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German Pages 142 [148] Year 1986
Gottfried von Straßburg Tristan und Isolde
in Auswahl herausgegeben von
Friedrich Maurer |
Fünfte Auflage mit einer Einführung von Werner Schröder
w DE
G 1986 Walter de Gruyter · Berlin · New York
SAMMLUNG GÖSCHEN 2204
Dr. phil., Dr. litt. h.c. Friedrich Maurer em. o. Professor der Germanischen Philologie an der Universität Freiburg i. Br. Dr. phil. Werner Schröder em. o. Professor für Germanische und Deutsche Philologie an der Universität Marburg a. d. Lahn
CIP-Kurztitelaufnahme
der Deutschen
Bibliothek
Gottfried (von Strassburg): Tristan und Isolde / Gottfried von Strassburg. In Ausw. hrsg. von Friedrich Maurer. — 5. Aufl. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1986. (Sammlung Göschen ; Bd. 2204) Einheitssacht.: Tristan ISBN 3-11-010853-4 NE: Maurer, Friedrich [Hrsg.] ; G T
© Copyright 1986 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 - Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden — Printed in Germany - Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin 30 - Bindearbeiten: Lüderitz Sc Bauer, Berlin 61
Inhalt Seite
Über Gottfried von Straßburg und seinen ,Tristan-Roman'. . .
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Literatur
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Prolog
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Aus der Vorgeschichte
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Die Hauptgeschichte
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I. Hauptteil: Tristans Geschichte bis zur Heimkehr mit Isolde II. Hauptteil: Die Tristanliebe bis zur Entdeckung
52 76
Schlußteil der Hauptgeschichte
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Wörterverzeichnis
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Über Gottfried von Straßburg und seinen ,Tristan'-Roman Er ist die fragwürdigste Gestalt der mittelalterlichen deutschen Literaturgeschichte, und das im wörtlichsten Verstände: Kein anderer Dichter und kein anderes Werk stellen so viele Fragen, deren Klärung für das Verständnis ihres Verlaufs wissenswert und sogar wissensnotwendig wäre und die bislang nur unzureichend oder kontrovers beantwortet und teilweise überhaupt nicht zu beantworten sind. Wir haben uns daran gewöhnt, daß sich die meisten Autoren des frühen und hohen Mittelalters über ihre persönlichen Lebensumstände ausschweigen und allenfalls in Widmungen, Prologen oder Epilogen ein paar Mitteilungen über Quellen und Auftraggeber ihres Werkes einfließen lassen. Aber Gottfried von Straßburg übertrifft sie alle, er ist der Schweigsamsten einer. Zur Person verrät er gar nichts, bis auf die gemeinhin auf seinen Namen gedeutete Initiale G des Eingangs-Akrostichons. Daß er seinen ,Tristan'Roman unvollendet hinterließ und daß sein vorzeitiger Tod die Ursache war, berichten übereinstimmend Ulrich von Türheim und Heinrich von Freiberg, die das gewaltige Fragment nacheinander im Abstand von vier Jahrzehnten notdürftig zum Abschluß zu bringen versucht haben, min herre meister Gotfrit / von Strazburg (HvF 15 f.) nennt ihn der Freiberger, und meister Gotvrit (UvT 4) heißt er auch bei dem Türheimer. meister, d. i. magister: er war also ein Studierter und ein künste richer man (UvT 8), ein Poet, dazu. daz in der tot hat hin genomen (UvT 20), daz er diz buoch niht volle sprach (UvT 18), ist in Ulrichs Augen ein schade groz, uns, den Nachlebenden, geschehen (UvT 1). Heinrich preist ihn noch gegen Ende des Jahrhunderts in den höchsten Tönen, im Bewußtsein seines eigenen Ungenügens als tummer künsteloser man (HvF 46). meisterlich berichtet (HvF 14) habe Gottfried die Geschichte von Tristan und Isolt, schone unde meisterlichen / nach durnehtiges meisters siten / uz blüendem sinne (HvF 18 — 20). Sein Ruhm ist so frisch wie am Beginn. Seine Schaffenszeit dürfte nicht weit über das erste Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts hinausreichen. Der ,Tristan'Torso war sein einziges Werk. Möglicherweise gehören ihm außerdem zwei unter dem Namen Ulrichs von Lichtenstein überlieferte Sprüche über daz glesine gelücke und min unde din (KLD 16, I und II). Nach Straßburg, jedenfalls ins Elsaß weist der überwiegende Teil der mit 11 vollständigen Handschriften und 15 Fragmenten relativ reichen Überlieferung seines tragischen Liebesromans, dessen Wirkungen im 13. Jahrhundert allenthalben spürbar und nachweisbar sind. Die dürftigen Fortsetzungen lassen allerdings daran zweifeln, ob die Zeitgenossen und 1
M a u r e r , Gottfried von Straßburg
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Uber Gottfried von Straßburg und seinen ,Tristan'-Roman
die Nachlebenden die Sprengkraft seiner künstlerischen Aussage wirklich begriffen haben. Von den großen Romanen der ersten beiden Jahrzehnte ist der ,Tristan' neben - aber in ganz anderer Weise als - Wolframs ,Willehalm' der eigenen Zeit am weitesten voraus. Gottfried ist sich dieses Umstands bewußt gewesen und hat keinen Hehl daraus gemacht, daß seine Dichtung nicht für ir aller werlde (Tr 50) bestimmt sei, diu keine swcere enmüge getragen / und niwan in vröuden welle sweben (Tr52f.). Das ist gleich zu Anfang des stichischen Prologs eine deutliche Absage an das höfische Durchschnittspublikum, das nur unterhalten sein wollte. Er wendet sich ausdrücklich an eine gedachte Elite, die er edele herzen nennt und von denen er erwartet, daß sie in der Lage sein würden, die unaufhebbare Spannung zwischen Freude und Leid, Leben und Tod auszuhalten, in welche er seine Liebenden zu führen vorhatte. Der Zeitmode des Minnesangs, in welchem der Sänger stellvertretend für alle Liebenden einer Geliebten zu huldigen hatte, die als hoch über ihm stehend gedacht war, so daß er auf Erhörung niemals hoffen konnte, hatte auch Wolfram von Eschenbach keinen Geschmack abzugewinnen vermocht und sich auf die einzige lyrische Gattung beschränkt, in welcher von echtem Trennungsschmerz nach gefahrvoller Vereinigung die Rede sein durfte. Gottfried hat zwar die nahtegalen (Tr 4751. 4774) sehr gerühmt, zumal ir aller leitevrouwe, / diu von Hagenouwe (Tr 4779f.), Orphees zunge, / diu alle doene künde (Tr 4790f.), und die von der Vogelweide (Tr 4801), Reinmars Nachfolger als meisterinne (Tr 4800) und leitcerinne (Tr 4812): die müezen so gesingen, / daz si ze vröuden bringen / ir truren unde ir senedez clagen (Tr 4817 — 4819). Seine Sache jedoch war das hoffnungslose truren ebenfalls nicht. Als Dichter hat er auf Lieder ganz verzichtet. Der einzige Minneritter des Romans, der truhscsze am irischen Königshof, der was ouch unde wolte sin / der jungen küniginne amis (Tr 8950 f.), ist die verächtliche Karikatur eines solchen. Und Gandin, der Marke seine Frau mit Saitenspiel und List abgewinnt, ist eher als Frauenräuber vorgestellt. valsche minnxre, / der minnen trügemsre (Tr 12311 f.) sind in seinen Augen alle, die sie nur als Gesellschaftsspiel betreiben: Ez ist vil war, daz man da saget: / ,Minne ist getriben unde gejaget / in den endelesten ort.' / wirn haben an ir niwan daz wort: / uns ist niwan der name beliben / und han ouch den also zetriben, / also verwortet und vernamet, / daz sich diu müede ir namen schämet / und ir daz wort unmceret (Tr 12279 — 12287). Er nimmt sich selber gar nicht aus: wie vertuon wir unser leben / arte liep und ane guot (Tr 12316 f.): wie vergant uns unser tage, / daz wir unserre clage / so selten liebez ende geben (Tr 12313 —12315). liebez ende wollen aber heißt zugleich liebez leit (Tr 60) in Kauf nehmen.
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Den Vorwurf, die Minne nicht ernst genug genommen zu haben, hat er auch den Romanciers nicht erspart. Sätze, wie er sie seine Isolt in der Stunde des Abschieds im Baumgarten zu dem scheidenden Tristan sprechen läßt: ,wir zwei wir haben liep unde leit / mit solher gesellekeit / her unz an dise stunde braht; / wir suln die selben andaht / billiche leiten uf den tot' (Tr 18323 -18327), sind zwischen Hartmanns Enite und Erec oder Laudine und Iwein kaum vorstellbar, einzig zwischen Wolframs Gyburg und Willehalm, als dieser sie fast schutzlos in der eingeschlossenen Burg Oransche zurücklassen muß: ,denke an die triuwe din. / und ob dir iemen gebe untrost / daz ich nimmer werd erlost, / den laz von dir riten' (Wh 104, 1 8 - 2 1 ) . Diesen Roman zu lesen, hatte Gottfried keine Gelegenheit mehr. Das Thema des Nicht-von-einander-lassen-könnens zweier Liebenden unter ständiger Gefährdung ist hier gleichfalls zentral. Jedoch die Bedrohung rührt von einem weltgeschichtlichen Konflikt her, in welchen sie verstrickt sind. Ihre Liebe hatte, obwohl sie mit einem Ehebruch begann, das Licht des Tages nicht zu scheuen, und sie ging, wenngleich sie nicht frei von Schuld war, nicht in permanentem Betrug auf Kosten eines anderen. Einen tiutare (Tr 4684) hätte der böswillige ,Parzival'-Kritiker für diese Geschichte sicher nicht gebraucht, sie aber wohl — und zu Recht — seiner Tragödie der Leidenschaft nicht vergleichbar gefunden. Willehalms Liebe bleibt eingebunden in überpersönliche Pflichten und Verantwortung für andere, ohne die Gyburg ihn nicht so lieben könnte, wie sie es tut. Das unerhört Neue am ,Tristan' dagegen ist die Proklamierung der erotischen Liebe zum eigentlichen und einzigen Sinn des Daseins und der Versuch ihrer Verwirklichung ohne Rücksicht auf andere Menschen, ja auf Gott. ,ez wcere tot oder leben', sagt Tristan, als Brangaene von dem Trank-Verhängnis berichtet, dem sie die ihrer Ansicht nach tödliche, weil verbotene Liebe des Paares zuschreibt, ,ez hat mir sanfte vergeben. / ine wetz, wie jener werden sol: / dirre tot der tuot mir wol. / solte diu wunnecliche Isot / iemer alsus sin min tot, / so wolte ich gerne werben / umb ein eweclichez sterben' (Tr 12495 —12502). Falls die körperliche Vereinigung mit Isolde seinen Tod zur Folge haben sollte, will er ihn trotzdem immer wieder riskieren, ein eweclichez sterben mit ihr einem Leben ohne sie vorziehen, um irdischen Glückes willen, wenn es denn sein muß, selbst das ewige Leben aufs Spiel setzen. Das sei, weil an Blasphemie grenzend, einem mittelalterlichen Autor nicht zuzutrauen, sagen die Experten. Es war jedoch für ein in geistlichen Vorstellungen befangenes Ohr kaum zu überhören. Und die in christlichem Sinne heillose Geschichte der Liebenden, die um nichts weniger besorgt sind als um das Heil ihrer Seelen, bestätigt, daß es auch so gemeint war. 1'
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Obgleich nur wenige Hörer oder Leser ihm darin zu folgen bereit gewesen sein mögen, hat die Unbedingtheit der Entscheidung des Autors und seiner Helden für das Wagnis einer verzehrenden Leidenschaft viele fasziniert, wie das geradezu überschwängliche Lob, das dem Romanfragment von Mitund Nachwelt gezollt worden ist, zur Genüge verrät. Er hätte seine Erwartung bestätigt gesehen, daß man eines Tages sein Werk über alle erheben werde, die er in seiner schnell berühmt gewordenen und nachgeahmten Literatur-Revue mit Anerkennung bedacht hatte. Weswegen Hartman der Ouwcere (Tr 4621) nach Gottfrieds Urteil sin schapel und sin lorzwi (Tr 4637) verdiente: seine cristallinen wortelin (Tr 4629), daß er der aventiure meine / mit rede figieret (Tr 4626 f.) und seine Erzählung mit Worten und mit sinnen / durchverwet und durchzieret (Tr 4624 f.) hatte, die geschliffene Sprache und die Farbigkeit der Bilder, das alles und mehr noch fanden sie auch bei ihm. Nun aber nicht an unglaubwürdige aventiuren und auf ein happy end vorprogrammierte Minnekasus verschwendet, sondern zu ästhetischer Bändigung und Verwandlung eines den ganzen Menschen aufwühlenden Gefühls genutzt! Gottfried hat auf Inhalt und Personen keiner einzigen Erzählung Hartmanns Bezug genommen und sich von der vorgegebenen Schematik des arthurischen Romanmodells, das Hartmann als erster von Chretien übernommen hatte, geflissentlich ferngehalten. Die eine Artusszene, die nach dem Zeugnis von Eilharts ,Tristrant' in den Stoff Eingang gefunden hatte, hat er wieder eliminiert. Dabei ist er sonst durchaus nicht darauf erpicht, die seinem Roman zugrunde liegende Fabel zu verändern. Er hat keine der schwankhaften Ehebruchsepisoden aus den vor- und frühhöfischen Tristandichtungen ausgelassen, sie vielmehr genutzt, die schnell fortschreitende Vervollkommnung des ehebrecherischen Paares in der Kunst des Lügens und Betrügens und die damit einhergehende, immer weniger glaubhafte Düpierung des ihm unsympathischen Marke zu demonstrieren: der wistez warez alse den tot / und sach wol, daz sin wip Isot / ir herzen unde ihr sinne / an Tristandes minne / mitalle was vervlizzen; / und enwoltes doch niht wizzen (Tr 17747-17752). Unverändert, ein bloßer conte ä rire ist keine Szene geblieben, die er von neuem in die Hand genommen hat. Das belauschte Stelldichein zum Beispiel, in welchem die ertappten Sünder dem im Baum lauernden König eine gekonnte Komödie vorspielen, präludiert dem gelüppeten eit (Tr 15748) beim Gottesurteil zu Carliun. Bevor Isolt in aller Öffentlichkeit mit einem dem Wortlaut nach unanfechtbaren, de facto jedoch verlogenen Eid ihren Kopf aus der Schlinge zog, hatte sie es in ähnlich prekärer Situation bereits
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erprobt und von damals die Erfahrung mitgenommen, die sich jetzt wieder bewahrheitet, daß selbst Gott dem Listigen gefällig ist: erst allen herzen bereit, / ze durnehte und ze trügeheit. / ist ez ernest, ist ez spil, / er ist ie, swie so man wil (Tr 15741 — 15744). Hatte er doch sogar dem niederträchtigen Mordanschlag Isoldes auf die treue Mitwisserin Brangsene schweigend zugeschaut! Den traditionellen Minnetrank als auslösendes Moment der lebenslangen Leidenschaft hat Gottfried wie selbstverständlich beibehalten und, als die Durstigen versehentlich zu der Brangsne anvertrauten Flasche greifen, ausdrücklich auf die ihm zugeschriebenen verhängnisvollen Folgen hingewiesen: wernde swtere, endelose berzenot, / ν on der si beide lagen tot (Tr 11674-11676). Voraus gehen heftige Vorwürfe Isoldes an die Adresse Tristans, der sie - Jne weiz wa hin. / ine weiz, wie ich verkoufet bin' (Tr 11589 f.) — in ein fremdes Land verschleppe. Der Erzähler ist sichtlich bemüht, dem Eindruck des Hörers/Lesers, Tristan und Isolt seien im Grunde für einander bestimmt, entgegenzuwirken. Daß, nachdem sie getrunken haben, urplötzlich hceten beide ein herze: / ir swcere was sin smerze, / sin smerze was ir sw&re; / si waren beide einbxre / an liebe unde an leide (Tr 11727-11731), ist die Wirkung des Trankes. Er ermöglicht der Minne, aller herzen lagcerin (Tr 11711), sie in ir gewalt zu bringen, daß si wurden ein und einvalt, / die zwei und zwivalt waren e (Tr 11715 — 11717). Wenn somit von vorausgehender uneingestandener Neigung nicht die Rede sein kann, bloße Magie ist auch nicht, was ihnen geschieht. Der Liebeszauber ist weder befristet noch aufhebbar wie bei Eilhart. Er symbolisiert das Irrationale, Unerklärliche des Liebesphänomens, die scheinbar von außen kommende Überwältigung, die Aussichtslosigkeit des Widerstandes: Die Liebenden haben keine Wahl, sie können nicht anders, sie sind, ob sie wollen oder nicht, einander verfallen. Gottfried hat dieselbe Erfahrung schon der Eltern Tristans mit dem Bilde der Leimrute beschrieben, von der es für den Vogel, der sie einmal berührt hat, kein Entkommen mehr gibt. Genau so ergeht es dem senedcere, der von senelicher swcere (Tr 863 f.) frei zu werden trachtet: so ziubet in diu süeze nider / der gelimeten minne (Tr 864f.). Was dort auf Riwalin gemünzt war, wird jetzt von Isolde ausgesagt, die zu spät den lim erkande / der gespenstegen minne (Tr 11792f.): ir gelimeten sinne / dien künden niender hih gewegen (Tr 11810f.). Der magische Trank meint nichts anderes als die Unentrinnbarkeit erotischer Leidenschaft. Er war als traditionelles Requisit der Fabel schwer aufgebbar. In der präludierenden Liebestragödie Riwalins und Blanscheflurs ist Gottfried ohne ihn ausgekommen.
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Über Gottfried von Straßburg und seinen ,Tristan'-Roman
Das entbehrungsreiche Waldleben der ertappten Ehebrecher, die sich mit knapper Not der Vollstreckung des Todesurteils durch Flucht entzogen haben, ist bei Gottfried in einen idealen Lustort der lediglich vom Hof Verbannten umgewandelt. Die mit perfekt beherrschtem Rüstzeug geistlicher Allegorese ausgestaltete Minnegrotte ist der utopische Ort ungetrübten, leidfreien Liebesglücks, das es auf dieser Welt und nach Gottfrieds Lehre nicht geben kann. Einzig dazu bestimmt, das Verlangen danach ad absurdum zu führen. Tristan und Isolt sind froh, dank erneuter Täuschung Markes der paradiesischen Langeweile zu entgehen. Sie ergreifen die erste sich bietende Gelegenheit, an den Hof zurückzukehren, in die wirkliche Welt der Intrigen und Gefahren, in welcher für ihre Liebe kein Platz ist, wo die Katastrophe ihrer Trennung vorhersehbar ist und endlich geradezu tollkühn heraufbeschworen wird. Gottfried hat in seine Erzählung immer wieder Reflexionen eingeschaltet, in welchen die Handlungsweise seiner Figuren kritisch beleuchtet und das Für und Wider des Phänomens Minne mit großer Nüchternheit erörert wird. Die wohlabgewogenen Urteile des Moralisten scheinen der sichtbaren Sympathie zu widersprechen, mit welcher der Erzähler seine Liebenden durch Dick und Dünn begleitet. Man sollte ihm nicht vorwerfen können, er hätte das verletzte Recht der Opfer und Geschädigten überhaupt nicht gesehen. Daß er nicht für die vielen zu schreiben gedachte, daß das süeze sur (Tr 60) der großen Liebe nicht von durchschnittlichen Menschen wie Marke zum Beispiel erfahren und erlitten werden könne, daß ihre immanente Tragik eine gewisse Fallhöhe voraussetze, das hatte er gleich im Prolog angekündigt. Jedoch ein Freibrief und Generalpardon für jedwede Gesetzesübertretung ist das Ausnahmerecht einer ungewöhnlichen Liebe selbstverständlich auch nicht. Es genügte nicht, ihren höheren Rang aus Bekenntnissen der Liebenden abzuleiten, er mußte durch ihr Verhalten in Extremsituationen immer wieder offenkundig gemacht werden. Das geschieht nach der Entdeckung im Baumgarten, indem Isolt die Todesfurcht (,daz ich ersterben sol' Tr 18262) und die nur auf eigene Rettung bedachte eilige Flucht Tristans zu einer rettenden Tat auch für sie {,unser beider leben daz leitet ir' Tr 18350) umdeutet und ihrer beider unauflösliche Verbundenheit mahnend und erinnernd beschwört: ,ich han tu nu lange ergeben / beidiu leben unde lip; / nu sehet, daz mich kein lebende wip / iemer von iu gescheide, / wir ensin iemer beide / der liebe unde der triuwe / stcete unde niuwe, / diu lange und alse lange vrist / so reine an uns gewesen ist' (Tr 18298-18306). Ein nicht minder großartiges Zeugnis dafür geht voraus und läuft wohl nicht zufällig dem mit dem Gottesurteil endenden Prozeß parallel. Ich
Über Gottfried von Straßburg und seinen ,Tristan'-Roman
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meine die mutmaßlich von Gottfried erfundene Episode um das Hündchen Petitcreiu, das mittels seines Glöckchens alles Leid der Welt vergessen macht und das Tristan in der Verbannung seinem Gastgeber Herzog Gilan von Swales abgelistet hatte, um es der Geliebten zu schicken und zu schenken, damit sie nicht länger unter der erzwungenen Trennung leide, und dem Isolt sofort, nachdem sie der wundersamen Wirkung innegeworden ist, das Glöckchen abreißt, weil sie nicht frei von Leid sein will, solange der Geliebte um ihretwillen leidet: ,ern bat niht lebenes niuwatt min: / solt ich ane in tut lebende sin / vro unde vröudebcere / und daz er truric wcere? / nun welle got der guote, / daz ich in minem muote / iemer vröude ane in gehabe!' (Tr 16381-16387). Schon hier deutet sich an, was sich nach der Trennung für lange Zeit, vielleicht für immer, bald bestätigt, daß Isolt für die ihnen auferlegte Entsagung besser gerüstet ist. Als der Roman abbricht, ist Tristan im Begriff, die versprochene triuwe aufzukündigen und in den Armen einer anderen Isolde Vergessen zu suchen. Die immer zu gewärtigende immanente Gefährdung der Tristan-Liebe bricht offen aus. Was ihre Einzigkeit begründete, erweist sich nun als Schwäche. Es gibt für die Liebenden Gottfrieds keinen anderen Halt außer dem, den einer dem andern gibt. Allein auf sich gestellt, ohne eine ihn ausfüllende Aufgabe in der Welt und ohne die niemals ernstlich erwogene Zuflucht bei Gott verliert Tristan seine bis dahin bewiesene, selbst durch Tod und Teufel nicht zu erschütternde Sicherheit. Wir wissen nicht, wie der Dichter mit dem sich abzeichnenden Abfall Tristans fertig geworden wäre, den nach dem übereinstimmenden Zeugnis von Eilhart und Thomas die beleidigte Isolt nicht ohne weiteres hinzunehmen bereit war. Der tragische Ausgang des Romans ist nicht zweifelhaft, und um seinetwillen müssen die Liebenden noch vor dem bitteren Ende zu der in der Baumgarten-Szene beschworenen Unauflöslichkeit ihres Liebesbundes zurückgefunden haben: ,ein lip und ein leben daz sin wir' (Tr 18344).
Die nachgerade nur noch schwer zu überschauende Literatur zu Gottfrieds Tristan' ist bis 1983 in Hans-Hugo Steinhoffs ,Bibliographie zu Gottfried von Straßburg', I (1971), II (1986), verläßlich gebucht. Als letztes ForschungsResume nenne ich Hugo Kuhns Artikel ,Gottfried von Straßburg' im neuen Verfasserlexikon ,Die deutsche Literatur des Mittelalters', Bd. 3 (1981) Sp. 153 - 1 6 8 . Da jede knappe Auswahl notgedrungen subjektiv wäre, beschränke ich mich darauf, zur Unterstützung des Gesagten meine eigenen Äußerungen zum Thema anzuführen, die vielfach an entlegener Stelle vergraben sind:
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Über Gottfried von Straßburg und seinen ,Tristan'-Roman
Nachwort zu Gottfried von Straßburg, Tristan, hrsg. von Karl Marold. Unveränderter vierter Abdruck nach dem dritten mit einem auf Grund von Rankes Kollationen verbesserten Apparat besorgt von W. S., Berlin/New York 1977, S. 2 8 3 - 3 0 3 . Das Hündchen Petitcreiu im ,Tristan' Gotfrids von Straßburg, in: Dialog. Literatur und Literaturwissenschaft im Zeichen deutsch-französischer Begegnung. Festgabe für Josef Kunz, hrsg. von Rainer Schönhaar, Berlin 1973, S. 3 2 - 4 2 . Die von Tristande hant gelesen. Quellenhinweise und Quellenkritik im ,Tristan' Gottfrieds von Straßburg, ZfdA 104 (1975) 307 - 338. Text und Interpretation. Das Gottesurteil im ,Tristan' Gottfrieds von Straßburg, Sitzungsberichte der Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Bd. X V I , Nr. 2, Wiesbaden 1979. Gottfrieds ,Tristan' in theologischer Sicht, Wolfram-Studien VI 206-210.
(1980)
Versuch über Tristanliebe bei Gottfried von Straßburg, in: Geschichtlichkeit und Neuanfang im sprachlichen Kunstwerk. Studien zur englischen Philologie zu Ehren von Fritz W. Schulze, hrsg. von Peter Erlebach/Wolfgang G. Müller/Klaus Reuter, Tübingen 1981, S. 4 9 - 5 7 . Die in dem vorliegenden Bändchen enthaltene Text-Auswahl nach der Ausgabe von Friedrich Ranke hat Friedrich Maurer getroffen und mit verbindendem Text versehen. Daran sollte nach dem Wunsch des Verlages vom neuen Herausgeber nichts geändert werden. Wo immer man in das Fleisch einer Dichtung hineinschneidet, alle Schnitte sind im Grunde barbarisch. Auswahlhefte können nur den einen Sinn haben, zu vollständiger Lektüre anzuregen, und da ist es fast gleichgültig, mit welchen Ausschnitten das geschieht. Es gibt in diesem Roman nichts Oberflüssiges, keine weniger wichtigen oder gar entbehrlichen Partien. An welcher Stelle man auch zu lesen anfängt, der Text ist so beschaffen, daß er den für große Kunst Empfänglichen nicht mehr losläßt. Und das Thema dieses Romans ist heute fast aktueller als zu Anfang des dreizehnten Jahrhunderts. Altensteig, 14. 3. 86
Werner
Schröder
9 Prolog In drei Stufen nähert sich Gottfried den Hauptteilen seines Werks, indem er sein T h e m a sozusagen mehrmals vorbereitet und vorklingen läßt. Die erste Stufe bildet der Prolog. Die Vierreime des Anfangs auf der einen Seite und die in den Versen 233 bis 240 auf der andern rahmen ihn ein. Das Thema wird angegeben, ideell und stofflich. Die Welt der edelen herzen wird hingestellt, das Ideal ihres Daseins im Ineinander von Freud und Leid, von Leben und Tod. Die Tristangeschichte, ihre Quelle, ihr Sinn werden erörtert. Gedichte man ir ze guote niht, von den der werlde guot geschiht, so waerez allez alse niht, swaz guotes in der werlde geschiht. D e r guote man swaz der in guot (und) niwan der werlt ze guote tuot, swer daz iht anders wan in guot vernemen wil, der missetuot. Ich hcere es velschen harte vil, daz man doch gerne haben wil: da ist des lützelen ze vil, da wil man, des man niene wil. E z zimet dem man ze lobene wol, des er iedoch bedürfen sol, und läze ez ime gevallen wol, die wile ez ime gevallen sol. T i u r unde wert ist mir der man, der guot und übel betrahten kan, der mich und iegelichen man nach sinem werde erkennen kan.
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Prolog
E r e unde lop diu schepfent list, da list ze lobe geschaffen ist: swä er mit lobe geblüemet ist, da blüejet aller slahte list. R e h t als d a z dine zunruoche gät, d a z lobes noch ere niene hat, als liebet daz, d a z ere hat und sines lobes niht irre gät. I r ist so vil, die des nu pflegent, d a z si d a z guote zübele wegent, d a z übel wider ze guote wegent: die pflegent niht, si widerpflegent. C u n s t unde nähe sehender sin swie wol diu schinen under in, geherberget nit zuo zin, er leschet kunst unde sin. H e i tugent, wie smal sint dine Stege, wie kumberlich sint dine wege! die dine Stege, die dine wege, wol ime, der si wege unde Stege! T r i b e ich die zit vergebene hin, so zitic ich ze lebene bin, son var ich in der werlt sus hin niht so gewerldet, alse ich bin. Ich hän mir eine unmiiezekeit der werlt z e liebe vür geleit und edelen herzen zeiner hage, den herzen, den ich herze trage, der werlde, in die min herze siht. ine meine ir aller werlde niht
Prolog als die, von der ich hoere sagen, diu keine swa:re enmüge getragen, (und) niwan in vröuden welle sweben: die läze ouch got mit vröuden leben! Der werlde und diseme lebene enkumt min rede niht ebene: ir leben und minez zweient sich, ein ander werlt die meine ich, diu samet in eime herzen treit ir siieze sür, ir liebez leit, ir herzeliep, ir senede not, ir liebez leben, ir leiden tot, ir lieben tot, ir leidez leben: dem lebene si min leben ergeben, der werlt wil ich gewerldet wesen, mit ir verderben oder genesen, ich bin mit ir biz her beliben und hän mit ir die tage vertriben, die mir üf nähe gendem leben lere unde geleite solten geben: der hän ich mine unmüezekeit ze kurzewile vür geleit, daz si mit minem mxre ir nähe gende swsere ze halber senfte bringe, ir not dä mite geringe, wan swer des iht vor ougen hät, dä mite der muot zunmuoze gät, daz entsorget sorgehaften muot, daz ist ze herzesorgen guot. ir aller volge diust dar an: swä so der müezege man mit senedem schaden si überladen, dä mere muoze seneden schaden, bi senedem leide müezekeit, da wahset iemer senede leit. durch daz ist guot, swer herzeclage
Prolog
und senede not ze herzen trage, daz er mit allem ruoche dem llbe unmuoze suoche: da mite so müezeget der muot und ist dem rnuote ein michel guot; und gerate ich niemer doch dar an, daz iemer liebe gernde m a n dekeine solhe unmuoze im neme, diu reiner liebe missezeme: ein senelichez ma:re daz tribe ein senedasre mit herzen und mit munde und senfte so die stunde. N u ist aber einer jehe ze vil, der ich vil nach gevolgen wil: der senede muot so der ie me mit seneden magren umbe ge, so siner swasre ie mere si. der selben jehe der stüende ich bi, wan ein dinc, daz mir widerstät; swer innecliche liebe hat, doch ez im we von herzen tuo, daz herze stet doch ie dar zuo. der innecliche minnen muot, so der in siner senegluot ie mere und mere brinnet, so er ie serer minnet. diz leit ist liebes alse vol, daz übel daz tuot so herzewol, daz es kein edele herze enbirt, sit ez hie von geherzet wirt. ich weiz ez wärez alse den tot und erkennez bi der selben not: der edele senedaere der minnet senediu msere. von diu swer seneder mcere ger, dein var niht verrer danne her;
Prolog ich wil in wol bema;ren v o n edelen senedaeren, die reiner sene wol täten schin: ein s e n e d x r u n d e ein senedaerin, ein m a n ein wip, ein w i p ein man, T r i s t a n Isolt, Isolt T r i s t a n . Ich weiz wol, ir ist vil gewesen, die von T r i s t a n d e h ä n t gelesen; u n d ist ir doch niht vil gewesen, die von im rehte h a b e n gelesen. T u o n aber ich, diu geliche n u o u n d schepfe miniu w o r t d a r zuo, daz mir ir iegeliches sage v o n disem masre missehage, so w i r b e ich anders, d a n n e ich sol. ine t u o n es n i h t : si sprächen wol (und) n i w a n uz edelem m u o t e mir u n d e der werlt ze guote. binamen si täten ez in g u o t : u n d swaz der m a n in guot getuot, d a z ist ouch guot u n d wol getän. aber als ich gesprochen h ä n , d a z si niht rehte h a b e n gelesen, d a z ist, als ich iu sage, gewesen: sin sprächen in der r i h t e niht, als T h o m a s v o n B r i t a n j e giht, der a v e n t i u r e meister was u n d an britunschen buochen las aller der l a n t h e r r e n leben u n d ez uns ze k ü n d e h ä t gegeben. Als der von T r i s t a n d e seit, die rihte und die w ä r h e i t begunde ich sere suochen in beider h a n d e buochen waischen u n d latinen
Prolog und begunde mich des pfnen, d a z ich in stner rihte rihte dise tihte. sus treip ich manege suoche, u n z ich an eime buoche alle sine jehe gelas, w i e dirre aventiure was. w a z aber min lesen dö wsere v o n disem senemiere: d a z lege ich miner w i l l e k ü r allen edelen herzen v ü r , d a z si d a mite unmüezic wesen: ez ist in sere guot gelesen. guot? ja, innecliche guot: ez liebet liebe und edelt muot, ez stattet t r i u w e und tugendet leben, ez k a n w o l lebene tugende geben; w a n s w a man hceret oder list, d a z v o n so reinen triuwen ist, da liebent dem getriuwen man t r i u w e u n d ander tugende v a n : liebe, triuwe, stieter muot, ere und ander manic guot, d a z geliebet niemer anderswä so sere noch so w o l so da, da man v o n herzeliebe saget u n d herzeleit ü z liebe claget. liebe ist ein also saslic dinc, ein also sxlecllch gerinc, d a z nieman äne ir lere noch tugende hat noch ere. so manec w e r t leben, so liebe v r u m e t , so v i l so tugende v o n ir kumet, o w e d a z allez, d a z der lebet, nach herzeliebe niene strebet, d a z ich so lützel v i n d e der, die lüterliche herzeger
Prolog durch vriunt ze herzen wellen tragen niwan durch daz vil arme clagen, daz hie bi zetelicher zit verborgen in dem herzen lit! War umbe enlite ein edeler muot niht gerne ein übel durch tüsent guot, durch manege vröude ein ungemach? swem nie von liebe leit geschach, dem geschach ouch liep von liebe nie. liep unde leit diu wären ie an minnen ungescheiden. man muoz mit disen beiden ere unde lop erwerben oder äne si verderben, von den diz senemxre seit, und hasten die durch liebe leit, durch herzewunne senedez clagen in einem herzen niht getragen, son wa:re ir name und ir gesdiiht so manegem edelen herzen niht ze sxlden noch ze liebe komen. uns ist noch hiute liep vernomen, süeze und iemer niuwe ir inneclichiu triuwe, ir liep, ir leit, ir wunne, ir nöt; al eine und sin si lange tot, ir süezer name der lebet iedoch und sol ir tot der werlde noch ze guote lange und iemer leben, den triuwe gernden triuwe geben, den ere gernden ere: ir töt muoz iemer mere uns lebenden leben und niuwe wesen; wan swä man noch hoeret lesen ir triuwe, ir triuwen reinekeit, ir herzeliep, ir herzeleit,
Prolog D e i s t aller edelen herzen bröt. hie mite sö lebet ir beider tot. wir lesen ir leben, wir lesen ir tot und ist uns d a z süeze alse brot. I r leben, ir tot sint unser brot. sus lebet ir leben, sus lebet ir tot. sus lebent sie noch und sint doch töt und ist ir töt der lebenden brot. U n d swer nu ger, d a z man im sage ir leben, ir tot, ir vröude, ir clage, der biete herze und ören her: er vindet alle sine ger.
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Aus der Vorgeschichte Die Vorgeschichte bildet die zweite Stufe der Annäherung an die Hauptteile. Die Vierreime und Akrosticha in den Versen 233-240 auf der einen Seite und die zwischen den Versen 1751-54 und 1865-68 auf der andern rahmen sie ein. Es ist die Geschichte Riwalins und Blanscheflurs, der Eltern Tristans, die bereits in sich das leidvolle Schidcsal des Helden vorausnimmt und die erfüllt ist von dem T h e m a der Verflochtenheit von liebe u n d leit, von Leben und T o d , von minne und ere. Aus der Vorgeschichte wird ein größeres zusammenhängendes Stück gegeben; es vermag eine Vorstellung v o n dem großartigen Wohlklang, von der V o l l k o m m e n h e i t der sprachlichen und rhythmischen Form zu vermitteln, die Gottfrieds Werk auszeichnet; es vermag auch in knapperer Form die Erzählkunst und Art der G e d a n k e n f ü h r u n g zu veranschaulichen, in der die Hauptgeschichte ebenso strahlt.
Ein herre in Parmenie was, der jare ein kint, als ich ez las: der was, als uns diu wärheit an siner aventiure seit, wol an gebürte künege genöz, an lande vürsten ebengroz, des libes schcene und wunneclich, getriuwe, küene, milte, rieh; und den er vröude solte tragen, den was der herre in sinen tagen ein vröude berndiu sunne. er was der werlde ein wunne, der ritterschefte ein lere, siner mäge ein ere, sines landes ein zuoversicht: an ime brast al der tugende niht, der herre haben solte, wan daz er ze verre wolte 2
Maurer, Gottfried von Straßburg
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Aus der Vorgeschichte
in sines herzen lüften sweben und niwan nach sinem willen leben; daz ime ouch sit ze leide ergie. wan leider diz ist und was ie: üfgendiu jugent und vollez guot, diu zwei diu vüerent übermuot. vertragen, daz doch vil manic man in michelem gewalte kan, dar an gedähte er selten; übel mit übele gelten, c r a f t erzeigen wider c r a f t : d a r zuo was er gedanchaft. N u n laufet ez die lenge niht, der allez daz, daz ime geschäht, mit Karies lote gelten wil. weiz got, der man muoz harte vil an disem borge übersehen oder ime muoz dicke schade geschehen. swer keinen schaden vertragen kan, da wahsent dicke schaden an und ist ein veiclicher site; hie vähet man den bern mite: der richer einzele schaden, unz er mit schaden wirt beladen. ich wa:ne, ouch ime alsam geschach, w a n er sich alse vil gerach, biz er den schaden d a r an genam. daz aber er ie ze schaden kam, dazn kam von archeite niht, da von doch manegem schade geschiht: ez kam von dem geleite siner kintheite. daz er in siner blüenden jugent mit jugentlicher herren tugen: wider sin selbes sadden streit, daz geschuof sin spilendiu kintheit, diu mit ir übermuote
Aus der Vorgcschichtc in slnem herzen bluote. er tet vil rehte als elliu kint, diu selten vorbesihtic sint: er nam vür sich niht sorgen w a r , wan lebete und lebete und lebete et c do sin leben ze lebene vienc, uF alse der tagesterne gienc und lachend in die werlde sach, do wänder, des doch niene geschach, daz er iemer also solte leben und in der lebenden süeze sweben. nein, sines lebenes begin der gie mit kurzem lebene hin; diu morgenliche sunne siner werltwunne, do diu von erste spilen began, dö viel sin gacher äbent an, der ime v o r was verborgen, und laschte im sinen morgen. Wier aber genennet w x r e , daz kündet uns diz mxre; sin aventiure tuot es schin: sin rehter name was Riwalin, sin änam was Canelengres. genuoge jehent und wxnent des, der selbe herre er w x r e ein Lohnoisxre, künec über daz lant ze Lohnois: nu tuot uns aber Thomas gewis, derz an den aventiuren las, daz er von Parmenie was und hxte ein sunderez lant von eines Britunes hant und solte dem sin Untertan: der selbe hiez Ii due Morgan. N u daz der herre R i w a l i n
Aus der Vorgeschichte
w o l und nach grozen eren sin w o l driu j a r ritter was gewesen und haste w o l hin heim gelesen ganzliche kunst zc ritterschaft, zurliuge vollecliche c r a f t , (er haete lant, liute unde guot) weder ez do not aid übermuot geschüefe, des enweiz ich niht, w a n als sin aventiure giht, so greif er M o r g a n e n an als einen schuldegen man. er k a m geriten in sin lant mit also creftiger hant, daz er im mit gewalte genuoge bürge v a l t e ; die stete muosen sich ergeben und loesen ir guot unde ir leben, reht alse liep als ez in was, unz er zesamene gelas gülte unde guotes die c r a f t , daz er sine ritterschaft so starke gemerte, s w a r er mit her kerte, ez wahren bürge oder stete, d a z er v i l sines willen tete. ouch nam er dicke schaden dar an: er galt mit manegem biderben man, w a n M o r g a n was an siner w e r ; der bestuont in o f t e mit her und tet in dicke schadehaft; w a n zurliuge und ze ritterschaft hoeret Verlust unde gewin: hie mite so gänt urliuge hin; Verliesen unde gewinnen d a z treit die criege hinnen. ich waene, im M o r g a n alsam tete: er valte im ouch bürge unde stete und brach im underwilen abe
A u s der Vorgeschichte
sine liute unde sine habe und tet im, swaz er mohte, daz doch niht vil entohte, wan in tet iemer Riwalin mit grozem schaden wider in und treip des mit im also vil, unz er in brähte üf daz zil, daz er sich nihtes künde erwern noch sich niender trüte ernern niwan in sinen vesten, den sterkesten, (unde) den besten. die selben besäz Riwalin und gab üz voller hant dar in bataljen unde striten. er tet in zallen ziten strackes rehte unz in diu tor. ouch haste er dicke da vor turneie und riche ritterschaft. alsus lag er im obe mit craft und heretin in dem lande mit roube und mit brande, biz sich Morgan ze tage do bot und daz erwarp mit aller not, daz ez getaget wart under in zwein und ein jär vride getragen in ein, und wart der von in beiden mit bürgen und mit eiden gestaetet, alse er solte sin. hie mite so kerte Riwalin mit den sinen heim rieh unde vro. uz milter hant londer in do und machetes alle riche. er lie si vroliche und wol nach sinen eren wider zir heimüete keren. Nu daz Canele alsus gelanc, nu was dar nach vil harte unlanc,
Aus der Vorgeschichte
unz daz er aber einer varc durch banekle in eine w a r t und er sich aber üz reite mit grozer richeite, also der erengire tuot. al daz gerxte und al daz guot, des er bedürfen wolte und ein jär haben solte, d a z w a r t im an ein schif getragen. er hiete vil gehceret sagen, wie höfsch und wie erba:re der junge künic wsere v o n Curnewale Marke, des ere wuohs do starke: der hxte do ze siner hant C u r n e w a l und Engelant. C u r n w a l was aber sin erbe do. umb Engelanden stuond ez so: d a z hsete er sit des males, daz die Sahsen von Gales die Britune da vertriben und si d a herren beliben, von den ez ouch den namen verliez daz lant, daz e Britanje hiez, und wart ouch iesä do genant nach den v o n Gales Engelant. do die d a z lant besäzen und ez under sich gemäzen, do woltens alle künegelin und herren von in selben sin: diz wart ir aller ungewin. sus begunden si sich under in slähen und morden starke und bevulhen ouch do Marke sich und daz lant in sine pflege: sit her diendez im alle wege so sere und sö vorhtliche, daz nie kein künicriche
A u s der Vorgeschichte
eim künege me gediende baz. ouch saget diu istorje von im daz, daz allen den bilanden, diu sinen namen erkanden, kein künec so werder was als er. da hin was Riwalines ger. aldä dähter beliben, ein jär mit ime vertriben und von im werden tugenthaft und lernen niuwan ritterschaft und ebenen sine site baz. sin edelez herze seite im daz: erkante er vremeder lande site, da bezzert er die sine mite und würde selbe erkant dervan. Mit disen sinnen huob er an: er bevalch sin liut und sin lant an sines marschalkes hant, eines herren von dem lande, an dem er triuwe erkande, der hiez Rual Ii foitenant. sus kerte Riwalin zehant mit zwelf gesellen über se: er bedorfte do dekeines me, er haste her hie mite genuoc. nu sich diu zit also getruoc, daz er ze Curnewale kam und uf dem mer aldä vernam, daz Marke der maere ze Tintajele w