Der Kerzenzieher: Zweisprachige Ausgabe 9783787335152, 9783787318018

Diese turbulente, im zeitgenössischen Neapel angesiedelte Komödie veröffentlichte Bruno 1582 in Paris als sein erstes We

151 95 2MB

German Pages 343 [472] Year 2013

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Der Kerzenzieher: Zweisprachige Ausgabe
 9783787335152, 9783787318018

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

GIOR DANO

WERKE

B RU N O

Meiner

GIOR DA NO BRU NO W E R K E



GIORDANO

Mit der kritischen Edition von Giovanni Aquilecchia herausgegeben von Thomas Leinkauf

WERKE

B RU N O

BAND 1

F E L I X M E I N E R V E R L AG · H A M B U R G

GIOR DA NO BRU NO C A N DE L A IO DER K ER Z E NZ I EH ER Italienisch – Deutsch

Übersetzt, kommentiert und herausgegeben von sergius kodera

F E L I X M E I N E R V E R L AG · H A M B U R G

Diese Ausgabe folgt der unter der Schirmherrschaft des Istituto Italiano per gli Studi Filosofici und des Centro Internazionale di Studi Bruniani bei »Les Belles Lettres« erschienenen kritischen Edition Œuvres Complètes de Giordano Bruno (Paris 1993 – 1999), ediert von Giovanni Aquilecchia, herausgegeben unter der Leitung von Yves Hersant und Nuccio Ordine. Wir danken dem Verlag »Les Belles Lettres« für die freundliche Genehmigung zur Verwendung des italienischen Textes. Hervorzuheben ist auch die gute Kooperation mit dem Istituto Italiano per gli Studi Filosofici, dem Centro Internazionale di Studi Bruniani und dem Italienischen Außenministerium. Schließlich danken wir der Fritz Thyssen-Stift ung, die auch diesen Band großzügig gefördert hat.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblimographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar. ISBN 978-3-7873-1801-8 eBook ISBN 978-3-7873-3515-2 Zitiervorschlag: BW I

www.meiner.de © Felix Meiner Verlag Hamburg 2013. Alle Rechte vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gestaltung: Jens-Sören Mann. Satz: Type & Buch Kusel, Hamburg. Druck: Strauss, Mörlenbach. Bindung: Litges & Dopf, Heppenheim. Gedruckt auf alterungsbeständigem »Alster«-Werkdruck papier (ANSI-Norm resp. DIN-ISO 9706), hergestellt aus 100 % chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany.

I N HA LT

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

vii

Einleitung. Von Sergius Kodera . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

xi

Candelaio: Kerze und Phallus oder die Kunst der Transmutation xi | Ein philosophisches Theaterstück xiv | Synopsis xv | Zur Typologie der Protagonisten xxi | Die Kunst der Transmutation oder der Maler als Philosoph xxix | Bildermacherei xxxii | Omnia mutantur, nihil interit xxxiv | Die schöne Etymologie xxxviii | (Schein-) Heilige Oberstimmen xli | Die universelle Kunst der Verwechslung lviii | Circe, die Natur und die Moral lix | Lucifera im platonischen Bordell lxiii | Der ontologische Vorrang der Materie lxviii | Licht auf die Schatten der Ideen: Brunos Gedächtnistheorien und der Candelaio

lxxii | Kurze Darstellung der mnemotechnischen Methode von De

umbris idearum lxxv | Einheit in der Verschiedenheit lxxvi | Tre in uno lxxxiii | Machiavelli

im

Candelaio lxxxviii | Zusammenschau ci |

Wirkungsgeschichte cv

Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

cix

giordano bruno candelaio der kerzenzieher Das Buch für jene, die ihren Durst an der Pegaseischen Quelle löschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der von ihm stets zu verehrenden Signora, der Signora Morgana B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt und Anordnung der Komödie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antiprolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Proprolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hausdiener . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5 7 11 27 29 39

vi

inhalt

Erster Akt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweiter Akt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dritter Akt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vierter Akt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fünfter Akt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41 83 113 155 203

Kommentar. Von Sergius Kodera . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

305 337 341

VO R B E M E R K U N G

Diese neue zweisprachige Ausgabe Giordano Bruno, Werke umfaßt in chronologischer Reihenfolge zunächst alle sieben Schriften, die Bruno in italienischer Sprache verfaßt hat. Sie ist die erste philologisch zuverlässige italienisch-deutsche Edition und ersetzt die einsprachige Gesamtausgabe der italienischen Dialoge, die Ludwig Kuhlenbeck unter dem Titel Gesammelte Werke in den Jahren 1904 –1909 im Eugen Diederichs Verlag (Leipzig und Jena) herausgegeben hat. Nach Möglichkeit werden die italienischen Dialoge im Anschluß durch die lateinischen Werke ergänzt. Das Ziel aller an dieser Ausgabe Beteiligten war, nicht nur dem heutigen Stand der Forschung entsprechende neue Textausgaben für den deutschen Sprachraum vorzulegen, sondern zugleich die Werke Brunos auf gesicherter Basis durch ausführliche Kommentare zu erschließen. Grundlegend für die Neuedition ist die kritische Ausgabe von Giovanni Aquilecchia, die einen gesicherten italienischen Grundtext bereitstellt. Für die Übersetzungen konnte zum Teil auf bereits vorliegende Einzelausgaben zurückgegriffen werden, die überprüft und, wo nötig, überarbeitet wurden, während andere vollständig neu anzufertigen waren. Jeder Band enthält darüber hinaus eine ausführliche Einleitung, in der über Werk, Werkgenese und die Wirkungsgeschichte informiert wird, eine Bibliographie, Namen- und Sachregister, sowie, sofern inhaltlich geboten, ein Glossar. Die Paginierungen der Ausgaben Œuvres complètes, hg. von Yves Hersant und Nuccio Ordine, Paris 1993 ff. (Les Belles Lettres), sowie der Dialoghi italiani, hg. von Giovanni Aquilecchia, Firenze 1958 (Sansoni), werden am Rand (OC) bzw. im Kolumnentitel (DI) mitgeführt, um den Bezug auch älterer Forschungsliteratur auf die Neuausgabe zu ermöglichen. Der Herausgeber der Ausgabe, die Herausgeber der einzelnen Bände und der Verlag danken Christiane Bacmeister, Prof. Dr. Ferdinand Fellmann und Dr. Kai Neubauer dafür, daß sie ihre Übersetzungen einzelner Dialoge für die Ausgabe Giordano Bruno, Werke zur Verfügung

viii

vorbemerkung

gestellt haben. Herzlich gedankt sei auch Prof. Nuccio Ordine und der Société d’édition Les Belles Lettres für die kollegiale Kooperation und die Bereitstellung der italienischen Texte, dem Italienzentrum der Freien Universität Berlin und seinem Leiter Prof. Dr. Jörg Hempfer sowie Prof. Dr. Wilhelm Schmidt-Biggemann vom Philosophischen Seminar der Freien Universität, die dem Projekt seit der Anfangsphase ideelle und logistische Unterstützung angedeihen ließen. Besonderer Dank gilt schließlich der Fritz Thyssen Stiftung für die großzügige Förderung dieses Editionsvorhabens.

*** Diese Übersetzung des Candelaio ist eine leicht bearbeitete Version der 2003 im Felix Meiner Verlag erschienenen Ausgabe. Einleitung, Kommentar und Bibliographie liegen nun in einer erweiterten Form vor. Die fehlerhafte Numerierung mancher Szenen wurde nicht übernommen, in wenigen Fällen die ungewöhnliche Orthographie und Interpunktion der lateinischen Passagen stillschweigend der leichteren Lesbarkeit wegen korrigiert. Die Übersetzung bemüht sich, so wörtlich wie möglich und trotzdem lesbar zu bleiben, ein nicht immer leichtes Unterfangen bei einem Text, der sich auch dem heutigen italienischen Leser nur durch umfangreiche Kommentare erschließt. Die zahlreichen sprachlichen Eigenarten des Candelaio (etwa Neapolitanismen) wurden in den Anmerkungen nur insofern behandelt, als sie von inhaltlicher Bedeutung sind. Verweise innerhalb des Candelaio werden ohne weitere Kennzeichnung unter Nennung von Akt und Szene (z. B. V, 3) gegeben. Eigentümliche Tempuswechsel werden ebenso wie Wechsel in der Anredeform (Du, Ihr) in der Übersetzung beibehalten. In eckigen Klammern stehen Zusätze des Übersetzers, die das Verständnis erleichtern. Da der Candelaio in den Dialoghi italiani fehlt, wird in unserer Ausgabe (abweichend von den anderen Bänden der GBW) die Paginierung der Œuvres complètes im Kolumnentitel mitgeführt. In einem Projekt, das mich nun schon mehr als ein Jahrzehnt immer wieder beschäftigt, gilt es vielen Menschen zu danken, die die Einleitung und/oder Übersetzung in verschiedenen Stadien kommentiert, mit wichtigen Anregungen bereichert oder korrekturgelesen haben. Neben den bereits in der Ausgabe 2003 erwähnten Kol-

vorbemerkung

ix

leginnen und Kollegen – Marlen Bidwell-Steiner, Sebastian Neumeister, Philipp Mayrhofer, Marion Lauschke, Richard Heinrich, Helmut Neundlinger, und Alfred Noe – gilt mein Dank nun auch Thomas Leinkauf, Marcel Simon-Gadhof und Katharina Sacken sowie und ganz besonders allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Londoner Warburg Institutes, die diese Arbeit durch ihre unvergleichliche Bibliothek erst ermöglicht haben. Gewidmet ist die vorliegende Arbeit meinem Vater Peter Kodera, einem Maler, der, wie Gioan Bernardo im Candeleio, genau über die Mutabilität der Bilder Bescheid weiß. Sergius Kodera, im Herbst 2012

EINLEITUNG

Candelaio: Kerze und Phallus oder die Kunst der Transmutation Comedy is tragedy that happens to other people. (Angela Carter, Wise Children)

Giordano Bruno, der charismatische Exdominikaner und einer der widersprüchlichsten Denker seiner Epoche, Lehrer und Schriftsteller aus Nola, einem Ort südlich von Neapel, kommt nach ausgedehnten Wanderschaften 1581 nach Paris. Im Sommer des folgenden Jahres veröffentlicht er hier sein erstes erhaltenes Werk in italienischer Sprache (möglicherweise hat er selbst den Druck überwacht):1 eine Komödie in italienisch-neapolitanischer Umgangssprache, welche philosophische Konzeptionen mit literarischer Formenbeherrschung in einer Intensität verbindet, die nur wenige vor und nach ihm erreichten. Der Candelaio gehört neben Giambattista della Portas Stücken und den Torquato Tasso zugeschriebenen Intrichi d’amore zu den wichtigsten manieristischen Komödien des späten 16. Jahrhunderts.2 Im folgenden soll eine Annäherung an das Stück als literarisches Werk gegeben und 1

Zu Brunos nicht erhaltenen Frühwerken siehe z. B. G. Aquilecchia: Saggio (1991), S. 95 mit Anm. 3, sowie zu den Ausgaben des Candelaio ebd., S. 93 f.; H. Gatti: Giordano Bruno and Renaissance science (1999), S. 173–176. Das Datum der Verfassung des Candelaio ist in der Literatur umstritten, es wurde (allerdings ohne ernstzunehmende Anhaltspunkte) behauptet, daß Bruno die Komödie schon in Italien geschrieben und lediglich in Paris publiziert hätte. Vgl. P. Sabbatino: Mutazione del rinascimento (1993), S. 29 ff. mit Literaturhinweisen. Das von Bruno selbst in der Zueignung angedeutete Datum, die Hundstage im August des Jahres 1582, ist zwar in der RenaissanceLiteratur geradezu topisch (weil man in der Sommerhitze nichts Besseres anzufangen wüßte, als eben Komödien zu schreiben), scheint deswegen aber nicht unwahrscheinlich. 2 Vgl. G. Bàrberi-Squarotti: Einleitung zu BOe I, S. LXX.

xii

sergius kodera

gleichzeitig der Versuch unternommen werden, die deftige Komödie als philosophisches Manifest zu lesen. Um dieser Nähe von Philosophie und Literatur gerecht zu werden, versucht diese Einleitung zunächst die literarische Perspektive sowie die Grundstruktur der turbulenten Handlung darzustellen. Der zweite Abschnitt behandelt philosophisch-literarische Aspekte des Stückes, die alle um das Thema der Verwandlung kreisen. Der dritte Teil untersucht den Zusammenhang mit Brunos Kunst der Erinnerung. Vor allem deshalb, weil der Nolaner ebenfalls im Jahr 1582 zu diesem Thema einen lateinischen Traktat – De umbris idearum – publiziert, dessen Inhalt Verbindungen zum Candelaio erkennen läßt. Die beiden folgenden Abschnitte der Einleitung erörtern die Bezüge der Komödie zur zeitgenössischen Politik und zum Heiligenkult. Daß sich dabei immer wieder Überschneidungen ergeben, liegt an der Struktur des Stückes, in dem Bruno eine kaleidoskopische Vielfalt von immer wiederkehrenden, sich wandelnden Bildern erzeugt, die unter verschiedenen Aspekten gelesen werden können und sollen. Diese Vielschichtigkeit kommt bereits im bewußt zweideutigen Titel des Stückes zum Ausdruck, denn das Wort candelaio, eigentlich »Kerzenzieher«, läßt konträre Assoziationen zu: Einerseits evoziert das Wort den Lichtbringer Luzifer, den Aufklärer; andererseits ist es eine obszöne Bezeichnung für einen passiven Homosexuellen: Die Kerze fungiert als Metapher für das männliche Geschlecht.3 Von Beginn an läßt sich daher eine paradoxe Tendenz erahnen: Der Candelaio ist sowohl Parodie als auch Versuch einer Neudefinition der in der Renaissance außerordentlich vieldiskutierten und verbreiteten amorosa fi-

3

Zur Identifikation von Kerze und Phallus siehe II, 6. Hadrianus Junius: Emblemata (1565), S. 55 und S. 140 (Emblem 49), zeigt als Sinnbild verzehrender Leidenschaft eine brennende Kerze, in der Insekten zugrunde gehen. Weitere Embleme mit Kerzen in A. Henkel und A. Schöne: Emblemata (1976), Bd. II, S. 1361–1374. Die Kerze als Metapher für das menschliche Leben wird in medizinischen Kontexten seit der Antike verwendet. Vgl. Aristoteles: De longitudine et brevitate vitae 5, 466a 17–466b 33; vor allem 466b 29–31; Galen: De temperamentis 1.3; M. Ficino: De vita libri tres (1989), S. 168 ff. (lib. II, cap. 2–3), und Brunos Principiis, OL V, S. 517 f.

einleitung

xiii

losofia, einer Affektenlehre, die sich im Gefolge der Neuübersetzung platonischer Werke durch Marsilio Ficino im Zusammenhang mit Petrarcas Sonetten entwickelt hatte.4 Gerade in dieser Tradition spielt die Lichtmetaphorik eine zentrale Rolle.5 Der Titel Candelaio signalisiert also eine doppeldeutige Perspektive, aus der heraus Bruno versuchen wird, die körperlichen Aspekte des Begehrens, die in der platonisierenden Liebesphilosophie der Renaissance weitestgehend zugunsten der intellektuellen Kontemplation und der spirituellen Freundschaft zwischen Männern verdrängt worden waren, wieder einzuholen.6

4

Zu Brunos Antipetrarkismus siehe N. Ordine: Giordano Bruno und die Philosophie des Esels (1999), S. 208 f. mit Literaturangaben; Furori, DI, S. 928, und den Proprolog des Candelaio. Die Literatur zur Liebesphilosophie ist umfangreich. M. Ficino: Über die Liebe (1994) eignet sich hervorragend als Einstieg in diese Thematik. 5 Hier nur ein charakteristisches Zitat aus M. Ficino: Über die Liebe (1994), S. 112 f. (IV, 5), das den Zusammenhang zwischen Liebe, Erkenntnis und Licht in der neuplatonischen Renaissancetradition belegt: »Daher wird der Geist durch das Forschen des eigenen Lichtes zum Wiedererlangen des übersinnlichen Lichtes angeregt. Und dieses Verlangen ist in Wirklichkeit die Liebe, welche durch die eine Hälfte des Menschen von Sehnsucht nach der anderen erfüllt wird. Denn das natürliche Licht als die eine Hälfte der Seele bemüht sich, das übersinnliche Licht, ihre andere Hälfte, welche einst von uns verschmäht ward, in uns wieder anzuzünden.« Zur Lichtmetaphysik siehe außerdem M. Ficino: Traktate zur Platonischen Philosophie (1993), S. 47–104, bes. S. 64–72. Der Zusammenhang zwischen Sehen und Erkenntnis im Verein mit der Vorstellung, daß die göttlichen Ideen in den Geist eingestrahlt werden, zieht sich seit Augustinus durch die christliche Philosophie; vgl. D. E. Luscombe: Medieval thought (1997), S. 11; diese sogenannte Einstrahlungslehre findet sich z. B. auch bei Bonaventura (ebd., S. 92); Grosseteste weitete die ursprünglich auf den ethischen Bereich bezogene These der Einstrahlung auf naturphilosophische Fragestellungen aus (ebd., S. 87). 6 Zur aristotelischen Tradition, die dem entgegensteht, etwa mit Agostino Nifo, siehe S. Ebbersmeyer: Sinnlichkeit und Vernunft (2002), S. 170–178.

xiv

sergius kodera

Ein philosophisches Theaterstück Aus der Perspektive traditioneller Philosophie ist es ungewöhnlich, daß ein Philosoph sein Œuvre ausgerechnet mit einer deftigen Komödie beginnt, und tatsächlich hat der Candelaio bis vor kurzem keinen Eingang in die Editionen von Brunos italienischen Werken gefunden. Das Stück wurde vielmehr separat publiziert und der Literaturwissenschaft überlassen. Dennoch ist die Tatsache unübersehbar, daß dieser Text viele jener Theoreme in einer ganz besonderen Weise inszeniert, die Bruno auch in den späteren Werken beschäftigen.7 Dies kommt auch in der literarischen Form des Candelaio zum Ausdruck. Kann man von einer Komödie im eigentlichen Sinn sprechen? Das Motto des Stückes, in tristitia hilaris, in hilaritate tristis,8 deutet auf die Ambivalenz des Stoffes, die potentielle Konvertibilität von der Tragödie in die Komödie. Ernstes vermischt sich hier mit Heiterem; Ernstes ist zugleich heiter und umgekehrt.9 Besonders prägnant formuliert Bruno diese Idee, wenn er den Gauner Marca von einer spektakulären Zechprellerei und dem durch diese Tat verursachten Menschenauflauf berichten läßt: 7

Nuccio Ordine hat in diesem Zusammenhang den Candelaio als Ouvertüre für die folgenden Londoner Dialoge bezeichnet vgl. N. Ordine: La soglia dell’ombra (2003) S. 40–43. 8 Siehe dazu auch L. White: In tristitia hilaris (1984), S. 190–203. 9 Die Idee der Vertauschbarkeit von Komik und Drama hat Bruno öfter beschäftigt: In Umbris, einem 1582, also im selben Jahr wie der Candelaio erschienenen Werk, von dem unten ausführlich die Rede sein wird, erwähnt Bruno ein Bildnis der Diana, welches am Eingang zu ihrem Tempel in Chios angebracht war und dem Eintretenden traurig, dem Herauskommenden fröhlich erschien: »Est in sublimi posita/Dianae in Chio facie,/Quae tristis templum videtur intrantibus,/Hilaris exeuntibus« (Umbris, OL II/1, S. 2); die Quelle hierfür ist Plinius’ Historia naturalis 36, 13; das Zitat wird auch in H. C. Agrippa von Nettesheim: De occulta philosophia (1991), S. 596 (lib. III, cap. 64), verwendet. Vgl. auch die in Tonfall und Absicht sehr ähnliche Widmung der Cena, DI, S. 7–18, und Brunos Einleitung zu den Furori. Diese Tendenz zur Vertauschbarkeit von Komödie und Tragöde ist im übrigen typisch seit Fernando de Rojas’ Celestina. Vgl. auch die interessanten Bemerkungen von Stanley Cavell, der Othello und A Winter’s Tale als komplementäre Stücke ansieht; S. Cavell: Disowning Knowledge (1987), S. 125–142 und S. 193–222.

einleitung

xv

Viele sind zusammengelaufen, die einen haben sich amüsiert, die anderen waren traurig, manche weinten, manche lachten, manche gaben gute Ratschläge, manche hofften, manche schnitten sich gegenseitig Grimassen, manche redeten so, manche anders. Es war, als würde man Komödie und Tragödie zusammen sehen, die einen himmelhoch jauchzend, die anderen zu Tode betrübt. So daß, wer sehen möchte, wie die Welt wirklich ist, wünschen müßte, dabeigewesen zu sein. (III, 8)

Bretter, die die Welt bedeuten: Was hier gezeigt wird, hat direkten Bezug, ist Repräsentation des wirklichen Lebens, erhebt Anspruch, die Welt in allen ihren Aspekten zu beschreiben, und ist als »Welttheater« mehr als bloße Komödie.10 Bruno schreibt ein philosophisches Manifest, das die Vergänglichkeit und Wandelbarkeit der Dinge zelebriert und nicht deren Anteil an der Ewigkeit.11

Synopsis Den direkten Zugang zum eigentlichen Stück verstellen vier lange, sprachlich sperrige Vorreden; die Anzahl und die Verschiedenartigkeit lassen das in der Renaissance gern gepflegte literarische Genre hier zur Parodie geraten und dienen der Selbstinszenierung der Person des Autors.12 Im Einleitungsgedicht bittet das Buch um Anerkennung 10

Vgl. Furori, DI, S. 928 wo Bruno den Begriff teatro del mondo verwendet. Die Komödie ist hier ein Spiegel der Moralität des Menschen, in der nichts heilig ist. Die Vorstellung, daß diese Literaturgattung den von ihr beschriebenen Mißständen gegenüber sozusagen unparteisch bleibt, ist schon bei Cicero angelegt; sie wird in der Renaissance weiter diskutiert. Vgl. R. Hardin, Encountering Plautus (2007), S. 812. 11 Zu dieser allgemeinen vicissitudo der Dinge bei Bruno vgl. M. A. Granada: La reivindicacion de la filosofia (2005), S. 245–258; E. M. Severini: Vicissitudine e tempo (2004), S. 225–258; N. Ordine: La soglia dell’ombra (2003), S. 59 ff. 12 Zu dieser Tradition siehe z. B. A. Buono Hodgart: Giordano Bruno’s The candle-bearer (1997), S. 15; G. Aquilecchia: Saggio (1991), passim; C. Schultz: Ein Philosoph im Theater (1993), S. 112–126, diskutiert diese Passagen hervor-

xvi

sergius kodera

und Schutz durch die Musensöhne. Die Widmung an die Signora Morgana B., eine möglicherweise historische Persönlichkeit, bringt Brunos Heimweh im Exil zum Ausdruck, er veröffentlicht den Candelaio ja in Frankreich. Der Abschnitt Argument und Anordnung des Stückes gibt einen Überblick über die verwirrenden Intrigen und die handelnden Personen. Im grotesken Antiprolog werden das Stück und sein Autor sowie die Intellektuellen im allgemeinen verächtlich gemacht. Der Proprolog fungiert folgerichtig als zuversichtlich-witzige Anpreisung jener Wunderdinge, die auf der Bühne zu sehen sein werden. Das eigentliche Stück wird schließlich vom Hausmeister eröffnet, der das Publikum (welches sich ja daran stoßen könnte, daß ein Stück von einer derart unwürdigen Person eingeleitet wird) gleich selbst vorsorglich beschimpft und die Zuschauer anweist, vor den Hörnern des Kerzenziehers zurückzuweichen, damit sie nicht verletzt werden. Weil der Autor hier sein literarisches Talent spielen läßt und dabei das Genre parodiert, erleichtern die sprachlich komplexen Vorreden den Zugang nicht eben. Es empfiehlt sich eher der direkte Einstieg in das Stück, auch wenn sich in der langen Einleitung wichtige Hinweise für die Interpretation des Candelaio finden, über die in der Folge noch zu sprechen sein wird. Im Stück begegnen uns drei Männer aus dem Neapel des Cinquecento, die mit untauglichen Mitteln zu Sex, Geld oder intellektuellem Ruhm kommen wollen. Der vormals homosexuelle Bonifacio13 (nach ragend. Zu Brunos Selbstinszenierung im Zusammenhang mit seinem Verständnis von Philosophie siehe auch P. R. Blum: Brunos Brunianismus (1992) und die erhellende Diskussion in H. Hufnagel: Ein Stück von jeder Wissenschaft (2009), Kapitel 1. 13 Mir ist bewußt, daß dieser Terminus vielleicht anachronistisch ist, wie folgendes Zitat von Michael Rocke, einem der führenden Experten zur Geschichte gleichgeschlechtlicher Sexualität im florentinischen Quattrocento, verdeutlicht: »Some scholars, if they have not simply assumed that males who had sex with other males in this period were exclusively ›homosexual‹, have adopted the seemingly more appropriate word ›bisexuality‹ to characterize men’s interest in both sexes. But this anachronistic term is only a hybrid product of the sharply drawn contemporary categories ›homosexual‹ and ›heterosexual‹, which were lacking in this society, and it probably misrepresents the cultural

einleitung

xvii

dem das Stück seinen Titel trägt) verliebt sich im 46. Lebensjahr in die Prostituierte Vittoria, die er allerdings nicht aushalten will; er vertraut sein Geld lieber dem Scharlatan Scaramuré an, der vorgibt, die Angebetete durch einen mächtigen Liebeszauber – eine magische Wachspuppe – gefügig machen zu können. Bartolomeo hat eine andere Leidenschaft, das Geld, welches er durch alchemistische Prozesse vermehren will. Er arbeitet mit Cencio, einem weiteren Scharlatan, zusammen. Bartolomeos Leidenschaft fesselt ihn an seine Werkstatt, in der er, rußgeschwärzt, Tag und Nacht arbeitet und so seine Ehefrau Marta vernachlässigt. Der Päderast Mamfurio schließlich, Karikatur eines ciceronianisch sprechenden und philosophisch (halb-)gebildeten pedantischen Renaissance-Intellektuellen, stolziert (mit einer Toga bekleidet!) aufgeblasen durch die Gassen des Neapel der 70er Jahre des 16. Jahrhunderts. Er verfaßt Liebesbriefe für den geistig unbedarften Bonifacio sowie Spottgedichte und fühlt sich über ungebildete Menschen erhaben. Solche moralische (Bonifacio), wissenschaftliche (Bartolomeo) und philologische (Mamfurio) Anmaßung bleibt nicht ungestraft: Sanguino, ein schlauer Bursche, entwirft zusammen mit seinem weiblichen Pendant, der Kupplerin Lucia, und ein paar befreundeten Gaunern eine specifity of late medieval and early modern understandings of erotic experience and sentiment.« M. Rocke: Forbidden friendships (1996), S. 124. Rocke belegt außerdem (S. 177), daß bis zu ein Drittel der männlichen florentinischen Bevölkerung »Sodomie« betrieb. Siehe auch die Abhandlung von M. D. Jordan: The invention of sodomy in Christian theology (1996), S. 133 ff., welche den Nachweis erbringt, daß gleichgeschlechtliche Sexualität in der scholastischen Naturphilosophie manchmal als natürliches Begehren begriffen wurde. Außerdem ist es m. E. unzulässig zu behaupten, daß Bruno diese Form der Sexualität moralisch verwerflich findet (wie meist in der Forschungsliteratur vorausgesetzt, siehe etwa I. G. Angrisanis Vorwort zu G. Bruno, Candelaio (1976), S. 70, Anm. 2). Die Moral von Bonifacios Schicksal, so es eine gibt, besteht vielmehr darin, daß er besser nicht von seinen Vorlieben hätte abgehen sollen. Diese indifferente Haltung zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen kommt im Candelaio auch darin zum Ausdruck, daß Ascanio, der Diener und Partner Bonifacios, von Gioan Bernardo ob seiner Intelligenz gelobt wird (V, 19).

xviii

sergius kodera

Intrige, in deren Verlauf Dummheit und Egoismus der Protagonisten entlarvt werden. Der Maler Gioan Bernardo, in vielerlei Hinsicht Brunos alter ego und (zumindest im letzten Akt) die zentrale Figur des Stückes, kann sich zudem den Wunsch nach einer Liebesaffäre mit Bonifacios hübscher junger Frau Carubina erfüllen. Zu diesem Zweck wird Bonifacio von der Kupplerin Lucia weisgemacht, daß sein Liebeszauber gewirkt hat und die Signora Vittoria in Liebe zu ihm entbrannt sei. Um bei seinem Besuch nicht die Aufmerksamkeit der Nachbarn zu erregen, soll er sich als Gioan Bernardo verkleiden, der im Haus der Prostituierten wohnt. Gleichzeitig erfährt Donna Carubina (übrigens explizit in einer Doppelrolle mit Vittoria besetzt) durch die Kupplerin Lucia von den Machenschaften ihres Gatten.14 Verkleidet als Signora Vittoria überrascht und mißhandelt sie Bonifacio im Haus der Prostituierten auf das Schlimmste. Bartolomeo verliert sein Vermögen an den Betrüger Cencio. Der Päderast Mamfurio läßt sich das ihm von seinem Herrn überantwortete Geld von einem Trickbetrüger abluchsen, tauscht sein Gewand mit anderen Ganoven, die vorgeben, ihm bei der Jagd nach dem Dieb helfen zu wollen, und irrt, nachdem er von ihnen abgehängt wird, schäbig gekleidet durch die Straßen. Die drei glücklosen Narren, die meinten, es besonders schlau angestellt zu haben, werden nun im Laufe der Nacht von spaßigen Ganoven, die sich als Polizisten verkleidet haben, gefangengesetzt und für ihre Vergehen bestraft (auch das ist, zumindest in Bonifacios Fall, Teil von Gioan Bernardos und Lucias Intrige). Der betrogene Alchemist Bartolomeo wird vom korrupten Apotheker Consalvo, der bei Cencios Betrügereien mitgeholfen hat, verprügelt: Sie werden dabei von den falschen Polizisten überrascht, all ihrer Habe beraubt und, am Rücken zusammengebunden, in Hemdsärmeln zurückgelassen. Mamfurio, der sich zuvor in einem Spottgedicht über Sanguino lustig gemacht hat, wird in seinen ärmlichen Kleidern verhaftet. Er erleidet die eigentlich für seine Schüler bestimmten Stra14

Über die Pflichtehen, die homosexuelle Männer im Florenz der Renaissance eingingen, um der Verfolgung zu entgehen, siehe M. Rocke: Forbidden friendships (1996), S. 130 f. und S. 171.

einleitung

xix

fen, indem er nach allen Regeln der Kunst verprügelt wird. Außerdem verliert er den Rest des ihm anvertrauten Geldes und muß schließlich auch noch zum Applaus aufrufen. Bonifacio darf sich bei seiner Ehefrau für einen Fehltritt entschuldigen, den er nicht begangen hat, und bei Gioan Bernardo, dessen »Gestalt er angenommen« hat. Die besondere Ironie dabei: Der Maler ist der einzige, der bei der ansonsten treuen Madonna Carubina zum Zug kommt. Der glücklose Freier hingegen verliert sein ganzes Geld an die verkleideten Ganoven, um die Freilassung zu erwirken, denn er hat es sich zudem mit Sanguino, dem cleveren Anführer der vermeintlichen Polizisten, verdorben (V, 2). Die Dreiecksbeziehung zwischen dem Maler (dessen Name beinahe klingt wie Giordano Bruno), dem candelaio und der Prostituierten hat eine zentrale Funktion im Stück. Dies zeigt Bruno in der Widmung an die Signora Morgana, wo er eine analoge Liebesbeziehung zwischen dem Autor, der Geliebten und dem Kerzenzieher aus »Fleisch und Blut« andeutet. Ein wichtiger Aspekt des Candelaio besteht darin, daß die verwirrende und turbulente Handlung sozusagen live auf der Bühne von Sanguino und in Kooperation mit der Kupplerin Lucia und später auch von Gioan Bernardo, dem Maler und Meisterillusionär,15 inszeniert wird. Das Trio webt die Fäden der Intrige und entwirft jene täuschenden Bilder, welche die Protagonisten in ihrer Verblendung auf den Leim der verkleideten Ganoven gehen lassen.16 Bruno verbindet hier sehr unterschiedliche Stoffe zu einem Ganzen, wobei ihm das Theater jene Freiheit in der Darstellung gibt, die es ihm erlaubt, theoretische Monologe über das Wesen der Prostitution, die Rationalität der Natur, die Rolle der Fortuna, aber auch Anekdoten über Zechprellerei und Betrug im allgemeinen einzuflechten. Der Autor spielt mit den Möglichkeiten des Theaters, er inszeniert auf der Bühne nochmals ein Stück. Dieses Stilmittel wird in der Frühen Neuzeit häufig verwendet (man denke nur an Shakespeares The Taming 15

Die Verwandtschaft von Dichtung und Malerei entwickelt sich in Anlehnung an Horaz: Ars poetica v. 99. 16 Vgl. z. B. N. Ordine: La soglia dell’ombra (2003), S. 33 und S. 67–70, der allerdings dazu tendiert, die wichtige Rolle Sanguinos zu übersehen.

xx

sergius kodera

of the Shrew oder Hamlet). Die literarische Form ist zugleich auch als Hinweis auf Brunos Theorem zu lesen, wonach wir die Realität im unendlichen Universum stets lediglich als Fragment wahrnehmen können, dieses Bruchstück allerdings – getreu dem Grundsatz quod omnia in omnibus17 (»daß alles in allem ist«) – das Weltganze in sich trägt. Bruno wiederholt im Candelaio geläufige Motive, die er zu einem »Mikrokosmos pervertierter Ideale der Renaissancekultur im allgemeinen«18 verdichtet: Der Lüstling, der Geldgierige und der päderastische Pedant verfolgen alle in restlos eigennütziger Weise ihre kleinlichen Ziele. Das Komische besteht nun darin, daß sie nicht, wie (meist) im sogenannten »wirklichen« Leben, damit gut weiterkommen, sondern alle zum Scheitern verurteilt sind, weil sie nicht mit ihren etwas schlaueren Gegnern rechnen.19 Unter diesem Aspekt präsentiert sich der Candelaio als handfeste Komödie, die ein nostalgischüberhöhtes, aber sprachlich wie topographisch detailreiches Bild der scheinbar herrlich anarchischen (vortridentinischen?) Heimat Brunos zeichnet.20 In diesem Zusammenhang ist zwar die oft festgestellte Authentizität von Straßen- und Ortsnamen zu erwähnen, aber auch daß beispielsweise die Prostitution nicht in ihrer sozialen Härte, sondern in idealisierter Form dargestellt wird. Die Syphilis wird nur einmal in einer Andeutung erwähnt, die für das 16. Jahrhundert allgemein und besonders für Neapel festgestellte kontinuierlich zunehmende Kriminalisierung der Prostitution wird völlig ausgeblendet.21 17

Vgl. z. B. Imaginum OL II/3 S. 94 f. (1, 1). Zu ›omnia in omnibus‹ vgl. T. Leinkauf: Mundus combinatus (2009), S. 83–91; vgl. Causa, BW III, Kommentar, S. 276, 360, 363, 483 mit Stellen aus Bruno. 18 Vgl. G. Moliterno: Vorwort (2000), S. 29. 19 Zu der im mittelalterlichen Karneval gängigen Tradition der Verächtlichmachung von Personen (charivari) siehe z. B. A. Williams: Tricksters and pranksters (2000), S. 12. 20 Und das, obwohl die Komödie vielleicht im Jahr 1576 spielt, vgl. V. Spampanatos Anm. in G. Bruno: Candelaio (1923), S. 87, Anm. 1, also zu einem Zeitpunkt, da die gegenreformatorische Repression mit voller Härte einzusetzen beginnt. Für ein weiteres Lob Campaniens vgl. z. B. Cena, DI S. 215. 21 Siehe dazu Scaramurés Rede über die Prostitution in Rom, Neapel und Venedig (V, 18 mit Anm.). Die Verdrängung der Syphilis ist um so auffälli-

einleitung

xxi

Zur Typologie der Protagonisten Auf den ersten Blick entsprechen die Figuren des Candelaio einer zeitgenössischen literarischen Typologie.22 Auch sind in der Geschichte des Theaters schon aus der römischen Komödie ähnlich deftige Stoffe überliefert. In Plautus’ Asinaria, 669–712, trägt beispielsweise der Sohn aus reicher Familie seinen Diener auf dem Rücken, um von diesem Geld für eine Prostituierte zu erhalten, in die auch der Vater verliebt ist. In diesen Motiven läßt sich ein Vorbild ebenso für Bonifacios unzeitige Liebe erkennen wie auch für die Prügel, die Mamfurio von seinem ehemaligen Schüler Sanguino bezieht. Näher zu Brunos Zeit findet sich beispielsweise auch in Pietro Aretinos Marescalco (V, 12) ein päderastisch veranlagter humanistischer Pedant, welcher zum Applaus aufrufen muß.23 Das Motiv des in den (äußerst unsanften) Armen der eigenen Frau landenden Ehebrechers findet sich auch in Boccaccios Decameron (9. Tag, 5. Novelle) und wird in zahlreichen italienischen Komödien des 16. Jahrhunderts aufgegriffen, etwa in Belos Il Pedante (1529).24 Ebenfalls topisch ist die Persona des alten Mannes, der sich ger, als die Krankheit ursprünglich mal di Napoli genannt wurde; vgl. S. Di Giacomo: La prostituzione in Napoli (1899), S. 52–63. G. Ruggiero: Marriage, love, sex and Renaissance civic morality (1993), S. 20 f. und passim, bietet einen guten Überblick. Vgl. auch L. Imperiale: La Roma clandestina (1997), S. 179, Anm. 44 mit zahlreichen zeitgenössischen Literaturhinweisen, und A. Foa: Spread of Syphilis (1990), S. 29–34. 22 A. Buono Hodgart: Giordano Bruno’s The candle-bearer (1997) hat die neueste und bislang detaillierteste Darstellung dieser literarischen Vorbilder erarbeitet. Ich möchte in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Affinität zwischen dem Candelaio und Giambattista della Portas Fantesca hinweisen, vgl. hierzu L. G. Clubb: Della Porta, Dramatist (1964), S. 246. Dieses 1592 veröffentlichte, aber wahrscheinlich schon früher verfaßte Stück ist Della Portas erfolgreichste Komödie und erlebte bis 1610 vier Auflagen. 23 Vgl. P. Aretino: Pietro Aretino (2002), S. 990. Zur Pedantenliteratur siehe G. Moliterno: Vorwort (2000), S. 42 f., Anm. 36; als Primärtext D. Erasmus: Moriae encomium (1979), S. 138. 24 Siehe G. Moliterno: Vorwort (2000), S. 43, Anm. 38. Wendy Doniger: Bedtrick (2000) hat diese »Geschichte des Bettricks« bis auf ihre indischen Ursprünge zurückverfolgt.

xxii

sergius kodera

für wunderschön hält und in eine junge Frau verliebt ist. Als weiteres Vorbild für den Candelaio wird Erasmus’ Moriae encomium (1511) genannt, wenngleich m. E. die literarisch-formale Verbindung des Encomium zu Brunos Cabbala des pegaseischen Pferdes enger ist als jene zum Candelaio.25 Die verschiedenen Arten von Liebesleidenschaften und deren mehr oder weniger unvernünftige Manifestationen werden im übrigen etwa auch bei Tommaso Garzoni minutiös verzeichnet, haben also topischen Charakter.26 Unbeachtet blieb bisher allerdings eine weitere signifikante intertextuelle Spur: Agrippa von Nettesheim liefert nicht nur in seinem Kompendium magischer Traditionen De occulta philosophia (1510 und 1533), sondern auch in seiner Schrift über die Nichtigkeit der menschlichen Wissenschaften und Künste De vanitate (1526) ein literarisches Vorbild für den Candelaio, in dem sich viele Typen und Motive der Komödie wiederfinden. Agrippas Rund25

Siehe etwa M. Ciliberto: La ruota del tempo (1986), S. 104 f. Ohne Zweifel finden sich allerdings einige erasmische Motive im Candelaio, die jedoch nicht nur von Erasmus verwendet wurden: Zum Thema des Betrugs in der Alchemie siehe D. Erasmus: Moriae encomium (1979), S. 120; zur Täuschung auf der Bühne vgl. ebd., S. 104; zur Idee, daß der betrogene Ehemann sich glücklich schätzen muß, nichts von den Fehltritten seiner Frau zu wissen, ebd., S. 94 und S. 118. Auffällig ist allerdings, daß Bruno zumindest im Candelaio keinesfalls die prononciert misogyne Position des Erasmus einnimmt; vgl. ebd., S. 90 und S. 108 f. Zudem ist es ausgerechnet der Pedant Mamfurio, der Erasmus zitiert, ein Umstand, der diesen Humanisten nicht im besten Licht erscheinen läßt (IV, 11). 26 Vgl. T. Garzoni: L’ ospedale de’ pazzi (1999), S. 314 f. (Discorso 18: De’ pazzi d’amore). In diesem zeitgenössischen populären Kompendium menschlicher Irrungen findet sich das Thema der verrückten Liebe, wie es im Candelaio dargestellt ist, in kompakter Weise abgehandelt. Wer vom Liebesaffekt befallen ist, braucht viel Geld, um sich das Objekt der Begierde durch Zauberei, Alchemie (und sogar: »cabala falsa, che per virtù di nomi incogniti potesse disporre la sua donna a quel ch’e vuole«), Schriftstellerei aller Arten (»lettere, polize, sonetti, madrigali, canzoni […] rime dolci soavi, sentenziosi parlari«) und Geschenke (»fiori, mazzetti, presenti, mance, donativi«) gefügig zu machen. Dabei verliert der Liebende Verstand, Kopf und Kragen (»va perdendo il cervello a poco a poco e consumando il senno e l’intelletto in queste fantasie«).

einleitung

xxiii

umschlag auf die zeitgenössischen Institutionen und deren Vertreter steht in einer gesellschaftskritisch-reformatorischen Tradition, die seit Sebastian Brants Narrenschiff (1497) weite Verbreitung fand und sich in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts großer Beliebtheit erfreute. Im Zusammenhang mit dem Candelaio ist es besonders beachtenswert, daß Agrippa in De vanitate die Kuppelei als die Zentraldisziplin aller irreführenden Wissenschaften und Künste bezeichnet (s. u.) und auch viele pseudomagische Scharlatanerien aufs Korn nimmt.27 Räuberische Polizisten werden in der Literatur des 16. Jahrhunderts häufig beschrieben: Ihre Präsenz wird nicht nur in Neapel, das für seine ausgehungerten spanischen Besatzungssoldaten bekannt war, sondern auch in anderen Teilen Italiens beklagt.28 Die minutiöse Erzählung nächtlicher Eskapaden, wie Bruno sie im fünften Akt beschreibt, ist ein Novellenstoff, der bereits im 15. Jahrhundert vorkommt.29 Folgt man

27

In bezug auf Agrippas De vanitate sei auf die von Güpner und Wollgast besorgte deutsche Ausgabe verwiesen, aus der ich im folgenden zitiere: H. C. Agrippa von Nettesheim: Über die Fragwürdigkeit (1993). Bereits in diesem rhetorischen Übungsstück begegnen nicht nur viele aus dem Candelaio bekannte Typen, wie betrügerische Apotheker, Kurtisanen, Kupplerinnen, Pedanten, Alchemisten, sondern auch die umfassende Kritik an allen zeitgenössischen Institutionen, Berufsständen und Wissenschaften. Da ein detaillierter Vergleich der beiden Werke den Rahmen dieser Einleitung sprengen würde, verweise ich in den Anm. auf augenfällige Parallelen. In Candelaio IV, 7 findet sich ein Hinweis auf den Titel von Agrippas Werk. 28 Vgl. T. Folengo: Baldo (2007), S. 98 ff. (lib. 3, v. 504–54) Zu diebischen Ordnungshütern in Neapel vgl. G. B. Della Porta, Teatro (2000–3) Bd. 3, S. 229 f. L’ astrologo I, 1; zur finanziell desolaten Situation der spanischen Soldaten im Viceregno vgl. T. Cirillo: Lo spegnolo (1990), S. 558 und S. 562. Manche dieser Besatzer schienen darauf spezialisiert gewesen zu sein, in der Nacht die Mäntel der Passanten zu rauben. 29 Vgl. z. B. M. Salernitano: Novellino (1990), S. 366–72 (cap. 27), für eine Bande von falschen neapolitanischen Polizisten und die langwierigen Verhandlungen, die von ihrem Chef geführt werden, der sich in eine Liebesaffäre einmischt, in welcher die Frau nächtens als Mann verkleidet geht, um ins Zimmer des untreuen Liebhabers einzusteigen und diesen mit einem vergifteten Dolch zu töten.

xxiv

sergius kodera

Vincenzo Spampanatos detaillierter Bruno-Biographie, waren solche Verbrechen integraler Bestandteil der zeitgenössischen sozialen Realität Neapels.30 Nun aber zu den Protagonisten des Candelaio, die, wie erwähnt, topischen Charakter haben. Auf den ersten Blick hin verkörpert Sanguino die topische Rolle des grazioso, des Trickbetrügers, der die Komödie von innen her manipuliert. Diese Persona agiert üblicherweise im Interesse ihres Herrn.31 Als weibliches Pendant steht ihr die balia, die Amme, zur Seite.32 Es ist typisch im zeitgenössischen Theater, daß die Diener, als Nebenfiguren, welche die Intrigen schmieden, die Handlung überhaupt erst in Gang bringen, indem sie die notwendigen Verbindungen herstellen. Ihre oft unverantwortlichen Taten müssen im Verlauf des Stückes durch das providentielle Schicksal wieder ausgeglichen werden, oder sie führen in ein tragisches Ende.33 Anders als etwa in Della Portas Komödien üblich, ist Sanguinos Verhalten allerdings nicht vom Willen irgendwelcher Herren abhängig, denn als von Mamfurio Beleidigter handelt der grazioso vielmehr aus eigenem Entschluß. Ebenfalls in dieses Bild paßt, daß selbst Ascanio weder dumm noch ein treuer Diener Bonifacios genannt werden kann. Auch die falschen Polizisten agieren in ihrem Interesse, indem sie sich bereichern, nebenbei alte Rechnungen begleichen und straflos ausgehen. Die konventionellen Loyalitäten der Renaissance-Bühne und die mit ihnen assoziierten Handlungsabläufe sind daher im Candelaio durchaus mehrdimensionaler und subversiver als üblich. Die hier skizzierte zentrale Rolle Sanguinos im Stück wird oft (und gerne, wie es scheint) übersehen, denn sie verkompliziert den Sachverhalt und die Handlung.34 Auf der dramatischen Ebene bringt dieser unabhängige grazioso die Dinge ins Rollen. Später wird er so perfekt

30

Vgl. V. Spampanato: Vita di Giordano Bruno (1921), S. 196–203. 31 Vgl. D. Beecher und B. Ferraro: Einleitung zu G. B. della Porta: The Sister (2000), S. 50. 32 Vgl. ebd., S. 52 f. 33 Hier ist es sinnvoll, Fernando de Rojas’ Celestina als Vorbild zu nennen. 34 A. L. Puliafito-Bleuel: Comica pazzia (2007), S. 83, bezeichnet etwa Gioan Bernardo etwas unpassend als die »graue Eminenz« des Stückes.

einleitung

xxv

den gefürchteten Polizeipräfekten Capitano Palma imitieren, daß ihn der Gauner Scaramuré anerkennend als »Doktor und Maestro« in der »Akademie der Gauner« bezeichnet (V, 14 und 15). Sanguino plant also die bella comedia mit der Kupplerin Lucia (II, 6): Erst zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich im fünften Akt, tritt Gioan Bernardo als Akteur auf. Bis dahin ist der Maler eher ein von der Handlung Getriebener als deren Organisator; er verfolgt besorgt die Machenschaften der lustigen Gauner und Lucias, denn diese sollen es ihm ja – sozusagen als erwünschte Nebenwirkung – gestatten, die schöne Madonna Carubina zu verführen. Hier hat Bruno einen weiteren Gag eingebaut, der das Verhältnis von Sanguino und Gioan Bernardo ebenso enthierarchisiert wie das zu den übrigen negativen Protagonisten. Vergegenwärtigt man sich nämlich die Tatsache, daß die Matrone und die Kurtisane in einer Doppelrolle besetzt sind, wird offensichtlich, daß der grazioso dem Maler zuvorkommt; denn Sanguino schläft bereits im zweiten Akt mit der Signora Vittoria, während Gioan Bernardo erst gegen Ende des Stückes (V, 11) bei Carubina zum Zug kommt. Sanguino schummelt sich also diskret, aber durchaus charmant zwischen Bonifacio, der leer ausgeht, und den ernsthaft verliebten Maler, der eine längere illegitime sexuelle Beziehung anstrebt. Bruno entwirft so das (utopische) Bild einer dynamischen sozialen Ordnung, in welcher den am unteren Ende der Hierarchie stehenden Menschen ein beachtlicher Handlungsspielraum zugestanden wird.35 In II, 5 erzählt Sanguino Signora Vittoria, wie er zunächst Bonifacio einen Streich gespielt hat, um es dann von diesem noch viel schlimmer heimgezahlt zu bekommen.36 Es ist bislang übersehen worden, daß 35

In seinem Vorwort zu G. Bruno: Candlebearer (2000), S. 19, schreibt Gino Moliterno treffend, daß diese falschen Polizisten »wie eine Naturgewalt agieren, als einzige tatsächlich aktiv Handelnde des Stücks, indem sie voller Spaß, in einem paradoxen Zusammenfallen moralischer Gegensätze, sowohl Recht als auch Unrecht begehen«. Vgl. auch N. Ordine: La soglia dell’ombra (2003), S. 59 ff., der ebenfalls Brunos ateleologische, auf den Menschen bezogene Initiative mit dem zeitgenössischen Theater als Veranschaulichung göttlicher Prädestination kontrastiert; vgl. auch D. Beecher und B. Ferraro: Einleitung zu G. B. della Porta, The Sister (2000), S. 25 und 30. 36 »Vor ein paar Tagen ist Herr Bonifacio sehr betrübt gewesen über einen

xxvi

sergius kodera

diese wechselseitige Beschädigung der Ehre (wir erfahren allerdings nicht, worum es sich handelt) der eigentliche Auslöser für die Intrige ist. Dieser casus belli des sozial unterprivilegierten Sanguino mit dem adeligen Bonifacio bildet den Handlungsmotor des Candelaio: Er wird die drei glücklosen Narren (den Goldmacher, den Schulmeister und den verliebten Gockel) in die Hände der verkleideten Gauner bringen, sie erniedrigen und berauben. In dieser wichtigen Szene ist m. E. allerdings eine Ungereimtheit im Stück feststellen, die Bruno offensichtlich nicht beabsichtigte: Es sollte sich eher um Mamfurio handeln, den sich Sanguino zum Feind erkoren hat, nicht um Bonifacio. Denn Sanguino treibt mit dem Schulmeister ja tatsächlich seinen Spaß, für den er sich allerdings auch entschuldigt (I, 5).37 Mamfurio hingegen läßt die Angelegenheit nicht auf sich beruhen und verfaßt ein Spottgedicht, in dem er Sanguino als Vielfraß darstellt und somit beleidigt (II, 1). Tatsächlich wird sich dieser als Polizeichef verkleiden, den Pedanten festsetzen, ihn aus Rache tüchtig prügeln und damit die soziale Ordnung zumindest temporär verkehren. Diese Absicht kommt schon in den ersten Sätzen, die Sanguino in II, 5 zu Vittoria spricht, zum Ausdruck.38 Verwirrend ist demzufolge allerdings, daß die Signora Vittoria mit diesem Aspekt der Intrige eigentlich gar nichts zu schaffen hat und daher gegen Mamfurio selbst keinen Groll hegen kann. Denn ihr persönliches Interesse ist Bonifacios Geld, wobei sich der Dummkopf als ganz und gar unlukrative Partie und damit als lästige Zeitverschwendung entpuppt. Die komplexe Handlung, die Bruno im Candelaio entwirft, ist daher offensichtlich nicht immer konsistent, kann aber sehr wohl als InStreich, den ich ihm gespielt habe; heute, da ich dachte, er hätte das vergessen, hat er mich schlechter behandelt als der Esel den Löwen; aber ich möchte nicht, daß die Sache so bleibt.« (II, 5) 37 Auch Bartolomeo ist das Ziel von Sanguinos Spott, wenn dieser ihn als Kesselflicker und Kaminkehrer bezeichnet (I, 14). 38 »Herr Bonifacio läßt sich Euch empfehlen; und ich empfehle ihn Euch so, wie die braven Eltern ihre Sprößlinge den Lehrern empfehlen: i [dest], daß, wenn er nicht brav ist, Ihr ihn ordentlich züchtigen sollt, und wenn Ihr einen haben wollt, der es versteht und dazu fähig ist, ihn dabei am Rücken zu halten, bedient Euch meiner.« (II, 5)

einleitung

xxvii

dex für das Ausmaß verstanden werden, in dem die Akteure einander zum Verwechseln ähnlich sein sollen. Anders als in anderen zeitgenössischen Komödien, die ebenfalls aus der Darstellung solcher verkehrten Welten einen beträchtlichen Anteil ihrer Dynamik beziehen,39 gibt es im Candelaio kein happy end für die Protagonisten, ihr Leiden wird im Gegenteil verlängert. Die Dummen erwartet eine weiterhin traurige Zukunft – Bonifacio muß eine für ihn nicht standesgemäße Freundschaft mit dem Maler eingehen und wird zum dauerhaft gehörnten Bock, Bartolomeo, ebenfalls von seiner Ehefrau betrogen, ist finanziell so ruiniert, daß er sich wohl das Leben nehmen wird. Neben der öffentlichen Schande, in Lumpen herumzulaufen, erwarten Mamfurio – zumindest – weitere Prügel seines Herrn, der den Verlust des Geldes nicht einfach akzeptieren wird.40 M. E. ist diese offensichtliche autonome Agentur von sozial Deklassierten nicht nur als politische Subversion lesbar, sondern auch als Darstellung eines wichtigen Theorems in Brunos Naturphilosophie, die nicht von einer providentiellen Lenkung der Dinge, sondern von der gleichmäßigen Verteilung des Geistes durch alle Dinge und der daraus resultierenden Selbststeuerung der Individuen ausgeht.41 Die Präsenz des cleveren Ganoven im Candelaio relativiert daher in subtiler Weise die zu einfache Gleichung, wonach Gioan Bernardo einfach das Sprachrohr Brunos und somit Index für die intentio auctoris wäre. Vielmehr bleibt auch der Maler Teil der komplexen Intrige, denn er ist aufgrund seiner Liebe zu Carubina emotional in das Geschehen involviert und daher nicht in der Lage, deren Verlauf zu kontrollieren.42 Dies erschließt eine direkte Verbin39

Della Portas Komödien wurden treffend als Einübungen in die Ideologie der Gegenreformation bezeichnet. Seine Stücke enden, bevor es Abend wird, und – auch gegen den Willen ihrer Protagonisten – mit der Eheschließung. Transgression findet lediglich auf der Oberfläche statt, als sogno (Traum) oder als momentane Störung einer ansonsten statischen sozialen Ordnung, vgl. M. Rak: Modelli e macchine del sapere (1990), S. 409 f. 40 Vgl. auch A. L. Puliafito-Bleuel: Comica pazzia (2007), S. 131. 41 Zu diesem Aspekt vgl. auch N. Ordine: La soglia dell’ombra (2003), S. 9 ff., der allerdings ebenfalls die wichtige Rolle von Sanguino übersieht. 42 Für N. Ordine in: U, S. 52, ist Gioan Bernardo überhaupt ein deus ex machina, und das, obwohl auch dieser Autor die zeitweilige emotionale In-

xxviii

sergius kodera

dung zur Philosophie Brunos: Denn für den Menschen, das finite Lebewesen, ist das unendliche Universum nur in einer Kette von einander widersprechenden Manifestationen der Dinge der Welt erfahrbar. Was eigentlich transitorisch und vergänglich ist, wird von uns als dauerhaft wahrgenommen. Daraus ergibt sich die ständige Gefahr, daß sich das Alltagsbewußtsein von diesen falschen Vorstellungsbildern leiten läßt. Sie resultieren in einer irrigen Philosophie, einer statischen Metaphysik, aus deren Perspektive der naturgesetzliche kontinuierliche Wandel, die vicissitudo, als negativ oder widernatürlich konzipiert wird. Die Komödie ist eine Literaturgattung, die sich hervorragend eignet, um dem Zuseher oder dem Leser diese kontradiktorischen Wahrnehmungen bewußt zu machen, und zwar gerade dort, wo sie entstehen: auf der piazza, im täglichen Umgang mit anderen Menschen. Denn hier besteht das Komische darin, daß der Zuseher weiß, wieso sich die Personen auf der Bühne falsch verhalten. Im Gelächter des Publikums (und nicht in den Akteuren) tritt gleichzeitig die widersprüchliche Natur der Welt zutage. Dies geschieht in ganz konkreter Weise, indem hier die Unmittelbarkeit des emotionellen Erlebens und die Komplizenschaft im Begreifen der Intrige im Bewußtsein des Zusehers zusammenfallen.43 Mit all seinen derben Scherzen und Obszönitäten, die von Bruno ebenfalls dazu verwendet werden, diese spezifische Form der Immanenz zu erzeugen, kann der Candelaio daher als Versuch gesehen werden, ein zentrales philosophisches Theorem von Brunos Philosophie zu vergegenwärtigen oder besser zu verkörpern: das Zusammenfallen der Gegensätze im infiniten Universum.44 Diese Veranschaulichung der coincidentia oppositorum beruht nicht auf abstrakter Kontempla-

volviertheit des Malers in der Handlung der Komödie zur Kenntnis nimmt; vgl. ebd., S. 53. 43 Vgl. dahingehende Äußerungen in Causa, BW III, S. 134 ff. Für ähnliche Überlegungen vgl. A. L. Puliafito-Bleuel: Comica pazzia (2007), S. 135. 44 Vgl. T. Leinkauf in BW III, S. 281 f., 335 f. und 339 f. und die dort angeführten Verweise auf Cusanus’ De possest und De mathematica perfectione. Zur coincidentia oppositorum und Brunos Verhältnis zu Nikolaus von Kues vgl. A. Bönker-Vallon, BW IV, S. XLVII–LII.

einleitung

xxix

tion, sondern darin, im Rezipienten ein aktuelles Bewußtsein zu erzeugen, das sich in einer somatischen Reaktion manifestiert. Erst sie erlaubt es, die spannungsgeladene und widersprüchliche Form, in der sich die gleichzeitig geistige und physische Realität manifestiert, am eigenen Leib nachzuvollziehen.45 In diesem Zusammenhang entwickelt Bruno für den Candelaio nicht nur ein komplexes begriffliches Instrumentarium, sondern auch ein weites linguistisches Register, das sich zwischen neapoletanischem Dialekt, der Sprache der Plebs mit ihren franko-iberischen Idiosynkrasien, und dem literarischen volgare sowie jenen Ausdrucksformen der Petrarkisten, die Bruno gerne aufs Korn nimmt, bewegt.46 Wie Giovanni Aquilecchia treffend festgestellt hat, ist die Wahl dieser Ausdrucksform ein entscheidender Moment, der die antihumanistische Tendenz des Nolaners auf der literarischen Ebene und seine »literarische Konversion«47 in sozusagen verkörperter Form zum Ausdruck bringt. Bruno wird sich fortan in seinen italienischen Schriften in stilistisch einzigartiger Weise einem »tragikomischen Realismus und einer dramatischen Lebendigkeit und Unmittelbarkeit sowie einer volkstümlichen Echtheit« in der Tradition Aretinos verpflichtet sehen.48

Die Kunst der Transmutation oder der Maler als Philosoph Wie erwähnt hat Gioan Bernardo eine wichtige Rolle im Candelaio, denn er zieht die Fäden der tela, des Netzes aus Intrigen (was auch bedeutet, daß er in die Handlung emotional verwickelt ist). Bruno ver45

Unter diesem Aspekt wird verständlich, was Bruno in Causa BW III, S. 262 sagen wird, nämlich daß die wahrhaft mächtige Magie in der Manipulation der opposita besteht. 46 Siehe dazu G. Aquilecchia: L’ adozione del volgare (1953), S. 41–59, bes. S. 54. 47 Ebd., S. 58. Die Frage, ob die Sprache in der Kömödie nur Mittel zum Zweck ist oder selbst zur eigenständigen literarischen Ausdrucksform werden kann, wird schon bei Cicero diskutiert; vgl. R. Hardin: Encountering Plautus (2007), S. 813. 48 G. Aquilecchia: L’ adozione del volgare (1953), S. 58.

xxx

sergius kodera

wendet bewußt ein Wort, das eigentlich »Leinwand« bedeutet, also den Malgrund, auf dem der Künstler Abbilder der Dinge entwirft.49 Diese Formen sind potentiell trügerische Imitate der wirklichen Dinge. Solche imagines mit res ipsas zu verwechseln ist der große Fehler der Protagonisten des Candelaio, auch wenn sich niemand ganz deren Macht entziehen kann.50 Die Moral der Geschichte (wenn es denn eine gibt) wäre dann die, daß es unsinnig ist zu glauben, mit falschen Abbildern am falschen Ort zu Sex (Bonifacio), Ruhm (Mamfurio) oder Geld (Bartolomeo) kommen zu können. Zugleich betont die Signora Vittoria zu Recht, daß die Bilder des Königs auf den Münzen mehr wert sind als der eigentliche Körper des Souveräns. Sein Portrait (nicht aber das von Bonifacio) kann Wunder wirken (II, 1). Ebensolches gilt für das Gold, wie Bartolomeo richtig sagt; allerdings nur solange man nicht als glückloser Alchemist bei der Jagd nach Reichtum erst den Schwanz (also jedes Interesse an Sex) und dann Kopf und Kragen verliert (und dafür sozusagen zum Ausgleich die Hörner von der vernachlässigten Ehefrau und einem Gauner aufgesetzt bekommt). Der Kopf sitzt dann ohne Gehirn beim Abendessen, wie Gioan Bernardo in einem anderen Zusammenhang sagt (I, 8).51 Auf der Renaissance-Bühne ist die Persona eines Malers eine Novität.52 In der Novellistik kommt sie allerdings beispielsweise im De-

49

Der Begriff findet sich übrigens auch in Explicatio, OL II/2, S. 121. Auch Dante verwendet das Wort in diesem Zusammenhang: La commedìa (1995), S. 661 (Paradiso, canto XVII, v.100 ff.). Soweit ich sehen kann, spricht Dante hier allerdings von einer Leinwand, auf der die Bilder erscheinen; Bruno hingegen bezeichnet mit dem Wort tela jene (gewebte) Struktur, welche die Handlung gestaltet. Für eine Lesung, die zum gegenteiligen Ergebnis kommt, vgl. A. L. Puliafito-Bleuel: Comica pazzia (2007), S. 106 ff. 50 Vgl. Sigillus, OL II/2, S. 169 f.; für einen Kommentar zu dieser Passage vgl. A. L. Puliafito-Bleuel: Comica pazzia (2007), S. 96. 51 Dies liest sich wie eine Verkehrung von Horaz, Ars poetica, v. 156, der schreibt, daß die Worte den Dingen folgen und nicht umgekehrt; vgl. auch Cicero, De oratore II, 60. 52 Vgl. zum gesamten Themenkomplex im Candelaio auch S. Kodera: Philosoph als Porträtist (2010) und T. Leinkauf, Ut philosophia pictura (2010).

einleitung

xxxi

cameron in Gestalt eines Malerduos (Bruno und Bufalmacco) mehrfach vor. In der neunten Novelle des achten Tages gaukeln die beiden Maler einem Arzt erfolgreich vor, daß er die von ihm ersehnte Reise zu einem nächtlichen Bankett des Teufels durch die eigene Feigheit vermasselt habe und daß sie als seine Begleiter durch sein Fehlverhalten von Satan auf das Schlimmste verprügelt worden seien. Um das zu beweisen, bemalen die Künstler ihre Körper mit blauen Flecken, die sie dem Arzt im Zwielicht der Morgendämmerung zeigen.53 In einer anderen Novelle wird Calandrino, eine historische Malerpersönlichkeit, mit pseudomagischen Prozeduren zum Narren gehalten, denn mit ihnen soll man sein (in Wahrheit von den Malern Bruno und Buffalmacco gestohlenes) Schwein wiederbeschaffen können (VIII, 6). Wie der Scharlatan Scaramuré im Candelaio vertuscht auch das Malerduo im Decameron gekonnt das Versagen solcher übersinnlicher Techniken. In VIII, 3 wird Calandrino vorgegaukelt, durch die Kraft eines wundersamen Steins unsichtbar zu sein. Als ihn seine Frau trotzdem erkennt, wird dies mit ihrer weiblichen Fähigkeit, den Zauber zu brechen, erklärt. Wie Bonifacio wird auch Calandrino zum Opfer seiner eigenen Untreue: Seine Ehefrau kommt zum ersehnten Rendezvous mit der Geliebten und spielt ihm übel mit (9. Tag, 3. Novelle). Diesen Erzählungen ist gemeinsam, daß sie sich mit trügerischen magischen Praktiken und den von ihnen erzeugten irreführenden mentalen Bildern kritisch auseinandersetzen und die dadurch hervorgerufenen – falschen – Vorstellungsbilder in humorvoller Weise darstellen. Wie im folgenden zu zeigen sein wird, verbindet der Candelaio diese Thematik mit einer für Brunos Philosophie insgesamt charakteristischen Reflexion des Bildbegriffs in seinem Zusammenhang mit dem menschlichen Bewußtsein.

53

Boccaccio: Decameron (1974), S. 593 ff. (VIII, 9).

xxxii

sergius kodera

Bildermacherei Der Candelaio behandelt so eines der zentralen Themen, um das nicht nur Brunos Denken, sondern das der gesamten Epoche kreist: die Kunst der Bildermacherei.54 Die den Sinnen zugänglichen Abbilder, Schatten des Realen, sind von einem Künstler (Maler) hergestellt, ein Aspekt, der Bruno so häufig beschäftigt, daß man in Abwandlung des berühmten Diktums sagen könnte: ut pictura philosophia, wie in der Malerei, so in der Philosophie.55 Bruno zufolge geht es hier wie dort um den sachgemäßen Umgang mit jenen Bildern, welche die Realität des Menschen prima facie bestimmen und ihn in die universale Struktur sexuellen Begehrens einbinden. Die Bedeutung der Bildermacherei wird in einem Vergleich von Gioan Bernardos Aktivitäten mit jenen Bonifacios deutlich. Der Stümper manipuliert auf Anweisung des Scharlatans Scaramuré eine tote Wachspuppe der angebeteten Signora, ein nutzloses Abbild. Der Maler hingegen besitzt die Kunst, ein lebendiges Portrait oder Bild seiner selbst herzustellen (und damit seine Absichten durchzusetzen), indem er Bonifacio dazu überreden kann, sich als Gioan Bernardo zu verkleiden. Dies ist wohl auch als ironische Referenz auf das in der Renaissance vielzitierte Diktum zu lesen, wonach jeder Maler sich selbst male (»ogni pittore dipinge sè«).56 Aber auch der mastermind verliert zeitweise die Kontrolle über sein Werk, einerseits bedingt durch seine 54

Vgl. in diesem Zusammenhang Plato, Sophistes 266b ff., über die Kunst der Trugbildnerei und der Nachahmung durch die eigene Gestalt. M. J. B. Allen: Icastes (1989), S. 169–204; S. Kodera: Narcissus (2002), S. 300 ff. 55 Vgl. auch Explicatio, OL II/2, S. 133; Cantus, OL II/1, S. 220 und S. 235; M. Ciliberto: Vorwort zu Giordano Bruno: Le ombre delle idee (1997), S. 17; N. Ordine: Giordano Bruno und die Philosophie des Esels (1999), S. 214 und Anm. 38 mit Literaturangaben; ders.: La soglia dell’ombra (2003), S. 67–70. Auch in der Forschungsliteratur wird mehrfach der Gebrauch visueller Metaphorik im Candelaio, besonders deutlich im Proprolog zur Komödie, konstatiert. Vgl. N. Ordine in: U, S. 43–47 und S. 63 f. mit Literaturhinweisen. 56 Zur Geschichte siehe R. Zwijnenberg: Ogni pittore dipinge sè (2003), S. 48–67, in bezug auf Bruno vgl. N. Ordine: La soglia dell’ombra (2003), S. 173–181.

einleitung

xxxiii

emotionale Bindung an Donna Carubina, andererseits durch das unberechenbare Vorgehen der verkleideten Ganoven. Im Einleitungsschreiben zur Cena wird Bruno die Seele mit einem Maler vergleichen, der nicht von der Leinwand zurücktreten kann, um herauszufinden, wie gelungen das von ihm hergestellte Abbild ist. Dieses prekäre Verhältnis zwischen der menschlichen Seele und den von ihr generierten Abbildern findet sich im Candelaio wieder, wo Gioan Bernardo zwar geschickt irreführende Bilder in seinem Gegenspieler Bonifacio erzeugt, zugleich sich selbst aber nicht aus der eigenen emotionalen Verstrickung, seiner Liebe zu Carubina, lösen kann. Auch der Maler als mastermind bleibt also in den die gesamte Schöpfung durchziehenden emotionalen Zusammenhang eingebunden, er wird somit selbst Opfer der eigenen Bilderproduktion, kann sich wie alle anderen nicht aus dem Weltgeschehen lösen und besitzt daher auch nicht die letztgültige Wahrheit.57 In Vinculis sagt Bruno folgerichtig, daß, um jemanden zu »binden«, man selbst »gebunden« sein muß. Er meint damit, daß es nur dann möglich sei, eine Person mit magischen Mitteln zu beeinflussen, wenn man selbst in das Geschehen involviert ist und damit eine emotionale Verbindung zwischen Magier und Behextem bestehe.58 Es geht also im Candelaio um die Frage des schönen Scheins, einer Seinsform, in welcher die Dinge sich ständig verwandeln, aber nie das sind, wofür sie gehalten werden.59 Dies gilt geradezu absolut, für alle handelnden 57

Cena, DI, S. 16; C. Schultz: Ein Philosoph im Theater (1993), S. 127 ff., argumentiert daher überzeugend, daß Gioan Bernardo nicht das alleinige Sprachrohr der philosophischen Ansichten des Autors ist. Agrippa von Nettesheim: Über die Fragwürdigkeit (1993), Kap. XXIV, S. 61, schreibt: »Wie die Poeten erfinden auch die Maler Geschichten und Märlein, die sie dann mit Hilfe von Licht und Schattengebung, durch Glanzlichter und durch die Gestaltung von Vorder- und Hintergrund in ein Bild umsetzen. […] Durch Vortäuschen räumlicher Entfernungen und Dimensionen spiegelt sie [die Malerei] Dinge vor, die nicht vorhanden oder anders sind. […] weiterhin vermag sie menschliche Empfindungen und Leidenschaften, ja fast Worte zum Ausdruck zu bringen.« 58 Vinculis, OM, S. 451 (§ 30). Diese Vorstellung läßt sich auf die Thesen von Plotin zurückverfolgen; vgl. Enneaden 4, 4, 40. 59 Die Assoziation von Täuschung, teuflischem Blendwerk, Finsternis

xxxiv

sergius kodera

Personen: Selbst Gioan Bernardo bedient sich derselben Mittel wie die anderen Betrüger, Cencio, Scaramuré und der als Polizeichef verkleidete Gauner Sanguino.

Omnia mutantur, nihil interit Für alle Figuren im Candelaio, Scharlatane, Gauner wie Dummköpfe und berechnende Drahtzieher, ist die Kunst der Transmutation in verschiedensten Ausprägungen – Alchemie, Travestie, Verwandlung – von zentraler Bedeutung. Die Ganoven treten restlos überzeugend als Polizisten auf, deren Jargon sie präzise nachahmen (IV, 10 ff.); ihr Anführer Sanguino ist ein perfektes Double des gefürchteten Polizeichefs Palma, wie Scaramuré bewundernd vermerken wird (V, 14). Nachdem sie einmal von den Machenschaften ihres Gatten erfahren hat, imitiert Bonifacios ansonsten treue Ehefrau Carubina dermaßen professionell die Prostituierte, daß sie selbst der abgebrühten Kupplerin Lucia Beifall entlockt: Carubina Meint Ihr, daß ich in Gesten und Aussehen Signora Vittoria verkörpere? Lucia Ich schwöre Euch […] daß selbst ich in diesem Augenblick denke, sie vor mir zu haben. Sogar die Stimme und die Worte gleichen ihr völlig. (IV, 12)

Travestie bleibt nicht auf die Verwechslung von Personen beschränkt: Der Betrüger Cencio wird mit Bartolomeo das Vermögen und auch die Kleidung »tauschen«, wie Gioan Bernardo richtig vorhersagt (I, 11). Bonifacio verwandelt sich in einen Zwillingsbruder Gioan Bernardos, indem er einen bestimmten Mantel anzieht. Kleider machen Leute, könnte man sagen. Und schließlich wandeln sich die Protagonisten auch innerlich: Bartolomeos Begehren verlagert sich von seiner Ehefrau (die diesen Umund menschlicher Dummheit findet sich bereits bei Augustinus: De trinitate (1955), Bd. 1, S. 344 (lib. 4, cap. 2) und ebd., S. 374 (cap. 11).

einleitung

xxxv

stand sehr beklagt) auf das Geld. Der gestrenge Pädagoge Mamfurio wird zum wimmernden Schüler, der nicht einmal mehr in der Lage ist, die Zahl der Stockhiebe zu zählen, die er von den Ganoven erhält (V, 25 f.).60 Bonifacio entwickelt sich vom Homosexuellen zum Weiberhelden und schließlich zum Jammerlappen. Diese für die Komödien des Manierismus charakteristische Mutabilität bewirkt eine geradezu schwindelerregende Vertauschbarkeit der handelnden Figuren: Bonifacio, der Dummkopf par excellence, und Gioan Bernardo, der mastermind des Stückes, sehen einander zum Verwechseln ähnlich (I, 7). Dies gilt nicht bloß für ihre äußere Erscheinung (besonders nachdem Bonifacio sich einen Bart aufgeklebt hat, ist er zum Zwilling des Malers geworden), sondern auch für den emotionalen Bereich. Beide Männer lieben oder liebten dieselben Frauen: Donna Carubina und Signora Vittoria. Nicht nur als Verkleidete sind die Personen austauschbar, sie sind tatsächlich ineinander konvertierbar, indem man ein paar mehr oder weniger nebensächliche Attribute hinzufügt oder fortnimmt. Die Verwandlung aller Dinge und ihre Beeinflussung werden von den agierenden Personen mit unterschiedlichem Geschick betrieben: Bonifacio will durch die Kraft der Magie eine Transmutation im Objekt seiner Liebe, der Prostituierten, hervorrufen. Sie soll ihn wirklich lieben, damit er nicht bezahlen muß. Dazu läßt er eine Wachspuppe anfertigen, die in einer magischen Prozedur manipuliert wird.61 Bar60

Agrippa von Nettesheim schreibt, daß die Gaukler Sinnestäuschungen hervorrufen, indem sie beispielsweise Menschen in Esel verwandeln: Über die Fragwürdigkeit (1993), Kap. XLVIII, S. 97. 61 Daß dies im Italien des 16. Jahrhunderts durchaus gängige Praxis war, hat G. Ruggiero: Binding passions (1993), S. 57 f., anhand von Fallstudien belegt, z. B. aus Feltre, wo im Jahr 1588 Priester eine Wachspuppe fanden, in deren Augen, Herz und Genitalien Nadeln gedrückt waren. Die magische Figur war (wie sich im Verlauf eines Prozesses herausstellen sollte) von einer Patrizierfrau in Auftrag gegeben worden, um auf diese Weise ein Heiratsversprechen einzulösen. Reizvolle Spekulation bleibt, ob eine besondere Ironie Brunos darin liegt, daß Bonifacio sich einer mehrheitlich von Frauen angewendeten Strategie bedient und der Dummkopf somit in den Augen des zeitgenössischen Publikums umso lächerlicher erscheinen musste. Vgl. F. Graf: Gottesnähe und Schadenzauber (1996), S. 170 f., und P. Aretino: Cortigiana

xxxvi

sergius kodera

tolomeo bedient sich einer anderen Art von Alchemie (Prolog), die aus Dreck Gold machen will: In einem konzeptuell entscheidenden Schritt weitet Bruno die Kunst der Verkleidung auf die unbelebte Welt aus. Das kommt in den verschiedenen, häufig in dieser Arkandisziplin angewendeten Trickbetrügereien gut zum Ausdruck: Der Scharlatan Cencio mischt Gold unter das scheinbar wertlose pulvis Christi, so wie seine Vorgänger das wertvolle Metall in einem ausgehöhlten Holzstück versteckten, um die gutgläubigen Adepten zu täuschen (I, 11). Gio. Bernardo […] Er hat ein Scheit Holz ausgehöhlt und das Gold dort hineingesteckt. Er ließ es hübsch oberflächlich anbrennen, so daß es aussah wie die anderen Kohlen. Sobald sich eine Gelegenheit bot, zog er es geschickt aus der Tasche und bot zwei andren Köhlern, die beim Ofen waren, seine Hilfe an. Er schlug ihnen vor, die präparierte Kohle ins Feuer zu legen, wo sie bald durch die Kraft des Feuers eingeäschert wurde und das geschmolzene Gold durch die Löcher nach unten tropfte.62 (I, 11).

Hier tritt das Naturding (Gold im Holzstück) als Verkleidetes auf. Umgekehrt wird Cencios Wirt nach dessen Flucht einen wertvollen Koffer finden, der voller Steine ist: »Außen hui, innen pfui«, könnte man sagen. Mamfurio wird die Konvertibilität der Dinge wieder in einem anderen Zusammenhang erfahren: Sein Geld wird ihm in einem komplizierten Geldwechselvorgang abgenommen (III, 11). (1989), S. 150 f. (V, 16), wo solche Wachsfiguren von den Prostituierten verwendet werden, um Kunden anzulocken, und nicht umgekehrt. Zu Puppen, die als Schadenszauber verwendet wurden, vgl. z. B. Ovid, Ars amatoria III, 7, 30. 62 Betrug in der Alchemie ist ein häufig beschriebenes Phänomen. Literarisches Vorbild ist hier Chaucers Yeoman’s tale, das Motiv kommt aber auch in Erasmus’ Colloquia vor. Sebastian Brants Narrenschiff etwa beschreibt, daß der metallene Rührstab der Alchemisten mit Gold angereichert wird, ein Motiv, das sich auch in Ariostos Il Negromante, Boccaccios Decameron, Della Portas L’ astrologo, Lombardis L’ alchimista findet. Siehe, mit Literaturangaben, S. L. Linden: Darke hierogliphicks (1996), S. 74 ff. Für eine Übersicht zeitgenössischer italienischer Komödien, in denen das Thema Alchemie verhan-

einleitung

xxxvii

In der falschen Alchemie wird Gold zu Dreck;63 in der falschen Liebe Geld zu Sex, in der falschen Sprache das Gemeinte unverständlich und somit jedes Handeln unmöglich. Im Candelaio stellen sich diese unterschiedlichen Faktoren als ineinander konvertierbare Endpunkte ein und desselben alles durchdringenden sexuellen Begehrens dar. In der Phantasie des Alchemisten Bartolomeo sind Gold und Silber begehrenswerte Frauenkörper (I, 3; IV, 5). Marta, die Frau des Goldmachers, beklagt die materielle Gier ihres Gatten, die ihn seine Ehepflichten und die damit verbundene sexuelle Lust vergessen macht (IV, 9). In einer geradezu spiegelbildlichen Verkehrung dieser Perspektive ist die Prostituierte Vittoria nur durch Geld verführbar, nicht durch Liebeszauber: Die Abbilder der Könige auf den Münzen verdienen göttliche Verehrung, nicht die Körper der Herrscher selbst (IV, 1).64

delt wird, vgl. M. Plaissance: Dal Candelaio a Lo astrologo (2000), S. 261–275. Für eine klare Darstellung von Brunos Position zu dieser Arkandisziplin siehe H. Védrine: Alchimie, hermétisme et philosophie chez Giordano Bruno (1993), passim und bes. S. 363: »[…] l’absence d’expériences chez Bruno. Pas de fourneaux, pas de cornues, de longue quête initiatique à partir du dur travail sur le feu ou les distillations, mais une rénovation éthico-politique.« 63 Agrippa von Nettesheim: Über die Fragwürdigkeit (1993), Kap. XC, S. 224, schreibt über die Pseudoalchemisten: »Die Metamorphose, die sie bei den Metallen erzwingen wollten, erfahren sie nun an sich selbst: Aus Alchemisten werden sie zu Kotspezialisten […] zum Gespött der Leute; ihre Narrheit ist in aller Munde.« Siehe auch Cicero: De divinatione 1,132. 64 Das Motiv der Konvertibilität von sexuellem Begehren in Geld wird auch in der zeitgenössischen bildenden Kunst thematisiert. Tizians Danae in der zweiten Fassung 1553/54 (Kunsthistorisches Museum, Wien) zeigt eine verführerische Prostituierte gemeinsam mit einer häßlichen Kupplerin, die einen Regen aus Goldmünzen auffängt. Die ursprüngliche Göttersage (Jupiter verwandelt sich in einen Goldregen, um Danae zu verführen) dient hier mehr als Vorwand, den Zusammenhang zwischen Pornographie und Ökonomie aufzuzeigen.

xxxviii

sergius kodera

Die schöne Etymologie Die universale Formbarkeit und Veränderung der Dinge kommt im Candelaio auch in den zahlreichen etymologischen Scherzen zum Ausdruck, die das Stück auf verschiedenen Ebenen und an wichtigen Stellen durchziehen. Diese Witze thematisieren einen zentralen Aspekt der Kunst der Bildermacherei, nämlich die Frage, welche Wörter inwiefern die Dinge richtig oder falsch bezeichnen. Auf der pseudointellektuellen Ebene wird das Problem der »verkleideten Worte« besonders an den blödsinnigen etymologischen Ableitungen Mamfurios deutlich: Wie Bonifacio und Bartolomeo betreibt auch der humanistische Pedant eine falsche »Alchemie mit Worten«, die nichts bezeichnen.65 Die Begegnung mit der Kupplerin entlockt ihm den folgenden, die eigentliche Rolle Lucias völlig verkennenden Kommentar: »Sie ist ein Weibchen [eine Prostituierte], also etymologisch betrachtet ein ›weicher Herkules‹, dargestellt als Nebeneinandergestelltes [als Oxymoron]: schwaches, unentschiedenes, zerbrechliches und inkonstantes Geschlecht, im Gegensatz zu Herkules. Oh, du schöne Etymologie!« (I, 5)66 Die philologische Inkompetenz dieses Pedanten wird in jener Szene wohl am deutlichsten, die sein Unglück besiegeln soll. Als Mamfurio nämlich das Geld seines Herrn aus der Hand gerissen wird, ist er unfähig, den Umstehenden mitzuteilen, daß er beraubt wurde, denn das italienische Wort für Dieb, ladro, leitet sich von der lateinischen Bezeichnung für einen Wegelagerer (latro) ab und kann demzufolge nicht für einen Trickbetrüger verwendet werden. Der Ganove Barra bemerkt 65

Wie Maria Pia Ellero herausgefunden hat (vgl. die Internet-Quelle La biblioteca ideale di Giordano Bruno), stammen diese Etymologien tatsächlich aus zeitgenössichen Grammatiklehrbüchern, auf die sich der Schulmeister im Stück beruft. Der Name Mamphur bezeichnet ein kurzes Rundholz, das bei Drechselarbeiten verwendet wird; vgl. J. B. Despauterius: Commentarii grammatici (1582), S. 44 f.: »Mamphur, lignum mediocris longitudinis, rotundum quod loro circumvolutum circumagunt fabri in operibus tornandis.« 66 Agrippa von Nettesheim: Über die Fragwürdigkeit (1993), Kap. III, S. 27, schreibt: »Wieviel Streit und Irrtümer verursachen doch starrsinnige Grammatiker und eingebildete Philosophen durch falsche Deutung von Wörtern und Begriffen […].«

einleitung

xxxix

trocken: »Jetzt seht Ihr einmal, wie weit Euch Eure humanistische Bildung bringt, wenn Ihr nicht in der Umgangssprache sprechen wollt.« (III, 12; siehe auch III, 7.) Wieder ist Mamfurios Etymologie irreführend, da sie ein falsches und zugleich unverständliches Bild des Sachverhalts evoziert. Für Bruno sind Worte dem historischen Wandel unterworfen; dienen sie nicht mehr dazu, sich den anderen verständlich zu machen, müssen sie durch neue ersetzt werden.67 Die sterile akademische Kultur ist aber nicht der einzige Bereich, in dem Bruno mit der Etymologie spielt; er zeigt auch, wie die Bedeutung der Worte richtig anzuwenden ist und wie diesen eine scherzhafte heuristische Kraft innewohnt. Bonifacios Spitznamen, die ihn durch die ganze Komödie verfolgen, unterstreichen seine Wandelbarkeit, die ja eine zentrale Eigenschaft der Gedächtnisbilder ist: seinen schlechten Charakter (malefacio/Tunichtgut, V, 19 und 22), seine Dummheit (poco pensiero/Herr Sorglos, III, 2) und seine wandelbare Natur (trucco/Schminke, Betrug, VI, 18).68 Auch mit anderen Namen treiben Brunos volkstümliche Helden ihren intelligenten Schabernack: Das Neapel des Candelaio ist bevölkert von »Scheinheiligen« im wahrsten Sinn des Wortes, die bei verschiedensten Gelegenheiten angerufen werden; von der hl. Raccasella (IV, 12) – jener (wenig bekannten) Patronin des horizontalen Gewerbes, die Sattel (zum Aufreiten) sammelt – über die hl. Temporina, eine sonst selten erwähnte Schutzheilige der Pünktlichkeit (IV, 13), und den San Fregonio (IV, 9), den hl. »Reiber« –

67

Vgl. M. Ciliberto: La ruota del tempo (1986), S. 24–32, bes. zur Frage der Entwicklung der Figur des Pedanten in Brunos Werken im Hinblick auf die christlichen Reformatoren. In Minimo OL, I/3, S. 135 f. (128–151) und S. 137 (6–13), wird Bruno sagen, daß die neue Wissenschaft erst dann beginnen kann, wenn die alten Worte durch zeitgemäße neue Ausdrücke ersetzt werden. Vgl. auch N. Ordine: Giordano Bruno und die Philosophie des Esels (1999), S. 203–208; H. Gatti: Giordano Bruno and Renaissance science (1999), S. 198 f. 68 Hier einige weitere Spitznamen: essere un Bonifacio (II, 3: ein Tugut sein), Bonifacius Luccus (II, 7: Tölpel, eigentlich »Nachteule«), Buonefacio (IV, 14), Buon-in-faccia (IV, 18: Gut ins Gesicht), Poco pensiero (III, 2: Herr Sorglos).

xl

sergius kodera

von fregare, reiben, stehlen; fregarla a uno, jemandem einen Streich spielen.69 Auch die Namen der handelnden Personen weisen auf ihre Funktion hin: Neben der lichtbringenden Lucia ist Sanguino ein heiterer, lustiger Mensch, Ascanio, der Eingeweidewurm, Lustknabe seines Herrn Bonifacio, Pollula, der Verschmutzte, das Objekt der Päderastie Mamfurios, um nur einige zu nennen.70 Es lohnt sich, die hier eröffnete Perspektive auf die Heiligenviten näher zu untersuchen, denn diese sind nicht nur in der zeitgenössischen neapoletanischen Volkskultur gegenwärtig, sondern bilden auch eine faszinierende und bis heute in der Forschungsliteratur nicht beschriebene Parallelhandlung, welche die Personae im Candelaio auf einer explizit theologischen Ebene ironisch spiegeln. Das nimmt nicht Wunder, wenn man sich an Brunos ablehnende Haltung dem Heiligenkult gegenüber erinnert. Sie hatte ihn schon in jungen Jahren während seines Ordenslebens in San Domenico Maggiore in Schwierigkeiten gebracht.71

69

Wieder läßt sich an Agrippa von Nettesheim: Über die Fragwürdigkeit (1993), Kap. LVII, S. 123, zeigen, daß diese Praxis durchaus gängig war: »Völlig lächerlich ist es aber, wenn Heilige infolge der Ähnlichkeit ihres Namens mit bestimmten Worten oder […] mit bestimmten Dingen in Zusammenhang gebracht werden […] nur weil etwas ähnlich klingt.« Auch Erasmus macht sich über den Heiligenkult lustig: Encomium (1979), S. 124 ff. Für ähnliche Beispiele auf der Renaissance-Bühne vgl. z. B. N. Machiavelli: Mandragola (2006), S. 21 (II, 6), wo von der »potta di San Puccio« die Rede ist, oder ebd., S. 45 (IV, 9), wo »San Cucu«, der Schutzheilige der Hörner, angerufen wird. 70 Diese auf den zeitgenössischen Sprachgebrauch der einfachen Leute bezogene Anwendung der Etymologie findet sich auch in Cantus, OL II/1, S. 242, und ist allgemein für die in Dialogform verfaßte Literatur des 16. Jahrhunderts charakteristisch. 71 Zum Thema vgl. z. B.: A. Ingegno: Polemica anticristiana (1973), S. 27.

einleitung

xli

(Schein-) Heilige Oberstimmen Bruno wurde früh ein Fall für die Inquisition, weil er im Konvent San Domenico Maggiore in Neapel bis auf ein Kreuz sämtliche Heiligenbilder und sogar ein Marienbild aus seiner Zelle entfernt hatte. In einer Stadt wie Neapel, die bis auf den heutigen Tag mit Bildern geradezu übersättigt ist, war das nicht nur ein dezidiert exzentrisches Verhalten. Mit dem Bildersturm im unmittelbaren Lebensbereich handelte sich der gerade erst in den Orden eingetretene Mönch 1566 und im Folgejahr eine erste Auseinandersetzung mit dem Meister der Novizen ein; als Bruno dann kurze Zeit später einem jungen Mitbruder den dümmlichen Marienkult zum Vorwurf machte und meinte, dieser solle lieber einen Kirchenvater lesen, war das Maß voll: Fra Eugenio Gagliardo schaltete die Inquisitoren, deren Sitz ebenfalls in San Domenico Maggiore lag, ein. Sie verdächtigten Bruno der Sympathie mit den Ideen der Reformation. Der hieraus resultierende Aktenvermerk war ein bleibender und gefährlicher Makel, der mehr als ein Jahrzehnt später fatale Folgen haben sollte. Denn 1576 begann der Inquisitor Domenico Vita eine Untersuchung gegen Fra Giordano wegen unorthodoxer Ansichten zur Inkarnationslehre, näherhin des Verdachts auf Arianismus, reformatorischer Ideen; ein weiterer Anklagepunkt bestand in der Lektüre der Commentaria des Erasmus, die mit Marginalia in Brunos Handschrift in der Latrine gefunden worden waren. Bruno entzog sich der bevorstehenden Anklage durch Flucht.72 Der katholische Heiligenkult hat Bruno also schon früh in seinem Leben beschäftigt – um nicht zu sagen: enerviert. Diese Irritation findet sich auch im Candelaio reflektiert. Pasquale Sabbatino hat die im Candelaio genannten Heiligen in akribischer Kleinarbeit mit ihren neapoletanischen Kultorten identifiziert. Er konnte damit zeigen, daß diese Figuren integraler Bestandteil der zeitgenössischen lokalen Vorstellungs- und Lebenswelten waren, die Bruno mit hoher Authentizi-

72

Vgl. die konzise Darstellung mit Reproduktionen von Originalurkunden und zahlreichen Literaturhinweisen in E. Canone: Gli anni napoletani (1992) S. 67–74.

xlii

sergius kodera

tät wiedergibt.73 Die Heiligen und ihre Kultorte sind also wesentliche Bestandteile der Komödie. Sie fungieren als konstante Hinweise auf die Kontingenz des jeweiligen Konkreten, das einerseits im Hier und Jetzt gegenwärtig ist, andererseits aber auch zum mentalen locus und zur imago werden kann, die langfristig das Gedächtnis strukturiert. Bis jetzt hat allerdings niemand ernsthaft erwogen, nicht nur diese historischen Kultorte, sondern auch die Namen der handelnden Personen im Candelaio in Bezug zu den korrespondierenden Heiligengeschichten zu bringen. Und dies, obwohl solche Hagiographien im zeitgenössischen Leben eine kontinuierliche Präsenz hatten und damit sozusagen ein naheliegendes Assoziationsfeld eröffnen, in dem sich Geschichten vereinen, auf die nicht eigens hingewiesen werden mußte, weil sie den meisten Menschen ohnedies mental gegenwärtig waren.74 Um es vorwegzunehmen: Für Bruno sind solche Anspielungen Bestandteil einer Strategie der »Evokation und der [gleichzeitigen] Subversion«, wie Miguel Angel Granada in einem anderen Zusammenhang treffend formuliert hat.75 Es geht in dieser Form des verdrehten Zitats oder der fernen, oft antithetischen Referenz um den Ausdruck genuin nolanischer Philosophie und um eine (dem modernen Leser allerdings nicht immer sofort offensichtliche) Artikulation vehementer Kritik am Christentum.

Lucia Im Text der Komödie finden sich Hinweise, daß sich aus den Namen der Personen eine weitere Bedeutungsebene des Candelaio erschließt und daß Bruno hier ganz bewußt einen durchaus wenig respektvollen

73

P. Sabbatino: Mutazione del rinascimento (1993), S. 66–81. 74 Diese Namensgebung ist bekanntlich auch schon in der römischen Komödie und bei ihren Nachahmern im 15. und 16. Jahrhundert üblich. Hier unterstreichen allerdings die meist griechischen Namen in sarkastischer Weise die manifesten Charakterzüge der handelnden Personen, während sich im Candelaio eine oft kontradiktorische Struktur ergibt. 75 M. A. Granada: Maquiavelo y Giordano Bruno (1998), S. 186.

einleitung

xliii

Umgang mit christlicher Hagiographie pflegt. Sieht man einmal von den bereits erwähnten Scheinheiligen ab, so entsteht beispielsweise eine witzige Doppelung in jener Szene, in der Carubina und Lucia die Mißhandlung Bonifacios im abgedunkelten Zimmer der Signora besprechen. Die Madonna sagt hier zur Kupplerin die folgenden Worte: »Wenn diese dritten und viel lauteren Schreie erschallen, stürzt Ihr mit Lichtern ins Zimmer, und so werden wir uns alle bei Licht wiedererkennen, mit dem Segen der Heiligen Lucia.« Die hl. Lucia ist die Patronin des Augenlichts, und Carubina erinnert ihre Gesprächspartnerin daran, daß sie nach dieser Schutzheiligen benannt ist. Da die Kerze eines der Attribute der in Neapel außerordentlich populären santa ist, hat Bruno offensichtlich ihren Namen bewußt gewählt. Zudem fällt das Fest der Schutzpatronin des Augenlichts auf den 13. Dezember, den kürzesten Tag im Julianischen Kalender, zugleich ein idealer Zeitpunkt für den Aderlaß (der ja bis heute mit Geldverlust in Verbindung gebracht wird). Weitere Ironie im Zusammenhang mit der Kupplerin ist, daß die Hagiographie überliefert, Lucia habe auf die Heirat verzichtet und ihr Vermögen an die Armen verteilt. Der ihr aufgedrängte Freier habe sich in ihre Augen verliebt, worauf sich die Heilige diese aus dem Gesicht riß und auf einem Teller präsentierte.76 Im Candelaio findet diese Geschichte ein groteskes Echo in der Bordellszene, in der anderen Körperteilen übel mitgespielt wird und Bonifacio schließlich die Augen geöffnet werden. Abgesehen davon kann bei der Kupplerin Lucia weder von Keuschheit noch von Mildtätigkeit die Rede sein, denn sie ist ja gerade darauf aus, Geld durch die Vermittlung von Sex zu verdienen. Die Vermittlerin illegitimer Affären im Candelaio verkörpert also ein negatives Spiegelbild der Heiligen. Die Hagiographien berichten auch noch von anderen Ereignissen, welche diesen Eindruck bestätigen: Die hl. Lucia soll zur Strafe für ihren Glauben und die mit ihm verbundenen Keuschheitsgelübde sowie aufgrund ihrer Barmherzigkeit in ein Bordell verschleppt werden, aber tausend Männer und zahlreiche Ochsengespanne können sie nicht vom Fleck bewegen.77 Wieder 76

Bibliotheca Sanctorum (1961–70), Bd. VIII, Sp. 241–257. Jacobus de Voragine: Legenda aurea (1998), Bd. I, S. 50 ff.; vgl. auch A. Butler: Lives of the Saints (o. J.), Bd. 12, S. 264 f. 77

xliv

sergius kodera

liest sich die Hagiographie wie die Verkehrung der Eigenschaften der Persona Lucias im Candelaio, denn die ehemalige Prostituierte mußte ihren Beruf aus Altersgründen wechseln und zur Kupplerin werden.78 Von nun an ist es ihre Aufgabe, die Männer ins Bordell zu den (vermeintlichen) Jungfrauen zu bringen (und nicht umgekehrt wie in der Heiligenvita). Besonders geschickt verfährt die Lucia des Candelaio mit dem Dummkopf Bonifacio, den die Kupplerin ja über einige Umwege in diese höchst moralische Anstalt führt. Da ist es doch ein ironischer Umstand, daß die hl. Lucia (aufgrund der Assoziation ihres Namens mit dem Licht) nicht nur Patronin der Blinden, sondern auch die Schutzheilige der Armen und der Dummen ist. 79 Wieder ergeben sich deutliche Parallelen zu Brunos Philosophie, denn auch er gebraucht die Blindheit (die sprichwörtliche »geistige Armut«) häufig als Metapher für die Dummheit.80 Die Finsternis des Bordells, in die sich Bonifacio im Candelaio führen läßt, ist daher auch ein Index seiner Blindheit und damit seiner geistigen Beschränktheit. Ein weiteres Detail aus der Hagiographie Lucias ist in unserem Zusammenhang ebenfalls erwähnenswert: Der erzürnte römische Statthalter fragt die standhafte Heilige, deren Körper von den tausend Männern nicht bewegt werden kann, um was für maleficia es sich hier handelt; er deutet damit an, daß er Lucia für eine Hexe hält.81 In bezug auf den Candelaio liest sich das als komische Inversion der Magie Scaramurés, denn sein (fauler) Zauber bringt Bonifacio schnurstracks ins Zimmer der Signora Vittoria. 78

»Et iam facta vetus, fit rofiana Venus«, wie Bruno in den Vorreden schreibt und damit aus T. Folengo: Moscheidos III, 8, zitiert. 79 Jacobus de Voragine: Legenda aurea (1998), Bd. I, S. 49 f.; vgl. auch F. Doye, Heilige und Selige (1929), Bd. I, S. 701. Letzteres übrigens, weil sie ihre Mitgift an bedürftige Menschen verteilte, was man wiederum der raffgierigen Kupplerin im Candelaio sicherlich nicht nachsagen kann. 80 Vgl. z. B. Furori, DI, S. 1140 f. Dies ist auch als Spitze gegen die vom paulinischen Christentum gepredigte »Armut des Geistes« zu verstehen, gegen die der Nolaner in besonders heftiger Weise in der Cabala polemisiert. 81 »Quae sunt ista maleficia quod una puella a mille hominibus non movetur?« Jacobus de Voragine: Legenda aurea (1998), Bd. I, S. 52. Bonifacio beschimpft Lucia übrigens auch als Hexe: »Dieses ganze Unglück hat mir diese kupplerische Hexe Lucia angetan […]« (V, 9)

einleitung

xlv

Bartolomeo Der Legenda aurea zufolge bedeutet Bartolomeo »der Sohn von jemandem, der die Wasser oder sich selbst aufhängt«, oder er dient als Bezeichnung für einen, der mächtige Wunder vollbringt.82 Sowohl die Alchemie (für Bruno ist sie fehlgeleiteter Wunderglaube) als auch die Ankündigung dieser Persona im Candelaio, sich wegen ihres Bankrotts das Leben durch den Strang zu nehmen, lesen sich als sarkastische Exegese solcher Namenserklärungen. Der in Armenien zu Tode geschundene Körper des Apostels wird in einen Sarg aus Blei (nicht aus Gold) gelegt. Dieser schwimmt (offensichtlich nicht nur von übernatürlicher Hand durch die Meere bewegt, sondern auch innerhalb einer fiktiven Geographie) vom Kaspischen Meer nach Lipari.83 Ein Körper Bartolomeos wird seit dem Jahr 839 in Benevento verehrt. Dieses sprichwörtliche Zentrum der Hexerei auf der Apeninnenhalbinsel wäre an sich für den Alchemisten eine ganz hervorragende Ruhestätte, hätte der hl. Bartolomeo nicht auch seit 1560 in Rom einen Ort für die Verehrung seines Körpers, den Papst Paul IV. gefunden haben soll.84 Außerdem werden ein weiterer Kopf des Apostels in Neapel, einer in Toulouse und ein Arm in Amalfi als Reliquien gezeigt. Zusammen mit den wunderbaren Reisen über die Meere eignet sich diese Hagiographie als spöttischspiegelbildliche Charakteristik für die Wundergläubigkeit (der Christen insgesamt) und des inepten Alchemisten im Candelaio im speziellen. Denn Bartolomeo vollbringt eben keine großen Wunder, sondern wird sich aufhängen müssen, weil er bankrott ist. Denkt man an die Untreue seiner Gattin Marta (sie schläft mit dem Gauner Barra) und an Cencios Betrug (er zieht ja mit Bartolomeos gesamtem Vermögen ab), so ist es ein bezeichnendes und wohl auch pikantes Detail, daß der hl. Bartholomäus zudem der Schutzpatron der Sünder ist.85 Aber noch ein anderer Aspekt der Heiligengeschichte ist in unserem Zusammenhang 82

Jacobus de Voragine: Legenda aurea (1998), Bd. II, S. 830 und 836. Jacobus de Voragine: Legenda aurea (1998), Bd. II, S. 835. 84 Jacobus de Voragine: Legenda aurea (1998), Bd. II, S. 835 f.; vgl. auch S. Baring-Gould: The lives of the Saints (1914), Bd. IX, S. 258. 85 F. Doye: Heilige und Selige (1929), Bd. I, S. 111. 83

xlvi

sergius kodera

erwähnenswert. Dem Johannesevangelium zufolge (I, Joh 45) sitzt der zukünftige Apostel nämlich unter einem Feigenbaum; Christus verspricht ihm, daß er den »geöffneten Himmel und die Engel Gottes auf den Menschensohn heruntersteigen sehen wird«86. Die eindeutig erotische Konnotation dieser Erzählung (der Platz des hl. Bartholomäus unter dem Ficus ist Allegorie intensiver sexueller Freuden, die durch die Schau des Himmelreichs verblassen) findet ein sarkastisches Echo im Candelaio: nämlich in Martas sehnsüchtig-nostalgischer (und enzyklopädischer) Beschreibung der Arten des Geschlechtsverkehrs, die sie mit ihrem Ehemann praktizierte, als dieser noch nicht dem Scharlatan Cencio aufgesessen war und sich zu höheren Dingen, nämlich dem Geldmachen, berufen fühlte (IV, 9). Wenn man zudem bedenkt, daß Christus für Bruno »ein falscher Merkur« war,87 dann ist es im Zusammenhang mit der oben erwähnten Passage aus dem Johannesevangelium wohl auch kein Zufall, daß Bartolomeo im Candelaio von einem (falschen) Propheten der Alchemie (sie ist bekanntlich die »merkuriale Kunst« par excellence) betrogen wird, und zwar ausgerechnet mit einem pulvis Christi, aus dem sich eben kein Gold machen läßt.88 Aus der Perspektive des Candelaio läßt sich also eine außergewöhnlich blasphemische Lesart von I, Joh 45 ausmachen. Ihr zufolge ist der Apostel einem Betrüger gefolgt, indem er seinen (durchaus nicht unbequemen) Platz unter dem Feigenbaum verließ, um in sein Verderben zu gehen. Wie der hl. Bartholomäus wird auch der glücklose Adept der mekurialen Kunst im Candelaio in einem Sarg aus Blei auf dem Hexenberg beigesetzt, anstatt die (aus Brunos Sicht ohnedies) imaginären Früchte des Himmelsreichs von goldenen Tellern essen zu können.89 86

Vgl. auch S. Baring-Gould: The lives of the Saints (1914), Bd. 9, S. 254. 87 Vgl. Cena, DI, S. 32: »Mercuri ed Apollini discesi dal cielo, con multiforme impostura han ripieno il modo tutto d’infinite pazzie, […] approvando e confirmado le tenebre cagliniose de’ sofisti ed asini […]« Vgl. M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 50; A. Ingegno: La sommersa nave (1985), Kap. 7 f., bes. S. 89–93; ders.: Polemica anticristiana (1973), S. 3–36. 88 In Gioan Bernardos Worten: »[…] dem Lehm aus Staub von schwitzenden, nach Piedigrotta pilgernden Mösen« (I, 11). 89 Hier ist bezeichnend, was Marta über ihren Ehemann zu erzählen hat: »Neulich habe ich durch einen Spalt in der Tür gespäht, um zu sehen, was er

einleitung

xlvii

Vittoria Abgesehen von der bereits erwähnten spöttischen Referenz an Petrarcas angebetete Laura, erlaubt der Name der Prostituierten Vittoria die Assoziation an ihre christliche Hagiographie: Ein Heide namens Eugenius90 wirbt um die Hand der Heiligen; da er Viktoria trotz aller Verführungskünste nicht gewinnen kann, verklagt er die Geliebte als Christin. Man stößt ihr zur Strafe ein Schwert durch das Herz.91 Dies kann als ironischer Bezug zu jenem (pseudo-)magischen Ritus gesehen werden, in dem der Scharlatan Scaramuré Bonifacio erklärt, wie dieser die Wachspuppe, das Abbild der Signora Vittoria, zu durchbohren habe, damit der Liebeszauber wirkt: Der Dummkopf bekommt unter anderem eine ganz besonders lange Nadel, mit der er sehr vorsichtig umgehen muß, denn sie ist für die linke Brusthälfte bestimmt (III, 3). Die Gedanke liegt nahe, daß Bruno das Martyrium der Heiligen und die Praxis der rituellen Beschädigung menschlicher Körper in magischen Prozeduren als zwei miteinander verbundene Aspekte sinnlosen Handelns (bzw. Leidens) begreift und damit beide Kulte (und die mit ihnen verbundene Reliquienverehrung) generell kritisiert. Vor dem Martyrium der hl. Viktoria ist noch ein Gespräch mit einer befreundeten Heiligen überliefert, in dessen Verlauf sie dazu gebracht wird, nicht zu heiraten und allen Avancen zu widerstehen. Die gewalttätigen Verehrer der beiden Jungfrauen bringen sie auf ein Landhaus und lassen sie hungern, um sie zum Geschlechtsverkehr zu nötigen, aber das nützt alles nichts.92 Wieder bietet der Candelaio eine spiegelbildliche Inversion der Hagiographie: Auch die Signora (ansonsten der körperlichen

macht. Und ich habe ihn da rücklings auf einem Stuhl sitzen gesehen, wie ein Professor ein Bein hierhin, das andere dorthin gestreckt, und zu den Dekkenbalken aufschauen. Und nachdem er ihnen dreimal mit dem Kopf zugenickt hatte, sagte er: ›Euch, Euch werde ich mit Sternen aus massivem Gold schmücken.‹« (I, 13) 90 Bonifacio, Buon-in-faccia, der »schöngesichtige« candelaio, ist vielleicht als ironische Reminiszenz an Eugenius, den »Schöngeboren« zu lesen. 91 Vgl. F. Doye: Heilige und Selige (1929), Bd. II, S. 499. 92 Vgl. S. Baring-Gould: Lives of the Saints (1914), Bd. XV, S. 238 f.

xlviii

sergius kodera

Liebe nicht abhold, wenn sie mit jungen oder gut zahlenden Partnern betrieben wird) wird ja von ihrem Verehrer kurzgehalten; selbst der von Bonifacio geschickte Geschenkkorb ist dürftig befüllt (I, 6).

Bonifacio Bonifatius lebt der Legende nach in »wilder Ehe« (in stupro) mit einer reichen und hübschen Witwe in Rom; er besinnt sich, zieht zur Läuterung seiner Seele nach Osten, um zauberkräftige Reliquien der christlichen Heiligen zu sammeln, und wird darüber selbst zum Märtyrer. Während seine Diener den einstigen Lüstling noch im Wirtshaus oder im Bordell wähnen, wird er grausamst und durch eigenes Verschulden zu Tode gefoltert und erhält damit die sogenannte »Bluttaufe«.93 Wieder liest sich die Leidensgeschichte des Bonifacio im Candelaio als Inversion der Hagiographie. Denn auch in der Komödie lebt der negative Held (der ja ein passiver Homosexueller ist) in stupro, nämlich mit einer schönen, viel zu jungen Ehefrau, die seiner sexuellen Veranlagung nicht angemessen ist. Wie sein Namenspatron verfällt auch der Bonifacio des Candelaio auf allerlei dumme Ideen, die ihn zum Märtyrer machen. In spiegelbildlicher Verkehrung zur Hagiographie wähnt sich nur der Kerzenzieher Bonifacio selbst im Bordell – nicht aber seine Diener, die um die ihrem Herrn gestellte Falle wissen. Diese Institution gerät dem Narren unversehens zur moralischen Anstalt, der Puff ist der Ort eines Martyriums und einer Selbsterkenntnis, die der Dummkopf so nicht gesucht hat. Aber damit sind die intertextuellen Bezüge des Candelaio auf die Hagiographie noch nicht erschöpft. Vom hl. Bonifatius wird nämlich berichtet, daß er sehr gastfreundlich und freigebig gewesen sei und nächtens in der Stadt spazieren ging, um die Armen zu beschenken.94 Man kann sich wohl kaum eine sarkastischere Beschreibung für den verliebten Gockel im Candelaio vorstellen. Denn hier geht es ja gerade darum, diesen topischen Geizhals bei seinen (durchaus nicht karitati93 94

Vgl. Jacobus de Voragine: Legenda aurea (1998), Bd. I, S. 178 f. A. Butler: Lives of the Saints (o. J.), Bd. V, S. 224 f.

einleitung

xlix

ven) nächtlichen Exkursionen dazu zu bringen, sein Geld (sehr, sehr unfreiwillig) an die armen, als Polizisten verkleideten Ganoven zu verteilen. In Brunos Strategie textueller Inversion passt es außerdem gut, daß zufolge der Heiligenvita Bonifatius’ Diener eine hohe Geldsumme für den geschundenen (entstellten) Leichnam des Märtyrers bezahlen. Wieder ergeht es Bonifacio im Candelaio genau umgekehrt, denn hier bereichern sich die Diener am Martyrium ihres Herrn, indem dieser Lösegeld zahlt, um der öffentlichen Schande und dem damit verbundenen Martyrium zu entkommen. Betrachtet man die bis jetzt dargestellten Inversionen hagiographischer Texte aus der Perspektive der mnemonischen Praxis, so sind diese inhaltlichen Verkehrungen und Spiegelungen übrigens gar nicht ungewöhnlich. Wie erwähnt betont Bruno in diesem Zusammenhang häufig, daß man einen zu memorierenden Inhalt im Gedächtnis behalten kann, indem man sich sein Gegenteil merkt. Die inhaltliche Versatilität der hier skizzierten mnemonisch-intertextuellen Methode Brunos95 führt m. E. dazu, daß hierarchische Strukturen nivelliert werden: Ich kann z. B. etwas Gutes, in der Werteskala Obenstehendes, auch durch sein Gegenteil, am anderen Ende Stehendes, im Gedächtnis behalten. Demzufolge ist eine ständig fluktuierende Struktur der Wirklichkeit anzunehmen, die der nolanischen vicissitudo, der Vorstellung vom kontinuierlichen Wandel (und der Austauschbarkeit) aller Dinge, in jeder Hinsicht gerecht wird. Solche Transaktionen erlauben einen ständigen Perspektivenwechsel: Er gestattet es, eine Heiligenvita durch eine Persona im Candelaio zu vergegenwärtigen, aus dem Gedächtnis aufzurufen, und umgekehrt. Diese Vertauschbarkeit hat einen bedeutsamen Nebeneffekt, denn der Text des Candelaio stellt sich so auf eine Ebene mit der Sacra Scrittura. Das Theaterstück ist nicht Kommentar zur Hagiographie, sondern deren Inversion (und darin besteht aus christlicher Sicht das Ärgernis, aus nolanischer Perspektive die subversive Energie, welche mit diesem Erkenntnisgewinn verbunden ist). Die hier darge95

Hier nur einige Hinweise zur Sekundärliteratur: L. Bolzoni: La stanza della memoria (1995); S. Clucas: Simulacra et Signacula (2002); ders.: De imaginum, signorum et idearum compositione (2001); R. Sturlese: Per un’interpretazione del De umbris idearum (1992).

l

sergius kodera

stellten intertextuellen Verweise deuten also in Richtung einer fundamentalen Kritik der zeitgenössischen Religiosität und bestätigen Brunos philosophische Position auf einer bislang unbeachtet gebliebenen Ebene. Aber das scheint nicht alles zu sein: Brunos Absichten gehen noch viel weiter als bis zu einer bloßen Kritik des Heiligenkults;96 wie schon am messianischen Tonfall der Zueignung abzulesen, hat es der Nolaner auch auf Christus abgesehen.

Bonifacio als Christus Besonders in der Persona Bonifacios lassen sich noch weitere, m. E. nicht unplausible ironisch-blasphemische Anspielungen in bezug auf Christus finden. Boethius sagt nämlich, daß der Erlöser eine doppelte Natur und eine doppelte Substanz hat: Er ist »ex et in duabus naturis«97. Dieser Autor schreibt weiter, daß Christus durch die Vereinigung der beiden Naturen zur persona wird.98 Die beiden hier verwendeten Begriffe haben auch gänzlich unmetaphysische Bedeutungen, denn das Wort persona bezeichnet zunächst die Schauspielermaske. Es wird erst in der Folge von den christlichen Theologen auf die Person des Erlösers, der Gott und Mensch zugleich ist, übertragen.99 Das Wort natura 96

A. Ingegno: Polemica anticristiana (1973), S. 27 ff., schreibt, daß die Totenverehrung in Brunos Augen unsinnig ist, ein Ausdruck der Halbbestialität. Dieses Verdikt trifft auch den Heiligenkult. 97 Diese Formulierung aus Boethius: Contra Eutychen et Nestorium (1973), S. 120 (cap. 7), hat das ganze Mittelalter hindurch und besonders in der Hochscholastik starke intellektuelle Faszination ausgeübt; vgl. A. Milano: Persona in teologia (1984), S. 385 f. Solche Kritik an der Trinitätslehre ist bei Bruno keinesfalls auf den Candelaio beschränkt: Auch im Spaccio macht sich Bruno über die beiden Naturen Christi lustig, wenn er Momus die folgenden Worte sagen läßt:»Or che vogliamo far di quest’uomo insertato a bestia, o di questa bestia inceppata ad uomo? in cui una persona è fatta di due nature, e due sustanze concorreno in una ipostatica unione?« (Spaccio, BW V, S. 398) 98 »Persona fit adunatione utrarum [sc. naturarum]« Boethius: Contra Eutychen et Nestorium (1973), S. 118 (cap. 7). 99 Zum Begriff prosopon (Maske, Gesicht, Person) in der Theologie vgl. A.

einleitung

li

steht nicht nur für die physischen Eigenschaften oder die Wesensform (essentia) einer Sache, sondern bezeichnet auch und gerade die Sexualorgane und den Geschlechtstrieb.100 Folgt man nun dieser lexikalischen Spur, dann stellen sich die sexuellen Neigungen Bonifacios als blasphemische Repräsentationen der Trinitätslehre dar. Auch der Narr im Candelaio hat »zwei Naturen«, denn er ist passiver Homosexueller und tritt gleichzeitig aggressiv als heterosexueller Mann auf. In der Terminologie der Trinitätslehre ergeben diese beiden naturae die (zugleich komische und abschreckende) Persona Bonifacios als Schauspieler auf der Bühne. Tatsächlich spricht auch Boetius von der gemina natura und der gemina substantia (der zwillingshaften Natur oder Substanz) des Erlösers und – vielleicht noch deutlicher – davon, daß Christus deshalb ein Mensch wäre, weil er als ein solcher be- oder verkleidet ist.101 Auch Bonifacio verkleidet sich als Gioan Bernardo und wird so zum Zwilling des schlauen Malers; er entpuppt sich in der Folge nicht als Erlöser, sondern als verkleideter cervo domestico, als gehörnter Dummkopf.102 Milano: Persona in teologia (1984), S. 57–65; für eine wunderbar lesbare und anregende Einführung in die Thematik vgl. H. Belting: Das echte Bild (2005), S. 45–84. 100 Zur Bedeutung des lateinischen Wortes in diesem Sinn vgl. Eintrag »natura« im Oxford Latin Dictionary (1982), S. 1159, Sp. c, § 15. Zur Semantik von ›natura‹ im späteren 16. Jhdt. vgl. T. Leinkauf: Der Natur-Begriff (2000). 101 Boethius: Contra Eutychen et Nestorium (1973), S. 120 (cap. 7): »Christus […] homo, quoniam vestitus homine sit.« Daß der Narr eine Inkarnation des Wortes (allerdings von Gioan Bernardo) wird, läßt sich ebenfalls mit einigem Witz behaupten, denn auf Geheiß des Malers hin macht Bonifacio sich zum Doppelgänger seines Meisters, der sogar sein eigen Fleisch und Blut (oder doch zumindest Bonifacios Ehefrau Carubina) begehrt. 102 Bruno verwendet diese Formulierung im Spaccio, BW V, S. 384 in folgendem Zusammenhang: »Ma il male è, che sovente accade che mentre questi Atteoni vanno perseguitando gli cervi del deserto, vengono, dalla lor Diana ad esser convertiti in cervio domestico, con quel rito magico soffiandoli al viso, e gittandoli l’acqua della fonte a dosso, dicendo tre volte: Si videbas feram,/ tu currebas cum ea:/ me, quae iam tecum eram, Spectes in Galilea.« Vgl. ebd. S. 511, Anm. 366–71, und DI, S. 812–3, Anm. 3 für eine weiterführende Darstellung der theologischen Implikationen dieser Passage; vgl. auch G. Sacerdoti: Sacrificio e sovranità (2002), S. 43 ff. und passim für eine aus-

lii

sergius kodera

Die hier vorgeschlagene Lesart hat außerdem den Vorteil einer plausiblen Erklärung für die Wandlung Bonifacios vom candelaio zum orefice, vom Homosexuellen zum Heterosexuellen: Das Ziel von Brunos Spott ist hier die Doppelnatur eines Erlösers, die er durch Anus und Penis materialisiert und damit in einen radikal somatischen Kontext stellt, wohl auch nicht ohne ironischen Bezug zum Mysterium der Wandlung in der Eucharistie. Im folgenden soll diese These von der antichristlichen Position Brunos, die in anderen Zusammenhängen (vor allem in bezug auf Spaccio und Cabala) in der Forschungsliteratur eingehend und überzeugend dargestellt wurde, auch für den Candelaio nachgezeichnet werden. Um es vorwegzunehmen: Es ist plausibel, die Personae des Bonifacio und seines Widersachers Gioan Bernardo in Verbindung mit Christus bzw. mit Johannes dem Täufer zu bringen.

Carubina Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang Carubinas Name. Es ist der Diminutiv von caruba, dem Johannisbrotbaum, dessen Früchte auch »wilder Honig« (mel silvestre) genannt werden, jene Speise, von der sich Johannes der Täufer in der Wüste ernährte (Mt 3,4; Mk 1,6). Gioan Battista ist lautlich nicht weit entfernt vom Gioan Bernardo des Candelaio – und beide Namen, auch oft in der Literatur als Gio. B. abgekürzt, sind demzufolge selbst ein Akronym für Brunos Namen.103 Nun bleibt der Verweis auf Johannes den Täufer nicht bloß eine witzige, anzügliche Anspielung auf die Liebe Gioan Bernardos zu Carubina (sie ist wohl wirklich sein »wilder Honig«).104 Der Hinweis auf einen Hei-

führliche, allerdings spekulative, Erörterung einer möglichen politischen Dimension obigen Zitates. 103 So auch im Candelaio ed. princeps (1582) fol. 11v–12 r; vgl. allerdings auch fol. 82v–83r, wo sich drei verschiedene Abkürzungen auf einer Doppelseite finden (GIO. B.; GIO. BER.; GIO. BE). 104 Vgl. Othello I, 3, 348 f., wo Desdemona von Iago als »locust« bezeichnet wird: als eine besonders süße Caruba, die in Apulien wächst und sehr saftig

einleitung

liii

ligen, der als »Rufer in der Wüste« und Prophet der neuen Religion bezeichnet und als Anachoret dargestellt wird (Mt 3,4; Joh 1,23), läßt offenkundige Parallelen zu Brunos Selbstdarstellung in der Widmung des Candelaio erkennen. Denn hier präsentiert sich der Autor als ausgemergelte, vom Hungertod bedrohte Person, die allerdings, bedingt durch den zyklischen Umschwung des Rades der Fortuna, ihren Gegenspieler, den candelaio aus »Fleisch und Blut«, besiegen wird. Diese Affinität zwischen den Antagonisten wird, wie wir gesehen haben, auch durch die Verwechselbarkeit von Gioan Bernardo und Bonifacio deutlich. Gerade Johannes der Täufer ist mit einem solchen zyklischen Weltbild in Verbindung zu bringen, fällt doch sein Fest (24. Juni) nicht nur auf den Gegenpol zu Christi Geburt im Jahreskreislauf, sondern der wichtigste Heilige im Christentum105 weiß auch: »Jener muß wachsen, ich muß abnehmen.« (Joh 3,30) Er vollzieht im Fluß Jordan (italienisch Giordano) die Taufe des Erlösers.106 Sie wird durch eine Muschel ist. »The fool that to him is now as luscious as locusts.« Daß der Täufer mel silvestre und locustas ißt, wird in den Hagiographien übrigens als magnum miraculum bezeichnet; vgl. Jacobus de Voragine: Legenda aurea (1998) Bd. I, S. 545. Dies erweist sich als amüsanter intertextueller Bezug zur komplizierten Intrige, die notwendig ist, um Madonna Carubina zu verführen. 105 Mt 11,11: »[…] inter natos mulierum non surrexit major Johanne Baptistae […].« Vgl. z. B. Sermo des hl. Bernhard zum Geburtstag von Johannes dem Täufer in: Patrologia Latina, Bd. 184, Sp. 991–1002; bes. Sp. 1000C. 106 Mt 3,13–17, siehe auch Lk 3,21 f. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, daß in der bildenden Kunst der Renaissance Christus und Johannes der Täufer häufig gemeinsam in der Gegenwart Marias dargestellt werden vgl. Bibliotheca Sanctorum (1961–1970), Bd. VI, Sp. 617 f. Diese Abbildungen von berühmten Künstlern wie etwa Leonardo (Felsgrottenmadonna, Louvre), Botticelli (Madonna col bambino e San Giovannino, Louvre) oder Raffael (Madonna del Cardellino, Uffizien) zeigen zumeist Maria mit dem Erlöser auf dem Schoß und dem ein wenig älteren Johannes, der sich in spielerischer Geste dem Christuskind zuwendet. Übertragen auf den Candelaio würde die Maria hier die Natur bezeichnen, aus deren Schoß die männlichen Formen ständig hervorgehen und sich abwechseln. Außerdem ist diese Darstellung als Verweis auf das sexuelle Verhältnis zu Signora Vittoria/Madonna Carubina, welches Bonifacio und Gioan Bernardo verbindet, zu lesen. Spekulation muß wohl bleiben, ob im Zusammenhang des Jahreslaufs, mit dem Christus und

liv

sergius kodera

dargestellt, die gleichzeitig eines der wichtigsten Attribute des Täufers ist. Die dabei offensichtliche Sexualsymbolik gibt Anlaß zu einer weiteren blasphemischen Perspektivierung des Evangelientextes durch den Candelaio, denn hier nimmt Gioan Bernardo die »Muschel« Carubinas, um die »Taufe« Bonifacios zu vollziehen. Da ist es nur folgerichtig, wenn Johannes der Täufer in der Hagiographie als amicus sponsi, als Freund der Brautpaare, bezeichnet wird, und zwar wegen der ihm nachgesagten »großen Liebe« zu allen Dingen. Der Täufer wird außerdem als brennende lucerna (Öl- oder Mitternachtslampe) bezeichnet.107 Aus der Perspektive des Candelaio, in dem brennende Kerzen prinzipiell Phallussymbole sind, ist diese Allegorie überaus komisch, denn auch hier bleibt die Kerze ein Lichtbringer, selbst wenn sie (wie im Fall Bonifacios) nur das abgedunkelte Zimmer in einem Bordell erleuchtet. Der Hagiographie zufolge ist Johannes der Täufer unschuldig und von einer mirabilis honor (einzigartigen Ehre). Dem Leser des Candelaio kommt hier sofort jener Diskurs über die Ehe in den Sinn, mit dem Gioan Bernardo Carubina verführt. Hier argumentiert der Maler, daß die Ehre insofern mirabilis ist, als sie so lange besteht, bis sie in einer für die Allgemeinheit sichtbaren Weise verletzt wird. Und was im Verborgenen geschieht, interessiert die Götter noch weniger als die Menschen, denn »Ehre ist nichts anderes als Wertschätzung und Ansehen«. Der Gioan Bernardo des Candelaio ist daher unschuldig und von mirabilis honor, denn obwohl er die Ehefrau Bonifacios verführt, kommt ihm dieser nicht auf die Schliche, ja schlimmer noch, der Dummkopf muß fortan den Maler als Freund behandeln. Wegen seiner »einzigartigen Ehre« wird der Täufer auch als lucifer (Lichtbringer) bezeichnet, weil er das Ende der Nacht der Unwissenheit (nox ignorantiae) markiert,108 gerade so, wie es Bruno von sich selbst in

Johannes der Täufer hier verbunden sind, Candelaio nicht als Hinweis auf calendario, »dem Kalender zugehörig«, gelesen werden kann. 107 Vgl. Jacobus de Voragine: Legenda aurea (1998), Bd. I, S. 540. Er wird auch als lucerna lucens, ebd., S. 548, und lucerna adens et lucens, ebd., S. 551, apostrophiert. 108 Jacobus de Voragine: Legenda aurea (1998), Bd. I, S. 545, und »ipse enim tamquam lucifer venit«, ebd., S. 547.

einleitung

lv

der Zueignung an die Signora Morgana sagt und wie es die Verbindung des Malers Gioan Bernardo mit Lucia, der Kupplerin, nahelegt. Aufgrund dieser Nähe zum Licht, so fährt die Legenda aurea fort, »habet officium Cherubim«, also eine Verpflichtung gegenüber den (oder das Amt der) Cherubim, den Engeln des Lichtes.109 Der in der bildenden Kunst der Renaissance vielfach dargestellte Tod des hl. Johannes findet sein Echo in einer weiteren Inversion des Verhältnisses von Gioan Bernardo und Bonifacio im Candelaio. Dem Lukasevangelium zufolge verläßt Herodes Antipas seine legitime Ehefrau und verliebt sich in Herodias, die er an seinen Hof aufnimmt. Als Johannes ihm diese und andere Sünden zum Vorwurf macht, lässt er den Apostel einsperren (Lk 3,19). Für diese Beschädigung der Ehre verlangt und erhält Salome, die Tochter von Herodias, den Kopf des Heiligen. Der Täufer sagt zu Herodes (Mk 6,18): »non licet tibi habere uxorem fratris tui«110, ganz so wie Gioan Bernardo dem Dummkopf Bonifacio die nächtlichen Eskapaden mit Signora Vittoria zum Vorwurf macht. Ein weiterer Titel des hl. Johannes ist der des Richters. In mittelalterlichen Apokalypsen steht Johannes regelmäßig fürbittend mit Maria zur Linken des Weltenrichters.111 Auch zeigt der Täufer mit dem Finger auf den Erlöser; daher wird er in der bildenden Kunst oft mit dem Biblevers »ecce agnus Dei« (Joh 1,29) dargestellt.112 Wie schon die anderen Hagiographien lesen sich die nächtliche Verwechslungsszene mit Bonifacio, der Vorwurf der Unkeuschheit und die Anklage Gioan Bernardos bei den falschen Polizisten als humorvolle (und blasphemische) Travestien der Heiligengeschichte. Im fünften Akt des Candelaio erweist sich Gioan Bernardo als wahrer amicus sponsi, als »Freund der Eheleute«: Maria, Christus und der Täufer stehen hier

109

Jacobus de Voragine: Legenda aurea (1998), Bd. I, S. 545. Cherubim sind die Engel, die das Paradies nach der Vertreibung von Adam und Eva bewachen (Gen, 3, 24), sie sind Jahwes Träger (Ps 18, 11), der über ihnen sitzt (Ps. 79, 2). 110 Vgl. Jacobus de Voragine: Legenda aurea (1998), Bd. I, S. 545. 111 Vgl. Doye: Heilige und Selige (1929), Bd. I, S. 587. 112 Oder auch nur »agnus dei«, vgl. S. Baring-Gould: The lives of the Saints (1914), Bd. VI, S. 323.

lvi

sergius kodera

nicht vor dem Weltgericht, sondern vor den (falschen) Polizisten; und es ist Gioan Bernardo, der richtet und anklagt, mit dem Finger auf das (gar nicht unschuldige) Lamm Gottes zeigt, den (falschen) Erlöser ermahnt, nicht des Nächsten Frau zu begehren. Gioan Bernardo/ Battista ist außerdem ein wahrer Lucifer, der (ein wenig) Licht in die verworrene Angelegenheit zu bringen scheint. Das dem Täufer zugeschriebene scharfe Mundwerk (Jes 49,2: »os meum ut quasi gladium acutum«) erweist sich im Candelaio ebenso als charakteristisches Attribut des Malers Gioan Bernardo113 wie die Feststellung, daß Johannes »directus a discretione sive scientia« (der Unterscheidung oder der Wissenschaft zugetan) wäre.114 Denn der schlaue Maler unterscheidet ja den dummen Bonifacio von der eigenen Persona, die er selbst erschaffen hat. Zudem war Bruno zeitlebens ein Gegner der sancta simplicitas, der Wissenschaftsfeindlichkeit des paulinischen Christentums. Ein weiteres beachtenswertes Detail ist, daß der Täufer nicht nur der Patron der Kaminkehrer (als solcher wird Bartolomeo ja von Sanguino bezeichnet), sondern – weil der hl. Johannes sich das Kleid aus Kamelhaaren macht – auch der Schutzheilige der Weber und der Schneider ist. Das liest sich wie eine sarkastische Referenz auf jene tela (Intrige), die Gioan Bernardo und Konsorten im Candelaio weben,115 ebenso wie darauf, daß der Maler Bonifacio zum Kostümverleiher schickt, um sich zu verkleiden. Aber damit nicht genug: Johannes der Täufer ist (auch) der Schutzpatron der Kerzenzieher,116 was wiederum und wie bereits vielfach dargestellt die Beziehung zwischen dem candelaio Bonifacio und Gioan Bernardo in ironischer Brechung und geradezu meisterhafter Kürze darstellt.

113

Auch im Cantus, OL II/1, S. 68, betont Bruno, daß die Zunge eine gefährliche Waffe des Menschen ist. 114 Jacobus de Voragine: Legenda aurea (1998), Bd. I, S. 548. 115 Candelaio, Proprolog: »Questa è una specie di tela, ch’ha l’ordimento e tessitura insieme: chi la può capir, la capisca; chi la vuol intendere, l’intenda«, und V, 11: »Carubina: Io mi accorgo, che voi siete troppo scaltrito, che avete saputo tessere tutta questa tela.« 116 Und zwar »weil er in Missale und Brevier öfter als Licht bezeichnet wird«; vgl. Doye: Heilige und Selige (1929), Bd. I, S. 587.

einleitung

lvii

Um es zusammenzufassen: Die hier festgestellten spiegelbildlichen Inversionen sind nicht nur ein Charakteristikum der Komödien des Manierismus. Im Candelaio wird diese Form der Inversion, der kontrollierten Verzerrung, auch zum Vehikel für Brunos subversive Strategie in bezug auf die religiöse Kultur seiner Epoche, insbesondere auf den durch die Gegenreformation geförderten Wunderglauben und den Heiligenkult.117 Vor allem der Spaccio präsentiert einen ausführlichen Entwurf dafür, wie mit diesen Vorstellungswelten in politisch und naturphilosophisch verantwortungsvoller Weise umzugehen wäre. Dem Nolaner ist es hier nicht um die restlose Abschaffung von Personifikationen zu tun, sondern um den adäquaten Einsatz solcher Verkörperungen, wie er z. B. in der ars memorativa zutage tritt. Die besprochenen Anspielungen, Brunos Zeitgenossen zweifellos präsent, ermöglichen nun interessante Perspektiven auf den Candelaio. Bruno scheint sich hier tatsächlich als Prophet einer neuen Philosophie und Religion zu inszenieren, die allerdings die Wiederkehr des Alten in neuer und doch erkennbar ähnlicher Form mit sich bringt;118 eine paradoxe Konzeption, die der Autor in späteren Schriften (etwa im Spaccio) nicht nur in bezug auf die kopernikanische »Revolution« (als Kreisbewegung, nicht als politischer Umsturz), sondern auch auf die Reform des Himmels zum Ausdruck bringen wird.119 In der Cena sagt Bruno, daß diese kontinuierliche Veränderung auf der Erde und bei allen Himmelskörpern zu beobachten sei, weil sich die Pole, Landmassen und Klimazonen ständig verschieben und somit die Topographie

117

Vgl. die hervorragende ethnohistorische Arbeit von J. M. Sallmann, Naples et ses saints (1994), der ausführlichst die gewollte Erzeugung von Wundern und Heiligen bzw. Reliquien im Neapel des 16. und 17. Jahrhunderts rekonstruiert. 118 Zur Hypothese, daß Bruno sich als Führer der Giordanisti, einer neuen Glaubensgemeinschaft, verstand, vgl. F. A. Yates: Giordano Bruno (1964), S. 312 f. und S. 345. 119 Zu dieser auch für die karnevaleske Tradition charakteristischen Konzeption des Umsturzes, der die bestehende Ordnung durch temporäre Aufhebung lediglich bestätigt, siehe die Diskussion in A. Williams: Tricksters and pranksters (2000), S. 9 und bes. M. Bachtin: Rabelais und seine Welt (1998).

lviii

sergius kodera

des gesamten Universums in dauernder Bewegung wäre.120 In dieser Perspektive widmet sich der Candelaio auch den zeitgenössischen politischen Fragestellungen, und zwar indem der Nolaner auf bei Machiavelli entwickelte Theoreme Bezug nimmt (siehe unten).

Die universelle Kunst der Verwechslung Die ironisierende Verwendung der Etymologie scheint nicht ohne Verbindung zu Platos Kratylos zu sein. Hier (292B ff.) geht es ebenfalls um die Frage, inwiefern Wörter die Dinge bezeichnen; Sokrates spricht ausführlich (aber selbst nicht ohne Augenzwinkern) über Ableitungen von Götternamen und deren Bedeutungen.121 Zumindest zwei Stellen im Candelaio machen offensichtlich, daß Bruno diesen platonischen Dialog benutzt, um seinen eigenen Text zu kommentieren; Gioan Bernardo sagt von einem Portrait Bonifacios, das er sich oft angesehen hat: »Es ist gut. Es gleicht tatsächlich mehr Euch als mir.« (I, 8) Dies ist insofern ein mit dramatischer Ironie aufgeladener Schlüsselsatz, als Bonifacio sich ja im Verlauf des Stückes tatsächlich als der Maler Gioan Bernardo verkleiden und dadurch in die größten Schwierigkeiten bringen wird. Im Kratylos antwortet Sokrates auf die Frage, ob bei Bildern (im Gegensatz zu den Namen) eine Verwechslung möglich ist: »Ist es denn nicht möglich, an einen Mann heranzutreten und zu ihm zu sagen, ›das ist dein Portrait‹, – und ihm im einen Fall sein Bildnis zu zeigen, im anderen aber das eines Weibes?«122 Hier findet sich in

120

Cena, DI, S. 131 f.: »[…] verso i chiamati poli ed opposti punti emisferici, per la rinnovazione di secoli e cambiamento del suo volto a fin che, dove era il mare sii l’arida, ove era torrido sii freddo, ove il tropico sii l’equinoziale; e finalmente sii de tutte cose vicissitudine, come in questo, cossí ne gli altri astri […]« Vgl. auch den gesamten fünften Dialog der Cena. 121 Vgl. etwa W. K. C. Guthrie: A history of Greek philosophy (1978), Bd. V, S. 23. Zu Brunos Sprachphilosophie siehe H. Gatti: Giordano Bruno and Renaissance science (1999), S. 203–208; G. Bàrberi-Squarotti: Einleitung zu G. Bruno: Il candelaio (1964). 122 430e; Übers. in: Platon, Spätdialoge (1974), Bd. V, S. 401.

einleitung

lix

für die Renaissance durchaus typischer Weise eine Referenz auf einen Primärtext, der selbst wieder einen ironisierenden Kommentar zum Candelaio zuläßt: Bonifacio hat ja als passiver Homosexueller (»Kerzenzieher«) weibliche Züge. Die universale Wandelbarkeit der Dinge, ihre Verwechselbarkeit, zeigt zudem eine inhaltliche Verwandtschaft mit Ovids in der Renaissance vielgelesenen Metamorphosen und Apuleius’ gleichnamigem Roman (besser bekannt als Der Goldene Esel). Als Mamfurio sich von den Ganoven überreden läßt, seine Kleidung zu tauschen, um den Räuber seines Geldes unauffälliger verfolgen zu können, fehlen beispielsweise gelehrte Allusionen auf Jupiter nicht (III, 13). Der Göttervater nimmt ja auch in Ovids Metamorphosen verschiedenste Formen an, um seine sexuelle Begierde zu befriedigen.

Circe, die Natur und die Moral Zweifellos entwirft Bruno den Candelaio als kaleidoskopische Darstellung einer korrupten urbanen Gesellschaft nicht bloß, um sein Publikum zu unterhalten, sondern um zumindest implizit und ex negativo zugleich eine distinkte ethische Perspektive zu vermitteln, die sich gerade durch die Obszönität mitteilt. Bruno gründet schon im Candelaio, so scheint es, seine Handlungsmaximen in einem naturalistischen Ansatz. Er wird diese Idee im Cantus circaeus, einem ebenfalls 1582 in Paris erschienenen Werk, formulieren: Wenn Circe die Menschen in wilde Tiere verwandelt, so bringt sie lediglich deren innerste und ihnen angemessene Form zum Vorschein, sie macht durch diese Reduktion die wahrhaftige Gestalt der Lebewesen explizit. In einer für Bruno typischen Verkehrung der traditionell negativen Bedeutung der Erzmagierin wird diese archetypische Verwandlerin zur positiven Allegorie der Natur, deren Handlungen rational und moralisch gut zugleich sind, weil sie die Dinge in ihrer wahren Gestalt erscheinen läßt und daher die Kunst der Transmutation richtig einsetzt.123 Die Reduktion des Menschen auf das 123

Cantus, OL II/1, S. 186: »Ecce sub humano cortice ferinos animos«, und S. 187: »Si pauci hominum animi sunt effincti, cur quaeso tot hominum

lx

sergius kodera

Tierische ist hier eine moralische – weil der Natur wesenskonforme – Tat. In diesem Zusammenhang ergibt sich nun in vielfältiger Hinsicht eine Themenüberschneidung mit dem Candelaio: Schon die Vorrede betont ja, daß Bonifacio sich durch die ihm aufgesetzten Hörner wie Aktaion in einen Hirsch verwandelt.124 Diese Lesung zeigt, inwiefern hier der Mensch nicht mehr im Zentrum der Schöpfung steht, sonsunt efformata corpora?« Vgl. auch z. B. Spaccio, BW V, S. 20 ff. Zur explicatio der latenten Form siehe Cantus, OL II/1, S. 193; P. Sabbatino: Mutazione del rinascimento (1993), S. 33–36, bringt diese Tätigkeit der Magierin, welche die Erscheinungen der Menschen verändert, auch in Zusammenhang mit Gioan Bernardos Aussagen über die Sichtbarkeit und die damit zusammenhängende Oberflächlichkeit der onore, der Ehre (siehe unten). Zur positiven Rolle der Circe im Cantus vgl. P. Sabbatino: A l’infinito (2004), S. 90, S. 111 f. und S. 121 f., der diese Figur auch in politischem Sinne deutet. Für Sabbatino ist die Magierin unfähig, im von den Menschen verursachten Chaos eine halbwegs natürliche Ordnung durchzusetzen oder wiederherzustellen (ebd., S. 106 ff.). Sabbatino beschreibt diesen Vorstellungskomplex als Inversion des erasmischen Motivs der umgekehrten Silenen, die außen schön und innen häßlich sind (ebd., S. 108 ff.). Vgl. auch die interessante Perspektivierung in B. Kuhn: Mythos und Metapher (2003), S. 314 ff. Diese Autorin betont, auch unter Berufung auf Ferdinand Fellmann, den prozeßhaften Charakter des Circe-Mythos bei Bruno. Zu Circe und den beiden Möglichkeiten, die Natur zu betrachten, vgl. Furori, DI, S. 1156–1178. 124 Das Thema der Verwandlung des Jägers in den Gejagten wird Bruno auch in einer zentralen Passage der Furori beschäftigen. Siehe dazu F. Fellmann: Vorwort zu Giordano Bruno: Von den heroischen Leidenschaften (1989), S. XXIX ff. Die Hörner des Hirschen werden von Bruno auch als das Y des Pythagoras gedeutet, jener Buchstabe, der die Entscheidung zwischen zwei verschiedenen Wegen versinnbildlicht; dieser Vorstellungskomplex wurde in der Renaissance oft mit dem Mythos vom Herkules am Scheideweg und dieser mit Christus in Zusammenhang gebracht (etwa in Ronsards Hercule Chrétien), worauf auch im Candelaio angespielt wird (I, 5). Siehe auch E. Panofsky: Hercules am Scheidewege (1997). Das Motiv des verkehrten Silenus, also einer Figur, die entgegen der landläufigen antiken Vorstellung außen schön und innen häßlich ist, findet sich auch in den Adagia des Erasmus von Rotterdam; siehe N. Ordine: Giordano Bruno und die Philosophie des Esels (1999), S. 144–147.

einleitung

lxi

dern zum Naturding wird.125 Gleichzeitig ist aber auch der Schabernack, die handfeste Zweideutigkeit und der kaum ehrerbietige Umgang mit der klassischen Tradition bei Bruno nie fern: Wie im Cantus wachsen Bonifacio jene Hörner, vor deren Größe der Hausmeister warnt.126 Aufgesetzt werden ihm diese wenig begehrten Trophäen von Gioan Bernardo, indem dieser mit Bonifacios Ehefrau schläft. In Umbris, Brunos ebenfalls 1582 publizierter Kunst der Erinnerung, von der noch ausführlicher zu sprechen sein wird, ist die Natur eine Lehrerin, die den Menschen durch die ihnen angeborene Vernunft und die Beobachtung der Dinge der Welt zu wahrer Erkenntnis verhilft.127 Dieser rationale Charakter der Natur kommt auch in einem der Monologe Gioan Bernardos zum Ausdruck: Es ist […] die allgemein verbreitete Meinung, daß die Dinge so eingerichtet sind, daß die Natur nicht mit dem Notwendigen geizt, aber auch 125

Zur essentiellen Gleichheit von Menschen- und Tierseelen siehe auch Cabala, BW VI S. 76 ff. 126 Cantus, OL II/1, S. 194: »[…] & cornua quae latebant.« Zudem wird Moses, nachdem er vom Berg Sinai mit den Gesetzestafeln herabgestiegen ist, in der Vulgata eine facies cornuta (»gehörnte Stirn«) angedichtet, vgl. Ex 34,29 f.; die durch den Übersetzungsfehler entstandenen Hörner schmücken den Propheten in der christlichen Kunst seit dem Mittelalter. Im Spaccio BW V, S. 365 wird Bruno auch eine Deklamation über diese göttlichen Trophäen verfassen und zusammenfassend sagen: »Da onde appare aperto, che ne le corna consiste il splendo, l’eccelenza e potestade: perché son cose da eroi, bestie e dei.« Diese corna sind allgemein in der Renaissance-Komödie Thema des Spottes. Hier eine außerordentlich vergnügliche Stelle aus G. B. Della Porta: Teatro (2000–3) Bd. 3, S. 337 (L’ astrologo I, 3), in der die magischen Fähigkeiten eines Scharlatans gepriesen werden; sie ist im Tonfall nicht weit von den Agenden Brunos im Candelaio entfernt: »Fa nascere [il mago] in un subito in testa ad un uomo un par di corna più di uno cervo. – Ogni donna maritiata lo sa fare. – Fa diventare li uomini bestie, asini e becchi, e le donne vacche e scrofe. – Ci diventano senza l’arte ogni giorno.« Für andere Literaturhinweise zum Thema vgl. N. Ordine: La soglia dell’ombra (2003), S. 204, Anm. 145. 127 Umbris, OL II/1, S. 103: »[…] necnon habes optimam magistram atque ducem tum intrinsecam, tum extrinsecam naturam, quae te per rationem insitam & obiecta praesentia semper illuminat.«

lxii

sergius kodera

nicht mit Überflüssigem prahlt. Die Austern haben keine Beine, denn in welchem Teil des Meeres sie auch sein mögen, sie haben alles, was sie zu ihrer Ernährung benötigen […]. Wer die Kunst nicht beherrscht, dem gibt man auch kein Werkzeug. […] Ich werde es etwas vulgärer ausdrücken: Warum hat die Möse (die Ehre der anständigen Ohren möge gewahrt bleiben) keine Knöpfe? Darauf antwortete Merkur: »Weil (mit Verlaub) der Schwanz keine Finger hat, um sie zu öffnen.« (V, 19)128

In späteren Schriften ist für Bruno die Natur jenes vestigium, jene Fußspur, in der Gott sich den Menschen vermittels der sinnlich wahrnehmbaren Dinge offenbart.129 Eine Thematik, die sich direkt auf den Candelaio übertragen läßt: Die von Bonifacio und Bartolomeo in die Magie und Alchemie gesetzten Hoffnungen erweisen sich insofern als trügerisch, als sie die Regeln dieser Kunst nicht begriffen haben. Denn auch die ars magica kann die Schranken der nach rationalen Prinzipien organisierten Natur nicht überschreiten (V, 20).130 Ein winziger Fehler der Kunst (welche ja die Natur nachahmt), und schon entwickelt sich alles in eine falsche Richtung (V, 4, und V, 20).131 Selbst der Scharlatan 128

Zur Funktion der Obszönität im Candelaio siehe die wichtigen Bemerkungen in F. Fellmann: Vorwort zu Giordano Bruno: Von den heroischen Leidenschaften (1989), S. XXV, der hier unter anderem schreibt: »Der kognitive Impuls der obszönen Sprache liegt in ihrem Realismus, der Vermittlungen ausschließt. Das Obszöne ist seinem Wesen nach destruktiv, entlarvend, Ausdruck der Vergeblichkeit, die Sinnlichkeit durch Spiritualität zu überbrücken und auszudrücken. Die obszöne Sprache indiziert somit als Gegenteil von Ausschweifung, sie fungiert als elementare Form, sich der Endlichkeit der menschlichen Existenz zu stellen. […] das Obszöne ist Ausdruck der Vergänglichkeit, die von keiner Transzendenz aufgefangen wird.« 129 Vgl. Causa, BW III, S. 84–92; Cabala, BW VI, S. 125: »[…] denn von den übersinnlichen Dingen kann man keinen Begriff haben, außer insofern sie in den natürlichen Dingen widerscheinen […]« 130 Siehe dazu auch Spaccio, BW V, S. 340 ff.; Sigillus, OL II/2, S. 199. In Umbris, OL II/1, S. 26, betont Bruno, daß es möglich ist, alles aus allem zu erzeugen, allerdings nur über verschiedene Zwischenstadien. Siehe auch Agrippa von Nettesheim: Über die Fragwürdigkeit (1993), Kap. XC, S. 223. 131 Im Cantus, OL II/1, S. 243, sagt Bruno ebenfalls, daß ein geringfügiger Fehler, der schon im Samen angelegt ist, im Ergebnis ungeheure Auswirkun-

einleitung

lxiii

Scaramuré bezieht sich indirekt auf dieses Theorem, wenn er sagt, daß Bonifacio zur Anfertigung des magischen Wachsbildes der angebeteten Vittoria keinesfalls Haar von seiner Ehefrau hätte verwenden dürfen und daß dieser scheinbar unwesentliche Fehler alle jene wundersamen Auswirkungen gehabt habe, die der Gehörnte nun am eigenen Leib zu spüren bekommt (V, 17).

Lucifera im platonischen Bordell Die Kupplerin Lucia, wie erwähnt in vielerlei Hinsicht das weibliche alter ego Gioan Bernardos und in Brunos Verständnis eine menschliche Circe par excellence, bringt durch ihre Machenschaften die Verwandlung, die Reduktion von Bonifacio in einen wehrlosen, gehörnten Bock zustande: Es ist ihr strategisches Organisationstalent, das die komplexe Intrige überhaupt erst Gestalt annehmen läßt (IV, 14). Lucias zentrale Bedeutung als universale Vermittlerin wird bereits in der Vorrede betont, wenn Bruno sie im Proprolog folgendermaßen charakterisiert: […] ein weiblicher Engel, eine Botschafterin, Sekretärin, Beraterin, Berichterstatterin, Neuigkeitskrämerin, Verkäuferin, Seidenweberin, Geschäftsführerin, Unterhändlerin und Führerin: Kauffrau von Herzen und Trödlerin, die jene nach Gewicht, Maß und Berechnung ein- und verkauft: jene, die verwirrt und entwirrt, erheitert und betrübt, vergen haben kann: »Modico in semine atque principio maximi effectus praeexistunt: unde parvus error in principio, magnus in fine.« Siehe auch Infinito, BW IV, S. 280, wo dieses Theorem ebenfalls in einem kosmologischen Zusammenhang steht: »[…] picciolissimo errore nel principio causa massima differenza e discrime de errore in fine.« Ein Satz, der sich so auch bei Thomas von Aquin im Proemium zu De ente et essentia (1954), S. 5, Sp. a: »Quia parvus error in principio magnus est in fine«, findet und der sich wahrscheinlich auf Aristoteles: De caelo I, 5, 271b8 f., zurückführen läßt. Auch Thomas ging von der Idee aus, daß das Universum »von einem unendlichen Gesetz erhalten wird, […] das sich durch Rationalität und in der Sprache des Gesetzes ausdrücken läßt. Alles besteht für einen Zweck, nichts passiert umsonst.« Vgl. D. E. Luscombe: Medieval thought (1997), S. 106.

lxiv

sergius kodera

wundet und heilt, entmutigt und ermutigt, wenn sie dir entweder gute Nachricht bringt oder traurige, wenn sie mageres oder fettes Federvieh bringt: Advokatin, Fürsprecherin, Deckmantel, Schutzmittel, Gegenstand der Hoffnung, Vermittlerin, die nimmt und gibt, die Cupidos Bogen ausrichtet, Lenkerin des Pfeils des Liebesgottes, Knoten, der bindet, Vogelleim, der zusammenklebt, Nagel, der vereinigt, Horizont, der die Hemisphären zusammenführt.

Es ist wohl kaum ohne Ironie, daß die zentrale Disziplin der Kuppelei hier jene Funktionen übernimmt, welche die Liebe und die Seele (als vinculum et nodus mundi) in der neuplatonischen Affektenlehre bei Ficino innehatten.132 Lucia ist ein genius malignus in beinahe schon cartesischem Sinne, eine meisterhafte Regisseurin der Bilder, Truggestalten und der Schattenspiele. Hier ist die 1499 erstmals erschienene Celestina des Fernando de Rojas ein wichtiges Vorbild, das die europäische Literatur des 16. Jahrhunderts zum Thema Kuppelei in nicht zu überschätzendem Ausmaß geprägt hat.133 Aus der Perspektive des 132

Marsilio Ficino schreibt in einer oft zitierten Passage: »Et cum [sc. anima] media omnium sit, vires possidet omnium. [Quod] si ita est, transit in omnia. Et quia ipsa est universorum connexio, dum in alia migrat, non deserit alia, sed migrat in singula, ac semper cuncta conservat, ut merito dici possit centrum naturae, universorum medium, mundi series, vultus omnium nodusque et copula mundi.« M. Ficino: Theologia Platonica (1964–1970) Bd. I, S. 141 f. Hierzu vgl. Causa, BW III, Kommentar, S. 293 mit Literatur. Eine wichtige klassische Quelle für die universale Wirkmacht der Liebe ist der vielfach in der Renaissance rezipierte Einleitungshymnus an Venus in Lukrez: De rerum natura, I, 1–49. Vgl. auch Sigillus, OL II/2, S. 195. 133 Diese novela dialogada funktioniert wie ein gigantisches Theaterstück, das in der zweiten Auflage (1507) 21 Aufzüge hat; in einer modernen Version umfasst der Text beinahe 300 Seiten; vgl. J. L. Alborg: Historia de la literatura Española (1992), Bd I, S. 532–615, bes. S. 544 ff. Den einzelnen Akten ist jeweils eine Inhaltsangabe vorangestellt. Der Text hat in der in Burgos erschienenen Erstfassung von 1499 (mit immerhin 16 Akten) den Titel Comedia de Calisto e Melibea. Seinen heute gebräuchlichen Namen Celestina verdankt das Werk dem Titel der italienischen Version aus dem Jahr 1519 (ebd., S. 535). Allein schon diese Umbenennung des Textes ist ein Index für die Bedeutung der Titelfigur, der Kupplerin.

einleitung

lxv

Platonismus verkörpert die Kupplerin die zutiefst negative Figur des Sophisten.134 Aber das ist bei Bruno nur ein Aspekt, denn gleichzeitig deutet ihr Name, »Lichtbringerin«135, auf ihre im wahrsten Sinne des Wortes aufklärerische Funktion im Stück: Sie wird jenes abgedunkelte Zimmer erhellen, in dem Bonifacio mit der Prostituierten zu liegen meint, und ihn erkennen lassen, daß er von der eigenen Ehefrau gequält wird. Insofern markiert Lucia die zweideutige Rolle, welche die Kerze im Candelaio spielt: einerseits als Lichtbringerin, andererseits als obszöne Metapher. Die besondere Ironie Brunos besteht darin, seine Version des platonischen Höhlengleichnisses ins Bordell zu verlegen (IV, 12).136 Gleichzeitig und trotz aller unbarmherzigen Ironie, mit der hier die ehrwürdigen Versatzstücke der Philosophiegeschichte behandelt werden, eröffnet die Form des Theaterstücks eine wichtige Perspektive auf diesen Mythos, nämlich daß die Erlangung von genuinem Wissen einer Inszenierung inneren Erlebens bedarf, ein Aspekt, der durch einen linearen Text nicht einzuholen ist. Denn Platon beschreibt die Befreiung aus der Unwissenheit, den Gang ans Sonnenlicht, als dra-

134

Diese Darstellung der Kuppelei findet sich auch in Agrippa von Nettesheim: Über die Fragwürdigkeit (1993), Kap. LXIV, S. 142: »Kuppelei ist allerdings mächtiger als Hurerei, denn sie ist verbrecherischer. Mächtiger ist sie, weil sie mit einer Leibgarde von vielen Künsten umgeben ist, und gefährlicher, weil sie fast alle anderen Künste in ihr Treiben einbezieht, indem sie in alle hineinkriecht, sie alle durchdringt, alles in ihnen enthaltene Gift wie eine Spinne aufsaugt und es dann für ihr eigenes Gewebe benutzt.« Siehe auch ebd. S. 143: »Ein perfekter und idealer Kuppler (bzw. eine Kupplerin) muß folglich ein Doktor Allwissend sein und sollte sich nicht nur nach einer einzigen Disziplin wie nach dem Polarstern ausrichten, sondern sich um alle bemühen, denn dieser einen Kunst, der sich die Kuppler verschrieben haben, müssen alle anderen Künste dienen und helfen, weil sie unter der Knechtschaft der Kuppelei stehen.« 135 Vgl. den Abschnitt zur hl. Lucia. 136 Zum Höhlengleichnis siehe auch Cantus, OL II/1, S. 187. »[…] ut sophistico hominum remoto vultu non impediatis quominus singulorum in lucem conspiciendae prodeant figurae.« Vgl. auch Furori, DI, S. 999 f. und S. 1159 f., und Causa, BW III, S. 38 mit Kommentar S. 291 f. und Einleitung S. XXV f. Zu dieser Passage insgesamt vgl. S. Kodera: Un fallo (2009).

lxvi

sergius kodera

matisches Ereignis, als Initiationsritual, das die wahren Gestalten der Dinge und nicht mehr nur deren Schatten zum Vorschein bringt. In diesem Zusammenhang ist ein weiterer Umstand auffällig. Lucia bringt Bonifacio ja nicht wie bei Platon ans Tageslicht, sondern sie kommt nur mit einer Kerze:137 ein weiterer Verweis auf Brunos Vorstellung, daß dem im Leib verkörperten Denken die wahren Formen unzugänglich sind, die Menschen stets auf die Manipulation von Schatten angewiesen bleiben.138 Auch Bonifacios Entlassung in das nächtliche Labyrinth der neapoletanischen Gassen (nicht ins strahlende Sonnenlicht) deutet in diese Richtung: Für ihn bringt diese Befreiung von den unmittelbaren Qualen nur weitere Schwierigkeiten, die mit dem Verlust von Geld und Ehre verbunden sind. Auch hier wird der Unterschied zwischen den Antagonisten im Candelaio offensichtlich bezeichnend: Für Gioan Bernardo ist ebendieses Labyrinth der Weg zum Erfolg (es verhilft ihm zur Eroberung der Madonna Carubina), weil er diese Strukturelemente genau im Gedächtnis behält und die Figuren daher für ihn am richtigen Platz aufgestellt sind; für Bonifacio führt dieselbe Anordnung, die er nur als Gewirr dunkler Gassen wahrnehmen kann, ins Verderben.139

137

Das Anzünden der Kerze in einem abgedunkelten Raum, und zwar als Metapher für den Beginn einer wissenschaftlichen Untersuchung, kommt übrigens in ganz ähnlicher Form in F. Bacon: The works (1857–74) Bd. I, S. 189 (Novum Organon I, 82) vor; vgl. auch Vergil: Eclogia VIII, 69 f., wo ebenfalls von der Verdunkelung des Raumes die Rede ist, diesmal allerdings im Zusammenhang mit der Magierin Circe. 138 Papst Alexander VI. unterschied die Prostitutierten in puttane da lume o da candela e cortigiane oneste; vgl. S. Di Giacomo: La prostituzione in Napoli (1899), S. 72. Zur Frage der Disputation bei Tageslicht und bei Kerzenschein, mit ähnlichen Untertönen, siehe auch Cena, DI, S. 53. 139 Ein solcher (gefährlicher) Ort, an dem ein Wechsel der bestehenden Machtverhältnisse stattfinden kann, ist auch das nächtliche London in der Cena, DI, S. 77 f. Zum Thema der frühneuzeitlichen Dystopien, jenen AntiOrten (wie eben die nächtliche Straße oder das Schlachtfeld), an denen alle traditionellen Zugehörigkeiten verlorengehen, vgl. auch die interessanten Bemerkungen von V. Groebner: Ungestalten (2003), S. 164.

einleitung

lxvii

Aus dieser Perspektive betrachtet, geht es im Candelaio um die Manipulation und Organisation jener göttlichen Konzepte, der Ideen, die uns Menschen nicht direkt, sondern nur über den Umweg von Abbildern, »Schatten«, zugänglich sind.140 Im Gegensatz zur platonischen Tradition sind für Bruno diese Schatten keineswegs negativ zu verstehen, da sie Anteil am göttlichen Licht haben, ein »Versteck der Wahrheit« sind.141 Als Spuren des Lichtes sind sie die einzigen Mittel, derer sich der verkörperte Geist zur Erkenntnis bedienen kann.142 In Umbris heißt es daher auch, daß die Schatten nicht an sich schlecht sind, da sie den Menschen erlauben, in einer »bekleideten« Form das zu erfassen, was man als »nackte« Wahrheit ohnedies nicht versteht.143 Wie im Candelaio spielt daher auch in Umbris das Konzept der Täuschung, der Einkleidung, eine zentrale Rolle.144 Gleichzeitig ist die Schattenhaftigkeit auch ein Hinweis auf den natürlichen Gang der Erkenntnis. In Umbris schreibt Bruno, daß die Natur dem menschlichen Geist die Dinge zunächst in verhüllter und dann erst in expliziter Form offenbart: Nur in dieser (dramatischen und entblößenden) Form kann wahre Erkenntnis

140

Umbris, OL II/1, S. 22 f. Auch Albertus Magnus sagt, daß die menschliche Erkenntnisfähigkeit durch die Körperlichkeit behindert und daher lediglich in der Lage ist, den Schatten Gottes wahrzunehmen; vgl. D. E. Luscombe: Medieval thought (1997), S. 196 f. 141 Umbris, OL II/1, S. 29: »[…] ideoque in ipsa [sc. umbra] non credas esse errorem sed veri latentiam.« 142 Umbris, OL II/1, S. 20 f.: »[intentio prima] dum ipsius animae diaphanum, corporis ipsius opacitate terminatum, experitur in hominis mente imaginis aliquid quatenus ad eam appulsum habet: in sensibus autem internis & ratione, in quibus animaliter vivendo versamur: umbram ipsam. [… Intentio seconda …] ut a tenebrarum rationem seiungas umbram. Non est umbra tenebrae: sed vel tenebrarum vestigium in lumine.« 143 Umbris, OL II/1, S. 31: »Si quibus vero arduum videtur in umbris exerceri, & vanitatis suspectum si per eas ad lucem non pateat accessus: norint tamen talem defectum non esse ab umbris. Norint etiam sat expedire vel involutum tenere, quod nudum non capias.« 144 Siehe hierzu den mittlerweile klassischen Aufsatz von R. Klein: L’imagination comme vêtement (1956).

lxviii

sergius kodera

erfolgen.145 Übertragen auf den Candelaio ist Bonifacios Schicksal, auf der Bühne inszeniert, gleichzeitig exemplarisch für jede naturgemäße, das heißt wahre Erkenntnis der Dinge. Unter dieser Perspektive sind Qualen und Irrungen der Protagonisten durchaus als Initiationsrituale, wie sie aus interpretierenden Beschreibungen antiker Mysterien bekannt sind, zu verstehen.146 Der Candelaio ist also als ein Nachtstück zu lesen, als ein Manifest für das Fragmentarische, als eine karnevaleske Repräsentation der Realität, aus der sich allerdings bedeutsame philosophische Konzepte ex negativo rekonstruieren lassen.

Der ontologische Vorrang der Materie Da in Brunos unendlich ausgedehntem Universum die traditionelle vertikale Hierarchie (und die damit verbundene Aufstiegsmetaphorik der Seele) keinen Sinn mehr ergibt, kommt die absolute Erkenntnis nicht mehr von oben. In der neuen Metaphysik ist das Licht sozusagen

145

Umbris, OL II/1, S. 31: »[…] per naturalem, & rationalem cursum nobis est progrediendum. Natura dat involutas species antequam tradat easdem explicatas.« 146 Zum Labyrinthischen des Denkens, das sich in einer nicht minder verwirrenden Topographie widerspiegelt, siehe auch Cena, DI, S. 53 und S. 60. Ein Zusammenhang, den etwa Macrobius im Somnium Scipionis (1994), S. 7 (I, 2), in einer für den Candelaio bezeichnenden Art beschrieben hat: Da der Natur die offene, nackte Darstellung ihrer selbst feindlich ist, werden auch in den Mysterien die Geheimnisse in dunklen Gängen und Bildern verdeckt, so daß nur wenige Eingeweihte am wahren Geheimnis teilhaben. »[…] quia sciunt [sc. philosophi] inimicam esse naturae apertam nudamque expositionem sui, quae sicut vulgaribus hominum sensibus intellectum sui vario rerum tegmine operimentoque subtraxit, ita a prudentibus arcana sua voluit per fabulosa tractari. Sic ipsa mysteria figurarum cuniculis operiuntur ne vel haec adeptis nudam rerum talium natura se praebeat, sed summatibus tantum viris sapientia interprete veri arcani consciis, contenti sint reliqui ad venerationem figuris defendentibus a vilitate secretum.«

einleitung

lxix

horizontal und in verschiedener Intensität auf alle Dinge verteilt.147 Mit dieser Aufhebung der traditionellen Hierarchien erhält die Materie in der Philosophie Brunos eine zentrale Rolle, denn hier hat der Geist keine Vorrangstellung mehr vor dem Körper. Die ewige Materie ist in ihrer kontinuierlichen Wandelbarkeit jene wahrhaft göttliche Substanz, auf der die Formen erscheinen. Und tatsächlich liest sich der Candelaio wie ein Kommentar zu Körperlehren der Renaissance, denen zufolge die Naturdinge aus zwei Komponenten bestehen: aus (männlich konnotierten) Formen, welche ein unbegrenztes (und weiblich besetztes) Substrat, die Materie, gestalten. Im maßgeblich von neuplatonischem Hierarchiedenken geprägten Renaissance-Aristotelismus hatte die Form (wegen ihrer Nähe zu den göttlichen Ideen und ihrer aktiven Rolle bei der Gestaltung der Substanz) eindeutig Priorität vor der Materie. Diese begehrt die Form »wie die Frau den Mann«, sagt Aristoteles in der Physik (I, 9, 192a 22). In einer zentralen Passage von Causa wird sich Bruno über diese Gleichsetzung von weiblicher Sexualität und Begehren der Materie nach der Form lustig machen, wenn er den Pedanten sagen läßt, daß »schlußendlich […] die Frau nichts anderes ist als die Materie. Wenn ihr nicht wißt, was die Frau ist, weil ihr nicht wißt, was die Materie ist, so studiert ein Weilchen die Peripatetiker, die, indem sie Euch lehren, was die Materie ist, Dich lehren werden, was die Frau ist.«148 Bruno verkehrt das hierarchische Verhältnis zwischen Materie und Form, indem er argumentiert, daß die Materie jener Bestandteil der Naturdinge ist, der sich stets gleich bleibt, daher ewig ist und eigentlich die Formen hervorbringt und trägt.149 Die damit ver147

H. Gatti: Giordano Bruno and Renaissance science (1999), S. 211, bemerkt treffend: »[…] there is no transcendental light from above casting shadows on the wall of the cave.« Vgl. auch N. Ordine: Vangelo armato (2006), S. 188 ff., der die polyzentrische Struktur des Candelaio, die komplexe tela, die Bruno aus den verschiedenen gleichzeitig ablaufenden Handlungssträngen webt, mit der Verfaßtheit des unendlichen Universums, dem ja ebenfalls die Mitte fehlt, vergleicht. 148 Causa, BW III, S. 190 (meine Übersetzung). 149 Vgl. Causa, BW III, S. 196–206; H. Védrine: La conception de la nature (1967), passim, bes. S. 269–279; P. R. Blum: Aristoteles bei Giordano Bruno (1980), S. 62–75.

lxx

sergius kodera

bundene Verkehrung der traditionellen Hierarchie der Seinsformen ist offensichtlich bereits im Candelaio formuliert, und zwar in der universalen Vertauschbarkeit und kontinuierlichen Verkleidung der Dinge, die nur an der Oberfläche durch Form, Habitus, Maß und Gewicht unterscheidbar sind.150 Die bereits oben festgestellten antihierarchischen Züge der Personae im Candelaio sind also Verkörperungen dieser metaphysischen Annahmen. Was vom aristotelischen Ansatz bleibt, ist das der Materie inhärente universale, sexuell konnotierte Begehren nach Veränderung, welche somit (in scharfem Gegensatz zu renaissanceplatonischen Positionen) als göttliches, weil ewiges Prinzip erkannt wird. Das den Kosmos dynamisierende Begehren expliziert sich nicht nur in der Geschlechtlichkeit, sondern ist übertragbar auf Geld, Wissen, Macht. Die allem innewohnende sexuelle Energie wird hier zur Verbindung der Dinge, zum nexus rerum, zum Einheitsprinzip,151 welches den ständigen Wandel152, die ununterbrochene Verschiebung der Gewichtungen im Rad der Fortuna bewirkt, indem einmal der eine Aspekt überlegen ist, einmal der andere, wie Bruno schon in der Widmung an die Signora Morgana betont. Dieses Wirken der vicissitudo,153 der allgemeinen Konvertibilität der Dinge, läßt sich auf verschiedenen Ebenen lesen. Zunächst ist sie im dramaturgischen Sinne – offensichtlich – das treibende tragikomische Element des Candelaio. Näher betrachtet erweisen sich die Metamorphosen vom Glück ins Pech und von der Komödie in die Tragödie als exemplarisch für eine Welt, deren höherer Sinn dem Menschen nicht 150

In Umbris, OL II/1, S. 60, unterstreicht Bruno, daß Natur kein logischer, sondern ein physikalischer, ein durch den Körper definierter Allgemeinbegriff ist. Siehe auch Cantus, OL II/1, S. 237; Cabala, BW IV, S. 84. Die Disposition der Materie ist von zentraler Bedeutung, denn sie bringt die Dinge zum Vorschein, wobei der Mensch sich nicht mehr essentiell von den anderen Lebewesen (etwa der Schlange) unterscheidet. 151 Sigillus, OL II/2 S. 198 f. 152 Zur kontinuierlichen Veränderung, welcher die Dinge unterworfen sind, siehe auch Spaccio, BW V, S. 16 ff., S. 46 ff. 153 Zum Begriff vgl. auch Cabala, BW VI, Einleitung, S. XXXIX und S. LX f.; M. A. Granada: La reivindicacion de la filosofia (2005), S. 245–258; E. M. Severini: Vicissitudine e tempo (2004), S. 225–258.

einleitung

lxxi

nachvollziehbar ist, weil Fortuna, das die Weltgeschicke leitende Prinzip, blind ist. Das »betrügerische Schicksal« kann deswegen nur sehr selten würdige Menschen begünstigen, weil es derer so wenige gibt, wie Gioan Bernardo in einem der zentralen Monologe des Candelaio erklärt: […] Alle Fehler verdanken sich dieser Betrügerin Fortuna: […] Sie ehrt jenen, der es nicht verdient, schenkt dem eine gute Ernte, der nicht sät, einen guten Garten dem, der ihn nicht gepflanzt hat, viel Geld dem, der es nicht auszugeben weiß, viele Kinder dem, der sie nicht großziehen kann, einen guten Appetit dem, der nichts zu essen hat, und Zwieback dem, der keine Zähne hat. Aber was sage ich? Man muß sie entschuldigen, die Arme, weil sie blind ist und sich bei dem Versuch, die Güter zu verteilen, die sie in den Händen hält, tastend fortbewegt. Und meist trifft sie auf Dummköpfe, Schwachsinnige und Betrüger, von welchen die ganze Welt voll ist. (V, 19)154

Doch bei solchem Fatalismus bleibt es nicht. Unmittelbar danach preist Gioan Bernardo die menschliche Eigeninitiative: »Wenn daher das Gut, das ich an diesem Abend besessen habe, mir nicht von den Göttern und von der Natur zugestanden worden wäre, so gut als es mir von Fortuna verwehrt blieb, so hat mir doch das Urteilsvermögen die Gelegenheit gewiesen; die Geschicklichkeit hat mir erlaubt, sie bei den Haaren zu packen, und die Ausdauer, sie festzuhalten.« (V, 19)155 Die ambivalente Einschätzung der Fortuna, einerseits als blind und unvermeidlich, andererseits durch den Willen des Menschen gestalt154

Vgl. Cicero: De natura deorum I, 53 ff.; zur Fortuna siehe auch G. Reisch: Margarita philosophica (1503), Buch VIII, Kap. 15–18; Spaccio, BW V, S. 214 ff.; N. Ordine: Giordano Bruno und die Philosophie des Esels (1999), S. 103–113 und S. 200; M. Ciliberto: La ruota del tempo (1986), S. 180–185. 155 Auch in der Cena, DI, S. 63 f., preist Bruno die menschliche Eigeninitiative. Eine ähnlich ambivalente Haltung zur Beziehung von Fortuna und menschlicher Tugend findet sich bereits in der (frühen) Ausgabe von Andrea Alciatos außerordentlich einflußreichem Emblematum libellus (1542), S. 52 (Emblem 18), Virtuti fortuna comes, und ebd., S. 96 (Emblem 40), Fortuna virtutem superans.

lxxii

sergius kodera

bar, ist charakteristisch für Brunos Denken. Dieser Aspekt wird uns im folgenden bei Machiavelli noch beschäftigen. Die Fortuna offenbart gleichzeitig einen zentralen Aspekt von Brunos Denken, dem es um die rationale, das heißt der Natur konforme Organisation der Psyche zu tun ist. Diese mentale Ordnung ist eine notwendige Vorbedingung für selbstbestimmtes Handeln und beginnt bei der richtigen Ordnung und Ausbildung des Gedächtnisses, um die es im folgenden Abschnitt gehen wird.

Licht auf die Schatten der Ideen: Brunos Gedächtnistheorien und der Candelaio Im Widmungsschreiben macht Bruno die in der Forschungsliteratur häufig kommentierte Bemerkung, daß der »Candelaio […] zumindest ein wenig bestimmte Schatten der Ideen erhellen könnte«, was zweifellos eine Anspielung auf sein im selben Jahr in lateinischer Sprache erschienenes mnemotechnisches Werk Umbris ist.156 Die Gedächtniskunst, eine aus der Antike überlieferte Technik, die Teil der Ausbildung des Redners war, erlebte in der Frühen Neuzeit eine Hochblüte. Im wesentlichen bestand die Technik darin, den zu memorierenden Text mit einer architektonischen Struktur in Verbindung zu bringen. 156

Die Verbindung von Umbris und Candelaio ist zwar in der Sekundärliteratur immer wieder betont, selten aber einer eingehenderen Analyse unterzogen worden. D. Quarta: Sul Candelaio di Giordano Bruno (1985), S. 179– 196, kommt über einige Hinweise zu den loci (siehe unten) im Zusammenhang mit der Geographie Neapels kaum hinaus. M. Ciliberto: La ruota del tempo (1986), S. 41 f., etwa bestreitet sogar einen Zusammenhang zwischen dem Candelaio und Umbris, der über »abbozzi, spunti« hinausgeht. Als Einführung in Umbris hervorragend geeignet ist P. R. Blum: Giordano Bruno (1999), S. 23–37; zur Rezeptionsgeschichte von Umbris als magischer Text siehe R. Sturlese: Interpretazione (1992), S. 945 f.; H. Gatti: Giordano Bruno and Renaissance science (1999), S. 178–185. Zum Thema allgemein bei Bruno vgl. S. Clucas: Simulacra et signacula (2002); für eine anregende Deutung der Funktion der ars memorativa vgl. ders.: De imaginum, signorum et idearum compositione (2001).

einleitung

lxxiii

Dazu müssen im Gedächtnis die Räume eines großen Gebäudes (loci), die mit ungewöhnlichen und einprägsamen Gegenständen (imagines) eingerichtet sind, visualisiert werden. Der Rhetor durchschreitet diese imaginierten Tempel oder Paläste, um sich durch die loci die Gliederung, durch den Anblick der imagines die Inhalte der Rede zu merken. Die wichtigste Aufgabe in der Gedächtniskunst ist es nun, diese Matrix aus Architekturen und Bildern nicht durcheinanderzubringen: Die virtuellen Bauwerke dürfen nicht in Unordnung geraten, ebenso müssen die darin aufgestellten Gegenstände oder Lebewesen an ihrem Platz bleiben, damit sich die Inhalte der Rede in der korrekten Reihenfolge abrufen lassen. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, sind es im Candelaio die Stadt Neapel und ihre Bewohner, die sich zum locus bzw. zu den imagines für die Gedächtniskunst wandeln.157 In Umbris modifiziert Bruno diese Technik unter anderem zur Merkhilfe für Fremdwörter oder Klassifikationssysteme. Ein Zusammenhang zwischen Gedächtnistraining dieser Art und anzüglich-derber Komödie erschließt sich nicht unmittelbar. Im folgenden soll der Versuch unternommen werden, solche strukturellen Parallelen aufzuzeigen. Dennoch bleibt Brunos Candelaio trotz aller philosophischpädagogischen Perspektivierung eine deftige Komödie, die mit Vergnügen als Sittenbild und Gesellschaftskritik gelesen werden soll. Umbris beschäftigt sich mit der effizienten Gestaltung und Ordnung des Wissens, einer Thematik, die Bruno zeitlebens verfolgen wird. Die Grundthese dieser an vulgärplatonischen Theorien orientierten Konzeption besteht darin, daß nur ein den Bedingungen der Natur analog organisiertes Gedächtnis zu wahrer Erkenntnis führt.158 Das Neue an der Mnemonik in Umbris ist, daß Bruno die sogenannte ars combinatoria, eine Kunst, die auf den Katalanen Raimundus Lullus

157

Über die in der Renaissance gut belegte Praxis, Städte als Erinnerungsorte zu wählen, vgl. P. Sabbatino: Mutazione del rinascimento (1993), S. 53 f. 158 Auch diese Idee ist nicht neu: Eines der Lieblingsaxiome des Albertus Magnus (wahrscheinlich im Anschluß an Aristoteles: De generatione animalium, II, 1, 704b11–18) ist »opus naturae est opus intelligentiae«. Vgl. G. Weisheipl: The axiom opus naturae (1980), S. 441–463.

lxxiv

sergius kodera

(1235–1316)159 zurückgeht, für die ars memoriae adaptiert. Lullus geht es darum, den göttlichen Schöpfungsplan, die universale Wissenschaft und Theologie, lesbar zu machen. Er denkt den Kosmos als Buchstabencode, der die vielfältigen Erscheinungsweisen der Dinge durch die Kombinatorik der Aspekte des göttlichen Namens entzifferbar macht. Diese Kunst arrangiert auf konzentrischen und drehbaren Kreisscheiben die Buchstaben BCDEFGHIK; sie bezeichnen die höchsten göttlichen Eigenschaften: Bonitas, Magnitudo, Eternitas, Potestas, Sapientia, Voluntas, Virtus, Veritas, Gloria. Durch Verschiebung der Kreisscheiben können sämtliche möglichen Kombinationen dieser göttlichen Attribute ermittelt werden. Dieses System göttlicher Namen, aus denen der gesamte Kosmos hervorgegangen ist, im Gedächtnis zu haben, bedeutet für den Adepten der lullischen Kunst, die Schöpfung auf allen ihren Stufen, von der niedrigsten, elementarsten bis hin zur göttlichen, erfassen und bestimmen zu können. Hier fallen Ordnung der Welt und Phantasie eines universalen mentalen Archivs zusammen mit der Idee des codierten göttlichen Plans, der (wie eine Geheimschrift) nur dem Uneingeweihten als Chaos erscheint.160 In Umbris verwendet Bruno diese Methode der universalen Begriffskombination, um das menschliche Gedächtnis zu strukturieren und zu verbessern und durch die regelhafte Anordnung weniger bekannter Strukturelemente neue Erkenntnis zu gewinnen.161 159

Die Literatur zur ars combinatoria ist umfangreich; siehe A. Tranninger: Mühelose Wissenschaft (2001), S. 113–124 und passim mit Literaturangaben. 160 Vgl. z. B. R. Lullus: Ars brevis (1999), passim. Agrippa von Nettesheim, selbst ein wichtiger Kommentator von Lulls Schriften, beschreibt diese Kunst ironisierend: »Mit ihrer Hilfe kann man sich […] über jedes Problem ausführlich äußern, durch kunstvolles Verdrehen von Worten und Begriffen nach jeder Richtung über ein beliebiges Thema höchst elegant und wortreich disputieren, […] und selbst die kleinsten Dinge maßlos aufbauschen.« (Agrippa von Nettesheim: Über die Fragwürdigkeit [1993], Kap. IX, S. 46.) 161 Umbris, OL II/1, S. 17: »Ars ista non simplicem ad memoriae artem confert: sed & ad multarum facultatum inventionem viam aperit & introducit.« Zur Mnemotechnik siehe H. Gatti: Giordano Bruno and Renaissance science (1999); L. Bolzoni: La stanza della memoria (1995); R. Sturlese: Interpre-

einleitung

lxxv

Kurze Darstellung der mnemotechnischen Methode von De umbris idearum Bruno trägt auf fünf drehbare und konzentrische lullische Räder, die in jeweils 150 Sektoren unterteilt sind, Umlaute und Silben ein. Diese Buchstabenkombinationen sind auf jedem Rad identisch, sie ermöglichen durch Drehung der Räder die Zusammensetzung von Wörtern mit bis zu fünf Buchstabenkombinationen. In einem weiteren Schritt wird jedem der insgesamt 750 Felder auf den fünf Kreisscheiben ein Bild zugeordnet, und zwar nach bestimmten ikonographischen Prinzipien. Das erste Rad wird von 150 Personen bevölkert, das zweite von deren Handlungen, das dritte von Eigenschaften, das vierte von der Umgebung und das letzte vom Hintergrund. Bruno betont, daß die von ihm in Umbris vorgeschlagenen Bilderserien durch beliebige andere ersetzt werden können, also rein willkürlich sind. Wichtig sei lediglich, ein bestimmtes piktographisches Referenzsystem im Gedächtnis zu fixieren, um sich anhand von kombinierbaren Bildern komplizierte Fachbegriffe merken zu können. Dieses System erlaubt es, Wörter in Bilder zu übersetzen, wobei diese wie jene kaleidoskopisch wandelbar bleiben: Eine nur geringfügige Veränderung im Bild zieht einen signifikanten Bedeutungswandel im zu memorierenden Wort nach sich und umgekehrt. Nicht nur dem heutigen Leser erscheint diese Methode der Gedächtnisbildung sehr kompliziert. So berühmte Kritiker wie Erasmus von Rotterdam argumentierten lange vor Bruno damit, daß man sich in dieser Kunst die Dinge doppelt merken müsse: Zu dem Namen, an den man sich erinnern will, kommt noch ein Bild hinzu; folglich ist die doppelte Anstrengung anzuwenden. Auf solche Kritik hat Bruno, der diese Einwände kannte, eine philosophisch interessante Antwort. Seiner Ansicht nach reproduziert die Gedächtniskunst nämlich jene Methode, durch welche sich die Seele natürlicherweise ausdrückt, durch stets wandelbare plastische Bilder, die allerdings im System des künstlichen

tazione (1992); M. J. Carruthers: The book of memory (1990); F. A. Yates: The art of memory (1969).

lxxvi

sergius kodera

Gedächtnisses Bestand haben.162 Zu dieser Theorie, die zudem erklärt, wie das menschliche Bewußtsein funktioniert, tritt nun ein weiteres, für Brunos Denken zentrales Theorem: Die Fähigkeit zur kontinuierlichen Wandlung der mnemotechnischen Bilder durch Neukombination eines fixen Zeichensatzes deutet darauf hin, daß im Universum alles in allem enthalten ist, daher alles zu allem werden kann und gleichzeitig aus jedem Fragment des Universums das Ganze erkennbar ist.163

Einheit in der Verschiedenheit Wenn alles in allem enthalten ist, so ist in der Kunst der Mnemonik wie in der Natur die Verschiedenartigkeit der Dinge derart aufrechtzuerhalten, daß alles aufgrund eines einheitlichen Prinzips memorierbar bleibt. Bruno gibt in diesem Zusammenhang in Umbris ein interessantes Beispiel zur Illustration: Die Dinge müssen so gestaltet werden wie (individuelle, in sich unterschiedene) Schafe, die alle von einem Wolf (das ist ein einheitliches Prinzip) zu verschlingen sind.164 Angewandt auf den Candelaio würde das etwa bedeuten, daß das sexuelle Begehren der Protagonisten in den verschiedensten individuellen Ausprägungen, aber immer unter dem Gesichtspunkt der Begierde als Einheitsprinzip zu verstehen ist.165 Dieses Prinzip der Einheit in der Vielheit wird durch 162

R. Sturlese: Interpretazione (1992), S. 956 ff. R. Sturlese: Interpretazione (1992), S. 962; Sigillus, OL II/2, S. 196: »omnia in omnibus«; siehe auch: Immenso, S. 111 f. 164 Umbris, OL II/1, S. 97: »Scire igitur opportet, conversionem non ita fiendam ut substantialis diversitas destruatur; nec ut accidentia unius cuiusque rei propria tollatur: Sed ut diversa atque omnia ita una illis applicita adveniente forma, afficiantur modo suo: ut unam ab uno, & per unum memorabilias subeant rationem: Sic omnia lupus iste ingurgitabit ut unum: si omnes substantiae & quae inmediate consequuntur eas unius generis accidentium indumenta subibunt.« Vgl. auch Cantus, OL II/1, S. 240, wo Bruno ebenfalls die Notwendigkeit der Subsumierung der Dinge der Welt unter ein Prinzip betont. 165 R. Sturlese: Interpretazione (1992), S. 963, schreibt: » […] mit anderen Worten, Bruno umreißt in Umbris auf der Ebene der Bewußtseinstheorie, was 163

einleitung

lxxvii

die Typologie der handelnden Personen im Candelaio beispielhaft vorgeführt, die, »obwohl außerordentlich individualisiert, durch ihre extremen Charakteristika, gleichzeitig auch höchst allegorisch sind, so daß sie tatsächlich beginnen, die Charakteristika der stilisierten und grotesken Comedia dell’arte anzunehmen«166. Aber das ist nicht alles: So wie die Dinge der Welt (die sich nach Bruno auch insgesamt aus einem einheitlichen Prinzip ableiten lassen) sind auch Bonifacio und Gioan Bernardo, als mastermind und Idiot die eigentlichen Antagonisten des Stückes, austauschbar.167 Der Exkurs in die ars memoriae hat uns also nur scheinbar weit vom Candelaio entfernt: Parallelen zwischen dem dramatischen Werk und der philosophisch-mnemotechnischen Abhandlung werden deutlich, vor allem wenn man in Betracht zieht, daß Umbris auch zur Erfindung neuer Sprachen dienen soll, die Gedächtniskunst als kaleidoskopische Maschine zur Herstellung neuer Worte und damit neuen Wissens über eine ständig sich wandelnde Welt beiträgt.168 In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, daß Bruno seine Sprach- und Inventionsmaschine mit den Experimenten der Alchemisten vergleicht, die zwar meist nicht das ersehnte Gold, dafür aber zufällig andere interessante Entdeckungen machen.169 Hier wird offensichtlich, in welch hohem Ausmaß die ars memoriae als natürliches Phänomen konzipiert ist: Der Wortgenerator ist identisch mit dem Sachgenerator. Im Candelaio begegnen uns drei solche (stümperhafte) Alchemisten, ein Liebeszauberer (Bonifaspäter die grundlegenden Charakteristika der Ontologie der Natur in den Italienischen Dialogen erklären wird: die Idee der dauernden Verwandlung des einen und unendlichen Universums, der Idee von der Natur als intrinsisch produktivem Prinzip.« 166 G. Moliterno, Vorwort zu G. Bruno, Candlebearer (2000), S. 19. 167 Das Zusammenfallen der Gegensätze ist eines der zentralen Themen in Brunos Philosophie; vgl. Causa, BW III, S. 168 ff., S. 250–54 und S. 260 ff.; und die dort angeführten Verweise auf Cusanus’ De possest und De mathematica perfectione; Spaccio, BW V, S. 48; Furori, DI S. 974; Principiis, OL III, S. 549 f. 168 Zur anregenden These, wonach sich die Wörtermaschine auch auf die Mathematik übertragen ließe, siehe H. Gatti: Giordano Bruno and Renaissance science (1999), S. 193. 169 Explicatio, OL II/2, S. 129.

lxxviii

sergius kodera

cio), ein Geldzauberer (Bartolomeo) und ein Wortzauberer (Mamfurio). Sie fungieren in Brunos Universalkombinatorik als pervertierte Beispiele, als mnemonische imagines, wie man es nicht anstellen sollte; gerade dadurch aber gibt die Komödie ex negativo eine Anleitung, wie das Gedächtnis tatsächlich zu organisieren wäre. Wie in der klassischen ars memoriae »[…] wird über die Gelegenheiten entschieden, die es zu nutzen gilt, und wie die Personen sich nach Ort und Zeit verteilen sollen […]«, wie es in Inhalt und Anordnung der Komödie heißt. Hier wird also über die zukünftige Aufstellung der Gedächtnisbilder entschieden, die sich durch die minutiöse Organisation der Intrige auch wirklich an den richtigen Plätzen befinden. Ein weiterer deutlicher Hinweis auf die Methode der Gedächtniskunst besteht darin, daß die Protagonisten (als imagines) entweder in einem Zimmer festgesetzt sind (Bonifacio und Mamfurio) oder sich vom Ort ihrer Aufstellung im Freien als lebende Skulpturen nur schwerlich fortbewegen. Als besonders eindringliches Beispiel wäre hier Bartolomeo zu nennen, der, Rücken an Rücken an den Apotheker Consalvo gefesselt, einen bestimmten locus nicht oder nur unter Schwierigkeiten verlassen kann (V, 12–13).170 Hier ist wohl auch eine weitere ironische Anspielung auf Platos Werke zu erkennen: auf den von Aristophanes im Symposion (189c– 193d) beschriebenen übermächtigen Kugelmensch, welcher aus zwei Personen bestand, die am Rücken zusammengewachsen waren und sich mit seinen vier Armen und Beinen unglaublich schnell fortbewegen konnte. Diese Menschenrasse wurde so mächtig, daß sie für ihren Putschversuch im Olymp mit der Teilung in der Mitte bestraft wurde, worauf die beiden daraus resultierenden Menschenhälften schwach, traurig und hilflos wurden, ständig die gegenseitige Nähe suchten, um die ursprüngliche Einheit wiederherzustellen. Im Candelaio ist es nun genau umgekehrt: Der korrupte Apotheker Consalvo und Bartolomeo, der betrogene Alchemist, welche von den Ganoven an den Händen am Rücken zusammengebunden im nächtlichen Neapel zurückgelassen 170

Vgl. dazu auch S. Kodera: Myth of Aristophanes (2005), S. 52–55. Agrippa von Nettesheim: Über die Fragwürdigkeit (1993), Kap. LXXXIV, S. 214 ff., beschreibt übrigens die Apotheker als »raffgierige, gewissenlose Bande«. Bruno wird in Umbris, OL II/1, S. 95 f., noch direkter.

einleitung

lxxix

werden, geben die völlige Verkehrung der (selbst schon sehr amüsant zu lesenden) platonischen Passage; heftig miteinander streitend, völlig hilflos und ihres Eigentums beraubt, wälzen sie sich im Schmutz. Die gegenseitige Abneigung ist so groß, daß die von Scaramuré befreiten Kontrahenten auf verschiedenen Wegen nach Hause geschickt werden müssen, damit sie nicht neuerlich aneinandergeraten (V, 12 und 13). Aber damit nicht genug, der Candelaio gibt auch auf außerordentlich vergnügliche Art Merkhilfe und Auskunft über die Natur der Zeichen im allgemeinen. Wenn im fünften Akt Bonifacio als Gioan Bernardo verkleidet auftritt, ist er dem Maler so ähnlich, daß dies zu folgenreichen Identitätsproblemen führt: Gio. Bernardo Hallo, Herr von Schwarzbart, sag mir, wer von uns beiden ist ich, ich oder du? Du antwortest nicht? Bonifacio Ihr seid Ihr, und ich bin ich. Gio. Bernardo Wie, ich bin ich? Hast du Dieb nicht meine Person gestohlen, und begehst du nicht in diesem Gewand und Aufzug Gaunereien? Wieso bist du hier? (V, 9)171

Wie schon in der Etymologie liest sich Platos Kratylos wie ein ironischer Kommentar, wenn hier der Status des Abbildes mit folgendem Vergleich beschrieben wird: Nehmen wir einmal zwei solche Dinge, wie zum Beispiel den Kratylos und ein Bild des Kratylos: Wenn ein Gott nicht nur deine Hautfarbe und deine Gestalt nachbildet, wie das die Maler tun, sondern wenn er auch dein ganzes Inneres so nachmachte, wie du beschaffen bist, und

171

Vgl. dazu Shakespeares The Twelfth Night, wo eine ähnliche Situation, das gemeinsame Auftreten der Zwillingsgeschwister (Viola als Mann verkleidet), mit anderen Worten beschrieben wird (V, 1 Z. 226 f.): »One face, one voice, one habit and two persons! A natural perspective that is and is not!« Und (ebd., Z. 233 f.): »How have you made division of yourself? An apple cleft in two is not more twin than these two creatures.« In G. B. Della Porta: Teatro (2000–3), Bd. 2, S. 185–189 (Fantesca, IV, 8 und 9) findet sich ein dem Candelaio ganz ähnlicher Szenenaufbau.

lxxx

sergius kodera

selbst die Nuancen der Weichheit und der Wärme wiedergäbe und die besondere Art, wie du dich bewegst, und auch deine Seele und dein Denken hineinsetzte, wie sie dir eigen sind, wenn er also, mit einem Wort, alles, was du an dir hast, noch einmal völlig gleich neben dich hinstellte – wäre es dann ein Kratylos oder wären es zwei Kratylos? […] Alles wäre ja dann zweifach und man könnte nicht mehr sagen, welches das Ding selbst und welches der Name ist.172

Diese Stelle ist insofern von strategischer philosophischer Bedeutung, als auch im Kratylos ein Rätsel bleibt, wie die Natur der Dinge zu begreifen ist, solange menschliche Erkenntnis notwendig auf die Vermittlung potentiell täuschender Namen und Abbilder angewiesen bleibt.173 Diese Problematik überschneidet sich mit einer für Bruno zentralen Fragestellung: Die rationale Organisation der Welt muß sich in einer rationalen Sprache und in einem der Natur analog strukturierten Gedächtnis ausdrücken, wenn das Denken zu wahren Sätzen kommen soll. Dies führt einmal mehr zurück zu Umbris, worin Bruno betont, daß sich in der Natur nichts völlig gleicht, weder ein Olivenbaum dem anderen, noch daß ein Mensch einem anderen gänzlich ähnlich ist, ja nicht einmal die menschliche Identität über einen ganzen Tag aufrechtzuerhalten ist und daher die absolute Ähnlichkeit auch bei der Organisation des Gedächtnisses zu vermeiden ist, weil diese nicht der Natur konform ist.174 Die Vorstellung totaler Identität ist daher falsch oder

172

Kratylos 431b–432a; übers. Platon: Spätdialoge (1974), Bd. V, S. 401. Zu Brunos Konzepten für eine wissenschaftliche Sprache siehe H. Gatti: Giordano Bruno and Renaissance science (1999), S. 200 f. 173 Siehe Kratylos 438e und W. K. C. Guthrie: A history of Greek philosophy (1978), Bd. V, S. 29 f. 174 Umbris, OL II/1, S. 75: »Varie sunt in speciebus individuorum figurae: non enim alter olea alteri oleae prorsus est configurata; non alter homo prorsus alteri similis.« Cantus, OL II/1, S. 240: »Sicut enim natura ipsa abolet similitudinem, ipsam (de similitudine numerali loquor) ita & ars. Numquam enim natura duos homines similes constitutit, imo nec unum hominem omnino similem perseverare facit, sed quem mane sumpsit ut unum, vespere sumit

einleitung

lxxxi

irreführend. In der Verwechslungsszene zwischen Gioan Bernardo und Bonifacio verbindet sich die Visualisierung eines zentralen Lehrsatzes der ars memorativa und (gleichzeitig) der Naturphilosophie Brunos mit einer komischen Inszenierung auf der Bühne.175 Zugleich wird unterstrichen, daß eine geringfügige Änderung an einem mnemonischen Bild zu folgenreichen Verwechslungen führt: Als die Wache Bonifacios falschen Bart konfisziert, also nur ein winziges Attribut an der Gestalt verändert, klärt sich die Situation sofort. Corcovizzo Und schon ist der Bart dieses Ehrenmannes in meiner Hand. Sanguino Sag mir, Ehrenmann, ist dies dein Bart? Barra Signore ja, es ist seiner, denn er hat ihn gekauft. Sanguino Nun wissen wir, daß er der falsche ist; führt ihn also ab […]. (V, 10)

In dem Augenblick, da Gioan Bernardo die Kontrolle über das Spiel zu verlieren droht (V, 5 und 6), wird ein weiterer zentraler Lehrsatz der ars memorativa exemplifiziert: Es geht darum, die richtigen Gestalten mit den ihnen zugehörigen Attributen zur rechten Zeit am rechten Ort positioniert zu haben, denn die Verkehrung oder Verschiebung der Attribute führt ins Chaos.176 Diese Beispiele zeigen, auf welch vergnügliche und zugleich instruktive Weise manche Szene im Candelaio als Illustration, ja Betriebsanleitung für die Lehrsätze von Brunos Mnemonik und der mit ihr verbundenen Naturphilosophie fungieren kann.

sensualiter ut alterum.« Vgl. auch Causa, BW III, Kommentar S. 397 f., 447 f. zum Individuums-Begriff und zur ›contractio‹. 175 H. Gatti: Giordano Bruno and Renaissance science (1999), S. 186 und S. 189, schreibt in diesem Zusammenhang treffend, daß Brunos Denken sich nicht auf die Schau der ewigen Ideen, sondern auf die Erkenntnis des konkreten Einzeldinges in Raum und Zeit konzentriert, da seine Wissenschaft sich (angesichts des infiniten Universums) der platonischen Aufstiegsmetaphorik entledigt hat. 176 Cantus, OL II/1, S. 239.

lxxxii

sergius kodera

Die Protagonisten der Komödie erstarren zu mnemonischen Schaubildern, die mit neuen Inhalten befrachtet werden können.177 So betrachtet ist Brunos Komödie auch als Sequenz von solchen Bildern zu verstehen, welche immer wieder durch erklärende Monologe unterbrochen werden. Dieser Aspekt kommt besonders deutlich im Proprolog zum Ausdruck, wo der »gehörnte Bonifacio« wie ein Fabeltier angekündigt und andere außergewöhnliche Personen und Ereignisse mit der stehenden Redewendung »Ihr werdet sehen […]« angepriesen werden. Aus dieser heute vielleicht fremdartig anmutenden Konzeption von Theater als Sequenz von (belehrenden) tableaux vivants ergibt sich eine Verbindung mit dem späteren Barocktheater. Albrecht Schöne hat gezeigt, inwiefern dessen Ausdrucksformen ein Naheverhältnis zu den in didaktischer Absicht verfaßten Kombinationen von Text und Bild in der Kunst der Emblematik aufweisen,178 eine Tradition der Verbindung von Bild und Text, die auch Bruno in den Furori als literarisches Medium einsetzt. Die im Candelaio auffällige Vertauschbarkeit der Figu-

177

Vgl. auch A. L. Puliafito-Bleuel: Comica pazzia (2007), S. 73 ff., wo die zentrale Rolle des Sehens im Candelaio betont wird. Die Autorin stellt außerdem richtig fest, daß besonders der fünfte Akt eine Aneinanderreihung grotesker Bilder ist (vgl. ebd., S. 72). 178 »Ein fester Bühnenrahmen mit einem Portal, oft reich verziert, auch mit allegorischen oder mythologischen Figuren und Emblemen besetzt, faßt den Bühnenvorgang ein und präsentiert ihn als Bild. […] Wie aber die Bühne damit als pictura erscheint, begegnen umgekehrt in den Impresensammlungen und Emblembüchern picturae in durchaus bühnenähnlicher Fassung.« Die gemalten Kulissen dienen als Ebenbild der Unbeständigkeit der weltlichen Dinge. A. Schöne: Emblematik und Drama im Zeitalter des Barock (1968), S. 223 und 225. Im Trauerspiel des 17. Jahrhunderts ging es darum, etwas Bestimmtes anzusehen, zur Schau zu stellen. »Nicht um Handlungsdynamik und individualisierende, motivierende Charakterzeichnung war es dieser Dramatik zu tun, sondern um die Schaustellung exemplarischer Figuren, beispielhafter Vorgänge und die Kundgabe ihrer Bedeutung, um bildhafte Eindruckskraft und rhetorische Wortgewalt. Als lebende pictura, als sprechendes Icon, agierende Imago (um die Bezeichnungen der Emblematiker für den Bildteil ihrer Darstellungen aufzunehmen) steht die dramatische Figur auf dem Schaugerüst […]« (ebd., S. 220).

einleitung

lxxxiii

ren hat also eine konkrete Anwendung in der Universalkombinatorik und der Gedächtniskunst.

Tre in uno In diesem Sinne sind die Protagonisten des Stückes, wie Bruno in Inhalt und Anordnung der Komödie betont, durch fehlgerichtetes sexuelles Begehren, falsches Wissen und anachronistische Sprache miteinander verbunden: In der vorliegenden Komödie sind vor allem drei Stoffe ineinander verwoben: die Liebe Bonifacios, die Alchemie Bartolomeos und die Pedanterie Mamfurios. Deshalb berichten wir, um die verschiedenen Sujets, die Gründe der Ordnung und die kunstvolle Verknüpfung deutlich kenntlich zu machen, von jedem einzelnen, erstens von dem läppischen Liebhaber, zweitens dem garstigen Geizhals, drittens dem tölpelhaften Pedanten: Von diesen ist der Läppische nicht ohne Garstigkeit und Tölpelhaftigkeit, der Garstige ist ebenso läppisch und tölpelhaft, und der Tölpelhafte ist nicht weniger garstig und läppisch wie tölpelhaft.

Typisch für Brunos ironische Verkehrungen ist, daß im Candelaio eine Kombinatorik der Laster, nicht der Tugenden, das mnemonische System exemplifiziert (dies wohl auch deshalb, weil die imagines der Gedächtniskunst möglichst einprägsame Bilder zu sein hatten). Der Nolaner wird in seinen Schriften auch Tiere wie das Schwein oder den Esel ins Zentrum solcher Räder stellen. Die oft zitierte Passage ist in mehrerlei Hinsicht aufschlußreich: Nuccio Ordine konnte zeigen, inwiefern Bruno hier direkt auf Platos Philebos (47d–50e) zurückgreift. Dort werden die wesentlichen Elemente der Komödie in Abgrenzung von der Tragödie beschrieben. Die Unfähigkeit der Protagonisten, sich selbst zu erkennen, erzeugt Heiterkeit im Publikum: Genauer gesagt handelt es sich um eine gefährliche Unwissenheit, die zur Fehleinschätzung der eigenen Reichtümer (Bartolomeo), körperlichen Schönheit (Bonifacio) und, am häufigsten, geistigen Bildung (Mamfurio) führe bzw. durch diese Untugenden exemplifiziert werde. Unter diesem Aspekt betrach-

lxxxiv

sergius kodera

tet findet sich im Candelaio eine konkrete Umsetzung der platonischen Theorie.179 Diese Passage ist also ein Hinweis auf die ars combinatoria, jene Kunst, die Bruno in der Schrift Umbris zur Ausbildung des Gedächtnisses verwendet. Anna Laura Puliafito-Bleuel hat den einleuchtenden Vorschlag gemacht, daß die schlechten (und untereinander kombinierbaren Eigenschaften) der drei negativen Protagonisten als drei Scheiben auf einem solchen lullischen Rad zu denken sind.180 Tatsächlich finden sich auch bei Lullus häufig Textstellen, in denen solche ineinander konvertierbare trinäre Begriffstrukturen (z. B. intellecus, bonum und pulchrum) eine wichtige Rolle spielen. Der Erfinder der Universalkombinatorik beschreibt etwa in einem Kapitel des Liber contemplationis Deum seine Vision drei schöner, nobler Jungfrauen. Sie sind Verkörperungen von memoria, intellectus und voluntas und werden in den folgenden Worten charakterisiert: »[…] die Erste erinnert das, was die Zweite intellektuell erfaßt und die Dritte will, die Zweite versteht das, was die Erste erinnert und die Dritte will, und die Dritte will das, was die Erste erinnert und die Zweite intellektuell versteht.«181 Demzufolge sind diese damigelle Verkörperungen dreier Aspekte einer Person. Es handelt sich (nota bene!) im lullischen Text um eine trinitarische, also um eine religiös überformte Struktur.182 Aus der Perspek179

Vgl. N. Ordine: La soglia dell’ombra (2003), S. 46–51, und ders. in: U, S. 43–47. 180 A. L. Puliafito-Bleuel: Comica pazzia (2007), S. 114 ff. 181 »[…] & prima memoret id, quod secunda intelligit, & tertia vult, & secunda intelligat id, quod prima memorat, & tertia vult, & tertia velit id, quod prima memorat et secunda intelligit.« Raimundus Lullus: Opera (1965), Bd. X, S. 530 (Liber contemplationis Deum, Liber V, Distinctio XL, Cap. CCCLIV); vgl. F. A. Yates, Art of Memory (1969), S. 183; A. L. Puliafitto-Bleuel, Comica Pazzia (2007), S. 114 f. 182 Diese Dreiheit von Intellekt, Wille und Gedächtnis wird bereits von Augustinus in Verbindung mit dem Mysterium der Trinität konstruiert. De trinitate (1955), Bd. 2, S. 154 (lib. X, cap. 18): »Haec igitur tria, memoria, intellegentia, voluntas, quoniam non sunt tres vitae sed una vita, nec tres mentes sed una mens, consequenter utique nec tres substantiae sunt sed una substantia. Memoria quippe quod vita et mens et substantia dicitur ad se ipsam dicitur; quod vero memoria dicitur ad aliquid relative dicitur. Hoc de intellegentia

einleitung

lxxxv

tive dieses theologischen Zusammenhangs, in welchem die Universalkombinatorik gepflegt wurde, gerät die oben zitierte Passage über die Vertauschbarkeit der negativen Protagonisten im Candelaio daher zum ironischen Kommentar der Trinitätslehre.183 Unter der Perspektive der ars combinatoria werden Bonifacio, Bartolomeo und Mamfurio mit ihren verachtenswerten Eigenschaften zum ironischen Vexierbild des christlichen Mysteriums der Dreieinigkeit des Schöpfers. Diese Dreierstrukturen haben auch noch in anderer Hinsicht eine wichtige Funktion im Candelaio. Man könnte so weit gehen zu sagen, daß Bruno nicht nur die in seinen Augen falsche Auffassung der christlichen Trinitätslehre kritisiert, sondern daß er noch einen Schritt weiter geht. In gewohnt sarkastischer Art weist der Candelaio nämlich auch auf eine sozusagen genuin nolanische Dreifaltigkeit, in welcher die Materie eine fundamentale Rolle spielt. Der Gauner Barra beschreibt das für die Komödie zentrale Verhältnis zwischen Maler, Dummkopf und

quoque et de voluntate dixerim, et intellegentia quippe et voluntas ad aliquid dicitur. Vita est autem unaquaeque ad se ipsam et mens et essentia. Quocirca tria haec eo sunt unum quo una vita, una mens, una essentia; et quidquid aliud ad se ipsa singula dicuntur etiam simul, non pluraliter sed singulariter dicuntur. Eo vero tria quo ad se invicem referuntur. […] Voluntas etiam mea totam intellegentiam totamque memoriam meam capit dum toto utor quod intellego et memini. Quapropter quando invicem a singulis et tota et omnia capiuntur, aequalia sunt tota singula totis singulis et tota singula simul omnibus totis, et haec tria unum, una vita, una mens, una essentia.« Bei Augustinus garantiert das Mysterium der Trinität Intersubjektivität, denn sie ist die Patria, in welche Christus als Straße führt; vgl. A. Milano: Persona in teologia (1984), S. 312. 183 Ihre Unbegreiflichkeit wird auch in der lullischen Kombinatorik thematisiert; vgl. z. B. Raimundus Lullus, Opera (1965), Bd. X, S. 534–539 (Liber contemplationis Deum, Liber V, Distinctio XL, Cap. CCCLV), wo drei Frauen der Eintritt ins Paradies so lange verwehrt wird, als sie nicht die folgenden Sätze erklären können: »unum in tribus, & tria in uno […] unum de tribus venit in unum, & in tria, […] unum & tria & unum sunt unum, […] unum est in duobus & duo in uno« (ebd, S. 534 f.). Eine Möglichkeit, das Rätsel zu lösen und ins Paradies einzutreten, besteht darin, zu erkennen, daß weder die memoria noch der intellectus das Rätsel lösen können, sehr wohl aber die Liebe des Willens, das Mysterium einfach zu glauben (ebd., S. 536).

lxxxvi

sergius kodera

Matrone (die in einer Doppelrolle mit der Prostituierten besetzt ist) mit der folgenden höhnischen Bemerkung: »Diese drei, zusammen mit der Frau, ergeben zwei, und eines im Fleische.« (V, 10) Hier kommt nicht nur der trinitarische Charakter der nächtlichen Verbindungen zwischen Carubina, Bonifacio und Gioan Bernardo in sehr humorvoller Art zum Ausdruck, sondern auch der Umstand, daß es sich um eine somatisch fundierte Relation handelt. In dieselbe Richtung deutet Scaramurés sarkastische Verabschiedung des Trios, wenn er sagt: »Gehen wir. Gott sei gelobt, der so Frieden und Eintracht zwischen Bonifacio, Madonna Carubina und Herrn Gioan Bernardo gestiftet hat: drei in einem.« (V, 23) Bedenkt man, daß es sich im Candelaio um eine dezidiert sexuelle Dreiecksbeziehung handelt, die demzufolge in größter Heimlichkeit stattfindet (weder will Bonifacio, daß man von seiner Schande erfährt, noch hat es Gioan Bernardo auf etwas anderes abgesehen als auf eine heimliche Liebschaft), so gerät ein berühmter Satz von Augustinus über die drei Personen der Gottheit zum sarkastischen Kommentar der nächtlichen Situation: »Dictum est ›tres personae‹ non ut illud diceretur, sed ne taceretur.«184 Ganz wie der Gauner Barra bezieht sich der Kirchenvater hier auf die Schwierigkeiten, die drei Personen der Gottheit zu unterscheiden.185 Folgt man dieser Lesung, so läßt sich sagen, daß der Nolaner in der Dreiecksbeziehung zwischen Narr, Maler und Matrone die christliche theologische Doktrin auf den Boden der Materialität des infiniten Universums stellt (wobei allerdings zu bedenken ist, daß ein solcher Boden in diesem unendlichen Weltall nicht existiert). Die Bruno hier unterstellte Lesart ist also nicht ausschließlich blasphemisch: Vielmehr scheint es, als würden in der gerade skizzierten Perspektive auch etliche genuin nolanische Themen verhandelbar. Augustinus sieht nämlich eine Analogie zwischen göttlicher Trinität und menschlicher Wahrnehmung. In dieser verschmelzen einerseits res (die 184

»Man spricht von ›drei Personen‹, nicht damit dies ausgesagt wird, sondern damit es nicht verschwiegen wird.« Vgl. De trinitate (1955), Bd. I, S. 448 (lib. V, cap. 9). 185 Vgl. De trinitate (1955), Bd. I, S. 526 (lib. VII, cap. 4): »quid tria vel quid tres sunt«.

einleitung

lxxxvii

Sache), visio (der Sehvorgang) und der Akt, in dem sich der spiritus (Lebensgeist) konzentriert (intentio/voluntas), und bleiben andererseits doch gleichzeitig (wie die Personen der Dreifaltigkeit) unterscheidbar.186 Der Kirchenvater schreibt, daß die Erkenntnis des anderen daher unter Menschen auf indirekte Weise erfolge: Der Geist schließt sich in seiner Reflexivität selbst ein, und Kommunikation ist auf einen Austausch von Zeichen beschränkt, der jeden Menschen auf sein Inneres zurückverweist, das uns allein lehrt.187 Solche Theoreme sind Bruno nicht fremd, denn auch er betont beispielsweise in einer vielzitierten Passage der Furori, daß die Naturerkenntnis in uns erfolgt und nicht außerhalb.188 Das ist für den Nolaner bekanntlich der eigentliche Sinn des Aktaion-Mythos und ein unhintergehbares Naturgesetz, welches auch Bonifacio zu spüren bekommt, wenn er seine Ehefrau im Dunkeln (nicht) erkennt, aber dabei große Schmerzen leidet. Die so gewonnene Erkenntnis bezieht sich beim Nolaner allerdings auf deus sive natura und nicht auf den transzendenten Schöpfergott oder auf

186

De trinitate (1955), Bd. II, S. 162 (lib. XI, cap. 2): »Cum igitur aliquod corpus videmus, haec tria, quod facillimum est, consideranda sunt et dignoscenda. Primo ipsa res quam videmus sive lapidem sive aliquam flammam sive quid aliud quod videri oculis potest, quod utique iam esse poterat et antequam videretur. Deinde visio quae non erat priusquam rem illam obiectam sensui sentiremus. Tertio quod in ea re quae videtur quamdiu videtur sensum detinet oculorum, id est animi intentio. In his igitur tribus non solum est manifesta distinctio sed etiam discreta natura.« 187 De trinitate (1955), Bd. II, S. 142 (lib. X, cap. 8): »Cum ergo sit mens interior, quodam modo exit a semet ipsa cum in haec quasi vestigia multarum intentionum exerit amoris affectum. Quae vestigia tamquam imprimuntur memoriae quando haec quae foris sunt corporalia sentiuntur ut etiam cum absunt ista, praesto sint tamen imagines eorum cogitantibus. Cognoscat ergo semetipsam, nec quasi absentem se quaerat, sed intentionem voluntatis qua per alia vagabatur statuat in se ipsa et se cogitet. Ita videbit quod numquam se non amaverit, numquam nescierit, sed aliud secum amando cum eo se confudit et concrevit quodam modo, atque ita dum sicut unum diversa complectitur, unum putavit esse quae diversa sunt.« Vgl. A. Milano: Persona in teologia (1984), S. 34. 188 Vgl. Furori, DI, S. 1006–1009.

lxxxviii

sergius kodera

seinen »falschen Merkur«, Christus.189 Überträgt man dies auf die Leidensgeschichte Christi, wird ein spöttisch-blasphemischer Kommentar zum Martyrium des Erlösers offensichtlich: Seine Leiden waren sinnlos, denn er verkannte die Göttlichkeit der materiellen Schöpfung, die Schönheit »seiner« Diana. Für Bruno bleibt also die menschliche Erkenntnis dem Körperlichen verhaftet und ist sexuell konnotiert. Zumindest auf der tragikomischen Bühne strebt der Nolaner also offensichtlich eine Revision der religiösen Strukturen an. Dies verbindet sein Denken mit Niccolò Machiavelli.

Machiavelli im Candelaio Zwar erwähnen Brunos Schriften Machiavelli nie namentlich,190 dennoch hat der große florentinische Philosoph im Candelaio mehrere Auftritte, und dies zum Teil an durchaus spektakulären Orten. Einer der augenfälligsten ist jene Rede im fünften Akt, in der Gioan Bernardo erklärt, wie es ihm gelungen ist, Madonna Carubina zu erobern. Das

189

Über diesen schreibt Bruno im Spaccio, BW V, S. 370: »[…] facendoli credere che il bianco è nero, che l’intelletto umano […] è una cecità; e ciò che secondo la raggione pare eccellente, buono ed ottimo: è vile, scelerato et estremente malo; che la natura è una puttana bagassa, che la legge naturale è una ribaldaria […].« Bruno könnte sich hier z. B. auf die Invektive gegen die Natur in der Imitazione di Cristo III, 54, 3, beziehen: »La natura è astuta e maliziosa e piglia ed inganna e sempre sé per suo fine ha.« [Thomas von Kempen: De imitatione Christi (1966), S. 372 (lib. 3, cap. 54, § 3). »Natura callida est et multos trahit, illaqueat, et decipit, et se semper pro fine habet …«]. 190 Dies kommt allerdings durchaus häufig bei Autoren vor, die eine intellektuelle Affinität zur Philosophie des Nolaners haben. Wie M. A. Granada: Maquiavelo y Giordano Bruno (1998), S. 179 mit weiteren Literaturhinweisen, treffend festgestellt hat, signalisiert die namentliche Nennung beim Nolaner – von Denkern wie Ficino, Cusanus oder Kopernikus – die gleichzeitige Abhängigkeit und den intellektuellen Bruch. Der genannte Aufsatz ist auch eine gut lesbare Einführung in die Thematik. Über die Verbindungen Brunos zu Machiavelli vgl. auch N. Ordine: Teatro e conoscenza (2005), S. 532. Zur Präsenz Machiavellis in der Cabala vgl. BW VI, S. LXXXVIII ff.

einleitung

lxxxix

folgende Zitat hat deutliche Anklänge an das berühmte 25. Kapitel des Principe:191 Wenn daher das Gut, das ich an diesem Abend besessen habe, mir nicht von den Göttern und von der Natur zugestanden worden wäre, so gut als es mir von Fortuna verwehrt blieb, so hat mir doch das Urteilsvermögen die Gelegenheit gewiesen; die Geschicklichkeit hat mir erlaubt, sie bei den Haaren zu packen, und die Ausdauer, sie festzuhalten.

Das Thema der günstigen Gelegenheit, die im richtigen Augenblick zu ergreifen ist, wird den Nolaner auch in den folgenden Jahren beschäftigen; so finden sich etwa im Spaccio ganz ähnliche Überlegungen.192 Im Candelaio erklärt Gioan Bernardo auch gleich mit einem Satz, der unmittelbar auf das obige Zitat folgt, wie man die Dinge anzupacken hat. Dafür braucht es einen wohlüberlegten Plan, dem die Akteure genau zu folgen haben. Bei allen diesen Geschäften besteht die Schwierigkeit darin, daß der Kopf durchgeht, denn der Rumpf und der ganze Körper folgen mit Leichtigkeit. Ich bin mir sicher, daß es für die Zukunft zwischen mir und Carubina keiner großen Untersuchungen, Vorreden, Diskurse, Überlegungen und Argumente bedarf. (V, 19)

191

Vgl. N. Machiavelli: Il Principe (1995), S. 167 (cap. 25), wo Fortuna als eine Frauenfigur dargestellt wird, die es liebt, sich gewalttätigen (jungen) Männern zu unterwerfen; vgl. auch N. Ordine: La soglia dell’ombra (2003), S. 110; s. a. unten, Anm. 207. Eine andere relevante Stelle findet sich ebenfalls in N. Machiavelli: Il Principe (1995), S. 33 (cap. 6, § 10): »Ed esaminando le azioni e vita loro non si vede che quelli [sc. Ciro, Romulo, Teseo] avessino altro da la fortuna che la occasione, la quale dette loro materia e potere introdurvi dentro quella forma che parse loro: e sanza quella occasione la virtù dello animo loro si sarebbe spenta e sanza virtù la occasione sarebbe venuta invano.« 192 Vgl. Spaccio, BW V, S. 246 ff., wo Bruno ganz ähnlich formuliert: »Scaccia la Disavventura, apprendi la Fortuna pe’capelli; affretta quando meglio ti pare il corso della sua ruota: e quando ti sembra bene, figigli il chiodo, acciò non scorra.«

xc

sergius kodera

Auch bei Machiavelli findet sich die Idee, daß, wer sich durch große Anstrengung zur Herrschaft aufschwingt, diese zwar unter erheblichen Schwierigkeiten erwirbt, seine Macht in der Folge allerdings leicht erhalten kann.193 Wie Bruno entwickelt der Florentiner diese Ideen nicht nur in seinen politischen Schriften, sondern auch auf der Bühne. Callimaco, der männliche Protagonist in Machiavellis Mandragola, beschreibt den Ausgang einer intrigenreichen Liebesaffäre in ganz ähnlichen Worten wie Gioan Bernardo im Candelaio.194 Diese metaphorische Engführung von Politik und Sexualität ist nicht nur für beide Autoren charakteristisch, sondern zeittypisch. Die verführte Frau ist metonymisch eine eroberte Stadt; umgekehrt wird der militärisch unterlegene Gegner als Opfer sexueller Vergewaltigung imaginiert. Die Dramen der Sexualität und der Politik sind damit in ein und derselben Sprache erörterbar. Spätestens hier wird das Ausmaß offensichtlich, in dem Politik bei Machiavelli und Bruno als Diskurs (gewalttätiger) Verführung zu begreifen ist.195 Eine Szene aus dem zweiten Akt des Candelaio gibt ein instruktives Beispiel für das Ausmaß, in dem beide Diskurse ineinander konvertierbar sind. In II, 5 erzählt Sanguino eine zotige Fabel mit politischem Gehalt: Sie handelt vom Esel und dem Löwen, die »nach Rom gingen« und zu diesem Zweck den Fluß Garigliano überqueren mußten. Da sie »weder Kahn noch Brücke vorfanden«, mußten die Tiere den Fluß durchwaten, wobei zunächst der Esel den Löwen auf den Rücken nahm 193

Vgl. N. Machiavelli: Il Principe (1995), S. 35 (cap. 6, § 16): »Quelli e’ quali per le vie virtuose […] diventono principi, acquistano el principato con difficultà, ma con faciltà lo tengono […]« Vgl. auch ebd., § 29. 194 Vgl. für die ganze Passage auch N. Machiavelli: Mandragola (2006), S. 51 f. (V, 4). 195 Vgl. G. Bruno: Magia, OL III, S. 491, und Vinculis, OL III, S. 696 f. Diese Vorstellung ist von großer Popularität und findet sich sogar in Ficinos Symposionkommentar, wo Eros als erfinderischer Fallensteller und Sophist bezeichnet wird: »[…] sagaxque venator, nova machinamenta sempre contextens […] per omnem vitam incantator, fascinatorque, potens veneficus atque sophista.« M. Ficino: De amore (1956), S. 213 (VI, 9). Bezeichnenderweise verwendet die italienische Übersetzung aus dem 15. Jahrhundert das Wort uccellatore für venator.

einleitung

xci

und sich auf dem Heimweg dann vom Löwen tragen ließ. Um aneinander Halt zu finden, verwendeten beide Tiere unterschiedliche Körperteile: der Löwe seine noblen Krallen, die er gnadenlos in den Rücken des Esels schlug; dieser konnte seinerseits nur nehmen, was ihm die Natur zur Verfügung gestellt hat. Um nicht abzurutschen, steckte er sein (sprichwörtlich großes) Geschlechtsteil in den Anus des Königs der Tiere. Die Sache ergab sich, so das Fazit der Geschichte, gerade günstig für das niedrige und dumme Tier, dem es auf diese Weise gelang, den Löwen zu schänden. Sanguino faßt die fabula mit den folgenden Worten zusammen: »Omnio rero vecissitudo este [Alle Dinge verwandeln sich].« Und keiner ist ein so großer Esel, daß er die sich bietende günstige Gelegenheit (occasione) nicht manchmal ausnützt.

Am Ende dieser obszönen Geschichte werden also keine Moralvorstellungen erläutert, sondern die Wechselfälle des Geschicks ins Spiel gebracht. Die vicissitudo ist wie erwähnt für den Nolaner eine fundamentale naturphilosophische Denkkategorie. Die merkwürdige und als Zitat gekennzeichnete Wortwahl Sanguinos ist auch als ein präziser Hinweis auf die Philosophie von Niccolò Machiavelli zu lesen.196 Denn der Florentiner diskutiert diese Begriffe sowohl im Principe als auch in den Discorsi. Hier fungieren vicissitudo und der richtige Augenblick, die günstige Gelegenheit (occcasione), als grundlegende politische Kategorien. An ihnen hat sich das Individuum (oder die Bürgergemeinschaft) zu orientieren, denn wer die occasione erkennt und nutzt, kann dort spektakuläre Erfolge erzielen, wo diese niemand erwartet hätte. In diesem Zusammenhang analysiert Machiavelli eindrückliche Beispiele

196

»Omnium rerum vicissitudo est.« Dieses (verdrehte) Zitat kommt in verschiedenen Zusammenhängen auch in L. B. Alberti: Momus (2003), S. 60 (lib. 1, § 63 f.), oder in den Adagia des Erasmus I, 7, 63 (Sp. 286A), vor. Ähnliche Aussagen werden Heraklit zugeschrieben (vgl. Platon, Kratylos 402a, Aristoteles: Physik 253b9). Für eine lesenswerte Zusammenschau über die Entstehung und Verwendung des Begriffs vicissitudo bei Bruno vgl. M. A. Granada: Reivindicación de la filososofia (2005), S. 245–258.

xcii

sergius kodera

aus der Geschichte Italiens um das Jahr 1500 wie z. B. die erstaunliche militärische Effizienz von Papst Julius II.197 Die Fortuna ist hier das Ergebnis der Eigeninitiative des Individuums, der virtù.198 Diese ist, dem Wortgebrauch der Zeit entsprechend, nicht nur als »Tugend« im Sinne von moralischer Qualität zu verstehen, sondern vielmehr als eine natürliche »Wirkkraft«, die grundlegende Eigenschaft eines Gegenstandes oder die (physiologisch bedingte) Veranlagung eines Lebewesens. Deshalb kann das politische Individuum mit seiner spezifischen virtù auch – und gerade – ehrlose Dinge vollbringen. In diese spezifisch somatische Konzeption des Tugendbegriffs paßt es, daß der politisch erfolgreiche Fürst (principe) an der eigenen Unfähigkeit, mit der Zeit zu gehen, scheitert. Aufgrund seiner virtù ist er zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr in der Lage, sich den geänderten historischen Umständen anzupassen.199 In der zotigen Geschichte von Esel und Löwe im Candelaio findet sich also eine zeitgenössische politische Doktrin reflektiert. Sie ist in der Begriffswelt gewalttätiger Sexualität formuliert, mit dieser geradezu vertauschbar. Der durchaus groteske, zugleich diskrete und obszöne Auftritt Machiavellis im Candelaio ist auch aus einem konkreten historischen Zusammenhang nicht verwunderlich. Er ist mit Brunos Aufenthalt in Paris verbunden. Der französische König Henri III., dem das Stück gewidmet ist, hatte nicht nur großes Interesse am Principe und an den Discorsi, sondern befand sich in einer schwierigen politi197

Vgl. N. Machiavelli: Il Principe (1995), S. 166 f. (cap. 25, § 18–24); ders.: Discorsi (1999), S. 495 ff. (lib. 3, cap. 9, bes. § 15 f.). 198 Vgl. auch N. Ordine: Vangelo armato (2006), S. 191 ff., wo auf die Nähe zwischen Mandragola, IV, 2, und Candelaio, V, 19, hingewiesen wird. Ordine unterläßt es allerdings, die inhärente Spannung zwischen dem Wirken der Fortuna und dem individuellen Streben des Menschen, die von Bruno (und Machiavelli) thematisiert wird, weiter zu diskutieren, auch wenn er die einschlägigen Zitate nennt (Mandragola, I, 3). 199 Vgl. z. B. die Aussagen zu Kaiser Septimius Severus in N. Machiavelli: Il Principe (1995), S. 130 (cap. 19, § 41), und ders.: Discorsi (1999), S. 186 (lib. 1, cap. 60, § 2 f.). Vgl. auch die anregenden Ausführungen in G. Ruggiero: Machiavelli in Love (2007), S. 184. Zur ständigen Bewegung vgl. N. Machiavelli: Discorsi (1999), S. 78 f. (lib. I, cap. 6, §34).

einleitung

xciii

schen Lage.200 Wie bislang noch niemandem aufgefallen zu sein scheint, verbirgt sich im Candelaio eine ganz konkrete politische Botschaft an den Herrscher. Sie erschließt sich aus der Betrachtung der örtlichen Details, die im Theaterstück (wie in der ars memorativa auch) eine wichtige Rolle spielen. Die beiden Tiere wollten »nach Rom gehen« und hatten dabei den Fluß Garigliano mehrfach überquert: Esel und Löwe wollten also in das Herz der Halbinsel, in die Hauptstadt des antiken römischen Imperiums und des Papsttums.201 Genau das hatten die Heere der Spanier und der Franzosen in Machiavellis Zeit versucht, um so die Herrschaft über ganz Italien zu gewinnen; beide Mächte nahmen dabei den Weg über Neapel, das Ende des 15. Jahrhunderts kurzzeitig von den Franzosen erobert wurde. Diesen brachte Consalvo Fernandéz di Corduba (1443–1515), »el Gran Capitán«, nach langwierigen Auseinandersetzungen an keinem anderen Ort als dem Fluß Garigliano die entscheidende Niederlage bei. Sie sollte die Macht von Ferdinand dem Katholischen (und damit der spanischen Krone) im südlichen Italien für die folgenden Jahrhunderte zementieren. Vor diesem historischen Hintergrund ist es daher nicht ohne Ironie, wenn der (ohnedies antispanisch gesinnte) Bruno die Auseinandersetzung um seine Heimat für den französischen König als eine Konfrontation von sodomitischen Eseln und noblen, aber geschändeten Löwen inszeniert.202 Diese historische Niederlage wird allerdings durch den Hinweis auf die vicissitudo relativiert, also darauf, daß sich die politische Situation ändern muß und daß daher bald dem König der Tiere (demzufolge Henri III.) eine ihm gemäße Stellung zuteil werden kann, weil auch die Macht der Spanier nicht ewig währen kann. Dieser vicissitudinale Wechsel ist auf der Handlungsebene des Stückes mehrfach, z. B. in der Persona Sanguinos, gespiegelt: Als Capitano (Palma, nicht Ferrante) verkleidet, wird er aus

200

Vgl. dazu etwa N. Ordine: Vangelo armato (2007), S. 190. 201 Vgl. dazu N. Machiavelli: Il Principe (1995), S. 22 ff. (cap. 3 § 42–49). Zur destabilisierenden Rolle, die der Kirchensaat in Machiavellis Augen für die italienische Halbinsel spielte, vgl. N. Machiavelli: Discorsi (1999), S. 94–97 (lib. 1, cap. 12). 202 Zu Brunos antispanischer Haltung vgl. z. B. P. Sabbatino: A l’infinito (2004), S. 89 f.

xciv

sergius kodera

Rache den Schulmeister prügeln und berauben. Wie auch immer man Brunos politischen Optimismus und seine damit einhergehende historische Fehleinschätzung bewerten will, so sind doch mehrere Aspekte augenfällig: zunächst, daß sich der Nolaner hier auf schon länger zurückliegende (und, soweit ich sehen kann, nur indirekt von Machiavelli kommentierte203) Ereignisse, nicht aber auf vordergründige Tagespolitik bezieht. Vielleicht wollte Bruno dem Publikum das schon durch den Abstand der Zeit verschmerzte politische Ereignis durch ein namedropping vergegenwärtigen, nämlich durch die Erwähnung des Flußes Garigliano. Er bildet die politische Verbindung aus Paris in das ferne Neapel, in dem sich auch für den Nolaner das Blatt zu wenden scheint, wie dies schon aus der Zueignung des Candelaio an die Signora Morgana abzulesen ist. Die diskrete, scheinbar belanglose historische Situierung der Geschichte steht also nur scheinbar in krassem Gegensatz zur derben fabula, die von vendetta und Vergewaltigung handelt und damit den konkreten politischen Zusammenhang erst auf den zweiten Blick offensichtlich macht. Der hier skizzierte geschichtliche Kontext und die mit ihm verbundene Botschaft erschließen sich allerdings nur dem aufmerksamen Leser, wohl nicht dem Zuseher im Theater. Dies ist ein weiterer Beleg für die textuelle Multidimensionalität des Candelaio: Der Nolaner übernimmt Motive von Machiavelli (vicissitudo, occasione), stellt sie auf die Pariser Bühne und adaptiert sie für seine satirische Darstellung der heimatlichen politischen Agenda, für

203

Ferrante (eigentlich Fernández) de Corduba kommt auch in N. Machiavelli: Discorsi (1999), S. 125 (lib. 1, cap. 29, § 13), vor, und zwar als Eroberer des Königreichs Neapel. Für den Florentiner ist er ein gutes Beispiel für das Wirken der universellen vicissitudo (und der Undankbarkeit des Princeps), weil der »Gran Capitano« für seine Heldentaten durch Ferdinand von Aragón nicht belohnt, sondern nach Spanien zurückgeholt und dort politisch kaltgestellt wurde (vgl. auch die Anm. ebd., S. 242). Zur Kriegsführung um das Königreich Neapel vgl. z. B. Il Principe (1995), S. 23 (cap. 3). Für eine ausführliche zeitgenössische Beschreibung der Kampfhandlungen am Garigliano und die Trauer in Frankreich über die schweren Verluste vgl. F. Guicciardini: Opere (1953), S. 634–664 (Storia d’Italia, lib. 6, cap. 7), und ebd., S. 664 (7, 10).

einleitung

xcv

seine vehemente Kritik an der spanischen Herrschaft im südlichen Italien. Sanguino, der die Zote erzählt und kommentiert, gehört im Candelaio zu den Schlauen, aber auch die Dummen bieten instruktive, allerdings negative Exempel machiavellistischer Theoreme. Im gesamten Candelaio ist Bonifacio ein besonders dankbares und daher komisches Opfer der unausweichlichen Verquickung von Dummheit, Faulheit, Feigheit und Erfolglosigkeit. Kein Wunder also, wenn er auch als negative Verkörperung machiavellistischer Prinzipien herhalten muß. Der Schwachkopf vermeint nämlich, daß der vorteilhafte Ausgang einer Angelegenheit nur vom Schicksal (sorte) abhängt und daher deren rationale Analyse im Vorhinein unnötig ist (IV, 5).204 Bezeichnenderweise nimmt Machiavelli im Principe die gegenteilige Position ein, wenn er sagt, daß die Menschen nicht ausschließlich vom Schicksal gelenkt werden. Wir sind vielmehr in der Lage, gegen die widrigen Geschicke in Perioden des Glücks vorzubauen, und zwar in der Art, wie geordnete Staatswesen hochwasserführende Flüsse in Trockenzeiten durch Dammbauwerke sichern.205 In Übereinstimmung damit spricht Gioan Bernardo in obigem Zitat davon, daß es notwendig sei, sich alle Geschäfte zuerst durch den Kopf (»che passi la testa«) gehen zu lassen, dem der Körper dann mit Leichtigkeit folge (V, 19). Es handelt sich hier auch um eine durchaus witzige Replik auf I, 8, wo der Maler ja mit Bonifacio seinen Schabernack treibt, wenn er sagt: Es ist ein gutes Zeichen, wenn die Dinge durch den Kopf gehen. Schau zu, daß dein Kopf selbst nicht durch die Dinge geht, er könnte bei irgendeinem hängen bleiben, und das Gehirn müßte beim Abendessen vergeblich [auf den Kopf] warten. Dann müßte man sich wie jene Matrone mit der Laterne aufmachen, um nach dem Intellekt zu suchen.

204

In diesem Zusammenhang vertritt Bonifacio auch abfällige und für den Autor des Candelaio gefährliche Aussagen über die Entscheidungsfindung in der zeitgenössischen europäischen Politik. 205 N. Machiavelli: Il Principe (1999), S. 161 f. (cap. 25, § 1 f.). Machiavellis Position ist allerdings nicht konsistent: In Discorsi (1999), S. 372–74 (lib 2, cap. 29), spricht er der Fortuna wesentlich größere Macht über die Menschen zu.

xcvi

sergius kodera

Auch in einem anderen Zusammenhang erweist sich Bonifacio als negatives Abbild von Machiavellis politischen Idealen. In V, 17 gibt der Dummkopf nämlich zu, für seinen magischen Talisman – die vermeintlich durch Scaramuré verhexte Wachspuppe –, welcher die Signora Vittoria gefügig (und billig) hätte machen sollen, nicht das Haar der Angebeteten, sondern jenes der Ehefrau verwendet zu haben. Diese Szene ist selbstverständlich schon deshalb komisch, weil der Scharlatan Scaramuré Bonifacio hier erfolgreich einredet, selbst daran schuld gewesen zu sein, daß sein Zauber nicht gewirkt hat; und zwar deshalb, weil er einen schweren Verfahrensfehler in der magischen Kunst begangen hätte.206 Wieder ist es wichtig, genau auf den Wortlaut zu achten, wenn Bonifacio sagt: »Ich bin sicher, beim Krebs, der diese elende Hure meines Schicksals fressen soll. Die Haare sind von meiner Ehefrau […] Ich habe sie Samstagabend geschickt eingesammelt, während sie sich kämmte.« (V, 17) Diese Aussagen lesen sich geradezu als Karikatur des (klügeren) Verhaltens von Gioan Bernardo. Anstatt wie dieser mutig die Fortuna beim Schopf (und in der Folge Madonna Carubina an anderen Körperteilen) zu packen (ganz so wie es Machiavelli in der vielziterten Passage im Principe empfiehlt),207 sammelt der Dummkopf hinterrücks – und feige – das Haar der Ehefrau ein. Zudem spricht es für Bonifacios Mangel an virtù, daß er die widrige Fortuna wegen seines selbstverschuldeten Unglücks beschimpft. Es ist beachtenswert, daß die Gegenüberstellung der beiden Protagonisten im Candelaio in Form einer Visualisierung erfolgt, die – wie auch in den Techniken 206

Wenn wir bedenken, daß Matrone und Prostituierte in einer Doppelrolle besetzt sind, steigert dieser Umstand zusätzlich das Ausmaß, in dem Bonifacio irregeführt wird: und damit die Komik der ohnedies schon restlos absurden Situation, in welche der Dummkopf sich durch eigenes Verschulden gebracht hat. 207 Vgl. obiges Zitat aus dem Candelaio V, 19 und N. Machiavelli: Il Principe (1995), S. 167 (cap. 25, § 26 f.): »Io iudico bene questo, che sia meglio essere impetuoso che respettivo; perché la fortuna è donna ed è necessario, volendola tener sotto, batterla ed urtrala. E si vede che la si lascia piú vincere da questi, che da quegli che freddamente procedono: e però sempre, come donna, è amica de’ giovani, perché sono meno respettivi, più feroci e con più audacia la comandano.«

einleitung

xcvii

der ars memorativa – als Merkhilfe für abstrakte Inhalte dienen kann. Gioan Bernardo packt Carubinas Haar, Bonifacio sammelt es hinterrücks auf. Das bedeutet allerdings nicht, daß Heimlichkeit und inganno grundsätzlich zu verachtende Strategien wären, denn auch der Maler bedient sich ja verschiedenster Arten der Täuschung, um an sein Ziel zu gelangen. Auch bei Machiavelli geht es um die geschickte Manipulation des Sichtbaren, auf das die Mehrheit der Menschen bereitwillig hereinfällt. Das Augenfällig-Oberflächliche ist für die multitudo völlig ausreichend; die geschickte Handhabung des Scheins begünstigt den Machterhalt des Herrschers. Denn, so schreibt der Florentiner im 18. Kapitel des Principe, »[…] die Menschen urteilen im allgemeinen mehr mit den Augen als mit den Händen: denn ein jeder kann sehen, fühlen aber können nur wenige: jeder sieht, was du zu sein scheinst, wenige fühlen, was du [wirklich] bist.«208 In Verkehrung der traditionellen Hierarchien der Sinne postuliert Machiavelli hier die Überlegenheit des Tastsinns. Aus philosophischer Perspektive schwingt in dieser Aufwertung der körperlichen Berührung gegenüber dem Sehen ein dezidierter Antiplatonismus mit, dem sich Bruno durchaus anschließen kann.209 Das spannungsgeladene Verhältnis von Sinneserfahrung und Erkenntnis wird folgerichtig auch im Candelaio gerade dort offensichtlich, wo es um physische Berührung geht. Also z. B. in dem Augenblick, in dem Gioan Bernardo versucht, Carubina zu verführen. Hier wird das Thema unter dem Aspekt der Ehre (onore) der Madonna verhandelt.

208

»E gli uomini in universali iudicano più alli occhi che alle mani; perché tocca a vedere a ognuno, a sentire a pochi: ognuno vede quello che tu pari, pochi sentono quello che tu se’ […].« N. Machiavelli, Il Principe (1995), S. 119 (cap. 18, § 17). Für eine Diskussion dieser Passage vgl. auch N. Ordine: Teatro e conoscenza (2005), S. 536 f. 209 Und zwar z. B. in der 1591 erschienenen Schrift Imaginum, OL II/3, S. 237; vgl. M. Ciliberto: Umbra profonda (1999), Kap. 2, bes. S. 279 f.; S. Ricci: Giordano Bruno nell’Europa (2000), S. 331.

xcviii

sergius kodera

Gio. Bernardo Leben meines Lebens, ich glaube gern, daß Ihr wißt, was Ehre, und erst recht, was Unehre bedeutet. Ehre ist nichts anderes als Wertschätzung und Ansehen; deshalb bleibt die Ehre stets bestehen, solange Wertschätzung und Ansehen unverändert dieselben bleiben. Ehre ist die gute Meinung, welche andere von uns haben: Solange diese besteht, besteht die Ehre. Und es ist nicht das, was wir sind und was wir tun, was uns ehrlos oder unehrbar macht, sondern vielmehr das, was die anderen meinen und von uns denken. (V, 11)

Die Dialektik von Sein und Schein ist hier an einem mächtigen sozialen Regulativ, der Ehre, ablesbar.210 Solange diese (im wahrsten Wortsinn) unangetastet bleibt, solange also niemand ihre Verletzung öffentlich wahrnimmt, existiert auch keine Schande, die gesellschaftliche Sanktionen nach sich ziehen könnte.211 In Scaramurés Deklamation über die Ehrbarkeit und die Verbreitung der Prostitution in Italien kommt diese Maxime ebenfalls deutlich zum Ausdruck.212 Anders als beim Po210

Zu diesem Thema und dem Zusammenhang zwischen onore und virtù vgl. die anregende Darstellung in G. Ruggiero: Machiavelli in love (2007), S. 175–191, der anhand einer Novelle von Boccaccio zeigt, inwiefern virtù die Grenzen der sozialen Klassen erodiert. Ruggiero schreibt ebd., S. 184: »But I would suggest that honor was generally a narrower concept more focused on social station and the virtually ontological status of a person – what a person was at deep level – whereas virtù, while also profoundly concerned with status, was more concerned with what a person did and thus focused on an evaluation of one’s abilities, prowess, and comportment in general.« 211 In Giambattista della Portas Komödie Fantesca V, 3 findet sich eine ganz ähnliche Stelle; vgl. G. B. Della Porta: Teatro (2000–3), Bd. II, S. 198: »L’ onor non è bianco né rosso, che si possa vedere: l’ onore sta nell’opinion degli uomini, però bisogna farlo secreto. È meglio esser tenuta buona e non esserci, ch’esser contaminata senza effetto.« Vgl. auch ebd., V, 5 (Bd. II, S. 200 f.). Solche Vorstellungen sind bereits in G. Boccaccio: Decameron (1974), S. 469 (VII, 4) angelegt, wo der gehörnte Ehemann die durchaus sarkastische Auffassung vertritt, daß, wenn er schon betrogen wird, dies auf eine Weise geschehen soll, die ihm unbemerkt bleibt. 212 G. Ruggiero: Machiavelli in Love (2007), S. 59, weist übrigens darauf hin, daß Sexualität gegen Ende des 16. Jahrhunderts im gegenreformatorischen Italien »had become something more serious«.

einleitung

xcix

litiker Machiavelli sind diese Annahmen bei Bruno allerdings noch in einer anderen Hinsicht intellektuell begründet. Denn für den Nolaner erkennen die Menschen die Dinge nicht an ihrer Essenz, sondern nur an jenen Akzidentien, die stets in kontingenter Form erscheinen. So wie im Candelaio Kleider (oder falsche Bärte!) Leute machen, so konstituieren diese oberflächlichen und durch die Sinne getroffenen Unterscheidungen in stetem Wechsel der Eindrücke die Dinge der Welt. Außerdem verweist der Tatbestand der potentiell täuschenden und veränderlichen Sichtbarkeit auf die permanente vicissitudo, der alle Dinge unterworfen sind.213 Aber nicht nur die These von der kontinuierlichen Veränderung aller Dinge und der Oberflächlichkeit der onore verbindet das Denken der beiden radikalen Philosophen, sondern auch die vehemente Kritik an den staatsfeindlichen, jenseitsorientierten Idealen des Christentums, jener Religion, die in Machiavellis Augen für den Niedergang des römischen Imperiums verantwortlich zu machen ist. Ihr wird die virtus romana, die als offizieller Kult die Bürger zu tapferen und dem Gemeinwohl verpflichteten Kriegern erzieht, als positives Bild gegenübergestellt.214 Im Einklang damit bezieht Bruno in der Cena eine averroistische Position, der zufolge die Entscheidungen der Philosophen den Theologen vorgeordnet sind. Letztere haben für alle anderen Menschen (den vulgus) jene Handlungsmaximen zu entwerfen, die sie auch zu guten Bürgern machen.215 Im Candelaio formuliert Gioan Bernardo diesen Vorstellungskomplex beim Versuch, Madonna Carubina zu verführen. Hier sagt der Maler, daß sich die Götter nicht um die Taten der Menschen kümmern:

213

Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, daß Bruno das Thema der onore auch im Spaccio, BW V, S. 162, weiterverfolgt; vgl. auch A. L. Puliafito-Bleuel: Comica pazzia (2007), Kap. 6. 214 Vgl. bes. N. Machiavelli: Discorsi (1999), S. 296–301 (lib. 2, cap. 2) und die dort herausgearbeiteten Widersprüche zwischen Christentum und Welt der Politik; für den Zusammenhang mit Bruno vgl. M. A. Granada: Maquiavelo y Giordano Bruno (1998), S. 174 ff. 215 Cena, DI, S. 47 ff.; M. A. Granada: Maquiavelo y Giordano Bruno (1998), S. 180 ff. mit zahlreichen Literaturhinweisen.

c

sergius kodera

Carubina Sei das mit den Menschen wie auch immer, [doch] was sagt Ihr hinsichtlich der Engel und der Heiligen, die alles sehen und darüber richten? Gio. Bernardo Die wollen nicht mehr gesehen werden, als sie sich sehen lassen; sie wollen nicht mehr gefürchtet sein, als sie Furcht einflößen; sie wollen nicht mehr erkannt werden, als sie sich zu erkennen geben. (V, 9)

In durchaus sarkastischem Tonfall charakterisiert Bruno die Überredungskünste seines alter ego im Candelaio als Versatzstücke epikureischer Philosophie.216 Allerdings findet sich diese Auffassung in modifizierter Form auch im Spaccio, wo der Nolaner davon spricht, daß sich die Götter nur insofern um uns sorgen, als dies für unser eigenes Fortkommen nützlich ist.217 Im unendlichen Universum sind die Menschen also auf sich allein gestellt und aufgrund ihrer beschränkten geistigen Fähigkeiten auch dafür anfällig, dubiosen Propheten zu folgen. Wie erwähnt war Christus für Bruno ein solcher falscher Messias.218 Der Nolaner bricht mit dieser betrügerischen Religion und ersetzt deren falsche Doktrinen durch die Philosophie vom unendlichen körperlichen Universum.219 Allerdings scheint diese Umwälzung aller Werte gewissermaßen im Stillen vor sich zu gehen. Für den vulgus soll alles gleichbleiben, die Namen sollen nicht geändert werden, denn ohne Re216

Wie Bruno in Inhalt und Anordnung der Komödie schreibt: »Damit (Szene 11) bleibt Carubina in den Klauen Gio. Bernardos, der (wie es bei jenen üblich ist, die brennend verliebt sind) versucht, mit allen Feinheiten der Epikureischen Philosophie (Amor nimmt die Angst vor Menschen und göttlichen Wesen) die Fessel des Gewissenszweifels zu durchtrennen, welche Carubina, die es nicht gewohnt ist, mehr als eine Suppe zu essen, hätte haben können.« Zu Bruno und Lukrez vgl. M. A. Granada: La reivindicacion de la filosofia (2005), S. 85–106. 217 Spaccio, BW V, S. 162; vgl. auch A. L. Puliafito-Bleuel: Comica pazzia (2007), S. 143. 218 Vgl. Cena, DI, S. 32: »Mercuri ed Apollini discesi dal cielo, con multiforme impostura han ripieno il modo tutto d’infinite pazzie, […] approvando e confirmado le tenebre cagliniose de’ sofisti ed asini […]« 219 Vgl. hierzu auch Spaccio, BW V, S. 162.

einleitung

ci

ligion als Regulativ für die unwissende Menge bricht das Chaos aus. Das Christentum soll also an seinem Platz bleiben, allerdings für die wissenden Menschen mit neuen, und zwar mit wahren philosophischen Inhalten befrachtet werden.220 Von dieser Warte aus betrachtet, findet die Aushöhlung christlicher Vorstellungswelten in Bonifacios Schicksal im Candelaio ihr (komisches) Abbild: Denn auch der Dummkopf lebt ja weiter wie bisher, nur daß seine falschen Doktrinen, unbemerkt von der Öffentlichkeit, völlig in ihr Gegenteil verkehrt wurden. Seine onore bleibt unangetastet, und trotzdem haben sich die Machtverhältnisse restlos zu Gioan Bernardos Gunsten verschoben. Dieser schläft nicht nur mit Bonifacios Ehefrau, sondern hat den Adligen von nun an auch zum einflußreichen (weil in der sozialen Hierarchie höherstehenden) Freund. Welches Programm für diese leise Revolution läßt sich nun an der Handlung des Candelaio ablesen? Eine Möglichkeit besteht sicherlich darin, die christliche Mythologie mit neuen Deutungshorizonten zu befrachten, also bekannte Bilder mit neuem Inhalt zu assoziieren: Diese Technik ist offensichtlich auch in der ars memorativa angelegt. Einen Schlüssel zum Verständnis dieser Frage bilden wie erwähnt die mit den Namen der Protagonisten assoziierten Hagiographien.

Zusammenschau Es hat sich gezeigt, daß Bruno mit dem Candelaio einen Text präsentiert, der unter vielen Aspekten gelesen werden kann und soll. Sein Entwurf einer liebevoll- und zugleich grausam-verkehrten Welt, in der nichts ist, wie es zu sein scheint, in der Prostitution, Betrug und Eitelkeit regieren und die Gauner die eigentlich Gerechten sind, erschließt sich zunächst als verwirrende, turbulente Komödie, in der die Gierigen, Reichen und Dummen von nicht minder gierigen, aber etwas schlaueren armen Ganoven übers Ohr gehauen werden, indem diese es verstehen, sich in täuschend ähnliche Abbilder ihrer Gegenspieler zu 220

Vgl. M. A. Granada: Maquiavelo y Giordano Bruno (1998), S. 193 ff., und Spaccio, BW V, S. 42 ff.; S. 404.

cii

sergius kodera

verwandeln (man denke nur an Sanguino, der perfekt den Polizeichef Palma mimt). Die Gauner bedienen sich daher derselben Methode wie Bonifacio, mit dem Unterschied, daß sie sich nicht in kompromittierenden Situationen erwischen lassen, die Schelme daher die Dialektik von Sein und nicht hintergehbarem Schein,221 die Kunst der Verkleidung, besser handhaben (Gioan Bernardo verführt Carubina, Bonifacio muß sich für einen Fehltritt entschuldigen, den er nicht begangen hat). Die gewaltige Materialflut (von den soziologischen Reden über Prostitution bis zu den philosophischen Exkursen über die Fortuna) und sprachliche Vielfalt, der Reichtum an literarischen Querverweisen, die Anekdoten und Witze bereichern (um nicht zu sagen: überfüllen) die ohnedies schon dicht ineinander verwobenen Erzählungen der Schicksale der negativen Helden. Zusammengehalten werden diese disparaten Erzählstränge durch die Kunst der Transformation. Hier zeigt sich die philosophische Struktur des Candelaio, wobei Bruno aus wenigen Einzelformen oder -themen (Gier nach Sex, nach Geld, nach intellektueller Überlegenheit) durch kontinuierliche Neuzusammenstellung eine kaleidoskopische Fülle von doppeldeutigen einprägsamen Bildern schafft (der päderastische Pedant wird geprügelt wie seine Schüler, der betrogene Alchemist zusammengebunden mit dem korrupten Apotheker, die treue Ehefrau wird zur perfekten Prostituierten). Solche imagines werden auch in der Gedächtniskunst verwendet, die nicht nur zur Verbesserung individueller Merkfähigkeiten, sondern auch zur Erfindung neuer Sprache, neuen Wissens dienen soll. So betrachtet ist das Stück geradezu als Einlösung jener kreativen Potentiale lesbar, die der ars memoriae zugeschrieben werden. Ebenso ist das Theaterstück nicht nur als vergnügliche Exemplifikation wichtiger Theoreme von Umbris (etwa daß die völlige Identität zweier Menschen nicht der allen Dingen natürlichen individuellen Verschiedenheit konform und daher zu vermeiden ist) zu lesen, sondern auch als Vorwegnahme von philosophischen Konzepten, die Bruno in späteren Schriften (etwa in Causa und Cena) entwickeln wird: Die 221

Zur Dialektik von Sein und Schein bei Bruno vgl. auch M. Ciliberto: Giordano Bruno (1990), S. 38–46.

einleitung

ciii

Techniken der Transmutation, Travestie, Alchemie, Etymologie sind im Candelaio Ausdruck der allgemeinen Unbeständigkeit der Dinge, des kontinuierlichen Wandels (zum Guten wie zum Schlechten), dem die ganze Welt unterworfen ist. Selbst die schärfsten Antagonisten sind in dieser Verherrlichung des Werdens und Vergehens gegeneinander austauschbar. Abgesehen von wenigen oberflächlichen (akzidentellen) Attributen sind sie die zum Verwechseln ähnlichen Teile eines sich ständig erneuernden Ganzen, wären ihre Schicksale nicht (wie bei Christus und Johannes dem Täufer, wie bei Bruno in Frankreich und dem »candelaio aus Fleisch und Blut« in Nola, wie bei Gioan Bernardo und Bonifacio) in einer zeitlichen Ebene voneinander unterscheidbar. Die vicissitudo, die Konvertibilität der Dinge ineinander, ihre Vergänglichkeit und kontinuierliche Bewegung, ist das eigentlich göttliche Einheitsprinzip, scheint Bruno schon im Candelaio mitteilen zu wollen und damit viel von den Themen seiner zukünftigen Schriften vorwegzunehmen, in denen er mit bewußt antiplatonischen Wendungen dem Zeitlichen den Vorzug vor dem Ewigen, der Materie den Vorrang über die Form geben wird. Auf der großen tragikomischen Weltbühne müssen die Menschen mit den Schatten sachgemäßen Umgang pflegen. Die ewigen, ineffablen Ideen mit diesen Masken der einheitlichen, stets wandelbaren Materie zu verwechseln wäre verstiegene Dummheit, denn die Möglichkeit des Aufstiegs, der Ideenschau und somit des Entkommens aus dem Schattenreich ist den Menschen verwehrt. Nicht der Ausgang aus dem Weltgefängnis wird hier gesucht, sondern die Anpassung und Erkenntnis der sich kontinuierlich verändernden Formenwelt. Die These von der Unendlichkeit des Universums, die mit solchen Überlegungen in Brunos späteren Schriften eng verbunden ist, scheint sich im Candelaio erst einmal in der Unendlichkeit menschlicher Dummheit zu konkretisieren. Ethische Maxime des Einzelwesens ist, es schlauer als seine Gegner anzustellen, wobei Circe (das ist die Natur) die Reduktion der Wesen auf die ihnen angemessene Erscheinungsweise vollbringt (also Bonifacio wie Aktaion in einen Hirsch verwandelt). In vielerlei Hinsicht nimmt Bruno im Candelaio wichtige Themen der späteren italienischen Dialoge vorweg: die Rolle der Fortuna, die Reform der Gesellschaft durch die zyklische

civ

sergius kodera

Wiederkehr des Gleichen, die kontinuierliche Veränderung als universales Gesetz einer subsistierenden Materie. Die neue, alte Philosophie verlangt auch nach einer zeitgemäßen, neuen Sprache, denn wenn das Denken nicht mehr die Erkenntnis der statischen Formen in einem finiten Kosmos leisten soll, sondern das zeitlich wandelbare, unendliche Universum zu begreifen hat, dann muß es wie die Literatur ein Ohr für die dialektalen Besonderheiten ebenso wie für die regionalen, ephemeren Idiosynkrasien, den Lokalkolorit entwickeln (siehe etwa die Aufzählung jener Artikel, mit denen Madonna Angela, »die Hirtin aller schönen Töchter Neapels«, handelt [V, 24]). Durch die enge Bindung an den zeitlichen Kontext, in dem sich das Allgemeine in stets neuen Formen manifestiert, wird diese Hommage an die urbane Kultur Neapels (die Bruno sehr liebte und zugleich sehr verachtete, also gut gekannt hat) ein sperriger, oft schwer zugänglicher Text. In den späteren Dialoghi italiani ändert der Nolaner seine Taktik, indem er die philosophischen Inhalte stärker akzentuiert und den dramatischen Charakter der Erzählung zumindest zeitweise zugunsten der Belehrung hintanstellt. Der Gedanke ist verlockend, das Stück als ein Experiment zu verstehen, in dem sich philosophische Aussage und dramatische Inszenierung so konzis verbinden, daß die kognitive und die literarische Ebene zu einer neuen Einheit verschmelzen, in welcher das neue Denken ein neues Medium findet,222 wobei sich der Text dem Publikum des 16. Jahrhunderts wenn überhaupt, dann wohl hauptsächlich auf der Ebene des Theaters erschlossen hat.

222

C. Schultz: Ein Philosoph im Theater (1993), S. 125, schreibt: »Die Philosophie setzt sich also nicht an die Stelle der Komödie und benutzt sie auch nicht als Vehikel, sondern reflektiert sie im Vollzug und erweist sich so als eine Potenzierung der ›Kunst‹, die bereits in der Komödie selbst am Werk ist.« Siehe auch ebd., S. 133–136, wo die Autorin betont, daß Bruno das Publikum für seine literarischen Inventionen fehlte.

einleitung

cv

Wirkungsgeschichte Brunos notorisch konfliktgeladenes Verhältnis zu den Zeitgenossen und den Institutionen findet sich bereits auf der Titelseite des Candelaio formuliert, wo sich der Autor als »Achademico di nessun Achademia« (Akademiker keiner Akademie) bezeichnet, als unabhängigen Denker außerhalb der Schulen also, und zudem als verdrießlichen Menschen (»il fastidito«) darstellt. Es ist daher wenig erstaunlich, daß die unmittelbare Wirkungsgeschichte des Candelaio sehr beschränkt ist. Dies ist wahrscheinlich auch bedingt durch die in Frankreich schwer verständliche Sprache, in welcher die Komödie verfaßt ist, sowie durch den Umstand, daß Bruno als Häretiker in seiner Heimat nicht gedruckt und daher kaum rezipert werden konnte.223 Allerdings bezieht sich Bruno in der Cena auf den Candelaio, indem er in diesem in London geschriebenen Dialog Mamfurio und Bonifacio namentlich erwähnt und so offensichtlich auch für seine Komödie wirbt.224 Pierre Ménard publiziert 1633 in Paris eine Version des Candelaio unter dem Titel Boniface et le Pedant. Spampanato charakterisiert diesen Text als eine verkürzte und von vielen Obszönitäten gereinigte Fassung, in der die Prologe fast zur Gänze entfallen, die Handlung nach Paris verlegt und der Lokalkolorit Neapels an französische Verhältnisse angepasst ist.225 Molière verwendete diese Ausgabe als Vorlage für einige Szenen im Malade imaginaire (1673), wo z. B. Bonifacio und sein schulmeisterliches Pendant Polichinelle geprügelt werden (I, 7), für Le dépit amoureux sowie für den Auftritt des Pedanten Marphurius in Le mariage forcé.226 Spampanato kommt zu dem Schluß, daß Molière

223

R. Sturlese: Bibliografia, censimento (1987), S. 28–35 verzeichnet 60 erhaltene Exemplare der Princeps und drei Manuskripte. 224 Vgl. auch P. Sabbatino: Mutazione del rinascimento (1993), S. 26 ff. 225 V. Spampanato: Antecedenti e imitazioni (1905), S. 40–53. Für eine weitere französische Übersetzung, welche den Titel Candelaio trägt, ein Text in der Bibliothèque Nationale in Paris, vgl. D. Della Valle: Il successo (2000), S. 348 f. 226 V. Spampanato: Antecedenti e imitazioni (1905), S. 85–91; vgl. auch A. Preda: Fra libertà e libertinismo (1993), S. 9–26.

cvi

sergius kodera

den französischen Candelaio mit großer Aufmerksamkeit studiert haben muß.227 Auch scheint Brunos Stück Einfluß auf Cyrano de Bergeracs Komödie Le pédant joué gehabt zu haben, ein Jugendwerk, das im 17. Jahrhundert etliche Auflagen erlebte.228 Die Wirkung der Übersetzung des Candelaio war also im Frankreich des 17. Jahrhunderts größer als in Italien, blieb aber wahrscheinlich auf die Kreise der gebildeten libertins beschränkt.229 Auch scheinen Brunos Londoner Dialoge (nicht aber der Candelaio) auf die englische Bühne Einfluß gehabt zu haben.230 Abgesehen von diesen Adaptionen wird der Candelaio nicht vor dem Jahr 1830 wiederaufgelegt.231 Die in diesem Jahr erschienene Version von Wagner nimmt allerdings grundlegende sprachliche Veränderungen vor, die durch Imbriani heftig kritisiert werden.232 Wagners Ausgabe ist tatsächlich häufig fehlerhaft und verändert die Textgestalt des Candelaio grundlegend, indem Neapoletanismen und umgangssprachliche Formulierungen durch schriftsprachliche Ausdrucksweise ersetzt sind.233 Imbriani befaßte sich eingehend mit der dialektalen und der lexikalischen Dimension des Candelaio und erkannte die antihumanistische Tendenz in der Sprachgestalt des Stückes, ohne allerdings auf die

227

Vgl. V. Spampanato: Antecedenti e imitazioni (1905), S. 98; vgl. auch D. Della Valle: Il successo (2000), S. 355 f. 228 Vgl. V. Spampanato: Antecedenti e imitazioni (1905), S. 67–79. 229 Vgl. V. Spampanato: Antecedenti e imitazioni (1905), S. 101; vgl. auch D. Della Valle: Il successo (2000), S. 350 f. Zur Frage, ob Boniface tatsächlich 1633 im Théatre de l’Hotel de Bourgogne aufgeführt wurde, vgl. ebd., S. 351 f. Für eine vernichtende Kritik des Stückes durch den Abbé Goujet, also von kirchlicher Seite, vgl. ebd., S. 349, Anm. 32. 230 Vgl. z. B. H. Gatti: Il Candelaio e The Alchemist (2000), S. 323–337, bes. S. 328 f., zu den gesellschaftlichen Verbindungen, die Ben Johnson vielleicht zu Bruno hatte. Zum möglichen Einfluß vor allem des Spaccio auf Shakespeare vgl. G. Sacerdoti: Sacrificio e sovranità (2002). 231 Für die Editonen des Candelaio bis 1950 vgl. V. Salvestrini: Bibliografia delle opere di Giordano Bruno (1958). 232 Zu Wagner und der Polemik, die Imbriani gegen den deutschen Erstherausgeber des Candelaio führt, vgl. G. Landolfi-Petrone: Il Candelaio tra erudizione e critica (1998), S. 231–277. 233 Vgl. ebd., S. 237 und S. 247 f.

einleitung

cvii

philosophische Dimension einzugehen.234 Goethe liest den Candelaio im Dezember 1829 in der Ausgabe Wagners.235 Luigi Pirandellos Komödie Il berretto a sonagli (1916) verwendet aus dem Candelaio den Topos der corna und der Prostitution.236 Auch in James Joyces Finnegans Wake hat der Candelaio ein Echo gefunden.237 Im Jahr 2001 inszenierte das Piccolo teatro di Milano das Stück in einer gekürzten und von Regisseur Luca Ronconi bearbeiteten Version.238

234

Vgl. ebd., S. 250–253. Vgl. F. Puccini: Sic non succifluis occurro poeta labellis (2006), S. 497– 519, hier S. 519. 236 Vgl. N. Borsellino: Giordano Bruno eroico e comico (2000), S. 101. 237 Vgl. G. Moliterno: The Candle-Bearer at the Wake (1993), S. 269–294. 238 Vgl. G. Montemagno: Programma Candelaio di Giordano Bruno (2001) mit zahlreichen Szenenfotos und einigen außerordentlich lesenswerten Beiträgen, u. a. von Giorgio Bárberi Squarotti und Nino Borsellino. 235

BIBLIOGRAPHIE

Wichtige historische Ausgaben des Candelaio Ed. Princeps: Candelaio. Comedia, Paris 1582, gedruckt von G. Giuliano. (Faksimile-Nachdruck in: Giordano Bruno: Opere Italiane, hg. von Eugenio Canone, Band I, Firenze 1999). Opere di Giordano Bruno. Hg. A. Wagner. Leipzig 1830. Il candelaio. Commedia di Giordano Bruno, nuovamente stampata e diligentemente corretta. Milano: G. Daelli, 1863. Il candelaio. Boniface et le pédant. Comédie in prose imitée de l’italien de Bruno Nolano. Ristampa curata da Vittorio Imbriani. Napoli: Riccardo Marghieri di Gius., 1886.

Wichtige Texteditionen (in chronologischer Reihenfolge ) Candelaio, hg. und mit Vorwort, Dokumenten und Anm. versehen von Vincenzo Spampanato, 2. verb. Aufl. Bari 1923. Aquilecchia, Giovanni: Saggio di un commento letterale al testo critico del Candelaio, in: Filologia e Critica 16 (1991), S. 91–125 (Edition der Prologe mit zahlreichen Anm.). Chandelier (Il Candelaio), übers. von Yves Hersant, hg. und mit Vorwort und Anm. versehen von Giovanni Aquilecchia und Giorgio Bàrberi Squarotti Paris 1993 (= Œuvres complètes I, Œuvres italiennes 1). 2. revidierte Auflage 2003. La biblioteca ideale di Giordano Bruno [e-Ressource unter der Leitung von Simonetta Bassi, Michele Ciliberto]: http://giordanobruno.signum.sns.it/bibliotecaideale/

cx

bibliographie

Weitere italienische Textausgaben Il candelaio, hg. und mit einem Vorwort versehen von Giorgio BàrberiSquarotti, Torino 1964. Candelaio, mit einem Vorwort und Anm. von Isa Guerrini Angrisani, Milano 1976, 1994, 1997.

Übersetzungen (in chronologischer Reihenfolge ) Ketzerkömödie, übersetzt, bearbeitet und mit einem Nachwort versehen von Johannes Gerber, Bern: Edition Has Erpf 1989. Candelaio, Kerzen, Gold und Sprachgelichter, übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Johannes Gerber, Basel: Editions Theaterkultur Verlag 1995. Candelaio [Chinesisch], Übersetzung von Lian He. Beijing: China Social Science Documentation Publishing House, 1999 Candlebearer [Englisch], übersetzt und mit einem Vorwort und Anm. versehen von Gino Moliterno, Ottawa: Dovehouse 2000. Lumânărarul [Rumänisch], Traducere din limba italiană, note şi adaptare pentru scenă de Smaranda Bratu Elian. Bucureşti Editura Fundaţiei Culturale Române, 2000. Der Kerzenzieher (Candelaio), übersetzt und mit einem Vorwort und Anm. herausgegeben von Sergius Kodera, Hamburg: Meiner 2003. O castiçal [Portugiesisch], Candelaio de Giordano Bruno. Tradução do italiano e adaptação de Alessandra Vannucci. Rio de Janeiro: Editora Comunità, 2003. Candelero [Spanisch], traducción y estudio crítico de Teresa Losada, Castellón: Ellago Ediciones 2004.

bibliographie

cxi

Sigla Werkausgaben Brunos BW Giordano Bruno, Werke, hg. von Thomas Leinkauf, unter Mitwirkung von Elisabeth Blum, Paul Richard Blum, Angelika BönkerVallon, Eugenio Canone, Sergius Kodera, Maria Moog-Grünewald, u. a., Hamburg 2005 f., zitiert mit Bandzahl und Paginierung (z. B. BW III, S. 231). DI Dialoghi italiani, nuovamente ristampati con note da Giovanni Gentile, 3a ed. a cura di G. Aquilecchia, Firenze 1958 u. ö. OL Opera latine conscripta, ed. F. Tocco, H. Vitelli, V. Imbriani, C. M. Tallagrio, Neapel-Florenz 1879–1891 (3 Bde. in 8 Teilen), zit. mit Bandzahl und Paginierung (z. B. OL II/1, S. 52). OC Œuvres complètes de Giordano Bruno. Publiées sous le patronage de L’Istituto Italiano Per Gli Studi Filosofici, collectio dirigée par Yves Hersant et Nuccio Ordine, Paris 1993 sqq., zit. mit Bandzahl und Paginierung (z. B. OC IV, S. 271). OM Opere magiche. Edizione diretta da Michele Ciliberto, a cura di Simonetta Bassi, Elisabetta Scapparone, Nicoletta Tirinnanzi, Milano 2000. U Opere italiane di Girodano Bruno, testi critici e nota filologica di Giovanni Aquilecchia, introduzione e coordinamento generale di Nuccio Ordine, Torino 2002, 2 Bde., zit. mit Bandzahl und Paginierung (z. B. U I, S. 598).

Abkürzungen der Texte Brunos Cabala = Cabala del cavallo pegaseo (London 1585), OC VI, ed. G. Aquilecchia, introduction et notes N. Badaloni, traduction T. Dagron, Paris 1994. Cantus = Cantus circaeus (Paris 1582), OL II/1, S. 179–257; jetzt auch in: Le ombre delle idee. Il canto di Circe. Il sigillo dei sigilli, a cura di N. Tirinnanzi, Mailand 1997. Causa = De la causa, principio et uno (London 1584), OC III, ed. et notes par G. Aquilecchia, introduction M. Ciliberto, traduction L. Hersant, Paris 1996.

cxii

bibliographie

Cena = Cena de le ceneri (London 1584), OC II, ed. et notes G. Aquilecchia, préface A. Ophir, traduction Y. Hersant, Paris 1994. Explicatio = Explicatio triginta sigillorum (Oxford 1583), OL II/2, S. 121–160. Furori = De gl’eroici furori (London 1585), OC VII, ed. G. Aquilecchia, introduction par Eugenio Garin, notes par Michele Ciliberto, traduction P.-H. Michel, Paris 1997. Imaginum = De imaginum, signorum et idearum compositione (Frankfurt 1591), OL II/3, S. 87–322. Immenso = De innumerabilibus, immenso et infigurabili (Frankfurt 1591), OL I/1, S. 191–398 (lib. 1–3) und OL I/2, S. 1–318 (lib. 4–8); In: Opere latine. Il triplici minimo e la misura; La monade, il numero e la figura; L’immenso e gli innumerevoli, Italienische Übersetzung C. Monti, Turin 1980. Infinito = De l’infinito, universo e mondi (London 1584), OC IV, ed. G. Aquilecchia, introduction Miguel A. Granada, notes J. Seidengart, traduction J.-P. Cavaillé, Paris 1996. Magia = Theses de magia (Helmstedt 1589/90), OL III, S. 455–491. In: De magia. De vinculis in genere, Text und italienische Übersetzung durch A. Biondi, Pordenone 1986; in: OM, S. 321–412 (mit Kommentar). Magia naturale = De magia naturale (Helmstedt 1589/90), in: OM, S. 159–320. Minimo = De triplici minimo et mensura (Frankfurt 1591), OL I/3, S. 121–361; In: Opere latine. Il triplici minimo e la misura; La monade, il numero e la figura; L’immenso e gli innumerevoli, Italienische Übersetzung C. Monti, Turin 1980. Monade = De monade, numero et figura (Frankfurt 1591), OL I/2, S. 319–484; In: Opere latine. Il triplici minimo e la misura; La monade, il numero e la figura; »Über die Monas, die Zahl und die Figur als Elemente einer sehr geheimen Physik …, Deutsche Übersetzung und Kommentar E. v. Samsonow, M. Mulsow, Hamburg 1991. Principiis = De rerum principiis, elementis et causis (Helmstedt 1589/90), OL III, S. 507–567. Italienische Übersetzung in: Giordano Bruno, De rerum principiis. Una riforma della ›Magia‹, a cura di Nicoletta Tirinnanzi, Neapel 1995.

bibliographie

cxiii

Sigillus = Sigillus sigillorum (London 1583), OL II/2, S. 161–217; jetzt auch in: Le ombre delle idee. Il canto di Circe. Il sigillo dei sigilli, a cura di N. Tirinnanzi, Mailand 1997. Spaccio = Lo spaccio della bestia trionfante (London 1584), OC V, ed. G. Aquilecchia, traduction J. Balsamo, notes M. P. Ellero, introduction N. Ordine, Paris 1999. Umbris = De umbris idearum (Paris 1582) OL II/1, S. 1–177; ed. Rita Sturlese, Florenz 1991. Italienische Übersetzung: Le ombre delle idee, Text und italienische Übersetzung von A. Caiazza, Mailand 1988. L’arte della memoria. Le ombre delle idee, a cura di Manuela Maddamma, Milano 1996. Le ombre delle idee, Il canto di Circe,Il sigillo dei sigilli, a cura di N. Tirinnanzi, Mailand 1997. Vinculis = De vinculis in genere (Frankfurt 1590, transskr. H. Besler 1591), OL III, S. 635–700; In: De magia. De vinculis in genere, Text und italienische Übersetzung durch A. Biondi, Pordenone 1986; in: OM, S. 413–584 (mit Kommentar).

Primärtexte Achillini, Alessandro: De elementis. In: ders.: Opera omnia. Venetia: Hieronimus Scotus, 1568, S. 154–255. Agrippa von Nettesheim, Heinrich Cornelius: De occulta philosophia libri tres, hg. Vittoria Perrone Compagni, Leiden 1991. –: Über die Fragwürdigkeit, ja Nichtigkeit der Wissenschaften, Künste und Gewerbe – De incertitudine et vanitate omnium scientiarum, übers. Gerhard Güpner, Berlin 1993. Alberti, Leon Battista: Momus. Hg. und Übers. Sarah Knight. Cambridge, Mass., London 2003. Albertus Magnus: De mineralibus. Book of minerals. Übers. Dorothy Wyckoff, Oxford 1967. –: Libellus de alchimia. Ascribed to Albertus Magnus, translated from the Borgnet Latin edition. Übers., Anm. Virginia Heines. Berkeley 1958. Alciato, Andrea: Emblematum libellus, Paris 1542 [Nachdruck Darmstadt 1991].

cxiv

bibliographie

Alexander Aphrodisias: Problemata ad varias quaestiones cognoscendas admodum digna etc. Coloniae. Köln. Haeredes Arnoldi Birckmanni 1555. Apuleius: Metamorphosen. Hg. Valette Robertson, Paris 1945. –: Metamorphosen – Der goldene Esel. Übers. Edward Brandt und Wilhelm Ehlers, München 1989. Aretino, Pietro: All’albicante, in: ders.: Edizione nazionale delle opere di Pietro Aretino, Band 4: Lettere. Hg. Paolo Procaccioli, Roma 2001. –: Cortigiana. Opera Nova, Pronostico Testamento dell’elefante. Hg. Angelo Romano. Milano 1989. –: [Opere scelte di] Pietro Aretino. Hg. Giulio Ferroni, Carlo Serafini und Luciana Zampolli. Roma 2002. –: Ragionamento. Dialogo [della Pippa e della Nanna]. Hg. Nino Borsellino und Paolo Procacciolo. Cernusco 1984. Ariosto, Ludovico: Orlando Furioso. Hg. Santorre Benedetti und Cesare Segre. Bologna 1960. –: Orlando furioso – Der rasende Roland, übers. von Johann Diederich Gries, München 1980. Aristoteles: De arte poetica – Poetik, übers. von Manfred Fuhrmann, Stuttgart 1994. –: Vom Himmel, von der Seele, von der Dichtkunst, übers. von Olof Gigon München 1987². –: De generatione animalium – Über die Zeugung der Geschöpfe, übers. von Paul Gohlke, Paderborn 1959. –: De longitudine et brevitate vitae – Über Lang- und Kurzlebigkeit, in: ders. Kleine Schriften zur Seelenkunde, übers. von Paul Gohlke, Paderborn 1953. –: Meteorologie, übers. von Hans Strohm, Berlin 1979. –: Rhetorik, übers. von Gernot Krapinger, Stuttgart 1999. Auctor ad Herenium: Rhetorica, Hg. Theodor Nüßlein. München und Zürich, 1994. Augustinus, Aurelius: De trinitate. La Trinité. Hg. M. Mellet und Th. Camelot. Paris 1955 (Oevres de Saint Augustin Bd. 15 und 16). –: De trinitate, übers. von Johann Kreuzer, Hamburg 2001. Avicenna: Opera in luce redacta ac nuper cuantum ars niti potuit per

bibliographie

cxv

Canonicos emendata, s. l. 1507 [Facsimile Ausg. Frankfurt am Main, 1961]. Bacon, Francis: Opera. Hg. J. Spedding. London 1857–74. 14 Bände. –: The Instauratio Magna Part II. Novum Organum and Associated Texts. Hg. und übers. Graham Rees and Mary Wakely. Oxford 2004. Berni, Francesco: Rime. Hg. Giorgio Bàrberi-Squarotti. Torino 1963. Boccaccio, Giovanni: Decameron. Hg. Mario Marti. Milano 1974. 2 Bände. Boethius: Contra Eutychen et Nestorium. In: Boethius: The theological tractates. Hg. und übers. von H. F. Stewart, E. K. Rand und S. J. Tester. London 1973, S. 72–129. Castiglione, Baldassare: Il libro del Cortegiano. In: Hg. Carlo Cordié: Opere di Baldassare Castiglione, Giovanni della Casa, Benvenuto Cellini. Milano, Napoli 1960, S. 5–366. –: Il libro del cortegiano – Das Buch vom Hofmann, übers. von Fritz Baumgart, München 1986. Cato: Disticha Catonis [und Breves Sententiae]. Hg. Heinrich Johannes Botschuyer. Amsterdam 1952. Cicero: De divinatione – Über die Wahrsagung, übers. von Christoph Schäublin, München 1991. –: De natura deorum – Vom Wesen der Götter, übers. von Olof Gigon, München 1996. Dante Alighieri: La commedìa. Nuovo testo critico secondo i più antichi manoscritti fiorentini. Hg. Antonio Lanza. Anzio 1995. Dante Alighieri: Divina Comedia – Die göttliche Komödie, übers. von Hermann Gmelin, 3 Bände, Stuttgart 1968–1975. Della Porta, Giovan Battista: Coelestis physiognomonia. Della celeste fisionomia. Hg. Alfonso Paolella. Napoli 1996. (Edizione nazionale delle opere di Giovan Battista Della Porta, Band 8). –: Gli duoi fratelli rivali. The two rival brothers. Hg. und übers. von Louise George Clubb. Berkeley, London 1980. –: Teatro. Hg. Raffaele Sirri, Napoli 2000–3. 4 Teilbände. (Edizione Nazionale delle opere Giambattista della Porta, Band 15)

cxvi

bibliographie

Despauterius, Johannes-Baptista: Commentarii grammatici. Lyon: Carolus Pesnot 1582. Diogenes Laertius: Leben und Meinungen berühmter Philosophen, übers. von Otto Apelt, 2 Bände, Leipzig 1921. Erasmus, Desiderius: Colloquia familiaria, Hg. Werner Welzig, Darmstadt 1995. –: Moriae encomium id est stultitiae laus, Amsterdam 1979 (Opera omnia Desiderii Erasmi Roterodami Ordinis 4; t. 3). –: Das Lob der Torheit, übers. von Kurt Steinmann, Zürich 2002. –: Opera omnia. Adagiorum Chiliades. Amsterdam 1703. Fernando de Rojas: [Celestina] Anonimo/Fernando de Rojas: Tragicomedia de Calisto y Melibea. Edición crítica. Hg. Fernando Cantalapiedra Erostrabe. Kassel 2000. Ficino, Marsilio: De amore/ Commentaire sur le Banquet de Platon. Hg. Raymond Marcel, Paris 1956. –: De Amore. Über die Liebe oder Platons Gastmahl, übers. von Paul Karl Hasse, Vorwort und Anm. von Paul R. Blum, Hamburg 1994. –: De vita libri tres – Three books on life Hg. und übers. von Carol V. Kaske und John R. Clark (= Medieval and Renaissance texts and studies 57), New York 1989. –: Opera omnia, Basel 1576. –: Theologia Platonica – Théologie platonicienne de l’immortalité des âmes, Hg. und Übers. Raymond Marcel, 3 Bände, Paris 1964–1970. –: Theologia Platonica. Platonic theology. Hg. James Hankins und William Bowen, übers. Michael J. B. Allen und John Warden. Cambridge, Mass., London 2001–6. 6 Bände. –: Traktate zur Platonischen Philosophie, Hg. und übers. von Elisabeth Blum, Paul Richard Blum, Thomas Leinkauf, Berlin 1993. Folengo, Teofilo: Baldo. Hg. und übers. von Ann E. Mulaney. Cambridge, London 2007. –: Moscheidos, In: ders.: Opere. Hg. Carlo Cordiè. Milano 1977. Galenus, Claudius: De temperamentis libri III, Hg. Georgius Helmreich, Stuttgart 1904.

bibliographie

cxvii

Garzoni, Tomaso: La piazza universale di tutte le professioni del mondo. Hg. Paolo Cherchi und Beatrice Collina. Torino: Einaudi, 1996. 2 Bände. –: L’ ospidale de’ pazzi incurabili: Hg. Paolo Cherchi. Ravenna 1999. –: Il teatro de’ vari e diversi cervelli umani. Hg. Paolo Cherchi. Ravenna 1999. Gelli, Giovan Battista: La circe. In: ders. Opere. Hg. Delmo Maestri, Torino 1976. S. 289–446. Guicciardini, Francesco: Opere. Hg. Vittorio De Caprariis. Milano 1953. Hermetica – The Greek Corpus Hermeticum and the Latin Asclepius, übers. und mit Anm. und Vorwort versehen von Brian P. Copenhaver, Cambridge 1992. Hippocrates: Opera quae extant omnia. Basel 1546. Homer: Ilias, übers. von Wolfgang Schadewaldt, Düsseldorf 1994. –: Odysse, übers. von Anton Weiher, München 1990. Horaz: Sämtliche Werke, übers. von Hans Färber, München 1993. Jacobus de Voragine [Iacopo da Varazze] Legenda aurea. Hg. Giovani Paolo Maggioni. Firenze 1998. 2 Bände. Junius, Hadrianus: Emblemata eiusdem aenigmatum libellus, Antwerpen 1565 (Reprint 1972, Scholar Press. s. l.). Lactantius, Lucius Cäcilius Firmianus: Divinarum institutionum. In ders. Opera Omnia. Hg. B. Brandt und G. Laubmann. Wien 1890. Band 1. Leone Ebreo: Dialoghi d’ amore, Roma 1535. Lucrez: De rerum natura – Von der Natur, übers. von Hermann Diels, München 1993. Lullus, Raimundus: Ars brevis. Hg. und übers. von Alexander Fidora. Hamburg 1999. –: Raymundi Lulli Opera. Frankfurt/M 1965. Band 10. Machiavelli, Niccolò: Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio. Hg. Giorgio Inglese, Milano 1999.

cxviii

bibliographie

–: La Mandragola, Belfagor, Lettere. Hg. Mario Bonfantini, Gabriella Mezzanotte, Piero Gobetti. Milano, Napoli 1991. –: Il Principe. Hg. Giorgio Inglese. Torino 1995. –: Tutte le opere di Niccolò Machiavelli. Hg. Francesco Flora. Verona 1950, Band 2. Macrobius, Ambrosius Theodosius: Somnium Scipionis. Hg. E. Willis, Stuttgart 1994. Masuccio Salernitano: Il Novellino nell’ edizione di Luigi Settembrini. Hg. Salvatore S. Nigro, Milano 1990. Ovid: Metamorphosen, übers. von Gerhard Fink, Düsseldorf 2001 Patrologiae cursus completus, series Latina. Hg. J.-P. Migne, Paris 1844–1864. 221 Bände. –: Ex Ponto. Tristia, in: ders.: Briefe aus der Verbannung, übers. von Wilhelm Willige, München 1995. Petrarca, Francesco: Il canzoniere. I trionfi. Rime. Hg. Marco Santaglia. Milano 1996. 2 Bände. Pino, Giovan Battista: Ragionamento sovra de l’asino. Hg. Olga Casale, Roma 1982. Platon: Sämtliche Werke, übers. von Friedrich Schleiermacher und Franz Susemihl, 10 Bände, Frankfurt am Main 1991. –: Spätdialoge, übers. von Rudolf Rufener, Zürich 1974. Plautus: Comoediae [Mostellaria]. Hg. W. M. Lindsay, Oxford 1952. Band 2. Plinius: Historia naturalis – Naturkunde. Übers. Roderich König, 37 Bände, München 1973–1994. Plotinus: Plotini … operum philosophicorum omnium libri LIV in sex enneades distributi (etc.) Basel (Petrus Perna) 1580. Quintilian: Institutio oratoria – Ausbildung des Redners, übers. von Helmut Rahn, 2 Bände, Darmstadt 1995. Rabelais, François: Gargantua, In: ders.: Œuvres Complètes, Hg. Jacques Boulenger, Paris 1955. S. 23–918 Reisch, Gregor: Margarita philosophica, Freiburg 1503.

bibliographie

cxix

Ronsard: Hercule Chrétien, in: Oeuvres Complets. Hg. Paul Laumonier, 10 Bände, Paris 1914–1934. Sacrobosco, Johannes de: Sphaera. Johannis de Sacrobusto [sic] Spericum [sic] opusculum, Leipzig (Konrad Kachelofen) circa 1500. Seneca: De ira, in: ders.: Die kleinen Dialoge, übers. von Gerhard Fink, München 1992. Shakespeare, William: The twelfth night or What you will – Was ihr wollt, Hg. L. L. Schucking, Augsburg 1995. Terenz: Andria, übers. von Lothar Wullen, Stuttgart 1982. Tertullian: De pallio. Le Manteau. Hg. und übers. von Marie Turcan, Paris 2007. Thomas von Aquin: In octo libros de Physico auditu sive Physicorum Aristotelis commentaria. Hg. Angelus M. Pirotta, Napoli 1953. –: Summa Theologiae. Hg. Pietro Caramello, 3 Bände, Roma 1952–56. –: De ente et essentia. In: ders. Opuscula Philosophica. Hg. Raymundo M. Spiazzi. Torino, Roma 1953, S. 5–17. Thomas von Kempen: De imitatione Christi. Nachfolge Christi. Hg. und übers. von Friedrich Eichler, München 1966. Vergil: Aeneis, übers. von Johannes Götte, Düsseldorf 2000. Vergil: Bucolica. Georgica, in: ders.: Landleben, übers. von Johannes und Maria Götte, Zürich 1995.

Forschungsliteratur Alborg, Juan Luis: Historia de la literatura Española. Bd I: Edad media y Renacimiento, 2., erw. Aufl. Madrid 1992 [1970]. Allen, Michael J. B.: Icastes. Marsilio Ficino’s interpretation of Plato’s Sophist. Five studies and a critical edition with translation, Berkeley 1989. Aquilecchia Giovanni: L’ adozione del volgare nei dialoghi londinesi di Giordano Bruno, in: Schede bruniane, (1950–1991), Roma 1993 [1953] S. 41–59.

cxx

bibliographie

Bachtin, Michail: Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegegenkultur, übers. von Gabriele Leupold, Frankfurt/Main 19982. Badaloni, Nicola: I fratelli Della Porta e la cultura magica ed astrologica a Napoli nel ’500. In: Studi Storici 4, 1959/1960, S. 677–715. Bàrberi-Squarotti, Giorgio: Einleitung zu: Bruno: Il candelaio, Torino 1964. Baring-Gould, Sabine: The lives of the saints with introduction and additional lives of English martyrs, Cornish, Scottish, and Welsh saints, Edinburgh 1914. Beecher Donald und B. Ferraro: Einleitung zu: G. B. Della Porta: The Sister. La sorella, Ottawa, 2000. Belting, Hans: Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst, München 1990. –: Das echte Bild. Bildfragen als Glaubensfragen, München 2005. Bibliotheca Sanctorum, hg. vom Istituto Giovanni XXIII, 14 Bände, Roma 1961–1970. Blum, Paul Richard: Aristoteles bei Giordano Bruno. Studien zur philosophischen Rezeption, München 1980. –: Brunos Brunianismus, in: Die Frankfurter Schriften Giordano Brunos und ihre Voraussetzungen. Hg. Klaus Heipke und Wolfgang Neuser, Weinheim 1992. –: Giordano Bruno, München 1999. Bolzoni, Lina: La stanza della memoria, Torino 1995. Borsellino, Nino: Giordano Bruno eroico e comico. In: L’illuminista 1, 2000, S. 98–110. Buono Hodgart, Amelia: Giordano Bruno’s The candle-bearer, Lewiston, N.Y., 1997. Butler, Alban: Lives of the Saints, London o. J., 12 Bände. Camporesi, Piero: Il paese della fame, Bologna 1978. Canone, Eugenio: Giordano Bruno. Gli anni napoletani e la ›peregrinatio‹ europea: immagini, testi, documenti, Cassino 1992. Carruthers, Mary J.: The book of memory. A study of memory in Medieval culture, Cambridge 1990. Cavell, Stanley: Disowning Knowledge, Cambridge Mass. 1987. Ciliberto, Michele: La ruota del tempo. Interpretazione di Giordano Bruno, Roma 1986.

bibliographie

cxxi

–: Umbra profonda. Studi su Giordano Bruno, Roma 1999. –: Vorwort zu: Giordano Bruno. Le ombre delle idee, Milano 1997. Cirillo, Teresa: Lo spagnolo nelle commedie di Della Porta. In: Hg. Maurizio Torrini: Giovan Battista della Porta nell’ Europa del suo tempo, Napoli 1990, S. 533–591. Clubb, Luise George: Giambattista della Porta, Dramatist, Princeton, NJ 1964. Clucas, Stephen: Giordano Bruno’s De imaginum, signorum et idearum compositione. Art, Magic and Mnemotechnic. In: Physis 38 (2001) S. 75–98. –: Simulacra et Signacula. Memory, Magic and Metaphysics in Brunian Mnemonics. In: Hg. Hilary Gatti, Giordano Bruno. Philosopher of the Renaissance, Aldershot 2002. Copenhaver, Brian P.: Hermetica. The Greek Corpus Hermeticum and the Latin Asclepius in a new English translation, with notes and introduction, Cambridge 1992. – und Schmitt, Charles B.: Renaissance philosophy. Oxford 1992. (A history of western philosophy, Band 3) Dalla Valle, Daniela: Il successo (?) del «Candelaio» di Giordano Bruno nel teatro francese del Seicento. In: Hg. Silvia Carandini: Teatri barocchi: tragedie, commedie, pastorali nella drammaturgia europea fra ’500 e ’600. Roma 2000, S. 339–357. Di Giacomo, Salvatore: La prostituzione in Napoli nei secoli XV, XVI e XVII, Napoli 1899. Doninger, Wendy: The bedtrick. Tales of sex and masquerade, Chicago, London 2000. Doye, Franz von Sales: Heilige und Selige der r.-kath. Kirche, Leipzig 1929. 2 Bände Eamon, William: Science and the secrets of nature. Books of secrets in medieval and early modern culture, Princeton, N.J. 1994. Ebbersmeyer, Sabrina: Sinnlichkeit und Vernunft. Studien zur Rezeption und Transformation der Liebestheorie Platons in der Renaissance, München 2002.

cxxii

bibliographie

Fellmann, Ferdinand: Vorwort zu: Giordano Bruno. Von den heroischen Leidenschaften, Hamburg 1989. Firpo, Luigi: Il processo di Giordano Bruno, Neapel 1949 (Neudruck: Rom 1993). Foa, Anna: The New and the Old: the Spread of Syphilis 1494–1530 In: Hg. G. Ruggiero: Sex and Gender in Historical Perspective, Baltimore 1990, S. 29–34. Gatti, Hilary: Giordano Bruno and Renaissance science, Ithaca 1999. –: Il «Candelaio» di Giordano Bruno e «The Alchemist» di Ben Jonson. In: Hg. Silvia Carandini: Teatri barocchi. Tragedie, commedie, pastorali nella drammaturgia europea fra ’500 e ’600, Roma, 2000. S. 339–357. Ginzburg, Carlo: The Cheese and the Worms. The Cosmos of a Sixteenth Century Miller. (Il formaggio ed i vermi, übers. von John and Anne Tedeschi) Baltimore 1980 Giovannozzi, Delfina: Spiritus mundus quidam. Il concetto di spirito nell’opera di Giordano Bruno, Roma 2006. Graf, Fritz: Gottesnähe und Schadenzauber. Die Magie in der griechischrömischen Antike, München 1996. Granada, Miguel Ángel: Einleitung zu Giordano Bruno: Cábala del Caballo Pegaso, Madrid 1990. –: Giordano Bruno y Manilio. A propósito de un pasaje de la dedicatoria a Morgana del Candelaio. In: Bruniana et Campanelliana 16 (2010), S. 355–370. –: Maquiavelo y Giordano Bruno. Religión civil y crítica del Cristianismo. In: ders.: Giordano Bruno, Universo infinito, unión con Dios, perfección del hombre. Barcelona 2002, S. 169–96 –: La reivindicacion de la filosofia en Giordano Bruno, Barcelona 2005. Groebner, Valentin: Ungestalten. Die visuelle Kultur der Gewalt im Mittelalter, München, Wien 2003. Guthrie, William Keith Chambers: A history of Greek philosophy, 6 Bände, Cambridge 1962–1981. Hardin, Richard F.: Encountering Plautus in the Renaissance: A humanist debate on comedy. In: Renaissance Quarterly 60, 2007, S. 789–818.

bibliographie

cxxiii

Henkel, Arthur und Schöne, Albrecht: Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst d. XVI und XVII Jh., Stuttgart 1967 (Neuausgabe, 2 Bände). Henning Hufnagel: Ein Stück von jeder Wissenschaft. Gattungshybridisierung, Argumentation und Erkenntnis in Giordano Brunos italienischen Dialogen, Stuttgart 2009. Imbriani, Vittorio: Natanar II. Lettera al comm. Francesco Zambrini sul testo del Candelajo di Giordano Bruno di Vittorio Imbriani, in: Studi filologici, storici e bibliografici. Il Propugnatore. 8 (1875). Imperiale, Luis: La Roma clandestina di Francisco Delicado e Pietro Aretino, Frankfurt/M 1997. Ingegno, Alfonso: Sulla polemica anticristiana del Bruno. In: Hg. Paola Zambelli: Ricerche sulla cultura dell’Italia moderna, Bari 1973, S. 3–36. –: La sommersa nave della religione. Studio sulla polemica anticristiana del Bruno, Napoli 1985. Jordan, Mark D.: The invention of sodomy in Christian theology, Chicago 1996. Klein, Robert: L’imagination comme vêtement de l’âme chez Marsile Ficin et Giordano Bruno, in: Revue de Métaphysique et de Morale 1, 1956, S. 18–39. Klibansky, Panofsky, Saxl: Saturn and Melancholy, London 1964. Kodera, Sergius: Disreputable bodies. Magic, gender, and medicine in Renaissance natural philosophy, Toronto 2010. –: Un fallo che dissipa le tenebre: la ›sostituzione del partner‹ nella versione di Giordano Bruno. In: Hg. Allison Levy: Sesso nel Rinascimento: Pratica, perversione e punizione nell’Italia Rinascimentale. Firenze 2009. S. 245–257. –: Narcissus, divine gazes and bloody mirrors. The concept of matter in Ficino, in: Hg. Michael J. B. Allen und Valery Rees, Marsilio Ficino: his theology, his philosophy, his legacy, Leiden 2002, S. 285–306. –: Renaissance Readings of the Myth of Aristophanes from Plato’s Symposium (189C–193D) Marsilio Ficino, Leone Ebreo, Giordano Bruno. In: Quaderni d’Italianstica 26, 2005, S. 21–58.

cxxiv

bibliographie

–: Der Philosoph als Porträtist. Malerei und Antiplatonische Philosophie in Giordano Brunos Komödie Candelaio (1582) In: Zeitsprünge 14, 2010, S. 508–31. Kucharski, Paul: Étude sur la doctrine pythagoricienne de la tétrade, Paris 1952. Kuhn, Barbara: Mythos und Metapher. Metamorphosen des KirkeMythos in der Literatur der italienischen Renaissance, München 2003. Landolfi-Petrone, Giuseppe: Il Candelaio tra erudizione e critica. Vittorio Imbriani e il dibattito su bruno nell’ottocento. In: Hg. Eugenio Canone: Brunus revididus. Roma, Pisa 1998. S. 231–277. Linden, Stanton L.: Darke hierogliphicks. Alchemy in English literature from Chaucer to the Restoration, Lexington 1996. Leinkauf, Thomas: Mundus combinatus. Studien zur Struktur der barocken Universalwissenschaft am Beispiel Athnasius Kirchers. Berlin, 2. Auflage 2009 –: Der Natur-Begriff im 17. Jahrhundert und zwei seiner Interpretamente: ›res extensa‹ und ›intima rerum‹. In: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 23 (2000), S. 399–418. –: Ut philosophia pictura. In: Hg. Inigo Bocken/Tilman Borsche, Kann das Denken malen? Philosophie und Malerei in der Renaissance, München 2010, S. 45–69. Luscombe, David Edward: Medieval thought, Oxford 1997. MacLean, Ian: The interpretation of natural signs. Cardano’s ›De subtilitate‹ versus Scaliger’s ›Exercitationes‹, In: Hg. Brian Vickers, Occult and scientific mentalities in the Renaissance, Cambridge 1984, S. 231–252. Mercati, Angelo: Il sommario del processo di Giordano Bruno, Roma 1942. Milano, Andrea: Persona in teologia, Napoli 1984. Moliterno, Gino: The Candle-Bearer at the Wake. Bruno’s Candelaio in Joyce’s Book of the Dark. In: Comparative Literature studies 30, 1993, S. 269–94. –: Vorwort zu: Giordano Bruno, Candlebearer, Ottawa 2000.

bibliographie

cxxv

Montemagno, Gabriello, Guido Valdini, Piero Violante (Hg.): Programma Candelaio di Giordano Bruno, regia Luca Ronconi. Milano (Edizione del Piccolo Teatro di Milano) 2001. Musacchio, Jacqueline Marie.: Lambs, Coral, Teeth and the intimate intersection of religion and magic in Reniasssance Tuscany. In: Hg. Sally J. Cornelison and Scott B. Montgomery: Images, relics, and devotional practices in medieval and Renaissance Italy, Tempe, Arizona 2006. S. 139–157. Noack, Ludwig: Die christliche Dogmengeschichte, nach ihrem organischen Entwickelungsgange, in gedrängter Uebersicht dargestellt, Erlangen 1853. Ordine, Nuccio: Contro il Vangelo armato. Giordano Bruno, Ronsard e la religione, Milano 2007. –: Giordano Bruno und die Philosophie des Esels, übers. von Christine Ott, München 1999. –: La soglia dell’ombra, letteratura, filosofie a e pittura in Giordano Bruno, Venezia 2003. –: Teatro e conoscenza. Su alcuni luoghi della Mandragola e del Candelaio. In: Hg. Gennaro Barbarisis und Ana Maria Cabrini: Il teatro di Machiavelli. Milano 2005. S. 527–47 Oxford Latin Dictionary. Hg. von P.G.W. Glare. Oxford 1982 Panizza, Letizia: Learning the Syllogisms. Byzantine visual aids in Renaissance Italy, in: Philosophy in the sixteenth and seventeenth centuries. In: Hg. Constance Blackwell und Sachiko Kusukawa: Conversations with Aristotle. Aldershot 1999, S. 22–47. Panofsky, Erwin: Hercules am Scheidewege und andere antike Bildstoffe in der neueren Kunst, mit einem Nachwort zur Neuauflage von Dieter Wuttke, Berlin 1997. Paulys’ Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Neue Bearbeitung unter Mitwirkung zahlreicher Fachgenossen, hg. von Georg Wissowa, Stuttgart 1894–1963. Plaissance, Michel: Dal »Candelaio« di Giordano Bruno a »Lo Astrologo« di Giovan Battista Della Porta. In: Hg. Silvia Carandini: Teatri

cxxvi

bibliographie

barocchi. tragedie, commedie, pastorali nella drammaturgia europea fra ’500 e ’600. Roma 2000. S. 261–276. Preda, Alessandra: Ilarità e tristezza. Percorsi francesi del Candelaio di Giordano Bruno, 1582–1665. Milano 2007. –: Fra libertà e libertinismo. Traduzioni francesi del Candelaio di Giordano Bruno. In: Franco-Italica. Serie storico-letteraria. Serie contemporanea 3, 1993, S. 9–26. Puccini, Francesca: Sic non succifluis occurro poeta labellis. Goethe lettore di Bruno, 1770–1828. In: Bruniana et Campanelliana 12, 2006, S. 497–519 Puliafito-Bleuel, Anna Lura: Comica pazzia. Vicissitudine e destini umani nel Candelaio di Giordano Bruno, Firenze 2007. Quarta, Daniela: Sul Candelaio di Giordano Bruno, in: Hg. Gianfranco Formichetti, Il Mago, il cosmo, il teatro degli astri. Saggi sulla letteratura esoterica del Rinascimento, Roma 1985, S. 179–196. Rak, Michele: Modelli e macchine del sapere nel teatro di Giovan Battista della Porta. In: Hg. Maurizio Torrini: Giovan Battista della Porta nell’ Eurpoa der suo tempo. Napoli 1990. S. 391–415. Ricci, Saverio: La fortuna del pensiero di Giordano Bruno, 1600–1750. Firenze 1990. –: Giordano Bruno nell’Europa del Cinquecento, Roma 2000. Rocke, Michael: Forbidden friendships. Homosexuality and male culture in Renaissance Florence, New York 1996. Rossiaud, Jacques: Medieval prostituion, übers. von Lydia G. Cochrane, Oxford 1988. Romeo, Giovanni: Aspettando il boia. Condannati a morte, confortatori e inquisitori nella Napoli della Controriforma. Firenze 1993. Ruggiero, Guido: Binding passions. Tales of magic, marriage, and power at the end of the Renaissance, New York 1993. –: Machiavelli in love. Sex, self, and society in the Italian Renaissance, Baltimore 2007. –: Marriage, love, sex and Renaissance civic morality, in: Hg. James Turner, Sexuality and gender in early modern Europe: institutions, texts, images, Cambridge 1993, S. 10–30.

bibliographie

cxxvii

Sabbatino, Pasquale: Giordano Bruno e la »mutazione« del Rinascimento, Firenze 1993. –: A l’infinito m’ergo. Giordano Bruno e il volo del moderno Ulisse, Firenze 2003. Sacerdoti, Gilberto: Sacrificio e sovranità. Teologia e politica nell’Europa di Shakespeare e Bruno, Torino 2002. Sallmann, Jean-Michel: Naples et ses saints à l’âge Baroque 1540–1750, Paris 1994. Salvestrini, Virgilio: Bibliografia delle opere di Giordano Bruno, Firenze 1958. Schöne, Albrecht: Emblematik und Drama im Zeitalter des Barock, München 1968. Schultz, Christiane: Ein Philosoph im Theater. Anmerkungen zu Brunos Komödie Il Candelaio, in: Hg. Willi Hirdt, Giordano Bruno. Tragik eines Unzeitgemäßen, Tübingen 1993, S. 107–36. Severini, Maria Elena : Vicissitudine e tempo nel pensiero di Giordano Bruno. In: Hg. Fabrizio Meroi: La mente di Giordano Bruno, Firenze 2004, S. 225–58. Shumaker, Wayne: The Occult Sciences in the Renaissance, Berkeley 1972. Simon, Wolfgang: Die Messopfertheologie Martin Luthers. Voraussetzungen, Genese, Gestalt und Rezeption, Tübingen 2003. Spampanato, Vincenzo: Alcuni antecedenti e imitazioni francesi del Candelaio. Portici 1905. –: Vita di Giordano Bruno con documenti editi e inediti, Messina 1921. Storey, Tessa: Carnal commerce in Counter-Reformation Rome, Cambridge 2008. Sturlese, Rita: Bibliografia, censimento e storia delle antiche stampe di Giordano Bruno, Firenze 1987. –: Per un’interpretazione del De umbris idearum di Giordano Bruno, in: Annali della Scuola Normale Superiore di Pisa, Classe di lettere e filosofia, Serie 3. 22 (1992), S. 942–967. Thomas, Keith: Religion and the decline of magic. Studies in popular beliefs in the sixteenth and seventeenth century, London 1971. Thorndike, Lynn: A history of magic and experimental science, 8 Bände, New York 1923–1958.

cxxviii

bibliographie

Tranninger, Anita: Mühelose Wissenschaft. Lullismus und Rhetorik in den deutschsprachigen Ländern der frühen Neuzeit, München 2001. Védrine, Hélène: Alchimie, hermétisme et philosophie chez Giordano Bruno, in: Hg. Jean Claude Margolin und Sylvain Matton, Alchimie et philosophie à la Renaissance, Paris 1993, S. 355–363. –: La conception de la nature chez Giordano Bruno, Paris 1967. Vitolo, Giovanni: Ordini mendicanti e nobilità a Napoli. San Domenico Maggiore e il seggio di Nido. In: Hg. Serena Romano und Nicolas Bock: Le chiese di San Loreno e San Domenico. Gli ordini mendicanti a Napoli, Neapel 2005, S. 10–14. Walker, Daniel Pickering: The astral body in Renaissance medicine, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 21, 1958, S. 119–133. –: Medical spirits in philosophy and theology from Ficino to Newton. In: Hg. Penelope Gouk: Music, Spirit and Language in the Renaissance. London 1985. –: Spiritual and demonic magic, London 1958. Weisheipl, A.: The axiom opus naturae est opus intelligentiae and its origins, in: Hg. G. Meyer und A. Zimmermann, Albertus Magnus, Mainz 1980, S. 441–463. White, Laura: »In tristitia hilaris … .« In: Quaderni di italianistica 2, 1984, S. 190–203. Williams, Alison: Tricksters and pranksters. Roguery in French and German literature of the Middle Ages and the Renaissance, Amsterdam 2000. Yates, Frances A.: The Art of Memory, London 1969. –: Giordano Bruno and the Hermetic tradition, London 1964. Zwijnenberg, Robert: Ogni Pittore Dipinge Sè. On Leonardo da Vinci’s Saint John the Baptist. In: Hg. Florike Egmond und Robert Zwijnenberg: Bodily Extremities. Preoccupations with the Human Body in Early Modern European Culture. Aldershot 2003, S. 48–67.

candelaio Comedia del Bruno Nolano, Academico di nulla Academia detto il Fastidito In tristitia hilaris, in hilaritate tristis.

In Pariggi Appresso Guglielmo Giuliano Al segno de l’Amicitia M DL X X X I I

der kerzenzieher Komödie von Bruno aus Nola, Akademiker keiner Akademie, genannt der Verdrießliche. 1

In tristitia hilaris: in hilaritate tristis.

In Paris bei Guglielmo Giuliano beim Zeichen der Freundschaft 1582

5 | 7

¦ | Il libro A gli abbeverati nel fonte caballino

Voi che tettate di muse da mamma, e che natate su lor grassa broda col musso, l’eccellenza vostra m’oda, si fed’e caritad’il cuor v’infiamma. Piango, chiedo, mendico un epigramma, un sonett’, un encomio, un inno, un’oda che mi sii post’in poppa over in proda, per farmene gir lieto a tata e mamma. Ehimè ch’in van d’andar vestito bramo, oimè ch’i’ men vo nudo com’un Bia; e peggio: converrà fors’a me gramo monstrar scuopert’alla signora mia il zero e menchia com’il padr’Adamo, quand’era buono dentro sua badia. | Una pezzentaria di braghe mentre chiedo, da le valli veggio montar gran furia di cavalli.

2

3

4

5

6

Das Buch für jene, die ihren Durst an der Pegaseischen Quelle löschen

Ihr, die Ihr an den Brüsten der Musen saugt und in ihrer fetten Suppe treibt, schaut meine Lippen, hört zu, Eure Exzellenz, wenn Euer Herz sich vor Treue und Fürsorge entflammt: Ich weine, flehe, erbettle ein Epigramm, ein Sonett, eine Lobrede, eine Hymne, eine Ode, die mich hinten oder vorne ziert, um mich glücklich zu Papa und Mama zurückkehren zu lassen. Ojemine, der ich ersehne bekleidet zu sein, oh weh, daß ich nicht nackt daherkomme wie Bias; und schlimmer noch: wird es mir Unglücklichem vielleicht obliegen, mich meiner Herrin entblößt zu zeigen von hinten und von vorne wie einst der Vater Adam, als er glücklich in seiner Hütte war. Und während ich um einen Fetzen bitte, seh’ ich aus den Tälern große, wütende Pferde heraufkommen.

9 | 11

| Alla signora Morgana B. sua signora sempre onoranda Et io a chi dedicarrò il mio Candelaio? A chi, o gran destino, ti piace ch’io intitoli il mio bel paranimfo, il mio bon corifeo? A chi inviarrò quel che dal sirio influsso celeste, in questi più cuocenti giorni, et ore più lambiccanti, che dicon caniculari, mi han fatto piovere nel cervello le stelle fisse, le vaghe lucciole del firmamento mi han crivellato sopra, il decano de dudici segni m’ha balestrato in capo, e ne l’orecchie interne m’han soffiato i sette lumi erranti? A chi s’è voltato, dico io? a chi | riguarda? a chi prende la mira? A sua Santità? no. A sua Maestà Cesarea? no. A sua Serenità? no. A sua Altezza, Signoria illustrissima e reverendissima? non, no. Per mia fé non è prencipe o cardinale, re, imperadore o pappa che mi levarrà questa candela di mano in questo sollennissimo offertorio. A voi tocca, a voi si dona; e voi o l’attaccarrete al vostro cabinetto, o la ficcarrete al vostro candeliero: in superlativo dotta, saggia, bella e generosa mia signora Morgana; voi coltivatrice del campo dell’animo mio: che dopo aver attrite le glebe della sua durezza e assottigliatogl’il stile, acciò che la polverosa nebbia sullevata dal vento della leggerezza non offendesse gli occhi di questo e quello, con acqua divina, che dal fonte del vostro spirto deriva, m’abbeveraste l’intelletto. Però, a tempo che ne posseamo toccar la mano, per la prima vi indrizzai Gli pensier gai; apresso, Il tronco d’acqua viva. Adesso che tra voi che godete al seno d’Abraamo, e me che senza aspettar quel tuo soccorso che solea rifrigerarmi la lingua, desperatamente ardo e sfavillo, intermezza un gran caos, pur tropp’invidioso del mio bene: per farvi vedere che non può far, quel medesmo caos, che il mio amore, con qualche proprio ostaggio e material presente, non passe al suo marcio dispetto,

7

8

9 10 11

12

13

Der von ihm stets zu verehrenden Signora, der Signora Morgana B. Und wem werde ich meinen Candelaio widmen? Wem, oh großes Schicksal, soll ich, dir zu gefallen, meinen hübschen Kuppler, meinen guten Chorführer zueignen? Wem übersende ich etwas vom Einfluß des Sirius, welchen in diesen brennendsten Tagen und schweißtreibendensten Stunden, die man Hundstage nennt, mir die Fixsterne ins Gehirn regnen ließen, was mir die schwärmerischen Leuchtkäfer des Firmaments draufgestreut haben, was mir der Dekan der zwölf Tierkreiszeichen mit der Armbrust in den Kopf geschossen hat und was mir die sieben beweglichen Lichter in die inneren Ohren geflüstert haben? Wem hat [das Buch] sich zugewendet, sage ich, wen sieht es an, wen hat es ins Visier genommen? Seine Heiligkeit? Nein. Seine kaiserliche Majestät? Nein. Seine Durchlaucht? Nein. Seine Hoheit, erlauchteste und verehrungswürdigste Signora? Nein, nein. Bei meiner Treu, es gibt keinen Fürsten oder Kardinal, König, Kaiser oder Papst, der mir diese Kerze aus der Hand nehmen würde, in diesem hochfeierlichen Offertorium. Euch trifft es, Euch wird sie geschenkt; und Ihr heftet sie entweder in Eurem Abtritt an oder steckt sie in Euren Leuchter, Ihr, meine in allerhöchstem Maße gelehrte, weise, schöne und großzügige Signora Morgana: Ihr, die Pflegerin des Feldes meines Geistes, die Ihr (nachdem Ihr die Erdschollen seiner Härte zermahlen und seinen Stil verfeinert habt, damit der staubige Nebel, vom Wind der Leichtigkeit aufgewirbelt, nicht die Augen von diesem oder jenem reize) mit göttlichem Wasser, das von der Quelle Eures Lebensgeistes entspringt, mir den Intellekt getränkt habt. Deshalb, zu der Zeit, als wir uns die Hände reichen konnten, eignete ich Euch zuerst Die heiteren Sorgen, zusammen mit Dem Stamm aus lebendigem Wasser zu. Jetzt, da zwischen Euch, die Ihr Euch in Abrahams Schoß ergeht, und mir, der ich ohne deine Rettung zu erwarten (die mir die Zunge zu kühlen pflegte) verzweifelt brenne und strahle, ein großes Chaos liegt, leider neidisch auf mein Wohlergehen: Um Euch [also] zu zeigen, daß es nicht dasselbe Chaos erzeugen kann und daß meine Liebe mit ein bißchen eigenem Unterpfand und materiellen Gaben nicht faulig wird

8

dedizione

11 | 15

eccovi la candela che vi vien porgiuta per questo Candelaio che da me si parte, la qual in questo paese ove mi trovo potrà chiarir | alquanto certe Ombre dell’idee le quali in vero spaventano le bestie, e come fussero diavoli danteschi, fan rimaner gli asini lungi a dietro; et in cotesta patria ove voi siete, potrà far contemplar l’animo mio a molti, e fargli vedere che non è al tutto smesso. – Salutate da mia parte quell’altro Candelaio di carne et ossa, delle quali è detto che »Regnum Dei non possidebunt«; e ditegli che non goda tanto che costì si dica la mia memoria esser stata strapazzata a forza di piè di porci e calci d’asini: per che a quest’ora a gli asini son mozze l’orecchie, et i porci qualche decembre me la pagarranno. E che non goda tanto con quel detto »Abiit in regionem longinquam«; per che si avverrà giamai ch’i cieli mi concedano ch’io effettualmente possi dire »Surgam et ibo«, cotesto vitello saginato senza dubbio sarrà parte della nostra festa. Tra tanto viva e si governe, et attenda a farsi più grasso che non è; perché dall’altro canto io spero di ricovrare il lardo, dove ho persa l’erba: si non sott’un mantello, sotto un altro; si non in una, in un’altra vita. Ricordatevi, signora, di quel che credo che non bisogna insegnarvi: – Il tempo tutto toglie e tutto dà; ogni cosa si muta, nulla s’annihila; è un solo che non può | mutarsi, un solo è eterno, e può perseverare eternamente uno, simile e medesmo. – Con questa filosofia l’animo mi s’aggrandisse, e me si magnifica l’intelletto. Però qualumque sii il punto di questa sera ch’aspetto, si la mutazione è vera, io che son ne la notte, aspetto il giorno, e quei che son nel giorno, aspettano la notte. Tutto quel ch’è, o è cqua o llà, o vicino o lungi, o adesso o poi, o presto o tardi. Godete dumque, e si possete state sana, et amate chi v’ama.

zueignung

14

15

16

17

18

19 20 21

22

23

24

9

unter widrigen Umständen: Hier also die Kerze, die Euch gereicht wird durch diesen Candelaio, der sich von mir trennt, der in dem Land, wo ich mich befinde, zumindest ein wenig bestimmte Schatten der Ideen erhellen könnte, welche die wilden Tiere wahrlich erschrecken, und, als wären sie Danteske Teufel, die Esel lange hinter sich lassen; und in dieser Heimat, wo Ihr seid, könnte er meinen Geist vielen mitteilen und ihnen zeigen, daß er ganz und gar nicht am Ende ist. Grüßt mir jenen anderen Candelaio aus Fleisch und Blut, einer, von denen es heißt, »Regnum Dei non possidebunt« [Sie werden das Reich Gottes nicht besitzen], und sagt ihm, daß er sich dabei nicht so sehr vergnüge und sich dort einrede, daß mein Gedächtnis von der Kraft der Schweinehufe und Eselstritte zerrissen wurde: Denn jetzt sind den Eseln die Ohren kupiert, und die Schweine werden es mir an irgendeinem Dezembertag heimzahlen. Und daß er sich nicht gar so vergnügt mit seinem Spruch: »Abiit in regionem longinquam« [Er ging in ein fernes Land], denn sollten mir die Himmel jemals vergönnen zu sagen: »Surgam et ibo« [Ich will mich aufmachen und gehen], wird dieses fette Kalb zweifelsohne Teil unseres Festes sein. Derweilen soll er leben und sich beherrschen und darauf achten, daß er noch fetter werde, als er schon ist; denn ich hoffe meinerseits das Fett wiederzugewinnen, wo ich das Gras verloren habe, wenn nicht unter der einen Hülle, dann unter einer andren, und wenn nicht in dem einen, dann in einem anderen Leben. Erinnert Euch, Signora, an das, worüber ich Euch, denke ich, nicht zu unterrichten brauche: – Die Zeit nimmt alles und sie gibt alles; jede Sache verändert sich, nichts vergeht, und einer ist, der sich nicht verändern kann, ein einziger ist ewig und kann ewig als einer ähnlich und gleich bleiben. – Mit dieser Philosophie erweitert sich mir mein Geist und vergrößert sich mir der Intellekt. Denn, wann auch immer der Punkt jenes Abends [erreicht] ist, den ich erwarte, an dem die Verwandlung echt ist, dann erwarte ich, der ich [jetzt] in der Nacht bin, den Tag, und jene, die jetzt im Licht sind, erwarten die Nacht: Alles, was ist, ist hier oder dort, nah oder fern, jetzt oder nachher, früher oder später. Vergnügt Euch also, und wenn Ihr könnt, bleibt gesund und liebt den, der Euch liebt.

17 | 19

| argumento et ordine della comedia

Son tre materie principali intessute insieme ne la presente comedia: l’amor di Bonifacio, l’alchimia di Bartolomeo e la pedantaria di Mamfurio. Però per la cognizion distinta de suggetti, raggion dell’ordine et evidenza dell’artificiosa testura, rapportiamo prima da per lui l’insipido amante, secondo il sordido avaro, terzo il goffo pedante: de quali l’insipido non è senza goffaria e sordidezza; il sordido è parimente insipido e goffo; et il goffo non è men sordido et insipido che goffo. Bonifacio dumque nell’atto primo, scena prima, inamorato della signora Vittoria, et accorgendosi che non possea reciprocarsi l’amore (del che era la caggione che quella er’amica, come si dice, di fiori di barbe e frutti di borse, e lui non era giovane né liberale), pone la sua speranza nella vanità de le magiche superstizioni, per venire a gli amorosi effetti; e per questo manda il suo servitore a trovar Scaramuré che gli era stato descritto efficace mago. II scena. Avendo inviato Ascanio, discorre tra se medesmo riducendosi a mente il valor di quell’arte. III scena. | Gli sopragionge Bartolomeo che con certo mezzo artificio gli fa vomitare il suo secreto; e mostra la differenza dell’ogetto dell’amor suo. IV scena. Sanguino padre e pastor di marioli, et un scolare che studiava sotto Mamfurio, che da parte aveano uditi questi raggionamenti, discorreno sopra quel fatto; e Sanguino particularmente comincia a prender il capo per ordir qualche tela verso di Bonifacio. VI scena. Compare Lucia ruffiana con un presentuccio che Bonifacio mandava, e ne fa notomia, e si dispone a prenderne la decima, e poco mancò che non vi fusse sopragiunta da lui. VII scena. Bonifacio se ne viene tutto glorioso per certo suo poema di nova cola in onor e gloria della sua dama; nella qual festa

25

26

27

28

29

30

inhalt und anordnung der komödie

In der vorliegenden Komödie sind vor allem drei Stoffe ineinander verwoben: die Liebe Bonifacios, die Alchemie Bartolomeos und die Pedanterie Mamfurios. Deshalb berichten wir, um die verschiedenen Sujets, die Gründe der Ordnung und die kunstvolle Verknüpfung deutlich kenntlich zu machen, von jedem einzelnen, erstens von dem läppischen Liebhaber, zweitens dem garstigen Geizhals, drittens dem tölpelhaften Pedanten: Von diesen ist der Läppische nicht ohne Garstigkeit und Tölpelhaftigkeit, der Garstige ist ebenso läppisch und tölpelhaft, und der Tölpelhafte ist nicht weniger garstig und läppisch wie tölpelhaft. Bonifacio, ist also, im ersten Akt, Szene 1, in die Signora Vittoria verliebt. Als ihm klar wird, daß [seine] Liebe nicht erwidert werden kann – aus dem Grund nämlich, weil sie eine Freundin, wie man so sagt, von Milchbärten und von Früchten aus Geldbörsen, er aber weder jung noch freigebig ist –, wendet er seine Hoffnung den Nichtigkeiten des magischen Aberglaubens zu, um Erfolg in der Liebe zu erlangen; und deshalb schickt er seinen Diener, um Scaramuré zu finden, der ihm als erfolgreicher Magier beschrieben wurde. 2. Szene: Nachdem er Ascanio losgeschickt hat, spricht er mit sich selbst und führt sich den Wert der obengenannten Kunst vor Augen. 3. Szene: Bartolomeo kommt ihm dazwischen, der ihn durch einen bestimmten Kunstgriff sein Geheimnis ausspucken läßt; und er zeigt den Unterschied zum Objekt seiner [eigenen] Leidenschaft auf. 4. Szene: Sanguino, Vater und Hirte von Spitzbuben, sowie ein Schüler, der bei Mamfurio studierte, die abseits diese Gespräche mitgehört hatten, unterhalten sich über diese Sache; und Sanguino im besonderen beginnt, einer Laune folgend, eine Intrige gegen Bonifacio anzuzetteln. Szene 6: Auftritt der Kupplerin Lucia mit einem kümmerlichen Geschenk, das Bonifacio sandte und das sie genau untersucht und sich anschickt, etwas davon abzuzweigen, wobei er ihr fast dazwischen gekommen wäre. Szene 7: Bonifacio kommt ganz aufgeblasen daher wegen eines seiner Poeme mit neuer Vers-Endung zu Ehren und Ruhm seiner [Herzens-]dame. Bei diesem Fest wurde

12

argumento et ordine della comedia

19 | 21

(VIII scena) fu ritrovato da Gioan Bernardo pittore, al quale arrebbe discoperto il suo nuovo poetico furore: ma lo distrasse il pensier del ritratto, et il pensiero sopra un dubbio che gli lasciò Gioan Bernardo nella mente; e (IX scena) rimane perplesso su l’enigma: per che o più o meno intende il termino »candelaio«, ma non molto può capir che voglia dir »orefice«. Mentre dimora in questo pensiero, ecco (X scena) riviene Ascanio col mago: il quale dopo avergli fatte capir alcune pappolate, lo lascia in speranza d’accapar il tutto. Nell’atto secondo, II scena, si monstrano la signora Vittoria e Lucia entrate in speranza di premer vino da questa pumice e cavar oglio da questo subere: e sperano col seminar speranze nell’orto di Bonifacio, di tirar mèsse di scudi nel proprio magazzino; ma s’ingannavano le meschine pensando che l’amor gli avesse tanto tolto l’intelletto che non avesse sempre avanti gli occhi della mente il proverbio che gli udirrete dire nel principio della sesta scena nell’atto quarto. III scena: rimasta la signora Vittoria sola, fa di bei | castelli in aria presupponendo che questa fiamma d’amor facesse colar e fonder metalli; e che questo martello di Cupido co l’incudine del cuor di Bonifacio stampar potesse al men tanta moneta, che fallendo col tempo l’arte sua, non gli fusse necessario di incantar quella di Lucia, iuxta illud: »Et iam facta vetus, fit rofiana Venus«. Mentre dumque si pasce di que’ venticelli che gonfiano la panza e non nutriscono, (IV scena) sopraviene Sanguino, che per quel ch’avea udito dalla propria bocca di Bonifacio comincia ad tramar qualche bella impresa, e si retira con lei per discorrere come si dovessero governar col fatto suo. Nell’atto terzo, II scena, viene Bonifacio con Lucia che lo constrista tentandolo di pacienza per la borsa: or mentre masticava come avesse in bocca il panferlich, gli cascò il lasagno dentr’al formaggio, idest ebbe occasion di levarsela d’avanti per quella volta, per dover trattar cose importanti con dui che sopragiunsero. III scena: questi erano Scaramuré et Ascanio, co i quali si tratta come si dovesse governare ne’ magichi ce-

inhalt und anordnung der komödie 31

32

33

34

35, 36

13

er (Szene 8) vom Maler Gioan Bernardo angetroffen, dem er seine neue poetische Leidenschaft entdecken wollte, aber es lenkte ihn der Gedanke an das Portrait und ein Zweifel ab, den Gio. Bernardo ihm in den Kopf gesetzt hatte. Und er kann (Szene 9) das Rätsel nicht lösen; denn er versteht den Begriff candelaio mehr oder weniger, aber er kann nicht recht verstehen, was »Goldschmied« heißt. Während er noch bei diesem Gedanken verweilt (Szene 10), kommt Ascanio mit dem Magier zurück, der, nachdem er ihm einiges sinnloses Geschwätz zu Gehör gebracht hat, diesen in der Hoffnung läßt, alles zum Besten zu erledigen. Im zweiten Akt, Szene 3, präsentieren sich die Signora Vittoria und Lucia in der Hoffnung, Wein aus diesem Bimsstein zu pressen und Öl aus diesem Korkbaum zu bekommen: Sie hoffen, indem sie Hoffnung in den Garten des Bonifacio säen, massenhaft Geld in den eigenen Speicher zu leiten; aber die Elenden täuschen sich, wenn sie meinen, daß ihm die Liebe den Verstand derart geraubt hätte, daß er nicht immer jenes Sprichwort vor seinem geistigen Auge hätte, das ihr ihn in der Eingangsszene des vierten Aktes sagen hören werdet. Szene 4: Die Signora Vittoria, allein zurückgeblieben, baut hübsche Luftschlösser, weil sie annimmt, daß diese Liebesglut Metalle schmelzen und verflüssigen kann und daß jener Hammer Cupidos mit dem Amboß aus Bonifacios Herzen zumindest so viele Münzen prägen könnte, daß, wenn mit der Zeit ihre Kunst verginge, sie dennoch nicht nötig haben würde, jene von Lucia öffentlich anzubieten, iuxta illud: »Et iam facta vetus, fit rofiana Venus.« [denn es heißt: »Venus, nun alt geworden, wird zur Kupplerin.«] Während sie sich nun an diesen Lüftchen weidet, die den Bauch blähen und nicht nahrhaft sind (Szene 5), kommt Sanguino dazu, der wegen dem, was er aus Bonifacios eigenem Mund gehört hat, eine nette kleine Intrige anzuzetteln beginnt; und er zieht sich mit ihr zurück, um zu besprechen, wie sie das bewerkstelligen können. Im dritten Akt, Szene 2, kommt Bonifacio mit Lucia, die ihn betrübt, weil sie ihm hartnäckig an den Geldbeutel will: Nun, während er kaute, als hätte er das panferlich im Mund, da fiel ihm die Nudel in den Käse, idest, er hatte Gelegenheit, sie für diesmal loszuwerden, weil er wichtige Dinge mit zweien, die dazukommen, zu besprechen hat. Szene 3: Diese beiden waren Scaramuré und Ascanio, mit denen er sich berät, wie er

14

argumento et ordine della comedia

21 | 23

rimoni; dona parte del suo conto al mago, e se ne va. IV scena: rimane, beffandosi de la smania di costui, Scaramuré; e (V scena) ritorna Lucia che pensava che Bonifacio l’aspettasse: e costui la rende certa che la speranza era vana e la fatica persa; e con ciò vanno alla signora Vittoria per chiarirla del tutto: il che fece costui a fin che col fingere di quella potesse graffar | qualch’altra somma da Bonifacio. IX scena: compaiono Sanguino e Scaramuré come quei ch’aveano appuntato qualche cosa con la signora Vittoria e messer Gioan Bernardo; e questi dui con dui altri venturieri sotto la bandiera di Sanguino, trattano di negociare alcuni fatti con stravestirsi da capitano e birri: del qual partito (nella XIII scena) si contentano molto. Nell’atto quarto, I scena, la signora Vittoria vien fuori fastidita per molto aspettare; discorre sopra l’avaro amor di Bonifacio e sua vana speranza; mostra d’esser inanimata a fargli qualch’insapore, insieme col finto capitano, birri e Gioan Bernardo. Tra tanto venne Lucia (II scena) che mostra di non aver perso il tempo, e [esser stata] vana la fatica: espone come abbia informata et instrutta Carubina moglie di Bonifacio; e (scena III) sopragionte da Bartolomeo, sdegnate si parteno. IV scena: rimane Bartolomeo discorrendo sopra la sua materia; et ecco (V scena) gli occorre Bonifacio, e raggionano un pezzo insieme burlandosi l’un de l’altro. Tra tanto Lucia che non dormeva sopra il fatto suo, (VI scena) trova messer Bonifacio il quale, disciolto da Bartolomeo, vien ad esser molto persuaso dall’estreme novelle che quella gli disse: cioè che per il meno la signora Vittoria gli arrebbe donato tutt’il suo; con questo, che la andasse a chiavar per quella sera: ch’altrimente moreva; il che per le cose che erano passate della magica fattura, non fu difficile a donarglielo ad intendere: prese ordine di stravestirsi lui come Gioan Bernardo. Lucia si parte co le vesti di Vittoria a mascherar Carubina. VII scena: rimane Bonifacio facendo tra se medesmo festa dell’effetto che vede del suo incantesimo; apresso (VIII scena) si berteg-

inhalt und anordnung der komödie

37

15

sich in den magischen Zeremonien zu verhalten habe; er begleicht einen Teil seiner Rechnung mit dem Magier und geht. 4. Szene: Scaramuré bleibt und macht sich über die Verrücktheit von jenem lustig; und (Szene 5) Lucia, die dachte, daß Bonifacio auf sie warten würde, kehrt zurück, und jener versichert ihr, daß solche Hoffnung trügerisch war und die Mühe umsonst; und damit gehen sie zur Signora Vittoria, um sie über alles aufzuklären: Er tut dies, um sich durch deren Verstellkünste noch weitere [Geld-]summen von Bonifacio unter den Nagel zu reißen. Szene 9: Sanguino und Scaramuré tauchen als jene auf, die etwas mit der Signora Vittoria und mit Herrn Gioan Bernardo ausgemacht haben: Und diese beiden versuchen, mit zwei anderen Gaunern unter der Fahne Sanguinos auszuhandeln, sich als Capitano und Polizisten zu verkleiden, und sind mit dieser Rolle (in der Szene 10) sehr zufrieden. Im vierten Akt, Szene 1, tritt die Signora Vittoria auf, verärgert durch langes Warten; sie spricht über Bonifacios geizige Liebe und seine eitle Hoffnung; sie zeigt sich entschlossen, ihm ein wenig Ärger zu bereiten, gemeinsam mit dem falschen Capitano, den Polizisten und Gio. Bernardo. Inzwischen kommt Lucia (Szene 2), die zeigt, daß sie keine Zeit verloren hat und daß die Mühe umsonst ist: Sie erklärt, wie sie Carubina, Bonifacios Frau, informiert und instruiert hat; (Szene 3) von Bartolomeo überrascht, trennen sie sich unwillig. Szene 4: Bartolomeo bleibt zurück und spricht über seinen Stoff; und da (Szene 5) trifft ihn zufällig Bonifacio, und sie unterhalten sich ein wenig miteinander, wobei sich einer über den anderen lustig macht. Lucia, die inzwischen bei ihren Angelegenheiten auch nicht schlief (Szene 6), trifft Herrn Bonifacio, nachdem er sich von Bartolomeo getrennt hat; er läßt sich leicht von den außergewöhnlichen Nachrichten überzeugen, die ihm jene erzählte: daß nämlich die Signora Vittoria sich ihm zumindest völlig hingeben werde, wenn er sie an diesem Abend noch nageln werde, und daß sie andernfalls [vor Liebe] sterben werde; das war ihm nicht schwer einzureden, wegen der Dinge, die durch die magische Behexung vorgefallen waren: Er erhält den Auftrag, sich als Gio. Bernardo zu verkleiden. Lucia geht ab, um Carubina mit den Kleidern Vittorias zu vermummen; (Szene 7) Bonifacio bleibt, und gratuliert sich selbst zur Wirkung, die er seiner Bezauberung zuschreibt; darauf (Szene 8)

16

argumento et ordine della comedia

23 | 27

gia insieme con Marta, moglie di Bartolomeo, | per un pezzo; e poi è verisimile ch’andasse subbito al mascheraro per accomodarsi come san Cresconio. XII scena: ecco Carubina stravestita et istrutta da Lucia: fa intendere i belli allisciamenti e vezzi che questa sofistica Vittoria dovea far al suo alchimico inamorato; e prende il camin verso la stanza di Vittoria; e (XIII scena) rimane Lucia con determinazione d’andar a trovar Gioan Bernardo: ma ecco che (XIV scena) colui viene a tempo per che non vegliava meno sopra il proprio negocio, che Lucia sopra l’altrui; cqua si determina de le occasione che dovean prendere, come le persone si doveano disporre al loco e tempo; e poi Lucia va a trovar Bonifacio, e Gioan Bernardo a dar ordine all’altre cose. Nell’atto quinto, scena I, eccoti Bonifacio in abito di Gioan Bernardo, che spirava amor dal culo e tutti gli altri buchi della persona; e con Lucia, dopo aver discorso un poco, sen va alla bramata stanza. Tra tanto Gioan Bernardo teneva il baston dritto, pensando a Carubina: et aspettò un gran pezzo facendo la sentinella, mentre Sanguino mariolava e Bonifacio prendev’i suoi disgusti; sin tanto che, (IX scena) venendo fuori Bonifacio confusissimo con l’ancor sdegnatissima Carubina, a l’impensata de l’uno e l’altra, trovorno un altro osso da rodere e gruppo da scardare: cioè si trovorno rincontrati con Gioan Bernardo; quindi nacquero molti dibatti di paroli, et essendono prossimi a toccarsi co le mani, (X scena) sopravien Sanguino stravestito da capitan Palma con sui compagni stravestiti da birri; e per ordinario della corte et instanza di Gioan Bernardo menorno Bonifacio in una stanza vicina, fingendo intenzione di condurlo, dopo spediti altri negocii, in Vicaria. Con questo, (XI scena) Carubina rimane nelle griffe di Gioan Bernardo, il quale (come è costume di que’ che | ardentemente amano) con tutte sottigliezze d’epicuraica filosofia (Amor fiacca il timor d’omini e numi) cerca di troncare il legame del scrupolo che Carubina, insolita a mangiar più d’una minestra, avesse possuto avere: della quale è pur da pensare che desiderasse più d’esser vinta, che di vencere; però gli piac-

inhalt und anordnung der komödie

38

39 40

41

42

43

17

scherzt er ein bißchen mit Marta, der Frau von Bartolomeo; dann geht er wahrscheinlich gleich zum Kostümverleiher, um sich wie der Heilige Cresconio herzurichten. (Szene 12) Auftritt Carubina, die, verkleidet und von Lucia instruiert, jene hübschen Zärtlichkeiten und Liebkosungen vorführt, die diese sophistische Vittoria ihrem verliebten Alchemisten zukommen lassen soll; und sie macht sich auf den Weg in Vittorias Zimmer. (Szene 13) Lucia bleibt und beschließt, Gio. Bernardo aufzusuchen; aber da kommt er schon, (Szene 14) gerade rechtzeitig, denn er wachte nicht weniger über das eigene Geschäft als Lucia über das fremde. Hier nun wird über die Gelegenheiten entschieden, die es zu nutzen gilt, und wie die Personen sich nach Ort und Zeit verteilen sollen: Und dann geht Lucia, um Bonifacio und Gio. Bernardo aufzusuchen und die anderen Dinge anzuordnen. Im fünften Akt, Szene 1, siehst du Bonifacio, im Gewand des Gioan Bernardo, wie er die Liebe aus dem Arsch und aus allen anderen Löchern seines Leibes blies; und er geht mit Lucia, nachdem sie sich ein wenig unterhalten haben, auf das ersehnte Zimmer. Währenddessen hatte Gio. Bernardo einen geraden Zeiger, wenn er an Carubina dachte, und wartete eine lange Weile, in der er Wache schob, während Sanguino gaunerte und Bonifacio seine Vorwürfe hört, solange bis (Szene 9) der völlig verwirrte Bonifacio mit der immer noch völlig verärgerten Carubina herauskommt und diese (unerwartet für ihn wie für sie) eine andere Nuß zu knacken und einen anderen Faden zu entwirren haben, denn sie trafen auf Gioan Bernardo. Daraus entstehen viele Wortgefechte, und als sie nahe daran sind, handgreiflich zu werden, (Szene 10) tritt Sanguino, als Capitano Palma verkleidet mit seinen Kumpanen auf, die als Polizisten verkleidet sind; und auf Anordnung des Gerichts und der Anklage Gio. Bernardos führen sie Bonifacio auf ein Zimmer in der Nähe und täuschen dabei vor, ihn nach Erledigung anderer Angelegenheiten auf die Wache zu bringen. Damit (Szene 11) bleibt Carubina in den Klauen Gio. Bernardos, der (wie es bei jenen üblich ist, die brennend verliebt sind) versucht, mit allen Feinheiten der Epikureischen Philosophie (Amor nimmt die Angst vor Menschen und göttlichen Wesen) die Fessel des Gewissenszweifels zu durchtrennen, welche Carubina, die es nicht gewohnt ist, mehr als eine Suppe zu essen, hätte haben können. Es scheint allerdings, daß sie eher besiegt werden will,

18

argumento et ordine della comedia

27 | 29

que di andar a disputar in luoco più remoto. Tra tanto che passavano questi negocii, Scaramuré ch’avea l’orloggio nel stomaco e nel cervello, [(XIV scena)] andò con specie di sovvenire a Bonifacio; e (XV scena) trova Sanguino co i compagni et impetrò licenza di parlar a Bonifacio; et avendola impetrata, con certe mariolesche circostanze (XVI scena), viene (XVII scena) a persuadere a Bonifacio che l’incanto avea, per fallo di esso Bonifacio, avuto confuso effetto; e dice di voler negociar per il presente la sua libertà. Il che facendo (XVIII scena) con offrire qualche sottomano al capitano, ricevé da quel, che non era novizio nell’arte sua, una asprissima risoluzione la quale da dovero mosse Bonifacio e Scaramuré, in quel modo che posseva, a ingenocchiarsi in terra e chieder grazia e mercé: sin tanto ch’impetrorno da lui che si contentasse di farli grazia. La qual gli fu concessa con questa condizione, che Scaramuré facesse di modo che venessero la moglie Carubina e Gioan Bernardo a rimettergli l’offesa. Cossì questo accordo si venne a trattar con molte apparenti difficultà (XXI e XXII scena); sin tanto che (XXIII scena), dopo aver chiesa perdonanza in ginocchioni a Gioan Bernardo e la moglie, e ringraziato Sanguino e Scaramuré, et onta la mano del capitano e birri, fu liberato per grazia del signor Dio e della Madonna: dopo’ la cui partita, (XXIV scena) Sanguino et Ascanio fanno un poco di considerazione sopra il fatto suo. Considerate dumque come | il suo inamorarsi della signora Vittoria l’inclinò a posser esser cornuto, e quando si pensò di fruirsi di quella, dovenne a fatto cornuto: figurato veramente per Atteone, il quale andando a caccia, cercava le sue corne: et all’or che pensò gioir de sua Diana, dovenne cervo. Però non è maraviglia si è sbranato e stracciato costui da questi cani marioli.

inhalt und anordnung der komödie

44

45

19

als die Oberhand zu behalten; deshalb beliebte es ihnen, an einem abgelegeneren Ort weiter zu disputieren. Während diese Geschäfte abgewickelt werden, macht sich Scaramuré, der eine Uhr im Magen und eine im Gehirn hat, (Szene 14) auf den Weg, unter dem Vorwand, Bonifacio zu Hilfe zu kommen, und (Szene 15) trifft Sanguino samt Kumpanen und erlangt die Genehmigung, mit Bonifacio zu sprechen. Nachdem er diese durch bestimmte gaunerhafte Umstände erlangt hat (Szene 16), kann er Bonifacio davon überzeugen (Szene 17), daß der Liebeszauber durch Bonifacios eigenes Verschulden verkehrt gewirkt habe; und er sagt, daß er nunmehr seine Freilassung aushandeln wolle. Während er im Begriffe ist, das zu tun (Szene 18), indem er dem Capitano etwas unter der Hand anbietet, erhält er von diesem, der kein Neuling in seiner Kunst ist, eine sehr schroffe Abfuhr, welche Bonifacio und Scaramuré tatsächlich dazu brachte, niederzuknien und um Gnade und Nachsicht zu flehen, wodurch sie von ihm erreichten, daß er sich damit zufrieden gibt, Gnade walten zu lassen. Diese wurde ihm unter der Bedingung gewährt, daß Scaramuré es fertigbringt, daß die Ehefrau Carubina und Gioan Bernardo kommen, um ihm die Beleidigung zu vergeben. Und so wird dieser Vertrag unter vielen scheinbaren Schwierigkeiten ausgehandelt (Szenen 21 und 22), bis er (Szene 23) auf Knien Gio. Bernardo und die Ehefrau um Verzeihung gebeten, Sanguino und Scaramuré gedankt und den Capitano und die Polizisten geschmiert hatte und durch die Gnade Gottes und der Jungfrau auf freien Fuß gesetzt wurde: Nach seinem Abgang (Szene 24) stellen Sanguino und Ascanio einige Betrachtungen über seinen Fall an. Bedenkt also, wie seine Verliebtheit in die Signora Vittoria ihn in die Gefahr brachte, potentiell die Hörner aufgesetzt zu bekommen, und als er vermeinte, sich an ihr zu ergötzen, wurden ihm tatsächlich die Hörner aufgesetzt: Er spielt wirklich die Rolle eines Aktaion, der, als er zur Jagd ging, seine Hörner suchte, und als er vermeinte, sich seiner Diana erfreuen zu können, zum Hirsch wurde. So ist es kein Wunder, wenn dieser von jenen gaunerischen Hunden zerfleischt und zerfetzt wird.

20

argumento et ordine della comedia

29 | 31

Bartolomeo compare nell’atto primo, III scena, dove si beffa dell’amor di Bonifacio: concludendo che l’inamoramento dell’oro e de l’argento, e perseguire altre due dame, è più a proposito. Et è verisimile che quindi partito, fusse andato a far l’alchimia nella quale studiava sotto la dottrina di Cencio: il quale Cencio nella XI scena si discuopre barro secondo il giudizio di Gioan Bernardo; e poi nella. XII scena egli medesmo si mostra a fatto truffatore. Viene Marta sua moglie nella XIII scena, e discorre sopra l’opra del marito; e nella XIV scena è sopragionta da Sanguino che si burlava di lui e lei. Nell’atto secondo, V scena, raggionando Barro con Lucia, mostra parte del profitto che facea Bartolomeo: cioè che mentre lui attendeva ad una alchimia, la moglie Marta facea la bucata et insaponava i drappi. Nell’atto terzo, I scena, Bartolomeo discorre sopra la nobilità della sua nuova professione: e mostra con sue raggioni che non v’è meglior studio | e dottrina de quello de minerabilibus; e con questo, ricordato del suo esercizio, si parte. Nell’atto quarto, III scena, va Bartolomeo aspettando il servitore ch’avea inviato per il pulvis Christi; e (IV scena) discorre sopra quel detto »Onus leve«, assomigliando l’oro alle piume. VIII scena: la sua moglie dimostra quanto fusse onesta matrona nel raggionar che fa con messer Bonifacio; mostra quanto lei fusse più esperta nell’arte del giostrare ch’il suo marito in far alchimia; e nella IX scena dona ad intendere ciò non esser maraviglia, perché a quella disciplina fu introdotta nella età di dodici anni; e donando più vivi segnali della sua dottrina da cavalcare, fa una lamentevole e pia digressione circa quel studio di suo marito, che l’avea distratto da sue occupazioni megliori. Mostra anco la diligenza che teneva in sollicitar gli suo’ dèi a fin che gli restituissero il suo marito nel grado di prima. Con questo, (X scena) comincia ad veder effetto di sue orazioni: per essere l’alchimia tutta andata in chiasso per un certo pulvis Christi che non si trovava altrimente che facendolo

inhalt und anordnung der komödie

46

47

48 49

50

51

21

Bartolomeo tritt im ersten Akt, Szene 3, auf, wo er über Bonifacios Liebe spottet und dabei zu dem Schluß kommt, daß die Verliebtheit in Gold und Silber und zwei anderen Damen nachzusteigen angebrachter ist; und es ist wahrscheinlich, daß er nach seinem Abgang jene alchemistischen Prozesse durchführt, mit denen er sich unter Cencio als Lehrer beschäftigte. Dieser Cencio entlarvt sich (in Szene 9) nach dem Urteil Gio. Bernardos als Gauner; und dann (in Szene 12) erweist er sich tatsächlich als Betrüger. Marta, seine Frau, kommt (in Szene 13) und spricht über das Werk ihres Gatten; da (in Szene 14) kommt ihr Sanguino dazwischen, der sich über jenen und über sie lustig macht. Im zweiten Akt, Szene 6, während sich Barra mit Lucia unterhält, zeigt sie einen Teil des Gewinns, den Bartolomeo machte: das heißt, während er einen alchemistischen Versuch durchführte, wusch seine Ehegattin Marta die Wäsche und seifte die Bettücher ein. Im dritten Akt, Szene 1, spricht Bartolomeo über die Nobilität seines neuen Berufes: Und er zeigt mit seinen Argumenten, daß es kein besseres Studium und keine bessere Lehre als jene de minerabilibus [über die Metalle] gibt, und dadurch an sein Geschäft erinnert, geht er ab. Im vierten Akt, Szene 3, wartet Bartolomeo auf den Diener, den er nach dem pulvis Christi geschickt hat, und (Szene 4) spricht über jenes Wort »Onus leve« [ein leichtes Gewicht], wobei er das Gold mit den Federn vergleicht. In Szene 8 beweist seine Ehegattin im Gespräch mit Herrn Bonifacio, was für eine ehrbare Matrone sie ist: Sie zeigt, wieviel mehr Erfahrung sie in der Kunst des Lanzenbrechens besitzt als ihr Ehemann in der Praxis der Alchemie; und (in Szene 9) gibt sie zu verstehen, daß dies kein Wunder sei, weil sie in diese Disziplin im Alter von zwölf Jahren eingeführt wurde; und indem sie noch lebhaftere Zeichen ihrer Wissenschaft vom Reiten zum besten gibt, macht sie eine klagende und fromme Abschweifung zum Studium ihres Ehemannes, das ihn von seinen besten Geschäften abgelenkt hat; sie zeigt auch den Fleiß, den sie aufbrachte, um ihre Götter mit Bitten zu bestürmen, damit diese ihr den Ehemann in der alten Würde zurückgäben. Damit (Szene 10) beginnt sie eine Wirkung ihrer Gebete zu erkennen, weil die ganze Alchemie zum Scherz geworden ist; wegen eines bestimmten pulvis Christi, von dem nicht mehr aufzutreiben war, als Barto-

22

argumento et ordine della comedia

31 | 33

Bartolomeo medesmo; il quale de cinque talenti gli arrebbe reso talenti cinque. Or l’uomo [per] informarsi meglio va col suo Mochione ad ritrovar Consalvo. Nell’atto quinto, II scena, vengono Consalvo e Bartolomeo che si lamentava di lui come consapevole e complice della burla fattagli da Cencio; e cossì dalle paroli venuti a’ pugni, (III scena) furno sopragionti da Sanguino e compagni in guisa di capitano e birri: li quali sotto specie di volerle menare in priggione, le legarono co le mani a dietro; et avendole menati a parte più remota, | gionsero le mani dell’uno alle mani dell’altro a schena a schena: e cossì gli levorno le borse e vestimenti, come si vede nel discorso delle IV., V., VI., VII., VIII. scene; e poi nella XII scena, avendono caminato per fianco e fianco per incontrarsi con alcuno che le slegasse, giunsero al fine dov’era Gioan Bernardo e Carubina che andavano oltre: i quali volendo arrivare, Consalvo con affrettar troppo il passo fe’ cascar Bartolomeo che si tirò lui appresso; e rimasero cossì, sin che (XIII scena) sopravenne Scaramuré e le sciolse, e le mandò per diversi camini a proprie case.

Mamfurio nell’atto primo, V scena, comincia ad altitonare; e viene ad esser conosciuto da Sanguino per pecora da pastura: cioè ch’i marioli cominciorno a formar dissegno sopra il fatto suo. Nell’atto secondo, | prima scena, vien burlato dal signor Ottaviano, che prima monstrava maravigliarsi di sui bei discorsi; appresso de far poco conto di suoi poemi: per conoscere come si portava quando era lodato, e come quando era o meno o più biasimato. E partitosi il signor Ottaviano, porge Mamfurio una lettera amatoria al suo Pollula inviandola a messer Bonifacio, per il cui servizio l’avea composta: la quale epistola poi nella VI scena viene ad essere letta e considerata. Nell’atto terzo, sguaina un poema contra il signor Ottaviano, in vendetta della poca stima che fece di sui versi; sopra i quali mentre discorre

inhalt und anordnung der komödie

52 53

54

55

23

lomeo selbst hergestellt hatte, und das ihm von fünf [ausgegebenen] Talenten fünf einbringen würde. Um sich besser zu informieren, versucht der Mann, mit seinem [Diener] Mochione Consalvo zu finden. Im 5. Akt, Szene 2, kommen Consalvo und Bartolomeo, der sich über ihn beklagte, als Mitwisser und Komplizen des Streiches, den Cencio ihm gespielt hat; und so, von den Worten zu den Fäusten kommend (Szene 3), wurden sie von Sanguino und [seinen] Kumpanen, verkleidet als Capitano mit [seinen] Polizisten, überrascht, die sie, unter dem Vorwand, sie ins Gefängnis abführen zu wollen, mit den Händen auf dem Rücken fesselten, und, nachdem sie sie an einen abgelegeneren Ort geführt hatten, die Hände des einen an die des anderen banden, Rükken an Rücken: Und so nahmen sie ihnen Geldbörsen und Kleidung ab, wie man an der Unterhaltung in den Szenen 4, 5, 6, 7, 8 erkennt. Und dann (in der Szene 12), nachdem sie Seite an Seite gegangen sind, um irgend jemanden zu treffen, der sie losbände, stießen sie schließlich auf Gio. Bernardo und Carubina, die woandershin unterwegs waren. Als sie diese erreichen wollten, brachte Consalvo, weil er die Gangart zu sehr beschleunigen wollte, Bartolomeo zu Fall, den er hinter sich herzog; und so blieben sie, bis (Szene 13) Scaramuré dazwischenkam, und sie losband und auf unterschiedlichen Wegen nach Hause schickte.

Mamfurio beginnt (im ersten Akt, Szene 5) mit seinem Getöse; und er wird von Sanguino als Schafskopf erkannt. Das heißt, daß die Gauner begannen, einen ihn betreffenden Plan auszuhecken. Im zweiten Akt, Szene 1, wird er von Signor Ottaviano zum Besten gehalten, der sich zuerst erstaunt zeigte über seine schönen Reden, um dann [allerdings] seine Gedichte abzutun. Dies, um herauszufinden, wie jener sich benähme, wenn man ihn lobte oder mehr oder weniger tadelte, und nach dem Abgang des Signor Ottaviano übergibt Mamfurio seinem [Diener] Pollula einen Liebesbrief, den er Herrn Bonifacio schickt, in dessen Auftrag er ihn verfaßt hatte: Dieser Brief wird dann (in der Szene 7) von Sanguino und Pollula gelesen und beurteilt. Im dritten Akt zieht er mit einem Gedicht gegen den Signor Ottaviano vom Leder, als Rache für die Geringschätzung, welche jener

24

argumento et ordine della comedia

33 | 35

con il suo Pollula, sopraviene messer Gioan Bernardo (scena VII), col qual discorse sin tanto che gli cascò la pazienza. Ritorna nella XI scena: appare con | Corcovizzo, che fe’ di modo che gli tols’ i scudi de mano. Or mentre di ciò (XII scena) si lagna e fa strepito, gli occorreno Barra e Marca e (XIII scena) Sanguino: i quali ponendolo in speranza di ritrovar il furbo e ricovrare il furto, li ferno cangiar le vesti e lo menorno via. Nell’atto quarto, XI scena, riviene cossí mal vestito com’era, lamentandosi che gli secondi marioli gli aveano tolte le vestimenta talari e pileo prezioso: facendolo rimaner solo nel passar di certa stanza; e con questo avea vergogna di ritornar a casa: aspetta il più tardi retirandosi in un cantoncello; sin tanto che nella XV scena si fa in mezzo spasseggiando e discorrendo circa quel che ivi avea udito e visto. Tra tanto (XVI scena) viene Sanguino, Marca ed altri in forma di birri; e volendosi Mamfurio ritirar in secreto, con quella ed altre specie lo presero priggione e lo depositorno nella prossima stanza. Nell’atto quinto, penultima scena, gli vien proposto che faccia elezzione de una di tre cose per non andar priggione: o di pagar la bona strena a gli birri e capitano, o di aver diece spalmate, o ver cinquanta staffilate a brache calate. Lui arrebbe accettata ogni altra cosa più tosto che andar con quel modo priggione; però delle tre elegge le diece spalmate; ma quando fu alla terza, disse: »Più tosto cinquanta staffilate alle natiche«; de quali avendone molte ricevute, e confondendosi il numero or per una or per un’altra causa, avvenne che ebbe spalmate, staffilate, e pagò quanti scudi gli erano rimasti alla giornea: e vi lasciò il mantello che non era suo. E fatto tutto questo, posto in arnese come don Paulino, nella scena ultima fa e dona il plaudite.

inhalt und anordnung der komödie

56

57 58

25

seinen Versen entgegenbrachte; während er diese mit seinem [Schüler] Pollula bespricht, kommt Herr Gio. Bernardo dazwischen (Szene 7), mit dem er sich unterhielt, bis ihm die Geduld riß. Er kommt (in der Szene 11) zurück, tritt mit Corcovizzo auf, der es zuwege brachte, ihm die Scudi aus der Hand zu reißen. Nun, (Szene 12) während er sich darüber beklagt und großes Aufsehen macht, kommen ihm Barra und Marca und (Szene 13) Sanguino entgegen: Indem diese ihm die Hoffnung einflößten, den Betrüger zu finden und das Gestohlene wiederzuerlangen, ließen sie ihn die Kleider tauschen und führten ihn fort. Im vierten Akt, Szene 11, kehrt er genauso schlecht gekleidet zurück wie zuvor und beklagt sich, daß die zweite Gauner[-partie] ihm die Gelehrtentoga und den teuren Doktorhut abgenommen hatte und ihn allein ließ, als er durch ein bestimmtes Haus schritt; und er schämte sich, in diesem Zustand nach Hause zurückzukehren. Er wartet, bis es ein [wenig] später wird, und zieht sich in ein Winkelchen zurück, bis er wieder hervorkommt (in der Szene 15) und sich lustig macht und über das spricht, was er von dort aus gehört und gesehen hat. Inzwischen kommen (Szene 16) Sanguino, Marca und andere als Polizisten verkleidet, und da sich Mamfurio insgeheim davonmachen will, nehmen sie dies und anderes zum Vorwand, ihn festzunehmen und ihn im nächsten Zimmer einzusperren. Im fünften Akt in der vorletzten Szene schlägt man ihm vor, unter drei Dingen zu wählen, um nicht ins Gefängnis zu kommen: entweder den Polizisten samt Capitano ein gutes Trinkgeld zu zahlen oder zehn Rohrstockschläge auf die Hand oder fünfzig Hiebe mit dem Riemen bei heruntergelassenen Hosen. Er hätte alles hingenommen, nur um nicht auf diese Art ins Gefängnis zu müssen: Deshalb wählt er von den drei die zehn Stockschläge, aber als er beim dritten war, sagte er: »Lieber fünfzig Hiebe mit dem Riemen auf den Hintern«. Nachdem er viele von diesen bekommen hat und man sich aus dem einen oder anderen Grund beim Zählen irrte, geschah es, daß er Stockschläge [und] Hiebe mit dem Riemen bekam und so viele Scudi bezahlte, wie ihm im Geldbeutel geblieben waren, und er den Mantel hinterließ, der nicht ihm gehörte. Und nachdem er alles das getan hat, verkündet und schenkt er in einem Aufzug wie Don Paulino (in der letzten Szene) das Plaudite [den Applaus].

37 | 39

| antiprologo Messer sì: ben considerato; bene appuntato; bene ordinato. Forse che non ho profetato, che questa comedia non si sarrebbe fatta questa sera? Quella bagassa che è ordinata per rapresentar Vittoria e Carubina, have non so che mal di madre. Colui che ha da rapresentar il Bonifacio, è imbriaco che non vede ciel né terra da mezzo dì in qua; e come non avesse da far nulla, non si vuol alzar di letto; dice: »Lasciatemi lasciatemi, che in tre giorni e mezzo e sette sere, con quatro o dui rimieri, sarrò tra parpaglioni e pipistregli: sia, voga; voga, sia«. A me è stato commesso il prologo; e vi giuro ch’è tanto intricato et indiavolato, che son quattro giorni che vi ho sudato sopra e dì e notte: che non bastan tutti trombetti e tamburini delle Muse puttane d’Elicona a ficcarmen’una pagliusca dentro la memoria. Or và fà il prologo: sii battello di questo barconaccio dismesso, scasciato, rotto, mal impeciato; che par che co crocchi, rampini et arpagini, sii stato per forza tirato dal profondo abisso; da molti canti gli entra l’acqua dentro, non è punto spalmato: e vuole uscire, e vuol fars’in alto mare? Lasciar | questo sicuro porto del Mantracchio? far partita dal Molo del silenzio? L’autore, si voi lo conosceste, dirreste ch’have una fisionomia smarrita: par che sempre sii in contemplazione delle pene dell’inferno; par sii stato alla pressa come le barrette: un che ride sol per far comme fan gli altri; per il più lo vedrete fastidito, restio e bizarro: non si contenta di nulla, ritroso come un vecchio d’ottant’anni, fantastico com’un cane ch’ha ricevute mille spellicciate, pasciuto di cipolla. Al sangue, non voglio dir de chi, lui e tuti quest’altri filosofi, poeti e pedanti, la più gran nemica che abbino è la richezza e beni: de quali mentre col lor cervello fanno notomia, per tema di non essere da costoro da dovero sbranate, squartate e dissipate, le fuggono come centomila diavoli, e vanno a ritrovar quelli che le mantengono sane et in conserva. Tanto che io con servir simil

antiprolog

59

60

61 62

63

Ja, mein Herr, wohlüberlegt, wohl auf den Punkt gebracht, wohlgeordnet. Hab ich es denn nicht vorausgesehen, daß diese Komödie heute abend nicht stattfindet? Diese Nutte, der aufgetragen wurde, Vittoria und Carubina darzustellen, hat ich weiß nicht was für ein Frauenleiden. Der, der den Bonifacio darstellen soll, ist seit Mittag so betrunken, daß er weder Himmel noch Erde sieht; als ob er nichts zu tun hätte, will er nicht raus aus dem Bett. Er sagt: »Laßt mich, laßt mich, denn in dreieinhalb Tagen und sieben Abenden, mit vier oder zwei Ruderern werde ich unter Schmetterlingen und Fledermäusen sein: zurück, vor; vor, zurück.« Mir haben sie den Prolog aufgegeben; und ich schwöre Euch, daß er so verwirrend und verteufelt ist, daß ich vier Tage darüber geschwitzt habe, Tag und Nacht, so daß alle Trompeter und Tamboure der Hurenmusen vom Helikon nicht reichen, um mir auch nur ein Strohhälmchen ins Gedächtnis zu stecken. Nun geh, mach den Prolog: Nimm diesen ausgedienten Kahn ins Schlepptau, zerfallen, kaputt, schlecht ausgepicht, daß es scheint, als sei er mit den Haken, Haspen und Harpunen gewaltsam vom tiefen [Meeres-]grund gehoben worden; von vielen Seiten dringt das Wasser in ihn ein, er ist überhaupt nicht abgedichtet und will trotzdem auslaufen und auf hohe See? Diesen sicheren Hafen von Mantracchio verlassen? Die Mole der Stille verlassen? Wenn Ihr ihn kennen würdet, würdet Ihr sagen, daß der Autor ein wirres Gesicht hat: Es scheint, als würde er ständig über die Strafen der Hölle nachdenken, es scheint, als hätte er in der Hutpresse gesteckt: einer, der nur lacht, um es den anderen nachzutun; meistens werdet ihr ihn verdrießlich sehen, widerwillig und wunderlich, er gibt sich mit nichts zufrieden, eigensinnig wie ein Alter mit achtzig Jahren, launenhaft wie ein Hund, dem tausendmal das Fell gegerbt wurde und der sich von Zwiebeln ernährt. Bei meinem Blut, ich will nicht sagen, von wem, von ihm und von allen diesen anderen Philosophen, Poeten und Pedanten [gilt], daß der Reichtum und die Güter ihr größter Feind sind: Wenn sie diese in ihrem Gehirn sezieren, flüchten diese aus Angst, daß sie von ihnen gebührlich zerfleischt, gevierteilt und zerteilt werden, wie hunderttausend Teufel und gehen, um jene aufzusuchen, welche sie gesund und unversehrt erhalten. Und zwar in einem solchen Ausmaß,

28

proprologo

39 | 43

canaglia, ho tanta de la fame, tanta de la fame, che si me bisognasse vomire, non potrei vomir altro ch’il spirto; si me fusse forza di cacare, non potrei cacar altro che l’anima com’un appiccato. In conclusione io voglio andar a farmi frate, e chi vuol far il prologo sel faccia.

| proprologo

Dove è ito quel furfante, schena da bastonate, che dovea far il prologo? Signori, la comedia sarrà senza prologo: e non importa; per che non è necessario che vi sii: la materia, il suggetto, il modo et ordine e circonstanze di quella, vi dico che vi si farran presenti per ordine, e vi sarran poste avanti a gli occhi per ordine; il che è molto meglio che si per ordine vi fussero narrati: questa è una specie di tela, ch’ha l’ordimento e tessitura insieme; chi la può capir, la capisca; chi la vuol intendere, l’intenda. Ma non lascierò per questo di avertirvi che dovete pensare di essere nella regalissima città di Napoli, vicino al seggio di Nilo. Questa casa che vedete cqua formata, per questa notte servirrà per certi barri, furbi e marioli (guardatevi pur voi che non vi faccian vedovi di qualche cosa che portate adosso); cqua costoro stenderranno le sue rete: e zara a chi tocca. Da questa parte si va alla stanza del Candelaio, id est messer Bonifacio, e Carubina moglie, e quella di messer Bartolomeo. Da quest’altra si va a quella della signora Vittoria, e di Gioan Bernardo pittore e Scaramuré che fa del necromanto. Per questi contorni, non so per qual’occasioni, molto spesso si va rimenando un sollennissimo | pedante detto Mamfurio. Io mi assicuro che le vedrete tutti. E la ruffiana Lucia per le molte facende bisogna che non poche volte vada e vegna; vedrete Pollula col suo magister per il più: quest’è un scolare da inchiostro nero e bianco; vedrete il paggio di Bonifacio Ascanio: un servitor da sole e da candela. Mochione, garzone di Bartolomeo, non è caldo né freddo, non odora né puzza. In Sanguino, Barra, Marca e Cor-

proprolog

29

daß ich, als Diener einer solchen Kanaille, so viel Hunger habe, so viel Hunger, daß ich, sollte ich erbrechen müssen, nichts anderes erbrechen könnte als meinen Lebensgeist; müßte ich scheißen, könnte ich wie ein Erhängter nichts anderes scheißen als die Seele. Um zum Schluß zu kommen: Ich will Mönch werden, und wer den Prolog machen will, soll ihn machen. proprolog

64

65

66 67

Wohin ist dieser Taugenichts, dieser Prügelknabe, der den Prolog halten soll, gegangen? Meine Herren, die Komödie wird ohne Prolog sein; und das ist egal, denn es ist nicht notwendig, daß es einen gibt; deren Gegenstand, Sujet, Art und Reihenfolge und Umstände, ich sage Euch, werden Euch der Reihe nach vorgestellt und vor Augen geführt; was viel besser ist, als wenn sie Euch der Reihe nach erzählt werden. Im Gewebe dieser Erzählung fallen Anordnung und Verknüpfung zusammen; wer das verstehen kann, mag’s verstehen, wer es begreifen will, mag’s begreifen. Aber ich verzichte deshalb nicht darauf, Euch mitzuteilen, daß ihr Euch vorstellen müßt, in der königlichsten Stadt Neapel zu sein, nahe am Nil-Viertel. In diesem Haus, das Ihr hier seht, werden heute Nacht bestimmte Betrüger, Spitzbuben und Gauner – hütet Euch auch Ihr, daß sie Euch nicht zu Witwern einiger Dinge machen, die ihr bei Euch tragt – ihre Netze ausspannen, und weh dem, der den Schwarzen Peter hat! Hierhin kommt man zum Haus des Candelaio, id est, Herr Bonifacio, und der Ehegattin Carubina und zu dem von Herrn Bartolomeo; von der anderen [Seite] kommt man zu jenem der Signora Vittoria und von Gio. Bernardo, dem Maler, und von Scaramuré, der den Nekromanten spielt; in diese Gegend treibt es, ich weiß nicht aus welchen Anlässen, oft einen auserlesenen Pedanten, der Mamfurio heißt. Ich versichere Euch, daß Ihr sie alle sehen werdet; und die Kupplerin Lucia, [die] wegen vieler Geschäfte nicht wenige Male gehen und kommen muß; Ihr werdet außerdem Pollula mit seinem Magister sehen – das ist ein Schüler der schwarzen und weißen Tinte. Ihr werdet den Pagen Bonifacios sehen, Ascanio, ein Diener im Sonnen[schein] und bei Kerzen[licht]. Mochione, Bartolomeos Bursche, ist weder kalt noch warm, weder duftet noch stinkt er; bei Sanguino, Barra, Marca

30

proprologo

43 | 45

covizzo contemplarrete in parte la destrezza della mariolesca disciplina. Conoscerrete la forma dell’alchimici barrarie in Cencio. E per un passatempo vi si farrà presente Consalvo speciale, Marta moglie di Bartolomeo, et il facetissimo signor Ottaviano. Considerate chi va chi viene, che si fa che si dice, come s’intende come si può intendere: che certo contemplando quest’azzioni e discorsi umani col senso d’Eraclito o di Democrito, arrete occasion di molto o ridere o piangere. Eccovi avanti gli occhii: ociosi principii, debili orditure, vani pensieri, frivole speranze, scoppiamenti di petto, scoverture di corde, falsi presuppositi, alienazion di mente, poetici furori, offuscamento di sensi, turbazion di fantasia, smarito peregrinaggio d’intelletto; fede sfrenate, cure insensate, studi incerti, somenze intempestive, e gloriosi frutti di pazzia. Vedrete in un amante suspir, lacrime, sbadacchiamenti, tremori, sogni, rizzamenti, »e un cuor rostito nel fuoco d’amore«; pensamenti, astrazzioni, | colere, maninconie, invidie, querele, e men sperar quel che più si desia. Qui trovarrete a l’animo ceppi, legami, catene, cattività, priggioni, eterne ancor pene, martìri e morte; alla ritretta del core, strali, dardi, saette, fuochi, fiamme, ardori, gelosie, suspetti, dispetti, ritrosie, rabbie et oblii, piaghe, ferite, omei, folli, tenaglie, incudini e martelli; »l’archiero faretrato, cieco e ignudo«. L’oggetto poi del core, un cuor mio, mio bene, mia vita, mia dolce piaga e morte, dio, nume, poggio, riposo, speranza, fontana, spirto, tramontana stella, et un bel sol ch’a l’alma mai tramonta; et a l’incontro ancora, crudo cuore, salda colonna, dura pietra, petto di diamante, e cruda man ch’ha chiavi del mio cuore, e mia nemica, e mia dolce guerriera, versaglio sol di tutti miei pensieri, »e bei son gli amor miei non quei d’altrui«. Vedrete in una di

proprolog

68

69

70

31

und Corcovizzo könnt Ihr teilweise die gaunerhafte Schulung genau betrachten; Ihr werdet die Form der alchemistischen Betrügereien bei Cencio kennenlernen. Und zum Zeitvertreib werden sich Euch der Apotheker Consalvo, Marta, die Ehefrau Bartolomeos und der allerdrolligste Signore Ottaviano präsentieren. Seht Euch an, wer geht und wer kommt, was getan und gesagt wird, wie man versteht und wie man es verstehen kann: Denn es ist sicher, wenn man diese menschlichen Taten und Gespräche im Sinn von Heraklit und Demokrit betrachtet, werdet Ihr reichlich Gelegenheit haben, [entweder] viel zu lachen oder zu weinen. Hier stehen Euch vor Augen: müßige Prinzipien, schwache Dispositionen, eitle Gedanken, frivole Hoffnungen, Explosionen des Gefühls, Bloßlegungen des Herzens, falsche Hypothesen, Entfremdungen des Geistes, poetische Leidenschaften, Verdunkelung der Sinne, Störungen der Phantasie, verirrte Wanderschaften des Intellekts, ungestüme Treue, sinnlose Mühen, ungewisse Studien, unzeitige Samen und aufgeblasene Früchte des Wahnsinns. In einem Liebhaber werdet Ihr Seufzer, Tränen, Gähnerei, Zittern, Träume, Steifheiten und »ein Herz geröstet im Feuer der Liebe« finden; Gedanken, Abwesenheiten, Galligkeiten, Melancholien, Neidigkeiten, Streitereien und am wenigsten das zu erhoffen, was man am meisten ersehnt. Hier findet Ihr nach Belieben Fußblöcke, Fesseln, Ketten, Knechtschaften, Gefängnisse, auch noch ewige Strafen, Martyrien und Tod; im Schlupfwinkel des Herzens: Pfeile, Wurfgeschosse, Lanzetten, Feuer, Flammen, Brände, Eifersuchten, Verdächtigungen, Gespött, Widerspenstigkeiten, Tollwütigkeiten und Umnachtungen, Wunden, Verletzungen, Ohjemines, Besessenheiten, Zangen, Ambosse und Hämmer; »den köchertragenden Bogenschützen, blind und nackt«; dann das Objekt des Herzens: ein mein Herz, mein Schatz, mein Leben, meine süße Wunde und mein Tod, Gott, göttliches Wesen, Stütze, Erholung, Hoffnung, Quelle, Lebensgeist, Nordstern und schöne Sonne, die für die Seele nie untergeht; und auch im Gegenteil: grausames Herz, beharrliche Säule, harter Stein, diamantene Brust und grausame Hand, die Schlüssel zu meinem Herzen haltend, und meine Feindin und meine süße Kriegerin, einzige Zielscheibe aller meiner Gedanken, »und schön sind meine Liebschaften, nicht aber die von anderen.«

32

proprologo

45 | 49

queste femine sguardi celesti, suspiri infocati, acquosi pensamenti, terestri desiri e aerei fottimenti: co riverenza de le caste orecchie, è una che sel prende con pezza bianca e netta di bucata. La vedrete assalita da un amante armato di voglia che scalda, desir che cuoce, carità ch’accende, amor ch’infiamma, brama ch’avvampa, e avidità ch’al ciel mica e sfavilla. Vedrete ancora (a fin che non temiate diluvio universale) l’arco d’amore il quale è simile a l’arco del sole, che non | è visto da chi vi sta sotto, ma da chi n’è di fuori: perché de gli amanti l’uno vede la pazzia dell’altro e nisciun vede la sua. Vedrete un’altra di queste femine, priora delle Repentite per l’ommissione di peccati che non fece a tempo ch’era verde: adesso dolente come l’asino che porta il vino; ma che? un’angela, un’ambasciadora, secretaria, consigliera, referendaria, novellera; venditrice, tessitrice, fattrice, negociante e guida; mercantessa di cuori, e ragattiera che le compra e vende a peso, misura e conto: quella ch’intrica e strica, fa lieto e gramo, inpiaga e sana, sconforta e riconforta, quando ti porta o buona nova o ria, quando porta de polli magri o grassi; advocata, intercessora, mantello, rimedio, speranza, mediatrice, via e porta: quella che volta l’arco di Cupido, conduttrice del stral del dio d’amore; nodo che lega, vischio ch’attacca, chiodo ch’accoppia, orizonte che gionge gli emisferi. Il che tutto viene a effettuare mediantibus finte bazzane, grosse panzanate, suspiri a posta, lacrime a comandamento, pianti a piggione, singulti che si muoiono di freddo; berte masculine, baie illuminate, lusinghe affamate, scuse volpine, accuse lupine, e giuramenti che muion di fame, lodar presenti biasmar assenti, servir tutti amar nisciuno: »t’aguza l’apetito, e poi digiuni«. | Vedrete ancor la prosopopeia e maestà d’un omo masculini generis. Un che vi porta certi suavioli da far sdegnar un stomaco di porco o di gallina: un instaura-

proprolog

71

72

73

74

75

76

77

78

79 80

33

Bei einer dieser Frauen werdet Ihr himmlische Blicke erleben, feurige Seufzer, wäßrige Gedanken, irdische Begierden und luftige Fickereien: – den keuschen Ohren mit Ehrfurcht zu vermelden – sie ist eine, die man mit weißem Tuch und sauberer Wäsche nimmt. Ihr werdet sehen, wie sie von einem Liebhaber bestürmt wird, der bewaffnet ist mit Lust, die erhitzt, Begierde, die kocht, Mitgefühl, das entbrennt, Liebe, die entflammt, Sehnsucht, die entzündet, und Geiz, der zum Himmel emporstrahlt und glitzert. Ihr werdet auch (damit Ihr nicht die große Sintflut fürchten müßt) – den Regenbogen der Liebe sehen, der dem Regenbogen der Sonne ähnlich ist, indem er von dem nicht gesehen wird, der unter ihm steht, sondern nur von dem, der außerhalb ist: Denn bei den Liebenden sieht [zwar] der eine die Verrücktheit des anderen, aber keiner sieht seine eigene. Ihr werdet eine andere von diesen Frauen sehen, die Äbtissin der Büßerinnen für jene Unterlassung der Sünden, die sie in ihrer Jugend versäumte, nun leidend wie ein Esel, der den Wein trägt; aber was, ein weiblicher Engel, eine Botschafterin, Sekretärin, Beraterin, Berichterstatterin, Neuigkeitskrämerin; Verkäuferin, Seidenweberin, Geschäftsführerin, Unterhändlerin und Führerin; Kauffrau von Herzen und Trödlerin, die jene nach Gewicht, Maß und Berechnung ein- und verkauft: jene, die verwirrt und entwirrt, erheitert und betrübt, verwundet und heilt, entmutigt und ermutigt, wenn sie dir entweder gute Nachricht bringt oder traurige, wenn sie mageres oder fettes Federvieh bringt; Advokatin, Fürsprecherin, Deckmantel, Schutzmittel, Gegenstand der Hoffnung, Vermittlerin, Weg und Pforte, die Cupidos Bogen ausrichtet, Lenkerin des Pfeils des Liebesgottes; Knoten, der bindet, Vogelleim, der zusammenklebt, Nagel, der vereinigt, Horizont, der die Hemisphären zusammenführt. Alles das wird bewerkstelligt mediantibus [vermittels] fingierter Beschriftungen, derber Lügen, Seufzer per Post, Tränen auf Bestellung, gepachtetem Flennen, Schluchzern, die vor Kälte sterben, männlicher Streiche, erleuchtetem Gewäsch, ausgehungerter Schmeicheleien, gefuchster Entschuldigungen, wölfischer Anklagen und Schwüre, die Hungers sterben, Lob der Anwesenden, Tadel der Abwesenden, allen zu Diensten, niemandem zugetan: »Hol dir Appetit, und dann faste.« Ihr werdet außerdem die Prosopopöie und Würde eines Menschen masculini generis [männlicher Gattung] sehen: einen, der Euch bestimmte Süßigkeiten bringt,

34

proprologo

49 | 51

tor di quel lazio antiquo, un emulator demostenico; un che ti suscita Tullio dal più profondo e tenebroso centro; concinitor di gesti de gli eroi. Eccovi presente un’acutezza da far lacrimar gli occhi, gricciar i capelli, stuppefar i denti; petar, rizzar, tussir e starnutare. Eccovi un di compositor di libri bene meriti di republica, postillatori, glosatori, construttori, metodici, additori, scoliatori, traduttori, interpreti, compendiarii, dialetticarii novelli, apparitori con una grammatica nova, un dizzionario novo, un lexicon, una varia lectio, un approvator d’autori, un approvato autentico, con epigrammi greci, ebrei, latini, italiani, spagnoli, francesi posti in fronte libri. Onde l’uno e l’altro, e l’altro e l’uno, vengono consecrati all’immortalità, come benefattori del presente seculo e futuri, obligati per questo a dedicarli statue e colossi ne’ mediterranei mari e nell’oceano, et altri luochi inabitabili de la terra. La lux perpetua vien a fargli di sberrettate; e con profonda riverenza se gl’inchina il secula seculorum; ubligata la fama di farne sentir le voci a l’uno e l’altro polo, e d’assordir co i cridi, strepiti e schiassi il Borea e l’Austro, et il mar Indo e Mauro. Quanto campeggia bene (mi par veder tante perle e margarite in campo d’oro) un discorso latino in mezzo l’italiano, un discorso greco [in] mezzo del latino; e non lasciar passar un foglio | di carta dove non appaia al meno una dizzionetta, un versetto, un concetto d’un peregrino carattere et idioma. Oimè che mi danno la vita, quando o a forza o a buona voglia, e parlando e scrivendo, fanno venir a proposito un versetto d’Omero, d’Esiodo, un stracciolin di Plato o Demosthenes greco. Quanto ben dimostrano che essi son quelli soli a quai Saturno ha pisciato il giudizio in testa, le nove damigelle di Pal-

proprolog

81 82 83

84

85

86

87

88

35

welche [sogar] den Magen eines Schweins oder eines Huhnes anekeln, einen Erneuerer jenes antiken Latium, einen demosthenischen Nacheiferer, einen, der dir Tullius aus dem tiefsten und dunkelsten Grund erstehen läßt, einen Sänger der Heldentaten. Hier habt Ihr einen Scharfblick, der die Augen zum Tränen bringt, die Haare zu Berge stehen, die Zähne taub werden läßt, furzen, steif werden, husten, niesen macht. Hier habt Ihr einen von diesen Verfassern von in der Öffentlichkeit wohlangesehenen Büchern, Postillenschreibern, Glossatoren, Entwerfern, Methodikern, Hinzufügern, Scholienschreibern, Übersetzern, Auslegern, Leitfadenverfassern, Dialektikern, Romanschreibern, Anzeigenverfassern, mit einer neuen Grammatik, einem neuen Wörterbuch, einem lexicon, einer varia lectio [abweichenden Lesart], einen, der [antike] Autoren für authentisch erklärt, eine authentische Schrift, mit griechischen, hebräischen, lateinischen, italienischen, spanischen, französischen Epigrammen, plaziert in fronte libri [auf dem Titelblatt des Buches]. So werden der eine und der andere, der andere und der eine der Unsterblichkeit geweiht, als Wohltäter des gegenwärtigen und zukünftiger Zeitalter, und [man] ist deshalb verpflichtet, ihnen Statuen und Kolosse in den mediterranen Meeren und im Ozean und in anderen unbewohnbaren Orten auf der Erde zu errichten. Die lux perpetua [ewiges Licht] wird vor ihnen die Mütze abnehmen, und mit tiefer Ehrerbietung knien vor ihnen die saecula saeculorum [Ewigkeiten der Ewigkeiten]; die Fama wird verpflichtet sein, ihre Stimme von einem Erdpol zum anderen erschallen zu lassen und mit ihrem Geschrei, Getöse und Gekrache den Boreas und den Australwind, das Indische und das Maurische Meer ertauben lassen. Wie schön macht sich – mir scheint, als sehe ich so viele Perlen und Kostbarkeiten auf goldenem Grund – eine lateinische Rede mitten im Italienischen, eine griechische Rede mitten im Lateinischen; und laß ja kein Blatt Papier durchgehen, auf dem nicht zumindest eine kleine Redensart, ein Verschen, ein Ausdruck von fremdartigem Charakter und Idiom aufscheint. Ohjemine, daß sie mir das Leben schenken, wenn sie, sei es gezwungenermaßen, sei es freiwillig, entweder mündlich oder schriftlich ein Verschen von Homer, von Hesiod, ein Fetzchen vom griechischen Plato oder Demosthenes zum Thema machen. Wie gut beweisen sie, daß sie allein es sind, denen Saturn die Urteilskraft in den Schädel gepißt hat, die neun

36

proprologo

51 | 53

lade un cornucopia di vocaboli gli han scarcato tra la pia e dura matre: e però è ben conveniente che sen vadino con quella sua prosopopeia, con quell’incesso gravigrado, busto ritto, testa salda et occhii in atto di una modesta altiera circumspeczione. Voi vedrete un di questi che mastica dottrina, olface opinioni, sputa sentenze, minge autoritadi, eructa arcani, exuda chiari e lunatici inchiostri, semina ambrosia e nectar di giudicii, da farne la credenza a Ganimede e poi un brindes al fulgorante Giove. Vedrete un pubercola sinonimico, epitetico, appositorio, suppositorio: bidello di Minerva, amostante di Pallade, tromba di Mercurio, patriarca di Muse, e dolfino del regno apollinesco (poco mancò ch’io non dicesse »polledresco«). Vedrete ancor in confuso tratti di marioli, statagemme di barri, imprese di furfanti; oltre, dolci disgusti, piaceri amari, determinazion folle, fede fallite, zoppe speranze, e caritadi scarse; giudicii grandi e gravi in fatti altrui, poco sentimento ne’ propri; femine virile, effeminati maschii; »tante voci di testa e non di petto«: »chi più di tutti crede più s’inganna«; »e di scudi l’amor universale«. Quindi procedeno febbre quartane, cancheri spirituali, | pensieri manco di peso, sciocchezze traboccanti, intoppi baccellieri, granchiate maestre, e sdrucciolate da fiaccars’il collo; oltre, il voler che spinge, il saper ch’appressa, il far che frutta; »e diligenza madre de gli effetti«. In conclusione vedrete in tutto non esser cosa di sicuro: ma assai di negocio, difetto a bastanza, poco di bello, e nulla di buono. – Mi par udir i personaggi; a dio.

proprolog 89

90

91

92, 93

94

37

Maiden der Pallas [Athene] haben ihnen ein Füllhorn an Vokabeln zwischen die äußere und die innere Hirnhaut gekippt: Und es ist deshalb sehr angebracht, wenn sie sich mit ihrer Prosopopöie davonmachen, mit jenem gemessenen Schritt, steifer Brust, unbeweglichem Kopf und Augen, die dabei sind von oben herab bescheiden um sich blicken. Ihr werdet einen von jenen sehen, der die Lehre [wieder-]käut, Meinungen erschnuppert, Sentenzen spuckt, [Zitate von] Autoritäten pißt, Geheimweisheiten rülpst, klare und launenhafte Tinten ausschwitzt, Ambrosia und Nektar an Urteilen sät, um Ganymed vorzukosten und dann dem Blitze schleudernden Jupiter zuzuprosten. Ihr werdet einen synonymischen, epithetischen, appositorischen, suppositorischen pubercola sehen, einen Schuldiener der Minerva, Amostante der Pallas, Trompeter des Merkur, Patriarch der Musen und Thronfolger des apollinischen Reiches (wenig hat gefehlt und ich hätte gesagt: des gackernden [Reiches]). Ihr werdet auch, in verworrener Art, Winkelzüge von Gaunern sehen, Kriegslisten von Dieben, Heldentaten von Taugenichtsen; des weiteren süße Ekel, bittere Freuden, unbesonnene Entschlossenheit, gebrochene Treue, lahme Hoffnungen, knausrige Lieben; großartige und harte Verurteilung fremder Angelegenheiten, wenig Gefühl für die eigenen; virile Frauen, effeminierte Männer; »so viele Stimmen aus dem Kopf, nicht aus der Brust«; »wer leichtgläubiger als die anderen ist, wird auch öfter betrogen«; »die allgemeine Liebe [besteht] aus Geld«. Und so entstehen Quartanfieber, spirituelle Karzinome, Gedanken, denen es an Gewicht fehlt, übergewichtige Dummheiten, gelehrte Schnitzer, meisterhafte Dummheiten und halsbrecherische Fehltritte; des weiteren der Wille, der vorantreibt, das Wissen, das herbeiführt, das Handeln, das Früchte trägt, »und die Emsigkeit als Mutter der Wirkungen«. Schlußendlich: Ihr werdet sehen, daß in allem nichts sicher ist, aber sehr viel Geschäft, jede Menge Unzulänglichkeit, wenig Schönes und nichts Gutes. – Mir scheint, ich höre die Schauspieler. Adieu.

55

| bidello

Prima ch’i’ parle, bisogna ch’i’ m’iscuse. Io credo che si non tutti, la maggior parte al meno mi dirranno: »Cancaro vi mangie il naso: dove mai vedeste comedia uscir col bidello?«. Et io vi rispondo: il mal an che Dio vi dia, prima che fussero comedie, dove mai furon viste comedie? e dove mai fuste visti prima che voi fuste? E pare ad voi ch’un suggetto come questo che vi si fa presente questa sera, non deve venir fuori e comparire con qualche privileggiata particularità? Un eteroclito babbuino, un natural coglione, un moral menchione, una bestia tropologica, un asino anagogico come questo, vel farrò degno d’un connestable, si non mel fate degno d’un bidello. Volete ch’io vi dica chi è lui? voletelo sapere? desiderate ch’io vel faccia intendere? Costui è (vel dirrò piano): il Candelaio. Volete ch’io vel dimostri? desirate vederlo? Eccolo. Fate piazza; date luoco; retiratevi dalle bande, si non volete che quelle corna vi faccian male, che fan fuggir le genti oltre gli monti.

hausdiener

95

96

Bevor ich spreche, ist es nötig, daß ich mich entschuldige. Ich glaube, wenn nicht alle, so doch zumindest die meisten werden mir wünschen: »Der Krebs soll deine Nase fressen: Wo hat man je schon einmal eine Komödie gesehen, die von einem Hausdiener eröffnet wird?« Und ich antworte Euch: Gott möge Euch strafen: Bevor es Komödien gab, wo hat man je eine Komödie gesehen? Und wo wurdet Ihr gesehen, bevor es Euch gab? Und glaubt Ihr, daß ein Thema wie jenes, das Euch an diesem Abend vorgestellt werden soll, nicht mit etwas besonders Außergewöhnlichem beginnen und hervortreten dürfe? Einem extravaganten Pavian, einem geborenen Arschloch, einem moralischen Trottel, einer tropologischen Bestie, einem anagogischen Esel wie diesem werde ich von mir aus die Würde eines Hofmeisters verleihen, wenn Ihr ihm nicht die Würde eines Hausdieners verleiht! Wollt Ihr, daß ich Euch sage, wen ich meine? Wollt Ihr es wissen? Wollt Ihr, daß ich ihn Euch näher bringe? Dieser hier ist (ich werde es Euch zuflüstern): der Kerzenzieher. Wollt ihr, daß ich ihn Euch zeige? Wollt Ihr ihn sehen? Hier ist er. Macht Platz, gebt Raum, geht beiseite, wenn Ihr nicht wollt, daß diese Hörner Euch verwunden, die die Völker über die Berge fliehen lassen.

57 | 59

| AT T O P R I M O

scena prima Bonifacio, Ascanio Bonifacio Và lo ritrova adesso adesso; e fòrzati di menarlo cqua. Và fà, e vieni presto. Ascanio Mi forzarrò di far presto e bene. Meglio un poco tardi, che un poco male: sat cito, si sat bene. Bonifacio Lodato sii Idio: pensavo d’aver un servitore solamente, et ho servitore, mastro di casa, satrapo, dottore e consigliero; e dicon poi ch’io son povero gentil omo. Io ti dico in nome della benedetta coda de l’asino ch’adorano a Castello i Genoesi: fà presto, tristo, e mal volentieri; e guardati di entrare in casa, intendi tu? chiamalo che si faccia alla fenestra, e gli dirrai come ti ho detto. Intendi tu? Ascanio Signor sì; io vo. |

scena ii Bonifacio solo L’arte supplisce al difetto della natura, Bonifacio. Or poi ch’a la mal’ora non posso far che questa traditora m’ame, o che al meno mi remiri con un simulato amorevole sguardo d’occhio, chi sa? forse quella che non han mossa le paroli di Bonifacio, l’amor di Bonifacio, il veder spasmare Bonifacio, potrà esser forzata con questa occolta filosofia. Si dice che l’arte magica è di tanta importanza che contra natura fa ritornar gli fiumi a dietro, fissar il mare, muggire i monti, intonar l’abisso, proibir il sole, despiccar la luna, sveller le stelle, toglier il giorno e far fermar la

ERSTER AKT

1. szene

Bonifacio, Ascanio

1

2

Bonifacio Los, geh jetzt, such ihn und bring ihn schnell her! Mach schon und komm dann gleich [zurück]! Ascanio Ich werde mich bemühen, schnell zu sein und es gut zu machen. Besser etwas später als etwas erfolglos: Sat cito, si sat bene [Wenn es gut ist, ist es früh genug]. Bonifacio Gottlob, ich dachte, nur einen Diener zu haben, habe aber einen Diener, Hausmeister, Besserwisser, Gelehrten und Berater [in einem]; und dann sage man noch, ich sei ein armer Edelmann? Ich sage dir, im Namen des gebenedeiten Eselsschwanzes, welchem die Genovesen zu Castello huldigen: Beeile dich, Tunichtgut, und [wehe] das paßt dir nicht! Und hüte dich, ins Haus einzutreten, verstehst du mich? Ruf ihn ans Fenster und sag ihm, was ich dir aufgetragen habe! Ist das klar? Ascanio Ja, mein Herr, ich gehe!

2 . szene

Bonifacio, allein

3

Die Kunst gleicht den Mangel der Natur aus, Bonifacio. Nun, da ich partout nicht erreiche, daß diese Verräterin mich liebt, ja sie mir nicht einmal zum Schein einen verliebten Blick zuwirft, wer weiß, vielleicht kann sie, die Bonifacios Worte, Bonifacios Liebe und Bonifacios flehendes Begehren nicht gerührt haben, von dieser okkulten Philosophie bezwungen werden. Man sagt, die magische Kunst sei von solchem Gewicht, daß sie gegen die Natur die Flüsse rückwärts fließen, das Meer glätten, die Berge heulen, den Abgrund singen und die Sonne verdunkeln läßt; sie reißt den Mond [vom Himmel], läßt die Sterne verschwinden, nimmt uns den Tag und hält die Nacht an. Deshalb sagt

42

atto primo

59 | 61

notte; però l’Academico di nulla Academia, in quell’odioso titolo e poema smarrito, disse: Don’a’ rapidi fiumi in su ritorno, smuove de l’alto ciel l’aurate stelle, fa sii giorno la notte, e nott’il giorno. E la luna da l’orbe proprio svelle e gli cangia in sinistro il destro corno, e del mar l’onde ingonfia e fissa quelle. Terr’, acqua, fuoco et aria despiuma, et al voler uman fa cangiar piuma.

Di tutto si potrebbe dubitare: ma circa quel ch’ultimamente dice quanto all’affetto d’amore, ne veggiamo l’esperienza d’ogni giorno. Lascio che del magistero di questo Scaramuré sento dir cose | maravigliose a fatto. Ecco: vedo un di quei che rubbano la vacca e poi donano le corna per l’amor di Dio; veggiamo che porta di bel novo.

scena iii Messer Bonifacio, messer Bartolomeo raggionano; Pollula e Sanguino occolti ascoltano Bartolomeo Crudo amore, essendo tanto ingiusto e tanto violento il regno tuo, che vòl dir che perpetua tanto? per che fai che mi fugga quella ch’io stimo e adoro? per che non è lei ad me, come io son cossì strettissimamente a lei legato? si può imaginar questo? et è pur vero. Che sorte di laccio è questa? di dui fa l’un incatenato a l’altro, e l’altro più che vento libero e sciolto. Bonifacio Forse ch’io son solo? uh, uh, uh … Bartolomeo Che cosa avete, messer Bonifacio mio? piangete la mia pena? Bonifacio Et il mio martire ancora. Veggo ben che sète percosso, vi veggio cangiato di colore, vi ho udito adesso lamentare, intendo il vo-

erster akt 4

5

6

43

der Akademiker keiner Akademie in jenem verhaßten Buch und verschollenen Gedicht: Sie macht, daß Ströme rückwärts fließen und holt vom Himmel die goldenen Sterne. Die Nacht wird zum Tag und der Tag zur Nacht. Sie macht, daß der Mond aus seiner Bahn gerät, und tauscht sein Horn von rechts nach links. Sie schlägt hohe Wellen und glättet das Meer, mischt Feuer, Wasser, Luft und Erde auf und macht aus dem menschlichen Willen eine Feder im Wind.

An all dem könnte man zweifeln; was er aber zuletzt über den Effekt der Liebe sagt, bestätigt uns die tägliche Erfahrung. Ich übergehe, daß ich tatsächlich großartige Dinge über die Fähigkeiten dieses Scaramuré sagen höre. – Ha, ich kann einen von jenen sehen, die eine Kuh stehlen und dann die Hörner der Liebe Gottes weihen. Laßt sehen, was für hübsche Neuigkeiten er bringt.

3 . szene

Herr Bonifacio und Herr Bartolomeo unterhalten sich; Pollula und Sanguino belauschen das Gespräch im Verborgenen

7

Bartolomeo Grausame Liebe, deren Reich so ungerecht und gewalttätig ist, was hat es zu bedeuten, daß es so dauerhaft ist? Warum machst du, daß sie mich flieht, die ich schätze und anbete? Warum ist sie mir nicht so eng verbunden, wie ich es bin? Ist das denn die Möglichkeit? Und doch, es ist wahr. Was ist das für eine Fessel, die den einen an den anderen kettet, und der andere [bleibt] freier und ungebundener als der Wind? Bonifacio Bin ich denn ganz allein? Uh, uh, uh. Bartolomeo Was habt Ihr, mein Herr Bonifacio? Beweint Ihr mein Unglück? Bonifacio Und auch mein Martyrium. Ich sehe sehr wohl, daß Ihr bedrückt seid. Ich sehe, Ihr habt die Farbe gewechselt, ich hörte Euch

44

atto primo

61 | 63

stro male: e come partecipe di medesma passione e forse peggior, vi compatisco. Molti sono de giorni che ti ho visto andar pensoso et astratto, attonito, smarrito (come credo ch’altri mi veggano), scoppiar profondi suspir dal petto, co gli occhi molli. »Diavolo« dicevo io, »a costui non è morto qualche propinquo, familiare e benefattore; non ha lite in corte; ha tutto il suo bisogno, non se gli minaccia male, ogni | cosa gli va bene; io so che non fa troppo conto di soi peccati; et ecco che piange e plora, il cervello par che gli stii in cimbalis male sonantibus: dumque è inamorato, dumque qualch’umore flemmatico, o colerico, o sanguigno, o melancolico (non so qual sii questo umor cupidinesco), gli è montato su la testa«. Adesso ti sento proferir queste dolce parole: conchiudo più fermamente che di quel tossicoso mèle abbi il stomaco ripieno. Bartolomeo Oimè ch’io son troppo crudamente preso da suoi sguardi. Ma di voi mi maraviglio, messer Bonifacio, non di me, che son di dui o tre anni più giovane; et ho per moglie una vecchia sgrignuta che m’avanza di più d’otto anni. Voi avete una bellissima mogliera, giovane di venticinque anni, più bella della quale non è facile trovar in Napoli; e sète inamorato? Bonifacio Per le paroli che adesso voi avete detto, credo che sappiate quanto sii imbrogliato e spropositato il regno d’amore: si volete saper l’ordine, o disordine, di miei amori, ascoltatemi vi priego. Bartolomeo Dite, messer Bonifacio, ché non siamo come le bestie ch’hanno il coito servile solamente per l’atto della generazione: però hanno determinata legge del tempo e loco; come gli asini a i quali il sole, particulare o principalemente il maggio, scalda la schena, et in climi caldi e temperati generano: e non in freddi, come nel settimo clima | et altre parti più vicine al polo; noi altri in ogni tempo e loco.

erster akt

8

9

10

11

12 13

45

soeben klagen – ich kann Euer Leid verstehen. Und als einer, der den gleichen Schmerz, wenn nicht gar einen stärkeren, erdulden muß, bekunde ich mein Mitgefühl. Seit vielen Tagen beobachte ich, wie du zerstreut und gedankenverloren umhergehst, zutiefst bedrückt und niedergeschlagen (wie die anderen jetzt wohl auch mich sehen werden). Tiefe Seufzer stößt du aus deiner Brust und deine Augen sind verquollen. Teufel – hab ich [mir] gesagt –, dem ist doch keiner der Seinen verstorben, ein Verwandter, ein Gönner. Er ist in keine Gerichtshändel verwickelt, hat alles, was er braucht, niemand bedroht ihn, in allem geht es ihm bestens. Ich weiß, daß er sich nicht allzusehr um seine Sünden schert, und jetzt, da heult er und weint, scheint es, als liege sein Hirn auf cimbalis male sonantibus [verstimmten Zimbeln]. Also ist er verliebt. Also ist ihm ein phlegmatischer, cholerischer, sanguinischer oder melancholischer Humor zu Kopfe gestiegen (ich weiß nicht, welcher [von diesen] der Humor dieses Liebesaffekts ist). Nun höre ich, wie du diese süßen Worte herausstößt, und schließe daraus mit noch größerer Sicherheit, daß du den Magen gestrichen voll hast von diesem giftigen Apfel. Bartolomeo Weh mir, denn zu grausam bin ich von ihren Blicken gefangen. Aber, über Euch wundere ich mich, Herr Bonifacio, nicht über mich, der ich zwei, drei Jahre jünger bin als Ihr; ich habe ein buckliges, altes Weib zur Frau, das mehr als acht Jahre älter ist als ich. Ihr [aber] habt eine wunderschöne, fünfundzwanzig Jahre junge Frau, es ist nicht einfach, in Neapel eine schönere zu finden; und Ihr seid verliebt? Bonifacio Ich glaube, nach dem, was Ihr gerade gesagt habt, daß Ihr wißt, wie verwickelt und voller Fallen das Reich der Liebe ist. Wenn Ihr die Ordnung oder [vielmehr] Unordnung in meinen Liebschaften erfahren wollt, hört mich bitte an. Bartolomeo Sagt, Herr Bonifacio, wir sind doch nicht so wie die Tiere, die den Geschlechtsakt nur zur Fortpflanzung praktizieren und einer eindeutigen Regel folgen, was Zeit und Ort betrifft. Wie die Esel beispielsweise, denen die Sonne besonders oder vor allem im Mai den Rücken wärmt und die sich in warmen und temperierten Zonen fortpflanzen, nicht aber in kalten Breiten, wie in der siebten Klimazone und anderen Gebieten nahe am Nordpol. Wir [hingegen]: zu jeder Zeit an jedem Ort.

46

atto primo

63 | 67

Bonifacio Io ho vissuto da 42 anni al mondo talmente che con mulieribus non sum coinquinato. Gionto che fui a questa etade nella quale cominciavo ad aver qualche pelo bianco in testa, e nella quale per l’ordinario suol infreddarsi l’amore e cominciar a venir meno … Bartolomeo In altri cessa, in altri si cangia. Bonifacio … suol cominciar a venir meno com’il caldo al tempo de l’autunno: all’ora fui preso da l’amor di Carubina. Questa mi parve tra tutte l’altre belle bellissima; questa mi scaldò, questa m’accese in fiamma talmente, che mi bruggiò di sorte, che son dovenuto esca. Or per la consuetudine et uso continuo tra me e lei, quella prima fiamma essendo estinta, il cuor mio è rimasto facile ad esser acceso da nuovi fuochi … Bartolomeo S’il fuoco fusse stato di meglior tempra, non t’arrebbe fatto esca, ma cenere: e s’io fusse stato in luoco di vostra moglie, arrei fatto cossì. Bonifacio Fate ch’io finisca il mio discorso; e poi dite quel che vi piace. Bartolomeo Seguite quella bella similitudine. Bonifacio Or essendo nel mio cor cessata quella fiamma che l’ha temprato in esca, facilmente fui questo aprile da un’altra fiamma acceso … Bartolomeo In questo tempo s’inamorò il Petrarca, e gli asini anch’essi cominciano a rizzar la coda. Bonifacio Come avete detto? Bartolomeo Ho detto che in questo tempo s’inamorò il Petrarca; e gli animi, anch’essi si drizzano | alla contemplazione: per che i spirti ne l’inverno son contratti per il freddo; ne l’estade per il caldo son dispersi; la primavera sono in una mediocre e quieta tempratura: onde l’animo è più atto alla contemplazione per la tranquillità della disposizion del corpo, che lo lascia libero alle sue proprie operazioni. Bonifacio Lasciamo queste filastroccole, venemo a proposizio. All’ora essendo io ito a spasso a Pusilipo, da gli sguardi della signora Vittoria fui sì profondamente saettato, e tanto arso da suoi lumi, e talmente legato da sue catene, che oimè.

erster akt

14

15

16

17

18

47

Bonifacio Seit 42 Jahren lebte ich auf dieser Welt, doch mit mulieribus besudelt non sum [ich habe nicht mit Frauen gehurt]. In jenem Alter angekommen, da ich die ersten grauen Haare auf dem Kopf hatte und die Leidenschaft normalerweise erkaltet und langsam vergeht … Bartolomeo Bei manchen endet sie, bei manchen verändert sie sich. Bonifacio … langsam zu vergehen pflegt wie die Wärme zur Herbstzeit, da packte mich die Liebe zu Carubina. Sie schien mir von allen Schönen die Schönste zu sein. Sie erhitzte mich, sie entflammte mich derart, sie verbrannte mich so, daß ich mich in Zunder verwandelte. Jetzt aber, da Gewohnheit und Dauer des Verkehrs zwischen mir und ihr die erste Flamme gelöscht haben, ist mein Herz weiterhin leicht durch neue Feuer zu entflammen. Bartolomeo Wenn das Feuer leidenschaftlicher gewesen wäre, hätte es dich nicht in Zunder, sondern gleich in Asche verwandelt. Anstelle Eurer Frau hätte ich so gehandelt. Bonifacio Laß mich meine Rede zu einem Ende bringen! Später mögt Ihr sagen, was Euch gefällt. Bartolomeo Fahrt fort mit Eurem schönen Vergleich! Bonifacio Da nun in meinem Herz jene Flamme erloschen war, die mich in Zunder verwandelte, konnte mich letzten April leicht eine neue Flamme zu entzünden … Bartolomeo Zu dieser Jahreszeit hat [auch] Petrarca sich verliebt, und die Esel, auch sie beginnen, den Schwanz aufzustellen. Bonifacio Wie bitte? Bartolomeo Ich sagte, auch Petrarca hat sich zu dieser Jahreszeit verliebt, und auch die Seelen erheben sich zur Kontemplation: Denn die Lebensgeister ziehen sich im Winter durch die Kälte zusammen, im Sommer verflüchtigen sie sich durch die Hitze, im Frühjahr haben sie eine mittlere und laue Temperatur: Bedingt durch die Ruhe der körperlichen Disposition, in der der Geist in höherem Maße zur Kontemplation bereit und frei für die ihm eigenen Tätigkeiten ist. Bonifacio Lassen wir diesen Unsinn und kommen wir zur Sache. Damals, als ich in Posillipo spazierenging, wurde ich von den Blicken der Signora Vittoria so tief durchbohrt, so geblendet vom Glanz ihrer Augen und dermaßen gefesselt von ihren Ketten, daß … Ojemine!

48

atto primo

67 | 69

Bartolomeo Questo animale che chiamano amore, per il più suole assalir colui ch’ha poco da pensare e manco da fare: non eravate voi andato a spasso? Bonifacio Or voi fatemi intendere il versaglio dell’amor vostro, poi che m’avete donata occasion di discuoprirvi il mio; penso che voi ancora doviate prendere non poco refrigerio confabulando con quelli che patiscono del medesmo male: si pur male si può dir l’amare. Bartolomeo Nominativo: la signora Argenteria m’affligge; la signora Orelia m’accora. Bonifacio Il mal an che Dio dia a te et a lei et a lei. Bartolomeo Genitivo: della signora Argenteria ho cura; della signora Orelia tengo pensiero. Bonifacio Del cancaro che mange Bartolomeo, Aurelia et Argentina. | Bartolomeo Dativo: alla signora Argenteria porto amore; alla signora Orelia suspiro. Alla signora Argenteria et Orelia comunmente mi raccomando. Bonifacio Vorrei saper che diavolo ha preso costui. Bartolomeo Vocativo: o signora Argenteria, per che mi lasci? o signora Orelia, per che mi fuggi? Bonifacio Fuggir ti possano tanto, che non possi aver mai bene. Và col diavolo: tu sei venuto per burlarti di me. Bartolomeo E tu resta con quel dio che t’ha tolto il cervello, se pur è vero che n’avesti giamai: io vo a negociar, per le mie padrone. Bonifacio Guarda guarda con qual tiro e con quanta facilità questo scelerato me si ha fatto dir quello che meglio sarrebbe stato dirlo a cinquant’altri. Io dubito con questo amore di aver sin ora raccolte le primizie della pazzia. Or alla mal’ora voglio andar in casa ad ispedir Lucia. Veggo certi furfanti che ridono: suspico ch’arrano udito questo diavol de dialogo anch’essi. Amor et ira non si puot’ascondere.

erster akt

19

20

21

49

Bartolomeo Das Tier, welches wir Liebe nennen, pflegt vor allem jenen anzufallen, der wenig zum Nachdenken und auch sonst nichts zu tun hat. Seid Ihr nicht spazierengegangen? Bonifacio Jetzt seid Ihr an der Reihe, mir das Ziel Eurer Liebe näher zu bringen, nachdem Ihr mir Gelegenheit gabt, von dem meinen zu berichten. Ich denke, es wird bestimmt auch für Euch nicht wenig erfrischend sein, mit jenen zu plaudern, die an derselben Krankheit leiden, wenn man die Liebe überhaupt als eine Krankheit bezeichnen kann. Bartolomeo Nominativ: Signora Silbern betrübt mich, Signora Gülden besorgt mich. Bonifacio Gott soll dich und die beiden anderen strafen! Bartolomeo Genitiv: Der Signora Silbern Wohl will ich, der Signora Gülden gedenke ich. Bonifacio Der Krebs soll sie auffressen: Bartolomeo, die Silbern und die Gülden! Bartolomeo Dativ: Signora Silbern bringe ich [meine] Liebe, der Signora Gülden [meine] Seufzer. Signora Silbern wie Signora Gülden empfehle ich mich. Bonifacio Ich möchte wissen, was zum Teufel in ihn gefahren ist. Bartolomeo Vokativ: Oh Signora Gülden, warum verläßt du mich? Oh Signora Silbern, warum fliehst du mich? Bonifacio Sollen sie dich ruhig fliehen, so sehr, daß du nie mehr Geld hast! Fahr zur Hölle! Du bist [doch nur] gekommen, um mich auf den Arm zu nehmen. Bartolomeo Und du, bleibe bei deinem Gott, der dir den Verstand geraubt hat, solltest du tatsächlich je einen besessen haben. Ich gehe um für meine Herrinnen zu arbeiten. Bonifacio Schau, schau, wie schnell und mit welcher Leichtigkeit es diesem Tunichtgut gelungen ist, mir das zu entlocken, was ich besser fünfzig anderen erzählt hätte. Ich frage mich, ob mich diese Liebe nicht einfach langsam verrückt macht. Ich werde jetzt in meinem Unglück nach Hause gehen, um Lucia loszuschicken. Ich sehe gewisse schräge Gestalten, die lachen. Ich habe den Verdacht, auch sie haben diesen Teufelsdialog belauscht. Liebe und Zorn lassen sich [eben] nicht verbergen.

50

atto primo

69 | 73

scena iv [Sanguino, Pollula] Sanguino Ah! ah! ah! ah! oh, che li sii donato il pan co la balestra, buffalo d’India, asino di Terra d’Otranto, menchione d’Avella, pecora d’Arpaia: | forse che ci ha bisognato molto per fargli confessare ogni cosa senza corda? Ah! ah! ah! quell’altro fanfalucco vedi con qual proloquio l’ha saputo tirare a farsi dire che è inamorato, e chi è la sua dea, et il mal an che Dio li dia, e come e quando e dove. Polluna Vi prometto che costui, quando dice l’officio di nostra Donna, non ha bisogno di pregar Dio col dire »Domine, labia mea aperies«. Sanguino Che vuol dire »Domino lampia mem periens«? Polluna »Signore, aprime la bocca, a fin ch’io possa dire«. Et io dico che quest’orazione non fa per quelli che son pronti a dir i fatti suoi a chi le vuol sapere. Sanguino Sì: ma non vedi che al fine s’è repentito d’aver detto? però non gli ne potrà succeder male, per che dice la Scrittura in un certo loco: »Chi pecca et emenda, salvo este«. Polluna Or ecco il mastro: dimoraremo cqua tutt’oggi, in nome del diavolo che gli rompa il collo. |

scena v Mamfurio, Pollula, Sanguino Mamfurio Bene repperiaris, bonae, melioris, optimaeque indolis adolescentule: quomodo tecum agitur? ut vales? Polluna Bene. Mamfurio Gaudeo sane gratulorque satis; si vales bene est, ego qui-

erster akt

51

4 . szene

[Sanguino, Pollula]

22

23

24

Sanguino Ha! ha! ha! ha! Oh, das soll ihm schlecht bekommen, diesem indischen Büffel, Esel aus Otranto, Trottel von Avella, Schaf aus Arpaia. Und wir haben uns nicht einmal sehr anstrengen müssen, ihm ganz ohne Daumenschrauben ein Geständnis zu entlocken, ha, ha, ha! Und der andere gerissene Hund! Hast du gesehen, mit welchem Mundwerk es ihm gelungen ist, sich sagen zu lassen, daß der verliebt ist und wer seine Göttin ist, und das Herzeleid, das Gott ihm verursacht, und wie und wo und wann! Pollula Ich wette, daß der es beim Gebet zur Mutter Gottes gar nicht nötig hat, Gott zu bitten: »Domine, labia mea aperies« [Herr, öffne meine Lippen]. Sanguino Was heißt denn: »Domino lampia mem periens«? Pollula »Herr, öffne meinen Mund, damit ich sprechen kann«. Und ich finde, daß dieses Gebet nichts taugt für solche, die ohnehin jedem, der es wissen will, ihre Angelegenheiten erzählen. Sanguino Ja, aber siehst du denn nicht, daß er es am Ende doch bereut hat, gesprochen zu haben? Es wird ihm dafür nichts Schlimmes widerfahren können, denn in der Heiligen Schrift steht irgendwo geschrieben: »Wer sündiget und bereuet, salvo este.« Pollula Nun ist der Lehrer hier! Wir werden den ganzen Tag hier bleiben, beim Teufel, der ihm den Hals brechen soll.

5 . szene

Mamfurio, Pollula, Sanguino

25

Mamfurio Bene repperiaris, bonae, melioris, optimaeque indolis adolescentule: quomodo tecum agitur? ut vales? [Schön, dich zu sehen, guter, besserer, hervorragender, makelloser Jüngling, wie geht es dir?] Pollula Gut. Mamfurio Gaudeo sane gratulorque satis; si vales bene est, ego quidem valeo [Da bin ich aber froh und freue mich mit dir; wenn es dir

52

atto primo

73 | 77

dem valeo: marcitulliana eleganza in quasi tutte le sue familiari missorie servata. Polluna Comandate altro, domine Magister? Io vo oltre per compir un negocio con Sanguino, e non posso induggiar con voi. Mamfurio Oh buttati in darno i miei dictati, li quali nel mio almo minervale gimnasio (excerpendoli dall’acumine del mio Marte) ti ho fatti nelle candide pagine col calamo di negro attramento intincto exarare! buttati dico in cassum, cum sit che a tempo e loco, eorum servata ratione, servirtene non sai. Mentre il tuo preceptore, con quel celeberrimo apud omnes (etiam barbaras) nationes idioma lazio, ti | sciscita, tu etiam dum persistendo nel commercio bestiis similitudinario del volgo ignaro, abdicaris a theatro literarum, dandomi responso composto di verbi quali dalla baila et obstetrice in incunabulis hai susceputi vel (ut melius dicam) suscepti. Dimmi, sciocco, quando vuoi dispuerascere? Sanguino Mastro, con questo diavolo di parlare per grammuffo, o catacumbaro, o delegante e latrinesco, amorbate il cielo, e tutt’il mondo vi burla. Mamfurio Sì, se questo megalocosmo e machina mundiale, o scelesto et inurbano, fusse di tuoi pari referto e confarcito. Sanguino Che dite voi di Cosmo celesto e de Urbano? parlatemi che io v’intenda, che vi responderò. Mamfurio Vade ergo in infaustam nefastamque crucem, sinistroque Hercule: si dedignano le Muse di subire il porcile del contubernio vostro, vel haram colloquii vestri. – Che giudicio fai tu di questo scelesto, o Pollula? Pollula, appositorie fructus eruditionum | mearum, recepta-

erster akt

26

27

53

gut geht, geht es auch mir gut]: Eleganz eines Marcus Tullius [Cicero], in fast allen seinen privaten Episteln befolgt. Pollula Wünscht Ihr noch etwas, domine Magister? Ich gehe jetzt etwas mit Sanguino erledigen und kann mich nicht mit Euch aufhalten. Mamfurio Oh, umsonst waren meine Diktate, welche ich dir in meinem ehrwürdigen Gymnasium der Minerva aufgab, mit meinem martialischen Scharfsinn erdacht, auf daß du sie auf blütenweißem Papier mit in pechschwarzer Tinte getränkter Feder exarare [niederschriebst]! Verschwendet, sage ich, in cassum, cum sit [verschwendet also], da du dich zur rechten Zeit und am rechten Ort eorum servata ratione [deren präziser Bedeutung] nicht bedienen kannst. Während dein Lehrmeister dich in diesem apud omnes (etiam barbaras) nationes [bei allen, sogar den barbarischen Nationen] hochgeschätzen lateinischen Idiom unterrichtet, verharrst du etiam dum [immer noch] commercio bestiis similitudinario [gleich einem wilden Tier bei dem Umgang mit] dem ungebildeten Pöbel; abdicaris a theatro literarum [ziehe dich aus der Gelehrtenwelt zurück], wenn du mir mit solchen Worten antwortest, die du von deiner Amme et obstetrice in incunabulis [und von der Hebamme in der Wiege] übernommen hast, vel (ut melius dicam) suscepti [oder, besser gesagt, erhalten hast]. Sag mir Narr, wann wirst du dispuerascere [erwachsen werden]? Sanguino Meister, mit dieser verteufelten Art, syntoxisch zu sprechen, oder katakombisch oder delegant und latrinisch, verpestet Ihr die Atmosphäre, und die ganze Welt lacht Euch aus. Mamfurio Ja, zweifelsohne, wenn dieser Megalokosmos und diese Weltenmaschine bis oben hin voll von deinesgleichen wären, schimmlig und unstatthaft. Sanguino Was redet Ihr da von Himmels- und von Stadtkosmos? Sprecht so, daß ich Euch verstehen kann, dann werde ich Euch antworten. Mamfurio Vade ergo in infaustam nefastamque crucem, sinistroque Hercule [Geh also, bei Herkules, auf dem unglücklichen und unheilvollen Kreuzweg zur Hölle]. Es demütigt die Musen, den Schweinestall Eurer Gesellschaft zu ertragen, vel haram colloquii vestri [oder jenen Eurer Gesellschaft]. Wie urteilst du über diesen Wüstling, Pollula? Pollula, appositorie fructus eruditionum mearum [als Apposition: Frucht

54

atto primo

77 | 79

culo del mio dottrinal seme, ne te moveant modo a nobis dicta, perché, quia, namque, quandoquidem (particulae causae redditivae) ho voluto farti partecipe di quella frase con la quale lepidissime eloquentissimeque facciamo le obiurgazioni, le quali voi post hac, deinceps (si li celicoli vi elargiranno quel ch’hanno a noi concesso), all’inverso de vostri erudiendi descepoli, imitar potrete. Polluna Bene: ma bisogna farle con proposito et occasione. Mamfurio La causa della mia excandescentia è stata il vostro dire »Non posso induggiar con voi«; debuisses dicere, vel elegantius (infinitivo antecedente subiunctivum) dicere debuisses: »Excellentia tua, erudizione tua, non datur, non conceditur mihi cum tuis dulcissimis musis ocium«. Poscia quel dir: »con voi«, vel ethruscius »vosco«, nec bene dicitur latine respectu unius, nec urbane inverso di togati e gimnasiarchi. Sanguino Vedete vedete come va el mondo: voi siete accordati, et io rimagno fuori come catenaccio. Di grazia, domine magister, siamo amici | ancora noi: perché, ben che io non sii atto di essere soggetto alla vostra verga, idest esservi discepolo, potrò forse servirvi in altro. Mamfurio Nil mihi vobiscum. Sanguino Et con spiritu to. Mamfurio Ah! ah! ah! Come sei, Pollula, adiunto socio a questo bruto? Sanguino Brutto o bello, al servizio di vostra Maestà, onorabilissimo signor mio. Mamfurio Questo mi par molto disciplinabile, e non cossì inmorige-

erster akt

28

29

30

55

meiner Lehren], Auffangbecken meiner doktrinären Saat, ne te moveant modo a nobis dicta [bewegen dich die von mir gesagten Worte nicht], weil, quia, namque, quandoquidem – particulae causae redditivae – ich dich an jenem Satz teilhaben lassen wollte, mit dem wir lepidissime eloquentissimeque [mit großer Eleganz und Eloquenz] unsere Schüler zurechtweisen, was ihr post hac, deinceps [danach, daraufhin], wenn die Himmelsbewohner Euch zuteil werden lassen, was sie uns zugestanden haben, an Euren zu erziehenden Schülern nachahmen möget. Pollula Gut, aber man muß dies in angemessener Weise und im richtigen Augenblick tun. Mamfurio Der Grund meiner excandescentia [Aufbrausen] war Euer Ausspruch: »Ich kann mich nicht länger mit Euch aufhalten.« Debuisses dicere, vel elegantius (infinitivo antecedente subiunctivum) dicere debuisses: »Excellentia tua, Eure Bildung, non datur, non conceditur mihi cum tuis dulcissimis musis ocium.« [Du hättest sagen müssen, mit größerer Eleganz, indem du den Infinitiv vor den Konjunktiv ziehst, sagen hättest du müssen: Deine Exzellenz ist derart herausragend …, daß mir keine Muße gegeben ist und es mir unmöglich ist, in der Gesellschaft Eurer süßesten Musen zu verweilen …] Außerdem ist dieser Ausdruck: »mit Euch«, vel ethruscius [also eher toskanisch], »vosco« nec bene dicitur latine respectu unius, nec urbane [ist keine elegante und geistreiche lateinische Anrede für Einzelpersonen] gegenüber Toga tragenden [Schulmeistern] und Gymnasiarchen. Sanguino Seht Ihr, seht Ihr, so geht’s auf der Welt. Ihr seid Euch einig, und ich bleibe draußen, wie ausgesperrt. Aber bitte, domine Magister, seien auch wir Freunde, denn auch wenn ich nicht geeignet bin, mich Eurer Rute zu beugen, idest, Euer Schüler zu sein, kann ich Euch womöglich in anderen Dingen hilfreich sein. Mamfurio Nil mihi vobiscum [Ich habe nichts mit Euch zu schaffen]. Sanguino Et con spiritu to [und mit deinem Geiste]. Mamfurio Ha, ha, ha, Pollula. Wie kannst du dich nur mit so einem Unhold abgeben? Sanguino Unhold oder hold, stets zu Euren Diensten, Majestät, mein verehrtester Signore. Mamfurio Das hört sich ja schon recht erziehbar an, nicht so vulgär,

56

atto primo

79 | 81

rato come da principio si monstrava, per che mi dà epiteti molto urbani et appropriati. Polluna Sed a principio videbatur tibi homo nequam. Mamfurio Togli via quel »nequam«: quantumque sii assumpto nelle sacre pagine, non è però dictio ciceroniana. »Tu vivendo bonos, scribendo sequare peritos«, disse il ninivita Gio. Dispauterio seguito dal mio preceptore Aloisio Antonio Sidecino Sarmento Salano successor di Lucio Gio. Scoppa ex voluntate | heredis. Dicas igitur »non aequum«, prima dictionis litera diphtongata, ad differentiam della quadrupede substantia animata sensitiva, quae dipthongum non admittit in principio. Sanguino Dottissimo signor maester, è forza che vi chiediamo licenza, per che ne bisogna al più tosto esser con messer Gioan Bernardo pittore. A dio. Mamfurio Itene dumque co i fausti volatili. – Ma chi è questa che con quel calatho in brachiis me si fa obvia? È una muliercula, quod est per ethimologiam »mollis Hercules«, opposita iuxta se posita: sexo molle, mobile, fragile et inconstante, al contrario di Ercole. O bella etimologia: è di mio proprio Marte or ora deprompta. Or dumque quindi propriam versus [domum] movo il gresso, per che voglio notarla maioribus literis nel mio propriarum elucubrationum libro. Nulla dies sine linea. |

erster akt

31

32

33

34

35

36

37

57

wie er sich anfangs gab, denn seine Anrede enthält nun außerordentlich zivilisierte und angemessene Epitheta. Pollula Sed a principio videbatur tibi homo nequam [Aber anfangs erschien er dir als Tunichtgut]. Mamfurio Weg mit diesem »nequam«. Obwohl in die Heilige Schrift aufgenommen, ist es keine dictio ciceroniana. »Tu vivendo bonos, scribendo sequare peritos« [ciceronanische Redewendung. »Folge im Leben den Guten und im schriftlichen Ausdruck den Erfahrenen«], wie schon G. Dispauterio aus Ninove sagte, dem mein Vorgänger Aloisio Antonio Sidecino Sarmento Salano folgte, der selber Nachfolger ex voluntate heredis [nach dem Willen der Erben] von Lucio G. Scoppa war. Dicas igitur »non aequum«, prima dictionis litera diphtongata, ad differentiam zur vierbeinigen, beseelten, sinnesbegabten substantia, quae diphtongum non admittit in principio. Sanguino Allwissender Herr Lehrer, mit Verlaub sehen wir uns genötigt, uns zu empfehlen, denn wir müssen aufs baldigste bei Herrn Maler Gio. Bernardo sein. Adieu! Mamfurio Geht also, mit den günstigen Vögeln! Doch was ist das denn für eine, die sich mir obvia [in den Weg stellt] mit so einem calatho in branchiis [Korb in den Händen]? Sie ist eine muliercula, quod est per ethimologiam »mollis Hercules«, opposita iuxta se posita [ein Weibchen (eine Prostituierte), also etymologisch betrachtet ein weicher Herkules, dargestellt als Nebeneinandergestelltes (als Oxymoron)]: schwaches, unentschiedenes, zerbrechliches und inkonstantes Geschlecht, im Gegensatz zu Herkules. Oh, du schöne Etymologie! Soeben deprompta [hervorgezogen] aus meinem eigenen martialischen Hirn. Daher will ich jetzt meine Schritte propriam versus [domum] tendieren, weil ich sie maioribus literis [in besserem Latein, oder: in großen Buchstaben] in meinem propriarum elucubrationum libro [Buch der originellen Einfälle, eigentlich: der humanistischen Nachtarbeiten] notieren kann. Nulla dies sine linea [Kein Tag vergehe ohne eine Zeile].

58

atto primo

83 | 85

scena vi Lucia sola Oimè son stanca, voglio riposarmi cqua: tutta questa notte (non la voglio maldire) son stata a far la guarda in piedi e pascermi di fumo di rosto et odor di pignata grassa; et io sono come il rognone, misera me, magra in mezzo al sevo. Or pensiamo ad altro, Lucia; poi che sono in loco dove non mi vede alcuno, voglio contemplar che cose son queste che messer Bonifacio manda alla signora Vittoria: qua son de gravioli, targhe di zuccaro, mustaccioli di San Bastiano; vi son più basso più sorte di confetture; vi è al fondo una pòlicia: e son versi in fede mia. Per mia fé, costui è doventato poeta. Or leggiamo: Ferito m’hai o gentil signora il mio core e me hai impresso all’alma gran dolore e si non mel credi guarda al mio colore che si non fusse ch’io ti porto tanto amore quanto altri amanti mai che sian d’onore hanno portato alle loro amate signore cose farrei assai di proposito fore però ho voluto essere della presente autore spento di tue bellezze dal gran splendore acciò comprendi per di questa il tenore che si non soccorri al tuo Benefacio, more. Di dormire, mangiar, bere, non prende sapore non pensando ad altro ch’a te tutte l’ore smenticato di padre madre fratelli e sore.

O bella conclusione, belli propositi, a punto suttili come lui: io per me di rima non m’intendo; pure, | s’io posso farne giudicio, dico due cose: l’uno, ch’i versi son più grandi che gli ordinarii; l’altra, che son fatti a suon di campana e canto asinino, li quali sempre toccano alla medesima consonanza. Ma voglio partirmi di qua, per trovar più comodo

erster akt

59

6 . szene

Lucia, alleine

38

39

40

Ojemine, bin ich müde! Ich will mich hier ausruhen. Ich will nicht die ganze letzte Nacht verfluchen, ich habe Wache geschoben auf den Beinen und mußte mich vom Rauch des Bratens und dem Geruch deftiger Kohlbrühe ernähren. Und ich fühle mich wie eine Niere, ich arme: mager, im Fett schwimmend. Denken wir nun an etwas anderes, Lucia. Da ich an einem Ort bin, wo mich niemand sieht, werde ich nachsehen, was für Dinge Herr Bonifacio der Signora Vittoria schickt. Da sind Bäckereien, süße Oblaten und Kekse aus San Bastiano, etwas weiter unten verschiedene Konditorwaren und ganz am Boden ein Billet. Oh Gott, das sind Verse! Bei meinem Glauben, der ist zum Dichter geworden! Lesen wir mal. Verletzt, meine liebe Dame, hast du mein Herz und meine Seele erfüllt mit großem Schmerz und glaubst du mir nicht, sieh meine [Gesichts-]farbe. Wenn ich dir nicht so viel Liebe schenkte wie andere Liebhaber, Ehrenvolle, der Dame ihres Herzens je entgegenbrachten. Dinge, die sehr merkwürdig sind, würde ich machen. Deshalb wollte ich dir diese Zeilen dichten. Der Glanz deiner Schönheit hat mir die Kraft gegeben damit du den Sinn dieser Zeilen begreifst, daß, wenn du deinem Benefacio nicht hilfst, er stirbt. Er hat keine Freude an Schlafen, Essen oder Trinken, denn er denkt an nichts anderes als an dich, die ganze Zeit, vergißt Vater, Mutter, Brüder und Schwestern.

Was für ein schöner Schluß, was für schöne Wendungen, gerade so tiefgründig wie er selbst. Was mich betrifft, ich verstehe nichts vom Reimen, dennoch, wenn es mir gestattet ist, ein Urteil zu fällen, würde ich zweierlei sagen: einmal, daß die Reime länger sind, als es gewöhnlich der Fall ist, zum anderen, daß sie wie Glockenklang und Eselswiehern klingen, die immer dieselbe Harmonie haben. Aber ich will

60

atto primo

85 | 87

luoco, dove io possa prender la decima di questo presente: che in fine bisogna ch’ancor io fia partecipe de’ frutti della pazzia di costui.

scne vii Bonifacio solo Grande è la virtù dell’amore. Da onde, o Muse, mi è scorsa tanta vena et efficacia in far versi, senza che maestro alcuno m’abbia insegnato? Dove mai è stato composto un simile sonetto? Tutti versi dal primo a l’ultimo finiscono con desinenzia della medesma voce: leggi il Petrarca tutto intiero, discorri tutto l’Ariosto, non trovarai un simile. Traditora traditora, dolce mia nemica, credo ch’a quest’ora l’abbi letto e penetrato; e si l’animo tuo non è più alpestre che d’una tigre, son certo che non farai oltre poco caso del tuo Bonifacio. – Oh, ecco Gioan Bernardo.

scena viii Gioan Bernardo, Bonifacio Gioan Bernardo Bondì e bon anno a voi, misser Bonifacio: avete fatta alcuna buona fazzione oggi? Bonifacio Che dite voi? Oggi ho fatta cosa che giamai feci in tutto tempo di mia vita. | Gioan Bernardo Voi dite di gran cose: è possibile che quello che hai fatto oggi abbi possuto far ieri o altro giorno, o voi o altro che sii? o che per tutto tempo di vostra vita possiate fare quel che una volta è fatto? Cossì quel che facesti ieri non lo farai mai più; et io mai feci quel ritratto ch’ho fatto oggi, né manco è possibile ch’io possa farlo più: questo sì, che potrò farne un altro. Bonifacio Or lasciamo queste vostre sofisticarie; mi avete fatto sovvenire del ritratto: hai visto quel che mi ho fatto fare?

erster akt

61

fort von hier, um einen bequemeren Ort zu finden, wo ich von diesem Geschenk etwas abzweigen kann. Denn schließlich muß auch ich etwas von den Früchten dieses Wahnsinns haben.

7 . szene

Bonifacio, alleine

41

Groß ist die Macht der Liebe. Von woher sonst, Ihr Musen, ist mir die Neigung und das Talent zu reimen verliehen, ohne daß ich je eines Lehrmeisters bedurfte? Wo ist jemals ein vergleichbares Sonett verfaßt worden? Alle Reime, vom ersten bis zum letzten, enden mit derselben Silbe. Auch wenn man den ganzen Petrarca liest und den ganzen Ariosto durchsucht, wird man nichts Vergleichbares finden. Verräterin, Verräterin, meine süße Feindin, ich glaube, daß du es zu dieser Stunde schon gelesen und dich darein vertieft hast. Und wenn deine Seele nicht roher als die eines Tigers ist, wirst du deinen Bonifacio in Zukunft weniger mißachten, da bin ich sicher. Oh, da ist Gio. Bernardo.

8 . szene

Gioan Bernardo, Bonifacio 42

43

Gio. Bernardo Guten Tag, gutes Jahr, mein Herr Bonifacio. Habt ihr etwas Gutes getan, heute? Bonifacio Was glaubt Ihr denn? Ich habe heute etwas gemacht, was ich in meinem ganzen Leben noch nicht gemacht habe. Gio. Bernardo Ihr redet aber groß daher. Ist es möglich, daß das, was du heute gemacht hast, Ihr oder wer auch immer gestern oder ein andermal erledigt hat? Oder daß Ihr zeitlebens das tun könnt, was schon einmal getan ist? Es ist so: Was du gestern getan hast, wirst du nie wieder tun. Ich habe noch nie so ein Portrait gemacht wie heute; auch ist es unmöglich, daß ich je wieder ein solches machen werde. Allerdings könnte ich ein anderes machen. Bonifacio Lassen wir jetzt Eure Sophisterei. Ihr habt mich an das Portrait erinnert: Hast du jenes gesehen, welches ich mir machen ließ?

62

atto primo

87 | 89

Gioan Bernardo L’ho visto e revisto. Bonifacio Che ne giudicate? Gioan Bernardo È buono: assomiglia assai più a voi che a me. Bonifacio Sii come si vuole, ne voglio un altro di vostra mano. Gioan Bernardo Che, lo volete donare a qualche vostra signora per memoria di voi? Bonifacio Basta: son altre cose che mi vanno per la mente. Gioan Bernardo È buon segno quando le cose vanno per la mente; guàrdati che la mente non vadi essa per le cose: per che potrebbe rimaner attaccata con qualch’una di quelle, et il cervello la sera in darno l’aspettarebbe a cena; e poi bisognasse far come la matre di fameglia ch’andava cercando lo intellecto co la lanterna. – Quanto al ritratto, io lo farò quanto prima. Bonifacio Sì: ma per vita vostra fatemi bello. Gioan Bernardo Non comandate tanto, si | volete esser servito: si desiderate che io vi faccia bello, è una; si volete ch’io vi ritragga, è un’altra. Bonifacio Di grazia lasciamo le burle: attendete a far cosa buona, che io per questo verrò a ritrovarvi in casa. Gioan Bernardo Venite pur quando vi piace; e non dubitate di cosa buona dal canto mio: attendete pur voi a far bene dal canto vostro; perché … Bonifacio Che vuol dir »per che«? Gioan Bernardo … lasciate l’arte antica. Bonifacio Come? non v’intenderebbe il diavolo. Gioan Bernardo Da candelaio volete doventar orefice. Bonifacio Come orifice? come candelaio? Gioan Bernardo Basta, me vi racomando. Bonifacio Dio vi dia quel che desiderate. Gioan Bernardo Et a voi quel che vi manca.

erster akt

44

45

46

47

48

49

63

Gio. Bernardo Ich habe es mehr als einmal gesehen. Bonifacio Wie urteilt Ihr darüber? Gio. Bernardo Es ist gut. Es gleicht viel mehr Euch als mir. Bonifacio Sei’s drum, ich möchte noch eines von Eurer Hand. Gio. Bernardo Wollt Ihr es etwa irgendeiner Eurer Geliebten verehren, damit sie sich an Euch erinnert? Bonifacio Genug jetzt! Andere Dinge gehen mir durch den Kopf. Gio. Bernardo Es ist ein gutes Zeichen, wenn die Dinge durch den Kopf gehen. Schau zu, daß dein Kopf selbst nicht durch die Dinge geht, er könnte bei irgendeinem hängen bleiben, und das Gehirn müßte beim Abendessen vergeblich [auf den Kopf] warten. Dann müßte man sich wie jene Matrone mit der Laterne aufmachen, um nach dem Intellekt zu suchen. Was das Portrait betrifft, ich werde es so schnell wie möglich machen. Bonifacio Gut, aber bei Eurem Leben: Malt mich schön! Gio. Bernardo Befehlt nicht soviel, wenn Ihr bedient werden wollt. Wünscht Ihr, daß ich Euch schön male, ist das eines; wollt Ihr aber, daß ich Euch porträtiere, etwas anderes. Bonifacio Lassen wir gütigst die Scherze. Achtet darauf, [Eure] Sache gut zu machen, denn ich werde Euch deshalb daheim aufsuchen. Gio. Bernardo Kommt, wann immer Ihr wollt, und zweifelt nicht daran, daß ich meine Sache gut machen werde. Achtet lieber selber darauf, Eure Sache gut zu machen, denn … Bonifacio Was »denn«? Gio. Bernardo … denn Ihr gebt Euer altes Gewerbe auf. Bonifacio Wie bitte? Nicht einmal der Teufel würde Euch verstehen. Gio. Bernardo Vom Kerzenzieher wollt Ihr zum Goldschmied werden. Bonifacio »Goldschmied«? »Kerzenzieher«? Gio. Bernardo Es reicht, ich empfehle mich. Bonifacio Gott gebe Euch, was Ihr wünscht! Gio. Bernardo Und Euch das, was Euch fehlt!

64

atto primo

89 | 93

scena ix Bonifacio solo »Da candelaio volete doventar orefice«: è pur gran cosa il fatto mio. Tutti, chi da cqua chi da llà, mi motteggiano: ecco costui non so che diavolo voglia intendere per l’orefice. Lo essere orefice non è male: non ha egli altro di brutto che quel guazzarsi le mani dentro l’urina dove tal volta pone | in infusione la materia dell’arte sua, oro, argento et altre cose preciose: pur queste parabole qualche dì l’intenderemo. – Ecco mi par veder Ascanio con Scaramuré.

scena x Scaramuré, Bonifacio, Ascanio Scaramuré Ben trovato, messer Bonifacio. Bonifacio Siate il molto ben venuto, signor Scaramuré, speranza della mia vita appassionata. Scaramuré Signum affecti animi. Bonifacio Si vostra Signoria non rimedia al mio male, io son morto. Scaramuré Sì come io vedo, voi sète inamorato. Bonifacio Cossì è: non bisogna ch’io vi dica più. Scaramuré Come mi fa conoscere la vostra fisionomia, il computo di vostro nome, di vostri parenti o progenitori, la signora della vostra natività fu Venus retrograda in signo masculino; et hoc fortasse in Geminibus vigesimo septimo gradu: che significa certa mutazione e conversione nell’età di 46 anni nella quale al presente vi ritrovate. | Bonifacio A punto, io non mi ricordo quando nacqui: ma per quello che da altri ho udito dire, mi trovo da 45 anni in circa. Scaramuré Gli mesi, giorni et ore computarò ben io più distintamente, quando col compasso arò presa la proporzione dalla latitudine dell’unghia maggiore alla linea vitale, e distanza dalla summità dell’an-

erster akt

65

9 . szene

Bonifacio, alleine

50

»Vom Kerzenzieher wollt Ihr zum Goldschmied werden«, tatsächlich ein großes Vorhaben. Ach, die einen hier, die anderen dort, alle wollen mich an der Nase herumführen. Ich habe keine Ahnung, was der schon wieder mit »Goldschmied« gemeint hat. Goldschmied zu sein ist keine schlechte Sache. Der einzige Nachteil besteht darin, daß man manchmal seine Hände in Urin tauchen muß, wenn man die zu bearbeitenden Materialien, Gold, Silber und andere wertvolle Dinge, darin tränkt. Aber eines Tages werden wir sogar diese Parabeln verstehen. Ah, mir scheint, ich sehe Ascanio und Scaramuré.

10 . szene

Scaramuré, Bonifacio, Ascanio

51 52

53

Scaramuré Habe die Ehre, Herr Bonifacio. Bonifacio Seid sehr herzlich willkommen, Signore Scaramuré, Hoffnung meines leidenschaftlichen Lebens. Scaramuré Signum affecti animi [Zeichen geistiger Verwirrtheit]. Bonifacio Wenn Euer Exzellenz mein Leid nicht heilt, bin ich tot. Scaramuré Wie ich sehe, seid Ihr verliebt. Bonifacio So ist es, ich brauche Euch nichts weiter sagen. Scaramuré Wie mir Eure Physiognomie zu erkennen gibt, die Berechnung des Zahlenwertes Eures Namens, Eurer Eltern oder Vorfahren, stand Eure Geburt im Zeichen der Venus retrograda in signo masculino; et hoc fortasse in Geminibus vegesimo septimo gradu: Das bedeutet eine gewisse Veränderung und Konversion im Alter von 46 Jahren, in welchem Ihr Euch gerade befindet. Bonifacio Genau, ich erinnere mich zwar nicht, wann ich geboren wurde, aber nach dem zu urteilen, was ich von anderen habe sagen hören, befinde ich mich etwa im 45. Jahr. Scaramuré Die Monate, Tage und Stunden kann ich exakter berechnen, wenn ich mit dem Zirkel das Verhältnis der Breite eures Daumennagels zur Lebenslinie erfaßt habe und die Distanz beachte,

66

atto primo

93 | 95

nulare a quel termine del centro della mano, ove è designato il spacio di Marte; ma basta per ora aver fatto giudicio cossì universale et in comuni. Ditemi: quando fustivo punto dall’amor di colei per averla guardato, a che sito ti stava ella? a destra o a sinistra? Bonifacio A sinistra. Scaramuré Arduo opere nanciscenda. Verso mezzogiorno o settentrione, oriente o occidente, o altri luochi intra questi? Bonifacio Verso mezogiorno. Scaramuré Oportet advocare spetentrionales. – Basta basta: cqui non bisogna altro; voglio effectuare il tuo negocio con magia naturale, lasciando a maggior opportunità le superstizioni d’arte più profonda. Bonifacio Fate di sorte ch’io accape il negocio, e sii come si voglia. Scaramuré Non vi date impaccio: lasciate la cura ad me. La cosa già fu per fascinazione? Bonifacio Come per fascinazione? io non intendo. Scaramuré Id est, per averla guardata guardando lei anco voi. | Bonifacio Sì, signor sì, per fascinazione. Scaramuré Fascinazione si fa per la virtù di un spirito lucido e sottile, dal calor del core generato di sangue più puro, il quale a guisa di raggi mandato fuor de gli occhi aperti, che con forte imaginazion gardando vengono a ferir la cosa guardata, toccano il core e sen vanno ad afficere l’altrui corpo e spirto: o di affetto di amore, o di odio, o di invidia, o di maninconia, o altro simile geno di passibili qualità. L’esser fascinato d’amore adviene quando con frequentissimo o ver (benché istantaneo) intenso sguardo, un occhio con l’altro, e reciprocamente un raggio visual con l’altro, si rincontra, e lume con lume si accopula. All’ora si gionge spirto a spirto; et il lume superiore inculcando l’inferiore, vengono a scintillar per gli occhi, correndo e penetrando al spirto

erster akt

54

55

56 57

58

67

die vom äußersten Punkte Eures Ringfingers bis zu dem Ende im Zentrum der Hand reicht, wo das Marsfeld eingezeichnet ist. Aber vorläufig reicht es, eine derart allgemeine et in comuni Diagnose zu erstellen. Sagt mir, auf welcher Seite stand sie, als Ihr sie angesehen habt und dadurch von Liebe ergriffen wurdet? Zur Rechten oder zur Linken? Bonifacio Zur Linken. Scaramuré Arduo opere nanciscenda [Schwer zu finden]. Gegen Süden oder Norden, Orient oder Okzident oder irgendwo dazwischen? Bonifacio Gegen Süden. Scaramuré Oportet advocare septentrionales [Dann muß man die Geister des Nordens anrufen]. Es reicht, es reicht, mehr ist hier nicht vonnöten. Ich will deine Affäre mit natürlicher Magie regeln und den unreligiösen Gebrauch der tiefgründigeren Kunst für schlimmere Fälle aufheben. Bonifacio Helft mir zu erreichen, was ich will! Mit welchen Mitteln, ist mir egal. Scaramuré Macht Euch keine Sorgen, ich werde mich darum kümmern. Geschah die Angelegenheit schon bisher aus Faszination? Bonifacio Wie, aus Faszination? Ich verstehe nicht. Scaramuré Id est, weil Ihr sie betrachtet habt, hat auch sie Euch betrachtet. Bonifacio Ja, Signore, ja, aus Faszination. Scaramuré Die Faszination geschieht durch das Vermögen eines glänzenden und subtilen spiritus, er wird aus reinstem Blut durch die Wärme des Herzens erzeugt, welches in Gestalt von Strahlen durch die geöffneten Augen ausgesandt wird, die, wenn man mit starker Einbildungskraft dreinblickt, in der Lage sind, das angeschaute Objekt zu verletzen; sie afficere [infizieren] den anderen Körper und spiritus, sei es mit Liebe, Haß oder Neid, mit Melancholie oder anderen ähnlichen Affekten von leidensfähiger Qualität. Faszination aus Liebe entsteht dann, wenn mit häufigem oder, wenn auch kurzem, [so doch] intensivem Blick zwei Augen aufeinandertreffen und ein Sehstrahl sich mit dem anderen verbindet und Lichtstahl sich zu Lichtstrahl fügt. Auf diese Art begegnet sich spiritus mit spiritus. Der stärkere Lichtstrahl formt den schwächeren durch seine Prägung, strahlt aus den Augen,

68

atto primo

95 | 97

interno che sta radicato al cuore: e cossì commuoveno amatorio incendio. Però chi non vuol esser fascinato deve star massimamente cauto e far buona guardia ne gli occhii, li quali in atto d’amore principalmente son fenestre dell’anima; onde quel detto: »Averte, averte oculos tuos«. – Questo per il presente basti; noi ci revedremo a più bell’aggio, provedendo alle cose necessarie. Bonifacio Signor, si questa cosa farete venire al butto, vi accorgerete di non aver fatto servizio a persona ingrata. Scaramuré Misser Bonifacio, vi fo intender questo: che voglio io prima esser grato a voi; e poi son certo, si non mi sarete grato, mi doverete essere. | Bonifacio Comandatemi; che vi sono affezzionatissimo, et ho gran speranza nella prudenza vostra. Ascanio Orsù, a rivederci tutti. A dio. Bonifacio Andiamo, ch’io veggio venir l’uomo più molesto a me, ch’abbia possuto produre la natura: non voglio aver occasion di parlargli; verrò a voi, signor Scaramuré. Scaramuré Venite, che vi aspetto. A dio.

scena xi Cencio, Gioan Bernardo Cencio Cossì bisogna guidar quest’opra, per la doctrina di Ermete e di Geber. La materia di tutti metalli è Mercurio: a Saturno appartiene il piombo, a Giove il stagno, a Marte il ferro, al sole l’oro, a Venere il bronzo, alla luna l’argento. Lo argento vivo si attribuisce ad Mercurio particularmente, e si trova nella sustanza di tutti gli altri metalli: però si dice nuncio di dèi, maschio co maschii, e femina co femine. Di questi metalli Mercurio Trimegisto chiamò il cielo padre, e la terra madre; e disse che questa madre ora è impregnata ne’ monti, or nelle valli, or

erster akt

59

69

läuft zum anderen und dringt zum inneren spiritus vor, der seinen Sitz im Herzen hat. Und so lösen sie den Liebesbrand aus. Wer daher nicht verzaubert werden will, muß äußerst vorsichtig sein und die Augen gut bewachen, die in Liebesangelegenheiten die wichtigsten Fenster der Seele sind. Daher der Spruch: »Averte, averte oculos tuos [Wende, wende die Augen ab].« Das mag für den Augenblick genügen, wir werden uns in aller Ruhe wiedertreffen, um das Notwendige in die Wege zu leiten. Bonifacio Signore, wenn Ihr diese Angelegenheit zu einem Ende bringt, werdet Ihr merken, daß Ihr keinem undankbaren Menschen gedient habt. Scaramuré Herr Bonifacio, Ihr sollt wissen, daß zuerst ich Euch gefällig sein will, und dann bin ich mir sicher, wenn Ihr mir nicht gefällig seid, werdet Ihr dazu gezwungen sein. Bonifacio Stets zu Euren Diensten. Ich bin Euch aufs innigste verbunden und setze große Hoffnung in Eure Klugheit. Scaramuré Nun gut, auf Wiedersehen alle. Adieu. Bonifacio Gehen wir, dort sehe ich nämlich den mir hassenswertesten Menschen, den die Natur je hervorbringen konnte. Ich möchte nicht in die Verlegenheit kommen, mit ihm zu sprechen. Ich werde zu Euch kommen, Signore Scaramuré. Scaramuré Kommt, denn ich erwarte Euch. Adieu.

11 . szene

Cencio, Gioan Bernardo

60, 61

62

63 64

Cencio So muß man also ans Werk gehen, mit den Lehren des Hermes und des Geber. Die Materie aller Metalle ist Merkur, dem Saturn gehört das Blei, Jupiter das Zinn, Mars das Eisen, der Sonne das Gold, der Venus die Bronze und dem Mond das Silber. Das Quecksilber schreibt man insbesondere dem Merkur zu, und es findet sich in der Substanz aller anderen Metalle: daher nennt man es Götterbote, Mann mit Männern oder Frau mit Frauen. Von diesen Metallen, sagt Merkur Trismegistos, sei der Vater der Himmel und die Mutter die Erde. Und er sagt, daß diese Mutter einmal in den Bergen geschwängert wird, ein-

70

atto primo

97 | 101

nelle campagne, or nel mare, or ne gli abissi | et antri: il quale enigma ti ho detto che cosa significa. Nel grembo de la terra la materia di tutti metalli afferma esser questa insieme col solfro il dottissimo Avicenna, nell’epistola scritta ad Hazez: alla quale opinione postpongo quella di Ermete, che vuole la materia di metalli esserno gli elementi tutti; et insieme con Alberto Magno chiamo ridicula la sentenza attribuita a Democrito da gli alchimisti, che la calcina e lisciva (per la quale intendono l’acqua forte) siino materia di metalli tutti. Né tampoco posso approvar la sentenza di Gilgile, nel suo libro De’ secreti dove vuole »metallorum materiam esse cinerem infusum«, per che vedeva che »cinis liquatur in vitrum et congelatur frigido«: al quale errore suttilmente va obviando il prencipe Alberto … Gioan Bernardo Queste diavolo de raggioni no mi toccano punto l’intellecto. Io vorrei veder l’oro fatto e voi meglior vestito che non andiate: penso ben che si tu sapessi far oro non venderesti la ricetta da far oro, ma con essa lo faresti; e mentre fai oro per un altro per fargli vedere la esperienza, lo faresti per te a fin di non aver bisogno di vendere il secreto. | Cencio Voi mi avete interrotto il discorso. Pensate voi solo di aver giudicio, e di aver apportato un grandissimo argomento: per le cautele che have usate meco messer Bartolomeo, dimostra esser assai più cauto che voi non vi stimate d’essere. E sa lui che io son stato rubbato e sassinato al bosco di Cancello venendo da Airola … Gioan Bernardo Credo ch’il sappia più per vostro che per mio dire. Cencio … e però io, non avendo il modo di comprar gli semplici e minerali che si richiedono a tal opra, ho fatto come sapete. Gioan Bernardo Dovevi ponerti in pegno e securtà, e dire: »Mes-

erster akt

65

66 67

68

69

70

71

71

mal in den Tälern, einmal in den Feldern oder im Meer, einmal in den Abgründen und Höhlen – und ich habe dir erklärt, was dieses Rätsel bedeutet. Tief unter der Erde ist die Materie aller Metalle gemeinsam mit dem Schwefel, so schreibt der allerweiseste Avicenna in seinem Brief an Hazez. Eine Meinung, der ich jene des Hermes Trimegistos hintanstelle, der meint, daß die Materie der Metalle ein Kompositum aller Elemente ist. Und mit Albertus Magnus behaupte ich, daß jener Lehrsatz lächerlich ist, den die Alchemisten Demokrit zuschreiben und der da lautet: Kalzium und Lauge (worunter sie Salpetersäure verstehen) sei die Materie aller Metalle. Ebenso lehne ich die Lehre des Gilgiles ab, die er in seinem Buch Von den Geheimnissen vertritt, nämlich daß »metallorum materiam esse cinerum infusum [in die Materie der Metalle Asche eingegossen ist]«. Er sah nämlich, daß »cinis liquatur in vitrum et congelatur frigido [die Asche sich in der Retorte verflüssigt und von der Kälte zusammengefroren wurde]«. Ein Irrtum, welchem die Koryphäe Albertus sich auf scharfsinnige Weise entgegenstellte … Gio. Bernardo Dieses verdammte Gequatsche berührt meinen Verstand nicht im geringsten. Ich möchte das [künstlich] hergestellte Gold sehen und Euch in einem besseren Gewand als diesem. Ich bin sicher, wärst du fähig, Gold zu machen, würdest du das Rezept zum Goldmachen nicht verkaufen, sondern eben damit Gold machen. Und anstatt Gold für einen anderen zu machen, um ihm die Erfahrung zu vermitteln, würdest du es für dich [selbst] machen, damit du das Geheimnis nicht zu verkaufen brauchst. Cencio Ihr habt meine Rede unterbrochen. Glaubt Ihr, der einzige mit Verstand zu sein? Glaubt Ihr, das war ein gutes Argument? Nach seinen Vorkehrungen mir gegenüber zu schließen, ist der Herr Bartolomeo selbst viel vorsichtiger als Ihr Euch anmaßt zu sein. Und er weiß, daß ich im Wald zu Cancello überfallen und ausgeraubt wurde, als ich von Airola kam. Gio. Bernardo Ich glaube, daß er dies mehr aus Eurem Munde als aus meinem erfahren hat. Cencio Und deshalb, weil es mir nicht möglich war, die einfachen [Elemente] und Mineralien zu besorgen, die man für dieses Werk braucht, habe ich getan, was Euch bekannt ist. Gio. Bernardo Du hättest dich absichern müssen und sagen: »Herr,

72

atto primo

101 | 103

s(ere), avanzarò oro per me e per te«; che certo tanto lui quanto altro ti arebbe niente manco soccorso: e quell’oro che cerchi dalle borse, l’aresti con tua meglior riputazione et onore sfornato dalla tua fornace. Cencio Mi ha piaciuto far cossì: quando io sarò morto, che mi fa che tutto il mondo sappia far oro? che mi fa che tutto il mondo sii pieno d’oro? Gioan Bernardo Io mi dubito che l’argento et il stagno valerà più caro oggimai, che l’oro. Cencio Dovete saper per la prima che messer Bartolomeo, lui ebbe tutta la ricetta in mano, dove si contiene et il modo di operare e le cose che vi concorreno. Lui mandava al speciale, per le cose che bisognano, il suo putto; lui è stato presente al tutto che si faceva; lui faceva tutto: e da me non volea altro che la dechiarazione, con dirgli »Fà in questo | modo, fà in quello, non far cossì, fà colà, or applica questo, or togli quello«; di sorte ch’al fine con allegrezza grande ha ritrovato l’oro purissimo e probatissimo al fondo della vitrea cucurbita, risaldata luto sapientiae … Gioan Bernardo Luto della polvere delle potte sudate al viaggio di Piedigrotta. Cencio … e cossì, assicuratissimo, mi ha pagato seicento scudi per il secreto che gli ho donato, secondo le nostre convenzioni. Gioan Bernardo Or poi che avete fatta una cosa, fatene un’altra: e sarà compìto tutto il negocio a non mancarvi nulla. Cencio Che volete che noi facciamo? Gioan Bernardo Lui essendo nella miseria che eravate voi, con aver seicento scudi meno, e voi essendo nella comodità nella quale era lui, con aver oltre seicento scudi: però come avete cambiata fortuna, cambiatevi ancora gli mantelli e le barette. Ch’alfine non conviene ch’egli vada in quello abito, e tu in questo. Cencio Oh, voi sempre burlate. Gioan Bernardo Sì sì, burlo: la prima volta che vi vedrò insieme

erster akt

72

73

das Gold wird für mich und für dich reichen.« Zweifelsohne hätte dir da er oder jeder andere trotzdem geholfen, und das Gold, das du in den Geldbörsen suchst, hättest du ruhmreicher und ehrbarer aus deinem Ofen geholt. Cencio Mir hat es gefallen, so zu handeln! Was habe ich davon, wenn ich einmal tot bin und die ganze Welt weiß, wie man Gold macht? Was habe ich davon, wenn die ganze Welt voller Gold ist? Gio. Bernardo Ich bezweifle, daß das Gold dann wertvoller sein wird, als es jetzt Silber und Zinn sind. Cencio Ihr müßt zuallererst wissen, daß der Herr Bartolomeo das ganze Rezept in der Hand hatte, in dem sowohl die Arbeitsanleitung als auch die notwendigen Ingredienzien enthalten sind. Für die Besorgungen schickte er seinen Laufburschen zum Drogisten; bei allem, was wir machten, war er dabei; er machte alles. Von mir wollte er nur, daß ich ihm Anweisungen gab, indem ich sagte: Mach es so oder so, mach das nicht, mach so weiter, nun gib etwas hinzu, nun nimm etwas weg. So daß er am Ende mit großer Freude am Boden des Destillierkolbens, der verschlossen wurde mit luto sapientiae, ganz reines und echtes Gold vorfand … Gio. Bernardo … dem Lehm aus Staub von schwitzenden, nach Piedigrotta pilgernden Mösen. Cencio … und so, vollkommen überzeugt, zahlte er mir, wie wir vereinbart hatten, sechshundert Scudi für das Geheimnis, das ich ihm anvertraut hatte. Gio. Bernardo Jetzt, wo Ihr das erledigt habt, könnt Ihr auch etwas anderes erledigen, und das ganze Geschäft wird zu Eurer vollkommenen Zufriedenheit abgeschlossen. Cencio Was, meint Ihr, [sollen] wir tun? Gio. Bernardo Weil er in der mißlichen Lage ist, in der Ihr ward, nämlich sechshundert Scudi weniger zu haben, seid Ihr nun in der glücklichen Lage, in der er früher war, nämlich sechshundert Scudi mehr zu haben. Da Ihr schon einmal Euer Glück getauscht habt, so tauscht doch auch noch Eure Mäntel und Barette. Denn es geht nicht an, daß er in jenen Kleidern auftritt und du in diesen. Cencio Oh, Ihr seid immer zu Scherzen aufgelegt. Gio. Bernardo Ja, ja, ich scherze. Wenn ich Euch das erste Mal zu-

74

atto primo

103 | 107

dirò »Ecco qui la tua cappa, Cencio; ecco qui la tua cappa, Bartolomeo«. Ma dimmi da galant’omo (parliamo da dovero): non l’hai tu attacata a costui come l’attaccò il Gigio al Perrotino? | Cencio E che fec’egli? Gioan Bernardo Non sai quel che fece? io tel saprò dire: – Costui cavò un pezzo di legno: vi inserrò l’oro dentro, poi lo bruggiò fuori facendolo a guisa de gli altri carboni; et al suo tempo con una bella destrezza sel tolse dalla saccoccia, e ponendo mani ad dui altri carboni ch’erano presso la fornace, fece venir a proposito di ponere quel carbone pregnante: dove presto, per la forza del fuoco incinerito, stillò l’oro impolverato per gli buchi a basso. Cencio Oh vagliame Dio: mai arei possuto imaginarmi una sì fatta gaglioffaria. Ingannar io? fars’ingannar messer Bartolomeo? Or credo che di questo tratto lui ne sii stato informato. Egli non solo non ha voluto ch’io tocasse cosa alcuna; ma anco mi ha fatto seder sei passi lungi dalla fornace, la prima volta che si oprò in mia presenza per la dechiarazion della prattica della ricetta; e nella seconda volta ha voluto esser solo, con farmene essere al tutto absente, avendo solo la mia ricetta per guida. Di sorte che dopo che la esperienza è fatta due volte in poca materia e pochissima spesa, or vi si è risoluto a tutta passata: e come vi ho detto, fa gran seminata per racogliere gran frutto. Gioan Bernardo Come, have egli aumentate le dose? Cencio Tanto che in questa prima posata tirarà cinquecento scudi come cinquanta soldi. Gioan Bernardo Credo più presto come cinquanta soldi, che come cinquant’altri scudi: ora sì che hai profetato meglio ch’un Caifasso. Or aspettiamo il parto, che all’ora vedremo si l’è maschio o femina. A dio. | Cencio A dio, adio: assai è che crediate gli articoli di fede.

erster akt

73

74

75

76

77

78

75

sammen sehe, werde ich rufen: Schau hier, dein Mantel, Cencio! Schau hier, dein Mantel, Bartolomeo! Aber unter Ehrenmännern: Sag die Wahrheit, hast du ihn nicht genauso übers Ohr gehauen wie der Gigio den Perrotino? Cencio Was hat der gemacht? Gio. Bernardo Du weißt nicht, was der gemacht hat? Ich kann es dir sagen. Er hat ein Scheit Holz ausgehöhlt und das Gold dort hineingesteckt. Er ließ es dann oberflächlich anbrennen, so daß es aussah wie die anderen Kohlen. Sobald sich eine Gelegenheit bot, zog er es geschickt aus der Tasche und bot zwei andren Köhlern, die beim Schmelzofen waren, seine Hilfe an. Er schlug ihnen vor, die präparierte Kohle ins Feuer zu legen, wo sie bald durch die Kraft des Feuers eingeäschert wurde und das geschmolzene Gold durch die Löcher nach unten tropfte. Cencio Gott steh mir bei! Nie wäre mir ein so unglaublicher Betrug eingefallen! Ich ein Betrüger, und Herr Bartolomeo sich betrügen lassen? Ich denke aber, daß Bartolomeo diese Geschichte gekannt haben muß. Er wollte nicht nur, daß ich nichts anfasse, beim ersten Mal hat er mich sogar sechs Schritte vom Ofen entfernt hinsetzen lassen, als in meiner Anwesenheit gearbeitet wurde, damit ich den Arbeitsvorgang erklären konnte; und beim zweiten Mal wollte er alleine sein. Ich mußte mich gänzlich entfernen, und er hatte nur mein Rezept zur Anleitung, so daß er, nachdem das Experiment mit wenig Material und noch geringeren Kosten zweimal stattfand, aufs Ganze ging. Oder, wie ich Euch gesagt habe: Er sät reichlich, um eine reiche Ernte einzufahren. Gio. Bernardo Wie, hat er die Dosis erhöht? Cencio Derart, daß er in der ersten Runde fünfhundert Scudi und fünfzig Soldi gewinnen wird. Gio. Bernardo Wohl eher fünfzig Soldi als auch nur fünfzig Scudi: Dann hast du wirklich besser prophezeit als ein Kaiphas. Nun, warten wir die Geburt ab, schauen wir, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird. Adieu. Cencio Adieu, Adieu. – Es ist schon viel, daß Ihr die Lehrsätze der Religion glaubt.

76

atto primo

107 | 109

[scena xii] Cencio solo In vero si Bartolomeo avesse il cervello di costui, e che tutti fussero cossì male avisati, in darno arei stesa la rete in questa terra. Or facciamo di bon modo, poi che l’ucello è dentro: che non siamo come quello che sel fe’ venire a la rete, e poi sel fe’ fuggir dalla mano. Mai mi stimarò possessor di questi scudi, né le chiamarò miei, sin tanto che non sarò fuor del Regno. Ho dato ordine alla posta, et or ora vo a montarvi su; non mi fia mistiero d’andar a prendere altre bagaglie: quando l’oste aprirà la balice che ha nelle mani, la trovarà piena di sassi, e che vale più quel che è di fuori che quel che è di dentro; credo che non dimorarà troppo a veder il conto suo anche lui. Non bisogna ch’io mi fermi cqui sino al tempo che potrà essere che Bartolomeo manda per trovare il pulvis Christi. Mi par veder la moglie: non voglio che mi veda cossì imbottato. [scena xiii] Marta sola Credo che Sautanasso, Barsabucco e tutti quelli che squagliano, sel prenderanno per compagno; per che saprà egli attizzar il fuoco dell’inferno per | suffriggere e rostire l’anime dannate. La faccia di mio marito assomiglia ad uno il quale è stato trent’anni a far carboni alla montagna di Scarvaita, che sta da là del monte de Cicala. Non sta cossì volentieri pesce in acqua, come lui presso que’ carboni vivi a fumegarse tutto il giorno (non voglio maldirlo): poi mi viene avanti con quelli occhi rossi et arsi di sorte che rassomiglia a Luciferre. In fine non è fatica tanto grave che l’amore non faccia non solamente lieve, ma piacevole. Ecco costui per essergli ficcato nel cervello la speranza di far la pietra filosofale, è dovenuto a tale che il suo fastidio è il mangiare, la sua inquietitudine è il trovarsi a letto, la notte sempre gli par lunga come a putti che

erster akt

77

[ 12 . szene] Cencio, alleine

79

80

81

Um die Wahrheit zu sagen, hätte Bartolomeo denselben Verstand wie der da, und wären alle so argwöhnisch, umsonst hätte ich mein Netz in dieser Welt ausgeworfen. Jetzt, wo wir den Vogel geschnappt haben, sollten wir achtsam sein, damit es uns nicht wie jenem ergeht, der ihn im Netz hatte und dann aus seinen Händen entwischen ließ. Nie werde ich mich als Eigentümer dieser Scudi fühlen, noch sie mein eigen nennen, bis ich nicht das Königreich [Neapel] verlassen habe. Ich habe schon beim Kurier vorgemerkt und werde jetzt gleich einsteigen. Ich verzichte darauf, weiteres Gepäck mitzunehmen. – Wenn der Wirt den Koffer öffnet, den er in der Hand hat, wird er ihn voller Steine finden, und was außen ist, ist wertvoller als das, was drinnen ist. Ich glaube, daß es nicht allzulange dauert, bis auch er versteht, wie ich meine Rechnungen begleiche. Es wird nicht nötig sein, hier zu warten, bis Bartolomeo vielleicht jemanden nach dem pulvis Christi schickt. Mir scheint, da kommt [seine] Frau. Ich möchte nicht, daß sie mich in diesen Reisestiefeln sieht.

[ 13 . szene] Marta, alleine

82, 83

Ich glaube, daß Satan, Beelzebub und überhaupt alle Feuerteufel sich den da zum Genossen machen. Er kann das Höllenfeuer entfachen, das die verdammten Seelen röstet und brät. Das Gesicht meines Mannes gleicht dem eines Köhlers, der dreißig Jahre lang am Berg von Scarvaita, hinter dem Berg bei Cicala gewesen ist. Kein Fisch ist so gerne im Wasser wie der bei seinen lodernden Kohlen, um sich den ganzen Tag räuchern zu lassen. Ich will ihn nicht verfluchen! – [Aber] dann kommt er mir mit diesen roten, feurigen Augen daher, daß er dem Luzifer ähnlich schaut. Aber schließlich ist keine Last so groß, welche die Liebe nicht nur leicht, sondern gar angenehm macht. Da ist er, weil er sich die Hoffnung, den Stein der Weisen zu machen, in den Kopf gesetzt hat, was ihn so veränderte, daß ihm das Essen zur Mühsal wird, das Bett zu

78

atto primo

109 | 111

hanno qualche abito nuovo da vestirsi. Ogni cosa gli dà noia, ogni altro tempo gli è amaro: e solo il suo paradiso è la fornace. Le sue gemme e pietre preciose son gli carboni, gli angeli son le bozzole che sono attaccate in ordinanza ne’ fornelli con que’ nasi di vetro da cqua; e da llà tanti lambicchi di ferro, e de più grandi e de più piccoli e di mezzani. E che salta, e che balla, e che canta quel sciagurato che mi fa sovvenire dell’asino. Poco fa, per veder che cosa facess’egli, ho posto l’occhio ad una rima de la porta, e l’ho veduto assiso sopra la sedia a modo di catedrante, con una gamba distesa da cqua et un’altra distesa da llà, guardando gli travi della intempiatura della camera; a’ quali, dopo aver cennato tre volte co la testa, disse: »Voi, voi impiastrarò di stelle fatte di oro massiccio«. Poi non so che si borbottasse guardando le casce e voltando il viso a’ scrigni. »Mia fé« dissi io, »penso che | questi presto saranno pieni di doppioni«. – Oh, ecco Sanguino.

[scena xiv] Sanguino, Marta Sanguino (cantando). Chi vooo spazzacamin? Chi vòl conciare stagni, candelier, conche, caldare? Marta Che buon’ora è, Sanguino? è egli cosa nuova che tu sei pazzo? che canti per mezzo le strade? quale delle due è l’arte tua? Sanguino Non so: o l’una o l’altra. E voi non sapete? Marta Se non me dite, non so altro. Sanguino Son servitor, discepolo e compagno di vostro marito, il quale o è un spazza-camino, o ver ripezza-stagni, tacconeggia-padelle o risalda-frissore. Si non mel credi, guardagli il viso e miragli le mani. Che diavolo fa egli? Tenetelo forse appeso al fumo come le salciche, e come mesesca di botracone in Puglia?

erster akt

84

79

einem Ort der Unruhe, und die Nacht scheint ihm immer so lange wie Kindern, die ein neues Kleid anzuziehen haben. Alles langweilt ihn, alles andere geht ihm auf die Nerven, und sein einziges Paradies ist der Schmelzofen. Seine Schätze und Edelsteine sind die Kohlen, seine Engel die Retorten, die er schön aufgereiht in den Öfen angeordnet hält. Hier die Schnabelgläser und dort alle eisernen Destilliergeräte, manche kleiner, manche größer und manche mittelgroß. Und wie er immer springt und wie er tanzt und singt, dieser Tropf, daß er mich an einen Esel erinnert. Neulich habe ich durch einen Spalt in der Tür gespäht, um zu sehen, was er macht. Und ich habe ihn da rücklings auf einem Stuhl sitzen gesehen, wie ein Professor ein Bein hierhin, das andere dorthin gestreckt, und zu den Deckenbalken aufschauen. Und nachdem er ihnen dreimal mit dem Kopf zugenickt hatte, sagte er: »Euch, Euch werde ich mit Sternen aus massivem Gold schmücken.« Ich weiß nicht, was er dann noch vor sich hin murmelte, während er die Kästen betrachtete und das Gesicht zu den Geldschreinen hinwandte. »Bei meinem Glauben«, sagte ich mir, »ich denke, die werden dann wohl bald voll mit Dublonen sein.« Oh, da ist Sanguino.

[ 14 . szene] Sanguino, Marta 85

Sanguino [singt] Wer braucht Kamiiinkehrer! Wer will sein Zinnzeug polieren, seine Becken, seine Kerzenständer, seine Öfen flicken? Marta Tickst du nicht richtig, Sanguino? Bist du jetzt ganz verrückt geworden? Was singst du mitten auf der Straße? Was von den beiden ist nun dein wirklicher Beruf? Sanguino Ich weiß es nicht. Entweder der eine oder der andere. Und Ihr wißt es nicht? Marta Wenn Ihr es mir nicht sagt, weiß ich auch nicht weiter. Sanguino Ich bin der Diener, Schüler und Genosse Eures Ehegatten, der entweder Kaminkehrer oder Kessel- und Pfannenflicker ist. Wenn du es nicht glaubst, schau ihm ins Gesicht und blick’ ihm auf die Hände. Was macht er denn, zum Teufel? Hängt Ihr ihn etwa über den Kamin wie das Geselchte und den apulischen Schafspeck?

80

atto primo

111 | 113

Marta Ahi me lassa: per lui sarò mostrata a dito; ogni poltrone me darrà la baia. Intendi, Sanguino? questo và a dirlo a lui, e non a me. Sanguino Se dice che nostro Signore sanò tutte altre sorte de infirmità, ma che giamai volse accostarsi ad pazzi. | Marta E però và via, ch’io non voglio accostarmi a te, pazzacone. Sanguino Và pure accòstati a lui, madonna cara: e guàrdati di porgerli la lingua, che la minestra ti saprà di fumo.

fine dell ’ atto primo |

erster akt

81

Marta Ach, laß mich [in Frieden]. Seinetwegen zeigt man noch mit dem Finger auf mich, jeder Taugenichts hält mich zum Narren. Verstehst du, Sanguino? Erzähl das ihm, nicht mir! Sanguino Man sagt, daß Unser Herr alle Leiden heilte, aber daß er sich nie mit Verrückten abgeben wollte. Marta Und hau schon ab, denn ich will mich nicht mit einem Oberverrückten wie dir abgeben! Sanguino Geh nur, gib dich mit ihm ab, teure Madonna! Aber hüte dich, ihm die Zunge herauszustrecken, denn die Suppe wird nach Rauch schmecken.

ende des ersten aktes.

115 | 117

AT T O SE C O N D O

scena prima Messer Ottaviano, Mamfurio, Pollula Ottaviano Maestro, che nome è il vostro? Mamfurio Mamphurius. Ottaviano Quale è vostra professione? Mamfurio Magister artium, moderator di pueruli, di teneri unguicoli, lenium malarum, puberum, adolescentulorum: eorum qui adhuc in virga in omnem valent erigi, flecti, atque duci partem; primae vocis, apti al soprano, irrosorum denticulorum, succiplenularum carnium, recentis naturae, nullius rugae, lactei halitus, roseorum labellulorum, lingulae blandulae, mellitae simplicitatis, in flore, non in semine degentium, claros habentium ocellos, puellis adiaphoron. Ottaviano Oh maestro gentile, attillato, eloquentissimo, galantissimo architriclino e pincerna delle Muse … | Mamfurio O bella apposizione. Ottaviano … patriarca del coro apolinesco … Mamfurio Melius diceretur »apollineo«. Ottaviano … tromba di Febo, lascia ch’io te dia un bacio nella guancia sinestra: che non mi reputo degno di baciar quella dolcissima bocca … Mamfurio » Ch’ ambrosia e nectar non invidio a Giove«. Ottaviano … quella bocca dico, che spira sì varie e bellissime sentenze et inaudite frase.

ZWEITER AKT

1 . szene

Ottaviano, Mamfurio, Pollula

1

2

Ottaviano Maestro, wie heißt Ihr? Mamfurio Mamphurius. Ottaviano Was seid Ihr von Beruf? Mamfurio Magister artium, Lenker des Nachwuchses, der zarten Fingernägelchen, lenium malarum, puberum, adolescentulorum: eorum qui adhuc in virga in omnem valent erigi, flecti, atque duci partem; primae vocis, apti zum Sopran irrosorum denticulorum, succiplenularum carnium, recentis naturae, nullius rugae, lactei halitus, roseorum labellulorum, lingulae blandulae, mellitae simplicitatis, in flore, non in semine degentium, claros habentium ocellos, puellis adiaphoron [zarter Wangen, von Kindern, von gerade Halbwüchsigen: von jenen, die, gerade aufrecht, noch überallhin wachsen, in jede Richtung gebogen und geführt werden können, von junger Stimme, geeignet für den »Sopran«, mit gesunden Zähnchen, zartem Fleisch, eben erst geboren, faltenlos, nach Milch riechend, mit rosenfarbenen Lippchen, lockenden Zungen, honigsüßer Einfalt, in der Blüte und nicht in der Frucht, jene, die helle Augen haben, nicht anders als Kinder]. Ottaviano Oh! Edler Meister, elegantester, eloquentester, galantester Schaffner und Mundschenk der Musen, … Mamfurio Oh, schöne Anrede. Ottaviano … Patriarch des apollinischen Chores, … Mamfurio Melius diceretur [Besser gesagt]: apollineisch. Ottaviano … Trompete des Phoebus, erlaube mir, daß ich dir einen Kuß auf die linke Backe gebe, weil ich mich nicht für würdig finde, diesen allersüßesten Mund zu küssen … Mamfurio »… so daß ich Jupiter Nektar und Ambrosia nicht neide.« Ottaviano … dieser Mund, der, so sage ich, derart vielfältige und wunderschöne Sentenzen und nie gehörte Redewendungen aushaucht.

84

atto secondo

117 | 119

Mamfurio Addam et plura: in ipso aetatis limine, ipsis in vitae primordiis, in ipsis negociorum huius mundialis seu cosmicae architecturae rudimentis, ex ipso vestibulo, in ipso aetatis vere, ut qui adnupturiant, ne in apiis quidem … Ottaviano O maestro, fonte caballino, di grazia non mi fate morir di dolcezza, prima ch’io dichi la mia colpa; non parlate più, vi priego, per che mi fate spasimare. Mamfurio Silebo igitur, quia opprimitur a gloria maiestatis, come accadde a quella meschina di cui Ovidio nella Metamorphosi fa menzione: a cui le | Parche avare troncorno il filo, vedendo, lei, nella propria maiestade il folgorante Giove. Ottaviano Di grazia, vi supplico per quel dio Mercurio che vi ha indiluviato di eloquenzia … Mamfurio Cogor morem gerere. Ottaviano … abbiate pietà di me, e non mi lanciate più cotesti dardi, che mi fanno andar fuor di me. Mamfurio In ecstasim profunda trahit ipsum admiratio. Tacebo igitur, de iis hactenus, nil addam, muti pisces, tantum effatus, vox faucibus haesit. Ottaviano Misser Mamfurio, amenissimo fiume di eloquenza, serenissimo mare di dottrina, … Mamfurio Tranquillitas maris, serenitas aeris. Ottaviano … avete qualche bella vostra di composizione? per che ho gran desiderio aver copia di vostre doctissime carte. Mamfurio Credo, signor, che in toto vitae curriculo e discorso di diverse e varie pagine non ve siino occorsi carmini di calisimetria, idest

zweiter akt

3 4

5

6

7

85

Mamfurio Addam et plura: in ipso aetatis limine, ipsis in vitae primordiis, in ipsis negociorum huius mundialis seu cosmicae architecturae rudimentis, ex ipso vestibulo, in ipso aetatis vere, ut qui adnupturiant, ne in apiis quidem [Und ich füge noch weiteres hinzu: genau auf der Schwelle des Alters, noch in der Jugend, in den Anfängen der Geschäfte dieser Welt, in diesem Vorhaus, im Frühling des Lebens, wie jene, die heiraten wollen, noch nicht im Selleriekranz] … Ottaviano Oh Meister, Pegaseische Quelle, ich flehe Euch an, laßt mich nicht an Süßigkeit sterben, bevor ich nicht meine Schuld gestanden habe, sagt nichts mehr, ich bitte Euch, Ihr laßt mich verschmachten. Mamfurio Silebo igitur, quia opprimitur a gloria maiestatis [Ich schweige also, denn er wird vom Glanz der Majestät erdrückt], wie es jener Unglücklichen erging, die Ovid in den Metamorphosen erwähnt, der die geizigen Parzen den [Lebens]Faden abschnitten, als sie den strahlenden Jupiter in seiner ganzen Majestät erblickte. Ottaviano Ich bitte Euch, ich flehe Euch an, bei jenem Gotte Merkur, der Euch mit Eloquenz überflutet hat, … Mamfurio Cogor morem gerere [Ich bin gezwungen, deinem Ansinnen Folge zu leisten]. Ottaviano … habt Mitleid mit mir, schleudert mir nicht länger diese [Liebes]pfeile entgegen, von denen ich ganz außer mir bin. Mamfurio In ecstasim profunda trahit ipsum admiratio. Tacebo igitur, de iis hactenus, nil addam, muti pisces, tantum effatus, vox faucibus haesit [Die Bewunderung läßt ihn in tiefe Ekstase verfallen. Ich werde nun schweigen, nichts hinzufügen, stumm wie ein Fisch, nachdem ich nur dies gesagt habe, bleibt ihm die Stimme in der Kehle]. Ottaviano Meister Mamfurio, lieblichster Fluß der Eloquenz, heiterstes Meer der Bildung … Mamfurio Tranquillitas maris, serenitas aeris [Die Ruhe ist eine Eigenschaft des Meeres, die Klarheit ist jene der Luft]. Ottaviano … habt Ihr eines Eurer schönen Werke, denn ich verspüre großes Verlangen, eine Menge Eurer hochgelehrten Papiere zu haben. Mamfurio Ich denke, Signor, daß Euch noch nie in toto vitae curriculo [im ganzen Leben] und im Diskurs der verschiedenen und unter-

86

atto secondo

119 | 123

cossì bene adaptati, come questi che al presente io son per dimostrarvi cqui exarati. Ottaviano Che è la materia di vostri versi? | Mamfurio Litterae, syllabae, dictio et oratio, partes propinquae et remotae. Ottaviano Io dico, quale è il suggetto et il proposito. Mamfurio Volete dire de quo agitur? materia de qua? circa quam? È la gola, ingluvie e gastrimargia di quel lurcone Sanguino (viva effigie di Filoxeno, qui collum gruis exoptabat) con altri suoi pari, socii, aderenti, simili e collaterali. Ottaviano Piacciavi di farmeli udire. Mamfurio Lubentissime. Eruditis non sunt operienda arcana: ecco, io explico papirum propriis elaboratum et lineatum digitis. Ma voglio che pernotiate che il sulmonense Ovidio (»Sulmo mihi patria est«), nel suo libro Metamorphoseon octavo, con molti epiteti l’apro calidonio descrisse: alla cui imitazione io questo domestico porco vo delineando. Ottaviano Di grazia leggetele presto. | Mamfurio Fiat. Qui cito dat, bis dat. Exordium ab admirantis affectu. O porco sporco, vil, vita disutile: ch’altro non hai che quel gruito fatuo col quale il cibo tu ti pensi acquirere; gola quadruplicata da l’axungia dall’anteposto absorpta brodulario, che ti prepara il sozzo coquinario per canal emissario:

zweiter akt 8

9

10

11

12

13

87

schiedlichen Schriftblätter Gesänge mit einer solchen Kalisymmetrie begegnet sind, idest, so schön eingerichtet, wie jene, die ich Euch jetzt zeigen werde, hier exarati [mit dem Griffel in Wachstafel geschrieben]. Ottaviano Was ist der Inhalt Eurer Verse? Mamfurio Litterae, syllabae, dictio et oratio, partes propinquae et remotae [Buchstaben, Silben, Ausdruck und rhetorische Färbung, die naheliegenden und die ferneren Teile der Rede]. Ottaviano Ich sage, was ist das Thema und der Gegenstand? Mamfurio Ihr wollt sagen: de quo agitur? materia de qua? circa quam? [Worum handelt es sich? Was ist der Gegenstand? Worum geht es?] Es ist der Hals, die Gefräßigkeit und die Magenfülle dieses Völlerers Sanguino, dem lebenden Abbild Filoxenos, qui collum gruis exoptabat [der wünschte, den Hals eines Kranichs zu haben], mit anderen seinesgleichen, Genossen, Anhängern und Nebenverwandten. Ottaviano So laßt doch hören, zum Gefallen. Mamfurio Lubentissime. Eruditis non sunt operienda arcana: hier, ich explico papirum propriis elaboratum et lineatum digitis [Mit dem größten Vergnügen. Den Gebildeten darf man keine Geheimnisse vorenthalten … ich erkläre den mit eigener Hand ausgearbeiteten, beschriebenen Papyrus]. Aber ich möchte, daß Ihr mit großer Aufmerksamkeit wahrnehmt, daß der Sulmonische Ovid – Sulmo mihi patria est – in seinem Buch Metamorphoseon octavo mit vielen Epitheta das Calidonische Wildschwein beschrieb, als dessen Ebenbild ich nun dieses Hausschwein nachzeichne. Ottaviano So lest es doch bald, ich bitte Euch! Mamfurio Fiat. Qui cito dat, bis dat. Exordium ab admirantis affectu [So sei es. Wer schnell gibt, gibt doppelt. Der Anfang hängt vom Affekt des Bewunderers ab]. Oh, dreckiges Schwein, niederträchtiges, unnützes Leben, was anderes hast du als dieses nutzlose Grunzen, mit dem du dir dein Essen zu aquiriren glaubst, Schlund, vervierfacht von der axungia [Schweinefett], aus dem vorgesetzten Trog absorbirt, den dir der garstige Koch bereitet durch die Speiseröhre;

88

atto secondo

123 | 125

per pinguefarti più, vase d’ingluvie, in cotesto porcil t’intromettesti u’ ad altro obiecto non guardi ch’al pascolo; e privo d’exercizio, per inopia e penuria di meglior letto e di meglior cubiculo, altro non fai ch’al sterco e fango involverti. Post haec: Ad nullo sozzo volutabro inabile, di gola e luxo infirmità incurabile, ventre che sembra di Pleiade il puteo, abitator di fango, incola luteo; fauce indefessa, assai vorante gutture; ingordissima arpia, di Tizio vulture, | terra mai sazia, fuoco e vulva cupida; orificio protenso, nare putida; nemico al cielo, speculator terreo, mano e piè infermo, bocca e dente ferreo; l’anima ti fu data sol per sale a fin che non putissi: dico male?

Che vi par di questi versi? Che, ne comprendete col di vostro ingegno il metro? Ottaviano Certo, per esser cosa d’uno della profession vostra, non sono senza bella considerazione. Mamfurio Sine conditione et absolute denno esser giudicati di profonda perscrutazion degni questi frutti raccolti dalle meglior piante che mai producesse l’eliconio monte, irrigate ancor dal parnasio fonte, temprate dal biondo Apolline e dalle sacrate Muse coltivato. E che ti par di questo bel discorso? Non vi admirate addesso come pria già? Ottaviano Bellissimo e sottil concepto. Ma ditemi, vi priego, avete speso molto tempo in ordinar questi versi? Mamfurio Non.

zweiter akt

89

um dich noch beleibter zu machen, Gefäß der Gefräßigkeit, hast du dich in diesen Schweinestall gesetzt, auf ein anderes Ziel als das Essen blickst du nicht, und bar [je]der Übung, aus Dürftigkeit und mangels eines besseren Bettes und Schlafgemachs, hüllst dich in Mist und Schlamm ein.

14 15

16

Post haec: Zu nichts fähiges garstiges Jammergesicht, unheilbar an Freßsucht und Hoffart Erkrankter Bauch, welcher der Moder der Pleiaden zu sein scheint, des Schlammes lehmiger Bewohner, unermüdlicher Höllenschlund, allzu schlingender Hals allergefräßigster Nimmersatt, wie der Geier an Tityus. Nie gesättigte Erde, begieriges Feuer, begierige Vulva, herausstehendes Maul, stinkende Nasenlöcher, Himmelsfeind, Erdglotzer, krankend an Hand und Fuß, eisern in Mund und Gebiß. Die Seele wurde dir nur als Salz gegeben, damit du nicht verwest: Übertreibe ich?

Was haltet Ihr von diesen Versen? Was versteht Ihr vom Versmaß mit Eurem [bißchen] Verstand? Ottaviano Sicher, da es etwas aus der Hand eines Mannes Eurer Profession ist, bin ich nicht ohne Wohlwollen. Mamfurio Sie sind würdig, sine conditione et absolute [unter allen Bedingungen und absolut], in einer tiefen Untersuchung würdig beurteilt zu werden, diese von den besten Pflanzen des Helikonschen Berges gepflückten Früchte, die noch von der Parnassischen Quelle bewässert, vom blonden Apoll temperiert und von den geheiligten Musen aufgezogen wurden. Und was haltet Ihr von dieser schönen Rede? Seid Ihr entzückt wie schon zuvor? Ottaviano Schönstes und subtiles Konzept. Aber sagt mir, ich bitte Euch, habt Ihr viel Zeit gebraucht, um diese Verse zusammenzustellen? Mamfurio Nicht.

90

atto secondo

125 | 129

Ottaviano Sietevi affatigato in farli? Mamfurio Minime. Ottaviano Avetevi speso gran cura e pensiero? | Mamfurio Nequaquam. Ottaviano Avetele fatti e rifatti? Mamfurio Haud quaquam. Ottaviano Avetele corretti? Mamfurio Minime gentium: non opus erat. Ottaviano Avetene destramente presi, per non dir mariolati, a qualche autore? Mamfurio Neutiquam, absit verbo invidia, dii avertant, ne faxint ista superi. Voi troppo volete veder di mia erudizione: credetemi che non ho poco io del fonte caballino absorpto; né poco liquor mi have infuso la de cerebro nata Iovis: dico la casta Minerva, alla quale è attribuita la sapienza. Credete ch’io non sarei minus foeliciter risoluto, quando fusse stato provocato ad explicandas notas affirmantis vel asserentis. Non hanno destituita la mia memoria: sic, ita, etiam, sane, profecto, palam, verum, certe, proculdubio, maxime, cui dubium?, utique, quidni?, mehercle, aedepol, mediusfidius et caetera. Ottaviano Di grazia, in luoco di quell’et caetera, ditemi un’altra negazione. | Mamfurio Questo cacocephaton, idest prava elocuzione, non farò io: per che factae enumerationis clausulae non est adponenda unitas. Ottaviano Di tutte queste particule affirmative, quale vi piace più de l’altre? Mamfurio Quell’»utique« assai mi cale, eleganza in lingua aethrusca vel tuscia, meaeque inhaeret menti: eleganza di più profondo idioma.

zweiter akt

17 18

19

91

Ottaviano Seid Ihr dabei ermüdet? Mamfurio Minime [Nicht im geringsten]. Ottaviano Habt Ihr große Mühe und Gedanken investiert? Mamfurio Nequaquam [Niemals]. Ottaviano Habt Ihr sie geschrieben und neu geschrieben? Mamfurio Haud quaquam [Niemals je]. Ottaviano Habt Ihr sie korrigiert? Mamfurio Minime gentium: non opus erat [Wozu in aller Welt: Es war nicht notwendig]. Ottaviano Habt Ihr sie geschickt entwendet, um nicht zu sagen, irgendeinem anderen Autor geklaut? Mamfurio Neutiquam, absit verbo invidia, dii avertant, ne faxint ista superi [Sicherlich nicht, ohne jeden Neid, die Götter mögen es verhüten, die Himmlischen mögen es unterlassen]. Zuviel wollt Ihr von meiner Gelehrsamkeit sehen: glaubt mir, ich habe nicht wenig von dem kabbalinischen Brunnen absorbiert, auch hat mir die de cerebro nata Iovis [aus dem Hirn Jupiters Geborene] nicht wenig Likör eingeflößt: Ich meine die unbefleckte Minerva, welcher die Weisheit zugesprochen wird. Glaubt, ich wäre nicht minus foeliciter [weniger erfreut] entschlossen, wenn ich veranlaßt worden wäre, ad explicandas notas affirmantis vel asserentis [einen Katalog der affirmativen oder assertiven Partikel zu erstellen]. Sie haben mein Gedächtnis nicht verlassen: sic, ita, etiam, sane, profecto, palam, verum, certe, proculdubio, maxime, cui dubium?, utique, quindi?, mehercle, aedepol, mediusfidius, et caetera. Ottaviano Ich bitte, sagt mir anstelle dieses et caetera noch eine andere Negation. Mamfurio Dieses cacocephaton, idest diesen mangelhaften Ausdruck, werde ich nicht verwenden: weil factae enumerationis clausulae non est adponenda unitas [nach dem Ende einer Aufzählung nichts mehr hinzuzufügen ist]. Ottaviano Welcher von allen diesen affirmativen Partikeln gefällt Euch mehr als die anderen? Mamfurio Dieses »utique [jedenfalls, besonders]« berührt mich sehr, Eleganz in lingua aethrusca vel tuscia, meaeque inhaeret menti [etruskischer oder truskischer Sprache bleibt mir im Geist]: Eleganz des tiefsinnigsten Idioms.

92

atto secondo

129 | 131

Ottaviano Delle negative, qual vi piace più? Mamfurio Quel »nequaquam« est mihi cordi, e mi sodisfa. Ottaviano Or dimandatemi voi adesso. Mamfurio Ditemi, signor Ottaviano, piacenvi gli nostri versi? Ottaviano Nequaquam. Mamfurio Come nequaquam: non sono elli optimi? Ottaviano Nequaquam. Mamfurio Duae negationes affirmant: volete dir dumque che son buoni. Ottaviano Nequaquam. Mamfurio Burlate? Ottaviano Nequaquam. | Mamfurio Sì che dite da senno? Ottaviano Utique. Mamfurio Dumque poca stima fate di mio Marte e di mia Minerva? Ottaviano Utique. Mamfurio Voi mi siete nemico e mi portate invidia: da principio vi admiravate della nostra dicendi copia; adesso, ipso lectionis progressu, la admirazione è metamorfita in invidia? Ottaviano Nequaquam: come invidia? come nemico? non mi avete detto che queste diczioni vi piaceno? Mamfurio Voi dumque burlate, e dite exercitationis gratia? Ottaviano Nequaquam. Mamfurio Dicas igitur sine simulatione et fuco: hanno enormità, crassizie e rudità gli miei numeri? Ottaviano Utique. Mamfurio Cossì credete a punto? Ottaviano Utique, sane, certe, equidem, utique, utique. Mamfurio Non voglio più parlar con voi.

zweiter akt

20

21

93

Ottaviano Welche von den Negationen gefällt Euch am besten? Mamfurio Dieses »nequaquam« est mihi cordi [ist nach meinem Herzen], und es befriedigt mich. Ottaviano Nun fragt mich, jetzt. Mamfurio Sagt mir Herr Ottaviano, gefallen Euch unsere Verse? Ottaviano Nequaquam [Nicht im geringsten]. Mamfurio Wie nequaquam? Sind sie nicht optimi [hervorragend]? Ottaviano Nequaquam. Mamfurio Duae negationes affirmant [Zwei Negationen bejahen]: Ihr wollt also sagen, sie gefallen Euch? Ottaviano Nequaquam. Mamfurio Ihr scherzt? Ottaviano Nequaquam. Mamfurio Redet Ihr tatsächlich im Ernst? Ottaviano Utique. Mamfurio Ihr haltet also nicht viel von meinem Mars und meiner Minerva? Ottaviano Utique. Mamfurio Ihr seid mir ein Feind und hegt Neid gegen mich. Von Anfang an habt Ihr Euch ergötzt an nostra dicendi copia [Reichtum unserer Rede]; jetzt, ipso lectionis progressu [noch während die Rede im Gange ist], hat sich die Bewunderung in Neid metamorphiert? Ottaviano Nequaquam: Wieso Neid? Wieso Feind? Habt Ihr mir nicht gesagt, daß Euch diese Sprüche gefallen? Mamfurio Also scherzt Ihr und sprecht exercitationis gratia [zu Übungszwecken]? Ottaviano Nequaquam. Mamfurio Dicas igitur sine simulatione et fuco [Sag also, ohne List und Trug]: Haben meine Verse Ungeheuerliches, Schwerfälliges, Ignorantes an sich? Ottaviano Utique. Mamfurio So glaubt Ihr wirklich? Ottaviano Utique, sane, certe, equidem, utique, utique. Mamfurio Ich mag nicht mehr mit Euch reden. Ottaviano Wenn Ihr es nicht aushaltet, Dinge zu hören, von denen

94

atto secondo

131 | 133

Ottaviano Si non volete resistere a udir quel che dite che vi piace, che sarrebbe s’io vi dicesse cosa che vi dispiace? A dio. |

[scena ii] Mamfurio, Pollula Mamfurio Vade, vade. Adesdum, Pollula: hai considerata la proprietà di questo uomo, il quale or ora è da noi absentato? Polluna Costui da principio si burlava di voi di una sorte; al fine vi dava la baia d’un’altra sorte. Mamfurio Non pensi tutto ciò esser per invidia che gli inepti portano ad altri (melius diceretur »alii«, differentia faciente »aliud«) eruditi? Polluna Tutto vi credo, essendo voi mio maestro, e per farvi piacere. Mamfurio De iis hactenus, missa faciamus haec. Or ora voglio gire a ispedir le muse contra questo Ottaviano: e come gli ho fatti udire, in proposito di altro, gli porcini epiteti, posthac in suo proposito voglio che odi quelli di uno inepto giudicator della doctrina altrui. Ecco, vi porgo una epistola amatoria fatta ad istanzia di messer Bonifacio: il quale, per gratificare alla sua amasia, mi ha richiesto che gli componesse questa lectera incentiva. Andate, e gli la darrete secretamente da mia parte in mano, dicendogli che io sono implicito in altri negocii circa il mio ludo literario – Ego quoque hinc pedem referam, perché veggio due femine appropiare, de quibus illud »Longe fac a me«. Polluna Salve, domine praeceptor. Mamfurio Faustum iter dicitur »vale«. |

zweiter akt

95

Ihr sagtet, Ihr mögt sie, was wäre dann, wenn ich Euch etwas sagte, was Euch nicht gefällt? Adieu.

[ 2 . szene] Mamfurio, Pollula

22

23

Mamfurio Vade, vade. Adesdum [Geh, geh. Nun komm], Polulla, hast du die Eigenart dieses Mannes beobachtet, der sich jetzt gerade von uns absentiert hat? Pollula Der hat sich von Anfang irgendwie über Euch lustig gemacht; zuletzt hat er Euch den Rest gegeben, auf eine andere Art. Mamfurio Glaubst du nicht, daß dies aus Neid geschieht, den die Stümper uns Gebildeten gegenüber – melius diceretur »alii«, differentia faciente »aliud« [man sage besser a l ii, um einen Unterschied zu a l iud zu machen] – hegen? Pollula Ich glaube Euch alles, weil Ihr mein Lehrer seid und um Euch zu gefallen. Mamfurio De iis hactenus, missa faciamus haec [Nun aber genug davon und Schluß damit]. Jetzt will ich gleich die Musen gegen diesen Ottaviano losschicken. Und so wie ich ihm die für einen anderen bestimmten Schweineepitheta zu hören gab, will ich posthac, speziell für ihn, ihm jene von einem unfähigen Kritiker der Lehren anderer zu hören geben. Hier, ich gebe Euch einen Liebesbrief, der auf Wunsch des Herrn Bonifacio geschrieben ist. Dieser wollte, um seiner Geliebten zu gefallen, daß ich ihm diesen beschwörenden Brief schreibe. Geht und steckt ihm diesen unauffällig in meinem Auftrag zu; und sagt ihm, daß ich in andere Geschäfte verwickelt bin, die mit meinem literarischen Spiel zu tun haben. – Ego quoque hinc pedem referam [Ich werde nun von hier weggehen], weil ich zwei Frauen auftauchen sehe, de quibus illud: »Longe fac a me!« [von denen geschrieben steht: Weit seien sie von mir entfernt!] Pollula Salve, domine praeceptor [Sei gegrüßt, Herr Lehrer]. Mamfurio Faustum iter dicitur »vale« [Für eine gute Reise sagt man »vale«].

96

atto secondo

135 | 137

scena iii Signora Vittoria, Lucia Signora Vittoria La gran pecoragine che io scorgo in lui mi fa inamorar di quest’uomo; la bestialità sua mi fa argumentare che non perderemo per averlo per amante; e per essere un Bonifacio come vedete, non ne potrà far altro che bene. Lucia Costui non è di que’ matti ch’han troppo secco il cervello, ma di quei che l’han tropp’umido: però è necessario che dii di botto al troppo grosso e dolce umore, più che al troppo suttile, fastidioso, colerico e bizarro. Signora Vittoria Or andiate e ringraziatelo da mia parte; e ditegli ch’io non posso vedermi sazia di leggere la sua carta, e che in poco tempo che siate stata presso di me, diece volte me l’avete veduta cacciar e rimettere nel petto: dategli quante panzanate voi possete, per fargl’intendere ch’io li porto grand’amore. Lucia Lascia la cura ad me (disse Gradasso). Cossì potesse io guidar il re o l’imperadore, come potrò maneggiar costui. Rimanete sana. Signora Vittoria Andate. Fate come vi dettarà la prudenza vostra, Lucia mia. |

scena iv Signora Vittoria sola L’ amore si depinge giovane e putto per due cause: l’una, per che par che non stia bene a’ vecchi; l’ altra, per che fa l’uomo di leggiero e men grave sentimento, come fanciulli. Né per l’una né per l’altra via è entrato amor in costui. Non dico per che gli stesse bene: atteso che non paiono buone a lui simili giostre; né per che gli avesse a togliere l’intelletto: per che nisciuno può essere privato di quel che non ha. – Ma non ho tanto da

zweiter akt

97

3 . szene

Signora Vittoria, Lucia

24

25

26

Vittoria Die große Dummheit, die ich an ihm wahrnehme, macht mich [ganz] verliebt in diesen Mann; seine Stumpfheit läßt mich denken, daß es uns nicht schaden wird, ihn als Geliebten zu haben; und weil er ein Bonifaz ist, wie Ihr seht, kann er doch nichts anderes tun als Gutes. Lucia Er gehört nicht zu der Sorte von Narren, deren Gehirn zu trokken ist, sondern er ist von jener, bei denen es zu feucht ist: Deshalb ist es nötig, daß er seine allzu große und süße Veranlagung stärker austobt als jene allzu subtile, lästige, cholerische und bizarre. Vittoria Geht nun und bedankt Euch bei ihm für mich; und sagt ihm, daß ich nicht aufhören kann, seine Karte zu lesen, und daß Ihr in der kurzen Zeit, in der Ihr bei mir gewesen seid, gesehen habt, wie ich sie mir zehnmal aus dem Ausschnitt geholt und wieder dahin zurückgesteckt hätte; setzt ihm so viele Flausen ins Hirn, wie Ihr könnt, um ihm zu verstehen zu geben, daß ich ihm große Liebe entgegenbringe. Lucia Laßt das nur meine Sorge sein, sagte Gradasso. So könnte ich ebenso den Kaiser oder den König an der Nase herumführen wie ihn. Bleibt gesund. Vittoria Geht. Macht, wie es Euch Eure Klugheit eingibt, meine Lucia.

4 . szene

Signora Vittoria, alleine Die Liebe stellt man aus zwei Gründen mit einen jungen und knabenhaften Anstrich dar: einerseits, weil es so scheint, als stünde sie den Alten nicht gut; andererseits, weil sie den Menschen leichtfertig und weniger seriös, einem Kind gleich macht. Weder aus dem einen noch aus dem anderen Grund ist die Liebe in jenen gekommen. Ich sage das nicht, weil sie ihm gut stünde, in Anbetracht der Tatsache, daß solche Spielereien nicht gut für ihn erscheinen; noch weil sie ihm den Verstand rauben mußte, denn niemand kann dessen beraubt werden,

98

atto secondo

137 | 139

guardar a lui, quanto debbo aver pensiero de fatti miei. Considero, che, come di vergini, altre son dette sciocche, altre prudenti; cossì anco de noi altre che gustiamo de meglior frutti che produce il mondo, pazze son quelle ch’amano sol per fine di quel piacer che passa, e non pensano alla vecchiaia che si accosta ratto senza ch’altri la vegga o senta, insieme insieme facendo discostar gli amici. Mentre quella increspa la faccia, questi chiudono le borse; quella consuma l’umor di dentro, e [questi scemano] l’amor di fuori; quella percuote da vicino, e questi salutano da lontano. Però fa di mestiero di ben risolversi a tempo. Chi tempo aspetta, tempo perde. S’io aspetto il tempo, il tempo non aspettarà me. Bisogna che ci serviamo di fatti altrui, mentre par che quelli abbian bisogno di noi. Piglia la caccia mentre ti siegue, e non aspettar che ella ti fugga. Mal potrà prendere l’ucel che vola, chi non sa mantener quello ch’ha in gabbia. Ben che costui | abbia poco cervello e mala schena, ha però la buona borsa: del primo, suo danno; del secondo, mal non m’accade; del terzo se ne de’ far conto. I savi vivono per i pazzi, et i pazzi per i savii. Si tutti fussero signori, non sarebbono signori: cossì, se tutti saggi, non sarebbono saggi; e se tutti pazzi, non sarebbono pazzi. Il mondo sta bene come sta. – Or torniamo a proposito, Porzia: conviene a chi è bella per la gioventù, che sii saggia per la vecchiaia. Altro n’abbiamo l’inverno che quel che raccolsemo l’estate. Or facciamo di modo che quest’ucello con sue piume oltre non passa. – Ecco Sanguino.

scena v Sanguino, signora Vittoria Sanguino Bàsovi quelle bellissime ginocchia e piedi, signora Porzia mia dolcissima, saporitissima più che zucchero, cannella e senzeverata. O ben mio, si non fussemo in piazza, non mi terrebono le catene di

zweiter akt

27

28

29

30

31 32

99

was er nie besessen hat. – Aber ich darf mich nicht so sehr um ihn kümmern als vielmehr um meine eigenen Angelegenheiten. Ich ziehe in Betracht, daß wie bei den Jungfrauen einige töricht und einige klug genannt werden: so wie auch bei uns, die wir von den besten Früchten kosten, die diese Welt hervorbringt, jene verrückt sind, die nur wegen des vergänglichen Genusses lieben und nicht an das Alter denken, welches sich rasch einstellt, ohne daß es gesehen oder bemerkt wird, und zugleich damit die Freunde schnell verscheucht. Sowie es das Gesicht mit Runzeln zerfurcht, schließen diese ihre Geldbörsen; es verzehrt das innere Temperament und die Liebe; es wirkt aus der Nähe, und schon grüßen [die Freier] von weitem. Deshalb muß man sich zur rechten Zeit entscheiden. Wer auf die Zeit wartet, verliert die Zeit. Wenn ich auf die Zeit warte, wird die Zeit nicht auf mich warten. Es ist notwendig, sich der Angelegenheiten anderer zu bedienen, während es so scheint, als bedürften diese unsrer. Nimm die Jagd auf, während du verfolgt wirst, und warte nicht, bis man vor dir flieht. Schlecht wird es einem gelingen, den Vogel im Flug zu erhaschen, wenn man den Vogel, den man im Käfig hat, nicht zu erhalten weiß. Auch wenn einer wenig Hirn und ein schwaches Rückgrat hat, so hat er doch eine volle Börse: Was das erste betrifft, sein Problem; das zweite Übel wird mir nicht schaden, mit dem dritten muß man rechnen. Die Weisen leben für die Verrückten und die Verrückten für die Weisen. Wenn alle Herren wären, wären sie keine Herren, und wenn alle weise wären, wären sie nicht weise, und wären alle verrückt, so wären sie nicht verrückt. Die Welt ist gut, so wie sie ist. Kommen wir also zur Sache, Porzia: Diejenige, die in der Jugend schön ist, muß im Alter klug sein. Wir haben im Winter nur das, was wir im Sommer geerntet haben. Sorgen wir dafür, daß uns dieser Vogel mit seinen Federn nicht entwischt. Sieh da, Sanguino. 5 . szene

Sanguino, Signora Vittoria

33

Sanguino Ich küsse jene wunderschönen Knie und Füße, meine allersüßeste Signora Porzia, schmackhafter als Zucker, Zimt und Ingwergebäck. O meine Liebste, wären wir nicht in der Öffentlichkeit, die Ketten des Heiligen Leonhard könnten mich nicht davon abhal-

100

atto secondo

139 | 143

santo Leonardo ch’io non ti piantasse un bacio a quelle labbra che mi fan morire. Signora Vittoria Che portate di novo, Sanguino? Sanguino Messer Bonifacio ve si raccomanda; et io vel racomando cossì come i buoni padri | raccomandano i lor putti a’ maestri: idest che se egli non è saggio, lo castigate ben bene; e se volete uno che sappia e possa tenerlo a cavallo, servitevi di me. Signora Vittoria Ah! ah! ah! che volete dir per questo? Sanguino Non l’intendete? non sapete quel ch’io voglio dire? Siete tanto semplicetta voi? Signora Vittoria Io non ho queste malizie che voi avete. Sanguino Se non avete di queste malizie, avete di quelle, e di quelle, e di quell’altre; e se non sète fina come posso esser io, sète come può essere un altro. Or lasciamo queste parole da vento: vengamo al fatto nostro. – Era un tempo che il leone e l’asino erano compagni; et andando insieme in peregrinaggio convennero che al passar de fiumi si tranassero a vicenna: com’è dire, che una volta l’asino portasse sopra il leone, et un’altra volta il leone portasse l’asino. Avendono dumque ad andar a Roma, e non essendo a lor serviggio né scafa né ponte, gionti al fiume Garigliano, I’asino si tolse il leone sopra: il quale natando verso l’altra riva, il leon, per tema di cascare, sempre più e più gli piantava l’unghie ne la pelle di sorte che a quel povero animale gli penetrorno in sin all’ossa. Et il miserello (come quel che fa professione di pazienza) passò al meglio che poté senza far motto. Se non che gionti a salvamento fuor de l’acqua, si scrollò un poco il dorso, e si svoltò la schena tre o quattro volte per l’arena calda: e passoron oltre. Otto giorni dopo, al ritornare che fecero, era il dovero che il leone portasse l’asino. Il quale essendogli sopra, per non cascar ne l’acqua, co i denti afferrò la cervice del leone: e ciò non bastando per tenerlo su, gli | cacciò il suo strumento (o come vogliam dire, il tu-m’intendi), per parlar onestamente, al vacuo sotto la coda, dove manca la pelle: di maniera ch’il leone sentì maggior angoscia che sentir possa donna che sia nelle pene del parto,

zweiter akt

34

35

101

ten, dir einen Kuß auf diese Lippen zu drücken, die mein Untergang sind. Vittoria Was bringt Ihr für Neuigkeiten, Sanguino? Sanguino Herr Bonifacio läßt sich Euch empfehlen; und ich empfehle ihn Euch so, wie die braven Eltern ihre Sprößlinge den Lehrern empfehlen: i [dest], daß, wenn er nicht brav ist, Ihr ihn ordentlich züchtigen sollt, und wenn Ihr einen haben wollt, der es versteht und dazu fähig ist, ihn dabei am Rücken zu halten, bedient Euch meiner. Vittoria Ha, ha, ha, was wollt Ihr damit sagen? Sanguino Versteht Ihr’s nicht? Wißt Ihr nicht, was ich sagen will? Seid Ihr so einfältig? Vittoria Ich verfüge nicht über Eure Boshaftigkeiten. Sanguino Wenn schon nicht über solche Boshaftigkeiten, dann über jene und jene und auch noch von jenen anderen, und wenn Ihr nicht so schlau seid, wie ich es sein kann, dann doch so, wie ein anderer es kann. Aber lassen wir jetzt dieses windige Geschwätz: Kommen wir zur Sache. – Es war einmal, daß der Löwe und der Esel Genossen waren; sie gingen zusammen auf Wanderschaft, und sie vereinbarten, daß sie sich beim Überqueren der Flüsse gegenseitig tragen würden; das heißt, einmal sollte der Esel den Löwen oben tragen und einmal der Löwe den Esel. Sie mußten also nach Rom gehen, und da sie weder Kahn noch Brücke vorfanden, die sie benutzen konnten, als sie zum Fluß Garigliano kamen, lud sich der Esel den Löwen auf. Während er ans andere Ufer schwamm, grub der Löwe ihm aus Angst zu fallen die Krallen immer tiefer in das Fell, so daß sie diesem armen Tier bis an die Knochen eindrangen. Und der arme Unglückliche, der ja die Geduld in Person ist, schwamm weiter, so gut er konnte, ohne ein Wort zu verlieren. Und als sie dann sicher aus dem Wasser waren, schüttelte er ein bißchen das Kreuz und wälzte den Rücken drei oder viermal im heißen Sand, und sie zogen weiter. Acht Tage später, als sie auf dem Rückweg waren, war der Löwe an der Reihe, den Esel zu tragen. Dieser, obenauf und um nicht ins Wasser zu fallen, verbiß sich mit den Zähnen ins Genick des Löwen: Und da das nicht reichte, um ihn oben zu halten, da jagte er auch noch sein Instrument, wie wollen wir sagen, seinen …, du verstehst mich, – um es ehrlich zu sagen, ins Leere, unter den Schweif, wo kein Fell ist; dergestalt, daß der Löwe mehr Bedrängnis empfand,

102

atto secondo

143 | 145

gridando »Olà, olà, oi, oi, oi, oimè! olà traditore!«. A cui rispose l’asino in volto severo e grave tuono: »Pazienza, fratel mio: vedi ch’io non ho altr’unghia che questa d’attaccarmi«. E cossì fu necessario ch’il leone suffrisse et indurasse sin che fusse passato il fiume. A proposito, »Omnio rero vecissitudo este«: e nisciuno è tanto grosso asino, che qualche volta venendogli a proposito, non si serva de l’occasione. Alcuni giorni fa messer Bonifacio rimase contristato di certo tratto ch’io gli feci; oggi, all’ora ch’io credevo che si fusse desmenticato, me l’ha fatta peggio che non la fece l’asino al lione: ma io non voglio che la cosa rimagna cqua. Signora Vittoria Che vi ha egli fatto? che volete voi fargli? Sanguino Ve dirò … Oh, veggio compagni che vengono: retiriamoci e parlaremo a bell’aggio. Signora Vittoria Voi dite bene: andiamo in nostra casa, che voglio saper de cose da voi. Sanguino Andiamo, andiamo.

scena vi Lucia, Barra Lucia Starnuti di cornacchia, piè d’ostreca et ova di liompardo. Barra Ah! ah! ah! il suo marito era dentro | ad attizzar la fornace, a lavorar più dentro; et io lavoravo co lei a la prima camera …. Lucia Che lavore, il vostro? Barra Il giuoco de zingani: e che l’è fuori e che l’è dentro; e se volete intendere il successo per ordine, credo che riderete. Lucia Di grazia fatemi ridere, ch’io n’ho gran voglia. Barra Questa vecchiazza barba-di-cocchiara, richiesta da me si me voleva fare quel piacere, mi rispose »No no no no …« Lucia O gaglioffo, dumque tu vai subvertendo le povere donnecciole e svergognando i parentadi?

zweiter akt

36

103

als eine Frau in den Geburtswehen haben kann, und schrie »Oi, oi, oi, ojemine, hallo, Betrüger!« Worauf der Esel mit strengem Gesicht und in ernstem Ton antwortete: »Geduld, mein Bruder, sieh, ich habe keine andere Kralle als diese, um mich festzuhalten.« Und deshalb mußte der Löwe leiden und ausharren, bis sie den Fluß überquert hatten. Soviel zum Thema: »Omnio rero vecissitudo este [Alle Dinge verwandeln sich].« Und keiner ist ein so großer Esel, daß er die sich bietende günstige Gelegenheit nicht manchmal ausnützt. Vor ein paar Tagen ist Herr Bonifacio sehr betrübt gewesen über einen Streich, den ich ihm gespielt habe; heute, da ich dachte, er hätte das vergessen, hat er mich schlechter behandelt als der Esel den Löwen; aber ich möchte nicht, daß die Sache so bleibt. Vittoria Was hat er Euch getan? Was wollt Ihr ihm antun? Sanguino Ich werde es Euch sagen: Oh, ich sehe, daß Leute kommen; ziehen wir uns zurück und sprechen wir in Ruhe. Vittoria Recht so: Gehen wir nach Hause, denn ich möchte einiges von Euch erfahren. Sanguino Gehen wir, gehen wir.

6 . szene

Lucia, Barra Lucia Rabenhusten, Austernfüße, Leopardeneier! Barra Ha, ha, ha, ihr Mann heizte den Ofen an, um weiter drinnen zu arbeiten; und ich arbeitete mit ihr im ersten Zimmer … Lucia Was ist Eure Arbeit? Barra Das Spiel der Zigeuner: Und er ist draußen, und er ist drinnen; und wenn Ihr die ganze Geschichte der Reihe nach hören wollt, glaube ich, daß Ihr lachen werdet. Lucia Ich bitte Euch, bringt mich zum Lachen, ich habe große Lust dazu. Barra Diese muschelbärtige Alte antwortete mir, als ich sie fragte, ob sie mir diesen Gefallen tun wolle: »Nein, nein, nein«… Lucia Oh Verbrecher, du vergehst dich an den armen Frauchen und beschämst die Verwandtschaft?

104

atto secondo

145 | 147

Barra Tu hai il diavolo in testa: chi ti parla di questo? è forse una sorte di piacere che possono far le donne a gli uomini? Lucia Or séquita. Barra Si lei avesse detto una volta »No«, io non arrei più parlato facendo rimaner la cosa cossì llì; ma per che disse più de dodici volte »No, no no, non non, non, none, none, none, nani, nani, none«: »Cazzo,« dissi intra di me, »costei ne vuole: al sangue de suberi di pianelle vecchissime, che in questo viaggio passaremo qualche fiume«. Poi riprendo idest ripiglio il sermone, facendomegli udire in questa foggia: »O faccia di oro fino, et occhii di diamante, tu vuoi farmi morire, an?« Lucia E poi dice la bestia che non intendeva di quella facenda. Barra Tu, Lucia, mi vuoi far rinegare: non | ti puoi imaginare più di una sorte con la quale le donne possono far morire gli uomini? Lucia Passa oltre: ella che rispose a questo? Barra Et ella rispose: »Và via, và via, via, via, via, via, via, via, via, mal uomo«. Si lei avesse detto una volta »Và via«, forse io arei smaltito di quella sicurtà che gli tanti »non, non« mi aveano data: ma per che, ripigliando due volte il fiato, disse più di quindeci volte »Via, via«, et io ho udito dire da mastro Mamfurio che le due negazione affermano, e molto più le tre come veggiamo per isperienza: »Dumque« dissi io intra me stesso, »costei vuol dansare a tre piè; e forsi che io gli piantarò un’altra gamba tra le due, acciò possa ancor meglio correre«. Lucia Or adesso ti ho. Barra Hai il mal-an-che-Dio-ti-dia (perdonami si t’offendo): s’io te dico che non vuoi pigliar si non a mala parte quel che ti dico! Lucia Ah! ah! ah! séquita, ch’io voglio tacere sin a l’ultima conclusione: e tu che gli dicesti? Barra All’or io con una bocca piccolina me gli feci udire in questo tenore: »Dumque, cor mio, tu vuoi ch’io mora? e per che vuoi ch’io mora: per che ti amo? che farai dumque ad un che t’odia, o vita mia?

zweiter akt

37

105

Barra Du hast den Teufel im Kopf: Wer hat denn davon geredet? Handelt es sich vielleicht um eine Art Gefallen, den die Frauen den Männern machen können? Lucia Fahre nun fort. Barra Wenn sie nur einmal »Nein« gesagt hätte, hätte ich nichts mehr gesagt und die Sache auf sich beruhen lassen. Aber weil sie mehr als zwölfmal sagte »Nein, nein, nein, nein nein, nicht, nix, nix, nixe, nixe, nixe«, sagte ich zu mir: »Schwanz noch mal, die will es: Beim Blut an den Korksohlen uralter Pantoffeln, auf dieser Reise werden wir einen Fluß überqueren.« Dann nehme ich idest greife ich wieder meinen Sermon auf, indem ich mich in dieser Art vernehmbar mache: »O, zartes Goldgesicht mit Diamantenaugen, du willst mich sterben lassen, ja?« Lucia Und dann sagt die Bestie, sie verstünde nichts von dieser Angelegenheit. Barra Du, Lucia, willst, daß ich [meinen Glauben] verleugne: Kannst du dir nicht vorstellen, daß es mehr als eine Art gibt, auf die die Frauen Männer in den Tod stürzen können? Lucia Fahre fort: Was hat sie dir darauf geantwortet? Barra Und sie antwortete: »Geh fort, geh fort, fort, fort, fort, fort, fort, fort, böser Mensch.« Wenn sie einmal »geh fort« gesagt hätte, dann hätte ich vielleicht jene Sicherheit verloren, die jene vielen »Nein, nein« mir gegeben hatten. Da sie aber, wobei sie zweimal Luft holte, mehr als fünfzehn Mal »fort, fort« sagte, und ich Meister Mamfurio habe sagen hören, daß zwei Negationen bejahen, und umso mehr drei davon, wie uns die Erfahrung lehrt, »daher«, sagte ich bei mir, »will jene auf drei Beinen tanzen, und mag sein, daß ich ihr ein weiteres Bein zwischen die beiden klemme, auf daß sie noch besser laufen kann.« Lucia Nun, jetzt habe ich dich. Barra Gott soll dich strafen – verzeih mir, wenn ich dich beleidige –, ich sage dir, du willst alles, was ich dir sage, schlecht auslegen! Lucia Ha, ha, ha! Weiter, ich will schweigen bis ganz zum Schluß: Und du, was hast du ihr gesagt? Barra Ich habe dann den Mund ganz klein gemacht und diesen Tenor hören lassen: »Also, mein Herz, du willst, daß ich sterbe? Und warum willst du, daß ich sterbe? Weil ich dich liebe? Was würdest du dann mit einem machen, der dich haßt, oh du mein Leben? Hier, nimm das Mes-

106

atto secondo

147 | 151

Eccoti il coltello: uccidemi con tua mano, che certo certo morirò contento«. Lucia Ah! oh! ah! e lei? Barra »Gaglioffo, disonesto, ricercatore, cubiculario: dirò al padre mio spirituale, che tu mi hai fascinata; ma tu con tutte le tue paroli non bastarai giamai di farmeti consentire; né con tutte tue forze giamai verrai a quell’effetto che ti pensi: | e s’il provassi, tel farei vedere certissimo. Credi tu, per esser maschio, di aver più forza di me? Cagnazzo traditore, s’io avesse un pugnale, adesso ti ucciderei, che non vi è testimonio alcuno, né persona che ci vegga«. S’io avesse avuta la testa più grossa di quella di san Sparagorio, o s’io fusse stato il più gran tamburro del mondo, la dovevo intendere: il tamburro pure, quando è toccato, suona. Lucia Or dumque che suono facesti tu? Barra Andiamo dentro che tel farò vedere. Lucia Dite dite pure, perché dentro non si vede. Barra Andiamo andiamo, che batteremo tanto il fucile, che allumaremo questa candela, che sempre porto dentro le brache per le occorrenze. Lucia Allumar la possa il fuoco di santo Antonio. Barra È da temer più di deluvio d’acqua, che di fuoco. Lucia Lasciamo questi propositi: ella che si monstrava tanto ritrosa e tanto gagliarda, che fece? come ve ha resistito? Barra Oimè, ch’a la poverina tutta la forza gli andò a dietrovia. Parsemi veder la mula d’Alciono, | che s’ell’avesse avuto al cul la briglia, arebbe fatto il giorno cento miglia. Il conto di costei mi par simile a quel d’un’altra che spunzonava don Nicola, alla quale don Nicola disse: »Si tu mi spontoneggi un’altra volta, tel farò«; et ella: »Ecco ti spontoneggio un’altra volta: or che potrai far tu? che pensi far adesso, don Nicola? chi è uomo da nulla più di te? Ecco ti spontoneggio un’altra volta: or che mi farai tu? O caro don Nicola, non potrai muovere un sassolino, s’io non voglio«. Or dimmi, Lucia, che dovea far quel povero

zweiter akt

38

39 40

41

107

ser: Töte mich mit deiner Hand, und ich werde ganz sicher zufrieden sterben.« Lucia Ha! ha! ha! Und sie? Barra »Gauner, Unehrlicher, Heimsucher, Zimmersklave: Ich werde meinem Beichtvater sagen, daß du mich verhext hast; aber du wirst mich mit all deinen Worten niemals herumkriegen, noch mit all deinen Kräften jemals den Effekt erzielen, den du erstrebst: Und wenn du es versuchen solltest, dann werde ich’s dir ganz sicher zeigen. Glaubst du, weil du ein Mann bist, mehr Kraft zu haben als ich? Hündischer Betrüger, wenn ich einen Dolch hätte, würde ich dich jetzt töten, wo kein Zeuge da ist, noch irgendeine Person, die uns sehen könnte.« Selbst wenn ich einen größeren Kopf als San Sparagorio gehabt hätte oder die größte Trommel der Welt gewesen wäre, hätte ich sie verstehen müssen, die Trommel ertönt, wenn man sie rührt. Lucia Welche Töne hast du denn da von dir gegeben? Barra Gehen wir hinein, und ich werd es dir zeigen. Lucia Sagt es, sagt es ruhig gleich, denn drinnen sieht man nichts. Barra Gehen wir, gehen wir, damit wir den Feuerstein solange reiben, bis wir diese Kerze entzünden, die ich immer in meinen Hosenbeinen trage, für alle Fälle. Lucia Das Feuer des Heiligen Antonius mag sie entzünden. Barra Die Überschwemmung durch Wasser ist mehr zu fürchten als das Feuer. Lucia Lassen wir diese Scherze: Was tat sie, nachdem sie sich so zurückhaltend und trotzig zeigte? Wie konnte sie Euch widerstehen? Barra O weh mir, ihre ganze Kraft hat sich nach hinten gewendet. Mir schien, als hätte ich den Packesel von Alcionio vor mir, der, hätte er das Zaumzeug am Arsch getragen, täglich hundert Meilen geschafft hätte. Ihre Geschichte kommt mir ähnlich vor wie jene einer anderen, die Don Nicola ständig von sich stieß. Don Nicola sagte zu ihr: »Wenn du mich noch einmal von dir stößt, mach ich’s dir«, und sie: »Schau her, ich stoße dich noch einmal fort! Nun, was wirst du tun? Was gedenkst du jetzt zu unternehmen, Don Nicola? Wer ist ein größerer Niemand als du? Schau her, ich stoße dich wieder von mir weg, was willst du mir jetzt antun? Oh, lieber Don Nicola, du kannst nicht einmal ein Steinchen bewegen, wenn ich es nicht will.« Nun sage mir, Lucia, was

108

atto secondo

151 | 153

don Nicola che molti giorni fa non avea celebrato? Il buon omo di don Nicola dovenne a tale, che non so che vena se gli ruppe. Lucia Ah! ah! voi siete fino. Lasciatemi andar a rendere certa risposta a misser Bonifacio, che son pur troppo dimorata a sentir le tue ciancie. Barra Andate via, ch’io ancor ho da parlar con questo giovane che viene. scena vii Pollula, Barra Polluna A dio, messer Barra. Barra Ben venuto, cor mio: onde venite, dov’andate? Polluna Vo cercando messer Bonifacio per donargli questa carta. | Barra Che cosa l’è, si può vedere? Polluna Non è cosa ch’io possa tener ascosta a voi. È una epistola amatoria, la quale maestro Mamfurio gli ha composta, che lui vuole inviare non so a chi sua inamorata. Barra Ah! ah! ah! alla signora Vittoria: veggiamo che cosa contiene. Polluna Legete voi, to’. Barra »Bonifacius Luccus D. Vittoriae Blancae S. P. D. Quando il rutilante Febo scuote dall’oriente il radiante capo, non sì bello in questo superno emisfero appare, come alla mia concupiscibile il tuo exilarante volto, tra tutte l’altre belle, pulcherrima signora Vittoria …«. – Che ti ho detto io? non ho io divinato? Polluna Leggete pur oltre. Barra » … Laonde maraviglia non fia, né sii anco ver uno ch’inarcando le ciglia, la rugosa fronte increspi, nemo scilicet miretur, nemini dubium sit …«. – Che diavolo di modo di parlar a donne è questo? lei non intende parole per gramatico, ah! ah!

zweiter akt

109

hätte dieser arme Don Nicola machen sollen, wo er doch seit so vielen Tagen nicht mehr zelebriert hatte? Der gute Mann Don Nicola geriet so außer sich, daß ihm ich weiß nicht welche Vene platzte. Lucia Ha, ha, Ihr seid gerissen. Laßt mich gehen und Herrn Bonifacio eine gewisse Antwort bringen. Ich habe mich schon zu lange damit aufgehalten, Eurem Gerede zuzuhören. Barra Geht nur fort, ich muß noch mit diesem Jungen sprechen, der da kommt. 7 . szene

Pollula, Barra

42, 43

Pollula Adieu, Herr Barra. Barra Willkommen, mein Herz, woher kommt Ihr, wohin des Weges? Pollula Ich suche Herrn Bonifacio, um ihm dieses Papier zu übergeben. Barra Was hat’s damit, darf man sehen? Pollula Diese Sache kann ich nicht vor Euch verborgen halten. Es ist ein Liebesbrief, den der Meister Mamfurio für ihn verfaßt hat [und] den er an seine – ich weiß nicht welche – Geliebte schicken will. Barra Ha, ha, ha, an die Signora Vittoria! Laß uns sehen, was drinnen steht. Pollula Lest Ihr, da! Barra Bonifacius Luccus D. Vittoriae Blancae S. P. D. »Wenn der funkelnde Phoebus vom Orient her den strahlenden Kopf schüttelt, erscheint er doch nicht so schön in dieser höchsten Hemisphäre wie dein beglückendes Gesicht meinem Begehrungsvermögen, pulcherrima [Allerschönste] unter all den andren Schönen, Signora Vittoria; …« Was habe ich dir gesagt? Habe ich es nicht vorausgesehen? Pollula Lest nur weiter. Barra »… und daher wäre es nicht staunenswert und wäre auch nicht ein einziger, der, wenn er die Augenbrauen wölbt, die faltenreiche Stirn runzelt: – nemo scilicet miretur, nemini dubium sit [Niemand würde sich wundern, niemand hätte Zweifel]…« Was zum Teufel ist das für eine Art, mit Frauen zu sprechen? Sie versteht kein Latein ha, ha, …

110

atto secondo

153 | 155

Polluna Eh di grazia sequite. Barra » … nemini dubium sit, si l’arcifero puerulo con quell’arco medesmo, la di cui piaga ha sentito lo in varie forme cangiato gran monarca Giove, divum pater atque hominum rex, hammi negli | precordii penetrato con del suo quadrello la punta, il vostro gentilissimo nome indelebilmente con quella sculpendovi. Però per le onde stigie (giuramento a i celicoli inviolando) …«. – Vada in bordello questo becco pedante, con le sue cifre; e questo grosso modorro che potrà donar ad intendere con questa lettera? Bonifacio vuol far del dotto: e lei non crederà che sii cosa sua. Oltre che mi par una dotta coglioneria quel che cqui si contiene. To’, io ne ho letto pur troppo, non ne voglio veder più. Si costui non have altro batti-porta che questa pìstola, non ce l’attacca questa settimana. Polluna Cossì credo io: le donne voglion lettere rotonde. Barra Ideste de gli carlini; e vogliono il ritratto de lo re. Andiamo avanti, che voglio dirti un poco a lungo; e questo negocio lo farai dopoi. Polluna Andiamo.

fine dell, atto secondo |

zweiter akt

44

45

111

Pollula O bitte, fahrt doch fort. Barra »… nemini dubium sit [niemand hätte Zweifel], wenn das bogentragende Knäbchen mit ebendiesem Bogen, dessen Wunden der in verschiedene Formen verwandelte große Monarch Jupiter – Divum pater atque hominum rex [Vater der Götter und König der Menschen] – er hat mein Innerstes durchbohrt mit der Spitze eines seiner Pfeile, die Euren liebenswürdigsten Namen unauslöschlich dort eingegraben hat. Aber bei den Wellen des Styx, eine Eidesformel, die selbst die Himmelsbewohner nicht verletzen können…« – Er soll doch ins Bordell gehen, dieser pedantische Bock, mit seinen Geheimbotschaften; dieser Riesenidiot, was kann der bloß zu verstehen geben mit diesem Brief? Bonifacio will gebildet erscheinen; und sie wird [doch] nicht glauben, daß das seine Sache ist. Außerdem scheint mir eine gebildete Eierei zu sein, was da drin steht. Pah, ich habe davon schon zu viel gelesen, ich will nichts mehr davon sehen. Wenn er keinen anderen Rammbock als diesen Brief hat, dann läuft diese Woche aber nichts. Pollula Das glaube ich auch. Die Frauen wollen runde Briefe. Barra Ideste [rund] wie Carlini, und sie wollen das Bildnis des Königs [drauf]. Gehen wir weiter, denn ich will mit dir noch ein bißchen länger plaudern; und dieses Geschäft erledigst du nachher. Pollula Gehen wir.

ende des zweiten aktes.

157 | 159

AT T O T E R Z O

scena i Messer Bartolomeo solo Chi è stato quel gran bestia-da-campana che si tira a presso un armento cossì grande? Mentre comunmente si va considerando dove consista la virtù delle cose, fanno quella divisione »in verbis, in herbis et in lapidibus«. Oh che gli vada il mal di san Lazaro, e tutto quello che non vorei per me! Per che, prima che dichino queste tre cosaccie, non dicono »i metalli«? Li metalli, come oro et argento, sono il fonte de ogni cosa: questi, questi apportano parole, erbe, pietre, lino, lana, seta, frutti, frumento, vino, oglio; et ogni cosa sopra la terra desiderabile, da questi si cava: questi dico talmente necessarii che, senza essi, cosa nisciuna di quelle si accapa o si possede. Però l’oro è detto materia del sole, e l’argento la luna: per che, togli questi dui pianeti dal cielo, dove è la generazione delle cose? dove è il lume dell’universo? Togli questi dui de la terra, dove è la participazione, possessione e fruizione di quelle? Però quanto arebbe meglio fatto quel primo | animale, di porre in bocca al volgo quell’un solo soggetto di virtù, che tutti quelli altri tre senza quest’uno: se per ciò non è stato introdutto, a fin che non tutti intendano e possedano quel che io intendo e possedo. Erbe, parole e pietre son materia di virtù a presso certi filosofi matti et insensati; li quali odiati da Dio, dalla natura e dalla fortuna, si vedono morir di fame, lagnarsi senza un poverello quattrino in borsa: per temprar il tossico dell’invidia ch’hanno verso pecuniosi, biasmano l’oro, argento e possessori di quello. Poi quando mi accorgo, ecco che tutti questi vanno come cagnoli per le tavole de ricchi: veramente cani che non sanno con altro

DRIT TER AKT

1 . szene

Bartolomeo allein

1, 2

3

4

Wer ist dieser Riesenleithammel gewesen, der eine derart große Herde anführt? Wenn [die Philosophen] im allgemeinen überlegen, wo die magische Kraft der Dinge liegt, machen sie folgende Unterscheidung: »in verbis, in herbis et in lapidibus [in den Worten, in den Pflanzen, in den Steinen]«. Sollen sie doch die Krankheit des Lazarus bekommen und alles, was ich für mich selbst nicht wünschen würde. Denn bevor sie diese drei wertlosen Sachen nennen, nennen sie nicht die Metalle? Die Metalle, wie das Gold und das Silber, sind der Ursprung aller Dinge: Diese [und nur] diese bringen Wörter, Pflanzen, Steine, Flachs, Wolle, Seide, Obst, Getreide, Wein, Öl; und jede begehrenswerte Sache auf der Welt wird aus diesen gewonnen: Und ich sage, sie sind derart notwendig, daß man ohne sie nichts zusammenbringt oder besitzt. Deshalb wird das Gold die Materie der Sonne und das Silber jene des Mondes genannt. Denn wenn man diese beiden Planeten vom Himmel nähme, wo gäbe es dann eine Zeugung der Dinge, wo wäre das Licht des Universums? Nimm diese beiden von der Erde, wo bleibt dann Teilhabe, Besitz und Nutznießung? Um wie viel besser hätte es dieses erste [Leit-]tier daher gemacht, wenn es dem gemeinen Volk nur dieses eine zauberkräftige Ding ins Maul gelegt hätte statt alle drei anderen ohne jenes eine – es sei denn, es ist mit Absicht geschehen, damit nicht alle verstehen und besitzen können, was ich verstehe und besitze. Kräuter, Worte und Steine sind zauberkräftige Stoffe bei manchen verrückten und unsinnigen Philosophen, die Gott, der Natur und der Fortuna verhaßt sind; man sieht sie Hungers sterben, klagend und ohne einen armseligen Groschen in der Tasche. Um das Gift des Neides, das sie gegen die Reichen [in sich] haben, abzuschwächen, verwünschen sie Gold [und] Silber mitsamt deren Besitzern; und dann, wenn ich’s recht bedenke, gehen sie alle zu den Tischen der Reichen wie die Hündchen: richtig wie Hunde, die sich das Brot durch nichts anderes als durch

114

atto terzo

159 | 161

che col baiare acquistars’il pane. Dove? a tavole di ricchi, di que’ stolti, dico, che per quattro paroli a sproposito da quelli dette con certe ciglia irsute, occhi attoniti et atto di maraviglia, si fanno cavar il pan di cascia, e danari dalle borse: e gli fanno conchiudere con verità che »in verbis sunt virtutes«. Ma starebon ben freschi, si dal canto mio aspectassero effetto de le lor ciancie: atteso che non so ripascere d’altro che di quelle medesme, chi mi pasce di parole. Or facciano conto di erbe le bestie, di pietre gli matti, e di paroli gli salta-in-banco: ch’io per me non fo conto d’altro, che di quello per cui si fa conto d’ogni cosa. Il danaio contiene tutte l’altre quattro: a chi manca il danaio, non solo mancano pietre, erbe e parole, ma l’aria, la terra, l’acqua, il fuoco e la vita istessa. Questo dà la vita temporale; e la eterna ancora, sapendosene servire, con farne limosina: la qual pure si deve far con gran discrezzione; e non senza saper il conto tuo devi | privar la borsa dell’anima sua: però dice il saggio, »Si bene feceris, vide cui«. Ma in questa teorica non vi è guadagno. – Ho inteso che è ordine nel Regno che gli carlini di vint’uno non vagliano più di vinti tornesi: io voglio andar prima che si publichi l’editto a cambiar i tre che mi trovo; interim il mio garzone tornarà da prendere il pulvis Christi. scena ii Messer Bonifacio, messer Bartolomeo, Lucia Bonifacio Olà messer Bartolomeo, ascolta due paroli: dove in fretta? mi fuggi, ah? Bartolomeo Adio, adio, messer pocopensiero: ho assai meglio da far, che di cianciar co gli vostri amori. Bonifacio Ah! ah! ah! andate dumque procuriate per quell’altra vostra, che vi fa morire.

dritter akt

5

6

115

Bellen zu verdienen wissen. Wo? An den Tischen der Reichen, dieser Idioten, sage ich, die sich für vier unpassende Worte, die von diesen mit einem bestimmten Augenaufschlag gesagt werden, mit erstaunten Augen und gespielter Bewunderung das Brot aus den Schränken und das Geld aus den Taschen locken lassen; und sie geben so wahrlich Anlaß zu dem Schluß, daß »in verbis sunt virtutes [Worte zauberkräftig sind]«. Aber sie werden schön dumm dastehen, wenn sie erwarten, mich mit ihrem Gewäsch zu beeindrucken; denn da ich mich von nichts anderem ernähren kann, wie auch diese, wer will mich da mit Worten füttern? Nun rechnen die Tiere in Kräutern, in Steinen die Verrückten und in Worten die Gaukler, während ich mit nichts anderem rechne, als womit man jede Sache berechnet. Das Geld enthält alle vier anderen [Elemente]: Wem das Geld fehlt, dem fehlen nicht nur Steine, Kräuter und Worte, sondern auch die Luft, die Erde, das Wasser, das Feuer und das Leben selbst. [Das Geld] gibt das zeitliche Leben und auch das ewige, wenn man sich seiner zu bedienen weiß, indem man Almosen gibt. Das muß allerdings mit großer Diskretion geschehen, und du sollst nicht, ohne auf deine Rechnung zu kommen, die Geldbörse ihrer Seele berauben. Deshalb sagt der Weise: »Si bene feceris, vide cui [Wenn du Gutes tust, siehe, wem du es tust].« Aber in diesen Theorien steckt kein Gewinn. Ich habe gehört, daß nach der Verordnung des Königreiches [Neapel] Carline zu 21 Tornesi nicht mehr wert sein sollen als 20 Tornesi. Ich werde, bevor man das Edikt veröffentlicht, gehen, um die drei, die ich besitze, zu wechseln. Interim [Inzwischen] wird mein Bursche von seiner Besorgung mit dem pulvis Christi zurückkommen. 2 . szene

Bonifacio, Bartolomeo, Lucia

7

Bonifacio Hallo, Herr Bartolomeo, auf ein Wort: wohin so eilig? Fliehst du vor mir, he? Bartolomeo Adieu, Adieu, Herr Sorglos: Ich habe Besseres zu tun, als mit Euren Amouren zu plaudern. Bonifacio Ha, ha, ha, geht also und kümmert Euch um jene andere, die Euch umbringen soll.

116

atto terzo

161 | 163

Lucia Che motteggiamenti son questi vostri? sa egli che siete inamorato? Bonifacio Sa il mal-an-che-Dio-li-dia: è per che mi vede conversar con voi. Or al fatto nostro: che cosa dice la mia dolcissima signora Vittoria? Lucia La povera signora, per necessità nella quale si trova, have impegnato un diamante e quel suo bel smeraldo. Bonifacio O diavolo, oh che fortuna! Lucia Credo che li sarebbe cosa gratissima, si | gli le facessivo ricuperare: non stanno per più che per diece scudi. Bonifacio Basta basta: farò farò. Lucia Il presto è il meglio. Bonifacio Oh! oh! perdonami, Lucia, a rivederci; non posso darvi risoluzione alcuna adesso: ecco un mio amico col quale ho da negociar cose d’importanza. A dio, a dio. Lucia A dio.

scena iii Ascanio, Scaramuré, Bonifacio Ascanio Oh, ecco messer Bonifacio mio padrone. Misser, siamo cqui con il signor eccellentissimo e dottissimo il signor Scaramuré. Bonifacio Ben venuti: avete dato ordine alla cosa? è tempo di far nulla? Scaramuré Come nulla? ecco cqui la imagine di cera vergine, fatta in suo nome; ecco cqui le cinque aguglie che gli devi piantar in cinque parti della persona. Questa particulare più grande che le altre, li pungerà la sinistra mammella: guarda di profondare troppo dentro, per che fareste morir la paziente. Bonifacio Me ne guardarò bene. Scaramuré Ecco ve la dono in mano: non fate che da ora avanti la tenga altro che voi. Voi Ascanio siate secreto; non fate che altra persona sappia questi negocii. Bonifacio Io non dubito di lui: tra noi passano negocii più secreti di questo. |

dritter akt

117

Lucia Was soll dieses Gespött von Euch? Weiß er, daß Ihr verliebt seid? Bonifacio Er weiß es, beim Verderben, das Gott ihm geben soll! Der Grund ist, daß er mich mit Euch sprechen sieht. Nun zu unserer Angelegenheit: Was sagt meine allersüßeste Signora Vittoria? Lucia Die arme Signora befindet sich in einer so bedürftigen Lage, daß sie einen Diamanten und ihren schönen Smaragd versetzt hat. Bonifacio Oh, zum Teufel, oh, was für ein Schicksal! Lucia Ich denke, sie wäre Euch zu größtem Dank verpflichtet, wenn Ihr diese für sie auslösen könntet. Sie sind für nicht mehr als zehn Scudi versetzt. Bonifacio Genug, genug, ich tu’s, ich tu’s. Lucia Je früher, desto besser. Bonifacio Oh, oh, entschuldigt, Lucia, auf Wiedersehen: Ich kann Euch jetzt keinen Entschluß mitteilen. Da ist ein Freund, mit dem ich wichtige Dinge zu besprechen habe. Adieu, Adieu. Lucia Adieu. 3 . szene

Ascanio, Scaramuré, Bonifacio

8

Ascanio Ah, da seid Ihr ja, Herr Bonifacio, mein Gebieter. Euer Gnaden, hier sind wir mit dem ganz hervorragenden und gelehrten Herrn, dem Herrn Scaramuré. Bonifacio Willkommen. Habt Ihr die Sache geregelt? Ist es Zeit, nichts zu tun? Scaramuré Was heißt nichts? Hier ist das Bildnis aus reinstem Wachs, in ihrem Namen angefertigt; hier sind die fünf Nadeln, die du ihr in fünf Teile der Figur stechen mußt. Diese hier, sie ist größer als die übrigen, soll sie in die linke Brust stechen: Hütet Euch, zu tief einzudringen, denn sonst laßt ihr die Patientin sterben. Bonifacio Ich werde mich davor hüten. Scaramuré Hier, ich gebe es Euch in die Hand; verhindert, daß es von nun an jemand anderer als Ihr berührt. Ihr, Ascanio, seid verschwiegen; verhindert, daß sonst jemand von diesem Geschäft erfährt. Bonifacio Ich zweifle nicht an ihm; zwischen uns gibt es geheimere Geschäfte als dieses.

118

atto terzo

165 | 167

Scaramuré Sta bene. Farete dumque far il fuoco ad Ascanio di legne di pigna, o di oliva, o di lauro, si non possete farlo di tutte tre materie insieme. Poi arrete d’incenso alcunamente esorcizato o incantato, co la destra mano lo gettarete al fuoco; direte tre volte: »Aurum thus«; e cossì verrete ad incensare e fumigare la presente imagine, la qual prendendo in mano, direte tre volte: »Sine quo nihil«; oscitarete tre volte co gli occhii chiusi, e poi a poco a poco svoltando verso il caldo del fuoco la presente imagine (guarda che non si liquefaccia, per che morrebbe la paziente) … Bonifacio Me ne guardarò bene. Scaramuré … la farrete tornare al medesmo lato tre volte, insieme insieme tre volte dicendo: »Zalarath Zhalaphar nectere vincula: Caphure, Mirion, Sarcha Vittoriae«, come sta notato in questa cartolina. Poi mettendovi al contrario sito del fuoco verso l’occidente, svoltando la imagine con la medesma forma quale è detta, dirrete pian piano: »Felapthon disamis festino barocco daraphti. Celantes dabitis fapesmo frises omorum«. Il che tutto avendo fatto e detto, lasciate ch’il fuoco si estingua da per lui; e locarrete la figura in luoco secreto, e che non sii sordido, ma onorevole et odorifero. Bonifacio Farrò cossì a punto. | Scaramuré Sì, ma bisogna ricordarsi ch’ho spesi cinque scudi alle cose che concorreno al far della imagine. Bonifacio Oh, ecco li sborso: avete speso troppo. Scaramuré E bisogna ricordarvi di me. Bonifacio Eccovi questo per ora; e poi farò di vantaggio assai, si questa cosa verrà a perfeczione. Scaramuré Pazienza. Avertite, messer Bonifacio, che si voi non la spalmarete bene, la barca correrà malamente. Bonifacio Non intendo. Scaramuré Vuol dire che bisogna onger ben bene la mano: non sapete? Bonifacio In nome del diavolo: io procedo per via d’incanti, per non aver occasione di pagar troppo. Incanti e contanti …

dritter akt

9

10

11

12

13

119

Scaramuré Gut so. Laßt also von Ascanio ein Feuer machen, von Pinien oder Olivenholz oder von Lorbeer, wenn Ihr es nicht aus allen drei Stoffen zusammen machen könnt. Dann nehmt Weihrauch, der ein wenig exorziert oder beschworen ist, werft ihn mit der rechten Hand ins Feuer; sagt dreimal: »Aurum thus«. Und so sollt Ihr dieses Bildnis beweihräuchern und durchselchen, in die Hand nehmen und dreimal sagen: »Sine quo nihil [Ohne dieses nichts]«, dreimal mit geschlossenen Augen gähnen, und dann, ganz, ganz langsam, das Bild hier zur Hitze des Feuers hindrehen, sieh zu, daß es sich nicht verflüssigt, denn sonst stirbt die Patientin – … Bonifacio Ich werde mich davor hüten. Scaramuré … Ihr sollt es dreimal in dieselbe Richtung drehen und dazu dreimal sagen: »Zalarath Zhalaphar nectere vincula: Caphure, Mirion, Sarcha Vittoriae«, wie auf diesem Zettel notiert. Dann, während Ihr Euch auf die gegenüberliegende Seite des Feuers gegen Westen stellt und das Bildnis in der gleichen Weise dreht wie erwähnt, sagt ganz, ganz leise: »Felaphton disamis festino barocco daraphti. Celantes dabitis fapesmo frises omorum.« Und wenn Ihr das alles getan und gesagt habt, laßt das Feuer von selbst ausgehen; und verwahrt die Figur an einem verborgenen Ort, der nicht unrein, sondern würdig und wohlriechend sein soll. Bonifacio Ich werde es ganz genauso machen. Scaramuré Ja, aber man muß schon daran erinnern, daß ich fünf Scudi für die Dinge ausgegeben habe, die zur Herstellung des Bildes nötig waren. Bonifacio O, hiermit ersetze ich sie. Ihr habt zuviel ausgegeben. Scaramuré Ihr müßt Euch auch meiner erinnern. Bonifacio Da, nehmt einstweilen; ich werde Euch reichlich bedenken, wenn diese Sache gut gelingt. Scaramuré Geduld. Wißt, Herr Bonifacio, daß das Boot schlecht fährt, wenn Ihr es nicht gut verschmiert. Bonifacio Ich verstehe nicht. Scaramuré Das heißt, daß man die Hand recht gut schmieren muß, wißt ihr nicht? Bonifacio In Teufels Namen, ich beschreite den Weg der Zauberei, um nicht zuviel zahlen zu müssen! Zauberei und Bargeld …

120

atto terzo

167 | 171

Scaramuré Non induggiate. Andate presto a far quel che vi è ordinato, per che Venere è circa l’ultimo grado di Pesci. Fate che non scorra mezza ora, che son trenta minuti di Ariete. Bonifacio Adio dumque. Andiamo, Ascanio. Cancaro a Venere, e … Scaramuré Presto; a la buon’ora: caldamente. |

[scena iv] Scaramuré solo Assai è di aver cavati sette scudi da le mani di questa piattola: sempre si deve da simil gente cavar il conto suo col pretesto della spesa che concorre nella confezzione del secreto. Ecco che, per mia fatica, non m’arrebbe dato più d’un par di scudi per adesso; a complir poi del resto, nel giorno di Santa Maria delle Catenelle, la quale sarà l’ottava del giorno del Giudizio. scena v Lucia, Scaramuré Lucia Dove malviaggio è andato costui? Mi castroneggia un castrone: aspettavo da lui una certa risoluzione. Scaramuré Oh, adio Lucia, dove dove? Lucia Cerco messer Bonifacio, che ora ho lasciato con voi: credevo che mi aspettasse cqua. Scaramuré Che volete da lui? Lucia Per dirvela come ad amico, la signora Vittoria gli manda a chieder di danari. Scaramuré Ah, ah, io so, io so: adesso la scaldarà e gli darrà de l’incenso: de danari ne ha dati ad me per non aver occasione di darne a lei. Lucia Come diavolo può esser questo? | Scaramuré La signora Vittoria dimanda troppo: e lui con mezza duzena di scudi, se la vuole attaccare a chiave et a catene.

dritter akt

14

121

Scaramuré Zögert nicht. Geht nun schnell, das zu tun, was Euch angeordnet ist, denn Venus ist im letzten Grad der Fische; laßt keine halbe Stunde verfließen, die dreißig Minuten des Aries sind. Bonifacio Also adieu. Gehen wir, Ascanio, Krebs der Venus und … Scaramuré Schnell, auf die günstige Stunde, mit Leidenschaft!

[ 4 . szene] Scaramuré, allein

15

Nicht schlecht, dieser Laus sieben Scudi abgenommen zu haben. Solchen Leuten muß man die Börse mit dem Vorwand der Ausgaben erleichtern, die man bei der Herstellung des Geheimnisses hat. Denn sonst hätte er mir für meine Bemühungen für den Augenblick sicher nicht mehr als ein Paar Scudi gegeben und den Rest dann am Tag der Santa Maria delle Catenelle, das heißt am achten Tag des Gerichts.

5 . szene

Lucia, Scaramuré Lucia Auf welche schiefe Bahn ist denn der geraten? Ein Narr will mich zum Narren halten: Ich hätte mir von ihm schon etwas mehr Entschlossenheit erwartet. Scaramuré Oh, adieu, Lucia, wohin, wohin? Lucia Ich suche Herrn Bonifacio, den ich zuletzt mit Euch gesehen habe: Ich dachte, er würde mich hier erwarten. Scaramuré Was wollt Ihr von ihm? Lucia Unter Freunden gesagt: Die Signora Vittoria schickt nach ihm, um ihn um Geld zu bitten. Scaramuré Ha, ha, ich weiß, ich weiß: Jetzt macht er sie heiß und gibt ihr Weihrauch: Das Geld hat er mir gegeben, um es nicht ihr geben zu müssen. Lucia Wie, zum Teufel, soll das möglich sein? Scaramuré Die Signora Vittoria verlangt zuviel, und er will sie für ein halbes Dutzend Scudi mit Schlüssel und Ketten an sich binden.

122

atto terzo

171 | 173

Lucia Ditemi come passa la cosa. Scaramuré Andiamo insieme a trovar la signora Vittoria; e raggionaremo con lei et ordinaremo qualche bella matassa, a fin che io rimanghi col credito con questo babuino: e facciamo qualche bella comedia. Lucia Voi dite bene; massime che non è bene di raggionar cqui: veggo venir di gente. Scaramuré Ecco il magister: leviamoci da cqua.

scena vi Mamfurio, Scaramuré, Pollula Mamfurio Adesdum, paucis te volo, domine Scaramuree. Scaramuré Dictum puta: a rivederci un’altra volta, quando arrò poche facende. Mamfurio Oh bel responso! Or, mio Pollula, ut eo redeat unde egressa est oratio, ti stupirrai, uhi! Polluna Volete che le legga io? Mamfurio Minime, per che non facendo il punto secondo la raggione de periodi, e non proferendoli con quella energia che requireno, verrete a digradirli dalla sua maestà e grandezza: per il che | disse il prencipe di greci oratori Demostene, la precipua parte dell’oratore essere la pronunciazione. Or odi; arrige aures, Pamphile: Uomo di rude e di crassa Minerva, mente offuscata, ignoranza proterva; di nulla leczion, di nulla fruge, in cui Pallad’et ogni Musa lugge; lusco intellecto et obcecato ingegno, bacellone di cinque, uomo di legno; tronco discorso, industria tenebrosa, volatile nocturna, a tutti exosa:

dritter akt

123

Lucia Sagt mir, wie es jetzt weitergeht! Scaramuré Wir gehen zusammen zur Signora Vittoria, und mit ihr denken wir uns eine schön verwickelte Intrige aus, damit ich bei diesem Affen weiter Kredit habe, und wir führen irgendeine nette Komödie auf. Lucia Gut gesagt, vor allem, daß es nicht gut ist, hier zu verhandeln. Ich sehe, daß Leute kommen. Scaramuré Da ist ja der Magister: Laß uns von hier verschwinden.

6 . szene

Mamfurio, Scaramuré, Pollula

16

17 18

19

Mamfurio Adesdum, paucis te volo, domine Scarmuree [Herr Scaramuré, kommen Sie, ich habe Ihnen etwas zu sagen]. Scaramuré Dictum puta [Ich denke, Ihr habt es schon gesagt]: Auf ein Wiedersehen, ein andermal, wenn ich weniger beschäftigt bin. Mamfurio Oh, welch schöner Orakelspruch! Jetzt, mein Pollula, ut eo redeat unde egressa est oratio [um auf das vorher Gesagte zurückzukommen], wirst du dich wundern, hui! Pollula Wollt Ihr, daß ich es lese? Mamfurio Minime, denn wenn Ihr die Punkte nicht nach dem Rhythmus der Sätze macht und sie nicht mit der Energie aussprecht, die sie erfordern, werdet Ihr deren Majestät und Größe herabwürdigen: Aus diesem Grund sagt der Fürst der griechischen Rhetoren, Demosthenes: »Der vornehmste Teil der Rhetorik ist die Aussprache.« Nun höre: arrige aures, Pamphile [Spitze die Ohren, oh Panfilo]. Mensch von grober und krasser Minerva, verdunkeltem Geist, herausstechender Ignoranz, ohne Bildung, ohne Nutzen, in dem Pallas Athene und jede andere Muse Trauer trägt, verdunkelter Intellekt, geblendetes Ingenium, dumm für fünf, Holzkopf, ungehobelte Rede, schattenhafter Fleiß, nächtliches Geflügel, allen verhaßt,

124

atto terzo

173 | 175

per che non vait’a ascondere, o della terra madre inutil pondere? Giudizio inepto, perturbato senso, tenebra obscura e lusca, Erebo denso, asello auriculato, indocto al tutto, in nullo ludo litterario instructo; di fave cocchiaron, gran maccarone ch’a l’oglio fusti posto a infusione; cogitato disperso, astimo losco, absorpto fium leteo, Averno fosco: tu di tenelli unguicoli e incunabili l’inepzia hai protracta insin al senio. Inmaturo pensier, fantasia perdita, intender vacillant’, attenzion sperdita; illiterato et indisciplinato, in cecità educato, privo di proprio Marte, inerudito, di crassizie imbibito, | senza veder, di nulla apprensione, bestia irrazional, grosso mandrone, d’ogni lum privo, d’ignoranza figlio, povero d’argumento e di consiglio.

Vedeste simili decade giamai? Altri fan di quattrini, altri di sextine, altri di octave; mio è il numero perfecto, idest, videlicet, scilicet, nempe, utpote, ut puta, denario: authore Pythagora, atque Platone. Ma chi è cotesto vel cotello properante vèr noi? Polluna Gioan Bernardo pittore.

dritter akt

125

warum versteckst du dich nicht, o, gütiger Mutter Erde nutzloses Gewicht?

20

21

22

Läppische Urteilskraft, verwirrter Sinn, dunkel, obskur, und finsterer, dichter Erebos, langohriger Esel, in nichts unterrichtet, in keinem literarischen Spiel unterwiesen, vielfressender Bohnenvertilger, so träge, daß man dir Ölklistiere verabreichen mußte? Verwirrtes cogito, verdunkeltes Urteil, du hast in dunkler Unterwelt vom Fluß der Lethe getrunken, du hast von den zarten Fingernägelchen und Wiegen die Einfalt bis ins hohe Alter verschleppt. Unreifes Denken, verkümmerte Phantasie, schwankendes Verständnis, flackernde Aufmerksamkeit, analphabetisch und undiszipliniert, in Blindheit erzogen, vom eigenen Mars selbst verlassen, ungebildet, getränkt mit Unwissenheit, ohne Ausblick, ohne Voraussicht, unvernünftiges Tier, rechter Hammel, jeden Lichtes beraubt, Sohn der Ignoranz, arm an Argument und an Weisheit.

23

24

25

Habt Ihr schon jemals solche Dekaden gesehen? Die einen machen Vierzeiler, andere sechs Verse, [wieder] andere acht; meine haben die vollkommene Zahl, idest, videlicet, scilicet, nempe, utpote, ut puta, die Zehnzahl: authore Pythagora, atque Platone [nach der Meinung des Pythagoras und des Plato]. Aber wer ist der da vel [oder] jener da, welcher auf uns zueilt? Pollula Gio. Bernardo, der Maler.

126

atto terzo

175 | 177

scena vii Mamfurio, Gioan Bernardo, Pollula Mamfurio Bene veniat ille a cui non men convien nomenclatura della ribombante fama dalla tromba, che a Zeusi, Apelle, Fidia, Timagora e Polignoto. Gioan Bernardo Di quanto avete proferito, non intendo altro che quel »pignato« ch’avete detto al fine. Credo che questo insieme col bocale vi fa parlar di varie lingue. S’io avesse cenato ti risponderei. Mamfurio Il vino exilara et il pane confirma: | Bacchus et alma Ceres, vestro si munere tellus chaoniam pingui glandem mutavit arista, disse Publio Virgilio Marone, poeta mantuano, nel suo libro della Georgica primo, verso il principio, facendo more poetico la invocazione: dove imita Exiodo, attico poeta e vate. Gioan Bernardo Sapete, domine magister …? Mamfurio Hoc est »magis ter«, tre volte maggiore: Pauci, quos aequus amavit Iuppiter, aut ardens evexit in aethera virtus. Gioan Bernardo Quello che voglio dir è questo: vorrei sapere da voi che vuol dir »pedante«. Mamfurio Lubentissime voglio dirvelo, insegnarvelo, declararvelo, exporvelo, propalarvelo, palam farvelo, insinuarvelo et (particula coniunctiva in ultima dictione apposita) enuclearvelo; sicut, ut, velut, veluti, quemadmodum »Nucem« ovidianam meis coram discipulis (quo melius nucleum eius edere possint) enucleavi. »Pedante« vuol dire quasi

dritter akt

127

7 . szene

Mamfurio, Gio. Bernardo, Pollula

26

27

28

29

30

31

32

Mamfurio Bene veniat ille [Willkommen sei der], dem die Nomenklatur der schallenden Posaune nicht weniger gerecht wird als dem Zeuxis, Apelles, Phidias, Timagoras und dem Polygnotos. Gio. Bernardo Von Eurem ganzen Vortrag habe ich nichts anderes verstanden als diese Pignattosuppe, die Ihr zuletzt genannt habt. Ich glaub, diese, gemeinsam mit dem Weinkrug, läßt Euch in verschiedenen Zungen sprechen. Hätte ich zu Abend gegessen, würde ich dir antworten. Mamfurio Der Wein erheitert und das Brot stärkt. »Bacchus et alma Ceres, vestro si munere tellus Chaoniam pingui glandem mutavit arista«, [Bacchus und Ceres, du Holde, auch Ihr, so wahr diese Erde, fruchtbar durch Euer Geschenk, statt Eichelkost goldene Ähren trägt,] sagte Publius Vergilius Maro, der mantuanische Poet, am Beginn seines Werkes Georgica und leitete so, more poetico [in der Art der Poeten], die Anrufung ein, dort wo er Hexiod, den attischen Poeten und Seher, nachahmt. Gio. Bernardo Wißt Ihr, domine Magister …? Mamfurio Hoc est »magis ter« dreimal größer: »Pauci, quos aequus amavit Iuppiter, aut ardens evexit in aethera virtus.« [Nur wenige, huldvoll geliebt von Jupiter oder von feuriger Kraft zum Himmel gehoben.] Gio. Bernardo Was ich sagen möchte, ist folgendes: Ich möchte von Euch wissen, was Pedant bedeutet. Mamfurio Lubentissime [Sehr gern] will ich es Euch sagen, lehren, deklarieren, exponieren, vorsagen, es Euch palam [offensichtlich] machen, insinuieren, et – particula coniunctiva in ultima dictione apposita [›und‹, eine konjunktivische Partikel, die ans Ende einer Aufzählung kommt] – entkernen; sicut ut, velut, veluti, quemadmodum »Nucem« ovidianam meis coram discipulis – quo melius nucleum eius edere possint – enucleavi [genauso wie ich die Ovidsche Walnuß vor meinen Schülern knacke, damit sie den Kern besser essen können]. »Pedant«,

128

atto terzo

177 | 181

»pede | ante«: utpote quia have lo incesso prosequitivo, col quale fa andare avanti gli erudiendi puberi; vel per strictiorem arctioremque aethymologiam: pe, »perfectos«; dan, »dans«; te, »thesauros«. Or che dite de le ambedue? Gioan Bernardo Son buone: ma a me non piace né l’una né l’altra; né mi par a proposito. Mamfurio Cotesto vi è a dirlo lecito, alia meliore in medium prolata, idest quando arrete apportatane un’altra vie più degna. Gioan Bernardo Eccovela: pe, »pecorone«; dan, »da nulla«; te, »testa d’asino«. Mamfurio Disse Catone seniore: »Nil mentire, et nihil temere credideris«. Gioan Bernardo Hoc est, id est, chi dice il contrario ne mente per la gola. Mamfurio Vade, vade: Contra verbosos, verbis contendere noli. Verbosos contra, noli contendere verbis. Verbis verbosos noli contendere contra. | Gioan Bernardo Io dono al diavolo quanti pedanti sono! – Resta con cento mila di quelli angeli de la faccia cotta. Mamfurio Menateli pur, come socii vostri, vosco. U’ siete voi Pollula? Pollula che dite? vedete che nefando, abominando. turbulento e portentoso seculo? Questo secol noioso in cui mi trovo, Vòto è d’ogni valor, pien d’ogni orgoglio. Ma properiamo verso il domicilio, poscia che voglio oltre exercitarvi in que’ adverbii locali, motu de loco, ad locum et per locum: »ad, apud, ante, adversum vel adversus, cis, citra, contra, erga, infra, in retro, ante, coram, a tergo, intus et extra«.

dritter akt

33

34

35

36

37

38

129

das bedeutet gleichsam »pede ante«: utpote quia [»den Fuß vorne«: oder auch] den vorausschreitenden Schritt, mit dem man die zu erziehenden Knäblein vorwärts bringt; vel per strictiorem arctioremque aethymologiam: pe, perfectos; dan, dans; te, thesauros [oder, nach einer strikteren und tieferen Etymologie, jemand, der vollkommene Schätze gibt]. Nun, was sagt Ihr zu diesen beiden? Gio. Bernardo Sie sind gut, aber mir gefällt weder die eine noch die andere, noch scheinen sie mir passend. Mamfurio Euch ist es gesttatet, solches zu sagen, alia meliora in medium prolata, idest [wenn Ihr eine andere vorgebracht habt, das heißt], wenn Ihr eine würdigere Art habt, bringt sie vor. Gio. Bernardo Da habt Ihr sie: pe, pecorone [Schafskopf]; dan, da nulla [Taugenichts]; te, testa d’asino [Eselskopf]. Mamfurio Cato der Ältere sagt: »Nil mentire, et nihil temere credideris [Lüge nicht und sei nicht leichtgläubig].« Gio. Bernardo Hoc est, id est, wer das Gegenteil sagt, der lügt aus vollem Hals. Mamfurio Vade, vade: »Contra verbosos, verbis contendere noli. Verbosos contra, noli contendere verbis. Verbis verbosos noli contendere contra.« [Geh, geh: Mit den Geschwätzigen streite nicht mit Worten.] Gio. Bernardo Ich schicke alle Pedanten zum Teufel! … Bleib doch bei den hunderttausend [gefallenen] Engeln mit verbrannten Gesichtern. Mamfurio Nehmt sie ruhig als Eure Genossen auf. Wo seid Ihr, Pollula? Pollula, was sagt Ihr? Seht Ihr, was für ein ruchloses, abscheuliches, aufrührerisches und widernatürliches Zeitalter das ist? »Dieses langweilige Zeitalter, in dem ich mich befinde, ist ohne jeden Wert, voll von jeder Anmaßung.« Aber laß uns nach unserm Domizil eilen, da ich Euch ja weiter in jenen lokalen Adverbii üben möchte, motu de loco, ad locum et per locum: Ad, apud, ante, adversum vel adversus, cis, citra, contra, erga, infra, in retro, ante, coram, a tergo, intus et extra [Bewegung vom Ort, zum Ort und über den Ort: bei, vor, gegen, hinüber, unter, zurück, vor, von hinten, hinein und heraus].

130

atto terzo

181 | 183

Polluna Io le so tutti, e li tegno ne la mente. Mamfurio Questa leczione bisogna saepius reiterarla et in memoriam revocarla; lectio repetita placebit: Gutta cavat lapidem non bis sed saepe cadendo: sic homo fit sapiens bis non, sed saepe legendo. Polluna Vostra Excellenzia vada avanti, ch’io vi seguirrò a presso. | Mamfurio Cossì si fa in foro et in platea: quando siamo in privatis aedibus, queste urbanità, observanze e cerimonie non bisognano.

scena viii Barra, Marca Marca Oh, vedi il mastro Mamfurio che sen va? Barra Lascialo col diavolo: seguita il proposito incominciato; fermiamoci cqua. Marca Ordumque iersera all’osteria del Cerriglio, dopo che ebbemo benissimo mangiato, sin tanto che non avendo lo tavernaio del bisogno, lo mandaimo ad procacciare altrove per fusticelli, cocozzate, cotugnate et altre bagattelle da passar il tempo; dopo’ che non sapevamo che più dimandare, un di nostri compagni finse non so che debilità; e l’oste essendo corso con l’aceto, io dissi: »Non ti vergogni, uomo da poco? camina prendi dell’acqua namfa, di fiori di cetrangoli, e porta della malvasìa di Candia«. All’ora il tavernaio non so che si rinegasse egli; e poi comincia ad cridare, dicendo: »In nome del diavolo, sète voi marchesi o duchi? Sète voi persone di aver speso quel che avete speso? Non so come la farremo al far del conto: questo che dimandate non è cosa da osteria«; »Furfante, ladro, mariolo« dissi io, »pensi ad aver a far con

dritter akt

39

40

131

Pollula Ich kenne sie alle und behalte sie im Gedächtnis. Mamfurio Diese Lektion muß man saepius [häufigst] wiederholen et sich wieder in memoriam [ins Gedächtnis] rufen: »lectio repetita placebit.« »Gutta cavat lapidem non bis, sed saepe cadendo: Sic homo fit sapiens bis non, sed saepe legendo« [Steter Tropfen höhlt den Stein; und auch die Weisheit kommt nicht über Nacht, sondern nur durch stetige Bildung]. Pollula Mögen Euer Exzellenz doch vorausgehen, ich werde Euch gleich nachfolgen. Mamfurio So benimmt man sich in foro et in platea [an öffentlichen Orten]: Wenn wir dann in privatis aedibus [daheim] sind, bedarf es solcher Urbanität, Etikette und Zeremonien nicht.

8 . szene

Barra, Marca

41

42 43

Marca Oh, siehst du den Maestro Mamfurio, der gerade weggeht? Barra Zum Teufel mit ihm! Machen wir weiter mit dem, worüber wir gesprochen haben: Bleiben wir hier stehen. Marca Also dann, gestern abend, in der Osteria Cerriglio, nachdem wir wunderbar gegessen hatten und daher den Wirt eigentlich gar nicht mehr brauchten, schickten wir ihn nach Gewürznelken, kandiertem Kürbis und Quittengelee und anderen Nichtigkeiten, um die Zeit zu vertreiben. Als wir dann schon nicht mehr wußten, was wir noch alles bestellen sollten, simulierte einer von unseren Gefährten irgendeinen Schwächeanfall; und als der Gastwirt mit dem Essig gelaufen kam, sagte ich: »Schämst du dich denn nicht, kleinlicher Mensch! Geh, hol den Orangenblütenschnaps, den aus Centragoli-Blüten und einen Malvasier aus Kandia.« Daraufhin begann der Wirt irgendetwas zu fluchen und fängt dann an zu schreien, »In Teufels Namen, seid Ihr Marquis oder Fürsten? Seid Ihr Leute, die ausgeben können, was Ihr ausgegeben habt? Ich weiß nicht, wie wir das verrechnen sollen. Was Ihr verlangt, bekommt man nicht im Wirtshaus.« – »Strolch, Dieb, Spitzbube«, sagte ich, »Glaubst du, es mit deinesgleichen zu tun zu ha-

132

atto terzo

183 | 187

pari tuoi? tu sei un becco, cornuto, | svergognato«; »Hai mentito per cento canne«, disse lui. All’ora tutti insieme per nostro onore ci alzaimo di tavola, et acciaffaimo ciascuno un spedo di que’ più grandi, lunghi da diece palmi … Barra Buon principio, messere. Marca … li quali ancor aveano la provisione infilzata; et il tavernaio corre ad prendere un partesanone; e dui di suoi servitori due spadi rugginenti. Noi ben che fussimo sei con sei spedi più grandi che non era la partesana, presimo delle caldaia per servirne per scudi e rotelle … Barra Saviamente. Marca Alcuni si puosero certi lavezzi di bronzo in testa per elmetto over celata … Barra Questa fu certo qualche costellazione che puose in esaltazione i lavezzi, padelle e le caldaie. Marca E cossì bene armati reculando, ne andavamo defendendo e retirandoci per le scale in giù, verso la porta, benché facessimo finta di farci avanti … Barra Bel combattere: un passo avanti e dui a dietro, un passo avanti e dui a dietro (disse il signor Cesare da Siena). Marca Il tavernaio quando ci vedde molto più forti, e timidi più del dovero, in loco di gloriarsi come quel che si portava valentemente, entrò in non so che suspizione … Barra Ci sarrebbe entrato Scazzolla. | Marca … per il che buttata la partesana in terra, comandò a sua servitori che si retirassero, ché non volea di noi vendetta alcuna … Barra Buon’anima da canonizzare. Marca E voltato a noi disse: »Signori gentil’omini, perdonatime; io non voglio offendervi da dovero: di grazia pagatemi et andiate con Dio«. Barra All’or sarrebe stata bene qualche penitenza con l’assoluzione. Marca »Tu ci vòi uccidere, traditore«, dissi io; e con questo puosemo i piedi fuor de la porta. All’ora l’oste desperato, accorgendosi che non accettavamo la sua cortesia e devozione, riprese il partesanone chiamando aggiuto di servi, figli e moglie. Bel sentire: l’oste cridava »Paga-

dritter akt

44

133

ben? Du bist ein gehörnter Bock, du Unverschämter!« »Deine Lügen wiegen hundert Stockschläge«, sagte er. Da standen wir alle um unserer Ehre willen vom Tisch auf und ergriffen jeder einen von diesen ganz großen Spießen, die zehn Hände lang sind … Barra Guter Anfang, mein Herr. Marca … die den Proviant noch aufgespießt hatten; und der Wirt rennt um eine Riesenaxt; und zwei seiner Diener um zwei rostige Lanzen. Wir, obwohl wir zu sechst waren, mit sechs Spießen, größer selbst als die Axt, nahmen Kessel, die uns als Schilder und Schildchen dienten … Barra Sehr vernünftig. Marca Einige setzten sich bestimmte Kasserollen aus Bronze auf den Kopf, als Helm oder Sturmhaube … Barra Das war bestimmt irgendeine [astrologisch bedeutsame] Konstellation, welche die Kasserollen, Bratpfannen und Kessel in Überschwang versetzte. Marca Und auf diese Weise gut bewaffnet, sind wir rückwärts die Stiegen hinunter, indem wir uns verteidigten und zurückzogen, Richtung Tür, obwohl wir so taten, als würden wir vorrücken … Barra Eine tolle Kriegsführung! »Ein Schritt vorwärts und zwei zurück«, sagte der Signore Cesare von Siena. Marca … der Wirt, als er uns viel stärker und [trotzdem] ängstlicher ansah als nötig, anstatt sich zu rühmen wie jemand, der sich anständig benimmt, schöpfte irgendeinen Verdacht … Barra Jetzt hätte der Hanswurst auftreten müssen! Marca … und deshalb, nachdem er die Riesenaxt auf den Boden geworfen hatte, befahl er seinen Dienern, sich zurückzuziehen, denn er wollte bestimmt keine Vendetta von uns … Barra Eine gute Seele, die man heilig sprechen muß. Marca Und zu uns gewandt, sagte er: »Ihr wohlgeborenen Herren, verzeiht mir, ich will Euch nicht ernsthaft beleidigen! Ich bitte Euch, zahlt mir und geht mit Gott!« Barra Jetzt hätte eine kleine Buße samt Absolution gutgetan. Marca »Du willst uns umbringen, Verräter«, sagte ich; und damit hauten wir ab; darauf griff der verzweifelte Gastwirt, als er merkte, daß wir seine Gefälligkeit und Ergebenheit nicht annahmen, wieder zur Axt und rief Diener, Kinder und Frau zu Hilfe. Ein Riesen-

134

atto terzo

187 | 189

temi pagatemi«; gli altri stridevano: »A’ marioli, a i marioli! ah, ladri traditori!«. Con tutto ciò nisciun fu tanto pazzo che ne corresse a dietro, per che l’oscurità della notte fauriva più noi che altro. Noi dumque temendo il sdegno ostile, idest de l’oste, fuggivimo ad una stanza apresso li Carmini: dove, per conto fatto, abbiamo ancor da farne le spese per tre giorni. Barra Far burla ad osti, è far sacrificio ad nostro Signore; rubbare un tavernaio, è far una limosina: in batterlo bene consiste il merito di cavar un’anima di purgatorio. Dimmi, avete saputo poi quel che seguitò nell’ostaria? Marca Concorsero molti: de quali, altri pigliandosi spasso altri attristandosi, altri piangendo | altri ridendo, questi consigliando quelli sperando, altri facendo un viso altri un altro, altri questo linguaggio et altri quello, era veder insieme comedia e tragedia, e chi sonava a gloria e chi a mortoro. Di sorte che, chi volesse vedere come sta fatto il mondo, derebbe desiderare d’esservi stato presente. Barra Veramente la fu buona. Ma io che non so tanto di rettorica, »solo soletto senza compagnia«, l’altr’ieri venendo da Nola per Pumigliano, dopoi ch’ebbi mangiato non avendo tropo buona fantasia di pagare, dissi al tavernaio: »Messer osto, vorrei giocare«; »A qual gioco« disse lui, »volemo giocare? cqua ho de tarocchi«; risposi: »A questo maldetto gioco non posso vencere, perché ho una pessima memoria«; disse lui: »Ho di carte ordinarie«; risposi: »Saranno forse segnate, che voi le conoscerete; avetele che non siino state ancor adoperate?«; lui rispose de non. »Dumque pensiamo ad altro gioco«; »Ho le tavole, sai?«; »Di queste non so nulla«; »Ho de scacchi, sai?«; »Questo gioco mi farebbe rinegar Cristo«. All’ora gli venne il senapo in testa: »A qual dumque diavolo di gioco vorai giocar tu? proponi«; dico io: »A stracquare a pall’e maglio«; disse egli: »Come a pall’e maglio? vedi tu cqua tali ordegni? vedi luoco da posservi giocare?«. Dissi: »A la mirella?«; »Questo è gioco da fachini, bifolchi e guardaporci«. »A cinque dadi?«;

dritter akt

45

46

47

48

135

hallo. Der Gastwirt schrie: »Bezahlt mich, bezahlt mich«, die anderen kreischten: »Haltet die Gauner, haltet die Gauner! Ach, betrügerische Diebe!« Nichtsdestotrotz war keiner so verrückt, daß er die Verfolgung aufnahm, denn die Dunkelheit der Nacht begünstigte uns eher als die anderen. Wir aber fürchteten den unwirtlichen Zorn, idest, jenen des Wirtes, [und] flüchteten in ein Haus beim Karmeliterkloster, wo uns, dank der Rechnung, die wir [ohne den Wirt] gemacht hatten, noch Geld für drei Tage blieb. Barra Einen Gastwirt zum Narren zu halten ist ein Opfer im Namen des Herrn; einen Wirt berauben bedeutet Almosen geben, wenn man ihn gut schlägt, holt man eine Seele aus dem Fegefeuer! Sag, habt Ihr später erfahren, was dann noch in der Osteria los war? Marca Viele sind zusammengelaufen, die einen haben sich amüsiert, die anderen wurden traurig, manche weinten, manche lachten, manche gaben gute Ratschläge, manche hofften, manche schnitten sich gegenseitig Grimassen, manche redeten so, manche anders. Es war, als würde man Komödie und Tragödie zusammen sehen, die einen himmelhoch jauchzend, die anderen zu Tode betrübt. So daß, wer sehen möchte, wie die Welt wirklich ist, wünschen müßte, dabei gewesen zu sein. Barra Das war wirklich gut. Ich jedoch beherrsche die Redekunst nicht so gut, kam ganz alleine, ohne Gesellschaft, vorgestern von Nola nach Pumigliano; nachdem ich gegessen hatte und nicht allzuviel Lust hatte zu zahlen, sagte ich zum Wirt: »Herr Wirt, ich möchte spielen.« »Was für ein Spiel wollen wir spielen?« sagte er, »Ich habe Tarockkarten hier.« Ich antwortete: »Bei diesem verdammten Spiel kann ich nicht gewinnen, denn ich habe ein ganz schlechtes Gedächtnis.« Sagte er: »Ich habe normale Karten.« Ich antwortete: »Sie sind vielleicht gekennzeichnet, damit Ihr sie erkennt. Habt Ihr welche, die noch nicht verwendet wurden?« Er verneinte das. »Also laß uns ein anderes Spiel finden.« – »Ich habe Triktrak, kennst du das?« – »Davon habe ich keine Ahnung.« »Ich habe Schach, kennst du das?« »Dieses Spiel ließe mich Christus verleugnen.« Da stieg ihm die Wut zu Kopf: »Also welches Spiel, zum Teufel, willst du spielen? Schlag was vor!« Ich sage: »Krikket, zum Ermüden.« Sagt er: »Was, Kricket? Siehst du hier eine solche Ausrüstung? Siehst du hier einen Platz, um das zu spielen?« Sage ich: »Das Mirella-Spiel?« – »Das ist ein Spiel für Lastenträger, Bauern und

136

atto terzo

189 | 193

»Che diavolo di cinque dadi? mai udivi di tal gioco. Si vuoi, giocamo a tre dadi«; io gli dissi che a tre dadi non posso aver | sorte. »Al nome di cinquantamila diavoli« disse lui, »si vuoi giocare, proponi un gioco che possiamo farlo e voi et io«. Gli dissi: »Giocamo a spaccastrommiola«; »Và« disse lui, »che tu mi dai la baia: questo è gioco da putti, non ti vergogni?«. »Or su dumque« dissi, »giocamo a correre«; »Or questa è falsa«, disse lui; et io soggionsi: »Al sangue dell’Intemerata, che giocarai«. »Vuoi far bene?« disse, »pagami; e si non vuoi andar con Dio, và col prior de’ diavoli«. Io dissi: »Al sangue delle scrofole, che giocarai«; »E che non gioco!«, diceva; »E che giochi!«, dicevo; »E che mai mai vi giocai!«; »E che vi giocarrai adesso!«; »E che non voglio!«; »E che vorrai!«. In conclusione comincio io a pagarlo co le calcagne, ideste a correre. Et ecco quel porco che poco fa diceva che non volea giocare, e giurò che non volea giocare, e giurò che non volea giocare: e giocò lui, e giocorno dui altri suoi guattari; di sorte che per un pezzo correndomi a presso, mi arrivorno e giunsero, co le voci. Poi ti giuro per la tremenda piaga di san Rocco, che né io l’ho più uditi, né essi mi hanno più visto. Marca Veggio venir Sanguino e messer Scaramuré. |

scena ix Sanguino, Barra, Marca, Scaramuré Sanguino A punto voi io andavo cercando: siamo pe far di bei tratti questa sera, e non saranno senza qualche nostro profitto, o spasso almeno. Io mi voglio vestire da capitan Palma; voi insieme con Corcovizzo mostrarete di esser birri: staremo alla posta cqui vicino, che spero che questa sera attraparemo messer Bonifacio all’uscita o entrata che

dritter akt

49 50

51

137

Sauhirten.« – »Mit fünf Würfeln?« – »Was zum Teufel mit fünf Würfeln? Ich habe nie von so einem Spiel gehört; wenn du willst, spielen wir mit drei Würfeln.« Ich antwortete ihm, daß ich mit drei Würfeln kein Glück haben kann. »Im Namen von fünfzigtausend Teufeln«, sagte er, »Wenn du spielen willst, dann schlage ein Spiel vor, das wir beide spielen können.« Ich sagte ihm: »Spielen wir das Kreiselspiel«. – »Komm«, sagte er, »erzähl mir doch keine Ammenmärchen: Das ist ein Spiel für kleine Kinder, schämst du dich denn nicht?« »Also los, dann«, sagte ich, »laufen wir um die Wette?« – »Du willst mich wohl übers Ohr hauen«, sagte er. Und ich fügte hinzu: »Beim Blut der Unbefleckten schwöre ich, daß du spielen wirst.« – »Sei so gut«, sagte er, »und zahle mir, und wenn du nicht mit Gott gehen willst, geh mit dem Prior der Teufel!« Ich sagte: »Beim Blut der Skrofeln, du wirst spielen.« – »Und wenn ich nicht spiele?« sagte er. »Und du wirst?« – »Und wenn ich es noch nie, nie spielte?« – »Und daß du jetzt spielen wirst?« – »Und wenn ich nicht will?« – »Und daß du willst?« Schließlich beginne ich ihn mit Fersengeld zu bezahlen, ideste im Laufen. Und schau, dieses Schwein, das gerade noch gesagt hat, daß es nicht spielen wollte und geschworen hatte, daß es nicht spielen wollte, spielte doch, und es spielten noch zwei seiner Küchengehilfen mit: und zwar so, daß sie mich, nachdem sie mir ein Stück hinterhergelaufen waren, erreichten und einholten …, mit ihren Stimmen. Dann, das schwöre ich dir bei der schrecklichen Pestbeule des Heiligen Rochus, habe ich sie nicht mehr gehört, noch haben sie mich gesehen. Marca Ich sehe Sanguino und Herrn Scaramuré kommen.

9 . szene

Sanguino, Barra, Marca, Scaramuré Sanguino Genau Euch habe ich gesucht. Heute abend werden wir ein paar schöne Streiche machen, und sie werden nicht gänzlich ohne Gewinn für uns oder wenigstens nicht ohne Spaß bleiben. Ich werde mich als Capitano Palma verkleiden; Ihr, gemeinsam mit Corcovizzo, werdet Polizisten darstellen; wir werden auf Posten stehen, hier in der Nähe, denn ich hoffe, daß wir heute abend Herrn Bonifacio beim Verlassen

138

atto terzo

193 | 195

farà dalla stanza della signora Vittoria; e faremo piacere alla signora, et utile a noi. Barra E ci prenderemo mille spassi. Marca Sì alla fé: e può essere che ci possano occorrere altre belle occasioni. Barra Facende non ci mancaranno. Scaramuré Quanto al fatto di messer Bonifacio, sarrò io che verrò come a caso ad accomodarlo con far che vi doni qualche cortesia, a fin che lo lasciate: e non menarlo in Vicaria priggione. Sanguino Questo pensiero non è de’ peggiori del mondo. Venete dumque quanto prima: per che daremo una volta e vi aspettaremo, in casa della signora Vittoria. Barra Andate in buon’ora. |

scena x Barra, Marca Barra Al sangue de mi … che non è poca comodità di venir a qualche dissegno, il mostrar di essere birri di notte: saremo tre o quattro, portaremo la insegna della birraria, ideste le verghette in mano; e quando vedremo la nostra, farremo. Marca Ah, per san Quintino! ecco a punto Corcovizzo che viene. Barra Ma chi è quel che va con lui? Marca Mi par mastro Mamfurio. Barra Egli è desso; presto, discostiamoci un po’ da cqui, che Corcovizzo ne fa segno: credo che stia un procinto di fargli qualche burla. Marca Andiamo qui dietro, che non siam veduti.

dritter akt

52

139

oder Betreten des Hauses der Signora Vittoria überraschen werden, und wir werden der Signora einen Gefallen tun und uns selbst nützlich sein. Barra Und wir werden einen Riesenspaß haben. Marca Ja, bei meinem Glauben, und vielleicht reicht es noch für andere nette Gelegenheiten. Barra Es soll uns nicht an Aufgaben mangeln. Scaramuré Was den Herrn Bonifacio anbetrifft, so werde ich es sein, der ihn, wie zufällig, dazu bringt, Euch eine kleine Aufmerksamkeit zu erweisen, damit Ihr von ihm ablaßt und ihn nicht als Häftling ins Gefängnis des Vizekönigs abführt. Sanguino Dieser Gedanke gehört nicht zu den schlechtesten auf der Welt. Kommt also sofort, damit wir eine Runde drehen, und wir erwarten Euch dann im Haus der Signora Vittoria. Barra Das Glück sei mit Euch.

10 . szene

Barra, Marca

53

Barra Beim Blut mei…, es kommt wirklich nicht ungelegen, einen Plan auszuführen, in dem man vortäuscht, ein Nachtpolizist zu sein. Wir werden zu dritt oder zu viert sein, die Insignien der Polizei tragen, ideste, die kleinen Ruten in der Hand, und wenn die Gelegenheit günstig ist, dann schlagen wir zu. Marca Ah, beim Heiligen Quentin! Hier kommt Corcovizzo, gerade rechtzeitig. Barra Aber wer kommt da mit ihm? Marca Mir scheint, der Meister Mamfurio. Barra Er ist es wirklich. Schnell, ziehen wir uns ein bißchen von hier zurück, denn Corcovizzo gibt uns ein Zeichen: Ich glaube, er will ihm gerade einen Streich spielen. Marca Gehen wir hier nach hinten, damit man uns nicht sieht.

140

atto terzo

195 | 199

scena xi Corcovizzo, Mamfurio Corcovizzo Voi lo sapete ben, che egli è inamorato? Mamfurio Oh, benissimo; il suo amor passa per le mie mani: gli ho composta una epistola amatoria, della quale come sua si debba servire, per essere dalla sua amasia admirato e più istimato. | Corcovizzo Or egli ieri, come fusse un giovane di 25 anni, andò a proponere a mastro Luca che per oggi gli avesse fatto un par di stivaletti di marrocchino di Spagna, buoni a passeggiar per la città: il che avendo udito il mariolo, è stato oggi a la mira quando messer Bonifacio veneva ad calzarsi. Or veggendolo spuntar da Nilo verso la bottega, pian piano se gli accostò senza mantello, sin che con essolui si fece dentro la bottega. Il quale, per essere venuto gionto a messer Bonifacio, fu stimato servitor suo dal mastro; e per che era senza mantello, mezzo sbracciato, fu stimato da messer Bonifacio lavorante di bottega. Per il che, avendosi da calzar, quel povero messere senza dubbito alcuno si lasciò prendere la cappa, fasciata di veluto et inbottonata d’oro, da colui; il quale avendosela posta su le due braccia, o come buon valetto di camera, o com’un de’ lavoranti a cui appartenga la strena, mentre mastro Luca era occupato ad assestare l’opra sua, e messer Bonifacio curvo su le gambe a farsi ben servire, costui con una bella continenza, or guardando i travi della bottega, or chi passava, chi andava, chi veneva, or dava una volta e giravasi: sin tanto che vedendo la sua, puose un piè fuor de la porta. In conclusione: »cappa« cuius generis? Ablativi. Mamfurio Ah! ah! ah! dativus a dando, ablativus ab auferendo: si voi avessivo studiato, e non fussivo idiota, arestivo un bell’ingenio: credo che avevate Minerva in ascendente. | Corcovizzo Per tornare al proposito: accomodato che fu messer Bo-

dritter akt

141

11 . szene

Corcovizzo, Mamfurio Corcovizzo Ihr wißt wohl, daß er verliebt ist? Mamfurio Oh, nur zu gut! Seine Liebe geht durch meine Hände: Ich habe ihm einen Liebesbrief aufgesetzt, dessen er sich bedienen sollte als sei’s sein eigener, um von seiner Liebsten bewundert und höher geschätzt zu werden. Corcovizzo Gestern ist er nun, als wäre er ein fünfundzwanzigjähriger Jüngling, mit dem Vorschlag zum Meister Luca gegangen, ihm für heute ein Paar Stiefel aus feinstem spanischem Ziegenleder zu machen, gerade gut, um in der Stadt zu promenieren. Und nachdem das ein Dieb gehört hatte, hat er heute auf der Lauer gelegen, als der Herr Bonifacio kam, um sich zu bestiefeln. Als er ihn nun aus der NilStraße zu dem Geschäft abbiegen sah, kam er ihm näher, ganz sachte und ohne Mantel, so daß er mit ihm das Geschäft betrat. Und weil er ja gemeinsam mit Herrn Bonifacio gekommen war, wurde er vom Meister für den Diener des Herrn gehalten. Und weil er ohne Mantel war, in Hemdsärmeln, wurde er von Herrn Bonifacio für einen Angestellten im Geschäft gehalten. Und deshalb ließ sich dieser bedauernswerte Herr, ohne irgendeinen Verdacht zu hegen, von diesem den Mantel mit Seidenstickereien und Goldknöpfen abnehmen, als er sich die Stiefel anzog. Dieser nahm ihn auf beide Arme, wie ein guter Kammerdiener oder wie einer jener Angestellten, die sich ein Trinkgeld verdienen. Während Meister Luca damit beschäftigt war, sein Werk anzupassen, und Herr Bonifacio sich vornüber beugte, um sich gut bedienen zu lassen, machte sich jener, mit schöner Zurückhaltung, während er bald die Deckenbalken des Geschäfts musterte, bald, wer vorbeikam oder ging, wer umdrehte oder eine Runde drehte, in einem günstigen Augenblick davon. Zusammenfassung: »Cappa« cuius generis? Ablativi [Ein Mantel in welchem Fall? Im Ablativ, dem Wegtragenden]. Mamfurio Ha, ha, ha, dativus a dando, ablativus ab auferendo [der Dativ dem Gebenden, der Ablativ dem Wegnehmenden]. Wenn Ihr nur studiert hättet und nicht ungebildet wäret, hättet Ihr ein gutes Talent: Ich glaube, Ihr habt Minerva im Aszendenten. Corcovizzo Um auf die Geschichte zurückzukommen: Als Herr

142

atto terzo

199 | 201

nifacio, et avendoli menato la scopetta per il dorso mastro Luca, scuotendosi le mani dimanda la cappa. Risponde mastro Luca: »Il vostro servitor la tiene; o là, dove sei tu? S’è fatto fuori per badare«; »Non ho bisogno di cotesti onori e castella« disse messer Bonifacio, »dite pur che è vostro lavorante«; »Per santa Maria del Carmelo che mai lo viddi«, disse mastro Luca; e che è cossì, e che è colà. Considerate che bel vedere è stato di messer Bonifacio, co i stivaletti nuovi, che s’ha fatto rubbar la bella cappa. Or mai non si può più vivere per tanti poltroni marioli tagliaborse. Mamfurio Gran miseria et infelice condizione sotto questo campano clima, il cui celeste periodo subest Mercurio; il qual è detto nume e dio de furi: però, amico mio, stà in cervello per la borsa. Corcovizzo Io per me porto i danari cqui sotto l’ascella, vedete. Mamfurio Et io la mia giornea non la porto a la schena né al fianco, ma sopra l’inguine o ver sotto il pectine, poscia cossì si fa in terra di ladri. Corcovizzo Domino magister, ben veggio che siete sapientissimo: e non senza gran profitto avete studiato. Mamfurio Hoc non latet il mio Mecenate, di cui li pueruli ego erudio, idest extra ruditatem facio, | vel e ruditate eruo. M’ha egli imposto ch’io vadi a decernere del preggio della materia e della structura de gli indumenti di quelli, e liberar la elargienda pecunia: la quale come buono economico (Oeconomia est domestica gubernatio) in questa coriacea e vellutacea giornea riserbo. Corcovizzo Oh lodato sia Dio, signor eccellente maestro: ho imparato da voi belli consegli e modi di vivere. Fatemi di grazia un altro favore d’agiutarmi, ch’io non abbia pensiero di andar a cambiar sei dop-

dritter akt

54

55

56

143

Bonifacio nun hergerichtet war und Meister Luca ihm den Rücken gebürstet hatte, verlangt er unter Händeschütteln den Mantel. Antwortet Meister Luca: »Euer Diener hat ihn … hallo, wo bist du? … Er ist hinausgegangen, um aufzupassen …« »Ich brauche keine solchen Ehren und solches Hofschranzentum«, sagte der Herr Bonifacio; »sagt einfach, daß er Euer Angestellter ist.« »Bei Santa Maria di Carmelo, ich habe ihn noch nie gesehen!« sagte Meister Luca. Und der eine sagt dies und der andere das: Stellt Euch vor, was für ein schöner Anblick Herr Bonifacio gewesen ist, mit den neuen Stiefelchen, als er sich den schönen Mantel hat stehlen lassen. Heutzutage kann man ja vor lauter Taugenichtsen, Gaunern und Beutelschneidern nicht mehr leben! Mamfurio Großes Leid und unglückliche Umstände in dieser Region Kampaniens, deren himmlischer Zyklus subest Mercurio [dem Merkur untertan], welcher Numen und Gott der Diebe genannt wird. Deshalb, mein Freund, achte auf die Geldbörse. Corcovizzo Was mich betrifft, so trage ich das Geld hier, unter der Achsel, seht Ihr. Mamfurio Und ich trage meinen Geldbeutel weder am Rücken noch auf der Seite, sondern oberhalb der Leiste oder unter dem Schambein, denn so macht man das in räuberischer Umgebung. Corcovizzo Domino Magister [Herr Magister], ich sehe genau, daß Ihr außerordentlich weise seid und nicht ohne großen Gewinn studiert habt. Mamfurio Hoc non latet [Das entgeht nicht] meinem Mäzen, dessen Kinderchen ego erudio, idest extra ruditatem facio, vel e ruditate eruo [ich erziehe, das heißt aus der Unwissenheit erzeuge bzw. aus der Unwissenheit ziehe]! Er hat bestimmt, daß ich den Preis des Stoffes und die Beschaffenheit von deren Kleidern decerniren und die elargienda pecunia [das zu vergrößernde Vermögen] zahlen soll: Diese nun hebe ich als guter Ökonom – Oeconomia est domestica gubernatio [Die Ökonomie ist die Hauswirtschaft] – bei mir in diesem ledrigen und samtigen Geldbeutel auf. Corcovizzo Gott sei gepriesen, Signore, erlauchter Lehrer! Von Euch habe ich gute Ratschläge und Lebensweisheiten erlernt. Tut mir doch bitte einen anderen Gefallen, um mir zu helfen, denn ich möchte nicht zu den Wechselbanken gehen, um sechs Dublonen zu wechseln: Wenn

144

atto terzo

201 | 203

pioni sino a’ banchi: si voi avete scudi o altra moneta, io ve li lasciarò. Io sparmiarò la fatica del camino, e voi guadagnarete sei grani. Mamfurio Io non il fo lucri causa, iuxta illud: »Nihil inde sperando«; sed, ma, ex humanitate et officio; mitto quod eziamdio ego minus oneratus abibo. Ecco, li numero: tre, dui son cinque; sette e quattro fanno undeci, cinque e quattro son nove, fan vinti carlini; tre, tre, sei, e dui, son otto cianfroni, fan sei ducati; cinque aurei di Francia. Ne bisogna suttrarre alquanto. | scena xii Mamfurio, Barra, Marca Mamfurio Olà, olà, cqua cqua, aggiuto, agiuto! Tenetelo, tenetelo! A l’involatore, al surreptore, al surreptore, al fure, amputator di marsupii et incisor di crumene! Tenetelo, tenetelo, che ne porta via gli miei aurei solari con gli argentei! Barra Che cosa, che cosa v’ha egli fatto? Mamfurio Per che lo avete lasciato andare? Barra Diceva il poverello: »Mi vuol battere il mio padrone, a me povero innocente«; però l’abbiam lasciato: acciò che vi facciate passar la còlera prima, per che poi lo potrete castigar a bell’agio in casa. Marca Signor sì, bisogna perdonar qualche volta a’ servitori, e non usar sempre de rigore. Mamfurio Oh, che non è punto mio servo né familiare: ma un ladro che mi ha rubbati diece scudi di mano. Barra Può far l’Intemerata … E voi perché non cridavate »il mariolo, al mariolo«? che non so che diavolo de linguaggio avete usato. Mamfurio Questo vocabulo che voi dite, non è latino né etrusco: e però non lo proferiscono di miei pari.

dritter akt

57

58

145

Ihr Scudi oder anderes Geld habt, überlasse ich diese Euch. Ich erspare mir die Mühe des Weges, und Ihr verdient dabei sechs Grani. Mamfurio Ich werde das nicht lucri causa, iuxta illud tun: »Nihil inde sperando«; sed, aber, ex humanitate et officio; mitto, quod auch noch ego minus oneratus abibo [um des Gewinnes halber, weil es (schon in der Heiligen Schrift) heißt: »Gebt zur Leihe, ohne Zinsen zu verlangen«; sondern aus Menschlichkeit und Pflicht gebe ich, weil ich so auch noch leichter davongehe]. Hier also, ich zähle: drei und zwei sind fünf; sieben und vier machen elf, fünf und vier sind neun, das macht zwanzig Carline; drei, drei, sechs und zwei sind acht Silberlinge, das ergibt sechs Dukaten; fünf halbe französische Scudi. Man muß ein bißchen davon abziehen. 12 . szene

Mamfurio, Barra, Marca

59

Mamfurio Hallo, hallo, hier, hier, Hilfe, Hilfe! Haltet ihn, haltet ihn! Haltet den Verbringer, den Vortäuscher, den Entwender, den Börsenamputeur und Portemonnaieschneider! Haltet ihn mir, denn er trägt mir meine Goldsonnen samt den Silberlingen davon! Barra Was, was hat er Euch getan? Mamfurio Warum habt Ihr ihn laufen lassen? Barra Der Ärmste hat gesagt: »Mein Herr will mich schlagen, mich armen Unschuldigen!« Deshalb haben wir ihn laufen lassen, damit Euch der erste Ärger vergeht, damit Ihr ihn dann in aller Ruhe zu Hause züchtigen könnt. Marca Jawohl, mein Herr, manchmal muß man den Bediensteten verzeihen und nicht immer mit aller Strenge vorgehen. Mamfurio Oh, aber der ist doch überhaupt nicht mein Knecht und gehört gar nicht zu meinem Hause, sondern ein Dieb, der mir zehn Scudi aus der Hand geraubt hat! Barra Und der spielt die unbefleckte [Jungfrau]! Und Ihr, warum habt Ihr nicht geschrien: Der Gauner, haltet den Gauner, denn ich weiß wirklich nicht, was für eine verfluchte Sprache Ihr verwendet habt. Mamfurio Diese Vokabel, die Ihr da sagt, ist weder lateinisch noch etruskisch, und deshalb spricht sie meinesgleichen nicht aus.

146

atto terzo

203 | 207

Barra Per che non cridavate »al ladro«? | Mamfurio »Latro« è sassinator di strada, in qua vel ad quam latet. »Fur« qui furtim et subdole come costui mi ha fatto: qui et »subreptor« dicitur a subtus rapiendo, vel quasi rependo, per che sotto specimine di uomo da bene, mi ha decepto. Oimè, i scudi. Barra Or vedete che avete avanzate co le vostre lettere, a non voler parlar per volgare: ma, col vostro latrino e trusco, credevamo che parlassivo con esso lui più che con noi. Mamfurio O fure, degna pastura d’avoltori. Marca Dite, per che non correvate appresso lui? Mamfurio Volete voi ch’un grave moderator di ludo literario, e togato, avesse per publica platea accelerato il gresso? A miei pari convien quel adagio (si proprie adagium licet dicere) »Festina lente«; item et illud »Gradatim, paulatim, pedetentim«. Barra Avete raggione, signor dottore, d’aver sempre risguardo al vostro onore, et alla maestà del vostro andare. Mamfurio O fure le cui ossa vorei vedere sovra una ruota attrite! Oimè, forse che non me gli | ha tutti involati? Or che dirà il mio Mecena? Io gli risponderò con l’autorità del prencipe di Peripatetici Aristotele, secundo »Physicorum«, vel »Periacroaseos«: »Casus est eorum quae eveniunt in minori parte, et praeter intentionem«. Barra Io credo che si contenterà. Mamfurio O ingiusti moderatori di giustizia, si voi facessivo il vostro debito, non sarebbe tanta copia di malfattori. Forse che non l’ha tutti presi? Oh, sceleratissimo.

dritter akt

60

61

62

147

Barra Warum habt Ihr nicht geschrien: Haltet den Dieb! Mamfurio » Latro« ist ein Straßenräuber, in qua vel ad quam latet [in welcher oder bei welcher er lauert]. »Fur« qui furtim et subdole [heimlich und listig], wie jener es mir angetan hat; qui et »subreptor« dicitur a subtus rapiendo, vel quasi rependo [der auch subreptor (Räuber) genannt wird, weil er von unten raubt oder gleichsam kriecht], weil er mich, unter dem Anschein eines Ehrenmannes, betrogen hat. Oh, meine Scudi! Barra Jetzt seht Ihr einmal, wie weit Euch Eure humanistische Bildung bringt, wenn Ihr nicht in der Umgangssprache sprechen wollt. Aber mit Eurem Latrinischen und Truskischen haben wir gedacht, daß Ihr eher zu ihm gesprochen habt als zu uns. Mamfurio Oh, Entwender, würdige Speise der Geier! Marca Sagt, warum seid Ihr ihm nicht nachgelaufen? Mamfurio Ihr verlangt von einem würdevollen Lenker des literarischen Spiels, der die Toga trägt, daß er auf der Bühne der Öffentlichkeit den Schritt beschleunige? Zu meinesgleichen paßt jenes Adagio – si proprie adagium licet dicere –: »Festina lente«; item et illud: »Gradatim, paulatim, pedetentim« [– wenn man es wirklich ein Adagio nennen kann –: »Eile mit Weile«, und ebenso dieses: »schrittweise, langsam, bedächtig«]. Barra Ihr habt schon recht, Signor Doktor, immer auf Eure Ehre und den Adel Eures Wandels bedacht zu sein. Mamfurio Oh, Entwender, dessen Gebeine ich aufs Rad geflochten sehen möchte! Ojemine, er wird mich doch nicht um alles betrogen haben? Was wird mein Mäzen jetzt sagen? Ich werde ihm antworten, mit der Autorität des Hauptes der Peripatetiker, Aristoteles, secundo Physicorum, vel Periacroaseos: »Casus est eorum quae eveniunt in minori parte, et praeter intentionem.« [der im zweiten Buch der Physik oder Peri Acroaseos sagt: »Das kommt selten vor und ohne Absicht.«] Barra Ich denke, er wird sich damit zufrieden geben. Mamfurio Oh, Ihr ungerechten Lenker des Rechts, wenn Ihr Eure Pflicht tun würdet, gäbe es keine solche Menge von Übeltätern. Vielleicht hat er doch nicht alles genommen? Oh, Ruchlosester!

148

atto terzo

207 | 209

scena xiii Sanguino, Barra, Mamfurio, Marca Sanguino O là uomini da bene: per che è fuggito colui? che ha egli fatto, quel ribaldo? Barra Siate ben venuto, messer mio. Noi siamo ne la maggior angoscia del mondo: abbiamo avuto quel ladro (o non so come vuol che si chiama il signor magister) intra le mani; e perché non sappiamo di lettera, è scappato al diavolo. Sanguino Non so che raggioni son queste vostre: io ve dimando per che è fuggito. Mamfurio Mi ha involati diece scudi. | Sanguino Come diavolo han volato diece scudi? Marca Ben si vede che mai andaste a scola. Sanguino Subito ch’io ebbi imparata la B A, BA, mio padre me diè per ragazzo al capitan Mancino. Mamfurio Veniamus ad rem: mi ha egli rubbati diece scudi. Sanguino Rubbato? rubbato? a voi domine? a voi domine magister? Bàsovi le mani, non mi conoscete? Mamfurio Io vi ho, alcune ore fa, quando eravate con il mio discepolo Pollula. Sanguino Io son quello, signor domino magister. Sappiate ch’io vi son servitor, et ho gran voglia di farvi piacere; e per ora sappiate che vostri scudi son recuperati. Mamfurio Dii velint, faxint ista superi, o utinam! Barra Oh, si farete tanto bene a questo gentil omo, mai facestivo meglior e più degna opra: et egli non vi sarà ingrato, et io da parte mia vi donarò un scudo. Sanguino Son ricuperati dico. Marca L’avete voi? Sanguino Non, ma cossì come l’avesse nelle mani il signor magister.

dritter akt

149

13 . szene

Sanguino, Barra, Mamfurio, Marca

63

64

Sanguino Hallo, Ihr Ehrenmänner, warum ist denn jener da davongerannt? Was hat er getan, der Bösewicht? Barra Seid willkommen, mein Herr. Wir befinden uns in der größten Bedrängnis der Welt: Wir hatten diesen Dieb, oder ich weiß nicht, wie der Signor Magister wünscht, daß man ihn nennt, schon in unseren Händen; aber weil wir keine humanistische Bildung haben, ist er zum Teufel entkommen. Sanguino Ich verstehe überhaupt nicht, was Ihr da redet. Ich frage Euch: Warum ist er weggelaufen? Mamfurio Er hat mir zehn Scudi entwendet. Sanguino Wie zum Teufel haben sich zehn Scudi verflüchtigt? Marca Man sieht deutlich, daß Ihr nie in die Schule gegangen seid. Sanguino Gleich nachdem ich mit dem Abakus umzugehen gelernt habe, schickte mich mein Vater als Bursche zum Capitano Mancino. Mamfurio Veniamus ad rem [Kommen wir zur Sache]: Mir hat er zehn Scudi geraubt. Sanguino Geraubt? Geraubt? Euch, Domine? Euch, Domine Magister? Ich küsse Euch die Hände, erkennt Ihr mich denn nicht? Mamfurio Ich habe Euch vor einigen Stunden [gesehen], als Ihr mit meinem Schüler Pollula zusammen wart. Sanguino Der bin ich, Signor domino Magister. Ihr müßt wissen, daß ich Euch zu Diensten bin und Euch sehr gerne einen Gefallen tun möchte; und für jetzt wißt, daß Eure Scudi wieder da sind. Mamfurio Dii velint, faxint ista superi, o utinam [Die Götter wollen es, lasse der Himmel es geschehen]! Barra Oh, wenn Ihr diesem Edelmann eine solche Wohltat erweisen wollt, dann habt Ihr niemals ein besseres und ehrenvolleres Werk vollbracht; und er wird Euch nicht undankbar sein, und ich, meinerseits, werde Euch einen Scudo schenken. Sanguino Sie sind wieder da, sage ich. Mamfurio Habt Ihr sie? Sanguino Nein, aber es ist ganz so, als hätte der Signore Magister sie in Händen.

150

atto terzo

209 | 213

Barra Conoscete voi colui? Sanguino Conosco. Barra Sapete dove dimora? | Sanguino So. Mamfurio O superi, o celicoli diique deaeque omnes! Marca Noi siamo a cavallo. Barra Bisogna soccorrere al negocio di questo monsignore, per amor et obligo ch’abbiamo alle lettere et a’letterati. Mamfurio Me vobis comendo: mi raccomando alle vostre cortisie. Marca Non dubitate, signore. Sanguino Andiamo tutti insieme, per che lo trovaremo: io so certissimo il loco dove va ad annidarsi costui; di averlo in mano non è dubbio alcuno. Non potrà negar il furto, per che benché lui non mi abbia visto, io ho veduto lui fuggire. Marca E noi l’abbiamo veduto fuggire dalle mani del signor maestro. Mamfurio Vos fidelissimi testes. Sanguino Non bisogna rompersi la testa: o ne darà gli scudi o lo daremo in mano della giustizia. Mamfurio Ita, ita, nil melius: voi dite benissimo. Sanguino Signor magister, bisogna che voi siate presente. Mamfurio Optime. »Urget praesentia Turni«. | Sanguino Però, andando noi tutti quattro insieme, al batter che faremo de la porta, potrà essere che quella puttana con la quale egli dimora, consapevole del negocio, o perché lui per qualche rima ne vegga, non venghino ad concederne l’entrata; o che quell’uomo fugga, o si asconda ad altra parte: ma non essendo voi conosciuto, son certo che lo tirarò a raggionar meco per ogni modo sotto certe specie di cose che passano. Però sarà bene, anzi necessario, che cangiate vestimenta, mostrandovi di robba corta. Voi altro, messer, quale è vostro nome, si ve piace dirlo?

dritter akt

65

151

Barra Kennt Ihr ihn? Sanguino Ich kenne ihn. Barra Wißt Ihr, wo er sich aufhält? Sanguino Ich weiß es. Mamfurio O superi, o coelicoli, diique, deaeque omnes! [(Variationen von:) Oh Ihr Götter, alle!] Marca Wir sind aus dem Schneider. Barra Man muß diesem Monsignore helfen, aus Liebe und Verpflichtung, die wir für die humanistische Bildung und die Gebildeten haben. Mamfurio Me vobis commendo [Ich bedanke mich bei Euch]: Ich bedanke mich für Eure Freundlichkeiten. Marca Zweifelt nicht, Signore. Sanguino Gehen wir alle zusammen, um ihn zu treffen. Ich kenne ganz sicher den Ort, wo der sich einnisten wird: Kein Zweifel, man hat ihn in der Hand. Er wird den Diebstahl nicht leugnen können, denn obwohl er mich nicht gesesehn hat, habe ich ihn weglaufen sehen. Marca Und wir haben ihn aus der Obhut des Signore Maestro flüchten sehen. Mamfurio Vos fidelissimi testes [Ihr getreuesten Zeugen]. Sanguino Es ist unnötig, sich den Kopf zu zerbrechen: Entweder er gibt uns die Scudi, oder wir geben ihn in die Hände der Justiz. Mamfurio Ita, ita, nil melius [So so, nichts Besseres], ganz hervorragend gesagt. Sanguino Signore Magister, es ist notwendig, daß Ihr dabei seid. Mamfurio Optime. »Urget praesentia Turni« [Hervorragend. »Es drängt die Gegenwart des Turnus«]. Sanguino Aber, wenn wir alle vier zusammen gehen, bei dem Geklopfe, das wir an der Türe veranstalten, kann es sein, daß entweder diese Hure, bei der er sich aufhält, über die Angelegenheit Bescheid weiß, weil sie uns durch einen Spalt [in der Türe] sieht und uns den Eintritt verwehrt, oder daß dieser Mann flüchtet oder sich an einem anderen Ort versteckt. Wenn er Euch aber nicht erkennt, bin ich sicher, daß ich ihn auf jeden Fall unter dem Vorwand gewisser Ereignisse in ein Gespräch verwickle. Deshalb wird es gut, ja nötig sein, daß Ihr die Kleidung wechselt und Euch in kurzem Gewand zeigt. Und Ihr da, mein Herr, welches ist Euer Name, wenn es Euch beliebt?

152

atto terzo

213 | 215

Barra Coppino al servizio vostro. Sanguino Voi messer Coppino, farete questo piacere a me et al signor magister, il quale vi potrà far di favori assai … Mamfurio Me tibi offero. Sanguino … imprestategli lo vostro mantello, e voi vi coprirete di sua toga: che per esser voi più corto di persona, parrete un altro. E per meglio compartire, date, signor magister, il cappello a questo altro compagno, e voi prendete la sua baretta; et andiamo. Mamfurio Nisi urgente necessitate, nefas esset habitum proprium dimictere; tamen, nihilominus, nulla di meno, quia ita videtur, ad imitazion di Patroclo che co le vesti cangiate si finse Achille, e di Corebo che apparve in abito di Androgeo, e del gran | Giove (poetarum testimonio) per suoi dissegni in tante forme cangiato, deponendo talvolta la più sublime forma, non mi dedignarrò deporre la mia toga literaria: optimo mihi proposito fine, di animadvertere contra questo criminoso abominando. Barra Ma ricordatevi, signor mastro, di riconoscere la cortesia di questi galant’ommi, che per me non ve dimando nulla. Mamfurio A voi in comuni destino la terza parte de gli ricovrati scudi. Sanguino Gran mercé alla vostra liberalità. Barra Or su andiamo andiamo. Mamfurio Eamus dextro Hercule. Sanguino, Marca Andiamo.

fine dell, atto terzo |

dritter akt

66 67

68

153

Barra Coppino, zu Euren Diensten. Sanguino Ihr, Herr Coppino, tut diesen Gefallen mir und dem Signore Magister, der Euch sehr nützlich sein kann … Mamfurio Me tibi offero [Ich stehe zu deiner Verfügung]. Sanguino … le iht ihm Euren Mantel, und hüllt Euch in seine Toga, denn, da Ihr von kleinerem Wuchs seid, werdet Ihr ein anderer zu sein scheinen. Und um die Aufteilung zu verbessern, gebt Ihr, Signor Magister, den Hut diesem anderen Genossen, und Ihr selbst nehmt sein Barett; und gehen wir. Mamfurio Nisi urgente necessitate, nefas esset habitum proprium dimittere; tamen, nihilominus [Wenn nicht aus dringender Notwendigkeit, ist es unstatthaft, das eigene Gewand abzulegen, dennoch, nichtsdestoweniger], nichtsdestotrotz, quia ita videtur [da es ja so zu sein scheint], in Nachahmung des Patroklos, der sich mit vertauschter Kleidung als Achilles ausgab, und des Coroebus, der im Gewand des Androgeos auftrat, und des großen Jupiter, der poetarum testimonio [wie die Poeten schreiben] wegen seiner Absichten so viele verschiedene Gestalten angenommen hat und manchmal die erhabenste Gestalt aufgab, so will auch ich mich nicht verweigern und meine humanistische Toga ablegen, optimo mihi proposito fine [indem ich mir das hervorragende Ziel setze], diesen abscheulichen Kriminellen animadvertere [zu bestrafen]. Barra Aber denkt daran, Herr Lehrer, den Edelmut dieser Ehrenmänner anzuerkennen, denn für mich verlange ich nichts von Euch. Mamfurio Euch in communi [gemeinsam] bestimme ich ein Drittel der wiedergewonnenen Scudi. Sanguino Großen Dank für Eure Freigebigkeit. Barra Jetzt los, gehen wir, gehen wir. Mamfurio Eamus dextro Hercule [Gehen wir, Herkules sei uns gewogen]. Sanguino , Marca Gehen wir.

ende des dritten aktes.

217 | 219

AT T O Q UA RT O

scena i Signora Vittoria sola Aspettare e non venire, è cosa da morire. Si se farà troppo tardi non si potrà far nulla per questa volta: e non so si se potrà di bel nuovo offrirsi tale occasione, come si presenta questa sera, di far che questa pecoraccia raccoglia i frutti degni del suo amore. Quando mi credevo di guadagnar una dote co l’amor di costui, sento dir che cerca d’affatturarmi con l’avermisi formata in cera. E potrebbe giamai l’unita forza fatta del profondo inferno, gionta alla efficacia che si trova ne’ spirti de l’aria e l’acqui, far ch’io possa amar un che non è soggetto amoroso? Si fusse il dio d’amore istesso, bello quanto si voglia, si sarà egli povero o ver (che tutto viene ad uno) avaro, ecco lui morto di freddo; e tutto il mondo agghiacciato per lui. Certo quel dir »povero, over avaro«, è un miserabile e svergognatissimo epiteto, che fa parer brutti i belli, ignobili i nobili, ignoranti i savii, et impotenti i forti. Tra noi che si può dir più che reggi, monarchi et imperadori? questi pure, si non arran de quibus, si non farran corere gli de quibus, saran come statue vecchie d’altari sparati, a’ quali non è chi faccia riverenza. | Non possiamo non far differenza tra il culto divino e quello di mortali. Adoriamo le sculture e le imagini, et onoriamo il nome divino scritto, drizzando l’intenzione a quel che vive. Adoramo et onoramo questi altri dèi che pisciano e cacano, drizzando la intenzione e supplice devozione alle lor imagini e sculture, per che mediante queste premiino i virtuosi, inalzino i degni, defendano gli oppressi, dilatino i lor confini, conservino i suoi, e si faccino temere dall’aversarie forze: il re dumque et imperator di carne et

V I E RT E R A K T

1 . szene

Signora Vittoria, allein

1

Warten auf jemanden, der nicht kommt, ist zum Sterben. Wenn man zu spät dran ist, wird man diesmal nichts machen können: Und ich weiß nicht, ob sich eine solche Gelegenheit noch einmal anbieten wird, wie sie sich an diesem Abend ergibt, damit dieses Erzschaf die Früchte erntet, die seiner Liebe würdig sind. Während ich dachte, ich würde durch seine Liebe an eine Mitgift kommen, höre ich, daß er versucht, mich dadurch zu behexen, daß er mich in Wachs nachgebildet hat. Aber könnte jemals die vereinte Kraft der Hölle zusammen mit den Geistern der Luft und der Gewässer bewirken, daß ich einen liebe, der nicht liebenswert ist? Und wenn es der Liebesgott höchstpersönlich wäre, so schön er auch sein mag, wenn er arm oder vielmehr – was auf dasselbe hinauskommt – geizig ist, so wird er bestimmt den Kältetod sterben und die ganze Welt mit ihm vereisen. Natürlich, die Worte »arm« oder vielmehr »geizig« sind ein miserables und beschämendes Epitheton, welches die Schönen häßlich erscheinen läßt, die Edlen unedel, die Wissenden ignorant und die Starken machtlos. Unter uns: Was läßt sich noch von den Königen, Monarchen und Kaisern sagen? Sogar diese, wenn sie nicht de quibus [das Geld] haben, wenn sie nicht die de quibus umlaufen lassen, sind wie alte Statuen auf ungeschmückten Altären, denen keiner mehr Ehre erweist. Wir können nicht umhin, einen Unterschied zwischen der Gottesverehrung und jener der Sterblichen zu machen. Wir beten Skulpturen und Bilder an, und wir verehren den göttlichen Namen, wie er niedergeschrieben ist, während unsere Aufmerksamkeit sich auf den richtet, der lebt. Wir verehren und beten jene anderen Götter an, die pinkeln und scheißen, und richten unsere Absicht und tiefste Verehrung auf ihre Skulpturen und Bilder, damit sie durch diese die Tugendhaften auszeichnen, die Würdigen erheben, die Unterdrückten verteidigen, die Grenzen [ihrer Länder] ausweiten, ihre Angehörigen schützen und den Gegnern Furcht einflößen. Der König

156

atto quarto

219 | 212

ossa, si non corre sculpito, non val nulla. Or che dumque sarà di Bonifacio che, come non si trovassero uomini al mondo, pensa d’essere amato per gli belli occhii suoi? Vedete quanto può la pazzia. Questa sera intenderà che possan far contanti; questa sera spero che vedrà l’effetto della sua incantazione. Ma questa faccia di strega che fa tanto che non viene? Oh, la veggo in fine.

scena ii Lucia, signora Vittoria Lucia Voi siete cqua, signora? Signora Vittoria Non possevo resister dentro col tanto aspectarti: vedi che passarà la comodità, che questa sera abbiamo per questi uomini. Avete parlato a la moglie di Bonifacio? Lucia Io gli ho tutta la verità narrata, et oltre di gran punti d’avantaggio: di sorte che ella tutta s’infiamma et arde di convencere suo marito in | questo fatto. Anzi lei ha pensato un’altra cosa che molto mi piace, ciò è che gli improntiate vostra gonnella e manto, per dui serviggi: et a fin che non sii conosciuta al venir et all’entrar et uscir di casa vostra; et anco per che, negli abbracciari che gli faremo far al buio, venghi a conoscerla per signora Vittoria in tutte l’altre parte fuor ch’il volto, il qual per il camino portarà amantato secondo la vostra consuetudine: e poi dentro la camera per un pezzo gli faremo aspettar il lume, tanto che possan far per una volta. Signora Vittoria Sì, ma bisognarà pure che lei lo risaluti e gli risponda qualche parola: e sarà difficile che non la venghi a conoscere nella voce. Lucia Oh, provedere a questo è la più facil cosa del mondo: io gli dirò che parli piano e sotto voce, per che gionte a muro a muro son de vicine che odono tutto quel che si dice llì dentro.

vierter akt

157

und der Kaiser aus Fleisch und Blut gilt also nichts, wenn er nicht als Prägung im Umlauf ist. Was wird nun aus Bonifacio, der glaubt (als ob sich keine [anderen] Männer auf dieser Welt fänden!), er werde wegen seiner schönen Augen geliebt? Ihr seht, wohin der Wahnsinn führen kann. An diesem Abend glaubt er, Bares zu kriegen; ich hoffe, daß er an diesem Abend die Wirkung seiner Verzauberung sehen wird. Aber dieses Hexengesicht, was macht sie so lange, daß sie nicht kommt? Oh, endlich sehe ich sie.

2 . szene

Lucia, Signora Vittoria

2

Lucia Ihr seid hier, Signora? Vittoria Ich habe es drinnen nicht mehr ausgehalten, so lange auf Euch zu warten: Du wirst sehen, wir werden heute abend die günstige Gelegenheit mit diesen Männern verpassen. Habt Ihr mit Bonifacios Frau gesprochen? Lucia Ich habe ihr die ganze Wahrheit erzählt und darüber hinaus noch andere wichtige nützliche Dinge, so daß sie glüht und darauf brennt, ihren Mann in dieser Angelegenheit zu überzeugen. Mehr noch, sie hat noch an etwas anderes gedacht, was mir sehr gefällt, und das wäre, daß Ihr ihr Euer Röckchen und Mantel leiht, und [zwar] aus zweierlei Gründen: Erstens, damit sie nicht erkannt wird, wenn sie in Euer Haus tritt und es wieder verläßt, und dann auch, daß er sie bei den Umarmungen, die wir ihn im Dunkeln machen lassen, für Signora Vittoria hält, in ihrer ganzen Erscheinung bis auf das Gesicht, welches sie beim Gehen mit dem Mantel verhüllen wird, wie auch Ihr es für gewöhnlich tut. Und drinnen im Zimmer werden wir ihn dann ein Weilchen auf Licht warten lassen, lange genug, damit sie es einmal tun können. Vittoria Ja, aber sie wird nicht vermeiden können, seine Begrüßung zu erwidern und ein paar Worte zu wechseln, und es wird schwierig sein, daß er sie nicht an der Stimme erkennt. Lucia Oh, dem vorzubeugen ist die einfachste Sache der Welt: Ich werde ihm sagen, daß du leise sprichst und flüsterst, weil es Nachbarn an der Wand gibt, die alles hören, was hier drinnen gesprochen wird.

158

atto quarto

221 | 223

Signora Vittoria Voi dite assai bene: lei farà finta de temer d’essere udita da gli altri di casa e da’ vicini. Chi è che viene? Lucia Messer Bartolomeo.

scena iii Signora Vittoria, messer Bartolomeo, Lucia Signora Vittoria Dove va, messer Bartolomeo? Bartolomeo Vo al diavolo. | Lucia Più presto trovarai costui che l’angelo Gabriello. Bartolomeo Madonna portanovelle, accordaliuto: per che gli angeli non sono cossì affabili come diavoli, lo mondo vien provesto di te e di tue pari per scusar quelli. Signora Vittoria Forse che ci va troppo per farti montar il senapo: il molto frequentar e prossimarti al fuoco t’ha diseccato, tanto che facilmente la rabbia ti predomina, dài dentro a l’ingiurie senz’esser provocato. Bartolomeo Non dico a voi signora Vittoria, che vi porto ogni rispetto et onore. Signora Vittoria Come non dite ad me? vi par che questa ingiuria che dite a lei non resulti criminalmente in mia persona? Andiamone, Lucia. Bartolomeo Non cossì in furia, signora: io burlo con Lucia che più mi tenta, si più mi vede fastidito. Lucia Sì, sì, messer sì, in tutto Napoli non è peggio lingua che la tua, che ti sii mozza, lingua da risse e da discordia. Bartolomeo Al contrario di cotesta tua, di concordia, pace et unione.

vierter akt

159

Vittoria Das klingt tatsächlich gut, sie wird so tun, als fürchte sie, von den anderen Leuten im Haus und den Nachbarn gehört zu werden. Wer ist das, der da kommt? Lucia Herr Bartolomeo.

3 . szene

Signora Vittoria, Bartolomeo, Lucia

3

4

Vittoria Wohin gehen Sie, Herr Bartolomeo? Bartolomeo Ich geh’ zum Teufel. Lucia Du wirst ihn eher antreffen als den Engel Gabriel. Bartolomeo Madame Gerüchteküche, [du] Lautenstimmerin: Die Engel sind nicht so umgänglich wie die Teufel, deshalb wird die Welt mit dir und deinesgleichen ausgestattet, um jene zu entschuldigen. Vittoria Vielleicht geschieht zuviel, das dir die Wut zu Kopf steigen läßt, die vielen und wiederholten Begegnungen mit dem Feuer haben dich ausgetrocknet, so daß dich leicht die Wut überfällt. Du wirfst mit Beleidigungen um dich, ohne selbst provoziert worden zu sein. Bartolomeo Ich sagte nichts gegen Euch, Signora Vittoria, Euch zolle ich jeden Respekt und meine volle Hochachtung. Vittoria Was heißt das, Ihr sagtet nichts gegen mich? Glaubt Ihr etwa, diese Beleidigungen gegen sie würden sich nicht auf verbrecherische Weise auch gegen mich wenden? Gehen wir, Lucia. Bartolomeo Nicht so furios, Signora: Ich scherze mit Lucia, je mehr sie mich reizt, desto aufgebrachter wird sie mich antreffen. Lucia Ja, ja, Herr ja, in ganz Neapel gibt es keine bösere Zunge als die deine, man sollte sie dir abhacken, diese Zunge des Streits und der Zwietracht. Bartolomeo Ganz im Gegensatz zu deiner: [Zunge] des Einverständnisses, Friedens und der Eintracht.

160

atto quarto

223 | 225

scena iv Bartolomeo solo Cancaro se mangi quante ruffiane e puttane sono al mondo: starebbono fresche le potte s’aspettassero | la nostra rendita, idest l’entrata; per me tanto, sicuramente l’aragne vi potran far la tela. – Di metalli dicono che il più grave è l’oro: e tutta via nulla cosa fa andar l’uomo più sciolto, leggiero et isnello che questo: non ogni peso et ogni cosa che ne s’aggionge, ne aggrava; ma se ne trova una tale che è tanto lieve che, quanto è più grande, fa più ispedito e destro. L’uomo senza l’argento et oro, è come ucello senza piume: che chi lo vuol prendere, sel prende, chi sel vuol mangiar, sel mangia; il qual però, s’ha quelle, vola, e se n’ha tante più, tanto più vola, e più s’appliglia ad alto. Messer Bonifacio quando s’arrà scrollata la borsa e la schena, si sentirà più grave, al dispetto di tutti suoi nemici. – Ma ecco a tempo quel bel paranimfo inamorato; non porta più la bella cappa: bendette siino le mani a quel mariolo; adesso corre all’odore. scena v Messer Bartolomeo, messer Bonifacio Bartolomeo Affréttati, affretta un po’ più, messer Bonifacio: poco fa ho veduto passar il tuo core, la tua anima per cqua; ti giuro che adesso veggendola mi son ricordato di tuoi amori: e per ciò considerandola un poco più attentamente, mi ha parsa cossì bella, che mi s’è tanto gonfiata la vena maestra, che non posso più dimorar dentro le brache. Bonifacio Basta: mi doni la baia, messer Bartolomeo. Io sono inamorato, io sono incatenato: voi fate per li nominativi, et io per li aggetivi; voi co la vostra alchimia, et io co la mia; voi al vostro fuoco, et io al mio. Bartolomeo Io al fuoco di Vulcano, e voi a quel di Cupido. |

vierter akt

161

4 . szene

Bartolomeo, allein

5

Der Krebs soll die ganzen Zuhälterinnen und Huren fressen, die es auf dieser Welt gibt. Die würden sich anschauen, diese Nutten, wenn sie auf unsere Rendite warten würden, idest den Eintritt. Was mich betrifft, können die Spinnen dort ihre Netze weben. Von den Metallen, sagt man, ist Gold das schwerste: Und dennoch bringt nichts die Menschen gelöster, leichter und schneller in Gang als dieses! Nicht alles Gewicht und alles, was man auf sich nimmt, ist beschwerlich. Vielmehr gibt es eine Sache, die so leicht ist, daß sie, je größer sie ist, umso schneller und geschickter macht. Der Mensch ohne Gold und Silber ist wie ein Vogel ohne Federn: Wer ihn fangen will, kann ihn fangen, wer ihn essen will, ißt ihn. Hat er aber welches, dann fliegt er, und hat er viel davon, fliegt er um so besser und gewinnt an Höhe. Herr Bonifacio wird sich, wenn er erst einmal seine Geldbörse und seinen Sack geleert hat, schwerer fühlen, zum Hohn all seiner Feinde. Aber hier ist er schon, dieser verliebte Brautführer. Er trägt seinen schönen Mantel nicht mehr. Gelobt seien die Hände dieses Gauners, jetzt hat er Lunte gerochen.

5 . szene

Bartolomeo, Bonifacio

6

7

Bartolomeo Beeile dich, beeile dich noch ein bißchen mehr, Herr Bonifacio. Vor kurzem habe ich dein Herz, deine Seele hier vorbeigehen sehen. Ich schwöre, als ich sie jetzt sah, habe ich mich an deine Liebe erinnert. Und weil ich sie daher etwas aufmerksamer betrachtet habe, schien sie mir so schön, daß sich meine Hauptschlagader dermaßen aufgepumpt hat, daß ich nicht länger in meinen Hosen bleiben kann. Bonifacio Es reicht, du verspottest mich, Herr Bartolomeo. Ich bin verliebt, ich bin gefesselt. Ihr macht es im Nominativ, ich im Adjektiv; Ihr mit Eurer Alchemie, ich mit der meinen, Ihr an Eurem Feuer, ich an meinem. Bartolomeo Ich beim Feuer des Vulkans, Ihr an dem des Cupido.

162

atto quarto

227 | 229

Bonifacio Vedremo chi di noi farà meglior riuscita. Bartolomeo Vulcano è un uomo raggionevole, discreto e da bene; quest’altro è un putto senza raggion, bardascio sfondato: il quale a chi non fa disonore, fa danno; et a chi non fa l’uno, fa l’uno e l’altro. Bonifacio Beato voi s’arete cossì buona riuscita, come avete buon conseglio. Bartolomeo Sfortunato voi si la madre di pazzi non vi aggiuta. Bonifacio Volete dir la sorte. Ve dirrò, messer Bartolomeo: alle buone riuscite ogn’un sa trovar quella raggione che già mai vi fu; ancor ch’io maneggi miei affari con furia di porco salvatico, e mi succedon bene, ogn’un dirà: »Costui ha bel discorso, ha saputo prender il capo del negocio cossì e cossì, et ha ben fatto«. Per il contrario, dopo ch’io arrò compassato i miei negocii con quante filosofie giamai abbiano avuto que’ barbiferi mascalzon di Grecia e de l’Egitto, si per disgrazia la cosa non accade a proposito, ogn’un mi chiamarà balordo. Si la cosa passa bene, »Chi l’ha fatto, chi l’ha fatto?«: »Il gran consiglio pariggino«; si la va male, »Chi l’ha fatto, chi l’ha fatto?«: »La furia francesa«. Oltre, »Per che questo, per che?«: »Per conseglio di Spagna«; »Perché, perché?«: »Per l’alta e lunga spagnola«. »Chi ha guadagnato e mantiene tanti bei paesi ne l’Istria, Dalmazia, Grecia, nel Adriatico mare e Gallia Cisalpina? chi orna Italia, l’Europa et il mondo tutto di una tanta Republica a nisciun tempo et a nisciun modo serva?«: »Il maturo | conseglio vineziano«; »Chi ha perso Cipri, chi l’ha perso?«: »La coglioneria di que’ magnifici, la avarizia di que’ messeri Pantaloni«. All’ora dumque si fa conto del giudizio, et è lodato, quando la sorte et il successo è buono. Bartolomeo Tanto che volete dir a nostro proposito: »Ventura dio, niente senno basta«. – Veggio venir Lucia: io ve la lascio. Ho inviato alla

vierter akt

8

9 10

11 12

13

163

Bonifacio Wir werden sehen, wer von uns den größeren Erfolg erzielt. Bartolomeo Vulkan ist ein vernünftiger Mann, diskret und gutmütig. Jener andere ein Engelchen ohne Verstand, ein unersättlicher Lustknabe, der demjenigen, dem er nicht Schande bringt, Schaden bringt. Und wem er nicht das eine bringt, dem bringt er beides. Bonifacio Selig seid Ihr, wenn Euer Erfolg genauso gut sein wird, wie Eure Ratschläge es sind. Bartolomeo Euer Unglück, wenn die Mutter der Wahnsinnigen Euch nicht hilft. Bonifacio Ihr wolltet sagen, das Schicksal. – Ich sage Euch, Herr Bartolomeo: Jeder findet für seine Erfolge einen vernünftigen Grund, den es nie gegeben hat. Wenn mir meine Geschäfte gut gelingen und selbst wenn ich sie mit dem Furor eines Wildschweins angegangen war, werden alle sagen: »Dieser vermag sich schön auszudrücken, er hat gewußt, die Gelegenheit so und so beim Schopf zu packen, und er hat gut daran getan.« Wenn aber im Gegenteil, und selbst wenn ich meine Geschäfte mit so vielen Philosophien abwickeln würde, wie sie dieses bärtige Räuberpack von Griechenland bis Ägypten erfunden hat, und durch ein Unglück die Sache nicht gut ausgeht, werden mich alle einen Taugenichts nennen. Wenn alles gut geht: »Wer hat es gemacht, wer hat es gemacht?« – »Das große Pariser Konzil.« Wenn es schlecht ausgeht: »Wer hat es gemacht, wer hat es gemacht?« – »Der französische Furor.« Darüber hinaus: »Wem gebührt es, wem?« – »Auf Anraten Spaniens.« – »Warum, warum?« – »Wegen der spanischen Eitelkeit und Langsamkeit.« – »Wer eroberte und hält so viele schöne Ländereien in Istrien, Dalmatien, Griechenland, am Adriatischen Meer und der Gallia Cisalpina? Wer schmückt Italien, Europa und die ganze Welt mit einer solchen Republik, die zu keiner Zeit und in keiner Weise sich unterwarf?« – »Das reife Venezianische Konzil« – »Wer hat Zypern verloren, wer hat es verloren?« – »Das Eiertreten dieser Magnifizenzen, der Geiz dieser Herren Pantaloni.« So errechnet man das Urteil, und es wird gelobt, wenn das Schicksal und der Erfolg günstig sind. Bartolomeo Wollt Ihr also, was uns betrifft, sagen: »Wenn Gott will, braucht es keine Geschicklichkeit.« Ich sehe Lucia kommen: Ich überlasse sie Euch. Ich habe meinen Laufburschen um ein gewisses Pulver

164

atto quarto

229 | 231

botteca di Consalvo il mio garzone per certa polvere, e non vede ora di venire: bisogna ch’io vi vadi. [Bonifacio] Andate: ch’io ho da raggionar con costei per altri affari, che per quei che voi credete.

scena vi Bonifacio, Lucia [Bonifacio] Costei per la prima mi chiederà de danari: son certo che sarà questo il proemio; e la mia risoluzion sarà »cazzo in potta, e danari in mano«: ch’a la fine non voglio che femine sappiano più di me. Ben venga Lucia; che mi porti di nuovo? Lucia Oh, misser Bonifacio dolce, io non ho tempo di salutarti, per che vi bisogna parlar di soccorrer presto al fatto di questa signora infelicissima. | Bonifacio Fate buone premisse, se volete buona conclusione. Il mal de la borsa. Lucia La si muore … Bonifacio Quando sarà morta la faremo sepelire, disse un santo Padre. Lucia Io dico che la nostra signora Vittoria si muore per voi crudele. Questa è la vita che possete donargli, e che gli promettete? voi menate passatempi, e quella povera gentil donna si risolve tutta in suspiri e lacrime: che si voi la vedrete non la conoscerete più, non vi parrà forse bella come vi solea parere; non so si in voi potrà tanto l’amore quanto la compassion di lei. Bonifacio Che, ha bisogno di danari? Lucia Che vòl dir danari? che vuol dir danari? vadano in mal’ora quanti ne sono al mondo: si voi ne volete da lei, la ve ne darrà. Bonifacio Or questo non …, ah! ah! ah! questo non crederò io, ah! ah! ah! ah! Lucia Dumque non lo credete, crudelaccio, senza pietà, uh, uh, uh, uh … Bonifacio Voi piangete?

vierter akt

165

zum Laden von Consalvo geschickt, aber er hält es nicht für notwendig zu kommen. Ich werde [selbst] hingehen müssen. [Bonifacio] Geht nur, ich habe mit ihr andere Dinge zu besprechen als das, was Ihr glaubt. 6 . szene

Bonifacio, Lucia

14

15

[Bonifacio] Sie wird mich zuerst um Geld bitten. Ich bin sicher, das wird die Vorrede sein. Und ich werde antworten: »Schwanz in die Möse und Geld in die Hand.« Ich will nämlich nicht, daß Frauen mehr über mich wissen. – Willkommen Lucia; was gibt es Neues? Lucia Oh, süßer Herr Bonifacio, ich habe keine Zeit, dich zu begrüßen, denn es gilt jetzt zu besprechen, wie wir dieser unglücklichsten Frau schnell helfen können. Bonifacio Macht gute Vorsätze, wenn Ihr Gutes erreichen wollt – es drückt der Geldbeutel. Lucia Sie stirbt … Bonifacio »Wenn sie tot ist, werden wir sie begraben«, sagte ein Heiliger Vater. Lucia Ich sage, unsere Signora Vittoria wird Euretwegen sterben, Grausamer! Ist das das Leben, welches Ihr ihr schenken könnt, und das Ihr ihr versprecht? Ihr spielt zum Zeitvertreib, während diese arme, liebenswürdige Frau sich gänzlich in Seufzern und Tränen auflöst: Wenn Ihr sie seht, werdet Ihr sie nicht wiedererkennen. Sie wird Euch vielleicht nicht mehr so schön erscheinen, wie sie es immer tat. Ich weiß nicht, ob die Liebe in Euch so viel ausrichten kann wie das Mitleid mit ihr. Bonifacio Was, braucht sie Geld? Lucia Was heißt Geld? Was heißt Geld? Zum Teufel mit allem, was es davon auf der Welt gibt. Wenn Ihr das von ihr wollt, wird sie es Euch geben. Bonifacio Jetzt, nein, …, ha, ha, ha! Das werde ich nicht glauben, ich nicht, ha, ha, ha! Lucia Dann glaubt es nicht, Erbarmungsloser ohne Mitleid, uh, uh, uh! Bonifacio Ihr weint?

166

atto quarto

231 | 235

Lucia Piango la crudeltà vostra, e la infelicità di quella signora … uh uh, misera me, meschina me, che mal’ora t’ha presa adesso? mai viddi né udivi amor posser tanto in petto di femina: sin al giorno d’oggi la vi amava certo … uh uh uh … da alcune ore in cqua non so che fantasia l’abbia presa, che non ha | altro in bocca che »Messer Bonifacio mio, cor mio, viscere dell’anima mia, mio fuoco, mio amore, mia fiamma, mio ardore«. Vi giuro che son quindici anni ch’io la conosco, tanto piccolina, sempre l’ho veduta d’un medesmo volto, nell’amor freddissima; adesso si voi verrete la trovarrete poggiata sopra il letto, col viso in giù sopra un coscino che tiene abbracciato con ambe le braccia, e dire (che me ne vien rossore e pietà): »Ahi, messer Bonifacio mio, chi me ti toglie? Ahi, mia cruda fortuna: quando m’ha egli voluta, me gli hai negata; son certa, adesso che io lo bramo e per lui mi consumo, che me lo negarai. Ahi, cuor mio impiagato«. Bonifacio È possibile? può esser che lei dica questo? possono essere tante cose? Lucia Voi, voi Bonifacio, mi farete far cosa, che già mai feci in vita mia: voi mi farete rinegare … uh, uh, uh, uh, uh … povera signora Vittoria mia, che pessima sorte tua; in mano di chi sei incappata … uh, uh, uh … Ora, ora, adesso m’accorgo che voi mai la amastivo; e che in tutto Napoli non è uomo più finto di te … uh, uh uh uh uh, oimè, desolata me: che rimedio potrò porgerti, poverina? Bonifacio Uh uh, ti credo, ti credo, Lucia mia: non più piangere. Non è ch’io non credesse quel che voi dite, ma mi maravigliavo: che influenza nova del cielo può esser questa che mi voglia faurir tanto, che quella mia signora la qual (mercé del mio intenso amore) sempre me si ha mostrata non manco cruda che bella, quel petto di diamante sii cangiato? Lucia Cangiata? cangiata? s’io non l’avesse reprimuta, volea venire a ritrovarvi in casa vostra. Io li dissi: »Folla che voi siete; voi gli farete | dispiacere: che dirà sua moglie? che dirà tutto il mondo che vi vedrà.

vierter akt

167

Lucia Ich beweine Eure Grausamkeit und das Unglück dieser Frau … uh, uh, ich Arme, ich Schäbige, welch Unglück hat dich nun erfaßt! Noch nie sah oder hörte ich, daß soviel Liebe in einer Frauenbrust sein kann. Sie liebte Euch auch schon bisher, sicher uh, uh, uh … aber seit einigen Stunden, ich weiß nicht, welche Phantasie sich ihrer bemächtigt hat, daß sie nichts anderes auf der Zunge hat als: »Mein Herr Bonifacio, mein Herz, Eingeweide meiner Seele, mein Feuer, meine Liebe, meine Flamme, meine Glut.« Ich schwöre Euch, seit fünfzehn Jahren kenne ich sie, so klein war sie, und immer hatte sie denselben Gesichtsausdruck und war eiskalt, was die Liebe betrifft. Jetzt, wenn Ihr kommt, werdet Ihr sie ausgestreckt auf dem Bett vorfinden, ihr Kopf auf einem Kissen, das sie mit beiden Armen umklammert, und Ihr werdet sie sagen hören – ich erröte und fühle Mitleid –: »Oh weh, mein Herr Bonifacio, wer nimmt dich mir? Oh weh, mein grausames Schicksal: Als er mich wollte, hast du mich ihm vorenthalten; ich bin sicher, jetzt, wo ich ihn herbeisehne und mich für ihn verzehre, wirst du ihn mir vorenthalten. Oh, weh, mein verwundetes Herz.« Bonifacio Ist es möglich? Kann es sein, daß sie all das tatsächlich sagt, kann all das sein? Lucia Ihr, Ihr, Bonifacio, laßt mich etwas tun, was ich noch nie in meinem ganzen Leben getan habe. Ihr laßt mich … verleugnen, uh, uh, uh, uh … meine arme Signora Vittoria, was hast du für ein schlimmes Schicksal! In wessen Hände bist du gefallen … uh, uh, uh … . Jetzt, jetzt merke ich, daß Ihr sie nie geliebt habt; und daß sich in ganz Neapel kein verschlagenerer Mensch als du findet… uh, uh, uh, uh, uh, oh weh mir, ich verzweifle! Welchen Trost kann ich dir spenden, Ärmste? Bonifacio Uh, uh, ich glaube dir, ich glaube dir, meine Lucia, weine nicht mehr. Es ist nicht so, als ob ich Euch nicht glaube, was Ihr sagt, aber ich war verwundert. Welche neue himmlische Kraft kann es sein, die mich so sehr begünstigen will, daß diese meine Signora, die mir wegen meiner heftigen Liebe niemals weniger grausam als schön begegnet ist, dieses diamantene Herz verändert hätte? Lucia Verändert, verändert? Wenn ich sie nicht zurückgehalten hätte, hätte sie kommen wollen, um Euch zu Hause aufzusuchen. Ich sagte ihr: »Wahnsinnig wie Ihr seid, werdet Ihr ihm mißfallen. Was wird seine Frau dazu sagen? Was wird die ganze Welt dazu sagen, wenn sie

168

atto quarto

235 | 237

Ogn’un dirà: ›Che novità è questa? è impazzata costei?‹. Non sapete voi ch’egli vi ama? avete voi persa la memoria de sui trattamenti insin al giorno d’oggi? Siete ben cieca e forsennata, se non credete ch’egli si stimarà beatissimo, quando me si udirà dire che voi desiderate che egli venga a voi« … Bonifacio E chi ne dubita? avete detto l’evangelio. Lucia … All’ora quell’afflitt’alma (come dismenticata di tanti segni d’amore che voi gli avete mostrati et io gli ho donati ad intendere) disse: »È possibile, o cielo, cielo a me sola crudele, che possa lui venir ad me quel bene, che non fai che mi sia lecito di cercarlo?« Bonifacio Uh, uh, uh, dubita dumque la vita mia dell’amor mio? Lucia Voi sapete che dove troppo cresce il desio, suol altretanto indebolirsi la speranza; e forse ancora la gran novità e mutazione che vede in se medesma, gli fa per il simile suspettar mutazion dal canto vostro. Chi vede un miracolo, facilmente ne crede un altro. Bonifacio Più presto persequitaranno i lepri le balene, i diavoli se farann’il segno de la santa croce, sarrà più presto un bresciano uomo cortese, più presto Satanasso dirrà un Pater et Ave Maria per le anime che sono in purgatorio, che io esser possa giamai senza l’amor della mia tanto amata e desiderata signora. Or dumque senza più parole, dove andiate cossì cargata voi? | Lucia Ad una vicina per restituirgli questi drappi co i quali, facendo io una via e dui serviggi, venevo per ritrovarvi in vostra casa; ma la buona fortuna me vi ha fatto rincontrar qua. Che risoluzione vogliam prendere? Bisogna, spedito ch’arrò questa facendòla, ritornar presto subbito subito ad solaggiar quella meschina, dicendogli che vi ho visto e parlato, e che sarrete tosto a lei. Bonifacio Promettetegli di certo, e ditegli che questo è il più felice giorno ch’io abbia veduto in tutta mia vita: che mi vien concesso di

vierter akt

16

17

169

Euch so sieht? Alle werden sagen: ›Was sind das für Neuigkeiten? Ist sie verrückt geworden?‹ Wißt Ihr nicht, daß er Euch liebt? Habt Ihr vergessen, wie er bis zum heutigen Tag mit Euch umgegangen ist? Ihr müßt schon blind und von Sinnen sein, wenn Ihr nicht glaubt, daß er sich glücklich schätzen würde, wenn er von mir hört, daß Ihr wünscht, er möge zu Euch kommen« … Bonifacio Und wer sollte daran zweifeln? Ihr verkündet das Evangelium! Lucia … und dann sagte diese leidende Seele (als hätte sie die vielen Zeichen der Liebe vergessen, die Ihr ihr gezeigt habt und auf die ich sie aufmerksam machte): »Ist es möglich, oh Himmel, Himmel, der du nur zu mir grausam bist, daß er zu mir kommen könnte, der Geliebte, wo du es nicht erlaubst, daß ich ihn suche?« Bonifacio Uh, uh, uh, zweifelt also mein Leben an meiner Liebe? Lucia Ihr wißt, wo das Begehren zu sehr wächst, pflegt die Hoffnung ebensosehr zu schwinden. Und vielleicht ist es die große Neuheit und Veränderung, die sie an sich selbst sieht, die sie befürchten läßt, daß auch Ihr Eurerseits in ähnlicher Weise Euch verändert. Wer ein Wunder sieht, glaubt leicht auch an ein anderes. Bonifacio Eher werden die Hasen Wale jagen, die Teufel das Kreuzzeichen schlagen; viel eher wird einer aus Brescia ein freundlicher Mensch werden, viel eher wird Satan ein Pater und [ein] Ave Maria für die Seelen im Fegefeuer beten, als daß ich ohne Liebe zu meiner so geliebten und begehrten Signora sein könnte. Aber jetzt will ich Euch, ohne viele Worte zu verlieren, [fragen,] wo Ihr so beladen hingeht? Lucia Zu einer Nachbarin, um ihr dieses Kleid zurückzugeben, mit welchem ich, um zwei Besorgungen in einem zu erledigen, Euch zu Hause besuchen wollte; aber durch einen glücklichen Zufall bin ich Euch hier begegnet. Welchen Entschluß wollen wir fassen? Es gilt, nachdem ich diese Sache erledigt habe, sofort, auf dem schnellsten Weg zurückzukehren, um diese Arme zu trösten, indem ich ihr sage, daß ich Euch gesehen und gesprochen habe und daß Ihr ihr bald [zu Diensten] seid. Bonifacio Versprecht es ihr ganz gewiß und sagt ihr, daß dies der glücklichste Tag war, den ich in meinem ganzen Leben gesehen habe: auf daß es mir vergönnt sei, dieses allerschönste Antlitz zu küssen, wel-

170

atto quarto

237 | 239

baciar quel bellissimo volto ch’io tanto adoro, che tien le chiavi di questo afflitto core. Lucia Afflitto core è il suo: bisogna non mancar questa sera, atteso che lei non è per mangiare né per dormire né per riposare alcunamente; più tosto per morire, si non ve si vede a presso: non la fate più lagnar, vi priego (si pietà giamai avesti al core), che la veggio consumar com’una candela ardente. Bonifacio Adesso adesso vo ad ispedir un negocio; e poi o veramente mi verrete, o vi verrò ad ritrovare. Lucia Sapete quale è il negocio che dovete fare? Per suo e vostro onore bisogna riparare alla suspizion delle persone del mondo, si fusti veduto uscire o entrare in sua casa: voi sapete che le vicine, sino e mezza notte, son sempre alle fenestre; e chi va e chi viene. È dumque necessario stravestirvi, con accomodarvi di una biscappa simile a quella di messer Gioan Bernardo, il qual senza suspizione alcuna suole entrar in questa casa; e non sarà fuor di proposito, si per sorte fussivo guardato più da presso, di portar una barba negra posticcia simile alla sua: per che a tal guisa potremo andar insieme, | et io v’introdurrò dentro la stanza. Cossì farrete la cosa con più satisfazzione della signora, che con questo si persuaderà che voi amate ancora il suo onore. Bonifacio Voi avete benissimo pensato: io ho la persona né più né meno grande di quella di messer Gioan Bernardo; una biscappa simile alla sua non bisogna ch’io la vadi cercando, per che penso averne una intra le mani. Adesso con questo medesmo passo me ne vo a Pellegrino mascheraro: e mi farò accomodare una barba posticcia che sii a proposito. Lucia Andate dumque vi priego, e speditevi presto. A dio, che vo a levarmi questa soma da le spalli. Bonifacio Và in buona ora.

vierter akt

18

171

ches ich so verehre und welches die Schlüssel zu meinem betrübten Herzen besitzt. Lucia Das betrübte Herz ist das ihre. Wir dürfen diesen Abend nicht versäumen, da wir doch wissen, daß ihr weder nach Essen noch nach Schlaf, noch nach Ruhe zumute ist, eher nach Sterben, wenn sie Euch nicht bald sieht. Laßt sie nicht länger klagen, ich bitte Euch (wenn Ihr je Mitleid im Herzen hattet), denn ich sehe, daß sie sich verzehrt wie eine brennende Kerze. Bonifacio Gleich, gleich, ich will nur [noch schnell] ein Geschäft erledigen, und dann werdet entweder Ihr mich aufsuchen, oder ich komme zu Euch. Lucia Wißt Ihr, was für ein Geschäft Ihr zu erledigen habt? Eurer und ihrer Ehre wegen müßt Ihr jeden Verdacht der Menschen von Stand ausschließen, wenn man Euch sieht, wie Ihr in ihrem Haus aus- und eingeht. Ihr sollt wissen, daß die Nachbarinnen bis Mitternacht immer an den Fenstern sitzen [und beobachten], wer kommt und wer geht. Es wird also nötig sein, daß Ihr Euch verkleidet, indem ihr Euch einen Überrock umhängt, so wie Herr Gioan Bernardo es macht, der, ohne irgendeinen Verdacht zu erwecken, in dieses Haus einzutreten pflegt. Und es wäre nicht unangebracht, sollte man Euch zufällig aus der Nähe sehen, wenn Ihr einen aufgeklebten schwarzen Bart tragen würdet, ähnlich dem seinen. Wir können in dieser Verkleidung nämlich gemeinsam gehen, und ich werde Euch in das Zimmer führen. So erledigt Ihr die Sache zu größerer Zufriedenheit der Signora, weil sie merkt, daß Euch ihre Ehre noch am Herzen liegt. Bonifacio Ihr habt Euch das wunderbar ausgedacht. Ich bin weder von kleinerer noch von größerer Statur als Herr Gio. Bernardo. Auch einen Überrock ähnlich dem seinen werde ich nicht suchen gehen müssen, weil ich glaube einen solchen an der Hand zu haben. Ich werde jetzt stehenden Fußes zum Maskenverkäufer Pellegrino gehen, um mir einen passenden falschen Bart zuzulegen. Lucia Geht also, ich bitte Euch, und macht schnell. Lebt wohl, ich werde mir diese Last von den Schultern nehmen. Bonifacio Das Glück sei mit dir.

172

atto quarto

239 | 243

scena vii Bonifacio solo Per quel che costei me dice, io credo di aver approssimata la imagine tanto presso al fuoco che quasi si sarebbe liquefatta: penso d’averla troppo scaldata; guarda come la povera donna viene tormentata dall’amore: per mia fé che non ho possuto contener le lacrime. Si messer Scaramuré (che Dio li dia il bongiorno e la buona sera: che adesso conosco per propria esperienza che è un galantissimo uomo) non mi avesse avertito con dirmi »Guarda che non si liquefaccia«, io certamente arrei fatta qualche pazzia ch’io non ardisco tra me stesso dirla. Or và numera l’arte maggica tra le scienze vane. |

scena viii Marta, Bonifacio Marta Ecco cqua quel pezzo d’asino, il quale volesse Dio che fusse un asino intiero, che potrebbe servire a qualche cosa. Bonasera, messer Buon-in-faccia. Bonifacio Ben venga la cara madonna Marta. Vostro marito è filosofo, bisogna che voi siate filosofessa; però non è maraviglia se fate notomia de vocaboli: che cosa intendete per quel »Buon in faccia«? Non credete ch’io ve sia amico alle spalli et in assenzia, come in presenzia? Avete torto a darmi la berta. Marta Come vi sta la borsa? Bonifacio Come il cervello di vostro Martino (volsi dir marito), quando la non ha carlini dentro. Marta Io dico di quella di sotto. Bonifacio Gran mercé a vostra cortesia. Voi andate cercando il male come i medici: si voi vi potessivo remediare, vi farei intendere il come e quale; si volete della broda, andate a Santa Maria della Nova. | Marta Volete dir ch’io son cosa da frati, ser coglione?

vierter akt

173

7 . szene

Bonifacio, allein

19

Demnach zu urteilen, was die da mir sagt, habe ich das Bildnis, glaube ich, so dicht ans Feuer gehalten, daß es beinahe geschmolzen wäre. Ich denke, ich habe es zu sehr erhitzt. Schau, wie diese arme Frau von der Liebe gequält wird: Meiner Treu, ich konnte die Tränen nicht zurückhalten. Wenn Herr Scaramuré (Gott gebe ihm gute Tage und Abende, jetzt wo ich aus eigener Erfahrung weiß, daß er ein vortrefflicher Mann ist) mich nicht gewarnt hätte, indem er mir sagte: »Gib acht, daß es sich nicht verflüssigt«, hätte ich bestimmt irgendeine Dummheit gemacht, die ich nicht einmal vor mir selbst aussprechen mag. Nun gehe und reihe die magische Kunst unter die eitlen Wissenschaften.

8 . szene

Marta, Bonifacio 20

21

22

Marta Hier ist er ja, dieses Eselsstück, von dem Gott sich wünscht, er wäre ein ganzer Esel, damit er zu etwas taugen würde. – Guten Tag, Herr Buon-in-faccia. Bonifacio Ein Willkommen der teuren Madonna Marta. Euer Mann ist ein Philosoph, daher müßt Ihr eine Philosophin sein, und so ist es nicht erstaunlich, wenn Ihr die Worte seziert: Was meint Ihr mit diesem »Buon-in-faccia«? Glaubt Ihr nicht, daß ich Euch ein Freund bin, der hinter Euch steht, egal ob abwesend oder anwesend? Es ist nicht klug, mich zu beleidigen. Marta Wie sieht es in Eurem Beutel aus? Bonifacio Wie im Hirn Eures gehörnten Bocks, das heißt, Eures Ehemannes, wenn er dort keine Carlini hat. Marta Ich spreche vom unteren Beutel. Bonifacio Großen Dank Eurer Höflichkeit! Ihr sucht das Übel wie die Ärzte. Wenn Ihr ihm abhelfen könntet, würde ich Euch das Wo und das Wie zu verstehen geben. Wenn Ihr aber eine warme Suppe wollt, geht doch zur Armenspeisung der Santa Maria della Nova. Marta Wollt Ihr sagen, ich wäre etwas für die Fratres, Herr Eiersack?

174

atto quarto

243 | 245

Bonifacio Io ve dirrò d’avantaggio: voi siete cosa da cemiterio, per che una femina che passa trenta cinque anni, deve andar in pace, ideste in purgatorio ad pregar Dio per i vivi. Marta Questo niente manco doviamo dir noi femine di voi altri mariti. Bonifacio Dominedio non ha cossì ordinato, perché ha fatto le femine per gli omini e non gli uomini per le femine; e son state fatte per quel servizio: e quando non son buone a quello, fàccisen presente al povero diavolo, per ch’il mondo non le vuole. Ad altare scarrupato non s’accende candela; a scrigno sgangherato non si scrolla sacco. Marta Non è vergogna ad un uomo attempato qual voi siete, di farsi sentir parlare in questa foggia? A i giovanetti le giovanette, a giovani le giovane, e più vecchi si denno contentar delle più stantive. Bonifacio E si non, và le apicchi al fumo e falle stasonar dentro un camino. Non è questa la ricetta che ferono i medici al patriarca Davitte, e poco fa ad un certo Padre santo, il qual morse dicendo »Mene, mene: non più baser«; ma costui scaldò troppo, e lui dovea esser tettato e tettava; e però non è maraviglia, se … | Marta È per che puose troppo pepe al cardo. Bonifacio In conclusione, madonna cara: a gatto vecchio sorece tenerello. Marta Questo, come intendete per i vecchii, perché non intendete per le vecchie? Bonifacio Per che le donne son per gli uomini, no gli omini per le donne. Marta Pur llà: il mal è per che voi uomini siete giodici e parte; ma pazze son de noi altre quelle che … Bonifacio Quelle che si lasciano patire. Marta Non voglio dir questo io, ma qualche vostro degno castigo e contra cambio. Bonifacio Ideste essi ad altre, et esse ad altri.

vierter akt

23

24 25

26

175

Bonifacio Ich werde es noch zuvorkommender sagen: Ihr seid etwas für den Friedhof, denn eine Frau, die über fünfunddreißig Jahre ist, soll in Frieden ziehen, ideste ins Fegefeuer, um bei Gott für die Lebenden zu beten. Marta Das müssen wir Frauen erst recht von euch Ehemännern sagen. Bonifacio Der Herrgott hat es nicht so gewollt, denn er hat die Frauen für die Männer geschaffen und nicht die Männer für die Frauen. Und sie sind für diesen [einen] Dienst geschaffen, und wenn sie dazu nicht mehr taugen, mögen sie sich doch dem armen Teufel vorstellen, weil die Welt sie nicht mehr haben will. An einem zerstörten Altar zündet man keine Kerzen mehr an. An einem heruntergewirtschafteten Schrein leert man nicht seinen Beutel. Marta Ist es nicht eine Schande für einen in die Jahre gekommenen Mann, wie Ihr einer seid, sich in dieser Art vernehmen zu lassen? Den Jüngsten die jüngsten Mädchen, den Jungen die Mädchen, und die Älteren müssen sich mit den Reiferen zufrieden geben. Bonifacio Und wenn nicht, geh und hänge sie in den Rauch und lasse sie im Kamin weiterreifen. War das nicht das Rezept, welches die Mediziner dem Patriarchen David gaben und vor kurzem auch einem gewissen Heiligen Vater, der mit den Worten starb: »Es reicht, es reicht, keine Küsse mehr«, aber er hat sich zu sehr erhitzt und mußte gesäugt werden und saugte selber, und daher ist es kein Wunder, wenn … Marta Weil er zuviel Pfeffer in seinen Brei schüttete. Bonifacio Zusammenfassend, werte Dame: dem alten Kater zarte Mäuschen. Marta Wenn Ihr glaubt, daß das für die alten Männer gilt, warum gilt es nicht auch für die alten Frauen? Bonifacio Weil die Frauen für die Männer sind, nicht aber die Männer für die Frauen. Marta Das Unglück besteht eben darin, daß ihr Männer gleichzeitig Richter und Partei seid; aber verrückt unter uns sind jene, die … Bonifacio … die es sich machen lassen. Marta Ich will das nicht sagen, sondern Euch gebührlich strafen und widersprechen. Bonifacio Ideste, Ihr gebt es uns, und wir geben es euch.

176

atto quarto

245 | 249

Marta Ih, ih, ih, ih. Bonifacio Ah, ah, ah, ah, ah, ah, ah. Marta Come trattate la vostra moglie? credo che la lasciate morir di sete. È pur lei giovane e bella: ma che? sii buona la vianda quanto si voglia, l’appetito si sdegna si non si varia, ancor che si dia di botto a cose peggiori; non è vero? Bonifacio Non è vero, voi? Voi non sapete quel che volete dire: parlate per udir dire, voi? Or lasciamo le burle, madonna Marta mia. Io so che voi sapete di molti secreti: vorrei che m’agiutassi ad farmi vittorioso. Io gioco con mia moglie questa | notte di qualche cosa, che farrò più di quattro poste: insegnatemi di grazia qualche droga o pozione, per che mi mantegna dritto sul destriero. Marta Recipe acqua di rene, oglio di schene, colatura di verga e manna di coglioni; ad quantom suffrica, mesceta et fiat potum; e poi vi governarete in questa foggia: videlicet, statevi su le staffe, a fin che, galoppando galoppando, l’arcione de la sella non vi rompa il culo. Bonifacio Per san Fregonio voi siete una matricolata maestra. Son costretto a lasciarvi per alcun necessario affare. A dio, m’avete satisfatto. Marta Adio. Si vedete quell’affumato di mio marito, ditegli ch’io l’ho mandato ad cercare, e ch’il cerco per cosa che importa.

scena ix Marta sola Nez couppé n’ha faute de lunettes, solea dir quel buon compagno Gianni di Brettagna (benedetta sia l’anima sua che mi puose la lingua francesa in bocca, ch’ancora non avevo dodieci anni e mezzo): voleva egli inferire a proposito che quanto lui era più povero ch’il re di Francia, tanto il re di Francia è più bisognoso di lui. Chi più ha, più pensa, più richiede, e manco gode. Il prencipe di Conca | mantiene il suo principato

vierter akt

27

177

Marta Hi, hi, hi, hi. Bonifacio Ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha. Marta Wie behandelt Ihr Eure Frau? Ich glaube, Ihr laßt sie verdursten. Obwohl sie doch jung ist und schön, aber was? Das Fleisch ist gut, solange man es will, der Appetit vergeht ohne Abwechslung, selbst wenn es schlechtere Dinge sind, auf die man stößt; ist es nicht wahr? Bonifacio Das ist nicht wahr, Ihr? Wißt Ihr nicht, was Ihr sagen wollt? Sprecht Ihr, um Euch reden zu hören? Lassen wir die Scherze, meine Madonna Marta. Ich weiß, daß Ihr von vielen Geheim[-rezepten] wißt: Ich möchte, daß Ihr mir helft, einen Sieg zu erringen. Ich spiele mit meiner Frau in dieser Nacht gewisse Dinge und werde ihr mehr als viermal den Anstand erweisen. Empfehlt mir liebenswürdigerweise eine Arznei oder einen Trank, damit ich mich gerade auf meinem Schlachtroß halte. Marta Recipe. Nierenwasser, Leistenöl, Rutenkleber, Eiermanna, ad quantom suffrica, mesceta et fiat potum [reibe ein bißchen, mische und bereite einen Trank daraus], und dann haltet Ihr Euch auf diese Weise, videlicet, bleibt Ihr in den Steigbügeln, damit Euch beim Galoppieren der Holzbogen am Sattel nicht den Hintern sprengt. Bonifacio Beim Heiligen Fregonio, Ihr seid eine zünftige Meisterin. Ich muß Euch verlassen, um ein unaufschiebbares Geschäft zu erledigen. Lebt wohl, Ihr habt mich zufriedengestellt. Marta Adieu. Wenn Ihr meinen geselchten Mann seht, sagt ihm, daß ich nach ihm geschickt habe und ihn dringend suche.

9 . szene

Marta, allein Nez couppé n’ha faute de lunettes [Stupsnase braucht keine Brille], sagt dieser gute Genosse Jean de Bretagne (Gnade seiner Seele, welche mir die französische Sprache in meinen Mund legte, als ich noch nicht einmal zwölfeinhalb Jahre alt war). Damit wollte er sagen, um soviel ärmer er auch als der König von Frankreich war, so ist der König von Frankreich dennoch ebenso viel bedürftiger als er. Wer mehr hat, denkt mehr, verlangt mehr und genießt weniger. Der Fürst von Conca erhält

178

atto quarto

249 | 251

con riceverne un scudo e mezzo il giorno; il re di Francia a pena può mantener il suo regno con spenderne tal volta diecemilia il giorno. Pensa dumque chi di questi dui è più ricco, e chi deve essere più contento: quello che ha un poco da ricevere, o quello che ha molto da dare? Quando fu la rotta di Pavia, udivi dire »Al re di Francia bisognano più di otto conti d’oro«; il prencipe di Conca quando mai ebbe bisogno più che de venti o venti cinque scudi? quando mai sarà possibile, che gli ne bisognano d’avantaggio? Or vedi chi di questi dui prencipi è manco bisognoso. Meschina me: io lo dico, io lo so, io l’esperimento. Ero più contenta, quando questo zarrabuino di mio marito non avea tanto da spendere, che non potrei essere al dì d’oggi. All’ora giocavamo a gambaa-collo, alla strettola, a infilare, a spaccafico, al sorecillo, alla zoppa, alla sciancata, a retoncunno, a spacciansieme, a quattro-spinte, quattrobotte, trepertosa, et un buchetto. Con queste et altre devozioni passavamo la notte e parte del giorno. Adesso perché ha scudi di vantaggio per la eredità di Pucciolo (che gli sii maldetta l’anima anco si fusse in seno di Abramma), ecco lui posto in pensiero, angosce, travagli, tema di fallire, suspicion d’esser rubbato, ansia di non essere ingannato da questo, assassinato da quell’altro; e va e viene, e trotta e discorre, e sbozza et imbozza, e macina e cola, e soffia vintiquattro ore del giorno. Tra tanto oggi gran mercé a Barra: che se lui non fusse, potrei | giurare, che più di sette mesi sono, che non me ci ha piovuto. Ieri feci dir la messa di sant’Elia contra la siccità; questa mattina ho speso cinque altre grana de limosina per far celebrar quella di san Gioachimo et Anna, la quale è miracolosissima ad riunir il marito co la moglie. Si non è difetto di devozione dal canto del prete, io spero di ricevere la grazia; benché ne veggo mala vegilia: ché in loco di lasciar la fornace e venirme in camera, oggi è uscito più del dover di casa, che mi bisogna a questa ora di andarlo cercando. Pure quando men la persona si pensa, le gracie si adempiscono. Oh, mi pare udirlo.

vierter akt 28

29

30 31

32

179

sein Fürstentum dadurch, daß er pro Tag anderthalb Scudi einnimmt. Der König von Frankreich kann sein Reich kaum erhalten, indem er manchmal zehntausend pro Tag ausgibt. Überlege also, wer von den beiden der Reichere ist und wer zufriedener sein muß. Jener, der nur wenig zu bekommen hat, oder jener, der viel ausgeben muß. Nach der Niederlage bei Pavia hörte ich sagen, daß der König von Frankreich mehr als acht Millionen in Gold benötigt. Wann hätte der Fürst von Conca jemals mehr als zwanzig oder fünfundzwanzig Scudi benötigt? Wie sollte es jemals möglich sein, daß er sie im voraus brauchte? Siehst du jetzt, welcher dieser beiden Fürsten weniger bedürftig ist? Ich Arme: Ich sage das, ich weiß es und ich erfahre es. Ich war glücklicher, als dieser Pavian von einem Ehemann noch nicht so viel auszugeben hatte, als ich es heute je sein könnte. Damals spielten wir Fuß am Hals, in die Enge, Einfädeln, Spaltfeige, Mäuschen, Hinken, Lahmen, Hinterfotzig, Zusammentreiben, Vier Schübe, Vier Schläge, Drei Löcher und ein Löchlein. Mit diesen und andern Frömmigkeiten verbrachten wir die Nacht und Teile des Tages. Jetzt, wo er wegen einer Erbschaft von Pucciolo (verflucht sei seine Seele, auch wenn sie in Abrahams Schoß ruht) Scudi im Überfluß hat, jetzt ist er voller Sorgen, Ängste, Unruhe, Furcht zu versagen, Bangigkeit beraubt zu werden, er glaubt von dem einen betrogen und von dem anderen ermordet zu werden und kommt und geht, trottet und läuft, stöpselt auf und zu, mahlt und filtriert und arbeitet vierundzwanzig Stunden am Tag am Feuer. Inzwischen heute besten Dank an Barra. Denn wenn er nicht wäre, ich könnte schwören, es sind schon mehr als sieben Monate, in denen es für mich nicht mehr geregnet hat. Gestern ließ ich die Messe des Heiligen Elischa gegen die Dürre lesen. Diesen Morgen habe ich noch fünf Groschen gespendet, um die vom Heiligen Joachim und der Anna feiern zu lassen, welche wahrhaftige Wunder vollbringt, um den Ehemann mit seiner Gattin wiederzuvereinen. Und wenn von seiten des Priesters die Hingabe nicht fehlt, hoffe ich, die Gnade zu empfangen, auch wenn ich schlechte Anzeichen sehe, denn anstatt den Schmelzofen zu verlassen und zu mir ins Schlafzimmer zu kommen, ist er heute länger als nötig außer Haus, so daß ich ihn jetzt suchen gehen muß. Doch, je weniger man daran denkt, desto eher erfüllt sich die Gnade. Oh, mir scheint, ich höre ihn.

180

atto quarto

251 | 253

scena x Messer Bartolomeo, Marta, Mochione Bartolomeo O misero, sfortunato e desolato me … Marta Ahi lassa, che lamenti son questi? Bartolomeo … Oimè, sì, questo è cossì: io ho perso peggio che l’oglio et il sonno. Dimmi, poltroncello, t’ha egli detto cossì a punto? guarda bene. Mochione Signor sì; dice: »Alla fine io non ho di questa polvere, e non so si se ne ritrova«, e che la li fu data da messer Cencio, e dice che lui non sa che cosa sii il pulvis Christi. | Bartolomeo O sconfitto Bartolomeo! Marta Iesus, santa Maria di Piedigrotta, vergine Maria del rosario, nostra Donna di Monte, santa Maria Appareta, advocata nostra di Scafata! Alleluia, alleluia, ogni male fuia. Per san Cosmo e Giuliano, ogni male fia lontano. Male male, sfiglia sfiglia, và lontano mille miglia. Che cosa avete, Bartolomeo mio? Bartolomeo E tu sei cqua a questa ora, alla mal’ora? và col tuo diavolo in casa, ch’io voglio andar a risolvermi, si me debbo venir ad apiccar o non. Andiamo, Mochione, ad ritrovar costui: lo hai lasciato in bottega? Mochione Signor sì. Il camin più più corto è questo. Marta Amara me: voglio tornar in casa ad aspettar la nova. Temo di esser stata esaudita mal per me: io non ho core di dire quel che penso. Salve, regina, guardane da ruina. Giesu auto et transi per medio milloro mibatte. – Costui che mi vien dietro cossì pian piano, certo deve essere qualche spia di marioli: è bene ch’io m’affretti. |

vierter akt

181

10 . szene

Bartolomeo, Marta, Mochione

33 34

35

Bartolomeo Oh, ich Armer, Unglücklicher und Verzweifelter! Marta Laß doch, was sind das für Klagen? Bartolomeo Oh weh, ja so ist es: Ich habe mehr verloren als Reichtum und Ruhe. Sag mir, Taugenichts, hat er dir das wirklich genauso gesagt? Denk genau nach. Mochione Ja, Herr. Er sagte zum Schluß: »Ich habe dieses Pulver nicht, und ich weiß auch nicht, ob man wieder etwas davon bekommen kann.« Und das, was er hatte, gab ihm Herr Cencio. Außerdem behauptet er, daß er nicht wüßte, was das pulvis Christi sein soll. Bartolomeo Oh geschlagener Bartolomeo! Marta Jesus, Heilige Maria von Piedigrotta, jungfräuliche Maria vom Rosenkranz, unsere Frau am Berge, Santa Maria Apareta, unsere Beschützerin von Scafata! Halleluja, halleluja, auf daß all das Böse fliehe! Beim Heiligen Cosmo und Giuliano, alles Schlechte bleibe fern. Böses, Böses, du sollst eilen, gehe fort für tausend Meilen. Was habt Ihr, mein Bartolomeo? Bartolomeo Und du bist hier zu dieser Stunde, jetzt, im Unglück? Verschwinde mit Deinem Teufel ins Haus, damit ich mir überlegen kann, ob ich mich aufhängen muß oder nicht. Auf, Mochione, suchen wir ihn erneut auf. Hast du ihn im Laden gelassen? Mochione Ja, Herr. Dies ist der allerkürzeste Weg. Marta Ich Verbitterte. Ich will ins Haus gehen, die Neuigkeiten abzuwarten. Ich fürchte, ich bin nicht erhört worden, es ist schlecht für mich ausgegangen. Ich habe nicht den Mut auszusprechen, was ich mir denke. Salve Regina, bewahre uns vor dem Ruin, Giesu auto et transi per medio milloro mi batte [Jesus aber ging fort, mitten durch die Menschenmenge]. Der da, der sich von hinten so ganz leise an mich heranschleicht, muß bestimmt ein Kundschafter von Dieben sein: Ich muß mich beeilen.

182

atto quarto

255 | 257

scena xi Mamfurio solo Ne gli adagiani Erasmi, dico ne gli Erasmi adagiani (io sono allucinato), voglio dire ne gli erasmiani Adagii, ve n’è uno tra gli altri il qual dice: »A toga ad pallium«. Questo adimpiendosi in me ipso, mi fa che questo giorno sii nigro signandus lupillo. O caelum, o terras, o maria Neptuni: dopo essermi stati tolti di mano i danaii da un vilissimo fure, sotto pretesto di volermi essere ufficiosi tre altri me si sono offerti e presentati; li quai, non inquam dexteritate, sed sinisteritate quadam, lasciandomi sovr’il dorso un depilato palliolo, proque capitis operculo un capiziolo vetusto (che versus centrum et in medio, prae nimii sudoris densitudine appare incerato, vel inpiceato, vel coriceato, vel coriaceo, seu di cuoio), con il mio pileo, la mia toga magisterial han toltami. Proh deûm atque hominum fidem, èccome delapso a patella ad prunas. Mi han persuaso con il dire »Venite nosco, ché vi farrem trovare il fure«: sono con essi loro bona fide andato, | sin quando gionti ad di certe (ut facile crediderim) meretricule il domicilio, dove entrati mi fecero rimaner nell’atrio inferior dicendomi »È ben che noi prima entriamo ad prevenirlo, a fin che non paia che ex abrupto con la tua presenza vogliamo confonderlo: però aspettate cqui, che tosto da alcun di noi sarrete chiamato per decernere co la minor excandescentia che si potrà quod ad restitutionem attinet«; or avendo io per un grand’intervallo di tempo aspetato deambulando, pensando a gli argumenti coi quali io dovevo confonder costui, tandem non essendo ver’un che mi chiamasse, per certe scale asceso in alto, toccai del primo cubiculo porta:

vierter akt

183

11 . szene

Mamfurio, allein

36

37

38

In den adagischen Erasmen, ich meine, in den Erasmischen Adagien – ich halluziniere –, ich will sagen: in den Erasmianischen Adagien gibt es unter anderem eines, welches lautet: »A toga ad pallium« [Von der Toga zum Mantel]. Dieses, so wie es sich in me ipso [in mir selbst] erfüllt, bewirkt, daß dieser Tag nigro signandus lapillo [mit einem schwarzen Stein zu markieren ist]. O caelum, o terras, o maria Neptuni [Oh Himmel, oh Erde, o Neptunische Meere]: Nachdem mir von einem gerissenen Gauner das Geld aus den Händen gestohlen wurde, unter dem Vorwand, mir dienlich sein zu wollen, haben drei andere sich angeboten und vorstellig gemacht. Diese haben, non inquam dexteritate, sed sinisteritate quadam [ich meine nicht mit Geschick, sondern durch Bösartigkeit], indem sie mir einen abgetragenen Mantel überwarfen, proque capitis operculo [und als Kopfbedeckung] einen kleinen alten Hut (welcher versus centrum et in medio, prae nimii sudoris densitudine [gegen das Zentrum und die Mitte hin, durch die Menge des Schweißes] gewachst schien, vel pechgeschwäzt, vel lederhäutig, vel ledern seu aus Leder), mir gemeinsam mit dem Filzbarett meine magisteriale Toga entwendet. Proh deûm atque hominum fidem [Beim Glauben der Götter und der Menschen]. So bin ich herabgefallen a patella ad prunas [»vom Regen in die Traufe« (von der Platte auf die glühenden Kohlen)]. Sie haben mich mit den Worten überzeugt: »Kommt mit uns, damit wir Euch den Gauner finden.« Ich bin bona fide [guten Glaubens] mit ihnen gegangen, bis wir zu einem Haus von irgendwelchen (ut facile crediderim [wie ich leichtgläubig annahm]) Dirnen kamen. Als wir eingetreten waren, ließen sie mich im Hof zurück und sagten: »Es ist besser, daß zuerst wir hineingehen, damit es nicht so aussieht, als wollten wir ihn mit deiner Anwesenheit ex abrupto [plötzlich] verwirren. Wartet deshalb hier, denn bald wird einer von uns Euch rufen, um dies mit der geringst möglichen excandescentia, quod ad restitutionem attinet [Skandal, der sich auf die Rückgabe bezieht], aufzukären.« Dann, als ich eine ganze Weile deambulando [umhergehend] gewartet hatte und an die Argumente dachte, mit denen ich ihn verwirren wollte, bin ich tandem [schließlich], weil niemand mich rief, gewisse Stiegen

184

atto quarto

257 | 259

dove mi fu risposto che andasse oltre, perché ivi non era, né vi era stato altro che que’ domestici presenti. Aliquantolum progressus, batto l’uscio di un altro abitaculo il qual era nella medesma stanza: dove mi fu parimente risposto da una vetula dicendomi s’io volevo far ivi ingresso, che altro non v’era che certe minime contemnendae iuvenculae; a cui dicendo che di altro fantasma avevo ingonbrato il cerebro, ulterius progressus mi ritrovo fuor della casa che avea l’altra uscita in un’altra platea. All’or de necessitate consequentiae io conclusi: »Ergo forte sono eziamdio | stato da costoro deceputo, conciossia cosa che domus ista duplici constat exitu et ingressu«; e di bel nuovo ritornato dentro, percunctatus sum, si ivi dentro fusse altro receptaculo in cui quei potessero esser congregati; mi fu in forma conclusionis detto: »Amico mio, si sono entrati per quella porta, son usciti per questa; si son entrati per questa, sono usciti per quella«. Tunc statim temendo qualch’altro soccorso o consiglio simile a i preteriti, mi sono indi absentato, e (iuxta del pitagorico simbolo la sentenza) le vie populari fuggendo e per i diverticoli andando, aspetto il tempo da tornar in casa: quandoquidem adesso, per de gli eunti e redeunti la frequenza, temo (con di mia reputazione il preiudicio) incidere in qualch’un che mi conosca in questo indecentissimo abito. Expedit che in istum angulum mi retiri in questo mentre, ché veggio appropiar un paio di muliercule.

vierter akt

39

185

hochgegangen und klopfte an die erste Zimmertür. Dort wurde mir gesagt, ich sollte weitergehen, weil in diesem Zimmer niemand außer den anwesenden Bediensteten war und auch vorher niemand anderer gewesen war. Aliquantolum progressus [Ein bißchen weiter vorgegangen], klopfte ich an den Eingang einer anderen Kammer im selben Raum, wo mir gleichfalls eine vetula [Alte] antwortete und mich fragte, ob ich eintreten wolle, denn nichts anderes fände sich dort drinnen als gewisse minime contemnendae iuvenculae [keineswegs zu verachtende Mädchen]; worauf ich ihr sagte, daß ich den Kopf voll von einem anderen Phantasma hätte; ulterius progressus [ganz am Ende] finde ich mich vor dem Haus wieder, welches den anderen Ausgang auf eine andere platea [Hof] hatte. Also schloß ich de neccesitate consequentiae [notwendigerweise aus der Wirkung]: »Ergo forte [Vielleicht also] bin ich auch noch von jenen betrogen worden, angesichts der Tatsache, daß domus ista duplici constat exitu et ingressu [dieses Haus zwei Eingänge und zwei Ausgänge besitzt].« Schön, noch einmal ins Haus zurückgekehrt, percunctatus sum [habe ich untersucht], ob dort ein anderes Versteck wäre, in welchem sich jene versammelt haben könnten. Mir wurde in forma conclusionis [auf schlüssige Weise] gesagt: »Mein Freund, wenn sie durch jene Tür hereingekommen sind, sind sie durch diese wieder hinausgegangen, wenn sie durch diese Tür hereingekommen sind, sind sie durch jene wieder hinausgegangen.« Tunc statim [Sofort darauf], aus Furcht vor ähnlichen Hilfestellungen und Ratschlägen wie jenen vorhergegangenen, habe ich mich verabsentiert, und jetzt warte ich (iuxta der pythagoreischen Maxime), die belebten Straßen meidend und die kleinen Gäßchen benutzend, bis es Zeit ist, nach Hause zu kommen. Quandoquidem [Da] ich fürchte (meine Reputation könnte darunter leiden), aufgrund des vielen Kommens und Gehens einem zu incidere [über den Weg zu laufen], der mich kennt und mich in diesem äußerst unschicklichen Aufzug sieht, expedit [ist es ratsam], daß ich mich jetzt in istum angulum [in diesen Winkel] zurückziehe, da ich soeben ein paar Weibsbilder kommen sehe.

186

atto quarto

259 | 261

scena xii Carubina, Lucia Carubina Al nome sia di santa Raccasella. Lucia Advocata nostra. | Carubina Vi par che ne’ gesti e la persona vi rapresenti la signora Vittoria? Lucia Vi giuro per i quindici misterii del rosario (che ho finiti de dire adesso) che io medesima, al presente, mi penso essere con essa lei. Sin alla voce e le paroli vi sono accomodatissime. Pur farrete bene ad parlargli sempre basso sotto voce, con essortarlo al simile, fingendo téma di essere udita da vicine, e dall’altre genti di casa che son gionte a muro e muro. Quanto al toccarvi de la faccia, voi l’avete cossì verde, morbida e piena come la signora Vittoria, si non alquanto megliore. Carubina Voi farrete che lume non venghi in camera, sin tanto che da me non vi si farrà segno, per che voglio convencere costui d’intenzione e fatto. Lucia Oltre che sarrà bene di dar qualche sollazzo alla povera bestia, prima che tormentarla: fate che scarghe al meno una volta la bisaccia, per veder con quanta devozione si maneggi. Carubina Oh, quanto a questo voglio ch’il spasso sii più vostro che suo. Io me gli mostrarrò tutta infiammata d’amore: e con questo gli piantarrò de baci di orso, lo morsicarrò su le guance, e gli strengerrò le labbra co’ denti, di sorte che sii forzato ad farvi udir le strida e gustar de la comedia. All’ora dirrò: »Cor mio, vita mia, non cridate, che sarremo uditi; perdonami, cor mio, che questo è per troppo amore …«. Lucia Il crederrà per la virtù e forza de l’incanto. Carubina » … Io mi liquefaccio tanto, che ti sorbirrei tutto in sin a l’ossa«. |

vierter akt

187

12 . szene

Carubina, Lucia 40

41

Carubina Beim Namen der Heiligen Raccasella! Lucia Advocata nostra [Sie stehe uns bei]. Carubina Meint Ihr, daß ich in Gesten und Aussehen Signora Vittoria verkörpere? Lucia Ich schwöre Euch bei den fünfzehn Wundern des Rosenkranzes (die ich soeben aufgesagt habe), daß selbst ich in diesem Augenblick denke, sie vor mir zu haben. Sogar die Stimme und die Worte gleichen ihr völlig. Trotzdem tut Ihr gut daran, immer leise mit ihm zu reden, zu flüstern und ihn aufzufordern, sich genauso zu verhalten, indem Ihr vortäuscht, Angst zu haben, von den Nachbarinnen und von den anderen Hausbewohnern, die an den Wänden lauschen, gehört zu werden. Was die Berührung Eures Gesichts betrifft, so ist es ebenso frisch, weich und voll wie jenes der Signora Vittoria, wenn nicht noch um einiges besser. Carubina Ihr macht, daß kein Licht ins Zimmer kommt, bevor ich nicht selbst Euch ein Zeichen gebe, denn ich will ihn sowohl wegen seiner Absichten als auch in flagranti überführen. Lucia Außerdem wird es gut sein, diesem armen Tier ein wenig Erleichterung zu verschaffen, bevor man es quält: Laßt ihn mindestens einmal seinen Doppelsack ausleeren, um zu sehen, welcher Hingabe er fähig ist. Carubina Oh, was das betrifft, will ich, daß der Spaß mehr auf Eurer Seite ist denn auf seiner. Ich werde mich ihm entflammt vor lauter Liebe zeigen, ihn mit Bärenküssen überhäufen, in seine Wangen beißen und mit meinen Zähnen seine Lippen festhalten, so daß er gezwungen ist, so laut zu schreien, daß Ihr es hört und die Komödie genießen könnt. Dann werde ich sagen: »Mein Herz, mein Leben, schreit nicht, man wird uns hören! Verzeih mir, mein Herz, das ist, weil ich dich zu sehr liebe …« Lucia Er wird glauben, [dies geschieht] durch Vermögen und Kraft des Zaubers. Carubina »… ich zerfließe derart, daß ich dich bis auf die Knochen aufsaugen möchte!«

188

atto quarto

263 | 265

Lucia Amor di vipera. Carubina Oh, questo non basta. Poi farrò di modo che mi porga la lingua: e quella voglio premere tanto forte co gli denti, che non la potrà ritrare a suo bel piacere; e non la voglio lasciar sin tanto che non abbia gittati tre o quattro strida. Lucia Ah! ah! ah! ih! ih! ih! ah! Dirrò alla signora Vittoria: »Questa è la lingua«. Potrà egli ben cridare, ma parlar non: questa è alquanto troppo dura, e da fargli uscir l’amor dal culo. Carubina All’or dirrò: »Cor mio bello, mia dolce piaga, anima del mio core, comportami (ti priego) questo eccesso: il mio troppo amare, il mio esser troppo scaldata n’è caggione, questo mi fa freneticare«. Lucia Per santa Pollonia ch’avete di bei tiri; dirrà egli tra sé: »Che canino amor è di costei?«. Carubina Fatto questo secondo atto, mostrarrò di volergli concedere l’entrata maestra per una volta, prima che ci colchiamo al letto. M’acconciarrò in atto da chiavare: e tosto che lui arrà cacciato il suo cotale, farrò bene che venghi all’attollite porta; ma prima che gionga all’introibi re gloria, voglio apprendergli i testicoli e la verga con due mani, e dirgli: »O ben mio mio tanto desiderato, o speranza di quest’anima infiammata, prima mi sarran le mani tolte, che tu mi sii tolto da le mani«; e con questo le voglio premere tanto | forte, e torcergli come torcesse drappi bagnati di bucata. Son certa che le sue mani in questo caso non gli serveranno per defendersi. Lucia Ih! ih! ih! ah! ah! certo quel dolore farrebbe perdere la forza ad Erculesso: oltre che è certo, che in ogni modo voi sète più forte che lui. Carubina All’ora siate certa che cridarrà tanto, che le strida si sentiranno a nostra casa; e peggio per lui si non cridarrà bene: per che tanto più fortemente sarrà strento e torciuto. Quando saranno queste più solenne terze strida, correrete voi di casa con i lumi: e cossì tutti insieme

vierter akt

42

43

44

189

Lucia Vipernliebe! Carubina Oh, das genügt nicht. Ich werde ihn auffordern, mir die Zunge herzuhalten, und diese will ich so stark mit meinen Zähnen drücken, daß er sie nicht mehr aus eigener Kraft zurückziehen kann. Ich werde sie nicht auslassen, bis er nicht drei oder vier Schmerzensschreie ausgestoßen hat. Lucia Ha! ha! ha! hi! hi! hi! ha! Signora Vittoria werde ich sagen: »Das ist die Zunge.« Mag er nur schreien, reden kann er nicht. Das ist wohl ein bißchen zu hart, da wird ihm die Liebe beim Arsch herauskommen. Carubina Dann werde ich sagen: »Mein schönes Herz, meine süße Wunde, Seele meines Herzens, erlaube mir diesen Exzess, ich flehe dich an. Meine allzu große Liebe, meine allzu große Erhitzung ist der Grund, dies macht mich rasend.« Lucia Bei der Heiligen Apollonia, was für ein Mundwerk. Er wird sich heimlich fragen: »Was ist das für eine Hundeliebe?« Carubina Ist dieser zweite Akt vorbei, werde ich andeuten, daß ich ihm für einmal den Meistereingang gewähren will, bevor wir uns ins Bett schmeißen. Ich werde mich zum Nageln in Stellung bringen, und nachdem er sein Teil ausgefahren hat, sorge ich dafür, daß er zur attolite porta kommt. Aber bevor er beim introibi re gloria ist, werde ich seine Hoden und seine Rute in beide Hände nehmen und ihm sagen: »Oh, mein Geliebter, mein so sehr herbeigesehnter, oh Hoffnung dieser entflammten Seele, eher lasse ich meine Hände, als daß ich dich aus meinen Händen lasse.« Und damit werde ich sie ihm dermaßen fest drücken und wringen, als ob es nasse Wäsche zum Wringen wäre. Ich bin mir sicher, daß er sich in dem Fall nicht mehr mit seinen Händen wird verteidigen können. Lucia Hi! hi! hi! ha! ha! Gewiß, dieser Schmerz würde selbst Herkules die Kräfte rauben, außerdem ist es auch gewiß, daß Ihr in jedem Fall stärker seid als er. Carubina Da könnt Ihr sicher sein, daß er so schreien wird, daß man das Schreien [bis] zu unserem Haus hören wird. Und um so schlechter für ihn, wenn er nicht laut genug schreit, weil er dann um so fester gezogen und gewrungen wird. Wenn diese dritten und viel gehörigeren Schreie erschallen, stürzt Ihr mit Lichtern ins Zimmer, und so werden

190

atto quarto

265 | 267

ne conosceremo alla luce, con la grazia di santa Lucia. De l’altro che sarrà appresso, vederremo. Lucia Tutto è bene appuntato. Andate dumque in casa della signora; caminate come sapete; mantenetevi il viso coperto con il manto. Si l’incontrarete per il camino, lui non vi parlarà, per che non è onesto per le strade: fategli una profonda riverenza, e quando sarrete un po’ oltre, fatevi cascar un focoso suspiro, e prendete il camino verso la nostra porta che trovarete aperta. Tra tanto io darrò una volta per certo altro affare; e poi cercarrò lui e lo menarrò in casa. Governatevi bene. A dio. Carubina A dio, a rivederci presto. |

scena xiii Lucia sola Dice bene il proverbio: »Chi vuole che la quatragesima gli paia corta, si faccia debito per pagare a Pasca«. Tutto oggi non mi ha parso un’ora per il pensiero ch’ho avuto, di far schiudere queste uova in questa sera. Ogni cosa va bene. Resta sol ch’io faccia avisato messer Gioan Bernardo, che si trovi a tempo, e faccia che gli altri si trovino a tempo: bisogna martellare a misura, quando son più che uno a battere un ferro. A fé di santa Temporina che mi par lui costui.

scena xiv Lucia, messer Gioan Bernardo Lucia A punto siete venuto a proposito. Gioan Bernardo Che hai fatto, Lucia mia? Lucia Tutto. Messer Bonefacio è andato a stravestirsi, et accomodarsi una barba simile alla vostra. Sua moglie adesso in abito della signora Vittoria se n’è entrata. Sanguino vestito da capitan Palma in barba lunga e bianca. Marca, Floro, Barra, Corcovizzo sono accomodati da birri.

vierter akt

45

191

wir uns alle gemeinsam bei Licht wiedererkennen, mit dem Segen der Heiligen Lucia. Was dann noch geschieht, werden wir sehen. Lucia Es ist alles gut vorbereitet. Geht also zum Haus der Signora. Geht, wie man Euch gesagt hat: Verdeckt Euer Gesicht mit dem Mantel. Wenn Ihr ihm auf dem Weg begegnet, wird er nicht mit Euch sprechen, denn das ist auf der Straße nicht schicklich. Verbeugt Euch höflich, und, wenn Ihr etwas weiter seid, stoßt einen tiefen Seufzer aus und nehmt den Weg in Richtung unserer Tür, die offen sein wird. In der Zwischenzeit werde ich mich einem anderen Geschäft widmen. Dann hole ich ihn und bringe ihn ins Haus. Benehmt Euch anständig. Lebt wohl. Carubina Lebt wohl, auf ein baldiges Wiedersehen.

13 . szene

Lucia, allein

46

Das Sprichwort sagt zu Recht: »Wer eine kurze Fastenzeit will, der verspreche, eine Schuld zu Ostern zu begleichen.« Der ganze heutige Tag schien mir nur eine Stunde zu dauern, der Gedanken wegen, die ich mir gemacht habe, um diese Eier heute abend zu zerbrechen. Alles geht gut. Ich muß nur noch Herrn Gioan Bernardo sagen, daß er sich rechtzeitig einfindet und die anderen dazu bringt, sich ebenfalls rechtzeitig einzufinden. Man muß im Takt schmieden, wenn mehr als einer ein Stück Eisen bearbeitet. Bei meiner Treu zur Heiligen Temporina, mir scheint, das ist er. 14 . szene

Lucia, Gio. Bernardo

47

48

Lucia Sehr gut, Ihr kommt gerade recht. Gio. Bernardo Was hast du gemacht, meine Lucia? Lucia Alles. Herr Bonefacio ist weggegangen, um sich zu verkleiden und sich einen Bart, der Eurem ähnlich ist, anpassen zu lassen. Seine Frau, in den Kleidern Signora Vittorias, ist jetzt im Haus. Sanguino, als Capitan Palma gekleidet, mit einem langen weißen Bart. Marca, Floro, Barra und Corcovizzo sind als Polizisten aufgemacht.

192

atto quarto

267 | 271

Gioan Bernardo Io le ho veduti or ora, ho parlato con essi. Le ho lasciati cqui vicino in bottega di un cimatore. Io starrò in cervello che non mi farrò scappare questo morsello di bocca. Hai parlato del fatto mio ad madonna Carubina? | Lucia Liberamus domino. Credete ch’io sii tanto poco accorta? Gioan Bernardo Hai fatto saggiamente; voglio darti per beveraggio un bacio: ‘bà. Lucia Gran mercé: io ho bisogno d’altro che di questo. Gioan Bernardo Questo è sol un pegno. Lucia mia, è impossibile di trovar una donna da maneggi simile a voi. Lucia Si voi sapeste quanto mi ha bisognato di spirto, per far capire a messer Bonifacio l’amor novello della signora Vittoria, e persuadergli che si stravesta cossì, et anco per ridurre madonna Carubina a quel ch’è ridutta: vi maravigliareste assai. Gioan Bernardo Son certo che sapete cacciar le mani da cose vie più importanti che questa. Or è bene che io mi parti da cqua, che non è più tempo di consegli. Si venisse ora e ne vedesse messer Bonifacio, guastarebbe la minestra il troppo sale. Adio. Lucia Andate accomodatevi voi altri: perché lui lo accomodarrò io.

scena xv Mamfurio solo Poi che costoro sono absentati, voglio rimenarmi un poco per questo piccolo deambulario. Ho veduto due muliercule raggionar insieme, e poi una di quelle è rimasta a confabular con quel pictore. La giovane deve esser qualche lupa, unde derivatur | lupanar; la vetula senza dubio è una lena. Quel modo di colloquio habet lenocinii specimen. Io istimo

vierter akt

49

193

Gio. Bernardo Ich habe sie soeben gesehen [und] mit ihnen gesprochen. Ich habe sie im Laden eines Tuchscherers gleich hier in der Nähe zurückgelassen. Ich habe fest vor, mir diesen Happen nicht entgehen zu lassen. Hast du mit Carubina über meine Angelegenheit gesprochen? Lucia Liberamus Domino [Herr, erlöse uns]. Glaubt Ihr, ich wäre so wenig bei der Sache? Gio. Bernardo Das hast du geschickt gemacht, ich gebe dir einen Kuß als Trinkgeld: ba. Lucia Danke sehr, ich hätte aber etwas anderes nötig als das. Gio. Bernardo Das war nur ein Pfand, meine Lucia. Es ist unmöglich, eine Kupplerin zu finden, die Euch gleicht. Lucia Wenn Ihr wüßtet, wieviel von meiner Überredungskunst es brauchte, um Herrn Bonifacio die neue Liebe der Signora Vittoria zu erklären und ihn zu überreden, sich so zu verkleiden, und auch Madonna Carubina so herzurichten, wie sie jetzt hergerichtet ist: Ihr würdet Euch wirklich sehr wundern. Gio. Bernardo Ich bin sicher, Ihr könntet Eure Finger in Angelegenheiten haben, die viel wichtiger sind als diese. Jetzt wird es Zeit, daß ich von hier verschwinde, denn es bleibt keine Zeit mehr für Beratungen. Wenn jetzt Herr Bonifacio kommen und uns sehen würde, wäre die Suppe ganz schön versalzen. Lebt wohl. Lucia Geht und verkleidet Euch, denn ihn verkleide ich selber.

15 . szene

Mamfurio allein Jetzt, wo sie weg sind, will ich für ein Weilchen in dieser kleinen Gasse bleiben. Ich habe zwei junge Frauen gesehen, die sich beratschlagten, und eine von beiden ist dann geblieben, um sich mit diesem Maler zu unterhalten. Die jüngere muß eine gewisse lupa, unde derivatur lupanar [Prostituierte, wovon sich (der Begriff ) Bordell ableitet] sein. Die vetula [Alte] ist zweifellos eine lena [Kupplerin]. Diese Art von Gespräch habet lenocinii specimen [hat etwas Kupplerisches]. Ich vermute, daß dieser Maler aliquantolum [ganz ordentlich] ein Hurenbock ist. Ergo … sequitur conclusio [Daher, es folgt der Schluß]. –

194

atto quarto

271 | 273

questo pictore aliquantolum fornicario. Ergo … sequitur conclusio. Veggo una caterva che appropera: voglio iterum retirarmi.

scena xvi [Mamfurio,] Sanguino stravestito da capitan Palma; Marca, Barra, Corcovizzo, da birri Sanguino Senza dubio costui che fugge e si asconde è qualche povera anima da menarla in purgatorio; per certo è qualche lesa conscienzia: prendetelo. Barra Alto: la corte! Chi è llà? Mamfurio Mamphurius artium magister. Non sum malfactore, non fur, non mechus, non testis inicus; alterius nuptam, nec rem cupiens alienam. Sanguino Che ore son queste che voi dite, compieta o matutino? Marca Settenzalmo, o officio defontoro? Sanguino Che ufficio è il vostro? Costui per certo vorrà far del clerico. | Mamfurio Sum gymnasiarcha. Sanguino Che vuol dir »asinarca«? Legatelo presto, che si meni priggione. Corcovizzo Toccatemi la mano, messer pecora-smarrita. Venete, che vi vogliamo donar allogiamento questa sera: dimorarrete in casa reggia. Mamfurio Domini, io sono un maestro di scola: a cui in queste ore prossime son stati da certi furbi rubbati i scudi, et involate le vesti. Sanguino Perché dumque fuggi la corte? Tu sei un ladro nemico de la giustizia (zò, zò, zò). Mamfurio Queso non mi verberate: perché io fuggiva di esser veduto in questo abito, il quale non è mio proprio. Sanguino Olà famegli: non vi accorgete di questo mariolo? non ve-

vierter akt

195

Ich sehe Leute kommen, ich will mich iterum [neuerlich] zurückziehen. 16 . szene

[Mamfurio,] Sanguino als Capitan Palma, Marca, Barra, Corcovizzo als Polizisten verkleidet

50

51 52

53

Sanguino Ohne Zweifel ist der, der da flüchtet und sich versteckt, irgendeine arme Seele, die man ins Fegefeuer werfen sollte. Gewiß hat er aus irgendeinem Grund ein schlechtes Gewissen. Schnappt ihn Euch! Barra Halt, Wache! Wer da? Mamfurio Mamphurius artium magister. Non sum ein Verbrecher, non fur, non moechus, non testis iniquus; alterius nuptam, nec rem cupies alienam [Mamphurius, magister artium. Ich bin kein Verbrecher, kein Ehebrecher, kein falscher Zeuge: Weder begehre ich eines anderen Frau noch Dinge, die mir nicht gehören]. Sanguino Welchen Teil des Breviers rezitiert Ihr, Morgen- oder Abendgebet? Marca Sieben Palmen oder offizio defontoro [die letzte Ölung]? Sanguino Was seid Ihr von Beruf? Er will sicher den Kleriker mimen. Mamfurio Sum gymnasiarcha. Sanguino Was heißt »Asinarch«? Legt ihm sofort Fesseln an, um ihn abzuführen. Corcovizzo Gebt mir die Hand, Herr Verlorenes Schaf. Kommt, wir werden Euch diesen Abend eine Herberge geben: Ihr werdet im königlichen Palast unterkommen. Mamfurio Domini, ich bin ein Schulmeister, dem in diesen letzten Stunden von irgendwelchen Gaunern Scudi und die Kleidung geraubt und gestohlen wurden. Sanguino Warum bist du dann vor der Wache weggelaufen? Du bist ein Dieb, ein Feind des Gesetzes (ts, ts, ts). Mamfurio Quaeso [Ich bitte], schlagt mich nicht. Ich lief weg, um nicht in einem Aufzug gesehen zu werden, der meiner nicht würdig ist. Sanguino Holla, Leute: Merkt Ihr nichts an diesem Gauner? Seht Ihr

196

atto quarto

273 | 277

dete questo mantello che porta, è stato rubbato ad Tiburolo nella Dogana? Corcovizzo Perdonatime, signor capitano, vostra Signoria se inganna: perché quel mantello aveva passamani gialli nel collaio. Sanguino E non le vedi? sei cieco? Non son passamani questi? non son gialli? Corcovizzo Pò san Manganello che l’è vero. Marca Al corpo della nostra … costui è un solenne mariolo (zò, zò, zò, zò). Mamfurio Oimè, voi perché mi bussate pure? Io vi ho detto che mi è stato elargito in vece della | mia toga da alcuni scelesti furi, e (ut more vestro loquar) marioli. Sanguino Sin ora sappiamo che tu sei nostro fuggitivo; che questo mantello è stato rubbato: và priggione, che si vedrà chi è stato il mariolo. Mamfurio Menatemi in casa del mio ospite, presso gli Vergini, che vi provarrò che non son malfattore. Sanguino Non prendemo le persone per menarle in casa sua, noi; (zò, zò) andate in Vicaria, che dirrete vostre raggioni ad altro che a birri. Mamfurio Oimè, cossì trattate gli eruditi maestri? dumque di tanto improperio mi volete afficere? Marca Parla italiano, parla cristiano, in nome del tuo diavolo, che ti intendiamo. Barra Lui parla bon cristiano, perché parla come si parla quando si dice la messa. Marca Io dubito che costui non sia qualche monaco stravestito. Corcovizzo Cossì credo io. Domine abbas, volimus comedere fabbas? | Barra Et si fabba non habbemo, quit comederemo? Mamfurio Non sum homo ecclesiasticus. Sanguino Vedete che porta chierica? porta la forma de l’ostia in testa?

vierter akt 54

55

56

57

197

nicht den Mantel, den er trägt? Er wurde bei Tiburolo bei der Dogana geraubt. Corcovizzo Verzeiht mir, Signor Capitano, Eure Exzellenz täuscht sich. Dieser Mantel hatte nämlich gelbe Borten am Kragen. Sanguino Und die siehst du nicht? Bist du blind? Sind das keine Borten? Sind sie nicht gelb? Corcovizzo Beim Heiligen Manganello, es ist wahr! Marca Beim Leib unserer Heiligen … der da ist ein wahrhaftiger Gauner (ts, ts, ts, ts). Mamfurio Oh weh mir, warum haut Ihr auf mir herum? Ich habe Euch doch gesagt, daß dieser Mantel mir von einigen unehrenhaften Gesellen und, ut more vestro loquar [um nach Eurer Art zu sprechen], Gaunern anstelle meiner Toga gegeben wurde. Sanguino Was wir bis jetzt wissen, ist, daß du vor uns weggelaufen bist und daß dieser Mantel gestohlen wurde. Ab ins Gefängnis mit dir, und es wird sich zeigen, wer der Gauner war. Mamfurio Bringt mich ins Haus meines Wirtes bei den Vergini, und ich werde Euch beweisen, daß ich kein Bösewicht bin. Sanguino Wir nehmen die Leute nicht fest, um sie nach Hause zu bringen (ts, ts). Ab ins Gefängnis und bringt Eure Anliegen anderen Personen vor, nicht der Polizei. Mamfurio Weh mir, so behandelt ihr also gebildete Lehrer? Also wollt ihr mich so ehrenrührig afficere [behandeln]? Marca Sprich italienisch, sprich christlich, im Namen deines Teufels, damit wir dich verstehen. Barra Er spricht brav christlich, weil er spricht, wie man spricht, wenn man die Messe liest. Marca Ich habe den Verdacht, daß er irgendein verkleideter Mönch ist. Corcovizzo Ich glaube, so ist es: Domine abbas, volimus comedere fabbas [Herr Abt, wollen wir Bohnen essen]? Barra Et si fabba non habbemo, quit comederemo [Und wenn wir keine Bohnen haben, was essen wir dann]? Mamfurio Non sum homo ecclesiasticus [Ich bin kein Mann der Kirche]. Sanguino Seht ihr, daß er eine Tonsur hat? Trägt er die Form der Hostie auf dem Kopf?

198

atto quarto

277 | 279

Mamfurio Hoc est calvitium. Barra Per questo vizio farrai la penitenza, scomunicato (zò, zò, zò, zò). Mamfurio Dixi »calvitium«, quasi calvae vitium. E non mi bussate, quia conquerar: cossì si trattano uomini di dottrina et eruditi maestri? Sanguino Tu hai mentito: non hai forma né similitudine di maestro (zò, zò). Mamfurio Vi recitarrò cento versi del poeta Virgilio; aut, per capita, tutta quanta la Eneide. Il primo libro secondo alcuni comincia: »Ille ego qui quondam«; secondo altri che dicono quei versi di Varo, comincia: »Arma virumque cano«; il .II.: »Conticuere omnes«; il .III.: »Postquam res Asiae«; | il .IV.: »At regina gravi«; il .V.: »Tu quoque littoribus nostris«; il .VI.: »Conticuere omnes« … Sanguino Non ci ingannarrai, poltrone, con queste parole latine, imparate per il bisogno. Tu sei qualche ignorante: si fussi dotto non sarreste mariolo. Mamfurio Venghi dumque qualche erudito, e disputarrò con esso lui. Sanguino Cennera nomino quotta sunt? Mamfurio Questa è interrogazione di principianti, tirumculi, isagogici, et primis attingentium labellis: a quai si declara »masculeum« idest masculino, »faemineum« il feminile, »neutrum« quel che non è l’uno né l’altro, »comune« quel che è l’uno et altro … Barra Mascolo e femina. Mamfurio … »epicenum«, quel che non distingue l’un sexo da l’altro. Sanguino Quale di tutti questi sète voi? sète forse epiceno? Mamfurio Quae non distinguunt sexum, dicas epicena. Sanguino Dimmi, si sète magister: che cosa per la prima insegnate a putti?

vierter akt 58

59

60

61

199

Mamfurio Hoc est calvitium [Das ist meine Glatze]. Barra Für dieses Laster wirst du büßen, Exkommunizierter (ts, ts, ts, ts). Mamfurio Dixi »calvitium«, quasi calvae vitium [Ich habe gesagt »glatzköpfig«, gleichsam »ein Laster der Kopfhaut«]. Und schlagt mich nicht, quia conquerar [denn ich werde mich beschweren]: Behandelt man so Männer von Bildung und gebildete Lehrer? Sanguino Du hast gelogen: Weder hast du die Gestalt noch Ähnlichkeit mit einem Lehrer (ts, ts). Mamfurio Ich werde Euch hundert Verse des Dichters Vergil aufsagen; aut, per capita [oder die Anfangsverse der Bücher], die gesamte Äneis. Das erste Buch beginnt laut einigen: »Ille ego qui quondam.« Laut anderen hingegen, die diese Verse Varo zuschreiben, beginnt es: »Arma virumque cano«. Das zweite: »Conticuere omnes«, das dritte: »Postquam res Asiae«, das vierte: »At regina gravi«; das fünfte: »Tu quoque littoribus nostris«; das sechste: »Conticuere omnes« … Sanguino Uns wirst du mit diesen lateinischen Worten, die du dir für einen solchen Fall zurechtgelegt hast, nicht betrügen, du Taugenichts. Du bist irgendein Ignorant, wärst du gelehrt, wärst du kein Gauner. Mamfurio Möge also irgendein Gebildeter kommen, und ich werde mit ihm disputieren. Sanguino Cennera nomino quotta sunt [Wie viele Arten von Nomen gibt es]? Mamfurio Das ist eine Frage für Anfänger, Neulinge und Isagogen, et primis attingentium labellis [und Milchbärte], welchen man beibringt: »masculeum« idest männlich, »faemineum« das Weibliche, »neutrum« das, was weder das eine noch das andere ist, »comune« das, was eines und das andere gleichzeitig ist … Barra Mannsbild und Weibsbild. Mamfurio … »epicenum« das, was zwischen einem Geschlecht und dem anderen nicht unterscheidet. Sanguino Welches von all dem seid Ihr? Seid Ihr vielleicht epicen? Mamfurio Quae non distinguunt sexum, dicas epicena [Jene, die sich nicht durch das Geschlecht unterscheiden, nennt man Epicoena]. Sanguino Sagt mir, wenn Ihr Magister seid: Was bringt Ihr den Knaben als erstes bei?

200

atto quarto

279 | 283

Mamfurio Nella dispauteriana grammatica, è | quel verso: »Omne viro soli quod convenit, esto virile«. Sanguino Declara. Mamfurio »Omne« idest totum, quidquid, quidlibet, quodcumque universum; »quod convenit, quadrat, congruit, adest; »viro soli«, soli, duntaxat, tantummodo, solummodo viro, vel fertur a viro; »esto« idest sit, vel dicatur, vel habeatur »virile«: idest quel che convien a l’uomo solamente, è virile. Sanguino Che diavolo di propositi insegnano a putti per la prima costoro! Quel che gli uomini soli hanno, e manca a le donne, hoc este, ideste chiamisi, dichisi il virile, il membro virile. Barra Questa è una bella lezzione, in fé di Cristo. Mamfurio Nego, nego: io non dico quel che voi pensate (vedete che importa parlar con ineruditi); io dico del geno che conviene a maschi. Sanguino (Zò, zò, zò); questo è cosa da femine, scelerato vegliacco. Mamfurio Quello che voi pensate è di maschii proprie et ut pars, et è di femine ut portio, et attributive vel applicative. | Sanguino Presto, presto, depositatelo in questa stanza, che poi lo menaremo in Vicaria: vuol mostrarsi dottore, e ci fa intendere che è de l’arte da spellechiar capretti. Mamfurio O me miserum: verba nihil prosunt. O diem infaustum atque noctem!

fine dell, atto quarto |

vierter akt 62

63

201

Mamfurio In der dispauterianischen Grammatik ist es der Vers: »Omne viro soli quod convenit, esto virile.« Sanguino Erkläre. Mamfurio »Omne« idest totum, quidquid, quidlibet, quodcumque universum; »quod convenit«, quadrat, congruit, adest; »viro soli«, soli, duntaxat, tantummodo, solummodo viro, vel fertur a viro; »esto« idest sit, vel dicatur, vel habeatur »virile«: idest [Alles – das heißt jedes, welches auch immer, was auch immer, im allgemeinen – was zukommt – ihm verwandt ist, gleichförmig ist, ihm zukommt – dem Mann allein – einzig und allein, ausschließlich nur dem Mann oder wird von ihm getragen – das ist – dieses ist, oder wird genannt oder gehalten für – virile –: das heißt] das, was nur einem Manne zukommt, ist männlich. Sanguino Was zum Teufel bringen die denn den Knaben für Lehrsätze beim ersten Mal bei! Das, was nur die Männer haben und den Frauen fehlt, hoc este, ideste nennt sich, wie es heißt, das Männliche, das männliche Glied. Barra Das ist ein schöner Unterricht, beim Glauben Christi! Mamfurio Nego, nego: Ich sage nicht das, was ihr denkt – Ihr seht, was es mit sich bringt, mit Ungebildeten zu sprechen! Ich spreche vom Genus, das den Männern zukommt. Sanguino (ts, ts, ts) Das ist etwas für Frauen, erbärmlicher Schuft. Mamfurio Das, woran Ihr denkt, das kommt den Männern proprie et ut pars [als Eigenschaft und Teil] zu und den Frauen ut portio, et attributive vel applicative [als Relation, attributiv und in Anwendung auf sie]. Sanguino Schnell, schnell, sperrt ihn in dieses Zimmer, damit wir ihn dann ins Gefängnis bringen. Er will uns weismachen, er sei ein Doktor; und gibt uns zu verstehen, daß es sich um die Kunst handelt, jungen Ziegen ans Fell zu gehen. Mamfurio O me miserum: verba nihil prosunt. O diem infaustum atque noctem [Oh ich Armer: Die Worte helfen mir nichts. Welch unglücklicher Tag und Nacht]!

ende des vierten aktes.

285 | 287

AT T O Q U I N T O

scena i Bonifacio, Lucia Bonifacio … o-o-o-o-o … Lucia Sì che messer Gioan Bernardo mio … Bonifacio Ricordatevi ch’io son Bonifacio … o-o-o-o-o … Lucia Vi giuro ch’io mi dismentico di esser con voi: tanto sète accommodato bene, che par che non vi manchi il nome di Gioan Bernardo. Bonifacio … o-o-o-o … Sarrà pur bene di chiamarmi cossì: per che si alcuno vi udisse parlare … e-e-e-e-e-e … sarrà bene che vi senta chiamarmi cossì … ii-i-ii … Lucia Voi tremate: che cosa avete? Bonifacio Niente … e-e-e-e … Averstisci, Lucia, che si alcuno pensando ch’io sii Gioan Bernardo … o-o-o-o-o … mi volesse parlare, rispondete voi … i-i-i-i-i … (che io bisogna che mi finga andar in còlera … a-a-a … e passar oltre … e-e-e …): voi dirrete che mi lasciano … oo-o-o-o … che vo fantastico per alcune cose che passano … o-o-o-o … Lucia Voi dite bene: non farrò altrimente errore. | Bonifacio … o-o-o-o-o-o … Lucia Vorrei sapere per che tremate. Ditemi, tremate per freddo o per paura? che cosa avete? Bonifacio Cara mia Lucia, io ho … o-o-o … il tremore de l’amore, pensando che adesso adesso, ho da esser gionto al mio bene … e-e-e-ee-e-e-e-e … Lucia Oh sì sì, io so adesso qual sii questo tremore: cossì trema quando uno si trova con qualche bona robba molto desiderata: voi fate conto di esser con lei per che la non vi è troppo lontano.

FÜNFTER AKT

1 . szene

Bonifacio, Lucia Bonifacio Ho, ho, ho, ho, ho. Lucia Aber ja doch, mein Herr Gio. Bernardo … Bonifacio Haltet Euch in Erinnerung, daß ich Bonifacio bin, ho, ho, ho, ho, ho. Lucia Ich schwöre Euch, daß ich nicht vergesse, mit Euch zu sein, dennoch seid Ihr derart gut verkleidet, daß es scheint, als würde Euch nicht einmal der Name Gio. Bernardos fehlen. Bonifacio Ho, ho, ho, ho: Es wäre wirklich gut, mich so zu nennen, denn wenn uns jemand sprechen hörte, he, he, he, he, he, he, wäre es gut, wenn er Euch hört, wie Ihr mich nennt, hihi, hi, hihi. Lucia Ihr zittert ja: Was habt Ihr? Bonifacio Nichts, he, he, he, he, he, he: Sieh mal, Lucia, wenn jemand, der denkt, ich sei Gio. Bernardo, ho, ho, ho, ho, ho, mit mir sprechen wollte, antwortet Ihr, hi, hi, hi, hi, hi, – denn ich muß mich verstellen, als ob ich wütend würde, ha, ha, ha, und weitergehen, he, he, he: – und Ihr sollt sagen, daß man mich in Ruhe lassen soll, ho, ho, ho, ho, ho, weil ich wegen einiger Dinge, die vorgefallen sind, ein Sonderling geworden sei. Lucia Ihr habt ganz recht, ich werde keinen weiteren Fehler begehen. Bonifacio Ho, ho, ho, ho, ho, ho! Lucia Ich möchte [trotzdem] wissen, warum Ihr zittert. Sagt mir, zittert Ihr vor Kälte oder aus Angst? Was ist los mit Euch? Bonifacio Meine liebe Lucia, ich, ha, ha, ha – habe das Zittern der Liebe, denn ich denke, daß ich nun wohl gleich, gleich mit meiner Liebsten vereint bin, he, he, he, he, he, he, he, he, he. Lucia Aber ja, ja, jetzt weiß ich, was das für ein Zittern ist: So zittert man, wenn man sich in der Nähe einer heißbegehrten guten Sache befindet. Ihr rechnet schon damit, bei ihr zu sein, denn hier ist sie Euch nicht mehr allzu fern.

204

atto quinto

287 | 289

Bonifacio O … o-o-o-o … signora Vittoria mia … a-a-a-a … o mio bene, quel petto di diamante, che mi facea morire … e-e-e-e-e … Lucia Voi suo bene, e lei vostro bene. Giuro per quel santo che diè la mittà della sua cappa per l’amor de Dio, che da dovero ramollareste un diamante, tanto avete il sangue dolce. Oggi mi parete più bello che mai: io non so se questo procede da l’amore, o da altro. Bonifacio … o-o-o-o-o … Andiamo presto per che mi scappa … aa-a-a … Lucia Non la fate andar a terra, si non volete la maldizzion de Dio; ah! ah! ah! mi fate venir la risa. Se vi scappa questo, scrollandovi farrete dell’altro. | Bonifacio È la verità; ma … a-a-a-a-a-a … Lucia Via dumque.

scena ii Bartolomeo, Consalvo, Mochione Bartolomeo O traditor, o ladro, o sassino: dumque non avete il pulvis Christi, el pulvis del diavolo? Oimè, ahi lasso, o me disfatto, vituperato! Tu me la pagherrai. Consalvo Meglio farrai tacendo, pover omo, altrimente tutti ti stimaranno pazzo: sarrai la favola de tutto Napoli; sino a’ putti faranno comedia di fatti tuoi: e non avanzarrai altro. Bartolomeo Con questa persuasione pensi di farmi tacere? Consalvo Si non vuoi tacere, crida tanto che ti schiattino i pulmoni: che volevi tu ch’io sappesse di questo vostro negocio? Un mese fa, venne questo vostro Cencio, e mi dimandò s’io avevo litargirio, alume, argento vivo, solfro rosso, verde rame, sale armoniaco et altre cose ordinarie; io li risposi che sì; e lui soggionse: »Or dumque voi sarrete il mio

fünfter akt

1

2

205

Bonifacio O, ho, ho, ho, ho, meine Signora Vittoria, ha, ha, ha, ha, meine Liebste, dieses Herz aus Diamant, das mich sterben ließ, he, he, he, he. Lucia Euch ist sie die Liebste, und Ihr seid Ihr Liebster. Ich schwöre es bei dem Heiligen, der die Hälfte seines Mantels hergab, aus Liebe zu Gott, daß Ihr wahrlich einen Diamanten weichgemacht habt, so süß ist Euer Blut. Heute erscheint Ihr mir schöner denn je: Ich weiß nicht, ob das von der Liebe kommt oder von etwas anderem. Bonifacio Ho, ho, ho, ho, ho. Gehen wir gleich, denn sonst kommt es mir ha, ha, ha, ha. Lucia Laßt es nicht auf die Erde, wenn Ihr nicht den Fluch Gottes wollt: Ha, ha, ha, Ihr bringt mich zum Lachen. Und wenn es Euch jetzt auskommt, reibt Euch und es kommt mehr. Bonifacio Das ist wahr, aber, ha, ha, ha, ha, ha, ha … Lucia Also los dann.

2 . szene

Bartolomeo, Consalvo, Mochione

3

Bartolomeo O Verräter, o Dieb, o Mörder, Ihr habt also das pulvis Christi nicht, dieses Teufels-pulvis? Ojemine, oh, ich Unglücklicher, oh, welche Niederlage, Schande für mich! Dafür wirst du mir bezahlen. Consalvo Es wäre besser, wenn du schwiegest, armer Kerl, denn sonst werden dich alle für verrückt halten: Du wirst das Gespött von ganz Neapel sein, sogar die kleinen Kinder werden deine Geschichte als Komödie nachspielen: Und das wird dich nicht weiterbringen. Bartolomeo Und mit diesem Argument denkst du, mich zum Schweigen zu bringen? Consalvo Wenn du nicht schweigen willst, schrei so laut, daß dir die Lungen platzen. Was dachtest denn du, das ich von eurer Angelegenheit wußte? Vor einem Monat kam dieser Euer Cencio und fragte mich, ob ich Litargyrum, Alaun, Quecksilber, roten Schwefel, Grünspan, Salmiaksalz und andere [handels]übliche Dinge hätte; und ich habe ihm mit ja geantwortet. Und er setzte hinzu: »Dann seid Ihr mein

206

atto quinto

289 | 291

ordinario, per certa opera che debbo fare. Tenete ancora a presso di voi questa polvere, che si chiama pulvis Christi: della quale mi mandarrete secondo la quantità che vi sarrà dimandata; abbiate ancora a presso voi questo mio scrigno, dove sono le mie più cose care ch’io abbia«. Bartolomeo Queste cose se l’ha prese? | Consalvo Non; e però tacete: che si lui verrà per quelle, non uscirrà da mia casa come si pensa. Bartolomeo Voi dite bene si non se ne fusse andato per la posta: non l’hai udito tu adesso adesso, Mochione? Mochione Da tutte bande si dice. Consalvo Or che devevo far io? Voi lo dovevate conoscere che lavorava in vostra casa; et ha più de quindeci giorni dimorato con voi: e poi non so dove sii alloggiato in sino ad questo tempo. Voi di vostra mano mi avete mandato ad dimandar or questa, or quella cosa; e quanto al pulvis Christi (come voi lo chiamate), mi dimandaste la prima volta tanto, che era la mittà; e la seconda volta altretanto, che fu tutto il resto. Oggi quando me hai mandato ad dimandar tanto, che tutto quel ch’ebbi non farrebbe per la decima parte, mi son maravigliato, e ti ho mandato ad dire, che l’alchimista Cencio non me ne diè più. Bartolomeo Io non dubito che lui e tu mi avete piantato il porro dietro. Consalvo Si tu pensi mal dal canto mio, tu pensi una gran mentita, pazzo da catena insensato: ha ben bastato lui solo per burlarti; che volevi tu che io sapesse di fatti tuoi, che son diece anni che non ti ho parlato? Avete mandato per cose di mia bottega, et io ti ho mandato quel che avevo. Bartolomeo Oimè: questo pulvis del diavolo era oro meschiato e posto in polvere, con qualche altra maldezzione, che non lo facea conoscere. Ben vedevo io che gravava più ch’altra polvere: da cqua procedevano le verghette d’oro. Oh, maldetto ‘l giorno che lo viddi: io mi appiccarrò. | Consalvo Và pure e fà presto.

fünfter akt

4

207

Hauptlieferant für eine bestimmte Arbeit, die ich machen muß. Behaltet auch dieses Pulver bei Euch, das pulvis Christi genannt wird; von dem schickt Ihr mir soviel, wie ich bei Euch bestellen werde. Hier habt Ihr auch diese Kassette, in der die wertvollsten Dinge sind, die ich besitze.« Bartolomeo Und diese Dinge hat er (wieder) an sich genommen. Consalvo Nein; und deshalb schweigt, denn wenn er kommt, um sie zu holen, wird er mein Haus nicht verlassen, wie er sich das vorstellt. Bartolomeo Das habt Ihr gut gesagt, wenn er nur nicht mit der Postkutsche auf und davon ist. Hast du [das Posthorn] nicht gehört, Mochione? Mochione Von allen Seiten, würde man sagen. Consalvo Was hätte ich nun tun sollen? Ihr hättet ihn kennen müssen, da er bei Euch zu Hause gearbeitet und sich mehr als fünfzehn Tage bei Euch aufgehalten hat; und außerdem weiß ich nicht, wo er bis dahin gewohnt hat. Ihr habt mit Eurer eigenen Schrift dies und jenes bei mir bestellt, und, was das pulvis Christi betrifft, wie Ihr es nennt, so habt Ihr beim ersten Mal so viel verlangt, daß es die Hälfte war, und beim zweiten Mal genau soviel, daß es den ganzen Rest ausmachte. Heute, als du zu mir schicktest, um so viel zu bestellen, daß alles, was ich [ursprünglich] hatte, nicht ein Zehntel ausgemacht hätte, habe ich mich gewundert und habe dir ausrichten lassen, daß mir der Alchemist Cencio nichts mehr davon gibt. Bartolomeo Ich zweifle nicht, daß er und du mir den Lauch von hinten eingepflanzt habt. Consalvo Wenn du Schlechtes von mir glaubst, glaubst du an eine große Lüge, du bist ja völlig verrückt! Er brauchte niemand anderen, um dich zum Narren zu halten! Was glaubtest du denn, was ich von deinen Angelegenheiten wußte, wo ich dich doch seit zehn Jahren nicht gesprochen habe? Ihr habt in meinem Geschäft Sachen bestellt, und ich habe dir geschickt, was ich hatte. Bartolomeo Ojemine, dieses verdammte pulvis war Gold, vermischt und pulverisiert mit irgendeinem anderem Teufelszeug, damit man es nicht erkennt. Ich habe wohl gemerkt, daß es mehr wog als anderes Pulver. Von dort kamen die kleinen Goldruten. Oh, verflucht sei der Tag, an dem ich ihn getroffen habe. Ich hänge mich auf. Consalvo Mach das ruhig und beeil dich.

208

atto quinto

293 | 295

Bartolomeo Mi appiccarrò, dopo aver fatto appiccar te, barro traditore. Consalvo Hai mentito cento volte per la gola: và mi fà il peggio che tu puoi, ch’io non ti stimo un danaio. Và, pazzo, pover pazzo, cerca il pulvis Christi. Bartolomeo Oimè che farrò io? come ricuperarrò li miei scudi io? Consalvo Fate come ha fatto lui, si possete trovar un altro ch’abbia il cervello come voi, e la borsa come la vostra. Bartolomeo Vegliacco: questo è ufficio di pari tuoi. Consalvo Aspetta un poco, che voglio farti uscir la pazzia o ‘l vino dal naso: to’, to’, spacca-tornese. Bartolomeo Questo di più, an? O cornuto disonorato (zò, zò). Consalvo Gusta di questi altri, che son più calzanti (zò, zò, zò). Bartolomeo Oi oi, oimè, traditor sassino! aggiuto aggiuto! Mochione Aggiuto! aggiuto! aggiuto! che uccide mio padron co’ pugni. Consalvo Lascia, che ti voglio aggiutar io a levarti la pazzia di capo (zò, zò, zò, zò). Bartolomeo Oh, per amor de Dio, ch’io sono assasinato: aggiuto aggiuto! |

scena iii Sanguino da capitan Palma; Corcovizzo, Barra, Marca da birri; Bartolomeo, Consalvo, Mochione Sanguino Alto: la corte! Che rumore è questo? Bartolomeo Questo sassino mi ha sassinato nelle facultà; adesso mi assassina ne la persona, come vedete. Sanguino Legatele insieme, e menatele priggioni. Consalvo Signor capitano: costui me vuole imponere cose, che sono aliene da uomini da bene come sono conosciuto io. Bartolomeo Andiamo in Vicaria, perché la giustizia farrà il suo dovere.

fünfter akt

209

Bartolomeo Ich hänge mich auf, nachdem ich dich habe hängen lassen, hinterhältiger Gauner. Consalvo Du hast hundertmal gelogen. Geh, und tu mir das Schlimmste an, was du kannst, denn mir bist du keinen Pfifferling wert. Geh, Narr, armer Narr, such das pulvis Christi. Bartolomeo Ojemine, was mach ich nur? Wie gewinne ich meine Scudi zurück? Consalvo Macht es so wie er, wenn Ihr einen anderen findet, der ein Gehirn hat wie Ihr und eine Geldbörse wie die Eure. Bartolomeo Erbärmlicher Schuft, das ist der Dienst von deinesgleichen! Consalvo Warte nur, ich werde dir den Wahn oder den Wein schon aus der Nase ziehen: toh, toh, Geizhals. Bartolomeo Und das dazu, ha? O gehörnter Entehrter: zo, zo. Consalvo Koste von diesen anderen, die sitzen noch besser: zo, zo, zo. Bartolomeo Oi, oi, ojemine, hinterhältiger Mörder! Hilfe, Hilfe! Mochione Hilfe, Hilfe, Hilfe, er bringt meinen Herrn mit bloßen Händen um! Consalvo Laß das, ich will dir helfen, dir den Wahn aus dem Kopf zu vertreiben: zo, zo, zo, zo. Bartolomeo Oh, um Gottes Willen, ich bin ermordet! Hilfe, Hilfe.

3 . szene

Sanguino als Capitan Palma, Corcovizzo, Barra, Marca als Polizisten, Bartolomeo, Consalvo, Mochione

Sanguino Halt, Wache! Was ist das für ein Lärm? Bartolomeo Dieser Mörder hat mich finanziell ruiniert; jetzt bringt er mich selbst um, wie Ihr seht. Sanguino Fesselt sie gemeinsam und führt sie ab. Consalvo Signor Capitano, dieser da will mir Dinge anlasten, die einem Ehrenmann, wie ich bekanntlich einer bin, fremd sind. Bartolomeo Gehen wir zum Gefängnis, damit die Justiz ihren Lauf nimmt.

210

atto quinto

295 | 297

Barra Caminate via presto, per che è notte. Sanguino Strengile bene, che non scappino. Corcovizzo Si me scappano, dite che le ho liberati io. Sanguino Strengile bene co la corda. Via via, andiamo. Bartolomeo Oh, meschino me: e questo di più. Mochione, và a Marta, e digli che doman mattina per tempo venghi a trovarmi in Vicaria. Mochione Io vo. Sanguino Caminate via in vostra mal’ora, presto. |

scena iv Mochione solo Come un »autem genuit« tira l’altro, e l’altro l’altro, a l’altro l’altro; e come uno »ex tribu et millia signati«, per certo filo procede dall’altro; e come una cereggia tira l’atra: cossì sogliono far il più delle volte i guai e gli inconvenienti, che a presso l’uno viene l’altro. Et è proverbio universale che le sciagure mai vengon sole. Mio padrone, per primo male, conobbe Cencio; per il secondo, vi ha lasciato seicento scudi; per il terzo, ha tanto speso in far provisione di bozzole, fornelli, carboni et altre cose che concorreno a quella follia; ha, per il quarto, perso tanto tempo; per il quinto, la fatica; per il sesto, ha fatto questione, e farrà, con questo speciale; per il septimo, ha avanzate sin a dodici pugni fermi da bastaggio; per l’ottavo, è andato priggione; per il nono, sarrà qualch’altra mal’ora prima che esca di carcere, e ci varrà di tempo e moneta; per l’ultimo, sarrà di lui fatta comedia per questo maldetto pulvis Christi. – Mi par veder messer Gioan Bernardo; costui deve aver intesa qualche cosa: voglio udirlo, che va borbottando da per lui. |

fünfter akt

211

Barra Geht, los, schnell, denn es ist Nacht. Sanguino Fessle sie gut, damit sie nicht entkommen. Corcovizzo Wenn sie mir entkommen, sagt, daß ich sie befreit habe. Bartolomeo Oh, ich Elender! Und jetzt auch das noch. Mochione, geh zu Marta und sag Ihr, daß sie mich morgen zeitig früh im Gefängnis besuchen soll. Mochione Ich gehe. Sanguino Geht, los, in Eurem Unglück, schnell.

4 . szene

Mochione allein

5

So wie ein »autem genuit« das andere anzieht und dieses wieder eines, und das ein weiteres; und wie einer »ex tribu et milia signati« wie aufgereiht aus dem anderen hervorgeht; und so wie bei den Kirschen eine die andere nach sich zieht: So ist es meistens mit den Mißgeschicken und Unannehmlichkeiten, daß eins dicht auf das andere folgt. Und es ist ein bekanntes Sprichwort, daß ein Unglück niemals allein kommt. Als erstes Übel lernte mein Herr Cencio kennen; als zweites hat er ihm sechshundert Scudi überlassen; als drittes hat er so viel ausgegeben, um Destillierkolben, Brennöfen, Kohle und andere Dinge zu beschaffen, die für diese Verrücktheit notwendig waren; er hat als viertes so viel Zeit verloren; als fünftes die Mühsal; als sechstes hat er einen Streit mit diesem Apotheker angefangen, der noch nicht zu Ende ist; als siebtes hat er bis zu zwölf feste Faustschläge von einem Schwergewichtler eingesteckt; als achtes ist er ins Gefängnis gekommen; und als neuntes wird noch irgendein anderes Unglück passieren, bevor er den Kerker verläßt, und uns wird es Zeit und Geld kosten; und als letztes wird man über ihn spotten wegen dieses verfluchten pulvis Christi. – Mir scheint, ich sehe Herrn Gio. Bernardo. Der dürfte etwas mitbekommen haben. Ich will hören, was er allein vor sich hinmurmelt.

212

atto quinto

299 | 301

scena v Messer Gioan Bernardo, Mochione Gioan Bernardo Dubito che questi marranchini co le lor frascherie sarranno attenti a far qualch’altro negocio; e non farranno venir ad effetto questo principale, se pur ne farranno uno degli dui: per certo credo che la strappazzarranno. Olà, olà bel figlio! Mochione Che comandate, messer Gioan Bernardo? Gioan Bernardo Avete vedute alcune persone cqua? Mochione Ne ho viste pur troppo alla mal’ora. Gioan Bernardo Che gente l’era? Mochione Il capitanio di agozzini, con tre zaffi che han menato mio padrone priggione, insieme con Consalvo speciale: per che l’han qui trovati a donarsi de pugni, le menano strettamente legati in Vicaria. Gioan Bernardo Chi è vostro padrone? Mochione Messer Bartolomeo. Gioan Bernardo Dumque è andato priggione messer Bartolomeo? che disgrazia! Mio figlio, dimmi un’altra cosa: perché si batteva insieme col Consalvo? Mochione Signor, io non so; vostra Signoria mi perdoni, che io ho fretta di andar in casa. Gioan Bernardo Or andate con Dio. |

scena vi Gioan Bernardo solo Burla burlando, questo frappone di Sanguino starrà occupato per far qualche mariolaria con questi altri cappeggianti; e tra tanto Bonifacio co la moglie uscirranno di casa de la signora: et io solo non potrò far cosa che vaglia. Oh, che mal viaggio facciano! Bisognarrà, a l’uscita di costoro, che io abbia modo de intrattenergli: sin che possano costoro,

fünfter akt

213

5 . szene

Gio. Bernardo, Mochione Gio. Bernardo Ich bezweifle, daß diese Strauchdiebe mit ihren Reisern so schlau sein werden, noch ein anderes Geschäft zu erledigen und das Hauptgeschäft nicht in die Tat umsetzen, wenn sie überhaupt eines von den beiden erledigen. Ich bin mir sicher, daß sie es verpfuschen. Hallo, hallo, schöner Junge! Mochione Zu Diensten, Herr Gio. Bernardo. Gio. Bernardo Habt Ihr hier irgendwelche Leute gesehen? Mochione Ich habe leider welche gesehen, im Unglück. Gio. Bernardo Wer war das? Mochione Der Capitano der Sklavenaufseher, mit drei Schergen, die meinen Herrn ins Gefängnis geführt haben, zusammen mit dem Apotheker Consalvo. Denn sie haben sie hier bei einer Prügelei angetroffen und bringen sie eng gefesselt ins Gefängnis. Gio. Bernardo Wer ist Euer Herr? Mochione Herr Bartolomeo. Gio. Bernardo Herr Bartolomeo ist also ins Gefängnis gekommen? Was für ein Unglück! Aber, mein Sohn, erzähle mir etwas anderes: Warum hat er sich mit Consalvo geschlagen? Mochione Signore, ich weiß nicht. Signore, entschuldigt mich, denn ich muß eilig nach Hause. Gio. Bernardo Nun, geht mit Gott.

6 . szene

Gio. Bernardo allein Wenn er einen Scherz an den anderen reiht, wird dieser Gauner von einem Sanguino noch [eine Weile] beschäftigt sein, um irgendeine Spitzbüberei mit diesen anderen Dieben aufzuführen; und inzwischen wird Bonifacio mit seiner Ehefrau das Haus der Signora verlassen; nur ich kann nichts Rechtes anfangen. Oh, auf was für einen üblen Weg sind sie geraten! Ich brauche, wenn sie herauskommen, irgend etwas, mit dem ich sie aufhalten kann, bis jene, wo auch immer sie sie hingesteckt

214

atto quinto

301 | 303

in qualche cantone dove l’arran ridutti, aver spedito l’»Ave Maria, questa borsa è la mia; Ave Maria, questa cappa è la mia« – Piaccia a Dio che questi che veggo venir siino essi.

scena vii Sanguino, Barra, Marca, Corcovizzo Sanguino Ah! ah! ah! il fatto di costoro è come quel di Cola Perillo, che si sentea male e non sapeva in qual parte de la persona si fusse il dolore. Il medico gli toccava il petto e diceva: »Vi duol cqua?«; »Non«. Poi li tocca la schena: »Vi duol cqua?«; »Non«. Poi ne gli reni: »Vi duol cqua?«; »Non«. Poi li tocca il stomaco: »Vi duol cqua?«; »Non«. Al ventre: »Vi duol cqua?«; »Non«. A’ coglioni: »Vi duolen forse questi?«; »Non«. Il medico disse: »È forse a questa gamba?«; »Signor non«; »Vedi di grazia che non fusse a quell’altra«. | Barra Ah! ah! ah! Sanguino Cossì questi pover’omini, essendo in nostre mani, si senteano male; e non sapeano dove lo si consistesse. Corcovizzo Quando messer Bartolomeo me si sentì poner mano alla borsa, disse: »Cossì siete voi birri et io priggione da Vicaria, come voi sète cardinali et io papa. Prendete prendete, e buon pro’ vi faccia: per che tutto cavarrò io da questo mio socio«. »Sì, sì« disse quell’altro, »cappello paga tutto«. Sanguino E quell’altro, quando gli toglieste la sua, che disse? Corcovizzo Ah! ah! ah! »Corpo di nostra Donna, la sentenza è data: ecco noi arrivati in Vicaria, eccone spediti. Per la grazia di santo Lonardo, che gli voglio offrire una messa con un collaio di ferro: noi abbiamo fatto il peccato e le borse ne fanno la penitenza«. Sanguino E tu che gli dicesti? non parlavi? [Corcovizzo] »Noi« li dissi, »per questa volta vi perdoniamo, e non vogliamo menarvi in priggione: et acciò non vi facciate male col bat-

fünfter akt

215

haben, sie ge- … – [singt] Ave Maria, dieses Portemonnaie gehört mir, Ave Maria, dieser Mantel gehört mir. Helf Gott, daß sie es sind, die ich da kommen sehe. 7 . szene

Sanguino, Bara, Marca, Corcovizzo

6

Sanguino Ha, ha, ha. Die Geschichte mit den beiden ist wie die von Cola Perillo, der sich krank fühlte und nicht wußte, in welchem Teil des Körpers es schmerzte. Der Arzt fühlte ihm die Brust und sagte: »Schmerzt es Euch hier?« »Nein.« Dann fühlte er ihm den Rücken: »Schmerzt es Euch hier?« »Nein.« Dann die Nieren: »Schmerzt es Euch hier?« »Nein.« Dann fühlte er ihm den Magen: »Schmerzt es Euch hier?« »Nein.« Den Bauch: »Schmerzt es Euch hier?« »Nein.« Die Eier: »Schmerzen Euch die vielleicht?« »Nein.« Der Arzt sagte: »Ist es vielleicht dieses Bein?« »Nein, Signore.« »Siehst du, da können wir ja noch von Glück sagen, daß es nicht das andere war!« Barra Ha, ha, ha. Sanguino Und so fühlten sich diese beiden armen Männer, als sie in unseren Händen waren: krank und [doch] ahnungslos, wo es sitzt. Corcovizzo Als der Herr Bartolomeo spürte, wie ich nach seiner Geldbörse griff, sagte er: »So wie Ihr Polizisten seid und ich Gefangener des Vizekönigs, so seid Ihr wie Kardinäle, und ich bin der Papst. Nehmt, nehmt und es soll Euch gut tun; denn ich werde alles wieder von meinem Sozius zurückholen.« »Ja, ja,« sagte der andere: »Ihr seid alle eingeladen.« Sanguino Und was hat der andere gesagt, als du ihm seine weggenommen hast? Corcovizzo Ha, ha, ha. »Beim Leib der Heiligen Jungfrau, das Urteil ist gesprochen: So sind wir ins Gefängnis gekommen, und so sind wir wieder entlassen worden. Bei der Gnade des Heiligen Leonhard – ihm werde ich eine Messe mit einer Halskette aus Eisen lesen lassen –, wir haben gesündigt, und unsere Geldbörsen tun jetzt dafür Buße.« Sanguino Und was hast du ihm gesagt? Hast du nicht gesprochen? [Corcovizzo ] Ich habe ihm gesagt: »Wir werden Euch diesmal die Strafe erlassen und wollen Euch nicht ins Gefängnis bringen: Und da-

216

atto quinto

303 | 307

tervi, vogliamo lasciarvi cqui legati, a fin che non possiate darvi di pugni senza un terzo; e per che non è onesto che in questo bene che io fo venghi a perdere mia fatica, tempo et un passo e mezzo di fune, voglio pagarmi: e per che cqua non è lume, aspettatemi ch’io venghi a ritornarvi il restante«. | scena viii Esce Gioan Bernardo Gioan Bernardo Ah! ah! ah! che avete fatto? Sanguino Abbiamo castigati dui mal fattori. Gioan Bernardo Fate la giustizia, che Dio vi agiutarrà. Sanguino Come quella d’un certo papa (non so se fusse stato papa Adriano), che vendeva i beneficii più presto facendone buon mercato che credenza: il quale era tutto il dì co le bilancie in mano per veder se i scudi erano di peso. Cossì farremo noi, e vedremo quanto ne viene a ciascuno. Gioan Bernardo Come le avete lasciati priggioni? Sanguino Con sicurtà che non si diano di pugni mentre sarran dui. Gioan Bernardo Olà olà, retiratevi retiratevi, che credo che messer Bonifacio viene. Sanguino Olà Barra, Marca, Corcovizzo, a dietro, a dietro: lasciamo che prima raggionino con messer Gioan Bernardo. Gioan Bernardo Andate, che io le aspettarrò cqua al passo. |

scena ix Messer Bonifacio, Carubina, messer Gioan Bernardo Bonifacio Tutto questo male l’ha fatto questa ruffiana strega di Lucia, e quest’altra puttana vacca di sua padrona. S’hanno voluto giocar di

fünfter akt

217

mit Ihr Euch nicht weh tut, wenn Ihr Euch prügelt, wollen wir Euch hier gefesselt zurücklassen. Damit Ihr Euch keine Faustschläge ohne einen Dritten versetzen könnt; und weil es nicht ehrbar ist, daß ich mit der guten Tat, die ich hier vollbringe, auch noch meine Mühe, Zeit und anderthalb Fuß Schnur verschwende, möchte ich bezahlt werden; und weil hier kein Licht ist, wartet auf mich, damit ich Euch den Rest herausgeben kann.« 8 . szene

Gio. Bernardo kommt [aus seinem Versteck]

7

Gio. Bernardo Ha, ha, ha, was habt Ihr getan? Sanguino Wir haben zwei Übeltäter bestraft. Gio. Bernardo Sorgt für Gerechtigkeit, Gott möge Euch helfen! Sanguino Wie jener Papst – ich weiß nicht, ob es Papst Hadrian gewesen ist –, der die Pfründe auch lieber billig als auf Kredit verkaufte. Der war auch den ganzen Tag mit der Waage in der Hand unterwegs, um zu sehen, ob die Scudi das richtige Gewicht hatten. Und so machen wir es auch und werden sehen, wieviel jedem von uns zukommt. Gio. Bernardo Wie habt Ihr die Gefangenen verlassen? Sanguino Auf Kaution, damit sie sich nicht prügeln, während sie zu zweit sind. Gio. Bernardo He, he, zieht Euch zurück, denn ich glaube, Herr Bonifacio kommt. Sanguino He, Barra, Marca, Corcovizzo, zurück, zurück, lassen wir sie zuerst mit Herrn Gio. Bernardo reden. Gio. Bernardo Geht, ich werde sie hier beim Durchgang erwarten.

9 . szene

Bonifacio, Carubina, Gio. Bernardo Bonifacio Dieses ganze Unglück hat mir diese kupplerische Hexe Lucia angetan und diese andere Hurenkuh, ihre Herrin. Sie wollte sich auf meine Kosten einen Spaß machen: nie, nie mehr will ich Frauen

218

atto quinto

307 | 309

fatti miei: mai mai più voglio credere a femine: si venesse la Vergine … poco ha mancato ch’io non dicesse qualche biastema. Carubina Togli via queste iscusazioni, scelerato, che io ti conosco, e le conosco. Chi è costui che cossì dritto dritto se ne viene verso noi? Bonifacio Questa è qualch’altra diavolo di matassa: credo che questa ruffianaccia me ne abbia fatte più di quattro insieme. Gioan Bernardo O io sono io, o costui è io. Bonifacio Questo è un altro diavolo più grande e più grosso: non te l’ho detto? Gioan Bernardo Olà messer uomo-da-bene … Bonifacio Questo ci mancava per la giunta di una mezza libra. Gioan Bernardo O là messer-de-la-negra-barba, dimmi chi di noi dui è io: io o tu? Non rispondi? Bonifacio Voi sète voi, et io sono io. Gioan Bernardo Come »io sono io«? Non hai tu, ladro, rubbata la mia persona, e sotto questo abito et apparenzia vai commettendo di ribalderie? come sei cqua tu? che fai con la signora Vittoria? | Carubina Io son sua moglie, messer Gioan Bernardo, che son venuta cossì, per grazia che mi ha fatta una signora per farmi convencere questo ribaldo. Gioan Bernardo Dumque voi sète madonna Carubina, voi? e costui come è fatto Gioan Bernardo? Carubina Io non so: dicalo lui che sa parlare et have l’età. Bonifacio Et io ho mutato abito, per conoscere mia moglie. Carubina Tu hai mentito, traditore: ancora ardisci in mia presenza negare? Gioan Bernardo Furfantone, in questo modo tradisci tua donna, la quale conosco onoratissima? Bonifacio Di grazia, messer Gioan Bernardo, non venemo a termini de ingiurie: lasciami che io faccia i miei negocii con mia moglie. Gioan Bernardo Come, ribaldo, pensi tu scappar dalle mie mani

fünfter akt

8

9

219

glauben. Selbst wenn die Heilige Jungfrau käme …, es hat nicht viel gefehlt und ich hätte geflucht. Carubina Spar dir diese Entschuldigungen, Bösewicht, denn ich kenne dich und ich kenne sie! Wer ist das, der so schnurgerade auf uns zukommt? Bonifacio Das ist irgendein anderer Teufelsbraten: Ich glaube, diese elende Kupplerin hat mir mehr als nur ein bißchen übel mitgespielt. Gio. Bernardo Entweder bin ich ich, oder dieser da ist ich. Bonifacio Das ist ein anderer Teufel, noch größer und noch fetter, hab ich’s dir nicht gesagt? Gio. Bernardo Hallo, Herr Ehrenmann. Bonifacio Na, der hat uns gerade noch gefehlt, als fünftes Rad am Wagen! Gio. Bernardo Hallo, Herr von Schwarzbart, sag mir, wer von uns beiden ist ich, ich oder du? Du antwortest nicht? Bonifacio Ihr seid Ihr, und ich bin ich. Gio. Bernardo Wie, ich bin ich? Hast du Dieb nicht meine Person gestohlen, und begehst du nicht in diesem Gewand und Aufzug Gaunereien? Wieso bist du hier? Was machst du mit der Signora Vittoria? Carubina Ich bin seine Ehefrau, Herr Gio. Bernardo, ich komme so daher, aus Dank an eine Signora, die mich diesen Gauner hat überführen lassen. Gio. Bernardo Dann seid Ihr Madonna Carubina, Ihr? Und wie ist der da zu Gioan Bernardo geworden? Carubina Ich weiß nicht. Soll er es sagen, er kann sprechen und ist erwachsen. Bonifacio Und ich habe mein Gewand gewechselt, um meine Frau zu erkennen. Carubina Du lügst, Verräter! Du wagst es noch, in meiner Gegenwart zu leugnen? Gio. Bernardo Riesenstrolch, so betrügst du deine Frau, die ich als eine außergewöhnlich anständige Person kenne? Bonifacio Bitte sehr, Herr Gio. Bernardo, werden wir nicht unhöflich: Laßt mich alleine, damit ich meine Angelegenheiten mit meiner Frau erledigen kann. Gio. Bernardo Du Gauner glaubst wohl, mir einfach so zu entkom-

220

atto quinto

309 | 311

cossì? Voglio veder conto e raggione di questo abito; voglio saper come abusate di mia persona. Tu puoi aver fatte in questa foggia mille ribaldarie, le quali sarranno attribuite ad me, si non starrò in cervello. Bonifacio Io vi priego, perdonatime; perché non ho fatto altro fallo … che con mia moglie: il quale non è cognito ad altro che alla signora Vittoria, e quei di sua casa, che hanno conosciuto che sono io. Carubina Fatelo per amor mio, messer Gioan Bernardo: non fate che questo passe oltre. | Gioan Bernardo Perdonatemi, madonna, che è impossibile che io faccia passar questa cosa cossì di leggiero. Io non so che cosa abbia egli fatto: però non so che cosa io gli debbia perdonare. Bonifacio Andiamo, andiamo, Carubina. Gioan Bernardo Ferma, ferma, barro: che tu non, non mi scapparrai. Bonifacio Lasciami, ti priego, si non vogliamo venire a i denti et a le mani. Carubina Misser Gioan Bernardo mio, ti priego per l’onor mio. Gioan Bernardo Signora, sarrà intiero l’onor vostro, per che non può esser male quel che voi avete fatto: ma io voglio veder del torto che costui ha fatto a voi et ad me. Bonifacio Tu non m’impedirrai. Gioan Bernardo Tu non mi scapparrai.

scena x Sanguino, Barra, Marca, Corcovizzo, Gioan Bernardo, Carubina, Bonifacio Sanguino Olà, olà, alto: la corte! Che rumori son questi? Bonifacio A l’altra! Siate li ben venuti, signori; vedete che io mi sono incontrato con quest’uomo vestito di mia foggia, caminando con mia moglie: viene a farne violenza. Io mi querelo di lui.

fünfter akt

221

men? Ich will die Erklärung und den Grund für diese Aufmachung sehen; ich will wissen, wie Ihr meine Person mißbraucht. Du kannst in dieser Figur tausend Gaunereien angestellt haben, die dann mir angerechnet werden, wenn ich nicht aufpasse. Bonifacio Ich flehe Euch an, verzeiht mir, denn ich habe keinen anderen Fehltritt begangen als den mit meiner Frau, der niemand anderem bekannt ist als der Signora Vittoria und ihrer Dienerschaft, die erkannt haben, daß ich es bin. Carubina Tut es mir zuliebe, Herr Gio. Bernardo. Laßt nicht zu, daß es herumerzählt wird. Gio. Bernardo Verzeiht mir, Madonna, aber es ist unmöglich, daß ich diese Sache einfach so auf sich beruhen lasse. Ich weiß nicht, was er angestellt hat, und daher weiß ich nicht, was ich ihm verzeihen soll. Bonifacio Gehen wir, gehen wir, Carubina. Gio. Bernardo Halt, halt, Schurke, du, du wirst mir nicht entkommen. Bonifacio Laß mich, ich flehe dich an, wenn wir nicht handgreiflich werden wollen. Carubina Mein Herr Gio. Bernardo, ich flehe dich an, bei meiner Ehre. Gio. Bernardo Signora, Eure Ehre wird nicht angetastet, denn was Ihr getan habt, kann nicht schlecht sein; ich aber möchte sehen, was der da Euch und mir an Unrecht zugefügt hat. Bonifacio Du wirst mich nicht aufhalten. Gio. Bernardo Du wirst mir nicht entkommen.

10 . szene

Sanguino, Barra, Marca, Corcovizzo, Gio. Bernardo, Carubina, Bonifacio Sanguino He da, halt, Wache! Was ist das für ein Lärm? Bonifacio Auch das noch! Seid willkommen, Signori. Seht, ich bin diesem Mann begegnet, der nach meiner Art gekleidet ist, während ich mit meiner Frau spazieren gehe. Er wird darüber gewalttätig. Ich beschwere mich über ihn.

222

atto quinto

311 | 315

Gioan Bernardo Tu hai mentito, scelerato; e ti provarrò per questo vestimento che porti, che tu sei un falso. | Sanguino Che diavolo: son dui gemini che fanno a questione. Barra Questi tre, insieme con la femina, faranno dui in carne una. Marca Credo che cercano chi de lor dui è esso, per essere il marito de la femina. Sanguino Questa deve essere qualche sollenne imbroglia: menatele priggioni tutti, tutti. Gioan Bernardo Signore, non dovete menar in priggione altro che costui, non me. Sanguino Via, via, sciagurato, tu sarrai il primo. Gioan Bernardo Di grazia, signor Palma, non mi fate questo torto, perché son persona onorata: io son Gioan Bernardo pittore, omo da bene. Corcovizzo Signor capitano, vedete che non mostra differenza l’uno dall’altro. Carubina Signor capitan Palma, viva la verità: questo stravestito è mio marito messer Bonifacio; quest’altro è messer Gioan Bernardo. Questa è la verità che non si può ascondere. Gioan Bernardo E per confirmazione, vedete si quella barba è la sua. Bonifacio Io confesso che è posticcia; ma lo ho fatto per certo disegno per cose che passano tra me e mia moglie. Corcovizzo Ecco la barba cqua di questo uomo da bene nelle mie mani. | Sanguino Dimmi, uomo da bene, è la barba tua questa? Barra Signor sì, è la sua: per che l’have comprata. Sanguino Adesso conoscemo che costui è falso: menate dumque lui preggione con la femina. Et a voi, messer Gioan Bernardo, da parte della Gran Corte de la Vicaria comandiamo che domani, ad ore quattordici, doviate trovarvi avante il giodice ordinario per la informazione di questo fatto: sotto pena di cento cinquanta scudi. Gioan Bernardo Io non mancarrò, signore Palma: sa vostra Signo-

fünfter akt

10

11

223

Gio. Bernardo Du lügst, Bösewicht; und ich werde dir durch dieses Gewand, das du trägst, beweisen, daß du eine Fälschung bist. Sanguino Teufel auch, das sind zwei Zwillinge, die da Klage führen. Barra Diese drei, zusammen mit der Frau, ergeben zwei, und eines im Fleische. Marca Ich glaube, die versuchen herauszufinden, wer von den beiden er selbst ist, um den Ehemann der Frau abzugeben. Sanguino [Na,] das muß aber eine hehre Verwirrung sein. Führt sie ab, alle, alle. Gio. Bernardo Signore, Ihr dürft nur diesen ins Gefängnis bringen, mich nicht. Sanguino Los, los Elender, du wirst der erste sein. Gio. Bernardo Ich bitte Euch, Signore Palma, tut mir dieses Unrecht nicht an, denn ich bin ein ehrenwerter Mensch. Ich bin Gio. Bernardo, der Maler, ein Ehrenmann. Corcovizzo Signor Capitano, seht, daß er sich von dem anderen in nichts unterscheidet. Carubina Signor Capitan Palma, es lebe die Wahrheit: Dieser Verkleidete ist mein Ehemann, Herr Bonifacio; dieser andere ist Herr Gio. Bernardo. Das ist die Wahrheit, die sich nicht verstecken läßt. Gio. Bernardo Und zur Bestätigung seht nach, ob dieser Bart sein eigener ist. Bonifacio Ich gestehe, daß er unecht ist; aber ich habe das mit einer bestimmten Absicht gemacht, wegen Angelegenheiten, die mich und meine Ehefrau angehen. Corcovizzo Und schon ist der Bart dieses Ehrenmannes in meiner Hand. Sanguino Sag mir, Ehrenmann, ist dies dein Bart? Barra Signore ja, es ist seiner, denn er hat ihn gekauft. Sanguino Nun wissen wir, daß er der falsche ist; führt ihn also ab, zusammen mit der Frau. Und Euch, Herr Gio. Bernardo, befehlen wir im Namen des hohen Gerichts des Vizekönigs, daß Ihr Euch morgen zur vierzehnten Stunde vor dem ordentlichen Richter einfinden müßt, um über diesen Vorfall Auskunft zu geben, bei einer Strafe von hundertfünfzig Scudi. Gio. Bernardo Ich werde nicht fehlen, Signore Palma. Eure Exzel-

224

atto quinto

315 | 317

ria che questo non lo deve nisciuno cercare più di me, al quale è fatta ingiuria; e mi protesto per le ribalderie che può aver commesse costui sotto questo abito. Sanguino La giustizia non mancarrà. Carubina Et io misera ancora debbo esser vituperata et andar priggione, per aver voluto apprendere questo scelerato di mio marito? Gioan Bernardo Signore capitano: io risponderrò, e vi dono assicuranza per questa madonna, la quale conosco onoratissima, benché sii sua moglie; e lei non è partecipe in questo fatto. Sanguino Voi vi dovereste contentare che lasciamo vostra persona. Costei non andava insieme con suo marito? … Gioan Bernardo Signor sì. Sanguino … dumque verrà insieme con lui. | Carubina Ma io non ero consapevole: io lo ho cercato e ritrovato in fallo; et ora me ne venevo dalla casa della signora Vittoria, riprendendolo per questo maldetto fatto; e si ve piace, sarrà cqui tutto il mondo che non vi dirrà cosa che m’incolpi: andiamo dalla signora Vittoria, e gli altri di sua casa. Gioan Bernardo Vi assicuro, signor, che non è errore dal canto di madonna; e si vi fusse, io mi dono ubligato ad ogni satisfazzione per lei. A me basta solo, e fo instanzia, che costui vada in preggione solamente: e da madonna Carubina io non pretendo altro; e di nuovo vi priego che la lasciate andare. Sanguino Par che apertamente non costa delitto dal canto suo: la rimetto a vostra preciaria; con questo, che ad voi … come vi chiamate? Carubina Carubina, al servizio di vostra Signoria. Sanguino … a voi madonna Carubina, da parte della Gran Corte della Vicaria facciamo comandamento che domani, ad ore quattordeci, vi doviate trovare avant’il giodice ordinario per la informazione di questo fatto: sotto pena di sessanta scudi. Carubina Sarrò ubedientissima, secondo il mio devere.

fünfter akt

225

lenz möge wissen, daß niemand solches mehr als ich begehrt, dem Unrecht getan wurde; und ich erhebe Anklage wegen der Gaunereien, die der da in diesem Aufzug begangen haben könnte. Sanguino Die Gerechtigkeit wird nicht fehlen. Carubina Und ich Unglückliche muß auch noch verhöhnt und abgeführt werden, weil ich meinem Ehemann, diesem Bösewicht, auf die Schliche kommen wollte? Gio. Bernardo Signore Capitano, ich bürge und gebe Euch Versicherung für diese Madonna, die ich als außerordentlich ehrbar kenne, auch wenn sie seine Ehefrau ist, denn sie ist nicht in diese Sache involviert. Sanguino Ihr werdet Euch damit begnügen müssen, daß wir Euch gehen lassen. Ging diese nicht gemeinsam mit ihrem Ehemann? Gio. Bernardo Signor, ja. Sanguino Dann wird sie auch mit ihm kommen. Carubina Aber ich habe doch von nichts gewußt. Ich habe ihn bei einem Fehltritt gesucht und gefunden; und jetzt kam ich vom Haus der Signora Vittoria und machte ihm Vorwürfe wegen dieser verdammten Sache; und mit Verlaub, dort wird Euch niemand das Geringste berichten, was mich belastet. Gehen wir zur Signora Vittoria und zu den anderen in ihrem Haus. Gio. Bernardo Ich versichere Euch, Signore, daß es sich um keinen Fehler von seiten der Madonna handelt, und wenn es so wäre, bin ich hinsichtlich ihrer zu jeder Ehrenerklärung bereit. Mir genügt es völlig, und ich fordere, daß nur dieser da ins Gefängnis kommt. Und von Madonna Carubina verlange ich nichts weiter, und ich bitte Euch nochmals, daß Ihr sie gehen laßt. Sanguino Es scheint, daß ihrerseits kein schuldhaftes Verhalten vorliegt. Ich übergebe sie Euch als Bürgen, mit der Auflage, daß Ihr – wie heißt Ihr? Carubina Carubina, zu Diensten, Euer Exzellenz. Sanguino … daß Ihr, Madonna Carubina, im Namen des Hohen Gerichts des Vizekönigs, Euch morgen zur vierzehnten Stunde vor dem ordentlichen Richter einfinden müßt, um über diesen Vorfall Auskunft zu geben, bei einer Strafe von sechzig Scudi. Carubina Ich werde ganz sicher Folge leisten, wie es meine Pflicht ist.

226

atto quinto

317 | 319

Bonifacio Vi accorgerrete, messer Gioan Bernardo, che io non vi ho tanto offeso, quanto vi pensate. Gioan Bernardo Tutto se vedrà. Sanguino Or su andiamo, non più dimora; videte che non fugga; depositatelo con quel mastro di scola: per che poi le menarremo in corte. | Bonifacio Di grazia legatemi: fate ancor questo piacere a mia moglie et ad messer Gioan Bernardo. Sanguino Fate pur che non fugga. Via, bona notte. Gioan Bernardo Buona notte e buon anno a vostra Signoria, signore capitano, e la compagnia.

scena xi Gioan Bernardo, Carubina Gioan Bernardo Vedi, ben mio, che gran torto fa questo pazzacone a vostre divine bellezze: non vi par giusto che egli sii pagato della medesma moneta? Carubina Si lui non fa quel che gli conviene, io non debbo far il simile. Gioan Bernardo Farrete, cor mio, quel che conviene, quando non farrete altro che quello che farrebbe ogni persona di giudicio e sentimento che vive in terra. Voglio, ben mio, che sappiate che questi che lo tengono non sono birri, ma certi compagnoni galant’omini miei amici: per li quali lo farremo trattare come a noi piace. Ora dimorarrà llà; e tra tanto che questi fingono altri negocii, prima che menarlo in Vicaria, andarrà un certo messer Scaramuré, il quale fingerrà di acordar questa cosa: con questo, che si umilii a noi, che siamo stati da lui offesi, e che doni qualche cortesia a questi compagni; non perché loro si curino di questo, ma per far la cosa più verisimile: e vostra Signoria non verrà a perdere cosa alcuna. Carubina Io mi accorgo che voi siete troppo scaltrito, che avete saputo tessere tutta questa tela: io comprendo adesso molte cose. |

fünfter akt

227

Bonifacio Ihr seid Euch bewußt, Herr Gio. Bernardo, daß ich Euch nicht so sehr verletzt habe, wie Ihr denkt. Gio. Bernardo Das wird man alles noch sehen. Sanguino Los jetzt, gehen wir, kein weiterer Aufschub. Seht zu, daß er nicht wegläuft, schafft ihn zu diesem Schulmeister, damit wir sie dann auf die Wache bringen. Bonifacio Fesselt mich, ich bitte Euch, bereitet meiner Gattin und Herrn Gio. Bernardo auch noch dieses Vergnügen. Sanguino Sorgt dafür, daß er nicht flieht. Los, gute Nacht. Gio. Bernardo Gute Nacht und ein segensreiches Jahr, Euer Exzellenz, Signore Capitano, Euch und Eurer Begleitung.

11 . szene

Gio. Bernardo, Carubina

12

Gio. Bernardo Siehst du, meine Liebe, was für ein großes Unrecht dieser Riesennarr Euren göttlichen Reizen angetan hat? Erscheint es Euch nicht gerecht, daß es ihm mit gleicher Münze heimgezahlt wird? Carubina Wenn er nicht macht, was sich geziemt, darf ich nicht ebenso handeln. Gio. Bernardo Ihr tut nur, mein Herz, was sich geziemt, solange Ihr nichts anderes tut als das, was jeder vernünftige und einfühlsame Mensch, der auf der Erde lebt, tut. Ich möchte, meine Liebste, daß Ihr wißt, daß jene, die ihn festhalten, keine Polizisten sind, sondern bestimmte Ehrenmänner, meine Freunde, mit denen wir ihn so behandeln werden, wie es uns gefällt. Nun wird er dort festgehalten; und während jene anderen angeblich Geschäfte besorgen, bevor sie ihn ins Gefängnis führen, wird ein gewisser Herr Scaramuré kommen: Er wird vorgeben, diese Sache in Ordnung zu bringen, vorausgesetzt, daß er sich vor uns erniedrigt, daß wir von ihm beleidigt wurden und daß er diesen Kumpanen eine kleine Aufmerksamkeit erweist, nicht, weil ihnen daran gelegen wäre, sondern um die Sache glaubhafter zu machen; und Eure Exzellenz wird dabei überhaupt nichts verlieren. Carubina Mir wird klar, daß Ihr gänzlich verschlagen seid, wenn Ihr fähig wart, dieses ganze Netz zu spinnen. Ich verstehe jetzt vieles.

228

atto quinto

321 | 323

Gioan Bernardo Vita mia, io son tale che per vostro servicio mi gettarrei in mille precipicii. Or poi che mia fortuna e bona sorte (la quale piaccia a gli dèi che voi la confirmiate) ha permesso ch’io vi sii cossì a presso come vi sono, vi priego per il fervente amore, che sempre vi ho portato e porto, che abbiate pietà di questo mio core tanto profonda et altamente impiagato da vostri occhii divini. Io son quello che vi amo, io son quello che vi adoro: che si m’avessero concesso gli cieli quello che a questo sconoscente e sciocco (che non stima le mirabile vostre bellezze) han conceduto, giamai nel petto mio scintilla d’altro amore arrebe avuto luoco, come anche non ha. Carubina Oimè, che cose io veggio e sento? a che son io ridutta? Gioan Bernardo Priegovi, dolce mia diva, si mai fiamma d’amor provaste (la quale in petti più nobili, generosi et umani suol sempre avere più loco), che non prendiate a mala parte quel che dico; e non credete, né caschi già mai nella mente vostra, che per poco conto ch’io faccia del vostro onore (per cui spargerrei mille volte il sangue tutto) cerchi quel che cerco da voi: ma per appagar l’intenso ardore che mi consuma, il qual però né per essa morte posso credere che giamai si possa sminuire. Carubina Oimè, messer Gioan Bernardo, io ho ben tenero il core: facilmente credo quel che dite, benché siino in proverbio le lusinghe d’amanti; però desidero ogni consolazion vostra: ma dal canto mio non è possibile senza pregiudizio del mio onore. Gioan Bernardo Vita della mia vita, credo ben che sappiate che cosa è onore, e che cosa anco | sii disonore. Onore non è altro che una stima, una riputazione: però sta semper intatto l’onore, quando la stima e riputazione persevera la medesma. Onore è la buona opinione che altri abbiano di noi: mentre persevera questa, persevera l’onore. E non è quel che noi siamo e quel [che] noi facciamo, che ne rendi onorati o disonorati, ma sì ben quel che altri stimano e pensano di noi.

fünfter akt

229

Gio. Bernardo Meine Liebste, um Euch zu Diensten zu sein, würde ich mich in tausend Abgründe stürzen. Nun, da es mein günstiges Schicksal und mein Glück – den Göttern möge es gefallen, daß Ihr es bestätigt – mir erlaubt, daß ich Euch so nahe bin, wie ich es bin, flehe ich Euch an, bei der brennenden Liebe, die ich Euch immer entgegengebracht habe und entgegenbringe, daß Ihr Mitleid mit meinem Herzen habt, das so durchdringend und tief von Euren göttlichen Augen getroffen wurde. Ich bin es, der Euch liebt, ich bin es, der Euch anbetet. Wenn mir die Himmel doch nur erlaubt hätten, was sie diesem Undankbaren und Narren erlaubt haben, der Eure wunderbaren Reize nicht zu schätzen weiß, niemals hätte dann der Funke einer anderen Liebe in meiner Brust Platz gehabt, und das ist auch nicht der Fall. Carubina Ojemine, was sehe und höre ich? Wie weit bin ich heruntergekommen? Gio. Bernardo Ich flehe Euch an, meine süße Göttin, daß Ihr, wenn Ihr jemals die Glut der Liebe gefühlt habt – was in den vornehmeren, großzügigeren und menschlicheren Herzen häufiger der Fall zu sein pflegt –, mir nicht übel nehmt, was ich sage: Glaubt nicht, und es falle Euch niemals ein, daß ich Eure Ehre geringschätze, für die ich tausendfach all mein Blut vergießen würde. Wenn ich begehre, was ich von Euch begehre, dient das vielmehr dazu, die heftige Leidenschaft, die mich verzehrt, zu stillen, obwohl ich nicht glauben kann, daß sich diese durch den Tod selbst je lindern ließe. Carubina Ojemine, Herr Gio. Bernardo, ich habe ein ziemlich zartes Herz! Ich glaube leicht, was Ihr sagt, obwohl die Schmeicheleien der Liebenden ja sprichwörtlich sind. Deshalb wünsche ich, daß Ihr in jeder Hinsicht getröstet werdet; aber meinerseits ist das nicht möglich ohne Beeinträchtigung meiner Ehre. Gio. Bernardo Leben meines Lebens, ich glaube gern, daß Ihr wißt, was Ehre, und erst recht, was Unehre bedeutet. Ehre ist nichts anderes als Wertschätzung und Ansehen; deshalb bleibt die Ehre stets bestehen, solange Wertschätzung und Ansehen unverändert dieselben bleiben. Ehre ist die gute Meinung, welche andere von uns haben: Solange diese besteht, besteht die Ehre. Und es ist nicht das, was wir sind und was wir tun, was uns ehrlos oder unehrbar macht, sondern vielmehr das, was die anderen meinen und von uns denken.

230

atto quinto

323 | 325

Carubina Sii che si vogli de gli omini, che dirrete in conspetto de gli angeli e de’ santi, che vedeno il tutto, e ne giudicano? Gioan Bernardo Questi non vogliono esser veduti più di quel che si fan vedere; non vogliono esser temuti più di quel che si fan temere; non vogliono esser conosciuti più di quel che si fan conoscere. Carubina Io non so quel che vogliate dir per questo; queste paroli io non so come approvarle, né come riprovarle: pur hanno un certo che d’impietà. Gioan Bernardo Lasciamo le dispute, speranza dell’anima mia. Fate (vi priego) che non in vano v’abbia prodotta cossì bella il cielo: il quale, benché di tante fattezze e grazie vi sii stato liberale e largo, è stato però dall’altro canto a voi avaro, con non giongervi ad uomo che facesse caso di quelle; et ad me crudele, col farmi per esse spasimare, e mille volte il giorno morire. Or, mia vita, più dovete curare di non farmi morire, che temer in punto alcuno, che si scemi tantillo del vostro onore. Io liberamente mi ucciderrò (si non sarrà potente il dolore a farmi morire) si avendovi avuta, come vi ho, comoda e tanto presso, di quel che mi è più caro che la vita dalla crudel fortuna rimagno defraudato. Vita di questa alma afflitta, non sarrà possibile che | sia in punto leso il vostro onore, degnandovi di darmi vita: ma sì ben necessario ch’io muoia, essendomi voi crudele. Carubina Di grazia andiamo in luoco più remoto, e non parliamo cqui di queste cose. Gioan Bernardo Andiamo, dolcezza mia, che vengono di persone.

fünfter akt

13

231

Carubina Sei das mit den Menschen wie auch immer, [doch] was sagt Ihr hinsichtlich der Engel und der Heiligen, die alles sehen und darüber richten? Gio. Bernardo Die wollen nicht mehr gesehen werden, als sie sich sehen lassen; sie wollen nicht mehr gefürchtet sein, als sie Furcht einflößen; sie wollen nicht mehr erkannt werden, als sie sich zu erkennen geben. Carubina Ich weiß nicht, was Ihr damit sagen wollt; ich weiß weder, wie ich diesen Worten zustimmen soll, noch, wie ich sie ablehnen soll; doch sie haben irgendetwas Gottloses. Gio. Bernardo Lassen wir die Diskussionen, Hoffnung meiner Seele. Laßt es zu, ich flehe Euch an, daß Euch der Himmel nicht umsonst so schön geschaffen hat: Denn obgleich dieser sich Euch gegenüber mit so vielen körperlichen Reizen und solcher Anmut großzügig und freigebig gezeigt hat, so war er Euch gegenüber doch andererseits geizig, da er Euch nicht mit einem Mann verbunden hat, der darum etwas gäbe, und grausam zu mir, indem er mich danach verschmachten und mich tausendmal am Tag sterben läßt. Nun, meine Liebste, müßt Ihr Euch mehr darum sorgen, mich nicht sterben zu lassen, als in irgendeiner Hinsicht zu fürchten, daß sich Eure Ehre ein klein bißchen verringert. Ich werde mich freiwillig töten – wenn schon der Schmerz nicht mächtig genug ist, mich sterben zu lassen –, da ich Euch so gehabt habe, wie ich Euch habe, bequem und so nahe, wenn ich mich vom grausamen Schicksal um das, was mir am wertvollsten ist im Leben, betrogen sehe. [Oh] Leben dieser gequälten Seele, es kann nicht sein, daß Eure Ehre irgendwie verletzt wird, wenn Ihr geruht, mir Leben zu schenken; aber es ist wirklich unausweichlich, daß ich sterbe, weil Ihr grausam zu mir seid. Carubina Ich bitte Euch, gehen wir an einen entlegeneren Ort, und sprechen wir nicht hier über diese Dinge. Gio. Bernardo Gehen wir, meine Süße, denn es kommen Leute.

232

atto quinto

325 | 327

scena xii Consalvo e Bartolomeo attaccati insieme con le mani dietro. Consalvo Camina in tua mal’ora, becco cornuto: arriviamo queste gente che ne sciolgano. Bartolomeo Oh, che ti venga il cancaro, castronaccio padre de becchi: mi hai fatto cadere. Consalvo Oimè, la coscia. Bartolomeo Vorrei che t’avessi rotto il collo; ecco siamo caduti: or alzati adesso. Consalvo Alziamoci. Bartolomeo Al tuo dispetto, voglio star cossì tutta questa notte: testa di cervo. Consalvo Alziamoci, che non possi alzarti né mo’ né mai. Bartolomeo Or dormi, perché sei colcato. Vedi, poltrone, quanto per te ho patito, e patisco. Consalvo E patirrai. Bartolomeo Cornuto coteconaccio, fuuuh! | Consalvo Oimè, mi mordi, an? Giuro per san Cuccufato, che si tu vuoi giocare a mordere, ti strepparò il naso di faccia, o ver un’orecchia di testa.

scena xiii Scaramuré, Consalvo, Bartolomeo Scaramuré Vorrei sapere che uomini son questi, che cossì colcati fanno a questione. Consalvo Alziamoci, porco: sarremo peggio svergognati si sarremo trovati cossì. Bartolomeo Quasi che fai gran conto di essere svergognato. I travi non ti danno fastidio, ma sì ben il pelo.

fünfter akt

233

12 . szene 14

15

Consalvo und Bartolomeo zusammengebunden, mit den Händen nach hinten

Consalvo Geh, gehörnter Bock, in dein Unglück: Wir kommen bei Leuten vorbei, die uns losbinden werden. Bartolomeo Oh, der Krebs soll dich fressen, elender Hammel, Vater aller Böcke! Du hast mich hinfallen lassen. Consalvo Ojemine, der Hintern. Bartolomeo Ich wünschte, du hättest dir den Hals gebrochen! Da, jetzt sind wir hingefallen, steh sofort wieder auf. Consalvo Stehen wir auf. Bartolomeo Um dich zu ärgern, bleib ich die ganze Nacht so, du [gehörnter] Bock. Consalvo Stehen wir auf. Alleine könnte ich dich nicht aufrichten, weder jetzt noch irgendwann. Bartolomeo Schlaf jetzt, wenn du schon liegst. Siehst du, Taugenichts, wieviel ich für dich erlitten habe und erleide? Consalvo Und erleiden wirst. Bartolomeo Gehörnte, elende Schwarte, fuuuh! Consalvo Ojemine, du beißt mich, ha? Ich schwöre beim heiligen Cuccufato, daß, wenn du eine Beißerei anfängst, ich dir die Nase aus dem Gesicht oder ein Ohr aus dem Kopf reiße.

13 . szene

Scaramuré, Consalvo, Bartolomeo

16

Scaramuré Ich möchte wissen, wer diese Männer sind, die da liegen und sich streiten. Consalvo Aufstehen, du Schwein, wir sind noch erbärmlicher, wenn man uns so findet. Bartolomeo Du tust gerade so, als würdest du dich zu Unrecht erniedrigt fühlen. Die Balken ärgern dich nicht, sehr wohl aber ein Haar. Consalvo Wenn meine Hände frei wären, würde ich dich ganz an-

234

atto quinto

327 | 329

Consalvo S’io avesse le mani libere, ti farrei cridare aggiuto di altra sorte, che non cridaste un’altra volta. Non ti vòi alzare? Bartolomeo Io ti ho detto che voglio dimorar tutta questa notte cossì. Scaramuré Ah! ah! ah! questi certo sono stati attaccati insieme, co le mani ad dietro: l’uno si vuol alzare e l’altro non. Uno de dui mi par tutto messer Bartolomeo alla voce: ma è impossibile, perché veggo che son mascalzoni in camiso. Olà imbreachi! che avete, che fate cossì llà? Consalvo O messer gentil omo, vi priego, venete a sciòrne. O messer Scaramuré, sète voi? | Bartolomeo Io vi priego, lasciatene cossì. Scaramuré O là messer Bartolomeo, e voi messer Consalvo, non mi possevo imaginar che voi fuste: che caso strano è questo? dui uomini saggi in questo modo? state e perfidiate in questa foggia? siete impazziti? Bartolomeo Peggio dirrete quando saprete che mi sono appiccato: di grazia non ne sciogliete. Scaramuré Lascia lascia far ad me. Come passa questo negocio? Consalvo Io avevo paroli con costui: siamo venuti a pugni. Corsero certi marioli in fazzone di birri al rumore; ne legorno come ne volessero menar in Vicaria; quando fummo ad Maiella, ne svoltorno l’altre mani a dietro in questa forma che vedete, a culo a culo; e per la prima, ne levorno le borse e si partirno; poi ricordatosi meglio, ritornorno dui di essi, e ne levorno i mantelli e le berrete; e ne hanno scuciti gli panni di sopra con un rasoio. Dopo’ siamo noi partiti, et abbiamo discorso sin tanto che viddi un omo et una donna in questo loco. Volsi affrettarmi per chiamarli o giongerli; et al tirar che feci di questo buon omo, … Bartolomeo E tu sei una buona bestia, un buon bue. Scaramuré Avete torto ad ingiuriarvi cossì.

fünfter akt

17

235

ders um Hilfe schreien lassen, als du es schon einmal getan hast. Willst du nicht aufstehen? Bartolomeo Ich habe dir gesagt, daß ich die ganze Nacht so bleiben will. Scaramuré Ha, ha, ha, diese beiden sind sicherlich mit den Händen nach hinten zusammengebunden worden: Der eine will aufstehen und der andere nicht. Nach der Stimme scheint mir der eine von den beiden sicherlich Herr Bartolomeo zu sein; aber das ist unmöglich, denn ich sehe, daß es hemdsärmelige Lumpen sind. Hallo, Besoffene, was habt ihr? Was macht ihr da so? Consalvo Oh, edler Herr, Euer Gnaden, ich flehe Euch an, befreit uns. Oh, Herr Scaramuré, seid Ihr es? Bartolomeo Ich bitte Euch, laßt uns so, wie wir sind. Scaramuré Hallo, Herr Bartolomeo und Ihr, Herr Consalvo, ich konnte mir einfach nicht vorstellen, daß Ihr es seid! Was ist das für ein merkwürdiger Fall? Zwei vernünftige Menschen in dieser Lage? Ihr seid in dieser Aufmachung und beschimpft Euch? Seid Ihr verrückt geworden? Bartolomeo Ihr werdet noch Schlimmeres sagen, wenn Ihr erfahrt, daß ich mich aufgehängt habe. Bitte, bindet uns nicht los. Scaramuré Laßt, laßt nur mich machen! Was ist passiert? Consalvo Ich hatte mit ihm einen Streit, wir sind handgreiflich geworden. Auf den Lärm hin kamen irgendwelche Gauner, als Polizisten verkleidet, angelaufen; sie fesselten uns, als wollten sie uns ins Gefängnis führen; als wir in Maiella waren, banden sie uns die Hände nach hinten, in der Art, wie Ihr seht, Arsch an Arsch; zuvor hatten sie uns die Geldbörsen abgenommen, und dann sind sie auf und davon; dann, als sie sich eines Besseren besonnen hatten, kamen zwei von ihnen zurück und nahmen uns Mäntel und Baretts ab und trennten unsere Oberkleider mit einem Rasiermesser auf. Dann sind wir aufgebrochen und haben uns gestritten, bis ich hier einen Mann und eine Frau gesehen habe; ich wollte mich beeilen, um sie zu rufen oder sie einzuholen, und durch den Ruck, den ich diesem braven Mann dabei versetzt habe, … Bartolomeo Und du bist aber ein braves Tier, ein braver Ochse. Scaramuré Ihr habt keinen Grund, Euch so zu beschimpfen.

236

atto quinto

329 | 331

Consalvo … al tirar che feci di costui, cascò come un asino che porta troppo gran soma: et ha | fatto cascar ancora me; e per perfidia non si vuole alzare. Scaramuré Alzatevi adesso, che sète sciolti. La troppo còlera fa l’uomo pazzo e furioso. Or su, non voglio saper più di vostre raggioni, perché è notte. Guardate di battervi: perché il primo di voi che si moverrà, ne arrà dui contra. Voi messer Consalvo, prendete quel camino; e voi messer Bartolomeo, quest’altro. Bartolomeo Sì, sì, passarrà questa notte: domani ci revederremo con questo amico. Consalvo A rivederci da ora a cent’anni. Bona notte a voi, messer Scaramuré. Scaramuré A dio, andate. Bartolomeo Adio. – O povero Bartolomeo, quando sarrò appiccato, son certo che sarrò libero: che più disastri non me si aggiongerranno.

scena xiv Scaramuré solo Questo diavolo di Sanguino è conosciuto come la falsa moneta: e con tutto ciò si sa maneggiare di tal sorte, che in certo modo il capitan Palma medesmo non si saprebbe rapresentar meglio che come lo rapresenta lui. Guarda guarda come tratta queste povere bestie. Or mentre messer Gioan Bernardo negocia lui da un canto, io voglio far di modo che questo buon cristiano non solo non si lamenti di me, ma che me si tenga ubligato. Ecco qua la porta della academia di marioli. (Tò, tò, tò). |

fünfter akt

237

Consalvo … bei dem Ruck, den ich dem da versetzt habe, stürzte er wie ein Esel, der eine zu große Last trägt, und ließ auch mich stürzen; und aus reiner Bosheit will er nicht aufstehen. Scaramuré Steht jetzt auf, Ihr seid frei. Übermäßiger Zorn macht den Menschen närrisch und rasend. Auf jetzt, ich will nichts mehr von Euren Argumenten hören, denn es ist Nacht. Hütet Euch, Euch zu schlagen, denn der erste von Euch, der sich rührt, wird zwei Gegner haben. Ihr, Herr Consalvo, nehmt jenen Weg, und Ihr, Herr Bartolomeo, diesen anderen. Bartolomeo Ja, ja, diese Nacht geht vorbei, morgen werden wir diesen Freund schon wiedersehen. Consalvo Auf Wiedersehen in hundert Jahren. Eine gute Nacht Euch, Herr Scaramuré. Scaramuré Adieu, geht nur. Bartolomeo Adieu. Oh armer Bartolomeo, wenn ich mich einmal erhängt habe, bin ich sicher, daß ich frei sein werde, denn dann werden mich keine Katastrophen mehr ereilen.

14 . szene

Scaramuré allein 18

Dieser Teufel von einem Sanguino ist bekannt wie Falschgeld; und in allem weiß er sich so zu arrangieren, daß der Capitano Palma selbst sich gewissermaßen nicht besser darstellen könnte, so wie der ihn verkörpert. Schau, schau, wie er diese armen Tiere behandelt. Jetzt, während Herr Gio. Bernardo in einem Winkel [mit Madonna Carubina] beschäftigt ist, werde ich es so anstellen, daß dieser gute Christenmensch sich nicht nur nicht über mich beklagt, sondern sich mir zu Dank verpflichtet fühlt. Hier ist die Pforte zur Akademie der Gauner. To, to, to.

238

atto quinto

333 | 335

scena xv Corcovizzo, Scaramuré, Sanguino, messer Bonifacio Corcovizzo Chi è allà, chi è? Scaramuré Sono Scaramuré, al vostro servizio. Corcovizzo Che Scaramuré? che nome di zingano! che volete? che sète voi? Scaramuré Voglio dir una parola al signor capitan Palma. Corcovizzo È occuppato: pur aspetta un poco, che li dirrò si ve vuole udire. Scaramuré Ah! ah! ah! come son prattichi della sua arte costoro: l’arte di mariolare have li suoi termini e regole come tutte l’altre. Sanguino Chi è? olà. Scaramuré Amico. Sanguino O amico, o parente, o creato, o paesano, vieni domani in Vicaria. Scaramuré Di grazia uditemi, per che è necessario ch’io vi parli per questa sera. Sanguino Chi sète voi? Scaramuré Son Scaramuré. Sanguino Non vi conosco: pure, che cercate? Scaramuré Vorrei pregarvi di una cosa che importa. Sanguino Aspettate che da cqua ad un’ora voglio condure certi priggioni in Vicaria, e mi parlarrai per il camino. | Scaramuré Io vi supplico, si è possibile venete qui: che voglio dirvi cose d’importanza, che non vi dispiacerrà saperle. Sanguino Voi sète troppo fastidioso. Aspettate che descenderrò. Scaramuré Ah! ah! ah! gli altri son professi o baccalaurei: costui è dottore e maestro; credo che … Oh, veggo messer Bonifacio alla fenestra. Bonifacio Eh, messer Scaramuré, vedete dove sono io? Voi sapete quel che voglio dire.

fünfter akt

239

15 . szene

Corcovizzo, Scaramuré, Sanguino, Bonifacio Corcovizzo Wer da, wer ist da? Scaramuré Ich bin’s, Scaramuré, zu Euren Diensten. Corcovizzo Wer Scaramuré? Was für ein Zigeunername? Was wollt Ihr? Wer seid Ihr? Scaramuré Ich will dem Signore Capitano Palma etwas sagen. Corcovizzo Der ist beschäftigt; wartet trotzdem ein bißchen, ich frage ihn, ob er Euch hören will. Scaramuré [bei sich]: Ah, ha, ha, wie professionell die in ihrer Kunst sind. Die Kunst der Gauner hat ihren Fachjargon und ihre Regeln wie jede andere auch. Sanguino Wer ist da? Hallo. Scaramuré Freund. Sanguino Ob Freund oder Verwandter, Untergebener oder Bürger, komm morgen ins Gefängnis des Vizekönigs. Scaramuré Ich bitte Euch, hört mich an, denn ich muß Euch unbedingt heute nacht noch sprechen. Sanguino Wer seid Ihr? Scaramuré Ich bin Scaramuré. Sanguino Ich kenne Euch nicht; was wollt Ihr denn? Scaramuré Ich möchte Euch um eine Sache bitten, die wichtig ist. Sanguino Wartet, in einer Stunde werde ich Gefangene von hier ins Gefängnis überstellen, und auf dem Weg dorthin kannst du mit mir sprechen. Scaramuré Ich flehe Euch an, wenn es möglich ist, kommt hierher, denn ich möchte Euch wichtige Dinge mitteilen, die Ihr gerne hören werdet. Sanguino Ihr seid unausstehlich. Wartet, bis ich herunterkomme. Scaramuré [bei sich]: Ha, ha, ha, die anderen sind ordiniert oder Baccalaurei, der da ist ein Doktor und Maestro. Ich glaube, daß … Oh, ich sehe Herrn Bonifacio am Fenster. Bonifacio Eh, Herr Scaramuré, seht Ihr, wo ich bin? Ihr wißt, was ich sagen will.

240

atto quinto

335 | 337

Scaramuré Non più, non più: questa è la causa che mi ha fatto venir cqua. Sanguino Lèvati via da quella fenestra in tua mal’ora, porco presuntuoso: chi ti ha data licenzia di accostarti alla fenestra e parlare? Bonifacio Signor capitano, vostra Signoria mi perdona, io me ritiro. Scaramuré Ah! ah! ah! ah! voi sète tanti diavoli. Io adesso ho sciolti messer Bartolomeo e Consalvo, che non si possevano alzar da terra, si mordevano, arrabiavano, si davano del becco cornuto … Sanguino Ah! ah! ah! e si sapessi gli altri propositi che passamo con messer Bonifacio et il pedante, rideresti altrimente. Scaramuré La vostra comedia è bella: ma in fatti di costoro, è una troppo fastidiosa tragedia. Sanguino In conclusione ne vogliamo mandare il pedante de po’ avergli graffati quelli altri scudi che gli son rimasti dentro la giornea. Or parlate a Bonifacio et accomodatelo con noi. | Scaramuré Farrò prima certe scuse con esso lui. Farrò che lui mi mandi a pregar messer Gioan Bernardo che gli perdoni; e lo farrò venire, e dimandar perdono a lui et a lei; e tutti insieme dimandaremo a voi grazia di lasciarlo libero: e credo che vi farrà ogni partito, per téma che non lo menate in Vicaria. Sanguino Or su, non si perda tempo. Io lo farrò venire cossì legato a basso; e vi darrò comodità di parlargli come in secreto. Scaramuré Fate, ch’io aspetto.

fünfter akt

19

241

Scaramuré Nicht mehr, nicht mehr, das ist der Grund meines Kommens. Sanguino Weg vom Fenster, Unglücklicher, anmaßendes Schwein! Wer hat dir erlaubt, dich aus dem Fenster zu lehnen und zu sprechen? Bonifacio Signore Capitano, Euer Exzellenz, verzeiht mir, ich ziehe mich zurück. Scaramuré Ha, ha, ha, ha, Ihr seid solche Teufel! Ich habe jetzt Herrn Bartolomeo und Consalvo losgebunden, die nicht aufstehen konnten, sich gebissen und gestritten und sich gehörnte Böcke genannt haben. Sanguino Ha, ha, ha, und wenn du wüßtest, welche andern Streiche wir dem Herrn Bonifacio und dem Pedanten gespielt haben, würdest du noch mehr lachen. Scaramuré Eure Komödie ist schön, aber für diese ist es eine allzu unausstehliche Tragödie. Sanguino Um zum Schluß zu kommen: Wir wollen den Pedanten wegschicken, nachdem wir ihm die restlichen Scudi abgenommen haben, die er noch im Wams hat. Nun sprecht mit Bonifacio und bringt ihn auf unsere Linie. Scaramuré Ich werde ihm gegenüber zuerst einige Ausflüchte machen. Ich werde ihn dann dazu bringen, daß er mich zu Herrn Gio. Bernardo schickt, damit der ihm verzeiht; und ich werde ihn kommen und um Verzeihung bitten lassen, ihn und sie; und alle gemeinsam werden wir Euch um die Gnade bitten, ihn freizulassen: Ich glaube, er wird Euch jede Rolle spielen, aus Angst, daß Ihr ihn ins Gefängnis bringt. Sanguino Los also, verlieren wir keine Zeit. Ich lasse ihn gefesselt herunterkommen, so wie er ist, und gebe Euch Gelegenheit, mit ihm unter vier Augen zu sprechen. Scaramuré Macht das, ich werde warten.

242

atto quinto

337 | 339

scena xvi Sanguino, Barra, Marca, Bonifacio, Scaramuré Sanguino Olà Coppino: stà in cervello, che costui non fugga. Barra Non dubitate, signore. Sanguino E voi Panzuottolo, guardate da quell’altro passo. Marca Cossì fo. Sanguino Discostatevi un poco, fate che possa parlar costui con questo uomo da bene a suo bel comodo. Voi altro, messer … non posso retenir il vostro nome … Scaramuré Scaramuré, al servicio di vostra Signoria. | Sanguino … voi messer Scaramuré, parlate a costui in questo angolo, remoti. Scaramuré Ringrazio vostra Signoria per infinite volte. Sanguino Mi basta una grazia per una volta. Scaramuré Che ha detto vostra Signoria? Sanguino Basta basta.

scena xvii Scaramuré, messer Bonifacio Scaramuré Messer Bonifacio, accostatevi. Bonifacio Uh, uh, uh, misero me, quante confusioni oggi: vedete che frutti raccolgo di miei amori e di vostri consegli, messer Scaramuré. Scaramuré Oh, reniego … che mi vien voglia di toccar un de santi più grandi di paradiso. Bonifacio Chi, san Cristoforo? uh, uh, uh … Scaramuré Io dico non il più grande e grosso, ma un di que’ baroni; ma basta la litania de santi che ho detta all’ora, subbito che seppi questa cosa: ma in luoco di dire »Ora pro nobis«, io li ho mandate tante biasteme a tutti (fuor ch’a san Leonardo, della cui grazia al presente abbiam bisogno) che si per ogni peccato io debbo star sette anni in purgatorio,

fünfter akt

243

16 . szene

Sanguino, Barra, Marca, Bonifacio, Scaramuré

20

Sanguino Hallo, Coppino, paß auf, daß der da nicht flüchtet. Barra Keine Angst, Signore. Sanguino Und Ihr, Panzuottolo, achtet auf die andere Seite. Marca Wird gemacht. Sanguino Zieht Euch ein wenig zurück, damit der da in aller Ruhe mit diesem Ehrenmann sprechen kann. Ihr, mein Herr, … ich kann Euren Namen nicht behalten, – Scaramuré Scaramuré, zu Diensten, Euer Exzellenz. Sanguino Ihr, Herr Scaramuré, sprecht mit dem da in dieser Ecke, abseits. Scaramuré Unendlich vielen Dank, Euer Exzellenz. Sanguino Mir genügt einmalige Dankbarkeit. Scaramuré Was haben Euer Exzellenz gesagt? Sanguino Es reicht, es reicht.

17 . szene

Scaramuré, Bonifacio

21

22

Scaramuré Kommt näher, Herr Bonifacio. Bonifacio Hu, hu, hu, ich Armer, so viel Verwirrung heute! Seht, was für Früchte ich von meinen Liebschaften und Euren Ratschlägen ernte, Herr Scaramuré. Scaramuré Oh, ich verleugne …, in mir kommt Sehnsucht auf, einen der größten Heiligen des Paradieses zu berühren. Bonifacio Wen? Den Heiligen Christophorus, hu, hu, hu. Scaramuré Ich sage nicht, den höchsten und größten, aber einen von diesen Baronen. Aber es genügt die Litanei der Heiligen, die ich gleich in dem Moment aufgesagt habe, als ich von dieser Sache erfuhr, aber anstatt zu sagen »Ora pro nobis [Bete für uns]«, habe ich so viele Flüche auf alle losgelassen – mit Ausnahme des Heiligen Leonhard, dessen Gnade wir im Moment brauchen –, daß ich, wenn ich für jede Sünde sieben Jahre im Fegefeuer bleiben muß, nur für die Sünden der beiden

244

atto quinto

339 | 343

solo per i peccati miei da due ore in cqua, bisogna ch’il giorno del Giudicio aspetti più di diece milia anni, prima che venga. | Bonifacio Fate errore a biastemare. Scaramuré Che volete ch’io facesse considerando il vostro danno e disonore, e che par ch’io vi abbia affrontato, e che si questa cosa va avanti, possemo venire a termine di essere ruinati voi et io. Bonifacio Come lo avete saputo? Scaramuré Come sapea le cose lontane Apollonio, Merlino e Malaggigi? Bonifacio Io vi intendo. Piaccia al cielo che con questa arte mi possi liberare da le mani di costoro. Scaramuré Lasciami fare, ch’io non son venuto per altro che per rimediare a questo. Ma ditemi prima un poco le vostre cose. Pensate voi che senza arte ho ridutto costui a donarmi facultate di parlarti cossì come ti parlo in secreto, che essi ne guardino solamente di lontano? sai che non sogliono simil gente concedere anco a quelli che conoscono et hanno per amici? Bonifacio Per certo che io ne ho avuto un poco di maraviglia. Scaramuré Ho proceduto con umiltà, preghiere e scongiuri, et un scudo. Ma prima che procediamo ad altro, ditemi, vi priego, vostri affari. Bonifacio Che volete ch’io vi dichi? Ecco (sfortunato me) che mi han fatto i vostri rimedii e ricette. Ecco l’amor di quella puttana, ecco la | malignità di quella ruffianaccia di Lucia, che mi ha fatto credere cose che non mi arrebbe possute dare ad intendere anco il patriarca del concistoro de diavoli: io voglio spendere vinticinque scudi a fargli marcare il volto. Scaramuré Guarda bene che non è stata la colpa di costei, né della signora Vittoria, né mia (per che credo che pensi peggio di me che de gli altri, benché non vogli dirlo), ma la vostra forse. Bonifacio Di grazia vedete si possete persuadermi questo.

fünfter akt

23

24

25

245

letzten Stunden mehr als zehntausend Jahre auf den Tag des Jüngsten Gerichts warten müßte, ehe er kommt. Bonifacio Ihr begeht eine Sünde, wenn Ihr flucht. Scaramuré Was wollt Ihr, daß ich sonst hätte tun sollen, angesichts Eures Schadens und Eurer Schande und weil es scheint, als hätte ich Euch beleidigt, und weil, wenn das so weitergeht, es damit endet, daß wir beide ruiniert sind. Bonifacio Wie habt Ihr es erfahren? Scaramuré Wie erfuhren Apollonius, Merlin und Malagigi von weit entfernten Dingen? Bonifacio Ich verstehe. Es möge dem Himmel gefallen, daß ich mich mit dieser Kunst aus den Händen von denen dort befreien kann. Scaramuré Laß mich nur machen, ich bin wegen nichts anderem gekommen, als dafür Abhilfe zu schaffen. Aber erklärt mir zuerst ein wenig Eure Situation. Glaubt Ihr denn, ich hätte den dort ohne die [magische] Kunst dazu gebracht, daß er mir Gelegenheit dazu gibt, mit dir so zu sprechen, wie ich mit dir spreche, im geheimen, während die nur von weitem aufpassen? Weißt du, daß solche Leute das nicht einmal jenen zu erlauben pflegen, die sie kennen und die sie auch zu Freunden haben? Bonifacio Sicher, ich habe mich ein wenig darüber gewundert. Scaramuré Ich bin mit Demut, Gebeten, Beschwörungen und einem Scudo vorgegangen. Doch ehe wir zu etwas anderem kommen, erzählt mir, ich bitte Euch, von Euren Geschäften. Bonifacio Was wollt Ihr, daß ich Euch erzähle? Seht, ich Unglücklicher, was Eure Heilmittel und Rezepte mir angetan haben! Seht, die Liebe dieser Dirne, seht her, die Bösartigkeit dieser elenden Kupplerin von Lucia, die mich Dinge glauben machte, die mir nicht einmal der Patriarch des Konsistoriums der Teufel hätte zu verstehen geben können! Ich will fünfundzwanzig Scudi ausgeben, um ihr das Gesicht brandmarken zu lassen. Scaramuré Bedenke, daß das nicht ihre Schuld war noch die der Signora Vittoria, noch meine – denn ich glaube, daß du über mich noch schlechter denkst als über die anderen, auch wenn du es nicht sagen willst –, sondern vielleicht die Eure. Bonifacio Nur zu, wir werden sehen, ob Ihr mich davon überzeugen könnt.

246

atto quinto

343 | 345

Scaramuré Sète voi certo che quei capelli ch’io vi dimandai per porgli alla testa dell’imagine, erano della signora Vittoria? Bonifacio Son certo del cancaro che si mangi quella bagassa di mia fortuna: i capelli son di mia mogliera (che gli vadano mille mal’anni, a compartirseli con colui che pensò di darmela, con quel che mi portò la prima nova, e quel prete schiricato che la sposò); quelli raccolsi io destramente sabbato a sera, quando si pettinava. Scaramuré Or ecco come io ho intesa la verità. Bonifacio Da chi? Scaramuré Da chi la sa, et ha possuto dirmela: ho dimandato capelli di vostra moglie io? Bonifacio Signor non; ma mi dimandaste i capelli di donna. Scaramuré Io vi dissi, in nome del diavolo, i capelli de la donna, e non i capelli di donna | indifferentemente: eravamo forse in proposito di far qualche pippata per le bambine? Bonifacio E qual differenza fate voi tra i capelli di donna et i capelli de la donna? Scaramuré Quella che saprebbono far i putti quando cominciano ad aver l’uso di raggione: non eravamo noi in proposito di far la imagine in suo nome? Bonifacio Per dir la verità, non posso io avere quella capacità che avete voi. Talvolta voi pensate di dar a bastanza ad intendere la cosa ad un altro per che la intendete voi: e non è sempre cossì. Scaramuré Or ecco la maldetta causa ch’have imbrogliato l’effetto de l’incanto: la cera è stata scelta et incantata in nome di Vittoria; la imagine è stata formata in suo nome; i capelli poi erano di tua moglie: da cqua è avenuta questa confusione. Tua moglie in casa di Vittoria: tua moglie è stata tirata; Vittoria è stata inamorata. Tua moglie co i vestimenti di Vittoria; Vittoria senza i suo’ vestimenti. Tua moglie in loco de Vittoria, in casa de Vittoria, in letto di Vittoria, in veste di Vittoria; Vittoria solamente si bruggia et arde per voi: e per sola vostra esistimazione è stata gionta con voi. E Vittoria e Lucia, e quella tua moglie, tutti

fünfter akt

26

27

247

Scaramuré Seid Ihr sicher, daß jene Haare, die ich von Euch verlangte, um sie auf den Kopf des [magischen] Bildes zu setzen, von der Signora Vittoria waren? Bonifacio Ich bin sicher, beim Krebs, der diese elende Hure meines Schicksals fressen soll. Die Haare sind von meiner Ehefrau – ihr sollen tausend schlechte Jahre bestimmt sein, die sie sich mit dem teilen soll, der sie mir gab, und mit dem, der mir die Braut gebracht hat, und mit dem entsprungenen Priester, der sie verheiratet hat: Ich habe sie Samstagabend geschickt eingesammelt, während sie sich kämmte. Scaramuré Ja, jetzt habe ich die Wahrheit erfahren. Bonifacio Von wem? Scaramuré Von dem, der sie weiß und der sie mir sagen konnte. Habe ich Haare von Eurer Ehefrau verlangt, ich? Bonifacio Nein, Signore; Ihr habt Frauenhaar von mir verlangt. Scaramuré Ich habe Euch gesagt, in Teufels Namen, die Haare der Frau und nicht irgendein Frauenhaar. Wollten wir denn vielleicht irgendeine Puppe für kleine Mädchen machen? Bonifacio Und welchen Unterschied macht Ihr zwischen »Frauenhaar« und »Haar der Frau«? Scaramuré Jenen, den kleine Kinder machen könnten, sobald sie beginnen, ihren Verstand zu gebrauchen. Hatten wir nicht vor, ein Bildnis nach ihrem Namen zu machen? Bonifacio Um die Wahrheit zu sagen, ich habe nicht die Fähigkeiten, die Ihr habt. Manchmal denkt Ihr, daß Ihr die Sache einem anderen hinreichend verständlich gemacht habt, weil Ihr sie selbst versteht; doch das ist nicht immer so. Scaramuré Also hier liegt die verfluchte Ursache, die die Wirkung des Zaubers verdorben hat. Das Wachs wurde nach Vittorias Namen ausgesucht und beschworen; das Bildnis wurde nach ihrem Namen geformt; die Haare waren dann von deiner Ehefrau; von daher stammt die Verwirrung. Deine Frau in Vittorias Haus: Deine Frau wurde hingezogen, Vittoria ist verliebt gewesen. Deine Frau in Vittorias Kleidern, Vittoria ohne ihre Kleider. Deine Frau anstelle Vittorias: in Vittorias Haus, in Vittorias Bett, in Vittorias Kleidung; Vittoria glüht und brennt nur für Euch und war doch nur in Eurer Einbildung mit Euch vereint. Und Vittoria und Lucia und deine Frau sind alle

248

atto quinto

345 | 347

stanno estremamente maravigliate. Lucia se ricorda di avere portato a tua moglie li vestimenti della signora Vittoria, e non se ricorda come, e non sa dire che cosa l’ha spinta ad farlo. La signora Vittoria è estremamente stupita, come voi vestito da messer Gioan Bernardo, con vostra moglie vestita di sue vesti, e con lei vi siate trovati in suo letto; come a quell’ora si son trovate tutte le porte aperte per voi e vostra moglie, e Lucia stordita a condur lei e voi; e lei con altre fante e garzoni | trovarsi occupata dentro la sala, che non s’arrebbe possuto partire insino a certo termine. Vostra moglie ancora vederete che è rimasta attonita: che non sa la raggione di quel ch’ha fatto circa il vestirse di quell’abito, et essersi menata in quella stanza. Bonifacio Questo è uno intrecciamento troppo grande. Scaramuré Tutto quel che ha causato questa confusione, più destintamente l’intenderete quando sarremo fuor di questi intrichi. Bonifacio Mi maraveglio; ma un dubio mi resta: per che mia moglie, come è venuta in loco della signora Vittoria per lo effetto che se è adimpito in lei e non in quella, in causa che mi doveva amare, mi ha fatti di strazii che non si derrebono aver fatti ad un cane? Scaramuré Non vi ho detto che tua moglie, in virtù de gli capelli ch’eran sui, è stata solamente attirata in quella stanza; ma non posseva essere inamorata, perché la cera non è stata scelta, formata, puntata e scaldata in suo nome? Bonifacio Adesso son capace del tutto: prima non avevo bene inteso. Scaramuré Or su, basta: abbiamo troppo discorso circa questo negocio. Veggiamo di far di modo di donar qualche cosa a costoro et uscirgli da le mani; che fingano che sète fuggito o qualch’altro partito prendano: per che l’altre cose poi facilissimamente potranno accomodarsi. Bonifacio Io non mi ritrovo più di otto scudi sopra; e li ne prometterrò, si sarrà duro a volerne, di vantaggio. |

fünfter akt

249

außerordentlich verwundert. Lucia erinnert sich, daß sie deiner Frau die Kleider der Signora Vittoria brachte, und sie erinnert sich nicht wie, und sie kann nicht sagen, was sie dazu gebracht hat, dies zu tun. Die Signora Vittoria ist außerordentlich erstaunt, wieso Ihr Euch, als Herr Gio. Bernardo verkleidet, mit Eurer Frau, die [Signora Vittorias] Kleider anhatte, in deren Bett befunden habt; wie um diese Zeit alle Türen für Euch und Eure Frau offengestanden haben, und Lucia ist ganz verwirrt, daß sie Euch beide geführt hat; und daß sie, während sie mit anderen Dienstmädchen und Burschen im anderen Raum beschäftigt war, diesen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht verlassen konnte. Eure Ehefrau ist ganz betroffen, wie Ihr noch sehen werdet, denn sie kennt den Grund für das, was sie getan hat, nicht: sich dieses Kleid anzuziehen und sich in dieses Zimmer führen zu lassen. Bonifacio Diese Verwicklung ist allzu groß. Scaramuré Alles, was diese Verwirrung verursacht hat, werdet Ihr deutlicher verstehen, wenn wir erst aus diesem Schlamassel heraus sind. Bonifacio Es wundert mich; aber mir bleibt ein Zweifel. Warum hat meine Frau, die wegen des Zaubers, der auf sie und nicht auf die andere wirkte, und die anstelle der Signora Vittoria gekommen ist und mich deshalb lieben mußte, mir Qualen bereitet, die man keinem Hund antun dürfte? Scaramuré Habe ich Euch nicht gesagt, daß Eure Ehefrau bloß durch die Kraft der Haare, die von ihr waren, in dieses Zimmer gezogen wurde; aber sie konnte nicht verliebt sein, denn das Wachs war nicht in ihrem Namen ausgesucht, geformt, gestochen und erhitzt. Bonifacio Jetzt verstehe ich alles, was vorgefallen ist. Zuvor hatte ich nicht richtig verstanden. Scaramuré Also los, es reicht: Wir haben schon zuviel über diese Angelegenheit geredet. Schauen wir, daß wir es so anstellen, daß wir denen dort etwas schenken, um ihnen zu entkommen, damit sie vortäuschen, daß Ihr geflüchtet seid oder etwas dergleichen; denn dann lassen sich die anderen Dinge ganz einfach regeln. Bonifacio Ich habe nicht mehr als acht Scudi bei mir; aber ich werde ihnen mehr versprechen, wenn sie darauf bestehen.

250

atto quinto

349 | 351

Scaramuré Oh, non vi credeno per all’ora che gli sarrete uscito da le mani. Bonifacio Gli lasciarrò, oltre, il mantello e le anella che ho nelle dita. E credo che col vostro dire farran per meno: perché costoro per un scudo rinegarebono Cristo e la madre, e la madre della madre. Scaramuré Voi non conoscete il capitan Palma.

scena xviii Sanguino, Scaramuré, Bonifacio, [Barra, Marca] Sanguino Vorrei sapere quando sarran finiti questi vostri raggionamenti: abbiamo da star ad aspettar voi tutta questa notte cqua? Scaramuré Vostra Signoria ne perdoni si l’abbiamo dato troppo fastidio, facendola tanto aspettare. Or poi che si è degnata di farci tanto di favore, la supplicamo che ne ascolta una parola. Sanguino Non più, non più: è ora d’andare in Vicaria; domani potremo parlar a bell’aggio. Andiamo andiamo: olà Panzuottolo, Coppino. Bonifacio Oimè, Dio aggiutami, santo Leonardo glorioso. Scaramuré Fatene questa grazia per amor de Dio, signor capitano. Bonifacio Et io ve ne prego co le braccia in croce. | Sanguino Or su, ho comportato tanto: posso comportar un altro poco. Scaramuré Signor mio, quel tanto che noi vogliamo farvi intendere è questo: che a vostra Signoria non può rendere giovamento alcuno la confusione di questo povero gentil uomo; ma sì ben si farrà un perpetuo e servitore e schiavo, tanto me quanto lui, si accettando una piccola offerta ne farrà grazia di donargli libertà che si parta. Sanguino Io me imaginavo bene che tu eri venuto per questa prat-

fünfter akt

251

Scaramuré Oh, sie werden Euch nicht glauben, daß Ihr noch etwas hergebt, wenn Ihr ihnen einmal entkommen seid. Bonifacio Ich überlasse ihnen außerdem den Mantel und die Ringe, die ich an den Fingern habe. Und ich glaube, durch Eure Fürsprache werden sie es auch für weniger tun, denn die dort würden für einen Scudo Christus und die Heilige Mutter und die Mutter der Mutter verleugnen. Scaramuré Ihr kennt den Capitano Palma nicht.

18 . szene

Sanguino, Scaramuré, Bonifacio, [Barra, Marca] Sanguino Ich möchte wissen, wann Euer Gespräch beendet ist. Müssen wir noch die ganze Nacht lang auf Euch warten? Scaramuré Euer Exzellenz möge uns vergeben, wenn wir Ihr allzu lästig waren, indem wir Sie so lange warten ließen. Nun, nachdem Ihr geruht habt, uns einen derartigen Gefallen zu tun, flehen wir Euch an, uns kurz anzuhören. Sanguino Nicht mehr, nicht mehr, es ist Zeit ins Gefängnis zu gehen: Morgen können wir uns in aller Ruhe unterhalten. Gehen wir, gehen wir, he, Panzuottolo, Coppino. Bonifacio Ojemine, Gott steh mir bei, Sankt Leonhard mit dem Heiligenschein! Scaramuré Erweist uns diese Gnade, aus Liebe zu Gott, Signore Capitano. Bonifacio Und ich bitte Euch darum, mit gekreuzten Armen. Sanguino Also los, ich habe so viel ertragen, da kann ich auch noch ein bißchen mehr ertragen. Scaramuré Mein Signore, wir wollen Euch lediglich zu verstehen geben, daß Eurer Exzellenz die verwirrte Lage dieses armen Ehrenmannes keinerlei Vorteil bereitet, daß Ihr Euch aber sehr wohl einen ewig zu Dank verpflichteten Diener und Knecht schafft, wenn Ihr, verbunden mit der Annahme eines kleinen Geschenks, ihm die Gnade der Freiheit zu gehen gewährt. Sanguino Das habe ich mir schon gedacht, daß du mit solchen Me-

252

atto quinto

351 | 353

tica, con speranza di subornare la giustizia: mi maraviglio assai della tua temerità, uomo di pochissima conscienza, in sperare di farmi uscir di mano un priggione di quella importanza che può esser questo uomo. Forse che non l’ho detto a questi miei famigli? Però io ti ho data questa baldanza e ti ho sentito parlare: per aver occasione di castigarti del tuo fallo, e farti essere essempio a gli altri; et acciò ne sii più certo, verrai priggione insieme con lui a mano a mano. Olà Coppino. Barra Signore, che comandate? Sanguino Porta cqua per legar quest’altro uomo da bene. Scaramuré Di grazia signor Palma, vostra signoria mi ascolti prima. Bonifacio Signor mio, per amor de Dio, per tutti li cori de li angeli, per la intemerata Vergine, per tutta la corte celestiale io vi priego … [Sanguino] Alzati via, ch’io non voglio essere adorato: non son io re di Spagna, né gran Turco. Bonifacio … io vi priego, abbiate compassion di me e non entriate in còlera; e ricordatevi che tutti siamo peccatori et avemo bisogno della misericordia | di Dio, il quale ne promette tante misericordie quante noi ne facciamo ad altri. Sanguino Un scelerato come costui sarrebbe un predicatore si avesse studiato. – Li errori bisogna che si castighino, sai tu? Bonifacio Si tutti li errori si castigassero, in che consisterrebbe la misericordia? Sanguino Và in mal’ora, che io ho altro da fare che di disputare. Scaramuré Tacete voi messer Bonifacio: lasciate dir a me. Signor Palma, non abbia giamai permettuto Dio, che io avesse voluto tentar questo con pregiudicio della giustizia, e disonor di vostra Signoria: la quale, circa le cose che appartengono alla giustiza, è conosciuta sincerissima da tutto Napoli. Sanguino Lasciamo da canto queste adulazioni: non sono io che fo misericordia o rigore, giustizia o ingiustizia, ma gli miei superiori. Sai

fünfter akt

253

thoden kommst, in der Hoffnung, solcherart die Justiz zu korrumpieren. Ich wundere mich schon sehr über die Vermessenheit, unglaublich gewissenloser Mensch, zu hoffen, ich ließe einen Gefangenen, der von derartiger Wichtigkeit sein könnte, laufen. Habe ich es denn nicht gleich meinen Leuten gesagt? Ich habe dir diese Keckheit erlaubt und habe dich deshalb angehört, um einen Anlaß zu haben, dich für dein Vergehen zu strafen und an dir ein Exempel für die anderen zu statuieren: Und damit du dir dessen ganz sicher bist, gehst du mit ihm ins Gefängnis, Hand an Hand. Hallo Coppino! Barra Signore, zu Befehl? Sanguino Hierher, fessle diesen anderen Ehrenmann. Scaramuré Ich bitte Euch, Signore Palma, Euer Exzellenz höre mich zuerst an. Bonifacio Signore, aus Liebe zu Gott, zu allen Engelschören, zur Unbefleckten Jungfrau, zum ganzen himmlischen Hofstaat, ich flehe Euch an. [Sanguino ] Steh auf, los, ich will nicht auf Knien verehrt werden; ich bin weder der spanische König noch der türkische Sultan. Bonifacio Ich flehe Euch an, habt Mitleid mit mir und erzürnt Euch nicht; und erinnert Euch, daß wir alle Sünder sind und der Barmherzigkeit Gottes bedürfen, der uns selbst so viel Barmherzigkeit verspricht, wie wir anderen zuteil werden lassen. Sanguino (Ein Bösewicht wie der da könnte ein Prediger werden, wenn er studiert hätte.) Sünden muß man bestrafen, weißt du? Bonifacio Wenn alle Sünden bestraft würden, worin bestünde dann die Barmherzigkeit? Sanguino Geh ins Unglück, ich habe andere Dinge zu tun, als zu disputieren. Scaramuré Schweigt, Herr Bonifacio, laßt mich sprechen. Signor Palma, Gott hätte es niemals zugelassen, daß ich dies versuchen wollte, weder zum Nachteil der Justiz noch zur Unehre Eurer Exzellenz, die für Angelegenheiten der Justiz in ganz Neapel als absolut integer bekannt ist. Sanguino Lassen wir diese Schmeicheleien beiseite. Nicht ich bin barmherzig oder streng, gerecht oder ungerecht, sondern meine Vorgesetzten. Du weißt genau, daß meine Aufgabe nur darin besteht, Ver-

254

atto quinto

353 | 357

bene che il mio ufficio è solo di far condurre priggione i mal fattori, over i pretenduti mal fattori; del resto io non posso impacciarmi. Bonifacio Oimè povero me. Scaramuré Signormo, si vostra Signoria ascolta, spero che mi essaudirrà. Sanguino Io non mi prendo còlera e fantasia per passatempo; abbiate dumque buone raggioni come mi promettete: altrimente non dormirrete in vostro letto questa notte. Bonifacio O Cristo, aggiutami. Scaramuré Vostra Signoria sa che in Italia non è come in certi paesi oltramontani dove (o sii | per la freddezza di quelli, o sii per gran zelo delle povere anime, o per sordida avarizia di quei che administrano la giustizia) sono perseguitati que’ che vanno a cortiggiane. Cqua, come in Napoli, Roma e Venezia, che di tutte sorte di nobilità son fonte e specchio al mondo tuto, non solamente son permesse le puttane, o corteggiane come vogliam dire … Sanguino Mi par vedere che costui loda le tre città per esservi bordelli et esserno copiose di puttane: questo paradosso non è de gli ultimi. Scaramuré La priego che mi ascolti. Non solamente, dico, son permesse, tanto secondo le leggi civili e monicipali, ma ancora sono instituiti i bordelli, come fussero claustri di professe. Sanguino Ah! ah! ah! ah! questa è bella: or mai vorrà costui che sii uno degli 400 maggiori, o degli quattro Ordini minori; e per un bisogno, vi instituirrà la abbatessa, ah! ah! Scaramuré Di grazia ascoltatemi: cqui in Napoli abbiamo la Piazetta, il Fundaco del Cetrangolo, il Borgo di Santo Antonio, una contrada presso Santa Maria del Carmino. In Roma, perché erano disperse, nell’anno 1569 sua Santità ordinò | che tutte si riducessero in uno, sotto pena della frusta: e li destinò una contrada determinata, la quale di notte si fermava a chiave; il che fece non già per vedere il conto suo circa quel ch’appartiene alla gabella, ma acciò si potessero distinguere dalle donne oneste, e non venessero ad contaminarle. Di Venezia non

fünfter akt

28

29

30 31

255

brecher oder Tatverdächtige ins Gefängnis zu bringen; um alles weitere habe ich mich nicht zu kümmern. Bonifacio Ojemine, ich Ärmster! Scaramuré Mein Signore, wenn Euer Exzellenz mich anhört, hoffe ich, daß sie mich erhört. Sanguino Ich habe weder Zorn noch eitle Träumereien zum Zeitvertreib. Habt also besser gute Argumente, wie Ihr versprecht; andernfalls werdet Ihr heute nacht nicht in Eurem Bett schlafen. Bonifacio Oh Christus, steh mir bei! Scaramuré Euer Exzellenz wissen, daß es in Italien nicht so ist wie in bestimmten Ländern jenseits der Alpen, wo, sei es wegen der dortigen Kälte oder sei es wegen des großen Eifers der armen Seelen oder wegen des schmutzigen Geizes der dortigen Justizverwalter, jene gerichtlich verfolgt werden, die zu Prostituierten gehen. Hier, wie in Neapel, Rom und Venedig, Quelle aller Formen des Edelmutes und Spiegel für die ganze Welt, sind die Huren, oder Prostituierten, wie wir sagen wollen, nicht nur erlaubt … Sanguino Mir scheint, daß der da die drei Städte preist, weil es dort Bordelle gibt und Huren in großer Zahl: Das ist wohl nicht das allerletzte Paradox. Scaramuré Ich flehe Euch an, mir zuzuhören. Nicht nur, sage ich, sind sie erlaubt, sowohl nach dem Zivilrecht als auch nach den Stadtgesetzen, sondern die Bordelle sind sogar Institutionen wie die Frauenklöster. Sanguino Ha, ha, ha, ha, das ist gut. Jetzt will er zu einem der vierhundert Dominikanerorden oder zu einem der vier Franziskanerorden gehören, und zu diesem Zweck will er eine Äbtissin einsetzen. Ha, ha. Scaramuré Hört mich bitte gnädigst an. Hier in Neapel haben wir die Piazetta, den Fundaco del Cetrangolo, den Borgo di Santo Antonio, ein Viertel bei Santa Maria del Carmino. In Rom [hingegen], weil sie dort verstreut wohnten, ordnete seine Heiligkeit im Jahr 1569 an, sie unter Strafe der Auspeitschung zusammenzuführen, und bestimmte ihnen ein festgelegtes Viertel, das nachts abgesperrt wurde: Das tat er nicht nur, um über die Prostituiertensteuer auf seine Rechnung zu kommen, sondern auch, damit man sie von den ehrbaren Frauen unterscheiden konnte und sie diese nicht infizieren konnten. Von Ve-

256

atto quinto

357 | 359

parlo: dove per magnanimità e liberalità della illustrissima Republica (sii che si voglia di alcuni particulari messeri arcinfanfali clarissimi, che per un bezzo si farrebbono castrare, per parlar onestamente) ivi le puttane sono esempte da ogni aggravio; e son manco soggette a leggi che gli altri: quantumque ve ne siino tante (per che le cittadi più grandi e più illustre più ne abondano) che bastarebbono in poco anni, pagando un poco di gabella, ad far un altro tesoro in Venezia forse come l’altro. Certo se il Senato volesse umiliarsi un poco a far come gli altri, si farrebbe non poco più ricco di quel ch’è: ma per che è detto »in sudore vultui ti«, e non »in sudore delle povere potte«, si astengono di farlo. Oltre che, alle prefate puttane portano grandissimo rispetto, come appare per certa ordinanza novamente fatta sotto grave pena, che non sii persona nobile o ignobile, di qualunche grado e condizion ch’ella sii, ch’abbia ardire di ingiuriarle e dirgli improperii e villanie: il che mai si fe’ per altra sorte di donne … Sanguino Ah! ah! ah! non viddi più bel | sofista di costui. Tu me la prendi troppo larga e lunga; e mi pare che ti burli di me e di questo povero omo ch’aspetta il frutto della tua orazione, o leggenda, o cronica (non so che diavolo la sii): ma pur concludi presto, ch’io ti supportarrò un altro poco. Bonifacio Ti priego, parla a mio proposito: che hai da far di Venezia, Roma e Napoli? Scaramuré Concludo, signor, che in queste tre città consiste la vera grandezza di tutta Italia: per che la prima di quell’altre tutte che restano, è di gran lunga inferiore a l’ultima di queste. Bonifacio Oimè che mi vien voluntà di cacare. Sanguino Ah! ah! aspetta, buon omo, veggiamo dove va a calar costui al fine. Scaramuré La conclusione è che le puttane in Napoli, Venezia e

fünfter akt

32, 33

257

nedig rede ich nicht, wo aus Großherzigkeit und Liberalität der erlauchtesten Republik – einigen wenigen eingebildeten Berühmtheiten zum Trotz, die sich für ein paar Groschen kastrieren ließen (um offen zu sprechen) – die Huren von jeder Erschwernis befreit sind; sie sind nicht einmal, wie die anderen, Gesetzen unterworfen, obwohl es so viele [Nutten] gibt (denn die größten und glänzendsten Städte haben sie im besonderen Überfluß), daß sie genügen würden, um mit ein wenig Prostituiertensteuer innerhalb weniger Jahre einen weiteren Staatsschatz von Venedig zusammenzutragen, der vielleicht so [groß] ist wie der heutige. Wenn sich das Doganat dazu herablassen wollte, so zu verfahren wie die anderen, würde es sich sicherlich nicht wenig reicher machen, als es ohnehin schon ist; aber weil es heißt; »in sudore vultui ti« [im Schweiße deines Angesichts] und nicht »in sudore der armen Mösen«, nehmen sie davon Abstand. Es scheint, daß sie dort den erwähnten Huren nicht nur große Achtung entgegenbringen, wie aus einer bestimmten Verordnung hervorgeht, die neuerdings unter strenger Strafandrohung erlassen wurde: Daß niemand, ob adlig oder gemein, von welchem Rang und Stand auch immer, es wage, sie zu beleidigen oder ihnen Unschickliches oder Gemeinheiten zu sagen: Das hätte man niemals für eine andere Art von Frauen getan … Sanguino (Ha, ha, ha, ich habe noch nie einen schöneren Sophisten als ihn gesehen!) Du nimmst mir den Mund zu voll; und mir scheint, du machst dich über mich und diesen armen Mann lustig, der das Ergebnis deiner Rede, Legende oder Chronik erwartet, ich weiß nicht, was zum Teufel es sein soll. – Komm also rasch zu einem Ende, denn ich halte dich nicht mehr lange aus. Bonifacio Ich bitte dich, sprich über meinen Fall. Was hat der mit Venedig, Rom oder Neapel zu tun? Scaramuré Ich schließe damit, Signore, daß die wahre Größe Italiens aus diesen drei Städten besteht: Denn die erste von den übrigen ist der letzten von ihnen bei weitem unterlegen. Bonifacio Ojemine, ich kack’ mich an! Sanguino Ha, ha, warte, guter Mann, laß uns sehen, wo dieser am Ende landet. Scaramuré Der Schluß ist, daß die Huren in Neapel, Venedig und

258

atto quinto

359 | 361

Roma, ideste in tutta Italia, son permesse, faurite, han sui statuti, sue leggi, sue imposizioni, et ancora privileggii … Sanguino Devi dire »come privileggii«. Scaramuré E però consequentemente non si toglie facultà a persone di andar a corteggiane, e non son persequitate dalla giustizia … Sanguino Io comincio ad intendere costui. Bonifacio Et io: si va accostando, laude e gloria a nostra Donna di Loreto. Scaramuré … e non solamente questo; ma ancora gelosissimamente la giustizia si astiene di | procedere, perseguitare e comprendere quelli che vanno a donne di onore: per che considerano i nostri principi esser cosa da barbari di prendere le corna che un gentil omo, un di stima e di qualche riputazione abbia in petto, et attaccarglile nella fronte. Però, sii l’atto notorio quanto si voglia, non si suol procedere contra: eccetto quando la parte (la qual semper suol essere di vilissima condizione) non si vergogna di farne instanzia. Quanto alle parte onorate, la giustizia verrebbe a farli grandissimo torto et ingiuria; per che non contrapesa il castigo che si dà a colui che pianta le corna, et il vituperio che viene a fare ad un personaggio, facendo la sua vergogna publica e notoria a gli occhi di tutto il mondo: sì che è maggior l’offesa che patisce da la giustizia, che del delinquente; e ben che nientemanco il mondo tutto lo sapesse, tutta via sempre le corna con l’atto de la giustizia dovengono più sollenne e gloriose. Ogn’uomo dumque capace di giudicio considera che questo dissimular che fa la giustizia, impedisce molti inconvenienti: per che un cornuto e svergognato coperto (se pur un tale può esser ditto cornuto o svergognato, di cui l’esistimazione non è corrotta), per téma di non essere discoperto, o per minor cura ch’abbia di quelle corna che nisciun le vede (le quali in fatto son nulla), si astiene di far quella vendetta: la quale sarrebbe ubligato secondo il mondo di fare, quando il caso a molti è manifesto. La consuetudine dumque d’Italia et altri non barbari paesi, dove le corna non vanno a buon mercato, non solamente comporta e dissimula tali eccessi, ma anco si forza di coprirli: onde in certo modo son da lodare quei che permettono i bordelli,

fünfter akt

259

Rom, ideste in ganz Italien, zugelassen sind, [ja] begünstigt, daß sie ihre Regeln haben, ihre Gesetze, ihre Steuern und sogar Privilegien. Sanguino Du mußt sagen: als Privilegien. Scaramuré Und daraus folgt, daß man daher niemanden daran hindern darf, zu Prostituierten zu gehen, und sie werden nicht von der Justiz verfolgt … Sanguino Ich beginne, den da zu verstehen. Bonifacio Ich auch. Er kommt zum Kern der Sache, Lob und Gloria unserer Heiligen Frau von Loreto. Scaramuré … und nicht nur das; unsere Justiz enthält sich außerdem strikt, gegen jene, die zu ehrsamen Frauen gehen, vorzugehen, sie zu verfolgen oder festzusetzen: Denn unsere Prinzipien erachten es als Barbarei, einem Edelmann von beachtlicher Reputation die Hörner, die er im Herz hat, herauszunehmen und sie ihm auf die Stirn zu setzen. Deshalb pflegt man, wie bekannt die Sache auch sei, nicht dagegen einzuschreiten, außer wenn eine Partei – die semper [immer] von der allerschlimmsten Sorte zu sein pflegt – sich nicht schämt, Klage zu erheben. Dem ehrbaren Teil müßte die Justiz dann größtes Übel und Unrecht zufügen, denn die Strafe, die man dem auferlegt, der die Hörner aufsetzt, wiegt die Erniedrigung nicht auf, die man einer Person antut, indem man ihre Schande vor den Augen aller öffentlich und ruchbar macht. Und so ist die Beleidigung, die sie durch die Justiz erleidet, größer als durch den Übeltäter; und selbst wenn es alle wüßten, so werden noch durch die Intervention der Justiz die Hörner feierlicher und berühmter. Jeder Mensch, der bei Verstand ist, wird daher befinden, daß die Vertuschung durch die Justiz viel Leid verhindert, denn ein Gehörnter und Beschämter, der unbekannt bleibt – wenn man ihn überhaupt so nennen will, gehörnt und beschämt, wenn sein Ruf unangetastet bleibt –, nimmt (entweder aus Sorge, nicht entdeckt zu werden, oder weil ihn die Hörner, die man nicht sieht, nicht kümmern, die ja tatsächlich auch nicht existieren) davon Abstand, Rache zu nehmen, welche er nach allgemeiner Ansicht ausüben müßte, wenn der Fall vielen bekannt ist. Der Brauch in Italien und anderen zivilisierten Ländern, wo die Hörner teuer zu stehen kommen, toleriert und vertuscht solche Exzesse nicht nur, sondern bemüht sich demzufolge sogar, sie zu verbergen. Und daher sind jene, welche die Bordelle erlauben,

260

atto quinto

361 | 365

per li quali si ripara a massimi inconvenienti, che possono accadere in nostre parti … Sanguino Concludi presto, vi dico. | Bonifacio Oimè, mi fa morir di sete; mi viene il parasisimo. Scaramuré Finalmente, dico a vostra Signoria che l’eccesso di messer Bonifacio è stato per conto di donna: la quale, o sii puttana, o sii d’onore, non deve esser caggione che lui, che è uomo di qualche stima e nobile … Bonifacio Io so, mi par, gentil omo del seggio di San Paulo. Scaramuré … sii visto priggione et cetera: onde potrebono ancor altri venir ad essere gravemente vituperati. A vostra Signoria che è persona discreta, credo che basti d’aver udito questo, per intendere tutto il caso. Sanguino Si questo è per causa di donne, io son molto mal contento che costui mi sii venuto nelle mani: e mi scuso avanti a Dio et il mondo, che non è mia intenzione di ponere in compromisso l’onor di persona vivente. Ma voglio che sappi tu, e lui medesmo mi può esser testimonio e la compagnia presente, che a questa cosa non posso riparare io. Costui mi è stato posto nelle mani da un certo messer Gioan Bernardo pittore, il quale lui contrafacea con una barba posticia, et ancora contrafà con la biscappa che gli vedi; e la barba è cqua in mano di nostri famegli: la quale si volete vedere come gli sta bene, verrete domani a 14 ore in Vicaria, che potrete ridere quando le confrontarremo insieme co le barbe. | Bonifacio O povero me: eh, per amor de Dio agiutatemi. Sanguino Or quel pover omo da bene fa istanzia alla giustizia, per eccessi che costui può aver fatti e pretenduti di fare in forma e specie di sua persona: onde possa per l’avenire aversi qualche pretensione contra colui, da qualche parte lesa, per eccessi che abbia commesi costui. Bonifacio Signor, di questo non è da dubitare. Sanguino Omo da bene, non sono io che dubito: sì che comprendete voi, e sappia ogn’uno, ch’io non lo tengo e meno in Vicaria per mio bel

fünfter akt

34

35

261

in gewisser Weise zu loben, weil durch diese die größten Schwierigkeiten behoben wurden, die in unseren Landen vorkommen können … Sanguino Kommt rasch zum Schluß, sage ich Euch. Bonifacio Ojemine; sie lassen mich verdursten! Mich befällt das Nervenfieber! Scaramuré Schlußendlich sage ich Eurer Exzellenz, daß das Vergehen des Herrn Bonifacio auf das Konto einer Frau geht, die, sei sie nun eine Hure oder ehrbar, nicht der Grund sein darf, daß er, ein Mensch von einigem Ansehen und Adel, … Bonifacio Ich bin, scheint mir, Adliger des San-Paolo-Bezirks. Scaramuré … als Gefangener angesehen wird et cetera: wovon auch andere großen Schaden nehmen könnten. Euer Exzellenz, die Ihr eine taktvolle Person seid, haben, glaube ich, damit genug gehört, um die ganze Angelegenheit zu verstehen. Sanguino Wenn das durch Frauen verursacht wurde, bin ich sehr unzufrieden, daß dieser da in meine Hände geraten ist; und ich entschuldige mich, vor Gott und der Welt, denn es ist nicht meine Absicht, die Ehre einer lebenden Person zu kompromittieren. Aber ich will, daß du weißt, und er selbst kann es bezeugen und die anwesenden Untergebenen, daß ich diese Sache nicht bereinigen kann. Dieser wurde mir von einem gewissen Herrn Gio. Bernardo, Maler, überstellt, den er mit einem aufgeklebten Bart nachahmte und noch immer nachahmt durch den Mantel, den Ihr an ihm seht; und der Bart ist hier, in der Hand unserer Leute; wenn Ihr sehen wollt, wie gut er ihm steht, dann kommt morgen zur vierzehnten Stunde ins Gefängnis, damit Ihr lachen könnt, wenn wir sie mit den Bärten gegenüberstellen. Bonifacio Oh, ich Ärmster, helft mir, aus Liebe zu Gott! Sanguino Nun erhebt dieser arme Ehrenmann Klage bei der Justiz wegen der Vergehen, die der da in Form und Gestalt seiner Person begangen haben könnte und versucht haben könnte zu begehen: woraus gegen diesen zukünftige Ansprüche durch eine geschädigte Partei erwachsen könnten, wegen Vergehen, die er möglicherweise begangen hat. Bonifacio Signore, das ist nicht zu befürchten. Sanguino Ehrenmann, nicht ich bin es, der Befürchtungen hegt. Denn versteht und wisset beide, daß ich den da nicht zu meinem Ver-

262

atto quinto

365 | 367

piacere, ma per che ne ho da render conto; e colui è molto scalfato contra di questo: et è apparechiato doman mattina di far gli suoi atti contra il presente; oltre, la sua femina anco si lamenta; e messer Gioan Bernardo e la donna mi potrebbono dare gran fastidio. Scaramuré Della donna non si dubita. Sanguino Anzi di quella io dubito più: queste per gelosia sogliono strapazzar la vita et onor proprio e di mariti. Or dumque considerate voi messeri, che cosa posso far io per voi: posso aver compassion de lui, ma non agiutarlo. Scaramuré Signor capitano, vostra Signoria parla come un angelo. Bonifacio Come un evangelista: non si può dir meglio; santamente. Sanguino Or su dumque andiamo. Panzuottolo, fà che venghi abasso quel magister, e spediamoci. | Scaramuré Signor capitanio, io dono una nova a vostra Signoria. Sanguino Che nova? Scaramuré Io mi confido di far di modo (si ne vuol far tanto di grazia di aspettar un mezzo quarto d’ora) di riconciliare quel messer Gioan Bernardo con messer Bonifacio. Bonifacio Oh, che piacesse a Dio, e potessi far questo. Sanguino Voi ne date la berta: questo è impossibile. Scaramuré Anzi è necessario: quando lui saprà come la cosa passa, io credo che et cetera. Io li son tanto amico che, si l’è colcato, lo farrò levare e lo farrò venir cqua, e farrò de modo che si accordino insieme; ma bisogna che voi messer Bonifacio li chiedete perdono, e gli facciate qualche degna satisfazzione di parole et atti d’umiltà: per che veramente lui può presumere che l’abbiate molto offeso. Bonifacio Cossì è; io mi offero di baciargli i piedi et essergli amico et ubligato in perpetuo, si me perdona questo fallo e non mi espone alla vergogna: non solamente a lui … uh, uh, uh … ma ancora a vostra Signoria, signor capitanio mio, uh, uh, uh …

fünfter akt

263

gnügen festhalte und ins Gefängnis führe, sondern weil ich Bericht erstatten muß; und jener ist sehr gegen diesen hier aufgebracht und vorbereitet, gegen den Anwesenden morgen früh vor Gericht auszusagen. Außerdem beklagt sich auch sein Weib; und Herr Gio. Bernardo und die Frau könnten mir sehr lästig werden. Scaramuré Bei der Frau ist dies nicht zu befürchten. Sanguino Gerade bei ihr habe ich zuerst Befürchtungen. Aus Eifersucht pflegen diese sich das Leben zu verpfuschen, die eigene Ehre und die der Ehemänner. Überlegt also selbst, meine Herren, was ich für Euch tun kann: Ich kann Mitleid mit ihm haben, nicht aber ihm helfen. Scaramuré Signore Capitano, Euer Exzellenz sprechen wie ein Engel. Bonifacio Wie ein Evangelist; besser kann man es nicht sagen; wie ein Heiliger. Sanguino Also los, gehen wir jetzt. Panzuottolo, hol diesen Magister herunter und wir brechen auf. Scaramuré Signor Capitano, ich habe eine Neuigkeit für Euer Exzellenz. Sanguino Was für eine Neuigkeit? Scaramuré Ich traue mir zu – wenn Ihr uns die große Gnade erweisen wollt, noch eine halbe Viertelstunde zu warten –, diesen Herrn Gio. Bernardo mit Herrn Bonifacio zu versöhnen. Bonifacio Oh, es möge Gott gefallen, daß dir das gelingt! Sanguino Ihr macht Euch lustig über mich. Das ist unmöglich. Scaramuré Es ist vielmehr notwendig. Wenn er erfährt, wie sich die Sache entwickelt, glaube ich, daß er et cetera. Ich bin sehr gut mit ihm befreundet. Wenn er sich schlafen gelegt hat, werde ich ihn aufwecken, lasse ihn herkommen und werde einen Weg finden, daß sie sich einigen; aber es ist notwendig, Herr Bonifacio, daß Ihr ihn um Verzeihung bittet und ihm eine würdige Genugtuung in Worten und demütigen Taten bietet, denn er kann wirklich annehmen, daß Ihr ihn sehr beleidigt habt. Bonifacio So ist es. Ich werde mich anbieten, ihm die Füße zu küssen und ihm ewig Freund und verpflichtet zu sein, wenn er mir diesen Fehltritt verzeiht und mich nicht der Schmach aussetzt: nicht nur ihm, uh, uh, uh, sondern auch Euch, Euer Exzellenz, mein Signore Capitano, uh, uh, uh.

264

atto quinto

367 | 369

Sanguino Alzati, non, non mi baciar i piedi sin tanto ch’io non sii papa. Bonifacio … a vostra Signoria sarrò ubligato si in questo fatto mi aggiutarrà dandone comodità per un poco di tempo di trattar questo accordo. Et a voi messer Scaramuré, vi priego co le viscere del core et anima mia, trattate questo negocio caldamente, ché la vita mia vi sarrà in perpetuo ubligatissima. | Scaramuré Io mi confido assai, almeno di condurlo sotto qualche pretesto sin cqua: e quando vi sarrà, farremo tanto co la vostra umiltà ed intercessione del signor capitanio (si ne vuol tanto faurire) e mie persuasioni, che la cosa non passarrà avanti; et è anco necessario che non sii ingrato alla generosità del signor capitano. Sanguino Oh, io non mi curo di questo quanto a me: bisognarà sì ben far qualche buona cortisia a questi mei famegli, al meno per chiudergli la bocca. Oltre che, non mi basta questo: voglio che si riconcilii ancora con la sua femina, e che dimanda mercé a lei cossì bene come a quell’altro; e quando vedrò quelli dui contenti e satisfatti, io non procederrò oltre: per che non posso far di non aver compassione ancor io di questo povero messer Bonifacio. Bonifacio Signor mio, eccome cqua tutto in anima e corpo al servizio vostro; per li compagni, dico per questi famegli, ecco cqua le anella, tutto quel ch’ho dentro questa borsa, e questa maldetta biscappa, che per ogni modo, me la voglio levar di sopra. Sanguino Basta, basta voi fate il conto senza l’oste (come se dice): di tutto questo non sarrà nulla, si vostra mogliera e messer Gioan Bernardo non si contentano. Bonifacio Io spero che si contentarranno. Andate, vi priego, messer Scaramuré mio. Scaramuré Io lo guidarrò sin cqua sotto qualch’altro pretesto che non potrà mancare. Vostra moglie son certo che per suo onore ancora non mancarrà di venire.

fünfter akt

265

Sanguino Steh auf, nein, nein, küß mir nicht die Füße, solange ich nicht der Papst bin. Bonifacio Ich werde Eurer Exzellenz verpflichtet sein, wenn sie mir in dieser Angelegenheit hilft, indem sie kurzfristig Gelegenheit gibt, diese Übereinkunft zu schließen. Und Euch, Herr Scaramuré, flehe ich aus den Eingeweiden meines Herzens und meiner Seele heraus an, betreibt dieses Geschäft in dringlicher Weise, dann werde ich Euch auf ewig zutiefst dankbar sein. Scaramuré Ich traue mir völlig zu, ihn wenigstens unter irgendeinem Vorwand herzubringen, und wenn er einmal hier ist, werden wir einiges durch Eure Demut erreichen und die Intervention des Signore Capitano – wenn er uns derart gefällig sein wollte – und meine Überredungskünste, daß die Sache keine weiteren Kreise ziehen wird; auch ist es notwendig, daß er sich für die Großzügigkeit des Signore Capitano nicht undankbar zeigt. Sanguino Oh, daran liegt mir nichts, soweit es mich betrifft! Allerdings wird man diesen meinen Leuten eine nette Aufmerksamkeit erweisen müssen, wenigstens um ihnen den Mund zu verschließen. Abgesehen davon genügt mir das nicht: Ich wünsche, daß er sich mit seinem Weib versöhnt und es ebenso wie jenen anderen um Verzeihung erbittet. Und wenn ich die beiden glücklich und zufrieden sehe, werde ich die Klage zurückziehen, denn sogar ich kann nicht dagegen an, mit diesem armen Herrn Bonifacio Mitleid zu haben. Bonifacio Signore, hier stehe ich mit Leib und Seele ganz zu Euren Diensten; für die Gefährten, ich meine für die Untergebenen, sind diese Ringe und alles, was ich in dieser Geldbörse habe, und dieser verdammte Mantel, den ich sowieso loswerden möchte. Sanguino Es reicht, es reicht: Ihr macht die Rechnung ohne den Wirt, wie man sagt: Aus alledem wird nichts, wenn Eure Ehefrau und Herr Gio. Bernardo sich nicht zufriedengeben. Bonifacio Ich hoffe, daß sie sich zufriedengeben werden. Geht, ich flehe Euch an, mein Herr Scaramuré. Scaramuré Es wird mir irgendein Vorwand einfallen, unter dem ich ihn herbringen kann. Auch Eure Gattin wird es ihrer Ehre wegen nicht versäumen zu kommen, da bin ich sicher.

266

atto quinto

369 | 373

Sanguino Andate e fate presto, si volete che vi aspettiamo. | Scaramuré Signor, non è troppo lontano da cqua l’uno e l’altra. Io verrò quanto prima. Sanguino Fate che siano presto risoluti del sì o ‘l non: e non mi fate aspettare in vano. Scaramuré Vostra Signoria non dubiti. Bonifacio O Santo Leonardo glorioso, agiutami. Sanguino Andiamo, ritorniamo dentro, ch’aspettarremo un poco llà.

scena xix Gioan Bernardo, Ascanio Gioan Bernardo Tanto che, figliol mio, tornando al proposito, è opinion comone, che le cose son talmente ordinate, che la natura non manca nel necessario, e non abonda in soverchio. Le ostreche non han piedi: per che in qual si voglia parte del mar che si trovino, han tutto quel che basta a lor sustentamento; per che d’acqua sola, e del caldo del sole (la cui virtute penetra in sino al profondo del mare), si mantengono. Le talpe ancora non hann’occhii; perché la lor vita consiste sotto terra, e non vivono d’altro che di terra, e non posson perderla. A chi non have arte, non si danno ordegni. Ascanio Cossì è certissimo. Ho udito dire che un certo censore dell’opre di Giove che si chiama Momo (per che son per tutto necessarii questi che | parlan liberamente: prima, perché i principi e giodici s’accorgano de gli errori che fanno, e non conoscono mercé di poltroni e vilissimi adulatori; secondo, perché temino di far una cosa più ch’un’altra; terzo, perché la bontà e virtù, quando ha contrario, si fa più bella, manifesta e chiara, e si confirma e si rinforza), questo censor dumque di Giove … Gioan Bernardo Costui non è nominato per un de primi e meglior

fünfter akt

267

Sanguino Geht und beeilt Euch, wenn Ihr wollt, daß wir Euch erwarten. Scaramuré Signore, weder der eine noch die andere sind allzu weit weg. Ich komme sofort. Sanguino Seht zu, daß wir bald ein Ja oder ein Nein erhalten; und laßt mich nicht umsonst warten. Scaramuré Euer Exzellenz, befürchtet nichts. Bonifacio Oh erhabener Sankt Leonhard, hilf mir! Sanguino Gehen wir zurück hinein, um dort ein Weilchen zu warten.

19 . szene

Gioan Bernardo, Ascanio

36

37

38

Gio. Bernardo Es ist, mein Sohn, um auf unsere Angelegenheit zurückzukommen, die allgemein verbreitete Meinung, daß die Dinge so eingerichtet sind, daß die Natur nicht mit dem Notwendigen geizt, aber auch nicht mit Überflüssigem prahlt. Die Austern haben keine Beine, denn in welchem Teil des Meeres sie auch sein mögen, sie haben alles, was sie zu ihrer Ernährung benötigen. Denn sie leben nur vom Wasser und von der Wärme der Sonne (deren Kraft bis in die Tiefen des Meeres vordringt). Auch die Maulwürfe haben keine Augen, weil ihr Leben sich unter der Erde abspielt und sie von nichts anderem leben als von Erde, und die können sie nicht verlieren. Wer die Kunst nicht beherrscht, dem gibt man auch kein Werkzeug. Ascanio Gewiß ist es so. – Ich habe sagen hören, daß ein gewisser Kritiker der Werke Jupiters namens Momus (denn jene, die frei sprechen, sind in jeder Hinsicht wichtig: erstens, damit die Fürsten und Richter die von ihnen begangenen Fehler wahrnehmen, die sie, verleitet durch Faulpelze und gerissene Schmeichler, nicht erkennen; zweitens, damit sie eine Sache eher fürchten als eine andere zu tun; drittens, weil die Güte und Tugend, wenn sie ihr Gegenteil erkennt, schöner, unmittelbarer und heller erscheint, sich bestätigt und bestärkt), daß also dieser Kritiker Jupiters … Gio. Bernardo Dieser ist aber nicht als einer der ersten und besten

268

atto quinto

373 | 375

dèi del cielo: per che questi che han più corte le braccia, per l’ordinario han la lingua più lunga. Ascanio … questo censor di Giove, in quel tempo disputando con Mercurio (il quale è stato ordinato interprete e causidico di dèi), venne ad interrogarlo in questa foggia: »O Mercurio, più ch’ogni altro sofista, falso persuasore e ruffiano de l’Altitonante: essendo bene secondo le occasioni et esigenze di venti che soffiano, o più o meno frenar, allentar, alzar e stender vela, onde avviene che quest’arbore di nave non ha scotta? Il dirrò più per volgare: perché la potta (parlando con onore dell’oneste orecchie) non ha bottoni?«; a cui rispose Mercurio: »Perché (parlando co riverenza) il cazzo non have unghie da spuntarla«. Gioan Bernardo Ah! ah! ah! che debbero dir gli altri dèi all’ora? Ascanio La casta Diana e pudica Minerva voltorno la schena, e se n’andaron via; et un de disputanti disse: »Vadano in bordello«; arrebbe | detto »Vadano al diavolo«, ma in quel tempo non era ancor memoria di quest’uomo da bene. Sì che, a confirmazion di quel che voi dite, quantumque costui ha mosse, muove e moverrà (come è stato per il passato, et è al presente, e sarrà per l’avenire) tante questioni, già mai potrà provare errore nelle cose ordinate da natura et intellecto, si non che in apparenza. Gioan Bernardo Voi la intendete bene. Tutti gli errori che accadeno, son per questa fortuna traditora: quella ch’ha dato tanto bene al tuo padrone Malefacio, e me l’ha tolto. Questa fa onorato chi non merita, dà buon campo a chi nol semina, buon orto a chi nol pianta, molti scudi a chi non le sa spendere, molti figli a chi non può allevarli, buon appetito a chi non ha che mangiare, biscotti a chi non ha denti. Ma che dico io? deve esser iscusata la poverina per che è cieca, e cercando per donar gli beni ch’have intra le mani, camina a tastoni; e per il più s’abbatte a sciocchi, insensati e furfanti: de quali il mondo tutto è pieno.

fünfter akt

39

40

269

Götter des Himmels bekannt. Denn diejenigen, die kürzere Arme haben, haben für gewöhnlich die längere Zunge. Ascanio … dieser Kritiker Jupiters fragte, als er in jener Zeit mit Merkur disputierte (der zum Interpreten und Advokaten der Götter erklärt worden war), folgendermaßen: »Oh, Merkur, [der du] ein größerer Sophist, Falschredner und Kuppler des höchsten Donnerers als alle anderen bist: So wie es gut ist, entsprechend der Gegebenheiten und Erfordernisse des Windes, langsam oder schnell zu fahren, die Segel zu hissen oder einzuholen, wie kann es sein, daß dieser Mastbaum keine Leine hat? Ich werde es etwas vulgärer ausdrücken: Warum hat die Möse (die Ehre der anständigen Ohren möge gewahrt bleiben) keine Knöpfe?« Darauf antwortete Merkur: »Weil (mit Verlaub) der Schwanz keine Finger hat, um sie zu öffnen.« Gio. Bernardo Ha!, ha!, ha! Was werden da die andern Götter gesagt haben? Ascanio Die keusche Diana und die schamhafte Minerva haben sich umgedreht und sind gegangen. Und einer der Disputanten sagte: »Sollen sie doch ins Bordell gehen«; er hätte wohl gesagt: »Geht zum Teufel«, aber zu dieser Zeit war dieser Ehrenmann noch unbekannt. So daß er also, das bestätigend, was Ihr gesagt habt, so viele Fragen er auch aufgeworfen hat, aufwirft und aufwerfen wird (wie es in der Vergangenheit war, wie es in der Gegenwart ist und wie es in der Zukunft sein wird), doch nie einen Fehler in den durch die Natur und den Intellekt geordneten Dingen wird nachweisen können, es sei denn zum Schein. Gio. Bernardo Das habt Ihr gut begriffen. Alle Fehler, die geschehen, verdanken sich dieser Betrügerin Fortuna: Sie [war es], die deinen Herrn Malefacio so reich beschenkt und mich unbedacht gelassen hat. Sie ehrt jenen, der es nicht verdient, schenkt dem eine gute Ernte, der nicht sät, einen guten Garten dem, der ihn nicht gepflanzt hat, viel Geld dem, der es nicht auszugeben weiß, viele Kinder dem, der sie nicht großziehen kann, einen guten Appetit dem, der nichts zu essen hat, und Zwieback dem, der keine Zähne hat. Aber was sage ich? Man muß sie entschuldigen, die Arme, weil sie blind ist und sich bei dem Versuch, die Güter zu verteilen, die sie in den Händen hält, tastend fortbewegt. Und meist trifft sie auf Dummköpfe, Schwachsinnige und Betrüger, von welchen die ganze Welt voll ist. Ein großer Zufall ist es,

270

atto quinto

375 | 377

Gran caso è quando tocca di persone degne che son poche; più grande si tocca una de più degne che son più poche; grandissimo et estra ogni ordinario, tanto ch’abbi tastato, quanto ch’abbia a tastare un de dignissimi che son pochissimi. Dumque si non è colpa sua, è colpa de chi l’ha fatta. Giove niega d’averla fatta: però o fatta o non fatta ch’ella sii, o non ha colpa o non si trova chi l’abbia. Ascanio E per tanto, incolpar ella o altro è cosa ingiusta e vana. Anzi alcuni provano che sii non solo conveniente ma necessaria: per che ogni | virtute è vana senza l’esercizio et atto suo; e non è virtù, ma cosa ociosa e vana. A chi è dato di posserla cercare, e trovarla, non è degno che stia ad aspettarla. Vogliono i dèi, che la sollicitudine discaccie la mala ventura e faccia acquistar le cose desiderate: come è avvenuto in proposito vostro. È forza che gli doni e grazie sien divisi, a fin che l’uno abbi bisogno dell’altro, e per consequenza l’uno ami l’altro. A chi è concesso il meritare, sii negato l’avere; a chi è concesso l’avere, sii negato il meritare. Gioan Bernardo O figlio mio, quanto parli bene, quanto il tuo sentimento avanza l’età tua: questo che dici è vero, et al presente l’ho io isperimentato. Quantumque questo bene ch’ho posseduto questa sera, non mi sii stato concesso da dèi e la natura; benché mi sii stato negato dalla fortuna: il giudizio mi ha mostrata l’occasione; la diligenza me l’ha fatta apprendere pe’ capelli; e la perseveranza ritenirla. In tutti negocii la difficultà consiste che passi la testa: perché a quella facilmente il busto et il corpo tutto succede. Per l’avenire tra me e madonna Carubina son certo che non bisognarranno tanti studi, proemii, discorsi, raggioni et argumenti. Ascanio È vero, perché basta esservi una volta abboccati insieme, e lei aver appreso il vostro, e voi il suo linguaggio: occhii si vedeno, lingue si parlano, cuori s’intendeno. Tal volta quel che si concepe in un

fünfter akt

41

42

43

271

wenn sie auf Personen trifft, die es verdienen, und derer sind wenige. Ein noch größerer ist es, wenn sie auf Verdienstvollere trifft, wovon es noch weniger gibt. Aber ein absolut außergewöhnlicher Fall wäre es, wenn sie die Allerverdienstvollsten nach so vielem Tasten ertastet hätte oder träfe, und von ihnen gibt es am allerwenigsten. Daher ist es nicht ihre Schuld, sondern die Schuld desjenigen, der sie geschaffen hat. Jupiter leugnet, sie geschaffen zu haben. Deshalb hat sie, ganz gleich ob geschaffen oder nicht geschaffen, entweder keine Schuld oder man findet niemanden, der sie hätte. Ascanio Und deshalb ist es ungerecht und sinnlos, sie oder einen anderen zu beschuldigen. Ganz im Gegenteil beweisen einige, daß sie nicht nur nützlich, sondern sogar notwendig ist. Denn jede Tugend ist ohne praktische Ausübung sinnlos und keine Tugend, sondern eine unnütze und sinnlose Sache. Wem es gegeben ist, sie zu suchen und zu finden, für den ist es unwürdig, noch auf sie zu warten. Die Götter wollen, daß die Gunst das Übel verjagt und die begehrten Dinge zugänglich macht, so wie es in Eurer Angelegenheit eingetroffen ist. Tatsache ist, daß die Talente und Güter verteilt sind, damit der eine den anderen braucht und demzufolge der eine den andern liebt. Wem das Verdienst erlaubt ist, dem sei der Besitz verwehrt. Wem der Besitz erlaubt ist, dem sei das Verdienst verwehrt. Gio. Bernardo Oh, mein Sohn, wie schön du sprichst, wie sehr übersteigt dein Empfinden dein Alter. Das, was du sagst, ist wahr, und ich habe es gerade erlebt. Wenn daher das Gut, das ich an diesem Abend besessen habe, mir nicht von den Göttern und von der Natur zugestanden worden wäre, so gut als es mir von Fortuna verwehrt blieb, so hat mir doch das Urteilsvermögen die Gelegenheit gewiesen; die Geschicklichkeit hat mir erlaubt, sie bei den Haaren zu packen, und die Ausdauer, sie festzuhalten. Bei allen diesen Geschäften besteht die Schwierigkeit darin, daß der Kopf durchgeht, denn der Rumpf und der ganze Körper folgen mit Leichtigkeit. Ich bin mir sicher, daß es für die Zukunft zwischen mir und Carubina keiner großen Untersuchungen, Vorreden, Diskurse, Überlegungen und Argumente bedarf. Ascanio Das stimmt, es reicht nämlich, daß Ihr einmal gemeinsam angebissen habt, und sie wird Eure und Ihr ihre Ausdrucksweise annehmen: Augen sehen sich, Zungen sprechen zueinander, Herzen ver-

272

atto quinto

377 | 381

momento si retien per sempre. A don Paulino curato di Santa Primma, che è in un | villaggio presso Nola, Sipion Savolino un vener santo confessò tutti suoi peccati: da quali, quantumque grandi e molti, per essergli compare, senza troppo difficultà fu assoluto. Questo bastò per una volta: per che ne gli anni seguenti poi senza tante paroli e circonstanze diceva Sipione a don Paulino: »Padre mio, gli peccati di oggi fa l’anno voi le sapete«; e don Paulino rispondeva a Sipione: »Figlio, tu sai l’assoluzione d’oggi fa l’anno: vadde in pacio et non amplio peccare«. Gioan Bernardo Ah! ah! ah! Noi abbiam molto discorso sopra di ciò: vedi questa porta? Ascanio Signor sì. Gioan Bernardo Questo è il luoco dove l’han posto; non bisogna toccar questa porta, sin tanto ch’io non sii risoluto da messer Scaramuré: credo che lui a quest’ora abbia tutto fatto, e che mi vadi cercando. Andate voi tra tanto, e fate che madonna Carubina venghi presto. Ascanio Cossì farrò. Credo che vi trovvarremo cqua? Gioan Bernardo Certissimo, che non tardarrò troppo ad esser con messer Scaramuré. Andate. |

scena xx Messer Gioan Bernardo solo Scrisse un epitafio, sopra la sepoltura di Giacopon Tansillo, il Fastidito; che sonava in questa foggia: Chi falla in appuntar primo bottone, né mezzani né l’ultimo indovina: però mia sorte conobbi a mattina, io che riposo morto Giacopone.

fünfter akt

44

45

46

273

stehen sich. Manchmal behält man für immer, was man in einem Augenblick aufnimmt. Dem Don Paulino, Pfarrer von Santa Prima, einer Kirche, die in einem Dorf in der Nähe von Nola steht, beichtete Sipion Savolino an einem Karfreitag alle seine Sünden. Obwohl sie groß und vielzählig waren, erhielt er, weil er sein Pate war, ohne viel Schwierigkeiten die Absolution. Das reichte ein für allemal. Denn in den darauffolgenden Jahren sagte Sipione zu Don Paulino, ohne viele Worte zu verlieren und ohne größere Umstände: »Mein Vater, Ihr kennt meine Sünden heute aufs Jahr«; und Don Paulino anwortete Sipione: »Sohn, auch du kennst die Absolution heute aufs Jahr: vadde in pacio et non amplio peccare [Geh hin in Frieden und sündige nicht mehr].« Gio. Bernardo Ha, ha, ha! Wir haben viel darüber geredet. Siehst du diese Tür? Ascanio Ja, Herr. Gio. Bernardo Das ist [der] Ort, wohin sie ihn gesperrt haben. Man darf diese Tür nicht berühren, bevor ich nicht die Erlaubnis von Scaramuré habe. Ich denke, daß dieser schon alles erledigt haben wird und mich suchen geht. Geht Ihr inzwischen und seht zu, daß Madonna Carubina bald kommt. Ascanio So werde ich es auch machen. Ich denke, wir werden Euch hier wiederfinden? Gio. Bernardo Ganz sicher, ich will mich nicht allzusehr mit Scaramuré verspäten. Geht.

20 . szene

Gioan Bernardo allein 47

Auf das Grab von Giacopo Tansillo schrieb der Fastidito ein Epitaph, das folgendermaßen lautet: Knüpft einer den ersten Knopf falsch zu, kann er weder die in der Mitte noch den letzten erraten. Deswegen erkannte ich mein Schicksal schon am Morgen, Ich, Giacopone, der ich tot hier ruh.

274

atto quinto

381 | 383

Il primo bottone che appuntò messer Bonifacio fuor della sua greffa, fu l’inamorarsi di Vittoria; il .II. fu l’averse fatto dar ad intendere che messer Scaramuré, co l’arte magica, facesse uscire Satanasso da catene, venir le donne per l’aria volando llà dove piacesse a lui, et altre cose assai fuor dell’ordinario corso naturale. Da cqua tutti gli altri svariamenti sono accaduti l’uno dopo l’altro, come figli e figli de figli, nipoti e nipoti di nipoti. Altro non manca adesso ch’appuntar la stringa et assestar la bracchetta col gippone: il che si farrà, chiedendo lui mercé e misericordia per l’offesa fatta a noi poveri innocenti.

scena xxi Gioan Bernardo, Ascanio, Scaramuré, Carubina Gioan Bernardo Voi dumque siete presto ritornati. | Ascanio Io le ho rancontrati che veneano. Scaramuré Ecco cqua, siamo tutti per liberar questa povera anima dal purgatorio. Carubina Piacess’a Dio che da senno vi fusse talmente che non mi bisognasse di vederlo più. Ascanio A chi vuole, non è cosa che sii dificile. Scaramuré Io per non avervi trovato in casa vostra, son stato a quella della signora Vittoria credendo che vi fussi; poi ho inviata Lucia che vi cercasse e vi menasse cqua. Gioan Bernardo Noi siamo tutte le persone necessarie. Voi madonna Carubina con Ascanio fate sembiante di venir da per voi; lasciate prima che io e messer Scaramuré negoziamo con Sanguino e quest’altri: voi in questo mentre vi potrete retirare, e dimorar un poco cqua dietro questo angulo. Carubina Voi pensate benissimo. Andiamo, Ascanio. Ascanio Ritiriamoci cqua, madonna: perché potremo ascoltar quel che si dice, e scegliere il tempo più comodo per sopragiongere. Carubina Ben, bene.

fünfter akt

48

275

Der erste Knopf, den Herr Bonifacio ins falsche Loch knöpfte, war, daß er sich in Vittoria verliebte. Der zweite war, daß er sich einreden ließ, Herr Scaramuré könne Satan mit der magischen Kunst von seinen Fesseln befreien, die Frauen durch die Luft fliegen lassen, wohin es ihm gefalle, und noch andere Dinge weit außerhalb des geordneten Verlaufes der Natur. Von da an sind alle andern Ereignisse eins nach dem andern eingetroffen, wie Söhne und Söhne der Söhne, Enkel und Enkel der Enkel. Es fehlt nun nichts mehr, als den Gürtel zu öffnen und die Hosen am Unterhemd festzumachen. Das bedeutet, daß er uns um Verzeihung und Vergebung für die Beleidigung bitten muß, die er uns armen Unschuldigen angetan hat.

21 . szene

Gioan Bernardo, Ascanio, Scaramuré, Carubina Gio. Bernardo Ihr seid also rechtzeitig zurückgekommen. Ascanio Ich habe sie getroffen, als sie herkamen. Scaramuré Schaut her, wir sind jetzt vollzählig, um diese arme Seele aus dem Fegefeuer zu befreien. Carubina Würde es Gott nur gefallen, daß er tatsächlich dort wäre, damit ich ihn nie mehr wiedersehen müßte. Ascanio Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Scaramuré Da ich Euch zu Hause nicht angetroffen habe, bin ich im Glauben, Ihr wäret dort, zu Signora Vittoria gegangen. Dann habe ich Lucia geschickt, Euch zu finden und Euch herzubringen. Gio. Bernardo Wir sind alle Personen, die nötig sind. Ihr, Madonna Carubina und Ascanio, täuscht vor, freiwillig gekommen zu sein. Erlaubt, daß ich und Herr Scaramuré zuerst mit Sanguino und diesen anderen verhandeln. Ihr könnt Euch in der Zwischenzeit zurückziehen und hier ein wenig hinter dieser Ecke bleiben. Carubina Das ist ein ausgezeichneter Gedanke, gehen wir, Ascanio. Ascanio Ziehen wir uns dahin zurück, Madonna, damit wir hören können, was gesagt wird, und den günstigsten Moment wählen, um einzugreifen. Carubina Gut, gut.

276

atto quinto

383 | 387

scena xxii Messeri Scaramuré, Gioan Bernardo, Corcovizzo, Ascanio, Sanguino, [Barra, Bonifacio] Scaramuré Toccamo la porta (tò, tò, tò). Corcovizzo Chi è là? Scaramuré Amici. Avisate il signor capitano che noi siamo cqua. | Corcovizzo Or ora, messer mio. Scaramuré Questo è Corcovizzo: adesso mi par che si faccia chiamar non so se Cappino o che diavolo d’altro nome. Io ho udito chiamar Panzuottolo o quel’atro o costui. Gioan Bernardo Ah! ah! ad un bisogno il pedante e messer Bonifacio le sapranno conoscere: son mascherati di barba anch’essi? Scaramuré Tutti: che in vero questa mi par essere una comedia vera. Al pedante non manca altro che la barba; messer Bonifacio, si se la vuole attaccare, l’ha. Questi dui si conoscono tra loro, ma non sanno che gli altri ancora sono mascherati. Ascanio Manca sol che madonna Carubina porti la sua maschera. Sanguino Voi siete cqua? la moglie non l’avete condotta? Avertite che senza lei non si farrà nulla. Scaramuré Signor, la è in camino, viene: adesso adesso sarrà presente. Sanguino Aspettate dumque, che verremo con quest’uomo a basso. Scaramuré Tenetevi su la vostra per un poco di tempo. Gioan Bernardo Lascia guidar il fatto mio ad me. Sanguino Siate il benvenuto, messer Gioan Bernardo. [Gioan Bernardo] Vostra Signoria sia il molto ben trovato: subito che ho inteso da messer Scaramuré che vostra Signoria mi dimandava, mi son | alzato di letto, e venuto come di posta, dubitando che non si fusse scoperta qualche cosa che quel malfattore sotto la mia forma abbia commessa. Sanguino Il malfattore, il Malefacio, eccolo cqua presente. Ma in

fünfter akt

277

22 . szene

Scaramuré, Gioan Bernardo, Corcovizzo, Ascanio, Sanguino, [Barra, Bonifacio]

49

50

Scaramuré Klopfen wir an die Tür! (to, to, to) Corcovizzo Wer da? Scaramuré Freunde, meldet dem Signor Capitano, daß wir hier sind. Corcovizzo Sofort, mein Herr. Scaramuré Das ist Corcovizzo. Ich glaube, er nennt sich zur Zeit Coppino, oder was weiß ich zum Teufel wie. Ich habe gehört, wie sie ihn oder den anderen Panzuottolo nannten. Gio. Bernardo Ha, ha! Wenn es nötig ist, werden der Pedant und Herr Bonifacio sie [wieder-]erkennen können: Tragen nicht auch sie einen falschen Bart? Scaramuré Alle: In Wirklichkeit scheint mir das hier eine richtige Komödie zu sein. Dem Pedanten fehlt nichts außer einem Bart. Herr Bonifacio hat einen solchen, wenn er ihn sich aufkleben will. Diese beiden kennen sich untereinander, aber sie wissen nicht, daß die anderen immer noch verkleidet sind. Ascanio Es fehlt nur noch, daß auch Madonna Carubina ihre Maske aufsetzt. Sanguino Ihr seid hier? Habt Ihr die Ehefrau nicht mitgebracht? Bedenkt, daß wir ohne sie erst gar nicht anfangen. Scaramuré Herr, sie ist schon auf dem Weg, gleich wird sie da sein. Sanguino Wartet also, wir werden mit diesem Mann herunterkommen. Scaramuré Kümmert Euch einstweilen um Euch selbst. Gio. Bernardo Laß mich meine Angelegenheiten selbst regeln. Sanguino Seid herzlich willkommen, Herr Gioan Bernardo. [Gio. Bernardo ] Ich bin erfreut, Euer Exzellenz anzutreffen. Sofort, nachdem Herr Scaramuré mir ausgerichtet hat, Ihr hättet nach mir verlangt, bin ich aus dem Bett aufgestanden und so schnell wie die Post hergekommen, befürchtend, es sei etwas entdeckt worden, was dieser Betrüger in meiner Gestalt begangen hat. Sanguino Schaut her, der Betrüger, der Malefacio, ist hier. Zum Teu-

278

atto quinto

387 | 389

nome del diavolo, io non vi ho mandato a chiamare; ma questo messer Scaramuré lui ha tanto pregato ch’io aspettasse un poco da menar costui priggione in Vicaria, e che questo sarrebbe stato di vostra satisfazzione, sapendo altre cose che passano circa il negocio del stravestimento di costui. Io sì per farvi piacere, sì anco mosso dalle preghiere di messer Scaramuré, oltre dalle lacrime e contrizzione di questo povero peccatore, vi ho aspettato; ma non vi ho mandato a chiamare. Bonifacio Misericordia per amor de Dio! Gioan Bernardo Messer Scaramuré, voi non m’avete chiamato da parte del signor capitano, con dirmi che mi dimanda per cose che molto importano circa il nostro negocio, che mi avete fatto montar la pagura da le calcagne? Come mi fate questi tradimenti? è questa l’amicizia? è questo il zelo ch’avete dell’amor mio? Avete studiato e, come mi par, studiate di faurire et aggiutare con mio pregiudizio questa pessima conscienza di omo. Signor capitano, io mi querelo ancor di costui, che ha abusato del mio nome et intenzione parlando con vostra Signoria; et have abusato dell’autorità e nome di vostra Signoria facendomi aver questo disaggio di venir sin cqua e fastidir tante persone. Bonifacio Misericordia per l’onor de Dio e di nostra Donna! Sanguino Piano, piano: veggiamo si questa cosa si può accomodare; veggiamo si l’è tanto | criminale. Poi che voi siate cqua, pensate bene a quel che fate, non vi lasciate trasportar dalla còlera. Gioan Bernardo La cosa non si potrà acomodar giamai dal canto mio; anzi, dopo’ che la giustizia arrà fatto il suo corso, credo che la cosa non sarrà finita tra me e lui. Scaramuré Messer Gioan Bernardo mio, quello che io ho fatto e fo, non credo che sia con interesso de l’onor vostro: tutte volte che si trovarrà errore che di notte sii stato commesso come in persona vostra, siamo cqua tanti testimonii per farli cascare sopra messer Bonifacio;

fünfter akt

279

fel, nach Euch habe ich nicht geschickt. Aber dieser Herr Scaramuré hat mich so inständig gebeten, noch etwas damit zu warten, bis man diesen ins Gefängnis abführt, und er sagte auch, daß es zu Eurer [vollen] Zufriedenheit wäre, angesichts anderer Dinge, die mit seiner Verkleidung zu tun haben. So habe ich tatsächlich Euch zum Gefallen und auch, weil ich von den Bitten Scaramurés und den Tränen und der tiefen Reue dieses armen Sünders gerührt war, auf Euch gewartet. Aber ich habe Euch nicht rufen lassen. Bonifacio Erbarmen, aus Liebe zu Gott! Gio. Bernardo Herr Scaramuré, Ihr habt mich also nicht im Auftrag des Signor Capitano rufen lassen, um mir zu sagen, er wolle mich in einer dringenden Angelegenheit betreffs unserer Geschäfte sprechen, worauf ich in nackte Angst geraten bin? Wie könnt Ihr mich so betrügen? Ist das die Freundschaft? Ist das der Eifer, mit dem Ihr Euch um meine Liebe bemüht? Ihr habt Euch bemüht, und wie mir scheint, bemüht Ihr Euch noch immer, diesem gewissenlosen Menschen zu meinem Nachteil unter die Arme zu greifen und ihn zu unterstützen. Signor Capitano, ich führe aufs neue Klage gegen jenen, der meinen Namen und meine Absicht mißbraucht hat, weil er mit Euch gesprochen hat. Und er hat die Autorität und den Namen Eurer Exzellenz mißbraucht, indem er mir diese Unannehmlichkeit bereitete, hierher zu kommen und so viele Personen zu belästigen. Bonifacio Erbarmen bei der Ehre Gottes und unserer Heiligen Frau! Sanguino Immer mit der Ruhe. Sehen wir, ob sich diese Angelegenheit klären läßt. Sehen wir, ob sie wirklich so verbrecherisch ist. Da Ihr einmal hier seid, bedenkt gut, was Ihr macht, laßt Euch nicht von der Wut hinreißen. Gio. Bernardo Was mich betrifft, wird sich diese Angelegenheit niemals klären lassen. Ganz im Gegenteil: Ich glaube nicht, daß, wenn die Gerechtigkeit ihren Lauf genommen hat, die Angelegenheit zwischen mir und ihm erledigt sein wird. Scaramuré Mein Herr Gioan Bernardo, ich glaube, das, was ich gemacht habe und mache, betrifft nicht Eure Ehre: Jedesmal, wenn ein Vergehen gemeldet wird, das angeblich in der Nacht begangen worden sein soll, sind wir hier Zeugen genug, um es Herrn Bonifacio anzu-

280

atto quinto

389 | 391

ma non essendovi passate altro che certe levità, non so per che causa che passa tra lui e sua moglie, dovete quietarvi. Gioan Bernardo Si è dumque stravestito per farmi esser stimato ch’io fusse insieme con sua moglie, per confondere lei e me: per ponerci in pena della vita. Non sapete voi che cerca di cangiarla, et ad me di farmi il peggio che puote? Bonifacio Non piaccia a Dio: e perché questo a voi, messer Gioan Bernardo mio? Perdonatime, vi priego: misericordia per le cinque piaghe di nostro Signore. Gioan Bernardo Non tanti baciamenti di piedi, vi priego. Barra Tutto il mondo è re e papa alla devozion di costui solamente in questa occasione: si Dio li farrà grazia, apresso farrà un casocavallo a tutti. | Sanguino Su su, abbiate pietà al meno sin tanto che non costi che lui non abbia fatto altro errore che questo. Vedi che deve esser stato qualch’altro intrico: sua moglie ancora era stravestita da un’altra; non era in suo proprio abito, come mi dice costui: però non è verisimile che per quel mezzo vi volesse confondere. Scaramuré Oltre che, era sua moglie in abito di una donna la qual senza suspizione alcuna sempre prattica con messer Gioan Bernardo. Su su, messer Gioan Bernardo mio: io ancor vi priego che abbiate la misericordia de Dio avanti gli occhii. Io sapevo bene che voi non sareste venuto sin cqua s’io non vi parlavo in quel modo; ancora ho eccesso a riguardo del signor capitano: stimando certo che non me ne sarreste nemici, essendo che è per far misericordia e carità ad uno, senza far torto ad un altro. Bonifacio Messer Gioan Bernardo mio, io mi offero obligato a tutte pretensione et interessi, che vi si potessero avvenire. Messer Gioan Bernardo, obligatevi, vi priego, questa povera anima di Bonifacio: il quale si voi volete sarrà svergognatissimo. L’onor mio è in vostra mano; non

fünfter akt

281

lasten. Aber da nichts weiter geschehen ist, außer ein paar Kleinigkeiten aus was weiß ich welchem Anlaß, zwischen ihm und seiner Frau, müßt Ihr Euch beruhigen. Gio. Bernardo Er hat sich also verkleidet, damit ich verdächtigt werde, mit seiner Frau zusammen zu sein, um sie und mich zu verwirren, um uns in Lebensgefahr zu bringen. Wißt Ihr nicht, daß er versucht, sie zu betrügen und mir das Schlimmste anzutun, was er nur kann? Bonifacio Das verhüte Gott. Aber warum sollte ich Euch das antun, mein Herr Gioan Bernardo? Verzeiht mir, ich bitte Euch, bei den fünf [Kreuzes-]wunden unseres Herrn! Gio. Bernardo Hört endlich auf, mir die Füße zu küssen, ich bitte Euch. Barra Seinen Respektbezeugungen nach zu urteilen ist jeder König und Papst, allerdings nur jetzt. Wenn Gott ihm gnädig ist, wird er bald allen einen Käse schenken. Sanguino Kommt, kommt, habt Mitleid mit ihm, zumindest solange er keinen anderen als nur diesen Fehltritt begangen hat. Du siehst, es muß noch eine andere Verwicklung im Spiel gewesen sein, seine Frau war nämlich auch verkleidet, sie hatte nicht die eigenen Kleider an, wie dieser mir sagt. Ist es daher nicht wahrscheinlich, daß er Euch mit genau diesen Mitteln täuschen wollte. Scaramuré Außerdem hatte seine Frau die Kleider einer anderen Frau an, die, ohne irgendeinen Verdacht zu erregen, immer mit Gioan Bernardo verkehrte. Kopf hoch, mein Herr Gioan Bernardo. Ich bitte Euch nochmals, haltet Euch die göttliche Barmherzigkeit vor Augen. Ich wußte wohl, daß Ihr nicht hergekommen wäret, hätte ich Euch nicht auf diese Weise angesprochen. Und außerdem habe ich es auch mit dem Signor Capitano zu weit getrieben, in der Überzeugung, Ihr wäret mir nicht zu Feinden geworden, da es darum ging, einem Barmherzigkeit und Nächstenliebe zu erweisen, ohne einem anderen Unrecht zu tun. Bonifacio Mein Herr Gioan Bernardo. Ich sehe mich verpflichtet, allen Wünschen und Absichten dienlich zu sein, die Euch einfallen. Herr Gioan Bernardo, verpflichtet Euch, ich bitte Euch, Euch dieser armen Seele von Bonifacio, der, wenn Ihr es wollt, zutiefst beschämt sein

282

atto quinto

391 | 395

potrò negar giamai che per vostra mercé io ho il mio onore: si me fate questa grazia … uh, uh, uh, uh … Sanguino Oh ben, bene: eccola sua moglie. |

scena xxiii Carubina, Sanguino, Scaramuré, Gioan Bernardo, Bonifacio, Barra, Corcovizzo, Ascanio, Marca Carubina Ancora è cqua questo concubinaro di sua moglie. Sanguino È gran cosa nova questa: credo che questi che fan professione di casi di conscienza non si abbiano ancora imaginato come uno può essere fornicario, o concubinario, chiavando sua propria e legitima moglie. Scaramuré Orsù lasciamo queste ironie e queste colere: bisogna risolvere questa cosa cqua tra noi (poi che il signor capitan Palma ne fa tanto di favore, di farne consultar dell’onor vostro, madonna Carubina), atteso che la vergogna di vostro marito non può risultar in vostro onore; né manco in utilità vostra, messer Gioan Bernardo. Bonifacio Cossì è certissimo. Misericordia, pietà, compassione, carità per amor de Dio: messer Gioan Bernardo mio, e moglie mia, perdonatime, vi priego, per questa prima volta. Barra È gran cosa il mondo: altri sempre fanno errori e mai fanno la penitenza, per quel che si vede; altri la hanno dopo molti errori; altri vi accappano nel primo; altri ancor non han peccato, che ne portano la pena; altri suffriscono senza peccato; altri la portano per gli peccati altrui. In quest’uomo, si ben si considera, tutte queste specie sono congionte insieme. Bonifacio Io vi dimando mercé e grazia: la vi supplico che mi concediate come il signor nostro Giesu Cristo al bon latrone, alla Madalena. | Barra Cazzo, che buon latrone è costui: quando voi sarrete buon latrone come colui che rubbò il paradiso, come da nostro Signore vi si farrà misericordia. Voi siete un ladro che togliete quel che è di vostra

fünfter akt

283

wird, zu erbarmen. Meine Ehre ist in Eurer Hand. Ich werde niemals leugnen können, daß ich meine Ehre Eurer Gnade verdanke. Wenn Ihr mir diese Gunst erweist, uh, uh, uh, uh … Sanguino Oh, gut, gut, hier ist seine Frau.

23 . szene

Carubina, Sanguino, Scaramuré, Gioan Bernardo, Bonifacio, Barra, Corcovizzo, Ascanio, Marca

51

Carubina Er ist immer noch hier, dieser Freier seiner Frau. Sanguino Das ist eine große Neuheit. Ich glaube, daß diese Berufskasuisten sich noch nicht ausgedacht haben, wie einer ein Hurenbock oder Freier sein kann, indem er seine eigene, rechtmäßige Ehefrau nagelt. Scaramuré Kommt schon, lassen wir diese Ironie und diesen Ärger. Wir müssen diese Angelegenheit jetzt hier unter uns regeln (wo doch der Signor Capitano Palma uns eine derart große Gunst erweist, Euch, ehrenwerte Madonna Carubina, was Eure Ehre betrifft, zu befragen), denn die Schande Eures Mannes kann Eurer Ehre nicht zuträglich noch nützlich für Euch sein, Gioan Bernardo. Bonifacio So ist es ganz gewiß. Gnade, Mitleid, Erbarmen und Barmherzigkeit, bei der Liebe Gottes! Mein Herr Gioan Bernardo und meine Frau, verzeiht mir, ich flehe Euch an, für dieses erste Mal. Barra Die Welt ist großartig: Wie man sehen kann, machen manche immer Fehler und zeigen nie Reue. Andere zeigen sie, wenn sie viele Fehler begangen haben, wieder andere geraten schon beim erstenmal hinein. Die einen haben noch nicht gesündigt und nehmen schon die Strafe auf sich, andere erleiden sie ohne Sünde; andere ertragen sie für fremde Sünden. In diesem Menschen, wenn man sich’s recht überlegt, treffen alle diese Arten zusammen. Bonifacio Ich bitte um Eure Gunst und Gnade. Ich flehe Euch an, daß Ihr mir verzeiht, wie auch unser Herr Jesus Christus dem guten Dieb und der Magdalena. Barra Teufel auch, was ist das doch für ein guter Dieb! Wenn Ihr ein so guter Dieb werdet wie jener, der das Paradies gestohlen hat, dann wird auch unser Erbarmen wie das unseres Herrn [Jesus] sein. Ihr seid

284

atto quinto

395 | 397

moglie, e lo donate ad altre: il suo latte, il suo liquore, la sua manna, la sua sustanza et il suo bene. Gioan Bernardo E la mia persona, e la mia barba, e la mia biscappa, e forse il mio onore per quel che può aver fatto. Barra Però non se gli de’ perdonare como a buon latrone: più tosto come alla Madalena. Corcovizzo Vedete che gentil Madalena: che gli vada il cancaro a lui e le quattrocento piattole che deve aver nel bosco dell’una e l’altra barba. Vedete che precioso unguento va spargendo costui: per mia fé non gli manc’altro che la gonna, per farlo Madalena. Io dico che se gli de’ perdonare come i Giudei perdonorno a Barrabam. Sanguino Bel modo di aggiutar un poveruomo; bella forma di consolar un afflitto: tacete tacete voi; non v’impacciate a questo, attendete a far quel che vi si comanda. Scaramuré Io vi priego che gli perdonate; e lui vi priega ancora, come vedete, in ginocchioni: o sia in nome de Dio o in nome del diavolo; o come a Barrabam o come a Dimas. Sanguino Cossì, cossì bisogna et è ben che se gli faccia misericordia. | Gioan Bernardo Che dite voi madonna Carubina? Carubina Io per questa volta gli rimetto: ma che stii in cervello per l’avenire, che gli farrò pagare e questo e quello. Bonifacio Certissima vi fo, Carubina mia … Carubina Io son vostra, ma voi della signora Vittoria. Bonifacio … che mai, mai più mi trovarrete in fallo. Carubina Per che adesso hai imparato di farlo più accortamente. Gioan Bernardo Voi l’intendete. Bonifacio Io dico che non mi trovarrete in fallo per che io non farrò fallo. Barra Le donne quando sono a i dolori del parto, dicono: »Mai mai mai più; adesso vi fermo a chiave: marito traditore, si me ti accostarrai, t’ucciderrò; certissimo ti stracciarrò co i denti«. Non tanto presto poi

fünfter akt

52 53

54

285

ein Dieb, der nimmt, was Eurer Frau gehört, und es andern gibt: ihre Milch, ihren Likör, ihr Manna, ihre Substanz und ihr Gut. Gio. Bernardo Und meine Person und meinen Bart und meinen Mantel und vielleicht meine Ehre für das, was er angerichtet haben könnte. Barra Man darf ihm aber nicht verzeihen wie dem guten Dieb. Eher wie Magdalena. Corcovizzo Schaut, was für eine anmutige Magdalena! Der Krebs soll ihn holen, ihn und die vierhundert Läuse, die er in dem Dickicht seiner beiden Bärte versteckt haben muß. Seht Ihr, was für eine teure Salbe er verteilt? Bei meiner Seele, es fehlt nur noch der Rock, um aus ihm eine Magdalena zu machen. Ich sage, man sollte ihm so verzeihen wie die Juden dem Barabas. Sanguino Eine schöne Art, einem armen Mann zu helfen. Eine schöne Form, einem Hilfsbedürftigen beizustehen. Schweigt, Ihr schweigt! Mischt Euch da nicht ein und erwartet Eure Befehle. Scaramuré Ich flehe Euch an, vergebt ihm. Auch er selber bittet Euch, wie Ihr sehen könnt, auf den Knien. Sei es im Namen Gottes oder im Namen des Teufels, sei es wie dem Barabas oder wie dem Dimas. Sanguino Genauso ist es recht; und es ist gut, wenn ihm vergeben wird. Gio. Bernardo Was sagt Ihr, Madonna Carubina? Carubina Ich habe für dieses eine Mal Nachsicht. Aber er halte sich für die Zukunft in Erinnerung, daß ich ihn für beides büßen lassen werde. Bonifacio Ich verspreche Euch, meine Carubina … Carubina Ich bin die Eure, aber Ihr gehört der Signora Vittoria. Bonifacio … daß Ihr mich nie, niemals wieder bei einem Fehltritt erwischen werdet. Carubina Weil du jetzt gelernt hast, schlauer vorzugehen. Gio. Bernardo Ihr durchschaut ihn. Bonifacio Ich habe gesagt, Ihr werdet mich nicht mehr bei Fehltritten erwischen, weil ich keine mehr begehen werde. Barra Wenn die Frauen unter den Geburtsschmerzen leiden, sagen sie: »Nie, niemals wieder, jetzt sperre ich Euch aus. Verräterischer Gatte, wenn du mir nahe kommst, bringe ich dich um, ich zerreiße

286

atto quinto

397 | 399

ch’è uscita quella creatura, per non dar vacuo in natura, vuoleno per ogni modo che v’entri l’altra. Ecco cqua il pentimento di donna quando figlia, ecco il proponimento di donna quando infanta. Sanguino O bel vedere: quando altri piange, altri sta in còlera; voi fate de i tiri, e prendete passatempi. Tacete, tacete. Carubina Io non solamente vi perdono, ma per farti più grazia e per l’onor mio che vi va per mezzo, ancor supplico messer Gioan Bernardo che si contenti farvi donar libertà al signor capitano. Bonifacio Io vi ringrazio, moglie mia cara. | Sino ad oggi vi ho amato per un rispetto e dui doveri: da oggi avanti vi amarrò per tutti doveri e tutti rispetti. Gioan Bernardo Messer Bonifacio, io son cristiano, e fo professione di buon catolico. Io mi confesso generalmente, e comunico tutte le feste principali dell’anno. La mia arte è di depengere, e donar a gli occhii de mundani la imagine di nostro Signore, di nostra Madonna, e d’altri santi di paradiso. Però il core non mi comporta, vedendoti mosso a penitenzia, di non perdonarti, e farti quella rimessione che ogni pio e buon cristiano è ubligato di fare in casi simili: per tanto Iddio ti perdoni in cielo, et io ti perdono in terra. Una cosa solamente mi riservo (per che è scritto »Honore meom nemini tabbo«): che si sotto questo abito avessi commesso altro delitto, che vi apparechiate ad farne tutte reparazione; e questo lo promettete al signor capitano come ministro della giustizia, ad me avanti vostra moglie, messer Scaramuré e questi altri compagni. Sanguino Non promettete cossì? Bonifacio Lo prometto e riprometto, affirmo e confirmo; et oltre di ciò io giuro con ambe le mani alzate al cielo, ch’io non ho comesso altro errore per il quale possa e debba contristarsi messer Gioan Bernardo,

fünfter akt

55

56

287

dich ganz bestimmt mit den Zähnen.« Kaum ist diese Kreatur herausgekommen, wollen sie wieder unter allen Umständen, weil die Natur kein Vakuum duldet, daß wieder eine andere hineinkommt. So ist das Reuegefühl der Frau, wenn sie in den Wehen liegt, so ist der Vorsatz der Frau während der Geburt. Sanguino Was für ein Anblick: Während der eine weint, wütet der andere. Ihr macht Schabernack und vergeudet die Zeit. Schweigt, schweigt! Carubina Ich verzeihe Euch nicht nur, sondern um dir einen noch größeren Gefallen zu tun und meiner Ehre wegen, die mit auf dem Spiel steht, bitte ich sogar Gioan Bernardo, sich damit zufriedenzugeben, daß der Signor Capitano Euch die Freiheit schenkt. Bonifacio Ich danke Euch, meine liebe Ehefrau. Bisher habe ich Euch aus einfachem Respekt und mit zweifacher Verpflichtung geliebt. Von heute an werde ich Euch mit allen Verpflichtungen und in allem Respekt lieben. Gio. Bernardo Herr Bonifacio. Ich bin Christ und bekenne mich als guter Katholik. Ich beichte regelmäßig und gehe an den wichtigen Festtagen des Jahres zur Kommunion. Meine Kunst ist es zu malen und den irdischen Augen das Bildnis unsres Herrn, unserer Madonna und der anderen Heiligen im Paradies zu schenken. Daher erlaubt mir mein Herz nicht, wenn ich dich so reuig vor mir sehe, dir nicht zu verzeihen und dir nicht zu erlauben, jene Vergebung zu gewähren, die jeder fromme und gute Christ in solchen Fällen zu gewähren verpflichtet ist. Möge dir also Gott im Himmel verzeihen, ich verzeihe dir hier auf Erden. Nur eines behalte ich mir vor – denn es steht geschrieben: »Honore meom nemini tabbo« [Meine Ehre werde ich niemandem abtreten] – wenn Ihr in diesem Aufzug andere Delikte begangen habt, müßt Ihr Euch verpflichten, den Schaden völlig zu begleichen. Und das versprecht Ihr dem Signor Capitano, als Vertreter der Justiz, und mir, vor Eurer Frau, vor Herrn Scaramuré und vor diesen anderen Genossen. Sanguino Und, versprecht Ihr es nicht? Bonifacio Ich verspreche es und verspreche es noch einmal, ich bestätige und bekräftige es erneut. Und außerdem schwöre ich, beide Hände zum Himmel erhoben, daß ich keinen anderen Fehltritt begangen habe, für welchen Herr Gioan Bernardo sich grämen müßte, außer

288

atto quinto

399 | 403

che di essermi contrafatto a lui, per non esser conosciuto, entrando e sortendo dalla stanza della signora Vittoria: nella quale esso messer Gioan Bernardo non può esser veduto con scandalo o mala suspizione per essere quella sua, che questa donna tiene a piggione. Sanguino Per mia fé si questo è errore, non è | grande errore. Orsù alzatevi in piedi, messer Bonifacio: abbracciatevi insieme con messer Gioan Bernardo; siate meglio amici per l’avenire che per il passato, cercate l’un di far serviggio a l’altro, visitate l’un l’altro, aggiutate l’un l’altro. Gioan Bernardo Cossì farremo si sarrà come deve essere; e con questo vi abbraccio et accetto per amico. Bonifacio Io vi sarrò sempre amico e servitore. Barra Siate buoni compagni. Sanguino Che fate? abbracciate, baciate vostra moglie. Carubina Questo non importa tra noi: la pace è fatta. Marca In casa, in casa. Trattate bene vostra moglie, messer Bonifacio: altrimente vi castigarrà lei insieme con messer Gioan Bernardo. Sanguino Orsù andiate tutti con Dio: passate per dentro questa stanza, per che uscirrete per quell’altra porta; e voi messer Bonifacio, lasciarrete quella offerta che avete promessa a questi compagni per il disaggio che abbiamo avuto per voi. Bonifacio Molto di bona voglia, signor mio. Scaramuré Andiamo; che sia lodato Idio, ch’ha fatta questa pace et unione di messer Bonifacio, madonna Carubina e di messer Gioan Bernardo: tre in uno. Bonifacio Amen amen. Carubina Passate voi, messer Gioan Bernardo. Gioan Bernardo Non lo farrò mai, signora: vostra Signoria vadi avanti. Carubina Bisogna che sia cossì. | Gioan Bernardo Tocca a voi, madonna. Carubina Io dumque vo per farvi servizio et ubedirvi. Gioan Bernardo Seguitemi, messer Bonifacio: tenetevi a me et appigliatevi alla mia cappa, e guardate di non cascare. Bonifacio Io me guardarrò bene.

fünfter akt

289

demjenigen, mich als er zu verkleiden, um unerkannt das Zimmer der Signora Vittoria betreten und verlassen zu können, in welchem dieser Herr Gio. Bernardo ohne den geringsten Anstoß oder bösen Verdacht gesehen werden kann, denn es ist das seine, das diese Frau gemietet hat. Sanguino Bei meinem Glauben, wenn das ein Fehltritt ist, so ist es kein großer Fehltritt. Los, steht auf, Herr Bonifacio, und umarmt Herrn Gioan Bernardo, auf daß Ihr in Zukunft bessere Freunde werdet, als Ihr es bisher wart. Versucht, Euch gegenseitig nützlich zu sein, besucht Euch gegenseitig, und helft einander. Gio. Bernardo So werden wir es machen, es wird sein, wie es sein soll. Und hiermit umarme ich Euch und nehme Euch zum Freund. Bonifacio Ich werde Euch immer ein Freund und Diener sein. Barra Seid gute Genossen. Sanguino Worauf wartet Ihr? Umarmt, küßt Eure Frau. Carubina Das haben wir nicht nötig, der Friede ist geschlossen. Marca Nach Hause, nach Hause. Behandelt Eure Frau gut, Herr Bonifacio. Sonst wird sie Euch gemeinsam mit Gioan Bernardo bestrafen. Sanguino Los, geht jetzt alle mit Gott. Geht durch dieses Zimmer, denn so könnt Ihr durch die andere Tür hinausgehen. Und Ihr, Herr Bonifacio, verteilt jene Gaben, die Ihr diesen Genossen versprochen habt, der Umstände wegen, die wir Euretwegen gehabt haben. Bonifacio Sehr gerne, mein Herr. Scaramuré Gehen wir. Gott sei gelobt, der so Frieden und Eintracht zwischen Bonifacio, Madonna Carubina und Herrn Gioan Bernardo gestiftet hat: drei in einem. Bonifacio Amen, Amen. Carubina Geht voraus, Gioan Bernardo. Gio. Bernardo Niemals, Signora, geht Ihr voraus, meine Gnädigste. Carubina Ich insistiere. Gio. Bernardo Ihr zuerst, Madonna. Carubina Dann gehe ich eben, um Euch einen Gefallen zu tun und Euch zu gehorchen. Gio. Bernardo Folgt mir, Herr Bonifacio. Haltet Euch an mir fest, hängt Euch an meinen Mantel und gebt acht, daß Ihr nicht stürzt. Bonifacio Ich werde gut aufpassen.

290

atto quinto

403 | 405

Sanguino Aspetta un poco cqua con me tu, figlio mio, per che starremo insieme mentre costoro si spediscono de lì dentro. Ascanio Cossì farrò come vostra Signoria comanda.

scena xxiv Sanguino, Ascanio Sanguino Or che vi par del padron vostro messer Bonifacio? Ascanio Quel che ne vedo, bene. Sanguino Non è lui galant’uomo, saggio, accorto, di valore, d’ogni stima degno? Ascanio Quant’ogni par suo. Sanguino Chi vi par suo pare? Ascanio Chi non sa e conosce più né men che lui, e chi non vale più né men che lui. Sanguino Essendono molte le specie della pazzia, in quale pensate voi che lavori costui? Ascanio Le specie della pazzia le possiamo prender da più capi; ma prendendole da questo, che di pazzi altri sono indifferenti, altri son tristi, altri son buoni, costui viene ad essere di tutte tre le | cotte: addormito è indifferente, desto è tristo, morto è buono. Sanguino Per che l’ha preso madonna Carubina? Ascanio Per che è pazzo. Sanguino Vi par ch’ell’abbi fatto bene? Ascanio Secondo il conseglio del mustaccio della barba di quella vecchia lanuta di madonna Angela, ha fatto più che bene: ideste benissimo. Quella è stata la sua consegliera: quella è la pastora di tutte belle figlie di Napoli. Chi vuol agnusdei; chi vuol granelli benedetti; chi vuol acqua di san Pietro Martire, la somenza di san Gianni, la manna di sant’Andrea, l’oglio dello grasso della midolla de le canne dell’ossa del corpo di san Piantorio; chi vuol attaccar un voto per aver buona ventura: vada a trovar madonna Angela Spigna. A costei venne madonna Carubina e disse: »Madre mia, voglion darmi marito: me si presenta Bonifacio Trucco, il quale ha di che e di modo«; rispose la vecchia: »Prendilo«;

fünfter akt

291

Sanguino Und du wartest hier ein wenig auf mich, mein Sohn, damit wir zusammen bleiben, während jene abgehen. Ascanio Ich handle, wie Euer Exzellenz befiehlt.

24 . szene

Sanguino, Ascanio

57

58

Sanguino Nun, was haltet Ihr von Bonifacio, Eurem Herrn? Ascanio Er macht einen guten Eindruck, soweit ich sehen kann. Sanguino Ist er nicht ein Ehrenmann, weise, korrekt, mutig und jeder Bewunderung würdig? Ascanio Wie jeder, der so ist wie er. Sanguino Wer kann sich schon mit ihm vergleichen? Ascanio Derjenige, der nicht mehr oder weniger weiß und erkennt als er und nicht mehr und nicht weniger wert ist als er. Sanguino Es gibt ja viele verschiedene Arten von Wahnsinn. Welche, glaubt Ihr, plagt ihn? Ascanio Die Arten des Wahnsinns kann man auf verschiedene Weise betrachten. Aber wenn man berücksichtigt, daß manche Wahnsinnige gleichgültig, andere traurig und andere gutmütig sind, hat er alle diese drei Narrheiten gleichzeitig: Wenn er schläft, ist er gleichgültig, wach ist er traurig, tot ist er gutmütig. Sanguino Warum hat Madonna Carubina ihn genommen? Ascanio Weil er verrückt ist. Sanguino Glaubt Ihr, das war klug von ihr? Ascanio Dem Urteil der alten, zotteligen Madonna Angela nach hat sie mehr als nur gut gehandelt, ideste hervorragend. Sie war ihre Beraterin: Sie ist die Hirtin aller schönen Töchter Neapels. Wer Agnus dei will, wer geweihtes Korn will, wer das Wasser vom Heiligen Petrus dem Märtyrer will, die Aussaat des Heiligen Johannes, das Manna des Heiligen Andreas, das Öl aus dem Mark der Knochen des Körpers des Heiligen Piantorio; wer ein Glücksvotum aufhängen will, der besuche Madonna Angela Spigna. Zu ihr kam Madonna Carubina und sagte: »Meine Mutter, sie wollen mich verheiraten. Es bietet sich mir Bonifacio Trucco an, dem es an nichts fehlt.« Die Alte antwortete: »Nimm

292

atto quinto

405 | 409

»Sì, ma è troppo attempato«, disse Carubina; respose la vechia: »Figlia, non lo prendere«; »I miei parenti mi consegliano di prenderlo«; rispose: »Prendilo«; »Ma a me non piace troppo«, disse Carubina; »Dumque non lo prendere«, rispose. Carubina soggionse: »Io lo conosco di buon parentado«; »Prendilo«, disse la | vecchia; »Ma intendo che dà tre morsi ad un faggiuolo«; rispose: »Non lo prendere«; »Sono informata« disse Carubina, »ch’have un levrier di buona razza«; »Prendilo«, rispose la vecchia madonn’Angela; »Ma ehimè« disse, »ho udito dir ch’è candelaio«; »Non lo prendere«, rispose. Disse Carubina: »Lo stiman tutti pazzo«; »Prendilo, prendilo, prendilo, prendilo, prendilo, prendilo, prendilo« sette volte disse la vecchia, »non importa che sii candelaio, non ti curar che dii tre morsi ad un faggiuolo, non ti fa nulla che non piace troppo, non ti curar che sii troppo attempato; prendilo prendilo, perché è pazzo: ma guarda che non sii di que’ riggidi, amari, agresti«; »Son certa che non è di quelli«, disse Carubina; »Prendilo dumque« disse madonna Angela, »prendilo«. – Oh, ecco cqua i compagni.

scena xxv Barra, Marca, Corcovizzo, Mamfurio, Sanguino, Ascanio Barra Quell’altro è ispedito: che vogliam far di costui, del domino magister? Sanguino Questo porta sua colpa su la fronte: non vedi ch’è stravestito? non vedi che quel mantello è stato rubbato a Tiburolo? non l’hai visto che fugge la corte? Marca È vero; ma apporta certe cause verisimile. | Barra Per ciò non deve dubitare d’andar priggione.

fünfter akt 59

60

61

62

63

293

ihn.« »Ja, aber er ist zu alt«, sagte Carubina. Die Alte antwortete: »Nimm ihn nicht, Tochter.« »Meine Verwandten meinen, ich sollte ihn nehmen.« Sie antwortete: »Nimm ihn.« »Aber mir gefällt er nicht besonders.« »Also nimm ihn nicht«, antwortete sie; Carubina daraufhin: »Ich weiß, daß er aus gutem Hause ist.« »Nimm ihn«, sagte die Alte. »Man gibt mir zu verstehen, daß er in jede Bohne dreimal beißt.« Sie antwortete: »Nimm ihn nicht.« »Man sagt«, sagte Carubina, »daß er einen reinrassigen Hetzhund hat.« »Nimm ihn«, antwortete die alte Madonna Angela. »Aber, weh mir«, sagte sie, »ich habe sagen hören, er sei ein Kerzenzieher.« »Nimm ihn nicht«, antwortete sie; sagte Carubina. »Alle halten ihn für verrückt.« »Nimm ihn, nimm ihn, nimm ihn, nimm ihn, nimm ihn, nimm ihn, nimm ihn«, sagte die Alte sieben Mal, »es ist egal, ob er ein Kerzenzieher ist, störe dich nicht daran, daß er in alle Bohnen dreimal beißt, störe dich nicht daran, daß er dir nicht besonders gefällt, störe dich nicht daran, daß er zu alt ist. Nimm ihn, nimm ihn, weil er verrückt ist, aber sieh zu, daß er nicht einer von diesen rohen, verbitterten und bäurischen Menschen ist.« »Ich bin mir sicher, daß er nicht so einer ist«, sagte Carubina. »Also nimm ihn«, sagte Madonna Angela, »nimm ihn.« – Oh, da kommen die Genossen.

25 . szene

Barra, Marca, Corcovizzo, Mamfurio, Sanguino, Ascanio Barra Der andere ist fort, was machen wir bloß mit dem da, dem domino Magister? Sanguino Dem ist seine Schuld auf die Stirn geschrieben. Siehst du nicht, daß er verkleidet ist? Siehst du nicht, daß dieser Mantel in Tiburolo gestohlen wurde? Hast du nicht gesehen, wie er vor den Wachen geflüchtet ist? Marca Das stimmt. Aber er bringt bestimmte einsehbare Gründe [für sein Verhalten] vor. Barra Deshalb braucht er noch lange nicht daran zu zweifeln, daß er ins Gefängnis kommt. Mamfurio Verum [Das ist wahr]; aber ich werde mich bei meinen

294

atto quinto

409 | 411

Mamfurio Verum; ma cascarrò in derisione appo miei scolastici e di altri per i casi che me si sono aventati al dorso. Sanguino Intendete quel che vuol dir costui? Corcovizzo Non l’intenderebbe Sansone. Sanguino Or su, per abbreviarla; vedi magister a che cosa ti vuoi resolvere: si volete voi venir priggione, over donar la bona mano alla compagnia di que’ scudi che ti son rimasti dentro la giornea, perché (come dici) il mariolo ti tolse sol quelli ch’avevi in mano per cambiarli. Mamfurio Minime, io non ho altrimente veruno: quelli che avevo tutti mi furon tolti: ita mehercle, per Iovem, per Altitonantem, vos sidera testor. Sanguino Intendi quel che ti dico; si non vòi provar il stretto della Vicaria, e non hai moneta, fà elezione d’una de le altre due: o prendi diece spalmate con questo ferro di correggia che vedi, o ver a brache calate arrai un cavallo de cinquanta staffilate: che per ogni modo tu non ti partirrai da noi senza penitenza di tui falli. Mamfurio »Duobus propositis malis minus est | tolerandum: sicut duobus propositis bonis melius est eligendum«, dicit Peripateticorum princeps. Ascanio Maestro, parlate che siate inteso, per che queste son gente sospette. Barra Può essere che dica bene costui all’or che non vuol esser inteso? Mamfurio Nil mali vobis imprecor: io non vi impreco male. Sanguino Pregatene ben quanto volete, che da noi non sarrete essaudito. Corcovizzo Elegetevi presto quel che vi piace, o vi legarremo meglio e vi menarremo. Mamfurio Minus pudendum erit palma feriri, quam quod congerant in veteres flagella nates: id enim puerile est.

fünfter akt

64

65

66

295

Schülern und anderen lächerlich machen, wenn sie erfahren, was mir widerfahren ist. Sanguino Versteht Ihr, was der da sagen will? Corcovizzo Nicht einmal Samson würde ihn verstehen. Sanguino Los, um es kurz zu machen: Sieh, Magister, was ich dir vorschlage. Entweder du kommst ins Gefängnis, oder du übergibst – als Trinkgeld – die restlichen Scudi, die in deiner Tasche geblieben sind, der Kompanie, da doch der Gauner, wie sagst, nur die aus deiner Hand genommen hat, die du wechseln wolltest. Mamfurio Minime [Keinesfalls], mir ist kein einziger mehr geblieben. Alle, die ich hatte, wurden mir abgenommen, ita, mehercle, per Iovem, per Altitonantem, vos sidera testor [so, bei Hercules, bei Jupiter, dem Hochdonnernden, die Sterne seien euch Zeugen]. Sanguino Hör mir gut zu. Wenn du nicht die engen Räume des Gefängnisses kennenlernen willst und [auch] kein Geld hast, dann mußt du zwischen einem von beiden wählen: Entweder du kriegst zehn Hiebe mit diesem Schlagstock, den du da siehst, oder fünfzig Hiebe mit der Peitsche bei heruntergelassenen Hosen. Jedenfalls wirst du uns nicht davonkommen, ohne deine Fehler gebüßt zu haben. Mamfurio »Duobus propositis malis minus est tolerandum: sicut duobus propositis bonis melius est eligendum«, dicit Peripateticorum princeps [»Von zwei Vorschlägen muß der weniger üble ertragen werden, so wie von zwei Vorschlägen der bessere auszuwählen ist«, sagt der Fürst der Peripatetiker]. Ascanio Meister, sprecht so, daß man Euch verstehen kann, denn dies hier sind argwöhnische Menschen. Barra Könnte es sein, daß er recht hat und der absichtlich so spricht, weil er nicht verstanden werden will? Mamfurio Nil mali vobis imprecor: Ich wünsche Euch nichts Böses. Sanguino Betet, so viel Ihr wollt, wir werden Euch nicht erhören. Corcovizzo Entscheidet Euch schnell für das, was Ihr vorzieht, sonst werden wir Euch noch stärker fesseln und einsperren. Mamfurio Minus pudendum erit palma feriri, quam quod congerant in veteres flagella nates: id enim puerile est [Es ist weniger unstatthaft, sich auf die Handflächen schlagen zu lassen als auf meinen alten Hintern: Das ist nämlich (eine Strafe) für Kinder].

296

atto quinto

411 | 415

Sanguino Che dite voi, che dite in vostra mal’ora? Mamfurio Vi offro la palma. Sanguino Tocca llà, Corcovizzo: dà fermo. Corcovizzo Io do (taf): una … Mamfurio Oimmè, Iesus, of! Corcovizzo Apri bene l’altra mano (taf): e due … Mamfurio Of of, Iesus Maria. | Corcovizzo Stendi ben la mano, ti dico; tienla dritta cossì (taf): e tre … Mamfurio Oi oi oimè, uf of of … of … per amor della passion del nostro signor Iesus: potius fatemi alzar a cavallo, per che tanto dolor suffrir non posso nelle mani. Sanguino Orsù dumque Barra, prendilo su le spalli; tu Marca, tienlo fermo per i piedi che non si possa movere; tu Corcovizzo, spuntagli le brache e tienle calate ben bene a basso: e lasciatelo strigliar ad me; e tu maestro, conta le staffilate ad una ad una, ch’io t’intenda; e guarda ben, che si farrai errore nel contare, che sarrà bisogno di ricominciare; voi Ascanio, vedete e giudicate. Marca Tutto sta bene: cominciatelo a spolverare, e guardatevi di far male a i drappi che non han colpa. Sanguino Al nome di santa Scoppettella, conta (toff). Mamfurio (Tof) una; (tof) oh tre; (tof) oh oi, quattro; (toff) oimè oimè …; (tof) oi oimè …; (tof) oh, per amor de Dio, sette! Sanguino Cominciamo da principio un’altra volta; vedete si dopo quattro son sette: dovevi dir cinque. Mamfurio Oimè che farrò io? erano in rei veritate sette. Sanguino Dovevi contarle ad una ad una. Or su via [di] novo (toff). Mamfurio (Toff) una; (toff) una; (toff) oimè, due; (toff, toff; toff) tre, quattro; (toff, toff) cinque, oimè; (toff, toff) sei. Oh, per l’onor di Dio (toff) non | più (toff, toff) non più che vogliamo (toff, toff) veder nella giornea (toff) che vi sarran alquanti scudi.

fünfter akt

67

297

Sanguino Was sagt Ihr? Was sagt Ihr, in Eurem Unglück? Mamfurio Ich biete Euch meine Handfläche. Sanguino Schlag zu Corcovizzo, gib’s ihm ordentlich! Corcovizzo Ich geb’s: (klatsch) eins … Mamfurio Weh mir, Jesus, au! Corcovizzo Öffne schön die andere Hand (klatsch), und zwei … Mamfurio Au, au, Jesus Maria. Corcovizzo Streck deine Hand schön aus, sag ich dir, halt sie schön gerade (klatsch), und drei … Mamfurio Oh, oh, oh weh, au, oh, uff …, uff …, bei der Liebe zum Leiden unsres Herrn Iesus: Hebt mich potius [eher] aufs Pferd, ich kann solchen Schmerz an den Händen nicht länger ertragen. Sanguino Also los, Barra, nimm ihn auf deine Schultern. Du, Marca, halte ihn an den Füßen fest, damit er sich nicht bewegen kann. Du, Corcovizzo knöpfst ihm die Hose auf und ziehst sie ihm ganz weit runter, und überlaßt ihn mir zum Striegeln. Und du, Lehrer, zählst die Hiebe, einen nach dem anderen, so daß ich dich verstehen kann. Und gib acht, wenn du beim Zählen einen Fehler machst, müssen wir von vorne beginnen. Ihr, Ascanio, schaut zu und urteilt. Marca Alles ist in Ordnung, beginnt, ihn abzustauben, und hütet Euch, die Kleider zu beschädigen, die unschuldig sind. Sanguino Beim Namen der Heiligen Scoppettella, zähle! (klatsch) Mamfurio (klatsch) eins; (klatsch) oh, drei; (klatsch) au, autsch, vier; (klatsch) au weh, au weh …; (klatsch) oh je, au; (klatsch) oh bei der Liebe Gottes, sieben! Sanguino Beginnen wir wieder am Anfang, noch einmal, seht, ob nach vier sieben kommt. Du hättest »fünf« sagen müssen. Mamfurio Oh weh mir, was soll ich bloß machen. Es waren in rei veritate [in Wahrheit] sieben. Sanguino Du mußt sie alle einzeln zählen. Los, weiter, von Anfang. (klatsch) Mamfurio (klatsch) eins; (klatsch) eins; (klatsch) oh weh, zwei; (klatsch, klatsch, klatsch) drei, vier; (klatsch, klatsch) fünf ojemine; (klatsch, klatsch) sechs. Oh, bei der Ehre Gottes (klatsch), haltet ein (klatsch, klatsch), haltet ein, wir wollen (klatsch, klatsch), wir wollen im Wams nachsehen (klatsch), ob dort einige Scudi sind.

298

atto quinto

415 | 417

Sanguino Bisogna contar da capo, che ne ha lasciate molte, che non ha contate. Barra Perdonategli di grazia signor capitano, per che vuol far quell’altra elezzione di pagar la strena. Sanguino Lui non ha nulla. Mamfurio Ita, ita, che adesso mi ricordo aver più di quattro scudi. Sanguino Ponetelo abasso dumque: vedete che cosa vi è dentro la giornea. Barra Sangue di … che vi son più di sette de scudi. Sanguino Alzatelo, alzatelo di bel novo a cavallo, per la mentita ch’ha detta, e falsi giuramenti ch’ha fatti: bisogna contarle, fargli contar settanta. Mamfurio Misericordia: prendetevi gli scudi, la giornea, e tutto quanto quel che volete, dimittam vobis. Sanguino Or su pigliate quel che vi dona, e quel mantello ancora, che è giusto che sii restituito al povero padrone. Andiamone noi tutti: bona notte a voi, Ascanio mio. Ascanio Bona notte e mille bon’anni a vostra Signoria, signor capitanio, e buon pro’ faccia al mastro. |

scena xxvi Mamfurio, Ascanio Mamfurio Ecquis erit modus? Ascanio O là mastro Mamfurio, mastro Mamfurio. Mamfurio Chi è chi mi conosce? chi in questo abito e fortuna mi distingue? chi per nome mio proprio m’appella? Ascanio Non ti curar di questo, che t’importa o poco o nulla: apri gli occhi, e guarda dove sei; mira ove ti trovi. Mamfurio Quo melius videam, per corroborar l’intuito e firmar l’acto della potenza visiva, acciò l’acie de la pupilla più efficacemente per la linea visuale emittendo il radio a l’obiecto visibile, venghi ad introdur la specie di quello nel senso interiore, idest mediante il senso comone col-

fünfter akt

299

Sanguino Man muß von vorne zählen, denn er hat viele ausgelassen, die er nicht gezählt hat. Barra Vergebt ihm, zu Gnaden, Signor Capitano, denn er hat sich für die Möglichkeit entschieden, das Trinkgeld zu zahlen. Sanguino Er hat nichts. Mamfurio Ita, ita, jetzt erinnere ich mich, daß ich noch mehr als vier Scudi habe. Sanguino Laßt ihn also runter. Seht, was in seinem Wams ist. Barra Beim Blut der … da sind mehr als sieben Scudi. Sanguino Hebt ihn hoch, hebt ihn wieder hoch, aufs Pferd: die muß er für die Lüge, die er erzählt, und die falschen Schwüre, die er geleistet hat, zahlen; laß ihn bis siebzig zählen. Mamfurio Erbarmen! Nehmt Euch die Scudi, die Jacke und alles, was Ihr wollt, dimittam vobis [werde ich Euch geben]. Sanguino Los jetzt, nehmt Euch, was er Euch schenkt, und auch diesen Mantel, den man gerechterweise seinem armen Besitzer zurückgeben soll. Gehen wir jetzt alle, eine gute Nacht Euch, mein Ascanio. Ascanio Gute Nacht und tausend gute Jahre, Euer Exzellenz, Signor Capitano Palma, und möge es dem Maestro wohl bekommen.

26 . szene

Mamfurio, Ascanio Mamfurio Ecquis erit modus [Hat mein Unglück jemals ein Ende]? Ascanio Hallo, Maestro Mamfurio, Maestro Mamfurio. Mamfurio Wer ist da, wer kennt mich? Wer erkennt mich in diesem Aufzug und Zustand? Wer ruft mich bei meinem Namen? Ascanio Keine Sorge, denn es bringt dir wenig oder nichts: Öffne die Augen und sieh, wo du bist. Erkenne, wo du dich befindest. Mamfurio Quo melius videam [Damit ich besser sehen kann], um die Sehkraft zu stärken und die Ausübung der visuellen Potenz zu aktivieren, damit die Schärfe der Pupille effektiver ihren Strahl über die visuelle Linie zum sichtbaren Objekt schicken kann und dessen Bild dem inneren Sinn vermittelt, idest, dieses, mittels des Gemeinsinns in der Zelle des Imaginationsvermögens ansiedelt, will ich mir

300

atto quinto

417 | 421

locarla nella cellula de la fantastica facultade, voglio applicarmi gli oculari al naso. Oh, veggio di molti spectatori la corona. Ascanio Non vi par esser entro una comedia? Mamfurio Ita sane. Ascanio Non credete d’esser in scena? Mamfurio Omni procul dubio. Ascanio A che termine vorreste che fusse la comedia? | Mamfurio In calce, in fine: neque enim et ego risu ilia tendo. Ascanio Or dumque fate e donate il plaudite. Mamfurio Quam male possum plaudere, tentatus pacientia: nam plausus per me factus est iam dudum miserabilis, et natibus et manibus et aureorum sonitu. Amen.

Ascanio Donate dico il plaudite; e forzatevi di farlo ancora voi, e fate il tutto bene da maestro et uomo di lettere che voi siete: altrimente tornarrà gente in scena mal per voi. Mamfurio Hilari efficiam animo, forma quae sequitur: Sì come i marinaii, bench’abbin l’arbor tronco, persa la vela, rotte le sarte, e smarrito il temone per la turbida tempesta, soglion nulla di meno, per esser gionti al porto, plaudere; et iuxta la maroniana sentenza: Votaque servati solvent in littore nautae Glauco, et Panopeae, et Inoo Melicertae; |

parimente ego Mamphurius, graecarum, latinarum vulgariumque literarum, non inquam regius, nec gregius, sed egregius (quod est per aethimo-

fünfter akt 68

69

70

301

die Brille auf die Nase setzen. Oh, ich sehe einen Kreis von vielen Zuschauern. Ascanio Glaubt Ihr nicht, in einer Komödie zu sein? Mamfurio Ita sane [Genau so]. Ascanio Glaubt Ihr nicht, auf der Bühne zu sein? Mamfurio Omni procul dubio [Ohne den geringsten Zweifel]. Ascanio An welchem Punkt, glaubt Ihr, ist die Komödie? Mamfurio In calce, am Ende: neque enim et ego risu ilia tendo [denn zum Lachen reiche ich nicht die Flanken]. Ascanio Nun, dann macht und gebt das Plaudite. Mamfurio Quam male possum plaudere, tentatus pacientia: nam plausus per me factus est iam dudum miserabilis, et natibus et manibus et aureorum sonitu. Amen.

71

[Ich kann nur sehr schlecht applaudieren / geprüft in der Geduld / denn der Applaus ist für mich schon längst jämmerlich geworden / wegen der Hinterbacken und der Hände / und wegen des Klanges der (verlorenen) Gold (-stücke). Amen.] Ascanio Ich sage, gebt das plaudite [Zeichen zum Applaus] und überwindet Euch, selbst Beifall zu spenden, und macht es gut, als Lehrer und belesener Mensch, der Ihr seid. Sonst werden wieder Leute auf die Bühne kommen, schlecht für Euch. Mamfurio Hilari efficiam animo, forma quae sequitur [Das werde ich frohen Mutes und in folgender Weise tun]: So wie die Seeleute, obwohl durch den düsteren Sturm die Masten gekappt, die Segel zerrissen, die Wanten gebrochen sind und das Ruder defekt ist, dennoch, weil sie den Hafen erreicht haben, plaudere et iuxta die Maronische Sentenz: Votaque servati solvent in littore nautae Glauco, et Panopeae, et Inoo Melicertae

[Rettungsdank bringen dar am Strande die Schiffer und preisen / Glaucus sowie Panopea und Inos Sohn Melicertes.] Genauso ego Mamphu-

302

atto quinto

421

logiam »e grege assumptus«) professor; nec non philosophiae, medicinae, et iuris utriusque, et theologiae doctor, si voluissem: per esser gionto al porto di miei erumnosi e calamitosi successi, post hac vota soluturus, plaudo. Proinde dico a voi, nobilissimi spectatori (quorum omnium ora atque oculos in me video esse coniectos), sì come io per ritrovarm’al fine del mio esser tragico supposito, si non co le mani, giornea e vesti, corde tamen, et animo plaudo; cossì e megliormente voi, meliori hactenus acti fortuna, che di nostri fastidiosi et importuni casi siete stati gioiosi e lieti spectatori, Valete et Plaudite. fine dell,atto quinto

fünfter akt

303

rius, graecarum, latinarum vulgariumque literarum, non inquam regius, nec gregius, sed egregius – quod est per aethimologiam »e grege assumptus« – professor; nec non philosophiae, medicinae, et iuris utriusque, et theologiae doctor, si voluissem [Ich, Mamfurio, Professor der griechischen, lateinischen und der umgangssprachlichen Literatur, nicht königlich, nicht gregius (Mamfurio meint: gregarius, zum Haufen gemeiner Soldaten gehörig), sondern egregius (hervorragend), das bedeutet zufolge der Etymologie »aus der Herde auserlesen«, – auch der Philosophie, der Medizin und beider Rechte und Doktor der Theologie, wenn ich gewollt hätte]: weil ich in den Hafen meiner unheilvollen und erbärmlichen Mißerfolge eingelaufen bin, post hac vota soluturus [danach meine Versprechungen zu erfüllen], plaudo. Proinde sage ich Euch, Ihr hochedlen Zuschauer – quorum omnium ora atque oculos in me video esse coniectos [die ich nun alle auch mit den Augen auf mich gerichtet sehe] –, so wie ich nun, da ich mich am Ende meiner tragischen Geschichte wiederfinde, zwar ohne Hände, Jacke und Gewand corde tamen, et animo plaudo [dennoch herzlich und von ganzem Sinn applaudiere], so und noch besser werdet auch Ihr meliori hactenus acti fortuna [die Ihr mit größerem Glück bis hierher gelangt seid], handeln; Ihr, die Ihr fröhliche und glückliche Zuschauer unserer mühsamen und ungelegenen Umstände wart, Valete et Plaudite. ende des fünften aktes.

KOM M E N TA R

Prologe 1 Zu diesem Motto, das Bruno für sich reklamierte und mit dem er gleich-

zeitig das zeittypische tragikomische Genre des Theaterstücks charakterisiert, vgl. Spaccio, BW V, S. 46; Vinculis, OL III, S. 690; N. Ordine in: U, S. 49, Anm. 126. 2 Gemeint ist die Quelle des Musenberges Helikon, d. h. das Buch ist den Dichtern gewidmet. Diese Wendung kommt in der Literatur des 16. Jh. häufig vor. Die pegaseische Quelle spielt auch in der Cabala eine wichtige, wenn auch ironisch gemeinte Rolle. P. Sabbatino: Mutazione del rinascimento (1993), S. 40, betont zu Recht, daß Bruno in diesem Sonett das Buch als Theater und das Theater als Buch charakterisiert und die beiden Ausdrucksformen demzufolge hier als vertauschbar zu denken sind. 3 D. h. am Beginn oder Ende der Komödie. 4 Bias, einem der »sieben Weisen« Griechenlands, ca. 625–540 v. Chr., wird die Auffassung zugeschrieben, daß der Mensch sich in jeder Freundschafts- oder Liebesbeziehung auf zukünftigen Haß einrichten sein sollte; vgl. Aristoteles: Rhet, II, 13, 1389b, 23 f. Cicero, De amicitia, 16 (59). Bruno verwendet Bias hier, um die ambivalenten Inhalte des Textes zu markieren. 5 Vgl. Gen 2,25. 6 Gemeint ist jene Strafe, mit welcher Lehrer ihre Schüler belegten: Diese empfingen Stockschläge auf die Hinterbacken, während sie wie auf einem Pferd auf dem Rücken eines Kommilitonen saßen. Mamfurio, der Schulmeister, wird im fünften Akt so gezüchtigt. Hier: Anspielung auf die ärgerlichen Reaktionen, welche sich Bruno seitens der Pedanten erwartet. 7 Zur Funktion dieser Persona, die sowohl mythologischen als auch biographischen Charakter haben könnte, vgl. die Edition des Candelaio von V. Spampanato (1921), S. 64, Anm. 3, und A. L. Puliafito-Bleuel: Comica pazzia (2007), S. 35–62. Diese Autorin kommt zu dem Ergebnis, daß Morgana eine Figuration der Circe ist, die bei Bruno die aktive Materie verkörpert (vgl. ebd., bes. S. 56–62). 8 Sirius, der Hundsstern. Bruno macht sich hier über die Astrologie und in der folgenden Passage über die Theorie von den astrologischen Einflüssen sowie die mit dieser Lehre verbundene Meteorologie lustig. Die große Sommerhitze, so schreibt z. B. auch Della Porta, erlaube keine anspruchsvollere

306

kommentar

intellektuelle Tätigkeit als die Niederschrift von Komödien. Vgl. G. B. Della Porta, Teatro (2000–3), Bd. 4, S. 269 f. Es ist interessant zu bemerken, daß Komödien in der Renaissance häufig in den Weihnachtsfeiertagen – also sozusagen »am anderen Ende« des Jahres – aufgeführt werden. 9 Die Planeten, im Gegensatz zu den Fixsternen. 10 Hinweis auf die astrologische Konstellation des Juli 1582, dem Datum der Abfassung des Candelaio. 11 Also: sapientia, intellectus, consilium, fortitudo, scientia, pietas, timor. Vgl. Thomas von Aquin: Summa Theologiae (1963), Bd. 1. S. 300 ff. (Prima Secundae, qu. 68, a 2 und 3). 12 Hochheben und Zeigen der Monstranz während der Messe und obszöne Anspielung auf die Meßliturgie. 13 Anspielung auf Lk 16,23–26: Lazarus, selbst in Abrahams Schoß, sieht einen Reichen jenseits des Abgrundes (Chaos) sich in den Flammen winden und jenen um Linderung bitten. »Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, daß er die Spitze seines Fingers in Wasser tauche und meine Zunge kühle, denn ich leide große Pein in dieser Feuersglut.« Zur Funktion des Chaos in Brunos ars memorativa vgl. P. Sabbatino: Mutazione del rinascimento (1993), S. 48–53. 14 Vgl. Brunos mnemotechnisches Werk Umbris (siehe Einleitung). 15 Vgl. Dante: La commedìa (1995), S. 180 (Inferno, canto XXI v. 25 ff.): So wie die Verdammten versuchen, den Teufeln zu entfliehen, so fliehen die Pedanten Bruno. 16 Gemeint ist an dieser Stelle vielleicht Fra Bonifacio da Napoli, ein Bruno verhaßter Ordensbruder und Sakristan in San Domenico Maggiore. 17 Paulus, I Kor 6,9: Gemeint sind unter anderem Knabenschänder. 18 Bruno schreibt diese Zueignung an einem heißen Sommertag, das geht aus den ersten Sätzen hervor: Hier spricht er von jenen Dezembertagen, die den Gegenpol des Jahres verkörpern, wenn er schließlich seine Feinde in Neapel besiegt haben wird. (Im Dezember ist die Zeit des Schweineschlachtens.) 19 Lk 15,13 (Parabel vom verlorenen Sohn). Der Sohn vergeudet sein Vermögen durch ein verschwenderisches Leben. 20 Aus derselben Episode, Lk 15,18. Der verlorene Sohn beschließt, zurückzukehren. Bruno spielt auf seine Rückkehr nach Italien an, denn er befindet sich zur Zeit der Abfassung des Candelaio in Paris. 21 Nochmalige Anspielung auf die obige Parabel; gemeint ist das Kalb, welches der Vater zur Rückkehr des Sohnes bereitet. 22 Bruno wird das Thema der Metempsychose in der Cabala ausführlich behandeln; vgl. z. B. BW IV, S. 76 ff. 23 Bei Bruno häufig wiederkehrendes und zentrales philosophisches Mo-

prologe

307

tiv, etwa in Causa, BW II, S. 116; siehe auch Ovid: Metamorphosen XV, 165: »Omnia mutantur, nihil interit«, und Einleitung. 24 In seiner lesenswerten Lektüre und Darstellung dieser häufig kommentierten Passage ist es M.A. Granada, Bruno y Manilio (2010), S. 362 ff. und passim, gelungen, diese Aussagen als Verweis auf einige Verse aus dem Astronomicon des Manilius (vv. 515–523) zu identifizieren. (Omnia mortali mutantur lege creata. / Nec se cognoscunt terrae uertentibus annis / Exutas uariam faciem per secula gentes. / At manet incolumis mundus suaque omnia seruat, / Quae nec longa dies auget, minuitque senectus. / Nec motus puncto currit, cursusque fatigat. / Idem semper erit, quoniam semper fuit idem. / Non alium uidere patres, aliumue nepotes / Aspicient. Deus est, qui non mutatur in aevo.) Granada zeigt, dass Bruno (ganz im Sinne seiner spätantiken stoischen Quelle), hier nicht Gott, sondern das materielle, selbst göttliche Universum meint, wenn er von dem Einen spricht, das sich immer gleich bleibt. 25 Bruno hat diesen Teil vielleicht in großer Eile eingefügt. Der eigentümliche Tempuswechsel des Originaltextes wurde in der Übersetzung beibehalten. 26 Möglicherweise Don Giovanni Mamfurio, ein neapolitanischer Kanonikus; zu den Namen der Protagonisten vgl. auch Einleitung. 27 Bruno deutet in dieser vielzitierten Passage (in durchaus parodistischer Absicht) den universalkombinatorischen Plan seiner Komödie an. Die Schicksale der hier vorgestellten Dummköpfe sind vertauschbar, ganz so wie ihre schlechten Eigenschaften; vgl. auch Einleitung. 28 Signora bezeichnet eine Mittelstellung zwischen Kurtisane und gewöhnlicher Prostituierter. 29 D. h. von jungen Männern und Geld. 30 Ascanio, eigentlich: Eingeweidewurm. Bonifacios Diener, dessen Name als obszöne Anspielung auf seine Rolle als Lustknabe seines Herrn fungiert. 31 Vielleicht der Maler Gioan Bernardo Lama, der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Neapel gelebt hat und den Bruno kannte. Zu dieser Persönlichkeit vgl. P. Sabbatino: A l’infinito (2004), S. 84 ff. 32 Gemeint ist, daß Gioan Bernardo sich über Bonifacios Versuche lustig macht, mit Hilfe der Alchemie, der Goldschmiedekunst, das Geld für die Prostituierte zu ersparen. Weiter unten spricht Bruno von Bonifacio als dem »verliebten Alchemisten«. Alchemie war ursprünglich eine Goldschmiedekunst; vgl. W. Shumaker: The Occult Sciences (1972), S. 276.; vgl. auch N. Ordine in: U, S. 46 f., Anm. 120, wonach sich oro, »Gold«, auf heterosexuelle, argento, »Silber«, hingegen auf sodomitische Akte beziehen würde. 33 Von der Redewendung »Più arido che il pomice«: geizig, schäbig.

308

kommentar

34 Zitat aus T. Folengo: Moscheidos III, 8. 35 Neapolitanische Süßigkeit. 36 Neapolitanisches Sprichwort für jemanden, der unwahrscheinliches

Glück hat. 37 D. h., daß von Bonifacio kein Geld zu erwarten ist. 38 Der Hl. Cresconio (4. Jahrhundert), Dichter und Bischof in Afrika, wurde in Neapel verehrt; seine Statue ist von einem eindrucksvollen, faltenreichen Festmantel umhüllt. Gleichzeitig (von: crescere il lazzo) elliptische, obszöne Anspielung auf Bonifacios Erektion beim Gedanken an die Prostituierte. 39 Sophistische, d. h. falsche. 40 Bonifacio bedient sich derselben Magie wie der Alchemist Bartolomeo. 41 Vgl. Berni: Sonetto al divizio, v. 14: »Marte ho nella bracchetta e in culo Amore.« Zum Topos der Seele des Gehängten, die beim Arsch herausfährt: vgl. S. Camporesi: Il paese della fame (1996), Kap. 1, bes. S. 18–24, und Dante: La commedìa (1995), S. 183 (Inferno, canto 21 v. 139). 42 Joan de Palma, Chef der napoletanischen »guardia della giustitia« 1565–1585. 43 D. h., Carubina ist bisher eine treue Ehefrau gewesen. 44 D. h. einer, der stets den richtigen Zeitpunkt kennt. 45 Zum Mythos von Aktaion vgl. Ovid: Metamorphosen (1996), S. 94– 100 (III, 138–252). Die Erzählung vom Jäger, der als Strafe dafür, die Göttin Diana nackt gesehen zu haben, in einen Hirsch verwandelt und von seinen Hunden zerrissen wurde, spielt in Brunos Philosophie eine wichtige, allerdings nicht immer gänzlich ernste Rolle. Sie wird auch im Zusammenhang mit gehörnten Ehemännern verwendet. Vgl. Candelaio, OC I, S. 27 ff.; Spaccio, BW V, S. 384; Furori, DI, S. 1112–1116. F. Rabelais: Gargantua (1955), S. 882 (Le cinquiesme livre, Kap. 36), verwendet das Motiv ebenfalls in diesem Sinne. 46 Nämlich dem Gold und dem Silber. 47 Obszöne Anspielung: Marta ist ihrem Mann untreu. 48 Jene Substanz, von der Cencio ihn glauben macht, daß sie die Herstellung von Gold ermöglicht. 49 Mt 11,30: »onus meum leve«. 50 In der Liebeskunst. 51 Die Verwendung von chiasso ist hier, Brunos Intentionen entsprechend, zweideutig: Das Wort bedeutet Scherz, Streit, aber andare in chiasso kann auch »ins Bordell gehen« heißen. 52 In Anlehnung an Mt 25,16: »Abiit autem qui quinque talenta acceperat, et operatus est in eis, et lucratus alia quinque.« Gemeint ist, daß Bartolomeo

prologe

309

keinen Gewinn aus dem pulvis Christi wird ziehen können, weil das in ihm enthaltene Gold vom ihm selbst finanziert wurde. 53 Mochione bedeutet Dummkopf. 54 Zu diesem, an den Platonischen Mythos vom Androgyn im Symposion gemahnenden Motiv vgl. auch S. Kodera, Disreputable Bodies (2010), S. 213– 249, bes. 246–249. 55 Dieser wird im Proprolog als »Schüler der schwarzen und weißen Tinte« beschrieben, d. h., er hat ein sexuelles Verhältnis mit Mamfurio. Der Name erinnert an lat. polluere, beschmutzen, schänden. 56 Barra, von baro, Betrüger, Gauner. 57 Sprichwörtlich (neapoletanisch): Don Paulino ist ein armer Landpfarrer, der kaum die Meßgerätschaften zusammenbringt. 58 Mit dieser Aufforderung zum Applaus endet die römische Komödie. 59 Es handelt sich also um eine Doppelrolle; vgl. auch Einleitung. 60 Ein Kommando für die Ruderer. 61 Alter, kleiner Hafen bei Neapel, der später versandet ist. Der Kahn, der hier für die Komödie steht, liegt also auf Sand. Es handelt sich um einen Gemeinplatz; vgl. Clubb, in: G. B. Della Porta, Fratelli Rivali (1980), S. 19, Anm. 14 mit Literaturhinweisen. Der Vergleich mit dem gestrandeten Boot kommt z. B. auch schon bei M. Salernitano: Novellino (1990) S. 473 (Proemio alla quinta parte del Novellino), vor. 62 Die große Mole von Neapel verlassen, obwohl der Kahn (der hier die Komödie repräsentiert) nicht seetauglich ist. 63 Bruno portraitiert sich hier (selbstverständlich mit einigem Augenzwinkern) als typischen Renaissance-Intellektuellen, der unter dem Einfluß des Saturn steht und daher ein melancholisches Temperament hat, das sowohl zu großem Ingenium als auch zum Wahnsinn neigt. Vgl. Erasmus: Encomium (1979), S. 178; zu den negativen Eigenschaften des Saturn vgl. z. B. Agrippa von Nettesheim: De occulta philosophia (1991), S. 592 f. (lib. 3, cap. 63); M. Ficino: Theologia Platonica (2001–2006), Bd. 4, S. 192 ff. (lib. 13, cap. 4), beschreibt die Verbindungen dieses Planeten zur Hexerei, wohingegen ders.: ebd., S. 306 f. (lib. 14, cap. 10), das Naheverhältnis der Genies zu Saturn hervorhebt. Zwiebel, in der Erde wachsende und daher dem Saturn zugeordnete Pflanzen, waren ein Hauptnahrungsmittel der Landbevölkerung, sie lassen bekanntlich die Augen tränen. Der Autor der Komödie stellt sich demzufolge hier als arm und mit verweinten Augen dar. 64 Bruno verwendet hier das vieldeutige Wort tela, das sowohl Gewebe als auch Intrige bedeutet. Außerdem bezeichnet tela die Leinwand des Malers Gioan Bernardo, einer der Fädenzieher in dieser Komödie; vgl. auch Einleitung.

310

kommentar

65 Anspielung auf das sexuelle Verhältnis zwischen Mamfurio und Pol-

lula. 66 Anspielung auf Bonifacios Homosexualität; die Bezeichnung »Diener

im Sonnen[schein] und bei Kerzen[licht]« wurde auch für Prostituierte verwendet. 67 Plautus, Mostellaria (1905), Bd. 2, Zeile 273 (I, 3): »Quia ecastor mulier recte olet, ubi nil olet«. 68 Siehe dazu das Motto dieser Komödie und den Hinweis unter anderem bei Seneca: De ira II, 10, daß Demokrit der lachende, Heraklit der weinende Philosoph war, einer der bekanntesten Gemeinplätze der Philosophiegeschichte; siehe auch A. Alciato, Emblematum libellus (1542), S. 212 (Emblem 96). 69 Polarstern, im Sinne von Orientierungshilfe. 70 In den vorhergehenden, kursiv wiedergegebenen endekasyllabischen Versen drischt Bruno (in ironischer Absicht) Phrasen aus Petrarcas Canzoniere. Zu Brunos Antipetrarkismus vgl. z. B. N. Ordine: Giordano Bruno und die Philosophie des Esels (1999), S. 208 f. mit Literaturangaben; für ähnliche Passagen siehe auch die Vorrede zu den Furori DI, S. 928. 71 Bruno persifliert hier die aristotelische Elementarlehre (Äther, Erde, Feuer, Wasser und Luft) und macht sich gleichzeitig über die kosmologische Dimension lustig, welche der menschlichen Liebe im geschlossenen, begrenzten Universum des Petrarkismus beigemessen wurde. 72 D. h., sie ist keine Jungfrau mehr; kann auch eine an Syphilis erkrankte Prostituierte bezeichnen. 73 Der Regenbogen ist das Zeichen des Endes der Sintflut; Gott verspricht Abraham, keine weitere Sintflut geschehen zu lassen (Gen 9,8–17). 74 Siehe hierzu allgemein Aristoteles: Meteorologica III, 4–6, 373 a 32 – 377 a 28. 75 Gemeint sind jene Prostituierten, die ihren Beruf aufgeben und ins Kloster gehen. 76 Sprichwörtlich »fare come l’asino dell’ortolano, che porta il vino e be l’acqua«: daß der Esel den Wein zwar trägt, selbst aber Wasser trinkt, also schlecht für seine Anstrengungen bezahlt wird. Gemeint ist die Kupplerin Lucia. 77 Das italienische Wort mediatore, Vermittler, ist in der Theologie eine Bezeichnung für Christus; auch die nächsten Epitheta, via e porta, legen eine solche ironische Assoziation nahe. Die Kupplerin wird hier zur zentralen Figur des Manipulators (siehe Einleitung). 78 Liebesbriefe, die von jemand anderem als dem Liebhaber verfaßt wurden.

prologe

311

Personifikation. Anspielung auf Mamfurios humanistische Pedanterie. D. h. der klassischen lateinischen Sprache ciceronianischer Prägung. Demosthenes, bekanntester Redner der Antike. Bruno macht sich hier über die geradezu abgöttische Verehrung der Sprache von Marcus Tullius Cicero, dem Vorbild der Renaissance-Humanisten, lustig. Vgl. F. Berni: Dal più profondo …, Vers 1–4. 84 Hier kommt zum Ausdruck, wie eng verbunden Bruno Intellekt und Physiologie sieht, denn die Dummheit Mamfurios hat nicht nur verheerende Auswirkungen auf den Geist, sie erzeugt auch körperliche Reaktionen. 85 Bruno spottet über die humanistischen Verleger (z. B. Aldus Manutius [1449–1515]), die etwa griechische Texte in der Originalsprache edierten, sowie über jene Humanisten (z. B. Angelo Poliziano [1454–1494], Lorenzo Valla [1407–1457]), welche mittels der von ihnen entwickelten philologischen Methoden in mühsamer, pedantischer Kleinarbeit zahlreiche vorgeblich antike Texte als Fälschungen entlarven konnten. 86 Bruno zitiert hier aus dem Brevier: lux perpetua, ewiges Licht, saecula saeculorum, von Ewigkeit zu Ewigkeit. 87 D. h. die ganze Welt; sie wird durch die beiden Winde (Boreas von Norden, Austral von Süden) sowie durch das indische (Osten) und das maurische Meer (Westen) versinnbildlicht. 88 Ironischer Verweis auf die Doktrin der astralen Einflüsse; Saturn galt in der Renaissance als jener Planetengott, der den Menschen sowohl Wahnsinn als auch großes Ingenium vermittelt; die von Bruno attackierten Pedanten halten sich für unter dem Einfluß des Saturn stehend. Bruno bringt aber noch eine weitere Zote an: Da Saturn bekanntlich kastriert wurde, kann er das Denken der Menschen nicht mehr befruchten, sondern bestenfalls noch seinen Harn abgeben; siehe auch P. Aretino: All’albicante (2001), S. 94, Verse 94–95. und M. Bachtin: Rabelais und seine Welt (1998), S. 192 und S. 298. 89 D. h. die Musen. 90 Ähnliche Beschreibung eines Pedanten z. B. in der Cena, S. 144 f. 91 Ganymed wird wegen seiner Schönheit geraubt und der Mundschenk der Götter, eine Geschichte, die seit nachhomerischer Zeit in Zusammenhang mit Päderastie steht. Vgl. Ilias XX, 231; Platon: Phaidros 255c; Ovid: Metamorphosen X, 155–161. 92 Pubercola: »Einen Erzieher der Jugend«, dessen Päderastie in grammatikalischen Termini beschrieben wird. Er unterweist im Gebrauch der Synonyme, der Epitheta des Aktiven und Passiven. 93 Amostante: arabisch für: »hoher Würdenträger«. 79 80 81 82 83

312

kommentar

94 Quartanfieber: Wechselfieber mit viertägiger Periode. 95 Bruno spielt hier wieder auf das für seine Philosophie zentrale Theo-

rem von der universellen vicissitudo, der Veränderung, der alle Dinge unterworfen sind, an. 96 Tropologisch, anagogisch: Arten der Allegorese in der theologischen Schriftinterpretation. Zu Brunos ablehnender Haltung gegenüber diesen Techniken der Bibelexegese vgl. Spaccio, BW V, S. 42 ff.; und Cabala, BW VI, S. 22, die dort im Zusammenhang mit einer radikalen Ablehnung der Institutionen der Christen genannt werden; vgl. auch M. A. Granada: Maquiavelo y Bruno (2002), S. 193 f.

1. Akt 1 Cato, oft von Erasmus zitiert (z. B. Colloquia XIII, Euntes in ludum litera-

rium). 2 Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wurde in Genua in der Kirche Santa Maria di Castello der Schwanz jenes Esels als Reliquie verehrt, auf dem Christus in Jerusalem eingezogen sein soll. Dieser findet auch in Spaccio, BW V, S. 354, und in den Prozessakten Brunos, vgl. Mercati, Processo (1942), S. 92, Erwähnung. Vgl. auch G. B. Pino: Ragionamento sovra de l’asino (1982), S. 112. 3 Vgl. Ovid, Tristia I, 8; Apuleius: Metamorphosen, 1, 3, § 1. Ironischerweise werden dort im Kontext diese Potenzen der Magie als Ammenmärchen dargestellt. Siehe auch H. C. Agrippa von Nettesheim: De occulta philosophia (1991), S. 237 (lib. 1, cap. 72). 4 Bruno selbst nennt sich so, vielleicht auch um sich über die RenaissanceAkademien in Italien lustig zu machen. Daß er hier auf ein von ihm tatsächlich verfaßtes Werk anspielt, ist eher unwahrscheinlich. 5 Anspielung auf und Ironisierung von Platons Phaidros, 246 a–e, 249 c–e, 251c–e, wo beschrieben wird, wie den Liebenden ein Gefieder wächst, das sie zu den Göttern aufsteigen läßt. Vgl. auch Apuleius: Metamorphosen, III, 25, wo sich der Protagonist, verwickelt in eine Liebesaffäre durch die Verwendung einer Zaubersalbe, statt in einen Vogel in einen Esel mit monströsen Geschlechtsteilen verwandelt. Dieser Zusammenhang zwischen Esel und Liebe wird in der folgenden Szene von Bruno aufgegriffen. 6 Offensichtlich anzügliche Zweideutigkeit. Vielleicht auch Anspielung auf die durch die Gefährten des Odysseus geschlachteten Rinder des Helios (Odyssee, XII, 343 f.), wobei allerdings nicht die Hörner, wohl aber die Eingeweide den Göttern geopfert wurden (ebd., 363). 7 Bruno spielt in diesem Absatz auf die emotionalen Fesseln an, die der

1. akt

313

Magier zwischen den Dingen der Welt konstruiert, ohne selbst gebunden zu sein. Siehe dazu Brunos Vinculis OM 486. 8 Anspielung auf Ps 150,5: »Laudate eum in cymbalis bene sonantibus.« 9 Bruno bezieht sich hier auf die seit der Medizin der Antike traditionelle Humoralpathologie, die das Übermaß eines der vier Körpersäfte als Krankheitsgrund und Charakterbild angab. Die gesamte Rede Bonifacios ist eine zeittypische Zusammenfassung der klinischen Beschreibung der Liebeskrankheit. 10 Anspielung auf den Sündenfall. 11 Die Liebe wird wie eine ansteckende Krankheit über den Gesichtssinn übertragen. Der Scharlatan Scaramuré wird diese weitverbreitete Annahme in I, 10 unter astrologischen und physiologischen Gesichtspunkten näher erläutern. Zu diesem Themenkomplex vgl. M. Ficino: De amore (1994), S. 324–326 (lib. VII cap. 4) und S. Kodera: Schattenhafte Bilder (2004). 12 Über die Eigenschaften der Esel im allgemeinen siehe Aristoteles, De generatione animalium 748 a–b, und Plinius, Historia naturalis, VII, 167. Beide Autoren geben allerdings die Sommersonnenwende als ideale Paarungszeit an, weil der Esel ein wärmeliebendes Tier ist. Zur Lehre von den sieben Klimazonen vgl. Paulys Real-Encyclopädie (1894–1963), Bd. 21, Sp. 838–843; A. Achillini: De elementis (1568), S. 255 (lib. 3, cap. 19); Johannes de Sacrobosco: Sphaera (1590), fol. ciii r. 13 Vgl. Vinculis, OL III, S. 675 (art. 12). 14 Offb, 14,4. 15 Siehe dazu etwa Petrarcas Trionfo d’amore, 1–12. 16 Petrarcha verliebt sich am 6. April 1327 in Laura (vgl. Rime, 209, vv. 12–14). Dieses Ereignis wird bereits in N. Francos Il Petrarchista (1539) zum Gegenstand des Hohns; vgl. P. Sabbatino: Mutazione del rinascimento (1993), S. 36. 17 Lebensgeister: Die Renaissance-Medizin nahm an, daß die Seele die Körperfunktionen durch den spiritus, ein halb körperliches, halb immaterielles Instrument, steuert und so mit der sinnlichen Welt in wechselseitigen Kontakt tritt. Vgl. D. P. Walker: Medical Spirits (1985). 18 Posillipo bei Neapel wird bereits von antiken Schriftstellern als schöner Hügel und Strand erwähnt, der gern von Liebespaaren aufgesucht wurde. 19 Zur Funktion der Muße in der Strategie der Verführung vgl. Vinculis, OL III, S. 668 (§ 28). 20 Anspielung auf Platons Phaidros, 243a. 21 Die ganze Passage ist auch als Parodie auf Phaidros, 252c–253c, zu lesen: Die sexuellen Neigungen der Liebenden unterscheiden sich nach den Göttern, die sie verehren. 22 Zeittypische Beschimpfungen: Die Esel aus Otranto waren seit der An-

314

kommentar

tike berühmt, die Einwohner von Avella (einem Dorf in der Nähe von Nola) und Arpaia (Benevento) standen im Ruf besonderer Dummheit. 23 Ps 50,17, der zu Beginn der Lektüre des Breviers rezitiert wird. 24 »Quiconque pecca et emenda salvo este.« Küchenlatein, pseudobiblische Diktion. 25 Versuche eines Pedanten in galanter lateinischer Konversationsgrammatik. 26 Minerva erhebt den Geist; gleichzeitig aber auch ironisch: Schulgeld. 27 Anspielung auf die in der Renaissance verbreitete Sage von Herkules auf dem Scheideweg. Der junge Held wird vor die Wahl gestellt, den leichten Weg der Lust oder den beschwerlichen der Tugend zu gehen, was ihm Unsterblichkeit einbringt. Die Figur des Hercules Gallicus, eines besonders redegewandten Menschen also, findet sich auch bei A. Alciato, Emblematum libellus (1542), S. 206 (Emblem 93). Vgl. auch Einleitung. 28 Lateinische Kausalpartikel. 29 Die gesamte Rede Mamfurios hat einen dezidiert päderastischen Unterton. Die Schulmeister wurden in der Renaissance-Komödie generell der Knabenliebe verdächtigt; s. a. Anm. 35. 30 »Herren über das Gymnasium«: Lehrern. 31 Drei mehr oder weniger berühmte Grammatiker des 15. und 16. Jahrhunderts: in den Augen Brunos natürlich Pedanten. Sie kommen auch in Causa BW III (vgl. Index) vor. Agrippa von Nettesheim: Über die Fragwürdigkeit (1993), Kap. III, S. 27, schreibt in diesem Zusammenhang: »Die Grammatiker beweisen nämlich nichts, sondern berufen sich nur auf Autoritäten […] Wer viel auf die Lehren dieser Autoritäten gibt, der versteht von Sprache sehr wenig, denn entscheidend für die Entwicklung von Sprache ist das Volk, nicht die Grammatiker, und der Sprachgebrauch entspringt der Alltagssprache.« 32 Mamfurio erklärt hier umständlichst einen Grammatikaster: Unterscheidung der Aussprache der Worte equus (Pferd) und aequus (gleich). 33 Wörtliche Übersetzung des lat. »Ite bonis avibus« (»Geht unter Glück verheißenden Vorzeichen«). 34 Bonifacio schickt der Signora Vittoria einen Korb, siehe folgende Szene. 35 Mamfurio ergeht sich hier in absurden etymologischen Erwägungen, die einmal mehr sein Pedantentum und, im Hinblick auf Lucias Rolle, seine Dummheit unterstreichen. Hier kommt die (topische) Misogynie des päderastischen Schulmeisters zum Ausdruck; vgl. z. B. auch Causa, BW III, S. 182– 192, und G. B. Della Porta, Teatro (2000–3), Bd. 3, S. 472 (Il moro, III, 9). 36 Mamfurio will sagen: »Ich gehe nach Hause.« 37 Verkürzt: Motto von Apelles, nach Plinius: Historia naturalis XXXV, 12.

1. akt

315

38 Lucia ist eine Kupplerin und beklagt sich, daß sie selbst nicht mehr

zum Zug kommt. 39 Diese Kekse sind eine typische Weihnachts- und Osterbäckerei in Neapel. 40 Der »Tugut«: Wortspiel mit Bonifacios Namen. 41 Vgl. F. Petrarca: Canzoniere (1974), 171–74, 267, 401 (can. 125, 202, 315). Lodovico Ariosto (1474–1533), italienischer Dichter und Verfasser des Epos Orlando Furioso, aus dem Bruno in II, 3 zitiert. 42 Buon anno ist ein traditioneller Segen zur Begrüßung und Verabschiedung, vgl. z. B. G. Boccaccio: Decameron (1974), S. 244 und S. 246 (III, 8). 43 Zum Thema Veränderung siehe auch Causa, BW III, S. 190 ff. 44 Prolepse, denn im fünften Akt wird Bonifacio sich als Gioan Bernardo verkleiden. Vgl. S. Kodera: Philosoph (2010). 45 Prolepse, denn in V, 19 wird Gioan Bernardo erklären: »Bei allen Geschäften besteht die Schwierigkeit darin, daß der Kopf durchgeht [»che passi la testa«], denn der Rumpf und der ganze Körper folgen mit Leichtigkeit.« Der Maler wird es also besser machen als Bonifacio; vgl. auch Einleitung. Möglicherweise handelt es sich hier auch um eine Anspielung auf den Kyniker Diogenes (412–323 v. Chr.), von dem erzählt wird, daß er bei Tage mit einer Laterne herumging und sagte: »Ich suche Menschen«, wie D. Laertius: Leben und Meinungen berühmter Philosophen (1921), Bd. I, S. 61, berichtet; die Legende wird aber auch Äsop zugeschrieben. Die ganze Passage enthält Referenzen an Sophismen, die dem Chrysippos zugeschrieben werden, welche Diogenes Laertius unmittelbar nacheinander auflistet: »Es gibt einen Kopf, du hast ihn aber nicht; aber es gibt doch einen Kopf (den du nicht hast). Also hast du keinen Kopf. […] Wenn du etwas redest, so geht dies durch deinen Mund; du redest aber (von) den Wagen, also geht der Wagen durch deinen Mund. […] Wenn du etwas nicht verloren hast, so hast du es (noch): Du hast keine Hörner verloren, also hast du Hörner.« Ebd., Bd. II, S. 96. Besondere Ironie ist hier natürlich das Zitat mit den Hörnern, die Bonifacio von Gioan Bernardo aufgesetzt bekommen wird. In G. Boccaccio, Decameron (1974), S. 577 (VIII, 9) findet sich ein (sehr amüsanter) Vergleich zwischen großen und kleinen Hirnen, der ebenfalls als Vorbild für diese Passage gedient haben könnte. 46 A. L. Puliafito-Bleuel: Comica pazzia (2007), S. 90, versteht diese Aussage auch als eine Gegenüberstellung von Klassizismus und Realismus in der Malerei. M. E. ist diese Passage als intertextueller Bezug auf Aristoteles: De arte poetica, 1454b 8 f., lesbar, der schreibt: »Da die Tragödie eine Nachahmung von Menschen ist, die besser sind als wir selbst, muß man es halten wie die guten Portraitmaler, denn auch jene bilden die eigene menschliche Gestalt

316

kommentar

ab und machen sie zugleich ähnlich und schöner.« Übersetzung aus Aristoteles, Dichtkunst (1987), S. 413. Diese Aussage unterstreicht, daß Bonifacio bestenfalls eine tragikomische, sicher aber keine tragische Figur (und keinesfalls ein guter Mensch) ist. 47 Weitere Prolepse, denn Bonifacio wird im fünften Akt als Gioan Bernardo verkleidet ins Haus der Signora Vittoria gehen, in dem auch der Maler wohnt. 48 D. h. vom Homosexuellen zum Heterosexuellen zu mutieren; vgl. auch N. Ordine: La soglia dell’ombra (2003), S. 49. Bonifacio bedient sich ja außerdem einer Form der Alchemie (Goldschmiedekunst), wenn er den Scharlatan Scaramuré beschäftigt, um Geld für die Prostituierte zu sparen. Er wird dabei allerdings, wie er gleich selbst sagt, »seine Hände in Urin tauchen« müssen. Gleichzeitig Wortspiel mit orificio, Körperöffnung, Anus, und orefice, Goldschmied. 49 Der Verstand bzw., in Anlehnung an Chrysippos, die Hörner (siehe Anm. 45). 50 Nämlich um sie zu polieren. Zur Rolle der Rätsel in der karnevalesken Kultur der Renaissance vgl. auch die interessanten Bemerkungen in M. Bachtin: Rabelais und seine Welt (1998), S. 273. 51 Physiognomie, Parodie der etwa gleichzeitig unter anderen von Giambattista della Porta (1535–1615) vertretenen Lehre, welche aus dem Vergleich menschlicher Anatomie mit Tieren Charaktereigenschaften ablesen wollte. Siehe dazu Agrippa von Nettesheim: De occulta philosophia (1991), S. 484 (III, 27), und ders.: Über die Fragwürdigkeit (1993), S. 80 (Kap. XXXIII); Cabala, BW VI, S. 124 ff., 128 ff. 52 Computo, lat., computus, ursprünglich die Berechnung des Datums von Ostern, eine der wichtigsten Aufgaben der Bischöfe im Mittelalter; die im Prinzip einfachen Kalkulationen wurden bald künstlich verkompliziert und mit pseudokabbalistischen Verfahren vermengt. Scaramuré ist ein Scharlatan, der möglichst unverständliches Brimborium von sich gibt. Agrippa von Nettesheim: Über die Fragwürdigkeit (1993), S. 49 f. (Kap. XV), nennt diese Art der Weissagung »pythagoreisch«. 53 Neuerliche Anspielung auf Bonifacios Konversion vom Homo- zum Heterosexuellen. Das erschwindelte Horoskop (Scaramuré hat ja nicht einmal Bonifacios Geburtsdaten) spricht von der retrograden Venus (also der Venus, die »verkehrt herum« ist) in einem männlichen Zeichen, den Zwillingen. Scaramuré kann auch nicht gut Latein: Es müßte Geminis statt Geminibus heißen. Der Ausdruck »Venus in signo masculino« als astrologisches Kennzeichen der Homosexualität findet sich in M. Ficino: Über die Liebe, S. 270 (VI, 14). In einem weniger ernsten Zusammenhang als der Florentiner Neuplato-

1. akt

317

niker treibt übrigens auch Pietro Aretino (wie Bruno) Schabernack mit der Astrologie, wenn er im Pronostico (1989), S. 292, von »Marte retrogrado« und ebd., S. 285, (noch expliziter) von »aver Marte quadrato pisciato nello orinale di Venere retrograda« schreibt. 54 Parodie auf die Chiromantie oder Handlesekunst, die selbst nicht von sich behauptet, Geburtsdaten erkennen zu können; siehe Agrippa von Nettesheim: De occulta philosophia (1991), S. 148, (I, 33). Über den Zusammenhang von Astrologie, Chiromantie, Metoskopie und Physiognomie vgl. auch ebd., S. 185 f. (I, 52), und Agrippa von Nettesheim: Über die Fragwürdigkeit (1993), S. 80 ff. (Kap. XXIV–XXVI). 55 Parodie auf die Geomantie; vgl. auch Agrippa von Nettesheim: Über die Fragwürdigkeit (1993), S. 48 (Kap. XIII). 56 Ironie am Rande: die septentrionalen (im Westen angesiedelten) Geister bringen Unglück; vgl. z. B. G. B. Della Porta: Coelestis Physiognomia (1996), S. 19 (I, 7): »Contra, occidentales, obscuram, excoluratam, fuscam, minorem et tandem turpiorem, et exinde infortunatos et insignis gloriae expers et non virtutes, sed vitia virtutibus proximiora sortiri.« 57 Jene Form der Magie, die sich lediglich auf kosmische Affinitäten gründet und keine Dämonen beschwört. Vgl. Agrippa von Nettesheim: De occulta philosophia (1991), S. 85, 230 (lib. 1, cap. 1), und ders.: Über die Fragwürdigkeit (1993), S. 87 (Kap. XLII): »Die Magier, die aufs genaueste die Natur erforschen, entlehnen nämlich das, was die Natur bereithält, indem sie ihre Abläufe aktivieren und beschleunigen und so bereits vor dem von der Natur festgelegten Zeitpunkt Effekte erzielen, die beim Volk als Wunder gelten, obwohl es ganz normale Leistungen der Natur sind […].« Zum Begriff der natürlichen Magie vgl. D. P. Walker: Magic (1958), passim. 58 Also jene der allgemeinen, auch dämonischen Magie; vgl. Agrippa von Nettesheim: Über die Fragwürdigkeit (1993), S. 86–92 (Kap. XLI–XLV). 59 Hld 6,5. Die Liebeskrankheit wird durch die Augen übertragen, von wo aus sie den ganzen Körper in Besitz nimmt (wie übrigens auch Unheil wie Behexung oder Infektion durch den bösen Blick, das fascinosum). Die ganze Passage aus Agrippa von Nettesheim: De occulta philosophia (1991), S. 225 ff. (I, 65); vgl. M. Ficino: De amore (1956), S. 224 f. (VI, 9), und ebd., S. 324 ff. (VII, 4); B. Castiglione: Il cortegiano (1960), S. 275 (lib. 3, § 66). Spiritus: Zu diesem bei Bruno häufig und in verschiedenen Bedeutungen vorkommenden Begriff, der besonders durch die Identifikation von spiritus (also: Lebensgeist) und anima mundi (also: Weltseele) Brisanz gewinnt, vgl. D. Giovannozzi: Spiritus mundus (2006), S. 117–123. Für eine kurze, wohlinformierte Einführung vgl. S. Ricci: La fortuna (1990), S. 198 ff. 60 Die folgende Passage, in welcher der Scharlatan Cencio sein oberfläch-

318

kommentar

liches Wissen über die Alchemie referiert, geht im wesentlichen auf einen kurzen Abschnitt in Albertus Magnus: De mineralibus (1967), S. 161 (II, I, 4) zurück. Hermes: fiktiver Autor des Corpus Hermeticum, eines einflußreichen theosophischen Werkes aus der Spätantike. Eine lateinische Version des Textes ist durch das ganze Mittelalter bekannt, Ficino übersetzte im 15. Jahrhundert weitere Teile aus dem Griechischen; siehe B. Copenhaver: Hermetica (1992). Zu Geber (Jabir ibn Hâyyan), dem wichtigsten arabischen Alchemisten (7. Jahrhundert) und seiner Rolle im lateinischen Mittelalter vgl. L. Thorndike: A history of magic (1923–1958), Bd. II, S. 41; Bd. V, S. 682. 61 Vgl. Albertus Magnus: Libellus de alchimia (1958), Kap. 13. 62 Vgl. Albertus Magnus: De mineralibus (1967), S. 168 (III, I, 4). Für eine umfangreiche zeitgenössische Beschreibung der alchemistischen Künste vgl. T. Garzoni, Il teatro (1999), S. 217–223 (Kap. 49). 63 Für eine ähnliche, ausführlichere (und ebenfalls ironisch gemeinte) Beschreibung Merkurs vgl. Cabala, BW VI, S. 132. 64 Hermes, der Dreifachgroße. 65 Vgl. Albertus Magnus: De mineralibus (1967), S. 169 (III, I, 4). 66 Ibn Sina (980–1037), persischer Philosoph. 67 Eigentlich: Hazem oder Hazen, der Philosoph und Mathematiker Ibn Al Haytham (965–1039). Die Quelle ist wieder Albertus Magnus: De mineralibus (1967), S. 161 (II, I, 4). 68 Gilgiles wird im Liber animalium des Albertus Magnus erwähnt. 69 Vgl. Albertus Magnus: De mineralibus (1967), S. 168 (II, I, 6). In dieser Passage wird deutlich, inwiefern Bruno Mamfurios grammatikalische Pedanterie und Cencios alchemistische Scharlatanerie als ein und dasselbe Phänomen begriffen wissen will, nämlich als Verwendung bedeutungsloser Worthülsen. 70 Bruno polemisiert hier wohl auch gegen jene zeitgenössischen Empiriker wie etwa Giambattista della Porta und andere Professoren der sogenannten secreta-Literatur und ihre Geheimrezepte; zum Thema vgl. W. Eamon: Science and the Secrets of Nature (1994), S. 134–167. 71 Cancello, Airola, bewaldete, spärlich besiedelte und demzufolge unsichere Gegend zwischen Nola und Neapel. 72 Lehm ist die materia prima, aus der die Alchemisten Gold oder den Stein der Weisen erzeugen; siehe Albertus Magnus, De mineralibus (1967), S. 177 f. (III, I, 9). Lutum sapientiae ist eine zementartige Substanz, die von den Alchemisten dazu verwendet wurde, Gefäße fest zu verschließen. Dieser Zement wurde, um Risse zu verhindern, mit verschiedenen Substanzen (Eigelb, Mist oder Haaren) vermischt; siehe Albertus Magnus: De mineralibus (1967), S. 230 (IV, 7). Daher auch Gioan Bernardos sarkastische Definition

1. akt

319

des »Lehms der Weisheit«. Vgl. auch G. B. Pino: Ragionamento sovra de l’asino (1982), S. 101: »[…] che valebeno gli alchimisti se non fusse lo sterco asinale con che fanno il lor luto sapientiae.« Hier wird der Eselsmist zur Essenz des alchemistischen Prozesses. Piedigrotta ist ein Marienheiligtum nahe Pozzuoli bei Neapel, zu dem am 8. September eine nächtliche Wallfahrt stattfand. Von dort kommt auch die berühmte Puzzolanerde, ein unverwüstliches Bindemittel. Mit dem Namen dieser Erde treibt nicht nur Gioan Bernardo, sondern auch etwa G. B. Della Porta, Teatro (2000–3), Bd. 2, S. 163 (Fantesca III, 9), anzügliche Wortspiele: puzzo, »Gestank«, und potta, »Möse«. 73 Prolepse, denn im vierten und im fünften Akt wird ja tatsächlich ein solcher Kleidertausch vorgenommen, der zu Bonifacios und Mamfurios Verhaftung durch die (als Polizisten verkleideten) Gauner führen wird; diese nehmen auch Bartolomeo den Mantel ab. Ebenso wiederholt sich das in der Zueignung des Candelaio angedeutete Motiv des Rades der Fortuna. In N. Machiavelli: Opere (1950), Bd. 2, S. 143 (Istorie Fiorentine lib. 3, cap. 13), findet sich übrigens eine interessante Parallelstelle: Im Zusammenhang mit dem Aufstand der Weber wird hier ebenfalls die These vertreten, daß erst Kleider Leute machen, daß die Gaben der Fortuna gleichmäßig über alle Menschen verteilt sind und es daher nur darum gehe, die politische Macht und den Reichtum zu usurpieren. 74 Unidentifizierte komische Figuren. 75 Hier wird das Motiv der Verkleidung auch auf die unbeseelte Welt ausgeweitet. 76 Betrug in der Alchemie ist ein häufig beschriebenes Phänomen; vgl. auch Einleitung. Das hier erwähnte Verfahren beschreibt Erasmus: Colloquia (1969–1996), Bd. I, 3, S. 435 f. Diese Praxis scheint durchaus nicht ungewöhnlich gewesen zu sein; vgl. N. Badaloni: I fratelli Della Porta (1959/1960), S. 698 f., für einen Bericht von Gerolamo Ruscelli, dessen Secreti nuovi (1567) eine geheime Akademie beschreiben, in der Arbeiter gegen Bezahlung Experimente ausführen, ohne selbst von den Vorgängen und Absichten zu wissen. 77 Soldi, Währungseinheit aus Gold und Silber, die im 16. Jahrhundert in Frankreich und Florenz im Umlauf war, nicht aber in Neapel. 78 Kaiphas sagte das Opfer Christi voraus, ohne es zu wissen (Joh 11,51–52). 79 Zu diesem Vogelmotiv siehe auch zweiter Akt, vierte Szene. 80 Wiederum das Motiv der Verkleidung; siehe Einleitung. 81 Pulvis Christi, pseudoalchemistische Substanz, die, wie sich herausstellen wird, selbst Gold enthält; vgl. auch Einleitung. 82 Scarvaita, Ort bei Nola. 83 Cicala, Hügel mit dem Geburtshaus Brunos.

320

kommentar

84 Dublonen, spanische Währungseinheit seit dem 13. Jahrhundert, vier-

einhalb Dukaten. 85 Im Karneval verkleiden sich die Burschen als Rauchfangkehrer und gehen mit dem (anzüglichen) Ruf »chi vuole spazzacamin« durch die Straßen; vgl. T. Garzoni: Piazza universale (1996), Bd. II, S. 976.

2. Akt 1 In dieser Passage kommt Mamfurios Pädophilie, die er an Pollula aus-

lebt, deutlich zum Ausdruck. 2 Petrarca, Sonett 193, Pasco la mente. 3 In der Antike wurden aus Sellerie Siegerkränze gewunden, zudem war der Sellerie den Göttern der Unterwelt geweiht. 4 Der Hort der Musen. 5 Der zweite Teil entstammt Spr 25,27. 6 Anspielung auf die Geschichte von Semele vgl. Ovid: Metamorphosen, III, 287. 7 Der letzte Satz ist aus Vergil: Aeneis III, 48. 8 Mamfurio will sagen: in der gesamten Literatur. 9 Mamfurio nimmt die Frage wörtlich. Siehe dazu etwa Quintilian: Institutio oratoria, Buch IX. Vielleicht Anspielung auf Aristoteles: De arte poetica, 1456 b 20. 10 (Um die Speisen länger genießen zu können). Filoxenos ist ein griechischer Dichter aus dem 4. Jahrhundert. 11 »Sulmo ist meine Heimat.« Ovid: Tristia IV, 10, 3. 12 Ovid: Metamorphosen VII, 279–300; vgl. auch Cantus, OL II/1, S. 256. 13 Der erste Teil des Zitats nach Publius Syrus, römischer Dichter des 1. Jahrhunderts. 14 Jener Geier, der an der Leber des Tityus frißt; vgl. Odyssee, XI, 567 ff. 15 In Anlehnung an Spr 30,16. 16 Sprichwörtlich in der Antike; vgl. z. B. Cicero: De natura deorum, II, 64, 160. »Cui equidem, ne puterescent, animam ipsam pro sale datam dicit esse Chrysippus.« 17 Von der Quelle des Musenberges. 18 Minerva. 19 Und hier haben wir schon den Katalog dieser Partikel, den Mamfurio als echter Pedant auswendig kann. 20 »Von meinen Kräften und meiner Intelligenz.« 21 Vgl. Quintilian: Institutio oratoria, III, 93.

2. akt

321

22 Alii impliziert einen qualitativen Unterschied innerhalb derselben Spe-

zies: Mamfurio will nicht mit dem ungebildeten Ottaviano in einem Atemzug genannt werden. 23 Bibelvers aus Sprüche 30,8 im Kontext von Prostitution. 24 Bonifacio, einer, der Gutes tut: Wortspiel mit Bonifacios Namen. 25 Zeittypische humoralpathologische Definitionen der Liebeskrankheit; vgl. Hippocrates: De morbo sacro (1546), S. 178 f. (lib. II, cap. 15, § 1–2); Avicenna: Liber canonis (1507), fol. 5v–6r (lib. I, cap. 1, § 4). 26 »Lascia la cura a me (dicea Gradasso)/ch’io guarisca costui de la pazzia.« – »Laß es nur meine Sorge sein, sagte Gradasso, ihn von der Verrücktheit zu heilen.« L. Ariosto: Orlando Furioso (1960), S. 934 (canto XXVII, § 66, v. 1–2). 27 Anspielung auf Mt 25,1–13. 28 Vgl. P. Aretino: Pietro Aretino (2002), S. 1010 (Talanta I, 1). 29 Anspielung auf den Aktaion-Mythos; vgl. Ovid: Metamorphosen III, 131–152; Furori, I, 4; Einleitung. 30 Vielleicht Signora Vittorias Künstlername. 31 Vgl. Phaedrus: Fabulae (1969), S. 13–22 (IV, 25). 32 Ironisierung des Mythos in Platons Phaidros; siehe oben, Akt I, Anm. 5. 33 Der hl. Leonhard ist Schutzpatron der Gefangenen. 34 Sanguino meint jene Strafe, welche Mamfurio am Ende des Stückes bekommen wird: Schläge auf den Hintern. 35 Fluß im Zentrum der Halbinsel, an dem die Spanier 1503 einen entscheidenden Sieg über die französischen Truppen erzielten. Zu den Beziehungen dieser Passage zur politischen Philosophie Machiavellis vgl. Einleitung und Causa, BW III, S. 376f. 36 Küchenlatein: »Omnium rerum vicissitudo est.« Adagium von Terenz, wiederholt von Erasmus: Adagia (1, 7,63); zentraler Lehrsatz auch von Bruno. Zum Begriff der vicissitudo bei Bruno vgl. die ideengeschichtliche Sammlung in M. A. Granada: La reivindicacion de la filosofia (2005), S. 245–258; E. M. Severini: Vicissitudine e tempo (2004), S. 225–258, und Cabala, BW VI, Einleitung S. LX ff. Zur gesamten Fabel und ihren Bezügen zu Machiavelli vgl. Einleitung. 37 Anspielung auf die Fabel vom Esel und dem Löwen; vgl. II, 5. 38 San Paragorio wurde als Riese dargestellt. 39 Hier wird candela, Kerze (Candelaio), in eindeutig obszönem Sinn verwendet. 40 Feuer des hl. Antonius: Herpes zoster, Gürtelrose. 41 Pietro Alcionio (1487–1527) war ein berühmter venezianischer Humanist und Lektor bei Aldo Manuzio, bevor er als Griechischlehrer nach Florenz

322

kommentar

ging, wo er Poliziano wegen seines unklassischen Lateins attackierte. Alcionio mit seinem Esel wurde bereits in einem Sonett von Francesco Berni aufs Korn genommen; vgl. F. Berni: Rime (1969), XXVI. 42 Wortspiel mit Bonifacios Namen: luccus bedeutet Nachteule, Tölpel. 43 S.P.D.: »Salutem plurimam dicit«: »Er wünscht jede Menge Wohlergehen.« 44 Vergil: Aeneis I, 65; Die Sequenz spielt auf die verschiedenen Formen an, die hier als Verkleidungen gedeutet werden, welche Jupiter annahm, um Frauen zu verführen; vgl. z. B. Ovid: Metamorphosen, VI, 103–114. 45 Carlino, neapolitanische Silbermünze, die das Bildnis Philipp II. von Spanien trug und mehr wert war als die anderen Münzen. Barra nimmt hier das Thema von Vittorias Monolog (IV, 1) vorweg. Er spielt auf das Portrait an, welches Bonifacio bei Gioan Bernardo in Auftrag gegeben hat, um es der Angebeteten zu senden, anstatt die Kurtisane mit den »richtigen Bildern«, mit barer Münze zu bezahlen (vgl. Einleitung).

3. Akt 1 Siehe Agrippa von Nettesheim: De occulta philosophia (1991), S. 111

(lib.1, cap. 13); K. Thomas: Religion and magic (1971), S. 180, erwähnt dies als magische Formel gegen Zahnschmerzen. 2 Krankheit des Lazarus: Lepra. 3 In der scholastischen Philosophie beeinflussen und verursachen die Himmelskörper als sekundäre Ursachen die vegetativen und physiologischen Prozesse der Lebewesen auf der Erde. 4 Die Publikation von okkultem und magischem Wissen hat im 16. Jahrhundert Bezüge zur gleichzeitig in der Theologie geführten Auseinandersetzung um die Verbreitung der Heiligen Schrift, ist also in dieser Hinsicht ein politisches Thema: vgl. I. MacLean: The interpretation of natural signs (1984), S. 235 ff. 5 Für ähnlich negative Aussagen vgl. den Antiprolog. Hier werden die Intellektuellen mit den sogenannten Parasiten identifiziert. Diese bereits in der römischen Komödie topische Persona ist immer hungrig und versucht daher stets, sich zum Essen einzuladen. Auch im zeitgenössischen Lustspiel ist der parassita außerordentlich populär, wo er zur geradezu grotesken Verkörperung der Freßsucht wird; vgl. G. B. Della Porta, Teatro (2000–3), Bd. 2, S. 477, (Carbonaria II, 2). 6 Tornesi sind eine französische Währung. 7 D. h. um die Madames Silbern und Gülden, das Geld. Siehe I, 3.

3. akt

323

8 Siehe Agrippa von Nettesheim: De occulta philosophia (1991), S. 369 f.

(lib. 2, cap. 49). 9 Siehe Mt 2,11. M. Ficino: De stella magorum, in: Opera omnia (1576), S. 520, macht folgende Bemerkungen, die dem Geschehen auf der Bühne eine geradezu epiphanische Bedeutung verleihen. Ficino schreibt, daß die Weisen aus dem Morgenland dem Erlöser mit Gold, Weihrauch und Myrrhe huldigen. Das dem Heiland von den Magiern dargebrachte Gold steht für die Sonne und hilft gegen die Armut. Thus (Weihrauch) hingegen bezeichnet die Gnade der Venus und wird dazu verwendet, den Stall von schlechtem Geruch zu befreien. Die Myrrhe, eine dem Planetengott Jupiter zugeordnete Pflanze, stärkt den Körper. »Gestabant Astronomi ad Regem natum [sc. Iesum Christum] aurum, quoniam solarem existimabant: per Thus odoriferum, gratiam Venus designabant. […] Nam Auro pauperum adiuverunt. Mirrha tenerum corporis confirmare. Thure stabulum condierunt.« Folgt man dieser Lesung, dann sollen Bonifacios Sonnentaler – sein Gold – die Venus in den Stall locken und dem schwachen Körper des alternden Lüstlings sexuelle Potenz verleihen. 10 Anfang der Liturgie. 11 »Nectere vincula«: Vergil: Bucolica, VI, 23. Liest man Caphure als captura und sollte Mirion sarcha griechischen Ursprungs sein, könnte die Übersetzung so lauten: »O jene Macht, die du die Fesseln bindest, setze für mich den großen Körper der Vittoria fest.« 12 Verschiedene und verdrehte Eselsbrücken, um die komplizierten Schlußformen (Syllogismen) der aristotelischen Logik zu erlernen. Sie wurden durch Petrus Hispanus’ Einführung in die Logik bekannt und waren für Jahrhunderte in Gebrauch, vgl. Luscombe: Medieval thought (1997), S. 77 f.; L. Panizza: Learning the Syllogisms (1999), S. 22–47. 13 Die italienischen Worte incanti e contanti beinhalten ein Wortspiel. Incanto, Zauber, bedeutet auch öffentliche Versteigerung und weist somit auf Bonifacios bevorstehende Pleite. 14 Diese Angabe läßt eine Datierung der Handlung auf den 18. April 1576 zu: vgl. G. Bruno: Candelaio (1923), S. 87, Anm. 1, und P. Sabbatino: Mutazione del rinascimento (1993), S. 39. Im Januar dieses Jahres war Bruno aus Neapel geflohen. Für eine Darstellung des damals von der Inquisition angestrengten Prozesses gegen Bruno vgl. E. Canone: Gli anni napoletani (1992), S. 70–75. 15 Also: nie. In Neapel wurde 1576 eine der Santa Maria della Catena geweihte Kirche errichtet. 16 Terenz: Andria I, 1, 2. 17 Vgl. z. B. Quintilian: Institutio oratoria XI, 3, § 5–6. 18 Eigentlich: »Arrige auris«; Terenz: Andria V, 4, 30.

324

kommentar

19 Erasmus: Adagia (1703), Sp. 42A (I, 1, 37). 20 Erebos, das Totenreich der Antike, Metapher für Finsternis. 21 Die Bohnen waren den Pythagoreern als Nahrung verboten; vgl. D.

Laertius: Leben und Meinungen (1921), S. 119 und S. 121 (lib. VIII, cap. 19 und 24). 22 Vgl. Erasmus: Adagia (1703), Sp. 283A (I, 7, 52). 23 Strophen zu zehn Versen. 24 »Das heißt« in verschiedenen lateinischen Wendungen; ut puta hat im Italienischen den obszönen Anklang an putta(na), Hure …; Putta, Elster; bedeutet auch gerissener Mensch. 25 Die Pythagoreer sprachen der Zahl Zehn eine besondere Vollkommenheit zu, unter anderem deshalb, weil sie die Summe der ersten vier Zahlen (1 + 2 + 3 + 4) ist; zur Zehnzahl vgl. P. Kucharski: Étude sur la doctrine pythagoricienne (1952), S. 19 f. und passim. Für Brunos Ansichten vgl. Monade, OL I/2, S. 459–468 (cap. 11), wo es auf S. 464 heißt: »Denarius est numerus completus et perfectus ex numeratione hominis: designatione nempe quae ex digitis est.« In ihrer Einleitung zur deutschen Übersetzung von Monade betont E. von Samsonow zu Recht die zentrale Rolle dieser Annahme für Brunos Philosophie, weil sie dem scheinbar abstrakten mathematischen Schematismus eine durch die zehn Finger der menschlichen Hände bedingte somatische Fundierung gibt (S. XXI); vgl. auch den erhellenden Kommentar von M. Mulsow (ebd., S. 260 ff.). 26 Namen berühmter bildender Künstler des klassischen Griechenlands. Timagoras war allerdings kein Künstler, sondern ein verräterischer athenischer Staatsmann, den Mamfurio hier mit Timanthes von Kythnos verwechselt. 27 Anspielung auf Apg 2,4. 28 Vergil: Georgica I, 7f. 29 Das erste Buch der Georgica (43–205) ist als Hommage an Hesiods Werke und Tage zu lesen. 30 Mamfurio trägt hier eine völlig unwahrscheinliche Etymologie des Wortes Magister vor. 31 Eigentlich »ad aethera virtus«; s. Vergil: Aeneis VI, 129 f. 32 Mamfurio meint den Liber nucis, ein fälschlich Ovid zugeschriebenes Werk, welches für den Schulgebrauch verwendet wurde. 33 Diese Aussage ist die völlige Verkehrung der Pedantenschelte im Antiprolog und in III, 1, wo die Philologie als nutz- und brotlose Kunst dargestellt wird. 34 Cato: Breves sententiae (1952), S. 19 und 25 (Nr. 24 und 44). 35 Cato: Breves sententiae (1952), S. 42 (lib. I, 10). 36 In G. B. Della Porta, Teatro (2000–3), Bd. 3, S. 470 (Il moro III, 8), findet

3. akt

325

sich eine amüsante Stelle, die zeigt, wie topisch solche Auftritte des Pedanten auf der Renaissance-Bühne waren. »Balia: Dubito che le lettere che voi avete detto devono essere piene di cimici, e voi mi avete ciera di un pedantico. Amusio: Proh Juppiter, che odo? Dopo aver navato opera dieci olimpiade e otto lustri alle lettere, viene una feminuccia, più fetida ch’ella non dice i cimici lettularii, a dimandarmi se so lettere? Non ti muove la mia grave presenza? Non vedi la barba di Demostene? L’abito e ‘l volto di Cicerone? La lingua fulminea di Democrito ed il naso aqulinio di Salustio? Io mi chiamo Aulo Arzio Amusio Pedemontino, pubblico gynnasiarca (con y Greco). Eccoti detto il nome, prenome, cognome, la patria e l’uffizio. Ma tu sei bene una violenta mentecapta. Balia: Mente di gatta e faccia di cane sei tu.« 37 Petrarca: Trionfo d’ amore I, 17 f. 38 Anspielung auf Mamfurios Pädophilie; vgl. z. B. auch G. B. Pino: Ragionamento sovra de l’asino (1982), S. 142: »[…] i pedanti soglion trar per gli orecchi i lor discepoli quando vogliono […] di far bene il Latino per lo passivo.« 39 In Anlehnung an Horaz: Ars poetica 365. 40 Ovid: Ex Ponto IV, 10, 5, der zweite Teil ist ein mittelalterlicher Zusatz. 41 Ein im 16. Jahrhundert weithin berühmtes, von Dieben und Prostituierten besuchtes Wirtshaus in der Rua Catalana; vgl. S. Di Giacomo: La prostituzione in Napoli (1899), S. 87 ff.; V. Imbriani: Natanar II (1875), S. 71 f. Für weitere literarische Erwähnungen des Wirtshauses vgl. P. Sabbatino: Mutazione del rinascimento (1993), S. 58 ff. Die Osteria Cerriglio kommt in der zeitgenössischen Literatur oft vor; z. B. G. B. Della Porta, Teatro (2000–3), Bd. 4, S. 290–94 (La tabernaria II, 2–3); zur abendlichen Zechprellerei als karnevaleskem Motiv vgl. M. Bachtin: Rabelais und seine Welt (1998), S. 293. Auch dieser Autor betont die kosmologische Perspektive solcher Erzählungen (ebd., S. 329). 42 Centragolo: Eine Bitterorangensorte. 43 Eine griechische Weinsorte. 44 Meint Bruno Iulio (nicht: Cesare) Belanti von Siena, von dem N. Machiavelli, Discorsi (1999), S. 473 (Buch III, Kap. 6, § 19), und ebd., S. 486 (§ 146–150), berichtet? Dieser Adelige war von Pandolfo Petrucci (dem von Machiavelli durchaus bewunderten Alleinherrscher in Siena) in seiner Ehre beleidigt worden. Pandolfo hatte Belanti zunächst eine Tochter zur Frau gegeben, ihm diese dann aber wieder weggenommen. Diese Tat versuchte Belanti durch Mord zu rächen, indem er dem Exschwiegervater mit einer Schar bewaffneter Männer auflauerte, die sich in einem Haus versteckten. Gerade an dieser Stelle traf das präsumptive Attentatsopfer allerdings auf Bekannte, was

326

kommentar

nicht nur den Anschlag verhinderte, sondern auch noch zur Entdeckung und Flucht des Verschwörers und seiner Komplizen führte. Iulio Belanti eignet sich daher gut als historisches Vorbild der tragikomischen Episode in der Osteria Cerriglio: Nicht nur in Waffen, sondern auch in der Ehre macht er einen Schritt vorwärts und zwei zurück. Oder handelt es sich hier, wie schon in der Erzählung vom Esel und dem Löwen, um eine weitere antispanische Spitze? Denn Cesare Borgia übernahm Ende Januar 1503 zwar die Kontrolle über Siena und verjagte Pandolfo. Dieser kehrte allerdings (dank französischer Protektion durch Luis XII.) bereits zwei Monate später aus dem Exil zurück; vgl. N. Machiavelli: Il Principe (1995), S. 49 f. (VII, 36) mit Anm. 45 Ironie am Rande: Der Convento del Carmine lag bei der Piazza Mercato, wo auch die zahlreichen Hinrichtungen stattfanden. Der Konvent war dafür bekannt, daß die dort ansässigen Ordensbrüder jene Delinquenten, die im letzten Augenblick begnadigt wurden, vor der aufgebrachten Volksmenge schützten; vgl. G. Romeo: Aspettando il boia (1993), S. 143. 46 Diese Beschreibung erinnert an das in der zeitgenössischen Kultur wichtige Konzept des Welttheaters: vgl. Einleitung und Shakespeare: As you like it, II, 7: »all the world’s a stage /And all the men and women merely players.« Vgl. auch N. Ordine in: U, S. 56 f. mit Literaturhinweisen. 47 Pomigliano (d’Arco), ein großes Dorf zwischen Neapel und Nola. 48 Wenig bekanntes Spiel aus der römischen Antike. 49 Das sogenannte Zara-Spiel. 50 In der Renaissance beliebte Redewendung; z. B. Machiavelli schreibt in einem ähnlichen Zusammenhang von 30 000 Teufeln (»trincato come il trentamila diavoli«); N. Machiavelli: La Mandragola, Belfagor (1991), S. 105 (Brief an Francesco Guiccardini vom 19. Mai 1521). 51 D. h. mit Satan selbst: Die Hölle ist organisiert wie ein Mönchsorden. 52 Die Vicaria hatte zusammen mit dem Gerichtshof des Vizekönigs ab 1539 im Castel Capuano ihren Sitz. 53 Die Legende berichtet, daß ein Dieb, der einen Kleriker bestohlen hatte, nicht gehängt werden konnte, weil er den hl. Quentin angerufen hatte. 54 Region, in der Neapel liegt. 55 Mamfurio will sagen, daß er für die Kinder seines Herrn Kleider einkaufen geschickt wurde. 56 Mamfurio erklärt einen griechischen Begriff für seine imaginäre lateinische Hörerschaft. 57 Goldmünze von geringem Wert. 58 Lk 6,35. 59 Der halbe französische Goldscudo hatte eine Sonne als Prägezeichen. 60 Mamfurio ergeht sich hier in etymologischen Betrachtungen. Das ita-

4. akt

327

lienische ladro stammt vom Lateinischen ab, wo es allerdings unter anderem Wegelagerer bedeutet. Deshalb ist ladro für Corcovizzo eine zu unpräzise Bezeichnung. 61 Vgl. Erasmus: Adagia (1703), Sp. 397C–398C (II, 1, 1) und Sp. 407D–E (II, 1, 2). Bruno wiederholt dies in der Cabala, BW VI, S. 54. 62 Hier irrt Mamfurio: Er zitiert nicht den Text des Meisters, sondern paraphrasiert den Kommentar des Thomas von Aquin zu Aristoteles: Physik 196b 33–197a 7, In octo libros de Physico auditu (1953), S. 106 Sp. a (lib. 2, lc. 8, § 9), der hier zufällige Ursachen und die Rolle der Fortuna behandelt. Als Beispiel nennt Aristoteles jemanden, der sich zufällig an einen Ort begibt, an welchem er eine Person trifft, die ihm Geld schuldet, was das Eintreiben der Schuld ermöglicht. Die spezielle Ironie der Passage liegt darin, daß Bruno nun genau den umgekehrten Vorgang beschreibt, Mamfurio verliert ja sein Geld. Thomas schreibt: »[…] sicut si aliquis sciret se recepturum in foro, ivisset ad deportandum eam; sed si non propter hoc venit, per accidens est quod adventus eius fiat […] et sic patet quod fortuna est causa per accidens eorum quae sunt propter aliud. Item manifestum est quod est causa eorum quae sunt in minori parte; quia ista reportatio pecuniae dicitur fieri a fortuna […] neque ex necessitate neque freqenter.« 63 Wortspiel: involare – stehlen, volare – fliegen. 64 Historische Figur, einer der bekanntesten neapolitanischen Polizeichefs der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. 65 Vergil: Aeneis IX, 73. 66 Vgl. Homer: Ilias XVI, 1126 ff. 67 Vgl. Vergil: Aeneis II, 384–391. 68 Zu Jupiters Verwandlungen siehe Akt II, 7, Anm. 44.

4. Akt 1 Auf den Münzen. 2 Prostituierten war es verboten, sich unverschleiert auf der Straße zu zei-

gen. 3 Humorvolle und zweideutige Epitheta für eine Kupplerin: Sie bringt

Neuigkeiten und »die Instrumente« in Gleichklang, damit diese gemeinsam musizieren können. Vgl. auch das Ende der Szene. 4 Die Teufel sind umgänglicher, also leichter erreichbar, als die Engel, letztere brauchen daher eine Kupplerin, damit man mit ihnen in Kontakt kommen kann; vgl. auch Agrippa von Nettesheim: Über die Fragwürdigkeit (1993), XLV, S. 91.

328

kommentar

5 Wiederum Ironisierung des Phaidros-Mythos. Siehe Akt I, Anm. 5. 6 D. h., »die Objekte unserer Liebe sind verschieden«. 7 Beleg für die Identität der Prozesse, welcher sich Bartolomeo und Boni-

facio bedienen; vgl. Einleitung. 8 Eine besondere Ironie dieser Passage ist, daß Vulkan ja bekanntlich von Venus, seiner Gattin, mit Mars betrogen wird; vgl. Ovid: Metamorphosen, IV, 171 f. Ebenso wird Bartolomeo von der vernachlässigten Ehefrau Marta hintergangen werden. 9 D. h. »die französische Weisheit«. Gemeint ist das Große Konzil, welches den König bei der inneren Verwaltung beriet. 10 Sprichwörtlich im 16. Jahrhundert. 11 Zypern wurde 1573 an das osmanische Reich abgetreten. 12 Spitzname für »Venezianer«. 13 Vgl. P. Aretino: Pietro Aretino (2002), S. 920 (Il Marescalco I, 5). 14 Gleichzeitig obszöne Anspielung. 15 Tob 4,4. 16 Gleichzeitig ist diese Aussage als Spitze gegen den von der Gegenreformation geförderten Wunderglauben zu lesen. Pietro Pomponazzis De incantationibus, eine verbotene, allerdings im 16. Jahrhundert intensiv rezipierte Abhandlung aus dem Jahr 1520, erklärte Wunder sowie alle auf die Einwirkung von Dämonen zurückgeführten Ereignisse als natürliche Phänomene. Zur Einführung in die Thematik vgl. B. P. Copenhaver und C. B. Schmitt: Renaissance philosophy (1992), S. 111 mit Literaturhinweisen. 17 Über die besondere Unfreundlichkeit der Einwohner von Brescia ist nichts überliefert, doch Bruno kannte die Stadt aus eigenem Erleben. 18 Wie aus den zahlreichen im Zuge der zunehmenden Repression gegen die Freizügigkeit der neapolitanischen Bevölkerung durch den spanischen Vizekönig erlassenen Delogierungsdekreten der 1560er und 1570er Jahre hervorgeht, scheint es nicht ungewöhnlich gewesen zu sein, daß unverheiratete Männer (genannt werden Soldaten und studenti) die Wohnung mit Prostituierten teilten; vgl. S. Di Giacomo: La prostituzione in Napoli (1899), S. 100 ff. 19 Wohl direkte Referenz an Agrippas De vanitate, siehe Einleitung. 20 Wohl der in I, 1 erwähnte Eselsschwanz. 21 Bonifacio wird hier zu »Herr Gut-im-Gesicht«. 22 Die Dominikanermönche dieses neapolitanischen Klosters betrieben eine Armenspeisung und waren für ihre Unzucht verschrien. 23 1 Kön, 1–4. 24 Innozenz VIII. wird nachgesagt, Milch von Frauen getrunken zu haben, um sich zu verjüngen. Diese Praxis ist auch in einflußreichen medizini-

4. akt

329

schen Werken der Renaissance dokumentiert; siehe etwa M. Ficino: De vita libri tres (1989), S. 196 ff. (lib. II, cap.11). 25 Obszöne Anspielung. 26 Sprichwörtliche Redewendung. 27 San Fregonio, von fregare, reiben, stehlen; fregarla a uno, jemandem einen Streich spielen. 28 Giulio Cesare di Capua, seit 1560 Fürst von Conca in der armen Provinz Caserta, war ein berühmter Geizhals, der seinem Sohn ein ansehnliches Vermögen hinterließ. 29 Nach der französischen Niederlage gegen die kaiserlichen Truppen in Pavia am 24. Februar 1525 wurde François I. gefangengenommen. 30 Zu Martas Klage darüber, daß ihr Ehemann sie sexuell vernachlässigt, vgl. Aristoteles Ethik, 1147b 220–149a 20. 31 2 Kön 3,17: Der Prophet Elischa sagt Regen voraus. 32 Anspielung auf die Lehre, wonach die Sakramente empfangen werden, sobald sie nur richtig und nach Vorschrift erteilt werden; nach katholischer Auffassung geschieht dies auch unter Absehen von der ethischen Verfassung oder der Motive des Priesters, der sie erteilt (ex operere operato). Diese Doktrin wurde zum zentralen Streitpunkt des Reformationszeitalters. Vgl. z. B. L. Noack: Christliche Dogmengeschichte (1853), S. 269 f. und W. Simon: Messopfertheologie Martin Luthers (2003), S. 647. 33 P. Sabbatino: Mutazione del rinascimento (1993), S. 75 ff., identifiziert die hier erwähnten Kultorte. 34 Eigentlich »Cosmas und Damian«. 35 Küchenlatein: »Ipse, autem, transiens per medium illorum ibat«, Lk 4,30; Formel, der Heilkraft bei verschiedenen Krankheiten zugesprochen wurde. 36 Übergang von einem Zustand in den anderen; Erasmus: Adagium 4, 5, 45; siehe auch Tertullian: De pallio (2007), S. 192 (V, 1). 37 Ein unglücklicher Tag. 38 Terenz: Hecyra II, 1. 39 Vgl. Lactantius: Divinae institutiones (1890), S. 485–89 (lib. VI, cap. 3), und die Symbola Pythagorae, in M. Ficino: Opera omnia (1576), S. 1979. 40 Wieder eine von Brunos erfundenen Heiligengestalten: Raccasella deutet auf eine Zusammensetzung von raccattare (aufsammeln, sammeln) und sella (Sitz, Sattel) hin und bezeichnet daher jene (nicht kanonisierte) Heilige, die Sättel sammelt. Sprichwörtlich auch in der spanischen Celestina I, 119 b, wo die Kupplerin sagt: »do vino el asno, verná el albarda (so wie der Esel kommt, kommt auch der Sattel [um ihn zu reiten])«; F. de Rojas Tragicomedia de Calisto y Melibea (2000), Bd. III, S. 921 f.

330

kommentar

41 Die Rosenkranzbruderschaften (um 1460 in Douai gegründet) wa-

ren populäre religiöse Laienorden, welche Anhänger aus allen Ständen akzeptierten; die italienische Ordensregel schrieb vor, jede Woche mindestens 150 Ave Maria und 15 Pater noster zu beten. Zur (topischen) Bigotterie der Kupplerinnen und deren kontinuierlicher Präsenz in Kirchen und bei religiösen Festen vgl. z. B. P. Aretino: Dialogo della Pippa e della Nanna (1984), S. 473. 42 Die hl. Apollonia wurde (wegen ihres Martyriums) bei Zahnschmerzen angerufen und mit einer glühenden Zange dargestellt. 43 »Tollite portas, principes, vestras, et introibit Rex gloriae«: »Öffnet, oh Fürsten, Eure Tore, und der König der Ehren wird einziehen.« Ps 23,7; er wird zum ersten Adventssonntag gesungen. 44 Die Schreibweise Erculesso läßt übrigens auch folgende Lesart zu: er cul[o] lesso (»der gegrillte Arsch«) [des Pavians von einem Ehemann?]. 45 Die Schutzpatronin des Augenlichts, siehe Einleitung. 46 Wieder eine von Brunos fiktiven Heiligengestalten: von tempo, Zeit. 47 Wortspiel mit Bonifacios Namen. 48 Floro: Diese Person wird nur einmal erwähnt oder bleibt bei den späteren Auftritten der Ganoven stumm. 49 Küchenlatein: »Libera nos, Domine.« 50 Küchenlatein. Schon D. Erasmus: Encomium (1979), S. 124, macht sich über das tägliche Beten der sieben Psalmen zur Abwehr von Krankheit und Unglück lustig. 51 »Herr über das Gymnasium«: Mamfurio will sagen, daß er Lehrer ist. 52 Sanguinos Mißverständnis ist programmatisch für Brunos Pedantenschelte: Aus dem »Herrn über das Gymnasium« wird der »Herr über die Esel«; in der Cabala wird der Nolaner diese Invektive weiter zuspitzen. 53 Das geringschätzige Verhalten der Polizisten entspricht durchaus dem repressiven Klima im Neapel des 16. Jahrhunderts, wo es verboten war, Privatlektionen zu erteilen, und die Patrizierfamilien geradezu angehalten wurden, ihre humanistischen Lehrer zu verjagen; vgl. S. Di Giacomo: La prostituzione in Napoli (1899), S. 114 f. 54 Gemeint ist der Fondaco Regio nahe dem alten Arsenal. 55 Wieder einer von Brunos fiktiven Heiligennamen: manganello, Prügel. 56 Stadtteil außerhalb der alten Mauern Neapels bei Santa Maria dei Vergini. 57 Obszöne Anspielung. 58 Was Mamfurio wohl mit eigenen Worten als »schöne Etymologie« bezeichnen würde, findet sich in Alexander v. Aphrodisias: Problemata (1555), S. 411 (I, 3). Barra verwechselt Mamfurios Glatze (calvitium) mit Calvinist:

5. akt

331

also einem Häretiker. Bedenkt man, daß Bruno ein entsprungener Dominikaner war, so ist dieses ganze Wortgefecht nicht ohne Selbstironie. 59 Selbst in den prekärsten Situationen versucht sich der Pedant als Etymologe. 60 Die Anfangsverse des fünften (eigentlich das siebte Buch) und sechsten Buches (eigentlich das zweite Buch) sind unrichtig. 61 Küchenlatein: »genera nominum quot sunt?« 62 Siehe Anm. 54. 63 Beginn der Grammatik des Despautères (der schon in I, 5 von Mamfurio erwähnt wurde), welchen der Pedant hier umständlich erklärt.

5. Akt 1 Der hl. Martin gab die Hälfte seines Mantels einem Bettler. Gleichzeitig

wohl ironische Anspielung darauf, daß dem (geizigen und unheiligen) Bonifacio der Mantel geklaut wurde, und vielleicht auch darauf, daß der 11. November, der Feiertag des Heiligen, eine magische Nacht ist, die bekanntlich den Beginn des Karnevals markiert. In den folgenden Szenen werden ja auch etliche Personen verkleidet auf der Bühne auftreten: Bonifacio wird zu Gioan Bernardo, Madonna Carubina zur Signora Vittoria, die Gauner mutieren zu fähigen Polizisten; vgl. auch Einleitung. 2 Anspielung auf Gen 38,9. 3 Litargyrum: Bleiglätte. 4 Diese (anzügliche) Redewendung findet sich häufig, vgl. z. B. in N. Machiavelli: Mandragola (1991), S. 20 (II, 3). 5 Liturgische Formeln, die erste ist aus der Genealogie Jesu, Mt 1,1–16, die zweite aus Offb 7,5 ff. 6 Eine populäre und zeitgenössische Figur bei Matteo Bandello, einem neapolitanischen Autor von Novellen. 7 Papst Hadrian VI. war bekannt für seine Sparsamkeit und seine Strenge gegenüber Künstlern und Prostituierten; vgl. F. Berni: Rime (1963), XII, 136– 141, und XII, 151–156. 8 Für eine wichtige Parallelstelle vgl. Cabala, BW VI, S. 126: »Benche io sono in forma d’asino al presente, posso esser stato e posso esser appresso in forma di grand’uomo; e benche tu sia un uomo, puoi esser stato e potrai esser appresso un grand’asino, secondo che parra ispediente al dispensator de gli abiti e luoghi, e disponitor de l’anime transmigranti.« Wahrscheinlich handelt es sich hier um eine Travestie einer zentralen Passage in der Seelenlehre Plotins, vgl. dazu Enneaden V, 1, 4.

332

kommentar

9 Erkennen im Sinne von »miteinander schlafen«. 10 Verkehrtes Hexeneinmaleins (1 + 1 = 3); Anspielung auf Gen 2,25: »Er-

unt duo in carne una.« Die beiden Männer sind identisch, also eines, und werden eins mit der Frau; zu den ironischen Anspielungen auf die Trinitätslehre vgl. Einleitung. 11 Kurz vor neun Uhr morgens, da die Stunden zur Zeit Giordano Brunos ab dem letzten Sonnenuntergang beginnend gezählt wurden. 12 Das italienische Wort tela bedeutet auch Leinwand, Stoff. Gioan Bernardo ist Maler; vgl. Einleitung. 13 Vgl. Cicero: De natura deorum I, 56; Lukrez: De rerum natura I, 62–79; C. Schultz: Ein Philosoph im Theater (1993), S. 130 f. Diese Auffassung findet sich in modifizierter Form auch in Spaccio, BW V, S. 162, wo Bruno davon spricht, daß sich die Götter nur insofern um uns sorgen, als es für unser Fortkommen als Menschen nützlich ist. Die Gesetze wurden nicht gegeben, damit die Götter Ruhm empfangen, sondern um diesen an die Menschheit weiterzugeben. 14 Die folgenden Szenen können auch als Parodie auf den platonischen Mythos vom Kugelmenschen, Symposion (189c–193d), gelesen werden; vgl. auch Einleitung und S. Kodera: Myth of Aristophanes (2005). 15 Spanischer Heiliger, der sich gut für zweideutige Wortspiele eignet (cucu, Hahnrei); er kommt auch in Machiavellis Mandragola (1991), S. 45 (IV, 9), vor, allerdings als französischer Santo. 16 Mt 7,3. 17 Bei San Pietro-Maiella, einem Konvent. 18 D. h., Sanguino treibt sich überall herum. 19 Hier wird auf das Motto des Candelaio Bezug genommen. 20 Panzuottolo: Bäuchlein. 21 Beginn einer Redewendung, mit der man einen Heiligen verflucht. 22 Barone, ein (durchaus erlaubter) Ausdruck, um Heilige anzurufen. 23 Beispiel für Brunos groteske, aber nicht unübliche Art, Glaubenssätze ad absurdum zu führen; siehe auch D. Erasmus: Encomium (1979), S. 122 f. 24 Drei berühmte Magier: Apuleius Madaurensis, Autor des Goldenen Esels; Merlin und Malagigi, Zauberer aus den Epen des Mittelalters, die in Ariosts Orlando furioso wiederkehren. 25 Die Brandmarkung des Gesichts war eine Strafe für Kupplerinnen; vgl. S. Di Giacomo: La prostituzione in Napoli (1899), S. 76. 26 Diese Stelle liest sich wie die Inversion des Verhaltens von Gioan Bernardo; vgl. Einleitung. 27 D. h. eine magische Figur herzustellen. 28 Scaramuré zeichnet für Neapel ein zu freizügiges Bild: Seit dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts hatte hier die spanische Repression die Prostitu-

5. akt

333

tion erheblich eingeschränkt; vgl. S. Di Giacomo: La prostituzione in Napoli (1899), S. 97 f. Zur Prostitution in Venedig siehe J. Rossiaud: Medieval prostitution (1988), S. 96 und S. 148. Zu den Plätzen in Neapel vgl. P. Sabbatino: Mutazione del rinascimento (1993), S. 60. Zur Prostitution in Rom vgl. L. Imperiale: La Roma clandestina (1997), S. 11–18 und passim, sowie T. Storey: Carnal Commerce (2008). 29 Bruno übertreibt bei der Zahlenangabe. Agrippa von Nettesheim: Über die Fragwürdigkeit (1993), Kap. LXIII, S. 198, beschreibt ebenfalls die große Verbreitung der Prostitution und vergleicht deren Organisation mit Mönchsorden; Rom und Neapel werden dort jedoch nur andeutungsweise erwähnt. 30 Die ersten beiden Orte sind beim Hafen, San Antonio im Osten; Santa Maria beim Markt. 31 Die Anordnung erging in Wahrheit 1566. 32 Küchenlatein: »in sudore vultus tui [vesceris]«, »Im Schweiße deines Angesichts sollst du dir dein Brot verdienen«, Gen 3,19. 33 Anspielung auf das pulvis Christi: »Staub vom Schweiß der Mösen, die nach Piedigrotta pilgern«. Siehe II, 9. 34 Zur Prostitution als dem »kleineren Übel« siehe Thomas von Aquin: Summa theologiae (1963), Bd. 2, S. 61 f. (Secunda Secundae, q. 10 a. 11). Zur Frage der Ehre von Familien und Individuen vgl. G. Ruggiero: Binding passions (1993), S. 63 f. 35 Dies ist eine weitere Bezeichnung für den Seggio di Nido, jenen Stadtteil Neapels, in dem der Candelaio spielt. Hier liegt auch der Konvent San Domenico Maggiore, in dem Bruno zum Priester ausgebildet wurde. G. Vitolo: Ordini mendicanti (2005), S. 10–14, beschreibt die enge Beziehung und den großen Einfluß des lokalen Adels auf diese Kirche seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts (ebd., S. 109). Hat es Bruno also auf einen Adeligen aus diesem »Nilviertel« abgesehen, wenn er sich in der Zueignung über Bonifacio, den »Candelaio in Fleisch und Blut«, lustig macht? 36 Für diese Passage vgl. M. Ficino: Theologia Platonica (2001–2006), Bd. IV, S. 270 (XIV, 7). Die genannten Tiere kommen in einem ähnlichen Zusammenhang im ersten Dialog von G. B. Gelli: La circe (1976), S. 297–311 vor. Auch in Cabala, BW VI, S. 76, erwähnt Bruno die Auster, allerdings in einem anderen Zusammenhang, denn hier geht der Nolaner davon aus, daß die Werkzeuge die Fähigkeiten eines Lebewesens determinieren. Vgl. hierzu auch BW VI, S. LXXV–LXXXIV; zu den Maulwürfen vgl. auch Causa, BW III, S. 36, und Kommentar, S. 293 f. 37 Zu Momus siehe Spaccio, BW V, S. 58 und S. 228 f., wo dieser Gott des Spottes aus der Verbannung in den Olymp zurückbeordert wird und ausführlich zu Wort kommt.

334

kommentar

38 Vgl. N. Machiavelli: Il Principe (1995), S. 156 ff. (cap. 23); B. Castiglione

Il cortegiano (1960), S. 239 (lib. 4, § 6). 39 Tunichtgut, Hexer: neuerliches Wortspiel mit Bonifacios Namen. 40 Dies im Gegensatz zu Machiavelli: Discorsi (1999), S. 373 f. (lib. 2, cap. 29, § 13–19), wo davon die Rede ist, daß die Fortuna die Menschen aussucht und blendet. 41 Siehe Einleitung. 42 Diese Passagen haben deutliche Anklänge an eine vielzitierte Stelle in N. Machiavelli: Il Principe (1995), S. 167 (Kap. 25), wo Fortuna als eine Frauenfigur dargestellt wird, die es liebt, sich gewalttätigen (jungen) Männern zu unterwerfen; vgl. auch N. Ordine: La soglia dell’ombra (2003), S. 110, und Einleitung. 43 Dies liest sich wie eine ironische Verdrehung von N. Machiavelli: Il Principe (1995), S. 35 (Kap. 6, § 16): »Quelli e’ quali per le vie virtuose […] diventono principi, acquistano el principato con difficultà, ma con faciltà lo tengono […]«, und ebd., § 29, und N. Machiavelli: Mandragola (2006), S. 51 f. (V, 4), und Einleitung. 44 Eine unbedeutende Pfarrkirche in der Nähe von Nola, in der Paulino de Magaldis im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts wirkte. 45 Onkel Brunos mütterlicherseits, der eines gewaltsamen Todes starb und Vater jener Morgana war, welcher der Candelaio vielleicht zugeeignet ist. 46 Küchenlatein: »Vade in pace et noli amplius peccare.« Lk 7,50; Joh 8,11. 47 Hier handelt es sich vielleicht um einen Einwohner Nolas, dem Bruno (»il fastidito« [der Verdrießliche]) das folgende Epitaph widmete. 48 Bruno nimmt hier die Zote von der Vagina ohne Knöpfe auf: Sie steht für den geregelten Lauf der Natur, den man nicht ungestraft durchbricht. 49 Wortspiel mit doppeldeutiger Worttrennung: quell l’atro kann auch als quel ladro »dieser Dieb« verstanden werden. 50 Hinweis auf die ars combinatoria (siehe Einleitung): Die Charaktere unterscheiden sich nur durch wenige belanglose Äußerlichkeiten. 51 Anspielung auf Lk 23,39 und 43. 52 Anspielung auf Lk 7,37–39 und 50. 53 Also nicht aus Mitgefühl, sondern um den Tod Christi zu erwirken (Mt 27,16–26). 54 Dimas: Name des reuigen Diebes, der zusammen mit Jesus hingerichtet wurde (Lk 23,42 f.). 55 Anspielung auf Joh 16,21. 56 Küchenlatein: »Honorem meum nemini dabo.« Vielleicht in Anleh-

5. akt

335

nung an Spr 5,9. Vgl. Aretino, Marescalco (2002), S. 928 (II, 11). Die hier geleistete professio fidei von Gioan Bernardo ist topisch und z. B. sehr ähnlich der des Müllers Menocchio; vgl. C. Ginzburg: The Cheese (1980), S. 87. Auch sonst ist die Wortwahl des Malers außerordentlich präzise: Zur Funktion der hier genannten drei verschiedenen Arten von Heiligenbildern und dem mit ihnen verbunden Kult vgl. H. Belting: Bild und Kult (1990), S. 618 f. 57 Madonna Angela ist eine Heiratsvermittlerin, die auch mit (einschlägigen) zauberkräftigen Gegenständen handelt, etwa mit kirchlich geweihten Amuletten aus Wachs, die das Lamm Gottes darstellen. Vgl. dazu die ausführlichen Beschreibungen solcher Objekte im Zusammenhang mit ihrer Verwendung, ihrem Kult und ihrem Erwerb, besonders im Zusammenhang mit Heirat und Geburt, in J. M. Musacchio: Lams, Coral, Teeth (2006), S. 143–151. Mit geweihtem Korn wurde Fruchtbarkeitszauber betrieben. Das Wasser des Heiligen Petrus des Märtyrers (gest. 1252), Schutzpatron der Wöchnerinnen und der Inquisitoren, ist heilkräftig. Zum Pozzo di S. Pietro Martire vgl. P. Sabbatino: Mutazione del rinascimento (1993), S. 70. Die Aussaat des hl. Johannes bezeichnet, sprichwörtlich, jene Heilkräuter, die in der Johannisnacht (24. Juni) gesammelt wurden. Sabbatino (ebd., S. 71 f.) identifiziert den Samen mit dem Sangue di Giovanni Battista und daher mit den Reliquien seines Blutes, die in zwei neapoletanischen Kirchen verehrt wurden. Das Manna des heiligen Andreas (der auch als Heiratsvermittler gilt, denn durch ihn »sieht« die unverheiratete Frau den zukünftigen Gatten) bezeichnet jene Flüssigkeit, die aus seinem Grab im Dom von Amalfi (bis zur Verlegung der Reliquien nach Rom durch Pius II.) ausgeflossen ist. Der hl. Piantorio taucht in den Listen der Heiligen (wieder einmal) nicht auf, der Name von Brunos fiktivem Märtyrer leitet sich vielleicht von pianto, Geheul, Bordell, oder piantare, sitzen lassen, ab, bezieht sich daher vielleicht auf fehlgeschlagene Heiratsvermittlung, Liebesqualen oder ist einfach Satire auf die grausamen Hagiographien. Sabbatino identifiziert den Heiligen mit dem Pflanzholz (von: piantare) und daher mit dem Penis (ebd., S. 70). Für eine Liste der in Neapel verehrten Reliquien vgl. ebd., S. 72 ff. Zu Brunos (ablehnender) Haltung gegenüber dem Heiligenkult vgl. A. Ingegno, Polemica anticristiana (1973), S. 27 ff. und passim. 58 Wortspiel mit Bonifacios Namen: trucco, guter Gewinn, truccone, Gauner, truccarsi, sich verkleiden, schminken. 59 Es war typisch für Homosexuelle im 16. Jahrhundert, in späteren Jahren eine Pflichtehe einzugehen, um so der Verfolgung zu entkommen. 60 Also geizig ist. 61 Obszöne Metapher. 62 Candelaio, ein Homosexueller. 63 Zu Madonna Angelas Art der Heiratsvermittlung vgl. auch Rabelais:

336

kommentar

Gargantua (1955), S. 379–382 (Tiers Livre, Kap. 9); P. Aretino: Pietro Aretino (2002), S. 919 (Marescalco I, 4). Die hervorragende Qualität des Bonifacio ist seine pazzia, seine Verrücktheit; vgl. N. Ordine: Vangelo armato (2006), S. 193 ff., und N. Machiavelli, Mandragola (1991), S. 14 (I, 3). 64 Ri 14,12–18. 65 Aristoteles: Rhetorik, 1362b 1 f. 66 Mamfurio will sagen, daß er keine lateinischen Flüche ausspricht und auch nicht versucht, die Gesellschaft zu behexen. 67 Scopetta, kleiner Besen, scopettare, kehren, abstauben, ficken. 68 Mamfurio beschreibt hier auf umständlichste Weise die in der Renaissance vorherrschende physiologische Theorie des Sehvorgangs, der zufolge das Auge, um das zu erkennende Objekt abzutasten, nicht nur Lichtstrahlen empfängt, sondern auch aussendet (siehe I, 10). 69 Für die gesamte Passage vgl. Plotin, Enneaden (1580), S. 266 f. (III, 2, 15): »Quemadmodum vero in theatri scenis, similiter et in vita contemplari debemus caedes, obitus, expugnationes urbium, rapinas, et praedas, tanquam omnia transmutationes quaedam sint, figurarumque vices alternae, ficti quoque fletus passim atque ululatus. Etenim in singulis vitae humanae actibus, non ipsa quae intus est anima, homoque verus, sed exterior hominis umbra lamentatur et eiulat, caeteraque agit omnia in terra velut ampliori quadam scaena, in qua quidem multae animarum umbrae resultant, multaque scenarum aedificantur umbracula.« 70 Vergil: Georgica I, 436 f. 71 »Die Verse des Vergil«: Mamfurio macht es auch zum Schluß sehr kompliziert; gleichzeitig Wortspiel: maroniano, maronisch, auf (Publius Vergilius) Maro bezogen, und mariolo, Gauner.

NA M E N R E G I ST E R

Achilles Adam 5 Agrippa von Nettesheim xxiii Aktaion 19, 308 Albertus Magnus 318 Alciato, Andrea 310 Alcionio, Pietro 107, 322 Apelles 127 Apuleius lix, 245 Aretino, Pietro xxi Ariosto 61, 315, 327 Aristoteles lxix, 147, 295, ars poetica 315 Athene 37, 123 Augustinus, Aurelius lxxxvi f. Avicenna 71 Barabas 285 Belanti di Siena, Cesare 325 Belo xxii Bias 5, 305 Boccaccio xxxi Boetius l Brant, Sebastian xxiii Bruno als Prophet liii, lvii Cato d. Ä. 129 Christus xlvi ff., l f., lvi, lxxxviii, ci, ciii Chrysippos 315 Cicero 35 Circe lix, lxii, civ Cola Perillo 215 Conca, Fürst von 177 ff. Consalvo Fernadéz di Corduba xciii f.

David 175 De Bergerac, Cyrano cvi De Rojas, Fernando lxiv Della Porta, Giambattista xi, xxiv Demokrit 31, 71 Despauterio, Aloisio Antonio 57 Diana lxxxviii, 19, 269 Dimas 285 Diogenes 315 Erasmus v. Rotterdam xxii, xli Ficino 323 Filoxenos 87 Fortuna 269 ff. Gabriel, Erzengel 159 Ganymed 37, 311 Garzoni, Tommaso xxii Geber (Alchemist) 69 Gilgiles (Alchemist) 71 Goethe, Johann Wolfgang cvii Gradasso 97 Hadrian, Papst 217, 331 Hazez 71 Henri III, König von Frankreich xciii f. Heraklit 31 Herkules 53, 153, 189; am Scheideweg 314 Hermes Trismegistos 69 ff. Herodes lv Hesiod 127 Hl. Andreas 291

338

namenregister

Hl. Anna 179 Hl. Antonius Hl. Apollonia 189, 330 Hl. Bartholomäus xlv f. Hl. Bonifatius xlviii ff. Hl. Christophorus 243 Hl. Cosmas 181 Hl. Elischa 179 Hl. Joachim 179 Hl. Johannes d. T. 291 Hl. Johannes d. T. lii–lvi, ciii Hl. Julian 181 Hl. Leonhard 99, 215, 243, 251, 267 Hl. Lucia xliii f. Hl. Maria lv f., v. Rosenkranz 181 Hl. Maria Magdalena 283 ff. Hl. Maria v. Apareta 181 Hl. Maria v. Loreto 259 Hl. Maria v. Piedigrotta 181 Hl. Martin 331 Hl. Petrus d. M. 291 Hl. Quentin 139 Hl. Rochus 137 Hl. Viktoria xlvii f. Joyce, James cvii Jupiter lix, 111, 127, 267 ff. Kaiphas 75 Lama, Gioan Bernardo 307 Lazarus 306 Lullus, Raimundus lxxiv f., lxxxiv Machiavelli lxxii, lxxxviii–xcii, xcv ff., xcix, 325 f., 334 Malagigi (Zauberer) 245 Mancino, Capitano 149 Manilius 307

Ménard, Pierre cv Merkur 37, 85, 269 Merlin (Zauberer) 245 Minerva 269 Molière cv f. Momus 267, 334 Musen 53 Ovid lix, 85 ff. Palma, Capitano 191, 223, 237, 253, 308 Patroklos Paul IV, Papst xlv Paulino, Don, Pfarrer von Santa Prima bei Nola 25, 273 Petrarca xiii, 47, 61, 313 Petrucci, Pandolfo 325 f. Phidias 127 Pirandello, Luigi cvii Platon lviii, lxvi, lxxix f., lxxxiv, 125 Plautus xxi Plotin 336 Polygnotos 127 Pomponazzi, Pietro 328 Pythagoras 125 Salano, Sidecino Sarmeto 57 Samson 295 Savolino, Sipione 273 Scoppa, Lucio G. 57 Shakespeare, William xx Tansillo Giacopo 273 Tasso, Torquato xi Teufel 175, 197, 269, 275 Timagoras 127 Turnus 151

namenregister

Varo 199 Vergil 127, 199 Vita, Domenico xli

Vulkan 163 Zeuxis 127

339

S AC H R E G I ST E R

Adagien (des Erasmus) 183 Ägypten 163 Airola (bei Neapel) 71 Alchemie xvii f., xxxvi f., xxx, xxxiv–xxxviii, xlv ff., lxxii, lxxiii f., cii f., 11, 21, 69–79, 161 ff. 308, 317, 319 Allegorese 311 ars combinatoria lxxvi, lxxviii, lxxxiii ff., 334 ars magica lxii ars memoriae xlix, lxxii–lxxvi, lxxx ff., xcii, xcvi, ci, ciii Auster 267, 333 Betrug xviii, xx, xxxiv, xxxix, xlv, xlvi, lxxi, ci f. Bordelle 259 ff., 269 Brescia 169 Bruno als Prophet liii, lvii Cancello (bei Neapel) 71 Chiromantie 317 coincidentia oppositorum xxix Diebstahl 141–145, 327 Doppelrolle (Carubina, Vittoria) xviii, xxv, lxxxvi, 27 Dreiecksbeziehung (Bonifacio, Carubina, Gioanbernardo) xix, lxxxvi f. Dummheit xviii, xxxix, xliv, xcv, civ, 97 Ehre 229

Emblematik lxxxii Epikureismus c, 17 Esel 45 ff., 237, 313 f., Eselsschwanz 41, 312; und Löwe 101 ff.; Packesel des Alcionio 107 Etymologie xxxviii ff.; lviii f., ciii, 314 Faszination 67 Fegefeuer 175, 243 Fortuna xix, liii, lxx ff., xcii, xcvi f., cii, civ, 113, 327 Frankreich 177 ff. Garigliano xci, xciii f., 101, 321 Gefängnis (Vicaria) 215, 239 ff. 251, 279 Geld 155, 165, 177 ff. Gold 73, 79, 113, 207 Goldschmiedekunst 63 ff. Griechenland 163 Hagiographie xlii–xlv, xlviii ff., liv ff., ci Heilgenkult xii, xl–xliii, l, lvii Helikon (Musenberg) 305 Höhlengleichnis lxv f. Homosexualität xii, xvi f., xxxv, xlviii, li f., lix, 310, 316, Hörner xvi, xxxi, lx f. Humoralpathologie 313, 321 Identität lxxix, lxxxi, ciii in tristitia hilaris ... xiv inganno xcvii

342

sachregister

Inversion xliv, xlviii, xlix, l, lv, lvii Istrien 163 Italien 259 Kerze xii, xliii, liv, lxv f., 321 Kugelmensch, Mythos vom lxxix Kuppelei xxiii, lxiv f. 291 ff. 335 f. Lehm (lutum sapientiae) 318 f. Lethe 125 Lichtmetaphorik xiii Liebeskrankheit 313, 317 Liebesphilosophie xiii, 67 Liebeszauber xvii f., xxxvii f., mit Wachspuppe 117–21, 173, 247 ff. London cv f. Magie 41, 67, 245, 275, 317 maleficium xliv Malerei xxxi ff. Materie lxix f., ciii Maulwürfe 267, 333 Melancholie 65, 309 Mönch 197 Neapel xi, xvi, xx f., xxiii, xxxix ff., xciii ., civ f., 45, 77, 159, 167, 205, 253–57, 291 Neapel (Bezirke, Kirchen, Konvente): Nil Viertel 29; 333, Maiella 235; San Domenico Maggiore xl f., 333 San Paolo; Lokaliäten: Osteria Cerriglio 131–135; Santa Maria della Nova 173, Dogana 197, Vergini 197 Nola xi, ciii, 135, 273 occasione lxxxix, xci f., xcv onore xcviii f., ci

Osteria Cerriglio 131, 325 Päderastie xvii f., xx f., xl Pädophilie 325 Parasiten 322 Paris xi, xciii ff., cv, 163 Pavia, Niederlage von 179 Pedanten xvii, xx ff., xxvi, xxxviii, lxix, lxxxiii, cv f., 127 ff., 325, Petrarkismus xxix, xlvii Physiognomie 65, 316 Politik xc, xciv, xcix Posillipo 47 Potenzmittel 177 Prostitution xvii–xxi. xxxiv, xxxvii f., xcix, cvii, 255–261, 328, 331 ff. pulvis Christi 77, 115, 181, 205–209, 211, 319 Pumigliano (bei Neapel) 135 Rom 101, 255 ff. Rosenkranz, Wunder des 187, 330 San Bastiano 59 Schicksal xxiv, lxxi, xcv Seelengefieder (Phaidros) 312, 328 Sehvorgang 299 ff. Sirius 7, 305 Spanien 163 Spiele 135 ff. Spiritus (Lebensgeist) 67 Sünde 283 Syllogismus 323 Syphilis xxi Tastsinn xcvii f. tela xxx, lvi Transmutation xxx xxxiv f., lx, cii f.

sachregister

Trickbetrügerei xviii, xxiv, xxxvi, 183 Trinitätslehre li, lxxxv ff. Universalkombinatorik lxxiv, lxxviii, lxxxiii ff. ut pictura philosophia xxxii vendetta xcv Venedig 163, 255 ff. Vergewaltigung xc, xcv Verkleidung (Maskerade) 171 vicissitudo xxviii, xlix, lxxi, xcii, xcix, 101 321

343

virtù xcii, xciv Wachspuppe, magische xvii, xxxii, xxxv, xlvii, lxiii, xcvi Wahnsinn 291 Welttheater 326 Wildschwein, Calidonisches 87 Zehnzahl (Pythagoras) 324 Zwiebel 311 Zwillingsgestalten xxxv, li, lxxix f. 187, 223