Der Majoristische Streit (1552-1570) 9783666560163, 9783525560167, 9783647560168


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Der Majoristische Streit (1552-1570)
 9783666560163, 9783525560167, 9783647560168

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© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525560167 — ISBN E-Book: 9783647560168

CONTROVERSIA ET CONFESSIO Theologische Kontroversen 1548–1577/80 Kritische Auswahledition Herausgegeben im Auftrag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur · Mainz von Irene Dingel

Band 3

Vandenhoeck & Ruprecht

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525560167 — ISBN E-Book: 9783647560168

Irene Dingel (Hg.)

Der Majoristische Streit (1552–1570) bearbeitet von Jan Martin Lies und Hans-Otto Schneider

Vandenhoeck & Ruprecht

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525560167 — ISBN E-Book: 9783647560168

Das Vorhaben „Controversia et Confessio“ der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur wird im Rahmen des Akademienprogramms von der Bundesrepublik Deutschland und vom Land Rheinland-Pfalz gefördert.

Mit 17 Abbildungen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-56016-7 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Satz: Jan Martin Lies und Hans-Otto Schneider, Mainz Druck und Bindung: a Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525560167 — ISBN E-Book: 9783647560168

Vorwort Der dritte Band unserer Editionsreihe „Controversia et Confessio“, den wir hier vorlegen, dokumentiert eine Auseinandersetzung, die im Kern die reformatorische Rechtfertigungslehre und ihre theologische Ausformulierung betraf. Noch während der „Adiaphoristische Streit“ (Controversia et Confessio 2) ausgetragen wurde, begann man über den Stellenwert und die Rolle der guten Werke im Leben des Christen zu diskutieren, womit im weitesten Sinne auch die Frage der Bewertung ethischen Handelns angesprochen war. Die Kontroverse wurde nach Georg Major, einem der Hauptakteure der Auseinandersetzung, der „Majoristische Streit“ genannt. Unsere Edition schreitet in 17 Texten die Entwicklung der Debatte ab, beginnend im Jahre 1552 bis 1570. Auf diese Weise wird sichtbar, in welch vielfältige Konstellationen die Suche nach klaren Aussagen und das Streben nach einem theologischen Konsens eingebunden waren. Nicht nur die durch das Interim und den Leipziger Alternativentwurf geschaffenen Bedingungen spielten ein Rolle, sondern auch das Erbe ähnlicher Diskussionen in der Frühzeit der Reformation, die Interaktion mit religionspolitischen Anliegen der Fürsten, persönliche Konstellationen und das Streben nach Abgrenzung von Lehren, die man in gefährliche Nähe von altgläubigen Vorstellungen rücken sah. Auch in diesem Streit ging es deshalb im Grunde darum, in welcher Weise man das Erbe der Wittenberger Reformation bewahren und überliefern wollte: in Konzentration auf solche Lehren, in denen man den genuinen Luther zu finden meinte, oder unter Integration sowohl Lutherscher als auch Melanchthonischer Positionen. Zu Unrecht sind heutzutage meist nur noch die Extrempositionen bekannt, die im Zuge des Streits formuliert wurden, nämlich die Aussage Majors, dass die guten Werke notwendig zur Seligkeit seien, und diejenige Nikolaus von Amsdorfs, der das schroffe Gegenteil behauptete, nämlich die Schädlichkeit guter Werke in der Beziehung zwischen Gott und Mensch. Diese Spitzenaussagen haben dazu geführt, dass man dem „Majoristischen Streit“ später oft von vornherein mit Unverständnis begegnete. Die hier versammelten Texte und ihre inhaltliche Kommentierung wollen diese Bewertung und die Reduzierung auf eine einschichtige Opposition in Frage stellen und die Komplexität der theologischen Fragestellung aufdecken. Darüber hinaus führen sie das theologiebildende Potential von Rede und Gegenrede vor Augen und geben Einblick in die Mechanismen der frühneuzeitlichen Kontroverse.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525560167 — ISBN E-Book: 9783647560168

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Vorwort

Dass der Band termingerecht im Jahr 2014 erscheinen kann, ist vor allem den beiden wissenschaftlichen Mitarbeitern in der Mainzer Arbeitsstelle zu danken. Herr Dr. Jan Martin Lies und Herr Dipl. Theol. Hans-Otto Schneider haben die für die Edition ausgewählten Quellen in bewährter Weise textkritisch und sachlich erschlossen. Einleitungen und Anmerkungen, die die Stücke in den historischen und theologiegeschichtlichen Entstehungskontext einbetten und Erläuterungen geben, sind so konzipiert, dass dem Benutzer eine rasche Orientierung ermöglicht und das Textverständnis gewährleistet wird. Parallel zu diesen Arbeiten schreitet die Bereitstellung unserer Edition digital im Internet fort. Demnächst verfügbar ist Band 8 unserer Edition: „Die Debatte um die Wittenberger Abendmahlslehre und Christologie (1570–1574)“ [http://diglib.hab.de/edoc/ ed000211/start.htm]. Der den „Interimistischen Streit“ dokumentierende Band 1 wird – dank der ausgezeichneten Kooperation mit der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, bei der die digitale Edition technisch angesiedelt ist – in den kommenden zwei Jahren folgen. All jenen, die an diesen Arbeiten Anteil haben und durch ihren Einsatz die Edition voranbringen und ihre Qualität sichern, sei an dieser Stelle sehr herzlich gedankt.

Mainz, im Oktober 2014

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525560167 — ISBN E-Book: 9783647560168

Irene Dingel

Inhalt Editionsrichtlinien .................................................................................... 1 Historische Einleitung: Irene Dingel ........................................................ 3 Edition 1. Georg Major: Antwort auf des Ehrwürdigen Herren Niclas von Amsdorff Schrift (Wittenberg 1552) bearbeitet von Hans-Otto Schneider ................................................. 18 1.1 Einleitung ................................................................................... 21 1.2 Text . ............................................................................................ 25 2. Nikolaus von Amsdorf: Ein kurzer Unterricht auf D. Georgen Majors Antwort ([Magdeburg] 1552) bearbeitet von Hans-Otto Schneider ................................................... 46 2.1 Einleitung ..................................................................................... 49 2.2 Text . ............................................................................................. 55 3. Matthias Flacius Illyricus: Wider den Evangelisten des heiligen Chorrocks D. Geitz Major ([Magdeburg] 1552) bearbeitet von Hans-Otto Schneider ................................................

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3.1 Einleitung ..................................................................................

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3.2 Text ............................................................................................. 81 4. Nikolaus Gallus: Antwort auf des Herrn D. Majors Verantwortung und Declaration ([Magdeburg] 1552) bearbeitet von Hans-Otto Schneider ................................................. 96 4.1 Einleitung ................................................................................... 99 4.2 Text ............................................................................................. 103

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Inhalt

5. Georg Major: Ein Sermon von S. Pauli und aller gottfürchtigen Menschen Bekehrung zu Gott (Leipzig 1553) bearbeitet von Hans-Otto Schneider/Jan Martin Lies ..................... 130 5.1 Einleitung ................................................................................. 133 5.2 Text .......................................................................................... 137 6. Mansfelder Prediger: Bedenken, das diese Proposition nicht wahr sei (Magdeburg 1553) bearbeitet von Hans-Otto Schneider ............................................... 280 6.1 Einleitung .................................................................................. 283 6.2 Text .......................................................................................... 291 7. Stephan Agricola d. J.: Propositiones de bonis operibus (1553) bearbeitet von Hans-Otto Schneider ............................................... 315 7.1 Einleitung ................................................................................. 317 7.2 Text .......................................................................................... 327 8. Mansfelder Prediger: Antwort auf Stephani Agricolae Schlussreden und Schmähschriften (Magdeburg 1553) bearbeitet von Hans-Otto Schneider ............................................... 332 8.1 Einleitung .................................................................................. 335 8.2 Text . .......................................................................................... 339 9. Acta oder Handlungen des löblichen Synodi Eisleben 13. Febr. 1554 (Magdeburg 1554) bearbeitet von Hans-Otto Schneider ................................................. 354 9.1 Einleitung .................................................................................. 357 9.2 Text ........................................................................................... 361 10. Matthias Flacius Illyricus: Die alte und neue Lehr Justi Menii ... zu einem Vortrab (Jena 1557) bearbeitet von Jan Martin Lies .......................................................... 390 10.1 Einleitung ................................................................................ 393 10.2 Text ......................................................................................... 399

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Inhalt

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11. Justus Menius: Kurzer Bescheid ... das seine Lehre ... nicht mit ihr selbst streitig (Wittenberg 1557) bearbeitet von Jan Martin Lies ......................................................... 408 11.1 Einleitung ................................................................................ 411 11.2 Text .......................................................................................... 419 12. Georg Major: Confessio de articulo iustificationis (Wittenberg 1557) / Bekenntnis von dem Artikel der Justifikation (Wittenberg 1558) bearbeitet von Jan Martin Lies ......................................................... 440 11.1 Einleitung ................................................................................ 445 11.2 Text .......................................................................................... 452 13. Nikolaus von Amsdorf: Dass die Propositio „Gute Werke sind zur Seligkeit schädlich“ ein rechte wahre christliche Propositio sei (Magdeburg 1559) bearbeitet von Jan Martin Lies ......................................................... 468 11.1 Einleitung ................................................................................ 471 11.2 Text .......................................................................................... 477 14. Georg Major: Widmungsvorrede zu „Prima pars homeliarum in epistolas Dominicales“ (Wittenberg 1562) bearbeitet von Jan Martin Lies .... ..................................................... 488 11.1 Einleitung ................................................................................ 491 11.2 Text .......................................................................................... 499 15. Joachim Mörlin: Verantwortung der Präfation, so vor die Lüneburgischen Artikel gestellt ist. Wider D. Majors Vorrede (Eisleben 1562) bearbeitet von Jan Martin Lies ......................................................... 520 11.1 Einleitung ................................................................................ 523 11.2 Text .......................................................................................... 529 16. Georg Major: Testamentum (Wittenberg 1570) bearbeitet von Jan Martin Lies ......................................................... 544 11.1 Einleitung ................................................................................ 547 11.2 Text .......................................................................................... 553

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Inhalt

17. Theologen der Universität Jena: Vom Testament D. Majors (Jena 1570) bearbeitet von Jan Martin Lies ... ...................................................... 564 11.1 Einleitung ................................................................................ 567 11.2 Text ......................................................................................... 573

Abkürzungen .......................................................................................... 583 Literatur und Kurztitel ............................................................................ 585 Personenregister .. ................................................................................... 591 Geographisches Register .... .................................................................... 597 Bibelstellenregister ............................. .................................................... 601 Zitatenregister .................................................. ....................................... 607

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Editionsrichtlinien

Die Schreibung der Quelle bleibt weitgehend erhalten, Verdoppelungs- und Nasalstriche werden stillschweigend aufgelöst, ebenso lateinische Abbreviaturen. Akzentsetzungen werden nicht wiedergegeben. Ae- und oe-Ligaturen werden stillschweigend aufgelöst, ebenso e-caudata. Das &-Zeichen wird aufgelöst. Die Interpunktion deutscher Texte wird der heutigen Rechtschreibung angepasst. Absätze werden sinngemäß gesetzt. Die Gliederung der Vorlage in Bücher und Kapitel wird beibehalten; Abweichungen der Vorlage, oft druckoder satztechnischer Art, werden nur ausgewiesen, wenn damit ein besonderer Sinngehalt verbunden ist. Zitate werden in doppelte Anführungszeichen gesetzt. Groß- und Kleinschreibung wird übernommen; lediglich zwei Majuskeln am Wortanfang werden normalisiert. Hervorhebungen durch ausschließliche Verwendung von Majuskeln werden, falls sich damit eine besondere Aussageabsicht verbindet, wiedergegeben. Groß- und Kleinschreibung nach Interpunktion folgen den Regeln heutiger Rechtschreibung. Eigennamen werden einheitlich groß geschrieben. Getrennt- und Zusammenschreibung folgen den Regeln der heutigen Rechtschreibung. In Zweifelsfällen folgt die Edition der Schreibung der Quelle. Die Angaben der Bibelstellen richten sich grundsätzlich nach der deutschen Lutherbibel. Bei abweichender Kapitelangabe oder abweichender Verszählung in der Vulgata wird die heutige Angabe hinzugesetzt. Nachweise von Zitaten oder Belegen aus Schriften der Kirchenväter werden durchgehend nach Migne, Patrologia Graeca, Patrologia Latina (PG, PL) vorgenommen. Die neueste bzw. beste verfügbare zitierfähige Ausgabe erscheint in runden Klammern dahinter.

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Historische Einleitung Irene Dingel

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Der in diesem Band dokumentierte Majoristische Streit ist nach seinem Hauptbeteiligten Georg Major (1502–1574) benannt.1 Gegenstand der sich von 1552–1570 hinziehenden Kontroverse war die Frage nach dem Verhältnis von Glauben und Werken. Damit wurde ein Thema verhandelt, das für die evangelische Rechtfertigungslehre seit Beginn der Reformation von zentraler Bedeutung war. Sowohl Martin Luther als auch Philipp Melanchthon beschäftigten sich – aus unterschiedlichen Perspektiven und in verschiedenen historischen Konstellationen – immer wieder mit diesem Thema. Schlechthin allen reformatorischen Strömungen war gemeinsam, dass sie die rechtfertigende Gnade Gottes ins Zentrum ihrer Verkündigung stellten und das Vertrauen des Menschen auf den Verdienst bzw. den meritorischen Wert eigener Werke vor Gott dezidiert ablehnten. Und so bezog sich auch die antirömische Polemik der Reformation vor allem in den frühen Jahren des 16. Jahrhunderts häufig auf die der altgläubigen Frömmigkeit vorgeworfene „Werkgerechtigkeit“, von der man sich abgrenzte und der man die Rechtfertigung „sola gratia“ entgegensetzte. In dieser Frontstellung hatte Luther sogar einmal in Distanzierung von Positionen, die er für falsch und irreführend hielt, geäußert, dass Werke in der Beziehung des Menschen zu Gott sogar schädlich sein könnten. In seinem lateinischen Tractatus de libertate christiana formulierte er im Jahre 1520 folgendes: „Haec dicta sint de interiore homine, de eius libertate et de principe iustitia fidei, quae nec legibus nec operibus bonis indiget, quin noxia ei sunt, si quis per ea praesumat iustificari“.2 Zwei Jahre später predigte er in Weimar: „Dan unser glaub s=l sein ein zuvorsicht unnd vertrawen uff gottes Barmherczigkeit unnd gnade, die do bestendig sey. Da mFssen hinwegk alle werck, die thun gar nichts darzu, die werck sein am schedlichsten zur seligkeit, wie ich vorgesagt hab, der glaub ist so eckel [scil. abstoßend den Werken gegenüber] unnd clar, das er der werck nit haben will noch ansicht, er will allein herre sein.“3 Die Position seines Wittenberger Kollegen und Freundes Philipp Melanchthon stand keineswegs im Gegensatz dazu. Allerdings trat in seinen Äußerungen mehr der Zusammenhang von Glauben und Werken, weniger der – durchaus auch von ihm gesehene – Gegensatz beider in den Vordergrund. Artikel VI der von ihm erstellten Confessio Augustana z. B. betonte das notwendige Hervorgehen guter Früchte aus dem Glauben, der sich in guten Werken bzw. ethischem Verhalten zu äußern habe. Ihnen aber einen verdienstlichen Charakter zuzusprechen, lehnte auch Melanchthon ab. „Auch wirt geleret, das solcher

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Zu seiner Person, seinem Leben und Wirken vgl. Dingel/Wartenberg, Major. Zum Majoristischen Streit vgl. Irene Dingel, Majoristischer Streit. 2 Martin Luther, Tractatus de libertate christiana, 1520, in: WA 7,59,21–23. 3 Martin Luther, Predigt in der Schloßkirche zu Weimar, 26.10.1522, in: WA 10III, 387,10 –15.

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Historische Einleitung

glaub gute frucht und gute werck bringen soll und das man müsse gute werck thun allerley, so Gott geboten hat umb Gottes willen, doch nicht auf solche werck zuvertrauen, das wir durch unsere werck Gottes gesetz gnug thun odder von wegen unser werck gerecht geschetzt werden“4 Solchen Äußerungen konnte sich Luther durchaus anschließen. Diese Konstellationen in der frühen reformatorischen Theologie Luthers und Melanchthons waren ausschlaggebend für die weiteren Diskussionen um das Verhältnis von Glauben und Werken.

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***** Schon im Jahre 1536 war es zu einer Auseinandersetzung um die Rolle der guten Werke und ihren Stellenwert bei der Rechtfertigung gekommen. An dieser Kontroverse zeichnet sich bereits ab, dass innerhalb der Wittenberger Reformation ein Differenzierungsprozess einsetzte, der in unterschiedliche Lehrentwicklungen ausmündete. Damals standen sich Conrad Cordatus (1476–1546),5 ein ehemaliger Schüler Luthers und Sammler seiner Tischreden, auf der einen Seite, und Philipp Melanchthon sowie Caspar Cruciger (1504–1548) auf der anderen Seite gegenüber. Cruciger war seit 1528 Professor in Wittenberg und Prediger an der Schlosskirche. Er war Luthers Gehilfe bei der Bibelübersetzung gewesen; theologisch aber stand er Melanchthon näher.6 Auslöser der Kontroverse war eine Äußerung Crucigers während einer Vorlesung im Jahre 1536. Hier hatte er gesagt, dass zwar allein Christus (solus Christus) die „causa iustificationis“ sei, aber auch Voraussetzungen auf Seiten des Menschen gegeben sein müssten. Dieser habe zuvor Reue über seine Sünden zu empfinden und sein Gewissen dem Wort Gottes gegenüber so vorzubereiten, dass er den Glauben empfangen könne. Ähnlich äußerte er sich auch in einem Brief an Cordatus vom 10.9.1536: „iustificamur fide, diserte hoc dixi, quod tamen Christus sit causa iustificationis propter quam. Deinde hoc adidi in hac exclusiva, gratis iustificamur, nunc excludi contritionem, sed eam necessariam esse in homine iustificando, et nostram contritionem vocavi causa sine qua non, quia sine ea non potest existere fides.”7 Dies wurde für Conrad Cordatus, der inzwischen Pfarrer in Niemegk, nördlich von Wittenberg, geworden war, zum Stein des Anstoßes. Er befürchtete, dass sich mit der Formulierung Crucigers, die Reue sei eine „causa sine qua non“ für die Rechtfertigung, eine Rückkehr in den altgläubigen

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CA VI, in: BSELK 100,11–15. Nach ihm wurde der Streit als Cordatus-Streit bezeichnet. Vgl. Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte II, S. 113f. Zur Person vgl. Friedrich Wilhelm Bautz, Art. Cordatus (Hertz), Konrad, in: BBKL 1 (1990), 1125 –1126. 6 Zu Cruciger vgl. Friedrich de Boor, Art. Caspar Cruciger d. Ä., in: TRE 8 (1981), S. 238 –240. 7 Cruciger an Cordatus, 10.9.1536, in: CR 3, Nr. 1466, Sp. 159 –161, Zitat 160. Vgl. dazu auch Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte II, 113 –117. 5

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Vorstellungshorizont anbahnen könnte.8 Cruciger führte dagegen ins Feld, dass er Melanchthon als Gewährsmann für diese Theologie geltend machen könne. Der Satz stamme – so gab er an – im Grunde von Melanchthon selbst.9 Dies wiederum veranlasste Cordatus, sich an Luther und Johannes Bugenhagen zu wenden. Auch Nikolaus von Amsdorf (1483–1565), treuer Freund und Vertrauter Luthers, schaltete sich ein. Schon im September 1536 informierte er den Reformator über die Lehrdifferenzen in Wittenberg. Der Streit begann, weitere Kreise zu ziehen. „Hic dicitur, quod Vitebergae pugnantia docentur“, so schrieb er an Luther, „Ille [scil. Melanchthon] in schola vehementer urget, opera esse necessaria ad vitam aeternam, tu vero in eadem hebdomada et dominica in templo pio tuo spiritu docuisti de regeneratione: puer in utero nihil facit aut operatur, sed patitur tantum et formatur etc.“10 Über Luthers direkte Reaktionen darauf kann man nur spekulieren. Er nahm aber in seiner Disputatio „De iustificatione“ vom 10.10.1536 zu den strittigen Fragen Stellung.11 Hierin machte Luther u. a. den Zusammenhang von Rechtfertigung bzw. Glauben und dem Beginn eines neuen Lebens bei dem Gläubigen deutlich. Diesen engen Zusammenhang definierte Luther als Grundlage dafür, sagen zu können, dass gute Werke notwendig zum Heil seien. Dies aber bedeute weder für ihn noch für die anderen Reformatoren, dass die Werke womöglich das Heil begründeten oder verursachten.12 Nach wie vor stellte Luther das „sola fide“ im Rechtfertigungsgeschehen in den Mittelpunkt. Dieser engen Verbindung von Glauben und daraus hervorgehenden guten Werken steht – nach Luther – die enge Beziehung von Reue und Glauben zu Seite. Er hielt fest, dass es ohne Reue keine Sündenvergebung gebe und daher in ebensolcher Weise die Reue notwendig zur Rechtfertigung des Menschen sei. Als (Wirk-)Ursache der Rechtfertigung allerdings könne sie nicht gelten. Eine dezidierte Abgrenzung von der Aussage, die Reue sei eine „causa sine qua non“ der Rechtfertigung, vollzog Luther also zunächst noch nicht. Wenig später äußerte er sich in einer weiteren Disputation vom 1.6.1537 noch einmal zu dieser Frage, diesmal ablehnend.13 Was ihm wichtig war und woran er in dieser Auseinandersetzung festhielt, war die Notwendigkeit einer „disciplina“, die die guten Werke auf der Ebene eines Wohlverhaltens in weltlichen Bezügen einordnet. Die Formulierung 8

Dies geht aus seinem späteren Brief des Cordatus an Justus Jonas und Philipp Melanchthon vom 17.4.1537 hervor, in dem er die Position Crucigers folgendermaßen darstellte und freilich dabei auch überzeichnete: „ …tantum Christus est causa propter quem, interim tamen verum est, homines agere aliquid oportere, oportere nos habere contritionem, et debere verbo erigere conscientiam, ut fidem concipiamus, ut nostra contritio, et noster conatus sunt causae iustificationis sine quibus non. Causam contradictionis meae ante scripsi; quod scio hanc dualitatem causarum cum simplici articulo iustificationis stare non posse“: CR 3, Nr. 1561, 349 –351, das Zitat 350. 9 Vgl. Cruciger an Cordatus, 10.9.1536, in: CR 3, Nr. 1466, Sp. 162, Anm. 10 Amsdorf an Luther, 14.6.1536, in: WA.B 7, Nr. 3081, S. 540,5–10. 11 Vgl. WA 39I, 82–86, 87–133. 12 Vgl. WA 39I, 96,6 –8. 13 Vgl. die Promotionsdisputation von Palladius und Tilemann vom 1.6.1537, in: WA 39I, 202–257.

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„notwendig zum Heil“ lehnte er als missverständlich ab.14 Melanchthon dagegen verteidigte seine Auffassung von der der Rechtfertigung vorangehenden Reue und den Werken als Früchten des Glaubens. Zugleich machte er klar, dass er die „sola fide“, ohne menschliches Zutun geschehende Rechtfertigung nie angezweifelt habe. Der sich in guten Werken bzw. Früchten des Glaubens realisierende neue Gehorsam des Gerechtfertigten sei weder eine Gegenleistung für ein erhaltenes Gut, nämlich die Rechtfertigung, noch ein eigenes, für die Rechtfertigung in Anschlag zu bringendes Verdienst.15 Damit waren die Streitpunkte ausgeräumt, und der sogenannte CordatusStreit konnte beendet werden. Dennoch blieb das grundsätzliche Problem des Stellenwerts guter Werke und damit ethischer Eigenverantwortlichkeit des Menschen virulent. Damit war langfristig auch die Frage verbunden, ob Luther oder Melanchthon die Lehrautorität in der Wittenberger Reformation und in dem an die nächste Generation zu übermittelndem reformatorischen Erbe zukam bzw. wie weit die sich lehrmäßig differenzierende Reformation zusammenzuhalten war. Diese Problematik kam wieder auf, als im Anschluss an das Augsburger Interim von 1548 mit dem als Alternative konzipierten Leipziger Landtagsentwurf eine Position Melanchthons bekannt wurde, die an die bereits in den dreißiger Jahren diskutierten Fragestellungen erinnerte. Einige derer, die sich jetzt in den fünfziger Jahren des 16. Jahrhunderts erneut zu Wort meldeten, wie z. B. Nikolaus von Amsdorf, brachten alte Erfahrungen in die Kontroverse mit ein, deren Verlauf und deren Schärfe sich nur im Kontext der neuen Konstellationen erschließt.

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***** Nach der Niederlage der Evangelischen im Schmalkaldischen Krieg und dem auf die Wiederherstellung des alten Glaubens und altgläubiger Frömmigkeitspraxis zielenden, von kaiserlicher Seite erlassenen Augsburger Interim von 1548 versuchte Kurfürst Moritz von Sachsen mit Hilfe der Wittenberger Theologen – unter ihnen Philipp Melanchthon, Johannes Bugenhagen, Caspar Cruciger und Georg Major – eine Alternative zu den Bestimmungen des Augsburger Interims ausarbeiten zu lassen. Sie zielte darauf, die evangelische Lehre zu wahren und lediglich in den Riten und Zeremonien Kompromissbereitschaft mit den Anliegen des Kaisers zu signalisieren.16 Schon im Mai 1548, noch bevor das Interim gedruckt vorlag, hatten Melanchthon, Bugenhagen, Cruciger und Major in einem Gutachten für Kurfürst Moritz gegen die im kaiserlichen Interim rekapitulierte altgläubige Rechtfertigungslehre deutlich Stellung genommen. Zugleich hatten sie sich von der wieder-

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Vgl. WA 39I,256,15–257,7. Vgl. Melanchthon an Luther, Jonas, Bugenhagen und Cruciger, 1.11.1536, in: CR 3, Nr. 1480, Sp. 180. MBW 17, NR. 1802, S. 263. 16 Vgl. dazu die Historischen Einleitungen in C&C 1, S. 3–34, und C&C 2, S. 3 –14. 15

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aufkeimenden „scholastische[n] Werkgerechtigkeit“17 deutlich distanziert und das Vertrauen auf die Gnade Gottes als vorrangig betont. Unter anderem war in dem von Melanchthon federführend erstellten Iudicium zu lesen: „Wir streiten nicht vom Wörtlein sola [scil. sola fide, sola gratia], sondern sagen und bekennen: es müssen in uns die andern Tugenden und guter Vorsatz angefangen seyn und bleiben; dennoch Fber dieselbigen Tugenden muß das Vertrauen auf den Sohn Gottes seyn, wie gesagt ist, und muß die andern Tugenden alle Fberschatten“.18 Diese Formulierung nahmen die Gegner Melanchthons wenig später auf, um den von Kursachsen eingeschlagenen Weg einer zu verhandelnden Verständigung mit der kaiserlichen Seite theologisch verdächtig zu machen.19 Die Schärfe der einsetzenden Kontroversen, auch derjenigen um den Stellenwert der guten Werke, erklärt sich aus dieser, von vielen als Situation der Entscheidung empfundenen Krise. Diese Krisenstimmung drückt sich deutlich in einer Wortmeldung des strengen Lutheraners und Interimsgegners Nikolaus von Amsdorf aus. Er führte aus: „das man von der Justification on das Wort sola wol deutlich und klerlich reden kann, wie denn nicht allein Lutherus im büchlein, da er dem Cocleo Antwort, sonder auch S. Paulus selbs gethan hat. Darumb ob das Wort Sola in articulo iustificationis nicht allweg genent oder gebraucht würde, das were on gefehr. Wer wolt solchs straffen? Aber mit fürsatz vnd bedachtem Ratt mit dem Antichrist vmbs Keisers willen sich zuuergleichen aussen zu lassen und nicht mehr streiten wollen, welchs wir alle mit vnd neben Luthero heiliger gedechtnis so hefftig gestritten haben, das macht die sache verdechtig vnd gibt vrsach, der Papisten lehr widderumb auffzurichten, das der Glaub mit der Liebe rechtfertige.“20 Der bei einigen aufkommende Zweifel an der Bewahrung der reformatorischen Lehre wurde durch die eigenmächtige Veröffentlichung und Kommentierung des Leipziger Landtagsentwurfs durch Nikolaus Gallus und Matthias Flacius Illyricus weiter geschürt. Denn hier war in dem Abschnitt über die Buße zu lesen: „Die Busse, Beicht vnd Absolution, vnd was dem anhengig, das die fleissig geleret vnd gepredigt vnd das volck zur Beicht, dem Priester zu thun vnd an Gottes stadt die Absolution von jhm zu entpfahen, vnnd dabei auch mit fleis ermanet vnd angehalten werde zum

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MBW Reg. 5, Nr. 5170, S. 293. Iudicium (Wittebergenses Theologi de doctrina de iustificatione in libro Augustano), in: CR 6, Nr. 4244, 908 –912, Zitat 910 = MBW Reg. 5, Nr. 5170, 293. Vgl. auch C&C 2, S. 387f, Anm. 176. Zu Melanchthons Stellungnahme zum Interim vgl. Dingel, „Der rechten lehr zuwider“, bes. S. 296–302. 19 Vgl. die Anspielung auf dieses Formulierung des Gutachtens in dem von Flacius veranlassten Druck des sogenannten „Leipziger Interims“, unsere Ausgabe Bd. 2, S. 387, 14–17. 20 Das Doctor Martinus kein Adiaphorist gewesen ist / vnd das D. Pfeffinger vnd das buch on namen jhm / gewalt vnd vnrecht thut. Nicolaus von Amssdorff / EXVL V. NOVEMB. Gedruckt zu Magdeburg / bey Christian Rödinger. Anno M. D. L. (VD 16 A 2338), S. C 1r. Vgl. dazu ders. Dass D. Pommer und D. Major Ärgernis und Zertrennung angericht (1551), in: unsere Ausgabe Bd. 2, S. 763,30 –764,9. Vgl. auch Ritschl, Dogmengeschichte II/1, S. 374. 18

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gebet, fasten vnd almusen geben.“21 Die Gegner glaubten, hier die Satisfaktionsleistungen des altgläubigen Bußsakraments wiederzuerkennen, zumal der Glaube als ausschlaggebender Bestandteil des evangelischen Bußverständnisses keine Erwähnung gefunden hatte. Eine solche – vermeintliche – Annäherung an die altgläubige Theologie und damit einhergehend die Aufgabe der zentralen reformatorischen Lehre in einer Zeit, in der es gerade darauf ankam, das evangelische Bekenntnis trotz aller Bedrohung zu bewahren, glaubte man auch an weiteren Stellen des Landtagsentwurfs zu finden. Denn in dem Abschnitt über die guten Werke z. B. hieß es: „Wie nun dieses warhafftiges erkennen in vns leuchten mus, also ist gewißlich war, das diese tugenden, glaub, liebe vnd hoffnung, vnd andere in vns sein mFssen vnd zur seligkeit n=tig sein“.22 Gallus und Flacius kommentierten diese Stelle mit der Bemerkung: „Solche rede, die tugende sind zur gerechtigkeit oder seligkeit n=tig, derer sehr viel in diesem vnnd dem vorigen Capitel ist, sind den Papisten zugute gesetzt, auff das sie darnach daraus (wie denn leichtlich folgt) schliessen: Ergo, so werden wir zum teil auch durch vnsere wercke gerecht vnd selig“.23 Damit wirkten sie nicht unerheblich in die Öffentlichkeit hinein und beeinflussten die nach dem Interim gegen die Wittenberger Theologen gerichtete Stimmung. Die bereits in dem Cordatus-Streit in den dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts diskutierten Fragen, die damals noch durch die Voten Luthers und Melanchthons beantwortet werden konnten, wurden in der Interimssituation aufs Neue aktuell. Dabei spielten auch die persönlichen Konstellationen eine Rolle. Zu jenen Personen, die 1548 an den Beratungen um den Leipziger Alternativentwurf zum Augsburger Interim beteiligt waren, hatte neben Georg von Anhalt, Philipp Melanchthon und Johannes Bugenhagen auch Georg Major gehört. Mit Georg von Anhalt,24 dem evangelischen Bischof von Merseburg, war Major als Stiftssuperintendent von Merseburg bereits in Kontakt gekommen. Denn dieses Amt hatte er nach der Schließung der Universität Wittenberg im Jahre 1546 und seiner Flucht nach der Kriegsniederlage des Schmalkaldischen Bundes übernommen. Johannes Bugenhagen, wegen seiner Herkunft aus Pommern auch Pomeranus25 genannt, kannte er aus seiner langen Wittenberger Zeit, und Philipp Melanchthon26 war sein akademischer Lehrer gewesen. Majors Teilnahme an den von Kurfürst Moritz initiieren Beratungen machte ihn in den Augen der strengen Anhänger Martin Luthers, die sich um Nikolaus von Amsdorf, Nikolaus Gallus und Matthias Flacius Illyricus in Magdeburg gesammelt hatten, von vornherein suspekt, so dass sich Major

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C&C 2, S. 402,9–13. C&C 2, S. 398,13–15. C&C 2, S. 398,16–19. Zu Georg von Anhalt vgl. Gabriel, Georg III. von Anhalt. Zu Bugenhagen vgl. Dingel/Rhein, Der späte Bugenhagen. Zu Melanchthon vgl. Dingel/Kohnle, Melanchthon.

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schon 1550 genötigt sah, sich gegen Vorwürfe zu verteidigen. Kurz bevor Major Ende 1551 eine neue Stelle als Superintendent in Eisleben in der Grafschaft Mansfeld antrat27, brachte Amsdorf eine Streitschrift gegen ihn und Johannes Bugenhagen heraus: „Daß Dr. Pommer und Dr. Major Ärgernis und Zertrennung angerichtet“28. Damit begann – aus den Auseinandersetzungen um die Adiaphora hervorgehend29 – ein längerer Streitschriftenwechsel, den die Forschung als „Majoristischen Streit“ bezeichnet30. Denn Amsdorf warf Major und Bugenhagen, die er wegen ihrer Beteiligung an den Beratungen zum Leipziger Alternativentwurf als „Adiaphoristen“31 qualifizierte, vor, die reformatorische Rechtfertigungslehre verfälscht zu haben. Dies rief nicht gerade Sympathie bei der Mansfelder Geistlichkeit für ihren neuen Superintendenten Georg Major hervor. Seine Mansfelder Kollegen Michael Coelius und Johannes Wigand standen ihm ohnehin mit großen Reserven gegenüber32. Major beeilte sich, klärend einzugreifen und beteuerte in seiner Antwortschrift an Amsdorf „Auf des ehrwürdigen Herrn Niclas von Amsdorfs Schrift Antwort Georg Majors“ aus dem Jahre 1552 [Nr. 1], das „sola fide“ im Blick auf die Rechtfertigung nie in Zweifel gezogen zu haben. Dies stand für ihn aber keineswegs in Gegensatz zu seiner Ansicht von der Notwendigkeit guter Werke. Deutlich formulierte er: „Das bekenne ich aber, das ich also vormals geleret vnd noch lere vnd f=rder alle meine lebtag also leren will, das gute werck zur seligkeit n=tig sind, vnd sage =ffentlichen vnd mit klaren vnd deutlichen worten, das niemands durch b=se werck selig werde vnd das auch niemands one gute werck selig werde, vnd sage mehr, das wer anders leret, auch ein Engel vom Himel, der sey verflucht.“33 Daraus entwickelte sich eine längere Auseinandersetzung, in der eine große Anzahl von Gegnern gegen Major das Wort ergriffen: neben Nikolaus von Amsdorf, Matthias Flacius und Nikolaus Gallus auch die Mansfelder Prediger Michael Coelius und Johannes Wigand, Joachim Mörlin und die Jenaer Theologische Fakultät. 27

Major konnte sich dort nicht lange halten. Denn nach dem Abschluß des Passauer Vertrags kehrte Graf Albrecht von Mansfeld, der nach dem verlorenen Schmalkaldischen Krieg geächtet worden war, wieder in sein Land zurück. Er wollte Major und seine Theologie nicht länger dulden, so dass der Theologe schon 1552 seinen Posten aufgeben und das Land verlassen mußte. Zur Biographie Majors unsere Ausgabe Nr. 1, Einleitung, unten S. 22f. 28 Das Doctor Pomer vnd Doctor Maior mit iren Adiaphoristen ergernis vnnd zurtrennung angericht / Vnnd den Kirchen Christi / vnüberwintlichen schaden gethan haben. Derhalben sie vnd nicht wir zu Magdeburg / vom Teuffel erwegt seint / wie sie vns schmehen und lestern. Niclas von Amsdorff Exul. … [Magdeburg: Michael Lotter] 1551. Vgl. die kritische Edition der Schrift in unserer Ausgabe Bd. 2, S. 752–777. 29 Zum Adiaphoristischen Streit vgl. unsere Ausgabe Bd. 2 mit der Historischen Einleitung, S. 3–14. 30 Vgl. zum Verlauf des Streits auch Tschackert, Kirchenlehre, 514 – 520; Ritschl, Dogmengeschichte II.1, 371–398; Heinz Scheible, Art. Georg Major, in: TRE 21 (1991), 727–729; Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte II, 113 –117; in neuerer Aufarbeitung Dingel, Majoristischer Streit. 31 Vgl. dazu unsere Ausgabe Bd. 2, S. 11 und S. 757f. 32 Vgl. Scheible, Art. Georg Major, in: TRE 21 (1991), 727f. 33 Major, Antwort, unserer Ausgabe Bd. 3, Nr. 1, S. 36,9–14 (C 1v – 2r).

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Amsdorf, der sich anschickte nach Eisenach zu wechseln, reagierte unverzüglich mit einem „Kurzen Unterricht auf D. Georgen Majors Antwort“ [Nr. 2], der wohl im Sommer 1552 gedruckt erschien. Der zeitliche Abstand zu zwei weiteren Gegenschriften – die eine aus der Feder des Flacius („Wider den Evangelisten des heiligen Chorrocks D. Geitz Major [Nr. 3]), die andere aus der des Gallus (Antwort auf des Herrn D. Majors Verantwortung und Declaration [Nr. 4]) – scheint nur gering gewesen zu sein. Flacius bekräftigte Amsdorfs Kritik an Major und lastete ihm außerdem an, durch seine Autorschaft am „Leipziger Interim“ die Verteidigung der Wahrheit aufgegeben und sich den Altgläubigen angenähert zu haben. Dies sah er in Majors Lehre von der Notwendigkeit der guten Werke bestätigt, die er ad absurdum zu führen versuchte. Dazu führte er die Möglichkeit einer Bekehrung des Menschen auch noch auf dem Sterbebett ins Feld, was die zur Seligkeit nötigen Werke per se ausschloss. Das Aufzeigen von solchen Inkonsequenzen nutzte Flacius, um Major in seinem verantwortungsvollen Amt als Superintendent in Eisleben als theologisch unberechenbar darzustellen. Auch Gallus zielte in seiner Schrift auf die Widerlegung von Majors Spitzenaussage, dass die guten Werke zur Seligkeit vonnöten seien. Dabei sah er sehr wohl, dass es einen Zusammenhang geben könne zwischen dem Missbrauch der evangelischen Freiheit und Majors Insistieren auf den Früchten des Glaubens, ohne deren Vorhandensein der Erhalt der ewigen Seligkeit letzten Endes in Frage gerate. Aber unter theologischem Aspekt brandmarkte er die Aussage Majors deutlich als schriftwidrig und führte die Gefahr vor Augen, dass Werke womöglich wieder einen verdienstlichen Charakter erhalten könnten. Dies flankierte er mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer Kirchenzucht, auf Grund derer der nach der Bekehrung in Sünde Gefallene durch Ermahnungen gebessert oder aber aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden solle. Der Streit zog bald größere Kreise, was nicht zuletzt dadurch kam, dass Major die Streitfrage auf die Kanzel brachte. Am 25.1.1552 hielt er kurz nach seinem Amtsantritt als Superintendent in der Andreaskirche in Eisleben anlässlich des Festes Conversionis Pauli eine Predigt, in der er seine Lehre von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit entfaltete und verteidigte34. Dass seine Mansfelder Amtsbrüder ihn daraufhin zur Rede stellten, hinderte Major nicht, im Jahr darauf diese Predigt zu einer breit angelegten Druckschrift auszuarbeiten und – gegen den Rat seines Lehrers Melanchthon – drucken zu lassen. Dieser „Sermon von S. Pauli und aller gottfürchtigen Menschen Bekehrung zu Gott“ [Nr. 5], erschien 1553 in Leipzig. Wegen seiner Überlänge wurde er von Flacius geringschätzig als das „lange Comment“ bezeichnet35. Sein Umfang aber resultierte auch daraus, dass der Sermon nicht nur eine Rechtfertigung der Lehre und eine klare Posi34

Vgl. dazu Kolb, Major as Controversialist. So in seinem Appendix zum Bedenken der Mansfelder Prediger, unsere Ausgabe Bd. 3, Nr. 6, S. 313,13. 35

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tionierung Majors enthielt, sondern auch auf die drei bereits erschienenen Streitschriften Amsdorfs, Flacius’ und Gallus’ Bezug nahm. Worauf es Major aber in erster Linie ankam, war, seine Treue zu den reformatorischen Grundlagen klar herauszustellen. Er bekannte sich deutlich zur Rechtfertigung „sola fide“ und lehnte den Gedanken daran, dass menschliche Werke etwa vor Gott in verdienstlicher Weise in Anschlag zu bringen seien, dezidiert ab. Ewige Seligkeit könne es allein aus Gnaden geben. Den auf die Rechtfertigung „sola fide“ folgenden guten Werken kommt aber insofern ein wichtiger Stellenwert zu, als sie zur Bewahrung der ewigen Seligkeit durchaus nötig seien. Zwar stellten sie kein „meritum“, d. h. kein Verdienst dar, aber ein „debitum“, d. h. einen geschuldeten, neuen Gehorsam, der als Frucht aus dem Glauben, der Rechtfertigung und der damit erlangten Gerechtigkeit hervorgeht. Major stellte damit unmissverständlich fest, dass die menschlichen Werke nicht nötig seien, um die Seligkeit zu erlangen, da der Mensch sie „sola gratia“ und „sola fide“ bereits habe. Jedoch sei ein Leben in guten Werken dennoch hoch notwendig, um dieses Gut nicht wieder zu verlieren.36 Bereits hier wird deutlich, dass Major den Akzent in dieser Kontroverse anders setzte als seine Gegner. Ihm ging es darum, solchen Konsequenzen vorzubeugen oder sie abzuwenden, die aus einer Überbetonung des reformatorischen „sola fide“ entstehen könnten, nämlich einem sorglosen SichVerlassen auf Gottes Gnade und den geschenkten Glauben. Bereits die ersten Visitationen in Kursachsen Ende der zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts hatten gezeigt, dass das neue Leben des Christen manchmal nicht anders verlief als das alte und durch die reformatorische Predigt keine sittliche Besserung eingetreten war. Wenn aber, gemäß der Lehre der Reformatoren, aus dem Glauben notwendig gute Früchte im Sinne eines entsprechenden Lebenswandels hervorgehen, dann musste deren Ausbleiben als Zeichen dafür gelten, dass offensichtlich kein lebendiger, sondern nur noch ein toter Glaube vorhanden war, der in keiner Weise zur Seligkeit, sondern eher zu deren Verlust führte. Damit hatte Major im Grunde an Aussagen der Confessio Augustana angeknüpft und keineswegs eine neue Lehre aufgebracht.37 Dass die von ihm vorgetragenen Aussagen nun zu einem theologischen Problem wurden, lag an der durch das Interim heraufbeschworenen Krisen- und Bekenntnissituation. Denn Majors Formulierungen ließen in diesem Kontext den Eindruck entstehen, als sollten die Werke gleichberechtigt neben den 36 Vgl. Major, Ein Sermon von S. Pauli … Bekehrung, unsere Ausgabe, Bd. 3, Nr. 5, S. 142,1015 (B 3r). Hier heißt es: „... alsdenn seind dir die gute werck nit zu der sehligkeit zu erlangen (die du aus genaden on alle werck ALLEJN durch den glauben an den Herrn Christum albereit hast), sondern zu der sehligkeit zu behalten vnnd nicht wiederumb zu verlieren so hoch vonnöten, das, do du sie nicht thust, es ein gewiß zeichen ist, das dein glaube todt vnd falsch, geferbet vnd eine erdichte opinio ist“. 37 Vgl. CA VI (BSELK 100,11–102,5, bes. 100,11–15) und vor allem CA XX: „Praeterea docent nostri, quod necesse sit bona opera facere, non ut confidamus per ea gratiam mereri, sed propter voluntatem Dei“, in: BSELK 125,24–28.

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Glauben rücken und mit ihm zusammen als Bedingung für die Rechtfertigung gelten. Dies hätte in der Tat eine Annäherung der reformatorischen Lehre an altgläubige Positionen bedeutet. Und dies nahmen die Gegner Majors in hoher Sensibilität wahr. Amsdorf ließ sich sogar dazu hinreißen, die Schädlichkeit guter Werke zur Seligkeit zu vertreten.38 In seinem „Bekenntnis … von der Justification“ aus dem Jahre 1558 [Nr. 12] erklärte sich Major schließlich bereit, seine missverständlichen Formulierungen nicht mehr zu gebrauchen.39 Vorausgegangen war allerdings eine harte Auseinandersetzung, die auch nach Majors Bekenntnis nicht abebbte. Ende des Jahres 1552 hatten sich die Mansfelder Prediger – Wigand, Coelius u. a. – durch ein Schreiben, das sie im Anschluss an Majors als impertinent empfundene Predigt [Nr. 5] abgefasst hatten, bemüht, bei aller Kritik an den Lehren des Melanchthonschülers, noch eine Klärung und einen „Modus vivendi“ zu finden.40 Aber als dieses Bedenken [Nr. 6] im Jahre 1553 gedruckt erschien, wurde es durch ein hinzugefügtes, wahrscheinlich durch Flacius abgefasstes Nachwort in die Kontroverse eingeordnet und als schroffe Distanzierung von dem Eislebener Superintendenten interpretiert. Dieser hatte seine Stelle zum Zeitpunkt des Erscheinens bereits verlassen, da Graf Albrecht VII. von Mansfeld-Hinterort, der nach dem Abschluss des Passauer Vertrags wieder in sein Land zurückkehren konnte, Majors Theologie nicht länger dulden wollte41. Aber Major hatte nicht nur Gegner in der Grafschaft Mansfeld. Die „Propositiones de bonis operibus“ Stephan Agricolas (d.J.) [Nr. 7] belegen, dass Major zumindest eine Zeitlang in Agricola42 einen Gesinnungsgenossen hatte. Dieser hatte das Bedenken der Mansfelder Prediger nicht mit unterzeichnet und vertrat in seinen lateinischen Thesen einen ähnlichen Standpunkt wie Major, wobei er auch Bezug nahm auf zuvor gegen diesen ins Feld geführte Argumentationen und sie zu wiederlegen versuchte43. Dadurch dass Agricola sich nicht gescheut hatte, auch Vorwürfe an die Adresse seiner Kollegen zu äußern, fühl38 Vgl. Diese Position leitete er aus Predigten Martin Luthers ab, die er – mit einer Vorrede versehen – im Jahre 1557 zum Druck brachte. Vgl. Das achtzehend vnd neunzehend Capitel / vnd ein StFck aus dem zwentzigsten S. Johannis … Gepredigt vnd ausgelegt durch Doc. Mart. Luth. Anno M.D.XXVIII. vnd XXIX, Jena 1557 (VD 16 L 3637). 39 Offenbar hatte ihn auch Melanchthon dazu gedrängt, seine Position aufzugeben, vgl. dazu Kolb, Major as Controversalist, 463 mit Anm. 30. 40 So Hans-Otto Schneider in seiner Einleitung, unsere Ausgabe Bd. 3, S. 283. 41 Major kehrte in seine Ämter in Wittenberg zurück, wo er am 28. November 1574 starb. 42 Bald darauf konvertierte er zum römischen Glauben, vgl. Gustav Kawerau, Art. Georg Major, in: RE³ 12 (1903), S. 89. 43 So argumentiert er z.B. gegen Flacius’ Einwand, dass allein schon die Möglichkeit einer Bekehrung des Sünders noch auf dem Sterbebett der Lehre Majors von der Notwendigkeit der guten Werke, die ja dann gar nicht mehr verrichtet werden könnten, entgegenstehe. Vgl. dazu unsere Ausgabe Nr. 3 (Flacius, Wider den Evangelisten des Chorrocks), S. 92,19– 93,8(9–13); unsere Ausgabe Nr. 7 (Agricola, Propositiones de bonis operibus), Thesen V–VII. Das Thema blieb – auch unter seelsorgerlichem Aspekt – in der Diskussion, vgl. die Antwort auf Agricolas Schlussreden, unsere Ausgabe Nr. 8 (Antwort auf Agricolas Schlussreden), S. 342,24 –343,25.

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ten jene sich zu einer „Antwort auf Agricolas Schlussreden“ [Nr. 8] genötigt, die wohl im März 1553 gedruckt herauskam. Zwischenzeitlich hatte Agricola – auf Empfehlung Melanchthons – eine Stelle als Prediger in Augsburg angetreten, war aber nach wenigen Wochen wieder ins Mansfeldische zurückgekehrt. Da die Diskussionen andauerten, beriefen die Mansfelder Grafen auf den 13.2.1554 eine Synode nach Eisleben ein, die unter dem Vorsitz des neuen Superintendenten Erasmus Sarcerius stattfand. In ihrer Folge mussten Agricola und weitere Gesinnungsgenossen Majors das Land verlassen, darunter die später als Philippisten hervortretenden Moritz Heling und Caspar Cruciger d. J. Das Protokoll der Synode [Nr. 9] macht deutlich, dass man der Autorität Martin Luthers für die Ausprägung der reformatorischen Lehre absoluten Vorrang einräumte. Außerhalb der Grafschaft Mansfeld war Justus Menius der einzige, der auf Seiten Majors in die Kontroverse eintrat. Seit 1546 war er Superintendent in Gotha.44 Dadurch, dass Amsdorf, mit dem zusammen er 1554 in Thüringen eine Visitation durchgeführt hatte, ihn aufgefordert hatte, sich von den Lehren Majors zu distanzieren, war er genötigt Partei, zu ergreifen. Menius stand Major insofern nahe, als er – im Grunde wie schon Luther in den Schmalkaldischen Artikeln45 – die Position vertrat, dass die ewige Seligkeit durch ein sündiges Leben durchaus wieder verloren gehen könne. Die Erneuerung durch den Heiligen Geist, die sich auch in einem neuen Leben zu äußern hatte, hielt er also für notwendig und gestand Major zu, dass seine Lehre mit einigem guten Willen auch evangeliumsgemäß verstanden werden könnte. Zugleich betonte er, selbst die Notwendigkeit der guten Werke zur Seligkeit nie gelehrt zu haben. Dennoch zog er sich dadurch nicht nur das Misstrauen seiner Landesherren, der ernestinische Herzöge, sondern auch das seiner Kollegen zu. Dies konnte auch die Eisenacher Synode von 1556 nicht ausräumen, insofern sie einen Lehrbeschluss formulierte, der zunächst einem Konsens den Weg zu ebnen schien, dann aber Anlass zu weiteren Auseinandersetzungen bot, nämlich die These: „…bona opera sunt necessaria ad salutem, in doctrina legis abstractive et de idea tolerari potest“46. Menius’ freiwillige Amtsaufgabe und die Übernahme des Superintendentenamts im albertinischen Leipzig ermöglichten ihm, zur Verteidigung seiner Person und seiner Lehre – insbesondere gegen die Invektiven des Flacius – in die Öffentlichkeit zu gehen. Denn dieser hatte mit seiner Schrift „Die alte und neue Lehr Justi Menii“ [Nr. 10] versucht, Menius eine theologische Fehlentwicklung und lehrmäßige Widersprüchlichkeiten anzulasten, worauf Menius mit einer dezidierten Klarstellung – „Kurzer

44 Er versah daneben bis 1552 die Superintendentur Eisenach mit. Zu Menius vgl. Irmgard Wilhelm-Schaffer, Art. Justus Menius, in: BBKL 5 (1993), 1263 –1266, und neuerlich Schneider, Politischer Widerstand, bes. S. 11–13. 45 Vgl. Schmalkaldische Artikel III, Von der Buße, in: BSELK 746,16–748,29. 46 Zitiert nach Richter, Gesetz und Heil, 150. Vgl. auch Dingel, unsere Ausgabe Bd. 1, Historische Einleitung, S. 19f.

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Bescheid Justi Menii“ [Nr. 11] – reagierte und seine Position durch Rekurs auf eine lange Liste von reformatorischen Gewährsleuten zu legitimieren trachtete. Major seinerseits hatte versucht, mit seinem Bekenntnis [Nr. 12] einen Schlußpunkt unter die Kontroverse zu setzen. Aber Amsdorf insistierte auf seiner überspitzen Gegenthese, die er schon 1557 bei der Veröffentlichung von bisher ungedruckten Predigten Luthers zu Joh 18–20 in seiner Vorrede geäußert hatte. Diese Lehre, die er in seiner Schrift „Dass die Propositio ‚Gute Werke sind zur Seligkeit schädlich‘ eine rechte wahre christliche Propositio sei“ aus dem Jahre 1559 [Nr. 13] wiederholte und gegen die Ausführungen Majors in seinem Bekenntnis verteidigte, erklärt sich aus seinem Eifer dafür, die Rechtfertigungslehre Luthers in einer von ihm als endzeitlicher Entscheidungssituation gewerteten Lage möglichst unverfälscht und in Abgrenzung von jeglicher zum alten Glauben zurückführenden Werkgerechtigkeit zu sichern. Die lutherische Theologie ist ihm darin letzten Endes nicht gefolgt.47 Auch noch 10 Jahre nach Beginn des Streits blieb die Lehre Majors in der Diskussion, diesmal allerdings als eine unter verschiedenen anderen Lehrabweichungen, die die streng lutherisch gesinnten Stände im Zuge der fürstlichen Einigungsbemühungen auf dem Frankfurter und dem Naumburger Fürstentag von 1558 und 1561 als „Häresien“ ablehnten. Auf dem niedersächsischen Städtetag von 1561, der die Repräsentanten der lutherisch gesinnten Städte Lübeck, Bremen, Rostock, Magdeburg, Braunschweig, Hamburg und Lüneburg zusammenbrachte, wurde seine Lehre in einer von Joachim Mörlin erstellen Schrift sogar ausdrücklich als „Majorismus“ verdammt und Major selbst als Irrlehrer gebrandmarkt. Dieser sah sich daraufhin erneut genötigt seine Rechtgläubigkeit unter Beweis zu stellen, wozu er die Widmungsvorrede zum ersten Teil seiner gedruckten lateinischen Festtagspredigten nutzte [Nr. 14], die auch separat, zusammen mit seinem Bekenntnis in deutscher Sprache erschien. Diese Veröffentlichung diente nicht nur der Rechtfertigung, sondern beinhaltete auch Vorwürfe an seine Gegner. Kein Wunder, dass sich Joachim Mörlin daraufhin zu Wort meldete, um die Ablehnung der Lehre Majors auch aus dem Kontext der Einigungsbemühungen des Naumburger Fürstentags heraus zu erklären [Nr. 15: Mörlin, Verantwortung der Präfation]. Mit seinem Testamentum von 1570 [Nr. 16] legte Major – inzwischen fast 70-jährig und immer noch von Gegnern angefochten – ein abschließendes Bekenntnis ab. Er sah sich mißverstanden, zu Unrecht in Streitigkeiten hineingezogen und berief sich ausdrücklich auf die Confessio Augustana, deren Apologie und das Corpus Doctrinae Philippicum, in dem Bewußtsein, damit in jenen theologischen Zusammenhängen zu stehen, die in seinen Augen als „norma doctrinae“ der Wittenberger Reformation unangefochten bestehen sollten. Die Leucorea, der er viele Jahre als Rektor ge-

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Vgl. FC SD IV: Von den guten Werken, in: BSELK 1414,25–1430,20.

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dient hatte, sah er verunglimpft durch den Vorwurf, Irrlehren zu dulden. Mit der Antwort der Jenaer Theologen darauf [Nr. 17: Vom neuen Testament D. Majors, 1570] wurde zugleich der ernestinische Anspruch deutlich, unter Ausgrenzung Wittenbergs und des Einflusses Melanchthons das wahre Erbe der Reformation Martin Luthers zu verwalten. *****

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Im Rückblick auf die gewechselten Streitschriften zeigt sich, dass die Kontroverse keineswegs zwischen geschlossenen Fronten verlief. Die Gegner lassen sich kaum zu homogenen Gruppen zusammenfassen. Eine genaue Lektüre und Analyse der Streitschriften fördert zu Tage, dass Flacius z. B. im Grunde nicht weit von Majors Lehre entfernt war. Was ihm problematisch erschien, war das Fehlen begrifflicher Klarheit, und er lastete Major an, die Begriffe „Seligkeit“, „Sündenvergebung“ und „Rechtfertigung“ oft synonym zu gebrauchen. Wenn man nämlich Seligkeit bzw. ewiges Heil mit Rechtfertigung und Sündenvergebung gleichsetzte, rückte die Lehre Majors, dass gute Werke notwendig zur Seligkeit seien, tatsächlich in unmittelbare Nähe des alten Glaubens. Flacius’ Anliegen war deshalb, terminologische Eindeutigkeit zu erreichen. Menschliche Werke sollten nach reformatorischer Lehre unter dem Aspekt von Rechtfertigung und Heilsgewissheit keinerlei Funktion haben. Damit führte er Differenzierungen ein, die Martin Luther und die frühe Reformation so noch nicht gekannt und gebraucht hatten. Anders ist Amsdorf einzuordnen. Mit seiner überspitzten Gegenposition von der Schädlichkeit guter Werke zur Seligkeit verschob er den Fokus der Diskussion. Denn seine Position war motiviert durch den Blick auf die meritorischen Werke, nicht auf die Früchte des Glaubens. Unter diesem Aspekt war seine Berufung auf Luther, der in „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ davon gesprochen hatte, dass Werke dann „schädlich“ seien, wenn der Mensch glaube, sich damit die Rechtfertigung verdienen zu können,48 durchaus berechtigt. Dadurch dass Amsdorf dies undifferenziert in die Streitdiskussion eintrug, ging er im Grunde an dem Anliegen Majors vorbei. Nicht in den Streit verwickelt war jener Theologe, dem Major seine Position verdankte: Philipp Melanchthon. Er hielt sich zurück, zumal er ja auch nicht zur Zielscheibe der Angriffe geworden war. Melanchthon versuchte deshalb, im Hintergrund durch Ratschläge und Gutachten auf einen Ausgleich hinzuwirken. Für ihn rückte der Begriff „necessitas“ in den Mittelpunkt, der ja in dem Satz „bona opera necessaria ad salutem“ von entscheidender Bedeutung war. Melanchthon versuchte, ihn eindeutig zu definieren und von einem Verständnis im Sinne der Verdienstlichkeit abzugrenzen.

48 Vgl. WA 7, 29,31–34 und 59,21–23 u. ö. Vgl. außerdem WA 1, 102,10–23; WA 2, 503,26–31; 650,1–8; WA 8, 605,21–25; WA 10I.1, 397,9–11; 451,21; WA 10III, 373,37–374,2; 387,12–15; WA 14, 634,32–36; WA 22, 364,17f.25–28.

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Historische Einleitung

Dass sich all dies im Spannungsfeld einer politischen Gemengelage abspielte, in der sich streng lutherisch gesinnte Landesherren von eher melanchthonisch eingestellten, manchmal bereits mit dem Calvinismus sympathisierenden Fürsten abgrenzten, so dass die verschiedenen Einigungsversuche mit ihren vielversprechenden Ansätzen, wie sie im Frankfurter Rezess oder den Beschlüssen des Naumburger Fürstentags vorlagen, nie von langer Dauer waren, verlieh dem Streit eine eigene Strenge und besondere Bedeutung49.

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Zu den nicht-theologischen Aspekten vgl. Dingel, Majoristischer Streit, S. 243 –247.

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Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: 329.6 Theol.(22)

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Auff des Ehrenwir digen Herren Niclas von Ambsdorff schrifft / so jtzundt neulich Men= se Nouembri Anno 1551. wider Georgen Maior =ffentlich im Druck ausgegangen. Antwort Georg: Maior.

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Galat. 5. So jr euch vnternander beisset vnd fresset / so sehet zu / das jr nicht vnternander verzeret werdet.

Wittemberg. Durch Georgen Rhawen Erben. ANNO M. D. LII.

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Einleitung 1. Historische Einleitung

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Der Versuch, den im Augsburger Interim von 1548 erhobenen kaiserlichen Forderungen nach weitestgehender Restituierung des altgläubigen Ritus Genüge zu tun, ohne den Kernbestand evangelischen Glaubens und protestantischer Lehre aufzugeben, wie ihn Moritz von Sachsen mit der Leipziger Landtagsvorlage von 1548/49 unternahm, löste den sogenannten adiaphoristischen Streit aus.1 Das geächtete Magdeburg mit seinen leistungsfähigen Druckereien entwickelte sich zum Zentrum des Widerstandes. Unmittelbar nach dem Ende der Belagerung Magdeburgs im November 1551 veröffentlichte Nikolaus von Amsdorf eine Flugschrift, in der er den Vorwurf zurückwies, mit ihrer übertrieben unbeugsamen Haltung spalteten und zerstörten die Magdeburger Interimsgegner die Kirche der Reformation. Er hielt dagegen, dass die Kirche vielmehr von den pflichtvergessenen Wittenberger Theologen in große Gefahr gebracht worden sei, und zwar durch deren übergroße Bereitschaft zu Zugeständnissen an die Kirchenpolitik des neuen Kurfürsten. Dies entfaltete er in seiner Schrift „Das Doctor Pomer vnd Doctor Maior mit iren Adiaphoristen ergernis vnnd zurtrennung angericht Vnnd den Kirchen Christi vnFberwintlichen schaden gethan haben. Derhalben sie vnd nicht wir zu Magdeburg vom Teuffel erwegt seint, wie sie vns schmehen vnd lestern.“2 Darin fragte Amsdorf, an Major gewandt: „Wer wil [um] das wort ‚Sola‘ im Artickel der iustification, jtzt wo es am h=chsten von n=ten ist, nicht streitten? Wer schreibt, das der glaub furnemlich selig mache, gute werck zur seligkeit n=tig sein, daraus folgen wil, das die liebe mit dem glauben den menschen from vnd gerecht mache?“3 und unterstellte ihm damit, die evangelische Rechtfertigungslehre aufzugeben. Unter anderem mit diesem Vorwurf setzte sich Major in seiner „Antwort“ auseinander und beharrte auf der Aussage, gute Werke seien zur Seligkeit nötig. Gerade erst, im Dezember 1551, hatte er sein Amt als Superintendent in Eisleben angetreten. Die Magdeburger Polemik hatte dafür gesorgt, dass er keinen leichten Stand in dieser neuen Position hatte, galt er doch den Gnesiolutheranern – nicht völlig grundlos – als Mitverantwortlicher für das Leipziger Interim und Parteigänger der Kirchenpolitik des Kurfürsten Moritz. Um so nötiger dürfte es Major erschienen sein, die Vorwürfe der Gegner möglichst zu entkräften und die eigene Position zu festigen. Dazu diente die zunächst eher moderat auftretende, im einzelnen dann freilich doch auch geharnischte Antwort an den weithin hohes Ansehen genießenden Amsdorf. Major sandte die Schrift am 9. Januar 1552 an die Mansfelder Stadtpfarrer Coelius und

1 2 3

Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2. Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8, S. 752–777. Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8, S. 763,30 –34.

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Wigand.4 Deren Reaktion fiel allerdings nicht so aus, wie Major sie sich vermutlich erhofft hatte, vielmehr verlangten sie in ihrem Antwortschreiben vom 15. Januar 1552 eine deutlichere Positionierung Majors im Hinblick auf die von Amsdorf erhobenen Anschuldigungen und identifizierten sich im Wesentlichen mit dessen Anfragen an Majors Haltung, auch wenn sie Major aufgrund der gräflichen Entscheidung als ihren künftigen Superintendenten akzeptierten und ihm zum neuen Amt gratulierten.5 Die selbstbewusste, dem Leipziger Interim gegenüber kritische Haltung führender Geistlicher seines neuen Amtsbezirks, die aus diesem Schreiben sprach, dürfte Majors Auftreten mitbestimmt haben, als er am Montag, dem 25. Januar 1552 (Conversio Pauli), in der Eislebener Andreaskirche – höchstwahrscheinlich anlässlich seiner Amtseinführung6 – eine programmatische Predigt über die Bekehrung des Paulus hielt,7 mit der er die Geistlichen seines Sprengels gegen sich aufbrachte. Ursächlich für die erhebliche Empörung dürfte dabei weniger der theologische Gehalt seiner Ausführungen gewesen sein als vielmehr der anscheinend unerhört respektlose Ton, den er vor versammelter Gemeinde gegenüber den in großer Zahl anwesenden Pfarrern und Predigern der Grafschaft anschlug. Ein Beschwerdeschreiben vom 28. Januar 1552 gibt davon Zeugnis;8 ein Nachhall findet sich auch im Appendix zum „Bedenken der Mansfelder Prediger“.9

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2. Der Autor Georg Major,10 am 25. April 1502 in Nürnberg geboren, kam bereits als Neunjähriger als Sängerknabe in der kurfürstlichen Kapelle nach Wittenberg und wurde an der Leucorea immatrikuliert. Das Studium an der Artes-Fakultät nahm er 1521 auf, am 31. März 1522 wurde er Baccalaureus, wohl im Oktober 1523 Magister. Auf Fürsprache Luthers erhielt Major im selben Jahr ein Stipendium seiner Heimatstadt Nürnberg. 1529 wurde Major Rektor der Lateinschule in Magdeburg, die unter seiner Leitung eine Blütezeit erlebte.

4 Wartenberg, Major 223. Zu Michael Coelius und Johannes Wigand vgl. unten Einleitung zu Nr. 6, S. 285. 5 Wartenberg, Major 224. 6 Major war zwar seit Mitte Dezember 1551 in Eisleben, aber es dürfte in der Weihnachtszeit keine Gelegenheit gewesen sein, die Pfarrerschaft in Eisleben zu versammeln. Die Zusammenkunft am 25. Januar 1552 war wohl der erste Pfarrkonvent unter seinem Vorsitz (dafür spricht auch, dass Major von Coelius und Wigand am 15. Januar noch als „Superintendens noster futurus“ bezeichnet wird), wobei er aber offenbar nicht die üblichen Sitzungen und Gespräche abhielt, sondern es anscheinend im Wesentlichen bei dem Gottesdienst beließ. 7 Sie bildete später den Grundstock zu dem unter Nr. 5 edierten „Sermo von S. Pauli Bekehrung“. 8 Vgl. Wartenberg, Major 225. Der Brief trägt die Unterschriften von Friedrich Reuber, Jodocus Rucker, Johannes Behem, Andreas Theobaldus, Andreas Krause und Andreas Rhemus, allesamt in Eisleben tätig; vgl. unten unsere Ausgabe Nr. 6, Anm. 152‒154, 157, 159, 161. 9 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 6, S. 313f. 10 Vgl. Gustav Kawerau, Art. Major, in: RE3 12 (1905), 85‒91; Heinz Scheible, Art. Major, in: TRE 21 (1991), 725–730; Dingel/Wartenberg, Major.

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Im Jahr zuvor hatte er sich mit Margarethe von Mochau verheiratet.11 Während Majors Magdeburger Rektorat war dort Nikolaus von Amsdorf als Pfarrer an St. Ulrich um die Durchsetzung der Reformation bemüht. 1537 kehrte Major nach Wittenberg zurück und wurde von Luther zum Schlossprediger ordiniert, außerdem übernahm er die theologischen Vorlesungen des Justus Jonas, der nach Halle gewechselt war, ohne zunächst seine Wittenberger Ämter aufzugeben.12 1542 wurde Major Assessor am Wittenberger Konsistorium. Am 18. Dezember 1544 unter Luthers Vorsitz zum Dr. theol. promoviert, trat er am 31. Mai 1545 in die theologische Fakultät ein. 1546 wurde Major anstelle Melanchthons zum Religionsgespräch nach Regensburg entsandt. Wegen des Schmalkaldischen Krieges übersiedelte er 1547 mit seiner Familie nach Magdeburg, wurde aber bald von Herzog Moritz zum Feldprediger, dann zum Superintendenten in Merseburg ernannt. 1548 kehrte Major nach Wittenberg in seine früheren Ämter zurück. Im Dezember 1551 übernahm er die Superintendentur in Eisleben, doch kehrte er auf Druck des Grafen Albrecht VII. von Mansfeld-Hinterort nach Differenzen mit einem Großteil der Geistlichkeit der Grafschaft Mansfeld im Dezember 1552 wieder nach Wittenberg zurück.13 Nach dem Tode Bugenhagens amtierte er ab 1558 als ständiger Dekan der theologischen Fakultät und war mehrfach Rektor der Universität. Die Streitigkeiten um die Frage der Bedeutung der guten Werke für das christliche Leben bzw. um die Interpretation der Aussage, gute Werke seien notwendig zur Seligkeit, dauerten bis zu Majors Tod am 28. November 1574 in Wittenberg an. 3. Inhalt

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Major sieht sich von Amsdorf zu Unrecht angegriffen und will sich mit seiner hier edierten „Antwort“ in aller Höflichkeit dagegen verwahren. Er referiert acht Vorwürfe Amsdorfs: 1. Major sei für das Interim und damit für die Zerrüttung der Kirche mitverantwortlich; 2. er sei von der reinen christlichen Lehre abgefallen; 3. er habe den Antichrist als obersten Bischof anerkannt; 4. er betreibe die Restitution abgeschaffter päpstlicher Zeremonien und Irrlehren; 5. er habe an der Absetzung der Prediger in Torgau mitgewirkt; 6. er sei ein Glaubensverräter; 7. er habe bei Neuauflagen seiner Schriften Passagen in ihrer Tendenz massiv geändert gegenüber dem Stand vor dem Schmalkaldischen Krieg; 8. er behaupte fälschlich, Amsdorf und seine Gesinnungsgenossen trachteten ihm nach dem Leben. Major bemüht sich, diese Punkte der Reihe nach zu entkräften und erhebt dabei auch Vorwürfe gegen seine 11

Schwestern von Majors Frau waren mit Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt, bzw. mit Gerhard Westerburg verheiratet. Margarethe von Mochau überlebte ihren Mann um etwa drei Jahre und starb 1577. Zu den zwölf Kindern des Paares vgl. Wartenberg, Major 221, Anm. 66. 12 Vgl. Wolgast, Kollektivautorität, 98. 13 Allerdings war ursprünglich ohnehin nur eine „Entleihung“ Majors nach Eisleben für ein Jahr vorgesehen gewesen. Vgl. unten S. 43 (bei Anm. 165).

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Gegner. Im Zusammenhang des sechsten Punktes erörtert er eine mögliche Teilnahme am Konzil von Trient und zu erwartende Reaktionen der Gegner. Die Punkte 7 und 8 weist er als wirklichkeitsfremd ab. Major klagt mehrfach über die „Lästerschriften“ des Flacius. Er bittet Amsdorf, eventuelle Meinungsverschiedenheiten brieflich oder im persönlichen Gespräch auszuräumen, anstatt sie durch Druckschriften in die Öffentlichkeit zu tragen.

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4. Ausgaben Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe: A: Auff des Ehrenwir || digen Herren Niclas von Ambsdorff || schrifft / so jtzundt neulich Men= || se Nouembri Anno 1551. wider || Georgen Maior =ffentlich im || Druck ausgegangen. || Antwort || Georg: Maior. || Galat. 5. || So jr euch vnternander beisset vnd fresset / so || sehet zu / das jr nicht vnternander verzeret werdet. || Wittemberg. || Durch Georgen Rhawen Erben. || ANNO M. D. LII. [18] Bl. 4° (VD 16 M 1996). Vorhanden: BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 6 in: Dg 8 R; Dm 1100 R BUDAPEST, Országos Széchényi Könyvtár (Nationalbibliothek): Ant. 4965(11) DRESDEN, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek: Theol.ev.pol. 484m,misc.4 EMDEN, Johannes a Lasco Bibliothek: Theol. 4° 0302 H [benutztes Exemplar] ERFURT, Bibliothek des Evangelischen Ministeriums: Th 423.9 ERFURT, Universitätsbibliothek, Depositum Erfurt (ehemals Stadt- und Regionalbibliothek): 9 an Hs 196 GOTHA, Forschungsbibliothek: Theol.4 230/2(4) GÖTTINGEN, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek: 8 MULERT 507 (26) JENA, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 8 MS 25 494(10) LÜNEBURG, Ratsbücherei: Th 496(5) LUTHERSTADT WITTENBERG, Bibliothek des Lutherhauses: Ag 4 281 d WEIMAR, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Aut VIb (24) WIEN, Österreichische Nationalbibliothek: 20.Dd.218 WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 329.6 Theol.(22); G 676.4 Helmst.(14); H 121.4 Helmst.(7)

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[A 2r:] Der weise Man Salomon spricht: „Zorn ist ein wFttig ding, vnd grim ist vngestFm, vnd wer kan fur dem neid bestehen?“1 Dieweil ich denn mit hochbetrFbtem hertzen gelesen, wie der Ehrwirdige Herr Niclas von Ambsdorff, mein lieber Herr Geuatter2 vnd Vater,3 welchen ich nu vber dreissig Jar4 als fFr meinen lieben Vater vnd Praeceptor stetz gehalten vnd auch ferner halten will, do jme anders solches gefellig,5 durch falschen bericht so hefftig wider mich bewegt, das er mich offentlich fur aller Welt auff das aller schentlichst vnd grewlichst in solchem hefftigen grim vnd zorn schmehet vnd lestert vnd solch ding von mir schreibet, daraus gnugsam erscheinet, das er in solcher zeit des grimmigen zorns mein gantzes6 verderben one meine vordienst vnd verschuld7 gesucht8 habe. Einem iglichen Menschen aber, wie S. Augustinus recht schreibet,9 ista hoch von n=ten, das er vor sich selbs ein gut gewissen, von wegen aber der andern leute, damit sich niemands an vns ergere, ein gut gerFcht10 habe, willb ich seinem zorn als ein Son seinem Vater weichen vnd solche schwacheit dulden vnd leiden vnd nicht widerumb lestern [A 2v:] vnd schelten,11 sondern mich one einige affect vnd bewegung solcher schmehligen vnd vnbillichen12 aufflage13 halben zu seinem vnd ander Leut bericht14 hiemit kFrtzlich entschuldigen, des verhoffens,15 do dem Herrn Ambsdorff mit der zeit sein zorn verge-

a b

ergänzt; nicht in A. weil: A.

1

Prov 27,4. Da während Majors Zeit als Rektor der Magdeburger Lateinschule 1529–1537 Amsdorf dort als Superintendent und Pfarrer an St. Ulrich amtierte, ist es durchaus vorstellbar, dass Amsdorf bei einem oder mehreren der zwölf Kinder Majors die Patenschaft übernommen hatte; im weiteren Sinne kann „Gevatter“ auch „(väterlicher) Freund“ bedeuten. Vgl. Art. Gevatter, bes. I.3.d.α), in: DWb 6, 4651; Art. gefat(t)er, in: Fnhd. Wb. 6, 446f. 3 vertrauliche und zugleich ehrfürchtige Bezeichnung für eine ältere Person, insbesondere auch für Geistliche. Vgl. Art. Vater 6.b) und 11), in: DWb 25, 18f.22. 4 Georg Major war bereits 1511 als Neunjähriger an der Leucorea immatrikuliert, er war Sängerknabe an der kurfürstlichen Kapelle, 1521 nahm er sein Studium auf, und offenbar auf diese Zeit datiert er den Beginn seiner Bekanntschaft mit Amsdorf, der in Wittenberg Philosophie und Theologie lehrte und u.a. 1522 Rektor der Universität war. In den Jahren, die Major und Amsdorf gleichzeitig in Magdeburg verbrachten (vgl. oben Anm. 2), dürfte sich die Verbindung verstärkt haben. 5 wenn er es nur gestatten will, es sich gefallen lässt. 6 völliges, vollständiges. 7 ohne dass ich es verdient oder verschuldet hätte. „Verschuld“ anscheinend unter Einfluss des Niederdeutschen, vgl. Art. Verschuld, in: DWb, 25, 1171; Art. Verschulden, in: DWb, 25, 1178. 8 angestrebt. Vgl. Art. suchen 5.b), in: DWb 20, 847f. 9 Vgl. Augustin, De bono viduitatis XXII (27) [PL 40, 448f; CSEL 41, 338–341]. 10 Ruf, Leumund. Vgl. Art. Gerücht II.4.a), in: DWb 5, 3754f. 11 Vgl. Luthers Großen Katechismus zum 4. Gebot, BSLK 588,5–9. 12 ungerechtfertigten, unangemessenen. Vgl. Art. billig, in: DWb 2,28f. 13 Vorwurf, Anschuldigung. Vgl. Art. Auflage 3), in: DWb 1, 680. 14 zu seiner und anderer Leute (besserer) Information. Vgl. Art. bericht 1), in: Fnhd. Wb. 3, 1488. 15 in der Hoffnung. Vgl. Art. Verhoffen, in: DWb 25, 575. 2

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hen vnd er andern, warhafftigern bericht entpfahen wirdt, das es jn widerumb gerewen vnd er mich vor menniglich16 entschFldigen werde. Da aber solchs je17 nicht geschehen solt, mus ichs Gott beuehlen vnd mich meines Gottes vnd guten gewissens tr=sten. Denn was mein Lere vnd leben sey, sehen, h=ren vnd lesen ja alle vornunfftige vnd Gottfurchtige Leut vor augen, welche ich alle sampt Gott, meinem lieben Herren, vnd der gantzen heiligen Christenheit zu Richter leiden kann, sol vnd wil. Wiewol ich aber auch seer wol weis, wie die welt gesinnet, das sie allezeit lieber lesterschrifft denn entschuldigung lieset, auch denselben mehr glauben vnd stat gibet vnd darob wie die Saw ob dem Kott18 gr=ssern lust vnd frewde hat vnd nicht leichtlich wider den leuten kan genommen werden, welchs jnen erstlich vnd einmal eingebildet,19 wie jener sagt: „Calumniare audacter, quia semper aliquid haeret – Schende vnd schmehe nur getrost denn es bleibt allezeit etwas hafften“20, auch das durch solche meine schrifft eines [A 3r:] teils mehr vnd hefftiger zu schreien vnd schreiben vnd alles, was auch recht gesagt, auffs bitterst vnd feindtseligest durch trewme, lFgen, Merhlein,21 Calumnien,22 wie sie zuuor gethan, zu uorgifften vnd auszulegen, dadurch dem Satan vnd allen seinen Diabolis vnd LFgenmeulern ein freudenspiel23 anzurichten mochten bewegt werden, daraus denn gr=sser erbitterung vnd zerrFttung erfolget, darumb besser vnd rahtsamer were, allen solchen schwarm von wegen der Kirchen vnd Regiment, damit dieselbigen nicht vnrFiger wFrden (Denn leider sie diese zeit allebereit alzu sehr vnruig vnd jemmerlichen zurissen), mit gedult, sanffmFtigkeit vnd stilschweigen zu uberwinden, wie ich denn auch zu thun willens gewesen. Jedoch werde ich durch etzlicher Erlicher24 vnd GottfFrchtiger Leute biete25 vnd durch das grosse geschrey vieler b=ser, gifftiger26 leute dahin gedrungen vnd gezwungen, dieweil mein Ampt, ja Gott vnd sein wort auch hiedurch gelestert wird, das ich diese kurtze antwort offentlichen im druck lasse ausgehen. Erstlich wird mir von Herrn Ambsdorff schuld gegeben, das ich neben andern mit auffrichtung des Jnterims vnd ander ordnung grosse ergernis, trennung vnd spaltung habe angericht, die [A 3v:] Kirchen zerrFttet vnd

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jedermann. Vgl. Art. männiglich 4), in: DWb 12, 1592f. womöglich. Vgl. Art. je [III] II.3), in: DWb 10, 2280. Kot, Dreck. eingeprägt. Vgl. Art. einbilden 2), in: DWb 3, 149f. Sprichwörtlich. Märchen, erfundene Geschichten. Vgl. Art. Märlein 1), in: DWb 12, 1658f. Schmähungen. Lustbarkeit. Vgl. Art. Freudenspiel 1), in: DWb 4), 155. ehrbarer. Vgl. Art. ehrlich 1) und 3), in: DWb 3, 69f. Bitte. gefährlich, schädlich, verdorben. Vgl. Art. giftig II.B.1), in: DWb 7, 7452.

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geergert, die Gewissen verirret vnd solchen schaden gethan, das die Kirche Christi nimmermehr vberwinden werde.27

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Zvm andern: Das ich von reiner Christlicher lere abgefallen Vnd desc Bapsts lere angenomen vnd die rechte lere vom glauben, Sacrament vnd der Busse vorfelsche.28 Jtem, das ich geschrieben sol haben, ich wolle nicht von dem wort ‚SOLA‘ streiten, vnd das der glaube furnemlich selig mache vnd gute werck zur seligkeit n=tig sind.29

10

Zvm dritten: Das ich den AntiChrist fFr den obersten Bischoff der Christlichen Kirchen angenomen vnd angebetet vnd die AntiChristische Meßbischoffe fur Ordinarios Pastores angenomen mit jnen vorglichen vnd voreinigt, die Diener des Euangelij den Wolffen vnterworffen, das sie sich von jnen sollen schmieren30 vnd weihen lassen.31

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Zvm vierden: Das ich ein new Spectakel-Messe, der alten Opffer-Messe gantz gleich, des gleichen auch die alten wolgeordneten Ceremonien abgethan vnd die AntiChristische widerumb hab helffen anrichten vnd das verbot der speise, Fleischessen, angeno-[A 4r:]men vnd gewilliget, mit dem Chorrock vnd dem Leypzigschen Jnterim newerung, beide: in der lere vnd Ceremonien, angefangen etc.32

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das: A.

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Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8, S. 762,4– 8: „... D. Pomer vnnd Georg Maior. Sie haben mit jhrem Interim vnnd newer ordenung grosse ergernis, trennung vnnd spaltung angericht, die Kirchen zuruttet vnd geergert, die gewissen verirret, vnnd solchen schaden gethan, das die Kirchen Christi nimmermehr vberwinden werden.“ 28 Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8, S. 763,17–21: „Pomer vnnd Maior rhFmen sich der einigkeit vnnd grossen friedes, grosses nutz vnnd frommen, so sie der Kirchen geschafft haben, so sie doch die reine lehr vom glauben, Sacramenten vnd der Bus verfelschet, des Antichrists Gotsdienst widerauffgericht, newe tradition erdacht vnd alles inn jhrem Interim mutirt vnd geendert haben.“ 29 Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8, S. 763,30–34: „Vom Pomer wollen wir darnach reden, jtzt frage ich Georg Maior: Wer wil das wort ‚Sola‘ im Artickel der iustification, jtzt so es am h=chsten von n=ten ist, nicht streitten? Wer schreibt, das der glaub furnemlich selig mache, gute werck zur seligkeit n=tig sein, daraus folgen wil, das die liebe mit dem glauben den menschen from vnd gerecht mache?“ Zum Zustandekommen des Vorwurfs, man wolle nicht um das Wort Sola streiten, vgl. unten S. 35, Anm. 101. 30 mit Chrisam salben (polemisch). Vgl. Art. schmieren 2.e), in: DWb 15, 1082f. 31 Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8, S. 763,34 –38: „Wer hat den Antichrist fur den Obersten Bischoff der Christlichen Kirchen angenommen? Wer hat des Antichrists Meßbischoff fur seine ordinarios pastores erkant vnd angenommen? Wer hat die Diener des Euangelij den Wolffen vnterworffen, das sie sich von jhn sollen schmiren vnd weihen lassen?“ 32 Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8, S. 763,38–764,2: „Wer hat das verbot der speise, das mann auff den Freitag vnd Sonnabent nicht sol Fleisch essen oder feil haben, angenomen vnd gewilligt? Wer hat ein new Spectakel-Messe, der alten Opfermesse gantz gleich, angericht vnd geordent?“

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Zvm fFnfften: Das ich die Prediger zu Torgaw vnd andere mehr abgesetzt vnd verjagt.33 Zvm sechsten: Das ich ein Mameluck,34 von der lere Christi abgefallen sey, das vberzeuge35 mich das Leyptzigsche Jnterim vnd helffe mich nicht mein bekentnis, so ich in dem BFchlein der verlegung der Papistischen Messe gethan habe,36 denn mein abfall sey im gantzen Reich vnd deudscher Nation offenbar, das ich aber wider den Bapst vnd die Messe schreibe, das k=nne nicht mein ernst sein. Denn ich wFrde sonst die newe Opffer-Messe, auch den Bapst fur den Obersten Bischoff nicht angenomen haben, vnd das ich jtzt wider den Bapst vnd die Messe schreibe, sey vrsach, das der wind aus dem vorigen loche ein wenig wermer bleset denn vorm Jare.37 Zvm siebenden: Das ich in etlichen schrifften, als an die Behem,38 Praefation vber den Psalter,39 anders denn jtzt lere, denn ich in der ersten Praefation

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Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8, S. 764,4– 6: „Wer hat die prediger zu Torgaw vnnd andere mehr, das sie auff die mutation vnnd newen Caeremonien gepredigt haben, abgesetzt vnnd veriagt?“ Der greise Torgauer Superintendent Gabriel Zwilling wurde seiner hartnäckigen und wortreich vorgetragenen Ablehnung des Interims wegen seines Amtes enthoben und zeitweilig gefangengesetzt, ähnlich erging es dem Protodiakon Michael Schulz und anderen; zu den Vorgängen vgl. Chalybaeus, Durchführung, 46– 58. 34 Glaubensabtrünniger. Vgl. Lepp, Schlagwörter, 49–52. 35 überführe. Vgl. Art. überzeugen 1), in: DWb 23, 674– 676. 36 Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8, S. 769,21–770,1: „Darumb hilfft jhn sein bekentnis nicht; es hilfft jhn sein rhFmen nicht vmb ein harbreit; er mus ein abtrFnniger Mammeluck sein vnnd bleiben, er bekenne denn vnnd widderruffe sein jrthumb =ffentlich. Vnd ist ein wunder, das D. Maior in seinem Buch an K=ning von Engeland seinen jrthumb vnnd abfal so theur vnnd hoch verleugnen vnd entschFldigen darff, da er schreibt, er sey von der Augspurgischen Confeßion nye gewichen, er wolle auch nimmermehr davon abfaln noch weichen, so jhn doch das Leiptzigische Interim hel vnnd klar vberzeuget vnd vberweiset, auch die that an viel =rtern.“ Die Bemerkung bezieht sich auf die Edward VI. von England gewidmete REFVTATIO HORRENDAE PROPHANATIONIS COENAE DOMINI, COLLECTA EX EVANGELIO ET SINCERIS ANTIQVAE ECCLESIAE TESTIMONIIS A GEORGIO MAIORE. Cum praefacione Philip. Melanth., Wittenberg (Veit Creutzer) 1551 (VD 16 M 2156); vgl. dazu Wengert, Major, 136f. 37 Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8, S. 770,8f: „Nu ists ein wunder, das Georg Maior sein abfall so offentlich verleugken darff, so doch sein abfal im gantzen Reich vberall kunt vnd offenbar ist.“ AaO 771,5 –11: „Das er aber inn seinem Buch an den K=nig von Engeland widder den Bapst vnd die Messe schreibt, das ist vnnd kan nicht sein ernst sein. Denn wo es jhm von hertzen ginge vnnd sein ernst were, widder die Messe zu schreiben, so wFrde er inn die newe Messe, so der alten Opfermesse gantz vnnd gar gleich ist, nicht gewilligt noch sie angenomen haben. Desgleichen wo er mit ernst auß rechtem glauben widder den Bapst schriebe, so wFrde er den Bapst fur der Christen obersten Bischoff nicht erkant noch angenomen haben“. AaO 771,20 –23: „Das er aber widder den Bapst vnnd die Messe zu schreiben sich jtzt vnterstanden hat, das macht, das der wind aus dem vorigen loch wenig wermer bleset denn fFrm jare, darum henget er seinen mantel darnach, das er fur ein meister gelernet hat.“ 38 Bislang nicht identifiziert. 39 Vgl. PSALTERIVM DAVIDIS, IVXTA TRANSLAtionem ueterem, Repurgatum & ad Hebraicam ueritatem recognitum, cum argumentis & scholijs breuissimis. Per D. Georgium Maiorem. Magdeburg (Michael Lotther) 1547 (VD 16 B 3188; ZV 1638); PSALTERIVM DAVIDIS IVXTA TRANSLATIONEM VEterem, Iterum repurgatum & ad Hebraicam ueritatem recogni-

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mehr gesatzt vnd jtzt viel ausgelassen, das ich auch die, so ich [A 4v:] zuuor in die Acht gethan, jtzt am h=chsten lobe vnd erh=he, wie dasselbige nach der lenge bald an tag sol komen.40

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Zvm achten: EntschFldiget er sich vnd seine Bundgnossen, das er mir nicht nach leib vnd leben stehe, vnd so ich ehrlich, sol ich ein wort oder geberde von jnen anzeigen, daraus man einen argwan41 nemen m=cht, das sie mich zu beschedigen gedechten, so sol ich war geredt haben etc.42 Djs sind die vornemste Punct der zornigen vnd vngestFmmen – wil nichts herters sagen – schrifften vnd aufflag des Herren Ambsdorffs, denn ich viel lesterworte vbergehe, welcher ich nicht wil gedencken, vnd auffs glindest, als mir mFglich,43 auff vorgeschriebene punct antworten vnd des Ehrlichen44 geschlechts vnd alters des Ehrenwirdigen Herren Ambsdorffs, meines lieben Vaters vnd Geuatters, wie billich, verschonen, jnen45 auch vnd alle dieser schrifft Leser gantz dienstlich46 vnd vleissig gebeten haben, ob ich auch jrgent aus menschlicher schwachheit, des ich mich nicht verhoffe,47 jme zu viel thun wFrde, man wolle mir es vorzeihen. Denn nichts schentlichers noch ergerli-[B 1r:]chers in der Christlichen gemein geschehen kan, denn so die Lerer, so ander Leut vnterrichten vnd ein gut Exempel geben sollen, selber vnter einander zancken, sich schenden48 vnd lestern. Darumb auch S. Paulus spricht: „So jr euch vnter einander beisset vnd fresset, so sehet zu das jr nicht vnter einander verzeret werdet.“49

tum, cum argumentis et scholijs breuissimis auctis. Per D. Georgium Maiorem. Leipzig (Michael Blum) 1549 (VD 16 ZV 1676). 40 Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8, S. 771,24–772,6: „Vnd das solchs war sey, so halt man sein schrifft an die Behmen fFrm kriege vnd die erste praefation vber sein Psalterlein gegen der Adiaphoristen schrifften vnnd sonderlich gegen dem grFndlichen bericht der hendel, so wird man seine bestendigkeit wol spFren vnd finden. Denn die erste praefation hat er jtzt geendert vnnd viel außgelassen, damit er jederman zu erkennen gibt, das er inn den jtzigen oder vorigen schrifften wider sein eigen hertz vnnd gewissen gehandelt hat, wie denn dasselbige nach der lenge, wils Gott, bald an tag komen sol.“ AaO S. 768,11–14: „Er thut aber, gleich wie er vor auch gethan hat, das er diejenigen, so er vorhin in Gottes acht gethan, jtzt am h=chsten lobt vnnd erhebt, spilt also mit vnserm Herrn Gott, gleich ob er ein g=ckelman were, ohn zweiffel vmb des heiligen Geists vnd keins gewins willen.“ 41 Verdacht. Vgl. Art. Argwohn, in: DWb 1, 550; Art. argwan, argwon 1), in: Fnhd. Wb. 2, 84–86. 42 Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8, S. 772,7–10: „Er schreibt auch, wir stehen im nach leib vnnd leben. Jst er erlich vnd redlich, so zeig er ein wort oder geberde von vns an, daraus man ein argwon nemen m=cht, das wir jhn zu beschedigen dechten, so sol er war geredt haben. Wird er aber das nicht thun, so hat er vns b=ßlich angelogen.“ 43 und will so zurückhaltend, wie es mir möglich ist. 44 ehrbaren. Vgl. Art. ehrlich 1) und 3), in: DWb 3, 69f. 45 ihn. 46 dienstwillig, ergeben. Vgl. Art. dienstlich 1), in: DWb 2, 1127f. 47 was ich nicht hoffen will. Vgl. Art. verhoffen 4), in: DWb 25, 574. 48 schmähen, verhöhnen, verleumden. Vgl. Art. schänden 5.a), in: DWb 14, 2141f. 49 Gal 5,15.

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Avff den ersten punct, das ich mit auffrichtung des Jnterims vnd newer Ordnung grosse ergernis, trennung vnd spaltung habe angericht etc., kurtzlich zu antwort: Nachdem von wegen Keiserlicher Maiestet Declaration, so das Jnterim genant wird,50 allerley disputation vnd berhatschlagung fFrgefallen, bin ich neben den andern meinen lieben Herren vnd Praeceptoribus, den Theologis alhie zu Wittemberg, als ein vnuerstendiger leider gezogen, des ich lieber vberhaben gewest51 vnd solche ehre andern hett gFnnen mFgen, welchen besser damit gewesen were. Bekenne ich, das ich mich zu solchen etlichen berhatschlagung meines beruffs vnd amts wegen habe mFssen gebrauchen lassen.52 Zvm andern auch bekenne ich hiemit offentlichen, das in solchen beratschlagungen, dabey ich, denn ich nicht bey allen gewesen, Jch nie nichts im vertragen53 oder in der pro-[B 1v:]position54 noch in der handlung55 vermerckt, das was vnchristlichs vnd heiliger G=ttlicher schrifft nicht gemes anzurichten begeret were, denn fast in allen handlungen, so viel ich noch des ingedechtig,56 dis furtragen gewest,57 das vnsers gnedigsten Herren58 begeren were, sich zu berhatschlagen, wie man der Keiserlichen Maiestet in allen, so mit ichte59 dOne verletzung Gottes worts vnd guter gewissen geschehen m=cht,d zu erhaltung friedens vnd einigkeit vnd abwendung allerley gefahr, gehorsamen60 m=chte etc. Was aber in diesen berahtschlagung von wegen des Jnterims vnd sonderlich zu Meissen beschlossen, ist offentlich im Druck ausgangen,61 des ich keine d–d

im Original in größerer Type gesetzt.

50 Vgl. den Titel des Augsburger Interims von 1548: Der R=mischen Kaiser= || lichen Maiestat ercl(rung / wie es der || Religion halben im hailigen Reich / biß zG || außtrag des gemainen Concili gehalten || werden soll / auff dem Reichstag zG || Augspurg / den XV. May / || im M.D.XL. VIII. Jar || publiciert v] er=ffnet / || vnd von gmainen || Stennden an= || gen@men. (VD 16 D 940). 51 womit ich lieber nichts zu tun gehabt hätte, womit ich lieber nicht befasst gewesen wäre. Vgl. Art. überheben I.B.1.b), in: DWb 23, 307. 52 Major gehört zu den Unterzeichnern der Gutachten von Altzella, MBW 5130 (22. April 1548) = CR 6, 865 –874 (Nr. 4212), Wittenberg, MBW 5170 (24./25. Mai 1548) = CR 6, 908–912 (Nr. 4244), Wittenberg, MBW 5182 (16. Juni 1548) = CR 6,924– 942 (Nr. 4259) [unsere Ausgabe Bd. 1, Nr. 1] und Meißen, MBW 5208 (6. Juli 1548) = CR 7, 12– 45 (Nr. 4286); PKMS 4, 74 –84 (Nr. 34) [vgl. unten Anm. 61]. 53 bei Formulierung der Verhandlungsergebnisse (?). Vgl. Art. vertragen III.1), in: DWb 25, 1934. 54 Tagesordnung (?), Beschlussvorlage (?). 55 während der Verhandlungen. Vgl. Art. Handlung 8), in: DWb 10, 405f. 56 soweit ich mich noch erinnern kann. Vgl. Art. ingedächtig, in: DWb 10, 2113. 57 wurde ausdrücklich dargelegt. Vgl. Art. fürtragen 5), in: DWb 4, 908f. 58 des Kurfürsten Moritz von Sachsen. 59 mit ichte = irgendwie. Vgl. Art. icht 6), in: Fnhd. Wb. 8, 9. 60 Gehorsam leisten. Vgl. Art. gehorsamen 2), in: DWb 5, 2539f. 61 Vgl. Bericht vo^ || INTERIM || der Theologen zu Meissen versam= || let. Anno M. D. xlviij. || Psalm xxvij. || Harre des HERRN / sey getrost vnd vnuorzagt / || vnd harre des HERRN. || Abacuc Cap. ij. || Die Weissagung wird ja noch erfFllet werden / zu seiner zeit / || vnd wird endtlich frey an tag komen / vnd nicht aussen || bleiben. Ob sie aber verzeucht / so harre jhr / sie wird || gewißlich komen vnd nicht verziehen. (VD 16 B 1846, B 1847).

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schew trage, darinnen ich denn auch nach meinem geringen verstand etzliche Artikel gestalt, vnd ist hiemit vielen Leuten gedienet worden. Jn solcher zusamenkunfft der Theologen ist auch die Agenda, so zu Hertzog Heinrichs zeiten – hochl=blicher vnd seliger gedechtnis – ausgangen,62 wider fur die hand genomen vnd gebessert worden, vnd wolt Gott, das sie schon vorlangst in druck gegeben were. Denn sie von Christlichen, Gottseligen, gelerten Leuten wol vngestrafft vnd vielen seer nFtzlich sein wird. Solche aber in Druck zu geben, stehet nicht in meiner macht, dieweil ich kein Exemplar nie dauon gehabt.63 [B 2r:] eWas aber zu Pegaw, JFtterbock vnd zu Leypzig auff dem Landtage gehandelt, da bin ich nicht bey gewesen.64 Darumb ich auch nicht schFldig, solchs zu uorantworten,e vnd geschicht mir gewalt vnd vnrecht, das mir von dem Herren Ambsdorff vnd andern solche hendel, wie sie sind, gut oder b=se, dauon ich jederman richten lasse, auffgelegt65 werden, vnd kan mit bestendiger warheit sagen, das ich die Leypzigsche handlung, welche sie das jung Jnterim nennen,66 nie nicht gantz gesehen oder gelesen, bis das sie im Druck zu Magdeburg ausgangen,67 so anders derselbige Druck vnd solche handlung nicht verfelscht ist. Darumb las man mich mit solchem Interim zufrieden; wers gestalt,68 gemacht oder bewilliget hat, der mags verantworten. Daraus denn nu folget, dieweil ich nie nicht solch Interim oder new ordnung weder auffgericht, noch niedergelegt, wie sies zu Magdeburgk im Druck haben lassen ausgehen, das ich kein ergernis, spaltung oder trennung hab angericht. Wer aber dieselbige trennung erstlichen angericht, wil ich mit bestendigen grundt darthun: [B 2v:] Jllyricus,69 wie seine Drectetlein70 (denn sie nicht werd, das sie bFcher sollen genandt werden) bezeugen, darinnen er sich auch solchs berFmet, Der ist solcher ergernis spaltung vnd trennung der erste Vorursacher, welcher, da er zu solchen sachen nicht gezogen,71 wie der denn allein zur Hebraischen Grammatica zu lesen,72 zur Kirchen-Regirung aber nie kein e–e

im Original in größerer Type gesetzt.

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1539, vgl. EKO I, 264–281. Der Erstdruck erfolgte 1869 durch Emil Friedberg; vgl. Friedberg, Agenda. 64 Major bezieht sich auf die Verhandlungen in Pegau (22.–24/25. August 1548), Jüterbog (16. Dezember 1548) und Leipzig (21.12.1548– 01.01.1549); vgl. Herrmann 54–129. 65 angelastet. Vgl. Art. auflegen 9), in: Fnhd. Wb. 2, 534f. 66 geläufiger ist die Bezeichnung „kleines Interim“ für den Auszug aus der Leipziger Landtagsvorlage. 67 Vgl. unsere Ausgabe Band 2, Nr. 4, S. 428– 431. 68 aufgesetzt, formuliert. Vgl. Art. stellen I.A.2.h.θ), in: DWb 18, 2205f. 69 Matthias Flacius Illyricus. 70 Man beachte die Assoziation „Dreck“. 71 da er zu den betreffenden Beratungen nicht hinzugezogen wurde. 72 Vorlesungen über hebräische Grammatik zu halten. 63

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beruff73 gehabt noch jtziger zeit hat, sondern sich selbs eingedrungen74 vnd aus denen Propheten ist, dauon Jeremias spricht: „Currebant et non mittebam eos,“75 darumb sich jederman vor jme zu hFtten wisse. Derselbige hat vnter76 solchen berhatschlagungen von stunden an77 etzliche Scartecklein78 geschrieben, auch hernach im Druck erstlich one seinen namen lassen ausgehen,79 zu vielen leuten an andern orten geschrieben, alhie auch hin vnd wider gelauffen vnd vns bey jederman verdechtig machen wollen, viel in dieser Vniuersitet vnd anderswo angereitzet, wider vns zu schreiben, bis er endlich von hinnen80 sich nach Magdeburg stilschweigens81 begeben vnd da offentlich sein gifft im Druck wider vns ausgeschFtt, vns vor jederman als abtrFnnige Mamelucken vnd verrheter Christi geschendet, gelestert vnd vnerhorter vnd vnerkanter sache82 offentlich verdamnet vnd verbannet,83 sein gifft durch seine Drectetle vnd schmeliche84 Gemelde85 den leuten eingebildet vnd sie an [B 3r:] sich gezogen,86 dadurch viel ehrlicher, auch Gelerter Leute, Pharherr vnd Prediger, aus falschen vnd erlogenen bericht bewogen, sich an jn gehengt, auch wider vns geschrien vnd geschrieben vnd vns auffs h=chste geschmehet, dazu wir denn, alle trennung vnd spaltung zu uerhFten, stilgeschwiegen vnd solch grewlich wetter vber vns ergehen lassen vnd mit gedult vberwunden, vnd haben mitlerweil87 die reine Christliche lere sampt allen Ceremonien vnd Kirchenordnung in dieser Schul vnd Kirchen, auch durch viel nFtzliche BFcher lesen, leren vnd schreiben mit allem vleiss getrieben, geFbet vnd bekandt bis auff diese jtzige stunde, wie dieselbige allezeit nu 73

Auftrag. Vgl. Art. Beruf 2), in: DWb 1, 1530f. eingedrängt. Vgl. Art. eindringen 3), in: DWb 3, 163. 75 Vgl. Jer 23,21. 76 während. 77 von stund(en) an = von dieser Zeit an. Vgl. Art. Stunde II.A.2.a.β.ββ), in: DWb 20, 494f. 78 minderwertige Kleinschriften. Vgl. Art. Scharteke 1), in: DWb 14, 2225. 79 Vgl. unsere Ausgabe Bd. 1, Nr. 3, 5, 15. Mit dem Namen Flacius war zunächst keine besondere Autorität verbunden, die Argumente mussten ohne Beglaubigung durch einen bekannten und geachteten Namen allein durch ihr sachliches Gewicht wirken. Zugleich bot die Pseudonymität aber auch einen gewissen Schutz für den Verfasser, und wechselnde Pseudonyme vermehrten virtuell die Zahl der Stimmen gegen das Interim. Sie waren wohl auch ein Mittel, um in der Öffentlichkeit die Erwartung zu wecken, in den Schriften seien neue Argumente zu finden. In seiner „Entschuldigung [...] an einen Pfarrherrn“ (VD 16 F 1369) interpretiert Flacius die pseudonyme Veröffentlichung der Schriften als Ausdruck der Bescheidenheit oder doch fehlenden Ehrgeizes. 80 von hier fort. Vgl. Art. hinnen adv. [I] 1), in: DWb 10, 1458f. 81 Aus Wittenberg ging Flacius nicht stillschweigens fort, allerdings wusste er zu dieser Zeit wohl noch nicht, wo er unterkommen könne. Vgl. Melanchthon an Georg v. Anhalt, Wittenberg 29. März 1549, MBW 5487[2]; CR 7, 356 (Nr. 4507): „Illyricus hinc abiit, aperte causam hanc dicens, se nolle spectatorem esse mutationis rituum. Etsi autem nondum certo scimus, de reditu quid decreverit: arbitror tamen, quaerere eum sedem, unde liberius nos criminari possit.“ 82 ohne gerichtliche Anhörung und ordentliches Urteil. 83 in den Kirchenbann erklärt. Vgl. Art. verbannen 3.a) und b), in: DWb 25, 93. 84 verunglimpfend, schmähend. Vgl. Art. schmählich 2), in: DWb 15, 907f. 85 Anscheinend ist an karikierende Holzschnitte (oder Zeichnungen) gedacht. 86 auf seine Seite gezogen, für sich eingenommen. 87 unterdessen. Vgl. Art. mittlerweile, in: DWb 12, 2425. 74

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fast bey dreissig jaren her alhie geleret vnd bekandt worden, vnd sind – Gott lob – vnserer Kirchen vnd Schule die furnembste FFrstenthumb, Stedte, Vniuersitete, Land vnd Leute, so das Euangelium Christi bekennen, mit gutem willen zugethan vnd mit vns eintrechtig. Hieraus ist nu leichtlich zu uermercken, ob wir oder aber Jllyricus sampt seinen verwanten88 diese grosse ergernis, trennung vnd spaltung haben angericht, die Kirchen zerrFttet vnd geergert, die gewissen verirret vnd solchen schaden gethan, das die Kirchen Christi nimmermehr vberwinden werde, wie [B 3v:] vns denn felschlich auffgelegt89 wird, damit ich denn die erste aufflage jtzt auffs kFrtzte wil verlegt90 haben, vnd da es von n=ten, hernachmals ferner solchs vermelden. Zvm Andern wird mir vom Herren Ambsdorff schuld gegeben, das ich von reiner Christlicher lere abgefallen vnd des Bapsts lere angenommen vnd die rechte Lere vom Glauben, Sacrament vnd der Busse verfelsche. Was meine Lere von diesen jtzt erzelten vnd allen andern Artickeln des Heiligen Christlichen Glaubens sey, wil ich mich alhie, dieweil ich nicht heimlich im winckel lere oder schreibe, auff alle GottfFrchtige Magistros vnd Studenten dieser l=blichen Vniuersitet, so meine Lectiones, auch auff die Christliche Gemeine zu Wittemberg, so zuzeiten meine predige h=ren, vnd auff alle Christliche GottfFrchtige Leute, so meine im druck ausgegangene predigt vnd ander meine BFcher gelesen haben oder noch lesen werden, beruffen vnd sie gerne zu Richter darFber dulden vnd leiden. Jn sonderheit aber beruffe ich mich auff die deudsche auslegung des Glaubens, welche vor einem jare, vor der belagerung der Stad Magdeburg, im Leyptzischen Marckt [B 4r:] im Druck ausgangen,91 vnd auff die Lateinische Vorrede an K=nigliche Maiestat zu Engelland, so vor der verlegung der Papistischen Messe stehet,92 vnd auff solch gantzes Buch, darinnen ich das bekentnis meines Glaubens =ffentlich fFr Gott vnd aller Welt gethan habe. Auch auff den Commentarium in Epistolam ad Ephesios, so kFrtzlich ausge-

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Anhängern, Parteigängern, Gefolgsleuten. Vgl. Art. verwandt 10.b.α), in: DWb 25, 2126. zur Last gelegt, nachgesagt. Vgl. Art. auflegen 9), in: Fnhd. Wb. 2, 534f. 90 widerlegt. Vgl. Art. verlegen 3), in: DWb 25, 758f. 91 Auslegung des || Glaubens / Welcher das || Symbolum Apostolicum genand || wird / den einfeltigen Pfarherrn || vnd allen Hausuetern zu || dienste / in XX. Pre= || dig verfasset. || Durch || D. Georg. Maior. || Mit einer Vorrede / des M. Flacij || Illyrici schreien und schrei= || ben belangend. || 1. Corinth. 11. || Jst jemand vnter euch / der lust hat || zu zancken / der wisse / das wir solche || weise nicht haben / die Gemei= || ne Gottes auch nicht. || Wittemberg, || 1550. (VD 16 M 2003). 92 Vgl. REFVTA= || TIO HORRENDÆ PRO= || PHANATIONIS COENAE || DOMINI, COLLECTA EX || EVANGELIO ET SINCERIS || ANTIQVAE ECCLE= || SIAE TESTIMO= || NIIS A GEOR= || GIO MAIORE. || Cum præfacione Philip. Melanth. || VVITEBERGAE. || Ex officina Typographica || Viti Creutzer. || ANNO, || M. D. L I. (VD 16 M 2156); die Widmungsvorrede Majors an Edward VI. von England füllt die Blätter B 1r – E 2r des Oktavdrucks [vgl. oben Anm. 36]. 89

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hen wird,93 darinne ich solche Artikel nach meinem vermFgen mit viel worten gehandelt. Weis nu Ambsdorff oder Jllyricus, oder wer er ist, in solcher Lere was strefflichs, so zeige er mirs an vnd verlege es mit gutem grund der Schrifft, so wil ichs h=ren vnd mich mit antwort darauff vernemen lassen. Denn ich mich mit h=chstem vleis durch Gottes gnade allezeit bemFhet habe, das ich die reine Lere, so ich in dieser Kirchen vnd Schule nu lenger denn dreissig Jar gelernet, behalten, ausbreiten vnd andern Leuten mitteilen m=cht, vnd habe des so viel gethan, als mir Gott gnade verliehen. Der almechtige wolle mich armen SFnder bey erkanter warheit gnediglichen ferner erhalten vnd mich ja nicht fallen lassen, darumb ich teglich bitte. Dieweil aber diese lesterung mein ampt, die Kirchen vnd die ehre Gottes belangt, gehet sie mir billich zu hertzen vnd thut mir we-[B 4v:]her, denn das man mich ein Ehebrecher, Dieb oder m=rder schFlte, ja mir durch marck vnd beine dringet vnd mir nach dem Exempel Jhesu Christi, meines Herren, in keinem wege zu schweigen gebFret, welcher zu allen lesterworten schweiget. Da er aber von den JFden gescholten wird, als habe er den Teuffel, widerstrebe Gott vnd sey ein verfelscher der G=ttlichen schrifft, vnehre vnd lestere Gott, da schweiget er nicht stille vnd verantwortet solche Gotteslesterung vnd spricht: „Jch habe keinen Teuffel, sondern ich ehre meinen Vater, vnd jr vnehret mich“94 etc. Djesem Exempel nach sage ich auch, das ich von reiner Christlicher lere nicht abgefallen, noch des Bapsts lere angenomen, auch die rechte lere vom Glauben vnd den hochwirdigen Sacramenten vnd der Busse nicht verfelsche, dafur mich Gott als fur der gr=ssten vnd grewlichsten SFnde, so auff erden sein kann, gnediglichen wolle behFten vnd mich ehe bald sterben lassen; vnd kan in diesem stFck des Herren Ambsdorffs vnd seines alters nicht verschonen, wenn er auch mein leiblicher Vater oder der Keiser oder der Bapst oder so alt als Mathusalem95 oder so weis als Salomo96 were. Sage derhalben offentlichen fur Gott vnd [C 1r:] aller welt, das wer mich solcher grewlichen vnd erschrecklichen SFnde beschFldiget, es sey Ambsdorff oder wer es wolle, das er mir fur Gott vnd aller Welt gewalt vnd vnrecht thue (wil nichts herters sagen), vnd wolt ehe tod sein, ehe solche SFnde mit warheit auff mich solte gebracht werden.97 Denn, mein lieber Ambsdorff, dis beweiset gar nichts, das man also schreibet vnd speiet: „Das Leypzigsche Jnterim, so wir zu Magdeburg gedruckt, das sagt das vnd jenes. Darumb ist George Maior ein Mameluck vnd ein verfel-

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ENARRA= || TIO EPISTOLÆ PAV= || LI SCRIPTÆ AD || Ephesios, col= || lecta à || Georgio Maiore. || Impressa VVitebergæ. || Per Vitum Creutzer. || 1552. (VD 16 M 2023). 94 Joh 8,49. 95 Vgl. Gen 5,25–27. 96 Vgl. I Reg 3,12; 5,9–14. 97 ehe eine solche Beschuldigung zu Recht gegen mich erhoben werden sollte.

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scher Christlicher lere, der Sacrament vnd der Busse“, dieweil ich, wie geh=ret, mit solchem Jnterim nichts zu thun habe, vnd schleust98 eben so viel, als wenn ich so colligiere:99 Si homo currit, ergo asinus volat.100 Alhie wird mir auch schuld gegeben, das ich geschrieben sol haben, ich wolle von dem wort ‚SOLA‘ nicht streiten, vnd das der Glaube furnemlich selig mache vnd gute werck zur seligkeit n=tig seind.101 Darauff gib ich kurtzlich zur antwort: do der Herr Ambsdorff oder jemands auff mich aus meinen schrifften solches beweisen wird, mus ich solches leiden, bin aber des sicher vnd gewis, das jm solches vmmFg-[C 1v:]lich102 vnd er das wort ‚SOLA‘ – ‚ALLEJN‘, wenn ich von dem Glauben vnd der Rechtfertigung lere, allezeit vnd gemeiniglichen mit grossen Buchstaben gedruckt finden wird. Als in der Praefation an den K=nig zu Engellandt stehets achtmal vnd hernachmals in Refutatione Missae in Capite de meritis Sanctorum zw=lffmal nacheinander.103 Jtem in der ander predigt von zweierley Gerechtigkeit des Gesetzes vnd Euangelij in dem Capitel, was die Gerechtigkeit des Glaubens sey,104 wird dis wort (wir werden ALLEJN durch den Glauben

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beweist durch logischen Schluss. Vgl. Art. schlieszen II.5.c), in: DWb 15, 706. schlussfolgere. 100 Beispiel für eine unsinnige Schlussfolgerung, nach Art scholastischer Werke zur Logik bzw. Dialektik, vgl. z. B. Richard Billingham, De Consequentiis. 101 Vgl. oben Anm. 29. Der auch von Flacius und Gallus in ihrer kommentierten Ausgabe des Leipziger Interims erhobene Vorwurf (vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, 387) basiert wohl auf einem Gutachten, das Major im Mai 1548 mit Bugenhagen, Cruciger und Melanchthon für Kurfürst Moritz erstellt hatte. Darin weisen die Wittenberger den Vorwurf zurück, ihre Kritik am Rechtfertigungsartikel des Augsburger Interims sei nicht sachlich begründet, sondern lediglich Wortklauberei. In diesem Zusammenhang formulieren sie: „Wir streiten nicht vom Wörtlein sola, sondern sagen und bekennen: es müssen in uns die andern Tugenden und guter Vorsatz angefangen seyn und bleiben; dennoch über dieselbigen Tugenden muß das Vertrauen auf den Sohn Gottes seyn, wie gesagt ist, und muß dei andern Tugenden alle überschatten. Denn alle Tugenden sind doch schwach in uns, und bleibt noch viel Unreinigkeit im menschlichen Herzen und in diesem Leben. Darum müssen wir uns an den Mittler hängen, und Gnade suchen durch diesen Mittler, und durch Barmherzigkeit, die uns von desselben wegen zugesagt ist ... Also sollen wir auch vor Gott treten, und dieses Vertrauen auf den Sohn Gottes mit uns bringen, und wissen, daß, obgleich Liebe und andere Tugenden in uns sind und seyn müssen, daß sie dennoch zu schwach sind, und daß das Vertrauen auf den Sohn Gottes allein stehen soll. Es kann auch Liebe im Herzen nicht seyn oder bleiben, wo nicht dieser Glaube und dieses Vertrauen vorgehet ...“ (CR 6, 910 [aus Nr. 4244]; vgl. MBW 5170). Im selben Gutachten heißt es auch: „Und ist im Buch [= Augsburger Interim] unbedächtig geredt, daß man erst wahrhaftiglich gerecht werde durch die Liebe, gleich als sey der Mensch nicht fürnehmlich gerecht und angenehm vor Gott um des Mittlers willen durch Glauben, sondern sey fürnehmlich von wegen eigener Tugenden vor Gott gerecht und angenehm.“ 102 unmöglich. Zur Form vgl. Luthers Vorrede zum Römerbrief: „... Also / das vmmüglich ist / werck vom glauben scheiden / Ja so vmmüglich / als brennen vnd leuchten / vom fewr mag gescheiden werden.“ (Biblia Germanica 1545, Ausg. Volz 2258,46–2259,1). Major zitiert diese Stelle auch in unserer Ausgabe Nr. 5, oben S. 245, Z. 2 (dort „vnm=glich“). 103 Vgl. oben Anm. 92. 104 Zwo Predigten von || zweierley gerechtigkeit / des Gese= || tzes vnd des Euangelij / Wel= || che Lere allen Christen not= || wendig zu wis= || sen. || Durch || D. Georg Maior. || Anno || 1550. || Gedruckt zu Wittemberg durch || Hans Lufft. (VD 16 M 2215), Bl. H 2v – I 1r. 99

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gerecht), auch in der auslegung des Glaubens im neunden Sermon105 vnd vielen andern meiner Schrifften gedacht vnd widerholet. Dieweil ich denn aus meinen schrifften, welcher eines teils vor dreien jaren im Druck ausgangen, erwiesen, das ich je vnd alle zeit in der lere vom Glauben das wort ‚SOLA‘ gebraucht, geschicht mir von dem Herren Ambsdorff vngFtlich,106 das mir zugemessen107 wird, als habe ich geschrieben, das ich das wort ‚SOLA‘ nicht streiten wolle; hat aber jemands solchs geschrieben, der wirds wol verantworten vnd sol mir nicht auffgelegt werden. Das bekenne ich aber, das ich also vormals geleret vnd noch lere vnd f=rder108 alle meine lebtag also leren will, das gute werck [C 2r:] zur seligkeit n=tig sind, vnd sage =ffentlichen vnd mit klaren vnd deutlichen worten, das niemands durch b=se werck selig werde vnd das auch niemands one gute werck selig werde, vnd sage mehr, das wer anders leret, auch ein Engel vom Himel, der sey verflucht.109 Wolan, wie gefelt euch nu das? Denn ich weis, das diese die rechte Prophetische vnd Apostolische Lere ist, so sie recht verstanden wird. Denn jr je110 das werdet bekennen mFssen, das durch b=se werck niemands den Himmel, sondern die Helle verdiene, so mus dennoch vnwidersprechlich auch das folgen, das da111 keine b=se werck sein sollen, da mFssen ja gute werck sein, denn der Mensch mus je112 nicht ein stein oder klotz sein, der weder b=ses noch gutes wircke, sondern der Glaub vnd heiliger Geist vnd Christus, so in vns durch den Glauben wonet, sind ja in vns thetig vnd krefftig vnd treiben vns, das wir nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist wandeln vnd allerley frFchte des Geists wircken, Galat. 5.113 Darumb es vmmFglich, das ein Mensch one gute werck k=nne selig werden, wie Paulus sagt: „Wir werden vberkleidet, so doch, wo wir bekleidet vnd nicht blos114 funden werden“;115 denn es vmmFglich, das ein Mensch [C 2v:] waren glauben vnd nicht zugleich allerley gute werck habe. Gleich wie die Sonne one jren glantz vnd schein nicht sein kann. Denn wo Christus vnd der Heilig Geist im Menschen wonen, so leuchtet solcher Glaube durch allerley gute werck, wie Christus selbs spricht: „Lasset ewer liecht also fur den menschen leuchten, das sie ewre gute werck sehen.“116

105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116

Vgl. oben Anm. 91. zu Unrecht. Vgl. Art. ungütlich 2), in: DWb 24, 1044f. zur Last gelegt. Vgl. Art. zumessen 5.c) und d), in: DWb 32, 539. fürder, künftig. Vgl. Art. forder, in: DWb 3, 1889; Art. fürder [II] 2), in: DWb 4, 715f. Vgl. Gal 1,8. immerhin, allerdings, doch. Vgl. Art. je [III] I.6.b), in: DWb 10, 2277. wo. auf jeden Fall. Vgl. Art. je [III] I.6.a), in: DWb 10,2277. Vgl. Gal 5,22–25. nackt, unbekleidet. Vgl. Art. blos 1), in: Fnhd. Wb. 4, 639f. Vgl. II Kor 5,2f (Dt. Bibel 1545). Mt 5,16.

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Was k=nnet jr hierinne straffen?117 vnd so jr anders leret, so haltet jr nicht D. Lutheri lere, deren jr euch hoch rhFmet; verhoffe aber, jr seid das mit vns einig vnd nicht streitig. Also hoffe ich auch, das jr alhie auch in dem andern stFck mit vns einig sein werdet, welchs da ist, das wiewol wir also leren, das die werck zur seelen seligkeit von n=ten, das dennoch solche gute werck das nicht wircken oder verdienen k=nnen oder m=gen, das vns die SFnde vergeben, die Gerechtigkeit zugerechnet, der Heilig Geist vnd das Ewige leben gegeben werden, denn solche herrliche Himlische gFter sind vns ‚ALLEJN‘ durch den Tod vnsers einigen Mitlers vnd Heilands Jhesu Christi erworben vnd mFssen ‚ALLEJN‘ durch den Glauben empfangen werden; dennoch mFssen auch gute werck nicht als vordienst, sonder als schFldiger gehorsam gegen Gott verhanden sein; [C 3r:] dauon anderswo weiter. Diese Lere werdet jr mir ja nicht k=nnen taddeln. Noch gleichwol hat der gute alte Man den zorn sich also lassen vberwinden, das er schreiben darff, als sollen gute werck zur seligkeit nicht n=tig sein. Denn dis sind seine wort: „Jch frag Georg Maior, wer wil das wort ‚SOLA‘ im Artikel der Justification jtzt, so es am h=chsten von n=ten ist, nicht streitten? Wer schreibet, das der glaube furnemlich selig mache, gute werck zur seligkeit n=tig sind?“118 Jst das nicht eine grosse vorgessenheit von einem solchen alten Lerer der Kirchen, das er offentlichen darff schreiben, gute werck sollen zur seligkeit nicht n=tig sein? Jch wil aber solche seine schrifft nicht Calumnijren119 vnd felschlich deuten, sondern verhoffen, das dis seine meinung sey, das ob sie wol zur seligkeit von wegen des schFldigen gehorsams gegen Gott n=tig sein, so sind sie dennoch nicht der verdienst, von welchs wegen (wie gesagt) wir vergebung der sunden, gerechtigkeit, heiligen Geist vnd ewiges Leben haben. Denn diese gFter hat vns ALLEJN Christus durch sein heilig leiden vnd sterben verdienet, welche wir ALLEJN durch den glauben empfahen, vnd hieher geh=ret der spruch Christi: „Wenn jr alles werdet gethan haben, so sprecht: wir sind vnnFtze Knechte“ (Nem-[C 3v:] lich zu der gerechtigkeit vnd seligkeit zu verdienen, denn die haben wir aus gnaden durch das verdienst Christi) „was wir schFldig sind, das haben wir getahn“,120 denn alle Menschen schFldig sind, Gott jrem Herren vnd Sch=pffer zu gehorsamen. Daraus denn erscheinet,121 das die gute werck vnd der gehorsam gegen Gott, ob er schon in dieser verderbten Natur nicht volkommen, also hoch von n=ten, das niemand on dieselbige, jedoch nicht durch oder von wegen derselbigen,

117 118 119 120 121

tadeln. Vgl. Art. strafen C.5.a), in: DWb 19, 712–715. Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8, S. 763,30 –33; siehe oben Anm. 29. böswillig kritisieren, absichtlich missdeuten. Lk 17,10. deutlich wird. Vgl. Art. erscheinen 6), in: DWb 3, 957.

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kan selig werden, denn wir alle (wie S. Paulus sagt)122 schFldner, nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist zu leben. Wer aber anders leret, der ist ein Antinomer, des ich mich nicht zu meinem lieben herren Ambsdorffen versehe. Ja, es sind in denen, so auffs new geboren vnd die nu die gerechtigkeit vnd vergebung der sFnden aus gnaden on alle jre werck vnd verdienst ALLEJN durch den glauben an Christum erlangen, die gute werck also hoch zur seligkeit von n=ten, das Christus selbs spricht: „Gehet hin, jr verfluchten, in das ewige Fewer, das bereitet ist dem Teuffel vnd seinen Engeln. Jch bin hungerig gewesen, vnd habt mich nicht gespeiset“123 etc. Jtem Rom. x.:124 „So man von hertzen gleu[C 4r:]bet, so wird man gerecht, vnd so man mit dem munde bekennet, so wird man selig.“ Jtem: „Wer recht thut, der ist recht. Wer nicht recht thut, der ist nicht von Gott. Wer sunde thut, der ist vom Teuffel. Wer nicht seinen Bruder liebet, der bleibet im todte“, j. Johan. iij.125 Dis alles wird gesagt, nicht das man durch gute werck sol gerecht werden (denn durch den glauben an Jhesum Christum wird man ALLEJN gerecht), sondern wenn du nu gerecht vnd ein kind Gottes bist worden, das du denn solchen deinen glauben durch gute werck beweisest vnd fur den Menschen leuchten lassest; wenn du aber nicht das thust, so ist dein glaube falsch vnd wirst nimmer mehr selig. Wo nu Ambsdorff anders hie von leret – Des ich nicht verhoff, wiewol seine worte fehrlich126 lauten – so jrret er grewlich. Hiemit wil ich die ander aufflag kFrtzlich verlegt haben. Zum dritten Wird mir vom herren Ambsdorff auffgelegt, das ich den AntiChrist fur den Obersten Bischoff der Christlichen kirchen angenomen vnd angebetet (denn das seind Ambsdorffs worte)127 vnd die AntiChristische Messbischoff fur Ordinarios Pastores angenomen, mit jnen vergliechen vnd vereiniget, die Diener des Euangelij den [C 4v:] Wolffen vnterworffen, das sie sich von jnen sollen schmieren vnd weihen lassen. Auff diesen Artikel kFrtzlich vnd warhafftiglichen zu antworten: nach deme geschrieben stehet „Fur einem grawen heubt soltu auffstehen vnd die alten ehren“,128 mus ich hie abermal des guten alten Herren Ambsdorffs verschonen, wiewol es den alten auch gebFret, sich dermassen zu halten, das sie billich geehret werden.129 Sage ich, das mir in diesem allem vnrecht vnd vnfreundlich vom Herren Ambsdorff geschihet. Denn ich den AntiChrist, da 122 123 124 125 126 127 128 129

Vgl. Röm 8,12. Mt 25,41f. Röm 10,10. I Joh 3,7.10.8.14. gefährlich. Vgl. Art. fährlich adv., in: DWb 3, 1261. Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8, S. 763,34–38; siehe oben Anm. 31. Lev 19,32. Vgl. Eph 6,4.

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mich Gott fur behFt, nie nicht fur den obersten Bischoff der Kirchen erkandt oder angebetet, noch mein lebenlang dafur erkennen vnd anbeten wil. Es bete jn der leidige Teuffel sampt allen seinen Engeln130 an. Denn es geschrieben stehet: „Du solt Gott anbeten vnd jme allein dienen.“131 Was ich aber von dem AntiChrist vnd den Messbischoffen halte, das bezeugen offentlichen meine BFcher, so im Druck ausgangen, vnd sonderlichen folgende BFcher, als „De origine et authoritate uerbi DEI, Et quae Patrum et Conciliorum sit authoritas“132 etc. Item „Refutatio Missae“,133 „Die auslegung des glaubens“134 vnd andere mehr. Jch bin auch bey keiner vnterredung, so mit den Bischouen gehalten, je gewesen, mich mit jnen mein lebenlang nie nicht vereiniget, noch die diener des Euangelij den [D 1r:] Messbischouen vnterworffen, das sie sich von jnen solten schmieren vnd weihen lassen, vnd ist bis auff heutigen tag die Ordinatio der Priester in der Kirchen zu Wittemberg rein erhalten, wie sie von dem Ehrwirdigen Herren Luthero, seliger gedechtnis, auffgericht. Darumb mir aber von dem Herren Ambsdorff vngFtlich geschicht. Zum Vierden Wird mir vom Herren Ambsdorff auffgelegt, das ich ein new spectakel-Messe, der alten Opffermesse gantz gleich, vnd AntiChristische Ceremonien, das verbot der speise etc. wider hab helffen auffrichten. Jch hab zuuor mit warheit gesagt, des mir alle, so zu Leypzig auff dem Landtage die zeit gewesen, zeugnis geben werden, das ich bey den Leypzigischen handlungen nicht,f sondern zu Wittemberg solche zeit gewesen. Darumb ich dieselbige zu uorantworten nicht schFldig, habe auch das Leypzigsche Jnterim, wie sie es nennen, weder auffrichten noch niderlegen helffen. Also weis ich auch von keiner Spectakel-Messe; was ich aber von des Bapsts Messe halte, zeuget meine „Refutatio Missae“135 klerlich gnug an, darbey ichs wenden lasse. Was hieneben mehr ist, dieweil alles auff mich erdicht vnd des Ambsdorff felschlich bericht,136 ist von vnn=ten zu erlegen,137 denn [D 1v:] des gezencks auch ein ende sein mus, vnd weis Gott mein hertze, das ich nicht lust zu zancken habe. f

nich: A; anscheinend Druck defekt.

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Vgl. Eph 6,12; II Petr 2,4. Vgl. Dtn 6,13; Mt 4,10. 132 De origine et autoritate verbi Dei, et quae Pontificum, Patrum et Conciliorum sit autoritas, admonitio hoc tempore, quo de Concilio congregando agitur, valde necessaria. Additus est catalogus Doctorum Ecclesiae Dei, a mundi initio, usque ad haec tempora. Wittenberg: Hans Lufft, 1550 (VD 16 M 2120) und öfter; vgl. Major-Bibliogr. Nr. 33. 133 Refutatio horrendae prophanationis coenae Domini (Major-Bibliogr. Nr. 37), oben Anm. 36. 134 Auslegung des Glaubens, welcher das Symbolum Apostolicum genand wird (Major-Bibliogr. Nr. 29). 135 Vgl. oben Anm. 133. 136 und Amsdorf ist darüber falsch informiert. 137 braucht nicht eigens widerlegt zu werden. Vgl. Art. Unnot B.II), in: DWb 24, 1208; Art. erlegen 3), in: DWb 3, 898; Art. erlegen, in: Götze, 68[b]. 131

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Was aber den fFnfften Artikel belangt, das ich die Prediger zu Torgaw vnd andere mehr abgesetzt vnd verjagt solle haben, wird auch mit vnwarheit auff mich erdicht, denn ich die Prediger weder anzunemen noch abzusetzen, viel weniger zu verjagen macht habe, vnd solte billich herr Ambsdorff seines ehrlichens alters verschonen, mich mit solcher vnwarheit fur aller welt zu beschweren, wil nichts herters sagen.138 Die sechste Aufflag, das ich ein Mameluck, von der Lere Christi abgefallen sey, das vberzeuge mich das Leipzigsche Interim, etc. darff139 keiner verantwortung, dieweil ich mit solchem Interim nichts zu thun habe, darumb es auch meinen abfal, der – Gott lob – noch nicht geschehen, noch mit Gottes gnade nimmermehr geschehen sol, nicht bezeugen kan. Jst aber das nicht ein grosse bosheit, verstockung vnd blindheit, das, obwol sie fur augen sehen, das wir nichts in den Ceremonien verandert, mit den ohren h=ren, das wir eben die reine Lere des heiligen Euangelij leren vnd predigen wie zuuor, auch selbs [D 2r] vnser bekentnis vnd Lere in vnsern offentlichen gedruckten BFchern sehen vnd lesen, das wir mit gr=sserem ernst vnd sterckerem grund denn sie alle Papistische grewel vnd jrthumb anfechten vnd widerlegen, dennoch vns fur jederman als papistische Leut, abtrFnnige Mamelucken, offentlichen ausruffen, schenden vnd lestern? Wie hie Ambsdorff auch schreibet, das mich mein BFchlin von der verlegung der papistischen Messe nicht helffen mFge, denn mein abfall sey im gantzen Reich vnd deudscher Nation offenbar140 – Nemlich durchs Jllyrici vnd anderer lFgenschrifften, welchs die glossa vber diesen Text. Do mich nu mein offentliche bekentnis, schrifften, lere vnd leben nicht helffen noch entschFldigen solle, was sol mich denn helffen? Also schreibet Ambsdorff ferner, das ich jtzund wider den Bapst vnd die Messe schreibe, das sey vnd k=nne nicht mein ernst sein; Vrsach (welche, mit zFchten,141 von Ambsdorff erdicht142): dann ich wFrde sonst die newe Opffermesse, auch den Bapst fur den obersten Bischoff nicht angenomen haben.143 Hje bitte ich den Christlichen leser, er wolle doch den grossen haß vnd neid, so Ambsdorff vnd die seinen wider vns gefasset, bedencken, wie vnbillich er mit vns vmbgehe vnd alles auffs bitterst vnd gifftigest deu-[D 2v:]tet. Jch hette verhofft, so jrgent eine meiner schrifft were, welche Ambsdorffen solte

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Rein formal ist die Aussage zutreffend; Major gehörte aber mit Bugenhagen, Melanchthon und Forster zu der Kommission, die auf Befehl des Kurfürsten Moritz täglich mit den Inhaftierten Didymus und Schulz disputierten, um ihren Widerstand gegen das Leipziger Interim zu brechen. Vgl. Chalybaeus, Durchführung 54. 139 bedarf. 140 Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8, S. 770,8f; siehe oben Anm. 37. 141 höflich formuliert. Vgl. Art. Zucht III.10), in: DWb 32, 263. 142 frei erfunden. Vgl. Art. erdichten, in: DWb 3, 771f. 143 Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8, S. 771,5 –11; siehe oben Anm. 37.

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gefallen, so wFrde es die verlegung der papistischen Messe vnd daselbst die bekentnis meiner lere vnd meines glaubens sein, in welchem BFchlein ich nicht wider des Bapsts Chorrock oder Kasel144 schreibe, sondern das fundament vnd grundfest, darauff das gantze Bapstumb gebawet, zum hefftigsten, als mir mFglich, anfechte, als auch weder Ambsdorff noch Jllyricus vnd jrer keiner gethan, das bin ich gewis, wie aber mir solche schrifft vom Ambsdorff gedeut vnd ausgelegt, das sihet vnd lieset nu jederman fur augen. Was sol ich nu thun? schreibe vnd schreie ich nicht wider die Messe vnd das Bapstumb, so bin ich ein abtrFnniger Mameluck, der die Lere Christi verleugnet, der den Bapst anbetet etc. Schreibe vnd schreie ich denn wider die Messe vnd das Bapstumb, so sagen sie, es sey mein ernst nicht, vnd wird mir alles auff das bitterst gedeutet. Wie soll ich jme denn nu thun, mein lieber Ambsdorff, das ichs euch vnd den ewren recht machen k=ndt? Jch weis mich fur euch nicht zu bewaren; vrsach: denn jr wollet vber mein gewissen Richter vnd meines hertzen kundiger sein, welchs allein Gott dem Herren gebF-[D 3r:]ret.145 Wisset jr auch, was Christus saget? „Richtet nicht, so werdet jr nicht widerumb gerichtet.“146 Jtem Paulus Rom. 14.: „Du aber, was richtestu deinen Bruder? Oder du ander, was verachtestu deinen Bruder? wir werden alle fur den Richtstuel Christi dargestellet werden. Nach deme geschrieben stehet: ‚So war, als ich lebe, spricht der Herre, Mir sollen alle knie gebeuget werden vnd alle zungen sollen Got bekennen.‘ So wird nu ein jglicher fur sich selbs Gotte rechenschafft geben. Darumb lasset vns nicht mehr einer den andern richten. Sondern das richtet viel mehr, das niemand seinem Bruder einen anstos oder ergernis darstelle.“147 Also wird es jtzund auch gehen mit dem Concilio, darauff vnsere etliche von der Obrigkeit, vnsern Glauben vnd Lere da vor aller Welt zu bekennen vnd dauon rechnung vnd vrsach anzuzeigen, gefoddert werden.148 Ziehen wir, so erfolget gewislich das geschrey, wie bereit furhanden, das Ambsdorff vnd Jllyricus schreien vnd schreiben werden: „Da, da sihet nu jederman, ob die Meisnischen149 Theologen nicht Mamelucken vnd von der

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Messgewand. Vgl. I Kor 4,3–5; Act 15,8. 146 Mt 7,1. 147 Röm 14,10–13 (mit Jes 45,23). 148 Schon als Major auf Ansuchen der Mansfelder Grafen von Kurfürst Moritz auf Zeit nach Eisleben abgeordnet wurde, hatte Moritz geltend gemacht, dass Major erforderlichenfalls Teil der kursächsischen Gesandtschaft zum Trienter Konzil werden solle. Major hatte allerdings die Mansfelder Grafen gebeten, bei Moritz zu erwirken, dass er an der Gesandtschaft nicht teilnehmen müsse. Die Aufforderung, zunächst nach Nürnberg zu reisen und dort auf weitere Instruktionen zu warten, traf just um die Zeit des Dienstantritts in Eisleben bei Major ein (Mitte Dezember 1551), und die Mansfelder Grafen machten Moritz gegenüber deutlich, dass sie Major nicht entbehren könnten. Vgl. Wartenberg 220 –222. 149 d. h. im Dienste des albertinischen Zweiges der Wettiner stehenden. Bei der Leipziger Teilung von 1485 war die ehemalige Markgrafschaft Meißen zum Kernland des albertinischen Teils Sachsens geworden. 145

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lere des Euangelij zum Bapst vnd AntiChrist gefallen sind. Denn alle diejenige, so auff solch AntiChristisch Concilium zihen, darinnen allebereit die lere des Euangelij verdamnet, welchs auch allein zur [D 3v:] vnterdrFckung der Warheit gehalten wird, die sind des Teuffels. Vrsach sind diese folgende: Denn wer da hin zeucht, der mus den AntiChristi fur ein Richter erkennen, dulden vnd leiden vnd die Warheit helffen verfelschen vnd verdamnen. Es stehet aber geschrieben: ‚Du solt dich nicht frembder sFnde teilhafftig machen.‘150 Zum andern stehet geschrieben: ‚Wol dem, der nicht wandelt im rhat der Gottlosen, noch tritt auff den weg der SFnder, noch sitzt da die Sp=tter sitzen.‘151 Das Concilium aber ist des Teuffels grundsuppen,152 da der Bapst sampt seinen Cardinelen, Bischouen, Pfaffen vnd M=nchen sitzet vnd wie Annas vnd Caiphas vber Christum Richter sind.153 Darumb sol jederman solchen Rhat vnd Concilium als des Teuffels Cloaca flihen vnd meiden. Denn also spricht auch S. Paulus: ‚Zihet nicht am frembden Joch mit dem Vngleubigen etc. Was hat das liecht fur gemeinschafft mit der finsternis? Wie stimpt Christus vnd Belial? etc.‘154 Darumb sind alle die des Teuffels, welche auff solch Concilium zihen vnd sich mit jenem berhatschlagen.“ Dis schreiben vnd schreien wird gewislich allen denjenigen folgen, so von vnserm teil zu dem Concilio zihen,155 wiewol sie [D 4r:] da von wegen des bekentnis Christlicher reiner lere in fahr156 leibs vnd lebens stehen werden mFssen vnd vieleicht nicht alle wider zu haus komen. Denn der Bapst sampt seinen Cardinelen vnd Bischoffen seer wol wissen, wie gut Papistisch die Meissnische Theologen sind, welchs sie wol an jren schrifften vnd BFchern sehen k=nnen. Wenn da zu Trient Ambsdorff sein m=cht vnd sie vberreden kondt, das solche vnsere schrifft wider die Messe vnd ander Papistische grewel nicht vnser ernst were, sondern wir allein mit dem Bapst vnd den seinen also schimpffeten,157 so m=chten wir denn also sicherer sein. Habe aber sorge, er werde sie solchs nicht vberreden k=nnen. Ziehen wir aber auff solch Concilium nicht, so wird abermals Ambsdorff vnd Jllyricus schreien: „Sehet was das vor zarte158 Theologen vnd wie bestendige Lerer der Christenheit dis sind, welche jrer Haut fFrchten vnd die 150

I Tim 5,22. Ps 1,1. 152 Bodensatz; Inbegriff alles Schlechten; Ursprung, Brutstätte. Vgl. Art. Grundsuppe 3.c) und 3.d), in: DWb 9, 914. 153 Vgl. Joh 18,13.24. 154 II Kor 6,14f. 155 Das Beglaubigungsschreiben des Kurfürsten Moritz für Philipp Melanchthon, Erasmus Sarcerius und Valentin Paceus als kursächsische Gesandte für das Trienter Konzil datiert vom 13. Januar 1552 (CR 7, 910f[Nr. 5027]; MBW 6, 251[Nr. 6308]). Die Theologen kamen über Nürnberg nicht hinaus und kehrten schließlich unverrichteter Dinge wieder um. Vgl. Scheible, Melanchthon, 215. 156 Gefahr. Vgl. Art. Fahr [IV] 1), in: DWb 3, 1245f. 157 scherzen, spielen, Kurzweil treiben. Vgl. Art. schimpfen 1), in: DWb 15, 174 –176. 158 weichliche, leidensscheue. Vgl. Art. zart I.3.c.α), in: DWb 31, 285f. 151

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lere Christi vor dem Concilio nicht bekennen dFrffen159 etc.“ Solchs h=re ich, das sies albereit schreien vnd schreiben, wiewol mir solche Scartecklin noch nicht zuhanden komen. Was sollen wir denn thun, das wir Ambsdorff vnd Jllyrico recht thun kFndten? Jn Summa: alles was wir reden, leren, schreiben vnd thun, das ist fur jren augen [D 4v:] vnd ohren lauter gifft, so hoch vnd hart sind sie wider vns entzFnd,160 das wir viel ergere feinde an jnen denn an den Papisten, welcher feindschaff wir doch wol verdienet, haben. Dem Herrn Ambsdorff aber hab ich ja mein lebentag kein leid gethan, das er wol weis, vnd jnen161 stets viel jar her als fur mein Vater gehalten vnd teglich in meinem Gebete gehabt vnd noch habe. So wissen die andere auch alle beide, Jllyricus vnd Gallus,162 das jch jnen auch kein arges,163 sondern nach meinem verm=gen alles gutes gethan vnd noch gerne thun wolt, so es jnen gefellig etc. vnd bitte hie, sie w=llen jr eigen gewissen fragen. Der Herr Ambsdorff gibt mir in dem sechsten Artikel, wie zuuor vermeldet, schuld, das ich die new Opffermesse angenomen vnd auffgericht etc. Darauff kFrtzlich gibe ich diese antwort, das ich von keiner andern Messe weis, denn wie die vnser lieber Herr Christus eingesetzt, nemlich sein Abendmal. Was ich dauon halte, bezeuget mein BFchlein von der verlegung der papistischen Messe. So bin ich auch kein Pfarherr je gewesen, das ich die Opffermesse hette k=nnen oder sollen anrichten. Was ich aber fur eine Messe diese Weynachten vber zu Eißleben gehalten, las ich die gantze Kirchen zu S. Andres164 daselbst richten: Obs ein Opffer oder Papi-[E 1r:]stische Messe oder aber das Abendmal des Herren sey. Dahin denn mein gnedigster herr, Hertzog Moritz, ChurfFrst zu Sachssen etc., auff begeren vnd anhalten meiner gnedigen Herren, der Grauen zu Manßfeld, mich ein Jar lang aus der Vniuersitet Wittemberg in solche Superattendentz verliehen.165 Dauon ich vermercke, das albereit viel b=ser, gifftiger rede vnd schrifften von leichtfertigen Leuten ausgebreitet sein, welchs ich Gott befehlen mus, denn ich sehe, das diese Welt lust hat, alles auffs bitterst zu deuten vnd auszulegen, vnd ist zu besorgen, das dieser bitterkeit ein gros vnglFck folgen werde.

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nicht zu bekennen wagen. Vgl. Art. dürfen 4), in: DWb 2, 1729. in Zorn entbrannt. Vgl. Art. entzünden 3), in: DWb 3, 671. 161 ihn. 162 Nikolaus Gallus. Zu seiner Vita vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, S. 358–360. 163 nichts Böses. Vgl. Art. arg 2), in: Fnhd. Wb. 2, 71; Art. arg 3), in: DWb 1, 547. 164 die St.-Andreas-Kirche, Hauptkirche der Stadt Eisleben, bzw. die dort an Weihnachten versammelte Gottesdienstgemeinde. 165 Graf Johann Georg von Mansfeld-Vorderort zu Eisleben hatte sich an Kurfürst Moritz mit der Bitte gewandt, einen geeigneten Theologen für die Stelle des Superintendenten nach Eisleben zu entsenden. Moritz beauftragte Major mit Schreiben vom 7. September 1551, für einige Zeit nach Eisleben zu gehen, ohne die Wittenberger Professur aufzugeben. Vgl. Wartenberg 218f. 160

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Nr. 1: Georg Majors Antwort an Nikolaus von Amsdorf (1552)

Auff den siebenden vnd achten Artikel ist dis meine kurtze antwort, das ich den herren Ambsdorff wil gebeten haben, er wolle, so jme der zorn mitler zeit vergangen, in sich selbs gehen, bedencken vnd bewegen, aus was veterlichen, Christlichen hertzen vnd gemFt er etzlicher schrifften gedencket, zu welchen allen ich mich nicht bekenne; welche ich aber geschrieben, nimermehr verleugnen will, dieselbige auch fur jedermeniglich wol vnd mit bestendigem grund zu uerantworten weis. [E 1v:] Zvletzt bitte ich abermal alle Christliche leser, auch den Herren Ambsdorff selbs, sie wollen solche meine schrifft mir zu gute halten, dazu mich denn die grosse not vnd vieler hoher vnd Christlicher leut hefftiges anhalten166 bewogen, vnd das durchs Ambsdorffs schrifft mein Ampt, Gottes wort vnd namen geschendet vnd gelestert wird. Denn das ich nicht lust zu zancken habe, zeuget dis gnugsam an, das ich zu des Jllyrici vielfaltig lesterschrifften, darinnen er mich mit allerley lFgen vnd Calumnijs in alle welt ausgetragen, so lang stil geschwiegen vnd allein in zweien Vorreden meiner BFcher seiner mit wenig worten gedacht,167 damit die Leut mein vnschuld erkennen m=chten. Denn ich des Jllyrici gezencks nicht gewarten168 kan, auch mehr vnd nFtzlichers zu thun weis, dieweil durch solch schentlich gezenck (welchs zu dieser zeit vnter den Theologen leider allzu viel vnd von Badmeiden169 vnd Holipplern170 gnug were) die Kirche Gottes nicht gebessert noch erbawet, sondern nur grewlicher geergert, zurriessen vnd zurtrennet, vnd das wort Gottes sampt dem gantzen Ministerio171 in verachtung gefFret vnd gebracht wird, ja auch vrsach zur zurrFttung der weltlichen regierung gegeben wird. Daraus denn gros jamer vnd elend erfolgen mus. [E 2r:] Darumb denn die Oberkeit billich ein einsehen haben solt, das solchen lesterschrifften gesteuret172 wFrde. Jch bitte auch den Ehrenwirdigen herren Ambsdorff vmb Gottes vnd des Herren Christi vnd vmb der heiligen Christlichen Kirchen willen, Er wolle sich Jllyricum vnd andere durch falschen bericht nicht verfFren vnd wider vns bewegen lassen vnd auch vnerkanter sach173 vns nicht also lestern vnd verdamnen, sondern zu uorhFtung ergernis vnd spaltung zuuor sich mit vns, die wir jnen stets in allen ehren gehalten, freundlichen vnd Christlichen durch schrifften oder personlichen vnterreden, da er alsdenn, wie ich nicht verhoff, was strefflichs an vns wird vermercken, wollen wir vns weisen las166

Bitten. Vgl. Art. anhalten 5), in: Fnhd. Wb. 1, 1209. Vgl. Major, Auslegung des Apostolicums (VD 16 M 2003; Major-Bibliogr. Nr. 29); Major, Refutatio horrendae prophanationis coenae Domini (VD 16 M 2156; Major-Bibliogr. Nr. 37). 168 mich nicht darum kümmern, nicht damit befassen. Vgl. Art. gewarten 6), in: Fnhd. Wb. 6, 1870. 169 Bademägden. Vgl. Art. badmeid 1), in: Fnhd. Wb. 2, 1691f; Art. Bademagd, in: DWb 1, 1071. 170 Waffelverkäufern, bekannt für ihr loses Mundwerk. Vgl. Art. Hohlhippler, in: DWb 10, 1719. 171 Predigerstand, Predigtamt. 172 gewehrt, Einhalt geboten. Vgl. Art. steuern D.1), in: DWb 18, 2654. 173 ohne dass in ordentlichem Gerichtsverfahren ein Urteil gefällt worden wäre. Vgl. Art. Sache II.1), in: DWb 14, 1593f; Art. unerkannt 2.b), in: DWb 24, 489. 167

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sen, das solle er erfaren. Do wir aber vnstrefflich sein werden, das er alsdenn sampt vns dasjenige lere vnd schreibe, dadurch die Christenheit zu dieser betrFbten zeit getr=stet vnd erbawet werde, vnd die lesterschrifft Jllyrico befehle,174 welcher deren ein Meister, vnd daran seines ehrlichen175 Geschlechts, stands vnd alters verschone. Ja, da es von n=ten vnd wir dazu von der Oberkeit erfoddert, das wir fur dem jtzigen Concilio vnsere lere vnd glauben bekennen vnd verteidigen sollen, das er alsdenn sampt vns fur aller welt wider den Bapst vnd seinem grewel mit Gottes [E 2v:] hFlffe streitte vnd fechte vnd die Christliche reine Lere Da fur den hellischen Pforten176 helffe bekennen vnd verteidigen vnd die falsche lere vnd abg=tterey des Bapsts verlegen, darzu er denn sonderliche gaben Gottes hat. Dis werck wird Gott gefellig, der gantzen Christenheit nFtzlich vnd jme als einem alten Lerer der Kirchen ehrlich177 vnd bey allen GottfFrchtigen Leuten rhFmlich sein. Der barmhertzige Vater vnsers lieben Herren Jhesu Christi wolle alle ergernis, trennung vnd spaltung, alle jrthumb, falsche lere vnd Abg=tterey von seiner lieben Christenheit abwenden vnd dieselbige in reinem erkentnis seines lieben Sons Jhesu Christi vnd in einigkeit zu dieser betrFbten zeit gnediglichen erhalten! Amen.

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überlasse. Vgl. Art. 1befelen 6), in: Fnhd. Wb. 3, 467–469. ehrbaren, angesehenen. Vgl. Mt 16,18. zur Ehre gereichend.

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Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: 183.12 Theol.(8)

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Ein kurtzer vnter= richt auff D. Georgen Maiors Antwort / das er nit vnschFldig sey / wie er sich tragice rhFmet. Das gute werck zur seligkeit nit von n=ten sind. Das gute werck zu eim Christlichen leben hie auff erden n=tig sind.

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Niclas von Amßdorff Exul. Basel. Anno 1552.

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Nr. 2: Kurzer Unterricht auf D. Georgen Majors Antwort (1552) – Einleitung

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Einleitung 1. Historische Einleitung

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Unmittelbar nach der Aufhebung der Belagerung Magdeburgs im November 1551 hatte Nikolaus von Amsdorf eine Schrift gegen Johannes Bugenhagen und Georg Major veröffentlicht,1 auf die Major zu Beginn seiner Tätigkeit als Superintendent in Eisleben mit einer Gegenschrift antwortete, in der er nachdrücklich die Aussage verteidigte, gute Werke seien notwendig zur Seligkeit.2 Major sandte seinen Text bereits am 9. Januar 1552 an die Mansfelder Pfarrer Coelius und Wigand, die allerdings in ihrer Antwort eine deutliche Nähe zur Haltung Amsdorfs zu erkennen gaben.3 Amsdorf selbst sah sich zu einer Gegenschrift veranlasst, weil die von Major verteidigte Aussage zumindest höchst missverständlich sei und überdies geeignet, die Wahrheit des Evangeliums zu verdunkeln und die Irrlehren des Papsttums wieder aufleben zu lassen. Amsdorfs Erwiderung auf Majors Antwort dürfte zeitnah verfasst worden sein, noch vor Amsdorfs Übersiedelung4 Ende Februar oder Anfang März 15525 nach Eisenach, wohin er unter Zusicherung einer ansehnlichen jährlichen Rente durch Herzog Johann Friedrich den Mittleren in das Amt des Superintendenten berufen worden war. Im Druck erschien die Schrift allerdings anscheinend erst mit einiger Verzögerung, nach Aussage Majors in seinem „Sermon von S. Pauli Bekehrung“ etwa zeitgleich mit Schriften von Flacius und Gallus „in den Hundstagen“ 1552,6 also im Hochsommer. Diese Angabe mag zum Teil Ausfluss polemischer Rhetorik sein; dennoch spricht der Umstand, dass die drei von Major erwähnten gegnerischen Schriften zwar in Magdeburg bei Michael Lotter gedruckt, aber mit der fingierten Angabe „Basel“ als Druckort versehen wurden, dafür, dass die Magdeburger Drucker nach der Übergabe der Stadt an Kurfürst Moritz die kaiserlichen und kurfürstlichen Zensuredikte nicht länger ignorieren konnten, wie sie es vor und während der Belagerung getan hatten. Deshalb dürfte es im ersten Halbjahr 1552 zu einem gewissen Produktionsstau gekommen sein. Erst allmählich, vermutlich erst während der Verhandlungen im Vor-

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Das Doctor Po= || mer vnd Doctor Maior mit iren || Adiaphoristen ergernis vnnd zur= || trennung angericht / Vnnd den Kirchen || Christi / vnFberwintlichen scha= || den gethan haben. [Magdeburg: Michael Lotter, 1551] (VD 16 A 2340, vgl. a. ZV 543). Möglicherweise wurde die Schrift noch während der Belagerung gedruckt und nach der Kapitulation aus der Stadt gebracht und verteilt; am 9. November 1551 wurde die Alte Stadt Magdeburg von Kurfürst Moritz eingenommen, am 18. November 1551 hatte Major Amsdorfs Schrift in Händen; vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8, S. 752–777. 2 (VD 16 M 1996) Vgl. unsere Ausgabe Nr. 1. 3 Vgl. Wartenberg, Major 223. 4 Auf Blatt C 4r schreibt Amsdorf: „wir hie zu Magdeburg“ (unten S. 70, Z. 30). 5 Der genaue Termin ist nicht bekannt, aber am 17. Februar 1552 schreibt Amsdorf an Erasmus v. Minkwitz, den Kanzler in Weimar, noch aus Magdeburg; vgl. Reichert, Amsdorff und das Interim, 141. 6 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 5, Bl. A 3r (S. 139,2).

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feld des Passauer Vertrages,7 wagte man es dann wieder, interimskritische und sonstige polemische Schriften herzustellen, zunächst noch mit fingiertem Druckort.8 Die Publikation der Gegenschriften von Amsdorf, Flacius und Gallus im Sommer 1552 gab anscheinend den Anstoss für Major, als ausführliche Widerlegung seine Antrittspredigt vom 25. Januar 1552 zu einem Buch auszuarbeiten.9

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2. Der Autor Nikolaus von Amsdorf,10 am 3. Dezember 1483 in Torgau geboren, besuchte seit etwa 1497 in Leipzig die Thomasschule, seit 1500 die Universität. 1502 wechselte er an die neugegründete Universität Wittenberg, wo er seine akademische Ausbildung abschloss und bis 1524 im Lehramt blieb; in den Jahren 1510 und 1511 war er Dekan der philosophischen Fakultät, 1513 und 1522 Rektor der Universität. Seit 1516 kam Amsdorf in näheren Kontakt zu Martin Luther und stand ihm in entscheidenden Situationen seines Lebens zur Seite, so bei der Leipziger Disputation 1519 und auf dem Reichstag zu Worms 1521. Im Jahre 1524 folgte Amsdorf einem Ruf als Superintendent und Pfarrer an St. Ulrich in Magdeburg. Dort war er achtzehn Jahre lang tätig, um die Stadt vollends der Reformation zuzuführen. Zwischenzeitlich wurde er immer wieder beurlaubt, um in anderen Städten die Reformation voranzubringen, so in Goslar, Einbeck, Leipzig und Meißen. In den Jahren 1529 bis 1537 wirkte in Magdeburg auch Georg Major mit großem Erfolg als Schulrektor. Am 20. Januar 1542 wurde Amsdorf in Naumburg als erster evangelischer Bischof in sein Amt eingeführt, musste aber nach der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes 1547 sein Bistum verlassen und bezeichnete sich fortan als „exul“. Zunächst hielt er sich in Weimar, ab 1548 dann an seiner alten Wirkungsstätte Magdeburg auf und widmete seine Kraft dem Kampf gegen das Augsburger Interim, gegen den Leipziger Landtagsentwurf und gegen die damit zusammenhängenden Fehlentwicklungen innerhalb der Kirche. Im Frühjahr 1552 übersiedelte Amsdorf als Superintendent nach Eisenach. Der unverfälschten Bewahrung von Luthers theologischem Erbe galten Amsdorfs Bemühungen bis ins hohe Alter. Er setzte sich für die Grün7

Vgl. PKMS 6, 368–379 (Nr. 246 vom 2. August 1552; am 15. August wurde der Vertrag von Karl V. ratifiziert). Zum Ablauf der Verhandlungen zwischen Ende Mai und Anfang August 1552 vgl. PKMS 6, 389 –399 (Nr. 256, Protokoll Ulrich Mordeisens über die Verhandlungen zu Passau). 8 Diese Rekonstruktion der zeitlichen Abläufe wird auch durch Briefe von Nikolaus Gallus gestützt: Am 22. Februar 1552 schreibt er an den Regensburger Ratskonsulenten Hiltner, es sei den Druckern in Magdeburg bei hoher Strafe verboten, ohne Einwilligung der städtischen Obrigkeit irgend etwas gegen das Interim, die Adiaphora oder das Konzil zu drucken. Am 30. Januar 1552 sendet er Abschriften von Amsdorfs „Kurzem Unterricht“ an Hiltner und an Pietro Paolo Vergerio mit der Bitte um weitere Verbreitung (vgl. Voit, Gallus, 177). 9 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 5. 10 Zum folgenden vgl. Joachim Rogge, Art. Amsdorff, in: TRE 2 (1978), 487– 497; Reichert, Amsdorff, 56–70, 142–162.

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dung der Universität Jena ein und unterstützte das Projekt der Jenaer Lutherausgabe. Immer wieder griff er auch publizistisch in die theologischen Diskussionen seiner Zeit ein. Nach eigenem Zeugnis inzwischen halb blind, taub und stumm,11 starb er am 14. Mai 1565 und wurde im Chor der Georgenkirche in Eisenach bestattet. 3. Inhalt

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Mit seinem „Kurzen Unterricht“ verwahrt sich Nikolaus von Amsdorf scharf dagegen, er und seine Mitstreiter seien für die erneut innerhalb der Kirchen der lutherischen Reformation aufgebrochenen Streitigkeiten verantwortlich. Vielmehr sehe man sich verpflichtet, Versuchen entgegenzutreten, längst überwunden geglaubte papistische Irrlehren mit Hilfe der Interimsordnungen und unter dem Etikett angeblicher Mitteldinge wiederum in die Kirchen der Reformation einzuschwärzen. Nach Amsdorfs Überzeugung ist das Zentrum reformatorischer Lehre und evangelischen Glaubens unmittelbar betroffen, wenn Major auf der Aussage beharrt, gute Werke seien notwendig zur Seligkeit. Amsdorf bestreitet keineswegs, dass guten Taten als Früchten des Glaubens aus dankbarem Herzen zum Lob Gottes eine Bedeutung im Leben der Christen zukomme und dass die Christen den Dekalog zu befolgen schuldig seien. Wenn Major dies unterstelle, verunklare er absichtlich den Kern der Auseinandersetzung. Amsdorf geht es vielmehr darum, dass auf keine Weise der Eindruck erweckt wird, der sündige Mensch könne oder müsse das eigene Heil durch fromme Leistungen verdienen oder auch nur Voraussetzungen zu seiner Ermöglichung schaffen. Denn damit werde das Verdienst Christi geschmälert und die befreiende Gnadenbotschaft des Evangeliums entwertet. Die Aussage „Gute Werke sind notwendig zur Seligkeit“ könne nur so verstanden werden, dass der Glaube allein nicht selig mache, sondern dass ergänzend fromme Leistungen hinzutreten müssten. Damit werde aber entweder geistlicher Hochmut und Vermessenheit – nämlich bei denjenigen, die meinten, solche Leistungen vorweisen zu können – oder Verzweiflung hervorgerufen – nämlich bei denen, die bei sich keine hinreichenden Leistungen finden könnten, insbesondere in einer Anfechtungssituation. Majors Aussage sei eindeutig schriftwidrig; insbesondere Paulus lehre, daß der Mensch gerecht und selig werde ohne Werke durch den Glauben. Man bedürfe also der Werke zur Seligkeit nicht. Diese Position habe er, Amsdorf, schon Jahrzehnte zuvor mit Billigung Luthers in Streitschriften vertreten. Major sei eindeutig auf die Seite des Papsttums getreten, als er Amsdorf und seine Freunde als vom Teufel getrieben klassifiziert habe, und das nur, weil 11

Ohne Nachweis bei Rogge in TRE 2 (1978), S. 494, Z. 5f, und bei Lerche, S. X, zitiert; vgl. Amsdorfs Verweis auf sein „alder vnd schwachheit meins leibs“ schon 1551 bei Reichert, Amsdorff, 254 [B137] (Text XI. Dass er mit den Moritzischen Theologen nicht wolle zu tun haben).

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sie das Leipziger Interim ablehnten. Dass Major behaupte, er habe die Torgauer Prediger nicht vertrieben, sei bloße Wortklauberei; mitverantwortlich für die Disziplinarmaßnahmen sei er auf jeden Fall. Dass Major mit großem Pathos betone, in Wittenberg sei nichts an den kirchlichen Zeremonien geändert worden, sei nicht stichhaltig, denn das Leipziger Interim habe jedenfalls Änderungen vorgeschrieben und für viele Gemeinden auch tatsächlich gebracht. Major rühme sich, heftiger als Flacius oder Amsdorf gegen das Papsttum vorgegangen zu sein, warum aber sehe er sich dann im Gegensatz zu den beiden? Wieso erwecke er – im Einklang mit der Polemik der papistischen Parteigänger Cochläus und Witzel – fälschlicherweise den Eindruck, Amsdorf und Flacius verböten geradezu gute Werke? Mit der Bereitschaft, zum Konzil zu reisen, gestehe man dem Papst die Befugnis zu, ein solches Konzil überhaupt anzuberaumen, und erkenne das papistische Scheinkonzil als rechtmäßiges, allgemeines christliches Konzil an. Die Ablehnung des Trienter Konzils sei von seiten der Magdeburger Theologen längst eindeutig erfolgt; Major müsse also nicht so tun, als könne man es ihnen nicht recht machen und werde Kritik ernten, ob man teilnehme oder die Teilnahme verweigere.

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4. Ausgaben

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Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe: A: Ein kurtzer vnter= || richt auff D. Georgen Maiors || Antwort / das er nit vnschFldig || sey / wie er sich tragice || rhFmet. || Das gute werck zur seligkeit nit von || n=ten sind. || Das gute werck zu eim Christlichen leben hie || auff erden n=tig sind. || Niclas von Amßdorff Exul. || Basel. [Magdeburg: Michael Lotther] || Anno 1552. [14] Bl. 4° [letzte Seite leer] (VD 16 A 2379). Vorhanden: BASEL, Öffentliche Bibliothek der Universität: FN XI 39 BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 8 in: Dg 2 R; Cu 406 R COBURG, Landesbibliothek: Cas A 508:4 ERFURT, Universitätsbibliothek, Depositum Erfurt (ehemals Stadt- und Regionalbibliothek): 9-11 an Hs 196 GOTHA, Forschungsbibliothek: Th 1582(18); Theol.4 185-186(23) GÖTTINGEN, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek: 8 MULERT 507 (4) HALLE, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: AB 154 904(6); Ik 1833(2); Vg 1302,QK JENA, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 4 Theol. XLIII,6(5); 8 MS 25 494(11)

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LEIPZIG, Universitätsbibliothek: 57-4413/8; Syst.Th. 678d LUTHERSTADT WITTENBERG, Bibliothek des Lutherhauses: Ag 4 281f; Kn A 19/195 MÜNCHEN, Bayerische Staatsbibliothek: 4 Polem. 70; Res/4 Biogr. 151 # Beibd. 3; Res/4 Dogm. 413 # Beibd. 7 NÜRNBERG, Stadtbibliothek: Strob. 8. 1629 STUTTGART, Württembergische Landesbibliothek: Theol.qt. 221 WEIMAR, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Aut.ben.Aut.Amsdorff,N.11 WIEN, Österreichische Nationalbibliothek: * 35.R.206 WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 183.12 Theol.(8); 183.22 Theol.(14); 327.4 Theol.(4); 511.32 Theol.(15); Alv Ef 104(7); Yv 2100.8 Helmst ZWICKAU, Ratsschulbibliothek: 12.8.12.(4)

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[A 2r:] Georg Maior leugnent alles, was ich jhm schult gebe, vnnd wil nicht vnrecht gethan haben, welchs ich seim eigen hertzen vnnd gewissen heim stelle; gegen demselbigen mag er sich entschFldigen. Wir andern sint leichtlich betrogen vnnd vberredt, aber Gott wird er nicht betriegen. Dieweil er aber so gar vnschuldig vnnd mit vns in der reinen Lehr eins sein will, worumb schreibt er denn in seinen BFchern an K=nig zu Engelant1 vnnd an Ratt zu Merßburg,2 das wir hie zu Magdeburgk vom Teuffel erwegt sind. Jst das nit allein vrsach genug, das jderman mus gleuben vnd bekennen, das ers nit mit vns, sonder mit der Leiptzigischen ordenung heldet? Wie warhafftig er sich nu entschFldiget, las ich ein jdern richten. Denn wo er das wort ‚Sola‘ wider die Papisten stritte,3 den Babst fFr den Obersten vnd seine Meßbischoff fFr ordinarios Pastores nit erkente4 (wie wir abgotwil5 nimmermehr thun wollen noch k=nnen), so wFrde er vnns nit so vnuerschembt dem Teuffel gegeben haben.6

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Die Bemerkung bezieht sich auf die Edward VI. von England gewidmete Schrift „Refvtatio horrendae prophanationis coenae Domini, collecta ex evangelio et sinceris antiqvae ecclesiae testimoniis a Georgio Maiore. Cum praefacione Philip. Melanth.,“ Wittenberg (Veit Creutzer) 1551 (VD 16 M 2156); vgl. dazu Wengert, Major, 136f. 2 Vgl. „Auslegung des Glaubens, welcher das Symbolum Apostolicum genand wird, den einfeltigen Pfarherrn vnd allen Hausuetern zu dienste, in XX. Predig verfasset. Durch D. Georg. Maior. Mit einer Vorrede, des M. Flacij Illyrici schreien und schreiben belangend ...“ Wittenberg 1550 (VD 16 M 2003); vgl. dazu Wengert, Major, 136–139. Major hatte die meisten der zugrundeliegenden Predigten in Merseburg gehalten und deshalb die Schrift den dortigen Bürgermeistern, dem Rat und der Gemeinde gewidmet. 3 verteidigte, verföchte. Flacius brachte irrtümlich ein Gutachten von Bugenhagen, Cruciger, Maior und Melanchthon für Kurfürst Moritz von Sachsen aus dem Mai 1548 mit den Verhandlungen in Pegau in Verbindung. Darin weisen die Wittenberger den Vorwurf zurück, ihre Kritik am Rechtfertigungsartikel des Interims sei nicht sachlich begründet, sondern lediglich Wortklauberei. In diesem Zusammenhang formulieren sie: „Wir streiten nicht vom Wörtlein sola, sondern sagen und bekennen: es müssen in uns die andern Tugenden und guter Vorsatz angefangen seyn und bleiben; dennoch über dieselbigen Tugenden muß das Vertrauen auf den Sohn Gottes seyn, wie gesagt ist, und muß die andern Tugenden alle überschatten. Denn alle Tugenden sind doch schwach in uns, und bleibt noch viel Unreinigkeit im menschlichen Herzen und in diesem Leben. Darum müssen wir uns an den Mittler hängen, und Gnade suchen durch diesen Mittler, und durch Barmherzigkeit, die uns von desselben wegen zugesagt ist ... Also sollen wir auch vor Gott treten, und dieses Vertrauen auf den Sohn Gottes mit uns bringen, und wissen, daß, obgleich Liebe und andere Tugenden in uns sind und seyn müssen, daß sie dennoch zu schwach sind, und daß das Vertrauen auf den Sohn Gottes allein stehen soll. Es kann auch Liebe im Herzen nicht seyn oder bleiben, wo nicht dieser Glaube und dieses Vertrauen vorgehet ...“ (CR 6, 910 [aus Nr. 4244]; vgl. MBW 5170). 4 anerkennte. Vgl. Art. erkennen 4), in: DWb 3, 868. 5 so Gott will. 6 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 1, S. 36,9–16 (Bl. C 1v – C 2r): „Das bekenne ich aber, das ich also vormals geleret vnd noch lere vnd f=rder alle meine lebtag also leren will, das gute werck zur seligkeit n=tig sind, vnd sage =ffentlichen vnd mit klaren vnd deutlichen worten, das niemands durch b=se werck selig werde vnd das auch niemands one gute werck selig werde, vnd sage mehr, das wer anders leret, auch ein Engel vom Himel, der sey verflucht. Wolan, wie gefelt euch nu das? Denn ich weis, das diese die rechte Prophetische vnd Apostolische Lere ist, so sie recht verstanden wird.“ Vgl. auch unten bei Anm. 43.

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Dieweil er aber vns allein darumb (denn sonst haben wir nichts gethan), das wir jre Adiaphora (inn Pfeffingers Buch vnnd im GrFndtlichen bericht der hendel7 verleibt,8 als nemlich vom wort ‚Sola‘, von jrer Messe, vom Babst vnnd seinen Meßpfaffen) nit haben willigen noch annemen wollen, dem Teuffel gibt, so ist wol abzunemen,9 ob er schuldig oder vnschuldig ist vnd sich nach Gottes wort Christlich entschFldigt hat. Denn zum ersten hab ich wider die drey Leiptzi-[A 2v:]gische BFcher,10 so das Leiptzigische Jnterim (die sch=ne geburt, mit zFchten zu reden11) verteidigen, geschrieben vnnd niemandt mit namen genent, wolt auch hernach mit namen niemandt genent haben, wenn Georg Maior in seinen beiden BFchern, oben gemeldet, vns dem Teuffel nicht gegeben het. Wo auch Georg Maior auffrichtig vnd redlich als ein Christen hette handeln wollen, so solt er die jrrigen vnd ketzerischen artickel, so wir in vnser Kirchen lehrten vnd hielten, angezeigt haben, darumb wir des Teuffels weren. Dieweil er aber solchs schweigt vnd vns gleichwol dem Teuffel gibt, so ists ein gewis zeichen, das er vns darumb dem Teuffel gegeben hat, das wir widder das Leiptzigische Jnterim, inn den dreyen BFchern, so Pfeffinger hat drFcken lassen, verleibt, geschrieben haben vnnd inn dieselben artickel nicht haben willigen wollen. Derhalben vnwiddersprechlich folgt, das er die drey BFcher, so Pfeffinger zu Leiptzig hat drFcken lassen (darinne die greulichen oben angezeigten jrthumen vnd ketzereien stehen, welche er jtzunt verleugnet vnd vns doch darumb, das wir sie nit willigen noch annemen, dem Teuffel gibt), nit allein gewilliget, sondern auch selbst, wie man sagt, mit gedichtet vnnd geschrieben odder jhr auffs wenigste dazu geholffen hat. Darumb ists gantz lecherlich zu h=ren, das er schreibt, er habe nichts damit zu thun gehabt; wie war das ist, wird der Bisschoffe schrifft zu Meissen vnnd Naumburgk wol zeugnis geben. So bekent auch Georg Maior selbst inn seiner [A 3:] antwort, er sey neben andern Theologen bey etlichen handlungen gewesen vnd hab etliche artickel stellen helffen, on zweiffel wie sie in den dreyen BFchern, so D. Pfeffinger hat drFcken lassen, geordent vnnd gesatzt sind. Wider solche drey BFcher, so das Leiptzigische Jnterim verteidigen, habe ich vnd die vnsern geschrieben vnd sind darFber von Georg Maior dem Teuffel gegeben. Darumb ist sein entschFldigung ein lauter gedicht vnnd, wie man sagt, nur wort vnnd feddern.12 Derhalben mus er vnnd seine mit7

Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 6. enthalten. Vgl. Art. verleiben 1.c), i: DWb 25, 761. 9 zu erkennen, zu ersehen. Vgl. Art. abnehmen 16), in: Fnhd. Wb. 1, 261f. 10 Zu denken ist an „Von den Traditionibus“ (VD 16 P 2357), „Gründlicher Bericht“ (VD 16 P 2326; unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 6) und evtl. „De cap. V. Matthaei“ (VD 16 ZV 16761), alle von Johannes Pfeffinger. 11 höflich ausgedrückt. Vgl. Art. Zucht III.10), in: DWb 32, 263. 12 Federzüge, Schnörkel, Geschreibsel. Vgl. Art. Feder 6.h), in: DWb 3, 1397. 8

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adiaphoristen die schult tragen vnd haben, das sie mit jhrer newen ordenung, in denselben drey BFchern verleibt, trennung, spaltung vnnd ergernis in den Kirchen Christi angericht haben. Das aber Georg Maior auff den Jllyricum scheubt,13 das er solche trennung solt angericht haben, ist nit allein lecherlich, sondern auch erschrecklich zu h=ren. Denn Georg Maior thut hie gleich wie Achab, der zu Elias sprach: „Bistu, der Jsrael verwirret?“14 So doch Achab alle abg=tterey lengst zuuor an vnd auff gericht hatte. Eben also hat Georg Maior mit seinen gesellen, ehe Jllyricus ein wort geschrieben, Mutationes, Alterationes, Disiunctiones vnd Separationes,15 so zu brechen vnd nicht zu bawen dienen,16 on beruff17 vnd befehl Gottes worts angericht, dawider Jllyricus lang hernach geschrieben hat. Wie kan er denn die trennung vnd spaltung angericht haben? Wer auch die gesellen sind, davon geschrieben stehet „currebant et non mittebam eos“,18 das wird jhm vnd seinen gesellen jhr gewissen zu seiner zeit wol sagen, ob sie dazu beruffen sind, das sie die Religion, so Gott [A 3v:] durch seinen werckzeug Doctorem Martinum Lutherum, heiliger gedechtnis, restaurirt vnnd widder angericht hat, haben endern vnd mutirn sollen. Jllyricus aber vnnd ein jder Christ ist dazu beruffen, das man den Wolffen, dieben vnd m=rdern einreden19 vnnd widderstehen sol. Darumb hat Jllyricus euch seelm=rdern20 aus pflicht seins Christlichen beruffs auch widerstehen sollen vnd mFssen.21 Denn wo er vnnd wir dazu stille geschwigen hetten, so hetten wir mit euch Christum vnd sein heiliges wort verleugnet, den Antichrist angebet vnd das malzeichen vom Thier auff vnser stirn vnnd hende entpfangen vnd angenommen.22 Wenn aber Georg Maior, wie er denn aus pflicht vnd beruff seins ampts schuldig gewest, solcher verenderung widderstanden het odder noch dawidder schriebe, so m=cht sein entschFldung stat vnd raum finden. Dieweil er aber dazu stille schweigt, ja vns dem Teuffel gibt, die wir dawider reden,23 so kan er nit vnschFldig sein, er rhFme vnd schreibe, was er wolle. Auch ists nit war, das sie inn denselben jhren handlungen die reine Christliche Lehr sampt den Ceremonien Christi gesucht odder gemeint haben, viel weniger sie geFbt, getrieben vnd bekannt, wie sich Georg Maior felschlich rhFmet. Denn hetten sie die reine Lehr des Euangelij vnnd die Ceremonien 13

schiebt, ihm zuschreibt. Vgl. schieben II.1.e), in: DWb 14, 2670f. I Reg 18,17. 15 Verwandlungen, Änderungen, Trennungen und Scheidungen. 16 Vgl. Koh 3,3; I Kor 10,23. 17 Auftrag. Vgl. Art. Beruf 4), in: Fnhd. Wb. 3, 1544f. 18 Vgl. Jer 23,21. 19 hineinreden, widersprechen. Vgl. Art. einreden 2), in: DWb 3, 247f. 20 Vgl. Lepp, Schlagwörter, 118–123. 21 Major hatte Flacius die Zuständigkeit abgesprochen, weil er nur als Lehrer des Hebräischen angestellt sei; vgl. unsere Ausgabe Nr. 1, Bl. 2v (S. 31,27–32,3). 22 Vgl. Apk 13,12–17; 14,9. 23 Vgl. oben S. 55, Anm. 6. 14

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Christi treulich vnd mit ernst gemeint, so wFrden sies bey den artickeln Lutheri, so er anno xxxvij. selbst geschrieben, dem Concilio zu Mantua zu der zeit zu vberantworten,24 wol haben bleiben lassen, vnd nit newe artickel, ordenung vnd Confession, den menschen damit zu gefallen, gestalt25 vnd geordent haben. [A 4r:] Dazu sind die drey gedruckten BFcher zu Leiptzig fFrhanden, welche sie gewaltiglich vberzeugen,26 das sie von der reinen Lehr vnd Religion gewichen vnd abgefallen sind in dem, das sie selbst mutirt vnd geendert vnd eben damit den Antichrist angebet, Christum vnd sein wort verleugnet haben. Vnd wie wol D. F=rster, der fromme man, Pfeffingers Buch, darinne die newe ordnung vnnd enderung verleibt,27 als ein Christlich Buch ghen Regenspurg geschickt hat,28 so hat er doch in seiner Subscription wider den Osiander sich =ffentlich gerhFmet, quod ne ad latum quidem vnguem discesserint a priore religione.29 Sind das nit bubenstFck,30 so weis ich bey dem lieben Gott nit, was Christliche vnd erliche stFck31 sind.

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Gemeint sind Luthers erst später so genannte Schmalkaldische Artikel, BSLK 414 –463. erstellt, aufgestellt. Vgl. Art. stellen I.A.2.h.θ), in: DWb 18, 2205f. 26 überaus deutlich überführen. Vgl. Art. gewaltiglich 1.a), in: DWb 6, 5182–5185; Art. überzeugen 1), in: DWb 23, 674–676. 27 enthalten, aufgenommen ist. Vgl. Art. verleiben 1.c), in: DWb 25, 766. 28 Johannes Forster war zwischen Oktober 1541 und Januar 1543 von Nürnberg nach Regensburg entsandt worden, auf Bitten des dortigen Rates, um die Einführung der Reformation zu unterstützen; zu Ostern 1549 trat Forster in Wittenberg die Ämter als Prediger an der Schlosskirche und – dies in Nachfolge des Matthias Flacius – als Hebräischlehrer an der Universität an, die er bis zu seinem Tod bekleidete. Theobald, Reformationsgeschichte II, 178, schreibt: „Er war nun nicht nur selbst zu Melanchthon übergeschwenkt, sondern er wollte auch andere führende Männer für die Adiaphoristen gewinnen, so den Regensburger Ratskonsulenten [Johannes Hiltner]. Wir wissen von zwei Briefen Forsters an Hiltner aus dem Jahre 1551, durch die er das versuchte. Im ersten, der im Mai geschrieben war, zollte er dem, was Pfeffinger zu Gunsten der Adiaphoristen hatte drucken lassen, hohes Lob, anscheinend um Hiltner gegen das Urteil der Magdeburger und besonders das des Gallus über den Leipziger Superintendenten stutzig zu machen. Im Oktober oder zu Anfang November schickte er ihm die Pfeffingerschen Drucke zu. Seine Bemühungen waren aber vergeblich.“ Zu Hiltners Gegenargumenten vgl. aaO 178f. 29 Amsdorf bezieht sich auf die Schrift „Antwort auff das Buch herrn Andreae Osiandri von der Rechtfertigung des Menschen. Philip: Melanth: Gedruckt zu Witteberg Durch Veit Creutzer. 1552.“ (VD 16 M 2501; weitere Ausgaben: M 2500 und M 2502). Das Gutachten hat neben Melanchthon und Bugenhagen auch Johannes Forster unterzeichnet (Bl. C 3r–C 4r). Dieser erklärt dazu u.a. (Bl. C 3r): „Nec uero nos ab ista semel agnita et recepta puriori doctrina latum (quod aiunt) unguem in hunc usque diem, Dei beneficio, discessimus, sed frementibus etiam et undique nos impugnantibus maleuolorum hominum odijs et calumnijs unice id studuimus, ut patefacta et prolata per Christum ex sinu aeterni patris salutaris doctrina, et in scholis et Ecclesijs nostris incorrupta sonaret, et ad posteritatem propagaretur.“ Das Gutachten Melanchthons und die Erklärungen Bugenhagens und Forsters sind auch in CR 7, 892–902 (Nr. 5017) abgedruckt. 30 Schurkenstreiche. Vgl. Art. Bubenstück, in: DWb 2, 464; Art. Bube 5), in: DWb 2, 460f. 31 Taten, Handlungen. Vgl. Art. Streich B.3.a), in: DWb 19, 1168. 25

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Denn in Pfeffingers Buch steheta die newe Messe, der alten Opffermesse gantz gleich. Da stehet, das man das wort Sola nit streiten sol.32 Da stehet des Teuffels verbot von der speise.33 Diese alle vnnd ander artickel mehr haben sie in der newen ordnung gewilligt vnd angenommen, noch34 darff der heilose man von sich schreiben vnnd rhFmen, quod ne ad latum quidem vnguem a sana doctrina discesserint. Jch rede aber nit dauon, wie sies zu Wittemberg in jhren Schulen vnd Kirchen lehren vnnd halten, sondern was sie zu Leiptzig mit den Bisschoffen als jren Ordinarijs auff gewisse form gewilligt, geordent vnd gesatzt haben.35 Vnnd das ist eben die grosse ergernis, davon die armen, elenden Christen aus dem Oberlande36 so erbermlich hierin schreiben,37 das die zu Wittemberg jhr eigen ordnung, zucht vnd disciplin, so sie selbst gestifft vnd geordent haben, nit auff- noch anrichten dFrffen, [A 4v:] denn sie bawet vnd bessert nit, sondern viel mehr verwirret vnnd ergert sie die gewissen, verterbet vnnd zust=rt die Kirchen. Vnnd des kan sich Georg Maior nit entschFldigen, dieweil er vns vmb der dreyer BFcher willen, so zu Leiptzigk gedruckt sind, dem Teuffel gegeben

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Gegen eine eventuelle Konjektur „siehet“ spricht in der Vorlage die Virgel nach „Messe“.

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Flacius hatte irrtümlich ein Gutachten von Bugenhagen, Cruciger, Maior und Melanchthon für Kurfürst Moritz von Sachsen aus dem Mai 1548 mit den Verhandlungen in Pegau in Verbindung gebracht. Darin weisen die Wittenberger den Vorwurf zurück, ihre Kritik am Rechtfertigungsartikel des Interims sei nicht sachlich begründet, sondern lediglich Wortklauberei. In diesem Zusammenhang formulieren sie: „Wir streiten nicht vom Wörtlein sola, sondern sagen und bekennen: es müssen in uns die andern Tugenden und guter Vorsatz angefangen seyn und bleiben; dennoch über dieselbigen Tugenden muß das Vertrauen auf den Sohn Gottes seyn, wie gesagt ist, und muß die andern Tugenden alle überschatten. Denn alle Tugenden sind doch schwach in uns, und bleibt noch viel Unreinigkeit im menschlichen Herzen und in diesem Leben. Darum müssen wir uns an den Mittler hängen, und Gnade suchen durch diesen Mittler, und durch Barmherzigkeit, die uns von desselben wegen zugesagt ist ... Also sollen wir auch vor Gott treten, und dieses Vertrauen auf den Sohn Gottes mit uns bringen, und wissen, daß, obgleich Liebe und andere Tugenden in uns sind und seyn müssen, daß sie dennoch zu schwach sind, und daß das Vertrauen auf den Sohn Gottes allein stehen soll. Es kann auch Liebe im Herzen nicht seyn oder bleiben, wo nicht dieser Glaube und dieses Vertrauen vorgehet ...“ (CR 6, 910 [aus Nr. 4244]; vgl. MBW 5170). Amsdorf kreidete die Äußerung offenbar Pfeffinger an. 33 Vgl. I Tim 4,1–3. 34 dennoch. 35 Das sogenannte Leipziger Interim, vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 4. 36 Oberdeutschland. Vgl. Art. Oberland 1), in: DWb 13, 1095. 37 Diese Bemerkung Amsdorfs bezieht sich möglicherweise auf „Ein einfeltig bedencken aus heiliger G=tlicher schrifft, ob mann in vnsern Kirchē mit guten gewissen einigerley Enderung thun mFge. Gestelt durch einen Prediger im Oberland.“ Magdeburg (Chr. Rödinger), 1551 (VD 16 E 725). Darin heißt es (Bl. B 1r/v): „Vber solchs alles ist auch die große Ergernis zubehertzigen / so mann durch diese Endrung zugericht / Denn da bedarff es gar keins ausfFrens / das die widderteil in jrer meinung widder vnser leer dardurch gesterckt werdē / vnd ein grosse hoffnung empfahen / weil wir so vnbestendig sind / vnd aus forcht zeitlichs vnrhats das gantz Jnterim bewilligt / auch etliche stFck algereit auffgericht haben / das wir es alles noch auff richten werden / wenn sie sich nur ernstlich vmb vns annemen / vnd auff die v=llige volltzihung vnser bewilligung anhalten ...“

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hat.38 Denn wir haben sonst auff erden nichts gethan vnnd man kan vns kein schult geben, denn das wir wider die drey BFcher, so das Leiptzigische Jnterim verteidigen, geschrieben haben. Derhalben kan vnd wil ich auch mit Georg Maior vnd seinen Adiaphoristen nit eins sein noch vertragen werden, sie erkennen denn vnd widderruffen jhren jrthumb; one das kan ich sie fFr keine Christen halten, sie mFgen mich halten, wofFr sie wollen. Vnd ich besorg, das Georg Maior in seinem hertzen widder sein eigen gewissen ein Pelagianer odder Papisten mutwillens trage. Denn solchs zeigen an seine freche freuel vnd vermessene wort, da er in seiner antwort wider mich spricht: „Jch habe also gelert vnnd wil all mein tage so lehren: Das gute werck zur seligkeit von n=ten sind, vnd sage =ffentlich mit klaren vnd deutlichen worten, das niemand durch b=se werck selig werde“ – behFt Gott fFr grosser kunst!39 – „vnd das auch niemant one gute werck selig werde. Vnd sage mehr: Wer anders lehrt, auch ein Engel vom Himel, der sey verflucht!“ – Seuberlich,40 lieber Geuatter! – „Wolan, wie gefelt euch nu das?“ Das heist einem, mein ich, ein klippichen fFr die nase geschlagen.41 Vnd spricht weiter: „Denn ich weis, das dis die rechte Prophetische vnd Apostolische Lehr ist,“ – Wie, wens feilte vnnd nicht war were? Aber er setzt dazu: – „so sie recht verstanden wird“ – das stehet wol42 dabey vnd ist hoch von n=ten. Haec ille.43 [B 1r:] Hie m=cht ich zuerst gern wissen, widder wen Georg Maior schriebe, da er spricht, niemandt verdient durch b=se werck den Himel? Damit gibt er klerlich zu uerstehen, das man durch gute werck den Himel verdient. Jst das die Apostolische vnnd Prophetische Lehr? Zum andern schreibt er cum magna contentione44 so hefftig, man sol vnd mus gute werck thun. Wer hat denn je gelert odder gesagt, man solle odder dFrffe nicht gute werck thun? Hats auch der zornige vnnd st=rrige Amßdorff je gelert oder geschrieben? Wie kFmpt denn der gelinde vnnd sanfftmFtige Georg Maior darauff, das er wider Amßdorff schreibt, man sol vnd mus gute werck thun, so doch Amßdorff in seiner schrifft wider Georg Maior von guten wercken, ob man die

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Vgl. oben Anm. 6. „Diese Erkenntnis ist ja zum Fürchten riesig!“ (ironisch) = eine Binsenweisheit; vgl. Art. behüten 2), in: DWb 1, 1345; Art. Gott I.J.1.a.γ.αα), in: DWb 8, 1087f; Art. Kunst II.2.b.β), in: DWb 11, 2668. 40 vorsichtig, höflich. Vgl. Art. säuberlich 2.b) und 2.c), in: DWb 14, 1855f. 41 einen Nasenstüber gegeben. Vgl. Art. Klippchen 2), in: DWb 11, 1200. 42 zu recht, sinnvollerweise. 43 „Diese (Worte schrieb) jener“, „Zitatende“. Die oben in Gedankenstrichen eingefassten kommentierenden Einschübe Amsdorfs stehen im Originaldruck in Klammern im Zitat, deshalb folgt die Schlussformel erst an dieser Stelle. Vgl. zum Zitat oben Anm. 6. 44 mit großer Streitsucht, Rechthaberei.

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thun odder lassen sol, nit mit eim wort, on allein45 soviel das wort ‚Sola‘ vnd den verdienst belangt, gewent46 oder gedacht hat? Worumb macht denn Georg Maior so viel wort davon, da er spricht, der Mensch ist nit ein stein noch ein klotz, sondern der heilige Geist vnnd Glaube mFsse krefftig vnd thetig sein, das wir nit nach dem fleisch leben?47 Haec ille. Danck habt, lieber geuatter, guter vnterricht! wer het solchs gewust, wenn jhrs vnns nit angetzeigt het? Jch halt aber, jr habts vergessen odder, wie ich gleub, jr wolts mutwillig nit wissen, wovon jr reden vnd schreiben solt. Wir reden vnnd disputirn hie nit, ob man gute werck thun sol, daran auch die Heiden nit zweiffeln, sonder davon, ob der Mensch neben dem glauben durch gute werck, die er thun sol vnnd mus, die seligkeit verdiene? Darauff solt ein Magister noster eximius48 ant-[B 1v:]worten vnd die sache wider sein zusag49 nit so felschlich calumnijrn50 vnd verkeren, es geh=rt eim Quadruplatori51 zu, nit eim Prediger oder Doctor. Denn wir sagen vnd bekennen alle, das ein Christen nach der vernewerung vnd widergeburt sol Gott lieben vnd fFrchten vnd allerley gute werck thun, aber nit darumb, das sie zur seligkeit von n=ten sind, welche er schon zuuor durch den glauben erlangt hat, sondern darumb, das er Gott lobe, liebe vnnd dancke, seinen beruff fest mache, den alten Adam t=dte vnnd dem Nehesten diene. Vnd dis ist die rechte Prophetische vnnd Apostolische lehr, vnnd wer anders leret, als nemlich das gute werck zur seligkeit von n=ten sind, der ist schon verflucht vnd vermaledeiet. Derhalben sag ich, Niclas von Amßdorff, wer diese wort, wie sie da stehen „gute werck sind n=tig zur seligkeit“ - lehret vnd prediget, das derselbige ein Pelagianer,52 Mammeluck53 vnd verleugneter Christen vnnd zwifeltiger Pa45

on allein = mit Ausnahme (davon). gewähnt, erwähnt. 47 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 1, 36,20–24 (Bl. C 2r): „... der Mensch mus je nicht ein stein oder klotz sein, der weder b=ses noch gutes wircke, sondern der Glaub vnd heiliger Geist vnd Christus, so in vns durch den Glauben wonet, sind ja in vns thetig vnd krefftig vnd treiben vns, das wir nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist wandeln vnd allerley frFchte des Geists wircken, Galat. 5.“ 48 Ehrentitel für einen theologischen Lehrer in leitender Funktion, zielt hier vmtl. auf Majors Eislebener Superintendentenamt. 49 Major schreibt in seinem Text (Bl. C 3r): „Jch wil aber solche seine schrifft nicht Calumnijren vnd felschlich deuten ...“ (unsere Ausgabe Nr. 1, S. 37,22f). 50 absichtlich missdeuten, böswillig kritisieren. 51 Denunzianten. 52 Anhänger bzw. Nachfolger des Pelagius; der aus Britannien stammende Mönch, der um 400 n. Chr. zunächst in Rom predigte, gilt als Vertreter der Auffassung, dass die Gläubigen (nach der Taufe) in der Lage und verpflichtet seien, ein sündloses Leben zu führen, bzw. man schrieb ihm (fälschlich) die Lehre zu, der Mensch sei aus eigenen Kräften in der Lage, sündlos zu leben. Vgl. W. Löhr/Chr. Markschies/St. R. Holmes: Art. Pelagius/Pelagianer/Semipelagianer, in: RGG4 6 (2003), 1081–1085. 53 Glaubensverräter. Ursprünglich zwangsweise zum Islam konvertierte ägyptische Militärsklaven. Vgl. Lepp, Schlagwörter, 49– 52. 46

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pist ist. Denn die Papisten Witzel54 vnd Cochleus55 diese wort „gute werck sind zur seligkeit von n=ten“ eben der form vnnd gestalt wie Georg Maior widder vns fFren vnnd gebrauchen. Denn diese wort „gute werck sind von n=ten zur seligkeit“ haben alle MFnche vnnd Pfaffen widder Doctorem Martinum, heiliger gedechtnis, gestritten vnnd verteidiget, wie sie jtzunt Georg Maior widder vnns mit eim kliplein schlaen56 fFr die nase („wie gefelt euch das“) streitet vnnd verteidiget. Darumb auch Georg Maior mit der Papisten geist gantz vnnd gar besessen ist, dieweil er hie on alle not mit solchem trotz vnd freuel die Witzelischen vnd aller Papisten wort „gute werck sind zur seligkeit von n=ten“ verteidiget vnd streitet. [B 2r:] Vnd ob er sich hernach lencket57 vnd erkleret, so ists doch nort58 ein spiegelfechten, dieweil er diese Papistische wort „gute werck sind von n=ten zur seligkeit“ mit solcher hefftiger Contention fichtet59 vnnd streitet,60 damit er sich nort schFldig vnd verdechtig macht, das er das Leiptzigische Jnterim gewilliget vnnd angenommen hat vnnd das wort ‚Sola‘ nit mehr streiten will. Sonderlich dieweil er dazu geschwiegen vnnd solchs nit widerfochten hat, wie jhm in seim ampt vnd beruff wol geeigent61 vnd gebFrt het. Derhalben er auch allein durch sein stilschweigen das Jnterim gewilligt vnnd angenommen hat. Zudem so sind diese wort „gute werck sind n=tig zur seligkeit“ wider Gott vnd seine heilige schrifft, sonderlich wider den heiligen Paulum, der klerlich sagt, das der Mensch gerecht oder selig werde one werck durch den glauben.62 Denn der glaub one alle werck erlangt vnd erwirbt die verheissen gnad vnd seligkeit. Daraus folgt vnwiddersprechlich, das man der werck zur seligkeit gar nit bedarff; denn sie kFnnen die verheischen gnad vnd seligkeit nicht ergreiffen noch erlangen. Denn der verheischen segen wird „gratis sine operibus“, spricht Paulus,63 „vmbsonst, aus gnade, one werck“ dem, der da gleubet, gegeben. Welchs alles genugsam beweist64 vnd außgefFrt,65 auch jderman kunt66 vnd offenbar ist, das es weiter keiner erklerung bedarff. 54 Georg Witzel war für Amsdorf auch deshalb besonders suspekt, weil er sich von der evangelischen Lehre wieder abgewandt hatte. 55 Johannes Cochlaeus. 56 schlagen. Vgl. auch oben Anm. 41. 57 wendet. Vgl. Art. lenken 2.a), in: DWb 12, 745. 58 lediglich, nur. Vgl. Art. nur I.3), in: DWb 13, 998f. 59 verficht. 60 für sie streitet. 61 zugekommen wäre. 62 Vgl. Röm 3,28. 63 Vgl. Röm 3,24.28. 64 bewiesen, belegt, bestätigt. 65 dargelegt. 66 bekannt.

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Jch weis sicher vnd gewis, das Georg Maior, dieweil er sonst nichts antworten kont, aus lauter mutwil, wider sein eigen gewissen, vns zu uerdries,67 solcher Witzelischer vnd Cochleischer wort gebraucht, sich zu schmFcken vnd die Adiaphoristen in jrer verleugkung vnd jrrigen opinion zu stercken vnd zu uerteidigen, da sie schreiben, man sol das wort ‚Sola‘ nit streiten. [B 2v:] Sonst wFrde er die Papistischen vnd Witzelischen wort „gute werck sind von n=ten zur seligkeit“ nit so frech, freuel vnd vnuerschemt fFren vnnd tragice exclamirn,68 wie er in seiner antwort thut, mich verdechtig zu machen, da er spricht: „Jst das nit ein grosse vergessenheit von einem solchen alten Lehrer der Kirchen, das er =ffentlich darff schreiben, gute werck sollen zur seligkeit nit n=tig sein?“69 Jtem: „der gute alte man hat sich den zorn vberwinden lassen, das er schreiben darff, als solten gute werck zur seligkeit nit n=tig sein.“70 – Haec ille, on zorn, aus lauter liebe. Ja, so schreib ich vnnd hab also fFr xxiij. jarn geschrieben widder D. Mensing71 vnnd Rotbart,72 beide MFnche hie zu Magdeburgk, mit wissen radt vnd willen Doctoris Martini, heiliger gedechtnis, vnd wil hinfFrder so schreiben vnnd trotz dem losen73 heuchler Georg Maior, das ehrs vmbstosse. Vnd sage noch,74 das diese MFnchische vnnd Papistische wort „gute werck sind zur seligkeit von n=ten“ nit zu dulden noch zu leiden sind. Denn sie schliessen in sich meritum, gleich ob die werck verdienten vnd erwFrben die seligkeit, welchs widder Gott, sein Wort vnd alle Schrifft ist, darumb sol vnnd kan man solcher Gottlosen vnd Papistischen wort in der Kirchen Christi nit gebrauchen, als nemlich „gute werck sind n=tig zur seligkeit“, welche alle Papisten widder vnns teglich fFhren,75 lehren vnnd predigen. Vnd wenn Georg Maior darauff dringen vnnd bleiben will, das diese wort, wie sie da stehen („gute werck sind n=tig zur seligkeit“), solten vnnd mFsten gelert werden, so ist er nit allein von der reinen Lehr abgefallen, [B 3r:] sondern ist auch ein Mammeluck, der Christum vnnd sein Wort verleugnet hat. Vnnd obwol ein Christen, so durch den glauben gnad vnd seligkeit erlangt hat, gute werck zu thun pflichtig ist, das er hinfort als ein Christen vnd Kind 67

zu unserem Verdruß, um uns zu ärgern. Vgl. Art. Verdriesz 1), in: DWb 25, 243f. pathetisch ausrufen. 69 Unsere Ausgabe, Nr. 1, 37,20–22 (C 3r). 70 Unsere Ausgabe, Nr. 1, 37,15f (C 3r). 71 Das der Pauler monich zu Dessa Johan Mensing ym glauben vnd vber den wercken ist vnsinnig / tol vnd th=richt worden. [...] Niclas Amsdorff [Magdeburg: Heinrich Öttinger, 1528] (VD 16 A 2335); Amsdorf antwortet damit auf: Bescheidt || Ob der Glaube alleyn: on alle gute || wercke dem menschen genug sey zur seligkeyt etc. || Darynn vorleget werden / die zwey vngegrFndte vnd vnchristli || che lasterbFchlyn Nicol Amßdorffs / Den fro^en || Christen zu Goßlar vnd Brunschwygk || sonderlich zu geschrieben. || Durch Johannem Mensingk || Prediger Orden. || M. D. xxviij. || [Qoh 9,10] [Leyptzigk: Jacob Thanner] (VD 16 M 4646). 72 Vgl. Das die werck nicht rechtfertigen / sondern der glaub allein. Niclas Amsdorff. Widder die Thumprediger zu Magdeburg. [Magdeburg: Heinrich Öttinger, 1528] (VD 16 A 2337). 73 nichtsnutzigen, bösartigen. Vgl. Art. lose II.5), in: DWb 12, 1184. 74 weiterhin. Vgl. Art. noch I.1) und 4), in: DWb 13, 866 –869. 75 anführen, gebrauchen. Vgl. Art. führen I.29), in: DWb 4, 455. 68

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Gottes lebe, Gott lobe, dancke vnd preyse, dem Nechsten diene, So sind doch solche werck jhm zur seligkeit nit von n=ten, welche er aus gnade, on verdienst aller werck, durch den glauben schon erlangt vnd erworben hat. Solchs weis Georg Maior sehr wol, noch darff er76 ein solch gepler77 vnd lang gewesch78 von guten wercken machen, gleich ob ich jhe gelert het, das ein Christenmensch on gute werck leben solt oder kFnt. Vnnd ob er wol sagt, er wol meine schrifft nit calumnijrn,79 so stehen doch da seine wort, damit er mich auffs h=chste iniurijrt,80 schmehet vnnd lestert: „Der alte man hat sich den zorn vberwinden lassen.“ Jtem: „es ist eine grosse vergessenheit von einem solchen alten Lehrer der Kirchen, das er schreibt, gute werck sind nit von n=ten zur seligkeit.“ Damit er mich aus seinem gelinden vnd sanfftmFtigem geist verdechtig vnnd hessig81 macht, ob82 ich geschrieben het, Christen sollen nit gute werck thun. Heisset das nit calumnijrt vnd iniurijrt, so weis ich nit, was calumnijrn vnd iniurijrn heisset. Nu wolan, ich befehls Gott vnd seim gewissen, denn ich weis sicher vnd gewis, das er mir willig vnd wissentlich gewalt vnd vnrecht thut. Denn ich hab stetz alle Sontag treulich vnd vleissig nach meim vermFgen gepredigt vnd jderman mit ernst angezeigt, das alle Christen die zehen gebot Gottes zu halten schuldig vnd pflichtig sint, aber nit die seligkeit dadurch zu erlangen, sonder darumb, [B 3v:] das sie als newgeborne Kinder Gott dienten vnnd gehorsam weren. Das mFssen mir Magdeburg vnd Ceitz83 gezeugnis geben, darauff ich mich beruffe. Wie redlich vnd ehrlich nu Georg Maior daran thut, das er mich so felschlich wider sein eigen gewissen angibt,84 als lerte vnd schriebe ich, das ein Christen nit solt gute werck thun, las ich ein jdern richten. Wie warhafftig nu sein entschFldung ist, das er nit wil ein Adiaphorist sein, noch das wort ‚Sola‘ wil verwurffen haben, das zeigen diese seine eigene vnnd Papistische wort genugsam an, „gute werck sind n=tig zur seligkeit“, welchs kein rechtschaffener Christ nimmermehr schreiben vnd sagen kan. Dieweil zur seligkeit nichts denn der glaub allein von n=ten ist, welcher auch allein nach der widdergeburt Gott gehorsam machet, das gantz Gesetz erfFlt vnd heuffig gute frFchte bringt.

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dennoch wagt er es. Vgl. Art. dürfen 4), in: DWb 2, 1729; Art. noch II.5.a), in: DWb 13, 871. Geschwätz. Vgl. Art. Geplärre 2), in: DWb 5, 3530. 78 Geschwätz. Vgl. Art. Gewäsch 2), in: DWb 6, 5360. 79 Unsere Ausgabe, Nr. 1, 37,22f (C 3r). 80 beleidigt, mir Unrecht tut. 81 verhasst. Vgl. Art. hässig 2), in: DWb 10, 549f. 82 als ob. 83 Amsdorf war von 1524 bis 1541 in Magdeburg als Pfarrer an St. Ulrich und Superintendent tätig, anschließend von 1542 bis 1547 als erster evangelischer Bischof in Naumburg-Zeitz, danach kehrte er, nun als „exul Christi“, nach Magdeburg zurück. 84 denunziert, verleumdet. Vgl. Art. angeben 2), in: Fnhd. Wb. 1, 1122. 77

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Daraus folgt, wer da sagt, schreibt odder lehret, „gute werck sind n=tig zur seligkeit“, der sagt vnnd bekent =ffentlich, das der glaub nit allein, sondern auch die werck neben dem glauben den menschen from, gerecht vnnd selig machen. Derhalben auch derselb das wort ‚Sola‘ nit streiten85 kann, sondern den MFnchen vnd Meßpfaffen solchs nachgibt vnd nachlesset, jhren aberglauben damit zu stercken, nemlich das der glaub nit allein, sondern auch die werck neben dem glauben zur seligkeit von n=ten sind. Dieweil denn Georg Maior deutlich vnd klerlich sagt vnd streitet: „Gute werck sind n=tig zur seligkeit,“ so folgt daraus vnwiddersprechlich, das er das wort ‚Sola‘, den Meßpfaffen zu gefallen, in der warheit vnd mit der that nit streitet, er schreib vnnd sage, was er wolle. [B 4r:] Denn wo er von hertzen gleubte, das der glaub allein one werck selig machte, so wFrde er diese Papistische wort, „gute werck sind von n=ten zur seligkeit,“ nit so hefftig streiten. Denn mit diesen worten wird das herliche werck der gnaden Gottes – gerecht vnd selig zu machen – den wercken vnser hende zugeeigent vnnd gegeben. Jch rede aber jtzt nit, wie es Georg Maior verstehet vnd glosirt, sondern vom natFrlichen verstande dieser wort, „gute werck sind von n=ten zur seligkeit,“ welche nit allein nach art vnnd natur der sprach, sondern auch nach aller Papisten willen vnd meinung lauten meritum salutis.86 Dieweil nu solche wort von des Antichrists Meßbisschoffen vnd Opfferpfaffen gebraucht werden vnnd im artickel der iustification haben wollen, das der glaub nit allein, sondern der glaub vnd gute werck den menschen fFr Gott from, gerecht vnnd selig machen, so kan man solcher wort („gute werck sind von n=ten zur seligkeit“) mit gutem gewissen nit gebrauchen. Vnnd weil man das wort ‚Sola‘ den Meßpfaffen schon eingereumet vnnd nachgelassen hat, das sie es nit mehr streiten wollen, vnd dazu klerlich in jhrer newen ordnung an einem ort des Pegischen bedenckens87 schreiben, „der glaub macht fFrnemlich gerecht,“ Vnnd Georg Maior jtzt inn seiner antwort schreibt, „gute werck sind n=tig zur seligkeit“, so k=nnen die drey stFck zusamengefasset keinen andern verstandt88 geben, wenn man gleich nit mit Papisten handelte, denn das der glaub vnd die guten werck semptlich mit einander den menschen fFr Gott gerecht vnd selig machen.

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verfechten, dafür kämpfen. Vgl. Art. streiten A.3.b.β), in: DWb 19, 1349. Verdienst der Seligkeit. 87 Amsdorf nimmt anscheinend Bezug auf ein Gutachten von Bugenhagen, Cruciger, Maior und Melanchthon für Kurfürst Moritz von Sachsen von Ende Mai 1548 zum Augsburger Interim (vgl. unsere Ausgabe Band 2, Nr. 4, Anm. 176). Dort heißt es: „Und ist im Buch [= Augsburger Interim] unbedächtig geredt, daß man erst wahrhaftiglich gerecht werde durch die Liebe, gleich als sey der Mensch nicht fürnehmlich gerecht und angenehm vor Gott um des Mittlers willen durch Glauben, sondern sey fürnehmlich von wegen eigener Tugenden vor Gott gerecht und angenehm.“ (CR 6,910 [aus Nr. 4244]; vgl MBW 5170). Flacius hielt den Text für das Ergebnis der Beratungen in Pegau vom August 1548. 88 Sinn, Bedeutung. Vgl. Art. Verstand B.5.b), in: DWb 25, 1544-1546. 86

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[B 4v:] Noch darff89 Georg Maior schreiben vnnd sich entschFldigen, er hab mit dem Leiptzigischen Jnterim nichts zu thun, so er doch denselbenb inhalt vnd meinung90 in seiner antwort wider mich klerlich verteidigt, hanthabt91 vnd schFtzt mit diesen worten: „gute werck sind von n=ten zur seligkeit“ vnnd mit eim solchen trotz vnd kliplein fFr die nase: „wie gefelt euch das?“ Darumb ist inn diesen worten „gute werck sind von n=ten zur seligkeit“ vnnd andern dergleichen rede vnd handel mit den Papisten ein warhafftige verleugkung vnnd gewisse verfelschung der reinen Lehr, ja ein vnterdrFckung bey vnsern nachkommen. Das aber Georg Maior in seinen schrifften des worts ‚Sola‘ jtzt gebraucht, kan jhn nit entschFldigen, dieweil ers zuuor in den Meißnischen vnd Leiptzigischen hendeln, darinne auch klerlich stehet, das man das wort ‚Sola‘ nicht streiten will,92 schweiget vnd nit mit eim wort dawider gefochten hat, wie er seins ampts vnd beruffs halben billich het thun sollen. Derhalben m=cht er wol stil schweigen vnd sein rhFmen nachlassen, nemlich das er in seinen schrifften an Engelandt vnd Merßburgk das wort ‚Sola‘ offt gebraucht habe.93 Was ists auch, das ers nu jtzt offt wider gebraucht, dieweil er gleichwol noch so greulich dawidder mit diesen Papistischen worten wFtet vnd tobet, „gute werck sind von n=ten zur seligkeit“? Welche wort nit allein widder Gott vnd sein wort sind, wie oben angezeigt, sondern auch sehr ferlich sind, daraus gewis praesumptio oder desperatio, vermessenheit odder verzweiffelung bey den gewissen folgen mus. Darumb sol man in den Kirchen Christi die-[C 1r:] selbigen wort („gute werck sind n=tig zur gerechtigkeit oder seligkeit“) nit lehren noch predigen. Denn bey den, die gute werck haben, machen sie vermessenheit vnd sicherheit, das sie sich auff jhre werck verlassen. Bey den aber, so keine gute werck haben, machen sie verzweiffelung, das sie zur seligkeit keine hoffnung haben kFnnen, dieweil sie keine gute werck, so zur seligkeit von n=ten sind, gethan haben, vnd sonderlich inn der anfechtung, da sie keine fFlen noch sehen. Vnd das wil der Teuffel durch Georg Maior haben, das die Leute in vermessenheit oder verzweiffelung fallen sollen. Darumb geh=rt die Predigt von guten wercken nit an diesen ort, da man lehrt, wie man sol selig werden; da sol man guter werck schweigen vnnd gar nit gedencken vnnd solche Predigt von guten wercken sparen94 bis an seinen ort, da man die Christen vermanen vnd erinnern sol, das sie als Kinder Got-

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desselben (?).

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Dennoch wagt es. Vgl. Art. dürfen 4), in: DWb 2, 1729; Art. noch II.5.a), in: DWb 13, 871. Inhalt; Bedeutung. Vgl. Art. Meinung 1) und 2), in: DWb 12, 1938f.. aufrecht erhält, verteidigt, schützt. Vgl. Art. handhaben 3)–6), in: DWb 10, 394 –396. Vgl. oben Anm. 3. Vgl. Major, unsere Ausgabe Nr. 1, 35,12–36,2 (Bl. C 1v). aufsparen, zunächst unterlassen. Vgl. Art. sparen 6), in: DWb 16, 1930f.

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tes vnd nit wie die Kinder dieser welt Christlich leben sollen, Gott, jhren Himlischen Vater, als gehorsame Kinder lieben, loben, preisen vnd dancken. Derhalben wenn wir mit S. Paul leren vnnd predigen, die werck sind nit n=tig zur seligkeit, so folgt nit daraus, das Christen sollen b=se werck thun oder on gute werck leben, sondern das folgt daraus, das gute werck die seligkeit nit verdienen. Wenn man aber lehret, gute werck sind von n=ten zur seligkeit, so folgt daraus, gute werck verdienen die seligkeit. [C 1v:] Darumb sol man sich fFr solchen ferlichen vnnd Papistischen worten hFten. Denn wer solche Papistische wort gebraucht, der ist gewis aus denen,95 so das wort ‚Sola‘ nit streiten wollen, vnnd macht sich verdechtig, das er ein Jnterimist, Adiaphorist vnnd Papist ist, die da schreiben vnnd lehren, das man durch gute werck den Himel vnnd die seligkeit verdiene, welchs den glauben schwecht vnnd Gottes gnade verkleinert vnnd verdunckelt. Wie Doctor Martinus vrteil von dieser rede „gute werck sind n=tig zur seligkeit“ klerlich laut,96 so sie jtzunt zu Wittemberg haben drFcken lassen zu ende der antwort Philippi auff Osianders bekentnis,97 Georg Maior gantz zu entgegen. Er spricht auch, er hab den Babst fFr ein Obersten Bisschoff nit erkant noch den Antichrist angebet, derhalben thu ich jhm gewalt vnnd vnrecht. Darauff sag ich kFrtzlich: da ist die newe Leiptzigische ordnung vnd die drey BFcher, zu Leiptzig gedruckt, so dieselbige ordnung verteidigen, darinne klerlich stehet, das der Babst der =berste Bisschoff sein sol vnnd die andern Bisschoff ordinarij pastores sein sollen; dawider haben wir geschrieben vnd niemant mit namen genent. Dieweil aber Georg Maior inn seinen beiden BFchern an Engelandt vnd Merßburg schreibt, das wir vom Teuffel erweckt sind, vnnd des allein diese vrsache hat, das wir wider das Leiptzigische Jnterim gelert vnd geschrieben haben, so folgt vnwidersprechlich, das Georg Maior sich desselben Jnterims, so inn den dreien BFchern verteidiget wird, angenommen, den Babst vnd seine Meßbisschoff fFr ordinarios pastores erkant vnd also den Antichrist angebet hat. [C 2r:] S=lchs mus er leiden vnd dulden oder ein ander vrsach anzeigen, worumb wir vom Teuffel erweckt sind. Denn wir hie zu Magdeburg in dieser Kirchen haben jhe auff erden jhnen sonst nichts gethan, denn das wir wider jhre newe Leiptzigische ordnung, daran Georg Maior hat flicken helffen, geschrieben vnnd dieselbe nit haben annemen wollen. Das ist der keiff vnd zanck, darumb haben sie vns dem Teuffel gegeben. Wird nu Georg Maior kein ander vrsach anzeigen, worumb wir vom Teuffel

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der gehört gewiss zu denjenigen. lautet. 97 Vgl. „Antwort auff das Buch herrn Andreae Osiandri von der Rechtfertigung des Menschen. Philip: Melanth: Gedruckt zu Witteberg Durch Veit Creutzer. 1552.“ (VD 16 M 2501), Bl. C 4r– D3v: Disputatio Philippi Melanthonis cum Doctore Martino Luthero Anno 1536 (vgl. WA.T 6, Nr. 6727). 96

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erweckt sind, so sol vnnd mus er ein Papist, Mammeluck vnnd ein anbeter des Antichrists bleiben sein leben lang. Vnd er sehe zu mit alle den seinen, wie sie es verantworten wollen, das sie diese vnschFldige Kirche so greulich schmehen vnd lestern, das jre diener vom Teuffel erweckt sind, darinne doch bey xxx. jarn die Lehr des Euangelij lauter vnd rein gepredigt, desgleichen die Ceremonien lauter vnd rein nach Gottes wort vnd befehl on alle schwermerey eintrechtig in allen Kirchen gelert vnd gehalten sind, also das auch niemant diese Kirche zu Magdeburg mit einiger Ketzerey, jrthumb oder schwermerey von anfang bis auff diese stunde zeihen noch schFldigen kan oder mag. Derhalben, dieweil ich auch einer aus der Kirchen zu Magdeburg bin,98 so hat mir geeigent99 vnnd gebFrt, solche grausame schmehe- vnd lesterwort Georg Maiors, das wir vom Teuffel erweckt sint, zu uerantworten vnd wider jn – nit aus zorn, sondern zu errettung der G=ttlichen warheit vnd vnsers Christlichen namens – zu schrei-[C 2v:]ben vnnd jderman anzuzeigen, das wir keinen Teuffel haben, wie vns das lFgenmaul in seinen beiden BFchern schult gibt. Kan er nu ein einigen jrthumb, lFgen, ketzerey oder schwermerey antzeigen, derhalben wir vom Teuffel erweckt sind, so sol er gewunnen haben. Wo er aber solche nit thun wird, so ist er schuldig an allem, das ich jhm hab schult gegeben, vnd hilfft jhn seine entschFldigung gar nichts. Denn wo ers mit vns wider die Leiptzigische ordnung hilde,100 wie er aus pflicht vnd befehl seins beruffs vnd ampts wol zu thun pflichtig vnnd schFldig were, so wFrde er vns in seinen gedruckten BFchern nit so vnuerschemt dem Teuffel gegeben haben. Darumb sag ich noch,101 er zeige denn ein ander vrsach an, worumb wir vom Teuffel erweckt sint, so ists gewis, das er vnns darumb dem Teuffel gegeben hat, das wir wider die Leiptzigische ordnung geschrieben haben, er sey bey der handlung zu Leiptzig gewesen oder nit. Darumb hilfft jhn nichts, das er jtzunt, sich weis zu brennen,102 wider den Babst vnnd die Messe geschrieben

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Amsdorf war zwischen 1524 und 1541 Pfarrer an St. Ulrich und Superintendent in Magdeburg gewesen, zur Zeit der Abfassung hielt er sich als vertriebener evangelischer Bischof von Naumburg-Zeitz in der Stadt auf, bekleidete aber kein kirchliches Amt. 99 kam es mir zu. Vgl. Art. eignen 1), in: DWb 3, 104. 100 hielte. 101 nochmals, wiederum. Vgl. Art. noch II.2), in: DWb 13, 869f. 102 um sich von jeglichem Verdacht zu reinigen. Vgl. Luther, WA 30II, 27,27–28,2 (Von heimlichen und gestohlenen Briefen, 1529): „... schFldiger gewissen art ist neben andern auch diese, das sie mit allzu vleissigem und allzu hohen unn=tigem entschFldigen sich selbs zu verrhaten pflegen, Da her auch das sprichwort kompt so man von solchen entschFldigern spricht: ‚Ey, wie weis bornet er sich. Ey borne dich nicht zu helle.‘ Fr=liche sicher gewissen lassens bey einfeltiger und n=tiger entschFldigung bleiben“. Die Herkunft der Metapher wird unterschiedlich erklärt: von der Feuerprobe bei Gericht, von Asbestleinwand, vom Kalkbrennen (vgl. WA 30II, 27, Anm. 2); Sanders, Art. brennen C) und B.7.t), Band 1, S. 211[c], denkt an die Reinigung von Silber; möglicherweise stand ursprünglich auch die Vorstellung im Hintergrund, dass man Schmiedeeisen von Schlacken reinigt, indem man es bis zur Weißglut erhitzt. Weitere Belege s. Art.

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hat. Er hats einmal versehen,103 darumb mus er widerruffen oder ein Leiptzigischer Adiaphorist bleiben sein leben lang. Vnnd wo er nit ein ander vrsach anzeigt, wie gesagt, worumb wir vom Teuffel erwegt sind, so hat er gewißlich alle artickel der Leiptzigischen ordnung, dawider wir geschrieben, gewilligt vnnd angenommen. Vnnd ist nit genug, das er jtzundt anders schreibt, sondern er mus seinen jrthumb, damit er die gantze Christliche Kirche greulich hat geergert vnnd [C 3r:] vns noch darFber dem Teuffel gibt, bekennen vnnd widerruffen, so er anders wil selig werden. Wie auch das klapt vnnd klingt,104 das er schreibt, er hab die Prediger zu Torga nit veriagt, denn er hab nit macht noch gewalt, jmants zu ueriagen.105 Solchs were on not106 zu schreiben; wir wissen wol, das er zu Torga nit Sch=sser107 noch Richter ist. Wer aber die armen Predicanten, da sie zu Wittemberg gefangen lagen, examinirt vnd verdamt hat, da schweigt man stille zu.108 Sie waschen mit Pilato die hende vnnd sprechen: wir sind vnschFldig an diesem Blut.109 Nu wolan, fart hin, jr werdets vnd solts bald erfarn, wer daran schuldig ist. Es ist je gewis, das sie vmbs Leiptzigischen Jnterims willen veriagt sind. Wird nu Georg Maior nit ein ander vrsach antzeigen, worumb sie veriagt vnd wir vom Teuffel erwegt sind, So ist er ein Jnterimist, Adiaphorist vnnd Papist, vnd hilfft jhn sein entschFldigung gar nichts, die welt hat er leichtlich betrogen,110 aber Gott wird er nit betriegen. Das aber Georg Maior, wie die vnnFtzen111 wescher,112 so b=se sachen haben,113 fFr gericht zu thun pflegen, so ein grosse tragicam exclamationem machet, als nemlich: „das ist ein grosse boßheit, verstockung vnd blintheit, dieweil sie fFr augen sehen, das wir nichts verendern, vnnd mit oren h=ren, das wir die reine Lehr wie zuuor predigen etc., vnnd vnns doch gleichwol fFr

brennen 6.3, in: TPMA 2 (1996), 96. Vgl. auch unsere Ausgabe Band 2, Nr. 8: Amsdorf, Ärgernis und Zertrennung, S. 777, Z. 6. 103 Er hat nun einmal einen schwerwiegenden Fehler begangen. Vgl. versehen II.3), in: DWb 25, 1254f. 104 wie das zusammenstimmt, sich fügt. Vgl. Art. klappen 3.a)–g), in: DWb 11, 961–963. 105 Vgl. Major, unsere Ausgabe Nr. 1, S. 40,1–4 (Bl. D 1v). 106 unnötig. 107 Steuereinnehmer, Rentmeister, auch allg. Amtsperson. Vgl. Art. Schosser 1), in: DWb 15, 1600f. 108 Major weist es von sich, für die Amstenthebung der interimskritischen Pfarrer bzw. Prediger in Torgau verantwortlich zu sein. Amsdorf wirft ihm vor, zwar nicht als Teil der weltlichen Exekutive daran mitgewirkt zu haben, wohl aber als Teil der Theologenkommission, die die Vernehmung der gefangenen Geistlichen durchführte. Vgl. zu den Vorgängen Chalybaeus, Durchführung 53f. 109 Vgl. Mt 27,24. 110 Vgl. das Sprichwort: mundus vult decipi, ergo decipiatur. 111 durchtriebenen, verschlagenen. Vgl. Art. unnütz 2.d), in: DWb 24, 1213f. 112 Schwätzer. Vgl. Art. Wäscher 3.a), in: DWb 27, 2246–2248. 113 die ein gänzlich ungerechtfertigtes Anliegen vertreten.

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=ffentliche Mammelucken außruffen, lestern vnnd schenden“,114 ist ein lauter geticht.115 [C 3v:] Denn wir schreiben nit, was sie zu Wittemberg gethan haben, sondern wir schreiben wider die Leiptzigische ordnung, vnnd die drey BFcher fechten wir an, darinne nit allein die Ceremonien, sondern auch die Lehr mit dem wort ‚Sola‘, Busse vnd Sacramenten geendert vnnd Christus, vnser lieber Herr, mit seim Euangelio gantz vnnd gar verleugnet ist. Qui enim in vno delinquit, factus est omnium reus etc.116 Vnnd ob sie zu Wittemberg nichts geendert haben, so ist doch in andern Steten etwas mutirt vnd geendert vnnd haben sie ander leut die Ceremonien zu endern gedrungen vnd gezwungen. Derhalben mFssen sie Mammelucken vnnd verleugkente Christen sein vnd bleiben, sie wollen oder wollen nit, vnd sonderlich Georg Maior, er verdamme denn mit vnns das Leiptzigische Jnterim oder zeige an, worumb wir vom Teuffel erweckt sind. Das er sich rhFmet, er hab das Babsthumb hefftiger gestFrmt117 denn Jllyricus oder ich, das las ich wol geschehen, er rhFme jmmer hin, ich gan118 jhm der ehren sehr wol. Allein, er sehe zu, worumb er vnns denn so greulich iniurijrt, schendet vnnd lestert, da er sagt, wir sind vom Teuffel erweckt, so wir doch nichts gethan, denn das wir wider den Babst vnnd seine Adiaphoristen, so viel wir vermocht, ob119 nit so geschickt, als er sich dFncken lest, geschrieben haben. Jtem, er sehe zu, worumb er mit Cochleo vnnd Witzel so hefftig vnd contentiose ficht vnd streitet,120 das man zur seligkeit sol gute werck thun, gleich ob121 wir [C 4r:] sonst gute werck verbotten hetten. Heisset das, das Babstthumb stFrmen? Jch meinte, das Babstthumb wFrde damit verteidiget, wenn man lerete, gute werck sind von n=tig zur seligkeit? Jch meinte, die Papisten weren allein solche gifftige lFgner, die da sagten, wir verbFtten122 gute werck. So trit des Babstthumbs stFrmer Georg Maior an jre stat123 vnnd schreibt von vns, gleich ob wir gute werck verbFtten, so er doch wol weis, das wir hie zu Magdeburg rechtschaffene gute werck, wie vnd worumb man sie thun sol, stetz vnd alle zeit gelert vnnd gepredigt haben. Wer het das jmmer mehr124 gedacht oder inn sein hertz nemen dFrffen, das Georg Maior het

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Vgl. Major, unsere Ausgabe Nr. 1, S. 40,12–19 (Bl. D 1v – D 2r). ist ganz und gar erfunden. Vgl. Jak 2,10. belagert, sei heftiger dagegen vorgegangen. Vgl. Art. stürmen I.A.3), in: DWb 20, 611– 613. gönne. Vgl. Götze, 95[a]. wenn auch vielleicht. Vgl. Art. ob, conjunction A.3), in: DWb 13, 1053f. warum er gemeinsam mit Cochläus und Witzel so heftig und hartnäckig dafür ficht und kämpft. als ob. Vgl. Art. ob, conjunction A.2.a), in: DWb 13, 1052f. verböten. an ihre Stelle, auf ihre Seite. immer mehr = jemals. Vgl. Art. imermer, in: Götze, 127[b].

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Cochleus125 vnnd Witzels126 Patron vnd aduocat werden sollen, jr Lehr (nemlich: „gute werck sind n=tig zur seligkeit“) zu uerteidigen! Darumb hilfft jn nichts, das er wider das Babstthumb geschrieben hat, dieweil er mit Cochleo, Witzel vnd allen Papisten wider vns schreibt, gute werck sind von n=ten zur seligkeit, vnd also mit der that wider sein eigen maul ein rechter Papist ist. Vnnd dieweil Georg Maior wol weis, das wir hie zu Magdeburg vom glauben vnnd guten wercken recht leren vnd predigen vnd nie anders gelert vnd geprediget haben, so solt er billich seine tragicas exclamationes wider vns, als verbFtten wir gute werck, vnterlassen haben. Das m=cht wol ein verzweiffelte127 blintheit, verstockung vnd boßheit sein, ja ein recht bubenstFck, das er durch sein schreiben vnschFldige leut sol verdechtig machen, als lehrten sie, die Christen dFrfften nit gute werck thun. [C 4v:] So er doch wol weis, wenn man vom wort ‚Sola‘ handelt, nemlich das der glaub allein on alle werck zur seligkeit von n=ten sey, das man nit lehret noch handelt, wie ein Christen leben oder was er thun sol, sondern wie er gnad vnd seligkeit erlangen sol. Worumb denn vnnd wider wen macht Georg Maior ein solch lang gespey128 vnnd geschrey, das man gute werck thun sol? Dieweil wir allzeit gute werck als frFchte vnnd folge des glaubens gelert vnd gepredigt haben, worumb hat er vns dem Teuffel gegeben? Dawider hab ich nu geschrieben vnnd schreibe noch, das Georg Maior vns vnrecht thut vnd das wir keinen Teuffel haben, sondern das er (dieweil er schreibt, wir sind vom Teuffel erweckt, vnd kein vrsach anzeigt, worumb) selbst gewis mit dem Teuffel besessen ist. Denn er vns gewißlich darumb dem Teuffel gegeben hat, das wir jhre teuffelische Adiaphoristerey nit haben willigen noch annemen wollen. Das auch Georg Maior praeoccupirt129 vnd fFrbeugt des Concilij halben,130 were on not; das ende wirts wol außweisen.131 Sie bekennen aber gleichwol vnd zeugen damit, das sie haben ziehen wollen, das der Babst macht vnd gewalt habe, ein Concilium außzuschreiben, vnd bestetigen etlichermassen

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Johannes Cochlaeus (Dobeneck, aus Raubersried, Pfarrei Wendelstein, in Mittelfranken gebürtig), literarisch produktiver Gegner der Reformation, über Jahrhunderte prägend für das römisch-katholische Lutherbild. Vgl. Remigius Bäumer, Art. Cochläus, in: TRE 8 (1981), 140–146. 126 Georg Witzel, zeitweise Anhänger Luthers, später wieder zum alten Glauben zurückgekehrt, literarisch produktiver Gegner der Reformation. Vgl. unsere Ausgabe Bd. 1, Nr. 17, bes. 797–799. 127 heillose. Vgl. Art. verzweifeln. C.2.b), in: DWb 25, 2690f. 128 leeres Geschwätz, Gerede. Vgl. Art. Gespei 3), in: DWb 5, 4139. 129 sich bereits im Vorfeld absichert. Vgl. Art. praeoccupare. 130 Vgl. Major, unsere Ausgabe Nr. 1, 41,25– 43,1 (Bl. D 3r–v). 131 Sprichwörtlich. Vgl. Art. Ende, Nr. 1, 10, 21, in: Wander 1 (1867), 814.

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damit das Papistische vnnd Antichristische Conciliabulum,132 als were es ein frey Christlich Concilium. Vnd wiewol solch Pfaffen-Conciliabulum kein grund noch vrsach jhres glaubens von jhn fordert noch [D 1r:] begert hat, doch haben sie gleichwol dahin ziehen wollen, wie Georg Maior schreibt, jhren glauben zu bekennen. So doch dieselben Meßbisschoff vnd Opffer-Pfaffen von vns grundt vnd vrsach vnsers glaubens nie haben sehen noch h=ren wollen, wie offt wir auch darumb demFtiglich geflehet vnd gebeten haben. Sondern sie haben stetz von vns gefordert vnd begert, das wir vnser Lehr widerruffen sollten, vnd haben vns kein verh=r gestatten noch zulassen wollen. Vnd zuletzt, das ich beschliesse vnnd nit auff alle wort antworte, so sag ich, das ich Georg Maiors hertz vnd gewissen nit richte, wie er mich felschlich zeihet vnd schult gibt.133 Jch richte vnd schFldige seine schrifft, die er an Engelandt vnnd Merßburg =ffentlich hat lassen außgehen, darinne er klerlich vnnd deutlich schreibt, der Teuffel hab vns erweckt. Nu kan er kein ander vrsach anzeigen, denn das wir wider die drey BFcher, so Pfeffinger zu Leiptzig hat drFcken lassen, darinne die Leiptzigische ordnung verteidiget wird, geschrieben haben. Vnnd wo er nit ein ander vrsach anzeiget, so hat er selbst eben damit, das er schreibt, wir sind vom Teuffel erweckt, sein hertz vnd gewissen verraten vnnd an tag gegeben, das er ein rechter Adiaphorist vnd Papist ist, der an allen stFcken, so in der Leiptzigischen ordnung verleibt sind, schuldig ist. Vnnd derhalben er – vnd nit wir – ergernis, trennung vnnd spaltung angericht, die Kirche Christi zurFttet, die gewissen verwirret vnnd solchen schaden gethan hat, das es die Kirche Christi nimmer verwinnen134 wird. Er sey nu dabey gewesen oder nit, so hat er vnns [D 1v:] dem Teuffel gegeben. Darumb sol vnd mus er vrsach anzeigen, worumb wir vom Teuffel erweckt sind, oder mus selbst des Teuffels sein vnd bleiben. Denn wo er vnschFldig were vnd ein Christlichen blutstropffen in seim leib hette, so wFrde er vns in seinen schrifften vnd auff der Cantzel nit so greulich in grim vnd zorn schmehen vnd lestern, sondern wFrde grund vnd vrsach, als nemlich vnsern jrthumb vnnd ketzerey in der Lehr oder vnser schwermerey in Ceremonien, anzeigen, das jderman sehe vnnd h=rte, das wir vnrecht hetten vnnd vom Teuffel weren. Vnd dieweil er mit seinem schelten vnd lestern on auffh=ren so greulich tobt vnnd wFtet, so ists ein gewis zeichen, das ich sein hertz vnd gewissen getroffen habe. Wie auch bey dem wol abzunemen ist,135 das er auff die andern

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Diminutiv zu concilium: „Konzilchen“, demnach alles andere als ein umfassendes Generalkonzil; „verächtlich gesagt von einem kleinen, nicht rechtmäßigen Konzil“ (Art. conciliabulum, in: Sleumer, 228). 133 Vgl. Major, unsere Ausgabe Nr. 1, S. 41,14–16 (Bl. D 2v/D 3r). 134 verwinden, darüber hinwegkommen, die Folgen überwinden. Vgl. Art. verwinnen 5), in: DWb 25, 2287. 135 Man kann das auch daran gut erkennen ... Vgl. Art. abnehmen 16), in: Fnhd. Wb. 1, 261f.

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stFck, so ich jhm hab schuld gegeben vnnd in seinem Buche zwar136 auch dauon proponirt,137 dennoch so ghar schweigt vnd vberhin leufft.138 Jst er aber nit getroffen, so zeig er noch vrsach an, worumb er vns so =ffentlich in seinen schrifften dem Teuffel gegeben hat. 5

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Dabey las ichs wenden139 vnd bleiben vnnd wil sehen, was der Teuffel thun kan. Denn ich hab mein vorige schrifft140 vnd diese antwort aus h=chster not zu errettung der G=ttlichen warheit vnnd vnsers Christlichen namens thun mFssen. Denn wie solten wir das leiden, das ein solcher heuchler so frech, freuel141 vnd an142 alle schew, vnd dazu in frembde Nation,143 von vns schreiben solt: „Sie haben den Teuffel“, vnd kein vrsach anzeigen, worumb. [D 2r:] Solchs wolt vnnd k=nt Christus, vnser lieber Herr, nit dulden noch leiden,144 wie solten wirs denn dulden vnd leiden? Derhalben wird mich kein rechtschaffner Christ verdencken, das weis ich fFrwar. Was aber heuchler sind, so halbirn145 wollen, die las ich faren vnnd bey jhrem Demosthene146 vnnd Cicerone147 bleiben, so lang sie wollen. Sie mFgen von mir halten, was sie wollen, ich darff148 jhres lobs nirgent zu.149 Es ist einer, wenn mich der lobt, so hab ich mehr denn genug.150 Es ist mir lieber, das solche gesellen vnd klFgling151 mich ein Narren vnnd Eselsskopff heissen, denn das Christus, mein lieber Herr, wenn ich mich gleich auch viel rhFmen wolte oder kFnte, ich hette inn seinem namen geweissagt, viel grosse thaten gethan (wie diejenigen Matth. vij.),152 an jenem tag gleichwol zu mir sagen solt: „Heb dich von mir, du hast den Antichrist angebet vnnd das malzeichen von jhm an deine stirn oder auff deine hant genommen153 vnnd mich fFr den Leuthen verleugnet!“154

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ja. Vgl. Art. zwar 1), in: DWb 32, 950. die Rede (gewesen) ist. Vgl. Art. propono 3), in: Sleumer, 640[a]. 138 darüber hinweggeht. Vgl. Art. überhin 2.c), in: DWb 23, 320. 139 bewenden. Vgl. Art. wenden C.4.b.γ), in: DWb 28, 1797. 140 Vgl. unsere Ausgabe Band 2, Nr. 8 (Amsdorf, Ärgernis und Zertrennung). 141 unverschämt. Vgl. Art. frevel, in: DWb 4, 173. 142 ohne. 143 nämlich nach England. 144 Vgl. Joh 8,48–50. 145 schwanken (?), nicht eindeutig Stellung beziehen, auf beiden Seiten hinken (vgl. I Reg 18,21). Vgl. Art. halbieren 2.b), in: DWb 10, 205. 146 Demosthenes als Rhetor und Vertreter der griechischen Bildung und Philosophie. 147 Cicero als Rhetor und Vertreter der klassischen lateinischen Bildung. – In unserer Ausgabe, Band 2, Nr. 3 (S. 172, Z. 18f) werden Demosthenes und Cicero genannt als Beispiele für Ratgeber, deren Pläne das Gegenteil des Beabsichtigten bewirken. 148 bedarf, brauche. 149 nirgent zu = zu keinem Zweck. 150 Vgl. Mt 25,21.23. 151 Besserwisser. Vgl. Art. Klügling 1), in: DWb 11, 1287. 152 Vgl. Mt 7,22f. 153 Vgl. Apk 13,16. 154 Vgl. Mt 10,24f.32f. 137

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Wider den Euange= listen des heiligen Chorrocks / D. Geitz Maior. Matth. Flac. Jlly. 5

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Ezechi. xiij.1 O Jsrael / Deine Propheten sind wie die FFch= se inn den wFsten / Sie tretten nit fFr die lFcken / vnnd machen sich nit zur hFrten2 vmb das haus Jsrael / vnd stehen nit im streit am tage des Herrn / Jr gesichte3 ist nichts / vnd jr weissagung ist eitel lFgen / Sie sprechen / Der Herr hats gesagt / So sie doch der Herr nit gesant hat / vnd mFhen sich das sie jr dinck4 erhalten / etc. Basel. Anno 1552.

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Ez 13,4–6. Hürden, bewegliche hölzerne Zaunelemente zum Schutz einer Schafherde. 3 Vision. In der Biblia Germanica 1545 wird „Gesichte“ an der Stelle erläutert mit „Jre predigt / vnd lere.“ (Volz S. 1420). 4 ihren Lohn (?), ihre Stellung (?). Vgl. Art. Ding 8) und 14), in: DWb 2, 1161. 1165f; Art. dingen 3) und 4), in: DWb 2, 1170f. 2

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Nr. 3: Wider den Evangelisten des Chorrocks D. Geiz Major (1552) – Einleitung

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Einleitung 1. Historische Einleitung

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Georg Major schreibt in der Widmungsvorrede seines „Sermons von S. Pauli Bekehrung“, in den Hundstagen 1552 seien drei Gegenschriften gegen ihn mit fingiertem Druckort Basel von seinen Magdeburger Gegnern veröffentlicht worden;1 in der Nachschrift „An christlichen Leser“ benennt er sie deutlich: Amsdorf, Gallus und Flacius.2 Man darf annehmen, dass nach dem Ende der Belagerung Magdeburgs zunächst die polemische Druckproduktion eingestellt wurde, entsprechend den kaiserlichen und kurfürstlichen Zensuredikten. Erst Mitte des Jahres wagte man es dann, zunächst mit fingierter Druckortangabe, wieder zu publizieren. Deshalb könnte es zunächst zu einem gewissen Publikationsstau gekommen sein, der dann eine Veröffentlichung in rascher Folge bewirkte. Wie der unter Nr. 2 edierte von Nikolaus von Amsdorf, so richtet sich auch der hier vorliegende Text gegen die Ausführungen Georg Majors in seiner „Antwort auf des Ehrwürdigen Herren Nikolaus von Amsdorfs Schrift“, insbesondere gegen die Spitzenaussage, gute Werke seien zur Seligkeit nötig. 2. Der Autor

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Als3 Matija Vlačić, alias Franković, am 3. März 1520 im venezianischen Albona an der illyrischen Adriaküste geboren, bezog er auf den Rat seines Verwandten Baldo Lupetino, der den Ideen der Reformation aufgeschlossen gegenüberstand, die Universitäten in Basel, Tübingen und – ab 1541 – Wittenberg. Dank Luthers Seelsorge wurde Flacius von schweren Anfechtungen befreit, die ihn jahrelang gequält hatten, und die Lehre von der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden wurde und blieb zeitlebens der Zentralartikel seiner Theologie. 1544 erhielt Flacius eine Professur für Hebräisch an der Universität Wittenberg, und im Herbst 1545 heiratete er die Pfarrerstochter Elisabeth Faust. 1546 wurde Flacius Magister. Während des Schmalkaldischen Krieges fand Flacius für einige Zeit Aufnahme in Braunschweig und lehrte am dortigen Pädagogium. Als er es nicht vermochte, die Wittenberger Fakultät zu einer gemeinsamen Abwehrhaltung gegen das Augsburger Interim zu bewegen,

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Vgl. unsere Ausgabe Nr. 5, Bl. A 3r: „... es wissen E. W. vnd G. das inn den jetzt verschienen Hundtstagen drey geschwinde schrifft von den Magdeburgischen Scribenten / aus dem erdichten Basel im drucke wieder mich offentlichen ausgegangen / Darinnen ich von jnen auffs h=chste geschendet vnnd geschmehet ...“ 2 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 5, Bl. k 2v: „... da frage ich Amsdorff / Gallum vnd Jllyricum selbs umb / ob jhr glaube also scheine vnd leuchte ...“ 3 Zu den folgenden Ausführungen vgl. allgemein Preger, Flacius; Oliver K. Olson, Art. Flacius Illyricus, in: TRE 11 (1983), 206–214.

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wandte sich Flacius 1548 als einer der ersten öffentlich gegen das Interim, dann auch gegen die Leipziger Landtagsvorlage („Leipziger Interim“). In den Jahren 1549 bis 1557 engagierte sich Flacius intensiv in Magdeburg und veröffentlichte zahlreiche Schriften in den theologischen Auseinandersetzungen um die Bewahrung des authentischen Erbes Martin Luthers und zum Erweis der Katholizität der Reformation. Bis 1561 wirkte Flacius an der neugegründeten Universität Jena, die so zu einem Hort unverfälschten Luthertums und Gegenpol zur Universität Wittenberg wurde, bis er und sein Kollege Wigand am 10. Dezember 1561 ihrer Ämter enthoben wurden. In den Folgejahren lebten Flacius und seine Familie in Regensburg (1562– 1566), Antwerpen (1566 –1567), Straßburg (1567–1573) und Frankfurt am Main, wo er – von Ausweisung bedroht – am 11. März 1575 starb.

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3. Inhalt Flacius will auf Vorwürfe antworten, die die Adiaphoristen erst veröffentlichten, als sie sicher sein konnten, dass ihren Magdeburger Gegnern wegen der Belagerung der Stadt die Möglichkeit zur Gegendarstellung genommen war. Auf Majors Vorhaltung, Flacius sei ohne Auftrag und Berufung aktiv geworden, entgegnet dieser, die Not der Christenheit habe ihn veranlasst, gegen das Leipziger Interim zu schreiben. Er sei durchaus hinlänglich berufen, nämlich 1. durch die Taufe, 2. durch die Zehn Gebote, 3. als Wittenberger Universitätslehrer, und schließlich sei 4. bei allgemeiner Gefahr jeder zur Hilfe berufen, der dazu in der Lage sei. Major freilich und dessen Gesinnungsfreunde seien von großen Herren beauftragt und bezahlt. Es sei abwegig, ihn, Flacius, für die Spaltung innerhalb der Kirche verantwortlich zu machen, denn nicht derjenige verursache eine Spaltung, der bei der Wahrheit verharre, sondern derjenige, der von ihr mutwillig abweiche und sich mit dem Antichrist vereine (dazu habe Amsdorf bereits ausführlicher geschrieben). Die Sorge um den Bestand der wahren Religion habe ihn angetrieben, zahlreiche Schriften gegen das Interim zu veröffentlichen. Major bestreite zwar, an der Abfassung des Leipziger Interims beteiligt gewesen zu sein oder es gelobt zu haben. Aber an den entscheidenden Beratungen zu Altzella habe er sehr wohl teilgenommen, und es gebe verschiedene Zeugnisse für seinen Sinneswandel zugunsten der Adiaphora. Amsdorfs Kritik an Major sei also durchaus berechtigt. Kennzeichnend für die mangelnde Bereitschaft der Wittenberger, ihre – in den Augen des Flacius irrigen – Ansichten aufzugeben, sei auch ihre unklare Haltung hinsichtlich eines möglichen päpstlichen Konzils, dem Flacius längst öffentlich die Legitimität abgesprochen hat. Ähnlich kritisch sieht Flacius ein angebliches Bekenntnis, das schon etwa ein Jahr zuvor von Seiten der Adiaphoristen verfasst worden sei, das sie auch

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zur Unterschrift hätten kursieren lassen; man habe es aber nicht gewagt, den Text gegen den Willen der Bischöfe zu veröffentlichen. Abgesehen davon, dass Major von acht Punkten, die er selbst aufgezählt habe, nur auf sechs überhaupt etwas entgegne, sei seine Argumentation auch insofern sonderbar, als er einerseits behaupte, für die Adiaphora nicht verantwortlich zu sein und sie nicht zu billigen, sie andererseits aber aufs heftigste verteidige, ebenso wie die Aussage, gute Werke seien nötig zur Seligkeit. Wie stehe es da um den armen Sünder, der sich erst auf dem Sterbebett bekehre? Er werde von Major der Verzweiflung überlassen. Es sei allerdings grundsätzlich schwierig, mit den Adiaphoristen zu disputieren, weil sie ihre Position ständig wechselten. Belegt sei aber nicht nur ihre Mitwirkung am Leipziger, sondern auch die Einflussnahme auf das Augsburger Interim. Major distanziere sich zwar schriftlich von den Adiaphora, betreibe aber zugleich ihre Einführung in seiner Superintendentur Eisleben. Ziel sei die allmähliche Wiedereinführung des Papsttums. 4. Ausgaben Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe:

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A: Wider den Euange= || listen des heiligen Chorrocks / || D. Geitz Maior. || Matth. Flac. Jlly. || Ezechi. xiij. || O Jsrael / Deine Propheten sind wie die FFch= || se inn den wFsten / Sie tretten nit fFr die lFcken / vnnd || machen sich nit zur hFrten vmb das haus Jsrael / vnd || stehen nit im streit am tage des Herrn / Jr gesichte ist || nichts / vnd jr weissagung ist eitel lFgen / Sie sprechen / || Der Herr hats gesagt / So sie doch der Herr nit gesant || hat / vnd mFhen sich das sie jr dinck erhalten / etc. || Basel. [Magdeburg: Michael Lotter] || Anno 1552. [11] Bl. 4° (VD 16 F 1558). Vorhanden: ASCHAFFENBURG, Stiftsbibliothek: P- 442/Bb.16 BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 12 in: Dg 1; Dm 1110 DRESDEN, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek: Hist.eccl.E 261,34 ERFURT, Universitätsbibliothek, Depositum Erfurt (ehemals Stadt- und Regionalbibliothek): 3 an T.pol.4 11 GÖTTINGEN, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek: 8 MULERT 507 (33) JENA, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 4 Bud.Theol.182(22); 4 Theol. XLIII,6(7); 8 MS 25 494(12) LEIPZIG, Universitätsbibliothek: 57-4413/13 MÜNCHEN, Bayerische Staatsbibliothek: 4 Polem. 1221 MÜNCHEN, Bibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität: 4 Theol.1226:4 NEUBURG A. D. DONAU, Staatliche Bibliothek: 4 Theol.281/1

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NÜRNBERG, Stadtbibliothek: Strob. 8. 1679 WEIMAR, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Aut.ben.Aut.Flacius(27) WIEN, Österreichische Nationalbibliothek: 20.Dd.219 WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 183.12 Theol.(7) [benutztes Exemplar]; 251.18 Theol.(13); 327.4 Theol.(6); Alv Ef 104(25)

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[A 2r:] Wir haben lang wol gedacht, das die Adiaphoristen denn1 allererst wFrden anheben wider vnns zu schreiben, wenn wir nit mehr antworten kFndten, vnnd haben es auch fFrwar erraten, wie das werck =ffentlich bezeuget. Denn in der Belagerung, da wir von vnsern feinden dermassen beringt2 waren, das niemandt wider3 aus noch ein kondte, fiengen sie an, jhre allersch=nste Adiaphoristerey zu uerteidigen, den betrFbten Christen ein Creutz vber das ander auffzulegen vnd sampt den feinden die Kirchen Gottes zu uerfolgen. Jtzt aber, weil sie die sach auch so weit bracht haben, das man inn gantz Deudtschlandt schier nirgent wider die Antichristischen vergleichungen des Jnterims vnd der Adiaphora mucken noch drFcken darff,4 so faren sie fort, jhre jrthumb zu uerteidigen, zu entschFldigen vnd bey den vnuorstendigen fortzusetzen. Daher wol zu sehen ist, das sie vor der Belagerung nit aus messigkeit oder liebe des friedes so halsstarriglichen geschwiegen haben, sondern darumb, das sie ein b=ß gewissen gehabt vnnd wol gesehen haben, das jhre sch=ne Jnterim das liecht vnd die warheit nit leiden k=ndten. Aus solcher klugheit hat neulich D. Geitz,5 der fromme man, wider mich vnnd andere, die sich wider solche newe verfelschungen gesatzt haben, auch ein schrifft außgehen lassen; meinet villeicht, es werde nu inn der gantzen welt kein ort mehr sein, da man wider seine vnnd seiner gesellen verfelschung etwas drFcken darff; auff dieselbe schrifft wil ich ein klein wenig antworten. [A 2v:] Dieweil er nichts hat, damit er seine sch=ne Adiaphoristerey besch=nen kann, auch nichts auffbringen kan wider mein klein wintziges BFchlein, das ich wider jhn hab außgehen lassen,6 so fehret er zu vnnd bringet lahme possen herfFr, die zur sache gar nichts dienen. BeschFldigt mich,7 als schreibe ich on beruff8 vnnd thu ein grosse sFnde, das ich wider das Babstthumb, Jnterim vnd Adiaphora drFcke, vnd hab doch keinen Herren, der mir sechshundert thaler gibt.9

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dann. umzingelt, im Belagerungsring eingeschlossen. Vgl. Art. beringen 2), in: DWb 1, 1524f. 3 weder. 4 Daher auch der fingierte Druckort Basel. 5 Georg Major, vgl. den Titel der Schrift. 6 Vgl. VD 16 F 1260: RESPON= || SIO M. F. ILLYRICI AD || maledicta D. Ga. Maioris, Maxi= || mi, Christi & Belial seu Antichristi || Conciliatoris, & nouorum In= || terim propugnatoris. [Magdeburg (Lotter) 1551/52]; ferner VD 16 F 1259: Antwort Matth. Fl. || Illyr. auff etliche BeschFldigung || D. Gei. Maiors / vnd D. Pommers. [Magdeburg (Rödinger) 1551/52]. 7 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 1, S. 31,30 –32,3 (Bl. B 2v). 8 Auftrag, Zuständigkeit. Vgl. Art. beruf 3), in: Fnhd. Wb. 3, 1543f. 9 Offenbar spielt hier Flacius auf einen Sold Majors an bzw. auf eine Bestechungszahlung, eventuell im Zusammenhang der Widmung an den König von England? Vgl. oben Nr. 1, Anm. 92 (S. 33). 2

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BehFt Gott, welch ein grosse sFnd ist das, das einer etwas thut, das jhn die grossen Junckern,10 die sechshundert taler geben, nit geheissen haben, sondern allein Gott vnd die armen Schefflein Christi,11 die in gefahr vnd von jhren stummen hunden12 verlassen sind vnd von gantzem hertzen nichts h=hers wFnschen noch begeren, denn das doch nur etwan ein klein vnmFndiges Kindlein vnd seugling13 wider die reissende Wolffe inn der Herde auffschrie. Ach, ist auch solche sFnde zu uergeben? Jch aber hab beruff gnug, vnnd nit einen allein, sondern viel, wiewol mir keiner viel hundert gFlden tregt:14 Der erst beruff ist die Tauff, darin ich mich von Christo hab schreiben lassen, vnd hab jhm geschworen, das ich jhm wider den Teuffel vnd all seinen anhang dienen will.15 Hab jm auch geschworen, das ich die G=tliche warheit wil bekennen vnd den Satan mit all seiner pracht vnd finantzerey16 verfluchen. „Jch gleub, darumb rede ich“, spricht Dauid.17 Der ander beruff sind die zehen gebot, die mich heissen Gott vnd meinen Nechsten lieben, nit mit worten, sondern mit der that.18 [A 3r:] Womit kFnnen wir aber Gott vnnd vnserm Nechsten gr=ssern gefallen vnd dienst thun, denn das wir der wahren Religion in den gr=sten beschwerungen vnd gefahr beystehen? Jch meine ja, es sey bißher wider die Papisten aus Gottes wort genugsam beweiset, das alle Christen Priester sein vnnd die Schrifft außlegen kFnnen. Das aber einer oder mehr zum ampt erwehlet werden, das geschicht, vnordnung zu uermeiden, damit nit, so ein jder die empter in der Kirchen verwalten wollte, ein vnordnung entstFnde.19 Der dritte beruff ist, da die Jnterimistische vnd Adiaphoristische betriegereyen erst20 erregt wurden, ich ein Lesser21 gewest bin (Denn desselben rechten hab ich mich noch nit verziehen,22 wie ich in der Apologia an die Vniuersitet23 nach der leng außgefFrt hab) des alten Testaments inn seiner natFrlichen sprach inn der Schule zu Wittemberg, daraus24 die warheit erstlich wider ent10

Edelleute, Adlige, große Herren. Vgl. Art. Junker 4) und 5), in: DWb 10, 2400f. Vgl. Joh 10. 12 Vgl. Jes 56,10. 13 Vgl. Ps 8,3. 14 einbringt. Vgl. Art. tragen III.B.2.d), in: DWb 21, 1084f. 15 Vgl. die abrenuntiatio diaboli etc. im Taufformular. 16 Betrug. Vgl. Art. Finanzerei, in: DWb 3, 1641. 17 Ps 116,10 (Dt. Bibel 1545); II Kor 4,13. 18 Vgl. Mt 22,36–40; Lk 10,26f; Jak 1,22. 19 Vgl. Luther, WA 6, 407f (An den christlichen Adel, 1520). 20 zuerst, anfänglich. Vgl. Art. erst adv. 1), in: DWb 3, 991. 21 Lector, Dozent (für Hebräisch an der Universität Wittenberg). 22 begeben, habe nicht darauf verzichtet. Vgl. Art. verzeihen B.1.c.β), in: DWb 25, 2519f. 23 Vgl. APOLO= || GIA MATTHIAE FLA= || cij Illyrici ad Scholam Viteber= || gensem in Adiaphoro= || rum causa [...]. (Magdeburg, Lotter, 1549) (VD 16 F 1264); EntschGldigung Mat || thiae Flacij Illyrici / geschrieb) an die || Vniuersitet zu Wittemberg / der Mittelding || halben [...]. (Magdeburg, Rödinger, 1549) (VD 16 F 1266). 24 aus der (scil. der Universität Wittenberg). 11

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sprungen ist vnnd die vornemlich die warheit schFtzen sollte, vnd wurden doch dieselben betrigereyen vnter dem namen derselben Schule gefurdert. Darumb hab ich aus gantz rechtmessigem beruff zur selben zeit angefangen, durch mein bekentnis derselben betriegerey zu widerstehen, vnnd thu noch recht, das ich von meinem angefangenem fFrnehmen nit ablasse. Denn die macht zu lehren, die man den Magistris gibt, wenn man sie auff die Cathedram setzt, wie man pflegt, was ist es fFr eine macht? ists ein solche macht, das sie zur zeit der gefahr stumme hunde werden mFgen?25 Jch hab in der aller h=chsten gefahr des Euangelij Jhesu Christi, da die andern Herren, die gelerter waren denn ich, nit allein schwiegen, sondern auch dem Antichrist ein teil furcht, ein teil geitzes halben,26 fenster [A 3v:] machten,27 damit er desto fFglicher28 wider in die Kirchen Gottes einkrFche,29 vnnd die Christen auff das h=chst von Gott begerten, das doch nur einer keme, der den newen verfelschungen widerstFnde, angefangen zu schreiben, da Maior[, der] kurtz zuuor Keyser, K=nig vnd FFrsten in die G=ttliche acht declarirt hatte,30 nit dawider mucken durffte,31 ja do das Babstthumb allenthalben mit h=chstem fleis durch schrifften vnnd ansehen der Wittemberger gefordert32 ward vnnd die Gottlosen Wolffe33 die GottsfFrchtigen Prediger

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Vgl. Jes 56,10. geitzes halben = aus Habgier. 27 Vgl. Joh 10,1; außerdem Melanchthons Traum vom Glaser, wie er geschildert wird in: [Matthias Flacius Illyricus:] Etliche Trawm Phi= || lippi von gegenwertigen vnd ver= || gangen verfelschung der wahren Re= || ligion sehr lustig vnd nFtz= || lich zu lesen [Regensburg: Hans Kohl 1555 (VD 16 E 4084), Angaben nach Online-Version des VD 16], Blatt B 1r – B 1v: „DJe vorige nacht für dem 14. des Decembris [1548] an welchem tage die Theologen auf den Landttag gehn Juterboch gezogen seind / hat Philippo getreumet / das einer seiner Nachbaurn der stets im Landtsknechtischen kleide pflegte zu gehen / zu jm komen sey / vnd jnn gebettenn / er w=lle doch den glaser von seinet wegen bitten / das er jm etliche Fenster machen wolte / welches nach dem ers / wie er gebetten war / außgerichtet hatte / ist der Glaser baldt wider gekomen / vnd sich vil beclaget / vnd da er gefraget war / was jm geschehen were / habe er geantwort / Der Bube wolte / das ich jm eine papistische Messe sunge / helt er mich für einen solchen / der ich wolte ein papistische Meß singen. [//] Disen Trawm hat er des volgenden tages für vilen / auch für Camerario zum offtermal selbst also außgelegt. Der Landtßknechtische nachbaur ist H.[erzog] M.[oritz] selbst / der Glaser bin Jch. H. M. bittet mich / das Jch jm etliche fenster / das ist etwas zum schein / mache. Aber warlich alles was gehandelt wird / geht gewißlich dahin / das die papistische Messe / vnd das Bapsttumb wider auff gerichtet werde. [//] Sihe hie hastu des Meisters eigne meinung von seinem werck ...“ (Vgl. a. CR 20, 688f). 28 leichter, bequemer. Vgl. Art. füglich adv. 4), in: DWb 4, 398. 29 hineinkröche. 30 [Georg Major:] Ewiger / G=ttlicher / || Allmechtiger Mayestat || Declaration. || [Holzschnitt] || Wider || Kayser Carl / Künig zG Hispanien etc. Vnd || Bapst Paulum den dritten. [Augsburg: Valentin Otmar, 1546 (VD 16 M 2033); vgl. auch VD 16 M 2034 und M 2035; Major-Bibliographie Nr. 21] 31 nicht den geringsten Laut dagegen zu erheben wagte. Vgl. Art. mucken 3), in: DWb 12, 2610; Art. dürfen 4), in: DWb 2, 1729. 32 gefördert. 33 Vgl. Act 20,29; Mt 7,15; 10,16. 26

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außschrien: „Sehet, das vnnd das geben die Wittemberger nach, was wiltu Bachant?“34 etc. Jnn der eussersten gefahr, so sol jederman helffen, wer nur helffen kan, vnnd wie man zu einem gemeinen brand leufft, also sol jederman zulauffen vnd dem Beerwolff35 sampt seinen jungen steuren36 vnd wheren. Vnd wenn jr falschen Aposteln, die jr die Christliche warheit des Euangelij mit Menschensatzungen vermischet, ja wissen wollet, was mein beruff sey, so antworte ich euch wie Paulus:37 Meine antwort, das sigel vnnd der brieff meines beruffs ist, das ich die verfelschungen des Euangelij Jhesu Christi in Deutschlandt diese vier jar lang verhindert hab. Doch wil ich hiemit den andern Leuten, welche mehr gearbeitet haben denn ich,38 jr lob fFr Gott vnd der Christlichen Kirchen nit entziehen. Hiegegen sihe nu an des Maiors vnnd anderer Adiaphoristen beruff: Was haben sie fFr ein beruff? Wo hat der Herr zu jhnen gesagt: „Gehet hin in alle welt, vereiniget Christum vnnd Antichrist oder Belial?“39 Es ist aber villeicht nichts daran gelegen, Christus hab es befohlen oder nit, sintemal er das Creutz [A 4r:] gibt,40 wens nur die grossen Herrn befehlen, die viel taler geben. Zum andern, das er mir schult gibt, als solte ich diese trennung gemacht haben,41 ist dis meine antwort: Wer bey der warheit verharret vnd jederman zur bestendigkeit vermanet vnnd die abfallenden schilt, der macht keine spaltung, sondern der, der sich furcht vnnd geitzes halben von der betrFbten Kirche Christi absondert vnnd mit dem Antichrist vereinigt. Aber hieuon hat neulich der Ehrwirdige Herr Niclas von Amßdorff genugsam geschrieben,42 welches D. Geitz noch nit gebissen43 hat. Das er weiter schreibt, Jch sey alda zu Wittemberg hin vnnd wider gelauffen, hab sie wollen verdechtig machen drinnen vnd ausserhalb etc.44 dasa redet er wider sein eigen gewissen. Denn ich besorgte45 dasselb mal, die Kirchen Gottes m=chten durch jre verfelschungen baldt vmbgekert46 vnd der Babst

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unwissender Studienanfänger, halbgebildeter fahrender Schüler. Vgl. Art. bachant, in: Fnhd. Wb. 2, 1618–1620. 35 Werwolf, grausames Untier. Vgl. Art. bärwolf, in: Fnhd. Wb. 3, 55. 36 Einhalt gebieten. Vgl. Art. steuern D.2), in: DWb 18, 2656. 37 II Kor 4,1f; Act 15,4.12; Gal 1,11–2,14. 38 Vgl. I Kor 15,10. 39 Vgl. II Kor 6,15. 40 Vgl. Mt 10,38; 16,24. 41 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 1, S. 31,27–29 (Bl. B 2v). 42 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 2. 43 verarbeitet (oder widerlegt?); wohl im Sinne von: „Er hat noch daran zu kauen, es beschäftigt ihn noch.“ 44 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 1, S. 32,3 –7 (Bl. B 2v). 45 hatte die Besorgnis, fürchtete. Vgl. Art. besorgen 2.a), in: DWb 1, 1635; Art. besorgen 1), in: Fnhd. Wb. 3, 1882f. 46 zerstört, verwüstet. Vgl. Art. umkehren A.4), in: DWb 23, 967.

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eylends wider eingesetzt werden, wie sie denn selbst besorgten vnnd sich offt h=ren liessen. Darumb ward ich hoch betrFbt, gieng vnnd bat den Philippum,47 den Pomer,48 Creutziger,49 Maior50 vnnd die andern Leser51 fast alle, das sie ja nichts solten nachgeben52 vnnd das die andern Leser den Philippum vnnd die andern Theologen bitten vnnd vermanen sollten, das sie ja nichts einreumbten. Zur selben zeit war ich der gefahr halben53 in der Religion so kleglich betrFbt vnnd traurig, wie viel frommer Leut wissen, das ich offt bitterlich darFber weinete, lies auch darumb etliche schrifften dazumal außgehen wider das Jnterim vnd alle newen verfelschungen, darin ich jederman zur bestendigkeit vermanete; dieselben schrifften vnnd diesen n=tigen [A 4v:] Christlichen vleis vnnd eiuer, den er zuuor fFr mir vnd andern sehr gelobt hat, darff dieser vnfletiger Sophist54 jtzundt wider sein eigen hertz vnd gewissen so verretterlich lestern. Zum dritten, das er sagt, er hab das Leiptzigische Jnterim nit gemacht noch gelobt.55 Dawidder wil ich mit Gottes hFlff etliche kleine zeugnissen setzen: Zum ersten ist offenbar, das dasselbig Jnterim, wiewol es zu Leiptzig er=ffnet ist, so ist es doch zur Zelle56 geschrieben, da Maior auch gewest vnnd darein gewilligt hat. Dis weis ich nit allein aus vieler ehrlicher Leut gezeugnis, sondern auch daher, das er im hinzug57 sehr auff die Adiaphora schalt. Da er widder kam, da war er jr gr=ster Patron.58 solches ist nit allein das gemein geschrey59 gewesen, sondern ich vnd M. Nicolaus Gallus60 habens aus seinem eigen maul geh=rt, das er die Adiaphora auff das h=chst verteidingte, so er sie doch zuuor fFr vnns auff das hefftigst gescholten hatte. Das ander zeugnis ist sein eigner Brieff, den er zur zeit, da das Leiptzigische Jnterim solt er=ffnet werden, gen Hamburgk geschrieben hat, darinnen er bekennet, das er vnnd andere Theologen etliche Ceremonien angenommen

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Philipp Melanchthon. Johannes Bugenhagen. 49 Caspar Cruciger. 50 Georg Major. 51 Dozenten. 52 nur ja keine Zugeständnisse machen, keine Kompromisse eingehen sollten. Vgl. Art. nachgeben 1.b.γ), in: DWb 13, 58. 53 wegen. 54 Der altgriechischen Philosophenschule der Sophisten wurde nachgesagt, auf argumentativem Wege Tatsachen beliebig zu verdrehen. Vgl. Margarita Kranz, Art. Philosophie, in: NP 15/2 (2002), 339 –343 (343f); Lepp, Schlagwörter, 83f. 55 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 1, Bl. B 2r. 56 Kurfürst Moritz von Sachsen hielt vom 20. bis zum 22. November 1548 in Altzella eine Versammlung mit Räten und Theologen ab; das Ergebnis dieser Tagung war das sogenannte Interim Cellense, die Zellaer Artikel vom 22. November 1548. Vgl. PKMS 4, 225; CR 7, 215–221 (Nr. 4409); MBW 5, 386f (Nr. 5357). 57 im Hinzug = auf der Hinreise. Vgl. Art. Hinzug 1), in: DWb 10, 1551. 58 Fürsprecher, Beschützer. 59 Gerücht, Gerede. Vgl. Art. Geschrei 2.a), in: DWb 5, 3966. 60 Zu ihm vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 4, Einleitung, S. 358–360. 48

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hetten, vnd neben andern die letzte Olung, weren aber dazu gedrungen durch die schwere zeit, welcher die weysen viel nachgeben.61 Dieses Brieffs abschrifft ist darnach von Al. Sp., Secretario zu Hamburgk,62 ghen Wittemberg gesandt vnnd von einem Magister in beywesen des Maiors, Philippi vnnd anderer Kirchendiener gelesen worden. Als aber Philippus sahe, das sich Maior drFber entferbte vnd vngedFldig war, auch selbs nit wol [B 1r:] leyden kondte, das derselb sch=ne handel an tag keme, hat er den Maior weggezogen vnnd gesagt: „Kom! Wer kans machen, wie es ein jeder Stoischer kopff haben will? – veni, quis potest omnium Stoicorum iudicijs satisfacere?“ Das dritte zeugnis ist der Wittembergischen Theologen Brieff an die HambFrger,63 vnter welchen Maior seinen namen auch geschrieben hat, darinnen die Theologen bekennen, das sie etliche newerungen in der Religion, von den gewaltigen vnnd FFrstenh=fen auffgedrungen, angenommen vnnd auch andern gerathen haben, das sie es solten annemen. Solche newerungen aber sind keine andere gewest denn das Leiptzigische Jnterim, welchs wenig wochen zuuor er=ffnet war. Das vierde zeugnis ist Maiors grFndlicher bericht,64 darin er nit allein das Leiptzigische Jnterim auff das fleissigst verteidingt vnnd vns auff das herteste verdampt, sondern auch von der gantzen Kirchenordnung, die D. Luther gemacht, so vnfletig65 redt, als hette sie der leidige66 Teuffel selbstb gemacht durch einen vnsinnigen67 Menschen, welcher alle gute zucht vnnd Gottesfurcht in der Kirchen verkeret hette, vnnd sie derhalben solche vnordnung durch jhre Adiaphora jtzt endern mFsten. Das er aber den grFndtlichen bericht gemacht habe, weis ich nit allein aus andern vrsachen, sondern verneme es auch daraus, das er solches, nachdem ichs jhm neulich in einer =ffentlichen schrifft vorgeworffen hab,68 durch sein stillschweigen jtzt selbst bestetigt. Denn er wFrde mir es freylich nit verschwiegen haben, wenn er vn-

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Im Druck: selst.

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Der einschlägige Brief Majors war bislang nicht ausfindig zu machen. Vgl. aber auch den Brief Melanchthons an Aepin vom 23. Januar 1549, MBW 5420 [= CR 7, 315 (Nr. 4470)]. 62 Alexander Spieß, 1543–1551 Sekretär zu Hamburg, 1552 Gesandter des Schmalkaldischen Bundes an die Hansestädte. Vgl. PKMS 5, 949. 63 Unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 2b, S. 98–106. 64 Unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 6, S. 642–730. Die Verfasserschaft ist strittig, vgl. dazu auch die anschließenden Ausführungen des Flacius. 65 gemein, unzüchtig, widerlich. Vgl. Art. unflätig II.3.a), in: DWb 24, 561f. 66 widerwärtige. Vgl. Art. leidig 3), in: DWb 12, 675f. 67 verrückten, geisteskranken. Vgl. Art. unsinnig 1), in: DWb 24, 1397f. 68 Vgl. GrFndliche verle= || gung aller Sophisterey / so Juncker || Jssleb / D. Jnterim / Morus / Pfeffinger / D. || Geitz in seinem grFndlichen bericht vnd jhre gesel= || len / die andere Adiaphoristen / das Leipsische || Jnterim zu besch=nen / gebrauchen. || Durch Matth. Fla. Illyricum [Magdeburg: Christian Rödinger d. Ä. 1550, VD 16 F 1410].

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[B 1v:]schFldig were, weil er sonst wol andere, gr=bere knoten69 pflegt zu leugnen, daran er doch =ffentlich70 schuldig ist. Zum fFnfften ist gewis, das Maior sampt andern Theologen ketzermeister71 gewesen ist vber die Torgischen Kirchendiener vnd sie darumb verdampt hat, das sie das Leiptzigische Jnterim nit haben annemen wollen.72 Es ist auch gewis, das sie alle Pfarherrn, die in jre newe verfelschung nit haben willigen wollen, hart beschFldigt vnd verdampt haben. Es ist auch gantz wol bekant, das im gedruckten Mandat des FFrsten73 befahlen wird, das man die Pfarherrn, die solche newe verenderungen nit annemen wollen, verklagen sol fFr den Consistorijs. Jtem das alle Pfarherrn, die etwa in einem stFck dieser Adiaphoristischen verenderungen einen zweiffel haben, ein Jnstruction begeren sollen von den Wittembergischen Theologis vnnd dem Consistorio. Nun ist ja Maior vnter den Theologis vnnd inn dem Consistorio gewest, darumb hat er ja von dieser verenderung gewust, hat darzu geholffen vnd geraten. Das letzte zeugnis sind alle seine hendel, reden, brieffe, predigten, lectiones, schrifften, darin er on vnterlas das gantze Leiptzigische Jnterim vnnd Adiaphoristerey als gantz vnschedliche ding, ja als der Christlichen Kirche n=tig, verteidingt, dagegen aber vnns allzumal,74 die wir den gegenwertigen verfelschungen widerstanden, =ffentlich ausschreit, als sind wir mit dem Teuffel besessen, ja eben in der jtzigen schrifft entschFldigt er die Adiaphori-[B 2r:] sten als gantz vnschFldige Leut, vnns aber, als hetten wir sie felschlich beschFldigt, verdampt er als anfenger aller trennung vnd vnzelicher ergernis in der Kirchen Gottes.75 Wie k=nten doch gr=bere, vnuerschemptere lFgen geschrieben, gesagt oder gedacht werden, denn das Maior, nachdem er das Leiptzigische Jnterim zur Zelle hat zimmern helffen vnnd dasselb Leiptzigische Jnterim so offt =ffentlich vnnd in besonderheit sampt der gantzen Adiaphoristerey gelobt, gefordert vnd verteidingt, das gegentheil aber auff das eusserst verdampt hat, dennoch in =ffentlichen schrifften fFrgeben darff, er hab mit dem Leiptzigischen handel nichts zu schaffen, habe nie darein gewilligt? Denn das er sich damit enschFldigen will, das er sagt, er hab das Leiptzigische Jnterim nit geschrieben, das ist ein faule, lose76 entschFldigung, denn 69 problematische Sachverhalte, Anstößigkeiten. Vgl. Art. Knoten II.14), in: DWb 11, 1504 –1507. 70 offensichtlich, offenbar. Vgl. Art. öffentlich adv. 1), in: DWb 13, 1182. 71 Inquisitor, Richter am Ketzergericht. Vgl. Art. Ketzermeister 2), in: DWb 11, 644. 72 Die Torgauer Pfarrer Gabriel Zwilling und Michael Schulz wurden vom 8. Juni bis zum 5. Juli 1549 im Wittenberger Schloss inhaftiert, ab dem 12. Juni kamen auf täglich Johannes Bugenhagen, Philipp Melanchthon, Georg Major und Johannes Forster ins Schloss, um mit den Inhaftierten zu disputieren und sie von ihrem Widerstand gegen das Leipziger Interim abzubringen, allerdings ohne Erfolg. Vgl. Chalybaeus, Durchführung, 53f. 73 Unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 4, S. 426f. 74 insgemein, allesamt. Vgl. Art alzumal 2), in: DWb 1, 906. 75 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 1, S. 31,29 (Bl. B 2v). 76 haltlose, untaugliche. Vgl. Art. lose II.3) und 4), in: DWb 12, 1183f.

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das kan man wol gedencken, das sie all zugleich nit haben an die feder greiffen vnnd schreiben k=nnen. Es ist genug vnnd mehr dann zu viel, das er als ein Theologus darein verwilligt hat. Vnd ist ein bekante Regel „faciens et consentiens“77 etc., wer ein ding thut vnnd darein verwilligt, ist einer gleich so schFldig als der ander. Es thut auch nichts, das er vorgibt, er sey wider zu JFterbach78 noch zu Leiptzig79 gewesen. Denn dasselbige Jnterim ist zur Zelle80 zusammen geflicket, zu JFterbach ist es aber allein vbergeben den zweyen ChurfFrsten von wegen der Wittenbergischen Theologen, darunter Maior auch gewest ist, vnd nit allein [B 2v:] von eines wegen, der es vberreicht hat, wie Eißleben =ffentlich in der predigt in beysein etlicher FFrsten nach verlesung derselben schrifft bezeuget hat.81 Nit lange darnach ists gleicherweis von wegen der abwesenden Theologen zu Leiptzig der gantzen Landschafft vorgehalten, wie des Philippi antwort, dem außschus vbergeben, bezeuget.82 Es ist gros wunder, das sich Maior der schrifft, die zu Meyssen gemacht ist,83 rhFmen darff, so doch dieselbige schrifft wider der Theologen willen gedruckt ist, ja auch Maior selbst, als ein statlicher84 vom Adel, welchen ich von angesicht kenne vnnd nennen kan, bat, das er jhm dieselbige schrifft leyhen wolt, wolt ers nit thun vnnd zeigte vrsach an, das sie nit gedruckt wFrde. Was sol man aber viel wort machen; rhFmen sich doch die Theologen selbst in jrem grFntlichen bericht,85 jtem in jrem ersten bedencken widders Jnterim,86 das es ohn jhre beschaffung87 im druck außgangen sey, vnnd ist war77

Vgl. Röm 1,32. Zu den Verhandlungen in Jüterbog am 16. und 17. Dezember 1548 vgl. Herrmann, 101–104. Kawerau, Agricola, 280, nennt als Teilnehmer an der Zusammenkunft in Jüterbog die beiden Kurfürsten Moritz v. Sachsen und Joachim II. v. Brandenburg, ferner Georg III. von Anhalt, Julius v. Pflug, Philipp Melanchthon, Daniel Greser und Johann Agricola. 79 Zu den Unterhandlungen beim Landtag in Leipzig vom 21. Dezember 1548 bis zum 1. Januar 1549 vgl. PKMS 4, 252–277 (Nr. 210–236); Herrmann, 105 –118. 80 Zu der Versammlung in Altzella um den 20. November 1548 vgl. PKMS 4, 220–225 (Nr. 174 –180); Hermann 96–101; zu dem Treffen waren geladen: Georg v. Anhalt, Johannes Pfeffinger, Georg Major, Johannes Forster, Philipp Melanchthon, Daniel Greser, Johannes Bugenhagen, Joachim Camerarius, Caspar Zeuner, Anton Lauterbach. CR 7, 215–221 (Nr. 4409, 19. November 1548): Interim Cellense. 81 Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 4, S. 432–435, bes. 433. 82 Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 4, S. 413 –416. 83 Zu den Verhandlungen in Meißen vgl. allg. Herrmann, 54– 63, ferner den „Bericht vo^ || INTERIM || der Theologen zu Meissen versam= || let. Anno M.D.xlviij.“ [Magdeburg: Christian Rödinger, 1548 (?), VD 16 B 1846, vgl. auch B 1847], den Flacius anonym und gegen den Willen der Beteiligten veröffentlicht hat (das geht hervor aus „GrGndliche verle= || gung aller Sophisterey / so D. || Pfeffinger mit den andern Adiaphoristen / das || Leiptzigsche Jnterim zubesch=nen / || gebraucht. || Durch Matth. Fla. Jllyricum“ [Magdeburg: Christian Rödinger, 1551, VD 16 F 1411], Bl. C 1v (in der erweiterten Fassung VD 16 F 1410: Bl. C 2r). 84 Angesehener, Vornehmer. Vgl. Art. stattlich II.3.b), in: DWb 17, 1038f. 85 Meint „in“ hier tatsächlich „darin“ oder vielmehr „in bezug darauf“? Der „Gründliche Bericht“ ist enthalten in unserer Ausgabe Bd. 2, Nr. 6. 86 Vgl. die vorige Anmerkung; zum „Bedenken“ vgl. unsere Ausgabe Bd. 1, Nr. 1. 87 Veranlassung. Vgl. Art. beschaffung 2), in: Fnhd. Wb. 3, 1599. 78

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lich die lautere warheit, das die Adiaphoristen bißher von sich selbst wider das Jnterim gar nichts geschrieben, viel weniger haben drFcken lassen, sie mFgen sich jhres bestendigen streits rhFmen, so viel sie jmmer wollen. Derhalben, weil wir auff das aller klerlichste beweiset haben, das Maior ein lober vnnd stiffter ist des Leiptzigischen Jnterims, so folgt, das seine gantze defension88 vnnd entschFldigung dahinfellet89 vnnd das er mit recht von mir vnnd dem Ehrwirdigen Herrn Niclas von Amßdorff als ein Adiaphorist, Christi vnnd Belials vereiniger,90 beschFldigt ist [B 3r:] worden vnnd das er inn der warheit von der wahren Christlichen Religion ist abgefallen. Wil er aber nu widerumb zu recht kommen vnnd bey der vorigen Religion bleyben, bekennen vnd leyden mit den Christen, das wollen wir nit allein nit schelten, sondern auch loben, wie alle diejenigen, die vmb der Wittemberger hendel vnnd schrifften vergangener vier jar wissen, bekennen, das sie durch vnser schelten allgemehelich jhe mehr vnnd mehr von jhrem wancken widerumb zu der Confeßion gezogen sein. Aber gleichwol h=ren sie noch nit auff zu Adiaphorisirn. Denn erstlich, nachdem Osiander91 jtzt fast anderthalb jar mit seiner verfFrischen Lehr inn der Kirchen Gottes seinen mordt92 getrieben vnd seinen jrthumb mit jhren eignen zeugnissen verteidingt hat, so haben sie doch noch keine klare, gute schrifft wider jhn lassen außgehen, damit sie ja kein vngunst auff sich laden.93 Zum andern ist das Conciliabel94 nu so lang gestanden, noch haben sie nichts dawider auffgebracht, so doch bißher auch inn Welschlandt von dem Ehrwirdigen Herrn Bischoff Vergerio95 viel schrifften, Lateinisch vnd Welsch, wider das Concilium sind außgangen. Erstlich hetten die Theologen das Concilium recusirn96 vnnd dawider protestirn s=llen, so sie es nit fFr ein recht Concilium erkant haben, wie vor sechs jaren von den Protestirenden Stenden

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Verteidigung. zuschanden wird, gegenstandslos ist. Vgl. Art. hinfallen 2), in: DWb 10, 1429. 90 Vgl. II Kor 6,15. 91 Andreas Osiander. 92 schweres Verbrechen. Vgl. Art. Mord 10), in: DWb 12, 2534. 93 Osiander stand bei Herzog Albrecht von Preußen in hohem Ansehen, dieser hatte ihn an seine Universität Königsberg berufen. 94 Konzilchen, verächtlich gesagt von einem kleinen, nicht rechtmäßigen Konzil; hier auf das Trienter Konzil gemünzt. Vgl. Art. conciliabulum, in: Sleumer, 228[a]. 95 Pietro Paolo Vergerio, nach Jurastudium in Padua 1533 päpstlicher Nuntius in Wien, warb 1535 als Legat Pauls III. für die Einberufung des Trienter Konzils, 1536 wurde er zunächst Bischof von Modruš (Kroatien), dann von seiner Heimatstadt Capodistria (Koper, Slowenien) ernannt, 1549 floh er vor der venezianischen Inquisition in die Schweiz, 1550–1553 wirkte er als reformierter Pfarrer in Vicosoprano im Bergell, evangelisierte im Engadin und Veltlin, verfasste zahlreiche Streitschriften, 1553 trat er in den Dienst des Herzogs Christoph v. Württemberg und starb 1565 in Tübingen. Vgl. Emidio Campi, Art. Vergerio, in: RGG4 8 (2005), 1006. 96 abweisen, Einspruch einlegen. Vgl. Art. recusare, in: Hergemöller, Promptuarium, 241[b]; Art. recuso, in: Sleumer, 661[b]. 89

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geschehen ist,97 von welcher Recusation vnnd Protestation die Adiaphoristen mit sFnden vnd schanden weichen, oder weil sie ja den Babst vnd seine Bisschoffe durch [B 3v:] jr Leiptzigische Jnterim zu vnstrefflichen Hirten Gottes gemacht, so solten sie dasselb Concilium bey zeit besucht vnd daselbst vrsach jrer Religion, wie sie vorgeben, angezeigt vnd verteidingt haben. Nu aber haben sie deren keines gethan, vnnd so nu schier alles verricht vnd beschlossen ist, so wollen sie allererst hinziehen, damit ja jemandt sey, den dasselb Bebstliche Concilium verdammen k=nne. Jst Maior nit ein vnuerschempter wescher,98 das er solche rechnung darff machen: Wenn wir auff das Concilium ziehen, so wird Jllyricus so sagen, ziehen wir aber nit, so wird er vns abermals schmehen. So ich doch in der Praefation vber das Leiptzigische Jnterim vorlengst =ffentlich vnd klerlich bezeuget habe, das man dieselb versamlung nit fFr ein solch Concilium erkennen sol, das vns die Christliche Kirche, die Rechte, die Monarchen vnd zusag des gantzen Reiches beschreiben vnnd das man derhalben dahin nit ziehen, sondern dauon protestirn sol.99 Darumb schmehet er mich wider sein eigen gewissen, sintemal meine meinung lang =ffentlich ist außgangen. Das er sagt, man berFchtige100 jhn jtzund, als fFrchte er seiner haut vnd wolle derhalben neben andern nit hinziehen – Was kan ich dawider, es mag villeicht nit fast gelogen sein? Denn wenn seine meinung gewest were, das man nit solte hinziehen, so hette er sie als ein solcher grosser Doctor vnnd Theologus im anfang den vngelerten er=ffen vnnd anzeigen sollen. Des Babsts Conciliabel hat sich jtziger zeit so lang beratschlagt vnd gerFst, die Christliche Kirch [B 4r:] vnd warheit zu uerdrFcken,101 noch ist niemand, der sich jhm etwas widersetzte oder doch ein wenig bekFmmert sey, wie die warheit erhalten werde. Jch sampt andern guten freunden hab etwas dawider geret vnd die Recusationschrifft der Protestirenden mit vnser Vorrede drFcken lassen.102

97 Vgl. REcusationschrifft / in | welcher alle protestierende Religions vnd | Ainungsverwandte Stende / Rechtmessi= | ge vnnd ergründete vrsach anzaigen / wa= | rumb jre Chur vnd F. G. vnd sy / das vermaint / von | Bapst Paulo dem dritten / zG Trient / angesetzt | Concilium zGbesGchen / nit schuldig / noch auch | dasselbe / dem Bapst / des orts / vber die | auffgerichte Reichsabschid / vnd be- | schehenen vertr=stungen / anzG- | stellen gebürt habe. | Jetzt erstmals in truck geben. | M. D. XLVI. [Augsburg: Otmar] 54 S. 4° (VD 16 E 4640). 98 (böswilliger) Schwätzer. Vgl. Art. Wäscher 3.b), in: DWb 27, 2248f. 99 Flacius hat sich mehrfach gegen das päpstliche Konzil ausgesprochen, vgl. etwa unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 4 (von Flacius und Gallus kommentierte Ausgabe des Leipziger Interims), S. 399, 13–15. 100 verleumde. Vgl. Art. berüchtigen 2), in: Fnhd. Wb. 3, 1541. 101 unterdrücken. Vgl. Art. verdrücken 3), in: DWb 25, 253f. 102 Recusationschrifft || der Christlichen Augspurgischen || Confeßions verwandten Stende / wider || das vermeint / von Bapst Paulo dem dritten / weiland zu || Trient indicirt vnd angefangen Concilium / sampt einer || gebFrlichen Prouocation vnnd erbietung / auff ein allge= || mein oder National / frey / Christlich vnnd vn= || parteisch Concilium inn Deudt= || schen Landen. || Mit einer Vorrede Math. Fla. Illyr. vnd Nicolai Galli. [...] [Im Kolophon: Zu NFrnberg im 1546. Jar zuuorn || ausgangen / vnd itzt wider nachge= || druckt / durch Michael Lotther / zu Magdeburg. Anno || 1551.] 44 S. 4°

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Den Adiaphoristen ist es ein lautter schertz, jtzt wollen sie, jtzt wollen sie nit, jtzt sagen sie ja, jtzt nein. Bettet, liebe Christen vnnd alle, die jr Christum liebet vnnd den Antichrist verfluchet! Denn fFrwar, fFrwar, es ist viel gr=ssere gefahr fFrhanden, denn viel sichere geister gedencken. Der Herr Jhesus wolle seiner armen, elenden Kirchen beystehen! Zum dritten haben die Adiaphoristen nu schier vor einem jar, weis nit was fFr ein G=tliche Confession vnnd bekentnis geschrieben, darin sie, wie man sagt, auch den Luther selbs mit bestendigkeit vbertreffen wollten. Da haben sie viel Pfarherrn vnnd Lehrer versamlet, das sie dasselb heilig Buch anh=ren, vnterschreiben vnnd forthin daran gleuben solten. Wanne,103 lieben kinder, was wil da werden, die Berge gewinnen104 grosse beuche vnnd wollen jungen!105 Was haben sie denn junges? ein Maus,106 ein auricularem confessionem,107 wolt ich sagen, oder ein vnbekante bekentnis. Doch were es gut, das man doch vrsach h=ren m=cht, worumb solches bekentnis nit publicirt wird. Jch warlich kan nichts gewisses anzeigen, h=re aber gleichwol von vielen glaubwirdigen Leuten, [B 4v:] das dis sol die vrsach sein, das die Bisschoffe solches nit leiden wollen, sondern sagen, die Adiaphoristen haben keine macht, solche Confession von wegen der Kirchen zu schreiben, die Pfarrherrn zu uersamlen vnnd inn summa solche schrifft drFcken zu lassen, weil sie jhnen nu den gewalt durchs Leiptzigische Jnterim oder seinen beschlus wider vbergeben haben. Jst das wahr, so hat vns Maior sampt seinen gesellen sch=ne Deformationes108 gemacht vnnd ein sch=ne Adiaphoristerey geiunget. Jsts aber nit war, so werden sie ja (mein ich) der sach einmal abhelffen vnd, vornemlich so keine gefahr mehr fFrhanden, solche Confession an tag geben. Es ist auch wol zu mercken in seiner antwort, das er acht stFck setzt, darauff er antworten will, vnnd antwortet doch auff das siebend schier nichts, ich kan warlich nit sehen, worzu er ja oder nein sagt.109 Auff das acht antwortet er gar nichts, zeigt ohn zweiffel damit an, das er nichts darauff antworten k=nne vnnd vns derhalben b=ßlich belogen110 hab, das er sagt, wir trachten den Adiaphoristen nach dem leben vnnd sein derhalben m=rder vnd werden vom Teuffel getrieben.111 (VD 16 E 4646). Flacius und Gallus brachten den Text (vgl. Anm. 97) kommentiert erneut zum Druck, anlässlich des Beginns der zweiten Trienter Tagungsperiode des Konzils. 103 Ei! (Ausdruck der Verwunderung, auch der Besorgnis, hier ironisch). Vgl. Art. wanne interjection 3), in: DWb 27, 1895f. 104 bekommen. Vgl. Art. gewinnen I.4.a.γ.2), in: DWb 6, 5968. 105 gebären. Vgl. Art. jungen 2), in: DWb 10, 2378f. 106 Vgl. Horaz, De arte poetica 139: Parturient montes, nascetur ridiculus mus. 107 confessio auricularis = Ohrenbeichte, ein Bekenntnis, das im Geheimen abgelegt wird, unter dem Siegel der Verschwiegenheit. 108 Entstellungen, im Unterschied zu positiv bewerteten reformationes. 109 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 1, S. 44,1–7 (Bl. E 1r). 110 mit Lügen verleumdet. Vgl. Art. ²beliegen 2), in: Fnhd. Wb. 3, 1226. 111 Zu den Vorwürfen vgl. unsere Ausgabe Nr. 1, S. 29,4–7 (Bl. A 4v).

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Es ist aber ein wFnderlich ding, das Maior sagt, er hab in die Adiaphoristerey nit gewilligt, vnd verteidingt sie gleichwol inn dieser schrifft auffs hefftigst. Jtem, er verteidingt auch die rede, die die Adiaphoristen nach verwerffung des w=rtleins ‚Sola‘ den Papisten zu gefallen gesetzt haben, nemlich: „Gute werck sind n=tig zur seligkeit“. Es ist aber gewis, das diese rede, so man sagt: „Das ist zu diesem oder jenem [C 1r:] werck oder sachen n=tig,“ eben so viel bedeutet, als wenn man sagte: „Dis ist ein vrsach, oder durch dis oder jenes werck richtet man dis oder das aus.“ Darumb, wenn sie den Papisten zu gefallen, in jhrem Jnterim nit sagen, der glaub allein, sondern die werck sind auch n=tig zur seligkeit, so ists eben so viel, als wenn sie sagten: „Wir werden auch durch die werck selig.“ Es wird auch das w=rtlein ‚Sola‘ allein darumb von jhnen verworffen, auff das diese rede – „Gute werck sind auch zur seligkeit n=tig“ – solchen verstandt haben k=nne. Jch wil aber die deutung dieser rede fahren lassen, sintemal Maior wider zu JFterbach noch zu Leiptzig gewesen, da das Leiptzigische Jnterim er=ffnet ist, sondern nur zur Zelle, da es gemacht ist worden,112 darumb ist er gantz vnschFldig, vnd wil jtzund nur dauon sagen, das Maior setzt: „Gute werck sind zur seligkeit n=tig, vnnd niemand wird selig ohn gute werck“, er mag diese sprFch verstehen, auff welche meinung er wil. Sind nu die guten werck zur seligkeit n=tig vnnd ist nit mFglich, das jemand ohn sie selig werde (damit ich den Leser nit lang auffhalte), so sage an, D. Maior, wie wil der selig werden, der all sein leben lang bis auff den letzten adem sFndlich gelebt hat vnnd nu, so er jtzt sterben sol, Christum gern ergreiffen wolt, wie vielen auff dem todbet vnnd am Galgen geschiehet? Wie wil Maior nu solchen armen sFnder oder sFnderin tr=sten? Vmb Gottes willen, ist das nit ein verfluchte, Gottlose lehr vnd den gewissen verterblich? Es ist wol recht, das man zu dem sFnder nach der Absolution sagt: „Gehe hin vnd sFndige nit mehr,“113 [C 1v:] jtem „Thu rechtschaffene frucht der Bus,“114 jtem „Lasset ewer gute werck leuchten“115 etc. Wenn wil aber einer n=tige frucht oder gute werck bringen, die zur seligkeit n=tig sind, der jtzt dahinfehret116 vnnd stirbet? Aus dieser Maiorischen Lehr wird der sterbende in der anfechtung seinem tr=ster vorwerffen: „Maior, der grosse Theologus, schreibt vnd lehret auff das aller ernstlichste, es k=nne niemand selig werden on gute werck, vnnd gute werck sind gantz n=tig zur seligkeit. Darumb bin ich verdampt, denn ich hab bißher nie keine gute werck gethan.“ Hie wird Maior sagen: „Thu sie hernachmals!“ Wird der arme Mensch antworten (wie die werckheiligen pflegen): „Ja, wenn ich lenger leben m=cht, das ich solche werck, die zur seligkeit von n=ten sind, thun k=nte; aber nu sterbe ich.“ So 112 113 114 115 116

Vgl. oben Anm. 78 (Jüterbog), Anm. 79 (Leipzig) und Anm. 80 (Altzella). Joh 8,11. Vgl. Mt 3,8. Vgl. Mt 5,16. stirbt.

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wird auch der Teuffel den armen gewissen weiter fFrwerffen, das Esaias sagt, alle vnsere gute werck sind wie ein vnrein tuch,117 vnnd das D. Luther sagt, kein gut werck ist ohn sFnd.118 Wo sind denn deine gute werck, zur seligkeit n=tig? D. Luther Christlicher gedechtnis, als einer, der viel schwere anfechtung gehabt, sagt offtmals sehr fein, der Teuffel k=nne vns vnsere gute werck leichtlich zu wasser machen.119 Aber Maior redet (wie D. Martinus pflegte zu sagen) wie ein guter vnuersuchter Theologus vnd zungendrescher.120 Es wird auch Maior weiter sagen vnd rechnen mFssen, wie viel loth121 oder pfunt guter werck einer am wenigsten122 haben mFsse zur seligkeit. Er wird dem SFnder auch ein gewisse stunde bestimmen mFssen, darin er hat angefangen, gute werck zu thun, damit er gewis sey, das er etliche gute werck habe. [C 2r:] Darnach werden wir widerumb auff die alten stricke der gewissen kommen. Was wil dieser grosse Theologus hiezu sagen, der auch die Engel im Himel, so sie es nit mit jhm halten, verbannet?123 Jst dis nit ein grosse vergessenheit, ja ein Gottloser jrthumb von solchem allergr=sten Adiaphoristen, der Christum mit dem Antichrist vereinigen124 vnnd zweyen Herrn zu gleich dienen125 kan? Er hat neulich zu Eißleben vber einen frommen Prediger, der solchen jrthumb straffte,126 geschrien: „Solche Prediger solten Eseltreiber oder zungendrescher werden!“ – ja freilich taug Maior viel besser dazu denn zu einem bestendigen, vngeizigen vnnd vnstrefflichen Christlichen Prediger. Hie wird er bald schreien, wenn er nichts hie wider kan auffbringen, Jllyricus sey ein lesterer, deute jhm seine wort vnrecht. Jch sag aber, das ich von keiner lesterung noch falschen deutung weis, seine wort lauten hell vnnd klar „die guten werck sind so n=tig zur seligkeit, das es vnmFglich ist, das einer on sie solte selig werden.“127 Jst das war, so begehren die armen SFnder am todtbet vergeblich vergebung der sFnden vnnd die Absolution, denn sie haben zuuor keine gute werck gethan, haben zuuor b=ßlich gelebt vnnd

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Vgl. Jes 64,5. Vgl. Luther, WA 1, 227,35f: „Omne opus legis sine gratia dei foris apparet bonum, sed intus est peccatum“ (Disputatio contra scholasticam theologiam, 1517, These 79); WA 1, 353,19f: „Opera hominum ut semper sint speciosa bonaque videantur, probabile tamen est ea esse peccata mortalia“ (Heidelberger Disputation, 1518, These 3). 119 Bislang nicht nachgewiesen. 120 (böswilliger, hinterhältiger) Schwätzer, einer, der ohne wirkliche eigene Erfahrung daherredet. Vgl. Art. Zungendrescher, in: DWb 32, 610– 612. 121 Eine Gewichtseinheit von etwa 15g, der zweiunddreißigste Teil eines Pfundes. 122 zumindest. 123 mit dem Bann belegt, vgl. Gal 1,8 und unsere Ausgabe Nr. 1, S. 36,13f (Bl. C 2r). 124 Vgl. II Kor 6,15. 125 Vgl. Mt 6,24. 126 solche Irrlehre tadelte. Vgl. Art. Irrthum 4), in: DWb 10, 2177; Art. strafen 5.a), in: DWb 19, 712–715. 127 Vgl. oben Nr. 1, S. 36,25 (Bl. C 2r). 118

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k=nnen hinfort keine gute werck thun, denn jtzt liegen sie vnnd ringen mit dem tode. Es ist aber sehr schwerlich mit den Adiaphoristen zu disputirn, denn jtzt sagen sie ja, jtzt nein, schier128 schreien sie, sie wissen nichts von keinem Jnterim,129 haben den widersachern nichts nachgegeben, [C 2v:] ja sie rhFmen, wie sie bißher noch nichts geendert haben; balt widerumb wollen sie die Leut mit gewalt vberreden, das sie im Leiptzigischen Jnterim ein k=stliche Reformation, gleichf=rmigkeit der Kirchen vnnd zucht auffgericht haben. Zu zeiten bekennen sie, es sey ein schwerer dienst inn der Adiaphoristerey. Jtem die GottfFrchtigen werden dadurch geschwecht, betrFbt vnnd in zweiffel gefFrt, die Gottlosen aber gesterckt. Aber gleichwol sol man solchen vnrath130 lieber leiden, denn vrsach geben zu gr=sserm vnglFck, dadurch die Kirche gar vmbgekert wFrde. Vermanen derhalben jederman, solche verenderungen anzunehmen. Also sind sie gleich wie Meister hemmerlein131 vnd der Protheus,132 verwandeln sich schier133 alle augenblick, das also, wo man sie angreifft, so behelt man das beschissen ende in der handt. Also verteidingt vnnd lobt Maior in seinem grFndlichen bericht134 auffs aller vleissigst das Leiptzigische Jnterim, als sey es ein sehr k=stliche Reformation; hie aber sagt er, er habe nit in dasselb Jnterim gewilligt vnnd sey derhalben vnschFldig, ja er ist so vnuerschempt, das er frey rhFmen darff, er hab das Leiptzigische Jnterim nie gar gesehen, so ich doch etliche Leut nennen kan, den er dasselb Jnterim als ein new heilig Euangelium mitgetheilet hat. Sie mFgen sich aber verwandeln vnnd mFgens so kraus machen, als sie jmmermehr wollen, so haben wir diese schlipfferige135 Protheos vnd hinckende Empusas136 ergriffen. Denn es ist bißher von vielen mit warheit vnnd gewaltiglich137 beweyset, das die [C 3r:] Adiaphoristen (vnter welchen auch Maior ist) nit allein das Leiptzigische Jnterim gemacht, sondern auch sehr grosse vrsach gegeben zum Augspurgischen Jnterim138 vnnd dieselben newen Deformationes vnd newerungen der Kirchen allenthalben durch gantz Deudschlant mit jhren schrifften vnnd ansehen gefordert haben. Es ist auch beweist

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bald. Vgl. Art. schier adj. [I] II.1.e), in: DWb 15, 23. doppelte Verneinung zur Verstärkung der Negation. 130 Missstand, Verdrießlichkeit. Vgl. Art. Unrat 2.b), in: DWb 24, 1233. 131 Bezeichnung für den Teufel (vom hammerschwingenden germanischen Gott Donar/Thor abgeleitet). Vgl. Art. Hämmerlein 2), in: DWb 10, 317. 132 Vgl. Homer, Odyssee IV, 417f, 456–458: Der greise ägyptische Meergott Proteus kann sich in alle möglichen Gestalten verwandeln, um sich menschlichem Zugriff zu entziehen. 133 beinahe. Vgl. Art. schier adj. [I] II.2.a), in: DWb 15, 23. 134 Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 6. 135 schlüpfrigen, aalglatten. Vgl. Art. schlipferig 2), in : DWb 15, 747. 136 Empusa heißt ein wandlungsfähiges weibliches Schreckgespenst der griechischen Komödie, mit einem Eselsfuß. Vgl. Dietrich Wachsmuth, Art. Empusa, in: KP 5 (1975), 1597f. 137 eindringlich, nachdrücklich. Vgl. Art. gewaltiglich 1.c.β.2.b), in: DWb 6, 5191. 138 Möglicherweise denkt Flacius hier an die Mitwirkung Johann Agricolas bei der Formulierung des Augsburger Interims. 129

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aus der schrifft, aus der erfahrung vnnd aus der Adiaphoristen eignen schrifften vnnd worten, das vielfeltige Gottlosigkeit im Leiptzigischen Jnterim vnd in der Adiaphoristerey begriffen ist. Es ist fFrwar wunder vber wunder, das Maior durch eine =ffentliche schrifft fFrgeben darff, er hab mit der Adiaphoristerey nichts zu schaffen, so er doch bis auff den heutigen tag in seinem newen Bisthumb139 (wie ich h=re) die Adiaphoristerey fast in allen predigten verteidingt vnnd schreiet, es sey nur ein weis kleid,140 vnd Euangelisiret dasselb weis kleid ohn vnterlas, das er billich ein Apostel des Chorrocks mag genennet werden. Man kan aber wol dencken, worumb die listigen Leut solche Leut fordern, nemlich das sie durch solche wescher141 das volck zubereiten zu den kFnfftigen verenderungen des Concilij, welches auch im Merßburgischen vnnd Naumburgischen Bisthumb durch etliche gebetlein geschicht vnnd zu Magdeburgk auch ist versucht worden. Es ist sehr schwer, den wagen fort rFcken, weil142 er noch im kot143 steckt, wenn er aber einmal aus dem sumpff gebracht ist, so kan man jhn darnach desto besser fort rFcken. [C 3v:] Jtzt, h=re ich, wird das Babstthumbc abermal in der Marck vnter dem schein der Adiaphora fFrgesetzt144 vnnd die Christlichen Prediger vertrieben; hieran sind die Adiaphoristen gantz vnschFldig. Aber ich wils hie bleiben lassen, weil D. Geitz gar auff kein Argument meines BFchleins, das ich am nechsten145 wider jhn hab außgehen lassen,146 geantwortet hat, sondern nur ein hauffen schmehew=rter zusamentregt, damit er doch gar nichts beweist. Der Herr Jhesus, der da kommen ist, das er die werck des Teuffels zust=re,147 wolle aller betriegerey der alten Schlangen,148 des Antichrists, Tirannen vnd allen andern, die dem Antichrist, waserley gestalt solches sein mag,149 anhangen, widerstehen vnnd den seinen einen Christlichen friede, klugheit vnd gnedige erl=sung geben von allem vbel. Amen.

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Im Druck: Bastthumb.

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Superintendentur Eisleben. nämlich der Chorrock (vgl. den Titel der Schrift). 141 Schwätzer. Vgl. Art. Wäscher 3.a), in: DWb 27, 2246–2249. 142 solange. Vgl. Art. weil I.B.1.a), in: DWb 28, 764f. 143 Dreck. Vgl. Art. Koth, m. II.3.c), in: DWb 11, 1893. 144 vorgeschrieben, angeordnet. Vgl. Art. fürsetzen 10), in: DWb 4, 814. 145 kürzlich, vor kurzem. Vgl. Art. nah A.III.4.d.δ), in: DWb 13, 281. 146 Zu denken wäre an: RESPON= || SIO M. F. JLLYRICI AD || maledicta D. Ga. Maioris, Maxi= || mi, Christi & Belial seu Antichristi || conciliatoris, & nouorum Jn= || terim propugnatoris. [Magdeburg: Michael Lotter, 1552] (VD 16 F 1260) oder: Antwort Matth. Fl. || Jllyr. || auff etliche BeschFldigung D. Gei. Maiors / vnd D. Pommers [Magdeburg: Christian Rödinger, um 1551] (VD 16 F 1259). 147 Vgl. I Joh 3,8. 148 Vgl. Apk 12,9; 20,2. 149 in welcher Weise auch immer. 140

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Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: 183.12 Theol.(9)

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Auff des Herrn D. Maiors verantwortung vnd De= claration der Leiptzigischen Pro= position / wie gute werck zur selig= keit n=tig sind / zum zeugnis seiner vnschult / das er mit der Leiptzi= gischen handlung nichts zu thun habe. Antwort. Nicolai Galli. Galat. ij. Da etliche falsche Brüder / sich mit eingedrun= gen / vnd neben eingeschlichen waren / zuuerkundscha= ffen vnser freyheit / die wir haben in Christo Jhesu / das sie vns gefangen nemen / wichen wir denselbigen nit eine stunde / vnterthan zu sein / auff das die warheit des Euangelij bey euch bestFnde. Basel. Anno 1552.

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Nr. 4: Antwort auf des Herrn D. Majors Verantwortung (1552) – Einleitung

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Einleitung 1. Historische Einleitung

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Wie die unter Nr. 2 und Nr. 3 edierten Texte von Nikolaus von Amsdorf und Matthias Flacius Illyricus, so gehört auch der hier vorliegende Text von Nikolaus Gallus zu den Schriften, von denen Georg Major mitteilt, sie seien mit fingiertem Druckort Basel „in den Hundstagen“ 1552 gegen ihn veröffentlicht worden.1 Auch dieser Text zielt gegen die Ausführungen Majors in seiner „Antwort auf des Ehrwürdigen Herren Nikolaus von Amsdorfs Schrift“,2 insbesondere gegen die Spitzenaussage, gute Werke seien zur Seligkeit nötig. Nikolaus Gallus berücksichtigt außerdem zwei weitere Veröffentlichungen Majors, die erst nach Abfassung der Gegenschriften von Amsdorf und Flacius erschienen waren: Die Predigt über Joh 1,29, die er am 23. Dezember 1551 in Eisleben gehalten hat,3 und zwei Predigten über Joh 1,1–14 mit einer Vorrede an den Rat zu Nordhausen,4 in der Major gegen seinen dortigen Opponenten Anton Otho5 stänkert. 2. Der Autor

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1516 in Köthen geboren als Sohn des fürstlich-anhaltischen Rats und Bürgermeisters Petrus Hahn und dessen Ehefrau Anna, bezog Nikolaus Gallus im Juni 1530 die Universität Wittenberg, wo er 1537 zum Magister artium promoviert wurde. Am 24. Januar 1540 beendete er seine theologischen Studien mit einer Disputation über die Erbsünde. Nach etwa dreijähriger Tätigkeit als Rektor der Stadtschule in Mansfeld wurde Gallus am 11. April 1543 1

Vgl. unsere Ausgabe Nr. 5, S. 139,1–5 (Bl. A 3r): „... es wissen E. W. vnd G., das inn den jetzt verschienen Hundtstagen drey geschwinde schrifft von den Magdeburgischen Scribenten aus dem erdichten Basel im drucke wieder mich offentlichen ausgegangen. Darinnen ich von jnen auffs h=chste geschendet vnnd geschmehet ...“ Gegen Ende nennt er dann auch ausdrücklich Namen: „... da frage ich Amsdorff, Gallum vnd Jllyricum selbs umb, ob jhr glaube also scheine vnd leuchte ...“ (unsere Ausgabe Nr. 5, S. 277,32f; Bl. k 2v). Zu möglichen Hintergründen für die Camouflage des Druckortes vgl. unsere Ausgabe, Nr. 2, Einleitung, S. 49f. 2 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 1. 3 VD 16 M 2130: Eine Predigte || vber den herrlichen || vnd tr=stlichen Spruch || Johannis j. || Sihe / das ist Gottes || Lamb / welches der Welt || SFnde tregt. || Mitwoch nach Thome zu || Eisleben 1 5 5 1. || Durch D. Georg Major. || Wittenberg. || M. D. LII. [Im Kolophon: Gedruckt zu Wittenberg / || Durch Peter Seitzen || Erben.]. (Der 21. Dezember fiel 1551 auf einen Montag.) 4 VD 16 M 2214: Zwo Predig || vber das Euangelium / || Johann. j. Jm anfang was das || Wort / vnd das Wort war || bey Gott / vnd Gott war || das Wort etc. || Durch || D. Georg. Maior. || Mit einer Vorrede an || ein Erbarn Radt / vnd Christ= || liche gemeine der l=blichen || Stadt Northausen. || Gedruckt zu Wittemberg / || Durch Veit Creutzer. || 1552. 5 Otho, geboren um 1505 in Herzberg, angeblich gelernter Küfer, bekleidete nach Studien in Wittenberg eine Pfarrstelle in Gräfenhainichen, von 1543 bis 1568 amtierte er als Pastor primarius an St. Nicolai in Nordhausen, ehe er dort als Flacianer entlassen wurde. Anschließend finden wir ihn in Buttstädt bei Weimar, ab 1574 soll er Hausprediger der Familie vom Hagen in Deuna (Eichsfeld) gewesen sein, ab 1579 Pfarrer in Stöckey. Sein Sterbejahr ist unbekannt (1588?). Vgl. Koch, Otho. [Karl Schrödl, Art. Otto, Anton, in: WWKL² 9 (1895), 1187f, nennt als erste Pfarrstelle Othos Gräfenthal (Thüringen)].

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von Johannes Bugenhagen in Wittenberg ordiniert, ehe er im Mai seinen Dienst als Diakon in Regensburg antrat. Zur gleichen Zeit übernahm Hieronymus Noppus dort das Amt des Superintendenten, und beide betrieben bis 1548 den Aufbau des evangelischen Kirchenwesens. Sie sprachen sich vehement gegen die Annahme des Augsburger Interims aus und unterstützten den Rat der Stadt mit Gutachten und Stellungnahmen, konnten aber nicht verhindern, dass der Rat unter dem Druck der militärischen Macht des Kaisers dessen Ultimatum nachgab und das Interim schließlich am 30. Juni bedingungslos annahm. Darauf verließen die evangelischen Prediger am 1. Juli 1548 die Stadt. Ehe er im November 1548 nach Wittenberg übersiedeln konnte, hielt sich Gallus unter anderem in Nürnberg, Köthen, Halle, Magdeburg und Leipzig auf, blieb währenddessen allerdings in enger brieflicher Verbindung mit seiner Regensburger Gemeinde, insbesondere über den Regensburger Ratskonsulenten Johann Hiltner.6 In Wittenberg vertrat Gallus den schwer erkrankten Schlossprediger Caspar Cruciger und führte nach dessen Tod den Predigtauftrag zunächst weiter, außerdem hielt er Vorlesungen an der Universität.7 Eine Rückkehr nach Regensburg war für Gallus auf absehbare Zeit ausgeschlossen, nachdem der Kaiser ein entsprechendes Ansuchen des Rats abschlägig beschieden hatte.8 Im Oktober 1549 erging an ihn eine Berufung aus dem geächteten und von Belagerung bedrohten Magdeburg, und Gallus verpflichtete sich zunächst für ein Jahr als Pfarrer an der dortigen Ulrichskirche; die damit üblicherweise verbundene Superintendentenwürde schlug er allerdings aus.9 Zunehmend enttäuscht von der allzu kompromissbereiten Position seines Lehrers Melanchthon und der übrigen Wittenberger Theologen, übersiedelte Gallus mit seiner Familie am 11. November 1549 nach Magdeburg, ins Zentrum des Widerstandes gegen das kaiserliche Interim. Nachdem Gallus wohl bereits im August 1548 sein antiinterimistisches Gutachten anonym in Magdeburg veröffentlicht hatte,10 intensivierte er nun den publizistischen Kampf für die Erhaltung des unverfälschten Evangeliums an der Seite von Matthias Flacius, Erasmus Alber, Nikolaus von Amsdorf und anderen. Auch als der Passauer Vertrag es Gallus ermöglichte, 1553 nach Regensburg zurückzukehren, wo er bis zu seinem Tod am 17. Juni 157011 das Superinten6

Der Regensburger Rat hatte den Predigern nicht nur empfehlende Zeugnisse mitgegeben, sondern ließ ihnen auch ihr Gehalt zugehen, mit der Maßgabe, ohne Rücksprache mit dem Rat keine dauerhafte Verpflichtung anderwärts einzugehen, unbeschadet vorübergehender Vertretungsdienste etc.; vgl. Voit, Gallus, 92–96, 110f. Dr. jur. Johann Hiltner war von 1523 bis 1567 als Ratskonsulent in Regensburg tätig und von außerordentlicher Bedeutung auch für die kirchliche Entwicklung der Stadt, bereits 1525 hatte er mit Luther wegen eines evangelischen Predigers verhandelt; vgl. Voit, Gallus, 32, Anm. 1. 7 Vgl. Voit, Gallus, 117f. 8 Vgl. Voit, Gallus, 109f. 9 Vgl. Voit, Gallus, 120 mit Anm. 1. 10 Vgl. unsere Ausgabe Bd. 1, Nr. 4: Einer christlichen Stadt untertänige Antwort (1548). Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vgl. die Hinweise in unserer Ausgabe Bd. 2, S. 360, Anm. 20. 11 Gallus starb in Bad Liebenzell; vgl. Voit, Gallus, 24, Anm. 1.

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dentenamt bekleidete, blieb er Flacius freundschaftlich verbunden.12 Gallus beteiligte sich auch am Osiandrischen Streit.13 Er unterstützte Flacius im Kampf gegen Schwenckfeld um die Geltung des äußeren Schriftsinns. In der Erbsündenfrage allerdings stimmte er nicht mit ihm überein.14 3. Inhalt

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Nikolaus Gallus reiht sich mit seiner „Antwort auf des Herrn D. Maiors Verantwortung“ ein in die Phalanx der Magdeburger Autoren Amsdorf und Flacius; auch er wendet sich gegen Majors These, gute Werke seien nötig zur Seligkeit. Pflichtwidrig hätten Major und dessen Gesinnungsgenossen am Augsburger wie am Leipziger Interim mitgewirkt; sie hätten die Einführung liturgischer und lehrmäßiger Neuerungen bzw. das Aufleben längst beseitigter papistischer Irrtümer begünstigt, statt ihrer Berufung gemäß mit allem Nachdruck zu widerstehen. Nun sei es an der Zeit, diesen Fehler zu korrigieren. Mit Rücksicht auf das Ansehen der Gegner fordert Gallus keinen förmlichen, öffentlichen Widerruf von ihnen. Nötig sei allerdings eine klare Distanzierung von den interimistischen Irrlehren, um Schaden von der Kirche abzuwenden. Major jedoch greife stattdessen eine zentrale Botschaft des Interims auf und verteidige sie vehement. Er beabsichtige anscheinend, gegen einen libertinistischen Missbrauch der evangelischen Freiheit anzugehen und das Bemühen um einen frommen Lebenswandel zu fördern. Diese an sich gute Absicht dürfe aber nicht mit einer Verfälschung des Evangeliums erreicht werden, wie sie Majors Grundthese darstelle. Theologisch sei auch nicht wirklich etwas gewonnen, wenn er in seiner kurz zuvor veröffentlichten Predigt über Joh 1,2915 folgende modifizierte Variante biete: Zwar seien gute Werke zur Erlangung der Seligkeit tatsächlich nicht nötig, wohl aber seien sie nötig, um die Seligkeit auf Dauer zu behalten und nicht wieder zu verlieren. Auch diese These bleibe schriftwidrig und für angefochtene Gewissen gefährlich, denn das Vertrauen auf das Verdienst Christi werde dadurch untergraben. Die Gefahr einer libertinistischen Missdeutung der evangelischen Freiheit durch einige Zuhörer bestehe immer; dies dürfe aber kein Anlass sein, die Lehre zu verändern. Die Predigt von Buße und Vergebung gehöre untrennbar zusammen. Wer nach der Bekehrung in Sünde falle, müsse zur Besserung ermahnt und schlimmstenfalls aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Um eine angemessene Kirchenzucht habe man sich auf Seiten der Gegner Majors immer bemüht, aber selbst bei den Aposteln sei mitunter der gewünschte Erfolg ihrer Ermahnungen ausgeblieben. Die The-

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So fand Flacius auch in den Jahren 1562–1566 mit seiner Familie Aufnahme in Regensburg. Vgl. Preger, Flacius II, 228 –284. 13 Vgl. unsere Ausgabe Bd. 7. 14 Vgl. Gerhard Simon, Art. Gallus, in: TRE 12 (1984), 21–23. 15 Vgl. oben Anm. 3.

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se, gute Werke gehörten zur Seligkeit, sei günstigstenfalls so zu verstehen, dass die guten Werke unvermeidlich seien. Die Aussage sei aber gefährlich, weil die Zuhörer von Natur aus geneigt seien, sie im Sinne eines vorzuweisenden Verdienstes und einer zu erbringenden (Vor-)Leistung aufzufassen. Dadurch werde aber die frohe Botschaft verfälscht. Indem man sich auf eine solch missverständliche Redeweise einlasse, verleugne man zudem das Evangelium gegenüber den Anhängern der papistischen Irrtümer.

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4. Ausgaben Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe: A: Auff des Herrn D. || Maiors verantwortung vnd De= || claration der Leiptzigischen Pro= || position / wie gute werck zur selig= || keit n=tig sind / zum zeugnis seiner || vnschult / das er mit der Leiptzi= || gischen handlung nichts zu || thun habe. || Antwort. || Nicolai Galli. || Galat. ij. || Da etliche falsche BrFder / sich mit eingedrun= || gen / vnd neben eingeschlichen waren / zuuerkundscha= || ffen vnser freyheit / die wir haben in Christo Jhesu / || das sie vns gefangen nemen / wichen wir denselbigen || nit eine stunde / vnterthan zu sein / auff das die warheit || des Euangelij bey euch bestFnde. || Basel. [Magdeburg: Michael Lotter] || Anno 1552. [20] Bl. 4° (VD 16 G 255).

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Vorhanden: BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 7 in: Dg 2 R ERFURT, Universitätsbibliothek, Depositum Erfurt (ehemals Stadt- und Regionalbibliothek): 10 an Hs 196; 7 an T.pol.4 11 GOTHA, Forschungsbibliothek: Th 1582(19); Theol.4 210c(9) HALLE, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: Vg 1308,QK JENA, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 4 Theol. XLIII,6(18a); 8 MS 25 494(13) LEIPZIG, Universitätsbibliothek: 57-4413/9 LUTHERSTADT WITTENBERG, Bibliothek des Lutherhauses: Ag 4 281c MÜNCHEN, Bayerische Staatsbibliothek: 4 Polem. 1317; Res/4 Dogm.413# Beibd.8 WEIMAR, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Aut.ben.Aut.Gallus(3) WIEN, Österreichische Nationalbibliothek: 20.Dd.216 WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 183.12 Theol.(9) [benutztes Exemplar]; 327.4 Theol.(5); 511.32 Theol.(16); Alv Ef 104(14)

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[A 2r:] Maior inn seiner antwort1 auff des Ehrnwirdigen Herrn Niclas von Amßdorff schrifft2 wil sich fast3 entschFldigen vnd besch=nen, er sey gantz vnschFldig an der newen geburt des Leiptzigischen Jnterims.4 Deßgleichen thun fast alle Adiaphoristen mit predigen, schreiben, lesen vnd reden, wie vnnd wo es jhnen jhe zuweilen von n=ten thut, das also dis liebe Kind dieser zeit noch ohne Vater sein vnnd ein Findelkind bleiben mus; darzu jhm nit mus helffen, das die Mutter, die Babilonische Jungfraw,5 sich selbst meldet, das Kind auch mit aller gestalt des gantzen leibes beide, Mutter vnd Vater genugsam zu erkennen gibt, one6 was andere Leut wissen, reden vnd zeugen, wie es mit dieser geburt sey zugangen. Nu g=nneten wir jhnen, weis Gott, von hertzen wol, das sie m=chten fFr den Leuten bey ehren bleiben, als weren sie an Christo nit brFchig7 worden, mFstens auch entlich dahin stellen, das sie es bey sich selbst fFr keine sFnde hielten. Was frommen8 aber jnen solchs zu jrer seelen heil vnnd zu Christlichen ehren beide, fFr Gott vnd seiner wahren Kirchen, in so einer =ffentlichen sachen jtzt, kFnfftig vnnd ewig bringen werde, mFssen wir sie, wenn sie es ja nit anders haben wollen, erfahren lassen. Was schadet dem Dauid zu seinen ehren, das er nach begangenem leiblichen9 Ehebruch10 spricht das Peccaui?11 Vnd was wFrden hinwider jtzt vnnd allezeit von jhm halten vnd reden alle Gottselige Menschen, wenn er solche that, so sie offenbar worden, noch hette rechtfertigen wollen? Wir k=nnen auch nit anders [A 2v:] mercken aus seiner historien, denn das er dieselbige seine sFnde, ehe denn der Prophet Nathan zu jhm gekomen, nie recht erkant, Gott auch darumb sie nit ehe von jhm genomen, das ist: vergeben gehabt, habe, denn er dis Peccaui frey hat herausgesprochen, an welchem exempel des grossen Propheten12 sich vnsere Propheten jtzt wol spiegeln m=chten. Aber wie gesagt, w=llen vnd k=nnen sie jhre eigne seligkeit vnd Christliche ehre nit anders bedencken, so mFssen wir es auch geschehen lassen, das vnns doch fFr sie treulich leid ist.

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Vgl. unsere Ausgabe Nr. 1. Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8 (Amsdorf, Ärgernis und Zertrennung). 3 sehr. 4 Der Leipziger Landtagsentwurf von 1548/49, das sogenannte Leipziger Interim, mit den Anmerkungen von Nikolaus Gallus und Matthias Flacius ist abgedruckt in unserer Ausgabe Bd. 2, Nr. 4. 5 Vgl. Apk 17,1– 5. 6 abgesehen davon. 7 treubrüchig. Vgl. Art. brüchig 2), in: DWb 2, 412. 8 Welchen Nutzen. Vgl. Art. frommen 2), in: DWb 4, 246f. 9 Vgl. demgegenüber Mt 5,28. 10 Vgl. II Sam 11,4. 11 Vgl. II Sam 12,13. 12 David gilt aufgrund der ihm zugeschriebenen Psalmen auch als Prophet. 2

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Das k=nnen oder s=llen wir aber in keinem weg geschehen lassen vnnd stil schweigen, das sie oder andere hernacher diesen Bastart,13 im Ehebruch mit der Babilonischen huren gezeuget, fFr eine keusche, heilige geburt in das erbe Christi einschieben wolten, das ist: das dieselbe oder andere dergleichen vergleichungen mit dem R=mischen Antichrist inn der Kirchen Christi auffkomen vnnd fFr Christlich von jderman mFsten angenomen vnd angebetet werden. Wie wir sie denn desselben verdachts nit k=nnen erlassen, weil jhre entschFldigungen mit vleis nach gelegenheit jtziger zeit allein dahin gerichtet werden, das sie dieselbigen vergleichungen nit wollen gemacht haben, das sie sie aber fFr vnchristlich mit vns s=lten verdammen, damit wollen sie gar nit heraus vnd geben derhalben genug damit zu uerstehen, wenn es bey dem vorigen weiter were geblieben, do sie diese jhre frucht gezeuget haben oder noch wider darzu komen solte, das sie denn keine scheu haben wolten vnnd wFrden, sich als Veter zu dem Kind zu bekennen, vnd das es denn wol mFste als ein heilige, keusche geburt von jderman an-[A 3r:]gebettet werden, wenn der weltlichen jhrer mitbuler14 gewalt jhnen dazu zu steur15 keme. Zudem so ist das grosse ergernis durch sie noch fFrhanden, =ffentlich in der gantzen Kirchen, wenn sie gleich selbst nichts an solchen vergleichungen gezimmert16 noch außtrFcklich vnnd =ffentlich darein bewilligt oder etwas darauff zu uerendern hetten angefangen, wie fast auff diesen puncten noch bißher alle jhre antwort vnnd entschFldigung beruhet. Denn weil diese vergleichungen mit den Bischoffen sind in jhren Kirchen, darzu inn jhrem namen geschrieben vnnd fFrgenommen vnnd sie, die fFr die fFrnehmsten Lehrer vnd Seulen der Kirchen17 gehalten werden, jhre entschFldigung vnnd meinung dauon nit frey richtig an tag geben, wie jhnen jhrem beruff vnd grossem namen nach gentzlich eigent vnnd gebFret, so sind durch dis jr stilschweigen allein viel Leut in jrthumb vnnd zweiffel gefFhret, ob solche vergleichungen frieden, einigkeit vnnd zucht halben mit dem widertheil, den Papisten, Christlich mFgen angenomen werden. Hieruon sind sie schFldig,18 zum wenigsten jhre meinung klerlich an tag zu bringen vnnd entweders mit vnns solche vergleichungen =ffentlich zu uerdammen – das nemlich der Babst vnnd seine Bischoffe, so lang sie Wolffe vnnd Antichristen sind, nit k=nnen Hirten sein,19 jtem das man Christo vnnd dem Antichrist nit k=nne zugleich dienen,20 in Christi vnnd des Antichrists

13 dieses uneheliche, nicht erbberechtigte Kind. Vgl. Art. Bastart, in: DWb 1, 1150f; Art. bastart 1), in: Fnhd. Wb. 3, 100. 14 Teilhaber an einer Liebschaft; auch Rivale. Vgl. Art. Mitbuhler, in: DWb 12, 2340f. 15 Unterstützung, Hilfe. Vgl. Art. Steuer A.2.e), in: DWb 18, 2589f. 16 mitgewirkt; ausgestaltet. Vgl. Art. zimmern II.3) und 5), in: DWb 31, 1346f. 17 Vgl. Gal 2,9. 18 verpflichtet. 19 Vgl. Act 20,28f. 20 Vgl. Mt 6,24.

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Kirche sein vnnd seine malzeichen annemen21 – oder aber sind schFldig, das widerspiel22 aus Gottes wort anzuzeigen vnd zu erweisen. Wo sie solches nit thun vnnd wie lang sie es nit thun, so sind sie vnd bleiben schFldig23 aller ergernis vnnd alles vnradts,24 so [A 3v:] der Kirchen Christi aus solchen vergleichungen jtze dieser zeit entstanden ist vnnd noch kFnfftig entstehen wird. Wir k=nnen vnd w=llen auch durch die gnaden Gottes dieser sachen nit ehe mit jhnen wider eins sein; das sollen sie vnnd jederman sich gewißlich zu vns versehen,25 es gehe vns drFber,26 wie der liebe Gott wil. Dis hab ich also fFr mich auff das kFrtzest antworten w=llen auff Doctor Maiors vnnd seiner mitadiaphoristen entschFldigung des Leiptzigischen Interims halben, auff das Christen wissen, worauff diese sache zwischen jhnen vnnd vns zu vnser vergleichung noch beruhet, was grundts vnd vrsachen wir auch vnsers fFrnehmens hierin haben. Nemlich beruhets darauff: Weil die Baumeister desselben Interims in einer so =ffentlichen bekanten sachen jr eigen heil vnnd Christliche ehre ja nit besser bedencken27 w=llen, das sie Gott m=chten die ehre geben vnd sprechen mit Dauid das Peccauimus, so w=llen wir sie deßhalben auch nit weiter dringen28 vnnd aus lieb zur einigkeit gehrn wissentlich29 nit wissen oder sagen, wer der Vater zu dem Kind sey, vnnd mag also vnserthalben ohne Vater sein vnnd bleiben bis an den JFngsten tag. Doch, wie gesagt, schreibe ich dis allein fFr mich, versehe mich aber,30 andere meine mituerwanten31 inn dieser sachen sollen32 nit fast33 dawider sein. Aber das sollen sie gleichwol mit vns sagen vnd =ffentlich bezeugen, das es ein Hurnkind sey, das ist: solche mit dem Antichrist gemachte vergleichung neben vns verdammen. Vnd das aus dieser vrsachen, [A 4r:] weil dieselben vergleichungen in jhren Kirchen vnnd vnter jhrem namen sind entstanden, das widerumb durch publication jhres vrtheils kFnfftiger schaden vnnd gegenwertig ergernis in der gantzen Kirchen etwas dester mehr m=ge abgelehnet34 werden.

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Vgl. Apk 14,9f; Gal 6,17. Gegenteil. Vgl. Art. Widerspiel 1) in: DWb 29, 1234. 23 verantwortlich, schuldig. 24 Verwirrung, Zwiespalt; Widerwärtigkeit, Gefahr; Schaden, Unheil. Vgl. Art. Unrat 1.a.α) und β); 2.b) und c), in: DWb 24, 1231‒1233. 25 von uns erwarten. Vgl. Art. versehen I.9.c), in: DWb 25, 1251f. 26 es geschehe uns dabei/deswegen ... 27 berücksichtigen, (ihnen) Rechnung tragen. Vgl. Art. bedenken 8), in: Fnhd. Wb. 3, 388. 28 bedrängen, nötigen. Vgl. Art. dringen 2.b), in: DWb 2, 1416f. 29 bewusst, absichtlich. Vgl. Art. wissentlich 1), in: DWb 30, 802f. 30 gehe aber davon aus. 31 Mitbeteiligte, Mitinteressierte. Vgl. Art. mitverwandt, in: DWb 12, 2429. 32 werden. Vgl. Art. sollen II.14.g), in: DWb 16, 1489. 33 nit fast = nicht sehr, nicht heftig. 34 abgewendet, beseitigt. 22

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Bey diesem erbieten vnd bey den vorigen vnsern (noch bißher avnFberwundenen) schrifftena wil ichs hiemit bleiben lassen vnd mich darFber mit Gottes gnaden in keine vergleichung ferner mit jhnen einlassen. Nachdem aber Georg Maior sich so hoch wil entschFldigen, vnnd gleichwol damit allein, das er die zu Leiptzigk gemachte Jnterimistische vergleichungen seinem beruff nach nie gestraffet35 hat, auch noch nit straffet, sich genugsam verdechtig machet, so versiehet ers doch noch mit zweien stFcken sehr gr=blich in seiner verantwortung, also, das ein Kind verstehen mus, er schreibe wider sein eigen gewissen vnd begere nur, die Leut mit worten zu betriegen. Denn fFr eins bekent er, das er zu etlichen berathschlagungen vber das Augspurgische Interim mit sey gezogen, auch etliche artickel des bedenckens selbst gestalt habe, da sey es alles Christlich zugangen,36 scilicet wie es der handel selbst redet.37 Zum andern, so wil er an dem Leiptzigischen Interim vnschFldig sein vnnd nimpt doch daraus der allerschedlichsten Proposition eine, das gute werck zur seligkeit n=tig sind, dieselbige mit grossem ernst wider vns zu uorteidingen, vns vnd jederman schlechts dahin zu bereden, wir mFssen auch also halten, lehren vnnd predigen, oder Anathema sein. Jnn dem [A 4v:] er sich also des Leiptzigischen Interims wil entschFldigen, beschFldigt er sich selbst am aller meisten. Aber so viel die entschFldigung belanget, hab ich schon mein meinung dauon angezeigt. Der proposition halben, das gute werck zu seligkeit n=tig sind, auch anderer puncten halben mehr, haben auff das erste schreiben Doctor Maiors Herr Amßdorff vnd Jllyricus in jhren eigen schrifften genug geantwortet.38 Dieweil er aber hernach noch ein predigt, Mitwoch nach Thomae39 negst zu Eißleben gethan, hat lassen außgehen,40 darin sonderlich am letzten bogen sich weiter erkleret, wie dieselbe proposition, der seligkeit halben, zu uerstehen sey, vnd sich also wunderlich verdrehet, das er vnns drFber verfFrer vnnd Antinomer schilt, die wir mit vnser predigt die Leut sicher vnnd rauchlos41 machen, so wil ich jhm alhie in kFrtz fFr meinen theil fFrnemlich auff beide dieselbe seine erklerung auch ein wenig antworten.

a–a

Im Original steht die Klammer hinter „schrifften“.

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getadelt. Vgl. Major, unsere Ausgabe Nr. 1, Bl. B 1r–B 1v, oben S. 30,11–20. 37 wie aus der Sache selbst deutlich hervorgeht (ironisch zu verstehen; Gallus ist der Meinung, aus dem Interimstext selbst und aus den Maßnahmen zu seiner Durchsetzung sei klar ersichtlich, dass von einem christlichen Zustandekommen desselben nicht die Rede sein könne). 38 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 2 und Nr. 3. 39 23. Dezember 1551; der Thomastag fiel 1551 auf einen Montag. 40 Vgl. VD 16 M 2130: Eine Predigte || vber den herrlichen || vnd tr=stlichen Spruch || Johannis j. || Sihe / das ist Gottes || Lamb / welches der Welt || SFnde tregt. || Mitwoch nach Thome zu || Eisleben 1 5 5 1. || Durch D. Georg Major. || Wittenberg. || M. D. LII. [Im Kolophon: Gedruckt zu Wittenberg / || Durch Peter Seitzen || Erben.]. 41 ruchlos, rücksichtslos, skrupellos, gottlos. Vgl. Art. ruchlos 2), in: DWb 14, 1343. 36

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Vnd erstlich, auff das ich alhie noch nit sage, wie wol es gered sey vnd wie diese wort mit der schrifft, mit Doctor Luthers meinung vnd vorigem brauch vnser Kirchen stimmen, auch was sie heimlich auff dem rFcken tragen,42 „Gute werck sind n=tig zur seligkeit,“ so wollen wir seine selbst glosa43 drFber besehen. Jnn der ersten antwort auff des Herrn Amßdorffs schrifft erklert er sich vnter andern mit diesen worten: „Wiewol vergebung der sFnde, zurechnung der gerechtigkeit, heiliger Geist vnnd das ewige leben allein durch den tod vnsers einigen mitlers vnnd heilandes Jhesu Christi erworben vnd allein durch den glauben mFssen entpfangen werden“ (Das ist recht, [B 1r:] das wolten wir fFr eins in diesem artickel haben, habens aber kaum mit vnsern lesterschrifften widerumb von euch erzwingen k=nnen, hettens auch noch villeicht nit wider heraus, wenn sich das wetter am Himel nit verkeret hette.44 Denn in der vergleichung dieses artickels mit den Bischoffen zu Leiptzigk vnnd sonsten waren diese zwey stFck, nemlich zurechnung der gerechtigkeit vnnd das w=rtlein ALLEJN, bey dem glauben nit allein außgelassen, sondern war zu Pegaw auch eingangen, dasselbige nit mehr zu streiten vnd das FVRNEMLJCH an sein stat zu gebrauchen,45 das es nu also heissen solte ‚Wir werden FVRNEMLJCH durch den glauben gerecht vnd selig‘), „dennoch“ (schreibt nu Maior weiter) „mFssen auch gute werck nit als ein verdienst, sondern als ein schFldiger gehorsam gegen Gott verhanden sein“ (verstehe zur seligkeit). „Diese Lehr,“ spricht er, „werdet jr mir ja nit k=nnen tadeln.“46 Jtem an einem andern ort derselben schrifft: „Es ist vnmFglich, das ein Mensch on gute werck k=nne selig werden.“47 Wie aber, lieber Herr Doctor, wenn euch Gottes wort vnnd alle Christliche hertzen dieses letzten puncten halben noch etwas tadelten? Woltet jr denn nit vmb derselben willen ewer wort vnnd erklerung forthin abstehen?48 Vnd damit jr ja nit dafFr angesehen wFrdet, als die da geirret vnnd den Papisten viel zu uiel eingereumet hetten vnnd derhalben billich von vns weren gestrafft worden, zum wenigsten forthin widerumb mit vnns von diesem stFck reden vnd halten, wie bißher inn ewern vnnd vnsern Christlichen Kirchen im gebrauch gewesen vnnd wie jr mit den obgedachten zweien stFcken, Gott lob, zu [B 1v:] thun wider habt angefangen? Jr seid aber zu demselben noch weiter schFldig, nemlich wie jr mit diesem ewerm =ffentlichem schreiben die Christliche Kirche greulich habt geergert vnd verwirret, das jr zu abwendung 42

was sie implizieren, mit sich bringen. Vgl. Art. tragen IV.A.1.e), in: DWb 21, 1101. Glosse, Erläuterung. 44 Gallus spielt hier auf die politische Großwetterlage an; die veränderten Rahmenbedingungen begünstigten eine Durchsetzung des Interims inzwischen nicht mehr: im August 1552 wurde der Passauer Vertrag unterzeichnet und ratifiziert. 45 Zu diesem Missverständnis vgl. unsere Ausgabe Nr. 1, S. 35; Anm. 101. 46 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 1, S. 37,11–14 (Bl. C 2v – 3r). 47 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 1, S. 36,25 (Bl. C 2r). 48 unterlassen, aufgeben. Vgl. Art. abstehen 1), in: Fnhd. Wb. 1, 400. 43

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solches ergernis, errettung ewer vnnd vieler gewissen dasselbige ewer schreiben auch =ffentlich retractirt.49 Auf das aber nu jr vnnd meniglich50 gar leicht zu uerstehen habe, das auch diese ewer deutelung (Gute werck sind n=tig zur seligkeit, nit als ein verdienst, sondern das sie als ein schFldiger gehorsam gegen Gott mFssen verhanden sein) Gottes wort vnnd Christlichen gewissen zuwider sey, so will ichs euch zeigen mit gar kurtzen worten: S. Paulus Romano iiij., da er eigentlich beschreibt vnd beweiset, wie vns Gott findet, wenn er vns gerecht vnd selig macht, spricht also: „Dem, der nit mit wercken vmbgehet, gleubet aber an den, der die GOTLOSEN gerecht macht, dem wird sein glaub gerechnet zur gerechtigkeit.“51 Da h=ren wir klar, das der heilige Geist zur gerechtigkeit fFr Gott vnnd seligkeit nit allein außschleust das verdienst guter werck, sondern auch die werck an jhnen selbst, also das Gott gar keine gute werck da findet, die fFr jhm zur zeit der rechtfertigung vnnd seligmachung gut weren. Denn ein jeden, den er in Christo gerecht macht, den macht er gerecht als einen GOTLOSEN, das ist: einen solchen Menschen, an dem fFr jhm kein gut werck, sondern nichts als eitel sFnde fFrhanden ist. Demselben aber wird sein glaub gerechnet zur gerechtigkeit, das ist, wie es der Apostel hernach selbst weiter erklert: die [B 2r:] gerechtigkeit Christi, nit die selbwesende52 G=tliche gerechtigkeit (wie Osiander diesen artickel jtzt auch felschlich verkeret),53 sondern sein leiden, sterben vnnd gantzer gehorsam, damit er das Gesetz fFr vnns hat erfFllet, wird jhm durch die aufferstehung Christi im glauben zugerechnet fFr sein eigen gerechtigkeit vnnd darauff die seligkeit geschenckt, also das weder verdienst noch ein einiges gutes werck zur zeit der seligmachung alda verhanden ist, wie es Maior fordert. Vnnd das diesem also sey, werden nu mit54 zeugnis geben alle Christliche hertzen. Denn wenn sie nit ehe solten der seligkeit gewis sein, sie hetten denn gute werck darzu n=tig, so mFsten sie wol ewig im zweiffel stecken vnnd ohne trost bleiben. Sichere oder vnangefochtene hertzen m=chten jhnen noch etwan ein gewissenheit machen oder sch=pffen. Aber ein angefochten gewissen, darin sich denn das vrtheil Gottes recht findet vnnd fFhlen lest, bey einem mehr denn bey dem andern, das alle gute werck, auch der Heiligen, noch fFr jhm sFnde sind, das, meine ich, wFrde mit des Maiors Lehre vnnd deutelung vbel dran sein, wenn ers also tr=sten wolte: „Vergebung der sFnden, gerechtigkeit, heiliger Geist vnnd ewige seligkeit werden dir allein

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zurückzieht, widerruft. jedermann. 51 Vgl. Röm 4,5. 52 selbständige, auf sich selbst bezügliche und in sich selbst ruhende, im eigenen Wesen begründete. Vgl. Art. selbstwesend, in: DWb 16, 504. Vgl. a. unsere Ausgabe Nr. 5, Anm. 224, 233. 53 Zum Osiandrischen Streit vgl. unsere Ausgabe Bd. 7. 54 unterstützend. 50

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gegeben durch den glauben an Jhesum Christum durch sein verdienst. Vnd ob dir wol deine gute werck zur seligkeit nichts verdienen, so mustu doch gute werck haben, wiltu anders55 selig werden.“ Hie durch wird ein solch gewissen noch wol weiter geengstigt vnd also antworten werden:56 „Da, da befinde ich erst gewisse zeugnis, das ich weder verge-[B 2v:]bung noch gerechtigkeit, heiligen Geist oder seligkeit an Christo habe, denn hie sind die guten werck, darzu geh=rig, inn mir nit verhanden, sondern eitel sFnde.“ Hindert vnd vertilget also Maiors deutelung eben damit den glauben, vertrawen vnnd trost auff das einige verdienst des mitlers Christi, damit ers vermeinet zu lehren. Jch wolte Doctor Maior zwar wol wFnschen, doch vnschedlich seiner selen, das er in diese Christenschul, wie Dauid, Paulus, Lutherus, auch viel andere gemeine heiligen offt darin gewesen sind vnd noch teglich darin gefunden werden, einmal komen, seine Lehr vnnd deutelung erst an jhm selbst practiciren solte, ehe ers an andern versFchte; mich dFnckte in allen meinen sinnen, er wFrde anders denn jtzund von der sachen reden. Doch wil ich hiemit nit widersprechen, das er zuuor ein wol versuchter Theologus sey, sondern jhn allein der alten schulrecht erinnern, ob er deren anderer n=tiger geschefft halben m=chte zum theil vergessen haben oder so neulich57 nit in derselben schul gewest sein. Vnd das sey hie zum kurtzen bericht genug von der ersten deutung der wort Maioris aus seiner ersten schrifft wider den Herrn Amßdorff. Nu wollen wir die andere deutung auch h=ren aus der Eißlebischen predigt; die lautet im druck auch mit seinen eigenen worten also: „Wenn du nun also allein durch den glauben gerechtfertiget vnnd ein Kind vnd erbe Gottes worden bist vnnd nu Christus vnnd der heilige Geist in dir durch solchen glauben wohnen, alsdenn sind dir die guten werck, nit zu der seligkeit zu erlangen (die [B 3r:] du aus gnaden ohn alle werck allein durch den glauben an den Herrn Christum albereit hast), sondern zu der seligkeit zu behalten vnnd nit widerumb zu uerlieren, so hoch von n=ten, das, da du sie nit thust, es ein gewis zeichen ist, das dein glaub tod vnnd falsch, geferbet58 vnd ein ertichte opinion59 ist.“60 55

überhaupt. Diese Futurbildung findet sich auch in anderen Texten, an denen Gallus mitgearbeitet hat. Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 4, S. 439,13f; Nr. 5, S. 467,5f; S. 561,13f; S. 591,11f. 57 so neulich nit = schon seit längerem nicht mehr. 58 verfälscht, unecht, trügerisch. Vgl. Art. färben 6), in: DWb 3, 1325f. 59 erfundene (bloße) Meinung, Mutmaßung. Vgl. Art. erdichten, in: DWb 2, 771f. 60 Vgl. VD 16 M 2130 (s. oben Anm. 40), Blatt E 8r: „Wenn du aber nu also / ALLEIN durch den Glauben gerchtfertiget / vnd ein Kind vnd Erbe Gottes worden bist / vnd nu Christus vnd der heilige Geist in dir / durch solchen glauben wonen / als denn sind dir die gute werck / nicht zu der seligkeit zu erlangen (die du aus Gnaden on alle werck ALLEIN durch den Glauben an den HERRN Christum albereits hast) sonder zu der Seligkeit zubehalten vnd nicht widerumb zuuerleren [sic] so hoch von n=ten / das da du sie nicht thuest / es ein gewis zeichen ist / das dein Glaube tod vnd falsch / geferbet vnd ein ertichte opinio ist.“ 56

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Dis sind warlich solche wort, dadurch Maior erstlich seine vorige deutelung der antwort auff des Herrn Amßdorffs schrifft entweder wissentlich, aber doch heimlich, wider corrigirt vnnd auffhebet oder vnwissentlich wider sich selbst redet. Denn hie vrteile, wer da vrteilen kan, ob nit diese zwey stracks widereinander sind: Dort, da er sagt: „Gute werck mFssen dennoch auch zur seligkeit, nit als ein verdienst, sondern als ein schFldiger gehorsam gegen Gott, VERHANDEN sein,“61 vnnd dasjenige, das er hie sagt: „sie sind dir nit von n=ten, die seligkeit zu erlangen, die du aus gnaden ON ALLE WERCKE allein durch den glauben an den Herrn Christum ALBEREJT hast?“ Das ist so viel als ja vnnd nein in einerley sachen: die seligkeit wird erlanget oder kommet nit ohne beysein guter werck – vnnd kommet ohne beysein guter werck. Zum andern, do er hie die vorige meinung seiner wort mit wil bessern, macht ers fast eben so arg, als das vorige gewest ist, oder so er gleich die vorige meinung auch dahin deuten wolte, das er daselbst nit rede, wie die seligkeit zu erlangen, sondern allein zu behalten sey (welches er doch mit warheit nit kan, denn die wort stehen alda gar zu deutlich, das er redet, wie man die seligkeit mFsse empfangen, das gute werck alda mFssen verhanden sein, wiewol sie nichts dazu [B 3v:] verdienen) so ists doch auch ein grosser jrthumb, einer gleich so gut als der ander, das gute werck die seligkeit zu behalten von n=ten sein sollen. Denn gleich wie Christus vnnd mit jhm vergebung der sFnden, gerechtigkeit vnnd seligkeit ergriffen wird ALLEJN mit dem glauben, also wird er sampt allen solchen himlischen gFtern ALLEJN mit dem glauben auch behalten. Vnnd solte die erhaltung sampt seinem verdienst mit stehen auff vnsern guten wercken, so wFrde ein angefochten gewissen, das sich selbst am hefftigsten auch inn seinem besten leben beschFldigt, abermals schmalen62 oder gar keinen trost haben, ja es wFrde vns balt der Teuffel alle hinreissen. Jsts aber dem Maior ein ding, die seligkeit behalten vnnd nit widerumb verlieren, wie er denn beider wort alhie bey einander brauchet vnnd daher ein außflucht wird nehmen wollen, so kan er doch damit noch gar nit bestehen. Des werden jhn seine eigene discipel63 vnnd geringers verstandts64 in vnsern Kirchen vnd Schulen berichten k=nnen, das es nit wol argumentirt sey: „Durch b=se werck verleuret man die seligkeit. Ergo so wird sie mit guten wercken erhalten.“ Gleich wie die Papisten auff dieselbige weise auch argumentirn: „SFnde verdammet. Ergo So machen vns gute werck selig.“ Diese Consequentz bricht S. Paulus den Papisten gar eigentlich,65 da er spricht Roma. vj.: „Der tod ist der sFnden solt. Aber das ewige leben ist Gottes gab 61 62 63 64 65

Vgl. unsere Ausgabe Nr. 1, S. 37,11–13 (Bl. C 2v). geringen. Vgl. Art. schmal 3.f), in: DWb 15, 915. Schüler (lat. discipuli). und Personen von geringeren Kenntnissen. Diese Schlussfolgerung durchkreuzt Paulus den Papisten sehr nachdrücklich.

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oder geschenck in Christo Jhesu, vnserm Herrn.“66 [B 4r:] Vrsach, worumb es nit folgt, ist diese: Denn vnsere gute werck zum verdienst des lebens sind zu wenig vnd zu gering, ja sind ausserhalb Christo fFr Gott keine gute werck, sondern noch sFnde. Der Christen gute werck aber, die im glauben geschehen, wiewol sie Gott wolgefallen vmb Christi willen, j. Petri ij.,67 jedoch sind sie nit allein zum verdienst, erlangung vnnd erhaltung der seligkeit viel zu schwach, sondern es ist auch jr art vnd natur nit, Christum mit seinem verdienst zu ergreiffen vnnd erhalten, welches allein des glaubens art vnd eigen werck ist. Derhalben es wider die schrifft, vnrecht vnnd gefehrlich ist, inn diesem handel der seligkeit die wort (seligkeit durch gute werck erhalten vnd nit verlieren) miteinander mengen vnd eins aus dem andern f=lgern. Zum dritten, so hawet sich Maior abermahls selbst in backen,68 das er nit rede, wie die seligkeit zu erlangen, sondern wie sie nit zu uerlieren oder, wie er felschlich dazusetzt, durch gute werck zu behalten sey, indem er weiter auff diese vorige wort also setzt: „Da du gute werck nit thust, ist es ein gewisses zeichen, das dein glaub tod vnnd falsch, geferbet vnnd ein erdichte opinion ist.“69 Das bekennen wir warlich eben mit jhm gleich. Aber er mus hinwider mit vns auch bekennen, das ein solcher heuchler oder schandchrist, weil er keine gute werck vnnd also keinen rechten glauben hat, gleicher gestalt auch keine seligkeit habe. Hat er nu keine, so kan er keine wider verlieren. Vnd redet also allenthalben Maior in diesem stFck entweders vnrecht oder wider sich selbst, vnnd gehet jhm eben wie jener guten Magdt, [B 4v:] der das kleidlein zu kurtz war: deckte sie sich an einem ort, so entbl=ste sie sich am andern.70 Aber also mFssen anlauffen,71 welche wider Gottes wort wollen klug sein oder sFnde mit jrthumb zudecken, das sie darFber nur weiter jrre vnd zuschanden fFr Gott vnd den seinen werden. So wir nu von Maiors glosa auff dis mal genug gered haben, wollen wir ferner besehen, wie er hierFber dazu kommet, das er vns fFr verfFrer vnnd Antinomer außschreit. So schreibet er weiter am ende seiner Eißlebischen predigt: „Solcher verfFrer sind zu dieser zeit sehr viel, welche schreien: ‚Der glaube machet allein gerecht vnnd geh=ren zur gerechtigkeit zu erlangen gar keine gute werck,‘ welches denn, wie oben gesagt, recht gered ist. Das du aber, welcher du ein heimlicher, ja auch wol nit so gar ein heimlicher Ehebrecher bist etc., dich dennoch des glaubens rhFmen wilst etc., das ist ein gewisse

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Röm 6,23. Vgl. I Petr 2,5. 68 schadet sich selbst, schlägt sich mit eigenen Waffen, schlägt sich selbst ins Gesicht. Vgl. Art. Backe 5), in: DWb 1, 1064. 69 Vgl. oben S. 109, Anm. 60. 70 Anscheinend sprichwörtlich. 71 auflaufen, sich den Kopf anschlagen. Vgl. Art. auflaufen 7), in: DWb 1, 1293. 67

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anzeigung, das wider warhafftiger glaube, noch Christus oder heiliger Geist in dir wone.“72 Es beklagt sich Maior in beiden seinen schrifften vber vns, wir verkeren vnnd calumnirn jhm seine wort, welches er gleichwol noch nit beweiset hat. Dis aber ist von jhm kein calumnia?73 M=chte vmb ein wenig besser sein ein Sycophantica,74 das ich jm mit grunt der warheit beweisen wil. Denn erstlich spricht er, es sey verfFrisch vnd zugleich recht geredt,b also predigen oder schreien, der glaub machet allein gerecht, vnd geh=ren zur gerechtigkeit zu erlangen keine gute werck. Zum andern setzt er flux darauf, das etliche (vnnd, wie wir leider auff allen seiten bekennen mFs-[C 1r:]sen, derselben nur sehr viel) =ffentlich vnnd heimlich in sFnden wider Gott vnnd das gewissen leben vnnd dennoch sich des glaubens, Euangelij vnnd Christi rhFmen, damit zu inferirn,75 das wir entweder die Leut also lehren oder doch mit vnser Lehr dessen bey jhnen ein vrsach sind. Nu weis Maior sehr wol vnd jederman, wer es wissen wil, das wir in keinem weg also lehren, das jemand k=nne ein warer Christ sein, waren glauben, vergebung der sFnden, gerechtigkeit, heiligen Geist vnd seligkeit haben vnd dennoch in sFnden =ffentlich oder heimlich wider Gott vnd das gewissen leben. Das aber fleischliche Leut der gnadenpredige des Euangelij also mißbrauchen, sich selbst bereden vnnd betriegen, sie k=nnen jhres fleisches lFste bFssen76 vnnd zugleich oder darnach an Christum gleuben, wenn vnnd wie sie wollen, was kan des die predigt selbst oder die armen Prediger entgelten?77 Jst doch solchs den aller trewesten Predigern des worts, den lieben

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Konjiziert aus „gerecht“.

72 Vgl. VD 16 M 2130 (s. oben Anm. 40), Blatt F 1r–v: „Solcher verfFrer aber sind zu dieser zeit seer viel / Welche schreien / der glaube macht allein gerecht / vnd geh=ren zur Gerechtigkeit zuerlangen gar keine gute werck / welches denn wie oben gesagt recht geredt ist. Da du aber / welcher du ein heimlicher / ja auch wol nicht so gar ein heimlicher / sondern auch ein solcher Ehebrecher / Wucherer / falscher Hendeler / Stuelreuber [= Wucherer]/ Voller zapff [= Trunkenbold] / vnd dergleichen bist / der du von dir grosse ergernisse gibst / das jederman von dir zu singen vnd zusagen weis / vnd dich solches auch dein eigen hertz vnd gewissen vberzeuget / dennoch des glaubens / des Euangelij vnd des HErrn Christi dich rhFmen wilst / als seistu ein guter baum / an welchem doch keine gute frucht / sondern allein disteln / grosse SFnde vnd ergernis zusehen. Das alles ist eine gewisse anzeigung / das weder warhafftiger glaube noch Christus oder der Heilige Geist / in dir wone / vnd mus doch das Euangelium / der glaube / Gottes wort / dein schanddeckel sein / des dich dein hertze vberzeuget.“ 73 Verleumdung. 74 verleumderisch. „Sycophantica“ ist (feminines) Adjektiv, aus dem Griechischen übernommen, wäre als ergänzendes Attribut zu dem lateinischen „calumnia“ aufzufassen; sollte „sycophantia“ gemeint gewesen sein, so wäre es das mit „calumnia“ etwa gleichbedeutende Fremdwort aus dem Griechischen, d.h. die Differenzierung, die Gallus hier anbringt, ist lediglich eine scheinbare. 75 anzugreifen; vgl. lat. infero. 76 befriedigen, ausleben. Vgl. Art. büssen 2), in: Fnhd. Wb. 4, 1492. 77 Inwiefern kann man daran der Predigt oder den armen Predigern schuld geben, sie dafür verantwortlich machen?

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Aposteln vnd andern, alle zeit begegnet. Darumb vermanet Paulus: „Jr seit zur freiheit beruffen, allein sehet zu, das jr durch die freiheit dem fleisch nit raum gebet, sondern durch die liebe diene einer dem andern.“78 Gala. v. Jtem Petrus: „Seit als die freien, vnd nit als hettet jr die freiheit zum deckel der boßheit, sondern als die Knechte Gottes.“79 j. Pet. ij. Das hat Doctor Luther heiliger gedechtnis allewege vber seine zuh=rer zum hefftigsten geklaget, vnd wie ich wol h=re, so klagts D. Maior vber die seinen auch, darunter dennoch m=gen seines theils gute Adiaphoristen sein. Woher lernens denn dieselbigen? [C 1v:] Weil denn bey der gnadenpredigt des Euangelij auch vnter den Aposteln, Luthero vnnd andern jhres gleichen reinen Lehrern viel leut rohe vnd sicher werden, wie sollen sie jhm denn nu thun, damit sie nit a Doctore MAXIMO80 verfFrer vnnd Antinomer gescholten werden? Sollen sie die lehre von gerechtigkeit vnnd seligkeit durch den einigen glauben an Christum schweigen oder endern? Keines, achte81 ich, wirdt Maior selbst sagen, Gottes ernsten gebots, der wahren Kirchen oder wenig außerwelten halben. Vnd wiewol er solches sagen wird vnd mus, wil er anderst MAGNVS oder etwas sein vnter denen, die nur Christen genennet werden, warumb thut er denn mit dem letzten stFck darwider, in dem er die lehre Christi vnnd seiner Aposteln endert? Warlich, MAIOR sehe zu, das er nit EX MAXIMO, damit er vber Gottes wort Meister sein wil, PARVVS, MINOR vnnd MINIMVS werde, nach dem vrtheil Christi Matth. v.: „Qui soluerit unum de mandatis istis minimis, et docuerit sic homines, MINIMVS uocabitur in regno coelorum: Wer eins von den geringsten geboten Gottes auffl=set vnnd lehret die leut also, der wird der KLEJNEST heissen im Himelreich.“82 Hie ist nu nit der geringsten eins, sondern das aller gr=sseste gebot, welches Gott auch seinem Son gegeben vnnd jhn darumb in die welt geschickt, er, der Son selbst, auch nit zu endern macht hat, wie er spricht Johan. xij.: „Der Vater, der mich gesandt hat, hat mir ein Gebot gegeben, was ich thun vnd reden soll, vnnd ich weiß, das sein Gebot ist das ewige leben, darumb das ich rede, das rede ich also, wie mir der Vater gesagt hat.“83 [C 2r:] Wider dies allerh=chste gebot Gottes von der lehr vnser seligkeit redet Maior mit worten vnd erkleret sich in der meinung anders vnd widerwer-

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Gal 5,13. I Petr 2,16. 80 Gallus nutzt für ein Wortspiel hier und im folgenden den Umstand, dass „maior“ (der größere) im Lateinischen als Komparativ zum Positiv „magnus“ (der große, ein großer) und Elativ/Superlativ „maximus“ (ein riesengroßer / der größte) gehört; auch das Gegenteil verwendet er: „parvus – minor – minimus“ (der kleine – der kleinere – ein klitzekleiner / der kleinste). 81 vermute. Vgl. Art. 1achten 7), in: Fnhd. Wb. 1, 558f. 82 Mt 5,19. 83 Joh 12,49f. 79

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tig,84 denn Christus vnnd seine liebe Aposteln dauon gered vnnd sich erkleret haben. Denn er spricht: „Gute werck sind n=tig zur seligkeit,“ vnnd erklert sich im ersten seinem schreiben also, das obwol die seligkeit allein durch den glauben wird empfangen, gute werck doch auch mFssen verhanden oder dabey sein. Vnd im andern schreiben, das sie n=tig sind, die seligkeit zu behalten. So spricht Paulus dagegen: „Auß gnad seid jr selig worden durch den glauben, vnnd dasselbig nit auß euch, Gottes gab ist es, NJT AUS DEN WERCKEN, auff das sich nit jemand rhFme,“85 Eph. ij. Jtem Rom. iij.: „Wir halten, das der Mensch gerecht werde ON DES GESETZES WERCK allein durch den glauben.“86 Vnd hernach am iiij.: „Dem, der nit mit wercken vmbgehet, gleubet aber an den, der DEN GOTTLOSEN gerecht macht, dem wird sein glaube gerechnet zur gerechtigkeit.“87 Mit welchem letztem spruch sonderlich, gleich wie auch mit den andern beiden vnd dergleichen sprFchen, der Apostel außtrFcklich vnd klerlich ausschleust (wie oben geh=rt) nit allein vom verdienst, sondern auch von dem beysein zur seligkeit vnd behaltung derselben die andern gute werck allesampt, das einige werck des glaubens hierinne außgenomen, welcher allein Christum vnd mit jhm alle dieselben himlischen gFter, vergebung der sFnden, gerechtigkeit, heiligen Geist vnnd seligkeit ergreifft, empfehet oder auch gnug dabey ist vnnd allein behelt. [C 2v:] Es wil aber Maior, damit ich jhm zum allerbesten deute, wie er sich selbst etwas lest verlauten, mit dieser enderung oder mit diesen worten „Gute werck sind n=tig zur seligkeit“ die Lehr des Euangelij nit geringern, sondern bessern. Denn er wil denjenigen b=sen Menschen, so der lautern gnad in Christo mißbrauchen zu mehrer freiheit jhres sFndlichen lebens, steuren vnd jederman treiben zu ernstlichem vleis eines Gottseligen lebens. Das ist wol gemeint, aber vbel gethan inn G=tlichen sachen, dauon es heist, wie er wol weis: „Jr sollet nichts darzu thun, noch dauon thun.“88 Deute. xij. Jtem, Paulus spricht: „So auch wir oder ein Engel vom Himel euch wFrde EVANGELJON PREDJGEN ANDERS, DENN DAS WJR EVCH GEPREDJGT HABEN“ (die wort merck hie wol) „der sey verflucht.“89 Wie fehet90 aber Maior auch die besserung an? Also: er spannet die pferd hintern wagen.91 Die Leut sollen gute werck haben, wenn sie wollen selig

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gegenteilig. Vgl. Art. widerwärtig 3.d), in: DWb 29, 1370. Eph 2,8f. 86 Röm 3,28. 87 Röm 4,5. 88 Dtn 13,1 [nach anderer Zählung = 12,32]. 89 Gal 1,8. 90 fängt. Vgl. Art. anfahen, in: DWb 1, 321f. 91 Wohl sprichwörtlich: Er fängt die Sache verkehrt an. Vgl. Art. Wagen (Subst.), Nr. 163, in: Wander 4, 1733. 85

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werden – so doch niemant, verm=ge G=tliches worts, einiges gutes werck fFr Gott thun oder haben kan, er hab denn zuuorn aus gnaden die seligkeit. Was richtet er ferner aus mit dieser besserung? Den schendlichen Leuten, die bey dem Euangelio fleischlicher werden, hilfft er nichts zu jhrer seligkeit, „quorum damnatio iusta est,“ spricht Paulus, „deren verdamnis gantz recht vnd gewis ist,“92 Rom. iij. Den GotsfFrchtigen bl=den93 gewissen aber, vmb welcher willen die gnadenpredigt des Euangelij allein in der welt vnnd Christus vom Himel komen ist, an deren einem Gott mehr gelegen ist denn sonst an der gantzen Got-[C 3r:]losen welt mit aller jhrer pracht, herligkeit, weißheit vnd heiligkeit, den leget Maior stricke zur verzweiffelung vnnd schlecht94 den werckheiligen vnd Sophisten die gantze Lehr des Euangelij drFber gleich in die schantz,95 dauon hernachmals weiter. Was thut aber nu gleichwol (vom grund der sachen zu reden) Christus vnd sein heiliger Geist durch die Aposteln darzu? Bedencken sie denn nit auch, wie denselben b=sen Leuten, so auff96 die gnad Gottes sFndigen oder ja nit zum guten sich ernstlich vben wollen, m=ge gewehret werden, damit Maior, der weise heilige man, sie nit d=rffte zur schule fFhren?97 Reichlich vnd vberflFssig genug ists bedacht, das sie, die guten Herrn beide, Christus vnnd sein heiliger Geist, hierzu keiner meister, sondern allein trewer diener vnd schFler bedFrffen. Denn damit ichs kurtz mache, wil ich nur den einen spruch Christi anziehen, darauff es alles stehet vnnd der heilige Geist hernach durch die Aposteln gewaltiglich treibet, da Christus spricht Lucae ultimo, JN SEINEM NAMEN MUSSE GEPREDIGT WERDEN BUSSE VND VERGEBUNG DER SUNDEN VNTER ALLEN VOLCKERN.98 Das sind außtrFcklich zwey stFck der predigt Christi, nit busse allein, auch nit vergebung allein, sondern busse vnd vergebung beide miteinander, auch inn keinem andern namen denn allein in dem namen Christi, vnnd in keiner andern ordnung denn erstlich buß vnnd darnach vergebung. Nu k=nnen wir Christum nit anders verstehen, Lutherus auch nit, des schFler wir gleichwol beiderseits sein wollen, Maior vnd wir, denn das Christus [C 3v:] ‚Busse‘ hie nennet dasjenige, so sonst die schrifft gemeiniglich heist ‚bekerung zu Gott‘, welche stehet in wahrer erkenntnis oder hertzlicher rew der sFnden vnd im glauben an Christum. Das auch dieser glaube allein empfehet vergebung, gerechtigkeit, heiligen Geist vnd seligkeit, oder darzu genug ist. Vnd wenn der Mensch inn dem namen Christi, das ist: durch seine gnad vnd geist, also rechtschaffene Busse gethan, sich warhafftig zu Gott 92

Röm 3,8. verzagten. Vgl. Art. blöde, Adj. 2), in: Fnhd. Wb. 4, 634f. 94 schlägt. 95 jmdm. etw. in die Schanz schlagen = jmdm. etw. vollständig überlassen, hinopfern. Vgl. Art. Schanze 2.c), in: DWb 14, 2164–2166. 96 auf Rechnung (der Gnade Gottes). 97 sie nicht (wie ABC-Schützen) belehren müsste (ironisch). 98 Vgl. Lk 24,47. 93

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bekeret, vergebung der sFnden, gerechtigkeit, heiligen Geist vnnd seligkeit durch den glauben von wegen des verdiensts Christi hinweg99 hat, eine newe creatur vnd ein guter baum worden ist, so thut er darnach gewis rechtschaffene frFchte der Busse, wie es der Teuffer nennet,100 oder Paulus Philip. j. frFchte der gerechtigkeit.101 Thut er dieselbe nit, so ist es ein gewisses zeichen, das er entweder nit rechtschaffene Buß gethan, keine newe creatur vnnd guter baum geworden, vergebung, gerechtigkeit vnnd seligkeit nie gehabt hab, oder do er dieselben gehabt, jtzt widerumb habe verlohren. SFndigt er darzu =ffentlich vnd ergert die gemeine Gottes, so heisset jhn Christus durch die diener des worts nach zwo vermanungen =ffentlich straffen fFr der gemein. Welche so er auch nit h=ret, heisset er jhn halten als einen Heiden, Matth. xviij.,102 weder Absolution noch Sacrament mittheilen, auch sonst keine Christliche gemeinschafft mit jhm haben, j. Cor. v.103 Jst die that darnach, so sollen jhn ferner die diener des weltlichen schwerts, nach dem er verdienet hat, darzu straffen. Was heimliche sFnde sind oder auch =ffentliche, welche geistliche vnnd weltliche Oberkeit nit also straffen kan oder wil, weil sie deren offt selbst am [C 4r:] meisten schFldig erfunden werden, die wil Gott gewis selbst richten vnnd straffen, hie zeitlich mit allerley creutz vnnd dem tod vnnd dort ewig mit hellischem feur, so fern die theter nit wider rechtschaffene Busse thun, dadurch der sFnde vnnd ewigen, vielmahls auch der zeitlichen straff vergebung erlangen. Das heist ja, meine ich, zu beiden seiten den sFnden recht grFndlich vnnd gewaltig genug gewehret, das sie vnter Christen weder verdammen noch regiren sollen. Wemc diese lehre von sFnden nit hilfft vnnd bessert, der ist vnnd bleibt ein vnchrist, vnnd wird jhm weder MAIOR noch MAXIMVS mit seiner oder einiger besserer lehr helffen, jhn recht fFr Gott vnd von hertzen from zu machen. Verzweiffeler oder heuchler m=chte er entlich mit dem Babst genug machen, das die, so keine gute werck, zur seligkeit n=tig, nit104 haben, inn n=ten der anfechtung verzweifelten, etliche auff ein zimliche zucht sicher wFrden bis auch zur anfechtung,105 vnnd blieben nichts dester weniger vnzelich viel b=ser buben,106 wenn er gleich ein solche Kirche hette, die jhr lebenlang nichts denn sein Euangelion – oder wie ich sagen solte: seine jtzige verbesserte predigt, das gute werck zur seligkeit n=tig sind – gelernt hetten. c

Konjiziert aus „Wenn“.

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empfangen. Vgl. Art. hinweg 3), in: DWb 10, 1536. Vgl. Mt 3,8. 101 Vgl. Phil 1,11. 102 Vgl. Mt 18,15–17. 103 Vgl. I Kor 5,9–13. 104 doppelte Verneinung zur Verstärkung der Negation. 105 etliche im Bewusstsein ihres bürgerlich-anständigen Lebenswandels sich auch vor Gott für unsträflich hielten, bis sie in Anfechtung fielen. 106 Schurken. Vgl. Art. Bube 5), in: DWb 2, 460f. 100

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Jn summa: Der gute same des worts Christi, wenn er also, wie zuuorn aus der schrifft dauon gered, geseet wird, so trifft er allezeit seinen guten acker, da er gewis frucht bringt, dreissigfeltig, sechzigfeltig vnd hundertfeltig; er trifft auch allezeit mit viel b=ses ackers, da er keine frucht bringet. So sehet107 der Teuffel sein vnkraut, dorn vnd disteln auch jmerdar mit vnter. Matth. xiij.108 [C 4v:] Das wird Maior, kein Mensch noch Engel, auch Gott selbst nit in diesem leben anders machen, der es sonst allein zu thun verm=chte, verhengts doch also, das er jhm dennoch nach seinem radt etwas guts zu seinen ehren vnnd seiner Kirchen besten weis daraus zu schaffen. Weil aber Maior trawn109 wil ein rechter Bußprediger sein nach der Lehr Christi vnnd vns dieses stFcks halben so hefftig beschFldigt, das er vns drFber als verfFrer vnd Antinomer außschreit vnd -schreibet inn die gantze welt, so las nu ferner sehen, wer ein andern mit bestendigem grundt vnnd mit warheit zum verfFrer vnd Antinomer machen sol, des ich hiemit das vrtheil auff die gantze Kirche wil gestalt haben. Denn wie reine erstlich Maior die Bußpredigt fFhret, ist oben genug aus seinen eigen worten vnnd glosen erwiesen, da er diese seine rede „Gute werck sind n=tig zur seligkeit“ einmal deutet, das sie da verhanden sein mFssen zu empfahung der seligkeit, das andermal, sie zu behalten. Das heist ja auff eine newe weis, nit in Christi, sondern mehr in vnserm oder in der werck namen, sie geschehen durch vns oder in vns, aus freiem willen vnd eigen krefften oder aus dem heiligen Geist, Busse gepredigt, ist wider die Lehr Christi vnnd gantz vnrecht. Zum andern, wenn es gleich nit vnrecht, sondern aller ding recht were, wie er leret, so thut ers doch gleichwol auch nit treulich, das er den leuten die Buß predigte, das ist: jhre sFnde anzeigte vnnd ferner darauff thette, was sich nach Gottes wort zu thun, wie oben geh=ret, eigent vnd gebFret. Sondern thut es also, das es jhm zu frieden, gut, ehre vnnd wolfart dieser [D 1r:] welt (so lang es weret) wol zutreglich, aber beide, jhm vnd seinen JFngern, verterblich ist an der seelen, lauts des G=tlichen vrtheils Ezech. xxxiij.: „Du menschen Kind, ich habe dich zu einem wechter gesetzt vber das haus Jsrael; wenn du etwas aus meinem munde h=rest, das du sie von meinen wegen110 warnen sollest. Wenn ich nun zu dem Gotlosen sage: Du Gottloser must des todts sterben, vnnd du sagest jhm solches nit, das sich der Gottlose hFte fFr seinem wesen, so wird wol der Gottlose vmb seines Gottlosen wesens willen sterben, aber sein blut wil ich von deiner hand foddern.“111

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sät. Vgl. Mt. 13,18‒23. wahrlich. von meinetwegen, in meinem Namen und Auftrag. Vgl. Art. meinetwegen, in: DWb 12, 1936. Ez 33,7f.

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Aus welchem spruch (wie auch aus dem spruch Christi Johan. xvj.: „Der heilige Geist wird die welt straffen“112) wir so viel lernen, das busse recht predigen heist, nit heucheln, sondern ernstlich straffen, nit das gemeine v=lcklein allein, sondern das gantze haus Jsrael, ja die gantze welt, darunter auch vnnd das fFrnemste ist, was gewaltig, mechtig, weise, gelert, gerecht vnnd heilig sein wil wider Gott vnd sein wort, das mus alles vom heiligen Geist gestrafft sein, nit schlechts in gemein obenhin, nach den zehen geboten, von alten fremden gemeinen sFnden, damit man nit d=rffe derjenigen feintschafft auff sich laden, die vns schaden oder frommen k=nnen, sondern allweg am meisten die gegenwertigen verterblichen des gantzen volckes vnnd entzeler personen sFnde, an kleinen vnd an grossen, grobe vnd gleissende, erkante vnnd vnerkante sFnde, die =ffentlich ist, in gemein vnd in sonderheit, darzu Christus sonderlich des heiligen Geists erleuchtung, krafft vnd sterckung verheist, gibt vnnd geben mus, die Propheten, Johannes der teuffer, Aposteln, Lutherus vnd andere dergleichen haben auch allezeit solch ampt vnd werck gewaltig also getrieben, vnd mFssens alle tre-[D 1v:]we Prediger, ob nit alle gleich im geist, doch ein jeder nach seiner maß mit dem werck also treiben, damit anhalten vnnd nit auffh=ren, bissolang113 die SFnder gebessert oder ordentlich nach dem Wort aus der Gemein Gottes ausgeschlossen werden. Wie nu Maior solch ampt fFret vnd treibet, das mag, wer da wil oder kan, bey einem, so =ffentlich ist, folgends in andern stFcken auch ermessen, als bey dem, wie er seinem standt vnd grossen namen nach die gemeine verleugnung, heucheley vnd abfall Deudsches Landes von erkanter vnd bekanter warheit zum R=mischen Antichrist aus furcht der Menschen geschehen, auch verfolgung jrer BrFder, der bekennenden Christen, diese vier jar her an den seinen vnd andern so ernstlich gestrafft hat vnnd angehalten, das sie jn zum teil aus vngedult der straffe fur lauter zorn drFber mit Thalern werffen,114 zum teil dasjenige, was sie zuuorn gesFndigt, fur grosser rew noch jmer mehr thun, sich dabey schmFcken115 wie die Ketzlin.116 „Qualis enim populus, talis sacerdos, et e contra,“117 wie jeder zeit die Leut vnnd leuffte118 sind, also hat dieser Prophet aus dem heiligen Paulo gelernt redimere tempus, sich in die zeit schicken.119 Wie er denn auch derselben Lehr des Apostels nach vor wenig jaren freudig120 war, etliche grosse Herren frey =ffentlich inn Got-

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Joh 16,8 (Luther 1545); strafen = tadeln. solange bis. Gallus spricht hier und im folgenden mit Ironie. schmiegen, ducken; (heraus)putzen. Vgl. Art. schmücken, in: DWb 15, 1117–1127. Kätzchen. Sprichwörtlich; vgl. Art. Pfaffe 6.1, Nr. 153–158, in: TPMA 9, 77; ferner Jes 24,2; Hos 4,9. Zeitläufte, Ereignisse. Vgl. Eph 5,16. kühn. Vgl. Art. freidig 3), in: DWb 4, 103.

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tes Acht vnd Ban zu erkleren,121 dauon er bald seine verantwortung an tag zu bringen, in der ersten antwort auff des Herren Amßdorffs schrifft sich vornehmen lest.122 Jch gleube aber am JFngsten tag, da ers wird thun mFssen; doch m=chte ers auch hie noch wol thun w=llen, wenn sich solche personen durch verenderung der zeit vnd hendel zuuorn selbst einmal erkenneten vnd bekenneten, jtzt ob wol etliche ein wenig etwas dauon zu uerstehen [D 2r:] geben, so ist doch Maiors zeit noch nit, solches mit jn klerer zu reden, denn sie noch zur zeit selbs thun, es m=cht jm sonst vngnad vnd schaden in der KFchen oder etwas ergers bringen. O des sch=nen zarten Bußpredigers, wie wird er dem Gott dieser welt123 souiel Heiligen durch seine Bußpredigt zufFren? Aber solche Bußprediger wil man jtzt fast allein allenthalben haben. So wird jrer Gott aus gerechtem gericht gnug komen lassen, das Prediger vnd zuh=rer einer dem andern fein heuchele vnnd also beide miteinander vnter dem namen des Euangelij mit grosser sicherheit vnnd Geistligkeit ins verdamnis fallen. Was nun hiegegen vnsere beyde, Lehre vnd treue, sey, Christliche Buß zu predigen vnd zu treiben, das werden vns vnsere predige, schrifften vnd hendel diese jar her, souiel deren =ffentlich vnd bekand sind, m=gen etwas zeugnis geben. Souiel gedachte gegenwertige sFnde Deudsches Landes belangend ist, weil andere, so es besser gek=nt vnd thun hetten sollen, darzu geschwiegen, zum theil selbst geholffen haben, vnnd ja jemand sein hat mFssen, der Deudschen Land diese seine sFnde =ffentlich hat anzeigen mFssen, so hat Gott vns arme vnmFndige kinder wunderbarlich on vnser selbst gedancken darzugezogen, die wir bisher, souiel wir gek=nt vnd Gott gegeben hat, dauon getallet124 vnd gelallet haben, vnd dis vnser einiger fursatz darinne gewesen ist, das wir ja gern etliche zur Busse haben bringen w=llen, Gottes ehre vnd jre seelen zu erretten, vnd helffen wehren, das nit ohn alle jemands einrede mit derselben sFnde fortgefharen vnd Deudsch Land dadurch von reiner Lehr gar gebracht oder lauter [D 2v:] heucheley vnter dem namen des Euangelij vnd Christlicher vergleichung auff vnsere nachkomene gestifftet125 wFrde. Vnd dasselbige haben wir vor, vnter126 vnd nach der belagerung, schrifftlich vnnd mFndlich, gegen abwesenden vnd gegenwertigen, hohen vnnd nidrigen, in gemein vnd in sonderheit, dermassen gethan, wie wir vns des aus 121

Vgl. [Georg Major]: Ewiger / G=ttlicher / || Allmechtiger Mayestat || Declaration. || [Holzschnitt: Trinität als Gnadenstuhl] || Wider || Kayser Carl / Künig zu Hispanien etc. Vnd || Bapst Paulum den dritten. || [Act 4,19] [Augsburg 1547] (VD 16 M 2033; weitere Ausgaben sind unter VD 16 M 2034, 2035 verzeichnet). 122 Worauf spielt Gallus an? Vgl. unsere Ausgabe, Nr. 1. 123 Vgl. II Kor 4,4. 124 gestammelt. Vgl. Art. dalen, dallen, in: Fnhd. Wb 5, 98; Art. dal(e)n, in: Götze, 46[a]; Art. dahlen, in: DWb 2, 696. 125 auf sie gebracht, ihnen dauerhaft untergeschoben. Vgl. Art. stiften I.A.4), in: DWb 18, 2879f. 126 während. Vgl. Art. unter adv. u. präp. II.B.1.e.β), in: DWb 24, 1476f.

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Gottes wort schFldig erkant vnd so viel Gott gnad vnnd geist darzu verliehen hat. Vnd haben darauff, weil wir sonst des =ffentlichen bannes inn vnsern Kirchen durch nachlessigkeit vnnd widerstant beide, der =bern vnnd vntern, gleich andern Kirchen beraubt sind, vnerkanter127 vnd vngebesserter solcher sFnde niemandts weder Sacrament noch Absolution mitgetheilet, aber offt des Teuffers lohn128 darFber gewarten mFssen vnnd der gefahr noch, so lang Gott wil, nit ohne129 sein. Welches ich hie allein aus not dieser verantwortung kFrtzlich hab berFren mFssen, vnnd solts Maior nit allein auch thun, sondern vns mit seinem exempel haben sollen vorgehen. Es m=chte jhm aber auch gunst vnd f=rderung wie vns bey dieser welt gebracht haben. Mag nu hierauff den beschlus machen, wer jhn finden kan, ob Maior oder wir mit grunt vnnd warheit verfFrer vnnd Antinomer sind, wie er vns beschFldigt. Auff das ich aber nu komme zum ende dieser schrifft, so ist einmal war, das diese rede Maiors „Gute werck sind n=tig zur seligkeit“ wider die schrifft ist, man vorstehe sie so gut, als man jmmer w=l, auch nach Maiors selbst eigner deutung, wie oben mit der schrifft klar ist erwiesen. Zum andern, so ist sie an jr selbst vnrecht, denn sie lautet nach den worten uel meritum uel causam salutis, [D 3r:] das die guten werck die seligkeit mit verdienen oder mit ein vrsach sind, oder wenn mans auffs aller best verstehet, wie es mFglich zu uerstehen ist, das sie also zur seligkeit geh=ren gleich wie ich darzu geh=re, sol ich anders selig werden, wie es Lutherus also auff das beste deutet in der vnterred, mit Philippo gehalten, so sie zu Wittemberg am ende der antwort auff Osiandri bekenntnis neulich haben trFcken lassen.130 Vnd verwirfft alda Lutherus solche rede in demselben allerbesten verstand als ein nerrische rede, wie er denn dabey setzt: „Jch werde ja auch dabey sein, sprach jener gesel.“131 Also wFrden gute werck schier auch n=tig sein zur verdamnis. Denn gleich wie der, so verdammet wird, je notwendig selbs mus dabey sein, also ist kein verdampter nimmermehr so gar verrFckt vnd b=se, an dem nit auch notwendig, sofern er nur Gottes creatur ist, etwas gutes wFrde erfunden. Zum dritten, wenn mans gleich in diesem aller besten verstand also nehme vnd brauchte, weil dennoch die wort inn jhrem natFrlichem verstand auch mit lauten meritum uel causam, vnnd vns allen von natur ist angeborn opinio meriti, also das wir jr aus vnsern hertzen nimmermehr recht k=nnen los 127

ohne dass sie zuvor verurteilt worden wäre. Vgl. Art. unerkannt 2.b), in: DWb 24, 489. Vgl. Mt 14,3–11. 129 ledig, davon frei. Vgl. Art. ohne I.1), in: DWb 13, 1210. 130 Vgl. VD 16 M 2501: Antwort auff das || Buch herrn Andreae Osi= || andri von der Rechtfertigung || des Menschen. || Philip: Melanth: || Gedruckt zu Witteberg / || Durch Veit Creutzer. || 1 5 5 2. 131 Vgl. VD 16 M 2501 (wie Anm. 130), Bl. D 2v–D 3r: „PHILIPPVS. Vtrum haec propositio sit uera: Iusticia operum est necessaria ad salutem? LVTHERVS. Non quod operentur seu impetrent salutem, sed quod fidei impetranti praesentes seu coram sunt, Sicut ego necessario adero ad salutem meam, Jch werde auch da bey sein sagt jhener gesel.“ 128

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werden, wenn wir gleich auff das aller beste aus dem Euangelio dawider vnterrichtet vnd nit ohne geist Gottes sind, das gute werck nit solten auch etwas zur seligkeit fFr Gott thun mFssen, so ist derhalben ein sehr geferlich ding, den gewissen =ffentlich vnnd inn gemein mit diesen worten wie Maior also lehren „Gute werck sind n=tig zur seligkeit.“ Dadurch nit allein den gemeinen einfeltigen Christen, sondern wol auch den aller verstendigsten vnnd besten hinderung zu reinem, festem vertrawen auff den einigen mitler Christum gethan wird. [D 3v:] Zum vierden, wenn solches gleich auch nit were, weil die Papisten solcher rede brauchen inn dem verstand meriti et causae, vnnd sie deßhalben von vns in jhrer vergleichung w=llen haben, so k=nnen vnnd sollen wir sie noch zweier vrsachen halben inn vnsern Kirchen dester weniger leiden. Eine vrsach ist, das das Euangelion Christi dadurch bey den einfeltigen vnnd auff vnsere nachkomene verfelscht vnd mit Phariseischen saurteig vermenget132 wird. Die andere, das es jtzt in dieser vergleichung mit dem R=mischen Antichrist vnnd seinen Bischoffen ein warhafftige verleugkung Christi vnd abg=tterey ist, der rede inn diesem allerh=chsten artickel mit den Papisten also brauchen, die vorhin bey jhnen allein vnnd bey niemand in vnsern Kirchen in =ffentlichem brauch ist gewesen. Vnnd das sich Maior mit Luthers schrifften schmFcken vnd beschFtzen wil, so solte er sich solches bey seinem133 leben vnterstanden haben, solche rede allein auff die Cantzel zu bringen, ich wil geschweigen zu dieser zeit des abfals vnnd vergleichung mit dem R=mischen Antichrist also drauff zu dringen, als mFsse man jtzt also reden oder k=nne kein rechter Bußprediger sein; ich meine Lutherus solt jhn pro authoritate empfangen haben, das er sich hette mFssen schemen. Jtzt aber mus er seiner heucheley vnd seines jrthumbs patronus sein vnd beweyset doch mit allen sprFchen, so er anzeucht aus Luthero nit mehr denn so viel: „Bona opera esse necessaria, non ad iustificationem et salutem, sed in iustificatis et iam habentibus salutem – Das gute werck von n=ten sind, nit zur gerechtigkeit fFr Gott, noch seligkeit, sondern denen, die allbereit gerechtigkeit vnnd seligkeit haben,“ denselben [D 4r:] nemlich sind sie von n=ten necessitate immutabilitatis seu ordinis, allein darumb, das es vnmFglich ist (sind sie anderst Christen, gerecht vnd selig), das sie ohne gute werck sein solten.134

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Vgl. Mt 16,11f. scil. Luthers. 134 Vgl. VD 16 M 2501 (wie Anm. 130), Bl. D 1v: „Responsio D. Lutheri, Necessaria est, sed non necessitate legali, seu coactionis, sed necessitate gratuita, seu consequentiae, seu Immutabilitatis. Sicut sol necessario lucet, si est sol, et tamen lucet non ex lege, sed ex natura, seu uoluntate (ut dicam) immutabili, quia sic creatus est, ut luceat, Sic iustus creatura noua, facit opera necessitate immutabili, non lege seu coactione; iusto enim non est lex posita. Deinde creati sumus (ait Paulus) in opera bona. Caeterum, cum dicis, non faciens non placet, est implicite dictum, quia impossibile est dare credentem, et non facientem.“ 133

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Wie auch Lutherus darauff in diesem handel der andern fast gleich lautenden rede (nemlich Christen sollen vnnd mFssen gute werck thun) gewogen ist zeigen an diese seine wort am ende der antwort Philippi auff das bekentnis Osiandri. „Credentes,“ spricht er, „ sunt noua creatura, noua arbor, ideo istae phrases legales non pertinent huc, scilicet, fidelis debet opera bona facere, sicut non recte dicitur, Sol debet lucere, arbor bona debet bonos fructus ferre, tria et septem debent ese decem, Quia sol lucet de facto, arbor facit fructus de facto, tria et septem sunt decem de facto. Non sunt in fierid debere, sed in facto esse.“135 Das ist in summa so viel gesagt: Sie mFssens nit aus not als gezwungen thun, sondern sie thuns one das ghern von sich selbs, gleich wie die Sonne nit aus noth, sondern von natur liecht gibt. Vnnd weil das Gesetz sonst auff die wercke als n=tig zur gerechtigkeit vnnd seligkeit dringet, so sey es derwegen im Euangelio vnrecht mit solchen worten dauon reden. Dieweil Maior auch die Eißlebische predigt, sich dieser proposition halben zu erkleren vnd zu defendirn je hat w=llen in Druck geben, so s=lte er sie gleichwol gantz hinein gegeben haben, sonderlich wie er von dieser sachen ab der Cantzel geredt hat. Denn es ist vns mehr denn von einem glaubwirdig zu geschrieben, das dieselbige predigt im beschlus mit also gelautet habe: So wenig, als jemandt k=nne ohn glauben selig werden, so wenig auch on gute werck. Damit [D 4v:] Maior schon alle Adiaphoristerey vbertrifft vnnd wol Princeps Adiaphoristarum mag genennet werden. Denn die andern wollen gleichwol nur das w=rtlein SOLA nit streiten vnd dem glauben in der rechtfertigung den vertzug geben, das er fFrnemlich gerecht vnnd selig mache. Maior aber allein setzt jhm die werck alda gleich, das werck vnnd glaub miteinander auff gleicher wage zur seligkeit bey jhm stehen. Vnd hat darauff die armen Prediger zu Eißleben, die jhnen seine proposition nit haben k=nnen gefallen lassen, also auff der Cantzel geholhipelt,136 das sie grobe Bapstesel,137 dem Bapst den Eselstall außmisten vnnd nit Prediger sein solten, auch ferner vermanet, solche Bapstesel jmmer hinwegzuthun vnnd andere (seins gleichen) gelerten an jhre statt zu setzen.138 Wenn ich jhm aber solches nu schuldt gebe vnnd darauff vber jhn vnd seines gleichen klagen wolte, das sie selbst auß grosser demut vnd heiligkeit dem Bapst nit allein den Eselstall gemistet, sonder beide, Stall vnnd Esel, darzu so sch=n geschmFckt vnd gezieret haben, das sie inn dem Stall als inn Gottes d

fieri uel: VD 16 M 2501 (wie Anm. 130), Bl. D 3v.

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VD 16 M 2501 (wie Anm. 130), Bl. D 3v. grob gescholten und geschmäht. 137 Anhänger des Papstes (Invektive). Vgl. Art. Papstesel, in: DWb 13, 1449; Lepp, Schlagwörter, 136 –138, bes. Abschnitt C. 138 Vgl. den Brief der Eislebener Prediger Friedrich Reuber, Jodocus Rucker, Johannes Behem, Andreas Theobaldus, Andreas Krause und Andreas Rhemus vom 28. Januar 1552 (Wartenberg, Major, S. 225, referiert daraus). 136

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Tempel zu wohnen vnnd dem Bapstesel als Obersten Bischoff oder Gott darinne anzubeten jederman gerathen vnd getrieben haben, so m=chte er auff dem sanfften Thier etwan reitend werden, auch jenes so wol als dieses leugknen vnnd mFste, weil es inn dieser seiner getruckten predigt nit geschriben stehet, nit wahr sein vnd ich ein lFgner erfunden werden. Darumb ist mir zu rathen, das ich dauon still schweige. Das weiß ich aber, wird er nit leugnen werden,139 das er selbst in der Vorrede an Rath zu Northausen140 auff die Weinachtpredigt Joh. j. geschrieben vnnd in druck geben hat vber den Pfarrher zu S. Niclas daselbst,141 einen [E 1r:] gelerten, trewen vnnd eiuerigen Prediger (welchen man lengs gern geschFpffet142 het), das er durch viel vnbedechtige predigt vnnd anderer Leut schmehung vnnd lesterung (wie er sagt) die Christliche gemein daselbst sehr betrFbe, verbitterung vnnd viel mißuerstand einfFre. Denn weil er nit gut Adiaphoristisch ist, hat er eins oder zwey mal auff der Cantzel gedacht: Es sey vnrecht gelert vom Maiore, das gute werck zur seligkeit n=tig sind. Ermanet darauff Maior auch die Herrn zu Northausen (welchs dem, so zu Eißleben geschehen, nu dester mehr glauben machet) zu gedencken des spruchs Pauli, Gala. v.: „Ein wenig Saurteig verseuret den gantzen teig.“143 Jtem, das der Apostel wider die falschen Aposteln bittet: „Wolte Gott, das sie auch außgerottet wFrden, die euch verst=ren.“144 Das heist ja, mein ich, das maul auff einmal weit genug auffgethan vnd sich zu erkennen gegeben, das gute werck zur seligkeit n=tig nit predigen wollen, sey falscher Aposteln saurteig, welchen man außfegen, Prediger veriagen, vnd Gott selbs sie verst=ren sol. Weil sich aber nite hat schicken w=llen, genanten Pfarrher zu S. Niclas also vnFberwiesen zu entsetzen,145 hat jhm darnach fFr allen andern an seiner besoldung ein gut theil sollen abgekFrtzet werden, das er entlich hungers halben selbst abziehen mFste vnnd villeicht den namen darzu tragen, er hette als ein miedling vmb geldes willen seine Schefflein verlassen.146 Was wider etliche der vnsern, in sonderheit wider mich, rad gegeben worden, ist mir zum theil auch nit vnbewust.147 Das sage ich aber nit, das Maior hie mit zugeraten habe, sondern es m=gen dieselben personen fFr sich selbst also gesinnet sein. e

Konjiziert aus „nie“.

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Zur Futurbildung vgl. oben bei Anm. 56. Vgl. VD 16 M 2214 (s. oben Einleitung S. 99, Anm. 4). 141 Gemeint ist Anton Otho, Pfarrer zu Nordhausen an der Marktkirche St. Nicolai 1543 –1568. Zu ihm vgl. die Einleitung, oben S. 99, Anm. 5. 142 gefeuert, aus dem Amt gejagt, entlassen. Vgl. Art. schupfen 3.b), in: DWb 15, 2009. 143 Gal 5,9. 144 Gal 5,12. 145 ohne Nachweis eines Verschuldens seines Amtes zu entheben. Vgl. Art. überweisen A.3.d), in: DWb 23, 641; Art. entsetzen 1), in: DWb 3, 620. 146 Vgl. Joh 10,12f. 147 unbekannt. Vgl. Art. unbewuszt 1), in: DWb 24, 381. 140

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Wolte sonst Maior alle Prediger, die nit sehr gut [E 1v:] seines theils sind vnd etwas wider die Adiaphora der newen heucheley reden, veriagen (wie er sich denn hiemit anderer heimlichen practicken mehr =ffentlich verdechtig machet) so wFrde er warlich, der heilige man, sehr viel Christlicher Kirchen wFst machen mFssen oder, wie seine meinung stehet, mit lauter Adiaphoristen erfFllen. Sonst redet vnd vermanet er gleichwol auch =ffentlich in seiner antwort auff des Herrn Amßdorffs schrifft die Oberkeit, ein einsehen zu haben, das solchen lesterschrifften (wie er des Herrn Amßdorffs vnnd vnsere schrifften nennet) gesteuret werde, wie denn bißher etliche zeit vber geschehen,148 auff das nemlich er forthin einen druck vber den andern außgehen vnnd allein reden m=ge, seinen jrthumb vnd heucheley zu schmFcken vnd fortzusetzen, das jhm =ffentlich niemand darein reden d=rffte. Also mFssen an Christo vieler hertzen gedancken, wie der liebe Simeon singt,149 offenbar werden vnd solche heilige Leut sich auch verraten, was im inwendigen jhres hertzens gegen Christum stecket, wenn er sie auff das lebendige triffet. Wenn aber Maior sonst vermeinet, seine sachen ja so gewis vnd n=tig zu sein, vnd so begirig ist Christlicher eintrechtigkeit, wie er fFrgibt, warumb hilfft er nit viel mehr dahin arbeiten (des wir vnns gegen sie vnd andere etliche, auch hohe personen erboten haben) das dieser gantzer zwispalt von Adiaphoris, mutationibus vnd conciliationibus, durch eine zimliche versamlung gelerter, GotsfFrchtiger, vnparteischer Leut vnserer Religion aus benachtbartten vnnd dergleichen Kirchen ordentlich verh=rt vnd so viel mFglich also zu ende gebracht wFrde? Oder wo dieser weg, welcher wol der aller beste, nit gefiele oder zu schwer deuchte, so hab ich im anfang die-[E 2r:]ser schrifft fFr mich von dem andern gesagt, das sie zum wenigsten die gemachten vergleichungen zu Leiptzig vnd andere dergleichen, wo oder von wem die gemacht sind vnd kFnfftig gemacht werden m=gen, sampt vns nichtigen vnd verdammen. Aber es ist im grunde nichts mit jhrer gantzen Adiaphoristerei, welcher wenn sie je selbs so viel traweten vnd nit b=se gewissen zum mehrern teil dabey hetten, wFrden sie wol damit an das liecht eilen, jederman frey mit grunt der schrifft dauon richten vnd reden lassen. So ist auch nit wol zu hoffen, das sie sich fFr Gott so weit demFtigen vnd jhren jrthumb fFr den menschen einmal frey bekennen werden. Derhalben hiemit auch zum letzten beschlus alle Christen dafFr nit allein jtzt, sondern auch kFnfftig allezeit, wenn sie oder andere einmal wider damit wFrden auff die bahn kommen, als fFr einem abfal vnd abg=tterey fFr Gott treulich sollen gewarnet sein.

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Vgl. unsere Ausgabe Nr. 1, S. 44,25f (Bl. E 2r). Vgl. Lk 2,35.

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Denn wie Paulus von dem angehenden Reich des R=mischen Antichrists zu seiner zeit spricht, also stehet es jtzt zu vnser zeit mit dem offenbarten Antichrist, das sich die boßheit schon bereit allenthalben reget, jhn widerumb zu setzen in Tempel Gottes vnd anzubeten, ohne das, der es jetzt auffhelt, zuuor mus hinweggethan werden, nemlich der heilige Geist in trewen Predigern, welcher wie er zu derselben zeit durch die Aposteln vnd etliche jhre JFnger hernach den Geist des Antichrists etwas auffhielte, das er nit so balt auffkam, also ist er jtzt ein zeitlang auffgehalten worden, das er nit ist wider eingesessen.150 Wenn ers aber nu durch seine Jnterimisterey vnnd Adiaphoristerey auß verhengnus G=ttlichs zorns [E 2v:] vber vnser vndanckbarkeit dahin bringen wird (wie er jtzt hefftig durch Maior vnnd seines gleichen darzu arbeitet), das niemands =ffentlich mehr dawider schreiben, predigen, reden oder mucken151 darff, vnd werden meinen, sie habens k=stlich wol ausgericht mit bessern vnd vergleichen, so wird alsdenn wider angehen die zeit, da Christus von sagt Matth. xxiiij., das inn jrthumb werden verfFret werden (wo es mFglich were) auch die außerweleten.152 Vnd das er weiter sagt: „Wenn des menschen Son komen wird, meinestu auch, das er wird glauben finden auff erden?“153 Darumb, sage ich noch einmahl, sey jeder Christ verwarnet auff kFnfftig zeit der Adiaphoristischen enderungen, besserungen vnnd vergleichungen, welche, so sie noch sollen bey diesem liecht des Euangelij der Christenheit den schaden thun, so mFssen sie nit durch geringe leut oder =ffentliche feinde getrieben werden, sondern durch die, welche vnter den freunden vnd verwanten das ansehen haben, das sie nit jrren vnnd verfFren werden oder auch schier nit k=nnen. Vnnd wir k=nnen darauff mit den grossen Theologen, weiland154 vnsern Praeceptoren, weil sie sich so hoch verdechtig gemacht dieser sachen, wie oben geh=rt, noch nit wider eins sein, es sey denn, das sie sich des mit worten vnnd mit der that gnugsam nit vmb vnsern, sonder vmb Gottes, vmb der Kirchen vnnd vmb jr selbs willen zuuor purgiren.155 Denn das ich des hiemit am ende auch gedencke, so hat noch jtzt newlicher zeit der ChurfFrst zu Brandenburg156 seiner Christlichen Kirchenordnung halben, wie er sie rFhmet, an etliche seiner Superintendenten geschrieben, wie er dieselbig Kirchenordnung mit rath vnd [E 3r:] bestetigung der fFrnemsten Theologen, so jrer aller Praeceptores gewesen vnd noch sind, habe auffgerichtet, vnd hat jtzt gelerte, GottsfFrchtige, trewe Prediger, welche

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Vgl. II Thess 2,3–12. mucksen, einen Laut von sich geben, murren. Vgl. Art. mucken 3), in: DWb 12, 2610. Vgl. Mt 24,24. Lk 18,8. vormals. Vgl. Art. weiland A.2.b), in: DWb 28, 784. reinigen. Kurfürst Joachim II. Hektor, Markgraf von Brandenburg.

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sich derselben gewegert, drFber veriaget. Wen nu der Marggraff damit wol meine, vnd ob er jnen also =ffentlich damit vnrecht thue, mag ein jeder guter r(ter157 rathen vnnd ermessen. Solches sollen wir noch heutiges tages da sehen fFr vnsern augen vnd h=ren, das es geschicht vnter jrem namen, vnnd solten darauff also mit jhnen schlecht,158 ohn alle vorgehende er=rterung, vnabgewanter solcher ergernis, wider eins sein – was were das anders, denn alle vnser vorige handlung vnd damit Christum, den Herrn, selbst verleugnet, dem Antichrist durch Adiaphoristerey in vnser Christliche Kirchen einzuschleichen thFr vnnd thor hinfort wider auffgethan? Darumb wird vns des kein Christlich gemFt, der sachen verstendig, verdencken, das wir hierin gleich fest, vnd wie man es m=chte deuten, gar zu halstarrig, wider solche leut halten. Vnnd ob man vnns viel sagen wil von jrer Busse, so spFren wir doch derselben noch keine, sondern mehr das widerspiel159 inn worten vnnd wercken, =ffentlich vnd heimlich. Jnn sonderheit aber ist Maior schFldig, fast fFr allen andern (Pfeffinger160 außgenomen), weil er sich nu fast etlich mal fFr andern161 eingelassen hat, heiliger schrifft, Christlichen gewissen vnd vnsern Kirchen, auch seiner selbs eigen Defension zuwider, den Adiaphoris aber, Interim vnd Bapstumb zu sterck, die guten werck als n=tig zur seligkeit aus dem Leiptzigischen Interim =ffentlich zu uerteidigen vnnd vnsern Kirchen, gleich als n=tig zu rechtschaffner Bußpredigt, solche form der wort vnnd meinung, wie er sie brauchet, auffzudringen, das er den-[E 3v:]selben jrthumb =ffentlich wider verwerffe vnd straffe, damit er lerne, was da sey die Kirche Christi mit falscher lere vnd heucheley =ffentlich ergern vnnd, wie die schrifft pflegt dauon zu reden, Jsrael, das ist Gottes Volck, sFndigen machen.162 Geschichts nit (wie jn sein demFtiger Geist schwerlich wird lassen darzu komen), so haben wir vns des erboten, was wir mit Gott vnd gewissen gekunt haben, vnd bleiben also in dem namen Gottes auff sein wort vnnd befehl dieses handels vngescheiden,163 welches der waren Christlichen Kirchen, wie viel Leut nach fleischlichem vrtheil m=chten meinen, nit schedlich, sondern nur besserlich ist. Wie denn vnser aller fFrnemste, liebste Praeceptores, die Propheten vnnd Aposteln, mit den falschen Propheten vnnd Aposteln, die Orthodoxi mit den Ketzern, Lutherus mit den Papisten, Widerteuffern vnnd deren gleichen darumb auch sind vngescheiden vnnd vnuertragen blieben, daruon sie nit hat abwenden m=gen, das einigkeit feiner, zu fried vnnd ruhe 157

Rater, Erräter, Rätsellöser. Vgl. Art. Rater, in: DWb 14, 181f. schlicht, umstandslos, einfach. Vgl. Art. schlecht 13.a), in: DWb 15, 529f. 159 Gegenteil. Vgl. Art. Widerspiel 1.b), in: DWb 29, 1236. 160 Diesen betrachtet Gallus also als noch übleren Vertreter der Gegenseite. 161 fast etlich mal für andern = recht häufig im Vergleich zu andern. 162 Vgl. I Reg 14,16; 15,26.30.34; 16,2 und öfter. 163 bleiben ... in dieser Angelegenheit ohne abschließende (rechtliche) Entscheidung, ohne (versöhnlichen) Schiedsspruch, der Dissens bleibt bestehen. Vgl. Art. ungescheiden, in: DWb 24, 832f. 158

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auch fFrtreglicher were. Doch sage ich noch jtzt zum dritten mahl, m=gen Christen fFr Maiors vnd seines gleichen geist darauff verwarnet sein. Vnd sol je die Adiaphoristerey noch jtzt oder hernach aus verhengnis G=tlichs zorns vber vnser vndanckbarkeit vnd manchfeltige grosse sFnde jren fortgang gewinnen (wie ich mich der sorgen schwerlich kan erweren), so tr=ste ich mich inn diesem gantzen handel der warheit G=ttlichs worts vnd weis fFrwahr auch noch, das, wie der xciiij. Psalm sagt, das recht wird noch recht bleiben, vnd dem werden zufallen alle frome hertzen.164 Vnd wenn derhalben gleich alle Kirchen dieser lande, so das Euangelion bisher rein gehabt vnd noch haben, s=lten nach dem =ffentlichen Kirchenampt Adiaphoristisch, das ist mit [E 4r:] dem Antichrist vnd seinen malzeichen, befleckt werden, so werden durch Gottes gnaden noch hin vnd wider frome hertzen der heucheley, verfelschung vnd Abg=tterey entgegen, der warheit vnnd reinen Christlichen bekentnis mit sein. Derselben vrtheil, wie wenig vnd gering die personen sind neben Gottes wort, sol mir mehr gelten zu versicherung meines gewissens, denn alle aller Adiaphoristen kunst, weisheit, redsamkeit, ansehn, mennige165 vnd gewalt.166 Darauff, so sie denn noch mehr wFrden fortfahren, wie sie schon nach gelegenheit dieser zeit angefangen vnd jhre gemFte genug haben zu erkennen geben, dasselbige kleine, geringe heufflein vnnd fFrnemlich die Prediger zu drucken,167 zu ueriagen vnnd zu plagen, in meinung, Gott auch damit ein dienst zu thun, so hat vns Christus solches alles zuuorn verkFndigt, auch trost genug dargegen angezeigt. Derhalben, was bey Christo rein vnd bestendig bleiben wil, sonderlich in diesen letzten zeiten, sein leibliche vnnd zeitliche wolfart hie nit mus zu hoch achten, auff denselben fall gegen den scheinbarlichen168 grossen heiligen vnnd seulen der welt als zust=rer geistlichs vnnd weltlichs friedens in die schantz zu setzen.169 Es wird dennoch nichts dester weniger Gott auch noch Richter hie auff erden sein werden,170 Psal. lviij. Vnd dort vollents einmal das entliche gerichte anstimmen, das ein jeder befinde, was er hie recht oder vnrecht gehat vnd was er damit gewonnen habe. Zu demselben deinem gericht kum nur balt, lieber Herr Jhesu, kum balt, denn hie ist fort in dieser welt nit viel guts mehr zu gewarten. Verzeuchstu aber, Herr, so lehre, tr=ste, stercke durch deinen Geist dein armes, kleines, geringes heufflein, damit es wider alle des Teuffels, Babsts vnd falschen BrFder beide, verfolgung vnnd be-[E 4v:]trug, welcher mehr denn gewalt zu 164

Vgl. Ps 94,15. Menge, großen Anzahl. Vgl. Art. Menge 2) und 8.a), in: DWb 12, 2007, 2009f. 166 gemäß heutigem Sprachgebrauch wäre zu konstruieren: „alle Kunst, Weisheit ... aller Adiaphoristen.“ 167 unterdrücken, quälen. Vgl. Art. drücken 7.c), in: DWb 2, 1444f. 168 stattlichen, ansehnlichen, imposanten. Vgl. Art. scheinbarlich 1.c), in: DWb 14, 2438. 169 aufs Spiel zu setzen, zu opfern. Vgl. Art. Schanze 2.c), in: DWb 14, 2164–2166. 170 Zur Futurbildung vgl. oben Anm. 56. 165

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Nr. 4: Antwort auf des Herrn D. Majors Verantwortung (1552)

befFrchten, bestehen, dem Antichrist seine knie nit wider beugen vnnd entlich selig werden m=ge! AMEN. Phil. Mel. in der antwort auff Osiandri bekentnis:171 Der glaub mus fFr vnd fFr beides annemen vnd behalten, gratiam et donum, vmb des mitlers Christi willen, auch wenn gleich die widergeburt angefangen ist.

171

Vgl. VD 16 M 2501 (siehe oben Anm. 130), Bl. A 3v: „Vnd diser glaube mus für vnd für beides annemen vnd behalten / Gratiam et Donum vmb des mitlers Christi willen / auch wenn gleich die widergeburt angefangen ist.“

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Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: 280.8 Theol.(1)

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Ein Sermon von S. Pauli vnd aller GottfFrchtigen men= schen bekerung zu Gott / Durch D. Georg: Maior. Hieraus ist klar zubefinden / das Do= ctori Maiori / von seinen abgFnstigen / vnbillich aufferleget / wie er lehre / das gute werck zum vordienst der seligkeit n=tig sein / vnd wird hie angezeigt / ob / wie / welchen / vnd war= umb gute wercke dennoch zur Se= ligkeit von n=ten.

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LVTHERVS TO: I. FOL: 392. IN QVIN= ta Disputatione de operibus legis et gratiae.

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Quaerere oportet per patientiam boni operis uitam aeternam, Nec tamen est quaerentis sed miserentis Dei.1

Philippus Melan: in Locis Communibus de bonis operibus VVittenbergae editis, Anno XXXVI. Item Anno 41. 20

Non datur uita aeterna propter dignitatem bonorum operum, sed gratis propter Christum, Et tamen bona opera ita necessaria sunt ad uitam aeternam, quia sequi reconciliationem necessario debent.2

1

Luther, WA 39I, 203,9f (Promotionsdisputation von Palladius und Tilemann, 1. Juni 1537, These 14). 2 Vgl. Philipp Melanchthon, Loci Theologici (1536), in: CR 21, 429.

Johannes Wigand vermerkt auf seinem Exemplar [HAB 280.8 Theol.(1), Abbildung gegenüber]: „Mere papisticus et Interimisticus liber, quem plures Ecclesiae Germaniae damnarunt. Vtinam Maiorem huius sui foetus [?] puderet ac poeniteret. Hic enim de pinnaculo templi suasu mali spiritus sese deiecit [vgl. Mt 4,5f] et aeri se commisit. Gott helffe im.“

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Nr. 5: Ein Sermon von S. Pauli ... Bekehrung (1553) – Einleitung

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Einleitung 1. Historische Einleitung

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Im Dezember 1551, kurz nach der Veröffentlichung von Amsdorfs Streitschrift „Das D. Pomer und D. Major Ärgernis und Zertrennung angericht“,1 hatte Major das Amt des Superintendenten der Grafschaft Mansfeld angetreten. Da er den Gnesiolutheranern als Mitverfasser des Leipziger Interims und Parteigänger der Kirchenpolitik des Kurfürsten Moritz von Sachsen galt, konnte er mit mehr oder weniger unverhohlener Abneigung und Widerstand unter den Geistlichen seines Sprengels rechnen. Die Magdeburger Polemik hatte zur Beschädigung seines Ansehens einen wesentlichen Beitrag geleistet. Am 25. Januar (Conversio Pauli) 1552 hielt der neue Superintendent anscheinend in Gegenwart nahezu der gesamten Geistlichkeit der Grafschaft Mansfeld eine Predigt in der Andreaskirche zu Eisleben, in der er sich anhand des Beispiels der Bekehrung des Paulus mit der Frage der Bedeutung der guten Werke für ein christliches Leben beschäftigte, wohl in der Absicht, den eigenen Standpunkt zu verdeutlichen, die Übereinstimmung mit der evangelischen Lehre darzutun und die Anwürfe der Gegner zu entkräften.2 Diese Predigt bildet die Grundlage für Majors ausführliche, um nicht zu sagen: ausufernde (er selbst sagt an einer Stelle, das Buch sei ihm unter den Händen etwas lang geraten)3 Darlegungen in der hier edierten Schrift. Allerdings gaben den Anstoss zur Ausarbeitung anscheinend erst die Streitschriften von Amsdorf,4 Flacius5 und Gallus,6 die Major im Sommer 1552 erreichten.7 Bis zur Fertigstellung dauerte es eine ganze Weile; das Vorwort ist deshalb erst auf den 10. November 1552 datiert, freilich ausdrücklich und absichtsvoll auf Luthers Geburtstag, so dass das Datum vor allem symbolischen Wert haben dürfte. Dennoch bietet die Datierung des Vorworts einen Anhalt für den Zeitpunkt der Fertigstellung des Manuskripts. Da anschei-

1

Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8, S. 752–777. Zu der Empörung, die Major mit der Predigt hervorrief, und den Hintergründen vgl. unsere Ausgabe Nr. 1, Einleitung, und Wartenberg, Major 223–226. 3 Vgl. unten S. 260,6f (Bl. f 2r). 4 Unsere Ausgabe Nr. 2: Ein kurzer Unterricht auf D. Georgen Majors Antwort. 5 Unsere Ausgabe Nr. 3: Wider den Evangelisten des heiligen Chorrocks D. Geiz Major. 6 Unsere Ausgabe Nr. 4: VD 16 G 255: Auff des Herrn D. || Maiors verantwortung vnd De= || claration der Leiptzigischen Pro= || position / wie gute werck zur selig= || keit n=tig sind / zum zeugnis seiner || vnschult / das er mit der Leiptzi= || gischen handlung nichts zu || thun habe. || Antwort. || Nicolai Galli. || [...] || Basel. [= Magdeburg: Michael Lotter] || Anno 1552. 7 Vgl. dazu auch Majors Nachschrift „An Christlichen Leser“, Bl. k 1r: „Hiewieder m=gen nu Amseln oder Trosseln [vgl. Amsdorf] singen oder schreihen / Hane [vgl. Gallus] kreihen oder gatzen [= krähen oder (wie ein Huhn) gackern]/ verloffne vnd vnbekante Wenden oder Wahlen [= dahergelaufene Slaven oder Welsche, vgl. Flacius Illyricus] / lesteren / die schrifft verwenden / verkeren / Calumnijren schreiben vnd mahlen wie sie wollen ...“ Vgl. auch Bl. k 2v: „...da frage ich Amsdorff / Gallum vnd Jllyricum selbs vmb / ob jhr glaube also scheine vnd leuchte / Wie er aber leuchtet / sihet leider gantz Deutschland / inn jren Lesterschrifften / damit sie gantz Deutschland erfFlle[n].“ 2

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Nr. 5: Ein Sermon von S. Pauli ... Bekehrung (1553) – Einleitung

nend Stephan Agricola am 26. November bereits von der Existenz dieser Abhandlung wusste,8 steht zu vermuten, dass Major sie zunächst im Manuskript in Umlauf brachte, wohl um seine Position als Superintendent in Eisleben zu verteidigen. Der Druck wiederum ist im Kolophon erst auf 1553 datiert. Dies könnte zwar der verlegerischen Gepflogenheit geschuldet sein, Neuerscheinungen gegen Ende des Jahres auf das künftige Jahr zu datieren und so länger aktuell erscheinen zu lassen. Gleichwohl dürfte der Satz des umfangreichen Texts tatsächlich einige Zeit in Anspruch genommen haben, und vor allem zeugen Majors – einen ganzen Bogen (i 4v – k 4r) füllende – Schlussworte „An Christlichen Leser“ von einer zwischenzeitlich eingetretenen Veränderung: Das Vorwort schreibt Major noch als Superintendent von Eisleben. Diese Stellung musste er jedoch räumen, als infolge des Passauer Vertrages der vormals geächtete Graf Albrecht VII. von Mansfeld-Hinterort im November 1552 in seine Besitzungen zurückkehrte. Ende Dezember 1552 war Major wieder in Wittenberg, und dem entspricht es, wenn er sich in seinen Schlussworten zur Gruppe derer rechnet, „die wir zu Wittembergk vnd Leipzig / vnwirdige diener des Herren Christi Jhesu vnd seiner lieben Christenheit sein“.9 Der Text dürfte etwa Mitte oder Ende Januar 1553 im Druck erschienen sein. Der Appendix zum „Bedenken“ der Mansfelder Prediger10 polemisiert gegen das „lange Comment“ Majors und meint damit den vorliegenden Text. Flacius und Gallus initiierten eine Stellungnahme der Pfarrer aus Hamburg, Lübeck, Lüneburg und Magdeburg gegen Majors „Sermo“ und veröffentlichten auch jeweils selbst eigene Gegenschriften.11

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2. Der Autor Zur Vita Georg Majors vgl. unsere Ausgabe Nr. 1, Einleitung, oben S. 22f. 3. Inhalt Der Verfasser möchte mit der hier edierten Schrift belegen, dass seine These, gute Werke seien nötig zur Seligkeit, mit der Auffassung der heiligen Schrift 8

Vgl. unsere Ausgabe Nr. 7, S. 327 (Vorwort). Bl. i 4v. 10 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 6, S. 313f. 11 Vgl. SENTENTIA MINI || STRORVM CHRISTI IN || Ecclesia Lubecensi, Hamburgensi, || Luneburgensi & Magdeburgensi, || de corruptelis doctrinae Iustifi- || cationis, quibus adse- || ritur, || Bona opera esse necessaria ad salutem: || Item, || Neminem unquam saluatum esse sine || bonis operibus: etc, || Impoßibile esse quenquam sine bonis || operibus saluari. || BASILEAE [Magdeburg 1553] (VD 16 S 5882). – SENTENTIA || MINISTRORVM CHRISTI IN || Ecclesia Lubecensi, Hamburgensi, Luneburgen= || si & Magdeburgensi, de corruptelis doctri= || nae iustificationis, quibus D. Georg. || Major adserit, || Bona opera esse necessaria ad salutem. || Neminem ... || [Magdeburg 1553] (VD 16 S 5883). – Matthias Flacius: Eine kurtze Antwort || Jllyr. auff || das lange Comment || D. Ge. von guten wercken. || ... || [Magdeburg 1553] (VD 16 F 1430; vgl. a. VD 16 ZV 5894, 5896) – Nikolaus Gallus: Auff die newe subti= || le verfelschung des Euangelij Chri || sti / in Doctor Maiors Comment / || ... || Erklerung vnd antwort || Nicolai Galli. || ... || [Magdeburg 1553] (VD 16 G 256). 9

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Nr. 5: Ein Sermon von S. Pauli ... Bekehrung (1553) – Einleitung

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und der rechtgläubigen Lehrer der Kirche seit jeher übereinstimme und also von seinen Gegnern völlig zu Unrecht beanstandet werde; sie zeigt folgenden Aufbau:12 5

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1.1 Titel [mit einschlägigen Zitaten] (A 1r) 1.2 Summa dieser Erklärung (A 2r) 1.3 Widmungsvorrede an Freunde und Förderer aus dem Eislebener Patriziat [mit Verteidigung gegen Vorwürfe der Gegner] (A 3r) 2. Hauptteil: Ein Sermon von S. Pauli und aller gottfürchtigen Menschen Bekehrung zu Gott (H 1r) 2.0.1 Text: Act. 9 (H 1r) 2.0.2 Summa und der Nutz dieser Historien (H 3r) 2.1 Von der Buße und Bekehrung zu Gott (J 1v) 2.1.1 Dass drei Teile der Buße sind (K 1r) 2.1.1.1 Von dem ersten Teil der Buße, das ist von Erkenntnis der Sünde (K 3r) 2.1.1.2 Von dem andern Teil der Buße, nämlich vom Glauben (L 1r) 2.1.1.3 Der dritte Teil der Buße ist das neue Leben und die Früchte wahrhaftiger Buße (L 4v) 2.1.1.3.1 Der Papisten Lehre von guten Werken und Gerechtigkeit (M 3r) 2.1.1.3.2 Von dem Wort Sola (N 1v) 2.1.1.3.3 Von guten Werken und vom neuen Gehorsam der Gläubigen (O 1r) 2.1.1.3.3.1 Von dem wahrhaftigen Glauben, durch welchen allein der Mensch Gerechtigkeit und Seligkeit empfängt (O 3v) 2.1.1.3.3.2 [Von guten Werken (O 4v)] 2.1.1.3.3.2.1: I. Was gute Werke sind (O 4v) 2.1.1.3.3.2.2: II. Wie vielerlei gute Werke sind (O 4v) 2.1.1.3.3.2.3: [III.] Wozu gute Werke und ob sie auch zur Seligkeit von nöten (Q 1r) 2.1.1.3.3.2.3.1: I. Sprüche, aus der heiligen göttlichen Schrift gezogen (Q 1v) 2.1.1.3.3.2.3.2: II. Beweisung durch etliche Parabolen des Herrn Christi, das gute Werke in den Gläubigen zur Seligkeit von nöten (V 4r) 2.1.1.3.3.2.3.3: III. Die dritte Beweisung, das den Kindern Gottes gute Werke zur Seligkeit von nöten, sind die Exempel (X 3v) 2.1.1.3.3.2.3.4: IIII. Die vierte Beweisung wird von beständigen Ursachen, Argumenten und Schlussreden genommen (Y 2v) 2.1.1.3.3.2.3.5: V. Die fünfte Beweisung, dass gute Werke zur Seligkeit von nöten, sind die Zeugnisse der Alten, und zu dieser Zeit der Lehrer der christlichen Kirche, und der Consensus Catholicae Ecclesiae Christi (c 2v) 2.2 Ursache des Zanks über diese Lehre (e 2v) 2.2.1 [Cruciger/Melanchthon:] Von guten Werken (e 3r) 3. An christlichen Leser (i 4v)

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Die Bezeichnungen sind im wesentlichen dem Text entnommen, Ergänzungen stehen in []; in runden Klammern ist jeweils das Blatt angegeben, auf dem der betreffende Abschnitt anfängt.

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Nr. 5: Ein Sermon von S. Pauli ... Bekehrung (1553) – Einleitung

4. Ausgaben Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe: A: Ein Sermon von S. || Pauli vnd aller GottfFrchtigen men= || schen bekerung zu Gott / || Durch || D. Georg: Maior. || Hieraus ist klar zubefinden / das Do= || ctori Maiori / von seinen abgFnstigen / vnbillich || aufferleget / wie er lehre / das gute werck zum || vordienst der seligkeit n=tig sein / vnd wird hie || angezeigt / ob / wie / welchen / vnd war= || umb gute wercke dennoch zur Se= || ligkeit von n=ten. || [Zitate von Luther und Melanchthon] [Im Kolophon: Gedruckt zu Leipzig / durch Wolffgan= || gum GFnther. Anno 1553.]13 [132] Bl. 4° (VD 16 M 2186). Vorhanden: FRANKFURT/M., Universitätsbibliothek J. C. Senckenberg: Sammlung Gustav Freytag XVII, 809 (Hohenemser Nr. 3636) [benutztes Exemplar] GOTHA, Forschungsbibliothek: Theol.4 230/2(5); Theol.4 322c(6) GREIFSWALD, Universitätsbibliothek: 8 Ft98 adn.[Ft99](BW 523) JENA, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 4 Bud.Var.212(2); 4 Theol. XXXVII,61(3) LUTHERSTADT WITTENBERG, Bibliothek des Ev. Predigerseminars: LC355/31 LUTHERSTADT WITTENBERG, Bibliothek der Lutherhalle: Ag 4 233a MÜNCHEN, Bayerische Staatsbibliothek: 4 Hom.1315#Beibd.1; Res/4 Dogm. 414#Beibd.3 MÜNCHEN, Bibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität: 4 Theol.3672:1 WIEN, Österreichische Nationalbibliothek: 20.Dd.42 WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 229.5 Theol.(1); 280.8 Theol. (1); J 186.4 Helmst.(3); J 189.4 Helmst.(1)

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Vgl. Reske S. 521.

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[A 1v:] Confeßio Augustana in capite de bonis operibus: Anno 30. Obedientia erga legem Dei, est necessaria in reconciliatis.1 ibidem, De operibus ita iudicandum est, quod sint necessaria, quod sint cultus Dei et sacrificia spiritualia et mereantur praemia etc.2

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APOLOGIA CONFESSI: AVGVS: Iustificati necessario pariunt bona opera seu bonos fructus.3 CONFESSIO CIVITATVM SVPERIORIS GERMANIAE AMPLECTENTIVM Euangelium, in cap: de bonis operibus.

10

Etsi acceptatio ad uitam aeternam coniuncta est cum iustificatione hoc est, cum remißione peccatoruma et reconciliatione, tamen Bona opera sunt necessaria ad salutem, quia sunt debitum, quod necessa= rio reconciliationem sequi debet, sicut Paulus ait, Debitores sumus. Item necessaria est in Saluandis

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inchoata nouitas.4

[A 2r:] Summa dieser erklerunge.

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Das die gute werck, so Gott geboten, vnnd der newe gehorsam den gleubigen vnd kindern Gottes gegen Gott jrem Vater zur sehligkeit n=tig seind, nicht die selbige dardurch zu uerdienen (Welche sie albereit, dieweil sie Gottes kinder seind, aus gnaden Allein durch den glauben haben), sondern als wirckung des warhafftigen glaubens vnnd des heiligen Geistes vnd als frFchte der gerechtigkeit vnd wiedergeburt, welche dem glauben folgen mFssen vnd a

Konjiziert aus: peccatraum.

1

Vgl. Melanchthon, CR 26, 368: „Cum necessariam de fide doctrinam et consolationem Ecclesijs proponimus, additur et doctrina de boni operibus, Quod videlicet necessaria sit in reconciliatis, obedientia erga legem Dei.“ (Confessio Augustana variata, 1540, De bonis operibus). 2 Vgl. Melanchthon, CR 26, 369: „Atque ita de operibus iudicandum est, quae quidem amplissimis laudibus ornanda sunt, quod sint necessaria, quod sint cultus Dei et sacrificia spiritualia et mereantur premia.“ 3 Melanchthon, CR 27, 523 (Apologia Confessionis Augustanae, editio secunda, 1531). 4 Wittenberger Artikel von 1536, Art. V. De bonis operibus: „[...] Etsi enim acceptatio ad vitam aeternam coniuncta est cum iustificatione, hoc est, cum remissione peccatorum et reconciliatione, et bona opera non sunt precium pro vita aeterna, tamen sunt necessaria ad salutem, quia sunt debitum, quod necessario reconciliationem sequi debet, sicut Paulus ait [Rom 8,12]: Debitores sumus, et Christus inquit [Mt 19,17]: Si vis ad vitam ingredi, serva mandata, et Paulus de malis operibus [Gal 5,2]: Qui talia agunt, regnum Dei non possidebunt. [...] Oportet ergo in salvandis esse hanc inchoatam novitatem eamque confirmari et crescere.“ (Ausgabe von Georg Mentz, S. 32–34). Möglicherweise liegt eine Verwechslung mit der Wittenberger Konkordie vor. Vgl. unten Anm. 633.

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one welche, als5 ein guter baum one gute frFchte, die so warhafftig gerecht vnd newe geboren nicht sein k=nnen noch sollen. Denn darumb werden wir new geboren, das wir ein newe Creaturen werden, geschaffen inn Christo Jhesu zu guten wercken, zu welchen vns Gott zuuor bereitet hat, das wir darinnen wandeln sollen Ephe.2.6 Denn wie die Busse vnd wiedergeburt zur sehligkeit n=tig ist, ob schon nicht von wegen der selbigen, sundern7 allein aus gnaden von wegen des verdiensts des Herrn Christi vns die sehligkeit geschenckt wird, also seint auch die gute werck als frFchte der Busse vnd wiedergeburt zur sehligkeit von n=ten ob man schon die sehligkeit nicht dardurch verdienet vnd allein aus gnaden durch Christum hat. Denn der newe angefangene gehorsam gegen Got, welchen der hei[A 2v:]lige Geist durch die Wiedergeburt wircket, ist ein anfang vnnd ein theil der Sehligkeit vnd des ewigen lebens in den gleubigen vnd kindern Gottes. Vnd sol dennoch das hertz nicht auff solche vernewerung vnnd wandel der guten werck, sondern auff den fFrgestalten8 Gnadenstuel Christum Jhesum9 als den einigen gruntfest10 vnser seligkeit sich stets fFr vnd fFr vnd Allein verlassen vnd sprechen: „Wir sein vnnFtze knecht. Wir haben gethan, das wir zu thun schFldig waren.“ Luce 17.11 „Denn fFr Gott ist kein lebendiger durch sein verdienst Gerecht.“ Psal: 143.12 Denn Christus ist „das A vnnd das O der anfang vnd das ende“ vnser Seligkeit. Apoca. 21,13 der mus vns allezeit mit seinen flFgeln vberschatten14 vnnd vnser hFtterb sein Wieder Gottis zorn vnd gericht, Esa. 4.15

[A 3r:] Den Erbaren vnd Weysen Herren Wolffgang Buchner, Nicolao Strauben vnnd Christoffeln Moßhawer, Stadtuogten. Einem Erbarn Rath vnd gantzer Christlichen Gemeine zu Eisleben, in Christo Jhesu versamlet vnd zum ewigen leben beruffen. Genad vnd fried von Gott dem Vater durch seinen eingebornen Son Jhesum Christum, vnserm einigen mitler vnd Heilandt.

b

Jes 4,6 legt die Lesart „hFtten“ nahe.

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wie. Eph 2,10. 7 sondern. 8 vor Augen gestellten. Vgl. Art. fürstellen 2), in: DWb 4, 855. 9 Vgl. Röm 3,25; Hebr 4,16. 10 Fundament, Grundlage. Vgl. Art. Grundfeste 1.e.γ), in: DWb 9, 805. 11 Lk 17,10. 12 Vgl. Ps 143,2. 13 Vgl. Apk 21,6. 14 Vgl. Ps 91,4. 15 Vgl. Jes 4,5f. 6

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Erbare weise Herrn vnd besondere geliebte Freunde vnnd FFrderer! Es wissen E. W. vnd G.,16 das inn den jetzt verschienen17 Hundtstagen18 drey geschwinde19 schrifft von den Magdeburgischen Scribenten aus dem erdichten Basel20 im drucke wieder mich offentlichen ausgegangen. Darinnen ich von jnen auffs h=chste geschendet vnnd geschmehet, mir auch auffgelegt21 wird: Erstlich, als lehre ich, das der glaube nicht [A 3v:] allein zur seligkeit genug, sondern das gute wercke auch darzu als ein verdienst der sehligkeit von n=ten seind. Zum andern, das ich alhie in meinem newen Bistumb zu Eisleben (denn das seind jre h=nische wort)22 die Adiaphoristerei fast in allen predigten vorteidinge vnd schreie, es sey nur ein weis kleid, vnd Euangelisire dasselb weisse kleide ohn vnterlaß, das ich billich ein Apostel des Chorrocks m=ge genent werden. Zum dritten, das ich von listigen leuthen darumb alhieher gefordert, das volck zu den zukFnfftigen vorenderungen des Concilij zu bereiten. Was nu die erste aufflage23 belanget, werdet jhr euch durch Gottes genaden wol wissen zu erinnern, das ich nicht anderst von dem Artickel vnser Rechtfertigung geleret, denn jr nu etliche jare nacheinander von euren Predigern, als dem Ehrwirdigen Herren Johan Spangenberg24 sehligen vnd anderen, zuuor geh=ret vnd noch von ewern jetzigen Pfarhern vnd Predigern h=ret. Nemlich das wir aus genaden, ohn alle vnsere werck vnd verdienst, von wegen des Einigen [A 4r:] verdiensts vnsers Herrn vnd mitlers Jhesu Christi die vergebung der sFnden, die gerechtigkeit, heiligen Geist vnd das ewige

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Ewer [Erbare] Weise und Geliebte. vergangenen. Vgl. Art. verscheinen 3), in: DWb 25, 1065f. 18 Die heißesten Tage des Jahres, etwa vierte Juli- bis dritte Augustwoche. 19 ungestüme. Vgl. Art. geschwind 4), in: DWb 5, 3995. 20 Der Magdeburger Drucker Melchior Lotther hatte – wohl in Anbetracht des kaiserlichen Druckverbots ‒ den fingierten Druckort Basel auf den Titel einiger Schriften gesetzt; vgl. unsere Ausgabe Nr. 2: Amsdorf, Ein kurzer Unterricht auf D. Majors Antwort; unsere Ausgabe Nr. 3: Flacius, Wider den Evangelisten des Chorrocks; unsere Ausgabe Nr. 4: Gallus, Antwort auf des Herrn D. Maiors Verantwortung und Declaration. 21 (fälschlich) angelastet, vorgeworfen, nachgesagt. Vgl. Art. auflegen 3), in: DWb 1, 684. 22 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 3, S. 95,5 (C 3r). 23 Anschuldigung. Vgl. Art. Auflage 3), in: DWb 1, 680. 24 Johann Spangenberg war ab Mitte 1546 bis zu seinem Tode am 13. Juni 1550 Superintendent für die Grafschaft Mansfeld in Eisleben. Er wurde am 29. März 1484 in Hardegsen bei Göttingen (daher der Beiname „Herdesianus“) als Sohn eines Handwerkers geboren. Nach Schulbesuch in Göttingen und Einbeck unterrichtete er zunächst an der Stiftsschule in Gandersheim; ab Wintersemester 1508/09 studierte er dann an der Universität Erfurt, u. a. bei Eobanus Hessus, und erwarb den Magistergrad. 1520-1524 war Spangenberg Rektor der Lateinschule Stolberg (Harz), daneben Mittagsprediger an St. Martini. Anschließend wurde er Pfarrer an St. Blasii in Nordhausen, wo er bis zu seinem Wechsel nach Eisleben tätig blieb. Er veröffentlichte zahlreiche Schriften, darunter Lehrbücher, Predigtbände und Gesangbücher. Besonders weite Verbreitung erreichte seine Bearbeitung von Melanchthons Loci unter dem Titel „Margarita theologica“, die aus dem Lateinischen ins Deutsche, Englische, Dänische und Schwedische übersetzt wurde. Vgl. Dieter Fauth, Art. Spangenberg, Johannes, in: BBKL 10 (1995), 874‒880. 17

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Nr. 5: Ein Sermon von S. Pauli ... Bekehrung (1553)

leben ALLEJN durch den glauben entpfahen25 vnnd das zu dem verdienst des menschen gerechtigkeit vnd seligkeit gantz vnd gar keine werck geh=ren, sundern dauon gantz abgeschieden sein mFssen, auff das alles ALLEJN dem Herrn Christo, welchen der gleubige als seinen einigen Mitler vnd Gerechtigkeit ergreiffet, gegeben werde. Denn ob schon bey dem glauben auch die hoffnung, liebe vnnd andere Tugent sint vnd sein mFssen, so seint sie doch nicht das, von welches wegen vns vnsere sFnde vergeben werden vnd vns die gerechtigkeit zugerechnet, der heilige Geist gegeben vnd das erbe des Ewigen lebens geschanckt wird. Welchs allein vnser Mitler Christus Jhesus ist, welcher vns solches vordienet hat, darumb auch dem glauben allein, der den mitler vnd diesen gnadenstuel ergreiffet, die gerechtigkeit vnnd seligkeit zugeeigent wird etc. Darnach habet jr von mir geh=ret, wenn nu der mensch durch solchen glauben gerecht, ein kind vnd erbe Gottes worden, das jme den als einem kind Gottes n=ttig sey, seinem Vater im himel gehorsam zu sein, domit er die vers=nung, den Veterlichen willen, die kindschafft vnnd erb-[A 4v:]schafft, so ime Christus erworben, durch den vngehorsam nicht wieder verliere vnd vom Vater als ein vngehorsam kind aus dem Erbe nicht verstossen vnd enterbet werde etc. Wie ich denn solches erkleret vnd mit heiliger G=ttlicher schrifft bewisen vnd bekrefftiget habe vnd alles inn diesem volgenden Sermon von S. Pauli vnd aller GottfFrchtigen menschen bekerung zu Gott ferner angezeiget wird, welchen ich darumb geschriben, das mir auffgelegt wird, als lehre ich ketzerey, dieweil ich sage, das denen, so nu durch den glauben kinder Gottes seind, die gute werck, das ist der gehorsam gegen jhrem himlischen Vater, zur sehligkeit n=tig sey, wie S. Paulus Ephe. 5 vns vermanet, do er spricht: „So seidt nu Gottes nachvolger als die lieben kinder vnd wandelt in der liebe,“26 jtem Titum 3: „Solchs wil ich, das du fest lerest, auff das die, so an Gott gleubig seind worden, in eim stand guter wercke funden werden. Solches ist gut vnd nFtze den menschen.“27 Jtem Rom. 8: „Welche der Geist Gottis treibet, die seint Gottes kinder.“28 Jsts aber nicht erschrecklich, vnnd sonderlich von Predigern zu h=ren, das man diese G=ttliche lehre eine ketzerey darff schelten vnd dauon noch [B 1r:] disputiren wil, ob auch den kindern zu jrer seligkeit vonn=ten, das sie jren eltern, die Christen jrer oberkeit, Gottes kinder jrem Vater im himel gehorsam sein sollen? Jst doch das eine auffrFrische Schwermerey vber alle,29 so je auff erden gewesen, welche allen gehorsam gegen Gott vnd allen menschen wieder Gottes ordnung vnd das vierdte gebot rein auffhebet. Was beten

25 26 27 28 29

empfangen. Eph 5,1f. Tit 3,8. Röm 8,14. größer als alle.

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wir teglich im Vater vnser? Sprechen wir nicht: „Geheiliget werde dein name“? Was ist aber hiezu von n=ten? Jst es nicht das wort Gottes, das dasselbige lauter vnnd rein gelehret werde vnd wir auch heilig, als die kinder Gottes, in allerley Gottseligkeit vnnd guten wercken darnach leben? Wissen doch solchs die kinder aus jrem Catechismo. Da werden sie aber sagen, sie fechten dis nicht an, sundern das ich lehre, die gute wercke seind zur seligkeit als ein verdienst von n=ten. Das hab ich, Gott lob, sieder30 der zeit nu in die dreissig jare vnd lenger, dieweil ich die reine lehre von Jhesu Christo erkant, nie nicht in meinen sinne genommen, wil geschweigen, das ichs offentlichen solte geschrieben, gelehret oder geprediget haben, wie mir felschlich vnd mit aller vnwarheit aufferlegt wird, daraus denn zu sehen, welcher geist dieselbige treibe vnd reite. Vnd biete denselbigen allen trutz, das sie mich [B 1v:] des durch ehrliche Christliche leute, so solches jemals von mir geh=rt, oder durch irgent eine meiner schrifft mit warheit ohne lFgen, Calumnien vnd verfelschung, welcher sie sich allein befleissigen, vberzeugen.31 Domit aber jederman sehe, wie felschlich sie mir meine wort verkeren, das sie schreiben, ich lere, das die leuth durch gute werck die seligkeit verdienen sollen, so seind dis meine wort, welche in meiner antwort auffs Amsdorffs schrifft stehen: „Dis alles wirt gesagt, nicht das man durch gute werck sol gerecht werden (denn durch den glauben an Jhesum Christum wird man ALLEJN Gerecht), sundern wenn du nu gerecht vnnd ein kindt Gottes bist worden, das du denn solchen deinen glauben durch gute werck beweisest vnnd fFr den menschen leuchten lassest. Wenn [B 2r:] du aber das nicht thust, so ist dein glaube falsch vnnd wirst nimmermehr sehlig.“32 Jtem in meiner predig vber den spruch Johan. 1, „Sihe das ist Gotts Lamb welchs der welt sFnde tregt,“ welche predigte meine Wiedersacher wieder jre gewissen verfelschen, do stehen diese wort: „cDer glaube mus alle gute wercke vnnd verdienst gantz vnnd gar aus den Augen vnd sinne vorlassen vnd sich ALLEJN auff Jhesum Christum vnnd sein einig verdienst grFnde.c Denn wen ich vom Glauben gedencken, rede oder schreibe, so mus kein ander Obiectum denn allein Christus Jhesus, das lamb Gottes, da sein, welchen der glaub ALLEIN sol fassen [B 2v:] vnd auff c–c

Denn der Glaube / alle gute werck vnd verdienst gantz vnd gar aus den augen vnd sinn verlassen / vnd sich allein auff Jhesum Christum vnd sein einig verdienst grFnden mus / Wie auch D. Lutherus seliger gedechtnis schrei[E 7v:]bet / Der Glaub mus aus den Wunden vnd blut des HErrn Christi quellen vnd fliessen.: VD 16 M 2130. 30 31 32

seit. Vgl. Art. sider 2.c), in: DWb 16, 758. überführen. Vgl. Art. überzeugen 1), in: DWb 23, 674–676. Vgl. unsere Ausgabe Nr. 1, Bl. C 4r.

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Nr. 5: Ein Sermon von S. Pauli ... Bekehrung (1553)

den einigen Mitler sich verlassen. Darumb geh=ren zu der Gerechtigkeit des menschen, so ALLEJN durch den Glauben geschicht, gantz vnd gar keine gute werck, siue dpreparantia siue Concurrentia seu sequentia, oder wie es der Bapst oderd die Sophisten nennen m=gen, sundern der einige Christus, fFr vns gestorben vnd aufferweckt, sitzent zur rechten Gottes, vmb welches einigen mitlers willen dir die SFnde vergeben, die gerechtigkeit zugerechnet, heiliger Geist vnd ewiges leben gegeben wirdt. Wenn du aber nu also ALLEJN durch den glauben gerechtfertiget vnd ein kind vnd erbe Gottes worden bist vnd nu Christus vnd der heilige Geist in dir durch solchen glauben wonen, [B 3r:] alsdenn seind dir die gute werck nit zu der sehligkeit zu erlangen (die du aus genaden on alle werck ALLEJN durch den glauben an den Herrn Christum albereit33 hast), sondern zu der sehligkeit zu behalten vnnd nicht wiederumb zu verlieren so hoch vonn=ten, das, do du sie nicht thust, es ein gewiß zeichen ist, das dein glaube todt vnd falsch, geferbet vnd eine erdichte opinio ist. Jn welchem jrthumb der gr=ste theil auch deren, so da gut Euangelisch sein wollen, stecken,e das sie wehnen, sie gleuben, treumen vnd tichten jnen selbst ein glauben, welcher one gute werck sein k=nne, welches doch so wenig mFglich, als die Sonne nicht jren glantz vnd schein geben sol.“34 [B 3v:] Das seint meine wort, in welchen je die sehligkeit allein dem warhafftigen glauben gegeben, dem falschen aber genommen wird. Denn wo kein warhafftiger glaube ist, welcher, wie Sanct Paulus spricht, durch die liebe wircket,35 da ist auch keine sehligkeit. Diesen jrthumb stercket Amsdorff gewaltiglichen mit der proposition, welche er auff sein ander buch, so er wieder mich ausgehen hat lassen, mit diesen worten geschrieben: „Das gute werck zur seligkeit nit von n=ten seint.“36 Welche lere, so der gemeine man ohne erklerunge h=ret, bald in diesen sin fellet, das ein mensch k=nne sehlig werden, wenn er schon keine Busse noch gute werck als rechtschaffne frucht der Busse thu, dichtet jme einen glauben, welcher one warhafftige bekerung zu Got vnd one gute werck, welche dem glauben als frFchte der gerchtigkeit, dabey man sie erkenne, volgen mFssen, sein k=nne, welches vnmFglich. Was hieraus vor ein schedlicher irthumb vnd ein Gottlos leben volgen wFrde, k=nnen frome hertzen leichtlich bedencken. Jch wFste auch diese des Herren Amsdorffs propositio wol zu agitiren, wil

d–d

siue praecedentia seu praeparantia, siue concurrentia etiam sequentia / oder wie es der Bapst vnd: VD 16 M 2130. e fehlt in VD 16 M 2130. 33

bereits, schon. Vgl. Art. allbereit, in: DWb 1, 214f. Georg Major, Eine Predigte über den herrlichen und tröstlichen Spruch Johannis I. Siehe, das ist Gottes Lamb ... (Wittenberg: Seitz, 1552; VD 16 M 2130), Bl. E 7r‒E 8v. 35 Vgl. Gal 5,6. 36 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 2, Titelseite (oben S. 46f). 34

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aber solches vmb friedes vnd einigkeit willen nicht thun, sondern stille schweigend vbergehen.

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[B 4r:] Also ist auch Amsdorffs volgende propositio vnbedechtigklich gesatz, das er schreibet, das gute werck zu einem Christlichen leben hie auff erden n=tig seind, denn sie nicht allein zu einem Christlichen leben hie auff erden n=tig seind, sondern auch vor Gott, aber nicht vor seinem gericht, domit die gerechtigkeit vnnd seligkeit zu uerdienen (dann vor Gott kein lebendiger gerecht ist),37 sundern das Got nach den frFchten eines jeglichen glaubens richten vnd desselbigen werck in jenem leben vnd doch nicht nach verdienst belohnen, sondern nach seiner genade vnd Barmhertzigkeit, auff das sich niemandes derselben rFme, darauff verlasse vnd vermessen sey vnd doch dieselbige als ein angefangenen schFldigen gehorsam haben wil, wie diese volgende sprFch lauten: Rom. 2:38 „Gott wird einem iglichen nach seinen wercken geben, nemlich preis vnd ehre vnd vnuorgengliches wesen denen, die mit gedult in guten wercken trachten nach dem ewigen leben“ etc. Johan 5:39 „Es werden herfFr gehen, die do gutes gethan haben, zur Aufferstehung [B 4v:] des lebens, die aber vbels gethan haben, zur aufferstehung des gerichts.“ Matth. 5:40 „Selig seidt jr, wenn euch die menschen vmb meinetwillen schmehen vnd verfolgen vnd reden allerley vbels wieder euch, so sie daran liegen. Seit fr=lich vnnd getrost; es wird euch Jm Himel wol belohnet werden.“ Soll der mensch vor seine gute werck den lohn im himel entpfahen, so seint sie nicht allein alhie auff erden, sundern im himel zu entpfahung solches lohns von n=ten. Vnd bestehet alhie diese schlusrede gewaltiglich: Was den Gleubigen vnd kindern Gottes mit dem ewigen leben sol belonet vnd vorglichen41 werden, das ist jnen nicht allein auff erden, sundern auch im himel, do die belonung geschehen sol, zur seligkeit von n=ten. Gute werck vorheischet42 Gott den gleubigen mit dem ewigen leben im himel zu belonen vnd zu vorgleichen. Darumb seint die gute werck als frFchte der gerechtigkeit des glaubens nicht allein auff erden, sundern auch vor Gott im himel allen gleubigen vnd Kindern Gottes zur sehligkeit von n=ten. Mathei. 19:43 „Wer verlest Heuser oder BrFder oder Schwester oder Vater oder Mutter oder Weib oder kinder oder Ecker vmb meines namens willen, der wirdts hundertfeltig nemen vnd das ewige leben ererben.“

37 38 39 40 41 42 43

Ps 143,2. Röm 2,6f. Joh 5,29. Mt 5,11f. vergolten. verheißt. Mt 19,29.

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Psalm. 143.

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Rom.

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Johan. 1.45

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[C 1r:] Das ist: Wiewol das ewige leben nit durch vnsere gute werck kan oder mag verdienet werden, dieweil es eine Gabe Gottis ist, welche vns Christus verdienet hat, jedoch wil Gott der Herre mit solchem herlichen erbe, so er vns aus genaden gibt, die gute werck auch zugleich belohnen vnd vergelten – Wie die kinder nicht durch jren gehorsam gegen jre eltern das erbe verdienen vnd doch gleichwol die eltern den gehorsam von den kindern haben wollen vnnd denselbigen auch zugleich mit dem erbe jnen vergleichen. Also fordert auch Gott von vns, die wir durch den glauben nu gerechtfertiget vnd seine kinder worden seint, den gehorsam vnd gute werck, welche, wiewol sie nicht die vrsach seindt, von welcher wegen vns das ewige leben geschanckt wird (denn diese ist allein das verdienst des Herren Christi), jedoch wil er zugleich dieselbige mit dem ewigen leben belohnen. Hieraus ist klerlich zu sehen, das gute werck nicht allein alhie auff erden, sondern auch vor Gott im himel vns vonn=ten, auff das wir dafFr die herliche belohnung vnd vergeltung des ewigen lebens vnd der sehligkeit entpfahen vnd den zeitlichen vnd ewigen straffen entfliehen m=gen, wie der Herr Matth. 2546 selbst spricht: „Kompt her, jr gesegnete meines Vaters. Ererbet das Reiche, das euch bereitet ist von anbeginne der welt. [C 1v:] Denn ich bin hungrig gewesen, vnd jr habt mich gespeiset“ etc. Also schreibet auch S. Paulus 1 Timoth. 4:47 „... die Gottsehligkeit ist zu allen dingen nFtz vnnd hat die verheissung dieses vnd des zukFnfftigen lebens.“ Dergleichen were auch diese propositio fehrlich vnd dunckel, wenn ich ohne allen vnderscheit vnd erklerung also sagte: „Gute werck seint zur seligkeit n=tig.“ Da m=chte jemant bald auff den sinn vnd gedancken geraten, als solte das der verstand sein, das man durch gute werck ohne den glauben kFndte oder mFste sehlig werden. Oder das wir nicht allein durch den glauben, sundern auch durch verdienst der guten wercke sehlig wFrden. Diese beide verstand seind vnrecht vnd wieder die lehre des Heiligen Euangelij, vnnd verflucht sey, der also lehret. Sit Anathema, Maharam motha.48 Wenn ich aber also sage: Die gute werck, das ist der angefangene gehorsam gegen Gott vnserem Vater, ist inn vns, die wier durch den Glauben Gerecht, kinder vnd Erben Gottes albereit worden seind, zur sehligkeit also von n=ten:

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Röm 6,23. Vgl. Joh 1,12. 46 Mt 25,34f. 47 I Tim 4,8. 48 Vgl. I Kor 16,22 (Luther 1545): „So jemand den HErrn Jhesu Christ nicht lieb hat / der sey aAnathema Maharam Motha.“ Die zugehörige Anmerkung lautet: „a Bann auff deudsch / Anathema / auff Griechisch / Maharam / auff Ebreisch / ist ein ding [= bedeutet ein und dasselbe]. Moth aber heisset tod. Wil nu S. Paulus sagen / Wer Christum nicht liebet / der ist verbannet zum tode. Vide Leu. 6.“ (Volz, S. 2325). Moderne Ausgaben lesen statt ‚Maharam Motha‘: Maranat(h)a bzw. µαράνα θά, die urchristliche Bitte um die baldige Wiederkunft des Herrn, in aramäischer Sprache. Der Stellenhinweis könnte auf Jos 6,21 und Lev 27,29 basieren. 45

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[C 2r:] Erstlich, auff das wir die entpfangene Gerechtigkeit vnnd sehligkeit durch den vngehorsam nicht wiederumb verlieren vnnd, wie S. Paulus 1. Timoth. 1 lehret, am glauben nicht ein schiffbruch erleiden.49 Darumb wir eine gute Ritterschaft vben, nicht allein glauben, sondern auch gut gewissen haben mFssen.50 Zum andern, dieweil die gerechtigkeit des Glaubens ein wiedergeburt zum Ewigen leben ist, so mus ja in denen, so do warhafftig durch den heiligen Geist vornewert51 vnd zum andermal geborn, solche gerechtigkeit durch gute wercke scheinen vnd leuchten, wie der Herre Matth. 5 spricht: „Lasset ewer liecht leuchten, das die leut eure gute werck sehen.“52 Zum dritten, das sie der inwendigen Gerechtigkeit, so durch den glauben geschehen, zeugnis vnd solliches glaubens vbung vnnd frFchte sein vnd andern zum exempel fFrleuchten vnnd sie zur Gottsehligkeit reitzen vnnd bewegen sollen, wie dann solche fines bonorum operum in iustificatis ferner hernacher in diesem Sermon angezeigt werden. Dieses kan je auch ein gemeiner man verstehen, wie vnd wenn die gute werck zur sehligkeit von n=ten seind. Also schreibet Lutherus auch in 2. cap. ad Galat.: [C 2v:] „Bona opera sunt facienda non ut causa, sed ut fructus iustitiae. Iam iusti facti debemus ea facere, non econtra ut iniusti reddamur per ea iusti. Arbor facit poma, non poma arborem.“53 Das ist: „Gute werck sol man thun, nicht das man dardurch gerecht wolle werden, sundern als frFchte der Gerechtigkeit, als wenn wir nu gerecht worden seint, als denn sollen wir sie thun, vnnd nicht darumb, das wir, die wir vngerecht seindt, dardurch gerecht wollen werden. Der Baum macht vnd tregt die =pffel vnd nicht die =pffel den Baum.“ Idem ibidem ca. 3: „Finalis causa obedientiae legis in iustis, non est iustitia coram Deo, quae sola fide accipitur, sed pax mundi, gratificatio erga deum et bonum exemplum, quo alios inuitant ad credendum Euangelio, etc.“54 Also auch ist meine rede nicht, wie man vor Gott gerecht werden sol, sondern wenn wir nu ALLEJN etc., ALLEJN durch den glauben gerecht vnd Kinder Gottes worden seint, das wir alsdenn schFldig seindt, vnserm Vater im himel gehorsam zu sein vnnd nicht wie Teuffels sondern als Gottes kinder leben sollen. Diese meine rede verstunden meine wiedersacher wol, wenn sie es vorstehen wolten.

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Vgl. I Tim 1,19. Vgl. I Tim 1,18f (Luther 1545). 51 erneuert. 52 Mt 5,16. 53 Luther, WA 40I, 287, 18‒23: „... bona opera ... Sunt autem facienda ut fructus iustitiae, non ut efficiant iustitiam. Iam iusti facti debemus ea facere, non econtra, ut iniusti per ea reddamur iusti. Arbor facit poma, non poma arborem.“ (Großer Galaterkommentar, 1535, zu Gal 2,20). 54 Luther, WA 40I, 570, 18‒21 (Großer Galaterkommentar, 1535, zu Gal 4,5). 50

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Matth. 3. Johan. 15.

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Derwegen jederman siehet, wie hoch sie wieder jr eigen gewissen mich beschweret, das sie mir aufflegen, ich lehre das gute werck zum vordienste der sehligkeit von n=ten. Jch richte kein wortgezenck an vnnd streite nicht darumb, das man eben der wort in dieser leh-[C 3r:]re gebrauchen mFsse „bona opera in renatis et iustificatis sunt necessaria ad salutem. – Gute werck seint in denen, welche new geboren vnd durch den glauben gerechtfertiget worden, zur sehligkeit n=tig.“ Wer solcher wort nicht brauchen wil, der brauch dieser oder anderer: „Thut rechtschaffne frucht der Busse; welcher Baum nicht gute frucht bringet, wird abgehauen vnd ins feuer geworffen.“55 Jtem, „ich bin ein rechter weinstock vnd mein Vater ein Weingertner; einen jeglichen Reben an mir, der nicht frucht bringet, wird er wegnemen.“56 Was ist das anders gesagt denn: „Wer nicht gute werck als frFchte der Busse vnd gerechtigkeit thut, der wirdt nicht selig, sondern verdampt“? Jtem, „welche Gotts kinder seind, die seint schFldig, jrem Vater im himel gehorsam zu sein,“ oder wie S. Paulus Rom. 8. redet: „Wier seindt schFldener, nicht nach dem fleisch, sondern nach dem Geist zu leben“57 etc. Jtem ad Titum 3: „Solches wil ich, das du fest lehrest, auff das die, so an Gott gleubig seind worden, in einem stand guter werck gefunden werden. Solches ist gut vnd nutz den menschen.“58 Jtem 1. Timoth. 6: „Gebeut den reichen, ... das sie gutes thun, reich werden an guten wercken, gerne geben, behFlfflich sein, schatz samlen, jnen selbst einen guten grundt auffs zukFnfftige, das sie ergreiffen Das ewige leben.“59 [C 3v:] Es solle aber keiner den andern ein ketzer schelten, wie mir geschehen, er gebrauche dieser oder jener wordt, allein das der rechte verstand erhalten vnd erklehret werde. Jedoch sollens auch ἀνάλογα fidei vnd forma sanorum uerborum, wordt der heiligen schrifft gemeß sein. Dann das etlich alhie sagen, das diese wordt new vnd in der schrifft vngebreuchlich, das wir sprechen: „Gute werck seint den gleubigen zur sehligkeit von n=ten,“ jst ein zeichen, das sie die heilige schrifft noch nicht gantz oder mit vleis bewogen vnd durchlesen haben. Dann was saget S. Paulus anders, do er Rom. 10 also schreibet: „So man von hertzen Gleubet, so wird man gerecht, vnd so man mit dem munde bekennet, so wird man sehlig“60? Philip. 1: „Lasset euch in keinem wege erschrecken von den wiedersachern, welches ist ein anzeigen jnen der verdamnis, Euch aber der sehligkeit, vnd dasselbige von Gott“61 etc. Das ist: anzeigung der sehligkeit ist n=tig, die

55 56 57 58 59 60 61

Mt 3,8.10. Joh 15,1f. Vgl. Röm 8,12f. Tit 3,8. I Tim 6,17–19. Röm 10,10. Phil 1,28.

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werck aber des bekentnis vnd der bestendigkeit im glauben seind anzeigung vnd gewisse vorsicherung der sehligkeit, so wir ALLEJN aus dem glauben haben; dauon seind solche werck nicht als verdienst, sundern zur anzeigung der sehligkeit n=tig. Jtem Phil. 2: „Schaffet, das jhr sehlig werdet, mit furcht vnd zittern.“62 Jtem 1 Timot. 2: „Das weib wird selig wer-[C 4r:]den durch kinder zeugen, so sie bleiben im glauben vnd in der liebe vnd der heiligung sampt der zucht.“63 Als wolle er sagen: „Bleiben sie aber im glauben vnd in erzelten guten wercken nit, so werden sie nicht selig, sondern verlieren die seligkeit wieder, welche jnen Christus verdinet vnd sie durch den glauben zuuor aus genaden entpfangen hatten.“ Jtem Math. 24: „Wer beharret bis ans ende, der wird selig.“64 Jtem: „Die widergeburt ist zur seligkeit von n=ten, gute wercke sind frFchte der widergeburt, derhalben sind sie zur seligkeit n=tig.“ Jtem: „Wehe mir, so ich das Euangelion nicht predige“65 etc., daruon hernacher weiter. Dann es mir nit vmb die wordt, sundern darumb zu thun ist, das durch diese lehre der schedliche irthumb, welcher auch zur Apostel zeit gewesen vnd itziger zeit auch in vielen leuten stecket, auffgehoben werde, das etliche meinen, sie k=nnen one warhafftige busse vnd bekerung zu Gott (welche in disen dreien stFcken stehet, als in warhafftiger rew vnd erkentnis der sFnde, zum andern im Glauben, welcher die vergebung der sFnden durch Christum empfehet, vnnd zum letzten in einem newen leben, das ist in rechtschaffnen frFchten der busse) selig werden, wenn sie schon in ehebruch, hurerey, vollerey, wucher vnd andern sFnden wieder jr gewissen vorharren, denn „wenn ich gleube,“ sprechen sie, „so werde ich gerecht vnd selig.“ [C 4v:] Wieder solchen falschen vnd ertichten glauben setzen wier diese wort „den gleubigen vnd kindern Gottes seind gute werck zur sehligkeit n=tig“ – nicht das man die gerechtigkeit vnd sehligkeit dardurch verdiene, welche die kinder Gottes albereit aus genaden ohn alle verdienst von wegen des Mitlers durch den glauben entpfangen haben, sundern auff das nicht jemandts gedencke, das glauben vnd sFnde wieder das gewissen ohne busse vnd bekerung zu Gott beysamen stehen k=nnen, vnd das die gleubigen vnd kinder Gottes jres schFldigen gehorsams gegen Gott, jrem Vatter, durch solche lehre erinnert werden, auff das sie durch die todsFnde nicht wiederumb aus der genade, kindschafft vnnd Erbschafft der sehligkeit fallen vnd deren beraubt werden.

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Phil 2,12. I Tim. 2,15 (Luther 1545). Vgl. auch die Anmerkung zur Stelle: „(Bleiben) Man lese bleibet / oder bleiben / gilt gleich viel / Denn es ist von Weibern in gemein geredt / nicht von Kindern dazu wie etliche sich hie on vrsach martern.“ (Volz, Seite 2392). 64 Mt 24,13. 65 I Kor 9,16. 63

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Luce. 17.

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Diese lehre machet keine vermessenheit, dieweil wir nicht leren wie der Bapst vnd das Jnterim, das beide, der glaube vnnd gute werck, zu der gerechtigkeit vnd sehligkeit n=tig seint, sundern wenn wir nu allein durch den glauben gerecht vnd kinder Gottes worden seind, das alsdenn der gehorsam gegen vnserm Vater im himel sol angefangen werden. Welcher, dieweil er in allen heiligen in diesem leben noch vnuolkommen, so sol kein mensch auff seine werck oder die vernewerung, so in jme durch den heiligen geist [D 1r:] geschehen, sondern allezeit sich ALLEJN auff das einige des Herren Christi verdienst als den einigen grundtfest vnser sehligkeit verlassen vnd, wie vns vnser Herre selbst lehret, sprechen: „Wenn jr alles gethan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: wir seind vnnFtze knechte; wir haben gethan, das wir zu thun schFldig waren.“66 „Denn vor Gott ist kein lebendiger gerecht“67 durch seine eigne werck vnnd verdienst. Darumb mussen die kinder Gottes, sie sein auch so from vnd heilig, als sie jmmer sein k=nnen, dennoch allezeit vor Gottes gericht jhre zuflucht vnter die flFgel jrer Gluckhenne, des Herren Christi, haben.68 Welcher sie wieder die hitze des zorns Gottes vberschatte vnd jre zuflucht vnd verbergung sey fFr dem Wetter vnd Regen, wie Esa. 4. geschrieben stehet.69 Denn fFr Gott ist Christus stets vnnd allein vnser volkomene gerechtigkeit70 vnnd k=nnen do keine werck, ja auch die werck der Gerechtigkeit vnd verneuerung des heyligen Geists nicht bestehen. Derwegen keine vermessenheit der wercke, sondern die h=chste demut vnnd die einige zuversicht der barmhertzigkeit Gottes, welche vns Christus erworben, do sein mus, sol anderst der mensch sehlig werden. Denn wir mit allen heiligen Gottes teglich beten mFssen „Vorgib vns vnser schuldt,“71 was solten wir vns den vormessen? [D 1v:] Zum andern ist diese lehre, das gute werck den gleubigen vnd kindern Gottes zur seligkeit n=tig seind, nicht also zu uerstehen, das dardurch denen, welche keine eusserliche gute werck haben, als junge kinder oder die, so sich in der letzten stunde zu Gott bekeren oder zu zeiten aus schwacheit wieder in sFnde fallen vnd Gott nichts denn sFnde vnd b=ß gewissen bringen, der himel vnd die seligkeit beschlossen, alle genade versaget vnd abgeschnitten vnd sie dardurch zur verzweiffelung solten gedrungen werden, welches ja eine verfFrische vnd verdampte lehre wieder das heilig Euangelium Jhesu Christi, aller Propheten vnnd Aposteln schriffte were, sondern (wie oben gesagt) diese lehre sol erstlich darzu dienen, das dardurch die, so warhafftiglichen gleuben vnnd kinder Gottes seind, zu guten wercken vnd gehorsam gegen Got, jrem Vater, vermanet vnnd getrieben werden, zum andern

66 67 68 69 70 71

Lk 17,10. Ps 143,2. Vgl. Mt 23,37; Lk 13,34. Vgl. Jes 4,6. Vgl. I Kor 1,30. Mt 6,12.

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auch wieder die gesatzt vnnd verstanden werden, welche sich des glaubens rFmen vnd doch in sFnden vnd bußfertigem leben verharren vnd wird hierdurch niemand zur verzweiffelung gedrungen. Denn wer busse thut vnnd dem Euangelio gleubet, welches vns vergebung der sFnden aus genaden in dem namen Christi verkFndiget, der wird sehlig, er bekere sich bey zeit oder in der letzte stunde (Wiewol es fehrlich, darauff zu warten), [D 2r:] er habe gut oder b=se gewissen, eusserliche gute werck oder keine nicht. Denn one jnnerliche gute werck, als bekerung, glauben, forcht vnd liebe Gottes, so in aller menschen, jung vnd alt, verneuerung vnd wiedergeburt als bewegungen des heiligen Geistes angezFndet werden, kan kein mensche sein, welcher sich zu Gott bekeret. Solches bezeugen volgende sprFch vnd verheissung Gottes vnd vieler heilige exempel: Esaie. 1: „Waschet, reiniget euch, thut ewer b=ses wesen von meinen augen, lasset ab vom b=sen, lernet gutes thun, ... wenn ewer sFnde gleich blutroth ist, sol sie doch schne weis werden.“72 Esa. 45: „Wendet euch zu mir, so werdet jhr sehlig.“73 Esai. 66: „Jch sehe an den elenden vnnd der zerbrochens Geists ist vnnd der sich f=rchtet vor meinem wort.“74 Ezech. 33: „So war, als ich lebe, spricht der Herr Herr, Jch habe keinen gefallen an dem tode des Gottlosen, sondern das sich der Gottlose bekere von seinem wesen vnd lebe.“75 Jtem ibidem: „Wenn ein gerechter b=ses thut, so wirdts jn nicht helffen, das er from gewesen ist, vnd wenn ein Gottloser from wird, so sols jm nit schaden, das er Gottloß gewesen ist; so kan auch der gerecht nicht leben, wenn er sFndiget“76 etc. [D 2v:] Amos 5: „Suchet den Herrn, so werdet jr leben.“77 Zachari. 1: „Keret euch zu mir, spricht der Herr Zebaoth, so wil ich mich zu euch keren.“78 Matth. 11: „Kompt her zu mir alle, die jr mFhesehlig vnd beladen seid, ich wil euch erquicken.“79 2 Timoth. 1: „Denn das ist gewislich war vnd ein Theures werdes wort, das Christus Jhesus ist kommen in die welt, die sFnder sehlig zu machen.“80

72 73 74 75 76 77 78 79 80

Vgl. Jes 1,16‒18. Jes 45,22. Jes 66,2. Ez 33,11. Ez 33,12. Vgl. Am 5,4. Sach 1,3. Mt 11,28. I Tim 1,15 [sic]; 4,9.

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Exempel deren, so ohne gut gewissen vnd one eusserliche gute werck sich zu Gott bekeret vnnd sehlig worden, sind volgende: Aaron, Dauid, Manasse, Zacheus, Petrus, Magdalena, Schecher am creutz vnd viel ander mehr.81 Das ist die rechte Euangelische lehre, vnnd verflucht sey, der do anders lehret. Wir reden aber nicht von denen, welche sich noch zu Gott bekeren vnd gerecht werden sollen, das denen zur bekerung vnd zum verdienst der gerechtigkeit vnd seligkeit die gute werck n=tig sein sollen – Wie mir meine wort lFgenhaftig vnd felschlich gedeutet werden – , sondern von denen, welche schon busse gethan haben vnd allein durch den glauben one alle werck vnd verdienst die gerechtigkeit vnd sehligkeit aus genaden vmb des Herren Christi willen entpfangen haben, das denen die gute werck als frFchte der rechtschaffenen Busse, domit sie nicht die gerechtigkeit vnd sehligkeit wieder verlieren, von n=ten seint. Wie Johannes der [D 3r:] Teuffer selbst Matth. 3 lehret, do er spricht: „Sehet zu, thut rechtschaffene frucht der Busse. ... Welcher Baum nicht gute frucht bringet, wird abgehawen vnd jns fewr geworffen.“82 Dis ist je eine einfeltige klare lehre, welche leichtlich vnd wol zu uerstehen, welche sie aber durch lFgen, Calumnien vnd falsche außlegung verfelschen wil, die laß ich faren; sie werden jhren Richter haben. Zum andern, das mir auffgeleget wird, ich vertedige fast in allen Predigen die Adiaphoristerey vnnd Euangelisire den Chorrock, werdet jhr euch als liebhaber der warheit wissen zu erinnern, ob ich auch jemals der Adiaphoristerey oder des Chorrocks in meinen predigten, dieselbige zu uertedigen, gedacht vnd was ich vor Artickel gew=nlichen in meinen predigen pflege zu handeln, als nemlich: Was Gott sey. Das ein Gott vnnd doch drey vnderschidne personen in der einigen Gottheit seind. Das in der einigen person Jhesu Christo zwo naturen vereiniget seind. Was sFnde sey, vnd wieuiel mancherley sFnde sey. [D 3v:] Wie man vergebung der sFnde, gerechtigkeit, heyligen Geist vnd das ewige leben allein durch den glauben an Jhesum Christum erlange. Welchs gute werck seind. Wie sie Gott gefallen. Wie vnd warumb dieselbige zu thun n=tig seind. Ob auch noch sFnde in den heiligen in diesem leben bleibet. Durch welche sFnde die gleubigen den glauben vnd den heiligen Geist wieder verlieren.

81 Vgl. Num 17,16‒26; I Sam 16,13; II Chr 33,19 und das (apokryphe) Gebet Manasses; Lk 19,1‒10; Mt 26,69‒75; Joh 20,11‒18; Lk 23,39‒43. 82 Mt 3,8.10.

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Von der Tauffe. Von dem Abentmal des Herren, was man da vnd warzu man dasselbige entpfahen sol. Von Mißbrauch des Abentmals des Herrn zu der Papistischen Opffermes vor die lebendige vnd die todten etc. Von der Busse vnd bekerung zu Gott. Von der Absolution. Von der Christlichen Kirchen. Vom gesetz vnd Euangelio vnd derselben vnderscheidt. Vom Ehestandt vnd weltlicher oberkeit etc. Das ich von diesen vnd dergleichen Artickeln der Christlichen lehre, so einem jeglichen Christen von n=ten zu wissen, nach meinem geringen mas vnd verm=gen die zeit, so ich bey euch gewesen, trewlichen geleret vnd daneben allezeit die Papistische jrthumb vnd verfFrung euch angezeiget vnnd wieder83 die Adiaphoristerey oder84 den [D 4r:] Chorrock vertediget habe, werdet jr euch wol zu erinnern wissen, dann wir von n=tigern sachen den vom Chorrock vnd Casseln85 zu predigen haben. Vnd ob ich schon von etlichen solchen mitteln dingen, so zu eusserlicher zucht, erinnerung, wolstand vnnd guter ordnung der Christlichen Kirchen dienen, aber nicht Gottesdienst noch zur seligkeit n=tig seind, auch schribe, lerete oder geleret hette, wie etliche gelerte vnd hohe leut zuuor gethan, wFste ich dennoch, das ich daran recht thete vnnd von niemants darumb billich kFnte vnd solte gestrafft werden, es were dan Jllyricus86 vnd seinesgleichen, welche alles durch lFgen, Calumnien vnnd Diabolische auslegung vnd verkerung auffs bitterst vnd gifftigest nach eingebung jres Vaters87 kFnnen deuten vnd auslegen. Denn diese rotte hat zu dieser zeit das priuilegium, das sie alles m=gen dichten, liegen, felschelich vorkeren, schreien, schreiben, was jnen nur treumet vnd in sinn k=mmet, jederman schenden vnd lestern, das ist alles recht vnd das heilig Euangelium, es sol aber – mit Gottes genade – nicht lang weren, denn wie das sprichwort lautet: „Warheit bestehet, LFgen vergehet.“88 Also spricht auch Prouerb. 12 Salomo: „Warhafftiger mund bestehet ewiglich. Aber falsche zungen bestehen nicht lang.“89 Zum dritten, das ich von listigen leuten darumb alhieher gefordert, das ich das volck zu [D 4v:] den zukFnfftigen verenderungen des Concilij zubereiten 83

weder. Die Sprachform entspricht mittel- und norddeutschem Sprachgebrauch. Vgl. Art. weder [Einleitung], in: DWb 27, 2834. 84 noch. Vgl. Art. oder II.1), in: DWb 13, 1149. 85 Casula, Kasel: ein Messgewand. 86 Matthias Flacius Illyricus. 87 des Teufels. Vgl. Joh 8,44. 88 Vgl. Art. Lüge, Nr. 28, in: Wander 3, 254. 89 Prov 12,19.

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solt, ist E. E. W.90 gnugsam bewust, das ich von den Wolgebornen vnd Edlen Herren, den Grauen vnnd Herren zu Manßfelt, jetzt Regirenden meinen genedigen Herren, vnd durch niemandts anders herberuffen vnd zum Pfarherren vnd Superattendenten bestettiget. Da nu Jllyricus durch solche lesterschrifft – wie er dann niemandts, wes standes oder wirdens91 er sey, zu verschonen pfleget – meine genedige Herren, die Grauen vnd Herren zu Manßfelt, meynet,92 werdet jhr sampt mir vnd allen jren vnderthanen ja warhafftig zeugknis geben, das jhren Gnaden gros gewalt vnd vnrecht von Jllyrico geschicht, dieweil vns allen wissentlich, mit was trewen jre genaden die ware reine lehre des heiligen Euangelij meinen,93 dieselbige in jrer herschafft gepflantzet, geschFtzt vnd gehandhabt94 vnnd noch dieser zeit mit allem vleis helffen ausbreiten vnd erhalten, vnd das jre genaden was zu Kirchen, pffarampt, PredigstFel, Schulen, Hospital vnd alles, so zu Gottes ehre dienet, durch Gottes genade vleißig fFrdern vnd an nichtes erwinden95 lassen. Es wird aber Gott solche lesterer, do sie sich nicht bekeren, welches ich jnen wFnsche, zu seiner zeit wol wissen zu finden. Welchem einigen vnnd ewigen richter wir diese sache beuehlen. Das ich aber das volck zu den zukFnfftigen [E 1r:] verenderungen des Concilij zubereiten solt, wissen E. E. W. vnd G.96 sich auch zu erinnern, mit was grossem vleis vnd ernst ich fast inn allen meinen predigten euch vor den Papistischen jrthumen verwarnet vnd etliche decreta des Concilij Tridentini – vnd sonderlichen die decreta de iustificatione hominis,97 de Poenitentia,98 de Sacramento Altaris99 vnd andere mehr – offentlichen in meinen predigten angefochten vnd wiederleget, Euch auch dauor zu hFten vnd bestendigklichen bey rechter Christlicher lehre des Euangelij zu uerharren, treulichen meinem Ampt nach vermanet hab vnd noch teglich vermane. Das dis alles in der warheit sich also vnd nicht anders verhalte, beruffe ich mich auff einen Erbaren Rath vnd eine gantze Christliche gemeine dieser L=blichen Stadt Eißleben, welche meine lehre vnd predigte nu dis jar here geh=ret.

90

Ewern Erbaren Weisen / Ewer Erbaren Weisheit. welcher Würde. 92 angreift, treffen will, auf sie abzielt. Vgl. Art. meinen 4.c), in: DWb 12, 1927. 93 sich ihrer annehmen, dafür sorgen. Vgl. Art. meinen 5.d), in: DWb 12, 1930. 94 aufrechterhalten, geschützt. Vgl. Art. handhaben 5) und 6), in: DWb 10, 395f. 95 mangeln. 4.d) in: DWb 3, 1066f. 96 Ewer Erbare Weise und Geliebte. 97 Das Dekret des Tridentinums über die Rechtfertigung wurde am 13. Januar 1547 verabschiedet, vgl. DH 1520–1583. 98 Das tridentinische Dekret über die Buße wurde in der 14. Sitzung am 25. November 1551 verabschiedet, vgl. DH 1667–1693 (Lehre), 1701–1715 (Kanones). 99 Das Eucharistie-Dekret wurde in der 13. Sitzung des Tridentinums am 11. Oktober 1551 beschlossen, vgl. DH 1635–1661. 91

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Jch kan durch Gotts genaden mit S. Paulo auch sagen: „... vnser Rhum ist der, nemlich das zeugnis vnsers gewissens, das wir inn einfeltigkeit vnd G=ttlicher lauterkeit, nicht in fleischlicher weißheit, sondern in der genade Gottes auff der welt gewandelt haben, ... denn wir schreiben euch nichts anders, denn das jr leset vnd auch befindet. Jch hoffe aber, jhr werdet vns auch bis ans ende also befinden, gleich wie jr vns zum theil befunden habt,“100 etc. 2. Chor. 1. [E 1v:] Jch dancke auch von hertzen dem Vater vnsers Herren Jhesu Christi: Wiewol viel leuthe in dieser herschafft wie auch an andern mehr =rten durch des Magdeburgischen scribenten schreien vnd schreiben irre gemacht, das dennoch, do jhr vnsere lehre, welche zuuor vielen verdechtig gewesen, selbst pers=nlich geh=rt vnd nun die warheit erkand, jhr nu mehr nicht auff jhr schreiben vnnd schreien achtung gebet, dieweil jhr sehet, das es lauter freuel vnd mutwil ist vnnd solch geschrey darzu erweckt, das dardurch vnruhe vnd die leutte irre gemacht vnnd friedliebende lehrer vnd prediger bey dem gemeinen man in verdacht, has vnd feindschafft gebracht vnnd die, so die lehre des heiligen Euangelij noch nicht erkanndt, daruon abgeschreckt vnnd vnsern widersachern durch solliche Spaltung eine freude vnd frolockung gemacht wurde, das aber noch etliche ann jnen wie das kot am rade hengen, wird nit lange weren, sondern werden mit der zeit auch abfallen, wie bereit an vielen zu sehen. Es ist zwar zu dieser zeit viel elends vnd iammers in deutschen lande, dardurch die leuthe zu ruhe, friede vnnd einigkeit, beide in dem geistlichen vnd weltlichen regiment, billich solten beweget werden, damit sie jnen nicht mehr vnd schwerer last durch fFrwitz, spaltung vnnd vneinigkeit selbs auff den hals lueden. [E 2r:] Sondern101 aber solten die pfarhern vnnd prediger das volck mit h=chstem vleis zu fride vnnd einigkeit vermanen vnnd anhalten; so sehen wir, das jrer viel sind, welche vnter jnen selbst spaltung vnnd vnn=tig gezenck erregen vnnd darzu auch den gemeinen man bewegen, welcher nu inn den sin geraten, das er weder nach Gottis wordt vnd die prediger, noch auch nach der =brigkeyt nicht viel mehr fraget. Diese ergernisse erschrecket zu vnsern zeiten viel von der lehre des heiligen Euangelij ab, das sie derselbigen feind werden, welches den nicht sein,102 sondern zu wissen, das man ein vnterscheide zwischen der lehre vnd den personen machen sol. Das ist gewis, das die lehre der heiligen Propheten vnnd Aposteln Gottes lehre vnnd wordt ist, wiewol wir nun an den Propheten vnd Aposteln auch viel schwacheit vnnd gebrechen sehen, jedoch s=llen wir jre lehre darumb nit vorwerffen.

100 101 102

II Kor 1,12–14. Obgleich. Vgl. Art. sonder 4.2), in: Baufeld, 220b. ergänze „soll“.

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Den wie Tertullianus schreibet: „Soli Dei filio seruabatur, ut sine delicto permaneret103 – Denn vorteil hat allein der son Gottes, das er one sFnde blieben ist,“ vnnd „wir alle“ – es sind Propheten oder Aposteln – „haben diesen schatz in irdischen gefessen, auff das die vberschwengliche krafft sey Gottes Vnnd nicht vonn vnns,“104 wie 2. Cor. 4 geschriben stehet. Derwegen ob wol leider zu vnser zeit, wie auch zur zeit S. Pauli zu Corint vnd bey den Philippern [E 2v:] vnter den lehrern gezencke, has, neid, ehrgeizigkeit, zorn, rachgirigkeit vnd dergleichen sFnde inn den predigern vermerckt wird, jedoch sol man von wegen der personen gebrechligkeit nit der Reinen G=ttlichen lehre feind werden vnnd dieselbige verachten, wiewol nichts sch=ners ist, denn wenn die lehrer jre lehre durch jr selbst exempel zieren vnd schmFcken vnd dem gantzen hauffen als sch=ne liechter vorleuchten.105 Dis ist mehr zu wFnschen, denn in allen zu hoffen, dieweil kein mensch auff erden ist, wie Jhesus Syrach spricht, der gutes thue vnd nicht sFndige.106 Das ander leben wirdt ein leben ohn sFnd vnd in volkommener Gerechtigkeit sein, welche inn diesem leben allein angefangen wird vnnd eine solche gerechtigkeit ist, dabey man teglich beten mus: „Vorgib vns vnsere schulde.“107 Was nu vernFnfftige vnd GottfFrchtige lehrer der Christlichen gemein seind, welche zu friede vnd einigkeit geneigt, die werden sich die vielfaltige vnd herliche vermanung zu erhaltung der eintrechtigkeit leichtlich bewegen lassen, welche allenthalben in der Propheten vnd Aposteln schrifften stehen vnnd offtmals wiederholet werden.108 Was aber von natur zenckisch ist, bey denen hilft kein vermanen, den kan niemandt genug thun, man sage, singe, schreibe vnd thue, was man wolle. Es ist ja war, wie Basilius schreibet: „Non tam si-[E 3r:]nistrae opus est dextra, quam Ecclesiae concordia docentium.“109 Das ist: „Die lincke hand darff nicht so sehr der rechten, als der kirchen die einigkeit der lehrer von n=ten ist.“ Denn gleich wie der Balsam ist, der vom heubt Aaron herabfleust in seinen gantzen Bart, der herab fleust in sein kleid,110 also auch der heilige Geist erstlich auff das heubt der kirchen, vnsern Herren Christum, ausgossen vnd von deme in die andere glidmas des Christlichen leibes, vnd sonderlichen in die lehrer trieffend vnnd fliessend, erquicket, heiliget vnd erhelt das leben

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Vgl. Tertullian, De praescriptione haereticorum III (PL 2, 14f). II Kor 4,7. 105 Vgl. Dan 12,3. 106 Koh 7,20 [!]. Vermutlich liegt eine Verwechslung zwischen „Ecclesiastes“ (Prediger Salomo, Kohelet) und „Ecclesiasticus“ (Jesus Sirach) vor. 107 Mt 6,12. 108 Vgl. I Kor 12f; Eph 4,2f; Kol 3,12–15. 109 Vgl. Basilius, ep. 97, 1,10–12 (PG 32, 493). 110 Vgl. Ps 133,2. 104

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der gemeine Gottes durch die einigkeit vnd das band des friedes.111 Bey solcher gemeine, welche den heiligen Geist vnd die Einigkeit behelt, ist Gott, segnet vnd schFtzet sie vnd verleyhet gnade, das sie in glauben, hoffnung, liebe, Forcht gegen jme, in gedult vnd allen thugenden wechset vnd zunimpt, vnnd solche gemeine wil er mit aller wolfart vnnd mit der Kron des ewigen lebens zieren vnd schmFcken, wie der 133. Psalm am ende mit diesen tr=stlichen worten spricht: „Denn doselbst verheisset der Herr segen vnd leben imer vnd Ewiglich.“112 Da aber die lehrer der kirchen vnter jnen selbst vneinig vnd vndereinander sich durch zanck, zorn, lesterwort, lFgen, ehrgeitzigkeit vnd rachgirigkeit beissen vnd fressen, einer das theil, der ander das ander theil des volcks an sich zeucht vnd ein jeglicher nicht Gottes, sondern sein eigen ehre [E 3v:] vnd nFtze suchet, do kan nichts liebliches noch freundliches sein, da wird der lauff vnd die frucht des G=ttlichen wordts vnd rechte anruffung Gottes verhindert, der heilige Geist inn vieler gleubigen hertzen betrFbet, volgen darnach allerley rotten vnd secten, bis endtlichen auffruhr, krieg, blutuergiessen vnd verwFstung dardurch auch erreget werden. Denn solche gemeine wirdt nicht durch den heiligen Geist, sundern durch jre eigne affect, lust vnd begierde vnd durch den geregiret, welcher solcher sachen von anbegin ein vorursacher gewesen ist. Darumb ist auch daselbst nicht des Herren segen, sundern lauter verfluchung vnnd verderben. Derhalben, wie oben vermeldet, ist der Christlichen gemein nichts nFtzlichers noch h=cher von n=ten, denn das eintrechtigkeit der lehrer erhalten werde, darauff denn FFrsten fvnd Herrenf vnd alle oberkeit mit hohem vleis achtung geben, vnd do jrgent vneinigkeit vnter jnen vermarckt, sich befleissigen sollen, auff das solche zu uerhFtung vieler beschwerung vnd vnrichtigkeit in beiden regimenten, Geistlich vnd Weltlich, billicher vnd Gottseliger weise m=ge verglichen werden. Es ist auch zu dieser zeit ein sehr ergerlicher vnd schedlicher gebrauch, darzu dann die oberkeit stilschweiget vnd durch die finger [E 4r:] sihet,113 das eines theils lehrer der kirchen von vnn=tigen sachen, deren sie kein grFntlichen bericht oder auch wenig verstand haben, aus lauter Ehrgeitzigkeit,g zorn, has oder neid zanck erregen vnnd alle diejenige, so es nicht mit jnen halten, keines standes verschonend, offentlichen im druck schenden vnd lestern. Denn alhie wird die regel des Herren Christi nicht gehalten, welche er Matthei 18 gibt: „SFndiget dein bruder an dir, so gehe hin vnd straffe in zwischen

f–f g

Konjiziert aus: vnderr Hen. Im Original „Ehr|geitzigkeit“, ohne Bindestrich am Zeilenende.

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Vgl. Eph 4,3. Ps 133,3. darüber hinwegsieht.

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dir vnd jme ALLEJN.“114 Sundern hiewider werden alle Affecten, one alle vorgehende freuntliche vnd brFderliche vermanunge, auffs feindsehligest vnd bitterst offentlichen im druck mit grossen Ergernissen vieler frommer GotfFrchtiger leuth ausgeschFttet; ob nu solches von Gottes Geist geschehe, ist leichtlich zu richten. Denn so der Herre diese regel mit denen wil gehalten haben, so wieder vns sFndigen, wieuiel mehr wil er die leuth, so vns nichts b=ses oder auch alles guts gethan, vngeschendet vnd vngelestert haben? Wolt Gott, das alle lehrer der Christlichen gemeine diese vermanung S. Pauli vleissig betrachteten vnd deren volgeten, da er an die Philip., 2. ca., also schreibet: [E 4v:] „Thut nichts durch zanck oder eitel ehre, sondern durch demut achtet euch vntereinander, einer den andern h=cher denn sich selbst, vnd ein jeglicher sehe nicht auff das seine, sondern auff das des andern ist. Ein jeglicher sey gesinnet, wie Jesus Christus auch war, welcher, ob er wol in G=ttlicher gestalt war, hielt ers nit fFr ein Raub, Gott gleich sein, sundern eussert sich selbst vnd nam knechts gestalt an.“115 Theophylactus spricht alhie in der auslegunge vber diesen spruch S. Pauli, das die κενοδοξία, die Ehreseuch, ein mutter des zancks sey, denn eitel Ehre gebieret zanck.116 Augustinus uero uocat matrem omnium haeresium.117 Wie wir sehen, das die ehrgeitzigen gemeinigklichen vnn=tige vnd schedliche gezencke erregen, darinnen sie jre kunst vnd geschickligkeit beweisen vnd in ein ansehen bey dem gemeine man komen m=gen, wie an Samosateno,118 Ario119 vnd [F 1r:] viel andern zu allen, ja auch diesen vnsern zeiten, zu sehen. Von den Ehrgeitzigen schreibet Lutherus in Commentario ad Gala. cap. 6 also: „κενόδοξοι coniungunt haec tria uitia: Primum uanae gloriae cupidißimi sunt. Deinde mire ingeniosi sunt ad calumniandum aliorum bene dicta et facta, ut hac uia populi adplausum acquirant. Tertio cum illustres facti sunt apud uulgum, alieno tamen labore et periculo, tam fortes et animosi fiunt, ut nihil non audeant. Sunt igitur homines pestiferi et omni maledictione digni, quos odi cane peius et angue. Nam quae sua sunt quaerunt, non quae Christi Iesu etc.“ 120 So seind auch etliche andere, wie sie S. Paulus nennet,121 auffgeblasne, st=rrige vnd halstarrige leut, welche gedencken, das sie allein klug vnd gelehret

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Mt 18,15. Phil 2,3–7. 116 Vgl. Theophylakt von Achrida, Commentarii in omnes divi Pauli epistolas (zu Phil 2,3), PG 124, 1160B. 117 Vgl. Augustinus, De Genesi contra Manichaeos II, VIII (11) (PL 34, 202): „... Sicut enim est mater omnium haereticorum superbia, ausi sunt dicere quod natura Dei sit anima.“ 118 Der antiochenische Bischof Paulus von Samosata galt als Häretiker. 119 Arius war Presbyter in Alexandria. Seine subordinatianische Christologie wurde vom Konzil zu Nicäa 325 verurteilt. 120 Luther, WA 40II, 148,24–30 (Großer Galaterkommentar, 1535, zu Gal 6,4). 121 Vgl. I Tim 6,4. 115

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seind, vnd alle andere verachten vnnd nicht im geringsten auch ein haerbreit weichen wollen, auff das sie jre ehre, Existimation122 vnnd Authoritet erhalten. Solche k=pff straffet S. Paulus mit diesen worten, das er spricht: „Thut nichts durch zanck oder eitele ehr,“123 vnnd lehret vnns, das wir hone, spot vnd lesterung von wegen der Christlichen kirchen vnnd auch des weltlichen Regiments friede vnd ruhe offtmals mit stilschweigen vnd gedult vberwinden vnd nicht durch rachgirigkeit vnd wiederlesterung vnnd scheltwort gr=ssere has vnnd vnruhe erregen vnnd vns vor den ehrgeitzigen vnd zenckischen leuten absondern [F 1v:] s=llen, wie Prouerbiorum 20. geschriben stehet: „Es ist dem man ein ehre, vom hader bleiben, aber die gerne hadern, sind alzumal narren.“124 Nach dem aber S. Paulus vns die hoffart vnd ehrgeitzigkeit zu uormeiden gelehrt, vormanet ehr vns in volgenden worten zu der demut, do ehr also spricht: „Durch demuth achtet euch vntereinander einer den andern h=er denn sich selbs, vnd ein ieglicher sehe nit auff das sein, sondern auff das desh andern ist.“125 DemFtig aber sein heisset Gott fFrchten, seine eigene schwacheit vnnd gebrechligkeit erkennen, niemands verachten, s=ndern andere leut denn sich selbs h=er achten,126 nichts anfahen, das wieder sein beruff sey, vnnd desselbigen mit Gottes furcht vnnd anruffung vleissig warten, im leiden vnnd creutz gedFldig sein, sich nicht auff seine weisheit, kunst, stercke oder macht verlassen, auch das wissen vnnd vorstehn, obschon wir weise, gelehrt, starck oder mechtig sein, das dennoch der teuffel viel weiser, gelerter, stercker vnnd mechtiger sey, denn wir sein k=nnen, welcher, wo Got nicht vnser schutzherr ist, vns leichtlich sturtzen kan, das wir dahin daumeln. Darumb bleiben die demFtigen in jrem beruff vnnd vnterstehen sich nichts h=ers oder weiters, den jnen bevohlen ist, vnd dieweil sie alles in Got-[F 2r:] tes furcht vnnd anruffung thun vnnd handeln, so ist auch Gott bei jnen, gibt glFck vnnd heil zu jhren hendeln. Denn s=lche leuth nicht auff jhre, sondern auff Gottes ehre vnnd anderer leut nutz, frommen vnnd seligkeit sehen vnnd dahin alle jre sinne vnnd hendel richten. Derhalben spricht S. Paulus: „Ein iglicher sey gesinnet, wie Jhesus Christus auch war, welcher, ob er wol in G=ttlicher gestalt war, hilt ers nit fFr einen raub Gott gleich sein, sondern eussert sich selbst vnd nam knechtsgestalt an“127 etc. h

Konjiziert nach Luther 1545 aus: es.

122 123 124 125 126 127

Ansehen, Ruf. Phil 2,3. Prov 20,3. Phil 2,3f. andere Leute höher achten als sich selbst. Phil 2,5–7.

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Da stellet S. Paulus allen Bischoffen, pfarhern vnnd predigern, ia allen Christen, das h=chste exempel der demut fFr, welches in himmel vnd auff erden ist, nemlich des Sons Gottes, welcher, ob er wol von dem Vater Ewiger almechtiger Gott geboren, sch=pffer himmels vnd der erden vnnd herre aller herren ist, vor welchem alle knie, die im himmel vnnd auff erden sind, sich beigen mFssen, jedoch ist er von wegen s=lcher grossen herligkeit nicht stoltz noch hoffertig, sFchet nicht das seine, verachtet nicht das arme, elende menschliche geschlecht, sein gesch=pf, so inn die sFnde, in zorn Gotts vnd in tod gefallen, sundern nimpt sich desselbigen elend vnd jammers an, fellet Got dem Vater zu fFssen vnd vorbittet128 dasselbig, macht sich selbsti [F 2v:] schFldig vor das menschliche geschlecht, k=mmet von himel herab vnd eussert sich seiner G=ttlichen herligkeit vnd Maiestat, nimpt knechtsgestalt an, auff das er vns, die wir knechte der sFnde vnd des teuffels waren, zu kinder vnnd erben Gottes vnd seine miterbe mache, vnnd wird in der straffe der sFnde, so er an vnser stad auff sich genommen, Gott dem Vater gehorsam bis zum tode, ja zum Tode am creutz.129 Diese h=chste demut vnd liebe des sons Gottes gegen vns arme, elende menschen stellet vns Pfarherren vnd lehrern der Christlichen kirchen S. Paulus vor die augen, dieselbige zu betrachten vnd vns dardurch Schamroth zu machen. Denn dieweil wir an dem lieben son Gottes solche grosse demut vnd liebe gegen vns sehen (wie er denn vns alle vermanet, das wir dieselbige von jme sollen lernen, do er Matth. 11 spricht: „lernet von mir, denn ich bin sanfftmFtig vnd von hertzen demFtig, so werdet jhr ruge finden fFr ewer seele“130 etc.)j Was fahen denn wir arme madensecke131 an? Warumb machen wir vns selbst vnd andern leuten beide, in der kirchen vnnd weltlicher Regierung, so grosse vnruge vnd zerrFttFng? Warumb fechten vnd kempffen wir vntereinander mit vieler leuth ergernis durch so viel lesterschrifft von wegen der eiteln vnd zeitlichen ehre? Welcher, do [F 3r:] wir nicht warhafftige busse thun werden, ewige schande, schade vnnd straff gewislich eruolgen132 wirdt. Hie rFmen sich etliche, das sie die seulen der Christlichen kirchen seind,133 welche die reine lehre des Euangelij allein erstritten vnd erhalten, schenden vnd lestern derwegen alle andere, so jhrem schwarm kein beyfal geben. i j

Nur in der Kustode auf Bl. F 2r, nicht im Text auf Blatt F 2v. Klammer ergänzt.

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bittet für. Vgl. Phil 2,8. 130 Mt 11,29. 131 Die Bezeichnung „Madensack“ für den Menschen, insbesondere den menschlichen Körper in seiner Vergänglichkeit, gebraucht Luther häufig, vgl. die einschlägigen Artikel in WA 71, 599 und DWb 12, 1427f. 132 folgen (als Konsequenz). Vgl. Art. erfolgen 1), in: DWb 3, 803. 133 Vgl. Gal 2,9. 129

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Durt hinden in Preussen stehet einer134 auff, der sich rFmet, das er allein den rechten verstand von heiliger Christlicher lehre habe, helt vnd acht andere leuth vor lauter gense, enten vnd Bachanten;135 do wird eine trennung hie, dort an einem andern orth eine andere. Was wil hieraus zuletzt werden? Wie wollen wir an jenem tage136 vnserm Ertzhirten137 von vnserm ampt rechnung thun? Wenn er sagen wird: „Habt jhr nicht geh=rt, was ich euch beuohlen hab, do ich zu euch also sagte: Lernet von mir, denn ich bin senfftmFtig vnd von hertzen demFtig? Habt jr nicht meine demut gesehen, welcher, wiewol ich Gott vnd Herr aller Herren bin, noch138 bin ich ewer aller knecht vnd diener worden, vor euch gefangen, vorspeiet, gesteupet,139 gegeisschelt,140 gekr=net vnd gecreutziget?“ Wenn wir solche demut vnd liebe des sons Gottes gegen vns recht bedechten, solten vns die hare auff dem heubt entborestehen141 vnd wier vns selbst anspeien. [F 3v:] Denn was sind wir creaturen gegen solcher hohen G=ttlichen vnnd almechtigen Maiestat, welcher Sch=pffer himels vnd der erden vnnd vnser aller ist? Wen nu dis hohe exempel der demut nicht beweget, der mus herter sein denn die felse zu Jerusalem, welche vor solcher demut des sons Gottes also erschrocken, das sie zerrissen vnd die gantze erde davor bebete.142 Derwegen dancken wir dir, o almechtiger, ewiger, warhafftiger Gott, ewiger Vater vnsers Herren Jhesu Christi, das du aus vnaussprechlichem rath durch die demut, gehorsam vnnd den todt deines geliebten Sons, vnsers Herren Jhesu Christi, vns wiederumb vers=net vnd vnser lieber Vater worden bist vnd vns vnsere sFnde nicht zurechnest vnd vnder vns das wort der vers=nung auffgerichtet hast,143 durch welches du die gleubigen zu deinem erbe des ewigen lebens beruffest vnd samlest. Dieweil auch der b=se feind durch ehrgeitzigkeit, zorn, lesterung, neid, has, zanck, rachgirigkeit, lFgen vnd viel andere sFnde deine Christeliche gemeine, auch offtmals deine diener, die lehrer deines heiligen worts, selbst anficht vnnd du nicht lust hast, an des sFnders tode, sundern das er sich bekere vnnd lebe,144 bitten wir dich, du [F 4r:] wollest solche schwacheit vnd sFnde vmb Jhesu Christi, deines lieben Sons, willen vns allen genediglichen vergeben vnd vns durch den heiligen Geist Heiligen, fFren vnd regieren, das wir dich 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144

Andreas Osiander; vgl. unten Anm. 224 und 233; unsere Ausgabe Nr. 4, Anm. 52. unwissende Studienanfänger. am Jüngsten Tage, im Jüngsten Gericht. Jesus Christus; vgl. I Petr 5,4. dennoch. Vgl. Art. noch adv. II.5.a) in: DWb 13, 871. öffentlich ausgepeitscht. Vgl. Art. stäupen 1.a), in: DWb 17, 1203. gegeißelt. Vgl. Art. geiseln 3), in: DWb 5, 2621. emporstehen. Vgl. Art. entbor, in: DWb 3, 501. Vgl. Mt 27,52. Vgl. II Kor 5,19. Vgl. Ez 33,11.

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ewigen, warhafftigen Gott, deinen willen vnd vnsere sFnde recht erkennen, warhafftige busse thun vnd dier im glauben, inn der hoffnung, liebe, in rechter anruffung, in bestendigem bekentnis, in gedult, in der liebe gegen dem nehisten vnd in Summa inn rechtschaffnen frFchten der busse vnd allerley guten wercken dienen, dich loben, ehren vnd preisen vnd allen B=sen affecten, neigung vnd begirden durch deine hFlffe wiederstreben m=gen. Wollest auch genediglichen bey solchem deinem erkentnis vns alle erhalten, schFtzen vnnd handhaben, allen rotten vnd secten, vnd sonderlichen dem Mahomet vnd dem Babstum vnd allen ergernissen, auch den zerst=rern zeitliches friedes steuren vnd wehren, auff das reinigkeit vnd einigkeit deiner heiligen lehre vnd Gottseliger wandel sampt zeitlichem friede vnter vns erhalten werde vnd aus vns allen werckzeug deiner genade vnd barmhertzigkeit, welche dir, deiner Christlichen gemein vnd zu weltlicher regirung, zu ruhe vnnd friede dienen vnd nFtzlich sein m=gen, vnnd nicht aus vns gevehsse vnd werckzeug deines Zorns vnnd der verdamnis machen,145 durch [F 4v:] welche beide deine Christenheit vnd die weltliche regierung verunruiget vnd zerst=ret werde. Solches wollest du vns nach der verheissunge deines geliebten Sons, vnsers Herren Jhesu Christi, „Warlich, Warlich ich sage euch: so jhr den Vater etwas bitten werdet in meinem namen, so wird ers euch geben“146 vns alles genediglichen verleihen vnd die wol verdienten straffen der erschrecklichen kranckheit der pestilentz vnd des TFrcken vnd andere vielfaltige kriege, mord, brand, verwFstung vnd verderbung, domit wier jetziger zeit von wegen vnsere sFnde heimgesucht vnd gezFchtiget werden, vmb vnsers mitlers willen von vns abwenden oder je solche schwere vnd scharffe rutten lindern vnd vns nach deinem willen reine lufft, leibs gesundheit, christliche vnd friedliche regierung wiederumb verleihen. Auff das wir dir Ewigen warhafftigem Gott sampt deinem son, vnserm Herrn Jhesu Christo, vnd dem heiligen Geist von hertzen dancken, dich in ewigkeit loben, ehren vnd preisen m=gen. Amen.

Joan. 17.

Zum letzten bitte ich alle Christliche hertzen, das sie doch betrachten wollen, was das nur vor eine Torheit, das ein mensch darff sagen, das denen, so durch den glauben nu kinder Gottes worden seint, gute werck zur sehligkeit nicht n=tig sein sollen? Denn, Lieber, sage mir: Was ist das ewige leben? [G 1r:] Jst es nicht, das man den ewigen, warhafftigen Gott vnd Jhesum Christum, den er gesandt hat, erkenne?147 Welches erkennen nicht ein todter buchstaben, sundern leben vnd geist ist, welchem das volget, das der mensch in solcher widergeburt anfehet, wiederumb zum bilde Gottes vernewert wer145 146 147

Vgl. Röm 9,22. Joh 16,23. Vgl. Joh 17,3.

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den? Was ist aber Gottes bilde? Seindt es nicht die zehen gebot sampt allen jren guten wercken, welche Gott darinnen geboten? Welche, so der mensche inn dieser verderbten natur volkFmenlich148 halten kFndte, so were er auch volkFmenlich sehlig vnd Gottis bilde, zu welchem er erstlichen geschaffen gewesen,149 vnd were also kein sFnde noch tod da. Nu heist es aber „spe salui facti sumus, spe, sed nondum in re – Wir seind in der hoffnung selig worden, noch nit volkommenlich.“150 Denn das ein mensch die seligkeit vnd das ewige leben habe, geh=ren diese stFcke zu: Erstlich Buß vnd bekerung zu Gott, das ist erkentnis der sFnden. Zum andern der glaube, welcher die vergebung der sFnde vnnd den heiligen Geist entpfahe. Zum dritten, das durch solchen heyligen Geist der mensch wieder zum bilde Gottes vernewert vnd wieder das anfange zu werden, das er vor dem fal gewesen ist; was er aber vor dem fal gewesen sey, das zeigen die zehen gebot Gotts an sampt allen den guten wercken, so darinnen begriffen seind. Wer nu also ist vnnd die gute werck, so in den zehen geboten erfordert werden, [G 1v:] volkomenlichen hat, der ist auch volkomenlich gerecht vnd selig, do ist kein sFnde vnnd tod, wie wir an den heiligen Engeln sehen, das sie Gott, jren Herren vnd Sch=pffer von gantzem hertzen, von gantzer sehle vnnd von gantzem gemFte vnd vns, jre nehiste vnd miterben des ewigen lebens, als sich selbst lieben,151 dieweil sie vnsere dinstbare geister sind.152 Dieweil aber die verderbung der natur inn allen heyligen vnd kindern Gottes in diesem leben, nach153 bis in die gruben bleibet, so ist vnsere gerechtigkeit vnd seligkeit allein Iusticia et uita aeterna inchoata – Ein anfang der Gerechtigkeit vnd des ewigen lebens, vnd wird vns doch solcher anfang der gerechtigkeit vnd des ewigen lebens von wegen des Herrn Christi also zugerechnet, als weren wir volkomenlich Gerecht vnd selig.154 Denn inn Christo, nicht in vns, seind wir volkommen 1. Colossen. 2.155 Jtem 1. Johan. 3: „Meine lieben, wir seind nu Gottes kinder, vnd ist noch nicht erschienen, was wir sein werden“156 etc. Nach deme denn die gute werck der zehen gebot Gottes in den gleubigen vnd kindern Gottes die frFchte der vernewerung vnd der wiedergeburt seind, wie Ephe. 4 vnd Coloss. 3 geschrieben stehet,157 vnd solch new leben, so der heilige Geist in den gleubigen wircket vnd anfehet, ein stFck vnnd anfang

148 149 150 151 152 153 154 155 156 157

vollkommen. Vgl. Gen 1,27. Vgl. Röm 8,24. Vgl. Mt 22,37–40. Vgl. Hebr 1,14. noch. Vgl. Art. noch adv. I.4), in: DWb 13, 868f. Vgl. Phil 3,7–14. Vgl. Kol 2,9f; 1,28. I Joh 3,2. Vgl. Eph 4,22–32; 5,9; Kol 3,9f.

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Rom. 8.

Hebre. 1.

Philip. 3.

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des ewigen lebens ist (denn das heist selig sein vnd das ewige leben haben, das einer das habe, [G 2r:] das die zehen gebot erfordern, wie an den heiligen Engeln zu sehen vnd der 15. Psalm bezeuget), wie solten denn die gute werck den gleubigen zur seligkeit nicht n=tig sein, so sie selbst ein theil vnnd der anfang des ewigen lebens vnnd, wie S. Paulus Philip. 1 spricht,158 die frFchte der gerechtigkeit vnd ein anzeigen der sehligkeit seind? Was kan doch hiewider mit warheit gesagt werden? Also schreibet auch Lutherus in der Alten postil am 18. suntag nach Trinitatis vber das Euangelium Matth. 22: „Darumb hat nu Gott die eine lehre gegeben, die do offenbaret, was der mensche sey, was er gewest ist vnd was er wieder werden sol, das ist die lehre des gesetzes, so Christus hie anzeiget: ‚Du solt Gott lieben von gantzem hertzen‘159 etc. Als solt er sagen: ‚Also bistu gewest, vnnd also soltu noch sein vnd werden, im Paradis hastu den schatz gehabt vnd warest also geschaffen, das du kFndtest Gott von gantzem hertzen lieben, das hastu nu verloren. Nu aber mustu wieder also werden, sonst wirstu in Gottes reich nicht kommen.‘ Also spricht er dFrre vnd klar an andern =rten: ‚Wiltu zum leben eingehen, so halt die gebot.‘160 Jtem: ‚Thu das, so wirstu leben‘161 etc., das mus kurtzumb gehalten sein, vnd das man dauon viel disputiren wolt, als m=chte man one das (das do heisset Gott lieben von gantzem hertzen vnd den [G 2v:] nehisten als sich selbst) selig werden, da wird nichtes aus; es mus erfullet werden so rein vnd volkomen, als die Engel im himel erfFllen. Darumb ist es vnrecht vnd nicht zu leiden, so man wolt also predigen (wie etliche vor zeiten gethan haben vnnd auch noch etliche tolle Geister thun): ‚Ob du schon nicht die gebot heltest, Gott vnd den nehisten liebest, ja ob du gleich ein Ehebrecher bist, das schadet nicht, so du allein gleubest, so wirstu selig.‘ Nein, lieber man, da wird nichts aus, du wirst das himelreich nicht besitzen, es mus darzu kommen, das du die gebot haltest vnd in der liebe seiest gegen Gott vnd dem nehisten. Denn do stehets kurtz beschlossen: ‚Wiltu zumk leben eingehen, so halte die gebot.‘162 Jtem zunl Galatern am fFnfften: ‚Offenbar seind die werck des fleisches, von welchen ich euch zuuor gesagt habe, vnd sage es noch, das, wer solches thut, der wirdt das reich Gottes nicht ererben‘163 etc. Vnd Christus wil solche lehre bey den Christen erhalten haben, das sie wissen, was sie gewesen seind, was sie noch schFldig seind vnnd was sie wieder werden sollen, das sie nicht in dem schlam bleiben, darin sie jetzt seind, denn wo sie darin blieben, musten k l

Im Original: „zun“; evtl. Vertauschung am Zeilenende, vgl. Anm. l. Im Original: „zum“; evtl. Vertauschung am Zeilenende, vgl. Anm. k.

158 159 160 161 162 163

Vgl. Phil 1,11. Mt 22,37. Mt 19,17. Lk 10,28. Mt 19,17. Gal 5,19.21.

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sie verloren sein. Also spricht er dFrre eraus Matthei am fFnfften: ‚Jr solt nicht wehnen, das ich kommen sey, das gesetz auffzul=sen,m sondern zu erfFllen. Ja ich sage euch: warlich, es mus also gelehret vnnd [G 3r:] gehalten werden, das nicht der kleineste buchstabe noch ein titel vom gesetze vergehe, bis das es alles geschehe.‘164 Jtem Weiter spricht er Matthei am zw=lfften: ‚Jch sage euch, das die menschen mFssen rechenschafft geben am JFngsten gericht von einem jeglichen vnnFtzen wort, das sie geredt haben.‘165 Vnd S. Paulus zun R=mern am achten: ‚Got hat seinen Son gesant ins fleisch, auff das die gerechtigkeit, vom gesetz erfordert, inn vns erfFllet werde.‘166 Vnd zun R=mern am dritten: ‚Wie? heben wir denn das gesetz auff, so wir lehren, das man durch den glauben vnnd nicht durch die werck gerecht werde? Das sey ferne. Sondern wir richten das gesetz auff,‘167 das ist: Eben darumb lehren wir den glauben, domit das gesetz m=ge erfFllet werden.“168 Das seind D. Lutheri wort. Dieweil denn die gleubigen inn diesem leben mussen anfangen, das wider zu werden, das sie vor dem fall im Paradis gewesen, vnd die werck der zehen gebot Gottes ein teil vnd stFcke seind solcher seligkeit, wie solten sie denn darzu nicht von n=ten sein? etc. Diesen sermon aber habe ich darumb E. E. W. vnd G. zugeschrieben, auff das jr vnd andere inn solcher vnd andern meinen schrifften dester gewisser von meiner lehre richten vnd vrtheilen vnnd dardurch, wie grosser gewalt mir von meinen wi-[G 3v:]dersachern geschehe, erkennen m=get, vnnd habe alhie allein rechte, reine Christliche lehre verteidigen vnd nicht jren lFgen vnd lesterungen antworten wollen; dann offentliche169 lFgen keiner antwort bed=rffen; widerlestern vnd schenden ich nicht vor Ehrlich vnnd Christlich halte, wie der weise man spricht: „Wer zanck liebet, der liebet sFnde.“170 Also sagt auch mit seer lieblichen worten der weise Poet Philemon: ἥδιον οὐδὲν οὐδὲ µουσικώτερον ἔστ’ ἢ δύνασθαι λοιδορούµενον φέρειν? ὁ λοιδορῶν γάρ, ἂν ὁ λοιδορούµενος µὴ προσποιῆται, λοιδορεῖται ὁn λοιδορῶν.171 m Gegenüber der Vorlage (und dem Bibeltext) fehlt (möglicherweise wegen Homoioteleutons): Jch bin nicht komen auff zul=sen. n diese Lesart entspricht der Version von Scaliger, vgl. den Apparat in PCG VII, 240 (vgl. unten Anm. 171). 164

Vgl. Mt 5,17f. Mt 12,36. 166 Röm 8,3f. 167 Vgl. Röm 3,31. 168 WA 45, 146,25–147,33 (aus einer Predigt Luthers vom 30. September 1537, 18. Sonntag nach Trinitatis; sie erschien noch im selben Jahr separat im Druck, VD 16 L 5835 [Wittenberg: Hans Luft]; VD 16 L 5834 [Nürnberg: Hieronymus Andreae], 1544 auch in Crucigers Sommerpostille). 169 offensichtliche. 170 Prov 17,19. 171 Philemon, Fragment 23 (aus Ἐπιδικαζόµενος; vgl. PCG VII, S. 240). 165

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Das ist ein lieblicher vnd weiser man, Der do scheltwordt gedFltig tragen kan, Welcher sich der lesterwort nicht annimpt. Dem lesterer sein schmach auff sein heupt kompt. Wiewol ich nu leider nicht weise bin, jdoch wil ich dieser weiser leut vermanung volgen vnnd mich mit meinen lesterern nicht schelten, sundern sie mit gedult vberwinden vnnd verhoffen, von welchen die lesterwort erstlich ausgangen, das sie entlich auch doselbst wider eingehen werden; wen jhr hertz gut were, so brechte es auch was guttes erfFr. Denn (wie der Herre sagt) wes das hertz vol ist, des gehet der mund vber; was aber aus dem [G 4r:] munde gehet, das kompt aus dem hertzen vnnd verunreiniget den menschen, aus dem hertzen aber kommen arge gedancken, morde, falsche zeugnis, lFgen, lesterung etc., Luce. 6, Matthei 12 vnd 15.172 Daruber Lutherus also schreibet: „Malus etiam bonas res calumniatur et peßime de eis loquitur, adeo scilicet plenus est Thesauris malitiae, ut nec optimao facta et dicta possit ferre, sed deprauet et pdetrahat omnibusp peßimis modis. Quia qualis ipse est, talia sunt ei omnia etc.“173 „Deinde non solum ipseq nihil bonir profert, sed etiam bona ab alijs dicta et facta inficit et intoxicat, id est, damnat et calumniatur.“174 „Ideo pius Doctor cum docuerit, arguerit, iudicauerit, relinquat furiosos aduersarios, ut mordeant, contendant, litigent, maledicant, clament, uociferentur, furant, saeuiant, donec consumantur etc.“175 Diesem rath wil ich folgen vnd sie schreien vnd schreiben lassen, bis sie mFde werden. Dieweil jr denn nu alhie zu Eißleben die reine lehre des Euangelij von vielen jaren her geh=ret vnd jetziger zeit durch rotten vnd secten viel new lere vnd jrthum erreget werden, vermane ich euch wie S. Paul. auch die zu Epheso, das jr nit mehr kinder seiet vnnd euch wegen vnnd wigen176 lasset von allerley wind der lehre durch schalckheit der menschen vnd Teuscherey, domit sie die leut erschleichen vnd verfFren,177 sundern bey der lere verharret vnd bestendig bleibet,178 welche jr von dem ehrwirdigen Herren Doctore Martino Luthero seliger gedechtnis vnd andern ewern trewen lehrern vnd predigern entpfangen habet, darzu euch denn vber viele andere grosse vrsach auch das o

im Original: optime. Konjiziert nach WA 38. omnibus detrahat: WA 38. ipsum: WA 38. bonum: WA 38.

p–p q r

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Lk 6,45; Mt 12,34; 15,18f. Luther, WA 38, 550,3–6 (Annotationes in aliquot capitula Matthaei, 1538, zu Mt 12,35). 174 Luther, WA 38, 550,13f (Annotationes in aliquot capitula Matthaei, 1538, zu Mt 12,35). 175 Bislang nicht nachgewiesen. 176 hin und her bewegen. Vgl. Art. wegen verb. I 2.a), in: DWb 27, 3085f; Art. wiegen 1.a), in: DWb 29, 1537f. 177 Vgl. Eph 4,14. 178 Act 2,42. 173

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bewe-[G 4v:]gen sol, das gedachter Doctor Martinus Lutherus, durch welchen Gott aus sunderlichen genaden das liecht der reinen lehre des Euangelij von Jhesu Christo seiner Christenheit jetziger zeit wieder hat angezFndet, alhie in dieser stadt geborn vnd auch nach Gottes willen vnd ordnung alhie in dem Herrn Christo Jhesu entschlaffen vnd nu bey Christo lebet. Diesen reichen schatz, welchen euch D. Luther vertrawet vnd alhie bey euch durch sein tod vorsiegelt, wollet euch niemants lassen verrFcken,179 sunder derselben rein vnd vnuerfelschet zu ewrer seligkeit bis auff die zukFnfft180 vnsers Herren Jhesu Christi vleissig in ewerm hertzen durch den heiligen Geist bewaren. Amen. Geben zu Eißleben, Anno 1552, 10. Nouembris, das ist am abend S. Martini, auff welchen tag Anno 1483 der Ehrwirdige her Doctor Martinus Lutherus sehliger gedechtnis alhie geborn, welches gedechtnis darumb billich zu erhalten, auff das wir Got vor diese grosse wolthat dancken, das er diesen treuen lehrer zu vnser zeit aus sunderlichen genaden erweckt hat, das durch diesen seinen werckzeug des Bapstums jrthum, betrug vnd abg=tterey der welt er=ffnet vnnd reine G=ttliche lehre wieder gepflantzt vnd aussgebreitet wFrde etc. E. E. W. Williger Georgius Maior. D.

[H 1r:] Ein

sermon von S. Pauli vnd aller GottfFrchtigen menschen bekerung zu Gott. Actorum 9

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Saulus aber schnaubete noch mit drewen vnd morden wider die JFnger des Herren. Vnd gieng zum Hohenpriester vnd bat jn vmb briefe gegen Damascon an die schulen, auff das, so er etliche dieses weges fFnde, Menner vnd Weiber, er sie gebunden fFrete gen Jerusalem. Vnd do er auff dem wege war vnd nahe bey Damascon kam, vmbleuchtet jn pl=tzlich ein liecht vom himel, vnd fiel auff die erden vnd h=ret eine stimme, die sprach zu jm: Saul, Saul, was verfolgestu [H 1v:] mich? Er aber sprach: Herr, wer bistu? Der Herr sprach: Ich bin JHESVS, den du verfolgest. sEs wirdt dir schwer werden, wieder den stachel lecken.181 Vnd er sprach mit zittern vnd zagen: Herr, was

s–s

Major folgt hier Luthers Übersetzung, die in Übereinstimmung mit der griechischlateinischen Ausgabe des Neuen Testaments von Erasmus von Rotterdam (Basel 1516, S. 269) und mit einem Teil der Tradition an der Stelle einen u. a. nach Act 26,14 erweiterten Text bietet.

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wegbewegen, fortschaffen, wegnehmen. Vgl. Art. verrücken 3.b), in: DWb 25, 1022f. Wiederkunft zum Jüngsten Gericht. Vgl. Art. Zukunft I.5), in: DWb 32, 478. 181 mit den Füßen aus(zu)schlagen (als Metapher vom Zugvieh, das sich gegen den Treiberstecken zu wehren sucht), auf(zu)begehren. Vgl. Art. lecken [II] 3), in: DWb 12, 480f. 180

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wiltu, das ich thun sol? Der Herr sprach zu jm:s Stehe auff vnd gehe inn die stadt, da wird man dir sagen, was du thun solt. Die menner aber, die sein geferten waren, stunden vnd waren erstarret, denn sie h=reten seine stimme vnd sahen niemand. Saulus aber richt sich auff von der erden, vnd als er seine augen auff that, sahe er niemandts; sie namen jn aber bey der hand vnd fFreten jn gen Damascon, vnd war drey tage nicht sehend vnd aß nit vnd tranck nit. Es war aber ein JFnger zu Damasco mit namen Ananias, zu dem spra-[H 2r:]che der Herr im gesichte: Anania!, vnd er sprach: Hie bin ich, Herr. Der Herr sprach zu jm: Stehe auff vnd gehe hin in die gassen, die do heisset die richtige vnd frage in dem hause Juda nach Saulo mit namen von Tarsen. Denn sihe, er betet vnd hat gesehen im gesichte einen man mit namen Ananias zu jm hineinkomen vnd die hand auff jhn legen, das er wieder sehend werde. Ananias aber antwortet: Herr, ich habe von vilen geh=rt von disem manne, wie viel vbels er deinen heiligen gethan hat zu Jerusalem, vnd er hat alhie macht von den hohenpriestern, zu binden alle, die deinen namen anruffen. Der HERRE sprach zu jhm: Gehe hin, denn dieser ist mir ein ausserwelt rFstzeug, das er meinen namen [H 2v:] trage fFr den Heyden vnnd fFr den K=nigen vnnd fFr den kindern von Jsrael. Jch wil jm zeigen, wie viel ter leident mus vmb meines namen willen. Vnd Ananias ging hin vnd kam in das haus vnd leget die hende auff jn vnnd sprach: Lieber bruder Saul! Der Herre hat mich gesant, der dir erschinen ist auff dem wege, da du herkamest, das du wieder sehend vnd mit dem heiligen Geist erfFllet werdest. Vnd alsobald fiel es von seinen augen wie schuppen, vnd ward wieder sehend vnd stund auff, lies sich teuffen vnnd name speise zu sich vnd stercket sich. Saulus aber war etliche tage bey den JFngern zu Damasco, vnnd alsbald prediget er Christum in den schulen, das derselbige Gottis son sey. Sie [H 3r:] entsatzten sich aber alle, die es h=reten, vnd sprachen: Jst das nicht, der zu Jerusalem verst=ret alle, die diesen namen anruffen, vnd darumb herkommen, das er sie gebunden fFre zu den Hohenpriestern? Paulus aber ward je mehr krefftiger vnd treib die JFden ein, die zu Damasco woneten, vnd bewerets, das dieser ist der Christus.182

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Summa vnd der nutz dieser Historien. Was die summa vnd der nutz sey, welchen man aus dieser Historien S. Pauli nemen sol, zeiget S. Paulus 1. Timot. 1 selbst an, do er also spricht: Jch dancke vnserm Herren Christo Jhesu, der mich starck gemacht vnnd trew geachtet hat vnnd gesetzt in das ampt, der ich zuvor war ein lesterer [H 3v:] vnd ein verfolger vnd ein schmeher. Aber mir ist Barmhertzigkeit wiederfaren, denn ich habs vnwissent gethan im vnglauben, es ist aber desto rei-

t– t

Im Original: „er=|leiden“.

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Act 9,1–22.

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cher gewesen die genade vnsers Herren sampt dem glauben vnd der liebe, die in Christo Jesu ist. Denn das ist je gewißlich war vnd ein theur werdes wort, das Christus Jhesus kommen ist in die welt, die sFnder selig zu machen, vnter welchen ich der fFrnemest bin. Aber darumb ist mir barmhertzigkeit wiederfaren, auff das an mir fFrnemlich Jhesus Christus erzeigete alle gedult, zum exempel denen, die an jn gleuben solten zum ewigen leben, etc.183 Alhie spricht S. Paulus, das jhme von Gott darumb barmhertzigkeit widerfaren, das er allen [H 4r:] menschen auff erden zu allen zeiten zum exempel wFrde fFrgestellet, daran yderman sehe vnd erkennete die vnaussprechliche gedult vnnd gFte Gottes, das obwol Paulus ein grosser lesterer vnd verfolger des herren Christi vnd aller der seinen auff das aller hefftigest gewesen, also auch, das er hin vnnd her inn die heuser zog vnd die gemeine zerst=ret vnnd man vnnd weyber erfFrzog vnd sie ins gefengnis vberanthwortet, auch deren kleyder hFtet, welche den heiligen Steffanum steinigten vnd einen wolgefallen an seinem tode hatte.184 Dennoch, do er der himlischen erscheinung nicht vngleubig vnnd Christo, so jne zur Busse vnnd bekerung ruffete, gehorsam ist, seine sFnde bekennet vnnd an denen, welchen er zuuor verfolget vnd gelestert, anfehet zu glauben, widerfehret jm barmhertzigkeit vnd wird von Gott zu genaden angenommen. Dis aber geschihet nicht allein S. Paulo zu gut vnnd allen von seinetwegen, sondern allen menschen zu trost, das niemands an G=tlicher gFte, gnade vnd barmhertzigkeit zweifeln sol, wie gros auch vnnd manchfeltig die sunde sey. Denn wie S. Paulus in itz erzelten worten spricht, obwol seine vnnd vnserer aller sFnde sehr gros vnd dieselbige vielfeltig sind, jedoch ist die genade vnsers hern dester reicher, vnd wie er Rom. 5 sagt: „Wo die sFnde mechtig worden ist, do ist doch die gnade viel mechtiger worden.“185 [H 4v:] Jst nu die sFnde gros vnd manichfeltig, so ist die genade gewislich taussentmal gr=sser, vnd sol von denen, die do jre sFnde erkennen, busse thun vnd zu Gott sich bekeren wollen, nicht so sehre jrer sFnden gr=sse vnd manigfeltigkeit, als die grosse gFte vnnd Barmhertzigkeit Gottes betrachtet werden. Denn wie 2. Para.186 30 geschrieben stehet: „Der herr, vnser Gott, ist genedig vnd barmhertzig vnd wendet sein angesicht nicht von denen, so sich bekeren.“187 Jtem: „Wenn sie sich bekeren in jrer noth zu dem Herren, dem Gott Jsrael, vnd werden jn suchen, so wird er sich finden lassen.“188 Psal. 103: „Barmhertzig vnnd gnedig ist der Herr, gedFltig vnd grosser gFte. Er wird

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I Tim 1,12–17. Vgl. Act 7,58; 8,1; 22,19f. 185 Röm 5,20. 186 Paralipomenon (weil die Bücher der Chronik über den Inhalt der Königebücher hinaus Texte enthalten, die dort gleichsam „unberücksichtigt“ geblieben seien, von griech. παραλείπειν = übergehen, auslassen). 187 Vgl. II Chr 30,9. 188 Vgl. II Chr 15,4. 184

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2. Corinth. 1 2. Pet. 1.

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nicht jmmer haddern, noch ewigklich zorn halten; er handelt nicht mit vns nach vnsern sFnden vnd vergilt vns nicht nach vnser missethat. Denn so hoch der himel vber der erden ist, lesset er seine genade walten vber die, so jn fFrchten. So ferne der morgen ist vom abend, lesset er vnser vbertrettung von vns sein. Wie sich ein Vater vber kinder erbarmet, so erbarmet sich der Herr vber die, so jn fFrchten.“189 etc. Denn der titel vnsers Herrn ist der, das er ein Vater der Barmhertzigkeit vnnd ein Gott alles trosts sey.190 Welcher gedult mit vns hat, vnnd wil nicht, das jemand verloren werde, sundern das sich jederman zur busse kere.191 Welcher auch alle vnter die sFnde beschlossen hat, nicht das er sie ver-[J 1r:]damme, sondern auff das er sich aller, so sich zu jme bekeren vnnd zuflucht zu seiner barmhertzigkeyt haben, erbarme vnd sie selig mache, wie gros vnd manchfeltige sFnde sie auch haben.192 Diese grosse gFtte vnd barmhertzigkeit Gotts sehen wir alhie an S. Paulo, Aarone, Dauid, Jona, Manasse, Maria Magdalena, Petro, an dem schecher am creutz193 vnnd vielen andern, welche, dieweil sie sich zu Gott bekert vnnd durch glauben zuflucht zu seiner barmhertzigkeit gehabt, sind sie zu gnaden angenommen vnd jnen alle jre sunde von Got vergeben worden. Welche exempel darumb vns vor die augen durch die heilige schrifft gestelt werden, do wir von wegen vnserer sFnden vnnd des gestrengen gerichts vnnd zorns Gottes wider die sFnde erschreckt werden, das wir alsden nicht an Gottes gFtte zweiffeln, sondern durch diese exempel vns im glauben stercken vnnd wider auffrichten. Denn hat sich Gott dieser grossen sFnder, so do busse gethan, erbarmet vnnd sie wieder zu gnaden angenomen, so wil er sich gewislich auch vnser erbarmen, wie den seine verheissung lauten, welche gewis vnnd vns nicht betriegen k=nnen, als do er Esa. 1 spricht: „Waschet, reiniget euch, thut ewer b=ses wesen von meinen augen; wen ewer sFnde gleich blutrot ist, sol sie doch schneweis werden“194 etc. Jtem Ezech. 33: „So war, als ich lebe, spricht der [J 1v:] Herr Her, ich habe keinen gefallen am tode des gotlosen, sondern das sich der gotlose bekere von seinem wesen vnd lebe. So bekeret euch doch nun von ewrem b=sen wesen; warumb wolt jr sterben, jhr vom hause Jsrael?“195 Do sehen wir, das Gott der Herre vns, die wir busse thun, seine barmhertzigkeit nit alein verheisset, sondern auch durch sein selbs eide bestettiget. Welcher sFnder solte denn an Gottes gFtte zweiffeln? Allein sehe ein iglicher zu, das er sich warhafftigklich vnnd ernstiglichen zu Gott bekere vnnd busse thu,

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Ps 103,8–13. Vgl. II Kor 1,3. Vgl. II Petr 3,9. Vgl. Röm 11,32; Gal 3,22. Vgl. oben S. 150,2f (Bl. D 2v), mit Anm. 81. Jes 1,16.18. Ez 33,11.

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so wird es an Gottes erbarmen gewislich nicht mangeln noch fehlen. Dann seiner barmhertzigkeit die erde vol vnnd derselbigen kein ende noch mas ist.196 Dis ist die Summa vnnd die vornemste lehre dieser historien von S. Pauli bekerung, wiewol aber in dieser historien viel sch=ner vnnd nutzlicher lehre vns vorgehalten werden, jedoch wollen wir allein die einig von der busse oder bekerung zu Gott in diesem Sermon handeln. Von der Busse vnd bekerung zu Gott.

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Nach deme Adam vnd Eva in die sFnde gfallen, ist das Gottes wille nicht, das der mensch nu frey, sicher vnd in stetter verachtung Gottes, verstockung vnnd verblendung lebe vnnd also ewigklichen verderbe, son-[J 2r:]dern das er seine sFnde erkenne, vor Gottes zorn erschrecke, Busse thue, sich zu Gott bekere vnnd zuflucht zu seiner barmhertzigkeit habe durch den mittler, vorbitter vnd vers=ner, den Son Gottes, den zukFnfftigen weibssamen,197 vnnd also durch s=lchen glauben widerumb lebe vnnd selig werde, wie den Gott vns s=lchen seinen gnedigen willen offenbaret, do er spricht: „So ware, als ich lebe, hab ich keinen gefallen am tode des sFnders, sonder das sich der sFnder bekere von seinem wesen vnnd lebe.“198 Dis ist der ewige vnd vnwandelbare wille Gottis gegen Adam vnd alle Adamskinder, so in sFnden entpfangen, geboren werden vnd leben. Derwegen auch, auff das sich Adam vnd Eua wieder zu Gott bekeren, werden sie von Gott selbst zur busse beruffen, wie der text Genesis 3 spricht: „Do wurden jr beider augen auffgethan, vnd wurden gewar, das sie nacket waren, vnd flochten Feigenbletter zusamen vnd machten jhnen schFrtze.“199 Das ist: Gott er=ffnet jnen jre grosse schand, sFnde vnd vntugent, welche sie durch den vngehorsam vnd verachtung Gottes begangen hatten. Derwegen sie sich auch vor Gott schemeten, scheueten vnd furchtreten, wie doselbst im text volget: „Vnd sie h=reten die stimme Gottis des Herren, der im garten gieng, do der tag kFle war worden, vnnd Adam versteckt sich mit seinem weibe fFr dem angesicht Gottis des Herren vnter die Beume im garten“200 etc. [J 2v:] Solchs erschrecken lesset Gott darumb vber Adam vnd Eua fallen, auff das er nicht, wie oben gesagt, in sFnden frey, sicher lebe oder in diesem erschrecken versincke vnd verderbe, sunder das er durch solch erkentnis seiner sFnden gedemFtiget werde vnd nach Gottes Barmhertzigkeit sFfftze vnd schreie vnnd sich durch erkentnis, glauben vnd zuuorsicht der barmhertzigkeit Gottes wieder zu Gott bekere, nicht verzweiffele vnd verderbe, sundern lebe vnd selig werde. Darumb wirdt jme volgend auch die verheissung von

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Ps 33,5; Thr 3,22. Vgl. Gen 3,15. Ez 33,11. Gen 3,7. Gen 3,8.

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des weibes samen gegeben, durch welche er wiederumb aus diesem erschrecken vnd aus dem tod erl=set, trost, leben, friede vnd freude in Gott entpfehet. Dieweil aber die menschliche natur nu durch die sFnde verderbet vnd Gottes willen vnd ordenung wiederstrebet, damit der mensch nicht in sFnden vnd sicherheit lebe, so setzet Gott feindschafft zwisschen des weybes vnnd der schlangen samen,201 das der mensch allerley anfechtung vom teuffel habe, vnd beledt beide, man vnd weib, ein jegliches mit seinem schmertzen vnd jamer202 vnd volgend hernacher vnzeliche trFbsal vnd hertzenleid, vnzeliche kranckheit, armut, elend, krieg, pestilenz, theure zeit etc. Durch welches alles der mensch zu erkentnis seiner sFnden, zur furcht vnd demuth, zur busse vnd bekerung zu Gott gereitzt wird, domit er nicht in sicherheit vnd verstockung in der sFnde verderbe, wie nachuolgende sprFch bezeugen: [J 3r:] 1. Corint. 11: „Denn wenn wier gericht werden, so werden wir von dem Herren gezFchtiget, auff das wir nicht sampt der welt verdampt werden.“203 Hiere. 30: „ZFchtigen wil ich dich mit masse, das du dich nicht vnschFldig haltest.“204 Hiere. 31: „Du hast mich gezFchtiget, vnnd ich bin auch gezFchtiget wie ein geil205 kalb, bekere mich du, so werde ich bekeret. Denn du Herr, bist mein Gott; da ich bekeret ward, thet ich busse. Denn nachdeme ich gewitziget bin, schlahe ich mich auff die hFffte, denn ich bin zuschanden worden vnd stehe schamroth“206 etc. Derhalben sol man wissen, das ein ewige, vnwandelbare lehre des heiligen Euangelij von der zeit an, do Adam nach dem fal wider zu genaden angenommen, inn der gemeine Gottes stets gewesen ist, auch stets bleiben vnnd erhalten werden sol. Denn gleich wie Gott zur selbigen zeit durch sein wort im Paradis die sFnde Adams gestrafft vnd jnen zur busse vnd bekerung beruffen, auch jme die verheischung207 von dem zukFnfftigen mitler, der welt Heylandt, gegeben hat, von welches wegen Adam sahe vnd verstunde, das jme sein sFnde vergeben vnd er wiederumb zu genaden angenommen wFrde: Also hat Gott solche predigt des Euangelij in der kirchen zur Veter- vnd Propheten- vnd zu aller zeit erhalten, welche vns zur busse vnd [J 3v:] bekerung zu Gott vermanet vnd vns vergebung der sFnden aus genaden, one vnser verdienst vnnd wirdigkeit, ALLEJN von wegen des mitlers verkFndiget, auff welchen die verheissung Gottes weisen. 201

Vgl. Gen 3,15. Vgl. Gen 3,16–19. 203 I Kor 11,32. 204 Jer 30,11 (Luther 1545). 205 ungezähmt, ungezügelt, noch nicht an die Arbeit im Geschirr gewöhnt. Vgl. Art. 1geil 2), in: Fnhd. Wb. 6, 618; Art. geil II.2.e), in: DWb 5, 2585. 206 Jer 31,18f (Luther 1545). 207 Verheißung, Zusage, Versprechen. Vgl. Art. Verheiszung b), in: DWb 25, 559f. 202

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Also spricht Gott Ezech. 18: „Bekeret euch von aller ewer vbertrettung, auff das jhr nicht fallen mFsset vmb der missethat willen, werffet von euch alle ewer vbertrettung, damit jr vbertretten habt, vnd machet euch ein new hertz vnnd newen geist; denn warumb wiltu also sterben, du haus Jsrael? Denn ich hab kein gefallen am tode des sterbenden, spricht der Herr, darumb bekeret euch, so werdet jr leben.“208 Also fasset auch der Herre Christus die summe seiner lehre in diese kurtze wort, do er den Aposteln diesen beuehl thut: „Gehet hin in alle welt vnd prediget Busse vnd vergebung der sFnden in meinem namen.“209 Das dis auch aller Veter vnd Propheten lere gewesen sey, zeiget dieser heller spruch Acto. 10 genugsam an: „Von diesem zeugen alle Propheten, das durch seinen namen alle, die an jn gleuben, vergebung der sFnden entpfahen sollen.“210 Derhalben mus die predig von der Busse allezeit in der gemeine Gottes erhalten werden, welche nicht allein durch das gesetze, das vns beide, vnsere eusserliche vnd inwendige sFnde anzeiget, sondern auch durch das Euangelium geschihet, welches das gantze menschliche geschlecht be-[J 4r:]schFldigetu vnd anklaget, das es den Son Gottes nicht h=ren wil vnd sein heilig vnd seligmachend theures werdes leiden vnd sterben vnd aufferstehung verachtet vnd nicht zu hertzen nimpt; darumb spricht auch Christus, Johan. 16: „Der heilige Geist wird die welt straffen vmb die sFnde, das sie nicht gleuben an mich,“211 vnd S. Paulus, Rom. 1, fehet seine predigt one allen zweiffel aus G=ttlicher bewegung vnd eingebung des heiligen Geistes mit erschrecklichen worten an, do er spricht: „Gottes zorn von himel wirdt offenbaret vber alles Gottlos wesen vnd vngerechtigkeit der menschen.“212 Dis ist nicht eine vergebliche predig, durch welche das gantze menschliche geschlecht beschFldiget wird, welche doch das gr=ste theil der welt veracht, etliche aber nemens zu hertzen vnnd erschrecken dauor wie Adam, welcher, do er die stimme des Herren im garten h=ret, weis er nicht, wie oben gesagt, wo er vor angst vnnd noth bleiben sol, in welcher er hette mFssen verzweiffeln vnnd verderben, do er nicht aus grosser gFte Gottes von wegen der vorbit213 des sons Gottes wiederumb durch die verheischung were getr=stet vnd erhalten worden. Also gehet es auch dem lieben Dauid, da er von dem Propheten Nathan gestraffet wirdt, do sihet vnnd entpfindet er inn seinem hertzen erst den erschrecklichen Zorn Gottes wieder [J 4v:] die sFnde, vnnd ist jme hertzlich

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In der Kustode: „schul=“.

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Ez 18,30‒32. Vgl. Mt 28,19; Lk 24,47; Mk 16,15. Act 10,43. Vgl. Joh 16,7‒9 (Luther 1545). Röm 1,18. Fürbitte.

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leide, das ehr Gott erz=rnet hat, vnnd f=rcht sich vor der straff.214 Denn er viel exempel sihet, wie Gott die sFnde so ernstlich gestrafft hat; do gedenckt er an den K=nig Saul, so erst vor jme regiret, welchen auch Gott mit vielen sch=nen gaben vnnd thugenden geziret hatte; dieweil er denn nu wFste, das Gott den selbigen ewigklichen verworffen hatte vnnd das das K=nigreich von jme auff ein ander geschlecht vnd stamme verordnet,215 was solte Dauid do anders gedencken, denn das Gott den K=nig Saul jme vnnd andern zum exempel hette fFrgestelt, das iderman wissen solte, das Gott der Herr alle dieienigen, so also216 freuentlichen sFndigen wFrden, auch der massen straffen wolte? Wie auch Christus selbs Luce. 13 spricht: „So jr euch nit bessert, werdet jhr alle auch also vmkommen.“217 Diesen grossen schmertzen aber, mit welchem eines menschen hertzen, welches Gottes zorn entpfindet, zerplaget vnnd zermarttert wird, kan kein Engel, viel weniger ein mensch aussprechen, darumb Mose, Deute. 4, recht spricht: „Der herre, dein Gott, ist ein verzerent feuer vnnd ein eiueriger Gott.“218 Also spricht auch der K=nig Ezechias,219 Esa. 38: „Er zerbrach mir alle mein gebein wie ein Lew.“220 Desgleichen klagen vber dise grosse schmertzen sind auch vil in den psalmen, als Psalm. 38: „Es ist nichts gesundes an meinem leibe fur deinem dreu-[K 1r:]wen, vnd ist kein fride in meinen gebeinen fFr meinen sFnden.“221 Wie aber die Predig des gesetzs vnd Euangelij diesen erschrecklichen zorn Gottis allen menschen auff erden verkFndiget, also auch seind alle trFbsal, so den menschen wiederfaren, erinnerung des zorn Gottes vnd zFchtigung, das die Menschen den Son Gottes verachten, vnd anderer sFnden, durch welche die menschen zur Busse vermanet werden.

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Das drey theil der Busse sind. Derhalben ist zu wissen, das drey theil zu warhafftiger Christlicher Busse geh=ren: Erstlichen ist die Contritio, das erkentnis der sFnden vnnd erschrecken vor Gottes zorn von wegen der erkanten sFnde. Zum andern der Glaube, das ist die zuuersicht der barmhertzigkeit Gottes, welche vns von wegen des verdiensts vnnd der furbit vnsers mitlers, des Herren Jhesu Christi, zugesagt vnd versprochen, das vns seinethalben vnsere sFnde nicht sollen zugerechnet werden, sondern vergeben vnd zugedeckt 214 215 216 217 218 219 220 221

Vgl. II Sam 12,1‒25. Vgl. I Sam 15,23.28; 16,1.11‒13; 28,15‒17. ebenso, geradeso. Lk 13,3.5. Dtn 4,24. Hiskia, König von Juda (Vg). Jes 38,13. Ps 38,4.

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sein, so wir an jhn vnnd solchs gleuben, wie 1. Johan. 2 geschrieben stehet: „Meine kindlein, solchs schreibe ich euch, auff das jr nicht sFndiget, vnd ob jemand sFndiget, so haben wir einen fFrsprecher bey dem Vater, Jhesum Christ, der ge-[K 1v:]recht ist, vnd derselbige ist die vers=nung vor vnsere sFnde“222 etc., jtem Psalm 32: „Wol dem, dem die vbertrettung vergeben sind, dem die sFnde bedeckt ist, wol dem menschen, dem der Herre die Missethat nicht zurechnet“223 etc. Denn der Mensch wissen mus, das er nicht von wegen seiner eigenen verdienst vnnd wirdigkeit, wie der Bapst lehret, oder durch die wesentliche gerechtigkeit des Herren Christi, welcher durch den glauben in vns wonet, wie Osiander224 vnrecht lehret, sundern ALLEJN durch glauben von wegen des EJNJGEN verdiensts des Herren Christi vergebung der sFnden, Gerechtigkeit, heiligen Geist vnd die Erbschafft des ewigen lebens von Gott als ein lauter geschencke entpfahe, vnd solches gewisse wissen vnd vertrawen ist gegrFndet auff die verheischung Gottes vnnd seiner grossen Barmhertzigkeit vnd sunst auff nichtes anders, vnd das ist, das S. Paulus vnnd wir den glauben, das ist die zuuersicht der Barmhertzigkeit Gottes in Christo Jhesu, vnserm mitler vnd heiland, heissen. Welcher glaube, so den mitler ergreifft, vns von Gott nicht seines, des glaubens, als eines k=stlichen werckes wirdigkeit halben, sondern von wegen des mitlers, den der mensch durch den glauben im hertzen wonend hat, zur gerechtigkeit zugerechnet wird, wie Rom. 4 Von Abraham, dem Vater der gleubigen, geschriben stehet: „ABRAHAM hat Gott gegleubet, vnd das ist im zur gerechtigkeit gerechnet.“225 Jtem: „Er [K 2r:] wuste auffs aller gewissest, das, was Got verheisset, das kan er auch thun, darumb ist es jm auch zur gerechtigkeit gerechnet. Das ist aber nicht geschrieben allein vmb seinen willen, das jm zugerechnet ist, sondern auch vmb vnsern willen, welchen es sol zugerechnet werden, so wir gleuben an den, der vnsern Herrn Jhesum aufferwecket hat von den todten, welcher ist vmb vnser sFnde willen dohingegeben vnd vmb vnser gerechtigkeit willen aufferweckt.“226 Das sind je klare wort zu uerlegung beide, des Bapsts vnd Osiandri jrthum. Denn allein dem glauben, welcher den mitler, der vns zur gerechtigkeit von Gott gemacht, fasset vnd ergreifft vnd sich auff jn allein grFndet, wird darumb die gerechtigkeit zugeschrieben, das domit alle werck des gesetzes, alle vnsere vnd aller heiligen verdienste vnd wirdigkeit von vnser gerechtigkeit ausgeschlossen werden vnd die selbige allein auff dem festen grundstein Christo Jhesu vnnd seinem verdienst gegrFndet sey vnd bestehe, wie Esai. 28 geschrieben steht: „Sihe, ich lege in Sion einen gruntstein, einen bewerten 222 223 224 225 226

I Joh 2,1f. Ps 32,1f. Andreas Osiander. Zum Osiandrischen Streit vgl. unsere Ausgabe Bd. 7. Röm 4,3 (Gen 15,6). Röm 4,21–25.

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stein, einen k=stlichen eckstein, der wol gegrFndet ist. Wer gleubet, der fleuget nicht,“227 vnd Paulus 1. Corinth. 3: „Einen andern grundt kan zwar niemand legen ausser dem, der gelegt ist, welcher ist Jhesus Christus.“228 Jtem Psalm. 2: „Wol allen, die auff jn trawen,“229 denn wenn das menschliche hertz auff was anders denn auff [K 2v:] Christum vnd Gottes barmhertzigkeit trawet vnd bawet, ist es vnmFglich, das es im erschrecken der sFnden vnd im gericht Gottes kFnne bestehen, wie Psalm. 130 geschrieben stehet: „So du wilt, Herre, sFnde zurechnen, Herr, wer wird bestehen?“230 vnd Psalm 143: „Gehe nicht ins gericht mit deinem knecht, denn fFr dir ist kein lebendiger gerecht.“231 Also zeuget dieser spruch S. Pauli, Rom. 4, auch das, das vnser gerechtigkeit nicht die wesentliche gerechtigkeit Christi sey, die er von Ewigkeit vom Vater hat, sFndern der glaube, welchem darumb die gerechtigkeit zugerechnet wird, das er auff Christum vnd sein verdienst sich grFndet vnd verlesset, vnd ist also der Christen gerechtigkeit nicht Iustitia inhaerens, wie das Jnterim,232 oder Iustitia Essentialis Christi inhabitans, wie Osiander sagt,233 sundern, wie alhie S. Paulus spricht, ein solche gerechtigkeit, so von Gott von wegen des verdienstes Christi, seines vergosnen bluts vnd gehorsames gegen dem Vater dem glauben zugerechnet wird, vnd also Iustitia imputata, wie Paulus Ro. 3 auch spricht: „Er hat in furgestelt zu einem genadenstuel234 durch den glauben inn seinem bluet,“235 vnnd Rom. 5: „Wir werden behalten236 fFr dem zorn, nachdem wir durch sein bluet gerecht worden seind.“237 Jtem: „Gleich wie wir durch eines menschen vngehorsams viel sFnder worden seind, also

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Jes 28,16. I Kor 3,11. 229 Ps 2,12. 230 Ps 130,3. 231 Ps 143,2. 232 Vgl. Augsburger Interim, art. IV (De iustificatione): „[...] Haec est vera illa iustitiae inhaerentis ratio, quam desiderabat David, cum hanc mitteret vocem: Cor mundum crea in me, Deus, et spiritum rectum innova in visceribus meis.“ (zitiert nach Mehlhausen, Interim, S. 45). 233 Vgl. Andreas Osiander, De unico mediatore, OGA 10, 249,26f; 251,2-6: „in nova regeneratione attrahimus essentialem iusticiam Christi, quae est Deus ipse ... Si enim Deus iustus est, tum necesse est divinam eius essentiam esse iusticiam eius; quod si autem et eos, qui in Christum credunt, iustos efficit, tum necesse est, ut eis divinam suam et essentialem iusticiam communicet, alioqui nunquam in aeternum iusti fierent; et tamen ipse solus iustus manet, cum nos nullam propriam, sed solius Dei iusticiam habeamus.“ 234 Luthers Übersetzung für ἱλαστήριον (hilastérion) = Sühnmal, hebr. ‫כּפּ ֶֺרת‬ ַ (kappórät), die goldene Platte auf der Bundeslade im Allerheiligsten des Tempels, die als Ort der Gottespräsenz am Versöhnungstag mit dem Opferblut besprengt wurde, um die durch die Sünde zerstörte Verbindung zwischen Gott und seinem Volk (und letztlich der gesamten Menschheit) wiederherzustellen (vgl. Ex 25,21; 26,34; Lev 16). Vgl. a. Art. Gnadenstuhl, in: DWb 8, 591; Art. gnadenstuhl, in: Fnhd. Wb. 7, 41f. 235 Röm 3,25. 236 bewahrt. Vgl. Art. behalten 3), in: DWb 1, 1321f. 237 Röm 5,9. 228

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auch durch eines gehorsam werden viel gerechten“;238 von diesem andern theil der busse, nemlich vom [K 3r:] glauben, welcher vergebung der sFnden entpfehet, leren die Papisten gar nichts, wie in jren bFchern zu sehen. Das dritte stFcke der warhafftigen Christlichen busse vnd bekerung zu Gott ist das newe leben, das der mensch sein sFndlich leben inn ein Gottseliges verwandelt vnd sich bessert vnd rechtschaffene frucht der busse thut, dabey man erkennet, das er nu aus einem b=sen, faulen baum ein guter, fruchtbarer baum worden ist, welcher gute frucht bringe. Von dem ersten theil der Busse, das ist: vom erkentnis der sFnde vnd erschrecken vor Gottes zorn von wegen der erkanten sFnde.

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Wje einem krancken menschen zu erlangung der gesuntheit hoch vonn=ten ist, das er wisse, das er kranck sey vnd wie er zur gesundheit wiederumb kommen m=ge, sonst wird er nimmermehr gesunt, also ist auch zu der rechtfertigung vnd vorgebung der sFnden zum ersten von n=ten, das der mensch seine sFnde erkenne vnnd wisse, das jnen Gott von wegen derselbigen hie zeitlich vnd dort ewiglichen straffen werde, do er sich nicht zu Gott bekere.239 Darumb auch Dauid Psalm 32 spricht: „Jch sprach, ich wil dem Her[K 3v:]ren meine vbertrettung bekennen, da vergabstu mir die missethat meiner sFnde.“240 Darumb auch S. Ambrosius recht spricht: „non potest quisquam iustificari a peccato, nisi peccatum antea fuerit confeßus – Niemandts kan von der sFnden gerechtfertiget, das ist: absoluirt, werden, es sey denn sach, das er zuuor seine sFnde bekenne.“241 Welchen spruch doch die Papisten auff die ohrenbeicht vnd die erzelung der sFnden, so im Bapstumb den Messpfaffen vnd den MFnchen geschicht, deuten. Denn bFssen vnd sich zu Gott bekeren, heisst nicht, ein sicher vnd rewlos leben fFren, sundern die sFnde erkennen, rew vnd leid daruber tragen, das wir Gott erzFrnet, auch erkennen, das wir der straffe wirdig sind, vnd vor Gottes zorn erschrecken. Darnach auch durch glauben, das ist: durch die zuuersicht der barmhertzigkeit Gottes, sich wiederumb auffrichten vnd getrost werden,damit der mensch in solchem erschrecken nicht wie Saul vnd Judas versincke.242 Welches denn das andere theil der busse ist, etc. Derhalben, wie in Adam, Dauid vnd anderen dergleichen erschrecken vnd schmertzen von wegen der sFnden gewesen sind, also sol auch in aller menschen, so nu zu jren jaren vnnd verstand kommen, bekerung zu Got, 238

Röm 5,19. Zur Krankheitsmetaphorik vgl. Luther, WA 7, 204,13–205,3 (Eine kurze Form der Zehn Gebote ..., 1520). 240 Ps 32,5. 241 Ambrosius, De paradiso 14, 71 (PL 14, 328B); vgl. Decretum Gratiani, pars II, causa XXXIII, quaestio III (De Paenitentia), dist. 1, cap. 38 (Friedberg I, 1167). 242 Vgl. I Sam 31,4; Mt 27,5. 239

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erkentnis der sFnden, erschrecken vor Gottis zorn, schmertzen, rew vnd leid sein, wie 2. Corint. 7 geschrieben stehet: „Jr seit betrFbt worden zur rew, denn die Gotliche traurigkeit wircket zur sehligkeit eine rew, die niemand gerewet.“243 [K 4r:] Joel. 2: „Zureisset ewre hertzen vnd nicht ewre kleider, vnnd keret euch zu dem Herren, ewerem Gott!“244 Esa. 66: „Jch sehe an den elenden vnnd der zubrochens Geistes ist vnd der sich fFrchtet fFr meinem wort.“245 Ezechiel. 20: „Jr werdet gedencken an ewer wesen vnd an alle ewer thun, darinnen jr verunreiniget seid, vnd werdet misfallen haben vber alle ewer Bosheit, die jr gethan habt.“246 Daniel. 9: „Ja Herr, wir, vnsere K=nige, vnser FFrsten vnd vnsere Veter mussen vns schemen, das wir vns an dir versFndiget haben. Dein aber, Herr vnser Got, ist die barmhertzigkeit vnd vergebung“247 etc. Solch erschrecken von wegen der sFnden vnd des zorns Gottis sehen wir auch in S. Pauli bekerung, wie alhie inn dieser Historien S. Lucas schreibet vnd Paulus sprach mit zittern vnd zagen: „Herr, was wiltu, das ich thun sol?“248 Dergleichen auch an den Niniuiten,249 Manasse,250 Petro251 vnd andern, so sich zu Gott bekeret haben. Dis erkentnis der sFnden vnd erschrecken von dem zorn Gottis wird die Contritio, die rewe, genant, das den menschen anfehet zu gerewen, das er Gott erzFrnet hat, vnnd ist daran kein zweiffel, das alle menschen, welche nu zu jrem verstand vnd Alter gekommen, in jrer bekerung solche rewe vnd schmertzen haben sollen. Vnnd wer darwie-[K 4v:]der redet, der redet wieder Gottes wort vnd stercket die sicherheit der menschen, daruber sie entlich verderben mussen, wie den die Antinomer vnnd andere jresgleichen gethan haben. Denn Gottes wort, welches die sFnde der welt von anfang bis zum ende beide, durchs gesetz vnd Euangelion, straffet, wil, das wir dieselbige sollen erkennen vnd vor Gottes zorn erschrecken vnd von wegen der sFnden leide vnd schmerzen in vnserm hertzen entpfinden. Des Babstes jrthum in der lehre von der busse.

Alhie aber ist hoch von n=ten, das die leuth der jrthumb erinnert werden, welche der Babst vnd die seine in die lere von der busse eingefFret haben, domit die leut sich dafFr wissen zu hFten.

243 244 245 246 247 248 249 250 251

II Kor 7,9f. Joel 2,13. Jes 66,2. Ez 20,43. Dan 9,8f. Act 22,10. Vgl. Jon 3. Vgl. II Chr 33,12f; Gebet Manasses. Vgl. Mt 26,75; Mk 14,72; Lk 22,62.

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Erstlichen, das falsch vnd vnrecht, ja eine lesterung vnd verachtung des heiligen verdiensts vnsers Herren Jhesu Christi sey, das der Bapst leret, das solche rewe vergebung der sFnden verdiene, dann vergebung der sFnden wird vns aus genaden vnd ALLEJN von wegen des verdienstes des Herren Christi geschanckt. Zum andern ist auch das ein grosse Torheit, das sie leren, der mensche musse genugsame vnnd volkommene rewe vber seine sFnde haben, sunst werde sie jme nicht vergeben, dieweil kein creatur den erschrecklichen zorn Gottes ertragen kan, wie Ezechias daruber klaget: „Er zerbrach mir alle meine gebeine wie ein Lewe.“252 [L 1r:] Wieder welchen zorn Gottis, wenn vns der Son Gottis nicht beschirmet vnd vberschadtet,253 mFste der mensch darunter verschmachten vnd verzweiffelen, wie an Saul vnd Juda zu sehen,254 denn Gott ein vorzerent feur ist,255 wie oben gesagt, vor welchem niemandes durch sich selbest one den Mitler Christum Jhesum kan bestehen. Wiewol nu ein mensch gr=sser Rewe vnd schmerzen von wegen seiner sFnde vnnd des zorns Gottes denn der ander hat, jedoch kan in keinem menschen genugsam rewe vnd leid sein, vnd wenn solcher schmertzen solte gr=sser vnd gr=sser werden vnd der mensch in demselbigen keinen trost hette, so mFste der mensch darvber verzweiffelen vnd verderben. Von diesem trost wollen wir volgend sagen. Von dem andern theil der Busse, nemlich vom glauben.

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Der Bapst vnd die seine leren auch, das drey theil der Busse seind, nemlich Contritio cordis, die rew des hertzen, darnach Confessio oris, die erzelung der sFnden, so dem priester geschicht, vnd zum letzten Satisfactio operis, das der mensch durch seine gute werck vor die sFnde sol genugthun. Was aber rechte Christliche rew vnnd des [L 1v:] Bapsts irthumb von solcher lehre sey, haben wir oben vermeldet. Das aber die erzelung der sFnden, so dem prister geschicht, in der heiligen schrifft nirgent gebotten vnnd auch vnm=glich, das alle sFnde k=nnen erzelt vnnd gebeichtet werden, ist offenbar, wie Psal. 19 der Prophet betet: „Wer kan mercken, wie offt er felet? Verzeihe mir die verborgene fele.“256 So wircket auch s=lche erzelung nichts anders, denn das sie die gewissen vorunreiniget. Vnd gilt alhie das Argument des Tridentischen Concilij nicht, do sie also sprechen: „Wie der richter kein recht vrtheil fellen kan, er habe dann zuuor die sache geh=ret vnnd erkandt, also kan auch der Prister nicht

252 253 254 255 256

Jes 38,13. überschattet. Vgl. I Sam 31,4; Mt 27,5. Vgl. Dtn 4,24. Ps 19,13.

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Des Babst lere von der Busse.

Von erzelung der sFnden inn der beicht.

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recht absoluiren, er habe denn zuuor die sFnde nacheinander erzelt geh=rt“;257 denn das ampt des pristers ist kein gerichtsampt, sondern ein dinstampt, das er als ein diener der kirchen schuldig ist, allen denen die Absolutio mitzutheilen, welche sich vor sFnder erkennen vnnd von jme die absolutio begeren, ob sie schon die sFnde inn sonderheit nicht erzelen.258 Wiewol aber vom Magistro Sententiarum259 vnnd seinen scribenten viel von diesen dreien theilen der busse geschriben wird, jedoch wird mit keinem wort des glaubens gedacht, durch welchen der mensch vergebung der sFnden empfehet. Darumb wollen wir jetzt dauon sagen. Vnterscheit des gesetzes vnd Euangelij.

Wie die vorgebung der sFnden entpfangen werde.

[L 2r:] Anfenglichen aber ist alhie von n=ten, das man die vnderscheide des gesetzes vnd des Euangelij wisse, denn die zusagung Gottes geh=ren eigentlich zum Euangelio, inn welchen vns angeboten vnnd verheischen werden die vergebung der sFnden, gerechtigkeit, heiliger Geist vnd das ewige leben aus genaden von wegen des Sons Gottes, nicht von wegen vnserer guten wercke, verdienst oder wirdigkeit, welche verheischung Gottes der mensch durch den glauben muß entpfahen vnd annemen, welcher glaub vnnd zuuersicht der Barmhertzigkeit Gottes allein auff den mitler vnd sein verdienst muß gegrFndet sein, welchen wir durch die predigt des Euangelij erkennen, wie denn alle artickel vnsers glaubens denselbigen vns fFrstellen. Derhalben, wenn nu der mensch durch die predig, welche die sFnde straffet, erschreckt ist, alsdenn sol er die verheischung der genaden vnd vorgebung der sFnden, welche jme im Euangelio fFrgetragen vnd angeboten wird, h=ren vnnd durch den glauben annemen, vnd sol schliessen, das jme nach verm=ge solcher G=ttlichen zusagungen gewislich aus genaden vnd Barmhertzigkeit Gottes vmb Jhesu Christi willen, nicht von wegen seiner rewe, liebe oder jrgent einiger werck oder verdienst seine sFnde vergeben werden. Wenn nu der mensch durch s=lchen glauben wiederumb trost, friede vnnd freude inn seinem gewissen entpfehet, so ist es gewis, das er auch [L 2v:] zu257

Vgl. das Dekret des Trienter Konzils über die Buße, verabschiedet in der 14. Sitzung am 25. November 1551, cap. 5 (De confessione): „Ex institutione sacramenti paenitentiae ... Ecclesia semper intellexit, institutam esse a Domino integram peccatorum confessionem ..., quia Dominus noster Iesus Christus, e terris ascensurus ad caelos, sacerdotes sui ipsius vicarios reliquit, tamquam praesides et iudices ... Constat enim, sacerdotes iudicium hoc incognita causa exercere non potuisse, neque aequitatem quidem illos in poenis iniungendis servare potuisse, si in genere dumtaxat, et non potius in specie ac singillatim sua ipsi peccata declarassent.“ (DH 1679) In cap. 6 (De ministro huius sacramenti et absolutione) wird festgestellt: „Quamvis autem absolutio sacerdotis alieni beneficii sit dispensatio, tamen non est solum nudum ministerium vel annuntiandi Evangelium vel declarandi remissa esse peccata, sed ad instar actus iudicialis, quo ab ipso velut a iudice sententia pronuntiatur.“ (DH 1685). 258 Vgl. dazu die Feststellung des Tridentinums in Canon 9 über die Buße: „Si quis dixserit, absolutionem sacramentalem sacerdotis non esse actum iudicialem, sed nudum ministerium pronuntiandi et declarandi, remissa esse peccata confitenti, modo tantum credat se esse absolutum, aut sacerdos non serio, sed ioco absolvat; aut dixerit non requiri confessionem paenitentis, ut sacerdos ipsum absolvere possit: anathema sit.“ (DH 1709). 259 Petrus Lombardus.

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gleich die vergebung der sFnden, die vers=nung mit Got vnd die gerechtigkeit, welche diesem glauben zugerechnet wirdt, entpfehet; alsdenn gibt vns auch Gott den heiligen Geist, wenn er vns die sFnde vergibt, vnd nimpt vns an zu erben des ewigen lebens, wie Galat. 3 geschrieben stehet, das wir also den verheischen Geist entpfiengen durch den glauben.260 Derwegen ist von n=ten, das in der lere von der busse vnd bekerung zu Gott auch des glaubens gedacht werde, vnnd ist nicht genug, das die Papisten sprechen, das sie auch vom glauben leren vnd das derselbige vor der busse vorhanden sein mus. Dann sie durch glauben nichts anders denn das erkentnis vnnd wissen der lehre vnd der artickel des glaubens verstehen, als der Artickel ist: „Jch gleube vergebung der sFnden,“ das ist: „Ich gleube, das etlichen die sFnde vergeben werden,“ sagen aber nicht, das ein jeglicher auch vor sich selbst gewis gleuben sol, das jme SEJNE sFnden aus gnaden vorgeben werden. Also261 gleuben vnd wissen die teuffel auch die Artickel des Christlichen glaubens.262 Das Euangelium aber erfordert diesen warhafftigen glauben, welcher ist nicht allein das wissen der lehre vnnd der Artickel des glaubens, sondern auch eine zuuersicht der Barmhertzigkeit Gottes, so vns von wegen des Sons verheischen, welche zuuersicht in dem Sone Gottis beruhet, dadurch der mensch, aus dem erschrecken erledigt,263 [L 3r:] in dem Son Gottes friede vnd freude hat, wie alhie an S. Pauli bekerung zu sehen, welcher do er die absolutio vnnd den trost von Anania h=ret: „Saul, lieber bruder, Gott vnser Vater hat dich verordnet, das du seinen willen erkennen soltest vnd sehen den gerechten vnd h=ren die stimme aus seinem munde. Denn du wirst sein zeuge zu allen menschen sein des, das du gesehen vnd geh=ret hast; vnd nu, was verzeuhestu? Stehe auff vnd las dich teuffen vnnd abewaschen deine sFnde, vnd ruffe an den namen des Herren.“264 Diesen trost, da Paulus h=ret vnd mit glauben annimpt, verstehet er vnnd schleusset bey sich gewislich, das jme seine sFnde vergeben vnd er durch den mitler, welcher jme auff dem wege erschinen vnd jnen zur busse beruffen, von Gott wieder zu genaden angenommen, empfehet also durch solchen glauben den heiligen Geist, welcher in Paulo frid vnd freude wircket, wie er selbst Rom. 5 zeuget: „Nu wir durch den glauben gerecht worden, haben wir frid mit Gott durch Jhesum Christum, vnsern Herren.“265 Dieser Glaub lautet nicht wie der Papisten Glaub „Ich glaub vergebung der sFnden,“ s=ndern also: „Ich gleube, das auch mir meine sFnde vergeben werden (wie hie Paulus thut), vnnd das aus genaden, nicht von wegen meiner

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Vgl. Gal 3,14. Auf diese Weise. Vgl. Jak 2,19. befreit. Vgl. Act 22,13–16. Röm 5,1.

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Wie die Papisten vom glauben leren.

Was das Euangelium vor ein glauben erfordere

Acto. 22.

Papisten Glaube.

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Johan. 3.

Vergebung der sFnden wird allein durch den glauben on alle werck vnnd vordienste entpfangen.

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rewe oder irgent einerley meiner vordinst, sondern von wegen des Sons Gottes, welcher aus vnaussprechlicher gFtte vnnd Barmhertzig-[L 3v:]keit Gottes zum mitler vnnd vers=ner vorgestellet ist. Dann ich weis, das Gottes vnwandelbar wille vnnd befehl ist, das ein iglicher in erkentnis vnd erschrecken seiner sFnde gewislich gleuben vnd schliessen sol, das dieselbige jme von wegen des Sons Gottes vorgeben vnnd er zu genaden wider auffgenommen werde.“ Dis ist eigentlich die lehr des Heiligen Euangelij; diesen beuelch auch hat der Sone Gottes, der in des Vaters Schos ist,266 erstlichen der welt verkFndiget; durch welches blut vnnd aufferstehung derselbige beuelh auch versigelt worden, auff das ja niemand daran zweiffele. Wer nu diesem willen vnd beuelh Gottes nicht wil gleuben, der voracht den Son Gottes, von welcher sFnde Johannes der Teuffer also spricht: „Wer dem Son nicht gleubet, der wird das leben nicht sehen, sondern der zorn Gottes bleibet vber jm.“267 Daraus dann zu sehen, wie grewlichen das Concilium zu Trient geirret, do es im decreto de iustificatione spricht, das niemands aus gewisheit des glaubens kFnne versichert werden, ob ER inv Gott bey genade stehe, vergebung der sFnde vnd die seligkeit gewislich habe.268 Wer aber nu gleubet, das jme seine sFnde von wegen dieses mitlers erlassen werden, derselbige entpfahet also one alle seine werck vnnd verdienst aus lauter genaden gewislich vergebung der sFnde vmb des Herren Christi willen, welcher auch in jm krefftig ist vnd durch seinen heiligen Geist jnen vernewert, lebendig macht vnd heiliget, wel-[L 4r:]cher alsdenn, also mit Gott vers=net, gewislich vor gerecht vmb des mitlers willen wird gerechnet vnd zum erben des ewigen lebens angenommen. Von diesem glauben sol vns auch die Absolutio erinnern vnd den selbigen stercken, wie Adam gesterckt ward, do er die absolutio h=ret: „Des weibes Samen sol der Schlangen den kopff zertretten,“269 vnd Dauid, do er die Absolutio von dem Propheten Nathan h=ret: „Der Herre Hat deine sFnde weggenommen, du wirst nicht sterben,“270 vnd Paulus wieder getrost wirdt, do er die Absolutio von Anania entpfehet vnd Ananias zu jme spricht: „Der Herr

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Im Original ebenfalls in Versalien gesetzt.

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Vgl. Joh 1,18. Joh 3,36 (Luther 1545). 268 Das Trienter Konzil hatte in seiner 6. Sitzung am 13. Januar 1547 das Dekret über die Rechtfertigung beschlossen; in dessen Cap. 9 (Contra inanem haereticorum fiduciam) heißt es u. a. (DH 1534): „... sicut nemo pius de Dei misericordia, de Christi merito deque sacramentorum virtute et efficacia dubitare debet: sic quilibet, dum seipsum suamque propriam infirmitatem et indispositionem respicit, de sua gratia formidare et timere potest, cum nullus scire valeat certitudine fidei, cui non potest subesse falsum, se gratiam Dei esse consecutum.“ Man vgl. auch die Canones 12–14 (DH 1562–1564). 269 Vgl. Gen 3,15. 270 II Sam 12,13. 267

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hat mich gesand, der dir erschienen ist auff dem wege, da du herkamest, das du wieder sehend vnd mit dem heiligen Geist erfFllet werdest“271 etc. Also soltu auch wissen das das Euangeliumw DJR vergebung DEJner sFnden verkFndiget, welche inn der Absolution dir mit namen vorgehalten vnd zueignet wird; denn du nicht gedencken solst, das das Euangelium dich nicht angehe, sondern du solst gleuben, das diese predig von Gott darumb gegeben, das dardurch vnnd auff diese weise die leuth s=llen selig werden, welche dem Euangelio glauben, vnnd das es ein ewiges, vnwandelbares gebot Gottes sey, das du dem Euangelio gleuben solst. Welcher durch s=lchen glauben das Euangelium nicht annimbt, sondern im zweiffel beharret, der h=ret die absolutio vergeblich. Wen aber durch s=lchen trost die hertzen widerumb gesterckt vnnd lebendig vnnd nun ein tempel vnd wonung Gottes worden, alsdenn ist ja auch [L 4v:] von n=ten, das ein neu leben vnnd wandel, nicht nach dem fleisch, sondern nach dem Geist volge. Den wer widerumb in sFnde wider das gewissen fellet, der stFsset Gott von sich vnnd verleuret gerechtigkeit vnnd leben, wie S. Johannes spricht: „Wer recht thut, der ist gerecht; wer sFnde thut, der ist vom teufel.“272 Darumb wollen wir volgendt von dem dritten theyl der Busse reden.

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Dem glauben sol ein New leben vnd frFchte der busse vnd der gerechtigkeit volgen. 1. Johan. 3.

Das dritte theil der busse ist das newe leben vnnd die frFchte warhafftiger Busse.

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Der Babst lehret, das das dritte theil der busse sei die satisfactio, die genugthuung fFr die sFnde; was aber fFr ein jrrige vnnd verwirrete lehre von den satisfactionibus, welche sie opera indebita nennen vnnd denen, so Busse thun, auffgeleget werden, die Papisten fFren, wolt viel zu lang sein, alhie zu erzelen. Dieser brauch ist vor zeiten bey den vetern in gewonheit gewesen, das diejenige, so ein todschlag begangen oder mit abg=tterey, blutschanden vnnd andern greulichen lastern befleckt waren, in der gemeinschafft nicht gelidten, sondern von derselbigen abgeschnitten vnnd sunderlichen nicht zu den opffern zugelassen wurden. Dieser brauch ist auch bey den JFden, desgleichen in Asia vnd Graecia vnd bey etlichen andern V=lckern, welche nicht gar wild gewesen, [M 1r:] gehalten worden; dieienige aber, so also verbannet vnd aus der gemeinschafft abgesFndert, zogen in der jrre vnnd im elend vmb, trugen auch gewisse zei-

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Im Original: „Eangelium“.

271 272

Act 9,17. I Joh 3,7f.

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Des Babst lere von der Satisfactio

Vrsprung der papistischen Satisfactio.

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Der mFnchen lere von der Satisfactio.

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chen, do bey man jhre schuld vermarckte, wie Orestes,273 Adrastus274 vnd viel andere mehr im elend vmbzogen sind. Diesen brauch hat die christliche kirche anfencklichen auch gehalten, das sie solche befleckte leute auch aus jrer versamlung abgesFndert, darnach wurden auch die, so Busse thaten, nicht zu dem gebrauch des abentmals des Herrn zugelassen vnnd musten also ethliche zeit der absolution vnnd des abentmals des Herrn beraubt sein, auff das man dardurch in gewisse erfarung kommen m=cht, ob sie auch ernstliche Busse theten. Darumb sie denn auch offenthlichen in der kirchen vmb die Absolution bitten musten, wie an dem Keiser Theodosio vnnd dem Ambrosio, cap. 30. Histo. Ecclesi. Tripartitae, zu sehen.275 S=lches geschach auch darumb, auff das die leuth nicht so leichtlich sFndigten vnnd durch solliche Exempel die kirche erbawet vnnd gebessert wurde, wie wir den sehen, das 1. Cor. 5 der Corinthische hurer, welcher seine stiffmutter beschlaffen, von der gemein abgesondert vnnd hernachmals, erst do er offenthliche busse gethan, mit sonderlicher berathschlagung widerumb angenommen wird.276 Dis alles ist eine eusserliche zFchtigung ge-[M 1v:]wesen, darumb erfunden vnnd erhalten, das die leuth durch solche exempel sich bessern solten, vnd geh=ret s=lche zFchtigung gantz vnnd gar nichts zur vergebung der sFnden. Dieser zFchtigung aber sind durch superstition vnd th=richte andacht der leut sehr viel hernachmals erfunden vnnd erdacht. Als das man den leuthen, so busse thaten, fasten aufflegte vnnd die Eheleute ethliche jar lang von einander s=nderte vnnd dergleichen viel andere vorgebliche beschwerungen, welche do sie alzu gros vnnd jrer zu uiel wurden, haben die bischoffe s=lche bFrden gelindert, welche linderung vnd nachlassung diser auferlegten bussen vnd Satisfaction hernachmals Indulgentiae genant sind worden, dauon des Bapsts betriglicher vnnd falscher Ablas sein herkommen hat. Dieweil aber die MFnche von diesen historien nichts wissen, geben sie fFr, das von wegen solcher satisfaction vnnd aufflegung der fasten, walfarten, betten vnnd der-

273 Sohn des Agamemnon und der Klytemnestra, tötete die Mutter aus Rache für die Ermordung des Vaters und wurde deshalb von den Erinnyen verfolgt. Vgl. Hans v. Geisau, Art. Orestes 1), in: KP 4 (1972), 336–338. 274 Gemeint ist wohl der Sohn des Talaos und der Lysimache, Vetter und Gemahl der Amphithea. Bei einem Streit führender Familien in Argos wird er vertrieben und flieht zu seinem Großvater Polybos nach Sekyon, nach dessen Tod er dort die Herrschaft übernimmt. Er führt den Zug der Sieben gegen Theben an, der fehlschlägt. Adrastos entkommt und führt zehn Jahre später die Söhne der Gefallenen an, diesmal mit Erfolg; sein Sohn Aigialeus stirbt aber bei dem Kriegszug, aus Kummer darüber stirbt Adrastos. Vgl. Hans v. Geisau, Art. Adrastos 1), in: KP 1 (1964), 75f. 275 Vgl. Cassiodor, Historia ecclesiastica tripartita IX, 30 (PL 69, 1144–1147). Als Vergeltung für einen blutigen Aufruhr in Thessaloniki hatte Kaiser Theodosius im Jahre 390 mehrere Tausend Einwohner der Stadt ins Theater locken und dort niedermetzeln lassen. Zu spät erst hatte er versucht, den Befehl noch zu widerrufen. Bischof Ambrosius von Mailand forderte daraufhin den Kaiser zur öffentlichen Kirchenbuße auf. 276 Vgl. I Kor 5,1–5.

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gleichen werck die straffe des ewigen todes inn die pein des fegewers vnnd andere zeitlich straffen verwandelt werden vnnd das dieselbige solche werck sein mFssen, welche man Gott zu thun sonst nicht schuldig sey, als das einer von wegen seiner sFnden zu bFssen vnnd daruor genungzuthun in einem KFris277 gen S. Jacob278 oder ethliche wochen wFllen279 oder barfus gehet, etliche jar kein wein trinckt, noch bey seinem weybe schlefft. Solche MFnchentreume sollen wir alle vor-[M 2r:]werffen, welche sie auch selbs nicht versten, vnd sollen diese Regel halten, das die ewige straff vnnd pein sampt der schult von wegen des Sons Gottes vnnd nicht von wegen vnser Satisfation, busse oder genungthuung den gleubigen erlassen werde, wie Osee 13 geschriben stehet: „Ich wil sie erl=sen aus der helle vnnd vom tode erretten. Tod, ich wil dir ein gifft sein, Helle, ich wil dir eine pestilenz sein.“280 Jtem Heb. 2: „Ehr hat durch den Todt die macht genommen dem, der des Todes gewalt hatte, das ist dem Teuffel, vnd erloset die, so durch furcht des Todes im gantzen leben knechte sein mFsten.“281 Jtem Ro. 5: „Nun wir denn sind gerecht worden durch den glauben, so haben wir fride mit Gott durch vnsern Herrn Jhesum Christ.“282 Zum andern ist alhie auch das zu sagen, das die werck, welche man Gott zu thun nicht schFldig, wie sie es opera indebita nennen, nicht Gottsdinst, noch genungthuung oder bezalung der sFnden sein kFnnen, s=ndern das s=lche werck alle zu diesem spruch des herren geh=ren: „Vorgeblich dienen sie mir, dieweil sie leren solch lere, die nichts denn menschengebot seint“;283 es hat auch die kirche kein beuelch, solche straff aufzulegen. Zum dritten ist alhie auch anzuzeigen, das die indulgentiae Papales, des Babst Ablas, durch welche er der heiligen verdienst austheilet, lauter betriegerey sey. Denn die indulgentiae vorzeiten, wie auch oben vermeldet, nichts anders dann eine linderung [M 2v:] der eusserlichen bFrden vnnd zFchtigung gewesen, welche denen, so busse thathen, auffgelegt wurden; welche zFchtigung gantz vnnd gar nichts zu der Satisfaction vnnd gnugthuung geh=ren, dauon die MFnche reden. Es ist aber ein andere Satisfaction vnnd genungthuung, welche zu thun yederman schuldig, als das einer seinem nehisten sein gelt vnnd gut, weyb oder kind, ehre oder gut gerFchte, wo es m=glich, wieder gebe, welches ehr jhme

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Harnisch, Kürass. Vgl. Art. Küris 1.b), in: DWb 11, 2809. Die gepanzerte Kleidung sollte eine zusätzliche – verdienstliche – Erschwernis für die Pilgerreise bilden. 278 Santiago de Compostela, eines der bedeutendsten Wallfahrtszentren des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Angeblich soll dort der Apostel Jakobus d. Ä. bestattet sein. Vgl. Fernando López Alsina: Art. Santiago de Compostela, in: LThK3 9 (2000), 61–64. 279 in wollenen Kleidern. Vgl. Art. wollen 1), in: DWb 30, 1325f: „wollene kleidung wird seit mhd. zeit auch speziell als busz- und fastenkleidung, trauerkleid, kleid der armut getragen“. 280 Hos 13,14. 281 Hebr 2,14f. 282 Röm 5,1. 283 Mt 15,9.

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Opera indebita.

Menschenwerck

Von des Babsts Ablas.

Welche Satisfactio von n=ten.

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Ephe. 4.

Vor der Papistischen vnd des Tridentischen Concilij Satisfactio sich zu hFten.

Nr. 5: Ein Sermon von S. Pauli ... Bekehrung (1553)

gestolen, geraubt oder genommen. Dis ist ein werck, welches Gott befolen vnnd wir zu thun schuldig, vnd geh=ret zu dem newen gehorsam vnnd zu den frFchten der warhafftigen busse, wie S. Paulus spricht: „Wer gestolen hat, stele nicht mehr.“284 Denn wer eines andern weyb bey sich behelt, derselbige hat weder rewe noch glauben, noch den newen gehorsam oder einige frucht der rechtschaffnen busse. Darumb sol man die Satisfaction, wellche Gott gebotten, das wir dem nechsten das seine wieder geben s=llen, von der mFnchischen erdachten satisfaction vnd gnungthuung vnderscheiden. Dis habe ich kFrtzlich alhie von der Papistischen Satisfaction wollen erinnern, das man sich dauor wisse zu hFtten, denn das Tridentische Concilium dieselbige auch wiederFmb gedenckt einzufFren. Wir aber s=llen wissen, das keine andere Satisfaction vor vnsere sFnde ist denn [M 3r:] das einige opffer vnsers Herren Jhesu Christi, welcher sein leben zu einer erl=sung vor vns gegeben hat, wie er Matt. 20 selbst spricht, jtem Heb. 10: „Mit einem Opffer hat er in ewigkeit volendet, die geheiliget werden.“285 Nun wollen wir von dem dritten theil der busse, nemlich von dem newen gehorsam sagen.

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Der Papisten lehre von guten wercken vnd gerechtigkeit.

Werck gefallen Gott nit one glauben

Der glaube ein vrsprunck der guten werck. Luce 6.

Der Papisten lehre ist diese, das wenn ein mensch vorgebung der sFnden, gerechtigkeit vnd seligkeit erlangen wil, so mFsse er zuuor etliche gute wercke haben, durch welche er zu entpfahung der genade vnd der gerechtigkeit zubereitet werde, darzu sie denn den spruch Pro. 16 zihen: „Hominis est animam praeparare, et domini gubernare linguam,“286 so doch das nicht des Salomonis meinung ist, sundern er das sagt: „Homo proponit, Deus autem disponit.“ Das ist: „Der mensch setzt jm wol fFr im hertzen, aber vom Herren kompts, was die zunge reden sol,“ vnd wiewol sie hierzu viel exempel ziehen, als des Nabuchodonosor, danielis 4,287 vnd des heuptmans Acto. 10,288 welche durch Almus geben sich zu entpfahung der genaden zubereitet haben, jedoch reimen sich diese exempel gantz vnnd gar nit zu jrer lehre. Denn es vnmFglich, das ein mensch [M 3v:] oder eines menschen wercke one glauben Gott gefallen, Heb. 11,289 vnnd „was nicht aus glauben geschicht, das ist sFnde,“ Rom. 14.290 Darumb ist von n=then, das der mensch zuuor Gott vers=net vnnd durch glauben an Jhesum Christum Gott gefellig vnd angeneme, das ist: zuuor ein guter Baum sey, ehe er gute frFchte trage. Denn alles, was er zuuor tregt, das 284 285 286 287 288 289 290

Eph 4,28. Hebr 10,14. Die vorangehende Anspielung bezieht sich auf Mt 20,28. Prov 16,1. Vgl. Dan 4,24. Vgl. Act 10,2. Vgl. Hebr 11,6. Röm 14,23.

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sind faule frFchte, wie gut sie auch sonst scheinen, dieweil sie nicht aus einem hertzen geschehen, welches zuuor durch glauben gereiniget ist.291 Derwegen es ein menschengedicht ist mit den operibus praeparantibus ad accipiendam gratiam et iustitiam,x wie alhie an S. Paulo, an Adam, an dem Schecher am creutz vnnd allen andern zu sehen, welche sich zu Gott bekeren, das wir nichts zu Gott denn lauter verdamliche sFnde brengen, das wir aber genade, vorgebung der sFnden, gerechtigkeit vnd seligkeit entpfangen, das haben wir nicht vnser zubereittung, wercken oder wirdigkeit, sundern allein Gottes barmhertzigkeit zu dancken, denn es nicht an jemandts wollen oder lauffen ligt, sondern an Gottes erbarmen.292 Also spricht auch Augustinus libro Quinqua. home. 17: „Videamus Saulum saeuientem, spectemus furentem, spectamus odia anhelantem, sanguinemque sitientem. ... Haec Pauli uia erat, cuius uia nondum erat Christus. ... Quid habebat in corde? Quid nisi malum? Date mihi merita eius. Si merita quaeris, damnationis sunt, non liberationis.”293 Wiewol auch von n=then das der mensch [M 4r:] Gottes wordt h=re, dardurch jnen Gott zu sich zeucht, vnd das er seine sFnde erkenne, vor Gottis zorn erschrecke, rew habe vnd Gottes willen, der jnen zur Busse vnd bekerung durch sein wort beruffet, nit wiederstrebe, jedoch sind das nit werck, durch welche wir die vergebung der sFnden, gerechtigkeit vnd seligkeit vordienen. Denn wie gesagt, dis alles vns aus genaden one alle vnsere werck vnd verdienst geschenckt wird. Wie Paulus Ephe. 2 spricht: „Aus genaden seid jr selig worden durch den glauben, vnd dasselbige nicht aus euch, Gottes gabe ist es, nicht aus den wercken, auff das sich nicht jemandt rFme.“294 Darumb kompt Gott vns mit seiner genade zuuor, vor aller vnser zubereittung vnnd wirdigkeit, auff das alles auff seiner Barmhertzigkeit bestehe, also spricht auch Augustinus: „Vtique non est zgratia, siz eam ulla praecedant merita.“295 Das kFnde mit vielen exempeln beweiset werden, wFrde aber alhie zu lang werden. Als, das Pau. Act. 16 jn Macedonien daselbst das Euangelium von Jhesu Christo zu predigen vom Engel beruffen wird296 vnd sie zur erkentnis der gnaden kommen, das geschicht one alle jre zubereittung, werck oder wirdigkeit; denn die Macedonier von dem warhafftigen Got vnd seinem son Jhesu Christo nichts wissen vnd in grosser blintheit vnd abg=tterey stecken, das da keine zubereitung zu entpfahung der genaden sein kan.

x

Im Original: „iustitiau“. Im Original: „erck“. z – z Im Original: „gra|tiasii“. y

291 292 293 294 295 296

Vgl. Lk 6,43–45; Act 15,9. Vgl. Röm 9,16. Augustinus, Sermo 168 (= Liber quinquaginta homeliarum, hom. 17), 4 (PL 38, 913). Eph 2,8f. Augustinus, Retractationes I, 23, 2 (PL 32, 621; CChr.SL 57, 69,56f). Vgl. Act 16,9f.

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Acto. 15.

Jn der bekerung zu Gott bringet der mensche keine gute werck,y sundern lauter sFnde zu Gott.

Es wierdt vns alles aus gnaden One vnsere wergk vnd verdienst geschenckt. Got kumpt vns mit seiner gnaden zuuor Li. I. Retra. cap. 23.

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S. Paulus wirt gerecht vnd sehlig allein durch den glauben on alle vorgehende zubereitung der guten werck. Der Papisten lehre, das der glaube nicht allein gerecht mache, sundern auch die gute wercke. Die lere des Euangelij.

Was die lere des Euangelij gleuben heisse.

Wie die wort zu uerstehen sind ‚wir werden durch den glauben gerecht‘.

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Desgleichen der kerckermeister Acto. 16 zu Philippis, was hatte der vor gute werck, dadurch er zua [M 4v:] genade zubereitet ward, denn allein dis, das er Paulum vnnd Silam inn das innerste gefengnis warff vnd jre fFsse in den stock legt.297 Ja was hette Paulus selbst zu seiner bekerung vnd annemung der genaden vor ein fFrsatz vnd gute werck? Nemlich das er die JFnger des Herren Christi zu damasco gefencklich annemen, st=cken vnd pl=cken298 vnd sie den hohenpriestern zu t=dten vberantworten wolt.299 Das was seine guter vorsatz. Darumb, das er zu genaden kommen, das hat er nicht operibus praeparantibus, seiner zubereitung, sondern allein Gottes barmhertzigkeit zu dancken, wie er 1. Timoth. 1 selbst spricht: „Mir ist barmhertzigkeit wiederfaren, auff das an mir fFrnemlich Jesus Christus alle gedult erzeigete.“300 Zum andern leren die Papisten, das der glaube nicht allein gerecht vnd selig macht, sundern das auch die lieb vnd hoffnung vnd andere gute werck vnd tugende, so allezeit bey dem glauben sein, die gerechtigkeit mit dem glauben wircken vnd verdienen, das sind nur opera cum fide simul operantia salutem, oder wie sie sonst reden: fides formata per Charitatem. Darauff wir denn sagen, das obwol bey dem glauben lieb vnd hoffnung vnnd allerley tugenden sein vnd sein mFssen, jedoch wircken sie nicht die Gerechtigkeit vnd seligkeit vnnd k=nnen nicht das verdienst sein, von welches wegen vns die ge-[N 1r:] rechtigkeit vnd seligkeit gegeben wird, wie der Psal. spricht: „Vor dir ist kein lebendiger gerecht,“301 denn diese ewige gFter haben wir durch das einige verdienst vnsers lieben Herren Jhesu Christi, vmb welches willen sie vns, vnd nicht von wegen vnser werck geschanckt werden, wie Rom. 6 geschriben stehet: „Das ewige leben ist ein Donum, eine gabe Gottes durch Christum Jhesum.“302 Denn der ist der Herre, welcher solch geschenck vnnd gabe durch sein heilig leiden vnd sterben vns verdienet hat. Vnd das heissen wir gleuben, nemlich sich auff dis vnsers einigen mitlers vnd heilands verdienste verlassen, das wir durch sein einiges opffer die vers=nung, erl=sung, vorgebung der sFnden, gerechtigkeit, heiligen Geist vnd das erbe des ewigen lebens haben, vnd durch keiner heiligen oder vnser werck oder verdienst vnd wirdigkeit. Derhalben, wenn wir lehren, das wir durch glauben gerecht werden, sind diese wort also zu uerstehen: wir werden dardurch der sFnden los vnnd erlangen gerechtigkeit vnnd sehligkeit, das wir vnser zuuersicht vnd vertrauen a

Nur in der Kustode auf Bl. M 4r.

297

Vgl. Act 16,24. in den Strafblock legen (und foltern), gefangensetzen. Vgl. Art. stocken 5), in: Fnhd. Wb. 11, 527f; Art. blochen, blöcken. in: Fnhd. Wb. 4, 631f 299 Vgl. Act 9,1f. 300 I Tim 1,16. 301 Ps 143,2. 302 Vgl. Röm 6,23. 298

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nicht auff vnser werck, verdienst oder wirdigkeit, sundern auff den Son Gottes stellen. Denn er ist der vers=ner vnd genadenstuel, welchen Gott vns hat fFrgestelt durch den glauben in seinem blut,303 auff welchen wenn das hertz sein vertrawen vnnd [N 1v:] zuuersicht setzet, so entpfehet es fride vnnd freude in Gott,304 welches vertrawen er, der Son Gottes, durch sein heiligen Geist erwecket, wie S. Paulus spricht: „Jr habt ein kintlichen Geist entpfangen, durch welchen wir ruffen: Abba, lieber Vater!“305

Rom. 3. Rom. 15.b Rom. 8.c

Von dem wort Sola. 10

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Derwegen, wenn wir mit S. Paulo sagen „Iustificamur fide gratis, wir werden ALLEJN durch glauben gerecht,“307 das ist: wir werden one verdienst gerecht aus seiner genaden, werden alhie nicht die gute werck, so bey dem glauben sind, sunder vnserer werck verdienst außgeschlossen, auff das all vertrawen vnd zuuersicht des hertzen auff dem einigen verdienst vnsers Herren vnd mitlers Jhesu Christi festgegrFndet sey, vnd das virerley vrsach halben: Erstlich, das vnserm Herren Jhesu Christo seine ehre gegeben werde, das er der einige mitler zwischen Gott vnd den menschen sey,308 durch welches einiges verdiensts vnd opffer fFr vns wir die gerechtigkeit vnd seligkeit durch den glauben entpfahen.

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Zum andern, das das gleubige hertz ein ge-[N 2r:]wissen vnnd bestendigen trost im erschrecken habe, wenn es auff diesen Eckstein vnnd grundtfest

b c

Im Original: „Rom. 5.“ Im Original: Rom. 4.“

303

Vgl. Röm 3,25 (Luther 1545). Vgl. Röm 15,13. 305 Röm 8,15. 306 Den Vorwurf hatte zunächst Matthias Flacius Illyricus erhoben aufgrund eines Gutachtens der Wittenberger Theologen für Kurfürst Moritz von Sachsen aus dem Mai 1548. Bugenhagen, Cruciger, Maior und Melanchthon insistieren darauf, ihre Kritik am Rechtfertigungsartikel des Interims sei sachlich begründet und keinesfalls bloße Wortklauberei; in diesem Zusammenhang formulieren sie: „Wir streiten nicht vom Wörtlein sola, sondern sagen und bekennen: es müssen in uns die andern Tugenden und guter Vorsatz angefangen seyn und bleiben; dennoch über dieselbigen Tugenden muß das Vertrauen auf den Sohn Gottes seyn, wie gesagt ist, und muß die andern Tugenden alle überschatten. Denn alle Tugenden sind doch schwach in uns, und bleibt noch viel Unreinigkeit im menschlichen Herzen und in diesem Leben. Darum müssen wir uns an den Mittler hängen, und Gnade suchen durch diesen Mittler, und durch Barmherzigkeit, die uns von desselben wegen zugesagt ist ... Also sollen wir auch vor Gott treten, und dieses Vertrauen auf den Sohn Gottes mit uns bringen, und wissen, daß, obgleich Liebe und andere Tugenden in uns sind und seyn müssen, daß sie dennoch zu schwach sind, und daß das Vertrauen auf den Sohn Gottes allein stehen soll. Es kann auch Liebe im Herzen nicht seyn oder bleiben, wo nicht dieser Glaube und dieses Vertrauen vorgehet ...“ (CR 6, 910 [aus Nr. 4244]; vgl. MBW 5170). 307 Vgl. Gal 2,16; Röm 3,28. 308 Vgl. I Tim 2,5. 304

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Vier vrsach, warumb das wort ‚Sola‘ oder ‚gratis‘ zu erhalten. Jch hab auch mein lebenlang nicht geschrieben, das ich von dem wort ‚Sola‘ nicht streiten wolle,306 sundern dasselbige in meinen schrifften stets gebrauchet, wie darinnen zu sehen. Derwegen geschicht mir gewalt vnnd vnrecht. 1. Corint. 3

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Christum Jhesum allein gegrFndet vnnd erbauet ist.309 Denn wo es sich auch auff sein werck vnd verdienst wird verlassen, wird allezeit zweiffeln, zittern vnd zagen volgen. Rom. 10. Jacob. 1. Ephe. 3.

Leuit. 18.

Der Papisten vnd des Jnterims lehre falsch von des Menschen gerechtigkeit.

Von den wercken, welche den glauben volgen.

Die Papisten dichten, ddas dreierley werck zur gerechtigkeit von n=ten seind.d I. Opera praeparantia ad iustitiam. II. Opera operantia iustitiam.

Zum dritten, das wir in solchem glauben vnd zuuersicht der genaden vnd Barmhertzigkeit inn Christo Jhesu auch recht beten vnd Gott in vnsern n=then anruffen k=nnen,310 denn es vnmFglich, das ein zweifelet vnd forchtsam hertz Gott recht kFnne anruffen,311 denn allein durch diesen Herren haben wir freidigkeit vnd zugang inn aller zuuersicht durch den glauben an jn.312 Zum vierdten, das also durch diese lehre der vnderscheidt des Gesetzes vnd Euangelij erhalten werde, denn das gesetz vorheisset auch leben vnd seligkeit, aber nicht aus genaden, sondern aus verdinst, wie es spricht: „Der mensch, der es thut, wirt dardurch leben.“313 Darumb wird durchs gesetz niemand gerecht vor Gott. Das Euangelion aber verheisset den gleubigen leben vnnd seligkeit aus genaden, one verdienst, werck vnnd wirdigkeit, von wegen des einigen verdienst des Sons Gots.

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Derwegen ist der Papisten vnd des Jnterims lere falsch vnd vnrecht, das sie sagen, wir werden nicht allein durch den Glauben gerecht, son-[N 2v:]dern auch durch die liebe, hoffnung vnnd andere gute werck, so bey dem glauben allezeit sind. Das dritte genus operum, davon die Papisten leren, das sind opera sequentia fidem, die werck, welche dem glauben volgen; dieselbige – sprechen sie – dienen darzu, das die gerechtigkeit in vns gemehret werde, wachse vnd zuneme; solchen jrthumb zu stercken, ziehen sie viel sprFch aus der Heiligen schrifft an, als Apoca. 22: „Qui iustus est, iustificetur adhuc.“314 2. Thimoth. 4: „Bonum certamen certaui, reposita mihi est Corona iustitiae,“315 etc.

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Hieraus ist zu sehen, das sie tichten, das dreyerley werck zu erlangung vnd verdienst der gerechtigkeit von n=then sein sollen: Als erstlich Opera praeparantia ad gratiam, Werck, dardurch wir zu entpfahung der genaden zubereitet werden, als da sind beten, fasten, almussen geben vnd dergleichen. Zum andern Opera simul cum fide operantia iusticiam et salutem, Werck, durch welche wir neben vnd mit dem glauben die gerechtigkeit vnd seligkeit d–d

Im Original aus der Marginalschrift, aber unter den Absatz des Haupttexts gesetzt, vmtl. aus Platzgründen.

309 310 311 312 313 314 315

Vgl. I Kor 3,11; Eph 2,20. Vgl. Röm 10,9–13. Vgl. Jak 1,6f. Vgl. Eph 3,12. Lev 18,5; Röm 10,5. Apk 22,11 (entspricht der Textform der – späteren – Editio Clementina). II Tim 4,7f.

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vordienen, welches das Jnterim Iustitiam inhaerentem,316 vnd die Scholastici Doctores gratiam operantem, scilicet fidem cum Charitate317 Nen-[N 3r:] nen. Dauon wir oben gesagt haben, das wiewol bey dem glauben allerley tugent vnnd gute werck, als liebe vnd forcht Gottes, seind, jedoch k=nnen sie die gerechtigkeit vnnd seligkeit nicht wircken noch verdienen. Denn dieselbige vns aus genaden, one vnser werck vnnd allein von wegen des mitlers, welcher vns diese gFter durch seinen tod verdienet hat, geschenckt vnd gegeben werden. Zum dritten tichten die Papisten auch opera sequentia, Werck, die do der gerechtigkeit volgen, durch welche die Gerechtigkeit inn vns gemehret wird, wechset vnd zunimpt, daraus dann erscheinet, das sie die lere vnd Proposition S. Pauli nit verstehen, Rom. 3: „Arbitramur fide iustificari hominem absque operibus legis. – So halten wir es nun, das der mensch gerecht werde on des gesetzes wercke allein durch den glauben,“318 das ist: der mensch erlanget vergebung der sFnden, Gerechtigkeit, Heiligen Geist vnd ewiges leben on alle seine werck vnd verdienst, aus lauter genade vnd Barmhertzigkeit Gottes, von wegen des mitlers Jhesu Christi, durch den glauben etc. Wie wir denn oben dauon ferner gesagt haben. Derhalben ist alhie zu mercken, das die lehre von der rechtfertigung des menschen mit der lehre von den wercken gantz vnnd gar nicht solle vermischet werden vnd beide lehre, als die von der rechtfertigung vnd die andere lehre von guten [N 3v:] wercken, so weit als himmel vnnd erden von einander gescheiden werden s=llen, den zu erlangung vnnd erwerbung der rechtfertigung vnnd seligkeit des menschen kein werck – es heisse, wie es wolle, Praeparans, Cooperans, sequens seu augens iustitiam – gantz vnnd gar nicht NOTJG noch darzugeh=ren. Sondern hiezu geh=ret allein erstlich das, das du dich von wegen der sFnden von dem Heiligen Geist durchs gesetz vnnd Euangelion straffen vnd zur busse beruffen lassest vnnd darnach dem Euangelio gleubest, welches dir vergebung der sFnden aus gnaden one deine werck

316

Vgl. Augsburger Interim, [IV.] De iustificatione: „... Haec est vera illa iustitiae inhaerentis ratio, quam desiderabat David, cum hanc mitteret vocem: Cor mundum crea in me, Deus, et spiritum rectum innova in visceribus meis. [Ps 50,12] ... Cum igitur homo plenam iustitae inhaerentis perfectionem quoad in hac terra vivit non consequatur, certe Christus ... [I Kor 1,30] ... nobis in hac etiam parte benignissime succurrit, quatenus et per communicationem iustitiae suae iustitiam hominis de illa participantis in haerentem ut efficit, ita auget, ut de die in diem renovetur donec in aeterna patria plene perficiatur ... Concurrunt quidem Christi meritum et iustitia inhaerens, ad quam renovamur per donum caritatis ... (Mehlhausen, Interim, 45–47). [VI.] De modo per quem homo iustificationem accipit: „... Ea namque fides impetrat donum spiritus sancti, quo diffunditur caritas in cordibus nostris; quae quatenus ad fidem et spem accedit, eatenus per iustitiam inhaerentem vere iustificamur. Haec enim iustitia fide, spe ac caritate ita constat, ut si aliquam harum iustitiae huic subtraxeris, eandem ipsam mancam plane reliqueris.“ (Mehlhausen, Interim, 51). 317 Der Ausdruck „gratia operans“ begegnet schon bei Augustin, „fides caritate formata“ geht auf Gal 5,6 zurück. Die kritisierte Auffassung wurde insbesondere von Gabriel Biel vertreten. Vgl. Luther, Disputatio contra scholasticam theologiam, 1517 (WA 1, 224–228). 318 Röm 3,28.

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III. Opera sequentia et augentia iustitiam. Papisten vnd Jnterimisten vorstehen nicht die lehre S. Pauli.

Die lere von der rechtfertigung des Menschen sol gantz [N 3v:] vnd gar nit mit der lere von guten wercken vormischet werden. Kein werck zum verdinste der gerechtigkeit vnd seligkeit, sundern allein der glaube von n=ten.

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Johan. 1.

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vnnd verdinst allein von wegen des mitlers vnnd seines opfers, so er vor dich vnnd die gantz welt getan hat, verheisset vnd verkFndiget,319 welchs so du es gleubest, enpfehest du also durch s=lchen GLAVBEN ALLEJN vergebung der sFnden, gerechtigkeit, Heiligen Geist, ewiges leben vnnd seligkeit. Denn Christus ist das A vnnd O, der anfang vnnd das ende, welcher dem dFrftigen den brun des lebendigen wassers vmbsonst gibt, Apoca. 21.320 S=lches beweisen nachfolgende sprFch vnd exempel der heiligen schrifft: Ro. 3: „Wir werden one verdinst gerecht aus seiner gnaden durch die erl=sung, so durch Christo Jesu geschen ist, welchen Gott hat fFrgestelt zu einem [N 4r:] gnadenstul durch den glauben in seinem blut, damit er darbite die gerechtigkeit, die fFr im gilt, indem das er sunde vorgibt.“321 Rom. 4: „Den, der nit mit wercken vmgehet, gleubet aber an den, der die gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur gerechtigkeit. Nach welcher weise Dauid sagt, das die seligkeit sei allein des menschen, welchem Gott zurechnet die gerechtigkeit on Zuthun der werck.“322 Jtem: „Derhalben mus die gerechtigkeit durch den glauben kommen, auff das sie sei aus gnaden vnnd die vorheissung feste sey allem samen.“323 Galat. 2: „Wir wissen, das der mensch durch des gesetzes werck nicht gerecht wird, sundern durch den glauben an Jhesum Christ. So glauben wir auch an Jhesum Christum, auff das wir gerecht werden durch den glauben an Christum vnd nicht durch des Gesetzes wercke, denn durch des gesetzes werck wird kein fleisch gerecht.“324 Jtem Gala. 3: „Habt jr den Geist entpfangen durch des gesetzes werck oder durch die predig vom glauben?“325 Jtem: „Wir enpfahen den verheissen geist durch den glauben.“326 Vnnd was darffs viel sFnderliche erzelung der zeugnis der schrifft, diweil S. Petrus [N 4v:] Acto. 10 Die gantze schrifft auff ein hauffen hieher zeucht, do er spricht: „Von diesem zeugen alle Propheten, das durch seinen namen alle, die an jn gleuben, vergebung der sFnde entpfahen sollen.“327 Wer nu an diesen Herrn Christum Jhesum von hertzen gleubet, der entpfehet durch solchen glauben one alle werck vnnd verdienst gewislich vorgebung der sFnde, die gerechtigkeit, heiligen Geist, vnd wird dadurch ein kind vnd erbe Gottis328 vnd ein miterbe des Herren Jhesu Christi, daran sol niemandts zweiffeln.

319 320 321 322 323 324 325 326 327 328

Vgl. Joh 16,8–11. Apk 21,6. Röm 3,24f. Röm 4,5f. Röm 4,16. Gal 2,16. Gal 3,2. Gal 3,14. Act 10,43. Vgl. Joh 1,12.

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Solches bezeugen vber diese helle sprFche auch volgende exempel vnd historien: Als Acto. 2 Haben die drey tausent menschen, so durch die erste predig S. Petri bekeret werden, gar keine gute werck, durch welche sie vorgebung der sFnden vnd heiligen Geist verdienen kFnden, sondern da seint lauter erschreckliche sFnde, nemlich das sie den son Gottes gecreutziget haben, wie Petrus doselbest spricht: „‚So wisse nu das gantze haus Jsrael gewis, das Gott diesen Jhesum, den jr gecreutzigt habt, zu einem Herren vnd Christ gemacht hat.‘ Do sie aber das h=reten, gieng es jnen durchs hertz, vnd sprachen zu Petro vnnd zu den andern Aposteln: ‚Jr menner, lieben brFder, was sollen wir thun?‘ Petrus sprach zu jnen: ‚Thut busse, vnd lasse sich ein jeglicher teuffen auff den namen Jhesu Christi zu vergebung der sFnden, so werdet jr entpfahen die gabe des heiligen Geistes‘“329 etc. [O 1r:] Also auch Acto. 10 stehet geschriben, das der heilige geist auff alle gefallen sey, die dem wort Petri zuh=reten.330 Jtem Acto. 16,331 da der kerckermeister zu Paulo vnd Sila spricht: „Was sol ich thun, das ich selig werde?“ Sprechen Paulus vnd Silas: „Gleube an den Herren Jhesum, so wirstu vnd dein haus selig.“ Jn diesen vnd vilen andern Exempeln vnd Historien sehen wir, das die leute one alle werck vnd vordienst ALLEJN durch den Glauben an Jhesum Christum Gerechtigkeit vnd seligkeit entpfahen, vnd dieses bezeuget sunderlichen das gantze Buch der Aposteln Geschicht, welches vornemlich von S. Lucas darum geschrieben. Darumb geh=rn zu dem vordinst der Rechtfertigung vnd seligkeit des menschen, wie oben gesagt, gantz vnd gar keine gute werck, wie si auch m=gen genant werden. Dann ob wol Rew vnd erkentnis der sFnden vnd gutter vorsatz vorhergehen mus, jedoch werden vns vnsere sFnde nicht von wegen solcher Rew, sondern aus gnaden von wegen des mitlers erlassen vnd wir zu kindern vnd erben Gotts angenomen durch den Glauben an Christum Jhesum. Von guten wercken vnd vom Newen gehorsam der gleubigen.

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Alhie volget nu die frage, dieweil wir vorgebung der sFnden, gerechtigkeit, heiligen Geist vnd seligkeit one alle werck vnd verdinst aus genaden von wegen des einigen wercks vnd verdiensts des sons Gottis ALLEJN durch den glauben erlangen vnd entpfahen, warzu seind denn die gute werck von n=ten? Denn zu erlangung vnnd verdienung der gerechtigkeit vnd seligkeit sind sie ja nicht von n=ten, welche wir, wie [O 1v:] geh=rt, aus genaden durch den Glauben an Jhesum Christum entpfahen.

329 330 331

Act 2,36–38. Vgl. Act 10,44. Act 16,30f.

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Acto. 2.

Zu dem vordinst der rechtfertigung vnd seligkeit geh=ren gantz vnd gar keine werck.

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Derhalben wollen wir volgend sagen, wie vnd warzu die gute werck in den gleubigen, welche schon kinder gottes sind vnd die seligkeit haben, von n=ten sind vnnd wie sie zur seligkeit von n=ten sind, jtem wie auch niemand one gute werck, jedoch nicht durch das verdienst der guten werck, selig werde. Zweierley glaube.

Historischer glaub one vorneuerunge vnd wiedergeburt.

Hypocritischer glaub. 2. Timot. 1.

Math. 6.f

Anfenglichen zu einem vnderricht ist alhie zu wissen, das zweyerley glaube sey: erstlich ist ein glaub, durch welchen der mensch nicht vernewert vnd zum andermal zu einer newen creatur vnd zum kinde Gottis geborn, auch nicht von der sFnden vnd dem tode erl=set wird, in welchem glauben kein leben, gerechtigkeit vnd seligkeit ist, als do ist das blosse wissen vnnd erkentnis der Artickel des glaubens vnd der historien, von welchem glauben die Papisten vnd Jnterimisten reden, das derselbige nit allein, sundern neben vnd mit dem selbigen auch die liebe, hoffnung vnd andere Tugende gerecht vnd selig machen. Diser glaube ist ein Opinio, ein blosses, todes wissen, ein wan, welchen der mensch selbst one bewegung vnnd vernewerung des heiligen Geists fasset vnd ertichtet; disen Glaubene heisset S. Paulus ein Hypocritischen,332 das ist: ein heuchlerischen, selbs erdichten, geferbten vnd falschen glauben, bey welchem ob schon viel gute werck sind, als fasten, beten, almussen geben vnd andere, so ist doch der Baum noch nicht gut, das hertz nicht gereiniget, der mensch noch nicht zum ander mahl durch den Heiligen Geist geborn vnd Gott nicht angeneme noch gefel-[O 2r:]lig. Darumb kan er in das reich Gottes nicht kommen, ob er schon ein heiliger Phariseer, MFnch, Pfaffen, Papisten, Jnterimisten, ja auch ein heiliger Luterischer oder Euangelischer man zu sein vor der welt scheinet. Denn es alles vorgeblich, wie der Herre saget: „Es sey denn ewer gerechtigkeit besser denn der schrifftgelerten vnd Phariseer, so werdet jr nicht in das himelreich kommen,“333 vnd Johan. 3: „Es sey denn, das jemand geborn werde aus dem wasser vnd geist, so kan er nicht in das reich Gottis kommen.“334 Diese seind gute werck, zu erhaltung vnnd offenbarung der seligkeit (dauon wir reden) nicht von n=ten, vnd gehet sie dise propositio vnd lere von guten wercken nichts an, dieweil sie noch den rechten, warhafftigen glauben an Jhesum Christum nicht haben, durch welchen allein one alle werck vnd verdienst wir die gerechtigkeit vnd seligkeit erlangen. Denn wenn sie schon alle werck hetten, die ein mensch in dieser verderbten natur one erkentnis des Herren Christi thun vnd haben kan, so were es doch alles verloren vnnd kundten dardurch nimmermehr die gerechtigkeit vnnd seligkeit erlangen, wil geschweigen, das sie dieselbige durch gute werck vnd gewissen solten ere f

Im Original: Glaubn. rectius: Mt 5.

332 333 334

Vgl. II Tim 1,5. Mt 5,20. Joh 3,5.

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halten, dieweil sie die gerechtigkeit vnd seligkeit nie gehabt haben. Denn wie geh=rt, der Baum zuuor mus gut sein, ehe er gute frucht trage, vnnd die person durch glauben erstlich Gott vers=net vnnd angeneme vnnd selig sein mus, ehe Gott die gute werck vmb Jhesu Christi willen gefallen. [O 2v:] Gleichwol ist auch das alhie zu wissen, das Gott der Herre die eusserliche zucht vnd die werck der zehen gebot in allen menschen, sie seind gleubig oder vngleubig, erfordert, vnd das viererley vrsache willen: Erstlichen, das alle menschen schFldig sind, den geboten Gottes gehorsam zu sein, darumm er sie nicht allein in die steinern taffeln, sundern auch inn aller menschen hertzen geschrieben.335 Zum andern, das die menschen in diesem sterblichen vnnd dort in jenem leben die straffen vermeiden m=gen. Denn wir vor augen sehen, das Gott grosse sFnde mit grossen straffen straffet, wie gschriben steht: „Wer das schwerdt nimpt, sol durchs schwerdt vmbkommen,“336 jtem: „Hurer vnd ehebrecher wird Gott richten“337 etc. Zum dritten, das Gott wil, das wir auch ander leute verschonen vnd jnen nicht schaden zufFgen, sundern jnen helffen vnd dienen sollen, denn wir werden nicht vns allein in dise welt geboren, sondern vnser gantzes leben sol erstlich zu Gottes erkentnis, lob vnd preis, darnach auch zum dinst des nehisten vnd zu erhaltung ruh vnd frid in dem gantzen menschlichen geschlecht gerichtet sein. Derwegen wil Gott, das eusserliche zucht, fride vnd einigkeit von allen gehalten vnd das die verst=rer solchs frides gestrafft werden; diese drey vrsachen vorstehen auch die Heiden. Die vierdte vrsach vorstehen allein die GotfFrchtigen vnd gleubige: Nemlich das Gott die eusserliche zucht vnd gute werck der zehen gebot auch darumb von jederman wil gehalten haben, das, wie S. Paulus sprichet, das gesetz ein zuchtmeister ist, so vns zu Christo fFret.338 Denn das gewißlich war ist, das der heilige Geist durch die predig des Euangelij in denen, welche offentlichen in sFnden wider jr gewissen verharren, nicht kreff-[O 3r:]tig sein wil. Darumb, sol der mensch durch den heiligen Geist zum ewigen leben vernewert werden, so mus er nicht in sFnden wider das gewissen verharren. Also ist das gesetz ein zuchtmeister, welcher vns zu Christo fFret, das ist: es ist nicht allein vmb eusserliche zucht, sondern darumb zu thun, das die leuth nicht wider jhr gewissen sFndigen vnd der heilige Geist in jnen seine wirckung haben m=ge, auff das sie Gottes wort h=renh vnd zu dem glauben vnd erkentnis Christi kommen m=gen.

g h

Im Original: vrsch. Im Original: hFren.

335 336 337 338

Vgl. Röm 2,15. Mt 26,52. Hebr 13,4. Vgl. Gal 3,24.

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Gott erfordert die eusserlich zucht vierley vrsachg willen, ob sie schon nicht gerechte noch selig macht.

Matth. 26. Hebr. 13.

Galat. 3.

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Galat. 2.

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Wiewol aber Gott solchen eusserlichen gehorsam vnd zucht von allen menschen erfordert, wie viel heiden vnd Phariseer denselbigen gehalten haben vnnd noch heutiges tages viel ehrliche leuth disen gehorsam vnnd zucht in eusserlichen wandel halten, das sie vor der welt vnstrefflich leben, vnd Gott denselbigen auch hie zeitlich belohnet, jedoch verdienet man dardurch nicht vergebung der sFnden, so wirdt auch dadurch das gesetze Gottes nicht erfFllet, vnnd ist solcher gehorsam nicht die gerechtigkeit, die fFr Gott gilt, dardurch der mensch Gott vers=net vnd zum kind vnd erben Gottes angenommen wird, wie S. Paulus spricht: „Durch des gesetzes werck wird kein fleisch gerecht.“339 Das sey also in der kFrtze von dem ersten Hipocritischen, falschen vnd ertichten glauben gesagt, welcher allein mit wercken vmbgehet vnnd darauff sich grFndet vnd verlesset, vnd nicht auff die blosse barmhertzigkeit Gottis vnd auff das verdienst vnsers mitlers, des Herren Jesu Christi, welches denn der Phariseers vnd aller Papisten vnd Jnterimisten glaub ist, von welchen allen Christus Matt. 5 spricht: „Es sey denn ewer gerechtigkeit besser denn der Schrifftgelerten vnd Phariseer, so werdet jr nicht in das himelreich kommen,“340 vnd [O 3v:] Johan. 3: „Warlich, warlich, ich sage dir, es sey dann, das jemand geboren werde aus dem wasser vnd geist, so kan er nicht in das reich Gottes kommen.“341 Darumb erlanget man durch solchen glauben weder gerechtigkeit noch seligkeit, darzu dann eines besserns vnnd h=hers glaubens von n=ten. Was ist denn das vor ein glaube?

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Von dem warhafftigen glauben, durch welchen allein der mensch gerechtigkeit vnd seligkeit entpfehet. Was warhafftiger glaube sey.

Rom. 5.343

Warhafftiger glaub ist erstlich: wissen die Artickel des Christlichen glaubens vnnd warhafftigem erkentnis Gottes des Vaters vnnd seines Sohns Jhesum Christi, welcher erkentnis das folget, das das hertz des menschen durch gewisse zuuersicht der Barmhertzigkeit Gottes, so in Christo verheissen, sich auff denselbigen mitler als den einigen bewerten Eckstein342 grFndet vnd verlesset vnd gewißlich gleubet, das er vmb desselbigen mitlers willen – nicht von wegen seiner lieb, rewe oder anderer werck vnnd tugent oder erfFllung des Gesetzes – vergebung der sFnden, Gerechtigkeit, heiligen Geist vnd die erbschafft des ewigen lebens entpfahe. Dieweil aber in solchem trost die zuuersicht, durch welche wir in dem sone Gottis ruhe, friede vnd freude haben, ein warhafftig liecht vnd bewegung ist, so vom heiligen Geist in vns angezFndet wird, durch welche das hertz aus dem erschrecken des ewigen todes erl=set, wiederumb lebendig getr=stet vnd 339 340 341 342 343

Gal 2,16. Mt 5,20. Joh 3,5. Vgl. I Petr 2,6. Vgl. Röm 5,1–5.

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fr=lich wird, so wird solche bekerung zu Gott eine newe geburt genant, wie dann der jetzt angezogene spruch des Herren Christi Johan. 3. bezeuget: „Es sey denn, das jemands von new [O 4r:] geboren werde aus dem wasser vnd dem Geist, so kan er nicht in das reich Gottis kommen.“344 Durch solche newe geburt wird der mensch ein tempel vnd wonung Gottes,345 welcher denn in jm anfehet zu wircken, wie Johan. 14 geschrieben stehet: „Wer mich liebet, der wird mein word halten, vnd mein vater wird in lieben, vnd wir werden zu jm kommen vnd wonung bey jm machen.“346 Denn wenn der mensch durch den glauben vnd die zuuersicht der barmhertzigkeit Gottes getrost vnd gesterckt wird, so fehet Gott, der Vater, Son vnd heiliger Geist, in der gleubigen hertzen durch solchen trost ein newes leben vnd die widergeburt an, wie S. Paulus spricht: „Wir entpfahen den verheischen Geist durch den Glauben.“347 Jtem: „Welche der geist Gottes treibet, die sind Gottes kinder.“348 Alhie aber, domit man mich ja vorstehe vnd mir nicht meine wort verkere, thu ich aber diese erinnerung, die ich auch oben gethan, das man die lere von der gerechtigkeit vnd die lere von guten wercken ja nicht mit einander vermische, sondern sie so weit als himel vnd erde voneinander scheide, denn es zweierley vnderschidene lehre sind. Also, das des menschen gerechtigkeit nichts denn ALLEJN der glaube vnd Christus wircke, vnd das gesetze vnd gute wercke gantz vnd gar nichts mit des menschen Gerechtigkeit vnnd seligkeit zu thun haben sollen; denn der mensch mus zuuor fur Gott gerecht sein vnnd aus Gott geboren werden, ehe er ein werck thu, das guet vnd Gott gefellig sey; diese ordnung helt auch S. Paulus, das er zuuor vom glauben, darnach erst von guten wercken als des glaubens frFchte leret.

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[O 4v:] Derwegen wollen wir endtlich nu nach der lere vom glauben auch von dem newen leben der gleubigen vnd widergebornen vnd von den guten wercken sagen, vnd erstlich, was gute werck sein, zum andern, wiej vilerley gute werck sind, zum dritten, wozu sie vnd ob sie zur seligkeit in den gleubigen vnd neugebornen von n=ten sind.

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Was die newe geburt sey.

Wie die neu geburt angefangen werde.

iGalat.

3.i

Die lere von der gerechtigkeit vnd guten wercken so weit als himel vnnd erde von einander zu scheiden. Was des Menschen gerechtigkeit wircke. Gute werck sind des gelaubens vnd der gerechtigkeit frFchte. Teilung der lere von guten wercken.

I. Was gute werck sind. Dis gebot wird offtmals im Mose widerholet: „Alles was JCH euch gebiete,“ spricht Gott, „das solt jr halten, das jr darnach thut; jr solt nicht darzuthun

i–i j

Im Original steht die Marginalie auf Höhe des vorangehenden Joh-Zitats. Im Original: wil.

344 345 346 347 348

Vgl. Joh 3,3.5. Vgl. I Kor 3,16. Joh 14,23. Gal 3,14. Röm 8,14.

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Deut. 12.

196 Ezech. 20. Welches gute werck sind.

Matt. 15.

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noch dauonthun.“349 Vnd durch Ezechielem spricht Got: „Nach MEJNEN geboten solt jr leben.“350 Derhalben mussen allein das gute werck sein, welche Gott geboten hat; denn wenn menschen aus eigener andacht wercke erdencken, domit sie Gott dienen wollen, als jetzt der mFnchen werck vnd leben sind, messen, vigilien, walfarten, barfus gehen, nicht fleisch essen vnnd dergleichen viel andere selbst erwelte wercke, welcher das Bapstumb vol ist, von disen allen spricht Gott: „Vorgeblich dienen sie mihr, dieweil sie leren solche lehre, die nichts denn menschengebot sind.“351 II. Wie vielerley gute werck sind.

Zweyerley gute werck, innerliche vnd euserliche.

Rom. 8.

[P 1r:] Es sind zweyerley werck, welche Gott geboten, nemlich innerliche des hertzen vnd eusserliche. Jnnerliche gutte werck sind: warhafftig erkentnis Gottes, Glaube, liebe, fFrchte352 Gottes, gehorsam, gedult, demut vnd andere dergleichen. Eusserliche gutte werck sind: Gottes wort predigen, lernen, bekennen, Gott den Herren anruffen, loben, ehren vnd preisen, jhme dancken, gehorsam gegen Vater vnd mutter, oberkeit, herren vnd frawen vnnd allen andern, so Gott vber vnns gesatzt, den nehisten lieben, jhme helffen vnnd dienen, die nackenden kleiden, die hungerigen speisen, die krancken besuchen, die gefangne tr=sten, keuscheit, mildigkeit, warheit vnnd die andere, welche in den zehen geboten Gottis begriffen vnnd S. Paulus als frFchte des Geistes Galat. 5 erzelet,353 welche der heilige Geist inn allen gleubigen wircket. Denn inn welchen der heilige Geist ist, in den wircket er auch eintweder innerliche oder eusserliche frFcht vnd werck oder alle beide, das also kein mensch, er sey jung oder alt, er bekere sich zu Gott zeitlich oder jhn der letzten stund seines lebens, one gute wercke, entweder jnnerlich oder eusserlich, sein kan noch mag, denn welche der geist Gotts treibet, die seind kinder Gottes, vnd wer den geist Christi nicht hatt, der ist nit sein;354 wo aber der geist Christi ist, es sey in kindern oder alten, da wircket er, es sey innerlich oder euserlich. [P 1v:] Daraus denn volget, obwol alle menschen jung vnd alt ALLEJN aus glauben gerecht vnd selig werden, jedoch werden SJE NJCHT one die frucht des glaubens vnd heiligen Geistes selig, vnd wird jnen doch nicht solcher frFcht vnd guter werck halben, sundern allein vmb des mitlers Jhesu Christi willen vnd seines verdienstes die gerechtigkeit vnnd sehligkeit aus genaden geschenckt. Denn der glaub vnd heiliger Geist ist nimmermehr one frucht 349

Dtn 12,32 (Luther 1545) = Dtn 13,1 (Luther 1984). Ez 20,19. 351 Mt 15,9. 352 Furcht. Zur Form vgl. Art. Furcht, in: DWb 4, 684, wo es heißt: „auffällig, weil unorganisch, ist der zuweilen erscheinende sg. fürchte.“ 353 Vgl. Gal 5,22f. 354 Vgl. Röm 8,14.9. 350

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vnd gute werck, sind es nicht eusserliche, so sind es doch innerliche. Denn, wie gesagt, welche der Geist Gottes treibet, die sint kinder Gottes;355 nu treibet der geist Gottes nicht allein die alten, sundern auch die kinder in der wigen, welche gleuben vnd Christo durch die tauff eingeleibet sind, in welchen er nach jrer masse wircket vnd krefftig ist. Darumb auch diese Propositio war ist, das alle menschen, so je selig worden oder noch sehlig sollen werden, die sind vnnd mFssen ALLEJN durch den glauben one aller werck verdienst selig werden, vnnd das doch niemandts one gute werck, welche stets der heilige geist in allen gleubigen wirckt, selig werde, er sey jung oder alt. Denn wie gute werck one glauben als jren quel vnd vrsprung nit sein k=nnen, also kan auch der glaube nit one gute werck als seine fruchte sein. Denn wu die Sonne des glaubens in eines menschen hertzen angezFnt vnd auffgegangen, so schei-[P 2r:]net vnd leuchtet sie gewislich vnd lest sich durch allerley gute werck vnd Gottseligkeit sehen. Denn das etliche hirwidder schreien, wie das mFglich sey, das niemandes one gute werck selig werde – Denn wann das war sein solt, so wFrde kein kind in der wigen, noch kein dieb vom galgen selig werden, dieweil sie keine gute werck nit thun kFnnen. Die solches reden, die wissen von keinen anderen wercken denn von den eusserlichen, welche jederman sehen vnd erkennen kan. Die jnnerliche, welches die beste vnnd edelste als werck des ersten gebots sind, haben alle gleubige kinder, so getaufft sind, vnnd die, so sich inn der letzte stunde zu Gott bekeren vnd gleubig sind, als glauben, forcht vnd liebe Gottes, gedult, demut vnd dergleichen. Denn diese werck seind frFchte des heiligen Geistes,356 welche er, wie gesagt, in allen gleubigen wircket vnd sie zu einem ewigen leben vernewert vnd zum andermal gebiret.357 Das bezeuget der Herre Christus, do er also zu seinen jFngern spricht: „Warlich, ich sage euch, es sey denn, das jr euch vmbkeret vnd werdet wie die kinder, so werdet jr nicht ins himelreich kommen. Wer nu sich selbst nidriget wie dis kind, der ist der gr=ssest im himelreich, vnd wer ein solches kind auffnimpt in meinem namen, der nimpt mich auff, wer aber ergert dieser geringsten einen, die an mich gleuben“358 etc. Den ver-[P 2v:]heisnen geist aber entpfahen die kinder vnnd alle andere menschen durch den glauben, welcher hernacher jn jnen krefftig ist.359 Jtem, „es ist nicht der wille ewers Vaters im himel, das jemand von diesen kleinen verloren werde.“360 Jtem, „las die kindlein zu mir kommen vnd weret

355 356 357 358 359 360

Vgl. Röm 8,14. Vgl. Gal 5,22f; Tit 3,5.14. Vgl. Joh 1,13. Mt 18,3–6. Vgl. Gal 5,5f. Mt 18,14.

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Das alle menschen ALLEJN durch den glauben on alle verdienste der wercke, vnnd doch nicht one gute werck als frFchte des heiligen geistes selig werden.

Die innerliche werck haben alle gleubige. Galat. 5, Tit. 3. Johan. 1. Matt. 18.

Gala. 5. Math. 18. Luce 18.

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Das die kinder des heiligen geistes entpfehig vnd er allerlei gute wercke in jhnen wircke. Luce 1.

Gute werck mussen inn allen sein, so sich zu Gott bekeren. Exempel des Schechers am creutze.

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jnen nicht. Denn solcher ist das reich Gottes. Warlich, ich sage euch: Wer nicht das reich Gottes nimpt als ein kind, der wird nicht hinein kommen.“361 Das aber die gleubige kinder des heiligen Geistes entpfehig vnd er allerley gute frFchte vnd werck in jnen wircke, bezeuget auch Johannes der Teuffer, welcher in mutterleib des heiligen Geists vol ist vnd durch das hFpffen in seiner mutter leib beweiset, das er glauben vnnd erkentnis des Herren Christi, Gottes Sons, vnnd durch jnen fride vnd freude in Gott habe, welches des heiligen Geistes werck sind.362 Dergleichen mussen auch gute werck, vnd sonderlichen die innerlichen, welche die beste sind, in allen sein, welche sich auch in der letzten stund zu Gott bekeren. Wie denn ann dem Schecher am Creutz zu sehen, was er vor viel vnd fFrtreffliche werck hat: Denn erstlich thut er busse vnnd bekeret sich warhaftigklichen vnd von hertzen zu Got, fFrcht Got, hatt hertzlich rew vber seine sFnde vnd beich[P 3r:]tet vnd bekennet die =ffentlich vor aller welt, so bey dem creutz stehet, vnd beschFldiget sich selbst, machet sich selbst zu schanden vnnd bekennet, das er den tod durch sein sFnde wolverdienet habe, gibt Gott das lobe der gerechtigkeit, welche ist, das er die sFnde billich straffet. Darnach hat er eine hertzliche liebe gegen seinem nehisten, dem andern Schecher, welcher Christum h=net vnd lestert, das er gerne wolt, das er sich auch zu Gott bekeret vnd selig wFrde; darumb straffet er vnd vermanet jnen zur Busse vnnd bekerung zu Gott, wie er denn zu jm spricht: „Vnd du fFrchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher verdamnis bist, vnd zwar wir sind billich darinnen, denn wir entpfahen, was vnser thaten werd sind.“363 Zum andern bekennet er da on alles erschrecken den Herren Christum vor aller welt frey =ffentlich vnd spricht, das Christus vnschFldig sey vnd jme von Pilato, den hohen priestern, Schrifftgelerten, Phariseern vnd allem volck, so jnen gecreuziget, gewalt vnd vnrecht geschehe. Dis zeugnis gibt er dem Herren Christo herab vom Kreutz vnd fFrcht sich vor niemands; dabey zu sehen, wie er durch den heiligen Geist gesterckt worden.364 Zum dritten sehen wir auch, wie er durch den glauben vergebung der sFnden entpfehet vnnd durch diesen mitler zuflucht zur barmhertzigkeit Gottes hat. Bittet vnd glaubet zugleich festigklich, [P 3v:] das jme von wegen dieses mitlers, welchen er vor ein ewigen k=nig, vor ein herren des lebens vnnd des todes erkennet, seine sFnde vergeben werden vnnd er nu werde angenommen zu einem erben des reichs Gottes vnnd des ewigen lebens, do er spricht: „Herr, gedenck an mich, wenn du inn dein reich kommest.“365

361 362 363 364 365

Lk 18,16f. Vgl. Lk 1,41. Lk 23,40f. Vgl. Lk 23,41. Lk 23,42.

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Also sehn wir in dem schecher am creutz die vornemste werck, als recht erkentnis Gottis, Rewe, glaub, lieb Gotts, gehorsam vnd gedult im leiden, bekentnis, anruffung Gottes, Liebe gegen dem nehisten etc. Daran zu sehen, das wo warhafftiger glaube ist, da mus allezeit der new gehorsam vnd allerley gutte werck volgen. Wiewol nun das kind in der wiegen vnd dieser schecher nicht die eusserliche werck haben, das sie viel fasten, beten, almussen geben, die krancken besFchen, die nacketen kleiden kundten, jedoch haben sie die h=chsten vnd edelste werck des ersten gebots, wie vormeldet. Daraus zu sehen, das kein gleubiger mensch vnnd kind Gottes, als der da nu ein newe creatur vnd ein gutter baum durch den Glauben vnd Heiligen Geist geworden, one gutte werck als frFchte des glaubens selig wird, denn je der Heilige Geist inn allen gleubigen krefftig ist vnnd seine frFchte wircket. Es sind aber zwu366 weit, weit, weit von einander vnterschiedene rede: [P 4r:] Niemands wird one gute werck als frFchten des glaubens vnd des heiligen Geistes sehlig. Vnd diese rede: Man mus durch das verdienst der guten werck selig werden. Die erste rede ist des heiligen Euangelij, welches also spricht: „Sehet zu, thut rechtschaffene frucht der busse. Welcher Baum nicht gute frFchte bringet, wird abgehawen vnnd ins feuer geworffen.“367 Jtem, „ich bin ein rechter weinstock vnd mein Vater ein Weingertner. Einen jeglichen reben an mir, der nicht frucht bringet, wird er wegknemen, vnd einen jeglichen, der do frucht bringet, wirdt er reinigen, das er mehr frFchte bringe; jhr seid jetz rein vmb des worts willen, das ich zu euch gered habe; bleibet in mir vnd ich in euch, gleich wie der rebe kan keine frucht bringen von jhm selber, er bleibe denn am weinstock, also auch jr nicht, jr bleibet denn an mir. Jch bin der weinstock, jr seidt die reben; wer in mir bleibet vnd ich in jme, der bringet viel frFchte, denn ohn mich k=nnet jhr nichts thun. Wer nicht in mir Bleibet, der wird weggeworffen wie ein rebe vnd vordorret, vnnd man samlet sie vnd wirft sie ins fewer, vnd mus brennen.“368 [P 4v:] Diese sprFche bezeugen, das die, welche durch die Tauffe vnd glauben dem Herren Christo eingeleibet vnnd nu kinder Gottes worden sind, die mussen frFchte bringen; wollen sie aber keine frFchte tragen, so schneidet sie der weingartner abe vnd wirfft sie in das hellische fewr; daraus denn auch zu sehen, ob gute werck inn den gleubigen zu der seligkeit n=tig oder nicht, wie hernacher ferner sol angezeigt werden. Zum andern bezeuget er auch, das niemandes frucht vnd gute werck brengen k=nne, er bleibe denn durch den glauben inn dem weinstock Christo Jhesu;

366 367 368

zwei (alte Femininform). Vgl. Art. zwei I.2), in: DWb 32, 973. Lk 3,8f. Joh 15,1–6.

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Das kein mensch one gute werck als des glaubens vnd des heiligen Geistes frFchte, vnd doch nicht durch verdinst solcher guten werck selig werde.

Johan. 15.

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1. Pet. 2.

Des Bapsts vnd Jnterims lere.

Mar. 11.372

Nr. 5: Ein Sermon von S. Pauli ... Bekehrung (1553)

darumb werden alhie der Pelagianer369 vnd aller anderer werck verworffen, welche ausserhalb Christo durch jhre werck die seligkeit wollen erlangen; „den on mich,“ spricht er, „kundt jr nichts thun,“ vnnd ausserhalb dieses Weinstockes Christi gefelt Gott kein werck; dem mussen wir zuuor durch den glauben eingepfropfft werden, ehe wir was gutes kFnnen thuen.370 Nu diese rede, Niemandts wirdt one gute werck als frFchten des glaubens vnd des heiligen Geistes selig, jst gewislich die rede des heiligen Euangelij; denn warhafftiger glaub vnd frFchte des glaubens mFssen allezeit beysammen sein, sol anderst der mensch [Q 1r:] selig werden, wiewol er nicht von wegen der frucht, sundern aus genaden ALLEJN durch den glauben an Jhesum Christum gerecht vnnd selig wird. Denn in Summa: Gott wil inn seinem garten vnd himelreich nicht vnfruchtbar, sundern allein fruchtbare Beume vnd reben haben, vnd wil alle vnfruchtbare Beum vnd Reben ausrotten vnd abschneiden vnnd ins hellische feur werffen, wie denn der Herre den Feigenbaum verflucht, das er keine frucht treget.371 Die andere rede aber, Man mus durch verdienst der guten wercke sehlig werden, fFret der Babst vnnd das Jnterim, die ist falsch vnd wieder das Euangelium. Also haben wir geh=rt, das zweierley gute werck sind, jnnerliche vnd eusserliche, vnd das niemandts one gute werck als frFchten des glaubens, jedoch nicht durch verdienst der werck selig werde. Nun volget das dritte.

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[III.] Worzu gute werck vnd ob sie auch zur seligkeit von n=ten. Das gute werck denen, so aus genaden vmb des Herrn Christi willen ALLEJN durch den glauben albereit gerechtigkeit, heiligen Geist vnd das ewige leben entpfangen haben vnd [Q 1v:] nu kinder vnnd erben Gottes sind, von n=ten, ia auch zur seligkeit von noten sind, wollen wier erstlich durch sprFche der heiligen Gotlichen schrifft anzeigen. Zum andern durch etliche Parabolen vnnd Gleichnis des Herren Christi. Zum dritten durch exempel. Zum vierden durch rationes, argumenta vnnd gegrundte vrsachen. Zum fFnfften durch der heiligen Christlichen lerer, vnd sonderlichen des Erwirdigen Herren Doctoris Martini Lutheri, seligen gedechtnis, schrifft vnd

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Den Anhängern des von Augustin bekämpften Pelagius wird die Lehre zugeschrieben, der Mensch unterliege nicht der Erbsünde und könne aus eigenem natürlichem Willen gute Werke tun. Vgl. Christoph Markschies, Art. Pelagius/Pelagianer/Semipelagianer II. Dogmatisch 1. Zur Begrifflichkeit und ihrer nachantiken Geschichte, in: RGG4 6 (2003), 1082–1084. 370 Vgl. Röm 11,17–24. Zur Marginalie vgl. I Petr 2,5.9f. 371 Vgl. Joh 15,1–8; Mk 11,12–14.20–23. 372 Vgl. Mk 11,12–14.20–23. [Möglicherweise sollte die Marginalie in Höhe der vorigen Anmerkung platziert werden.]

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Catholicum Consensum Ecclesiae Christi, das allezeit die Christliche kirche also gelert, gehalten vnnd gegleubet. I. SprFche aus der heiligen g=tlichen Schrifft gezogen. 5

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Wir haben nu viel jare her beyde, in der vniuersitet vnd in der Kirchen zu Wittenbergk, also geleret, des viel vrsach sindt, warumb man gute werck thun sol vnd das vnter denselbigen die vornembste volgende drey sind, welche vns gutes zu thun vnd das arge zu lassen bewegen sollen: Als erstlich die noth, zum andern die herligkeit vnd wirdigkeit der guten werck, zum dritten die belonung, welche Gott denen, so gutes thun, verheissen hat. Es wirt vns aber in der heiligen schrifft man-[Q 2r:]cherley noth fFrgehalten, als erstlich das ernstliche gebot Gottes, darnach die Schuldt, das ein mensch schuldig ist, Gottes gebott zu halten. Zum dritten, auff das wir durch den vngehorsam gegen Gott den Glauben, Gerechtigkeit, Heiligen Geist vnd die seligkeit, welche gFter wier aus gnaden one vnsere verdienst durch Christum entpfangen, nicht wiederum verliren. Zum vierden, auff das wir durch den gehorsam gegen Gott die ernstliche vnnd erschreckliche straffen, welche Gott den vngehorsamen drewet vnd, wie wir vor augen sehen, auch teglich vber sie ergehen lesset, m=gen vermeiden. Den do stehet Gottes gebot vns fFr augen vnd schreiet, treibet vnd vermanet on vnterlas in aller menschen hertzen beyde, der gleubigen vnd der vngleubigen: „Du solt kein ander G=tter neben mir haben. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eiueriger Gott, der da heimsucht der veter missethat ann den kindern bis ins dritte vnnd vierde glied, die mich hassen, vnnd thu Barmhertzigkeit an vielen tausenten, die mich lieb haben vnd meine gebot halten. [Q 2v:] Du solt den namen deines herren Gottes nicht misbrauchen, denn der herr wird den nicht vngestrafft lassen, der seinen namen mißbraucht.“373 Auff das aber einer nicht sprech: „Ja, das sagt Moses vnd das gesetz, damit haben die Christen nichts zu thun. Dann die gleubigen nu nicht mehr vnder dem Gesetz sind, sondern vnter der gnaden,374 vnd wie anderswo S. Paulus spricht: ‚Dem Gerechten ist kein Gesetz gegeben,‘375“ so spricht Christus mit klaren vnd ernstlichen worten: „Jhr, die jhr nu kinder Gottes durch den glauben an mich seid worden, seidt das liecht der welt, darumb lasset ewer liecht leuchten fFr den leuten, das sie ewre gute werck sehen vnd ewern Vater im himel preisen. Denn jhr solt nicht wenen, das ich kommen bin, das Gesetz auffzul=sen. Jch bin nicht kommen auffzul=sen, sondern zu erfFllen. Denn ich sage euch warlich: Bis das himel vnnd erden zurgehen, wierd nicht zurgehen der kleinest Buchstab noch ein titel vom Gesetz, bis das es alles geschehe.“376 Das redet er mit denen, welche nu gleubig vnd kinder Gottes

373 374 375 376

Ex 20,3.6f; Dtn 5,7.9–11. Vgl. Röm 6,14. I Tim 1,9. Mt 5,14.16–18.

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Vide locos Communes Philippi Melanthonis.

Warum von n=ten, gute werck zu thun.

Rom. 6. 1. Tim. 1. Matth. 5.

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Dreierley menschen, welche gerecht vnd selig wollen werden. Die Ersten.

Die andern.

Die dritten.

Matth. 5. Joha. 15. Rom. 10.

Nr. 5: Ein Sermon von S. Pauli ... Bekehrung (1553)

sind, vnd spricht, das jhr glaube falsch vnd nicht ein warhafftiges liecht sey, wo sie jnen nicht durch gute werck vor den leuthen leuchten lassen. [Q 3r:] Darnach straffet er auch die Phariseer von wegen jrer falschen, heuchlerischen gerechtigkeit, do er spricht: „Es sei denn ewer gerechtigkeit besser denn der schrifftgelerten vnnd phariseer, so werdet jr nicht inn das himmelreich kommen.“377 Als wolt er sagen: „Es sind dreierlei menschen, die do gerecht vnnd selig sein wollen: Die ersten sind die falschen Christen, welche den oben weg zum himelreich gehen; dieselbigen, wenn sie h=ren, das sie allein durch glauben an mich die seligkeit erlangen, so wehnen sie, das sie nun des gesetzes vnnd gutter werck befreiet, furen derwegen ein wild vnnd gotlos leben, wollen von allen gesetzen frei vnnd los sein. Die ander sind die, welche den vntern weg zum himmelreich gehen; dasselbige sind erstlich die schrifftgelerten vnnd phariseer, welche one warhafftige Busse, one Rew vnnd Glauben ann mich, allein durch gesetz, durch jhre werck vnnd heiligkeit das himmelreich verdienen wollen. Darnach sind zu yetziger zeit die MFnche, Papisten vnnd Jnterimisten, welche nicht allein durch glauben an mich, sondern auch durch jhre verdinst vnnd wirdigkeit ins himelreich kommen wollen. Welche aber diese zwo strassen, die obere vnd die vntere, gehen, die felen des rechten weges, jrren vnnd gehen beyseits ab vnnd kommen nimmermehr ins reich Gottes. [Q 3v:] Die dritten sind, welche die mitlere strasse gehen. Das sind die, welche warhafftige Busse thun, jhre sFnde erkennen vnd vor Gottes zorn erschrecken vnnd volgend nach diesem erschrecken gleuben, das ich jhr mitler, fFrsprach378 vnd vers=ner bey dem Vater sey. Derwegen sie aus lauter Gnaden vnnd Barmhertzigkeit des Vaters, Allein durch den glauben an mich, one das Gesetz, one alle werck, one alle verdinst vnd wirdigkeit vergebung der sFnden die Gerechtigkeit, den heiligen Geist vnd das erbe des ewigen lebens entpfahen. Denn aber, wen sie also kinder vnd erben des Vaters Allein durch den glauben an mich worden sind, alsdenn nemen sie das Gesetz, die Zehen gebot Gottes fFr sich vnd bevleissigen sich, darnach zu thun vnd zu leben, betrachten die vnaussprechliche liebe Gottes des Vateres, so er jnen erzeigt, das er mich, seinen eingebornen Son, jnen gegeben hat, auff das sie an mich gleubten vnnd durch solchen glauben selig wFrden, fahen derwegen an, Gott jhren Vater zu fFrchten vnnd wiederum zu lieben, erkennen, das sie jme zu gehorsamen schuldig sind, lassen jhr liecht des glaubens fFr den leuten leuchten, das sie jhre gute werck sehen vnd jhren Vatter im himel preisen,379 halten vnd erfFllen also das Gesetz durch den glauben an mich. Dan one mich kan das Gesetz nicht gehalten, noch erfFllet werden.380 [Q 4r:] „Demnach,“ spricht Christus, „bin ich

377 378 379 380

Mt 5,20. Anwalt; Wortführer; Fürsprecher. Vgl. Art. Fürsprach 1–3), in: DWb 4, 831f. Vgl. Mt 5,16. Vgl. Joh 15,5; Röm 10,3–13.

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nicht kommen, das Gesetz oder die Propheten auffzul=sen. Jch bin nicht kommen auffzul=sen, sondern zu erfFllen.“381 Denn dieweil das Gesetz ein ewiger, vnwandelbarer wille, decret, satzung vnnd ordenung Gottes ist, durch welche alle Engel vnnd menschen entweder zum gehorsam odder aber zur straffe verbunden382 werden, wie denn das Gesetz spricht: „Verflucht sey yeder man, der nicht alles thut vnnd helt,“383 so mus es erfFllet werden, wie Christus spricht: „Jch sage euch warlich: Bis das himmel vnnd erde zurgehe, wirdt nicht zurgehen der kleinest Buchstab, noch ein titel vonn dem Gesetz, bis das es alles geschehe.“384 Darumb, wiewol das Ewangelion leret, das der mensch gerecht werde one des Gesetzes werck, allein durch den glauben,385 jedoch wierdt dardurch das Gesetz vnnd die guten werck nicht auffgehaben, sondern viel mehr bestettiget. Wie Paulus leret: „Wie? Heben wier denn das Gesetz auff durch denn glauben? Das sey ferne, sondern wier richten das Gesetz auff.“386 [Q 4v:] Auff das aber dis recht m=ge verstanden werden, ist alhie zu wissen, das das gesetz dreierlei vrsach wegen von Gott gegeben sey: Erstlich dazu, das alle menschen vnter dem gesetz als vnter einem zuchtmeister s=llen gehalten werden vnnd dardurch sich zemen vnnd zFchtigen lassen. Wie Paulus spricht: „Das gesetz ist gegeben den vngerechten vnnd vngehorsamen, den Gotlosen vnnd sFndern“387 etc. Zum andern, das es vns vnsere sFnde vnnd den zorn Gottes wider die sFnde solle er=ffnen vnd anzeigen, wie Paulus sagt: „Durch das gesetze kombt erkentnis der sFnde;388 das gesetz richtet nur zorn an.“389 Dieweil es denn von Gott darzu gegeben, das es Gottes zorn wieder die sFnde dem menschen sol er=ffnen, so kan es Gott nit stillen, noch versFnen, noch die sunde hinweg nemen, Gerechtigkeyt vnd seligkeit wircken, sondern wircket allein erschrecken vnnd den todt. Wie S. Paulus vom Gesetz schreibet, das es ein ampt sey, welches tode390 vnnd vom verdamnus predige.391 Zum dritten ist das gesetz auch dazu von Got gegebenn, das die glaubigen, so nu, durch den Heiligen Geist vernewert, kinder vnnd erben Gottes aus gnaden, one jre werck vnnd verdinst, durch Christum worden sind, aus dem gesetz lernen s=llen, was fur werck Gott von jnen fordere, wie sie nun hink

Im Original: vnwandelbare. Vgl. aber den Haupttext.

381 382 383 384 385 386 387 388 389 390 391

Vgl. Mt 5,17. verpflichtet, bestimmt. Vgl. Dtn 27,26; Gal 3,10. Mt 5,18. Röm 3,29. Röm 3,31. Vgl. I Tim 1,9. Röm 3,20. Röm 4,15. töte. Vgl. II Kor 3,7.9.

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Das Gesetze ein vnwandelbarerk wille Gottes.

Rom. 3. Das gesetze dreierlei ursach wegen von Gott gegeben. 1. Thimo. 1.

Rom. 3. 4.

2. Corin. 3.

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Wie das gesetze durch den glauben auffgerichtet werde.

Des Gesetzes wirckung, da kein glaube.

Rom. 10.

Das gesetze ist ein zuchtmeister,l der da zu Christo fFret.

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furtan im glauben Gott dienen vnnd leben s=llen, auff das sie nicht selbs eigne werck vnnd Gottesdinst erdichten. [R 1r:] Derhalben, wenn S. Paulus spricht: „Wir richten durch den glauben das Gesetz auff,“392 sollen wier wissen, das, wiewol der mensch, so noch nicht durch den glauben Gott gefellig vnd angeneme worden, sein leben nach den Zehen geboten Gottes richtet vnd mancherley gute werck thut Vnd ein eusserlichen zFchtigen, ehrlichen wandel fFret, das er dennoch dardurch Gott nicht vers=net, noch vor jhm Gerecht wierdt, noch das Gesetz erfFllet, sondern noch vnter der verfluchung vnnd maledeiung393 des Gesetzes bleibet, dieweil das Gesetz beide, den jnnerlichen des hertzen Vnd den euserlichen aller glider des menschen, vnd also volkomen gehorsam erfordert, wie es denn spricht: „Du solt dich nicht gelFsten lassen“394 etc., welchen dieweil395 der mensch in dieser verderbten nathur Gott nicht volkFmlich leisten kan, so wierdt er allezeit durchs Gesetz beschFldiget vnd vermaledeiet.396 Derwegen auch ein solcher mensch, welcher one glauben vnd erkentnis des Euangelij ist, Got nicht kan lieben noch anruffen, sondern fFrcht sich vor Gott vnd fleucht vor jm, kan auch nicht gewis wissen, ob sein leben vnd werck Gott gefallen oder nicht. Darum, wo das Gesetz one den glauben an Jhesum Christum ist, da thut es nichts anders, denn das es den menschen beschFldiget vnd verdammet. So gefallen auch Gott die werck des Gesetzes nicht, dieweil sie one glau-[R 1v:]ben vnd one erkentnis des Herren Christi geschehen; denn Christus ist des Gesetzes ende, wer ann den gleubet, der ist gerecht.397 Darumb ist das Gesetz gegeben, wie gesagt, das es vns die sFnde vnd den erschrecklichen zorn Gottes wieder die sFnde sol er=ffnen vnd vns vnsere gebrechligkeit vnd verderbte natur anzeigen, das wir es nicht k=nnen erfFllen, auff das wier zu vnserm mitler Jhesu Christo vnsere zuflucht lernen haben vnd gleuben, dieweil wir durchs Gesetz kein gerechtigkeit, leben vnnd seligkeit haben k=nnen. Das vns solche gFter von Gott von wegenn dieses mitlers aus gnaden one vnsere verdienst geschenckt werden vnnd wier dieselbige durch den glauben entpfahen sollen, welcher mitler, so er also durch den glauben in vns wonet, alsden werde er das Gesetz in vns durch sein heiligen Geist anfahen, vnnd werden alsdenn erst vnsere werck Gott gefellig vnd angenem sein – Das alles erinnert vns das Gesetz. Auff diesen mitler weiset, fFret vnd leitet das Gesetz mit allen seinen opffern, allem Gottesdinst vnd mit allen verheissungen. l

Im Original: zuhtmeister.

392 393 394 395 396 397

Vgl. Röm 3,31. Fluch. Vgl. Art. Maledeiung, in: DWb 12, 1500. Vgl. Röm 7,7 (Ex 20,17). welchen dieweil = weil diesen (Gehorsam). verflucht. Vgl. Art. vermaledeien, in: DWb 25, 840f. Vgl. Röm 10,4.

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Derwegen wirdt auch vonn S. Paulo Christus das ende vnnd die erfFllung des Gesetzes genandt,398 nicht allein das er durchs Gesetze vns fFrgebildet vnnd gewiesen wierdt, sundern fFrnemlich darumb, das durch Christum vns die gerechtigkeit gegeben wierdt, welche das Gesetz erfordert vnd von vns haben wil.399 [R 2r:] Derhalben, wenn S. Paulus spricht: „Wier richten durch den glauben das Gesetz auff,“400 wil er das sagen, das wir die gerechtigkeit vnnd seligkeit durch den glauben erlangen. Welches dem Gesetze in vnser verderbten natur vnmFglich zu wircken vnd zu geben.401 Es wierdt aber das Gesetz Gottes in vnns auff dreierley weise auffgerichtet. Erstlich, das wir durch den glauben von wegen des mitlers vergebung der sFnden entpfahen vnd solcher glaube vns zur Gerechtigkeit zugerechnet wierdt. Zum andern, das durch den glauben vnd heyligen Geist der gehorsam, welchen das Gesetz erfordert, jnn vns angefangen wierdt. Denn wenn wier ver gebung der sFnden durch den glauben entpfahen, so fahen wier den an, Gott zu fFrchten vnd zu lieben vnd jnen anzuruffen, vnd wirdt alsdenn in vns die gerechtigkeit vnd das ewige leben angefangen, wenn vns der herre Christus, welcher das haubt der gemeine ist, seinen heiligen Geist gibt, durch welchen wier Also im Geist vnsers gemFts vernewert werden, das wier den newen menschen anzihen, der nach Gott geschaffen ist, jn rechtschaffner gerechtigkeit vnd heiligen Geist, vnnd legen nun ab den alten menschen, der durch lFste im jrthum sich verderbet. Zum dritten, wiewol wier nu inn diesem vergenglichem leben Das Gesetz nicht Volkommen [R 2v:] erfFllen vnd noch sFnde, b=se lust vnd neigung in vns bleiben, jedoch werden wir durch den glauben von wegen des mitlers vor gerecht vnd zu erben des ewigen lebens angenomen. Vnd wierdt vns die erfFllung des Gesetzes, so der Son Gottes von vnsert wegen gethan, zugerecht, als hetten wirs gethan. Welcher darum von dem Vater gesandt worden, geboren von einem weibe vnd vnter das Gesetz gethan, auff das er die, so vnter dem Gesetz waren, erl=sete, das wir die kindschafft entpffiengen.402 Diese grosse gaben Gottes, welche durchs Gesetz vns sind fFrgebildet vnd das Gesetz vns nicht geben kund (Sintemal es durchs fleisch geschwecht wardt),403 gibt vnns Christus, welche wier durch den glauben von jhme empfangen. Darumb wird gesagt, das durch den glauben das Gesetz nicht auff m–m n

Im Original: Gese=|tzes. Im Original: Gaat.

398 399 400 401 402 403

Vgl. Röm 10,4. Vgl. Röm 8,1–4. Vgl. Röm 3,31. Vgl. Röm 8,3f. Vgl. Gal 4,4f. Vgl. Röm 8,3.

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Rom. 10. Warum Christus di erfFllung des gesetzes genent wirt.

Rom. 8. Das mGesetz, esm wierdt dreierley werck in den gleubigen auffgericht. Rom. 4.

Galat.n 4.

Roma. 8.

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Welchen S. Paulus predige. Was die lere vom glauben vor eine lere sey.

Das gesetz mus in allen gleubigen auffgericht werden.

Rom. 10.

Rom. 8.

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gehoben, sondern bestetiget werde,404 wie jtziger zeit das meiste theil der leuthe wenen. Wan sie h=ren, das wir aus gnaden, on alle vnsere werck, ALLEJN durch den glauben gerecht vnd selig werden, so wollen sie denn von keinem Gesetze noch von guten wercken h=ren, fFren ein Gottlos wesen, durch welches Gott vnd seine lere geschendet vnd gelestert wierdt. Diesen prediget hie S. Paulus vnd spricht, das die lere vom glauben nicht eine solche lere sey, durch welche das Gesetz vnd die gute werck werden auffgehoben Vnd jederman nach seinem [R 3r:] mutwillen gestatet, sondern das durch die predig des glaubens Das Gesetze vnnd die lere von guten wercken werde auffgericht, vnd die leute wissen m=gen, wie vnnd wodurch sie das Gesetz m=gen halten vnnd erfFllen. Denn wiewol es war ist, das die heiligen Gottes, das ist: die gleubigen, in diesem leben das Gesetz durch sich selbs nicht erfFllen kFnnen, dennocho wiel Gott haben, das sie alhie s=llen anfahen, dem gesetz zu gehorsamen. Vnnd wiewol noch sFnde vnd b=se lust dableibet, jedoch wil er jnen dieselbige nicht zurechnen Vnnd im solchen angefangenen gehorsam vmb Jhesu Christi willen in denselbigen gefallen lassen. Darumb muß das Gesetz in allen gleubigen auch in diesem leben auffgericht werden. Sonst were es vergebens gegeben, welches vnmFglich; vnd auff das es auffgericht werde, gibt Gott darum die predig vom glauben, die Hochwirdige Sacrament, den Heiligen geist in vnsere hertzen. Derwegen, in welcher menschen hertz das gesetz nicht auff die dreyerley weise auffgericht wierdt, wie oben geh=rt (Alsp erstlich durch den glauben an Christum Jhesum, zum andern durch vernewerung des Geistes zum gehorsam gegen Gott vnd zum dritten, obwol dieser angefangner gehorsam noch vnuolkummen, das wier dennoch Gottes kinder vnnd erben bleiben [R 3v:] ALLEJN durch glauben an Jhesu Christ, nicht vonn wegen vnsers gehorsams oder vernewerung) dieq konnen nimmehrmehr selig werden, denn sie kein warhafftigen, sondern ein falschen vnnd ertichten glauben haben. Darumb wirdt allein das Gesetz in den gleubigen auffgerichtet vnd volbracht. Denn die haben allein Christum, welcher das ende des Gesetzesr ist,405 welches erfFllung den gleubigen zu jhrem angefangnem gehorsam zuhFlffe kFmpt Vnnd jnen zugerechnet wierdt, als hetten sie das Gesetz volkommen gehalten, wie Paulus schreibet: „Gott sante seinen Son, auff das die Gerechtigkeit, vom Gesetz erfodert, in vns erfFllet wFrde.“406 Ja, was sinds aber fFr leFth, jn welchen diese Gerechtigkeit erfFllet wierdt? Solche leuth sinds, o p q r

konjiziert aus: Darnach. Klammer ergänzt. konjiziert aus: den. Im Original: Gesetees.

404 405 406

Vgl. Röm 3,31. Vgl. Röm 10,4. Röm 8,3f.

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spricht Paulus, die nicht nach dem fleisch, sondern nach dem Geist wandelen.407 Hieraus ist zu sehen, wie vnd warumb vnd in welchen das Gesetze vnd welchen die gute werck von n=ten. Jn denen nemlich, welche nu den heiligen Geist haben vnd kinder Gottes sind, die sollen das Gesetz vor sich nemen, darnach thun vnnd leben vnnd inn allerley guten wercken sich Fben vnd sich den heiligen Geyst treiben lassen, das das Gesetz Gottes in jnen auffgericht werde. Nv wollenn wier auch denn spruch Christi vor vnns nemen, welcher miht diesem [R 4r:] S. Pauli Fbereinstimmet, da Christus also spricht: „Jhr solt nicht wenen, das ich kommen bin, das Gesetz odder die Propheten auffzul=sen. Jch bin nicht kommen auffzul=sen, Sondern zu erfFllen“408 etc. Dieweil zu allen zeiten Viel leute sind, welche, wen sie die lehre vom glauben vnnd vonn der Christlichen freiheit h=ren, gedencken sie, das sie keinem Gesetze mehr vnterwoffen, noch gutes zu thun schuldig, sondern nu nach jhrem gefallen leben vnnd allen mutwillen treiben m=gen, wie wir oben auch gesagt vnnd jtziger zeit an vnsern leuten sehen, welche allen predigten von dem Gesetz vnd guthen wercken feind sind vnnd sie nicht leiden wollen. Diese blindheit vnnd Thorheit der leute straffet der Herr alhie vnd erinnert vnns, das wier gedencken sollen, was vor ein gros dingk das Gesetz Gottes sey. Denn es eine ewige vnnd vnnwandelbare Regel der weisheyt Gottes ist, durch welche alle vernFnfftige Creaturen, Engel vnd menschen, zum gehorsam gegen Gott oder zur straff verbunden [R 4v:] vnnd vorpflicht werden. Welche seine weisheit Gott der Herr in der schepffung den Engelns vnnd menschen eingepflantz hat, durch welche sie erkennen, was sFnde vnd was Gerechtigkeit sey. Daraus den Adam bald verstanden hat, da er gefallen, wie er wieder solchen ewigen willen Gottes gesFndiget vnd dardurch Gottes zorn vnnd straff verdinet hette. Denn das gesetz verdammet die verachtung Gottes. Darumb das gesetz sich nicht lest auffl=sen vnnd ausleschen, dieweil es von ewigkeit in G=ttlicher natur gewesen vnd in ewigkeit bleibet vnnd in menschliche natur gepflantzt ist,409 wiewol durch den fahl seher verdunckelt. Wier k=nnen aber in dieser finsternis der verderbten natur nicht genugsam sehen noch verstehen, wie ein gros ding das Gesetz Gottes ist vnd wie wir dardurch Gott so hart verpflicht vnd verbunden sind. Der Herre Christus aber, welcher in der Schos des vaters ist Vnd die ewige weisheit vnd den vnwandelbaren willen des vateres erkennet, der weis vnd verstehet, wie die Engele vnnd das gantze menschliche geschlecht durch das gesetz gegen Gott in ewigs

Im Original: Engln.

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Vgl. Röm 8,4. Mt 5,17. Vgl. Röm 2,14f.

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Welchen die gute werck von n=then.

Math. 5.

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Die erfFllung des gesetzes geschicht durch Christum auff dreyerley weise.

Phil. 2. Esa. 53. 1. Pet. 2.

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keit verbunden sind. Darumb spricht er: „Jch bin nicht kommen, das Gesetz auffzul=sen, sondern zu erfFllen,“410 vnnd diese erfFllung sol nicht verstanden werden, das er allein vor sein person das [S 1r:] Gesetz erfFllet habe, sondern von der erfFllung, die er von wegen des gantzen menschlichen geschlechts gethan hat. Solche erfFllung aber des gesetzes geschicht durch Christum auff dreierley weise: Erstlich, dieweil durch das gesetz, welches, wie oben gehort, ein ewiger vnwandelbarer wille Gottes ist, das menschliche geschlecht eintzweder zum gehorsam odder zur straff verbunden Vnnd er411 nu durch den vngehorsam inn Gottes straff, zorn, vngenade vnnd in tode gefallen, k=met Gottes Son von himmel herrab Vnd wird mensch vnnd nimbt anstad des gantzen menschlichen geschlechts die straff, die verfluchung vnnd vermaledeiung des gesetzes, den zorn Gottes, vnser aller sFnde auff sich, leidet also die straff des gesetzes vnnd erfFllets durch solchen seinen gehorsam gegen dem Vater bis zum tode, ja zum tode am creutz.412 Diese straffe des gesetzes ligt auff jm, auff das wir friede hetten, vnd durch seine wunden sind wier geheilet.413 Diese demut vnnd das leiden des lieben Sons Gottes Jst also gros, das sie von keiner creatur genugsam kan bedacht, wiel geschweigen ausgeredt werden. Darumb sollen wier diese erfFllung des gesetzes, so durch den Son Gottes vor vns geschehen, stets vor augen haben, auff das, wen wier von der vergebung der sFnden gedencken, zugleich auch betrachten, was vor ein er[S 1v:]schrecklich vnd greulich ding die sFnde vnnd wie Gottes gerechtigkeit so ernst vnd gestreng sey, das die erfFllung des gesetzes Vnnd die erl=sung des menschlichen geschlechts durch kein creatur, sondern allein durch den eingebornen Sonn Gottes hat geschehen k=nnen, das der die straff an vnser stad auff sich hat nemen mFssen. Vnsere Elend vnd straffen, so wier leiden, sind allein erinnerung von diesem erschrecklichen gericht des gesetzes Gottes, vnd sind kein precium pro peccato, keinn betzalung noch gnugthuung fFr die sFnde. Sondern Christus ist vnser precium vnd λύτρον‚ vnsere gnugthuung fur die sFnde. Daraus zu sehen, wie Gottes gericht so gestreng. Denn er die sFnde nicht vmbsonst oder aus gnaden wiel vergeben, es ergehe dann die straffe zuuor vber seinn eingebornen geliebten Sonn, dieweil er sich an stadt des menschlichenn geschlechts selbschuldig414 gemacht. Kurtzumb, da mus durch die straff des Sons das gesetz Gottes erfFllet werden. Da wierd nicht anders aus Vnd ist kein ander mittel noch weg, denn das der mitler, der Sonn Gottes, solche straff auff sich neme, auff das der zorn des Vaters gestillet Vnd dem gesetz

410 411 412 413 414

Mt 5,17. d.h. der Mensch. Vgl. Phil 2,6–8. Vgl. Jes 53,5; I Petr 2,24. haftbar, zum Bürgen. Vgl. Art. selbstschuldig 3), in: DWb 16, 491.

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genug geschehe Vnnd dardurch allenn gleubigen die vergebung der sFnden, gerechtigkeit vnnd Seligkeit erkauffet vnd erworben werde. [S 2r:] Also haben wier wol one alle vnsere werck, verdienst vnnd gnugthung die vergebung vnd die seligkeit, was vns belanget. Was aber den Sonn Gottes belanget, jst sie ja theur erkaufft,415 vnd ob wol inn vnns die erfFllung des gesetzes, wie volget, auch mus angefangen werden, jedoch ist sie nicht das verdienst der gerechtigkeit vnnd seligkeit. Zum andern erfFllet Christus auch das gesetz dardurch, das er das gesetz der Zehen gebot, welches einn ewig, vnwandelbar decret vnd willen Gottes ist, recht leret, erkleret, ausleget Vnnd anzeiget, wartzu es gegeben Vnnd wie mann sein recht brauchen sol – wie wier oben von dreierley gebrauch des gesetzes geh=rt, vnd das Christus den falschen verstand vom gesetz der Schrifftgelerten vnnd Phariseer verwierfft Vnd jhre jrthumb anzeiget, welche meineten, das die eusserliche werck vnnd zucht die Gerechtigkeit vor Gott wircket Vnnd dardurch das gesetz erfFllet werde, wie er denn spricht: „Es sei denn Ewer Gerechtigkeit besser denn der Schrifftgelerten vnnd Phariseer, so werdet jhr nicht in das himmelreiche kommen.“416 Zum drittenn erfFllet Christus das Gesetz, das er in gleubigen vnd kindern Gottes dasselbige durch sein Heiligen Geist wider auffricht. [S 2v:] Denn darzu ist der Son Gottes erschinen, das er die werck des teFffels, die sFnde vnd den Todt zurst=re417 vnd in diesem leben in vns die Gerechtigkeit vnnd das Ewige leben anfahe vnnd wieder auffrichte. Wenn wier aber vonn den todten werdenn aufferstehen, alsden so wirt die gantze erfFllung des gesetzes vnnd der Gerechtigkeit in vnns volkommen geschehen, welche in diesem leben allein angefangen wierd. Denn das ist offenbar, das diese newe nathur, das licht vnd die gerechtigkeit vnnd das ewige leben, so in denen, welche dem Euangelio gleuben Vnnd zum andermal geboren werden, angefangen wierdt, das solches nicht menschlicher natur krafft vnd werck, sondern grosse vnd hohe gaben Gottes sind, welche er vns von wegen seines sons vnd durch den Son gibt; jedoch sind wier nicht durch solche vernewerung vnd das die erfFllung des gesetzes in vns angefangen wiert, gerecht vnnd selig, wie das Jnterim leret,418 sondern bleiben allezeit in diesem leben ALLEJN durch den glaubenn gerecht vnnd selig. Welcher glaube auch einn newes licht ist, welches vns Gott vonn wegenn seines Sons Vnnd durch den Sonn gibt. Durch welchen glauben wier die vergebung der sFnde vnnd die vers=nung entpfahen, auch in vns die bekerung zu Gott, die anruffung Gottes, ein newe vnnd ewige Gerechtigkeit t

konjiziert aus: 3.

415 416 417 418

Vgl. I Kor 6,20; 7,23; I Petr 1,8f. Mt 5,20. Vgl. I Joh 3,8. Vgl. Augsburger Interim, 42–47 (Art. 4 Von der Rechtfertigung / De iustificatione).

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1.t Cor. 6. 7; 1. Petri 1.

Math. 5.

1. Joha. 3.

Wier sind nicht von wegen der vernewerung, wie das Jnterim leret, sondern von wegen des Hern Christi durch den glauben gerecht.

210

Zacha. 12.

Rom. 8.

Rom. 8. Rom. 3.

Math. 5.

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vnnd leben angezFndet wierdt, wie in Za-[S 3r:]charia geschriben stehet: „Jch wil ausgiessen den Geist der gnaden vnd des gebets,“419 das ist: den heyligen Geist, durch welchenn die menschen erkennen, das sie Gott vmb Jhesu Christi willen wider zu gnaden habe angenommen. Wie auch Paulus spricht: „Der heilige Geist gibet zeugnis vnserm Geist, das wir kinder Gottes sind.“420 Welcher Geist die gleubigen auch fFret vnd regirt vnd sie zum gebete, zur liebe vnnd gehorsam gegen Gott vnd allerley gute werck treibet vnd bringet. Denn wer den Geist Christi nicht hat, der ist nicht sein.421 Hieraus lernen wir, wie der spruch des hern Christi mit S. Pauli vbereinstimmet, da er spricht: „Wier richten das gesetz durch den glauben auff.“422 Damit das nich jemands gedencke, die lere vom glauben sey eine solche lere, welche das gesetze vnnd gute werck auffhebe, sondernn das jederman wisse, das eine solche sey, welche das gesetz bestetige vnd anzeige, wie Christus das gesetz vor vns erfFllet habe Vnd wie des gesetzs erfFllung in vnns nach der newen geburt auch mFsse angefangen werden, wie der Herre mit ernstlichen worten spricht: „Warlich, ich sage euch: Bis das himmel vnnd erden zurgehe, wirt nicht zurgehen der kleinest Buchstab noch ein titel vom gesetz, bis das es alles geschehe.“423 Das ist nu der grundt dieser proposition vnd lere, das die erfFllung des gesetzes vnnd die gute werck in den glaubigen, so nu newe geboren vnd [S 3v:] kinder Gottes sind, nicht zu erlangung der seligkeit, die wier one alle gesetze vnnd werck aus gnaden ALLEJN durch den glauben haben, sondern darzu n=tig sind, das wier nicht durch vnglauben vnd b=se werck vnd durch die sFnde wieder das gewissen Vnnd durch den vngehorsam wieder das gesetze Gottes den glauben vnd die seligkeit wieder verlieren vnnd aus der gnade, die wir durch den glauben erlanget, wieder in die vngnade Gottes, vnd aus dem leben wieder in todt fallen. Wie denn die volgende sprFch zeugen.

5

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SprFch aus der Heyligen schrifft. Ezech. xxxiij: Es kan der gerecht nicht leben, wenn er sFndiget. Denn wo ich zu dem gerechten spreche, er sol leben, vnd er verlest sich auff seine gerechtigkeit vnd thut b=ses, so sol aller seiner fr=migkeit nicht gedacht werden, sondern er sol sterben in seiner Bosheit, die er thut.424 Das ist ein klarer spruch, das die, so albereit gerecht sind, leben vnd seligkeit haben, diese gFter [S 4r:] alle durch die sFnde wieder verliren Vnd wieder in den todt fallen. Sollen sie nu die gerechtigkeit vnd seligkeit behalten, so mFssen sie im glauben bestendig bleiben vnd verharren vnd gute werck thun

419 420 421 422 423 424

Sach 12,10. Röm 8,16. Röm 8,9. Vgl. Röm 3,31. Mt 5,18. Ez 33,12f

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vnd b=se vormeiden, damit sie also den glauben vnd gutt gewissen behalten. Denn diese beyde geh=ren zusammen, Glauben vnnd gut gewissen. Wie Paulus Timotheum leret: „Vbe ein gute Ritterschafft vnd habe glauben vnd gutt gewissen.“425 Hieraus aber volget nicht: Wie durch glauben vnnd gute werck die seligkeit erhalten wierdt, also wirdt sie auch durch gute werck vordinet; denn kein gut werck nicht sein kan, es sey den zuuor der mensch allein durch den glauben aus gnaden one verdinst gerecht vnd Gott angenem Vnd die person Gott gefellig. Denn die person allein von wegen des Hern Christi von Gott wierdt angenomen. Welche wenn sie nu Gott gefellig, alsdenn so gefallen erst auch die werck des hern Christi halben Vnd gefilen Gott nicht, wu die person zuuor Gott durch den glauben nicht vers=net vnd gefellig were. Ein solcher mensch aber Hat schonn die seligkeit vnd ist ein kind Gottes, wie Johannes spricht: „Meine lieben, wier sind nu Gottes kinder Vnnd ist noch nicht erschienen, was wier sein werden“426 etc. Derwegenn darff ers durch guthe werck nicht erst verdienenn, die er albereit durch den glauben hat. Er sehe allein zu, das ers durch die sFnde wieder das gewissenn nicht wider verliren, [S 4v:] wie hie Ezechiel spricht: „Es kan der gerecht nicht leben, wen er sFndiget.“427 Denn der sFnden solt ist der todt,428 wie der Gerechtigkeit das leben. Rom. VIII: So ist nu nichts verdamlichs an denen, die in Christo Jhesu sindt. Ja was sinds aber vor leuthe? Die nicht nach dem fleisch wandeln, sondern nach dem Geist.429 Rom. X: So man von hertzen gleubet, so wirdt man Gerecht. Vnnd so mann mit dem mundt bekennet, so wierdt man selig.430 Paulus redet alhie nicht allein vonn dem bekentnis des mundes, sondern auch vonn dem bekentnis, welches im gantzen leben der gleubigen scheinen vnnd leuchten sol. Denn vnser gantzes leben sol dahin gericht seinn, das Gott dardurch geehret vnd gepreiset werde vnnd wier dardurch vor jederman vnsern glauben Bekennen Vnd die lere des Euangelij zieren vnd schmFcken. Wie Christus spricht: „Lasset ewer licht vor denn leuten leuchten, das sie ewre gute werck sehen“431 etc. Als ein FFrst vnnd Obrikeit ist schuldig alle abg=tterey in jhrer herrschafft abzuthun vnnd rechte [T 1r:] lere vnd warhafftige Gottesdienst zu pflantzen vnd zu erhalten, damit sie vor aller welt bekentnis thue etc., also sol auch ein jglicher in seinem stand vnd beruffe offentlich zeugnis seines bekentnis vor den leuten haben. Ein pfarher vnd prediger sol falsche lere vnnd abg=tterey offendlichen straffen Vnnd rechte G=ttliche lere

425 426 427 428 429 430 431

Vgl. I Tim 1,18f (Luther 1545). I Joh 3,2. Ez 33,12. Röm 6,23 [!]. Röm 8,1. Röm 10,10. Mt 5,16.

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1. Thim. 1.

1. Johan. 3.

Rom. 5.

Math. 5.

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Matth. 10. vnd 24. 2. Corint. 5.

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ausbreiten vnd ein ehrlichen gotseligen wandel fFren, damit er anzeige, das er darumb Got gehorsam sei, das er dadurch Got diene vnd die lere des Euangelij ehre. Warumb aber spricht Paulus: „So man mit dem munde bekennet, so wird man selig?“432 Hierauff ist kurtz zu antworten: Wiewol wir ALLEJN durch den glauben on alle werck vnd verdienst gerecht Kinder vnd Erben Gottes sind, jdoch sol dis newe leben dem glauben folgen, dadurch Gott geehret wird; denn nicht der da anfehet, sondern der bis ans ende verharret, wird selig.433 Also spricht auch S. Paulus: „Wir werden vberkleidet werden, so doch wo wir bekleidet vnd nicht blos erfunden werden.“434 Das ist: Es ist n=tig, das inn diesem leben die bekerung zu Gott geschehe, welcher, so sie warhafftig, auch ein new leben folgen mus; diese bekendnis vnd ernewerung sehen wir auch am Schecher am Creutz,435 wie oben vermeldet. Philip. I: Wandelt nur wirdiglich dem Euangelio Christi, welches ist [T 1v:] ein anzeigung ewer seligkeit, vnd dasselbige vor Gott.436 Hie sehen wir, wie S. Paulus von denen, die da die gerechtigkeit vnd seligkeit ALLEJN durch den glauben haben, gute Werk vnd ein Gottseligen wandel fordert, nemlich nicht als verdienst, sondern als anzeigung der Seligkeit, darumb er auch hierzu setzt: „Vnd dasselbige von Got.“ Das ist: die Seligkeit ist Gottes gabe vnd gnade, nicht der werck verdienst, noch gleich wol sollen gute werck, als anzeigung dieser gabe Gottes, in den Gleubigen leuchten.

Matth. 7.

Phili. II: Schaffet, das jr selig werdet mit furcht vnd zittern etc.437 Hebr. V: Wiewol er Gottes Son war, hat er doch an dem, das er leid,438 gehorsam gelernet; vnd da er ist vollendet, ist er worden allen, die jhm gehorsam sind, eine vrsach zur Ewigen seligkeit.439 Das ist: Christus hat vns die seligkeit durch sein leiden erworben, welche wir ALLEJN durch den glauben an jn entpfahen, aber doch al-[T 2r:]so, das wir jhm gehorsam sein sollen; solcher gehorsam wird in den gleubigen erfordert bey verliesung440 jrer Seligkeit, wie der Herr sagt: „Ein jglicher Baum, der nicht gute frucht bringet, wird abgehawen vnd ins fewer geworffen; darumb an jren frFchten solt jr sie erkennen. Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr! inn das Himelreich komen, sondern die den willen thun meines

432 433 434 435 436 437 438 439 440

Röm 10,10. Vgl. Mt 10,22; 24,13. II Kor 5,2f. Vgl. Lk 23,42f. Vgl. Phil 1,27f. Phil 2,12. litt. Hebr 5,8f. Verlust.

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Vaters im himel.“441 Vnd im Johan. spricht er: „Das ist mein Gebot, das jhr einander liebet.“442 „Denn wer nicht seinen Bruder liebet, bleibet im Tode.“443

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Jtem: So jemand spricht: Jch liebe Gott, vnd hasset seinen Bruder, der ist ein LFgner.444 Vber welchen spruch dis Doctoris Martini Lutheri, Tomo primo, auslegung ist: „Wer sich des Euangelij vnd Geistes wil rhFmen vnd doch seinen Bruder vnd Nehesten hasset vnd verachtet vnd nicht bleibet,u wie die liebe fordert, der ist gewislich nit von Gott,v denn an den frFchten kan man den Baum wol kennen, ob er gut oder b=se vnd schedlich sey. Wol ists eine feine lere, solches erkennen, das Jhesus Christus Gottes Son ist, ins fleisch gesand zum Heiland der welt,w vnd wer das erkennet, xder bleibet innx Gott vnd Gott in jhm. Aber das ist das vnglFck dabey, [T 2v:] das sie es so k=stlich wol k=nnen vnd so vberaus gelert sind. yWenn mans abery ansihet, vnd sollens zim leben also erzeigen vnd brauchen,z wie sie es wissen, so ist niemand daheim. Es heist aber also: Wer die lere recht im hertzen hat vnd in Gott bleibet, der bleibet auch inn der Liebe, Denn Gott ist selbst die Liebe etc. Darumb wiltu ein rechtschaffen Christen Fur Gott vnd der Welt gehalten sein, der nicht allein Christum auff der Zungen trage, noch auff dem Papir oder im Buch geschrieben lese, sondern grFndlichen im hertzen habe, so gedenck,a das du es beweisest mit der that vnd leben fur jederman, das deine liebe demb andern diene vnd helffe. Wenn solchs da ist vnd solche leuth dauon reden vnd rhFmen, so glaube, das es war ist.“445 „Darumb warnet nu S. Johannes so vleissig durch die gantze Epistel, das sie zusehen vnd nicht cselbs sichc betriegen vnd dFncken lassen, das sie des Glaubens vol sindd vnd Christum gar ausgelernet haben, es sey denn, das sie es auch so am leben finden vnd spFren, das es so hernach gehe vnd sich durch die liebe erzeige gegen dem Nehesten, das man jm auch dazu helffe mit worten vnd wercken, Lere vnd Exempel, vnd sich seiner notturfft anneme vnd in straffe, wo er sFndiget, weise, wo er jrret, trage, wo er schwach ist, tr=ste, wo [T 3r:] er betrFbet, u

so lebet: WA 36, 419,34. Gott (spricht er): WA 36, 419,34f. w wellt (wie er kurtz hie vor sagt): WA 36, 419,37f. x – x jnn dem bleibet [!]: WA 36, 419,38. y – y aber wenn mans: WA 36, 420,10. z – z so brauchen und jm leben erzeigen: WA 36, 420,10f. a dencke: WA 36, 420,16. b den: WA 36, 420,17. c – c sich selbs: WA 36, 421,21. d seyen: WA 36, 421,22. v

441

Mt 7,19–21. Joh 15,12 [!]. 443 I Joh 3,14. 444 I Joh 4,20. 445 Luther, WA 36, 419,32–420,19 (Etliche schöne Predigten aus der ersten Epistel S. Johannis Von der Liebe, 1532). 442

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Johan. 13. 1. Johan. 3. 1. Johan. 4.

Welchs ein rechtschaffener Christ sey.

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diene vnnd helffe, wo er durfftig – kurtz, das man die Liebe lasse scheinen vnd leuchten Als einen glantz des glaubens im hertzen. Sonst las das Vas446 auswendig sch=ne Tauben,447 Boden vnd Reiffen haben, aber weil es klinget vnd hol ist, so hate vnd nFtzet es nichts. Sch=n magstu dich mit worten schmFcken vnd gelert sein. Aber ist es rechter ernst vnd Christus recht im hertzen, so wirds sichs wol beweisen. Weil es nu so gehet bey Gottes wort, das der Teufel also allenthalben seinen samen sehet448 vnd so viel zu schaffen hat, das die Christen nicht rechtschaffen noch mit ernst sich der sache annemen, sondern sein haus fFllet nur mit ledigen hFlsen, die nur den Namen fFren vnd die wort als rechte Christen vnd lassens allein auff der Zungen schweben als den schaum vom bier, so ist noth, das man jmmer treibe vnd vermane, das sie dencken vnd mit ernst Christen sein vnd dasselbigef durch die liebe beweisen, wie hie S. Johannes thut.“449 Das sind D. Lutheri wort. I. Pet. I: Sintemal jr denn zum Vater anruffet, der on ansehen der Person richtet nach eines jglichen werck, [T 3v:] so fFret ewern wandel, solange jr hie wallet, mit fFrchten.450 Vber diesen spruch schreibet Lutherus 1. Tho. also: „Also sagt S. Peter:g Jr seid nu durch den glauben darzu komen, das jr Kinder Gottes seid vnd er ewer Vater ist, vnd habt erlanget ein vnuergenglich Erbe im himel (wie er droben gesagt hat). So ist nu nicht mehr vbrig, denn das das Tuch hinweggenomen vnd das auffgedeckt werde, das jtzt verborgen ist; des mFst jr noch warten, so lange bis jrs sehen werdet. Weil jr nu in den stand komen seid, das jr Gott fr=lich m=get Vater heissen, so ist er dennoch so gerecht, das er einem jglichen nach seinen wercken gibet vnd die Person nicht ansihet. Darumb darffstu nicht dencken, ob du schon den grossen namen hast, das du ein Christe oder Gottes Son heisst, das er darumb dein werde schonen. Wenn du on furcht lebst vnd meinest, es sey nu gnug, das du dich solches Namen rhFmest. Die welt richtet wol noch der Person, das sie nicht alle gleich straffet, vnd schonet der, die da freund, reich, sch=n, gelert, weis vnd gewaltig sind. Aber der sihet Gott keins an, es gilt jm alles gleich, die Person sey wie gros sie wolle. Also schlug er in Egypten eben soh wol des K=nigs iPharaonis ersteni Son zu tod, als jdes geringsten Mans erstenj Son. [T 4r:] Darumb wil e

So auch WA 36, 421,30; aus ursprünglichem „bat“ = hilft? Vgl. Art. batten, in: DWb 1, 1158f. dasselbe: WA 36, 422,14. g Petrus: WA 12, 288,31. h als: WA 12, 289,10. i – i Pharao: WA 12, 289,10. j – j eyns schlechten mullers: WA 12, 289,10f. f

446

Fass. Dauben (gebogene Seitenhölzer eines Fasses). Vgl. Art. Daube f. [1], in: DWb 2, 829f. 448 säet. Zum Bild vgl. Mt 13,24–30.36–43. 449 Luther, WA 36, 421,20–422,15 (Etliche schöne Predigten aus der ersten Epistel S. Johannis Von der Liebe, 1532). 450 I Petr 1,17. 447

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der Apostel, das wir vns solches gerichts versehen sollen zu Gott vnd in furcht stehen, auff das wir vns nicht also des Titels rhFmen, das wir Christen sind, vnd kvns darauffk verlassen, als wFrde er vns vmb des willen mehr nachlassen denn andern leuten; denn das hat vor zeiten die Juden auch betrogen, die sich rhFmeten, das sie Abrahams samen vnd Gottes volck weren. Die schrifft macht kein vnterscheid nach dem fleisch, sondern nach dem Geist. War ists, das er verheissen hatte, das von Abraham Christus lsolt geborenl werden vnd ein heilig Volck von jm komen. Aber darumb folget nicht, das alle, die von Abraham geborn sind, Gottes Kinder sind. Er hat auch versprochen, das die Heiden sollen selig werden, aber nicht gesagt, das er alle Heiden werde selig machen. Hiem begibt sich nu ein frage. Weil wir sagen, das vns Gott allein durch den glauben selig machet on ansehen der werck, warumb spricht denn S. Peter, das er nicht nach ansehenn der Person, sondern nach den Wercken richtet? Antwort: Was wir geleret haben, wie der glaube allein fur Gott gerechto machet, ist on allenp zweifel war, sintemal es so klar ist aus der schrift, das man es nicht leugnen kan. Das nu hie der Apostel saget, das Gott nach den wercken richtet, ist auch war. Aber dafur sol mans gewislich hal-[T 4v:]ten, wo der glaube nicht ist, das da auch kein qgute werck, die Gott gebeut, k=nnenq sein, vnd widerumb das da kein Glaube sey, wo nicht gute werck sind. DrFmb schleuß den glauben vnd die gute werck zusamen, das also inn den beiden die Summa des gantzen Christlichen lebens stehe. Nicht das die werck etwas zur Rechtfertigung fur Gott thun, sondern das der glaube on sie nicht ist, oder ist kein rechter glaube. Darumb, ob vns Gott wol nach den wercken richtet, so bleibt dennoch das war, das die wercke allein frFchte sind des glaubens, bey welchen man sihet, wo ders glaube oder vnglaube ist. Darumb wird dich Got aus den wercken vrtheilen vnd vberzeugen, das du tgegleubt oder nicht gegleubtt hast. Gleich als man ein LFgner nicht bas vrtheilen vnd richten kan denn aus seinen worten. Noch ists offenbar, das er durch die wort nicht ein LFgner wird, sondern vorhin451 ein LFgner worden ist, ehe er ein LFgen sagte. Denn die lFgen mus aus dem hertzen in mund komen. Darumb verstehe diesen spruch nur auffs ein-[V 1r:]feltigest also, das die werck FrFchte vnd Zeichen sind des glaubens. Vnd das Gott die Leuthe nach solchen frFchten, die da gewislich folgen k–k

drauff: WA 12, 289,14. geboren sollt: WA 12, 289,19. m Aber hie: WA 12, 289,23. n nicht in WA 12. o rechtfertig: WA 12, 289,26. p nicht in WA 12. q – q gGt werck konde: WA 12, 289,30. r – r rechter (?) s nicht in WA 12. t – t glewbt odder nicht glewbt: WA 12, 290,1. l–l

451

zuvor schon.

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Wo keine gute werck, da ist auch kein rnechsterr glaube. Glaub nicht on gute wercke.

Wercke frFchte des glaubens.

Die Wercke sind frFchte vnd zeichen des Glaubens, nach welchen got richtet.

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Nr. 5: Ein Sermon von S. Pauli ... Bekehrung (1553)

mFssen, richtet, auff das man offentlich sehe, wo der glaube oder vnglaube im hertzen sey. Gott wird nicht darnach richten, ob du ein Christ heissest oder getauffet bist, sondern wird dich fragen: Bistu ein Christe, so sage mir, wo sind die frFchte, damit du deinen glauben kFndest beweisen?“452

Der glaube nicht recht, wo die wercke nicht folgen.

Matth. 12. Luce. 11.

I. Corinth. XV: Wenn ich allen glauben hette, also das ich berge versetzete, vnd hette die liebe nicht, so were ich nichts.453 „Denn,“ spricht Lutherus, „wiewol der Glaube allein gerecht macht, jedoch wo die Liebe nicht folget, ist der glaube gewislich nicht recht, ob er gleich wunder thet.“454

5

Galat. V: Jn Christo Jhesu gildt weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern der Glaube, der durch die liebe thetig ist.455 [V 1v:] Denn wo der Glaube durch die Liebe nicht thetig ist, so ist er falsch vnd erticht, wie auch Lutherus allhie spricht: „Wer ein rechter Christ vnd inn Christus Reich sein wil, der mus warlich ein rechten glauben haben. Nu ist aber der glaube nicht recht, wo nicht die werck der liebe hernachfolgen.“456 Jbidem: Jr lieben BrFder seid zur freiheit beruffen. Allein sehet zu, das jr durch die freiheit dem fleisch nicht raum gebt, sondern durch die Liebe diene einer dem andern.457 Diese freiheit erlangen wir durch den glauben an Christum, welcher vns von der sFnde, vom zorn Gottes, von der vermaledeiung des gesetzes vnd vom tode vnd der gewald des Teufels frey ledig vnd los gemacht. Wo wir aber zu vnserm furwitz derselbigen misbrauchen, so verlieren wir sie wider. Derhalben ist zu erhaltung solcher freyheit vnd seligkeit, die wir durch den glauben von dem Herrn Christo entpfangen haben, von n=ten, das wir jr recht gebrauchen, wie vber diesen Spruch Lutherus mit diesen worten auch schreibet: „Denen, so der Christlichen freiheit misbrauchen, verkFndigen wir gewis, das sie nicht frey sind, wenn sie gleich noch so hoch von der freiheit rhF[V 2r:]meten, sondern uhaben verloren Christum vnd die freiheit vnd sind Knechte des Teufelsu etc. Denn der Teufel, der kaum aus jnen getrieben war, ist widerumb inn sie gefaren, hat noch andere sieben Geister mit sich genomen, die erger sind denn er selbs, darumb seinds auch nu erger worden, denn sie zuuor je gewesen sind.458

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u–u

Im Original in größeren Typen nur „[ha]ben [...] des [Teufels]“ gesetzt.

452

Luther, WA 12, 288,31–290,11 (Epistel S. Petri gepredigt und ausgelegt. Erste Bearbeitung 1523). I Kor 13,2 [!]. 454 Vgl. Luther, WA.DB 7, 123, Marginalie a zu I Kor 13,2: „(Allen glauben) Wiewol allein der Glaube gerecht machet, als S. Paulus allenthalben treibet, Doch wo die Liebe nicht folget, were der glaube gewislich nicht recht, ob er gleich Wunder thete.“ (Lutherbibel 1546; ähnlich schon im NT 1522). 455 Gal 5,6. 456 Luther, WA 40II, 37,15–17 (Großer Galaterkommentar, zu Gal 5,6; Übersetzung Justus Menius). 457 Gal 5,13. 458 Vgl. Mt 12,45; Lk 11,26. 453

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Nr. 5: Ein Sermon von S. Pauli ... Bekehrung (1553)

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Derwegen, wenn ich sage, das gute werck den Gleubigen vnd Kindern Gottes dazu n=tig sind, das sie die Seligkeit vnd freiheit nicht wider verlieren, welche sie durch Christum haben, vnd der ausgetriebene b=se Geist nicht wider in sie fare vnd mit jnen das letzte erger werde denn das erste, so beladen wir hiemit nicht der Gleubigen Geist vnd gewissen, welches von allen gesetzen befreyet, sondern beladen allein das fleisch vnd den alten Adam vnd vermanen jhn, das er nicht geil vnd furwitzig werde vnd nicht den lFsten des fleisches, sondern dem Geist Gottes folge. Leren nicht, wie er gerecht, frey vnd selig werde, sondern wie er solche gFter behalten sol, welche er allein durch den glauben zuuor entpfangen. Also schreibet Lutherus auch vber disen spruch: „Ein jeder Christ sol wissen, das er in seinem gewissen durch Christum gemacht ist zum Herren vber das Gesetz, SFnde, tod etc., also das der keines weder gewald noch recht zu jm habe. [V 2v:] Widerumb sol er auch wissen, das seinem leibe diese dienstbarkeit auffgelegt ist, das er dem nehisten durch die liebe dienen sol. Welche die Christliche freiheit anders verstehen, die misgebrauchen der Euangelischen gFter zu jrem eigen verderben etc.“459 Darumb eines ja so wol von n=ten ist als das ander, das frome vnd trewe Lerer vnnd Prediger ja so wol die Lere von guten wercken als vom glauben treiben.

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Folgen meher SprFche.

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Matth. XIX: Wiltu zum leben eingehen, so halt die Gebot.460 Vber diesen Spruch schreibet Lutherus also: „Die Gebot mFssen gehalten sein, oder da ist kein leben, sondern eitel todt. Denn auch der glaube nichts ist, wo die liebe, das ist die erfFllung, nicht folget. Denn Christus, Gottes Son, ist nicht komen, das wir solten den geboten frey vngehorsam sein, sondern das wir die Gebot durch seine hFlffe vnd mitwircken erfFllen solten. Darumb, wie es heist, Werck one Glauben sind nichts, so heists auch, glauben one frucht ist auch nichts. Denn werck one glauben ist Abg=tterey, Glauben one werck ist lFgen vnd kein glaub“461 etc.

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1. Pet. 4: „Weil nu Christus im fleisch vor vns gelidten, so wapent euch auch mit demselbigen sinn. Denn wer am fleisch leidet, der h=ret auff [V 3r:] von sFnden, das er hinfort, was noch hinderstelliger462 zeit im fleisch ist, nicht der Menschen lFsten, sondern dem willen Gottes lebe. Denn es ist nichtv genug, das wir die vergangne zeit des lebens zubracht haben nach Heidnischen willen, da wir wandelten in vnzucht, LFsten, Trunckenheit, Fresserey, v

Überschüssig gegenüber dem Bibeltext in der Fassung von 1545.

459 Luther, WA 40II, 64,16–20 (Großer Galaterkommentar, zu Gal 5,13; Übersetzung Justus Menius). 460 Mt 19,17. 461 Luther, WA 48, 117 (Auslegung vieler schöner Sprüche aus göttlicher Schrift, welche D. M. Luther vielen in ihre Bibeln geschrieben, gedruckt 1547, Nr. 158). 462 an verbleibender. Vgl. Art. hinterstellig 4), in: DWb 10, 1519.

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Wie die wort ‚gute Werck sind in den gleubigen zur seligkeit n=tig‛ zu uerstehen sind.

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Seufferey vnd greulicher Abg=tterey. Welche werden rechenschafft geben dem, der bereit ist, zu richten die Lebendigen vnd die todten.“463 2. Pet. 2: „Denn so sie entflohen sind dem vnflat der welt durch die erkentnis des Herrn vnd Heilands Jhesu Christi, werden aber widerumb inn dieselbigen geflochten vnd vberwunden, ist nichtw jnen das letzte erger worden denn das erste? Denn es were jnen besser, das sie den weg der gerechtigkeit nicht erkennet hetten, denn das sie jn erkennen vnd sich keren von dem heiligen Gebot, das jnen gegeben ist. Es ist jnen widerfaren das ware sprichwort: Der hund frisset wider, was er gespeiet hat, vnd die Sawe waltzet sich nach der schwemme wider in Kot.“464

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Hebr. 10: „So wir mutwillig sFndigen, nachdem wir die erkentnis der warheit entpfangen haben, haben wir furder kein Opffer mehr vor die SFnde, sondern ein schrecklich warten des Gerichts vnd des fewer Eiuers, der die widerwertigen verzeren wird.“465

1. Petri 5.

Ephes. 6.

1. Timoth. 1.

[V 3v:] Djeser SprFche ist die heilige Schrifft vol, durch welche vns geboten wird, das wir im glauben vnd erkentnis der warheit mit einem gFten gewissen bis an vnser ende bleiben vnd verharren sollen, vnd sind allezeit bey diesen vermanungen auch drawung gesaczt, das wo wir solches nicht thun werden, so werden wir die gnade vnd seligkeit wider verlieren vnd in Gottes zorn vnd gericht fallen. Also haben wir erstlich durch gewisse zeugnis vnd sprFche der heiligen Schrifft bewisen, das gute werck den gleubigen, so nu kinder Gottes worden, von n=ten sind zu erhaltung vnd offenbarunge der seligkeit, welche sie ALLEJN durch den glauben an Jhesum Christum entpfangen. Denn dieweil der Teufel wie ein brFllender Lew herFmher gehet466 vnd one vnterlas darnach trachtet, wie er das haus, daraus er getrieben, widerFmb er=bere vnd vns der gerechtigkeit vnd seligkeit beraube, jst warlich hoch von n=ten, das wir wachen vnd stets wider solchen feind zu felde ligen vnd wider jnen kempffen vnd streitten, damit wir die seligkeit, so wir durch den glauben entpfangen, durch vnsere sicherheit vnd Gottlos wesen nicht wider verlieren.467 Darumb vermanet S. Paulus auch Timotheum also: „Vbe eine gute Ritterschafft vnd habe den Glauben vnd gut gewissen.“468 Nu wollen wir das auch durch etliche Parabolen des Herrn Christi beweisen.

w

mit: Luther 1545.

463 464 465 466 467 468

I Petr 4,1–3.5 (nach Luther 1545). II Petr 2,20–22 (nach Luther 1545). Hebr 10,26f (nach Luther 1545). Vgl. I Petr 5,8. Vgl. Eph 6,10–17. I Tim 1,18f.

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[V 4r:] II. Beweisung durch etliche Parabolen des Herrn Christi, das gute wercke in den Gleubigen zur seligkeit von n=then.

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Matth. 18 Malet vns der Herr Christus das Himelreich in einem gleichnis sehr sch=n fur vnd zeiget, wie wir vergebung der sFnden, gerechtigkeit vnd Seligkeit allein aus gnaden durch den glauben entpfahen. Wenn wirs aber nu also entpfangen haben, so sey alsdenn von n=hten, das wie vns vnsern Vater im Himel on alle vnsere bezalung vnnd verdienst aus lauter Barmhertzigkeit vnsere Schulde vnd SFnde vergeben habe, das wir alsdenn vnserem Nehesten auch seine Schuldt erlassen vnd vergeben Vnd Barmhertzigkeit gegen jm vben, wie Gott der Vater gegen vns teglich vbet, wie vns auch der Herr im Vatervnser leret.469 Vnd wo wir solches nicht thun, so wird die erlassene Schuldt vns widerumb zugerechnet, verlieren also die gnade, vergebung der SFnden, die Gerechtigkeit vnd Seligkeit. Denn da der Knecht, welchem vom K=nige die zehentausent Pfund aus gnaden erlassen waren, seinem Mitknecht die hundert Groschen, [V 4v:] welche er jm schuldig, nicht widerumb erlassen wil, do wird der herr zornig vnnd vberantwort jnen den peinigern, bis das er bezalet alles, das er schuldig war,470 vnd setzet der Herr Christus dise ernstliche drewewort darzu: „Also wird euch ewerx himlischer Vater auch thun, so jr nicht vergebet von ewrem hertzen ein iglicher seinem bruder seinen feile,“471 daran denn zu sehen, das zu erhaltung der vergebung der sunden vnnd der seligkeit, welche wir durch den glauben enpfangen haben, von n=ten ist, das wir vnserm nehisten auch seine schulde vergeben, wo nicht, so verliren wir alle empfangene gnade. Also leget Lutherus in der Haus-Postil am 4. Sontag nach Trinitatis diese gleichnis aus vber dise wort: Richtet nicht, so werdet jr nit gerichtet.472 „Denn y(spricht Lutherus)y wir sindz alle jm gericht Gottes vnnd jm verdamnis gewesen, vnser sFnden halben. Was hat nu vnser Vater jm himmel gethan?a Jsts nicht war, er hat dich weder richten noch verdammen wollen, sondern deine sunde dir vergeben vnnd Helle vnnd verdamnis hinweg gethanb vnnd dich zu gnaden angenommen? Solch Exempel hastu an dir vnnd deiner person, dem folge vnnd thue gegen andern auch also, so bistu denn ein rechter Christ, der cdu an Christum gleubest,c deinen nehisten nicht richtest noch verdammest,

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mein: Luther 1545. Im Original: (spricht) Lutherus. z sind ye: WA 52, 389,5 a thun: WA 52, 389,6. b thun: WA 52, 389,8. c – c an Christum glaubst: WA 52, 389,10. y–y

469 470 471 472

Vgl. Mt 6,12. Vgl. Mt 18,23–34. Mt 18,35 (nach Luther 1545). Lk 6,37.

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sondern jmed vergibest, was er wider [X 1r:] dich gethane hat. So du es aber nicht fwilt thun, sondernf mit dem Schalcksknechte473 Matth. 18 dort gnade entpfahen vnd hie andern dieselbe nicht auch beweisen, so soltu wissen, das du kein Christ bist vnd das dich Gott widerumb aus der Barmhertzigkeit in das Gericht vnd verdamnis werffen vnd dich aller gFter, die er dir geben, berauben vnd alle schuld, die er dir nachgelassen, dir wider auff den Hals wil legen. Das soltu gewis haben.“474 Also wird die geschanckte gnade durch beweisung der gnade gegen dem nehisten erhalten; wo solche nicht folget, so wird sie wider verloren. Das andere gleichnis ist Luce am 11., da der Herr spricht: „Wenn der vnsauber Geist von dem Menschen ausferet, so durchwandelt er dFrre Stette, suchet ruge vnd findet jhr nicht, so spricht er: Jch wil gwider umbkereng inn mein Haus, daraus ich gegangen bin. Vnnd wenn er kompt, so findet ers mit besemen475 gekeret vnd geschmFcket. Da gehet er hin vnd nimpt sieben geister zu sich, die erger sind denn er selbs, vnd wenn sie hineinkomen, wonen sie da, vnd wird hernach mit dem selbigen Menschen erger denn vorhin.“476 Allhie vermanet der Herr alle die, welcher hertzen durch den glauben gereiniget vnd sie nu [X 1v:] ein Tempel Gottes geworden, das sie hinfort wachen vnd nicht sicher leben, noch sich wederh mit sFnden wider jr gewissen verunreinigen sollen, damit sie nicht den glauben vnd heiligen Geist wider verliren vnnd wider eine wonung der b=sen geister werden. Also spricht auch S. Paulus 1. Corint. 16: „Wisset jr nicht, das ewr leib ein Tempel des heiligen Geists ist, der in euch ist, welchen jr habt von Gott, vnnd seid nicht ewer selbs? Denn jr seid tewer erkaufft, darumb so preiset Gott an ewrem leibe vnnd in ewrem Geist, welche sind Gottes.“477

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Jungfrawen,478

Das dritte gleichnis ist Mat. 25 Von den zehen vnter welchen die fFnffe, welche lampen one =le – das ist: gutte werck one glauben – haben, die werden herausser verschlossen vnnd nicht zur hochzeit eingelassen. Die andere aber, welche lampen voller =le – das ist: glauben vnnd gutte werck – haben, die werden eingelassen, weren aber auch nicht eingelassen, wenn sie das Oele – den Glauben – one Lampen – das ist: one gute werck – gehabt

d

jm gern: WA 52, 389,11. thun: WA 52, 389,12. f – f woltest thun, Sonder woltest: WA 52, 389,12. g – g Im Original: widerumb keren. h wieder? e

473

Mt 18,32 (Luther 1545). Schalk = Bösewicht. Vgl. Art. Schalk, in: DWb 14, 2085. Luther, WA 52, 389,5–17 (Hauspostille 1544). 475 Besen (pl.). Vgl. Art. Besem 2), in: DWb 1, 1615. 476 Lk 11,24–26. 477 I Kor 6,19f (Luther 1545; vgl. Koine-Mehrheitstext: ... και εν τω πνευµατι υµων‚ ατινα εστιν του θεου). 478 Vgl. Mt 25,1–13. 474

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hetten, denn Lampen vnd Oele mus beysammen sein, das ist: der Glaube mus durch gutte werck scheinen vnnd leuchten; wo er das nicht thut, so ist es ein finstere Lampen oder Latern; wer nun auff diese hochzeit allein entweder mit gutten wercken oder allein mit glauben komet, der wirdt herausser verschlossen vnd nicht eingelassen; denn glauben vnd gutte werck, als des glaubens vnnd der gerechtigkeit frFchte, mus-[X 2r:]sen beyeinander sein; denn das ist das hochzeitliche Kleid, wer das nicht an hat, dem werden hende vnd fFsse gebunden, vnd wird aus der hochzeit in das finsternis geworffen, Matth. 22.479 Also leget auch Lutherus dis gleichnis aus vnd spricht: „Die Lampen one =le sind die guten werck one glauben, die mFssen alle verleschen, das Oelegefeß aber ist der glaube im gewissen aus Gottes gnade, der thut gute werck, die bestehen.“480 Das vierdte gleichnis ist, das dem Nehisten481 im Mattheo folget,482 da der Hendler einem seiner Knecht fFnff, dem andern zween, dem dritten ein Centner gibt vnd jnen befihlet, das sie damit handeln vnd jhm sein gut mehren sollen. Da werden die ersten zween gelobet, vnd dieweil sie vber wenig getrew gewesen, werden sie vber viel gesetzet, vnd wird jnen befohlen, das sie in jres Herren frewde eingehen sollen. Der dritte aber, welcher mit dem einigen Centner nichtes erworben, der wird gescholden vnd wird der Centner wider von jm genomen, vnd wird in die Finsternis hinausgeworffen. Also spricht auch der Herr Luce 12: „Der Knecht, der seines Herren wille weis vnd hat sich nicht bereitet, auch nicht nach seinem willen gethan, der wird viel streiche leiden mFssen.“483 Auff diese gleichnis folget im Matth die herrliche Predig vnd weissagung von des Herrn Christi zukunfft, wie er in seiner herligkeit komen werde [X 2v:] vnd alle heilige Engel mit jm,484 denn werde er sitzen auff dem Stuel seiner Herligkeit, vnd werden vor jm alle V=lcker versamlet werden vnd er werde sie von einander scheiden, gleich als ein Hirte die Schafe von den B=cken scheidet, vnd werde die Schafe zu seiner Rechten stellen vnd die B=cke zur lincken. Da wird denn der K=nig sagen zu denen zu seiner Rechten: „Kompt her, jr gesegneten meines Vaters. Ererbet das Reich, das euch bereitet ist von anbegin der welt. Denn ich bin hungerig gewesen, vnd jr habt mich gespeiset“ etc. Als wolt der Herre sagen: „Jch werde nu nicht viel mehr euch predigen, denn die zeit meines leidens vnd sterbens ist vor handen. Nu habt jr von mir geh=rt, das jr vergebung der sFnden, gerechtigkeit vnd heiligen Geist vnd das ewige leben aus gnaden one ewer verdienst durch mich 479 480 481 482 483 484

Vgl. Mt 22,2–14, bes. V. 11–13. Luther, WA.DB 6, 111 (zu Mt 25,3). vorigen. Vgl. Mt 25,14–30. Lk 12,47. Vgl. Mt 25,31–46.

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Math. 25.

Mtth. 25.

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habet vnd das jr solche gFter durch den glauben an mich entpfahen mFsset, auff das jr aber nicht wehnet, dieweil jr diese predigt vom glauben von mir geh=rt habt, das jr nu nach ewerem gefallen thun vnd leben mFget vnd euch nu keines Gesetzes, keiner guten werck mehr von n=ten sey, so beschliesse ich alle meine vorige Predige, welche ich nu die vierdhalb485 jar euch gethan mit so vielen Parabolen vnd gleichnissen, durch welche ich die lere vom glauben an mich verklere, das obwol die oben erzelten gFter aus gnaden von meinet-[X 3r:]wegen vom Vater euch geschenckt werden, jedoch wil der Vater nichts deste weniger, das jhr jm vnd seinen geboten solt gehorsam sein, euch vntereinander lieben vnd den glauben an mich durch die liebe vnd allerley gute werck gegen einander scheinen vnd leuchten lassen. Denn der Vater sein Reich niemands denn allein den gehorsamen Kindern geben wil, zu den vngehorsamen aber, welche sich des glaubens vnd der Gerechtigkeit allein mit dem munde rhFmen, aber inn der that keine werck der gerechtigkeit beweisen, werde ich an jenem tage sagen: Gehet hin von mir, jr verfluchten, in das ewige fewer, das bereitet ist dem Teufel vnd seinen Engeln. Jch bin hungerig gewesen, vnd jr habt mich nicht gespeiset“ etc. Diese trewe vnd ernstliche warnung thut der Herre eben am end aller seiner Predig zu der zeit, da er jetzt in sein heilig leiden vnd in tod gehen solt, durch welche er alle seine vorigte Predigte erkleret, daraus zu sehen, ob vnd wie vnd wenn vnd welchen gute werck zur seligkeit von n=then, nemlich denn vnd denen, welche nu Kinder Gottes ALLEJN durch den glauben an Christum worden sind, das dieselbigen denn jrem Vater anfahen gehorsam zu sein, auff das sie die gerechtigkeit vnd das Reich jhres Vaters, so jnen von wegen des Herrn Christi geschanckt, nicht widerumb verlieren. Welches reich, dieweil es den Kin-[X 3v:]dern Gottes von anbegin der welt, da der Kinder noch keines vorhanden war, aus lauter liebe vnd barmhertzigkeit vom Vater zubereitet ist, k=nnen vnd dFrffen sie es nicht verdienen. Allein sie sehen zu, das sie solche Erbschafft durch freuel vnd mutwilligen vngehorsam nicht wider verlieren vnd vom Vater enterbet werden etc.

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III. Die dritte Beweisung, das den kindern Gottes gute Werck zur seligkeit von n=ten, sind die Exempel. Exempel der Engel.

Die dritte beweisung, das den kindern Gottes der gehorsam gegen Gott, jrem Vater, zur Seligkeit von n=ten, sind die Exempel. Das erste Exempel sind die Engele, welche Gott in warhafftiger gerechtigkeit, vnsterbligkeit vnd Herrligkeit aus lauter gnaden erschaffen hat, doch mit dem bescheid, das sie Gott, jrem Sch=pfer, gehorsam sein sollen; wo nicht, solten sie wider aus solcher gnade vnd herrligkeit in die vngenade, zorn Gottes vnd ewigen verderb fallen vnd aller jrer gFter, welche jnen aus lauter gnade inn der Sch=pffung

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dreieinhalb.

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geschanckt waren, wider beraubet werden. Welche Engele nu inn solchem gehorsam ge-[X 4r:]gen Gott bestendig blieben, die haben solche jhre gerechtigkeit vnd Seligkeit behalten. Welche aber Gott vngehorsam geworden, die haben jhre Seligkeit verloren, wie der Herre Christus spricht: „Der Teufel ist nicht bestanden in der warheit,“486 vnd S. Peter auch sagt: „Gott hat der Engel, so gesFndiget haben, nicht verschonet, sondern hat sie mit Ketten der Finsternis zur Helle verstossen vnd vbergeben, das sie zum gericht behalten werden.“487 Das ander exempel ist Adam vnd Eua. Denn da der Mensch geschaffen wird, da wird jm von Gott ein gebot gegeben, daran er sein gehorsam gegen Gott, seinem Sch=pffer, vben solte. Wie denn Gott zu jm sprach: „Du solt essen von allerley Beume im garten, aber von dem Baum des erkentnis gutes vnnd b=ses soltu nicht essen, denn welches tages du dauon issest, wirstu des todes sterben.“488 Die gesetz oder gebot ward dem menschen nicht darumb von Gott gegeben, wenn er dasselbige hielte, das er dardurch die gerechtigkeit, vnsterbligkeit vnd ewiges leben verdienen vnd erlangen solt. Denn diese Himlische vnd Ewige gFter hat der Mensch vorhin489 vnnd dardurch, das Gott der Herre jhn allebereit aus lauter vnnd vnaussprechlicher Gnade one sein, des Menschen, Verdienst oder Wirdigkeit (Denn was solt er verdienen, da er noch nicht war geschaffen?) [X 4v:] gerecht vnd vnsterblich von anfang erschaffen hatte. Sondern das gesetze vnd gebot ward dem Menschen von des wegen gegeben, das er dardurch seines gehorsams gegen Gott, seinem Sch=pffer, erinnert wFrde vnd durch vbung solches gehorsams die gFter, als die gerechtigkeit, vnsterbligkeit vnd den heiligen Geist, durch welchen er mit Gott verbunden war, so jm, da er erst erschaffen, von Gott geschanckt vnd gegeben, erhalten vnd durch den vngehorsam nicht verlieren solt. Denn der Mensch auch in seiner vnschuld vnd vnsterbligkeit gleichwol also geschaffen war, das er Gott, seinem Sch=pffer vnd Herrn, wie alle andere Creaturen gehorsam sein solt. Also wird auch zu dieser zeit vns die wir kinder Gottes sind das Gesetze nicht darumb von Gott gegeben das wir die gerechtigkeit vnd das leben dardurch haben sollen Wie auch S. Paulus spricht: „Wenn ein Gesetz gegeben were, das da kFnd lebendig machen, so keme die Gerechtigkeit warhafftig aus dem Gesetz,“490 denn diejenigen, so new geboren vnd Gottes kinder sind, die haben albereit die gerechtigkeit vnd das leben aus gnaden, vmbsonst, one jre werck vnd verdienst, durch den glauben an Jhesum Christum vnd durch die Erl=sung, so durch Jhesum Christum geschehen ist,491 vnd wird doch 486 487 488 489 490 491

Joh 8,44. II Petr 2,4. Gen 2,16f. ohnehin, zuvor schon. Vgl. Art. vorhin 3), in: DWb 26, 1204f. Gal 3,21. Vgl. Röm 3,24.

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Johan. 8. 2. Petri 2.

Exempel Adam vnd Eua.

Gala. 3.

Rom. 3.

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Rom. 8.

Samson

Jud. 16.

Saul.

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denselbigen das gesetze der Zehen gebot gegeben, auff das sie an denselbigen jren gehorsam vnd danckbarkeit fur die entpfan-[Y 1r:]gene wolthat gegen Gott beweisen vnd jren glauben daran vben vnnd durch vngehorsam die gerechtigkeit, den Heiligen Geist vnnd ewiges leben, so jnen aus gnaden vmb des mitlers, des Herren Christi, willen von Gott geschenckt, nicht verlieren. Denn dieienige, so freuenthlichen, wissenthlichen vnnd mutwillig Gottes gebot vnnd gesetz vbertreten, die verliren solche geschanckte gabe, wie auch an Adam vnnd Eua zu sehen, fallen in Gottes gericht vnnd ewigen tod. Also spricht auch S. Paulus: „Lieben brFder, wir sind schuldener nicht dem fleisch, das wir nach dem fleisch leben, denn wo jr nach dem fleisch lebet, so werd jr sterben mFssen, wo jr aber durch den Geist des fleisches gescheffte t=tet, so werdet jr leben.“492 Das dritte Exempel, dadurch bewiesen wird, das zu erhaltung des heiligen Geistes vnnd der seligkeit der gehorsam gegen Gott von n=ten sey, jst Samson;493 derselbige, dieweil er jn Gottes furcht vnnd gehorsam lebet, behelt er den heiligen Geist, von welchem er wider seine feinde gesterckt wird, thut grosse wunderwerck, zerreisset ein Lewen auff stucken,494 schlehet mit eines esels kinbacken tausent mann zu tod,495 erlanget durch sein gebet von Gott inn seinem grossen durst, das gar wunderbarlichen aus dem einen backenzan des eselskinbacken wasser quellen mus, dadurch er gelabet vnnd getrenckt wird.496 Do er aber Gott vnge-[Y 1v:]horsam wird vnd wider Gottes gebot anfehet hurerey zu treiben,497 sein gewissen vnnd leib verunreiniget, da verleuret er den heiligen Geist, von welchem er zuuor wider seine feinde gesterckt war, vnnd wird von den feinden gefangen.498 Denn do er von seinen feinden vberfallen wFrd vnnd verhoffet, das er durch seine stercke die feinde wie zuuor schlagen wolt, vnnd (wie geschriben stehet)499 gedacht: „Jch wil ausgehen, wie ich mermals gethan habe. Jch wil mich außreissen.“ Vnnd wuste nicht, das der herre von jme gewichen war. Das vierde exempel ist Saul, welcher dieweil er Gott auch gehorsam ist, behelt er den heiligen Geist, fFret ein fein, gluckselig regiment vnnd thut grosse thatten; da er aber Gott vngehorsam wird, verleuret er den heiligen Geiste. Wie 1. Reg. 16. geschriben stehet: „Der Geist des Herren weich von Saul, vnnd ein b=ser Geist vom Herren macht jn sehr vnrugig,“500 wird gottlos vnd

492 493 494 495 496 497 498 499 500

Röm 8,12f. Vgl. Ri 13,1–16,31. Vgl. Ri 14,5f. Vgl. Ri 15,15f. Vgl. Ri 15,18f. Vgl. Ri 16,1. Vgl. Ri 16,16–21. Vgl. Ri 16,20. I Sam 16,14.

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thut eine sFnde vber die ander, hat kein glFck mehr im Regiment vnnd kompt jemmerlichen vmb, wie die schrifft zeuget: „Also starb Saul in seiner missetat, die er wieder den Herren gethan hatte, an dem wort des Herren, das er nicht hielt.“501 Hierin sehen wir, wie hoch vns, die wir Kinder Gottes sind, den heiligen Geist vnd die Seligkeit haben, von n=ten ist, das wir nicht in sich-[Y 2r:]erheit leben vnd durch vngehorsam vnd SFnde wider vnser gewissen diese grosse gabe wider verlieren. Das fFnffte Exempel ist der heilige Prophete Dauid, welcher da er in Ehebruch vnd Todschlag fellet,502 verleuret er den glauben vnd Heiligen geist vnnd wird des ewigen Todes schuldig. Da er aber widerumb bus thut vnd sich zu Gott bekeret vnd der Absolution des Propheten Nathans gleubet503 vnd ein new leben Gott zu gehorsamen anfehet, auch Gott von hertzen bittet, das er jhm wider seinen heiligen Geist geben wolle, durch welchen er zuuor gefFrt vnd geregieret ward, da wird jm auch dasselbige aus gnaden wider gegeben, wie denn sein gebet lautet: „Schaffe in mir Gott ein rein hertz,“504 als wolle er sagen: „Ach, Herr Gott, ich hab mein herz vnd gewissen durch diese schendliche SFnde des Ehebruchs, Todschlags vnd viel andere verunreiniget, das welches zuuor ein Tempel des heiligen Geists gewesen ist, darin hat nu der b=se Geist seine wonung gehabt; darumb ruffe vnd schreie ich zu dir, o Herr Gott, du wollest solch mein beflecket vnd vnrein hertz durch den glauben vnd deinen heiligen Geist widerumb reinigen vnd heiligen. Gib mir einen gewissen Geist, welcher mich von deiner gnade vnd barmhertzigkeit versicher vnd gewis mache, das ich nicht daran zweifele. [Y 2v:] Verwirff mich nicht von deinem Angesicht, wie du mein Vorfaren,505 den K=nig Saul, erschrecklichen verworffen hast, Vnnd nim deinen heiligen Geist nicht von mir, wie du jhn zuuor von mir genomen hast, da ich mich mit dem Ehebruch vnd andern sFnden befleckt hatte etc. Aus diesen vnd dergleichen Exempeln ist klar zu sehen, wie durch vngehorsam vnd SFnde der heilige Geist, die gerechtigkeit vnd Seligkeit verlorn wird vnd widerumb durch den glauben vnd gute werck als die frFchte der gerechtigkeit erhalten wird. Das sey also von der dritten beweisung gesagt. Folget nu die vierdte, durch bestendige Argumenta, Schlusrede vnd Vrsachen. IIII. Die vierdte Beweisung wird von bestendigen Vrsachen, Argumenten vnd Schlusreden genommen.

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Anfenglichen sage ich allhie zu einer erinnerung vnd erklerung abermal, wie diese rede vnd lere zu uerstehen sey, wenn ich also sage: Der newe [Y 3r:] gehorsam oder gute Werck, welche dem Glauben folgen, sind von n=ten zur 501 502 503 504 505

I Chr 10,13. Vgl. II Sam 11. Vgl. II Sam 12,1–13. Ps 51,12. Vorgänger. Vgl. Art. Vorfahr 2), in: DWb 26, 1014f.

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1. Para. 10.

Dauid.

2. Reg. 12.

Psalm. 51.

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Philip. 1.

1. Corin. 9. Rom. 6.

Rom. 8.

1. Timot. 5.

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Seligkeit. Das dis nicht also zu uerstehen sey, das man durch die gute werck die Seligkeit verdienen sol oder sie die gerechtigkeit sind oder dieselbige wircken vnd geben k=nnen, dadurch der Mensch vor Gottes gericht bestehen mFge, sondern das gute werck wirckung vnd frFchte des warhafftigen glaubens sind, welche jhm folgen sollen vnd Christus inn den gleubigen wircket, wie Paulus die Philipper vermanet: „Seid lauter vnd vnanst=ssig bis auff den tag Christi, erfFllet mit frFchten der gerechtigkeit, die durch Jhesum Christum geschehen (in euch) zu ehren vnd lobe Gottes.“506 Denn wer da gleubet vnd gerecht ist, der ist nu darzu verbunden vnd verpflicht, das er bey verlust seiner Gerechtigkeit vnd Seligkeit Gott als seinem Vater anfahe gehorsam zu sein vnd das gute thue vnd das b=se vermeide, wie S. Paulus spricht: „Das ich das Euangelium predige, darff ich mich nicht rhFmen, denn ich mus es thun. Vnd wehe mir, wenn ich das Euangelium nicht predige.“507 Jtem: „Nu jr frey seid von sFnden vnd Gottes knecht worden, habt jr ewer frucht, das jr heilig werdet, das ende aber das Ewige leben.“508 Als wolle er sagen: „Wes Knecht einer ist, dem ist er [Y 3v:] verpflichtet vnd schuldig zu dienen; jr seid nu durch den glauben an Jhesum Christum von den SFnden, welcher knecht jr weiland509 waret, erl=set vnd Gottes knecht vnd diener worden. Darumb seid jr schuldig bey verlust ewer Seligkeit, welche jr durch den glauben aus gnaden entpfangen, Got ewrem Herrn zu dienen. Denn wer der SFnden dienet, dem wird mit dem tode gelonet, wer aber Gott dienet, der behelt die gabe des ewigen lebens. Welche jm Christus Jhesus verdienet hat.“ Jtem: „Wir, die wir kinder Gottes sind vnd das ewige leben haben, sind schuldener nicht dem fleische, das wir nach dem fleisch leben. Denn wo jr nach dem fleisch lebet, so werd jr sterben,“510 das ist: den glauben vnd das ewige leben wider verlieren etc. Jtem: „So jemand die seinen, sonderlichen seine Hausgenossen, nicht versorget, der hat den glauben verleugnet vnd ist erger denn ein Heide.“511 Folgen nu etliche Argumenta.

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Das Erste Argument. Johan. 3. Philip. 1. Tit. 3.

1 Das Ewige leben wird niemands denn den newgebornen gegeben.512 2 Die widergeburt ist der new gehorsam vnd die gute werck inn den gleubigen vnd der anfang des ewigen lebens.513 [Y 4r:] 3 Darumb ist das newe leben, welches in guten wercken stehet,514 den gleubigen von n=ten zur Seligkeit.

506 507 508 509 510 511 512 513 514

Phil 1,10f (Luther 1545). I Kor 9,16. Röm 6,22. vordem, einst, ehedem. Vgl. Art. weiland A.2.b), in: DWb 28, 784f. Röm 8,12f. I Tim 5,8. Vgl. Joh 3,3.5. Vgl. Phil 1,6. Vgl. Tit 3,8.

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Denn inn welchen das warhafftig erkentnis des Sons Gottes leuchtet, inn denselbigen wird auch das ewige Leben vnd der gehorsam gegen Gott angefangen. Wie der Herr selbs spricht: „Das ist das ewige leben, das sie dich, das du allein warer Gott bist, vnd den du gesand hast, Jhesum Christum, erkennen.“515 Jn solchem warhafftigen erkentnis aber ist das ewige leben vnd newer gehorsam.

Johan. 17.

Das Ander.

10

1 Wozu die newe creatur geschaffen ist, das ist jr zu thun von n=ten. 2 Die gleubigen sind geschaffen zu guten wercken.516 3 Darumb sind den gleubigen die guten werck von n=ten, auff das die newe Creatur dardurch, als der gute baum an sein frFchten, erkand werde.517

Ephes. 2.

Das Dritte.

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1 Wer selig ist, der mus das haben, das die Seligkeit ist. 2 Seligkeit aber in diesem leben ist vergebung der SFnden518 vnnd angefangene vernewerung zum Bilde Gottes.519 Jtem gerechtigkeit, heiliger Geist vnd ewigen Leben. [Y 4v:] 3 Derwegen ist die vergebung der SFnden vnd die angefangene vernewerung den gleubigen zur Seligkeit von n=ten. Denn also spricht der 15. Psalm: „Herr, wer wird wonen inn deiner hFtten? Wer wird bleiben auff deinem heiligen berge? Wer one wandel einher gehet“520 etc. Jtem Psalm 24: „Wer wird auff des Herrn Berge gehen? Vnd wer wird stehen an seiner heiligen stette? Der vnschuldige hende hat vnd reines hertzens ist, der nicht lust hat zu loser lere“521 etc. Das Vierdte.

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1 Gottes vnwandelbare satzung vnd ordnung mFssen entweder geschehen vnd erfFllet werden, oder darauff mus gewisse straffe erfolgen. 2 Das Gesetz ist ein vnwandelbarer wille, satzung vnd ordnung Gottes, allen Menschen gegeben. 3 Darumb mus das Gesetz von Menschen erfFllet werden oder ja die straffe vber sie erfolgen. Vnd auff das die Christen sich hieruon nicht ausschliessen, spricht Christus selbs: „Jch bin nicht komen, das Gesetz auffzul=sen, sondern zu erfFllen.“522 Welches denn, wie oben gesagt, auff dreierley weise geschicht:

515 516 517 518 519 520 521 522

Joh 17,3. Vgl. Eph 2,10. Vgl. Mt 7,16.20. Vgl. Ps 32,1f. Vgl. Eph 4,23f. Ps 15,1f. Ps 24,3f. Mt 5,17.

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Psal. 32. Ephes. 4.

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Rom. 8.

1. Johan. 3.

1. Johan.i 4.

Matth. 19.

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Erstlich, das er durch sein gehorsam von vnsert wegen das Gesetz erfFllet vnnd solcher sein [Z 1r:] gehorsam vnd erfFllung des Gesetzes vns zu Gut komme vnnd vns zugerechnet werde, als hetten wir selbs das gesetze erfFllet. Zum andern, das er an vnser stat die straff vnd die pein des gesetzes duldet vnnd leidet vnnd dardurch das Gesetz erfFllet, welches alle menschen, wie geh=rt, entzweder zum gehorsam oder zur straffe verbindet. Zum dritten ist Christus kommen, das gesetz auch also zu erfFllen, das er dasselbige durch sein heiligen Geist in den gleubigen in disem leben zu erfFllen wil anfangen. Denn wer den Geist Christi nicht hat, der ist nicht sein.523 Vnnd welche der Geist Gottes treibt, dis sind kinder Gottes.524 Denn vnser lieber herr Christus Jhesus hat nicht darumb sein theures blut vor dich vergossen, das du nu von allem gesetz los vnd frei sein (welches den vnm=glich ist, dieweil das gesetz ewig vnnd nicht kan auffgehaben werden), nach deinem willen vnnd gefallen leben solst, sondern das seine erfFllung, die er durch sein tod fFr dich gethan hat, in dir krefftig sein vnd du die grosse vnnd vnaussprechliche wolthat vnnd liebe Gottes des vaters, welche er dir in Christo Jhesu erzeiget hat, bedencken vnnd betrachten vnnd dich darumb vnter den gehorsam des gesetzes williglichen begeben solst. Denn eben darumb werden dir one deine verdinst aus gnaden vmb des Herren Christi willen deine sFnde erlassen, die gerechtig-[Z 1v:]keit vnd ewiges leben geschenckt, das ein newer gehorsam vnnd die erfFllung des gesetzes vnnd das ewige leben in dir angefangen werde, welches so es in dir nit, sondern das gegenspil,525 nemlich der vngehorsam eruolget, soltu gewislich wissen, das du noch vnter der verfluchung des gesetzes vnnd nicht vnter den flFgeln des Herrn Jhesu Christi bist,526 wie auch Johannes zeuget: „Wer den bruder nicht libet, der bleibet im tode.“527 Denn wiewol auch die kinder Gottes von wegen der verderbten natur das gesetze nicht gantz erfFllen konnen, jedoch wil es das ABC vnnd den anfang von seinen kindern haben vnd jme den selbigen vmb Jhesu Christi willen gefallen lassen. Darumb spricht auch S. Johannes: „Hat Gott vns also gelibet, das er sein eingebornen Son zur vers=nung vor vnsere sunde gesant hat, so s=llen wir vns auch vntereinander lieben.“528 Also spricht auch Christus: „Wiltu zum leben eingehen, so halt die gebot,“529 denn die gebot Gottes mFssen kurtzumb gehalten sein, oder do ist kein leben, i

Im Original: Jahan.

523 524 525 526 527 528 529

Vgl. Röm 8,9. Vgl. Röm 8,14. Gegenteil. Vgl. Art. Gegenspiel 1), in: DWb 5, 2262f. Vgl. Mt 23,37. I Joh 3,14 (Luther 1545, entsprechend dem Koine-Mehrheitstext). Vgl. I Joh 4,10f. Mt 19,17.

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keine gnade, keine seligkeit, sondern lauter tode, vngenade vnnd verfluchung, daran denn zu sehen, ob gutte werk den kindern Gottes zur seligkeit als ein schuldiger gehorsam gegen jrem Vater nicht von n=ten. Ja wie sol ichs denn halten? Also Gleube erstlich, das Jhesus Christus darumb inn diese welt kommen sey, das er das gesetz durch sein gehorsam vnnd tod vor dich vnnd die gantze welt erfFllete vnd dich von der vermaledeiung erl=sete, vnd das du nu vergebung der sFn-[Z 2r:]de, gerechtigkeit vnd seligkeit on alle des gesetzes werck aus gnaden ALLEJN durch Christum habest, darnach so wird dir dein hertz sagen, das du gleichwol Gott vnd seinem gesetz zu gehorsamen schuldig seist. Darumb, so fahe nu in dem glauben vnd erkentnis Christi an die gebot Gottes zu halten, nemlich also, das du gleubest, das du seiest mit Gott durch den tod seines Sons versFnet vnd ein Kind vnd Erb Gottes. Zum andern wird dir denn auch dein hertz sagen, das viel schwacheit vnd gebrechen, allerley b=se lust vnd neigung noch in dir sind, von welcher wegen du die gebot Gottes nit volk=mlich halten kanst, welches denn du dir solt lassen leid sein etc. Zum dritten, das obwol solcher gehorsam noch in dir vnuolkomen, das dennoch Got jm denselbigen vmb Jesu Christi willen werde gefallen lassen, welcher die erfFllung vnd das ende des gesetzes ist,530 vnd seine erfFllung auch vnser ist, denn sie von vnsert wegen geschehen vnd vns von jhm geschanckt. Also werden denn die gebot von dir gehalten vnd kanst also in das leben eingehen, nicht von wegen solches deines haltens oder angefangenes gehorsams, sondern durch vnd von wegen des einigen gehorsams Jhesu Christi. Dennoch mustu wissen, das der gehorsam gegen Gott vnd seinen geboten in dir allhie mus angefangen werden, ob du schon dardurch nicht das ewige leben verdienst. Also leget auch diesen Spruch Lutherus aus, Thomo 1. in der Summa des Christlichen lebens, jn der ersten zum Timoth. 1. cap.: „Was ists, das du viel schreiest: [Z 2v:] ‚Wer wil gen himmel kommen, der mus die gebot halten‘ etc.? Daraus wirstu es nit zuwegen bringen. Denn sihe dich selbs an vnnd sFche in deinem Bosen,531 so wirstu finden, das du in sFnden geboren vnnd gelebt vnd nit vermagst zu geben, was das gesetze fodert. Was sperrestu denn den leuthen das maul auff532 mit solchen worten: ‚Du solt from sein, so wirstu selig,‘ aus welchen doch nichts folget, vnnd niemand zeigest, wie er darzu kommen sol? Die wort h=re ich wol, was das gesetze fordert. Wie bringe ichs aber darzu, das es so gehe? Da weisestu mich abermal auff mich vnd sprichst: ‚Du must gutte werck thun.‘ Wie besthe ich aber vor Gott, wenn ich lange gute werck gethan habe vnd fFr den leuten from bin, wie du mich lerest, das ich gewis bin,j das mich Gott auch dafur halte?

j

sey: WA 36, 373,31.

530 531 532

Vgl. Röm 10,4. Busem/n, Brust, Innern. Vgl. Art. Bosen, in: DWb 2, 256. Warum machst du ihnen vergebliche Hoffnung. Vgl. Wander 3, 515, Nr. 360.

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Denn da ist mein eigen hertz vnd gewissen wider mich vnnd spricht Nein darzu. So soltestu aber mich leren, wie S. Paulus hie vnnd allenthalben thut, das es mus quellen aus dem blossen, vngefelschten Glauben, das man fFr allen dingen den gnadenstuel erlange vnnd da hole vnd zusetze, was vns mangelt. So ist der spruch: ‚Halt die gebot,‘ recht verstanden. Denn das wil das gesetze, das du gantz from seist, fFr Gott so wol als fFr den leuthen. Wenn du das hast, so gehe darnach heraus vnter die leuthe vnnd vbe die liebe vnnd thue gutte werck. So k=mmet man recht zur sache vnnd erfFllen alle [Z 3r:] solche sprFche. Denn domit gibt vnnd thut der Mensch, was das gesetz fordert. Zum ersten fur Gott, doch nicht durch sich, sondern durch Christum, on welchen wir fur Gott nichts thun k=nnen.533 Darnach auch durch sich selbs fur den Leuten. Vnd ist nu gantz from, inwendig durch den glauben oder Christum, darnach auswendig durch sein thun. Doch das daneben auch vergebung der SFnde vntereinander gehe.534 Also das der Christen gerechtigkeit aller dinge viel meher stehet in vergebung denn inn eigenem thun. Welches jene lose wesscher vmbkeren vnd on vergebung allein treiben auff vnser thun.“535

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Das FFnffte.

Rom. 5.

Luce 17.

1 One welches die Seligkeit nicht kan erhalten werden, das ist zur Seligkeit von n=ten. 2 One gehorsam gegen Gott kan die Seligkeit, welche man aus gnaden durch den glauben entpfangen hat, nicht erhalten werden. Wie solches die obenerzelte Exempel bezeugen, als der Engeln, Adams vnd Eua, Samson, Saul, Dauid, vnd Paulus spricht: „Durch eines Menschen vngehorsam sind viel SFnder geworden“536 (Nemlich welche sonst gerecht vnd selig weren gewest) vnnd ist „die verdamnis vber alle Menschen kommen“537 etc. 3 Derwegen ist der gehorsam gegen Got von [Z 3v:] n=ten, das dadurch die Seligkeit, so wir aus gnaden durch Christum Jhesum entpfangen haben, erhalten vnd durch vngehorsam nicht wider verloren werde. Bey diesem angefangenen vnd volkomenem gehorsam aber mus allezeit Christus die erfFllung des gesetzes sein, auff welchen das hertz, als auff den einigen grundfest, mus erbawt sein.538 Vnnd sol sich niemands auff sein gehorsam verlassen. Denn wenn wir schon alles thun, so vns befohlen ist, so sind wir doch vnnFtze knechte vnd haben gethan, das wir zu thun schuldig waren;539 darumb niemands solches betlerischen vnd vnuolkommenen gehorsams willen sich

533

Vgl. Joh 15,5. Daneben soll auch gegenseitige Sündenvergebung stattfinden. 535 Luther, WA 36, 373,21–374,9 (Summa des christlichen Lebens, aus S. Paulo 1. Timoth. 1 neulich gepredigt, [24.11.1532], 1533). 536 Röm 5,19. 537 Röm 5,18. 538 Vgl. I Kor 3,11. 539 Vgl. Lk 17,10. 534

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was vermessen, noch darauff pochen vnd trotzen vnd sich des fur Gott rhFmen sol. Denn dieweil wir thun, was wir zu thun schuldig, so k=nnen wir vns des nicht rhFmen, noch vermessen oder dadurch das ewige leben verdienen, wie wir oben von S. Paulo geh=ret, der da spricht: „Das ich das Euangelion predige, darff ich mich nicht rhFmen, denn ich mus es thun, vnd wehe mir, wenn ich das Euangelion nicht predige;“540 jedoch wird vns dieser gehorsam auch belohnet, allhie zeitlich vnd dort ewiglich. Dauon an andern =rtern geleret wird. Das sechste Argument.

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15

1 Niemand wird selig, er bekenne denn mit dem [Z 4r:] Munde den glauben des hertzen an Christum Jhesum vnd bleibe inn solchem glauben bestendig, wie zun R=mern am 10. capit. geschrieben stehet: „So man von hertzen gleubet, so wird man gerecht, vnd so man mit dem Munde bekennet, so wird man selig.“541 Jtem Matth. am 24: „Wer beharret bis ans ende, der wird selig.“542 2 Derwegen sind die werck des bekentnis vnd beharrens inn dem glauben zur Seligkeit als FrFchte des glaubens von n=ten, damit die Seligkeit, durch den glauben erlanget, durch verleugnung vnd abfall nicht wider verloren werde. Das Siebende.

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1 SFnde wird nicht vergeben denn deme, welcher seinem Bruder auch seine schulde vergibet, Matth. am 18.,543 Luce 6.544 Jtem: „Vergib vns vnser schulde, als wir vergeben vnsern SchFldigern.“545 2 Derwegen ist das werck der vergebung des Nehisten SFnde auch in Gottes gericht von n=ten, vnd werden vns doch vnsere sFnde nicht solches wercks halben, sondern von wegen des Sones Gottes, vnsers Mitlers vnd Furbitters wegen, aus gnaden vergeben. Noch erfordert gleichwol Gott solchen gehorsam von vns. [Z 4v:] Das Achte.

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1 Welche new geborn vnd kinder Gottes sind, den ist zur Seligkeit von n=ten, das sie inn Gott vnd Gott in jnen bleibe.546 Denn also spricht Christus: „Wer nicht in mir bleibet, der wird weggeworffen wie ein Rebe vnd verdorret, vnnd man samlet sie vnd wirft sie ins fewer, vnd mus brennen.“547 Wer aber inn der Liebe bleibet, der bleibet in Gott vnd Gott in jm.548

540 541 542 543 544 545 546 547 548

I Kor 9,16. Röm 10,10. Mt 24,13. Vgl. Mt 18,23–35. Vgl. Lk 6,27–42. Mt 6,12; Lk 11,4. Vgl. Joh 15,4f; I Joh 4,16. Joh 15,6. I Joh 4,16.

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Johan. 15.

1. Johan. 4.

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Wo nicht Glaube ist, da ist keine Liebe noch gut Werck. Johan. 1.

1. Johan. 4.

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2 Derhalben ist die liebe n=tig zur behaltung der Seligkeit denen, so new geborn Kinder vnd Erben Gottes sind. Denn die andere Menschen Gott nicht lieben kundten, dieweil sie one glauben vnd warhafftig erkentnis Gotte sind. Denn kein rechte liebe sein kan, wo zuuor nicht der glaube im hertzen angezFndet ist. Denn der glaub machet vns zu kindern Gottes,549 durch welchen wir die liebe des Vaters, so er vns in seinem Son Christo Jhesu erzeiget,550 ergreiffen vnd dardurch vergebung der SFnden, Gerechtigkeit vnd Seligkeit aus gnade one alle vnsere vorgehende liebe vnd verdienst entpfahen. Welcher glaube vnd erkentnis der Liebe Gottes gegen vns vnser hertze denn auch anzFndet, das wir Gott, vnserm Vater, vnd vnsere nehisten auch anfahen zu lieben. Jnn dieser Liebe aber Gottes vnd des Nehisten mFssen die Kinder Gottes bleiben vnd darinnen verharren.551 Denn wo sie daraus fallen, bleiben [a 1r:] sie nicht in Gott, noch Gott in jnen, verlieren also widerumb Gott, die gerechtigkeit vnd Seligkeit. Also schreibet auch Lutherus vber diesen Spruch: „Wiltu, das Gott inn dir bleibe mit seiner liebe, vnd wilt mit jm ein ding sein vnd ein G=ttlich Mensch heissen, so mustu auch gegen dem Nehesten in der Liebe, gedult vnd guthat bleiben. Denn die zwey sind inn einander gesteckt vnd gepfropffet“552 etc.

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Das Neunde. 1. Timot. 1; Ephes. 2; Hebre. 5. 1. Johan. 4.

1 Niemands kan selig werden, er habe denn freidigkeit, das ist: ein gut gewissen vor Gott vnd der Welt, am tage des gerichts.553 2 Durch den glauben aber vnd die liebe haben wir freidigkeit am tage des gerichts.554 3 Derhalben ist denen, so da new geboren vnd Kinder Gottes worden, die liebe zur Seligkeit von n=ten, nicht das sie dardurch die Seligkeit verdienen, welche sie allebereith aus gnaden durch den glauben haben, sondern das sie dardurch die frFchte jhres warhafftigen glaubens beweisen, welches so es nicht geschiehet, so ist weder Glaube noch Seligkeit da. Dieweil aber Lutherus diesen Spruch 1. Johan. 4: „Daran ist die liebe v=llig bey vns, das wir eine freidigkeit haben am tage des gerichts,“555 gar [a 1v:] herlich Tomo 1. ausleget, habe ich solche gantze auslegung hernacher gesetzt, jnn welcher, ob er wol der wort nicht gebraucht „gutte werck sind in den gleubigen zu der seligkeit von n=tten“, jdoch gebraucht er vnd widerholet offtmals diese wort: „den rum eines gutten gewissens mus ein Christ vor Gott vnnd der welt haben.“ Jtem: „Also mFssen alle heiligen haben beide, 549

Vgl. Joh 1,12. Vgl. I Joh 3,1. 551 Vgl. I Joh 4,16.21. 552 Luther, WA 36, 439,32–35 (Etliche schöne Predigten aus der ersten Epistel S. Johannis Von der Liebe, 1532). 553 Vgl. I Tim 1,19; Eph 2,4–7; Hebr 5,9; 6,11f. 554 Vgl. I Joh 4,17. 555 I Joh 4,17. 550

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den Rhum des glaubens gegen Gott vnd auch den rhum der liebe fur den leuthen, also das sie beide beieinander seien vnnd der ander aus dem ersten herwachse.“ Was ist das anders gesagt, denn das sollicher rhum den heiligen zur seligkeit n=tig sei? Denn MFssen sie jn haben, so ist ia s=lcher rum in n=tig, nemlich (wie ietzt gesagt) nicht zum verdienst der seligkeit, sondern zum offentlichen zeugnis vor Gott vnnd aller welt, das sie warhafftigklichen gegleubt vnnd die frFchte der gerechtigkeit vnnd seligkeit vor Gott vnnd der welt scheinen vnnd leuchten lassen, denn wo das nicht volget, so ist weder glaube noch Seligkeit vorhanden. Volget nun des Erwirdigen herren D. Lutheri Auslegung vber diesen spruch: [a 2r:] „Daran ist die liebe v=llig bey vns, das wir eine Freidigkeit haben am tage des Gerichts.556 Das ist einek starcke reitzung zur liebe vnd ein grosser nutz, das wir durch die selbige eine freidigkeit sollen haben am tag des gerichts. Er redet aber jmer, wie ich gesagt habe, wider die falschen brFder vnd Heuchelchristen, die das Euangelium nur im maul vnd auff der zungen haben vnd den schaum dauon behalten,557 das sie sich lassen dFncken, Euangelion vnd glauben haben stehe allein in worten, das man viel k=nne dauon waschen.558 Vnnd wenn sie es einmal geh=ret haben, so sind sie alleine der Kunst Meister, vnnd sols niemand so wol k=nnen als sie, wissen alle andere zu richten vnd alle welt zu tadteln, vnd ist niemand so Euangelisch als sie. Aber das es eine lauter hFlsen559 sey, sihet man dabey, das sie nicht dencken, darnach zu leben vnd die liebe zu beweisen, das man sehen kFnde, das jnen ein ernst were, haben nicht mehr dauon bracht, denn das sie geh=ret haben, das man allein durch den glauben vergebung der SFnden kriege vnd selig werde vnd mit wercken nichtsl erlangen k=nne. Daher werden sie faul vnd wollen nu keine werck thun, gehen jmer dahin vnter dem Namen des glaubens vnd werden erger denn zuuor vnd leben also, das auch die welt sie straffen mus, schweige, das sie fur Gott bestehen solten. [a 2v:] Darzu saget nu der Apostel: Nein, es wirds nicht thun, obs wol war ist, das wir durch den glauben alles haben vnd erlangen. Aber wo wir nicht auch den glauben scheinen lassen durch die Liebem so wird es gewislich nichts sein, sondern ein lauter falscher Traum vom glauben, damit du dich selbst betreugst. Darumb sihe auff deine frFchte, vnd wo die nicht recht-

k

auch ein: WA 36, 443,7. nicht solchs: WA 36, 443,19. m lere: WA 36, 443,25.

l

556

I Joh 4,17. Statt der eigentlichen Substanz behalten sie nur den Schaum zurück, der zunächst nach etwas aussieht, aber bei näherem Zusehen kaum mehr als Luft ist und auf Dauer keinen Bestand hat. Vgl. Art. Schaum B.II.1.a), in: DWb 14, 2356. 558 schwatzen. Vgl. Art. waschen II 8 b), in: DWb 27, 2243f. 559 eine bloße (leere) Hülse ohne den eigentlichen Kern, eine bloße Fassade. Vgl. Art. Hülse [1] 2), in: DWb 10, 1900f. 557

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schaffen sind, so tr=ste dich nur nicht deines falschen wahns vom glauben vnd der gnade. Darumb warnet er hiemit, das man nicht sol dencken, das Euangelion vnd glaube stehe allein inn worten vnnd gedancken, so wir dauon haben. Sondern das ein solch ding sein mus,n das im hertzen gepflantzet sey vnd daselbst heraus breche vnd sich zuerkennen gebe durch die liebe,o die gantz vnd rechtschaffen sey gegen Freund vnd Feind. Denn das heist (spricht er) eine v=llige, das ist eine feine, runde liebe, die keinen mangel hat, die es dazu bringet, das sie eine freidigkeit hat vnd trotzen560 kan am tage des gerichts; fFret vns also mit diesen worten fur gericht, das man sehe, das es ein ernst vnd nicht inn wind zu schlagen sey, als lige nicht viel daran vnd sey nicht so strenge vnd harte geboten. Er meinet aber – meines verstandes – eben das JFngste gericht Gottes, wiewol es mag verstanden werden, wie etliche auch deuten, von dem gericht oder vrtheil, dadurch die Christen gemartert [a 3r:] oder verdampt werden, welches auch nicht weit dauon ist; denn es kompt doch dahin, das sich das gewissen als fur Gott verantworten mus, das wer alda bestehet, der besteht auch am JFngsten gerichte. Es sey nu das gerichte, welchs oder wenn es wolle, so wil er, das der glaube sich so beweisen sol, auff das, wenn es zum treffen kommet, das du must den kopff herhalten oder der Streckebein561 oder JFngste tag daherkompt, das du k=nnest einen trostp haben vnd bestehen. Denn da wirds gewislich nicht liegen noch triegen,562 sondern einer da sein, der dir wird zusprechen vnd deinen glauben auff die probe legen vnd versuchen, ob er rechtschaffen sey. Da wird denn der ledige, hole glaube nichts gelten. Denn es wird sich finden, das er nichts gethan noch die liebe beweist habe, sonder ist neidisch, hessig, geitzig, stoltz gewesen vnd nur den namen dauon gefFret. Das wird alles erfur mFssen vnd sich nit verbergen lassen, sonderlich wenn man treffen wird die grossen stoltzen Geister, so grosse trefliche heiligkeit furgeben vnd alle welt reformirn vnd was sonderlichs anrichten, das jederman sol sagen, sie sein allein rechte Christen; welches weret wol eine zeitlang, lest sich ferben vnd schmFcken, aber wenn das stFndlein563 kompt, so felt doch solches gepler564 alles dahin, vnd findet sich fein, ob du rechtschaffen gegleubt vnd eines rechtgleubigen werck gethan hast. [a 3v:] Darumb sihe eben drauff (wil er sagen), das du nicht habest die losen, ledigen Schalen von der liebe, auff der zungen schwebend, denn das heist eine kalte, faule, vntFchtige Liebe. Sondern das es sey ein gantze, v=llige n o p

mFsse: WA 36, 443,31. liebe, und solche liebe: WA 36, 443,32. trotz: WA 36, 444,24.(Mehlhausen, Interim, 51).

560 561 562 563 564

zuversichtlich auftreten. Vgl. Art. trotzen C.2.a), in: DWb 22, 1131. Tod. Vgl. Art. Streckebein 1.a), in: DWb 19, 1098f. nicht lügen oder trügen. die Todesstunde. Vgl. Art. Stündlein 1.b), in: DWb 20, 542f. Blendwerk. Vgl. Art. Geplärre [2], in: DWb 5, 3531.

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Liebe, da der Kern vnnd Marck ist, das sie k=nne ein freidig565 hertz machen, wenn der Tod dahergehet vnd das JFngste gericht, das du nicht erschrecken noch zagen darffest,q sondern fr=lich k=nnest fur Gott vnnd aller welt sagen: ‚Jch habe, Gott lob, also gelebet, das mein Nehester nicht vber mich klagen kan. Jch habe ja niemand gestolen, gehasset, geraubt vndr gelestert, sondern jederman guts gethan, so viel ich vermocht habe.‘ Wenns aber so klinget: ‚Jch habe mich des Euangelij gerhFmet vnd dem nehesten kein gut gethan, alles zu mir gegeitzet vnd gescharret, stoltz vnd vngehorsam, hessig vnd neidisch gewest,‘ das dein eigen hertz mus sagen: ‚O wehe, was bin ich fur ein Christ gewest, wie hab ich meinen glauben beweiset?‘ Da wird dir denn so angst vnd bange werden, das dir beyde, Euangelium vnd glaube, entfallen wird (wo nicht Got dich sonderlich auffrichtet vnd erhelt). Denn der Teufel wird balde hinder dir sein vnd dein Register herlesen vnd sagen: ‚Was kanstu vom glauben vnd Christo rhFmen? Hastu es doch dein lebenlang nie beweiset.‘ Also heist er nu die v=lliche Liebe eine solche Liebe, die da rechtschaffen ist, wie sie sein sol, vnd [a 4r:] gehet, wie sie gehen sol, nicht mit blossen Worten vnnd RhFmen, wie die ledigen HFlsen oder taube NFsse, sondern wie eine volle Nus, da sichs finde inn der that, das sie rechtschaffen sey, das sie niemand tadteln kan auff Erden (Denn gegen Gott volkommen vnd on tadtel sein, ist ein anders, wie wir h=ren werden). Solchs findet sich aber dabey, wenn dein hertz dich nicht straffet, sondern kan einen mut schepffen vnd vnerschrocken bleiben Wider das schrecken des gewissens, des Todts vnd Teufels vnd so sagen: ‚Jch habe, Gott lob, meinen Herrn Christum bekand fur der Welt vnd wider den Teufel, dazu gegen dem Nehesten so gelebt, das niemand vber mich klagen kan, niemand leid gethan vnd jedermane gerne vergeben vnd guts gethan. So weis ich, er wird mir wider vergeben vnd guts thun, wie er auch zugesagt hat.‘ Gleich wie auch Moses selbst gegen Got rhFmet wider seine auffrhFrische Rotte:s ‚Herr, du weist, das ich noch nie kein Schaf begeret habe, das jhr gewesen ist.‘566 Jtem der Prophet Samuelt trotzet auch also gegen seinu Volck: ‚Kan vjemand michv zeihen oder vberzeugen,567 das ich jm etwas genommen oder jemand vnrecht gethan habe, der trette auff vnd verklage mich frey etc.‘568 Also rFhmet auch DAVJD im Psalter [a 4v:] Psalm. 18: ‚Der Herr vergilt mir nach meiner gerechtigkeit q

dFrffest: WA 36, 445,15. nicht in WA 36. s rotte Numeri. 16.: WA 36, 446,15. t Samuel 1. Regum 12.: WA 36,446,16. u seim: WA 36, 446,17. v – v mich jmand: WA 36, 446,17. r

565 566 567 568

mutiges, tapferes. Vgl. Art. freidig 3), in: DWb 4, 102. Num 16,15. der Schuld überführen. Vgl. Art. überzeugen 1), in: DWb 23, 674f. I Sam 12,3.

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Das heisset ye geleret, das den gleubigen gute werck zur seligkeit n=tig sind.

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vnd nachw reinigkeit meiner hende fur seinen augen.‘569 Als solt er sagen: ‚Jch weis, das ich mein Volck regiert vnd mein Stand also gefFret habe, das ich damit niemand vnrecht noch leid gethan habe.‘ Denn das heist die hende rein behalten, das man offentlich mit jederman rechtschaffen handlet, das niemand daruber klagen kan. Solchen Rhum MVS ein jglicher Christen auch haben, sol er anders seinen glauben beweisen, als durch rechtschaffene frFchte, das er durffe fur Got vnd jederman sich drauff beruffen, das er trewlich vnd recht gehandelt habe in seinem leben oder ampt, nicht vnrecht gelert als ein Prediger, noch jemands betrogen oder beleidigt als sonst ein Christ, seine Ehe recht gehalten, seine Kinder vnd gesinde wol gezogen, keinem Nachbarn schaden gethan, oder ja570 jn versFnet vnd gnug gethan etc. Das jn hinfort niemands k=nne beklagen, vnd also bey sich finde solche fr=mbkeit vnd reinigkeit (wie es Dauid nennet), damit er fur aller Welt bestehen vnd solchen trotz auch fur Gottes Gericht erhalten k=nne. Denn wenn ein Mensch sol sterben als ein Christ, der doch nie als ein Christ gelebet hat, was wil der fur ein trotz vnd rhum haben, wenn beidex welt vber jn klagt vnd sein eigen gewissen wider jn zeugt; [b 1r:] vnnd wird jm gar schwer werden, das er da bestehe. Verzweifeln sol er ja nicht, aber da geh=ret kunst zu, das er Christum ergreiffe in dem letzten stFndlein, da er keine erfarunge noch zeichen des glaubens auffbringen kan vnnd pl=tzlich sich so hoch erschwinge, das er aller erst inn den letzten n=tten anfahe zu glauben. Sprichstu aber: ‚Das ist ja wider dein eigen lere, denn also haben wir vorhin geleret, das wir durch die werck nicht bestehen, noch einen ruhm haben vnnd behalten k=nnen fFr Gottes gericht, wie stehet denn hie, das wir durch die liebe eine freidigkeit haben fFr Gottes gericht, das lautet ja stracks wider den Glauben etc.?‘ Antwort: Ja, das ist war, vnnd halt nur solchs feste vnnd gewis. Denn ich habe ja vleissig gelert vnnd vermanet bisher vnnd noch, das man die zwei nur wol vnd rein voneinander scheide, glauben vnnd liebe, vnd ein iglichs recht lere vnnd treibe. Denn man gibt vns sonst schult, weil wir des glaubens lehre so hoch treiben, das wir nichts halteny von gutten wercken. So wir doch fur aller welt k=nnen bezeugen, das wir vil herlicher vnnd gewaltiger von gutten wercken gepredigt haben denn sie selbs, die vns lestern. Aber das straffen wir, das sie die werck vnnd glauben nicht vnterscheiden, sondern vntereinander brewen vnnd mengen, das man nicht weis, was der glaube oder werck thun vnnd geben, ja dazu vom glauben vor vnsere Lehre gar [b 1v:] nichts gewust vnnd alles den wercken geben haben, was

w x y

nach der: WA 36, 446,20. beide alle: WA 36, 446,35. predigen noch halten: WA 36, 447,20.

569 570

Ps 18,21. gegebenenfalls.

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Christus durch den glauben geben soll. Wir aber treiben darauff, das man von beiden ein rechten vnterricht vnd gewissen571 verstand habe vnd behalte, wie weit der glaube vnd die liebe oder die werck gehen. Denn die welt wil doch der wege keinen recht, sondern jmmerdar den Holtzweg gehen,572 entweder gar nichts thun vnd wircken oder nicht gleuben, feret jmer zur seiten aus, das sie entweder den glauben oder die liebe lesset faren, die mittelstrasse wil vnd kan sie nicht treffen, das sie beide, den glauben gegen Gott rein vnd vnuersehret vnd die liebe gegen dem nehesten von rechtschaffenem hertzen, vbete, wie auch S. Johannes beides fodert vnd treibet. Wiewol er furnemlich in dieser Epistel furgenomen hat, zu uermanen zur Liebe, doch auch des glaubens nicht vergisset vnd sich jmer daselbs hin zeucht. Denn so stehets auch kurtz vor diesem Text, da er sagt, wie Gott vns geliebet hat durch seinen eingebornen Son, inn die Welt gesand, das wir durch jn leben, vnd beschleust mit diesen worten: ‚Welcher nu bekennet, das Jhesus Gottes Sohn ist, in dem bleibet Gott vnd er in Gott‘573 etc. Da gibet ers ja gar dem glauben vnd setzet doch hie eben die selben wort von der liebe: ‚Wer inn der liebe bleibet, der bleibet in Gott vnd er jn jhm.‘574 Wie reimet sich das zusamen? Jst es denn beides war? Das wir durch den glauben in Gott bleiben vnd er in vns, vnd auch durch die Liebe? Ja es ist bei-[b 2r:]des war, doch so fern, das du es recht scheidest vnd =rtest,z575 denn wo mans vntereinander wil werffen, so kan es nicht bey einander stehen. Das ist aber die vnterscheid, wie ichs allzeit geleret habe aus der Schrifft: Wenn es kompt zur Heubtfreudigkeit, dadurch ich fur Gott stehen soll wider meine SFnde, wenn er mit mir wil rechenschafft halten, da wird mein leben, werck vnd liebe nimera volkomen noch gnugsam sein, sondern ich mus einen andern Man dazu haben, welcher heist Christus, gesandt vom Vater (Wie S. Johannes zuuor gesagt hat) zur VersFnung fur vnser SFnde;576 das heisse ich die Heubtfreudigkeit oder den Heubtrhum vnd h=chsten trotz, ders allein thun vnd halten mus, wenn Gottes gericht dahergehet, vnd stehen wider seinen zorn, dadurch alle mein leben vnd thun zur Helle verdampt sein mFste. Also hat ers auch selbs droben genennet, capit. 2, da er vns heisset bey dem Christo bleiben, auff das wenn er offenbar wird, das wir freudigkeit haben vnd nicht zu schanden werden fur jm vnd in seiner zukunfft.577 Das meinet er

z a

orterst: WA 36, 448,20. nimer mehr: WA 36, 448,25.

571 572 573 574 575 576 577

sicheren, richtigen. einen Irrweg gehen. Vgl. Art. Holzweg, in: Wander 2 (1870), 765. I Joh 4,15. I Joh 4,16. unterscheidest und verortest, einordnest, zuordnest. Vgl. I Joh 4,10. Vgl. I Joh 2,28.

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Durch glauben vnd gute Werck bleiben wir in Gott.

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Christen mFssen ein rhum fur Gott vnd der Christenheit haben

Gut gewissen ist S. Paulo n=tig gegen got vnd den menschen.

Philip. 4.

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auch mit den vorgehenden worten: ‚Wer da bekennet, das Jhesus Gottes son ist, in dem bleibt Got vnd er in jm‘578 etc. Vber das aber MVSSEN wir auch noch einen Rhum haben, nicht allein gegen Gott, sondern auch fur GOTT vnd fur der Christenheit gegen alle WELT, das vns niemand verdammen k=nne, noch mit WARHEJT verklagen. [b 2v:] Wie S. Paulus Acto. 24 fur dem Landpfleger rhFmet wider seinen Verklager vnnd spricht: ‚Nachdem ich bin gleubig worden vnd habe die hoffnung zu Gott, das zukFnfftig sey die Aufferstehung der Todten, so vleisse ich mich in demselben, zu haben ein vnuerletzt gewissen allenthalben, beide gegen Gott vnd den Menschen‘579 etc. Das ist: so zu leben, das sich niemand an mir stossen noch ergern kan. Jtem 2. Corinth. 1: ‚Vnser Rhum ist das, nemlich das zeugnis vnsers gewissens, das wir in einfeltigkeit vnd G=ttlicher lauterkeit auff der weld gewandelt haben,‘580 das ist: das niemand vns zeigen kan, das wir mit heuchley oder b=sen tFcken sind vmbgangen. Trotzet damit wider die falschen Apostel vnd jederman, ob sie jn k=nnen zeihen, das er vnrecht gepredigt habe oder felschlich gehandelt mit dem Euangelio. Gleich wie Moses vnd Samuel wider jre Juden trotzen, ob jemand k=nde erfurtretten, dem sie ein leid gethan hetten. Denn ein fromer Prediger sol den rhum mit sich nemen, das er das Euangelion recht vnd trewlich geprediget habe, vnd sich darauff beruffen wider den Teufel vnd alle welt, wie auch S. Paulus anderswo schreibet: ‚Jr seid mein Rhum vnd Trotz, meine Frewde vnd Ehrenkrantz am tage des Herrn, da werde ich euch erfurziehen, das [b 3r:] jr meine zeugen sein mFsset vnd meinen rhum war machen.‘581 Doch ob er gleich solchen trotz hat vnd haben mus, so ist er doch darumb nicht selig, wie S. Paulus auch sagt: ‚Jch bin mir wol nichts bewust, aber dadurch bin ich nicht gerecht.‘582 Ein gut gewissen vnd freidigkeit habe ich wol, aber nicht gegen Gott selbs inn seinem gericht, sondern fur der welt vnd allen Creaturen, das mich derselben keins straffen kan, sonder alles guts von mir sagen mFssen. Ja dazu habe ich auch den rhum (spricht er anderswo, 2. Corinth. 11), das ich mich nicht alleine kan rhFmen meines lebens vnd alles, was andere rhFmen m=gen, sondern auch meines leidens vnd trFbsal das ich so viel vnschuldiglich gelidten vnd so vbel gehandelt bin.583 Des alles wil ich mich rhFmen. Doch also, das ich mich nicht darauff verlasse, das mir Gott darumb gnedig sein vnd den Himel geben mFsse, denn da geh=ret ein ander rhum zu, welchen ich bey mir nicht finde, sondern allein in Christo. Denb wil ich wol rhFmen gegen den Leuten vnd fur Gott, das er auch sol ja dazu sab

Jhenes: WA 36, 450,14.

578 579 580 581 582 583

I Joh 4,15. Act 24,15f. II Kor 1,12. Vgl. II Kor 1,14; Phil 2,16; 4,1; I Thess 2,19. I Kor 4,4. Vgl. II Kor 11,23–33.

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gen. Aber dieser rhum mus zuuor da sein, der fur jm bestehe, sonst wird jener fur jm auch nicht gelten. Darumb sage ichc also: Gegen Gott verlasse ich mich auff nichts denn auff Christum. Aber nach diesem Trostd vnd Rhum wil ich mit dir fur Gott [b 3v:] tretten, wie S. Paulus mit den von Corintho,584 vnd sprechen: Du weist, das ich recht trewlich gepredigt vnd dir noch niemand585 schaden noch leid gethan habe. Den rhum MVS warlich ein jeglicher gegen dem andern haben – Oder ja sich darnach richten, ob er gleich enicht dem Nehestene genug thut oder sich etwa vngebFrlich gehalten hat, das er dennoch sich wider mit jhm versFne. Denn sollten wir solchen rhum nicht haben, so mFsten wir auch die zehen gebot weg thun. fDarumb sof mFssen wir ja so leben, das wir Gott zum Richter zwischen vns vnd allen Menschen dFrffen anruffen vnd fur jm zeugen, das wir recht vnd Christlich gelebet haben. Also hastu es nu beides recht, das der glaube rhFmet gegen Gott vnd damit sein zorn stillet vnd weglegt,586 den wir sonst verdienet hetten, vnd alleine darauff trotzet, das wir einen Heiland haben, Jhesum Christum, durch welchen wir versFnet sind. Das ist vnser grund vnnd Eckstein, darauff vnser zuuersicht endlich vnd ewiglich stehet,587 vnd wissen, wenn alle ding feilen vnd von vns nichts selbs rhFmen k=nnen, das wir droben einen Hohenpriester haben zur rechten des Vaters sitzend, der vnser SFnde getragen hat auff seinem eigen leibe vnd sich fur vns Gotte geopffert vnd noch on vnterlas vertrit vnd das beste fur vns redet, das wir durch jhn eitel gnade vnnd vergebung haben vnd keinen zorn (wie wir wol verdient het-[b 4r:]ten) fFrchten dFrfften.588 Das ist vnser h=hester trotz vnd sterckester rhum, dadurch wir SFnd, Todt, Helle vnd vnser eigen gewissen vberwinden. Denn darauff sind wir getaufft vnd sollen darumb leben vnd sterben vnd alles leiden, was vns begegnet. Der ander aber ist, dadurch die liebe rhFmet vnd trotzet, nicht gegen Gott, sondern gegen vns vnd wider die gantze welt, das wir alles gethan haben nach vnserm verm=gen oder ja gern wolten thun, das niemand k=nne aufftretten vnd wider vns klagen, das wir jn fursetziglich beleidigt, gestolen oder beraubtg haben oder die Zehen gebot an jm gebrochen, vnd also einen hochmut vnd stoltz gegen die b=se, schendliche Welt fFren, das sie nicht wider vns rhFmen k=nne, sondern wir wider sie, als die von jr mFssen leiden,

c

nicht in WA 36. trotz: WA 36, 450,18. e – e dem nehesten nicht: WA 36, 450,22. f – f DrFmb: WA 36, 450,25. g geraubt: WA 36, 451,14. d

584 585 586 587 588

Vgl. I Kor 4,4. weder dir noch sonst irgend jemandem. beilegt, besänftigt. Vgl. Ps 118,22; Jes 28,16; Mt 21,42; Act 4,10–12; Eph 2,20. zu fürchten brauchen, fürchten müssen. Vgl. Hebr 4,14–16; 8,1f; 9,24–28.

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Mus ein Christ solchen Rhum haben, so ist er jm warlich n=tig.

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das sie vns eitel vndanck vnd alle plage anlegt589 fur vnser wolthat vnd liebe, auff das sie vns selbs mFsse zeugen am JFngsten tage, das wir so gelebt haben vnd durch vnser werck erzeiget, das wir Christen gewesen sind. Ob wir aber noch gebrechlich sind vnd nicht thun, so viel wir gerne wolten, so halten wir vns zu jenem Heubtartickel von Christo. Denn allhie590 dFrffen wir stetes der gnade vnd vergebung, beide, von got vnd vnternander, wie vns das vater vnser leret.591 [b 4v:] Vnd mus jmmerdar die bekentnis bleiben, das wir fur Gott SFnder sind. Vnd ob wir wol fur der Welt k=nnen rhFmen: ‚Jch habe niemand gestolen noch vnrecht gethan.‘ Doch fur Got mFssen sagen: ‚Dir habe ich allzuuiel gestolen vnd wider alle Zehen gebot gethan. Aber das ist dagegen mein Rhum, das du solch Regiester ausleschest592 vnd nicht mit mir rechenst, sondern alles lest vergeben sein durch Christum.‘593 Wenn wir nu also mit Gott versFnet vnd eins sind, so k=nnen wir auch wol gegen den Leuthen den rhum behalten, das sie vns nichth sollen auffrFcken,594 das sie vns fur jm verklagen oder verdamnen m=chten. Aus dem sihestu ja, das wir die werck nicht verwerffen, wie man vns schuld gibt, sondern heben vnd loben sie also, das man dadurch krieget eine Freidigkeit auch fur Gott, wenn er richten wird, denn es sind ja fur Gott rechte gute werck, vnd were eine Thorheit, wo ichs nicht wolt gute werck heissen vnd dafur halten, das ich das Euangelion predigt, oder womit einer dem nehisten dienei in seinem stand, vnd nicht durffte die augen auffheben vnd alle welt fr=lich ansehen vnd jhr trotz bieten, das sie anders sagete; denn es sind ja solche werck, die Gott selbs hat geboten gegen einander zu vben, das ich kan sagen: das sind rechte G=ttliche werck. Sind sie denn G=ttliche Werck, so mFssen sie auch denn Rhum vnd preis haben, das man sie dafur halte vnnd nicht wegwerffe [c 1r:] oder verachte als lose, vergebliche, vnthuchtige werck (wie der m=nche vnnd aller tollen heiligen selb erwelete werck sind, die kein Gotteswort haben vnnd nicht aus der liebe gehen), sondern fFr solche Werck breise, die Gott selbst mus loben, vnd beide, Engel, heiligen vnd alle welt, mus ja dazu sagen, das sich ein jeglicher Christ fFr Gott darauff beruffen kFnde, wie die heiligen inn der schrifft allenthalben gethan haben. Als Dauid im Psalter, jtem der Prophet Jeremia 17: ‚Herre, du weist, dasj ich geprediget habe, das ist recht fFr dier,‘595 jtem der k=nig Ezechia, Esa. 38: ‚Gedencke,

h i j

nichts: WA 36, 451,31. dienet: WA 36, 452,11. was: WA 36, 452,22.

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antut. Vgl. Art. anlegen 8), in: DWb 1, 398. auf Erden, so lange wir leben. Vgl. Mt 6,12. Vgl. Kol 2,14. Vgl. Mt 18,23–27. vorhalten. Vgl. Art. aufrücken 10), in: DWb 1, 713. Vgl. Jer 17,16 (Luther 1545).

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Herre, wie ich fFr dier gewandelt habe inn der warheit mit volkommen hertzen vnnd habe gethan, was dir gefallen hat.‘k596 Wie aber, wenn Gott mit seinem gerichte k=mpt, wo bleibt da der rum? Weil die Schrifft allenthalben saget, das fur jhm keine Menschliche Heiligkeit bestehen kan, so mFssel mann den Rhum auch faren lassen vnd gar verzagen? Antwort: Nein, nit also, denn ich habe gesaget, das dieser rhum wol gilt fFr Gott, aber nicht wieder Gott oder bey Gott, das ist: zwischen jm vnd mir allein. Denn daselbst hab ich schon zuuor den andern rhum, das ich in Christum getaufft bin vnd der himel der genaden vber mich gezogen ist, ob ich gesFndiget habe oder noch etwa sFndige. Aber wenn es gehet gegen den leuten vnd rhFmen sol, wie ich gelebet habe in meinem stand bey jederman, da wil ich dennoch so sagen: Jch zeuge fFr dir vnd aller welt vnnd [c 1v:] weis, das mir Gott auch zeugnis gibt sampt allen Engeln, das ich Gottes wort, tauffe vnd sacrament nicht gefelschet habe, sondern recht vnd treulich geprediget vnd gethan, so viel in mir gewest ist, vnd dafFr gelidten alles b=ses, allein vmb Gottes vnd seines worts willen. Also mussen alle heiligen habenm (wie ich gesagt)n beide, oden rhumo des glaubens gegen Got vnd auch pden rhump der liebe fFr den leuten, also das sie bey einander sein vnd der ander aus dem ersten herwachsse. Denn wer gegen Gott rhumen kan, der kanq leichtlich darnach gegen der welt trotzen. Das heisset nu S. Johannes den rhum oder freidigkeit am tage des gerichts,597 das er Gott vnd alle welt zu zeugen haben kan wieder alle feinde vnd teuffel dazu, vnd nennets eine rechte, volle liebe, die sich erzeigt vnd beweisen kan, das der menschr gethan vnd gelidten habe, was er sol, vnd nicht eine falsche, geferbte, ja eine ledige liebe ist, die nur Christum bekennet, so weit es nicht schaden thut, vnd dem nehesten dienet, so ferne jhm selbst nichts abgehet, sondern die mit ernst drein greiffet vnd den rechten kern vnd marck in jr hat; daraus folget aber nicht, das es daran genug sey vnd des glaubens nicht bedFrffe, sondern vielmehr, das der rechtschaffen glaube mFsse zuuor da sein, [c 2r:] der sich fFr Gott des Herrn Christi rhFmen kan vnd an demselben erholen,598 wo es vns mangelt. Wenn aber derselbe da ist, da magstu denn auch fr=lich dies liebe rhFmen wider alle welt, wie S. Paulus allenthalben thut, vnd machet des rhFmens so viel, k

hat’ etc.: WA 36, 452,25. muste: WA 36, 452,28. m rhFmen: WA 36, 452,39. n gesagt habe): WA 36, 453,9. o – o nicht in WA 36. p – p nicht in WA 36. q kan auch: WA 36, 453,11. r ergänzt nach WA 36, 453,15 [anscheinend beim Zeilenwechsel ausgelassen]. s der: WA 36, 453,23. l

596 597 598

Jes 38,3. Vgl. I Joh 4,17; Freidigkeit = παρρησία (Lutherbibel 1984: Zuversicht). von demselben beschaffen, sich bei demselben besorgen. Vgl. Art. erholen 3), in: DWb 3, 853.

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Die heiligen mFssen beide den rhum des glaubens gegen Gott vnnd auch den rhum der liebe fFr den leuten haben.

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Nr. 5: Ein Sermon von S. Pauli ... Bekehrung (1553)

Wozu der Christen rhum von n=ten.

das man m=chte dencken, er were ein hoffertiger599 man. Aber es ist dazu von n=ten, wie hie S. Johannes zeiget, das man dadurch freidigkeit habe am tage des gerichts wieder die b=se welt, so vns allenthalben lestert, verfolget vnd aller dinge gerne gar verdammen vnd vertilgen wolt.“600

1. Johan. 3.

[1]t Wer aus Gott geboren ist, der thut nicht sFnde.601 2 Alle gleubige sindt aus Gott geboren.602 3 Darumb thun die gleubige keine sFnde wider jr gewissen. Denn wer wider sein gewissen sFndiget, der verleuret den glauben, die gerechtigkeit vnd seligkeit, wie an Adam vnd Dauid zu sehen, vnd Ezech. am 33: „Wenn ein gerechter b=ses thut, so wirt es jn nicht helffen, das er from gewesen ist.“603 Derhalben ist ein gut gewissen von n=ten zur erhaltung der gerechtigkeit vnd seligkeit, denn wer recht thut, der ist gerecht; wer sFnde vnd nicht gute wercke thut, der ist von dem Teuffel, 1. Johannes am 3. Capittel.604 [c 2v:] Wiltu nu nicht ein Teufels-, sondern Gottes Kind sein, so mustu recht vnd gute werck thun, da hilfft nichts fur, oder verleurest widerumb die Kindschafft, gerechtigkeit vnd das Erbe deru Seligkeit etc.

Das zehende. Johan. 1.

Das sey von der vierde Beweisung gesaget, das gute werck in den gleubigen vnd kindern Gottes zur erhaltung der Kindschafft vnd Seligkeit von n=ten sind. Folget nu die fFnffte beweisung, welches zeugnis der Lerer der heiligen Christlichen Kirchen sind Vnd Consensus Catholicae Ecclesiae ist. V. Die fFnffte Beweisung, das gute Werck zur Seligkeit von n=ten, sind die zeugnis der Alten vnnd zu dieser zeit der Lerer der Christlichen kirchen, vnd der Consensus Catholicae Ecclesiae Christi. Johan. 5.605 Matth. 26.606

Rom. 2.

In Symbolo Athanasij stehen diese wort: „Qui bona egerunt, ibunt in uitam aeternam, qui uero mala in ignem aeternum. – Welche gutes gethan haben, werden in das ewige leben gehen, welche aber b=ses gethan haben, inn das ewige Fewer.“607 Wie auch Paulus spricht: „Gott wird einem jglichen nach

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gegenüber dem Original ergänzt. Im Original: de.

599

hochmütiger. Luther, WA 36, 442,32–453,28 (Etliche schöne Predigten aus der ersten Epistel S. Johannis Von der Liebe, 1532). 601 Vgl. I Joh 3,9. 602 Vgl. Joh 1,12f. 603 Ez 33,12. 604 Vgl. I Joh 3,7f. 605 Vgl. Joh 5,28f. 606 Vgl. Mt 25,31–46; 26,24. 607 Vgl. Athanasianum, BSLK 30,24f (mit App. zu Zeile 25). 600

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seinen Wercken geben.“608 [c 3r:] Vnd Christus, Matth. 5: „Seid fr=lich vnd getrost, es wird euch im himmel wol belonet werden.“609 Wil nu Gott der Herre am Jungsten tage einem jglichen, nach dem er gutes oder b=ses gethan hat, lonen, so ist warlich den Kindern Gottes hoch von n=ten, das sie gutte werck haben, sonst werden sie nicht gleubig noch kinder Gottes sein, vnnd wird jnen vbel gelonet werden. Denn wiewol sie das ewige leben aus gnaden durch den glauben von wegen des verdinsts des Herren Christi haben, jedoch erfodert Gott die gutte werck als frFchte des Glaubens von seinen kindern vnnd verheisset jnen, das er sie in jenem leben auch reichlich wolle belonen. Welches die kinder Gottes bewegen solle, das sie sich diesser610 vleissiger in gutten wercken vben. Ambrosivs, De Vocatione Gentium, capit. 7: „Proprium hoc habet noua creatura per gratiam, ut qui figmentum Dei sunt, qui natiuitate coelesti conduntur in Christo, non ocio torpeant, nec desidia resoluantur, sed de uirtute in uirtutem proficiant, per uiam bonorum operum ambulando. Hoc est enim finis,v hoc est de uetere creatura nouam fieri, hoc est de imagine terreni hominis, ad imaginem coelestis hominis reformari etc.“611 Avgvstinvs, Lib. I. Retract., Capit. 23 : „Deus non elegit opera cuiusque in praescientia, quae ipse daturus est, [c 3v:] sed fidem elegit in praescientia, ut quem sibi crediturum esse praesciuit, ipsum elegerit, cui Spiritum sanctum daret, ut bona operando, etiam uitam aeternam consequeretur.“612 Chrysostomus in opere imperfecto super Matthaeum, capite 7: „Fructus hominis est confeßio fidei eius, et opera conuersationis ipsius. Si ergo uideris hominem Christianum, statim considera, si confeßio eius conueniat cum scripturis, uerus est Christianus. Si autem non est quemadmodum Christus mandauit, falsus est. Non Nomen solum Christi Christianum facit, sed et ueritas Christi. Quia in nomine Christi multi ambulant, in ueritate autem pauci.“613 Augustinus, de fide et bonis operibus: „Inseparabilis est bona uita a fide, quae per dilectionem operatur, imo uero ea ipsa est bona uita.“614 v

Im zitierten Text: fingi.

608

Vgl. Röm 2,6. Mt 5,12. 610 desto (?). Vgl. Art. dester, in: DWb 2, 1032f; Art. dester 1), in: Fnhd. Wb. 5. 506–508. 611 Vgl. Prosper von Aquitanien, De vocatione omnium gentium I, 23 (PL 51, 678C/D). Als Verfasser wurde öfters Ambrosius genannt, so auch in dem Separatdruck aus der Kölner Offizin von Hero Fuchs: DIVI || AMBROSII, ME= || DIOLANENSIS EPISCO || pi, De uocatione omnium gentium, || libri duo. || HERO ALOPECIVS || excudebat, Anno M. D. XXVII. (VD 16 A 2217). 612 Vgl. Augustinus, Retractationum libri duo I, 23, 2, in: PL 32, 621 (CChr.SL 57, 68). 613 Vgl. Ps.-Chrysostomos, Opus imperfectum in Mattheum, Homilia XIX (Mt 7,16) in: PG 56, 738f. 614 Vgl. Augustinus, De fide et operibus XXIII (42), in: PL 40, 224 (CSEL 41, 86, 22–24). 609

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Augustinus, lib. Octoginta trium Quaestionum, cap. 76: „Iustificatus per fidem, quomodo potest nisi iuste operari? quamuis ante nihil operatus iuste, ad fidei iustificationem peruenerit, non merito bonorum operum, sed gratia Dei, quae in illo iam uacua esse non potest, cum iam per dilectionem bene operetur.“615

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Augustinus, in 1. Quinquagena ex Prologo Psal. 31: „Si sic teneret fidem Abraham, ut cum ei Deus imperaret offerre sibi immolandum filium suum, diceret apud semetipsum, non facio, et tamen credo, quia me etiam contemnentem iussa sua, liberat Deus, fides sine operibus mortua esset, et tanquam radix sine fructu sterilis atque aride remaneret.“616

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[c 4r:] Idem ibidem: „Ergo fratres ex fide iustificatus est Abraham, sed si fidem opera non praecesserunt, tamen secuta sunt. Numquid omnino fides tua sterilis erit? Si sterilis non es, sterilis non est ipsa. Itaque si fides sine dilectione sit, sine opere erit. Ipsa dilectio uacare non potest. Opus fidei dilectio est, quia dilectio uacare non potest, nisi et mali nihil operetur, et quicquid potest boni.“617

15

Idem, de Spiritu et Litera : „Hoc agit spiritus gratiae, ut imaginem Dei, in qua naturaliter facti sumus, instauret in nobis.“618 Idem ibidem : „Quisquis crediderit ei, qui se a peccatis omnibus absoluendum, et ab omnibus uitijs sanandum, et calore ac lumine eius accendendum illuminandumque non contempserit, habebit ex eius gratia bona opera, ex quibus etiam secundum corpus a mortis corruptione redimatur ac coronetur bonisque satietur, non temporalibus, sed aeternis supra quam petimus aut intelligimus.“619

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Lutherus im Sermon vom vnrechten Mammon: „Wo der glaub recht ist, da thut er guts; thut er nicht guts, so ists gewis ein Traum vnd falscher wahn vom glauben.“620 Jtem: „Wo nicht werck folgen, kan der mensche nicht wissen, ob er recht glaube, ja er ist gewis, das sein Glaub ein Traum vnd nicht recht ist.“621

30

[c 4v:] Jdem Jn der Vorrede vber das newe Testament: „Wo der glaub ist, kan er sich nicht halten, er beweiset sich, bricht heraus durch gute werck.“622 615

Vgl. Augustinus, De diversis quaestionibus octoginta tribus, 76, 1, in: PL 40, 88 (CChr.SL 44A, 219). 616 Vgl. Augustinus, Enarrationes in Psalmos, Psalm 32 (31) II, 3, in: PL 36, 259 (CChr.SL 38, 226f). 617 Vgl. ebd. II, 5, in: PL 36, 260 (CChr.SL 38, 227). 618 Vgl. Augustinus, De Spiritu et Littera XXVII, 47, in: PL 44, 229 (CSEL 60, 201,11–13). 619 Vgl. ebd., XXXIII, 58, in: PL 44, 239 (CSEL 60, 217,13–19). 620 Luther, WA 10III, 286,24f (Sermon von dem unrechten Mammon, Predigt über Lk 16,1–9 am 17. August 1522; Separatausgabe: VD 16 L 6073). 621 Luther, WA 10III, 287,20f (vgl. die vorige Anmerkung). 622 Martin Luther, Vorrede zum Neuen Testament, Deutsche Bibel (1545), ed. Volz, 1965,22–24.

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Jdem in der Vorrede vber die Epistel zun Römern: „Es ist vnm=glich, werck von glauben zu scheiden, ja so vnm=glich, als brennen vnd leuchten vom fewer mag gescheiden werden.“623 5

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Das ist gewislich die eintrechtige meinung der rechten Lerer der Christlichen Kirchen nach heiliger G=ttlicher Schrifft zu jeden vnd allen zeiten gewesen vnd noch, das dem glauben gute wercke folgen sollen vnd mFssen, vnd da sie nicht folgen, das der glaube gewislich falsch vnd ein loser,624 selbs erdichter wahn ist. Oder aber, da der glaube zuuor schon recht vnd warhafftig gewesen, durch welchen man die gerechtigkeit, heiligen Geist vnd die Seligkeit aus gnaden entpfangen hat, das derselbige widerumb durch vnglauben, SFnde vnd b=se werck sampt allen seinen gFtern wider verloren wird, wie die vorerzelte Exempel der Engele, Adam vnd Eua, Samson, Saul vnd Dauids klerlichen anzeigen. Zeugnis aus der Augspurgischen Confession. Dis bezeuget auch die Confession, inn dem 30. Jahr Keyser Mayestat zu Augspurg vberantwort, darinnen folgende wort inn capite de bonis operibus stehen: [d 1r:] „Obedientia erga Legem Dei est necessaria in reconciliatis. Nam Euangelium concionatur de noua uita, iuxta illud, dabo legem meam in cordibus eorum, haec igitur noua uita, debet esse obedientiaw erga Deum. Et Euangelium praedicat poenitentiam, nec existere fides potest, nisi in his, qui poenitentiam agunt etc.“625 Item: „Cum fide agnoscimus misericordiam, confugimus ad Deum, diligimus, inuocamus, speramus, expectamus auxilium, obedimus in afflictionibus. Hos cultus parit fides. Praecare igitur inquit Ambrosius,626 fides bonae uoluntatis et iustae actionis genetrix est.“627 Item: „Quanquam haec noua obedientia, procul abest a perfectione legis, tamen est iustitia, et meretur praemia, ideo quia personae reconciliatae sunt. Atque ita de operibus iudicandum est, quae quidem amplißimis laudibus ornanda sunt, QVOD SINT NECESSARIA, quod sint cultus Dei et sacrificia spiritualia et mereantur praemia. Sed tamen de persona prius tenenda est haec consolatio, necessaria in certamine conscientiae, quod fide gratis habe-

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Konjiziert aus: obedieutia.

623

Martin Luther, Vorrede zum Römerbrief, Deutsche Bibel (1545), ed. Volz, 2258,46–2259,1. haltloser, untauglicher. Vgl. Art. lose 3), in: DWb 12, 1183. 625 Vgl. Philipp Melanchthon, Confessio Augustana (1533), in: CR 26, 368. 626 Vgl. Ps.-Ambrosius [Prosper von Aquitanien], De vocatione gentium I, 17, in: PL 51, 670. 627 „Sed cum fide agnoscimus misericordiam, confugimus ad Deum, diligimus, inuocamus, speramus, expectamus auxilium, obedimus in afflictionibus quia iam scimus nos esse filios, et placere Deo nostrum sacrificium, nostras afflictiones, hos cultus parit fides. Praecare igitur inquit Ambrosius, fides bonae uoluntatis et iustae actionis genetrix est.“ Philipp Melanchthon, Confessio Augustana (1533), in: CR 26, 368. 624

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amus remißionem peccatorum, et persona iusta, id est reconciliata sit, et haeres uitae aeternae propter Christum postea uero placere obedientiam etc.“628 In Apologia: „Iustificati necessario pariunt bona opera seu bonos fructus.“629 Item: „Fidem bona opera sequi debent, et fides sine bonis operibus hypocrisis est.“630 In Commentario Philip. Mel. in Epistolam ad Romanos ante annos 12. edito, Cap. 6: „Christus apparuit ut aboleret peccatum et mortem et restitueret naturam, ut instaurata habeat uitam aeternam, quae est noua et aeterna obedientia et sapientia. Cum igitur finis sit illa nouitas uel instauratio naturae, necesse est inchoari et praestari nouam obedientiam, quia illa ipsa nouitas spiritualis est illa obedientia, et in summa Euangelium cum donat reconciliationem propter Christum, simul subijcit nos obedientiae erga Deum, et inchoat obedientiam.“631 [d 1v:] Zeugnis aus der Confession der Oberlendischen Stete Prediger, welcher Namen vnten verzeichnet, Cap. De bonis operibus, Anno. 30 : „Tertia pars poenitentiae est nouitas uitae, seu noua obedientia, sicuti Iohannes ait,632 facite fructus dignos poenitentiae, et Esa.633 Desinite mala facere etc. Confitemur enim idem, quod sentit et confitetur Ecclesia Catholica Christi, quod reconciliationem necessario sequi debeat nostra obedientia erga Deum, hoc est bona opera nobis mandata a Deo, etsi enim acceptatio ad uitam aeternam coniuncta est cum iustificatione, hoc est cum remißione peccatorum et reconciliatione, tamen BONA OPERA SVNT NECESSARIA AD SALVTEM, quia sunt debitum, quod necessario reconciliationem sequi debet, sicut Paul. ait:634 Debitores sumus.“635 628

Ebd., 369. Melanchthon, CR 27, 523 (Apologia Confessionis Augustanae, editio secunda, 1531). 630 „Fidem autem bona opera sequi debent, quia fides sine bonis operibus hypocrisis est.“ AaO 524. 631 Vgl. COMMENTARII || IN EPISTOLAM PAVLI AD || Romanos, iam denuo hoc anno || M.D.XL. recogniti & || locupletati. || Autore Phil. Melanch. || Adiecta sunt Prolegomena admodum uti / || lia, cum Praefatione ad Illustriss. || Principem Hassorum, || & Indice. || [ARGENTORATI EX OFFICINA || CRATONIS MYLII, || MENSE SEPT.|| ANNO || M.D.XL. ||] (VD 16 M 2744), 305f = V 1r–v. 632 Vgl. Lk 3,8. 633 Vgl. Jes 1,16. 634 Vgl. Röm 8,12. 635 Wittenberger Artikel von 1536, Art. V. De bonis operibus: „Tertia pars poenitentiae est novitas vitae seu nova obedientia, sicut Joannes ait [Luc. 3,8]: Facite fructus dignos poenitentiae, et Esaias [1,16]: Desinite male facere etc. Confitemur enim, quod sentit et confitetur ecclesia catholica Christi, quod reconciliationem necessario sequi debeat nostra obedientia erga Deum, hoc est bona opera nobis mandata a Deo. Etsi enim acceptatio ad vitam aeternam coniuncta est cum iustificatione, hoc est, cum remissione peccatorum et reconciliatione, et bona opera non sunt precium pro vita aeterna, tamen sunt necessaria ad salutem, quia sunt debitum, quod necessariao reconciliationem sequi debet, sicut Paulus ait [Rom 8,12]: Debitores sumus [...].“ (Ausgabe von Georg Mentz, S. 32–34). Vgl. oben S. 137, Anm. 4. Möglicherweise liegt eine Verwechslung mit der 629

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SVBSCRIPSERVNT: Vuolffgangus Capito D. Argentinensis,636 Martinus Bucerus Argentinensis,637 D. Iohannes Zuiccius Constantiensis,638 L. Martinus Frechtus Vlmensis,639

Wittenberger Konkordie vor, dafür spricht jedenfalls auch die anschließende Angabe der Unterzeichner. Die Jahreszahl 1530 spricht für eine Verwechslung mit der Confessio Tetrapolitana. 636 Wolfgang Capito (Köpfel), Straßburg. 1481 in Hagenau als Sohn eines Schmiedes geboren, wurde er nach Studien in Ingolstadt, Heidelberg und Freiburg, wo er auch 1515 den theologischen Doktorgrad erwarb, 1512 Stiftsprediger in Bruchsal, 1515 Münsterprediger und Professor in Basel. 1518 veranstaltete er die erste Sammeledition der Schriften Luthers (VD 16 L 3407). 1520 wurde er kurmainzischer Domprediger und bemühte sich als Rat des Erzbischofs Albrecht um einen Ausgleich mit Luther; zuvor war er zum Doktor des kanonischen Rechts promoviert worden. Im Februar 1523 wurde er durch Karl V. geadelt. Im März 1523 wurde Capito Propst des Straßburger Thomasstifts und Bürger der Reichsstadt, er setzte sich für die Durchsetzung der Reformation ein. 1524 heiratete er Agnes Röttel, nach deren Pesttod 1531 Wibrandis Rosenblatt, die Witwe Johannes Oekolampads. 1530 verfasste er mit Bucer die Confessio Tetrapolitana, 1532 den Berner Synodus; 1536 unterzeichnete er die Wittenberger Konkordie, 1540/41 nahm er an den Reichsreligionsgesprächen von Hagenau und Worms teil. Am 4. November 1541 starb Capito in Straßburg. Vgl. Heinz Scheible, Art. Capito, in: RGG4 2, 59f; MBW 11,265f. 637 Martin Bucer (Butzer), Straßburg. Am 11.11.1491 als Sohn eines Küfers, wurde er 1506 Dominikanermönch in seinem Heimatort Schlettstadt; 1512 wurde er nach Heidelberg versetzt, um 1515/16 in Mainz zum Priester geweiht, 1517 an der Universität Heidelberg immatrikuliert. 1518 war Bucer Hörer bei Luthers Heidelberger Disputation, Ende April 1521 wurde er auf Antrag aus dem Orden entlassen. 1522 heiratete er die frühere Nonne Elisabeth Silbereisen. Im Mai 1523 kam Bucer nach Straßburg, war zunächst Helfer von Matthäus Zell, 1524 Pfarrer an St. Aurelien, erhielt das Bürgerrecht, 1529 wurde er Pfarrer an St. Thomas. Nach dem Pesttod seiner ersten Frau heiratete er am 16. April 1542 Wibrandis Rosenblatt, die Witwe seines Freundes Capito. Im April 1549 verließ Bucer Straßburg aus Protest gegen die Haltung des Rates gegenüber dem Augsburger Interim, er erhielt eine Professur in Cambridge, wo er Ende Februar/Anfang März 1551 starb. Vgl. Heinz Scheible, Art. Bucer, in: MBW 11, 228f. 638 Johann Zwick, Konstanz. Um 1496 im Konstanzer Patriziat geboren, hatte er an der Universität Siena den Grad eines Doktors beider Rechte erworben, seit 1522 amtierte er in Riedlingen/ Donau und predigte dort evangelisch, 1525 wurde er vertrieben und war bis zu seinem Pesttod am 23. Oktober 1542 Prediger an St. Stephan in Konstanz, lange Zeit ohne Besoldung. Vgl. Bernd Moeller, Art. Zwick 1), in: RGG4 8, 1942. 639 Martin Frecht, Ulm. Als Sohn eines Schuhmachermeisters 1494 in Ulm geboren, studierte er ab 1514 in Heidelberg, 1518 war er Hörer bei Luthers Heidelberger Disputation, ab Juni 1528 bekleidete er zunächst die dritte, dann die erste theologische Professur, 1530/31 war er außerdem Rektor, 1531 wurde er zum Dr. theol. promoviert. Im Oktober 1531 kehrte er nach Ulm zurück, zunächst als theologischer Lehrer, ab 1533 als Prediger, im September 1537 war er „oberster Predicant“. Am 16. August 1548 wurde Frecht wegen Ablehnung des Interims mit den andern Predigern verhaftet und von spanischen Reitern nach Kirchheim/Teck gebracht. Am 24. Oktober 1548 nahm er das Interim an, wurde aber erst am 3. März 1549 aus der Kerkerhaft entlassen und aus Ulm verbannt. 1549–1550 hielt er sich bei Verwandten in Nürnberg und Blaubeuren auf, Ende 1550 wurde er durch Herzog Christoph v. Württemberg zum Vorsteher (Magister domus) des Tübinger Stifts bestellt. 1551 unterzeichnete er die Confessio Virtembergica, im Juni 1552 wurde er Theologieprofessor in Tübingen und starb dort am 24. September 1556. Vgl. Heinz Scheible, Art. Frecht, Martin, in: MBW 12, 88.

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Nr. 5: Ein Sermon von S. Pauli ... Bekehrung (1553)

M. Geruasius Scholasticus Memmingensis,640 L. Iacobus Otherus Eslingensis,641 M. Bonifacius Lycosthenes Augustanus,642 Vuolffgangus Musculus Augustanus,643

640

Gervasius Schuler, Memmingen. Um 1495 in Straßburg geboren, war er in jungen Jahren Gehilfe Zwinglis in Zürich, 1525 wurde er durch den Straßburger Rat als Pfarrer in Bischweiler eingesetzt, in Folge des Bauernkrieges zog er sich nach Straßburg zurück, dort setzte er sich als Prediger an Alt-St. Peter mit Altgläubigen und Täufern auseinander. Die Kapitelherren von Alt-St. Peter erreichten schließlich Schulers Abzug, er ging nach Memmingen und setzte sich dort für die Reformation ein. 1530 nahm er als Abgesandter des Rates am Augsburger Reichstag teil, wo Memmingen die CA unterzeichnete, 1536 unterschrieb er die Wittenberger Konkordie. Infolge des Interims musste Schuler aus Memmingen weichen und hielt sich bis 1550 in Zürich auf, anschließend bis zu seinem Tod im November 1563 als Pfarrer in Lenzburg (Kanton Aargau; anscheinend war die Pfarrei damals schon von der Mutterkirche Staufberg gelöst). Vgl. Culmann, Skizzen, passim. 641 Jacob Otter, Esslingen/Neckar. Er wurde um 1485 in Lauterburg (Elsass) geboren. 1505 an der Universität Heidelberg immatrikuliert, war er 1507 Sekretär von Johann Geiler von Kaysersberg in Straßburg. Nach dessen Tod 1510 setzte er seine Studien in Freiburg fort, wo er 1517 den theologischen Licentiatengrad erwarb. 1518 wurde er Pfarrer in Wolfenweiler bei Freiburg, 1522 wurde er Prädikant in Kenzingen, 1525 in Neckarsteinach. Aus beiden Stellen wurde er auf österreichischen Druck wegen seiner reformatorischen Predigt vertrieben; nach jeweils kurzem Aufenthalt in Straßburg, wo er sich theologisch an Bucer annäherte, wurde er 1529 Prediger in Aarau. Vorher war er jeweils für kurze Zeit in Solothurn und Bern tätig gewesen. 1532 wurde er schließlich nach Esslingen berufen; 1536 unterzeichnete er die Wittenberger Konkordie. Otter starb am 15. März 1547 in Esslingen. Vgl. Tilman M. Schröder, Art. Otter, in: RGG4 6 (2003), 751; Gustav Bossert, Art. Otter, in: RE3 14 (1904), 526–530. 642 Bonifatius Wolfhart (gräzisiert Lykosthenes). Geboren um 1490 in Buchen (Odenwald), war er um 1513 Kantor und Schulmeister in Friedberg (Hessen). Ab 1517 studierte er Theologie in Basel, wo er 1520 den Magistergrad erwarb und 1522 als Kaplan an St. Martin amtierte; wegen Beteiligung an Unruhen wurde er 1524/25 ausgewiesen. In Straßburg wurde er 1527 zum Dr. theol. promoviert, 1528 war er Lehrer für Hebräisch. Auf Empfehlung Bucers wurde Wolfhart 1531 Pfarrer in Augsburg (zunächst bei St. Anna, ab 1534 bei St. Moritz), hier setzte er sich u.a. für die Gründung einer städtischen Lateinschule ein. Wolfhart gehört zu den Unterzeichnern der Wittenberger Konkordie 1536. Er starb 1543 in Weil der Stadt. Vgl. W. Wallenta/G. Hägele, Art. Wohlfahrt, Bonifatius, in: Stadtlexikon Augsburg, 2. Auflage 1998, S. 935; Ehmer, Wolfhart. 643 Wolfgang Musculus (Müslin) wurde am 8. September 1497 in Dieuze (Lothringen) als Sohn eines Küfers geboren und besuchte humanistische Schulen in Rappoltsweiler, Colmar und Schlettstadt. 1512 trat er in das Benediktinerkloster Lixheim ein. 1518 kam er mit Schriften Luthers in Kontakt und begann im reformatorischen Sinn zu predigen. 1527 verließ er das Kloster, ging nach Straßburg und heiratete Margaretha Barth. Nach einigen Monaten als Weberlehrling wurde er 1528 Hilfsprediger in Dorlisheim, dann Diakon am Straßburger Münster, hörte Vorlesungen Bucers und Capitos. 1531 ging er nach Augsburg, wo er 17 Jahre lang wirkte und wesentlich zum Auf- und Ausbau des protestantischen Kirchenwesens beitrug. 1536 unterzeichnete er die Wittenberger Konkordie, 1540/41 nahm er an den Religionsgesprächen von Worms und Regensburg teil. 1548 verließ er unter Protest die Stadt, die auf kaiserlichen Druck das Interim angenommen hatte, und fand schließlich 1549 Aufnahme als Theologieprofessor in Bern. Dort blieb er bis zu seinem Tod am 30. August 1563. Vgl. Rudolf Dellsperger, Art. Musculus, in: TRE 23 (1994), 439–441.

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Nr. 5: Ein Sermon von S. Pauli ... Bekehrung (1553)

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Iohannes Bernardi Francofordiensis,644 Martinus Germanus Furfeldensis,645 Mattheus Alberusx Reutlingensis,646 Iohannes Schradinus Reutlingensis.647 IN LOCIS COMMVNIBVS PHIL. Melanth. De bonis operibus, Vuitembergae editis Anno 36. Item, Anno 41:

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Im Original: Albenus.

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Johannes Bernhardi (Algesheimer), Frankfurt/M. Er stammte aus Hohenstein (bei Langenschwalbach, heute Bad Schwalbach, im Taunus) und war Priester und Prediger in (Gau-)Algesheim, 1524 wurde er mit Melchior Ambach wegen evangelischer Predigt durch das Mainzer Domkapitel inhaftiert, im April 1525 entlassen. Als Prediger in Frankfurt/M. trieb er mit Dionysius Melander die Reformation in der Reichsstadt voran. 1526 verheiratete er sich mit Katharina Kraut, der Tochter eines Barchentwebers. 1536 unterzeichnete er die Wittenberger Konkordie. 1537 wurde er nach Ulm, 1544 nach Herborn berufen. Wegen des Interims legt er 1549 sein Amt nieder und starb vor dem 12. Oktober 1551 in Herborn. Vgl. Heinz Scheible, Art. Algesheimer, Johannes Bernhardi, in: MBW 11, 58f. 645 Martin German, Fürfeld (bei Bad Rappenau). Er war 1496 in Cleebronn (Amt Brackenheim) geboren und nach Studien in Köln und Heidelberg durch Philipp von Gemmingen 1521 zum Pfarrer der neu errichteten Pfarrei Fürfeld berufen, alsbald aber zu weiteren Studien in Wittenberg beurlaubt worden, wo er am 29. März 1522 immatrikuliert wurde. 1525 unterzeichnete er das Syngramma Suevicum (vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8, S. 761, Anm. 10), 1536 die Wittenberger Konkordie. Er starb in Fürfeld 1559. Vgl. Heinz Scheible, Art. German, Martin, in: MBW 12, 138. 646 Matthäus Alber, Reutlingen. Er wurde am 04. Dezember 1495 als Sohn des Goldschmieds Jodocus Alber und seiner Ehefrau Anna Schelling in Reutlingen geboren, wo er auch die Lateinschule besuchte; durch den Stadtbrand 1506 verarmte die Familie, Alber war Kurrendeschüler in Schwäbisch Hall, Rothenburg o. T. und Straßburg, ab 1511 Lehrer in Reutlingen. Im November 1513 wurde er an der Universität Tübingen immatrikuliert, verdiente seinen Lebensunterhalt als Lehrer an der Lateinschule. In Tübingen schloss er u.a. Freundschaft mit Melanchthon. Im Januar 1518 erwarb Alber den Grad eines Magisters der Artesfakultät. Das Studium der Theologie setzte er ab Mitte 1521 in Freiburg fort, am 08. November 1521 wurde er in Konstanz zum Priester geweiht und als Prediger an die Reutlinger Marienkirche berufen. Seit Frühjahr 1524 feierte Alber die Messe auf deutsch und unter Austeilung von Brot und Wein, im selben Jahr heiratete er Clara Baur/Bayer. Im Mai 1528 wurde Alber vom Konstanzer Bischof exkommuniziert, 1531 auf dessen Antrag vom Hofgericht in Rottweil geächtet. Reutlingen unterzeichnete schon 1530 die CA und trat 1531 dem Schmalkaldischen Bund bei. 1536 unterzeichnete Alber die Wittenberger Konkordie. 1539 wurde er in Tübingen zum Dr. theol. promoviert. Am 17. August 1548 legte Alber aus Protest gegen die Annahme des Interims sein Amt nieder, Im Juni 1549 berief ihn Herzog Ulrich zum Stiftsprediger in Stuttgart, ab 1553 war er Mitglied des Kirchenrats neben Johannes Brenz, ab 1563 erster evangelischer Abt von Blaubeuren, wo er am 01. Dezember 1570 starb. Vgl. Heinz Scheible, Art. Alber, Matthäus, in: MBW 11, 49f. 647 Johannes Schradin wurde um 1500 in Reutlingen geboren. Nach dem Theologiestudium war er zunächst neun Jahre als Lateinlehrer in seiner Vaterstadt tätig; mit Matthäus Alber schloss er sich der Reformation an. 1536 unterzeichnete er die Wittenberger Konkordie. Infolge des Augsburger Interims musste Schradin Reutlingen verlassen und hielt sich in Neuffen und Frickenhausen auf, 1553 wurde er Hofprediger des Grafen Georg von Württemberg-Mömpelgard, 1557 kehrte er nach Reutlingen zurück. Dort starb er im Winter 1560/61. Vgl. Wilhelm Heyd, Art. Schradin, Johann, in: ADB 32 (1891), 438-440. Die unterzeichnenden Theologen von Wittenberger Seite (Luther, [Jonas, Cruciger,] Bugenhagen, Melanchthon, Menius, Myconius) sind nicht genannt. Es kursierten anscheinend Abschriften (Drucke?) der Wittenberger Konkordie ohne diese Unterzeichnernamen, allerdings liegt ohnehin eine Verwechslung der Texte vor. Die Namensnennung entspricht der Handschrift K, die Reihenfolge der Handschrift S der lateinischen Fassung der Wittenberger Konkordie, wie sie in BDS 6,1 S. 114 bezeichnet und auf S. 130 angegeben sind.

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„Plane et clare dico: Obedientia nostra, hoc est iusticia bonae conscientiae seu operum, quae Deus nobis praecepit, necessario sequi reconciliationem debet. Christus enim in Euangelio praecipit de poenitentia etc.“648 Item: „[Igitur] non datur uita aeterna propter dignitatem bonorum operum, sed gratis propter Christum. ET TAMEN BONA OPERA ITA NECES-[d 2r:]SARIA SVNT AD VITAM AETERNAM, quia sequi reconciliationem necessario debent. Ideo Paulus ait:649 ‚Ve mihi, si non docuero Euangelium‘.“650 Margarita Theologiae D. Johan. Spangenbergij.

Das gute werck nicht allein in diesem, sonder auch zum ewigen leben von n=ten sind in den Gleubigen.

Diese lere stehet auch in der Margarita Theologica des Ehrwirdigen Herrn Johannis Spangebergij seligen, etwan651 der Graffschafft Mansfeldt Superattendenten, mit diesen Worten: „Si non sumus iusti propter opera, quorsum opus esty operari? Respondeo: Beneficium iustificationis totum translatum est in Christum, nec pendet ex nostra dignitate, ut uidelicet sit certum. ET TAMEN NOSTRAz OBEDIENTIA EST NECESSARIA, tanquam effectus necessario sequens.a Quia cum fide accipimus remißionem peccatorum et imputationem iustitiae, simul fit in nobis renouatos,b quae est inchoatio nouae et aeternae uitae. Inchoatio uero nouae et aeternae uitae est ipsa noua obedientia. Est ergo necessariac noua obedientia in ijs, qui sunt iustificati.“652 Das aber allhie einer sagen m=cht: Ja, da stehet wol, gute werck sind von n=ten. Es stehet aber nicht darbey „zur Seligkeit“? Das ist eine vnbedechtige rede, denn gute werck sind nicht allein zu diesem vergenglichen, sondern auch zu dem zukFnfftigen vnd ewigen leben nFtzlich vnd n=tig, dieweils Gott im Himel belohnen wil, wie der Herr Matth. 5. spricht: „Es wird euch im himel wol belohnet werden“,653 vnd Paulus 1. Timoth. 4: „Die Gottselig keit ist zu allen dingen nFtz vnd hat die verheissung dieses vnd des zukFnfftigen lebens.“654 Jtem Matth. 19: „Er wirds hunderfeltig nemen vnd das ewige leben ererben.“655

y z a b c

Im zitierten Text folgt hier: bene. Im zitierten Text: noua. Im zitierten Text: consequens. Im zitierten Text: renouatio. Im zitierten Text folgt hier: haec.

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Vgl. Philipp Melanchthon, Loci Theologici (1536), in: CR 21, 429. Vgl. I Kor 9,16. 650 Vgl. Philipp Melanchthon, Loci Theologici (1536), in: CR 21, 429. 651 einst. Vgl. Art. etwan 2), in: DWb 3, 1184. 652 Vgl. MARGARI= || TA THEOLO=||GICA, || CONTINENS PRAECIPVOS LO= || cos doctrinae Christianae, per quaestiones || breuiter et ordine explicatos, omni= || bus Pastoribus, Verbi preconi= || bus, et Ecclesiae ministris || summè utilis et ne= || cessaria. || AVTORE IOANNE SPANGE= || bergo Herdeßiano, apud Northusianos || Verbi ministro. || Cum Praefatione D. Gasparis || Crucigeri. || ANNO M.D.XLVII. || (LIPSIAE EXCVDEBAT MI- || CHAEL BLVM. ||) (VD 16 S 7850), 37 = C 7v. 653 Mt 5,12. 654 I Tim 4,8. 655 Mt 19,29. 649

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Diese lere wird von denen, welche jtziger zeit die furnembsten Lerer der Kirchen in Deutschen Landen vnnd der Augspurgischen Confession [d 2v:] verwand sindt, auch also gehalten. Denn also schreiben die Ehrwirdige vnd hochgelarte Herren, alle meine lieben Herren vnd freundt. Doctor Iohannes Epinus, Superattendens Ecclesiae Hamburgensis in libro de iustificatione hominis: „Fide in Christo iustificatio apprehenditur. Iustificatione in Christo credentibus exhibentur remißio peccatorum,d Spiritus Christi et aeterna uita. Cum autem Spiritus sanctus sit in credentibus et operetur NECESSE EST VT FIDEM SEQVATVR odium peccati et spontanea obedientia erga uerbum Dei.“656 Idem ibidem super hoc dicto Pauli: „‚Corde creditur ad iustitiam etc.‘657 id est, homo per fidem in corde residentem in Christo apprehendit iustitiam, SALVTEM autem quae est iustitiae finis, non consequitur, nisi in confeßione fidei permanserit etc.“658 Item: „qui obedientiam erga praecepta Dei abijciunt, cum obedientia salutem simul abijciunt.“659 Idem ibidem folio 127: „Iis qui salui fiunt, tum fides tum OPERA necessaria sunt, fides ut causa, opera ut effectus iustificationis.“660 Das dis auch meine Lere vnnd meinung sey, wie diese wort allhie lauten, bezeuge ich vor Gott vnd der gantzen Christenheit, vnd bitte vmb Gottes willen alle fromme hertzen, sie wollen denen kein glauben geben, welche mir mein wort verkeren vnd verfelschen. D. IOHANNES BRENTIVS IN Explicatione Catechismi: „Bona opera eTANTA NECESSITATEe sequuntur fidem in Christum, ut si non sequantur,f fides aut non sit uera, aut si uera fuerit, abijciatur.“661 Item: „Etsi bona opera a Deo praecepta, non sunt a nobis in hoc facienda, ut meritis eorum expiemus peccata, et consequamur aeternam uitam, g(haec

d

Konjiziert aus: pectorum. Im zitierten Text nicht hervorgehoben. f Im zitierten Text: sequuntur. g – g Im zitierten Text nicht in Klammern gesetzt. e–e

656

Vgl. D. IOAN || NIS AEPINI || LIBER || DE || Iustificatione hominis. || Operibus legis. || Fidei iusticia & origine. || Fidei discrimine & uirtute. || Notis & signis iustificantis fidei || & hominum iustificatorum. || Imbecillitate & peccatis sancto- || rum. || Discrimine peccatorum. || pręmijs fidei & bonorum ope- || rum. || HIS ADDITA EST CONFVTA= || tio argumentorum, quae ab aduersarijs oppo || ni solent iustificationi fidei. || FRANCOFORTI EX OF= || ficina Petri Brubachij, || ANNO M.D.LI. || (VD 16 A 376), 81v. 657 Vgl. Röm 10,10. 658 Vgl. Johannes Aepin, De Iustificatione, 86 r–v. 659 Vgl. aaO 89v. 660 Vgl. aaO 127r. 661 Vgl. CATECHISMVS || PIA ET VTILI EX- || PLICATIONE ILLV= || STRATVS. || IOANNE BRENTIO || AVTORE.|| ... || M.D.LI. ||(FRANCOFORTI EX OFFICINA TY= || POGRAPHICA PETRI BRVBA= || CCHII ... || MEN || SE VERO SE= || PTEM= || BRI. || (VD 16 B 7540), 626.

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enim maiestas soli Christo filio Dei competit)g, tamen hNECES-[d 3r:]SARIO FACIENDA SVNTh, ut testemur nos uere in Christum credere, et obediamus uocationi spiritus fidei, ne si cupiditati peccati obsequamur excutiamus e nobis fidem, Christum, Spiritum sanctum, et omnia coelestia bona.“662 D. MARTINVS BVCERVS IN LIB. de uera Ecclesiarum reconciliatione: „Inuocatio consequitur NECESSARIO fidem, nec unquam ei non cohaerent Spes et fiducia.“663 „NECESSE EST ut fidem etiam dilectio comitetur, et sicut Dei, ita et proximi.“664 „NECESSARIO noua uita coniuncta est cum fiducia de Christo etc.“665 „Scriptura docet inchoatam in nobis iusticiam, et NECESSARIAMi esse ad Salutem, et a Deo iusticiam censeri.“666 Idem ibidem de conciliando iustificatoris loco: „Cum dicimus in nobis existentem iusticiam, jESSE NECESSARIAM AD SALVTEM,j ne quis id perperam intelligat, non sentimus eam necessariam neceßitate meriti sui (ex gratia enim, et per unum Christi meritum nobis ex gratia donatum, constat nostra redemptio) sed neceßitate operis Dei in homine restituendo etc.“667 D. Vitus Dietrich inn den Summarijs vber das newe Testament, cap. 4. ad Ephes.: „Hie fehet S. Paulus an zu uermanen, weil wir zu solcher grossen gnade sind komen, das wir wol zu sehen, das wir durch Gottlos leben nicht widerk her-

h–h

Im zitierten Text nicht hervorgehoben. Im zitierten Text nicht hervorgehoben. j – j Im zitierten Text nicht hervorgehoben. k Im zitierten Text: widerumb.

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AaO 627. Vgl. DE VERA EC= || CLESIARVM IN DOCTRI= || NA, CEREMONIIS, ET DISCI= || plina reconciliatione & || compositione. || ... || RESPONSIO AD CALVMNIAS ALBERTI || Pighij Campensis, contra Confeßionem et Apologiam Prote= || stantium nuper uulgatas, et Refutatio suggillationis || Eccianae, contra Acta Ratisponensia. || Per Martinum Bucerum. || ... || [Straßburg: Wendelin Rihel d. Ä., 1542] (VD 16 B 8929), 136r: „[Eph 3,12] ... id est, fiducia confidens ad Deum aditus, et libera inuocatio. Consequitur igitur necessario fidem, nec unquam ei non cohaerent, spes et fiducia.“ 664 Vgl. aaO 136v. 665 Vgl. aaO 136v–137r: „... cui necessario coniuncta est, eodem nimirum adflata spiritu, cum fiducia de Christo, tum studium et obseruantia Christi, totaque noua uita.“ 666 Vgl. aaO 178v. 667 Vgl. aaO 179v. 663

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aus fallen, sondern Gottselig leben sollen.“668 Dieser zeuget ja auch, das die Gottseligkeit n=tig sey, zu erhaltung der entpfangenen gnaden.669

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[d 3v:] D. Erasmus Sarcerius inn einem Sermon von der Gerechtigkeit so vor Gott gild vnd von guten Wercken als frFchten vnd zeugnissen der selben: „Zum sechsten sollen gute werck ernenerin vnd erhalterin sein bey Gottes gnade, bey dem glauben, bey der gerechtigkeit, bey vergebung der sFnden, bey dem ewigen leben etc. Denn gleich wie diese dinge durch b=se Wercke der todsFnden verloren werden, also werden sie durch gute werck erhalten, nicht anders, denn wie das fewer in der assche erhalten wird. Derhalben geben wir den guten wercken diese Namen, das sie heissen: Fomenta et nutrimenta gratiae, fidei etc. Zum siebenden, das sie zeitlichen lohn haben sollen sampt dem ewigen leben Matth. 5.670 etc.“671 D. Hieronymus Nopus etwan Superattendens zu Regenspurgk. Dieser Doctor Nopus hat Anno 1544 ein seher nFtzlich BFchlein zu Regenspurgk in Druck lassen ausgehen. [d 4r:] lMit diesem Titel:l „Predig, darin sonderlich gehandelt wird, was der guten werck lohn sey, vnd das Christen sollen vnd mFssen gute Werck thun.“672 Dieses Herren Doctoris Nopi Caplan ist Nicolaus Gallus gewesen.673 Da nu diese Lere, gute werck sind in den gleubigen zur seligkeit also von n=ten, nicht das man die Seligkeit dadurch verdiene, welche die gleubigen aus gnaden durch den glauben schon entpfangen haben, sondern das man die selbige, Gott dem Himlischen Vater, der vns mit so reicher gnade vnnd ewiger Herrligkeit in Christo begabet hat, zu gefallen, zu lob, Ehre vnd danck thue, wie denn dis des D. Nopi wort sind, so es vnrecht were, so solte Nicolaus Gallus seinen Pfarherrn zu solcher zeit darumb gestrafft haben, wie er mich

l–l

Durch Großdruck hervorgehoben.

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Vgl. Summaria || vber das newe Te||stament / Darin auffs kFrtz||ste angezeigt wird / was am n=tigsten || vnd nFtzsten ist / dem jungen Volck || vnd gemeinem Man / aus allen Ca= || piteln / zu wissen vnd zu lernen / Dar= || nach sie jr Leben richten ... || Von || M. Vito Diete= || rich / in S. Sebalds Kir || chen / zu NFrnberg Predi= || ger / gestellet. || [Wittenberg: Veit Kreutzer, 1544] (VD 16 D 1638), CCLXXXIIv = Ccc 2v. 669 Vgl. I Tim 4,8. 670 Vgl. Mt 5,11f. 671 Vgl. Etliche predigten || Erasmi Sarcerij / Pfarherren || zu Leipzig / Zur auffbawung der Christli= || chen Kirchen / Jn diesen zeitten || nFtzlich vnd dienstlich. || Von der Buss. || Von mitteln vnd wegen / ein disciplin vnd || zucht widerumb auff zurichten. || ... || [Leipzig: Jakob Bärwald, 1551] (VD 16 S 1698), X 1r. 672 Vgl. Predig / darin || fürderlich geh$delt wirt / || was der guten werck lohn sey / vnd || das Christen sollen vnd mü= || sen gute werck thun / gesche || hen zu Regenspurg ü= || ber dz Euangelion || Luce 6 ... || Durch Hieronimum Nop= || pum D. Pfarhern doselbn. || ... || [Regensburg: Hans Kohl, 1544] (VD 16 N 1840). 673 Gallus war 1543 auf Vermittlung Luthers und Melanchthons in Regensburg zum Diakon bestellt worden. Vgl. Gerhard Simon, Art. Gallus, Nikolaus, in: TRE 12 ( 1984), 22.

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denn jetziger zeit, one meine verdienst,674 darumb offentlichen schendet vnd lestert. Gott vergebs jm. Deliberatio Theologorvm Ducatus Luneburgensis et Hannophoranae Reip. super necessarijs et Adiaphoris doctrinae Christianae, qua ratione sit cum pontificijs in futura disputatione agendum Anno 1540. Mense Februario, Autore D. Vrbano Regio. [d 4v:] „Eccius praefigit in suis locis communibus hunc titulum de operibus Fidem non sufficere sine operibus, et opera esse aliquid ex gratia Dei acceptante, et coaceruat 40. testimonia non intelligens haec non contra nos esse. Docemus et nos FIDEM NON SVFFICERE sine operibus ad uitam Christianam. Atque fides quae opera nulla facit non est fides. Comparare solemus iactatorem fidei qui perdite uiuit, ficui, quam Christus maledixit cum tantum haberet folia, non etiam fructus. Sed fides sufficit sine operibus ad iustificandum peccatorem coram Deo, ad hoc ut homo a Deo iustus reputetur postea iustificatus et bona arbor factus, profert fructum tempore suo, et haec opera iustificatorum propter fidem ipsorum grata sunt Deo, quamuis legi non satisfaciant, quare et nos dicimus opera aliquid esse ex gratia Dei acceptantis opus propter operantem in fide. Respicit enim Deus ad Abel primum, deinde ad oblationem eius, et opus bonum est sacrificium gratum Deo, et obsequium utile et necessarium proximo testimonium fidei, quod Deus etiam coronat multis praemijs.“675 Vrbanvs Regivs in libello „ Formulae quaedam caute et citra scandalum loquendi“: „Glaub one gute werck ist kein glaub. Werck one glauben sind nicht gute werck. Darumb mFssen die zwey ding, Glauben vnd gute Werck thun, bey einander sein dieweil wir leben. Wer sein leben nit bessert vnd gute werck thut, der sol wissen, das er kein Christ ist. Wer aber kein Christ ist, der wird verdampt.“676 Lutherus in der Hauspostil am 13. Sontag nach Trinitatis: „So jemands sol selig werden, der mus erstlich durch Jhesum Christum, Gottes Son, verge-

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Schuld. Vgl. Art. Verdienst 2 b), in: DWb 25, 230. Auch Johann Pfeffinger hatte in seinem „Gründlichen und wahrhaftigen Bericht“ aus dem Jahr 1550 auf diese Schrift verwiesen, die bisher jedoch nicht nachgewiesen werden konnte. Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, 667, Anm. 143. 676 Vgl. Wie || man fursich= || tiglich vnd on ergernis || reden sol / von den fur= || nemesten Artickeln || Christlicher lere. || Fur die jungen einfel=||tigen prediger. || D. Vrbani Regij. || [Wittenberg: Hans Lufft, 1536] (VD 16 R 1805), C 6r; eine weitere deutsche Fassung erschien 1537 (VD 16 R 1806); diverse lateinische Fassungen wurden bis weit in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts gedruckt (VD 16 R 1795–1797, 1803f; ZV 13207, 25266; VD 17 1:074528Y, 3:602444G, 14:670733Y, 23: 273431W, 23:860852X, 39:148149G). 675

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bung aller seiner sFnden haben vnd [e 1r:] darnach auch den heiligen Geist entpfahen, der das hertze zum willigen, rechten gehorsam erwecke.“677 Da h=restu, wie Lutherus leret, das zwey ding zur Seligkeit n=tig sind: Erstlich der glaube, darnach williger gehorsam gegen Gott, durch den heiligen Geist erweckt, welcher gehorsam, ob er wol in den gleubigen sein mus, jedoch ist er nicht das verdienst der Seligkeit, welche aus gnaden, vmb Christus willen, geschanckt vnd durch den glauben allein entpfangen wird. Dis sind die zeugnis der Alten vnd jetzigen zeit Lerer der Christlichen Kirch von dieser Propositio: „Bona opera in renatis necessaria sunt ad salutem,“ welcher viel mehr k=ndten dargethan werden, wo solches von n=then. Darumb ist das keine newe lere, denn diese lere haben Adam vnd Eua im Paradis von dem Son Gottes entpfangen, da er spricht: „Des Weibes Samen wird der Schlangen den kopff zutretten.“680 Das ist, der Son Gottes wird darumb in die welt kommen, das er die werck des Teufels, als die sFnde vnd den Tod, zerst=re vnd die Menschliche Natur widerumb zum bilde Gottes vernewere, auff das sie also wider das ewige leben habe, welches ein newer vnd ewiger gehorsam gegen Gott vnd eine ewige weisheit ist. Dieweil denn alles dazu als zum ende ge-[e 1v:]richt wird, das die Natur vernewert sol werden, so ist je681 von n=ten, das wir in diesem leben solchen newen gehorsam gegen Gott anfahen, denn die widergeburt, so durch den heiligen Geist geschicht, ist dieser newer gehorsam. Jn summa, diweil das Euangelium vns die vergebung der SFnden vnd die versFnung durch Christum gibt vnd verkFndiget, so leret es auch zu gleich, das wir vns in gehorsam gegen Got geben sollen vnd hebet solchen gehorsam durch den heiligen Geist in den gleubigen an. Derwegen ists zu erbarmen, das dieser zeit Prediger vnd Lerer der Christlichen Kirchen sind, die solche Lere d=rffen anfechten, das gute werck inn den gleubigen vnd Kindern Gottes zur Seligkeit von n=ten. Denn wenn schon keine andere beweisung were, welcher wir doch zuuor etliche viel vnd bestendige682 angezeigt, so k=nnen sie doch wider dis Argument mit warheit vnd bestendigkeit nichts auffbringen das weis ich gewislich: One Busse vnd bekerung zu Gott kan niemand selig werden. Busse ist ein werck von Gott geboten. [e 2r:] Darumb kan niemandt one das Werck der Busse selig werden.

677

Eine wortgleiche Passage findet sich in der angegebenen Predigt nicht, inhaltliche Entsprechungen sind vorhanden. Vgl. WA 52, 455–463 (Luther, Hauspostille [1544], Predigt zum 13. p. Trin. über Lk 10,23–37). 678 Vgl. Gen 3,15. 679 Vgl. I Joh 3,8f. 680 zertreten. 681 stets, immer. Vgl. Götze, 127. 682 überzeugende, stichhaltige. Vgl. Art. bestendig 5), in: Fnhd.Wb. 3, 1974.

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Genes. 3,678 1. Johan. 3.679

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Matth. 3. mJtem

Johan. 3. Rom. 8.

Vrsprung dieses zanckes, ob gute werck zur seligkeit n=tig.

zum andern.m One rechtschaffene frFcht der Busse kan niemandt selig werden. Gute werck, welche dem Glauben folgen vnd zu Gottes ehre geschehen, sind rechtschaffene frFchte der Busse. Derhalben sind die guten Werck zur Seligkeit von n=then. Denn also stehet Matthei am dritten Capitel geschrieben: „Sehet zu, thut rechtschaffene frFchte der BVSSE. Es ist schon die Axte den Beummen an die Wurtzeln geleget. Darumb, welcher Baum nicht gute FrFchte bringet, wird angehawen vnd ins fewer geworffen.“683 Denn ob wol die SELJGKEJT wir nicht von wegen vnser Busse oder der rechtschaffenen FrFchte der Busse, sondern aus Gnaden, [e 2v:] ALLEJN durch den glauben, von wegen des verdiensts des Sons Gottes, entpfahen, jedoch wil Gott, das diese werck in denen, so da selig werden, sein sollen, wie die sprFche lauten: „Wer nicht zum andern mal geboren wird etc.“684 „Welche der Geist Gottes treibet, die sind Kinder Gottes.“685 Vrsach des zancks vber dieser Lere. So sprichstu denn, dieweil diese lere stets inn den Christlichen Kirchen gewesen, auch inn der Augspurgischen Confession begriffen vnd zuuor von niemands angefochten worden, woher kommet denn jtzund dieser zanck vnd hader her? Des wil ich dir grFndlichen bericht thun: Anno 1548 ist auff dem Landtag zu Meissen vnter andern Artickeln der Christlichen Lere den Theologen befohlen, auch den Artickel von den guten wercken zu erkleren, welcher denn von den Ehrnwirdigen vnd hochgelarten Hern, Doctor Caspar Creutziger seliger gedechtnis vnnd D. Philip Melanth., welcher noch bey leben, Gott gebe lange, auff folgende weise, wie er hernach inn Druck gegeben, gestalt vnd geschrieben: [e 3r:] „Von guten Wercken Wir zweiffeln nicht, vnser lere vnd vorstand von guten wercken sey G=ttlicher schrifft vnd dem verstand zu allen zeiten der Catholischen kirchen gemes, vnd die weil vnser schrifften davon am tage sind, ist nicht n=tig alhie lange bericht zu thun. Vnnd damit eine gewisse regel sey, berichten wir, das diese werck gut vnd n=tig sind, die Gott geboten hat, laut der zehen gebot vnnd der selbigen erklerung, inn der Aposteln schrifften genugsam ausgedruckt. Nach dieser regel ist gut gewissen vnd b=s gewissen zu vnterscheiden. Vnd, wie zuuor ge-

m–m 683 684 685

Durch übergroßen Druck hervorgehoben. Mt 3,8.10. Vgl. Joh 3,3.5. Röm 8,14.

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sagt, Gottes ernster beuelh, das wir in gutem gewissen leben, vnd wie S. Paul sagt: ‚Behaltet glauben vnd gute gewissen.‘686 Wer nun in sFnden beharret wider das gewissen, der ist nicht bekeret zu Gott vnd ist noch Gottes feind, vnd bleibet der zorn Gottes vber jm, so er sich nicht bekeret. Das ist gantz gewis, laut ad Gala. 5: ‚Von diesem hab ich auch gesagt vnd sage es noch, der solchs thut, wirt das reich Gottes nicht erben.‘687 Vnd Gott hatt in seinem Eid beydes gefasset, das diese bekerung n=tig sey vnd das [e 3v:] man vergebung glauben sol. ‚So war ich lebe, jch wil nicht den Tod des sFnders, sondern das er bekeret werde vnd das leben erhalte.‘688 Darumb, wo keine bekerung ist, da ist kein gnade. Dieses wissen alle verstendige one lange erklerung. Weiter, so jemand, der in Gottes gnade gewesen ist, wider Gottes gebot wissentlich handlet, der betrFbet den heiligen Geist vnd verleuret genade vnd gerechtigkeit vnd felt in Gottes zorn, vnd, so er nicht widerumb bekeret wird, fellet er in ewige straffe, wie Saul689 vnd viel andere. Dieses ist klar ausgedrucket ad Rom. 8: ‚Jhr seid schuldig, nicht nach dem fleisch zu leben. So jr nach dem fleische lebet, werdet jr sterben.‘690 Das ist, so jhr den b=sen neigungen wider das gewissen folget, werdet jhr in ewige straffe fallen. Vnd verdienen solche sFnde nicht allein ewige straff nach diesem leben, sondern viel grausamer straffen in diesem leben, damit der theter vnd viel andere Leuthe zu gleich vberfallen werden, wie Dauids Ehebruch vnnd Todtschlag gestraffet ward.691 Aus diesen vrsachen, kurtz zu reden, ist leicht zu uerstehen, das gute Werck n=tig sind, denn Gott hat sie geboten. Vnd so dagegen gehandelt, wird Gottes gnade vnd heiliger Geist ausgeschFttet,692 vnd verdienen solche SFnde ewige Verdamnis. Es gefallen aber die Tugenden vnd gute [e 4r:] werck Gott also, wie gesagt ist, in den versFneten, dieweil sie gleuben, das Gott die Person annimpt vmb Christi willen, vnd wil jm in solchen diesen vnuolkommen gehorsam auch gefallen lassen. Vnd ist war, das das Ewige leben vmb des Herrn Christi willen gegeben wird aus gnaden, vnd das zu gleich Erben sind der ewigen seligkeit alle, die sich zu Gott bekeren vnnd durch glauben vergebung der sFnden vnd heiligen Geist empfangen. Gleichwol sind die newen tugenden vnd gute Werck also hoch von n=ten, das, so sie nicht im hertzen weren, were keine entpfahung G=ttlicher gnade. So mus ja entpfahung G=ttlichen gnade inn vns sein, vnd ist der trost nicht ein fauler gedancken, sondern ist leben vnd errettung aus

686 687 688 689 690 691 692

Vgl. I Tim 1,18f. Vgl. Gal 5,21. Vgl. Ez 33,11. Vgl. I Sam 15,23.26; 16,1. Vgl. Röm 8,12f. Vgl. II Sam 11f. verworfen, vergeudet. Vgl. Art. ausschütten 6), in: Fnhd. Wb. 2, 1342f.

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grosser angst, wie der K=nig Ezechias spricht Esaie 38: ‚Gott hat alle meine beine zuschmetteret wie ein Law,693 er hat aber meine Seel errettet vnd alle meine SFnde zuruck geworffen.‘694 Also spricht Paulus Jn der 2. zun Corint. am 5. Capit: ‚Wir werden widerumb angezogen werden, doch won wir nicht blos gefunden werden.‘695 Vnd Apocalypsis am andern cap: ‚Sey trew vnd gleubig bis in den Todt, [e 4v:] so wil ich dir die Kron des lebens geben.‘696 Jn diesem spruche sind zwey stFck begrieffen: Das erste, das in diesem leben der anfang geschehen mus zur ewigen Seligkeit. Das ander, das wir fur vnserm ende nicht dauon abfallen. So ist auch die widergeburd vnd ewiges leben an jr selbs ein newes Liecht, Gottes furcht, Liebe vnd freude inn Gott vnd andere tugenden, wie der spruch sagt: ‚Dieses ist das ewige leben, das sie dich warhafftigen Gott erkennen vnd mich Jhesum Christum etc.‘697 Wie nun dieses warhafftig erkennen inn vns leuchten mus, also ist gewislich war, Das diese Tugenten, Glaube, Liebe, hoffnung vnd andere, in vns sein mFssen Vnd zur Seligkeit n=tig sind. Dieses alles ist leicht zu uerstehen den GottfFrchtigen, die trost bey Gott suchen vnd erfaren. Vnd dieweil die tugende vnd gute werck Gott gefallen, wie gesagt ist, so verdienen sie auch belohnung in diesem leben, geistlich vnd zeitlich nach Gottes Rath, vnd mehr belonung in ewigem leben. Vnd werden hiemit in keinem wege der M=nche jrrthumb bestetiget, das ewige seligkeit durch wirdigkeit vnserer werck verdienet wird. Jtem, das wir andern vnsere verdienst m=gen mitteilen, [f 1r:] sondern der glaube erkennet vnsere eigene schwacheit vnd hat zuflucht zu dem Son Gottes vnd empfehet diesen ewigen trost aus desselbigen verdienst, laut seiner gnedigen vnd vberschwenglichero reichen verheissung, vnd weis, das wir zu jeder zeit inn der Bekerung Gott zu glauben schuldig sein, der gnad verheissen hat vnd hat solche verheissung mit seinem Eid bestetigt vnd achtet verzweiflung als ein Gottes lesterung fur die h=chste SFnde. Weitter werden gute werck mit vielen zeitlichen verheissungen vnd grossem lob inn G=ttlicher Schrifft gezirt, dauon wir nach der lenge sonst inn vnsern Schrifften Christliche vnterricht gethan haben vnnd durch Gottes gnaden zu aller zeit thun wollen. Denn Gott wil auch in zeitlichen gaben erkant vnd angeruffen sein, vnd wil, das dieselbe anruffung auch im glauben vnd guten gewissen geschehe.

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Im zitierten Text: so. Im zitierten Text: Fberschw(nglichen.

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Löwe. Vgl. Jes 38,13.17. Vgl. II Kor 5,2. Vgl. Apk 2,9f. Vgl. Joh 17,3.

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Was aber weiter zu reden ist von wercken, die Gott nicht geboten hat, daraus die Bischoffe vnd M=nch Gottesdienst gemacht haben vnd in den spruch geh=ren: ‚Vergebens ehren sie mich mit Menschen geboten‘,698 dauon ist auch noth, die warheit zu erhalten,699 das rechter verstand bleibe, welche n=tige vnd Gottgefellige Gottesdienst sein vnd welche zu uerwerffen.“700 Diese herrliche Lere haben die Theologen beider Vniuersitet, Wittemberg vnd Leip-[f 1v:]zig, vnd die andere Superattendenten vnd Pastores, so zu solcher zeit nicht in kleiner anzal auff solchem Landtag701 verschrieben,702 neben dem Ehrwirdigsten, durchleuchtigen vnd hochgebornen FFrsten vnd Herrn, Herrn Georgen, FFrsten zu Anhalt etc., meinem gnedigen Herrn, mit hohem vleis bewogen vnd denselbigen nicht anders als rechter G=tlicher schrifft gemes befunden, welcher auch dem Durchleuchtigsten vnd hochgebornen FFrsten vnd Herrn, Herrn Moritzen, Hertzogen zu Sachsen vnd ChFrfFrsten etc., meinem gnedigsten Herrn vnd der gantzen Landschafft ferner zu bewegen in vnterthenigkeit vberantwort, vnd ist solcher Artickel von jederman als Christlich vnd wolgestalt angenomen vnd von niemands gestrafft worden. Hernachmals ist solche gantze Handlunge durch den Jllyricum, wie er sich selbs inn seinen Drecktetlin703 rhFmet in Druck gegeben704 vnd vom jm vnd andern auch vnangefochten blieben. Folgents aber, da dieser Artickel von guten wercken in das Buch, welches die Magdeburgischen Scribenten das Leipzisch Jnterim teuffen, auch gesetzt worden705 vnd der Teufel nicht lenger einigkeit vnter den Lerern leiden kund, da ist diese Lere vnd die gantze Leipzische handlung, dabey ich nicht gewesen, durch die Magdeburgischen Schreier auffs bitterlichst (aus welches eingeben ist leichtlich zu gedencken) verfelschet vnd gedeut [f 2r:] worden, wie denn jhre Drecktetlein solches bezeugen.706 Das ist der warhafftige vrsprung dieses ergerlichen zancks, welcher nu in die vier Jahr geweret vnd bey den Magdeburgischen Scribenten keine ruhe vnd auffh=ren ist, welche jtzt in diesen hundestagen707 zu gleich drey BFcher wider mich,708 als dere ich alleine solches lere, haben ausgehen lassen, welcher 698

Vgl. Mt 15,9. bewahren. Vgl. Art. erhalten 3), in: DWb 3, 835. 700 Vgl. Fragmentum confessionis doctrinae verae, conscriptam a Melanthone in conventu Misnico de iustificatione et de bonis operibus, 6. Juli 1548, in: CR 7, 48–64, bes. 60–64 = MBW 5209. 701 Gemeint ist der Landtag im Juli 1548. Vgl. Herrmann, Augsburg – Leipzig – Passau, 54–63. 702 eingefordert, anwesend. Vgl. Art. verschreiben 3), in: DWb 25, 1156f. 703 Wohl ein polemisches Spiel mit den Worten „Traktat“ und „Dreck“. 704 Bericht vom || INTERIM || der Theologen zu Meissen versam= || let. Anno M. D. xlviij. || ... || [Magdeburg: Christian Rödinger d. Ä. 1548] (VD 16 B 1846f); vgl. zur Drucklegung durch Flacius unsere Edition Bd. 2, S. 859, Anm. 111. 705 Vgl. unsere Edition Bd. 2, Nr. 4, S. 367–441, bes 396–399. 706 Zum Adiaphoristischen Streit vgl. unsere Edition Bd. 2. 707 Die Zeit zwischen dem 23. Juli und dem 23. August eines jeden Jahres. 708 Damit sind die Schriften von Amsdorf, Flacius und Gallus aus dem Jahr 1552 gemeint. Vgl. unsere Ausgabe Nr. 2, 3, 4. 699

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offentlichen LFgen vnd Calumnien709 allhie ich nicht habe wollen antworten, denn sie keiner antwort d=rffen, sondern allein Christliche, reine lere verteidigen. Nu wil ich zu ende nicht auff jhre lesterwort, sondern auff jre furnembste Argument wider diese lere antworten vnd was vnn=tig willig vnd wissentlichen vbergehen, denn dis Buch allbereit mir vnter den henden allzugros gewachsen.

Johan. 3.

Hie wider sagen sie: „Bona opera esse necessaria, sed non neceßitate legali seu coactionis, sed neceßitate gratuita seu consequentiae, seu immutabilitatis. Sicut sol necessario lucet, si est sol, cum tamen lucet non ex lege, sed ex natura seu uoluntate (ut sic dicam) immutabili, quia sic creatus est, ut luceat. Sic iustus creatura noua, facit opera neceßitate immutabili non lege seu coactione, iusto enim non est lex posita etc.“710 Diese wort D. Lutheri, welche Amsdorff vnd Gallus inn jren BFchern711 wider mich fFren vnnd hart anziehen,712 m=chte ich von jn wol h=ren, wie sie es recht verkleren713 wolten. [f 2v:] Denn sonder714 zweifel Lutherus meinung diese ist, wie er denn inn allen seinen BFchern schreibet vnd auff der Cantzel vnd in der Schule stets geleret hat, das gute werck in den gleubigen sein mFssen, aber nicht aus noth des gesetzes vnnd des zwangs, das ist, nicht als Werck durch das Gesetze erzwungen, die da zu verdienst der Seligkeit n=thig weren, sed neceßitate gratuita seu coactione Euangelij seu lege spiritus, wie er sich selbs erkleret, sondern welche der Mensch, durch den glauben von der Vermaledeiung des Gesetzes erl=set, nu als frFchte des glaubens, aus freiwilligem Geiste, Gott zu ehren vnd zum schuldigen gehorsam vnd dem Nehesten zu nutze thut. Vnd dasselbige thut er gratuita neceßitate, das ist, vmb sonst, das er nicht das ewige leben dardurch verdienen wil, welches er allbereit aus gnaden von wegen des Mitlers, ALLEJN durch den glauben, entpfangen hat, wie geschrieben stehet: „Wer an den Son gleubt, der hat das ewige leben.“715

709

Schurkereien, Betrügereien. Vgl. Art. calumnia, in: Georges I, 938f. Vgl. „Antwort auff das Buch herrn Andreae Osiandri von der Rechtfertigung des Menschen. Philip: Melanth: Gedruckt zu Witteberg Durch Veit Creutzer. 1552.“ (VD 16 M 2501), Bl. C 4r – D 3v: Disputatio Philippi Melanthonis cum Doctore Martino Luthero Anno 1536, bes. D 1v. (vgl. WA.T 6, Nr. 6727, bes. S. 150). 711 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 2 (Amsdorf), Bl. C 1v (oben S. 67,13–16); Nr. 4 (Gallus), Bl. D 3r (oben S. 120); Bl. D 3v/4r (oben S. 121f). 712 anführen, erwähnen. Vgl. Art. anziehen 12), in: Fnhd.Wb 1, 1615f. 713 erklären. 714 ohne. 715 Joh 3,36. 710

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Als das ich solches erklere, dis ist Gottes ewiger, vnwandelbarer wille, das alle Creaturn, vnd sonderlichen die vernFnfftigen, als die Engele vnd Menschen, freiwillig Gott jrem Herren vnd Sch=pffer sollen gehorsam sein. Diese ewige, vnwandelbare ordnung Gottes sehen vnd verstehen die heiligen Engel vnd erkennen da-[f 3r:]durch, das sie solchen gehorsam Gott zu leisten schuldig, vnd dz derselbige gehorsam zu erhaltung jrer Seligkeit jnen n=tig sey, in welcher Seligkeit sie aus lauter gnade vnd barmhertzigkeit erschaffen. Wo sie aber aus solcher ordnung des gehorsams tretten, das sie Gottes zorn auff sich laden, die Seligkeit verlieren vnd in ewigen verderb fallen. Das sehen vnd erkennen die liebe, heilige Engeln vor augen an den Engeln, welche solche ordnung Gottes vbertretten vnd gesFndiget vnnd dardurch verdienet haben, das Gott jr nicht verschonet hat, sondern hat sie „mit ketten der Finsternis zur Hellen verstossen vnd vbergeben, das sie zum gericht behalten werden.“716 Diesen grossen ernst vnd zorn Gottes sehen die lieben Engele vnd erschrecken dafur, vnd dienen Gott erstlich, neceßitate gratuita, das ist, sie sehen, das der gehorsam gegen Gott jnen von wegen Gottes ewiger vnd vnwandelbarer ordnung von n=ten zu erhaltung der Seligkeit, welche jnen Gott aus lauter gnaden geschanck hat, vnd dienen doch Gott vmb sonst, freiwillig vnd von hertzen gern, haben lust vnd frewde darob, das sie Gott vnd den Menschen dienen sollen, dieweil sie sehen, das sie darzu geschaffen. Vnd ist doch bey solchem freiwilligen Geist auch eine Kindliche furcht gegen Gott, welcher sie zum gehorsam treibet, dieweil jhnen das erschreckliche Exempel der verdampten Engeln da vor augen stehet. [f 3v:] Darumb ist der Engeln gehorsam gegen Got wol freiwillig. jedoch nicht one allen zwang vnd one alle furcht, dieweil sie Gottes Ordnung vnd befehl vnd das exempel der verdampten Engeln sehen, dienen aber nicht Neceßitate legali, das sie durch solchen dienst die Seligkeit verdienen wolten, welche sie aus gnaden haben das sie selig von Gott geschaffen sind. Denn wie zweierley zwang ist, nemlich eins Henckers vnnd Stockmeisters zwangk, welches Coactio legalis, des Gesetzes zwangk ist, durch welchen, wie Paulus schreibet, die „vngerechten vnnd vngehorsamen, die Gottlosen vnnd SFnder“ sollen gezFchtiget vnnd gezwungen werden. Vnd darnach der ander zwangk des Geistes, welcher Coactio Euangelij, fidei seu spiritus ist, das sich der gleubige Mensch nu freiwillig vnter das Joch vnsers Herrn Christi begibt vnd sich nu mehr nicht sein fleisch, sondern den Geist Gottes, welchen er

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Konjiziert aus: vnwandelbare. Konjiziert aus: .gn=ti.

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II Petr 2,4. Vgl. Hebr 1,14. Vgl. I Tim 1,9. Vgl. Mt 11, 29f.

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Gottes vnwandelbarerp wille, das alle Creaturen jm gehorsam sein. Die Engele erkennen an den verdampten geistern, das jhnen der gehorsam gegen Gott zu erhaltung jhrer seligkeit n=tig.q

2. Petri 2.

Hebr. 1.717

Wie der engel gehorsam sey.

Das zweierley zwangk sey. 1. Timot. 1.718

Matth. 11.719

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Roma. 8. Zweierley furcht. Knechtliche furcht. Kindliche furcht.

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durch den glauben entpfangen, zu Gottes gehorsam treiben lest, wie geschrieben stehet, „welche der Geist Gottes treibet, die sind Kinder Gottes.“720 Wie nu, sag ich, zweierley zwang ist, so ist auch zweierley furcht, als erstlich eines knechts furcht, bey welcher keine liebe ist, welcher alles aus zwang vnd drang vnd von wegen der straffe oder des verdiensts thut. [f 4r:] Darnach ist auch ein Kindliche furcht, bey welcher auch liebe ist. Denn dieweil das Kind sihet, das das Gottes ewiger, vnwandelbarer wille ist, das es Vater vnd Mutter ehren sol,721 so sihet es, ob es wol die Kindschafft one sein verdienst von der natur vnd dem geblFt her, von Vater vnd Mutter, vnd durch Gottes Ordnung hat, das gleich wol der gehorsam gegen Vater vnd Mutter jm also hoch von n=ten, von wegen des ernstlichen befelhs vnd der ewigen ordnung Gottes, das, da es das Ius filij, die Kindschafft, durch sein gehorsam nicht erzelte,722 das Vater vnd Mutter gut fug vnd recht haben wFrden, das Kind zu zFchtigen oder nach seinem verdienst gar zu enterben vnd zu uerstossen. Auff das nu solches nicht geschehe, so vnterwirfft es sich nach Gottes Ordnung seinen Eltern vnd thut solliches, vmb Gottes ehre willen, vnd thuts freiwillig, so es ein gleubig Kind ist, nicht des halben, das es die Erbschafft durch solchen gehorsam verdienen wolle, welche von wegen der geburt allbereit sein ist, sondern das es Gott vnd seine Eltern nicht erz=rne vnd die Erbschafft nicht verliere, lebt also in steter furcht vnd liebe gegen seine Eltern, welche furcht vnd liebe das Kind zum gehorsam treibet. Wenn nu einer zum Kind spreche: „Was ists von n=ten, das du Vater vnd Mutter von wegen der Erbschafft wilst gehorsam sein? Ist doch die Erbschafft one das dein?“ [f 4v:] Was wFrde wol zu einem solchen Hanswurst723 ein vernFnfftig vnd GottsfFrchtig kind sagen? Ob es nicht also wFrde sprechen: „Ey, lieber Hans, das weis ich selbs wol, das das Erbe meines Vaters mein ist. Mir aber ist hoch von n=ten, das ich Vater vnd Mutter gehorsam sey, von wegen Gottes gebots vnd das ich die Erbschafft vnd den Veterlichen willen erhalte.“724 Allso auch haben alle gleubigen das erbe des ewigen lebens vnd sind Kinder Gottes, ALLEJNE durch den glauben vnd heiligen Geist, durch welchen sie zu Kinder vnnd Erben Gottes, on alle jre verdienst vnd wirdigkeit, geboren werden. Das aber Hanswurst jtziger zeit on alle vnterscheid also speiet,725 schreiet vnd schreibet, „dieweil du die Erbschafft des ewigen lebens ALLEJNE durch glauben hast, so sind dir keine gute werck mehr zur Seligkeit von n=ten“, sehen alle GottfFrchtige Leuth, das es ein vnuernFnfftig geschrey ist, gleich wie jtzt oben gesagt, dieweil du von der natur vnnd vom geblFt deines

720 721 722 723 724 725

Röm 8,14. Vgl. Ex 20,12; Dtn 5,16. (nicht) erreichte [?], ihr (nicht) entspräche [?]. Dummkopf. Vgl. Art. Hans 3), in: DWb 10, 461f. bewahre, ausführe. Vgl. Art. erhalten 3), in: DWb 3, 835. törichte, unnütze Reden führt. Vgl. Art. speien 7), in: DWb 16, 2081.

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Vaters Erbschafft hast, so ist nu nicht von n=ten, das du deinem Vater gehorsam seist, ja deste mehr ist den gleubigen, als Kindern Gottes, von n=then, das sie jrem Vater nu vleissiger denn zuuor gehorsam sein vnd aller guten werck sich beuleissigen, damit sie die geschanckte Erbschafft vnd den gnedigen Veterlichen willen nicht widerumb verlieren, ins vaters vngnade komen vnd enterbet werden. [g 1r:] Dis ist nu die Kindliche furcht, bey welcher, wie vor gesagt, auch die liebe ist, das die Kinder Gottes, Gott jhrem Vater, nicht von wegen der Erbschafft, die sie bereit durch den glauben haben, dienen vnd gehorsam sein, sondern aus liebe vnd furcht gegen dem Vater, vnd dieweil es nicht Coactio legalis ist, so ist es doch Coactio spiritus, das sie der Geist Gottes darzu treibet, wie Paulus saget vnd jtzt angezeiget: „Welche der Geist Gottes treibet, die sind Gottes Kinder. Denn jhr habt nicht ein Knechtlichen Geist entpfangen, das jr euch abermals fFrchten mFstet, sondern jr habet einen kindlichen Geist entpfangen, durch welchen wir ruffen: Abba, lieber Vater.“726 Das ist nu Neceßitas immutabilis, eine solche noth, welche vnwandelbar. Denn das ein ewiger, vnwandelbarer wille Gottes ist, das seine Kinder jm sollen gehorsam sein. Wo sie das nicht thun, so verlieren sie beide, die Kindschafft vnd das Erbe, wie an den vngehorsamen Kindern vnd an Adam vnd Eua727 zu sehen. Daraus ist zu mercken, ob vnd wie gute werck in den gleubigen vnd Kindern Gottes zu erhaltung der Seligkeit von n=ten oder nicht. Wiewol nu dieser gehorsam gegen Gott inn dieser verderbten Natur noch vnuolkommen, jedoch mus er in diesem leben angefangen werden, vnd mus der Mensch allhie Gott mit einem guten gewissen dienen, auff das er nicht den glau-[g 1v:]ben, heiligen Geist vnd die Erbschafft des ewigen lebens, wie gesagt, wider verliere, wie Paulus Timotheum leret: „Sihe, das du eine gute Ritterschaft vbest vnd habest den glauben vnd gut gewissen, welche etliche von sich gestossen vnd am glauben Schiffbruch erlidten haben.“728 Hie h=restu, das Paulus beides, glauben vnd gut gewissen, erfordert, denn wo nicht gut gewissen ist, kan auch kein rechter glaube sein. Dieser angefangner gehorsam gefellet Gott vmb Jhesu Christi willen in den gleubigen, vnd was daran mangelt, erfFllet Christus, welcher die erfFllung des Gesetzes ist vnd den gehorsam gegen dem gesetz durch sein heiligen Geist in vns anfehet, welcher denn erst wird volkommen vnd volbracht werden, wenn wir nu von den todten werden aufferstehen, wie der Psalme spricht: „Jch wil sadt werden, wenn ich erwache nach deinem Bilde.“ Als denn werden wir erst ein volkommen Bilde Gottes sein, zu welchem wir erst-

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Röm 8,14f. Vgl. Gen 3. I Tim 1,18f. Vgl. Röm 10,4. Vgl. Ps 17,15.

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Rom. 8.

1. Timoth. 1.

Rom. 10.729

Psalm 17.730

264 Rom. 8.731

Der mensch sol sich auff sein vnuolkomenen gehorsam nit verlassen, sondern alleine auff Christum. Philip. 2.

Psalm. 145.734

Das gute Werck n=tig inn den Gleubigen.

2. Corin. 5. 2. Corint. 5.

Rom. 2.

Nr. 5: Ein Sermon von S. Pauli ... Bekehrung (1553)

lich erschaffen sind, denn inn diesem leben haben wir nicht die decimas spiritus, die volkomenheit, sondern alleine die primitias, die erstlinge des Geists vnd wird die vernewerung allein angefangen. Darumb, weil vnser gehorsam gegen Gott allezeit noch vnuolkomen vnd sFndig, so kan vnnd sol der Mensch bey leib nicht sich auff solchen seinen betlerischen vnnd vnuolkome-[g 2r:]nen gehorsam vnd gute werck verlassen, sondern allein auff den einigen gehorsam vnsers Herrn Jhesu Christi, welcher dem Vater gehorsam gewesen ist „bis zum Tode, ja zum Tode am Creutz.“732 Denn gleich wie durch eines Menschen vngehorsam viel SFnder worden sind, also auch durch eines gehorsam werden viel gerechte,733 wie auch oben vermeldet. Darumb mus Christus vns allezeit mit seinen flFgeln wider Gottes gericht schFtzen vnd decken, wie der Psalm spricht: „Gehe nicht ins gericht mit deinem Knecht, denn fur dir ist kein lebendiger gerecht.“ Denn wie Esaie 4. geschrieben stehet: „Christus sol allein vnser Schirm, HFtten, Schatten vnd Zuflucht sein wider alle hitze vnd erschrecken der sFnden vnd des Todes etc.“735 Hieraus aber folget nicht, dieweil der gehorsam vnd gute werck in diesem leben noch vnuolkomen vnd vns derwegen nicht selig machen, das darumb der gehorsam vnnd gute Werck inn den gleubigen nicht solten n=thig sein noch angefangen werden, denn wiewol sie vns nicht k=nnen selig machen, so mFssen sie dennoch entpfangen werden vnd dem glauben als frFchte des heiligen Geists folgen, dieweil sie Gott erfordert. Denn wo wir nicht das Hochzeitliche kleid, welches die gantze Bekerung zu GOTT, als REWE, GLAVBEN vnd ein newes Leben, haben, so werden wir das Reich GOTTES [g 2v:] nicht besitzen, sondern in die eusserste Finsternis geworffen werden,736 wie denn diese sprFche lauten: „Wir werden vberkleidet werden, so doch, wo wir bekleidet vnd nicht blos erfunden werden.“737 „Wir mFssen alle offenbaret werden fur dem Richtstuel Christi, auff das ein jglicher entpfahe nach dem er gehandelt hat bey leibs leben, es sey gutes oder b=ses.“738 „Du heuffest dir selbs nach deinem verstockten vnd vnbusfertigen hertzen den zorn auff den tag des zorns vnd der offenbarung des gerechten gerichtes Gottes, welcher geben wird einem jglichen nach seinen wercken: Nemlich Preis vnd Ehre vnd vnuergengliches wesen denen, die mit gedult in guten wercken trachten nach dem ewigen leben. Aber denen, die da zenckisch sind 731 732 733 734 735 736 737 738

Vgl. Röm 8,23. Phil 2,8. Vgl. Röm 5,18. Ps 143,2. Vgl. Jes 4,5f. Vgl. Mt 22,11–13. Vgl. II Kor 5,2f. II Kor 5,10.

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vnd der warheit nicht gehorchen, gehorchen aber dem vnrechten, vngnade vnd zorn, trFbsal vnd angst vber alle Seelen der Menschen, die da b=ses thun etc.“739 „One die Heiligung wird niemand den Herren sehen.“740 Jtem: „Da wird der K=nig sagen zu den zu seiner Rechten: ‚kompt her jr gesegneten meines Vaters, ererbet das Reich, das euch bereitet ist von anbegin der welt. Denn ich bin hungerig gewesen vnd jr habt mich gespeiset‘ etc. Denn wird er auch sagen zu denen zur lincken: ‚Gehet hin, jr verfluchten, in das ewige fewer, das bereit ist dem Teufel vnd seinen Engeln. Jch bin hungerig gewesen vnd jr habt mich nicht gespeiset‘ etc.“741 [g 3r:] Was kFnd doch erschrecklichers vnnd klerers gesagt werden? Hje h=restu ja in diesen hellen742 sprFchen, wie doch die gute werck zur Seligkeit den gleubigen von n=ten sind, nemlich das, wiewol er vns die Seligkeit nicht von wegen des verdienstes der guten wercken noch vnsers gehorsams, sondern aus gnaden, von wegen seines Sons Jhesu Christi gehorsam, geben wil, noch gleichwol solle niemands die Seligkeit entpfahen, er habe denn gute werck vnd den angefangnen gehorsam gegen Gott. Denn wo er den nicht hat, so hat er auch warhafftigen glauben nie gehabt oder ja durch den vngehorsam wider verloren. Dis aber machet keine vermessenheit743 auff die werck, dieweil wir klerlich sagen, das sich niemandes auff der werck, sondern auff das einige verdienst vnsers Herrn Jhesu Christi verlassen solle, auff welchem allein der Mensch beruhen soll; er habe so viel guter werck als er haben kan oder mag. Diese lere gehet auch nicht die Kinder an vnd die, so sich inn der letzten stunde zu Gott bekeren, wiewol auch diese, dieweil sie durch den glauben vnd den heiligen Geist wider geborn, nicht one gute innerliche werck sein k=nnen, welche der heilige Geist in jnen wircket, wie oben gesagt. Darumb diese lere weder in verzweifelung noch vermessen-[g 3v:]heit fFret, wie die Magdeburgische schreyer schreiben, dieweil sie das gewissen, auff den einigen Mitler Jhesum Christum, leret, trawen vnd bawen vnd nit auff jre eigene werck oder verdienst vnd von den wercken redet, welche dem glauben als frFchte der gerechtigkeit folgen sollen. Vnd leret vns das sagen: „Wenn wir schon alles gethan haben, was vns befohlen ist, so sprechen wir doch, das wir vnnFtze Knecht sind. Wir haben gethan, das wir zu thun schuldig waren.“744

739 740 741 742 743 744

II Kor 5,10. Vgl. Hebr 12,14. Vgl. Mt 25,34f.41f. klaren, deutlichen. Anmaßung, übermäßiges Vertrauen. Vgl. Art. Vermessenheit 1), in: DWb 25, 869f. Vgl. Lk 17,10.

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Hebr. 12. Matth. 25.

Das keine vermessenheit mache.

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Hieraus erscheinet,745 wie schendlich die Magdeburgische Scribenten rechte, g=ttliche lere mutwilliglichen verfelschen. Der Allmechtige wolle sie bekeren.

Der Euangelische zwang.

Zum andern fFren sie diese wort Lutheri aus vnuerstand auch hiewider, da er also saget: „Credentes sunt noua creatura, noua arbor, ideo istae phrases legale, non pertinent huc, scilicet fidelis debet bona opera facere, sicut non recte dicitur, Sol debet lucere, Arbor bona debet bonos fructus facere etc. Quia sol lucet de facto, Arbor facit de facto bonos fructus etc.“746 Das ist, wie es Nicolaus Gallus verdeutschet hat: „Sie mFssens nicht aus noth als gezwungen thun, sondern sie thuns on das gern von sich selbs, gleich wie die Sonne nicht aus noth, sondern von natur liecht gibt. Vnd weil das Gesetze sonst auff die werck, als n=tig zur gerechtigkeit vnd seligkeit dringet, so sey es deswegen im Euangelio vnrecht, mit solchen worten dauon reden.“747 [g 4r:] Jch habe jtzt gesagt, das wie zweierley furcht ist, eine Knechtische vnd eine Kindliche, also ist auch zweierley zwang: einer des gesetzs vnd der ander des Euangelij. Des Gesetzes zwang ist der, wie es Gallus auch allhie recht verdeutscht. Wenn man die leute leret, zwinget vnd dringet, als sein die werck zum verdienst der gerechtigkeit vnd Seligkeit n=tig, wie der Bapst vnd das Jnterim thut, das sind nicht des Euangelij, sondern des gesetzs Prediger. Wer nu ein Euangelischer Prediger sein wil vnd dieser wort – „Gute werck sind zum verdienst der Seligkeit von n=ten“ – in der lere des Euangelij gebrauchet, der thut vnrecht vnd vermenget die lere des Gesetzes vnd des Euangelij durch einander. Des Euangelij zwangk aber ist der: Wenn man die leute zuuor leret, das sie vergebung der sFnden vnd die Seligkeit one alle werck vnd verdienst, aus lauter gnaden, von wegen des einigen verdiensts Jhesu Christi, durch den glauben entpfahen sollen, vnd wenn wir diese gFter also entpfangen haben vnd durch solchen glauben Kinder vnnd Erben GOTTES worden sind, das als denn stetter vnnd vleissiger vermanunge von n=ten sey, das die Kinder Gottes nicht allein die werck des gesetzes, sondern auch die werck der gnaden, das ist, der widergeburt vnd des glaubens vnd die rechtschaffne Frucht der Busse haben vnnd deren sich mit hohem vleis beuleissi-[g 4v:]gen sollen, damit sie die Ehrenkron der gerechtigkeit vnd Seligkeit, so jnen durch Christum erworben vnd im himelreich bey gelegt, durch verharrung im glauben vnd guten wercken erlangen m=gen, wie auch Apocalypsis 2 geschrieben 745

zeigt sich, wird deutlich. Vgl. Art erscheinen 6), in: DWb 3, 957. Vgl. VD 16 M 2501: Antwort auff das || Buch herrn Andreae Osi= || andri von der Rechtfertigung || des Menschen. || Philip: Melanth: || Gedruckt zu Witteberg / || Durch Veit Creutzer. || 1552. (VD 16 M 2501), D 3v; Martin Luther, WA.T 6, 153,4–7 (Nr. 6627) (Disputatio ... über den Artikel der Rechtfertigung, 1536). 747 Auff des Herrn D. || Maiors verantwortung vnd De= || claration der Leiptzigischen Pro= || position / wie gute werck zur selig= || keit n=tig sind / zum zeugnis seiner || vnschult / das er mit der Leiptzi= || gischen handlung nichts zu || thun habe. || Antwort. || Nicolai Galli. || ... || [Magdeburg: Michael Lotther, 1552] (VD 16 G 255), D 4r (unsere Ausgabe Nr. 4, S. 122, 9–13). 746

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stehet: „Sey getrew bis an den tod, so wil ich dir die Kron des lebens geben.“748 Vnd Paulus von sich selbs also auch schreibet: „Jch werde schon geopffert vnd die zeitmeines abscheidens ist schon verhanden. Jch hab einen guten kampff gekempffet. Jch habe den lauff volendet. Jch habe glauben gehalten, hinfort ist mir bey gelegt die Kron der gerechtigkeit, welche mir der Herr an jenem tage, der gerechte Richter, geben wird.“749 Jtem 1. Timoth. 1: „Vbe ein gute Ritterschafft vnd behalte glauben vnd gut gewissen.“750 Jtem 1 Timoth. 4: „Beharre in diesen stFcken, denn wo du solches thust, wirstu dich selbs selig machen vnd die dich h=ren.“751 Das aber das gewislich auch des Herrn Lutheri seligen Lere vnnd meinung gewesen sey, das zeigen folgende seine Positiones an Thom. 1. folio. 392. in quinta disputatione, De operibus legis et gratiae. [h 1r:] „V. DISPVTATIO DE OPERIBVS LEGIS ET GRATIAE.

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1. Necessaria sunt opera omnia, tam legis quam gratiae. 2. Opera legis sunt, quae extra fidem fiunt, uoluntate humana. 3. Quam uoluntatem lex uel cogit minis et poenis, uel allicit promissis et beneficijs. 4. Nunquam est tamen uera et recta ea uoluntas, sed semper quaerens quae sua sunt. 5. Ideo et in ipsis haeroicis uirtutibus, naturali hoc uitio deprauata est. 6. Multo minus ualet ipsa quidquam in religione, seu iustificatione coram Deo. 7. Et tamen necessaria est, ad custodiendam externam disciplinam et pacem. 8. Opera gratiae sunt, quae ex fide fiunt, Spiritu sancto mouente et regenerante uoluntatem hominis. 9. NECESSE tamen est eam etiam per uerbum et signum externum, hoc est, minis et promißis admoneri et excitari. 10. Placuit enim Deo per ministerium uerbi et sacramenti, Spiritum distribui et augeri. 11. Nec illa ipsa opera iustificant coram Deo, sed fiunt a iustificatis, licet, recte dicantur iustitia operum, Deo grata per Christum. 12. Currere et uelle oportet, nec tamen est currentis aut uolentis, sed miserentis Dei.752 13. Nihil sibi conscium esse oportet, et tamen scire, non in hoc se esse iustificatum. 14. Quaerere opertet per patientiam boni operis uitam aeternam, nec est tamen quaerentis, sed miserentis Dei. 748 749 750 751 752

Apk 2,10. II Tim 4,6–8. Vgl. I Tim 1,18f. I Tim 4,16. Vgl. Röm 9,16 (Vg).

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2. Corin. 4.

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[h 1v:] 15. Denique cursum consummare, et coronam iustitiae repositam habere oportet, nec tamen est consummantis, nec habentis, sed miserentis Dei.“ 753

Rom. 9.

Auff das aber der Deutsche Leser sehe, was hieuon Lutherus sage, wil ich allein die zwo letzte Positiones Lutheri verdeutschen: „Es ist von n=then, das man durch beharrung in guten wercken das ewige leben suche, vnd ligt doch nicht an jemands suchen, sondern an Gottes erbarmen. Zum letzten ist von n=ten, das man den lauff volende vnd die Kron der Gerechtigkeit beygelegt habe,754 vnd ligt doch nicht an volendung des lauffes vnd an dem haben, sondern an Gottes erbarmen.“ Hje bitte ich alle Christliche Leser vmb Gottes willen, das sie diese wort Lutheri mit vleis wollen bewegen,755 ob er nicht eben das allhie lere, das wir sagen, das gute werck in den gleubigen zur Seligkeit von n=ten, vnd das solche gute werck doch nicht der verdienst der Seligkeit sein, [h 2r:] sondern dieselbige allein aus Gottes barmhertzigkeit, vmb seines Sons willen, vns geschanckt wird, welche wir durch den glauben entpfahen, dieweil denn Luther allhie selbs also leret vnd diser wort „Necessaria sunt opera“, item: „oportet per patientiam boni operis quaerere uitam aeternam,“ „alle Werck, beide des Gesetzes vnd der Gnaden, sind n=tig,“ jtem: „Man mus, oder es ist von n=then, das man durch gedult des guten werckes das ewige leben suche“, „man mus den Lauff volenden“, so offt gebraucht. Warumb werden wir denn von den Magdeburgischen Schreiern, Mamelucken,756 Pelagianer757 vnd weis nicht wie so hefftig gescholten? Warumb sollen wir denn auch nicht dieser wort in rechtem verstand gebrauchen? Darumb sihet jederman, das es lauter mutwil, Has vnd Neid ist, vnd das sie des Luthers schrifft wider vns gebrauchen vnd doch nicht wissen, was Luthers meinung ist. Denn das eigentlich seine meinung ist, das zweierley zwang sey, einer des gesetzs vnd einer des Euangelij, wie er allhie inn diesen Positionibus selbs spricht. [h 2v:] Werck der gnaden sind die, welche aus dem glauben geschehen, da der heilige Geist den willen des Menschen beweget vnd vernewert. Jedoch ist von n=then, das solcher wille durchs wort vnd das eusserliche Zeichen, das ist durch drawung vnd verheissung vermanet vnnd erwecket werde etc.

753

Martin Luther, WA 39I, 202,8–203,13 (Disputatio de operibus legis et gratiae, 1538). Vgl. II Tim 4,8. 755 bedenken, erwägen. Vgl. Art. bewegen 3), in: Fnhd.Wb. 3, 2230f. 756 Ein ägyptischer Militärsklave, meist christlicher Herkunft, aber im muslimischen Glauben erzogen; im 16. Jahrhundert der Inbegriff des Glaubensabtrünnigen. Vgl. Art. Mameluck, in: DWb 12, 1518; Lepp, Schlagwörter, 49–52. 757 Vgl. oben Anm. 369. 754

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Also schreibet auch Lutherus am 9. Sontag nach Trinitatis in der Hauspostil: „Gott mus seine Christen gleich mit den haren dazu ziehen vnd zwingen, das sie thun, was sie sollen.“758 Denn warumb stehen so viel vermanung vnd drawung allenthalben inn der Propheten vnd Aposteln schrifft, wo der selbigen nicht von n=ten, wie sie denn nicht von n=ten weren, wenn die gleubigen von sich selbes gute Werck theten, wie die Sonne von sich selbs leuchtet vnd ein guter baum von sich selbs gute frFcht treget vnd keiner vermanung darff?759 Warumb thut S. Paulus diesen ernstlichen befehl allen Bischoffen vnd Pfarherren, da er spricht: „So bezeuge ich nu fur Gott vnd dem Herrn Jhesu Christo, der da zukFnfftig ist, zu richten die lebendigen vnd die Todten mit seiner Erscheinung vnnd seinem Reich: Predige das Wort, halt an, es sey zu rechter zeit oder zur vn[h 3r:]zeit, straffe, drawe, ermane mit aller gedult vnd lere etc.“760 Jtem 2. Pet. 3: „Meine lieben, weil jr das zuuor wisset, so verwaret761 euch, das jhr nicht durch jrrthumb der Ruchlosen leuth sampt jnen verfFret werdet vnd entfallet762 aus ewer eigen Festung. Wachsset aber inn der gnade vnd erkendnis vnsers Herrn vnd Heilands Christi.“763 Jn dieser vermanung S. Petri seind zwey stFcke: Das erste ist, das er anzeiget, das den gleubigen stetter vermanung erstlichen darzu von n=ten sey, das sie nicht durch die Gottlosen verfFret aus jhr eigen Festung, das ist aus dem glauben vnd dem erkentnis des Herrn Christi fallen vnd also den glauben vnd die Seligkeit durch die sFnde wider verlieren. Das andere ist, das er anzeigt, das stete vermanung auch darzu von n=ten sey, das die gleubigen in der gnade vnd erkentnis vnsers Herrn vnd Heilands Jhesu Christi wachssen vnd zunemen, daraus denn zu sehen, das den Christen steter vermanung hoch von n=ten. Jtem, das die Christen noch nicht in facto noua creatura et bona arbor, das ist, noch nicht in der that vnd volkomenlich eine newe Creatur vnd ein guter Baum seind, sondern das sie erst durch den glauben dem Weinstock eingepfropfet sind764 vnd noch fur vnd fur wachssen vnd zunemen mFssen. Was aber noch wechsset, das ist noch nicht, wie es sein sol. [h 3v:] Denn Lutherus eben inn den jtzt vermeldeten Positionibus auch spricht, das wir noch nicht volkomen eine newe creatur sind, sondern haben inn diesem leben allein den anfang einer newen Creatur, denn das sind des Herrn Lutheri wort:

758 759 760 761 762 763 764

Vgl. Martin Luther, WA 52, 431,9–11 (Hauspostille, 1544, [zu Lk 16, 1–9]). bedarf. II Tim 4,1f. schützt. Vgl. Art. verwahren 4 b), in: DWb 25, 2077f. herauskommt. Vgl. Art. entfallen 6 a), in: DWb 3, 514f. II Petr 3,17f. Vgl. Joh 15,1–8.

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Das heist ja gezwungen vnd gen=tiget vnd redet vonn denen welche Christen sind. Christen ist vermanung von n=ten, das sie nicht alles von jhnen selbes thun. 2. Timo. 4. Ermanunge S. Pauli.

Johan. 15.

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„Igitur non sic abrogata est lex, ut nihil sit, aut nihil secundum eam facere oportet: Sed iustificatio legis impleri debet in nobis per filium Dei, ut Roman. 8. dicit Paulus.765 Quin et hoc officium habet, ut testificetur iustitiam fidei, simulque ostendat, qualis creatura ante peccatum fuimus, et post peccatum futuri sumus. Interim fouemur in sinu Dei, tanquam initium Creaturae nouae, donec perficiamur in resurrectione a mortuis. Hoc initium autem per bona opera, si uere inest, sese ostendit, et certam facit uocationem nostram. Igitur si humanis uerbis liceat dicere, non actu perfecto, sed potentia propinqua iusti sumus. Formatur enim Christus in nobis continuo, et nos formamur ad imaginem ipsius dum hic uiuimus.“766

Philip. 3.

Den Christen ist vermanung zu guten Wercken von n=ten.

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Jtem zu den Galatern cap. 5. vber diese wort: „Nos enim spiritu ex fide spem iustitiae expectamus.767 Incipimusr quidem iustificari fide, qua et primicias spiritus accepimus, et mortificatio carnis cepta est, sed nondum perfecte iusti sumus. Reliquum est, ut perfecte iustificemur, hocque speramus. SIC IVSTITIA nostra nondum est in re, sed adhuc in spe.“768

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Also schreibet S. Paulus von sich selbs: „Nicht das ichs schon ergriffen habe oder schon volkom-[h 4r:]men sey. Jch jage jm aber nach, ob ichs auch ergreiffen m=chte etc.“769 Daraus sehen wir, wie sich dis gleichnis von der Sonnen vnnd den Gleubigen reimet: Die Sonne gibt jhr liecht nicht aus noth, sondern von natur. Denn Gott hat sie also geschaffen, das sie scheinen sol, vnd dieweil sie noch vnuerruckt770 vnd vnuerderbet vnd in der Natur, wie sie Gott erstlich geschaffen hat, bestehet, so scheinet sie ja nicht aus noth, sondern thuts willig vnd von Natur. Also were auch kein zwang, keine vermanunge dem Mensch von n=ten, das er guts thun solt, wo er in seiner ersten sch=pffung bestanden vnd seine natur durch die sFnde nicht verderbet were, da wFrde Gottes Bilde auch von natur scheinen vnd leuchten one alle vermanung. Dieweil aber solch liecht durch die SFnde nu verdunckelt vnd verderbet vnnd durch den glauben vnd heiligen Geist in diesem leben allein wird angefangen, vernewert zu werden, das es ein wenig widerumb anfahe zu scheinen vnd zu leuchten, vnd zum

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r

Im zitierten Text: Incepimus.

765 766 767 768 769 770

Vgl. Röm 8,4 (Vg). Martin Luther, WA 39I, 203,38–204,13 (Disputatio de operibus legis et gratiae, 1538). Gal 5,5 (Vg). Martin Luther, WA 40II, 24,19–22 (Galatervorlesung, 1531). Phil 3,12. genauso, am selben Platz. Vgl. Art. unverrückt, in: DWb 24, 2079f.

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Bilde Gottes wider geschaffen vnd restauriret werde, vnd das Fleisch vnd die verderbung der Natur solchem Liecht des Geistes Gottes stets widerstrebet vnd es verfinstern vnd nicht leuchten wil lassen, wie S. Paulus von sich selbes bekennet, [h 4v:] da er spricht: „Das gute, das ich wil, das thue ich nicht, sondern das b=s, das ich nicht wil, das thu ich.“771 So ist warlich hoch von n=ten, das die gleubigen durch stetig drawen vnd vermanen angehalten werden, das sie das liecht des glaubens, so der heilige Geist in jnen angezFnd, nicht durchs fleisch verdFnckeln oder verleschen, sondern scheinen vnd leuchten lassen, wie der Herr die Kinder Gottes selbs vermanet: „Last ewer liecht leuchten fur den leuthen, das sie ewere gute Werck sehen vnnd ewren Vater im Himel preisen.“772 Darumb mFssen diese Phrases, diese weise zu reden vnd zu leren, jn der Christlichen Kirchen bleiben, das man die gleubige durch diese oder andere wort zu guten wercken vnd aller Gottseligkeit halte vnd treibe vnd spreche: Lieben Freunde, dieweil jr nu durch den glauben Kinder Gottes worden seid,773 so seid jhr schuldig, ewrem Vater im himel gehorsam zu sein, vnd sind euch nu die gute werck also zur Seligkeit von n=ten. Erstlichen, das ewer Vater dadurch gepreiset werde. Zum andern, das jhr ewern beruff dadurch fest machet vnd nicht wider aus ewer Festung des glaubens fallet, glauben, gerechtigkeit, heili-[i 1r:]gen Geist vnd die entpfangne Seligkeit durch SFnde vnd Vngehorsam nicht wider verlieret.774 Zum dritten, das jhr dardurch Gott, ewerem Vater, vor die entpfangne wolthat, das er euch seinen Son vnd in jm vnd durch jn die vergebunge der SFnde, Gerechtigkeit vnd Seligkeit geschanckt hat, ewere danckbarkeit zeiget. Zum vierden das jr die schulde, so jr Gott ewrem Herrn zu bezalen verpflicht seid, anfahet zu bezalen. Vnnd wo es euch mangelt, wie jener knecht thut,775 dem Herren zu fusse fallet vnd sprechet: „Ach Herre, vergib vns vnsere Schulde, als wir vergeben vnsern Schuldigern.“776 Denn wenn wir nicht Gottes Schuldener weren vnd der anfang der bezalung, so inn den Gleubigen durch den newen gehorsam, das ist, durch die gute Werck, geschicht, zur Seligkeit nicht n=thig were, warumb leret vns denn der Herr also beten: „Vergib vns vnsere schulde?“ Denn wer schuldig ist, dem ist von n=ten, das er bezale oder darumb bitte, das jhm die schuld erlassen werde. Zum fFnfften, das jhr durch gute werck die G=ttliche lere bekennet, sie zieret vnd schmFcket vnd niemands ergernis gebet.777 771 772 773 774 775 776 777

Röm 7,19. Mt 5,16. Vgl. Gal 3,26. Vgl. II Petr 3,17f. Vgl. Mt 18,26. Vgl. Mt 6,12; Lk 11,4. Vgl. II Kor 6,3.

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Rom. 7.

Matth. 5.

Wo zu gute Werck von n=ten.

2. Petri 3.

Matth. 18.

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Tito 3.

Luce 14.

2. Timot. 3.

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[i 1v:] Zum sechsten, das jr dadurch andern leuthen ein gut exempel gebet vnd sie zu aller Gottseligkeit reitzet778 vnd dem Nehisten damit dienet. Zum siebenden, das jhr ein gut gewissen vnd friedsames hertz behalten, Gott anruffen, ewren glauben darinnen vben m=get. Zum achten, das jr selbs vnd andere leut an den guten wercken, als frFchten der warhafftigen Busse, versichert werdet, das ewer glaube rechtschaffen vnd nit geferbet779 oder ein getichter traum sey, wie an Abraham zu sehen, welchem Got das werck, das er jm seinen Son opffern solt,780 nicht darumb gebot, das er dardurch erfFre, ob Abraham recht gleubte, denn das wuste Gott zuuor wol, sondern das Abraham selbs vnd die andere leute durch solchen gehorsam erfFren, das sein glaube rechtschaffen were etc. Zum neundten, das jhr dadurch die straffen der b=sen werck hie781 zeitlich vnd dort782 ewiglich entfliehen m=get. Zum zehenden, das jhr dardurch auch allhie in diesem leben die zeitliche vnd dort inn jenem leben die ewige belohnung vnd Ehrenkron der gerechtigkeit, so Gott den guten wercken verheissen, entpfahen m=get.783 Dis sind die furnembste fines bonorum operum, die furnembste vrsachen, warumb gute werck von den Kindern Gottes geschehen sollen, in welchen, dieweil die verderbung der natur noch bleibet vnd [i 2r:] das fleisch allezeit dem Geist widerstrebet, so mFssen sie durch solche vermanung stets getrieben werden, wie Paulus seinem JFnger Tito befihlet: „Erinnere sie, das sie zu allem guten werck bereith sind.“784 Jtem: „solches wil ich, das du fest lerest, auff das die, so an Gott gleubig sind worden, in eim stand guter werck funden werden. Solches ist gut vnd nutz den menschen.“785 Denn der Herr, welcher das gros Abendmal macht, spricht also zu seinem Knechte: „Gehe aus auff die Landstrassen vnd an die Zeune vnd n=tige sie hierein zu kommen, auff das mein Haus vol werde.“786 Dis n=tigen geschihet beyde, durch die Predig des Gesetzes vnd des Euangelij, welche beide vns zur Busse vermanen. Da wird gebeten vnd geflehet, gedrawet, gestraffet, vermanet etc. „Denn alle Schrifft, von Gott eingegeben, ist nFtz zur Lere, zur Straffe, zur Besserung, zur ZFchtigung in der Gerechtigkeit, das ein Mensch sey volkomen, zu allem guten Werck geschickt.“787

778 779 780 781 782 783 784 785 786 787

Vgl. Hebr 10,24. falscher, täuschender. Vgl. Art. färben 6), in: DWb 3, 1325f. Vgl. I Tim 1,5. Vgl. Gen 22,1–18. im Diesseits. im Jenseits. Vgl. I Kor 9,24f; I Petr 5,4; II Tim 4,8. Vgl. Tit 3,1. Vgl. Tit 3,8 (Luther 1545). Lk 14,23. II Tim 3,16f.

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[i 2v:] Das aber hiewider gesagt wird, „dem gerechten ist kein gesetz gegeben, sondern den vngerechten“,788 das ist ja war, nemlich erstlich ists dem gerechten nicht darzu gegeben, das er dardurch solte gerecht werden, denn er ist allbereit gerecht, aber nicht durch das gesetze oder seine werck, sondern aus gnaden durch den glauben an Jhesum Christum, „welcher vns von Gott zur gerechtigkeit gemacht.“789 Zum andern ists auch dem gerechten nicht gegeben, das es jnen k=ndte oder solte beschuldigen, denn der Gerechte ist nu nicht mehr vnter dem gesetze, sondern vnter der gnade, denn „wer wil die Auserwelten Gottes beschuldigen? Gott ist hie, der da gerecht machet.“790 Zum dritten ists auch nicht jnen gegeben, das es die gerechten solle verdammen, denn „Christus hat die gleubigen erl=set von dem fluch des Gesetzes, da er ward ein fluch fur vns.“791 Darumb, wenn vns das gesetze verdammen wolte, so „ist Christus hie, der gestorben ist, ja vils mehr, der auch aufferwecket ist, welcher ist zur rechten Gottes vnd vertrit vns.“792 Jst denn der gerechte von Gottes gesetz gantz frey? Nein, denn das ist vnmFglich, dieweil das Gesetze ein ewiges vnd vnwandelbares Decret, Satzung vnd Ordnung Gottes ist, welches nimmermehr kan abgethan werden, vnter welchem alle Engele vnd Menschen in ewig[i 3r:]keit beschlossen793 werden, vnd wir Menschen in jenem leben dasselbige erst recht erfFllen werden. Derhalben bleibet der gerechte, was den gehorsam belanget, vnter dem gesetze. Wie er aber dasselbige in diesem Leben halten vnd erfFllen sol, ist oben erkleret. Wje auch diese wort Lutheri: „Credentes sunt noua Creatura, noua arbor, ideo ista phrases legales non pertinent huc, scilicet fidelis debet opera bona facere, sicuti non recte dicitur, sol debet lucere, arbor bona debet bonos fructus ferre“,794 zu uorstehen sind, hette den Magdeburgischen Scribenten zu erkleren wol gebFret, welche solche wort wider mich mit vilen h=nischen vnd sp=ttischen worten nach jrer art angezogen,795 lassens aber stecken,796 machen gros geschrey vnd geplerr dauon, vnd thun nichts anders (wie sie nu mit allen jrem schreiben in das vierdte Jar gethan), denn das sie die leuthe nur jrre machen vnd sie nichts grFndlichs berichten vnd leren. Denn Lutheri

s

Konjiziert aus: wil.

788

I Tim 1,9. I Kor 1,30. 790 Röm 8,33. 791 Vgl. Gal 3,13. 792 Röm 8,34. 793 eingeschlossen, umschlossen. Vgl. Art. beschliessen 1), in: Fnhd.Wb. 3, 1705–1708. 794 Vgl. oben Anm. 746. 795 angeführt, zitiert. Vgl. Art. anziehen 12), in: Fnhd.Wb. 1, 1615f. 796 unterlassen dies aber, rücken nicht heraus (mit einer angemessenen Erklärung). Vgl. Art. stecken verb. [2] 18.e), in: DWb 17, 134. 789

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1. Timot. 1.

1. Corinth. 1.

Rom. 8.

Galat. 3. Rom. 8. Was den gehorsam belanget, bleibet der gerechte vnter dem Gesetze.

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meinung vns nicht entgegen ist, wie er sich an vielen orten erkleret vnd selbs der Phrasibus legalibus vielmals, wie oben vermeldet, gebrauchet: „Necessaria sunt omnia opera, tam legis quam gratiae. Quaerere oportet per patientiam boni operis uitam aeternam etc.“797 „Man mus das ewige leben suchen durch gedult in guten Wercken etc.“ So gebrauchet die heilige Schrifft auch selbs [i 3v:] dieser wort, als Hebr. 10: „Gedult ist euch noth, auff das jhr den Willen Gottes thut vnd die Verheissung entpfahet.“798 Luce 14: „N=tige sie hereiner799 zu komen.“800 1. Corinth. 9: „Neceßitas mihi incumbit. Das ich das Euangelium predige, darff ich mich nicht rhFmen, denn ich mus es thun. Vnd wehe mir, wenn ich das Euangelium nicht predigte etc.“801 Es ist auch oben genugsam angezeigt, wie die alte vnd jtziger zeit Lerer der gemeine Gottes inn jhren Schrifften vnd Predigen solcher Lere vnd Wort gebrauchen: „gute Werck sind den Kindern Gottes zur Seligkeit n=tig,“ vnd ist ein lauter mutwil, das die Magdeburgische Schreier solche lere vnd Wort anfechten, wie das Ende beweisen wird. Das aber Lutheri meinung vns nicht entgegen vnd das die Christen in diesem leben noch nicht in facto, sed in fieri uel debere esse, das ist, das die Christen noch nicht volkomene Christen, sondern im anfangen, wachssen vnnd zunemen sind vnd derwegen jnen steter vermanung vnd den Phrasibus legalibus von n=ten sey, Christianus debet bona opera facere, zeigen solches seine eigne wort an, da er vber das 13. Capitel Matthei also schreibet: [i 4r:] „Bernhardus802 sic dicit: ‚Stare in uia Dei est retrogredi.‘803 Quare qui cepit esse Christianus, hoc restat, ut cogitet se nondum esse Christianum, sed quaerere, ut fiat Christianus,804 ut cum Paulo poßit gloriari: Non sum, sed cupio esse. Et quotquot perfecti sumus, in hac regula maneamus.805 CHRISTIANVS enim non est in facto, sed in fieri. Dicitur enim ad eum: Petite, quaerite, pulsate. Non dicitur: habetis, inuenistis, intrastis, sed petite, quaerite etc.806 Igitur qui Christianus est, non est Christianus, hoc est, qui se putat factum Christianum, cum sit tantum FIENDVS Christianus, ille nihil est, tendimus enim in Coelum, nondum sumus in Coelo etc.“807 797

Vgl. oben bei Anm. 753, Nr. 1 und 14. Vgl. Hebr 10,36. 799 herein (verstärkt, aus „hereinher“). Vgl. Art. hereiner, in: DWb 10, 1089. 800 Vgl. Lk 14,23. 801 I Kor 9,16. 802 Bernhard von Clairvaux. 803 Das Zitat lässt sich so bei Bernhard nicht finden. Theo Bell geht davon aus, dass sich Luther damit auf eine Aussage Bernhards in dessen Predigt „In Purificatione B.M.V.“ bezieht. Vgl. Bell, Divus Bernhardus, 41f, Anm. 56; 42, Anm. 59. 804 Vgl. Phil 3,12. 805 Vgl. Phil 3,15. 806 Vgl. Mt 7,7. 807 Martin Luther, WA 38, 568,33–569,1 (Annotationes in aliquot capita Matthaei, 1538). 798

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Hieraus ist zu sehen, wie die Magdeburgische Scribenten des Lutheri Schrifften zu allem jhrem freuel vnd mutwillen gebrauchen. Wils aber hiebey bleiben lassen, denn jr Betrug vnd Bosheit, welche sie mit vielen LFgen vnd Calumnijs808 geschmFckt, wird nu mehr nicht lang weren, sondern entlichen offenbar werden, wie der Herre Luce 8. spricht: „Es ist nichts verborgen, das nicht offenbar werde, auch nichts heimlichs, das nicht kundt werde vnd an tag komme.“809 [i 4v:] An Christlichen Leser. Zu letzt bit ich alle Christliche Leser, wes stands oder wirdens die sind, welche rechten verstand der reinen Christlichen lere haben, das sie mit vleis wollen erwegen, was ich in meiner ersten Antwort auffs Amsdorffs Lesterbuch demFtiglichen geschrieben,810 vnd wie felschlich die Magdeburgische rotte mir meine wort verkeren vnd auslegen. Jtem auch bedencken, ob wir, die wir zu Wittembergk vnd Leipzig vnwirdige diener des Herren Christi Jhesu vnd seiner lieben Christenheit sein, diese lere nu viel jar her stets geleret vnd bekant vnd noch stets leren vnd bekennen vnd mit Gottes hFlffe bis in vnsern tod leren vnd bekennen wollen, Verrehter des Herrn Christi, verfelscher g=tlicher lere, abtrFnige Mamelucken, Pelagianer, lose Buben, Papisten, Jnterimisten, Adiaphoristen vnnd weis nicht was mehr sein, wie wir nu bis in das 4. jar durch manichfeltige lester vnd lFgenschrifften offentlichen im Druck in alle welt durch die Magdeburgische schreier vnd Schreiber ausgetragen811 vnd den leuten eingebildet. Vnd sage entlich noch ein mal, wie ich in meiner antwort auff des Herrn Amsdorff Lesterschrifft geschrieben,812 das das die rechte Prophetische vnd Apostolische lere ist, vnd wer anders leret, auch ein Engel vom himel, der sey verflucht.813 [k 1r:] Hiewider m=gen nu Amseln814 oder Trosseln singen oder schreihen, Hane815 kreihen816 oder gatzen,817 verloffne818 vnd vnbekante Wenden oder Wahlen819 lesteren, die schrifft verwenden,820 verkeren, calumnijren, schrei-

808

Verleumdungen. Vgl. Art. calumnia, in: Georges I, 938f Lk 8,17. 810 Vgl. Georg Maior, Antwort (1552), unsere Ausgabe Nr. 1. 811 geschmäht, verleumdet. Vgl. Art. austragen 9), in: Fnhd.Wb. 1472. 812 Vgl. Georg Maior, Antwort (1552), C 2r, unsere Ausgabe Nr. 1, S. 36,9–16. 813 Vgl. Gal 1,8. 814 Polemische Anspielung auf Nikolaus von Amsdorf. 815 Polemische Anspielung auf Nikolaus Gallus. 816 krähen. Vgl. Art. krähen I.2.c), in: DWb 11, 1970. 817 gackern; schwatzen. Vgl. Art. gatzen 1.a) u. 2.b), in: DWb 4, 1516f. 818 entlaufenen. Vgl. Art. verlaufen 1.a), in: DWb 25, 740f. 819 Polemische Anspielung auf die Herkunft von Matthias Flacius. Vgl. Art. Wende m. 1), in: DWb 28, 1746f: Slave (u. a. Illyrer); Art. Wahle m. 4), 5) und 6.b), in: DWb 27, 546–548: Romane, besonders Italiener (im 16. Jahrhundert öfters negativ konnotiert), auch (italienischer) Hausierer. 820 verdrehen. Vgl. Art. verwenden 9.i.β), in: DWb 25, 2210. 809

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Gala. 4.823 Johan. 1.824

Ephe. 5.825

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ben vnd mahlen,821 wie sie wollen, so bin ich doch gewis, das diese lere, so in diesem Sermon stehet, die rechte g=tliche warheit ist, wider welche auch alle hellische pforten nichts bestendigs vnd grFndlichs k=nnen auffbringen, wie b=se sie sich auch machen.822 Summa: Wer da leret, das den gleubigen gute werck zur seligkeit nicht n=tig sind, dieweil sie dieselbige aus gnaden, one alle jre werck vnd verdienst durch den glauben schon haben, der leret auch wider Gottes Gebot, Wort vnd Ordnung, das den Kindern der gehorsam gegen jren Eltern zu jrem veterlichen erbe nicht n=tig sey, die weil sie die erbschafft albereit durch die geburt vnd aus gnaden von jren eltern haben. Denn Got hat in die menschliche natur gepflantz das Bilde, wie wir Kinder vnd Erben Gottes werden etc. Denn wie das kind die kindschafft vnd das erbe nicht durch sein werck vnd gehorsam verdienet, sondern aus Gottes ordnung durch die geburt von seinen eltern hat, aus lauter gnaden vnd barmhertzigkeit von Gott eingepflantzter liebe der Eltern gegen die Kinder, also verdienen wir nicht durch vnsern gehorsam vnd werck das erbe der seligkeit, sondern habens aus gnaden vnd barmhertzigkeit Gottes des vaters durch das einige verdienst seines [k 1v:] Sons Jhesu Christi, von welchem, als vnserm Lehenherrn dem eingebornen Sohn Gottes, wir allein durch den glauben die Kindschafft entpfahen vnd durch solchen glauben kinder Gottes werden. Gleich auch wie die Kinder, wiewol sie allein durch die geburt vnd aus liebe vnd gnade der Eltern das erbe haben, dennoch Vater vnd muter gehorsam sein mFssen, damit sie den Veterlichen gnedigen willen erhalten vnd nicht die erbschafft, so sie durch die geburt aus liebe vnd gnaden haben, durch vngehorsam wider verlieren, also auch ist allen Kindern Gottes zu erhaltung jrer Kindschafft vnd Erbschafft der Seligkeit, die sie allein aus barmhertzigkeit durch den glauben entpfangen, von n=ten, das sie jrem Vater, wo nicht in allem (wie es auch in der leiblichen Vaterschafft vnd Kindschafft zu gehet, das die kinder nicht alwege dem vater gehorsam sind) doch zum teil anfahen gehorsam zu sein, damit sie das Recht der kind vnd erbschafft nicht wider verlieren. Dis hat Gott also in menschliche natur gepflantzet vnd darumb zur deutung vnd zum geheimnis, wie S. Paulus sagt, den Ehestand eingesatzt, das der selbige dieser grossen sachen ein Bild vnd erinnerung allen Menschen auff erden sein solle. Derhalben es von Predigern vnd Lerern der Christlichen kirchen erschrecklichen zu h=ren, das sie noch durch offentliche predigte vnd schriffte mit aller vnwarheit vnd Sophisterey [k 2r:] d=rffen furgeben, das den Kindern nicht

821 822 823 824 825

darstellen. Vgl. Art. malen 5.a), in: DWb 12, 1503f. Vgl. Mt. 16,18. Vgl. Gal 4,5. Vgl. Joh 1,12. Vgl. Eph 5,22–33.

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n=tig sey, jrem Himlischen vater gehorsam zu sein, zu erhaltung des Vaters gnedigen willen der Kindschafft vnd Erbschafft. Da bitte ich nu alle menschen auff erden, nicht allein Christen, sondern auch TFrcken, Juden vnd Heiden, die da Kinder haben, das sie selbs richten vnd vrtheilen wollen, ob diese lere nicht allein wider das heilige Euangelion Jhesu Christi, sondern auch wider das Gesetz der natur sey, welchs Gott in alle TFrcken, Juden vnd Heiden vnd eben darumb in menschliche natur gepflantzt hat, das es eine erinnerung der ewigen Kindschafft vnd Seligkeit, wie die zuerhalten sey, sein solte. Noch sind jetziger zeit so viel Leuth, sonderlich inn Deutschen Landen, welche verstocket vnnd verblend diese G=ttliche pflantzung inn Menschlicher Natur nicht betrachten vnnd dieser grossen, schendlichen vnd schedlichen Schwermerey, auch viel aus den Pfarherrn vnd Predigern, beyfal geben, sie als Gottes wort mit verfelschung heiliger, g=ttlicher Schrifft schFtzen vnd vertheidigen, welches ja zu erbarmen. Ob nu solcher Geist von Gott oder vom leidigen Teufel erwecket, das gib ich allen Menschen zu erkennen,826 inn welchen einiger funcken des natFrlichen Liechts leuchtet, wil geschweigen, was die richten sollen, in welchen das vnbeflecte Liecht des heiligen Euangelion leuchtet. [k 2v:] Denn das sie alhie durch lauter Sophisterey, lFgen vnd eingeben827 jres vaters,828 one allen rechten verstand der lere des ehrwirdigen, meines lieben Vaters vnd Praeceptoris, D. Mart. Luth. furgeben, das, wo der glaube rechtschaffen sey, so d=rff man nicht leren, das er gute werck thun sol, denn er thu es selbs von natur one allen zwang vnd vermanung, wie die Sonne one allen zwang natFrlich scheinet, da frage ich Amsdorff, Gallum vnd Jllyricum selbs vmb, ob jhr glaube also scheine vnd leuchte. Wie er aber leuchtet. sihet leider gantz Deutschland inn jren Lesterschrifften. damit sie gantz Deutschland erfFllet. Vnd fFre hiewider aber dis allen menschen auff erden bekand gleichnis vnd von Gott selbs darzu geordnet geheimnis, vnd setze darFber alle menschen auff erden, TFrcken, Juden vnd Heiden, wil geschweigen Christen, zu Richter, ob dis auch recht were, wenn ich also die Kinder lerete: „Liebes Kind, so du nu ein warhafftiges vnd Ehelich kind vnd erbe deines vaters bist, so wirstu nu von natur vnd dir selbs dem vater gehorsam sein vnd alles thun, was du thun solst. Da ist nu keiner zucht, vermanung vnd straff mehr von n=ten, denn wie die Sonne von natur leuchtet, so wirstu von natur auch den gehorsam gegen deinem Vater scheinen lassen vnd on alle veterliche zucht vnd vermanunge thun, was du thun solst.“ Ja, war wers, wenn vnser natur, wie der Sonnen, durch die sFnde nicht verderbet were, wie Moses [k 3r:] Gene 8. zeuget vnd wir leider alle bekennen 826 827 828

beurteilen. Vgl. Art. erkennen 5), in: DWb 3, 868f. einflößen. Vgl. Art. eingeben 2), in: DWb 3, 184. Vgl. Joh 8,44.

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mFssen, das „alles tichten des Menschlichen hertzen von jugent auff b=se ist“,829 oder wenn vnser natur in diesem leben m=chte wider gentzlich zum ebenbilde Gottes restauriret werden. Dieweil aber in allen gleubigen vnd kindern Gottes die verderbunge der natur bis in die gruben830 bleibet, so ist vns allezeit eines Zuchtmeisters vnd stetiger vermanunge von n=ten,831 das wir vnsern Vetern auff erden, wil geschweigen vnserm Grosuater im himel,832 als seine liebe Kinder allhie auff erden zu erhaltung der Kindschafft vnd Erbschafft gehorsam sein. Darumb bitte ich alle Menschen auff erden, sie wollen doch jre natur vnd vernunfft hier in rathfragen833 vnd daraus schliessen, was die Magdeburgische Scribenten vor eine mehr denn TFrckische Barbarey vnd erschrecklichen vngehorsam durch jre verfFrische vnd Gottlose lere in die Christenheit einfFren, dadurch, das sie leren, das warhafftigen, gleubigen Christen, welche kinder Gottes sind, nicht von n=ten sey, zu erhaltung jrer erbschafft vnd Seligkeit, Gott jrem Vater, wo nicht volk=melich, ja zum theil durch hFlff des heiligen Geists in Christo Jhesu gehorsam zu sein, vnd das sie hiraus alle jre schendliche, verfFrisch, lFgenhafftige vnd vngegrFndte, aus lauter Ehrgeitzigkeit, lust zu hadern, zanck vnd zwitracht nu in das 4. jar offentlichen in Druck durch gantz Deutschland ausgestraweten lesterschrifften richten vnd vrtheilen vnd jnen als ver-[k 3v:]furern vnd Rottischen schwermern hinfort an keinen glauben geben, auch mit vns von hertzen zu Gott dem Vater vnsers Herren Jhesu Christi vor sie bitten wollen, das sie sich zu Gott bekeren vnd diese grosse ergernisse, so sie mutwilligklichen oder ja aus vnuorstand oder falschem bericht oder eingebung des b=sen, welcher einigkeit der Christlichen lerer nicht leiden kan, erreget, erkennen vnnd widerruffen. Wo sie aber das ja nicht thun wollen, wie sie inn vielen iren schrifften sich des vernemen lassen, das Gott hinfort iren ergernissen steuern vnd weren w=lle. Amen. Amen. Amen. Hiermit wil ich auff alle jre vorige vnd zukunfftige schrifft geantwort vnd Gott dem rechten, warhafftigen richter, welcher aller menschen hertzen allein erkennet,834 das vrtheil inn dieser sachen beuohlen haben vnd diese Regel S. Pauli vnd meines lieben Herren vnd Preceptoris Doctoris Martini Lutheri seligen volgen, da er also schreibt: „Jch wil hinfort der Schwermer mFssig gehn835 vnd sie dem vrteil Gottes beuolen lassen sein, dann sie jre sachen aus vngewissem grundt vnd eigen ertichten gedancken haben fFrbracht etc.“836 829 830 831 832 833 834 835 836

Gen 8,21. bis zum Tod. Vgl. aber Gal 3,24f. Großvater als Bezeichnung für Gott, vgl. Art. grosfater 3), in: Fnhd. Wb. 7, 491. um Rat fragen. Vgl. Art ratfragen, in: DWb 14, 183. Vgl. I Sam 16,7. sich nicht mehr mit ihnen beschäftigen. Vgl. Art. müszig 3.a), in: DWb 12, 2774f. Vgl. Martin Luther, WA 30III, 548,37f–549,7 (Sendbrief an Herzog Albrecht von Preußen, 1532).

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„Derhalben ist mein trewer vnnd Christlicher Rhat, das iederman jr mFssig gehe, denn da ist kein ende disputirens vnnd plauderns, sie lassen jnen nicht sagen vnd h=ren nicht, wissen auch nichts zu sagen Vnd leren auch nichts. Denn das ist nicht mein, sondern des heiligen [k 4r:] Geistes Rath, der aller Hertzen vnd alle sachen bas837 kennet denn wir, der selb hat vns solchen Rat gegeben durch seinen auserwelten RFstzeug S. Paul Tit. 3,838 da er spricht: ‚Einen ketzerischen menschen soltu meiden wenn er ein mal oder zwyer vermanet ist, vnd solt wissen (spricht er), das er verkeret ist vnd hat sein vrtheil etc‘.“839 „Denn mit den Rotten viel disputiren ist nicht allein vnfruchtbar bey jnen, sondern auch schedlich bey den Zuh=rern, die dadurch, wenn sie gleich nicht verfFrt werden, dennoch geergert vnd abgeschreckt werden. Solchen Rath des Heiligen Geistes mFssen wir nicht verachten, noch vns an jr rhFmen keren,840 sondern sie jmer lassen hinfaren841 vnd sie meiden. Der vns so hat gerathen, der wird sie wol finden vnd jren Rhum zu schanden machen, wie er denn bereit an mit der that furgenomen hat, solches zu beweisen vnd beweren.“842 Dis sind des Herrn Lutheri wort. Der Allmechtige wolle gnediglichen alle Ergernisse abwenden, allen Rotten vnnd Secten steuren vnd weren vnd seine liebe Christenheit bey reinem Erkentnis seines lieben Sohns Jhesu Christi erhalten vnd fur allem vbel, zeitlichen vnd ewigem, bewaren, AMEN. Gedruckt zu Leipzig durch Wolffgangum GFnther. Anno 1553.

837 838 839 840 841 842

besser, vielmehr. Vgl. Art bas 3), in: Fnhd.Wb. 3, 61f. Vgl. Tit 3,10f. Vgl. Martin Luther, WA 30III, 549,25–549,33 (Sendbrief an Herzog Albrecht von Preußen, 1532). (uns daran) stören. Vgl. Art. kehren [2] 9), in: DWb 11, 418f. verschwinden, untergehen. Vgl. Art. hinfahren 4), in: DWb 10, 1428. Vgl. Martin Luther, WA 30III, 550,5–13 (Sendbrief an Herzog Albrecht von Preußen, 1532).

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Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: 280.8 Theol.(3)

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Bedencken / das diese Proposition oder Lere / nicht nFtz / not / noch war sey / vnnd one ergernis in der Kirchen nicht m=ge ge= leret werden.

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Das gute werck zur seligkeit n=tig sind. Vnd vnmFglich sey / one gute werck se= lig werden. Gestellet durch die Prediger zu Mansfelt / Vnnd vnterschrieben von andern Predigern derselben Herrschafft.

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Romano. iiij. Dem / der nicht mit wercken vmbgehet / gleubet aber an den / der die Gottlosen gerecht machet / dem wird sein glaube gerechnet zur gerechtigkeit.1 Gottlose sind / die nicht allein keinen verdienst / sondern gar keine gute werck fFr Gott haben, Vnd also kFmpt der Mensch allein zur gerechtigkeit vnd seligkeit.

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Luth. Vber das j. Cap. zun Galatern. Die falschen Aposteln haben geleret / das zu dem glau= ben / auch die werck des Gesetzes Gottes / n=tig sind zur se= ligkeit.2

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Röm 4,5. Vgl. Luther, WA 40I, 112,16f: „Nam hi [= pseudapostoli] docuerunt, praeter fidem in Christum opera legis divinae necessaria esse ad salutem.‟ (Galaterkommentar, 1535). 2

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Nr. 6: Mansfelder Prediger, Bedenken (1553) – Einleitung

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Einleitung 1. Historische Einleitung

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Major war den Gnesiolutheranern in der Grafschaft Mansfeld schon vor seinem Amtsantritt suspekt. Die Abneigung wurde durch Amsdorfs Schrift vom November 1551 geschürt.1 Majors Antwort,2 die er am 9. Januar an Coelius und Wigand in Mansfeld sandte, befriedigte diese in wesentlichen Aspekten nicht; in ihrem Antwortschreiben vom 15. Januar 1552 pflichteten sie Amsdorf in wichtigen Punkten bei und verlangten von Major eine eindeutige Stellungnahme. Diese kritische Anfrage aus Mansfeld mag Major gegen die Pfarrerschaft der Grafschaft insgesamt eingenommen und mit dazu beigetragen haben, dass Major die Geistlichen seines Sprengels durch seine Predigt über die Bekehrung des Paulus vom 25. Januar 1552 in der Andreaskirche zu Eisleben deutlich gegen sich aufbrachte. Dabei scheint es weniger der theologische Gehalt seiner Ausführungen gewesen sein, als vielmehr der als unerhört respektlos empfundene Ton, den er vor versammelter Gemeinde gegenüber den in großer Zahl anwesenden Pfarrern und Predigern der Grafschaft anschlug, der für erhebliche Empörung sorgte. Ein Beschwerdeschreiben vom 28. Januar 1552 gibt davon Zeugnis.3 Das vorliegende Schreiben der Mansfelder Prediger wurde vermutlich nicht vor Mitte November 1552 fertiggestellt, denn der Tod Andreas Osianders wird gegen Ende erwähnt.4 Es handelt sich demnach nicht um eine direkte Reaktion auf Majors Predigt, anscheinend aber auch nicht um eine unmittelbare Antwort auf Majors „Sermon von S. Pauli Bekehrung“, die Ausarbeitung jener skandalträchtigen Predigt.5 Vielmehr richtet sich das „Bedenken“ allgemeiner gegen wesentliche Lehraussagen Majors zur Rechtfertigung und den guten Werken. Möglicherweise wussten die Verfasser von der Absicht Majors, eine ausführliche Verteidigungsschrift zu veröffentlichen, möglicherweise wurde die Abfassung des „Bedenkens“ auch durch die Aussicht motiviert, dass sich mit der Rückkehr des Grafen Albrecht VII. von Mansfeld-Hinterort in seine Besitzungen Chancen für eine Änderung der kirchlichen Verhältnisse ergeben könnten. Der Ton, in dem die Schrift gehalten ist, spricht jedenfalls dafür, dass Major zur Zeit der Abfassung noch Superintendent in Eisleben war und man sich um einen Modus vivendi bemühte, trotz

1

Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8: Dass D. Pommer und D. Major Ärgernis und Zertrennung angericht (1551). 2 Unsere Ausgabe Nr. 1. 3 Vgl. Wartenberg, Major, 225. 4 Zwar starb Osiander bereits am 17. Oktober 1552 in Königsberg, doch traf die Nachricht von Osianders Tod bei dem für gewöhnlich gut unterrichteten Melanchthon erst Mitte November ein (vgl. MBW 6645, vom 18.11.1552), in den folgenden Tagen erreichten ihn dann entsprechende briefliche Mitteilungen von vielen Seiten, man darf also annehmen, dass auch Johannes Wigand in Mansfeld um diese Zeit von Osianders Ableben Kenntnis erhielt. 5 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 5.

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Nr. 6: Mansfelder Prediger, Bedenken (1553) – Einleitung

aller Kritik an einzelnen Lehraussagen und trotz zweifellos vorhandener persönlicher Animositäten.6 Daher ist die Abfassung der Schrift mit hoher Wahrscheinlichkeit in den späten November 1552 zu datieren. Das „Bedenken“ dürfte zunächst handschriftlich unter den Predigern der Grafschaft zur Unterzeichnung kursiert haben,7 anschließend wird es an Major und die Grafen gelangt sein, wohl Anfang Dezember. Es wäre zu überlegen, ob die Aufforderung zur Unterzeichnung des „Bedenkens“ nicht Stephan Agricola veranlasst haben könnte, seinerseits Ende November 1552 seine „Propositiones“ aufzusetzen.8 Erst der – im Ton deutlich aggressiver gehaltene – Appendix des Magdeburger Herausgebers (Flacius?) nimmt direkt Bezug auf Majors Schrift: „Aus dieser vnterschreibung ist ja klar zu sehen, wie warhafftig sich D. Ge. Maior in seinem langen Comment rhFmet, er lere vnnd habe geleret eben dasjenige, so auch die Pfarrhern zu Eißleuben vnnd inn der Graffschafft Mansfelt geleret haben vnnd noch auff den heutigen tag leren. Wiewol die Mansfeldische Prediger vnnd viel andere in derselbigen Herschafft jnen als einen Adiaphoristischen Wolff noch nie fFr einen Superintendenten haben erkennen wollen.“9 Dementsprechend wird die Drucklegung in Magdeburg nach dem Erscheinen von Majors „langem Comment“, d. h. seinem „Sermo von S. Pauli Bekehrung“ anzusetzen sein, also in der zweiten Januarhälfte oder im Februar 1553, als Major Eisleben bereits verlassen hatte.

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2. Die Autoren Ausweislich des Titels wurde das „Bedenken“ von den Predigern in der Stadt Mansfeld verfasst und von weiteren Kollegen in der Grafschaft unterzeichnet.10

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Vgl. Blatt D 1v: „Das, weis Gott, schreiben wir nicht jemandts zu nachteil oder zu uerkleinen“. Möglicherweise fand auch nur ein eingeschränkter Umlauf des Schriftstücks statt, in Mansfeld, Eisleben und den nächstliegenden Pfarreien, um das „Bedenken“ zeitnah übergeben zu können. 8 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 7, Agricolas Vorwort ist auf den 26. November 1552 datiert. Agricola entspricht mit der lateinischen Formulierung seiner Thesen der – in deutscher Sprache geäußerten – Auffassung der Mansfelder, das Thema könne von den Gelehrten disputiert werden, aber eben in lateinischer, nicht in deutscher Sprache (vgl. Nr. 6, Blatt D 1r). Agricolas Schrift wurde allerdings auch erst 1553 gedruckt, wahrscheinlich Ende Februar oder Anfang März. 9 Bl. D 3v. Vgl. dazu Majors Aussage in der Widmungsvorrede des „Sermo“ (Bl. A 3v): „Was nu die erste aufflage [=Anschuldigung] belanget, werdet jhr euch durch Gottes genaden wol wissen zu erinnern, das ich nicht anderst von dem Artickel vnser Rechtfertigung geleret, denn jr nu etliche jare nacheinander von euren Predigern, als dem Ehrwirdigen Herren Johan Spangenberg sehligen vnd anderen zuuor geh=ret vnd noch von ewern jetzigen Pfarhern vnd Predigern h=ret ...“ 10 Berndorff weist darauf hin, dass die beiden Texte (unsere Ausgabe Nr. 6 und Nr. 8) 1565 in die Gesamtausgabe der Werke des Coelius aufgenommen wurden, so dass er als Hauptverfasser anzunehmen sein dürfte (vgl. Berndorff, Prediger der Gft. Mansfeld 57). 7

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2.1. Michael Caelius/Coelius

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Geboren am 7. September 1492 in Döbeln als Sohn eines Bäckermeisters, wurde er 1509 an der Universität Leipzig immatrikuliert, 1510 erwarb er das Bakkalaureat. 1512 wurde er Lehrer in seiner Heimatstadt, 1516 Rektor der dortigen Lateinschule; 1518 erhielt er in Merseburg die Priesterweihe für den Dienst in Crimmitschau, 1519 wirkte er in Rochlitz. Die Leipziger Disputation veranlasste ihn, in Wittenberg Theologie zu studieren, 1523 wurde er Pfarrer im böhmischen Bensen.11 Von dort als lutherischer Ketzer vertrieben, wurde er auf Empfehlung Luthers 1525 Hofprediger Albrechts VII. von Mansfeld-Hinterort, 1542 Dekan aller Grafen auf Schloss Mansfeld, und 1548 Stadtpfarrer in Mansfeld. Gegen die Einführung des Interims setzte er sich standhaft zur Wehr. Am 13. Dezember 1559 starb er in Mansfeld.12 2.2 Johannes Wigand

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Wigand wurde um 1523 in Mansfeld geboren und wuchs dort auf, 1538 bezog er die Universität Wittenberg, ging aber schon 1540 als Lehrer an die Nürnberger Sebaldusschule. Nach Wittenberg zurückgekehrt, erlangte er am 1. September 1545 den Magistergrad; 1546 wurde er Pfarrer in Mansfeld, 1553 Superintendent in Magdeburg, wo er auf Anregung von Matthias Flacius gemeinsam mit Matthäus Judex mit der Ausarbeitung der „Magdeburger Zenturien“ begann. 1560 übernahm Wigand eine Professur an der neu gegründeten Universität Jena. Als er Ende 1561 mit mehreren Kollegen abgesetzt wurde, kehrte er auf Betreiben Tileman Heshusius’ kurzzeitig nach Magdeburg zurück, konnte dort aber aufgrund von Differenzen mit dem Rat nicht bleiben und wurde im September 1562 Superintendent in Wismar. Am 12. Juli 1563 wurde Wigand in Rostock zum Doktor der Theologie promoviert. 1568 wurde er nach Jena zurückberufen, 1573 wiederum abgesetzt. Der Braunschweiger Superintendent Martin Chemnitz verschaffte ihm einen Ruf auf die Erste theologische Professur nach Königsberg; dort wurde er am 2. Mai 1575 von Tileman Heshusius zum Bischof von Pomesanien ordiniert. Nach einer theologischen Kontroverse mit Heshusius, die zu dessen Absetzung führte, übernahm er 1577 auch die Administration des Bistums Samland. 1579 unterzeichnete er die Konkordienformel. Wigand starb am 21. Oktober 1587 in seiner bischöflichen Residenz in Liebemühl/Preußen.13 2.3 Hieronymus Polde/Poelde/Poelle

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Hieronymus Polde wurde um 1522 in Ellrich (Südharz) geboren und wirkte von 1554 bis zu seinem Tod 1573 als Diakon in Mansfeld.14

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Heute Benešov nad Ploučnicí in Tschechien. Wartenberg, Major 223, Anm. 79. Vgl. a. Wartenberg, Major 224, Anm 80. Vgl. Pfb. KPS 6, 537.

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2.4 Johannes Roth/Rhode/Roedinger Magister Johannes Rhodius war Rektor der Mansfelder Lateinschule, ab Juni 1554 Rektor des Gymnasiums in Eisleben. Am 30. Mai 1560 wurde er zum Pfarrer an St. Nicolai in Eisleben ordiniert. Er starb am 27. April 1568.15 2.5 Zur Verfasserschaft des Appendix Der Appendix gibt sich deutlich als sekundärer Anhang zu erkennen. Es spricht ein einzelner Verfasser, der die Vorgänge in der Grafschaft Mansfeld anscheinend aus einer Außenperspektive kommentiert. Berücksichtigt man noch, dass er von Majors „Sermon von S. Pauli Bekehrung“ als von dessen „langem Comment“ spricht, so liegt der Gedanke an Matthias Flacius Illyricus nicht fern.16

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3. Inhalt Offenbar um angesichts des Titels der Schrift naheliegende Missverständnisse auszuschließen, betonen die Verfasser eingangs, es sei Christenpflicht, gute Werke zu tun, in Dankbarkeit gegen Gott und zum Nutzen der Mitmenschen. Wie ein Baum seiner Natur gemäß Früchte hervorbringe, so erwachse aus dem Glauben, der Gottes Gnade empfangen hat, im Heiligen Geist ein gottgefälliges Leben. Es sei durchaus angebracht, das Tun guter Werke anzumahnen, doch müsse man sich hüten, Glauben und Werke unsachgemäß miteinander zu vermischen, wie es in der Aussage „gute Werke sind nötig zur Seligkeit, und es ist unmöglich, ohne gute Werke selig zu werden“, geschehe. Diese Aussage solle deshalb nicht öffentlich in Predigten verbreitet werden. In zwanzig These begründen die Verfasser ihre Position. Zu den Schwerpunkten der Argumentation gehört, die zitierte Aussage verdunkele die evangelische Grunderkenntnis, dass der Sünder allein durch den Glauben an die göttliche Barmherzigkeit in Christus gerechtfertigt und Gott wohlgefällig werde. Man habe nicht mit großer Anstrengung und unter großen persönlichen Opfern gegen die Irrlehren des Papsttums angekämpft, um ihnen nun durch zumindest leicht missverstehbare Formulierungen wieder Eingang in den Gemeinden zu verschaffen. Wahrhaft gute Werke müssten ohne den Hintergedanken an Lohn und ohne die Absicht, damit die eigene Seligkeit zu erwerben, getan werden. Niemand könne seiner Seligkeit gewiss sein, wenn sie von eigenen guten Werken abhinge, und gerade in Anfechtung spüre der Mensch die Unzulänglichkeit der eigenen Leistungen. Es genüge nicht, die reine Lehre zu kennen, man solle sie auch in unmissverständlichen und deutlichen Worten weitergeben. 15

Vgl. Berndorff, Die Prediger der Grafschaft Mansfeld, 95. Zum möglichen Zustandekommen des Appendix vgl. auch unten die Bemerkungen unter „4. Ausgaben“. Zum Lebenslauf des Flacius vgl. unsere Ausgabe Nr. 3, Einleitung, oben S. 77f.

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Dem Argument, die evangelische Lehre von der Rechtfertigung allein aus Gnaden habe zu Zügellosigkeit und Sittenverfall geführt, deshalb müsse man die Notwendigkeit der guten Werke wieder einschärfen, halten die Verfasser entgegen, für den Eindruck von Zügellosigkeit in der Gesellschaft sei nicht das Wort Gottes verantwortlich, sondern vornehmlich der Teufel, Pflichtversäumnisse von Obrigkeit und Eltern und Nachwirkungen des Papsttums. Die Verfasser gestehen zu, die problematischen Thesen könnten in lateinischer Sprache unter Gelehrten und auf den Universitäten diskutiert werden, nicht aber in der Volkssprache und allgemein. Man lehre sehr wohl selbst, dass der Glaube nicht ohne gute Werke sein könne; Aussagen, die Werke seien notwendig zur Seligkeit, entsprächen jedoch nicht christlicher Lehre. Es gehe den Unterzeichnern des „Bedenkens“ im übrigen nicht darum, jemanden zu schmähen (Majors Name wird in dem Text nicht genannt, nur im Appendix), sondern man wolle verhindern, dass unnötige Verwirrung in der Kirche entstehe. Die unterzeichneten Pfarrer und Prediger halten fest, die Thesen (1.) „gute Werke sind nötig zur Seligkeit,“ (2.) „niemand ist je ohne gute Werke selig geworden,“ (3.) „es ist unmöglich, ohne gute Werke selig zu werden“ seien seit der Reformation in der Grafschaft Mansfeld nicht von ihnen oder ihren Amtsvorgängern vertreten worden und sollten auch künftig nicht gelehrt werden. Der Verfasser des Appendix bemerkt, aus der Unterschreibung gehe klar hervor, dass Major nicht in Übereinstimmung mit den früheren und heutigen Mansfelder Predigern gelehrt habe, die ihn auch nicht als Superintendenten hätten anerkennen können und mit denen er von Beginn seiner Tätigkeit in Eisleben gestritten habe. 4. Ausgaben Nachgewiesen werden können zwei Ausgaben:

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A: Bedencken / das diese || Proposition oder Lere / nicht nFtz / || not / noch war sey / vnnd one ergernis || in der Kirchen nicht m=ge ge= || leret werden. || Das gute werck zur seligkeit n=tig sind. || Vnd vnmFglich sey / one gute werck se= || lig werden. || Gestellet durch die Prediger zu Mansfelt / Vnnd || vnterschrieben von andern Predigern || derselben Herrschafft. || Romano. iiij. || Dem / der nicht mit wercken vmbgehet / gleubet aber || an den / der die Gottlosen gerecht machet / dem wird sein || glaube gerechnet zur gerechtigkeit. Gottlose sind / die nicht || allein keinen verdienst / sondern gar keine gute werck fFr Gott haben, || Vnd also kFmpt der Mensch allein zur gerechtigkeit vnd seligkeit. || Luth. Vber das j. Cap. zun Galatern. || Die falschen Aposteln haben geleret / das zu dem glau= || ben / auch die werck des Gesetzes Gottes / n=tig

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sind zur se= || ligkeit. [im Kolophon: Gedruckt zu Magdeburgk durch Michel Lotther. Anno 1553.] [16] Bl. 4° [letzte Seite leer] (VD 16 B 1455). Vorhanden: ASCHAFFENBURG, Stiftsbibliothek: P-51/1 BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 11 in: Dg 2 R; Bf 13, Nr. 33 HALLE, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: AB 44 7/k,10(6) LUTHERSTADT WITTENBERG, Bibliothek des Lutherhauses: Ag 4 289s MÜNCHEN, Bayerische Staatsbibliothek: Res/4 Dogm. 413 # Beibd. 5 WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 257 Quod.(12); 280.8 Theol.(3) [benutztes Exemplar]17 ZWICKAU, Ratsschulbibliothek: 8.6.5.(7) B: Bedencken / das diese || Proposition oder Lere / nicht nFtz / || not / noch war sey / vnnd one ergernis || in der Kirchen nicht m=ge ge= || leret werden. || Das gute werck zur seligkeit n=tig sind. || Vnd vnmFglich sey / one gute werck se= || lig werden. || Gestellet durch die Prediger zu Mansfelt / Vnnd || vnterschrieben von andern Predigern || derselben Herrschafft. || Romano. iiij. || Dem / der nicht mit wercken vmbgehet / gleubet aber || an den / der die Gottlosen gerecht machet / dem wird sein || glaube gerechnet zur gerechtigkeit. Gottlose sind / die nicht || allein keinen verdienst / sondern gar keine gute werck fFr Gott haben, || Vnd also kFmpt der Mensch allein zur gerechtigkeit vnd seligkeit. || Luth. Vber das j. Cap. zum [!] Galatern. || Die falschen Aposteln haben geleret / das zu dem glau= || ben / auch die werck des Gesetzes Gottes / n=tig sind zur se= || ligkeit. [im Kolophon: Gedruckt zu Magdeburgk durch Michael {!} Lotther. Anno 1553.] [18] Bl. 4° [letzte Seite leer] (VD 16 B 1456). Vorhanden: BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 6 in: Dg 1; 9 in: Dg 2 R GOTHA, Forschungsbibliothek: Theol.4 681 HALLE, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: Vg 1319,QK JENA, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 4 Bud.Theol.252(10) LEIPZIG, Universitätsbibliothek: Syst.Th. 698 MÜNCHEN, Bayerische Staatsbibliothek: Polem. 3131v [benutztes Exemplar] WEIMAR, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: B 2140(5) WIEN, Österreichische Nationalbibliothek: 20.Dd.213

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Köhler II-275 (Nr. 547).

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WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 251.18 Theol.(14); Alv Ef 104(16)

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B ist aus einer größeren Type gesetzt als A, auf den ersten Seiten findet sich meist „jhr“, wo in A „jr“ steht. Der Text beginnt auf der Rückseite des Titelblatts (A 1v), während in A die Rückseite leer gelassen ist. A weist häufiger die Form „vnnd“ auf, B häufiger „vnd“; umgekehrt ist in B häufiger „vnns“ anstelle von „vns“ in A zu finden. A lässt Gottesbezeichnungen ab Seite A 3r zumeist mit mehreren Großbuchstaben beginnen, B mit wenigen Ausnahmen nicht. Für B als Erstdruck spricht neben einigen Textverbesserungen (vgl. den textkritischen Apparat) vor allem, dass in A die Seitenfüllung ökonomischer gestaltet ist: A kommt mit 4 Bögen aus, wobei die Rückseite des Titelblatts und die letzte Seite leer bleiben; B hingegen füllt auch einen fünften Bogen halb, wobei die letzte Seite nur deshalb leer bleiben konnte, weil der Text bereits auf der Rückseite des Titelblatts beginnt. Möglicherweise hat erst der in B verbliebene leere Raum am Ende des Bedenkens den Magdeburger Herausgeber zur Anfügung seines „Appendix“ motiviert.18 Der Edition liegt Ausgabe A zugrunde.

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Mit aller Vorsicht könnte man auch erwägen, ob dem Setzer ursprünglich nur das Bedenken mit den Unterschriften der Verfasser, d. h. der Prediger aus der Stadt Mansfeld, vorlag und die Kalkulation des Satzes von Anbeginn die Einbeziehung der Titelrückseite vorsah, mit dem Abschluss dann auf Blatt D 4v; die Berücksichtigung der – zunächst übersehenen? – weiteren Unterschriften der Prediger aus der Grafschaft Mansfeld hätte dann den Umfang gesprengt bzw. die ursprüngliche Kalkulation über den Haufen geworfen, das Anfangen eines zusätzlichen Bogens ernötigt und Platz für den Appendix eröffnet. Inhaltlich sind beide Ausgaben, A und B, völlig gleich.

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[A 2r:] Bedencken, das diese Proposition oder Lere nicht nFtz, not, noch war sey vnd one ergernis in der Kirchen nicht m=ge geleret werden: Das gute werck zur seligkeit n=tig sind.

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Erstlich vnd fFr allem, ehe denn wir zu dieser Proposition kommen, sollen alle Christen des gewis sein vnd niemand anders sich bereden lassen, denn das sie gute werck thun sollen vnd schFldig sind, sich in einem newen leben vnd gehorsam gegen Gott zu halten. Vnd ist nicht genug, das man lere vnd vermane, h=re vnd rede von guten wercken. Sondern sie sollen auch, wo es das vorm=gen,1 zeit vnnd gelegenheit gibt, mit der that geschehen vnnd volbracht werden. Denn der Apostel spricht: „Wir sind schFldener, nicht dem fleisch, das wir nach dem fleisch leben. Denn wo jr nach dem fleisch lebet, so werdet jr sterben mFssen. Wo jr aber durch den Geist des fleisches gescheffte t=dtet, so werdet jr leben.“2 Vnnd Jacobus am j. Capitel: „Seit theter des worts vnd nicht h=rer alleine, damit3 jr euch selbst betrieget. Denn so jemand ein h=rer ist des worts vnnd nicht ein theter, der ist gleich einem man, der sein leiblich angesicht im spiegel beschawet. Denn nach dem er sich beschawet hat, gehet er von stund an dauon vnnd vergisset, wie er gestalt war“4 etc. Jtem S. Paul zun Ephe. am ij.: „Wir sind Gottes werck, geschaffen inn Christo Jhesu zu guten wercken, zu welchen Gott vns zuuor bereitet hat, das wir darinnen wandeln sollen.“5 Gott hat vnter dem Himel keine Creatur geschaffen denn den Menschen, der vnter b=sem vnnd guten, tugent [A 2v:] vnd vntugent einen vnterscheit machen k=nne, vnnd das darumb, das man dem guten anhange vnd das b=se meiden, der tugent sich fleissen6 vnnd die vntugent fliehen solle. Er hat auch die gliedmas des menschlichen leibes also geschaffen vnnd die hende in zehen finger außgeteilet, das wir den gantzen leib im gehorsam der heiligen zehen gebot halten sollen. So ist ja die Menschliche Creatur fFr allen andern geschaffen zum gehorsam, ehr vnnd preis, auch zur dancksagung jres Sch=pffers vnnd zu dem ende, das sie durch tugent allen andern Creaturn fFrzihen7 sol. Darumb denn Sanct Paulus vermanet zun Philip. am iiij. Capitel vnd spricht: „Lieben BrFder, was warhafftig ist, was erbar, was gerecht, was keusch, was lieblich, was wol lautet, ist etwa eine tugent, ist etwa ein lob, dem dencket nach, welchs jr

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die Fähigkeit. Röm 8,12f. 3 womit, wodurch. 4 Jak 1,22–24. 5 Eph 2,10. 6 befleißigen. 7 (vor allen andern Geschöpfen) den Vorzug haben, höher geachtet werden. Vgl. Art. fürziehen I.7), in: DWb 4, 955. 2

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auch gelernet vnd empfangen vnd geh=ret vnd gesehen habt an mir, das thut, So wird der Herr des friedes mit euch sein.“8 Gott hat vns seinen Son gesand, der vns von SFnden erl=set, nicht das wir sFndigen, sondern der gerechtigkeit leben sollen. Darauff lassen wir vns auch Teuffen, das wir der sFndlichen natur absterben vnnd in einem newen leben wandeln wollen.9 Christus gebeut vnnd verheisset den guten wercken alhie vnnd inn dem zukFnfftigen leben grossen lon, den er vmb seiner verheissung aus gnaden geben wil seinen gleubigen. Er gibt vns seinen heiligen Geist, der vns zum guten erwecken vnnd newe Creaturn machen will, vnserer schwacheit auffhelffen, reitzen vnnd tr=sten vnnd mit vnaussprechlichem seuffzen fFr vns bitten will.10 Er versamlet vns inn die gemeinschafft der Heiligen, darinnen wir [A 3r:] gleuben vnnd haben vergebung der SFnde, alles darumb, das wir heilig vnnd vnstrefflich leben vnnd jm inn warhafftiger gerechtigkeit vnnd heiligkeit dienen sollen, vnnd mFssen entlich darumb sterben vnd aufferstehen, das wir, dadurch gereiniget vnnd gefeget, inn aller heiligkeit vnnd reinigkeit Gott ewiglich loben vnd ehren. So wil er durch vns auch alhie inn diesem leben bekannt vnnd geehret sein, vnnd das wir vnserem Nehesten nFtz sein vnnd dienen, auch vnsern beruff fest machen sollen. Daher seine gleubigen vergleicheta werden einem fruchtbarn Baum, der zu seiner zeit seine frucht bringt,b Psal. j.,11 vnnd Esa. am lxj.12 heisset vns der Prophet pflantzen des Herrn, die wir zu seinemc lobe sind geschaffen. Christus sagt, Wir sollen vnser liecht, das ist: vnsern glauben, leuchten lassen, das die Menschen vnsere gute wercke sehen vnnd den Vater im Himmel preisen.13 Er mietet operarios, arbeiter, vnnd nicht mFssiggenger inn seinen Weinberg.14 Er heisset vns Weinreben, die wir inn jm frucht tragen sollen,15 vnnd sagt: „Ein jtzlicher Baum, der nicht gute frFchte bringet, wird abgehawen vnnd ins fewer geworffen.“16 Diese vnnd dergleichen sind vber alle masse viel sprFche, gleichnisse, Exempel, verheissung vnnd drauungd inn der heiligen Schrifft, die vns reitzen vnnd vermanen zu a b c d

vorgleichet: B. bringet: B. seinen: B. drawung: B.

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Phil 4,8f. Vgl. Röm 6,4. 10 Vgl. Röm 8,26. 11 Vgl. Ps 1,3. 12 Vgl. Jes 61,3. 13 Vgl. Mt 5,16. 14 Vgl. Mt 20,1. 15 Vgl. Joh 15,1–8. 16 Mt 7,19. 9

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guten wercken, Das also ein jeder Christ fest schliessen sol, das gute werck geschehen mFssen, wo es das verm=gen, zeit vnnd gelegenheit gibt, oder ist gewißlich da kein rechter glaube, kein heiliger Geist, kein rechter brauch der G=tlichen gnade. Denn wie die frFchte natFrlich dem Baum folgen, also folget dem glauben, Gottes gnaden vnd heiligem Geiste ein gut leben. Darumb denn alle Prediger vnnd Lerer mit fleis vnnd mit trewen auch [A 3v:] leren vnd vermanen sollen zu guten wercken, wie sie leren vom glauben an Christum. Aber doch so fleissig, als man leren vnnd vermanen sol zu guten wercken, So grosser fleis wil auch geh=ren, das man dasselbige thu mit rechter bescheidenheit vnnd vnanst=ssigen oder vnergerlichen worten, das man den wercken nicht zu viel, noch zu wenig gebe. Das man also von wercken predige, das der glaube nicht mit den wercken vermenget, der artikel von der rechtfertigung oder seligkeit vnd ein gewisser vnd bestendiger vnterscheid des Gesetzes vnnd Euangelij erhalten, auch die gewissen nicht inn ein falsch vertrawen oder zweiffel gefFret Vnd darzu auch one ergernis fried vnd einigkeit, beide: der Lehr vnnd zuh=rer, erhalten werde. Vnnd wiewol, als oben angezeigt, keins gut ist, den wercken zuuiel oder zu wenig geben, vnnd hierinnen gantz fFrsichtig geleret vnnd gehandelt werden sol. Doch wo inn einem solte vbertreten werden, wehre besser den wercken zu wenig denn zu viel zuzuschreiben. Denn so man jm zu wenig thut, so erkennet man auch natFrlich,17 das vnrecht ist. Vnnd sind dazu verordent Gesetz, Recht, Oberkeit der Land vnd Haußhaltung, die solches k=nnen vnnd sollen straffen. Wenn man aber den wercken zu viel gibt, so erkennet es Menschliche vernunfft nicht, ist niemand, der es straffe, denn allein der heilige Geist straffet die Welt vmb die gerechtigkeit durchs Euangelion vnnd wird erkant im glauben. One das fallen aller Menschen hertzen dahin vnnd achtens fFr k=stlich ding, machen daraus Gottesdienste, beten an oder, wie Job sagt,18 kFssen jrer hende werck, welches die gr=ste Gotteslesterung ist. Derhalben, weil die Proposition [A 4r:] „Gute werck sind n=tig zur seligkeit vnnd das vnmFglich sey, one gute werck selig werden,“ jrem natFrlichen verstand vnnd den worten nach Guten wercken zu viel vnnd das gibt, das jn19 nicht gebFret,e schliessen wir, das sie fFr dem gemeinen volck nicht solle gepredigt noch geleret werden, aus folgenden vrsachen:

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geburet: B.

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nach dem Maßstab des natürlichen Rechts; ohne die Offenbarung der Heiligen Schrift, insbes. des Evangeliums. 18 Vgl. Hi 31,27 (Dt. Bibel 1545): „Hat sich mein hertz heimlich bereden lassen / das meine hand meinen mund küsse?“ In Marginalie b wird erläutert: „Hand küssen / Heist seine eigen werck preisen / Welchs allein Gott zugehöret.“ 19 ihnen.

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Zum ersten: Die Proposition oder Schlußrede „Gute werck sind n=tig zur seligkeit vnnd ist vnmFglich, one gute werck selig werden“ Jst ein grund vnnd pfeiler des gantzen Babstumbs. Denn da man geleret vnnd die Leute beret20 hat, das gute werck n=tig sind zur seligkeit, da ist alle welt auff die werck gefallen vnd nicht benFgt gewest21 an den wercken, die Gott geboten vnnd allein im grund gute werck sind. Sondern was ein jeder hat k=nnen oder m=gen erdencken, das nur einen schein gehat22 vnnd aus guter meinung geschehen ist, das haben mFssen gute werck sein vnd heissen. Das also aus dieser Proposition erbawet sind die opera Supererogationis,23 das ist: werck, die mehr vnnd gr=sser sind, auch bessere vnnd volkomener Christen machen sollen, denn die Gott geboten. Vnd sind also daraus erwachsen alle Orden der Geistlichen, vnterschied der Diener der Kirchen vnnd der Leien, aller Ablas des Babsts, GelFbd,f BrFderschafften, Anruffung der heiligen, Walfarten, Fegfewer, vnd des gantzen Babstumbs mißbreuche vnnd geschwFrm24 ist erfolget aus dem, das man geleret: „Gute werck sind n=tig zur seligkeit.“ Vnd ist also dadurch der glaube erloschen, Christus begraben, das man von seinem warhafftigen vnnd seligmachenden ampt nichts verstanden noch gehalten hat. Darumb billich eine solche weise, von wercken zu reden, solte vnterlassen werden. [A 4v:] Zum andern, So hat es viel mFhe vnnd arbeit gestanden,25 das man diese wort aus der Kirchen mit bestendigem grund der heiligen Schrifft gebracht, das nicht gute werck, sondern der glaube alleineg gerecht, from vnnd selig mache. DarFber sind viel disputationes gehalten, vnnd hat der selige vnnd theure Man Doctor Martinus Luther, vnser lieber Herr vnnd Praeceptor, der ein warhafftiger werckzeug Gottes gewest, das zum h=chsten wider die Papisten gestritten:h26 Das nicht gute werck, sondern der glaube allein gerecht vnnd also auch selig mache; das nicht die werck, sondern der glaube n=tig sey zur seligkeit. Vnnd haben viel theurer Menner vnnd Christen darFber gelieten vnnd jr Blut vergossen. Denn dem Babst ists alleinei vmb die Proposition zu thun „Gute werck sind n=tig zur seligkeit“, vnnd das man one gute werck nicht k=nne selig werden. Wenn er die, oder auffs wenigste nur

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GelFmbd: B. allein: B. gestritten: B. allein: B. beredet, überredet, ihnen weisgemacht, sie hat glauben machen hat sich nicht genügen lassen. was nur irgend fromm aussah. auch: opera supererogatoria, überpflichtigen, verdienstlichen Werke. Äußerlichkeiten, Firlefanz, Geplapper. Vgl. Art. geschwürm 2), in: Fnhd. Wb. 6, 1428. erfordert, gekostet. Vgl. Art. gestehen 7), in: Fnhd. Wb. 6, 1624f. dies mit größtem Nachdruck gegen die Papisten verfochten.

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die wort erhelt, so bleibtj er wol stehen vnnd erhelt das ander alles. Weil nu die weise, von guten wercken zu leren, aus vnsern Kirchen durch Gottes gnad vnnd vermFg seines seligmachenden wortes mit viel mFhe, arbeit vnnd leidens hinweggebracht, so sollte man je billich malum bene sopitum27 schlaffen lassen Vnnd das fewer, so in die aschen geschorren,28 nicht widerumb auffblasen.29 Dieweil doch sonst – Gott lob – wort, sprFchek vnd Exempel der heiligenl Schrifft gnug sind, dadurch man leren kann, das gute werck geschehen sollen von den gleubigen. Zum dritten: Die zwo Propositiones „Gute werck sind n=tig zur seligkeit“ Vnd „allein durch den glauben wird man gerecht vnnd selig“ – Wenn sie geleret werden, ist vnter hunderten nicht eins, so es h=ret, das sie anders vorstehet, denn das sie Contrariae, wider einander sind. Werdenm sie [B 1r:] nu verstanden als Contrariae, so mus ja eine als war vnnd die ander falsch geachtet werden. Nu hat die Proposition „one gute werck wird man gerecht vnnd selig“ grund der heiligen schrifft. Denn so sagt Paulus zu Tito am iij. Cap.: „Nicht nach den wercken der gerechtigkeit, die wir gethan haben, sondern nach seiner barmhertzigkeit hat er vns selig gemacht.“30 Vnd zun Ephe. am ij.: „Aus gnaden seitn jr selig worden durch den glauben, vnd dasselbige nicht aus euch: Es ist Gottes gabe, vnd nicht aus den wercken, das sich nicht jemandts rhFme.“31 Vnnd der heilige Prophet Jesaia sagt am xliij. Capit.:32 „Dis volck hab ich mir zugericht, es sol meinen rhum erzelen. Nichto das du mich hettest geruffen, Jacob, odderp das du vmb mich gearbeitet hettest, Jsrael. Mir zwar hastu nicht bracht Schaff des Brandopffers, noch mich geehret mit deinen opffern, mich hat deines diensts nicht gelFstq im Speisopffer, hab auch nicht lust an deiner arbeit im Weirauch, mir hastu nicht vmb gelt kalmes33 gekaufft, mich hastu mit demr fetten deiner opffer j

bleibet: B. spr=che: B. l heillgen: B. m Wenn: B. n seid: B. o Nich: B. p oder: B. q gelust: B. r den: B. k

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ein ruhig/tief schlafendes Übel. Wohl sprichwörtlich: malum bene (con)sopitum non est movendum. Etwa so viel wie: Man soll keine schlafenden Hunde wecken. 28 (ein)gescharrt. Die Assoziation zum vorhergehenden Ausdruck dürfte zurückgehen auf die idiomatische Wendung „ignis sopitus“ = unter der Asche glimmende Glut. 29 anblasen, neu entfachen. Vgl. Art. aufblasen 4), in: Fnhd. Wb. 2, 343f. 30 Tit 3,5. 31 Eph 2,8f. 32 Jes 43,21–28. 33 hebr. ‫קנֶה‬ ָ = Würzrohr. Kalmus = eine Sumpfpflanze, deren Wurzel als Heilmittel bei Magenbeschwerden eingesetzt wurde.

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nicht gefFllet; ja mir hastu arbeit gemacht inn deinen SFnden vnnd hast mir mFhe gemacht inn deinen missethaten. Jch, ich tilliges34 deine vbertrettung vmb meinentwillen vnd gedencke deinert SFnde nicht. Erinnere mich, las vns miteinander rechten. Sage an, wie du gerecht wilt sein? Deine voreltern haben gesFndiget, vnnd deine Lerer haben wider mich mißgehandelt. Darumb habe ich die FFrsten des heiligthumbs entheiliget vnnd habe Jacob zum Ban gemacht vnd Jsrael zum hon.“ Allhie vnnd der gleichen in vielen sprFchen der heiligen schrifft, wo sie von gerechtigkeit vnd seligkeit der Menschen redet nach dem Euangelio, werden gute werck rein35 als n=tig zur seligkeit ausgeschlossen. Sollen nu die Leute nicht jrrig gemacht werden, so mus man sich der wort [B 1v:] enthalten „Gute werck sind n=tig zur seligkeit“, denn sie werden widerwertig36 allezeit verstanden: Der glaube allein macht gerecht vnnd selig, vnnd gute werck sind n=tig zur seligkeit. Zum vierden: Ob man schon fFrgibt,u man sage nicht, das gute werck n=tig sind tanquam causa, als ein vrsach oder verdienst der seligkeit, so sind doch die wort gefehrlich geret vnnd bedFrffen allezeit einer starcken glossa vnnd viel außlegens. Weil sie denn nu geferlich vnnd viel außlegens bedFrffen, Worumb m=chte man denn nicht viel lieber von dieser sache mit einfeltigern vnnd wenigern worten reden? Sagt doch Aristoteles, vnd ist recht geret: „Peccatum est fieri per plura, quod fieri poterit per pauciora – Was mit wenigen einfeltigen vnnd vnergerlichen37 worten geret werden kann, das sol man nicht mit vielen thun.“38 Darumb diese einrede nicht viel stat haben kan. Zum fFnfften: Ob man aber auch sagen wolt, man thu es darumb, das man das gemeine volck dadurch zu guten wercken wolle bewegen, ist wol eine gute meinung. Wie wil man aber die Leute zu guten wercken, das sie im glauben recht geschehen,v bewegen, durch wort ausserhalb der schrifft, die sichw Gottes wort selbst nicht bereden lassen? Darumb eben wie die Kinder,

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tilge: B. diener: B. u furgibt: B. v geschen: B. w sie: B. t

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tilge. Zur Form vgl. Art. tilgen, in: DWb 21, 499f. völlig, ganz und gar. Vgl. Art. rein adj. u. adv. 10), in DWb 14, 698f. 36 gegensätzlich. Vgl. Art. widerwärtig 3.a) und d), in: DWb 29, 1369f 37 unmissverständlichen, unanstößigen. Vgl. Art. unärgerlich, in: DWb 24, 175f. 38 Die Sentenz geht wohl auf Aristoteles, Physik I,4 (188a17–18) zurück. Vgl. die weit verbreitete Sammlung „Parvi Flores“ des Franziskaners Johannes de Fonte (wirkte um 1300 in Montpellier), auch bekannt unter dem Titel „Auctoritates Aristotelis [et aliorum philosophorum]“, worin es heißt [2, 26 (ed. Jacqueline Hamesse, S. 141,39f)]: „Melius est ponere principia finita quam infinita, ex quo habetur quod peccatum est fieri per plura quod potest fieri per pauciora.“ 35

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die sich des Vaternx rute nicht zihen lassen, werden dem Hencker zu teile, also auch wer sich Gottes wort nicht from machen lest, geh=ret zum Teuffel. Denn die wort „Gute werck sind n=tig zur seligkeit“, wenn sie schon from machen, so geschiets mit falschem wan vnnd lauterer heucheley, denn sie meinen, das sie dadurch wollen selig werden. Zum sechsten: Das man auch fFrgebeny will, solche wort „Gute werck sind n=tig zur seligkeit“ sind wort der heiligen schrifft, so weis ich mich doch ferner39 nicht [B 2r:] zu erinnern, denn das die heilige schrifft vermane zu guten wercken, das die als frFchte des glaubens folgen vnd die gleubigen jm stande der guten werck sich sollen finden lassen. Aber „n=tig zur seligkeit“ habe ich nicht gelesen. Zum siebenden: Die Proposition „Gute werck sind n=tig zur seligkeit vnd ist vnmFglich one gute werck selig werden“ ist wol war nach dem Gesetz, denn das sagt: „Wiltu zum leben eingehen, so halt die gebot“, Math. xix.40 Vnnd Christus sagt zu dem Schrifftgelerten Luc. x.:41 „Thu das, so wirstu leben.“ Aber nach dem Euangelio sagt S. Paulus Rom. iij.:42 „wir schliessen, das der Mensch gerecht (vnd also auch bald zselig) werdez allein durch den glauben one die werck des Gesetzes.“ Vnnd zun R=m. am x. cap.a:43 „Moses schreibt wol von der gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kFmpt: Welcher Mensch dis thut, der wird darinnen leben. Aber die gerechtigkeit aus dem Glauben spricht also: Sprich nicht in deinem hertzen: Wer wil hinauff gen Himmel faren? (das ist nicht anders, denn Christum herab holen) Oder wer wil hinab in die tieffe faren? (Das ist nicht anders, denn Christum von den todten holen) Aber was saget sie? Das wort ist dir nahe, nemlich in deinem munde vnnd inn deinem hertzen; das ist das wort vom glauben, das wir predigen. Denn so du mit deinem munde bekennest Jhesum, das er der Herr sey, vnd gleubst in deinem hertzen, das jn Gott von todten aufferwecket hat, so wirstu selig.“ Dieweil denn nu vnser ampt nicht ein ampt des Buchstabens noch des Gesetzes ist, sondern des Geistes vnnd Euangelions:44 Worumb solte man denn nicht viel lieber des Geistes vnd Euangelions wort gebrauchen vnd mit Christi holdseligen worten denn mit Mosi schwerer zungen45 reden?

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sic A, B. furgeben: B. z – z selig werde): A, B. a capitel: B. y

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weiter, an mehr. Mt 19,17. Lk 10,28. Vgl. Röm 3,28. Röm 10,5–9. Vgl. II Kor 3,6. Vgl. Ex 4,10.

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[B 2v:] Zum achten: Wenn ein armes gewissen, das beretb wird, das gute werck n=tig sind zur seligkeit vnnd das niemand one gute werck m=ge selig werden, so ist es vnmFglich, das es inn der eussersten not bestehen vnnd seiner seligkeit gewis sein k=nnte. Denn es fehet so bald an zu disputirn, ob es auch gute werck gethan habe, wie viel der sein vnnd wie sie geschehen sind. Wenn es denn nu da mangel vnnd gebrechen findet, wie allezeit geschehen mus, weil wir das Gesetz nicht erfFllen – Vnd darumb Salomon sagt: „Es ist kein gerechter, der guts thu vnnd nicht sFndige“,46 vnd Paulus spricht, das wollen habe er wol, es feile47 jhm aber am volbringen48 – vnnd sollen doch n=tig zur seligkeit da sein, so mus es anfahen zu uorzweiffeln. Worumb wil oder sol man denn einer solchen geferlichen rede gebrauchen, die wider das gantze heilige Euangelion den Leuten zu zweyffeln vnnd folgendts zur ewigen vordamnisc vrsach gibt? Zum neunden: Wenn man solche wort gebrauchen vnnd inn Kirchen leren sol, weis ich nicht, wie der vnterscheid des Gesetzes vnnd Euangelij wil erhalten werden. Denn man declarire daran, wie vnnd was man kann, vnnd gloßire, so lang man will, so bleibt es doch eined Legalis Propositio vnnd sol gleichwol n=tig sein zur seligkeit, da doch das Euangelion sagt: „Vnum est necessarium.“49 Vnnd wird also nach einfeltigem laut dieser wort den wercken das geben, das dem glauben vnnd Christo alleine geh=ret. Werden nu Gesetz vnnd Euangelion wider in einander vermenget, so entstehet wider aller vnrat, der zuuor in Kirchen gewesen ist. Denn das die MFnche vnd gantzes Babstumb die zwo leren nicht haben wissen zu vnterscheiden, daraus sein allerley jrthumb, mißbreuche vnnd falsche leer entstanden, vnd diese vrsach ist sehr wol zu mercken. [B 3r:] Zum zehenden: Es mus ja ein vnterscheid sein zwischene der JFden, TFrcken vnnd Papisten glauben vnd vnserm heiligen, waren, Christlichen glauben, sonderlich inn dem fFrnemstenf vnnd wichtigesten stFck, das ewig leben belangend. Nu bekennen vnd sagen JFden, TFrcken, Papisten vnnd alle Heiden: „Gute werck sind n=tig zur seligkeit, vnnd ist vnmFglich on gute werck selig werden.“ Alleine wir Christen sagen, das wir durch den glauben an Jhesum Christum one zuthun vnserer werck selig werden. Solchen vnter-

b c d e f 46 47 48 49

bered: B. verdamnis: B. ein: B. zwisschen: B. furnemsten: B. Vgl. Koh 7,20. fehle, mangele, misslinge. Vgl. Art. fehlen 1.b) und 2.a), in: DWb 3, 1423–1426. Vgl. Röm 7,18. Lk 10,42.

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scheid sollen wir billich erhalten, welchs nicht geschehen wird, so man leren sol: „Gute werck sind n=tig zur seligkeit.“

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Zum eilfften: S. Paulus sagt, das Euangelion sey ein wort des Creutzes, ergerlich den JFden, vnnd ein torheit fFrg den Heiden,50 vnd ist hart wider die falschen Lerer, so den JFden zu gefallen die gerechtigkeit des Gesetzes lereten vnnd also hiedurch das Creutz fliehen vnd widerwertigkeit vermeidenh wollten, vnnd heists „Euacuare crucem Christi.“51 Vnnd das geschihet eben durch diese wort auch: „Gute werck sind n=tig zur seligkeit, vnnd ist vnmFglich one gute werck selig werden.“ Denn die fichtet wider52 JFd, TFrck, Papist noch einige pforte der hellen53 an. Alleine das k=nnen keine leiden: „One gute werck, allein durch den glauben an Jhesum Christum wird man gerecht from vnnd selig.“ Sollen vnnd wollen wir nu dem Herrn das Creutz nachtragen,54 so mFssen wir bey der Lehr vnnd worten des heiligen Euangelij bleiben vnd die andern, so denen entgehen55 lauten, faren lassen. Zum zwelfften: Wenn S. Paulus allein vnnd inn sonderheit von guten wercken redet, so kan er die guten werck nicht gnugsam rhFmen vnd wil eines guten leben halben vnstrefflich sein,56 als der jhm selbst nichts bewust,57 [B 3v:] welches sich auch allezeit alle frome Christen befleissen vnnd nach guten wercken eiuerig sein sollen. Wenn er aber auff den Artickel von der Iustification, wie man fFr Gott gerecht, from vnnd selig werde, zu reden oder schreiben kFmpt, so sagt er, seine werck sind kot vnd dreck, verwirfft alle gerechtigkeit des Gesetzes, auff das er der gerechtigkeit Christi durch seine aufferstehung m=ge teilhafftigi werden.58 Welchs viel anders geret ist, denn das man sagt: „Gute werck sind n=tig zur seligkeit.“ Zum dreizehenden: Menschliche vernunfft weis von keiner andernj gerechtigkeit, denn die da stehet inn guten wercken, vnnd nicht alleine das, sondern das sie auch, durch dieselbigen mit Gott versFnet, den Himmel vnnd das ewige leben verdienen solle vnd k=nne. Von der gerechtigkeit aber des glaubens verstehet vnnd weis sie weniger denn nichts. Daher denn S. Paulus die-

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fur: B. vormeiden: B. teilgafftig: B. anderer: B. Vgl. I Kor 1,18.23. Vgl. I Kor 1,17. weder. Vgl. Mt 16,18. Vgl. Mt 10,38; 16,24. entgegen, zuwider. Vgl. I Thess 2,10. Vgl. I Kor 4,4. Vgl. Phil 3,7–11.

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selbige nennet „Mysteriumk a seculis absconditum – Ein geheimnis, das von anfang der welt her verborgen gewest.“59 Darumb denn auch aller Menschen vernunfft ersterben vnd vntergehen mus, wenn sie, durch Gottes wort vnnd den heiligen Geist erleucht, sich inn dieselbige mit glauben sol ergeben, welchs sie aber schwer vnnd sawer ankFmpt, vnnd das gewissen sich nicht viel weniger engsten mus, denn leiblich zu sterben. Aber durch gute werck selig zu werden, das gehet jr glat ein. Weil nu diese Proposition solchen verkerten sinn vnnd meinung der verderbten natur bestetiget, so wird sie je billich vnterlassen. Zum vierzehenden: Ob man wol viel erklerens oder außlegens macht, wenn man saget: „Gute werck sind n=tig zur seligkeit“, das man nicht meine, als sind gute werck causa efficiens, sondern allein causa finalis, das ist: das [B 4r:] gute werck nicht die seligkeit verdienen, sondern derselbigen folgen, so ist doch der laut dieser wort anders, denn man jn wil verstanden haben, vnnd verbleibt bey den schwachen im glauben nicht, wenn sie h=ren: „Gute werck sind n=tig zur seligkeit, vnnd ist vnmFglich one gute werck selig werden“; sie meinen, das sie auch dadurch die seligkeit verdienen. Vnnd im fal, da die wort von allen also verstanden wFrden jtziger zeit, wie man sie auslegt, so wird doch bey den nachkomen ein mißuerstand daraus erwachsen. Denn sie lauten jrer art vnnd natur nach, das sie mehr zum verdienst denn zur folge mFssen verstanden werden. Gleich als wenn man sagt: „Wein, Bier oder wasser ist n=tig, den durst zu leschen“, da verstehet niemand, das sie dennl60 folgen sollen, wenn der durst geleschet ist, sondern das sie ein vrsach sind, dadurch der durst geleschet wird. Also ists auch mit den worten „Gute werck sind n=tig zur seligkeit.“ Zum funffzehenden: Erfolget der mißuerstand daraus, das, wo die Leute gleuben vnnd halten, „Gute werck sind n=tig zur seligkeit“, so ist es vnmFglich, das man die Lehr erhalte „Christus allein ist vnser gerechtigkeit vnnd seligkeit, durch glauben allein werden wir gerecht vnd selig, Gottes barmhertzigkeit allein macht gerecht vnnd selig“, vnnd mFssen die Leute dem Tridentischen Concilio,61 dem Jnterim, ja dem gantzen Babstumb, wo es am besten ist, zufallen, das man beide, durch glauben vnnd werck, selig werde.

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Misterium: B. den: B.

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Vgl. Kol 1,26. dann. 61 Am 28. April 1552 war die zweite Sitzungsperiode des Konzils von Trient zu Ende gegangen, mit der Suspension des Konzils auf unbestimmte Zeit. Die dritte Tagungsperiode begann am 18. Januar 1562. Vgl. Klaus Ganzer, Art. Trient 3) Konzil, in: LTHK³ 10 (2001), 225–232, hier 228f. 60

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Zum sechzehenden: Es ist vnmFglich, das die Proposition one ergernis k=nne oder mFge geretm oder geleret werden. Denn es bekennen alle frome Christen, wenn sie die wort h=ren, das sie sich daran stossen wie an einen stein, [B 4v:] der im wege an einem finstern ort ligt. Denn sie sagen, das man sind der zeit62 das Euangelion gepredigt worden, also63 nicht geret noch geleret hat. Weil denn Christus sagt: „wehe dem, durch welchen ergernis geschihet!“,64 so solten man billich solch ergernis, das65 doch sehr wol durch bessere weise vnd wort geschehen kan, verhFten.66 Zum siebenzehenden: So confirmirt vnnd bestetiget diese Schlusrede „Gute werck sind n=tig zur seligkeit, vnd ist vnmFglich one gute werck selig werden“ alle heuchelero vnnd halsstarrige werckheiligen. Machet jnen, sonderlich zu dieser zeit, einen mut, wider die reine Lehre des Euangelij hinfFr67 hefftiger dasselbig zu lestern (vnnd wie sie sich h=ren lassen), als habe man zuuor noch nie recht von guten wercken geleret. Wer denen nu hierinnen hofieren68 wil (das billicher dem Teuffel denn einem Euangelischen Lerer gezimpt), der mags auff sein ebentewer69 thun, Christus vnnd Belial werden sich doch nicht vertragen,70 wo nicht sonderlich hochgelerte mitler darzwischenp komen.71 Zum achzehenden: Es ist nicht breuchlich inn der sprach, das man sagt von etwas, so eines dinges natFrliche folge ist, es sey n=tig zu demselbigen. Als man pflegt nicht zu sagen: „Die frucht ist n=tig zum Baume“. Sondern wenn ich die art oder natur eines guten Baumes zeigen will, sage ich: „Der Apffel zeuget72 die gFte, art vnd natur des Baumes.“ Also auch, dieweil die werck eine natFrliche folge sind des glaubens, so sollte man je die regel auch halten im reden vnnd leren, das man nicht sagte: „Gute werck sind n=tig zur seligkeit“, Sondern: „Gute werck folgen vnnd sind eine natFrliche art der Kinder Gottes, die bereitan73 selig worden sind m n o p

gelert: B. B; solten: A. heuchler: B. darzwisschen: B.

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sind der zeit = seitdem. in solcher Weise, so. 64 Mt 18,7. 65 was, wie es. 66 … so sollte man solches Ärgernis sinnvollerweise verhüten, was doch recht gut durch geeignetere Ausdrucksweise und Worte geschehen kann. 67 künftig. Vgl. Art. hinfür 4), in: DWb 10, 1434. 68 zu Diensten sein. Vgl. Art. hofieren 1), in: DWb 10, 1681. 69 auf eigene Gefahr. Vgl. Art. abenteuer, in: DWb 1, 27f; Art. ebenteuer, in: DWb 3, 16f. 70 Vgl. II Kor 6,15. 71 Ironischer Nachsatz. 72 belegt, beweist. Vgl. Art. zeugen II.2), in: DWb 31, 851f. 73 bereits. Vgl. Art. bereitan, in: Fnhd. Wb. 3, 1388. 63

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durch den glauben,“ oder: „Wo nicht gute werck sind, da ist auch kein rechter glaube noch seligkeit, wie auch da kein rechter fruchtbar Baum ist, wo nicht frucht verhanden [C 1r:] ist,“ vnnd das were one fahr vnd vnergerlich nach brauch vnnd gewonheit aller Kirchen geret, darinnen das heilig Euangelion rein geleret wird. Vnnd im fal, da man sagte: „die frucht ist n=tig zum Baume“, so brechte das kein ergernis nach74 mißuerstand, sondern were allein ein vnbequeme75 vnnd vnbreuchliche rede. Denn allhie redet man von einem natFrlichen dinge, das der vernunfft bekannt, vnnd niemant derhalben schliessen wFrde, als machte ein guter Apffel einen guten Baum. Wenn man aber von guten wercken redet vnnd spricht: „Gute werck sind n=tig zur seligkeit“, so schleust vnsere vernunfft nicht wie in natFrlichen dingen, das sie allein eine folge oder frucht sind, sondern sie verstets als ein vrsach oder verdienst des ewigen lebens, weil sie sonst nach dem Gesetz vnnd natur oder vernunfft keinen andern verstand von guten wercken kan haben. Ob man aber hie sagen will: „Beume sind an jrer natur durch die SFnde nicht verterbt, vnnd bringt ein jglicher seiner art vnnd natur nach frucht, darzu er von Gott geschaffen, man darff76 keinen dazu vermanen noch treiben, Aber die Menschliche natur ist verterbt vnnd thut nicht, was jr Gott befolen, darumb so mus sie vermant, gereitzt vnnd getrieben werden.“ Das ist alles war, aber es solte mit worten, die zur besserung vnnd nicht zum ergernis dienen, geschehen. Denn es ist die Menschliche natur disfalles mehr verterbet, das sie die wort als zum verdienst verstehet vnnd annimpt, denn das sie sich dadurch zu guten wercken bewegen lasse. Thut sie aber, durch diese wort bewegt, gute werck, so thut sie die darumb, das sie dadurch wil selig werden, welchs Abg=tterey vnnd ein falscher wan ist wider Gott, Christum vnnd vnsern heiligen Christ-[C 1v:]lichen glauben. Darumb wir ferner schliessen, das man sich solcher wort solle zu leren enthalten. Zum neunzehenden: Man helt,77 die heiligen Aposteln haben die Artikel des Christlichen glaubens gestelt;78 darinnen stehet also: „Jch gleube eine vergebung der SFnde vnnd ein ewiges leben.“ Es stehet nicht: „Gute werck sind n=tig zur vergebung der SFnde vnnd ewigem leben, oder ist vnmFglich one gute werck selig werden.“ Denn gleuben vnnd wircken sind zwey vnterschiedlicheq ding, ja sie sind widerwertig,79 das, wo glaube n=tig ist zur seligkeit, da k=nnen nicht werck dazu n=tig sein. Gleich, wo das Gesetz ist

q 74 75 76 77 78 79

vnterscheidliche: B. noch. unpassende, ungeeignete. Vgl. Art. unbequem 1.b), in: DWb 24, 320. muss (keinen). geht davon aus, nimmt an. Vgl. Art. halten B.II.11.d), in: DWb 10, 298. aufgestellt, verfasst. Vgl. Art. stellen I.A.2.h.θ), in: DWb 18, 2205f. gegensätzlich. Vgl. Art. widerwärtig 3.a), in: DWb 29, 1369.

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vnnd regiret, da kan nicht das Euangelion sein vnd regiren, wie man an dem Phariseer vnd Z=lner sihet: Der Phariseer meinet, gute werck sind n=tig zur seligkeit, vnd das man one gute werck nicht m=ge selig werden. Darumb ist er auffgeblasen vnd kan das Euangelion nichts inn jm schaffen, das er gnade vnnd barmherzigkeit begerte. Aber der arme Z=lner, der erkennet, das er keine gute werck habe vnnd gute werck zur seligkeit wider nFtz noch not sind. Darumb spricht er: „O Gott, erbarm dich vber mich armen SFnder!“, vnd der steigt auch gerechtfertiget vnnd selig hinab inn sein Haus.80 Darumb wie die Sterne am Himmel verbleichen vnnd keiner gesehen wird, wenn die Sonne im hellen Mittage stehet, also sollen verbleichen alle werck vnd keiner gedacht werden, wenn man von vergebung der SFnde vnnd seligkeit redet. Denn da ist die Sonne Jhesus Christus auffgangen, inn der leuchtet eitel gnade vnd barmhertzigkeit Gottes. Zum zwentzigsten: S. Paulus gebeut, das man nicht alleine reine Lehre habe inn der Kirche, sondern [C 2r:] das man die auch gebe durch reine vnnd gesunde wort. Wie er denn sagt: „Halt an dem fFrbilde der heilsamen wort, die du von mir geh=ret hast.“81 Weil denn die heilige schrifft nirgent leret noch redet die wort „Gute werck sind n=tig zur seligkeit“, so k=nnen sie auch nicht heilsame wort nach S. Paulus wort sein. Denn ob man das wort ‚n=tig‘ oder ‚notwendig‘ wol zulassen m=chte, das aus der schrifft meinung, aber doch mit andern worten geret wird, so ist aber doch das zu viel, das die Proposition sagt: „Sie sind n=tig zur seligkeit“; das ist zu viel, vnd viel zu viel. Darumb, ob man schon zuliesse „Gute werck sind n=tig“, so mus doch das vberiger hinweg: „zur seligkeit“. Dieser zusatz klinget82 nicht mit dem Euangelio. Darumb, man glosire oder declarire an der Proposition, was man kann oder mag, fechten wir dieselbiges declaration des verstands83 halben zum teil fFrnemlich nicht an, sondern dieweil diese Proposition ein grundfestet84 vnd pfeiler ist des verdampten Babstumbs; ist aus der Kirche, durch verm=ge85 G=tlichs worts, mit grosser fare, mFhe vnnd arbeit hinweggethan; ist wider die Proposition „der glaube allein macht gerecht vnd selig“; bedarff viel glosirens oder außlegens, machet nichts deste fr=mer;86 ist nicht nach art der schrifft geret, denn allein nach dem Gesetz; vermenget dasselbig mit dem r s t 80 81 82 83 84 85 86

vbrige: B. dieselbigen: A, B. B; grunfeste: A. Vgl. Lk 18,9–14. II Tim 1,13. stimmt (nicht) überein, passt (nicht) zusammen. Vgl. Art. 1klingen 2), in: Fnhd. Wb. 8, 1122. des Sinns, der Bedeutung. Fundament, Basis. Vgl. Art. Grundfeste 1.e.α), in: DWb 9, 804. Kraft, Fähigkeit. Vgl. Art. Vermöge, in: DWb 25, 881f. macht dennoch nicht frömmer. Vgl. Art. desto, in: DWb 2, 1034f.

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ampt des Euangelij; treibt die gewissen inn der not zu zweiffeln; vermengt den Christlichen glauben mit andern vnglauben; hebt das Creutze Christi auff; heist nicht mit S. Paulus die guten werck kot vnnd dreck, wenn es die seligkeit belanget;87 bestettiget Menschliche vernunfft in jhrem mißuerstand von der gerechtigkeit vnnd seligkeit, das sie stehe in wercken; verterbt die reine Lehr, auffs wenigst bey den nachkomen, vnd kan der grund nicht erhalten werden „aus gnad vnd barmhertzigkeit Gottes durch den [C 2v:] verdienst Jhesu Christi werden wir selig Allein durch den glauben“. Es ergert die frommen; confirmirt88 die heuchler vnnd widerwertigen;89 jst nicht breuchlich, von einer natFrlichen folge also zu reden; kompt nicht vberein mit dem Artickel „Jch gleube eine vorgebungu der SFnde“ Vnnd ist verbotten durch S. Paulus, wort on die schrifft oder wider dieselbige zu gebrauchen.90 So ist es vmb solcher vnnd anderer vrsachen willen nFtz vnd gut, ja auch n=tig, das man die Proposition ruhen lasse, auch vmb fried vnnd einigkeit willen in der Kirche. S. Paulus sagt zu Tit. am ij.:91 „Es ist erschienen die heilsame gnade Gottes vnd zFchtiget vns, das wir entsagen dem Gottlosen wesen vnnd weltlichen lFsten vnnd zFchtig, gerecht vnd Gottselig leben in dieser welt, vnd warten auff die selige hoffnung vnnd erscheinung des grossen Gottes vnnd vnsers heilandts Jhesu Christi, der sich selbst fFr vns gegeben hat, auff das er vns erl=ste von aller vngerechtigkeit vnnd reiniget jm selbst ein volck zum eigenthumb, das fleißig were zu guten wercken. Solchs rede vnd vermane vnd straffe mit gantzem ernst.“ Jtem am iij. Cap.:92 „Solchs wil ich, das du fest93 lerest, auff das die, so an Gott gleubig sind worden, inn einem stand guter werck funden werden.“ Vnd hernach spricht er: „Las aber die vnsern lernen, das sie im stand guter werck sich finden lassen, wo man jr bedarff.“94 j. Thimo. v.:95 „Wer seinem hause nicht wol fFrstehet, der ist erger96 denn ein Heide.“ Christus verflucht den Feigenbaum, der alleine bletter vnnd nicht auch frFchte treget,97 vnd heisset denen, so an98 ein hochzeitkleit funden wird, mit gebundenen henden vnnd fFssen in die eusserste finsternis werf-

u 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98

vergebung: B. Vgl. Phil 3,8. bestärkt. Gegner, Widersacher. Vgl. Gal 1,8. Tit 2,11–15. Tit 3,8. eifrig, ernsthaft. Tit 3,14. I Tim 5,8. schlimmer. Vgl. Mt 21,19. denen, so an = denjenigen, der ohne.

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fen.99 Wen diese vnnd dergleichen sprFche vnnd exem-[C 3r:]pel nicht zu guten wercken bewegen, der fare hin. Vnd gebe Gott, das wir in reiner Lere mit gesunden worten inn fried vnnd einigkeit des glaubens vnd lebens warhafftig im Reich Christi leben vnnd sterben Vmb desselbigen seines lieben Sons Jhesuv Christi willen. Amen. Am ende: Dieweil etzlichew Leute sind, die da meinen, das man durch diese Proposition vnnd andere weise mFsse die Leute wider from, zFchtig vnnd gehorsam machen – geben damit zu uorstehen, das sie dafFrhalten, als sey es nicht gnug, das man die heiligen zehen gebot predige vnnd die Leute zu guten wercken mit worten vnnd exempeln der heiligen schrifft vermane, ja wennx sie es reden d=rfften, wie sie gedencken, wFrden sie villeicht sagen, das die Lehr, wie sie getrieben wird in vnsern Kirchen, eine vrsache sey alles des vbels vnnd vntugent, so jtzund geschihet – So wollen wir vmb der einfeltigen vnd schwachen willen anzeigen, woher es komme, das man sagt, es gehe vnnd stehe erger jtzund, sind das100 man das Euangelion rein gepredigt, denn jemals zuuorn, vnnd niemand thut mehry etwas guttes:z Erstlich, so mus man bekennen, das, wiewol die welt nie gut gewesen vnnd arges vnnd vbels allezeit geschehen ist, jtzund villeicht erger ist, denn zuuor gewesen. Aber das sol niemand dem G=ttlichen wort aufflegen,101 das dasselbiga die vrsach sey. Sondern die erste vrsach ist der b=se feind102 vnnd verterbte natur der Menschen, welcher ein vnreiner geist ist103 vnnd gerne alles wolte vnrein machen, sonderlich aber zu der zeit vnnd an den =rtern, da Gottes wort rein gepredigt wird, welchs, wo ers durch falsche Lehr nicht kan verterben, so besudelt ers doch durch ein ergerlich104 leben. Vnnd die nicht widerumb new geborn sind durch [C 3v:] den heiligen Geist vnd das heilige Euangelion,105 mit fleischlichen oren allein h=ren106 vnnd den newen Most

v w x y z a

Jesu: B. etzlich: B. wen: B. mer: B. gutes: B. dasselbige: B.

99

Vgl. Mt 22,11–13. sind das = seitdem. 101 anlasten. Vgl. Art. auflegen 9), in: Fnhd. Wb. 2, 534f. 102 der Teufel. Vgl. Mt 13,39. 103 Vgl. Hiob 14,4. 104 anstößiges. Vgl. Art. ärgerlich, in: Fnhd. Wb. 2, 74. 105 Vgl. Joh 3,3.5. 106 Vgl. Röm 8,5–8; Mt 13,13–15. 100

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inn alte Schleuche fassen,107 helffen dem leidigen108 Sathan nach all jrem vermFgen,b vnnd das ist die erste vrsache. Zum andern, so sind jtzund die letzten zeiten, dauon Christus gesaget, das die boßheit werde vberhand nemen vnnd die liebe erkalten.109 Vnd weil der Sathan vermerckt, das sein gerichte nu herzu nahet vnnd der Menschen natur nu viel schwecher vnnd gebrechlicher ist, denn etwas,110 so tobet er desto greulicher, vnnd kan jhm die abgemattete natur nicht grossen widerstand thun. Zum dritten, so ist des mehrern teils des argen vnnd vbels ein vrsach das leidige Babstumb. Darinnen hat man die Leute mit Menschensatzungen beschwert vnnd eingesperret, mehr denn man hat ertragen k=nnen. Dieweil man nu aber die gewissen hat frey machen mFssen, so gehet es, als wenn man einen Vogel aus einem pauer111 oder Kinder, die man zu hart inne gehalten, auslest, wenn die auskomen,112 so wissen sie der erledigung113 wider mas noch ende, wie sie derselbigen gnung mißbrauchen sollen. Zum vierden: Das man sagt, man sehe nichts gutes, das jtzund die Leute thun, kFmpt auch von der verfFrigen114 Lehr des Babsts vnnd der MFnche. Denn die haben nichts fast115 gute werck sein lassen, denn was sie selbst erdacht, als Vigilien vnnd Messen, Walfartenc vnd heiligendienste, Kronen116 vnnd Rosenkrentz beten, vnterschiedd der tage, speise vnnd kleidung vnnd was der gleichen mehr ist. Weil das geschw=rm117 gefallen,118 so achtet119 man, als geschehen keine gute werck mehr. Das man aber Gottes wort lauter vnnd rein, treu-[C 4r:]lich vnnd fleißig leret; die Sacrament im rechten brauch handelt; die jugent inn dem Catechismo vnterweiset, das ein kleines Kind von acht jaren120 in vnsern Kirchen aufftreten, seinen Catechismum recitirn vnnd mehr dauon verstehet vnnd sagen b c d

vernFgen: B. Wolfarten: B. vnterscheid: B.

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Vgl. Mt 9,17. widerwärtigen. 109 Vgl. Mt 24,12. 110 je zuvor (?), vormals (?). 111 Vogelbauer, Käfig. 112 entkommen, die Freiheit erlangen, entwischen. 113 Befreiung. 114 verführerischen, fehlleitenden. Vgl. Art. verführig, in: DWb 25, 365. 115 sehr, wirklich. 116 coronae = Kränze. 117 das irrende Tun, das Durcheinander. Vgl. Art. Geschwürm 1.c) und 3), in: DWb 5, 4014; Art. geschwürm 2), in: Fnhd. Wb. 6, 1428. 118 abgeschafft ist, in Fortfall gekommen. 119 meint. Vgl. Art. achten, in: DWb 1, 167–169. 120 Vgl. Luther, Schmalkaldische Artikel, BSLK 459,20–22: „... es weiß gottlob ein Kind von sieben Jahren, was die Kirche sei, nämlich die heiligen Gläubigen und die ‚Schäflin, die ihres Hirten Stimme hören‘ [vgl. Joh 10,3f.27] ...“ 108

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kann, denn alle Papistische MFnche vnd Pfaffen k=nnen, wenn sie auch alle auff einem hauffen stFnden; die Leute zehenmal mehr denn vnter dem Babst jhre Beichte thun, die Absolution vnnd hochwirdiges Sacrament entpfahen;e der Ehestand vnnd Oberkeit h=her gepreiset vnnd gehalten wird denn zuuor; auch noch erbarkeit, Gott lob, von vielen im handel vnnd wandel bedacht vnnd gehalten wird; die Leute vnnd auch kleine Kinder an jhrem letzten ende frisch vnnd getrost wider den Tod auff Christum vnnd etzliche mit dem Geistlichen lied „Mit fried vnnd freud ich fare dahin“121 jre Seele vnnd leben auffgeben; jtem das sie Gott sonst recht anruffen, jn recht fFrchten vnnd vertrauwen, vnnd sonst andere von Gott gebotene werck mehr geschehen, der man doch durch falschen schein der heuchelischen werck nicht achtet, das ist auch eine vrsach,122 das man saget, es geschehe jtzundf nichts gutes, die Leute thun keine gute werck mehr. Zum fFnfften Jst ein vrsach, das, nachdem man die Oberkeit durch Gottes wort vnterweiset, das jr stand eine G=tliche ordenungg sey vnnd sie darinnen mit gutem gewissen wol vnnd Gottselig leben k=nnen – Man zeigt jn auch an, was jr ampt erfordere, was sie zu thun vnnd lassen fFr Gott schFldig sind – vergessen jhrer viel jres von Gott befolenen ampts, mengen sich inn andere hendel,123 lassen die Regiment gehen, als wol sie k=nnen, vnnd bleibt das arge124 vnnd vbel vngestrafft, das gute, als friede, zucht, erbarkeit, gerechtigkeit, schutz der [C 4v:] fromen, wird nicht gef=rdert, vnnd was die Prediger wider die SFnde sagen vnnd mit Gottes wort straffen vnd zum guten vermanen, geschihet durch die Oberkeit keine oder gar wenig Execution,125 so sie doch Gott dazu geordent, das sie vber seinem Gesetz halten126 Vnd, wie einer der weisen saget, als ein lebendig Gesetz sein sollen.127 Das machet, das die Leute so rohe vnd wilde werden, das, wenn es m=glich were, auch die Ausserwelten mFsten verfFrt werden.128 Zum sechsten, So gehet es auch inn der Haußhaltung also, das die Eltern vnnd Haußherrn mehr dem Geitz129 nach trachten, wie sie jren Kindern e f g

empfahen: B. jtzundes: B. ordnung: B.

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Vgl. Luther, WA 35, 438f; EG 519. Nämlich der im vorangegangenen Nebensatz genannte Umstand, dass die tatsächlich guten Handlungen wegen des falschen Nimbus der auf menschlicher Erfindung beruhenden angeblich guten Werke zu Unrecht gering geachtet werden. 123 Angelegenheiten. Vgl. Art. Handel 2), in: DWb 10, 369f. 124 Böse. Vgl. Art. arg 1), in: Fnhd. Wb. 2, 68f. 125 Vollstreckung, Durchsetzung. 126 darauf achten, es aufrecht erhalten, durchsetzen. 127 Vgl. Cicero, De legibus III,1,2: … Ut enim magistratibus leges, ita populo praesunt magistratus, vereque dici potest, magistratum esse legem loquentem, legem autem mutum magistratum. 128 Vgl. Mt 24,24. 129 Habgier. 122

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Schetze samlen vnnd grossen reichthumb, pracht vnnd herligkeit lassen, denn das die Kinder vnnd andere jhre jugent130 zur Gottseligkeit, zucht, erbarkeit vnnd ehrlichen, guten kFnsten gezogen wFrden. Etzliche der alten geben der jugent b=se exempel mit fluchen vnnd Gotteslestern, vbrigem131 fressen vnnd sauffen, vnzFchtigen worten vnd geberden, halten sie zu betrug im handel vnnd andern vngebFrlichen dingen, das, obwol auch viel fromer Eltern sind, wie oben gemelt, die jre Kinder wol ziehen, doch so leufft dieser teil mit vnter,132 vnnd vberwigt der ergeste hauffe den bessern. Vnnd daher kFmpts abereins,133 das so viel b=ses ist vnd wenig gutes geschihet, daran man sich ergert. Zum siebenden: Wir sind also geschaffen, das die augen außwarts vnd nicht jnnerwarts sehen, vnd durch die SFnde verterbet, das niemand auff sich sihet vnnd selbst kennen lernet, jederman sihet nur auff einen andern, vnnd nicht was gutes an jhm ist, sondernh nur das ergeste, das fellet in die augen, dahin sihet man, darnach h=ret man, dauon redet man, vnnd gehet, wie man im sprichwort sagt: „Wenn der wagen fellet, so sind der reder allezeit fFnffe gewest.“134 Vnd wie Salomon sagt: „Wenn der Gerechte fFr dem Got-[D 1r:] losen fellet, so ist er wie ein getrFbteri Brun vnnd verterbetej quelle.“135 Das sind die vrsachen – vnd nicht Gottes wort oder die es treulich leren –, das man sagt vnnd wir leider bekennen mFssen, das wenig gutes, aber viel arges vnd vbels geschehe. Wenn man es aber nu dazu bringen k=nte, das mit starckem gebet dem Teuffel gewehret vnd durch den heiligen Geist vnsere verterbtek vnnd in diesen letzten zeiten arme, abgemattete natur erleucht, regiert vnnd gesterckt wFrde, des Babsts tyranney mit beschwerung seiner Menschengesetz vnnd falscher wan von guten wercken aus der Leute hertzen wFrde gerissen, vnd thete die Oberkeit vnd Haushalter, was jr ampt mitbringet, vnd sehe ein jderl auff sich selbst vnnd nicht auff einen andern, so d=rffte136 man keiner geferlichen vnnd ergerlichen wege noch rede, wie die

h i j k l

sonder: B. betrFbter: B. verderbte: B. verderbte: B. jeder: B.

130

Gemeint sind wohl Jugendliche unter dem Gesinde, möglicherweise auch Jugendliche im Unterschied zu jüngeren Kindern. 131 übermäßigem, maßlosem. Vgl. Art. übrig I.A.1.a), in: DWb 23, 697f. 132 kommt dazu, bleibt aber ohne signifikanten Einfluss auf das Gesamtergebnis. 133 abermals, wiederum. Vgl. Götze 2[a]. 134 Soll wohl heißen: Im nachhinein hat man es dann immer schon kommen sehen. Vgl. Art Wagen, Nr. 171, in: Wander 4, 1731: Wenn der Wagen fällt, hat er fünf Räder (oder: sind der Räder fünf). Dazu wird erläutert: „Von leerer Ausrede, um eigenes Ungeschick zu verdecken.“ 135 Prov 25,26. 136 bedürfte.

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wort sind „Gute werck sind n=tig zur seligkeit“, sondern mit Gottes einfeltigen137 worten k=nd es alles sehr wol außgerichtet werden.

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Doch wollen wir nicht streiten,138 das die Proposition „Bona opera sunt necessaria ad salutem“ inn Latinischer sprach von den gelerten inn den Schulen m=ge disputirt vnd etzlicher massen glosirt werden, als nemlich, das Busse oder glaube auch ein werck sey, vnnd das das wort ‚Salus‘ neben dem glauben etwan mit fassen m=ge die widergeburt sampt jren frFchten. Wenn man aber die Proposition nu fFr dem einfeltigen inn vnserer sprache also leren sol: „Gute werck sind n=tig zur seligkeit, vnnd ist vnmFglich, one gute werck selig werden“, so ist es vnmFglich, das es one ergernis k=nne geret oder geh=rt werden. Denn der einfeltige Man verstehet die wort nicht, das der glaube zu empfahung der seligkeit von n=ten vnnd die widergeburt sampt jren frFchten mitbringe, sondern, wie auch oben angezeigt, er nimpt [D 1v:] die wort an, als sind gute werck eine wirckliche vrsache, moder auffs wenigste etliche masse eine vrsache,m die n=tig sey zur seligkeit – Wie traun139 auch die w=rter „n=tig zu einem ding“ vnnd „causa sine qua non“, von sich selbst natFrlich vnd in allen sprachen lauten. Wir leren sonst auch, Gott lob, inn vnsern Kirchen vom glauben, das er n=tig sey vnnd nicht [sein]n k=nne noch solle one gute werck, vnd wissen, in summa, von keinem Christen one glauben, vnnd also auch von keinem glauben one gute werck, k=nnen aber doch die wort „Gute werck sind n=tig zur seligkeit, vnd ist vnmFglich one gute werck selig werden“ nicht fFr Christlich achten. Das, weis Gott, schreiben wir nicht jemandts zu nachteil oder zu uerkleinen, haben auch nicht grossen mangel, wie die wort wollen außgelegt vnnd verstanden werden – wiewol alles, wie recht vnnd gut es geret, wird auff einen vnbestendigen grund gebawet vnnd viel vnbequemer vnnd jtziger zeit vnbreuchlicher wort mit vnterlauffen, das wir passiren lassen –, sondern das wir sehen, das ein new gewirre in die Kirche wider bracht werden will, – weil Gott, dem lob vnnd danck sey, vns aus dem verfFrlichen Babstumb geholffen, vnsere Kirchen fFr der Widertauffe vnnd Sacramentirern gnedig behFtet, von dem Jnterim vnd Adiaphoren erl=set, vnd auch nu des Osianders schwarm begraben ligt140 – das die Leute durch vnbreuchliche wort wider inn mancherlei disputationes vnd daraus in zanck vnd vneinigkeit geraten, die bl=den,141 schwachen gewissen betrFbt vnnd jrre gemacht vnnd die m–m n

nicht in B. ergänzt.

137

einfachen, eindeutigen. bestreiten. 139 wahrlich. 140 Zu den Osiandrischen Streitigkeiten vgl. unsere Ausgabe Bd. 7. Andreas Osiander war am 17. Oktober 1552 in Königsberg/Preußen verstorben. 141 verzagten, ängstlichen. 138

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widersacher dadurch halsstarriger vnnd verstockter werden. Denn wie man vns anzeigt, so sollen sich etzliche Thumpfaffen142 haben h=ren lassen, wenn alle Lutherische also von guten wercken lereten, so wolten wir bald widerumb einig werden. [D 2r:] Das meinen sie nicht, das sie vnsere warhafftige Christliche Lehr wollen erkennen vnnd annemen, sondern dieweil wir mit jren worten anfahen zu reden vnnd jre eigene Proposition leren, meinen sie, das wir geirret, heben an,143 vns zu erkennen,144 vnnd werden widerumb zu jnen treten. Solchs alles zu uerkomen,145 vnnd das Christlicher fried vnnd einigkeit erhalten werden m=chte, das ist die vrsach vnsers schreibens.

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Gott, der Vater vnsers Herrn vnnd heilands Jhesu Christi, der ein Gott des waren friedes vnnd der einigkeit ist, der wolte geben, das wir, wie Paulus vermanet, nicht alleineo einmFtig, sondern auch einmFndig sein vnd bleiben,146 damit das Reich Christi erweitert vnd erbauet, er seine gebFrliche ehre erhalte vnd wir durch jn alle selig werden. Amen.

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Vnterschreibung. j. Gute werck sind n=tig zur seligkeit. ij. Niemand ist je one gute werck selig worden. iij. Es ist vnmFglich one gute werck selig werden. Diese Propositiones oder Schlußreden sind von der zeit an, so Gott durch sein gnad vnnd barmhertzigkeitp die reine Lehre seines heiligen worts offenbaret hat durch den seligen, seinen werckzeug, vnsern lieben Herrn vnd Praeceptorem Doctor Martin.q147 Luther, heiliger gedechtnis, wider148 von vnsern vorfaren149 Doctor Caspar GFtel,150 Magister [D 2v:] Johan Spangenberg,151

o p q

allein: B. bramhertzigkeit: B. Marti.: B.

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Mitglieder eines Domstifts, Domherren. beginnen. Vgl. Art. anheben 1), in: Fnhd. Wb. 1, 1224f. 144 uns schuldig zu bekennen. Vgl. Art. erkennen 7.b), in: DWb 3, 869. 145 Solchem allen zuvorzukommen, dem abzuhelfen. Vgl. Art. verkommen 4), in: DWb 25, 679f. 146 Vgl. Röm 15,6. 147 Martinum. 148 weder. 149 Amtsvorgängern. 150 Caspar Güttel, geb. 1471 in Rötz (Oberpfalz), 1494 zum Priester geweiht, Student in Leipzig, Magister; 1514 trat er in den Augustinerkonvent Neustadt a. d. Orla ein, er wurde Prediger in Eisleben, erwarb im Januar 1517 den theologischen Doktorgrad in Leipzig; im Ablassstreit trat er auf Luthers Seite; nach Auflösung des Augustinerkonvents Eisleben, zu dessen Prior er zwischenzeitlich gewählt worden war, blieb er in der Stadt und hatte als Prediger maßgeblich Anteil an der Einführung der Reformation in der Grafschaft Mansfeld. Am 24. Mai 1542 starb er in Eisleben. 143

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noch andern, die nu im Herrn entschlaffen vnnd ruhen, noch von vns, welcher namen mit eigener hand vnterschrieben, in der l=blichen herschafft Mansfelt geleret noch gepredigt worden. Bedencken auch, das sie one nachteil dieses fundaments vnsers Christlichen glaubens nach verm=g G=tliches worts: „Allein durch den glauben an Jhesum Christum wird der Menschr gerecht vnd selig“ vnnd auch one ergernis der schwachgleubigen vnnd zu rettung wares, Christlichen frieds vnnd einigkeit nicht k=nnen noch sollen geleret oder gepredigt werden. Jm fal aber, da solchs geschehen solte (das doch nicht von n=ten, weil man sonst wort, Schlusreden, Argument vnnd Exempel gnug vnd vberflFßig hat in der heiligen schrifft, dadurch die Leute zu guten wercken one ergernis vermanet, gereitzt vnnd beret werden k=nnen durch mitwirckung des heiligen Geistes), so wFrden dadurch die freuelen vnnd halstarrigens werckheiligen in jrem Gotteslestern Conformirt Vnd die jrrige Lehr im Babstumb von der Iustification sampt allen jrthumen, mißbreuchen vnnd Abg=ttereien bestettiget,t auch bey vns die armen schwachen gewissen, die mit den SFnden kempffen, zum h=chsten betrFbt vnnd jrre gemacht. Darumb wir denn dawider Protestirt haben wollen, das wir sie wider fFr recht, war, gut oder nFtzlichu erkennen, billichen, noch annemen k=nnen. Vnnd des zu vrkund, wie oben auch vermeldet, hat sich ein jeder mit eigener hand vnterschrieben.

Eißleuben. Fridericus Reuber,152 pastor Sancti Petri, manu propria subscripsit. [D 3r:] Iodocus Rucker,153 pastor Sancti Nicolai, manu propria subscripsit.

r s t u

Mensch allein: B. sic A, B. bestetiget: B. nutzlich: B.

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Johann Spangenberg, geb. 29. März 1484 in Hardegsen (Kreis Northeim, Niedersachsen). Nach Studien in Erfurt wurde er 1511 Rektor der Lateinschule in Stolberg/Harz, 1524 Pfarrer in Nordhausen/Harz; auf Empfehlung Luthers wurde er 1546 als Inspektor der Grafschaft Mansfeld nach Eisleben berufen, wo er sich gegen die Einführung des Interims zur Wehr setzte; er starb am 13. Juni 1550. 152 Friedrich Reuber, geboren im hessischen Büdingen, war ab 1519 bis zu seinem Tode 1559 Pfarrer an St. Petri-Pauli in Eisleben. Pfb. KPS 7, S. 130, gibt als Tag der Bestattung den 16. November 1559 an (so auch VD 16 ZV 10882, Bl. 444r [Hieronymus Menzels Leichenpredigt für Fr. Reuber dort Bl. 444r–456r]). 153 Jodocus Rugger „aus Hessen“ war 1525–1537 Lehrer, dann bis 1543 Rektor an der Lateinschule an St. Andreas in Eisleben; 1543–1553 war er Oberpfarrer an St. Nicolai in Eisleben, anschließend bis zu seinem Tode 1554 Oberpfarrer an St. Moritz in Halle (Pfb. KPS 7, 305). [Am 17. März 1553 wurde Hieronymus Menzel auf die Pfarrstelle an St. Nicolai berufen (laut Berndorff, Die Prediger der Gft. Mansfeld, S. 83), demnach müsste die Unterzeichnung des Textes früher liegen, evtl. noch 1552.]

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Iohannes Bohemus,154 pastor Ecclesiae apud Sanctam Annam, subscripsit. M.155 Cyriacus Spangenberg,156 Concionator, propria manu subscripsit. Andreas Theobaldus,157 M. et minister Ecclesiae apud D.158 Andream, subscripsit. Andreas Remus,159 Diaconus diui Nicolai, subscripsit propria manu. Clemens Schau,160 Diaconus diui Andree, manu propria subscripsit. Andreas Kraus,161 Diaconus ad Sanctum Petrum, subscripsit manu propria. Georgius Wesch,162 Diaconus ad Sanctam Annam, subscripsit.

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Mansfelt. Michael Celius163 manu propria subscripsit. Iohannes Wigandus164 manu propria subscripsit. Hieronimus Polde165 subscripsit sua manu. Iohannes Roth166 M. subscripsit.

154

Johann Böhme (Bohem), war ab 1548 Oberpfarrer an St. Annen in Eisleben und wurde wegen eines Streites mit einem Bürgermeister 1556 oder 1557 abgesetzt; für die Jahre 1573–1581 ist er als Pfarrer und Dekan in Leimbach bei Mansfeld nachgewiesen, wo er am 11. März 1581 starb. Er gehört zu den Unterzeichnern der Konkordienformel. (Vgl. Pfb. KPS 1, 437; Berndorff, Die Prediger der Gft. Mansfeld, 97). 155 Magister. 156 Cyriacus Spangenberg, geb. im Juni 1528 in Nordhausen, bezog die Universität Wittenberg 1542 und erwarb dort 1546 den Magistergrad, vor 1552 wurde er Lehrer in Eisleben, 1552–1553 war er dort Schlossprediger, 1553–1559 Hofdiakon an der Schlosskirche Mansfeld, 1559–1575 bis zu seiner Amtsenthebung Generaldekan an St. Georg ebd., 1575–1577 lebte er im Exil in Saalfeld und Straßburg, 1578–1580 in Nordhausen, 1580–1590 war er Pfarrer in Schlitz (wurde dort seines Amtes enthoben), ab 1591 Pfarrer in Vacha, ab etwa 1595 in Straßburg, wo er am 10. Februar 1604 starb (vgl. Pfb. KPS 8, 297f). 157 Andreas Theobald (gen. Merker), geb. 1511 in Perleberg, erwarb den Magistergrad in Wittenberg, 1542–1545 wirkte er als Schulrektor in Eisleben, 1545–1568 als Archidiakon an St. Andreas ebd. (vgl. Pfb. KPS 8, 525). 158 Divum. 159 Andreas Remus (Rhem, Rom), war vor 1549 Lehrer an der Andreasschule in Eisleben, 1549–1559 Diakon an St. Nicolai ebd.; er starb am 19. März 1559 in Eisleben (vgl. Pfb. KPS 7, 122). 160 Clemens Schaue stand vor 1513 als Diakon im Dienst des Erzbischofs Ernst von Magdeburg, 1513–1536 wirkte er als katholischer Subdiakon an St. Andreas in Eisleben, schloss sich der Reformation an; 1536–1543 Diakon an St. Nicolai in Eisleben, von 1543 bis zu seinem Tod im Januar 1559 Diakon an St. Andreas ebd. (vgl. Pfb. KPS 7, 401). 161 Andreas Crusius (Krause) war in Eisleben geboren und 1524–1545 dort als Lehrer und Pfarrer an St. Spiritus tätig, 1545–1547 tat er Dienst als Pfarrer an St. Andreas, von 1547 bis zu seinem Tod am 18. Juni 1575 als Diakon an St. Petri-Pauli (vgl. Pfb. KPS 2, 237). 162 Georg Wesch, geb. 1519, war 1547–1549 Rektor der Schule in Eisleben-Neustadt, von 1549 bis zu seinem Tod im Februar 1580 Diakon an St. Annen ebd. (vgl. Pfb. KPS 9, 363). 163 Zu Michael Coelius vgl. die Einleitung, Nr. 2.1. 164 Zu Johannes Wigand vgl. die Einleitung Nr. 2.2. 165 Hieronymus Polde (Poelde) wurde um 1522 in Ellrich geboren und wirkte von 1554 bis zu seinem Tod 1573 als Diakon in Mansfeld (vgl. Pfb. KPS 6, 537). 166 Zu Johann Rhodius vgl. die Einleitung, Nr. 2.4.

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Nr. 6: Mansfelder Prediger, Bedenken (1553)

Birnbaum,167

5

313

[D 3v:] Hedstet.v pastor Hetstetensisw Ecclesiae, manu propria sub-

Georgius scripsit. Leonhardus Martmair,168 Minister Ecclesiae Hetsted., manu propria subscripsit. Andreas Koppichen,169 Diaconus Hetsted.,x manu propria subscripsit.

Orner. Iohannes Kraus,170 pastor, subscripsit manu propria.

Leimbach. 10

M. Georgius Morgenstern,171 pastor, propria manu subscripsit.

Appendix. Aus172

15

dieser vnterschreibung ist ja klar zu sehen, wie warhafftig sich D. Ge. Maior in seinem langen Comment rhFmet, er lere vnnd habe gelerety eben dasjenige, so auch die Pfarrhern zu Eißleuben vnnd inn der Graffschafft Mansfelt geleret haben vnnd noch auff den heutigen tag leren.173 Wiewol die Mansfeldische Prediger vnnd viel andere in derselbigen Herschafft jnen174

v w x y

Hedsted.: B. Hedstetensis: B. Hedsted.: B. gelert: B.

167

Georg Birnbaum, 1535–1541 Diakon in seinem Geburtsort Hettstedt, 1541–1553 Archidiakon, dann bis zu seinem Tod im April 1572 Oberpfarrer ebd. (vgl. Pfb. KPS 1, 379). 168 Leonhard Martmeyer (Martmer), geb. 1506 in Langenpreising (Bayern), wirkte er nach Schulbesuch in Moschburg und Ingolstadt 1530–1536 als Lehrer in Thalmansfeld, 1536–1541 als Rektor in Hettstedt, 1541–1554 als Diakon, 1554–1583 als Archidiakon ebd. Am 8. Dezember 1583 wurde er in Hettstedt bestattet. (vgl. Pfb. KPS 5, 533). 169 Andreas Köppichen (Köpchen) war 1554–1556 Diakon in Hettstedt, 1556–1575 Pfarrer in Großörner (abgesetzt); am 17. Mai 1589 wurde er in Großörner bestattet. (vgl. Pfb. KPS 5, 94). 170 Johann Crusius (Krause) war vor 1525 Schulmeister in Hettstedt, um 1525 Oberpfarrer in Ellrich, bis 1555 Pfarrer in Großörner, um 1555–1558 Pfarrer in Rothenburg/Saale, wo er am 22. Februar 1558 starb (vgl. Pfb. KPS 2, 242). 171 Georg Morgenstern war bis 1554 Pfarrer in Leimbach bei Mansfeld, 1555–1559 Hofprediger in Eisleben, 1559–1565 Diakon an St. Andreas ebd.; im Oktober 1565 starb er an der Pest (vgl. Pfb. KPS 6, 144). 172 Der anschließende Nachsatz stammt offenbar nicht von den Unterzeichnern, sondern ist Kommentar des ungenannten Magdeburger Herausgebers (Flacius? Gallus?). 173 Vgl. Major, Eine Predigt von S. Pauli Bekehrung, unsere Ausgabe Nr. 5, Bl. A 3v. Die Veröffentlichung erfolgte also erst nach dem Druck von Majors Sermon (od. kursierte dieser zuvor schon?), aber die Abfassung dürfte vor der Veröffentlichung des Sermons liegen, vermutlich noch 1552, zog sich vmtl. einige Zeit hin, der Tod Osianders wird gegen Ende erwähnt, so dass der Text nach Mitte Oktober 1552 abgeschlossen worden sein dürfte. 174 ihn.

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Nr. 6: Mansfelder Prediger, Bedenken (1553)

als einen Adiaphoristischen Wolff noch nie fFrz einen Superintendenten haben erkennen wollen.175 Wie es denn auch vnser lieber Herr Christus befolen hat, das sich seine Schafe fFr den Wolffen, vnnd sonderlich fFr denen, so in Schaffskleidern kommen, hFten [D 4r:] sollen.176 Welche auch gewißlich diejenigen sind, so jtzt inn keinem wege Papistisch sein wollen, vnd haben indes gleichwol einen rechten Papisten vnter jrem hertzen, vnnd dienen dem Antichristischen Reich, wie sie nur jmmer k=nnen vnd vermFgen. Also haben sich auch die von Eißleuben fast one vnterlas vber dieser verfFrischen Lehr M.177 vnnd seiner Adiaphoristerey mit jm mFssen zancken vnd beissen, wie er denn balt im anfang =ffentlich vber die Prediger alda zu schreien hat angefangen,178 weil sie jm seine Adiaphoristereya nicht gut haben sein lassen: „Jch hette nicht gemeint, das solche vngelerte Pfarrhern alhie weren, jmmer hinweg mit den Eseltreibern, jmmer hinweg, vnd andere, gelertere an jre stat gesetzt!“ Es mFssen fFrwar grosse, stoltze179 vnnd freche Geister sein, so die fromme vnnd bestendige Prediger also =ffentlich außzuschreien sich vnterstehen.

Gedruckt zu Magdeburgk durch Michelb Lotther. Anno 1553.

z a b

fur: B. Adiapheristerey: B. Michael: B.

175

Vgl. Richter, Gesetz und Heil 106f mit Anm. 91 und 95. Vgl. Mt 7,15. 177 Majoris = Georg Majors. 178 Die Bemerkung nimmt höchstwahrscheinlich u. a. Bezug auf Majors Predigt vom 25. Januar 1552 in der Andreaskirche zu Eisleben, die von den versammelten Predigern als beleidigend empfunden wurde etc., vgl. Wartenberg, Major 225; Richter, Gesetz und Heil 112, Anm. 126. 179 hochmütige. Vgl. Art. stolz 1.e) und 3.d), in: DWb 19, 235. 237f. 176

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PROPOSITIONES STEPHANI AGRICOLAE AVGVS= TANI, ECCLESIAE CHRISTI in Comitatu Mansfeldensi Mi nistri, De bonis ope= ribus, Et Quæs= tione:

5

An opera sint ad salutem necessaria. Ephes. 2. Ipsius sumus figmentum, conditi in Christo Ihesu ad opera bona, quæ præparauit Deus, ut in eis ambularemus.1

10

Quod uerum est uerum tempus in omne manet.2

1

Eph 2,10. Sprichwörtlich, vgl. Art. wahr Nr. 24, in: Wander 4, 1744: „Was wahr ist, muss wahr bleiben.“ 2

[Eine Reproduktion des Titelblattes war aus konservatorischen Gründen leider nicht möglich.]

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Nr. 7: Propositiones de bonis operibus (1553) - Einleitung

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Einleitung 1. Historische Einleitung

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Stephan Agricola d. J. stand möglicherweise seit 1548 im Kirchendienst der Grafschaft Mansfeld, seine Anstellung war jedenfalls unter der Herrschaft des dem Interim gegenüber kompromissbereiten Teils der Grafen erfolgt.1 Und wenn für die Anstellung auch der Aspekt der Versorgung der Hinterbliebenen Stephan Agricolas d. Ä. eine Rolle gespielt haben dürfte,2 so zeigt doch nicht zuletzt die hier edierte Schrift, dass die theologische Position des jüngeren Agricola sich zur Kirchenpolitik des sächsischen Kurfürsten Moritz, der Mansfelder Grafen und ihres Superintendenten Major durchaus fügte, während die übrige Pfarrerschaft zum großen Teil dem Leipziger Interim schroff ablehnend gegenüberstand.3 Das „Bedenken“ der Mansfelder Prediger, die sich darin gegen die Lehren Majors wandten, wurde wahrscheinlich in der zweiten Novemberhälfte verfasst.4 Vermutlich wurde es auch Agricola zur Unterschrift zugeleitet, und dieser beließ es nicht dabei, die Unterzeichnung abzulehnen, sondern wurde dadurch zur Abfassung der hier edierten „Propositiones“ veranlasst.5 Das Vorwort dazu datiert vom 26. November 1552. Daraus geht hervor, dass Agricola um die Existenz von Majors „Sermon von S. Pauli Bekehrung“6 wusste, er setzte ihn als bekannt voraus.7 Möglicherweise hatte der Text aber zu dieser Zeit noch kaum kursiert, denn das Bedenken der Prediger nimmt nicht explizit Bezug darauf. Vielleicht war bekannt geworden, dass Major daran arbeitete, vielleicht hatte er die Schrift auch verschiedentlich in Predigten oder bei anderen Gelegenheiten angekündigt, aber eine detaillierte Bezugnahme liegt nicht vor und wäre in der Kürze der Zeit auch schwerlich zu leisten gewesen. Erst der Appendix des Magdeburger Herausgebers,8 geht in scharfer Form auf die Schrift Majors und insbesondere auf deren Vorwort ein. Man darf annehmen, dass zur Zeit der

1

Vgl. unsere Ausgabe Bd. 1, Nr. 13, insbesondere die Einleitung S. 715–721. Stephan Agricola d. Ä. war wohl von 1546 bis zu seinem Tode im April 1547 Pfarrer in Eisleben gewesen. Zu seinem Lebensweg vgl. den Art. von Theodor Kolde in RE³ 1(1896), 253 –255. Ob seine Ehefrau oder weitere unversorgte Kinder ihn überlebten, geht daraus allerdings nicht hervor. Richter, Gesetz und Heil, 107, Anm. 96, schreibt, Agricola d. Ä. sei bereits Pfarrer in Helbra gewesen. 3 Vgl. auch Agricolas Aussage in der Vorbemerkung zu seinen Thesen, er werde angefeindet, weil er die Opposition gegen Major nicht unterstütze. 4 Vgl. die Erwägungen zur Datierung in der Einleitung, unsere Ausgabe Nr. 6, S. 283f. 5 Eine deutsche Fassung ist handschriftlich in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel erhalten: Propositiones das ist Satzsprüche Stephani Agricolae von Augspurg ... von Guten Wercken vnd der Frage Ob gute Werck zur seligkeit nötig sind. (Cod. Guelf. 12. 9. Aug. 2°, 322r–325v). 6 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 5. 7 Evtl. war Agricola, von dessen positiver Einstellung ihm gegenüber Major ja zweifellos wusste, einer der ersten, die den Text zur Lektüre erhielten? 8 Vermutlich Matthias Flacius Illyricus; vgl. unsere Ausgabe Nr. 6, S. 286. 2

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Nr. 7: Propositiones de bonis operibus (1553) - Einleitung

Drucklegung dieses Texts das „lange Comment“9 von Major gedruckt vorlag. Das war allerdings bereits nach dem Weggang Majors aus Eisleben, denn schon seine Nachschrift an die christlichen Leser formuliert er aus der Perspektive Wittenberg/Leipzig. Der Schlussteil von Majors „Sermon“ ist also erst im Januar 1553 geschrieben, womöglich erst im Februar. Das „Bedenken“ mit dem Appendix wurde dann wohl auch erst in der zweiten Januarhälfte oder im Februar gedruckt. Von Agricolas „Propositiones“ wusste man zu dieser Zeit in Magdeburg und Mansfeld noch nichts.10 Erst das zweite Schreiben der Mansfelder, das relativ kurze Zeit nach der Drucklegung des ersten verfasst und gedruckt wurde,11 zielt ausdrücklich auf Agricola; daher dürften dessen Thesen erst relativ kurz zuvor erschienen sein, also vermutlich Anfang März, allenfalls Ende Februar 1553.12 Da Agricola auf dem Titel der „Propositiones“ als Pfarrer in der Grafschaft Mansfeld bezeichnet wird und die Gegenschrift der Mansfelder Prediger ihn als Pfarrherrn zu Helbra apostrophiert, ist davon auszugehen, dass die Drucklegung der Thesen nach Agricolas Rückkehr aus Augsburg erfolgte,13 wo er im Januar und Februar 1553 als Pfarrer an St. Georg tätig gewesen war. Der Weggang Majors aus Eisleben hatte vermutlich Agricola veranlasst, sich ebenfalls nach einer anderen Wirkungsstätte umzusehen, und Melanchthon hatte ihn nach Augsburg empfohlen, wo man nach Abschluss des Passauer Vertrages das Kirchenwesen restituieren wollte und auf der Suche nach Predigern war.14 Dass 9

So wird Majors „Sermo“ im Appendix zum „Bedenken“ genannt; siehe oben S. 313,13. Zumindest hatte man offiziell keine Notiz davon genommen, sie waren demnach noch nicht im Druck erschienen; möglicherweise hatte Agricola die Thesen zunächst handschriftlich kursieren lassen. 11 Wohl keine sechs Wochen später, also vielleicht Anfang/Mitte März oder früher, denn anstelle der Unterschriften wird einfach auf die Unterzeichner des vorigen Schreibens verwiesen. So hätte man bei deutlichem zeitlichem Abstand schwerlich verfahren können, abgesehen davon, dass Mitte März Hieronymus Menzel anstelle von Jodocus Rugger Oberpfarrer an St. Nicolai zu Eisleben wurde, so dass späterhin eine solche pauschale Angabe der Unterzeichner nicht mehr möglich war, wenn man es damit genau nahm. 12 Der Magdeburger Pfarrer Albertus Christianus erwähnt Agricolas Thesen anscheinend im Vorwort zu seiner Neuausgabe (VD 16 L 4442) der Promotionsthesen von Palladius und Tilemann (vgl. WA 39I, 198 –257), das zu Pfingsten 1553 verfasst wurde, vgl. Richter, Gesetz und Heil, 108, Anm. 97. 13 Wären Agricolas „Propositiones“ noch im Jahr 1552 erschienen, hätten die Mansfelder früher darauf geantwortet. Dass das Vorwort vom 26. November 1552 datiert, spricht nicht dagegen. 14 Vgl. MBW 6667 (Melanchthons Empfehlungsschreiben für Agricola an den Rat der Stadt Augsburg, Torgau 10. Dezember 1552; CR 7, 1145f [Nr. 5276]); präsentiert in Augsburg am 4. Januar 1553, wohl von Agricola selbst; aus dem Schreiben des Rates an Melanchthon vom 27. Januar 1553 (MBW 6727) geht hervor, das Agricola inzwischen in Augsburg eingetroffen ist. Möglicherweise hatte Agricola die „Propositiones“ dem Augsburger Rat gegenüber genutzt, um seine Position darzulegen. Dazu könnte sowohl die vergleichsweise pauschale Angabe des Aufenthaltsortes zur Zeit der Abfassung (Grafschaft Mansfeld, nicht das Örtchen Helbra, dessen Kenntnis in Augsburg nicht vorauszusetzen gewesen wäre) wie auch die dezidierte Unterzeichnung als „Augustanus“ passen. Allerdings ist im Vorwort von Auseinandersetzungen innerhalb der Grafschaft die Rede, um derentwillen Agricola die Thesen herausbringe. Wegen Unstimmigkeiten mit dem Rat u. a. bezüglich der kirchlichen Zeremonien kam Agricola Anfang März 1553 10

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man Agricola nach seiner Rückkehr aus Augsburg in der Grafschaft wieder aufnahm, könnte damit zu tun haben, dass im Druck noch keine missliebigen Äußerungen von ihm bekannt geworden waren und dass sein verstorbener Vater als ehemaliger Beinahe-Märtyrer15 und Förderer der Reformation in Augsburg noch immer einen guten Ruf genoss, auch wenn er nur kurz in Eisleben tätig gewesen war. Die Veröffentlichung der „Propositiones“ kann in der Absicht erfolgt sein, den eigenen Standpunkt durchzusetzen und sich gegen fortbestehende Angriffe aus dem Kollegenkreis zu verteidigen. Man konnte die einleitenden Bemerkungen aber auch als eine Empfehlung gegenüber den Grafen lesen; denn Agricola führte die Aversionen seiner Kollegen darauf zurück, dass er sich an deren Revolte gegen den Superintendenten nicht beteiligt habe. Die Veröffentlichung sorgte offenbar für erhebliches Aufsehen und Empörung unter den Amtsbrüdern, was sich in einer gedruckten „Antwort“ niederschlug.16 In der Folgezeit holten die Mansfelder Grafen über ein Bekenntnis Agricolas – möglicherweise handelte es sich um die vorliegenden „Propositiones“ – ein Gutachten der theologischen Fakultät der Universität Leipzig ein, das anscheinend für Agricola günstig ausfiel.17 Dennoch musste er sich im Februar 1554 vor einer Synode in Eisleben unter Vorsitz des Superintendenten Erasmus Sarcerius18 verantworten. Agricola fand sich bereit, über das strittige Thema niemals wieder zu lehren, zu reden oder zu disputieren und an der Augsburger Konfession festzuhalten. Seine Thesen ausdrücklich zu verwerfen, lehnte er jedoch ab, und so verlor er sein Amt.19

nach Wittenberg (vgl. MBW 6750, Melanchthon an den Augsburger Johann Baptist Haintzel, Wittenberg 4. März 1553; CR 8, 41f [Nr. 5339]); möglicherweise kehrte er nicht nach Augsburg zurück, jedenfalls endete seine dortige Tätigkeit abrupt. 15 Stephan Agricola d. Ä. war 1522 in Rattenberg am Inn als Ketzer gefangengenommen worden und erwartete in Mühldorf den Tod auf dem Scheiterhaufen, kam aber frei und fand 1524 Aufnahme und Anstellung in Augsburg. Vgl. Gustav Hammann, Art. Agricola, Stephan d. Ä, NDB 1 (1953), 104f. 16 „Der Prediger in || der herrschafft Mansfelt antwort / || auff Stephani Agricole Pfarhers || zu Helbra außgegangene schlußreden || vnd schmeschrifften / die newen lere || in vnsern Kirchen / Das gute || werck zur seligkeit n== || tig sein / belan= || gende. || Anno 1553.“ (VD 16 P 4744) Im Kolophon: „Gedruckt zu Magdeburgk bey || Michael Lotther. || Anno 1553.“ [12 Bl. 4°] Auf der letzten bedruckten Seite, Bl. C 4r, steht oberhalb des Kolophons: „Subscriptio. Die Prediger inn der Herrschafft Mansfelt / welche sich dem vorigen bedencken vnterschrieben haben.“ (Vgl. unsere Ausgabe Nr. 8, S. 352, 8–10.) Damit wird unmittelbar auf das in unserer Ausgabe Nr. 6 edierte Stück Bezug genommen. 17 Vgl. den Brief Melchior Klings an Melanchthon vom 8. September 1553 bei Clemen, Kleine Schriften VI, 382–384 (MBW Nr. 6968). Könnte es sich bei dem begutachteten Bekenntnis um die hier edierten Thesen gehandelt haben? 18 Diesen hatte Agricola in seiner These XVII noch als Gewährsmann angeführt. Zu seiner Vita vgl. unten Einleitung zu Nr. 9, S. 357, Anm. 1. 19 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 9.

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2. Der Autor Stephan Agricola der Jüngere,20 wurde in Augsburg geboren, wo sein Vater, Stephan Agricola d. Ä., zwischen 1524 und März 1531 an St. Anna als evangelischer Prediger tätig war. Im Sommersemester 1544 immatrikulierte er sich an der Universität Leipzig. Nach dem Tod des Vaters im April 1547 suchte er vermutlich seine Studien zügig abzuschließen und übernahm wohl um 1548 den Dienst in der Pfarrei Helbra in der Grafschaft Mansfeld.21 In den Jahren 1549 bis 1551 betätigte sich der jüngere Agricola als Übersetzer lateinischer Schriften von Caspar Cruciger d. Ä., Johannes Brenz, Martin Luther und anderen ins Deutsche. Mit der Rückkehr des Grafen Albrecht VII. von Mansfeld-Hinterort in seine Besitzungen, ermöglicht durch den Passauer Vertrag, wurde anscheinend nicht nur die Stellung des seitherigen Superintendenten Major problematisch, sondern auch sein Unterstützer Agricola versuchte offenbar, außerhalb der Grafschaft eine neue Stelle zu erhalten. Melanchthon empfahl ihn mit Schreiben vom 10. Dezember 1552 als Prediger an den Rat der Stadt Augsburg;22 im Januar und Februar 1553 war Agricola dort als Pfarrer an St. Georg tätig, konnte sich jedoch mit den örtlichen liturgischen Gepflogenheiten nicht arrangieren, und es mag wohl auch zu sonstigen Misshelligkeiten gekommen sein. Jedenfalls finden wir Agricola nach wenigen Wochen in seiner Geburtsstadt und nach einem kurzen Aufenthalt in Wittenberg – wieder? – als Pfarrer im mansfeldischen Helbra. Nach dem Verlust der dortigen Pfarrstelle wurde er mit Datum vom 24. Juni 1554 an der Leucorea immatrikuliert und erwarb den Magistergrad. 1555 wurde Agricola Pfarrer an St. Maximin in Merseburg. Hier übersetzte er Luthers Kommentare zu den Propheten Obadja, Nahum, Zephanja und Maleachi.23 Auch in Merseburg blieben Agricolas Ausführungen zur Frage der Notwendigkeit guter Werke nicht unbeanstandet; dabei dürfte es seiner Stellung nicht genutzt haben, dass die altgläubigen Bischöfe Helding und Pflug erklärten, in diesem Punkt mit dem evangelischen Prediger völlig übereinzustimmen. 1557 ging Agricola als Domprediger nach Naumburg. An Pfingsten 1560 legte er sein Amt nieder und konvertierte zur römischen Kirche; der Naumburger Bischof Julius von Pflug sorgte in Verbindung mit dem Kardinal und Augsburger Bischof Otto Truchseß von Waldburg für die Übersiedelung von Agricolas Frau Apollonia, geb. Riplitz,24 und ihren beiden Kindern 20 Über ihn vgl. Heinrich Floß, Art. Agricola, Stephan, jun., in: WWKL² 1 (1882), 362–364; Otto Clemen, Kleine Schriften zur Reformationsgeschichte VI, 381–384; Friedrich Wilhelm Bautz, Art. Agricola, Stephan der Jüngere, BBKL 1 (1990), 62; MBW 11, 46. 21 Aus den hier edierten „Propositiones“ geht hervor, dass Agricola Ende November 1552 im Kirchendienst der Grafschaft Mansfeld stand. Im Pfarrerbuch für die Kirchenprovinz Sachsen, Bd. 1, 69f, wird angegeben, dass Agricola bereits 1548 –1553 Pfarrer in Helbra gewesen sei, allerdings erfasst die Pfarrerliste für Helbra in Bd. 10 diesen Zeitraum noch nicht. 22 Vgl. oben Anm. 11. 23 Abgedruckt in der Altenburger und der Leipziger Ausgabe der Werke Luthers. 24 Vgl. Pfarrerbuch für die Kirchenprovinz Sachsen, Bd. 1, 69f.

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nach Augsburg zum dortigen Domprediger Petrus Canisius. Im selben Jahr unternahm Stephan Agricola d. J. auch eine Reise nach Rom. Auf den Rat des Canisius hin soll er sich bis zu seinem Tode 1562 in ein Kloster zurückgezogen haben. Von protestantischer Seite wurde kolportiert, er habe sich verzweifelt in die Adria gestürzt bzw. sei im Tiber ertrunken.25 Als er starb, war Agricola vermutlich erst etwa 36 Jahre alt. 3. Inhalt

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Die Druckschrift, mit der Stephan Agricola d. J. sich an der Auseinandersetzung um die Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit einschaltete, besteht im wesentlichen aus drei Teilen: 1. In der Vorrede legt Agricola dar, dass er zur Veröffentlichung genötigt sei durch die Verleumdungen von Amtsgenossen, er verbreite falsche Lehre bezüglich der Notwendigkeit guter Werke; dabei nehme man es ihm vor allem übel, dass er sich nicht an den Intrigen gegen den Superintendenten Major und andere seiner hochgeschätzten Lehrer beteiligt habe. 2. Es folgen 19 Thesen, in denen Agricola darlegt, dass in der Rechtfertigungslehre die Exklusivpartikel „sola“ unaufgebbar sei, dass damit aber gute Werke als notwendiger Bestandteil eines christlichen Lebens keineswegs ausgeschlossen seien, sondern im Gegenteil dazugehörten. Auch der Trost für reuige Sünder, die sich erst auf dem Sterbebett bekehrten, sei dadurch nicht ausgeschlossen, man könne auf das Verdienst Christi und das im Sterbenden begonnene gute Werk der Bekehrung verweisen; das sei besser, als fälschlich zu behaupten, gute Werke seien unnötig. 3. Abschließend führt Agricola vier Begründungen an, die sein Gewissen an dem Satz festhalten ließen, gute Werke seien notwendig zum Heil. In Anbetracht des opaken Stils und der gedrängten Kürze der Darlegungen Agricolas wird im folgenden ausnahmsweise eine vollständige Übersetzung des Textes geboten: Thesen Stephan Agricolas aus Augsburg, Dieners der Kirche Christi in der Grafschaft Mansfeld, über gute Werke und die Frage, ob Werke zum Heil notwendig seien.

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Epheser 2[,10]: Wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen. Was wahr ist, bleibt allezeit wahr.

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Den unvoreingenommenen Lesern Heil in Christus! Ich hatte nicht vor, diese Thesen herauszugeben, weil ich wusste, dass dieser Stoff auch früher schon klar genug von unseren Herren Praezeptoren überliefert und neuerdings in einer frommen und sehr gediegenen Schrift von dem Hochwürdigen Herrn Dr. Georg Major ausführlich erläutert worden ist, 25

Möglicherweise starb er auf einer Reise nach Venedig; vgl. MBW 11, 46.

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wenn nicht die Frechheit meiner Gegner, die allein aus dem Grunde mit mir uneins sind, dass ich die Kirche Christi mit ihnen nicht dadurch verwirren will, unsere Lehrer und die wahre Lehre wütend zu verdammen und zu verhöhnen, mich dazu genötigt hätte. Sie haben nämlich mit großem Ärgernis für die Kirche Christi, der ich Unwürdiger diene, Gerüchte ausgestreut, ich verwirrte die Gewissen durch meine öffentlichen Predigten, weil ich diese Sache nicht recht einsähe. Damit ich daher entweder von ihnen belehrt werden kann, worin ich irre, oder aber, wenn sie dies nicht tun sollten oder könnten, öffentlich darlege, dass dieses Gerücht über mich nichtig und falsch ist, gebe ich gezwungenermaßen diese Thesen heraus. Seht es ihnen nach, beste Leser, dass sie an Gewandtheit des Stils denjenigen nicht gleichkommen, die schon früher von hochgelehrten Männern zu dieser Frage herausgegeben worden sind, und urteilt günstig und ohne Rücksicht auf persönliche Gefühle darüber, und lebt wohl in Christus. Aus meinem ländlichen Musensitz in der Mansfelder Grafschaft, 26. November 1552.

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Stefan Agricola, aus Augsburg gebürtig Mit Christi Hilfe. I. Wie es nötig war, ist und immer sein wird, um die erschrockenen Gewissen zu trösten und um dem Sohne Gottes und der göttlichen Barmherzigkeit die schuldige Ehre zu erweisen, die Partikel ‚Sola‘ in der Rechtfertigungslehre zu verteidigen, ungeachtet, auf welche Weise diese Lehre von unseren Gegnern in einem von unserer Auffassung unterschiedenen Sinn erläutert und aufgefasst wird, nämlich als schlössen wir gleichsam durch diese Partikel notwendig vorausgehende, gleichzeitige und nachfolgende Tugendhandlungen aus, obgleich ihnen allein die Würde des Verdienstes, und damit sie nicht Ursache der Versöhnung seien, abgesprochen werden soll, II. so ist es nicht weniger nötig, ohne in dieser Hinsicht Rücksicht auf die Gegner zu nehmen, damit nicht deren abwegige und falsche Auslegung unserer Aussage schließlich für wahr gehalten werde, und damit nicht auch unsere Hörer selbst eine von unserer Auffassung abweichende Meinung annehmen, besonders zu dieser Zeit, zu der von gewissen Leuten, die sich zu den unsern zählen wollen, die gegenteilige Auffassung mit großer Anstrengung verteidigt wird, aufs beharrlichste zu bestätigen und zu verteidigen, dass gute Werke zum Heil in der Weise notwendig sind, dass niemand gerettet werden kann, wenn sie fehlen und dem Glauben nicht nachfolgen. III. Denjenigen aber, die fragen, auf welche Weise dies geschehen könne, dass wir allein durch das Verdienst Christi und durch den Glauben, der dieses ergreift, gerettet werden, antworten wir kurz: Dies sei das Wesen des Glau-

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bens, dass er, wenn er auch allein rechtfertige und errette, dennoch nicht ohne Werke sein könne, und es sei die Bewegung des Heiligen Geistes, der den Menschen, der die Verheißung von Christus, dem Versöhner, annimmt, erneuert und neugebiert. Mit dieser [Bewegung] sind stets verbunden, und ohne jene können sie nicht sein, viele herrliche Werke der Ersten Tafel, Liebe zu Gott, Furcht Gottes, die hierauf folgen, und weitere äußerliche und der Zweiten Tafel gemäße (mit Verlaub) Werke. Wo sie aber nicht folgen, ist der Glaube nicht wahr und errettet nicht. Wir werden nämlich errettet durch jenen lebendigen, wahren und lebendigmachenden Glauben. IIII. Denjenigen aber, die darüberhinaus fragen, warum wir, wenn doch die Werke von sich aus irgendwie in den Gläubigen durch Bewegung des Heiligen Geistes folgen, gleichwohl auf sie dringen, als wären sie notwendig, antworten wir: Dies geschieht, damit die Menschen sich nicht schmeicheln über irgendeinen Glauben, der zum Heil angeblich hinreiche, und damit aus diesem Grund das tote Fleisch um so leichter sich dem Geist zu unterwerfen lernt. V. Denjenigen, die widersprechen und sagen, durch diese Aussage werde der Trost denjenigen verwehrt, die sich im letzten Kampf winden, antworten wir folgendermaßen: Diejenigen tun übel, die diese durch einen leeren und toten Glauben trösten wollen, und es kann nichts Besseres geschehen, als dass sie zu diesem lebendigen, wahren und lebendigmachenden Glauben geführt werden, was durch den folgenden Schluss geschehen wird.

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VI. Menschen, die sich im Todeskampf abmühen, soll man nicht in solcher Weise trösten, dass Werke nicht nötig wären zum Heil, sondern in Gewissensschrecken wegen der Sünden soll man sie zum Verdienst Christi und [seinen] Verheißungen führen, und allein diese soll man ihnen einprägen, und man soll sie ermahnen, dass sie jenen zustimmen und vertrauen. Wenn sie diesen glauben und weiter darüber klagen, dass sie an den Werken zweifeln, soll man sie an jenen durch die Bewegungen des Heiligen Geistes bereits in ihnen begonnenen und gottgefälligen Gehorsam (wie unvollkommen er auch immer sei) und an die zu vergebende Unvollkommenheit erinnern, wie es bisher immer von frommen und in der Lehre erfahrenen Dienern der Kirche geschehen ist.

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VII. Wenn man dies berücksichtigt, kann jeder leicht urteilen, was jenem zu antworten sei, der neulich nach seiner eigenen Einschätzung sehr naheliegend und scharfsinnig von uns wissen wollte, wieviel Pfund guter Werke zum Heil notwendig seien.

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VIII. Diejenigen, die aus diesem Lehrsatz, den wir bejahen, im Widerspruch zu unserer Erklärung und zur vollständigen Gestalt unserer Lehre folgern, dass wir lehrten, oder dass, auch wenn wir nicht [ausdrücklich] so lehrten, doch offenbar folge, dass Werke Ursache oder Verdienst des Heils seien, tun dies mit derselben Aufrichtigkeit, mit der die Papisten unserem Lehrsatz über den allein rechtfertigenden Glauben widersprechen, wie wir oben angezeigt haben. IX. Eine falsche Auffassung haben diejenigen, die glauben, daraus, dass die Wahrheit gelehrt wird, könne irgend etwas Schlechtes folgen, oder daraus, dass sie verschwiegen wird, etwas Gutes. X. Es werde daher einfach, klar und beständig gelehrt, und es werde die Wahrheit über beide Artikel, sowohl über die Rechtfertigung ohne Werke, als auch über die Notwendigkeit guter Werke zum Heil, nicht verschwiegen, auch wenn die Welt in Trümmer fällt. XI . Denn es ist nichts Gutes zu erwarten bei unseren Gegnern, auch wenn von uns der guten Werke keinerlei Erwähnung mehr geschehen sollte, bei den unsern aber in diesem verderbten Zeitalter sehr viel Schlechtes. XII. Diejenigen, die meinen, durch diesen Lehrsatz, wenn er deutlich vorgetragen wird, würden die Gewissen verwirrt, irren sich; sie [die Gewissen] werden aber verwirrt, wenn er [der Lehrsatz] mit solch großer Hartnäckigkeit zurückgewiesen wird, oder wenn Leute, die bislang anscheinend das Evangelium rein und klar gelehrt haben, den Zurückweisenden Beifall klatschen. XIII. Nicht recht unterwiesen ist in Fragen der Frömmigkeit, wer nicht ohne Widerwillen beide Lehrsätze, sowohl denjenigen über den allein rechtfertigenden Glauben, als auch denjenigen über die zum Heil notwendigen guten Werke, hört und versteht. XIIII. Zu lehren, gute Werke seien nicht zum Heil notwendig, ist eine verderblichere Lehre als die der Antinomer, wobei sie in vielem übereinstimmen. Jene nämlich waren dieser Auffassung in bezug auf die der Rechtfertigung vorangehenden Werke, diese schlicht in bezug auf alle. XV. Haarspalterisch handeln, die in Schlussfolgerungen gegen uns die Rechtfertigung und das Heil verbinden (Dass zur Rechtfertigung nämlich gute Werke nicht notwendig sind, wissen, bekennen und lehren wir selbst.) oder faseln, es sei dasselbe, dass man gerettet werde und dass Werke zum Heil notwendig seien.

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XVI. Mit welcher Treue außerdem an uns handelt, wer dem Wort „bewahren“ eine gegenüber unserer Auffassung so fremde Bedeutung beilegt, gleich als behaupteten wir, die Werke bewahrten das Heil aus eigener Kraft, und dabei doch genau weiß, dass eine ganz andere, allen bekannte Bedeutung von uns angewandt wird, überlassen wir allen Frommen zur Beurteilung. XVII. In unsern Kirchen haben immer mit großer Übereinstimmung die hervorragenden Doktoren so gedacht, gepredigt und gelehrt, Luther, Philipp, Brenz, Butzer, Calvin, Bullinger, Musculus, Sarcerius, Aepin etc. Dies können wir mit handgreiflichen und deutlichen Zeugnissen aus ihren Schriften beweisen. XVIII. Wohl wird in D. Luthers Schriften öfters der Satz verworfen, „das wir durch die werck selig werden / das die werck selig machen / das die werck, von menschen erdacht, zur seligkeit nötig sein“, dennoch wird dieser Lehrsatz nicht einfach von ihm verworfen, sondern wir wissen, dass er öfters, soviel diesen gängigen Satz anbetrifft, auf höchste Sorgfalt gedrungen hat, und seine Schriften zeugen davon. XIX. Wir hoffen zwar, dass diese unsere Darlegungen deutlich genug sind, dennoch erbieten wir uns, sie ausführlicher zu erklären und zu bekräftigen und allen, die darüber in Zweifel sind, zu antworten und die Einwände der Gegner aufzulösen, und wir unterbreiten sie zur Beurteilung den wahrhaft Frommen und allen Gliedern der Kirche. Durch diese folgenden vier Begründungen wird mein Gewissen gefangengehalten, so dass es nicht jenen beipflichten kann, die lehren, Werke seien nicht auf irgendeine Weise zum Heil notwendig. I Größer: Ein wahrer, nicht ein falscher oder erfundener Glaube ist zum Heil notwendig, damit er rechtfertige und rette. Kleiner: Nicht kann aber ein wahrer Glaube in Herzen sein, wenn nicht mit gewissen vorangehenden, gleichzeitigen und folgenden von Gott angeordneten Werken. Folgerung: Also sind Werke notwendig zum Heil, wenn sie auch weder rechtfertigen noch retten. II. Vorangehend: Die den neuen Gehorsam nicht beginnen, verlieren das allein durch den Glauben erworbene Heil.

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Folgend: Daher sind zum Bewahren des Heils, damit es nicht wieder verlorengehe, Werke notwendig. III. Größer: Dies ist aus dem Munde Christi selbst entnommen, der sagt:26 „Wer nicht wiedergeboren wird aus Wasser und Geist, kann nicht ins Reich Gottes eingehen.“ [Joh 3,5] Kleiner: Ein Wort des Apostels Johannes: 1. Joh. 3[,9]: „Wer aus Gott geboren ist, tut keine Sünde“; das ist die Erfüllung des größten Teils des Dekalogs.

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Schlussfolgerung: Also ist es notwendig zum Heil, keine Sünden zu tun bzw. gute Werke zu tun. IIII. Größer: Ein Wort Johannes des Täufers: „Jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen werden.“ [Mt 3,10] Kleiner: Zum Heil notwendig ist, nicht ins Feuer geworfen zu werden. [Schlussfolgerung:] Also ist es notwendig zum Heil, gute Frucht zu bringen.

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Wenn die Gegner diese Thesen auflösen können, liegt der Sieg bei ihnen, mit folgendem Triumphgesang: „Wer eines von jenen kleinsten Geboten auflöst, wird der Kleinste im Himmelreich genannt werden.“ [Mt 5,19] ENDE. 4. Ausgaben

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Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe: A: PROPOSITIONES || STEPHANI || AGRICOLAE AVGVS= || TANI, ECCLESIAE CHRISTI || in Comitatu Mansfeldensi Mi || nistri, De bonis ope= || ribus, Et Quæs= || tione: || An opera sint ad salutem necessaria. || Ephes. 2. || Ipsius sumus figmentum, conditi in Christo Ihesu || ad opera bona, quæ præparauit Deus, ut in eis || ambularemus. || Quod uerum est uerum tempus in omne manet. [7] Bl. 8°

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Vorhanden: SOEST, Wissenschaftliche Stadtbibliothek: V. A. 9.5 [benutztes Exemplar] Die Blattbezeichnung im Druck ist fehlerhaft, auf Blatt 4 A fehlt die Angabe, auf Blatt 6 A steht fälschlich „4 A“. Die Rückseite des Titelblatts ist leer.

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Zeilen sinnentsprechend umgestellt gegenüber dem lateinischen Druck, vgl. unten S. 331, 15f.

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[A 2r:] CANDIDIS LECTORIBVS S.1 IN Christo. Non eram editurus has propositiones, cum scirem hanc materiam et antea satis perspicue a dominis nostris praeceptoribus traditam et nuper pio et elegantissimo scripto copiose explicatam a Reuerendo Viro D. Georgio Maiore, nisi aduersariorum meorum hanc solam ob causam a me dissentientium, quod rabiose praeceptores nostros et ueram doctrinam damnando et insectando Ecclesiam Christi cum illis turbare nolo, improbitas ad hoc me impulisset. Sparserunt enim cum magno scandalo Ecclesiae Christi, cui indignus seruio, hos rumores, me, cum hanc rem non recte intelligam, concionibus meis publicis conscientias perturbare. Vt igitur uel ab illis doceri possim, ubi errauerim, uel hunc de me rumorem uanum et falsum esse, si hoc non fecerint uel facere potuerint, ostenderem, coactus edo has Propositiones. Quibus uos, optimi Lectores, quod elegantia sermonis his, quam prius a doctissimis uiris hac de re edita sunt, [A 2v:] non sunt pares, ignoscite et candide ac sepositis priuatis affectibus de illis iudicate et in Christo valete. Ex Museo meo rurali in Comitatu Mansfeldensi 6. KL. Decembris Anno 15522 Stephanus Agricola Augustanus.

[A 3r:] CHRISTO AVSPICE

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I. Vt necessarium fuit, est et erit semper ad consolandas perterrefactas conscientias, filioque Dei ac misericordiae diuinae debitum honorem asserendum, defendere particulam ‚Sola‘ in doctrina iustificationis, non curando, quemadmodum haec doctrina ab aduersarijs nostris, aliena a sententia nostra ratione, explicetur et intelligatur, videlicet, quasi hac particula necessario praecedentes, coincidentes ac consequentes Virtutes excludamus, cum sola dignitas meriti, et quod non sint causa reconciliationis, illis detrahatur. II. Ita non minus necessarium est, nulla in hac aduersariorum habita ratione, ne illorum sinistra ac falsa sententiae nostrae interpretatio fiat uera, neue ipsi etiam auditores nostri alienam a nostra sententia opinionem appraehendant, hoc praesertim tempore, quo a quibusdam, qui ex nostro-[A 3v:]rum uolunt esse numero, contraria sententia magna contentione defenditur, constantissime asserere et defendere: Bona opera ad salutem ita esse necessaria, ut illis absentibus et fidem non consequentibus, nemo saluari possit. 1 2

Salutem. 26. November 1552.

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III. Quaerentibus autem, quomodo hoc fieri possit, cum solo merito Christi et fide illud appraehendente saluemur, respondemus breuiter: Hanc naturam esse fidei, ut licet SOLA iustificet et saluet, sine operibus tamen esse non possit, sitque motus Spiritus sancti renouantis et regenerantis hominem appraehendentem promissionem de reconciliatore CHRISTO, cum quo statim coniuncta sunt, nec sine illisa esse possunt, multa praeclara opera primae tabulae, Dilectio Dei, Timor Dei, quae deinde sequuntur, et caetera externa ac secundae Tabulae (si datur) opera. Vbi autem non sequuntur, fides non est uera nec saluat. Saluamur enim illa uiua, uera et uiuifica fide. IIII. Insuper autem quaerentibus, cum ita opera [A 4r:]b per se quodammodo in fidelibus motu Spiritus sancti sequantur, cur nos tanquam necessaria nihilominus urgeamus, respondemus: Hoc fieri, ut homines non de quauis fide tanquam ad salutem sufficiente sibi blandiantur, et hac ratione eo facilius mortua Spiritui caro se submittere discat. V. Obijcientibus hac Propositione consolationem in agone extremo uersantium impediri, ita respondemus: Male illos facere, qui hos inani et mortua fide consolari uolunt, nihilque melius fieri posse, quam ut ad hanc uiuam ueram uiuificamque fidem perducantur, id quod sequenti ratione faciendum erit. VI. Homines in extremo agone laborantes, non ita consolandi sunt, quod opera non sint necessaria ad salutem, sed in terroribus conscientiae ob peccata ad meritum Christi et promissiones perducandi, haeque solae illis inculcandae sunt, et ut illis [A 4v:]c assentiantur et confidant adhortandi. hijs si credunt, et amplius de operibus dubitare se querantur, illa de motibus Spiritus sancti et iam in illis inchoata Deoque placente (utcunque sit imperfecta) obedientia et de condonanda imperfectione illis commemoranda sunt, ut semper hucusque a pijs et Ecclesiae doctrinae peritis ministris factum est. VII. His consideratis facile iudicare potest quilibet, quid respondendum sit illi, qui nuper suo iudicio ualde apposite et salse quaesiuit ex nobis, quot librae bonorum operum ad salutem sint necessariae.3 a b c

illo? Im Original ist das Blatt nicht gezählt, stattdessen ist Blatt 6 als Blatt 4 gezählt. Vgl. Anm. b.

3 Vgl. Flacius, Wider den Evangelisten des Chorrocks, unsere Ausgabe Nr. 3, S. 93,9f (Bl. C 1v): „ Es wird auch Maior weiter sagen vnd rechnen mFssen, wie viel loth oder pfunt guter werck einer am wenigsten haben mFsse zur seligkeit.“

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VIII. Qui ex hac propositione, quam asserimus, colligunt, reclamante nostra declaratione et tota forma doctrinae, nos docere, uel per se, licet non ita doceamus, aperte sequi, quod opera sint causa uel meritum salutis: eodem candore hoc faciunt, quo papistae reclamant nostrae propositioni de sola fide iustificante, ut supra indicauimus. IX. Male sentiunt, qui putant ex illo, quod ueritas [A 5r:] docetur, posse aliquid sequi mali, uel ex eo, quod reticetur, boni.

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X. Doceatur ergo simpliciter, candide et constanter, nec taceatur ueritas de utroque articulo, et iustificationis sine operibus et bonorum operum necessitate ad salutem, „etiamsi fractus illabatur orbis.“4 XI. Nihil enimd boni sperandum est apud aduersarios, etiamsi nulla omnino fiat per nos bonorum operum mentio, apud nostros uero hoc corrupto saeculo plurimum mali. XII. Qui sentiunt hac propositione candide proposita perturbari conscientias, non recte sentiunt; perturbantur autem, cum illa tanta pertinacia reijcitur, uel cum reijcientibus quidam, qui hactenus pure et candide Euangelium docere uisi sunt, applaudunt. XIII. Non recte institutus est in pietatis negocio, [A 5v:] quicunque non citra offensionem utranque propositionem, et de sola fide iustificante et de bonis operibus necessarijs ad salutem, et audit et intelligit. XIIII. Docere bona opera non esse ad salutem necessaria pestilentior est doctrina, quam antinomorum, licet in multis concordent. illi enime de praecedentibus iustificationem operibus intellexerunt, hi de omnibus simpliciter.

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Im Original: n. Im Original: .n. Vgl. Horaz, Oden III, 3, 7.

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XV. Sophistice agunt, coniungunt in conclusionibus Argumentationum contra nos iustificationem et salutem (ad iustificationem enimg non esse necessaria bona opera, ipsi scimus, confitemur et docemus) uel idem esse blaterant saluari et opera ad salutem esse necessaria. quif

XVI. Praeterea qua fide nobiscum agat ille, qui conseruandi uocabulum in tam alienam a nostra sententia significationem transfert, quasi affirme[A 6r:]hmus opera sua propria uirtute salutem conseruare non ignorans longe alia significatione, et omnibus nota a nobis usurpari, pijs cunctis dijudicandum relinquimus. XVII. In Ecclesijs nostris semper magno consensu ita praecipui doctores senserunt, praedicarunt et scripserunt, Lutherus, Philippus, Brentius, Bucerus, Caluinus, Bullingerus, Musculus, Sarcerius, Aepinus5 etc., quod manifestis et claris testimonijs ex eorum scriptis probare possumus. XVIII. Licet in D. Lutheri scriptis saepius damnetur sententia, „das wir durch die werck selig werden / das die werck selig machen / das die werck von menschen erdacht zur seligkeit n=tig sein,“ non tamen hanc propositionem simpliciter ab eo damnatam, sed saepius quantum ad sententiam attinet urgeri summa diligentia solitam scimus, eiusque scripta testantur. XIX. Has nostras propositiones licet satis claras esse [A 6v:]i speramus, nos tamen ad easdem latius, uel declarandum et confirmandum, omnibusque de ijs dubitantibus respondendum ac aduersariorum obiectiones diluendum offerimus et illas dijudicandas uere pijs et membris Ecclesiae omnibus submittimus.

[A 7r:] His sequentibus quatuor rationibus conscientia mea capta tenetur, ne possit cum illis sentire, qui docent, Opera non esse ulla ratione ad salutem necessaria.

f g h i

Im Original: pui. Im Original: .n. Im Original ist das Blatt fälschlich als Blatt 4 gezählt. Vgl. Anm. h.

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Die aufgezählten protestantischen Gewährsleute entsprechen einer bemerkenswerten theologischen Bandbreite: Martin Luther, Philipp Melanchthon, Johannes Brenz, Martin Butzer, Johannes Calvin, Heinrich Bullinger, Wolfgang Musculus (dieser dürfte gemeint sein, nicht Andreas Musculus), Erasmus Sarcerius und Johannes Aepin.

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I. Maior. Vera non falsa uel ficta fides, ut iustificet et saluet, est ad salutem necessaria. 5

Minor. Non potest autem uera fides esse in cordibus, nisi quibusdam praecedentibus, coincidentibus et sequentibus operibus mandatis a Deo. Conclusio. Ergo opera sunt necessaria ad salutem, licet non iustificent nec saluent. II.

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Antecedens. Non inchoantes nouam obedientiam, salutem SOLA fide acquisitam amittunt. Consequens. Ad conseruandam igitur salutem, ne iterum amittatur, opera sunt necessaria. [A 7v:] III. Est ex ore CHRISTI ipsius prolata dicentis:

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Maior. „ Nisi quis regeneratus fuerit ex aqua et Spiritu, non potest introire regnum Dei.“6

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Minor. Est Ioannis Apostoli: I. Ioan. 3. „Natus ex Deo peccatum non facit,“7 quod est impletio maximae partis Decalogi. Conclusio. Ergo peccata non facere uel bona opera facere est necessarium ad salutem. IIII.

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Maior, est Ioannis Baptistae: „Omnis arbor, quae non facit fructum bonum, excindetur et in ignem mittetur.“8 Minor. Ad salutem necessarium est non in ignem mitti. Ergo ad salutem necessarium est facere fructum bonum.

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Haec si soluerint Aduersarij penes illos sit uictoria cum hoc Encomio: „Qvi solverit unum ex mandatis illis minimis, minimus uocabitur in regno coelorum.“9 FINIS. 6 7 8 9

Joh 3,5. I Joh 3,9. Mt 3,10. Mt 5,19.

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Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: 280.8 Theol.(6)

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Der Prediger in der herrschafft Mansfelt antwort / auff Stephani Agricole Pfarhers zu Helbra außgegangene schlußreden vnd schmeschrifften / die newen lere in vnsern Kirchen / Das gute werck zur seligkeit n== tig sein / belan= gende. Anno 1553.

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Nr. 8: Antwort auf Agricolas Schlussreden (1553) – Einleitung

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Einleitung 1. Historische Einleitung

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Nach Majors Weggang aus Eisleben und seiner Rückkehr nach Wittenberg um die Jahreswende 1552/1553 hätte man mit einer Beruhigung der Lage in der Grafschaft Mansfeld rechnen können. Zwar hatte Flacius (?) als Antwort auf Majors ‚langes Comment‘, wie er den „Sermon von S. Pauli und aller gottsfürchtigen Bekehrung“1 nannte, das „Bedenken“2 der Mansfelder in Magdeburg in den Druck gehen lassen, mit einer scharf formulierten Nachbemerkung.3 Zu einer neuen Reaktion der Mansfelder kam es allerdings erst, als wenig später, wohl Anfang März 1553, die „Propositiones“4 Stephan Agricolas d. J. im Druck ausgingen. Sie hatten vermutlich schon eine Weile handschriftlich kursiert,5 nun aber waren die darin enthaltenen Vorwürfe gegen die Mansfelder Geistlichkeit in einer Form in die Öffentlichkeit gelangt, die nicht länger ignoriert werden konnte. So publizierten die Mansfelder eine – deutschsprachige – Antwort auf Agricolas lateinische Thesenreihe.6 Dass man auf die namentliche Nennung der Unterzeichner verzichtet und stattdessen auf die vorhergehende Veröffentlichung verweist, spricht dafür, dass die „Antwort“ in relativ geringem zeitlichem Abstand zum „Bedenken“ veröffentlicht wurde, wohl noch im März 1553.7

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2. Die Autoren

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Der Titel nennt pauschal die Prediger der Herrschaft Mansfeld. In der „Subscriptio“ wird auf die Unterzeichner des kurz vorher veröffentlichten „Bedenkens“ Bezug genommen, wahrscheinlich waren auch hier die Prediger in der Stadt Mansfeld federführend.8 Vgl. die Ausführungen zu unserer Ausgabe Nr. 6. 3. Inhalt Trotz Majors Abzug sehen sich die Mansfelder Prediger wider Erwarten genötigt, erneut öffentlich Stellung zu beziehen in der Frage, ob gute Werke 1

Unsere Ausgabe Nr. 5. Unsere Ausgabe Nr. 6. 3 Unsere Ausgabe Nr. 6, S. 313f. 4 Unsere Ausgabe Nr. 7. 5 Das Vorwort datiert vom 26. November 1552. 6 Unsere Ausgabe Nr. 7; ein Druck der zeitgenössischen deutschen Übersetzung der Thesen ist bislang nicht nachweisbar. 7 Mitte März änderte sich auch die personelle Zusammensetzung der Pfarrerschaft, so dass später ein pauschaler Bezug auf die Unterzeichner nicht mehr ohne Weiteres möglich war. 8 Das Exemplar der Johannes a Lasco Bibliothek Emden (Nachweis siehe unter Nr. 4: Ausgaben) trägt auf der Vorderseite eine Widmung des Michael Coelius an die Bremer Pfarrerschaft. Berndorff weist darauf hin, dass der Text ebenso wie Nr. 6 unserer Ausgabe 1565 in die Gesamtausgabe der Werke des Coelius aufgenommen wurde, so dass er der Hauptverfasser sein dürfte (vgl. Berndorff, Prediger der Gft. Mansfeld 57). 2

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Nr. 8: Antwort auf Agricolas Schlussreden (1553) – Einleitung

zur Seligkeit notwendig sind. Sie halten sich von Amts wegen verpflichtet, gegen die Thesen vorzugehen, die der Helbraer Pfarrer Stephan Agricola im Druck verbreitet hat, weil sie darin eine Schmähung des Evangeliums und eine gleichsam tödliche Gefahr für ihre Gemeindeglieder erkennen – auch wenn die Thesen an sich „leicht gefiedert“ und die Gegenargumente bereits in der vorigen Schrift der Mansfelder enthalten seien. Zwei Aspekte greifen die Verfasser auf, die ihnen besonders wichtig sind: zum einen Agricolas Forderung, auch Sterbenskranke damit zu konfrontieren, dass gute Werke zur Seligkeit nötig seien. Dagegen wird das Beispiel Christi angeführt, der in Mt 9,2 dem Kranken vorbehaltlos die Vergebung zuspricht. Nachdem die Werkgerechtigkeit des Papsttums überwunden schien, würden nun viele durch die majoristischen Lehren wieder in Zweifel gestürzt, selbst auf dem Sterbebett. Die Gesetzespredigt habe ihren legitimen Ort, aber angefochtenen Gewissen müsse Christus als ihr Retter verkündigt werden. Der zweite Punkt, dem sich die Verfasser ausdrücklich zuwenden: Da Agricola sich auch auf Luther berufen hat, führen die Verfasser eine Reihe von Lutherzitaten an, die belegen, dass der Reformator tatsächlich gegenteiliger Auffassung gewesen ist. Detaillierter als mit der Thesenreihe setzen sich die Verfasser mit den vier Schlussfolgerungen am Ende von Agricolas Text auseinander und legen Schwächen der Argumentation dar. Abschließend stellen sie fest, dass das Kernproblem – entgegen anderslautender Behauptungen der Gegner – nicht in der Frage der Zulässigkeit guter Werke bestehe, sondern in der Frage, ob gute Werke zur Seligkeit notwendig seien.

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4. Ausgaben Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe: A: Der Prediger in || der herrschafft Mansfelt antwort / || auff Stephani Agricole Pfarhers || zu Helbra außgegangene schlußreden || vnd schmeschrifften / die newen lere || in vnsern Kirchen / Das gute || werck zur seligkeit n== || tig sein / belan= || gende. || Anno 1553. [Im Kolophon: Gedruckt zu Magdeburgk bey || Michael Lotther. || Anno 1553.] [12] Bl. 4° [letzte Seite leer] (VD 16 P 4744). Vorhanden: BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: Dm 1248; Dm 1248â; Dm 1248b DRESDEN, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek: Hist.Sax.E286,24 EMDEN, Johannes a Lasco Bibliothek: Theol. 4° 0302H (Nr. 28 im Konvolut) [benutztes Exemplar]

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ERFURT, Universitätsbibliothek, Depositum Erfurt (ehemals Stadt- und Regionalbibliothek): 5an T.pol.4. 11 GOTHA, Forschungsbibliothek: Theol.4 679(2); Theol.4 681(2) HALLE, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: Xa 2982,QK HANNOVER, Stadtbibliothek: 15 an: Ratsbibl. 8 Nr. 31 MÜNCHEN, Bayerische Staatsbibliothek: 4 Polem. 193; Res/4 Dogm. 413 # Beibd. 6 WIEN, Österreichische Nationalbibliothek: 20.Dd.473 WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 280.8 Theol.(6); Alv Ef 104(17)

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Nr. 8: Antwort der Mansfelder auf Stephan Agricolas Schlussreden (1553)

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[A 1v:] Es ist leider, Gott erbarm es, ein new vnnd schedlich fewr in der Kirchen Christi auffgangen, nemlich die Papistische vnd Heidnische lere der Adiaphoristen, das gute werck zur seligkeit n=tig sein sollen vnd vnmFglich sey, one gute werck selig zu werden; es sey auch niemand je one die selig worden. Nun haben etliche GottfFrchtige vnd gelerte leute vnnd Kirchen aus Gottes Geist vnnd wort bisher gnugsam solcher lere widersprochen, wie es sich gebFrt, in sonderheit vnd offentlich, das zu hoffen gewesen es solte, die Kirche von solchen vnd andern dergleichen Jnterimistischen vnd Adiaphoristischen verwirrungen, die ein zeitlang anher1 im schwanck gangen sein, erledigt vnd gefreiet2 worden sein, vnd mehr zeit vnd vleis haben wenden k=nnen, heilsame Lere zu pflantzen vnd den hauffen, so noch im Antichristischen ioche zeuhet3 vnd verharret, widerstand zu thun, vnd wo es mFglich, etliche seelen zu erretten. Aber man sihet, das sich das fewr nicht wil gentzlich leschen vnd tilgen lassen, wo man gleich an einem orte außgeust4 vnnd niderdrFcket, so ist von stunden an der stiffter aller tzwispalt, irrungen vnd trigereien5 seiner art nach verhanden6 vnd bleset wider drein, das jme die funcken vmbs maul her stieben. Wir zwar, in der herschafft Mansfelt vn-[A 2r:]wirdige diener Christi inn seinem worte, hetten nach vnser einfalt vnns des vorsehen, weil Doctor Maior wider abgezogen vnd zu Wittenberg hinforder sein auffenthalt haben wolte,7 diese lobliche Herrschaft wFrde mit dieser seiner verwirreten, ergerlichen lere oder irthumb nicht weiter beschwert worden sein. Aber weil er in seinem langen Buche8 abenteurliche reden gefFret, welche auch vnser ministerium vnd die warheit belanget haben, sein wir aus wichtigen vnd hochdringenden vrsachen bewogen worden, auff das aller gelimpflichst9 vnsere meinung offentlich darzuthun vnd zu bekennen, wie man in der ausgegangen gelinden schrifft lesen mag.10 Es tragen sich aber auch teglich nun, je lenger je mehr, beschwerungen zu, das etliche, wiewol wenig, iunge Maioristen mit grosser vnuerschempter frecheit vnd kFnheit fortfaren vnnd jrem eigenen Schulmeister fast weit Fberlegen sein wollen (doch nicht one sein anstifftung) offentlich in schrifften, 1

bisher. befreit. 3 zieht. Zur Metapher vgl. II Kor 6,14; Gal 5,1. 4 durch einen Wasserguss auslöscht. Vgl. Art. ausgieszen 3), in: DWb 1, 875. 5 der Stifter ... = der Teufel. 6 gegenwärtig, auf dem Plan. 7 Major zog Mitte/Ende Dezember 1552 mit seiner Familie aus Eisleben fort, zurück nach Wittenberg, vgl. Wartenberg, Major, 227f mit Anm. 103. 8 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 5. 9 auf höchst nachsichtige, wohlwollende Weise. Vgl. Art. glimpflich A.2.a), in: DWb 8, 117. 10 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 6. Die Veröffentlichung des „Bedenkens“ im Druck wurde durch die Publikation von Majors „langem Comment“ veranlasst (unsere Ausgabe Nr. 5), die Abfassung dürfte aber schon vorher erfolgt sein, denn erst der Appendix erwähnt Majors Schrift. 2

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darnach ann allen orten, mit wem sie nur vmgehen oder zu rede komen, bey der zechen truncknen vnd nFchtern, die andern Prediger, so im einfeltigen11 wege der warheit bleiben, darein sie Gottes wort vnd die schrifften Lutheri vnd anderer Praeceptoren gefurt haben, zur banck hawen,12 lestern, schenden vnd schmehen mit bittern, hessigen,13 gifftigen vnd Teuffelischen worten, die dem worte Gottes zu grossen vnehrn vnnd den einfeltigen Christen zu mercklichem nachteil gereichen. [A 2v:] Vnser gemFt, weis Gott, ist zu frieden vnd einigkeit geneiget; enthalten vns, da wir gleich gut fug vnnd recht hetten, das wir die personen nicht viel angreiffen, vbergehn viel dings mit stilschweigen, doch so lang es sich auch leiden wird wollen. Vnnd ist vns ein grosse betrFbnis, das wir mit andern, vnnd sonderlich mit den vnsern, im kampffe liegen vnd jnen widerstand thun sollen. Wiewol nu ein Oberkeit der lesterung, irthumb vnd ergernis billich weren solte vnd wol k=nte durch ordentliche verh=r vnd erkentnis der sachen. Weil es aber bis daher lang verblieben, so erfordert Gottes ehr, seine warheit, vnser ampt vnd vnser schefflein h=chste vnuermeidliche notturfft, der gegenpart14 vnuerschemptes vnablessiges schreien, pochen,15 schenden,16 das wir noch einmal zu einem vberflusse ein offentlich schreiben thun mFssen: Erstlich vnd am furnemesten, die armen Schefflein, so vns befolen, zu uerwarnen, das sie sich nicht durch eine schmeichelhafftige, glatte vnnd sanffte lere, als der menschlicher natur sehr nahend verwant vnd befreundet, verfFren lassen vnd gifft fur heilsame, gesunde weide einnemen. Darnach, das auch die iFnger Maioris, die newen Esseer17 vnd Werckheiligen, erinnert werden, den sachen etwas bessers nachzugedencken, vnd wo es mFglich vnnd sie auff Gottes ehre, jrer vnd anderer leute selickeit etwas sehen k=nten, von jrem b=sen furnemen abstFnden, das doch ein schwer vnnd seltzam18 ding pflegt zu sein, wo man ein mal in ein irthum [A 3r:] versuncken vnnd darFber thuttig19 vnnd verstockt worden ist. Letzlich wo jemand drFber freueln fort faren oder selber mutwillig sich drein begeben wolle das wir fur Gott vnnd allen Gottfurchtigen Christen wollen sein entschFldiget. Wollen aber itzund one lange vmbschweiffe vnser schrifft mit kurtzen worten ausrichten.

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einfachen. zur Bank hauen: aus dem Fleischerhandwerk genommene Metapher, eigtl. (Schlachtvieh) zerlegen, im übertragenen Sinn: jemanden verlästern. Vgl. Art. hauen II.7), in: DWb 10, 577. 13 gehässigen. 14 Gegner, Widersacher. Vgl. Art. Gegenpart 2), in: DWb 5, 2249f. 15 hochmütiges Prahlen, vgl. Art. pochen I.3.a), in: DWb 13, 1958; Art. Pochen 3), in: DWb 13, 1961. 16 Lästern. Vgl. Art. schänden 3.d), in: DWb 14, 2139f. 17 Über die Essener vgl. Flavius Josephus, De bello iudaico II, 8, 2–13; Antiquitates XVIII, 1, 5. 18 seltenes, selten vorkommendes. 19 unempfindlich, benommen, geistesabwesend; ursprünglich: betäubt von einem Hieb. Vgl. Art. dutzig, in: DWb 2, 1774. 12

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Ob gleich, Gott lob vnd danck, nicht viel auffrichtiger vnd ehrlicher Christen geh=ret werden, welche den newerwerckten paradoxis offentlich beyfal geben k=nnen, wollen oder sollen, doch so findet man allewege leichtfertige, ehrsFchtige, rhumkFne,20 freche, plaudrische21 ventgen,22 welche fro werden wie die Hadermetzen,23 wenn sie eine materien zu keiffen vnnd fromen leuten drange zu thun24 vrsach haben sollen. Also ist nach Maiors abreisen einer aus vnsern nachbarn, ein neophytus,25 ein iunger Pfarher auff eim dorffe, Agricola, entstanden,26 welcher der newen lere zugefallen vnd sich dieselbigen zu uerfechten vnderstanden hat. Dieweil er aber nicht allein priuatim solchs hat w=llen thun, sondern auch offentlich seine manheit vnd kunst beweisen, so hat er etliche propositiones lassen in druck ausgehen, doch ob in Vtopia27 oder an welchem ort sie gedruckt sein, ist nicht wissentlich,28 denn es stehet nicht dabey; villeicht ists vergessen worden. Denn sonst der ort vnnd der drucker sich solcher edler rosen von Hiericho29 billich nicht wFrden geschemet haben. Darinnen verteidigt er nicht allein diese proposition, das gute werck zur seligkeit n=tig sein, [A 3v:] sondern sticht auch vnnd hewet30 vm sich wie ein b=ser irrer man, vnd schonet wider freunde noch feinde, alte noch iunge. Dieweil er aber auch, wiewol one namen, alle andere Prediger in der herrschaft Mansfelt sampt jrem ampte dermassen antastet, das Gottes ehre, sein wort vnd arme gewissen damit geschmehet werden, so mFssen wir ein wenig antworten. Wenn er allein von Maiors frFchten schriebe, wolten wir jn imer hinhawen lassen,31 als der nur eitel lufftsprFnge32 vnd vergebliche streiche thete. Jtem 20

ruhmbegierige, ruhmsüchtige. Vgl. Art. kühn II.1.g), in: DWb 11, 2576. schwatzhafte. Vgl. Art. plauderisch, in: DWb 13, 1928. 22 Halbstarke, eingebildete junge Kerle. Vgl. Art. Fant, in: DWb 3, 1318; Art. Fäntchen, in: DWb 3, 1320. 23 schwatzhaften Weiber. Vgl. Art. Hadermetze, in: DWb 10, 116f. 24 jmdm. drange tun = jmdn. in Bedrängnis bringen, ihn bedrängen. Vgl. Art. drang, in: DWb 2, 1335f. 25 Neuling, unerfahrener Mensch, neu Bekehrter; vom griech. νεοφύτος. 26 aufgestanden, hat sich hervorgetan. Vgl. Art. entstehen 3), in: DWb 3, 633f. 27 Nirgendwo, Niemandsland, nach dem griechischen οὐ τόπος = nicht/kein Ort. 1516 war in Löwen erstmals das Werk des Thomas Morus im Druck erschienen: „De optimo statu rei publicae deque nova insula Utopia“; 1524 erschien in Basel eine deutschsprachige Fassung: „Von der wunderbarlichen Jnnsel Vtopia genant / das ander BGch / durch den wolgebornen hochgelerten heren Thomam Morum Fryhern / vn des durchläuchtigiste / großmechtigisten Künigs zG Engellandt Schatzmeister erstlich zG Latin gar kürtzlich beschrieben vnd vßgelegt. Jn der loblichen Statt Basel vollendet.“ (VD 16 M 6304). 28 bekannt. Vgl. Art. wissentlich 2.a), in: DWb 30, 803f. 29 Eigentlich eine Wüstenpflanze (Anastatica hierochuntica), die nach monatelanger Dürre bei Kontakt mit Wasser wieder zu grünen scheint (wächst allerdings nicht wirklich weiter); in Europa wohl durch die Kreuzzüge bekannt geworden, galt sie offenbar als geschätzte Rarität. 30 haut, schlägt. 31 gewähren lassen bei seinem Umherschlagen. 32 gefährliche, kraft- und zeitraubende Aktivitäten, die keinen strategischen Vorteil bingen (wohl aus der Fechtkunst). Vgl. Art. Luftsprung, in: DWb 12, 1263; ferner Art. Luftstreich, in: DWb 12, 1263f. 21

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wenn er nur sonst vnns fur vngelerte vnuerstendige menner ausschrie k=nten wir jn auch wol verachten. Aber Christum inn seinem Euangelio schmehen vnnd vnsern Schefflein nach der gorgel33 stechen ist zu uiel, vnd mussen jn vnsers befolenen ampts nach ausschreien, wiewol wir das seer vngerne thun, das wir fur Gott vnnd allen waren Christen bezeugen. Doch mFssen wir fort gemelter vrsachen halben, das vnns kein Christ wird verargen k=nnen. Vnnd das thun wir in rechter ordnung, das er nicht einmal alleine, sondern offt vermanet ist worden, daruber er gerade aus auff seinem furnemen lestern vnd schenden bleibet. Wolan, so gehe nun auch solch kurtz schrifftlein auff seine themata. Erstlich in seiner vorrede schreiet er vnns aus als verdammer reiner lere, schender der Praeceptorum, stiffter vieler ergernis, hernach in propositionibus auch Antinomer vnd weis nicht, was mehr. Auff solches alles sagen wir fFr Gott [A 4r:] vnd der gantzen Christenheit, das dieser frecher schreier vns gewalt vnd vnrecht thut, vnd wider er noch jemands anders solches wird war machen k=nnen, sondern mit schanden mFssen bestehen fur Gott vnd allen Christen. Vnd wollen vns also mit kurtzen worten dieser aufflagen34 entschFldiget vnd beklaget haben. Zum andern, was die Propositiones belanget, achten wir, sie sind wol also leicht gefiedert,35 das sie ein jedlicher Christ recht wegen36 vnd verwerffen kan. Denn es eine rede ist one grund, marck, safft vnd krafft, eine blase one wasser. Vnd sein vnsere vrsachen in der gedruckten schrifft37 verhanden, welche allen gnugsame widerlegung geben, die sich von solchem anhauchen nicht werden lassen vmbstossen, ja er kan auch dawider nichts auffbringen. Drumb wir langer widerholung auff dismal fur vnn=tig achten. Doch mFssen wir zwey ding kurtzlich rFren: Es sagt der Maiorische schreier, man solle den krancken, wenn sie mit der sFnde ringen, gleichwol auch furhalten diese Proposition vnnd lere, das gute werck zur seligkeit n=tig sein. Lieber Gott, ist das nicht ein schwindel? Damit hat ein hertze freilich am meisten zu thun, ob gute werck n=tig sein zur seligkeit, vnd wolt die gerne haben. Denn diese Proposition sticket im menschlichen hertzen von natur vnd ist nicht ein mysterium allerding, wie Euangelium. Aber wie tr=stet Christus die krancken? So sagt er: „Sey getrost, mein Son, deine sFnde sind dir vergeben.“38 Lieber, hat [A 4v:] ers da nicht recht gemacht, das er nicht werck als n=tig zur seligkeit geprediget hat? Darzu sage mir: wird auch ein hertze, das da recht im angstschweis der sFnden liget, damit zufrieden sein

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Kehle. Vgl. Art. Gurgel 2.b), in: DWb 9, 1147f. Anschuldigungen. Vgl. Art. Auflage 3), in: DWb 1, 680. metaphorisch: schwach begründet. wägen, erwägen. Unsere Ausgabe Nr. 6 (Bedenken der Mansfelder Prediger gegen Maior). Mt 9,2.

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k=nnen? Nein traun.39 Denn wo die werck so n=tig sein sollen, das man one die nicht kan selig werden, so wird das gewissen sich nicht auff die blosse gnade, in Christo zugesagt, verlassen k=nnen, sondern auch nach seinen wercken sehen vnd gleich als im finstern vmbtappen vnnd der keine an jme finden, die da m=chten fur Gottes gericht bestehen; da wird zweifeln vnd entlich verzagen folgen. Da behFte vns vnd andere frome Christen Gott fur, das wir ja nicht solche newe M=nche, die gute werck vnsern erschrockenen sterbenden gewissen furhalten, haben m=gen, sondern solche, die vns furtragen: „Kompt her zu mir alle, die jr mFheselig vnd beladen seid, ich wil euch erquicken,“40 vnd: „Also hat Gott die Welt geliebet, das er seinen einigen Son gab, auff das alle, die an jhn gleuben, nicht verloren werden, sondern das ewige leben haben.“41 Jtem: „Jch, Jch tilge deine vbertretung vmb meinen willen vnd gedencke deiner sFnden nicht“42 etc. Wir m=gen auch das mit warheit sagen, das etliche feine leute bißher in der beichte komen sein vnd mit weinenden augen geklaget, die grossen vnnd schweren anfechtungen, welche sie vber der newen erregeten Proposition erlieden, das gute werck zur seligkeit also n=tig sein sollen, das man one sie nicht m=ge selig werden. Sagen, sie [B 1r:] habens kaumpt43 vberwunden vnd vorschmertzt. Denn weil sie im Bapstumb gewesen, da sein sie in dem wahn gestanden, nun aber die lere vom Euangelio erkant vnd angenomen, das man one werck alleine durch den glauben an Christum from, gerecht vnd selig werde, so bringe man sie nun widerumb inn vorigen zweifel. Also findet sich die frucht der Proposition bey den sterbenden, das sie damit irre gemacht vnd jr Christus jnen aus dem hertzen gezogen wird. Das wissen wir nicht zu uerachten. Wie das Gesetz zu erkentnis der sFnde vnd zu einem newen gehorsam sol gepredigt werden, wissen wir, Gott lob, auch wol vnd treibens zu seiner zeit vnd an seinem orte treulich vnd fleißig, soviel Gott gnade gibet. Aber da die sFnde stehet vnd beisset vnd das gewissen fur Gottes gerichte frei wil sein, da mFssen furwar alle vnsere werck hindangesetzt vnd allein der gnadenvnd friedeschilt,44 der einige mitler Christus,45 furgerucket vnd ergriffen werden, das er vns mit seinem Blute von sFnden abwasche.46 Derhalben man in deme stFcke den schreier kennen, vrteilen vnd fliehen lerne. Vnd zwar, er verreth sich selber tanquam sorex suo indicio,47 vnnd hewet sich in die

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Wahrhaftig nicht! Vgl. Art. traun 2.b), in: DWb 21, 1529. Mt 11,28. 41 Joh 3,16. 42 Jes 43,25. 43 Nebenform zu „kaum“, vgl. Art. kaumet, in: DWb 11, 360f. 44 Vgl. Ps 5,13; 84,12. 45 Vgl. I Tim 2,5f. 46 Vgl. Apk 1,5. 47 wie die Spitzmaus durch ihr eigenes Fiepen. Vgl. Erasmus, Adagia 1.3.65: „Suo ipsius indicio periit sorex.“ 40

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backen mit seinem eignen messer,48 das er sagt, die vorheissung von Christo sol man ALLEINE den erschrockenen verkFndigen, vnnd setzet doch, man mFsse diese Proposition von notwendigkeit der werck zur seligkeit treiben, vnd ist viel anders das ende denn der anfang, als das er hernach sagt, wie vnuolkomener gehorsam gefalle etc. [B 1v:] Darnach schweifft er hin vnd her, hat aber kein speck im nacken49 vnd setzet vnter andern auch Lutherum zu einem Patron vnd bestetiger solcher Proposition.50 Nu wollen wir nicht sagen, wie vorteilhafftig er vonn Lutheri schrifften redet, sondern jm nur zu ehren ein par zeugnus aus Lutheri buchern setzen, damit jederman sehe, das Belial vnd Christus,51 Lutherus vnd der Bapst, die ware vnnd falsche Kirche gar eins sein. Also saget er, ad Gala. Ca. 1.: „Omnis doctor operum et iustitiae legis est perturbator Ecclesiarum et conscientiarum.52 Ibidem, Imo etiam deteriores sunt pseudoapostolis. Nam hi docuerunt praeter fidem in Christum, opera legis diuinae necessaria esse ad salutem.53 – Alle werck lerer vnnd der gerechtigkeit des Gesetzes sind zerrFtter der Kirchen vnd der gewissen. Jtem: Ja sie sind erger denn die falschen Apostel. Denn sie haben geleret, das neben dem glauben an Christum auch die werck des G=tlichen Gesetzes n=tig sind zur seligkeit.“ De libertate Christiana, to. 2. fo. 5.: „Haec est Christiana libertas, fides nostra, quae facit, non ut ociosi simus, aut male uiuamus, sed ne cuiquam opus sit lege aut operibus ad iustitiam et salutem.“54 Das ist: „die Christliche freiheit, vnser Glaube, welcher machet, nicht das wir mFssig sind oder ein b=s leben fFren, sondern das nicht jemands Gesetz oder werck zur gerechtigkeit vnd seligkeit n=tig sein.“ Ibidem fo. 7.: „Christianus nullis operibus ad hoc indiget, ut iustus et saluus sit, sed sola fides haec omnia largitur abunde. Quod si sic desiperet, ut per ullum opus bonum praesumeret iustus, liber, saluus, Christianus [B 2r:] fieri, statim amitteret fidem cum omnibus bonis. Quae stultitia pulchre figurata est in fabula illa, ubi canis in aqua currens, et carnem ueram in ore gestans, deceptus umbra in aqua parentis, dum eandem aperto rictu petit, ueram carnem simul cum imagine perdit.55 – Ein Christ bedarff keiner werck dazu, das er gerecht vnd selig sey, sondern allein der glaube gibt solches vberflFssig. Wenn auch irgent einer so vnsinnig sein wolte, der sich vnterstFnde, durch irgend ein gut werck gerecht, frey, selig vnd ein Christ zu werden, so wFrde er von stund an den Glauben mit allen seinen gFtern verlieren. Solche 48

kommt sich selbst in die Quere (redensartlich). keine wirkliche Substanz aufzuweisen, nichts Stichhaltiges zu bieten. 50 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 7, Thesen XVII und XVIII. 51 Vgl. II Kor 6,15. 52 Vgl. Luther, WA 40I, 112,11f (In epistolam S. Pauli ad Galatas commentarius, ex praelectione D. M. Lutheri collectus, 1535). 53 Vgl. Luther, WA 40I, 112,16f (In epistolam S. Pauli ad Galatas commentarius, ex praelectione D. M. Lutheri collectus, 1535). 54 Vgl. Luther, WA 7, 53,31–33 (Tractatus de libertate Christiana, 1520). 55 Vgl. Luther, WA 7, 58,4–11 (Tractatus de libertate Christiana, 1520). 49

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torheit ist sehr fein in der fabeln furgemalet, da ein Hund im wasser leuffet, tregt ein stFck fleisch im maule vnd wird durch den schatten56 des fleisches, so im wasser scheinet, betrogen, vnnd weil er mit auffgesperretem rachen darnach fehrt, so verleuret er das rechte fleisch sampt dem schemen.“57 Also hernach fo. 8.: „Cum opera neminem iustificent, et hominem oporteat esse iustum, antequam operetur bonum, manifestissimum est solam fidem esse, quae ex mera Dei misericordia per Christum in uerbo eius personam digne et sufficienter iustificet et saluet, et nullo opere, nulla lege Christiano homini opus esse ad salutem, cum per fidem liber sit ab omni lege, etc.58 – Weil die werck keinen gerecht machen vnd der mensche mus gerecht sein, ehe er gutes wircket, so ist klar vnd offenbar, das der Glaube allein sey, der die person aus lauter gnade Gottes durch Christum in seinem wort wirdiglich vnnd gnugsam rechtfertiget vnd selig macht, vnd das einem Christen kein [B 2v:] werck, kein Gesetz n=tig sey zur seligkeit, weil er durch den Glauben frei ist vom gesetz etc.“ Diese zeugnis verwerffen nicht mit halben munde, sondern gantz vnd gar die wider herfurgesuchten Papistischen haderlumpen59 mit den wercken. Wollen auch auff dismal kurtze halben60 nicht mehr anzihen,61 man hat sich mit diesen zu beissen vberig genug, sonst k=nten wir derselbigen vnzelich hieher setzen. Was nun mehr fur vngereimet gefehrlich ding in Propositionibus ist, lassen wir wissentlich faren, denn es keiner verantwortung sonderlich wirdig, vnnd hoffe, ein jeder werde am gesange leicht h=ren, was fur ein Vogel sey.62 Zum dritten, weil die gewaltigen grFnde hindenangesetzet sein vnnd also vmbschantzet werden, das sie sollen vnFberwindlich sein, wollen wir versuchen, ob Christus so starck sey, das er solche stricke, von sande zusamengedrehet,63 zureissen m=chte. Wolan wir wollen Posaunen in die hende nemen vnd vmb Hiericho hergehn mit der laden Gottes, nach Gottes befehl,64 sehen, was Gott geben wolle. Die erste schlußrede heisset also: Ein warer Glaube ist n=tig zur seligkeit. Ein warer Glaube hat volgende,65 miteinfallende vnd nachfolgende gute wercke. Drumb sind werck n=tig zur seligkeit.

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Spiegelbild. Vgl. Art. Schatten II.1.o), in: DWb 14, 2238f. Spiegelbild (sonst meist Schatten, Schattenbild). Vgl. Art. Schemen, in: DWb 14, 2536 –2538. 58 Vgl. Luther, WA 7, 62,7–12 (Tractatus de libertate Christiana, 1520). 59 (bereits für die Papiermühle ausgesonderte) Kleidungsreste, Fetzen, Lappen. Vgl. Art. Haderlumpe 1), in: DWb 10, 115f; Hader 2.a), in: DWb 10, 111f. Hier ist wohl auch an den Chorrock zu denken. 60 der Kürze wegen. 61 heranziehen, aufzählen. 62 Sprichwörtlich. Vgl. Art. Gesang, Nr. 1, 3, 15, 18, 24, 25, in: Wander 1, 1579–1581. 63 Sprichwörtlich. Vgl. Art. Sand, Nr. 1, in: Wander 3, 1861; August Otto, Die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten der Römer, S. 160. 64 Vgl. Ri 6,1–5. 65 richtig wäre: vorangehende, vgl. oben unsere Nr. 7, S. 331,5 (Bl. A 7r): praecedentibus. 57

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Antwort, das man fein deutlich fur den einfeltigen Christen dauon rede: Die erste Propo-[B 3r:]sition redet vom Glauben, das er das instrument sey, welches die seligkeit ergreifft, annimpt vnnd zueignet. Die ander Proposition redet von wercken gar in gemein, welche zum teil noch fur Gott nicht alle k=nnen gute werck sein, zum teil k=nnen sie die seligkeit nicht empfahen wie der Glaube. Denn der Glaube alleine ist, der ein geschenck Gottes ist durchs wort vnd den heiligen Geist, welcher one vnd vor den wercken die seligkeit empfehet vnd fasset vnd andere werck fur Gott erst gut macht Drumb so wird es nicht an einander hangen. Das es besser verstanden werde, so leutere66 die schlußreden also: Was bey dem glauben ist, das ist n=tig zur seligkeit. Gute werck sind bey dem glauben. Drumb sind gute werck n=tig zur seligkeit. Antwort: Die erste Proposition ist nicht war. Denn der glaube alleine n=tig ist zur seligkeit, vnd mFssen die werck, sollen sie gut sein vnd werden, als Pedissequae67 nicht vor oder neben, sonder nach dem glauben hergehen vnd folgen. Drumb sagt Lutherus fein: „Der glaube macht gerecht, vnd also auch selig, one vnd vor der liebe.“68 Daraus wird folgen, das die liebe nicht n=tig sey zur seligkeit, weil der glaube zuuor alleine selig machet. Sie sol aber hernacher folgen als eine frucht des glaubens vnd alsdenn jren ort, herlicheit vnd belonung haben. Die ander schlusrede: [B 3v:] Welche in sFnden bleiben, verlieren die seligkeit. Derwegen sind werck n=tig, die seligkeit zu erhalten. Antwort: Die ander Proposition ist nicht war. Denn wenn man zwey widerwertige ding gegeneinander halten wil, sollen sie allerding eine gleiche art haben, welche m=ge dem andern entgegengesetzt werden. Nun sein die sFnden in vns volkomen, darumb sie vns auch der seligkeit verlustig machen, das ist recht Aber mit den guten wercken oder newen gehorsam hat es nicht gleiche gestalt, die sein nicht also volkomen. Da heist es: „Es ist kein mensch auff erden, der guts thue vnd nicht sFndige.“69 Vnd damit der trost der gewissen feste bestehe, so eignet die schrifft dem glauben aus G=tlicher gewalt das empfangen vnd erhalten zu. Wie j. Pet. j. stehet: „Jr werdet aus Gottes macht durch den glauben bewaret zur seligkeit.“70 Dieser spruch leret fein, das es nicht vnser, sonder Gottes macht vnd gewalt sey, der in vns wircket beide, das anfahen vnd volbringen.71 Darnach, das der 66

vereinfache, forme um. Vgl. Art. läutern 2.b), in: DWb 12, 387. pedis(s)equa = Zofe, Dienerin, „die (ihrer Herrin) auf dem Fuße folgt“. Vgl. Art. pedisequus, in: Georges II, 1536. Die Schreibung ‚pedissequa‘ auch bei Dasypodius im Art. Pes, Bl. 174r [Sp. b]. 68 Vgl. Luther, WA 40I, 240,16: „Haec fides sine et ante charitatem iustificat.“ (In epistolam S. Pauli ad Galatas commentarius, ex praelectione D. M. Lutheri collectus, 1535). 69 Vgl. Koh 7,20. 70 Vgl. I Petr 1,5. 71 Vgl. Phil 1,6; 2,13. 67

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glaube sey das wergzeug, welches, wie es von ersten aus Gottes gabe vnd wirckung die seligkeit empfehet, also bewaret vnd behelt es dieselbige bis ans ende. Gottes furcht, liebe vnd andere werck sein nicht also instrument, von Gott geordnet, die seligkeit zu empfahen oder zu behalten. Vnd Rom. v.: „Durch welchen wir auch ein zugang haben im glauben zu dieser gnade, darin-[B 4r:]nen wir STEHEN.“72 Sihe, wie Paulus im anfang dem glauben zugeschrieben hat, das er allein das werckzeug sey, mit welchem die angebotene gnad durch Christum ergriffen vnnd zugeeignet werde, also gibt er dem glauben auch das bestehn vnd verharren im mittel vnd ende. Wol ists war, das derselbige glaube leuchtet mit vielen guten wercken, noch dennoch sein dieselbigen werck dem glauben zugethan, nicht als dasienige, dadurch die seligkeit entweder empfangen vnd erhalten wirt, wie der glaube, vnnd solte vnser seligkeit durch vnsere gute werck erhalten werden, so wFrden wir wenig trost haben. Denn vnser werck sehr gering vnd dFnne sein, auch zumal viel heßlicher makel haben, wie auch die Heiligen druber schreien vnnd klagen, wFrde also der trost vns fein gemach entgehen, dauon S. Paul Ro. iiij. sagt: „Derhalben mus die gerechtigkeit durch den glauben komen, auff das sie sey aus gnaden, vnd die verheissung feste bleibe.“73 Wenn mans aber also wil verstanden haben, das gute werck der gleubigen anzeigung sein, das die seligkeit durch den glauben, wie erlangt, also auch erhalten werde, was darff74 man denn solcher finanzerey75 vnd betriglicher worte, die man hin vnd wider drehen vnd wie eine schraube auff vnd nider winden kan? Summa: diese schlusrede ist ein rechter Papistischer eckstein, der lange im dreck ligt vnd von der rechten Kirchen billich verworffen ist, nun sol er wider herfur komen, dem einigen eckstein Christo76 zu grossen sonderlichen ehren. [B 4v:]Die dritte schlußrede. Die widergeburt ist n=tig zur seligkeit. Joh. iij.: „Es sey denn, das jemand new geborn werde“ etc.77 Gute werck sind die widergeburt Joh. iij.: „Wer aus Gott geborn ist, der thut nicht sFnde.“78 Drumb sind gute werck n=tig zur seligkeit. Antwort: Die ander Proposition ist nicht war. Denn wie der apffel nicht der baum oder die gute art selber ist, also sein auch die gute werck nicht die widergeburt selber, sondern frFchte derselben. Darzu ist die erste Proposition in gemein zu uorstehen, das das w=rtlein widergeburt in sich fasset die rechtfertigung vnd die vernewerung, so folget. 72 73 74 75 76 77 78

Röm 5,2. Röm 4,16. bedarf. Betrügerei. Vgl. Art. Finanzerei, in: DWb 3, 1641. Vgl. Ps 118,22; Mt 21,42; Eph 2,20; I Petr 2,4.7f. Joh 3,3. I Joh 3,9.

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Solchs ist Gottes gabe, die man bekumpt, ehe man wercke thut. Denn wie die gute art am Baume mus ehe sein denn die gute frucht, also mus Gott von erst vns vernewern, das wir frFchte des lebens bringen vnd nicht mehr des tods. Vnd gehet das gantze Euangelium Joh. iij wider die lere, gute werck sind n=tig zur seligkeit, mit vielen gewaltigen argumenten, die alle passiue, souiel vns angehet, schlissen, wie ein jeder leicht selber sehen kan. Wenn man aber von guten wercken redet, so redet man nicht vom wesen der newerung furnemlich, sondern von frFchten. Wie denn auch Johannes in der Epistel von den frFchten der newerung handelt. Die vierde schlußrede. Was vom ewigen fewr errettet, ist n=tig zur seligkeit. [C 1r:] Gute werck erretten vom ewigen fewr. Drumb sind gute werck n=tig zur seligkeit. Die beweisung ist diese: „Ein jedlicher guter Baum“ etc.79 Antwort: Die erste Proposition kan von niemand denn von Christo vnnd seinem vordienst, welches alles der glaube alleine one werck vnnd vordienst ergreiffet, verstanden werden, wie Joh. sagt: „Das Blut Jhesu Christi reiniget vns von vnsern sFnden.“80 Der Teuffer schreiet: „Sihe, das ist das Lamb Gottes, welches der Welt sFnde tregt.“81 Christus: „Wer an mich gleubet, hat das ewige leben; wer nicht gleubet, der wird das leben nicht sehen, sondern der zorn Gottes bleibet vber jme.“82 Die ander Proposition ist falsch vnd vnrecht vnd der Papisten zunge. Wie man aber der wercke rhum vnnd verheissung verstehen sol, ist sonst in vnsern Kirchen, Gott hab lob, liecht vnd klar. Also sihestu durchaus, das man zu bestetigung solcher lere mus Papistische glossen vnd argumenta gebrauchen, ob man gleich jnen ein wenig ein ander helkeplein83 anzeugt. Letzlich ob man gleich nicht also genaw jr gespenste84 auffl=sen k=nte, so mFssen wir thun wie Alexander Magnus, der den nodum Gordium zerhieb vnd sagte: Es were nicht viel dran gelegen, wie man jn auffl=sete, das er nur auffkeme.85 Also brauche man diese grundsprFche Act. iiij.: „Es ist in keinem andern heil, ist auch kein ander name den menschen gegeben, darinnen wir sollen [C 1v:] selig werden.“86 j. Timo. j.: „Das ist je gewislich war vnd ein tewres werdes wort, das Christus Jhesus komen ist in die welt, die SFn-

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Mt 7,17. I Joh 1,7. 81 Joh 1,29. 82 Vgl. Joh 3,36. 83 Tarnkappe. Vgl. Art. Hehlkäpplein, in: DWb 10, 788. 84 (Lügen-)Gespinst; Blendwerk, Täuschung, Betrug. Vgl. Art. Gespinst 4.c), in: DWb 5, 4156; Art. Gespenst II.3.b) und c), in: DWb 5, 4141f. 85 Alexander der Große zerschlägt den Gordischen Knoten; die Anekdote ist u. a. überliefert bei Plutarch (Große Griechen und Römer, Alexander, 18,1) und Quintus Curtius Rufus (Leben Alexanders III,2). 86 Act 4,12. 80

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der selig zu machen, vnter welchen ich der fFrnemest bin.“87 Ephe. ij.: „Aus gnaden seit jr selig worden durch den glauben, vnd dasselbige nicht aus euch, Gottes gabe ist es, nicht aus den wercken, auff das sich nicht jemand rhFme“88 etc., darzu sollen wir nemen vnsern Catechismum. Dieses sol vnser Richtschnur sein, dieses sollen wir lassen vnsere feste burg sein vnnd keinen blawen dunst89 vns daruon abtreiben90 lassen. Es wird aber villeicht dem guten kerln nicht gefallen, das wir seine argumenta nach dem verstande recht assumirt91 vnd jme in seinem gewirre gedienet haben. Da mus nicht an liegen, es thut nicht sanffte, wenn man einem auff dem schienbein fiddelt.92 Nun, diese schlußreden hat der gute gesel aus seinem leermeister zusamen gezogen nach seinem besten verm=gen, vnnd wir haben einfeltige vnd richtige solutiones drauff geben, vnd ist nicht mehr vonn=ten. Vnd weil weder die sachen noch die grFnde sein selbst eigen sein, so wollen wir hinforder, wo es die notturfft erfordern sol, mit dem, so den hader angefangen hat, zu thun haben, welcher, weil er diesem leichtfertigen conturbatori nicht weret, billich in verdacht ist. Were es nun mFglich, das vber vnser vermanen vnd schreiben dieser Maioristische jFnger von seinem furnemen, auch von seinem vnuerschemb-[C 2r:] ten vnauffh=rlichem schreien abstehen, der warheit, jme vnd anderen zu ehren vnd zum besten, seinen jrthumb vnd lesterung widerruffen wolte, so were es vns als ein fein Christlich werck hertzlich angeneme. Aber weil er so freidig fortfehret vnd in allen gelacken oder wo er sonsten ist, vnangesehen, wer die leute sein oder wo man sonst von redet, diese sachen auff das aller stachelichste treibet, vnserer Kirchen lere verdechtig machet, die leute verwirret, schendet vnnd schmehet, alle andere Prediger, so jme widersprechen, als vngelerte, vnuerstendige verfFrer vnd verdammer der seelen, das erschrecklich zu h=ren ist, vnd er sey der man, der die sachen erhalten vnnd hinausfFren vnnd alle zuschanden machen k=nne vnnd wolle (welches jm denn alles werck zur seligkeit n=tig sein, one welche er nicht selig werden kan noch wil) vnd wil also selber von vns vnd vnserer lere abgeschnitten sein, das wir jme hertzlich misg=nnen – Wolan, so vermanen wir darauff nach dem ampte, darin vns Christus gesetzt hat, jederman, vnsere Schefflein vnd auch seine, vnsere liebe nachbarn vnnd mitglidmassen in Christo, man

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I Tim 1,15. Eph 2,8f. 89 lügenhafte Vorspiegelungen, falschen Schein. Vgl. Art. blau 1), in: DWb 2, 81f; Art. Dunst 4), in: DWb 2, 1561f 90 abbringen, abdrängen, forttreiben. 91 nach dem Verstande recht assumiert = sinngemäß zutreffend zusammengefasst. 92 Vgl Art. Wehethun, Nr. 3, in: Wander, Bd. 4, Sp. 1863: Es thut wehe, wenn man auff dem Schienbein scherffet; Nr. 15, in: Wander, Bd. 4, Sp. 1864: Das thut weher als auffm Schienbein schürffen. 88

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wolle im einfeltigen wege der G=ttlichen warheit bleiben, wie wir bisher aus Gottes gnaden viel jar, nachdem das Euangelium in diesen Landen angezFndet, gewesen vnd blieben sein. Vnd weil offentlich am tage, das dieser schreier des Bapsts zungen vnd sprachen seinem meister nach widerumb fFret, ob ers gleich nicht wil wort haben, Gesetz vnd Euangelium, werck [C 2v:] vnd glauben ineinander menget, die gewissen verwickelt, Christo ein schandleplein93 menschlicher werck anhenget, dem gewissen den trost allein an Christum stielet, vnn=tige gezenck erreget, seine zungen zu lestern vnd zu zerrFttung, nicht zu erbawung anlegt, das man, so lang vnd so ferne er in solchem furnemen bleibet vnd verharret, sich fur jme fleißig fursehen vnd hFten wolle, angesehen,94 wo man sich so wird fFren lassen, das man drFber vmb die reine warheit des Euangelij, vmb das gute gewissen vnd was mehr folget, komen m=chte. Vermanen auch zu eim ernstlichen gebete, das Gott dem Teuffel, der jtzt los gehet, weren, steuren vnd inhalt thun wolte, denn ers gar wFnderlich vnd auff mancherley weyse vnd wege diese fFnff jar daher suchet. Er ist auch dem Vaterlande Lutheri heiliger gedechtnis sonderlich feind, drumb muste ein Grylle daselbst dem Euangelio zu h=chsten schaden vnnd vnehrn das Gesetz auffs Rathaus weisen. Aber Gott sties jn aus dem Vaterlande.95 Nun kumpt ein ander Grickel oder Feltheyme,96 machts nicht viel besser, gibt dem Gesetze gar zu uiel, mengets vnter die seligkeit, das one das Gesetz die seligkeit niemand haben k=nne. Wolan, Gott wirds mit deme nach seinem wolgefallen auch wol machen vnd mit dem Geiste seines mundes allen Antichristischen geistern wehren.97 Wir zwar sein nicht willens, mit dem rhumsichtigen98 Maioristischen schreier vnnd die seines [C 3r:] schlages99 sein, viel zu kempffen, wil man nicht

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Schand-Läpplein: als Schandlappen bezeichnete man ursprünglich einen Stoffstreifen, den Prostituierte an der Kleidung tragen mussten, im übertragenen Sinne meint „jemandem einen Schandlappen anhängen“ soviel wie „jemandem die Ehre abschneiden, seinen Ruf ruinieren“. Vgl. Art. Schandlappe, in: DWb 14, 2149; unten bei Anm. 106. 94 angesichts dessen, (dass man) ... 95 Anspielung auf Johann Agricola aus Eisleben, der inzwischen Hofprediger bei Kurfürst Joachim II. von Brandenburg war. Gegen ihn wandte sich Luther im (zweiten) Antinomistischen Streit ab 1537. Vgl. WA 50, 461–466; zur Formulierung WA 50, 468,4–8: „Jch halt wol, das euch nu langest zukomen sind die Disputationes wider die newen geister, so das Gesetz Gottes oder zehen gebot aus der kirchen zu stossen und auffs Rathaus zu weisen sich unterstanden haben ...“ (Wider die Antinomer, 1539). 96 Nun kommt ein zweiter Agricola, nämlich Stephan Agricola d. J. Zur Bezeichnung Grickel Interim bzw. Grickel Eisleben für Johann Agricola vgl. unsere Ausgabe Bd. 1, 563,11; 626,14; 882,14; 887,1; Bd. 2, 918,16. Grickel ist offenbar zugleich ein Synonym für Grille (vgl. Art. gricken, in: DWb 9, 249f), ebenso Feldheimchen (gryllus campestris; vgl. Art. Feldheime, in: DWb 3, 1484). 97 Vgl. II Thess 2,8. 98 ruhmsüchtigen, ehrgeizigen, hochmütigen. Vgl. Art. ruhmsüchtig, in: DWb 14, 1455f. 99 seines schlages = von seiner Art. Vgl. Art. Schlag III.5.b), in: DWb 15, 329.

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h=ren, wie die aspides, dauon der Psalm saget,100 so fare man imer hin; weme nicht zu raten sthet, dem ist nicht zu helffen.101 So uiel vns Gott gnade vnd geistes verleihen wird, wollen wir den praestigijs vnd Papistischen, ergerlichen, schedlichen zungen widersprechen vnd einfeltig den weg der warheit aus Gottes wort vnsern Schefflein furtragen vnd des Gesetzes, ob Gott wil, nicht vergessen, an seinem ort die sFnde anzuzeigen vnd den gehorsam, so Gott fodert, zu weisen. Aber in der seligkeit sol der Esel hunden102 bleiben vnd Jsaac nur zum Opffer gefFret werden,103 Moses sol in der wFsten sterben, Josua sol ins gelobde land ziehen.104 Jn der Himelfahrt oder im Triumph Christi sol das Gesetz nicht loßgehen, sondern ans Creutz gehefftet vnd gefangen genomen sein.105 Es ist ein mechtig, b=se vnnd gifftig ding in den newen lerern, das sie fein zu besch=nung jrer sachen mit den Papisten schreien, man striete ob gute werck n=tig sind. Dauon ist aber nicht der kampff, denn solches hat kein Christ widerfochten. Gute werck sind n=tig, das ist gewislich war. Sonder von dem anhang vnd klebelappen106 hebet sich der streit: ZVR SELIGKEIT. Da sagen alle GottfFrchtigen von, das es ein schedlicher, ergerlicher, verdamlicher, Papistischer anhang sey. Vnd ist auch nicht eine geringe calumnia, das etliche verkerte leute wollen sophisticirn, man mache aus den guten wercken nur Adiaphora. [C 3v:] Lieber Gott, were dem Teuffel vnd lasse den heiligen Geist im hertzen regieren. Wir bezeugen fur Gott vnd der gantzen Christenheit, das wir die Augspurgische Confeßion, anno xxx. vberantwortet, vnd die schrifften, so damit vbereinstimmen, annemen vnd dauon, ob Gott wil, nicht weichen wollen. Halten auch dafur, das die newen paradoxa nicht damit vbereinkommen. Bitten auch den Christlichen leser, wolle107 vnser voriges bedencken vnd protestation108 ansehen vnd bewegen vnd zu dieser schrifft thun. Denn wir hie nicht die vrsachen furnemlich widerholen, worumb die newen lere nicht annemlich, sondern einem kFnen lesterer kFrtzlich antworten. Solches schreiben thun wir aus hoher notturfft, weil der Teuffel in vnsern Kirchen lermen109 anrichten wil, das die einfeltigen bericht vnd vermanet 100

Vgl. Ps 58,5 [Ps 57,5 Vg(LXX)]. Sprichwort. Vgl. Art. Rathen, Nr. 4, in: Wander, Bd. 3, Sp. 1484: Der jm nit rathen lasst, dem ist auch nit zu helffen. 102 (hie) unten. Vgl. Art. hunten, in: DWb 10, 1953. 103 Vgl. Gen 22,5. 104 Vgl. Dtn 34,1– 9. 105 Vgl. Kol 2,14. 106 Klebelappen = ein mit Leim bestrichener Lappen, womöglich mit einem beleidigenden Text od. einer Karikatur versehen, den man jemandem ohne dessen Wissen auf dem Rückenteil seiner Bekleidung befestigte. Vgl. Art. Klebeläppchen 1), in: DWb 11, 1043; ferner die Redensart „jemandem etwas anhängen“; auch oben Anm. 93. 107 Vmtl. ist vor „wolle“ ein „er“ ausgefallen, ansonsten müsste man es als Imperativ auffassen. 108 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 6. 109 Aufruhr. Vgl. Art. Lärmen 4), in: DWb 12, 203f. 101

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werden, darnach die halstarrigen auch ein widersprechen haben, damit zeugnus genugsam verhanden sey, das sie auch vermanet sein. Wil nu jemands druber fortfaren vnd solche Orenkrawer110 sich verfFren lassen, wie sol man jm denn thun. Wollen auch hiemit vnser zeugnis bey der gantzen Christenheit nidergelegt haben vnd, wo es von n=ten sein wird, weitere erklerung thun. Verhoffen, ein Oberkeit werde das jhre auch darzu thun, wie sie schuldig, damit dem irthumb vnd ergernis bey zeit werde geweret.

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[C 4r:] Subscriptio. Die Prediger inn der Herrschaft Mansfelt, welche sich dem vorigen bedencken vnterschrieben haben.111

Gedruckt zu Magdeburgk bey Michael Lotther. Anno 1553.

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Schmeichler. Vgl. Art. Ohrenkrauer, in: DWb 13, 1256f. Vgl. unsere Ausgabe Nr. 6 (Bedenken der Mansfelder Prediger).

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Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: 280.8 Theol.(13)

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Acta oder hand= lungen des L=blichen Synodi / in der Stad zu Eisleben / in der Graff vnd Herschafft Mansfelt / den xiij. Frebru. des Jars / 1554 versamlet / wi= der etliche falsche Leren / darin= nen verdammet.

Zu den handschriftlichen Notizen von Johannes Wigand vgl. unten S. 358, Anm. 5.

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Nr. 9: Synodalprotokoll Eisleben (1554) – Einleitung

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Einleitung 1. Historische Einleitung

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Nach der Entlassung Majors als Superintendent durch Graf Albrecht VII. von Mansfeld-Hinterort beruhigte sich die Lage offenbar nicht. Vielmehr rumorte es weiter unter Pfarrern und Gemeinden, denn einzelne Prediger lehrten im Sinne Majors, und ihre Kollegen stellten eine wachsende Verunsicherung in den Gemeinden fest. Die Heilsgewissheit, die das Evangelium von der Gnade Gottes allein durch den Glauben an Christus verhieß, wurde brüchig. Anscheinend machten Seelsorger die Erfahrung, dass Sterbende sich wieder, wie vormals unter dem Papsttum, darum sorgten, ob sie hinreichend gute Werke vorzuweisen hätten, um in den Himmel zu gelangen. Damit war der Kern der reformatorischen Botschaft gefährdet, und das musste zu Abwehrreaktionen und Gegenmaßnahmen führen. Zur Beilegung der Streitigkeiten unter der Theologen ihrer Herrschaft beriefen die Mansfelder Grafen für Dienstag, den 13. Februar 1554 eine Synode aller Theologen der Grafschaft nach Eisleben ein. Den Vorsitz führte der erst im Herbst 1553 berufene Superintendent der Grafschaft, Erasmus Sarcerius.1 Der hier edierte Druck, der zeitnah erschien,2 gibt weniger den Verlauf als vielmehr das Ergebnis der Verhandlungen wieder. Er nennt die Anhänger Majors nicht mit Namen, doch wird man nicht fehlgehen, die engagiertesten Vertreter der majoristischen Position unter denjenigen zu suchen, die schließlich als Folge der Verhandlungen aus dem Dienst entlassen wurden: außer Stephan Agricola d. J. waren dies der Eislebener Rektor Magister Moritz He-

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Erasmus Sarcerius, geboren am 19. April 1501 in Annaberg, verbrachte ab 1513 Lehr- und Wanderjahre in Freiberg, Erfurt, Leipzig, Wittenberg, Lübeck, Nürnberg, Augsburg, Basel, Wien, Graz und Rostock. 1531 wurde er Konrektor am Katharinengymnasium in Lübeck, im Juni 1536 Rektor der neu gegründeten Lateinschule in Siegen, schon am 31. August 1537 wurde er von Graf Wilhelm dem Reichen von Nassau zum Hofprediger und Superintendenten in Dillenburg berufen. In dieser Eigenschaft nahm er auch an Visitationen in den Grafschaften Wied und Hanau-Lichtenberg teil. 1546 verfasste Sarcerius zusammen mit dem Weilburger Superintendenten Kaspar Goltwurm eine Kirchenordnung für Nassau-Dillenburg und Nassau-Weilburg, die jedoch wegen des Interims nicht zur Einführung kam. Wegen des Interims musste Sarcerius Nassau verlassen und wurde nach Aufenthalt in Annaberg 1549 Pfarrer an St. Thomas in Leipzig. 1553 –1559 wirkte Sarcerius als Superintendent der Grafschaft Mansfeld, ehe er als Nachfolger Johann Wigands nach Magdeburg berufen wurde, wo er am 28. November 1559 starb (vgl. Heinz Scheible, Art. Sarcerius, in: RGG4 7 (2004), 837; Reinhard Tenberg, Art. Sarcerius, in: BBKL 8 (1994), 1361–1363; Berndorff, Prediger der Gft. Mansfeld 58– 64, 150–169 und öfter). Richter meint, er sei „wohl einer der bedeutendsten Theologen und Kirchenmänner der Reformationszeit“ gewesen. „Sarcerius war nicht nur ein gewandter, aber dennoch prinzipienfester Kirchenmann, sondern auch ein ungemein produktiver Verfasser exegetischer und theologischer Werke.“ (Gesetz und Heil 110f mit Anm. 117). 2 Das Kolophon nennt den 4. April 1554, den Mittwoch nach Quasimodogeniti, als Abschlusstermin für den Satz, gut sieben Wochen nach der Synode.

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Nr. 9: Synodalprotokoll Eisleben (1554) – Einleitung

ling,3 der Konrektor Caspar Cruciger d. J.4 und der Lehrer Sebald Cäsar.5 Agricola und wohl auch seine Mitstreiter waren immerhin bereit, in Predigt und Unterricht auf die umstrittenen Formulierungen („Gute Werke sind notwendig zur Seligkeit“ – „Niemand kann selig werden, der nicht gute Werke tut“) zu verzichten, die Thesen ausdrücklich zu verwerfen weigerten sie sich jedoch und mussten deshalb ihre Ämter aufgeben.

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2. Die Autoren Aus dem Text geht nicht eindeutig hervor, wer den Bericht über die Synode der Grafschaft Mansfeld in Eisleben verfasst hat. Man könnte an den Superintendenten Erasmus Sarcerius6 denken. Eine Formulierung auf Blatt A 4r hingegen deutet auf die Verfasser der beiden oben unter Nr. 6 und Nr. 8 abgedruckten Texte hin, denn dort ist von „vnserer vorigen Schrifft / in druck 3

Heling (Heiling, Hellinger) wurde am 21. September 1522 in Friedland (Preußen) aus verarmter adeliger Familie geboren, 1542 immatrikulierte er sich in Frankfurt/Oder, am 06.10.1543 in Wittenberg, wo er auch am 18. September 1548 den Magistergrad erwarb. Zuvor hatte er in den Jahren 1545 –1547 auf Empfehlung seines Lehrers Melanchthon als Unterlehrer in Halle gewirkt. Auf dessen Empfehlung wurde er auch am 12. März 1551 Rektor in Eisleben, nachdem dort der gesamte Lehrkörper und ein nicht geringer Teil der Schüler und der Einwohnerschaft von der Pest dahingerafft worden waren. Hier verheiratete er sich in erster Ehe mit Eva Hüpscher, geb. Koler. Nach seiner Entlassung in Eisleben ging Heling zunächst nach Wittenberg. Gegen Ende des Jahres 1555 wurde er zum Prediger an St. Sebald in Nürnberg berufen, verbunden mit dem Superintendentenamt. Am 2. März 1575 wurde er als Philippist teilweise amtsenthoben, blieb aber Titularsuperintendent und Städtischer Bücherzensor. Er machte sich um die Gründung der Universität Altdorf verdient und starb am 2. Oktober 1595 in Nürnberg. Aus drei Ehen hatte er 20 Kinder, von denen jedoch zehn vor ihm starben. (Vgl. Otto Clemen, Kleine Schriften zur Reformationsgeschichte 6, 317–326; Matthias Simon, Nürnbergisches Pfarrerbuch. Die evangelisch-lutherische Geistlichkeit der Reichsstadt Nürnberg und ihres Gebietes 1524 –1806, 90 [Nr. 508]; Heinz Scheible, MBW 12, 260f). 4 Er wurde am 19. März 1525 in Wittenberg als Sohn Caspar Crucigers d. Ä. und seiner Ehefrau Elisabeth v. Meseritz geboren. Schon als Kind wurde er an der Leucorea immatrikuliert. Im August 1551 wurde er Konrektor in Eisleben. Nach seiner Entlassung empfahl ihn Melanchthon dem Rektor der Meißener Fürstenschule Georg Fabricius. Am 27. Februar 1556 erwarb Cruciger in Wittenberg den Magistergrad, 1557 wurde er Professor für Dichtkunst, 1561 Theologieprofessor. Am 15. Mai 1574 wurde er als Kryptocalvinist (Philippist) inhaftiert, 1576 aus Sachsen ausgewiesen. Er fand zunächst Zuflucht bei Graf Wilhelm von Nassau in Dillenburg, 1578 wurde er in Kassel Geistlicher Rat des Landgrafen Wilhelm IV. von Hessen und Erzieher des jungen Landgrafen Moritz. Am 16. April 1597 starb er in Kassel. (Angaben nach Heinz Scheible, MBW 11, 322f). 5 Am 6. April 1548 wurde er als Sebaldus Keser Noribergensis in Wittenberg immatrikuliert, am 31. Juli 1554 wurde er zum Magister artium promoviert. (Angabe nach Otto Clemen, Kleine Schriften zur Reformationsgeschichte 6, 320, mit Anm. 2). – Die Entlassung Agricolas und Helings vermerkt auch Wigand auf seinem Exemplar des Druckes [HAB: 280.8 Theol.(13)]: „In hac Synodo Islebiensi est definitum, de dimissione vel eiectione Stephani Agricolae, et Mauricij Hollingeri, quorum prior Mersburgi postea pastor effectus est, verum cum se Sidonio Episcopo eius loci familiariter adiungeret, et Senatores ac ciuitatem proderet, est et ibi sequestratus. Mauricius vero Norbergam venit, ad D(ivum) Sebaldum et partem Superattendenture accepit. Euentum Deus reget. Sic Maioristas Wittenbergenses euexerunt. [Späterer Zusatz:] Anno 1561. Stephanus prorsus ad Papistas defecit, ac Romis egit poenitentiam.“ 6 Zu ihm vgl. oben Anm. 1.

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ausgangen“ die Rede; allerdings könnte dies auch schlicht Ausdruck der geistigen Identifikation mit dem Unterzeichnerkreis, seinem theologischen Standpunkt und seinen Zielen sein. 3. Inhalt 5

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Die Schrift besteht im wesentlichen aus zwei Teilen: Zunächst wird die Synode zu Eisleben knapp nach Anlass und Verlauf, vor allem aber hinsichtlich ihrer Ergebnisse referiert und sämtliche Unterschriften mit abgedruckt. In einem zweiten Teil werden Belegstellen aus Luthers Schriften zur Untermauerung der Mehrheitsmeinung zitiert. Hier wird deutlich, dass Luthers Autorität für seine Anhänger auch acht Jahre nach seinem Tod unverzichtbar und unersetzlich blieb.7 4. Ausgaben Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe:

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A: Acta oder hand= || lungen des L=blichen Synodi / in || der Stad zu Eisleben / in der Graff || vnd Herrschafft Mansfelt / den xiij. || Frebru. [!] des Jars / 1554. versamlet / wi= || der etliche falsche Leren / darin= || nen verdammet. [Im Kolophon: Gedruckt zu Eisleben / durch Jacob || Berwalt. Anno / 1554. Den vierden || tag Aprilis.] [20 Bl. 4°, letzte Seite leer] (VD 16 A 151). Vorhanden: BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: Dm 1330 R GOTHA, Forschungsbibliothek: Theol.4 681(3) HALLE, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: Xa 2983,QK/I; Xa 2983,QK/II(1) JENA, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 8 Ms 24 985 (21) LUTHERSTADT WITTENBERG, Bibliothek des Lutherhauses: Ag 4 289t; Kn A 299/2114 LUTHERSTADT WITTENBERG, Evangelisches Predigerseminar: LC464/4 MÜNCHEN, Bayerische Staatsbibliothek: 4 H.ref. 565#Beibd. 3; Res/4 H.ref. 805,30 Wien, Österreichische Nationalbibliothek: 20.Dd.471 7 Zunächst stand als Gesamtausgabe nur die Wittenberger Ausgabe zur Verfügung; da man aber argwöhnte, es könne zu Ungenauigkeiten oder gar absichtlichen nachträglichen Verfälschungen kommen (vgl. Amsdorfs Vorwürfe VD 16 L 4281: Das die zu Witten= || berg im andern teil der bucher Doc= || toris Martini im buch das diese wort || Christi (Das ist mein leib etc.) noch fest ste= | hen / mehr denn ein blat vier gantzer Pa= || ragraphos vorsetzlich außgelas= || sen haben wie folget. [Magdeburg: Lotter] 1549.), wurde die Jenaer Ausgabe initiiert, die ab 1555 erschien, betreut von Georg Rörer und bevorwortet von Nikolaus von Amsdorf.

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WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 106.1 Quod.(2); 280.8 Theol.(13); J 178.4 Helmst.(7); J 188.4 Helmst.(7); K 60.4 Helmst.(2) [benutztes Exemplar]8 ZWICKAU, Ratsschulbibliothek: 8.6.5.(6)

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Köhler II-190 (Nr. 377).

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[A 2r:] An den Christlichen vnd gFtigen Leser. Christlicher vnd GFtiger Leser, wir zweiffeln nicht, das dir wol wird fFrkomen1 sein, wie das in der alten vnd l=blichen Graffschafft Mansfelt sich ein widerwillen vnd zwispalt zugetragen hat zwischen den Predigern vnd Kirchendienern von wegen zweier reden, in dieser Landen Kirchen vngew=nlich vnd vngebreuchlich sind2 der zeit des reinen Euangelij, welches rechten verstand vns Gott widerumb durch den wirdigen Herrn Doctorem Lutherum (seliger gedechtnis) aus sonderlichen gnaden zugestellet hat. DafFr wir auch Gott dancken, jn loben vnd preisen. Vnd sein3 das die reden gewesen: „Gute werck sein n=tig zur Seligkeit.“ Vnd „es ist nicht mFglich, das man one gute werck k=nne selig werden.“ Solche reden haben hernach auch andere disputationes erregt von der Causa, so die Philosophi nennen causam sine qua non. Jtem, das gute wercke auch fFr4 dem glauben sein k=nnen. Vnd dieweil denn solche reden vnd disputationes von den Papisten vnd Schulschreibern5 alzeit in diesem verstande6 sein gebraucht worden vnd noch,7 als solten gute wercke wirckliche vrsachen der vergebung der SFnden, der Gerechtigkeit, Seligkeit vnd des ewigen Lebens sein, vnd wie sie sonst reden partiales et meritoriae causae, mitheilige vnd verdienliche vrsachen gemelter schetze. Vnd das auch weiter die Papisten gemelte re-[A 2v:]den vnd disputationes zu nichts anders gebrauchet vnd noch gebrauchen, denn zu vnterdrFckung der reinen Lere in vnsern Kirchen, also lautende, das wir allein durch den glauben an Jhesum Christum fFr Gott gerecht, selig vnd from werden, aus lauterer gnad vnd barmhertzigkeit Gottes, one zuthuen vnserer wercke vnd verdienste. Jtem, das erzelte reden vnd disputationes in der Schrifft nirgend befunden werden. Derhalben gefahrlich, solcher reden vnd disputationes on Schrifft zu gebrauchen. Jtem, das die Causa sine qua non ein gantze Philosophische Lere ist, in der Kirchen vnerh=ret vnd in wenig Jaren durch etliche Philosophische Jngenia eingefFret, zu bestetigen diese Gottlose meinung, als solte der glaube vnd gute werck zusamen vrsachen der Gerechtigkeit vnd Seligkeit sein vnd diese schetze wircken. Jtem, das die Lere von guten wercken fFr dem glauben den sprFchen in der Schrifft zuwider ist. Zuna R=m. am 14.: „Alles, was one den glauben geschicht,

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cj.: Zum.

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zu Ohren gekommen, zur Kenntnis gelangt. Vgl. Art. fürkommen 7), in: DWb 4, 759. seit. Vgl. Art. sinde, in: DWb 16, 1065. sind. vor. Theologische Autoren der Scholastik. Sinn, Verständnis, Auffassung. ergänze: (gebraucht) werden.

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das ist SFnde.“8 Jtem zun Ebre. am 11.: „Es ist nicht mFglich, das man Gott one den glauben gefalle.“9 Jtem, das der wirdige Herr Doctor Luther seliger offt gemelte reden mit der Causa sine qua non nicht gebrauchet hat, sondern dawider zum offtermal sehr hefftig disputiret, dieselbige widerleget vnd verworffen. Jtem, das vnsere Kirchen solche reden von guten wercken mit der Causa sine qua non allzeit geschewet10 vnd geflohen, welche, so sie widerumb ein[A 3r:]reissen solten, wFrden sich viel Leute daran ergern vnd dafFr halten, man wolle nach Papistischer weise gute wercke widerumb zu wircklichen vrsachen machen der Gerechtigkeit vnd Seligkeit. Jtem, das die Lere von guten wercken zur Seligkeit Gottes allmechtigkeit verleugnet. Denn ist Gott an gute werck also gebunden als ad secundas causas, das ist: an eusserliche mittel vnd wege, das er die Seligkeit on die selbige nicht kan wircken, so wil folgen, das Gott allein mechtig vnd nicht Allmechtig ist. Wie denn diese wort vnsers Gegenteils mit sich bringen: „Es ist nicht mFglich, das man one gute werck k=nne selig werden. Jtem, es ist nie kein Mensch one gute werck selig worden.“ Jtem, das es nicht mFglich ist, das der gemeine Man diese reden anders verstehen kan (Gute werck sein n=tig zur Seligkeit. Es ist nicht mFglich, das man one gute werck k=nne selig werden. Jtem, gute werck vnd glauben zusamen machen selig. Jtem, es k=nnen auch gute werck fFr dem glauben sein), denn das gute wercke wirckliche mitheilige vnd verdienliche vrsachen sein der Gerechtigkeit vnd Seligkeit. Wie wir denn solchen verstand bereit von vielen Leuten in der Beicht vnd in todesn=ten erfaren haben. Vnd darneben auch sonst geh=rt, das Leute geklaget, weil eben diese reden zuuor der Witzel11 gefFret vnd gebrauchet, warumb denn jm etliche von den vnsern dazumal auch mit D. Martino vnd andern so hefftig widerstrebet, jn fFr einen Ketzer vnd falschen Lerer gescholten, dieweil man sie jetzund selbs widerumb herfFr zeuhet12 vnd fFr recht helt. [A 3v:] Jtem, dieweil niemand sagt in vnsern Kirchen, Gute werck sein n=tig zur vergebung der sFnden Oder zur gerechtigkeit, drumb auch niemand sagen 8

Röm 14,23. Hebr 11,6. 10 gescheut. 11 Vgl. Pro defensione bonorum operum, adversus novos Evangelistas, auctore Agricola Phago [= Georg Witzel; agricola > γεωργός > Georg; Phagus > aus/in Vacha], Leipzig 1532 (VD 16 W 4003); Georg Witzel, Confutatio calumniosissimae responsionis Justi Jonae, id est Jodoci Kocki, una cum assertione bonorum operum, Leipzig 1533 (VD 16 W 3901). Witzel hatte von 1531 (?) bis Sommer 1533 in seiner Heimatstadt Vacha Zuflucht gefunden, dann drängte Landgraf Philipp, er solle zum Protestantismus zurückkehren oder die Stadt verlassen. Da kam es Witzel gelegen, dass der altgläubige Graf Hoyer von Mansfeld ihn nach Eisleben als Prediger an St. Andreas berief. Insofern war man in der Grafschaft Mansfeld über Witzels Ansichten aus erster Hand informiert. Vgl. allg. Bäumer, Witzel; zur Fehde zwischen Witzel und Jonas vgl. Clemen, Kleine Schriften zur Reformationsgeschichte 4, 436– 456. 12 zeucht, zieht. 9

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sol, gute werck sein n=tig zur Seligkeit. Denn man ja vergebung der sFnde, die gerechtigkeit, seligkeit vnd ewiges leben nicht sol scheiden? Jtem, zu verhFten die verzweifflung, so da erfolget auff nu sehr offtgedachte reden von den guten wercken, von der Causa sine qua non vnd von den guten wercken fFr dem glauben. Denn hierinnen kein richtiger weg ist zu der verzweifflung, denn das man die Leute auff gute wercke fFre dergestalt, wie die wort offt gedachter reden vnd disputationen mit sich bringen. Denn da wird Gottes verheissung vngewis, zun R=m. am 4.13 Die wolthaten des leidens vnd sterbens Christi worden zu nichte gemacht. „Denn ist die gerechtigkeit aus dem Gesetze, so ist Christus vergeblich gestorben,“14 zun Galat. am 2. Vnd mFssen die Leute verzweiffeln, wenn sie an die sprFche der Schrifft gedencken von der vnreinigkeit vnd vnuolkomenheit vnserer wercke, als da sein diese vnd dergleichen: „Wenn jr alles gethan, was jr habt thun sollen, so sprecht: Jr seid vnnFtze knechte.“15 Jtem, „alle vnsere gerechtigkeiten sein wie ein vnrein tuch.“16 Jtem, „nicht in den wercken der Gerechtigkeit, die wir gethan haben, sondern nach seiner barmhertzigkeit hat er vns selig gemacht.“17 Denn aus solchen SprFchen der Schrifft argumentiren vnd schliessen die gewissen in todesn=ten vnd andern anfechtungen also: „Gute wercke sein n=tig zur [A 4r:] Seligkeit. Vnd es ist nicht mFglich, das man one gute wercke k=nne selig werden. Meiner guten wercke aber, der sein erstlich sehr wenig vnd meiner SFnden viel mehr. Vber das, so sein sie vnrein vnd vnuolkomen, vnd Gott aber fordert in seinem Gesetze einen volkomen gehorsam, vnd das nach der Schrifft: ‚Verfluchet sey ein jederman, der nicht alles helt, was im Gesetze geschrieben stehet.‘18 Drumb vermFgen wir nicht selig zu werden. Denn Gott wird ja niemand die Seligkeit geben vmb seiner geringen vnreinen vnd vnuolkomen wercke willen?“ Jtem in ansehung vieler anderer vrsachen mehr, die wir in vnserer vorigen Schrifft, in druck ausgangen,19 erzelet vnd noch viel mehr zu erzelen wFsten. Hieraus endlich sein wir andern Pastores vnd Seelsorger in dieser l=blichen Graffschafft bewogenb worden, wider etliche (doch sehr wenige, so erzeltec reden vnd disputationes erregt vnd geFbt) mit predigten vnd schrifften vns auffzulegen.20 Denn wir hierinnen nicht allein der wort halben vns haben zu beschweren gehabt, sondern auch der dinge an sich selbst, damit wir die

b c 13 14 15 16 17 18 19 20

cj.: bewoge [am Zeilenende, vgl. die folgende Anm.]. cj.: erzeltē [am Zeilenende, vgl. die vorige Anm.]. Vgl. Röm 4,14. Gal 2,21. Vgl. Lk 17,10. Vgl. Jes 64,5 (Verszählung nach Lutherbibel 1984). Vgl. Tit 3,5. Gal 3,10. Vgl. unsere Ausgabe Nr. 6 und Nr. 8. aufzulehnen, ihnen entgegenzutreten. Vgl. Art. auflegen 7), in: DWb 1, 685.

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reine lere von den rechten vnd waren vrsachen der Gerechtigkeit vnd Seligkeit nicht verluren. Darumb wir in dieser sachen nicht allein der wort halben gezancket, sondern viel mehr von wegen der dinge selbst. Vnd ob gleich vnser Gegenteil, mit welchem wir vnsern zanck angefangen, sich etwa mFndlich vnd schrifftlich erkleret, als solten seine reden vnd disputationes von guten wercken vnd von der Causa [A 4v:] sine qua non den Papistischen verstand nicht haben, als das dieselbige wirckliche, mitheilige vnd verdienliche vrsachen der Gerechtigkeit vnd Seligkeit sein solten, so haben wir doch der wort halben mFssen in gefahr stehen,21 die22 an sich selbst falsch vnd jrrig, auff das die Papistische Lere nicht widerumb einrisse. Welche23 auch bereit viel Leute auff papistisch gefasset vnd derhalben jrre gemachet, wie wir in der Beicht bey gesunden vnd krancken erfaren Vnd hin vnd wider in den disputationibus erlernet. Da wir aber bey der reinen lere fest gehalten vnd vns wider sehr offtgedachte vngew=nliche vnd in vnsern Kirchen vngebreuchliche reden vnd disputationes aus rechtem eifer fFr die Warheit auffgelegt, sein wir von dem Gegenteil hefftig mit schmach vnd scheltworten angegriffen worden, nicht allein mit worten, sondern auch schrifftlich durch den druck fFr Ketzer vnd falsche Lerer vnd erger denn Antinomer ausgeschrien vnd ausgeschrieben, nicht one verkleinerung vnserer Personen vnd vnsers tragenden kirchenampts, das derhalben bey vielen in verdacht vnd falsch gezogen. Vnd wenn diese schmehewort priuat in geheim geblieben so wolten wir sie deste ehr vergessen. Dieweil sie aber vnserm Ampte abbrFchlich sein, haben wir von vnserm Gegenteil vmb offentliche entschFldigung gebeten vnd angesucht. Wir wolten auch vnbeschweret gewesen sein, wo vnser Gegenteil sich obgemelter reden vnd disputationes hette verzeihen24 wollen, jm mit hertzen vnd mit der that zu uerzeihen,25 was in dieser gan-[B 1r:]tzen handlung aus zornigem gemFte vnd in andere wege geschehen. Vber das alles wolten wir vns nicht gewegert haben, auch vnserm Gegenteil abzubitten, wo wir vngebFrlicher weise auch der sachen etwa zu viel gethan hetten. Welchs vns doch vnbewust, des vns auch vnsere Kirchen gnugsam zeugnis k=nnen geben. Vnd in summa, wo sich die vergleichung hette zugetragen, wir wolten vns also verhalten haben, das ein jeder hette greiffen vnd spFren mFgen, das wir zu friede vnd einigkeit geneiget, doch one verletzung der Warheit. Jndes aber haben die Wolgebornen vnd Edele Herrn, die Graffen zu Mansfelt, vnsere Gnedige Herren, als eine Christliche Oberkeit nichts vnterlassen, sich bey gelerten Leuten rathschlagsweise, der Warheit zum besten, befraget, 21

in Gefahr stehen: hier = der Gefahr widerstehen, standhalten. Vgl. Art. Gefahr II.3.d.α), in: DWb 4, 2065. 22 (Worte). 23 (Worte). 24 (sich) enthalten, davon Abstand nehmen. Vgl. Art. verzeihen B.1.b.γ), in: DWb 25, 2518. 25 vergeben. Vgl. Art. verzeihen C.2.a.β), in: DWb 25, 2530.

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wie vnd wasserley gestalt der erhabene26 zwispalt m=chte beigelegt werden. Vnd ist jren Gnaden ratlich27 gerathen, das sie diese sache in einem gemeinen Synodo solten lassen vertragen28 vnd abhandeln.29 Jst derwegen ein Synodus den nechsten dinstag nach Jnuocauit dieses Jars 1554, welcher war der 13. Februarij, zu Eisleben angestelt worden, darinnen fast alle vnserer Gnedige Herren zu Mansfelt Pastores vnd Kirchendiener erschienen. Vnd sein also beide teil in beiwesen der Gestrengen, Ehrnuesten, Hochgelerten vnd Erbaren Rethe vnd Befehlhaber vnser Gnedigen Herren nach der lenge vnd gnugsam verh=ret worden. Vnd hat sich also aus beider teile vortra-[B 1v:]gen befunden, das diejenige, so droben gemelte reden vnd disputationes angefochten, gnugsam vnd rechtmessige vrsachen jres anfechtens gehabt. Vnd widerumb, das der Gegenteil (er wende zu der entschFldigung fFr, was er wil) zu gegenwertiger vnd schedlicher zwispalt hat vrsach geben, in welchem nicht allein wir in diesen Graffschafften vnd Herrschafften vnruhig worden, sondern auch andere Lande (wie denn derselbigen Gelerten sich mFndlich vnd schrifftlich wider offtgedachte reden vnd disputationes auffgelegt haben).30 Daher vns denn in keinem wege hat gebFren wollen, das wir diese sachen in der stille solten vnangefochten haben lassen hingehen oder durch eine blinde vergleichung fallen zu lassen. Vnd nach vielen vnterhandlungen im Synodo ist vns gleichwol endlich der friede entstanden, des wir vns doch zu vnserm Gegenteil in keinem wege versehen hetten, nachdem wir doch eine sehr leidliche vergleichung haben annemen wollen, vnd hierinnen nicht das vnsere oder vnsers Gegenteils schande vnd verderben, sondern allein Gottes ehre, der verergerten Kirchen vers=nung vnd vnsers Gegenteils beste gesuchet. Vnd damit menniglich31 wisse, warauff wir die vergleichung gestellet, wollen wir derselbigen stFcke erzelen: Erstlich haben wir von vnserm Gegenteil begert, dieweil es sich h=ren lest vnd das mit Gott vnd seinem Gewissen bezeuget, das es von guten wercken nie anders geleret vnd gehalten hab, denn wie die Augspurgische Confession mit sich brin-[B 2r:]ge, vnangesehen das es offtgemelte reden vnd disputationes von guten wercken gebrauchet, so sey doch solchs in keinem andern verstande geschehen denn nach ausweisung angezogener Augspurgischen Confession Vnd das es sich nu weiter durch Mund vnd Schrifft erbiete, bey 26

der sich erhoben hat. Vgl. Art. erhaben 1), in: DWb 3, 832f. besonnen, wohl überlegt. Vgl. Art. rätlich 5), in: DWb 14, 187. 28 entscheiden, schlichten. Vgl. Art. vertragen III.2), in: DWb 15, 1934f. 29 verhandeln, erledigen. Vgl. Art. abhandeln 1), in: Fnhd. Wb. 1, 162. 30 Vgl. etwa: SENTENTIA MINI || STRORVM CHRISTI IN || Ecclesia Lubecensi, Hamburgensi, || Luneburgensi & Magdeburgensi, || de corruptelis doctrinae Iustifi- || cationis, quibus adse- || ritur, || Bona opera esse necessaria ad salutem: || Item, || Neminem unquam saluatum esse sine || bonis operibus: etc, || Impoßibile esse quenquam sine bonis || operibus saluari. || BASILEAE [Magdeburg 1553] (VD 16 S 5882; eine weitere Ausgabe VD 16 S 5883). 31 jedermann. 27

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der Lere von Guten wercken nach derselbigen Confession stets vnd fest mit Gottes hFlff zu bleiben vnd zu beharren. Zum andern, damit aller verdacht, ergernis vnd vnfried auffh=rete vnd abgeschnitten wFrde, das vnser Gegenteil verspreche vnd zusagte, das er sich offt angezogener reden vnd disputationen von Guten wercken, daher der zwispalt erwachssen, forthin enthalten w=lte vnd sich die zeit seines lebens derselbigen nicht gebrauchen, in ansehung das solche reden vnd disputationes zweiffelhafftig, papistisch, verwickelt, dunckel, ergerlich vnd an sich selbst nach den worten falsch sein, vnd die zu nichts anders dienen denn zu verdrFckung32 der reinen Lere von der Rechtfertigung der gnaden. Vnd ob man sie gleich mit glosiren vnd erkleren auff eine rechte meinung ziehen vnd deuten wil, so gelten doch die worte an sich selbst nicht mehr, denn wie sie lauten. Gleich wie die MFntze nach jrem werd gilt, wie sie geschlagen. Vnd heisset hie Vocabula ualent usu, sicut nummi.33 Vnd was ist es von n=ten, das man in der Kirchen Gottes dunckler vnd verwickelter worte gebrauche, darinnen billich alles sol geredet vnd gethan werden zur auffbawung vnd besserung der [B 2v:] Gemeine, so man doch klar, helle, eigentlich34 vnd deutlich reden kan, ergernis vnd misuerstand zu verhFten. Zum dritten hetten wir auch wol k=nnen leiden, das vnser Gegenteil folgende reden fFr recht vnd ware erkennet hette vnd mit vns geleret, welche der Schrifft gemes sein vnd mit der Veter SprFchen vbereinstimmen, als das Gute wercke n=tig sein nach der Seligkeit, zum beweis, das wir diese warhafftig durch den glauben an Jhesum Christum aus lauterer gnaden vnd barmhertzigkeit Gottes vberkomen35 haben. Jtem, das es nicht mFglich sey, das der, so durch den glauben aus gnaden ist selig worden, nicht solte gute wercke thun (voraus eusserliche), wo er anders alters halben dazu tFglich36 vnd zeit zu leben hat. Aber weitern zanck zu verhFten vnd das wir gerne friede gesehen, haben wir diese vnserm Gegenteil nicht wollen anmuten. Es sein aber solche reden von Christo selbs bestetiget, Johannis am 5. Cap., da er spricht zu dem, der da war gesund worden (on allen zweiffel nicht allein am leibe, sondern auch an der Seele): „Sihe zu, du bist gesund worden, sFndige forthin nicht mehr, das dir nicht etwas ergers widerfare.“37 Jtem, so sein diese reden gewis aus der lieben Apostel Schrifften, darinnen sie allzeit zuuor den grund legen, wie wir allein durch den glauben an Jhesum Christum fFr Gott gerecht vnd selig werden aus lauterer gnaden vnd

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Unterdrückung. Sprichwörtlich. genau. bekommen, erhalten. tauglich, imstande. Joh 5,14.

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barmhertzigkeit Gottes one zuthuen vnserer wercke. Vnd hernach fahen38 sie allerersten an, von guten wercken zu [B 3r:] leren, vnd bawen diese auff vor39 gelegten grund. Jtem, so sein gesetzte40 reden darumb gewis, das keiner kan rechte vnd gute wercke thun, die Gott angeneme vnd gefellig sein, es sey denn, das er zuuor mit Gott vers=net vnd verglichen ist durch den glauben an Jhesum Christum aus lauter gnaden. Denn wie kan der gute vnd Gott gefellige wercke thun, der noch in Gottes feindschafft stehet? Vber das, so sein die rechten vrsachen vnd wircker der guten wercke Glaube, vergebung der SFnden, Gerechtigkeit, Seligkeit, ewiges Leben (im Geiste vnd in der Hoffnung, zun R=m. am 8.)41 vnd die Newe geburt. Vnd diese dinge hengen also aneinander, das keine gute vnd Gott gefelige wercke one sie erfolgen mFgen. Derhalben auch der heilige Augustinus recht schreibet: „Bona opera non praecedunt iustificandum, sed sequuntur iustificatum.42 – Gute werck gehen nicht fFrher fFr dem, der allerersten noch sol gerechtfertiget werden, sondern sie folgen dem, der da bereit gerecht ist.“ Jtem: „Quomodo potest quis iusta operari, qui nondum iustus est? Quomodo sancta, qui nondum sanctus est? Quomodo omnino uiua opera, qui nondum uiuus est?43 – Wie kan einer gerechte werck thun, der noch nicht gerecht ist? Wie kan er heilige werck wircken, der noch nicht heilig ist? Ja wie kan der gentzlich lebendige werck vben, der noch nicht lebet?“ Auff solches erbieten vnsers Gegenteils weren wir ander Pastores vnd Seelsorger zufriden gewesen vnd hetten vns an demselbigen bezeugen fFr Gott nach Christlicher Liebe, die nichts ar-[B 3v:]ges dencket,44 begnFgen lassen Vnd vns auch getr=stet, die liebe Christliche Kirche vnd andere Gelerten, die mit vns offterzelte reden vnd disputationes angefochten, wFrden sich an solcher vergleichung auch haben gnFgen lassen. Denn wir hieneben wolten protestiret45 haben, so gleich etwas in dieser vergleichung were vnterlassen worden, das wir der Warheit hiemit nichts wolten begeben haben. Wir wolten auch zum vberflus vmb friedens willen mit vnserm Gegenteil gerne durch den druck offentlich gebeten haben, wo sich jemand an solchem zwispalt geergert, das er solch ergernis wolte faren lassen vnd betrachten, das wir, das eine Teil, so sich wider offtgemelte reden vnd disputationes, in vnsern Kirchen vngewonlich vnd vngebreuchlich, auffgelegt hat, dis der warheit zum besten nicht hette vmbgehen k=nnen, vnd dem andern teil gestattet haben, seine sachen zum fFglichsten vnd glimpflichsten fFr der Kir38 39 40 41 42 43 44 45

fangen. zuvor. die genannten, angeführten. Vgl. Röm 8,4.10f.13 –17.23–27. Vgl. Augustin, De fide et operibus liber unus, XIV (21) [PL 40, 211; CSEL 41, 62, 3f]. Wo? Vgl. I Kor 13,5 (Vg); Sach 7,10; 8,17. feierlich be(ur)kundet.

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chen abzulegen, mit bekentnis, das es zu solchem zwispalt vnbedacht hette vrsach geben, das jm denn trewlich leid, wiewol es die sach nicht so vbel gemeinet, wie sie hernach gerathen, mit bitte, nach dem auch ein wort das ander verursachet,46 das etliche hefftige wort mFndlich vnd schrifftlich gefallen, das man dieselbigen zum besten deuten vnd auslegen wolle, denn sie also nicht gemeinet, das sie jemand an ehr vnd glimff nachteilig sein sollen. Dieweil denn aber keine vergleichunge sich hier [B 4r:] auff hat wollen zutragen, haben wir andern, im Synodo versamlet, der Warheit zum besten, verdacht vnd ergernis zu verhFten vnd andere in der standhafftigkeit bey der reinen Lere zu befestigen, gleichwol diese reden vnd disputationes verdammen vnd verwerffen wollen. Nemlich das gute werck notig sein zur Seligkeit. Jtem, das es nicht mFglich sey, das man one gute wercke k=nne selig werden. Desgleichen auch die Causam sine qua non, wenn man sie wil zu der Gerechtfertigung ziehen. Vnd das gute wercke auch fFr dem glauben sein k=nnen. Denn ob gleich die erkentnis vnd bekentnis der SFnden, rew vnd leid vnd der gleichen dinge zugleich da sein, so sein sie doch nicht rechte vnd Gott gefellige wercke one den glauben. Daher denn auch der vnterscheid entstehet zwischen der Knechtlichen vnd Kindlichen furcht47 vnd zwischen derer beider furchten wercke. Vnd vornemlich darumb, das solche reden vnd disputationes zweiffelhafftig, papistisch, verwirret, dunckel, ergerlich vnd nach den worten in diesem verstande, wie sie etliche von vnserm Gegenteil fFren, falsch sein vnd weiter zu nichts anders dienen denn zu verdrFckung der reinen Lere von der Rechtfertigung der gnaden. Jtem das wir hiemit zu verstehen geben, das wir mit den andern, so solche reden vnd disputationes verteidigen, schFtzen vnd schirmen, keine gemeinschaft haben. Mit freundlicher bitt, das von vns solch verdammen niemand [B 4v:] wolle fFr vngut auffnemen, das wir richtig, klerlich vnd deudlich hierinnen vnser gemFt vnd bekentnis dargeben. Denn wir es fFr Gott vnd vnserm Gewissen nicht besser verstehen. Doch bekennen wir nach der heiligen Schrifft vnd Augspurgischen Confession, das gute wercke n=tig sein zu vielen herlichen dingen vnd nFtzen in denen, die alters vnd lebens halben wircken k=nnen, denn kleine, vnmFndige Kinder vnd alte Leute, so in todtes n=ten liegen vnd mit schnellem Tod vbereilet, vnd also denen der weg verkFrtzet wird, gute wercke (voraus eusserliche) zu thuen nicht vermFgen. Also sein gute wercke nFtze, vnd das sie zeugen sollen von einem lebendigen, rechten, waren, krefftigen, wircklichen vnd thetigen glauben. Jtem, von der vergebung der sFnden, der gerechtigkeit, seligkeit vnd vom ewigen Leben, durch den glauben erlanget. Jtem, von einem newen Leben. Jtem dienen gute wercke zu Gottes ehre vnd preis. Daher wir pflentzlin Gottes genennet

46 47

Vgl. sprichwörtlich: Ein Wort gibt das andere. Vgl. Röm 8,15.

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werden, jn zu loben vnd zu preisen.48 Jtem, das wir dadurch Gott dancken fFr seine wolthaten, an vns gewendet. Jtem, das wir durch gute wercke andern Leuten zu einem newen leben anreitzung geben. Jtem so sein sie ertzneien wider sFnde vnd laster. Jtem so haben sie verheissung zeitlicher vnd ewiger belohnungen aus gnaden etc. Vnd nachdem auch vnser Gegenteil im Synodo begerte, wir wolten sein erbitten49 zugleich vermelden, haben wir doch erstlich desselbigen ein bedencken gehabt vnd gleichwol hernach fFr gut angesehen, das seinem begeren m=chte stat gegeben [C 1r:] werden, auff das jederman vermercke, woran sich der friede gestossen. Vnd hat sich also vnser Gegenteil dis erboten, das er die offtgemelten formen zu leren, reden vnd disputationes sich der zeit seines lebens enthalten w=lle vnd nach der Augspurgischen Confession leren, auch allen Papistischen misuerstand dieser Propositionen verdamme, doch dieweil es nicht hat anzeigen wollen, ob diese Propositiones recht oder vnrecht sein, hat sich der Synodus nicht mit jm vergleichen k=nnen, das er besorget, es geschehe solches nicht von hertzen vnd mit warem, auffrichtigem Geist vnd gemFte. Denn helt er sie fFr recht, so thut er nicht, als einem fromen, trewen Lerer zustehet, das er absaget, sie zu leren; helt er sie aber fFr vnrecht, so ists eine grosse bl=digkeit50 vnd thuts andern zu gefallen, das ers nicht bekennet; zweiffelt er aber, ob sie recht oder vnrecht sein, wie kan er denn als ein trewer Pastor seiner sachen gewis sein vnd andere den richtigen vnd waren weg mit volkomener versicherung zum ewigen Leben leren? Vnd stehet also seine vergleichung auff einem vngewissen grund vnd weret nicht lenger, denn bis er seine zeit ersihet,51 so ists als new als zuuor,52 vnd kan also53 nicht verstanden werden, das seine meinung war54 vnd ein ernst sey. Wollen dich hiemit, Christlicher vnd GFtiger Leser, in Gottes schutz vnd schirm befohlen haben, desgleichen vns in dein gebet, das Gott alle falsche Lere vnd Jrthumb gnediglich ausrotten w=lle vnd vns bey der erkandten vnd bekandten Warheit bestendiglich erhalten. AMEN.

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[C 1v:] Pfarherren vnd Seelsorger in der l=blichen Graff- vnd Herrschafft Mansfelt, im Synodo zu Eisleben versamlet den xiij. Februarij des Jars 1554, welche die vorgehende Acta approbiret vnd sich denen vnterschrieben haben: D. Erasmus Sarcerius,55 Superintendens.

48 49 50 51 52 53 54 55

Vgl. Jes 60,21; 61,3. Erbieten, Anerbieten, Verhandlungsangebot. Feigheit. Vgl. Art. blödekeit 2), in: Fnhd. Wb. 4, 637. bis er seine Zeit für gekommen hält, die Gelegenheit für günstig ansieht. als ... als ... = so ... wie ... in der Weise. wahr. Zu Erasmus Sarcerius vgl. oben S. 357, Anm. 1.

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Fridericus Reuber,56 Pastor D.57 Petri. Hieronymus Mencelius58 M.,59 Pastor D. Nicolai. Johannes Bohemus,60 Pastor D. Anne. Gallus Hillebrand,61 Pastor apud Spiritum S. Andreas Theobaldus M.,62 Diaconus apud D. Andream. Casparus Reisingerus M.,63 Diaconus apud D. Andream. Andreas Crause,64 Diaconus apud D. Petrum. Andreas Rhemus,65 Diaconus apud D. Nicolaum. Clemens Schaw,66 Diaconus apud D. Andream. Georgius Wesch,67 Diaconus apud D. Annam. Laurentius Colditius,68 Cantor Scholae Islebianae apud D. Andream. Michael Celius,69 ecclesiae Mansfeldianae Pastor. Ciriacus Spangenberg,70 eiusdem ecclesiae Diaconus. Hieronymus Polde.71 Johannes Roth,72 Ludimagister Scolae Mansfeldianae. Georgius Birnbaum,73 Pastor zu Hegstedt. Leonhardus Martmyer,74

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Zu Friedrich Reuber vgl. unsere Ausgabe Nr. 6, Anm. 152. Divi. 58 Hieronymus Mencelius (Mencel, Mentzel, Menzel) wurde am 22. Februar 1517 in Schweidnitz (Schlesien) geboren, nach den Schulen in Goldberg und Schweidnitz besuchte er 1539 –1541 die Universität Wittenberg, anschließend für ein Jahr die Universität Leipzig, wo er eine Hauslehrerstelle bei D. Bernhard Ziegler versah; 1542–1553 war er Lehrer an der Lateinschule in Eisleben, 1553 –1560 Oberpfarrer an St. Nicolai, 1560 –1569 und 1576–1586 Oberpfarrer an St. Andreas, außerdem war er in den Jahren 1560 –1590 mansfeldischer Generalsuperintendent; am 25. Februar 1590 starb er in Eisleben, am 1. März wurde er dort in St. Andreas bestattet (vgl. Pfb. KPS 6, 50; Berndorff, Prediger der Gft. Mansfeld, 83– 87). 59 M. = Magister. Mencelius war 1551 in Wittenberg zum Magister promoviert worden. 60 Zu Johann Böhme vgl. unsere Ausgabe Nr. 6, Anm. 154. 61 Gallus Hildebrand aus Naumburg war etwa 13 Jahre lang Priester, dann von 1538 bis etwa 1547 Pfarrer in Neumark (Sachsen), 1547–1575 Pfarrer an St. Spiritus in Eisleben; dort starb er am 26. Januar 1575 (vgl. Pfb. KPS 4, 202). 62 Zu Andreas Theobald vgl. unsere Ausgabe Nr. 6, Anm. 157. 63 Caspar Reißinger (Reißiger) war 1552–1559 Subdiakon an St. Andreas in Eisleben, 1559 –1568 Archidiakon an St. Stephani in Aschersleben, 1568 –1574 Oberpfarrer ebd.; nach seiner Absetzung zog er nach Eisleben „wo er bürgerliche Nahrung suchte“ (vgl. Pfb. KPS 7, 118). 64 Zu Andreas Krause vgl. unsere Ausgabe Nr. 6, Anm. 161. 65 Zu Andreas Remus vgl. unsere Ausgabe Nr. 6, Anm. 159. 66 Zu Clemens Schaue vgl. unsere Ausgabe Nr. 6, Anm. 160. 67 Zu Georg Wesch vgl. unsere Ausgabe Nr. 6, Anm. 162. 68 Laurentius Colditz (Coldicus, Colditius) war 1543 –1573 Pfarrer am Catharinenstift und Kantor an St. Andreas in Eisleben, wo er am 31. Januar 1573 starb (vgl. Pfb. KPS 2, 202). 69 Zu Michael Coelius vgl. unsere Ausgabe Nr. 6, S. 285; außerdem unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 4, S. 379, Anm. 116. 70 Zu Cyriakus Spangenberg vgl. unsere Ausgabe Nr. 6, Anm. 156. 71 Zu Hieronymus Polde vgl. unsere Ausgabe Nr. 6, Anm. 165. 72 Zu Johannes Rhode (Roedinger) vgl. unsere Ausgabe Nr. 6, S. 286. 73 Zu Georg Birnbaum vgl. unsere Ausgabe Nr. 6, Anm. 167. 74 Zu Leonhard Martmeyer vgl. unsere Ausgabe Nr. 6, Anm. 168. 57

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Andreas K=ppichen,75 Diaconi ecclesiae Hegstetensis. [C 2r:] Georgius Eichorn,76 Pastor zu Heersleben. Andreas Eichelbronner,77 Pastor zu Klostermansfelt. Fridericus Rautenbusch,78 Pastor in Seburg. Jacobus Schneidenkle,79 Pastor in Schochwitz. Pancratius Reusdorffer Junior,80 Pastor in Volckmaritz. Petrus Rhoderus,81 Pastor in Besensted. Johannes Rauch,82 Pastor in Heenstedt. Michael Schaffer,83 Pastor im Teuschenthal. Bartholomeus Born,84 Pastor in Dederstet vnd Hedersleben. Christophorus Fabermolaris,85 Pastor in Risdorff vnd Wormsleben. Vitus Vopel,86 Pastor in vnder vnd ober Reblingen. Wolffgangus Huen. Jacobus Liebe,87 Pastor in Hornburg. Franciscus Hugo,88 Pastor in Schraplaw. Jodocus Diterich,89 Pastor in Steuden. 75

Andreas Köppichen (Köpchen), war 1554–1556 Diaconus in Hettstedt, von 1556 bis zu seiner Absetzung 1575 Pfarrer in Großörner, wo er am 17.05.1589 bestattet wurde (vgl. Pfb. KPS 5, 94). 76 George Eichhorn erscheint um 1554 als Pfarrer in Siersleben (vgl. Pfb. KPS 2, 427). Vgl. Anm. 95. 77 Andreas Eichelbrenner (Eichelbronner) wurde in Römhild geboren, in Eisleben ordiniert; 1546–1555 war er Pfarrer in Klostermansfeld, 1555 Pfarrer in Bendeleben (vgl. Pfb. KPS 2, 423). 78 Friedrich Rautenbusch war bis 1558 Pfarrer in Seeburg (vgl. Pfb. KPS 7, 58). 79 Jacob Schneidenklen (Schneidenklee, Schneidenklehn, Schneidenkler, Schneidenklahr) erscheint 1544 als Diakon in Löbejün, vor 1554 bis 1559 als Pfarrer in Schochwitz, ab 1565 als Pfarrer in Theißen (vgl. Pfb. KPS 7, 542 [drei verschiedene Einträge]). 80 Pankratius Reußdörfer ist um 1554 als Pfarrer in Volkmaritz nachgewiesen (vgl. Pfb. KPS 7, 133). 81 Petrus Roeder (Rhöder) war von 1548 bis zu seinem Pesttod im August 1566 Pfarrer zu Beesenstedt (vgl. Pfb. KPS 7, 215). 82 Johann Rauche erscheint 1553 bis vor 1569 als Pfarrer in Höhnstedt, von 1584 bis zu seinem Tod 1587 als Pfarrer in Unterteutschenthal (vgl. Pfb. KPS 7, 55). 83 Michael Schaffer (Schäfer) wurde in Leipzig von Johann Pfeffinger ordiniert, bis 1558 war er Pfarrer in Unterteutschenthal, 1558 –1562 in Mötzlich (vgl. Pfb. KPS 7, 381). 84 Bartholomäus Born war 1540 –1582 Pfarrer in Dederstedt, wo er am 14. Oktober 1583 starb (vgl. Pfb. KPS 1, 460). 85 Christoph Schnepfmüller (Schnepfenmüller) wurde 1529 in Eisleben geboren, dort auch 1552 ordiniert; 1552–1555 war er Pfarrer in Unterrißdorf, bis zu seiner Absetzung durch das Leipziger Konsistorium im Juni 1571 in Welbsleben, 1574–1606 in Klein-Wanzleben. Er unterschrieb bei einer Synode 1559 als Christophorus Zimmermüller (vgl. Pfb. KPS 7, 560) [evtl. lautet der Familienname nicht Schnepfmüller, sondern Schoepfmüller i. S. v. Mühlenschöpfer, Mühlenbauer, Mühlarzt?]. 86 Veit Vopelius war von 1554 bis zu seinem Tode 1562 Pfarrer in Röblingen am See (vgl. Pfb. KPS 9, 165). 87 Jacob Liebe [I.] wurde in Luckau geboren, vor 1544 war er Aedituus (Küster, Opfermann) in Volkmaritz, am 23. Februar 1544 wurde er in Wittenberg ordiniert, anschließend war er bis zu seinem Tod am 06. August 1577 Pfarrer in Hornburg/Mansfelder Land (vgl. Pfb. KPS 5, 373). 88 Franziskus Hugo ist 1551–1554 als Pfarrer in Schraplau nachgewiesen (vgl. Pfb. KPS 4, 339). 89 Das Pfarrerbuch für die Kirchenprovinz Sachsen nennt M. Justus Dietherich 1549 –1562 als Pfarrer in Steuden und zitiert über ihn die Bemerkung: „Ein beherzter und beredter Mann, welcher 1549 dem Synodo mit beygewohnet, welchen die Hartzgrafen damals des Interims wegen in Eisleben hielten, dabey er ziemlich deutsch geredet“ (vgl. Pfb. KPS 2, 317).

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Thomas Trotzschel,90 Pastor in Benstedt. Christophorus Ludimontanus,91 Pastor in Steten. Gabriel Piscator,92 pastor in Alberstedt. Bartholomeus Leuske,93 Pastor in Esperstet vnd Asendorff. Johannes Crause,94 Pastor zu Orner. Georgius Eichorn,95 Pastor in Asendorff. Johannes Faber,96 Pastor in Rottelsdorff vnd Burgerndorff. Valentinus Schreiner,97 Pastor in =ber Risdorff. Joachimus Reichart,98 Pastor in Erdeborn vnd Hickendorff. Johannes Rauch,99 Pastor in Wimelburg vnd Wolffroda. Johannes Nauwird,100 Pastor in Kressenfelt. Bonauentura Wotenaw,101 Pastor in Hergesdorff. [C 2v:] Johannes Herbordus,102 Pastor in Alsdorff vnd Ligelrode. Jacobus Schnapauff,103 Pastor in Wippra.

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Thomas Trutschel (Troschel, Trutschell) starb am 06. Februar 1563 als Pfarrer in Bennstedt (vgl. Pfb. KPS 9, 44). 91 Christophorus Spielberg (Spielberger, Spillberg), geboren in Querfurt, war 1548 –1563 Pfarrer in Stedten (dort als „Manichäer“ abgesetzt), 1563 –1569 in Volkstedt, dort starb er am 29. September 1569 nach einem Schlaganfall (Pfb. KPS 8, 311). 92 Gabriel Fischer (Piscator) war von 1552 bis zu seinem Pesttod am 01.08.1565 Pfarrer in Alberstedt (vgl. Pfb. KPS 3, 46). 93 Bartholomäus Leutschker (Leuschke) war bis 1554 Pfarrer in Esperstedt, 1554 –1566 in Schraplau, 1566 – um 1570 wieder in Esperstedt (vgl. Pfb. KPS 5, 361) 94 Zu Johann Krause vgl. unsere Ausgabe Nr. 6, Anm. 170. 95 Ein George Eichhorn ist um 1554 als Pfarrer in Siersleben verzeichnet (vgl. Pfb. KPS 2, 427; oben Anm. 76). 96 Johann Faber, um 1550 Pfarrer Rottelsdorf und Burgsdorf, wurde „wegen seines üblen Lebens abgesetzt“ (vgl. Pfb. KPS 2, 501). 97 Valentinus Schreyner (Schreiner) war schon vor 1546 Pfarrer in Oberrißdorf, gab aus Altersgründen 1562 sein Amt auf (vgl. Pfb. KPS 8,34) 98 Joachim Reichart war vor 1552 Schulmeister in Schraplau, ab Ostern 1552 bis um 1600 Pfarrer in Erdeborn (als Filial wird Lüttchendorf angegeben), er unterschrieb 1577 die FC (vgl. Pfb. KPS 7, 76). 99 Johannes Rauch, geboren um 1531 in Eisleben, ist 1551 an der Universität Wittenberg nachgewiesen, 1553 wurde er in Mansfeld ordiniert, für die Jahre 1552–1574 ist er als Pfarrer zu Wolferode verzeichnet, 1574 –1583 amtierte er in Sohlen, wurde wegen Unkenntnis und wegen seines Lebenswandels abgesetzt und starb am 02.02.1594 in Schlitz (?) (vgl. Pfb. KPS 7, 54f). 100 Johann Neuwirt war Pfarrer in Kressenfeld (Kreisfeld) bis zu seinem Tode am 29. August 1568 (vgl. Pfb. KPS 6, 300). 101 Bonaventura Wutenach (Wutenaw, Wetenaw) war bis zu seinem Tod 1554 Pfarrer in Hergisdorf. Er wurde auf dem Weg nach Halberstadt von einem Drescher ermordet, der ihn begleitete; Anstifterin zum Mord war seine Ehefrau. Diese und der Mörder wurden 1556 hingerichtet (vgl. Pfb. KPS 9, 470f). 102 Johannes Herbordus (Herbrod), geboren in Quedlinburg, vor 1553 Schulmeister in Helbra, 1553 –1560 Pfarrer in Ahlsdorf bei Mansfeld (mit Filial Ziegelrode [!]), 1562–1569 Pfarrer in Steuden, von 1572 bis zu seinem Tod 1574 Pfarrer in Beesenstedt (vgl. Pfb. KPS 4, 111). 103 Jacob Schnappauf war 1524–1570 Pfarrer in Wippra (vgl. Pfb. KPS 7, 540).

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Johannes Sternberg,104 Pastor in Frisdorff vnd Ramelburg. Jacobus Pusch,105 Pastor in Jsenrode. Joachimus Naß,106 Pastor in Aberode, Hermsrode, Ruckerode, SteinbrFck. Laurentius Dempffel,107 Pastor in K=nigsrode. Georgius Montanus,108 Pastor in Rottenburg. Wendelinus von Helbach,109 Pastor in Salwitz. Thomas Vrsinus,110 Pastor in Schirnbach. Johannes Lenpold,111 Pastor in utroque Osterhausen. Johannes Schutz,112 Pastor in Holnstedt. Johannes Reichardus, Pastor in Alnstedt. Cyriacus Thubentalis,113 Pastor in Wolferstedt. Simon Spirensis, Pastor in Mittelhausen. Georgius Weber,114 Pastor in Emsdorff. Benedictus Quelmaltz, Pastor in Winckel. Johannes Faber, Pastor in Heimdorff.

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Johann Sternberg(k), geboren in Mansfeld, 1554 –1564 Pfarrer in Friesdorf, 1564 –1565 Pfarrer in Freist, 1565 –1570 Pfarrer in Oppenroda, 27.05.1570–1573 Pfarrer in Wippra, anschließend wieder in Oppenroda (vgl. Pfb. KPS 8, 393). 105 Möglicherweise handelt es sich um Jakob Busch (Pusch), geb. um 1520 in Plauen, um 1540 an der Universität Wittenberg immatrikuliert, 1547 Pfarrer in Rodersdorf bei Plauen (vgl. SPB II/1, 97). 106 Joachim Naß war 1547–1549 Diakon an St. Annen in Eisleben, 1550 –1554 Pfarrer in Abberode; 1554 wechselte er in seinen Geburtsort Osmarsleben; 1559 –1565 Diakon an St. Nicolai in Eisleben, dort wurde er begraben am 02.08.1565 (vgl. Pfb. KPS 6, 256). 107 Laurentius Tempel aus Miltenberg (Franken) war 1541–1554 Pfarrer in Friesdorf, 1554–1562 Pfarrer in Königerode (vgl. Pfb. KPS 8, 507). 108 Um 1546 ist ein Georg Montanus als Pfarrer in Alsleben/Saale (Dorf) und Senior des Domkapitels St. Johannis Baptistae in Alsleben/Saale (Stadt) bezeugt (vgl. Pfb. KPS 6, 143). Der oben genannte Ort dürfte Rothenburg an der Saale sein. 109 Das Pfb. KPS 9, 328 nennt als ersten evangelischen Pfarrer von Sylbitz (bis 1553) Secundus Wendelinus, geboren in Helpach. 110 Thomas Ursinus, aus Wittenberg gebürtig, war bis um 1557 Pfarrer in Rothen-Schirmbach, anschließend wirkte er als Pfarrer an St. Annen in Eisleben, ehe er 1567 nach Bernburg wechselte (vgl. Berndorff, Prediger der Gft. Mansfeld, 97). 111 Für Großosterhausen (und Kleinosterhausen) verzeichnet das Pfb. KPS 10, 270 als Pfarrer 1541–1558 Martin Wend. Diese Angabe kann für 1554 schwerlich zutreffen. Möglicherweise handelt es sich um Johannes Leopoldus, an der Universität Wittenberg 1549 nachgewiesen, angeblich 1558 in Magdeburg ordiniert, 1558–1577 Pfarrer in Schermcke, gestorben in Quedlinburg am 21. Juli 1583 (vgl. Pfb. KPS 5, 348f). 112 Johann Tobias Schütze, um 1550 Pfarrer auf der Heyde, um 1555 Pfarrer in Holdenstedt (vgl. Pfb. KPS 8, 150). 113 Cyriacus Taubenthal (Tubenthal), geboren in Görsbach Ende des 15. Jahrhunderts, nach Besuch der Universität Erfurt 1524–1528 Pfarrer in Ringleben/Kyffhäuser, anschließend Schulmeister in der neuen Schule des Rates zu Nordhausen im Predigerkloster; vor 1540 wurde er Pfarrer in Wolferstedt, wo er am 16. September 1563 starb (vgl. ThürPfb 5, Nr. 1034). 114 Es könnte sich um den für 1543 –1549 als Diakon an St. Nicolai in Eisleben bezeugten Georgius Weber handeln (vgl. Pfb. KPS 9, 257).

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Johannes Faber,115 Pastor in vnder Reblingen, Emlingen. Caspar Koler, Pastor in Kalbritte. Johannes Leigerus, Pastor in Landgraffrode. Simon Sartoris,116 Pastor in Helffte. Simon Lortz,117 Pastor in Pollenbon. Simon Pastoris,118 Pastor in Volcksted. Georgius Morgenstern,119 Pastor in Leimbach. Pancratius K=nigsdorffer Senior,120 Pastor in Vatteroda, Greuenstuel, Biscoborn vnd Wimelrode. Johannes Nouihagius,121 Pastor in Anroda, Larentzen, Mollendorff vnd Blumerode. [C 3r:] Petrus Lelig,122 Pastor in Todendorff. Jacobus Stelwagen,123 Pastor in arce Heldrungen. Laurentius Cletting,124 Pastor in Reinsdorff. Christophorus Cocus,125 Pastor in Rhoda. Johannes Reiffschneider,126 Pastor in Bretla. Doctor Valentinus Vigelius127 missis literis propositionibus contradixit.

115

Johann Faber, geboren in Tumdorf bei Erfurt, war 1549 Diakon in Laucha, 1549–1555 Pfarrer in Niederröblingen, 1556 –1558 in Niederklobikau, 1558 –1563 in Volkstedt. „Wurde wegen bösen Lebenswandels abgesetzt und wurde Feldprediger“ (vgl. Pfb. KPS 2, 501). 116 Simon Schneider (Sartorius) war 1529 –1567 Pfarrer in Helfta (vgl. Pfb. KPS 7, 556). 117 Simon Lerdsch (Curtius) starb 1557 als Pfarrer in Polleben [!] (vgl. Pfb. KPS 5, 352). 118 Simon Pistorius ist für die Jahre 1552 bis nach 1554 als Pfarrer in Volkstedt bezeugt. Möglicherweise war derselbe Simon Pistorius vorher Pfarrer in Söllichau (vgl. Pfb. KPS 6, 515 [2 Einträge]). 119 Zu Georg Morgenstern vgl. unsere Ausgabe Nr. 6, Anm. 171. 120 Pancratius Kunsdörffer (Kunstdörfer, Königsdorfer) [I.] aus Franken, der letzte Prior des Klosters Mansfeld, war um 1526 Pfarrer in Biesenrode, um 1530 Pfarrer in Rotha, 1533 bis zu seinem Tod am 12.02.1564 Pfarrer in Vatterode (vgl. Pfb. KPS 5, 223). 121 Johannes Neuhagen (Nauenhain, Neuenheiliger, Novihagius) erscheint 1552–1554 und 1560– 1562 als Pfarrer in Annarode, von 1562 bis zu seinem Tode 1566 war er Pfarrer in Leimbach bei Mansfeld (vgl. Pfb. KPS 6, 261[Nauenhain]; 291[Neuhagen]). 122 Petrus Selig (Lelius), 1542–1560 Pfarrer in Thondorf (vgl. Pfb. KPS 8, 213). 123 Jacob Stellwagen war bis 1533 Diaconus in Hettstedt, 1533 Pfarrer in Vatterode, 1533 –1553 in Bräuerode, 1553–1556 Oberpfarrer und Dekan in Heldrungen (vgl. Pfb. KPS 8, 380). 124 Laurentius Kletting [I.] war von 1560 bis zu seinem Tode 1590 Pfarrer in Reinsdorf bei Artern. Zuvor war er dort Substitut, jedoch wohl nicht erst seit 1559, wie im Pfb. KPS 4, 579, angegeben, sondern schon deutlich länger, zumal sein Sohn schon 1548 dort geboren wurde. 125 Christoph Koch war 1553–1571 Pfarrer in Hauteroda (vgl. Pfb. KPS 5, 32). 126 Johannes Reiffschneider soll 1550 als Pfarrer in Bretleben gestorben sein (vgl. Pfb. KPS 7, 88). Es steht zu vermuten, dass Samuel Bornhausen nur bis 1553/54 Pfarrer in Bretleben war, anschließend in Polleben. Reiffschneider könnte dann 1554 –1557 Pfarrer in Bretleben gewesen und dort verstorben sein. Vmtl. beziehen sich beide Einträge zu Samuel Bornhausen auf dieselbe Person (vgl. Pfb. KPS 1, 466). 127 D. Valentinus Vigelius (Weigelius) [I.], geb. in Löwenberg (Schlesien), wurde am 29. Mai 1534 an der Leucorea immatrikuliert, erwarb dort den theologischen Doktorgrad, 1542–1544 (1546) war er Nachmittagsprediger und Superintendent in Eisleben, bis 1552 Pfarrer in Katharinenrieth, 1552–1559 Oberpfarrer in Artern (vgl. Pfb. KPS 9, 112).

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Christianus Topff,128 Pastor in Sch=nfelt. Valentinus Grun,129 Pastor in Jehouen. Paulus Schilling, Pastor ibidem. Johannes Sprung,130 Pastor in Cathrin vnd Niclasried. Michael Nouius,131 Pastor ibidem. Jacobus Galle,132 Pastor in Wolffsleben. Johannes Schola,133 Pastor Quenstetensis. Andreas Lange,134 Pastor Sylodensis. Stephanus Mentzel,135 Pastor in Arnsted. Johannes Schroter,136 Pastor Altenrodensis. Johannes Lelcke, Pastor in Herbigerode. Valentinus Hemberg,137 Pastor in Frideburg. Adrianus Eichelbronner,138 Pastor in Finstedt. Laurentius Moritz, Pastor in Mollendorff. Andreas Heidenreich,139 Pastor in Gerbstedt. Johannes Sternberg, Pastor im Frideburgischen thal. Petrus Wermannus,140 Pastor im Heilgenthal vnd Lochwitz.

128

Christian Topf aus Nordhausen war 1549–1557 Pfarrer in Schönfeld bei Artern, 1557–1560 Diaconus an St. Nicolai in Nordhausen, 1560–1563 Pfarrer in Liebenrode, 1560 und 1563 wurde er jeweils abgesetzt, er starb im Hospital seiner Heimatstadt durch Suizid (vgl. Pfb. KPS 8, 585f). 129 Valentin Grun (Grune, Gruner, Grün) war 1542–1545 Pfarrer in Reinsdorf bei Artern, 02.02.1545 –1573 in Gehofen (vgl. Pfb. KPS 3, 406). 130 Johannes Sprung war vor 1556 Pfarrer in Katharinenrieth, anschließend bis 1587 Oberpfarrer in Heldrungen, er wurde wegen Ehebruchs enthauptet (vgl. Pfb. KPS 8, 323). 131 Michael Novicus (Nonius) war bis etwa 1554 Pfarrer in Katharinenrieth (vgl. Pfb. KPS 6, 346). 132 Jakobus Galle (Calle) war vor 1539 Pfarrer in Groß-Schierstedt, wo er bei einem Aufruhr des Landes verwiesen und abgesetzt wurde, und am Katharinen-Hospital Aschersleben, 1539 führte er in Ostrau bei Halle die Reformation ein und versah die Pfarrstelle bis 1545, 1546–1555 war er Pfarrer in Welbsleben (vgl. Pfb. KPS 3. 190). 133 Johannes Schola war um 1550 bis zu seinem Tod im Januar 1571 Pfarrer in Quenstedt (vgl. Pfb. KPS 7, 568). 134 Andreas Lange aus Leisnig (Chemnitz) erwarb an der Leucorea den Magistergrad und war nach seiner Ordination in Wittenberg 1544 –1546 Pfarrer in Welbsleben, 1546 –1568 (1575) Pfarrer in Sylda, 1568 –1571 Pfarrer in Alterode. Ursprünglich soll er Stadtschreiber und Tuchhändler in Harzgerode gewesen sein, vmtl. davor im Barfüßerkloster Zwickau (vgl. Pfb. KPS 5, 260). 135 Stephan Mengel, geboren 1523, war ab 1545 Pfarrer in Arnstedt, wurde 1571 abgesetzt wegen seiner Unterschrift unter das Corpus doctrinae Philippi Melanchthonis, um 1595–1599 war er Pfarrer in Sylda, bis zu seinem Tod am 31. Oktober 1607 Schlossprediger auf dem Arnstein (vgl. Pfb. KPS 6, 52). 136 Johann Schröter war bis 1555 Pfarrer in Alterode (vgl. Pfb. KPS 8, 55). Möglicherweise ist er identisch mit dem gleichnamigen ersten evangelischen Pfarrer von Belleben, dort 1556 –1563 (vgl. Pfb. KPS 8, 56). 137 Valentinus Hemberg ist um 1554 als Pfarrer in Friedeburg nachgewiesen (Pfb. KPS 4, 81). 138 Adrian Eichelborner war 1550–1566 Pfarrer in Fienstedt, 1566 –1568 Pfarrer in Wettin (Pfb. KPS 2, 423). 139 Andreas Heidenreich aus Querfurt starb 1562 als Oberpfarrer in Gerbstedt (vgl. Pfb. KPS 4, 27). 140 Peter Wermann war bis 1562 Pfarrer in Heiligenthal mit Lochwitz (vgl. Pfb. KPS 9, 343).

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Balthasar Volckmar M.,141 Pastor in Bornstedt. Johannes Kolbenubi,142 Pastor ibidem. Johannes Rust, Pastor in Rota. Johannes Worrich, Pastor. Bernhardus Trachter.

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[C 3v:] Etliche zeugnis D. Lutheri seliger, dadurch des Synodi Acta confirmiret vnd bestetiget werden. Aus dem ersten deudschen Tomo:143 Es scheinet wol, als sey es zumal ein schlecht vnd geringe ding vnd one alle fahr, das man das gesetze mit dem Euangelion vnd den glauben mit den wercken vermenge, aber wenn mans im grunde vnd bey dem liecht eben besihet, so ists gewis vnd findet sich also, das solch leren vnd treiben auff die werck als n=tig zur seligkeit mehr vnd gr=ssern schaden thut, denn keine menschliche Vernunfft jmer mehr begreiffen oder oder verstehen kan; denn es wird nicht allein die erkentnis der gnaden dadurch verdunckelt, sondern Christus mit allen seinen wolthaten wird dadurch weggerissen vnd das gantze Euangelium (Wie S. Paulus alhie zeuget) verkert. Nu ist aber solchs grossen vbels keine andere vrsache denn eben vnser eigene Natur, welche, wenn sie die sFnde erschreckt vnd beisset, kan sie keine andere weise ersehen, dadurch sie sich herauswircke, denn durch die werck, darumb gedenckt sie in der gerechtigkeit des gesetzes zu leben vnd auff dem vertrawen jrer eigenwerck zu bestehen, weis vnd verstet derhalben gar nichts von der predigt des Glaubens vnd der gnaden, one welche es doch vnmFglich ist, das eins Menschen gewissen zu frieden sein mFge.144 Es ist nur ein einiges Exempel des glau-[C 4r:]bens, nemlich das man gleube an Jhesum Christum, vnd wie dieser glaube allein zur seligkeit von n=ten ist, also mFssen jn auch alle Menschen (so da wollen selig werden) haben.145

141

Magister Balthasar Falckmann (Volckmar) aus Coburg war von Juli 1551 bis 1562 Pfarrer in Bornstedt/Mansfelder Land, anschließend in Allstedt (vgl. Pfb. KPS 2, 514). 142 Johann Kolbenach war vor 1527 Pfarrer in Gehofen, anschließend bis zu seinem Tod am 30.10.1559 Pfarrer in Großleinungen (vgl. Pfb. KPS 5, 74). 143 Auszüge aus Luthers Großem Galaterkommentar (lateinisch 1535) in der Übersetzung von Justus Menius, enthalten im ersten Band des deutschen Teils der Wittenberger Luther-Ausgabe (Erstdruck 1539). 144 Vgl. Luther, WA 40I, 115,18–25 (In epistolam S. Pauli ad Galatas Commentarius, 1535). 145 Vgl. Luther, WA 40I, 160,19–21 (In epistolam S. Pauli ad Galatas Commentarius, 1535).

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Es ist beschlossen im Concilio zu Jerusalem, das die beschneidung vnd das Gesetze zur Seligkeit nicht von n=ten, sondern das der glaube an Jhesum Christum allein gnug sey.146 dDie Warheit des Euangelij ist,d das vnsere gerechtigkeit alleine durch den glauben kompt, one alle werck allerley gesetze; dagegen ist das das Euangelium verfelschen, das man leret, wie wir wol durch den glauben gerecht werden fFr Gott, doch also, das die werck des gesetzes zu gleich dabey sein vnd dazu auch helffen; mit diesem anhang vnd zusatz haben die falschen Apostel das Euangelium geprediget. Vnsere Papisten vnd Sophisten haben eben dergleichen auch gelert, das man solle an Christum gleuben vnd das der glaub die grundfest sey der Seligkeit, aber doch k=nne derselbige Glaube niemand gerecht machen, es seye denn fides formata, das ist: er hat denn seine rechte gestalt von der liebe zuuor empfangen; das ist nicht die warheit, sonder falsch, betrieglich vnd teuscherey des Euangelij etc.147 Der glaub allein macht gerecht, der durchs wort Christum ergreiffet vnd in demselbigen geschmFckt vnd geziert wird, vnd nicht der glaub, der die liebe zu sich beschleusset. Denn sol der glaub gewis vnd bestendig sein, so mus er nichts anders ergreiffen noch sich [C 4v:] an etwas anders halten denn nur an den einigen Christum; denn in not des gewissens kan er sonst auff keinem andern grunde bestehen denn auff dieser edelen Perlen alleine.148 Es kan die Rotenmeister149 hie nicht helffen, ob sie lange vnd viel sagen wolten (wie sie denn her auff gar schlipffericher ban zu gehen vnd jmerdar von einer seiten auff die ander zu wancken pflegen):f Ey man sol ja den glauben auff die werck, leiden vnd verdienst nicht setzen. Aber man sol vnd mFsse dennoch gleichwol wercke haben als n=tige ding zur seligkeit? Das ist nichts gered. Denn sind sie zur Seligkeit n=tig, so kan man die Seligkeit on sie gewislich nicht erlangen; kan man aber die Seligkeit one sie nicht erlangen, so macht der glaube auch allein nicht selig. Das ist aber falsch vnd wider die gantze heilige Schrifft, wie droben mechtig vnd reichlich beweiset ist.150

d–d e f

So ist nun die warheit des Euangelij: Luther, Wittenberger Ausgabe, dt. Bd. 1 (1539), Bl. 50r. were: Luther, Wittenberger Ausgabe, dt. Bd. 1 (1539), Bl. 50v. schließende Klammer gegenüber dem Druck ergänzt.

146

Der Satz hat keine völlige Entsprechung in der lateinischen Vorlage (vgl. WA 40I, 161,21– 23), die Übersetzung des Menius lautet an der einschlägigen Stelle wie folgt: „... So ich [Paulus] doch alle gleubigen zu Jerusalem zu zeugen habe / dazu auch die Apostel selbs / das ich in dieser sachen so viel erhalten habe / das ganz vnd gar das widerspiel / ist fur recht erkand vnd beschlossen worden. Als nemlich / das die Beschneittung vnd das Gesetz zur seligkeit nichts von n=ten / sondern der glaube an Jh[e]sum Christum allein gnug sey.“ (VD 16 L 3327 [Wittenberger Ausgabe, dt. Bd. 1, Aufl. 1556], Bl. 46v). 147 Vgl. Luther, WA 40I, 163,28–164,18 (In epistolam S. Pauli ad Galatas Commentarius, 1535). 148 Vgl. Luther, WA 40I, 165,13–17 (In epistolam S. Pauli ad Galatas Commentarius, 1535). 149 Anführer der gegnerischen, von der reinen Lehre abgefallenen Menge. Vgl. Art. Rottenmeister 2), in: DWb 14, 1321. 150 Bislang nicht nachgewiesen.

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Aus dem vierden Tomo fol. 550.151 Also istsg den Aposteln auch gegangen, da die predigt angieng, die Paulus treib vnd auch Petrus, sonderlich vnter den Heiden, das allein der glaub selig machete, so das hertze sein vertrawenh vnd zuuersicht setzet auff Gottes gnade; da fielen herein, die auch Christen waren, liessen sich dFncken, sie hetten den heiligen Geist, traten auff vnd sagten, es were nicht mit dem glauben alleine gethan, man mFste sich auch beschneiden lassen, sonst wFrde man nicht selig. Was haben diese gesucht, denn das Christus zu boden gienge vnd sein leiden nicht gelten solte. Woi sie darauff stFnden, man [D 1r:] wFrde on das Gesetze nicht selig, jso seind gleichwol die, soj die Apostel selbs geh=retk das Euangelium predigen, reichlicher denn wir, lin jrem Gesetz,l jn blut vnd fleisch erseuffet.152 Wenn drey Apostel nicht gestanden weren, were der gantze hauff dahin gefallen vnd hettem geschlossen, das man mFste des Gesetzes werck als n=tig halten etc.153 Jtem aus dem sechsten Tomo, Fol. 165.166.154 nJtem, dieweiln ich sehe, das diesen Heuptartickel der Teufel jmer mus lestern durch seine Sewlerer vnd nicht ruheno noch auffh=ren kan, So sag ich, D.p Luther, vnsers Herrn Jhesu Christi qEuangelist, vnwirdig,q das diesen Artickel (dzr der glaube allein one alle werck macht gerecht fFr Got) sol lassen stehen vnd bleiben der R=misch Keiser, der TFrckische Keiser, der Tarterische Keiser, der Persen Keiser, der Bapst, alle Cardinel, Bischoff, Pfaffen, M=nche, Nunnen, K=nige, FFrsten, Herren, alle Welt sampt allen Teufeln, vnd sollen das Hellische fewer dazu haben auff jren kopff vnd keinen danck dazu. Das sey mein, Doctor Luthers, einsprechen vom heiligen Geiste vnd das rechte, heilige Euangelium.155 Vnd solten alle Teufel vnd Welt sich zu-

g

ist es hie: WA 15, 580,28. trawen: WA 15, 580,30. i weil: WA 15, 580,35. j – j Noch haben sie: WA 15, 581,23; Obwohl dieselbigen: Wittenberger Ausgabe, dt. Bd. 4 (1568), Bl. 552v. k geh=ret haben: Wittenberger Ausgabe, dt. Bd. 4 (1568), Bl. 552v. l – l sind gleich wol so tieff ym yrthum gestickt: WA 15, 581,24; sind sie gleich wol ...: Wittenberger Ausgabe, dt. Bd. 4 (1568), Bl. 552v. m hetten: Wittenberger Ausgabe, dt. Bd. 4 (1568), Bl. 552v. n – n Doch weil: WA 30III, 366,24. o rugen: WA 30III, 366,25. p Doctor Martinus: WA 30III, 366,26. q – q unwirdiger Euangelist: WA 30III, 366,26. r nicht in WA 30III, 366,27. h

151

In der seitenidentischen (?) Ausgabe des Bandes von 1568 auf fol. 552v. Vgl. Luther, WA 15, 580,28–581,25 (Predigt über Apostelgeschichte 15, 1524). 153 Vgl. Luther, WA 15, 581,31–33 (Predigt über Apostelgeschichte 15, 1524). 154 Der Text der Wittenberger Ausgabe, dt. Bd. 6 (1553), fol. 165v–166r, stimmt im wesentlichen mit den nach WA verzeichneten Abweichungen überein. 155 Vgl. Luther, WA 30III, 366,24–33 (Glosse auf das vermeinte kaiserliche Edikt, 1531). 152

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reissen vnd bersten, so ists ja156 war; ist ers aber alleine, der sdie sFnd hinwegs nimpt, so k=nnen wirs mit vnsern wercken nicht sein; so ists ja vnmFglich, das siet solchen einigen vnd allein Erl=ser von SFnden, Jhesum, anders denn mit dem glauben fassen vnd erlangen mFgen.u Mit wercken ist vnd bleibet er vnergriffen etc.v157 [D 1v:] Weil aber allein der glaube, fFr vnd eher die werck folgen, solchen Erl=ser ergreiffet, so mus es war sein, das allein der glaube fFr vnd one werck solche erl=sung fasse, welchs nicht anders sein kan, den gerecht werden; denn von sFnden erl=set oder sFnde vergeben haben, mus nichts anders sein, denn gerecht sein oder werden.w Aber nach solchem glauben oder empfangener Erl=sung oder xvergebung der sFndenx oder gerechtigkeit folgen als denn gute werck als solchs glaubens frFchte. Das ist vnser Lere, vnd also leret der heilige Geist vnd die gantze heilige Christenheit, dabey wir bleiben in Gottes namen.158 Jtem Folio 200. fac. 2. Also folget, das werck leren mFssen Teuffels leren vnd abtrennigey vom glauben sein, denn niemand leret wercke, der sie nit n=tig achte, from vnd selig zu machen; wo er sie nicht n=tig achtet, zwerde er sie nit vergeblichz leren.159 Aus dem vij. Tomo fol. lxi. facie j. Zum achten, hie ist vleissig zu mercken vnd je mit ernst zu behalten, das allein der glaube one alle werck from, frey vnd selig macht, etc.160 Jtem fac. 2. Das dir vnmFglich ist mit allen wercken der gebot, der viel vnd doch kein nutz sein mFssen, das wird dir leicht vnd kurtz durch den glauben, denn ich a(spricht Gott)a hab kFrtzlich in den glauben gestellet alle ding, das wer jn hat, sol alle ding haben vnd selig sein, wer jn nicht hat, sol nichts haben.161

s–s

sunde weg: WA 30III, 367,24f. ich: WA 30III, 367,26. u mFge: WA 30III, 367,27. v Der anschließend zitierte Abschnitt schließt in der Vorlage direkt an, es gibt keine Auslassung, die durch „etc.“ angedeutet werden könnte. Die Kustode auf Bl. D 1r lautet „Jtem/“; demnach war zunächst vorgesehen, auf D 1v mit dem Zitat aus Wittenberger Ausgabe, dt. Bd. 6, fol. 200v, fortzufahren. w werden etc.: WA 30III, 367,32. x – x sunde vergebung: WA 30III, 367,33. y abtrennung: Luther, Wittenberger Ausgabe, dt. Bd. 6 (1553), Bl. 200v z – z wFrde er sie vergeblich: Luther, Wittenberger Ausgabe, dt. Bd. 6 (1553), Bl. 200v. a – a nicht in WA 7, 24,16; sinngemäß ergänzt nach Z. 10. t

156

gleichwohl, dennoch. Vgl. Luther, WA 30III, 367,23–28 (Glosse auf das vermeinte kaiserliche Edikt, 1531). 158 Vgl. Luther, WA 30III, 367,28–36 (Glosse auf das vermeinte kaiserliche Edikt, 1531). 159 Vgl. Luther, WA 8, 600,37–39: „Ita fit, ut doctrina operum necessario sit doctrina daemoniorum et discessio a fide. Nemo autem opera docet, quod ea non necessaria putet ad iustitiam et salutem, nisi enim necessaria putet, frustra docebit.“ (De votis monasticis, 1521). 160 Luther, WA 7, 23,24.27f (Von der Freiheit eines Christenmenschen, 1520). 161 Vgl. Luther, WA 7, 24,14 –17 (Von der Freiheit eines Christenmenschen, 1520). 157

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Also sehen wir, das an dem glauben ein Christen mensch gnug hat, darff162 keins wercks, das er from sey; darff er denn keins wercks mehr, so ist er gewislich entbunden von allen geboten vnd gesetz-[D 2r:]en; ist er entbunden, so ist er gewislich frey. Das ist die Christliche freiheit, der einig glaub, derb macht, nicht das wir mFssig gehen oder vbel thun mFgen, sondern das wir keines wercks bedFrffen, zur fr=mkeit vnd seligkeit zu erlangen etc.163 Jtem fol. 63. fac.1. Daraus man klar sihet, wie ein Christen mensch frey ist von allen dingen vnd vber alle ding, also das er keiner guten werck darzu bedarff, das er from vnd selig sey, sonder der glaub bringets jm alles vberflFssig. Vnd wo er so t=richt were vnd meinet, durch ein gut werck from, frey, selig oder Christen werden, so verleuert er den glauben mit allen dingen, gleich als der hund, der ein stFck fleisch im mund trug vnd nach dem schemen164 in dem wasser schnapt, damit fleisch vnd schem verlor.165 Jtem Fol. 65. So denn die werck niemand from machen vnd der Mensch zuuor mus from sein, ehe er wirckt, so ists offenbar, das allein der glaube aus lautern gnaden durch Christum vnd sein wort die Person gnugsam from vnd selig mache,c vnd das kein werck, kein gebot einem Christen not sey zur seligkeit, sondern er frey ist von allen geboten vnd aus lauterer freiheit vmb sonst thut alles, was er thut, nichts damit gesucht seines nutzes oder seligkeit, denn er schon sat vns selig ist durch seinen glauben vnd Gottes gnade, sondern dthut gute werck nur Gott zu gefallen etc.d Zum 24. Widerumb deme, der one glauben ist, ist kein gut werck fFrderlich zur fr=mkeit vnd seligkeit; widerumb kan kein b=se werck jn b=se vnd verdampt machen sonder der vnglaube der die Person vnd den baum b=se machet der thut b=se vnd verdampte werck darumb wenn man b=se oder from wird [D 2v:] hebet sichs nicht an den wercken an sondern an dem glauben etc.166 Der Mensch lebet nicht allein in seinem leibe, sondern auch vnter andern Menschen auff Erden, darumb kan er nicht one werck sein gegen die selbigen, er mus ja mit jnen zu reden vnd zu schaffen haben. Wiewol jm derselbigen werck keines not ist zur fr=migkeit vnd Seligkeit etc.167 Jtem fol. 66. Zum 27. Also sol ein Christen mensch wie Christus, sein heupt, vol vnd sat, vnd jm auch begnFgen lassen an seinem glauben, denselben

b

der do: WA 7, 25,2. machet: WA 7, 32,30. d – d nur gott darynnen gefallen.: WA 7, 32,34. c

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bedarf. Vgl. Luther, WA 7, 24,35–25,4 (Von der Freiheit eines Christenmenschen, 1520). 164 Spiegelbild. 165 Vgl. Luther, WA 7, 28,19–25 (Von der Freiheit eines Christenmenschen, 1520). Luther nimmt hier eine bekannte äsopische Fabel auf; vgl. WA 50, 457,1–11 (Etliche Fabeln aus Äsop, 1530). 166 Vgl. Luther, WA 7, 32,27–33,3 (Von der Freiheit eines Christenmenschen, 1520). 167 Vgl. Luther, WA 7, 34,25–29 (Von der Freiheit eines Christenmenschen, 1520). 163

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jmer mehren, welcher sein leben, fr=mkeit vnd seligkeit ist, der jm gibt alles, was Christus vnd Gott hat, etc.168 ‚Wolan, mein Gott hat mir vnwirdigen, verdampten Menschen one alle verdienst leuterlich vmb sonst vnd aus eitel barmhertzigkeit gegeben durch vnd in Christo vollen reichthumb aller fr=migkeit vnd seligkeit, das ich hinfurt nichts mehr bedarff denn gleuben, es sey also‘ etc.169 Wie viel nu das werck Christo not war vnd gedienet hat zu seiner fr=mkeit oder seligkeit, so viel sind alle ander sein vnd seiner Christen werck jnen not zur seligkeit, sondern sind als freie dienste zu willen vnd besserung der andern etc.170 Aus dem vierden Tomo, fol. 131.171 So gedencke nu vnd rFste dich mit vleis, auff das du geschickt seist nicht allein, wenn du ausserhalb der anfechtunge mit deinem gewissen wol zu frieden bist, sondern wenn du eben in h=chsten [D 3r:] n=ten vnd fahr mit der SFnde vnd Tod kempffen must, wenn dein Gewissen der ebegangene SFnde eingedenck wird vnd dich erschreckete vnd der Sathan mit rechtem ernste dir vnter augen gehet vnd mit gantzer macht sich vnterstehet, dich mit der grossen last deiner SFnde gleich als mit einer Sindflut zu vberfallen, von Christo abzuschrecken vnd zu veriagen vnd endlich in verzweifflung zu dringen. Alsdenn gedencke,f das du mit mutigen hertzen vnd starcken, festen glauben sagen k=nnest: ‚Christus, Gottes Son, ist gegeben, nicht fFr der heiligen Gerechtigkeit, noch fFr der Engel vnschuld, sondern fFr der armen SFnder vn-

e – e begangen SFnden eindencken wird vnd erschricket: Luther, Wittenberger Ausgabe, dt. Bd. 4 (1568), Bl. 331r. f gedencke (sage ich): Luther, Wittenberger Ausgabe, dt. Bd. 4 (1568), Bl. 331r. 168

Vgl. Luther, WA 7, 35,20 –23 (Von der Freiheit eines Christenmenschen, 1520). Vgl. Luther, WA 7, 35,28 –32 (Von der Freiheit eines Christenmenschen, 1520). 170 Vgl. Luther, WA 7, 36,27–30 (Von der Freiheit eines Christenmenschen, 1520). 171 Tatsächlich fol. 331. Vgl. Luther, EA1 19, 218 (aus einer Auslegung von Gal 1,4f), deutsch nicht in WA enthalten (vgl. aber die Bemerkung in WA 40I, 5, Nr. 2b). Es handelt sich um die Übersetzung eines Abschnitts aus Luthers Großem Galaterkommentar von 1531, angefertigt von Justus Menius und erstmals 1538 bei Hans Weiß in Wittenberg im Druck erschienen [VD 16 L 6700: Der Spru || ch S. Pauli Gal. j. || (Christus hat sich selbs fur || vnser Sunde geben / Das er || vns errettet von dieser gegen || wertigen argen Welt) etc. Al= || len betrFbten vnd engstigen || gewissen heilsam vnd tr=st= || lich. Durch D. Mart. || Luther ausgelegt.]; 1551 wurde die Auslegung bei Georg Hantzsch in Leipzig erneut im Druck veröffentlich, und zwar in Verbindung mit einem weiteren Text unter dem Titel: „Zwo Predigten des || Ehrwirdigen herren Docto= || ris Martini Lutheri. || Die Erste von Jhesu Christo / darin der heubt || artickel vnsers heilig) Christlichen glaubens || (Jch gleube an Jhesum Chri= | stum etc.) gehandelt vnd er= || kleret wird. || Die Andere vber den Spruch S. Pauli zun || Galatern am Erst) / Christus hat sich || selbs fur vnser sünde gegeben / || darinn der Apostel den Haubtartickel des || Christlichen glaubens von Jhesu Christo / || (das der Mensch gerecht werde / ohne || des Gesetzs werck / allein durch || den glauben an jhn) || handelt. || Mit einer Vorred / || Zu diesen grewlichen letzten zeiten || sehr nFtzlich vnd tr=stlich || zulesen.“ (VD 16 L 7272; der einschlägige Teil wird auch als VD 16 L 6701 geführt). In Band 1 des deutschen Teils der Wittenberger Luther-Ausgabe erschien 1539 der Große Galaterkommentar vollständig in der Übersetzung des Justus Menius (vgl. oben Anm. 143). 169

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gerechtigkeit; were ich gerecht vnd hette keine SFnde, so d=rffte ich Christus, des Mitlers, nicht, der mich mit Gott vers=net. Warumb wilstu mich denn so verkerter weise zum Heiligen machen, du heiloser Satan, vnd eitel gerechtigkeit von mir fordern, der ich doch gar nichts denn nur eitel SFnde habe etc.?172 Darumb h=re auff, du b=ser falscher Geist, vnd sag mir nicht viel von meiner fr=mkeit vnd guten wercken, als ob ich dadurch kFndte oder solt vergebung der SFnden erlangen. Da wird nichtes aus, denn vergebung der SFnde erlangen ist nicht Menschen-, noch Engels werck.173 Darzu, so bistu ein solcher ebentewriger174 kFnstler vnd behender175 meister, das du auch meine aller besten werck vnd gerechtigkeit zu den aller gr=sten SFnden machen kanst. Darumb weils mit meinen SFnden so ein grosser ernst ist – Nemlich das sie rechte, warhafftige, grosse, grewliche, vnzeliche vnd vnFberwindliche SFnden sind vnd mir meine eigene ge-[D 3v:]rechtigkeit gar nichts nFtze, sondern viel mehr schedlich – folge ich S. Paulo, des lieben vnd trewen Apostels Christi worten,176 der leret mich, Christus habe sich selbst nach dem willen Gottes des Vaters dafFr gegeben, auff das er gnung dafFr thete vnd also mich vnd alle, die es gleuben, davon errettete vnd selig machete. Dem sey lob vnd ehr fFr solche seine vnaussprechliche liebe. Amen.‘ Darumb ist alle krafft vnd macht der seligkeit daran gelegen, das diese wort fFr ernst vnd warhafftige warheitg gehalten werden etc.177 Jn einer Predigt von der Himelfart, Anno 23. ausgangen, a7. Fac.2. Wie derh glaub die Seligkeit vnd das Lebeni bringet, so bringet erj auch mit sich gute werck vnd ist vnauffgehalten; denn gleich wie ein lebendigerk Mensch sich nicht kan enthalten, es mus sich regen, essen vnd trincken vnd zu schaffen haben, vnd nicht mFglich ist, das solche werck k=nnen aussen bleiben, wol es lebet, das man jn nicht bedarff heissen vnd treiben, sondern wenn er num lebendig ist, so thut ers etc. Also auch bedarff man nicht mehr

g

wort: Luther, Wittenberger Ausgabe, dt. Bd. 4 (1568), Bl. 331v. dir der: WA 12, 559,20. i ewig leben: WA 12, 559,20. j er dir: WA 12, 559,20f. k lebendig: WA 12, 559,22. l weyl: WA 12, 559,24. m nur: WA 12, 559,25. h

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Vgl. Luther, WA 40I, 87,32–88,14 (In epistolam S. Pauli ad Galatas Commentarius, 1535); in VD 16 L 7272 vgl. Blatt P 4v–Q 1r. 173 Die Passage hat keine direkte Entsprechung in der lateinischen Vorlage. In VD 16 L 7272 vgl. Blatt Q 1v. 174 kluger, erfahrener. Vgl. Art. abenteuerlich 1), in: Fnhd. Wb. 1, 68. 175 geschickter; verschlagener. Vgl. Art. behende 2) und 5), in: Fnhd. Wb. 3, 792–794. 176 Vgl. Gal 1,3– 5. 177 Vgl. Luther, WA 40I, 88,26– 89,14 (In epistolam S. Pauli ad Galatas Commentarius, 1535); in VD 16 L 7272 vgl. Blatt Q 1v–Q 2r.

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darzu, das man gute werck thu, denn das man nsagt: ‚gleuben nur, so wirstu es alles von dir selbst thun.‘ Darumb bedarffstu nicht lange gute werck fordern von dem, der da gleubet, denn der glaube leret es jn alles etc.178 Darumb darff man nicht fragen,o ob man gute werck thun solle, denn sie thun sich selbs vngefordert.179 Darumb solstu bey leib die glose nicht machen vnd sagen, der glaube thuts nicht alleine, [D 4r:] sondern die werck geh=ren auch dazu, das man from werde; denn es ist klar gnug aus dem, das wir gesagt haben, das die werck gar nichts darzu thun.180 Darumb wil man das Euangelium predigen, so mus man alle werck, dadurch man wil from sein, hinweg weisen,p das nichts mehr da bleib, denn der glaube; denn ich mus gleuben, das mir Gott one alle verdienste vnd vnangesehen alle meine werck geschenckt habe seine gnade vnd ewiges leben, das ich jm mus dancken.181 Darumb sihe darauff, das du dir je182 die werck nicht glosirest vnd besser machen woltest, denn es Gott gemachet hat. Vnsere gelerten vnd Hoheschulen haben sie auch wollen bessern vnd gesagt, man mus es also verstehen: ‚Wer da gleubt – (vernim)183 vnd thut gute werck – , der sol selig werden.‘ Wer hat es jnen befohlen, das sie den zusatz machen? Meinstu, das der heilige Geist so alber184 sey, das ersq rauch nichtr het k=nnen darzu setzen? Also haben sie den edelen Spruch verdunckelt,s ja verkert mit dem zusatz; darumb sihe dich fFr, das du dir tkeinen zusatz lessestt machen, sondern dabey bleibest, wie die wort lauten. Vnd verstehest es also: Wer da gleubt, der wird selig one sein verdienst, one alle werck. Warumb? Darumb, das vns gott lest verkFndigen vnd predigen, das er seinen Son Jhesum Christum hat lassen komen, das er sFnde vnd alles vnglFck hinweg neme.185 Besihe weitter, wie tr=stlich er von Christi wercken vnd verdiensten prediget etc.

n–n

sage ‚Glaube: WA 12, 559,26. Konjiziert nach WA 12, 569,4; im Originaldruck: fraget. p werffen: WA 12, 557,6. q Konjiziert nach WA 12, 558,1; im Originaldruck: er. r – r nicht auch: WA 12, 558,1. s gar vertunckelt: WA 12, 558,2. t – t nicht lassest eyn tzusatz: WA 12, 558,3. o

178 179 180 181 182 183 184 185

Vgl. Luther, WA 12, 559,20–29 (Sermon am Himmelfahrtstage, 1523). Vgl. Luther, WA 12, 560,3f (Sermon am Himmelfahrtstage, 1523). Vgl. Luther, WA 12, 560,12–15 (Sermon am Himmelfahrtstage, 1523). Vgl. Luther, WA 12, 557,5 –9 (Sermon am Himmelfahrtstage, 1523). nur ja, auf jeden Fall. Vgl. Art. je [3] I.6.b), in: DWb 10, 2277. nämlich, will sagen, das heißt. Vgl. Art. vernehmen 4), in: DWb 25, 912f. einfältig. Vgl. Art. alber. in: DWb 1, 201f. Vgl. Luther, WA 12, 557,31–558,7 (Sermon am Himmelfahrtstage, 1523).

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[D 4v:] Aus der Hauspostilla, so zu NFrnberg Anno 44. gedruckt ist, Folio 41. facie 2. Col. 3. From sollen wir sein vnd vns in heiligem leben halten, das ist war. uSelig werden aber,u solchs widerferet vns allein durch vergebung der sFnden.186 Das allein hilfft mich, das du durch den heiligen Johannem hast predigen heissen, das wir sollen selig werden durch vergebung der sFnden.187 vDoch heissetv Johannes predigt, dadurch man lernt, wie man sol selig werden. Nemlich allein durch vergebung der sFnden.188 wAber das mus die h=chste ketzerey sein,w wenn wir leren, man k=nne allein durch vergebung der sFnden vnd nicht durch gute werck selig werden etc.x Wo kompty vergebung der sFnden zher eigentlich vndz wer macht sie? Da antwort Zacharias sehr fein: Die hertzliche barmhertzigkeit Gottes macht sie.a189 Das heist doch je, meine ich, allen verdienst vnd gute werck genaw von vergebung der sFnden abgeschnitten.190 Da heisset er seligkeit, das man von sFnden vnd tod ledig wird etc.191 Die Papisten k=nnen nichts wenigers dulden in vnser Lere vnd widerfechten nichts hefftiger, denn das wir leren, man mFsse alleine durch den glauben an Christum selig werden, mit guten wercken werde mans nicht ausrichten etc.192 Aus der grossen Postilla vom Aduent bis auff Ostern, ausgangen A. 44., Folio 142. fac.2.193

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[E 1r:] Sondern nach seiner barmhertzigkeit macht er vns selig etc., Folio 89. Wie mFgen die wort bestehen, die da lauten, als sind wir schon selig? Sind wir nicht noch auff Erden im jamer? Antwort: Es ist darumb also geredt, das die krafft G=ttlicher gnaden vnd die art des glaubens wFrde ausgedruckt zu wider der jrrigen Werckheiligen, die durch jre werck die Seligkeit (als were

u–u

Aber selig werden: WA 52, 651,27f. Das heyst Sant: WA 52, 652,6. w – w Das will der Bapst unnd sein hauff nicht leyden. Singen das Benedictus alle tag in der Metten, aber verstehens nicht, sonder widerfechten und verfolgen es als die h=chste Ketzerey: WA 52, 652,7–9. x nicht in WA 52, 652,11. y kombt aber: WA 52, 652,12. z – z eygentlich her: WA 52, 652,12. a es: WA 52, 652,13. v–v

186

Vgl. Luther, WA 52, 651,27f (Hauspostille, 1544). Vgl. Luther, WA 52, 651,32–34 (Hauspostille, 1544). 188 Vgl. Luther, WA 52, 652,6f (Hauspostille, 1544). 189 Vgl. Lk 1,78. 190 Vgl. Luther, WA 52, 652,9 –15 (Hauspostille, 1544). 191 Vgl. Luther, WA 52, 651,6f (Hauspostille, 1544): „Ein solche predigt soll er [Johannes der Täufer] in die welt bringen, dadurch man lerne, wie man selig, von sünd und todt ledig werd.“ 192 Vgl. Luther, WA 52, 652,7–11 (Hauspostille, 1544). 193 Der Stellenangabe ist kein Zitat beigegeben. 187

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sie noch ferne von jnen) habenb vnd erlangen wollen. Nicht also, Christus hat vns auff einmal selig gemacht in zweierley weise; zum ersten, er hat alles gethan, was dazu geh=rt, das wir selig werden. Nemlich die sFnde, tod vnd helle vberwunden vnd vertilget, das nichts mehr darzu von jemand zu thun ist. Zum andern, das er solchs alles in der Tauff hat vns allen gegeben, das wer da gleubet an Christum, das er solchs gethan habe, der hats also gewislich alles in den augenblick. Vnd sind alle seine sFnd dahin mit dem Tod vnd Helle, das er nichts mehr bedarff zur seligkeit, denn solches glaubens. Sihe, so vberschwenglich reichtum schFttet Gott vber vns in der Tauffe, das er auch die werck auffhebet, damit die narren vermessen, den Himel zu gewinnen vnd selig werden. Nein lieber Mensch, du must den Himel haben vnd sch=n selig sein, ehe du gute werck thust etc.194 Aus der grossen Postilla M. Luthers von Ostern bis auff den Aduent. Anno 44. a Folio 109. usque ad. 113. folium:

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[E 1v:] Wer da gleubt vnd getaufft wird, der wird selig werden. Wer aber nicht gleubet, der wird verdampt werden etc. Das ist freilich eine liebliche, freundliche vndc tr=stliche predigt lered vnd heisset billich ein Euangelium, denn hie h=restu mit einem worte (Saluus erit) den Himel auffgethan, die Helle zugeschlossen, das Gesetze vnd Gottes gerichte auffgehoben, SFnde vnd Tod begraben vnd das leben vnd Seligkeit aller Welt in den schos gelegt, wenn sie es nur gleuben wolte. O wer hie ewol k=ntee lernen diese zwey wort, gleuben vnd selig werden etc.195 An dem einen (selig werden) hat es freilich keinen mangel noch fehl, denn dasf ist gar dargegeben vnd geschenckt im Wort oder Euangelio, welches ist Gottes vnwandelbare Warheit, aber es mangelt noch viel an vnserm glauben, das wir solchs nicht auch feste gnug fassen vnd halten k=nnen etc.196 gJtem, man kang doch nicht sagen, wer dis oder jenes thut, der wird selig.h Darumb wird es in diesem Reich Chisti alsi in einen Kuchen gemenget vnd zusamen gebracht vnd mit einem wort vnd in ein stFck gefasset, nicht dieser

b

holen: WA 10I.1.1, 107,11. nicht in WA 21, 390,30. d nicht in WA 21, 390,30. e – e k=ndte wol: WA 21, 390,35. f Konjiziert nach WA 21, 391,22; im Originaldruck: da. g – g so kan man: WA 21, 393,38. h selig etc.: WA 21, 394,1. i alles: WA 21, 394,2. c

194

Vgl. Luther, WA 10I.1, 107,6–108,2 (Kirchenpostille 1522); die Textfassung entspricht weitestgehend folgender Ausgabe [in WA 10I.1 Sigle W]: Auslegung || der Episteln vnd Euan= || gelien durchs gantze iar / || D. Mar. Luthers. || Auffs new corrigiert / || mit einem nFtzlichen || Register. || Wittemberg. M. D. XLIIII. [Leipzig: Nikolaus Wolrab] (VD 16 L 5605). 195 Vgl. Luther, WA 21, 390,28–35 (Crucigers Sommerpostille, 1544). 196 Vgl. Luther, WA 21, 391,21–25 (Crucigers Sommerpostille, 1544).

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oder jener, der also lebet, dis oder jenes thut, sondern ‚wer da gleubet, der wird selig.‘ Da hastu es alles miteinander,j so du gleubest, so bistu (spricht Christus) in meinem Reich, ein seliger Mensch, erl=st von SFnde vnd Tod etc.197 [E2r:] Nu das wort (WER DA GLEVBET) mus man auch recht ansehen vnd verstehen, das wir es nicht lassen verkeren durch angeschmirte glosen vnd zusatz, damit die Papisten solchen herrlichen, gewaltigen Spruch vertunckeln vnd zu nicht machen, so sie jren Geifer daran hangen vnd sagen, man mFsse neben dem warenk glauben auch gute werck verstehen, das es also heisse: Wer da gleubet vnd gute werck thut, der wird selig etc. Das seind die Hochgelerten meister, so Christum zur Schule fFren vnd jm die zungen scherffern vnd leren, wie er reden sol. Geifern aus jrer blindheit, was sie wollen, vnd wissen doch nicht, was vnd waruonl sie reden in diesen hohen sachen. Wir aber sollen Christo die ehre thun vnd sein wort lauter vnd rein lassen, als der wol gewust, wie er von diesen sachen reden vnd gered haben wolle, so er jnen hie befilhet, in alle Welt zu predigen.198 Denn er hat mitm vleis wollen so dFrre vnd reine reden: ‚Wer da gleubet vnd getaufft wird, nder wird selig werden,‘n damit auszuschliessen beide, der JFden vnd aller Welt falschen wan vnd vermessenheit auff eigeno werck vnd thun, vnd zeucht es alles auff den glauben vnd Tauffe, das ist: nicht auff vnser, sonder auff pseine eigenep werck. Denn hiewider wollen beide, JFden vnd alle Welt, jren rhum vnd trotz auff jre eigene [E 2v:] heiligkeit erhalten vnd dieselbigeq nicht tadeln noch verwerffen lassen – die JFden, das sie die beschneidung, das Gesetze vnd viel Gottesdienst haben vnd vben. Die sollen trawen auch zur Seligkeit gelten retc. Auch falscher Apostel vnd viele derer, die auch Christen worden waren, mit grossem schein vber diesem Artickel fochten vnd stritten wider der Apostel Lere. sAlso haben die Heiden auchs gethan etc.199

j miteinander, Du seiest JFde oder Heide, Herr oder Knecht, Jungfraw oder Eheman, M=nch oder Ley: WA 21, 394,5f. k wort: WA 21, 395,2. l wo von: WA 21, 395,6. m zu: WA 21, 395,10. n – n etc.: WA 21, 395,11. o jre eigen: WA 21, 395,12. p – p sein eigen: WA 21, 395,14. q dieselbe: WA 21, 395,16. r – r und wollen der halben nicht leiden, das jnen die Heiden vergleicht werden (welche der keines haben), das sie solten Gottes Volck heissen und selig werden, wo sie nicht auch das selbe annemen und Jüden werden, Wie auch die falschen: WA 21, 395,18 –21. s – s Ja, was haben die Heiden selbs: WA 21, 395,24. 197 198 199

Vgl. Luther, WA 21, 393,38 –394,8 (Crucigers Sommerpostille, 1544). Vgl. Luther, WA 21, 394,37–395,9 (Crucigers Sommerpostille, 1544). Vgl. Luther, WA 21, 395,10 –25 (Crucigers Sommerpostille, 1544).

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Also thun noch vnd allzeit alle, die mit wercken vmbgehen vnd die Leute leren, dadurch selig zu werden. Die k=nnen nicht leiden, das man jr leben vnd thun straffe, als solte solchs nicht gelten noch verdienlicht sein zur Seligkeit. Darumb k=nnen sie solche lere nicht fFr recht halten, so Christus hie sagt: ‚Wer da gleubt, der wird selig.‘u Sondern ob sie schon auch das Euangelium annemen vnd Christen sein wollen (wie vnsere Papisten), so lassen sie doch solche lere nicht rein, sondern mFssen jre zusetze vnd Glosen daran schmiren vnd sagen, man mFsse es also verstehen: ‚Wer da gleubt vnd gute werck dazu thut, der wird selig.‘ Vnd sol also viel heissen, das man nicht allein durch den glauben, sondern auch durch gute werck die seligkeit erlanget.v Gleich wie die falschen Apostel vnd jre JFnger aus den JFden auch solchen zusatz in diese lere einfFreten vnd fFrgaben, es thet es nicht allein der glaube, sondern man mFste auch das gesetze Mosi halten etc.200 wEinrede

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der Wercktreiber.w

Hie sprichstu: ja lerestu doch selbst, das ein [E 3r:] Christx mus gute werck thun, denn sie sind jay von Gott geboten, vnd wilz das gesetze gehalten haben.a Darumb mus nicht der glaube allein gerecht vnd selig machen, vnd mus dieser Spruch also verstanden werden, das man die werck nicht ausschliesse, sondern das Christus alhie neben vnd vber die guten werck auch den glauben fordere zu leren, welchen die bHeiden vnd JFdenb nicht hatten etc.201 Darumb cmus man (sagen sie)c den text gantz also zusamen fassen, das er nicht allein den glauben, sondern auch die wercke mit begreiffe etc.202 Antwort dauff solche Einred.d

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Das ist (wie ich gesagt habe) ein lauter ledig gewesche vnd falsch, verkerte Glosen der blinden Sophisten, welche von dieser sachen vnd hohen leren des Euangelij nichts verstehen noch wissen, was sie sagen, weder vom glauben, noch vone guten wercken, oder wie man vnterschiedlich von beiden stFcken

t

verdienstlich: WA 21, 395,32. selig‘ etc.: WA 21, 395,34. v erlange: WA 21, 396,2. w – w nicht in WA 21, 396. x Christen: WA 21, 396,9. y je: WA 21, 396,10 z er wil: WA 21, 396,10. a haben, wie Christus selbs sagt: ‚Wiltu zum Leben eingehen, so halt die Gebot‘ [Mt 19,17]: WA 21, 396,11f. b – b JFden und Heiden: WA 21, 396,15. c – c müsse man: WA 21, 396,26. d – d nicht in WA 21, 396,29. e nicht in WA 21, 396,32. u

200 201 202

Vgl. Luther, WA 21, 395,30–396,5 (Crucigers Sommerpostille, 1544). Vgl. Luther, WA 21, 396,9 –16 (Crucigers Sommerpostille, 1544). Vgl. Luther, WA 21, 396,26–28 (Crucigers Sommerpostille, 1544).

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leren sol. Denn wir bekennens auch vnd haben allezeit geleret, stercker vnd besser denn sie, das man sol gute werck leren vnd thun, vnd das sie dem glauben folgen mFssen, das auch, wo sie nicht folgen, der glaube nicht rechtschaffen sey.203 Darumb schleust diese lere vom Glauben gute werck nicht aus, als d=rfften oder solten sie nicht da sein. Vnd ist nicht die frage hieuon, ob man gute werck thun sol oder nicht, sondern hie teilet sichs vnd mus mit vnterscheid geleret werden, was jedes diesef beide stFck in sonderheit thue vnd vermFge vnd in seiner ordnung behalten werde, dahin es geh=ret, auff das man gbeide lerne rechtg [E 3v:] verstehen, was der Glaube schaffet vnd empfehet, vnd warumb vnd warzuh gute Werck geschehen sollen. Diesen vnterscheid leret die predigt des Euangelij, wie die Aposteln allenthalben thun, darumb ist es nichts denn blindheit oder auch mutwillige bosheit, das die Sophisten on allen vnterscheid als die vnreinen Sew alles zusamen raffen vnd sudeln die SprFch vntereinander, das man keinen recht verstehet etc.204 Darumb sol man auch diese beide stFcklini vnuermenget vnd rein also scheiden, das die Lere vnsersj Glaubens vnd vnser Tauffe vorgehe als das HeuptstFck vnd grund vnser Seligkeit, darnach das ander folge, vnd eink jedes an seinem ort geleret vnd behalten werde etc.205 Lis was weiter folget. Andere sehr viele zeugnis aus der grossen Postil, auch aus anderer Herren Schrifften (deren etliche jetzund anders denn zuuor von diesem handel geschrieben) wider vnsere Widersacher vnd vnzeitige Wercktreiber haben wir (damit dis BFchlin nicht zu gros werde) jetzund nicht setzen wollen. Wo man aber noch nicht wil zufrieden sein, wollen wir der zeugnis mehr an tag geben. Zum Beschlus aller der zeugnis aus dem Buch Doct. Martini von den Concilijs vnd Kirchen (welches Buch auch gantz wider vnser Widersacher ist): Qui docet, id quod non est, docet nihil. Wer da leret das, so nichts ist, der leret eben so viel als nichts. Also mag man auch vom Glauben reden. [E 4r:] Wer solchen glauben leret, der nicht alleine vnd one werck gerecht macht,

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dieser: WA 21, 397,1. beides recht lerne: WA 21, 397,3. wo zu: WA 21, 397,4. stFck: WA 21, 397,29. des: WA 21, 397,30. also: WA 21, 397,31.

g–g h i j k

203 204 205

Vgl. Luther, WA 21, 396,29 –36 (Crucigers Sommerpostille, 1544). Vgl. Luther, WA 21, 396,37–397,9 (Crucigers Sommerpostille, 1544). Vgl. Luther, WA 21, 397,29 –32 (Crucigers Sommerpostille, 1544).

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Nr. 9: Synodalprotokoll Eisleben 13. Februar 1554

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der leret eben so viel als keinen Glauben, denn solcher glaube, der mit oder durch werck gerecht macht, ist nichts vnd nirgend.206

Gedruckt zu Eisleben durch Jacob Berwalt.207 Anno 1554. Den vierden tag Aprilis.

206

Vgl. Luther, WA 50, 598,3 –8 (Von den Konziliis und Kirchen, 1539). Zu Jakob Bärwald vgl. Reske, 186, 520: Er richtete 1554 in Eisleben eine Druckerei für seinen Schwager Urban Gaubisch ein und kehrte anschließend nach Leipzig zurück, wo er seit 1541 als Drucker nachweisbar ist. Er starb am 20.10.1570, die Erben führten die Druckerei bis 1585 weiter, dann übernahm der Sohn Zacharias Bärwald die Firma. 207

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Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: 511.32 Theol.(20)

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Die alte vnd newe Lehr Justi Menij / jederman zur Warnung vnd jtzt zu einem vor= drab Matth. Fl. Illyrici. 5

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Die Vocation aller Christen Matth. 18. Sundiget aber dein Bruder an dir / so gehe hin / vnd straffe jn zwisschen dir vnd jm alleine. H=ret er dich / so hastu deinen Bru= der gewonnen. H=ret er dich nicht / so nim noch einen oder zween zu dir / auff das alle sache bestehe auff zweier oder dreier Zeugen mund. H=ret er die nicht / so sage es der Ge= meine. H=ret er die gemeine nicht / so halt jn als einen Heiden vnd Z=lner. Warlich ich sage euch / Was jr auff erden binden werdet / sol auch im Himel gebunden sein / Vnd was jr auff Erden l=sen werdet / sol auch im Hi= mel los sein. Menius schreiet viel von meiner Vocation / Da ist die Vocation aller Christen.

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Nr. 10: Die alte und neue Lehr Justi Menii (1557) – Einleitung

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Einleitung 1. Historische Einleitung

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Der Superintendent von Gotha, Justus Menius veröffentlichte im Jahr 1556 zwei Schriften,1 die Matthias Flacius zusammen mit der Publikation zweier Predigtsammlungen durch Georg Major2 aus demselben Jahr zu der Klage veranlassten, dass die beiden „in iren gedruckten BFchern widerumb den irthumb [erregen], das die gute wercke zur seligkeit n=tig sein.“3 Bereits seit 1554 war Menius den anderen Theologen des ernestinischen Sachsen, allen voran Nikolaus von Amsdorf, verdächtig, Majors These zu unterstützen.4 Nachdem Menius somit vorgeworfen wurde, die These: „Gute Werke sind notwendig zur Seligkeit“, anscheinend öffentlich zu vertreten, forderten seine Landesherren, die ernestinischen Herzöge, zunächst von ihren Theologen und politischen Ratgebern Gutachten zu den Publikationen von Menius an. Während Nikolaus von Amsdorf und die Mehrzahl der politischen Berater scharf gegen ihn Position bezogen und ihn der Abtrünnigkeit von der wahren Kirche beschuldigten, war der Tenor der Gutachten von Erhard Schnepff sowie von Maximilian Mörlin und Johann Stössel zurückhaltender.5 Auch sie erkannten in den beiden zu begutachtenden Schriften zwar missverständliche Aussagen, doch keine klare Abweichung von der rechten Lehre. Mörlin und Stössel plädierten darum, auch weil sie um weitere Auseinandersetzungen zwischen Amsdorf und Menius fürchteten, für die Einberufung eines Konvents, auf dem Menius seine Aussagen erläutern sollte. Daraufhin bestellten die ernestinischen Herzöge Menius Anfang August 1556 nach Eisenach ein, damit er sich dort vor ihnen und den führenden Theologen des Herzogtums rechtfertigte.6 Amsdorf hatte von Beginn an keine große Hoffnung, dass diese Zusammenkunft eine Annäherung mit sich bringen würde, und Menius beteuerte nach

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Vgl. Von der be= || reitung zum seligen || Sterben. || Justus Menius.|| ... || (Von der || Seligkeit. || Ein Predigt || Justi Menij || Vber das Euangelium || Lucae X. ||) [Wittenberg: Georg Rhaus Erben 1556] (VD 16 M 4590 / M 4597). 2 Vgl. PRIMA || PARS HOME= || LIARVM IN EPI= || stolas Dominicales, a prima || Dominica Aduentus Domini, || us[que] ad Dominicam quar= || tam, post Epiphania || Domini. || Autore || Georgio Maiore. D. || VVITTEBERGAE || Ex officina Iohannis Lufft. || 1556. || (VD 16 M 2036); SECVNDA || PARS HOMELIA= || RVM IN EPISTOLAS || dominicales, a Dominica tertia || post festum Epiphanias Do= || mini, usque ad festum || Paschae. || Autore || Georgio Maiore D. || VVITTENBERGAE || Ex Officina Iohannis Lufft. || 1556. || (VD 16 M 2037). 3 Von der einig= || keit derer / so fFr vnd wider || die Adiaphora in vorgangenen Ja= || ren gestritten haben / Christlicher || einfeltiger bericht / sehr nFtz= || lich zu lesen / durch || Matth. Flac. Jl= || lyricum. || ... || [Magdeburg: Michael Lotther, 1556] (VD 16 F 1536), F 7v. 4 Vgl. zum Streit zwischen Menius und den anderen ernestinischen Theologen Schmidt, Menius II, 184–286; Preger, Flacius I, 354– 417; Heerdegen, Geschichte der allgemeinen Kirchenvisitation, bes. 63 –67, Gehrt, Ernestinische Kirchenpolitik, 98 –109. 5 Zu den Gutachten vgl. Gehrt, Ernestinische Konfessionspolitik, 104f; Schmidt, Menius II, 195–200. 6 Vgl. Ebd.; Richter, Gesetz und Heil, 137–139.

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wie vor, keine falsche Lehre vertreten zu haben. Da die ernestinischen Theologen, unter ihnen der Verhandlungsführer Victorin Strigel, keine Nachweise einer falschen Lehre aus den beiden gerade publizierten Schriften beibringen konnten, schwächte sich ihre Verhandlungsposition.7 Menius gelang es hingegen, seine Position durchzuhalten. Er unterzeichnete zwar die ihm abschließend vorgelegten, von Strigel verfassten sieben Artikel, doch nur mit dem Zusatz, dass er bisher keine falsche Lehre vertreten habe.8 Dies und die Formulierung des ersten Artikels, in dem Majors Aussage von den guten Werken nicht gänzlich verworfen, sondern konstatiert wurde, dass sie „in der Lehre vom Gesetz ‚abstractive et de idea‘ statthaft“9 sei, provozierte Amsdorf erneut zu heftigem Widerspruch.10 Dass Menius von den Herzögen eine öffentliche Verteidigung verboten wurde, Amsdorf hingegen eine Schrift gegen ihn in Jena drucken lassen durfte,11 veranlasste ihn schließlich zur freiwilligen Aufgabe seines Amtes als Superintendent in Gotha und zu seiner Übersiedlung in das albertinische Kurfürstentum Sachsen Anfang des Jahres 1557, wo er die Superintendentur in Leipzig übernahm.12 Zur selben Zeit erschien die bereits zitierte Schrift von Flacius mit dem erneuerten Vorwurf, Menius würde Irrtümer verbreiten. Zudem veröffentlichte Flacius eine weitere Schrift, in der er aus Menius’ Buch „Der Wiedertäufer Lehre und Geheimnis“ zitierte,13 um anhand von dessen eigenen, früher vertretenen Positionen zu beweisen, dass er nun von der rechten Lehre abgefallen sei.14 Durch den Umzug nach Kursachsen nun jeglicher Druckverbote in seiner Sache ledig, reagierte Menius darauf mit einer stark polemischen Schrift.15 In dieser bestritt er Flacius das Recht zur Kritik, da er innerhalb der Kirche zu keinem Amt ordentlich berufen sei, was ihm dies erlauben wür-

7

Zu den Verhandlungen vgl. Richter, Gesetz und Heil, 142–145; Schmidt, Menius II, 203–237. Vgl. Richter, Gesetz und Heil, 145 –149, Schmidt, Menius II, 236f. 9 Dingel, Einleitung, 20f. 10 Vgl. Richter, Gesetz und Heil, 151–160; es entstand daraus letztlich der Zweite antinomistische Steit: vgl. Richter, Gesetz und Heil; unsere Ausgabe Bd. 4. 11 Das Justus Meni= || us sein Vocation vnd Kirche || heimlich verlassen / vnd von || der reinen Lere des || Euangelij abge= || fallen sey. || Niclas von Amsdorff.|| ... || (Kurtze Antwort M. || Anthonij Otthonis / auff das || Lesterbuch Menij. ||) [s.l., 1557] (VD 16 A 2345); zu Jena als Druckort vgl. Gehrt, Ernestinische Konfessionspolitik, 107. 12 Vgl. Gehrt, Ernestinische Konfessionspolitik, 107f; Schmidt, Menius II, 245 –252. 13 Vgl. Der widderteu || ffer Lere vnd geheim || nis / Aus heiliger schrifft || widderlegt. || Justus Menius. || Von der Wid= || dertauffe an Zween || Pfarher / Ein Brieff. || D. Martinus Luther || Vnterricht wid || der die lere der Wid= || derteuffer. || Philip. Melancht. || [Wittenberg: Nickel Schirlentz 1534] (VD 16 M 4604; weitere Nummern: L 7241, M 2431). 14 Vgl. Bekentnus M. || Flac. Jllyrici von etli= || chen jrthumen Maioris. || Item etliche spruche Menij. || ... || [s.l. 1557] (VD 16 F 1278), C 7r– 8v. 15 Vgl. Verantworttung || Justi Menij || Auff || Matth. Flacij Jllyrici gifftige || vnd vnwarhafftige verleumb= || dung vnd lesterung. || ANNO || M.D.LVII. || [Wittenberg: Georg Rhau, 1557] (VD 16 M 4583); im selben Jahr erschien eine weitere Auflage dieser Schrift (VD 16 M 4584). 8

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de.16 Die hier edierte Schrift „Die alte und neue Lehre Justi Menii“ von Flacius stellt wiederum die Antwort auf diese Veröffentlichung von Menius dar. 2. Der Autor 5

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Matthias Flacius17 war 1520 in Albona, dem heutigen Labin/Kroatien geboren worden. Den Rat seines Verwandten, des Franziskanerprovinzials Baldo Lupetina, befolgend, bezog er die Universitäten Basel, Tübingen und ab 1541 Wittenberg. Dort wurde Luther für ihn nicht nur in theologischen Fragen, sondern auch in persönlichen Angelegenheiten zu der maßgeblichen Zentralgestalt, da er es, wie er rückblickend selbst berichtete, Luthers Seelsorge verdankte, von jahrelangen, schweren Anfechtungen befreit worden zu sein. Nach dem Tod Luthers und den Auseinandersetzungen um die Aufrechterhaltung der reinen lutherischen Lehre nach dem Augsburger und sogenannten „Leipziger Interim“ 1548/49 kann es daher nicht verwundern, wenn er sich massiv für die Bewahrung von Luthers Erbe einsetzte. Von 1549 an verfasste er in Magdeburg zu diesem Zweck zahlreiche Schriften und wurde so zu dem profiliertesten und produktivsten Verteidiger der lutherischen Lehre. Die ernestinischen Herzöge von Sachsen befanden sich, bedingt durch die im Schmalkaldischen Krieg 1546/47 erlittenen Verluste, mit ihren siegreichen albertinischen Vettern im territorialpolitischen Streit. Dieser wirkte sich gerade auch auf die Religionspolitik massiv aus. Die Ernestiner versuchten den Verlust der Universität Wittenberg durch die Gründung einer Universität in Jena zu kompensieren und damit den Anspruch zu erheben, die wahren Sachwalter und Erben der Lehre Luthers zu sein.18 Seit 1555 unternahmen die ernestinischen Herzöge den Versuch, Flacius auf eine theologische Professur an ihrer neugegründeten Universität in Jena zu berufen. Im Juli 1556 verpflichtete sich Flacius schließlich, an Ostern des folgenden Jahres, nach Jena zu wechseln. Die Herzöge banden ihn daraufhin stark in ihre Religionspolitik ein. Auf Reichsebene nahm Flacius im Namen der Herzöge am Regensburger Reichstag und am Wormser Religionsgespräch 1556/57 teil. Auf territorialer Ebene erhofften sich die Herzöge durch Flacius die Schaffung und Aufrechterhaltung einer einheitlichen theologischen Lehre. Darum ernannten sie ihn zum Obersuperintendenten in ihrem Land. Zeitlich parallel zu seiner Indienstnahme und seiner tatsächlichen Ankunft in Jena am 27. April 1557 verlief die Kontroverse zwischen den ernestinischen Theologen und Justus Menius sowie die Auseinandersetzungen um das

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Vgl. Ebd., M1v–M 2r. Zum folgenden und allgemein zur Person vgl. Preger, Flacius; Olson, Flacius; Gehrt, Ernestinische Konfessionspolitik, 109–114. 18 Zu den Streitigkeiten zwischen den Ernestinern und Albertinern vgl. Bünz, Eine Niederlage wird bewältigt, passim. 17

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Ergebnis der Eisenacher Synode,19 in die Flacius darum von den Herzögen bereits mit einbezogen wurde. Von ihm wünschten sie sich die Beruhigung der Situation durch eine Anerkennung der Eisenacher Thesen. Es zeigte sich jedoch, dass Flacius, obwohl er den Thesen nicht so kritisch begegnete wie Amsdorf,20 weder die Situation im Herzogtum Sachsen kurzfristig beruhigen noch langfristig die Einigung auf eine einheitliche Lehrgrundlage erreichen konnte. Vielmehr geriet er in Streit mit den anderen ernestinischen Theologen, was 1561 dazu führte, dass er seiner Ämter wieder enthoben wurde. In den folgenden Jahren führte Flacius zusammen mit seiner Familie ein unstetes Leben, das ihn zunächst nach Regensburg (1562–1566), dann nach Antwerpen (1566 –1567) und Straßburg (1567–1573) sowie schließlich nach Frankfurt am Main führte. Dort verstarb er am 11. März 1575.

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3. Inhalt Nachdem Menius in seiner „Verantwortung“ Flacius scharf attackiert hatte, antwortete dieser mit der hier edierten Schrift. Bereits auf der Titelseite reagierte Flacius auf die schärfste Kritik von Menius. Dieser hatte die Rechtmäßigkeit seiner Berufung in Frage gestellt und ihm damit das Recht zur Kritik an anderen Theologen bestritten. Flacius verweist darum darauf, dass nach Mt 18 jeder Christ dazu berufen sei, die Sünden seines Bruders zu tadeln. Die Schrift als solche lässt sich in zwei Teile gliedern und zeichnet sich dadurch aus, dass sie keinen eigenständigen Argumentationsgang aufweist. Vielmehr stellt Flacius zunächst Zitate aus unterschiedlichen Werken von Menius zusammen, um dessen Abfall von der rechten Lehre zu erweisen. Dabei geht Flacius so vor, dass er in einem ersten Teil die „alte“ Lehre von Menius anhand der Wiedergabe von Passagen aus dessen älteren Werken darstellt. Er zieht zu diesem Zweck Menius’ Übersetzung von Luthers Galaterkommentar, Menius’ Buch gegen die Täufer21 und „Von der Notwehr“22 sowie das Bekenntnis der ernestinischen Herzöge aus dem Jahr 1549,23 das Menius verfasst haben soll, heran. Die Zitate dienen dem Beweis, dass Me19

Im August 1556 hatte Strigel auf Veranlassung von Herzog Johann Friedrich II. als Ergebnis der Disputation mit Menius sieben Thesen verfasst, die festhielten, dass allein der Glaube rechtfertige und die guten Werke nicht nötig seien, um das Heil zu bewahren. Vgl. dazu Richter, Gesetz und Heil, 145–149. 20 Vgl. Richter, Gesetz und Heil, 162–169. 21 Vgl. Anm. 13. 22 Von der Notwehr || vnterricht: || Nützlich zu || lesen. || Durch Justum Menium. || [Wittenberg: Veit Kreutzer, 1547] (VD 16 M 4592); vgl. Schneider, Politischer Widerstand. 23 Confession vnd Be= || kentnis des Glau= || bens der durchleuchten Hoch= || gebornen FFrsten vnd herrn herrn Johans Fridri= || chen des mitlern / herrn Johans Wilhelm / vñ herrn || Johans Fridrichen des jFngern hertzogen zu || Sachsen Landgrauen zu DFringen vnd || Marggrauen zu Meissen etc. land= || schafft zu DFringeu vbergeben || auffm landtage zu Wei= || mar. Anno.|| M.D.XXXXIX.|| ... || [Königsberg: Hans Lufft, 1550] (VD 16 S 1141).

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nius in der Vergangenheit recht gelehrt habe. Dies kontrastiert Flacius daraufhin in einem zweiten Teil mit Zitaten aus neueren Werken von Menius, um dessen „neue“, falsche Lehre darzustellen. Flacius bezieht sich dabei auf die ungedruckten 110 Propositiones aus dem Jahr 1554, die ebenfalls ungedruckte Verteidigungsrede von Menius während der Eisenacher Synode von 1556, die Schriften „Von der Seligkeit“ und „Von der Bereitung zum seligen Sterben“24 aus demselben Jahr sowie den ungedruckten Zusatz, den Menius seiner Unterschrift unter die sieben Artikel der Eisenacher Synode beifügte. Die Gegenüberstellung von Zitaten endet mit einem Hinweis auf Menius’ Schrift „Von der Gerechtigkeit die fur Gott gilt“ aus dem Jahr 1552,25 um die Widersprüchlickeit in Menius’ Lehre zu veranschaulichen. 4. Ausgabe Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe:

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A: Die alte vnd newe || Lehr Justi Menij / jederman zur || Warnung vnd jtzt zu einem vor= || drab Matth. Fl. Illyrici. || Die Vocation aller Christen || Matth. 18. || Sundiget aber dein Bruder an dir / so || gehe hin / vnd straffe jn zwisschen dir vnd jm || alleine. H=ret er dich / so hastu deinen Bru= || der gewonnen. H=ret er dich nicht / so nim || noch einen oder zween zu dir / auff das alle || sache bestehe auff zweier oder dreier Zeugen || mund. H=ret er die nicht / so sage es der Ge= || meine. H=ret er die gemeine nicht / so halt jn || als einen Heiden vnd Z=lner. Warlich ich || sage euch / Was jr auff erden binden werdet / || sol auch im Himel gebunden sein / Vnd was || jr auff Erden l=sen werdet / sol auch im Hi= || mel los sein. || Menius schreiet viel von meiner Vocation / || Da ist die Vocation aller Christen. || [6] Blatt 4° [s.l. 1557] (VD 16 M 4537) BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 2 in: Dm 3 R BUDAPEST, Országos Széchényi Könyvtár (Nationalbibliothek): Ant. 2547 GOTHA, Forschungsbibliothek: Th 431(7)R, Theol.4 210–211(5) HALLE, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: AB 154 346(11) JENA, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 4 Theol.XLIII,6(13) MÜNCHEN, Bayerische Staatsbibliothek: Res/4 Polem. 3344,22 MÜNCHEN, Bibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität: 4 Theol.5209:2a WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 511.32 Theol.(20), H 139 A.4 Helmst.(2) WITTENBERG, Lutherhalle: Kn A 339/2357 ZWICKAU, Ratsschulbibliothek: 8.6.3.(1) 24

Vgl. Anm. 1. VO] der Ge= || rechtigkeit die fFr || Gott gilt. || Wider die newe Alcumistische || Theologiam Andreae Osiandri. || Justus Menius. || [Erfurt: Gervasius Stürmer, 1552] (VD 16 M 4591).

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Aus den Galat. Lutheri, von Menio selbs verdeudscht, das die guten Werck in keinem wege zur Seligkeit n=tig sein:1„Dje falschen Aposteln haben geleret, das neben dem Glauben an Christum auch die guten Werck zur seligkeit n=tig sein.“ Jtem:2„Darumb, ob gleich der Bapst mit seinen Schulschwetzern3 saget, das Gesetz vnd Gnad (oder Euangelium)a den blosen worten nach zweierley sey, so hat ers gleichwol gantz vnd gar vmbgekeret vnd das widerspiel4 geleret. Denn also sagt er, der Glaub an Christum, er sey gleich fides acquisita, das ist ein Glaub durch eigne natFrliche Krefften vnd vbung erlanget, oder infusa, das ist ein Glaub von Gott selbs gegeben vnd eingegossen, so sey er doch gleichwol tod vnd helffe nichts one die Liebe. Wo bleibet hie in dieser Lere der vnterscheid des Gesetzes vnd der Gnaden? Er macht wol ein vnterscheid vnter den worten Gesetz vnd Gnade, aber im grunde so macht er aus der Liebe, die ein werck des Gesetzes ist, die gnade. Denn er spricht ja, one Liebe tFge5 der [A 2r:] Glaub nicht, der sich doch nur an die blosse verheissung Gottes vnd gnade helt.“ Mit dem Bapst stimpt auch Maior, sagend, one gute werck ist vnmFglich, selig zu werden. Jtem:6„Wenn mans im grunde vnd beim Liecht eben besicht, so ist es gewis vnd findet sich also, das solch leren vnd treiben auff die werck, als n=tig zur Seligkeit, mehr vnd gr=ssern schaden thut denn keine menschliche vernunfft imer7 mehr begreiffen oder verstehen kan. Denn es wird nicht allein das Erkentnis der gnaden dardurch vertunckelt, sondern Christus mit allen seinen wolthaten wird dardurch weggerissen vnd das gantz Euangelium, wie S. Paulus alhie zeuget,8 verkeret.“ Aus Justi Menij Buch vom geheimnis der Widerteuffer:9„Zum ersten geben sie fFr, Christus hab gesagt: ‚Wiltu zum leben eingehen, so halte die Gebot.‘10 Darumb sagen sie, ist es mit dem Glauben allein one die wercke nicht gnug zur seligkeit.“ Vnd bald hernach also:11„Dazu so ist es je des a

Hierbei handelt es sich um einen Einschub des Flacius in das Zitat.

1 Vgl. Der Erste || Teil der Bü= || cher D. Mart. Luth. || vber etliche Epistel der || Aposteln. || [Wittenberg: Hans Lufft, 1539] (VD 16 M 3309), XXIXv. 2 Ebd., LXXXIIv–LXXXIIIr. 3 Polemische Anspielung auf die scholastischen Theologen. 4 Gegenteil. 5 tauge. Vgl. Art. taugen I.1.c), in: DWb 21, 196. 6 Vgl. Der erste Teil der Bücher D. Martin Luthers, XXXIr. 7 jemals. Vgl. Art. immer 11), in: DWb 10, 2071. 8 Vgl. Gal 1,7. 9 Der widderteu || ffer Lere vnd geheim || nis / Aus heiliger schrifft || widderlegt. || Justus Menius. || Von der Wid= || dertauffe an Zween || Pfarher / Ein Brieff. || D. Martinus Luther || Vnterricht wid || der die lere der Wid= || derteuffer. || Philip. Melancht. || [Wittenberg: Nickel Schirlentz, 1534] (VD 16 M 4604; weitere Nummern: L 7241, M 2431), E 5v. 10 Vgl. Mt 19,17. 11 Menius, Der Widertäufer Lehre, F 4r–v.

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Glaubens art vnd natFr entgegen vnd aller ding zuwider, das er sich durch Christum an Gottes gnade vnd zu gleich auch an seiner eignen werck vnd leiden verdienst halten sol. Nota. Vnd kan die Rottenmeister12 hie nicht helffen, ob sie lang vnd viel sagen wolten (wie sie denn hie auff gar schlFpfferigter ban zu gehen vnd jmerdar von einer seiten auff die andere zu wancken pflegen): ‚Ey, man sol ja den Glauben auff der werck vnd lei[A 2v:]den verdienst nicht setzen. Aber man sol vnd mus sie dennoch gleichwol haben als n=tige ding zur Seligkeit.‘ Nota. Das ist nicht13b geredt. Denn sind sie zur Seligkeit n=tig, so kan man die Seligkeit one sie gewislich nicht erlangen, […]c so macht der Glaub allein auch nicht selig. Das ist aber falsch vnd wider die gantze heilige Schrifft, wie droben mechtig vnd reichlich bewiesen ist. Denn wir reden vom glauben, der durch Gottes gnade in Christo selig machet. Jst es nu gnade, so ist es je kein verdienst, weder der werck noch des leidens? Summa: Er kan sich an zweien widerwertigen dingen gar nicht halten, wie Gnad vnd verdienst widerwertige ding seind.“ Jtem, bald abermal wider die Sophistische Distinction der Maioristen: „Gute werck seind dir ja n=tig zur Seligkeit. Aber nicht als ein verdienst, nicht das du dich darauff verlassen soltest, sondern viel mehr soltu sie fur Kot vnd dreck halten“, spricht Menius weiter also:14 „Es solt nu von diesem artikel billich15 gnug gsagt sein, doch mus ich noch ein wenig mehr dauon handeln. Wir haben droben in jrem geschwetz, damit sie das arm, einfeltig16 Volck vberreden vnd in jre verdampte Rotte bringen, geh=rt, wie man nach jrem furgeben vorhin17 der Werck, der Creaturen vnd sein selbs sich verzeihen mus […]d. Vnd sie streiten doch vnd dringen mit aller machte darauff, man mus die werck neben dem Glauben auch haben, oder man k=nne nicht selig werden. Was ist [A 3r:] aber das gesagt? Werck sind zur seligkeit n=tig. Vnd wer da wil selig werden, […]f der sol sich verzeihen des, das jm zur Seligkeit von n=ten ist vnd one das man die Seligkeit nicht erlangen kan. Reime dich

b

Im Original von 1534: nichts Im Original von 1534 folgt: „kan man aber die seligkeit on sie nicht erlangen“ d Im Original von 1534 folgt: „vnd verleugnen mus, ehe man zum rechten glauben kome vnd der Tauffe Christi selig werde. Nu sihe aber zu, wie fein reimet sich ihr ding zu samen. Man sol sich er werck verzeihen.“ e Konjiziert aus: allerm acht. f Im Original von 1534 folgt: „der mus sich der werck verzeihen. Ergo: wer da will selig werden“ c

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Polemischer Ausdruck Luthers zur Bezeichnung von innerevangelischen Gegnern. Vgl. Art. Rottenmeister 2), in: DWb 14, 1321. 13 Nichtiges. 14 Menius, Der Widdertaufer Lehre, F 6r. 15 angemessen. Vgl. Art. billich, in: Fnhd.Wb. 4, 412. 16 schlichten, redlichen. Vgl. Art. einfältig 2), in: DWb 3, 173f. 17 ohnehin. Vgl. Art. vorhin 3), in: DWb 26, 1205f.

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Bundschuch.18 Es heisst also: ‚Mendacem oportet esse memorem‘,19 das ist: ‚Wer da liegen will, der mus ein gut gedechtnis haben‘, anders in der nachrede, so verredet20 er sich selbs, das man sihet vnd mercket, wie er in der Vorrede gelogen hat. Das solt der LFgengeist jtzt auch bedacht haben etc.“ Freilich, das solt Menius jtzt auch bedacht haben, so er anders bey seiner alten Lere zu bleiben gedechte. Von der Bus.

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Es hat Menius geschrieben ein Buch von der Notwehr Anno 1547,21 an welcher Busler22 gewislich vieler tausent Menschen zeitlich vnd ewigs heil gelegen ist. Gern m=cht ich nu wissen, ob er noch solche seine alte Lere oder Buspredigt so ernstlich predige, oder ob er nu eine newe, bessere vnd nFtzlichere erfunden habe etc? Questio. Aus einer gedruckten Confession Anno 1549 in DFringen gestelt, die Menius geschrieben oder je in sie gewilliget hat, das gute werck zur Seligkeit nicht n=tig sind:23 „Der vierdte Grad Christlicher Freiheit24 fleust vnd schleusst sich aus dem dritten, nemlich also: Weil wir durch Christum vom g=ttlichen Gesetz der heiligen zehen Gebotten also gefreiet seind, das wir one derselbigen werck vnd gehorsam, ja ob wirs gleich nicht gehalten, sondern vielfeltig vbertretten vnd darwider gesFndiget [A 3v:] haben, dennoch gleichwol bey Gott, gnade zu erlangen, gerecht vnd selig werden k=nnen, allein durch den Glauben an Christum.“ Jtem, aus derselbigen wider die Adiaphoristische Jnterim:25 „Dieses alles seind ja ernste vnd klare Gebot Gottes, welche sampt den obangezeigten vrsachen alle Christen nicht allein vermanen, sondern auch zwingen, das sie jnen, so lieb jnen Gottes hulde vnd jrer Seelen seligkeit ist, jre Christliche Freiheit ja nicht nemen vnd sich vnter solche menschliche Satz-

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Der Bundschuh als Zeichen des Aufruhrs. Vgl. Diekmannshenke, Schlagwörter der Radikalen, 347–350. 19 Vgl. Quintilian, De Institutione Oratoria IV,2, 91; Art. lügen, in: TPMA 8, 66. 20 verrät. 21 Von der Notwehr || vnterricht: || Nützlich zu || lesen. || Durch Justum Menium. || [Wittenberg: Veit Creutzer, 1547] (VD 16 M 4592); das Werk wurde gerade neu ediert vgl. Schneider, Politischer Widerstand. 22 Bußlehre. 23 Confession vnd Be= || kentnis des Glau= || bens der durchleuchten Hoch= || gebornen FFrsten vnd herrn herrn Johans Fridri= | |chen des mitlern / herrn Johans Wilhelm / v] herrn || Johans Fridrichen des jFngern hertzogen zu || Sachsen Landgrauen zu DFringen vnd || Marggrauen zu Meissen etc. land= || schafft zu DFringen vbergeben || auffm landtage zu Wei= || mar. Anno.|| M.D.XXXXIX. || ... || [Königsberg: Hans Lufft, 1549] (VD 16 S 1141), Y 1r. 24 Die Freiheit von Menschensatzungen in Kirchenordnungen. Vgl. Melanchthon, Heubtartikel (1553), 315. 25 Confession und Bekenntnis des Glaubens, Y 3r– 4r.

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unge gar mit nichten fangen lassen sollen. Denn da gleich solche satzunge vnd werck offentlich nicht wider Gottes gebot vnd den Glauben, sondern an jnen selbs gantz frey mitteldinge sind, die one beschwerung von einem Christen wol frey gehalten werden m=chten, so bleiben sie doch nicht freyg vnd vngeferlich, wenn sie in der Kirchen als n=tige vnd verdienstliche Gottesdienst geboten werden, vnd sonderlich, wenn sie geboten vnd von den Christen zu halten gefordert werden, von denen, so der Lere des Euangelij vnd Glaubens an Christum widerwertig sind, welche leren vnd halten, das wir vergebung der SFnden erlangen vnd selig werden mFssen, nicht allein aus lauter gnaden vnd barmhertzigkeit, durch den Glauben an Christum, one zuthun aller vnserer eignen werck vnd verdienst, sondern wollen, das neben dem glauben auch die werck, nicht allein des g=ttlichen Gesetzes, sondern auch der menschlichen satzungen, zur Seligkeit, beide n=tig vnd nFtzlich sein, wie denn der MFnichen vnd Sophisten BFcher im Bapstum zeugen. [A 4r:] Derhalben, damit man der Christlichen freiheit in diesem grade recht gebrauche vnd auff keine seit zu weit ausschreite, sol man allein darauff sehen, was jm halten oder nicht halten geschehen mFge. Darumb gleich wie der, so solche Satzunge on beschwerung mit andern Christen gleichformig wol halten k=ndte vnd es aber gleichwol aus eigensinnigkeit nicht thun will, vnn=tige, mutwillige zerrFttung vnd ergernis anrichtet vnd wider die Liebe schwerlich sFndiget, also sFndiget der noch viel mehr vnd richtet viel gr=ssere ergernis an, nicht allein wider die Liebe, sondern auch wider den Glauben, der aus solchen freiwilligen, vngeferlichen mitteldingen Notwendige Gottesdienste machenh vnd die gewissen damit bestricken26 vnd fangen wil. Vor allen dingen aber sollen Christen Leute sich vorsehen vnd hFten, das sie sich ja mit solchen Satzungen nicht beschweren27 lassen, damit der gottlosen falschen Lere vnd Abg=tterey confirmiret vnd bestetigt wird. Damit sie nicht solchem Grewel sich anhenggig vnd desselben teilhafftig machen, in massen sie sich auch von denen ordenungen, so dem Euangelio vnd Glauben gemes sind, von den feinden des Euangelij vnd Glaubens nicht sollen abdringen lassen, als ob sie wider Gott, sFndlich vnd vnrecht weren, auff das sie zu gleich nicht auch das Euangelium vnd den Glauben an Christum mit verleFgnen. Denn ob wol solche Satzunge an jnen selbs, beide bey den rechten Christen vnd falschen gottlosen Heuchlern, gleich scheinen, als ob sie an jnen selbs allerding frey, vngeferlich Mittelding sein, die man on beschwerung wolhalten k=nne vnd vmb friedens willen billich halten sol. [A 4v:] So ist aber doch viel mehr dieses zu bedencken, das falsche, gottlose Lare zu bestetigen vnd die erkandte warheit des Euangelij zu uerleugnen, nicht vnge-

g h 26 27

Fehlt im Original von 1549. Konjiziert aus: ma(pen. verführen. Vgl. Art. bestricken 3), in: Fnhd.Wb. 3, 2014f. bekümmern, ärgern. Vgl. Art. beschweren 4), in: Fnhd.Wb. 3, 1784.

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ferliche, freie mitteldinge, sondern schwere, verdamliche TodsFnde sind, dauor alle frome Christen sich hFten sollen.“ Die newe lere Menij. 5

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Aus den Propositionibusi Menij Anno 1554 geschrieben vnd ausgebreitet, das die guten werck allerding zur Seligkeit n=tig sein:28 „Die 26 Propositio: Es ist die gantze Warheit nicht allein durch des Gesetzs zeugnis, sondern auch des Euangelij bewiesen, das die gerechtigkeit vnd gute werck, so das Gesetz gebeut, zur Seligkeit n=tig sein. Die 38: Es ist n=tig war, das auch die guten werck zur Seligkeit n=tig sein. Die 39: Die jenigen, so da sagen, das die guten werck zur Seligkeit nicht n=tig sein, heben auff das furnemste Ampt des Gesetzes, ja das gantz Gesetz machen sie zu nichten vnd seind ware Antinomer.29 41: Nicht aber allein das Gesetz, sondern auch das Euangelion selbs leret, das die guten werck zur Seligkeit n=tig seind. 55: Es ist offenbar, das die jenigen, so verneinen, das die guten werck zur Seligkeit n=tig sein, nicht allein das Gesetz auffheben, sondern auch das Euangelium zunicht machen vnd die furnemsten wolthaten Christi auffheben. [A 5r:] 107: Es seind nicht viel besser denn die Widerteuffer die jenigen, so da vermeinen, das die gute werck den gerechtfertigten nicht n=tig sein zur Seligkeit etc. 109: Summa: das die guten werck zur Seligkeit n=tig sein, bezeuget nicht allein das Gesetz, sondern auch das Euangelion.“ Aus einer Schrifft Menij in dem Synodo zu Jsennach gestelt Anno 56:30„Jch bekenne vnd habe es je vnd allwege bekant, das die rede (Gute werck seind n=tig zur Seligkeit) eine misuerstendige, halbmFndige,31 vnuolkomene vnd

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Konjiziert aus: Proposiitionibus.

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Im Jahr 1554 erstellte Menius vor dem Hintergrund der Streitigkeiten mit einigen ernestinischen Theologen um Majors Aussage zu den guten Werken und um seine Teilnahme an einer im selben Jahr vorgenommenen Visitation im ernestinischen Herzogtum Sachsen 110 Propositiones zu seiner Verteidigung, die jedoch ungedruckt blieben. Vgl. Schmidt, Menius II, 184 –192. 29 Gemeint sind diejenigen, die die Bedeutung des Gesetzes im Zusammenhang der Evangeliumsverkündigung bestritten, wie dies Johann Agricola in der Auseinandersetzung mit Melanchthon (erster antinomistischer Streit 1527), dann mit Luther (zweiter antinomistischer Streit 1537–1540) tat. Vgl. dazu Richter, Gesetz und Heil; zur dritten Phase der antinomistischen Streitigkeiten ab 1556 Dingel, Einleitung, 20 –22; unsere Ausgabe Bd. 4. 30 Die ernestinischen Herzöge von Sachsen bestellten Menius im August 1556 nach Eisenach, damit er vor Herzog Johann Friedrich d. M. und einigen Theologen seine Positionen, insbesondere in der Frage der guten Werke, darlegen solle. Das hier angeführte Zitat stammt aus seiner Verteidigungrede in Eisenach. Diese ist offenbar relativ vollständig abgedruckt bei Schmidt, Menius II, 203 –210, bes. 207. 31 nur in Teilen richtige. Vgl. Art. Mund 9.b), in: DWb 12, 2675.

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geferliche rede sey, die so blos,32 an jr selbs, eben so wol auff vnchristlichen jrrigen verstand als auff rechten Christlichen verstand gezogen werden mag.“ Aus dem BFchlin Justi Menij von der Seligkeit Anno 1556 gedruckt:33„Horstu da (spricht Menius an dem ort, da er von guten wercken handelt) lieber Christ (der du durch den Glauben an Christum von SFnden, Gottes zorn, Tod, Teufel vnd Helle erl=set, mit Gott vers=net, zu gnaden angenomen, ein Kind vnd Erbe des ewigen Lebens, Seligkeit vnd Herrligkeit worden bist) was dir zu deiner Seligkeit (die dir one zuthun aller vnd allerley Gesetz vnd werck, aus lauter Gottes gnaden vnd barmhertzigkeit, allein vmb Christus willen, durch den Glauben widerfaren ist) noch weiter von n=ten ist, das du darin bestehen vnd dabey bleiben m=gest.“ Oder, damit wir die Parentheses34 ausschliessen35 vnd kFrtzlich sein meinung anzeigen: [A 5v:] „Horestu da lieber Christ, was dir zu deiner Seligkeit noch weiter von n=ten ist, das du darinnen bestehen vnd dabey bleiben mFgest.“ Er redet von den guten wercken. Als nemlich etc.:36 „Das ist dir von n=ten, das du (als einer der von SFnden, Tod, Teufel vnd Helle ein mal recht los vnd frey worden) hinfortan der gerechtigkeit (die dir im g=ttlichen Gesetz furgeschrieben vnd geboten ist) gehorsam seiest vnd das Leben vnd Seligkeit (so dir aus Gnaden, vmb Christus willen, geschenckt ist) in reinem Hertzen, gutem Gewissen vnd vngeferbtem37 Glauben behaltest.“ Oder, damit wir die Parentheses ausschliessen: „Das ist dir von n=ten, das du hinfortan der gerechtigkeit gehorsam seiest (id est: gute werck thust) vnd das Leben vnd Seligkeit in reinem Hertzen, gutem Gewissen vnd vngeferbtem glauben behaltest.“ Jtem bald hernach:38 „Derhalben die in keinem wege nicht zu h=ren seind, die von vergebung der SFnden, Rechtfertigung, Gottes gnaden vnd dem Glauben also reden, das sie aus dem newen gehorsam (der aus dem Glauben vnd Rechtfertigung gewislich herkomet, des Glaubens vnd heiligen Geistes warhafftige frucht vnd der anfang der gerechtigkeit ist, darinnen wir kFnfftig bey Gott ewig leben sollen) eine solche Adiaphoristerey vnd vnn=tig ding machen, des man zur Seligkeit keines weges, gar mit nichten, bedFrffe vnd 32

schlicht, einfach, im Sine von: unerklärt. Vgl. Art. blos 6), in: Fnhd.Wb. 4, 642. Vgl. Von der be= || reitung zum seligen || Sterben. || Justus Menius.|| ... || (Von der || Seligkeit. || Ein Predigt || Justi Menij || Vber das Euangelium || Lucae X. ||) [Wittenberg: Georg Rhaus Erben, 1556] (VD 16 M 4590 / M 4597), T 3v: „Ob denn die, so aus gnaden, on zuthun aller gesetz vnd werck, allein durch den Glauben an Christum, vergebung der SFnden, erl=sung von Gottes zorn, vom ewigen Tod, Teuffel vnd Helle erlangt haben, als die gerechten mit Gott versFhnet, zu gnaden angenomen, Kinder Gottes vnd Erben des ewigen Lebens vnd ewiger seligkeit worden sind, weiter nicht schFldig seien, dem g=ttlichen gesetz zu gehorsamen.“ 34 Einschübe. 35 weglassen. 36 Vgl. Von der be= || reitung zum seligen || Sterben. || Justus Menius.|| ... || (Von der || Seligkeit. || Ein Predigt || Justi Menij || Vber das Euangelium || Lucae X. ||) [Wittenberg: Georg Rhaus Erben 1556] (VD 16 M 4590 / M 4597), V 2v–3r. 37 nicht vorgetäuschtem, eingebildeten. Vgl. Art. ungefärbt, in: DWb 24, 670f. 38 Vgl. Anm. 36. 33

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sein, on allen schaden vnd nachteil der Seligkeit, gar wol one sein vnd entraten k=nne.“ Da sagt Menius klar, das straffen die Lere, das gute werck zur Seligkeit n=tig sein, eine greuliche Adiaphoristerey sey.

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[A 6r:] Jtem aus dem Buch Justi Menij von der Bereitung zum seligen Sterben:39 „Zum vierdten fehet er auch in den gleubigen an gerechtigkeit vnd leben, welcher anfang in diesem leben, weil wir auff erden in diesem sFndlichen fleisch wandeln, ob er wol noch gantz schwach vnd vnuolkomen ist, ist er gleichwol zur Seligkeit n=tig vnd wird kFnfftiglichen nach der aufferstehung volkomenlich vollendet werden, das wir darinnen fur Gott ewig wandeln vnd selig sein.“ Was sagt Menius hie anders, denn das die newe gerechtigkeit, das newe leben oder die guten werck zur Seligkeit allerding n=tig sein. Vnterschreibung Justi Menij, damit er die Damnation seines Jrthums von notwendigkeit der guten werck zur Seligkeit bekrefftigt hat:40„Ego, Iustus Menius, testor hac mea manu, confessionem hanc ueram et orthodoxam esse, quam et uoce et scriptis propugnaturum me promitto. Et cum forma verborum, qua de necessitate nouae obedientiae in reconciliatis in libello meo usus sum, a nonnullis in sententiam diuersam scripta uideatur, polliceor, me totum illum locum retexturum itaque explicaturum, ut consentaneus huic Confessioni sit, nec quicquam habeat uel ambiguitatis uel scandali.” Laut dieser seiner Reuocation hat er mFssen alle die [A 6v:] obgedachte SprFche, wie die guten werck zur Seligkeit n=tig sein, verendern vnd sich mit den andern Theologen versFnen. Noch dennoch wil ers leugnen, das er je geleret hette: Gute werck sind n=tig zur Seligkeit, vnd schilt die andere Prediger, das sie eine vnchristliche Rotte sein.

39 Vgl. Von der be= || reitung zum seligen || Sterben. || Justus Menius.|| ... || (Von der || Seligkeit. || Ein Predigt || Justi Menij || Vber das Euangelium || Lucae X. ||) [Wittenberg: Georg Rhaus Erben 1556] (VD 16 M 4590 / M 4597), H 5v: „Zum vierdten fehet er auch in den gleubigen an gerechtigkeit vnd leben, welche im kFnfftigen leben nach der aufferstehung sollen vollendet werden, das sie darinnen fFr Gott ewig leben vnd selig seien. Denn wie schwach solcher anfang ist, so mus er gleichwol in diesem leben, in denen, so selig werden w=llen, gemacht werden, oder wird im kFnfftigen leben nichts draus, wie S. Paulus zeuget Rom 8 [Röm 8,11].“ 40 Auf der Eisenacher Synode wurde eine „Confessio“ durch Victorin Strigel erstellt, die von allen anwesenden Theologen zum Abschluss unterzeichnet wurde. Menius setzte seiner Unterschrift das angeführte Zitat hinzu. Die „Confessio“ und der Zusatz von Menius sind abgedruckt bei Schmidt, Menius II, 222–237, bes. 236f, die Unterschrift von Menius auch bei Preger, Flacius I, 384, Anm.: „Ego, Iustus Menius, hoc meo chirographo protestor, hanc confessionem veram et orthodoxam esse, eamque me, pro dono mihi divinitus collato, voce et scriptis hactenus et publice defendisse et porro defensurum esse. Cum autem eam verborum formam, qua de necessitate novae obedientiae reconciliatorum in libello meo de beatitudine recens editio usus sum, in diversam sententiam accipi a nonnullis intelligam, polliceor, me totum illum locum retexturum itaque sententiam explicaturum esse, ut piae confessioni per omnia consentanea future nihilque habitura ambiguitatis aut scandali sit.

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Menius in seinem Buch Anno 1552 gedruckt in E iij leret,41 das die Rechtfertigung, versFnung, vergebung der SFnden vnd erl=sung vier vnterscheidene ding sein vnd das die Rechtfertigung sey causa efficiens,42 ein vrsach der versFnung. Die versFnung sey causa efficiens der vergebung der SFnden. Vnd die vergebung der SFnden sey causa efficiens der Erl=sung. Questio est, ob jrgend ein rechter Lerer zuuor je also geleret hat. Er zwar selbs leret anders in dem jtzigen Buch,43 zerreisset die ketten causarum et effectuum vnd setzt die vergebung der SFnden im ersten grad, die er zuuor im dritten gesetzt hat. Vnd widerumb die Rechtfertigung oder zurechnung der gerechtigkeit setzet er am andern grad, die zuuor die erste gewesen ist. Vnd die versFnung, die zuuor im andern grad gewesen, die setzet er im dritten. Mutat ergo quadrata rotundis44 nach seinem wolgefallen.

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VO] der Ge= || rechtigkeit die fFr || Gott gilt. || Wider die newe Alcumistische || Theologiam Andreae Osiandri. || Justus Menius. || [Erfurt: Gervasius Stürmer 1552] (VD 16 M 4591), E 3r–v. 42 Flacius greift hier und im Folgenden auf die Kausalitätslehre des Aristoteles zurück, die durch Thomas von Aquin aufgrund der Unterscheidung zwischen causa efficiens, materialis, formalis und finalis weiter ausdifferenziert worden war. Vgl. Johann Anselm Steiger, Art. Kausalität III. Dogmatisch, in: RGG4 4 (2001), 910–912, bes. 910. 43 Damit bezieht sich Flacius wohl auf: Verantworttung || Justi Menij || Auff || Matth. Flacij Jllyrici gifftige || vnd vnwarhafftige verleumb= || dung vnd lesterung. || ANNO || M.D.LVII .|| [Wittenberg: Georg Rhau 1557] (VD 16 M 4583); dort bes. auf die Aussagen zur These: „Gute Werke sind notwendig zur Seligkeit: M 2v–O 3v. 44 Vgl. Horaz, Epistulae I, 100.

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Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: 151.28 Theol.(10)

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Kurtzer Beschaid Justi Menij:

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Das seine Lare / wie er die fur der zeit gefurt / vnd noch fFret / nicht mit jr selbs streittig noch widerwertig / sondern allenthalben einerley / vnd der warheit des Euangelij gemes sey. Auff den Vortrab Flacij Jllyrici. Simplex ueritatis Oratio. Psalm 25. Schlecht vnd Recht behFte mich.

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Wittemberg. Gedruckt durch Georgen Rhawen Erben. 1557.

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Einleitung 1. Historische Einleitung

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Im Jahr 1556 publizierte der Superintendent von Gotha, Justus Menius, die Schriften „Von Bereitung zum seligen Sterben“ und „Von der Seligkeit.“1 Schnell erhob sich sowohl innerhalb als auch außerhalb des ernestinischen Sachsen heftige Kritik gegen Menius. Innerhalb des Herzogtums Sachsen war es neben den politischen Räten vor allem Nikolaus von Amsdorf, der gegen Menius auftrat. Weniger heftig, doch ebenfalls eine Klärung missverständlicher Äußerungen in den beiden Schriften anmahnend, äußerten sich Erhard Schnepff, Maximilian Mörlin und Johann Stössel.2 Die Herzöge bestellten Menius darum im August 1556 nach Eisenach. Dort sollte er sich vor ihnen sowie den führenden Räten und Theologen des Landes verantworten. Das Ergebnis der Zusammenkunft brachte jedoch nicht die ersehnte Beendigung des Streits. Vielmehr sollte aus der dort gefundenen Formulierung, dass Majors These „Gute Werke sind notwendig zur Seligkeit“ „in der Lehre vom Gesetz ‚abstractive et de idea‘ statthaft“3 sei, nur weiterer Streit entstehen.4 Wieder war es besonders Amsdorf, der gegen die Beschlüsse von Eisenach protestierte.5 Außerhalb des Herzogtums provozierten die beiden Schriften von Menius sowie die im selben Jahr erscheinenden Veröffentlichungen Georg Majors6 Matthias Flacius zu der Aussage, dass die beiden „in iren gedruckten BFchern widerumb den irthumb [erregen], das die gute wercke zur seligkeit n=tig sein.“7 Anfang des Jahres 1557 publizierte Flacius ein weiteres Buch, an dessen Ende er aus Menius’ Schrift „Der Wiedertäufer Lehre und Ge-

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Vgl. Von der be= || reitung zum seligen || Sterben. || Justus Menius.|| ... || (Von der || Seligkeit. || Ein Predigt || Justi Menij || Vber das Euangelium || Lucae X. ||) [Wittenberg: Georg Rhaus Erben 1556] (VD 16 M 4590 / M 4597). 2 Vgl. Gehrt, Ernestinische Konfessionspolitik, 104f; Schmidt, Menius II, 195 –200. 3 Dingel, Einleitung, 20f. 4 Vgl. Richter, Gesetz und Heil, 151–160; es wurde der Ausgangspunkt des Zweiten antinomistischen Steits: vgl. unsere Ausgabe Bd. 4. 5 Vgl. Richter, Gesetz und Heil, 151–153. 6 Vgl. PRIMA || PARS HOME= || LIARVM IN EPI= || stolas Dominicales, a prima || Dominica Aduentus Domini, || us[que] ad Dominicam quar= || tam, post Epiphania || Domini. || Autore || Georgio Maiore. D. || VVITTEBERGAE || Ex officina Iohannis Lufft. || 1556. || (VD 16 M 2036); SECVNDA || PARS HOMELIA= || RVM IN EPISTOLAS || dominicales, a Dominica tertia || post festum Epiphanias Do= || mini, usque ad festum || Paschae. || Autore || Georgio Maiore D. || (DE OFFICIO || CONCIONATORIS || breuis Commonefactio ... || Philp: Melanth. ||) VVITTENBERGAE || Ex Officina Iohannis Lufft. || 1556. || (VD 16 M 2037). 7 Von der einig= || keit derer / so fFr vnd wider || die Adiaphora in vorgangenen Ja= || ren gestritten haben / Christlicher || einfeltiger bericht / sehr nFtz= || lich zu lesen / durch || Matth. Flac. Jl= || lyricum. || ... || [Magdeburg: Michael Lotther, 1556] (VD 16 F 1536), F 7v.

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Nr. 11: Kurzer Bescheid Justi Menii (1557) – Einleitung

heimnis“ zitierte,8 um ihn des Abfalls von seiner eigenen Lehre und damit des Abfalls von der Rechtgläubigkeit zu überführen.9 Menius hatte in der Zwischenzeit sein Amt in Gotha niedergelegt und war in das Kurfürstentum Sachsen gezogen, wo er die Superintendentur in Leipzig übernahm.10 Dieser Umzug ließ den Streit endgültig eskalieren. Denn das gegenüber Menius ausgesprochenen Publikationsverbot der sächsischen Herzöge war nun ohne Bedeutung für ihn. Er nutzte die Möglichkeit umgehend, indem er eine stark polemische Schrift gegen Flacius in Druck gab.11 Darin bestritt er Flacius das Recht zur Kritik an anderen Theologen, da dieser innerhalb der Kirche nie zu einem ordentlichen Amt berufen worden sei.12 Der so Angegriffene wehrte sich, indem er in der Schrift „Die alte und neue Lehre Justi Menii“13 versuchte, Menius der Inkonsequenz in seiner eigenen Lehrmeinung und damit des Abfalls von der wahren Lehre zu überführen. In Menius’ Antwort darauf, der hier edierten Schrift „Kurzer Bericht“, versuchte der Gescholtene dann gerade das Gegenteil zu beweisen, indem er zahlreiche Belegstellen aus Schriften Luthers, Melanchthons und von anderen lutherisch gesinnten Theologen anführte, die mit seiner Auffassung von der Bedeutung der guten Werke für die Seligkeit in Einklang standen.

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2. Der Autor Justus Menius14 – latinisiert aus Jodocus (Jost) Menig – wurde am 13. Dezember 1499 in Fulda geboren. Nach schulischer Grundausbildung in seiner Heimatstadt im Jahr 1514 immatrikulierte er sich dann an der Universität Erfurt. Er erwarb 1515 den Grad eines Baccalaureus und nur ein Jahr später wurde er zum Magister promoviert. Ab dem Jahr 1519 hörte er Vorlesungen Melanchthons und Luthers in Wittenberg. Im Jahr 1523 übernahm er das Amt des Vikars und Diakons in Mühlberg. Dort heiratete er das erste Mal.

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Vgl. Der widderteu || ffer Lere vnd geheim || nis / Aus heiliger schrifft || widderlegt. || Justus Menius. || Von der Wid= || dertauffe an Zween || Pfarher / Ein Brieff. || D. Martinus Luther || Vnterricht wid || der die lere der Wid= || derteuffer. || Philip. Melancht. || [Wittenberg: Nickel Schirlentz 1534] (VD 16 M 4604; weitere Nummern: L 7241, M 2431). 9 Vgl. Bekentnus M.|| Flac. Jllyrici von etli=||chen jrthumen Maioris.|| Item etliche spruche Menij.|| ... || [s.l. 1557] (VD 16 F 1278), C 7r– 8v. 10 Vgl. Gehrt, Ernestinische Konfessionspolitik, 107f; Schmidt, Menius II, 245 –252. 11 Vgl. Verantworttung || Justi Menij || Auff || Matth.Flacij Jllyrici gifftige || vnd vnwarhafftige verleumb= || dung vnd lesterung. || ANNO || M.D.LVII. || [Wittenberg: Georg Rhau, 1557] (VD 16 M 4583); im selben Jahr erschien eine weitere Auflage dieser Schrift (VD 16 M 4584). 12 Vgl. Ebd., M1v–M 2r. 13 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 10, S. 399– 406. 14 Zum folgenden und allgemein zur Person vgl. Schmidt, Menius; Julius August Wagenmann, Art. Menius, Justus, in: ADB 21 (1885), 354–356; Gustav Kawerau, Art. Menius, Justus, in: RE3 12 (1903), 577– 581; Martin Hein, Art. Menius, Just, in: TRE 22 (1992), 439 – 442; Herbert von Hintzenstein, Art. Menius, Justus, in: NDB 17 (1994), 79f; Michael Beyer, Menius, Justus, in: RGG4 5 (2002), 1037f.

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Doch schon 1525 kehrte Menius nach Erfurt zurück. Im Zuge eines Konflikts mit dem Franziskaner Konrad Kling wurde die Rechtmäßigkeit seiner Vokation bestritten. Menius verließ daraufhin 1528 Erfurt in Richtung Gotha. In den Jahren 1528/29 wurde er neben Philipp Melanchthon und Friedrich Mykonius zur Visitation des zweiten Thüringer Hauptlandkreises herangezogen. Im März 1529 berief man ihn zunächst zum Diakon in Eisenach und gegen Ende des Jahres zum Superintendenten. Von nun an gewann Menius erheblichen Einfluss auf die Ausgestaltung des evangelischen Kirchenwesens im Kurfürstentum Sachsen und darüber hinaus (Berufungen in die Visitationskommissionen im albertinischen Sachsen 1539; in der Reichsstadt Mühlhausen, 1542–1544; in Schwarzburg und im Bistum Naumburg, beides 1545). Überdies nahm er an den Verhandlungen zur Wittenberger Konkordie 1536 sowie am Bundestag von Schmalkalden 1537 aktiv, am Hagenauer und Wormser Religionsgespräch 1540/41 als Beobachter teil. Im Jahr 1546 übertrug man ihm zusätzlich zur Superintendentur in Eisenach die Superintendentur von Gotha. 1547 heiratete er ein zweites Mal, nämlich Margarita, die Witwe von Mykonius und Tochter Barthel Jäcks aus Gotha. Nach dem Schmalkaldischen Krieg (1546/47) wurde Menius von den Söhnen des vom Kaiser gefangengehaltenen Kurfürsten Johann Friedrich in die Beratungen über das Augsburger Interim (1548) sowie das sogenannte „Leipziger Interim“ (1549) eingebunden. Menius verteidigte in Gutachten und Denkschriften die lutherische Lehre und versuchte zusammen mit den anderen Theologen des ernestinischen Sachsen, Lehrveränderungen zu verhindern.15 Da all diese Texte unveröffentlicht blieben, beschränkte sich sein Aktionsradius zu dieser Zeit auf das Herzogtum Sachsen. Erst ab dem Jahr 1552 griff Menius in die großen Kontroversen der Zeit publizistisch ein. Seit 1554 befand sich Menius dann in einer stetig schwelenden Auseinandersetzung mit Nikolaus von Amsdorf. Amsdorf war seit 1552 Menius’ Nachfolger als Superintendent von Eisenach. Beide führten im Jahr 1554 zusammen mit Erhard Schnepff und Johann Stoltz eine Visitation in Thüringen durch.16 Menius war Amsdorf und Stoltz suspekt, da er trotz des Streits um die Adiaphora weiterhin freundschaftliche Verbindungen nach Wittenberg unterhielt und seine Söhne sogar dort und in Leipzig studieren ließ. Die Instruktion der Herzöge für die Visitatoren sah vor, dass besonderer Wert auf die Erforschung von möglichen Irrlehren – „zwinglischen, osiandrischen, schwenckfeldischen, täuferischen, interimistischen, adiaphoristischen, majoristischen“ – unter der Pfarrerschaft gelegt werden sollte.17 Amsdorf und

15

Diese nicht publizierten, handschriftlichen Texte sind teilweise abgedruckt bei Schmidt, Menius II, 32–109. 16 Vgl. die Instruktion der ernestinischen Herzöge für die Visitatoren. 17. Juni 1554, abgedruckt in: EKO I, 222–228; zu der Visitation vgl. zudem Heerdegen, Geschichte der allgemeinen Kirchenvisitation. 17 Vgl. ebd., 223.

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Stoltz unternahmen eine solche Erforschung auch im Kreis der Visitatoren selbst. Sie legten ihrem Kollegen Menius nämlich zu Beginn der Visitation in Weimar Bücher von Georg Major und den „Adiaphoristen“ vor und verlangten von ihm, diese öffentlich zu verurteilen.18 Menius verweigerte dies unter Hinweis auf seine Unkenntnis der Schriften. Amsdorf bezichtigte ihn daraufhin, ein „Majorist“ zu sein. Mit der Verbreitung von 110 handschriftlich verfassten Thesen versuchte Menius Ende 1554 sich gegen den Vorwurf Amsdorfs zu verteidigen. Dieser erwiderte mit 145 Thesen. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Streit somit noch nicht durch Streitschriften ausgetragen worden, und der Wunsch der ernestinischen Herzöge war es, den Streit einzudämmen und nicht in die Öffentlichkeit kommen zu lassen. Menius hatte jedoch eine öffentliche Verteidigung seiner Lehrauffassung ins Auge gefasst und zu diesem Zweck im Januar 1555 eine Schrift, „Entschuldigung Justi Menii auf die unwahrhafftige Verleumdung, darin ihm auferlegt wird, als sollte er von der reinen Lehre des Evangeliums abgefallen sein“, handschriftlich fertiggestellt und bereits nach Erfurt gesandt, um sie dort drucken zu lassen. Auf Hinweis der übrigen mit ihm an der Visitation beteiligten Amtskollegen, ließen die ernestinischen Herzöge die Schrift beschlagnahmen und verboten Menius, öffentlich – sei es mittels Schriften, sei es von der Kanzel herab – zu Majors Aussagen Stellung zu beziehen.19 Menius sagte dies zu und beteuerte seine Rechtgläubigkeit. Zunächst ruhte der Streit, doch aufgrund der bereits erwähnten, 1556 veröffentlichten Schriften von Menius entbrannte er dann umso heftiger. Da Schlichtungsbemühungen in Eisenach im August 1556 ohne Erfolg blieben, Menius sich zu Unrecht verleumdet und besonders von Amsdorf weiterhin angegriffen sah, sich aber aufgrund des weiterhin bestehenden herzoglichen Druckverbots nicht öffentlich verteidigen durfte, verließ er Ende des Jahres das Herzogtum. Durch Vermittlung Melanchthons konnte er in Leipzig das Amt des Superintendenten übernehmen. Dieser Ortswechsel bedeutete für Menius, dass er nun seine Meinung ungehindert öffentlich äußern konnte. Der Streit eskalierte daraufhin, und

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Vgl. zu dem Streit während der Visitation zwischen Menius einerseits sowie Amsdorf und Stoltz andererseits Heerdegen, Geschichte der allgemeinen Kirchenvisitation, bes. 63– 67. 19 Vgl. Ebd., 66f; Gehrt, Ernestinische Konfessionspolitik, 100 –102; Richter, Gesetz und Heil, 132–137.

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Menius wechselte in rascher Abfolge Streitschriften20 mit Flacius und Amsdorf bis zu seinem Tod am 11. August 1558. 3. Inhalt 5

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Die hier edierte Schrift von Menius ist in drei Teile gegliedert. In einem ersten Teil widerlegt Menius die Angriffe von Flacius, die dieser in seiner Schrift „Die alte vnd neue Lehr Menii“ gegen ihn vorgebracht hatte. In einem zweiten Teil führt Menius dann zahlreiche Passagen aus Schiften und Predigten Martin Luthers und anderer „Christlicher Lerer“ an, um die Übereinstimmung seiner Lehrauffassung mit diesen Theologen zu erweisen. Im letzten Teil will Menius beweisen, dass die Behauptung von Flacius, er habe seine Lehre von den guten Werken 1556 in Eisenach widerrufen, falsch sei. Zunächst widerspricht Menius der Darstellung des Flacius, dass dieser aufgrund von Mt 18,15 –18 einen göttlichen Auftrag zur Reinhaltung der Lehre besitze. Menius verweist darauf, dass er Flacius niemals persönlich gesehen habe, auch sei dieser nie zu ihm gekommen, um ihn – gemäß der angeführten Bibelstelle – wegen einer falschen Lehrmeinung zu ermahnen. Darum erneuert Menius seinen Vorwurf, Flacius habe ihn unberechtigt und ohne Grund angegriffen. Daraufhin widerspricht er dem Vorwurf, er habe seine Lehre geändert. Das Gegenteil sei vielmehr der Fall. Zum Beweis dessen, verweist Menius auf seine älteren Beiträge in den Auseinandersetzungen mit den Altgläubigen und Täufern sowie auf neuere Stellungnahmen gegen Antinomer, Blutfreunde21 und gegen Andreas Osianders Auffassung von der Rechtfertigung. Deren Irrtümer würden Flacius und seine Anhänger durch ihre unablässig veröffentlichten Streitschriften stärken. Er, Menius, halte hingegen unabänderlich daran fest, dass kein Mensch Gottes Gnade erfahren könne, wenn er, ohne Buße zu tun, weiterhin in seinem sündigen Leben verharre. Denn alle, die durch den Glauben gerecht würden, müssten auch bekehrt, geheiligt und gebessert werden. Zwar geschehe die Rechtfertigung des 20 Vgl. Anm. 9 und 11; Flacius, Die alte und neue Lehre Justi Menii (1557), unsere Ausgabe Nr. 10, S. 399 –406; die hier edierte Schrift von Menius; Apologia M. Fl. Jl= || lyrici / auff zwo vnchristliche Schrifften || Justi Menij / Darinnen von den grew= || lichen Verfelschungen der Adiapho= || risterey vnd Maioristerey allerley nFtz= || lichs angezeigt wird. || ... || IHENAE. || Anno M.D.LVIII. || [Christian Rödinger d. Ä.] (VD 16 F 1271); Das Justus Meni= || us sein Vocation vnd Kirche || heimlich verlassen / vnd von || der reinen Lere des || Euangelij abge= || fallen sey. || Niclas von Amsdorff. || ... || [s.l. 1558] (VD 16 A 2345); Bericht || Der bittern War= || heit || IVSTI MENII || Auff die || Vnerfindlichen aufflagen M. Fla= || cij Jllyrici / vnd des Herrn Niclas || von Amsdorffs. || Wittemberg. || ANNO || M.D.LVIII. || [Georg Rhaus Erben] (VD 16 M 4563); vgl. auch Matthias Flacius, Von den vornehmsten adiaphoristischen Irrtümern (1558), unsere Edition Bd. 2, Nr. 9, S. 789 –837, bes. 801, 805, 810, 816, 831f. 21 Als „Blutsfreunde aus der Wiedertauff“ bezeichnete sich eine Gruppe im Grenzgebiet zwischen Thüringen und Hessen, in der Vorstellungen von Sündlosigkeit kursierten und die, in Anlehnung an das Abendmahl, nur noch ein Sakrament, nämlich die fleischliche Vermischung von Mann und Frau, gelten ließ. Vgl. Reinholdt, Ein Leib in Christo werden, 77–80 (79), 136–138.

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Menschen allein durch Glauben an Christus, doch der Glaube lasse den Menschen nicht unverändert. Der Gläubige empfange den Heiligen Geist, der ihn erneuere und heilige. Menius betont daraufhin, dass es eine Verfälschung des Evangeliums darstelle, wenn der Artikel von der Heiligung durch den von der Rechtfertigung aufgehoben werden sollte. Er beklagt sodann, dass Flacius alle seine Aussagen über die Werke des Geistes nach der Rechtfertigung falsch ausgelegt habe. Flacius beziehe diese Aussagen nämlich fälschlich auf menschliche Werke und verkehre damit seine, Menius’, Position. Mit der Ablehnung der Erneuerung durch den Geist vertrete Flacius die Lehre, dass der Sünder ohne Bekehrung gerechtfertigt werden könne. Dies könnte die Antinomer und Blutfreunde zu der irrigen Annahme führen, dass ihre Lehren richtig seien. Dem werde Gott aber wehren. Im zweiten Teil der Schrift zitiert Menius dann aus zahlreichen Schriften und Predigten von Martin Luther, Philipp Melanchthon, Veit Dietrich, Urbanus Rhegius, Nikolaus Gallus, Erhard Schnepff und Johannes Brenz, um seine Position als rechtgläubig zu erweisen. Dies führt Menius schließlich dahin, sich konkret mit der These: „Gute Werke sind nötig zur Seligkeit“ auseinander zu setzen. Er betont, dass er dies nie gelehrt habe, führt aber erneut aus, dass die Negation: „Gute Werke sind nicht nötig zu Seligkeit“ von Antinomern und Blutfreunden als Beweis für die Richtigkeit ihrer abzulehnenden Ansicht verwendet werden könnte, dass eine durch das Gesetz gelenkte Heiligung nicht nötig sei. Gegen Ende der Schrift verweist Menius darauf, dass es ihm lieber gewesen wäre, wenn diese ganze Diskussion auf die Universitäten und Gelehrten beschränkt geblieben wäre und die Kirchen nicht erfasst hätte. Außerdem sei seine Auseinandersetzung mit Schnepff 1554 eine Privatdisputation gewesen, die Flacius nichts angehe. Abschließend bestreitet Menius in einem dritten Teil die Darstellung des Flacius, er habe auf der Eisenacher Synode 1556 seine Lehrauffassung widerrufen müssen. Vielmehr, so Menius, habe die Synode gezeigt, dass verschiedene seiner Aussagen falsch ausgelegt worden seien. Flacius verbreite mit seiner Schrift darum Lügen über ihn, die er nun hoffte, deutlich widerlegt zu haben.

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4. Ausgaben Nachgewiesen werden können drei Ausgaben: A: Kurtzer Beschaid || Justi Menij: || Das seine Lare / wie er die fur der || zeit gefurt / vnd noch fFret / nicht mit jr || selbs streittig noch widerwertig / sondern || allenthalben einerley / vnd der || warheit des Euangelij || gemes sey. || Auff den Vortrab || Flacij Jllyrici. || Simplex ueritatis Oratio. || Psalm 25. || Schlecht vnd Recht behFte mich. ||

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Wittemberg.|| Gedruckt durch Georgen || Rhawen Erben. || 1557 || [24] Bl. 4° (VD 16 M 4573)

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Vorhanden in: BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: Dm 1528 BRAUNSCHWEIG, Stadtbibliothek: C 667(12).4 DRESDEN, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek: Theol. ev. pol. 484m, misc.1 GOTHA, Forschungsbibliothek: Theol.363/1(6) HALLE, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: Ung VI 38(3) JENA, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 4 Bud.Op.69(21.22), 4 Bud.Theol.252(16) MÜNCHEN, Bayerische Staatsbibliothek: 4 Polem. 2067#Beibd.3, 4 Polem. 2068 MÜNCHEN, Bibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität: 4 Theol.1160:2, 4 Theol.5209:3 NÜRNBERG, Stadtbibliothek: Strob. 8. 1720 WEIMAR, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: 4 VIII,68(n.3.) WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 151.28 Theol.(10), 251.22 Theol.(7), H 134.4 Helmst.(2) ZWICKAU, Ratsschulbibliothek: 8.6.3.(2) B: Kurtzer Beschaid || Justi Menij: || Das seine Lare / wie er die fur der || zeit gefurt / vnd noch fFret / nicht mit jr || selbs streittig noch widerwertig / sondern || allenthalben einerley / vnd der || warheit des Euangelij || gemes sey. || Auff den Vortrab || Flacij Jllyrici. || Simplex ueritatis Oratio. || Psalm 25. || Schlecht vnd Recht behFte mich. || Wittemberg.|| Gedruckt durch Georgen || Rhawen Erben. || 1557 || [24] Bl. 4° (VD 16 M 4574) Vorhanden in: GOTHA, Forschungsbibliothek: Theol.4 233/3(13)R HALLE, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: AB 154 880(5) WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 442.10 Theol.(12), H 139A.4 Helmst.(3) C: Kurtzer Beschaid || Justi Menij: || Das seine Lare / wie er die fur der || zeit gefurt / vnd noch fFret / nicht mit jr || selbs streittig noch widerwertig / sondern || allenthalben einerley / vnd der || warheit des Euangelij || gemes sey. || Auff den Vortrab || Flacij Jllyrici. || Simplex ueritatis Oratio. || Psalm 25. || Schlecht vnd Recht behFte mich. || Wittemberg.|| Gedruckt durch Georgen || Rhawen Erben. || 1557 || [24] Bl. 4° (VD 16 ZV 20978)

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Vorhanden in: BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 3 in: Dm 3 R Alle drei Ausgaben sind in derselben Druckerei hergestellt worden und sind im Satz identisch. Es ist mithin davon auszugehen, dass es sich um dieselbe Ausgabe handelt.22 Die im Text unserer Edition kursiv gesetzten Teile sind im Original durch Fettdruck hervorgehoben.

22 Die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz hat angekündigt. die VD 16 Nummer ihres Exemplars streichen zu lassen.

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[A 2r:] Bescheid Justi Menij auff den Vortrab1 Flacii.

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Es hat Flacius Jllyricus eine Schrifft wider mich durch den Truck ausgehen lassen, die nennet er den Vortrab. Nicht weis ich, was fFr ein Reisiger2 Zeugk3 noch dahinden sein wird, obs Wenden4 oder Tattern5 sein werden. Gott behFte nur fFr6 TFrckischen Sebelern.7 Jn solcher Schrifft wolt er gern dreierley thun, wann ers k=nte. Erstlich, beweisen, das er seines tFrstigen8 fFrnemens vnd beginnens einen G=ttlichen Beuehl vnd Beruff hett. Darnach mich verdechtig machen, als lerete ich jtziger zeit auff eine andere weise vnd meinung, dann ich fur der zeit9 gethan hab. [A 2v:] Vnd letzlich, als wer ich falscher Lare vberwiesen, die ich hett reuocieren mFssen. Wie sichs nu sonsten gebFret, den Vortrabern10 Bescheid zu geben, also wil ich auff die angezeigte drey stFcke diesen Vortraber auch kurtzen vnd richtigen Bescheid, wie sichs gebFret, geben vnd mich versehen, es werde der nachfolgende Reisige Zeug damit zu frieden sein vnd mich frey, sicher vnd vnverhindert11 passieren lassen.

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die vorgeschickten Truppen, die Vorhut; hier: polemischer Ausdruck zur Bezeichnung für die bereits publizierten Schriften des Flacius gegen Menius. Vgl. Art. vortrab 1.b), in: DWb 26, 1748f. 2 gerüstetes. Vgl. Art. reisig 1), in: DWb 14, 745. 3 Heer. Vgl. Art. Zug II.A.3.c), in: DWb 32, 388. 4 Polemische Anspielung auf Flacius’ Herkunft, die Menius bereits in seiner „Verantwortung“ gegenüber Flacius verwendet hatte. Dabei handelt sich sich bei dem Begriff „Wenden“ um eine Sammelbezeichnung für die hinter der Ostgrenze des Reiches lebenden westslawischen Stämme. Hergeleitet wird der Name von dem illyrischen Stamm der Veneter und dient überdies zur Bezeichnung der Slowenen. Vgl. Peter Hauptmann, Art. Wenden, in: RGG4 8 (2005), 1454f; Verantworttung || Justi Menij || Auff || Matth. Flacij Jllyrici gifftige || vnd vnwarhafftige verleumb= || dung vnd lesterung. || [Wittenberg: Georg Rhau Erben, 1557] (VD 16 M 4583), G 3v, J 2v; im selben und im folgenden Jahr erschienen noch zwei weitere Auflagen dieser Schrift (VD 16 M 4584f). 5 Das Volk der Tataren wurde „oft mit den ‚Tartari‘ gleichgesetzt, die der Unterwelt (Tartaros) entstiegen zu sein schienen, um die Christenheit für ihre Sünden zu bestrafen.“ Sie erschienen auch als Boten der Endzeit durch die Identifizierung mit den in der Apokalypse genannten Völkern Gog und Magog, die am Jüngsten Tag gemeinsam mit dem Teufel in die Schlacht gegen Christus ziehen sollen. Hansgerd Göckenjan, Art. Tataren, in: LexMA 8 (1997), 487f (bes. 488); Apk 20, 7–10. 6 vor. 7 Säbeln. 8 vermessenes, dreistes. Vgl. Art. dürsten, in: DWb 2, 1749. 9 in der Vergangenheit. 10 denen, die die Vorhut bilden. Vgl. Art. Vortraber 1), in: DWb 26, 1752. 11 ungehindert.

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[A 3r:] Vom Ersten: Sagt der Vortraber Flacius, jch schreie viel von seiner Vocation,12 das ist, das ich gern wissen wolt, von wem er dazu beruffen wer, vnd wer jm doch den Beuehl gegeben hett, das er sich so vermessenlich vber aller Christlichen Kirchen vnd Schulen Lerer vnd diener erhebet vnd dieselbigen seines gefallens meistern, rechtfertigen vnd reformiren wil,13 so doch niemand weis, was er selbs von Christlicher Lare, Glauben vnd Religion in allen Artickeln helt oder gleubet. Vnd saget darauff, da sey die Vocation aller Christen Matth. 18:14 „SFndiget aber dein Bruder an dir, so gehe hin vnd straffe jn zwischen dir vnd jm alleine. H=ret er dich, so hastu deinen Bruder gewonnen. H=ret er dich nicht, so nim noch einen oder zween zu dir, auff das alle sache bestehe auff zweier oder dreier Zeugen munde. H=ret er die nicht, so sage es der Gemeine. H=ret er die Ge-[A 3v:]meine nicht, so halt jn wie einen Heiden vnd Z=lner. Warlich ich sage euch: Was jr auff Erden binden werdet, sol auch im Himel gebunden sein, vnd was jr auff Erden l=sen werdet, sol auch im Himel los sein.“ Ob nu verm=ge dieses Beuehls alle Christen Recht vnd Macht haben, dasjenige zu thun, des Flacius sich so vermessenlich vnd türstiglich15 vnterstanden hat, das gebe ich allen verstendigen, fromen Christen zu erkennen vnd auszusprechen vnd jm, dem Flacio, zu verantworten. Ein vberaus fein vnd sch=n ordenlich wesen solt in der Christenheit werden, wann es also angienge. Gott wolle aber gnediglichen dafür sein vnd dem Satan wehren. Amen. Das solcher Beuehl, von S. Mattheo beschrieben, allen Christen vom Herrn Christo gegeben sey, ist offenbar vnd vnwidersprechlich. Das er sich aber dahin erstrecken sol, das ein jeder Christ sol recht vnd macht haben, sich vber aller Kirchen vnd Schulen Lerer selbs zu emp=ren vnd allenthalben einzudringen vnd reformieren wollen, das kan ich nicht sagen. [A 4r:] Jch wil aber setzen,16 es hab der Beuehl diese meinung vnd Flacius sey ein Christ, dauon ich doch nichts gewisses sagen kann. Warumb helt er sich dann solches Beuehls nicht, wie er als ein Christ billich thun solt? Dann er kan je mit warheit nicht sagen, do ich gleich wider jn gesündiget hett (welches mir doch allerding17 vnbewust ist, weil ich jn mein lebenlang, meins wissens, mit augen nie gesehen, viel weniger aber etwas mit jm zu 12

Menius hatte in seiner „Verantwortung“ Flacius vorgehalten, dass er kein ordentliches kirchliches Amt bekleide und damit auch kein Recht besitze, andere Theologen zu maßregeln.. Vgl. Menius, Verantwortung, bes. G 4v–L 3r. 13 Vgl. auch Verantworttung || Justi Menij || Auff || Matth.Flacij Jllyrici gifftige || vnd vnwarhafftige verleumb= || dung vnd lesterung. || ANNO || M.D.LVII. || [Wittenberg: Georg Rhau, 1557] (VD 16 M 4583), M 1v–M 2r; im selben Jahr erschien eine weitere Auflage dieser Schrift (VD 16 M 4584). 14 Mt 18,15 –18. 15 dreist. 16 annehmen. Vgl. Götze, 201. 17 durchaus. Vgl. Götze, 7.

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schaffen gehabt hab), das er mich jemals, weder allein noch in beysein zweier oder dreier Zeugen, gestrafft hab, da ich doch wol vernomen, wie er die zeit, da ich zu Gota Pfarher18 gewesen, mehrmals dadurch gezogen vnd vnter meinen predigten in der Kirchen besehen worden ist. Das er mich aber nicht allein on alle vorgehende brüderliche Straffe, sondern auch on allen grund der warheit durch seine Lesterschrifft inn aller welt vielfaltig aussgeschrien vnd verleumbdet hat, als lerete ich jrthumb vnd vnrecht, daran er mir doch wider Gott, die warheit vnd sein eigen gewissen nur grossen gewalt vnd vnrecht thut. Daraus hat meniglich19 zu erkennen, was er für ein Christ [A 4v:] sey, wie er dem Beuehl des Herrn Christi, mit des Namen er sich gern decken20 wolt, gehorsam leiste vnd was Christlicher liebe er gegen mir, als einem Bruder, mit solcher vnwarhafftigen Verleumbdung beweist hab vnd noch beweiset. Vnd dieses sey auff dismal mein kurtzer vnd richtiger Bescheid dem Vortraber auff den ersten Artickel gegeben. Vom Andern. Das er anzeiget vnd mich mit vngrund21 felschlich bezichtiget, als lerete ich jtziger zeit anders dann ich fur der zeit22 gethan hab, darauff gebe ich diesen Bescheid: Weil der Artickel Christlicher Lare viel vnd nicht einerley sind vnd der Satan diese weise von anbeginne gehabt vnd noch hat, das er jtzt diesen, dann jenen Artickel durch seine Rotten anzufechten pfleget, wie nu alle Artikel nicht von einerley, sondern von mancherley Materien leren, also ist auch vnm=glich von allen Artickeln vff einerley weise [B 1r:] zu reden vnd sie zu verfechten, sondern es mus von einem jeden Artickel das vnd also gelart werden, das vnd wie sich dauon aus grund heiliger Schrifft zu leren gebüret. Demnach, als vor etlichen Jaren die Papisten vnd Widerteuffer wider die warheit des Euangelij vnd sonderlich wider den Artickel von der Rechtfertigung stritten vnd gaben fur: der Glaube an Christum allein machete keinen armen, verdampten Sünder fur Gott weder gerecht noch selig, sondern man müste es auch mit eignen wercken vnd leiden zugleich mit verdienen, gleich wie es Christus mit seinem gehorsam23 vnd leiden verdienet het etc.,24 da hab ich solchen Jrthumb aus grund heiliger Schrifft, so viel mir Gott damals aus gnaden verliehen vnd vffs beste ich vermocht hab, widerfochten, also, das auch D[oktor] Luther seliger damit wol zu frieden gewesen, wie meine Schrifften mit D. Luthers Vorreden vnd zeugnis damals wider beid, Papisten 18 19 20 21 22 23 24

Menius war seit 1546 Superintendet von Gotha. Vgl. oben Einleitung S. 413. jeder, jedermann. Vgl. Art. männiglich 4), in: DWb 12, 1592f. sein eigentliches Anliegen verbergen. Vgl. Art. decken 5), in: DWb 2, 891. Unrecht. Vgl. Art. Ungrund II.2), in: DWb 24, 1031. in der Vergangenheit. Vgl. Phil 2,8. Vgl. Röm 4,25.

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vnd Widerteuffer ausgangen, zeugen vnd ausweissen.25 Widerfechte jn auch noch heutigs tages gleicher gestalt, vnd wil es mit Gottes hilff fortan weiter thun, bis in meine gruben.26 [B 1v:] Da aber hernacher die schendliche Rotte der Antinomer27 vnd nach denselben auch die Blutfreunde aus der Widertauff28 auffstunden, welche den Artickel von der Rechtfertigung vnd Erl=sung zu frieden liessen, ja trieben jn vffs hefftigst vnd must jrer schwermerey bester grund sein, gleich wie itzund Flacius mit seiner Rotten auch thut. Legten sich aber wider den Artickel von der heiligung, vnd gaben die Antinomer fur, weil der Glaube an Christum allein, on zuthun aller Gesetz vnd Werck, fur Gott gerecht vnd selig machete, also, ob gleich einer in =ffentliche Sünde, Ehebruch, Mord, Gotteslesterung stecke, das er gleichwol rechten Glauben haben vnd behalten vnd selig werden k=ndte. Darumb, so solt man das Gesetz aus der Kirchen gantz vnd gar hinweg thun etc. Die Blutfreunde aber, als die vom vnreinen Geist leibhafftig besessen waren, die machtens so gar vberaus vnflettig vnd grob, das sie vnuerschemet vnd on alle scheuhe furgaben, sich auch darauff brennen vnd k=pffen liessen, wann einer gleubig wer, so wer er auch Gottes kind vnd hette den heiligen Geist, von dem er [B 2r:] geheiliget, regieret vnd getrieben würde, welches dann so fern29 recht vnd war geredt ist. Aber daraus wolten sie weiter dieses einfüren vnd schliessen, weil sie Gottes kinder vnd aus Gott geboren weren, so k=ndten sie auch keine Sünde thun. Das deuteten sie also: Sie theten, was sie nur wolten, so wer es eitel30 Heiligkeit vnd keine Sünde nicht, obs gleich =ffentlich wider Gottes gebot were. Dann weil sie geheiliget weren vnd vom heiligen Geist getrieben würden, darumb, so weren alle die gelüste vnd neigung, so sich in jrem Fleisch regeten, vom heiligen Geist erwecket vnd nicht sündlich. Ja, sie worden also vom Teuffel geblendet vnd getrieben, das wann ein Ehemann zu eines andern Eheweib lust hat vnd schand mit jr vbete, so sagten sie, sie hetten einander geheiliget.31 Diese Teuffels Rotte verachtete vnd lesterte das heilige Gesetz Gottes also, das sie es nicht allein Dreck nenneten, sondern durfften auch sagen, das es schedlich vnd verdamlich

25 Z. B. Widder den || Hochberumbten Barfus= || ser zu Erffurt D. Cunrad || Klingen / Schutzred v] || grundliche erklerung || etlicher heubtartickel || Christlicher lere / || durch || Justum Menium. || Mit einer vorrede Martini || Luthers. || [Wittenberg: Hans Lufft, 1527] (VD 16 M 4598); Der Widder= || tauffer lere v] geheim= || nis / aus heiliger schrifft widder= || legt / Mit einer sch=nen Vorrede / || Martini Luther. || ... || [Wittenberg: Nickel Schirlentz, 1530] (VD 16 M 4693); im Jahr 1534 erschien diese Schrift erneut, allerdings zusammengebunden mit Schriften Luthers und Melanchthons gegen die Täufer vgl. VD 16 M 4604. 26 bis zu meinem Tod. 27 Vgl. dazu unsere Ausgabe Nr. 10, S. 403, Anm. 29. 28 Vgl. VO] de] Blut= || freunde] aus der || Widertauff. || Justus Menius. || [Erfurt: Gervasius Stürmer, 1551] (VD 16 M 4588). 29 weit. 30 reine, lautere. Vgl. Art. eitel 1), in: DWb 3, 387. 31 Vgl. zu den Vorstellungen dieser Täufergruppe Reinholdt, Ein Leib in Christo werden, bes. 77– 80, 136–138.

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were, berieffen sich auff den Spruch S. Pauli Philip. 332, da doch klerlich zu sehen ist, das [B 2v:] S. Paulus redet nicht vom G=ttlichen Gesetz, welches an jm selbs recht, heilig, gut vnd zum leben gegeben ist, viel weniger aber von der vernewerung des heiligen Geistes in den gleubigen, sondern allein von seiner eigenen werck gerechtigkeit redet er, die er fur seiner bekerung aus dem Gesetz zu haben vermeinete. Da nu (sage ich) diese beide Teuffels Rotten, Antinomer vnd Blutfreunde, den Artickel von der heiligung der massen begunsten33 zu widerfechten, gleich wie die Papisten vnd Widerteuffer dem Artickel von der Rechtfertigung vnd erl=sung gethan haben vnd noch thun, vnd man auch sonst fur augen sihet, wie jederman gleubig vnd Christen sein wil vnd jr doch so gar wenig gesehen werden, die sich [durch] den heiligen Geist regieren lassen. Derhalben auch Osiander vns Predigern schuld gabe,34 als lereten wir von der gerechtigkeit des Glaubens so gar faul vnd kalt ding, das die Leute bey Gott gnade vnd vergebung der Sünden, auch ewiges Leben vnd seligkeit erlangen kündten, ob sie gleich on alle bekerung vnd besserung blieben, wie sie zuuorn im vnglauben gewesen weren, daran er vns doch gewalt vnd vnrecht that. [B 3r:] Da hab ich meines beuohlenen Ampts halben auch nicht vmbgehen künnen, diese Jrthum vnd Gotteslesterung der Antinomer vnd Blutfreunde aus grund heiliger Schrifft zu straffen,35 desgleichen auch der vngegründten aufflage36 Osiandri zu widersprechen37 vnd das Ministerium vnd Predigampt deren Kirchen, die mir damals beuohlen waren, so viel Gott gnad gabe, zu verantworten. Hab derhalben, beneben dem Artickel von der Rechtfertigung vnd erl=sung, auch den Artickel von der Heiligung, vernewerung des heiligen Geistes38 oder newem gehorsam (welches alles eins ist), so viel deste vleissiger vnd emsiger getrieben, beid in meinen Predigten vnd Schrifften, wil es auch noch fortan thun vnd alle trewe diener des Euangelij dergleichen zu thun getrewlich vermanet haben, sintemal39 jederman leichtlich abnemen40 kann, was der Teuffel durch Flacium vnd seine Rotten suchet vnd meinet, damit, das sie wider solche Lare sich so hefftig setzen, dawider so grewlich toben vnd wüten, aber doch mit dem vn32

Phil 3,3 –14. angefangen. Vgl. Art. beginnen, in: DWb 1, 1296. 34 Zum Osiandrischen Streit vgl. Dingel, Einleitung, 26–29; unsere Edition Bd. 7; OGA 9 u. 10. 35 Vgl. Anm. 28; zu den antinomistischen Streitigkeiten vgl. Richter, Gesetz und Heil. 36 Anschuldigung. Vgl. Art. Auflage 3), in: DWb 1, 680. 37 Vgl. Menius, Von der Gerechtigkeit, 1552; CENSVRAE || Der FFrstlichen || Sechsischen Theologen zu || Weymar vnd Koburg. || Auff die Bekendtnis des || Andreae Osiandri. || Von der Rechtfertigung || des Glaubens. || (CENSVRAE: || Das ist / || Erkendtnis aus || Gottes Wort ... || Vber die Bekendtnis || Andreae Osiandri / || Von dem einigen mitler Jhe= || su Christo / vnd von der || Recht fertigung || des Glaubens. ||) (CONFVTATIO: || Das ist / || Widerlegung aus || heiliger Schrifft der || jrthumen. || Andreae Osiandri. || Von dem Articul der || Rechtfertigung. ||) (Vorlegung der || fürnemsten Stück / in dem || gifftigen Buch Osi= || andri / Von der || Rechtferti= || gung.||) [Erfurt: Gervasius Stürmer, 1552] (VD 16 ZV 10866). 38 Vgl. Tit 3,5. 39 da, weil. Vgl. Art. sintemal 1), in: DWb 16, 1211. 40 ersehen. Vgl. Art. abnemen 16), in: Fnhd.Wb. 1, 261f. 33

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terscheid, das die heiligung der Rechtfertigung nicht vorgehe, sondern nachfolge, sintemal der [B 3v:] heilig Geist niemand heiliget, er sey denn durch den Glauben an Christum gerechtfertiget, gleich wie widerumb keiner durch den Glauben an Christum gerechtfertiget ist, der nicht volgends auch durch den heiligen Geist geheiliget vnd vernewert werd. Vnd sage demnach noch heutiges tages, das solch vorgeben, beide der Antinomer vnd Blutfreunde, eitel grewliche vnd recht Teuffelische Gotteslesterung sey, welche Flacius vnd seine Rotte nicht wenig stercken helffen, damit, das sie die vernewerung oder newen gehorsam, welchen der heilig Geist in allen gleubigen gewislich wircket vnd schaffet, als allerding41 zur seligkeit vnn=tig verwerffen vnd verdamnen. Dann Christus hat vns freilich mit seinem tewren Blut42 darumb nicht erl=st, das wir in allerley Sünden vnd lastern nach den gelüsten vnsers Fleisches beharren sollen, sondern das wir viel mehr durch Busse dauon abstehen, vns bekeren vnd, nach dem wir erl=st vnd vorsünet sind durch Christum, Gott in gerechtigkeit vnd heiligkeit, die jm gefellig [B 4r:] ist, loben vnd dienen sollen, wie man die Kinder leret, wann man jnen im Catechismo den Artickel von der Erl=sung erkleret. Vnd ist vnmüglich, das der rechten glauben haben vnd dadurch bey Gott in gnaden leben vnd selig sein k=nne, der one Busse vnd warhafftige Bekerung in seinen Sünden vnd Gottlosem wesen beharret. Dann alle die, so aus gnaden durch den glauben an Christum fur Gott gerecht, versünet vnd selig werden, müssen gewislich auch bekeret, geheiliget vnd vernewert werden. Dann der Glaub lesset den Menschen nicht wie er jn findet, sondern empfehet warhafftig den Heiligen Geist, der jn vernewert vnd heiliget, das er gar ein newer vnd heiliger mensch werd, der new hertz, sinne, mut vnd ein gantz newes leben vnd wesen kriege. Dis, sage ich, mus geschehen vnd geschicht gewislich in allen, die warhafftigen Glauben haben, dadurch sie fur Gott gerecht vnd selig werden. Geschicht es aber nicht, so ist gewislich auch kein rechter Glaube nicht da, weder Christus, Gottes gnade, heil noch seligkeit. [B 4v:] Darumb ist es eine offenberliche verfelschung vnd vnleidliche Corruptela43 des Euangelij, da man den Artickel von der heiligung, darinnen gelart wird von vernewerung oder newem gehorsam, welchen der heilig Geist in gleubigen wircket,44 durch den Artickel von der rechtfertigung auffheben vnd furwenden wil, als seien sie widereinander vnd nicht beide gleich n=tig denen, so selig werden, welche müssen nicht allein gerechtfertiget, das ist, der sünden los vnd gerecht werden durch die vergebung vnd zurechnung oder Jmputation des gehorsams Christi,45 sondern müssen auch durch den heiligen Geist an jrem gantzen wesen vernewert vnd geheiliget werden, das die Sünde im fleisch warhafftig 41 42 43 44 45

in jeder Hinsicht. Vgl. Götze, 7. Vgl. I Petr 1,18f. Verdebnis, Verdrehung. Vgl. Art. corruptela, in: Georges I, 1718. Vgl. Tit 3,5. Vgl. Röm 3,24; 4,5; CA IV, in: BSLK, 56; AC IV, in: BSLK, S. 220f.

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abget=det vnd ausgefeget vnd warhafftige gerechtigkeit in jnen, vom heiligen Geist erschaffen, in diesem leben angefangen vnd im künfftigen46 volendet werde. Dann es ist bey weit weit nicht einerley rede oder meinung, wann man saget: „Wir werden fur Gott gerecht aus lauter gnaden, on zuthun des Gesetzes vnd vnserer Werck“, vnd wann man saget: „Wenn wir durch den Glauben gerecht worden sein, so [C 1r:] werden wir durch den heiligen Geist vernewert, das wir also dann nicht mehr nach den gelüsten des Fleisches, der Sünden, sondern, nach dem wir vom heiligen Geist getrieben werden, Gott dienen in warhafftiger gerechtigkeit vnd heiligkeit.“ Vnd dieses zeuget S. Paulus Tit. 3, da er saget: „Nicht vmb der Werck willen der Gerechtigkeit, die wir gethan hatten, sondern nach seiner Barmhertzigkeit machte er vns selig, durch das Bad der widergeburt vnd ernewerung des heiligen Geistes etc.“47 Da sihet man ja klar, das S. Paulus von vnser seligmachung also redet, das er die Werck vnser gerechtigkeit – „vnser, vnser“ (sagt er) –, die wir gethan, gar weit weit vnterscheidet von der ernewerung des heiligen Geistes. Dann die Werck vnser gerechtigkeit, die wir gethan haben, sondert er von der Seligmachung allerding gantz vnd gar ab, als die gar nichtes dazu helffen oder dienen k=nnen. Die ernewerung aber des heiligen Geistes sondert er dauon nicht ab, sondern setzet sie hinzu, als die von not wegen geschehen mus vnd auch gewislich geschehe in allen denen, so selig werden. [C 1v:] Es erkleret sich auch S. Paulus bald darauff vnd saget, was er mit der ernewerung des heiligen Geistes meine vnd verstanden haben wolle, nemlich mit diesen worten: „Solchs wil ich, das du fest lerest, auff das die, so an Gott gleubig sind worden, in eim Stande guter werck funden werden.“48 Hie bitte ich nu alle frome Christen, die wollen doch warnemen, wie verkerlich vnd Spitzbübisch mir Flacius meine Lare verfelschet, die doch nicht mein, sondern des Herrn Jhesu Christi selbst eigen ist. Dann erstlich zeuhet49 vnd versetzt50 er mir das jenige, das ich aus grundt heiliger Schrifft vom Artickel der heiligung lere in den Artickel der Rechtfertigung,51 dahin es sich doch gar nicht reimet, auch nicht darein geh=rt, ja so wenig, als wann ich die Lare von der Schepffunge hinein vermengen wolt. Zum andern deutet er mir das jenige, das ich lere vom newen gehorsam oder vernewerung des heiligen Geistes, die in dem gantzen menschen an Leib vnd Seele vnd allen seinen krefften nach der Rechtfertigung geschicht, allein auff die Werck. Ja, was ich von [C 2r:] des heiligen Geistes wercken sage, das deutet er nur dahin, als hett ichs von vnsern eigen wercken, die wir selbst thun, gesaget. Zum dritten wil er, das, gleich wie vnser eigen werck vnd verdienst in der Rechtfertigung

46 47 48 49 50 51

Im ewigen Leben. Tit 3,5. Tit 3,8. beschuldigt. Vgl. Art. ziehen I.D.4.b.ε), in: DWb 31, 979. verschiebt, verrückt. Vgl. Art. versetzen 11), in: DWb 25, 1288f. Vgl. Flacius, Die alte und neue Lehr Justi Menii, A 6v, unsere Ausgabe Nr. 10, S. 406.

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des glaubens, also auch die heiligung oder vernewerung des heiligen Geistes in der seligmachung ausgeschlossen werden sollen. Das ist, er wil, das ein Sünder vnd Gottloser wol k=nne durch den glauben fur Gott gerecht vnd selig werden, ob er gleich vom heiligen Geist nicht vernewert werd, sondern on alle Bekerung ein Sünder vnd Gottlos bleib, wie er zuuor im vnglauben gewesen ist. Dieses erscheinet aus dem klerlich vnd vnwidersprechlich, das er die Lare verdamnet, da ich vnd andere leren: Die vernewerung des heiligen Geistes, oder der newe gehorsam, den der heilige Geist in allen glaubigen wircket, sey n=tig zur seligkeit, das ist, das alle, die durch den glauben an Christum selig werden, durch den heiligen Geist auch müssen ernewert werden. Dann so solches nicht von [C 2v:] n=ten ist vnd der Glaube den Menschen one vernewerung in seinem alten, sündlichen, gottlosen wesen bleiben lesst, wie er jn funden hat vnd gleichwol selig machet, so haben beide Rotten, Antinomer vnd Blutfreunde, mit jrer Schwermerey allerding recht vnd gewunnen, vnd mag nicht allein die Lare des G=ttlichen Gesetzes, sondern auch der gantze Artickel von der Heiligung aus der Christlichen kirchen allerding weggethan vnd verworffen werden, vnd das wolt der Teuffel auch gern haben. Aber Gott wird jm weren. Dieses alles, das ich vom andern stücke geschrieben hab, wil ich dem Vortraber jtztmals zum kurtzen vnd richtigen Bescheid gegeben haben fur mich. Damit aber alle frome Christen sehen mügen, das es nicht meine allein, sondern auch anderer Christlichen Lerer meinung mit sey, so wil ich etliche wenige Zeugnisse aus der selben schrifften hinzu setzen. [C 3r:] Zeugnisse aus etlicher Christlichen Lerer Schrifften, das alle, die durch den Glauben an Christum selig werden, durch den heiligen Geist auch mFssen vernewert werden. D[oktor] Mart. Luther schreibet in der Postillen vber die Epistel 1. Cor. 5, die man am Ostertage zu lesen pfleget also:52 „Er (Christus)a hat es wol alles volk=mlich ausgerichtet fur seine Person, wie er denn on alle SFnde vnd volkomen rein von seiner menschwerdung an gewesen ist, vns auch solche reinigkeit gantz vnd on allen mangel mitteilet vnd geniessen lesset, so fern sich der Glaub an jn hellt.“ Djeses bis daher geh=ret in den Artickel von der Rechtfertigung des Glaubens. Was aber volget, geh=ret in den Artickel von der Heiligung oder vernewerung des heiligen Geistes:53 [C 3v:] „Das aber auch in vns selbs gleiche reinigkeit folge, da ist noch teglich zu erbeiten, bis Er vns auch also volende, wie er an jm selbs rein vnd on allen mangel ist.

a 52 53

Einschub von Menius in das Zitat. Martin Luther, WA 21, 209 (Predigt über I Kor 5 [I Kor 5,6–8], Crucigers Sommerpostille 1544). Martin Luther, WA 21, 209 (Predigt über I Kor 5 [I Kor 5,6–8], Crucigers Sommerpostille 1544).

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Dazu hat er sein Wort vnd Geist gegeben, dadurch wir solches sollen vben vnd treiben, das der alte Sawerteig, so noch vberbleibet, aussgefeget54 werde,55 auff das wir bey der angefangen reinigung bleiben vnd nicht wider dauon fallen vnd den Glauben, Geist vnd Christum behalten m=gen, welches nicht geschicht, wo man dem alten fleischlichen wesen raum lesst vnd nicht widerstehet.“ Hie bitte ich alle frome Christen, ja alle vernünfftige, ehrliebende Leute, die wollen meine wort, die Flacius aus der Predigt von der Seligkeit vnd vom bereiten zum seligen Sterben fur falsche Lare anzeucht,56 mit dieser Lare D. Luthers seligen vergleichen vnd besehen, ob sie sich mit einander vergleichen oder nicht, so wird sichs in der warheit befinden, das wir beide, D. Luther vnd Jch, nicht allein vff einerley meinung, sondern [C 4r:] auch gantz vnd gar vff einerley weise, ja fast mit einerley worten, von beiden Artickeln der Rechtfertigung vnd Heiligung geredt haben. Dann vom Artickel der Rechtfertigung sage ich, das wir one zuthun aller vnd allerley Gesetz vnd Werck, aus lauter Gottes gnaden vnd Barmhertzigkeit, allein vmb Christus willen, durch den Glauben vergebung der Sünden, Gerechtigkeit, versünung, erl=sung, kindtschafft vnd seligkeit entpfahen. D. Luther aber saget, Christus hab alles (was zu vnser erl=sung vnd seligmachung von n=ten ist) ausgerichtet fur seine Person, teile vns auch solche reinigkeit gantz vnd on allen mangel mit vnd lasse vns derselben geniessen, so fern sich vnser Glaube an jn halte. Lieber, was ist hie in beider Lare vngleichs vnd widerwertiges?57 Darnach sage ich vom Artickel der heiligung:58 „Damit wir in der erlangten seligkeit bestehen vnd bleiben mügen, so sey vns dazu von n=ten, nicht das wir nach vnsern fleischlichen lüsten mishandeln59 vnd der sünden dienen zum Tod, sondern das wir der gerechtigkeit, im g=ttlichen [C 4v:] Gesetz erfoddert, gehorsam seien vnd das leben vnd seligkeit, welches vns aus gnaden, vmb Christus willen, geschencket ist, in reinem hertzen, gutem gewissen vnd vngeferbtem glauben behalten.“60 D. Luther aber saget also: „Auff das wir bey der angefangen Reinigung bleiben vnd nicht wider dauon fallen vnd den Glauben, Geist vnd Christum behalten mügen, da sey teglich zu arbeiten, das gleiche reinigkeit in vns folge, wie er an jm selbs rein vnd on mangel sey, dazu er dann sein Wort vnd Geist gegeben hab, dadurch wir solchs vben vnd treiben sollen, vff das der alte Sawerteig, das ist die Sünde,

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gereinigt. Vgl. Art. ausfegen, in: DWb 1, 855. Vgl. I Kor 5,7. 56 Vgl. Flacius, Die alte und neue Lehr Justi Menii, A 5r– 6r, unsere Ausgabe Nr. 10, S. 403– 405. 57 gegensätzliches. 58 Vgl. Von der be= || reitung zum seligen || Sterben. || Justus Menius.|| ... || (Von der || Seligkeit. || Ein Predigt || Justi Menij || Vber das Euangelium || Lucae X. ||) [Wittenberg: Georg Rhaus Erben 1556] (VD 16 M 4590 / M 4597), V 2v–3r; Flacius, Von der alten und neuen Lehr Justi Menii, A 5v, unsere Ausgabe Nr. 10, S. 404. 59 falsches Tun, Handeln. 60 Vgl. I Tim 1,5. 55

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so noch vberbleibet, ausgefeget werde, welches aber nicht geschehe, wo man dem alten fleischlichen wesen raum lasse vnd nicht widerstehe.“ Was ist hie in beider Lare auch vngleichs vnd widerwertigs? Jch sage: Vff das wir in der geschenckten seligkeit bestehen vnd bleiben mügen, so sey vns dazu von n=ten, das wir der Sünden widerstreben vnd der gerechtigkeit gehorsa[D 1r:]men, wie vns im g=ttlichen Gesetz furgeschrieben ist vnd wie wir vom heiligen Geist dazu getrieben werden. So sagt D. Luther gleich auff dieselbige mainung: Auff das wir bey der angefangen Reinigung bleiben vnd nicht wider dauon fallen, Glauben, Geist vnd Christum nicht verlieren, sondern behalten, so sollen wir dem fleischlichen wesen nicht raum geben, sondern teglich dawider arbeiten, wie wir aus seinem wort gelart vnd vom heiligen Geist getrieben werden. Vnd auff diese Lare ist dieselbige gantze Predigt gestellet. Vber die Epistel des Oster Mittwochens Coloss. 3:61 „‚Seid jr mit Christo aufferstanden etc.,‘62 dann das ist auch an jm selbs gewis, so wir sollen leiblich am JFngsten tage mit diesem Fleisch vnd Blut aufferstehen zur Seligkeit, so mFssen wir auch zuuor hie vff Erden geistlich aufferstanden sein, wie auch S. Paul. Rom. 8 sagt:63 ‚So der Geist des, der da Jhesum [D 1v:] von todten aufferwecket hat, in euch wonet, so werd auch derselbige, der Christum von den Todten aufferwecket hat, ewer sterbliche Leibe lebendich machen vmb des willen, das sein Geist in euch wonet‘. Das ist: Weil er euch inwendig schon lebendig, gerecht vnd selig gemacht hat, so wird er auch den Leib, der da ist die hFtte vnd das hauss des lebendigen Geistes,64 auch nicht dahinden65 lassen etc.“ Jtem in derselbigen Predigt:66 „Wiltu dich dieser Predigt recht rhFmen vnd tr=sten, das Christus durch sein sterben vnd aufferstehen dir geholffen hab, so mustu nicht in deinem alten SFndlichen wesen bleiben, sondern eine newe Haut anziehen, denn sein sterben vnd Aufferstehen ist darumb geschehen, das du auch endlich mit jm der Welt absterbest vnd seiner Aufferstehung gleich werdest, das ist, ein [D 2r:] newer Mensch anfahest zu werden, wie er ist droben im Himel, der nicht lust vnd lieb hab zum Geitz etc.“ Jtem am ende der Predigt:67 „Drumb geh=ret hie zu ein starcker ewiger streitt vnd kampff, das die Heiligen sich damit schlahen mFssen, wo sie nicht wollen Gottes Gnade vnd jren Glauben verlieren.“

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Martin Luther, WA 21, 267 (Predigt über Kol 3[3,1–7], Crucigers Sommerpostille 1544). Kol 3,1. Röm 8,11. Vgl. I Kor 6,19. zurück im Grab. Vgl. Art. dahinten 2.b), in: DWb 2, 693f. Martin Luther, WA 21, 272f (Predigt über Kol 3[3,1–7], Crucigers Sommerpostille 1544). Martin Luther, WA 21, 275 (Predigt über Kol 3,[3,1–7], Crucigers Sommerpostille 1544).

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Vnd bald darnach:68„Ein Christ hat mit jm selbst zu kempffen vnd zu streitten, das er den Geist vnd das angefangen newe G=ttlich leben behalte.“

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Vber die Epistel des VIII. Sontags nach Trinitatis Rom. 8:69 „‚So sind wir nu Schuldener lieben BrFder etc.‘70 Es fodert solchs von Euch eben ewer newer Beruff, stand vnd wesen, dazu jr komen seid, weil jr seid Christen [D 2v:] worden vnd nun den heiligen Geist habt, das jr auch also lebet, wie euch der Geist weiset vnd leret, vnd stehet nicht in ewer freien (a)wilkFre,71 solchs zu thun oder zu lassen, sondern wo jr euch wollet der Gnaden vnd des Geistes rhFmen, so mFsset jr euch auch schuldig bekennen gemes zu leben, nicht dem Fleisch, welches nur jmer wil in sFnden fortfaren, sondern dem Geiste, welcher euch weiset, nach dem jr getauffet seid vnd von der SFnde erl=set, das jr von der SFnden zum newen leben der Gerechtigkeit lauffet, nicht widerumb von jenem leben zur SFnden.“ a

(WilkFre): Das ist, es ist kein Adiaphoristerey wie Chorock anziehen, Fleisch essen vnd

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dergleichen, darumb Jllyricus streittet.72

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Jtem in derselben Predigt bald hernacher:73 „Weil jr ein mal vom ewigen Tod errettet vnd gefreiet seid, reimet sichs gar nicht, das jr wollet f=rder74 ewerm Fleisch nach leben. Denn wo jr das thut, so dFrfft jr nicht gedencken,75 das jr werdet das leben behalten, sondern [D 3r:] seid des Todes vnd verdampt zur Hellen.“

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Vnd abermal:76 „Darumb, wer ein Christen ist, der mache nur solches Alfentzens77 nicht viel: ‚Jch bin frey vom Gesetz, drumb mag ich thun, was mich lFstet‘, sondern das widerspiel sage vnd treibe er, weil er ein Christen ist, so fFrchte vnd hFte er sich fur SFnden, damit er nicht von seiner Freiheit in die vorige gefengnis der SFnden vnter dem Gesetz vnd Gottes zorn gerate, noch von seinem angefangen leben wider in den Tod falle, weil er hie h=ret das ernstliche Vrteil: ‚So jr nach dem Fleisch lebet, so werdet jr sterben.‘78 Als wolt er sagen: Es wird euch nicht helffen, das jr das Euangelion geh=ret, von Christo rhFmet, die Sacrament entpfangen, wo jr nicht auch durch entpfangnen Glauben vnd Geist ewre sFndliche lFste des Gottlosen wesens,

68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78

Martin Luther, WA 21, 275 (Predigt über Kol 3,[3,1–7], Crucigers Sommerpostille 1544). Martin Luther, WA 22, 132 (Predigt über Röm 8 [8,12–17], Crucigers Sommerpostille 1544). Röm 8,12. Ermessen. Vgl. Götze, 230. Zum Streit über die Adiaphora vgl. unsere Edition Bd. 2. Martin Luther, WA 22, 133 (Predigt über Röm 8 [8,12–17], Crucigers Sommerpostille 1544). weiterhin. annehmen. Martin Luther, WA 22, 133 (Predigt über Röm 8 [8,12–17], Crucigers Sommerpostille 1544). Possenreißen, solchen Unfug. Vgl. Art. alfänzen, in: DWb 1, 205. Röm 8,13.

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Gottes verachtung, Geitzes, [D 3v:] Bossheit, Hoffart,79 Hasses vnd Neides etc. dempffet.“80 Vnd hernacher:81 „Da der Teuffel auch vnter vns seinen Samen seet, deren, so auch Christen heissen vnd sich des Euangelij rhFmen, da geh=rt zu auffsehen, nicht auffs maul, sondern auff die werck der, die sich Christen rhFmen, nicht was sie reden, sondern was sie thun. Denn von Gott, Christo vnd Geist ist leicht zu rhFmen, aber daran beweiset sichs, ob solcher rhum rechtschaffen sey, so der Geist auch in dir wircket vnd krefftig ist, also, das er die SFnde in dir dempffet vnd t=dtet. Dann wo der Geist ist, da ist er gewislich auch nicht mFssig noch one krafft, sondern beweiset sich also, das er den Menschen regiert vnd treibet82 vnd der Mensch jm auch gehorchet etc.“ Lieber Christ, liese diese gantze Predigt mit vleis vnd vrteile darnach, ob D[oktor] Luthers seligen vnd meine Lare einerley sey oder nicht. [D 4r:] Vber die Epistel des IX. Sontags 1. Corin. 10:83 „Lasset vns an jnen Spiegeln vnd jr Exempel eine witzung84 sein, das wir dencken, so wir vns Christi, der vergebung der SFnden vnd Gottes gnaden rhFmen, das wir auch zusehen vnd dabey bleiben vnd nicht wider verlieren was wir entpfangen haben vnd also in Gottes straffe vnd verdamnis fallen. Denn wir sind noch nicht gar hindurch noch hinFber da wir hin sollen, sondern gehen noch vnter wegen, da wir mFssen jmer fortfaren in dem angefangen kampff wider alle fahr vnd hindernis, so vns anst=sset. Die erl=sung ist wol angefangen, aber noch nicht gar an vns volendet. Aus Egypten bistu komen, durchs Rote Meer gegangen85 (das ist aus des Teuffels gewalt durch die Tauff Christi in Gottes Reich gefFrt), aber du bist noch nicht durch die wFsten in das gelobte Land vnd kansts noch vnter wegen vorsehen,86 das du geschlagen werdest vnd deiner Erl=sung feilest.87 An Gott mangelts freilich nicht. Denn er hat vns schon gegeben sein Wort, Sacrament, [D 4v:] Gnade, Geist vnd Gaben, so wir bedFrffen, vnd wil vns auch f=rder88 helffen, allein, das WJR nicht dauon fallen vnd die Gnade von vns schlahen durch Vnglauben, Vndanckbarkeit, vngehorsam vnd verachtung seines Worts etc. Dann es heisst (wie Christus sagt) nicht, wer da anfehet, sondern‚ wer da beharret bis ans ende, der wird selig‘.“89 Liese die gantze Predigt. 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89

Stolz, Übermut. Vgl. Art. Hoffart/Hoffahrt, in: DWb 10, 1666f. unterdrückt. Vgl. Art. dämpfen 3), in: DWb 2, 718f. Martin Luther, WA 22, 135 (Predigt über Röm 8 [8,12–17], Crucigers Sommerpostille 1544). lehrt. Vgl. Götze, 54. Martin Luther, WA 22, 165 (Predigt über I Kor 10 [10,6–13], Crucigers Sommerpostille 1544). Lehr, Warnung. Vgl. Art. Witzigung30, 899. Vgl. Ex 13,18 –14,29. dich gefasst machen, darauf vorbereiten. Götze, 81. verlustig gehst. weiterhin. Mt 24,13.

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Jn der vorrede auffs Newe Testament am ende.90 „Daher k=mpts auch, das einem gleubigen kein Gesetz gegeben ist, dadurch er gerecht werde fur Gott, […]b darumb, das er durch den Glauben gerecht, lebendig vnd selig ist, vnd ist jm nichts mehr von n=ten, dann das er solchen Glauben mit wercken beweise. Ja, wo der Glaube ist, kan er sich nicht halten, er beweiset sich, bricht heraus durch gute werck etc.“ [E 1r:] Vnd abermals:91 „Das meinet auch Christus, da er zur letzt kein ander Gebot gab denn die Liebe,92 daran man erkennen solte, wer seine JFnger weren vnd rechtschaffene Gleubigen. Dann wo die Werck vnd Liebe nicht eraus bricht, da ist der Glaube nicht recht, da hafftet das Euangelium noch nicht, vnd ist Christus nicht recht erkandt etc.“ Jn der vorrede auff die Epistel S. Pauli an die R=mer,93 do er redet von vnterschiedt der Gnade vnd Gaben: „Die Gnad […]c nimpt vns gantz vnd gar auff in die hulde, vmb Christus vnsers Fursprechers vnd Mitlers willen. Vnd vmb das in vns die gaben angefangen sind.“ Vnd weiter:94 „Vmb des vnget=dten Fleischs willen, sind wir noch SFnder. Aber weil wir an Christum gleuben vnd des Geistes anfang haben, ist vns Gott so gFnstig vnd gnedig etc.“

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[E 1v:] Vnd abermals:95„Es ist vnmFglich, Werck vom Glauben scheiden. Ja, so vnmFglich als brennen vnd leuchten vom Fewr mag geschieden werden etc.“ Lies weiter zuuor vnd hernacher. Jch kondte aus D[oktor] Luthers schrifften dergleichen zeugnisse noch viel mehr einfüren, darinnen er klerlich leret, wie in denen, so an Gott gleubig worden sind, auch vernewerung des heiligen Geists, newes leben vnd newer gehorsam von not wegen volgen mus, oder wo das nicht geschicht, das auch aller Glaub, Gottes gnad, Christus, Leben vnd Seligkeit verloren ist. Jch wil es aber jtziger zeit bleiben lassen, wolt jr auch wol vff dis mal so viel nicht eingefurt haben, wann mich nicht zwo vrsachen dazu bewegt hetten. Die erste: Das Flacius vnd seine Rotte sich mit D. Luthers namen am meisten bey dem gemeinen Man schmücken wollen, mich vnd andere verdechtig zu machen, als lereten wir anders dann er gelert hat, vnd weren sie allein die jenigen, so die Lare reine hetten vnd erhielten, welcher doch keines war ist. b c 90 91 92 93 94 95

Im Original bei Luther heißt es dort: „wie S. Paulus sagt, j Timoth j [I Tim 1,9].“ Im Original bei Luther heißt es dort: „teilet vnd stücket sich nicht, wie die Gaben tun.“ Vgl. Deutsche Bibel (1545), ed. Volz, 1965, Z. 17–22. Deutsche Bibel (1545), ed. Volz, 1965, Z. 32–38. Vgl. Mt 22,37–39. Vgl. Deutsche Bibel (1545), ed. Volz, 2257, Z. 36 –40. Deutsche Bibel (1545), ed. Volz, 2257, Z. 46–2258, Z. 2. Vgl. Deutsche Bibel (1545), ed. Volz, 2258, Z. 46 –2259, Z. 1.

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Zum andern hab ich jr auch deste mehr eingefüret, [E 2r:] das sie nicht sprechen, wann ich nur ein einiges96 eingefürt hette, es mochte jm vieleicht ongencklich97 also entfaren sein, wie der alte Tieltappe98 zu Gota ein mal zu mir saget,99 da ich jm D. Luthers auslegung vber den 4. Vers des 51. Psalmens von der vernewerung des heiligen Geistes zeigt:100 „es wer ein einiger Locus, man wird jr freilich nicht viel mehr finden, da D. Luther vff solche meinung geschrieben hett.“ Aber wie er ein Tieltappe drey vnd dreissig jare gewesen ist,101 bleibt ers fortan auch wol. Zu letzt will ich die gantze Predigt vber das Euangelium des xviij. Sontags nach Trinitatis hie auch angezogen102 haben,103 darinnen D. Luther vffs gewaltigst beweiset, das das gantze Gesetz in allen, so durch den Glauben an Christum selig werden, gewislich vnd volkomenlich erfüllet werden müsse. D[ominus] Philippus Melanthon vber das Euangelion des IIII. Sontags nach Trinitatis Anno 1544 bey leben D. Luthers ausgangen:104 „Nota est uox Pauli: ‚Fratres, debitores sumus, ne secundum carnem uiuamus.‘105 Si se[E 2v:]cundum carnem uixeritis, moriemini, si spiritu carnem mortificabitis, uiuetis. Item 1. Iohan. 3: ‚Nemo uos decipiat, qui facit peccatum ex diabolo est.‘106 Haec dicta sint infixa animis, ut sciamus, oportere in saluandis existere incoatam obedientiam, nec sine ea posse homines saluari. Sed oportet fidem in Christum praecedere et praelucere. Et sciendum est, ita placere Deo incoatam obedientiam, cum reconciliati fide agnoscunt se non satisfacere legi. Et tamen incoant hanc obedientiam, et credunt eam placere propter pontificem Christum etc.”

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einzelnes. unbedacht. 98 Trottel, Tölpel. Vgl. Art. Diltap, in: DWb 2, 1151. 99 Mit dem „alten Trottel zu Gotha“ könnte Menius eventuell Amsdorf meinen. Mit diesem lag er seit der gemeinsam vorzunehmenden Visitation im ernestinischen Sachsen 1554 im Streit über die Positionen Majors zu den guten Werken. In Gotha hatte Menius den anderen Visitatoren (Amsdorf, Erhard Schnepff, Johann Stoltz) 110 Propositiones übergeben, um seine Haltung in dieser Angelegenheit zu verdeutlichen. Amsdorf hatte diesen seinerseits daraufhin 195, im Dezember 1554 dann 46 Propositiones entgegengestellt. Vgl. Schmidt, Menius II, 188. 100 Gemeint ist Vers 4 des Psalms [Ps 51,4] und damit Vers drei in den Druckwerken. Vgl. Martin Luther, WA 1, (154) 158 –220, 186 (Die sieben Bußpsalmen [erste Bearbeitung], 1517); WA 18, (467) 479– 530, 499f (Die sieben Bußpsalmen [zweite Bearbeitung], 1525). 101 Sollte es sich um Amsdorf handeln, spielen die 33 Jahre wohl auf dessen berufliche Tätigkeit an, da er 1524 die Superintendentur in Magdeburg antrat. 102 angeführt, zitiert. Vgl. Art. anziehen 12), in: Fnhd.Wb. 1, 1615f. 103 Vgl. Martin Luther, WA 45, 145 –156 (Predigt über Mt 22 [22,34– 46] 1537). 104 IN EVAN||GELIA: QVAE || VSITATO MORE || in diebus Dominicis || & Festis propo= || nuntur, || ANNOTATIONES || Philippi Melanth. || [Wittenberg: Peter Seitz d. Ä., 1544] (VD 16 E 4532), 30 r–v = d 6r–v; im selben Jahr erschienen noch weitere fünf Auflagen des Werks (VD 16 E 4529, 4531, 4533; ZV 5555, 25080). 105 Vgl. Röm 8,12 (Vg): „Ergo fratres, debitores sumus non carni, ut secundum carnem vivimus.“ 106 Vgl. I Joh 3,7f (Vg): „Filioli nemo vos seducat, qui facit iustitiam iustus est sicut et ille iustus est, qui facit peccatum, ex diabolo est […].” 97

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Jm vnterricht von vergebung der Sünden vnd Seligkeit, auch Anno 1544 zu Wittenberg ausgangen bey den Summarien M. Veit Ditterichs107 seligen.

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Die vierde frage von guten Wercken:108 „Welche vrsachen sollen vns zu guten Wercken treiben? Antwort: Furnemlich diese drey vrsachen. I. Gottes ernster wille, den er durch die predigt der Busse vnd seine Gebot geoffenbaret. II. Das Leiden vnsers Herrn Jhesu Christi. III. Die erhaltung der geschenckten Gnade vnd Seligkeit. [E 3r:] Von der ersten vrsach spricht S. Paulus Ephes. 5:109 ‚Dis solt jr wissen, das Hurer, Ehebrecher, Betrieger das Reich Christi vnd Gottes nicht erben werden. Vnd lasst euch nicht mit vergeblichen Reden verfFren, denn von wegen solcher werck kompt Gottes zorn vber die vngehorsamen. PrFfet was Gott gefellig ist.‘ Von der andern vrsach stehet Ebre. am 10:110 ‚Wie viel gr=sser straffe wird vber diesen komen, der den Son Gottes mit fFssen tritt vnd sein Blut verachtet, damit er geheiliget ist vnd den heiligen Geist trotzet?‘ Wer nu wilder vnd vngehorsamer wird, so er von der Gnade geh=ret hat, der bedencke dagegen, das Christus nicht darumb gestorben ist, das wir allen mutwillen vben sollen, sondern das die SFnde in vns get=dtet werde vnd wir Gott gehorsam seien. Vnd wer sich der Gnaden rhFmet vnd gleichwol wissentlich in sFnden verharret, der schmehet das Leiden Christi, der darumb gestorben, das er die SFnde auch in vns vertilge vnd ein new Gott gefellig liecht vnd leben in vns anfange. [E 3v:] Von der dritten vrsach stehet 1. Johan. 3:111 ‚Wer sFnde thut, ist aus dem Teuffel.‘ Dis ist ein klarer Spruch, der anzeigt, wie die Apostel offt leren, das die geschenckte Gnade, Glaube vnd heiliger Geist nicht bleiben in dem hertzen, das wider das gewissen fort feret in wercken, die Gott verboten hat. Vnd setzet Johannes dazu:112 ‚Last euch nicht verfFren‘, tichtet euch nicht einen Glauben, dabey jr gleichwol Vnzucht, Ehebruch, betrug, hass vnd neid etc. wissentlich vben wollet.“ D[oktor] Vrbanus Regius im BFchlin, wie man von allen Artickeln Christlicher Lare fursichtiglich reden sol Cap. 2. am ende:113 „Glaub on gute werck

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Veit Dietrich war einer der engsten Mitarbeiter Luthers. Er publizierte Mitschriften von Luthers Vorlesungen sowie 1544 die sogenannte „Hauspostille“ (WA 52); seine Mitschriften von Luthers Hauspredigten. Vgl. Matthias Simon, Art. Dietrich, Veit, in: NDB 3 (1957), 699. 108 Summaria || vber das newe Te || stament / Darin auffs kFrtz || ste angezeigt wird / was am n=tigsten || vnd nFtzsten ist / dem jungen Volck || vnd gemeinem Man / aus allen Ca= || piteln / zu wissen vnd zu lernen / Dar= || nach sie jr Leben richten ... || Von || M. Vito Diete= || rich / in S. Sebalds Kir || chen / zu NFrnberg Predi= || ger / gestellet. || [Wittenberg: Veit Creutzer, 1544] (VD 16 D 1638), Aaaa 1v–Aaaa 2r. 109 Vgl. Eph 5,5–10. 110 Vgl. Hebr 10,29. 111 I Joh 3,8. 112 I Joh 3,7. 113 Wie || man fursich= || tiglich vnd on ergernis || reden sol / von den fur= || nemesten Artickeln || Christlicher lere. || Fur die jungen einfel=||tigen prediger. || D. Vrbani Regij. || [Wittenberg: Hans Lufft, 1536] (VD 16 R 1805), C 6r; eine weitere deutsche Fassung erschien 1537 (VD 16

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ist kein glaub. Werck one glauben sind keine gute werck. Darumb mFssen diese zwey dinge, Glaub vnd gute Werck thun, bey einander sein, dieweil wir leben. Wer sein leben nicht bessert vnd gute werck thut, der sol wissen, das er kein Christ ist. Wer aber kein Christ ist, der wird verdamnet, darnach mag sich jederman richten. Gott hats also beschlossen, also wird ers auch endlich volnstrecken, das ist gewis.“ Haec Regius. [E 4r:] D. Iohannes Brentius in explicatione Catechismi. Titulo de praemijs seruati, et supplicijs uiolati primi Praecepti:114 „Nisi impleatur lex, non possumus salui fieri, quia dicit Christus:115 ‚Amen, amen dico uobis‘, Donec praetereat coelum et terra, iotad unum aut unus apex non praeteribit a lege, quoad omnia facta fuerint.“

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Et infra:118 „Hac obedientia non mereris quidem remissionem peccatorum, quam iam ante habes in Christo per fidem, attamen conseruas Christum per fidem acceptum, et testificaris gratitudinem tuam.“ Idem homilia XLVII.119 in Iohan. super dicto: „‚Et ibunt qui bona egerunt, in resurrectionem uitae etc.‘120 Deinde bona agere, est ex hac fide in Christum facta carnis mortificare, et in uocatione Dei obedienter ambulare, idque non, ut merearis resurrectionem ad coelestem uitam, cuius haeres iam ante per Christum factus es, sed ut [E 4v:] testeris gratitudinem tuam erga Deum, et retineas Christum seruatorem, qui obsequendo cupiditatibus peccati abijcitur.“ Idem, Homilia 45. in acta Apostol:121 „Non autem exiguntur illa opera, ut meritoria remissionis peccatorum, et uitae aeternae, haec enim per fidem in Christum possidentur, sed ut fidei nostrae declaratoria, et nos ipsos de ueritate fidei nostrae certificantia, sede ob hanc causam requiruntur, ne spiritum sanctum per Christum acceptum praeuaricatione diuinorum praeceptorum d e

In allen drei Ausgaben: lota Im Original bei Brenz folgt hier: „et“.

R 1806); diverse lateinische Fassungen wurden bis weit in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts gedruckt (VD 16 R 1795 –1797, 1803f; ZV 13207, 25266; VD 17 1:074528Y, 3:602444G, 14:670733Y, 23: 273431W, 23:860852X, 39:148149G). 114 Vgl. CATECHI= || SMVS PIA ET VTI= || LI EXPLICATIONE IL= || LVSTRATVS. || IOHANNE BRENTIO || AVTORE. || ... || [Wittenberg 1553] (VD 16 B 7543), 465: „Nisi enim impleatur, non possumus salui fieri, quia dicit Christus: ‚Amen amen dico uobis‘, donec praetereat coelum et terra, iota unum et unus apex non preteririt ex lege, quoad omnia facta fuerint.“ 115 Vgl. Mt 25,40 (Vg). 118 Johannes Brenz, Catechismus (1553), 472. 119 EVANGELION || quod inscribitur Secundum Io- || annem, Centum Quinquagin- || taquatour Homilijs || explicatum: PER IOANNEM BRENTIVM || ... || FRANCOFORTI, || EX OFFICINA TYPOGRAPHICA || Petri Brubachij. Anno Domini M.D.LIIII. || mense Septembri. || (VD 16 B 7603), 310. 120 Vgl. Joh 5,29 (Vg): „[…] qui bona fecerunt in resurrectionem vitae […].“ 121 ACTA APOSTO || lica Homiliae centum || uiginti duae || AVTORE IOANNE || BRENTIO. || ... Recognitae ab autore. || {Frankfut/Main: Peter Braubach, 1553] (VD 16 B 7691), 224f.

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extinguamus, quo extincto et ablato, nihil boni aut foelicitatis remanere in homine potest.“ Et paulo post:122 „Ita nobis quoque bona opera, postquam per fidem omnia coelestia bona possidemus, mandantur, non ut per illa mereamur iusticiam et salutem, sed ne malis operibus accepta bona perdamus.“ D. Erhartus Schnepfius123 in Disputatione habita Ihenae 1555, 26. Iulij, inter causas, propter quas necesse sit facere bona opera, hanc quoque recenset: „Ne scilicet amit-[F 1r:]tatur haereditas uitae aeternae.“124 Propositione XXXII. Nicolaus Gallus.

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Auch schreibet Nicolaus Gallus wider D. Maiorem, er „wolle die Synecdochen nicht tadlen, dadurch die Schrifft vnd Lutherus die Christen zu guten wercken vermanen, dieselben zu thun vnd sich fur sFnden zu hFten, bey verlust der Seligkeit, das ist, das sie dabey wissen sollen, wo sie es nicht thun, das sie nicht Christen seien.“125 Vitus Ditterich in der Kinderpostill am XXII. Sontag nach Trinitatis:126 „Das ist nu, das wir alle sollen gleuben, wann wir recht wolten gleuben vnd selig werden, nemlich, das Gott, vmb Christus willen, der fFr vns der SFnde straffe getragen hat, vns gnedig sein, SFnde vergeben vnd ewig wolle selig machen. Wer nu solchs von hertzen gleubet, der hat schon das ewig leben [F 1v:] vnd ist in der gnade Gottes. Da geh=ret aber ferner zu, wann wir drinnen sein, das wir auch drin bleiben vnd nicht wider herausfallen.“

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Johannes Brenz, Acta Apostolica Homiliae, 225. Erhard Schnepff gehörte 1554 zu dem Kreis der Visitatoren im ernestinischen Sachsen, dem auch Menius angehörte. Ihm schickte Menius zunächst vertraulich einige Propositiones zur Frage der guten Werke, die Schnepff jedoch nicht vertraulich behandelte, sondern den anderen Visitatoren (Amsdorf, Johann Stoltz) zugänglich machte und die Auseinandersetzungen zwischen Menius und diesen damit befeuerte. Vgl. Schmidt, Menius II, 187f. 124 PROPOSI= || TIONES, COM= || PLECTENTES SVM= || mam verae & incorruptae Doctri= || nae, de Iustificatione, & de bonis o= || peribus: ad disputandum proposi= || tę, in Schola Ihenensi, die XXVI. || Iulij, Anno M.D.LV. Praeside || Erharto Schnepffio, & Re= || spondente Baltasare || Vuintero. || [Jena: Christian Rödinger, 1555] (VD 16 S 3321), B 4r: „[…] ne amittatur haereditas uitae aeternae […].” 125 Vgl. Auff die newe subti= || le verfelschung des Euangelij Chri || sti / in Doctor Maiors Comment / || vber seine Antichristische Proposition / || damit er leret / Das / vnnd wie gute || werck / zur seligkeit n=tig || sein sollen. || Erklerung vnd antwort || Nicolai Galli. || ... || [Magdeburg: Michael Lotther, 1553] (VD 16, G 256), C 3v. 126 Vgl. Kinder Postilla || Vber die Sontags / vnd der || fFrnembsten Fest Euangelia / || durch das gantze Jar. || Gestellet durch || M. Vitum Dietrich / Pre= || diger zu NFrnberg. || ... || [Nürnberg: Johann vom Berg, Ulrich Neuber, 1549] (VD 16 D 1576), CCXLIXr. 123

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Bald hernach:127 „Solchen Schatz haben wir durch den glauben an Christum alle. Aber sihe zu, das du dabey bleibest vnd Gott durch deine sFnde nicht wider vngnedig machest.“ Am ende der Predigt:128 „Solche sFnde bringen vns in Gottes vngnade. Darumb sollen wir vns dafur hFten vnd durch sFndlichs leben nicht dazu vrsach geben, das die Gnade, dazu wir durch Christum komen sind, widerumb verschut vnd verloren werd.“

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Von der Rede: Gute Werck sind n=tig zur Seligkeit. Dauon hab ich zuuor in meiner verantwortung geschrieben:129 „Jch hab jr mein [F 2r:] lebenlang niemals, weder in predigten noch schrifften, gefürt, füre jr auch noch nicht. Darumb darff auch niemand mit mir drumb fechten.“ Dabey las ichs bleiben. Es bedarff beides guter Erklerung, man sage: „Gute Werck sind n=tig zur seligkeit“ oder „sind nicht n=tig zur seligkeit“. Denn gleich wie die Affirmatiua: „Gute werck sind n=tig etc.“ von den Papisten vnd Widerteuffern wider den Artickel von der rechtfertigung dahin gezogen130 werden kann, als machete der Glaub nicht allein fur Gott gerecht vnd selig, sondern die Werck müsten auch etwas dabey thun, also kan die Negatiua: „Gute Werck sind nicht n=tig“ von den Antinomern vnd Blutfreunden auch wider den Artickel der heiligung dahin gezogen werden, als wer die vernewerung des heiligen Geistes auch vnn=tig etc. Wer nun solche Rede füret oder füren wil, der mag drumb fechten. Jch fur mich las es bleiben, hab mich auch in dis ergerlich gepeiss131 nie einmengen wollen vnd m=chte gern (wans müglich wer) wündschen, die es angefangen haben, hetten dieweil beiderseits dafur geschlaffen,132 oder hettens in Schulen vnter [F 2v:] jnen allein disputiret vnd die Kirchen damit zu frieden gelassen. Was ich mit dem herrn Doct. Erharten Schnepffen dauon disputiret hab,133 das ist zwischen vns beiden allein gar134 guter, freundlicher wolmeinung geschehen, aus kei-

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Vgl. ebd., CCXLIXv. Veit Dietrich, Kinderpostilla (1549), CCXLIXv. 129 Menius, Verantwortung, O 2v: „Was aber die Rede belanget: Gute werck sind n=tig zur seligkeit, weil ich diese mein lebenlang, weder in Predigten noch Schrifften, niemal gefurt vnd sie auch nicht zu fFren weis, so hat auch derhalben niemand mit mir darFber zu zancken.“. Vgl. auch ebd., L 4v: „Dann diese Rede, gute Werck sind n=tig zur seligkeit, hab ich die zeit meines lebens noch nie, weder in Predigten noch Schrifften, gefFrt. Das weis ich furwar vnd trutz dem verlogenen Lesterer Illyrico, das ers vff mich beweise vnd war mache.“ 130 dahingehend angeführt. 131 Gezänk. Vgl. Art. Gebeisze 1), in: DWb 4, 1664. 132 Ruhe gegeben, den Streit unterlassen. 133 Im Jahr 1554 hatte Menius einige Thesen an Schnepff gesandt, um seine Position in der Frage der guten Werke darzulegen. Schnepff reichte diese vertraulich übersandte Thesenreihe an Amsdorf und Johann Stoltz weiter, was den Streit der drei mit Menius vertiefte. Vgl. Schmidt, Menius II, 187f. 134 in völlig. Vgl. Götze, 95. 128

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nem furwitze, sondern aus grosser verursachung, wie der herr Doctor so wol weis als ich. Jch bin auch niemals willens gewesen, solche Disputation auszubreiten, geschweige, das ich sie solt ausgebreitet haben, wie mir Flacius mit vnwarheit auffgetichtet,135 vnd weis furwar, wann die Flacianer Rotte (die doch solche Disputation von mir nicht bekomen hat) sie so wenig ausgebreitet hette als ich, es würdens bis vff diesen heutigen tag wenig Leute gesehen haben. Dann do ichs hette ausbreiten wollen, hett ichs durch den Druck thun m=gen, hab es aber, wie gesagt, nicht thun wollen. Weil es dann ein Priuat vnd besondere disputatio zwischen dem hern Doctor Schnepffen vnd mir allein gewesen ist, so hat sich auch FLACIVS sampt seiner Rotten Ja so wenig drumb anzunemen, so wenig ich mich [F 3r:] darumb anneme, was er mit seinen Rotten Gesellen zu schaffen hat. Hat er aber ja lust mit mir zu disputiren, nicht von frembden gezencken, die mich nichts angehen, sondern von dem, das ich gelart vnd geschrieben hab vnd noch heutiges tages lere, so neme ers gebürlicher weise fur, one ergernis einfaltiger136 Christen vnd one zerrüttung der Kirchen, so sol es jm in alle wege vnuersagt sein. Vom dritten.

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Das Flacius von mir schreibet, als hett ich mit meiner Vnterschreibung137 eine Damnation eines Jrthumbs von notwendigkeit guter werck zur Seligkeit bekrefftiget vnd reuociret.138 Darauff gebe ich diesen kurtzen Bescheid vnd sage mit warheit, das es alles erlogen ist, wie meine Vnterschreibung ausweiset. [F 3v:] Dann erstlich ists fur augen, das ich keine Damnation, sondern nur eine Confession vnterschrieben hab.139 Zum andern, meldet140 meine vnterschreibung nicht, das ich einigen Jrthumb von notwendigkeit guter werck zur Seligkeit jemals gelart hab, sondern das meldet sie, das mir etliche meine wort vom newen Gehorsam auff einen

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Vgl. Flacius, Die alte und neue Lehr Justi Menii, A 4v, in: unsere Ausgabe Nr. 10, S. 403. redlicher. Vgl. Art. einfältig 2), in: DWb 3, 173f. 137 Gemeint ist die Unterzeichnung der „Conclusio et decretum“, des Abschlussdokuments der Eisenacher Synode von 1556. Vgl. Schmidt, Menius II, 203 –237. 138 Flacius, Die alte und neue Lehr Justi Menii, A 6r, unsere Ausgabe Nr. 10, S. 405. 139 Auf der Eisenacher Synode 1556 hatte Victorin Strigel 7 Thesen vorgelegt, über die mit Menius disputiert und schließlich Einigkeit hergestellt wurde. In dem den Thesen vorangestellten Dekret wurde darauf verwiesen, dass die Absicht der Synode sei, die Spaltungen innerhalb der Kirche zu beenden. Darum sei eine „Confession“ verabschiedet worden, die Menius schließlich mit unterzeichnete, allerdings nur mit einem seine Position erläuternden Zusatz. Vgl. Richter, Gesetz und Heil, 142–149; Schmidt, Menius II, bes. 220–237, der handschriftliche Zusatz von Menius findet sich ebd., 236f. 140 zeigt, bedeutet. 136

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Nr. 11: Kurzer Bescheid Justi Menii (1557)

missuerstand haben ziehen141 wollen, das ich jnen aber gar mit nichten gestendig gewesen, auch noch nicht bin. Zum dritten, meldet meine vnterschrifft auch von keiner Reuocation, sondern das allein, das ich die wort vom newen Gehorsam, die man mir verkerlich auff ein Missuerstand ziehen wollen, endern vnd den Artickel also stellen vnd erkleren wolle, das man mir jn auff keinen Missuerstand mehr solt ziehen k=nnen. Drumb sind es eitel grobe, vnuerschembte Lügen, was Flacius von Jrthumb, Damnation vnd Reuocation schreibet. [F 4r:] Djs wil ich auff dismal dem Vortraber Flacio zum kurtzen Bescheid gegeben haben, der zuuersicht, der nachfolgende Reisige Zeug werd mit mir zu frieden sein vnd mich dazu nicht n=tigen, das ich von anfang, welcher gestalt man mit mir gehandelt, nach der lenge erzelen müsse. Gott gebe Friede in seinem Lande, Glück vnd heil zu allem stande. Amen. Aduersus Sycophantae morsum non est remedium.142

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ausgelegen. Sprichwörtlich: Gegen Angriffe von Lästerern gibt es kein Heilmittel. Vgl. ADAGIORVM CHILI= || ADES DES. ERASMI ROTE[R]O= || DAMI QVATVOR CVM SESQVICENTVRIA, EX POSTRE || ma autoris recognitione: quibus sunt praemissi quatuor Indices ... || Omnia ... emendata. || [Basel: Hieronymus Froben d. Ä. und Nikolaus Episcopius d. Ä, 1551] (VD 16 ZV 5319), II, 6, 29, S. 522: „Non inest remedium aduersus sycophantae morsum.“

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Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 1 an: Bt 6070

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CONFESSIO D. GEORGII MAIORIS, DE ARTICULO IVSTIFICATIONIS, hoc est, de doctrina, qua homo sola fide absque ullis meritis propter Dominum nostrum Iesum Chris= tum, habeat remissionem pecca= torum, et coram Deo iustificetur, et sit haeres uitae et salutis aeternae. Et de bonis operibus, quae fidem ueram, tanquam fructus, sequi necesse est. VITEBERGAE In officina Iohannis Luftij Anno M.D.LVIII.

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Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: 151.28 Theol.(9)

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Bekentnis D. Georgij Maio= ris von dem Artickel der Iusti= fication / das ist / von der Lere / das der Mensch allein durch Glauben / on alle verdienst / vmb des Herrn Christi wil len / vergebung der sFnden habe / vnd fur Gott gerecht / vnd Erbe ewiger seligkeit sey. Vnd von guten wercken / welche dem warhafftigen Glauben / als frFch= te der gerechtigkeit / folgen sollen. Wittemberg. Gedruckt durch Hans Lufft / 1558.

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Nr. 12: Bekenntnis D. Georgii Maioris von der Justification (1558) – Einleitung

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Einleitung 1. Historische Einleitung

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Im Jahr 1556 begann Georg Major damit, seine Predigtsammlung zu publizieren. Die ersten beiden Bände erschienen im Laufe dieses Jahres.1 Zudem veröffentliche der Wittenberger Professor noch im selben Jahr eine Auslegung des Römerbriefs.2 Eben zu dieser Zeit verschärfte sich auch der Konflikt im ernestinischen Sachsen zwischen den dortigen Theologen und Justus Menius durch dessen Veröffentlichungen.3 All dies zusammen veranlasste Matthias Flacius 1557 zu einer Publikation gegen die These Majors von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit, in der er neben Major gleichzeitig Menius attackierte.4 Der Schrift voran stellte Flacius ein Bekenntnis, in dem er zunächst betonte, dass er nicht aus Streitlust neue Schriften verfasse, sondern als Warnung vor gefährlichen, falschen Lehren. Danach benannte er, was in seinen Augen in den gerade erschienenen Schriften der beiden Angegriffenen, besonders aber im zweiten Band von Majors Predigtsammlung, irrtümlich sei.5 Die Forderung nach namentlicher Verdammung der Irrlehrer und ihrer Irrtümer6 wurde im selben Jahr von Flacius in den Verhandlungen von Coswig und von den ernestinischen Theologen unter Mitwirkung des Flacius im Verlaufe des Wormser Religionsgesprächs erhoben, was schließlich beide Gespräche scheitern ließ.7 Nikolaus von Amsdorf ging zur selben Zeit noch weiter, wenn er Major nicht allein als Irrlehrer bezeichnete und seine Lehre verwarf, sondern zudem die These von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit in ihr Gegenteil verkehrte und behauptete, dass gute Werke zur Seligkeit schädlich

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PRIMA || PARS HOME= || LIARVM IN EPI= || stolas Dominicales, a prima || Dominica Aduentus Domini, || usque ad Dominicam quar= || tam, post Epiphania || Domini. || Autore || Georgio Maiore. D. || [Wittenberg: Johannes Lufft, 1556] (VD 16 M 2036); SECVNDA || PARS HOMELIA||RVM IN EPISTOLAS || dominicales, a Dominica tertia || post festum Epiphanias Do= || mini, usque ad festum || Paschae. || Autore || Georgio Maiore D. || [Wittenberg: Johannes Lufft, 1556] (VD 16 M 2037). 2 SERIES ET || DISPOSITIO ORA= || tionis in Epistola Pauli || ad Romanos. || Autore || D. Georgio Maiore. || ... || [Wittenberg: Hans Lufft, 1556] (VD 16 M 2185). 3 Zu der Kontroverse im ernestinischen Sachsen um die Äußerungen von Justus Menius vgl. die Einleitungen in unserer Ausgabe zu Nr. 10, bes. S. 393–395 und Nr. 11, bes. S. 411–415. 4 Vgl. Bekentnus M. || Flac. Jllyrici von etli= || chen jrthumen Maioris. || Item etliche spruche Menij. || ... || [s.l. 1557] (VD 16 F 1278). 5 Vgl. ebd., A 2 r–v. 6 Vgl. dazu Gensichen, Damnamus, 94–117. 7 Vgl. Preger, Flacius II, 1– 62; Olson, Flacius, 309–317; unsere Edition Bd. 2, Nr. 9, S. 781f; zum Religionsgespräch vgl. außerdem Slenczka, Das Wormser Schisma von 1557.

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Nr. 12: Bekenntnis D. Georgii Maioris von der Justification (1558) – Einleitung

seien.8 Als Antwort auf die Angriffe des Flacius und die These Amsdorfs verfasste Georg Major daraufhin sein hier ediertes „Bekenntnis“.

2. Der Autor Georg Major9 wurde am 25. April 1502 in Nürnberg geboren. Bereits als Neunjähriger kam er nach Wittenberg und wurde dort 1511 an der Leucorea immatrikuliert. Seine gesamte akademische Karriere vollzog sich an der Universität Wittenberg. Er erlangte am 31. März 1522 den Grad eines Baccalaureus und wohl im Oktober 1523 den Magistergrad. Am 18. Dezember 1544 wurde Major in Wittenberg zum Doktor der Theologie promoviert und am 31. Mai 1545 in die Theologische Fakultät der Leucorea aufgenommen. Im Sommersemster 1547 wurde er Nachfolger von Justus Jonas als Professor für Theologie. Aufgrund seiner Stellung als Professor der Wittenberger Universität nahm er an mehreren Verhandlungsrunden zum Umgang mit dem Augsburger Interim innerhalb des Kurfürstentums Sachsen persönlich teil. Er vertrat dabei die kompromissbereite Haltung Georgs III. von Anhalt und Philipp Melanchthons, was ihn bereits zur Zielscheibe polemischer Angriffe durch die Magdeburger Theologen machte. Noch stärkeren Attacken war er dann aufgrund seiner These von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit ausgesetzt. Da er im Laufe der Jahre immer wieder hohe Ämter der Universität bekleidete, sah er sich durch diese Angriffe nicht allein genötigt, sich selbst und seine Lehre, sondern auch die Rechtgläubigkeit der Wittenberger Theologen sowie der Universität insgesamt zu verteidigen. Gerade im Sommersemster 1558 bekleidete er das Amt eines Dekans der Theologischen Fakultät. Seine Professorentätigkeit an der Leucorea beanspruchte ihn bis zu seinem Lebensende maßgeblich.10 Und auch die Streitigkeiten um die Frage der Bedeutung der guten Werke für das christliche Leben dauerten bis zu seinem Tod am 28. November 1574 in Wittenberg an.

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3. Inhalt Das hier edierte „Bekenntnis“ Majors ist in drei Abschnitte gegliedert. Zunächst macht Major einige einleitende Bemerkungen zu den Gründen für die

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So Amsdorf unter Berufung auf Luther in seiner Vorrede zu der Veröffentlichung von Luthers Predigten zu den Kapitel 18 bis 20 des Johannesevangeliums: Das achtzehend vnd || neunzehend Capitel / vnd ein StFck || aus dem zwentzigsten S. Johannis von || dem Leiden / Sterben/ vnd Aufferste= || hung vnsers HErrn Jhesu || Christi.|| Gepredigt vnd ausgelegt durch Doc. || Mart. Luth. Anno M.D.XXVIII. || vnd XXIX. || Vorhin nie im Druck ausgangen || vnd jtzt allererst zusamen bracht. || [Jena: Christian Rödinger, 1557] (VD 16 L 3637), *3r–v; vgl. dazu auch Kolb, „Good Works are Detrimental to Salvation“, bes. 139f. 9 Zum folgenden vgl. Heinz Scheible, Art. Major, Georg, in: TRE 21 (1991), 725–730; Irene Dingel, Art. Major, Georg, in: RGG4 5 (2002), 696; Junghans, Verzeichnis, 248. 10 Zu Majors Tätigkeiten und Aufgaben an der Leucorea vgl. Hasse, Major als Professor.

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Publikation. Danach nimmt er Stellung zu der Bedeutung guter Werke, um dann abschließend eine Zusammenfassung seiner Position zu bieten. Im ersten Teil beklagt Major die zahlreichen, ungerechtfertigten Anklagen und Beschuldigungen, die seit Jahren gegen ihn vorgetragen würden und die dadurch auch die Wittenberger Universität und die gesamte Kirche Kursachsens in Verruf brächten. Er betont seine Rechtgläubigkeit durch Verweis darauf, dass seine Lehre mit der Heiligen Schrift und der CA konform sei. Er bekennt, dass der Mensch allein aus Glauben an Christus und durch das Vertrauen auf dessen Erlösungswerk Rechtfertigung erfahren könne. Diese Rechtfertigung geschehe ohne Zutun jeglichen menschlichen Verdiensts und ohne jede menschliche Würdigkeit. Vielmehr erfolge die Rechtfertigung des Menschen allein aus Gnade. Christus sei der Anfang, die Mitte und das Ende der Rechtfertigung, die der Mensch aus Gottes Barmherzigkeit zugerechnet bekomme. Der zweite Teil beginnt, auf den vorigen Darlegungen zur Rechtfertigung des Menschen aufbauend, mit der Feststellung, dass im gerechtfertigten Menschen der neue Gehorsam die Frucht des Glaubens sei. Würde diese Frucht des Glaubens bei einem Menschen nicht sichtbar, so sei dies ein sicheres Zeichen, dass die Rechtfertigung noch nicht erfolgt sei. Dies bedeute jedoch nicht, dass ein Mensch aufgrund der Früchte des Glaubens gerecht und selig werden könne. Die Aussagen des Augsburger Interims und Andreas Osianders verwirft Major daher. Allerdings verliere ein gerechtfertigter Mensch durch abermaliges Sündigen die Gerechtigkeit und die Erbschaft des ewigen Lebens. Darum solle der gerechtfertigte Mensch unablässig Buße und gute Werke tun, um diesen Verlust zu vermeiden. Major besteht darauf, dass er diese Auffassung schon immer in Predigten und Vorlesungen vertreten habe. Er betont darum auch, die These „Gute Werke sind den Gleubigen zur Seligkeit nötig“ (B 1r) nie gebaucht zu haben, und bezieht sich dabei auf die Auseinandersetzung mit Amsdorf in den Jahren 1551 bis 1553. Der dritte Teil beginnt mit der Wiederholung seiner Position, dass gute Werke als Früchte des Glaubens und Ausdruck des neuen Gehorsams bei einem Gerechtfertigten unerlässlich seien; nicht, um damit die Seligkeit zu verdienen, sondern als Wirkung des wahren Glaubens. Darum solle kein Mensch auf die guten Werke vertrauen, sondern allein auf Christus. Er betont, dass er mit seinen Aussagen keinen Streit über die Frage der Rechtfertigung beginnen, sondern der antinomistischen Lehre entgegentreten wolle. Denn gerade diese Auffassung würde von seinen Gegnern vertreten, und Thesen wie die von der Schädlichkeit guter Werke zur Seligkeit würden durch antinomistische Auffassungen begünstigt. Abschließend betont er nochmals die Konformität seiner Lehre mit der CA und verspricht, die Aussage von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit aufgrund ihrer Missverständlichkeit nicht länger zu gebrauchen. Die Schrift endet mit der Aufforderung Majors an alle

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Obrigkeiten, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Theologen die Kirche nicht durch weitere Streitigkeiten in Unruhe versetzen. 4. Ausgaben A: Bekentnis || D. Georgij Maio= || ris von dem Artickel der Iusti= || fication / das ist / von der Lere / das der || Mensch allein durch Glauben / on alle || verdienst / vmb des Herrn Christi wil || len / vergebung der sFnden habe / || vnd fur Gott gerecht / vnd Erbe || ewiger seligkeit sey. || Vnd von guten Wercken / welche dem || warhafftigen Glauben / als frFch= || te der gerechtigkeit / folgen sollen. || Wittemberg. || Gedruckt durch Hans Lufft / || 1558. [7 Bl. 4°] (VD 16 M 2005) Vorhanden in: BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 2 an: Dr 16330a R, 2 an: Dr 16330a R DRESDEN, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek: Hist.eccl.E 321,4 m ERFURT, Bibliothek des Evangelischen Ministeriums: U 342 GOTHA, Forschungsbibliothek: Th 1582(17), Theol.4 230/2(7) HALLE, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: Ne 2278(20), If 3603(5 a) (unvollständig), If 2711(6) (unvollständig) MÜNCHEN, Bayerische Staatsbibliothek: 4 Liturg. 385#Beibd.5, 4 Polem. 1983 WEIMAR, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Aut.ben.Aut.Maior,G.(8) WITTENBERG, Lutherhalle: Ag 4 281 o, Kn A 152/865 WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 151.28 Theol.(9), 238.6 Quod.(1), 488.5 Theol.(1), Alv V 462(12), G 165.4 Helmst.(4), G 675.4 Helmst.(12), H 139A.4 Helmst.(13), H 139A.4 Helmst.(20), Yv 125.8 Helmst.(2) [benutztes Exemplar] WÜRZBURG, Universitätsbibliothek: Th.dp.q.845

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B: BekentnFs || D. Georgij Maioris || von dem Artickel der Iustification / || das ist / von der Lere / das der Mensch || allein durch Glauben / on alle verdienst / vmb || des Herrn Christi willen / ver= || gebung der sFnden habe / vnd || fFr Gott Gerecht / vnnd || Erbe ewiger Selig= || keit sey. || Vnnd von guten Wercken / || welche dem warhafftigen Glau= || ben / als FrFchte der Ge= || rechtigkeit / folgen || sollen. || M.D.LIX [Dresden: Matthes Stöckel d.Ä.] [7 Bl. 4°] (VD 16 M 2006)

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Vorhanden in: WEIMAR, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: 4 VIII,68(n.5.), 5,5:67(n.3.) WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: H 175m.4 Helmst.(3)

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C: Bekentnis || D. Georgij Maio= || ris von dem Artickel der Iusti= || fication / das ist / von der Lere / das der || Mensch allein durch Glauben

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/ on alle || verdienst vmb des Herrn Christi wil || len / vergebung der sFnden habe / || vnd fFr Gott gerecht / vnd Erbe || ewiger seligkeit sey. || Vnd von guten wercken / welche dem || warhafftigen Glauben / als frFch || te der gerechtigkeit / folgen sollen. || Wittemberg. || Gedruckt durch Peter Seitz / || 1559. [7 Bl. 4°] (VD 16 M 2008)

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Vorhanden in: JENA, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 4 Bud.Theol.252(2) WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 280.48 Theol.(13) D: (VD 16 M 2009) Vgl. unsere Ausgabe Nr. 11, S. 496 10

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E:

(VD 16 M 2010) Vgl. unsere Ausgabe Nr. 11, S. 496f.

F:

REPETITIO: || Widerholung vnd || endliche Erklerung der Bekentnus || D. Georgij Maioris. || Von dem Artickel der Justification / das || ist / von der Lere / das der Mensch allein durch || Glauben / one allen Verdienst / vmb des || Herrn Christi willen / vergebung || der SFnden habe / Vnd fur Gott || Gerecht / vnd Erbe ewiger || Seligkeit sey. || Vnd von Guten Wercken / welche dem || warhafftigen Glauben als FrFch= || te des Gerechtigkeit fol= || gen sollen. || Gedruckt zu Wittemberg durch || Hans Lufft. || 1567. [11 Bl. 4°: *B 3r–C 3v] (VD 16 M 2161, M 2011)

Vorhanden in: BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: Dm 2360 BRAUNSCHWEIG, Stadtbibliothek: C 359(5).4 WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: Alv Dk 180(1) (Enthält nur das Bekenntnis), J 11.4 Helmst.(11) G: REPETITIO: || Widerholung vnd || endliche Erklerung der Bekentnis || D. Georgij Maioris. || Von dem Artickel der Justification / das || ist / von der Lere / das der Mensch allein durch || Glauben / one allen Verdienst / vmb des || Herrn Christi willen / vergebung || der SFnden habe / Vnd fur Gott || Gerecht / vnd Erbe ewiger || Seligkeit sey. || Vnd von Guten Wercken / welche dem || warhafftigen Glauben als FrFch= || te des Gerechtigkeit fol= || gen sollen. || Gedruckt zu Wittemberg durch || Hans Lufft. || 1567. [11 Bl. 4°: *B 3r–C 3v] (VD 16 M 2162, M 2012) Vorhanden in: DRESDEN, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek: Theol.ev.pol.484m, misc.5 GÖTTINGEN, Niedersächsische Staats- u. Universitätsbibliothek: 8 MULERT 350 HALLE, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: Vg 1570,QK JENA, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 4 Theol.XLIII,12(8) WIEN, Österreichische Nationalbibliothek: 79.R.86

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Nr. 12: Bekenntnis D. Georgii Maioris von der Justification (1558) – Einleitung

WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 173.3 Quod.(1), 198 Quod.(2), 316.11 Theol.(10), Alv Dk 180(10) H: Confessio || D. Georgii Maioris, || De Articulo Ivstificationis, || hoc est, de doctrina, quae homo sola || fide absque ullis meritis propter || Dominum nostrum Iesum Chris= || tum, habeat remissionem pecca= torum, et coram Deo iustificetur, || et sit heres tie et salutis eterne. | Et de bonis operibs, quae fidem || ueram, tanquam fructus, || sequi necesse est. || Vitebergae || In officina Iohannis Luftij || Anno M.D.LVIII. [11 B. 8°] (VD 16 ZV 10595) Vorhanden in: BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 1 an: Bt 6070 GÖTTINGEN, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek: 4 an: 8 TH THET II,378/29 GOTHA, Forschungsbibliothek: Druck 718(3) LEIPZIG, Universitätsbibliothek: Althaus.13/7 MÜNCHEN, Bibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität: 8 Theol. 4557 ROSTOCK, Universitätsbibliothek: Cq 1513-4 WEIMAR, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: 15,6:79(n. 3.) I:

Bekentnisse || D. Georgij Maio || ris van dem Artickel der Iusti= || fication/ dat ys / van der Lere/ dath de || Minsche allene dörch den Gelouen / ane al= || le vordenst/ vmme des HEren Christi || willen / vergeuinge der sünden || hebbe / vnde vor Godt gerecht / || vnde Erue ewiger salicheit sy. || Vnde van guden wercken / welckere || deme wahrhafftigen Gelouen / alse || früchte der gerechticheit / || folgen schöllen. || Wittemberch. || Gedrückt durch Hans Lufft / || 1558 [7 Bl. 4°] (VD 16 M 2013)

Vorhanden in: BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: Dm 1587 HALLE, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: Ung VI 54(4) HANNOVER, Stadtbibliothek: 15 an: Bibl. S. Crucis 4 Nr. 92 NEW YORK, Union Theological Seminary: D 1231 WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: J 11.4 Helmst.(10), S 211.4 Helmst.(21), Ts 408(13) WÜRZBURG, Universitätsbibliothek: Th.dp.q.845 Die „Repetitio“ Majors aus dem Jahr 1567 (Ausgaben F und G) erschien noch ein drittes Mal. Doch nicht wie F und G in Wittenberg bei Hans Lufft, sondern in Dresden bei Matthes Stöckel d. Ä. Bei dieser Ausgabe der „Repetitio“ (CD 16 M 2160) fehlt das „Bekenntnis“ als Anhang.

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Nr. 12: Confessio D. Georgii Maioris de Iustificatione (1558)

[A 2r:] Confessio D. Georgij Maioris de articulo iustificationis. Satis notum esse omnibus arbitror, me multis iam annis et in scriptis publicis, et proconcione tragicis clamoribus et calumnijs passim diffamatum ac proscissum esse, quasi doctrinam iustificationis corruperim, et aliam amplectar ac doceam, quam quae in scriptis Propheticis et Apostolicis et in Confessione Augustana comprehensa est.1 Estque occasio calumniarum inde sumpta, quod Propositionem controuersam: „Bona opera in iustificatis per fidem in Christum ad salutem necessaria sunt”, asseram in uero intellectu non esse reijciendam aut damnandam. Etsi autem antea quoque in aliquot scriptis meis ita sententiam [A 2v:] meam exposui ac declaraui,2 ut multis pietate et eruditione praestantibus uiris, qui scripta mea legerunt, abunde a me satisfactum sit. Tamen intelligo aduersarios meos calumniarum criminationum et contumeliarum finem nondum facere, adeo, ut et inclytae Academiae et scholae Vitebergensi et Ecclesijs harum regionum non parcatur. Nam his calumnijs aduersariorum meorum hoc agi uideo, ut uel opprimantur hae Ecclesiae, uel in suspitionem corruptelarum adducantur, cuius rei ego profecto non solum non causa esse uelim, sed has Ecclesias et scholas meo exilio liberare potius cuperem. Cum autem nunc quintus sit annus, quo multifarias uociferationes contra me et scriptas contumelias, silentio praetereo et Dei beneficio ferendo et patiendo uinco,3 nec tamen ra-[A 3r:]biem meorum aduersariorum sedari posse intelligo. Video tandem necesse mihi esse, ut denuo me et conscientiam meam coram Deo et uniuersa Ecclesia Christi purgem, ut intelligat posteritas, quid de hoc praecipuo articulo fidei et confessionis nostrae senserim, et adhuc sentiam, in qua confessione Deo iuuante toto uitae meae curriculoa perseue-

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Konjiziert aus: currriculo.

1

Vgl. dazu z. B. die Schriften von Nikolaus von Amsdorf, Matthias Flacius, Nikolaus Gallus und von den Mansfelder Predigern gegen Major: unsere Ausgabe Nr. 2, 3, 4, 6, 8. 2 Vgl. dazu z. B. die Schriften Majors in unserer Ausgabe Nr. 1 und 5. 3 Major bezieht sich damit auf das Erscheinungsjahr seiner Schrift „Sermon von der Bekehrung S. Pauli“ aus dem Jahr 1553. Vgl. unsere Ausgabe Nr. 5.

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[A 2r:] Es ist jederman wissentlichen, wie das ich nu viel jar her durch =ffentliche Schrifften vnd von den Cantzeln mit beschwerlicher1 aufflage2 angegeben3 vnd ausgetragen,4 als solte ich von dem Artickel der Justification anders, denn es heiliger g=ttlicher Schrifft vnd der Augsburgischen Confes5 sion gemess, halten vnd leren,5 dieweil ich die streitige Proposition, das gute werck Iustificatis, das ist, denen, welche durch den glauben an Christuma gerecht worden sind, zur seligkeit n=tig, verteidigte,b wiewol ich nu mich vorhin6 in etlichen Schrifften also erkleret vnd entschFldiget,7 das viele GottfFrchtige vnd gelerte Leute, so dieselbige gelesen, mit mir wol zu frieden. 10 Jdoch vermercke ich, das bey meinem gegenteil des calumnierens,c8 schendens dvnd lesternsd keine masse9 noch ende sein wil, also auch, das dadurch die Vniuersitet zu Wittemberg vnd die Kirchen dieser Landen durch meiner Widersacher calumnien, sie zu vnterdrucken, verdechtig gemacht, dazu ich denn ja nicht gern vrsach geben, sondern viel lieber diese Land reumen10 15 wolte.

[A 2v:] Dieweil ich denn nu in das fFnffte jar zu allen mannigfaltigen schreien, schreiben vnd lestern stille geschwiegen11 vnd alles durch Gottes hFlffe mit gedult vberwunden vnd dennoch, wie oben vermeldet, dadurch meine Widersacher nicht k=nnen gestillet werden, so erfodderte meine hohe not, 20 das ich abermals vnd endlichen12 fur Gott vnd der gantzen heiligen Christlichen Kirchen Gottes mein Gewissen reinige, auff das auch nach meinem tod jederman erfaren vnd wissen m=ge,f was meine lere vnd bekentnis von diesem Artickel des Christlichen Glaubens stets gewesen vnd noch sey vnd a

B, C: In Majuskeln gesetzt; F, G: große Lat. Kursive. F, G: verteidingte. c D, E: calumnijrens. d – d B, C, D, E: Fehlt. e D, E: erfordert. f D, E: möcht. b

1

kränkender, Ärgernis erregender. Vgl. Art. beschwerlich 1), in: Fnhd.Wb 3, 1793f. Anschuldigung. Vgl. Art. Auflage 3), in: DWb 1, 680. 3 denunziert. Vgl. Art. angeben 2), in: Fnhd.Wb 1, 1122. 4 verleumdet wurde. Vgl. Art. austragen 9), in: Fnhd.Wb 2, 1472. 5 Vgl. dazu z. B. die Schriften von Nikolaus von Amsdorf, Matthias Flacius, Nikolaus Gallus und von den Mansfelder Predigern gegen Major: unsere Ausgabe Nr. 2, 3, 4, 6, 8. 6 früher schon. Vgl. Götze, 88. 7 Vgl. dazu z. B. die Schriften Majors in unserer Ausgabe Nr. 1 und 5. 8 schikanierens. Vgl. Art. calumnior, in: Georges I, 939f. 9 Grenze. Vgl. Art. Masz 4), in: DWb 12, 1735f. 10 verlassen. 11 Major bezieht sich damit auf das Erscheinungsjahr seiner Schrift „Sermon von der Bekehrung S. Pauli“ aus dem Jahr 1553. Vgl. unsere Ausgabe Nr. 5. 12 endgültig. Vgl. Götze, 63f. 2

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Nr. 12: Confessio D. Georgii Maioris de Iustificatione (1558)

raturus sum. Recitabo igitur qua potero breuitate doctrinam de iustificatione, sicuti ea in scriptis Propheticis et Apostolicis, et in Confessione Augustana tradita ac comprehensa est:4 „Totius Euangelij summa haec est: Accipere nos remissionem peccatorum,b et imputari nobis iusticiam et dari Spiritum sanctum et haereditatem uitae aeternae gratis, non propter nostra merita, sed propter Filium Dei, [A 3v:] Dominum nostrum Iesum Christum, sola fide certo statuente Deum propter Filium nobis uelle peccata remittere. Si enim remissio peccatorum ex meritis aut dignitate nostra penderet, incerti essemus, utrum Deus remisisset nobis peccata nec ne, et an recepisset nos et imputasset nobis iusticiam. Cor enim in ueris pauoribus, sentiens iram Dei et iudicium eius aduersus peccata, nullum inuenit opus proprium, quod oponat, cuius tanta sit dignitas, ut pro peccatis nostris sit aequiualens precium, aut cuius tanta sit efficacia, ut consolari cor et eripere ex morte possit. Imo cum haec massa hominum tanta mole malarum et uiciosarum appetitionum oppressa ac referta sit, nulla in nobis munda opera et perfecta obedientia coram Deo reperiuntur. [A 4r:] Ideo uoce Euangelij remissio peccatorum gratuita nobis offertur et iusticia propter Christum absque meritis nostris imputatur, ut promissio remissionis certa sit. Sicuti manifeste Paulus docet pugnans de exclusiua5 (Gratis), ut intelligatur Remissionem peccatorum et imputationem iusticiae non pendere ex nostris meritis, sed hanc uoce Euangelij propter Filium Dei, Dominum nostrum Iesum Christum, offerri et donati nobis, etiamsi sumus immundi et indigni. Ideo ex fide gratis (inquit Rom. 4.6), ut firma sit promissio. Vult enim ostendere non esse dubitandum an remissum nobis sit, sed certo esse confidendum ac credendum, peccata nostra certo propter Christum nobis remissa et iusticiam nobis imputatam esse.“ Accipimus igitur remissionem pec-[A 4v:]catorum, imputationem iusticiae et haereditatem uitae et salutis aeternae per fidem, ideo quod fides non nititur operibus aut dignitate propria, sed confidit et acquiescit in sola fiducia mise-

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Konjiziert aus: peccatotorum.

4

Vgl. Philipp Melanchthon, Confessio Augustana (1533), in: CR 26, 727. Gemeint ist das reformatorische „allein“. Vgl. Reinhard Slenczka, Art. Glauben VI: Reformation/Neuzeit/Systematisch-theologisch, in: TRE 13 (1984), 318–365. 6 Röm 4,16. 5

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die zeit meines lebens, mit Gottes hFlffe, sein sol, so wil ich von der Justification kurtzlich diese Erklerung thun, wie dieselbige in heiligerg g=ttlicher Schrifft, auch in der Augsburgischen Confession, begriffenh:13 „Nemlich das Euangelium leret, das wir vergebung der sFnden erlangen, vnd 5 das vns gerechtigkeit zugerechnet wird vnd heiliger Geist vnd erbschafft ewiges Lebens gebeni wird aus gnaden, vnd nicht von wegen vnser verdienst, sondern solchs wird vns vmb Christus willen geschenckt, so wir gleuben an Christum, das ist, so wir vertrawen, das vns Gott vmb Christusj willen gewislich vergeben w=lle. 10 Denn so solchs auff vnserm verdienst oder wirdigkeit stFnde, so wFrden wir vnge-[A 3r:]wis,14 ob vns Gott hette vergeben vnd vns angenomen vnd vns gerechtigkeit zugerechnet, denn das hertze findet kein eigen werck, wenn wir Gottes zorn vnd gericht empfinden, das so wirdig sey, das es vnser sFnde bezale, vnd so krefftig, das es das hertze tr=ste vnd vom ewigen Tod errette, 15 ja dieweil die natur vol b=ser vnd sFndiger lust ist, finden wir keine reine werck vnd volkomenenk gehorsam gegen Gott in vns.

Darumb wird vns im Euangelio vergebung geschenckt vnd gerechtigkeit zugerechnet on vnser verdienst vmb Christus willen, das solches gewis sey, wie Paulus klar leret vnd streitet diese exclusiuam,15 gratis, das ist, das man 20 mFsse wissen, das vergebung vnd zurechnung der gerechtigkeit nicht stehe auff vnserm verdienst, sondern vns im Euangelio vmb des Herrn Christi willen geschenckt werde, vnangesehen, ob wir gleich vnwirdig sind. Darumb (spricht er Rom. 4.16) „aus gnaden durch Glauben“, das die verheissung fest vnd gewis bleibe, vnd sollen nicht zweiueln,l ob vns vergeben sey, sondern 25 vertrawen vnd gleuben, das vns gewislich vmb Christus willen vnser sFnd vergeben sind vnd gerechtigkeit zugerechnet ist.“ Also erlangen wir vergebung der sFnden vnd zurechnung der gerechtigkeit vnd [A 3v:] werden Erben ewiger seligkeit durch Glauben, darumb, das der Glaube nicht auff eigene werck oder wirdigkeit, sondern allein auff die 30 barmhertzigkeit Gottes, in Christom Jhesu zugesagt, sich verlesset vnd vertrag

D, E: einhellig. F,G: begrieffen. i D, E: gegeben. j B, C: CHRJstus. k D, E: volkommen. l D, E: zweiffeln m B, C: Christi. h

13

Vgl. Philipp Melanchthon, Confessio Augustana (1533), in: CR 26, 727. unsicher. 15 Gemeint ist das reformatorische „allein“. Vgl. Reinhard Slenczka, Art. Glauben VI: Reformation/Neuzeit/Systematisch-theologisch, in: TRE 13 (1984), 318–365. 16 Vgl. Röm 4,16. 14

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ricordiae in Christo a Deo promissae, quae quidem misericordia et remissio peccatorum promissa agnosci et accipi aliter nequit nisi sola fide. Necesse enim est, Christum semper esse et manere unicum initium, medium et finem, et unicam causam nostrae iustificationis et salutis. Suntque omnia omnium hominum opera et merita, quomodocunque nominari possunt: praecedentia, concurrentia aut sequentia, a causa efficiente nostrae iustificationis et saluationis prorsus excludenda, ut dictum Pauli Rom. 4. fundamentum sit immotum: „Ei, qui non operatur, sed credit in eum qui [A 5r:] iustificat impium, imputatur fides sua ad iusticiam”, quemadmodum et Dauid explicat beatificationem hominis, cui Deus imputat iusticiam sine operibus, Psal. 32.7

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De bonis operibus Cum igitur homo sola, ut diximus, fide, absque omnibus suis operibus ac meritis, immensa misericordia diuina, propter Christum, remissionem peccatorum, imputationem iusticiae, Spiritum sanctum et uitam aeternam accepit, Tum affirmo tali homini tanquam creaturae nouae, denuo conditae in Christo Iesu ad opera bona, Ephe. 2. necessariam esse nouam obedientiam, seu ope[A 5v:]ra bona praecepta in Decalogo. Et hanc obedientiam nouam appello fructus fidei et iustificationis antecedentis, qui fructus nisi sequantur, certissimum indicium est, talem hominem nondum uere agnouisse Christum, nec ueram et uiuificam fidem habere, nec participem esse uitae aeternae, iuxta dictum Paulij. Corinth. 6:8 „Nolite errare, neque scortatores, neque idolatriae,c neque adulteri etc.” regnum Dei possidebunt. Item: „Qui spiritum Christi non habet, hic non est eius”, Rom. 8.9 Etsi uero hi fructus fidem ueram sequuntur et quidem sequuntur necessario, tamen homo propter hanc nouam obedientiam seu opera bona nequaquam iustificatur aut saluatur, sed perpetuo et ad finem uitae suae iustus est, hoc est, placet Deo, et filius ac haeres est uitae aeternae immensa misericor[A 6r:]dia diuina propter Christum sola fide, idque expresse adfirmo in doctrina iustificationis perpetuo retinendum esse ad Osiandri iusticiam

c

Konjiziert aus: idolatrae.

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Vgl. Ps 32,2. Vgl. I Kor 6,9. Vgl. Röm 8,9.

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wet, denn die verheissene barmhertzigkeit vnd vergebung der sFndenn wird anders nicht erkand noch empfangen denn durch solchen Glauben. Denn Christus mus fur vnd fur der anfang, mittel vnd das ende vnsero Justification vnd seligkeit sein vnd bleiben, vnd sollen vnd mFssen hieuon aller 5 Menschen werck vnd verdienst, wie die m=gen genant werden, praecedentia, concurrentia aut sequentia, gantz vnd gar ausgeschlossen vnd abgesondert werden, auffp das dieser Spruch S.q Pauli als ein grundfest17 bestehe: „Dem, der nicht mit wercken vmbgehet, gleubt aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein glaube gerechnet zur gerechtigkeit“,18 nach wel10 cher weise Dauid sagt, das die seligkeit sey allein des Menschen, welchem Gott zurechnet die gerechtigkeit, on zuthun der werck, Psal. 32.19 Von guten wercken.

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Wenn der Mensch nu also allein durch den Glauben, one alle seine werck vnd verdienst, aus barmhertzigkeit Gottes [A 4r:] vmb Christi willen, vergebung der sFnden, gerechtigkeit, heiligen Geist vnd Erbschafft der seligkeit empfangen, als dennr sage ich, das im Menschen, als der nu in Christo Jhesu ein new Creatur, geschaffen zu guten wercken, Ephe. ij., der new gehorsam, welcher in guten wercken, so Gott im Decalogo geboten, als frFchte des glaubens vnd der vorgehenden gerechtigkeit folgen sol, welcher, da er nicht folget, ists eine gewisse anzeigung, das solcher Mensch gewislich Christum nie recht erkand, auch kein warhafftigen, lebendmachenden glauben gehabt, noch des ewigen Lebens teilhafftig worden sey, nach dem spruch Pauli j. Corinth. vj:20 „Lasset euch nicht verfFren, weder die Hurer noch dies Abg=ttischen noch die Ehebrecher werden das reich Gottes ererben.“ Jtem: „Wer den geist Christi nicht hat, der ist nicht sein“, Rom. viij.21 Wiewol nu solche frFchte dem warhafftigen Glauben folgen sollen vnd mFssen,t dennoch ist der Mensch nicht von wegen solches newen gehorsams oder guten wercken wegen fur Gott gerecht vnd selig, sondern bleibt fur vnd fur bis an sein ende gerecht, Gott gefellig, ein Kind vnd erbe Gottes allein aus barmhertzigkeit Gottes vmb Christi willen durch glauben, welchs denn

n o p q r s t 17 18 19 20 21

D, E: sůnden. B–G: der. D, E: aFff. D, E: Fehlt. B: dann. D, E: Fehlt. D, E: můssen. Grundsatz, Grundprinzip. Vgl. Art. Grundfeste 1.f.α), in: DWb 9, 805. Röm 4,5. Vgl. Ps 32,2. Vgl. I Kor 6,9. Vgl. Röm 8,9.

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essentialem10 et Interimisticam iusticiam inhaerentem, quae constat fide, spe et charitate,11 et caeteras corruptelas papisticas refutandas.

Simul et hoc adfirmo retinendum esse, Quotiescunque iustificati, qui fide remissionem peccatorum, imputationem iusticiae, Spiritum sanctum et haereditatem uitae aeternae acceperunt, se sceleribus contra conscientiam polluunt et in his ad finem uitae perseuerant, nec poenitentiam agunt, amittere tales fidem, iusticiam, Spiritum sanctum et uitae aeternae haereditatem, et circa omnia haec coelestia et aeterna bona naufragium facerent.12 [A 6v:] Ne igitur thesaurum hunc inenarrabilem, immensa misericordia diuina, absque nostris operibus et meritis propter Christum, mediatorem et propiciatorem13 nostrum nobis donatum, et sola fide adpraehensum, denuo amittamus et naufragium faciamus, adfirmo necessariam esse, ut in fide et inchoata conuersione et obedientia erga Deum et bonorum operum declaratione ad finem uitae nostrae perseueremus, vel, si quis peccato aliquo praeoccupatus denuo labatur, adfirmo necessarium esse, ut denuo poenitentiam agat, et fide ad Filium Dei conuertatur, iuxta dictum Christi: „Qui perseuerauerit usque in finem, saluus erit.“14 Item 1. Tim. 1: „Milita bonam militiam, habens fidem et bonam conscientiam, quam quidam repellentes, circa fidem naufragium fecerunt.“15 Item Apoc. 2: „Esto fidelis usque ad mortem, et dabo tibi coronam uitae.“16 [A 7r:] Quod uero his uerbis et hac propositione: Bona opera necessaria sunt ad salutem,d in omni uita mea, neque in praelectionibus, neque in concionibus aut ullis scriptis meis, ante hoc certamen usus sim, testes facio omnes, qui praelectiones et conciones meas audiuerunt, uel scripta mea legerunt.

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Im Original leicht durch größere Buchstaben hervorgehoben.

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Osiander lehrte, dass allein die göttliche Natur Christi den Menschen rechtfertigen könne und dass dem Menschen in der Rechtfertigung eben diese göttliche Natur Christi als iustitia essentialis eingegossen werde. Vgl. Gottfried Seebaß, Art. Osiander, Andreas, in: TRE 25 (1995), 507– 515, bes. 511f; Rudolf Keller, Art. Gnesiolutheraner, in: TRE 13 (1984), 512– 519, bes. 514f. 11 Vgl. Augsburger Interim IV (De iustificatione), 42– 47; VII (De caritate et bonis operibus), 52– 57. 12 Vgl. I Tim 1,19. 13 Vgl. Röm 3,25 (Vg.); I Joh 4,10 (Vg.). 14 Vgl. Mt 24,13. 15 Vgl. I Tim 1,18f. 16 Apk 2,10.

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wider des Osiandri essentialem iustitiam22 vnd des Jnterims Iustitiam inhaerentem, quae constat fide,u spe et charita-[A 4v:]te,23 auch wider die Papistische jrthum in der Lere von der Justification stets sol vnd muss erhalten werden. vHie nebenv ist auch das zu wissen, das, dow die Iustificati, welche durch den Glauben vergebung der SFnden, Gerechtigkeit, heiligen Geist vnd Erbschafft des ewigen Lebens entpfangen,x widerumb in Sunde fallen vnd darinnen bis an jr Ende verharren, widerumb den Glauben, Gerechtigkeit, heiligen Geist vnd erbschafft des ewigen Lebens verlieren vnd an diesen allen himlischen vnd ewigen gFtern schiffbruch leiden.24 Auff das wir nu solchen grossen schatz, so wir aus barmhertzigkeit Gottes, one alle vnsere werck vnd verdinst vmb Jesu Christi, vnsers lieben Mitlers vnd gnadenstuls25 willen, allein durch Glauben entpfangen,y nicht widerumb verlieren vnd ein schiffbruch daran leiden, ist von n=ten, das man im Glauben, angefangner busfertigkeit vnd gehorsam gegen Gott vnd beweisung der guten werck bis ans ende des Lebens verharre, oder, da ja einer wider in SFnd aus schwacheit fiele, das er auch wider busse thue vnd vffsz new sich wider durch Glauben an Christuma bekere, nach dem spruch Christib: „Selig ist der, welcher beharret bis ans Ende.“26 Jtem 1. Tim. 1: „Vbe eine gute Ritterschafft vnd habe den Glauben vnd gut [B 1r:] Gewissen, welche etliche von sich gestossen vnd am Glauben schiffbruch erlidden haben.“27 Jtem Apoc. 2: „Sey getrew bis an den tod, so wil ich dir die Krone des Lebens geben.“28 Das ich aber dieser wort, „cGute werck sind den Gleubigen zur seligkeit n=tigc“, mein lebenlang, weder in meinen Lectionibus, Predigten oder

u

D, E: folgt „et“. B, F, G: Hieneben. w F, G: da. x F, G: empfangen. y D, E, F, G: empfangen. z D, E, F, G: auffs. a B: CHRJstum. b C: CHRJsti. c – c C, D, E: Fettdruck; F, G: in Klammern. v–v

22 Osiander lehrte, dass allein die göttliche Natur Christi den Menschen rechtfertigen könne und dass dem Menschen in der Rechtfertigung eben diese göttliche Natur Christi als iustitia essentialis eingegossen werde. Vgl. Gottfried Seebaß, Art. Osiander, Andreas, in: TRE 25 (1995), 507– 515, bes. 511f; Rudolf Keller, Art. Gnesiolutheraner, in: TRE 13 (1984), 512– 519, bes. 514f. 23 Vgl. Augsburger Interim IV (De iustificatione), 42– 47; VII (De caritate et bonis operibus), 52– 57. 24 Vgl. I Tim 1,19. 25 Vgl. Röm 3,24f; Hebr 4,16. 26 Vgl. Mt 24,13. 27 Vgl. I Tim 1,18f. 28 Apk 2,10.

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Sed cum D. Nicolaus Amsdorfius Anno Christi 1551 scriptum contra me edidit, in quo sequentia uerba comprehensa sunt: „Maior doctrinam Fidei, Sacramentorum et poenitentiae corrupit et cultus Antichristi iterum erexit.“17 „Interrogo Georgium Maiorem: Quis nunc, cum maxime opus est, neget de exclusiua (Sola) in articulo iustificationis esse pugnandum? Interrogo: Quis scribat saluari nos fide principaliter? Bona opera ad salutem necessaria esse?“18 Tum [A 7v:] hac atroci accusatione Amsdorfij, qua me publice falsarium ac corruptorem uerae doctrinae fidei, Sacramentorum et poenitentiae, et perfidum Apostatam criminabatur, coactus sum publice me purgare, quod alias propter tranquillitatem et concordiam communem maluissem omittere. In hac purgatione, quae fuit modestissima, edita Anno 1552 usus sum uerbis sequentibus, Pagi. C.3: „Etsi bona opera propter immotum et immutabilem ordinem ac debitum obediendi Deo necessaria sunt, tamen non sunt causa seu meritum remissionis peccatorum, iusticiae, Spiritus sancti et uitae aeternae. Omnia enim bona haec Filius Dei Dominus noster Iesus Christus sacrosancta passione et morte sua nobis promeruit, quae bona sola fide accipimus.“19 [A 8r:] Speraui Amsdorfio hanc responsionem meam satisfacturam, ut satisfecit multis alijs pietate et eruditione excellentibus uiris, sed proh dolor adeo modestia mea non satisfecit, ut in nundinis Neumburgensibus Anni 1552 tria scripta, Amsdorfij,20 Illyrici21 et Galli,22 in perniciem et oppressionem meam simul prodirent.

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„Pomer vnnd Maior rhFmen sich der einigkeit vnnd grossen friedes, grosses nutz vnnd frommen, so sie der Kirchen geschafft haben, so sie doch die reine lehr vom glauben, Sacramenten vnd der Bus verfelschet, des Antichrists Gotsdienst widerauffgericht, newe tradition erdacht vnd alles inn jhrem Interim mutirt vnd geendert haben.“ Amsdorf, Dass D. Pommer und D. Major Ärgernis und Zertrennung angericht (1551), A 2v, unsere Edition Bd. 2: Der Adiaphoristische Streit (1548–1560), Nr. 8, S. 763. 18 Vgl. ebd. 19 Vgl. Major, Antwort (1552), C 3r, in: unsere Ausgabe Nr. 1, S. 37. 20 Vgl. Anm. 33 zum deutschen Text 21 Vgl. Anm. 34 zum deutschen Text. 22 Vgl. Anm. 35 zum deutschen Text.

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Schrifften, nie nicht gebraucht, beruffe ich mich auff alle die jenige, so meine Lectiones vnd Predigten geh=ret vnd Schrifften gelesen. Dod aber Herr Niclas Amsdorff Anno 1551 ein BFchline im Druck wider mich hat lassenf ausgehen, jn welchem Buch folgende wort stehen: „gMaior hat die reine Lere vom Glauben, Sacrament vnd der Buss verfelscht, des Antichrists Gottesdienst wider auffgericht.“29 „Jch frage Georg Maior, wer wil das wort (Sola) im Artikel der Justification jtzt, so es am h=chsten von n=ten ist, nicht streiten? Wer schreibet, das der Glaube furnemlich selig mache? Gute werck zur seligkeit n=tig sind?“g30 Da bin ich durch solche des Herrn Amsdorffs schreiben, dieweil er mich ein verfelscher der reinen Lere vom Glauben, Sacrament vnd der Buss vnd einen abtrFnnigen [B 1v:] Mammelucken31 =ffentlichen lestert, mich widerumb =ffentlichen zu verantworten gedrungen worden, welches ich vmb friedens vnd einigkeit willen lieber gelassen hette. Jn meiner demFtigen Antwort, welche Anno 1552 im Druck ausgangen, stehen diese wort Pagi. Ciij: „hOb wol gute werck von wegen des schFldigen gehorsams gegen Gott n=tig sind, so sind sie dennoch nicht der verdienst, von welchs wegen wir vergebung der Sunden, Gerechtigkeit, heiligen Geist vnd ewiges Leben haben. Denn diese gFter hat vns allein Christus durch sein heilig Leiden vnd sterben verdienet, welche wir durch den Glauben allein empfahen.“h32 Nu hette ich verhoffet, es solte Amsdorff mit dieser meiner Antwort, wie andere viel GottfFrchtige, gelerte Leute, zu frieden gewesen sein. Es hat aber solche meine erklerung diese frucht geschaffet, das zugleich auff eine zeit im Naumburgischen Marckt Anno 1552 drey Schrifften Amsdorffs,33 Jllyrici34 vnd Galli35 zu meiner vnterdruckung sind ausgangen. d

D, E, F, G: Da. B, D, E: BFchlein. f C: lzssen. g – g F, G: abgesetzt und kleiner gedruckt. h – h F, G: abgesetzt und kleiner gedruckt. e

29 „Pomer vnnd Maior rhFmen sich der einigkeit vnnd grossen friedes, grosses nutz vnnd frommen, so sie der Kirchen geschafft haben, so sie doch die reine lehr vom glauben, Sacramenten vnd der Bus verfelschet, des Antichrists Gotsdienst widerauffgericht, newe tradition erdacht vnd alles inn jhrem Interim mutirt vnd geendert haben.“ Amsdorf, Dass D. Pommer und D. Major Ärgernis und Zertrennung angericht (1551), A 2v, unsere Edition Bd. 2: der Adiaphoristische Streit (1548 –1560), Nr. 8, S. 763. 30 Vgl. ebd. 31 Ein ägyptischer Militärsklave, meist christlicher Herkunft, aber im muslimischen Glauben erzogen; im 16. Jahrhundert der Inbegriff des Glaubensabtrünnigen. Vgl. Art. Mameluck, in: DWb 12, 1518; Lepp, Schlagwörter, 49 –52. 32 Vgl. Major, Antwort (1552), C 3r, in: unsere Ausgabe Nr. 1, S. 37. 33 Wohl: Amsdorf, Kurzer Unterricht (1552), unsere Ausgabe Nr. 2. 34 Wohl: Flacius, Wider den Evangelisten des heiligen Chorrocks (1552), unsere Ausgabe Nr. 3. 35 Wohl: Nikolaus Gallus, Antwort auf des Herrn D. Majors Verantwortung und Deklaration, unsere Ausgabe Nr. 4.

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His eorum scriptis iterum coactus sum me purgare, et sententiam meam denuo repetere ac declarare. Idque ea spe feci, quia cogitabam fore, ut dextre me intelligendo, Ecclesiae manerent tranquillae, nec amplius turbarentur. Edidi igitur Sermonem de Conuersione S. Pauli excusum Lipsiae, Anno 1553 cui ad frontem libri hanc Declarationem apposui:

5

[A 8v:] „Summa Sequentis Declarationis. Bona opera, praecepta a Deo, et noua obedientia credentibus et filijs Dei erga Deum Patrem ipsorum ad salutem necessaria sunt, non ad promerendam salutem (quam iam habent facti filij Dei gratis sola fide), sed ut fructus uerae fidei et Spiritus sancti seu ut fructus iusticiae et regenerationis, quos necesse est sequi fidem, sine quibus uere iustificati ac renati per fidem, tam non possunt esse, quam arbor bona sine bonis fructibus esse23 nequit.“24

Et paulo post: „Nec tamen consequente renouatione et militia bonorum operum niti debet, sed in unico proposito propiciatore,25 Domino nostro Iesu Christo, tanquam in fundamento unico et aeterno salutis nostrae confidere, haerere ac persistere debet.“26 [B 1r:] Ex hac declaratione manifestissimum est, non pugnare me, sicut falso accusor, qua re et propter quid homo coram Deo iustis sit et saluetur, sed postquam iustificatus et saluatus est homo, ostendere me, quid haec immensa Gratia in iustificato efficiat. Et furores Antinomorum27 tetra mendacia Diabolorum esse, cum somniant habere homines fidem, etiamsi in libidinibus prohibitis, adulterijs et alijs furoribus sine poenitentia uiuant et perseuerent.

23 24 25 26 27

Vgl. Mt 7,16 –20; Lk 6,43f Vgl. Major, Sermon von S. Pauli Bekehrung (1553), A 2r, unsere Ausgabe Nr. 5, S. 137f. Vgl. oben Anm. 13. Vgl. Major, Sermon von S. Pauli Bekehrung (1553), A 2v, unsere Ausgabe Nr. 5, S. 138. Vgl. Anm. 43 zum deutschen Text.

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Nr. 12: Bekenntnis D. Georgii Maioris von der Justification (1558)

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Derhalben bin ich aber durch solch jr schreiben mich ferneri zu verantworten vnd erkleren gedrungen, ob sie mich doch verste-[B 2r:]hen vnd mit mir zu frieden sein wolten vnd die Kirchen nicht ferner turbirn36 vnd betrFben. Habe derwegen ein Sermon von S. Pauli bekerung zu Leipzig im Druck An5 no 1553 lassen ausgehen, vor welchem Sermon diese Erklerung stehet: „Summa dieser Erklerung Das die gute werck, so Gott geboten, vnd der newe gehorsam den Gleubigen vnd kindern Gottes gegen Gott jrem Vater zur seligkeit n=tig sind, nicht dieselbige dadurch zu verdienen (welche sie allbereit, dieweil sie Gottes 10 kinder sind, aus gnaden allein durch den Glauben haben), sondern als wirckung des warhafftigen Glaubens vnd des heiligen Geists vnd als frFchtej der gerechtigkeit vnd widergeburt, welchek dem Glauben folgen mFssen, vnd one welche, als ein guter Bawm one gute frFchte,l37 die, so warhafftig gerecht vnd new geborn, nicht sein k=nnen noch sollen.“38 15 Jtem: „Dennoch sol das hertze nicht auff solche vernewerung vnd wandel der guten werck, sondern auff den furgestaltenm Gnadenstuel, Christum Jhesum,39 als den einigen40 grundfest41 sich stets fur vnd fur vnd allein verlassen.“42 [B 2v:] Aus dieser Erklerung erscheinet gnugsam, das ich nicht streite, wie 20 mir schuld gegeben, wie vnd wodurch der Mensch gerecht vnd selig werde, sondern wenn er nu gerecht vnd selig worden, was in jm diese gnade wircket, vnd das der Antinomer43 freuel, eitel teufelische lFgen sind, die tichten, das sie Glauben haben, so sie gleich in vnzucht, Ehebruch etc. leben vnd verharren.

i

B–G: selber D, E: frůchte. k C: weclhe. l D, E: frůchte. m D, E: fůrgestalten. j

36

stören, beunruhigen. Vgl. Art. turbieren 1), in: DWb 22, 1843. Vgl. Mt 7,16–20; Lk 6,43f 38 Vgl. Major, Sermon von S. Pauli Bekehrung (1553), A 2r, unsere Ausgabe Nr. 5, S. 137f. 39 Vgl. oben Anm. 25. 40 einzige, alleinige. 41 Ursache. Vgl. Art. Grundfeste 1.f.ζ), in: DWb 9, 805f. 42 Vgl. Major, Sermon von S. Pauli Bekehrung (1553), A 2v, unsere Ausgabe Nr. 5, S. 138. 43 In einer ersten Phase der antinomistischen Streitigkeiten hatte sich Johann Agricola zunächst mit Melanchthon (erster antinomistischer Streit 1527), dann mit Luther (zweiter antinomistischer Streit 1537–1540) über die Bedeutung des Gesetzes im Zusammenhang der Evangeliumsverkündigung auseinandergesetzt. Vgl. dazu Richter, Gesetz und Heil; zur dritten Phase der antinomistischen Streitigkeiten ab 1556 vgl. zudem Dingel, Einleitung, 20–22; unsere Ausgabe Bd. 4. 37

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Nr. 12: Confessio D. Georgii Maioris de Iustificatione (1558)

Speraui et post hanc declarationem fore, ut conquiesceret hostium meorum rabies, ne uel me, uel Ecclesias pias amplius turbarent aut contristarent. Sed quae tempestas contumeliarum contra me ab eo tempore consecuta sit in multorum Principum et Regionum Ecclesijs excitata uocife-[B 1v:]rationibus et scriptis innumerabilibus, quomodo etiam nunc plurimis in locis contra me multi rabiosi debacchentur, sic, ut nec modum nec finem prospicere sani homines possint, et quo silentio et patientia has contumelias omnes, Deo iuuante, iam in quintum annum usque praeterierim et tulerim, ne Ecclesiae perturbarentur, norunt omnes pij et boni uiri amantes ueritatis et concordiae. Ita etiam quotidie crescit rabies, ut quidam meorum aduersariorum manipulares affirmare scriptis publicis ausint, „bona opera ad salutem non solum non necessaria, sed etiam perniciosa esse.“28 Et summam Christianorum artem et sapientiam esse, ignorare legem.29 Tales hyperbolae furores Antinomorum et scelera atque impietatem hominum innumerabilium confirmant. [B 2r:] Nec uero uera et honesta oratio mihi, iuuante Deo, defutura esset, si dimicare cum aduersarijs meis uellem. Sed, ut feci hactenus, propter concordiam et tranquillitatem Ecclesiarum feram, et uincam omnia, patiendo, ne uel alere certamina, uel meam qualemcunque gloriolam captare uidear. Omnia autem quae ab aduersarijs meis mihi et in posterum expectanda uideo, Deo aeterno Patri Domini nostri Iesu Christi et pijs ac recte institutis et ueritatem et Ecclesiae tranquillitatem amantibus uiris iudicanda et consideranda relinquam. Nunc quoque coram Deo et tota Ecclesia eius, hac confessione mea testor, ut testabuntur etiam omnia scripta mea, nunquam aliter sensisse me, nec sensurum esse, Deo iuuante, de ar-[B 2v:]ticulo iustificationis et sequentibus bonis operibus, quam ut in confessione Augustana omnium nostrarum Ecclesiarum sententia expressa ac recitata est. Cum hac Confessione testor congruere et meam sententiam, confessionem ac fidem, quam et ad Filium Dei, Dominum nostrum Iesum Christum, iuuante Deo, adferam, cum in nouissimo die mor-

28 „Denn Lutherus, seliger vnd heiliger gedechtnus, der schreibet allenthalben und sonderlich in Galatis, das die guten werkc nicht allein nicht n=tig, sondern auch zur seligkeit schedlich sind.“ Das achtzehend vnd || neunzehend Capitel / vnd ein StFck || aus dem zwentzigsten S. Johannis von || dem Leiden / Sterben/ vnd Aufferste= || hung vnsers HErrn Jhesu || Christi.|| Gepredigt vnd ausgelegt durch Doc. || Mart. Luth. Anno M.D.XXVIII. || vnd XXIX. || Vorhin nie im Druck ausgangen || vnd jtzt allererst zusamen bracht. || [Jena: Christian Rödinger, 1557] (VD 16 L 3637), *3r–v. 29 Vgl. Anm. 45 zum deutschen Text.

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Nu hette ich abermal verhoffet, sie solten ferner mich vnd die Kirchen vnbetrFbtn vnd vnturbirt gelassen haben. Was aber fur ein vngewitter sint der zeit wider mich in vielen Furstenthum vnd Landen durch manchfeltig schreien vnd schreiben erwecket vnd noch on alle mass vnd auffh=ren gehet, ist jeder5 man wissentlich, zu welchem allem ich nu bis in das fFnffte jar stets geschwiegen, damit die Kirche Gottes nicht ferner turbiert wFrde, vnd sind etlich jre Scribenten so freuel, das sie schreiben dFrffeno: „Die guten Werck sind schedlich zur seligkeit.“44 Jtem: die h=hest kunst der Christen sey, kein Gesetz wissen.45 Solche reden, wie sie lauten, stercken der Antinomer vnsin10 nigkeit vnd vieler Menschen gottlos vnd wFst leben.

Jch wFste auch durch Gottes gnade meinen Widersachern wol zu antworten, wils aber vmb friedens willen vnd ruhe der Kirch-[B 3r:]en, nicht mehr gezenck dadurch zu erregen, vnterwegen46 lassen, damit ich nicht geachtet werde, als suchte ich meine ehre, vnd ferner alles was hierFber mir von meinen 15 Widersachern widerfaren wird, meinem lieben Gott im Himel vnd allen fromen Christlichen hertzen befehlen vnd zu bedencken heimgestalt47 haben.

Vnd mit dieser kurtzen Schrifft vnd bekentnis fur Gott vnd der gantzen Kirchen Gottes bezeuget haben, wie solches auch meine andere, vielfaltige Schriffte bezeugen werden, das mein meinung von der Rechtfertigung vnd 20 den folgenden guten wercken der Augspurgischen1 Confession stets gemess gewesen vnd mit Gottes hFlffe die zeit meines lebens sein sol, auch dis be-

n o 1

D, E: unbetrůbt. D, E: důrffen. D, E: Augspůrgischen.

44 „Denn Lutherus, seliger vnd heiliger gedechtnus, der schreibet allenthalben und sonderlich in Galatis, das die guten werkc nicht allein nicht n=tig, sondern auch zur seligkeit schedlich sind.“ Das achtzehend vnd || neunzehend Capitel / vnd ein StFck || aus dem zwentzigsten S. Johannis von || dem Leiden / Sterben/ vnd Aufferste= || hung vnsers HErrn Jhesu || Christi.|| Gepredigt vnd ausgelegt durch Doc. || Mart. Luth. Anno M.D.XXVIII. || vnd XXIX. || Vorhin nie im Druck ausgangen || vnd jtzt allererst zusamen bracht. || [Jena: Christian Rödinger, 1557] (VD 16 L 3637), *3r–v. 45 Im Jahr 1557 waren in Nordhausen Thesen über die Bedeutung des Gesetzes bekannt geworden, in denen sich eben jene Behauptung fand, die Melanchthon überaus verärgerte. Allerdings findet sich eine gleichlautende Formulierung bereits bei Luther in dessen 2. Galatervorlesung aus dem Jahr 1531. Vgl. Richter, Gesetz und Heil, 117–119. 46 unterlassen. Vgl. Götze, 217. 47 überlassen. Vgl. Art. stellen I.C.1.c), in: DWb 18, 2211.

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tui omnes resuscitabuntur. Cum hac confessione et attestatione fidei meae, faciam finem omnium, quaecunque in hac controuersia impendent, et coram Deo et uniuersa Ecclesia eius me purgatum iri non dubitabo. Nec ero in causa, ut quis praetextu mei nominis turbare Ecclesias rixis non necessarijs possit. Significo et hoc liberrima uoluntate, me propter Ecclesiae tranquillitatem non usurum hac forma uerbo-[B 3r:]rum, de quibus controuersia mota est: „Bona opera necessaria sunt ad salutem“, quia uideo affingi interpretationes falsas et alienas a uera sententia. Sicut et iam annis aliquot liberrima uoluntate ab hac uerborum forma abstinui. Cum autem pacis et concordiae cupidissimum me esse appareat et declarationem perspicuam proposuerim, reuerenter oro omnes pios Principes et Magistratus, ut Ecclesiarum et suarum politiarum tranquillitati et paci ac concordiae communi, consulere uelint, ne contumeliosis scriptis et quotidiatis criminationibus in publico et proconcione, maiora odia et dissidia ad turbandas Ecclesias et Respublicas accendantur. Rogate (inquit Propheta)30 quae ad pacem sunt Ierusalem, et prosperentur diligentes te. [B 3v:] Sit pax intra muros tuos, et prosperitas in palatijs tuis. Propter fratres meos et proximos meos, loquar tibi pacem. Propter domum Domini Dei nostri, quaeram bona tibi. εἰρήνη τοῖς ἀδελφοῖς καὶ ἀγάπη µετὰ πίστεως, ἀπὸ θεοῦ πατρὸς, καὶ κυρίου ἰησοῦ χριστοῦ, ἡ χάρις µετὰ πάντων τῶν ἀγαπώντων τὸν κύριον ἡµῶν ἰησοῦν χριστὸν ἐν ἀφθαρσίᾳ, ἀµην.31

30 31

Vgl. Ps 121,6–9 (Vg). Vgl. Eph 6,23f.

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kentnis fur Christop an jenem tage48 thun, vnd dis alles also dabey bleiben vnd wenden49 lassen, mich hiemit fur Gott vnd seiner Kirchen entschFldiget vnd niemand zu fernerm zanck vrsach geben, mit erbietung, dieser wort: „Gute werck sind zur seligkeit von n=ten“, von wegen der falschen deu5 tung, nicht weiter zu gebrauchen, wie ich mich denn deren wort schon etliche jar enthalten.50

Dieweil ich mich aber zum fried vnd einigkeit erbiete vnd nu endlichen gnugsam erkleret, ist derwegen an alle Christliche Oberkeit meine vnterthenigste vnd demFtigsteq bitte, sie wollen jre Theologen, Pfarherrn vnd Predi10 ger auch dahin halten, das die Kirche Gottes [B 3v:] nicht ferner durch teglich lestern, schreien vnd schreiben turbiret vnd betrFbet werde. Gott der gedult vnd des trosts gebe vns, das wir einerley gesinnet seien vnternander nach Jesu Christr, auff das wir einmFtiglich mit einem munde loben Gott vnd den Vater sJhesu Christis. Ament. 15 Ehre sey Gottu in der h=he, vnd friede auf Erden, vnd den Menschen ein wolgefallen.v51

p

B: CHRJsto. D, E: demůtigste. r D, E: Christo. s – s B, C, D, E: In Majuskeln gesetzt. t D, E, F, G: In Majuskeln gesetzt. u D, E: In Majuskeln gesetzt. v D, E: folgt in Majuskeln: Amen. q

48

Dem Jüngsten Tag. bewenden. 50 diese Worte schon etliche Jahre nicht mehr geäußert, verwendet habe. Vgl. Art. enthalten C.5.c), in: DWb 3, 553. 51 Lk 2,14 49

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Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: 329.6 Theol.(33)

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Das die Propositio || (Gute werck sind zur Seligkeit || schedlich) ein rechte ware Christ= || liche Propositio sey / durch die || heiligen Paulum vnd Lu= || therum gelert vnd || gepredi= || get.

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Niclas von Amssdorff. Psalm XIIII Omnes declinauerunt simul inutiles facti sunt, non || est faciens bonum, nec unus quidem.1

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Röm 3,12; vgl. Ps 13,3.

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Nr. 13: „Gute Werke sind zur Seligkeit schädlich“ (1559) – Einleitung

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Einleitung 1. Historische Einleitung

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Im Jahr 1555 verfasste Nikolaus von Amsdorf eine Vorrede für den ersten Band der Jenaer Ausgabe der deutschen Schriften Martin Luthers.1 Hier nannte er die These Majors von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit die „schedlichste Ketzerey“,2 die in den vergangenen Jahren vertreten worden sei. Für das Erscheinen des ersten Bandes der lateinischen Schriften Luthers der Jenaer Ausgabe im Jahr 1556 wurde diese Vorrede dann übersetzt und dem Band vorangestellt.3 Im selben Jahr veröffentlichte Georg Major die ersten beiden Bände seiner Predigtsammlung4 und einen Römerbriefkommentar,5 was Flacius zu deutlichem Widerspruch herausforderte.6 Amsdorf spitzte seine Auffassung über die Bedeutung guter Werke im Jahr 1557 bis zu der These von deren angeblicher Schädlichkeit zur Seligkeit zu, die er in einer Vorrede zu Luthers Predigten zu den Kapiteln 18 bis 20 des Johannesevangeliums öffentlich vertrat.7 Gegen die Vorwürfe des Flacius sowie gegen die zugespitzte These Amsdorfs erhob Major 1558 Einspruch in seinem „Bekenntnis“.8 Dies veranlasste Amsdorf wiederum, seine These von der angeblichen Schädlichkeit guter Werke zur Seligkeit in der hier edierten Schrift zu verteidigen und deren Richtigkeit zu beweisen.

Der Erste Teil || aller BFcher vnd Schrifften des || thewren / seligen Mans Doct: Mart: Lutheri / vom || XVII.jar an/ bis auff das XXII.|| ... || [Hrsg. v. (M.Georgium Rorarium ... ||)] [Jena: Christian Rödinger d.Ä., 1555] (CD 16 L 3323). 2 Vgl. ebd., *6 v. 3 TOMVS || PRIMVS OM= || NIVM OPERVM || Reuerendi Patris D.M.L. quae vir || Dei ab Anno XVII. vsque ad Anni || vicesimi aliquam partem, scripsit || & edidit ... || [Jena: Christian Rödinger d.Ä., 1556] (VD 16 L 3422).

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PRIMA || PARS HOME= || LIARVM IN EPI= || stolas Dominicales, a prima || Dominica Aduentus Domini, || usque ad Dominicam quar= || tam, post Epiphania || Domini. || Autore || Georgio Maiore. D. || [Wittenberg: Johannes Lufft, 1556] (VD 16 M 2036); SECVNDA || PARS HOMELIA||RVM IN EPISTOLAS || dominicales, a Dominica tertia || post festum Epiphanias Do= || mini, usque ad festum || Paschae. || Autore || Georgio Maiore D. ||(DE OFFICIO || CONCIONATORIS || breuis Commonefactio ... || Philp: Melanth. ||) [Wittenberg: Johannes Lufft, 1556] (VD 16 M 2037). 5 SERIES ET || DISPOSITIO ORA= || tionis in Epistola Pauli || ad Romanos. || Autore || D. Georgio Maiore. || ... || [Wittenberg: Hans Lufft, 1556] (VD 16 M 2185). 6 Vgl. die Einleitung zu Nr. 12 in unserer Ausgabe, S. 445. 7 Das achtzehend vnd || neunzehend Capitel / vnd ein StFck || aus dem zwentzigsten S. Johannis von || dem Leiden / Sterben/ vnd Aufferste= || hung vnsers HErrn Jhesu || Christi.|| Gepredigt vnd ausgelegt durch Doc. || Mart. Luth. Anno M.D.XXVIII. || vnd XXIX. || Vorhin nie im Druck ausgangen || vnd jtzt allererst zusamen bracht. || [Jena: Christian Rödinger, 1557] (VD 16 L 3637), *3r–v; vgl. dazu auch Kolb, „Good Works are Detrimental to Salvation“, bes. 139f. 8 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 12.

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Nr. 13: „Gute Werke sind zur Seligkeit schädlich“ (1559) – Einleitung

2. Der Autor Nikolaus von Amsdorf9 wurde am 3. Dezember 1483 in Torgau geboren. Seit dem Jahr 1500 besuchte er die Universität Leipzig. Zwei Jahre später wechselte er an die damals eben neugegründete Leucorea in Wittenberg. Hier beendete er seine Studien und begann eine akademische Karriere; 1513 und 1522 bekleidete er sogar das Rektorenamt der Universität. Seit dem Jahr 1516 intensivierte sich Amsdorfs Kontakt zu Martin Luther immer mehr, so dass er Luther schließlich zur Leipziger Disputation 1519 und zum Wormser Reichstag 1521 begleitete und ihm zur Seite stand. Im Jahr 1524 verließ Amsdorf Wittenberg, wurde Pfarrer an St. Ulrich in Magdeburg und gleichzeitig Superintendent der Stadt. Dort kam er auch in näheren Kontakt zu Georg Major, da dieser zwischen 1529 und 1537 mit großem Erfolg als Schulrektor in Magdeburg wirkte. Am 20. Januar 1542 wurde Amsdorf in Naumburg dann als erster evangelischer Bischof von Luther in sein Amt eingeführt. Nach der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes im Schmalkaldischen Krieg 1546/47 war Amsdorf jedoch gezwungen, sein Amt aufzugeben und Naumburg zu verlassen. Nachdem er sich zunächst wohl in Weimar aufhielt, ging er ab dem Jahr 1548 erneut nach Magdeburg.10 Dort stritt er zusammen mit Matthias Flacius, Nikolaus Gallus und Erasmus Alber gegen das Augsburger Interim und gegen die Leipziger Landtagsvorlage („Leipziger Interim“). Im Frühjahr 1552 erhielt er einen Ruf als Superintendent nach Eisenach. Zwei Jahre später wurde er vom ernestinsichen Herzog in eine Kommission zur Visitation des Herzogtums berufen. Hier begann seine Auseinandersetzung mit Justus Menius, die bis zu dessen Tod im Jahr 1558 nicht beendet werden konnte.11 Seit Luthers Tod setzte sich Amsdorf vehement dafür ein, dessen Erbe möglichst unverfälscht zu erhalten. Er unterstützte darum die Gründung der Universität Jena als Hort der wahren lutherischen Lehre und das Projekt der Jenaer Lutherausgabe, zu deren erstem Band der deutschen Schriften er das Vorwort verfasste. Eben aufgrund seiner strikten Verteidigung von Luthers Lehre kritisierte er von Beginn an Majors These von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit.12 Dies war auch das Motiv, das ihn verlanlasste, sich in alle weiteren Kontroversen seiner Zeit einzumischen, bis er am 14. Mai 1565 verstarb.

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Zum Folgenden vgl. Dingel, Amsdorf; Reichert, Amsdorff. Zur Schwierigkeit der Bestimmung der Aufenthaltsorte Amsdorfs zu jener Zeit vgl. Reichert, Amsdorff, 80f. 11 Vgl. die Einleitung zu Nr. 11 in unserer Ausgabe, S. 411– 415. 12 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 2. 10

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Nr. 13: „Gute Werke sind zur Seligkeit schädlich“ (1559) – Einleitung

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3. Inhalt

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Zu Beginn der Schrift verweist Amsdorf in einigen einleitenden Bemerkungen auf die ständigen Versuche des Teufels, die reine Lehre zu unterdrücken. Die These von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit stelle solch einen Versuch dar, gegen den er, Amsdorf, darum von Beginn an gestritten habe. Zwischenzeitlich habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass gute Werke nicht zur Seligkeit dienten, aber als Früchte des Glaubens bei jedem Christen als Zeichen eines im Glauben neu begonnenen Lebens angesehen werden müssten. Doch dann hätten einige seine These von der Schädlichkeit guter Werke zur Seligkeit angefochten und damit die papistische Auffassung von der Relevanz guter Werke gestärkt. Amsdorf beruft sich auf Paulus und Luther als Zeugen für die Richtigkeit seiner These und wirft seinen Gegnern vor, Major höher zu achten als diese beiden. Daran schließt Amsdorf eine argumentative Verteidigung seiner Aussage von der Schädlichkeit guter Werke zur Seligkeit an. Vor Gott falle alles menschliche Handeln, auch die Früchte des Glaubens, unter die Sünde. Menschliche Werke seien ihm allein aus Gnade, um Christi willen angenehm. Ohne diese Gnade aber seien alle menschlichen Werke vor Gott ungenügend, ja sogar verdammungswürdig und daher schädlich zur Seligkeit. Menschlicher Vernunft und Weisheit entspreche solch eine Lehre freilich nicht, doch Religion und Vernunft in Einklang bringen zu wollen, sei Ketzerei. Einerseits müsse man darum all die gelehrten Philosophen und Juristen verdammen, da die Heilige Schrift klar die Schädlichkeit guter Werke bezeuge, andererseits müsse die Erkenntnis bewahrt werden, dass kein Mensch, selbst wenn er alle Gebote halte, im Jüngsten Gericht ohne Gottes Gnade und Barmherzigkeit bestehen könne. Die Deutung der „hochgelarten, auffgeblasen Geister“,13 die seine These von der Schädlichkeit guter Werke zur Seligkeit von den Früchten des Glaubens her verstünden, lehnt er ab. Seine These müsse vielmehr im Licht des menschlichen Bemühens um die Seligkeit verstanden werden. Amsdorf wiederholt, dass auch die Früchte des Glaubens zum Erlangen der Seligkeit nichts austragen, wenn nicht die Gnade Gottes dahinter stehe. Gegen den Einwand, die Früchte des Glaubens seien weder nötig noch schädlich, wirft Amsdorf seinen Gegnern daraufhin Unwissenheit vor. Die beiden genannten Thesen zu der Bedeutung guter Werke stünden in diametralem Gegensatz zueinander. Denn die Früchte des Glaubens wären zur Seligkeit nicht vonnöten, gehörten aber als Zeichen und Zeugen unausweichlich zum Glauben, der die Seligkeit erlangt. Daraus folgert Amsdorf, dass gute Werke entweder nützlich oder schädlich zur Seligkeit sind; einen Mittelweg gibt es in seinen Augen nicht. Was er zugesteht ist, dass die Früchte des Glaubens nötig zum neuen Gehorsam seien, der auf den Glauben folgt. 13

Vgl. unten A 4r, S. 479.

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Nr. 13: „Gute Werke sind zur Seligkeit schädlich“ (1559) – Einleitung

Zugleich beharrt er darauf, dass die These von der Schädlichkeit guter Werke weiterhin unbedingt in der Kirche gepredigt und gelehrt werden müsse, damit niemand versuche, mittels guter Werke selig zu werden. Sollte diese Lehre ein Ärgernis für die Kirche darstellen, so müsse sie dies aushalten. Denn die Lehre Christi habe ebenfalls ein Ärgernis dargestellt und Christus selbst sei schließlich der Stein des Anstoßes gewesen. Amsdorf setzt sich sodann mit dem in seinen Augen verleumderischen Vorwurf auseinander, seine Lehre mache die Menschen zu Epikuräern, d.h. zu nachlässigen, ethisch gleichgültigen Individuen. Er betont, dass er die Werke stets als aus dem Glauben hervorgehende Früchte angesehen und damit als Zeichen eines christlichen Lebenswandels für nützlich erachtet habe. Wer dies nicht einsehe und seine Lehre verdamme, müsse auch Luthers Lehre und das ganze Evangelium verdammen. Zwar sei ein christliches Leben auf Erden bereits der Auftakt zum ewigen Leben, doch gründe dies nicht nicht auf den Werken, sondern auf dem Glauben. Aufgrund des Glaubens verrichte der Mensch gute Werke. Verliere er aber den Glauben, so verliere er auch die Seligkeit und die Fähigkeit zu guten Werken. Daher sei das Opfern, Predigen, Singen und Lesen der falschen Christen nichts anderes als Sünde. Abschließend greift Amsdorf Georg Major und dessen „Bekenntnis“ direkt an. Dass Major seine These von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit zwar für richtig halte, sie aber nicht weiter vertreten wolle, erachtet er als unangemessen für einen guten Christen und Prediger. Amsdorf verwahrt sich gegen Majors Vorwurf, eine antinomistische Lehre zu vertreten. In Majors Anschuldigung erkennt Amsdorf einen adiaphoristischen Geist, in den man nicht einwilligen dürfe, sondern den man dezidiert bekämpfen müsse, bis Gott die endzeitliche Erlösung heraufführe.

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4. Ausgabe Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe: A: Das die Propositio || (Gute werck sind zur Seligkeit || schedlich) ein rechte ware Christ= || liche Propositio sey / durch die || heiligen Paulum vnd Lu= || therum gelert vnd || gepredi= || get. || Niclas von Amssdorff. || Psalm XIIII || Omnes declinauerunt simul inutiles facti sunt, non || est faciens bonum, nec unus quidem. || MDLIX || [9] Bl. 4° [Magdeburg: Ambrosius Kirchner] (VD 16 A 2236) Vorhanden in:

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BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 10 in: Dm 3 R, Cu 445 R DRESDEN, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek: Hist.eccl.E 233,46 HALLE, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: AB 154 075(2), AB 154 880(3), If 2711(6a)

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JENA, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 8 MS 24 985(10) LEIPZIG, Universitätsbibliothek: Syst.Th.233k/2a LÜNEBURG, Ratsbücherei: Th 239(2) LUTHERSTADT WITTENBERG, Bibliothek des Lutherhauses: Kn A 341/2420 MÜNCHEN, Bayerische Staatsbibliothek: Res/4 Polem. 3344,28 NÜRNBERG, Stadtbibliothek: Strob. 8. 1637 STUTTGART, Württembergische Landesbibliothek: Theol.qt.216 WEIMAR, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Aut.ben.Aut.Amsdorff,N.16 WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 329.6 Theol.(33) [benutztes Exemplar], 488.5 Theol.(2)

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[A 2r:] Man sagt, der Teuffel sey ein tausent KFnstiger,1 welchs er jtzundt wider die reine Lehr des Euangelij reichlich vnd meisterlich beweist, denn dazu gebraucht er all sein kunst vnd list, das er sie vnterdrFcke oder verfelsche, wie wir die vergangne XXXIX. Jar offt vnd viel gesehen vnd erfaren haben. Denn er ruget2 vnd feiret3 nicht, als ein vnablessiger Feind, biss er die besten vnd gelertesten Diener Christi erschleiche4 vnd in sein netz jage vnd gefangen, das ist, verfFhrt vnd in jrthumb gebracht habe. Solchs thut er jtzund mit allem fleis mit der Propositio (Gute werck sind von n=ten zur seligkeit). Dieweil wir nu ein lange zeit hefftig dawider gestritten haben vnd nu eins wurden waren vnd eintrechtig lereten, das gute werck zur seligkeit nicht von n=ten weren vnd doch einem Christen zu einem newen leben gleichwol von n=ten sind als des Glaubens frFchte5 zeichen vnd zeugen. Als wir nu in solcher hoffnung lebten, es solt der zwiespalt dieses Artickels halben gantz vnd gar vertragen vnd verglichen sein, so hebt der Satan ein newes an, das erger ist denn das erste,6 nemlich, das er etliche aus den vnsern erregt, die diese Propositio (gute werck sind schedlich zur seligkeit), mir zu uerdries vnd Georg Maior zu ehren vnd gefallen, verdamnen, dadurch die Heidnische vnd Papistische Propositio (Gute werck sind n=tig zur seligkeit) wider erfFr komme vnd erhalten7 werde. Nu ists je offenbar, das Paulus vnd Lutherus solche Propositio (Gute werck sind schedlich zur seligkeit) an viel =rtern geschrieben vnd gelert vnd die ander (Gute werck sind n=tig zur seligkeit) verdampt haben. Dieweil sie nu Georg Maiorem h=her vnd tewrer ach-[A 2v:]ten denn Lutherum vnd jn vnd seine Propositio vmb meinet willen verdammen, das ich dieselbe seine Propositio (Gute werck sind schedlich zur seligkeit) in einer Vorrede gebraucht habe,8 so mus ichs leiden vnd Gott befehlen vnd zusehen, wie es jnen gelingen werde, das sie Paulum vnd Lutherum vmb Maiors willen verdammen. Denn es ist je ein mal vnd gewis war, das Gott alles vnter die SFnde beschlossen hat, auch die frFchte des 1

Ein tausendfach geübter Meister der Verstellung. Vgl. Art. künster, in: DWb 11, 2691. Auch Luther verwandte dieses Bild häufiger. Vgl. z.B. Martin Luther, Großer Katechismus, in: BSLK 550,12f; Ders., WA 23, 64 (Das diese Wort Christi, 1527). 2 ruht. 3 zögert. Vgl. Art. feiern 2), in: DWb 3, 1436f. 4 heimlich, hinterrücks anfallen. Vgl. Luther, StA 6, 57. 5 Vgl. hier und zur weiteren Auseinandersetzung Amsdorfs mit der These, dass gute Werke die Früchte des Glaubens seien: Georg Major, Bekenntnis, bes. A 4r, B 2r, unsere Ausgabe Nr. 12, S. 457, 463. 6 Vgl. Mt 27,64. 7 behalten, bewahrt. Vgl. Art. erhalten 3), in: DWb 3, 835. 8 „Denn Lutherus, seliger vnd heiliger gedechtnus, der schreibet allenthalben und sonderlich in Galatis, das die guten werkc nicht allein nicht n=tig, sondern auch zur seligkeit schedlich sind.“ Das achtzehend vnd || neunzehend Capitel / vnd ein StFck || aus dem zwentzigsten S. Johannis von || dem Leiden / Sterben/ vnd Aufferste= || hung vnsers HErrn Jhesu || Christi.|| Gepredigt vnd ausgelegt durch Doc. || Mart. Luth. Anno M.D.XXVIII. || vnd XXIX. || Vorhin nie im Druck ausgangen || vnd jtzt allererst zusamen bracht. || [Jena: Christian Rödinger, 1557] (VD 16 L 3637), *3r–v.

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Glaubens, welche Gott gefallen vnd angeneme sind, allein aus gnade vmb Christus willen, sonst an jn selbst, sind sie so wol verdampt vnd schedlich zur seligkeit als der Heuchler werck. Derhalben wird diese Propositio (Gute werck sind zur seligkeit schedlich) vnbillich9 verdampt, denn auch die wort von art vnd natur nicht anders denn von den wercken, damit man gnade vnd seligkeit verdienen wil, k=nnen verstanden werden. Darumb auch solche Propositio menschlicher vernunfft, weissheit vnd heiligkeit, als MFnichen, Nonnen vnd den Hochgelerten, auffs h=chste ergerlich ist vnd derhalben, wie sie sich dFncken lassen, dieselbe billich10 verdammen. Vnd es hat auch fur der Welt ein grossen schein vnd ansehen, denn Menschliche vernunfft vnd weissheit kan nicht verstehen, das gute werck zur seligkeit sollen schedlich sein, damit sie gedenckt, die seligkeit zu erwerben. Aber es ist kein wunder, dieweil sie one Gottes Geist vnd gnad kein Gottes wort vernemen kann. Daher kompts auch, das alle die gleuben vnd lehren in Religions sachen was der vernunfft gemess ist vnd sich mit der Philosophia reimet, Ketzer sind, welche allzeit gelert vnd geschrieben haben, das man mit der vernunfft hat begreiffen vnd verstehen k=nnen, darumb sie auch wider Gottes wort vrteilen vnd richten vnd dasselbige drehen, glosirn vnd deuten auff [A 3r:] jren sinn, das sichs mit der vernunfft vnd Philosophia reimen mus. Aber solchs ist ein Menschliche weissheit, jederman, auch den Heiden, bekandt vnd offenbar, denn sie leren alle in jren Kirchen vnd Schulen, das die guten werck zur seligkeit not vnd gut sind, derhalben sie in keinen weg diese Propositio (Gute werck sind schedlich zur seligkeit) dulden noch leiden k=nnen, sondern verdammen vnd verwerffen sie als den grewlichsten jrthumb, so je auff Erden komen ist, denn sie, wie im Bapstumb, die Menschen vmb jrer werck willen erheben vnd nidrigen,11 seligen oder verdammen, welchs sich in des heiligen Geists Schule in keinen weg dulden noch leiden wil, denn in dieser Schule lobt vnd preiset man die, so Gottes wort h=ren vnd gleuben. Aber in der Juristen vnd Sophisten Schule gehets anders zu, denn darinne wird diese Propositio (Gute werck sind zur seligkeit schedlich) verdampt vnd da gegen gelert vnd geprediget, das gute werck zur seligkeit von n=ten sind. Dieweil denn solchs in der heiligen Schrifft verdampt wird, die klerlich sagt, das sie vnnFtz vnd schedlich zur seligkeit sind, so mFssen wir bey der Schrifft bleiben vnd Juristen vnd Sophisten faren12 lassen, denn hie richtet vnd vrteilt man nicht nach den wercken, sondern nach Gottes wort vnd vnserm Glauben. Vnd das ist die G=ttliche vnd Himlische warheit, der vernunfft vnbekandt, fur aller Welt heimlich vnd verborgen, als die sich mit der Philosophia gar 9

unrechtmäßig. Vgl. Art. unbillich 3), in: DWb 24, 394. zurecht, richtigerweise. Vgl. Art. billich, in: DWb 2, 27f. 11 erniedrigen. Vgl. Art. niedrigen 2.a), in: DWb 13, 821. 12 Beiseite, unangesehen. Vgl. Art. fahren 13), in: DWb 3, 1255f. 10

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nicht reimet, darumb auch die Hochgelerten dauon nicht ein wort wissen. Nemlich, das alle Menschen, wie from vnd heilig sie sind, auch die gleubigen, fFr Gott SFnder vnd vngerecht, auch alle jre werck SFnde sind, one allein, das die gleubigen vnd jre werck, aus lauter gnad, Gott gefellig vnd angeneme [A 3v:] sind, sonst weren sie eben so wol als die andern verdampt vnd jre werck SFnde vnd schedlich zur seligkeit. Iuxta illud: „Non intres in iudicium cum seruo tuo etc.”13 Vnd Paulus Roma iij: „Sie sind alle (JFden vnd Heiden, das ist, frome vnd b=se) SFnder vnd mangeln des rhums den sie an Gott haben solten.”14 Sind sie SFnder, so sind auch alle jre werck fFr Gott SFnde vnd schedlich zur seligkeit. Diese weissheit vnd warheit ist allen Menschen verborgen vnd vnbekandt vnd wird allein vom Himel oben herab vns durch Gottes Son, der ins Vatern schoss ist, geoffenbart, welch allein mit dem Glauben vnd von keiner vernunfft kan begriffen vnd erkandt werden. Derhalben, wenn ein Mensch gleich alles thet was Gott gebotten hat, vnd diente jm tag vnd nacht mit allerley guten wercken, so were er doch verdampt mit allen seinen wercken wenn Gott mit jm ins Gerichte gienge, das sie jm aber nicht schedlich noch verdamlich sind, das ist lauter gnade vmb Christus willen, an den sie glauben. Darumb solten die hoffertigen,15 auffgeblasen Geister sich besser bedacht haben vnd diese Propositio (gute werck sind zur seligkeit schedlich) nicht so leichtfertig verdampt haben wie die Papisten thun, denn Heiden vnd TFrcken, Pfaffen vnd MFnche, diese alle verdammen die gedachte Propositio, denn sie folgen der vernunfft vnd Menschlicher weisheit der Philosophia. Darumb ists gar ein schlechte kunst, das sie Gottes wort vnd vns, vmb der Philosophia willen, Georg Maior zu gefallen vnd mir zuuerdries, verdammen, denn solchs kan vnd thut ein jtzlicher MFnch, ja TFrck vnd Heide, aber das ist kein wunder, denn sie haben kein Wort noch Glauben. Von den aber ists wunder, die sich des Worts vnd Glaubens rhFmen vnd der Christen Meister vnd regierer sein, das sie wider das Wort solch grob Bewrisch ding dFrffen fFrgeben. Vnd so vnuerschemt Lutherum verdammen, der solche [A 4r:] Propositio an viel =rtern in seinen schrifften fFret vnd leret, ja Paulum vnd Christum selbst, welche eben den sinn vnd die meinung, wiewol mit andern worten, gelert vnd geschrieben haben, wie wir h=ren werden, darumb k=nnen vnd sollen wir die obgedachte Propositio mit gutem gewissen nicht verdammen, wir wolten denn Gott vnd sein Wort verdammen, sondern sollen vnd mFssen sie fFr ein ware vnd Christliche Propositio achten vnd halten, wie denn der heilige Geist in seiner Schrifft sie acht vnd helt vnd mit ausgedruckten worten spricht, das aller Menschen gute werck SFnde sind, das ist, zur seligkeit schedlich. Das aber die Hochgelarten, auffgeblasen Geister das 13 14 15

Vgl. Ps 142,2 (Vg). Vgl. Röm 3,23. hochmütigen. Vgl. Art. hoffärtig, in: DWb 10, 1667f.

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widerfechten, das macht die Philosophia, welche in dieser sache nichts ist denn uanitas vnd mendacium, heuchlen vnd lFgen, welche Gott hasset vnd verwirfft vnd seine G=ttliche heimliche warheit oder weisheit liebet, welche den hochgelerten Weltweisen16 vnbekandt ist, nemlich, das alle Menschen sFnder vnd jre besten werck sFnde sind, zur seligkeit schedlich. Denn diese ist ein weisheit vber vnd wider alle vernunfft, vber vnd ausser vns, allein in Gott vnd seinem Wort gegrFndet, durch Jhesum Christum vnsern lieben Herrn vnd Heilandt vns geoffenbart vnd verkFndiget, darumb wir dieselbea aus dem befehl des himlischen Vaters sollen vnd mFssen annemen vnd in keinen weg verdammen. Vnd ob wol Meister KlFgel,17 vmb frFchte willen des glaubens, diese Propositio (gute werck sind zur seligkeit schedlich) aus lauter vnuerstandt verdampt, mFssen wir geschehen lassen aber in keinen weg billichen. Denn sie kan von frFchten des Glaubens nicht verstanden werden, sondern allein von den wercken, damit man gnade vnd seligkeit verdienen wil, wie denn MFnche, Pfaffen, Heiden vnd TFrcken sie verstehen, denn sie wissen gar nicht ein wort vom Glauben vnd seinen frFchten. Darumb sollen vnd mFssen wir dieselbe Propositio [A 4v:] (Gute werck sind schedlich zur seligkeit) auch von denselben wercken als de materia subiecta verstehen, dauon alle Menschen sie verstehen, nemlich von den wercken, damit man gnad vnd seligkeit verdienen wil, derhalben kan sie, vmb der frFchte willen des Glaubens, nicht verstanden werden. Vnd wenn mans recht ansehen wil, so sind auch die frFchte des Glaubens fFr Gottes gerichte von art vnd natur SFnde vnd schedlich zur seligkeit, denn sie sind vnrein vnd vnuolkomen vnd weren verdamlich, wenn Gott sie jm, vmb des Glaubens willen an Christum, nicht gefallen liesse. Mit waserm18 fug19 sie nu die gedachte Propositio verdammen, kan ein jeder achten. Dieweil denn alle Stifft, Kl=ster vnd hohe Schulen (wie das jre BFcher auff den heutigen tag klerlich zeugen vnd beweisen wenn man von guten wercken redet oder schreibet) das stets nicht anders verstehen denn von den guten wercken, damit man Gottes gnad vnd seligkeit verdienen wil. Dieweil sie nu solchs also gelert, geprediget vnd geschrieben haben, so kan die gedachte Propositio von den frFchten des Glaubens nicht verstanden werden, wie denn auch der gemeine Spruch bey jnen ausweiset: „Homo faciens quod in se est, meretur gratiam de congruo.“ Wider solche falsche lehr der Sophisten hat der hocherleuchte Man Doctor Martinus Lutherus dieselbige Propositio in seinen Schrifften offt vnd viel

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Konjiziert aus: dieselge. Abschätzige Bezeichnung für Philosophen. Vgl. Art. Weltweise 1.a), in: DWb 28, 1725. Besserwisser, Neunmalkluger. Vgl. Art. Klügel 2.b), in: DWb 11, 1281. welchem. Recht. Vgl. Götze, 91.

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mal repetirt vnd widerholet,20 das die guten werck nicht allein vnn=tig, sondern auch schedlich sind zur seligkeit, wie wir hernach anzeigen wollen. Noch darff der auffgeblasen, hoffertig Geist solche Propositio, mir zu uerdries, aus lauter neid vnd hass verdammen. Das sie aber fFrwenden, das etliche gute werck als die frFchte des Glaubens weder n=tig noch schedlich sind zur [B 1r:] seligkeit, darumb k=nne man diese Propositio (Gute werck sind n=tig zur seligkeit) nicht verdammen, das kompt aus vnuerstandt, das sie nicht wissen noch verstehen, was Contraria immediata21 sind. Denn ob die frFchte des Glaubens zur seligkeit nichts von n=ten sind, so sind sie doch von n=ten zum Glauben der die seligkeit erlangtb vnd geh=ren an den ort oder an das teil, das zur seligkeit von n=ten ist, als frFchte, zeichen vnd zeugen des Glaubens, dem sie allezeit folgen sollen vnd mFssen. Darumb sind vnd bleiben die beide SprFche (Gute werck sind zur seligkeit von n=ten) vnd (Gute werck sind schedlich zur seligkeit) rechte vnd ware Contraria immediata, als die strack22 one mittel23 wider einander sind. Denn hie sind kein mittel werck, sondern alle werck, so viel der sind, die sind n=tig oder schedlich, sind sie nicht n=tig zur seligkeit, so sind sie doch n=tig zu einem newen leben, das der seligkeit oder dem Glauben folgen mus. Derhalben folgts fein vnd am aller besten: Gute werck sind nicht schedlich zur seligkeit, darumb sind sie nFtz vnd not zur seligkeit. Vnd widerumb: Gute werck sind nicht not zur seligkeit, darumb sind sie zur seligkeit schedlich, denn hie ist kein mittel, denn die frFchte des Glaubens sind n=tig zum newen Gehorsam, so dem Glauben folgt. Vnd ob dieser Consequentz oder folge etwas in Dialectica feelte, als doch nicht ist, so feelt jr doch nichts vberal in Theologia, denn hie, wie gesagt, sind kein mittel werck. Ein jedes werck ist not oder schedlich, ists nicht not zur seligkeit, so ists doch not zu dem, das zur seligkeit geh=rt, nemlich zum Glauben, welchem ein newe leben [B 1v:] folgen sol vnd mus. Denn auch die frFchte des Glaubens fFr Gottes Gerichte SFnde weren vnd schedlich zur seligkeit, wenn sie Gott, vmb des Glaubens willen an Christum, jm nicht gefallen liesse. Darumb bleibts fest vnd gewiss, das alle gute werck in jrer art, natur vnd substantz zur seligkeit schedlich sind, wie denn Paulus solchs klerlich leret vnd schreibet, da er spricht: „Qui ex operibus Legis sunt, sub maledicto sunt”,24 das ist auff gut Deutsch gesagt: Die guten werck, auch die besten, welche Gott gebotten hat, sind nicht allein schedlich, sondern auch verflucht, denn

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Konjiziert aus: eerlangt.

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Vgl. Martin Luther, WA 1, 354,5f; 359,33–360,4 (Disputatio Heidelbergae habita, 1518, These 13); Martin Luther und Johannes Bugenhagen an Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen. 29.06.1541, in: WA.B 9, 462; Kolb, „Good Works are Detrimental to Salvation“, 141. 21 unvereinbare Gegensätze. 22 direkt. Vgl. Götze, 210. 23 unmittelbar. Vgl. Art. mittel 8.e), in: DWb 12, 2386. 24 Vgl. Gal 3,10 (Vg).

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wer mit den wercken des Gesetzes fFr Gott vmbgehet, der ist vermaledeiet. Dieweil nu Paulus solche rede fFhret vnd sich vmb des Glaubens frFchte willen, also zu reden, nicht schewet, so mFssen vnd sollen wir auch bey solcher weise zu reden bleiben vnd vmb der Philosophia willen, die es fur ein grewel vnd eckel helt, in keinen weg meiden noch schewen vnd viel weniger verdammen. Denn Paulus schreibt deutlich vnd klerlich, das seine gerechtigkeit nach dem Gesetz, das ist, seine gute werck, sind jm schedlich vnd verdamlich gewesen. Desgleichen sagen die Propheten, das der JFden gute werck, als jr opffern vnd reuchern, SFnde sind vnd Abg=tterey, das ist, zur seligkeit auffs h=chste schedlich.25 Diesen beiden, den Propheten vnd Paulo, folgt Lutherus heiliger gedechtnis vnd schreibt mehr denn an einem ort mit ausgedrFckten worten, das gute werck zur seligkeit schedlich sind, als in seinen Galatis Tom: iij. folio xxi. spricht er: „Alle werck, auch des Gesetzes, sind SFnde vnd machen den Menschen nur erger.”26 Vnd [B 2r:] Tom: vij: „Mein gerechtigkeit mir nicht nFtze, sondern viel mehr mir schedlich sein kan etc.”27 Vnd wer wissen will, was, wie vnd welcher gestalt Lutherus von vnsern guten wercken redet, der lese seine Postill vber die Epistel des xxiij. Sontags, da schreibt er vnter andern also: „Darumb ist sie (die gerechtigkeit des Gesetzes) mir fFr Gott nichts hFlfflich, sondern mehr schedlich gewesen.”28 Vnd bald darnach: „Hie sihe, ist das nicht allzu grob vnd verechtlich geredt von der gerechtigkeit des Gesetzes, das er (Paulus) sie helt vnd damit halten lehret fFr solche ding, das nicht allein hindert oder nichts nFtzet, sondern auch schaden thut vnd als ein ekel vnd grewel zu halten ist. Wer dFrffte das maul so weit auffthun vnd von solchem vnstrefflichem leben nach dem Gesetz also reden, der nicht wolte von jederman des leidigen Teuffels Apostel vnd Diener heissen, wo es S. Paulus nicht selbst thet? Oder wer wil mehr solche gerechticheit halten, wenn man also dauon predigen wil?”29 Haec Lutherus. Diese weise zu reden von guten wercken k=nnen wir nicht verdammen, sondern mFssen vnd sollen jr folgen, vnangesehen, das sie ergerlich ist den

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Vgl. Jer 7,22f; Hos 8,11f; Am 5,22f; Mi 6,6– 8. Leider konnte die erste Auflage der Jenaer Ausgabe nicht eingesehen werden. Aufgrund der Einsichtnahme der zweiten Auflage erscheint es möglich, dass das Zitat sich folgende Passage bezieht: „At qui iusticiam quaerunt per opera legis, ipsi reaedificant etiam infidelitatis peccatum contra fidem in spiritu: immo perversissimi hominum peccatum in carne, quod fides expugnat per totam vitam, veluti non sit, per opera legis extollunt, et in hoc statuunt iusticiam, legis impletionem, non in fidem.“ Martin Luther, WA 2, 498,2– 6 (In epistolam Pauli ad Galatas commentarius, 1519): TOMVS TER=||TIVS OMNIVM O=||PERVM REVERENDI PA=||tris, Viri Dei, D.M.L. continens quae || aedita sunt ab Anno XXIIII. vs[que] || ad Annum XXXVIII ... || [Jena: Thomas Rebart, 1582] (VD 16 L 3442), fol. XVIIIr. 27 Konnte bisher leider nicht verifiziert werden. 28 „Solchen mut kan jene gerechtigkeit des gesetzes nicht machen, Darumb ist sie mir fFr Gott nichts hFlfflich, sondern mehr schedlich gewesen.“ Martin Luther, WA 22, 364, Predigt am 23. Sonntag nach Trinitatis über Phil 3,17–21 (Crucigers Sommerpostille, 1544). 29 Vgl. ebd. 26

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Hochgelerten. Wer wolt doch vmb Meister KlFgelings willen von Paulo vnd Luthero weichen vnd der tollen vernunfft vnd blinden Philosophia folgen? Darumb solten solche vnerfarne Leute sich billich in jr hertze schemen,30 das sie vmb jres gutdFnckens willen, Pauli vnd Lutheri weise zu reden von guten wercken verdammen dFrffen. Derhalben diese Propositio (Gute werck sind zur seligkeit schedlich) in keinen weg zu verdammen ist, sondern wir sollen vnd wollen mit Paulo vnd Luthero reden, leren [B 2v:] vnd predigen, das gute werck zur seligkeit schedlich sind. Vnd wenn Gott die frFchte des Glaubens, vmb Christus willen, nicht gefielen noch angeneme weren, so weren sie eben so wol schedlich zur seligkeit vnd verdamlich, wie denn die gleubigen selbst, wenn Gott mit jnen ins Gerichte ginge, verdampt weren. Denn ausserhalb der gnade ist fur Gott kein Mensch gerecht, kein werck gut, sondern alles ist SFnde vnd verdampt, wie alle Schrifft zeugt vnd sagt. Darumb k=nnen vnd sollen wir solche rede des heiligen Geists, vns durch die Propheten vnd Paulum geoffenbart, nicht verdammen. Dieweil aber jene die gedachte31 Propositio so frech vnd vnuerschampt verdammen, so verdammen sie nicht allein Paulum vnd Lutherum, sondern auch Christum vnd den heiligen Geist, welche alle gute werck der Phariseer verdammen als zur seligkeit schedlich, unangesehen, das solchs bey den JFden vergeblich vnd bey den Griechen, das ist, Meister KlFgel lecherlich vnd th=rlich war. Derhalben mFssen wir auch das ergernis vnser KlFgeler nicht ansehen noch achten vnd vmb jrent willen die G=ttliche warheit verdammen, sondern wir mFssen vnd wollen mit Christo, Paulo vnd Luthero lehren, predigen vnd bekennen, das aller Menschen gedancken, wort vnd werck, wie gut sie scheinen vnd gleissen,32 SFnde sind vnd schedlich zur seligkeit, auch die frFchte des Glaubens, wenn sie Gott richten wolt. Vber das, so verdammen sie sich selbst vnd sind wider sich selbst, denn das sie zuuor verdampt haben (nemlich: gute werck sind von n=ten zur seligkeit), das wi-[B 3r:]derruffen sie eben damit, das sie die widerwertige Propositio (Gute werck sind schedlich zur seligkeit) verdammen, denn sie bekennen mit der that, das sie vnrecht gethan vnd diese Propositio (Gute werck sind n=tig zur seligkeit) vnbillich verdampt haben. Denn das Figmentum de contrarijs immediatis hilfft sie nichts, geben nur jren vnuerstandt damit an tag, denn die frFchte des Glaubens, wie oben gesagt, sind nicht opera media, sondern sie geh=ren ad extrema, denn sie sind n=tig zum Glauben als desselben frFchte vnd zeugen vnd doch zur seligkeit schedlich, wenn sie, vmb Christus willen, aus gnade nicht angenomen wFrden. Darumb sollen vnd mFssen wir, sonderlich vmb der MFniche vnd Heuchler willen, diese Propositio (Gute werck sind schedlich zur seligkeit) in vnsern Kirchen behalten, dieselbige lehren vnd predigen, denn sie alle wollen durch jre werck vnd Gottesdienst selig werden, auff das sie wissen 30 31 32

zutiefst schämen. Vgl. Art. Herz, in: DWb 14, 2114. erwähnte. vorgeben. Vgl. Art. gleiszen C.1), in: DWb 7, 8304.

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vnd lernen, das alle jre gute werck SFnde sind vnd zur seligkeit schedlich. Vnd ob solchs bey der vernunfft vnd in der Philosophia ergerlich ist, so sol man doch die gedachte Propositio nicht verdammen, sonst muste man die warheit, welche allzeit fehrlich33 vnd ergerlich ist, verdammen, ja das Euangelium selbst, denn was ist fehrlicher vnd ergerlicher, denn das Euangelium, solt mans darumb verdammen vnd nicht predigen? Christus, vnser lieber Herr, ist ein stein des anstossens vnnd Fels der ergernis,34 sol man jn darumb verdammen oder nicht predigen? Also auch ob diese Pro-[B 3v:]positio ergerlich ist (Gute werck sind schedlich zur seligkeit), sol man sie darumb verdammen? Das wolt Gott nicht. Denn vnangesehen, das sich die Welt vnd alle jre KlFgel daran ergern, so sol vnd mus man sie gleichwol leren vnd predigen als die G=ttliche warheit, so in der Schrifft gegrFndet ist. Denn alle jre Argument, so sie da wider fFhren, sind Argumenta Rethorica, quae nihil probant, sed causam tantum ornant contra ueritatem. Darumb sol man vmb derselbigen willen die G=ttliche warheit nicht verdammen, sondern viel mehr predigen vnd ausbreiten, es ergere sich wer da w=lle, denn die sich ergern, sind blindt vnd blinden leiter, darumb auch sie beide in die grube fallen werden.35 Denn sie ergern sich mutwillig,36 darumb mFssen wir, wie Christus vnser lieber Herr vns lehret vnd gebeut, sie faren lassen,37 dieweil sie der vernunfft vnd Philosophia vnd nicht Gott noch seinem Wort folgen. Der FFrst dieser Welt38 hat sie verblendet, das sie die helle warheit des Euangelij nicht annemen,39 ob sie es gleich teglich sehen vnd h=ren. Derhalben kan man, vmb ergernis willen, diese Propositio (Gute werck sind zur seligkeit schedlich) nicht verdammen. Vnd widerumb, was falsch vnd vnrecht ist, es scheine vnd gleisse wie es w=lle, das es jederman gefalle vnd angeneme sey (wie des Bapsts lehre von der Messe vnd anruffen der Heiligen gewest ist), sol man nicht loben, lehren noch predigen, sondern verbieten vnd verdammen. Aber die warheit, ob sich gleich alle Welt daran ergert, sol man =ffentlich lehren vnd predigen vnd keine Potentat daran schewen noch fFrchten. [B 4r:] Es k=nnen auch aus dieser Lehr nicht Epicurer40 werden, wie sie meinen vnd fFrgeben,41 denn es wird allweg daran gehangen, ob wol die guten

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gefährlich. Vgl. I Petr 2,8. 35 Vgl. Mt 15,14. 36 freiwillig, aus eigenem Antrieb. Vgl. Art. mutwillig 1), in: DWb 12, 2835. 37 Vgl. Mt 15,14. 38 Der Teufel. Vgl. Art. Fürst 11), in: DWb 4, 849. 39 Vgl. II Kor 4,4. 40 Libertinisten, Hedonisten, die gemäß den Lehren des griechischen Philosophen Epikur (341–270 v. Chr.) nur nach eigenem Lustgewinn und eigenem Genuss streben, statt nach Erkenntnis der Wahrheit. Vgl. Tiziano Dorandi, Art. Epikureische Schule, in: NP 3 (1997), 1126–1130; Michael Erler, Art Epikuros, in: ebd., 1130 –1140. 34

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werck zur seligkeit schedlich sind, so sind sie doch nFtz vnd not zu einem Christlichen leben, als zeichen vnd zeugen des Glaubens. Darumb ist jr einrede ein erdichte ausflFcht, ein recht netz vnd fewriger pfeil des Teuffels,42 die warheit vnterzudrFcken vnd der lFgen zu gleuben. Wenn gedachte Propositio solt Epicurer machen, so muste der Spruch Christi auch Epicurer machen („Es sey denn, das jemandt new geboren werde, so kan er das Reich Gottes nicht sehen“43). Das ist eben so viel gesagt: Alle gute werck sind verdampt vnd schedlich zur seligkeit, wenn wir nicht auffs new widerumb geboren werden, wie Paulus sagt: „Sie sind allzumal SFnder“,44 die JFden (so die guten werck des Gesetzes thun) so wol als die Heiden, so keine gute werck thun. Das ist je nichts anders gesagt, denn das aller Menschen werck, auch die Gott gebotten hat, SFnde sind vnd schedlich zur seligkeit. Solt man nu solche SprFche vmb ergernis willen nicht lehren noch predigen? So mFste man auch das Euangelium nicht predigen? Dieweil man aber daneben allzeit predigt, das dem Glauben vnd der newen Geburt die guten werck folgen sollen vnd mFssen, als gewisse frFchte vnd zeichen des Glaubens, so kan sich daran niemand ergern noch ein Epicurer werden, denn der Glaub hindert vnd wehret solchen gedancken. Vnd ein solch new Leben ist ein anfang des ewigen Lebens, aber nicht der werck halben, so zu [B 4v:] diesem leben geh=ren, sondern des Glaubens halben, welcher den Menschen one alle werck vernewet, das er ein guter Baum,45 ein newe Creatur46 vnd kindt Gottes47 wird, der Gott gefellig vnd zu allen guten wercken tFchtig ist, der jm diene in rechtschaffner heiligkeit vnd gerechtigkeit. Vnd diese gerechtigkeit oder seligkeit wird nicht durch die werck (wie die Bauchknecht48 vnd Feinde des Creutzes Christi fFrgeben) erhalten, sondern die werck werden durch den Glauben erhalten. Denn so lange der Glaube bleibt, so lange folgen auch gute werck. Vnd wenn wir sFndigen, so verlieren wir nicht die seligkeit, sondern wir haben sie schon zuuor durch den vnglauben verloren. Wenn man den Glauben verleust, so ist schon gerechtigkeit vnd seligkeit verloren, vnd k=nnen denn kein gut werck mehr thun, wenn wir gleich vns 41 Der explizite Vorwurf gegen Amsdorf oder Flacius, sie würden durch ihre Ablehnung der Bedeutung von guten Werken Epikuräer machen, konnte bisher nicht gefunden werden. Die Argumentation, mit der Lehre von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit dem Libertinismus entgegentreten zu wollen, findet sich jedoch häufiger. Z.B. Justus Menius, Kurzer Bescheid (1557), B 1v–B 2v, unsere Ausgabe Nr. 11, S. 421f. 42 Vgl. Eph 6,16. 43 Vgl. Joh 3,3. 44 Vgl. Röm 3,23. 45 Vgl. Mt 7,18. 46 Vgl. II Kor 5,17 47 Vgl. Röm 8,14. 48 In Anlehnung an Röm 16,18 und Phil 3,19 als Schlagwort gebraucht gegen die Altgläubigen, um sie als nur ihren eigenen weltlichen Vorteil, ihr leibliches Wohlergehen im Augenhaben, letztlich als Opportunisten habend zu charakterisieren. In der Interimszeit wurde das Wort dann zunehmend auch von den Gegnern der Wittenberger gegen diese verwandt. Vgl. Lepp, Schlagwörter, S. 131f.

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mit fasten, singen, lesen vnd opffern zu tod marterten. Dieweil das hertz gleubig ist, so folgen gute werck vnd bringet oder treget frFchte des Geists, wenn es aber wancken vnd dahin fellet, so sFndigen auch wol die fromen vnd GottfFrchtigen,c aber sie keren bald wider, dieweil ein fFncklein des Glaubens in jn bleibt, denn sie halten sich an das wort, hoffen vnd warten mit gedult auff hFlffe,49 welche jnen auch gewiss widerferet, denn hoffnung lesset nicht zu schanden werden,50 der Glaub feilt51 nicht, denn das wort leugt vnd treugt nicht. Aber die falschen Christen sFndigen one vnterlas, [C 1r:] auch wenn sie guts thun singen, lesen, opffern vnd fasten etc. Darumb sind auch alle jre werck zur seligkeit schedlich. Dieweil denn Georg Maior in seinem nechsten bekentnis deutlich vnd klerlich mit ausgedrFckten worten sagt: „Wenn er wolt, so kFndte er diese Propositio (Gute werck sind zur seligkeit von n=ten) wol vertheidigen.“52 Daraus folgt je vnwidersprechlich, das er gleubt, gute werck sind n=tig zur seligkeit, vnd doch solchs nicht leren noch predigen, sondern zudecken vnd schweigen wil. Ob nu das einem Christen, ich schweig einem Predicanten, eigent53 vnd gebFrt, las ich ein jedern richten. Wie billich nu die vnsern thun, die Maiorem nicht verdammen wollen, sondern jm beyfallen vnd dazu entschFldigen vnd vertheidigen,54 das wird jnen jr eigen gewissen zu seiner zeit wol sagen. Vnd sonderlich, dieweil er nicht allein vnser Person, sondern auch vnser Kirchen vnd Lehr so grewlich schmehet, schendt vnd lestert, er heisset vns Antinomos, das wir gute werck verbieten, auffrur vnd vngehorsam auch Turcicam barbariem leren.55 Solche grewliche vnd erschreckliche lesterung, atrocissimas iniurias mFssen wir von Georg Maior leiden, des achten sie nicht, haben ein gefallen daran, fallen jm bey vnd verdammen vns vnd die Propositio, welche Paulus vnd Lutherus geprediget vnd geschrieben haben, mFssen also vnrecht vnd vbel, Maior recht vnd wol gethan haben. [C 1v:] Daraus ist gut zu

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Konjiziert aus: GottfFchtigen.

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Vgl. Thr 3,26. Vgl. Röm 5,5. 51 täuscht. Vgl. Götze, 74. 52 „Jch wFste auch durch Gottes gnade meinen Widersachern wol zu antworten, wils aber vmb friedens willen vnd ruhe der Kirch-[B 3r:]en, nicht mehr gezenck dadurch zu erregen, vnterwegen lassen (…).“ Georg Major, Bekenntnis, B 2v–B 3r, unsere Ausgabe Nr. 12, S. 465. 53 gut ansteht. 54 Amsdorf spielt hier wohl auf Justus Menius an, der ablehnende Gutachten zu den Bestimmungen des „Augsburger Interim“ und des „Leipziger Interim“ für die ernestinischen Herzöge verfasste, dann jedoch mit Amsdorf und anderen ernstinischen Theologen über die Frage der guten Werke in Streit geriet und schließlich das Herzogtum in Richtung des albertinischen Kursachsen verließ. Vgl. dazu unsere Ausgabe Nr. 10 und Nr. 11; Das Justus Meni= || us sein Vocation vnd Kirche || heimlich verlassen / vnd von || der reinen Lere des || Euangelij abge= || fallen sey. || Niclas von Amsdorff. || ... || [s.l. 1558] (VD 16 A 2345). 55 Vgl. wohl Georg Major, Bekenntnis, B 2v, unsere Ausgabe, Nr. 12, S. 465. 50

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rechen,56 was fFr ein Geist sie fFhret vnd treibet, nemlich der Adiaphoristische Geist, den sie nicht erzFrnen wollen. Das sie aber Paulum vnd Lutherum, mir zu uerdries, Georg Maior zu ehren vnd gefallen, verdammen, das achten sie nicht. Aber es ist einer, der es acht vnd nicht wird so hingehen lassen vnd die Lehr seines lieben Sons so schenden vnd verdammen lassen, er wird sie zu seiner zeit wol finden, sein ehre vnd Wort zu rechen. Jndes mFssen wirs gehen lassen wie es gehet, allein das wir nicht drein willigen, sondern dawider schreiben vnd predigen so lange wir k=nnen, vnd der zeit, die Gott zu vnser Erl=sung bestimpt hat, mit geduldt erwarten. Das helff vns Gott der Himlische Vater durch Jhesum Christum seinen lieben Son, vnsern Herrn. Amen. Amen.

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ermessen. Vgl. Götze, 174.

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Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: H 147.4° Helmst.(9)

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Vorrede D. Georgij Maio= ris / in die Ausslegunge der Son= tags vnd Festen Euangelion / aus dem latein / auff etlicher fromer leute bitt / durch einen guten Freundt verdeudscht / darin auff der Flacianer falsche vnd erdichte auff= lagen / calumnien vnd verleumb= dung notwendige ant= wort begriffen. Sampt erholung seiner vorigen bekendt= nis vnd erklerung von den Artickeln der Recht= fertigung fFr Gott / vnd von Notwendig= keit des newen gehorsams in den bekerten vnd gleu= bigen. Gedruckt zu Wittemberg / durch Veit Creutzer. 1562.

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Einleitung 1. Historische Einleitung

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Seit Mitte der fünfziger Jahre des 16. Jahrhunderts hatte es unter den evangelischen Reichsfürsten wie unter den evangelischen Theologen Initiativen gegeben, um die unter ihnen geführten Kontroversen beizulegen. Alle in diesem Sinn vorgenommenen Maßnahmen waren bisher ergebnislos verlaufen, da die Theologen des ernestinischen Herzogtums Sachsen und mit ihnen Herzog Johann Friedrich d. M. auf einer namentlichen Verdammung von Irrlehren, insbesondere des Adiaphorismus,1 beharrten. Philipp Melanchthon und Kurfürst August von Sachsen versuchten jedoch, die Abgrenzung von falscher Lehre über Lehrverwerfungen ohne Benennung der jeweiligen Vertreter zu gewährleisten.2 Nachdem alle bislang unternommenen Einigungsbemühungen gescheitert waren, ergriff ab Juni 1560 Herzog Christoph von Württemberg neuerlich die Initiative, um eine Zusammenkunft der wichtigsten evangelischen Reichsfürsten zu ermöglichen. Dem Württemberger Herzog war dabei auch daran gelegen, ein einiges Auftreten der Evangelischen auf dem Trienter Konzil zu ermöglichen. Denn gerade in der zweiten Hälfte des Jahres 1560 verdichteten sich zunehmend die Anzeichen für eine Wiedereinberufung des Konzils. Und am 29. November 1560 wurde in Rom dann tatsächlich die Bulle „Ad ecclesiae regimen“ verlesen, in der die Fortsetzung des nach Trient berufenen Konzils für Ostern 1561 angekündigt wurde.3 Herzog Christoph schlug vor, dass die Evangelischen erneut die Confessio Augustana unterzeichnen sollten. Durch eine umtriebige Diplomatie gelang es ihm zusammen mit Pfalzgraf Wolfgang von Zweibrücken und Landgraf Philipp von Hessen, zu diesem Zweck eine Zusammenkunft der evangelischen Reichsfürsten für Ende Januar 1561 in Naumburg einzuberufen.4 Die Erfolgsaussichten der Zusammenkunft in Naumburg waren allerdings von Anfang an gering, da weder Kurfürst August von Sachsen noch Herzog Johann Friedrich d. M. von Sachsen geneigt waren, von ihren Positionen abzurücken. Überdies ergab sich das Problem, welche Fassung der von Melanchthon kontinuierlich fortgeschriebenen bzw. veränderten CA als Bekenntnisgrundlage dienen sollte. In diesem Punkt gelang eine Einigung, indem man die dritte lateinische Oktavausgabe aus dem Jahr 1531 unterzeichnete.

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Vgl. dazu unsere Edition Bd. 2. Vgl. Gensichen, Damnamus, 94–117; Dingel, Melanchthons Einigungsbemühungen; Preger, Flacius II, 1–62; Olson, Flacius, bes. 309 –317; Langensteiner, Für Land und Luthertum, bes. 335–347; Gehrt, Ernestinische Konfessionspolitik, 98 –144. 3 Vgl. Jedin, Geschichte des Konzils von Trient IV,1, 2–38. 4 Vgl. zum Naumburger Tag und seinen Teilnehmern Calinich, Der Naumburger Fürstentag; Heidenhain, Unionspolitik, 185–286; Gustav Kawerau, Art. Naumburger Fürstentag, in: RE3 13 (1903), 661–669; Langensteiner, Für Land und Luthertum, 347–354; Gehrt, Ernestinische Konfessionspolitik, 178 –184. 2

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Zu letztlich unüberbrückbaren Schwierigkeiten kam es dann aber aufgrund der ebenfalls von allen zu unterzeichnenden „Vorrede“ des Naumburger Abschieds. In ihr wurde auf die Apologie der CA und auf die CA variata von 1540 als Interpretation der CA invariata verwiesen, um damit in der Abendmahlslehre dem zum Calvinismus neigenden Pfälzer Kurfürsten Friedrich III. entgegenzukommen. Sowohl Herzog Johann Friedrich d. M. als auch zahlreiche andere Fürsten verweigerten daraufhin ihre Unterschriften.5 Alle Bemühungen scheiterten, den Ernestiner doch noch zur Annahme der Vorrede zu überreden. Ebenfalls ablehnend verhielten sich die Hansestädte Lübeck, Bremen, Rostock, Magdeburg, Braunschweig, Hamburg und Lüneburg.6 Im Rahmen eines Städtekonvents des niedersächsischen Reichskreises7 im Jahr 1561 erstellten sie – unter Federführung von Joachim Mörlin – eine Schrift,8 in der sie zunächst die Confessio Augustana Invariata, deren Apologie, die Schmalkaldischen Artikel Luthers, dessen Kleinen Katechismus sowie die anderen Schriften Luthers als verbindliches Corpus doctrinae zusammenstellten. Daran anschliessend benannten sie zahlreiche Lehrirrtümer und verurteilten dieselben.9 Abschließend distanzierten sie sich von der Möglichkeit einer Teilnahme am Trienter Konzil. Da in dieser Schrift, Georg Majors These von der Notwendigkeit der guten Werke zur Seligkeit ausdrücklich als Irrlehre verurteilt und er als Irrlehrer namentlich benannt wurde,10 sah dieser sich zu einer Verteidigung seiner Lehre und zum Erweis seiner Rechtgläubigkeit genötigt und antwortete darauf in einer Widmungsvorrede für eine Sammlung seiner lateinischen Festtagspredigten,11 deren deutsche Übersetzung hier ediert wird. 5

Vgl. Gehrt, Ernestinische Konfessionspolitik, 183. Vgl. Andreas Hyperius an Heinrich Bullinger. 1. Februar 1562, abgedruckt in: Krause, Briefe 1530 –1563, Nr. 57, S. 169. 7 Zur Einteilung des Reichs in verschiedene Reichskreise vgl. Dotzauer, Reichskreise. 8 Erklerung aus Got= || tes Wort / vnd kurtzer bericht / der Her= || ren Theologen / Welchen sie der Erbarn Sech= || sischen Stedten Gesandten / auff den Tag || zu LFneburg / im Julio dieses 61. || Jars gehalten / fFrnemlich auff || drey Artickel gethan || haben. || Was das Corpus doctrinae belanget / darbey man || gedenckt zu bleiben. || Von der Condemnation, streittiger lehr puncten || vnd Secten. || Von der Bepstlichen Iurisdiction, Vnd das er die || vsern zu seinem vermeinten Concilio, sich vnterstehet zu= || beruffen. || ... || [Magdeburg: Wolfgang Kirchner, 1561] (VD 16 M 5876). 9 Sie verwarfen den „Osiandrismus“, den „Adiaphorismus“, den „Majorismus“, den „Zwinglianismus“, den „Calvinismus“, den „Synergismus“ und den „Schwenckfeldianismus“. Ausserdem verurteilten sie Täufer, Hexen und Zauberer. Osiander und Major wurden dabei namentlich verurteilt. Vgl. Erklärung aus Gottes Wort, C 1v, C 2v. 10 „(...) Vnd k=nnen also demnach MAIORIS propositionem vnd Lere, als eine grewliche verfelschung wieder Gottes Wort vnd die Augspurgische Confession, auch keines wegs billichen, dulden noch leiden.“ Erklärung aus Gottes Wort, C 2v. 11 PRIMA || PARS HOMELIA= || RVM IN EVANGELIA || DOMINICALIA ET DIES FESTOS || ... AVTORE || D. GEORGIO MAIORE. || (EPISTOLA PHI= || LIPPI MELANTHONIS || AD QVENDAM AMICVM, || DE RATIONE CON= || CIONANDI. ||) [Wittenberg: Johannes Lufft, 1562] (VD 16 M 2045). 6

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2. Der Autor

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Georg Major12 floh nach der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes im Schmalkaldischen Krieg mit seiner Familie nach Braunschweig, dann nach Gifhorn und schließlich nach Nordhausen. Nachdem sich die Lage nach dem Ende des Schmalkaldischen Krieges in Wittenberg 1548 wieder beruhigt hatte, kehrte er dorthin zurück und versah erneut seine Professur an der Universität. An mehreren Verhandlungsrunden zum Umgang mit dem Augsburger Interim innerhalb des Kurfürstentums Sachsens nahm er persönlich teil. Er vertrat dabei die Haltung des ebenfalls in die Beratungen einbezogenen Georg III. von Anhalt und Melanchthons, was ihn zur Zielscheibe polemischer Angriffe durch die Magdeburger Theologen machte. Im Dezember 1551 übernahm er die Superintendentur in Eisleben. Dort geriet er über die Frage der Bedeutung von guten Werken für die Seligkeit des Menschen in Streit mit dem Großteil der Pfarrerschaft. Auf Druck des Grafen Albrecht VII. von Mansfeld-Hinterort beendete er seine Karriere dort und kehrte im Dezember 1552 wieder nach Wittenberg zurück. Major fühlte sich zeitlebens aufs Engste mit der Wittenberger Universität, mit Luther und Melanchthon verbunden. Er verlieh dieser innigen Beziehung dadurch besonderen Ausdruck, dass er sich zu Beginn seines Rektorats im Sommersemester 1561, 50 Jahre nach seiner Immatrikulation, noch einmal in die Matrikel einschrieb.13 Dass er und mit ihm die Leucorea durch den Streit um die Bedeutung der guten Werke in ein ungünstiges Licht geriet, schmerzte ihn sehr. Wohl daher ist es zu erklären, dass er die hier edierte „Vorrede“ für eine im Jahr 1562 gedruckte Sammlung seiner lateinischen Festtagspredigten14 gerade seinen Kollegen an der Universität und dem Stadtrat Wittenbergs widmete, um seine und damit auch die Rechtgläubigkeit der Universität zu beweisen und die Verurteilung seiner Position durch die niedersächischen Theologen im Juli 1561 zu widerlegen. Die „Vorrede“ erschien zusätzlich in der hier edierten deutschen Übersetzung als Separatdruck. Beiden deutschsprachigen Auflagen war das „Bekenntnis“ Majors aus dem Jahr 155815 außerdem beigebunden, was zur Verstärkung von Majors Beweisführung dienen sollte. Wie der deutsche Titel ausweist, wurde die Vorrede „auff etlicher fromer leute bitt durch einen guten freundt verdeutscht.“ Der Zweck der Übersetzung war somit angeblich, dem Wunsch zahlreicher Personen zu entsprechen, tatsächlich aber ein breiteres Publikum zu erreichen. Der Hinweis auf „einen guten freundt“ als Übersetzer kann durchaus ernst genommen werden, will man darin nicht eine gezielte Taktik Majors erkennen, wofür 12

Zum folgenden vgl. Heinz Scheible, Art. Major, Georg, in: TRE 21 (1991), 725 –730; Irene Dingel, Art. Major, Georg, in: RGG4 5 (2002), 696; Dingel/Wartenberg, Major. 13 Vgl. dazu Hasse, Major als Professor, bes. 41–47. 14 Vgl. Anm. 11. 15 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 12.

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jedoch die Belege fehlen. Letztlich ist die Frage nach der Person des Übersetzers unerheblich, da seine Bezeichnung als „guter“ Freund bereits dem zeitgenössischen Leser deutlich machen sollte, dass hier eine möglichst genaue, der Intention Majors dienende Übersetzung angefertigt wurde. Die Auseinandersetzung um die Bedeutung von guten Werken zur Seligkeit beschäftigte Major weit über das Jahr 1562 hinaus bis zu seinem Tod am 28. November 1574 in Wittenberg.

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3. Inhalt Die hier edierte Schrift ist die deutsche Übersetzung der Widmungsvorrede der „Prima pars homeliarum in Evangelia dominicalia et dies festos“ (VD 16 M 2045) von Georg Major. Sie beginnt mit einer Widmung an die Professoren der Universität Wittenberg und an die Bürgermeister und den Rat der Stadt. Daraufhin dankt er der Universität für alles, was sie ihm Gutes getan hat, und dafür, dass Gott die Reinheit der Lehre an der Universität und im ganzen Land Sachsen seit Jahren durch seinen Schutz ermöglicht habe. Major erinnert an die jahrzehntelange Zeit des Friedens und der Lehreinheit zwischen Luther, Melanchthon und den anderen Theologen in Sachsen. Matthias Flacius Illyricus habe diese Friedenszeit mit seinen publizistischen Angriffen auf Melanchthon und auf die gesamte Wittenberger Fakultät zerstört. Dabei habe Flacius mit seiner Behauptung, die reine Lehre Luthers verteidigen zu wollen, und mit seinen falschen Anschuldigungen gegen die Wittenberger Theologen leider bei Vielen Erfolg gehabt. Major betont hingegen, dass die Wittenberger die wahre Lehre immer noch bewahren und lehren, so wie Luther sie gepredigt habe. Dafür ruft er die anderen Wittenberger Theologen und den Stadtrat als Zeugen an. Alle ungerechtfertigten Anschuldigungen würden sich letztlich gegen den richten, der sie vorgebracht habe. Major wendet sich dann gegen den Vorwurf, eine falsche Lehre über die Bedeutung der Notwendigkeit von guten Werken zu vertreten. Seine Gegner würden behaupten, er lehre, dass der Mensch nicht allein durch den Glauben, sondern auch durch gute Werke gerecht und selig werde. Seine Studenten, Kollegen und die ganze Wittenberger Gemeinde könnten aber die Unrechtmäßigkeit dieser Vorwürfe bezeugen. Er beschuldigt Flacius und dessen Anhänger, wie ein Schwarm Bremsen und Wespen über ihn hergefallen zu sein, um ihn zu vernichten, als er sich gegen diese Verleumdungen publizistisch gewehrt habe. Er unterstellt seinen Gegnern, dass sie auch seine Kollegen und die gesamte Universität Wittenberg vernichten wollte. Doch Gott, um dessen weiteren Schutz er bittet, sei auf seiner Seite. Wenn es Leser geben sollte, die meinten, dass er mit der Publikation dieser Schrift nur neue Angriffe provozieren würde, so sei seine Antwort, dass er sich daran mittlerweile gewöhnt habe. Er verweist darauf, dass die Aussage

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Jesu dennoch Bestand habe, dass das Gesetz auch für Christen in vollem Umfang bestehen bleibe (Mt 5,17–20), und dass diejenigen auferstehen würden, die Gutes getan hätten (Joh 5,29). Die Debatte über die Bedeutung guter Werke sei daher unnütz, da die biblischen Weisungen eindeutig seien. Er verweist auf einige seiner Gegner, die behaupteten, dass gute Werke schädlich zur Seligkeit seien,16 bzw. das Gesetz nur in einem obrigkeitlichen Verständnis duldeten.17 Dagegen sei jedoch eindeutig festzuhalten, dass das Gesetz Gottes heilig, gerecht und gut sei. Christus sei darum gestorben und auferstanden, damit die Christen in einem neuen Leben wandeln sollten. Danach setzt er sich mit der Erklärung der niedersächsischen Theologen (VD 16 M 5876) auseinander. Darin würde er angeklagt und verunglimpft, die papistische Lehre zu vertreten, dass, durch einen Glauben ohne Werke selig zu werden, unmöglich sei. Einen solchen Angriff durch Flacius hätte er nicht beachtet. Doch die Schrift sei von Personen geschrieben und unterzeichnet worden, die er in ihrer Mehrzahl zu seinen Freunden gezählt habe, die von ihm und an der Universität Wittenberg promoviert worden seien. Daher wirft Major den Unterzeichnern den Bruch ihres Promotionseids vor und beschuldigt sie, sich gegenüber der Leucorea illoyal zu verhalten. Er entgegnet den Unterzeichnern, niemals öffentlich behauptet zu haben, dass gute Werke das ewige Leben und die Seligkeit verdienten, oder dass durch Glauben allein, ohne Werke, selig zu werden, unmöglich sei. Major erhebt dann schwere Vorwürfe gegen Flacius, den er als Unruhestifter sowie als Zerstörer der religiösen Einheit und der Universität Wittenberg brandmarkt. Leider sei es Flacius und seinen Anhängern gelungen, sich weithin als die wahren Verteidiger der Lehre Luthers zu profilieren. Sie seien so vermessen und arrogant, dass sie sich zu Richtern über die wahre Lehre aufschwingen würden. Jeden, der ihnen nicht in allen Punkten zustimme, bedrohten sie mit dem Anathema. Dadurch hätten sie eine Tyrannei, ein neues Papsttum errichtet. So unverschämt seien sie geworden, dass sie sogar Vermittlungsvorschläge von Fürsten ablehnten. Major betont, dass er nicht aus Rachgier all dies schreibe, sondern weil man ihn zwinge, seine Unschuld zu beweisen. Er bittet die Mitglieder der Universität Wittenberg und des Stadtrats, ihm und seinen Nachfahren die Reinheit seiner Lehre zu bestätigen. Nur auf Drängen hin habe er seine Festtagspredigten publiziert, da seine Predigten denen von Luther und Melanchthon nichts hinzufügten. Deren Vorbild folge er nach und wolle nicht unnütz Papier verbrauchen, wie Flacius und seine Anhänger. Major beharrt darauf, dass alles, was er schreibe, in der Lehrtradition der Universität Wittenberg stehe, der er zu großem Dank verpflichtet sei. Wie er

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Vgl. Nikolaus von Amsdorf, Dass die Proposito „Gute Werke sind zur Seligkeit schädlich“ ein rechte wahre christliche Propositio sei, in: unsere Ausgabe Nr. 13, S. 477– 487. 17 Gemeint ist damit die Lehre Johann Agricolas. Vgl. im Text unten Anm. 69.

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sich stets dem Urteil der Universität unterworfen habe, so unterwerfe er auch diese und alle seine Publikationen dem Urteil der Universität Wittenberg. 4. Ausgaben A: Vorrede || D. Georgij Maio= || ris / in die Ausslegunge der Son= || tags vnd Festen Euangelion / aus dem || latein / auff etlicher fromer leute bitt / durch || einen guten Freundt verdeudscht / darin auff || der Flacianer falsche vnd erdichte auff= || lagen / calumnien vnd verleumb= || dung notwendige ant= || wort begriffen. || Sampt erholung seiner vorigen bekendt= || nis vnd erklerung von den Artickeln der Recht= || fertigung fFr Gott / vnd von Notwendig= || keit des newen gehorsams in den || bekerten vnd gleu= || bigen. || Gedruckt zu Wittemberg / || durch Veit Creutzer. || 1562. || [24] Blatt 4° (VD 16 M 2058) Vorhanden in: BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: Dg 4, Nr. 2 HALLE, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: Ne 2278 (21) (unvollständig) MÜNCHEN, Bibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität: 4 Theol. 1160:9 NEW YORK, Union Theological Seminary: D 1238 WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 506.5 Theol. (10), Alv Dk 180 (6), H 147.4° Helmst. (9) [benutztes Exemplar] ZWICKAU, Ratsschulbibliothek: 19.8.28.(18) B: Vorrede || D. Georgij Maio= || ris / in die Ausslegunge der Son= || tags vnd Festen Euangelion / aus dem || latein / auff etlicher fromer leute bitt / durch || einen guten Freundt verdeudscht / darin auff || der Flacianer falsche vnd erdichte auff= || lagen / calumnien vnd verleumb= || dung notwendige ant= || wort begriffen. || Sampt erholung seiner vorigen bekendt= || nis vnd erklerung von den Artickeln der Recht= || fertigung fFr Gott / vnd von Notwendig= || keit des newen gehorsams in den || bekerten vnd gleu= || bigen. || Gedruckt zu Wittemberg / || durch Veit Creutzer. || 1562. || [24] Blatt 4° (VD 16 M 2059) Vorhanden in: BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: Dm 2017 DRESDEN, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek: Theol.ev.pol. 316 m,misc. 11 GÖTTINGEN, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek: 1 an: 8 Th.th. 536/73 GOTHA, Forschungsbibliothek: Theol.4 230/2 (9)

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HALLE, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: Ne 2278 (21) (unvollständig) MÜNCHEN, Bayerische Staatsbibliothek: Res/4 Polem. 3345,14 WEIMAR, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: 4 XXXVII:241(n.13.) WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 513.24 Theol. (25)

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Bei B handelt es sich um eine Variante von A, die sich lediglich durch das Fehlen der Corrigenda am Ende unterscheidet. Es ist folglich davon auszugehen, dass in der Druckerei der Stehsatz von B für den Druck von A verwendet wurde, lediglich ergänzt um die Corrigenda. Bei B handelt es somit um die erste Ausgabe.

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[A 2r:] Den Ehrwirdigen, edlen, ehrnuesten,1 achbarn,2 hochgelarten herrn, herrn Rectori, Pfarrherrn, Doctorn vnd Magistern, Professorn vnd gantzer Vniuersitet zu Wittemberg, auch den Erbarn vnd hochweisen Herrn BFrgermeistern, Radt vnd gantzer Christlichen gemeine vnd BFrgerschafft der Stadt vnd Kirchen daselbst, seinen grossgFnstigen herrn Collegis, auch geliebten Freunden vnd Brudern, wundschet Georgius Maior, Theologiae Doctor vnd Professor. Gnad vnd Frid durch Jhesum Christum, vnsern einigen3 vnd warhafftigen Mitler, Heiland vnd Erl=ser AMEN.4 Der heutige tag, an welchem das vnbefleckte vnd vnschFldige lemlein Gottes, vnser Heiland vnd Herr Christus Jhesus, in seinem einzug zu Jerusalem5 von allen sundern abgesondert vnd nach des ewiges Vaters willen vnd des gesetzes verordnung sich als das rechte vnd ware Osterlemlein auff den zehenden tag des ersten Mondes6 zur schlachtung vnd auffopfferung fur Gott vnd zum süssen geruch,7 das menschliche geschlecht bey Gott zu uersFnen, eingestelt hat, [A 2v:] erinnerta mich aller deren hohen wolthaten, die mir aus dieser Kirchen vnd Schulen durch Gottes gnade vielfeltig widerfaren sind. Denn heut, diesen tag,8 sind es ein vnd funffzig jar, das ich bey dem Herrn Rector in dieser Vniuersitet Matriculam eingeschrieben vnd derselben glidmaß vnd burger erstlich worden bin.9 Derhalben dancke ich Gott, dem Vater vnsers Herrn Jhesu Christi, von hertzen, das er diese Vniuersitet vnd Kirchen, jn welcher erstlich das liecht des Euangelij auffgangen vnd von des Bapsts vnd anderer lFgen, jrthumb, finsternis vnd verfFrung menschlicher satzung wunderbarlich ist errettet worden, so lange zeit vnd vnter so vielfaltiger widerwertigkeit vnd anfechtung, frembden vnd einheimischen Kriegen, vielerley sterben vnd andern n=ten, damit diese landt mittler weile10 sind angefochten worden, wider der teuffel wFten vnd gifftig anhauchen, wider vieler Potentaten vnd gewaltigen zorn vnd grim, auch vnzelicher Rotten vnd secten lFgen, verleumbdung vnd mordliche verfolgung, gnediglich geschFtzt vnd darinne reine, vnuerfelschte lere des Euangelij nu bis in die fFnff vnd vierzig jar (denn so viel jar sinds, das Lutherus seliger gedechtnis erstlich a

Konjiziert aus: errinert.

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honorigen, mannhaften. Vgl. Art. ehrenfest, in: DWb 3, 59f. achtbaren. 3 einzigen. 4 Major verwendet hier die übliche Grußformel der paulinischen Briefe. 5 Vgl. Mt 21,1–11; Mk 11,1–10; Lk 19,29–38. 6 Vgl. Ex 12,2. 7 Vgl. Eph 5,2. 8 22. März 1562. Vgl. Grotefend, Zeitrechnung, 158. 9 Anhand der Matrikel lässt sich Majors Immatrikulation nicht eindeutig bestimmen. Hasse geht aufgrund der kurzen, von Major 1567 verfassten Autobiographie davon aus, dass er sich zwischen dem 18. Oktober und 24. Dezember 1511 an der Leucorea einschrieb. Vgl. Hasse, Major als Professor, 41, Anm. 1. 10 zwischenzeitlich. 2

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des Bapsts befehlb zu widersprechen angefangen) wider allerley verfFrung gnediglich bis auff diesen tag erhalten hat, (denn diesen rhum sollen vns, ob Gott wil, alle vnsere verleumbder, lesterer [A 3r:] vnd abtrFnnige Apostaten nicht nehmen, ob sie auch darFber bersten mFsten) vnd entlich, das er vns alle samptlich vnd sonderlich mit dem schatten seiner hende bedeckt vnd bewaret hat, das wir, wie der Prophet Jsaias spricht, die himmel haben pflantzen k=nnen.11 Denselben einigen vnd allein waren Gott bitte ich auch von hertzen, er wolle ferner diese arme Kirche vnd Vniuersitet wider der teuffel vnd so vieler verfolger, lesterer vnd Sycophanten12 haß, neid vnd grimmigen zorn gnediglich erhalten13 vnd bewaren, vnd helffen, das diese Schul fFr vnd fFr zu pflantzung vnd ausbreitung Christlicher reiner lere vnd guter kFnsten, zu aller Gottseligkeit vnd Erbarkeit, vieler landen vnd Kirchen seliglich vnd fruchtbarlich dienen, sein heiliger vnd lieber tempel, wohnung vnd heiligung sein m=ge, das auch wir alle semptlich vnd sonderlich zu Gottes ehren vnd vieler Christlichen leute seligkeit dienen vnd gefesse seiner gnaden14 ewiglich bleiben. Dieweil auch Gott allein, wie im 5. buch Mosi am 30. Cap. geschrieben stehet, vnser leben vnd vnser tage lenge ist,15 so dancke ich jm hiemit fFr mich in sonderheit, erstlich fFr dieses, das er mir mein leben, biss in dieses mein schwaches alter, vnter vielerley, dieser landen vnd Kirchen, auch meinen eigenen vnzelichen betrFbniß, hertzeleid vnd schmertzen, aus veterlicher gFtigkeit vnd gnaden, nu sechzig jar lang erhalten16 hat, [A 3v:] vnd dancke jm auch zum allermeisten fFr diese grosse wolthat, das er mich vnd meine liebe Kindlin vnd Kindeskinder, deren zwar schier17 der mehrer theil zu Gottes reich vnd ewiger seligkeit von hinnen abgefordert sind, zur erkendtnis Christlicher, gottseliger lere in dieser Kirchen vnd Schulen beruffen vnd gebracht hat, das wir von Gottes wesen vnd willen, von rechter bekerung zu Gott vnd des Herren Christi wolthaten, von der rechtfertigung fFr Gott, vom newen gehorsam, von kFnfftigem gericht vnd ewigen leben recht vnd Christlich vnterricht sind. Das er auch mir in sonderheit diese grosse gnade vnd wolthat erzeiget hat, das ich mit den Ehrwirdigen, hochgelarten seinen außerwelten rFstzeugen LVTHERO, PHILIPPO vnd andern, die nicht allein dieser vnser Schulen vnd Kirche, sondern der gantzen Christlichen Kirchen itziger zeit fFrnembste vnd herrlichste liechter gewesen sind, bis in die viertzig jar ehrliche vnd vielfaltige gemeinschafft vnd ware freundschafft gehabt

b 11 12 13 14 15 16 17

Laut Corrigenda am Ende lies: Greweln. Vgl. Jes 51,16. Verleumder. Vgl. Art. sycophanta, in: Georges II, 2988. befestigt, beschützt. Vgl. Art. erhalten 7), in: DWb 3, 835. Vgl. Röm 9,23. Vgl. Deut 30,20. behütet. Vgl. Art. erhalten 3), in: DWb 3, 835. bald, beinahe. Vgl. Götze, 187f.

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vnd mir von jnen viel ehr, guttes vnd liebes widerfaren. Ob welcher hohen leute seligem absterben ich auch, wie viel andere forneme leute, ja so hoch betrFbnis vnd verlangen habe, bey jnen zu sein, als jnen vnd mir jrer aller lere, ermanung vnd gemeinschafft zuuor angenem vnd liebe gewesen sind. [A 4r:] Es wissen aber E. M. Ehrwirden vnd G. sich gantz wol zu bescheiden18 vnd erinnern, waserley19 gestalt die Kirchen dieser lande gestanden, ehe denn der trFbselige Krieg in Deudschland20 angefangen vnd wie alle Christliche lerer in Kirchen vnd Schulen, so durch gantz Deudschland die reine lere des Euangelij durch Gottes gnade alhie erkleret vnd ausgebreitet, angenomen vnd bekenten, so gar einmFtiglich vnd freundlich sich zusamen gehalten, da denn aller vnd jeder einerley hertz vnd willen war nach der lere des Apostels Pauli Ephes: 4: „Die einigkeit des Geistes durch das band des friedes zu halten.“21 Welches alles, als bald auff den seligen abgang Doctoris Martini Lutheri Christlicher gedechtnis, erbermlich turbiret22 vnd verunrFiget worden. Da nicht allein gemeiner frieden in Deudschland gebrochen vnd allenthalben gefehrliche Krige angegangen, sondern auch in den Kirchen hin vnd her gemelte einigkeit des Geistes vnd das band des friedes durch etliche ehrgeitzige, zenckische vnd hoffertige23 Geister, die wol gesehen, das sie in vnd vnter gemeinen, christlichen frieden in keinem ansehen noch ehren sein oder auffkommen k=ndten, geschwecht vnd entlich gantz zerrissen ist worden. [A 4v:] Es wissen auch Ewer M. Eherw. vnd G., das diese schreckliche vneinigkeit, spaltungc vnd zerst=rung gemeines friedes vnter den lerern der Kirchen niemand anders angefangen, gesucht, verursacht oder bißhieher mehr gesterckt vnd getrieben hat, denn der einig vnd b=se, frembde vnd vnbekandte24 mensch MATTHIAS FLACIVS ILLYRICVS, von welchem jr euch semptlich habt zu erinnern, mit wasserley kFnsten,25 geschwindigkeit26 vnd Parisaischer demut er sich bey vnserm aller geliebten herrn Praeceptor vnd Vater Philippo Melanthone Christlicher gedechtnis hat eingeflochten,27 auch bey andern mehr dieser Vniuersitet Professorn Kundschafft gemacht vnd wie er meuchlings28 vnd bFbisch29 alle des herrn Philippi wort, reden, brieffe vnd entlich auch treume hin vnd her auffgerafft vnd zusamen gec

Konjiziert aus: spltung.

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zu unterrichten, Bericht zu geben. Vgl. Art. bescheiden 6.a), in: DWb 1, 1555. welcher. 20 Gemeint ist der Schmalkaldische Krieg 1546/47. 21 Eph 4,3. 22 gestört, verwirrt. Vgl. Art. turbieren 1), in: DWb 22, 1843. 23 überhebliche, anmassende. Vgl. Art. hoffärtig, in: DWb 10, 1667f. 24 Unbedeutende. Vgl. Art. unbekannt A.I.2.c), in: DWb 24, 299f. Major spielt damit auf die nichtdeutsche Herkunft von Flacius an. 25 Betrügereien. Vgl. Art. kunst II.3.d.β), in: DWb 11, 2677. 26 Arglist, Hinterlist. Vgl. Art. Geschwindigkeit 7), in: DWb 5, 4001. 27 eingeschmeichelt. 28 heimtückisch. Vgl. Art. meuchlings, in: DWb 12, 2163. 29 schändlich, ehrenrührig. Vgl. Art. bübisch, in: DWb 2, 466.

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samlet hat,30 jm dadurch ein weg zu denen dingen zu bereiten, die er one zweiffel gar eine lange zeit bey sich getragen, gekocht31 vnd gedeuet,32 auch entlich ins werck gesetzt vnd gewaget hat, als gar ein verschlagener, listiger vnd vnergrundlicher33 ebentheurer, der da verhofft, er wolte durch solche seine verreterische lFgen vnd tFcke den wolverdienten vnd frommen herrn Philippum, mich vnd ander mehr bey jderman verhast machen vnd verdrucken,34 damit, wenn er vns gestFrtzt, er als denn jn der Kirchen durch gantz Deutschland als Bapst herrschet vnd von jederman geehret vnd angebeten wFrde. [B 1r:] Dieses alles wissen E. M. Ehrw. vnd G., wie vorgesaget, das vorgedachter FLACIVS allermeist dieser gestalt seine sache angefangen vnd getrieben, auch viel leute damit betrogen vnd an sich gebracht hat, das er sich gestelt, als were er fFr allen andern lerern dieser lande, Kirchen vnd Schulen der einige vnd bestendigste Eiferer ob Christlicher, reiner, vnuerfelschter lere des Euangelij vnd wolte allein dieselbige auffs hefftigste vnd bestendigste verfechten vnd erhalten, welche wir, als verrheter vnd verfelscher, vnsern Feinden solten vbergeben vnd verlassen haben. Wie er sich denn solchs, von vns in vielen vnd schier vnzeligen lFgen vnd schmachschrifften, Latinischen vnd Deudschen, auszubreiten vnd vber gantz Deudschland vnd die gantze welt freuentlich auszuruffen, nu so viel jar her, nicht geschemet noch geschewet hat.35 Vnd sind jm vnd seinem anhang diese lFgenhafftige geschrey vnd verleumbdung durch Gottes verhengnis leider weit geraten, das er vnd die seinen gross worden vnd dieser schwarm gleich wie eine grausame, schedliche seuche vnd gifft sich vber den grossen theil gantzes Deutschlandes ausgebreitet vnd mercklichen schaden gethan hat. Jdoch, dieweil nu mehr seine list, lFgen vnd triegerey offenbar worden, endert sichs vmb ein mercklichs vnd hoffen, es solle durch Gottes gnaden, des die sach ist, so wir bißher gefFrt, [B 1v:] vnd mit seiner hFlffe ferner, biß an vnser ende vnd letzte hinfart,36 treulich vnd ernstlich fFhren, wollen sich

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Flacius hatte zahlreiche obrigkeitliche Dokumente sowie private Korrespondenzen publiziert, um gegen das Augsburger und das Leipziger Interim zu streiten und damit versucht, die Position der Wittenberger Theologen zu desavouieren. Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 4; Etliche Trawm Philippi von gegenwertigen vnd vergangen verfelschung der wahren Religion sehr lustig vnd nFtzlich zu lesen. Jtem ein Trawm des abtrünnigen Mamelucken Staphyli ... [Regensburg: Hans Kohl 1555] (VD 16 E 4084); Entschůldigung Mat || thiae Flacij Jllyrici / geschrieb) an die || Vniuersitet zu Wittemberg / der Mittelding || halben. || Jtem sein brieff an Philip. Melan= || thonem / sampt etlichen andern schrifften || dieselbige sach belangend. || Verdeudscht.|| [Magdeburg: Christian Rödinger d. Ä. 1549] (VD 16 F 1266). 31 getrieben. Vgl. Art. kochen II.7.d), in: DWb 11, 1557f. 32 wieder gekaut. Art. däuen, in: DWb 1, 838f. 33 hinterhältiger. Vgl. Art. unergündlich 1.c), in: DWb 24, 483. 34 unterdrücken. Vgl. Art. verdrücken 2), in: DWb 25, 252f. 35 Vgl. dazu unsere Ausgabe Bde. 1 und 2. 36 unseren Tod.

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ferner vnd mehr verendern, das er, wie sichs angefangen,37 entlich von allem seinem anhang sol verlassen vnd in vnehren zu schanden werden. Nu haben wir alle seine vnd seines anhangs Schmehung, Scheltwort vnd schreckliche verdammung, so er vber vns offentlich außgossen, durch Gottes hFlff, mit grosser gedult, gar eine lange zeit getragen vnd verschmertzt, vnd haben darin vieler Christlicher, gottfFrchtiger leute gerne verschonen wollen, damit wir dieselben nicht in mehr vnd schwerer betrFbnis setzten,d wenn wir allen Flacianischen lFgen vnd schmachschrifften hetten antworten vnd, wie man in gemeinen sprichwort saget,38 das feur, so dieser b=se Bube angezFndet, mehr hetten schFren vnd vermehren sollen. Wir sind aber (Gott sey ewig lob vnd danck) nichts deste weniger bey der reinen, vnuerfelschten lere vnd waren Gottes diensten bißher blieben, die wir von vnserm lieben herrn vater vnd Praeceptor Luthero Gottseliger Christlicher gedechtnis als ein tewres, werdes pfandt zu uerwaren entpfangen haben, vnd k=nnen vns mit warheit rhFmen (wie hart auch Flacius sampt seiner lesterrot das gegenspiel vber vns leuget vnd schreiet), das wir dauon vmb kein harbreit jemals abgewichen sind. [B 2r:] Hieuon kan niemands, weder in diesem noch in kFnfftigem leben, fFr dem gerechten Richtstuel des Herrn Jhesu Christi, des Richters der lebendigen vnd der todten,39 gewisset vnd warhafftiger zeugnis geben denn eben diese Kirche Vniuersitet vnd Christliche Gemein, die vnser aller, so von Flacio beschFldiget sind, lere, handlung, leben vnd wandel nu so viel jar her geh=ret vnd gesehen haben. Auff dieses warhafftige, vntaddeliche, bestendige vnd theures zeugnis ewer aller beruffe ich mich itzt vnd zu jeder zeit, vnd sol mein einige vnd stetige antwort sein auff alle meiner vnd anderer frommer leute lesterer vnd verleumder auffrhFrische anklage vnd schmachschrifften, hoffe auch es sollen aus diesem E. M. Ehrw. vnd G. Zeugnis in massen dasselbe fFr dreien jaren in druck, latinisch vnd Deudsch, offentlich ausgangen,40 nicht allein die ge-

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Konjiziert aus: fetzten.

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Major spielt damit auf den beginnenden Erbsündenstreit an, in dem auch bisherige Gesinnungsgenossen sich gegen Flacius stellten. Vgl. zum Erbsündenstreit unsere Edition Bd. 6; Preger, Flacius II, 310 –412. 38 Je mehr sie, die Wittenberger, geschrieben hätten, je schlimmer wäre der Streit geworden. Vgl. das Sprichwort: „Wenn man das Feuer schürt, so brents“, in: Art. Feuer, in: Wander 1 (1876), 1002. 39 Vgl. Mt 25,31; Act 10,42; Röm 14,10f; II Kor 5,10; II Tim 4,1; I Petr 4,5. 40 Vermutlich ist damit die umfangreiche Aktenpublikation der Wittenberger Professoren gemeint. Vgl. EX ACTIS SYNODICIS ET ALIIS || DILIGENTER ET FIDELI= || TER COLLECTA || EXPOSITIO || EORVM, QVAE THEO= || LOGI ACADEMIAE VVITTEBER= || gensis et harum Regionum alij, qui his adiuncti fue= || runt, in deliberationibus Prouincialibus et alioquin ex= || tra has, de rebus ad Religionem pertinentibus, monue= || rint ... || illo tempore, quo ... de Libro Au= || gustano, qui nominatur INTERIM, || qualis esset, quaesitum fuit ... || ET EDITA DE SENTENTIA || Professorum Academiae VVitte= || bergensis.|| [Wittenberg: Georg Rhaus Erben 1559] (VD 16 W 3725); die Schrift erfuhr im selben Jahr noch einen Nachdruck (VD 16 W 3726) und eine deutsche Übersetzung (VD 16 W 3727).

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genwertige welt, sondern auch die nachkommen erkennen vnd lernen, wie mit falschen, erlogenen verleundungen vnd aufflagen41 die Flacianische Jllyrische Rotte den Ehrwirdigen, hochgelarten Herrn Philippum Melanthonem, Doctorem Johannem Bugenhagium Pomeranum, mich vnd andere Christliche lerer beschweret vnd alle diese Kirchen vnd lande betrFbet haben, dauon denn vnser aller vnd jeder schrifften vnd bFcher gleicher massen zeugnis geben vnd gedachten Flacianischen lFgen widersprechen werden. [B 2v:] Vnd ich zweiffel gar nicht, ehgemelt E. M. Ehrw. vnd G. warhafftig vnd bestendige zeugnis sampt vnsern schrifften werde alle dieselbe Flacianische klick42 vnd drecken, damit vns Jllyricus fFr aller welt verunehret, beschmeisset43 vnd stinckent gemacht hat, leichtlich widerumb reinigen, da hergegen eben derselbe dreck vnd vnflat, damit sie sich mehr denn vns beschmeist, an jnen selbs kleben vnd hangen bleiben, vnd den weder die gantze offenbar See, Elbe noch der Rhein von jnen abwaschen sollen, denn es ein alt vnd war sprichwort, auch durch den Grichischen Poeten Philemonem44 gerFmbt: „Wer schmach vnd scheltwort dulden kan, der ist der aller weisest man. Denn wer des lesterers schmach nicht acht, derselb sein Feind zu schanden macht.“45 Darumb werden die Flacianische lFgen vnd lesterung fFr vnd fFr an jnen, die sie erstlich ausgeschFt,46 one zweiffel hangen vnd, wie man auch im sprichwort saget,47 dahin wider keren, da sie ausgangen sind vnd sie, so sie sich nicht bekeren, entlich daran ersticken mFssen. Es ist aber vnter anderm gezenck, so die Flacianische Rotte erreget, auch dieser hadder entstanden von notwendigkeit der guten werck in den bekerten, gerechtfertigten vnd widergebornen, vnd hat einer jrer gesellen in offentlichem druck mich insonderheit angegriffen vnd von [B 3r:] mir geschrieben, als leret ich, das der mensch nicht allein durch glauben, sondern auch durch gute werck vnd derselben verdienst gerecht vnd selig werde.48 Nu ist Gott vnd der Herr Jhesus Christus, dem ich als dem rechten Richter an jenem tag49 von aller meiner lere, leben vnd handlung rechenschafft geben werde vnd wil mein zeuge, das mir solche Gotteslesterliche vnd wider das tewre blut vnd verdienst Jhesu Christi, des sons Gottes, schmeliche reden (das der mensch nicht allein durch glauben, sondern auch durch gute werck vnd 41

Anschuldigungen. Vgl. Art. Auflage 3), in: DWb 1, 680. Rufschädigungen. Vgl. Art. klick 3.c), in: DWb 11, 1158. 43 bewirft, besuldet. Vgl. Art. beschmeiszen, in: DWb 1, 1582f. 44 Philemon (um 360–um 264 v. Chr.), griechischer Dichter. 45 Zur Erläuterung vgl. unsere Ausgabe Nr. 5, S. 163, Anm. 171. 46 vorgebracht. 47 Sprichwörtlich: Lügen verbreiten sich schnell, doch kommen sie immer wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurück. Das von Major hier angesprochene Sprichwort konnte bisher nicht aufgefunden werden, vgl. aber das Sprichwort, das der Lügner nie wieder dahin zurückkehren solle, wo er gelogen habe, Art. lügen 6.6.2.2, in: TPMA 8 (1999), 72f. 48 Vgl. unsere Edition Bd. 2, Nr. 8. 49 Dem Tag des Jüngsten Gerichts. 42

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derselben verdienst gerecht vnd selig werde) nie in mein hertz oder sinn kommen ist, nach dem ich einmall meines lieben heilands vnd erl=sers warheit erkennet vnd aus des Pabstumbs finsternis vnd jrthumbe errettet bin. Es sollen vnd werden mir auch sonder zweiffel dessen zeugen sein vnzeliche Studenten, so mich so viel jar alhie haben in dieser Schulen offentlich h=ren lesen vnd Gottes wort erkleren,50 ja diese gantze Kirche, die mich gleicher massen nu so viel jar hat h=ren predigen, wird mir, ob Gott wil, dieses zeugnis geben, das sie gemelte Gotteslesterliche lere von mir nie nicht geh=ret vnd do sie es jemals von mir geh=ret, were ich ja billich51 ewiglich zu uerfluchen vnd zu uerbannen, vnd ich bitte den son Gottes, vnsern Herrn Jhesum Christum, von rechtem waren hertzen, er wolle mich bey dieser lere biß an mein letzte [B 3v:] hinfart ja gnediglich stercken vnd erhalten, die er in dieser Kirche vnd Vniuersitet aus sonderlicher barmhertzigkeit vnd gnaden erwecket vnd wider angezFndet vnd nu bis ins fFnff vnd viertzigst jar erhalten vnd weit aus gebreitet, mich auch zu erkentnis, bekentnis vnd pflantzung derselben gnediglich beruffen vnd biß ins sechzigst jar meines lebens erhalten hat. Als ich aber vorgemelte falsche aufflag vnd bezichtigung mit einer kurtzen schrifft52 als mit einem schwam hab wollen abwischen vnd ableinen,53 darin ich doch des tichters als meines alten freundes, dieweil ich wuste, das er anderer vrsach wegen, mir vnd andern etwas vngewegner54 worden, so viel imer mFglich verschonet, sihe, da errege ich pl=tzlich vnd vnuersehens ein gantzen schwarm Flacianischer Hummeln, Bremsen vnd Wespen, welche aus allen orten vnd ecken vber mich herfliegen vnd mit h=chster macht auff mich stechen vnd schiessen, auch aus allen jren nestern vnd l=chern andere vnzelige jres gleichen vngeziefer mit jrem vngestFmen humsen55 vnd sausen an sich ziehen, die sampt jnen auff mich armes, einiges56 vnd von jderman verlassenes Binlein mit grossem schwarm vnd sausen, auch mordlichen Stacheln vnd Pfeilen, bißher one ablassen geschossen vnd gestochen vnd, was sie fFr gifft vnd grausamkeit vermocht, wider mich ausgeschFt haben, in hoffnung, so sie mich einigen vnd, wie gesaget, gantz verlassenen man [B 4r:] verdruckt vnd auffgereumpt57 hetten, sie wolten als denn auch die andere dieser Kirchen vnd Schulen trewe arbeitsame bienlein vnd also entlich die gantze Vniuersitet deste leichtlicher auffreumen oder je verdrucken, e

Konjiziert aus: irthumbt.

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Major war seit seiner Promotion zum Doktor der Theologie im Jahr 1544 an der theologischen Fakultät Wittenberg tätig. 51 verdientermaßen. Vgl. Götze, 33. 52 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 1, S. 25–45. 53 ablehnen. 54 uneinig. Vgl. Art. ungewegen, in: DWb 24, 911. 55 summen. Vgl. Art. humsen, in: DWb 10, 1910. 56 allein gelassenes. 57 aus dem Weg geschafft. Vgl. Art. aufräumen 3), in: DWb 1, 704.

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aber Gott sey lob vnd danck der diese Bienlein in dieser Schulen erstlich versamlet vnd zu hauffen in jr st=cklin bracht hat, der hat sie biß hieher noch gnediglich geschFtzt vnd erhalten. Derhalben dancke ich abermal dem Allmechtigen, ewigen Gott vnd Vater vnsers Herrn Jhesu Christi von hertzen, das er wider dieser wFtenden vnd rasenden Hummeln, Bremsen vnd Wespen vngestFmmigkeit, geschwFrm,58 stachel vnd Pfeile mich vnd andere dieser Vniuersitet trewe Bienlein mit dem schatten seiner hende bißher gnediglich bedeckt vnd geschFtzet hat,59 vnd bitte jn daneben ernstlich vnd von hertzen, er wolle vns alle ferner wider sie gnediglich schFtzen vnd bewaren, wolle auch dieselbe rasende vnd wFtende Hummeln vnd Wespen mit seiner gewaltigen hand aus allen jren nestern vnd l=chern austreiben, damit sie die lieben, fruchtbarn bienst=ck wolbestelter Kirchen vnd Schulen, darin der k=stliche vnd theurbare zucker vnd Honigseim60 G=ttlichs worts vnd vieler guten kFnsten trieffen vnd von trewen, arbeitsamen Bienen gemacht vnd in viel land vnd Kirchen ausgebreitet wird, mit jrem schwermen, sausen vnd humsen nicht jrren, turbieren oder jnen mit jren vergifften stacheln schaden zufFgen vnd sie verderben. Amen. Amen. Amen. [B 4v:] So aber der Christliche leser etwa gedencken wFrde, ich thete mit dieser gegenwertigen schrifft nicht weislich,61 dan ich dasselbige geschwFrm widerumb auff vnd wider mich erbittern vnd erregen wFrde, dem gebe ich zur antwort, das ich nu alters halben was taub worden vnd nu mehr nicht wol h=ren kann, auch desselben geschwFrmes vnd Humsens wol gewohnet, damit meine ohren erfFllet, das sie dagegen gleich gantz todt vnd taub worden, derwegen mich alle jre verleumbdungen, lFgen vnd lestergeschrey nicht viel mehr irren als einen tauben der Horneussen, wespen vnd Humsen62 geschwFrm oder ein rasendes hunds bellen turbiren oder anfechten kan. Sie m=gen immer hin (weil sie je anders nichts gelernet noch wissen zu predigen, singen, sagen oder zu leren) teglich auff allen jren Cantzeln „Jnterimisten, Adiaphoristen, Maioristen“ vnd weis nicht was mehr, dauon sie vnd jre zuh=rer nichts wissen noch verstehen, schreyen vnd so lang bellen bis sie darob erstarren vnd verstummen. Es sol dennoch in alle ewigkeit als ein vnbewegliche Maur vnd grundfest bestehen bleiben dieser des Herrn Christi Spruch Mat. 5:63 „Jr solt nicht wehnen,64 das ich kommen bin, das Gesetz oder die Propheten auffzul=sen. Ich bin nicht kommen, auffzul=sen, sondern zu erfFllen. Denn ich sage euch warlich: Biß das Himmel vnd Erden zerge58 schwirrender Lärm von Insekten; in der Reformationszeit allerdings auch als Bezeichnung für eine Ansammlung von Irrlehrern gebraucht. Vgl. Art. Geschwürm 2 und 3), in: DWb 5, 4014. 59 Vgl. Ps 17,8; 36,8; 91,1f; Jes 51,16. 60 sehr süßer, ungeläuterter Honig. Vgl. Art. Honigseim, in: DWb 10, 1792. 61 weise, klug. 62 Hummeln. Vgl. Art. Humse, in: DWb 10, 1910. 63 Vgl. Mt 5,17–20. 64 annehmen, denken.

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hen, wird nicht zergehen der kleinest Buchstab noch ein tFttel vom Gesetz, [C 1r:] bis das es alles geschehe. Wer nu eines von diesen kleinsten geboten auffl=set, der wird der kleinest im Himmelreich heissen, wer es aber thut vnd leret, der wird gros, ja auch Maior heissen im Himmelreich.“ Jtem diser Johannis 5. Cap,65 welcher auch ins Simbolum Athanasij66 gesetzt: „Die so guts gethan haben, werden herfFrgehen zur aufferstehung des ewigen lebens, die aber vbels gethan haben, zur aufferstehung des gerichts vnd ins ewige Feur.“ Dieweil denn dieses der gantzen allgemeinen Christlichen Kirchen bekendtnis vnd glaube je vnd alwege gewesen ist, ists nicht ein grausamer schwarm vnd vnsinnigleit, das die jtzige wFtende welt darff disputiren, ob gute wercke oder newer gehorsam n=tig sey? Ja, es ist der schwarm so weit geraten, das auch etliche offentlich schreien vnd schreiben d=rffen, gute werck sein zur seligkeit schedlich.67 Andere machen grosse bFcher von dieser Proposition, das gute werck vnd newer gehorsam nicht n=tig, sondern frey seien nach des glaubens gefallen,68 werden vielleicht in kFrtz auch sagen, wo jnen Got lenger zu sihet, es sey eitel Adiaphoristerey vnd vnn=tige mittelding, so sind auch andere, die da schreien vnd schreiben, man sol das Gesetz auffs Rathaus,69 ja an Galgen weisen, dahin solche schreyer vnd schreiber selbs geh=ren. Jn Summa: es ist ein grausamer Gottlesterlicher schwarm, vom Teuffel erdacht vnd auff-[C 1v:]bracht. Denn je70 das Gesetz Gottes heilig vnd das Gebot heilig, recht vnd gut ist, so sein jemand recht brauchet 1. Timo.,71 1. Roma 7.72 „Vnd ist ja vnser Erl=ser vnd heiland Christus Jhesus darumb gestorben vnd von den Todten aufferstanden, das wir in einem newen leben wandeln sollen“, Roma. 6.73 „Wir sind auch Gottes werck, geschaffen in Christo Jhesu, zu guten wercken, zu welchen Gott vns zuuor bereitet hat, das wir darin wandeln sollen.“ Ephe. 2.74 DarFmb sinds eitel Teuffel aus der Hellen, die wider diese so klare vnd offenbare Gebot vnd sprFche G=ttliches worts etwas mucken75 dFrffen, die wir auch als die aller schedlichste gifft vnd Pestilentz fliehen, vermeiden vnd verfluchen sollen.

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Vgl. Joh 5,29. Vgl. Symbolum Athanasianum 39, in: BSLK 30,24–26. 67 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 13. 68 Vgl. die Schriften von Flacius und Gallus in unserer Ausgabe, Nr. 3, 4. 69 Major bezieht sich damit auf den ersten antinomistischen Streit zwischen Luther und Johann Agricola. Vgl. Richter, Gesetz und Heil, 60 –66; Martin Luther, WA 50, 468,4 –8 (Wider die Antinomer, 1539). 70 immer. Vgl. Götze, 127. 71 Vgl. I Tim 1,8. 72 Vgl. Röm 7,12. 73 Vgl. Röm 6,4. 74 Eph 2,10. 75 murren, sich auflehnen. Vgl. Götze, 162. 66

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Vnd dieses alles schreibe ich nicht der meinung, das ich den alten hader wider vernewere, den doch vnser widertheil teglich vnd one auffh=ren treiben vnd vermehren, ob wir gleich stilsitzen vnd mit niemand zancken. Wie dieses alles offentlich am tage vnd fFr augen ist, sondern das ich jderman errinnere vnd vermane, das sie diesen schwarm mit h=chstem vleis fliehen vnd meiden lernen, wie sie gesehen vnd wissen, das ich durch Gottes hFlffe nu etliche jar gethan habe. Der liebe Apostel Paulus ist einmal gesteiniget worden,76 jch werde alle tage auff allen Cantzeln vnd PredigstFlen der Flacianer gesteiniget vnd schweige dennoch in betrachtung des Exempels meines lieben Herrn vnd Erl=sers, welches er vns zum vorbild gelassen, „denn da er gescholten ward, schalt er nicht wider, da er leid, drewet er nicht, [C 2r:] er stellet es aber dem heim, der da recht richtet.“ 1. Petr 2.77 Jtem in betrachtung der sch=nen vnd weisen rede des aller weisesten K=nigs Salomonis, Prouerb. 20: „Es ist dem man ein ehre vom hadder bleiben, aber die gern hadern, sind alzumal Narren.f“78 Derwegen, in betrachtung dieser vnd anderer G=ttlichen regeln vnd leren vieler weisen leute, hatte ich mir gentzlich fFrgesatzt, mich hinfFrder dieser b=sen leute gar zu eussern79 vnd nichts auff jre schrifften zu antworten. Aber in des ich solchs gedenck vnd nu etliche jar versuche vnd thue, sehe vnd erfare ich in der that, das durch mein stilschweigen vnd gedult meiner Widersacher vnd lesterer grimm nicht allein nicht gesetiget noch gestillet, sondern von tag zu tag gr=sser vnd hefftiger wird, das ich mich besorgen mus, wo ich jnen in die lenge also zusehe, so wFrden sie nicht allein mir (das ich doch zum weinigsten achte), sondern auch dieser gantzen Kirchen vnd Schulen, darin ich durch Gottes gnaden nu so viel jar her offentlich lere vnd lebe, einen solchen schandflecken anhengen, den wir nachmals nicht verm=gen auszuwischen. Denn es ist vngefehrlich fFr eim halben jar, oder lenger, ein newe decret in Sachsen ausgegangen,80 darin mich in sonderheit vnd mit namen etliche Flacianische Theologen angegriffen vnd laut der alten Flacianischen geigen81 vnd mordgeschrey, mich abermal felschlich beschFldiget, [C 2v:] jch lere von notwendigkeit der guten Werck vnd newen gehorf

Konjiziert aus: Narrren.

76

Vgl. II Kor 11,25. Vgl. I Petr 2,21–23. 78 Prov 20,3. 79 mich von diesen Leuten entfernen, keinen Kontakt mit ihnen haben. Vgl. Art. äussern 3), in: Fnhd. Wb. 2, 1376. 80 Erklerung aus Got= || tes Wort / vnd kurtzer bericht / der Her= || ren Theologen / Welchen sie der Erbarn Sech= || sischen Stedten Gesandten / auff den Tag || zu LFneburg / im Julio dieses 61. || Jars gehalten / fFrnemlich auff || drey Artickel gethan || haben. || Was das Corpus doctrinae belanget / darbey man || gedenckt zu bleiben. || Von der Condemnation, streittiger lehr puncten || vnd Secten. || Von der Bepstlichen Iurisdiction, Vnd das er die || vsern zu seinem vermeinten Concilio, sich vnterstehet zu= || beruffen. || ... || [Magdeburg: Wolfgang Kirchner, 1561] (VD 16 M 5876). 81 Leier. Vgl. Art. geigen 4.c), in: DWb 5, 2577. 77

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sams wie die Papisten, das ist, das gute werck dermassen vnd also n=tig sind, das sie ewiges leben vnd ewige seligkeit mit verdienen, oder wie jre wort noch gefehrlicher wider mich lauten: „das gute werck zur seligkeit von n=ten sind, also das durch den Glauben one gute werck selig zu werden gantz vnmFglich sey.“82 Wiewol ich nu wol weis, das man allen lFgen vnd Sycophantischen mordstichen nicht wehren noch steuren kan, so were ich doch allzu vnbedechtig83 vnd gegen meinem lieben Gott vnd seiner Kirchen vndanckbar, wenn ich ein so grobe, greiffliche,84 offenbare lFgen auff mir bleiben vnd beruhen liesse vnd dieselbe mit meinem stilschweigen sterckete. Wenn solches der vnuerschempte, lFgenhafftige mensch Flacius Jllyricus abermals von mir geschrien vnd geschrieben hette, wolte ich mich nicht wundern oder bewegen lassen, dagegen etwas zu schreiben, dieweil es aber die jenigen vff mich tichten85 vnd fFr jren gemeinen, one einige scham vnd schew, teglich von mir ausruffen, die sich als ernste, warhafftige eiferer vmb die Christliche religion, wie sie angesehen sein wollen, ein wenig fFr ehrlichen leuten schemen vnd auff derselben Judicia hetten zurFck sehen vnd gedencken sollen, die mich auch vnd meine lere wol kennen vnd verstehen, so kan vnd sol ich dazu nicht stilschweigen oder es also hingehen lassen, [C 3r:] jch wolte denn diese grobe, offenbare vnwarheit, die sie von mir felschlich erticht, mit grossen SFnden stercken, mit stilschweigen bekennen vnd auff mich wissentlich nemen vnd laden. Jch habe mit jr etlichen gute freundschafft nu von langen jaren her gehabt. Es sind auch der mehrer theil von mir vnd dieser Vniuersitet zu den wirden vnd ehren promouirt,86 dauon sie bey den jren im ansehen sind. Etlichen habe ich in jren obligenden n=ten als ein Vater gedienet vnd gerathen, habe jnen auch alle guthat vnd freundschafft bewiesen. Derhalben wundert mich noch mehr, das sie nicht allein aller guthat vnd ehren, die jnen von dieser Schulen vnd mir zum theil widerfaren, nicht ingedenck gewesen, sondern auch jrer eigen Eid vnd ehren, damit sie dieser Vniuersitet als Doctores vnd Magistri verwand sind, in dieser groben, offenbaren calumnien87 vnd vnwarheit zu tichten vnd auszugiessen, vergessen haben. So sie jemals in irgend einer meiner schrifft vnd BFcher, die ich fFr88 diesem streit vnd hadder, oder auch in werendem streit, vnd

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Vgl. Erklärung aus Gottes Wort (1561), A 3r. unbedacht, dumm. 84 greifbare. 85 erfinden. Vgl. Götze, 50. 86 Geimeint sind damit die Unterzeichner der „Erklärung aus Gottes Wort von 1561, nämlich: Valentin Curtius, Petrus Vrimersheim, Dionysius Schunemann, Christian Haveman, Eilardus Segebode, Paul von Eitzen, Joachim Westphal, Johannes Kittel, Tileman Heshusen, Henning Friede, Joachim Mörlin, Martin Chemnitz, Friedrich Henniges, Johannes Eichenbergk, Johannes Frede. Vgl. Erklärung aus Gottes Wort (1561), D 4r. 87 Verleumdung. Vgl. Art. calumnia, in: Georges I, 938f. 88 vor. 83

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nachmals in zimlicher anzal habe ausgehen lassen, dieses gelesen vnd befunden, oder irgend ein ehrlicher vnd glaubwirdiger man vnd zeuge von mir jemals dieses gehort hat vnd beweisen kan, das sie in jrem decret vnuerschampt auff mich tichten, ich lere, das gute werck also n=tig seien, [C 3v:] wie die Papisten leren, das ist, das sie ewigs leben vnd ewige seligkeit verdienen, oder das sie also n=tig sind, das durch den glauben one gute werck selig zu werden gantz vnmFglich sey, so wollen sie meine schrifft vnd bFcher darthun vnd aufflegen89 vnd es mit denselbigen beweisen, so sie erbare, redliche vnd warhafftige leute vnd menner wollen geachtet vnd gehalten sein, so wil ich hergegen, widerruffen oder alles das thun vnd leiden, das mir hieuor zu thun vnd leiden gebFret. Wo sie es aber mit meinen schrifften vnd BFchern nicht darthun oder erweisen k=nnen, wie ich gewis bin, das sie es in alle ewigkeit nicht verm=gen noch thun werden, so wollen sie dasjenige, was sie felschlich auff mich gedichtet, widerruffen vnd auffheben, oder diese Calumnien vnd vnwarheit auff jnen beruhen lassen. Vnd ich widerhole es noch einmal, des ich mich jtzt erboten, so sie durch jrgend ein einig meiner BFcher vnd schrifften zeugnis erweisen vnd bewehren kFnnen, das sie von mir schreiben, jch lere wie die Papisten, das durch den Glauben, one gute werck, selig zu werden gantz vnmFglich sey, so sage ich jtzund vnd wil es nachmals auch sagen: Jch sey verflucht. K=nnen sie es aber nicht erweisen, so seien die verflucht, die dieses vnwarheit gedichtet vnd ausgebreitet haben. Ja, das sie sehen, es sey mein ernst, so widerhole ichs zum dritten mal vnd begere noch, das sie diese negatiuam vnd Papistische lere, das [C 4r:] durch den glauben one gute werck selig zu werden gantz vnmFglich sey, aus meinen BFchern vnd schrifften erweisen. Vnd dFrffen diese, zu bewehren den alten zanck vnd hadder, den Flacius vnd andere wider mich erreget,90 hierin nicht mengen noch flechten, dauon ich mein bekendtnis offentlich gethan vnd mich erkleret hab,91 wie ich die streitige Proposition verstanden vnd geleret habe. Habe auch genugsam bezeuget, was ich in dieser sachen ferner die zeit meines lebens zuthun erb=tig were. Vnd dieweil ich Flacij vnd der seinen vnsinnigen geschrey williglich92 gewichen, auch mit gemelter meiner bekendtnis, erklerung vnd erbieten allen Christlichen, gottfFrchtigen vnd verstendigen leuten durch Gottes gnaden gnug gethan vnd sie zu frieden gestellet habe, wundert mich, warumb sie allein so vngFtig vnd hart sind, das sie sich nicht ersettigen93 noch stillen94 lassen wollen. Jch wil auch durch

89

vorlegen. Art. auflegen 1), in: DWb 1, 683f. Vgl. Amsdorf, Kurzer Unterricht, in: unsere Ausgabe Nr. 2, S. 55–73; Flacius, Wider den Evangelisten des heiligen Chorrocks, in: ebd., Nr. 3, S. 81–95. 91 Vgl. Major, Sermon von S. Pauli Bekehrung, in: unsere Ausgabe Nr. 5, S. 137–259. 92 freiwillig. Vgl. Art. williglich III.2), in: DWb 30, 187. 93 zufrieden geben. Vgl. Art. ersättigen, in: DWb 3, 949. 94 beruhigen. Vgl. Art. stillen 2.a), in: DWb 18, 3011f. 90

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Gottes hFlff vnd beystand von jtzt gedachter meiner bekentnis, erklerung vnd erbieten die zeit meines lebens nicht abweichen noch dauon mich treiben lassen. Derhalben, ob sie desselben alten vnd beygelegten zancks, zu beschonung angezogener95 vnwarheit, gedencken vnd brauchen wFrden oder wolten, so wil ich jtzundt dauon protestirt vnd fFr Gott vnd seiner gantzen Kirchen bezeuget haben, das sie mich mit einer newen calumnien vber vnd wider recht beschweren.96 [C 4v:] Denn ich schreibe dieses alles nicht derhalben, das ich die vorige sache, darin ich meinen widerwertigen vnd verleumbdern vmb Gottes ehre vnd der armen Kirchen ruhe vnd fridens willen gern vnd williglich gewichen bin, von newes regen oder mir vnd andern newe gezenck zuziehen wolle, sondern dz ich dieser vnwarhafftigen verleumbdung vnd aufflage (die sie auch aus denselben schrifften, welche ich in werendem streit habe publicirt in ewigkeit nicht erweisen noch darthun k=nnen) wie billich97 widerspreche vnd die von mir von dieser Vniuersitet vnd Kirchen, darin ich lere nach gebFre, ableine.98 Denn was ich mit warheit vnd nach notdurfft99 dieser sachen mehr sagen vnd fFr mich brauchen k=ndte, wil ich dahin sparen,100 bis die gedachte Theologen meiner schrifften zeugnis aufflegen vnd darthun werden. Was sie auch wider diese Kirche vnd Schulen in andern Artickeln in gemeltem jrem Decret felschlich tichten,101 wird zu gelegener zeit nach notdurfft verantwort werden, vnd dieweil sie mich in demselben nicht namhafftig102 noch allein beschuldigen vnd verdammen, wil ich die antwort fFr meinen theil auch bis zur andern zeit sparen. Jch bitte aber alle GottfFrchtige hertzen, so die warheit vnd Gottes ehre ernstlich suchen vnd lieben, auffs aller demFtigst vnd vleißigst, sie wollen in ansehung dieses meines rechtmeßi-[D 1r:]gen vnd billigen erbietens vnd verschlags,103 den ich meinen Verleumbdern vnd widerwertigen hiemit thue, nicht allem jrem geschrey vnd calumnien stad vnd glauben geben, noch mich hierFber beschweren lassen. Vnd wollen sich mitler weil, bis die gemelte104

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angeführter. Vgl. Art. anziehen 5), in: DWb 1, 528. belasten, quälen, beleidigen. Vgl. Art. beschweren 3), in: DWb 1, 1603f. 97 rechtmäßig. 98 ablehne. 99 Notwendigkeit. Vgl. Art. Nothdurft 1.d), in: DWb 13, 926. 100 unterlassen. Vgl. Art. sparen 6), in: DWb 16, 1930f. 101 Auf dem Städtekonvent des niedersächischen Reichskreises in Lüneburg 1561 verfasste Joachim Mörlin im Auftrag der Kreisstädte eine Erklärung, in der eine Zusammenstellung von Lutherschriften für ein Corpus doctrinae erfolgte, Fragen zur Rechtfertigung, zur Notwendigkeit von guten Werken zur Seligkeit, zum Abendmahls, zu den Adiaphors, zum freien Willen und zur Taufe erörtert und ausdrücklich die „Osiandristen“, die „Majoristen“, die „Sakramentierer“, die „Adiaphoristen“ und die „Synergisten“ widerlegt und verdammt wurden. Vgl. Erklärung aus Gottes Wort (1561). 102 namentlich. Vgl. Art. namhaftig 2), in: DWb 13, 344. 103 Vorschlags. 104 mehrfach angesprochene. 96

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vnd nu offt angezogene vnwarheit, die von meinen widerwertigen105 ausgangen vnd angefangen, erwiesen werde, vber mich vnd meine schrifften nicht zu Richtern machen,g sondern damit biß zu ende vnd beweisung der sachen freundlich jnnen halten. Jch wil jtzundt nicht melden noch erzelen, was fFr hoffnung vnd grosses warten vnd ansehen Flacius Jllyricus von jm vnd seinem anhang durch wunderbarliche kFnste vnd Practiken erstlich erweckt hat, das er in dieses falsch ansehen kommen, als weren er vnd seine gesellen die einige106 leute vnd menner, die zur zeit der Jnterimistischen Tyranney vnd verfolgung,107 nicht allein des Jnterims betrug vnd lFgen entdecket vnd denen widerstanden hetten, sondern auch die G=ttliche, reine vnd warhafftige lere in diesen Kirchen vnd landen, da sie durch Gottes gnade erstlich erschollen vnd aufgangen, als die Seulen der Kirchen gegen viele vnd mancherley verfFhrische Secten, Corruptelen108 vnd jrrungen zu uerfechten, rein vnd lauter zu befFrdern vnd erhalten helffen, sonderlich vnd fFr vielen andern Theologen durch gantz Deudschland geneiget vnd bevliessen gewesen weren, welches denn auch die einige vrsache gewesen, [D 1v:] das etliche vnd deren viel fromme, gute, aber nicht genugsam fFrsichtige leute, jrem vermeßlichen109 fFrnemen, stoltz vnd rFhmen glauben geben vnd sie so ferne haben auffkommen vnd wachsen lassen. Dauon aber wil ich, wie gesagt, jtzt nicht reden. Dieses ist ein gr=ssers vnd mercklichers, das in gemelter hoffnung vnd zuuersicht, auch in vorwendung des grossen eifers vmb die Religion, er, der stiffter vnd anfenger alles vbels, Flacius, fast aller oder ja die fFrnemesten Artickel vnser Christlichen lere, so in diesen Kirchen durch Gottes gnad reichlich vnd wol erkleret vnd von allen verfelschungen sind gereiniget worden, meuchlinges hat angegriffen vnd als falsch angefochten.110 Dadurch denn, weil der vnuerschempte, b=se mensch glauben vnd beyfal bey vielen leuten befunden vnd ein zeitlang gehabt hat, diesen landen vnd Kirchen grosser schaden, betrFbnis vnd vnehre ist zugefFget worden denn zuuor hin alle des Bapsts vnd der seinen list vnd macht die gantze zeit vber, nach dem die reine lere widerumb herfFr ans liecht gebracht hat, schaden betrFbnis vnd vnehr zufFgen k=nnen. Vnd hat Flacius nicht allein denen Kirchen vnd Schulen geschadet, deren offentlicher vnd abgesagter111 Feind er hat sein wollen, sondern hat auch der jenigen nicht verschonet, die jn als ein b=sen, vergifften wFrm vnd Schlangen in jrem busen gehauset,

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Konjiziert aus: maen.

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Gegnern. einzigen. 107 Vgl. zum Umgang mit dem Augsburger Interim unsere Edition Bd. 1. 108 Verfälschungen, Entehrungen. Vgl. Art. corruptela, in: Georges I, 1718. 109 anmaßenden. Vgl. Art. vermeszlich, in: DWb 25, 870f. 110 Vgl. Flacius, Von den vornehmsten adiaphoristischen Irrtümer (1558), in: unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 9, S. 789 –837. 111 erklärter. Vgl. Art. abgesagt, in: DWb 1, 47. 106

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gespeiset vnd geherberget haben.112 [D 2r:] Denn dieselben haben er vnd seine gesellen, vnter dem schein die Secten vnd corruptelen anzufechten, nicht weniger mit vnzelicher Sophisterey, calumnien, lFgen, beschwerlichen schrifften mit vielen angehengten schmehen vnd vnn=tigen wortgezencke verunrFiget vnd schier scheußlicher beschmeisset, denn alle andere auswertige Kirchen vnd Schulen, welche sie zu uerfolgen vnd gantz zu uertilgen mit h=chster macht sich bevlissen haben. Ja, sie sind entlich auch so kFen vnd vermessen worden, das sie sich nicht allein offentlich also erzeiget vnd vernemen lassen, als ob sie vber Kirchen vnd Schulen, darin sie Herberg vnd vnterhalt gehabt, Herren oder Regenten allein weren, sondern es ist auch aus jrem schrifftlichen vnd mFndlichen, inwendig113 etlicher zeit erfolgeten erklerungen, entlich dieses in sonderheit vberflFßig114 befunden, das alle jr intent115 vnd fFrsatz nicht zum geringsten theil auff ein solche arrogantz vnd vermessenheit hette gegrFndet werden wollen, gleich als ob bey jnen, zu sampt jrem anhang vnd verwandten, so viel deren vngefehrlich sein mFgen, die gantze Christliche Kirche jtziger zeit allein begrundfestet, auch an jre Personen vnd =rter, da sie weren vnd webeten,116 verknFpfft vnd verbunden were. Daher denn erfolget, was von jnen vnerfunden,117 oder von andern, one jren vorwissen, Radt vnd bedencken vnd einhelligem beschlus, geleret [D 2v:] vnd geschrieben wFrde, dz solchs alles vnrecht, vnchristlich, dem G=tlichen wort vngemes vnd zuwider, auch aus der Christlichen Kirchen gesondert vnd verworffen, jn gleichnis auch, das die jenigen, welche jnen in diesem allen durchaus mehren oder weniger Artickeln nicht zufallen oder beypflichten wolten, das auch dieselbigen von stund an von jnen Anathematizirt118 vnd verbannet sein solten. Vber das alles haben sie nicht allein die arme, betrFbte Kirchen mit jrer tyranney vnd herrschafft zum h=chsten angefochten vnd verwirret, sondern gleich als hetten sie jr Bapstumb in den deudschen Kirchen entlich gantz erstritten vnd nu mehr gnugsam bestetiget vnd begrundfestet, haben sich die heilose leute nicht geschemet, nach Bepstlicher weise, in der herrschafften hendel vnd radschlegen mit einzumengen, denen einhalt zu thun vnd vorzugreiffen. Ja, das noch gr=sser, grober vnd vnuerschempter ist, so etwa G=ttfFrchtige, l=bliche Herrschafften vnd FFrsten tege vnd Radschlege angestelt, darauff man sich vnterreden vnd auff wege trachten solte,

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Major spielt damit vermutlich auf den Streit in der Universität Jena an, der schließlich zur Amtsenthebung von Flacius und Johann Wigand am 10. Dezember 1561 führte. Vgl. Gehrt, Ernestinische Konfessionspolitik, 201–212; Heussi, Geschichte der theologische Fakultät, bes. 49 –64. 113 binnen, innerhalb. Vgl. Art. inwendig 3.b), in: DWb 10, 2150. 114 im Übermaß. Vgl. Götze 213. 115 Vorhaben, Absicht. 116 wirkten, tätig waren. Vgl. Art. weben III.B.5.b), in: DWb 27, 2649f. 117 nicht ersonnen, nicht vertreten. Vgl. Art. erfinden 2), in: DWb 3, 798. 118 verdammt.

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Wurmbsisch Colloquium,121 FranckfFrdische vergleichung,122 Naumburgische vnd Erfurdische handlung.123

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wie die lere des Euangelij lauter vnd rein, auch gemeiner frieden vnd ruhe in den Kirchen dieser vnd ander landen am fFglichsten zu beschaffen vnd zu erhalten sein solte, vnd aber sie nicht zuuor dauon radgefraget vnd geh=rt weren als die, welche die FFrsten vnd Herrschafften fragen, h=ren vnd als [D 3r:] Gubernatorn solcher radschlege vnd handlungen brauchen mFsten, oder die Flacianer sich auch befFrchteten vnd besorgeten, das in solchen tegen vnd handlungen jrem fFrhaben etwas zu wider oder jnen nicht beheglich vnd fFrtregliches geschlossen werden m=chte, haben sie als bald alle der FFrsten vnd herrschafften handlung vnd radschlege mit falschen, hypocritischen,119 argw=hnischen, samaritischen120 vnd vergifften auslegungen vnd vbel deutungen auff das bitterst vnd eusserst calumnijrt, deprauirt124 vnd fFr menniglich125 ausgeruffen, dauon sich vnterstanden zu Prouocirn, vnd jtzt durch offentlichen, jtzt durch heimliche Praticken vnd Conspiration beyde, die gelarten vnd alle andere leute hohes vnd nidriges standes, zu denen sie ein zutrit gehabt vnd einige hoffnung anhanges vnd beyfals zu haben, auffzuwiglen sich auff Synodos vnd sacrosanctas actiones, consultationes et progressus coram fratribus et pijs Doctoribus Ecclesiae, das ist, auff verh=r, erkendtnis vnd gericht fFr jren Rottgesellen vnd genossen, nach jrem gefallen zu beruffen, vnd beschliesslich sich mundlich vnd schrifftlich also vernemen lassen, das die FFrsten vnd herrschafften verstehen solten, dz jnen in sachen, vnter den Kirchendienern jtzt schwebend, sich einzulassen mit nicht gebFren thete,126 welches jr freuentlich127 fFrnemen sie alles dahin gerichtet vnd mit h=chstem vleiß getrieben, das sie gerne entweder die FFrsten widereinander verhetzten oder gewaltige [D 3v:] Stedte wider die FFrsten verbitterten, damit ein Krieg vnd Feur in Deudschland angezFndet wFrde, darin alles verderbet vnd verwFstet wFrde, welchem allen doch Gott bißher gnediglich gewehret vnd widerstanden hat. Vnd bitte jn von hertzen, das er jm ferner wehren vnd steuren wolle. Es k=nnen aber vnd sollen des alles, so 119

heuchlerischen. heidnischen. Vgl. II Reg 17,24– 41; Flacius hatte sich 1558 mit einer ungedruckt gebliebenen Schrift „Refutatio Samaritani Interim“ gegen die melanchthonischen Einigungsbemühungen im Frankfurter Rezess gewendet. Vgl Preger, Flacius 2, 74; Dingel, Flacius als Schüler Luthers und Melanchthons, 88. 121 Zum Religionsgespräch von Worms 1557 vgl. Bundschuh, Wormser Religionsgespräch; Slenczka, Das Wormser Schisma 1557. 122 Vgl. zum Frankfurter Rezess von 1558 CR 9, Sp. 489– 507; Dingel, Melanchthons Einigungsbemühungen, 133–143. 123 Zu den Verhandlungtagen von Naumburg und Erfurt im Frühjahr 1561 vgl. Calinich, Der naumburger Fürstentag; Heidenhain, Unionspolitik, 185–286; Langensteiner, Für Land und Luthertum, 347–354; Gehrt, Ernestinische Konfessionspolitik, 178 –184. 124 verdreht, verzerrt. Vgl. Art. depravo, in: Georges I, 2063. 125 jedem, jedermann. 126 Zu dieser Argumentationsstrategie der ernestinischen Theologen auf den erwähnten Verhandlungstagen Ende der fünfziger und zu Beginn der sechziger Jahre vgl. Anm. 118–120, 123. 127 frevelhaftes. 120

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bißher gemeldet ist, nottwendiges vnd bestendiges zeugnis geben nicht allein jre eigene auffrhFrische, vnzelige Schrifften, heimliche vnd offentliche, sondern auch viel warhafftige, glaubwirdige, lebendige zeugen, die mit jrem grossen schmertzen vnd betrFbnis, wolte auch schier sagen, eigenen schaden vnd gefahr, diese newe, tyrannische Bepste haben dulden vnd solchs alles erfahren mFssen. Ob sie es aber je leugnen wolten, wie ich weis, das die leute one scham vnd schew alles auffs leugnen stellen vnd mit nein sagen verantworten pflegen, so wollen sie wider zu denen Kirchen vnd Schulen ziehen, daraus sie mit schanden vnd vnehren, nach dem sie alles daselbst turbirt vnd verunrFiget, vertrieben sind,128 welche zwar beyde, offentlich vnd sonst wo sichs gebFret, bezeuget haben, in wasserley gefehrlicher vnd schedlicher vnruhe sie ein zeitlang gesessen vnd gesteckt sind, nu aber, nach dem sie dieser b=sen, vnrFgigen wFrmer los worden sind, gute hoffnung haben, sie wollen zu Christlicher seliger ruhe vnd frieden widerumb kommen. [D 4r:] Ja, das sie sich nicht zu beklagen haben, ich tichte solchs alles auff sie etwa aus haß, neid oder rachgier vnd thue den sachen zu viel, so wollen sie sich in dem zeugnis vnd schein jres vorhaltens vnd endlichen abschieds, den sie zum abzug bekommen haben, ja eben wol besehen vnd Spiegeln vnd den gegen dieser meiner Schrifft halten, da sie befinden werden, ob ich zu viel oder zu wenig von jnen schreibe. Jch wolte jrer aller vnd meiner selbs, von wegen jres vnd meines ampts, darzu wir beruffen, gerne verschonen. Aber weil sie weder der lieben heiligen Kirchen Christi noch Gottes des Herrn noch jrer selbs vnd meiner nicht verschonet haben noch schonen, dringet mich die not, dauon oben gemeldet, das ich jnen nach gebFer antworten vnd der vnwarheit, wiewol es hart scheinet, widersprechen muss. Denn es ist beydes, Gottes wort vnd gebott: „Antwort dem Narren nicht nach seiner narrheit, das du jm auch nicht gleich werdest. Antwort aber dem Narren nach seiner narrheit, das er sich nicht weise lasse dFncken.“129 Vnd ist der Herr Jhesus Christus als hertzkFndiger mein zeuge, das in diesem meinem alter, da ich nu mehr auff der gruben gehe130 vnd mich teglich zum sterben bereite, mir nichts beschwerlichers fFrfellet, denn das ich zu rettung meiner vnschuld, dieser vnwarheit vnd falschen auflage131 dermassen noch antworten sol. [D 4v:] Es ist auch vnter andern vrsachen diese die fFrnemeste, das ich diese meine antwort vnd defension an E. M. Ehrw. vnd G. gestellet, denn ich bin der tr=stlichen vnd gentzlichen zuuersicht, E. M. Ehrw. vnd G. als liebhaber der warheit vnd warhafftige zeugen, denen meine lere vnd leben nu so viel jar bekandt sind, solle mir viel ein ander zeugnis geben. Bitte auch auffs 128

Wohl eine Anspielung auf die Entlassung des Flacius aus Jena und die Rückkehr von Nikolaus Gallus nach Regensburg 1553. Vgl. Anm. 109; Voit, Nikolaus Gallus, 207–227. 129 Prov 26,4f. 130 Sprichwörtlich: Kurz vor dem Tode stehe. Vgl. Art. Grube, in: Wander 2 (1870), 153. 131 Anschuldigung.

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demFtigst vnd vleißigst, E. M. E. vnd G. wollen mirs jtzt vnd kFnfftig nach meinen todt bey allen nachkomen zu geben vnbeschwerd sein. Wie ich aber oben bezeuget vnd gemeldet, das ich, in betrachtung dieser G=ttlichen gebot vnd anderer weisen leute lere, mich gegen meine widersacher nicht habe einlassen oder mit jnen streitten wollen, sondern habe fFr nottwendiger vnd der Kirchen nFtzlicher geachtet, das ich in diesem meinem alter der lieben Propheten vnd Apostel schrifften, nach erforderung meines beruffs, maß vnd gaben, die mir durch Gottes gnade verliehen, erkleren vnd aussbeitten hFlffe vnd die zeit meines lebens, die ich noch vberig haben m=cht, nicht zum zancken vnd der Kirchen verderben, sondern zu der selben fruchtbarlichen erbawung vnd besserung anwendet, also habe ich etliche jar her eines theils meiner außlegung vber etliche Psalmen vnd Episteln S. Pauli, jtem vber die Epistel, so alle Sontage vnd auff die Feste nach altem gebrauch gelesen werden, in druck verfertiget vnd latinisch vnd deudsch,132 [E 1r:] so gut Got dieselbige gegeben, offentlich außgehen lassen. Welche meine arbeit, wie gering sie auch ist, hoffe ich, solle dennoch allen Christlichen hertzen vnd der lieben Kirchen angenemer, lieber vnd nFtzlicher ,auch im Herrn nicht gar verloren sein, denn anderer schmach lester vnd lFgen schrifften, darob alle Christliche hertzen vnd fromme leute billichen ein ernste abschew haben sollen. Diese jtzige auslegung aber vber die Euangelia, so alle Sontag vnd auff die Feste gelesen werden, hat mir die not abgedrungen. Denn dieweil der Ehrwirdigen vnd Hochgelarten Herrn Lutheri, Philippi, meiner lieben Veter vnd Praeceptoren, desgleichen vieler anderer gelerten leute herrliche vnd reiche Kirchen vnd Hauspostillen verhanden sind,133 das wer vber dieselben numer in vnsern Kirchen vnd Schulen breuchliche außlegungen etwas bessers zu machen vnd ausgehen zu lassen vermeinet, billich134 als ein vnuerschempter, auffgeblasener man mag verlacht werden, habe ich mich nu wol Siebenzehen Jar her nicht wollen bereden lassen, wiewol viel guthertziger vnd frommer leute fFr vnd fFr bey mir angehalten,135 das ich etwas dergleichen, ausgenomen etliche wenige Deudsche Predigten,136 ausgehen 132

Vgl. zu diesen Durcken bis 1562 VD 16 M 1999; 2023; 2025; 2027; 2036; 2037; 2038; 2039; 2040; 2041; 2186; ZV 1989. 133 Gedacht sei an Luthers Kirchenpostille aus dem Jahr 1522 (WA 10/I,1, 1–739; 10/I,2, 1–208; 17/II, 5 –247), an seine Hauspostille von 1544 (WA 52, 1– 843), überdies an Roths Sommerpostille von 1526 (WA 10/I,2, 213 –441) und Festpostille von 1527 (WA 17/II, 252–514) und Winterpostille von 1528 (WA 21, 5 –193) sowie schließlich an Crucigers Sommerpostille aus dem Jahr 1544 (WA 21, 203 –551; 22, 3 –423). 134 richtigerweise. 135 mich gedrängt haben. Vgl. Art. anhalten, in: DWb 1, 366. 136 Vgl. Zwo Predigten von || zweierley gerechtigkeit / des Gese= || tzes vnd des Euangelij / Wel= || che Lere allen Christen not= || wendig zu wis= || sen.|| Durch || D. Georg Maior. || [Wittenberg: Hans Lufft, 1550] (VD 16 M 2215); Ein Predigt in Weihe= || nachten: von der Geburt || vnsers lieben HErrn Jhesu Christi / || darinnen nach gewisser ordnung der zeit vnd Histo= || rien angezeigt / was die Kirche von anfang der || Welt / vor dem fal Adams / gewesen / vnd || was sie jtzt sey ... || durch || D. Georg: Maior.|| [Wittenberg: Hans Lufft, 1551] (VD 16 M 2129); Eine Predigte || vber den herrlichen || vnd tr=stlichen Spruch || Johannis j. || Sihe / das ist

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vnd drucken liesse. Es haben mich aber vnser Buchhendler nach vielfaltigen anhalten glaubwirdig berichtet, das jnen von andern ein exemplar meiner Predigten vber die Sontags Euangelia137 ange-[E 1v:]boten vnd sie offt ersucht worden sind, das sie dasselbe in Druck verordnen wolten. Nu weis ich nicht, wer dieselben meine Predigten mag auffgeraffet138 oder zusamen getragen haben, oder was fFr ordnung, auch materien, lere vnd wort darin gebraucht sind, denn ich habe das exemplar nicht gesehen. Derwegen, das ich nicht durch frembde etwa bey dieser boßhafftigen Welt ferner139 beschwert wFrde, habe ich diese arbeit fFr mich nemen vnd dieselbe kurtze disposition vnd Summa der Predigten, welche ich fFr etlichen viel jaren alhie durch Gottes gnaden gethan, widerumb von newes zuhaufftragen, schreiben, ordnen vnd Publiciren mFssen, damit ich das vorgemelte frembde vnd mir vnbekant exemplar vnd Predigten den leuten aus den henden brechte vnd derselben Druck vnd Publication durch diese verhinderte. Jch bekenne aber willig, frey vnd gar gerne, das ich meiner lieben herrn veter vnd Praeceptoren fußstapffen in diesen Predigten nicht allein mit h=chstem vleis nachgefolget, sondern auch ein guten theil aus jren Predigten vnd schrifften, als aus lieblichen, reinen140 Brunnen vnd quellen genomen, vnd das an so viel orten gethan habe vnd fFrder thun wolle, das ich den Christlichen Leser mit anzeigung der =rter vnd schrifften, daraus ich jedes zusamen getragen, nicht mag noch wil bemFhen, denn ich zweiffel nicht, alle Christliche verstendige vnd sonderlich die gelerte leser werden one diese anzeigung [E 2r:] mercken vnd verstehen, was mein oder gemelter meiner lieben veter vnd Praeceptoren eigen oder aus jren schrifften genomen ist, vnd bekenne dieses abermal mit dieser bezeugung, das ich von denselben allein alles, was mir Gott in diesem meinem beruff vnd leerampt fFrgaben verliehen, als von seinen heiligen, ausserwelten rFstzeugen entpfangen vnd gelernet habe. Weis mich auch zimlicher massen vnd in Gottes furcht wol zu erinnern, wie gar schwache, wenige vnd gegen offtgedachten141 meinen lieben Vetern vnd Praeceptoren zu rechnen geringe gaben mir von Gott gegeben vnd vertrawet sind, derwegen ich mich vber niemands erhebe oder auch das geringste von mir selber halte. K=ndte auch vnd solte zwar wol diese vnd andere meine auslegungen bey mir bleiben lassen,142 damit man notwendige vnd nFtzlicher BFcher vnd schrifften zu lesen vrsach hette vnd den druckern vnd Druckerhern so viel

Gottes || Lamb / welches der Welt || SFnde tregt. || Mitwoch nach Thome zu || Eisleben 1551.|| Durch || D. Georg Maior. || [Wittenberg: Peter Seitz d. Ä. Erben, 1552] (VD 16 M 2130). 137 Major selbst gab zwischen 1556 und 1562 fünf Bände mit Sonntagspredigten heraus. Vgl. VD 16 M 2036, 2037, 2038, 2039, 2041. 138 gesammelt. Vgl. Art. aufraffen 1), in: Fnhd.Wb 2, 589 139 weiterhin. 140 klaren, frischen. 141 mehrfach erwähnten. 142 nicht publizieren.

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gutes papirs nicht verderbt vnd vmbracht143 wFrde, wie ein zeitlang her durch die newen Scribenten, sonderlich die Flacianer, viel papirs verderbet vnd vmbracht ist worden, auch noch leider verderbet wird, das man in andere wege wol nFtzlich brauchen k=ndte. Aber wie oben gesagt, es haben mir viel guthertzige, frome leute gegenwertige Predigten vnd Sermon entlich abgen=tiget, die mich mit teglichen schrifften, brieffen, bitten vnd auch bisweilen scheltworten vnd verdrieslichen anhalten144 hierhzu ent-h[E 2v:]lich bewogen, welchen ich doch auch nicht hette wilfaren wollen, wo das vorgemelte frembde Exemplar mich nicht hierzu entlich gedrungen vnd gezwungen hette. Es seien aber meine schrifften vnd BFcher wie gering vnd vnansehenlich sie wollen, so weis ich dennoch, das es dieser Kirchen vnd Vniuersitet, als meiner geliebten Mutter (Die mich nu bis in das viertzigst jar in jrem schos getragen vnd mit der allerlieblichsten milch vnd sussen zucker vnd honig Gottes worts vnd mancherley guten kFnsten geseuget vnd ernehret hat), eigentliche lere vnd bekendtnis ist. Ja, ich bin gewiss, das diese gantze Stad vnd Christliche Gemein, darin ich vnd die meinen so viel jar gehauset145 vnd geherberget haben, von keiner ander lere kan noch wird zeugnis geben, darumb, was ich kan vnd geleret habe, das habe ich alles dieser Kirchen, Vniuersitet vnd Stadt negst Gott zu dancken. Derhalben ich meine danckbarkeit dieser Christlichen Kirchen, Schul vnd Gemeine als meiner geliebten Mutter (die etliche vndanckbare, vngerathene, mutterm=rdische, jtziger zeit Kinder vnd Guckuck146 gerne gantz auffressen vnd vertilgen wolten, auch dahin alle jr anschlege, gedancken vnd fFrhaben richten, das sie gemelte grausamkeit an dieser Kirchen vnd Vniuersitet ersettigen147 vnd ins werck bringen m=chten) mit gegenwertiger, wiewol geringen vnd vnansehenlichen148 arbeit, die auch villeicht meines lebens die letzte sein m=chte, erzeigen vnd erkleren wol-[E 3r:]len. Vnd dis allermeist darumb, das ich in dieser tr=stlichen vnd vnzweifentlichen zuuersicht bin, es solle E. M. Ehrw. vnd G. warhafftiges, bestendiges zeugnis von meiner lere vnd leben wider vieler rasenden hunde wFten vnd geschrey vnd wider aller meiner widerwertigen149 verleumbder vnd affterreder150 vnwarheit, lesterung vnd schmachschrifften, sonderlich aber wider den vergifften, lFgenhafftigen Geist Flacij Jllyrici vnd alles seines Schwarms vnd anhangs bey allen Lanh–h

Nur in der Custode.

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vergeudet. Vgl. Art. umbringen B.2.b), in: DWb 23, 833. Drängen. Vgl. Art. Anhalten, in: DWb 1, 366. 145 gewohnt, gelebt. Vgl. Art. hausen 2 und 3), in: DWb 10, 657f. 146 Anspielung auf Flacius. Vgl. Synodus avium, in: CR 20, Sp. 767–776 (Nr. 4); Idyllion de Philomela, aaO 776f (Nr. 5); Matthias Flacius an Erasmus Sarcerius. 20. August 1557, in: CR 9, Nr. 6315, Sp. 234–236, bes. 235f. 147 befriedigen. Vgl. Art. ersättigen, in: DWb 3, 949. 148 unbedeutenden. Vgl. Art. unansehnlich 4), in: DWb 24, 160. 149 gegnerischen, feindseligen. Vgl. Art. widerwärtigen 1.b), in: DWb 29, 1374. 150 Lügner, Verleumder. Vgl. Art. afterreder, in: DWb 1, 188f. 144

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den vnd Leuten, dahin diese schrifften jtzt vnd nachmals komen werden, ein gute, starcke, gewisse, warhafftige, bestendige artzney, schutz vnd schirm sein. Denn ich ja in diesen meinen schrifften nichts anders lere, denn das ich je vnd allwege fFr meniglich151 in allen meinen lectionen, Predigten vnd radschlegen geredt, geleret vnd bekandt habe. Vnd wie ich allezeit E. M. Ehrw. vnd G. mich vnd alle meine schrifften vnterworffen vnd gebeten habe, das sie darin richter sein wollen, also vnterwerffe ich mich nochmals vnd weis, das dieses Kirche vnd Schul fFr dem gerechten vnd ernsten richtstuel vnsers herrn Jhesu Christi in jenem leben152 ein warhafftiges vnd bestendigs zeugnis wider aller meiner abgFnstigen vnd verfolger lesterung, lFgen vnd verdammung geben kan vnd geben wird, auch wenn ich todt vnd nimmer da bin. Darumb ich denn abermal zum demFtigsten vnd vleißigsten153 fFr vnd durch Gott [E 3v:] den Vater vnsers Herrn Jhesu Christi bitte, welchen einigen vnd allein lebendigen, waren Gott ich auch mit hertzlichen seufftzen anruffe, das er mir, nu mehr alten vnd verlebten schwachen man, ein fr=lichen abscheid aus diesem leben in sein ewige, herrliche freude vnd seligkeit verleihen. Vnd das er diese Kirche vnd Schule durch seinen heiligen Geist regieren vnd mit dem schatten seiner hende decken, schFtzen vnd erhalten wolle,154 damit Christliche, reine lere vnd viel guter nFtzlichen kFnste, die der Christlichen lere notwendige dienerin sind vnd sein mFssen, alhie nicht verleschen oder vntergehen lassen, sondern, das er, der diese grosse gabe gnediglich hie gegeben vnd bissher erhalten hat, sie ferner fFr vnd fFr biß zu der fr=lichen widerkunfft seines lieben sons, vnsers Herrn Jhesu Christi, erhalten, bewaren vnd vns alle, die wir seine lere zu pflantzen vnd auszubreiten beruffen sind, stercken, segnen vnd ewiglich selig vnd zu gefessen seiner Barmhertzigkeit155 machen wolle. Welchem einigenwaren Gott ich ewiglich ehr, lob vnd danck sage. Amen. Datum Witteberg am Palmen Sontage, Anno nach Christi geburt 1562.156 iEhre sey GOTT in der h=he vnd friede auff Erden vnd den Menschen ein wolgefallen. AMEN. A Folio 2. Col. 4. linea. 28 liese: des Bapsts Greweln zu widersprechen etc.i

i–i

B: Fehlt.

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vor jedem, jedermann. im Jenseits, im ewigen Leben. gründlichste, stärkste. Vgl. Art. fleiszig, in: DWb 3, 1767. Vgl. Jes 51,16. Vgl. Röm 9,23. 22. März 1562. Vgl. Grotefend, 158.

152 153 154 155 156

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Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: Yv 2191.8° Helmst.(6)

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Verantwortung / Der Prefa= tion / so fur die LFne= burgischen Artickel ge= stelt ist. Wider D. Maiors Vorrede. D. Joach. Mörlin.

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2. Timoth. 3. Sie werdens nicht ausfFhren / denn jre torheit wird offenbar werden jedermanne. Anno 1562

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Nr. 15: Verantwortung der Präfation (1562) - Einleitung

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Einleitung 1. Historische Einleitung

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Im Juli 1561 fand in Lüneburg ein Städtekonvent des niedersächsischen Reichskreises1 statt. Die dort versammelten Hansestädte Lübeck, Bremen, Rostock, Magdeburg, Braunschweig, Hamburg und Lüneburg formulierten hier ihre Position gegen den Frankfurter Rezess von 15582 und die Beschlüsse des Naumburger Fürstentages vom Januar 1561.3 Joachim Mörlin erhielt den Auftrag, in einer Schrift diese gemeinsame Position darzulegen. In der „Erklärung aus Gottes Wort“4 stellten die Städtevertreter somit unter Federführung Mörlins die CA, AC sowie verschiedene Schriften Luthers zu einem Corpus Doctrinae zusammen, benannten zahlreiche Lehrirrtümer und verdammten sie. Darunter war die Lehre von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit, die sie ebenso wie ihren Urheber Georg Major verurteilten: „(...) vnd k=nnen also demnach MAIORIS propositionem vnd Lere, als eine grewliche verfelschung wieder Gottes Wort vnd die Augspurgische Confession, auch keines wegs billichen, dulden noch leiden.“5 Durch diesen heftigen Angriff und seine namentliche Benennung sah sich Georg Major genötigt, sich selbst, seine Lehre und Rechtgläubigkeit zu verteidigen. Zu diesem Zweck nutzte er 1562 das Erscheinen einer Sammlung seiner lateinischen Festtagspredigten.6 Im Vorwort dieser Publikation erläuterte er seine Position und attackierte seinerseits besonders Matthias Flacius, indem er ihn der üblen Nachrede und falscher Beschuldigungen bezichtigte, und die Unterzeichner der „Erklärung aus Gottes Wort“, die er als Eidbrüchige gegenüber der Universität Wittenberg darstellte. Wohl um einen breiteren Leserkreis zu erreichen, erschien diese Vorrede in deutscher Übersetzung als Separatdruck,7 dem zusätzlich das „Bekenntnis“ Majors aus dem Jahr 1558 beigebunden war.8 Gegen diese Veröffentlichung Majors publizierte Mörlin dann die hier edierte „Verantwortung seiner Präfation“. 1

Zur Einteilung des Reichs in verschiedene Reichskreise vgl. Dotzauer, Reichskreise. Vgl. CR 9, Nr. 6483, Sp. 489– 507. 3 Vgl. die Einleitung zu Nr. 14 in unserer Ausgabe, S. 491f. 4 Erklerung aus Got= || tes Wort / vnd kurtzer bericht / der Her= || ren Theologen / Welchen sie der Erbarn Sech= || sischen Stedten Gesandten / auff den Tag || zu LFneburg / im Julio dieses 61. || Jars gehalten / fFrnemlich auff || drey Artickel gethan || haben. || Was das Corpus doctrinae belanget / darbey man || gedenckt zu bleiben. || Von der Condemnation, streittiger lehr puncten || vnd Secten. || Von der Bepstlichen Iurisdiction, Vnd das er die || vsern zu seinem vermeinten Concilio, sich vnterstehet zu= || beruffen. || ... || [Magdeburg: Wolfgang Kirchner, 1561] (VD 16 M 5876). 5 Erklärung aus Gottes Wort (1561), C 2v. 6 PRIMA || PARS HOMELIA= || RVM IN EVANGELIA || DOMINICALIA ET DIES FESTOS || ... AVTORE || D. GEORGIO MAIORE. || (EPISTOLA PHI= || LIPPI MELANTHONIS || AD QVENDAM AMICVM, || DE RATIONE CON= || CIONANDI. ||) [Wittenberg: Johannes Lufft, 1562] (VD 16 M 2045). 7 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 14, S. 499 –519. 8 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 12, S. 452–467. 2

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Nr. 15: Verantwortung der Präfation (1562) - Einleitung

2. Der Autor Joachim Mörlin9 wurde Anfang April 1514 als Sohn des Magisters Jodocus Mörlin in Wittenberg geboren. Seine Jugend verbrachte Mörlin jedoch in Coburg, Marburg und Konstanz. Ab dem Jahr 1532 studierte er an der Universität Wittenberg auf und erlangte 1536 den Grad eines Magister Artium. 1539 wurde er Diaconus an der Wittenberger Stadtkirche. Ein Jahr später erfolgte seine Promotion zum Doktor der Theologie. Noch im selben Jahr wechselte er auf Vermittlung Luthers nach Arnstadt, wo er die Superintendentur übernahm. 1544 wurde als Superintendent nach Göttingen berufen. Wegen seiner Gegnerschaft zum Augsburger Interim musste er Göttingen aber 1550 verlassen. Noch im selben Jahr wurde von Herzog Albrecht von Preußen nach Königsberg berufen. Dort wirkte er als Pfarrer sowie als Professor an der dortigen Universität. Zunächst versuchte er in dem ausbrechenden Streit um die Rechtfertigungslehre von Andreas Osiander eine vermittelnde Position einzunehmen. Seit dem Frühjahr 1551 griff er jedoch Osiander und später auch Herzog Albrecht, der Osiander schützte, an. Darum verließ Mörlin 1553 Preußen wieder, um als Superintendent nach Braunschweig zu gehen. 1557 versuchte er vergeblich zwischen Flacius und Melanchthon in Coswig zu vermitteln. Mörlin zählte zu den im Norden des Reiches hoch angesehenen Theologen. Als Superintendent von Braunschweig nahm er darum an den Verhandlungen von Lüneburg 1561 teil. Hier verfasste er im Auftrag der Städte die „Erklärung aus Gottes Wort“. Nachdem Major sich gegen die in dieser Schrift vorgenommene Verurteilung seiner Lehre und gegen seine namentliche Benennung in seiner „Vorrede“10 zur Wehr gesetzt hatte, antwortete Mörlin mit der hier edierten Schrift. Gemeinsam mit Martin Chemnitz, seinem Diakon in Braunschweig, stellte er 1563 Schriften für ein Corpus Doctrinae für Braunschweig zusammen. Im Jahr 1567 wurde er erneut nach Preußen berufen, um dort den Streit zwischen den immer noch vorhandenen Anhängern Osianders und ihren Gegnern zu schlichten. Ab 1568 wirkte er als Bischof von Samland bis zu seinem Tod im Mai 1571.

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3. Inhalt 35

Die hier edierte schrift lässt sich in vier Teile gliedern. Ein erster kurzer Abschnitt kann als Einleitung begriffen werden. In einem zweiten Teil versucht Mörlin die „Lesterungen“ Majors zu widerlegen. Im dritten Teil beschäftigt 9

Zum folgenden vgl. J. Wagenmann, Friedrich Lezius, Art. Mörlin, Joachim, in: RE3 13 (1903), 237–247; Martin Stupperich, Art. Mörlin, Joachim, in: TRE 23 (1994), 193–196; Inge Mager, Art. Mörlin, Joachim, in: NDB 17 (1994), 679f; Heinz Scheible, Art. Mörlin, Joachim, in: RGG4 5 (2002), 1507f. 10 Vgl. Anm. 7.

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er sich mit Majors These von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit, um schließlich in einem vierten Teil Majors Argumentationsstrategie anzugreifen. Mörlins Schrift beginnt mit einer kurzen Darlegung über das Zustandekommen der „Erklärung aus Gottes Wort“ auf dem Lüneburger Kreistag 1561. Von Politikern und Theologen sei es für notwendig erachtet worden, angesichts der Entscheidung des Naumburger Fürstentags, ein Bekenntnis abzulegen und ihm sei die Aufgabe übertragen worden, dafür ein Vorwort zu verfassen. In diesem Vorwort habe er sich scharf von den „Papisten“ und dem Papsttum abgegrenzt, da sie als der Ausgangspunkt aller Irrlehren zu identifizieren seien. Seine Stellungnahme zu Major in der „Erklärung“ beziehe sich darum nur auf jene Lehre, in der Major wie die „Papisten“ behaupte, dass gute Werke zur Seligkeit notwendig seien. Den zweiten Teil seiner Schrift beginnt Mörlin mit der Aussage, dass Major die Vorwürfe in seiner „Vorrede“ nur deshalb vorgebracht habe, um seine Irrlehre vergessen zu machen und zu beschönigen. Damit zeige sich, dass er notorisch in seiner Irrlehre verharre. Außerdem verunglimpfe er die Kirchen der niedersächsischen Städte, die Verteidiger der wahren Lehre, als „flaccianische Rotte“. Sie der „flacianischen Rotterei“ zu bezichtigen, nur weil sie Lehren akzeptierten, die Flacius übereinstimmend mit Gottes Wort vertrete, sei verleumderisch. Mörlin bittet darum die Leser, Majors Beschuldigung als Lüge zu werten, solange er sie nicht beweisen könne. Major hingegen sei der Irrlehre und des Abweichens von Luthers Lehre bereits mehrfach überführt worden. Wenn er jetzt ankündige, schweigen zu wollen, damit nicht weiterer Streit entstünde, so beseitige er das Problem nicht, sondern verschlimmere es. Denn wenn seine Lehre die wahre Lehre sei, dann dürfe er sie aus Verantwortung vor Gott nicht verschweigen. Wenn es aber eine Irrlehre sei und er verdamme sie nicht, so müsse er überdenken, wie er dies vor Gott rechtfertigen wolle. Mörlin widerlegt dann den Vorwurf Majors, den Wittenberger Universitätseid gebrochen zu haben. Der Universität Wittenberg sei er in Dankbarkeit verbunden, und er verweist auf seine enge Beziehung zu Wittenberg als seiner Geburtsstadt. Er habe aber auch geschworen, bei der forma doctrinae zu verharren, wie sie aus Gottes Wort in der CA und in Luthers Schriften verfasst sei. Darum protestiere und widerlege er Irrlehren einzelner Personen. Mörlin wendet die Argumentation Majors dann gegen diesen selbst, wenn er die Irrlehrer eben aufgrund ihrer falschen Lehren des Eidbruchs und der Verletzung ihrer Pflichten bezichtigt. Im Hinblick auf Major verstärkt Mörlin seine Beweisführung, wenn er sich ausdrücklich auf eine Aussage Melanchthons aus dem Jahr 1557 bezieht, in der dieser den Widerstand gegen Majors These von den guten Werken ausdrücklich gelobt habe. Den dritten Teil beginnt Mörlin mit der Klarstellung, dass niemand die These, dass gute Werke und einer neuer Gehorsam als Früchte der Rechtferti-

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gung nötig seien, je angefochten habe, auch wenn Major dies immer wieder behaupte. Auch den Satz „Gute Werke sind schädlich zur Seligkeit“ habe man niemals allgemein als richtig anerkannt, sondern stets nur in dem Sinn, dass gute Werke schädlich seien, wenn man darauf vertraue, durch sie Gnade und die Seligkeit verdienen zu können. Aber Major vertrete nicht allein die Notwendigkeit der guten Werke als Früchte der Rechtfertigung, sondern deren Notwendigkeit zur Seligkeit. Nach Majors These könne darum kein Mensch allein durch den Glauben gerechtfertigt werden, sondern müsse zusätzlich gute Werke tun. Daher könne der Leser ersehen, dass es Major mit seiner These nicht allein um die Aufrechterhaltung von Moral gegen einen antinomistischen Libertinismus gehe, wie dieser immer wieder behaupte. Mörlin rechtfertigt sich erneut, dass er nicht die gesamte Position Majors als „papistisch“ bezeichnet habe, wie dieser fälschlicherweise behaupte, sondern nur dessen Lehre von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit. Zum Erweis der Richtigkeit seiner Einschätzung von Majors These, verweist Mörlin auf Majors „Bekenntnis“ und auf dessen „Vorrede“. In beiden Werken beziehe Major seine These auf diejenigen, die bereits durch den Glauben gerechtfertigt seien. Somit würde die Bedeutung des Glaubens für die Rechtfertigung fälschlich relativiert und die der guten Werke betont. Im abschließenden vierten Teil verstärkt Mörlin seine Beweisführung gegen die Argumentation Majors, dass der Mensch zwar durch den Glauben allein gerecht werde, doch gute Werke tun müsse, um die Seligkeit zu behalten und endlich zu erlangen. Mörlin stellt demgegenüber erneut die Frage, ob die Rechtfertigung nun allein aus dem Glauben komme oder auch die Werke nötig seien zur Seligkeit. Für seine Ansicht führt Mörlin Luthers Genesisauslegung an. Dem möglichen Einwand Majors, Luther habe gegen die „Papisten“ geschrieben, begegnet Mörlin mit der Feststellung, dass Luther sich nicht gegen eine bestimmte Personengruppe gerichtet habe, sondern gegen die Lehre von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit allgemein. Mörlin fordert Major dann auf, nicht länger gegen Luthers Lehre Irrtümer in die Kirche einzuführen. Mörlin bekennt, lieber sterben zu wollen, als von der Lehre Luthers abweichen zu wollen.

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4. Ausgabe A: Verantwortung / || Der Prefa= || tion / so fur die LFne= || burgischen Artickel ge= || stelt ist. || Wider D. Maiors Vorrede. || D. Joach. Mörlin. || 2. Timoth. 3. || Sie werdens nicht ausfFhren / || denn jre torheit wird offenbar werden || jedermanne. || Anno || 1562 || [Im Kolophon: Gedruckt zu Eisleben / || durch Vrban Gau= || bisch / wonhafftig auffm Gra= || ben. ||] 19 Bl. 8° (VD 16 M 5887) Vorhanden in:

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BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 2 an: Bo 7315 R JENA, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 8 Theol.XLIII,15(6) WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 1164.32 Theol.(8), 488.5 Theol.(4), Alv X 89(1), Yv 2191.8 Helmst.(6) [benutztes Exemplar]

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[A 2r:] Verantwortung der Prefation, so fur die LFnebFrgischen Artickel1 gestelt ist.

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Als die erbarn Sechsischen Stedte vergangen des 61. jars zu LFneburg, sampt etlichen jren Theologis zusammen kommen2 vnd nach gehabtem, reiffem3 rath in aller Gottes furcht sich vereiniget, worbey wir gedechten, in diesen Kirchen, vnter so vielen schwebenden Jrthumen zu bleiben, niemands zu liebe noch zu leide, sondern allein darFmb, auff das wir fur vnser Interesse, das herrliche depositum, grossen Himlischen vnd ewigen schatz reiner Lehr, wie wir den von Gott durch den heiligen, tewren Man, Doctorem Martinum seliger, aus sondern4 gnaden entpfangen haben, in diesen vnsern Kirchen m=chten behalten, ist beide, von [A 2v:] den Politicis vnd Theologis, eintrechtig vnd fur rathsam angesehen, das man solch vnser bedencken vnd Christliche vereinigung nicht vnterdrucken,5 sondern als ein offentlich Bekentnis der lehr vnd glaubens vnserer kirchen frey, one schew m=chte publiciren, vnd des zu behuff mir aufferleget worden, eine kurtze Vorrede darfFr zu stellen, welches ich auch gethan vnd mich hiemit frey offentlich zu derselbigen Prefation bekenne. Vnd weil ich wol erachten kondte, wohin die leidigen6 Papisten solch vnser gantz Christlich vnd gar n=tiges werck verstehen wolten, hab ich denselbigen wollen anzeigen, das diss vnser furhaben jhnen zu gar keinem vorteil oder ehren, sondern zu viel mehr abbruch vnd verkleinerung jhres Reichs dienen wolte, weil man wol sihet, das das Bapstthumb nach dem Apocalypsi7 eine rechte grundsuppe8 vnd mutter ist aller jrrigen, falschen leren vnd Secten. Jch hab mich aber darneben auch [A 3r:] gar genaw des verwaren wollen, das mir nicht jemand meine wort felschlich zu weit deuten vnd verkeren m=chte vnd daraus new gezenck vnd hadder anrichten, sonderlich aus eben denen Rotten, deren Lehr wir anfechten vnd 1

Erklerung aus || Gottes Wort / vnd kurtzer be || richt / der Herrn Theologen / Welch= || en sie der Erbarn Sechsischen Stedten || Gesandten / auff den Tag zu LFne= || burgk / im Julio dieses 61. Jars || gehaltẽ / fFrnemlich auff drey || Artikel gethan haben. || ... || Gedruckt zu Jhena durch / Do= || natum Richtzenhayn. || M.D.LXI. || (VD 16 M 5874); in den Jahren 1561 und 1562 erschienen noch drei weitere Auflagen (VD 16 M 5875 –5877). 2 Auf dem Naumburger Fürstentag im Januar 1561 hatte man sich darauf geeinigt, dass die CA in der dritten lateinischen Fassung aus dem Jahr 1531 als gemeinsame Glaubensgrundlage gelten solle, allerdings darüber hinaus in einer Vorrede die veränderte Fassung von 1540 als deren Interpretation bezeichnet, um damit allen evangelischen Reichsständen, besonders aber Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz, die Unterschrift zu ermöglichen, da dieser eher dem Calvinismus zuneigte. Dagegen erhoben unter anderem die Theologen des niedersächsischen Kreises im Juli 1561 in Lüneburg Protest. Die Fürsten, Grafen und Städte, die sich kurze Zeit später zu einem Kreistag trafen, schlossen sich dem Protest ihrer Theologen an. Vgl. Preger, Flacius II, 94 –103; Gehrt, Ernestinische Konfessionspolitik, 178 –184. 3 reiflichem, wohlüberlegtem. Vgl. Art. reif 4), in: DWb 14, 627. 4 besonderer. 5 verheimlichen. Vgl. Art. unterdrücken 2.c), in: DWb 24, 1530. 6 widerwärtigen, elenden. Vgl. Art. leidig 3), in: DWb 12, 676. 7 Vgl. Apk 17,5. 8 Bodensatz alles Üblen. Vgl. Art. Grundsuppe 3), in: DWb 9, 913– 915.

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anzufechten schFldig sind, die doch one das gern ein frembdes geschrey machen. Ob man darunter jres falls vnd bis daher vnbillichen9 furnemens vergessen m=chte, dardurch eben sie trennung vnd spaltung angerichtet haben, vnd darFmb namhafftig angezeiget, das benantes Bapsthumb mit gemelten Corruptelis10 vnd Secten nicht durchaus in specie, sondern allein in der heubtsachen vnd also vberein stimme,11 das gleichwol sie vnter einander etliche vngleicheit haben vnd ein jedere Secte jre „besondere grillen.“12 Das sind meine wort, wie der fromme Christliche Leser in benanter Prefation fur augen sihet.13 Jn solcher vergleichung hab ich der schedlichen, jrrigen, verdampten lehr Doctoris Maioris auch so fern vnd [A 3v:] weiter nicht gedacht, denn das D. Maior eben wie die Papisten leret, das gute werck zur seligkeit von n=ten sind, also das durch den glauben, one gute werck, selig zu werden, gantz vnm=glich sey.14 Dieses stFcks hat sich nu D[oktor] Maior angenomen vnd in seiner Vorrede in die auslegung der Sontags vnd Festen Euangelien dasselbige mit grosser bittrigkeit15 dermassen tractirt, das er nicht weis, was vnd woher er nemen soll, damit beide, vnsere Personen vnd kirchen, voll auff m=chten bey meniglichen16 vnd sonderlichen furnempsten leuten etc. beschweret17 werden, heist vns Flaccianische Theologen,18 die wir vnserer eide vnd ehren, damit wira der l=blichen19 Vniuersitet als Doctores vnd Magistri verwand20 sind, vergessen haben,21 mit vielen andern beschwerlichen,22 vnwarhafftigen worten, deren ich dissmal schweigen wil. Wider D. Maiors Lesterungen. Wenn nu D. Maior der meinung [A 4r:] dis thut, das er gedenckt, sein vorig sFnde vnd jrthumb damit zu vberschreien23 vnd zu dempffen,24 so thut er warlich nicht wol, denn dis nicht der weg ist, wie er, als ein Theologus wol

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Konjiziert aus: wie.

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unrechtmäßigen. Verfälschungen. Vgl. Art. corruptela, in: Georges I, 1718. 11 „(…) was diese Secten vnd andere Ketzereien ein jede in sonderheit ist, das sind die Papisten auff einem hauffen alles zu mal in der Haubtsachen.“ Erklärung aus Gottes Wort (1561), A 3r. 12 Faxen, Possen. Vgl. Art. Grille II.B.2), in: DWb 9, 319f. 13 „Das aber dabey gleichwol ein jder seine eigene sondere grillen auch hat, was ficht vns das an?“ Vgl. Erklärung aus Gottes Wort (1561), A 4v. 14 Vgl. Ebd., A 3r. 15 Erbitterung. Vgl. Art. Bittrigkeit, in: DWb 2, 57. 16 allen. 17 belastet, beleidigt. Vgl. Art. beschweren 1), in: DWb 1, 1603. 18 Vgl. Major, Vorrede (1562), C 2r, in: unsere Ausgabe Nr. 14, S. 508. 19 Formelhafte Verwendung: lobenswert, verehrungswürdig. Vgl. Art. löblich 2), in: DWb 12, 1088. 20 zugehörig. Vgl. Art. verwandt 2), in: DWb 25, 2122f. 21 Vgl. Major, Vorrede (1562), C 3r, in: unsere Ausgabe Nr. 14, S.509. 22 lästigen, ärgerlichen. Vgl. Art. beschwerlich, in: DWb 1, 1604f. 23 übertünchen. 24 abzuschwächen. Vgl. Art. dämpfen 2), in: DWb 2, 717. 10

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weis, eingefFrte jrthumb vnd spaltung der kirchen, so er vnd andere seines gleichen damit verursacht vnd gemacht haben, zu besch=nen oder vernFnfftigen,25 viel weniger aber GottfFrchtigen, fromen hertzen, denen Religions sachen vnd reine lehr ein gr=sser ernst ist, dermassen auszureden, am aller wenigsten wider die greulichen wunden der armen, betrFbten Kirchen, die er, wider sein gewissen, one not, derselbigen gemacht hat vnd darfFr muss an jenem tage26 antwort geben, widerFmb heilen. Denn das er vber sein angestecktes fewr vnd flammen den eingefFhrten Jrthumb selbst nicht verdammen, vns auch, denselbigen zu uerdammen, mund vnd federn27 wil einsperren,28 vnd darFber zu solchen seinem furhaben auch darzu noch schenden vnd lestern, achten wir so grob vnd vnuernFnfftig zu sein, das alle [A 4v:] einfeltige,29 frome hertzen leichtlich vernemen k=ndten, wie gar dasselbige keines weges zu dulden noch zu uerschweigen sein wolle. Vnd ob wir gleich darinne vnsers Namens, des wir doch, wo der armen Kirchen damit gedienet were, willig vnd gern vergessen wolten, so sollen vnd wollen wir aber dennoch der armen Kirchen dieser l=blichen Stedte nicht vergessen, die bis daher aus sonderlicher G=ttlicher gnade bey der reinen lehr Lutheri seligers, wie die aus den Prophetischen vnd Apostolischen schrifften mit gutem grund ausgefFhret, geblieben sind, on alles weichen vnd wancken. Wissen auch, das dergleichen vns vnd vnseren vorfaren mit warheit anders nicht kan aufferlegt werden. Das wir vns aber anderer als D. Maiors vnd seines gleichen newe leren vnd Jrthumen nicht haben gefallen lassen, sondern bis daher aus vnsern Kirchen verdammet vnd hinf=rder30 verwerffen wollen, haben wir verm=g31 der Priuilegien gethan, die [A 5r:] vns vnd vnsern Kirchen dieser l=blichen Stedte, so wol als aller Welt, der aller h=chste Son Gottes one D. Maiors rath vom Himmel gegeben hat, das wir bey den fundamento vnd der forma doctrine m=gen vnd sollen bleiben, wie es vns Lutherus seliger nach seinem seligen abschied32 gelassen hat, vnd alle andere newe oder widerwertige Lehr, so von D. Maior vnd andern erdacht sind, m=gen fliehen vnd dieselbige aus den Kirchen, so vns vnd mit nichten D. Maiorn zu regieren mit Gottes Wort befohlen, verdammen. Ob er vns nu darFber anmeulet33 vnd eine Flaccianische Rotte schilt,34 mFssen wir, wie andere des leidigen Teufels lesterungen, deren, wiewol etliche Jar her, gewohnet leiden. Bekennen aber hiemit fur Gott vnd aller Welt

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erklären, als vernünftig zu beweisen. Vgl. Art. vernünftigen, in: DWb 25, 944. Dem Tag des Jüngsten Gerichts. Schreibutensilien. verbieten. redlichen. Vgl. Art. einfältig 2), in: DWb 173f. fernerhin. Vgl. Art. hinfürder, in: DWb 10, 1434. aufgrund. seinem Tod 1546. angreift. Vgl. Art. anmäulen, in: Fnhd.Wb. 1, 1329. Vgl. Major, Vorrede (1562), B 2v, in: unsere Ausgabe, Nr. 14, S. 504.

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offentlich, das weder Flaccius mit vns noch wir mit jm einerley verstand, heimlich oder offentlich, gemachet, sondern er fur seines, wir fur vnsere gewissen bis daher gethan, wie [A 5v:] es ein jeder zu seiner zeit wird verantworten mFssen vnd auff erden h=hers nicht wFndschen, denn das an gebFrlichen =rten vnd stetten es m=chte zu verantworten kommen. Zu dem, das wir vom Jllyrico nichts genommen, sondern er35 dan vns sein Namen jemals kund gewesen, haben bereit an36 one seinen rath vnd bedencken wir das jenige in vnsern Kirchen gethan, das wir aus gutem grunde zu uerantworten wissen, darFmb vns D. Maior mit vnwarheit Flaccianische Theologen nennet vnd vns solcher aufflage37 die zeit seins lebens nicht vberfFren wird. Denn das wir vns, was Jllyricus mit grund Gottes wort geleret, so wol als wir vnd andere haben gefallen lassen, kan vns zu keiner Flaccianischen Rotterey mit warheit gedeutet werden, thut es aber D. Maior vnd seins gleichen, so thut ers zu dem erdichten, bawfelligen,38 losen39 vorteil, damit er one bestendigen grund vnd redliche, rechtmessige antwort vns bey vnbedachten40 leu-[A 6r:]ten, die der warheit ferner nicht nachfragen, allein mit hessigem41 Namen vertrucken42 vnd seine schebichte, verdampte schwermerey damit decken m=ge, seinen stanck vnd vnflat, mit welchem er die arme, betrFbte kirche verwirret vnd vnruhig gemacht hat, nicht zu reichen. Bit derhalben hiemit alle frome, gotselige hertzen, sie wollen solch furgeben D. Maiors, als solten wir Flaccianische Theologen sein, fur erdichte, bekandte vnwarheit wider D. Maiorn halten, bis er mit gutem grund vns einiges Jrthumbs oder newer Lehr, die wir mit Jllyrico oder er mit vns wider oder vber die angenommene formam doctrinae, so wir vom Luthero aus gutem grund Gottes Worts entpfangen haben, vberweisen wird, wie Doctor Maior vielfeltig vberwiesen ist, das er wider dieselbigen Lehr, zu grewlicher zerrFttung der kirchen, one einige erhebliche43 vrsache mutwillig44 newe Lehr eingefFhret vnd trotzig verteidiget hat, welches sich mit schreien, rhFmen vnd vielen [A 6v:] ruffen nicht wird tilgen lassen, viel weniger damit stillen, das er jtzund der selbigen schweigen wil. Denn ist sie Gottes wort vnd er verschweiget sie von wegen (wie er spricht) mehr gezencks,45 so verschweiget er freilich Gottes Wort, welches vmb aller Welt vnd Pforten der Hellen willen niemands verschweigen kan, er wolle dan ewig verdammet sein. Jst

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ehe. bereits. Vgl. Art. bereit, in: DWb 1, 1499f. Anschuldigung. Vgl. Art. Auflage 3), in: DWb 1, 680. unbeständigen. Vgl. Luther-StA 6, 27. unbegründeten. Vgl. Götze, 153. unbesonnenen, unwissenden. Vgl. Art. unbedacht A.II.1), in: DWb 24, 253. Widerwillen erregendem. Vgl. Art. hässig 2), in: DWb 10, 550f. unterdrücken, beseitigen. Vgl. Art. verdrücken 4), in: DWb 25, 254. große, schwere. Vgl. Art. erheblich 3), in: DWb 3, 846. böswillig, voll Übermut. Vgl. Art. mutwillig 3), in: DWb 12, 2835. Vgl. Major, Vorrede (1562), C 4v, in: unsere Ausgabe Nr. 14, S. 511.

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sie aber vnrecht vnd wider Gottes Wort, als er vberfFrt vnd vberwisen ist, vnd er erkennet noch verdammet nicht allein seinen jrthumb nicht, sondern lestert vns noch darFber, das wir fur vnser ampt nach Gottes befehl dieselbigen falsche lere straffen vnd verdammen, so gehe D. Maior in sein hertz vnd gedencke, wie er das fur Gott vnd ehrliebenden, fromen hertzen wolle verantworten. Vnsern Eide vnd ehre belangend, bekennen wir fur Gott vnd aller Welt von hertzen, das vns von der l=blichen Vniuersitet zu Wittenberg gross ehr vnd freundschafft erzeiget [A 7r:] ist vnd wir alle wolfart46 vnd sonderlich den h=chsten schatz im Himmel vnd auff Erden aus dieser Edelen Schatzkammer Gottes vom Himel entpfangen, nemlich wares erkentnis Gottes worts sampt anderen kFnsten, die wir alda gestudiret haben vnd vns lieber sind, denn wenn vns aller Keyser reichthumb auff Erden hetten widerfaren sollen, bey denen wir doch mFsten zu pulffer vnd aschen werden vnd, wo vns dieser Schatz mangelte, ewig verdampt vnd verloren sein. Wir rhFmen auch beneben aller wolthat von derselbigen l=blichen Vniuersitet vnd vnsern geliebten Preceptoribus, das sie vns nicht allein benanten Schatz trewlich vnd Veterlich mitgeteilet, sondern auch dazu vereidet vnd zum h=chsten verbunden haben in vnsern gewissen, nicht das wir zu jhrem willen vnd gefallen derselbigen reinen Lehr was zusetzen, enderen oder zu einiger zeit enderen solten lassen, vnd da es jemands aus jhnen selbst oder anders thete, demselbi-[A 7v:]gen solten vnd mFsten zusehen vnd schweigen, viel weniger beyfall geben, wie Osiander auff sie vnd vns fur der zeit gelogen vnd gestuncken47 hat48 vnd fast49 D. Maior vnd seines gleichen Lesterer darauff gehen, sondern dis ist vnser eide gewesen, das wir bey der forma doctrinae nicht anders denn wie sie mit gutem grunde aus Gottes wort in der Augspurgischen Confession verfasset ist, so wol als in anderen schrifften Lutheri, wolten bleiben, allen widerwertigen leren vnd Corruptelis oder Rottereien, so fur derselbigen zeit entstanden oder hinf=rder entstehen m=chten, mit allem eiffer vnd ernst widerstehen. Dieser redligkeit vnd auffrichtigen, gottseligen furnemens dancken wir hochgemelter, l=blicher Vniuersitet vnd vnsern geliebten Preceptoribus auch, darFber sie vns vnd anderst nicht mit hohen wirden vnd ehren promouirt vnd Veterlichen von sich gelassen, des wir zu jrem ewigen lob vnd preiss nimermehr schweigen noch ver[A 8r:]gessen sollen noch wollen, vnd wissen furwar, das dis der rechte Ehrentittel ist frommer Preceptorn in l=blichen Vniuersiteten, nicht die Leu-

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alles Wohlergehen. Vgl. Art. Wohlfahrt, in: DWb 30, 1112. uns in schlechten Ruf gebracht. Vgl. Art. stinken II.B.5.c.α), in: DWb 18, 3163f. 48 Mörlin spielt damit auf den Streit um Andreas Osianders Auffassung von der Rechtfertigung an. Osiander vertrat die Auffassung, dass dem Menschen die Rechtfertigung durch Christus nicht zugerechnet, sondern die göttliche Natur Christi als iustitia essentials eingegossen werde. Vgl. Gottfried Seebaß, Art. Osiander, Andreas, in: TRE 25 (1995), 507–515, bes. 511f. 49 genauso. Vgl. Götze, 73. 47

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te, sonderlichen in vnser Facultet, zu jrem willen vnd furnemen als zu einem geschwornen Bundschuch,50 sondern auff Gott vnd die reinen Lehr seines worts zu uerbinden vnd zu weisen. Weist aber D. Maior, das vns von der l=blichen Vniuersitet vnd vnsern geliebten Preceptoribus anders mit eides pflicht jemals angesonnen vnd sich der vnsern dieser l=blichen kirchen einer darauff hat lassen verbinden vnd einnemen, nemlich, das alles, was newes vnd jrriges etliche Personen (die noch lange die Vniuersitet nicht sind) m=chten fFrbringen, sie dennoch solten vnd wolten billichen51 oder darzu schweigen, so zeige es Doctor Maior frey offentlich an. Last sehen, wie er die l=blichen Vniuersitet, seine vnd vnsere Preceptores, verehren werde. Da aber [A 8v:] das jemals geschehen, wie es auch nie geschehen ist. Wo haben wir dan, lieber D. Maior, vnserer Eid vnd ehre vergessen? Jch wil alhie (dismal sage ich) schweigen vnd daruon lassen fromme hertzen richten. Er kome nicht wider, das ist mein trewer rath. Jch schreibe mit warheit, das im nechsten52 conuentu zu LFneburg weder Wittenberg noch Leiptzig mit keinem wort ist gedacht, viel weniger sie in vnserer handlunge furnemlich sind gemeinet worden. Denn wie kemen wir darzu, das wir vmb etlicher Personen Jrthumbs willen solten gantze Kirchen vnd sch=ne, herliche coetus Scholasticos verdammen oder verwerffen? Darinnen vns nicht zweiffelt, das viel frommer, trewhertziger Leut sind, die etlicher Personen fall mit viel betrFbten seufftzen dem lieben Gott klagen. Wittenberg ist meine liebe geburt Stad, da mein frommer53 Gott mich vnd meinen lieben Bruder, Doctorem Maximilianum,54 in diese elende Welt [B 1r:] eingefFret hat. So ists auch widerFmb mein geliebte vnd erste Kirche, dahin ich mein erste Vocation gehabt,55 derselbigen ich trewlich von hertzen gedienet vnd keine newe schwermerey zu nachteil erdacht hab. DarFmb ich auch bit alle fromme hertzen, sie wollen alle das jenige, so Maior oder andere von verdruckung derselbigen kirchen vnd Schulen trewmen, dichten vnd liegen,56 in dem 50

Der Bundschuh war das Zeichen, das Bauern in Erhebungen als Erkennungszeichen verwandten und damit zum reichsweiten Symbol für Aufruhr gegen die Obrigkeit wurde. Vgl. Peter Blickle, Art. Bundschuh, in: LexMA 2 (1983), 936f; es handelt sich dabei um ein besonders in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre häufig gebrauchtes Synonym für „Aufruhr“. Vgl. Diekmannshenke, Schlagwörter der Radikalen, 347–350. 51 zustimmen. 52 jüngst vergangenen. Vgl. Götze, 166. 53 guter. Vgl. Art. fromm 3), in: DWb 4, 241f. 54 Maximilian Mörlin war 1516 in Wittenberg geboren worden und damit der zwei Jahre jüngere Bruder Joachims. Wie dieser hatte er in Wittenberg Theologie studiert und war melanchthonisch geprägt. Im Jahr 1546 wurde er an Wittenberger Universität zum Doktor der Theologie promoviert. Bereits seit 1543 stand er in sächisch-ernestinischem Dienst. In diesem Dienst bekleidete er unterschiedliche Positionen als Pfarrer, Hofprediger, Superintendent, Visitator und nahm in den fünfziger Jahren an den innerlutherischen Streitigkeiten teil. Vgl. Michael Beyer, Art. Mörlin, Maximilian, in: RGG4 5 (2002), 1508. 55 Mörlin war 1539 Diaconus an der Wittenberger Stadtkirche geworden. Vgl. Heinz Scheible, Art. Mörlin, Joachim, in: RGG 5 (2002), 1507f, bes. 1507. 56 lügen.

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Glauben vnd wirden halten, darinnen es billich zu halten ist. Wolte Gott von Himmel, wir k=ndten es vmb jhn erbitten, das die newen corruptelae, so etliche Personen eingefFret vnd eben wFnderlich nach dem tod Lutheri haus gehalten57 haben, m=chten verdammet vnd hinweg geschaffet werden, damit wir vnsere liebe kinder mit fr=lichem hertzen vnd gewissen alda erhalten m=chten. Da wir aber das nicht thun k=nten, ist niemands dan eben D. Maiors vnd seines gleichen schuld, die der l=blichen Vniuersitet vnd Kirchen dermassen gedancket, jhre Eid vnd pflicht, die sie [B 1v:] on zweiffel gethan wie wir, also gehalten haben. Ach, ich thue es vngern, wil es aber D. Maior haben, ich wil jhm wol hie etwas mehr sagen. So viel hab ich also kurtz mit gutem grund fur mich vnd andere trewhertzige, fromme Lerer dieser l=blichen Sechsischen kirchen D. Maiori auff seine lesterungen antworten sollen, weil er sonderlichen mit grossen tFcken58 dahin arbeitet, das er gern aus seinem stinckenden, b=sen handel ein gemeine sache der l=blichen Vniuersitet vnd kirchen machen vnd dieselbigen zu seinem willen dermassen in seine dienst ziehen wolte, das sie jhm seinen vnflat59 mFsten ausfFren, darinnen aber billich er derselbigen verschonen vnd mehr solte danckbar sein, weil sonderlichen er derselbigen, verm=ge seines rhums vnd eigenen bekentnis, viel mehr vnd auch lenger genFtzt vnd gebraucht hat dan wir. Wolte Gott mit mehr nutz vnd fromen60 der armen, betrFbten Kirchen, die diesen schandfleck seinet halben tragen mus, das eben D[oktor] Maior [B 2r:] aus den discipulis Lutheri nicht der geringste, auch nicht der jFngste, vnter vns newe Rotten vnd jrthumb eingefFret hat wider die lehr Lutheri, derhalben wir nothalben jhm haben mFssen widerstehen. Wie auch D[ominus] Philippus sagte An. 57: „Jch lob es, vnd jhr thut recht, das jr Maioris Propositionen widerfechtet vnd jhm nicht lasset gut sein.“61 Daruon dissmal gnug. Von D. Maiors Proposition.

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Es pfleget D. Maior gemeiniglich die zwo Propositiones oder Reden one vnterscheid zu brauchen: „Gute werck sein n=tig“, vnd: „Gute werck sein n=tig zu d’ seligkeit.“ Vnd fFhret darauff, wie auch jtzund in seiner Vorrede, die sch=nen, herrlichen SprFche aus der Schrifft vnnd Symbolis, so den newen gehorsam fordern vnd haben wollen, klaget vber den „grausamen schwarm vnd vnsinnigkeit, das die jtzige [B 2v:] wFtende Welt darff disputirn, ob gute werck oder newer gehorsam n=tig sey.“62 Wer nu dasselbige 57

gehaust. Vgl. Art. haushalten 2), in: DWb 10, 670. Bosheit, Arglist. Vgl. Art. Tücke 2.b), in: DWb 22, 1526. 59 Dreck, Kot. Vgl. Luther-StA 6, 163. 60 nutzbringendem. Vgl. Art. frommen 2), in: DWb 4, 246. 61 Vgl. eine Erzählung über die Verhandlungen von Coswig 1557 in: CR 9, Nr. 6174, Sp. 52–60, bes. 56. 62 Major, Vorrede (1562), C 1r, in: unsere Ausgabe Nr. 14, S. 507. 58

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thue, zeiget er namhafftig nicht an, sondern lest es in der feder stecken,63 in gemein geredet sein, vnd die sachen in dem zweiffel hangen bey dem Leser, ob wir in diesen Sechsischen Kirchen daran schFldig sein oder nicht, vnd als were dis der zanck vnd hader, darFber wir mit D. Maior zu vnfrieden weren. DarFber ist er nu so gros vnd also Maior, das auch Christus (on zweiffel seiner Proposition halben) lenger dan fur funfftzehen hundert Jharen eben von D. Maiorn geprediget vnd seiner gedacht hat in den herrlichen Sermon Matthei am 5. etc.64 Hierauff thue ich diesen grFndlichen, warhafftigen bericht, das wir in diesen Kirchen diese erste Proposition vnd rede, nemlich: „Gute werck vnd newer gehorsam ist n=tig vnser lebenlang“, nie nicht angefochten haben, sondern dieselbigen allzeit trewlich vnd vleissig getrieben, mehr, das weis ich [B 3r:] furwar, denn D. Maior, weil sie Gottes Wort ist vnd sein entliche meinung. Gedencken auch darbey zu bleiben vnd der jenigen jrrigen, erzwungenen verstand, darunter sie diese rede vnd Proposition one grund anfechten, nimmermehr zu billichen, die da sagen oder wider alle Grammatticam vnd art der sprachen dichten: „n=tig sein“, sol so viel heissen, als vnwillig vnd erzwungen sein, da sie doch wol wissen, das es nicht war ist, sondern diese Proposition recht redet de consequentia et immutabilitate voluntatis Dei, wie Lutherus seliger sich selbst declarirt65 hat.66 So wissen wir auch wol, das die Proposition: „Gute werck sind schedlich zu der Seligkeit“,67 auch nicht durchaus oder simpliciter war ist, sondern allein secundum quid, nemlich, weil man zu guten wercken das vertrawen hat, das man damit gnade vnd Seligkeit verdienen wil, wie Paulus klerlich anzeiget Philip. 3.,68 vnd sie also fur der zeit anders nicht meines bedenckens [B 3v:] wider D. Maioris Proposition ist gebraucht worden. Dieselbige Proposition D. Maiors ist aber in jren terminis, wie er sie gesetzt vnd gebraucht hat, diese, das gute werck nicht allein n=tig vnd geschehen sollen oder mFssen, wie wir auch leren, sondern sie sein n=tig zu der seligkeit, also das one gute werck dem jenigen, der gleich durch den Glauben allein, on alle werck, gerecht ist, vnm=glich sey, selig zu werden. Diese Lehr haben wir angefochten, darFber ist der streit, den wir, ob Gott wil, bis in vnser gruben69 nimmermehr verlassen wollen. Daraus kanstu, christlicher Leser, aber auch das wol vernemen, das es 63

lässt es ungesagt, schreibt es nicht. Vgl. Art. Feder 6.c), in: DWb 3, 1396. Vgl. Mt 5, 17–19; diese Stelle wird von Major angeführt vgl. Major Vorrede (1562), B 4v, unsere Ausgabe Nr. 14, S. 506. 65 ausgedrückt, öffentlich erklärt. Vgl. Art. declaro, in: Georges I, 1921f. 66 Die konkrete Aussage konnte bei Luther nicht nachgewiesen werden. Eventuell rekurriert Mörlin damit pauschal auf die Position Luthers, dass der Mensch zu seiner Rechtfertigung nichts beitragen, sondern ganz auf die Gnade Gottes angewiesen ist. Vgl. dazu z. B. Martin Luther, WA 40I und 40II (In epistolam S. Pauli ad Galatos, 1531). 67 Vgl. Amsdorf, Dass die Propositio „Gute Werke sind zur Seligkeit schädlich“ eine rechte wahre christliche Propositio sei (1559), unsere Ausgabe Nr. 13, S. 477–487. 68 Vgl. Phil 3,8f. 69 bis zu unserm Tod. 64

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nicht war ist, als solte D. Maior seine Lehr vnd Proposition fFrgenommen haben, die Antinomer70 oder Gesetzschwermer zu refutirn,71 darzu dan auch D. Maiors Proposition so viel thut als der Schnee zum Glockengiessen. Derhalben bit ich alle Gottselige, [B 4r:] fromme hertzen gar freundlich, wenn Doctor Maior von der ersten Proposition viel wort treibet, das sie gedencken vnd wissen, es gelange seine schwermerey vnd vnsern hadder mit jhm gantz vnd gar nichts an, dienet auch zu besch=nung seines ausgebreitten Jrthumbs so viel als nichts, allein das er gern den leuten ein geplerr machet fur die augen, sie damit auffzuhalten, auff das sie seiner schwermerey ferner nicht nachdencken. Weil er aber auch desselbigen alten zancks jtzund nicht wil gedacht haben, daruon protestirt vnd viel geschreies machet,72 wil ichs darbey so fern auch bleiben lassen, wie dieselbige seine schwermerey von vielen frommen, gelarten Mennern mit gutem grunde Gottes Worts ist widerleget vnd verdammet worden. Aber diss klaget Doctor Maior jtzund, das er damit als einer grewlichen Calumnien jemerlichen beschweret sey, das ich jhm schuld gebe, er „lere von notwendigkeit der gutten [B 4v:] werck vnd newen gehorsam wie die Papisten, das ist, das gute werck dermassen vnd also von n=ten sein, das sie ewiges leben vnd ewige Seligkeit mit verdienen, oder das gute werck zur Seligkeit n=tig sind, also das durch den Glauben, one gute werck, selig zu werden gantz vnm=glich sey.“73 Hierauff ist mein kurtze, grFndliche antwort: Wenn D. Maior aus meiner Prefation beweisen wird, das ich simpliciter gesagt, er lere von guten wercken allerdinge one allen vnterscheid wie die Papisten, oder er lere darinnen den Papisten gleich, das gute werck die seligkeit mit verdienen, so wil ich meine lFgen bekennen, jm74 vnd aller Welt dieselbigen abbitten. Was wil er mehr? Hab ichs aber nicht gethan (wie ichs nicht gethan habe), worFmb klaget er vber lFgen vnd Calumnien, damit er ander Leute selbst beschweret one grund wider sein gewissen? Was ich aber jm des schuld gegeben, er lere darinnen mit den Papisten [B 5r:] gleich, das gute werck zur Seligkeit von n=ten sein, also das durch den Glauben, one gute werck, selig zu werden gantz vnm=glich sey, das bekenne ich one schew. Vnd hat Doctor Maior das widerspiel75 nie bewiesen, kan es auch nimmermehr mit warheit thun. Denn

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Zuerst hatte sich Johann Agricola mit Melanchthon (erster antinomistischer Streit 1527), dann mit Luther (zweiter antinomistischer Streit 1537–1540) über die Bedeutung des Gesetzes im Zusammenhang der Evangeliumsverkündigung auseinandergesetzt. Vgl. dazu Richter, Gesetz und Heil; zur dritten Phase der antinomistischen Streitigkeiten ab 1556 vgl. zudem Dingel, Einleitung, 20 –22; unsere Ausgabe Bd. 4. 71 widerlegen. 72 Vgl. Major, Vorrede (1562), C 4r, unsere Ausgabe Nr. 14, S. 511. 73 Vgl. Major, Vorrede (1562), C 2v, in: unsere Ausgabe Nr. 14, S. 508f. 74 ihm. 75 Gegenteil.

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da stehet seine Confession fur augen, die er noch jtzund hinden an seine Vorrede hat drucken lassen,76 in welcher er frey bekennet seine Proposition, das gute werck zur Seligkeit n=tig, also das one gute werck keiner k=ndte selig werden, die verstehe er de iustificatis, das ist, von denen, welche durch den Glauben an Christum gerecht worden sind. Weil er nu bekent, der Glaub allein on alle gute werck mache gerecht, vnd aber der also one alle werck gerecht allein durch den Glauben, demselbigen (saget Doctor Maior) sind noch gleichwol gute werck zu der Seligkeit von n=ten, also das er one gute werck nicht k=ndte selig werden. Wie darff er [B 5v:] dan sagen: Jch habe jn calumniose77 beschweret? Jch habe ja der Proposition keine auff jn erdichtet, das weis ich furwar. Erstlich, das gute werck n=tig sein zur Seligkeit, also das one gute werck selig zu werden vnm=glich sey, sondern er selbest hat sie wider den Herrn von Ambsdorff Anno 5178 vnd in seinen „Sermon von der bekerung Pauli“ Anno 5379 offentlich vnd hefftig gestritten, welches er zu ewigen zeiten nimermehr mit ehren leugnen kan. So hab ich zum andern auch das nicht auff jenen gedichtet, sondern es ist sein offentlich bekentnis in seiner jtzigen von newem gedruckter Confession, wie auch in dem Sermon conuersionis Pauli, das er diese Propositiones von den iustificatis, das ist, von den jenigen verstehe, welche durch den glauben an Christum gerecht worden sind. Weil dan das sein lehr ist, das der mensch, so durch den glauben allein, on [B 6r:] alle werck, ist gerecht worden, dennoch guter werck zu der seligkeit von n=ten habe, also das er one werck nicht k=nte selig werden, so frag ich alle vernFnfftige Menschen, wie es dan auff jn gedichtet sein k=nte, das ich jm schuld gegeben, er lere, das durch den glauben, one gute werck, selig zu werden, gantz vnm=glich sey. Sind wir allein durch den glauben selig, one werck, also das vns zu der seligkeit der Glauben allein gnug vnnd wir nichts mehr (ich sage zu der Seligkeit) bedFrffen, worFmb ists dan nicht erlogen, das D. Maior leret, die werck sein dem Rechtgleubigen gleichwol zu der Seligkeit von n=ten, also das jm vnm=glich, one werck selig zu werden? Jsts aber war, wie Doctor Maior leret, das den Gleubigen gute werck zur seligkeit gleichwol von n=ten sein, also das jhm vnm=glich, one werck selig zu werden, wie ists dan nicht war, das durch den Glauben, one gute werck, selig zu werden gantz [B 6v:] vnm=glich sey? Oder ists in seinem munde einerley rede: Allein durch den glauben, one werck, vnd durch den Glauben, nicht one werck? Von Doctor Maiors Glosslein,80 vnd wie dieselbige mit seiner Proposition vberein komme. 76 77 78 79 80

Vgl. Major, Bekenntnis (1558), unsere Ausgabe Nr. 12, S. 452–467. böswillig. Vgl. Art. calumniose, in: Georges I, 940. Vgl. Major, Antwort (1551), unsere Ausgabe Nr. 1, S. 25 –45. Vgl. Major, Sermon von S. Pauli Bekehrung (1553), unsere Ausgabe Nr. 5, S. 137–259. Auslegung, Erklärung. Vgl. Art. Glosse 1.a), in: DWb 8, 210.

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Jch weis alhie sein Glosslein gar wol, damit ers also deutelt vnd seiner Proposition diesen verstandt machen wil, der Mensch sey ja one werck, allein durch den Glauben, selig vnd gerecht, wenn man von dem verdienst guter werck redet. Aber wenn er also gerecht vnd selig worden sey, also dan mus er gute werck thun, sonst erlange er endlich die seligkeit nicht etc.81 Aber was hilfft das seiner schwermerischen Proposition, vnd wie reimet sich die mit solcher Gloss? [B 7r:] Lieber, h=re doch ein wenig zu, seine Glossa sag ich abermals spricht also: Durch den Glauben bistu selig vnd gerecht, sine operibus praecedentibus, concurrentibus et subsequentibus, aber der also gerecht vnd selig ist, der soll nachmals gute werck thun. Hierausser. Hie frag ich, welches ist war, das derhalben Glauben vnd Seligkeit zu den guten wercken, oder das gute werck zu der Seligkeit n=tig sind? Zum andern, das er aber spricht: Wenn gleichwol gute werck nicht folgen, so erlange der gleubige die Seligkeit nicht. Da frage ich widerFmb: WorFmb erlanget er die seligkeit nicht lieber Herr Doctor? Geschicht es darFmb, das gute werck zur Seligkeit von n=ten, vnd one gute werck kein Mensch kan selig werden, wie jr leret wider ewre Gloss, die da saget, durch den Glauben bistu schon gerecht vnd selig sine operibus praecedentibus, concurrentibus etc. O-[B 7v:]der geschicht es darFmb, das in den menschen, der nichts guts thut, sondern widerFmb zu rFck, wie es Petrus heist,82 in sFnde gefallen, die Buß verloschen ist vnd er am glauben schiffbruch gelidten hat, wie Paulus sagt,83 vnd derhalben weder gerecht noch selig ist, ob er wol zuuor gerecht vnd selig gewesen, weil er Buss vnd glauben behielt. Verstehet jrs Herr Doctor, wo es euch feilet?84 Sehet jr den grund ewer schwermerey? Vnd, lieber, wo ist nu ewre Proposition aus ewer Glossa probiret, vnd wie reimen sie sich zusammen, on alle werck bistu schon selig, spricht D. Maiors Glossa, one werck selig zu werden, wenn du gleich recht gleubest, ist vnm=glich, spricht die Proposition. Jch meine ja, das heist eine Theologia. Die studier wer da will. Der liebe Gott bewar mir meine liebe Kinder vnd die Kirchen darfFr, fur die ich an jenem tage antworten mus etc. Sihestu aber Christlicher Leser, wie ein trewer Prophet Lutherus seliger dem D. Maior gewesen, vnd wie [B 8r:] sch=n er mit der warheit zugetroffen von alle den jenigen, so diese Proposition mit Glosslin ferben vnd anstreichen, one not, mutwillig, die kirchen zu verwirren, da er schreibet in Gen. cap. 22:85 „[Ac] Huic propositioni callidam declarationem siue limitationem addunt. Licet exigamus opera, tamquam necessaria ad salutem, inquiunt,

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Vgl. Major, Sermon von S. Pauli Bekehrung (1553), A 2r, unsere Ausgabe Nr. 5, S. 137f; Major, Bekenntnis (1558), A 3v–B 3v, unsere Ausgabe Nr. 12, S. 455– 467. 82 Vgl. II Petr 1,9. 83 Vgl. I Tim 1,19. 84 fehlt, mangelt. 85 Martin Luther, WA 43, 254 (Genesisvorlesung 1535–1545, [1538/42, Gen 22,16 –18]).

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tamen non docemus confidendum operibus. Est satis astutus Diabolus, sed NIHIL agit, tametsi fucum facit imperitis et rationi [faciat].“ Haec Lutherus. Aber hie wird vielleicht D. Maior abermals klagen vnd ruffen, Lutherus schreibe dennoch das wider die Papisten, darFmb gehe es jhn nicht an, sondern werde allein jm zu seiner beschwerung also gedeutet etc. Dargegen sage ich mit warheit, Lutherus schreibet es wider keinen menschen seiner Person, profession oder standes halben, sondern darFmb, das die Proposition „Gute werck sein n=tig zu der Seligkeit“, wenn man sie gleich lindert wie man kan vnnd Glosieret, dennoch [B 8v:] falsch, jrrig vnd warhafftig Papistisch ist, ja vom Teufel listiglich eingefFret, einfeltige86 hertzen vnd die jenigen, so ferner nicht gedencken, denn was vernunfft, die tolle Nerrin, saget, zu verfFren. Wie er spricht: „Diabolus fucum facit etc.“ DarFmb auch Lutherus, aus gutem grund Gottes Worts, vns wider solche, des Bapsts Lehr, viel anders berichtet hat, so wol als Doctor Maiorn auch, denn er dennoch vnser etliche Condiscipel vnd nicht aller Preceptor gewesen ist, das er vns wird lassen gut sein. WorFmb aber Doctor Maior nicht fortan fein, rein vnd allein bey der Lehr Lutheri seligers mit vns einfaltig geblieben, noch die Kirchen habe bleiben lassen, sondern dargegen solche vom Luthero, vnsern Preceptore, dem heiligen Man Gottes87 verworffen Papistische Lehr widerFmb, eben vmb die zeit des Jnterims vnd verfolgung der one das armen, betrFbten Kirchen, auffgeraspelt,88 auffs new in die Kirchen gefFrt, verteidiget vnd [C 1r:] bis auff heutigen tag nicht widerruffen, vnd auch dieselbigen als Papistisch vnd nu Maiorisch zu uerdammen vmb seiner Gloss willen (die so viel hilfft als Lutherus saget vnd ich bewisen) nicht g=nnen wil, ja darFber verlestert mit erdechten lFgen, wie droben bewisen ist, das wird er verantworten mFssen, der liebe Gott vergeb es jhm, wenn es jm wird leide werden, schaff aber auch gnediglich, das es jm bezeit89 in diesem leben mFsse leide werden von hertzen, auff das er Busse thue, Gott vnd der Kirchen vers=net vnd also mit vns allen m=ge selig werden. Amen. Genoch90 dissmal, vnd wil ich sehen, was vnd wie mir Doctor Maior antworten wird, begere nicht mehr von jhm, denn er lasse sein lestern, greiff zur sache, damit wir den Kirchen was nFtzlichs leren zu jrer Seligkeit, wie dan dieser handel viel grosser sachen rFret etc. Bit aber hiemit auch gar freundlich vnd vmb Gottes willen, kan vnd [C 1v:] mag es sein, man wolle diesem gezenck ordentlicher weise vnd one nachteil der lieben Kirchen also abhelffen, damit wir bey der forma doctrinae, wie wir die von dem Luthero seliger empfangen haben, aus Gottes Wort m=gen bleiben. 86 87 88 89 90

redliche, unschuldige. Vgl. Art. einfältig 2), in: DWb 3, 173f. Vgl. dazu Kolb, Luther, passim. zusammengescharrt, zusammengerafft. Vgl. Art. aufraspeln 1), in: Fnhd.Wb. 1, 589. beizeiten, zum rechten Zeitpunkt. Vgl. Art. bezeite, in: DWb 1, 1797. Genug.

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Zum andern, newe Leren vnd Corruptelen, wie sie nach dem todt Lutheri seligers eingefFhret sind, widerFmb m=gen abgeschafft vnd verdammet werden nach jhren wirden. Vnd zum dritten, das doch das h=nische, tFckische stillschweigen, ja colludiren91 der leidigen Mietling92 vnd Bauchknecht93 m=ge auffh=ren, da man zusihet, was in den Kirchen fur grewliche Jrthumb werden eingefFhret vnd nicht allein nicht gewehret, sondern man stercket wol die feinde mit heimlichen Brieffen vnd aller hand wFnderlichen Schrifften, dardurch grosse Kirchen dahin gerissen, schreckliche ergernis angerichtet vnd viel tausend Seelen in die [C 2r:] schantz geschlagen94 werden, nicht anders, denn als weren sie den lieben Gott mit tantzen95 angekommen etc, welches alles man darnach damit tFnchen vnd schmieren wil, wie es der Prophet96 heist, das es nicht publica scripta sind,97 gleich als weren wir solche Leut in vnsern der Augspurgischen Confession verwandten Kirchen, die da zweierley Lehr hetten, eine in scriptis publicis, die ander widerwertige98 in priuatis, mit was hohn vnd spot, wil geschweigen, ergernis der lieben Jugend, die solche redligkeit vnd trewe lernen sol etc. Ach, mich verdreust zu schreiben, sol ich aber, so mus ich. Wenn wir aber also thun wie angezeiget vnd diesen weg fur die hand nehmen, so haben wir den vorteil. Erstlich behalten wir reine Lehr. Zum andern den einhelligen consensum doctrinae wider den leidigen Teufel. Haben zum dritten friede vnd rhue vnter vns so wol als Weltliche Obrigkeit vnd die gan-[C 2v:]tze liebe Kirche mit vns. Zum vierden werden die ergernis auffgehaben, die verwundten gewissen geheilet. Zum fFnfften wird der lieben Jugend vnd vnsern Nachkommen eine bestendige, gewisse forma doctrinae vberantwortet, vnd endlich b=sen, mutwilligen k=pffen gestewret hinf=rder inne zu halten, das nicht ein jeder bald mit seinem vnzeitigen schwarm vnbesunnen herausser faren muss vnd vns das Corpus doctrinae zerreissen. Sol aber aller guter rath verloren sein vnd man wil den weg nicht, so schreib ich fur mein teil: Ehr dan ich wil von der forma doctrinae, wie sie aus Gottes Wort in den Schrifften Lutheri verfasset ist, mier etwas nemen oder mutieren lassen, es sey auch als von wem es wolle, niemand ausgenom91

geheime Bündnisse machen. Vgl. Art. colludo, in: Georges I, 1275. Vgl. Joh 10,12. 93 In Anlehnung an Röm 16,18 und Phil 3,19 als Schlagwort gebraucht gegen die Altgläubigen, um sie als nur ihren eigenen weltlichen Vorteil, ihr leibliches Wohlergehen im Auge haben, letztlich als Opportunisten habend zu charakterisieren. In der Interimszeit wurde das Wort dann zunehmend auch von den Gegnern der Wittenberger gegen diese verwandt. Vgl. Lepp, Schlagwörter, S. 131f. 94 geopfert, aufgegeben. Vgl. Art. Schanze 2.c), in: DWb 14, 2165. 95 streiten, kämpfen. Vgl. Art. Tanz 4.b), in: DWb 21, 119. 96 Damit ist wohl Major gemeint. 97 Mörlin spielt damit auf die Kritik Majors an den Veröffentlichungen von privaten Korrespondenzen usw. durch Flacius, Gallus und andere Theologen an. Vgl. Major, Vorrede (1562), A 4v, in: unsere Ausgabe Nr. 14, S. 501f. 98 gegenteilige. 92

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men, oder zu falscher Lehr, lFgen vnd ergernis schweigen vnd darFber mit jemands heucheln vnd zusehen, ehr wil ich den [C 3r:] Erdbodem reumen. O Jesu Christe hilff mir. Amen. Psalm. 25:99 „Schlecht100 vnd recht behFte mich, denn ich harre dein du fromer Gott.“ [C 3v:] Hiob xix:101 „Jch weis, das mein Erl=ser lebet.“ Gedruckt zu Eisleben durch Vrban Gaubisch, wonhafftig auffm Graben.

99

Vgl. Ps 25,21 (Luther 1545). Im Sinne von „einfach“. Vgl. Art. schlecht 8.f), in: DWb 15, 526. 101 Hi 19,25. 100

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Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: 280.50 Theol.(6)

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Testamen= tum Docto= ris Georgii Maioris 5

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Psalm CXXVI Dje mit Threnen seen / Werden mit Freuden erndten. Sje gehen hin vnd weinen / vnd tragen edlen Samen / Vnd komen mit Freuden / vnd bringen jre Garben. Wittemberg. Gedruckt durch Hans Lufft. Anno M. D. LXX.

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Nr. 16: Testamentum Georgii Maioris (1570) - Einleitung

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Einleitung 1. Historische Einleitung

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Im Sommersemester 1567 bekleidete Georg Major das Amt des Rektors der Universität Wittenberg.1 Zum Abschluss seiner Tätigkeit hielt er am 18. Oktober eine Rede,2 in der er einen kurzen historischen Überblick über die Geschichte der Leucorea während der Zeit der Reformation bot. Bereits diese Rede besaß testamentarischen Charakter. Sie war in fünf Teile gegliedert. Neben einleitenden Worten und dem Überblick zur Reformations- und zur Universitätsgeschichte, legte Major ein Bekenntnis ab und mahnte die Zuhörer, die Kirchenlehre zu bewahren und die Gesetze der Universität zu befolgen.3 Dabei verfolgte Major gleichzeitig das Ziel, Matthias Flacius und Friedrich Staphylus als Verräter an ihrer Alma Mater darzustellen. Auch auf seine Lehre von den guten Werken kam er zu sprechen. Er bekannte in der Rede zwar, dass die These von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit doppeldeutig sei, betonte jedoch, sie stets in dem Sinn der biblischen Schriften, der altkirchlichen Symbole, der CA und ihrer Apologie verstanden zu haben. Wenn von Flacius und seinen Parteigängern in der Vergangenheit immer wieder behauptet worden sei, er vertrete eine „papistische“ Lehre, so sei ihm dadurch schweres Unrecht zugefügt worden. Um seine Verteidigung zu verstärken, veröffentlichte Major im selben Jahr sein „Bekenntnis“4 von 1558 erneut, und stellte ihm er eine ausführliche Erläuterung voran.5 Diese Publikationen Majors provozierten heftigen Widerspruch. Matthias Flacius und Nikolaus Gallus,6 Johannes Wigand,7 Wolfgang Waldner,8 die

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Vgl. Junghans, Verzeichnis, 248. Vgl. COMMONEFACTIO || HISTORICA || DE STATV EIVS TEM- || PORIS, QVOD EVANGELII || lucem praecessit, &. quae eius ini= || tia, ac qui inter varia impedimenta || & pericula eius progressus, qui item || faces dissidiorum fuerint & adhuc || sint, cui inserta est breuiter Confessio || postrema Doctoris Georgij Maio= || ris, de doctrina Iustificationis & bo= || norum operum, ab eodem recita= || ta, cùm abiret Magistratu scho= || lastico, die 18. Octob. || Anno 1567.|| [Wittenberg: Hans Lufft, 1567] (VD 16 M 2016); im selben Jahr erschien noch eine weitere Auflage (VD 16 M 2017). 3 Zu dieser Rede vgl. Hasse, Major als Professor, 60– 68. 4 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 12, S. 452–467. 5 Repetitio || Widerholung vnd endt= || liche Erklerung der Bekentnůs || D. Georgij Maioris / || Von dem Artickel der Iustification / das || ist von der Lere / das der Mensch allein durch || Glauben / one allen vordienst / vmb des || HERRN Christi willen / vergebung || der sůnden habe / Vnd fFr Gott || Gerecht ... || sey. || Vnd von Guten Wercken / || welche dem warhafftigen Glau= || ben / als FrFchte der Ge= || rechtigkeit / folgen || sollen. || [Wittenberg: Hans Lufft, 1567] (VD 16 M 2162); im selben Jahr erschienen noch zwei weitere Auflagen der Schrift (VD 16 M 2160f). 6 Vgl. ANNOTATIO || DE VERO SENSV || PRIMARIAE THESIS PAVLINAE: || CONCLVDIMVS HOMINEM IVSTIFICARI || gratis fide, Sine operibus legis. || OPPOSITA REPETITIONI || erroris D. Georgij Maioris. || Matth. Flac. Illyricus. || ITEM DEMONSTRATIONES || tres, de Impostura, de Corruptela, de || Blasphemia Maioris, in eadem || eius repetitione. || Nic. Gallus. || [Jena: Christian Rödinger d. J., 1568] (VD 16 F 1253, G 264). 7 Vgl. Erinnerung: || Von der Newen Busse || D. Georg. Maiors. || Repetition: || Widerholung vnd endliche Erklerung der || Bekentnis D. G. Maiors genant. || Ioannes VVigandus D. || ... || [s.l. 2

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Nr. 16: Testamentum Georgii Maioris (1570) - Einleitung

Mansfelder9 und die Braunschweiger Theologen10 sowie die Theologen der Universität Jena11 veröffentlichten Schriften, in denen sie Major vorwarfen, dass er in seiner Rektoratsrede hinter sein „Bekenntnis“ zurückfalle und verdammten seine Lehre. Das hier edierte „Testament“ Majors stellt wiederum dessen Antwort auf diese Publikationen dar.

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2. Der Autor Major12

besaß zeitlebens eine überaus starke Bindung an die UniversiGeorg tät Wittenberg. Dieser engen Verbindung verlieh Major immer wieder aufs Neue Ausdruck. Zu Beginn seines Rektorats im Sommersemester 1561 schrieb er sich nochmals – verbunden mit einer kurzen Autobiographie13 – in die Matrikel ein, um damit sein 50jähriges Immatrikulationsjubiläum zu feiern. Den Endpunkt seines Rektorats im Sommersemester 1567 stellte dann seine testamentarisch konzipierte Abschiedsrede vom 18. Oktober 1567 dar. Nachdem die Publikation dieser Rede sowie die Veröffentlichung seiner „Repetitio“14 heftigen Widerspruch erfahren hatten, sah sich Major veranlasst, sich und damit abermals die Universität Wittenberg zu verteidigen. Wohl um den Jahreswechsel 1569/70 verfasste Major das hier edierte „Testament“, denn bereits vor dem 15. Februar 1570 wurde die Schrift in Jena von Buchhändlern zum Verkauf angeboten.15 Bis zu seinem Tod am 28. No-

1568] (VD 16 W 2756); im selben Jahr erschienen noch drei weitere Auflagen der Schrift (VD 16 W 2757–2759). 8 Vgl. Klare vnd gründli= || che beweisung. || Wider D. G. Maiors || REPETITION. || Das er mit seiner Erklerung der b(b= || stischen Proposition Gute Werck sind n=tig || zur Seligkeit [et]c. in der Kirchen noch scha= || den thu ... || Wolffgangus Waldner. || Mit einem beschlus / zeugnus ... || Nicolai Galli ... || [Regensburg: Heinrich Geisler, 1568] (VD 16 W 876). 9 Vgl. Bericht / der Prediger || in der Graffschafft Manssfelt / Der Jr= || rungen halben / so zwischen jhnen / vnd etlichen Ge= || larten/ in Vniuersiteten / vnd sonst sich zuge= || tragen/ Auch worinnen / vnd wie fer= || ne sie mit denselbigen || streitig. || [Eisleben: Andreas Petri, 1568] (VD 16 B 1833); Warhafftiger gegen || bericht / Auff Doctor Georg Maiors || REPETITION, vnd endliche Erkle= || runge / Welche er in einer Deutschen || Schrifft dis 1567. Jar || gethan hat. || Durch || die Prediger in der || Graffschafft Mansfelt.|| [Eisleben: Urban Gaubisch, 1568] (VD 16 W 706); im selben Jahr erschien noch eine weitere Auflage der Schrift (VD 16 W 707). 10 Vgl. CHristliches Be= || dencken || Des Ministerij der Kirchen || zu Brunschwig. || Auff D. Maiors Repetition vnd || endtliche erklerung. || Belangend den streit / Ob gute || wercke zur seligkeit n=tig sind / also / || das es vnmFglich sey / ohne || gute wercke selig || zuwerden. || [s.l. 1568] (VD 16 C 2390); im selben Jahr erschien in Eisleben in der Druckerei von Andreas Petri noch eine weitere Auflage der Schrift (VD 16 C 2391). 11 Vgl. Bekentnis. || Von der Rechtferti= || gung fFr Gott. || vnd || Von guten Wercken. || Der Theologen in || der Vniuersitet || Jhena. || ... || [Jena: Christian Rödinger d. J., 1569] (VD 16 W 2717); im selben jahr erschienen noch zwei weitere Auflagen der Schrift (VD 16 W 2718f). 12 Zum Folgenden vgl. die Einleitungen zu Nr. 1, 5, 12 und 14 in unserer Ausgabe. 13 Vgl. Hasse, Major als Professor, 42f, Anm. 4. 14 Vgl. oben Anm. 5. 15 Vgl. Jenaer Theologen, Vom Testament D. Majors, A 2r, unsere Ausgabe Nr. 17, S. 573.

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vember 1574 in Wittenberg blieb Major in die Streitigkeiten über die Bedeutung der guten Werke für die Seligkeit verwickelt. 3. Inhalt 5

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Die Schrift besitzt zwei Abschnitte. Im ersten Teil legt Major zunächst seine Motivation für die Publikation dar. Aufgrund seines hohen Alters von fast 70 Jahren will er mit diesem Testament ein abschließendes Bekenntnis zu dem Streit um die Rechtfertigungslehre und die Notwendigkeit der guten Werke ablegen, in den er gegen seinen Willen von seinen Gegnern hineingezogen worden sei. Er versichert, nicht gegen die Propheten, die Apostel, die CA und AC sowie das Corpus Doctrinae Philippicum oder seine Lehrer Luther und Melanchthon gelehrt zu haben, die er von 1521 bis zu ihrem Tod gehört habe. Daraufhin bekennt er ausdrücklich, dass allein durch den Glauben an Christus die Menschen Vergebung ihrer Sünden erlangen können. Dabei stützt er sich auf die Paulusbriefe und Zitate aus CA und AC. Im zweiten Teil geht Major konkret darauf ein, welche Bedeutung die guten Werke für die Seligkeit haben können. Er habe von der Notwendigkeit der Buße, der Bekehrung, dem begonnenen neuen Gehorsam und den guten Werken lediglich wiederholt, was er auch im Corpus Doctrinae Philippicum finde. Alle, die etwas anderes lehrten, wie die Pelagianer und die „Papisten“, seien zu verurteilen, ebenso wie diejenigen, die gute Werke, ohne das Zutun Christi, für verdienstvoll für die ewige Seligkeit halten. Zugleich distanziert sich Major von allen, die äußern, dass man ohne gute Werke nicht selig werden könne. Ausdrücklich stellt er dar, dass er die These „Gute Werke sind nötig zur Seligkeit“, nicht weiter vertreten habe, da sie von seinen Gegnern missverständlich ausgelegt worden sei. Darum wolle er sie auch nicht mehr vertreten. Er halte allerdings immer noch für wahr, dass derjenige Gottes Gnade wieder verliere, der nach seiner Bekehrung in Sünden verharre oder gegen sein Gewissen handle. Major ruft seine Leser auf, seine vorherigen Schriften im Lichte dieses „Testaments“ zu verstehen. Alle gegen dieses Bekenntnis stehenden Äußerungen, die eventuell in seinen früheren Schriften gefunden werden könnten, wolle er selbst als falsche Lehren verwerfen. 4. Ausgaben

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A: Testamen= || tum Docto= || ris Georgii || Maioris || Psalm CXXVI. || Dje mit Threnen seen / Werden mit Freuden || erndten. || Sje gehen hin vnd weinen / vnd tragen edlen || Samen / Vnd komen mit Freuden / vnd || bringen jre Garben. || Wittemberg. || Gedruckt durch Hans || Lufft. || Anno M. D. LXX. || [8 Bl. 8°] (VD 16 M 2190) Vorhanden in:

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DRESDEN, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek: Theol. ev. pol. 484m, misc.7 HALLE, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: Vg 1625,QK WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 280.50 Theol.(6), 316.11 Theol.(11), 511.17 Theol.(7), G 675.4 Helmst.(9) [benutztes Exemplar], H 165.4 Helmst.(9), H 172.4 Helmst.(12), H 175m.4 Helmst.(5), S 71aa.4 Helmst.4) B: Testamen= || tum Docto= || ris Georgii || Maioris || Psalm CXXVI. || Die mit Threnen seen / Werden mit Freuden || erndten. || Sie gehen hin vnd weinen / vnd tragen edlen || Samen / Vnd komen mit Freuden / vnd || bringen jre Garben. || [Im Kolophon: Gedruckt zu NFrmberg durch Nicolaum Knorrn. 1570] 8 Bl. 4° (VD 16 M 2189)

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Vorhanden in: GÖTTINGEN, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek: 8 H L BI IV, 2178 MÜNCHEN, Bayerische Staatsbibliothek: Res/4 Polem. 3363,14 MÜNCHEN, Bibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität: 4 Theol.5521:2 WEIMAR, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: 40,3:91c(n.4.) WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 459 Theol.(25), 496 Theol.(6), 498.12 Theol.(16) C: Testamen= || tum Doctoris || Georgii Ma= || ioris || Psalm CXXVI. || Die mit Threnen seen / Werden mit Freuden || erndten. || Sie gehen hin vnd weinen / vnd tragen edlen || Samen / Vnd komen mit Freuden / vnd || bringen jre Garben. || [Im Kolophon: Gedruckt zu Leipzig durch Jacobum Berwaldt. 1570.] 8 Bl. 4° (VD 16 M 2188)

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Vorhanden in: BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 5 in: Dg 3, Dm 2574, Dm 2574/1 WEIMAR, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Aut.ben.Aut.Maior,G.(10) WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 393.10 Theol.(9), Alv Dk 180(11), S 235.4 Helmst.(3) D: Testamen= || tum Docto= || ris Georgii || Maioris || Psalm CXXVI. || Die mit Threnen seen / Werden mit Freuden || erndten. || Sie gehen hin vnd weinen / vnd tragen edlen || Samen / Vnd komen mit Freuden / vnd || bringen jre Garben. || [Im Kolophon: Gedruckt zu Dresden durch Matthes St=ckel. 1570.] 8 Bl. 4° (VD 16 M 2187) Vorhanden in:

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EDINBURGH, University Library: P. 799 (8) GOTHA, Forschungsbibliothek: Th 1653(22) HALLE, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: Vg 1625a,QK HEIDELBERG, Universitätsbibliothek: Salem 14,9 RES JENA, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 4 Bud.Theol.252(29), 4 Theol.XLIII,15(29) LEIPZIG, Universitätsbibliothek: Syst.Theol.679-fh/2 LÜNEBURG, Ratsbücherei: Th 904(14) WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: G 684.4 Helmst.(3)

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E: Testamen= || tum Docto= || ris Georgii || Maioris || Psalm CXXVI. || Dje mit Threnen seen / Werden mit Freuden || erndten. || Sje gehen hin vnd weinen / vnd tragen edlen || Samen / Vnd komen mit Freuden / vnd || bringen jre Garben. || Wittemberg. || Gedruckt durch Hans || Lufft. || Anno M. D. LXX. || 8 Bl. 4° (VD 16 M 2192)

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BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 1 an: Dm 2551, Dm 2573 GOTHA, Forschungsbibliothek: LP R III 7(8) MÜNCHEN, Bayerische Staatsbibliothek: Res/4 Biogr. 277,29 WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 181.8 Theol.(4), 240.22 Quod.(1), 56.25 Poet.(7) WIEN, Österreichische Nationalbibliothek: 77.Dd.246 A und E sind bei Hans Lufft in Wittenberg gedruckt. A stellt eine Verbesserung von E dar. E scheint darum als erstes gedruckt worden zu sein. B, C, D weisen ähnliche Änderungen, allerdings auch unterschiedliche Fehler auf. Darum lässt sich eine eventuell vorhandene, wechselseitige Abhängigkeit unter diesen drei Drucken nicht genau ermitteln.

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[A 2r:] Testamentum Doctoris Georgii Maioris.

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Nach dem ich, Georgius Maior, nun mehr von dem 70. Jar meines alters nicht fern1 vnd in betrachtung solches meines hohen alters vnd sonsten aller Menschen sterbligkeit mich zu einem seligen abschied2 aus diesem leben nu etlich Jar teglich bereitet, vnd darnach ein hertzlich verlangen bishero gehabt vnd noch habe, auch nicht gedacht hette, das ich in meiner vielfeltigen leibs schwacheit vnd andern mir obligenden betrFbnFsa so lange hette leben sollen. Als hab ich von wegen vieler vrsachen, vnter andern beide, mein vnd meiner lieben Kinder vnd Erben, auch der Schulen vnd Kirchen wegen, darinne ich so viel Jar geleret, gepredigt vnd gedienet, fFr notwendig geachtet, noch fFr3 meinem abschied ein deutliche, richtige vnd einfeltige,4 den Prophetischen vnd Apostolischen Schrifften, den Symbolis,5 der Augspurgischen Confession vnd Apologia gemesse bekentnFsb vnd erklerung als zu meinem Testament, bezeugung vnd erklerung meines letzten vnd endlichen Willens, Sententz vnd Meinung von dem Streit, dareinc ich von etlichen meinen Widerwertigen,6 wider meinen willen, wie vielen Christlichen gelarten vnd fFrtrefflichen Leuten bewust, [A 2v:] gezogen worden, zu fassen vnd hinder mir zuuerlassen,7 darmit meine Kinder vnd Erben, auch die gantze Kirche Gottes, bey allen Nachkomenden grFndlich wissen m=gen, was von dem Artickel der Rechtfertigung fFr Gott allein durch den Glauben, vnd dann von notwendigkeit der guten Werck in rechtem verstand, vnd also endlich bis in meine gruben,8 meine meinung vnd lehre sein vnd bleiben soll, darauff ich aus diesem leben mit Gottes gnediger hFlffe vnd beystand abzuscheiden vnd fFr seinem Gericht verhoffentlich fr=lich vnd mit gutem Gewissen erscheinen wil. Bezeuge derenthalben fFr Gott, allen seinen lieben Engeln vnd Heiligen im Himel vnd auff Erden, das ich von grund meines hertzens gleube vnd war halte alles, was in der Propheten vnd Apostel schrifften, den Symbolis, der Augspurgischen Confession vnd derselben Apologia vnd dem Corpore Doc-

a b c 1 2 3 4 5 6 7 8

betrFbniß: B; betrFbnis: C. bekentnis: C. darinne: B; darin: C. Major war 1501 geboren. Sterben. vor. schlichte, redliche. Vgl. Art. einfältig 2), in: DWb 3, 173f. Gemeint sind die drei altkirchlichen Bekenntnisse. Vgl. BSLK, 21–30. Gegnern. zu hinterlassen. Vgl. Art. verlassen 7), in: DWb 24, 730. mein Grab.

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trinae Christianae9 dieser vnserer Lande, Kirchen vnd Schulen von diesend beiden Artickeln nach lenge nottFrfftiglich10 geleret vnd erkleret wird, vnd das ich in diesen Artickeln, von der Gerechtigkeit des Menschens fFr Gott vnd von guten Wercken, auch sonst in andern Artickeln, der gantzen Christlichen Lehre niemals ein andere meinung oder lehre gehabt vnd in meinen Predigten, Lectionibus vnd schrifften gefFret vnd vertheidigete habe denn die ich nach laut der Prophetischen vnd Apostolischen Schrifften aus dem mund vnd bFchern der Ehrwirdigen Herrn D. Martini Lutheri vnd Herren Philippi Melanthonis seligen, meiner geliebten V(ter vnd Praeceptorum, welchen ich von dem 21. Jar11 bis in jre gruben bekand vnd mit steter beywohnung12 verwandt, geh=ret vnd empfangen habe. Wolte auch vnd mFste mich in ewigkeit schemen, [A 3r:] selbs anspeien vnd verdamnen, da mein GemFt jemals gewesen, von derselben meiner lieben V(ter vnd Praeceptorum lehre vorsetzlich abzuweichen, oder als ein vndanckbarer, vergessener13 Discipel vnd fast teglicher beywohner beider Herren Lutheri vnd Philippi jre lehre arglistiger, betrieglicherf weise dem Bapst oder einigen Menschen zu gefallen, zu uorfelschen vnd zu uordunckeln, mich vnterstanden solt haben. Gott sey zeuge vnd Richter zwischen mir vnd denen, die mich mit solchem vngrund14 vnd verleumbdung beschweren.15 Dis ist aber mein bekentnFsg vnd lere von der Justification vnd Rechtfertigung des sFndigen Menschen fFr Gott, nemlich das allein aus lauterer,16h vn-

d e f g h

diesem: E. verthediget: C. betrFglicher: B, C, D. bekentnis: C. lauter: B.

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Melanchthon hatte 1560 auf Anregung des Leipziger Verlegers Ernst Vögelin ein Corpus Doctrinae zusammengestellt, das die erweitere Fassung der CA aus dem Jahr 1540, das die Confessio Saxonica aus dem Jahr 1551, das Examen ordinandorum in der erweiterten Fassung von 1554, die Schrift gegen Stancarus aus 1553, die letzte Fassung Loci thologici und die Responsiones ad impios articulis Bavariae inquisitionis enthielt. Vgl. Scheible, Melanchthon, 243; CORPVS || Doctrinae Christianae. || Das ist / || Gantze Summa der rechten || waren Christlichen Lehre des heiligen Euan= || gelij / nach jnnhalt G=ttlicher / Prophetischen vnd Aposto= || lischen Schrifften / in etliche BFcher gantz richtig / || Gottselig / vnd Christlich verfasset / Durch || ... Philippum Melanthonem. || ... zu einem gezeugniß bestendiger vnnd ein= || trechtiger Bekendtniß der reinen vnnd waren Religion / darabey || dieser ChurfFrstlichen / Sechssischen vnd Meißnischen Landen / Schulen vnnd || Kirchen / nuhn her biß in das dreissigst Jar ... || geblieben vnd verharret sind / wider aller LFgengeister / || vngegrFndte falsche aufflag vnd || beschwerung.||... || [Leipzig: Ernst Vögelin, 1560] (VD 16 M 2894). 10 notwendigerweise. Vgl. nothdurft, in: DWb 13, 927f. 11 Gemeint ist damit nicht das 21. Lebensjahr Majors, sondern das Jahr 1521, dem Beginn seines regulären Studiums in Wittenberg. 12 stetem Umgang, ständiger Gesellschaft. Vgl. Art. Beiwohnung 2), in: DWb 1, 1409f. 13 vergesslicher. 14 falscher Anklage. Vgl. Art. Ungrund II.2), in: DWb 24, 1031f. 15 belasten, quälen, beleidigen. Vgl. Art. beschweren 3), in: DWb 1, 1603f. 16 reiner.

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ermeßlicher barmhertzigkeit vnd gnade, on alle Werck, wirdigkeit vnd verdienst, allein durch vnd vmb des Mittlers, des Herrn Christi, vnsers Seligmachers vnd Erl=sers willen, von Gott zu gnaden angenomen vnd mit jm versFneti werden, durch zurechnung der Gerechtigkeit des Herrn Christi, vnd also Erben des ewigen Lebens vnd Seligkeit in diesem leben werden alle vnd jede, so da warhafftiglich bekeret werden vnd gleuben,j das ist, die in hertzlicher erkentnFsk vnd bekentnFsl jrer SFnden vnd in erschrecken fFr dem ernsten vnd gerechten zorn Gottes wider die SFnde, auff des Sons Gottes als vnsers ewigen Mittlers, Heilands vnd Hohenpriesters einig17 verdienst, gehorsam vnd fFrbitt hertzlich vertrawen vnd in rechter anruffung Gottes vnd gutem fFrsatz, trost vnd hFlff bey jm suchen. Das also vnzweiffelich, wie die Augspurgische Confession vnd Apologia zu reden pfleget,18 der Mensch allein durch Glauben, aus gnaden, on alle verdienst, wirdigkeit [A 3v:] vnd werck, vmb des Mittlers willen gerecht, mit Gott versFnet vnd als ein Erbe ewiges Lebens vnd Seligkeit geachtet vnd angenomen werde, wie hieuon S. Paulus spricht: „So halten wir nun, das der Mensch gerecht werde, on des Gesetzes werck“, Rom. 3.19 Jtem: „Sie werden alle on verdienst gerecht aus seiner gnade durch die Erl=sung, so durch Christum Jhesum geschehen ist, welchen Gott hat fFrgestelt zu einem Gnadenstuel in seinem Blut durch den Glauben.“20 Jtem Ephes. 2:21 „Aus gnaden seid jr selig worden durch den Glauben vnd dasselb nicht aus euch: Gottes gabe ists, nicht aus den wercken, auff das sich niemand rhFme.“ Derwegen ich mit dem Apostel Paulo vnd der gantzen Prophetischen vnd Apostolischen schrifft von vrsach der Rechtfertigung vnd Seligkeit fFr Gott alle vnd jede gute Werck, wirdigkeit vnd verdienst, wie hoch man auch dieselbige in dieser vnser schwacheit vnd verderbung tichten oder achten kann, je vnd allwege zu grund22 vnd rein ab- vnd ausgeschlossen vnd verworffen habe, auch noch aus grund meines hertzens ausschliesse vnd zur Rechtfertigung vnd Seligkeit fFr Gott mit Paulo nicht allein fFr kein verdienst oder vrsachen derselben, sondern fFr dreck vnd kot achte. Dennm Rechtfertigung vnd Seligkeit achte, halte vnd gleuben ich ein pur,o lauter i

vers=net: B. glauben: B. k erkentnis: C. l bekentnis: C. m Dann: B, C, D. n glaube: B. o par: C. j

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alleinigen. Vgl. CA VI (Vom neuen Gehorsam), in: BSLK, 60; AC IV (Von der Rechtfertigung), in: ebd., bes. 169–185. 19 Vgl. Röm 3,28. 20 Vgl. Röm 3,24f. 21 Vgl. Eph 2,8f. 22 als den Grund für die Rechtfertigung. 18

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geschenck vnd gabe Gottes, so den gleubigenp aus gnaden, vmb des Herrn Christi tewren gehorsams vnd Verdiensts willen, geschenckt vnd gegeben wird, wie Paulus klar spricht Rom. 6:23 „Gottes gabe ist das ewige Leben durch Jhesum Christum vnsern Herrn.“ Jtem in obgedachtem SprFchlin: „Aus gnaden seid jr selig wor-[A 4r:]den, Gottes gabe ists, nicht aus den Wercken, auff das sich nicht jemand rhFme.“24 Wje nu durch gedachte SprFchlein aller vnd jederq Menschen werck, wirdigkeit vnd verdienst von der Rechtfertigung vnd Seligkeit ausgeschlossen vnd verworffen werden, also halte vnd gleuber ich festiglich, das zugleich auch alles vertrawen vnd aller rhum, so wir in dieser vnserer grossen schwacheit vnd verderbung vnserer werck vnd verdienst halben vns dichten vnd machen m=gen, vns gentzlich abgestrickt,25 ausgeschlossen vnd verworffen werden, vnd dis durchaus so offt man gedenckt oder fraget, aus was vrsach oder verdienst wir in diesem leben gnediglich auff- vnd angenomen, mit Gott vers=net vnd gerecht gesprochen vnd beide, hie vnd dort,26 zu Kindern vnd Erben ewiges Lebens vnd Seligkeit gemacht werden. Vnd in diesem verstand halte, lere vnd gleub ich festiglich auch alles das, so der Apostel Paulus allenthalben, sonderlich aber zuns R=m. am 4. Cap. von zurechnung der gerechtigkeit leret, da er spricht: „Dem, der nicht mit Wercken vmbgehet, gleubet aber an den, der den Gottlosen gerecht machet, dem wird sein glaube gerechnet zur gerechtigkeit.“27 Mjt welchen worten der zurechnung der Apostel alles das, so sonsten die obgedachten Particulae Exclusiuae28 geben vnd mit sich bringen, am aller herrlichsten vnd stercksten erkleret vnd bestetiget, das nemlich vns vnsere vielfeltige, ja vnzeliche sFnden aus lauterer gnaden nicht zugerechnet, sondern ein andere, frembde gerechtigkeit des Mittlers, des sons Gottes, vnd also der glaube, so sich des Mittlers verdiensts, gehorsams vnd gerechtigkeit tr=stet vnd dieselbige annimpt, zur gerechtigkeit zugerechnet werde. [A 4v:] Derhalben zu solcher zurechnung der Gerechtigkeit des Mittlers, die je29 ausser vns ist, alle unsere Werck, wirdigkeit vnd verdienst nichts thun, nichts helffen, nichts verm=gen noch wircken, welchs der Apostel Paulus heist: „mit Wercken vmbgehen“,

p q r s

glaubigen: B. B, C, D: „des“ eingefügt. glaube: B. zum: E.

23

Vgl. Röm 6,23. Vgl. Eph 2,8f. 25 für nichtig erklärt. Vgl. Art. abstricken 2), in: Fnhd.Wb 1, 424f. 26 Im Diesseits und im Jenseits. 27 Vgl. Röm 4,5. 28 Gemeint ist das reformatorische „allein“, hier vor allem das „sola fide“. Vgl. dazu Reinhard Slenczka, Art. Glauben VI: Reformation/Neuzeit/Systematisch-theologisch, in: TRE 13 (1984), 318–365. 29 immer. Vgl. Götze, 127. 24

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wie es Lutherus im Deutschen gegeben,30 das ist, Gerechtigkeit mit Wercken erwerben vnd verdienen wollen. Dieser Glaube, als das HeubtstFck des heiligen Euangelij vnd der grundfest31 alles warhafftigen Trosts vnd anruffung Gottes, ist je vnd allwege mein einiger trost, hoffnung vnd zuuersicht vnd die zeit meines lebens meine eigentliche meinung vnd lehre gewesen. Jst mir auch, das Gott als der einige HertzenkFndiger weis, niemals in mein sinn oder gedancken komen, anders von diesem Artickel vnd HeubtstFck Christlicher Lehr zu halten oder zu leren. Vnd nach dem ich durch Gottes gnedigen willen so gar vnuersucht32 nicht bin vnd in n=ten, Creutz vnd anfechtung vielmals, gleich allen Heiligen gesteckt,t hab ich je auch in eigener erfahrung gelernet vnd befunden, das ein betrFbt Hertz,33 welches seine SFnde erkennet vnd in rechten engsten34 Gottes Zorn warhafftig fFrchtet vnd fFhlet, nicht kan noch soll auff eigene Werck, wirdigkeit vnd verdienst einig vertrawen setzen oder derselben halben sich fFr Gott rhFmen, als ob jm die verheissung der gnaden, derselben seiner werck wegen, gegeben oder geschenckt wFrde vnd gewis sey, sondern, so offt es die verheissung anschawet, mus ein solch hertz diese vnermeßliche vnd vnaussprechliche Barmhertzigkeit mit festem vertrawen vnd glauben fassen vnd auffs gewissest schliessen, das die Person allein von wegen des Einigen Mittlers, des Sons Gottes verdienst, gehorsam vnd fFrbit von Gott zu gnaden angenomen, von sFn-[B 1r:]den absoluiret vnd gerecht gesprochen werde. „Dennu wie durch eines sFnde die verdamnFs vber alle Menschen komen ist, also ist auch durch eines gerechtigkeit die Rechtfertigung des lebens vber alle Menschen komen. vnd gleich wie durch eines Menschen vngehorsam viel SFnder worden sind, also auch durch eines gehorsam werden viel gerecht“, Rom. 5.35 Von Guten Wercken.

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Djs ist auch hierneben gewislich vnd vnzweiflich war, das eben durch denselben Mittler vnd vmb seinetwillen einem solchen geengsten,36 warhafft betrFbtem, gleubigemv 37 hertzen, der heilige Geist aus gnaden vnd on alle werck vnd verdienst gegeben vnd in dasselbige ausgegossen werde, der es wider alles schrecken der SFnde vnd des todes tr=sten, erquicken vnd leben-

t u v 30 31 32 33 34 35 36

gesterckt: B, C, D. Dann: B, D. glaubigem: B. Röm 4,4 (Luther 1545). Grundlage, Fundament. angefochten. Vgl. Art. versuchen 3), in: DWb 25, 1831. Vgl. Ps. 34,19; 51,19. Ängsten. Vgl. Röm 5,18f. geängstigten.

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dig machen vnd zugleich auch in das vorige Bild Gottes38 vernewren vnd verkleren, zu gebFrlichem vnd schFldigem gehorsam vnd guten Wercken wider anregen, treiben vnd fFren, ja dieselbigen in jnen selbs wircken vnd anzFnden solle, das fFr vnd fFr das hertz in aller freidigkeit39 vnd zuuersicht fFr Gott treten vnd jn als ein Vater fr=lich ansprechen m=ge, wie Paulus spricht: „Wenn wir durch glauben gerecht worden sind, so haben wir friede mit Gott etc.“40 Jtem Ephes. 2:41 „Wir sind Gottes Werck, geschaffen in Christo Jhesu zu guten Wercken, zu welchen Gott vns zuuor bereitet hat, das wir darinnen wandeln sollen.“ Jtem Ephes. 3:42 „Durch diesen haben wir einen zugang zu Gott in aller freidigkeitw vnd zuuersicht, durch glauben an jn.“ [B 1v:] Jtem Rom. 8.43 et Gal. 4:44 „Weil jr denn Kinder seid, hat Gott gesand den Geist seines Sons in ewer hertzen, der schreiet: Abba lieber Vater.“ Solches alles, wie gemeldet, habe ich zu f=rderst aus Gottes Wort vnd denn aus eigener erfahrung in vielen meinen anfechtungen vnd betrFbnissenx gelernet, hab es auch die zeit meines lebens je vnd allwege bekandt vnd geleret, vnd wil solch bekentnFsy durch Gottes hFlffe vnd gnedigen beystand, wie oben bezeuget, fFr meines Erl=sers vnd Heilands Jhesu Christi Richtstuel45 bekennen vnd bringen vnd mirs auch der Hellen pforten nicht nemen noch zu nichte machen lassen. Derhalben ich auch, was in diesem Artickel von notwendigkeit der Buß vnd bekerung zu Gott, des Glaubens vnd newenz Gehorsams in Gottes Wort vnd in allen Schrifften der Prophetena vnd Apostel vnzehlich mal widerholet vnd geleret wird vnd in der Augspurgischen Confession vnd Apologia vnd andern dieser Kirchen bFchern, sonderlich aber in Corpore Doctrinae fleissig vnd vnterschiedlich erkleret wird, wie nemlich die bekerung vnd busse geschehe, wie der newe Gehorsam m=glich vnd angefangen werde, wie derselbige Gott gefellig vnd angenem sey, aus wasb vrsachen man gute Werck thun solle, waserley46 sFnden auch in den Heiligen vnd gerechten in diesem leben cbleiben oder w

freudigkeit: B. betrFbnFssen: B, D. y bekentnis: C. z newem: E. a Prophetischen: B; Phropheten: D. b wes: E. c – c Fehlt in B, C, D. x

38 39 40 41 42 43 44 45 46

Vgl. Gen 1,27; Eph 4,24. Mut, Freudigkeit. Vgl. Art. Freidigkeit, in: DWb 4, 103. Vgl. Röm 5,1. Vgl. Eph 2,10. Vgl. Eph 3,12. Vgl. Röm 8,15. Gal 4,6. Vgl. Röm 14,10; II Kor 5,10. welche.

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hergegenc nicht bleiben, das ist, die den jenigen, in dem sie seind vnd herrschen, nicht mehr heilig, gerecht, selig oder Gott gefellig sein lassen, vnd letzlich, das allend vnd jeden guten Wercken, in aller anruffung vnd anfechtung, dis Liecht vnd Lere des heiligen Euangelij, das beide, die Person vnd derselbigen angefangener noch vnuolkommener, schwacher, vnreiner vnd sFndiger Gehorsam vnd gute [B 2r:] werck allein aus gnaden, durch glauben vmb des Mittlers willen, Gott gefellig vnd angenehm sein. Dis alles sampt vnd sonderlich, welches dieses orts nach leng auszufFren vnd zu erkleren vnmFglich vnd viel zu lang sein wolte, das halte, gleube,e lere vnd bekenne ich in keinem andern verstand noch meinung, denn wie in obgedachten diesen vnsern Kirchen bekentnFs,f Apologia vnd Corpore Doctrinae Christianae vnd andern des Herrn Lutheri vnd Philippi schrifften ausfFrlich vnd nach der lenge erklert ist. Darauff ich mich kFrtz halben hiemit ziehe vnd obgemelte meine liebe Kinder vnd Erben vnd die gantze Kirche Gottes in dieselben disfals wil gewiesen haben, mit dieser abermals angezeigten vnd aller h=chsten betewrung vnd bezeugung, das mein gemFte die zeit meines lebens nicht gewesen vnd, ob Gott wil, hinfurt nicht sein soll, gedachter BekentnFsg vnd schrifften erklerung in einigem47 wort zu uerendern oder ichtes48 ausserhalb derselben zu leren oder in meine schrifften zu bringen. Jch verdamne auch vnd verfluche hiemit in ewigkeit alle falsche, jrrige lehr aller derer, so den HERRN Christum nicht fFr jren einigen Erl=ser, Gerechtmacher, Mittler vnd Seligmacher erkennen, annemen vnd bekennen, sie heissen gleich Pelagianer,49 Papisten oder wie sie namen haben, vnd halte sie alle auff einen hauffen fFr Feinde des Creutzes vnd verdiensts Jhesu Christi. Vnd das ich noch deutlicher rede, so verdamne ich alle die, so die Werck des Menschen halten vnd ausschreien50 als ein verdienst des ewigen Lebens oder der Seligkeit, oder die da sagen, das gute werck als ein verdienst zur Seligkeit n=tig sind, oder das niemand one gute Werck als on [B 2v:] eine vrsache oder mitwirckung zur Seligkeit k=nne gerecht vnd selig werden, oder das niemand sey selig worden one gute Werck als ein vrsache vnd verdienst der Seligkeit. Solche meinung vermaledeye ich aus grund meines hertzens, vnd habe sie allwege vnd je vermaledeiet vnd offentlich dawider geleret, vnd wil d e f g

allein: E. glaube: B. bekentnis: C. Bekentnis: C.

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einem einzigen. irgendetwas. 49 Pelagius († nach 418) und seine Anhänger lehnten die Erbsünde ab. Sie betonten darum, dass der Mensch wesenhaft gut und darum der menschliche Wille imstande sei, Gottes Gebote aufgrund seines natürlichen Vermögens einzuhalten. Vgl. Gerald Bonner, Art. Pelagius/Pelagianischer Streit, in: TRE 26 (1996), 176–185. 50 verkünden, bezeichnen. Vgl. Art. ausschreien 2), in: DWb 1, 961. 48

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es auch hinfort thun, so lang mir Gott das leben lest. Vnd damit ja allerley jrrung, gezenck vnd misuerstand gentzlich abgeschnitten51 vnd auffgehaben wFrde, hab ich auch diese reden: „Gute Werck sind n=tig zur Seligkeit“, „Es ist vnmFglich,h one gute Werck selig zu werden“, jtem: „Niemand ist jemals one gute Werck selig worden“, welche von meinen Widerwertigen52 auff obgedachten misuerstand, zu wider meiner meinung, mit gewalt gezogen worden, fFr dieser zeit gutwillig fallen lassen, wie ich denn auch hinfurti dauon keinen zanck mit jemands erregen wil. Dagegen halt ich nochmalsj fFr war vnd gewis, das wer in sFnden wider sein gewissen beharret, der ist nicht bekert zu Gott vnd bleibt der Zorn Gottes vber jm. Auch, so jemand, der in Gottes gnaden gewesen ist, wider sein gewissen handelt, der betrFbt den heiligen Geist, verleuret gnade vnd hulde Gottes, leidet schiffbruch am Glauben53 vnd felt widerumb in Gottes zorn vnd in ewige straff, wo die bekerung nicht widerfolget.54 Jch bitte auch alle vnd jede meine Kinder, Erben vnd Freunde vnd zu f=rderst alle GottfFrchtige, frome hertzen, sie wolten in Christlicher erwegung vnd behertzigung obgedachter meiner endlichen55 erklerung vnd meinung in diesen beiden Artickeln als meines Testaments vnd letz-[B 3r:]ten willens, darauff ich nach Gottes gnedigen Willen vnd wolgefallen, wenn es seiner Allmacht zeit sein wird, meinen Abschied von hinnen zu nemen entschlossen,k dis mein endlich vnd letzt Testament vnd bezeugung meiner meinung vnd bekentnFsl fFr eine gewisse56 Regel vnd Richtschnur halten vnd achten, alles des, so ich etwa57 von diesen beiden Artickeln in andern meinen schrifften vnd bFchern vnd in allen meinen Predigten vnd Lectionen vnd meinem gantzen Lereampt bey vnd in meinem leben bekant vnd geleret habe, dennm dis je vnd allwege meine eigentliche meinung vnd verstand gewesen vnd keine andere.n Darnach bitte ich, das man auch alle meine lere vnd schreiben nach odiesem meinemo bekentnFsp achten, richten vnd vrteilen wolle, was auch hiemit als h

vnm=glich: B. hinfort: B. j nachmals: C. k B, C, D: lassen den Satz hier enden. l bekentnis: C. m dann: B, C, D. n anderer: B, C, D. o – o diesen meinen: B, C, D. p bekentnis: C. i

51 52 53 54 55 56 57

unterbrochen, beendet. Vgl. Art. abschneiden, in: DWb 1, 107. Gegnern. Vgl. I Tim 1,19. erneut geschieht. endgültigen. Vgl. Götze, 63f. sichere, glaubwürdige. Vgl. Götze, 107. einmal, sonstwo. Vgl. Götze, 71.

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meinerq eigentlichen meinung in meiner lehr vnd schrifften vberein k=met vnd gleichstimmet, das allein hab ich je vnd allwege leren wollen, das halte vnd erkenne ich als meine vnd also GOTTES Wort vnd Lere. Was aber wider diese meine letzte bekentnFsr streiten oder derselben, zu f=derst aber Gottes Wort, der Augspurgischen Confession vnd Apologia oder dem Corpori Doctrinae Christianae zu entgegen sein vnd mit warheit vnd gutem bestand,s one vngebFrliche misdeutung, erweiset werden m=chte oder k=nte, das wil ich hiemit selbst verworffen vnd als meine lere oder bekentnFst mit nichten geachtet noch gehalten haben. Vnd dieweil ich mich Christlich weis zu bescheiden,58 das ichu auch ein Mensch vnd in so mancherley Menschlicher [B 3v:] schwacheit, gleich andern, bisweilen wol habe straucheln vnd anstossen59 m=gen, mich auch gar nicht fFr den geachtet haben wil noch sol, der gantz one feil60 vnd gebrechen were, wil ich alle Christliche hertzen dieser des heiligen Augustini wort erinnert, denen auch meine bFcher vnd schrifften vnterworffen haben, da er von seinen schrifften selbst also zeuget vnd bekennet: „Negare non possum nec debeo, sicut in ipsisv maioribus, ita tam multa esse in tam multis opusculis meis, quae possunt, iusto iudicio et nulla temeritate culpari.“61 Das ist, spricht S. Augustinus: „Jch kan noch sol nicht verneinen, das wie in vnserer Vorfahren schrifften, also auch in vielen meinen bFchlein vnd schrifften, viel dinges sey, welchs mit allem recht wol mag strefflich geachtet werden etc.“ Doch das ich bey diesen S. Augustini worten alle Christliche hertzen, auch meine Widerwertigen, dieses Sanct Ambrosij sprFchlins zu erinnern hinwider recht vnd macht habe: „Iudicet ille de alterius errore,w qui non habet in se ipso quod condemnet, iudicet, qui non agit eadem,x quae in alio putauerit punienda, vt cum de alio iudicat, in se ferat sententiam, iudicet ille, qui ad pronunciandum nullo odio, nulla offensione, nulla leuitate ducitur.62 Das ist: „Der vnterstehe sich von eines andern Jrthumb Richter zu sein, welcher an sich selbst nicht befindet, das er billich zu verdamnen habe, vnd der sey

q

meine: C. bekentnis: C. s verstand: C. t bekentniß: B; bekentnis: C. u ist: C. v ipsiis: B. w errare: C. x eam: C. r

58 Weil ich mir klar bewusst bin. Vgl. Art. bescheiden, bescheidentlich 1), in: Fnhd.Wb. 3, 1645f. 59 anecken, Fehler begehn. Vgl. Art. anstossen 5), in: Fnhd.Wb. 1, 1499f. 60 Fehler. 61 Vgl. Augustinus, De Anima et eius origine IV, 1, in: PL 44, 523. 62 Ambrosius, In Psalmum David CXVIII Expositio (Sermo XX, 31), in: PL 15, 1493; Decretum Gratiani II pars, 3 causa, 7 quaestio, c. 4. (Friedberg 527).

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Richter, der das jenige selbst nicht thut,y das er an einem andern strefflich zu sein achtet, auff das er in dem, darinnen er einen andern richtet, sich selbst nicht verurteile.“z Summa: „Dieser sey Richter, welcher durch haß vnd neid, durch widerwillen vnd zorn vnd durch gar keine leichtfertigkeit zu vrteilen nicht bewegt wird.“ Haec S. Ambrosius. [B 4r:] Zum Letzten bitt ich hiemit von grund meines hertzen den Vater der barmhertzigkeit wie sein geliebter Son, mein lieber Erl=ser vnd Heiland Christus Jhesus, kurtz fFr seinem Tode jn angeruffen vnd fFr vns alle gebeten hat,63 das er aller Christlichen Lerer hertzen vnd gemFter in jm vnd seiner Warheit vereinigen, heiligen vnd erhalten wolle, das sie allesampt in jm eins sind, wie er der Vater vnd Son eins ist, vnd semptlich zu seinen Ehren zu heiligung seines Namens vnd seiner Warheit, welche sein Wort ist, vnd zu fruchtbarer, seliger ausbreitung seines Reichs einmFtiglich dienen vnd viel nutz schaffen m=gen durch Christum Jhesum vnsern aller Herren vnd Seligmacher. Amen. Georgius Maior, Doctor Manu propria subscipsit.a

y

thue: B. vrteile: B. a B: folgt im Kolophon: Gedruckt zu NFrmberg durch Nicolaum Knorrn. 1570; C: folgt im Kolophon: Gedruckt zu Leipzig durch Jacobum Berwaldt. 1570; D: folgt im Kolophon: im Kolophon: Gedruckt zu Dresden durch Matthes St=ckel. 1570. z

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Vgl. Lk 23,34.

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Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: 393.10 Theol.(10)

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Vom Testament D. Maiors. 5

Christliche vnd in Gottes Wort gegrFndte Erinnerung. Durch die Theologen zu Jhena. Gedruckt zu Jhena durch Donatum Richtzenhan /Anno 1570.

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Nr. 17: Vom Testament D. Majors (1570) - Einleitung

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Einleitung 1. Historische Einleitung

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Die Veröffentlichungen Majors in den sechziger Jahren1 dienten keineswegs allein seiner persönlichen Verteidigung und der Erklärung seiner Lehre. In seinen Schriften verfolgte er auch das Ziel, die Wittenberger Universität vor den Anschuldigungen, Irrlehren zu dulden, in Schutz zu nehmen und die Rechtgläubigkeit der Wittenberger Professoren seit Luthers Zeiten zu betonen. Als Hort der wahren Lehre und Verteidigerin des reformatorischen Erbes Martin Luthers verstand sich jedoch die Universität Jena, die nach dem Verlust des Kurkreises Wittenberg mit der Universität durch die Niederlage im Schmalkaldischen Krieg von den ernestinischen Herzögen gegründet worden war.2 Herzog Johann Wilhelm von Sachsen unternahm Ende der sechziger Jahre den Versuch, die Statuten der Universität Jena neu zu formulieren. Damit wollte er einerseits selbst größeren Einfluss auf die Besetzung der Professorenstellen erlangen sowie andererseits eine konfessionspolitisch eindeutig lutherische und antimelanchthonische Position in seinem Herzogtum beibehalten und verstärken, indem alle Universitätsmitglieder auf das Weimarer Konfutationsbuch3 aus dem Jahr 1559 verpflichtet werden sollten. Da dieses unter der Jenaer Professorenschaft jedoch höchst umstritten war, besetzte der

1 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 14; COMMONEFACTIO || HISTORICA || DE STATV EIVS TEM|| PORIS, QVOD EVANGELII || lucem praecessit, &. quae eius ini= || tia, ac qui inter varia impedimenta || & pericula eius progressus, qui item || faces dissidiorum fuerint & adhuc || sint, cui inserta est breuiter Confessio || postrema Doctoris Georgij Maio- || ris, de doctrina Iustificationis & bo- || norum operum, ab eodem recita- || ta, cùm abiret Magistratu scho- || lastico, die 18. Octob. || Anno 1567. || [Wittenberg: Hans Lufft, 1567] (VD 16 M 2016); im selben Jahr erschien noch eine weitere Auflage (VD 16 M 2017); REPETITIO: || Widerholung vnd || endliche Erklerung der Bekentnis || D. Georgij Maioris. || Von dem Artickel der Justification / das || ist / von der Lere / das der Mensch allein durch || Glauben / one allen verdienst ... || Erbe ewiger || Seligkeit sey. || Vnd von Guten Wercken / welche dem || warhafftigen Glauben ... || fol= || gen sollen. || (Bekentnis || D. Georgij Maioris || von dem Artickel der Justification ... || Vnd von guten Wercken / welche ... || fol= || gen sollen. || Wittemberg. || M.D.LIX. ||) [Wittenberg: Hans Lufft, 1567] (VD 16 M 2162); im selben Jahr erschienen noch zwei weitere Auflagen (VD 16 M 2160f). 2 Vgl. zu der Auseinandersetzung zwischen Ernestinern und Albertiner sowie zwischen Wittenberg und Jena: Bünz, Niederlage, passim. 3 Des Durch=|| leuchtigen Hochgebornen || FFrsten vñ Herrn / Herrn Johans || Friderichen des Mittlern / Hertzo= || gen zu Sachssen ... || fFr sich selbs / || Vnd von wegen seiner F. G. BrFdere / Hertzog || Johans Wilhelmen / vnd Hertzog Johans Fri || derichen des JFngern zu Sachssen etc. in Got= || tes wort / Prophetischer vnnd Apostolischer || schrifft / gegrFndete Confutationes / Widerle= || gungen vnd verdammung etlicher ein zeit her / || zu wider demselben Gottes wort / vnd heiliger || Schrifft / auch der Augspurgischen Confession || Apologien ... || Aber zu fFrderung vnd wider anrichtung || des Antichristischen Bapstums eingeschliche= || nen / vnd eingerissenen Corruptelen / Secten vñ || Jrrthumen / Wie dieselben vnterschiedlich / vnd || in Specie / namhafftig angezeigt werden ... || [Jena: Thomas Rebart, 1559] (VD 16 S 1096); im selben Jahr erschienen noch drei weitere deutsche (VD 16 S 1097–1099) sowie zwei lateinische Auflagen (VD 16 S 1100f) der Schrift; zum Konfutationsbuch vgl. Leppin, Katastrophenverarbeitung.

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Nr. 17: Vom Testament D. Majors (1570) - Einleitung

Herzog die Professorenstellen der theologischen Fakultät 1568/69 kurzerhand neu. Die Schriften des Melanchthonschülers Major4 provozierten Ende der sechziger Jahre darum den heftigen Widerspruch der gerade neu berufenen, streng lutherischen Jenaer Theologen.5 Sie verdammten Majors These von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit und warfen ihm vor, wieder hinter die Einsichten in seinem „Bekenntnis“6 von 1558 zurückzufallen. Major antwortete auf diese Angriffe mit seinem „Testament“7. In diesem legte er seine Position abermals dar, versprach in Zukunft nicht mehr über diese Frage disputieren zu wollen, da seine Gegner seine These ständig missverständlich auslegen würden, und betonte nachdrücklich seine Rechtgläubigkeit unter Verweis auf CA, AC und das Corpus Doctrinae Philippicum. Damit stellte er sich eindeutig auf die Seite Melanchthons, von dessen Theologie sich die Jenaer jedoch abzugrenzen suchten. Die hier edierte Schrift der Jenaer Theologen, „Vom Testament Majoris“, stellt die Antwort auf das „Testament“ Majors dar.

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2. Die Autoren Es handelt sich um ein Autorenkollektiv. Das Titelblatt der Schrift weist die Theologen der Universität Jena ohne nähere Spezifizierung als Verfasser aus. Für das Erscheinungsjahr der Veröffentlichung lassen sich nach den Neubesetzungen der Professorenstellen durch Herzog Johann Wilhelm folgende Mitglieder der Theologischen Fakultät Jena nachweisen: Tilemann Heshusius, Johannes Wigand und Johann Friedrich Coelestin.

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2.1 Tilemann Heshusius Tilemann Heshusius8 wurde am 3. November 1527 in Niederwesel geboren und nahm 1546/47 das Studium in Wittenberg auf. Nachdem er im Jahr 1550 den Magistergrad erreicht hatte, erhielt er 1552/53 eine Dozentenstelle an der Leucorea. Noch 1553 wurde er Pastor primarius in Goslar und in Wittenberg zum Doktor der Theologie promoviert. 1556 erreichte ihn ein Ruf als Theologieprofessor an die Universität Rostock. Aufgrund von Streitigkeiten verließ er die Stadt in Richtung Heidelberg, da Kurfürst Ottheinrich von der Pfalz ihn dort zum Generalsuperintendenten ernannte. Nach dem Tod Ott-

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Vgl. Anm. 1. Vgl. Bekentnis. || Von der Rechtferti= || gung fFr Gott. || vnd || Von guten Wercken. || Der Theologen in || der Vniuersitet || Jhena. || ... || [Jena: Christian Rödinger d. J., 1569] (VD 16 W 2717); im selben Jahr erschienen noch zwei weitere Auflagen der Schrift (VD 16 W 2718f). 6 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 12. 7 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 16. 8 Zum Folgenden vgl. Karl Hackenschmidt, Art. Heßhusius, Tilemann, in: RE3 8 (1900), 8–14; Peter F. Barton, Art. Heshusius, Tilemann, in: TRE 15 (1986), 256–260; Ernst Koch, Art. Heshusius, Tilemann, in: RGG4 3 (2000), 1703. 5

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Nr. 17: Vom Testament D. Majors (1570) - Einleitung

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heinrichs 1559 wurde er zum Superintendenten in Bremen gewählt. Doch bereits im folgenden Jahr wurde er Pfarrer in Magdeburg – 1561 dort Superintendent. Im selben Jahr nahm er an dem Städtekonvent von Lüneburg teil und unterzeichnete die „Erklärung aus Gottes Wort“, in der Majors These von der Notwendigkeit guter Werke verurteilt wurde.9 Im April 1565 wurde er zum Hofprediger von Herzog Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken nach Neuburg a. D. berufen. Dort ordnete er das Kirchenwesen neu und heiratete 1566 die erst 17jährige Barbara Musäus, die Tochter seines Weggefährten Simon Musäus, nachdem seine erste Frau, Anna von Bert (1533 –1564), gestorben war. Im Rahmen der Neubesetzung der Professorenstellen an der Universität Jena berief ihn Herzog Johann Wilhelm 1569 zum Professor, da er um die eindeutig lutherischen Positionen von Heshusius wusste.10 1573 wurde Heshusius dann zum Nachfolger Joachim Mörlins im Amt des Bischofs von Samland gewählt. Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel berief ihn 1578 an die neugegründete Universität Helmstedt. Dort blieb er bis zu seinem Tod am 25. September 1588. 2.2 Johannes Wigand Wigand11

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wurde 1523 in Mansfeld geboren. Nach dem Besuch der Johann dortigen Schule bezog er ab dem Jahr 1538 die Universität Wittenberg. Seit 1541 war Wigand dann als Lehrer an der Schule von St. Lorenz in Nürnberg tätig. Doch ab dem Jahr 1544 setzte Wigand sein Studium in Wittenberg fort. Am 1. September 1545 erlangte er dort den Grad eines Magisters. Bedingt durch den Ausbruch des Schmalkaldischen Krieges 1546 verließ Wigand Wittenberg und ging zurück nach Mansfeld. In den folgenden Jahren meldete er sich in nahezu allen theologischen Kontroversen seiner Zeit zu Wort, auch im Majoristischen Streit. Als einer der Prediger in Mansfeld war er maßgeblich an dem Widerstand gegen den 1550 nach Eisleben berufenen Georg Major beteiligt. Federführend wirkte Wigand an den Publikationen der „Mansfelder Prediger“ in der Kontroverse mit.12 Im Jahr 1553 übernahm er dann die Nachfolge von Nikolaus Gallus als Pfarrer an St. Ulrich in Magdeburg. 1560 nahm er einen Ruf an die Universität Jena an, verließ die Stadt aber schon im nächsten Jahr wieder.13 In Wismar wurde er im September 1562 Superintendent; im Jahr darauf verlieh ihm die Universität Rostock die Doktorwürde. Herzog Johann Wilhelm von Sachsen berief ihn 1568 erneut nach Jena. 1575 wurde Wigand Bischof von Pomesanien. Nachdem Heshusi9

Vgl. dazu die Einleitung zu Nr. 14 in unserer Ausgabe, S. 492, Anm. 10. Vgl. Gehrt, Ernestinische Konfessionspolitik, 340f. 11 Zum Folgenden vgl. Irene Dingel, Art. Wigand, Johannes, in: TRE 36 (2004), 33–38; HansPeter Hasse, Art. Wigand, Johann, in: RGG4 8 (2005), 1541f. 12 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 6 und 8. 13 Zur Entlassung der Theologen im Jahr 1561 vgl. Gehrt, Ernestinische Konfessionspolitik, 201–212. 10

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us Preußen verlassen hatte, übernahm Wigand auch die Administation des Bistums Samland. Am 21. Oktober 1587 verstarb er in Liebemühl (heute Miłomłyn, Polen). 2.3 Johann Friedrich Coelestin Das Geburtsjahr von Johann Friedrich Coelestin lässt sich nicht eindeutig bestimmen.14 Seine Geburtsstadt soll Plauen gewesen sein. Angeblich war seine Jugend durch zahlreiche Umzüge und Ortswechsel geprägt. Seine Studienorte sind bislang ebensowenig eindeutig zu ermitteln. Angeblich wurde er in Frankfurt/Oder zum Doktor der Theologie promoviert. Erst ab dem Jahr 1560 wird seine Biographie greifbarer, als Herzog Johann Friedrich d. M. von Sachsen ihn als Professor für Griechisch an die Universität Jena berief. Allerdings wurde Coelestin wie Wigand schon zwei Jahre später wieder entlassen.15 Cölestin wurde daraufhin zunächst Pfarrer bei Graf Ladislaus von Haag und wechselte ein Jahr später in die Dienste des Grafen Joachim von Ortenburg. 1564 wurde er Professor der Theologie am Gymnasium in Lauingen bei Herzog Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken und Pfalz-Neuburg. Im Jahr 1568 berief ihn Herzog Johann Wilhelm zurück an die Universität Jena. Dies geschah gegen den Widerstand der übrigen Professorenschaft, da Coelestin ihnen in den theologischen Fragen zu streitbar war.16 In dem zwischenzeitlich ausgebrochenen Erbsündenstreit17 stand Coelestin auf der Seite des Flacius und musste darum, nachdem ein Kolloquium zwischen ihm und Heshusius ergebnislos verlaufen war, seine Vorlesungen einstellen. Coelestin verließ daraufhin 1572 Jena und ging nach Österreich, wo er Pfarrer in Efferding und 1574 Pfarrer von Stein wurde. Durch seine Kontakte zum landständischen Adel, vor allem zu den Herren von Dietrichstein und Achatius von Starhemberg, der auch in Jena studiert hatte, versuchte er in Österreich ein Refugium für die Anhänger des Flacius zu schaffen. Coelestin verstarb um 1577/78.

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3. Inhalt Die Verfasser der hier edierten Schrift geben den 25. Februar 1570 als den Tag an, an dem Majors „Testament“ in Jena erstmals zum Kauf angeboten worden sei. Als die „Wechter“ Jenas hätten sie, so die Verfasser, darauf antworten müssen. Sie fordern Major zunächst auf, für seine Irrtümer ehrlich Buße zu tun und seine Irrlehren zu verwerfen. Aufgrund der Lektüre seines 14

Zum Folgenden vgl. Wilhelm Preger, Art. Coelestinus, Johann Friedrich, in: ADB 4 (1876), 389–391; Martin Schmidt, Art. Coelestin, Johann Friedrich, in: NDB 3 (1957), 308f. 15 Vgl. Anm. 13. 16 Vgl. Gehrt, Ernestinische Konfessionspolitik, 324f. 17 Vgl. unsere Edition Bd. 7; Preger, Flacius II, 310 –412; Gehrt, Ernestinische Konfessionspolitik, 412– 429.

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„Testaments“ hätten sie nämlich den Eindruck, dass er bislang nur eine heuchlerische Buße getan hätte, denn er vertusche seine Irrlehren lediglich, ja verteidige diese sogar noch. Zum Erweis von Majors Heuchelei zählen sie zwölf Punkte auf: In den ersten fünf Punkten versuchen die Autoren, Major in eine Reihe mit den Altgläubigen zu stellen, indem sie nachzuweisen versuchen, dass er eine papistische Werkgerechtigkeit gelehrt habe. Mit seiner Lehre habe er die altgläubige Seite gestärkt. Zudem beschuldigen sie ihn, sich in seinen Schriften unrechterweise auf Luther berufen und damit dessen Lehre verfälscht zu haben. In den Punkten sechs und sieben ziehen die Verfasser Parallelen zwischen den Handlungsweisen und Argumentationsstrategien Majors und altkirchlichen Häretikern wie Arius. Im achten Punkt wenden sich die Verfasser gegen Majors Beweisgrundlage für seine angebliche Rechtgläubigkeit. Denn Major hatte sich auf die Aussagen im Corpus Doctrinae Philippicum bezogen, was von den Autoren jedoch nicht als Lehrnorm akzeptiert wird. Mit den Punkten neun bis zwölf versuchen die Verfasser, Majors Argumentation als inkonsistent zu erweisen. Zwar biete er an, alle Irrlehren zu verwerfen und auch die These von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit zukünftig nicht mehr zu vertreten, doch sehe er seine Schuld nicht ein, da er von seiner Rechtgläubigkeit überzeugt sei und seinen Gegnern unterstelle, seine These missdeutet zu haben. Abschließend fordern die Autoren Major nochmals auf, einzusehen, dass er für den Streit verantwortlich sei, Buße tun und seine Irrlehren ohne Ausflüchte verwerfen solle. Denn die Lehre von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit verdunkele den Trost des Evangeliums und verkleinere das Erlösungswerk Christi. 4. Ausgaben

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A: Vom || Testament D. || Maiors. || Christliche vnd in Gottes || Wort gegrFndte Erinnerung. || Durch || die Theologen zu Jhena. || Gedruckt zu Jhena durch Donatum || Richtzenhan /Anno 1570. [10 Bl. 4°] (VD 16 V 2409) Vorhanden in:

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HALLE, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: AB 153 450 (10) WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: 393.10 Theol.(10) [benutztes Exemplar]

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B: Vom || Testament D. || Maiors. || Christliche vnd in Gottes || Wort gegrFndte Erinnerung. || Durch || die Theologen zu Jhena. || Gedruckt zu Jhena /Anno 1570. [10 Bl. 4°] (VD 16 V 2408) Vorhanden in: BERLIN, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 2 an: Dm 2551, Dm 2576 GÖTTINGEN, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek: 8 H L BI IV, 2180 GOTHA, Forschungsbibliothek: Th 1653(19) HALLE, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: AB 155 695(4) LEIPZIG, Universitätsbibliothek: Syst.Theol.679-fh/3

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C: Vom || Testament D. || Maiors. || Christliche vnd in Gottes || Wort gegrFndte Erinnerung. || Durch || die Theologen zu Jhena. || Gedruckt zu Jhena /Anno 1570. [10 Bl. 4°] (VD 16 V 2407) Vorhanden in: BRAUNSCHWEIG, Stadtbibliothek: M 281(5).4 GÖTTINGEN, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek: 8 H L BI IV, 2182 GOTHA, Forschungsbibliothek: Theol.4 520c(7) HALLE, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: AB 154 093 (15), Vg 1628,QK MÜNCHEN, Bayerische Staatsbibliothek: Polem. 3135 z WOLFENBÜTTEL, Herzog August Bibliothek: To 197(2) WITTENBERG, Evangelisches Predigerseminar: LC424/38b, LC516/6 Aufgrund der Verbesserung von Fehlern in den Drucken B und C kann A eindeutig als Erstdruck identifiziert werden. Da zwischen A und B Ähnlichkeiten in Druck und Gestaltung vorhanden sind, liegt darüber hinaus die Vermutung nahe, dass diese beiden Drucke in der Offizin von Donat Richtzenhan erschienen sind.

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[A 2r:] Vom newen Testament D[oktor] Maiors.

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Christliche erinnerunge. Es hat einer aus Vtopia1 alhier zu Jhena den Sonnabent nach Matthie2 newe Charten3 D. Maiors feil gehabt,4 mit dem titel: „Testament D. Georgij Maiors.“5 Weil aber wol zu gedencken, worumb solche schrifften an diese =rter eingeschoben6 werden, mFssen wir den Christlichen Leser, als Wechter dieses orts, ein wenig erinnern vnnd hoffen, es werde kein Christe vns dessen verdencken, weil man die BFcher hieher bringet vnd aufdringet,7 denn wenn D. Maior solche schrifften nur in seinem hause behielte vnd nit der gantzen Christenheit aufdringe, hetten wir nichts damit zu thun. Das aber D. Maior ernstlich vnd von hertzen m=cht busse thun, das ist, seine manichfeltige sFnden, in vielen verfelschungen reiner Christlichen lere vnnd grossen jrrthumen be-[A 2v:]gangen, erkennen, dieselbe fein deutlich verwerffena vnd das schwere, gegebene Ergernis in der armen, betrFbten Kirchen Jesu Christi aufheben m=chte, das were vns von hertzen lieb vnd eine grosse freude zu h=ren. Denn ja ein jeder Christe gedencken sol, das keiner so starck, so weise, so gelert, er kan fallen, wenn Gott die hand abzeucht, vnd der liebe Gott, alle menschen vnd Engel, nach dem spruch Christi,8 billich9 sich frewen, wo ein armer, gefallener SFnder busse thut vnd wider zu recht kompt, billich auch sich dargegen bekFmmern vnd betrFben, wenn ein armer SFnder in seinen sFnden bleibt, sich darinnen verdreet vnd verwickelt vnd noch wol darzu, wie Sodoma vnd Gomorra,10 dieselbige preiset vnnd die SFnde bey jhme vnd andern leuten sticken11 lesset, sonderlich wenn es sFnde sind der Lehre, welche man in bFchern ausgeseet vnd Jsrael damit hat sFndigen gemacht. Denn dieses sind SFnde, welche auff die nachkommen geerbet werden, vnd wie der Lehrer vorgangen, also folgen mit dem vorgenger ein grosser vnd langer hauffe leute, welche ferner sich vnd andere verfFhren, Gott dem allmechtigen zu schmach vnd vnehren, jhnen selbst vnd vielen andern leuten zu zeitlichen vnd ewigen verderben. [A 3r:] Nun haben wir aber D. Maiors Testament in Gottes furcht vnd in betrachtung der gantzen Historien seiner begangenen, vielfeltigen, schweren a

A: ververffen.

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Die Bezeichnung eines Unorts, um damit konkret den Erscheinungsort von Georg Majors Testament – Wittenberg – als für einen guten Christen nicht existent zu charakterisieren. 2 25. Februar 1570. Vgl. Grotefend, Zeitrechnung, 152. 3 Buch, Schrift. 4 zum Verkauf anbot. Vgl. Art. feil 3), in: DWb 3, 1447. 5 Vgl. unsere Ausgabe Nr. 16. 6 eingemengt. Vgl. analoge Bedeutung von Art. einschieben 5), in: DWb 3, 269. 7 aufdrängt, aufnötigt. Vgl. Fnhd.Wb. 2, 370. 8 Vgl. Lk 15,7. 9 zurecht. Vgl. Götze, 33. 10 Vgl. Gen 18,24f. 11 stecken, im Sinne von: unbeachtet, gut sein.

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sFnden in grossen, hohen, wichtigen stFcken Christlicher lere, welche er fFrsetziglich verfelschet vnd verkeret, gelesen vnd erwogen, vnd befinden aus diesem seinen letzten willen eine rechte, eigentliche, artige12 Busse fuchs Reinikens,13 dem berFmhten Paenitentiario14 gantz gleich, das wir fFrwar von hertzen erschrecken, das der Man vor seinem ende den fuchs Reiniken so meisterlich practicirt vnd alles, was er geleret, geschrieben vnd gethan, verwickelt vnd vertuschet, ja noch fein15 recht spricht vnnd lobet. Damit aber die Meistergriffe16 dieses fuchs Reiniken jederman deste bas17 sehen, mercken, verstehen vnd erwegen m=ge, wollen wir dieselben kFnste,18 Rencke19 vnd fFrgeben in diesem seinem letzten willen fein deutlich vnd ordentlich anzeigen. Erstlich sagt er, das er auch des anfangs in diesem streitte vnschuldig sey. Denn er spricht: Er sey von etlichen seinen widerwertigen20 wider seinen willen in den streit gezogen. A 221 [A 3v:] Wer hat denn die Bepstischen lere: gute werck sind n=tig zur seligkeit; es ist vnmFglich, ohne gute werck gerecht vnd selig zu werden; niemandt ist jemals ohne gute werck gerecht vnnd selig worden, in gedruckten BFchern erstlich nach D. Luthers todt =ffentlich verteidigt? Antwort: D. Maior selbst hats gethan, das bezeugen seine bFcher. Wer hat solche Bepstische leren zu Eisleben22 geprediget vnnd geschrieben? Antwort: D. Maior hats gethan. Wer hat denn jhn zu dem streit gezogen?23 Antwort: Die Eislebischen vnd Mansfeldischen prediger haben jn mFndlich vnd schrifftlich dafFr gewarnet, er solte die falschen lere nicht verteidigen,24 er wFrde von der hohen zinnen des Tempels springen vnd einen fall thun.25 Herr Amsdorff hat gewarnet,26 der Herr Philippus hat sein buch zu Wittenberg nicht wollen drucken lassen.27 Wo ist denn nun das arme

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kunstvolle, passende. Vgl. Art. artig 4), in: Fnhd.Wb. 2, 192. Reineke Fuchs heißt der Protagonist eines gleichnamigen Versepos, das sich im Spätmittelalter und der Reformationszeit großer Beliebtheit erfreute. Darin gelingt es dem Fuchs durch perfekte Heuchelei immer aufs Neue, sich aus brenzligen Situationen zu befreien. Vgl. Fritz P. Knapp, Art. Renart III: Deutsche und Niederländische Literatur, in: LexMA 7 (1995), 723. 14 Büßenden. 15 Überhöhung im Sinne von: zusätzlich, sogar. Vgl. Art. fein 2), in: DWb 3, 1456. 16 meisterhaften Tricks. Vgl. Art. Griff II.B), in: DWb 9, 294. 17 besser. Vgl. Götze, 21. 18 Täuschungen. Vgl. Art. Kunst II.3.d.α), in: DWb 11, 2676f. 19 Ränke, hinterlistige Vorgehensweisen. 20 Gegnern. 21 Vgl. Major, Testamentum (1570), A 2r–v, unsere Ausgabe, Nr. 16, S. 553. 22 Majors Tätigkeit als Superintendent in Eisleben 1551/52 war aufgrund des ausbrechenden Streits um die Bedeutung der guten Werke zur Seligkeit nur von kurzer Dauer. 23 gebracht, in den Streit verwickelt. 24 Vgl. Mansfelder Prediger, Bedenken, in: unsere Ausgabe Nr. 6, S. 291–314. 25 Vgl. Mt 4,5–7; Lk 4,9 –12. 26 Vgl. Amsdorf, Kurzer Unterricht, in: unsere Ausgabe Nr. 2, S. 55–73. 27 Vgl. Philipp Melanchthon an Georg III. von Anhalt-Dessau. 1. April 1553, in: CR 8, 63f, bes. 64 = MBW 6788. 13

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lemlein, das dem Wolfe das wasser betrFbt28 hat, denn der wolff ist gantz reine?29 Wer hat denn nun den Apffel gefressen?30 Maior nicht, wolan, dennoch ist des anfangs halben Fuchs Reinike gar vnschuldig. FFrs ander spricht er,31 seine meinunge, sein verstand sey allewege recht gewesen. Derhalben ist er noch vnschuldig an der gantzen [A 4r:] sachen. Wer hat denn falsche leren gefFrt? Traun32 D. Maior nicht in dem geringsten, denn seine meinung sey nach der Prophetischen vnd Apostolischen schrifft, sagt er,33 gericht gewesen. Wer wil jn nun straffen? Niemandts. Jst doch seine meinung gut gewesen. Darauff ist zu antworten: Wer wil denb vogelsteller gleuben, das er den waldv=gelein pfeiffet34 vnd gibt fFr, er meine es gut mit jnen, wenn er siehet, das er sie berFcket35 vnd wFrget. Derwegen folget nicht. D. Maior sagt: seine meinung sey gut gewesen, vnnd hat doch falsch vnd vnrecht geleret. Vnd merck lieber leser, er hat auch vormals geschrieben, seine falsche, bepstische leren von Nothwendikeit der guten werck zur seligkeit sey die lere der Propheten vnd Apostel.36 Vnd eben mit dieser kunst k=nte der Antichrist zu Rohm in seiner lere recht haben, denn er sagt, seine meinung vnd gemFth sey nie gewesen, etwas zu leren wider der Propheten vnd Apostel schrifften, so doch die offentliche that fFr augen ist. Derwegen D. Maiors meinen vnd seine offentliche that zweierley sein vnd nicht mit einander concordirn, wie die wort vnd bFcher vorhanden. Also rechtfertiget Fuchs Reinike mit seiner gutmeinunge seine b=se sache. [A 4v:] FFrs dritte sagt er, das er D. Martini L. Lere habe w=llen fFhren vnd verteidigen.37 Was hat denn nun D. Maior vnrechts gethan? Gar nichts, ja er hat dFrffen sagen, D. Luther sey auch ein Maiorist gewesen, hab auch also geleret: Gute werck sind n=tig zur Seligkeit.38 Aber Reinike, das ist zu viel. D. Luther schreibet: „Die falschen Apostel haben geleret, das gute werck zur Seligkeit n=tig sind.“39 Weil aber D. Maior in gedruckten bFchern auch dergleichen geleret, so schilt D. Luther den D. Maiorem fFr einen falschen Apostel. Sehet lieben Christen, wie D. Maior seine sache nach fuchs Reiniken art so meisterlich verdrehen kan.

b

C: dem.

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verunreinigt. Vgl. Art. betrüben 1), in: DWb 1, 1720f. Vgl. Martin Luther, WA 50, 452– 460, bes. 455f. (Etliche Fabeln aus Esopo, 1530). 30 Vgl. Gen 3,6. 31 Vgl. Major, Testamentum (1570), A 2v, B 2r, unsere Ausgabe, Nr. 16, S. 553f, 559. 32 Wahrlich. Vgl. Art. traun 4), in: DWb 21, 1530f. 33 Vgl. Major, Testamentum (1570), A 2r, unsere Ausgabe, Nr. 16, S. 553f. 34 sie anlockt. Vgl. Art. pfeifen 7.a), in: DWb 13, 1648. 35 fängt. Vgl. Art. berücken 1), in: DWb 1, 1529. 36 Vgl. Major, Sermon von der Bekehrung S. Pauli (1553), i 4v, unsere Ausgabe, Nr. 5, S. 275. 37 Vgl. Major, Testamentum (1570), A 2v–A 3r, unsere Ausgabe, Nr. 16, S. 554. 38 Vgl. z. B. Major, Sermon von S. Pauli Bekehrung, C 2v, unsere Ausgabe Nr. 5, S. 145. 39 Vgl. Der Erste || Teil der Bü= || cher D. Mart. Luth. || vber etliche Epistel der || Aposteln. || [Wittenberg: Hans Lufft 1539] (VD 16 M 3309), XXIXv. 29

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FFrs vierde ruffet D. Maior Gott zum Richter an,40 derwegen hat er nichts b=ses geleret. Antwort: Es ist ein gemein sprichwort: „Wer leichtlich schweret, der leuget gerne.“41 Vnd ist nicht auff das hohe beteuren, sondern auff die augenscheinliche that zu sehen. Wo bleiben denn D. Maiors bFcher wider Amsdorff.42 Jtem von Pauli bekerung?43 Antwort: Tusche,44 schweig stille, die sol man nicht sehen, ob man sie gleich sehe. Denn man sol D. Maior auff den newen mund vnd nit auff die finger sehen, was er mit denselben geschrieben. Also wil sich fuchs Reinike los schweren. [B 1r:] Von dem alten Ketzer Arrio schreibet Epiphanius, das er im Synodo Nicena vor dem Keyser Constantino Magno stein vnd pein vnd einen hohen Eid geschworen, er lerete nichts vnrechts, falsch oder Ketzerisch.45 Aber wie er geschworen, das hat sich eben im selben Concilio vnd hernach wol gefunden. Derwegen auch der Keyser Constantinus auff sein vermeint schweren selbs diese antwort geben: „Hastu recht geschworen Arri, so wollen wirs glauben vnd solst vngestrafft bleiben. Hastu aber falsch vnd betrieglich geschworen, so wolle dich der allerh=chste, wider den du so leichtfertig geschworen, on alle gnade straffen vnd zu schanden machen.“46 Wie denn auch geschehen. D. Maior sehe sich auch fFr. FFrs fFnffte: Er habe die Lere dem Bapst zu gefallen nicht verfelscht.47 Derwegen ist er rein vnd one schuldt. Antwort: Wo bleiben denn die Papistischen Propositiones48 vnd Lere vnd andere grobe knoten49 von den Wercken? Oho, die Kameelthier verschlucket50 D. Maior alle. Aber wer da redet, leret, schreibet wie der Bapst, vnd darzu im h=chsten Artikel vnserer Seligkeit, vnd die Bepstischen solche Lere annemen vnd loben, wie Staphylus,51

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Vgl. Major, Testamentum (1570), A 2v, unsere Ausgabe, Nr. 16, S. 553. Vgl. Wander 4 (1876), 482. 42 Vgl. Major, Antwort (1551), unsere Ausgabe Nr. 1, S. 25 –45; Major, Bekenntnis (1558), ebd., Nr. 12, S. 452– 467; Ders., Vorrede (1562), ebd., Nr. 14, S. 499– 519. 43 Vgl. Major, Sermon von S. Pauli Bekehrung, unsere Ausgabe Nr. 5, S. 137–259. 44 Sei still. Vgl. Art. Tusch, in: DWb 22, 1916 45 Theodoret von Cyrus zitiert in seiner Historia ecclesiastica einen Brief des Athanasius an Apion, in dem diese Szene geschildert wird. Vgl. Theodoret von Cyrus, Historia ecclesiastica I, 13 (I, 14), in: PG 81, 949. 46 Ebd. 47 Vgl. Major, Testamentum (1570), A 3r, unsere Ausgabe, Nr. 16, S. 554. 48 Gemeint sind die 130 Propositiones, die unter maßgeblicher Mitwirkung Majors verfasst und im Mai 1570 während einer Disputation von Promovenden verteidigt wurden. Unter anderem finden sich hier Thesen zu der Rechtfertigungslehre und der Bedeutung der guten Werke. Vgl. dazu Appold, Orthodoxie als Konsensbildung, 166 –171. 49 Verwirrungen, Sünden. Vgl. Art. Knoten II.14.b.α und β), in: DWb 11, 1505. 50 Vgl. Mt 23,24. 51 Friedrich Staphylus studierte unter anderem in Wittenberg und wurde auf Fürsprache Melanchthons hin 1546 von Herzog Albrecht von Preußen an die Universität Königsberg berufen. Dort geriet er jedoch in Auseinandersetzungen mit Andreas Osiander, was ihn schließlich 1551 dazu bewegte, Königsberg zu verlassen. Er konvertierte dann zum römischen Glauben zurück und veröffentlichte nach dem Wormser Religionsgespräch 1557 einige sehr 41

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Lindanus52 vnd [B 1v:] andere bekand haben, solte der nicht dem leidigen Bapst zu gefallen thun? Ja, Maior spricht, es sey sein gemFth nit also gewesen.53 Antwort: So ist aber also in gedrucken BFchern die that selbst vorhanden. FFrs sechste, D. Maior bringt jtzt abermal eine Newe, feine klingende Confession herfFr. Derwegen ist da kein jrrthum vnd nie kein wasser betrFbet worden. Antwort: die Kirchen historien bezeugen, das Ario vnd allen Ketzern breuchlich gewesen, das sie jmerdar eine Newe Bekentnis vber die ander gemacht. Das ende ist gewesen, das man jrer vorigen, falschen meinung vergesse vnd sie den leuten mit Newen generaliteten dieweil das maul auffsperreten, solcher kunst braucht der arme man jtzt auch. Man klagt vber die BFcher, welche zuuor von D. Maior geschrieben, darin er falsche lere im druck in die kirche Gottes hat ausgegossen,54 aber da springt er hinFber. Zu deme wirfft er alles so durch einander, das, wenn man jn jrgend bey wolte halten, er gar leicht ein anders Fuchsloch m=chte finden vnd hinaus wischen. Er redet aber etwas zum schein,55 das er alle werck vnd derselben wirdigkeit im Artickel vnd handel der Rechtfertigung ausschliesse.56 [B 2r:] Aber darnach krFmpt er die zunge wider herFmb,57das er fast nur alleine die vrsache vnd das verdienst ausschliesse vnd nicht die guten werck an jnen selbst. Die rede aber ist von vnd in dem Artickel der Rechtfertigung fFr Gott. Wolan, so hat D. Maior im Artickel der Rechtfertigung nichts vnrechts geleret. Vrsach: denn da hastu seine newe Bekentnus, das alte sol man nicht sehen. Wo wil man nun fuchs Reiniken Poenitentz oder Busse finden? Bisher ist keine vorhanden gewesen. FFrs siebende von Nothwendigkeit der guten wercke vnd andern zugeh=rigen stFcken hab er recht gelert. Derwegen sey er reine.58 Antwort: Das ist ein solch gewirbel vnter einander her, da der gute Man sich also verdrehet,59 das er von niemands kan gehalten werden.

polemische Schriften gegen die Protestanten. Vgl. Vgl. Ute Mennecke-Haustein, Art. Staphylus, Friedrich, in: TRE 32 (2001), 113–115. 52 Wilhelm Damasi Lindanus war Inquisitor in den spanischen Niederlanden, verteidigte vehement die römisch-katholische Lehre und engagierte sich massiv gegen die Protestanten. Vgl. Jacob Cornelis van Slee, Art. Lindanus, Wilhelm Damasi, in: ADB 18 (1883), 663f; Dingel, Concordia controversa, 577–583. 53 Vgl. Major, Testamentum (1570), A 3r, unsere Ausgabe, Nr. 16, S. 554. 54 verbreitet. Vgl. Art. ausgieszen 7), in: DWb 1, 875f. 55 Er gibt vor; Er tut so als ob. Vgl. Art. schein 10.f.δ), in: DWb 14, 2430. 56 Vgl. Major, Testamentum (1570), A 4r, unsere Ausgabe, Nr. 16, S. 556. 57 behauptet er das Gegenteil. 58 Vgl. Major, Testamentum (1570), bes. B 1r–B 2v, unsere Ausgabe, Nr. 16, bes. S. 557–560. 59 falsche Aussagen vornimmt. Vgl. Art. verdrehen 3.e), in: DWb 25, 242.

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FFrs achte: Er berFffet sich auff das Corpus doctrinae.60 Antwort: Das hat noch nicht die gantze Christliche Kirche in allen stFcken canonisirt,61 vnd welche in etlichen puncten bedencken haben vnd auff D. Lutheri schrifften sehen, leiden darFber. FFrs neunde: Er verdampt alle, so die Werck als ein verdienst der Seligkeit leren. Jtem, die da sagen, das gute Werck (als ein ver-[B 2v:]dienst) zur Seligkeit n=tig sind, oder, das niemand one gute Werck (als eine vrsache oder mitwirckung zur Seligkeit) k=nne Gerecht vnd Selig werden, oder, das niemand sey Selig worden one gute Werck (als eine vrsache vnd verdienst der Seligkeit).62 Derwegen hat Doct. Maior niemals vnrecht geleret. Also fein verdrehet sich der Man in den falschen Bepstischen vnd verdamlichen leren. Aber also klingen diese seine Leren nicht im Buche wider Ambsdorff.63 Darnach, so lesset er diese reden an sich selbest recht sein vnd bleiben vnd sagt traun64 nicht, das diese lere vnd rede an sich selbst falsch, jrrig vnd den falschen verstand in sich haben, nemlich: „Gute werck sind n=tig zur Seligkeit. Es ist vnmFglich, ohne gute werck gerecht vnd selig zu werden. Niemand ist jemals ohne gute werck gerecht vnd selig worden.“ Wenn aber solche wort gelassen vnd nicht klar, richtig vnd ausdrFcklich verworffen vnd verdampt werden, so stickt vnd bleibt in jhnen natFrlich nach art der sprachen vnd aller vernFnfftigen Leute verstand, das eine Vrsache mit eingeschlossen vnd begriffen wird. [B 3r:] Wenn man spricht: „Eisen ist n=tig zum huffeisen, Tuch zum rock, der Bawmeister zum Hause“, sol da nicht eine vrsache innen verleibt sein? Vnd wenn man in dem Artickel der Rechtfertigung fFr Gott sagt: „Gute werck sind n=tig zur Seligkeit“, ist die frage, worzu sind denn die guten werck im Artickel der Rechtfertigung n=tig, also: das es vnmFglich sey, ohne Gute werck fFr Gott gerecht vnd selig zu werden? Aber wir wollen nur zu solcher glossa D. Lutheri wort anziehen,65 der spricht also To. 1. Wite.:66 „Es sind schlipferige vnd vergebene wort, also von b=sen sachen reden, das der glaube zwar auff gute werck vnd verdienst (nota: merck die wort wol) nicht sich verlassen sol vnnd sey doch gleichwol 60

Vgl. Major, Testamentum (1570), A 2v, B 1v, unsere Ausgabe, Nr. 16, S. 553f, 558. Autoritative Bedeutung erlangte Corpus Doctrinae nur in manchen Landeskirchen, so z.B. in Anhalt, Dänemark, Hessen, Kursachsen, Nürnberg, Pommern Schlesien, Schleswig-Holstein. Vgl. Gustav Kawerau, Art. Corpus Doctrinae, in: RE3 4 (1898), 294. 62 Vgl. Major, Testamentum (1570), B 1r–B 2v, unsere Ausgabe, Nr. 16, S. 557–560. 63 Vgl. Major, Antwort (1551), unsere Ausgabe Nr. 1, S. 25– 45. 64 wahrhaftig, fürwahr. Vgl. Art. traun, in: DWb 21, 1526. 65 zitieren. Vgl. Art. anziehen 5), in: DWb 1, 528. 66 Die konkrete Passage konnte nicht aufgefunden werden, vgl. aber: „Darumb mFssen wir also vnd nicht anders sagen, das wir gerecht werden allein aus gnaden oder durch den glauben an Christum, der solche gnade ergreifft, on alle gesetz vnd werck. Solches aber verstehen die blinden Sophisten nicht, darumb trewmen sie, das der glaube nicht gerecht mache, er thue denn auch die werck der liebe. Damit aber machen sie aus dem glauben an Christum ein gantz vnnFtz vnd vergeblich ding (...).“ Der Erste || Teil der Bü= || cher D.Mart.Luth. || vber etliche Epistel der || Aposteln. ||[Hrsg.v. (M.Georgen Rorer ... ||)] [Wittenberg, Hans Lufft, 1539] (VD 16 L 3309) (In epistolam S. Pauli ad Galatas commentarius, 1535). 61

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n=tig, gute werck zu haben als n=tig zur Seligkeit. Demnach kan man die Seligkeit one sie nicht bekommen.“ Haec Lutherus. Jn diesen worten mag sich D. Maior ein wenig spigeln.67 Aber fuchs Reinike springt hinFber, vergisset auch aller ander falschen lere, so er ausgesprengt.68 FFrs zehende: D. Maior sagt, er woll seine reden, wie angezogen,69 fallen lassen. Vrsache: denn sie werden von seinen widerwertigen in einen Misverstand gezogen.70 Derwegen hat D. Ma-[B 3v:]ior nichts gesFndiget. Vrsache: seine obgesatzte Lere weren recht. Aber seine widerwertigen ziehens in ein Missverstand. Wer hat denn vnrecht? Nicht D. Maior, das h=restu wol, sondern seine widerwertigen, das ist, welche jhn vermanet haben vnd aus Gottes wort vnd Lutheri schrifften gestraffet, die haben das Kalb ins auge geschlagen.71 Nun sey das ein opus supererogationis,72 ein gros heiligen werck, vnnd man m=ge Gott dancken, das er gutwillig seine lere von Nothwendigkeit der Wercke zur Seligkeit fallen lasse, nur weil die armen leute gesFndiget haben, die sie in einen missverstand gezogen haben. Jst das nun nicht eine grosse demuth D. Maiors? Denn er vorhin also geschrieben, das wenn auch ein Engel vom himel anders lerete73 denn diese seine lere, das gute werck n=tig weren zur seligkeit, vnd wer vnmFglich, one gute werck gerecht vnd selig zu werden etc., der solte verflucht sein.74 Nun wil er dennoch solche reden fallen lassen. Jst das nicht eine sch=ne Busse vnd BekentnFs? Seine rede vnd lere weren wol recht, wenn man nur nicht hette wider jn geschrieben vnd man sie recht verstFnde. Solte nicht Gott, [B 4r:] die lieben Engel vnd alle heiligen sich frewen vber denen, der keine sFnd wil erkennen, nicht wil vnrecht geleret noch gethan haben vnd gibt die schuld alleine denen, welche jnen haben aus Gottes wort vnd Lutheri schrifften vermanet? Da platze nun jederman zu75 vnd rFhme fuchs Reiniken busse. O, welch ein gros Poenitentiarius. FFrs eilffte: H=re noch ein Wunderwerck D. Maiors: Was wider diese newe Bekentnis in seinen schrifften streite, wil er verworffen haben.76 O wunder vber wunder. Aber h=re, er thut darzu, „one vngebFrliche missdeutung.“77 Nun hat er bereit sich erkleret, er habe recht aber die jme seine falsche lere

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zur Warnung betrachten. Vgl. Art. spiegeln 3.c), in: DWb 16, 2262f. ausbreitet. 69 angeführt, bereits erwähnt. 70 Vgl. Major, Testamentum (1570), B 2v, unsere Ausgabe, Nr. 16, S. 560. 71 Sprichwörtlich: Jemanden erzürnen, indem man ihn beleidigt, man Streit beginnt, man etwas Unangenehmes grade ins Gesicht sagt. Vgl. Art. Kalb, in: Wander 2 (1870), 1106. 72 Ein Werk, eine Leistung, die über das von der Kirche geforderte Maß hinausgeht. 73 Vgl. Gal 1,8. 74 Vgl. Major, Antwort (1551), C 1 v–C 2r, unsere Ausgabe Nr. 1, S. 36; Major, Sermon von der Bekehrung S. Pauli (1553), i 4v, unsere Ausgabe, Nr. 5, S. 275. 75 Da komme ein jeder herbei. 76 Vgl. Major, Testamentum (1570), B 3r, unsere Ausgabe, Nr. 16, S. 561. 77 Ebd. 68

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widerlegen, die sFndigen vnnd thun vnrecht. Also reisset fuchs Reinike wider den Kopff aus der schlingen vnd hengt die andern hinein. FFrs zw=lfft: H=re noch gr=ssere wunderwerck: D. Maior bekennet mit Augustino, das er gleich andern bisweilen wol habe straucheln vnd anstossen k=nnen. DrFmb wil er allen Christlichen hertzen seine BFcher vnterworffen haben.78 Thut er noch nicht Busse? Antwort: H=re, bald hernach setzet er aus Ambrosio: „Niemand sol vrtheilen denn, der [B 4v:] vnstrefflich sey.“79 Das kan nun fuchs Reiniken wider helffen, das er dauon k=mpt, vnd wil so viel sagen: „Niemands sols thun.“ Darnach setzet er noch nicht, worin er denn gestrauchelt habe, wie der gute Augustinus in libris retractationum auch in specie, das ist, insonderheit mit anzeigung seiner felle, thut.80 Wo bleibt aber D. Maior damit? Wolan, wo ist denn erkentnis der sFnden? D. Maior hat nie vnrecht gelert. Wo ist verwerffung seiner bFcher, darin er von der Nothwendigkeit guter werck zur Seligkeit gelert? D. Maior lesset solches aussen. Wo bittet ers Gott abe, das er falsche lere mit bFchern ausgossen habe? Bringt er doch einen reinen, vnschFldigen man fFr Gott. Luce 18.81 Wo ist die warnung, das alle frome Christen sich fFr seiner falschen lere, in welche er aus menschlicher schwacheit gefallen,82 hFten sollen? Sie ist vergessen. Also macht fuchs Reinike sein Testament vnd ist dennoch in allen stFcken gerecht, trotz einen, der jn beschFldige? So sol man ein Pęnitentz anstellen. Derwegen erschrecken wir von hertzen fFr dem man, vnd weil ein Christ dem andern die Seligkeit g=nnen soll, als vermanen wir D. [C 1r:] Maiorn, er wolle an den vers im 32. Psalm gedencken: „Vnd da ichs wolte verschweigen, da verschmachten meine gebeine.“83 Denn vnmFglich ist es, das D. Maior, weil er seine SFnde entschFldiget, ein gut Gewissen darbey haben kan. Weil jme aber die SFnde noch schleffet,84 wollen wir auff dismal nur die jrthume, so er im Artikel der Rechtfertigung im druck ausgesprengt, jme fFr die augen setzen, denn er hat geleret: Das wirc fFr Gott gerecht werden beide, imputatione vnd inchoatione zugleich, das ist, aus zugerechneter Gerechtigkeit vnd aus angefangenem gehorsam. Gute Werck sind n=tig zur Seligkeit. Es ist niemand jemals ohne gute Werck Gerecht vnd Selig worden. Vnd ist vnmFglich, one gute Werck Selig zu werden. Das gute Werck die Seligkeit vnd Gerechtigkeit erhalten sollen.

c 78 79 80 81 82 83 84

A: wer. Ebd., B 3v, unsere Ausgabe Nr. 16, S. 561. Ebd. Vgl. Major, Testamentum, B 3v, in: unsere Ausgabe Nr. 16, S. 561, Anm. 61. Vgl. Lk 18,9–14. gelehrt hat. Vgl. Ps 32,3. nicht drückt.

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Das ein vnterscheid sey vnter der Gerechtigkeit vnd seligkeit. Nota: im Artikel der Rechtfertigung. Das die Gerechtigkeit der Christen, da-[C 1v:]durch sie fFr Gott gerecht sind, in diesem leben vnuolk=mlich sey. Das fFr die guten Werck das ewige leben gegeben werde. Das man die Seligkeit vnd Rechtfertigung ergreiffe vnd anneme durch den Glauben vnd Bekentnis. Was D. Maior aber in andern stFcken auch falsch geleret, wird an andern orten verzeichnet. FFrs ander, D. Maior hebt das gegebene Ergernis noch nicht auff, sondern sterckt es vnd wird kindskinder noch mit seiner falschen Lere beschmitzen85 vnd verfFren, weil sie one das allen Menschen von Natur angeborn vnd im Hertzen stecket, wollen alleine Philippi wort alhier setzen: „Wir brauchen der art zu reden nicht: Gute Werck sind n=tig zur Seligkeit oder zum ewigen leben, auff das man nicht verstehe ein verdienst der versFnung oder des ewigen lebens, vnd auff das nicht der Trost des Euangelij verdunckelt werde, welcher denen, so busse thun, predigt von der schenckung des ewigen lebens aus gnaden, von wegen des Mitlers. Auff das man nun alle ambiguitet oder zweiuelhafftig-[C 2r:]keit meiden, so wolten wir auch, das man den zusatz weg thete: n=tig zur Seligkeit.“ Tom. 4. folio 811.86 Daraus diese zwey Argument erfolgen: Was da den Trost des Euangelij, welches den Busfertigen SFndern von der gnedigen schenckung des ewigen lebens predigt verdunckelt, das sey verflucht, verbant vnd verdampt, nach Pauli zeugnis vnd schlus, Gal. 3.87 Diese Lehr aber, nemlich: „Gute Werck sind n=tig zur Seligkeit“, verdunckelt eigentlich den trost des Euangelij, welches den armen, busfertigen SFndern von der gnedigen schenckung des ewigen lebens prediget, wie solches Philippus ausdrFcklich schreibet vnd bezeugt. Derhalben sol solche Lehr verflucht vnd verdampt sein. 2. Was da den trost des Euangelij, welches den Busfertigen SFndern von der gnedigen schenckung des ewigen Lebens prediget verdunckelt, dasselbige 85

besudeln. Vgl. Art. beschmitzen, in: DWb 1, 1585. Bei dem hier verwendeten Zitat handelt es sich um die deutsche Übersetzung einer Passage aus der „Formula consensus, de articulis quibusdam controversis, scripta Wormaciae a Philippo Melanth. Anno 1557 [11.11.1557]“: „Sed hac forma verborum non utimur: Bona opera sunt necessaria ad salutem; seu ad vitam aeternam, ne intelligatur meritum reconiliationis, aut vitae aeternae, et ne obscuretur consolatio Evangelica, quae agentibus poenitentiam concionatur de gratuita donatione vitae aeternae propter mediatore. Ut igitur vitetur ambiguitas, velimus et nos omitti hanc additionem: Necessaria ad salutem.“ OPERVM REVERENDI || VIRI PHILIPPI ME|| LANTHONIS, || PARS QVARTA. || [Sp.1] QVAE CONTINET || Enarrationes Epistolae || [Sp.2] Ad Romanos. || Ad Corinthios. || Ad Collossenses. || Ad Timotheum et || Nonnulla alia ... || Cum Indice copioso ... || [Wittenberg: Johann Krafft d. Ä, 1564] (VD 16 M 2335), 811; im Jahr 1577 erschien in derselben Offizin eine weitere Ausgabe dieses Werks (VD 16 M 2336); vgl. auch CR 9, Nr. 6399, Sp. 365–372 (370) = MBW 8425. 87 Vgl. Gal 3,10. 86

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verkleinert vnd entzeucht dem Herrn Christo seine G=ttliche Ehre. Diese Lehre aber, als nemlich: „Gute Werck sind zur Seligkeit n=tig“, verdunckelt des Euangelij trost etc., wie die wort mit sich bringen. [C 2v:] Folget derwegen vnwidersprechlich draus, das solche Lehre, von notwendigkeit der guten Werck zur Seligkeit, des Herrn Christi, vnsers erl=sers vnd Seligmachers, gebFrliche ehr verkleinert vnd entzeucht. Gott bekere den armen Man D. Maior nach seiner grossen Barmhertzigkeit, das er nicht one busse dahin fare,88 sondern Selig werde. Amen. D. Martinus Luther im Sermon von der SFnde wider den heiligen Geist schreibet also:89 „Wenn einer dahin geret, das er nichts h=ren noch sehen wil, dazu sein lesterung vnd bosheit verteidigen, so ist jm nimer zu rathen noch zu helffen. Darumb hab ich offt gesagt, das nie erfaren90 ist, so viel ich Exempel geh=rt oder gelesen hab, das ein Rottenmeister91 vnd Heupt einer Ketzerey bekert sey.“ Ach Gott, helffe. Amen. Theologi zu Jhena.

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sterbe. Vgl. Martin Luther, WA 28, (7) 10–20, bes. 16 (Sermon von der Sünde wider den Heiligen Geist, 1529). 90 gehört worden, bekannt geworden. Vgl. Art. erfahren 5.d), in: DWb 3, 790. 91 Schimpfwort für den Anhänger einer von Luther abweichenden Lehrmeinung. Vgl. Art. Rottenmeister, in: DWb 14, 1321; Diekmannshenke, Schlagwörter, 340–347.

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Abkürzungen aaO AC ADRG

am (in der vorangehenden Anmerkung) angegebenen Ort Apologia Confessionis Augustanae Akten der deutschen Reichsreligionsgespräche im 16. Jahrhundert, hg. v. Klaus Ganzer und Karl-Heinz zur Mühlen, Göttingen 2000–2007 ASm Schmalkaldische Artikel AWA Archiv zur Weimarer Ausgabe der Werke Luthers (vgl. unten WA) BDS Martin Bucers deutsche Schriften, hg. v. Gottfried Seebaß, Gütersloh 1960ff BOL Martini Buceri Opera Latina, hg. v. François Wendel, Paris 1954ff BSELK Irene Dingel (Hg.): Die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche. Vollständige Neuedition, Göttingen 2014 BSLK Die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche. Herausgegeben im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession 1930 (12. Auflage Göttingen 1998) C&C Controversia et Confessio (unsere Ausgabe) CA Confessio Augustana CChr.SL Corpus Christianorum, Series Latina CO Johannes Calvin, Ioannis Calvini opera quae supersunt omnia, hg. v. Wilhelm Baum / Eduard Cunitz und Eduard Reuss, Braunschweig 1863–1900 (CR 29– 87) CR Corpus Reformatorum. Bd. 1–28: Philipp Melanchthon, Opera quae supersunt omnia, hg. v. Carl Gottlieb Bretschneider / Heinrich Ernst Bindseil, Braunschweig u. a. 1834–1869 CSEL Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum dgl. dergleichen DrHSA Dresden, Hauptstaatsarchiv DRW Deutsches Rechtswörterbuch, Wörterbuch der älteren deutschen Rechtsprache, hg. v. der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften. Ab Bd. 6 hg. v. der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Weimar 1914ff DWb Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. 16 Bd., Leipzig 1854–1960 EG Evangelisches Gesangbuch (1994ff) FC Formula Concordiae FChr Fontes Christiani Fnhd. Wb. Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Begründet von Robert R. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann, Band 1– , Berlin, New York 1989ff GKW Gesamtkatalog der Wiegendrucke, hg. v. der Staatsbibliothek zu Berlin, Stuttgart 1968ff HAB Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel HWDA Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hg. v. Eduard Hoffmann-Krayer/ Hanns Bächtold-Stäubli, Berlin u. a. 1927–1942 KP Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike auf der Grundlage von Pauly’s Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaften unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter bearbeitet und herausgegeben von Konrat Ziegler, Walther Sontheimer, Hans Gärtner, 5 Bde., München 1964 –1975 LStRLO Leucorea-Studien zur Geschichte der Reformation und der Lutherischen Orthodoxie MBW Melanchthon Briefwechsel, hg. v. Heinz Scheible, Stuttgart 1977ff MWA Philipp Melanchthon, Werke in Auswahl, hg. v. Robert Stupperich, Gütersloh 1951–1975

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Abkürzungsverzeichnis

ND ngw. NP

Nachdruck nachgewiesen Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, hg. v. Hubert Cancik u. a., Stuttgart u. a. 1996–2003 OGA Andreas Osiander d. Ä., Gesamtausgabe. Hg. von Gerhard Müller und Gottfried Seebaß. 10 Bde., Gütersloh 1975–1994 OS Johannes Calvin, Opera selecta, hg. v. Petrus Barth / Wilhelm Niesel, München 1926–1936 Pfb. KPS Pfarrerbuch der Kirchenprovinz Sachsen, 10 Bde. Leipzig 2003–2009. PG Migne, Patrologia Graeca PL Migne, Patrologia Latina RE³ Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche. Begründet von Johann Jakob Herzog. In dritter verbesserter und vermehrter Auflage ... herausgegeben von D. Albert Hauck. 24 Bde. Leipzig 1896–1913 reg. regierte s.a. sine anno SC Sources Chréstiennes SD Solida Declaratio s.l. sine loco SPB Sächsisches Pfarrerbuch. Die Parochien und Pfarrer der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens (1539 –1939), bearb. v. Reinhold Grünberg, 2 Bde. (in 3), Freiberg i. S. 1939/40 ThürPfb Thüringer Pfarrerbuch, Bd. 1–3 Neustadt/Aisch 1995–2000; Bd. 4– Leipzig 2004ff. VD 16 Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des 16. Jahrhunderts: VD 16, hg. v. der Bayerischen Staatsbibliothek in München, Stuttgart 1983– 2000 und elektronisches Zusatzverzeichnis Vg Vulgata WA D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesam[m]tausgabe, Abteilung Schriften, Weimar 1883–2011 WA.B – Abteilung Briefwechsel WA.DB – Abteilung Deutsche Bibel WA.TR – Abteilung Tischreden WWKL² Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon oder Encyklopädie der katholischen Theologie und ihrer Hülfswissenschaften. Zweite Auflage, in neuer Bearbeitung ... begonnen von Joseph Cardinal Hergenröther, fortgesetzt von Dr. Franz Kaulen, 12 Bde. und Registerband, Freiburg i. Br. 1882–1903 Z Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, unter Mitwirkung des Zwingli-Vereins in Zürich hg. v. Emil Egli / Walter Köhler / Fritz Blanke / Georg Finsler / Oskar Farner / Leonhard von Muralt (= CR 88–101), Berlin 1905, Leipzig 1908ff, Zürich 1961ff

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Literatur und Kurztitel Die im Literaturverzeichnis verwendeten Abkürzungen richten sich nach Siegfried Schwertner, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete (IATG), Berlin u. a. 19922. Darin nicht enthaltene Abkürzungen werden ausgeschrieben oder im Abkürzungsverzeichnis aufgelöst. Appold, Orthodoxie als Konsensbildung = Kenneth G. Appold, Orthodoxie als Konsensbildung. Das theologische Disputationswesen an der Universität Wittenberg zwischen 1570 und 1710, Habil.-schrift Halle-Wittenberg 2001, Tübingen 2004 (BHTh 127). Augsburger Interim = Joachim Mehlhausen (Hg.), Das Augsburger Interim von 1548. Nach den Reichstagsakten deutsch und lateinisch, Neukirchen 1996² (TGET 3). Bäumer, Witzel = Remigius Bäumer, Georg Witzel (1501–1573), in: Erwin Iserloh (Hg.), Katholische Theologen der Reformationszeit 1, Münster 1984 (KLK 44), 125–132. Bell, Divus Bernhardus = Theo Bell, Divus Bernhardus. Bernhard von Clairvaux in Martin Luthers Schriften, Mainz 1993 (VIEG 148). Billingham, De Consequentiis = Richard Billingham, „De Consequentiis“ mit Toledo-Kommentar, kritisch herausgegeben, eingeleitet und kommentiert von Stephanie Weber-Schroth, Amsterdam 2003 (BSPh 38). Blaschke, Moritz von Sachsen = Karlheinz Blaschke (Hg.): Moritz von Sachsen – Ein Fürst der Reformationszeit zwischen Territorium und Reich. Internationales wissenschaftliches Kolloquium vom 26. bis 28. Juni in Freiberg (Sachsen), Leipzig 2007 (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 29). Bundschuh, Wormser Religionsgespräch = Benno von Bundschuh, Das Wormser Religionsgespräch von 1557 unter besonderer Berücksichtigung der kaiserlichen Religionspolitik, Münster 1988 (RGST 124). Bünz, Niederlage = Enno Bünz, Eine Niederlage wird bewältigt. Die Ernestiner und Kursachsen 1547 bis 1554, in: Blaschke, Moritz von Sachsen, 94–117. Calinich, Der Naumburger Fürstentag = Robert Calinich, Der Naumburger Fürstentag. Ein Beitrag zur Geschichte des Luthertums und des Melanchthonismus aus den Quellen des Kgl. Hauptstaatsarchivs zu Dresden, Gotha 1870. Clemen, Kleine Schriften = Otto Clemen, Kleine Schriften zur Reformationsgeschichte (1897–1944), hg. v. Ernst Koch, 9 Bände, Leipzig 1982–1988. Controversia et Confessio 1 = Irene Dingel (Hg.), Reaktionen auf das Interim. Der Interimistische Streit (1548 –1549), bearb. v. Johannes Hund, Jan Martin Lies und Hans-Otto Schneider. Controversia et Confessio. Theologische Kontroversen 1548 –1577/80. Kritische Auswahledition Bd. 1, Göttingen 2010. Controversia et Confessio 2 = Irene Dingel (Hg.), Der Adiaphoristische Streit (1548 –1560), bearb. v. Jan Maritn Lies und Hans-Otto Schneider. Controversia et Confessio. Theologische Kontroversen 1548–1577/80. Kritische Auswahledition Bd. 2, Göttingen 2012. Controversia et Confessio 8 = Irene Dingel (Hg.), Die Debatte um die Wittenberger Abendmahlslehre und Christologie (1570–1574), [bearb. v. Johannes Hund und Henning Jürgens]. Controversia et Confessio. Theologische Kontroversen 1548–1577/80. Kritische Auswahledition Bd. 8, Göttingen 2008. Controversia et Confessio 9 = Irene Dingel (Hg.), Antitrinitarische Streitigkeiten. Die tritheistische Phase (1560–1568), zusammengestellt und bearbeitet von Kęstutis Daugirdas. Controversia et Confessio. Theologische Kontroversen 1548 –1577/80. Kritische Auswahledition Bd. 9, Göttingen 2013.

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Literatur und Kurztitel

Culmann, Skizzen = [F. W. Culmann,] Skizzen aus Gervasius Schuler’s Leben und Wirken in Zürich, Bischweiler, Bremgarten, Basel, Memmingen und Lenzburg, von 1520 bis 1563. Ein Beitrag zur Reformationsgeschichte obgenannter Städte, vom Verfasser der „Geschichte von Bischweiler“, Straßburg, Basel 1855. Dasypodius = Petrus Dasypodius, Dictionarium latinogermanicum. [Straßburg 1536] Mit einer Einführung von Gilbert de Smet, Hildesheim, Zürich, New York 1995 (Documenta Linguistica. Quellen zur Geschichte der deutschen Sprache des 15. bis 20. Jahrhunderts. Herausgegeben von Ludwig Erich Schmitt. Reihe I: Wörterbücher des 15. und 16. Jahrhunderts. Herausgegeben von Gilbert de Smet). Diekmannshenke, Schlagwörter der Radikalen = Hans-Joachim Diekamnnshenke, Die Schlagwörter der Radikalen der Reformationszeit (1520–1536). Spuren utopischen Bewußtseins, Diss. Bonn 1992, Frankfurt/Main u. a. 1994 (EHS.DS 1445). Dingel, Amsdorf = Irene Dingel (Hg.), Nikolaus von Amsdorf (1483–1565) zwischen Reformation und Politik, Leipzig 2008 (LStRLO 9). Dingel, Concordia controversa = Irene Dingel, Concordia controversa. Die öffentlichen Diskussionen um das lutherische Konkordienwerk am Ende des 16. Jahrhunderts, Gütersloh 1996 (QFRG 63). Dingel, „Der rechten lehr zuwider“ = Irene Dingel, „Der rechten lehr zuwider“. Die Beurteilung des Interims in ausgewählten theologischen Reaktionen, in: Schorn-Schütte, Interim, 292–311. Dingel, Einleitung = Irene Dingel, Historische Einleitung, in: Controversia et Confessio 1, 3 –34. Dingel, Flacius als Schüler Luthers und Melanchthons = Irene Dingel, Flacius als Schüler Luthers und Melanchthons, in: Vestigia pietatis. Studien zur Geschichte der Frömmigkeit in Thüringen und Sachsen. Ernst Koch gewidmet, hg. v. Gerhard Graf u. a., Leipzig 2000 (HerChr. Sonderband 5), 77– 93. Dingel, Jonas = Irene Dingel (Hg.), Justus Jonas (1493 –1555) und seine Bedeutung für die Wittenberger Reformation, Leipzig 2009 (LStRLO 11). Dingel, Majoristischer Streit = Irene Dingel, Der Majoristische Streit in seinen historischen und theologischen Zusammenhängen, in: Dingel/Wartenberg, Politik und Bekenntnis, 231–247. Dingel, Melanchthons Einigungsbemühungen = Irene Dingel, Melanchthons Einigungsbemühungen zwischen den Fronten: der Frankfurter Rezeß, in: Jörg Haustein (Hg.), Philipp Melanchthon. Ein Wegbereiter der Ökumene, Göttingen 21997 (Bensheimer Hefte 82), 121–143. Dingel/Kohnle, Melanchthon = Irene Dingel / Armin Kohnle (Hg.), Philipp Melanchthon. Lehrer Deutschlands, Reformator Europas, Leipzig 2011 (LStRLO 13). Dingel/Rhein, Der späte Bugenhagen = Irene Dingel / Stefan Rhein (Hg.), Der späte Bugenhagen, Leipzig 2011 (Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt 13). Dingel/Wartenberg, Major = Irene Dingel / Günther Wartenberg (Hg.), Georg Major (1502–1574). Ein Theologe der Wittenberger Reformation, Leipzig 2005 (LStRLO 7). Dingel/Wartenberg, Politik und Bekenntnis = Irene Dingel / Günther Wartenberg (Hg.), Politik und Bekenntnis. Die Reaktionen auf das Interim von 1548, Leipzig 2007 (LStRLO 8). Dotzauer, Reichskreise = Winfried Dotzauer, Die deutschen Reichskreise (1383 –1806). Geschichte und Aktenedition, Stuttgart 1998. Friedberg = Corpus Iuris Canonici. Editio Lipsiensis secunda. Bd. 1: Decretum magistri Gratiani, hg. v. Emil Friedberg, Leipzig 1879 (ND: Graz 1956). Gabriel, Georg III. von Anhalt = Peter Gabriel, Fürst Georg III. von Anhalt als evangelischer Bischof von Merseburg und Thüringen 1544–1548/50, Frankfurt 1997 (EHS.T 597). Gehrt, Ernstinische Konfessionspolitik = Daniel Gehrt, Ernstinische Konfessionspolitik. Bekenntnisbildung, Herrschaftskonsolidierung und dynastische Identitätsstiftung vom Augsburger Interim 1548 bis zur Konkordienformel 1577, Leipzig 2011 (Arbeiten zur Kirchenund Theologiegeschichte 34). Gensichen, Damnamus = Hans-Werner Gensichen, Damnamus. Die Verwerfung von Irrlehre bei Luther und im Luthertum des 16. Jahrhunderts, Berlin 1955 (AGTL 1). Georges = Karl Ernst Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch. Aus den Quellen zusammengetragen und mit besonderer Bezugnahme auf Synonymik und Antiqui-

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Literatur und Kurztitel

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täten unter Berücksichtigung der besten Hilfsmittel. 2 Bd., Hannover 19188 (ND: Darmstadt 1988). Götze = Alfred Götze, Frühneuhochdeutsches Glossar, Berlin 19677 (KlT 101). Grotefend, Taschenbuch = Hermann Grotefend, Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, 14. Auflage Hannover 2007. Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte II = Carl Andresen (Hg.), Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte. Zweiter Band: Die Lehrentwicklung im Rahmen der Konfessionalität, Göttingen 1980. Hasse, Major als Professor = Hans-Peter Hasse, Georg Major als Professor der Leucorea, in: Dingel/Wartenberg, Major, 41–68. Heerdegen, Geschichte der allgemeinen Kirchenvisitation = Arno Heerdegen, Geschichte der allgemeinen Kirchenvisitation in den ernestinischen Landen im Jahre 1551/55, nach Akten des Sachsen-Ernestinischen Gesamtarchivs in Weimar, Jena 1914 (ZVThG, SupplH 6). Heidenhain, Unionspolitik = Artur Heidenhain, Die Unionspolitik Landgraf Philipps von Hessen 1557–1562, Halle/Saale 1890. Hergemöller, Promptuarium = Bernd-Ulrich Hergemöller, Promptuarium ecclesiasticum medii aevi. Umfassendes Nachschlagewerk der mittelalterlichen Kirchensprache und Theologie. Unter Mitarbeit von Nicolai Carus, Frankfurt am Main u. a. 2011. Heussi, Geschichte der theologische Fakultät = Karl Heussi, Geschichte der theologischen Fakultät zu Jena, Weimar 1954 (Darstellungen zur Geschichte der Universität Jena 1). Junghans, Verzeichnis = Helmar Junghans, Verzeichnis der Rektoren, Prorektoren, Dekane, Professoren und Schloßkirchenprediger der Leucorea. Vom Sommersemster 1536 bis zum Wintersemester 1574/75, in: Dingel/Wartenberg, Major, 235–270. Koch, Otho = Ernst Koch, Anton Otho. Weg und Werk eines Lutherschülers, in: HerChr 13 (1981/82), 67–92. Kolb, „Good Works are Detrimental to Salvation“ = Robert Kolb, „Good Works are Detrimental to Salvation“. Amsdorf`s Use of Luther`s Words in Controversy, in: RenRef NS 4 (1980), 136 –151. Wieder in: Robert Kolb, Luther`s Heirs Define His Legacy. Studies on Lutheran Confessionalization, Aldershot 1996, III, 136 –151. Kolb, Luther = Robert Kolb, Martin Luther as Prophet, Teacher, and Hero. Images of the Reformer 1520–1620, Grand Rapids, MI (USA)/Carlisle, Cumbria (UK) 1999. Kolb, Major as Controversalist = Robert Kolb, Georg Major as Controversialist: Polemics in the Late Reformation. In: Church History 45 (1976), 455 –468, wieder abgedruckt in: Kolb, Luther’s Heirs Define His Legacy. Studies on Lutheran Confessionalization. Aldershot 1996, Nr. IV. Krause, Briefe 1530–1563 = Gerhard Krause (Hg.), Andreas Gerhard Hyperius Briefe 1530–1563, Tübingen 1981 (BHTh 64). Langensteiner, Für Land und Luthertum = Matthias Langensteiner, Für Land und Luthertum. Die Politik Herzog Christophs von Württemberg (1550–1568), Köln, Weimar, Wien 2008 (Stuttgarter Historische Forschungen 7). Lepp, Schlagwörter = Friedrich Lepp, Schlagwörter des Reformationszeitalters, Leipzig 1908 (QDGR 8). Leppin, Katastrophenverarbeitung = Volker Leppin, Bekenntnisbildung als Katastrophenverarbeitung. Das Konfutationsbuch als ernestinische Ortsbestimmung nach dem Tode Johann Friedrichs I., in: Johann Friedrich I. – der lutherische Kurfürst, 295 –306. Luther, Biblia deutsch (1545) = Martin Luther, Die gantze Heilige Schrifft Deudsch. Wittenberg 1545. Letzte zu Luthers Lebzeiten erschienene Ausgabe, hg. v. Hans Volz und Heinz Blanke, München 1972. Luther, StA = Martin Luther Studienausgabe, hg. von Hans-Ulrich Delius, 6 Bde., Berlin 1979–1999. Mentz, Wittenberger Artikel = Georg Mentz (Hg.), Die Wittenberger Artikel von 1536 (Artickel der christlichen Lahr, von welchen die Legatten aus Engelland mit dem Herrn Doctor Martino gehandelt Anno 1536). Lateinisch und Deutsch zum ersten Male herausgegeben, Leipzig 1905 (QGP 2).

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Literatur und Kurztitel

OGA = Andreas Osiander d. Ä., Gesamtausgabe. Hg. von Gerhard Müller/Gottfried Seebaß. 10 Bde., Gütersloh 1975–1994. Olson, Flacius = Oliver K. Olson, Matthias Flacius and the Survival of Luther's Reform, Wiesbaden 2002 (WARF 20). Passow = Franz Passow, Handwörterbuch der griechischen Sprache. [5. Aufl.] Neu bearbeitet und zeitgemäß umgestaltet von Val. Chr. Fr. Rost, Friedrich Palm, Otto Kreussler, Karl Keil, Ferd. Peter und G. E. Benseler, Leipzig 1841–1857 (ND Darmstadt 2008). PCG VII = Poetae Comici Graeci (PCG). Ediderunt R. Kassel et C. Austin. Vol. VII: Menecrates – Xenophon, Berlin/New York 1989. PKMS 4 = Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen, Bd. 4: 26. Mai 1548 – 8. Januar 1551, hg. v. der Historischen Kommission der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, bearb. v. Johannes Herrmann u. Günther Wartenberg, Berlin 1992 (ASAW.PH 72). PKMS 5 = Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen, Bd. 5: 9. Januar 1551 – 1. Mai 1552, hg. v. der Historischen Kommission der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, bearb. v. Johannes Herrmann, Günther Wartenberg und Christian Winter, Berlin 1998. PKMS 6 = Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen, Bd. 6: 2. Mai 1552 – 11. Juli 1553, mit ergänzenden Dokumenten zum Tod des Kurfürsten, hg. v. der Historischen Kommission der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, bearb. v. Johannes Herrmann, Günther Wartenberg und Christian Winter, Berlin 2006. Preger, Flacius = Wilhelm Preger, Matthias Flacius Illyricus und seine Zeit, 2 Bde. Erlangen 1859–1861 (ND Hildesheim, Nieuwkoop 1964). Reichert, Amsdorff = Ernst-Otto Reichert, Amsdorff und das Interim. Kommentierte Quellenedition mit ausführlicher historischer Einleitung. Nach dem maschinenschriftlichen Manuskript der Dissertation aus dem Jahre 1955 digital erfasst, für den Druck eingerichtet und um Register und bibliographische Nachträge ergänzt von Hans-Otto Schneider, Leipzig 2011 (LStRLO 14). Reinholdt, Ein Leib in Christo werden = Katharina Reinholdt, Ein Leib in Christo werden. Ehe und Sexualität im Täufertum der Frühen Neuzeit, Göttingen 2012 (VIEG 227). Reske = Christoph Reske, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet. Auf der Grundlage des gleichnamigen Werkes von Josef Benzing, Wiesbaden 2007 (BBBW 51). Richter, Gesetz und Heil = Matthias Richter, Gesetz und Heil. Eine Untersuchung zur Vorgeschichte und zum Verlauf des sogenannten Zweiten Antinomistischen Streits, Göttingen 1996 (FKDG 67). Ritschl, Dogmengeschichte = Otto Ritschl, Dogmengeschichte des Protestantismus, Leipzig/ Göttingen 1908–1927. Scheible, Melanchthon = Heinz Scheible, Melanchthon. Eine Biographie, München 1997. Schmidt, Menius = Gustav Lebrecht Schmidt, Justus Menius, der Reformator Thüringens, Gotha 1867 (2 Bde., ND Nieuwkoop 1968). Schneider, Politischer Widerstand = Hans-Otto Schneider, (Hg.), Politischer Widerstand als protestantische Option. Philipp Melanchthon und Justus Menius: Von der Notwehr (1547), Lateinisch – Deutsch, Leipzig 2014. Schorn-Schütte, Interim = Luise Schorn-Schütte (Hg.), Das Interim 1548/50. Herrschaftskrise und Glaubenskonflikt, Gütersloh 2005 (SVRG 203). Slenczka, Das Wormser Schisma 1557 = Björn Slenczka, Das Wormser Schisma der Augsburger Konfessionsverwandten 1557. Protestantische Konfessionspolitik und Theologie im Zusammenhang des zweiten Wormser Religionsgesprächs, Tübingen 2010. Sleumer = Kirchenlateinisches Wörterbuch. Ausführliches Wörterverzeichnis zum Römischen Missale, Breviarium, Rituale, Graduale, Pontificale, Ceremoniale, Martyrologium, sowie zur Vulgata und zum Codex juris canonici; desgleichen zu den Proprien der Bistümer Deutschlands, Österreichs, Ungarns, Luxemburgs, der Schweiz und zahlreicher kirchlicher Orden und Kongregationen. Zweite, sehr vermehrte Auflage des „Liturgischen Lexikons“

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Literatur und Kurztitel

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unter umfassendster Mitarbeit von Benefiziat Joseph Schmid herausgegeben von Prof. Dr. theol. et phil. Albert Sleumer, Limburg/Lahn 1926 (ND Hildesheim 2006). TPMA = Thesaurus Proverbiorum Medii Aevi. Hg. v. Kuratorium Singer der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften, Berlin u. a. 1995 –2002. Tschackert, Kirchenlehre = Paul Tschackert, Die Entstehung der lutherischen und der reformierten Kirchenlehre samt ihren innerprotestantischen Gegensätzen, Göttingen 1910 (ND 1979). Voit, Nikolaus Gallus = Hartmut Voit, Nikolaus Gallus. Ein Beitrag zur Reformationsgeschichte der nachlutherischen Zeit, Neustadt a. d. Aisch 1977 (EKGB 54). Wartenberg, Major = Günther Wartenberg, Georg Major in den politisch-theologischen Auseinandersetzungen in Kursachsen zwischen 1546 und 1552, in: Dingel/Wartenberg, Major, 207–231. Wengert, Major = Timothy J. Wengert, Georg Major (1502–1574). Defender of Wittenberg's Faith and Melanchthonian exegete, in: Heinz Scheible (Hg.), Melanchthon in seinen Schülern, Wiesbaden 1997 (Wolfenbütteler Forschungen 73), 129–156. Wolgast, Kollektivautorität = Eike Wolgast, Luther, Jonas und die Wittenberger Kollektivautorität, in: Dingel, Jonas, 87–100.

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Personenregister

Das Personenregister berücksichtigt nicht die Autoren wissenschaftlicher Sekundärliteratur. Ebenfalls nicht enthalten sind die Namen biblischer Personen. Kursive Ziffern bezeichnen Seiten mit Personennamen, die nur im Anmerkungstext enthalten sind. Adrastos

182

Aepin, Johannes (1499–1553) 86, 251, 325, 330 Agamemnon

182

Agricola, Stephan d. Ä. (1491–1547) 319, 320

317,

Agricola, Stephan d. J. (um 1525–1562) 12f, 134, 284, 315, 317–322, 326f, 333, 336, 341, 350, 357f

Arius (um 280 –336)

296, 406

156, 576

Athanasius (299–373)

576

August, Kurfürst von Sachsen (1526 –1586, reg. 1553–1586) 491 Augustin (354–430) 25, 156, 185, 189, 200, 243f, 367, 561, 580 Barth, Margaretha 248

182

Alber, Erasmus (um 1500–1553) Alber, Jodocus

Apion 576 Aristoteles (384–322 v. Chr.)

Agricola, Johann (Eisleben) (1494–1566) 88, 94, 350, 403, 463, 495, 507, 537

Aigialeus

Andreae, Hieronymus, Drucker (um 1485– 1556) 163

100, 472

249

Alber, Matthäus (1495 –1570) 249 Albrecht, Erzbischof und Kurfürst von Mainz (1490–1545, reg. 1514–1545) 247

Bärwald, Jakob, Drucker († 1570) 253, 359, 389, 550, 562 Bärwald, Zacharias, Drucker († 1598)

389

Basilius von Caesarea (329/30–379) 154 Baur/Bayer, Clara 249

Albrecht I. von Brandenburg-Ansbach, Herzog von Preußen (1490–1568, reg. 1525– 1568) 89, 524, 576

Behem (Böhme), Johannes († 1581) 22, 122, 312, 370

Albrecht VII., Graf von Mansfeld-Hinterort (1480–1560, reg. 1486–1560) 9, 12, 23, 134, 283, 285, 320, 357, 493

Bernhard von Clairvaux (um 1090–1153) 274

Alexander der Große (356–323 v. Chr., reg. 336–323 v. Chr.) 348

Bert, Anna von (1533–1564)

Ambach, Melchior (1490–1559 od. 1562/63) 249

Birnbaum, Georg († 1572) 313, 370

Ambrosius von Mailand (333/34–397) 175, 182, 243, 245, 561f, 580 Amphithea 182 Amsdorf, Nikolaus von (1483–1565) 5–12, 14f, 19, 21–26, 29, 31, 33 –36, 38 –44, 47, 49–52, 58f, 60f, 62–65, 68f, 77f, 84, 89, 99–101, 103, 106f, 109f, 119, 124, 133, 141–143, 259, 260, 275, 277, 283, 359, 393, 396, 411, 413–415, 432, 435f, 445–447, 452f, 460f, 469, 471–474, 485f, 538, 574, 576

Berg, Johann vom, Drucker († 1563) 435

Bernhardi, Johannes († 1551)

249 569

Biel, Gabriel (1418–1495) 189 Blum, Michael, Drucker († 1550) 29, 250 Bodenstein (Karlstadt), Andreas Rudolf (1486–1541) 23 Böhme s. Behem Born, Bartholomäus († 1583)

371

Bornhausen, Samuel 374 Braubach, Peter, Drucker (um 1500–1567) 251, 434 Brenz, Johannes (1499–1570) 249, 251, 320, 325, 330, 416, 434

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592

Register

Bucer, Martin (1491–1551) 330 Buchner, Wolfgang

247, 252, 325,

Epikur (um 341 – um 270 v. Chr.)

484

Epiphanius von Salamis (um 315 – 403) 576

138

Episcopius, Nikolaus d. Ä. (1501–1564) 438

Bugenhagen, Johannes d. Ä. (1484–1558) 5f, 8f, 23, 27, 35, 40, 49, 55, 58f, 65, 85, 87f, 100, 187, 249, 460f, 481, 504

Erasmus von Rotterdam (1466/69–1536) 165

Bullinger, Heinrich 330, 492

Faber, Johann (ngw. 1549–1563) 374

(1504–1575)

325,

Faber, Johann (ngw. 1550) 372 Faber, Johannes

373

Busch, Jakob (um 1520 – nach 1547) 373

Fabricius, Georg (1516–1571) 358

Caesar, Sebald (ngw. 1548–1554)

Falckmann, Balthasar (ngw. 1551–1562) 376

Calvin, Johannes (1509–1564)

358

325, 330

Faust, Elisabeth

77

Camerarius, Joachim d. Ä. (1500–1574) 88

Fischer (Piscator), Gabriel († 1565) 372

Canisius, Petrus (1521–1597)

Flacius Illyricus, Matthias (1520–1575) 7–11, 12, 13, 24, 31, 32, 33f, 35, 40–45, 49f, 52, 55, 57, 58f, 65, 70, 75, 77–79, 81, 86, 88, 90, 91, 93, 94, 99–101, 103, 106, 133f, 151, 152, 187, 259, 275, 277, 284–286, 313, 317, 335, 391, 393–397, 406, 409, 411f, 415–417, 419f, 422f, 425, 427, 431, 436, 437f, 445f, 452f, 460f, 471f, 485, 494f, 501–504, 507, 509f, 512, 513–515, 518, 523–525, 532, 541, 547, 570

321

Capito, Wolfgang (1481–1541) 247, 248 Chemnitz, Martin (1522–1586) 285, 509, 524 Christianus, Albertus († 1564)

318

Christoph, Herzog von Württemberg (1515– 1568, reg. 1550–1568) 89, 247, 491 Cicero, Marcus Tullius (106–43 v. Chr.) 73 Cochläus, Johannes (1479–1552) 7, 52, 62, 70f Coelestin, Johann Friedrich († 1577/78) 568, 570

Forster, Johannes (1496–1556) 40, 58, 87f

Coelius, Michael (1492–1559) 9, 12, 21, 22, 49, 283, 284, 285, 312, 335, 370

Frecht, Martin (1494–1556)

Colditz, Laurentius († 1573) 370

Friede (Frede), Henning († 1565) 509

Cordatus, Conrad (1480–1546) 4f

Friedrich III, Kurfürst von der Pfalz (1515– 1576, reg. 1559–1576) 492, 529

Creutzer, Veit, Drucker († 1578) 28, 33f, 55, 58, 67, 99, 120, 253, 260, 266, 396, 401, 433, 489, 496 Cruciger, Caspar d. Ä. (1504–1548) 4–6, 35, 55, 59, 65, 85, 100, 135, 187, 249, 256, 320, 358 Cruciger, Caspar d. J. (1525–1597) 13, 358 Crusius s. Krause Curtius (Korte), Valentin (1493–1567) 509 Demosthenes, attischer Rhetor (384–322 v. Chr.) 73 Dietherich, Justus (ngw. 1549–1562) 371 Dietrich, Veit (1506–1549) 252, 433, 435

247

Frede (Freder), Johannes (1510–1562)

509

Froben, Hieronymus d. Ä., Drucker (wohl 1501–1563) 438 Fuchs (Alopecius), Hero, Drucker († vor 1556) 243 Galle, Jakobus

375

Gallus, Nikolaus (1516–1570) 7–11, 35, 43, 49f, 58, 77, 85, 90f, 97, 99–102, 103, 106f, 109, 113, 118f, 126, 133f, 253, 259, 260, 266, 275, 277, 313, 416, 435, 452f, 460f, 472, 507, 515, 541, 547, 569 Gaubisch, Urban, Drucker (1527/30–1612) 389, 526, 542, 548

Eck, Johannes (1486–1543) 254

Geiler von Kaisersberg, Johann (1445– 1510) 248

Edward VI. v. England (1537–1553, reg. 1547–1553) 28, 33, 35, 55, 81

Geißler (Geisler), Heinrich, Drucker († 1569) 548

Eichelborner, Adrian (ngw. 1550–1568)

375

Eichelbrenner, Andreas (ngw. 1546–1555) 371

Georg, Graf von Württemberg-Mömpelgard (1498–1558, reg. 1553 –1558) 249

Eichhorn, George (ngw. 1554) 371

Georg III., der Gottselige, Fürst von AnhaltDessau (1507–1553) 8, 32, 88, 259, 446, 493, 574

Eitzen, Paul von (1522–1598) 509

German, Martin (1496–1559) 249

Eichenbergk, Johannes

509

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593

Personenregister Goltwurm, Kaspar (1524–1559)

Johannes de Fonte 296

357

Gres(s)er, Daniel (1504–1591) 88 Grun, Valentin (ngw. 1542–1573)

375

Günther, Wolfgang, Drucker († 1558) 136, 279 Güttel, Caspar (1471–1542) Hahn, Anna

310

99

Hahn, Petrus 99 Haintzel, Johann Baptist (1524–1581) 319 Hantzsch, Georg, Drucker († 1585) Haveman, Christian

381

509

Heidenreich, Andreas († 1562) 375 Heinrich, der Fromme, Herzog von Sachsen (1473–1541, reg. 1539 –1541) 31

Jonas, Justus (1493–1555) 5f, 23, 249, 362, 446 Judex, Matthäus (1528–1564)

285

Julius, Herzog von Braunschweig-LüneburgWolfenbüttel (1528–1589, reg. 1568 – 1589) 569 Karl V., römisch-deutscher Kaiser, König von Spanien (1500–1558, reg. 1516/19 – 1556) 100, 247, 413 Kirchner, Ambrosius d. Ä., Drucker († 1560) 474 Kirchner, Wolfgang, Drucker († 1593) 492, 508, 523 Kittel, Johannes (1519–1590) 509

Helding (Sidonius), Michael, Bischof von Merseburg (1506–1561, reg. 1550–1561) 320, 358

Kletting, Laurentius († 1590) 374

Heling (Hollinger), Moritz (1522–1595) 13, 357f

Klytemnestra 182

Kling, Konrad (1483/84–1556)

413

Kling, Melchior (1504–1571) 319

Hemberg, Valentinus (ngw. 1554) 375

Knorr, Nikolaus, Drucker (ngw. 1557– 1596) 550, 562

Henniges, Friedrich (1509–1563)

Koch, Christoph (ngw. 1553–1571) 374

509

Herbordus, Johannes († 1574) 372 Heshusius, Tilemann (1527–1588) 285, 509, 568–570

Kohl, Hans, Drucker (um 1500 – um 1559) 83, 253, 502 Kolbenach, Johann († 1559) 376

Hessus, Eobanus (1488–1540) 139

Koler, Caspar 374

Hildebrand, Gallus († 1575)

Konstantin I., römischer Kaiser (270/88–337, reg. 306/24 –337) 576

370

Hiltner, Johannes, Ratskonsulent in Regensburg (1485 –1567) 50, 58, 100

Köppichen, Andreas († 1589)

313, 371

Hoyer VI., Graf von Mansfeld-Vorderort (1484–1540) 362

Krafft, Johann d. Ä., Drucker (um 1510– 1578) 581

Hugo, Franziskus (1551–1554) 371 Hüpscher, Eva 358

Krause (Crusius), Andreas († 1575) 22, 122, 312, 370

Hyperius, Andreas (1511–1564) 492

Krause (Crusius), Johann († 1558) 313, 372

Jäck, Barthel 413

Kraut, Katharina

Joachim, Graf von Ortenburg (1530–1600) 570

Kunsdörffer (Königsdorffer), Pancratius († 1564) 374

Joachim II. Hektor, Kurfürst von Brandenburg (1505–1571, reg. 1535–1571) 88, 125, 350

Ladislaus, Graf von Fraunberg-Haag (1505– 1566) 570

Johann Friedrich, Kurfürst, ab 1547 Herzog von Sachsen (1503–1554, reg. 1532– 1554) 413, 481

Lauterbach, Anton (1502–1569)

Johann Friedrich II., der Mittlere, Herzog von Sachsen (1529–1595, reg. 1554 – 1565) 49, 396, 403, 491f, 570

249

Lange, Andreas (ngw. 1544–1571) 375 Leigerus, Johannes

88

374

Lelcke, Johannes 375 Leopoldus, Johannes († 1583) 373 Lerdsch (Curtius), Simon († 1557) 374

Johann Georg I., Graf von Mansfeld-Vorderort (1515–1579) 43

Leutschker, Bartholomäus (ngw. 1554–1570) 372

Johann Wilhelm, Herzog von Sachsen (1530–1573, reg. 1554–1573) 567–570

Liebe, Jacob († 1577) 371

Johannes Chrysostomos (349?–407)

243

Lindanus, Wilhelm Damasi (1525–1588) 577

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594

Register

Lotther, Melchior d. Ä, Drucker (um 1470 – 1549) 139, 359

Menzel, Hieronymus (1517–1590) 311, 318, 370

Lotther, Michael, Drucker (1499–1556) 9, 28, 49, 52, 79, 81f, 90, 95, 102, 133, 266, 288, 314, 319, 336, 352, 393, 411, 435

Meseritz, Elisabeth von (um 1504–1535) 358

Lufft, Hans, Drucker (um 1495–1584) 39, 163, 254, 393, 396, 399, 401, 422, 433, 441, 443, 445, 448–450, 492, 516, 523, 545, 547, 549, 551, 575, 578

35, 411, 471, 567,

Lupetino, Baldo (1502–1556) 77, 395 Luther, Martin (1483–1546) 3–8, 13–15, 22f, 37, 39, 50f, 57f, 62f, 67, 71, 77f, 86, 91, 93, 100, 107, 109, 113, 115, 118, 120–122, 126, 133, 136, 141, 145, 156, 158, 162-165, 174, 200, 213f, 216f, 219, 221, 229, 232f, 244, 247–249, 253, 254f, 260, 266–269, 273–275, 277–279, 285, 294, 310, 311, 320, 325, 330, 340, 344, 346, 350, 359, 361f, 376, 378, 385, 388, 395, 399, 400, 403, 412, 415f, 421, 422, 426–428, 431f, 433, 446, 463–465, 469, 471–474, 477, 479f, 481, 482f, 486f, 492f, 495, 500f, 503, 507, 516, 523–526, 529, 531f, 535f, 537, 539–541, 549, 554, 559, 567, 574f, 578f, 582 Lysimache

182

Major, Georg (1502–1574) 3, 6, 8–15, 19, 21–24, 25, 27f, 30f, 33, 34, 35, 37, 40f, 43, 47, 49–52, 55–57, 59–72, 75, 77–79, 81, 83–95, 97, 99, 101–103, 105–115, 117–127, 131, 133f, 136, 165, 187, 283f, 286f, 313, 314, 317f, 321, 327, 328, 335, 339, 341, 357, 393f, 403, 411, 414, 435, 441, 443, 445f, 448–450, 452, 453, 460f, 471–474, 477, 479, 486f, 489, 492–496, 499, 503, 505, 507, 513, 521, 523–526, 530–540, 541, 545, 547–551, 553, 554, 562, 565, 567–582

Minkwitz, Dr. Erasmus von, ernestinischer Kanzler (um 1512–1562/64) 49 Mochau, Margarethe von († 1577) Mohammed (um 569– 632)

23

160

Montanus, Georg (ngw. 1546)

373

Mordeisen, Dr. Ulrich, albertinischer Rat und Kanzler (1519–1572) 50 Morgenstern, Georg († 1565) 313, 374 Moritz, Herzog, ab 1547 Kurfürst von Sachsen (1521–1553, reg. 1541–1553) 6, 8, 21, 23, 30, 35, 40-42, 43, 49, 55, 59, 65, 83, 85, 88, 133, 187, 259, 317 Moritz der Gelehrte, Landgraf von Hessen(Kassel) (1572–1632, reg. 1592–1627) 358 Moritz, Laurentius

375

Mörlin, Joachim (1514–1571) 9, 14, 492, 509, 511, 521, 523–526, 533, 534, 536, 541, 569 Mörlin, Jodocus 524 Mörlin, Maximilian (1516–1584) 393, 411, 534 Morus, Thomas (1478–1536) 341 Moßhawer, Christoffel

138

Musäus, Barbara 569 Musäus, Simon (1521–1576) 569 Musculus (Müslin), Wolfgang (1497–1563) 248, 325, 330 Myconius, Friedrich (1490/91–1546) 413 Menius, Margarita

249,

413

Martmeyer, Leonhard (1506–1583) 313, 370

Mylius, Crato, Drucker (1503–1547) 246

Melanchthon, Philipp (1497–1560) 3–8, 10, 12, 13, 15, 23, 32, 35, 40, 42, 55, 58f, 65, 67, 83, 85f, 87, 88, 100, 120, 122, 128, 135f, 139, 187, 246, 249, 253, 256, 318, 319, 320, 325, 330, 358, 403, 412– 414, 416, 422, 432, 446, 463, 465, 491, 493, 495, 500–502, 504, 516, 524f, 535, 537, 549, 554, 559, 568, 574, 576, 581

Naß, Joachim († 1565) 373

Oekolampad, Johannes (1482–1531) 247

Melander, Dionysius (1486–1561) 249

Orestes

Mengel, Stephan (1523–1607)

Osiander, Andreas (1496/98–1552) 58, 67, 89, 108, 120, 122, 128, 159, 173f, 283, 309, 313, 415, 423, 456, 459, 492, 524, 533, 576

375

Menius, Justus (1499–1558) 13, 216f, 249, 376f, 381, 391, 393–397, 399–401, 403– 406, 409, 411–417, 419, 420f, 426, 432, 435–437, 445, 472 Mensing, Johannes (1477–1547) 63

Neuber, Ulrich, Drucker († 1571) Neuhagen, Johannes († 1566)

435

374

Neuwirt, Johann († 1568) 372 Nopp, Hieronymus († 1551) 100, 253 Novicus, Michael (ngw. 1554) 375 182

Otho, Anton (um 1505 – nach 1568) 99, 123

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595

Personenregister Otmar, Valentin, Drucker (um 1515–1566) 83, 90

Richtzenhan, Donat, Drucker († 1604/05) 529, 565, 571

Otter, Jacob (1485–1547)

Rihel, Wendelin d. Ä., Drucker (um 1490– 1555) 252

248

Ottheinrich, Herzog und Pfalzgraf von Neuburg, Kurfürst von der Pfalz (1502–1559, reg. 1522/56–1559) 568 Öttinger, Heinrich, Drucker (ngw. 1525–1532) 63 Paceus, Valentin (1502–1558)

42

Paul III., Bischof von Rom (1468–1549, reg. 1534–1549) 89 Paulus von Samosata († nach 272) Pelagius († nach 418)

156

61, 200, 559

Riplitz, Apollonia 320 Rödinger, Christian d. Ä., Drucker († 1557) 7, 59, 81f, 86, 88, 95, 259, 415, 435, 446, 464f, 471, 477, 502, 547 Rödinger, Christian d. J., Drucker († 1570) 548, 568 Roeder, Petrus († 1566) 371 Rörer, Georg (1492–1557) 359 Rosenblatt, Wibrandis (1504–1564) 247

Petri, Andreas, Drucker (um 1513–1593) 548

Rotbart (Mönch in Magdeburg) 63

Petrus Lombardus (1095/1100–1160)

Rucker, Jodocus († 1554)

Pfeffinger, Johannes (1493–1573) 72, 88, 126, 254, 371

178

56, 58f,

Pflug, Julius von, Bischof von NaumburgZeitz (1499–1564, reg. 1541/47–1564) 88, 320

Röttel, Agnes 247 22, 122, 311

Rust, Johannes 376 Sarcerius, Erasmus (1501–1559) 13, 42, 253, 319, 325, 330, 357f, 369, 518 Schaffer, Michael (ngw. 1558–1562)

Philemon von Syrakus, griech. Dichter (um 360 – um 264 v. Chr.) 163, 504

Schaue, Clemens († 1559) 312, 370

Philipp von Gemmingen († 1544)

Schilling, Paulus

249

371

Schelling, Anna 249 375

Philipp der Großmütige, Landgraf von Hessen (1504–1567, reg. 1509/18–1567) 362, 491

Schirlentz, Nickel, Drucker (ngw. 1521–1547) 394, 399, 412, 422

Pistorius, Simon (ngw. 1552–1554) 374

Schnappauf, Jacob (ngw. 1524–1570)

Polde, Hieronymus (1522–1573) 370

Schneidenklen, Jacob (1544–1565) 371

Polybos

285, 312,

372

Schneider (Sartoris), Simon (ngw. 1529– 1567) 374

182

Rauch, Johannes (1531–1593) 372

Schnepf, Erhard (1495–1558) 393, 411, 413, 416, 432, 435–437

Rauche, Johann († 1587)

Schola, Johannes († 1571) 375

Quelmaltz, Benedictus

373 371

Rautenbusch, Friedrich (ngw. 1558) 371

Schradin, Johannes (um 1500–1560/61) 249

Rebart, Thomas, Drucker († 1570) 482, 567

Schreyner, Valentinus (ngw. 1546–1562) 372

Reichart, Joachim (1552–1600)

Schröter, Johann (ngw. 1555–1563) 375

372

Reiffschneider, Johannes († 1550)

Schuler, Gervasius (um 1495–1563) 248

374

Reißinger, Caspar (ngw. 1552–1574)

370

Reuber, Friedrich († 1559) 22, 122, 311, 370 Reußdörfer, Pancratius (ngw. 1554) 371 Rhau, Georg, Drucker (1488–1548) 19, 24, 393f, 404–406, 409, 411f, 415, 417, 419f, 427, 503 Rhegius, Urbanus (1489–1541) 254, 416, 433 Rhemus, Andreas († 1559) 370

22, 122, 312,

Rhodius (Roth), Johannes († 1568) 312, 370

286,

Schulz (Schultheiß), Michael (um 1515 – nach 1572) 28, 40, 87 Schunemann, Dionysius († 1579) 509 Schütze, Johann Tobias (ngw. 1550–1555) 373 Schwenckfeld von Ossig, Caspar (1489–1561) 101 Segebode, Eilardus († 1602) 509 Selig (Lelius), Petrus (ngw. 1542–1560)

374

Seitz d. Ä., Peter, Drucker († 1548) 99, 106, 432, 449, 517 Silbereisen, Elisabeth

247

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596

Register

Spangenberg, Cyriakus (1528–1604) 370

312,

Spangenberg, Johann d. Ä. (1484–1550) 139, 250, 284, 310 Spielberg (Ludimontanus), Christophorus († 1569) 372 Spieß, Alexander (ngw. 1543–1552) Spirensis, Simon

86

373 375

Staphylus, Friedrich († 1567) 547, 576 Stellwagen, Jacob (ngw. 1533–1556) 374 375

Stöckel, Matthes d. Ä., Drucker (um 1526 – 1600/04) 448, 450, 550, 562 Stoltz, Johann (1514–1556) 435f

413, 414, 432,

Stössel, Johann (1524–1578)

Vergerio, Pietro Paolo (1498–1565)

393, 411

138

Stürmer, Gervasius, Drucker (ngw. 1530– 1567) 397, 406, 422f 182

Taubenthal, Cyriakus († 1563)

373

Tempel, Laurentius (ngw. 1541–1562) 373 Tertullian (Quintus Septimius Florus Tertullianus, um 160/70 – nach 220) 154 Thanner, Jacob, Drucker († vor 1535) 63 Theobaldus, Andreas (1511–1568) 22, 122, 312, 370 Theodosius I., römischer Kaiser (347–395, reg. 379 –395) 182 Theophylakt von Achrida (um 1050 – um 1126) 156

50, 89

Vigelius, Valentinus (ngw. 1534–1559) 374 Vögelin, Ernst, Drucker (1529–1589) Vrimersheim, Petrus

554

371

509

Waldner, Wolfgang (um 1519 – 1583)

547

Weber, Georgius (ngw. 1554) 373 381

Wend, Martin (ngw. 1541–1558) 373 Wendelinus, Secundus (ngw. 1554) 373 Wermann, Peter (ngw. 1554–1562) 375 Wesch, Georg (1519–1580)

312, 370

Westerburg, Gerhard (1486–1558)

Strigel, Victorin (1524–1569) 394, 396, 405, 437

Talaos

Ursinus, Thomas ngw. 1557–1567) 373

Weiß, Hans, Drucker († 1541/43)

Sternberg(k), Johann (ngw. 1554–1572/73) 373

Straub, Nikolaus

Ulrich, Herzog von Württemberg (1487– 1550, reg. 1498–1519, 1534–1550) 249

Vopelius, Veit († 1562)

Sprung, Johannes (ngw. 1556–1587)

Sternberg, Johannes

Trutschel, Thomas († 1563) 372

Westphal, Joachim (1510–1574)

23 509

Wigand, Johannes (1523–1587) 9, 12, 22, 49, 78, 131, 283, 285, 312, 355, 357f, 513, 547, 569, 570 Wilhelm der Reiche, Graf von Nassau(-Dillenburg) (1487–1559, reg. 1516 –1559) 357f Wilhelm IV., Landgraf von Hessen(-Kassel) (1532–1592, reg. 1567–1592) 358 Witzel, Georg (1501–1573) 52, 62, 70f, 362 Wolfgang, Pfalzgraf und Herzog von PfalzZweibrücken (1526–1569) 491, 569f Wolfhart (Lykosthenes), Bonifatius (um 1490 – 1543) 248 Wolrab, Nikolaus, Drucker († 1559/60) 385 Worrich, Johannes (ngw. 1554)

376

Wutenach, Bonaventura (ermordet 1554) 372 Zell, Matthäus (1477–1548) 247

Thomas von Aquin (1224/25–1274) 406

Zeuner, Caspar (um 1492 – 1565)

Topf, Christian (ngw. 1549–1560) 375

Ziegler, Bernhard (1496–1550/56) 370

Trachter, Bernhardus

Zwick, Johannes (um 1496 – 1542) 247

376

Truchsess von Waldburg, Otto, Bischof von Augsburg (1514–1573, reg. 1543–1573) 320

88

Zwilling (Didymus), Gabriel (um 1487 – 1558) 28, 40, 87 Zwingli, Huldrych (1484–1531)

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248

Geographisches Register

Kursive Ziffern bezeichnen Seiten mit Ortsnamen, die nur im Anmerkungstext enthalten sind. Charakterisierungen von Personen, Schriften oder historischen Sachverhalten durch Ortsnamen (z.B. „Wittenberger Theologen“, „Jenaer Stellungnahme“, „Augsburger Interim“) finden in diesem Register keine Berücksichtigung. Aarau 248 Abberode 373 Ahlsdorf 372 Alberstedt 372 Albona (Labin, Kroatien) 77, 395 Allstedt 376 Alsleben/Saale (Dorf) 373 Alsleben/Saale (Stadt) 373 Altdorf 358 Alterode 375 Altzella 30, 78, 85, 87f, 92 Anhalt 578 Annaberg 357 Annarode 374 Antwerpen 78, 396 Argos 182 Arnstadt 524 Arnstedt 375 Artern 374 Aschersleben 370, 375 Augsburg 13, 83, 90, 245, 248, 317, 318–322, 357 Augsdorf 372 Basel 47, 49, 75, 77, 79, 81, 97, 99, 102, 133f, 139, 165, 247f, 341, 357, 365, 395, 438 Beesenstedt 371, 372 Belleben 375 Bendeleben 371 Bennstedt 372 Bensen (Benešov nad Ploučnicí) 285 Bern 248 Bernburg 373 Biesenrode 374

Bischweiler (Elsaß) Blaubeuren

248

247, 249

Bornstedt (Mansfelder Land) Braunschweig Bräuerode

376

14, 77, 492f, 523f

374

Bremen

14, 492, 523, 569

Bretleben

374

Britannien

61

Bruchsal

247

Buchen (Odenwald) Büdingen

311

Burgsdorf

372

248

Buttstädt (bei Weimar) Cambridge

99

247

Capodistria (Koper, Slowenien)

89

Cleebronn (Amt Brackenheim)

249

Coburg

376, 524

Colmar

248

Coswig (bei Wittenberg) Crimmitschau Dänemark

524

285

578

Deuna (Eichsfeld) Dederstedt

99

371

Deutschland (deutsche Nation, deutsche Lande) 40, 81, 84, 94, 118f, 133, 251, 277f, 501f, 512, 514 Dieuze (Lothringen) Dillenburg Döbeln

285

Dorlisheim (Elsaß) Dresden

248

357f 248

449, 550, 562

Efferding

570

Einbeck

50, 139

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598

Register

Eisenach 10, 49 –51, 393, 403, 411, 413 –415, 472 Eisleben 9f, 13, 21, 22, 23, 41, 43, 49, 79, 93, 95, 99, 106, 122f, 133f, 138f, 152, 164f, 283f, 286f, 310, 311, 312, 313, 314, 317, 318f, 335, 339, 355, 357, 358, 359, 362, 365, 370–374, 389, 493, 526, 542, 548, 569, 574 Ellrich (Südharz) 285, 312f Engadin 89 England 33, 35, 66f, 72, 73 Erdeborn 372 Erfurt 139, 311, 357, 373, 397, 412– 414, 422f, 514 Esperstedt 372 Esslingen/Neckar 248 Fienstedt 375 Frankfurt a. M. 78, 249, 251, 396, 434 Frankfurt a. O. 358, 570 Freiberg i. S. 357 Freiburg i. Br. 247–249 Freist 373 Frickenhausen 249 Friedberg (Hessen) 248 Friedeburg 375 Friedland (Preußen) 358 Friesdorf 373 Fulda 412 Fürfeld (bei Bad Rappenau) 249 Gandersheim 139 (Gau-)Algesheim 249 Gehofen 375, 376 Gerbstedt 375 Gifhorn 493 Goldberg 370 Görsbach 373 Goslar 50 Gotha 13, 393f, 411–413, 421, 432 Göttingen 139, 524 Gräfenhainichen 99 Gräfenthal (Thüringen) 99 Graz 357 Groß-Schierstedt 375 Großleinungen 376 Großörner 313, 371 Großosterhausen 373 Hagenau 247 Halberstadt 372 Halle 23, 100, 311, 358

Hamburg

14, 85f, 134, 492, 523

Hanau-Lichtenberg (Gft.) Hardegsen 139, 311 Harzgerode 375

357

Hauteroda 374 Heidelberg 247–249 Heiligenthal 375 Helbra 317f, 320, 333, 336, 372 Heldrungen 374, 375 Helfta 374 Helmstedt 569 Helpach 373 Herborn 249 Hergisdorf 372 Herzberg 99 Hessen 578 Hettstedt 313, 370f, 374 Hohenstein (Taunus) 249 Höhnstedt 371 Holdenstedt 373 Hornburg 371 Ingolstadt 247, 313 Jena 12, 78, 285, 394f, 415, 435, 446, 464f, 471, 477, 482, 513, 515, 529, 545, 548, 565, 567, 569 –573, 582 Jerusalem 159 Jüterbog 31, 88, 92 Katharinenrieth 374, 375 Kenzingen 248 Kirchheim/Teck 247 Klein-Wanzleben 371 Kleinosterhausen 373 Klostermansfeld 371 Köln 249 Königerode 373 Königsberg i. Pr. (Kaliningrad) 285, 309, 396, 401, 524, 576

89, 283,

Konstanz 247, 249, 524 Köthen 99f Kressenfeld 372 Langenpreising (Bayern) 313 Laucha 374 Lauingen 570 Lauterburg (Elsaß) 248 Leimbach (bei Mansfeld)

312, 313, 374

Leipzig 13, 29, 31, 39, 50, 59, 63, 67f, 72, 85, 88, 92, 100, 106f, 124, 134, 136, 250, 253, 259, 275, 279, 285, 310,

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Geographisches Register 318–320, 357, 362, 370f, 381, 385, 412– 414, 472, 534, 550, 554, 562 Leisnig (Chemnitz) 375 Lenzburg (Kanton Aargau) 248 Liebemühl (Preußen) 285, 570 Liebenrode 375 Liebenzell (Bad) 100 Lixheim (Elsaß) 248 Löbejün 371 Lochwitz 375 Löwen (Leuven, Belgien) 341 Löwenberg (Schlesien) 374 Lübeck 14, 134, 357, 492, 523 Luckau 371 Lüneburg 14, 134, 492, 511, 523f, 529, 534, 569 Lüttchendorf 372 Magdeburg 7, 8, 9, 14, 21–23, 25, 28, 31–34, 49f, 52, 55, 59, 63f, 67f, 70f, 77–79, 81f, 86, 88, 90, 95, 100, 102, 133, 134, 259, 266, 284f, 288, 314, 318, 319, 336, 352, 357, 359, 365, 373, 393, 395, 411, 432, 435, 472, 474, 492, 502, 508, 523, 569 Mainz 247 Mansfeld 99, 283–285, 289, 312, 318, 321, 335, 373f Mansfeld (Gft.) 9, 12f, 23, 133, 139, 250, 281, 283f, 286 –288, 289, 310, 311, 313, 317f, 319, 320, 326f, 333, 335, 339, 341, 352, 355, 357, 359, 361, 362, 363, 365, 369, 372 Mantua 58 Marburg 524 Meißen (Mgft.) 41 Meißen 30, 50, 56, 88, 256 Memmingen 248 Merseburg 8, 23, 55, 66f, 72, 285, 320, 358 Merseburg (Bm.) 95 Miltenberg (Franken) 373 Modruš (Kroatien) 89 Montpellier 296 Moschburg 313 Mühlberg 412 Mühldorf 319 Mühlhausen (Thüringen) 413 Nassau-Dillenburg (Gft.) 357 Nassau-Weilburg (Gft.) 357 Naumburg 50, 56, 320, 370, 491, 514

599

Naumburg (Bm.) 95, 413 Naumburg-Zeitz (Bm.) 64, 68, 472 Neckarsteinach 248 Neuffen 249 Neumark (Sachsen) 370 Neustadt a. d. Orla 310 Nicaea 156, 576 Niederklobikau 374 Niederlande 577 Niederröblingen 374 Niemegk 4 Nordhausen 99, 123, 139, 311f, 373, 375, 465, 493 Nürnberg 22, 41f, 58, 90, 100, 163, 247, 253, 357f,, 384, 435, 446, 550, 562, 569, 578 Oberrißdorf 372 Oppenroda 373 Osmarsleben 373 Österreich 570 Ostrau (bei Halle) 375 Padua 89 Passau 50 Pegau 31, 55, 59, 65, 107 Perleberg 312 Plauen 373, 570 Polleben 374 Pomesanien (Bm.) 285, 569 Pommern 578 Preußen 159, 524, 570 Quedlinburg 372f Quenstedt 375 Querfurt 372, 375 Rappoltsweiler (Elsaß) 248 Rattenberg/Inn 319 Raubersried 71 Regensburg 23, 58, 78, 83, 100, 101, 248, 253, 396, 502, 515, 548 Reinsdorf (bei Artern) 374, 375 Riedlingen/Donau 247 Ringleben/Kyffhäuser 373 Rochlitz 285 Rodersdorf 373 Rom 61, 321, 491 Röblingen am See 371 Römhild 371 Rostock 14, 285, 357, 492, 523, 569 Rotha 374

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600

Register

Rothen-Schirmbach 373 Rothenburg/Saale 313, 373 Rothenburg/Tauber 249 Rottelsdorf 372 Rottweil 249 Rötz (Oberpfalz) 310 Saalfeld (Thüringen) 312 Sachsen, albertinisch 7, 11, 41, 358, 394, 412, 446, 486, 578 Sachsen, ernestinisch 396, 403, 411, 413, 432, 445, 472, 486 Samland (Bm.) 285, 524, 569f Santiago de Compostela 183 Schermcke 373 Schlesien 578 Schleswig-Holstein 578 Schlettstadt 247f Schlitz 312, 372 Schmalkalden 413 Schochwitz 371 Schönfeld (bei Artern) 375 Schraplau 371, 372 Schwäbisch Hall 249 Schwarzburg 413 Schweidnitz (Schlesien) 370 Schweiz 89 Seeburg 371 Sekyon 182 Siegen 357 Siena 247 Siersleben 371f Sohlen 372 Söllichau 374 Solothurn 248 Staufberg 248 Stedten 372 Stein 570 Steuden 371, 372 Stöckey 99 Stolberg (Harz) 139, 311 Straßburg 78, 246–249, 252, 312, 396 Stuttgart 249 Sylbitz 373 Sylda 375 Thalmansfeld 313 Theben 182

Theißen

371

Thessaloniki Thondorf

182

374 23, 28, 40, 50, 69, 318

Torgau Trient

24, 42, 180, 300

Tübingen

77, 89, 247, 249, 395

Tumdorf (bei Erfurt) Ulm

374

247, 249

Unterrißdorf

371

Unterteutschenthal Vacha

371

312, 362

Vatterode Veltlin

374 89

Venedig

321

Vicosoprano

89 371

Volkmaritz Volkstedt

372, 374

Weil der Stadt Weimar

248

49, 50, 414, 472

Welbsleben

371, 375

Wendelstein

71

Wettin

375

Wied (Gft.) Wien

357

89, 357

Wippra

372, 373

Wismar

285, 569

Wittenberg 4f, 8, 12, 15, 19, 22f, 25, 28, 30, 32, 33, 34f, 39, 43, 50, 52, 55, 58, 59, 67, 69f, 77f, 82, 84, 86, 99f, 106, 120, 134, 163, 201, 249, 253f, 259, 260, 266, 275, 285, 312, 318, 319, 320, 335, 357f, 370–373, 375, 381, 385, 393f, 395, 396, 399, 401, 404f, 409, 411, 412f, 415, 417, 419f, 422, 427, 432–434, 441, 443, 445, 446, 448– 450, 471, 472, 489, 492, 493 –4936, 499, 503, 505, 516f, 519, 523, 525, 533f, 545, 547–549, 551, 554, 567, 569, 574, 575f, 578, 581 Wolfenweiler (bei Freiburg i. Br.) Wolferode

372

Wolferstedt Worms Zeitz

373

50, 247f, 514 64

Ziegelrode Zürich Zwickau

372

248 375

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248

Bibelstellenregister

Die Reihenfolge der biblischen Bücher und der außerkanonischen Schriften richtet sich nach Siegfried Schwertner, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete (IATG), Berlin u.a. 19922, XXII–XXIII.

Genesis 1,27: 161, 558 2,16f: 223 3: 263 3,7: 169 3,8: 169 3,15: 169f, 180, 255 3,16–19: 170 5,25–27: 34 8,21: 278 15,6: 173 18,24f: 573 22,1–18: 272 22,5: 351 22,16–18: 539

Exodus 4,10: 297 12,2: 499 13,18–14,29: 430 20,3: 201 20,6f: 201 20,12: 262 20,17: 204 25,21: 174 26,34: 174

Leviticus 16: 174 18,5: 188 19,32: 38 27,29: 144

Numeri 16,15: 235 17,16-26: 150

Deuteronomium 4,24: 172, 177 5,7: 201

5,9–11: 201 5,16: 262 6,13: 39 12,32: 114, 196 13,1: 114, 196 27,26: 203 30,20: 500 34,1–9: 351

Josua 6,21: 144

Richter 6,1–5: 345 13,1–16,31: 224 14,5f: 224 15,15f: 224 15,18f: 224 16,1: 224 16,16–21: 224 16,20: 224

I. Buch Samuelis 12, 3: 235 15,23: 172, 257 15,26: 257 15,28: 172 16,1: 172, 257 16,7: 278 16,11–13: 172 16,13: 150 16,14: 224 28,15–17: 172 31, 4: 175, 177

II. Buch Samuelis 11: 225 11f: 257 11,4: 103 12,1–13: 225

12,1–25: 172 12,13: 103, 180

I. Königebuch 3,12: 34 5,9–14: 34 14,16: 126 15,26: 126 15,30: 126 15,34: 126 16,2: 126 18,17: 57 18,21: 73

II. Königebuch 17,24–41: 514

I. Chronikbuch 10,13: 225

II. Chronikbuch 15,4: 167 30,9: 167 33,12f: 176 33,19: 150

Hiob 14,4: 305 19,25: 542 31,27: 293

Psalmen 1,1: 42 1,3: 292 2,12: 174 5,13: 343 8,3: 82 13,3: 469 15,1f: 227

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525560167 — ISBN E-Book: 9783647560168

602

Register

17,8: 506 17,15: 263 18,21: 236 19,13: 177 24,3f: 227 25,21: 542 32,1f: 173, 227 32,2: 456, 457 32,3: 580 32,5: 175 33,5: 169 34,19: 557 36,8: 506 38,4: 172 50,12: 189 51,12: 225 51,19: 557 58,5: 351 84,12: 343 91,1f: 506 91,4: 138 94,15: 127 103,8–13: 168 116,10: 82 118,22: 239, 347 121,6–9: 466 130,3: 174 133,2: 154 133,3: 155 142,2: 479 143,2: 138, 143, 148, 174, 186, 264

38,17: 258 43,21–28: 295 43,25: 343 45,22: 149 45,23: 41 51,16: 500, 506, 519 53,5: 208 56,10: 82f 61,3: 292 64,5: 93, 363 66,2: 149, 176

Jeremia 7,22f: 17,16: 23,21: 30,11: 31,18f:

482 240 32, 57 170 170

Klagelieder (Threni) 3,22: 3,26:

169 486

Ezechiel 13,4–6: 75, 79 18,30–32: 171 20,19: 196 20,43: 176 33,7f: 117 33,11: 149, 159, 168f, 257 33,12: 149, 211, 242 33,12f: 210

Sprüche (Proverbia) 12,19: 16, 1: 17,19: 20,3: 25,26: 26,4f: 27,4:

Daniel

151 184 163 157, 508 308 515 25

4,24: 184 9,8f: 176 12,3: 154

Hosea

Prediger (Kohelet)

4,9: 118 8,11f: 482 13,14: 183

3,3: 57 7,20: 154, 298, 346 9,10: 63

2,13: 176

Joel

Jesaja

Amos

1,16: 168, 246 1,16–18: 149 1,18: 168 4,5f: 138, 264 4,6: 148 24,2: 118 28,16: 174, 239 38,3: 241 38,13: 172, 177, 258

5,12: 149 5,22f: 482

Jona 3: 176

Micha 6,6–8:

482

Sacharja 1,3: 149 7,10: 367 8,17: 367 12,10: 210

Gebet Manasses : 150, 176

Matthäus 3,8: 92, 116, 146, 150, 256 3,10: 146, 150, 256, 326, 331 4,5f: 131 4,5–7: 574 4,10: 39 5,11f: 143 5,12: 243, 250 5,14: 201 5,16: 36, 92, 202, 211, 271, 292 5,16-18: 201 5,17: 203, 207f, 227 5,17f: 163 5,17–19: 536 5,17–20: 506 5,18: 203, 210 5,19: 113, 326, 331 5,20: 192, 194, 202, 209 5,28: 103 6,12: 148, 154, 219, 231, 240, 271 6,24: 93, 104 7,1: 41 7,7: 274 7,15: 83 7,16: 227, 243 7,16–20: 462, 463, 7,17: 348 7,18: 485 7,19: 292 7,19–21: 213 7,20: 227 7,22f: 73 9,2: 336, 342 9,17: 306 10,16: 83 10,22: 212 10,24f: 73 10,32f: 73 10,38: 84, 299 11,28: 149, 343 11,29: 158 11,29f: 261 12,34: 164

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603

Bibelstellenregister 12,35: 164 12,36: 163 12,45: 216 13,13–15: 305 13,18–23: 117 13,24–30: 214 13,36–43: 214 13,39: 305 14,3–11: 120 15,9: 183, 196, 259 15,14: 484 15,18f: 164 16,11f: 121 16,18: 45, 276, 299 16,24: 84, 299 18,3–6: 197 18,7: 301 18,14: 197 18,15: 156 18,15–17: 116 18,15–18: 415, 420 18,23–27: 240 18,23–34: 219 18,23–35: 231 18,26: 271 18,32: 220 18,35: 219 19,17: 137, 162, 217, 228, 297 19,29: 143, 250 20,1: 292 20,28: 184 21,1–11: 499 21,19: 304 21,42: 239, 347 22,2–14: 221 22,11–13: 221, 264, 305 22,34–46: 432 22,36–40: 82 22,37: 162 22,37–39: 431 22,37–40: 161 23,37: 148, 228 24,12: 306 24,13: 147, 212, 231, 430, 458f 24,24: 125, 307 25,1–13: 220 25,3: 221 25,14–30: 221 25,21: 73 25,23: 73 25,31: 503 25,31–46: 221, 242 25,34f: 144, 265 25,40: 434 25,41f: 38, 265 26,24: 242

26,52: 193 26,69–75: 150 26,75: 176 27, 5: 175, 177 27,24: 69 27,52: 159 28,19: 171

Markus 11,1–10: 499 11,12–14: 200 11,20–23: 200 14,72: 176 16,15: 171

Lukas 1,41: 198 2,14: 467 2,35: 124 3,8: 246 3,8f: 199 4,9–12: 574 6,27–42: 231 6,37: 219 6,43f: 462f 6,43–45: 185 6,45: 164 8,17: 275 10,23–37: 255 10,26f: 82 10,28: 162, 297 10,42: 298 11,4: 231, 271 11,24–26: 220 11,26: 216 12,47: 221 13,3: 172 13,5: 172 13,34: 148 14,23: 272, 274 15,7: 573 16,1–9: 244, 269 17,10: 37, 138, 148, 230, 265, 363 18,8: 125 18,9–14: 303, 580 18,16f: 198 19,1–10: 150 19,29–38: 499 22,62: 176 23,34: 562 23,39–43: 150 23,40f: 198 23,41: 198 23,42: 198 23,42f: 212 24,47: 115, 171

Johannes 1,12: 144, 190, 232, 276 1,12f: 242 1,13: 197 1,18: 180 1,29: 101, 348 3,3: 195, 226, 256, 305, 347, 485 3,5: 192, 194f, 226, 256, 305, 326, 331 3,16: 343 3,36: 180, 260, 348 5,14: 366 5,28f: 242 5,29: 143, 434 8,11: 92 8,44: 151, 223, 277 8,48–50: 73 8,49: 34 10: 82 10,1: 83 10,3f: 306 10,12: 541 10,12f: 123 10,27: 306 12,49f: 113 14, 23: 195 15,1–6: 199 15,1–8: 200, 269, 292 15,1f: 146 15,4f: 231 15,5: 202, 230 15,6: 231 15,12: 213 16,7–9: 171 16,8: 118 16,8–11: 190 16,23: 160 17,3: 160, 227, 258 18,13: 42 18,24: 42 20,11–18: 150

Apostelgeschichte 2,36–38: 191 2,42: 164 4,10–12: 239 4,12: 348 4,19: 119 7,58: 167 8,1: 167 9,1–22: 165f 9,1f: 186 9,17: 181 10,2: 184 10,42: 503

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Register

10,43: 171, 190 10,44: 191 15,4: 84 15,8: 41 15,9: 185 15,12: 84 16,9f: 185 16,24: 186 16,30f: 191 20,28f: 104 20,29: 83 22,10: 176 22,13–16: 179 22,19f: 167 24,15f: 238 26,14: 165

Römerbrief 1,18: 171 1,32: 88 2,6: 243 2,6f: 143 2,14f: 207 2,15: 193 3,8: 115 3,12: 469 3,20: 203 3,23: 479, 485 3,24: 62, 223, 424 3,24f: 190, 555 3,25: 138, 174, 187, 458 3,25f: 459 3,28: 62, 114, 187, 189, 297, 555 3,29: 203 3,31: 163, 203-206, 210 4,3: 173 4,4: 557 4,5: 105, 114, 281, 287f, 424, 457, 556 4,5f: 190 4,14: 363 4,15: 203 4,16: 190, 347, 454f 4,21–25: 173 4,25: 421 5,1: 179, 183, 558 5,1–5: 194 5,2: 347 5,5: 486 5,8: 174 5,18: 230, 264 5,18f: 557 5,19: 175, 230 5,20: 167 6,4: 292, 507 6,14: 201 6,22: 226

6,23: 111, 144, 186, 211, 556 7,7: 204 7,12: 507 7,18: 298 7,19: 271 8,1: 211 8,1–4: 205 8,3: 205 8,3f: 163, 205f 8,4: 207, 270, 367 8,5–8: 305 8,9: 196, 210, 228, 456f 8,10f: 367 8,11: 405, 428 8,12: 38, 137, 246, 429, 432 8,12f: 146, 224, 226, 257, 291 8,12–17: 429, 430 8,13: 429 8,13–17: 367 8,14: 140, 195–197, 228, 256, 262, 485 8,14f: 263 8,15: 187, 368, 558 8,16: 210 8,23: 264 8,23–27: 367 8,24: 161 8,26: 292 8,33: 273 8,34: 273 9,16: 185, 267 9,22: 160 9,23: 500, 519 10,3–13: 202 10,4: 204–206, 229, 263 10,5: 188 10,5–9: 297 10,9–13: 188 10,10: 38, 146, 211f, 231, 251 11,17–24: 200 11,32: 168 14,10: 558 14,10f: 503 14,10–13: 41 14,23: 184, 362 15,13: 187 16,18: 485, 541

I. Korintherbrief 1,17: 1,18: 1,23: 1,30: 3,11:

299 299 299 148, 189, 273 174, 188, 230

3,16: 195 4,3–5: 41 4,4: 238f, 299 5,1-5: 182 5,6–8: 426 5,7: 427 5,9–13: 116 6,9: 456, 457 6,19: 428 6,19f: 220 6,20: 209 7,23: 209 9,16: 147, 226, 231, 250, 274 9,24f: 272 10,6–13: 430 10,23: 57 11,32: 170 12f: 154 13,2: 216 13,5: 367 15,10: 84 16,22: 144

II. Korinterbrief 1,3: 168 1,12: 238 1,12–14: 153 1,14: 238 3 6: 297 3,7: 203 3,9: 203 4,1f: 84 4,4: 119, 484 4,7: 154 4,13: 82 5,2: 258 5,2f: 36, 212, 264 5,10: 264f, 503, 558 5,17: 485 5,19: 159 6,3: 271 6,14: 339 6,14f: 42 6,15: 84, 89, 93, 301, 344 7,9f: 176 11,22–33: 238 11,25: 508

Galaterbrief 1,3–5: 382 1,8: 36, 114, 275, 304, 579 1,11–2,14: 84 1,18: 93 2,9: 104, 158 2,16: 187, 190, 194 2,20: 145

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605

Bibelstellenregister 2,21: 363 3,2: 190 3,10: 203, 363, 481, 581 3,13: 273 3,14: 179, 190, 195 3,21: 223 3,22: 168 3,24: 193 3,24f: 278 3,26: 271 4,4f: 205 4,5: 145, 276 4,6: 558 5,1: 339 5,2: 137 5,5: 270 5,5f: 197 5,6: 142, 189, 216 5,9: 123 5,12: 123 5,13: 113, 216f 5,15: 19, 24, 29 5,16: 145 5,19: 162 5,21: 162, 257 5,22–25: 36 5,22f: 196f 6,4: 156 6,17: 105

Epheserbrief 2,4–7: 232 2,8f: 114, 185, 295, 349, 555f 2,10: 138, 227, 291, 315, 321, 326, 507, 558 2,20: 188, 239, 347 3,12: 188, 252, 558 4,2f: 154 4,3: 155, 501 4,14: 164 4,22–32: 161 4,23f: 227 4,24: 558 4,28: 184 5,1f: 140 5,2: 499 5,5–10: 433 5,9: 161 5,16: 118 5,22–33: 276 6,4: 38 6,12: 39 6,10–17: 218 6,16: 485 6,23f: 466

Philipperbrief 1,6: 226, 346 1,10f: 226 1,11: 116, 162 1,27f: 212 1,28: 146 2,3: 156f 2,3f: 157 2,3–7: 156 2,5–7: 157 2,6–8: 208 2,8: 158, 264, 421 2,12: 147, 212 2,13: 346 2,16: 238 3,3–14: 423 3,7–11: 299 3,7–14: 161 3,8: 304 3,8f: 536 3,12: 270, 274 3,15: 274 3,17–21: 482 3,19: 485, 541 4,1: 238 4,8f: 292

Kolosserbrief 1,26: 300 1,28: 161 2,9f: 161 2,14: 240, 351 3,1: 428 3,1–7: 428f 3,9f: 161 3,12–15: 154

I. Thessalonicherbrief 2,10: 299 2,19: 238

II. Thessalonicherbrief 2,3–12: 125 2, 8: 350

I. Timotheusbrief 1,5: 272, 427 1,8: 507 1,9: 201, 203, 261, 273 1,12–17: 167 1,15: 149, 349 1,16: 186 1,18f: 145, 211, 218, 257, 263, 267, 458f 1,19: 145, 232, 458f, 539, 560

2,5: 187 2,5f: 343 2,15: 147 4,1–3: 59 4,8: 144, 250 4,9: 149 4,16: 267 5,8: 226, 304 5,22: 42 6,5: 156 6,17–19: 146

II. Timotheusbrief 1,5: 192 1,13: 303 3,16f: 272 4,1: 503 4,1f: 269 4,6–8: 267 4,7f: 188 4,8: 268, 272

Titusbrief 2,11–15: 304 3,1: 272 3,5: 197, 295, 363, 423–425 3,8: 140, 146, 226, 272, 304, 425 3,10f: 279 3,14: 197, 304

I. Petrusbrief 1,5: 346 1,8f: 209 1,17: 214 1,18f: 424 2,4: 347 2,5: 111, 200 2,6: 194 2,7f: 347 2,8: 484 2,9f: 200 2,16: 113 2,21–23: 508 2,24: 208 4,1–3: 218 4,5: 218, 503 5,4: 159, 272 5,8: 218

II. Petrusbrief 1,9: 539 2, 4: 39, 223, 261 2,20–22: 218 3,9: 168 3,17f: 269, 271

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606

Register

I. Johannesbrief

Hebräerbrief

1,7: 348 2,1f: 173 2,28: 237 3,1: 232 3,2: 161, 211 3,7: 38, 433 3,7f: 181, 242, 432 3,8: 38, 95, 209, 433 3,8f: 255 3,9: 242, 331, 347 3,10: 38 3,14: 38, 213, 228 4,10: 237, 458 4,10f: 228 4,15: 237f 4,16: 231f, 237 4,17: 232f, 241 4,20: 213 4,21: 232

1,14: 161, 261 2,14f: 183 4,14–16: 239 4,16: 138, 459 5,8f: 212 5,9: 232 6,11f: 232 8,1f: 239 9,24–28: 239 10,14: 184 10,24: 272 10,26f: 218 10,29: 433 10,36: 274 11,6: 184, 362 12,14: 265 13,4:

193

Jakobusbrief 1,6f: 188

1,22: 82 1,22–24: 291 2,10: 70 2,19: 179

Johannes-Apokalypse 1,5: 343 2,9f: 258 2,10: 267, 458, 459 12,9: 95 13,12–17: 57 13,16: 73 14,9: 57 14,9f: 105 17,1–5: 103 17,5: 529 20,2: 95 20,7–10: 419 21,6: 138, 190 22,11: 188

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Zitatenregister

Das Zitatenregister führt die Schriften auf, aus denen in den edierten Stücken zitiert oder auf die angespielt wird. Aepin, Liber de iustificatione hominis (1551) 251

Augsburger Interim (1548) 209, 458f

Agricola, Propositiones (1552; Bd. 3, Nr. 7) 12, 134, 284, 335, 344f

Augustinus, De anima 561

Ambrosius, De paradiso 175

–, De diversis quaestionibus LXXXIII 244

–, In psalmum David CXVIII expositio 561 Ps.-Ambrosius, De vocatione omnium gentium s. Prosper von Aquitanien Amsdorf, Dass der Paulermönch Johann Mensing ... (1528) 63 –, Dass die Propositio „Gute Werke sind zur Seligkeit schädlich“ ... (1559; Bd. 3, Nr. 13) 14, 495, 536 –, Dass die Werk nicht rechtfertigen (1528) 63 –, Dass die zu Wittenberg im andern Teil ... (1549) 359

–, De bono viduitatis

30, 174, 189,

25

–, De fide et operibus

243, 367

–, De Genesi contra Manichaeos

156

–, De spiritu et littera 244 –, Enarrationes in psalmos –, Retractationes –, Sermones

244

185, 243

185

Basilius, epistolae

154

Bericht vom Interim der Theologen zu Meißen (1548) 30, 88, 259 Billingham, De Consequentiis

35

–, Dass D. Pommer und D. Major Ärgernis und Zertrennung angericht (1551; Bd. 2, Nr. 8) 7, 9, 21, 27–29, 37f, 40, 49, 69, 73, 103, 133, 283, 460f, 504

Braunschweiger Theologen, Christliches Bedenken auf Majors Repetitio (1568) 548

–, Dass Doktor Martinus kein Adiaphorist gewesen ist (1550) 7

–, Katechismus (1553)

–, Dass Justus Menius sein Vocation und Kirche heimlich verlassen (1557) 394, 415, 486 –, Kurzer Unterricht auf D. Georgen Majors Antwort (1552; Bd. 3, Nr. 2) 10, 84, 106, 133, 139, 142, 259f, 452f, 460f, 472, 510, 574 Amsdorf (Hg.), Das 18. u. 19. Kapitel S. Johannis ... (1557) 12, 446, 464f, 471, 477 Apologia Confessionis Augustanae (1531) 424, 555 Aristoteles, Physik Athanasianum

296

242, 507

Brenz, Acta Apostolica (1553) 434f –, Katechismus (1551) 251f 434

–, Predigten über das Johannesevangelium (1554) 434 Bucer, De vera ecclesiarum ... reconciliatione (1542) 252 Cassiodor, Historia ecclesiastica tripartita 182 Censurae der ... sächsischen Theologen ... auf die Bekenntnis Andreae Osiandri (1552) 423 Ps.-Chrysostomos, Opus imperfectum in Mattheum 243 Cicero, De legibus

307

Confessio Augustana (1530) 555

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4, 11, 424,

608

Register

Confessio Tetrapolitana (1530) 247

Flavius Josephus, De bello Iudaico

Confession und Bekenntnis [der ernestin. Herzöge] (1550) 396, 401

Formula Concordiae (1577)

Concilium Tridentinum

Gallus, Antwort auf Herrn D. Majors Verantwortung (1552, Bd. 3, Nr. 4) 10, 133, 139, 259f, 266, 452f, 460f, 507

152, 178, 180

Curtius Rufus, Leben Alexanders

348

Decretum Gratiani 175, 561 Dietrich, Kinderpostilla (1549) 435f –, Summaria über das Neue Testament (1544) 253, 433

Frankfurter Rezess (1558)

523

–, Auf die neue subtile Verfälschung des Evangelii Christi (1553) 134, 435 –, Einer christlichen Stadt untertänige Antwort (1548; Bd. 1, Nr. 4) 100

Ein einfältig Bedenken ... ob man Änderung tun möge (1551) 59

Heinrichsagende (1539) 31

Erasmus, Adagia (1551)

Homer, Odyssee 94

343, 438

Erklärung aus Gottes Wort und kurzer Bericht ... (1561) 492, 508f, 523, 529f Flacius, Antwort auf etliche Beschuldigungen ... (um 1551) 81, 95 –, Apologia ad scholam Vitebergensem (1549) 82 –, Apologia auf zwo unchristliche Schriften Justi Menii (1558) 415

340

14

Horaz, De arte poetica 91 –, Epistulae 406 –, Oden

329

Idyllion de philomela (1557) 518 Jenaer Theologen, Bekenntnis von der Rechtfertigung vor Gott (1569) 548, 568 –, Vom Testament D. Majors (1570; Bd. 3, Nr. 17) 15, 548

–, Bekenntnis von etlichen Irrtümern Majoris (1557) 394, 412, 445

Johannes de Fonte, Parvi flores

–, De veris et falsis adiaphoris (1549/50, Bd. 2, Nr. 3) 73

Leipziger Landtagsvorlage („Leipziger Interim“) (1548/50; Bd. 2, Nr. 4) 8, 31, 59, 65, 87f, 90, 103, 259, 502

–, Die alte und neue Lehr Justi Menii (1557; Bd. 3, Nr. 10) 13, 412, 415, 425, 427, 437 –, (Theodorus Henetus), Ein kurzer Bericht vom Interim (1548; Bd. 1, Nr. 3) 32 –, Eine kurze Antwort auf das lange Comment (1553) 134 –, Entschuldigung an die Universität Wittenberg (1549) 82, 502 –, Entschuldigung (1549) 32

an

einen

Pfarrherrn

296

Luther, An den christlichen Adel (1520) 82 –, Annotationes in aliquot cap. Matthaei (1538) 164, 274 –, Auslegung der Episteln und Evangelien durchs ganze Jahr (1548) 385 –, Auslegung vieler schöner Sprüche (1547) 217 –, Crucigers Sommerpostille (1544) 388, 426, 428– 430, 482, 516

385–

–, Dass diese Wort Christi ... (1527)

477

–, Etliche Traum Philippi (1555) 83, 502

–, De votis monasticis (1521)

–, Gründliche Verlegung aller Sophisterei (1550) 86, 88

–, Der Spruch S. Pauli Gal 1 ... (1538) 381

–, Responsio ad maledicta D. Ga. Maioris (1552) 81, 95

–, Deutsche Bibel (1546) 216

–, Von den vornehmsten adiaphoristischen Irrtümern (1558, Bd. 2, Nr. 9) 415, 512 –, Von der Einigkeit (1556) 393, 411 –, Wider den Evangelisten des heiligen Chorrocks (1552; Bd. 3, Nr. 3) 10, 12, 106, 133, 139, 259, 328, 452f, 460f, 507, 510 Flacius/Gallus, Annotatio de vero sensu primariae thesis Paulinae (1568) 547 –, Recusationsschrift ... (1551) 90

379

–, Deutsche Bibel (1545) 75, 431 –, Die sieben Bußpsalmen (1517/1525) 432 –, Disputatio contra scholasticam theologiam (1517) 93, 189 –, Disputatio de iustificatione (1536) 5 –, Disputatio de operibus legis et gratiae (1538) 268, 270 –, Eine kurze Form der Zehn Gebote (1520) 175 –, Epistel S. Petri gepredigt und ausgelegt (1. Bearbeitung, 1523) 216

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609

Zitatenregister 380,

–, Von heimlichen und gestohlenen Briefen (1529) 68

–, Etliche schöne Predigten (1532) 213f, 232, 242

–, Vorrede zum Neuen Testament (1545) 244

–, Galaterkommentar (1519) 482

–, Vorrede zum Römerbrief (1545) 35, 245

–, Galatervorlesung (1531)

–, Wider die Antinomer (1539) 350

–, Etliche Fabeln aus Äsop (1530) 575

270, 536

–, Genesisvorlesung (1535 –1545) 539 –, Glosse auf das vermeinte kaiserliche Edikt (1531) 378f

–, Wittenberger Ausgabe Bd. 1 dt. (1539) 399, 575, 578 –, Zwo Predigten ... (1551) 381

–, Großer Galaterkommentar (1535) 145, 156, 216f, 281, 344, 346, 376f, 381f

Luther/Melanchthon: Disputatio (1536) 67, 260

–, Großer Katechismus (1529)

Major, Antwort an Nikolaus von Amsdorf (1552, Bd. 3, Nr. 1) 9, 49, 55, 57, 61, 63f, 66, 69 –72, 81, 84, 87, 91, 93, 99, 103, 106f, 110, 119, 124, 141, 275, 283, 452f, 460f, 538, 576, 578f

25, 477

–, Hauspostille (1544) 220, 255, 269, 384, 433, 516 –, Heidelberger Disputation (1518) 93, 481 –, Jenaer Ausgabe, Bd. 1 dt. (1555) 471 –, Jenaer Ausgabe, Bd. 1 lat. (1556) 471 –, Jenaer Ausgabe, Bd. 3 lat. (1582) 482 –, Kirchenpostille (1522)

385, 516

–, Mit Fried und Freud ich fahr dahin 307 –, Predigt in der Schlosskirche zu Weimar (1522) 3 –, Predigt zu Act 15 (1524)

33, 36,

–, Bekenntnis von der Justifikation (1558; Bd. 3, Nr. 12) 12, 14, 471, 477, 486, 493, 523, 538f, 547, 568, 576 –, Commonefactio historica de statu eius temporis (1567) 547, 567 –, De origine et autoritate verbi Dei (1550) 39

378

–, Predigt zu Mt 22 (30.09.1537) 163, 432 –, Promotionsdisputation von Palladius und Tilemann (1537) 5f, 131, 318 –, Roths Festpostille (1527) 516 –, Roths Sommerpostille (1526)

–, Auslegung des Glaubens (1550) 39, 44, 55

516

–, Roths Winterpostille (1528) 516 –, Schmalkaldische Artikel (1537) 13, 58, 306 –, Sendbrief an Herzog Albrecht von Preußen (1532) 278f –, Sermon am Himmelfahrtstage (1523) 382f

–, Eine Predigt in Weihenachten (1551) 516 –, Eine Predigt über den ... Spruch Johannis [1,29] (1552) 99, 106, 109, 112, 141f, 516f –, Enarratio epistolae Pauli ... ad Ephesios (1552) 34 –, Ewiger göttlicher Majestät Deklaration (1546) 83, 119 –, Prima pars homeliarum in epistolas Dominicales (1556) 393, 411, 445, 471 –, Prima pars homeliarum in evangelia Dominicalia (1562) 492, 523 –, Psalterium Davidis (1547/1549)

28f

–, Sermon von dem unrechten Mammon (1522) 244

–, Refutatio horrendae prophanationis coenae Domini (1551) 28, 33, 35, 39, 44, 55

–, Sermon von der Sünde wider den Heiligen Geist (1529) 582

–, Repetitio, Wiederholung und endliche Erklärung (1567) 547, 567

–, Summa des christlichen Lebens (1533) 230

–, Secunda pars homeliarum in epistolas Dominicales (1556) 393, 411, 445, 471

–, Tractatus de libertate Christiana (1520) 3, 344f

–, Series et dispositio orationis in epistola Pauli ad Romanos (1556) 445, 471

–, Von den Conciliis und Kirchen (1539) 389

–, Sermon von S. Pauli Bekehrung (1553; Bd. 3, Nr. 5) 10–12, 22, 49, 77, 99, 283f, 313, 317, 335, 339, 452f, 462f, 510, 538f, 575, 579

–, Von der Freiheit eines Christenmenschen (1520) 15, 379–381

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610

Register

–, Testamentum (1570; Bd. 3, Nr. 16) 14, 568, 573– 580

–, Von der Bereitung zum seligen Sterben (1556) 393, 404f, 411, 427

–, Vorrede in die Auslegung der Sonntagsund Festen-Evangelion (1562; Bd. 3, Nr. 14) 14, 523, 530 –532, 535– 537, 541, 567, 576

–, Von der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt (1552) 397, 406, 423

–, Zwo Predigten über das Evangelium Johannis [1,1] (1552) 99, 123 –, Zwo Predigten von zweierlei Gerechtigkeit (1550) 35, 516 Mansfelder Prediger, Acta oder Handlungen (1554; Bd. 3, Nr. 9) 13 –, Antwort (1553, Bd. 3, Nr. 8) 363, 452f

12f, 319,

–, Bedenken (1553, Bd. 3, Nr. 6) 10, 12, 22, 134, 318, 335, 339, 342, 351f, 363, 452f, 574 –, Bericht der Irrungen halben (1568) 548 –, Wahrhaftiger Gegenbericht auf Majors Repetitio (1568) 548 Melanchthon, Antwort auf das Buch Andreae Osiandri (1552) 58, 67, 120–122, 128, 260, 266 –, Apologia Confessionis Augustanae, editio secunda (1531) 137, 246 –, Bedenken aufs Interim (1548; Bd. 1, Nr. 1) 88 –, Confessio Augustana (1533)

245, 454f

–, Confessio Augustana variata (1540) 137 –, Corpus doctrinae Christianae (1560) 554 –, Formula consensus (1557) 581 –, Fragmentum confessionis doctrinae verae (1548) 259 –, In evangelia ... annotationes (1544) –, Loci communes (1521) –, Loci theologici (1536)

432

201 131, 250

–, Opera, pars IV (1564) 581 –, Römerbriefkommentar (1540) 246 Menius, Bericht der bitteren Wahrheit (1558) 415 –, Der Wiedertäufer Lehre und Geheimnis (1534) 394, 399f, 412, 422 –, Kurzer Bescheid (1557, Bd. 3 Nr. 11) 14, 415, 485

–, Von der Notwehr (1547)

396, 401

–, Von der Seligkeit (1556) 393, 404f, 411, 427 –, Wider den hochberühmten Barfüßer zu Erfurt (1527) 422 Mensing, Bescheid, ob der Glaube allein ... (1528) 63 Morus, Utopia (1516, dt. 1524) 341 Mörlin, Verantwortung der Präfation (1562; Bd. 3, Nr. 15) 14 Nopp, Predigt ... was der guten Werk Lohn sei (1544) 253 Osiander, De unico mediatore (1551) 174 Pfeffinger, De cap. V. Matthaei propositae sententiae (1550) 56 –, Gründlicher und wahrhaftiger Bericht (1550; Bd. 2, Nr. 6) 56, 86, 88 –, Von den Traditionibus (1550) 56 Philemon v. Syrakus, Ἐπιδικαζόµενος (Fragment 23) 163 Plutarch, Große Griechen und Römer 348 Prosper von Aquitanien, De vocatione omnium gentium 243, 245 Quintilian, De institutione oratorica 401 Recusationsschrift der protestierenden Stände (1546) 90 Responsio theologorum Witebergensium ... (1549; Bd. 2, Nr. 2b) 86 Rhegius, Wie man fursichtiglich ... reden soll (1536) 254, 433 Sarcerius, Etliche Predigten (1551) 253 Schnepf, Propositiones ... de iustificatione et de bonis operibus (1555) 435 Sententia ministrorum Lubecensi, Hamburgensi, Luneburgensi, Magdeburgensi ... (1553) 135, 365 Spangenberg, Margarita theologica (1547) 250 Sprichwörtliches 26, 68f, 71, 111, 114, 118, 151, 218, 295, 308, 315, 345, 351, 366, 368, 438, 503f, 515, 576, 579

–, Verantwortung auf ... Flacii giftige, unwahrhaftige Verleumdung und Lästerung (1557) 394f, 406, 412, 419f, 436

Synodus avium (1557) 518

–, Von den Blutfreunden aus der Wiedertauf (1551) 422

Theodoret von Cyrrhus, Historia ecclesiastica 576

Tertullian, De praescriptione haereticorum 154

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Zitatenregister

611

Theophylakt von Achrida, Commentarii in omnes Divi Pauli epistolas 156

Wittenberger Konkordie (1536) 137, 247– 249

Waldner, Klare und gründliche Beweisung (1568) 548

Wittenberger Professoren, Ex actis synodicis ... (1559) 503

Weimarer Konfutationsbuch (1559) 567

Witzel, Pro defensione bonorum operum (1532) 362

Wigand, Erinnerung von der neuen Buße (1568) 547f Wittenberger Artikel (1536) 137, 246

–, Refutatio calumniosissimae responsionis Justi Jonae (1533) 362

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Controversia et Confessio. Theologische Kontroversen 1548-1577/80. Kritische Auswahledition

Band 9: Irene Dingel (Hg.) Antitrinitarische Streitigkeiten Die tritheistische Phase (1560–1568) Herausgegeben im Auftrag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz 2013. X, 622 Seiten mit 7 Abb., Leinen ISBN 978-3-525-56015-0 eBook ISBN 978-3-647-56015-1

Band 9 der Reihe »Controversia et Confessio« betrachtet die tritheistischen Phase (1560–1568) der antitrinitarischen Streitigkeiten und richtet den Blick auf verschiedenste innerprotestantische Impulse der Zeit.

Band 8: Irene Dingel (Hg.) Die Debatte um die Wittenberger Abendmahlslehre und Christologie (1570–1574) Herausgegeben im Auftrag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz 2008. IX, 1190 Seiten mit 15 Abb., Leinen ISBN 978-3-525-56200-0

Der Band 8 der Edition »Controversia et confessio« dokumentiert die Debatte um die Wittenberger Abendmahlslehre und Christologie (1570–1574) unter rezeptionsgeschichtlichem Aspekt.

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© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525560167 — ISBN E-Book: 9783647560168

Controversia et Confessio. Theologische Kontroversen 1548-1577/80. Kritische Auswahledition

Band 2: Irene Dingel (Hg.) Der Adiaphoristische Streit (1548–1560)

Band 1: Irene Dingel (Hg.) Reaktionen auf das Augsburger Interim

Herausgegeben im Auftrag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz

Der Interimistische Streit (1548-1549)

2012. IX, 1013 Seiten mit 15 Abb., Leinen ISBN 978-3-525-56010-5 eBook ISBN 978-3-647-56010-6

Wie weit konnten die protestantischen Reichsterritorien der kaiserlichen Religionspolitik entgegenkommen, ohne die eigenen Glaubensüberzeugungen zu verleugnen? Eine Darstellung der Argumentationen anhand der Streitschriften.

Herausgegeben im Auftrag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz 2010. X, 1030 Seiten mit 21 Abb., Leinen ISBN 978-3-525-56008-2 eBook ISBN 978-3-647-56008-3

Mit der als Augsburger Interim bezeichneten Verfügung strebte Kaiser Karl V. zwischen dem Augsburger Reichstag und dem Tridentinum eine vorläufige Lösung der Religionsfrage in Deutschland an.

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