Der Münchener Tristan: Ein Beitrag zur Überlieferungsgeschichte und Kritik des Tristan Gottfrieds von Strassburg [Reprint 2018 ed.] 9783111345789, 9783110992847


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VORWORT
Inhaltsübersicht
VORBEMERKUNGEN
I. DIE INNERE TEXTGESTALT DER HANDSCHRIFT M.
II. DIE LÜCKEN DER HANDSCHRIFT
Anhang. ZUR KRITIK
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Der Münchener Tristan: Ein Beitrag zur Überlieferungsgeschichte und Kritik des Tristan Gottfrieds von Strassburg [Reprint 2018 ed.]
 9783111345789, 9783110992847

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DER

MÜNCHENER TRISTAN EIN BEITRAG ZUR ÜBERLIEFERUNGSGESCHICHTE UND KRITIK DES TRISTAN GOTTFRIEDS VON STRASSBURG VON

Db. KURT HEROLD.

STRASSBURG. K A R L J. T R Ü B N E R . 1911.

M. Du Mont Schauberg, Straßburg.

DEM ANDENKEN MEINES VATERS

VORWORT. Die kritische Ausgabe des Gottfriedschen Tristan von K a r l M a r o l d hat das Interesse der Fachkreise der lange ungefördert gebliebenen Tristankritik wieder zugewandt. Dies Verdienst ist der neuen Ausgabe nicht abzuerkennen, für eine abschließende Edition läßt sie jedoch noch manche Einzelarbeit übrig. Hier will nachfolgende Untersuchung eintreten und eine Vorarbeit liefern zur Gewinnung einer auch in der neuen Ausgabe noch nicht gefundenen befriedigenden Methode des textkritischen Verfahrens. Im übrigen verweise ich auf die der Abhandlung vorausgeschickten Vorbemerkungen. Begonnen wurde vorliegende Untersuchung auf Anregung von Herrn Prof. Dr. S c h u l t z ; sie lag im Sommersemester 1911 der Philosophischen Fakultät der Universität Straßburg als Promotionsschrift vor. Meinem verehrten Lehrer sage ich auch an dieser Stelle herzlichen Dank für alle Anteilnahme, mit der er meine Arbeit bis zur Veröffentlichung in dieser Sammlung in liebenswürdigster Weise begleitet und gefördert hat. Dank schulde ich auch dem Vorstande der Handschriftenabteilung der Hof- und Staatsbibliothek in München für die gütige Erlaubnis zur Benutzung der dortigen Tristanhandschrift; insbesondere bin ich Herrn Bibliothekar Dr. E. P e t z e t für manchen Rat und stets bereitwilligst gewährte Auskunft verpflichtet. Endlich danke ich meinem Kollegen und Freunde Dr. E. R i e s s für manchen Freundesdienst und die liebenswürdige Unterstützung bei der Durchsicht der Korrekturbogen. Möge bei der Fortführung der von Marold wieder eingeleiteten textkritischen Arbeit an Gottfrieds Gedicht vorliegender Beitrag sich dienlich erweisen. S t r a ß b u r g , im Oktober 1911.

Kurt Herold.

Inhaltsübersicht. Seite

Vorbemerkungen

I. Die innere Textgestalt der Handschrift M

1

.

6

1. Ä n d e r u n g e n im W o r t b e s t a n d e a) Substantiv b) Adjektiv . . . • . . c) Verbum d) Adverb e) Präpositionen f) Konjunktionen, Partikeln, Interjektionen g) Verdeutschung von Fremdwörtern . • 2. Ä n d e r u n g e n in d e r W o r t f o r m a) Substantiv b) Adjektiv • c) Verbum d) Adverb 3. S y n t a k t i s c h e s a) Gebrauch des Substantivs und Adjektivs . . . . b) Gebrauch des Verbums c) Gebrauch des Artikels und Pronomens d) Gebrauch der Negationspartikel ne• . ,. 4. M e t r i s c h e s 5. S t i l i s t i s c h e s a) Gebrauch des Pronomens b) Wortwiederholung und Wortspiel c) Anapher d) Sonstige stilistische Änderungen e) Gebrauch der Anrede und Einführung der direkten Rede

6 6 13 22 29 31 32 38 39 39 40 41 43 44 45 46 47 49 50 52 53 54 59 61 63

II. Die Lücken der Handschrift A n h a n g : Zur Kritik

. . .

69 79

VORBEMERKUNGEN. Erst spät ist unter den drei großen Epikern der mhd. Blütezeit unserer Literatur dem Straßburger Meister, Gottfried, dem Karl Lachmann sich versagt hat, die verdiente kritische Ausgabe zuteil geworden, die seit 1906 vorliegt in der Arbeit von K a r l Marold, Gottfried von Straßburg Tristan, 1. Teil (6. Heft der „Teutonia", hrsg. von "W". Uhl, Leipzig, E. Avenarius). Unbestrittenes Verdienst dieser Ausgabe ist, daß in ihr zum erstenmale das gesamte bekannte handschriftliche Material Berücksichtigung findet und sie einen übersichtlichen und ziemlich ausführlichen Variantenapparat bringt. Im übrigen aber muß als das Urteil der Autoritäten auch hier wiederholt werden, daß die Ausgabe Marolds den Anforderungen, die wir heute an eine kritische Ausgabe zu stellen gewohnt sind, vielfach nicht entspricht.1) Über die auseinandergehenden Klassifizierungen der Hss. von Th. von Hagen (Kritische Beiträge zu Gottfrieds von Straßburg Tristan, 1868) und H. Paul (Zur Kritik und Erklärung von Gottfrieds von Straßburg Tristan, Germania 17 [1872] S. 385ff.) hinaus kommt der Herausgeber zu einer neuen Aufstellung des Handschriftenverhältnisses (Einltg. S. LXV), das jedoch keineswegs überzeugend entwickelt wird. Hierbei nimmt er seinen Ausgangspunkt von der ältesten der Tristanhandschriften, der Münchener Hs. M, der er, wie auch aus dem Variantenapparat ersichtlich ist, besondere Aufmerksamkeit widmet. Aber auch hier gelangt Marold nicht zu einem befriedigenden und abschließenden Ergebnisse und greift zu Hypothesen (vgl. S. LVI und LXII oben), deren Berechtigung er nicht wahrscheinlich macht. 4

) Vgl. C.v. K r a u s , ZfdA 51 (1909) S. SOlff.; Edw. S c h r ö d e r , ebenda 53 (1911) S. 99. QF. CXIV.

2

Vorbemerkungen.

Eine erneute und auf sicheren Boden hinarbeitende Tristankritik hat demnach füglich auszugehen von einer näheren Untersuchung der ältesten und zugleich eigenartigsten Textüberlieferung, wie sie die Hs. M bietet. Marold macht bei der Besprechung der zahlreichen Abweichungen von M, indem er sich im allgemeinen dem Urteile von Hagens (a. a. 0. S. 25 f.) anschließt, S. XVI der Einltg. die ziemlich vage Bemerkung, daß es „in vielen Fällen verflachende Änderungen seien, aber sehr viele von ihnen doch auch auf dem Bestreben zu beruhen schienen, veraltende Alisdrücke durch gebräuchlichere zu ersetzen", eine Behauptung, die er durch einige willkürlich ausgewählte und für seine Yermutung nicht einmal ganz zutreffende Beispiele zu erhellen sucht. Für die in M gebotene gekürzte Überlieferung endlich greift er zur Annahme einer ersten Redaktion oder Ausgabe des Gedichtes (Einltg. S. LVI). So reizt denn die an ungelösten Problemen reiche Handschrift aus mehr denn einem Grunde zur näheren Untersuchung, und ich hatte bei mehrwöchigem Aufenthalte in München Gelegenheit, den Kodex auf der kgl. Hof- und Staatsbibliothek einzusehen und zu kollationieren und mir dadurch sein Bild, das der Variantenapparat Marolds schon mit einiger Deutlichkeit gibt, zu verstärken und zu berichtigen. Die große Verschiedenheit von M gegenüber der Vulgata ist auch den früheren Bearbeitern des Gottfriedschen Epos nicht entgangen. M a ß m a n n bezeichnet in seiner noch immer mit Nutzen zu lesenden Ausgabe das Verfahren des Schreibers als sehr willkürlich und rät zu behutsamem Gebrauche dieser Hs.; gleichzeitig aber scheint ihm die Überlieferung von M im ganzen nicht von solcher Unzuverlässigkeit, als daß sie nicht an manchen Stellen, wo er ihr zu folgen sich nicht getraute, dennoch das Richtige bewahrt habe (S. 591). Vollends von H a g e n in seinen „Kritischen Beiträgen" S. 25 ff. möchte unsere Hs. zu einem der willkürlichsten mittelalterlichen Handschriftendokumente stempeln: er charakterisiert das Verfahren des Schreibers als „ausgedehnteste Willkür, zur Manie gewordene Abänderungslust" (S. 26), ein Urteil, dem sich, wie gesagt, im wesentlichen auch Marold anschließt.

3

Vorbemerkungen.

Die in ihrem Entstehungsgrund unerkannt gebliebene Eigenart von M findet nach unserer Untersuchung nunmehr eine einheitliche Erklärung: Das G o t t f r i e d s c h e G e d i c h t hat in M e i n e d u r c h g r e i f e n d e U m a r b e i t u n g n a c h dem Muster H a r t m a n n s , s p e z i e l l n a c h s e i n e r v o l l e n d e t e n Epik, w i e s i e der I w e i n z e i g t , d u r c h g e m a c h t . Indem ich das Ergebnis unserer Arbeit, nach seinem ganzen Umfange formuliert, der folgenden Untersuchung vorwegnehme, sehe ich mich veranlaßt, über die in unserer Darstellung angewandte Methode und ihre Voraussetzungen kurze Kechenschaft zu geben. Es scheint für eine fruchtbare und in gesicherten Grenzen sich bewegende Textkritik nur von Yorteil, unsere handschriftlichen Zeugnisse nicht als totes Material, sondern als I n d i v i d u a , als lebendige Zeugen ihrer Zeit zu betrachten und aus diesem Gesichtspunkte heraus auch die Individualität ihrer Schreiber zu ergründen/ Diese Erkenntnis suchte ich auch für unsere Untersuchung fruchtbar zu machen, um der Persönlichkeit unseres Bearbeiters, der sich bei näherer Betrachtung der Varianten schon deutlich als selbständig vorgehenden Kopf darstellt, näherzukommen. Bald zeigte sich an Einsetzungen von spezifisch Hartmannschen Formen deutlich der literarische Einfluß dieses Dichters, und damit bot sich der Schlüssel zu den meisten Erscheinungen unserer Hs. Daß gerade Hartmannsche Einwirkung sich bei M feststellen ließ, ist nicht verwunderlich einerseits bei dem Alter unserer Hs., die schon Docen und auch heute E. Petzet noch in den Anfang des 13. Jahrhunderts setzen, und andererseits bei dem breiten Einfluß, den Hartmann auf das dichterische Schaffen seiner Epoche wie auch der ganzen Folgezeit ausübte.1) Sein Einfluß *) Eine in manchen Punkten mit M übereinstimmende, jedoch nicht so einschneidende Bearbeitung nach Hartmann hat E. S t a d l e r auch bei der Münchener Parzivalhs. O nachgewiesen in seiner Dissertation „Über das Verhältnis der Handschriften D und G von Wolframs Parzival", Straßburg 1906. — Ob für die erste Hand des Parzival und die des Tristan der g l e i c h e Schreiber anzunehmen ist, wie Lachmann (Wolfr. v. Eschenb. 4. Aufl. S. XXVII) meint und wofür sich auch E. P e t z e t entscheidet, dem ich für manche bereitwillige mündliche wie auch schriftliche Auskunft Dank schulde, möchte ich dahin1*

4

Vorbemerkungen.

erstreckte sich bekanntlich auf das ganze Verbreitungsgebiet der höfischen Epik, und auch solche Dichter entziehen sich ihm nicht, die hauptsächlich bei Gottfried oder Wolfram in die Schule gegangen sind. Yon seinem stilistisch wie auch technisch durchgebildetsten Werke, dem Iwein, gilt sogar, daß „vielen das Unterscheidungsvermögen dafür abhanden kam, ob sie etwas selbst gedacht oder in ihrem Vorbilde gelesen hatten" (vgl. Henrici, Iwein II, S. VIII). Ich lege daher auf den Nachweis des Einflusses Hartmanns den Hauptnachdruck, sowohl um der Einheitlichkeit der Umarbeitung in M auch unsere Darlegungen entsprechen zu lassen als auch aus der Auffassung des literarischen Lebens im 13. Jahrhundert heraus. — Daneben habe ich aber auch einen „allgemein mittelhochdeutschen Wort- und Sprachgebrauch" öfters zu Wort kommen lassen. Nicht als ob ich ihn in Gegensatz zum Hartmannschen Gebrauche stellte, vielmehr setze ich ihn jenem im Wesen gleich und ziehe ihn im einzelnen Falle heran, um die breitere Verwendung und allgemeine Gültigkeit des betreffenden Sprachgutes zum Ausdruck zu bringen. Losgelöst von diesen Beziehungen ist er ebenso wenig festumrissen und ebenso wesenlos wie z. B. der Begriff der sogenannten „höfischen" Worte verfänglich war. Es fällt demnach dem Wesen und Zwecke nach zusammen, wenn M neben Einsetzung von ausdrücklich Hartmannschen Formen spezifisch Gottfriedsche Wendungen durch allgemein gebräuchliche ersetzt. Es ist bekannt, daß die höfischen Dichter sich einer der drei literarischen Hauptrichtungen — Hartmanns, Gottfrieds, Wolframs — anschließen oder sie miteinander kombinieren, und es ist begreiflich, daß auch das literarisch interessierte Publikum, dessen Geschmack und Bildung wir immer besser zu erkennen beginnen, ebenso mit einer dieser drei Richtungen sympathisierte. Für e i n e n s o l c h e n B r u c h gestellt sein lassen; ich halte es auf Grund der Schriftvergleichung für nicht wahrscheinlich. Es ist indes für unsere Darstellung belanglos und wäre nur für die nähere Feststellung des Redaktors von Interesse. Vielleicht bringt hier eine genauere Untersuchung auch des Dialektes beider Hss., die noch zu leisten ist, nähere Auskunft.

Vorbemerkungen.

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teil der L e s e r w e l t , der allerdings entsprechend der Bedeutung Hartmanns wohl nicht gerade gering war, arbeitete unser S c h r e i b e r oder Redaktor. Wie er sich seiner Aufgabe im einzelnen entledigte, sollen die folgenden Darlegungen erweisen. Bei der Vorlegung des Materials wird innerhalb der Belege möglichst Vollständigkeit erstrebt, wenn nicht ein zugesetztes 'z. B." etwa bei allgemein verbreiteten Erscheinungen die Ausnahme andeutet. Für alle ü b e r die A n g a b e n Marolds h i n a u s g e h e n d e n wie auch f ü r die von ihm a b w e i c h e n d e n B e l e g e v e r w e i s e ich ein f ü r allemal auf meine Kollation. Ich halte es außerdem für nicht unzweckmäßig und bei weiteren Untersuchungen für willkommen, nach Ausweis von Marolds Variantenapparat die mit den Lesungen von M jedesmal übereinstimmenden übrigen Hss. außer B und i?, die zum größten Teile Abschriften aus M sind, beizufügen. Ein * hinter der Ziffer des Verses bedeutet, daß das zu ihm zitierte Wort im Reime steht.

I. DIE INNERE TEXTGESTALT DER HANDSCHRIFT M. 1. ÄNDERUNGEN IM WORTBESTANDE. Diese Änderungen von M sind die weitaus eingreifendsten und bemerkenswertesten. Die Freiheiten des Wortgebrauchs, den Gottfried über sein Vorbild Hartmann hinaus zu eigentümlicher Vollendung führt, sucht M nach Möglichkeit einzuschränken und mehr der maßvollen Hartmannschen Kunstübung anzunähern.

a) Substantiv. äventiure gebraucht Gottfried ähnlich wie Wolfram in den verschiedensten Variationen der beiden Grundbedeutungen 'Ereignis' und 'Bericht'. Das nur im Tristan häufigere von äventiure = durch Zufall, das bei Hartmann gänzlich unbelegt ist, ersetzt M durch das allgemein gebräuchliche von geschihte: vgl. 735.2148. 5314. V. 2217 setzt Mdem Zusammenhange nach von ungelühe ein, 19 081 so minneclich (statt durch äventiure). Geblieben ist von äventiure nur 16 690. Umgekehrt setzt M — was auch Marold S. XVI unter den „Willkürlichkeiten" der Hs. anführt — nach Hartmann äventiure ein in der Bedeutung „Bericht, Quelle", wo Gottfried Umschreibungen anwendet. Vgl. 2761 M: äventiure für da$ wäre mcere, 15 919 M: äventiure für diu wäre histörje. Im übrigen ist äventiure ungeändert geblieben1). Das bei Hartmann nur Erec 9620 belegte2) und bei ') Die Verse 16 667 f. fehlen in M wohl, um diu trürege äventiure zu vermeiden. s ) Über die Einzelheiten zu Hartmanns Wortgebrauch verweise ich hierdurch bündig auf die Arbeit von B. J. V o s , The diction and rime-technic of Hartmann v. Aue. Diss. Baltimore 1896.

1. Änderungen im Wortbestande.

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Wolfram gänzlich fehlende (Lexer S. 1221) heimmt tilgt M 406 und ersetzt gir heimuote durch gir huse (N: gir lande). 533* bessert M(W) trotz der Reimstellung Schönheit (wofür allgemein und bei Hartmann allein üblich diu schcene) in rîchheit (vgl. dagegen 627*). Die bei Gottfried so beliebten und als bequeme Reimworte von ihm bevorzugten, meist von ihm selbst gebildeten Substantiva (und Adj.) auf -œre (-œrîn), die Hartmann im Iwein gänzlich meidet, werden von J/, selbst wenn sie im Reime stehen, häufig getilgt. 959 : diu gewaltcerinne minne, ein speziell Gottfriedsches Wort (s. Bechsteins Anm.), bessert M (ORS) in diu gewaltege •minne ; ferner 1 4 4 9 0 * M: kiinegîn st. sorgœrîn, 1 6 4 0 4 * M : friundîn st. senedœtin. der trûrœre, eine nur bei Gottfried belegte Bildung, ist stets durch das gebräuchlichere der trûrege ersetzt: 14 502 (F). 14917. 15790. 15854. 18 649 (meist auch in den jüngeren Hss. OPBS).1) Hut, Hute in der Bedeutung das w e h r h a f t e Y o l k = die Leute in Beziehung auf ihren Gebieter,2) ersetzt M durch das bei Hartmann üblichere voie : vgl. 1591. 3778. 11485. 3 ) — 5857 wird lantliut = „Einwohnerschaft des Landes" durch lantvolc (vgl. Iw. 4050) ersetzt. (Geblieben dagegen 15 930.) 4240 lantliute (Pl.), das bei Hartmann im Iw. (V. 13) nur in der Bedeutung „Landsleute" vorkommt, wird in M durch lanthêrren wiedergegeben. — 6018 dagegen ist lantliute geblieben. Ygl. auch 8231. 1780 setzt M für leit das bei Hartmann sehr gebräuchliche arbeit ein (vgl. hierzu Iw. 6597). Das seltenere hoveschal (3231) = laute Freude am Hofe, Hoffestlichkeit/) das bei Hartmann nicht vorkommt, wird ') Dem Schreiber geläufige und bei Hartmann vorkommende Bildungen auf -œre, wie z.B. 10013* und 16220* mmdercere, sind dagegen geblieben. *) Nur in dieser Beschränkung, nicht 'meist', wie Marold S. XVII schreibt. 3 ) Letzte Variante fehlt bei Marold. *) Vgl. Lancelet 9134; Engelhard 5003.

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I. Die innere Textgestalt der Handschrift M.

in M mit Bezug auf den Zusammenhang durch hornschal ersetzt (hornschal bei Hartmann im Erec 9628). ! ) Das seltenere da$ armuote, das Gottfried 4454 in der Bedeutung,,ärmlicher Besitz" anwendet (nim dich niht armuotes an), vermeidet M und setzt dafür anders muotes ein. Das bei "Wolfram im Parzival öfter, im Tristan nur 4590* vorkommende houbetman = Hauptheld, bessert M(H) in höfsehen man-, vgl. auch 18897 M(H): vtnde st. houbettrinde. Dagegen ist 18 952 houbetherren in M geblieben. (H holtherren.) Das bei Hartmann und den höfischen Dichtern außer Gottfried nicht vorkommende gierheit vermeidet M. 4600 von werltlicher gierheit M: von ritterlicher werdekeit; 4614 ja ritterlichiu gierheit M: wan ritters werdekeit. Das bei Gottfried häufige, von Hartmann und fast allen höfischen Dichtern anscheinend gemiedene lust ersetzt M stets: 4678 M: hergefröuden st. hergelustes, ebenso 16868 M: fröuden st. lustes. 6085 bessert M: iuwer lust und iuwer leben in: iuwer Up und iuwer leben.2) Ygl. auch über lustic S. 17. 5570 se3 = Belagerung bessert M in das gebräuchlichere gese3. durnehtekeit, bei den höfischen Dichtern außer Gottfried unbelegt, ersetzt M durch das gleichbedeutende wärheit 5761* (vgl. dagegen 16 789* und 90). 4876 und 81 gebraucht Gottfried trahen in der allgemeinen Bedeutung „Tropfen", wofür bei Wolfram sehr häufig gaher.3). Für diesen Hartmann und den meisten höfischen *) Es ist daher mit Marold gegen Maßmann u. Bechstein hoveschal zu lesen. *) V. 261 lese ich bei M lüften (nicht lusten, wie Marold und Maßmann angeben), welche Lesart, somit durch MHFW bezeugt, Marold mit Recht gegen die früheren Herausgeber in den Text gesetzt hat (vgl. auch H. Paul, Germ. 17, S. 390). Ein lusten der Vorlage hätte M übrigens in fröuden oder ähnlich abgeändert. s ) Vgl. Parz. 282, 21. 288, 28. 296, 8 u. ö.

1. Änderungen im Wortbestande.

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Dichtern ungeläufigeu Gebrauch von trahen setzt M das Wolframsche gaher ein. Charakteristisch für M ist die Variante 7496. Hartmann scheint trahen singularisch nur in seinen älteren Werken zu gebrauchen (vgl. Er. 1464. Greg. 537. Dagegen a. Heinr. 1344. Iw. 6226). Darnach ändert M 7496: mit manegem trahene Helens in gänzlich um in: mit trüregem hergen Uesens in. Dagegen trehene (pl.) ist geblieben: vgl. 1208. 4222. Das im ganzen nur 2 mal belegte frumede,1) eine seltene Bildung neben frumekeit und von Gottfried altertiimelnd gesetzt, tilgt M(NBS) und ersetzt es 5772 durch helfe. Das kollektivische gewcefen, das Hartmann nur noch im Erec gebraucht und das die höfischen Dichter im allgemeinen zu meiden scheinen, ersetzte/ 6506 durchwäfen (geschrieben: wäpen). 6669. Das ungewöhnliche stark ge beiden wenden (vom Pferde gesagt) bessert M in stark ge beiden enden. rinc, von Gottfried 6683 auffallend als Kollektivbegriff für „Waffenstück" gesetzt, bessert M in wäfen (geschrieben: wäpen). nöt, das bei Hartmann pluralisch kaum vorkommt2) und auch sonst bei den höfischen Epikern selten pluralisch gebraucht wird (einigemale bei Wolfram), vermeidet M in dieser Form und ändert 6892: der wunder in den nceten tuot in: der wunder an den Muten tuot. (Vgl. dagegen 7596: mit nceten.) ge liebe, das bei Hartmann die mehr subjektive Bedeutung „zu Gefallen" hat (vgl. Iw. 4404. 2867. 7582), bessert M 7381 in ge heile. (Vgl. hierzu Iw. 8099: sin rede sluoc im ge heile.) 7595 ein art ändert M in das bei Wolfram häufige von arde. (Vgl. dagegen 3794: ein art ribalt.) Das Gottfriedsche weit ir nu min guot friunt sin (10 506) ') Tristan 5772. Der maget kröne 124 a. 2

) Der einzige Beleg im Iwein [mit disen noeten gwein) hierfür nicht in Betracht.

kommt

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I. Die innere Textgestalt der Handschrift M.

ändert M in das mehr Hartmannsche weit ir mir nu gencedec sin (vgl. Mhd. Wb. I i i 343f.). gesellin, weibliche Form zu geselle, die im Mhd. zuerst und fast allein Gottfried g e b r a u c h t , — Hartmann wie auch Wolfram gebrauchen geselle mit Bezug auf männliche wie auf weibliche Personen — vermeidet M und setzt 14016* diu künegin ein für: sin gesellin. Ebenso ist 16 774* sin trütgeseüin durch sin frouwe diu künegin ersetzt.2) triure, ein fast allein auf Gottfried beschränktes Wort und in der umgelauteten Form ihm eigentümlich,3) meidet M: Ygl. 14 312: riuwe unde leit statt triure unde klage, 18 651: leit statt triure. Geblieben ist es 1992 im Wortspiel mit Tristan, in Reimstellung (14383*. 15793*) und zu Schluß des Gedichtes Y. 18988 und 19317. das gebäre, bei Hartmann ungebräuchlich und nur in Reimstellung im Erec erhalten, ersetzt M 14702* (mit Zerstörung des Reimes!) durch das allgemein gebräuchliche diu gebcere;4) ebenso wird gebcerde 16562 und 63 durch das allgemein übliche (allerdings bei Hartmann nicht vorkommende) gebcere5) ersetzt. gelange, ein nur von Gottfried häufiger gebrauchtes Nomen, ersetzt M(H) 16433 durch gedanke. (Außerdem gelange noch 12368, wo M Lücke hat, und 17 842*.) Ygl. auch über gelengic S. 17. gefuogheit, das nur auf den Tristan beschränkt zu sein scheint (außerdem nur noch Passional 467, 65 belegt), bessert M 15 902* in gelegenheit (N: behendekeit).6) ') Nach Gottfried nur bei Herbort v. Fritzlar (14592) und Bruder Philipp (Marienleben 1836). *) gesellin ist nur 1 6 6 3 5 * (von Brangäne gesagt) geblieben, wohl weil ein bequemes Reimwort fehlte. s ) s. Haupt zu Engelhard 1742. 4 ) Die Variante fehlt bei Marold! — Über gebäre s. V o s , S. 16. 6 ) s. Lexer I. 747. 6 ) Das seltene Wort geben auch 8087 * die älteren Hss. außer W verschieden wieder (MH: höfscheit, F: gemutheit), so daß wohl hier gegen alle Ausgaben gefuogheit in den Text zu setzen ist.

1. Änderungen im Wortbestande.

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nótdurft, ein bei Hartmann und den meisten höfischen Epikern unbelegtes Wort, 1 ) erscheint 16 645 bei M zu dinc gebessert. gefriunt, das Gottfried 16 670 substantiviert gebraucht, bessert M in das übliche der geverte. flamme, nicht zu Hartmanns, Wolframs und der meisten höfischen Epiker Wortschatz gehörend, erscheint 17 597 in M in fiur geändert. Analog schreibt M im folgenden Yerse erfiuren für enflammen. Ein Charakteristikum der Gottfriedschen Sprache sind die häufigen z u s a m m e n g e s e t z t e n S u b s t a n t i v a (und Adj.), mit denen er im Gegensatz zu Hartmanns durchsichtiger Epik seine mehr lyrisch gehaltene Diktion schmückt, jedoch ohne wie Wolfram dunkel und mystisch zu werden.2) Viele, ja fast die meisten, sind seine eigene Erfindung, 3 ) und der Schreiber von M tilgt sie, wo es nur angeht, mit Rücksichtslosigkeit, dadurch einen individuellen Schmuck des Epos vernichtend. 4) Häufig sind die Zusammensetzungen mit herze-. 1094*: sin hergegir dafür M(NO): stnes hergen gir\ Y. 4222: da3 im der hergesmerge dafür M: da$ im sines hergen smerge. V. 5859 : ir hergeswcere dafür M: ir hergen swcere. Die für Gottfried charakteristischen Koseformen mit herge- vermeidet M ebenfalls: vgl. 10289 M: liebiu tohter st. hergetohter 10376 M: liebiu niftel st. hergeniftel. ') Vereinzelt bei Rudolf v. Ems (Gerhard 2598) und in Ulrichs Willehalm. s ) Eine Zusammenstellung der gebräuchlichsten Komposita bei L ü t h , Der Ausdruck dichterischer Individualität in Gottfrieds Tristan, Progr. Parchim 1881, S. 27 f. s ) Lüth, a. a. 0. S. 27. P i q u e t , L'originalité de Gottfried de Strasbourg, Lille 1905, S. 371 *). *) Gebräuchlichere und bei Hartmann vorkommende Komposita wie hergeleit, wunschleben u. a. sind dagegen geblieben.

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I. Die innere Textgestalt der Handschrift M.

Gottfried eigentümlich sind auch die Zusammensetzungen mit sene-, wie senemcere, senegenos, senebürde. 211 senemcere ändert M (WN, vgl. auch RS) in senede mcere, ebenso M(WNBSP) 19065 senebürde in senediu bürde. 312*: tverltwünne bessert M in wertliche wünne (vgl. auch H, R und S). 491 f : hie spilten sine gedanke mite; di$ liebete ime den hovesite erscheint bei M zur Vermeidung von hovesite abgeändert in : hie spilten sine site dä liebete ime der hof mite. Speziell Gottfriedisch sind die Zusammensetzungen mit ende-, in 3 Beispielen im Tristan vorkommend (1934, 10902, 12940). 1934: ung an ir beider endetac ändert M i n : ung an ir beider endes tac. klagenöt, außer Trist. 2375* nur bei Gottfrieds Nachahmer Konrad von "Wurzburg im Engelhard 5551 belegt, vermeidet M und ändert: so jcemerliehe klagenöt in : sö jcemerlicher klage not. Gleichgültiger ist, daß M 2632 mermuschelen, nach den "Wörterbüchern nur an dieser Stelle belegt, in die muschelen abändert (vgl. auch 16649 M: armbrust für birsarmbrust). 4229* bessert M (H) vaterwän in vaters wän (vgl. dag. 4370* vaterwän (M)). Yon den bei Gottfried häufigen Zusammensetzungen mit trat- kommt bei Hartmann in Iw. nur noch trütgeselles) vor. M schreibt daher V. 5860 herre statt des in der höfischen Poesie nur bei Gottfried und Konrad v. Würzbg. häufigeren trütherre. — Über trütgeselltn 16774 s. oben S. 10. 6754 : ernestkreis, ein eigentümliches chrctE XeTÖjievov ') 1432 ist wohl die Lesart v o n M: seneleit (statt senediu leit) das Ursprüngliche. (Die Variante fehlt bei Marold.) ') Iw. 1471. 2146. 2159. — In M ist daher trütgeselle geblieben.

1. Änderungen im Wortbestande.

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bei Gottfried, mißversteht M und gibt es durch ersten krei$ •wieder, desgleichen 8128 muotgedcene, eine ebenfalls von Gottfried selbst gebildete Komposition, durch das unsinnige magetgedoene. 9710* erscheint rdtfrdge bei M in rätes frage gebessert; vgl. auch 17666* M (N) : frage st. rätfräge. 15875 : umbe den süe$en schellenklanc, der bessert M in: umbe der stiegen schellen klanc, diu Y. 16442: da$ ist guot spilgevelle bessert M in: ) Vgl. jetzt auch Ed. Schröder, ZfdA 53, S. 99. — Abgesehen von manchen Inkonsequenzen, Unrichtigkeiten und zweifellos minderwertigen Lesungen der Maroldschen Ausgabe, scheint mir ihr gegenüber immer noch der von B e c h s t e i n gebotene Text, dessen Herausgeber ausdrücklich die von MH gebotene Überlieferung zugrunde legt (vgl. Einltg. S. XLVII) und vielfach gerade den Lesungen von M stattgibt, den Vorzug zu verdienen.

Anhang. ZUR KRITIK. 1 ) 667. Die Lesart von M: von edelen siden wol gebriten (so alle Herausgeber außer Marold) ist jedenfalls vorzuziehen; siden ist hier deutlich Plural = Seidenstoffe. Vgl. auch V. 593. 1370. Der Yers ist nach H, wie ihn Marold gibt, metrisch schwer und bei Gottfried kaum zulässig (5 Hebungen). Die Lesarten von M und H scheinen zusammenzugehören und aus einer ersten, auf M zurückgehenden Änderung entstanden zu sein, indem dem (geistlichen) Bearbeiter die Heranziehung des „Himmelreiches" an dieser Stelle offenbar blasphemisch vorkam (vgl. S. 38 Anm. 2), und nach dem Vorgänge von M auch H eine Wendung mit künicrtch einführte. Ich möchte *) Der von Marold gebotene Text zeigt deutlich, daß das von ihm angenommene Handschriftenverhältnis nicht das richtige sein kann, insbesondere daß das Übergewicht, welches er den Hss. F, II und W bei der Textkritik gibt, unberechtigt ist. Die von ihm S. LXI seiner Einltg. zusammengestellten gemeinsamen „Fehler" von MF und MW (MFW) sind in den meisten Fällen der von II gebotenen Lesart entschieden vorzuziehen, lassen im Gegenteil ein loseres Verhältnis von F und W zueinander und zu M erkennen und zeigen, daß in vielen Einzelheiten der Schreiber von II ebenso selbständig vorgegangen ist wie der von F und W. Demgegenüber verdienen die Lesungen von M, auch wo sie vereinzelt stehen, vielfach entschieden den Vorzug — in etwa auch gestützt durch die Persönlichkeit des Schreibers, dem eine literarische Bildung wohl nicht abzuerkennen ist. Die Namen Maßmann, Bechstein, Golther beziehen sich im folgenden stets auf die betreffenden Ausgaben. Außerdem sind häufiger zitierte kritische Arbeiten: v. Hagen, Kritische Beiträge zu Gottfrieds Tristan, Diss. Mühlhausen 1868 ( = v. Hagen); veränderter Sonderabdruck in Bartschs Germ. Stud. I, S. 31 ff. H. P a u l , Zur Kritik und Erklärung von Gottfrieds Tristan, Germ. 17, 385 ff. ( = Paul). J. Kottenkamp, Zur Kritik und Erklärung des Tristan Gottfrieds von Straßburg, Diss. Göttingen 1879 ( = Kottenkamp).

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daher def Lesart FW und der der jüngeren Hss. folgen und als ursprüngliche Fassung des Verses konjizieren: wmbe kein himelriche gegeben. 1660. als ir state, wie Marold schreibt, ist wohl nur Druckfehler; es ist natürlich mit allen Hss. al ir state zu lesen. 2211. Die Lesart von M: den wart gekmfet ouch durch in (so Bechstein) ist inhaltlich ebenso zulässig wie die von HW\ den wart ouch dd gekauft durch in und hat vor jener noch voraus, daß das Yerb in der von Gottfried bevorzugten vollen Form (gekoufet) erscheint (vgl. auch Fr. Pfeiffer, Freie Forschung, Wien 1867, S. 134). 2590. Die Lesart Marolds: owe, wol hcete ich verhorn (so auch Golther) macht Schwierigkeiten für die Erklärung des bei Gottfried in ähnlichem Gebrauche nicht weiter belegten wol. Die Konjektur Pauls (a. a. 0. S. 390): 6 wie wol hcete ich verhorn ist, wie Bechstein mit Recht bemerkt, zu modern und vor allem ungottfriedisch. Stilistisch und gedanklich am annehmbarsten ist wieder die Lesart von M: oice, wan hcete ich verhorn. 2650 setzt Marold mit Recht das nur in M überlieferte lären (die übrigen Hss. haben läsen) in den Text. Folgerichtig hat die alte Form auch 17 319 Platz. Ebenso ist 7314 mit M gencere und 16 188 genaren zu schreiben. 2750. "Weshalb Marold gegen die Übereinstimmung fast aller besseren Hss. ach Mrre got schreibt, ist nicht ersichtlich. Es ist mit MFW d herre got zu lesen. 3334 f. Die Lesart Marolds: brünlüter was ime da$ hdr ist vollständig unmetrisch. Gegen brünreideloht von M macht v. Hagen geltend (S. 32 Anm. 1. Germ. Stud. S. 52), daß diese Lesart sich wohl als eine Reminiszenz des Schreibers aus Wolframs Parzival 63, 20: lieht reideloht was im sin hdr erkläre. Ist es an sich nicht ausgemacht, daß die Münchener Hs. des Parzival und die des Tristan von demselben Schreiber stammen — ich bezweifle es auf Grund der Schriftvergleichung (vgl. S. 7 Anm.) —, so wird es nach unseren früheren Ausführungen mehr als unwahrscheinlich, daß unser Schreiber das einfache brünlüter, wenn es wirklich in der Vorlage stand, nach jener Stelle bei Wolfram — und nur hier — in brün-

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reideloht geändert haben sollte. (Vgl. auch 3919 brünreide, das die Hss. FWNS(ORP) ebenfalls mehr oder weniger mißbilden). Ich möchte daher die Verse in Anlehnung an M folgendermaßen wiederherstellen: brünreideloht was im sin hdr, gekruspet bi dem ende. — In der Erklärung des Sachlichen hat Bechstein wohl das Richtige getroffen. Die Verse enthalten eine plastische Schilderung eines jugendlichen Locken*kopfes. 3767. Die Schreibung von M: wa$ half in da$ ist als die metrisch glattere von allen Herausgebern in den Text gesetzt worden und wohl auch als die ursprüngliche anzusprechen. 3761. Die Bedeutung „bestimmt, festgesetzt" liegt eher in dem von M(W) überlieferten endeclich (endeltch der übrigen Hss. bedeutet nach Gottfriedschem Sprachgebrauche „letzt, endlich"). Es ist daher mit M endeclicher mcere (— sicherer Kunde) zu schreiben. Ebenso 5072 endeclicher gil und 18222 endecliche3 hergeleit. 4315 f. Diese beiden Zeilen werden von allen Herausgebern verschieden gegeben. Die Lesart Marolds ist jedenfalls für V. 4316 metrisch nicht ganz einwandfrei (Fehlen des Auftaktes). Auch v. Hagen9 Konjektur (Germ. Stud. S. 54) ist nicht glücklich. Es scheint eine Verderbnis der gemeinsamen Vorlage vorzuliegen. Der Sinn der Stelle muß sein, daß Marke sich erinnerte, auch f r ü h e r schon viel von der Tüchtigkeit Euals gehört zu haben, und ich möchte Bechstein recht geben, der die metrisch wie inhaltlich einwandfreie Lesart von M: wan er ouch e in sinen tagen von ime vil hcete gehceret sagen ohne Abänderung in den Text aufnimmt. 4615. M hat hier allein das richtige geschriben überliefert, während die übrigen Hss. das jüngere beschriben einsetzen. beschriben im Sinne des Schilderns ist dem älteren Mhd. noch fremd (vgl. Haupt zu Erec 8223). Es ist daher auch 15821 mit M geschriben zu lesen. 4656 ist die Angabe der Variante M bei Marold falsch. M bietet: helfe iu got, so lä$e stän, eine Lesart, welche durch die Lebhaftigkeit des Ausrufes eines gewissen Vorzuges vor der von Marold und den anderen Herausgebern gewählten Fassung nicht entbehrt. qf. cxiv. 6

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4664. Die von MF(BONRS) gebotene Schreibung wildencere ist entschieden dem von HW überlieferten wüdercere vorzuziehen. Die Erklärung Pauls (S. 391) wildercere — „Wildmacher" ist, wie Bechstein mit Recht bemerkt, in der Tat wenig passend und zudem keine Variation zu dem vindcere wilder mcere des vorhergehenden Yerses. Zudem überliefert H stets wildercere, auch 11934 u. 17 463, wo allein wildencere am Platze und auch von Marold in den Text gesetzt ist. Das an unserer Stelle in seiner Bedeutung vielumstrittene Wort hat jüngst John Meier als der Gaunersprache entliehen (wildencere = Gaukler) nachgewiesen.*) Es ist demnach 4664 und 4681 mit M wildencere zu lesen. 4723. Ich stehe nicht an, das von MRS hier wie auch 4834 (auch HP) und 14253 überlieferte redelich für das Ursprüngliche zu halten. Das Wort scheint in der Bedeutung „beredt" zuerst von Gottfried angewandt zu sein; sein Nachfolger Konrad von Würzburg gebraucht es im Troj. Krieg 7578 (mit redelichem munde) noch in derselben Bedeutung. (Vgl. auch Städtechroniken 9, 537 11 : dirre höbest was wol gelert und redelich). M hätte ein rederieh der Vorlage nicht in redelich gebessert; auch ist Dissimilation von l und r, wie jüngst Kraus (ZfdA 51, S. 303) vermutete, nicht wohl anzunehmen, da M einheitlich redelich überliefert, während H zwischen redelich und rederich schwankt. Daß 4834 das allein in z überlieferte redegcebe (Marold schreibt falsch redegebe), das auch Bechstein in der 3. Aufl. in den Text setzt (gegenüber redelich der früheren), das richtige sein soll, ist zum mindesten sehr zweifelhaft (vgl. auch Kraus a. a. 0. S. 303). 4744. Die von M(NSEP) gebotenen Lesart geleitet ist als die ursprüngliche in den kritischen Text zu setzen. Der Ausdruck ist, worauf schon Sprenger (Germ. 22, 407) aufmerksam machte, der Gartenkunst entlehnt und paßt zudem gut zu dem gebreitet des vorhergehenden Verses, das einen ähnlichen technischen Ausdruck enthält. 4750. Die Lesart aller Herausgeber: von den ich nü niht sprechen wil befriedigt nicht und steht zudem in Widerspruch *) Festschrift zur Baseler (49.) Philologenversammlung, Basel 1907, S. 512.

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zu Y. 4772. Ich möcht die Zeile bessern in: von den ich iuch nü sprechen wil. ich iuch fehlte anscheinend im Archetypus, woraus sich die Lesart H: von den nü sprechen wil wohl erklärt. M und die übrigen Hss. besserten den unvollständigen Vers wenig glücklich in die obige Fassung. — Nunmehr löst sich der bisherige Widerspruch zwischen "V". 4750 und 4772, und letzterer Vers ist nach MHF passend zu lesen: 'nü sprechet umbe die nahtegalen!' Nachdem der Dichter V. 4750 versprochen hat, das Lob der lyrischen Dichter zu singen, aber bisher noch keinen derselben genannt hat, wird er V. 4772 vom Leser wieder an sein Versprechen erinnert. 4767 ist edelen herben von MF gegenüber dem Singular in HW nach des Dichters sonstigem Gebrauch (vgl. 47. 233. 1709 u. ö.) durchaus vorzuziehen. 4932 ist listmachcere der Hss. gegenüber listwürkcere in M eine jüngere Lesart und demnach die Schreibung von M beizubehalten. 5067. Das von allen Herausgebern außer Marold in den Text gesetzte truoc ist das inhaltlich allein passende und wird zudem auch durch die falsche Lesart von MH wahrscheinlich gemacht. Das sinnlose tuot dieser Hss. läßt sich nämlich graphisch nur als Versehen aus undeutlichem (t)ruöc — t steht als Initiale — der Vorlage erklären, woraus dann FW treit herstellten. 5264. Nach Bechsteins annehmbarer Vermutung hat M(W) mit diu die richtige Lesart, indem ere und gemach der vorhergehenden Zeile als Gottfriedsches ev hm buoTv gefaßt und der Nachdruck auf ere gelegt wird. 5346. Der Vers ist so, wie ihn Marold schreibt, unvollständig und ohne Sinn; denn mit Bechstein Ellipse des Verbums anzunehmen, hervorgerufen durch gesteigerte Lebhaftigkeit .der Erzählung, ist modern und an dieser Stelle gänzlich unbegründet. Auch Kottenkamps Besserungsversuch (Germ. 22, S. 408), 5345 als Parenthese zu fassen und 5346 vuor statt er zu lesen, ist aus ähnlichen Gründen gleich wenig befriedigend. Es scheint an dieser Stelle schon ein Fehler der Vorlage vorzuliegen, der nicht ohne eine gewisse Kühnheit gegen die zufällig einheitliche Überlieferung korrigiert werden kann. 6*

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Ich möchte annehmen, daß Y. 5346 lautete: und er vuor des endes sä gestunt und daß der Fehler dadurch entstand, daß der Schreiber von dem r des er zu dem in vuor abirrte und so das Yerb ausließ. Es ist also mit zweisilbigem Auftakte zu lesen: und er vuor des endes sä gestunt. 5611. Die Metrik verlangt unbedingt: ir fluht diu was ir meistiu wer nach MW, welche Lesart auch alle Herausgeber außer Marold angenommen haben. Aus dem gleichen Grunde ist 5768 mit M: verrihtet atte$ des, des ich zu schreiben. 5869 f . Ich gebe Bechstein vollkommen recht, welcher die Verse nach M liest: der got ein gehörtes leben an wibes eren hät gegeben (so auch schon Maßmann). Der Ernst der Stelle wie auch die Wortfolge bieten keine Gelegenheit zu einem Wortspiele, sodaß also die Lesarten: ein geertez leben mit Bezug auf eren des folgenden Verses, wie Myska (a. a, 0 . S. 12) meint, und erst recht: ein gerehtez leben mit Anklang an das vorhergehende rehte, wie Kottenkamp (S. 12) vorschlägt, zurückzuweisen sind. — Mren ist bei Gottfried häufiger: vgl. zu dieser Stelle besonders 6077 f. Das Partizip gehert kommt vor 12681 und 15758.

5889. Die Lesart von M(BENBS): d6 der verschiet dd viel da$ lernt ist metrisch glatter und wird auch von Kraus a. a. 0 . S. 338 gefordert. Andererseits ist nach metrischen u n d syntaktischen Gesichtspunkten die Partikel ge- in V. 6740 zu ergänzen und nach M zu lesen: gewäfent wol getrüge dan. die bessere Lesart: friunt — V. 787 haben HW(NOERSP) lieber, got gesegene dich. 6454 ff. Die Überlieferung von M(H'), welche auch Bechstein in der 3. Aufl. aufnimmt, ist entschieden die poetischere und der Situation (Tristan nimmt Morolds Herausforderung an) angemessenere. Es ist zu lesen: di$ muos ich mit gotes helfe ergeigen, und müe^e der geveigen, der . . . Muo$ 6454 ist = werde, will, während müe^e 6456 als „möge" zu fassen ist. Der Sinn der Stelle ist also: Das werde (will) ich mit Gottes Hilfe zeigen, und möge der dem Tode verfallen sein, der unrecht unter uns beiden hat. — Das Verbum veigen kommt auch bei Wolfram intransitiv vor: vgl. Parz. 136,20. Willeh. 3 8 0 , 1 2 (vgl. auch Jaenicke a. a, 0 . S. 13 und Anm. 3).

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6570 möchte ich eher mit M lesen : der rede der würde alge vii. 7413. Die allerdings vereinzelte Lesart von M: kèren unde beliben, ein gutes Gottfriedsches tv òià òuoiv ( = Halt machen und bleiben), hat vieles für sich und dürfte wohl das Ursprüngliche sein, indem enkeren der übrigen Hss. (s. die Varianten) sich leicht aus 7416 erklären läßt. 8117 setzt Marold unmetrisch offenlichen, das allerdings einheitlich in MHFW überliefert wird. Es ist zu lesen: off etiliche und tougen (Vgl. auch Kraus, ZfdA 51, 338). 8382. Die Lesart von MH(BOPE) : das si in mortliche slüegen (so auch Bechstein) ist vielleicht gegenüber dem erslüegen der übrigen Hss. die ältere Lesart. 8768. mortrcete ('Mordgeselle3) von M ist dem morttcete der übrigen Hss. vorzuziehen. Das Wort erscheint im Tristan noch 12727 und 12876, während dagegen ähnliche Bildungen mit -tcete bei Gottfried weiter nicht zu belegen sind. 8792 folgt Marold mit Recht der allein passenden Lesart von M; jedoch ist zur Vermeidung des Hiatus bereiten, wie die Hs. überliefert, zu lesen. 8885. Der Vers wird durch Schreibung von unge, wie auch M überliefert, metrisch besser; vgl. auch Kraus, a.a.O. S. 317. 8965 f. Die Stelle macht der Kritik wie der Interpretation — insbesondere das belderichen 8966 — Schwierigkeiten und ist von den Forschern verschiedentlich und mit mehr oder weniger Glück zu erklären versucht worden. Von vorne herein scheint eine ironische Auffassung des belderichen aus dem Zusammenhang wie auch aus Gottfrieds Stil heraus ausgeschlossen, und ebenso unwahrscheinlich ist die Vermutung Bechsteins, daß ein sprichwörtlicher Ausdruck vorliege. Gleichfalls unzulässig ist, das von den besten Hss. (MHFW) übereinstimmend überlieferte balderichen (belderichen) in beldeclichen, welches in der Tat R und S bieten, umzuändern. Auch die Vermutung C. v. Kraus' (a. a. 0. S. 303), der letzte Erklärungsversuch zu dieser Stelle, daß Dissimilation von l und r vorliege und beldelichen zu schreiben sei, scheint mir nicht zutreffend: es sprechen dagegen die ge-

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schlossene Überlieferung der 4 ältesten Hss. wie auch die von ihm angeführten Stellen für baltlich (beltlich), das in den Hss. stets richtig überliefert wird. Man ist daher für die Erklärung der Stelle auf den Zusammenhang angewiesen. Hiernach kann aber der Sinn der Verse m. E. niemals der sein : er (der Truchseß) sah den Drachen nie, sondern kehrte immer (furchtsam) den Eücken zur Flucht. Denn daß balderich = Rücken in belderichen enthalten sein soll, ist rein unmöglich; zudem sah der Truchseß den Drachen öfters, ließ es nur nie zum Kampfe kommen. — Die Negation in enkerte (8966), die nicht übersehen werden darf, weist auf einen Zusammenhang mit dem vorhergehenden Verse hin. Ich komme daher zu folgender Erklärung: belderichen ist als Gottfriedsche Bildung aus rieh und beide, also = „reich an Kühnheit, mutvoll" aufzufassen (beide bei Gottfried — und nur bei ihm — noch 11976) und wegen der größeren Betonung statt des schwächeren beltlich gesetzt. Die Schreibung von M: balde riehen erklärt sich als eine der in M häufigen Distraktionen, vgl. z. B. 5010: muotes riche statt muotriche; außerdem ist der a-Umlaut, wie auch sonst durchweg in M, noch nicht bezeichnet. Endlich liegt hier einmal eine Dissimilation von n und r vor, welche in mhd. Handschriften bekanntlich nicht selten und auch in unserer Hs. einigemale anzutreffen ist. *) Ich lese daher: er enkerte beldericher ie und übersetze die ganze Stelle wie folgt: [8964] „. . . und anderes war auch nicht bezweckt damit (nämlich mit den Ausritten des Truchsessen); denn er sah den Drachen nie, ohne daß er immer mutvoller zurückkehrte (nämlich in seinen Bewerbungen um Isolde, deren amis er gegen ihren Willen sein wollte, vgl. 8955 f.)". Diese Erklärung gibt einen durchaus befriedigenden Sinn bei nur geringer Korrektur der einheitlichen Überlieferung und ist auch schon von v. Hagen in Vorschlag gebracht worden (vgl. Germ. Stud. S. 56). Die Interpunktion ist daher bei Marold im ganzen richtig getroffen. ') Vgl. z. B. 7097. 16821. 18628. Man hüte sich jedoch vor allzu häufiger Annahme solcher Verschreibungen auch bei unserer Hs.

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8989 hat M mit fnaste wieder allein die richtige Lesart aufbewahrt, vra^e, wie die übrigen Hss. schreiben, erweist sich deutlich als wenig poetische und spätere Glosse für das seltenere fnaste und kommt zudem in der Bedeutung „Gier", in der es hier einzig möglich wäre, im Mhd. überhaupt nicht vor. Es liegt in mit fnaste und mit fiure ein Gottfriedsches ev biä buoTv vor = mit (giftigem) Schnauben und Feuer, mit Giftgeschnaube. Daß der Drache das Pferd aufgefressen habe, wird nirgends gesagt und fehlt auch in der Saga. 9432. Die Schreibung Marolds nach HF ist unmetrisch, es muß zum mindesten alse heißen; doch hat die Lesart von MW\ ich wei$ e$ wäre$ als den tot, die auch Maßmann und Bechstein annehmen, ebenso viel für sich und ist Gottfried gleich geläufig (vgl. 119. 5837. 10492. 17 751. 19147). — Desgl. ist auch 10 121 besser alse zu schreiben. 10387 ist die Lesart Marolds gänzlich ungottfriedisch und wiederum der Autorität von FHW zuliebe gesetzt worden. sich, warte, er sitzet, deist Tristan, wie Marold schreibt und auch Kottenkamp (S. 18) als einzig richtige Lesart vorschlägt, gibt eine skizzenhafte aber ganz unklare Bezeichnung der Situation (Tristan im Bade), wie sie Gottfried nicht zuzutrauen ist. Ein Hinweis auf 9423 kann die Lesart von FHW wohl erklärlich machen, aber nicht stützen, da dort gerade die entgegengesetzte Situation vorliegt. Die Stelle scheint schon im Archetypus verderbt oder wenigstens schwer leserlich gewesen zu sein. Immerhin bietet wiederum die Lesart von M einen vollständig befriedigenden Sinn, und ich möchte den Yers mit Maßmann wiederherstellen in : sich, wä der sitzet, deist Tristan (ähnlich Bechstein; vgl. auch v. Hagen S. 12). 10414 will Kraus (ZfdA 51, 324) lesen : hie mite giengin si ddn si drt, welche Schreibung auch M bietet (die Variante fehlt bei Marold). 10992 setzt Marold mit Recht nach MH frö und aller sorgen fri gegen das von den übrigen Hss. überlieferte, von v. Hagen (S. 28) als richtig angenommene und von Maßmann und Golther in den Text gesetzte fruot. Das Wort findet sich bei Gottfried nur noch in formelhaften Verbindungen

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(vgl. Kraus, Festgabe für Heinzel S. 169) und stets in Reimstellung: vgl. 641*. 13 091*. 13461* 11272. Es entspricht dem bei Gottfried beliebten Parallelismus mehr, mit MF zu lesen: swa$ ieman sprichet oder saget. — 11278 wird durch Schreibung von sä gehant, wie M bietet und auch die meisten Herausgeber schreiben, metrisch besser. 11492 f. Ich halte auch hier die Lesart von M für die ursprüngliche. Der Dichter spielt hier lediglich mit den gegensätzlichen Begriffen amte und hergenöt: b e i d e s ist Isolde ihrem Begleiter Tristan noch ohne daß er es weiß. Es ist also mit M zu lesen: sin unverwände amte, sin unverwdndiu hergenöt, und die Varianten der übrigen Hss. erweisen sich als Besserungsversuch gegen das sich in den beiden Yersen wiederholende unverwänt. 13765 ist mit MW(EP) entschieden sin frouwe zu lesen. Es liegt an dieser Stelle gar kein Grund zum Gebrauch einer Metapher, wie sie H: sin fröude bietet, vor. 13 790 ff. Die Schreibung Marolds ist grammatisch unmöglich, insbesondere enthält 13 792 eine unzulässige Ellipse des pronominalen Subjekts. Auch Bechstein ist in seiner Erklärung nicht glücklich. Es ist unbedingt mit MF(NOERSP) geschiht zu lesen, ferner nach 13 791 die Interpunktion auszulassen und nach 13 794 Punkt zu setzen. Hiernach gibt die Stelle folgenden glatten Sinn: Ehe man die Hand wendet, verkehrt sich das wieder ins Gegenteil und geschieht wiederum etwas, das ihm wieder Zweifel bringt, wodurch er abermals in Yerwirrung gebracht wird. 13799. Die sinnlose Lesart Marolds vol ist wohl nur Druckfehler für das von allen Hss. überlieferte wol. 13865. Marold schreibt ohne eine Variante anzumerken: den stric, den er rihte; alle übrigen Ausgaben haben: den er ir rihte, welche Lesart, auch in M überliefert, beizubehalten ist. 14006. Es geht nicht an, das erwendet von M beizubehalten, da die Hs. die beiden Verse 14006/7 inhaltlich ganz anders faßt (s. die Variante). Es ist enwendet zu schreiben, da die Negation zum Sinne der Zeilen: „es sei denn, daß ihr allein mich daran hindert oder daß der Tod mich davon abhält" unbedingt gehört.

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14395. Die von Kraus (ZfdA 51, 310) aus metrischen Gründen verlangte Lesart: si klagete im unde er klagete ir ist in M wörtlich enthalten. 14450. Der Vers ist, wie ihn Marold bietet, metrisch ungleichmäßig, diu auszulassen, wie Kraus jüngst vorschlug (ZfdA 51, 303), ist gegen die übereinstimmende Überlieferung (M ändert das ganze Yerspaar um). Ich möchte aus der Abänderung von M wie aus der Überlieferung der übrigen Hss. den Vers fassen, wie ihn die meisten Herausgeber wiedergeben: diu senede gät ie guo g'iu dar. 14 460. Das von MF und der Mehrzahl der übrigen Hss. überlieferte künde klingt, wie Bechstein mit Recht anmerkt, besser im Munde der Dienerin Brangäne und ist dem gunde von H W entschieden vorzuziehen. — 14 464 möchte ich dagegen mit H lesen: ine gesenftete iuwer klage. 15129. Der Vers macht der Kritik wie auch der> Interpretation Schwierigkeiten, nach gemelicher sache, wie Marold, wiederum H folgend, schreibt, ist gänzlich verfehlt und ohne verständlichen Sinn. Annehmbarer und nicht ohne Vorzüge ist die von Kottenkamp (S. 29) verteidigte Lesart von FW(OP) : nach gemechlicher sache, doch ist dieser Ausdruck wohl nicht anders zu übersetzen als mit: um der Ruhe zu pflegen, was eine Tautologie zum folgenden Verse wäre; Bechstein macht dazu mit Recht aufmerksam, daß gemechlich im Tristan sonst nicht zu belegen ist. Die Lesart von M: nach gemeinlicher sache scheint mir demnach auch hier wiederum die richtige zu sein, mag man nun den Ausdruck zeitlich fassen = nach gemeinsamer Sache, d. i. nach gemeinschaftlichem Aderlaß, oder modal = da sie gemeinschaftlich zur Ader gelassen hatten. Vgl. auch V. 5713: mit gemeinlichen sacken; ferner 2272* gemeinliche (Adv.), wo H geminnecliche schreibt. 15132. Der Vers ist metrisch ungeschickt; es ist zu schreiben: des änderen tdges ge naht. 1522$. Die Hs. M bietet: nu gesweig er und gesprach nie wort (Variante bei Marold falsch), welche Lesart grammatisch wie stilistisch vollkommen einwandfrei ist. Die Schreibungen von H(FO) sind augenscheinlich jünger. Vgl. zu diesem Verse 11228.

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Anhang: Zur Kritik.

15313. Es ist mit H(O) besprochen ( = festsetzen) zu schreiben. Vgl. 535. 1956. 16 891 ist, wie auch schon Maßmann schrieb, der vogelschal zu lesen. M hat hier, wie öfter (vgl. S. 11 ff.) eine Zerlegung des ursprünglichen Kompositums vorgenommen. 17293. Der Yers ist metrisch unmöglich und die Variantenangabe Marolds, daß dä stdn sich in allen Hss. außer in E finde, unrichtig: da fehlt auch in M, und die allein mögliche Schreibung ist: und fündbn ein trünne stdn. (Vgl. auch ZfdA 51, 339.) 17310. Die Lesart von M: bekam ist die metrisch bessere wie auch die ältere und daher in den Text aufzunehmen. 17 440. Es ist mit MH mit vorhten zu schreiben statt vorhtlichen — Gottfried gebraucht vorhtliche, vgl. z. B. 445* — wodurch auch der Vers metrisch besser wird. (Vgl. auch v. Hagen S. 42.) 17519. Ein pronominales Objekt zu sich versach ist grammatisch und dem Sinne nach unbedingt notwendig. Es

ist mit M zu schreiben: leit meine ich, da$ er sich es versach. 19193. Den metrisch ungeschickten Vers Marolds, der in allen Hss. verschieden überliefert wird, möchte ich bessern

in: er sanc, er schreip ir und er las. Auch in kleineren Einzelheiten bewährt M seine Zuverlässigkeit. So vermutet Kraus in seinem schon mehrfach zitierten Aufsatz S. 348 f., daß Gottfried zur Vermeidung des Hiatus guo g'im, guo g'ir etc. geschrieben habe, welche Schreibart M im Gegensatz zu den übrigen Hss. fast stets bietet. Marold beobachtet hier wie in vielem anderen ein eklektisches Verfahren. Doch mögen die angeführten Ausstellungen als die im Rahmen unserer Arbeit sich ergebenden genügen. Weitere kritische Bemerkungen finden sich außerdem noch in den Ausführungen unserer Abhandlung.