weiträumige Verehrung hölzerner Pfahlidole sowie der Hauptgottheiten Odin und Frigg, aber auch die Verbreitung des Brauches, im Rahmen von Opferfesten Pferde und Rinder zu schlachten.6 Allerdings ist die aus ganz unterschiedlichem Quellenmaterial gewonnene Befundlage hinsichtlich der kultisch-religiösen Verhältnisse in so hohem Maße uneinheitlich und widersprüchlich, „daß man nicht von d er Religion der Germanen, sondern wohl von den Religionen der germanischen Stämme reden muß“7. Begreift man die Runenschrift lediglich als Bestandteil ähnlicher magisch-ritueller Praktiken, und darauf deuten sowohl die Inhalte der überlieferten Runeninschriften hin als auch
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In diesem Sinne argumentiert etwa Steuer, Kriegerbanden, S. 827, wenn er die Einführung der Runenschrift als einen bewussten Akt des Widerstandes gegenüber der Weltmacht und Zivilisation des römischen Imperiums ansieht. – Die Fragen nach Entstehung, Herkunft und Funktion der Runenschrift sind dabei nach wie vor umstritten. Bezüglich der Herkunft konkurrieren im Wesentlichen drei Theorien, nach denen die Runenschrift auf norditalisch-etruskische Einflüsse (Helmut Rix, Thesen zum Ursprung der Runenschrift, in: Aigner-Foresti (Hg.), Etrusker, S. 411–441), auf griechische (vgl. etwa Martin Giertz, Replik till Gad Rausings debattinlägg i Fornvännen 87 „On the Origin of the runes [sic!]“, in: Fornvännen 88 (1993), S. 27 f.) oder auf lateinische Einflüsse zurückgeht (zur Ableitung von der lat. Capitalis: Bengt Odenstedt, On the Origin and Early History of the Runic Script. Typology and Graphic Variation in the Older Futhark (Acta Academiae Regiae Gustavi Adolphi 59), Uppsala 1990; zur Ableitung von der lat. Kursive: Gad Rausing, On the Origin of the Runes, in: Fornvännen 87 (1992), S. 200–204); vgl. ferner den Überblick von Klaus Düwel, Art. Runenschrift, in: RGA 25 (2003), S. 571–585, hier S. 579–582; sowie die materialreiche Studie von Looijenga, Runic Inscriptions. Hinsichtlich der Funktion wird vor allem diskutiert, ob es sich um eine religiösen Zwecken vorbehaltene Kultschrift oder um eine Gebrauchsschrift handelt; vgl. etwa Elmar Seebold, Was haben die Germanen mit den Runen gemacht? Und wieviel haben sie davon von ihren antiken Vorbildern gelernt?, in: Brogyanyi/Krömmelbein (Hgg.), Germanic Dialects, S. 525–583; sowie Düwel, Art. Runenschrift, S. 582 ff. Rudolf Simek, Götter und Kulte der Germanen, München 2004, S. 9. Simek, Götter und Kulte, S. 9 (Hervorhebungen im Zitat durch die Vf.in). – Vor diesem Hintergrund erscheinen im Übrigen auch die tiefgreifenden politischen Implikationen, welche Klaus Tausend, Zur politischen Rolle germanischer Kultverbände, in: Historia 40 (1991), S. 248–256, den von ihm ansonsten durchaus ansprechend konturierten Kultverbänden zuschreibt, als wenig überzeugend.
Der Mythos von einer „germanischen Ethnogenese“
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die Objekte, auf denen solche angebracht sind8, dann lässt sich ihre Verbreitung auch ohne ethnische Implikationen erklären.9 Die in den letzten Jahrzehnten disziplinenübergreifend intensiv betriebene Ethnos- bzw. Ethnogeneseforschung10 hat ergeben, dass – anders als es das aus dem Griechischen und Lateinischen zusammengesetzte Kompositum „Ethnogenese“ suggeriert11 – bei der Herausbildung von Völkern bzw. Stämmen (im Sinne von sozialen Gruppen) das Moment einer tatsächlich gegebenen Abstammungsgemeinschaft nur eine untergeordnete Rolle spielt.12 Auch wenn dieser Aspekt dem Selbstverständnis nach vielfach besonders betont wird, ist die faktische Zugehörigkeit zu einem Volk bzw. einer gens in erster Linie durch gefühlte Identitäten, die durchaus konstruiert sein können13, und ihre Wahrnehmung begründet.14 Alle anderen Faktoren, auch Sprachgemeinschaft, wirken lediglich sekundär; ohne ein entspre8
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Vgl. hierzu insbesondere das bei Seebold, Sprachliche Deutung, S. 62–84, und bei Looijenga, Runic Inscriptions, ausgebreitete Material. Der Versuch, die Runenschrift als Gebrauchsschrift auszuweisen (vgl. insbesondere Seebold, Was haben die Germanen mit den Runen gemacht?), wirkt demgegenüber sehr konstruiert. Vgl. allgemein z. B. Girtler, Ethnos; ferner Burkhard Ganzer, Zur Bestimmung des Begriffs der ethnischen Gruppe, in: Sociologus 40 (1990), S. 3–18, mit weiterführender Literatur; für die Geschichtswissenschaft siehe besonders die Bestandsaufnahmen von Pohl, Tradition; Ders., Ethnicity; sowie Castritius, Art. Stammesbildung, Ethnogenese. Kritisch zu dieser Wortschöpfung, die auf Herwig Wolfram zurückgeht (vgl. Pohl, Ethnicity, S. 221), Bowlus, Ethnogenesis Models, S. 150. Vgl. ferner Pohl, Völkerwanderung, S. 17 (Zitat), der durchaus einräumt, dass der Begriff „Ethnogenese“ nicht ganz glücklich gewählt sei. Vgl. insbesondere Wenskus, Stammesbildung; Müller, Der Begriff „Volk“, S. 250 f. u. passim; sowie Pohl, Tradition, S. 11 f.; Ders., Ethnicity, S. 224. So schon Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 237, der ausführt: Von der „Sippengemeinschaft“ scheidet sich die „ethnische“ Gemeinsamkeit dadurch, daß sie eben an sich nur (geglaubte) „Gemeinsamkeit“, nicht aber „Gemeinschaft“ ist, wie die Sippe, zu deren Wesen ein reales Gemeinschaftshandeln gehört. Die ethnische Gemeinsamkeit […] ist demgegenüber nicht selbst Gemeinschaft, sondern nur ein die Vergemeinschaftung erleichterndes Moment. Sie kommt der allerverschiedensten, vor allem freilich erfahrungsgemäß: der politischen Vergemeinschaftung, fördernd entgegen. – Zum Aspekt „Identität“ vgl. auch Bernhard Streck, Die Stiftung von Gruppen-Identität als ethnologisches Problem, in: Sociologus 42 (1992), S. 97–112. Vgl. grundlegend Müller, Der Begriff „Volk“, S. 244, S. 250 f. u. passim; sowie Fuchs/ Gerhards/Roller, Ethnozentrismus, S. 239, mit weiterführender Literatur; ferner Geary, Ethnic Identity; Friedrich Heckmann, Ethnos, Demos und Nation, oder: Woher stammt die Intoleranz des Nationalstaats gegenüber ethnischen Minderheiten?, in: Bielefeld (Hg.), Das Eigene, S. 51–78, hier S. 56 ff.; Rübekeil, Suebica, S. 13 f.; und T. K. Oommen, Race, Ethnicity and Class: An Analysis of Interrelations, in: International Social Science Journal 139 (1994), S. 83–93, hier S. 86.
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Sozio-ökonomische und sozio-politische Entwicklungen bei den gentes
chendes Identitätsbewusstsein können sie keine volksmäßige Zusammengehörigkeit fundieren15, obwohl zweifellos gerade das Faktum einer gemeinsamen Sprache der Ausbildung einer gemeinsamen Identität und eines Zusammengehörigkeitsgefühls förderlich ist. Angesichts der Bedeutung, welche dem Identitätsbewusstsein in diesem Kontext zukommt, ist das Fehlen von Zeugnissen, die aus der Perspektive der germanischsprachigen Völker jener Zeit etwas über deren Selbstwahrnehmung aussagen könnten, nicht unproblematisch. Auch Belege wie der verschiedentlich im Rahmen von auf die germanische Leibwache der römischen Kaiser bezogenen Inschriften auftretende Terminus „Germanus“ bieten hier keine Anhaltspunkte, da dieser nicht als Selbstzeugnis im eigentlichen Sinne betrachtet werden kann. Er steht vielmehr, wie Heinz Bellen herausgearbeitet hat, für das officium und ist damit vor allem Berufsbezeichnung, „gleichbedeutend mit corpore custos bzw. armiger“16, während sein ethnischer Gehalt vornehmlich zur Kennzeichnung der Peregrinität diente und wiederum eher die römische Sicht zum Ausdruck bringt. Nun ist das Fehlen von germanisch(sprachig)en Selbstzeugnissen ein grundsätzliches Problem, welches mit der kaum entwickelten Literalität jener Völker zusammenhängt und daher als Argument sicher nicht überbewertet werden darf. Berücksichtigt man jedoch die Überlieferung insgesamt und hier insbesondere das, was die antiken Autoren über die Verhältnisse und Beziehungen der germanischsprachigen gentes untereinander zu berichten wissen, dann ergibt sich ein relativ deutliches Bild von zahlreichen eigenständigen Verbänden, die ihrem politischen Handeln nach gerade nicht über ein ausgeprägtes Gemeinschaftsbewusstsein verfügten17, sondern ihre Bündnisse je nach Lage der Dinge den gegebenen Opportunitäten entsprechend gestalteten. Schon Caesar konnte in Gallien auf „germanische“ Kontingente zurückgreifen18 und Augustus umgab sich mit einer 500 bis 15
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Steuer, Art. Ursprung und Ausbreitung der Germanen, S. 148; Krause, Germanen, S. 24; zur in der Vergangenheit oft überschätzten Bedeutung der Sprachgemeinschaft vgl. insbesondere Walter Pohl, Telling the Difference: Signs of Ethnic Identity, in: Strategies of Distinction. The Construction of Ethnic Communities, 300–800, hgg. v. Dems. u. Helmut Reimitz (TRW 2), Leiden/Boston/Köln 1998, S. 17–69, hier S. 22–27. Bellen, Germanische Leibwache, S. 31. Zu beachten ist in diesem Kontext auch, dass die Grabinschriften insbesondere unter den Kaisern Claudius und Nero eher speziellere natio-Angaben, vor allem Batavus und Ubius, aufweisen (ebda., S. 36). Vgl. auch Tausend, Germanische Kultverbände, S. 248; Ward-Perkins, Untergang, S. 60 f. Siehe vor allem Klaus Tausend, Caesars germanische Reiter, in: Historia 37 (1988), S. 491–497; Bellen, Germanische Leibwache, S. 14; und Wolters, Römische Eroberung, S. 138 f.
Der Mythos von einer „germanischen Ethnogenese“
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1000 Mann starken „germanischen“ Leibwache, die von seinen Nachfolgern im Kaiseramt übernommen und erst unter Galba (68 n. Chr.) abgeschafft wurde.19 Zu dieser Zeit waren die batavischen Hilfstruppen bereits zu einem festen Bestandteil des römischen Heeresverbandes geworden und auch andere gentes stellten Auxiliareinheiten, welche auf und an der Seite Roms gegen ihre germanischsprachigen Nachbarn kämpften.20 Bei den Cheruskern verlief die Front quer durch die Familie des Arminius und die Loyalitäten waren offenbar eher von persönlichen Bedürfnissen bestimmt, als an ethnischen Kriterien und germanischer Zusammengehörigkeit orientiert. Noch Ammianus Marcellinus (~330 bis ~395) weiß in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts zu berichten, dass sich die Burgunder ohne zu zögern dazu bereit erklärten, Kaiser Valentinian bei einem Vergeltungsschlag gegen den alamannischen Anführer Macrianus zu unterstützen21, und Beispiele dieser Art ließen sich leicht vermehren. Bereits Tacitus hat darauf hingewiesen, dass es ein probates Mittel römischer Diplomatie dargestellt habe, die Barbaren sich gegenseitig bekämpfen zu lassen22 und „[n]ach Julian war die Unterstützung innerer Fehden unter den Barbaren sogar eine Maxime der Politik Constantins.“23 Diese Strategie konnte aber nur deshalb so erfolgreich sein, weil es allem Anschein nach tatsächlich kein ausgeprägtes germanisches Identitätsbewusstsein und dementsprechend auch kein umfassendes germanisches Zusammengehörigkeitsgefühl gab, jedenfalls keines, welches sich auf einer sozio-politischen Ebene im Sinne einer (Volks-)Gemeinschaft entfaltet hätte. Vor diesem Hintergrund verbietet sich auch die Vorstellung von einer „germanischen Ethnogenese“, die, häufig in Anlehnung an die Entwicklung der germanischen Sprache(n), nach wie vor gelegentlich vertreten wird24, in 19
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Suet. Galba 12,2. – Vgl. ferner Bellen, Germanische Leibwache, S. 58 (zur zahlenmäßigen Stärke) u. passim. Vgl. hierzu allgemein Manfred Waas, Germanen im römischen Dienst (im 4. Jh. n. Chr.) (Habelts Dissertationsdrucke, Reihe Alte Geschichte 3), Bonn 21971 (1. Aufl. Bonn 1965), S. 1 ff.; ferner Alexander Demandt, Die Germanen im Römischen Reich, in: Ders. (Hg.), Mit Fremden leben, S. 68–80, hier S. 70 f. Amm. 28,5,8–11. Tac. Germ. 33. Bernt Stallknecht, Untersuchungen zur römischen Außenpolitik in der Spätantike (306–395 n. Chr.) (Habelts Dissertationsdrucke, Reihe Alte Geschichte 7), Bonn 1969, S. 34, mit weiteren Quellenangaben. – Vgl. hierzu u. a. Todd, Germanen, S. 79; Rosen, Völkerwanderung, S. 40. Vgl. etwa Scardigli, Weg zur deutschen Sprache, S. 150 f.; Friedrich Prinz, Deutschlands Frühgeschichte. Kelten, Römer und Germanen, Stuttgart 2003, S. 52 ff.; sowie Ament, Ethnogenese, bes. S. 252 ff.; Ders., Art. Germanen, Archäologie, Sp. 1340; Ders., Unterwegs, S. 47.
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Sozio-ökonomische und sozio-politische Entwicklungen bei den gentes
Anbetracht der oben dargelegten Zusammenhänge allerdings schon dem Ansatz nach verfehlt ist.25 Gemeinsamkeiten zwischen den germanischsprachigen Völkern über die Sprachverwandtschaft hinaus sollen damit keineswegs negiert werden. Es ist im Gegenteil sogar mehr als naheliegend davon auszugehen, dass sich durch die gemeinsame Sprachgrundlage ein ausgedehnter Kommunikationsraum herausgebildet hat, der zunächst einmal Kontakte erleichtert und damit auch den Austausch von Fertigkeiten, Praktiken, Gegenständen, Ideen und Vorstellungen begünstigt haben wird. Dies findet im archäologischen Material insofern Bestätigung, als in dem seitens der Römer als „Germania“ bezeichneten Gebiet nach dem Niedergang der keltischen Kultur im 1. Jahrhundert v. Chr. in der darauffolgenden Zeit ein an der materiellen Hinterlassenschaft ablesbarer Prozess der Vereinheitlichung einsetzte26, der sich unter sprachlichen Gesichtspunkten sicher nicht ganz zu Unrecht als „Germanisierung“ deuten lässt, was – zumindest bis ins 4. Jahrhundert und unter Missachtung der qualitativen Inkompatibilität der unterschiedlichen, hier zur Anwendung kommenden Germanenbegriffe – auch mit den, freilich eine einseitig römische Perspektive widerspiegelnden, Schriftquellen zu korrespondieren scheint.27 Hermann Ament spricht in diesem Zusammenhang treffend von einem „einheitlich konditionierten Raum“28, der als Grundlage und Nährboden jener sich in römischer Zeit herausbildenden Gemeinsamkeiten gewirkt habe: „Darunter ist erstens sehr wohl der Naturraum zu verstehen: Die Landesnatur in Mitteleuropa und Südskandinavien und der hier ausgeprägte Klimatyp der gemäßigten Zone boten recht einheitliche Bedingungen, die zur Ausbildung übereinstimmender Wirtschaftsformen und Siedlungsweisen führten und die Entwicklung untereinander ähnlicher sozialer Strukturen begünstigten.“29 Als auslösende Faktoren für diese „Entfaltung der germ[anischen] Welt in Sachkultur und sozialökonomischen Verhältnissen“ werden der Untergang der keltischen Kultur und die nun direkte Nachbarschaft zum Imperium Romanum angesehen.30 An die Stelle der Kelten 25
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Kurios in diesem Zusammenhang Timpe, Art. Germanen, historisch, der auf S. 14 genau das feststellt, um auf S. 15 (u. öfter) dennoch von einem germanischen Ethnos zu sprechen. Siehe o. S. 110 f.; vgl. ferner Heiligmann, Bevölkerung, S. 33 f. u. bes. S. 39, der diesen Prozess für das ehemals vornehmlich keltische Gebiet südlich der Mainlinie skizziert. Zu dem Vereinheitlichungsprozess siehe auch Petrikovits, Rheinlande, bes. S. 61 u. S. 63. Ament, Unterwegs, S. 46. Ament, Unterwegs, S. 47. Steuer, Art. Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 158 (dort auch das Zitat); vgl. ferner Peschel, Kelten, S. 30; Ament, Unterwegs, S. 47.
Wirtschaftsverhältnisse und Sozialstrukturen
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als Kulturvermittler31, die zivilisatorisch deutlich überlegen waren, sich aber im Hinblick auf die Gesellschaftsstrukturen wohl noch nicht übermäßig weit von der weiter nördlich lebenden Bevölkerung entfernt hatten32, war nun mit Rom eine in voller Blüte stehende Hochkultur getreten. Während die keltisch-germanischen Akkulturationsprozesse eher langsam und auf breiter Basis integrativ gewirkt hatten, entstand durch den kulturellen Abstand zur römischen Welt eine Dynamik, welche zu einer enormen Beschleunigung der ökonomischen wie auch der sozio-politischen Entwicklung der germanischsprachigen Nachbarn führen sollte.33
6.2 Wirtschaftsverhältnisse und Sozialstrukturen Die oben angesprochene, sich bereits im ersten nachchristlichen Jahrhundert im archäologischen Fundgut abzeichnende Nivellierung innerhalb der sogenannten Germania zeigt eine Vereinheitlichung der Siedlungs- und Wirtschaftsformen, ja der Lebensweise insgesamt an. Die latènezeitlichen Oppida waren aufgelassen worden34, stattdessen prägten kleine weilerartige Gehöftgruppen oder auch größere Siedlungen das Bild, die im 1. bis 2. Jahrhundert wie etwa auf der Feddersen Wierde durchaus mehr als fünfzehn selbständige Gehöfte umfassen oder wie in Ezinge auch schon einmal aus gut zwanzig Höfen bestehen konnten.35 Die Wirtschaftsweise war in hohem Maße agrarisch bestimmt, wenig entwickelt und diente im Wesentlichen der Selbstversorgung: „Pflanzenanbau und Viehwirtschaft bildeten bei den germanischen Stämmen zu Beginn u. Z. in einem solchen Grade die Grundlage der gesamten Wirtschaft, daß sich der überwiegende Teil der Bevölkerung damit befaßte.“36 Die Möglichkeit, nennenswerte Überschüsse zu erzielen, war nicht zuletzt aufgrund der vergleichsweise schlichten An31 32
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Vgl. Steuer, Kriegerbanden, S. 829 f. Man denke hier etwa an die von Mischkultur geprägten Räume sowie an die Schwierigkeit, gerade in Rheinnähe konkrete Unterscheidungen zwischen den dort ansässigen „Kelten“ und „Germanen“ zu treffen; vgl. Steuer, Art. Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 157; siehe ferner Birkhan, Germanen und Kelten, S. 39 f. u. S. 581; Peschel, Kelten, S. 22–25; Rübekeil, Kontakzone, S. 104 f. u. passim. Vgl. hierzu auch Hachmann, Caesar gab ihnen den Namen, S. 450; sowie Steuer, Art. Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 156. Vgl. Hachmann, Gesellschaftsordnung, S. 19. Vgl. Jankuhn, Siedlung, S. 88–91; Peter Donat, Hausbau und Siedlung, in: Krüger (Hg.), Die Germanen I, S. 321–330, hier S. 327; zur weiteren Entwicklung vgl. Ders., Zur Entwicklung germanischer Siedlungen östlich des Rheins bis zum Ausgang der Merowingerzeit, in: ZfA 25 (1991), S. 149–176. Krüger (Hg.), Die Germanen I, S. 440.
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baumethoden sehr eingeschränkt und von den jeweiligen Boden- und Witterungsverhältnissen abhängig.37 Eine handwerkliche Spezialisierung setzte erst allmählich und mit ausgeprägten regionalen Unterschieden ein.38 Handel hat in kleinerem Stil gewiss stattgefunden39, allerdings wird man sich derartige Aktivitäten – anders als seitens der Forschung lange Zeit angenommen40 – vor dem Hintergrund der Gesamtsituation gerade für die ersten zwei nachchristlichen Jahrhunderte alles in allem eher klein- bis kleinsträumig vorstellen müssen. Für eine weiträumige Warendistribution spricht wenig.41 Die Schriftquellen, im Wesentlichen Tacitus, bleiben recht allgemein und berühren das Thema allenfalls pauschal oder sehr punktuell, etwa auf bestimmte Grenzgebiete bezogen.42 Sie bezeugen vor allem die Existenz eines auf lokale Märkte gerichteten grenzüberschreitenden Nahhandels43 und zugleich die Nutzung der römischen Infrastruktur durch die barbarischen Anrainer, was auch im archäologischen Befund insofern Bestätigung findet, als sich hier zeigt, „daß sich römische Massenartikel, Genußmittel und schwere Handelsgüter in einer nur wenig über 100km tiefen Grenzzone konzentrierten, während es sich bei den in die Binnengebiete transportierten römischen Produkten um die selteneren, oft hochwertigen Erzeugnisse mit Luxuscharakter handelte.“44 Ferner vermitteln sie einen
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Hachmann, Caesar gab ihnen den Namen, S. 446; von einer Subsistenzwirtschaft mit sehr beschränkter Überschußproduktion geht auch Johan Hendrik Frederik Bloemers, Die sozial-ökonomischen Aspekte der ländlichen Besiedlung an Niederrhein und Niedermaas in Germania inferior und das Limesvorfeld von Christi Geburt bis zum 5. Jahrhundert nach Christi, in: Ländliche Besiedlung und Landwirtschaft in den RheinDonau-Provinzen des Römischen Reiches. Vorträge eines Internationalen Kolloquiums vom 16.–21. April 1991 in Passau, hgg. v. Helmut Bender u. Hartmut Wolff (Passauer Universitätsschriften zur Archäologie 2), Espelkamp 1994, S. 123–139, hier S. 133 (Zitat), aus; siehe des Weiteren Wolfram, Das Reich und die Germanen, S. 32. Vgl. Heinz Grünert, Austausch und Handel, in: Krüger (Hg.), Die Germanen I, S. 504–522, hier S. 504; Steuer, Art. Ursprung und Ausbreitung der Germanen, S. 157; Ament, Unterwegs, S. 67. Zum Warenangebot „Germaniens“ vgl. allgemein Klaus Tausend, Die Bedeutung des Imports aus Germanien für den römischen Markt, in: Tyche 2 (1987), S. 217–227. Stellvertretend sei an dieser Stelle nur auf den stark rezipierten Beitrag von Herbert Jankuhn (Jankuhn, Siedlung) für das monumentale Werk „Aufstieg und Niedergang der römischen Welt“ verwiesen, in dem dieser zwar ebenfalls die Dominanz der Landwirtschaft herausstellt (S. 93), aber dennoch für den Handel und die damit einhergehende gewerbliche Produktion bereits in den ersten beiden Jahrhunderten n. Chr. einen deutlich größeren Umfang annimmt (S. 107–110). Siehe auch Ament, Unterwegs, S. 68. Vgl. z. B. Tac. Germ. 41,1–2 u. 45,4. Lund Hansen, Römischer Import, S. 216. Grünert, Austausch und Handel, S. 506 f.
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Eindruck davon, auf welche Weise die sich in solchen Grenzregionen, welche ja immer auch besondere kulturelle Kontakträume darstellen, mit größerer Dynamik vollziehenden Akkulturationsprozesse gesellschaftliche Entwicklungen vorantreiben können.45 Dabei ist auch hier, wie schon bei der Ausbildung spezialisierten Handwerks und in Abhängigkeit davon, von beträchtlichen regionalen Unterschieden auszugehen. Bei den gelegentlich als Ausweis für weitgespannte Handelsaktivitäten im germanischsprachigen Barbaricum in Anspruch genommenen römischen Importwaren, welche in nachchristlicher Zeit zunehmend als Beigaben in den Gräbern insbesondere der gesellschaftlichen Eliten auftreten, muss es sich nicht zwingend um eigentliche Handelsgüter handeln.46 Man kann in ihnen ebensogut und vielleicht sogar mit höherer Wahrscheinlichkeit sogenannte Prestigegüter sehen, die als Geschenke oder Beutestücke in den Besitz von Barbaren gelangt sind.47 Während die im Wesentlichen auf dem verhältnismäßig leicht zu gewinnenden Raseneisenerz beruhende Eisenproduktion schon seit den letzten vorchristlichen Jahrhunderten langsam, aber kontinuierlich zugenommen und – bei freilich geringem, kaum den Eigenbedarf übersteigenden Ausstoß – weite Verbreitung gefunden hatte, so dass sich in der Nähe „vieler kleiner bäuerlicher Siedlungen […] Verhüttungsbetrieb“ nachweisen lässt48, kam der von den Kelten über einen langen Zeitraum hinweg betriebene Salzbergbau in den „germanisierten“ Gebieten vollständig zum Erliegen. Man behalf sich dort nunmehr mit einfacheren Formen der Salzgewinnung, etwa aus Solquellen.49 Die Ursache hierfür dürfte freilich, anders als Heinz Grünert annimmt, nicht allein in den fehlenden technischen Fertigkeiten zu sehen sein50, sondern vor allem in der auf Eigenversorgung ausgerichteten Agrarwirtschaft, welche die Versorgung der im Bergbau Arbeitenden kaum gewährleisten konnte, sowie in dem geringen gesellschaftlichen Organisationsgrad, der für ein solches Unterfangen keine adäquaten strukturellen Voraussetzungen bot.
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Dahingehend auch Lund Hansen, Römischer Import, S. 253. Lund Hansen, Römischer Import, S. 218, S. 220 u. S. 242, geht nicht von einem römischen Fernhandel im germanischsprachigen Barbaricum aus. So zuletzt etwa Steuer, Kriegerbanden, S. 839; vgl. ferner Lund Hansen, Römischer Import, S. 192. Grünert, Gebrauchsgüterproduktion, S. 473–487, Zitat S. 478; Hachmann, Gesellschaftsordnung, S. 12. Siehe hierzu Heinz Grünert, Kochsalzproduktion, in: Krüger (Hg.), Die Germanen I, S. 468 ff. Grünert, Kochsalzproduktion, S. 468.
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Es dominierte mithin eine bäuerliche Lebensform, die etwa um die Zeitenwende, also nach dem Aufgehen der keltischen Kultur in den Strukturen des Imperium Romanum und der nun unmittelbaren Nachbarschaft zur überlegenen römischen Zivilisation51, erste Anzeichen sich auch im materiellen Bereich niederschlagender und damit verstetigender ökonomischer und sozialer Unterschiede erkennen lässt. Die frühesten Hinweise bieten Siedlungsbefunde in Form von unterschiedlichen Hausgrößen52, die z. B. mit Längenmaßen zwischen 10m und 30m deutlich differieren. „Obwohl auch die Wohnteile der Häuser unterschiedliche Abmessungen aufweisen, wirkte sich das vor allem auf den Stallteil aus. Haus 2 der Wurt Einswarden, Kr. Wesermarsch, hatte nur 6 Boxen, enthielt also Aufstallungsmöglichkeiten für 12 Rinder. Bereits das daneben liegende Haus 3 konnte 18 Tiere aufnehmen.“53 Ebenfalls in diese Richtung deuten die bereits angesprochenen herausragenden Wohnstätten, die sogenannten Herrenhöfe, wie etwa in Hodde und auf der Feddersen Wierde, welche sich nach Umfang und Ausbau erkennbar von allen anderen innerhalb der jeweiligen Siedlung abheben und einen deutlichen Abstand markieren, der gewöhnlich nicht mehr nur ökonomisch, sondern auch sozio-politisch interpretiert wird.54 Unabhängig davon, wie man die einstigen Besitzer solcher Anwesen begrifflich fasst, ob als Häuptlinge, Fürsten oder Adlige im weitesten Sinne, wird ihnen ein besonderes gesellschaftliches Potential, eine Vorrang- oder Machtstellung und damit auch ein gewisser „politischer“ Handlungsspielraum zuerkannt, der allerdings – angesichts der durch die Befundlage gegebenen Grenzen – zunächst einmal nur auf die jeweilige Siedlung bezogen werden kann.55 In Anbetracht des damit doch sehr überschaubaren Wirkungsrah51
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Vgl. Cunliffe, Einfluß Roms, S. 493 f.; Steuer, Art. Ursprung und Ausbreitung der Germanen, S. 156. Grundlegend hierzu Steuer, Frühgeschichtliche Sozialstrukturen, S. 102–116; vgl. ferner Georg Kossack, Archäologisches zur Entstehung herrschaftlicher Züge im Aufbau germanischer Dörfer der römischen Kaiserzeit und des frühen Mittelalters, in: Gesellschaftsgeschichte. FS Karl Bosl, Bd. 1, hg. v. Ferdinand Seibt, München 1988, S. 157–167, hier S. 160 f. (Zitat S. 161), der darauf hinweist, dass die Mehrzahl der Hofgruppen bis in die römische Kaiserzeit „Wander-“ bzw. „Wechselsiedlungen“ gewesen seien, wobei die Differenzierung im Besitzstand […] fortgeschritten zu sein [scheint], je länger der Verband am Ort blieb; zustimmend hierzu Parzinger, Fürsten und Bauern, S. 78 f. u. S. 88. Donat, Hausbau und Siedlung, S. 328. So bereits Haarnagel, Feddersen Wierde, zusammenfassend S. 316–322; ferner Donat, Hausbau und Siedlung, S. 330. Vgl. Heiko Steuer, Archäologie und germanische Sozialgeschichte. Forschungstendenzen in den 1990er Jahren, in: Düwel (Hg.), Runische Schriftkultur, S. 10–55, hier S. 34.
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mens sowie der Implikationen, durch welche die an anderen, viel stärker institutionalisierten Verhältnissen orientierten Kategorien wie „Adel“ oder „Fürst“ zwangsläufig vorgeprägt sind56, erscheint es angemessener, den neutraleren Begriff „Anführer“ zu verwenden oder noch allgemeiner von „Eliten“57 zu sprechen. Etwa seit dem Übergang vom ersten zum zweiten nachchristlichen Jahrhundert spiegeln sich soziale Unterschiede auch in durch Anzahl und Beschaffenheit der Grabbeigaben herausragenden Körpergräbern, die zumeist als „Fürstengräber“ angesprochen werden.58 Als wichtige und vieldiskutierte Beispiele sind vor allem jene vom Lübsow-Typ59, welche zugleich die ältesten Bestattungen dieser Art darstellen und auf die Wendezeit vom 1. zum 2. Jahrhundert datieren, zu nennen, ferner das in Mähren entdeckte sogenannte Königsgrab von Musˇov60 (um 180 n. Chr.) und schließlich die Gräber vom Typ Haßleben-Leuna61 (Thüringen) aus der Zeit um 300 n. Chr.
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Was im Übrigen auch für „Häuptling“ gilt, wenngleich die Art der Prägung hier andersgeartet ist. – Vgl. zu diesem Aspekt auch Kossack, Prunkgräber, S. 32 f.; sowie Steuer, Frühgeschichtliche Sozialstrukturen, S. 50. Steuer, Archäologie und germanische Sozialgeschichte, S. 17. Michael Gebühr, Art. Fürstengräber, § 4 Römische Kaiserzeit, in: RGA 10 (1998), S. 185–195; vgl. zudem Steuer, Archäologie und germanische Sozialgeschichte, S. 16, welcher auf der Grundlage der inzwischen sehr erweiterten Fundsituation eine Differenzierung nach chronologischen Gruppen für nicht mehr sinnvoll hält. Vgl. grundlegend Hans-Jürgen Eggers, Lübsow, ein germanischer Fürstensitz der älteren Kaiserzeit, in: Prähistorische Zeitschrift 24/25 (1949/50), S. 58–111; Michael Gebühr, Zur Definition älterkaiserzeitlicher Fürstengräber vom Lübsow-Typ, in: Prähistorische Zeitschrift 49 (1974), S. 82–128, mit einer kritischen Bestandsaufnahme; sowie den Forschungsstand zusammenfassend Steuer, Frühgeschichtliche Sozialstrukturen, S. 209–220. Zur Grabung selbst vgl. Jaroslav Peˇska, „Königsgruft“ von Musˇov. Umstände des Befundes und vorläufige Ergebnisse der interdisziplinären Zusammenarbeit, in: Ders. (Hg.), Königsgruft, S. 32–50; vgl. ferner die Übersicht des Grabinventars, in: ebda., S. 51 f.; zur Auswertung Jaroslav Tejral, Versuch der historisch-kulturellen Auswertung des „Königsgrabes“ von Musˇov, in: ebda., S. 53–64; zu einzelnen Fundstücken ferner Horst Wolfgang Böhme, Ausgewählte Funde aus dem germanischen Königsgrab von Musˇov (Südmähren/CˇSFR) anlässlich der Restaurierung, in: Archäologisches Korrespondenzblatt 21 (1991), S. 291–304; sowie zuletzt Jaroslav Tejral, Die germanische Oberschicht an der Wende der älteren zur jüngeren Römischen Kaiserzeit: Das Grab von Musˇov, in: Das Gold der Barbarenfürsten. Schätze aus Prunkgräbern des 5. Jahrhunderts n. Chr. zwischen Kaukasus und Gallien, hgg. v. Alfried Wieczorek u. Patrick Périn, Darmstadt 2001, S. 19 ff. Vgl. Wolfgang Schlüter, Versuch einer sozialen Differenzierung der jungkaiserzeitlichen Körpergräbergruppe von Haßleben-Leuna anhand einer Analyse der Grabfunde, in: Neue Ausgrabungen und Forschungen in Niedersachsen 6 (1970), S. 117–145; Steuer, Frühgeschichtliche Sozialstrukturen, S. 223 ff.
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sowie das diesen an die Seite zu stellende 1990 entdeckte „Fürstengrab“ von Gommern62. Bei ihnen handelt es sich um sowohl von der Anlage als auch von der Ausstattung her aufwendige Körperbegräbnisse, die schon allein durch diesen Umstand in einer ansonsten vornehmlich durch Brandgrabsitte geprägten Umgebung63 auffallen. Bemerkenswert ist ferner, dass sowohl im Umfeld solcher reicher Gräber, als auch von sogenannten Herrensitzen vielfach Produktionsstätten für hochwertige Sachgüter anzutreffen sind.64 So hat man in unmittelbarer Nähe des „Herrenhofs“ auf der Feddersen Wierde Hinweise auf Bunt- und Eisenmetallwerkstätten gefunden, derweil im Weichbild der Gräberfelder von Haßleben-Leuna „Produktionsstätten für kostbare Keramik im römischen Stil nachgewiesen worden sind.“65 Während die Zuordnung konkreter Bestattungen zu dem Typus „Fürstengrab“ sowie die hiermit verbundenen Kriterien der Kategorisierung im Einzelfall mitunter umstritten sind66 und Bezeichnungen wie „Fürsten-“ oder gar „Königsgrab“ ohne flankierende, eindeutig zuordbare Schriftzeugnisse aufgrund ihrer verzerrenden suggestiven Wirkung methodische Probleme aufwerfen, sind die Befunde an sich für die hier in den Blick genommenen Zusammenhänge doch hinreichend aussagekräftig.67 Die abweichende Bestattungssitte und der in Relation zu den Brandgräbern aufwendigere Grabbau, vor allem aber die vergleichsweise reiche Ausstattung mit zum Teil seltenen und wertvollen Beigaben, unter denen sich neben Gegenständen aus Edelmetall regelmäßig römischer Import, wie z. B. Tafelund Trinkgeschirre aus Silber, Bronze, Keramik und Glas etc., befinden, weisen nach allgemeiner Auffassung auf eine herausgehobene sozio-ökono62
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Matthias Becker, Die römischen Fundstücke aus dem germanischen „Fürstengrab“ der spätrömischen Kaiserzeit bei Gommern, Lkr. Burg. Vorbericht, in: Germania 71 (1993), S. 405–417; Ders., Art. Gommern, in: RGA 12 (1998), S. 395–399, mit weiterer Literatur. Vgl. etwa Christian Müller, Zur Bevölkerung aus anthropologischer Sicht (bis zum 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung), in: Krüger (Hg.), Germanen I, S. 166–181, hier S. 167; Ders., Zur Bevölkerungsgeschichte aus anthropologischer Sicht in der Zeit vom 3. bis zum 6. Jahrhundert, in: Krüger (Hg.), Germanen II, S. 57–80, hier S. 57; ferner von Uslar, Germanen, S. 19. Steuer, Archäologie und germanische Sozialgeschichte, S. 20. Steuer, Archäologie und germanische Sozialgeschichte, S. 29. Siehe hierzu Gebühr, Definition, S. 85 f. u. S. 118 f.; Steuer, Frühgeschichtliche Sozialstrukturen, S. 218. Auf deutlich breiterer Grundlage und entsprechend differenzierter hierzu Steuer, Frühgeschichtliche Sozialstrukturen, S. 181–257, der etwa darauf hinweist, dass a) in der Bestattungssitte auftretende Unterschiede, wie jene zwischen Brand- und Körpergräbern, durchaus religiös begründet sein können, und dass b) römischer Import häufig auch in Brandgräbern begegnet und somit nicht als Spezifikum von Körpergräbern gelten kann (S. 232).
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mische Stellung der so Bestatteten hin.68 Da sich mit einer solchen Spitzenposition gewöhnlich immer auch ein gewisses Einflusspotential verbindet, wird man nicht fehlgehen, in ihnen die Angehörigen der sich in dieser Zeit allem Anschein nach erst herausbildenden Machteliten zu sehen69, die man sich freilich nach wie vor eher in äußerst kleinräumigen Bezügen, d. h. in einem lokalen bis allenfalls regionalen Umfeld von etwa 10 bis 30km agierend, vorzustellen hat.70 Dafür, dass der zu Elitenbildung führende Differenzierungsprozess im rechtsrheinischen Barbaricum tatsächlich um die Zeitenwende anzusetzen ist, spricht beispielsweise auch das frühkaiserzeitliche Körpergrab von Berlin-Rudow. Zwar kann man dieses Frauengrab wegen der fehlenden wertvollen Beigaben nicht eigentlich zur Gruppe der „Fürstengräber“ rechnen, jedoch wird es aufgrund der Bestattungsart und des aufwendigen Kammerbaus als „Zeugnis einer sozialen Absonderung“ und damit gewissermaßen als Vorstufe zu den Gräbern des Lübsow-Typs betrachtet.71 Das bis hierher gewonnene Bild lässt sich aber noch weiter ausführen. Jochen Martin etwa hebt hervor, dass Ammianus Marcellinus „den Barbarenbegriff nicht für das Perserreich [verwendet]“ und konstatiert entsprechend, dass die Römer „den Unterschied zwischen der Situation der Barbarenstämme und der des Perserreiches deutlich erkannt [haben]“.72 Bei aller Topik, die – wie eingangs dargelegt73 – in diesem Zusammenhang in Rechnung zu stellen ist, sagt der Umstand, dass nicht alle feindlichen externae gentes pauschal als Barbaren deklariert wurden, zumindest der Tendenz nach etwas über einen in der zeitgenössischen Wahrnehmung doch offenbar nicht ganz unbedeutenden „zivilisatorischen“ Abstand zwischen Persern und Germanen und damit letztlich auch zwischen Römern und Germanen aus74, was die vorangegangenen Ausführungen grundsätzlich untermauert. Viel deutlicher noch zeigt sich der Unterschied indes am Beispiel der auf die Eroberung der sogenannten Germania gerichteten römischen Expan68
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Vgl. allgemein zu reich ausgestatteten Gräbern Kossack, Prunkgräber; zum sozialen Status der solcherart Bestatteten ebda., S. 13; siehe ferner Jankuhn, Siedlung, S. 116. Steuer, Archäologie und germanische Sozialgeschichte, S. 17. Vgl. etwa Gebühr, Definition, S. 127; des Weiteren Steuer, Archäologie und germanische Sozialgeschichte, S. 29. Uwe Fiedler, Das frühkaiserzeitliche Körpergrab von Berlin-Rudow, in: Germania 71 (1993), S. 204–216, Zitat S. 216. Jochen Martin, Spätantike und Völkerwanderung (OGG 4), München 42001 (ND der 3. erw. u. überarb. Aufl. München 1995), S. 164. Siehe o. S. 44 ff. Vgl. hierzu Walser, Rom, S. 153 f.
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sionsversuche um die Zeitenwende, die vor allem unter den Kaisern Augustus (27 v. Chr. bis 14 n. Chr.) und Tiberius (14 bis 37 n. Chr.) unternommen worden waren, und in deren Verlauf die Römer bis zur Elbe und auf dem Seeweg sogar ein gutes Stück die Westküste Jütlands hinauf vordrangen. Die römischen Schriftquellen sowie die zum Teil weit im Innern der Germania angelegten Kastelle75, insbesondere jene an der Lippe, weisen darauf hin, dass hier durchaus eine dauerhafte Besatzung und Eroberung intendiert war76, denn das in diesem Kontext erkennbare Engagement ging deutlich über reine Maßnahmen zur Sicherung der Grenze und ihres Vorlandes hinaus. Doch obgleich Rom als die überragende Militärmacht jener Zeit kämpferisch überlegen war und – trotz der clades Variana 9 n. Chr. – wohl die Mehrzahl der kriegerischen Konfrontationen für sich entscheiden konnte, waren seine Bemühungen, „die Germanen“ zu unterwerfen und deren Land, die Germania, auf die schon vielfach bewährte Art als römische Provinz auszubauen sowie in die entsprechenden Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen einzugliedern, zum Scheitern verurteilt. Unter Tiberius wurden mit der Abberufung des Germanicus 16 n. Chr. die Expansionsver-
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Zu den rechtsrheinischen Legionslagern siehe Johann-Sebastian Kühlborn, Die Zeit der augusteischen Angriffe gegen die rechtsrheinischen Germanenstämme, in: Kaiser Augustus und die verlorene Republik. Ausstellungskatalog, Berlin 1988, S. 530–541; vgl. auch die Karte in Ders., Schlagkraft. Die Feldzüge unter Augustus und Tiberius in Nordwestdeutschland, in: Die Römer zwischen Alpen und Nordmeer. Zivilisatorisches Erbe einer europäischen Militärmacht. Katalog-Handbuch zur Landesausstellung des Freistaates Bayern, Rosenheim 2000, hg. v. Ludwig Wamser (Schriftenreihe der Archäologischen Staatssammlung 1), Mainz 2000, S. 27–33, hier S. 28. Siehe z. B. Wells, German Policy, S. 246–250 u. hier bes. S. 249; Siegmar von Schnurbein, Untersuchungen zur Geschichte der römischen Militärlager an der Lippe, in: Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 62 (1981), S. 5–101, bes. S. 68 f. u. S. 77 f., der u. a. am Beispiel des Legionslagers in Haltern nachweist, dass dieses ganz offensichtlich als dauerhafter Stützpunkt angelegt worden war; Wolters, Römische Eroberung, S. 281 f.; Kehne, Eroberung Galliens, S. 276; Tilmann Bechert, Die Provinzen des Römischen Reiches. Einführung und Überblick (Orbis provinciarum), Mainz 1999, S. 191; Egon Schallmayer, Der Limes – Geschichte einer Grenze, München 2006, S. 33; sowie Frank M. Ausbüttel, Germanische Herrscher. Von Arminius bis Theoderich, Darmstadt 2007, S. 24 f. – Vgl. ferner die Darstellung bei Cassius Dio, der die Verhältnisse zur Zeit der Statthalterschaft des Varus wie folgt beschreibt (Dio 56,18,1–2): In eben jener Zeit hatten sich nämlich in Germanien folgende Ereignisse abgespielt: Die Römer hatten gewisse Teile davon in Besitz, nicht zusammenhängende Gebiete, sondern nur solche Bezirke, wie sie gerade unterworfen worden waren […]. (2) Und römische Soldaten lagen dort in Winterquartieren, und man begann eben mit der Anlage von Städten.; siehe des Weiteren Flor. 2,30,22 u. 2,30,25–27, der schon im Rahmen des Drususfeldzugs (12 bis 9 v. Chr.) den politischen Willen zur Eroberung Germaniens und zu seiner Einrichtung als römische Provinz thematisiert.
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suche schließlich eingestellt77, und in der Folgezeit scheinen sich die Bemühungen der römischen Kaiser vor allem darauf beschränkt zu haben, die Fortifikationen an den Grenzen auszubauen, um die bestehenden Provinzen nachhaltiger zu sichern.78 Mit der von Domitian um 90 n. Chr. veranlassten Errichtung der beiden Provinzen „Germania superior“ und „Germania inferior“ auf vornehmlich westrheinischem Territorium fand die römische Eroberung Germaniens dann auch ein offizielles und zumindest vorgeblich erfolgreiches Ende79, das – bei aller Durchsichtigkeit des Verfahrens – offenbar geeignet war, den schlimmsten Gesichtsverlust propagandistisch abzuwenden. Über die Ursachen für dieses Scheitern der antiken Großmacht Rom an dem Versuch, die Germania magna, wie das östlich des Rheins gelegene Barbaricum nach der Einrichtung der westrheinischen germanischen Provinzen von dem Geographen Ptolemaios auch genannt wurde80, dem Imperium als Provinz einzugliedern, sind in der Forschung viele unterschiedliche Überlegungen angestellt worden. Auf ein ausführliches Referat der größtenteils veralteten Positionen kann an dieser Stelle verzichtet werden, einzugehen ist jedoch auf einen sich etwa seit den 1980er Jahren abzeichnenden Erklärungsansatz, welcher mit überzeugenden Argumenten inzwischen weitgehend Anerkennung gefunden hat. Hiernach lag der Haupthinderungsgrund für eine dauerhafte Unterwerfung „Germaniens“ sowie für die zu diesem Zweck erforderliche Besatzung in den nicht in hinreichen77
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Einen konzisen ereignisgeschichtlichen Überblick auf aktuellem Forschungsstand bietet Reinhard Wolters, Die Römer in Germanien, München 2000, bes. S. 55–60; vgl. ferner Hans-Günther Simon, Eroberung und Verzicht. Die römische Politik in Germanien zwischen 12 v. Chr. und 16 n. Chr., in: Die Römer in Hessen, hgg. v. Dietwulf Baatz u. Fritz-Rudolf Herrmann, Stuttgart 1982, S. 38–57; Gustav Adolf Lehmann, Das Ende der römischen Herrschaft über das „westelbische“ Germanien: Von der Varus-Katastrophe zur Abberufung des Germanicus Caesar 16/7 n. Chr., in: Wiegels/Woesler (Hgg.), Arminius und die Varusschlacht, S. 123–141, bes. S. 135 u. passim; Cunliffe, Greeks, Romans and Barbarians, S. 174; Kühlborn, Die Zeit der augusteischen Angriffe, bes. S. 540. Vgl. zudem den nach wie vor lesenswerten Beitrag von Timpe, Der römische Verzicht, bes. S. 284 u. passim, der zwar im Ergebnis inzwischen überholt ist, aber eine ausführliche Diskussion der Quellen bietet. Vgl. etwa W. S. Hanson, The Nature and Function of Roman Frontiers, in: Barbarians and Romans in North-West Europe from the Later Republic to Late Antiquity, hgg. v. John C. Barrett, Andrew P. Fitzpatrick u. Lesley Macinnes (BAR International Series 471), Oxford 1989, S. 55–63, bes. S. 57 f.; ferner Schallmayer, Limes, S. 16 u. S. 31 f.; sowie den freilich insgesamt nicht sehr ausgewogenen Beitrag von Hans-Günter Simon, Die Zeit der Defensive: Die römische Grenzpolitik zwischen 16 und 69 n. Chr., in: Baatz/Herrmann (Hgg.), Römer in Hessen, S. 58–65, hier S. 65. Siehe auch Schallmayer, Limes, S. 51. Ptol. 8,6,1. – Siehe auch von Schnurbein, Germanien, S. 26 f.
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dem Umfang vorhandenen infrastrukturellen Bedingungen und hängt damit implizit mit dem Entwicklungsniveau der barbarischen Gesellschaften dort zusammen.81 Anders als in der vorrömischen Gallia gab es in der Germania kein in auch nur annähernd vergleichbarem Maße ausgebautes Wegenetz.82 Ebenso wenig gab es Oppida oder überhaupt Zentralorte – zumindest nicht in der erforderlichen Dichte –, die als Sammelpunkte oder Verwaltungszentren hätten dienen können83, zudem erwies sich die landwirtschaftliche Produktivkraft der dort ansässigen Bevölkerung als nicht ausreichend, um zusätzlich auch noch die römischen Besatzungstruppen mit Nahrung versorgen zu können.84 Aus gutem Grund finden sich römische Legionslager innerhalb der Germania zumeist an schiffbaren Flüssen, denn nur auf diese Weise waren zuverlässige Transportmöglichkeiten gewährleistet und war zugleich die Versorgung der Truppen sichergestellt.
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Vgl. Cunliffe, Greeks, Romans and Barbarians, S. 174; W. Groenman-van Waateringe, Food for Soldiers, Food for Thought, in: Barrett/Fitzpatrick/Macinnes (Hgg.), Barbarians and Romans, S. 96–108, bes. S. 96 ff.; Jürgen Kunow, Relations between Roman Occupation and the Limesvorland in the Province of Germania Inferior, in: The Early Roman Empire in the West, hgg. v. Thomas Blagg u. Martin Millett, Oxford 1990, S. 87–96, hier S. 90–93; Timpe, Geographische Faktoren, S. 22 f.; Lothar Wierschowski, Grenzverläufe und Migrationsverhalten im Nordwesten des Römischen Reiches, in: Migration und Grenze, hgg. v. Andreas Gestrich u. Marita Krauss (Stuttgarter Beiträge zur historischen Migrationsforschung 4), Stuttgart 1998, S. 124–140, hier S. 134 f.; Wigg, Keltische Münzen, S. 234. Siehe etwa Ament, Unterwegs, S. 68. Ament, Art. Germanen, Archäologie, Sp. 1341; zur Bedeutung, welche die Existenz von Zentralorten im Fall der Eroberung Galliens hatte, vgl. Olivier Büchsenschütz, The Significance of Major Settlements in European Iron Age, in: Arnold/Gibson (Hgg.), Celtic Chiefdom, S. 53–63, bes. S. 53 u. S. 61 f. – Allerdings hat Wigg, Keltische Münzen, S. 235, anhand der Verbreitung keltischer Münzen auf rechtsrheinischem Territorium gezeigt, dass sich in einigen Gebieten durchaus Reste latènezeitlicher Strukturen erhalten haben, die etwa für Haltern und Waldgirmes auf zentrale Funktionen hindeuten. Er weist in diesem Zusammenhang ferner darauf hin, dass wohl nicht zufällig römische Lager genau in diesen Gebieten angelegt wurden (S. 235). Trotz der insgesamt ideologisierenden Germanendarstellung in diesem Punkt durchaus zutreffend und mit einigem Weitblick schon Miltner, Germanische Führer, S. 35. Zu den einzelnen Aspekten vgl. z. B. Rudolf Laser, Wirtschaftliche Auswirkungen der römisch-germanischen Beziehungen, in: Krüger (Hg.), Die Germanen I, S. 305–320, bes. S. 311; Wolters, Römische Eroberung, S. 206 f.; vor allem jedoch Armin Becker, Zur Logistik der augusteischen Germanienfeldzüge, in: Imperium Romanum. Studien zu Geschichte und Rezeption. FS Karl Christ, hgg. v. Peter Kneissl u. Volker Losemann, Stuttgart 1998, S. 41–50, bes. S. 43 f. – Zu beim Vorstoß auf germanisches Gebiet während der Drususfeldzüge auftretenden Versorgungsproblemen vgl. ferner Dio 54,33,2.
Wirtschaftsverhältnisse und Sozialstrukturen
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Damit aber waren wesentliche Faktoren, welche das römische Ausgreifen bei allen vorangegangenen Kampagnen zum Erfolg geführt und diesen vielleicht sogar erst ermöglicht hatten, nicht gegeben. Während sich in allen anderen Fällen die Militäraktionen bereits nach vergleichsweise kurzer Zeit zumindest nahezu kostenneutral gestalten ließen, etwa dadurch, dass die dort eingesetzten römischen Einheiten aus dem unterworfenen Gebiet fouragiert werden konnten, dass Beute gemacht wurde und Abgaben flossen85; während also derartige Unternehmungen ansonsten binnen absehbarer Zeit eher zu einer Bereicherung des Imperiums beigetragen und seine Wirtschaftskraft gestärkt hatten, da die neu hinzu gewonnenen Provinzen zumeist rasch Erträge abwarfen86, stellte sich die Situation im Hinblick auf die Germania gänzlich anders dar: Zum einen war das Land nicht gleichmäßig erschlossen und besiedelt, sondern vielmehr von sogenannten Siedlungskammern geprägt, die von unwegsamen und nicht kultivierten Gebieten umgeben waren.87 Mangels ausgebauter Wegeverbindungen waren Truppenbewegungen mühsam, zeitaufwendig und – angesichts beständig drohender Überfälle auf unübersichtlichem Terrain – auch besonders gefährlich.88 Durch das Fehlen von Städten, stadtähnlichen Zentren oder überhaupt von übergeordneten zentralen Instanzen boten sich den Römern zudem kaum Anknüpfungspunkte für eine herrschaftliche Durchdringung der von ihnen eingenommenen Gebiete, noch weniger für die Errichtung einer Verwaltung oder sonstiger Herrschaftsstrukturen.89 Auch konnten die insgesamt ohnehin eher bescheidenen Überschüsse, welche die agrarisch wirtschaftende Bevölkerung
85
86 87 88
89
Zum Unterhalt der Truppen während eines Feldzugs vgl. auch Dio 36,1 (im Kontext der Unterwerfung Pannoniens) u. 57,6,1 (bezogen auf Germanien). So z. B. Kehne, Eroberung Galliens, S. 276 mit Anm. 56. Jankuhn, Siedlung, S. 83 ff. Siehe hierzu insbesondere Timpe, Geographische Faktoren, S. 14 ff., der u. a. die römische Perspektive auf diesen Raum eindrucksvoll nachzeichnet. Eine treffende Beschreibung der Verhältnisse und Probleme, hier freilich auf den nordhessischen Raum und das Siedlungsgebiet der Chatten bezogen, bietet Dietwulf Baatz, Römische Eroberungen unter den flavischen Kaisern. Bau des Limes, in: Ders./Herrmann (Hgg.), Römer in Hessen, S. 66–83, hier S. 72. Vgl. etwa King, Roman Gaul, S. 156 f.; Becker, Logistik, S. 44; Büchsenschütz, Major Settlements, S. 53 und, noch einmal ausführlicher, S. 62; sowie Karl Christ, Die Römische Kaiserzeit. Von Augustus bis Diokletian, München 2001, S. 74 f. – Zur administrativen Erfassung des römischen Herrschaftsraumes siehe Werner Eck, Zur Einleitung. Römische Provinzialadministration und die Erkenntnismöglichkeiten der epigraphischen Überlieferung, in: Lokale Autonomie und römische Ordnungsmacht in den kaiserzeitlichen Provinzen vom 1. bis 3. Jahrhundert, hg. v. Dems. (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquium 42), München 1999, S. 1–15, bes. S. 1 ff.
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hervorzubringen vermochte, aufgrund der wenig ausgebildeten Infrastruktur nicht systematisch und nur unter enormem Aufwand abgeschöpft werden.90 Anders als die territorialen Erweiterungen vorher drohte die Unterwerfung „Germaniens“ und der Versuch seiner Eingliederung in das Imperium Romanum zu einer langfristig unüberschaubaren Belastung zu werden, wobei die damit verbundenen Kosten und Anstrengungen auf lange Sicht in keinem Verhältnis zu dem zu erwartenden Nutzen standen.91 Für die hier entwickelten Zusammenhänge ist dieser den archäologischen Befund luzide mit den historischen Quellen verbindende Ansatz insofern von Bedeutung, als er die gravierenden Unterschiede zwischen den Verhältnissen in der keltischen Gallia und der Germania einerseits sowie den entsprechend größeren Abstand und die dadurch bedingten strukturellen Probleme zwischen der Romania und der Germania andererseits92 noch einmal hell beleuchtet. Wir sehen in dem Gebiet östlich des Rheins und nördlich der Donau grundsätzlich kleinräumige Strukturen vorherrschen, d. h. überschaubare, Landwirtschaft betreibende Gruppen von Menschen, die, wohl nach freilich nicht schärfer zu konturierenden Verwandtschaftsverbänden organisiert93, in nicht übermäßig großen Siedlungen mit kaum einmal mehr als 100 und noch seltener mehr als 200 Bewohnern lebten94. Eine Siedlungskammer umfasste in der Regel mehrere solcher Weiler oder Siedlungen, war aber aufgrund ihrer landschaftlichen Abgeschlossenheit sowie nicht ausgebauter Verkehrswege relativ isoliert.95 Die in diesem Umfeld erkennbaren sozialen Strukturen werden von Heiko Steuer folgendermaßen charakterisiert: „Innerhalb der größeren und kleineren Verwandtschaftsgruppierungen werden sich anhand der wirtschaftlichen Möglichkeiten und der unmittelbar gegebenen unterschiedlichen 90 91
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Becker, Logistik, S. 48. Vgl. auch Petrikovits, Rheinlande, S. 63 f.; Bechert, Provinzen, S. 191; sowie zuletzt Heather, Untergang, S. 77–80, wenngleich seine Aussage, dass das fortgeschrittene Europa der La-Tène-Kultur […] überwiegend Teil des Imperiums geworden sei, während Jastorf-Europa zumeist ausgeschlossen blieb (Zitat S. 79), in dieser pauschalen Zuspitzung und auch mit Blick auf die beigegebene Karte (S. 72 f.) nicht ganz zutreffend ist; differenzierter hierzu Ament, Ethnogenese, bes. S. 249. Zu den Unterschieden in Bezug auf Siedlung und Wirtschaft zwischen Romania und Barbaricum vgl. auch Helmut Windl, Germanische Funde des ersten und zweiten nachchristlichen Jahrhunderts in Niederösterreich, in: Peˇska (Hg.), Königsgruft, S. 17–24, bes. S. 23. Vgl. Steuer, Frühgeschichtliche Sozialstrukturen, bes. S. 285, mit weiterer Literatur. Müller, Bevölkerungsgeschichte, S. 70. Siehe z. B. Theodor Mayer, Vom Werden und Wesen der Landgemeinde. Ein Nachwort, in: Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, Bd. 2 (VuF 8,2), Sigmaringen 21986 (ND Konstanz/Stuttgart 1964), S. 465–495, hier S. 465 f.
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Anzahl an – auch waffenfähigen – Familienmitgliedern Hierarchien herausgebildet haben, die Ansätze einer sozialen Schichtung zwischen den Familienverbänden in sich bargen. Sehr viel weiter wird die soziale Differenzierung auch in der Römischen Kaiserzeit noch nicht gekommen sein.“96 Unabhängig davon, wie man sich die konkrete Architektur dieser kleinen Gemeinschaften dann im Einzelnen vorstellen mag, dürfte deutlich geworden sein, dass die Befundlage insgesamt der Vorstellung sowohl von der Existenz einer zu diesem Zeitpunkt bereits vollausgebildeten Adelsschicht als auch von einer monarchischen Herrschaftsorganisation bei der im germanischsprachigen Barbaricum siedelnden Bevölkerung widerspricht. Der Prozess der Elitenbildung hatte um die Zeitenwende eben erst begonnen und es sollte noch einer langen, nicht immer geradlinigen Entwicklung bedürfen, bis die barbarischen Gesellschaften, getrieben durch die beständige (keineswegs nur kriegerische) Auseinandersetzung mit der römischen Welt, welche sie gleichzeitig anzog und abstieß, zu stabilen Formen der Herrschaftsorganisation fanden, unter denen das Königtum die zukunftsweisende war.97
6.3 Elitenbildung und Gesellschaftsorganisation: Überlegungen zur Entwicklung gefolgschaftlich strukturierter Kriegerverbünde Nachdem zunächst die allgemeinen Rahmenbedingungen konturiert worden sind, soll im Folgenden dem bereits verschiedentlich angesprochenen Prozess der Elitenbildung selbst nachgegangen werden. Drei zentrale Fragen stehen dabei im Mittelpunkt: 1) Woher kamen, angesichts der geringen Wirtschaftskraft, an der sich auf lange Sicht nichts Grundsätzliches ändern sollte, die Impulse für den beobachteten Differenzierungsprozess? 2) Ging dieser mit der Etablierung herrschaftlicher Organisationsstrukturen einher und wie waren solche gegebenenfalls angelegt? 3) Aus welchen Personen bzw. Personengruppen rekrutierten sich die entstehenden Eliten?
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Steuer, Frühgeschichtliche Sozialstrukturen, S. 285. Zu dem Einwirken der römischen Zivilisation auf die politischen, sozialen und ökonomischen Strukturen der sog. Germanen vgl. etwa Geary, Europäische Völker, S. 71.
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Sozio-ökonomische und sozio-politische Entwicklungen bei den gentes
6.3.1 Das Beutewesen als Impulsgeber für soziale Differenzierungsprozesse Wir haben gesehen, dass die kleinräumigen Siedlungsverhältnisse, die bescheidene Produktivkraft einer auf der Grundlage bäuerlicher Subsistenzwirtschaft lebenden Bevölkerung98 und der erkennbar geringe gesellschaftliche Differenzierungsgrad keine tragfähige Basis für die Annahme großräumig angelegter Herrschaftsorganisation auf dem Gebiet der sogenannten Germania bieten. Sofern man – gerade für die frühe römische Kaiserzeit – überhaupt schon herrschaftliche Strukturen im Sinne Max Webers99 voraussetzen darf, werden diese auf sehr überschaubare und wohl kaum über die einzelnen Siedlungskammern hinausgehende Einheiten beschränkt gewesen sein. Anhaltspunkte hierfür finden sich auch in den Schriftquellen: So hat etwa Caesar, trotz aller Vorbehalte, die seinen Ausführungen grundsätzlich entgegenzubringen sind, das Phänomen der Siedlungskammern an sich durchaus zutreffend beschrieben100, wenngleich seine Interpretation dann wieder anderen Intentionen folgt, indem die Germanen als möglichst barbarisch, kriegerisch und gefährlich dargestellt werden. Darüber hinaus sind insbesondere seine Äußerungen zur germanischen Gesellschaftsorganisation von Bedeutung. Während der rex-Begriff in diesem Zusammenhang vernachlässigt werden kann, da er – wie bereits in Kapitel 4.1 dargelegt – als Reflex auf die Verleihung des rex atque amicus-Titels erkennbar ist, verdienen vor allem seine Hinweise auf andere „Autoritäten“ Beachtung: Dort, wo Caesar näherhin auf die Träger gesellschaftlicher Ordnungsfunktionen eingeht, spricht er – etwas unbestimmt und dem Prinzip der interpretatio Romana folgend – von magistratus und principes101. Wenn antike Schriftsteller „mit ihren Begriffen mühsam versuchen, die gesellschaftliche Realität bei den Germanen zu beschreiben“102, darf den im Einzelnen verwendeten „Amts“-bezeichnungen nicht allzu viel Gewicht beigemessen werden. Als Bestandteile einer aus den Gegebenheiten der römischen Gesellschaft erwachsenen und an diesen orientierten Nomenklatur sind sie für sich genommen wenig geeignet, die spezifischen Verhältnisse innerhalb einer gänzlich anders strukturierten Umgebung originalgetreu abzubilden.103 Dennoch sind sie von nicht zu unterschätzendem Wert, in98 99 100 101 102 103
Vgl. Wolfram, Das Reich und die Germanen, S. 32 u. S. 93. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 122. Caes. Gall. 6,23,1–3. Vgl. Caes. Gall. 6,22,2 u. 6,23,4–5. Steuer, Frühgeschichtliche Sozialstrukturen, S. 258. Siehe auch Edmond Frézouls, Art. Gallien und römisches Germanien, in: Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte in der Römischen Kaiserzeit, hg.
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sofern als die Art ihrer Verwendung Schlussfolgerungen darüber zulässt, welche Vorstellungen den Autor bei seiner Niederschrift geleitet haben. Die Aussagekraft solcher Nachrichten liegt demnach nicht so sehr in den gebrauchten Begriffen selbst, sondern vor allem in den auf diese Weise vermittelten Relationen. Es ist daher durchaus von Belang, wenn Caesar hervorhebt, bei den Germanen habe es in Friedenszeiten keine allgemeine Regierung gegeben, sondern die principes regionum atque pagorum hätten Streitigkeiten beigelegt und Recht gesprochen104. Die Schlichtung von Streitfällen und damit verbunden auch die Feststellung von Recht gehören zu den elementaren Bedürfnissen einer Siedlungsgemeinschaft und sind für ihren Bestand unerlässlich.105 Da solche Funktionen aber nur von Personen sinnvoll ausgeübt werden können, welche in besonderem Maße die Akzeptanz der Allgemeinheit finden, liegt es nahe, für die von Caesar erwähnten principes tatsächlich einen besonderen gesellschaftlichen Rang anzunehmen – so, wie schon Caesar sie als herausragend wahrgenommen und dies nicht zuletzt durch seine Wortwahl (princeps = der Erste, Angesehenste, Vornehmste) zum Ausdruck gebracht hat. Man wird also kaum fehlgehen, wenn man sie als Kern jener Eliten betrachtet, die sich um die Zeitenwende auch im archäologischen Befund abzeichnen, unbeschadet dessen, dass es daneben noch andere Quellen bzw. Ursprünge der Elitenbildung gegeben haben wird. Mit den im Kriegsfall als Befehlshaber gewählten und mit umfassender Macht über Leben und Tod ausgestatteten magistratus106 hebt Caesar noch eine weitere Gruppe von Personen hervor, die – ebenso wie die principes, mit denen sie denn auch im Kontext der etwas obskuren Ausführungen über die Zuteilung der Feldstücke als bestimmende Größen auftreten107 – als Teil
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v. Friedrich Vittinghoff, Stuttgart 1990, S. 428–509, hier S. 482, in Bezug auf die Darstellung der gallischen Gesellschaft bei Caesar; Steven Fanning, Rex and Tyrannus in Roman Historiographical Tradition – Livy, Cicero, Josephus and Gildas, in: Majestas 6 (1998), S. 3–18, hier S. 18 (Zitat), geht sogar noch einen Schritt weiter und weist nachdrücklich darauf hin, dass die in den Quellen verwendeten Begriffe wie tyrannus, rex oder regnum nicht mit unseren modernen Begriffen bzw. Vorstellungen von tyrant, king oder kingdom gleichgesetzt werden dürfen. Das wäre very misleading and thus an unsure guide in attempting to understand the realities of political power in the Roman and post-Roman worlds.; vgl. in diesem Sinne auch Castritius, Art. Princeps, S. 453 f. Caes. Gall. 6,23,5. Vgl. allgemein hierzu Michael Mann, Geschichte der Macht. Bd. 1: Von den Anfängen bis zur griechischen Antike (Theorie und Gesellschaft 15), Frankfurt am Main/ New York 1990, S. 35 (engl. Ausgabe: The Sources of Social Power. Vol. I: A History of Power from the Beginning to a.d. 1760, Cambridge 1986). Caes. Gall. 6,23,4. Caes. Gall. 6,22,2.
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jener sich herausbildenden Eliten anzusprechen sind. Dies deutet gleichzeitig darauf hin, dass auch militärische Qualitäten oder Kompetenzen bei der Absonderung gesellschaftlicher Eliten in irgendeiner Form von Bedeutung gewesen sein dürften.108 Obschon wir die konkreten gesellschaftlichen Positionen der bei Caesar erwähnten principes und magistratus nicht genauer ausmachen können, bestätigt die Schriftüberlieferung an dieser Stelle im Wesentlichen das, was bereits im Vorfeld auf der Basis der archäologischen Zeugnisse dargelegt wurde: keine ausgeprägten herrschaftlichen Strukturen, aber auf kleinräumige Zusammenhänge bezogene Ordnungsfunktionen und zumindest rangmäßige Unterschiede. Darüber hinaus ergeben sich erste Hinweise auf Funktions- bzw. Organisationsbereiche, die mit dem zu beobachtenden Prozess sozialer Differenzierung zumindest insofern verbunden sind, als sie gleichsam den Rahmen darstellten, in welchem die sich herausbildenden Eliten gesellschaftliche Wirkung entfalten konnten. In diesem Kontext verdient vor allem der militärische Aspekt Beachtung: Denn noch ehe mit den sogenannten Herrenhöfen die ältesten sicheren Befunde für einsetzende Differenzierungsprozesse greifbar werden, zeigen umfangreiche Waffenniederlegungen in etwa denselben Regionen – zu nennen sind hier insbesondere die eindrucksvollen Funde von Hjortspring109 –, dass die Fähigkeit zur Kriegführung in größerem Stil, d. h. mit mehr als hundertfünfzig Kriegern auf einer Seite, schon vorher vorhanden war. Damit ist zugleich ein gewisses Maß an zentraler Organisationskompetenz vorauszusetzen, weil Kriegführung zum einen ein Minimum an Koordination und zum anderen gewisse Führungsstrukturen erfordert.110 Vergegenwärtigt man sich die geringe Größe der einzelnen Siedlungen, dann wird offenkundig, dass hundertfünfzig Krieger diesen Rahmen weit über108
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Vgl. in diesem Zusammenhang auch die hier zwar im Hinblick auf die Frühphase der Gesellschaftsentwicklung Südmesopotamiens angewandten, aber dennoch ein gewisses Maß an Allgemeingültigkeit beanspruchenden Beobachtungen Rudolf Pörtners, der zunächst die Autorität einer „Bürgerversammlung“ oder eines „Ältestenrates“ annimmt: Eine solche Versammlung wählte einen Anführer, der zunächst nur in Krisensituationen für beschränkte Zeit und genau fixierte Aufgaben bestimmt wurde. Daraus entwickelte sich dann die Institution eines langfristig amtierenden Leiters, der die ihm übertragenen Kompetenzen entweder aus sachlichen Gründen oder aus eigenem Entschluß, auch ohne Billigung der Versammlung über längere Zeit beibehielt; Rudolf Pörtner, Der Turm von Babel war kein Wolkenkratzer. Blüte und Verfall der ersten Hochkultur der Menschheit, in: Ders. (Hg.), Alte Kulturen, S. 71–102, hier S. 90 (Zitat). Siehe hierzu insbesondere Klavs Randsborg, Art. Hjortspring, in: RGA 14 (1999), S. 640–644; ferner Steuer, Frühgeschichtliche Sozialstrukturen, S. 164, mit weiterer Literatur, vgl. dort ferner die Übersicht auf S. 166 Abb. 33. Vgl. etwa Hedeager, Iron Age Societies, S. 90 f.
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stiegen. Das Rekrutierungsgebiet für eine solche Anzahl bewaffneter Kämpfer muss erheblich größer gewesen sein und dürfte wohl eher ganze Siedlungskammern umfasst haben.111 Auch dies spricht für die Existenz von über den engsten Bereich der Siedlungsgemeinschaft hinausgehenden Kommunikations- und Organisationsstrukturen, die vielleicht nicht permanent wirksam waren, im Bedarfsfall jedoch aktiviert werden konnten. Eine wichtige Grundlage hierfür bildete die in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten in ganz Mitteleuropa ansteigende Produktion von Eisen112 sowie die damit verbundene Möglichkeit der Herstellung und Verwendung effektiverer Waffen. Vermutlich waren es die Träger der Latènekultur, welche die entsprechenden Techniken an ihre nördlichen Nachbarn vermittelt hatten, worauf etwa der Umstand hindeutet, dass die in der sogenannten Germania verwendeten Werkzeuge zur Eisenverarbeitung noch bis in die späte römische Kaiserzeit die „Traditionen der La Tène-Zeit fort[setzten]“113. Darüber hinaus gelangten aus dem Verbreitungsgebiet der keltischen Kultur neben zahlreichen anderen Gegenständen114 vor allem hochwertige Waffen, wie z. B. damaszierte Schwerter, dorthin. Heiko Steuer merkt in diesem Kontext an, dass in dem gesamten „germanischen“ Raum in vorrömischer Zeit die meisten und während der römischen Kaiserzeit „alle Schwerter aus dem kelt[ischen] bzw. dann röm[ischen] Gebiet importiert […] und nur die anderen Waffen, für die geringere Qualität reichte, […] vor Ort selbst produziert [wurden]“115, was er auf den andersgearteten gesellschaftlichen Organisationsrahmen, in welchen die Eisengewinnung und -verarbeitung bei den sogenannten Germanen eingebettet war, zurückführt. Nun wird man sich die insbesondere an den aus Mooren und Gräbern geborgenen Waffenfunden ablesbare kriegerische Betätigung gerade in vorrömischer Zeit nicht allzu großangelegt und wohl auch nicht allzu intensiv betrieben vorstellen dürfen. Es handelte sich eher um bewaffnete Raubüberfälle, welche auf die Gewinnung von Beute zielten. Der Aktionsradius 111 112 113
114
115
Vgl. die Berechnung von Steuer, Frühgeschichtliche Sozialstrukturen, S. 164. Grünert, Gebrauchsgüterproduktion, S. 473. Joachim Henning, Schmiedegräber nördlich der Alpen. Germanisches Handwerk zwischen keltischer Tradition und römischem Einfluß, in: Saalburg-Jahrbuch 46 (1991), S. 65–82, hier S. 71 (Zitat), S. 72 u. S. 75 f. Die Menge an keltischem Fundgut sowie an den Latènestil nachahmenden bzw. verarbeitenden heimischen Gegenständen und Gerätschaften ist insbesondere im Norden außerordentlich hoch, so dass die skandinavische Forschung für diesen Raum die ansonsten als „vorrömische Eisenzeit“ (Pre-Roman Iron Age) bezeichnete Periode zumeist kurzerhand „Celtic Iron Age“ nennt; vgl. Steuer, Art. Ursprung und Ausbreitung der Germanen, S. 140 f.; Ders., Art. Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 158. Steuer, Art. Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 167.
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wird anfangs vermutlich nicht sehr groß gewesen sein, jedenfalls bietet das archäologische Fundgut für diese frühe Zeit keine Hinweise auf ein Vordringen in weit entfernte Gebiete. Wahrscheinlich ist vielmehr, dass sich derartige Unternehmungen in erster Linie gegen (in einem weiteren Sinne) benachbarte Siedlungsgemeinschaften richteten, die gut erreichbar waren und deren Verteidigungspotential kalkulierbar war. Über die konkreten Ursachen für das Aufkommen solcher Überfälle oder Beutezüge kann man allerdings nur spekulieren. Der bloße, durch die verbesserte Waffentechnik gegebene Aspekt der „Machbarkeit“ hat in diesem Zusammenhang sicher eine Rolle gespielt, woraus sich im Hinblick auf die Bewältigung von allgemeinen Konflikt- und Konkurrenzsituationen (z. B. um natürliche Ressourcen wie Fischgründe, Weideland, Ackerfläche und dergleichen mehr) ganz neue Möglichkeiten ergaben, die dann auch entsprechend genutzt wurden. Hinzu kommt ferner das nicht unwesentliche Moment der Beutegewinnung: Beutegut stellte bei ansonsten gleichbleibend geringer Produktivkraft eine der wenigen Möglichkeiten dar, Überschüsse zu erzielen und führte zu einer unmittelbaren Verbesserung der wirtschaftlichen Gesamtsituation einer Gemeinschaft.116 Angesichts der Art von Beute, die bei den weitgehend ähnlich strukturierten Nachbargemeinschaften gewonnen werden konnte – vornehmlich Vieh und Feldfrüchte (sofern diese in größeren Mengen transportabel waren) sowie eventuell Gefangene, die möglicherweise über keltische Vermittlung als Sklaven in den Mittelmeerraum verhandelt wurden117 – wird der durch einen einmaligen Raubzug bewirkte Effekt indes kaum langfristige Folgen für die gesellschaftliche Entwicklung gehabt haben. Erst durch, im Falle des Erfolgs freilich naheliegende, Wiederholungen derartiger Unternehmungen konnten sich, selbst wenn die Abstände zunächst groß und unregelmäßig gewesen sein dürften, dauerhafte Veränderungen im sozialen Gefüge dieser Gemeinschaften ergeben. Die in diesem Kontext einschneidendsten Veränderungen hängen zweifellos mit der Herausbildung von Anführerschaft zusammen, wie sie eingangs für solche Überfälle bzw. Beutezüge wahrscheinlich gemacht werden konnte, die aber von permanent wirksamen Führungsstrukturen grundsätzlich zu unterscheiden ist. Vielmehr deutet alles darauf hin, dass derartige Anführerschaft sich auf jeweils konkrete Unternehmungen bezogen hat, z. B. die Abwehr von Überfällen auf die eigene Siedlungsgemeinschaft sowie die Organisation von Beutezügen, und zeitlich begrenzt war. Bestätigt 116
117
Grundsätzlich hierzu Michael Mann, States, Ancient and Modern, in: Archives Européennes de Sociologie 18/2 (1977), S. 262–298, hier S. 286 f. Das würde auch den Zustrom an keltischem Import erklären.
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wird dies nicht zuletzt durch das Zeugnis Caesars, der angibt, dass in Kriegszeiten magistratus gewählt und mit einer übergeordneten Befehlsgewalt ausgestattet würden118, wobei in der durch das Wahlmoment gegebenen freiwilligen Unterordnung ein grundlegender Zug der hier erkennbaren zeitlich befristeten Anführerschaft zu sehen ist119. Für den solcherart bestimmten Anführer eines Beutezugs verbanden sich mit der erfolgreichen Durchführung des Unternehmens nicht nur ein größerer materieller Zugewinn, sondern auch Prestige und Autorität, die ihm bei dem nächsten Vorhaben dieser Art erneut als geeigneten Kandidaten erscheinen lassen mochten und seine Rangstellung innerhalb der Gemeinschaft erhöht haben dürften. Mehrere erfolgreich geführte Raubüberfälle werden sich dann in einer dauerhafteren wirtschaftlichen Besserstellung niedergeschlagen haben, womit zugleich die Grundlage für eine soziale Absetzung gegeben war: mehr Vieh, ein entsprechend größeres Haus, hochwertige Waffen und vielleicht sogar der Besitz einiger seltener Importgegenstände, die, erbeutet oder erworben, das Prestige ihres Eigentümers weiter hoben und seine Leistungen sinnfällig vor Augen führten.120 Anders aber als es bei bloßen Rangvorteilen der Fall war, beinhaltete die nun gegebene materielle Komponente die Möglichkeit, die so erreichte Stellung über die Generation des Leistungsträgers hinaus zu verstetigen. Die Nachkommen konnten von der verbesserten wirtschaftlichen Grundlage unmittelbar profitieren und verfügten damit zumindest über eine potentiell günstigere Ausgangslage. Ob sich die Anführer von Raub- und Beutezügen aus der Gruppe der principes rekrutierten, ist nicht genau zu bestimmen, aber wohl naheliegend. Dennoch werden hier auch begabte „Aufsteiger“ zum Zuge gekommen sein, die durch Kampfkraft, strategisches Geschick, Charisma oder überhaupt aufgrund besonderer Führungsqualitäten zu überzeugen vermochten. Mit der sich für die Durchführung von Beutezügen etablierenden Anführerschaft wird erstmals eine Form von Herrschaft erkennbar, die jedoch nicht auf Dauer angelegt war. D. h. ein solcher Anführer musste die ihm in den Kampf folgenden Männer für jede Unternehmung stets von Neuem mobilisieren und dementsprechend auch mit einer wechselnden Zusam118 119
120
Caes. Gall. 6,22,4. Vgl. hierzu bereits Max Weber, Der Streit um den Charakter der altgermanischen Sozialverfassung in der deutschen Literatur des letzten Jahrzehnts, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 3. Folge 28 (1905), wieder abgedruckt in: Ders., Gesammelte Aufsätze zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, hg. v. Marianne Weber, Tübingen 21988 (ND Tübingen 1924), S. 508–556, hier S. 531. Zur sozialen Funktion der Importgefäße in den barbarischen Gesellschaften vgl. auch Lund Hansen, Römischer Import, S. 193.
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mensetzung seiner Mannschaft rechnen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die oben umrissenen Aufstiegsmöglichkeiten von einer idealtypischen Entwicklung ausgehen. Bei allem Potential, welches dem Moment dieser Anführerschaft zweifellos innewohnte – sowohl im Hinblick auf die Möglichkeiten der sozialen Absonderung für Einzelne als auch im Hinblick auf die Verbesserung der wirtschaftlichen Gesamtsituation für die jeweilige Gemeinschaft als Ganzes –, dürfen auch die zahlreichen, damit verbundenen Unwägbarkeiten nicht aus den Augen verloren werden: 1) Zu beachten ist zunächst, dass nicht jeder Raubzug erfolgreich verlief. Eine Niederlage konnte dem verantwortlichen Anführer nachhaltig schaden, indem sie seine gesellschaftliche Reputation beschädigte und ihn für weitere Unternehmungen dieser Art disqualifizierte. Hinzu kommt die besondere persönliche Gefährdung solcher Anführer, die sich nicht nur als Organisatoren, sondern immer auch als herausragende Krieger zu bewähren hatten. Zudem ist mit konkurrierenden Führungsansprüchen zu rechnen. 2) Beutezüge dürften zudem Gegenschläge provoziert haben, denen erfolgreich begegnet werden musste. Vor diesem Hintergrund ist nicht von sich durch beständigen Beutezugewinn gleichmäßig verbessernden wirtschaftlichen Bedingungen auszugehen, vielmehr sind für die einzelnen Gemeinschaften starke Schwankungen anzunehmen, nicht zuletzt in Abhängigkeit von ihrem jeweiligen Angriffs- und Verteidigungspotential. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang das Aufkommen umwehrter Siedlungen, die vereinzelt bereits in vorrömischer Zeit in Jütland auftreten, und für die sich insbesondere Borremose und Hodde als prominente Beispiele anführen lassen.121 – Für die Opfer eines Raubüberfalls konnte der Verlust der Vorräte sowie die zahlenmäßige Dezimierung nachhaltige existentielle Konsequenzen haben, die von einem Hungerwinter bis hin zum Fehlen dringend benötigter Arbeitskräfte bei den landwirtschaftlichen Arbeiten reichten. Es mochte Jahre dauern, bis sich eine Siedlungsgemeinschaft von einem schweren Überfall erholt hatte, d. h. schon einzelne Misserfolge konnten das bis dahin Erreichte weitgehend zunichte machen und eine solche Gemeinschaft durchaus auch in ihrem Bestand gefährden. 3) In agrarisch strukturierten Gesellschaften mit geringer Produktivkraft, die auf den Arbeitseinsatz aller angewiesen sind, ist aufgrund 121
Vgl. zu Borremose den freilich etwas dürren Beitrag von O. Klindt-Jensen, Art. Borremose, in: RGA 3 (1978), S. 321 f.; zu Hodde Hvass, Art. Hodde, bes. S. 26; ferner Steuer, Frühgeschichtliche Sozialstrukturen, bes. S. 170 ff. u. S. 260.
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der sich aus den landwirtschaftlichen Tätigkeiten ergebenden Erfordernisse der Zeitraum, in welchem überhaupt Beutezüge unternommen werden können, sehr begrenzt, ebenso der Aktionsradius. Auch aus diesem Grund ist nicht von einem beliebig steigerbaren Zufluss an Gütern auszugehen. Allein diese nur grob konturierten Aspekte machen deutlich, wie labil die Verhältnisse gerade zu Beginn der hier fokussierten Entwicklung gewesen sein müssen. Die unter den genannten Rahmenbedingungen einsetzenden gesellschaftlichen Differenzierungsprozesse waren in hohem Maße von nur bedingt beeinflussbaren und wohl auch zufälligen Faktoren abhängig und entsprechend störanfällig, so dass nicht mit gleichmäßigen oder geradlinigen Entwicklungsverläufen, sondern vielmehr mit wechselnden, durch Aufschwung, Stagnation und Rückschläge geprägten Phasen zu rechnen ist. Aus diesen Zusammenhängen ergibt sich sowohl der sich bei der Bevölkerung des germanischsprachigen Barbaricums nur langsam vollziehende Prozess einer Elitenbildung, ebenso wie die über einen langen Zeitraum hinweg zu beobachtende Instabilität der gesellschaftlichen Organisationsformen insgesamt. Auch wenn die oben zusammengeführten Überlegungen nicht alle Facetten der frühen Gesellschaftsentwicklung im germanischsprachigen Raum erfassen, dürften doch einige wesentliche Züge herausgearbeitet sein. Der so gewonnene Eindruck stimmt dabei grundsätzlich mit den aus dem archäologischen Material ablesbaren Beobachtungen überein, nach denen sowohl die ältesten Befunde für Waffenniederlegungen größeren Umfangs als auch für umwehrte Siedlungen und herausragende Wohnbauten („Herrenhöfe“) aus dem jütländischen Raum stammen, womit ein unmittelbarer geographischer Zusammenhang gegeben ist, der es gestattet, die einzelnen Phänomene zueinander in Beziehung zu setzen. Dazu passen nicht zuletzt auch die zuerst im Ostseegebiet (allerdings auf dem Festland) auftretenden „Fürstengräber“, wobei insbesondere die etwas jüngeren Gräber vom Typ Haßleben-Leuna als Bestattungen einer Kriegerelite anzusprechen sind122. Die zunächst vor allem in den nördlichen Teilen des Barbaricums anhand der archäologischen Befunde erkennbaren Anzeichen für das Einsetzen sozialer Differenzierungsprozesse erfassen in römischer Zeit zusehends 122
Dahingehend bereits Joachim Werner, Bemerkungen zur mitteldeutschen Skelettgräbergruppe Hassleben-Leuna. Zur Herkunft der ingentia auxilia Germanorum des gallischen Sonderreiches in den Jahren 259–274 n. Chr., in: Helmut Beumann (Hg.), FS für Walter Schlesinger, Bd. 1 (Mitteldeutsche Forschungen 74,1), Köln/Wien 1973, S. 1–30; ferner Steuer, Kriegerbanden, S. 840.
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auch die weiter südlich gelegenen Bereiche, was insbesondere auf die Etablierung der Rheingrenze und den bereits angesprochenen Vereinheitlichungsprozess in den Gebieten jenseits derselben zurückzuführen ist. Ohne dass die damit verbundenen, sich offenbar bei weitestgehender Bevölkerungskontinuität vollziehenden123 Vorgänge an dieser Stelle im Einzelnen nachgezeichnet werden können, ist, wie wir gesehen haben, etwa seit der Zeitenwende von relativ gleichartigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen im rechtsrheinischen Barbaricum auszugehen, weshalb die im Folgenden zu behandelnden Entwicklungen grundsätzlich für den gesamten hier in den Blick genommenen Raum vorauszusetzen sind.
6.3.2 Zur Entstehung und Etablierung barbarischen Kriegertums Durch die infolge des römischen Ausgreifens auf Gallien entstandene unmittelbare Nachbarschaft zu dem zivilisatorisch deutlich überlegenen Imperium sollten sich die allgemeinen Rahmenbedingungen für die bäuerlich wirtschaftenden, kleinräumig organisierten und gelegentlich zu Beutezügen aufbrechenden Gemeinschaften am Rande des orbis Romanus nachhaltig verändern. Die an das Barbaricum grenzenden römischen Provinzen müssen aus „barbarischer“ Sicht eine geradezu unerschöpfliche Beuteoption dargestellt haben124 und waren überdies – aufgrund der besseren Infrastruktur mit zentralen Vorratslagern und Magazinen sowie der durch Handel beständig fließenden Warenströme – nicht nur im Sommer bzw. direkt nach der Erntezeit im Frühherbst, sondern das ganze Jahr hindurch ein lohnendes Ziel. Hinzu kommt ferner der große Bedarf Roms an Soldaten, der schon früh zur Rekrutierung barbarischer Einheiten als Hilfstruppen geführt hatte.125 Der Dienst im römischen Heer, und sei es auch nur gelegentlich in – ganz so wie für Beutezüge – nach Bedarf zusammengestellten Einheiten unter einheimischen Anführern, wie es im Bereich der Rheingrenze das ge123 124 125
Siehe Steuer, Art. Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 158. Vgl. auch Schallmayer, Limes, S. 10. Vgl. vor allem Kraft, Rekrutierung; und Yann Le Bohec, Die römische Armee. Von Augustus bis Konstantin d. Gr., Stuttgart 1993 (frz. Ausgabe: L’armée romaine. Sous le Haut-Empire, Paris 21990, 1. Aufl. Paris 1989), S. 102–109; ferner Bellen, Germanische Leibwache; Tausend, Caesars germanische Reiter; G. Wesch-Klein, Alen und Legionen in der Frühzeit des Prinzipats, in: Die römische Okkupation nördlich der Alpen zur Zeit des Augustus. Kolloquium Bergkamen 1989 – Vorträge (Bodenaltertümer Westfalens 26), Münster 1991, S. 203–216; sowie Pohl, Völkerwanderung, S. 27.
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samte erste nachchristliche Jahrhundert hindurch noch üblich war126, sowie die damit verbundene zeitweilige Alimentierung und der Zufluss finanzieller Mittel wirkte sich positiv auf die wirtschaftlichen Verhältnisse im Barbaricum aus. Die insbesondere in den grenznahen Gebieten, in welchen auch die Mehrzahl der Auxiliaren ausgehoben wurden, gegebene hohe Funddichte an römischem Import127 deutet darauf hin, dass die dort lebende Bevölkerung Zugang zu römischen Märkten hatte und am lokalen Handel beteiligt war128. Angesichts der nach wie vor gering zu veranschlagenden landwirtschaftlichen Produktivkraft wird diese Teilhabe wohl in nicht unerheblichem Maße auch durch Soldzahlungen und die damit gegebene Verfügung über römische Zahlungsmittel begünstigt worden sein.129 Vor diesem Hintergrund dürfte das Kriegertum zusehends an Attraktivität gewonnen haben130, insofern als sich auf diese Weise gleich mehrere Wege eröffneten, die zu einer Steigerung des Ansehens und – sei es durch Beute oder Sold – einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation führten. Die damit verbundenen Möglichkeiten werden zu einer Forcierung militärischer Fertigkeiten geführt haben. Da Kampfkraft sich auszahlte, ist anzunehmen, dass diesem Aspekt vielleicht schon bei der Erziehung und Ausbildung heranwachsender Jungen mehr Beachtung zuteil wurde und sich auch die gesellschaftliche Stellung fähiger Kämpfer innerhalb der Gemeinschaften veränderte. Daraus ergaben sich Konsequenzen für das gesamtgesellschaftliche Gefüge: Wenn ein nicht unbeträchtlicher Teil der allgemeinen Lebensgrundlage nicht mehr nur durch Landwirtschaft, sondern durch erfolgreiches Kriegertum erwirtschaftet wurde, dann musste denjeni-
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Dieses auf die Praxis in republikanischer Zeit zurückgehende Verfahren wurde zugunsten der Einrichtung regulärer römischer Auxiliareinheiten sukzessive aufgegeben. Diese mussten sich für einen langen Zeitraum verpflichten und hatten nicht nur eine militärische Grundausbildung nach römischem Muster durchlaufen, wodurch sie besser an Disziplin und die Befehle gewöhnt waren, sie unterlagen – anders als das zuvor der Fall gewesen war – darüber hinaus auch in der Besetzung der Offiziersränge und der Einsatzgebiete vollständig römischer Kontrolle; vgl. hierzu ausführlich Kraft, Rekrutierung, S. 39–42 u. passim. Vgl. Grünert, Austausch und Handel, S. 506 f.; Lund Hansen, Römischer Import, S. 218; ferner Schallmayer, Limes, S. 43. Siehe oben S. 168 f. Vgl. auch Schallmayer, Limes, S. 43; ferner Drexhage/Konen/Ruffing, Wirtschaft, S. 52 sowie die Tabelle auf S. 49, welche den kontinuierlichen Anstieg der Soldausgaben für Auxilien in dem Zeitraum von Augustus bis Maximinus Thrax eindrucksvoll abbildet. Pohl, Völkerwanderung, S. 29; Heather, Untergang, S. 378 ff., nimmt mit guten Argumenten eine ähnliche Dynamik für das Verhältnis zwischen dem Römischen Reich und den Hunnen an.
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gen, die diesen Erfolg „organisieren“ konnten, d. h. den militärisch befähigten Anführern, ein besonderes Maß an Anerkennung und Bedeutung zukommen. Obschon sich die Natur solcher Anführerschaft dadurch zunächst nicht wesentlich geändert haben wird, diese also weiterhin auf freiwilliger Folge begründet und die damit verbundene „Befehlsgewalt“ nicht permanent wirksam war131, waren die bäuerlichen Gemeinschaften insgesamt doch zunehmend von dem erfolgreichen Agieren der militärischen Anführer abhängig.132 Verstärkt wurde diese Entwicklung dadurch, dass – bedingt durch die militärischen Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich Kontakte zu Vertretern des römischen Staates gewöhnlich vollzogen, – es in der Regel diese Anführer waren, welche römischen Amtsinhabern als Ansprech- und Verhandlungspartner gegenübertraten. Selbst wenn sie als solche in Abstimmung mit und im Auftrag der Siedlungsgemeinschaft, der sie angehörten, handelten, erwuchs ihnen daraus doch eine besondere Autorität, die durch kostbare römische Ehrengeschenke133 möglicherweise noch zusätzlich unterstrichen wurde. Im Ergebnis führten diese Verhältnisse zu einer Monopolisierung der römisch-germanischen Beziehungen seitens der militärischen Anführer, denen damit zugleich eine Schlüsselposition im Rahmen der römisch-germanischen Akkulturationsprozesse zukam. Die sowohl für Beutezüge als auch für die Stellung von Hilfstruppen anzunehmende, in einem weiten Sinne als „gefolgschaftlich“ zu charakterisierende Organisationsform stellte gewissermaßen die Grundlage für die seit der Zeitenwende sichtbar werdenden sozialen Differenzierungsprozesse innerhalb des germanischsprachigen Barbaricums dar. Durch die unmittelbare Nachbarschaft zur römischen Welt verbanden sich mit diesen Strukturen Perspektiven, welche weit über die zeitgenössischen Möglichkeiten einer ruralen Wirtschaftsweise hinauswiesen, was zu ihrer Verfestigung und in der Folge zur Entwicklung agrarisch fundierter Kriegergesellschaften führte.134 Dabei dürfte vor allem der gemessen an den landwirtschaftlichen Produktionsverhältnissen vergleichsweise rasche Zufluss von Gütern in größerem Umfang die Herausbildung eines sich „spezialisierenden“ Kriegertums, dessen Angehörige der bäuerlichen Wirtschaft wahrscheinlich nicht vollständig, aber doch über größere Teile des Jahres entzogen waren, erst ermöglicht haben. 131 132 133 134
Weber, Altgermanische Sozialverfassung, S. 531. Siehe hierzu auch Mann, States, S. 289. Vgl. etwa Drexhage/Konen/Ruffing, Wirtschaft, S. 55 f. Vgl. noch einmal Heather, Untergang, S. 378 ff., mit Blick auf die Entwicklung bei den Hunnen.
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Führt man sich in diesem Zusammenhang noch einmal die allgemeinen Wirtschaftsverhältnisse vor Augen135, die auch in der frühen Kaiserzeit kaum eine hinreichende Grundlage etwa für spezialisiertes Handwerk boten, dann wird deutlich, dass der Unterhalt dieses sich herausbildenden Kriegertums kaum aus den eigenen landwirtschaftlichen Erträgen bewerkstelligt werden konnte, so dass das „Beutemachen“ nicht mehr nur auf einen zusätzlichen Gewinn gerichtet war, sondern geradezu zu einer existententiellen Notwendigkeit wurde. Dies erklärt zum einen die mitunter geradezu verblüffende Bereitwilligkeit, mit der sich über die Jahrhunderte hinweg immer wieder barbarische Kriegshaufen von Rom anwerben ließen, und zum anderen, warum sich sogar bei eben erst von Rom bezwungenen Verbänden Aushebungen erfolgreich durchführen ließen, die gewöhnlich, anders als man hätte annehmen können, keine Racheakte, Aufstände o. ä. zur Folge hatten. Im Gegenteil konnten wohl gerade nach einem römischen Vergeltungsschlag, der in der Regel mit der Verwüstung von Anbauflächen und Siedlungen sowie dem Verlust etwaiger Vorräte einherging, die nun unproduktiven Kriegerscharen nicht mehr unterhalten werden, weshalb deren Aufnahme in das römische Heer nicht nur für Rom von Vorteil war, sondern auch die betroffene Gemeinschaft entlastete. Für Rom ergab sich daraus zudem der sicher auch bewusst angestrebte Nebeneffekt, dass die solcherart niedergeworfenen und ihres militärischen Potentials beraubten Gemeinschaften zumindest für eine gewisse Zeit handlungsunfähig waren und keine Bedrohung mehr darstellten136. Die Forschung charakterisiert diese Strategie zumeist als zur Einschüchterung dienende „Schreckpraxis“137, womit jedoch die eigentliche Ziel- und Wirkungsrichtung verkannt ist. Überhaupt scheinen die römisch-„germanischen“ Auseinandersetzungen in hohem Maße von der hier angesprochenen Dynamik geprägt gewesen zu sein138: Der Reichtum der römischen Provinzen machte sie zu einem
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Siehe hierzu auch Wolfram, Ethnographie, S. 61 f., der die gentile Wirtschaft als eine Mangelwirtschaft ausweist: Hunger und Not bedrohten ständig die gentile Existenz (S. 62); Ders., Das Reich und die Germanen, S. 32 u. S. 93; sowie Pohl, Völkerwanderung, S. 26. Siehe auch Wolfram, Das Reich und die Germanen, S. 110; sowie Schallmayer, Limes, S. 105. Vgl. etwa Pedro A. Barceló, Roms auswärtige Beziehungen unter der Constantinischen Dynastie (306–363) (Eichstätter Beiträge 3), Regensburg 1981, zugl. Diss. Freiburg 1980; oder Bernhard Gutmann, Studien zur römischen Aussenpolitik in der Spätantike (364–395 n. Chr.) (Habelts Dissertationsdrucke, Reihe Alte Geschichte 31), Bonn 1991. Vgl. auch Mann, States, S. 289.
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attraktiven Ziel für „germanische“ Beutezüge, bei denen zu diesem Zweck zusammengekommene Krieger unter der Leitung eines Anführers überfallartig in römisches Gebiet vordrangen, raubten, plünderten und Gefangene nahmen, um sich dann rasch wieder in ihre angestammten Siedlungsgebiete zurückzuziehen, wo sie sich in den undurchdringlichen Wäldern verhältnismäßig gut verbergen konnten und dem römischen Zugriff entzogen waren. Die schriftliche Überlieferung bietet hierfür reichhaltige Zeugnisse.139 Allerdings ist davon auszugehen, dass dort weniger jene zahlreichen kleinen Überfälle verzeichnet sind, mit welchen in den Grenzgebieten sicher zu jeder Zeit gerechnet werden musste und deren Verhinderung bzw. Ahndung gewissermaßen zum Tagesgeschäft der dort stationierten römischen Truppen gehört haben dürfte, als vielmehr aufsehenerregende, weiter ausgreifende Beutezüge, zu denen sich offenbar zusehends größere Mengen „germanischer“ Krieger zusammenschlossen und die von Rom nur mit entsprechend massiven Militäraufgeboten eingedämmt werden konnten. In den ersten zwei nachchristlichen Jahrhunderten hat Rom eine relativ energische und gestaltende Germanenpolitik betrieben, indem etwa versucht wurde, durch Bündnisse, Verträge, Handelsvergünstigungen und Titelverleihungen an einzelne Anführer, die mitunter auch finanzielle Unterstützung erhielten140, Einfluss auf die Verhältnisse in den rechtsrheinischen Gebieten zu gewinnen. Dies gelang allem Anschein nach insgesamt recht gut und den immer wieder erfolgenden Übergriffen der Barbaren konnte zumeist angemessen begegnet werden: Nötigenfalls durch Strafexpeditionen in germanisches Gebiet, wobei die römischen Truppen – da sie der Gegner, die sich zumeist durch Rückzug in die undurchdringlichen Wälder einer direkten Konfrontation entzogen, gewöhnlich nicht habhaft werden konnten – durch die Zerstörung der Felder und den damit verbundenen Entzug der Nahrungsgrundlage oftmals mehr erreichten, als durch offenen Kampf. Ammianus Marcellinus beschreibt dieses Vorgehen in Bezug auf die Verhältnisse in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr. als Teil einer bewussten und zielgerichteten römischen Strategie, die sowohl im Rahmen der Auseinandersetzungen mit den Ala-
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Um nur eine ausschnitthafte, keineswegs vollständige Auswahl einschlägiger Nachrichten anzuführen vgl. z. B. Dio 54,11,1–2 (19 v. Chr.), 54,20,4–6 (16 v. Chr.), 54,32,1–2 (12 v. Chr.), 54,36,3 (10 v. Chr.); ferner Aur. Vict. 24,2 (234 n. Chr.), 33,1 (259 n. Chr.), 35,2–3 (273/4 n. Chr.), 38,2 (282 n. Chr.), 42,17 (nach 337 n. Chr.); sowie Liban. or. 59,136 u. 18,70. Siehe beispielsweise Tac. Germ. 42,2; sowie allgemein C. D. Gordon, Subsidies in Roman Imperial Defence, in: Phoenix 3 (1949), S. 60–69.
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mannen als auch gegenüber den Goten im Vorfeld der Schlacht von Adrianopel angewandt wurde.141 Aber auch für den vorangegangenen Zeitraum wird in den Schriftquellen, etwa bei Cassius Dio, Herodianos oder in den sogenannten Panegyrici Latini, immer wieder über offenbar planmäßige Verwüstungen germanischer Siedlungen durch die römischen Streitkräfte berichtet.142 So beschreibt z. B. Herodianos das Vorgehen des Maximinus Thrax (235 bis 238 n. Chr.) während seiner Germanenfeldzüge wie folgt: „Nach seinem Einmarsch in Feindesland drang Maximinus weit vor, ohne daß ihm jemand Widerstand leistete; vielmehr hatten sich die Barbaren zurückgezogen. Er verwüstete das Land weit und breit – das Getreide reifte bereits –, steckte die Dörfer in Brand und überließ sie dem Heer zur Plünderung. Denn das Feuer erfaßt dort sehr leicht die Siedlungen, wie sie sie haben, nebst allen Gebäuden. An Bruchsteinen und Ziegeln ist nämlich bei ihnen Mangel, aber sie haben mächtige Wälder und daher gewaltige Holzvorräte. Daraus zimmern sie sich Hütten zusammen. Maximinus drang in der beschriebenen Art und Weise weit vor und zog mit Beute ab; die Viehherden, auf die sie stießen, überließ er den Soldaten. Die Germanen hatten sich aus der Ebene und, sofern es solches gab, dem baumfreien Gelände zurückgezogen; sie verbargen sich in den Wäldern und hielten sich in der Nähe der Sümpfe auf […].“143
Eine weitere, ebenfalls verschiedentlich in den Quellen bezeugte Methode zur „Befriedung“ barbarischer Kriegerscharen und damit zur Verhinderung von Beutezügen stellte die Gewährung von Unterhalt dar144, entweder in Form von Geldzahlungen oder von Nahrungsmitteln, wofür wiederum Herodianos, diesmal in Bezug auf Commodus (180 bis 192 n. Chr.), ein treffendes Beispiel bietet: „Diese [die Generäle des Commodus; d. Vf.in] führten die ihnen anvertrauten Aufträge durch und es gelang ihnen auch in kurzer Zeit, die meisten der Barbaren mit Waffengewalt zu unterwerfen; (den) anderen stellten sie hohe Tribute in Aussicht und überredeten sie ohne jede Mühe zum Abschluß von Freundschaftsverträgen. Denn die Barbaren sind von Natur aus geldgierig, und entweder verschaffen sie sich unter Mißachtung von Gefahren durch Überfälle und Streifzüge das für ihren Lebensunterhalt Notwendige, oder sie lassen sich den Frieden für teures Geld abkaufen. 141
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Vgl. hierzu insbesondere Gutmann, Studien, mit den entsprechenden Quellenangaben. Vgl. u. a. Dio 54,32,1–2 (12 v. Chr.), 54,36,3 (10 v. Chr.); Paneg. 10 (2),5,2 (unter Maximianus 286 n. Chr.); Paneg. 6 (7),12,1–3 (unter Constantinus 306 n. Chr.); Paneg. 12 (9),22,6 (unter Constantinus 313 n. Chr.). Herod. 7,2,3–5; Übers. nach Wolfgang O. Schmitt/Hansulrich Labuske, in: Herrmann (Hg.), Griechische und lateinische Quellen III, S. 349. Allgemein hierzu Gordon, Subsidies, S. 60 u. passim; ferner Barbara Scardigli, Subsidienzahlungen in der antiken Geschichtsschreibung, in: Kneissl/Losemann (Hgg.), Imperium Romanum, S. 644–653, bes. S. 645 f.
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Das wußte Commodus, und um sich ein sorgenfreies Leben zu erkaufen, gab er, da er mit Geld nicht zu sparen brauchte, ihnen alles, was sie forderten.“145
Die Ausführungen des Herodianos werfen ein helles Licht auf die hier in den Blick genommenen Verhältnisse. Sie zeigen, dass die Beutezüge der auf römisches Provinzgebiet einfallenden barbarischen Kriegerscharen für diese tatsächlich eine existentielle Notwendigkeit darstellen, wenn es heißt, dass sie sich so „das für ihren Lebensunterhalt Notwendige“ zu verschaffen suchten. Der Erfolg von Tributzahlungen hinsichtlich der Eindämmung von Überfällen wird vor diesem Hintergrund weniger auf die den Barbaren topoihaft zugeschriebene Geldgier zurückzuführen sein, als auf den Umstand, dass auf diesem Wege der Unterhalt der Krieger auch ohne Beutezüge sichergestellt war. Es dürfte deutlich geworden sein, dass der von den im rechtsrheinischen Barbaricum siedelnden Gemeinschaften erreichte gesellschaftliche Differenzierungsgrad, wie er insbesondere durch die Ausbildung eines Kriegertums gekennzeichnet ist, nicht aus eigener Kraft aufrechterhalten werden konnte. Die über Jahrhunderte hinweg unverändert geringen Erträge der nach wie vor auf einfachstem Niveau betriebenen Landwirtschaft146 reichten nicht aus, um die wohl nur noch eingeschränkt an der agrarischen Nahrungsmittelproduktion beteiligten Krieger über einen längeren Zeitraum vollständig mitzuversorgen. Nur durch eine Güterzufuhr von außen, also durch Beute147, Sold oder Subsidien, hatten diese Strukturen überhaupt 145
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Herod. 1,6,8–9; Übers. nach Schmitt/Labuske, in: Herrmann (Hg.), Griechische und lateinische Quellen III, S. 341. – Von solchen Tributen berichtet er auch aus der Zeit des Severus Alexander (222 bis 235 n. Chr.), vgl. Herod. 6,7,9. Joris Peters, Nutztiere in den westlichen Rhein-Donau-Provinzen während der römischen Kaiserzeit, in: Bender/Wolff (Hgg.), Ländliche Besiedlung, S. 37–63, hier S. 42 (Zitat), etwa konstatiert in diesem Zusammenhang, dass die römischen Impulse im Agrarbereich kaum über die Reichsgrenze hinaus[reichten], so dass das Barbaricum diesbezüglich auf dem vorrömischen eisenzeitlichen Stand verblieben sei. Unter „Beute“ hat man sich hier, wenn auch nicht ausschließlich, so doch in erster Linie Nahrungsmittel, Vieh und Waffen vorzustellen. Zu den Waffen vgl. insbesondere Steuer, Art. Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 167; sowie Harald von Petrikovits, Militärische Fabricae der Römer, in: Actes du IXe congrès international d’études sur les frontières romaines (Mamaïa, 6–13 septembre 1972), hg. v. Dionis M. Pippidi, Köln/Wien 1974, S. 399–407, der auf die handwerklichen Produktionsstätten in den Legionslagern und deren Umfeld, zu denen nicht zuletzt auch Waffenfabriken gehörten, hinweist. In Bezug auf Vieh als Beutegut siehe etwa Manfred Teichert, Einflüsse römischer Haustierhaltung in der Germania libera, in: FS für Hans R. Stampfli. Beiträge zur Archäozoologie, Archäologie, Anthropologie, Geologie und Paläontologie, hgg. v. Jörg Schibler, Jürg Sedlmeier u. Hanspeter Spycker, Basel 1990, S. 277–284, bes. S. 282, der vor allem Knochenfunde von Rindern untersucht hat.
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entstehen können und nur durch einen fortgesetzten Zufluss solcher externer Mittel waren sie überlebensfähig. Das hier umrissene Grundproblem, zunächst ein spezialisiertes Kriegertum, später dann eine – vielleicht daraus hervorgegangene – aristokratische Gesellschaftsschicht, allein aus den noch lange Zeit eher geringen landwirtschaftlichen Erträgen zu unterhalten, ist im Übrigen noch in den frühmittelalterlichen Anfängen des Frankenreiches erkennbar.148 Die expansive Kraft insbesondere der frühen Karolinger ist nicht zuletzt auf die Notwendigkeit zurückzuführen, die Ansprüche und Erwartungen des militärisch aktiven Adels zu erfüllen, und es ist bezeichnend, dass es in dem Moment, in dem die Grenzen der Expansionsmöglichkeiten erreicht waren, zu inneren Unruhen und einer Schwächung des inzwischen etablierten Königtums kam. Vor diesem Hintergrund muss man sich die aus römischer Sicht barbarischen Gesellschaften jenseits von Rhein und Donau in dieser Umbruchsphase gewissermaßen zweigeteilt vorstellen, so dass von einem ortsfesten bäuerlichen, d. h. im Wesentlichen Landwirtschaft betreibenden, Bevölkerungsteil auszugehen ist und einem tendentiell mobilen, d. h. im Wesentlichen Krieger und ihre Familien umfassenden, Bevölkerungsteil, der seinen Unterhalt nicht mehr vornehmlich aus der Landwirtschaft bezog. Freilich darf man sich diese „Teilung“ nicht zu streng denken – vielmehr ist mit einem hohen Maß an Flexibilität in beide Richtungen sowie mit Mischformen zu rechnen. Sinnfällig sind in diesem Kontext beispielsweise die Verhältnisse bei den Goten des 4. Jahrhunderts: So konstatiert Walter Pohl, dass die Ostrogoten-Greutungen, welche „die Lebensgewohnheiten eines Reitervolkes angenommen hatten“149, unter einem herausragenden Anführer namens Ermanarich organisiert waren, der in den Quellen wie auch in der Forschung zumeist als rex aufgefasst wird150, während die offenbar bäuerlich strukturierten Terwingen keinen rex hatten, sondern einen iudex, der als oberster Würdenträger fungierte151. Erst nachdem sich die Terwingen auf römischem Boden niedergelassen hatten und um die Wende zum 5. Jahrhundert „eine Generation spezialisierter Soldaten herangewach148
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Vgl. insbesondere Guy Bois, Umbruch im Jahr 1000. Lournand bei Cluny – ein Dorf in Frankreich zwischen Spätantike und Feudalherrschaft, Stuttgart 1993, S. 196 (frz. Ausgabe: La Mutation de l’An Mil. Lournand, village mâconnais, de l’Antiquité au féodalismé, Paris 1989); ferner bereits Georges Duby, Krieger und Bauern. Die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft im frühen Mittelalter, Frankfurt am Main 1977, S. 114 (frz. Ausgabe: Guerriers et paysans, VIIe–XIIe siècles. Premier essor de l’économie européenne, Paris 1973). Pohl, Völkerwanderung, S. 48. Jordanes, Getica, 23, 24 u. 48. Vgl. Pohl, Völkerwanderung, S. 48.
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sen“152 war, konnte sich in der Person des Alarich ein militärischer Anführer etablieren, der in den späteren Quellen als rex wahrgenommen wird153. Der Zusammenhang zwischen der Entwicklung eines spezialisierten Kriegertums und der Herausbildung entsprechender Führungspositionen wird hier besonders deutlich. Die Verhältnisse während der sogenannten Völkerwanderungszeit jedenfalls unterstützen die oben dargelegte Sicht auf die barbarische Gesellschaftsentwicklung. So weisen allein schon die Erkenntnis, dass in keinem Fall ganze Völker, Stämme oder Verbände in Bewegung gerieten, sondern bei allen Migrationen immer auch nicht gering zu veranschlagende Bevölkerungsteile zurück geblieben sind, wie auch die archäologische Befundlage, die in der Regel Siedlungskontinuität nachweist, deutlich darauf hin. Dass wir über diese ortsfesten Bevölkerungsteile aus den Schriftquellen gewöhnlich nichts mehr oder nur wenig erfahren, ist offenbar darauf zurückzuführen, dass diese sich gerade nicht in größerem Stil kriegerisch betätigt haben und damit auch nicht die Aufmerksamkeit der römischen Öffentlichkeit auf sich zogen. Damit korrespondieren nicht zuletzt auch die verschiedentlich zu beobachtenden Ethnogeneseprozesse154, waren doch die mobilen Kriegerhaufen und ihre Familien in hohem Maße auf Kooperation angewiesen. Je größer so ein Kampfverbund war, desto besser waren auch die Chancen, hinreichend Beute zu machen, um das Überleben zu sichern. Um solchen Zusammenschlüssen das notwendige Maß an Stabilität zu verleihen, bedurfte es indes anderer Mechanismen als in einer bäuerlich wirtschaftenden Siedlungsgemeinschaft üblich, so dass hier den militärischen Anführern eine gesteigerte Bedeutung zukam. Diese bildeten gewissermaßen den Traditionskern, der als identitätsstiftender und damit den Zusammenhalt fördernder Bezugspunkt solcher polyethnischer Kriegerverbände fungierte. Angesichts dieser Zusammenhänge ist es gewiss kein Zufall, dass die überlieferten Stammesgeschichten – und solche gibt es bezeichnenderweise nur von mobilen bzw. migrierenden gentes, nicht aber von ortsfesten Siedlungsgemeinschaften – die Gleichung Volk = Heer aufstellen.155 Während wir über die solcherart kriegerisch aktiven gentes seitens der römischen Quellen vergleichsweise gut unterrichtet sind, erfahren wir über die zurück gebliebenen Bauern kaum etwas. In diesem Kontext hat Herwig 152 153 154
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Pohl, Völkerwanderung, S. 55. Pohl, Völkerwanderung, S. 54. Siehe hierzu grundsätzlich Wenskus, Stammesbildung; Wolfram, Goten; sowie Castritius, Art. Stammesbildung, Ethnogenese. Wolfram, Das Reich und die Germanen, S. 57.
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Wolfram überzeugend darauf hingewiesen, dass – zumindest für den Raum östlich der Elbe – davon auszugehen ist, dass die bäuerliche Bevölkerung ihre „kleinräumigen und multizentralen Organisationsformen“ beibehielt und zu Slawen wurde.156 Für das Gebiet westlich der Elbe ist entsprechend anzunehmen, dass die sesshafte Bevölkerung von den sich dort jeweils niederlassenden gentes auf die ein oder andere Art integriert wurde.
6.3.3 Die gesellschaftliche Bedeutung der militärischen Anführer Nachdem im Vorfeld vornehmlich die Bedingungen für die Etablierung eines Kriegertums näher beleuchtet wurden, ist im Folgenden noch einmal auf das Moment der Anführerschaft zurückzukommen, welches – wie wir gesehen haben – durch die Art der Kontakte zu Rom sowie die bereits verschiedentlich angesprochenen Formen der römischen Diplomatie im Verlauf der Kaiserzeit eine Bedeutungssteigerung erfuhr, was auch auf die Strukturen innerhalb der barbarischen Gesellschaften Auswirkungen hatte.157 Mit der auf dem freiwilligen Zusammenschluss kampfwilliger Männer beruhenden und aus diesem Grund als „gefolgschaftlich“ zu charakterisierenden Strukturen barbarischer Kriegerverbünde verbanden sich zentrale Organisations- und Führungsfunktionen, deren kennzeichnendstes Merkmal die Abhängigkeit von der Anerkennung der sich dieser Anführerschaft Unterordnenden war.158 In diesem Zusammenhang ist noch einmal hervorzuheben, dass die Führungsfähigkeit der von Caesar als magistratus bezeichneten Befehlshaber auf Zeit stets von Neuem unter Beweis gestellt werden musste, ihre Anführerschaft also keinesfalls gesichert oder auf Dauer angelegt war. Dennoch wird davon auszugehen sein, dass solchen Anführern im Verlauf der Herausbildung eines Kriegertums sowie der damit verbundenen Erfordernisse ein zusehends größeres Maß an Autorität und Bedeutung zukam159, da die Existenz der immer weniger in die landwirtschaftlichen Ar156
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Wolfram, Das Reich und die Germanen, S. 425 u. S. 431 (Zitat); ausführlicher Walter Pohl, Die Awaren. Ein Steppenvolk in Mitteleuropa 567–822 n. Chr. (Frühe Völker), München 1988, bes. S. 125 ff.; sowie noch einmal zusammenfassend Ders., Völkerwanderung, S. 209 f. Vgl. etwa Dirk Meier, Siedeln und Leben am Rande der Welt zwischen Steinzeit und Mittelalter, Darmstadt 2003, hier S. 39 (Zitat), der ebenfalls davon ausgeht, dass die Herausbildung einer stärker gegliederten Sozialstruktur mit einer Art ‚Königtum‘ an der Spitze mit Sicherheit eine Folge des Kontakts mit den Römern war. Weber, Altgermanische Sozialverfassung, S. 531. Vgl. hierzu grundsätzlich Herbert Spencer, Principles of Sociology, London 1963, S. 117 u. S. 125.
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beitsprozesse eingebundenen Krieger in immer größerem Umfang von dem erfolgreichen Agieren der Kampfgemeinschaften und damit von den organisatorischen wie militärischen Fähigkeiten eben jener Anführer abhing. Diese waren in steigendem Maße für die Versorgung der ihnen auf Beutezüge folgenden Männer verantwortlich, woraus sich nicht zuletzt eine besondere wechselseitige Verbundenheit ergeben haben wird, die zu einer Verstetigung sowohl der Kampfgemeinschaften als auch der Anführerschaft tendierte. Den jeweiligen Bezugsrahmen hierfür wird man sich weiterhin sehr überschaubar vorstellen müssen. Die archäologischen Zeugnisse weisen den sich in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten in der materiellen Hinterlassenschaft abzeichnenden Eliten, denen diese Anführer zweifellos zuzurechnen sind, einen Wirkungsbereich von 10 bis 30km zu160, was sich etwa mit der Ausdehnung einer Siedlungskammer oder Siedlungsgemeinschaft deckt. Es ist naheliegend, den engeren Anhang eines Anführers in jenem Umfeld zu vermuten, in dem dessen Anführerschaft sich überhaupt erst hat entfalten können, weshalb es vor allem die Krieger des eigenen Siedlungsumfeldes gewesen sein werden, die den Kern seiner Mannschaft gebildet haben. Die Ausführungen Ammians über die Gefangennahme des alamannischen Anführers Chnodomarius, der nach der Schlacht von Argentoratum (Straßburg) 357 n. Chr. mit zweihundert Begleitern (comites) auf der Flucht aufgespürt worden war161, geben dabei einen Hinweis auf die zahlenmäßige Stärke einer solchen engeren Anhängerschaft.162 Die genannte Zahl lässt sich mit dem oben Gesagten im Übrigen auch insofern gut vereinbaren, als sie der durchschnittlich von solchen Siedlungsgemeinschaften aufzubringenden Menge an Kriegern entspricht. Die in den Schriftquellen überlieferten Nachrichten bezeugen indes zumeist sehr viel größere Kriegerscharen, deren zahlenmäßige Stärke weit über das aus einem kleinräumigen Siedlungskontext rekrutierbare Potential der oben beschriebenen engeren Anhängerschaften hinausgehen. Vor diesem Hintergrund ist zum einen davon auszugehen, dass besonders erfolgreiche Anführer eine gewisse überregionale Berühmtheit erlangen konnten und in der Lage waren, für einzelne Unternehmungen auch Krieger aus anderen Gebieten zu mobilisieren, die sich ihnen mit Aussicht auf Teilhabe an der zu erwartenden Beute anschlossen.163 Zum anderen aber erforderten 160 161 162
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Siehe oben S. 170. Amm. 16,12,60. Vgl. auch Heather, Untergang, S. 118 f., der in diesem Kontext auf den Moorfund von Ejsbøl Mose hinweist. Dass durchaus mit guten Kontakten der germanischsprachigen Verbände untereinander zu rechnen ist, hat bereits Lund Hansen, Römischer Import, S. 218, mit Hinweis auf deren materielle Kultur hervorgehoben.
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vor allem die von Rom vorangetriebenen Fortifikations- und Grenzsicherungsmaßnahmen sowie die massive römische Truppenpräsenz eine Bündelung der Kräfte und ein konzertiertes Vorgehen auch auf Seiten der Barbaren, weshalb sich für größer angelegte und ertragreichere Beutezüge allem Anschein nach die Krieger zahlreicher Siedlungsgemeinschaften zu einem größeren Kampfverbund zusammenschlossen.164 Die Leitung einer solchen Unternehmung wird vermutlich dem am meisten angesehenen unter den gemeinsam agierenden lokalen bzw. regionalen Anführern zugefallen sein, vielleicht aber auch demjenigen, der das Bündnis zustande gebracht hatte, was angesichts der Streitigkeiten und Konflikte, die oftmals zwischen den barbarischen Siedlungsverbänden herrschten, gewiss keine geringe Leistung dargestellt haben dürfte. Ob solchen Zusammenschlüssen ethnische, sprachliche oder kultische Verhältnisse zugrunde lagen bzw. ob solche Bezüge in diesem Kontext eine Rolle gespielt haben oder nicht, lässt sich anhand der gegebenen Überlieferung kaum sicher bestimmen. Unter dem Eindruck der oben erläuterten Bedingungen und im Hinblick auf den rein militärischen Charakter dieser Verbünde darf man die volksmäßige Komponente aber gewiss nicht allzu stark betonen: Es waren – anders als dies in den Quellen zumeist grob verallgemeinernd dargestellt wird – keine Völker, welche die römischen Provinzen raubend und plündernd heimgesucht haben165, sondern in erster Linie relativ mobile „Kriegerbanden“166, die sich in ihrer jeweils konkreten Formierung zu einem jeweils ganz bestimmten Zweck zusammengeschlossen hatten und anschließend rasch wieder voneinander trennten. Auch die in den Schriftquellen wiederholt auftretende Beobachtung, dass die einfallenden barbarischen Kriegerscharen, nachdem sie erfolgreich Beute gemacht hatten, in kleinere Einheiten zerfielen167, die dann nicht selten von gegebenenfalls rasch eintreffenden römischen Truppen leicht aufgerieben werden konnten, deutet auf nur lose und nicht auf Dauer angelegte Zweckverbünde hin. Daneben begegnen immer wieder vor allem die Namen von Anführern, die für Rom nicht nur Gegner, sondern gleichzeitig auch Verhandlungs- und Vertragspartner waren und die zumeist als reges bezeichnet werden, was seitens der Forschung in der Regel als Ausweis für die Existenz von Königtum aufgefasst wird. Die hier ausgebreiteten Überlegungen machen ein institutionalisiertes Königtum schon für die Zeit vor den sogenannten Völkerwanderungen, vor 164 165 166 167
Vgl. hierzu auch die Beobachtung von Pohl, Völkerwanderung, S. 155. Pohl, Völkerwanderung, S. 155. Siehe auch Steuer, Kriegerbanden, passim. Vgl. Pohl, Völkerwanderung, S. 52.
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allem aber vor den daraus resultierenden gentilen Reichsbildungen auf römischem Territorium jedoch wenig wahrscheinlich. Dagegen sprechen sowohl die wechselnde, nicht auf Dauer angelegte und grundsätzlich auf Freiwilligkeit beruhende Zusammensetzung der Kriegerverbünde, als auch der Umstand, dass sich die in diesen Zusammenhängen erkennbare Anführerschaft wohl in erster Linie auf die waffentragenden Krieger, nicht jedoch auf die bäuerliche „Zivilbevölkerung“ erstreckte. Die bereits erwähnte und von Wolfram mit Recht wiederholt herausgestellte Beobachtung, dass noch die Stammesgeschichten die Gleichung Volk = Heer aufstellten168, ist durchaus als ein später Reflex auf die hier dargestellten Umstände zu bewerten und untermauert selbige. Zwar ist durchaus anzunehmen, dass ein erfolgreicher Anführer eines Kriegerverbandes auch bei den nicht unmittelbar an Beutezügen partizipierenden Bevölkerungsteilen seiner Siedlungsgemeinschaft in hohem Ansehen stand und gewiss auch dort Autorität entfalten konnte169, dennoch gibt es grundlegende qualitative Unterschiede zwischen einer institutionalisierten Herrschaft wie dem Königtum und dieser Form von Anführerschaft, die deshalb mit dem Begriff „Heerkönigtum“170 auch nicht sehr zutreffend charakterisiert ist. Besonders ins Gewicht fällt, dass mit einer potentiell veränderlichen und allenfalls in Teilen dauerhaften Anhängerschaft ein wesentlicher Bezugspunkt für institutionalisierte Herrschaft fehlt. Die Stellung, der Rang und die Einflussmöglichkeiten bzw. das Machtpotential eines solchen Anführers waren aufgrund der gegebenen Bedingungen stets von Konkurrenz bedroht, in hohem Maße erfolgsabhängig und damit nur sehr eingeschränkt stabil. Die römischen Quellen liefern hier bedauerlicherweise nur Splitter und zudem keinerlei Informationen darüber, wie sich diese Verhältnisse aus der Sicht der Barbaren dargestellt haben. Sie vermitteln aber immerhin einen Eindruck von der strukturellen Instabilität gentiler Führungspositionen, indem sie, wenn sie über die Karrieren einzelner Anführer berichten, das Spektrum der unterschiedlichen damit verbundenen Möglichkeiten vor Augen führen. Ammianus Marcellinus bietet für das 4. Jahrhundert n. Chr. einige solcher Beispiele: So zeigt er mit dem alamannischen rex Macrianus einen Anführer, der sich – obwohl von Rom verfolgt und lange Zeit auf der Flucht – im Ergebnis in seiner Stellung hat behaupten können171, während der Anführer der terwingischen Goten, der rex Fritigern, trotz seines erfolg168 169 170
171
Vgl. etwa Wolfram, Ethnographie, S. 57. Spencer, Sociology, S. 125. Vgl. Schlesinger, Heerkönigtum; Wolfram, Ethnographie, S. 63; Ders., Art. Heerkönigtum. Amm. 28,5,8/29,4,2–7/30,3,3–6.
Elitenbildung und Gesellschaftsorganisation
201
reichen Agierens in der epochalen Schlacht von Adrianopel (378 n. Chr.) seinen Einfluss anschließend allem Anschein nach eingebüßt hat172. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang ferner der Fall des alamannischen Anführers Fraomarius, der sich als von Valentinian I. (364 bis 375 n. Chr.) eingesetzter rex offenbar nicht durchzusetzen vermochte und schließlich im Rang eines Tribuns als Befehlshaber über eine Alamanneneinheit in Britannien eingesetzt wurde.173
6.3.4 Zur „germanischen Gefolgschaft“ nach Tacitus Was sich hier in Form von durch militärische Leistungen herausragenden Anführern und ihnen freiwillig zu einem Raubzug bzw. römischen Feldzug folgenden Männern bereits recht früh als eine im weitesten Sinne gefolgschaftliche Organisationsform abzeichnet, geht von der Tendenz her durchaus in die Richtung dessen, was Tacitus mit dem Begriff „comitatus“ gefasst hat und in einer längeren Passage seiner Germania recht ausführlich erläutert174. Allerdings ist seine Darstellung insofern problematisch, als sie stark modellhafte Züge aufweist und, mangels eigener Anschauung, insgesamt wohl eher auf stereotypen römischen Vorstellungen von den allzeit kriegsbereiten germanischen Barbaren beruht, als dass sie Details über die gesellschaftlichen Verhältnisse bei „den Germanen“ zu vermitteln vermöchte. Nicht auszuschließen ist ferner, dass Tacitus hier ein unscharfes Allgemeinwissen von dem nur losen und für Römer vermutlich nur schwer erfassbaren gesellschaftlichen Organisationsgrad der „Germanen“ in Analogie zu dem für ein römisches Lesepublikum vertrauteren Klientelwesen ausdeutet und das Phänomen auf diese Weise verständlich zu machen sucht. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus den taciteischen Nachrichten kaum mehr als die grundsätzliche Existenz gefolgschaftlicher Strukturen herauslesen175, weshalb Dieter Timpe in seinem einschlägigen Artikel für das „Reallexikon der Germanischen Altertumskunde“ resümierend feststellt: „So wichtig das Zeugnis des Tacitus bleibt, als Abb[ildung] der sozialen Realität des 1. Jh.s n. Chr., auf die sich weitgespannte hist[orische] Rekonstruktionen stützen könnten, darf es nicht genommen werden.“176
172 173 174 175 176
Siehe auch Gutmann, Studien, bes. S. 161, mit den jeweiligen Quellenstellen. Amm. 29,4,7. Vgl. Tac. Germ. 13,2–15,2. Bazelmans, Political Structure, S. 119. Dieter Timpe, Art. Gefolgschaft, § 2 Historisches, in: RGA 10 (1998), S. 537–546, hier S. 541.
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Sozio-ökonomische und sozio-politische Entwicklungen bei den gentes
Dem in wesentlichen Elementen auf eben jener Darstellung des Tacitus basierenden geschichtswissenschaftlichen Konzept von der „germanischen Gefolgschaft“177 ist damit letztlich der Boden entzogen. In Abgrenzung hiervon ist mithin auf den einen vergleichsweise hohen Gad an Institutionalisierung implizierenden Terminus „Gefolgschaft“ zu verzichten. Es empfiehlt sich, stattdessen mit Dieter Timpe von „gefolgschaftlichen Phänomenen“178 bzw. Strukturen oder mit Walter Pohl von „gefolgschaftsartigen Kriegergruppen“179 zu sprechen, was den Charakter der eher losen, gewiss nicht immer einheitlichen und keinesfalls festgefügten Organisationsformen „germanischer“ Gesellschaften (sowie etlicher anderer auch, wie etwa das Beispiel der Indianer Nordamerikas zeigt) deutlich besser zum Ausdruck bringt.
177
178 179
Eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem hier nur angedeuteten Problemfeld findet sich bei Timpe, Art. Gefolgschaft, Historisches, so dass an dieser Stelle auf ein ausführliches Referat verzichtet werden kann. Die folgenden Angaben sind daher im Wesentlichen auf Überblicksdarstellungen beschränkt, welche den Forschungsstand zusammenfassen und auf die einschlägigen Spezialuntersuchungen verweisen: vgl. in diesem Sinne richtungsweisend für die ältere Forschung Schlesinger, Herrschaft und Gefolgschaft; sowie überblicksartig Schulze, Grundstrukturen I, S. 39–47; aktueller Timpe, ebda.; und Heiko Steuer, Art. Gefolgschaft, § 3 Archäologisches, in: RGA 10 (1998), S. 546–554; siehe zudem Bazelmans, Political Structure; und vor allem Pohl, Germanen, S. 69–72; Ders., Völkerwanderung, S. 29 f. Vgl. Timpe, Art. Gefolgschaft, Historisches, S. 542. Pohl, Völkerwanderung, S. 30.
Gentile Herrschaftsorganisation im Spannungsfeld römischer Außenpolitik
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7. Der römische rex-Begriff: Gentile Herrschaftsorganisation im Spannungsfeld römischer Außenpolitik Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse bei den im rechtsrheinischen Barbaricum siedelnden „Germanen“ bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. keine hinreichende Grundlage für die Etablierung eines Königtums im eigentlichen Sinne boten. Die am deutlichsten in den Quellen zu Tage tretende Form herrschaftlicher Organisation sowie deren Funktionsträger fassen wir in den militärischen Anführern, über deren zivile Befugnisse bzw. Autorität indes allenfalls spekuliert werden kann. Dass ihr Einfluss außerhalb der Sphäre der Kriegführung durchaus begrenzt gewesen sein dürfte, darauf deuten Quellenzeugnisse hin, die beispielsweise für die Alamannen von eigenständig, d. h. nicht im Auftrag eines solchen Militärführers, handelnden Gesandtschaften berichten1, desgleichen die häufig erwähnten und immer in der Mehrzahl auftretenden principes und optimates. Letztere waren es, die im Falle einer Niederlage ihre Söhne als Geiseln zu stellen hatten2, die demzufolge wohl in irgendeiner Form auch an den damit verbundenen Verhandlungen sowie gegebenenfalls erfolgenden Vertragsabschlüssen beteiligt gewesen sein werden und die offensichtlich über eine von der militärischen Anführerschaft unabhängige Autorität verfügten3, welche aber aufgrund der diesbezüglich nicht besonders aussagekräftigen Überlieferung nur mehr schemenhaft erkennbar ist. Auch dieses Nebeneinander von nicht scharf voneinander abgrenzbaren gesellschaftlichen Ordnungsfunktionen (und ihren Inhabern) läuft der Annahme von der Existenz einer zentralen Herrschaftsinstitution, wie sie das Königtum darstellt, zuwider. Dennoch sprechen die antiken Auto1 2 3
Vgl. z. B. Amm. 17,1,3 u. 17,2,12. Amm. 28,2,6. Vgl. auch die Beobachtung von Thomas Zotz, Die Alemannen um die Mitte des 4. Jahrhunderts nach dem Zeugnis des Ammianus Marcellinus, in: Die Franken und die Alemannen bis zur „Schlacht bei Zülpich“ (496/97), hg. v. Dieter Geuenich (RGA Ergbd. 19), Berlin/New York 1998, S. 384–406, hier S. 404, mit Bezug auf alamannische Beispiele.
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Gentile Herrschaftsorganisation im Spannungsfeld römischer Außenpolitik
ren, nach einer etwa durch Tacitus und Sueton (~ 75 bis um 150 n. Chr.) repräsentierten und durch eine changierende Terminologie gekennzeichneten Phase, seit dem 3. Jahrhundert n. Chr. fast ausnahmslos von basileis (so z. B. Cassius Dio) bzw. von reges (so z. B. Ammianus Marcellinus), wenn sie die militärischen Anführer der „germanischen“ Barbaren meinen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich die Notwendigkeit zu prüfen, was sich für die Römer mit der Bezeichnung rex verband und welche Bedeutung diesem Titel im Umgang mit den barbarischen Verbänden zukam. „Anders als in Griechenland ging in Rom das archaische Königtum nicht evolutionär in eine Herrschaft der Adligen über, sondern wurde durch einen Aufstand des römischen Adels abgelöst, der sich sofort bewußt antimonarchisch organisierte. In der römischen Überlieferung wird dieser Aufstand damit begründet, daß der letzte König, Tarquinius Superbus, seine Herrschaft tyrannisch ausgeübt habe. Trotz der hohen Geltung der ersten Könige, insbesondere des Stadtgründers Romulus, lagen deshalb für den Römer der Republik die Begriffe ‚rex‘ und ‚tyrannus‘ eng beieinander […]“4, so dass die Bezeichnungen rex und regnum immer auch eine gewisse pejorative Komponente beinhalteten, insofern als sie auf eine nicht-konstitutionelle Grundlage der Herrschaft hinwiesen.5 In den auswärtigen Beziehungen tritt dieses Moment insofern deutlich zu Tage, als man es in Rom grundsätzlich ablehnte, dauerhafte „Staatsverträge“ mit monarchisch regierten Völkern zu schließen, da ein reguläres foedus nach römischer Auffassung nur zwischen zwei freien Völkern Bestand haben konnte. Im Falle einer Monarchie konnte Rom allenfalls mit dem rex ein persönliches Abkommen treffen, welches jedoch mit dessen Tod erlosch.6 Die römischen Alleinherrscher seit Augustus vermieden den rex-Titel und ließen sich in öffentlichen Zusammenhängen Caesar, Imperator oder später auch Augustus nennen, daneben wurden sie – folgt man den Quellen – zumeist als principes bezeichnet.7 Der monarchische Charakter des Prinzipats wurde offiziell niemals eingeräumt, stattdessen beanspruchte der Princeps als restitutor rei publicae Geltung und reklamierte auf diesem Wege den republikanischen Freiheitsgedanken als Grundlage seiner Herr-
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6 7
Jochen Martin, Art. Monarchie, Griechisch-römische Antike, in: Geschichtliche Grundbegriffe 4 (1978), S. 134–140, hier S. 138; vgl. ferner Alföldi, Monarchische Repräsentation, S. 20; sowie Wolfram, Early Medieval Kingdom, S. 9 f. Vgl. hierzu Fanning, Rex and Tyrannus, der weiterhin ausführt: Rulers who were bound by constitution ought to be seen as magistrates rather than as kings (S. 13). Rosenberg, Art. Rex, Sp. 719 f. Vgl. auch Wickert, Art. Princeps, Sp. 2135; und Martin, Art. Monarchie, S. 139.
Gentile Herrschaftsorganisation im Spannungsfeld römischer Außenpolitik
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schaft.8 Vor diesem Hintergrund konnte in der Staatstheorie die oben dargelegte Sicht auf auswärtige Monarchien und desgleichen die hieraus resultierende Praxis im Umgang mit solchen beibehalten werden. Mit Blick auf die römisch-germanischen Beziehungen ist zunächst das große zivilisatorische und kulturelle Gefälle anzusprechen, von welchem diese geprägt waren. Gemessen an den Errungenschaften der eigenen Kultur, müssen dem römischen Beobachter allein die äußeren Lebensverhältnisse der „Germanen“ ungeheuer primitiv vorgekommen sein, was in den Quellen in zahlreichen befremdeten oder auch abfälligen Bemerkungen lebhaft zum Ausdruck kommt9. Das hiermit einhergehende Superioritätsbewusstsein wurde des Weiteren durch die große expansive Kraft, über welche das Imperium Romanum lange Zeit verfügte, genährt, und hat entsprechend auch die Haltung und die Politik gegenüber den Anrainer-Völkern bestimmt. Als Rom über die Alpen hinweg nach Norden ausgriff, waren die das Mittelmeer umschließenden Küstengebiete mit Ausnahme des westlichen Teils der afrikanischen Mittelmeerküste10 bereits weitgehend unter römischer Kontrolle, und bei vielen der Völker, mit denen die Römer sich in diesem Kontext auseinanderzusetzen hatten, trafen sie, wie zum Beispiel bei den Ägyptern, den Hellenen oder den Parthern, auf monarchische Organisationsformen. Der Grundsatz, mit reges nicht auf gleicher Ebene zu verhandeln, verdeutlicht vor diesem Hintergrund nicht nur das „moralische“ Überlegenheitsgefühl der republikanisch und damit nach eigenem Verständnis freiheitlich verfassten Römer, sondern ist darüber hinaus zweifellos auch als politisches Kalkül zu betrachten. Besser ließ sich der römische Hegemonialanspruch kaum demonstrieren, als dadurch, dass man dem Gegner nur eine eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit zubilligte. Betrachten wir nun die „diplomatischen Beziehungen“ zwischen Rom und den germanischsprachigen gentes, dann stellt sich die Frage, wer auf der Seite der Barbaren unter welchen Umständen überhaupt als Ansprechpart8
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Vgl. Wickert, Art. Princeps, Sp. 2136 u. Sp. 2080; und in diesem Sinne auch Alföldi, Monarchische Repräsentation, S. 25. Anders in diesem Kontext Jochen Bleicken, Prinzipat und Dominat. Gedanken zur Periodisierung der römischen Kaiserzeit (Frankfurter Historische Vorträge 6), Wiesbaden 1978, der die Vorstellung, Augustus habe seine quasi-monarchische Herrschaft kaschieren wollen, ablehnt (S. 10), allerdings einräumen muss, dass die Monarchie sich äußerlich, d. h. formal und terminologisch, in die Strukturen der republikanischen Verfassung eingepasst hat (S. 9 u. S. 11). Vgl. z. B. Plin. nat. 16,2–6, über die Chauken; oder Tac. Germ. 16–17, über Bauweise und Bekleidung der Germanen. Dort sollte später die römische Provinz Mauretania eingerichtet werden.
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Gentile Herrschaftsorganisation im Spannungsfeld römischer Außenpolitik
ner in Frage kam. Da Kontakte sich in der Hauptsache aus militärischen Konfrontationen ergaben, ist in Anlehnung an die vorangegangenen Ausführungen davon auszugehen, dass es die Anführer von Kriegs- und Beutezügen waren, mit denen die Römer zu verhandeln hatten. Personen also, deren umfassende Autorität zeitlich begrenzt war und deren Einflussmöglichkeiten sich nach dem Ende des Krieges deutlich verringerten. In Rom hat man diese Eigenart der barbarischen Anführerschaft durchaus erkannt, davon zeugen sowohl die Nachrichten bei Caesar als auch die bei Tacitus11. Besonders deutlich kommt dies nicht zuletzt bei Cassius Dio (150 bis 235 n. Chr.) zum Ausdruck, wenn er bezogen auf Ariovist bemerkt: „Er besitzt nämlich zu keiner Zeit eine eigene Streitmacht, die man als festgefügt und zusammengeschweißt bezeichnen könnte, und augenblicklich ist er, da er ja mit keiner ernsthaften Gefahr rechnet, auch noch gänzlich unvorbereitet. Nicht einmal einer seiner Landsleute dürfte ihm daher bereitwillig, selbst wenn er ihm große Versprechungen macht, zur Hilfe kommen.“12
Obgleich dieser Stelle wegen des großen zeitlichen Abstandes für die Verhältnisse des ersten vorchristlichen Jahrhunderts nur eine eingeschränkte Aussagekraft zukommt, werden sich hier zumindest die dem Autor geläufigen Zustände seiner eigenen Gegenwart widerspiegeln. In der Praxis dürften sich die Beziehungen aufgrund der aus römischer Perspektive nicht immer eindeutigen Herrschaftsverhältnisse und der sich hieraus ergebenden Frage nach der Legitimationsgrundlage sowie der Verbindlichkeit getroffener Vereinbarungen mitunter problematisch gestaltet haben13, so dass vor diesem Hintergrund die förmliche Verleihung des rex atque amicus-Titels seitens des Senats, mit welcher zugleich ein socius-Verhältnis besiegelt wurde14, auch als Strategie betrachtet werden kann, den Vertragspartner gemäß römischer Rechtsvorstellungen überhaupt erst als solchen zu legitimieren. Der rex-Titel war hier insofern geeignet, als er zum einen eine fest umrissene staatsrechtliche Grundlage hatte, zum anderen aber aufgrund seiner pejorativen Konnotation gleichzeitig den großen Abstand zwischen dem Imperium und dem jeweiligen Bündnispartner markierte. Zudem konnte sich Rom durch diese Vorgehensweise der Fiktion hingeben, dass der solcherart Ausgezeichnete sein „Herrscheramt“ erst 11 12 13
14
Vgl. Tac. Germ. 7,1 u. 11–13. Dio 38,45,2. Vgl. in diesem Kontext auch Alexander Demandt, Die Anfänge der Staatenbildung bei den Germanen, in: HZ 230 (1980), S. 265–291, hier S. 268; und Michael Stahl, Zwischen Abgrenzung und Integration: Die Verträge der Kaiser Marc Aurel und Commodus mit den Völkern jenseits der Donau, in: Chiron 19 (1989), S. 289–317, hier S. 294 f. Vgl. hierzu Rosenberg, Art. Rex, Sp. 720.
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durch den Beschluss des Senats erhielt, weshalb „man ihm auch die Insignien des Königtums“15 übersandte oder übergab. Nach römischem Verständnis wurde die Verleihung dieser Würde als beneficium16 betrachtet, welches den Empfänger gegenüber dem Imperium verpflichtete.17 Dass damit de facto die Anerkennung der römischen Oberherrschaft gemeint war, zeigt sich sehr deutlich im Umgang Caesars mit Ariovist, wenn er nicht um eine Unterredung bittet, sondern diese fordert bzw. anordnet18 und in diesem Zusammenhang auch wiederholt auf das durch die Annahme des rex atque amicus-Titels begründete officium hinweist19. Für die Germanen hingegen, auch davon vermittelt die AriovistPassage im Bellum Gallicum zumindest einen Eindruck, werden sich mit dem socius-Verhältnis vielfach zunächst ganz andere Erwartungen verbunden haben. So äußert Ariovist in einer von Caesar stilisierten Rede: (5) amicitiam populi Romani sibi ornamento et praesidio, non detrimento esse oportere, idque se hac spe petisse. si per populum Romanum stipendium remittatur et dediticii subtrahantur, non minus se libenter recusaturum populi Romani amicitiam quam adpetierit. „(5) Die Freundschaft des römischen Volkes müsse ihm zum Schmuck und Schutz, nicht aber zum Schaden gereichen, und in dieser Erwartung habe er sich darum beworben. Wenn ihm durch das römische Volk der Tribut gestrichen und die Untertanen entzogen würden, werde er auf die Freundschaft des römischen Volkes nicht weniger gern verzichten, als er sie erstrebt habe.“20
Von weitaus größerer Bedeutung aber als die hier formulierten Motive (ornamentum et praesidium) war für den Eintritt in einen solches „Freundschaftsverhältnis“ mit Rom sicherlich die finanzielle Unterstützung, die den römischen socii zuteil wurde. So hat Ariovist, wie Caesar hervorhebt, reichliche Geschenke erhalten21, und auch Tacitus weist in der Germania in Bezug auf die reges der Markomannen und Quaden ausdrücklich darauf hin, dass diese ihre Kraft und ihre Macht aus römischer Vollmacht erhielten und ihnen häufig mit Geld geholfen würde22. Die finanziellen Zuwendungen dürften es einem mit dem rex atque amicus-Titel ausgezeichneten Anführer ermöglicht haben, die Krieger seiner engeren Anhängerschaft zu versorgen, sie dadurch stärker an seine Person zu binden und seine innerhalb 15 16 17 18 19 20 21
22
Rosenberg, Art. Rex, Sp. 720, mit Belegstellen. Vgl. Caes. Gall. 1,35,1 u. 1,43,4–5. Vgl. auch Szidat, Caesars diplomatische Tätigkeit, S. 40 f. u. S. 126. Caes. Gall. 1,33,1. Vgl. Caes. Gall. 1,35,2; 1,40,2 u. 43,4–5. Caes. Gall. 1,44,5; Übers. nach Goetz/Welwei (Hgg.), Altes Germanien I/1, S. 295. Caes. Gall. 1,43,4; vgl. auch Gordon, Subsidies, S. 60 f.; sowie Stahl, Anerkennung und Integration, S. 296 f. Tac. Germ. 42,2.
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der eigenen Siedlungsgemeinschaft ohnehin schon herausgehobene Stellung weiter zu befestigen bzw. auszubauen und gegenüber Konkurrenten zu behaupten. Gleichzeitig war eine gewisse Abhängigkeit von Rom gegeben, so dass das Imperium Romanum sich auf diesem Wege Einflussmöglichkeiten auch auf die inneren Angelegenheiten der barbarischen Verbände verschaffte. Überhaupt wird es aus römischer Perspektive von Vorteil gewesen sein, anstelle mehrerer principes oder optimates nur noch jeweils einen Ansprechpartner zu haben.23 Jedenfalls zeigt die in der Kaiserzeit erkennbare Zunahme der Praxis solcher Königseinsetzungen durch Rom24, dass dieses Prinzip des „subventionierten Königtums“ sich offenbar im Rahmen der Gestaltung der außenpolitischen Beziehungen zu einzelnen barbarischen Verbänden bewährt hatte. Die „Germanen“ selbst reagierten hierauf recht unterschiedlich. So gab es immer wieder Träger des „regis nomen“25, die aufgrund dieses Titels und der in ihm zum Ausdruck kommenden Romnähe bei ihrem Volk verhasst waren, wie etwa Marbod, dem dies in der Auseinandersetzung mit Arminius zum Nachteil gereichte26, oder die sogar deshalb vertrieben wurden, wie es zum Beispiel im Fall des cheruskischen Anführers Chariomerus (90 n. Chr.)27 oder des rex Furtius bei den Quaden (um 173/4 n. Chr.)28 geschah. Insgesamt aber scheinen die von Rom ausgezeichneten reges weitgehend akzeptiert worden zu sein, nicht zuletzt wohl wegen des sich hiermit verbindenden Zuflusses von Geld und Gütern, der – wie gezeigt werden konnte – für den Erhalt der Kriegergemeinschaften von existentieller Bedeutung war. Die finanziellen Zuwendungen ermöglichten zudem den Erwerb von hochwertigen Waffen und römischen Luxusgütern29 und sicherten auf diese Weise zum einen die Stellung eines Siedlungsverbandes innerhalb der übrigen gentes, zum anderen verband sich damit eine gewisse Teilhabe an der römischen Zivilisationshöhe.30 Dass diese von den germa23 24 25 26 27 28 29
30
Siehe hierzu bereits Wolfram, Early Medieval Kingdom, S. 11. Vgl. etwa Plin. epist. 2,7,2; Hist. Aug. Hadrian 12,7 u. Marcus Antoninus 14,3. Tac. ann. 2,44,2. Tac. ann. 2,44,2–45,1. Dio 67,5,1. Dio 71,13,3–4. Solche hat man nicht nur in den naturgemäß stärker romanisierten Grenzgebieten, sondern auch im Innern des einst von germanischsprachigen Völkern besiedelten Gebietes gefunden, vgl. u. a. Mildenberger, Sozial- und Kulturgeschichte, S. 58–61; von Uslar, Germanen, S. 82 f.; und Stahl, Anerkennung und Integration, S. 297 f. Gordon, Subsidies, S. 69. Die Ausführungen von Postel, Ursprünge, S. 18, hinsichtlich der Interessenlage der Barbaren greifen indes zu kurz. Die Frage nach einer „Zerschlagung” des Römischen Reiches wird sich in dieser Form kaum gestellt haben, vielmehr dürfte es realiter ausschließlich um Teilhabe an den Errungenschaften der
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nischsprachigen Barbaren grundsätzlich als überlegen anerkannt wurde und man hier auch eine Annäherung anstrebte31, zeigt sich besonders deutlich daran, dass bedeutende principes ihre Söhne nicht selten in Rom ausbilden ließen, wie es zum Beispiel für Italicus belegt ist32, oder diese, wie im Falle des Arminius33 oder des Civilis34, zumindest eine Zeit lang im römischen Heer dienten, wo sie dann gewöhnlich als praefectus eine aus Angehörigen des eigenen Volkes bestehende ala oder cohors führten.
31
32 33 34
römischen Zivilisation gegangen sein. Dass dieses Begehren dann im Ergebnis faktisch zu besagter Zerschlagung führte, war ursprünglich ganz sicher nicht intendiert. Allgemein hierzu Michael McCormick, Eternal Victory. Triumphal Rulership in Late Antiquity, Byzantium and the Early Medieval West, Cambridge 1986. Vgl. Tac. ann. 11,16,1. Vgl. Vell. Pat. 2,118,2; sowie Timpe, Arminius-Studien, S. 21–47. Vgl. Tac. hist. 4,32,3; und Alföldy, Hilfstruppen, S. 46 f.
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Resümee
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8. Resümee Begriffe wie „König“ bzw. „Königtum“ sind durch den Gang der Geschichte und damit durch die Summe unserer historischen Erfahrungen und Kenntnisse, aber auch durch die Art und Weise, wie sie in der verfassungsgeschichtlichen Forschung definiert und verwendet werden, nicht geeignet, die gesellschaftsorganisatorischen Verhältnisse bei den germanischsprachigen Barbaren vor der Völkerwanderungszeit zu beschreiben, obwohl in den zeitgenössischen Quellen durchaus von reges die Rede ist, sich also im Koselleckschen Sinne1 quellensprachlicher Begriff und gegenwartsbezogene Definition scheinbar decken. Genau hier aber liegt die Gefahr, denn wir können bei aller differenzierenden Reflexion nicht vermeiden, mit „König“ bestimmte Vorstellungen zu verbinden, die für die hier betrachteten Verhältnisse schlicht nicht zutreffen. So bestechend und in vielen Zusammenhängen auch hilfreich Otto Brunners Vorstellung von der Beibehaltung der in den Quellen gebräuchlichen Termini2 zweifellos ist – in diesem Fall erweist sich ein solches Verfahren als kontraproduktiv, da es die Zusammenhänge eher verdunkelt, als dass es zu ihrer Erhellung beiträgt. Angesichts der Bedeutung, die dem Begriff „König“ gerade in der verfassungsgeschichtlichen Forschung heute anhaftet, trifft es die konkreten Gegebenheiten bei den „Germanen“ mindestens bis zum Beginn Völkerwanderungszeit sehr viel besser, wenn man ihre reges, magistratus und principes als „Anführer“ anspricht. Ein anschauliches Beispiel für die qualitativen Unterschiede zwischen den allenfalls protomonarchischen Anführerschaften der ersten nachchristlichen Jahrhunderte und der Frühform institutionalisierten Königtums, wie es sich im Verlauf der Völkerwanderungszeit bei einzelnen gentes herausbildete, bietet Gregor von Tours mit jener Episode über den Frankenherrscher Chlodwig im ausgehenden 5. Jahrhundert, dessen Begehren, aus der noch
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Reinhart Koselleck, Begriffsgeschichtliche Probleme der Verfassungsgeschichtsschreibung, in: Gegenstand und Begriffe der Verfassungsgeschichtsschreibung. Tagung der Vereinigung für Verfassungsgeschichte in Hofgeismar am 30./31. März 1981 (Der Staat Bh. 6), Berlin 1983, S. 7–21. Vgl. Otto Brunner, Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter, Darmstadt 1973 (ND der 5. Aufl. Wien 1965).
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Resümee
aufzuteilenden Beute einen bestimmten Krug zugesprochen zu bekommen, von einem seiner Krieger mit dem Hinweis abgelehnt wurde, dass er nichts von der Beute erhalten solle, was ihm nicht durch das Los zugeteilt werde. Chlodwig habe diese Absage, so Gregor, zunächst hingenommen, sich aber ein Jahr später auf dem Märzfeld gerächt, indem er seinem Widersacher mit der Axt den Schädel spaltete. „Als [dies]er gestorben war, hieß der König die übrigen nach Hause gehen und gewaltige Furcht jagte er allen mit dieser Tat ein.“3 Wie bereits Reinhard Schneider konstatiert hat, war die Reaktion des unzufriedenen Kriegers „nicht zu beanstanden, aber sie war leichtsinnig, weil sie den veränderten Herrschaftsanspruch des Königs noch nicht begriffen hatte bzw. ignorierte.“4 Abschließend bleibt festzuhalten, dass die in den Schriftquellen aufscheinenden „germanischen“ reges vor dem Hintergrund der hier entfalteten Zusammenhänge in erster Linie als Träger eines römischen Ehrentitels zu betrachten sind, der für die solcherart dekorierten Kriegerführer zum einen wegen der damit einhergehenden Subsidien, zum anderen wegen des potentiellen Prestigegewinns attraktiv war. Die sich daraus für die römische Seite ergebenden Vorteile sind bereits hinlänglich dargelegt worden, wobei dem legitimatorischen Aspekt zweifellos besonderes Gewicht zugekommen sein dürfte. Das römische Rechtssystem erforderte eindeutige Kompetenzstrukturen. Wo diese nicht vorhanden waren, mussten sie, damit Verträge und rechtliche Vereinbarungen überhaupt greifen konnten, geschaffen werden – zumindest dem Anschein nach.5 Es lag daher nahe, den barbarischen Anführern, mit denen sich die römischen Befehlshaber im Zuge zahlloser militärischer Konfrontationen auseinanderzusetzen hatten, einen Rechtsstatus zuzuweisen, der sie überhaupt erst zu nach römischem Verständnis vertragsfähigen Verhandlungspartnern machte und zum Abschluss rechtsgültiger foedera legitimierte. Dass solche Verträge mit dem Imperium gleich-
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Gregorius episcopus Turonensis, Decem libri historiarum II,27, hg. v. Bruno Krusch u. Wilhelm Levison (MGH SS rer. Merov. 1,1), Hannover 1951; Übers. nach: Gregor von Tours, Zehn Bücher Geschichten II,27, Bd. 1, bearb. v. Rudolf Buchner (FSGA 2), Darmstadt 82000 (1. Aufl. Darmstadt 1955), S. 113. Reinhard Schneider, König und Königsherrschaft bei den Franken, in: Von Sacerdotium und Regnum. Geistliche und weltliche Gewalt im frühen und hohen Mittelalter. FS Egon Boshof, hgg. v. Franz-Reiner Erkens u. Hartmut Wolff, Köln/Weimar/Wien 2002, S. 11–26, hier S. 25 (Zitat). Zu dem Umstand, dass es aus römischer Perspektive im Zweifelsfall eher auf die rechtlich richtige Bezeichnung, als auf die tatsächliche Existenz der dazugehörigen Erscheinung ankam, vgl. Stallknecht, Untersuchungen, S. 5 f.
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zeitig auch zu einer Festigung des inneren Zusammenhalts der beteiligten barbarischen Verbände führten, war dabei ein römischerseits zunächst durchaus angestrebter Nebeneffekt.6 Während in spätrepublikanischer und in der frühen Kaiserzeit tatsächlich viele solcher förmlicher Titelverleihungen vorgenommen worden sind, scheint sich in der Folgezeit eine Entwicklung dahingehend vollzogen zu haben, dass man die barbarischen Anführer kurzerhand pauschal als reges betrachtet hat. Ihre Legitimation als vollwertige Vertragspartner wurde nunmehr offenbar durch den Vertragsschluss selbst hergestellt, der zugleich auch die offizielle römische Anerkennung und Bestätigung eines solchen Anführers als rex zum Ausdruck brachte. Förmliche Titelverleihungen durch den Senat wurden damit weitgehend überflüssig, stattdessen konnte man vor Ort flexibel und situationsbezogen auf die stets etwas unübersichtlichen Verhältnisse im Barbaricum reagieren. Dabei dürfte es durchaus im Sinne der römischen Militärs wie auch der Politiker gewesen sein, dass man „Könige“ und deren Völker befriedete und nicht bloß Kriegerhaufen vertraglich zu binden versuchte, dass es „Könige“ und nicht etwa die Anführer von Räuberbanden waren, die man gefangen genommen hatte und nun zum Ruhme Roms in der Arena den Tieren vorwarf, und nicht zuletzt, dass es im Zweifelsfall die Streitmacht eines „Königs“ gewesen war, welche dem römischen Heer eine verlustreiche Niederlage beigebracht hatte. Der römische rex-Begriff war mithin vor allem an den Bedürfnissen römischer Außenpolitik, nicht aber an den tatsächlichen sozio-politischen Verhältnissen innerhalb der barbarischen Gesellschaften orientiert. Keinesfalls bildet er „germanische“ Verfassungsrealität ab, weshalb die in den römischen Quellen begegnenden reges auch nicht als Repräsentanten eines „germanischen Königtums“ zu werten sind. In dem hier untersuchten Zeitraum waren diese reges in erster Linie militärische Anführer, deren Autorität und Einflussmöglichkeiten je nach örtlichen Gegebenheiten und individuellen Fähigkeiten sehr unterschiedlich gewesen sein können. Erst im Verlauf der sogenannten Völkerwanderungszeit, vor allem aber durch den Niedergang des Weströmischen Reiches entstanden Rahmenbedingungen, die im Ergebnis zur Entwicklung stabilerer gesellschaftlicher Organisationsstrukturen bei den barbarischen Verbänden führten und die Transformation der militärischen Anführerschaft in eine auf Dauer angelegte zentrale Herr-
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Siehe etwa Heiko Steuer, Theorien zur Herkunft und Entstehung der Alemannen. Archäologische Forschungsansätze, in: Geuenich (Hg.), Franken und Alemannen, S. 270–324, hier S. 278.
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Resümee
schaftsinstitution ermöglichten.7 Die im 7. Jahrhundert aufkommende Übertragung der volkssprachlichen Bezeichnung kuninc für den bis dahin in Fortführung der römischen Praxis rex genannten Herrschaftsräger bietet möglicherweise einen Hinweis darauf, in welchem ungefährem Zeitraum die an dieser Stelle nur mehr angedeutete Entwicklung von der Anführerschaft zum Königtum so weit vorangeschritten war, dass die neue Qualität der Herrschaftsorganisation als solche bewusst wahrgenommen und auch sprachlich zum Ausdruck gebracht wurde.
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Gerhard Wirth, Die Germanen kommen – Das Imperium und die Völkerwanderung, in: Wolfgang Schuller, Das Römische Weltreich von der Entstehung der Republik bis zum Ausgang der Antike, Darmstadt 2002 (ND Leipzig/Mannheim 1997) (Illustrierte Weltgeschichte), S. 198–231, geht davon aus, dass wirkliche Monarchien von Dauer […] im Allgemeinen erst mit beginnender Sesshaftigkeit entstanden (Zitat S. 201).
Abkürzungen
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Abkürzungen ahd. AKG ANRW Art. Aufl. BAC BAR BAW BBK Bh. BJb B.T. DA EdF EDG Ergbd. FS FSGA germ. GGA got. gr. GWU H. HJb HSK HZ IBS idg. Jg. JiG JRS kelt. lat. LexMA LiLi MAGW MGH AA rer. Merov.
althochdeutsch Archiv für Kulturgeschichte Aufstieg und Niedergang der römischen Welt Artikel Auflage Bochumer Altertumswissenschaftliches Colloquium British Archaeological Reports Beiträge zur Altertumswissenschaft Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Beiheft Bonner Jahrbücher Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters Erträge der Forschung Enzyklopädie deutscher Geschichte Ergänzungsband Festschrift Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe. Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters germanisch Göttingische Gelehrte Anzeigen gotisch griechisch Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Heft Historisches Jahrbuch der Görres-Gesellschaft Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft Historische Zeitschrift Innsbrucker Beiträge zur Sprachwissenschaft indogermanisch Jahrgang Jahrbuch für internationale Germanistik Journal of Roman Studies keltisch lateinisch Lexikon des Mittelalters Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien Monumenta Germaniae Historica Auctores antequissimi rerum Merovingicarum
216 SS MIÖG ND N.F. NOWELE OGG PBB phil.-hist. Kl. RE Rez. RGA Sbd. TRW VIÖG VMPIG VuF WdF ZfA ZKG ZRG/ GA RA ZSHG
Abkürzungen
Scriptores Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Nachdruck Neue Folge North-Western European Language Evolution Oldenbourg Grundriß der Geschichte Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur philosophisch-historische Klasse Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft Rezension Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Sonderband The Transformation of the Roman World Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte Vorträge und Forschungen Wege der Forschung Zeitschrift für Archäologie Zeitschrift für Kirchengeschichte Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte Germanistische Abteilung Romanistische Abteilung Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte
Quellen
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Quellen Wenn die entsprechenden Nachweise und Anmerkungen keine anderslautenden Angaben enthalten, wurden jeweils die Ausgaben benutzt, welchen im Folgenden [in eckigen Klammern] die verwendete Abkürzung beigefügt ist. Dies gilt auch für Zitate. Abweichungen hiervon sind jeweils gesondert angegeben. – Die griechischen Quellen mussten in Übersetzung herangezogen werden, wobei, sofern nicht anders angegeben, jeweils die Ausgaben von Herrmann und Goetz/Welwei vergleichend benutzt wurden. – Die Abkürzungen der lateinischen und griechischen Autoren folgen im Wesentlichen dem „Kleinen Pauly“.
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Personenregister Actumerus 81, 94 Ägypter 205 Agricola 61, 76 ff., 80, 87 Alamannen 8, 40, 41 A. 57, 165, 192, 198, 200 f., 203 Alarich 196 Ammianus Marcellinus 165, 173, 192, 198, 200, 204 Angelsachsen 13 A. 8 Appian 71 Ariovist 69–73, 103, 206 f. Armenier 96 Arminius 15 f. (A. 15), 81, 94 ff., 99 f., 165, 208 f. Arsaces 84 Asinius Pollio 59 Augustus 11, 92, 99, 164, 174, 204 Bastarner 32 (A. 16) Bataver 93, 101 ff., 140, 165 Burgunder 13 A. 8, 165 Caesar 12, 19, 21–24, 30, 35, 40 A. 57, 41, 43, 45, 48, 51f. (A. 33), 53 A. 35, 54–60, 63ff., 67–74, 76, 79–83 (A. 77),103, 105, 109f., 112f., 115, 125f., 135, 139, 145f., 164, 180ff., 185, 197, 206f. Cassius Dio 71 (A. 18), 193, 204, 206 Catualda 93 Chariomerus 208 Chatten 94, 102 Cherusker 81, 94 ff., 98–102, 140, 208 Chlodwig 211 f. Chnodomarius 198 Cicero 82 Civilis 101 f., 209 Claudius 94 A. 129, 95, 99 Claudius Paulus 101 Commodus 193 f. Constantin 165 Cornelius Nepos 72
Deutsche 11, 12 f., 147 f. Diviciacus 53 A. 35, 69 Domitian 61, 77 f., 87, 175 Drusus 75, 93 Erastothenes 52 A. 33 Ermanarich 195 Etrusker 82, 125 Festus Rufus Avienus 125 A. 65 Flavus 94, 96 Franken 8 f., 13 A. 8, 195, 211 Fraomarius 201 Frigg 162 Fritigern 200 Furtius 208 Galba 165 Gallier 12, 22, 35, 57, 68, 110, 139 ff. Germanicus 174 Goten 5, 8, 40, 151, 193, 195, 200 Gotonen 87 f. Gregor von Tours 211 f. Greutungen 195 Griechen 30, 45 f., 71 A. 18, 125 f., 159 Häduer 69, 71 Hekataios von Milet 125 Hellenen 205 Hermann der Cherusker 15, 148 Hermunduren 93 Herodianos 193 f. Herodot 125 Hunnen 189 A. 130, 190 A. 134 Inder 72 Indogermanen 144 Italicus 81, 93–96, 98 f., 101, 103, 209 Jakob Wimpfeling 11 Julian 165
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Personenregister
Karolinger 34, 195 Kelten 21 f., 35, 56 A. 48, 71 A. 18, 73, 102, 110 f., 124–127, 129, 134–140, 145, 166, 169, 170, 178, 183 f. Kimbern 19, 32, 55 Langobarden 6, 13 A. 8, 41 A. 57, 101 Lemovier 87 f. Livius 63, 134 Lugier 87 Macrianus 165, 200 Marbod 41 A. 57, 90–93, 99, 103, 208 Markomannen 41 A. 57, 90 ff., 100, 207 Maximinus Thrax 193 Meder 96 Merowinger 9, 151 Nerva 76 Odin 162 Ostrogoten 195 Parther 84, 96, 99, 205 Perser 173 Pippin der Jüngere 9 Plinius der Ältere 63, 72, 145 Polybios 134 Pomponius Mela 72 Poseidonios von Apameia 52 (A. 33) Ptolemaios 8, 74, 175 Pytheas von Massilia 145 Quaden 41 A. 57, 90 f., 93, 98, 207 f. Quintus Metellus Celer 72 Romulus 204 Rugier 87 f.
Sachsen 5 Semnonen 41 A. 57 Sido 93, 103 Siegfried 16 Sithonen 88, 90 Sklaven 13 A. 8, 78, 86 f., 90, 134 A. 105, 184 Skythen 110 Slawen 197 Strabon 92, 145 Sueben 40 f. A. 57, 72 f., 93 Sueton 204 Suionen 87–90 Tacitus 8, 11 f., 18, 30, 34, 36, 40 A. 57, 41, 43, 45, 48, 51 A. 32, 59–65, 67, 74–91, 93, 98–103, 139 f., 145, 165, 168, 201 f., 204, 206 f. Tarquinius Superbus 204 Terwingen 195, 200 Teutonen 19, 32, 55 Tiberius 75, 91, 174 Traian 61, 76 Tudrus 91 Valentinian I. 165, 201 Vandalen 40 Vangio 93 Vannius 93, 103 Velleius Paterculus 41 A. 57, 91 f. Vespasian 61 Vibilius 93 Volcae 102 Westgoten 13 A. 8 Wulfila 150, 151 A. 168, 152, 154 f.
Sachregister
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Sachregister Adel 80 f., 84, 86, 94, 129, 151, 170 f., 179, 195, 204 Adelsherrschaft 122 Adelsoligarchie 6, 140 A. 132 Adrianopel (Schlacht, 378 n. Chr.) 193, 201 „Agricola“ (Tac.) 76 ff., 80, 87 Akkulturationsprozess 41, 167, 169, 190 amicitia 101, 207 „Annalen“ (Tac.) 77, 81, 92 ff. Anführer(schaft) 5, 69, 72 f., 79, 83, 91 ff., 96, 98–103, 120, 135, 138 f., 150, 157, 165, 171, 184 ff., 190, 192, 196–201, 203 f., 206 ff., 211–214 Archäologie 6 f., 20, 24 f., 27, 105 f., 109–112, 114 (A. 37), 115, 119, 122, 124, 126, 129, 133, 137–140, 160, 161 A. 4, 166, 168, 178, 181 f., 184, 187, 196, 198 Auxiliareinheiten 64, 165, 189 (A. 126 u. 129)
Doppelkönigtum 93 Drehscheibenkeramik 136 f. Dumézilsche Dreifunktionentheorie (idéologie tripartie) 153 A. 177 dux 33, 75, 79 ff., 83, 86, 94, 99, 102
Barbarentopik 45 basileus (gr.) 71 A. 15, 154 f., 204 Bataveraufstand 101 f. „Bellum Gallicum“ (Caes.) 12, 42 f., 51, 53–60, 63, 67, 69, 71, 73, 79, 125, 207 Berlin-Rudow (Körpergrab) 173 Bernstein 136 Beute 169, 177, 180, 183 f., 186, 188 f., 191, 193 f., 196, 198 f., 212 Beutezug 184–188, 190, 192 ff., 198 ff., 206 Borremose, Dänemark (Siedlung) 186 Brandbestattung 113, 137, 172 (A. 67)
Feddersen Wierde, bei Bremerhaven (Siedlung) 137, 167, 170, 172 Fernhandel 132 f., 136, 168 foedus 204, 212 formula amicorum 70 Fremdverstehen 44, 48, 51 Fremdwahrnehmung 5, 51, 98 Fürstengräber 28, 106, 128 f., 131, 138, 171 ff., 187 Fürstensitze 129, 131 (A. 95), 137 Futhark 162
Christentum 9 clades Variana (siehe u. Varusschlacht) comitatus 201 comites 198
Eberdingen-Hochdorf, Kr. Ludwigsburg/ Baden-Württemberg (Grabanlage) 130 Einswarden, Kr. Wesermarsch (Siedlung) 170 Eliten(bildung) 133, 135, 169, 171, 173, 179, 181 f., 187, 198 Ethnogenese 35, 37 (A. 48), 161, 163, 165, 196 Ethnographie 45, 49 A. 21, 50, 57–60, 62 f., 74 Ethnologie 44, 128 Ethnosoziologie 38, 116 f. Ethnozentrismus 46, 49 Ezinge, Niederlande (Siedlung) 167
Gallisch/keltisch-westgermanische Revolution 36, 139 ff. Geblütsheiligkeit 33 Germanenbegriff 2 f., 12 A. 5, 19, 24 f., 27, 28 A. 3, 30, 36f., 39, 52, 109f., 112, 114, 126f., 141, 147f. (A. 154), 155, 166 Germanenbild 12 f., 15 ff., 45, 51
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Sachregister
Germanenforschung 2, 6, 25, 30, 37, 39, 41, 127 Germanenideologie 12, 16 f. Germanentum 13 f., 30 „Germania“ (Tac.) 11, 33, 35, 42 f., 49 A. 21, 59–64, 74, 76 ff., 80, 85 f., 90, 92, 201, 207 Germanische(s) – Altertumskunde 14, 24 – Freiheit 15, 78 f., 83 f. – Gefolgschaft 27, 32, 39, 201 f. – Königsbezeichnungen 32 ff., 141 f., 150, 152, 154 – Lautverschiebung 18, 146 – Leibwache 164 f. – Recht 27, 71 – Sippe 27 – Sprache 3, 8, 18 f., 58, 109, 142, 145–148, 150 f., 155 f., 165 – Tierornamentik 28 – Treue 27 – Volksversammlung 84 f. Germanisierung 112, 166 Germanismus 15 A. 13, 17 Gesellschaftsorganisation(-struktur) 6, 18, 27, 43, 167, 180, 211 Gommern, Lkr. Burg (Fürstengrab) 172 Großkönigtum 151 Groß Romstedt, Kr. Weimar (Gräberfeld) 69 Häuptling(stum) 6, 94 A. 131, 106, 117, 122, 128 f., 135, 137, 139, 170 f. Hallstattkultur 128–133, 135, 137 Haßleben-Leuna, Thüringen (Fürstengrab) 138, 171 f., 187 Heerführer 32 f., 75, 82 Heerkönigtum 1, 4, 28, 32 (A. 16), 33–38, 154, 200 hegemon (gr.) 150 Hermanns-Denkmal 15 Herrenhöfe 137, 170, 172, 182, 187 Herrschaft 86, 89–95, 97 f., 116, 120 f., 123, 135, 138, 150, 156 f., 185, 200, 205 A. 8, 206 Herrschaftsorganisation 1, 5–8, 27, 36, 43, 67, 71, 73, 80, 83, 92, 99, 102, 105, 116 f., 140 (A. 132), 157, 159 f., 179 f., 182, 203, 214
Heuneburg, Hundersingen/Lkr. Sigmaringen (Höhensiedlung) 130 f. (A. 95) „Historia Romana“ (Vell. Pat.) 91 „Historien“ (Tac.) 77, 92 Hjortspring, Alsen/Dänemark (Waffenniederlegung/Moorfund) 182 Hodde, Westjütland/Dänemark (Siedlung) 137, 170, 186 Hohmichele, Altheim/Lkr. Biberach (Grabhügel) 130 Humanismus 11 f. Idoneitätsprinzip 33 Importware (röm.) 120, 132, 169, 172 (A. 67), 185 (A. 120), 189 Indoeuropäisch 149 Indogermanisch 18, 35, 142–146, 149, 153 ff. Interdisziplinarität 6, 9, 21 A. 36, 25, 106 A. 4, 107 f., 109 A. 16, 114, 141 interpretatio Romana 48, 67, 80, 180 iudex 195 Jastorf-Kultur 8, 21, 111 ff. kindins (got.) 150 Klanstrukturen(-staat) 73, 117 Kleinkönigtum 33 Klientelstaat 93 König(sherrschaft/-tum) 1–7, 9 A. 19, 27–39, 67, 69, 71, 73 ff., 80, 84–88, 90–95, 98–103, 105 f., 115 ff., 120 ff., 124, 134 A. 110, 135, 138–141, 150–154, 156 f., 159 f., 179, 195, 197 A. 157, 199 f., 203 f., 207 f., 211–214 Königsernennung 97 f., 208 Königsfamilie 99 Königsgewalt 91 Königswürde 207 Körpergräber 171 f. (A. 67), 173 Kontinuitätstheorie 17 A. 21, 30, 42, 148 (A. 154), 155 Krater von Vix 132 Kriegergesellschaft 134 A. 105, 190, 208 Krieger(tum) 182, 186–200, 202, 212 f. Kultgemeinschaft 139, 162 A. 7
Sachregister
Kulturgruppen 22 (A. 43) Kulturprovinzen 20 A. 36, kuning (ahd.) 151, 156 f., 214 Landnahme 33 Latènekultur 21, 110 f., 129, 135, 137 f., 167, 176 A. 83, 183 Lineagestrukturen 73 Lübsow, Pommern (Fürstengrab) 138, 171, 173 Magdalenenberg, Villingen-Schwenningen/Schwarzwald (Grabhügel) 130 magistratus 67 ff., 79 f., 139, 180 ff., 185, 197, 211 Meilletsches Kriterium 143 Monarchie 1, 5, 7, 35 f., 83, 86 f., 89, 98, 100, 102, 120 f., 138 f., 140 A. 132, 155, 179, 204 f. Muˇsov, Südmähren/CˇSFR (Königsgrab) 171 Nationalbewusstsein 13, 16 Nationalsozialismus 12, 17, 31 A. 13 Nerthusfest 89 Nibelungenlied 16 nobiles 65, 86, 90, 95, 102 nobilitas 75, 80 f., 84 Oppida 21, 112, 134 f., 167, 176 optimates 203, 208 Papst(tum) 9, 12 „Panegyrici Latini“ 193 Pfahlidole 162 Prestigegüter-System 117 Priester(schaft) 6, 75, 82, 84, 86 primores 99 princeps 67–70, 79 ff., 84 ff., 92, 94, 99, 105, 139, 180 ff., 185, 203 f., 208 f., 211 principatus 91 f. Prinzipat 63, 87, 204 proceres 99 Prunkgräber 28, 129 f., 137 regnum 85, 89 ff., 100, 103, 181 A. 103, 204 reiks (got.) 150, 152 ff.
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rex 4 f., 33, 67, 69 ff., 73 ff., 79–85, 87, 90, 92 ff., 98, 101, 103, 120, 134, 139, 153 f., 156, 180, 181 A. 103, 195 f., 199 ff., 203–208, 211–214 rex atque amicus 70, 72 (A. 19), 79, 83 f., 91, 100 f., 105, 180, 206 f. rex Germanorum 69 f. rex Sacrorum 82 rex Sueborum 72 rix (kelt.) 153 f. römisch-germanische Beziehungen 4, 7, 33, 43, 53, 55, 64, 76, 78 f., 88, 190 f., 205 Rondsen, Kr. Graudenz (Gräberfeld) 69 Runen 18, 43, 152 (A. 171), 162 Sagas 30 Sakralkönigtum 29–32, 36 Schreckpraxis 191 Senat 54, 59, 70, 73, 76, 206 f., 213 Siedlungsarchäologie 74 siedlungsarchäologische Methode 20 A. 36 Siedlungsgebiet 19, 20 A. 36, 110 f., 124, 128, 131, 177 A. 88, 192 Siedlungsgemeinschaft 41, 139, 181, 183 f., 186, 190, 196, 198 ff., 208 Siedlungskammer 177 f., 180, 183, 198 socius-Verhältnis 100, 206 f. soziale Differenzierung 7, 115, 116 A. 41, 120, 122 f., 133 f., 137 f., 140, 156, 159 f., 173, 179 f., 182, 187 Soziologie 44 Sprachwissenschaft 6 f., 18, 25, 105, 126 f., 141 ff., 147 f. (A. 154), 155 Stammesbildung 34 f. Stammesgeschichten 196, 200 Stammesnamen 8, 74, 160 Stele von Hirschlanden, Kr. Lechberg/ Baden-Württemberg (Großplastik) 130 stirps regia 36, 94 f., 98–101, 103, 140 Straßburg (Schlacht, 357 n. Chr.) 198 *Qeud-ana-z (germ.) 154 f. *Qeud-o (germ.) 154 f. *teuta (idg.) 154 f.
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Sachregister
thiudans (got.) 32 (A. 19), 150, 152, 154 f., 157 Trachtmerkmale 8 Traditionskern 35, 196 tribales System 117 truhtin (ahd.) 151, 157 Tyrannis 77, 81, 86, 204
urbaner Territorialstaat 117 Varusschlacht 174 Vielkönigtum 33 Volkskönigtum 1, 4, 28, 31, 34, 36 f., 124, 141, 154 f.