Der jungen Knaben Spiegel: Mit dem Dialog eine warhafftige History von einem ungerahtnen Son [Neudruck nebst Einführung und Nachwort. Reprint 2020 ed.] 9783112339343, 9783112339336


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German Pages 185 [188] Year 1917

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Der jungen Knaben Spiegel: Mit dem Dialog eine warhafftige History von einem ungerahtnen Son [Neudruck nebst Einführung und Nachwort. Reprint 2020 ed.]
 9783112339343, 9783112339336

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Sahresgaben der Gesellschaft für Glsflsslsdie Literatur.

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Jörg Wickram Der Zungen Knaben Spiegel

mit dem Dialog Glue Warhaffflge ßlstory von einem ungerahtnen Son

Straßburg Verlag von Karl 9. Crübner 1917

■ :

Jörg Wickram Der Zungen Knaben Spiegel mit dem Dialog

Gine Warhaffflge ßlsfory von einem ungerahfnen Son

Neudruck nebst Einführung und Ilachwort ßerausgegeben von

Dr. Gertrud Fauth

Straßburg Verlag von Karl Z. Crübner 1917

Alle Rechte vorbehalten.

C. A. Wagners Hof- und Universitätsbuchdruckerei, Freiburg i. Br.

Einführung. Als zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Romantik blühte, und sie die Bemühungen Jung-Goethes und Herders um die schlichte Kunst des Volkes von neuem aufgriff und pflegte, war die Zeit gekommen, in der die Poesie des Mittelalters aus ihrem Schlaf geweckt wurde. Die Brüder Grimm entdeckten die Traumschätze der Märchen, und des Knaben Wunderhorn, eingeleitet von einem alten Wickramschen Schwank, schüttete die Fülle seiner Lieder aus. Auch zu einer Herausgabe der Volksbücher wurden verschiedene Anläufe genommen. Josef Görres schrieb 1807 sein begeistertes Büchlein „Die teutschen Volksbücher“. Die Überschätzung der ritterlichen Reimpoesie ließ ihn jedoch in der Volksprosa nur heruntergekommene Dichtung und keinen selbständigen wertvollen Kunstzweig sehen, umsomehr als er meistens verdorbene Texte späterer Jahrhunderte vor sich hatte, welche die Marbachsche Sammlung weiterdrucken und durch Ludwig Richters Zeichenkunst veredeln ließ. Von der Hagen und Büsching begannen zwar eine Säuberung und Her­ ausgabe der schönsten Bücher, aber das Unternehmen stockte bald, und sowohl Simrock als Schwab konnten, aus Mangel an künstlerischem Sinn, keine diesem Unternehmen ebenbürtige Leistung vorweisen. Indessen hatte die Beschäftigung mit der Kunst des Mittelalters die Gestaltungskraft einiger Künstler entzündet. Tieck ging in die Gärten der allen Dichtung, pflückte phan­ tastische Blumen und band sie zu frischen Kränzen; und einer der Heidelberger Einsiedler, der Schwärmer Clemens

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Brentano, tat es ihm gleich. Auf der Göttinger Bibliothek fand er einen volksbuchähnlichen Ritterroman, den er mit leichten Änderungen dem alten Text neu nacherzählte: es war der Goldfaden unseres Jörg Wickram von Kolmar. Es ist bezeichnend für die Literaturströmung, daß gerade dem Roman vom Goldfaden eine Erneuerung zuteil wurde, dieser romantischen Geschichte, in der Leufried, der Sohn eines Hirten, unter mannigfachen Abenteuern vom Küchen­ bub zum Kämmerling der von ihm geliebten Grafentochter Angliana, zum Botenreiter des Grafen und endlich zum Ritter und Gatten Anglianas emporsteigt. Das märchenhafte Thema, die außergewöhnlichen Begebenheiten und zugleich die Naivi­ tät des Erzählers mußten die Romantiker begeistern. Schon am 1. Januar 1808 hatte Jakob Grimm an seinen Freund Benecke geschrieben: „Ich überzeuge mich immer mehr, daß dieser Wickram, über den man in Literaturgeschichten vergebens nachschlägt, einer der vorzüglichsten und frucht­ barsten Schriftsteller des 16. Jahrhunderts ist, mit unge­ wöhnlichem Sprachreichtum und dem unschuldigsten Stil.* Wilhelm Grimm hat in einer Besprechung des Goldfadens mit seinem Lob über Wickram ebenfalls nicht zurückgehallen1. wDer Herausgeber*, sagte er, „erwirbt durch die Erneuerung dieses alten Romans einen Dank, welchen sich früher schon Lessing damit verdienen wollte .. . Der Verfasser desselben ist Georg Wickram von Kolmar, welcher in der Mitte des 16. Jahr­ hunderts lebte, und dessen übrige Werke sich vorteilhaft unter gleichzeitigen auszeichnen. Sein Stil gehört in die beste Zeit, er fangt an, sich in Perioden zu bilden, ohne daß er darum von der früheren naiven Art verloren hätte, und hat eine schöne poetische Ausführlichkeit, ohne breit zu sein; in den Selbstgesprächen und Klagen aber herrscht eine eigene Anmut . . . Schließlich wäre nun auch die Auffindung und Bekanntmachung eines anderen alten Romans zu wünschen, des von Lotarius und Wilibald, dem unsaubern Knaben, welcher von demselben Wickram, und zu welchem eben

~ VII dieser Leufried als ein Gegenstück geschrieben worden ist, damit man umgekehrt sehe, wie der böse Mutwillen sich den Rittergarten des Lebens verscherzt und auf der kahlen Hirten­ wiese von Sonne und Armut zerbrannt sein Ende nimmt.* Was Wilhelm Grimm hier aussprach, war der Wunsch nach Erneuerung des Knabenspiegels. In der Fassung dieses Wunsches zeigte sich Grimm als echter Romantiker. Er sah im Knabenspiegel nur das Gegenstück zu der Rittergeschichte Leufrieds, sah nur, wie sich Wilibald seinen Rittergarten ver­ scherzt; ihn zog vor allem das romantische Schicksal des jungen Edelings an. Wäre damals der Knabenspiegel er­ neuert worden, so hätte man unzweifelhaft den Stoff in neu­ deutscher Schriftsprache nacherzählt, und hätte dadurch viele Werte, um derentwillen wir heute den Knabenspiegel schätzen, vermindert oder vernichtet. Es zeigt sich hier die starke Ver­ schiedenheit der Betrachtungsweise zwischen dem roman­ tischen Geschlecht und dem heutigen. Was uns am Knaben­ spiegel anzieht, sind zahlreichere Schönheiten als sie die Romantiker empfanden. Durch unsere tiefere Kenntnis der früheren Jahrhunderte haben unsere Seelen vielseitigere Ein­ stellungen bekommen. Deshalb mußten für die vorliegende Erneuerung auch andere Gesichtspunkte maßgebend sein. Nicht weil der Roman dem Stoff der Volksbücher ent­ sprechend in die ritterlichen Kreise hinübergreift, hat der Knabenspiegel diese Bedeutung für uns, sondern weil er vor allem in Stimmung und Auffassung eine Erzählung ist, aus der das 16. Jahrhundert zu uns spricht. Da die sprachliche Eigenheit in Bild und Dialektrhythmus zur Vollendung der kulturhistorischen Stimmung unumgäng­ lich nötig ist, so mußte auch die Sprache des elsässischen Volkes im 16. Jahrhundert uns das Leben der damaligen Zeit verlebendigen helfen. Die kurze Mühe des Einlesens wird durch die eigenartigen Reize der Sprache vielfach belohnt. Beim Knabenspiegel tritt der fast einzigartige Glücks­ fall ein, daß der Künstler in einem reiner Werke selbst das

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Wort ergreift, und die psychologischen Vorbedingungen für das Entstehen des Knabenspiegels sowie die Gestalt des Helden bespricht, deshalb wurde dem Roman der Dialog: »Von einem ungerahtnen son“ angeschlossen, in dem Wickram allen denen, die sich über den Knabenspiegel im Jahre 1554 wunderten, Erklärung und Belehrung gab. Im Interesse des wissenschaftlich arbeitenden Lesers schien es geboten, den Bau des Werkes in einem Anhang kurz wissenschaftlich zu beleuchten. Es geschah dies auch deshalb, weil die vorzügliche, für die Wickramforschung grundlegende kritische Ausgabe von Professor J. Bolte im Stuttgarter literarischen Verein Nr. 222, 223, 229, 230, 232 und 236 nur durch die Bibliotheken zugänglich ist. Um die Bedeutung und die Entstehung der Erzählung im Rahmen des Künstlerlebens und seiner Zeit zu würdigen, ergab sich die Notwendigkeit, einen Einblick in den wunder­ vollen Überfluß der elsässischen geistigen Strebungen und der eigentümlich-alemannischen, satirischen Geistesveranlagung im 16. Jahrhundert zu tun, vor allem aber das Leben und Wirken des Mannes zu schildern, der aus all diesen Kräften unbewußt oder bewußt Nahrung sog. Wenn der Leser das Elsaß und Jörg Wickram lebendig vor Augen und in der Seele hat, wird er den Mann und sein Werk bewerten und lieben.

Umblick. Für den Beschauer elsässischen Geisteslebens vergangener Jahrhunderte ist es ein wundersames und lohnendes Schau­ spiel, das 16. Jahrhundert besonders ins Auge zu fassen. Es zeigt eine derartige Fülle verschiedenartiger Strömungen und Gestalten, daß wir — zuerst verwirrt, dann aber gefesselt und erbaut — unsere Blicke nur langsam davon lösen. Die Gründe für die damalige Vielfarbigkeit und Blüte dieses Reichsgebietes sind neben der Bodenbeschaffenheit, der landschaftlichen Lage und dem Charakter des Volkes

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vor allem in dem kulturgeschichtlichen Entwicklungsstadium jener Zeit zu suchen. Die Fruchtbarkeit des Bodens, die Weichheit des Klimas gaben dem sowohl angriffslustig zufassenden, wie zäh fest­ haltenden Sinn der Alemannen eine selbstbewußte Behaglich­ keit, eine fröhliche Breitspurigkeit, die zwar gern leben läßt, weil sie gern lebt, jedoch jeden Eingriff in diese Lebensart schroff zurückweist. Das Naturgeschenk der Fruchtbarkeit hätte die Bewohner leicht zu geistlosen Schlemmern herabwürdigen können. Aber das Gebiet war als Durchgangsland so vielen fördernden An­ regungen und zersetzenden Erregungen preisgegeben, war als Grenzmark in Zeiten der Schwäche seiner germanischen Hinterländer so oft auf die eigenen Leistungen angewiesen, daß eine dauernde Regsamkeit des Geistes und eine Vor­ liebe, selbständig zu handeln und überlegen zu urteilen, die Folge war. Das Elsaß wurde also durch die Gunst seiner Lage, durch die Veranlagung seiner Bewohner, Ausgang und Ziel mannigfacher Bewegungen und bot einen gut vorbe­ reiteten Boden, um in den Zeiten der neu entdeckten Druck­ schrift zu hoher geistiger Kultur zu gelangen. Der Hang zum Selbstbewußtsein, der sich politisch als demokratische Gesinnung äußerte, und die deutsche Dezen­ tralisationspolitik begünstigten auf elsässischem Boden das Auftreten vieler kleinerer, zum Teil selbständiger staatlicher Gebilde, deren Interessen sich einten oder in Wettbewerb traten. Es wird für das Verständnis der geistigen und be­ sonders der religiösen Verhältnisse dieser Zeiten nicht un­ wichtig sein, die hauptsächlichsten Machtgruppen kurz vor uns aufzustellen. Im Mittelpunkt blühte frei und reichsunmittelbar Straß­ burg, das seinen Stadtstaat durch Ankauf umliegender Be­ sitzungen landschaftlich zu vergrößern suchte. Seine Ver­ fassung war so glücklich gewählt, so weise ausgebaut, daß Erasmus und andere tüchtige Männer im In- und Ausland

- X sie laut lobten. Es war der Ruhm dieser Stadt, derart liberal zu sein, daß sie der Anziehungspunkt bedeutender Geister, der Zufluchtsort geistig Verfolgter wurde. Es ist kein Zufall, daß die staatsmännische Größe eines Jakob Sturm von Sturmek sich in ihr voll auswirken konnte. Im Oberelsaß besaß das habsburgische Haus die größte Macht und der Name des Städtchens Ensisheim hatte als Regierungssitz Bedeutung in diesen Gegenden. Aber auch der Bischof von Basel, das Kloster Murbach, der Bischof von Straßburg, dem das Obermundat Rufach zugehörte, waren dort begütert. Den Herzögen von Württemberg wiederum unterstand die Herrschaft Reichenweier und die unweit Kolmar gelegene Grafschaft Horburg. Mülhausen endlich hatte sich 1515 den Eidgenossen angeschlossen, mit denen die Stammesverwandten Elsäßer seit den Kämpfen gegen die Armagnacken und besonders durch die Waffenbrüderschaft gegen Karl den Kühnen bei Granson, Murten und Nanzig durch Blut und Sieg verbunden waren. Der Bischof von Straßburg hatte seinen Wohnsitz nicht in der freien Stadt selbst, sondern hielt seinen Hof in Zabern Sein Besitz war bunt verteilt. Ihm waren zahlreiche Ämter im Unter- und Oberelsaß, viele Lehen und über 100 Dörfer verpflichtet. Je nach dem Geschlecht, aus dem der Träger der Insul stammte, und je nach seinem Charakter wandelte Friede und Wohlstand über die Äcker, oder sie wurden mit Blut gedüngt. Im ganzen Elsaß zerstreut lagen die kleineren freien Reichsstädte, zu denen, als bedeutendste neben Hagenau, auch die Heimat der Wickrams, Kolmar, gehörte. Sie bildeten die Oberlandvogtei, und der Vogt zu Hagenau, der die Person des Kaisers als Richter, Kriegsherr und Steuer­ empfänger vertrat, sollte nur das Schirmamt über sie aus­ üben, ihre Rechte und Freiheiten dagegen unangetastet lassen; was indessen eine starke Beeinflussung der innerstädtischen Fragen durch sein Ansehen nicht ausschloß.

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Des Kaisers Macht war also stark im Elsaß und die Grafen von Hanau, die Pfalzgrafen von Zweibrücken, außer vielen kleineren weltlichen und geistlichen Herren des Elsaß traten neben seinen Gebieten und Rechten in den Schatten. Die Elsässer waren bekannt für ihre gut kaiserliche Ge­ sinnung, und als der Landgraf im Elsaß, Rudolf von Habs­ burg, auf dem Kaiserthron saß, waren nicht nur die Bewohner seiner Hausmachtsgebiete, sondern alle Elsässer stolz auf „ihren“ Landgrafen; so stark waren mittlerweile die Habs­ burger mit dem Elsaß verwachsen. Von den nachfolgenden Herrschern dieses Geschlechtes hat besonders der ritterliche Maximilian, als Kaiser und als burgundischer Nachbar, das schöne Elsaß geliebt. Er rastete gern und oft in Straßburg und hat im Münster den Zorn­ predigten eines Geiler gelauscht, den er zum kaiserlichen Kaplan gemacht hatte, und dessen kirchliche Reformvorschläge er neben denen eines Jakob Wimpheling erbat. Geiler von Kaisersberg! Noch hat das 16. Jahrhundert nicht begonnen, aber Geiler leuchtet ihm voran. Dieser ein­ siedlerisch veranlagte Prediger war einer von jenen Ge­ stalten, mit denen das geistige Elsaß sich an die Spitze der deutschen Landschaften stellte. Er eröffnet die Reihe der alemannischen Satiriker, die das Literaturbild des kommen­ den Jahrhunderts beherrschen, und deren Charakterisierungen jene eigentümliche Prägung erkennen lassen, die die elsäs­ sische Stammesart damals zeitigte. Ihre Veranschaulichung hilft uns die Lebenslust und die völkische Sprachkraft jenes Mannes verstehen, in dem auch ein Körnlein dieses Geistes aufkeimte und Frucht trug: in Jörg Wickram. Seit 1478 loderte die Flamme der Predigten Geilers in die Herzen der Straßburger. Aber der Veranlagung seiner Zuhörer, seiner eigenen Stammesherkunft entsprechend, sind diese Reden kein geistreiches Sprühfeuer, sondern beißender Rauch und schlagende Lohe, aus derben Holzkloben angesteckt. Die Volkssprache mit ihren Sprichwörtern und starken Aus-

- XII drücken liefert ihm die Waffen, mit denen er die sündigen Seelen schlägt. Jedes Thema, auch das burleske, ist diesem Eiferer recht zur Einkleidung, und einst greift er in die Lite­ ratur und hält Predigten über das .Narrenschiff“, das 1494 erschien, im gleichen Jahre dreimal nachgedruckt wurde und seinen Verfasser, den Straßburger Juristen und Pro­ fessor Sebastian 'Brant, rasch berühmt machte. Sebastian Brant, der spätere Stadtschreiber von Straß­ burg, ist das zweite Scheit im geistigen Feuer des Elsaß. Er zeigt ebenfalls die seinem Stamm eigentümliche Freude an Witz und Spott, weist aber zugleich auch jene echt ger­ manische Unfähigkeit auf, diese Satire geistreich, fein und künstlerisch genießbar zu machen. Sie kann nur Didaktik, derbe Komik sein, nicht Esprit und Spiel. Aber sie will auch nicht spielen. Mit ihren Sprachmitteln und Holzschnitten macht sie jedem klar, was sie will: unter Belustigung be­ lehren und bessern. Die Narrengestalten des Sebastian Brant wurden von einem anderen elsässischen Satiriker neu aufgeputzt und vor­ gestellt, von Thomas Murner. Der eifernde Franziskaner­ mönch, der 1537 starb, ist als Schriftsteller schärfer und gewandter. Gegenüber einer unverhohlenen Freude zu geißeln tritt die Belehrung zurück; hierin übertrumpft er Geiler. Sein Geist hat ähnliche Einstellung und auch seine Themen — Aufdeckung der eigenen kirchlichen Schäden — liegen in der geistigen Linie dieses Vorgängers, bis er das Hauptthema seines Lebens findet, in dem er am leistungsfähigsten, bissigsten, fruchtbarsten wird: den Kampf gegen den Protestantismus. Bei der Vielfarbigkeit der elsässischen Landkarte war es von vorherein klar, daß die religiösen Bestrebungen nach den verschiedendsten Richtungen zielten. Der demokratische Liberalismus der städtischen Gemeinden stand der Reforma­ tion zumeist geneigt gegenüber. Der Schwerpunkt dieser Be­ wegung lag in Straßburg, das der Jesuitenpater Canisius als Tummelplatz aller Apostaten bezeichnete.

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Von der Schweiz, von den württembergischen Ländern und den pfälzischen Gebieten drang die neue Lehre vor. Die Habsburger dagegen versäumten nicht, durch ihre ausge­ dehnten Hausbesitzungen im Oberelsaß, durch ihren maß­ gebenden Einfluß in der Landvogtei der kleineren Reichs­ städte, diese Gebiete zu Bollwerken der alten Lehre auszu­ bauen. Fast das ganze 16. Jahrhundert ist somit erfüllt von den Kämpfen dieser widerstreitenden Parteien. Während die elsässische Satire auf katholischer Seite in Murners Werk: „Der große lutherische Narr* ihren genialsten Ausdruck und Höhepunkt findet, wird sie am Ausgang des 16. Jahrhunderts (1570 bis 1590) bei der protestantischen Partei durch den Dr. Johannes Fischart und bald danach durch Wolfhart Spangenberg vertreten. Fischart ist der bedeutendste der elsässischen Satiriker, und seine literarische Entwickelung zeigt im Stil eine wachsende Vorliebe für komische Verzierungen. Sein Hauptwerk strotzt geradezu davon. Eine sich gegenseitig erdrückende Fülle von derben Bildern, Reimen, völkischen Seltsamkeiten in Sprache und Sitte, blüht in dem Rankenwerk seiner wortspielerischen Gedanken; er ist wie ein Meister der überzierten Spätgotik, ohne ihre Vergeistigung zu erreichen. Aber neben der bezeichnenden elsässischen Eigenart lenkt hier noch eine andere Eigentümlichkeit unser Augen­ merk auf ihn, welche die germanisch-romanische Mischkultur der kommenden Jahrhunderte in diesem Lande vorzudeuten scheint. Das bedeutendste Werk Fischarts, der Gargantua ist die verdeutschte Bearbeitung eines französischen Romans von Rabelais. Seit in höfischer Zeit die Kultur des französischen Ritter­ tums den derberen, naiveren Deutschen vorbildlich geworden war und eine einseitige Standesliteratur und -kultur erzeugt hatte, war der Strom der romanischen Einflüsse, namentlich im Elsaß, nie ganz versiegt. Am tiefsten ins Volk griff der welsche Einfluß, als die

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seltenen gereimten Handschriften der Ritterepen sich in die Massendrucke der Volksbücher umwandelten. Die höfischen Stoffe nahmen indessen mit der Verdeutschung und der durch Predigt und Legende veredelten Prosaform so viel völkischen Geist in sich auf, daß das Welsche, Aristokra­ tische größtenteils nur Material und Anregung blieb. Ähn­ lich ging es jetzt Fischart mit seinem Gargantua. Die Tat­ sache der Übernahme aus dem Romanischen bleibt; das Werk ist ein Kind elsässischen Geistes. Wenn Sebastian Brant und Johannes Fischart als ge­ bildete Akademiker der langsam immer stärker werdenden Beeinflussung durch romanische oder auch durch humanis­ tische, halb kosmopolitische Kreise nicht entgingen, so ist eine andere Gruppe elsässischer Satiriker von diesen Bei­ mischungen frei: die elsässischen Schwankdichter. Sie haben das Feldlager ihres Geistes auf rein elsässischem Boden aufgeschlagen. Einer ihrer fröhlichsten Bannerschwinger aber ist Jörg Wickram. Fest im Volk wurzelnd, aus seinem Reichtum schöpfend, seinen Vorzügen und Unarten ergeben, bieten diese Schrift­ steller bürgerlich-bäuerliche Wirklichkeitskunst. Diese Volks­ kunst will auch geißeln, aber sie schüttet sich dabei aus vor Lachen, und wo Besserung nicht ernsthaft genommen werden muß, läßt sich der Sünder die Predigt gerne gefallen. Wenn sich bei Mahl und Wein im gastlichen Haus, wenn sich auf den Zunftstuben, in Balbierhäusern, oder in Badstuben, bei einem Abendstand vor den Häusern, oder am Brunnen der elsässischen Weinstädtchen, auf gemein­ schaftlichen Reisen in Rollwagen oder Schiffen — etwa zur berühmten Johannis-Messe nach Straßburg —, wenn sich bei diesen Gelegenheiten die Bürger und Weinbauern trafen, so flogen mit echt stammesgemäßer Schlagfertigkeit die Späße von Ohr zu Ohr. Jeder steuerte bei aus Erinnerung und Phantasie, während der Wein den Witz befeuerte, die Derb­ heit steigerte. Wie nahe lag es doch, daß Männer, die mitten

- XV im Volksleben ihres Landes standen, jene seit langem münd­ lich gehüteten Schätze aufzeichneten. Johann Pauli (1531 gestorben), ein eifriger Nachschreiber Geilerscher Predigten, war durch die satirischen Auslassungen dieses Meisters geschult, wirksame Anekdoten rasch zu fassen und wiederzugeben. Er griff mit beiden Händen hinein und brachte als erster etwa ein halbes Tausend Volksschwänke zusammen, die er im Jahre 1522 in einem Büchlein: »Schimpf (Scherz) und Ernst* herausgab. Damit war die neue Literatur­ gattung im Elsaß begründet und die Nachfolger ließen nicht auf sich warten. Nach der Mitte des Jahrhunderts sehen wir drei Stammesgenossen in Paulis Fußtapfen treten, um ihre Heimat auch nach der volkstümlichen Richtung der Satire hin an die Spitze des Reiches zu stellen. Jakob Frey nannte seine Sammlung »Gartengesellschaft*; Martin Montanus schrieb einen „Wegkürtzer® und den »Ander Teil der Gartengesell­ schaft*; Jörg Wickram schickte sein „Rollwagenbüchlein* in die Welt. Die Titel der Werke weisen schon von vornher­ ein auf ihren Zweck hin, und sie mögen ihn bei vergnügten Zusammenkünften redlich erfüllt haben. Jörg Wickram, der Schwankdichter, ist eine fröhliche Gestalt. Seine Leistungen auf diesem Gebiet würden ge­ nügen, um ihn gern zu nennen. Aber er ragt als Prosa­ schreiber noch viel höher vor uns auf. Die kurzen Schwänke waren für ihn nur ein launiges Ausruhen. Die tieferen Kräfte seines Könnens setzte er daran, um längere Erzählungen zu schaffen. Sein Streben wurde belohnt. Auf dem Gebiet des Romans blieb er nicht Mitläufer, wie im Schwank oder auch im Schauspiel, hier ging er weiter, ging über das Volksbuch hinaus und ward zum selbständigen Schöpfer neuer Ideen und Stoffe. Es wurde vorher bei dem Streifzug durch die elsässische Satire des 16. Jahrhunderts kurz angedeutet, daß die Volksbuch­ schreiber, dem wachsenden Lesebedürfnis entgegenkommend, und unfähig so rasch völlig Neues zu schaffen, die fremdlän­ dischen gereimten Stoffe nahmen und sie in Prosa umschmol-

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zen. Die deutsche Prosa war als religiöse Gattung seit längerer Zeit vorhanden. Namentlich die Franziskaner als Prediger und die Mystiker waren an ihrem dichterischen Ausbau stark beteiligt2. Sie hatte, da sie zumeist auf den lauten Vortrag und auf wenig gebildete Zuhörer angewiesen war, einen ruhig fortschreitenden, klaren Bau bekommen, in dem die einzelnen kurzen Satzteile nebeneinander standen, und in sich gerundet, dem Ohr und dem Verstand der Hörer ein geschlossenes Bild boten. Man konnte in dieser Hinsicht von einer ge­ wissen Klassik der Prosa reden, die im Streben nach ver­ geistigter Treuherzigkeit ihren schönsten Ausdruck fand. Es durfte jetzt aber zweifelhaft erscheinen, ob die rasch über­ nommenen phantastischen Stoffe der Epen, zu denen der nach fremden Mären hungrige kindliche Geist des Volkes gern griff, die alte Vortragsform nicht in Gefahr bringen würden. Man bekam den Stoff nicht mehr laut dargeboten; die be­ lebende Tonwirkung der Stimme, die Beeinflussung durch die Mienen des Sprechenden fielen fort und damit auch die Rück­ sicht des Schreibers auf Klangbild und leicht faßlichen, schlichten Bau der Sätze. Es nimmt Wunder, daß die Ge­ fahr im Anfang wenig auftrat. Die ältesten Drucke der Volksbücher mit ihrem epischen Fluß sind oft von einer fast edlen Schlichtheit. Doch die abnehmende kindliche Einfalt der Schreiber, ihre zunehmende sogenannte Bildung, wurden den Volksbüchern gefährlich. Die Stimmwirkung sollte durch Phantasiewirkung ersetzt werden. Man begann auszumalen, zu verschnörkeln und tat es umso stärker, je mehr die beginnende Renaissance den inneren Menschen entdeckte, und seine Konflikte zerlegend ausbeutete. Der Schwerpunkt des Romans rückte vom äußeren Geschehnis mehr auf das innere. Der Verderbnis der deutschen Prosa machten sich am meisten die Humanisten schuldig. Sie waren der bildkräftigen Volkssprache entwachsen und durch die Überschätzung der ungermanischen alten Sprachen verdorben. Jetzt begannen

- XVII sie in ihre Prosa eine Fülle fremdländischen Sprach-, Satzund Gedankengutes einzumischen. Infolgedessen sind die Grenzen zwischen Volksbuch und Renaissancenovelle formal wie stofflich oft verwischt. Jörg Wickram ist als Romanschreiber diesen Einflüssen der Renaissance auch nicht ganz entgangen, namentlich im Anfang seiner literarischen Wirksamkeit. Als Schwankdichter dagegen bleibt er völlig frei davon. Hier ist er der unverwelschte, spottfreudige Alemanne, der im Breisgau, Schwaben und Elsaß seine Bauern, Bürger und Pfaffen findet, die er an den Pranger stellt. Im Roman begann er später eben­ falls sein Volkstum kräftig in die Wagschale zu werfen, so­ daß alle welschen Geister verschwinden mußten. Das Liebes­ gesäusel der schmachtenden Gedanken, oder der Minnebrief­ lein in den Rittergeschichten seines Galmy und Gabriotto ist im Knabenspiegel verstummt. Die Wirklichkeit des Lüderlebens mit Würfelklirren, Gelagelärm und seinen schlimmen Folgen wird in derben Sprachbildern gemalt. Das unverfälschte Volkstum stützte Jörg Wickram nach zwei Seiten auf dem Weg zu sich selbst: es half ihm seine eigene Sprache finden und es gab ihm vor allem den eigen geschauten, den eigen gestalteten Stoff. Jörg Wickram wurde dadurch der erste, der nicht mehr nach einem fremden Stoff­ vorbild schielte, sondern aus dem wirklichen Leben schöpfte; sein Dialog vom ungeratenen Sohn erzählt und beweist es uns. Wie schön ist es, daß sich das geistige Elsaß am Be­ ginn der Neuzeit mit diesem Preis schmücken darf, und doch ist die Tatsache fast erstaunlich: Jörg Wickram, dem grenz­ ländischen Elsässer, gebührt das Verdienst, die letzte welsche Fessel abgestreift zu haben. Jörg Wickram, der Oberelsässer, hat den Ruhm, der Schreiber des ersten deutschen realistischen Romans zu sein. Sehen wir uns sein Leben, seine Umgebung genauer an, um zu begreifen, daß diese Entwicklung und seine Krönung kein Zufall waren. Mörg WIckrams Knabenspiegel.

b

- XVIII Das Geschlecht der Wickram (Kampfrabe), das einen unbestachelten, runden Streitkolben mit einem Griff im Wappen trug, war in dem Reichsstädtchen Türkheim beheimatet ge­ wesen und hatte sich in die größere Reichsstadt Kolmar ver­ zweigt. Hier und in den übrigen vorderösterreichischen Be­ sitzungen war der Name bekannt und von Bedeutung. So ward ein Peter Wickram, Rektor in Breisach, zum Nachfolger Geilers ernannt, dessen Schwestersohn er war, und stieg auf die Straßburger Münsterkanzel. Er hatte einen Weihbischof Wickram, der zeitweilig in Straßburg und Basel lebte, zum Bruder. Es gab Wickrams, die als Theologen, Pädagogen, Juristen und sonstige Beamte oder als Zunftleute in ihrer Vaterstadt Kolmar lebten und ihr dienten8. Wurde doch selbst ein Konrad Wickram des Vertrauens für würdig er­ achtet, in den Jahren 1511 bis 1542 wiederholt die Ge­ schicke Kolmars als Obristmeister zu leiten4. Es könnte einigermaßen befremden, daß der Dichter Jörg Wickram als Mitglied dieser Patrizierfamilie das unter­ geordnete Amt eines Weibel (Ratsdiener) verwaltete, wenn wir nicht durch ein Testament seines Vaters, eben des Obrist­ meisters Konrad Wickram, Aufschluß erhielten, welche Stellung Jörg seinem Geschlecht gegenüber einnahm6. In diesem Testa­ ment (1545) bedenkt der Stättmeister zwei uneheliche Söhne Hans und Georg. (Diesem letzteren wurde das väterliche Haus in der „Keßgassen* [jetzt Morelgasse Nr. 2] zuge­ sprochen, dessen Besitz Jörg Wickram 1546 ermöglichte, Kolmarer Bürger zu werden.) Das Schicksal hatte mit dem Geschenk des angesehenen Namens den Fleck der un­ ehelichen Geburt verknüpft. Ob der junge oder der alte Jörg Wickram nie darunter gelitten hat? Jedenfalls war da­ durch der psychologische Boden geschaffen, der einer fein­ fühligen Natur Nahrung zu Konflikten geben konnte, die ein produktiver Mensch als Anreiz zum Schaffen nötig hat. Das Geburtsjahr unseres Dichters entzieht sich unserer Kenntnis. Wir hören erst im Jahre 1531 von ihm, wo er

- XIX „die 10 Alter* des Pamphilus Gengenbach, von den Kolmarer Bürgern als Volksschauspiel dargestellt, überarbeitete und jedenfalls auch inszenierte. Es war Sitte in den damaligen Zeiten, daß je nach der Art der Feste, fröhliche oder ernste Volksaufführungen statt­ fanden, die ein bis drei Tage dauerten, und bei denen ein Teil der Bürger als Mitspieler beschäftigt war. Eine Eingabe um Spielerlaubnis6, die vielleicht Wickram im Namen mehrerer Bürger 1534 an den Rat machte, zeigt uns, daß er sich wohl an dem Zustandekommen solcher Festspiele in Kolmar be­ teiligte und wahrscheinlich sogar ihre Leitung in Händen hatte. Was uns an der Bittschrift auffällt, ist der mehr­ malige Hinweis, daß die Aufführung die frommen Leute „zu Bewegung guter Werke* veranlassen wird7. Wickram stand also hier — ob als Sprachrohr seiner Bürger oder aus eigener Überzeugung bleibt dahin gestellt — auf dem Boden des katholischen Glaubens. Ein Blick in die 10 Alter lehrt uns das Gleiche; auch dieses Stück atmet mit der Anerkennung der Werkgerechtigkeit katholischen Geist; und zwar im Gegen­ satz zu allen späteren Werken Wickrams8. Diese schlichten Feststellungen lassen uns eine Fülle seelischer Kämpfe und Entschliessungen in dem Leben des Künstlers ahnen. Wann und unter welchen Umständen mag der Dichter seinen Glauben gewechselt haben? Man weiß es nicht. Doch scheint diese Tatsache mit der religionspolitischen Stellung der Stadt Kolmar während der dreißiger Jahre in einem gewi sen Zusammen­ hang zu stehen9. Die Oberlandvogtei der zehn Reichsstädte ging im Jahre 1531 von dem katholischen Geschlecht der Habsburger an das kurpfälzische Haus über und Ludwig V., Pfalzgraf bei Rhein, desgleichen sein Unterlandvogt, Hans von Flecken­ stein, waren zunächst heimliche, dann öffentliche Förderer der neuen Lehre, die auch in Kolmar von dem württembergischen Horburg aus eindrang. Die Vögte kamen mit ihrer Stellung den Neigungen der damaligen Leiter der Stadt Kolmar

- XX und einer größeren Gruppe Bürger entgegen. Sowohl Konrad Wickram, wie Hieronymus Boner, die in den zwanziger bis vierziger Jahren die Ämter eines Obristmeisters, zumeist im Wechsel, bekleideten, waren dem Protestantismus nicht ab­ geneigt. Boner wurde sogar von der kaiserlichen Partei bei ihrem Herrn deshalb verdächtigt1®. Das frühere strenge Vor­ gehen der kaiserlichen Regierung gegen alle sogenannten „Sektirer* hatte besonders in einer Erwägung seine Ursache ge­ habt. Teile der städtischen Bevölkerung waren durch die Um­ deutung der Lehre von der geistigen Freiheit in die soziale bei dem Landvolk, gleichfalls aufrührerisch gemacht worden. Man fürchtete nicht mit Unrecht durch die neue Lehre ein Umsichgreifen der Unruhen der Bauern, die in der Nähe von Schlettstadt zum erstenmal einen Bundschuh als Wahrzeichen auf ihre Fahnen gemalt hatten, und deren brandschatzende Horden unser Dichter von den Türmen seiner Vaterstadt im offenen Land herumstreifen sehen konnte11. Nachdem in Kolmar die schroffe Bekämpfung des Prote­ stantismus durch Tod oder Verbannung gemildert worden war, ließ es sich wohl dort leben, wenn man sich still verhielt. Trotzdem hörten die Streitigkeiten der Parteien in der Stadt keineswegs völlig auf und Wickram mochte es schon aus diesem Grunde Tätlich erscheinen, seine Bücher in dem liberalen Straßburg bei Jakob Fröhlich drucken zu lassen und in seiner Polemik milde Seiten aufzuziehen. Immer scheint er sich dieser Polemik allerdings nicht entschlagen zu haben. In einem Urteilsbrief um die fünfziger Jahre steht geschrieben, daß „Jerg Wickram unser Wibel“ die in Zorn und Trunkenheit ausgesprochenen Scheltworte gegen den Kaplan des St. Martin-Stiftes zurückgenommen habe1Ä. Ob der gute elsässer Wein an diesem Sturzbach der Gefühle schuld war? Wahrscheinlich, da wir aus der Widmung seines Dialogs von der Trunkenheit an einen Kaisersberger Freund Matthis Buffer erfahren, daß er im Zutrinken gar­ nicht träge war.

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An der Hand dieser Widmungen führt uns Wickram verschiedentlich durch Kolmar und das oberelsässische Land zu seinen Freunden. Kaspar Handschelo der Goldschmied gehört zu ihnen und Martin Neuen, der Wirt zur Blume. Ehrerbietiger wird er im Ton, wenn er seine Gönner anredet, Antoni Kuntzen den Schultheiß von Rufach, den Kolmarer Stallmeister Rupprecht Kriegeistein oder den vornehmen Friedrich von Hattstädt. Der Dichter kennt sich im elsässichen und schwäbischen Land aus. Er taucht in Schlettstad t auf; er wandert nach Horb in den Schwarzwald, und er sieht, wie man in Breisach vier Falschspieler über die Brücke in den Rhein stürzt. Aus Breisach, an dessen naheliegenden Eckartsberg das Volk die Sage vom getreuen Eckehart knüpfte13, holte Wickram sich im Jahre 1532 den Namen zu seinem ersten selbstän­ digen Stück „der Getrew Eckart*. Das Thema war ernst, die Technik althergebracht und etwas erbaulich langweilig. Aber wenn der Warner Eckart seine Musterschau über alle Stände und Alter mit ihren Torheiten abhält, so kommt in den prahlerischen Antworten der Lasierhelden doch hier und da ein Ton, der auf den Wickram der späteren Zeit hinweist. Nachdem Wickram sich in der ernsten Dramatik die Sporen verdient hatte, sattelte er um und schwang die Narrenpeitsche. Im Jahre 1537 spielte die Kolmarer Bürger schäft sein drittes Spiel, ein lustiges, originelles Fastnachts­ stück „Das Narrengießen*. Wir sehen, Sebastian Brant machte Schule; nicht allein Murner wandelte auf seinen Pfaden, auch Wickram und noch mancher andere ließ sich von ihm be­ fruchten. Bald gab es der Narren und Narrenwerke eine bunte Fülle. Wickram selbst hat später noch einmal in dieses Gebiet gegriffen, als er 1556 die „Narrenbeschwerung* Murners umarbeitete. Er ist deshalb nicht nur als Schwank­ dichter oder als Schreiber des grobianischen Loosbuches, sondern auch als Mitgeselle eines Brant, Murner, Fischart in die Reihen der elsässischen Satiriker zu zählen.

- XXII ~ Ende der dreißiger Jahre wandte sich Wickram zugleich mit erhöhter Fruchtbarkeit einem anderen literarischen Ge­ biete zu, dem Roman. Damit ist der Künstler auf dem Schauplatz seiner eigentlichen Begabung angelangt. Seiner beschaulichen Natur fehlt die dramatische Prägnanz, die zu­ sammengeraffte Schärfe. Seine Dramatik ist eigentlich mehr dialogische Epik. Sie läßt nicht viel hinter der Bühne ge­ schehen, sondern breitet möglichst alles behaglich vor uns aus. In seinen Erzählungen war dieser Hang zum gemüt­ lichen Ausspinnen völlig am Platz. Wer einmal Ausschnitte aus seinen Romanen gelesen hat, die Familienleben, erwa­ chende Liebe zweier jungen Menschen, heimatliches Stadt­ oder Naturleben wiedergeben, der spürt, daß der Künstler hier Meister ist. Auf dem neuen Gebiet tastete sich Wickram zunächst vorsichtig voran. Er bearbeitete eine Vorlage und hielt sich in den Bahnen der überlieferten Erzählungskunst der Volks­ bücher. Er zeigt also im Roman die gleiche Entwicklung wie im Drama. Aber wenn auch sein erster Roman Galmy (1539) eine Rittergeschichte war, so sah der deutsche Bürger in Auffassung und Ausdruck doch oft zwischen den Zeilen hindurch. Manches allerdings fällt — wie wir schon oben hörten — aus dem Rahmen des echt Volkstümlichen heraus, vor allem die humanistisch aufgeputzten mythologischen Götter­ und Heldennamen. Aber es hätte auch seltsam zugehen müssen, wenn dieser hellumschauende Mann von der gelehrten Bildung seiner Zeit ganz frei geblieben wäre. Der Humanismus lag in der Luft, und Kolmar bekam die Anregungen seit vielen Jahrzehnten aus nächster Nähe von der Schlettstädter Schule. In Schlettstadt war schon im Jahre 1441 der tüchtige Pädagoge und Mensch Ludwig Dringenberg zum Rektor einer Lateinschule berufen worden, und er hatte seine Anstalt zu einer Pflanzstätte neuen wissenschaftlichen Lebens gemacht. Die meisten elsässischen Humanisten sind seine Schüler ge­ wesen, allen voran Jakob Wimpheling, abwechselnd Prediger

~ XXIII und akademischer Lehrer, Jurist und Theologe, von impulsiv­ ster Intuition, und als vielseitiger Publizist für den Ruhm seines Vaterlandes tätig. Er gründete in Schlettstadt und Straßburg humanistische Genossenschaften, in denen sowohl wissenschaftlicher Meinungsaustausch wie launiger Scherz und fröhlicher Umtrunk gepflegt wurden. Um ihn scharten sich die Humanisten dieser Landschaften, Gebwiler, Capito (1478 geb.), Putzer (1491 geb ), Beatus Rhenanus (1485 geb.) der Ruffacher Pellicanus (1478 geb.) und andere mehr. Sein bedeutendster Schüler und Freund ist Jakob Sturmek gewesen. Dieser Straßburger Stallmeister und Staatsmann, wohl der genialste Kopf, den das Elsaß jemals hervorbrachte, war wie die Sonne im damaligen politischen und geistigen Leben dieser Länder. Sollte von all diesen geistigen Kreisen, in die der Reli­ gionsstreit später seinen spaltenden Unfrieden hineinwarf, keine Anregung auf Wickram übergeflossen sein? Sicherlich doch. Trotzdem, ohne tiefere akademische oder fremdsprach­ liche Bildung, konnte Wickram in nachhaltigerer Weise nicht davon beeinflußt werden. Immerhin machte der Voranstrebende einen Versuch nach dieser Richtung. Er gab 1545 die Meta­ morphosen des Ovid in einer Übersetzung heraus, aber ... sie wimmelte von Fehlern. Seine Übersetzungsstudien haben mit diesem Ovid ihren Abschluß gefunden. Er mochte selbst einsehen, daß er nicht in den Kreis der Gelehrten paßte, daß ihm der Handwerker­ stand mit seiner Kunst näher lag. Er ging fortan in dieser Richtung weiter und wurde Meistersinger. Die Ovid-Übersetzung erregt aber unser Interesse noch nach einer anderen Seite. Die Holzschnitte, mit denen das Buch ausgestattet wurde, hatte Wickram selbst geschnitten. War Wickram vielleicht nebenbei noch eines Handwerks kundig, das ihn nach dieser Seite wies? Aktenspuren deuten auf die Schmiedezunft hin14, und seine Romanschilderungen zeigen eine genaue Kenntnis des Goldschmiedberufes. Doch

XXIV ~ mehr wissen wir nicht, und wir haben deshalb ein Recht, erstaunt zu sein, daß Wickram diese Kunst des Holzschnittes ausübte. Aber waren diese Schnitte auch wirklich Kunst? Seinem Publikum mochten sie als solche gelten, uns hin­ gegen kaum, besonders wenn wir an seine großen Landes­ genossen, Schongauer, Grünewald, Hans Baidung oder Schäuffelin denken. Mit den Holzschnitten ging es ihm eben ähnlich wie mit der Übersetzung; sie waren schlecht und dilettantisch. Trotzdem scheint sich unser Dichter noch häufiger als Maler betätigt zu haben, etwa als Kopist einer wahrschein­ lich Freiburgischen Meistersingertafel, die 1782 noch in Kolmar vorhanden war, aber seither verloren ging, und die Unterzeichnung „Jerg Wickram zu Collmar 1545* trug16; und wie käme sonst ein Kolmarer Urbar dazu, 1558 zu schreiben: „Fryderich Kriegeistein zinst jährlich 12^ F von einem hauß am keßgeßlin, als man zun barfussern gat, ist ein eckhauß, ein seit neben her Hansen Serrern, anderseit neben Jerg Wickramm dem maler16.“ In dieser Zeit, als der Dichter in der Vollkraft seines Lebens stand, wurde ihm durch die einzige größere Reise, die er unternahm, eine Fülle neuer Anregungen zuteil. Der Kolmarer Rat hatte eine der zahlreichen, von dem Obrist­ meister Hieronymus Boner verfaßten Übersetzungen in Selbst­ verlag genommen, und es mußte ihm daran liegen, eine mög­ lichst große Anzahl Bücher zu verkaufen. Der literarisch gebildete Weibel schien den Ratsherren wohl der geeignete Mann, diese buchhändlerische Mission durchzuführen und sie schickten ihn im Jahre 1542 nach Speyer und Frankfurt. Wie fröhlich mag der in kleinbürgerlichen Verhältnissen lebende Ratsdiener mit seinen Bücherschätzen den Rhein hinabgeschwommen sein bis Speyer. Hier sollte er mit Boner, den die elsässischen Städte auf den Reichstag gesandt hatten, Zusammentreffen und von ihm unterstützt und bezahlt werden47. Wie erstaunt mag der Kleinstädter Wickram das

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Gewühl der zusammengeströmten Massen gemustert haben! Von Speyer hat er wohl die lebenswahren Beobachtungen über das Treiben der Bettler auf den Reichstagen, die er in einem seiner Romane verwertete18. Von Speyer fuhr der neuerprobte Buchhändler weiter nach Frankfurt. In der Nähe der Stadt, im Frankfurter Wald, lernte er zugleich die Gefahren der Reisen bei einem Überfall durch Schnapphähne am eigenen Leib kennen und konnte auch diese Ereignisse später literarisch ausbeuten18. Nach Hause zurückgekehrt, scheint unser Dichter aller­ dings zunächst in seiner Gestaltungskraft nachgelassen zu haben. Vielleicht sind auch einige Werke dieser Periode von ihm verloren gegangen oder irren ohne seinen Verfasser­ namen umher. Wahrscheinlicher ist es aber, daß ihn seine Tätigkeit als Meistersinger ganz in Anspruch nahm, zumal er auch hier eine leitende Stellung hatte. Das Organisationstalent und der literarische Ruf dieses geisteswachen »Burgers und Tichters* muß nicht nur von den Ratsherren, sondern auch von seinen handwerklichen Mitbürgern hoch bewertet worden sein, sodaß er während der vierziger Jahre mit gutem Erfolg an die Gründung einer Meistersingerschule gehen durfte. Wer könnte sich Wickram, den Verfasser des Knabenspiegel, des Goldfaden und der Guten und bösen Nachbarn in diesem Kreis nicht denken? Hier hatte seine deutsche Rührigkeit Spielraum, um sich auszuleben. Die religiösgemischte Ge­ sellschaft der Schulmitglieder förderte seine Toleranz. Keimhaft in ihm vorhandene Anlagen, wie sein gutmütiger Spott, seine fromme Lehrhaftigkeit, das Wichtignehmen von Kleinigkeiten, manche künstlerische Unart, die zugleich seine kultur-historische Originalität ausmacht, entwickelten sich hier. Zwei in der Münchner Königlichen Bibliothek befind­ liche Handschriften der Kolmarer Meistersinger und eine Ta­ bulatur geben uns durch eigenhändige Einschriften Wickrams Nachricht von diesem Wirken10. »Anno domini 1546 uff helgenn Apostels Sant Thomas

- XXVI Tag hab ich, Jerg Wickram, diß büch zu Schlettstatt gekouft... Hab demnoch uff volgendenn weihnachttag sampt einer geselschaft die erst schul gehaltn und mit Gottes Hilf loblichenn volnbrocht*; . . . „Und gehört diss Büch Der gemeinen singschül zü Colmar, ward angefangen zü schriben Durch Jergen Wickramenn Tichter . . . Anno Salutis 1549 tertio Augusti." „. . . hab esz also gar auszgeschribenn und vollendet by lauter nacht und ann feürtagenn uff den 29. Augusti." „Anno domini 1549 jor ward disz gemerkbüch geschribenn durch Jorgenn Wickrammen zü Colmar . . ." Doch auch ohne diese handschriftlichen Beweise wüßten wir, daß Jörg Wickram ein Meistersinger gewesen ist, aus den Liedern seiner beiden Romane „der Goldfaden" und „der Knabenspiegel". Fast mutet es rührend an, wenn Wickram von den volkstümlichen „reutterliedlin“ Leufrieds spricht und seinen Helden dann ein etwas geschraubtes Meisterlied anstimmen läßt, oder wenn der bettelnde Sackpfeifer Willbald im Knabenspiegel, der als Vagant gar keine Ahnung vom Meistergesang hat, zum Dudelsack seine künstlich gebauten Verse absingt. Hierin ist Wickram überhaupt von köstlicher Offenheit. Seine Umwelt färbt stets auf seine Werke ab und erlaubt uns manchen psychologischen Schluß auf sein Leben. Sein Glaubenswechsel wird dadurch bekannt, seine mangelnde akademische Bildung, sein Meistersingertum und die in diesen Kreisen herrschende fromme Erbaulichkeit und Erziehungs­ sucht, die hausväterliche Bevorzugung des Familienlebens, seine Becherfreuden und die Reisen und Krankheiten seines Lebens. Aber gerade alles dieses zeigt uns den Mann so menschlich und so liebenswert. Bereichert durch die Anregungen, die ihm sein Wirkungs­ kreis als Leiter der Singschule und als Dichter schuf, hat Jörg Wickram in den fünfziger Jahren wieder begonnen, neben seinem beliebtesten Volksschauspiel, dem „Tobias*, eine Reihe von Romanen zu schreiben. Reizte es den Dichter,

XXVII ~ in dem schon 1539 erschienenen Ritter Galmy das Thema der unglücklich geliebten, unschuldig verfolgten und zuletzt glücklich mit ihrem Liebhaber vereinten herzoglichen Frau zu gestalten, so brachte der Gabriotto 1551 gar zwei ritterliche Paare, die höchst kläglich an ihrer Liebe zugrunde gingen. Das Thema der Standesunterschiede trat auch hier wieder auf. Die Mißstellung seines Namens und seiner Geburt, die vielleicht die Anschauungen seines ganzen Lebens bestimmte, mag für die Bevorzugung derartiger Motive von Einfluß ge­ wesen sein. Allerdings sah er in den Volksbüchern und Renaissancenovellen, deren Kenntnis sich aus seinen Werken nachweisen läßt, dieses Thema ebenfalls häufig vorgebildet. Er ist also im Gabriotto noch teilweise Mosaikarbeiter nach fremden Mustern. Als 1554 der Goldfaden von ihm niedergeschrieben wurde, und gleich danach 1554 der Knabenspiegel erschien, sehen wir zu unserm Erstaunen, daß der Dichter literarisch eine Wandlung seines Vorstellungsapparates vorgenommen hat. Das ist nicht mehr Wickram der romantische Fabulist lebensunmöglicher Rittererlebnisse, das ist Wickram der Re­ alist und Impressionist, der Bildner der Wirklichkeit, der im Knabenspiegel zum Schöpfer einer volkstümlichen Sprache heranreift, wie sie Geiler und sein Kreis liebten. Das ist der deutsche Bürger, dem der Meistergesang das dichterische Selbstbewußtsein stärkte; das ist Wickram, der Vater des bürgerlichen Romans. Wie kam er dazu? Zwei seiner Ahnen waren Schul­ rektoren gewesen, warum sollte er nicht auch didaktische Talente entfalten? Viele seiner tüchtigsten Landsleute hatten ohne ein Blatt vor dem Mund die Stimme erhoben zur Er­ ziehung und Besserung des Volkes. Warum sollte er nicht ein Gleiches tun? Die Vorkämpfer der protestantischen Ge­ sinnung hatten immer wieder auf die Wichtigkeit der Jugend­ belehrung, der Jugendzucht hingewiesen. Warum sollte er nicht auch sein Scherflein beitragen? War er nicht ein hell-

- XXVIII sichtiger Alemanne, ein frommer Meistersinger, ein Stück Volk? Wie wahrhaft er Realist und Volk war, setzte er ja seinem Freund in dem Dialog vom ungeratenen Sohn aus­ einander. Aber wenn er zur Jugend, wenn er zum Volk sprechen wollte, so tat er es am eindringlichsten, wenn er Gestalten aus ihrer Mitte nahm, Worte und Sätze ihrer täg­ lichen Sprache bildete, wenn er Geist von ihrem Geist und Fleisch von ihrem Fleisch schuf. Nun geriet es ihm zum Segen, daß er keine gelehrte Bildung hatte wie die Schüler Dringenbergs, daß sein Ovid von Übersetzungsfehlern strotzte. Nun ward es sein Heil, daß er Volk war, mitschwamm in der tiefen Flut und nicht vorauseilend auf der Wellenhöhe im welschen geistigen Formen­ zauber schillerte. So wurde Wickram aus der Sehnsucht, pädagogisch-lite­ rarisch zu wirken, den jungen Knaben einen Spiegel ihres Treibens, dem Volk ein Abbild seines Familienlebens vorzu­ halten, im „Knabenspiegel• und in „Guten und bösen Nach­ barn“ der Vater des Bürgerromans. Man wundert sich, daß keiner vor ihm die Blicke auf­ tat und sein Umleben künstlerisch gestaltete. Doch ist es etwa leicht, die Augen aufzuheben, wenn die Überlieferung sie verbunden hat? Aber man ist eigentlich noch erstaunter, daß ihm keiner nachstrebte, keiner, kein einziger. Er ist wie eine einsame Klippe, dieser deutsch-elsässische Bürger Wickram, denn noch predigte seine neue Kunst unreifen tauben Ohren. Das Volk, statt seine kräftigen Selbstschilde­ rungen begeistert zu begrüßen, fühlte sich durch die Kost phantastischer Rittermären in freundlichere, idealere Illu­ sionen verstrickt und über sich selbst gehoben. Es verlangte immer wieder den Druck der ritterlichen Bücher Galmy und Gabriotto. Dem Adel hatten unterdessen, mit der Beihilfe eines Fischart als Übersetzer, die Schäfer- und Ritteraben­ teuer der welschen Amadisbücher eine absolutistisch-barocke Literaturmode eingeimpft, und von England, vom Ausland,

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mußte im 18. Jahrhundert dem bürgerlich-deutschen Roman der Weckruf von neuem erschallen. Mit dem Knabenspiegel steht Wickram auf der Höhe seines Schaffens. Reich an Erfahrungen, aber noch nicht durch sie gealtert, lebt er mit seinem Weib Anna als Bürger, Schriftsteller, Maler und Ratsdiener in Kolmar. Nicht in den ersten Kreisen der Stadt ist er heimisch, wohin ihn seine väterliche Abstammung wies, nicht genannt von den Humanisten seiner engeren Heimat, wie Boner oder sein ge­ lehrter Vetter Gregorius Wickram, der einen Obsoepus ver­ deutschte, nicht öffentlich vortretend in den politischen und religiösen Kämpfen, die uns den Namen eines Butzer, Boner und des großen Jakob Sturm von Sturmek wachrufen, aber von den Handwerkern und schlichten Bürgern seiner Stadt, den Gesinnungen seiner Romane nach zu urteilen, sicher gekannt, geachtet, geliebt. Die Betätigung dieser mensch­ lichen Gesinnung in seinem Leben wird uns durch alte Ge­ richtsakten aufs schönste bestätigt11, und es wäre schade, wenn der Leser dieses Licht der Menschlichkeit auf dem Bild des Mannes nicht aufschimmern sähe: Als Jörg Wickram eines Tages am Richtplatz vor der Stadt stand, wo ein Jude zwischen zwei Hunden auf das Rad geflochten worden war und von mitleidigen Menschen getränkt wurde, kam ein an­ getrunkener Bürger auf seinem Wagen vom Markt zu Ammerschweyer zurück, hielt an und verhöhnte den Weinenden. Da nahm Jörg Wickram das Wort, tadelte den Angetrunkenen und erwiderte auf seine Gegenrede: »Dieser Jude mag zu der Zeit ein ebenso frommer und guter Christ sein, als irgend einer unter uns.*1 Was Wickram hier aussprach, das strömte auch aus seinen Büchern. Er legte den ganzen Menschen in sie hin­ ein und war von der Ethik seiner Aufgabe voll durchdrungen. Der lautere Ernst seiner Persönlichkeit, seine manchmal stammelnde Naivität, der goldene Humor für die Kleinig­ keiten und Innigkeiten eines häuslichen Kreises, stellen ihn

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an die Seite der älteren Madonnenmaler, deren Ungelenkheit in Zeichnung und Komposition ihren guten Willen und die Tiefe ihrer Gesinnung um so andächtiger und rührender auf­ leuchten lassen. Seine Dichtungen waren vielfach verbreitet, namentlich Galmy, Gabriotto und der Goldfaden. Der Meistergesang seines Bauernknaben Leufried, der sich seiner geliebten Grafentochter zur Treue ihren Goldfaden in die Brust ein­ nähte, flog als Lied vom Goldfaden in Einzeldrucken durchs Land. Wie viele Motive er seiner Umwelt entnahm, ist nicht bekannt. Aber wenn wir von einer Komturei des Johan­ niter-Ordens mit Ordensrittern, Rossen, Viehherden und zahl­ reichem Gesinde in Kolmar hören ”, oder wenn im Jahre 1541 von dem Wüten der Pest in der Stadt berichtet wird”, so liegt die Vermutung nahe, daß dem Dichter diese Ver­ hältnisse vor Augen schweben, wenn er den Knabenspiegel teilweise in Kreisen eines Ritterordens spielen läßt oder wenn im Anfang der Guten und bösen Nachbarn, von den zehn Kindern des Robertos plötzlich neun rasch hintereinander wegsterben. Wohin ihn manchmal sein Abendtrunk führen mochte, zeigt uns vielleicht die Widmung des „Rollwagenbüchleins*, das er seinem Freund Martin Neuen, dem Wirt der „Blume* in Kolmar zueignete. Dieses 1555 erschienene Büchlein, an dessen Entstehen die Abendrunde in der „Blume* wohl nicht unbeteiligt war, konnte Wickram seinem Freunde nicht mehr selbst überreichen. Es war Ende 1554 oder Anfang 1555 von Kolmar fortgezogen und hatte in einer kleineren Stadt des vorderösterreichischen Gebietes, in Burkheim am Rhein, die sozial höhere Stellung eines Stadtschreibers angenommen. Von dem Städtchen, das am Abhang einer Anhöhe lag, sah er nun den Rhein vor sich, und waltete in dem Renaissancebau des Rathauses seines Amtes”. Wickram tritt mit dieser Übersiedlung nicht nur aus dem

XXXI heimischen Kreis seiner Kolmarer Freunde heraus, er ent­ schwindet auch mehr und mehr unseren suchenden Blicken. Seine Sonne geht unter. Als er im winterlichen Anfang des gleichen Jahres seine „Siben Hauptlaster“ abschloß, da hatte er schon geklagt: „Das spatzieren, was mir gewoert. So was mein meistergsang zerstoert“.

Ja, das Alter kam und mit ihm die Kränklichkeit. 1556 läßt er seinen letzten Roman „Von guten und bösen Nach­ barn“ ausgehen, der an kulturhistorischen Bildern viel Schönes, Wertvolles aufweist, aber künstlerisch sachte die Spuren des Alterns durchschimmern läßt. Ist es da ein Wunder, daß die Verse in seinem letzten Büchlein: „der irr reitend bilger* anfangen, stark zu holpern und daß ihm der Tod vorpredigt: „Wann fraw stund bringt das Stündlein dein, So müst auch an den reyen mein".

Und dann . . . dann kam das Stündlein. Dann erzählt uns 1562 das Vorwort seines neuaufgelegten „Tobias“, daß Jörg Wickram von Kolmar kein Lebender mehr ist. Ob dieser deutsche Bürger die Freuden eines harmo­ nischen Lebensabends mit Kindern und Kindeskindern er­ lebte? Ob seine Enkel nicht nötig hatten, zu klagen, wie jener Kleine im „Tobias“: „O, licbs drauts güldins müterlin, Soll mein grosz vatter nimmer leben, Wer will mir dann mehr weisz brodt geben?“ —-------

Vielleicht nicht,----------- aber wer weiß es? Berlin, im Mai 1916.

Dr. Gertrud Fauth.

Anmerkungen. 1 Wilhelm Grimm, Kleine Schriften Bd. I, 1881, 8. 261—265. 8 Richard Benz, Die Deutschen Volksbücher, Jena 1915, S. 18. • August Stöber, Jörg Wickram, Mühlhausen 1866, S. 3 ff. 4 Eugen Waldner, Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins, N. F. VII, S. 321. 1 Ebenda 8.322. • Ebenda S. 326. 1 Ebenda S. 327. I Erich Schmidt, Allg. deutsche Biographie, Bd. 42. • Heinrich Rocholl, Die Einführung der Reformation in Colmar, Colmar 1876, 8. 22 ff. " Ebenda 8. 23. — Heinrich Rocholl, Anfänge der Reformation in Colmar, Colmar 1875, 8. 66. II Ebenda 8. 44. " Waldner, Zeitschrift 8. 323. " Stöber, Jörg Wickram 8. 17; desgl. Grimm, Deutsche Mytho­ logie 8.887. (Fischart, Ritter von Stauffenberg 1588, bl. B2a: „Oder wollen wir wecken auff im Venusberg den schl&ffrigen haus, den Tan­ häuser, . . . samt ihres treuen Eckarts zwerg, der sie bei Brisach führt im Berg?*) " Waldner, Zeitschrift 8.325. 14 Georg Wickram, Werke, Krit. Ausgabe von Bolte; Vorwort II. 8.44 ff. 18 Eugen Waldner, Jahrbuch für Geschichte Elsaß-Lothringens 1895, 8. 6. " Waldner, Zeitschrift, 8. 324. 18 Georg Wickram, Werke, Krit. Ausgabe von Bolte; Roman von Guten und bösen Nachbarn II, 8. 149. 18 Ebenda, Roman vom Goldfaden II, 8. 319. 10 Ebenda, Vorwort II, 8. 39 ff. 11 Waldner, Zeitschrift 8.325. 18 Heinrich Rocholl, Einführung der Reformation in Colmar, 8. 25 ff. 81 Ebenda 8.85 ff. 14 Wilhelm Scherer, Die Anfänge des deutschen Prosaromans 8.36.

Literatur. Lorenz, 0. und Scherer, W.: Geschichte des Elsaß, 3. Auflage, Berlin 1886. Roehrich, F. W.: Geschichte der Reformation im Elsaß, 4 Bände, Straßburg 1830-1832. Roch oll, Heinrich: Die Einführung der Reformation in Colmar, Colmar 1876. — —: Die Anfänge der Reformation in Colmar, Colmar 1875. Benz, Richard: Die deutschen Volksbücher, Jena 1915. Schmidt, Erich: Beiträge zur Geschichte der deutschen Literatur im Elsaß, in: Archiv für Lit.-Geschichte Band 8, Leipzig 1879. Wickram, Georg: Werke, herausgegeben von J. Bolte und W. Scheel; Bibliothek des Stuttgarter Lit. Vereins Nr. 222, 223, 225, 226, 229, 230, 232, 236, 237, 241, Tübingen 1901 ff. Stöber, August: Jörg Wickram und dessen vorzüglichste Schriften, Mühlhausen 1866. Scherer, Wilhelm: Die Anfänge des deutschen Prosaromans und J. Wickram von Colmar, in: Quellen und Forschungen XXI, Straßburg 1877. Schmidt, Erich: Jörg Wikram, in: Allgemeine deutsche Biographie Band 42. Waldner, Eugen: Zur Biographie Jörg Wickrams von Colmar, in: Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins, N. F. VII, Freiburg 1892. — —: Jörg Wickram, in: Jahrbuch für Geschichte Elsaß-Lothringens, XI, Straßburg 1895. Tiedge, Hermann: Jörg Wickram und die Volksbücher, Diss. Han­ nover 1904. Fauth, Gertrud: Jörg Wickrams Romane, Straßburg 1916.

3örg Wickrams Knabenspiegel.

C

Der Zungen Knaben Spiegel

€in schön Kurfzwi/Iigs Büchlein Von zweyen Sangen Knaben / Einer eines Ritters / Der ander eines bauwren Son / wört In disen beiden fürgeblldt / was grossen nutz das studieren gehorsamkeif gegen Paffer vnd Müfer / schul und lermelsfern bringet / ßergegen auch was grosser geferligkeit auh dem wlderspyl erwachsen / die Äugens darin zu lernen / vnd zu einer Warnung lürzüspieglen. llewlidi in Druck verfertiget durch Äörg Wlcfcram.

3m 3ar I M. D. L11II.

Dem ffirsldiflgen und weisen Herren flnfonl Künfzen, dlser reit sckultelh zu Rufocfi, embeuf Jörg Wlcfcram sein underdlenstbaren grüh zuvor. habend sich, günstiger weiser herr, die alten fast in Iren gedickten beflissen, das dleselbigen nlt so gar on nutz und Fruchtbarkeit der Jugend fürzüspleglen gewesen, sunder die Jugend sunderlidi von üblem und lasser abzogen, darneben auch oilmalen zu der fordit unnd scharn bewegt und getrlben, welche stück warlldi nlt die gering­ sten tagenden an einem jungen mögen geacht werden. Dann auh fordit und scharn erwachset alle lugend in einem Jungen; wo aber dlse zwey liecht erloschen, do blibt wenig güter Sitten in alten und jungen, und ist auch nichts auff der gantzen weit, so die zart Jugend mehr von böhen Sitten abzieht, dann eben das, so ein Junger des anderen gefährliche» erwogen und er­ messen thut, nlmpt im darbey ab, was auh loser, höher geselsdiafft entspringet. Berwlder ist auch den Jungen angeboren von natur, wo anderst ein recht fundament ist, das sie gern, so sie recht un wol geschieht handlen, gelobt selnd; sie nemen auch fleihlg war, so man andre Jungen ir wolthat halben lobet, befleißen sich demnach des güten desto mehr. Man find aber leyder vil, so weder umb beyspil, loben noch schelten gar nichts geben, sunder auff ihrem gütdunckel also hlnauhfaren, geben weder umb votier, müter, leer und Schulmeister gar nicht; und so die Jetzund votier und müter die grast und höchst freud sein sollen, geboren sie In das allerjSmmerllchstes klagen und trauren. Derselbigen hab ick dreyerley arten beschrlben: erstlich die, so güter Sitten und geberden selnd, sich selb zü den lügenden und von den lasfren abziehen. Zürn andren selnd etiieh Jungen, die das mittel halfen; so sie ir beiwonung bey stummen gehorsamen binden haben, geratend sie fast wol; wo man sie aber under böhen mütwllligen Rinden Ir

4 geselsckallt Iaht haben, werden sie beiwylen In grosse geferliebelt verlört. Zürn dritten fyndf man soldi böhe martlallsdie und saturnlsdie köpft, so am andren jungen nlt sehen mögen, das sie Iren älter gehorsammen, weisen sie auf! alle büberey, sdiand und lasser, damit dann manig frumb kind durch hohe gesellsdiaift verlört wirt. Was aber deren jedem auf} seinem flelh erfolget, wirt hie als In einem spiegel fürgemalet und der weychen fügend nützlich darin zu lesen, damit sich die ehr­ lichen gemuter unnd herrlichen Ingenia nlt durch böfje geselschafft verlören lassen. Dieweil ir nun, weiser herr, von goit dem allmechtlgen auch mit lieben und wolerzognen binden begabt seind, hab ich euch dih mein schledits böchleln, so dann auch nur für die jungen hlnder gemacht, zuschreiben wollen, damit die fugend, als euwer liebe bind, sich selb vor arger und höher gselschafft hüten mög, den fugenden mehr dann den lästern nachgedeneben. Dann ich mich je umb vllfalilge guthat, so mir von eüwer weihheit Widerlaren, nit anders ban oder weih zö ver­ dienen dann eben mit dem, so ich mit meinem verstand, der sehr gering ist, mag auhrickten. Sott woll, mir grössers möglich wer, weit ich mich In allem güten und früntlldien willen erzeygen. Wünsch euch hiemit vil glückseliger neüwer Vor.

Datum Colmar den XXVI. hornungs anno 1554.

3üngling, will du gen Hntorif kuren, kilh midi, ho magstu dich bewaren Vor bilsdiallt, sdilam und bisem spyl, Die all drey bringen ediadens oll.

Wie der ritter Sottlleb mit seinem gebätt sampl seinem welb golf klslhlgllcken umb ein leiblichen erben bitten thünf, und wie In goss einen erben bescheret.

ist gewesen vor langen jaren ein krummer alter ritter an dem Kokk zu Preüssen, welcher seine tag in männlichen und ritterlichen thaten hinbracht blh aukk künkktzig jar, so das er keinem ehlichen welb vermehelt ward. Miller zeit lügt sich, das ein richer edelmann an des hochmeisters hoff mit tod abging, welcher des hoch* Meisters sehende gewesen was; an desselbigen statt kam der obgenant ritter, genannt Gottlieb. Zu einer zeit begab sich, das er seines amptes pflegen thet, seinem herren in köstlichen guldinen geschirren den wein dar­ trüg. Der hochmeister, welcher gar ein betagter alter mann was, als er den ritter ersehen unnd seiner langen gefrüwen dienst bedenefcen thet, gedacht er in im selb: 'Diser dein getrslwer diener vor lang umb seine geheissen Dienst bas ver­ dient gewesen wer, aber auh meinem grossen unkleih nlt be­ dacht worden ist; nun hat sich das glück jetz gleich gegen im erblicket, wo im anderst ein semllchs gesellig sein wil.*

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Mit disen gedancken den rlffer ernstlich mit unabgewendeten äugen ansack. Davon im der ritter Gottlieb nit wenig schrecken nam, jedoch mit unbeweglichen äugen seinen herren ansack; dann er sich aller straff unschuldig wuht. Sein herr fleug In an gütlich anzusprechen also sagende: 'Gottlieb, edler und gestrenger ritter, deine langen und gefreuwen dienst seind mir unvergessen. Darumb, so du will, magst du ein zlmlldie bitt an mich wenden. Was mir dann müglich ist mit land und teufen, hab und güt, solle dir nit ver­ sagt sein, damit du auch einmal diner diensfen entladen werdist. Zu dem Ist dir unverborgen der todt meines lieben dienere, welcher das sdiencfcenampt vor dir getragen, der dann ein schön Jung züchtig edel weif» verlassen hat mit übergrossem reichtumb und on alle Kinder. Wo dir nu anmutig wer, die zu der heu­ tigen ehe zu haben, woll ich die sack dahin trlben und for­ deren, das sie dick für Iren herren und gemahel nemmen soll; darzü woll ich dick reichlich begaben und autzsteüren. Darauff magsfu mir wol dein güten willen zü Version geben.' — Gotlleb, wlewol ein mechtiger strenger ritter, so was er doch an güt nit so gar überflüssig reich; derhalben nam er Im einen kurfzen bedandt und sagt: 'Hllergenädigster fürst und herr, die sack ist nit güt abzüsdilagen; dann die frauw ist schon, jung und frumb. Darumb blt ich auff das demütigist, so müglich, euwer fürstlich gnad wolle die sack zü dem zeitlldiesten forderen; will ich mich dannocht zü aller zeit in eüwer fürstlichen gnaden diensfen, auff das undertenlgsf und ge­ horsam finden lassen.* Hlsbald nun das mal vollendet was und die taklet hingenummen, lieh der hochmeister die frawen für in beruften, Iren alle sack erzelende des rlfters halb. Die fraw züstund sich mit aller zuckt und scharn in des hochmeistere schütz und schirm ergeben fhet und Imme irenthalben zü handlen allen vollen gewalf Übergabe. Zühand ward der tag ange­ setzt, und Kurtz darnach beschatte der hantsdilag; dann was gern gabt, bedarf! nit vil treibens. Wie aber und mit was kost-

sichelt und freud die hochzelt vollbracht ward, wollend wir von kurtze wegen underlassen, damit wir bald zu der materi greifen, davon dann dih gantz büchleln sagen würdf. Diser Ritter Gottlieb und sein gemahel also trünflldi und fridsam und in grossen freüden mit einander lebten; allein was lr grosse kummernih, das sie keinen erben von gotf beklimmen möchten, dann sie nun in das drlf jar bey einander gewont hatten. Gottlieb der rifter belieb an seinem ampt, pflog des mit grossem ernst und kleih, hielte sich mit Jedermann tugendt« sam und früntlidi, so das in meniglidi liebgewan. Der hoch­ meister in Preussen versähe in auch mit güten leben, so das er einen herrlichen und ritterlichen stat küren möcht, nam fast zü an zeitlichen ehren und güt; allein bekümmert in, wie obgemelf, das im gott kein frucht bescheren woll. Darumb er dann mit grosser andacht gott den almechtlgen täglichen hatt, dem gelich tfiett auch sein liebste gemahel. Sie aber baten allein gott den herrpn umb die frucht, wenig bedencken, das ihn auch die gnad von gott verleihen wird, damit die frucht, so in von gott bescheret, in seinem göttlichen willen und wolgefallen aufferzogen wirde, welchs dann die notwendigist bitt gewesen sein sott. Wie aber sie gott irer bitt erhöret und gewert hat, wie auch das bind, so in gott bescheret, aufferzogen, werdend Ihr hernach hören.

Wie eines armen bauren welb eines schönen sons genah, und Gottlieb das Kind auh der tauff hüb, auch von seines gemahels und seiner getobt. Der edel und theür rltter Gottlieb hat In seinem sehen­ land einen armen baursmann, krumm und gerecht, aber eines gar ruhen und groben Verstands. Den hat gott versehen mit einer tugentsamen hauhkrauwen, welche ihm gar vil schöner klnder gebar, die er dann in grosser armüf, aber doch in der fordit gottes aufferziehen thet. Der rifter und sein gemahel grob mltlyden mit ihnen, dem bauren und seinem weib, hatten.

- 8 im tägliche hanfreydiung theilen, seine kinder mit spelh und. kleideten versahen, und wo sie mochten zustatten Kummen. Der baur was genant Rudolfs und sein gemahel Patrix. Run begab es sich, das die güt Patrix aber eines Kindes schwanger gieng. Sobald und sich nun die zeit irer gebürt nehet, nam des ritters weib mit namen Concordia die Patrix zu ir in ir behausung und befalh, man soll ir wol und ehrlich pflegen, glich als wann sie es selb were. Dann sie sprach: 'Dlewyl midi gott nit erhören wll von meiner sünd wegen, so

soll mir diese frauw einen tröst geboren, damit ich mein zeit­ lich freüd haben mag. Cs sey gleich ein son oder ein tochter, soll es In aller gestalt als mein eigen Kind aufferzogen werden.' Dih stund nit seer lang, die güt Patrix gewan grossen weh­ tagen (dann die zeit irer geberung sich nehet) und gebar einen gar schönen Knaben, so das meniglich sagt, er solle eines Königes son billichen erkant werden seiner schöne und tugent halb. Von disem schönen Kind name ir Concordia ein gar grosse freüd und frolocket nit anderst, dann wann das ir eigen fleisch und blut gewesen were. Bedoch zü allen zelten ward sie auch hertzlidi bekümmert und gedacht: 'fleh almechtlger himmlischer vatter, wie unerforschlich sind deine gerlcht, wie

- 9 unaufosprechlich deine mitten gaben! Mir hast du versahen groh güt und zeitliche narung unnd mich aber dlser freuden be­ raubet. unnd dlse an zeitlichen gitteren arme krau» begabst du mit so manigfalfigen freuden, gibst ihr sün und sachteren, in deren angesicht sie sich mit grossen freuden ersehen mag/ Mit solchen gedandcen die edel Concordia Ire zeit ver­ dreh»; das Kind aber ward köstlichen unnd zertlichen Ingebischtet unnd zu der tauff getragen. Gottlieb der ritter ward selbs götti oder pfetter. Und als er jetzund das zart und schon Kind also nacket und blofo auff seinen armen trug, erwäg er gar schwerlich, das er von gott nit möcht erhört werden, und mit bekumberten hertzen sagt er: 'O mein gott und mein herr, dieweil mir dih Kind als einem geistlichen votier bevolhen ist, so will ich auch sein zeitlicher votier sein, es versorgen und erziehen, als wann das mein eigen blut und fleisch were. Und ob du mich schon mitler weil mit einem oder mereren ktnden begabtes!, will ich dannochf dlser meiner gelübdt nimmermer vergessen/ Do nu das Kind gefäufft ward und man das wider zu haus} brockt, empfienge das Concordia von den frawen, so das trügen, und brockt das zu seiner natürlichen müfer, sagt also: 'Patrlx, mein liebste fründln, nim hin von mir dlsen schönen und adelichen Knaben, welcher dir von got beschert ist und dein eigen leiblich Kind! Denseibigen befilhe ich dir nun zümol als Minen son, das du ihm an keinem ding sott mangel lassen; und so dir etwas manglen werd, sott du mir das züstund öffnen; bald soll dir semiicher mangel gewendt werden. Deines mannes und anderer deiner Kind sott du dir Kein unmüt tragen; dann inen soll guter raht beschehen/ Wer ward jemals frölicher dann die frumb und einfaltig Patrlx, welche vormalen Ire Kindbetten in armen strowlnnem hüfleln hat aufobringen müssen, sich mit milch sdiwartzem rauhen brot und grober speis beholffen, in rauschendem sfro die nacht mit unrüwlgem schlaff verzeren! Die aber lag jetz in fürst­ lichem bett, ward mit güten pflegerin und vorgengerin ver-

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sehen; man speiset sie mit berücken kostbarlidien spgsen, ir dranck was bei dem köstlichsten. Solche güte Wartung was der guten frauwen ungewon, nams also mit grossem dank an und ward in kurtzer zeit gar schon und frech, vorbey ward auch ihres gemahels Rudolfen nit vergessen, darzu Irer an­ deren kinder. Der ritter Gottlieb hat ein pfleg oder uogfey in seinem land, welche Jerllch ein schönes tnkummens hat; auff dieselbig salzte er den güten und einfältigen Rudolfen, der ime auch sein körn und frucht getrüwllchen Inziehen ward. Das Iah ich stakn und kumm wider an des rlfters weib, welche grosse freüd mit dem jungen kind haben thet, jedoch von Irem emsigen gebet nit ablieh, sonder got täglichen bitten thet; der sie dann zuletzt geweref, und ward sich In kurtzen befinden eines kindes schwanger gähn. Do ward grosse freüd bey ihr und Irem gemahel gesehen, auch von allen denen, so umb und bei In woneten. Jedoch gewann sie Iren angenommenen son je (enger je lieber; dann sie meynes, alles glück käme von im; wie dann auch ist. Wer armen teilten guts beweiset, denselbigen tonet got gewlhllck hie im zeitlichen und dort ewig. Patrix, die gut fraw, hat seer grosse freüd an Irem son Fridbredit; und als der eben eines jars alt was, gnah Concordia auch eines jungen sons. Was aber für freüden und kostlldielt bey diser kindertauff und dem geburtstag fürgangen, Ist nit von nöten zu melden, dieweil bey unseren zelten von schlechten und gemeynen bür­ geren vil gepreng und köstlichen fürgeht; dann die tauf (decken und andere Meldung sampt den kintsbettstatten auff das köst­ liches! müssen zfigeridit sein. Das Iah ich einen jeden selb ermessen. Wie auch die kinder in Iren kintlichen jaren auls­ erzogen worden seind, wil ick von kurfze wegen underlassen und anheben zu beschriben von dem an, da der ein knab sechs, der ander siben jar alt worden ist, wie und in was lugenden, künsfen und anderen männlichen thaten der ein durch güte gefllhne Iernung und underwisung zügenummen, und der ander aber von wegen zerfllcher, welcher und unstraffbarer uffer-

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Ziehung, dergleidi von halstarrlger böser geselsckaktt under* weisen, gar eines unkundigen, groben und unartigen Verstands worden, so das menlddldi den edlen kür einen bawren und des bawren son für edel schätzten.

Wie die beiden JQngeling zu schulen gethan wurden, und wie Frldbert, des bawren son, den Wilbaldum weit an der Iernung übertreffen ward. Als nun die Kinder In groh lieb von dem ritter und seinem gemahel aufferzogen wurden, gantz suber und zertlldi mit gleicher Kleidung und anderem versehen, Fridbert, der Jüng­

ling was Jetzund siben Jar alt und Wilbald, des ritters son, sechsjärig, also das Gottfriden dem ritter gefallen thet, die Kinder zu der schulen und andren freyen Künsten zu ziehen. Des er dann fründtllch mit seinem weib sich underredt, wurden also glych mit einander beschliessen, Im also nachzukommen. Der ritter sack ihm umb einen krummen züchtigen Knaben, welcher sie zu schulen kürte und fleißige sorg und achtung auff die beiden jungen heft. Denseibigen Iren pedagogen versolt der ritter erlichen und wol; mit Meldung, büdiern und

12 allem.dem, so im von nölen was, ward er auff das rüchllchst versehen. Der güt jung underzog sich der Kinder mit ganzem kleih, damit die Kinder früntlich und nit mit bolderisdier weih zu der lernung gezogen wurden. Dih verfleug auch an den beiden binden seer wol. Dann sie in Kurzer zeit dohln gericht wur­ den, so, was in kürkam, sie lesen und schriben banden, und insonders Frldbert, welcher sich dermassen mit so gar grossem kleih auff die lernung begab, das sich sein schul- und zucht­ meister des nit genug verwunderen mochten. Darumb sich dann sein zuchtmeister anam, in etwas darvon abzuziehen, damit der jung nit blöd wird. Beyweilen so kurt er die beiden jungen in die lustigen grünen wisen, ein andre zelt in die schönen gepflanfzfen gärten, etwann in die grünen wäld, da­ mit sie ir gemslt durch der vogel singen erlustigten. Dann Ihm was unverborgen, das zu vil emsiges anhalfen zu der lernung nicht anders gebürt dann melancolla und andere schwere zuteil, sonderlich bey den subtilen Ingenia. Wann sichs dann begab, das Wilbaldus und Frldbert sampt Irem zuchtmeister spatziereten und mit inen andre junge Knaben ires alters, so was alweg Frldbert der freslntllchest, züchtigest und ernsthafftigesf. 6r underzog sich nit vil kindischer suchen, als mit den Klah, Klucker oder anderen zu spylen, sonder sucht er seinen tust in den schönen natürlichen gewechselt als blumen und anderen zierlichen breüteren; deren gestalt und Schönheit er alweg mit ganfzem kleih beschawen und befrachten thef, seinen zuchtmeister, so weit sein kindischer verstand grieffen möcht, von disen und anderen natürlichen dingen fraget, auch ein jedes mit seinem eygen nammen nach klinischer sprach begert zu erlernen, mit rechtem nammen zu nennen. So­ bald im dann sollichs von seinem meyster gesagt, bald was er gerüsf mit einer schreibfaffel, verzeydmet ein jedes ganz fleissig uff. Wilbaldus aber, sein vermeinter bräder, treib gleich das wlderspyl, suchet sein geselschafft; die mit Im unzüchtlglichen

13 hin und har umbsdiwirmefen, jetrund schlagen, dann rauhen, und nam sich auch der lernung gar wenig und ye lenger ye minder an. Darvon ward sein zuchfmeyster unmutig, straffet in zu Zeiten mit freslntlichen warten, also sprechend: Mein allerliebster Wilbald, wie magstu deinem brüder so gantz ungelldi läben, und sichst doch, wie löblich Im anstat, das er sich nach seiner fügens so zierlich und weislich haltet, fleh, ergetz dich mit im und mit dem, darin er freüd und kurtzweil suchet, und folg nit also den groben unadelichen jungen, die sich keiner fugend, sonder aller unzuckt befleißen k Du sichst, von inen das alter verlachet und verspät wirt; all zücht, forcht und scharn ist bey denen In keinem wert gehalten. Ihm schaw, mein Willbald, diser, wlewol er von geblüt dir gar nit verwanf, sonder von deinem votier und muter an eines klndes statt angenommen und dir gleich wirf aufferzogen, er tritt in die adellchen fühstapkken, glich wer er von adellchen eiteren ge­ boren. Er gesell sich zu denjenigen, bei welchen er mag honst and wyhheit erkoren, and nicht zu dem unverstendlg pökel, wie du gewont bist. Was meynes! du doch, wo dein herr vaster und dein fraw muter die sack recht erwegen und bedendten, was ihn semlichs für ein krüfz an Irem herfzen bring, das du als ir warhafffiger unnd natürlicher son, von gutem adel geboren, mit disem deinem angenommenen brüder In gleichem flyh aufferzogen wirst und aber die zockt und straff so wenig an dir weder an im versahen will! Dann er dir In allen dingen weit und starch fürzühf, an vernunfft nlmpt er zu, so befleißt er sich aller logend, honst and lernong, er Ist forchfsam, gehorsamm and doch frolidi. Dem wollest do aock nachfolgen and andre deine geselschafft vermeiden, wel« liehen dann dise ding gantz widerwärtig selnd. Dlse und deren glichen wort wurden offfmals mit dem jungen Wilbaldo geredf; es verfleug aber gar wenig an im, und ließ im solche Warnung und leer alweg zu einem oren hinein, zu dem anderen wider heraohgon; wie dann zü unser zelten die zartgezognen sfinleln noch gewonet selnd. So Im dann sein

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zudifmefster zu hart In den schilt walt reden, bald lieft er zü seiner möfer, klaget lr sein Kümmernis. Die kam dann bald zü dem zudifmelster Felice (dann also hleh er mit namen), bat In, das er der blödlgkeit des knabens verschonet; er wer doch noch gar kindisch, darzfi helf man In nll darumb zü schulen gescklckf, das er soll doctor werden, allein darumb, das er Im last, freüd und kurfzwell mit anderen jungen seinesgelldien haben möcht; ihm were auch als einem einigen son nlt von nölen vH zü erkunden und zü erkoren; dann er heft wol in seines vatters häuft zü bleiben und ser grosses güfs warfen; darumb soll er in In seinem fürnemen onbetrübt lassen hlnfaren. Der güt Felix lieft die sack also hlngon, wolt nlt vil mehr darzu reden, gleichwie noch geschieht in unseren schälen. So efwann votier und rnüter einem schfilmelster ein Kind beleihen und der schfilmeyster wendet sein möglichen helft an, das Kind ist mutwillig ongezogen, Helft! sich aller büberey und mut* willens; so dann meynt der gut mann das Kind zü straffen, Streichs etwan ein wenig mit röten, sobald lauffts hin, sagt das votier und rnüter. Die Kummen dann mit grossem grimm und zorn zu dem schfilmelster, verweyssen im sdiandtllch, sprechen, er hab ihn lr Kind gegeiftlet wie die Juden unseren Herren, nemmend beywellen die Kinder wider auft der schul, sagen, sie können Ire Kinder noch wol selbst straffen. Domlt so goht dann das schiff an; dann unser son hat jetzund schon den halsstarck. Sfat nlt lang, er gibt wenig und alsbald gar nldis umb votier und rnüter, und das soll auch also sein. Wolan des genügt Sch Kam wider an die matery.

Wie Wllbaldus sich an ein verruchten Jungen henckef, welcher In gentzllch gegen seinem gesellen Frldbert In felnfsdiafft beweget. Den halstarck, so Wllbaldo von seiner rnüter gegeben, hat er bald zfi hertzen gefassef, seines zücht* unnd sdifilmelsters straff und Warnung wenig mer zfi hertzen gefassef, also mit

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anderen üppigen knaben als mer geselschafft gehabt, davon dann sein gesell In grossen umnüt gefallen und die boh geselschafft understanden von im abzulernen, Insunders einem Jungen, genant üotarius, eines metzgers son; dann derselblg mer dann andre In aller bofjhelt geübt und erfaren was. So dann Fridbert sehen müht, das sein bruder oder gesell mit dlsem ungezognen vogel gemeinsam hatte, so schwand Im

sein hertz In seinem leib vor grossem unmüt. Nun was üottar ein kreidiger und freveler Junger, kllh sich aller guten stück, als mit liegen, triegen, schlecken und Stelen; und was er dann also überkommen möcht, was an der stet verspylet. Eines tags begab sichs, das Fridbert seinen gesellen, der dann jefzund auff die zehen Jar alters auff Im haft, bey im, dem üoffario, In einer fabern fand schlecken und spylen. Frid­ bert, ein Jüngling oder knab von eylff Jaren fast klüger und ver-

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nunfhiger sinn, kieng an den üoffarlum zu straffen und sagt: 'fiofari, deinen namen thust du gantz wol beweren; dann du mir mein liebsten brüder und gesellen auch understost zu deinem lofferwerdt zu ziehen. Wann hat dein verwegen» und schalckelt dolest ein end? Wilf du nlt güt thun, ach, so loh mir doch mein lieben brüder onverwent und onverfüret! Wo du aber je dich deiner bohhelt nlt massen wilt, so sag Ich dir, das Ich dih und alles meinem herr vaster und meiner frauw müter anzeigen will. Sodann wirst du deinen Ion von Ihn empfahen.* üotfarlus, ein verwenfer freveler junger, etwas sferdter und kreffflger an gllderen dann Fridbert, stund frofzllch gegen Im auff und sagt: '6g du verwenfer bawrenson, dessen vaster jederman wol erkennet, wie gern wollest du dich eines rlffers son vergleichen, und der du umb goffes willen von herren Gottlieben auffgenummen bist, wollest dich jetzund seinen son nennen und schreiben lassen! Gang hinauf} auff den meyerhoff zu deinem votier! Den wurst du finden mit einem mistkropffen oder mit einer hewgabell; das selnd seine ritter­ liche waten, mit und in denen er sich zu aller zelt befielet seiner rittersdiafft, wärt auch kein anderer adel von im ge» rümet; und stunde dir auch vil bah an, wann du dich nach deinem vaster artettest, dann das du also eines rlffers son wilt genant sein. Sch sage dir auch, wo du mich mer mit sollichen trotzllchen Worten wirst ankeren, wie du mir dann jefz gethan hast, dir sol nichts güfs von mir widerfaren. Dem­ nach wIH dich zü halten!' Fridbert, der güt jungeling, mit grossem kummer umbgeben ward, als er vernam, das ihm seines vatfers schlecht herkummen von dem frevelen üoffarlo also sdimedilich auffgerupffet ward, und er sich aber seines vatfers nie hat verleugnet, fleug an mit zeherenden äugen und demütiger stimm zü reden: 'fleh mein lieber üotfary, meiner armüt hab ich mich nie beschambt, midi auch zü keiner zeit lassen edel schelten. Darumb ich aber meinen lieben herren einen votier und mein liebe frawen eine

17 müter genant, hab Ich auh keiner veracktnüh meiner eiteren gethon hab auch kein hoffart darin gebrauchet, wie mir dann söllidis von dir zügemessen wirf. Sott woll mir aber die genad geben, das ich umb alle die der guthat vergelten mög, so mir widertert, und sonderlich umb meinen lieben herren und fraw, die mich so schon und so lieblich erzogen hand. über du und alle die, so mir unverdient dih zumessen, als wann ich midi eines andren herkummens römet, dann wie ich von meniglichen geadit und auch wissentlich und worhafftig gehalten wird, werden sehen und erfaren in kurfzer zeit, das ir mir dis mit unrecht zumessen.' mit semlichen werten gieng Friedbert gar betrübt von dannen, gedacht im mancherley, weh er sich in solcher Sachen halten wolf. Zulest nam er im gentzlich für, seinen herren und frawen umb ein früntliches urlob an* züspredien und wifer an anderen orten sein heyl suchen. Doch so fragt er züforderisf seinen zuchtmeister, wes er im darin zu rhaten, demselblgen weit er auff das baidlsf nachkummen. Bis nun Fridbert von seinem gesellen und üotario gegangen was, fleng der verrückt und sdialckhafft jung hoffar mit Wllbaldo, des riffers son, an zu reden und sagt: 'Mein edler Wilbalde, was gibst du mir zu Verehrung, das ich deinen widerwertigen angenummen brüder also mit meinen dapfferen Worten und zornigen geberden von uns gejagt und verfriben hab? Für* war du soll meinen werten gelauben: wirst du dich einmal disen bawrenson ander sein Joch bringen lassen, du kamst sein in ewigkeit nit mehr ab. Dir ist es nit löblich; dann du nur in zwey oder dryen Jaren ein schöner Junger manbarer edel« mann erscheinen wirst, auff weitesten menigkllch ein auffsehens haben wirf, magst auch deines adels und gebürt halben noch dahin kämmen, an welche ort diser bawrenson nit dörfft ge« dencken. Deren ding du ungezweifelt gut wissen freist. Darzu so sidistu, das dein herr vaster und dein fraw müter einen kleinen gefallen an dem haben, das dein zudifmelsfer dir so hart ist, wie ich selb von dir verstanden. Dir mag an 30rg WIdcrams KnabenspfegeL 2

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güt, reldifum und ehren nlt zerrinnen. Bob nur ein güten mütk 3di will mich alzeit bey dir lassen finden; der dir teydes thüt, müh mich zuvor beleydigen. So mir dann beyd zu manbaren Jaren Kummen, wll Ich dein diener sein, und was du mich heisest, gebotest, ermanesf, soll zustund von mir erstattet werden. Dann in dein dlensfbarkeit hab Ich mich schon Jetz ergeben. Gebeut, helf} mich gleich Jetz, was du von mir haben wiltk Du solt meine willige dienst erfaren. Sch beger mich dir nlt gleich zu schetzen als einen brüder, wie dann diser baurenson understaht, sunder wil dir sein als ein gekaufter knecht. Das vertrauwen soll du zu mir haben Jetz unnd zu allen Zeiten*. mit disen Worten endet der sckalck seine red. Der torecht Jung edelmann verstund die sack nit, das ihm die zu solchem grossen nachfeil reydien würd. Das zusagen aber und ver­ sprechen des Ixottars gefiel im auh der massen wol; dann er meinet sich schon ein Juncker sein, wie dann gewonlich alle Jungen geneigt seind, wo sie etwas güfs und rydifumb Kinder In wissen. Darumb so Heng er an von dlsem tag sich fast wider Fridberfen zu setzen, und wolle Im gar nicht gefallen, was er anfing. Des im dann Fridbertus nit wenig unmuf und bekümernifj nam, also das er nit mehr frölich gesehen ward. Des nam sein zuchfmeister, welcher dann ir beider zucht­ meister was, ganfz ffeisig war, stall Fridberfen darumb zu red; der im dann all ding zu wissen fhet, was sich zwischen ihm und seinem lieben gesellen verlausten heft. Felix der zucht­ meister sagt zü ihm: Mein lieber Fridberfe, nicht Iah dich semlkhen Unverstand deines gesellens krendien, Iah dir auch die bohheit tioffary nit angelegen sein! Dann ich hab mich vor lang beflissen dienen gesellen auff güte und rechte bau zü bringen. Die liebe aber, so sein müter zu Im freit, hat semliches fürkummen. Dann als ich in auff ein zelt freüntllch und ganz tugentllchen straffet, hat er das züstund seiner frauw müter angezeigt; sie als ein liebe müter Iren zart erzogenen son liebhabend, nlt hat gestatten wollen, Im etwas unwürses

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zuzureden und midi auch mit freflntlichen warfen darkür gebetfen, im semllchs zu erlassen. Also hab ick ihr gekolget und mich in solchem kal gemässes, Ihn mit warfen oder wercken zu straffen. Das magsfu auch thun, mein lieber Frldberf. Gedendt, was dir nutz sey, und hang nif böser geselschafff nach, bih in dein erlernung gefllssen! So magsfu noch zu hohem stand Kummen onangsehen deiner nidrigen gebürt.' Huff sölllche wort antwort Frldberf: 'Wolan, müh Ich dann meinen lieben gesellen also durch böse geselschaft sehen undergon, so müh mich immer refiwen, das Ich an seines vatters tisch erzogen worden bin, und nif wie andere gesdiwisferf in meines vatters armen heühlein mein jungen tag herbracht hab. So wihf ich doch nit von sollicher köstlichkeit, sonder meynes, ich müht also arm sein und bliben. Aber eh dann ich will mein liebsten gesellen in semlidiem verderben sehen, eh will Ich von meinem liebsten herren und frawen hinwegziehen, do man mich nit mehr erfaren soll.* Also mit weynenden äugen endet er sein red. Mit lachen­ dem mund Felix der zuchtmeister anfieng zu reden und sagt: 'Mein krummer Frldberte, nit nim die sack so schwerlich zu herfzen! Setz dir nit für, darumb dein votier, mfiter, herren und frawen zü verlassen; gedenck und befracht mehr, wie du in deinem güten anfang, so du hast, fürfaren mögest! Du hast zimllch und wol studiert, so du im anderst obllgsf. Dar­ umb wollest noch ein Jar oder zwey gedult haben. Wo Ich dann in läben bin, wil ich mit dir ziehen, war dein herz lüstet. Wend die sack auch mit solcher bescheydenheit angreiffen, das wir freündflich von unserem herren wollend abscheiden. Sollichs mir und dir zü mererem lob reychen würf, dann wo du so heimlich on allen abscheid und urlob hlnwegzuhest. So magsfu auch an frembden orten mehr von unserem herren dann von dir selb gefordert werden. So weih Ich auch, das er nimmermehr hand von dir wirt abziehen, wo du im anderst vofgen wirst. Sedodi beklyh dich nichs desto weniger alle zelt noch bey inen zü sein, domlf sie dannocht etlicher sckalckeit sich

- 20 mahgent Wo anderst ein kleines finddein der erbarkelf bey Wllbaldo glünset, wirt es durch fleißige hüt etwann wider zü einem güten feslrlein mügen auifgon. Sodann er auch sehen unnd spüren wirt, das üoftarius mit so manigfeltigen lästern umbgeben und behängt Ist, wirt im veilicht sein bohheit züleist mißfallen und sich wider in zücht und scharn begeben; so würt dann gewiss der scharn nachfolgen ein ehrlich gemüf. Darumb, mein Frldberdt, vertrag die suchen noch ein Zeitlang mit ge­ duld Wer weyht, zeit wird rosen bringen. Frew dich aber zürn allermeisten, das dir gar kein schuld an disem üblen zügemessen werden mag, es gerhat gleich wie das woll/ Mit disen Worten endet er sein red. Fridberf nam urlob von seinem zuchtmeister, gieng mit bekümmerten hertzen in einen lustgarten, den unfal seines brüders mit schmertzen bedencken. Solang es jetzund umb den nachtimbis ward, kam er nach seiner gewonheif, bereit die tisch und wartet also seines amptes mit gantzem kleih und ernst. Als aber sein herr und Irauw kamen das nacktmal zu volbringen, haben sie beidsamen nach Irem son Wllbaldo geforschet; der aber nit vorhanden gewesen. Fridbert mit einem schweren seüftzen antwortet, er hette ihn bey hotfario und seiner geselschafft verlassen; dann er in nit vermögt helf von in zü bringen. Deren wort Ihm der ritter nit groh gefallen nam.

Wie Gottlieb ernstlich den Frldberfen nach seinem son fragen ffiet und inen seinem zuchtmeister von neöwem befalh. Gottlieb der ritter, nachdem und er vernam, das sein son sich einer anderen gesellsdiafft underziehen thef, ward er von hertzen seer bekümmert, fragt weiter und sagt: 'Fridbert, mein lieber son, wie das mein son Wilbald sich ander gesellsdiaff underzücht und dich verlasset? Die sack müh nit recht zügon. Babt ir euch mitnander gezancket? Das soll du mir sagen.' ,Bch nein, lieber Berr/ sagt Fridbert, 'dann das er sich zü

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einem bösen Jungen gesellet, welcher gar schnöder stück pfleget, so einem krummen Knaben nit gezimmen/ 'Wer ist derselblgf sagt der ritten flnfwurt Fridbert: 6r ist eines metzgers son und helfet mit namen üottarius. Sein, grosse tuget ist anders nichts, dann liegen, schlecken und Stelen, die Knaben von den fugenden zu den lästern zu bringen. Den hab ick heilt mit werten gestrafft, er solle mir

meinen lieben bruder unverfürt lassen und seine bubensfudc sunder Inen vollbringen. Darauff hat er mich so gröblich aufegangen, mir mein votier und müter irer armüt halben für* gewerkten, mit treuworten dermassen angefaren, das ich ihm als dem sterckisten hab müssen platz geben.* Spricht der ritter: 'Was sagt mein son Wilbald darzü T — '6ar nichts/ sagt Fridbert, 'dann das er mit lachendem angesidit umbwandf, ein lange gerfen in seiner rechten haltend, mit welcher sie der zeit hader und Pfennig aufe einem runden Krütz oder ring schlissen. Sie gebrauchen sich auch beyweilen der

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wirkte! und Karten; dann dlser Lots ar nimmer auft der gossen funden wirf, er hat zürn wenigsten Karten oder würffei im büsam.' Von solidten werten ward Gottlieb nit ein wenig bekümmert, Heng also ganfz mit zorniger stimm an zu Felixen, welcher beider jungen zudifmeisfer was, zu reden, sagt also: 'Felix, mein vertrauwen und herfz ist anders zu dir gestanden; lief wol vermeynf, du heftest mir meinen son in grösser unnd sorglicher achfung gehabt, domif er nit mit sollicher bösen jugenf in kunfsdiafft Kummen wer. Einem pedagogen gebürt fleisiger auffsehens auff seine discipel zu haben. Dem allen aber sey jefz wie im wolle, so gebeut ich dir, so lieb dir mein frünfschafff sey wollest mit allem fleyh und ernst auffmerchung haben, meinen son wider in die forchf ziehen und Kein rüt an im sparen damit er von solcher üppigen und bösen gsellschafft abstand, wider in sein erste zücht und scharn treffe. Dann wo er in der bösen würfzlen erwachset, ist ein sorg, man möcht in nit mehr darvon abziehen mögen. Derhalben thu als ein gefreüwer zücht- und lermeister! Deiner rufen nit mist sein solt und die nach aller noturfft gebrauchen/ Als Felix von seinem herren den zorn verneinen ward, sagt er: 'Allerliebster und gefreüwer herr, mein fleyh, müh und arbeit hab ich alle meine tag an euweren son nit gespart, wie dann sein anfang wol erzeigt hatt. Darumb bitt ich, mir anders nicht verfreüwen wollend/ Dieweil sie also mltnander sprachen, Kumpf Wilbaldus mit schnauffenden atum gelausten unzüchtiger geberden, mit un­ gewaschen henden zu dem tisch ylende, gleichwie ein unver­ nünftiges filier zu den oh laustet. Der güt Felix in züdifigllch darumb straffet, des im Wilbaidus einen bösen und schalk­ haften bilde geben fhet. Der vaster semlicher seines sons ge­ berden wol wargenummen hat, darvon ihm das herfz im leib heimlich weinet; mit einem schweren seüfffzen gen himmel sehend und mit schmertz gedencken fhet: '0 du mein himm­ lischer vaster, wie seind doch deine gaben so wunderbarlich

- 23 linder die menschen auhgeteyltt Denn diser mein son mir des ein war exempei ist. Idi wollt in gern auf! kirnst und fugend aufferziehen lassen, auch all mein kleih daran wenden, damit er mir an adelichern gmüf ein nachvolger were. 0 lieber goss, so nimpt er im anders für; das macht sein üppig und boh gsellschafff, die ihn dann zu sollcher büberey abrichtet. Dargegen aber ist mein ander son, welchen ich an kinfssfatt von meinem meyer, eines andren gemüts. WIewol von armen groben leüten erboren, er aber befleiljt sldi aller kirnst unnd tugendt; er ist forchfsam, warhafff, still und gehorsam seinem Schulmeister und pedagogen. Wie soll ich ihm aber thun, dieweil ich sich, das kein zücht noch straff an meinem son versahen thut?’ Als nun Gotlieb lang also gesessen ungeredt In himmel sehend, dem auch zürn teil seine äugen mit wasser beschwert, sein weib des vor andren am fisch mit erst warnam, anhüb gar früntlkh mit ihm zu reden: 'Mein liebster herr und gemahel, was beschwert dir dein gemüf, das du nit essen noch frölich sein wisst Sag mir dein anligen; ich wil dick, so mir anderst möglich, mit herfzlichem frost ergetzen.’ Gottlieb sein liebe hauhkraw mit einem sdiweren süftzen ansack, seine hend zusammen sdilahend, unnd mit beküm­ merten hertzen zu ir sagt: '0 Concordia, mein liebe gemahel, mein beschwernüfj, so mich so hart bekümmert, ist nit klein, dieweyl all mein hoffnung auff disen unsern son gesetzt, aber sehen müh, das er so ganfz übel gerhaten will, sich böser loser hüben und gesellen underzuchf, von welchen er nichs gütz sehen oder lernen mag. Aber all unzuchf und mütwillen in im würztet, das zu sorgen ist, er werd nimmer davon ablassen. Das ist mein groh beschwerlich, so ich an meinem hertzen tragen thun, wärt mir auch die gross fürdernütz zü meinem grab sein.' Concordia die fraw freüntlldier wort anfieng zü reden: 'Weber herr und gemahel, nit lond euch die torhelt und kin­ dischen geberd unsers sons so gröhlick bekümmerns Gabt ir

24 doch offt selb gesagt, wlfz Kumme nicht vor joren! liond sein jugent ein wenig bah verwüten k 3ch getreüw Im, er werd unser beider geschleckt ersetzen, so ihm anders gott sein laben Iaht. Äuget Iaht sich nit verbergen, ja auch in kein sack verknüpften. Darumb, allerliebster herr, sollend ir solchen Kummer von herlzen schlagen/ Gottlieb antwürt; 'hiebe Concordia, du sichst aber, das er von tag zu tag unzüchtiger, unforchtsamer wirf. Semlichs ist ein bösy Zuversicht, das besserung an im zu warfen sey. Dann erstlich, als er zu schulen gangen, hat er sich, sovil seiner jugent gebürt, in allen fugenden beflissen, bih er sich von Frldberten, seinem mitgesellen, gewendet und ander bösen gesellschafff sich underzogen. Fridbert aber in seinem fürnemen teglidi befleisset, je (enger je geschickter zu werden. Solichs, meynf ich, sollt unser son auch thün/ Als nun vaster und müter also mifnander redten, stund Wilbald, hort Iren Worten zu gleich wie ein gans der predig, gedacht in im selb: 'Wer der imbis volnbrachf, ich woll mich wider zu meinem üottario fügen; der gibt mir mehr frefld dann euwer fant/ Gottlieb in gegenwertigkeit seines sons befalh dem pedagogen Felixen, das er mit kleih wlfer auffsehens haben seit, seinen son in der rufen halten und von solcher bösen und unzüchtigen geselschafft abziehen, im aber ander erbar Knaben erwölen; die möcht er dann wol mit im zü haus} bringen, trölich und guter ding mit denselben sein, in die gärten und grünen seid unnd wald spatzieren. Dis gesckack; es weret aber nit lang; dann Wilibaldus sein alte geselschafft wider suchen gieng/ wie folgen würt.

Wie Wilibaldus ein kleine zeit in seines zuditmelsfers straft verharret, sonder ihn, als er von ihm gestrafft, mit eim messer durch einen sdiencftel stach. Wilbald, als er die wort von seinem vaster vernummen, ist er ein klein wenig erschrocken und heimlich mit ihm selbs

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zu redt gangen und gesagt: 'Wilbald, wie sdimadtf dir die kost? Du must die nuh krachen und des heuws essen, sing geiich sauwr oder süh. Bey, was werden aber meine güten gesellen darzü sagen, wann ich mich Iren so gantz und gar entziehen soll? nun wolan, ich müh raht haben mit meinem hottario, sobald ich ymmer heimlich mag zu ihm Kummen unnd soldis mein pedagog nlt erfaren Kan; dann sunst wirt mein gar übel gewartet. Zfifordrist aber will ich mich zur müter heimlich fügen, mich mit weinen und Klagen gegen ir erzeigen

nemen hinwegzülauffen. Was gilt es, sye wärt mit Fellxen, meinem pedagogen, verschaffen, das der suchen guter raht geschehen wirt und ich meine güten gesellen nlt also an köpft schlagen durft.' Hls Wilbald solche wort mit im selb geredt, ist er zu seiner müter gangen, welche er gar einig in einem stüblein sitzen fand, hat aber gar nichts mit ir geredt, sonder gantz fälschlich angefangen zü weinen. Die müter von ihres sons klag nit kleinen unmüt empfangen hat, mit linder und senffter stimm zü ihm gesprochen; Mein son, was ist dih für ein neuws

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an dir? Was kümmert dich? Biss du krandt, mein son? Zeyg mirs bei Zeiten an, damit ich raht darzu finden mög und dir deiner kranckeit zu hülff Kummen k' Wilbaidus aniieng: '0 müfer', sagt er, 'mir armen Knaben! Soll ich, der vom edlen stammen und einem ritter geboren bin, also von einem schlechten Studenten geplagt und gemei­ stert sein? Das thut mir so weh, das Ich sorg, mein herh werd mir darvon zerspalten. 3a, eh dann ich mich also in ein bockshorn zwingen lassen, will ich eh meines vatters huld und gnad verlieren und hinweglauffen, einem bauren die roh treiben oder der schweln hüten. Was darff mich mein vaster also zu der schul zu zwingen, dieweil ich kein doctor noch pfaff beger zu werden! Wann mich dann mein votier zu einem ritter machen will, darff ich keines Schülers, mich der ritterschafft zu underwysen. Dann Ich bey meines geieichen unverzagten Knaben mehr männlich dann in der schulen werden mag. Dieselben sich keines dings schammen, sich vor niemand! entsetzen, und ob er gleich älter Ist dann sie, wissend sie einem yeden ein spetzlein anzukleben. Was Kan aber mein gsell Fridbert anders, dann, so man ihn straffet unnd nit gleich thut, was er wil, spricht er: Wolan, ich wils gott befelen! facht zu Zeiten an zu weinen, wie an der Kind­ betten. Was soll ich dann von im mannlichs leren? Darumb bitt ich dich, liebe müfer, wollest mit meinem vaster verschaffen, das er mir semlich band ukklöh. Sunst will ich und weyh auch nit zu bleiben, darnach weyh er sich zu richten/ Die müfer, als der weiber gewonheit ist, Iren son mit ruck anffir, sagt aber mit sanfffen Worten zü im: Mein lieber son, du müht dannodit deinen votier vor äugen haben. Bedenck doch, wie lieb er dich hat! Dann all sein sinn und gedancken stat nach dir; das drif wort, so er redt, ist von dir, seinem son. Soltest ihm dann nit volgen, du müssest gott schwerlich anfwurt darumb geben. Derhalb, mein lieber son, nimm dir nit ein semliche böse meynung für und bis getrost! 3ch will mit deinem zuchtmeister wol verschaffen, das er dich

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nlt so gantz hart halfen soll; ich kan ihn mit sckencken unnd gaaben wol dahin bringen, das er dir gantz lind und mist sein soll/ Wllbaldus von den werfen seiner mfifer nlt wenig halftsfarck emplahen thef, Heng sein altes wesen wider an mit seinem gesellen lioffario; sie vertreiben ir zeit mit spylen, schlecken, liegen und allem Mutwillen. Wann dann Felix, sein zuchtmeister, von ungeschickt darzu kam, seinen Jungen Wilbaldum straffet, bald liess er zü seiner muter, beklagt sich des. Bald liess sie zu Felixen und für in schnarft an, er solle ires lieben sons und seiner Jagens verschonen; dann witz kern nit vor Jaren. Wann dann Felix anzeyget den befelch seines Herren, sagt die fraw: 'Bey, es mfift mein Herr und gemahel nit gleich alle ding so gar eigentlidi wissen. Mein Felix, du muftt zü zelten ein aug zuthun; und wann du weysf mein son bey seiner gselschafft kurhweil treiben, so gang du einen andren weg und thu gleich, als wann dir nichts darvon zu wissen wer! Daran thflst du mir ein sunder gross gefallen. Sch will dir auch, so mein Herr schon semlichs erfaren wslrt, wol überhelfen; darbey soll du auch guter schenken von mir warten sein.' Felix, welchen zürn teil der frauwen wort nit gefielen, noch gedockt er: 'Wolan, der son ist dein. Gerat er wol, so mag mirs nit sundren nutz schaffen; wärt er dann zu eim unühen lotter, hey so muftt du in behalten und die schad mit im dulden.’ Darzu bewegt in auch die verheisung und schenckung, so im die fraw angebotfen hat, lieft also allen Heiss gegen seinem discipel fallen und wendet den auff Fridberfen. So dann schon der ritter die ding beredt, kond im sein weib allwegen einen affen machen, wie dann solche müterlein gewont sind. Sodann sicht man auch wol, wie beiwylen Ire sönlein gerhaten, die beiweilen irer meister straff und zuckt verachten, blft sie zületz den hencker zu einem Schulmeister müssen annemen; das dann Iren eifern offt zu grossem übelem Jamer und klag erwachssen thut.

- 28 Das bleib also. Wilbaldus, welcher bald an seinem zücht« meister verstanden hat, das sein müter mit im geredt hat, ist er erst in grossem mütwlllen ersoffen, hat bald seinen liotta« rium seiner freyheit bericht. Des sich dann üoftarius mit Im gröhllck erfreut, hat im von neüwem undericht geben, wes er sich mit und gegen der müter halten soll, sagt also; 'Mein Wilbalde, geh magstu wol frölich unnd wol zu mut sein. Dann gewiss wirt dein fraw müter des schnöden bauren son nit mehr gestatten, also gegen dir zu haistarren. Du müht dich aber auch mit gcmtzem ernst wider des bawren son streüssen; wann er dich dann understat zü überrafflen, will ich Im war« lick sein balg dermah einmal erzausen, er soll sein tag an mich gedencken. Weiter mfistu, mein Wilbalde, auch anfahen die müter umb gelt anzusprechen; das will ich gegen meinen vaster auch thun. So mir aber das nit gelingen will, wegh ich ein andren that. Dann ich hab mit klegh wargenummen, wann mein vaster von der fleischbanck heimkumpt, sehet er der fleischbanck heimkumpt, sehet er zü allem mal sein losung in einer sdiissel In seiner Schlaffkammer auff den schafft; do mag Ich allweg mein teil von nemen, damit ich mit dir und andren unsern gesellen krölick sein mag. Also soll du auch gedencken zü thün. Du sichst, mir fahend an albeld auffwachsen. Wo mir uns nit zü Zeiten in den weinheusern und bierheusern finden Ion, müssen wir von andren jungen gesellen und knaben unsers gleichen verachtet sein, wie du dann selb sehen und speuren magst. So dann mir zü männ­ lichen alter klimmen, hand mir weder wein noch hier in ge« wonheif zü trincken, und sobald einer In ein glas oder krausen guhet, ist ihm schon der dslrmel im kopff. Darumb gebürt uns, so wir anderst der jetzigen weit nachvolgen wollen, müssend wir uns auch nach deren richten.* Wilbaldus mit gangem fernst der güten und getreüwen leer üottari zühorchet, welch im auch zülest grossen nütz bracht; ja hinderslch, wie ir dann noch wol verneinen werdt. Also fiengen sich gemelte zwen jungen in liegen, friegen, schlecken

- 2Y und Stelen zu üben, treiben das auch gar lang mit sampt andren verwerten jungen lrs gleichen mit wirffel unnd Karten, lereten sie auch dapffer rauschen und tauschen; in summa aller güten Stücklein übten sie sich, die dann all zürn galgen förderen. Also gadt es noch zu, wann wir nit mögen leiden, das unser lieber son von seinem preceptor gestrafft wärt.

Wie

WHbaldus

von

seinem

vaster in einer fasern

funden ward, seinen knecht nach im schicket,

aber

gar ungehorsam von seines vaffers knecht funden ward.

3r habend genügsam verstanden, mit was guter anderwlsung der schändlich üoffarlus den edlen jungen Wilbaldum von jugent auff hat angeffirt, welchen Wilibaldus mit gar grossem fleyfc nachvolget. Crelben das je so lang, bifj zu­ lest der alt ritter Gottlieb eines tags auf die spaur kam, fand sein son und güte gesellschafft bey einander In einer tafern, do sie im dann von einem seinem guten frslnd verkuntschafft wurden. Gr war ser von herhen betrübt, brach im doch selb ab und schicket seinen reitknecht hinin, lieh seinem son zü hauh verkünden. Der dann nach seiner gewonhelt nit gleich gehorsam was, sunder bey seiner faulen rott be­ harret, bih ihm wolgefallene Zeit kam; dann er wol wuht, die müter das best zur Sachen reden wird, wie dann vor offt geschehen war. Als nun der güt alt ritter zu hauh kam, was er unmüfig, seines sons mit verlangen wartet. Als er aber nit Kummen wolf, schickt er nach Felixen, slnes sons zuchtmeister; dann er argwonet in auch bey solcher rott zu sein und seinem son durch die finger sehen. Sobald nun Felix für den ritter kam sampt Fridberten, seinem andren jungen, fieng Gottlieb, der alt ritter, auh grohem zorn an zü reden und sagt: 'Sch hab dir, Felix, zü vll malen deinen unfleyh gegen meinem son fürfragen; was aber semllchs an dir verfangen, müh ich jeh leyder von meinen güten befinden bericht werden, welche dann

- 30 warllch mehr aditung auff meinen son dann du habend, welche mich, in zü finden, für ein offen taffem gekürt hand, do ick In sampt anderen Jungen höhen hüben fand in allem lasier und schänden sein zelt und jugent verzeren. Daran du allein, als dem er befohlen Ist, schuldig bist, des Ich dir dann nie verfrawt hett, sunder verhelfet, mein son soll von dir von allem hohen gezogen sein und zu aller tugent sich gewendt haben. Das aber alles wldersins gerhaten Ist; gott müh deh geklagt sein, du aber von wegen deines unfleisses billich von mir als ein ungefrüwer diener soll gestrafft werden.’

Felix von des rltters Worten nlf wenig schrecken empfieng. Dann wiewol des rltters welb zugegen aber das best darzfi redt, möcht sie doch dem ritfer seinen zorn nlf auhreden, möcht auch dem güten Felix keinen Iriden gegen dem rltter erwerben; so gar was er in seinem herhen und gmfit entricht und erzürnet, hüb an zürn teil sein weib zü beschuldigen, Iren auch so heih ires sons halben züzüreden, das sie es nimmer hören möcht; wie dann die müferlichen herzen alle thün, so man Iren zarten sünleln so hart züsprichf. Darumb gieng sie mit grossem seükfhen und weinenden herhen von dannen, den Jammer sie nlf mehr hören woll.

- 31 Des im dann Felix nif kleinen frost narn, dann er sich in abwesen der müter des bah entschuldigen möcht. Hnfieng mit seinem herren auf! solche meynung zu reden: 'O strenger rifter, ich bitt, wollend mich armen eüweren diener in keinem solchen argen verdacht haben. Dann Ich mein herh und gemüt in trüwe und fordit von euch nie gewendet hab, mich auch der wollarf euwers sons zu allen zelten beflissen, das Ich in in gleicher fugend und lernung hetf mögen auffbawen, als Ich dann mit Frldberfen hie zugegen, euwerm auh erbermbd angenummen son, gethan hab. Das alles aber umbsunsf gewesen, wiewol er sich mit ersten in solchen fleih begeben hat, das ich seinethalben in sorgen stund, er möcht im zu viel auf! sein zarte fügens laden. Derenhalben ich ihm dann vilmal tust gelassen, also das mir uns östlicher zeit in dem leid nit beschawung der blümlein, ab dem lieblichen gesang der vögel, von den rauschenden bechlein und kalten quellen erlustlerfen. So wir dann wider zu hauh kamen, fügten wir uns wider zu der lernung. Das hat er ein zeit lang gefriben, aber nit gleich wie Fridbertus darauff beharret, welches mir dann mit wenig kummer gebracht hat. Weys} aber nit, was hohen geisfes in zu des mehgers son, dem llchtfertlgen üottario, gekürt hat, von dem er nichts güts, sunder aller bohheit sehen und lernen thut; dann er in von allem güten abgewendet hat. Frldberfen aber hab ich auh seiner hand gerissen, wiewol im solcher hoffar mit seinem wasen nie hat wollen gefallen. Darumb, strenger rifter, bitt ich, wollend mich nit so schwerlich in dem verdencken, als wann ich an dem handell schuld trüg.' Gottlieb, der frum alt rifter, mit bekumberfen herhen sagt also: 'Felix, du aber bist an dem allein schuldig, das du meinen son nit mit ernst under der rüten und fordit gehalten hast, in von semlkhen hohen hüben und loser gselschafft abzogen, das Ich dann billich zü dir hab zu klagen. 3ch hab zü vil malen mit dir geredf meines sons halben, das du im nit zü welch sein soll; darumb allein dein schuld daran spüren müh.' Felix hatt weiter seinen herren, Im zü vergeben, darbe! an-

- 32 zeygend das herzlich mitleiden der müter; ob er gleich wol im sein son in strenge straff bekolen het, hergegen die müter ihm durch grofj flehen angehalten, irem son nit zu hart zu sein; dadurch het er sich lassen bewegen, auch der frawen zorn gefercht, das er die sach het zu zelten lassen hingen. Sobald der ritter semlichs hort, ward er etwas milter gegen Felice, befalh im aber, er soll sich in die fasern ver­ fügen und in vor menigklich mit guten röten sfrychen, damit er sich dest mer vor menigklichem scharn. Felix was der sach zflfriden, macht im ein gute röten, gleng in die fasern, findet seinen discipel Wilibaldum wol bezecht bey seinem häuften sitzen, welcher seines Schulmeisters oder zuchfmeisfers wenig acht nam, kürt sampt seinem Iioffarlo sein bracht für sich. Felix fordert Wilibaldum von dem üisch herfür. Hls er sich aber spöflicher und gantz ungehorsamer geberd gegen im bewis, weit er in mit dem har herfürziehen. Die anderen seine ge­ sellen streühten sich mit macht wider in. Felix ergrimpt noch mehr, (dann im läge an das schelten seines herren) dringt hinzu, erwischt Wilibaldum, bückt in über ein bände, reiht im seine hosen ab. Er aber möcht mit seiner rufen nit so bald fertig sein, Wilibaldus zog heimlich ein messer auh seiner dolchenscheid und stach Felixen durch ein schenckel. Sobald Felix des gewar worden, hat er den übelgerahfnen Jungen lassen faren und mit schmerzen beladen zö dem arhet geeilef, sein wund zö verbinden. Frldbertus, welcher zugegen was, schnell unnd bald heimlieff, seinem herren all sach zu wissen thöt. Davon er in neüwen zorn gegen seinem son und seiner gesellchafff bewegt ward, läufst gantz grimm in dah haufj oder fasern, in welchem sein son sah, in selb zu straffen; der aber sampt seinen gesellen gewarnt, binden zö einem laden in ein öde gossen binauhfielen. Von dem tag an sahe Gottlieb sein gerahtwol nit mehr, wie lr dann hernach hören soll.

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Wie üoffarlus seinem votier nlf wenig gelt heymlldi enfrüg und mit Willbaldo auft der statt liess, kamen gen prehlo; von dannen schicket Wllibaidus seiner müter einen betten, die im ein grosse summa gelfs schickes. 3n grossen ängsten waren die beyden jungen Wllibaidus und fcoftarius; dann sie in aller statt schon besdireyf waren, sie hatten auch der zerung nlf vil, damit sie sich helfen mögen ereussern. üoffarius sagt zu seinem gesellen: 'Bifj getrösf, Wilbalde; ich soll uns wol umb ein zerung umbsehen. Morgen ist wochenmarckt, so blibt mein patter den ganfjen tag in den flelschbendien, dergleidi mein müter. Sodann lüg Ich, wo weg in das staub zü Kummen funden werd. Gerat mir das, wil, ich mit lerer hand gewift nlt herauftkummen. So mir dann mit wenig zerung versehen selnd, wend wir uns an andre ort verfügen. Key, sollend wir dienen und also gesponnen sfon, will uns bah bei den frembden dann In unsers vaffers häuft gebären/ Mit disen und mehr andren listigen Worten bracht er den armen verwerten Wilibaldum In solchen verzweifleten wohn, das er rneynt, es wer alles glatt geschliffen, vergab der kindlichen trslw gegen seinen ältern, schlüg züruck scharn und forcht und underwarff sich willig allen lästern. fxottarius fügt sich heymlldi in seines vatters häuft, do er dann nach seiner gewonhelt das geld wicht zü finden, lioffarlus nam davon einen güten theil, fügt sich wider zü seinem gesellen Willbaldo. Also machten sie nlt lange mist, zogen heimlichen dich der statt Boftna ohn alles urlob. Zn gar kurtzen tagen kamen sie in die Schlesi gen Preftla, da dannen schreib Wllibaidus seiner müter umb gelt, welches sie ihm ein grosse summa zfischlcket. Erst fiengend sie an recht lotterbüben zü werden, treiben alles das, so dem gelt weh und dem Heb wolthef, mit spilen, fressen, sausten tag und nacht, des sich menigklldi Irer jugent verwundren müht, wie sie es doch D3rg Wlckrams KnabensplegeL 3

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erzühen möchten. Sie lagen bei einem wirt, welchem wol mit solchen gesfen was; unnd so dann Wilbald kein gelt mer hat, sah ihr wirt aukk ein Klepper, ritt gen Lohnn zu deh ritters weib; die macht sich Jederzeit geiaht, damit sie Iren lieben son In seinem bübenleben auffbawen und erhalten

möcht. Das weret so lang, das dem güten ritter anfleng an seiner narung abgon. Darfst aber zü seinem weib nichs sagen; dann sie ihm ander äugen schlug, sie verrieth doch nummen das in Dih leben trieben die zwen güten sön aukk drei jar Inn der statt prehla. Also kam üotarius Kinder des Wirts fochten versprach ihr die eh und macht sie schwanger. Sobald er sie

- 35 aber schwanger vermarckt, lorckt er den zom irs vatters; darzü was er nie willes gewesen, ir sein versprechen zu halfen. 6r macht sein Ordnung mit Wilbaldo, sie wollen Iren wirt gen Lohnn umb gelt schicken, demnach andre (and und stets auch besehen. Des ihm Wilbaldus bewilliget. Also ward dem wirt die Ordnung geben, gen Lohnn zu reifen. Der richt sein geschellt wol auh, kam in kurtzen tagen wider, brockt gelts ein guten teil. Die zwen gerhafwol kauftet Jeder ein schonen Klepper, rechneten mit Irem wirf ab, bezalfen Im, was sie schuldig waren, verwönfen in, sie wollen nur ein zelt lang umbriten spazieren und bald widerkummen. Der güt schlecht bldermann verlor seine gest nif gern; dann sie waren ihm nüher gewesen dann drei melckkhü. Dock vll mehr frauret sein (achter; dann sie sorget, ir wird es gon, wie es dann gesckack. Der bub hat sie betrogen, betrog sie noch weiters mehr. Das alles was vaster und müter verborgen, blh über fang das die güt tochfer Kinds gelag. Da hüb sich erst der betteltanh; dann niemant wufjt, wohin die zwen hlnkummen waren. 3n Kurtz aber starb das Kindt, davon die güt müter nif sunders seyd empfieng, dieweil sie keinen vaster niergend erkoren kondf.

Wie Wilbaldus und Lotfarlus auh dem Sdileslerland geritten selnd, Iren weg In Brabant genummen, aldo erst Ir altes wesen recht angelangen haben. Die güten nassen Kinder meldeten schon, ihn möcht an gelt und güt nimmer zerrinnen; dann in das güt müter« lein ein grosse summa geschickt hat. Sie waren leichtsinnig, namen Iren weg den nächsten der lcauhnitz zu, kamen in ein statt, heiht Slogaw. Do bliben sie nlt lang; dann das land woll in nit gefallen; so woll man in auch nlt solch groh re« verentz anthün als zu Prehla. Darumb wollen meine Juncker nlt bleiben, gedachten Iren weg den nechsten in Brabant gen Hntorft zü nemen, do dann die rechte bader und halblerer

- 36 wonen, so den fesdien wol schrepffen unnd zü der oder lassen künnen, so das sich manche gar verblut, das sie kein pkennlg behalt. Das müssen sie auch erkoren. Sie ritten den nechsfen aukk die lcauhnih, von dannen gen Corgaw, von dannen gen Ball in Düringen, demnach gen Korthausen, von dannen über den Düringer waid ins land zü Bessen, bleiben etlich tag zü Cassels, do was der lanfgraff zü Bessen mit allem selm hoffgesind. Sie aber, wlewol sie zier­ lich bekleidet gierigen, hat man doch klein adifung aukk sie;

dann sie sich der hokkweih nit wußten zü gebrauchen; machet, sie haften sich mer aukk büberey und bohhelt geübet dann aukk reüferspell. Cs woll in an dem ort auch nit gefallen, namen Iren weg aukk lllenh zü. Da sassen sie aukk den Kein, verkauften Ire pferd, schiften also mit ireüden den Rein hinab bis gen Deventer. Do stunden sie von dem Rein, namen Iren weg weiters über land zü roh und wagen, wie sie das haben mochten, bis sie kamen in die gewlrblldi statt Hntorff. Do ward in bald nach noturft gezwagen und ge­ schoren, wie dann blllidt semlldien gesellen geschehen soll. Sie fragten nach einem güten wirt. Sie würden zü einem gewisen, der ein meister solche schaff zü scheren was. Gr

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empfieng sie mit freüntlichen glatten werten, machet in gut arbeit, fragt, ob sie kauffieüt oder vom adel weren. Sie gaben sich beid für edel dar. Der möcht ihn die Junckerschafft wol gunnen, dieweil in der betitel noch schwer was; bald er aber anfleng leicht zu werden, ward es ein anders} mit in. Wie dann gemeinllch In aller weit bey den wirten der brauch ist: schmückend sie ein schweren seckel bey einem gast, sie gebend im sammet und damasten wort; würt aber der seckel leer, bringt man sie nit zwilchinin von in. Das bleibt also. Die guten Junckern Mengend die sack auff gut braben* disch an. Wo sie ein pancket hatten, müssen afzeit schöne frawen und seytenspeyl bey ihn sein, ilun hat es die gestalt umb sie: sobald sie der wirf zu gesfen auffnam, gaben sie im Ire bulgen mit dem gelt zu behalten: wann ihn dann gelt von nöten was, müssen sie alzeif den wirf anfordren. Der macht aber sein redmung alzeit mit im selb, bis in daucht, des schimpffs wer gnüg; fieng er an nit mehr so redlichen aufffragen, walt nit mehr gnad Juncker sagen, wie ir dann wol werdend hören. Domlt Ich euch aber nit mit unnützen gesckwatz bedeüb, wie und mit was üppigen läben sie ir güt versckwendten, will ichs in kürtz erzalen. Sie waren nit gar einen Summer zu Bntorff, sie hatten fürabenf geleüt und müssen schon in die vesper. Das macht der güt malmasier, laufertranck, muscateller und die güten sckleckerbihlein als phasant, rephüner, wllpret und hasen. So kalffen in die schönen frawen, das sie dest eh feflrabent spannen. Doch beleih ir beider gedecktnih den schalcknarren und speileüten am allermeisten in den schüfen, so sie am hals trügen, die sie ihnen dann gescheucht hatten, wie noch der brauch ist. Dann welcher ihn ein güten sprach sagen, liedleln gigen oder pfiffen oder auff der lauten schlagen kond, der muss ir beider schilt haben. Das macht In ein Zeitlang ein güt lob, bestund aber nit lang. Der wirf kam eines tags, als sie lang nit mit im abge­ rechnet hatten, sagt also: 'hieben Junckern, ich weif, das ir

- 38 einmal ein frisch regisfer anfiengen und das alt abwüschten; dann man sagt: Süt redinung, güt freünd. So müh ich auch gelt haben, wein und speifj einzükauffen/ lioffarius, so alwegen am kreislichsten was, sagt: 'Wirf, meynt ir, das wir nit zu zalen haben, oder gedenckt ihr, das wir Kein gelt mehr wissen, wann schon das verthon ist, so gond hin, bringt euwer regisfer und unser bulgent Wir wend euch abzalen und ein wirf suchen, so uns mer dann ir verfreüwen würt.' 'Das habt ir nie an uns gespürt/ sagt üotfarius, 'mir seind doch aller redmung gutwillig gewesen, wie ihr uns die gemacht.' - 'Das ist war/ sagt der wirf, 'Kann nit anders dann all miltigkeif von eüch rümen/ Damit nam der hader ein end. Wotan, wir wollen die guten jungen Herren volles lassen auifwannen und ein wenig sagen, wie sich Fridberfus und Felix derzeit gehalten Hand, die dann beid von armen nldrigen ei­ tern geboren waren, auch wie der güt alt ritter sein laben beschlossen, wenig Kinder Im verlassen. Dann, wie Ihr gehört, alles durch die versdiwenfen vögel geflossen ist, darzu dann die mflfer embsige stür gethan hat.

Wie Fridberf und Felix auff die hohe schulen gezogen, dermassen so wol studiert, das er in kurzer zeit magisier ward, demnach bald doktoriert und ward obrister kanheüarins am hoff zu Preüssen, Felix aber ein weifberämpter docfor in der medlcin, kam derhalb zu grossen wirdin. Schimpflich stund es, sollen die Untugenden der zweyer Jungen also auhgesfreichen werden und aber die guten Sitten und fleihigs anhalfen zä der lernung nit auch mit ihrem ver­ dienst an tag brockt werden, [lernend war, nachdem Wllbaldus sampt dem hotfario in ir sckalckeit verharret, also fluchtig mit einander darvon gelausten und nlemant dann die mfifer wissen gefragen, wo sie Kummen oder an welchem ort sie sich

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enthalten haben, Ist der gut alt rltfer Gottlieb schwerlich in seinem hertzen bekümmert gewesen. Doch hat er ihm etwas frostes genummen von seinem angenommen son Fridberfo, welcher sich dann in so Nöthiger arbeit täglich in der schul und zu hauh ob seinen büchern halten fhef, das er all ander

seins alters und merers alters weit übertreffen ward, des im dann sein Schulmeister unnd pedagogus groh fresld namen. Der Schulmeister ward auft ein hochzeitlichen tag von dem alten ritter zu gast geladen, damit er von im befragt wlrde, wie Im Fridbertus gefiel, ob er etwas verholst auh Im zu werden. Des im der Schulmeister antwort: 'Strenger herr, von seiner geschlddlgkeit Ist nit zu reden; dann er übertrifft

- 40 alle andre meine schüfen so Ich hab ander meiner rhüfen. Schad ist es, das man In nlt zur hohen schulen fürdret. Für* war so Im gott sein laben Iaht, er wärt ein lürtreflich man werden, in was faculfef man in doch studieren Iaht.' Die wort fasset der güt alt ritter in sein hertz, und mit einem grossen seükfhen sagt er: '0 Fortuna, wie bistuso ein unstanthaffte göttin! Wer soll sich an dich lassen t Fslrwar nlemans. Dann so mehr du einem under äugen anlachest, so mehr soll er sich hinder ghm deines aufgezognen schwerts besorgen. So mer dein glantz herllch erscheinet, so grösser ist die dundtelheif, nebel unnd finsternls under dir verborgen, welche dein glanzenden schein schneller bedecken dann das trieb gewlldi die sunnen. Bin ich nlt menicklick ein genügsam exempel 7 Visen Fridbertum hab ich auh lauter grosser erbermd auf seines vatters sewstellen, schalteten ackern und rauher wonung genummen, das er meinem einigen son, so mir von gott geben was, soll ein gesell sein, damit er sich nit ursach hett zü beklagen, ich lieh ihm kein gesellschafft zu. Zudem hab ich sie beid mit einem züchtigen pedagogen versehen, welchem ich meines sones halben kein schuld mehr geben kan; dann er sein möglichsten kleih angewandt hat. Was ist aber geschehen 7 Diser meines meyers son, den hastu, o Glück, mit deinen gnaden angesehen; den andren meinen son, so von adellchen geblüt erkoren, den hastu schmehlichen under deine füh getreten. Darumb dir dann gar nichs zü getreüwen. 0 du untrewes Glück, wie hastu mich armen ritter in so grosses eilend gesehet; dann ich all mein Hoffnung auff disen son gesielt hab. Dieweil die ding aber anders nit ergon mögen, so wil ichs gott, meinem schöpffer, beleihen und meinen son gant) auh meinem hertzen schliessen, disen meinen angenummen son Fridbertum für meinen rechten unnd lieben son haben, dieweil es velllcht also goftes willen geordnet hat. Von diesen Worten des rlfters weid so grossen schmer­ zen empfieng, das sie von dem tisch auffston und zü bett

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nlderligen müht, lr zelt mit solchem Klagen, weinen und schmerzen verzeret, das sie in kurhen tagen ein hart grimmen in Irem leib überkam, welches sie jar und tag gar schwerlich trengef, zuletzt verzertes fleischs auh diser zeit verscheiden Ist. Davon dem guten alten ritfer new leiden zustund; nam im genhlicken für, sein leben on ein weib zu verschleissen. Fridbert was sein son und hauhkaiter sampt seinem zucht­ meister Feiixen, welchen Fridbertus schon an dem zell erreichet hat und im jeh anfieng fürzülauffen. Sein votier was jeh mit tod abgangen, hat hinder ihm verlassen son und tochtern, so all schon erwachsen waren und den ackerbaw für sich selb küren kundten. Gottlieb, der alt rltter, nam zu ihm Pafrix, des Fridbertl muter, was jehund ein zimlich alt betagt weib. Sie hat aller kauhbaltung befelch als über mägt und andre haufogeschefff. Was aber die knecht betraft, solllchs versähe Fridbertus, der fleug jetz an gantz männlich zu werden und eines klugen Verstands, fllso macht sich Gottlieb aller ding zu rhfl, dienet allein goss dem almedifigen: doch so fürsach er sein ampt an des hochteüschmeisters hoff fürbas hin. Wiewol er semlichen dienst gern von Ihm geschöpftes, noch wolt In sein herr des nit entladen von wegen seiner taget und frumkeit. Shn hat von wegen seines alters alles hoffgeselnd in grossen würden unnd ehren; dann er sich mit dem ringsfen als mit dem grossen gar frefintlich halten kond.

Wie Gottlieb mit seinem Herren zu redt wflrt von mancherley sacken, ander andrem in von seinem son fraget: des in der rltter aller sacken berichtet, sagt Im auch von der gesdilckllchkelf Fridbertl. Das unstet wankelmütig gelüdt wolt sich doch zülest eins teils über den güten alten rltter erbarmen, unnd dis geschach semlicher gestalt. Bis er sich seines sons gentzlick verwegen und kein andren tröst noch freud mehr hat dann Fridbertum, der im dann in allen dingen wllfaret, zü beiderseit groh liebe

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zusammen trügen, nim war, so begibt sichs aukk einen hoch* zeitlichen tag, aukk welchem der hoch teütschmeister seinen gantzen hoff beiander hatte, er befaih seinem hoffmeister, dem alten ritfer, nach altem brauch die sack auhzurickten, das er dann mit grossem fleih versehen ward. Da nun die zeit kam und der gantz hoff erschein, was alle ding so gantz ordenlich zugericht, das alle, die zu tisch sassen, wunder darab namen

und insonderheit der teütschmeister, dem was es ein sunder groh gefallen. Hls nun das mal mit grossen freüden volbrocht ward und all weit von hoff gangen, hat der hoch teütschmeister Gott­ lieben den ritter bey seiner hand genummen, In einen schönen lustgarten gefuret. Do sie zusammen in einer summerlauben gesessen seind, also hat der teütschmeister angefangen mit dem ritter aukk solche meynung zu reden : 'ßoffmeister, eüwer geflissen dienst, so ihr mir nun lange zeit beweisen, erstlichen in dem, als ir mein schenk und trucksess gewesen, volgends

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hoffmeister worden, Kan ich mich nlt genüg verwundren, das nie mangel gespürt hat mögen werden; wundret mich an euch, wie Ihr des alters halb so gantz fteysig versehen mögt.' Antwort der ritter; 'ßochwirdiger durchlüditiger hochgeborner fürst und herr, wo Ich armer ritter euwer hochhelf nlt mit allem dem, so meine dienst erfordert, nach aller ge­ hör gedient hab, ist mir von hertzen leydf.' Antwort der hochmeister: 'Ritter, daran solt Ir keinen zwelfel fragen, es ist bitz hieher nach aller noturfft verricht worden.’ Deren gesprech wurden vil gehalten, und under andrem fragt der hochmeister, ob Im nicht zu wissen wer von seinem son. Der ritter antwort mit betrübtem hertzen, im wer von dem tag an, nachdem er hinwegkummen, nichs von ihm ge­ sagt wurden, wo er sich hielt oder wie es im gleng. 'Ich hab in auch/ sagt er, 'autz meinem hertzen gegraben und erkenn ihn für keinen son mehr. Dann sein müter, mein gemahel, hat ir laben umb seinetwillen auffgeben. Damit ich mir aber einen andren tröst nemen mög, so ist mir mein ander ange* nummer son dermassen so wol gerhaten, das ich mich sein in meinem hertzen gröhlich erfreüwen thu*. Damit erzalt er im das gantz laben deren beyden jungen Fridberfi und Felixen nach der leng, dabei meldend, wie sie jetzund tauglich und geschickt weren auff die hochschulen zu schicken. Dem hochmeister geliebt solche rümerich red von disen zweyen jungen dermassen, das er züstund beleihen thet, man solt sie für in bringen. Semllchs geschadi unverzogenlick. Als sie nun für den hochmeister kummen seind, hat er an ir beyder weiß und geberd wol können abnemen, das alles, so Gottlieb von Inen gesagt hat, war sey. Es hat im auch gleich gefallen, das man sie autz seinem schätz reüchlich versehen solle und auff das forderliches! auff die hochschulen schicken. Das geschah. Sie worden versehen mit gelt, kleidem unnd pkerden, in ward auch zuverordnef eim jeden ein diener, so alweg auff sie warten selten. Sie danckten gott umb solche grosse gütat. In kurtzen tagen worden alle sacken geordnet,

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das sie ir reyfc vofzugen. Fridbert nam urlob von seinem henen, befalh im sein müter in trüwen, die gesegnet er freündt« lieh; demgleidi ihef auch Felix. In freslden ritten sie darvon, kamen in kurzen tagen auf! ein gute schulen, do sie dann ganh kleihig studierten, also das sie In kurzen zelten fast hoch erfaren wurden. Die wend wir lassen studieren unnd wider keren gen Hn« torff zu unsern Junckern, die dann fetz schier im salve waren und auftgetresdien und aufgewannet hatten; so was Ihr körn und weichen, so sie In Iren buchen gen Hntorff brockt hatten, in des Wirtes kosten.

V7le die güten Jungen zü Hntorff auggebadet stand und ihn gar wol genetzt und geschoren ward und in grosser armüf von Hntorff gezogen seind. So man offt einen weg faret, würt das gleifc dest weiter: also wann man offt in sedtel greifst, hat das ander gelt des mer raum, vorab so man vil herauhnimpt und nichs helnin legt. Also geschah es auch den güten Jünckerlein. Das gelt was verdempfft, so was der wirt nymm auff der post, so an« ders bringen kondt. Darzü was das müterlein gestorben unnd der weg zü weit. Der wirt zü Hntorff mercket auch wol an seinen gesten, sie fiengen an an den orten einziehen, waren nit mehr die ersten an der taffel, brockten kein gest mehr zü hauh. In summa sie fiengen an gantz trostmütig zü werden. Der wirt gedockt im wol, die kü wer nit lang mehr zü melcken. Wann im gest kamen, saht er seine Junckern nymm nach alten brauch, unnd wann sie obenan sassen, flieh er sie herab« rucken; er vergab ir beyweilen gar, das er sie nit zürn tisch berüffet. Das fieng die güten Jungen an schmerzen, insonder­ heit Wllbaldum; dann der kosten was auh im gangen, fiottarius hat sein bracht mer unnd vester gefslrt dann er. Der wirt kam eines tags mit einem grossen register und mit Iren buchen, die waren schon des klnds genesen; dann

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der bauch was in klein worden. Der wirt begert mit In zu rechnen, wolt einmal bezalt sein. Do gieng es an ein kcpffkratzen. Damit ichs aber kürtz mach, es kam dohein, als die rechnung beschlossen und der wirt bezalt was, beleih in ungefor sechs brabendlsche pfund zum vorrhat, damit meyneten sie auh der statt Hntorff zu reysen. Do sagt der wirt: 'hieben gesellen, es ist bey mir ge­ wesen ewer Schneider und Schumacher. Der ein fordert so, der ander sovil, Hand mir verboffen, euch nlf volgen zu lassen,

sie seiend dann also bar bezalt/ üoftarius sagt; 'Wirt, nempf, das mir euch zu thun selnd! Mir wend uns mit unsern schnei­ dern und sdiüdimadiern wol vergleichen/ — 'Das mag ich leiden', sagt der wirt, 'aber sunder meinen schaden. Damit sie nlt meynen, ich wolt semlich schuld ongefordret an euch lassen und lr auch nlt gedencken, ich thu semllchs von mir selbs, will ich nach In schicken und selb mit euch reden lassen/ Bald schicket er seinen Stallknecht nach in beyden. Von ungeschickt was ein schöne frauw in des Schneiders hauh, bey welcher die güten gsellen manchen guten schlafftrunck gethan und nlt bezalt hatten. Die eilet bald in die herberg, fhet nlt dergleich, als wann ir die sack zü wissen

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wer. Sie sah wol, das Ire Junckern nlt mehr so fleysslg aukk sie acht hatten als andre mal; sie sassen gantz frurlg mit Iren läsen auf! die erden klopften, ander sich sehen, ir gelt, so sie verloren, suchten; es was aber umbsunsf. Die schon frauw hüb an mit in schimpflich zü reden, do was aber kein freüd. In dem kamen die zwen Schumacher und der Schneider, grüßten sie, fragten den wirt der ursach, warumb er nach Inen gesdiickt hat. Sprach der wirt: Ir wißt, ir habt mir beyd verholten, ich soll meinen beiden gesten zugegen nldis volgen lassen, so sie hinweg wend, ir seien dann von in vernügt und bezalf. - 'Also ist Im*, sagten die beide. In summa, sie machten die rechnung, das traft sich aber ein zimllchs, und sunderllch dem sdifimacher. liottarlus widerfacht: 'Sölten wir in einer so kürzen zelt sovil In schuhen, zerbrochen was würden dann erst die hosen kosten?* flntwurt der Schumacher: 'Der schonen frawen schü, so ir bevolhen hand hinzugeben, kummen auch In dise rechnung.' Die guten jungen wußten kein aufjred mehr, sie müßten zalen, da was schon kein gelt mehr. Erst kam die güt dochter umb den wein und schlafftrunck. liottarlus sagt: 'Güte fraw, das mir bey euch verzert, seind wir zehenfaltig zü kosten kummen. Wann es rechnen gilt, ir werden uns heraußzügeiten sein.* — 'Lots', sagt sie, 'Den brauch hab Ich In meinem häufe: Will hneln, mist dapffer geben aufe, Umb dein gelt Idben wir Im saufe. Wilf nlt, so magst wol bleiben daufe. Ir habt mirs gschreiben an die wand. Gabt Ihr nlt gelt, so gebt mir pfänd! Frawen 28 teuschen wer ein sdiand, So focht man die fdchs In Brabant/ Was soll ich vll von dlsem tandt schreiben? Da mäst all ding bezalt sein. Bis aber kein gelt mehr vorhanden was, nam die güt fraw dem liotfarlo einen schönen neflwen manfel, mästen all beld on alles gelt auh der herberg. Wllbald hat auch dem manfel einen gleich; den verkauften sie umb ein

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pfundt flemlsdi, zogen so auh Hnforff wol auhgeriben, aber übel bekleidt. Da ward in alles, nach dem sie geworben hatten. Aber Ich sorg, sie werden noch vil nachkümllng haben, so zü Antwerpen den brauch noch nicht gelerf unnd erst autf solchen hohen schälen studieren werden, blh das sie in glei­ cher facultet mit disen zweyen doktorieren. - Do bleibt es, und wend fürbafj sagen, wie es Fridberten und Felixen gangen sey. Hefjund kumme ich wider an Fridberten und seinen zucht­ meister, wie es inen auf! der hohen schulen gangen. Die haben sich in gar kurzer zelt dohln gerichtet, das Fridberf dotier und Felix maglsfer worden seind. Da semlichs dem hockmeister kundtgethon worden, hat er sich sein gröhUck erfreuwef; nif minder freüdf hat Gottlieb, als er der ding berichtet ward. In der zeit begab es sich von ungeschickt, das dem hochmeister sein kanhler starb. Gr schicket züstundt nach Fridberten, damit er in zü einem kantzler annem. Aida fing erst sein glück an zu grünen. Gr nam auch Felixen an zü einem secretarien. Die beyde hielten sich dermassen an ihrem ampt, das sie in kurtzen zelten von menigkllch lieb gehalten und darbey gepreisen wurden. Das bleibt. Welters wollen wir hören von üottarlo und Wilbalden, wie es inen sei ergangen, nachdem sie von Antorff abgeschelden seind.

Wie Wilbaldus und Loffarlus der sadien zü unfriden wurden, von einander kummen. Loffarlus sich zü Prüssel einem mehger verdinget, Wilbaldus aber in dem eilend umbzog, zulest sich zü einem bauren ver­ dingen müht und des Viehes hüten; Loffarlus seinem meister über sein schätz brach, darob ergriffen ward. Wilbaldus, der güt jung, fetzund hinderslch gedencken und erst anfieng den reflwen zu fiberkummen; es was aber leyder zü spot mit im. Sie glengen eines abents spat auh Antorff,

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bilden die nackt In einem kleinen dörfflein. Huff dem weg fieng Wiibaldus an bitterlichen zu weinen und Klagen und sagt: '0 Unglück, wie hast du mich in so ein grosse fortun gekürt l fleh mir armfitsellgen vogel, warumb hab ick meinem lieben votier nlt gefolget, derglelch meinem getrewen freund und zuchtmelsfer Feiixen, der mich in allen treslwen gemeynet! Bob ich doch ein gnögsamme geselsdiafft an im und meinem

lieben bruder Fridberten gehabt, mich aber ir frslntschafft und gsellschafft nlt settigen lassen, fleh gott, wo soll ich doch mein zuflucht hin haben! Mein votier ist gar über mich in allergrösten zorn gefallen; meiner lieben muter hab ick das ir sdiantllch und lästerlich verthon, sie wärt mir nicht mehr für­ setzen; meinen freünden darff ich nlt mehr ander äugen Kummen. Aller weit würd ick zü gespott sein, die Kinder auff den gossen werden über mich feisen unnd mfipfen. 0 bösy geselsdiafft, wie gibst du mir jetz den Ion! War wirt mir letzund alles das, so mir mein votier und mein getreüwer

- w Schulmeister vorgesagt hand. Hdi mir armen verlohnen Jüng­ ling! Wo soll ich auh k Arbeiten hab ich nit gewont, mein schreiben, lesen ist mir empfallen, kein herr würt mich an* nemen. In armüt und eilend müh ich meine zeit verzeren; sterben wer mir geheurer dann lüden. 0 lioftarl, üotfari, wie hastu uns beide so gar übel auhgebeühet, uns in armüt, angst und tröbsal gesehet, darauh wir nit mehr Kummen mögen k Hdi mir armen, das mir dein gesellschafft ye gefallen hat!' üoftarius, ein schantlicher büb und verlorner vogel, ant­ wort auff die clag Wilbaldi: 'Die schuld, Wilbalde, soll du mir mit nickten geben; dann du an der suchen allein schuld tragen thust, üleynest du nit, mich bekummer auch schwer­ liehen, das Ich meines pafferlandes also müh beraubt sein, auh welchen du mich brockt hast, dieweil du auh forchf nit bleiben dorffest, als du deinen Schulmeister mit einem messer durch seinen sckenckeil stachest? Sag an, hab ich dich eines solchen underricht? dein warllch; dann ick von auhlauffenden blut so hart ersdirack, het man mich erstochen, ich wurde keinen troffen blut geben haben. Hlsdann stund ich in grossen sorgen deinethalben; dann mir der zorn deines vatters wol wissen was; weyh gewih, wo du ihm worden weresf, er kette dich in ewige gekencknüh ingelegf, darauh du zu ewigen zelten nit Kummen weresf. Des du mir dann nit genüg gedancken magst; hergegen sagst du Jeh das widerspiel, als wann Ich allein daran schuldig wer. Des ich dann gar kein gefallens het, wann ich wiht, das deine Worten ernst gewesen wer. Wolan, thu ihm, wie du will! Ich wil mein weg gen Prüssel nemmen, daselb umb einen meister sehen, meines vatters hanfwerck lernen. Versieh du dich auch, wa du magst! Dann ich weyh dir in keinen weg zu rhafen noch heissen; ich hab Jetz mit mir selb zfi schaffen, so hab ich als wol als du kein zerung men' Wilbaldus erst jamerlich über seinen gesellen anfieng zu klagen: '0 du schnöder unnd arglistiger üotfari, dein namen an dir ist warllch nit vergeben; dann lofferwerdt, wie 3trg Wldtrams Knabtnsptegef. 4

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den lotteren gehöret, des tiastu dich lang gefllssen, midi mit deiner lotterey sdiantlldi von ehren und güt brockt, darzü der güten meiner liehen treüd beraubet. We mir, das ich in deine gesellschafft ye Kummen hink' hoftarius fieng jetzo an schamrot zu werden, unnd wie er möcht, understund er sich heimlich von ihm abzüsfelen, als er dann thef. Er nam sich eines Unwillens gegen im an, zan* dreien ein weil mit einander, hottarius sagt: 'Ich mag mich deines zandtes nit erfrewen noch behelften, ich will dir ein wenig nutz den äugen gon/ Damit sdimeidief sich hoftarius von im auh der herberg in dem dorff, darin sie lagen, also das Wllbaldus lang nymm erkoren möcht, war er Kummen was. hoftarius zog den nedisfen gen Prüssel; doselbst verdingt er sich zfi einem reichen metzger, was ein gar alter mann, hat seer vil gesindes, knecht unnd mögt. Der leckersbüb hielt sich von anfang gar unsfreflich, so das in sein meister fast lieb gewann. Er verfrauwef ihm zfilest mehr dann keinem ander all seinen dieneren, dardurch er dann all sein heymllgkelf erkoren ward. Eines tages was der güt mann über land aukk einen Jarmardtf gekaren, lieh den hüben in dem Kautz, welchen er vor­ mals alweg pklag mit Im zü nemmen. Er befalh im, das Kautz zu perwaren, das ander gesind zur arbeit anzürlditen. Das er im alles gütlich zü fhün versprecken thef; sobald aber der meister von Kautz kam, wartet er mit kieih seiner gelegenhelt. Da des mehgers weib zur kirdien gangen was, das ander ge­ sind ir gescheht pflogen auhzürickten, haft er mit ettllchen Instrumenten seines melsfers Kammer auffgebrochen, demnach über sein barschafft Kummen und ein grosse summa gelts zü* sammengesackt hat. HIs aber das gerfimpel von einer magt gehört ward, hat sie eylens ein geschrey gemaches, davon die andren knecht und mägt zügelauffen selnd, haben den er­ schrocknen diebischen hüben ob seinem diebsfal ergriffen und in gefencklich angenommen, mit güten sfarcken stricken ge­ bunden und also aukk des melsfers zükunfft perwaret.

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Bis der nun des abens Kummen ist, hat er den buben mit ruhen warten gestrafft und gar übel aufjgangen. Hls er aber ein barmherzig man was und gedacht, das Ihm seines gelts noch kein schaden geschehen, hat er in dem richter nit wölien überantwurten und ihm ein zerung geben, hinweg ge­ wesen.

Wie üoffarlus nit weiter gieng dann von Prössel gen Balte, seind drei mellen wegs; do schnitt er einem kauffmann sein bulgen auif, stal im sein gelt, kam damit darvon blh gen Dengen, ist tönst mell; er wört von dem kauttmann verkuntsdiafff, in der her­ berg funden, wört entlieh gefangen und gehendes. Bosheit und büberey müh befand werden, es stand fang oder Kurtz. Hfso gieng es disem hottarlo auch. Er macht nit wercken, hat fauler tag, fressen und sauffens gewonet; so was niemanfs mehr vorhanden, so für in zafen walt. Was soff der arm sckweyh anders anfohen, dann was In sein Kunst, auff deren er gewandret was, lernest Zu Brüssel hat er nit mehr platz, heim darfst er nit mehr Kummen von wegen guter stück­ fein, so er in seines vatters hauh gebraucht hat. Was thut er dannt Er greifst sein sach fein geschickt an, redt mit Im selb also: 'üottari, du mäst ein andren belfz anlegen. Du hast nit lang zu zeren, so magst du auch nit wercken, als solfesfu gehendes werden. 3ch will mich in die sach schicken, mich zü Balle zü einem wirt für ein kauhkneckt verdingen; da mag ich güte faule tag haben bey kleiner arbeyt und guter kost. Ich hab wol gesehen, wo Ich bey wirten gelegen bin, haben die haufcknecht alweg die schlüssel zürn Keller, fragen wein und brot auff, mag offt einem ein zug auh der können gerhaten. So dann einer klupig umb die tisch ist und sich mit scheuchen weidlichen braucht, wird ihm von den gesfen manigs güts bihlein, auch mancher drunck dargestossen. Des

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will Ich mich kürbah undersfon und mefzger lassen den, so es gern thut; ich hab kein herfz darzü.' Also kam er gen Kall, fand bald ein güten herren, einen wirf, der meynes, goss lief in berhalen. Dann der sdialcfc kondt mit solchen glatten Worten sfrydien, das mann meynes, es were glatt geschliffen; er was auch von person ein hüpscher gerader Jüngling. 6r tummelt sich auch ersflichen so wol, das

ihm sein herr anfing gar nach alle seine geschefff zu vertrüwen und beleihen. Den schalck wüht er zimlich zu verbergen, das einer gar spitzig het müssen auffmercken. der sein schalck erkennet het. 6s stund aber nit lang, er kam so grob an den tag, das nit gröber het mögen sein. Dann nemen war, es kamen eines tages vil kauHeüf gehn Kall, die wollen In Hnforffer meh; und wie dann brauch ist, gaben sie dem wirf ir bulgen mit samt dem gelt zu behalten, welchs in dann der wirt fleihig verwaret, sah demnach zu den

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kauffleüfen und was fröllch mit Inen. Sie sagten von güten schwendten, ein jeder, was Im seid von liauh begegnet wer, güts und böses, wie dann der fcaufleüf gewonhelt ist; wann sie In die messen faren, treiben sie all kurtzweil, damit sie die zeit vertreiben. Hlso gieng es da auch zü. AIs sie nun im besten essen seind, so kumpt einer irer gesellen geritten, welcher In nach postiert; dann er sich et­ was doheym verhindert hat. Als er sie an dem nachfmal find, gibt er üoffario sein pferd, befischt im das anzülegen, nimpf seine bulgen, zücht zü seinen gesellen und lantsleüten in dem sal, bekilckt dem wirt seine bulgen. Der wirt sagt; Mein herr, seind ihr zü rühen, ich will sie versorgen/ 3n kurtz darnach kumpt üottarlus. Der wirf befischt ihm die bulgen auffzüheben. Er macht sich gantz küplich, nimpt die bulgen und des Wirts kammerschllssel, als wann er die bulgen darin zü den andren behalfen wöll. Er aber verstoßt die ander ein Stegen in alt gerümpel, kumpt wider mit des Wirts schlitzten, gibt im die wider, als wann al sack gantz wol wer autzgerlckt und versehen. Die kaufleut werden all wol bezecht, gond zü beth schlaffen, beleihen dem wirt, auff den künftigen morgen ein güt früstuck zü bereiten; dann sie wollend nlt frü auffston. Des ist der wirt gar wol züfrleden. Also gond sie all frölick schlaffen, der wirt und seine gest, üottarlus aber nam Im für, die nacht nif vil zü schlaffen, sunder seinem gescheht autzzüwarten. AIs nun alles volck im hauh schlaffen was, nam er die bulgen mit gelt und trüg die In sein kammer, da er dann mit einem scharpffen messer gerüst was. Er säumet sich nlt lang, schneit sie auff; do fand er ein grotz gelt darin, dann es was lauter goldt. Der sckalck nam davon, sovll im möglich zü tragen was, legt an seine beste kleiden Sobald es tag ward, macht er sich darvon gantz frü, eh dann kein mansch im hautz auff was. Er nam sein weg den nächsten auff Dengen, ist fünff mellen wegs. Do kert er In ein herberg ein, bat den witt, er wolt in nlt vermelden, gab im sein gelt, so er gesfolen

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hat, eins teils zü behalten. Der wirt gedacht wat, die sack gleng nlt gar schlecht mit im zu; dann er körckt Ihm gar seer, wie dlser diebischen hüben brauch Ist; dann sie gmelnglich keinen bldermann dürften ansehen. Hls aber nun zü fialle wirt und gest auffkamen, fragt Jederman nach dem kauhkneckt; es kondt aber nlemant nichts von Im sagen. Dem wirt was nienan recht, er lieft für sein kammer, klopftet an; nlemants walt im antwort geben. 6r schlaf} auff die kammer, wie er möcht, schauwet in alle winekel nach seinem knecht, zülest erblickt er In einem winckel die zerschnitten bulgen. Davon erschrickt er unmenschlichen seer, Iah damit ein lauten schrey; 'O wee des grossen böhweldits*, sagt der wirt, 'er hat mich verderbet!* Dih geschrey erhörten die kaufleut, auch das ander gesind Im hauh. Sie liessen mit häuften hinzu, do funden sie den güten wirt in grossem Jamer und klagen; dann er von schrecken nlt wol gestern möcht. Do die kaufleut von den bulgen klagen horten, erschrocken sie all gemeinlich gar übel; dann ein jeder meynes, es were seine. Zulest erfand sich, das sie des kaufmans waren, so am festen kommen was. Er läufst hinzu, befind sein scha­ den; dann er ein grosse summ seines goldes manglet. Was sollen sie thun 1 Der güt mann sah auff sein pferd, dergleichen der wirt, ritten mit einander gar schnell auf Dengen zu; dann der böhwlckt was dem wirt ander der porten ver* kuntschafft worden. Die ander kaufleut hatten gross mitleiden mit Irem gesellen, ritten auch auff all Strassen, ob sie etwas von dem bohweickt erkoren mochten. Der wirf und der ander kauffmann kamen gen Dengen, funden und forschten so vil, das ihn angezeigt ward, in welcher herberg der bohweickt hat eingekert. Sie sassen ab von ihren pferden, sfelleten auch in der herberg. Derselbig wirt was ein vernünftiger und geschyder mann; er sack wol an der beider geberden, das sie bekümmert waren, er fragt sie die ursach. Sie sagten im den handel. 'Schwlgt, lieben heren*, sagt er, 'habend nur ein leichten müt! Sch hoff, euch soll geheissen

55 werden.* Sagt In damit von seinem gast, weither neulich zfi im Kummen und nit gar ein stund in seiner herberg gewesen wer, zeggt in darbey an gestalt und Kleidung, darbey der wirt von Kall wol abnam, dah es eben der bub was, welchen sie suchten. Bis sie nun mit einander sprachen, kumpt der schulde daher gon ein siegen herab. Bis er nun den wirf von Balle erblicket, erschrickt er fast übel, anderstes die flucht zü geben. Der Kauffmann aber läufst im die theür ab und sagt: 'Du verzwlfleter arger sthalck, hie müsfu mir dein Idben lassen.* fiottarius falt behend auff seine kney, bitt umb gnad, ziehet damit das gold, so er hatt, autz seinem bfisam und sagt; 3di hab hievon noch nichts verthon; so hat mein wirt das flberig theil.* Davon der Kauffmann seer erfreuwet ward. Der wirt brockt das überlg gold auh seiner Kammer, gäbe das dem Kauffmann. Der woll jefz züfriden gewesen seines. Aber der wirt von Balle sagt: 'Dein, der böhwickt muh keinem krum­ men mann mehr solchen schrecken abgewinnen. 6s ist zu vif mit dem.* Also ward er dem rlchfer geanfwort, unnd dieweil er In so frischer that ergriffen, gleich an die folfer geschlagen, do er von kleiner marter all sein bohheit bekanf. Bis nun der rlchfer semlich bübensfuck von im vernam, ward er gleich des tags an den leichten galgen gehendes. Da ward im sein ver­ dienter Ion, nach welchem er gerungen. Bie merckend auff, ir jungen Knaben, was gutes darauh erfolget, wann Ir vaster und mufer nit volgen, dergleichen euwern schulmeistern und fürmündern! Seind in wlderspennlg und volgen nach bösen üppigen buben, von welchen ir nichts güfs fernen, sunder all hohen stück, als mit falschen würden und Karten umbzügon, dergleich liegen, schlecken, Stelen, weldis die rechten haubtstuck seind, so an galgen gehören, wie ir dann an dlsem üoftarlo wol gesehen l Dir bleibt also. 3efzund wend wir wider Kummen an Wilbaldum, wie es im ergangen sey, nachdem der böh vogel

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Lottarlus von Im gelauffen ist; demnach wend wir auch sagen von Frldberten und Mixen, die Iren herren unnd Schulmeister willig und gehorsam gewesen, was nutz In darauh erfolgt.

Wie es WHbaldo gangen ist, als üoffarius, der böh vogel, von im geflohen was, auch wie sich Felix und Frldberf an Irem dienst gehalten.

Setzund wend wir fürbah anzeigen von dem armseligen Wilbaldo. Er zog in Brabant umb als ein unbebauter armer frembder Jüngling, hat weder zü beissen noch zu brechen; so müht er sich auch fast übel besorgen, wo er von der langen rät begrelffen wirds, er möcht gehangen werden; wie dann semlichs der brauch In Brabant ist. Do reiten etlidi reisig Im land umb, unnd wo sie semlich verloren Kinder, so nit wercken wend, ergrelffen, henchen sie die gleich als warm. Vor den­ selben besorgt sich Wllbaldus fast übel; darumb trachtet er ernstlich, wie er auh Brabant Kummen möcht und sich wider zu seinem vatterland neben. 6r wüht aber nit, das sein mufer mit todt abgangen, was noch guter hoffnung, wann er ein hotten zü lr möcht haben, sie würd im ein noturfff schicken, domit er nit in solchem jamer und eilenden läben sein zeit verzeren müht. Er zog so lang, blh er weder heller noch Pfennig mehr hatt. Niemans wolt im umbsunst nichs geben, und wann er schon durch gotts willen hatt, sagt man, er wer Jung und starck, warumb er nit arbeitet. Hlso zog er in grossem hunger durch Westphalen, demnach durch Saxen und die margraffschafft Brandenburg, blh er kam In Prüssen. Da verdingt er sich uff einem dorff zü einem bauren, der was fast reich und hat vif Viehes. Des underzog sich Wllbaldus, dann In der bitter hunger darzü bezwingen thet. Also ward er schon auh einem edelmann zü einem sewhirten. Was aber des ursach gewesen Ist, habend lr oben nach der seng gehört, wie dann auch ein alt Sprichwort gebraucht wflrt: 'Kundert Jar machen auh einem flirten ein künlg, unnd

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wider hundert jar auh eint künig ein hlrfen/ Wllbaldus, der von gutem gesdiledif und edlen stammen erkoren was, müh jefzund der schweln und anders vlehes hüten. Bette er nach adel und lügenden gestrebt, wer im gleich wie andren gelungen. Dann wlewol Fridberfus von bewrischen geschleckt und eines hlrfen son was, kumpt er doch von wegen seiner gehorsamkelt und lugend zu grossen ehren unnd wlrden, wie lr dann des greünfllchen bericht empfahen werden. Dergleichen sein zücht«

meister Felix, welchen sein herr auh der schäl vom almüsen nam, seinem son und Frldberto fürzüston, der würt auch ein fürfrefllch, reich unnd gelerter mann. Des soll nlemanfs wunder haben; dann mir sehen dergleichen exempel noch vH zü unser zeit, das es auff allen unioerslteten und hohen schulen ein gar gemeiner brauch Ist, die armen Studenten, so durch almüsen und stlpendla erhalten, werden gwonllch hochgierte menner, doctores und maglstri. Die andren aber, welche man mit her« liehen tischen versehen fhüt, inen auch zü allen zelten gelt

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züschldtef, was wirf drauh? 5a selten bakellarl, Ich gesdiweig, das sie ander gradum erlangen, werden auch gemelnlldi die, so In zügeben selnd auft sie zü warfen und lr diener zü sein, vH geschickter dann Ire herren selber, welche dann olff lr pafrlmonlum gar versfudlren, ja Ich meyn in wlrtzheüsern, mit würflel, Karten, wein und belr, auch mit schonen frauwen, die machend keinen bückkürer reich. Das bleibt. Frldbert was jefzund bey zweyen jaren Kantzier am hoff zü Preüssen gewesen, hat aber Kein welb. Der hochmeister gedockt im umb eine zu trachten. In Kurtz ward er bedendten seines vorigen abgestorben kanfzler, welcher Kinder im gar groh güt verlassen, darbe! zwo schöner tochtern. Die eiter was genant Concordia, ein fast züchtig, sanfftmütig unnd weise Junckfrauw, die jünger was genant Felicitas, ir Schwester an schöne etwas übertreffen, Ir auch an allen fugenden gleichen. Der hochmeister befragt Fridberfum den kanfzler auff ein zelt, ob er nit willen hef zü der eh zü greiften. Er antwortet, wo er wuhf eine, bey weichern er In frlden und freüden läben möcht, walt er sich darin begeben; wo er aber des in sorgen ston solf, wolf er eh von der freyhelt, In weichern er jetz­ under wer, nlf abtreffen und vil lieber einer güten und tagenssummen frawen manglen dann mit einer wunderlichen zenklsehen haushalten. Von solchen werten ward der hockmeister zü geleckter beweget, fraget demnach Fellzen, ob er auch eines semllchen gemäss wer. Antwort Felix: 'Nein. Dann nit güt wer, wo alle jüngling eines semllchen fürhabens sein sollen; dann sunsf wird nimmer keiner zü ehlichen stand kummen/ Darzü wuht er wol, das alles menschlich geschleckt zü leiden er­ beren; dieweil es dann je gelitten müht sein, weit er sich mit geduld darin begeben; geriet es Im dann nach dem besten, so heft er goft des mehr zü daneben. Baff damit den hoch­ meister, wo Ihm ein sechser oder wlttfraw züsfon, mit deren er meynes versorgt zü sein, das er Im dann mit güten rhaf, sfeüwr und hilft woll furstendlg und beholffen sein. Der hoch-

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meister sagt Im semllcks zu; zu stund bedeckt er sich nach seines kantzlers tecktern, sagt: Mein lieben diener, ziehend jetzmak Im Iriden hlnl Morgen zu mittag so klimmend wider zu mir! Ich hab mich einer sack, so euch zu güt er­ schiessen wirt, bedeckt.' Also gleng Frldbert der kantzler sampt Fellxen zu Irem herren Gottlieb, dem alten rltter, namen das nacktmal In grossen freüden unnd freünflichen gespreck, sagten dem alten rltter alles das, so der hochmelsfer mit In geredt hat. Davon er seer grosse freüd empfleng; dann er wicht wol, das in die sack zu gutem glück gerhafen würt. nachdem sie nun gessen hand, gott dem herren lob und danck gesagt, seind sie aullgestanden unnd In einen schonen lustigen garten spatzieren gangen, die speih abgedeüwet. Als sich nun die sandten unnd külen abendtwelndleln erbebten, die Sternen mit irem zwlfzern die nacht daherbrachten, ist ein jeder zu best an sein rhü gan­ gen, haben die nacht mit süssen schlaff vertreiben. Wie der hochmelsfer nach der wlttfrauwen schicket sampt Ihren zweyen fechteren, wie sie mlfnander geredt haben. Des andren tags bedeckt sich der hochmeister, den Sachen einen aufotrag zu thun, wie er Im dann am abent darvon hat fflrgenummen. Er schicket nach der wittfrawen, der kantzlerin, befal dabei, Ire beiden töckteren mit lr zu bringen. Die fraw hieb mit irem namen Charitas; sie wah gehorsam und gantz willig Irem herren; dann sie wüst wol, das er In gutem nach lr gesaut haft. Sie schmücket sich in wlfweliche klelder gantz seüberlich, Ire töckteren aber zierest sie auf! das allerschönest. Mit züchtigen geberden kamen sie für den hochmeister; lr reverenfz künden sie so adelidi und höflich, das sich der hochmelsfer gröblichen ab Ihn verwunderet. Darzä waren sie so übermeblicher schönen gestalt, das In der äugen nlt gnug möchten verloben werden. Felicitas als die Jünger gleng zu«

eo vor; deren volget nach Ir Schwester Concordia, die hat lr golffarbes har zu rucken abgeschlagen, von dem glantzet die perhohung nit anderst, dann wer das ein gespunnen furcklsck gold gewesen. Huff Irem haupt trüg sie ein schon perleingebend, auff dem einen schonen Krantz. Ir Stirn, erhaben glas und wolgeziert mit gebogen schmalen augbräulein. Die euglein, wie schon und klar die gewesen, Kan ich nit volloben; sie kondt auch deren so lieblich gebrauchen, das nit zü schreiben Ist. Ihr nehlein langlecht und nit gar zü sckarpkk; ihre wenglein

schon mit kleynen grübleln bekleydef, lieblich roslnlert; ir zart unnd wolgesprecher mund mit einer lustigen rubinfarb von der edlen natur begäbet; das under leffzleln hleng ein wenig für das ober gegen dem zwlfachen gespalten kinleln zü tat; ir helhlein In rechter leng; die brüst schon und breit. Sie hat auch ein ganfz raus weichlein, darunder das überlg teil gar artlich proporfzlnlert was. Der gang an lr was ein fiberzierliche wolgestalt Ires lelbs. Die jünger Schwester nit mit minder Schönheit geziert was dann die elfer, allein das sie ein wenig brauner was an der färb. Als nun Charitas mit Iren födifern ein kleine zeit bei dem hochmeister gewesen, hat er zü stund Fridbertum sampf Fe-

- 61 fixen und dem affen riffer berükket sampf andren seiner räfhen, die dann gehorsam erscheinen. Der hockmeister sagt in alles, was er den vergeuden tag mit Frldberten und Fellxen geredf hat; dann ihm wer nit von nölen lr beider fleißigen dienst vor ihn allen zu erzaien, dieweil alles sein hoffgeslnd ein semlich täglichen vor äugen scheinbarlidt sehen. Darumb wer im in gedancken Kummen, wo es in anders beiden gefallen, woll er sie mit züchtigen schönen junckfrauwen versehen, dieweil er guter Hoffnung wer, Charitas die müfer sampt ihren töcktern würden ihm seiner bist nit abschlagen. Hls er nun ein semlidis mit seinen rhäfen geredf, rufst er zu ihm die züchtig und wolberflg Charitas und sagt: 'Meine liebe und gefrewe dienerln, umb das ick nach euch geschiehet, beschicht auh allem güten gunsf und sundren gnaden, so ich gegen euch hab, welches dann ewer gemahel seliges gedeckfnüh wol umb mich beschul* des, mir auch euch sampt euwern beyden töcktern in seinem todtbett ganfz treülichen empfolen. Darumb Ich dann nun zu­ mal ewer aller getrewer vaster sein will. So euch das anders anmutig, will ich beyd eflwer sechser mit züchtigen fugenssamen Jünglingen verheyrafhen, welche von wegen ihrer fuget wol edel genant möchten werden. Darauf!, mein liebe Cha­ ritas, mögt ir eüwern willen zu verstau geben’. Die gut frauw des grossen erbietens so unmögliche freüd empfieng, das sie vor freüd nit wußt, was sie antworten soll; jedoch Kurtz bedacht fiel sie ihm zu füfj. Der hochmeister nam sie bei der Hand, zog sie auf! und salzte sich zü Ir auff einen bände, sagt: 'Mein Charitas, mit unersdirodmem herfzen gebt eüwern willen zü verstau 1' Charitas hüb an zü reden und sagt: 'Hochwürdiger, durchsüchtiger, hochgeborener fürst, der grossen veilfelfigen gnaden und väterlichen erbietens mag ick umb goss noch umb ewer hochelt nfimmer verdienen. Was möcht mir glückseligere auff diser erden züsfon, dann so ich meine lieben töcktern also glückselig In ehllchen staht kämen sehet Mir armen wifffrawen aber ist semlichs zü Volbringen nit möglich. Dieweil aber

- 62 eüwer hodihelf sich so väterlichen erbieten thut, so ergib ich mich mit meinen töchtern in deren schütz und schirm. Dann ich meine beiden töchtern in soiicher gefiorsamkelf aufferzogen, das Ich weyfc, keine ander in beyden wider meinen willen nim­ mer thun wärt. Darumb, allergnädigster herr, haben! ir vollen gewalt.' — 'Das gefalt mir ser wol', sagt der hoch­ meister, 'ich will auch in dlsem heyrot zu beyder selten patter sein, braut und breütigam mit einem herrlichen zugelt ver­ sehen.' fllso stund der hochmeister auff, gieng mit seinen räten uff ein ort, nam Fridberten und Feiixen zu lin, sagt in alle handlang. Wer hat grösser freüd dann die güten jungen herren! Dann wiewol Fridbert sich vormals gewidert hat, als er aber der schönen züchtigen junckfrawen ansichtig ward, darbey Iren züchtigen wandel ersehen, hat im zfistund sein hertz ein anders geraten. Bis er nun von dem hochmeister gantz gründlichen bericht empfangen, hat er In gleich gebetten, wo möglich wer, das er Im die schone und züchtige junckfrauw Felicitas zu einer gemahel geben woll. Dergleichen begeret auch Felix, im die ander junckfraw Concordia zu permehelen. Das gefiel dem hochmeister fast wol; berufst von stund an die müter sampt Iren beyden töchteren, gab sie selb zusammen; dann alle ding waren züvor abgeredt. Die hoch­ zelt ward bestimpt auff ein gelegnen tag. Das wend wir also lassen beleihen und wider klimmen an den trübseligen unnd armen Wllibaldum, wie er sein narung so in grossem jamer, eilend und trübsal hat suchen müssen.

Wie Wlllbaldo ein wollt linder sein vieh kam und Im vH schaden fhet, also das er seinem meister ent­ lausten müht. Wilibaldus, der armütselig glückvogell, was jetzund schon gewonet, bey dem pieh auff dem fäld sein zelt zfi perzeren. Cfwann zfi zelten sah er an der sannen, seine schü flicken.

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darnach blefzet er Im selb seine hohen; auch fiengen Im all seine kleyder abgon. Wo im dann ein lock In sein rock kam, bühef er ein andren blefz darüber, achtes nit der färben, ob sie seinem rock vergleichen oder nit. Er nam auch für güt, so im die leuh mit häuften in seine Kleider nisfetfen. Rauhes und schwartzes brod was sein spelß; und wann In goss zlblen und knoblaudi bereif, hat er Ihm wohl für güt, meynes, er

lief ein guten imbih gehat. H(so müh man solchen schleckmüleren kochen, so vormals aller güten beihleln gewonf waren. Do giengs nimmer auff brabendlsch zü; malmasler und mess was dem guten Wilbaldo ganfz teür worden; dann er müht sich der kalten brunnen und fliesenden bechlein behelffen. In seines Passers haus möcht er nit läben als ein edelmann mit schönen kleyderen geziert, nach dem für andre jungen In ehren gehalten mit köstlicher reicher speih unnd drandt für­ sehen. Das aber schmacht ihm vil bah, lieh sich auch mehr in des bawren hauh dann in seines vatters kücke benügen.

- 64 Es weit aber das unstet und wankelmütig gelück noch nit vernügt sein. Dann als der arm hirt Wiilbaldus eines tags mit seinem vieh zu seid lag, zü allem Unglück keinen hund bey im hat, für nit weit von einem wald uff güter weyd. Hls es nun umb mlttentag und die sonn fast heih sdielnnen was, rucket Wilbaldus zü dem wald, damit das vieh schatten möcht haben. Er legt sich ander ein schone dicke eychen an den schatten schlaffen und entschlieft gar hart. In dem küm­ mert auf} dem waldt ein häuften wölkt, rissen und zerten im etlich vieh zü boden unnd erwürgten deren manlg stuck. Wilbaldus hart enschlaffen hort noch wuht von semüchen schaden und unfal gar nichts, erwachet auch nit, bih der scha­ den geschehen. Als er nun gnüg geschloffen und auffgestanden, was er umb sich sehen nach seinem vieh; das liess im seid umb gantz zerstrewet und forchtsam. Er kumpt an das ort, find! den übrigen aah, so dann die wollt hatten übergelassen, erkand wol, das seines bawren vieh gewesen was. Wer erschreck übler dann Wllibaldus! Er raufst im selb das har auh und klagt Jämerllchen: 'O mors', sagt er, ‘mir armen betrübten flirten! Wo soll Ich nun auh! Zü meinem meister darff ich nit mehr klimmen. 3etzund ist mein verdienter Ion dohin, meine kleyder seind zerrissen, und soll mich mein meister auft den Winter gekielt haben. Ich aber darff im nit mehr ander äugen klimmen, und was ich noch in seinem hauh von alten lumpen hab, müh Ich auch hinder mir lassen. Hch, ach mir armen Wilbalde! 0 du schantlicher hoftarlus, wie wirt mir aber deiner schantlichen geselschaft gelonet! 0 du mein früntlicher lieber Fridberf, du mein getrewer brüder, wie wirt mir jetzund deiner getrewen Warnung so gar eingedendt! Aber zü spat, zü spat hab ich hinder mich gesehen. 0 Felix, du mein lieber zuchtmeister, wie hab Ich dir deiner grossen treüw so gar übel gelonet! Du hast mir brüderlich gerhaten; ich aber hab die ding nie bedacht. Umb dein väterliche straff und Züchtigung stach ich dich durch einen schenckel, das dann auch

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meiner flucht grosse ursadi gewesen Ist. Wolan, mir Ist weder zu thaten noch zu heissen nimmermer.* Wie der arm Wllbaldus in so grosser klag und Jamer was, ersieht er von ferrem seinen meister herreiten; dann Im von seinem nachbauren gesagt was, wie sein vleh on einen hlrten In weitem feit gantz perscheycht unnd Irr gleng. Er reit Im seid rumher, treib das, so best er möcht, zusammen. Wllbaldus wolf sich nlt (enger säumen, erwuscht sein hlrtentasch, stab und riemen, eilet dem dicken wald zu, schloff unnd kroch in grossen sorgen durch alles gestrig und rauhen dornhecken, zerrlh und zerzert sich fast übel, also das Im sein gantzer selb verseret was. Dann er meynet nlt anders, dann sein meister ritt, umb in zu suchen. Der meister kam zuletz auff die walstatt, auff welcher sein zerrissen und erbissen vleh lag. Do sah er wol, das der wollt ein michel teil ob In gewesen, gedockt nlt anderst, dann Willi« baldus wer von in auch umbkummen. Er saumbf sich nit lang, reit zu hauh, treib mit ihm sein flberbliben vleh; dann er sorget sich auch vor den wollten. Wllbaldus aber vor grossen sorgen und engsten gedockt der wollt nlt mehr, bih Jetzund die finster nacht herinbrach. Do fleug ihm an der hah In buhen faussen unnd die kotz den rucken auff; er rätst gott und all sein heylgen an, sie sollen ime auh dem finstern wald heissen. Die nacht aber kam mit solcher finsternfis, das er keinen sticken mer sehen kondf. Das gantz holtz daucht in voller hären und wollt sein, 'sich golf', gedacht er, 'wo soll ich auh t Steig ich auff einen bäum, so bin ich wol sicher vor den wollten und wilden Schweinen. Wer frist mich aber vor den graussamen bären und lückhen, deren dann gar vil in disem wald seind! Nun ist mein leben all mein tag in grossem gekoren nie gestanden, sich warumb hab ick meines meisfers nit gewartet und den todt wiillglich von Imme gelitten! So were ich doch nit ein aah der wilden thieren worden.* sils er nun in solcher grossen angstbarkelt mancherlei gedenckens ward, stlg er doch zülesf auff einen hohen bäum, 30rg Wkkrams KnabtnsplegiL

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legt sich In ein stnrcke zwürchgabel, band sich selb mit seinem gürte! daran, damit, so er entschliess, nit herabfiel. Im aber kam dieselblge nacht kein schlaff In seinen äugen, sunder was In grossen engsten und sorgen; die nacht was im so lang, als Im all seine tag nacht Je worden war. Sobald nun der biet* lein eins von einem bäum rih, meynes er, es wer ein wild (hier oder sunst ein ungeheür. Er erschwitzet sich die nacht gar wol auff dem bäum. Sobald es nun tag ward, steig er von dem bäum herab, gleng so lang, bis er auff ein güten und getrelbnen weg kam. Der surf ihn auh dem wald an ein seer grofj wasser, Wlell genant; daran ligt ein statt, heyset Dobrin. Sn die kam er ganfz schwach und hüngerig. Er gleng für die burgersheüser, bat sie umb brot durch gottes willen. Von ungeschickt begab slcks, das der sewhlrt in der statt keinen knecht hat; der dinget in umb einen lohn. Deh war er gar fro. Also dienet er im so wol, eh dann ein vierteil eines Jars hinging, macht er ihm andre Kleider, damit er sich vor dem frost und regen möcht bewaren und enteren. Er gab Ihm auch bah ander die zen dann der bawr, bey welchem er vor gewesen was. Setz wend wir Wilbaldum bei seinem flirten bleiben lassen und sagen von der köstlichen hochzelt, so zü Lohnn an dem hoff ward gehalten, als Frldbert und Felix zu Kirchen gan­ gen sein.

Von der herrlichen hodizelf, so zü Lohnn an des hochMeisters hoff geholfen ward den beiden Jünglingen zü gefallen, auch wie sie so reslchllch von dem hochmeister auh wurden gesfeürf. Es was jetzund die zelt vorhanden, das man alle ding, so zür hochzelt von nölen was, zürichten soll. Der hochmeister lieh einen freien hoff auhrüffen in seinem ganfzen land, damit alle rlfter und grossen, so ihm underworffen waren, ersdiinen und einmal fresld und kurfzwell heften. Es ward auch ein

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groh Jagen und begssen aukk allerlei wilfpret angesfelf; da woll niemans der boht sein. Also kam In kurfzen tagen ein grosse zal wilfprechf von hirsdien, rehern, sdiwine und beren, das sich menlckllch darab verwundren thet. Die kucken wur­ den auffgeschlagen in einem schönen weiten baumgarten. Darinn

wurden vil zelten auffgeschlagen, under wellidien man essen unnd trindien sott. Als nun bestimpter tag kam, an welchem die hochzelt sott gehalten werden, do ist nit zu sagen, was köstlichen er­ scheinen thet von frauwen und Junckfrawen; die kamen gantz zierlich bekleid! mit perlein, gold und Silber umbgeben. Do hort man vil trommeten, herbaudcen, zincken, harpffen, lauten

- 68 unnd gigen; In summa alles seytenspils was da ein überkluh, do hort niemant sein eigen wort. Cs kam jetzund die stund, das man zu der klrdien gon soll. Der Hochmeister gyng zu fordrist, Frldberf gieng im zu der rechten Seiten unnd Felix zä der llncken, die kürt er bey Iren henden. Uhnen polget gleich aukk dem küh nach Gottlieb, der alt ritter, in grossen treüden; mit Im gieng der obrist Hoffmeister des Hochmeisters; denen volgeten grossen, ritter und knecht an grosser zaf. Zulest kamen die zwo schönen vermehrten Junckfrawen auff einem köstlichen vergalten wagen gekoren. Dem wagen volgeten noch vil ander köstlich und schöne wägen nach, all mit schönen Junckfrawen und frauwen besetzet. Do sie nun für die klrch kummen, zuhand ist do gewesen ein ertzprlesfer, hat erstlich Fridberten und sein liebste jundtfraw mit schönen werten ermanet, was der ehllch stand, auch wie und wer den ingesetzet, auch wes sie sich in solllchen heyligen stand halten sollen. Demnach er nun ein gute zeit mit In geredt, hat er den göttlichen sägen über sie gesprochen und in die klrdien gekürt, da dann das ampt gar herrlich mit lieblicher music volbracht ward. Dach dem ist man zu tisch gangen, jeder nach seiner wird! gesetzt worden. Was aber do für köstlicher speisen und trachten fürgetragen worden, bedunckt mich zu schreiben nit von nöten sein. Cs näm ein jeder selb acht, wie es bey ge­ meinen hochziten zugaht. Do müh nummen der vollauff sein, man vergibt aller armüf. Wann man zur Hochzeit einkaufff, selnd alle frefind gantz willig; do find mann vil vettern und basen, die alle heissen hüner und genfj zutragen. Braut und brefitgam müssen schöne schauben, rock, Hosen und wammeh haben; In Ist kein such zu theür, wann nur der kauffmann ein breiten küh hat und borgen will. Dann selnd wir zwen oder drei tag in fraw Venus berg. Wann dieselbigen rumb selnd und es an ein rechnen und bezalen gabt, so kummen wir in die rechnung, können nit drauh kummen, müssen vil an der Hochzeit nachziehen; der wein und ander ding ist noch nit be-

- Hy zalt. Da sidif man kein bah nodi netter mehr, so die hüner, genh, kälber und anders band heissen kauften, Ja, aber nlt bezalen. Wolan, so taten wir dann auh trauw Venus berg In sant Patricius tegfewr; und eh das Jar umb kumpt, so wollen sie, es wer noch anzäfahen. Dih bleib also. Bis nun der imlrih im besten was, trüg man für der bey­ den braut tisch ein schönen hohen stül, der was bedecket mit einem roten carmasein; den statten vier riffer gegen den bey­ den breüten, das in menddidi sehen möcht; niemant aber wühl, was dis bedeuten woll. 6s was aber ein schönes weites gezelf, under welchen die breflt sahen sampt dem merern teil frawen und Junckfrawen. Datums» nam im der hochmeister für, die zügab, so er beiden brüten geben, woll er für frawen und Junckfrawen spieglen unnd nlt vor den mannen, damit es nlt under alles volck käm; dann er wol wicht, das die lieben frewlein verschweigen und ein ding bey In bellben lassen. Und obschon bey wellen ir lieben gefetterln etwas offenbart, sagt sie doch zuvor: 'Lieb gevatter, Ich het euch etwas zu sagen, wann ir reinen mund haben woll.' Sodann sagt die ander: 'fleh mein liebe gevatter, es soll bey mir behalfen sein als in euwerem eignen bethen.' So sagt dann Jene: ‘kleb gevatter, in euwerem herb geredtf Sagt ir damit den handel. Das bleibt verschweigen, bih sie zu einer andren kumpt. Dih alles wuht der hochmeister wol, darumb meynt er nlt von nöten sein, sein fürnemen vor den mannen zu erzeigen. 6s kamen Jetz die vier rittet oben gemelt; deren Jeder trüg ein schönen grossen vergalten köpft, in deren Jedem waren sausens stück golds. Vor inen her gieng ein bereit und zwen trummeter. Der bereit rfifft vor meniglich die gaben unnd schencken auh. Demnach sechsen die vier rittet die gaben auff gemessen stül, und mit genommen urlob von Junckfrawen und frawen zogen sie wider davon. HIsbald nun das mal ein end nam, Jede frauw zü ihrem gemahel eilet, alles, was sich ver­ lausten hat, bah bericht, dann wann er es selb mit äugen ge­ sehen het.

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nadidem nun das wasser aukk die hend genummen ward, Ist ein schöner tanh gehalten worden, der hat geweret bih aukk das nacktmal. Demnach das auch mit gar köstlicher speih unnd dranck volbrackt ward, unnd wider ein neüwer dantz bey vilen wlntllechten gehalten worden. Da Jehund die stund der rhu Kummen, hat man braut unnd breüfgam mit grossen ehren schlaffen gefüret. Darnach Ist auch Jedermann an sein rhu gangen, habend die slberlg nacht mit süssem schlaff vertriben. Das hoffgeseind aber hat erst, nachdem harren und frawen schlaffen seind gewesen, weydlich uffgesdiepfft; da ward erst hörens) Keller. Die nacht vergleng, und der ander tag erschein Jetz mit klarem schein. Da klang man an von neslwcn dingen die mäl­ zest gar köstlichen zu bereiten. Der hoffmeister befal an sei­ nem hoff den Jungen edelleslten, das sie aukk den künftigen tag sich rüsten sollen unnd ein gesellengesfech anrichten; welcher dann ander inen den preis) behielt, dem soll ein Kley­ not verert werden zu seinem danck. Dergleichen ordnet er den rifknechten ein danck, das was ein kleid von fuh auff; die sollen mit stumpften schwarten in einem schrancken zü roh kempffen; welcher dann sich am baldisten dumlen kondt, dem soll die gab, so bey sechs ducafen wert was, geben wer­ den. Zürn dritten gab ein gemeine ritterschafff den Schildsbuben auch ein kielt auff dreyer ducafen wert; die mühten in einem schrancken mit Ildrinen kolben, so gant) hart auhgefflllef waren, kempffen on alles harnasch und mit blossen heubfern, nichts anders dann hosen und hembder an und schlaffhauben auffhaben; das dann gar ein kurzweiliges sehen was. 6s wurde auch der edlen und gräffinnen Junckfrauwen eflich eien damast auhgaben, darumb mühten sie lausten; welche dann mit ersten das zll erreichet, deren ward ein semlldier damast erteilet. Dlser und deren gleichen kurhweil wurden auff dlser hochzeif vil gefrlben, darvon dann gar vH zü schreiben wer; wils aber underlassen. Wer aber ein semlichs zü wissen und

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sehen begert, mag das an eines jeden fürsten hoff nach sei­ nem gefallen erfaren. Die hochzelt weret bey den acht tagen, das nlemant von hoff schied, blh die acht tag verschelnen. Da nam jedermann urlob von dem hochmeister und reit wider heim. Fridbert und Felix Iäbfen In grossen freüden mit Iren beiden gemeheln, also das sie In kurzen tagen lr selb schwanger em­ pfunden, davon dann erst grosse freüd entstund. Dih bleib also, und wend jetz wider an unsern Wllbaldum Kummen, wie es im ergieng.

Wie Loffarlus eines nacktes dem Wilbaldo erschein In ganh jämerlldier gestalt, mit gebunden henden und einen strick an seinem hals habend, wie und was er mit Wilbaldo geredt hat. Wllbaldus in seinem stat also an dem hirtenampt gar wol und fleifjig studiert, so das er seinem meister nit meer umb gelt veil was. Sein meister was ein grosser kunstner ander den hirten geachf; dann er gar wol auff der sackpfelffen rau­ schen kondt. Das begert der güt Wllbaldus auch von seinem meister zü leren; das er In dann mit gutem willen underrlcht. 6r ward auch in kürfjer zelt sein meister mit dem edlen seytenspell übertreffen; dann wann er darauff spylet unnd jetzund mit der sackpfelffen rühet, sang er gar wol darin. 6r hafte auch noch ein füncklin und gar kleines stücklln von dem schülsack behalten, also das er offf eigene liedlein unnd rymen dichtet. Ward zületst der Kunst so frey, das er sich des hlrfensfabs abthet und sich allein seiner sackpfelffen und singens begleng, meynf, es stund dannocht ein wenig bah dann gar betflen, wiewol es fast Schwester und brfider mitnander seind. Niemans aber soll sagen, das es gebethet sei; sunst müssen sich die gelger und pfelffer, so mit den silbren schiften umbzlehen, übel schämen. Von einem sckloh, statt, wirtzhauh zü dem andren ziehen, singen, glgen, pfelffen und sprechen; demnach fegen sie ein feiler auff den fisch, schwel-

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gen still. Was man gif, nemmen sie das; das ist Je nlf ge­ bettief, aber sunsf auf! die hurst geschlagen. Darumb Heng das der güt Wilbaldus auch an. Bult ein zelt sah er und dicht Im des tags ein lied zu seiner sackpkeifken, In welchen er allen seinen unfalh anzeiget, und fürbindig beschält er den lioffarium fast übel, umb das er ein ursach was all^selnes leidens. Das gedacht lied werd lr nachmals hören, wann sldis schicken wirf.

Bis er nun des nacktes mit seinem vleh helmgelaren was unnd nach dem nacktmal ganfz müd nlder zu bett gleng, nlf lang lag, mit dlsem schlaff gefangen hart entschlossen thet. Zuhand daucht In seinem schlaff, wie er ein erschreckens mensdilldis bild sack vor Im stan mit zitterndem leib und angsthafften geberden; das sagt stelz zu im; 'O Frldberfe, Frtdberfe, deines Wilbaldi, deines Wllbaldlt* |Pon solchem trurigen rüff ward er sich In seinem schlaff gar übel förchten; was im stelz, wie er mit krefffiger stimm mors schrey, kond

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aber nicht schreyen. Zulest ober gerat Im ein schrey, und sdirelgt mit lauter stimm, so das er darvon erwacht, sicht und greifst umb sich nach dem bild, do was aber gar nichts. Gr lag in enstlichem schweig gantz forchtsam, wünscht okkt, das es tag würdt, domlf er mit seinem vieh zü fdldt für. Zületst entschliess er gar hart widerumb; so Kumpf im für noch ein grusammer gesicht, dann das forder gewesen was. Dann er sahe den liottarium gantz scheinbarstes! für im in dem schlaff; seine beiden hendt waren im auff seinem rucken gebunden, ein langen strick an seinem halb tragen, gantz eilender unnd tätlicher gestalt. Gr sagt mit schwacher heygerer stimm: ,0 Willbalde, Wilbalde, weh mir armen Lottario! Wie hat mir mein bögheit so übel gelonet! Grstlich wolt ich meinem lieben votier nicht volgen, befllg midi aller bösen stuck, dlebstals, liegens und betriegens: zälesf aber ach leider ist mirs dohin geraten, das ich zu mlner grossen eilenden schänd dem hendter big an den leichten galgen hab volgen müssen, daran mein leib den rappen zü einer speig worden ist. Dich hab ich leyder von deinem votier hinweggefürf und in grog armüt, in deren du jefzund bist, brockt, darumb du dich dann nit unblllich über mich zü klagen hast. Ich bitt dich aber, lieber Wilbalde, wollest deinen zorn gegen mir ablassen und mir verzlhen, domit mir mein arme seel zü rhüen kumm/ Mit dem geredt verschwand das gesicht. Wilbaldus erwachet vor lauter grossem schrecken unnd fordit; er sah gantz forchtsam umb sich, unnd als er nichts sehen kond, zoh er sein haupt ander die deck, lag also un* geschloffen, bis der tag anbrach. Da stund er auff, nam sein zeüg, als feschen, stab und hörn, gieng auff alle stragen, blieg den mägfen, auff das sie das vieh frlben sollen. Als er nun in das seid kam, gedacht er dem gesicht gantz fleiglg nach. 'Allmächtiger golf', gedacht er, 'wie mag das immer zügon? Ist im also, wie ich in meinem schlaff gesehen hab, so hat liottarlus ein bög end genommen. Wohin, sein schalckhelt hat in verfürt, und er mich armen eilenden Wilbaldum zü

- 74 einem verlohnen mensdien gemaches. Nun ist mir dannodif besser und ehrlicher meiner früntschafft, ich neer mich mit dem hlrtensfab im eilend, dann das ich also eines schantlidien und eilendigsfen todts sterben soft oder gestorben wer. möcht ich allein den tag und stund erläben, in deren ich mein liebsten herren und votier, dehgleick mein liebe müfer einmal sehen möcht, ach ich weit gern ir geringster diener unnd knecht sein, mich keines bradifs noch hoifart nlmermer underziehen. Wolan, ich will mein hoffnung und tröst zü gott meinem herren setzen; ich weich, er wärt mich nlt verlassen und mich wider in meines Passers häuft bringen, wie er dann auch dem verlornen son geton, dem ich mich dann gentzlich ver­ gleichen mag, dieweil ich mein güt und hab mit schnöder und üppiger geselschafft bin on worden, fleh gott, wer doch mein herr und votier auch eines semllchen demütigen herfzens, das er mich armen nackenden verlohnen son mit barmherfzlgkeit auiknäm, wie dann gemelter votier seinen son auffnam! 6r aber, mein votier, wärt mir nit so leichtlich gnaden, dieweil Ich on alles sein wissen und wider seinen willen von im ge­ lausten, darzü meinen getreüwen zuchtmeister so übel ver­ wundet. Nun wolan, ich wlls einmal wagen. Nimpi mich mein votier In gnaden null, habe ich gott wol zü daneben; legt er mich dann In ewige gekencknih, hab ich grösser übel, verschuld!. Jedoch wll ich lieber bei Im in gefengnüft ver­ schlossen mein Idben schliessen, damit er mir doch mein groft mlftthat vergebe, dann also In einem freyen laben im eilend bleiben. Soli ich also in ungenaden meines patters bellben wie woll Ichs ewig gegen gott verantworten, dieweil er In dem vierten gebest haben wil unnd gebeüt, votier unnd müfer In ehren zü haben! Darumb Ist besser, ich geb mich gegen mei­ nem votier in wol verdiente straff, dann das ich erst in den zorn geltes fall und mein arme seel In ewige gekencknüs bring unnd verpfend/ Sollicher gedandten hat der güt Wilbaldus gar vll und mancherley, tag und nacht salzt er ihm für, uriob von seinem

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meister zu nemmen; er was bey lm gewesen in das zweit Jar, hat jetzund etwas Ions verdienet, mit dem er meynet wol blfj in sein vatferland zu zeren. Eines tages kam sein meister an in, begerf, er weit sich noch weiter zu ihm verdingen. Wilbaldus sagt ihm sein ent­ lieh fürnemen, das er willens wer heimzuziehen: er sagt im auch darbey, wie er in das eilend Kummen, vil güts verthon, was stammens unnd nammens er wer, und in summa so erzalt er lm sein gantz hlstori, darab der hirt ein groh und merdclichs verwundern hatt. Wilbaldus was von art gar ein wol proportionierter Jüngling, so was er auch gantz suberlich mit im selbs, dabei der hirt wol abnemmen möcht, das nlf gar nichs an der suchen sein kond. Er gab im gütlich antwort auf! sein begeren unnd sagt: Mein lieber Wllbafde, dich beger ich an deiner wolfart nit zu hlndren. So mir auch wissen ge­ wesen wer, das du eines solichen geschlechfs und herkummen werlst, ich soll dich zü keiner solichen ruhen arbeit haben Kummen lassen; dann du in unser statt noch wol von adel finden sollest, so deinen vaster seer wol kenneten; dleselbigen dich gern auff wurden genummen und zü ehrlichen dienst dann ich dich gebraucht haben/ Wilibaldus sagt: 'Liebster meister, lr soll mir glauben, das ich euwer dienst gar über die mah fro gewesen; bin auch von euch auh grossem triebsal auffgenummen worden, sonst weyh ich nit, wie mirs gangen wer. Desselben bedanck ich mich gröblich. Gott Iah rnlcfis verdienen!' Also bezalf in sein meister, der hirt. Er nam sein sackpfeift, gesegnet sein meister unnd frauwen: er zog von Dobreln scheisset über den kiüh Wiel, kam in ein grosse statt mit nammen Vladihlavia, da was vil herrschafft. Wilbaldus brauchet sich mit seiner sackpfelffen, so bests er möcht. Wann er dann in ein herberg kam, vereret man in bald, damit er nur hinweg mit seinem seytenspil käm; dann es lautet so gantz jämerlieh, das im nlemans verstendigs zü möcht hören, noch dannoch! kam sie im offt gar wol; so er ungetor den Imbih erreychet, hieh man Ihn zü dem gesind oder reltknechten sitzen;

- 7b die haften dann ir fafzwercfc mit im. Wann er sich dann bedencken ward, wer unnd von was ältern er herkummen, thet es ihm fast weh; dann er gedockt: '0 lieber gotf, het ick meinen patter und zuchtmeister gefoigef, darfst ich nlt jedermans narr und fafzmäniein sein, ich seh Jefzund bey er­ lichen herren an ir fasset, het hnechf und diener, so auff mich mühten warfen. 3etz aber bin ich der wenigsten sdilltbuben fafzman.' Das ist noch brauch an allen hoffen, ja in eines jeden schlechten edelmans hoff, auch bei andren herren. killst schon gotf efwan einem armen frummen einseitigen manschen, das er von der herrschest! ongefafzf und ungespeyt bleibt, mag er doch von Iren suppenfressern unnd federkifibern nlt hlnkummen. Sedencken wenig, das man gewollt ist zu sprechen: *3ung ritter alt bettler, jung koch alt bretfer’. 6s schlecht aber dannocht offt derselben speyoögel ein einseitiger auff ein schellen, das ihm alle seine schellen klingen werden und elm offt gesagt wslrt von einem forechfen, das er selb wol weyht. Das bleib also.

Wie ein grosser tag In der statt Vladlhlavia ward, Frldberf und Felix werden als commlssarlen von Irem herren dahin gesanf. VJlllbaldus kumpf von unge» schicht In die herberg, dorln sie liegen, singt vor dem tisch In sein sackpfelft. Frldberf bitt in, das er nlt mer pfeift, allein das Hedi noch einmal sing; des würf im Wilibaldus zü willen. Wan das glück einen stürtzen will, kan er zu hoch nlt sitzen, es wirfst in zu boden; will es dann einen erheben, mag er so dielt Im kos nlt Ilgen, es kan im haraufchelffen. Also wirf es dem guten Willbaldo jefzundt auch gon, wie ir hören werdf. Dann es fügt sich auff ein zeit, das ein meditlger iandftag zü Vladlhlavia gehalten ward; dahin schicket der hoch-

- 77 meister beide, Fridberfum und Feiixen, als commissarien. Bis sie nun eine gute zeit da lagen, begab sich eines tags, das sie frölich waren bey andren grossen herren und gsanten, zu tisch sassen; kumpt der gut einseitig spylmann mit seiner sackpfeiffen unnd singt sein liedfein. Der Fridberten noch Feiixen nlt er­ baut, dergleidi sie ihn; sie beld aber mercketen gar eben aukk sein gedieht.

Bis er nun auhgepkikken, sagt Fridbert: 'Mein lieber spyl­ mann, sag mir, hast du dih lied von einem andren gelert, oder ist es von dir selb gemacht ?’ Antwort Wilbaldus: '0 mein lieber herr, ir soff mir glauben, was ich in disem lied sing, semlichs alles Ist mir unnd noch vil ergers zuhanden gangen. Dann Ich jefzund mehr dann zehen Jar in grossem eilend umbgezogen bin; ich soll, demnach Ich von Jugent aukk erzogen bin, einem stein erbarmen. Mir gedenckf wol, das ich ein gar lieb Rind was, kond nimmer unrecht thun; wer mich

- 78 schalt und sfrieif, den hasset mein liebe muten Das aber hat mir nit grossen nutz bracht, sunder in alles mein eilend, darin ich gewesen bin. gesetzet.' Frldbert sagt; 'Lieber spylmann, von wannen bisfu lands her?' Antwort im Wilbaldus: '0 lieber Herr, das zimpt mir nit zu sagen; dann sich meine älter mein schammen mühten.' Spricht Frldbert: 'Ich bitt, wollest uns dein liedfein noch ein­ mal singen. Sodann soll dir von mir und disem güten Herren ein Verehrung werden, die du zu grossem dandt annemmen wirst.* Felix war des auch gar begirig zu hören. Also fieng Wilbaldus an und sang mit lautklingender gfiter stimm sunder die sadcplelflen, damit sie in des bas ver­ stau mochten; und wiewol er sein tautfnammen verendret hat, damit man in nit erkennen soll, hat er In doch in disem lied zu lordrist und an vil orten heinin gefllcket. Daraulf sie beyd ein sunder gemerck hatten; dann er an seiner gestalt nümmer het mögen erkauf werden; so bleich, schwarfz und mager was er von dem güten läben worden, so er in der zelt gehabt hat. Er nant sich mit seinem nammen Beinfz Onfrost; dabey namen sie ab, das er sich seines rechten namens verludmet hat. Ir keiner aber fhet dergleich, als wann er in erkennet; so kam im audi gar nit in seinen gedancken, das sie beld in so grossen ehren wlrdin selten sein. Dann er zuvor wuhf, das sie von schlechten armen groben ältern geboren waren, gedacht nit: Darnach man steif, darnach es feit; nach dem gerungen, nach dem gelungen. Wilbaldus singt sein liedfein: Will bald hie singen ein gedickt; Wie mir beschicht niags noch manchem beschehe So dann In meinen erden frlf, Will oolgen nit Und nlemans übersehen Ob schon das glück mit falschem blick Ihm geben thüt so grosses gilt Durch sein argllstlgs brechen.

- 74 Will bald d'selb ein Juncker sein, Setzt dapffer nein. Sein gifieln hat kein dauren Verzerf, verspllt sein hab und gif, Sucht Im ein mit Bey nassen Knaben, lauten So aller schänd kein s (hohes hand, Groh spell unnd schwier Ist Ir monier, Fressen, saulfen on trawren.

Will bald ein end das giileln han, Fahend sie an ßelmlldi rauben und sielen Etwann feinden sie Iren wert, Strick, hencfcer, schwer! Kan In gar hSHldi sirelen Dann wirt zi spat dem güten rhat Zi volgen nach, den man vor floh; All Ihr ansdiieg thint fehlen. HIso glengs auch mir Jungen mann; Ein Iiottar han Ich gfolgt, das fhif mich reüwen Er leydet mir meins vaffers leer Unnd andrer mehr, So mich meynten mit freOwen Liess von Ihn weif, hat kurtze zelt Ein lichten mit; als nun mein gut Zergleng, thet man mich scheüwen.

Der wirt Jaget mich auh behend, In dem eilend Müht Ich mein zeit verzeren Leer, Kunst, wyhhelt hat Ich veradit, Crelb nur mein prachf, Zletz mäht Ick anders leren mist hlrtleln sein der Keiber, schweln, Umb harte speyh brauchen git fleyh, Das Ich midi möcht enteren. Im reissen, rügen, wind unnd sdinee Gschadi mir offt wee, Meynes offt zi erfrieren

- 80 Ein ledersack und hlrfensfab Was all mein hab. Damit müsf Ich mich zieren Des nachts Ich lag auff elm strosacfc, Das wasser klar mein trincken war: So kond midi Lottar fieren. Dis leid Ich als gern mit geduld, Wann Ich nur huldt Belm patter möcht erwerben fleh seit ich in selr wonung sein Ein diener sein BIH an meins endes sterben von gott so sccr bitt Ich nlt mehr, Der heiss mir bald semllcher gstalt; Sonst müh Ich gar verderben.

Will bald heissen der schepffer mein, So will Idi sein Belm patter kurtzer stunden Dem geb gott In sein hertz und gmdt, Das er In güt Barmhertzlg werd erfunden Dann so Volt Ich gwlh schicken mich Semllcher gstalt, das den Wllbald Kein üoftar soll vertieren. FInls.

Hls nun Frldbert der canfzler und Felix von WHbafdo das lledlln von anfang bis zum end vernummen, haften sie gar keinen zwlfel mehr, Wllbaldus wer selb zugegen, darumb sie sich dann des weinens kümmerlich mochten entheben. Sie namen den güten sackpfeiffer zu In an den tisch, hiessen in nach allem seinem lust dapffer essen und trincken. Sollichs nam er zu grossem danefc auff; niemanf aber sunst an der tafell wüst die ursach, warumb diese zween trefflichen mann sich des unachtbaren Pfeiffers so hoch annamen. Frldbert, so offf er Wilbaldum anschawef, leih er alzeif einen schweren seufzen von seinem hertzen gon. Des namen die andern herren offf war, Jedoch wolf in niemanf fragen. Wllbaldus aber achtet sein nicht; dann er must den schlemmer singen.

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Sts aber nun das maal vollendet wag, Frldbert und Felix auffsfunden, namen Iren sackpkelkker, surfen In zu einem gelt« sdimlf, bestellen Im zween schöner silbriner schilt zu machen und ir beider wapen dorln zu schmelzen. Sie befalhen auch Wlllbaldo, das er auff sie warten sott, solang sie In der statt Vladiglaoia bliben, sie wollen Im kein mangel! lassen; so es im dann geliebt wer, das er mit Ihn in lr helmat ziehen, wol­ len sie im ein ehrlichen dienst schaffen oder ihm selb ander« schleiff geben. Das gefiel Wlllbaldo fast wol; er wühl aber nit, wohin sie ihn küren wollen. Er hatt täglich sein auffril bey inen, wartet auch ganh getreulich uff den dienst; dann sldher er in Brabant gewesen und selb Juncker gesein, was es im nie so wol umb das maulffiter gestanden. Siner deckel« sammen und geklihuen dienst konden sich Frldbert unnd Felix nit genugsam verwunderen, sagten offt zusammen: 'Warllch, Willbaldus hatt einen besseren zücht« unnd leermeister gehabt, dieweil er nit zu Bogna gewesen ist, dann dieweil er bei sei­ nem patter was. Warllch, die armüt ist ein meisterte, ver­ werte mutwillige kinder zu züchtigen. Bett im sein mfiter selig den zäum nit so weit gelassen, es wer Ihm dohln nym« mermeer kommen.' Sie helfen beld fast gern gewiss, ob Willbaldus wissen gehabt hef, das sein muter mit todt abgangen was, wüsten aber die sack nit anzügrelffen, dann sie Je nit wollen, das er sie erkennen sott big zu seiner zeit, wie lr dann hören werdet. Uff ein zeit, als sie beld mügig unnd aller gescheht ent­ laden, surfen sie Wllbaldum zu dem goltsdimlt, lögfen im sine schilt, wollen versuchen, ob er sie tragen woll, fleh goft, der güt arm zltfell hatt Jegund alles seines adels vergessen. So man an in ein narrenkappen zü tragen gemutet, er heft die mit willen gefragen; so gang wol hatt ihn die armfit, angst und not gebugef. Als er nun die schilt angehendes, kürten sie in für die staftporten uff einen grünen anger, flengend in an mit subtilen griffen anzslzepfen, kondfen aber nichts von Im erkoren. Allein erzalt er in, wie es Im von anfang ergangen 9örg Wldtrams KnabensplegeL $

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was, als er von flntorff hat müssen weichen armüt und scharn halben, dieweil er erstllchen so grossen pracht triben, auf! dleh aber den wirf kümmerlich bereden möcht. Bis er ihn nach der lenge erzelef sein eilend und frübsall so er erlisten, hat Fridbert angefangen sagen: Cs ist in ver­ sehener wochen ein edelmann In unser herberg gelegen, der uns vll langer weil vertreiben und mit seinen güten sdiwendten und hlsforien gekurvt hat; so Ich recht behalten hab, ist er In der statt Bogna an den hoff, linder anderem erzalt er uns ein hlsforl von eines ritters son; demselben Ist es gleich gangen wie dir armen sackpfeiffer, und fürwar wann du dich mit nammen heftest genant wie gemelter rltfersson, glaub Ich gentzlidi, du derselblg weresf.* Wilbaldus einen grossen seiiffhen von seinem bergen gon lieh: 'fleh mein herr,* sagt er, 'ich bitt, lr wollen mir dieselbig historl erzalen, damit ich vernim, das noch mehr armut­ seliger vögel seind dann ich.* 6r aber begert das nlt darumb zu hören, das solche hlsforl von einem andren sagt; dann er an allen Worten wol abnam, das er eben des ritters wolgerafner son was, von dem Fridbert gesagt hat; allein begert er heimlich zü erkoren, wie sich sein vaster und müter nach sei­ nem abscheid gehalten. Fridbert hat auch keinen zweifle! mehr, dann das er eben der Wilbaldus wer, von dem er sagen woll; darumb sprach er; 'film war, mein lieber sackpfeiffer! 3n der statt Bogna, nach laut des edelmanns sag, wonet ein ritfer mit namen Gottlieb, ein fslrnäm mann an des hodimeisters hoff, der hat in seinem betagten alter ein schon züchtig edel reich welb ge­ nommen, bey weichern er ein einigen son geboren und erzuchf hat. Denseiblgen genant er Wilbaldus, welchen er mit grösser liebe aufferzogen, einen jungen knaben im zü gefallen und geselschafft von einem bawren genommen. In gleichem fleyg bey einem zuchtmeister erhalten, bey welchem sie In gleichen fu­ genden zfinamen, big so lang der Jüngling Wilbaldus an ein bögen lodcvogel sich henget, seines vaffers und zuchfmeisters

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straff vernicht und gar in den wind schlug. Züfeg, als der vaster seins sones groh verderben sehen, ward er ihn seinem zuchtmeister in scherpffere straff bevelhen. His ihn nun der* selb bei üppiger böher geselschafft fand, understand er in mit der rfiten zu züchtigen. Wilbaldus aber von seiner bögen gselschafft dermah abgericht, weit solche straff nlt leiden, sunder stach sein zuchtmeister mit einem messet durch ein sehenckel und wundet in gar hart. Solcher ursach halben darfst er für sein votier nlt mehr Kummen, liess also mit einem seinem gesellen, so ein augerlegner diebischer sdialdt was, wiewol von krummen eitern, darvon, hielt sich ein zeit lang nit weit von der statt Bogna bei einem wirf, dohln im sein müter grog gelt schicket, big er zülefsf weiter kommen, do er von seiner muter nit meer möcht erkoren werden. Bis aber der vaster die muter offt darumb schalt, das sie dem son so welch was gewesen und darzu sie Iren son nit mehr erkoren kond, ist sie aug grosser kummernüg in ein tarifliche kranckhelt gefallen und bald darnach gestorben. Der rifter aber soll sich noch in seiner behausung mit seins gemelten sons gesellen halfen, der jegund ein schon jung reich welb hat. Wo aber Wil­ baldus im land sey, mag sein votier nit wissen. Diser gemeinet mich an dich; dann wol möglich ist, es gange im gleich so trübselig als dir.' Damit beschlag der cangler Frldbert sein red. Wilbaldus aber manchen liessen und schweren seüffgen von seinem bergen gon lieg, und sunderlich, als er seiner lieben muter todt vernummen hat, möcht er sich des weinens nlt mehr erhalten. Jedoch was er so gang geheb, das er nicht schnellen wolf, allein sagt; 'Sott verzieh dem son, das er ein ursach Ist an dem todt seiner muter! üdi aber warlidi sorg meiner müfer gar seer.’ Bis aber Frldbert und Felix an im verstunden, das er sich so lenger so weniger zü erkennen geben wolt, selnd sie wider in die statt gangen in ir herberg und zusammen allein in einen sal gesessen, aldo mitnander sich zü beraten, durch

84 was mittel sie dodi den Wllbaldum möchten gen Lohnn brin­ gen. krldbert sagt: 'Es ist ein sorg, wann er sich selb er­ kennet, das er in seinem vatterland ist, wiirt er gewihlick nlt dem vaster under äugen Kummen. Darumb so wir etwas nahe zü der statt Kummen als aukk zwo oder drey mell, wend wir uns annemen, grosse unnd ehaffte gesckekkt treiben uns bey nacht zü reiten. So mir dann zu der Porten Kummen, schliefet man uns die bey der nacht aukk. So reiten wir mit im in unserer schwiger behausung; do wärt er sich nlt erkennen mögen.' Das ward also von in beyden beschlossen.

Wie krldbert und Felix Wilibaldum den sadipfeiffer bei nackt gen Lohnn bringen und morndlfe etllck krellndt, herren, sampl dem alten rltter zü gast laden; Wllbald In einem nebengemadi sang und pfeift, wicht aber nlt, wo er was.

Es hatten sich jefeund alle gescheut geendet, Jedermann rüst sich wider helmwarfe zü riten. krldbert und Felix fragten Iren sadipfeiffer, ob er mit in weit. Er was sein gar wol züfrlden, fragt nlt weiters, ob er reiten, faren oder gon mäst; sie aber machten in beritten. Hls sie nun aller ding ferlg wurden, zalten sie Iren wirt, ritten den nechsten weg heim­ wärts zü. Huff der Strassen hatten sie gar vll freüd mit Irem sadipfeiffer. Hls sie nun aukk zwo tagreissen waren geritten und Wilbaldus sein gasthütleln gegen der beiden herren knech­ ten abgezogen, fieng er sie an fragen, wo doch Ire herschafften lr wonung helfen. Das aber was ihn zuvor von beiden herren verbotten; dorumb sie dann Wilibaidum mit geschyden und listigen Worten abweisen. Der güt Stockfisch gelaubett alles, das man im sagt. Sie waren Jefeund nicht weit mehr von Lohnn. Der ein knecht ward züvor geschiehet, ihr zükunfft zü verkünden, dann sie bey nacht erst Kummen würden, dorumb soll man ir an der porfen warfen. Wilbaldus in im selb heimlich dencken

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wordf: 'VIH mögen wo! selfzam herren sein, das sie erst nachts In die statt reiten wend und deh tags wol zelt genüg betten. Warlidi Ich sorg, sie haben nichts güts Im sinn. Wie, wa sie lr kuntschafft wühlen und mich efwan einem kauffmann zöstalten, so mich aukk ein galleen schmlden lieht Sie sehen, Ich bin jung und starck; solche gesellen, wie Ich bin, bezalt man theür. Sie möchtend auch wol selb kaufleut sein, die mit solcher war umbglengen. Wann Ihm also wer, weit ich,

das mich die wollt im holtz heben fressen oder aber mich mein meister bey dem zerrissenen vleh funden, het mich an einen bäum gehendes. Dann weger wer einmal gestorben dann allen tag leiden und nlt sterben können/ Sollich gedancken umb« gaben In so starck, das er gantz verdeckt sah, auff nichts kein acht hat. MH hat Felix bald wargenummen und Ihn bey einem arm gezopfff, mit lachenden mund gesagt: ‘ßelnfj Onfrost, blh männlich! Morgen must du erst für recht gesielt werden/

- 8b Damit hand sie lr fahwerck weiter mit lm getrelben; unnd als es sie zelt daudit, seind sie auffgesessen, vollends auf! Bofjna zügerltten. Nun schein der man ein wenig, so das man kein gantz eigentschafft eines dings darbey erkennen kond. Nock dannockt, als sie gar nahend hinzükamen, beduncket Wilbaldum, er helf die statt vor mehr gesehen; noch meynt er nlf, dah es Lohnn wer, fraget Frldbertum, wie die statt hleh. Der nant Im die, aber mit einem andren namen. Also lieh er sich aber seifigen. Sie kamen In Felixen Schweiger hauh; bey deren wonet Felix und sein welb. Cs war aber alle ding dermassen angestlkft, das er gar nichts merdten kondt, wo er was. Sie wur­ den schon empfangen. Dann Felixen diener, so zuvor geritten, hat sie aller ding bericht; so erkaufen sie auch wol, das all ir wolkart von dlsem Wilibaldo harreychef, wlewof es lm nlt so wol als Ihnen geraten was. Frldberf als er abgesessen und seine sfiffel abgezogen, hat er urlob von dem alten riffer genummen sampf seinem welb, zü seinem Schwager Felixen gangen, damit sie die nacht vollend freüd mit Irem sackpfeiffer heften. Sn summa es ward ein köstlich mal zügerichf; und als man zü tisch sah, saht Felix den sackpfeiffer oben an, neben Ihn die beyden jungen frauwen, die dann beyd wol wußten, wer er wah, aber gar nlt dergleichen theilen; sie treiben vll guter rlh mit Ihm. 'Allmecktiger goss, gedockt Wilbaldus, 'was wif doch hierauf werden? DIse herren bieten dir groh zücht unnd ehr; ent­ weder es würt dir gar übel oder gar wol gehn. Wolan, sol mirs dann übel gon, wll Ich mir recht vor einen güten müt haben.' Als sie nun wol gessen und druncken haften, sagt Felix zü seiner Schweiger; 'Fraw müter, nlmpt euch nlt wunder, was Ich euch hie für ein gast brockt hab?' - 'Sicher nein,' sagt sie, 'dann Ich sich wol, er ist ein spylmann; das zeügen seine schilt.' - '5a fürwar/ sagt Felix, 'besser sackpfeiffer habend Ir in all eüweren tagen nie erhört. Damit ihr aber

« 87 meinen Worten glauben, so tond im sein sackpfeiff bringens Da werdend ir wunder pernemen.’ HIsbald brockt man Im den

sack; Wilbaldus fleug an von seiner wandersdiafft zu pfelffen und singen. Darab in die welber gnfig freüd namen, sunder* lick freüwefen sich auff den künftigen sag, wie er slck halfen weit, wann er seines Passers anslcktlg würd.

Die nackt was

Jefjund mehr dann halb hinweg; darumb begerf Jedermann an sein rhü, damit sie den morndigen tag in freüden und Kurtzweil möckten polnbringen. Bis es nun tag worden und der alt ritter sampt Fridberfen auffgesfanden, hat In der alt ritter erstiick betragt, wie

es im auff der reyh gangen sey.

Frldbert antwort mit freu­

diger Stirnen und lachendem mund: 'Allerliebster herr, lr sond wissen, das wir ein wunderbare reyh gehabt. Dann pon ungeschieht haben wir meinen lieben brüder, eüweren son Wil-

bald, funden in einem gar selhamen stand, des lr euch dann nlt gnug wert mögen perwunderen, so lr ihn sehen wert, das ich dann hoff In kürtze zu beschehen/ Gottlieb, der güt alt mann, wiewol er In grossem zorn gegen seinem son wütet, noch dannochf erregt sich das pätterlick herh in im, als er pon

Fridberfen aller sack bericht ward, das Ihm seine äugen über­ gingen. 9n groh mitleiden fiel unnd bewilliget also Fridberfen

an der stets, das er seinem son Wllbaldo vergeben, doch In der gestalt, das er als ein diener bei Ihm wonen soll, dieweil er sein güt por langem perthon hat.

Felix in solcher zeit all ding nach notturfft ansckickef, etlich güt herren und freünd zu gast lüd; die ganh willlch kamen, dann ihn Felix newe zeltung zü sagen persprochen hat. Es ward auch ein seer schimpflicher imbih darauh, in welchem

pon etlichen seer gelacht, den andren geweynet ward. Dann der als ritter sich gantz spat im imbih sehen lieh; so hat Wllbald züpor niemant erkennet, bih im sein patter zü gesicht kam; do erkauf er sich erst.

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Vie Felix und Frldberf ein schimpflich mal zürlchfen, etllck güt herren und freöndf darzü laden, dehglelck Gottlieb, den allen rlffer, der Im halben essen von dem lisch gleng, Wllbald hlneingerflffen, zü dem lisch gesetzt ward, Gottlieb nach langem In den sal kam; wie es weiter gleng. Die herren und güten freünd, so zü gast geladen waren,

kamen sampt Iren weihen. Felix in einen nebensal ein tollet für die diener hat zürldifen lassen; bey denselblgen sah auch

der sadtpfeiffer. Felix Letal In, er solt seinen mitgesellen güt arbeit machen und sich auch beyweilen mit seiner sadtpfellfen hören lassen, damit seine herren und gest auch lichtsinnig da­

von wurden In dem andren sal. DeH was Wlllbaldus gut­ willig. So offt man ein richt brockt, sang und pfeift er leichtsinnig darzü. Bis es nun In halben essen was, sfahf der dem tisch auff; niemans aber In dem saal weiht schlag dann der rlffer, dehglelck Frldberf und Iren beyden weibern unnd der mfifer. Sobald

alt rlffer von

von dem an­ Felix sampt der alt rlffer

hinwegkam, saget Felix: 'hieben herren und frawen, wer es euch nlt verdrießlich, Ich woll euch unsern spylmann herinbringen. 3r sollen güt schwende von im erkoren; weyh auch, eh dann diser imbih zergohf, ihr wert selbem obenfheür von im hören, darbey erkoren, wer er ist.* Das gefiel ihn allen teer wol. Felix brockt In bald an den tisch mit seiner pfelffen.

Bis er ein kleine weyl gepfeilten, hat in Felix gemanet, sein sied allein zü singen. Wilbaldus in allen dingen gehorsam was, sang von heller luter Stimm, versähe sich aber nlt, das Im sein vaster so nahend was. Welcher wider in den saal geschlichen, sich zü

den weiberen an Ir fasset gesetzt hat, seinem son den rucken wendet, damit er nlt von ihm gesehen würd. Von allen denen, so in der gasfung waren, ward genüg gelachet; wann Wil-

- s- baldus hat jehund wo! gefrundten unnd seines leid« gentzNdl vergessen. £r was fast guter schwende, des ihm dann der güt alt ritter auch heimlich lachen müht, thet aber nlt der­ gleichen, das Im der Sachen wissens were. Hls nun Frldberten zelt bedaucht, das der güt sackpfelffer sich einmal selbs erkennen möcht, sagt er; ’kelnh Ohntrost, lieber, sag uns doch die warhelt, wo und In wellidiem land

meynstu, das du und mir all jefjund seiend? möchtest du auch in einem solchen dienst beharlich bleiben, auch solcher hauhmanskost zu güt haben? Oder belanget dich wider in deines vafters hauh, so scharn dich nlt, zelgs uns an! Wir wend dir alsam beholffen und beraten sein. Doch must du uns zfioor den nammen deines vatters, land und statt, in deren du erzogen und erboten bist, anzeigen.’ Wllbald mit einem grossen seüffhen anfleng und sprach: ,Allerliebster und getreüwister herr mein, wie mag Ich Im-

- 90 mermer umb euch verdienen des kreünfllcken erbietens, so ihr

mir gefhon, Ich geschwelg der gufaf, so mir schon wlderfaren ist! Das ihr mich fragend, ob mir gefall bey euch zu bleiben,

darzu antwurt ich, wo mir solche gnad von euch wlderfaren, Kan ich umb gott nimmermehr verdienen. Das ir aber fragt, ob mir lieber wer bey und umb meinen lieben votier zu wonen, so sag ich, wann gott geb, das mir mein lieber votier verzihen, wühl ich Kein grösser freüd in aller weit, so mir

lieber sein möcht; ich woll mich gern den ringsfen under

seinen dieneren achten, mich nlt als sein son, sunder als ein gebautster eigner knecht halfen. Damit aber ir vernempf, wer ich sey, darzä mein vatterland unnd meines vatters nammen

erkennen, so wihf, das in der statt Lohnn mein vaster wonef, ein frommer alter ritter; unnd ich bin eben der Wllbaldus, ein ungehorsammer son, von welchem euch der edelmann ge­ sagt hat in der statt Vladihlavia. Das ich aber meinen nammen verendret hab, allein darumb geschehen ist, das Ich besorgt hab, man würd mich erkennen; und so dann mein frommer

herr und vaster erkoren, das ich in solchem eilend umbzogen, er möcht sich des so hart kümmern und dardurch In kranckhelf und unmüt fallen. Dann mir Ist unverborgen, das elfen

betagten mannen nichts schedllchers dann der zorn sein mag. Wo ich dann ursadt zu seiner kranckhelt gebe, wie woll ichs immer gegen gott verantworten 7 Dann ist im, wie ir von dem edelmann verstanden habt, das mein liebe müter mit todt ab­ gangen, we mir, wo will ich mit meiner armen seel hin, die­ weil ich schuld an Irem jdmerllchen sterben gefragen!"

Bis er semlidis geredf, fleug er an bitterlichen zu weinen, dardurch er sie allsampt zu weynen bewegt.

Bis sich nun Fridberf wider erholet, sagt er: 'Wolan, mein lieber Wilbalde gehab dich wol! Dein herr und vaster ist mir nit unbebaut. Du soll In in gar Kurtzen stunden mit deinen äugen sehen.

Gottlieb der ritter möcht sich auch nlt lenger erhalten, stund,

auff von dem fisch, an welchem er sah, gieng zu seinem son, und mit gantz bekümmerten hertzen sagt er; *0 du mein un*

- -1 ghorsammer son, weh mir, das Ich dich ye gezogen hab t Hch, warumb starbest du nicht In deiner klntheitt So werest du nit ein ursach gewesen an dem todt deiner müter, so wer ick auch meines grossen güts nit so gar beraubet, welches du mir gar sdiantlich und lästerlichen verton/ Wllbaldus von grossem schrecken nit wuht, wo er was, dieweil er seinen liebsten votier reden hort. Er sah ganfj erstumbf, als wann er ein stein gewesen wer; antworten kond er gar nicht, so kond er auch nit fliehen. So was dem rlffer jetzund vor freüd und seyd sein sprach auch gelegen. Fridberf, welcher gar ein weiser verstandener mann was, gedockt im, wie er sie beid getrosten möcht. 'Strenger lieber herr und vaster/ sagt er, 'ich bitt, wollet semllchen unmüf fallen lassen und gedencken, wie man den sacken thun m-g. Was kein Ist, mag herwiderbracht nimmer werden. Euwer haufjfrauw ist in ewigem laben, hat alles Unglück, angst und not überwunden. Bat Wllbaldus das sein üppigkllch verthon, so hat er das auch in grosser armüi wider gebuht, üoftarius, der schantbüb, ist auch umb sein Malten bösen stück an dem galgen erworgen, wie dann allen lotteren billlck geschehen soll. Darumb, strenger lieber herr, nemmen zu gnaden mein lieben brüder und gesellen! Dann er mag euch in eüwerem schwachen alter noch zu grossem statten kommen. Sein armut, angst und not würf in dermah gewihiget haben, das er arges nimmer gedencken würf.' Von solchen werten ward Wllbaldus etwas ermundert worden, stund auff von dem fisch, fiel seinem vaster zu süssen und sagt;

Wie Wiilbaldus seinem paffer zü fühen kaff, gnad an in begeref, und wie ihm der paffer sein Mißhand­ lung verzeihet '0 mein hertzallerliebster herr und vaster, verzeihet mir armen ungehorsamen son! Ilempt mich durch gott zü gnaden

- §r auff, nlt als einen son, sonder als den geringsten stalbäben t 3ch wil midi aller arbeit, so niemans thfln will, underzlehen, domlf Ich nur undersdilelff in eüwerem liauh haben mag. 3n keinem beth beger ich nimmer zä schlaffen, allein vergönnet mir ander dem fach bey den Pferden in dem stall zu wonen t Dem wenigisten diener will ich als meinem herren gehorsamen.* Hls Willbaldus semllchs geredt, hat er sich gen den gesfen gewendet, sie auff das herhlickest gebetfen und ermanef, im

umb seinem patter heissen gnad und verzihung zu erwerben. Das sie dann all mit höchstem fleih vollbracht haben. Also hat im der alt rltter gentjildien verzeihen, doch das er nfimmer wider ihn thun soll, sunder Fridberten als seinen herren in allen gebotten gehorsamen. Des im Wilbaldus gar große freüd nam, dlewyl er jetzund Fridberten und Feiixen erkennet, die er dann vormals gar nlt kennen möcht. Hls nun alle sacken in das beste verwant, sind sie von news zusammen gesessen. Hldo hat Wilbaldus nach der seng sein

- -z auhfart, wanderschafff unnd begangnus erraten müssen, deh sie inen all groh Kurtzweil namen. Züiefsf sicht er Feiixen, seinen schulmeister, mit einem grohen unnd schweren seükktzen an und sagt: '0 Felix, mein gefrüwsfer rafgeb und Schulmeister, wie hab ich die getrüwe Warnung, so Ir mir getan, so mit ungleichem böhem Ion ver­ golten! Wie mag ich uch mit frölichen äugen ymmer ansehen t Weh mir, das in die sdianflich geselsdiallt deh üottarl Je Kummen bin! Dann er mich durch seine arglistigen vilfalfigen bösen anstifffungen zu aller ungehorsamme gebracht hat. 3ch bin durch sein eingeben zu verderbung und grossen spott küm­ mert, meiner allerliebsten fraw müter beraubt worden. 3di, der dem väterlichen güten gefrüwen raht nit volgen walt, so mir mein liebster herr und vaster geben thet, müht züiefsf einem armen groben hirten in aller unsuberkelt volgen, in kal­ tem wind, regen und sdme min zelt verfriben. Edler richer köstlicher speis weit ich mich in mlns vatters hauh nit sei­ figen lassen, müht mich aber an minem hlrfendiensf mit un­ geschmälert kraut und rüben benügen. Samat unnd slden wah mir zü gering zur Meldung, der züiefsf ein zwilchln sack über meine schultern gesponnen zü grosser noturfft für güt nam, damit Ich midi vor dem frost erwören unnd befleissen macht. Darumb dann blllidi alle Knaben, edel und unedel, ein bispyi ab mir nemmen werden und solcher bösen gselschafft abston, sich in kein solche ungehorsamkelt begeben. — 0 Frldberf, min allerliebster brüder, nun erkenn ich, weyh auch durch erfamüh, war sein alle frünfllch und brüderliche Warnungen, so mir in meinen jungen tagen von euch em­ pfangen; do aber was kein volgens nicht. Deh müh ich Jehund knecht und Ir herr sein, das auch recht und billich ist. Soft sey gedancket, der mich zü Vladlhlavia zü uch gefüret und mir wider zü sollichem schwer! geheissen, so das mich herr und vaster in gnaden auffgenummen und ich euch alsampt in solchen grossen wlrdln und eren funden, das midi dann meines leyds nicht wenig ergehet.'

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Mit solchen werfen machet Wlllbaldus in allen die äugen übergehn. So best es sie mochten, in trösten würden. Hls nun das malzeit ein end hatt, die fisch auffgehaben wurden, jeder» man urlob nam, zu hauh glengen, Wlllbaldus volgef Fridberfen unnd seinem vaster auf! dem küh nach wie ein gehör« sammer undertheniger diener. Er wah in beiden ganh willig unnd gehorsam, sfefigs in sorgen stund, das er seinen vaster, den ritter, nit erzürnet. Bald lieh im Fridberf schöne Kleider machen. Hlso ward das verloren Kind zü einem emsigen diener; sein thün und lassen ward aller weit gesellig, nam wider zu an vernunfff unnd weifoheif, welche zuvor auh verruchter böher geselschaflt ganh an im verlosschen wah. Also wirt manches adelichs gemüt, dem es doch von natur angeboren ist, durch nichtige böse geselschaflt korrumpiert an gut und ehren, und Klim­ mend! aber deren gar wenig wider zu solcher erkantnih. Dann deren sind gar vil, so ich erkauf hab, welche ihr gut durch hohe gselschafft versöhn, volgens alle erbarkelt, zücht und straff ganh verlassen, die unfugent und lasser angenummen; zülefst haben sie Ire zuchfmeisfer am galgen und Köpfbühel suchen müssen, doselbs jemerlich gezüchfiget werden. Das lond wir beliben und wend wifer sagen, wie Wllbaldus sein überiges läben zü end brockt hab, domit danoch die gütherhigen, so efwan sich übersehen hont, ein bispyl bey Im nemmen unnd wider zur fugend! Keren. Wie Wilbaldus deh hodimelsfers forsfmelster ward, unnd wie er sich so artlich und jegerlsdi auff dem gejägd gehalten hatt.

Erstlich haben ir das ganh läben, anfang und mittel ge­ hört, wie und welcher gestalt Wilbaldus sein zeit herbracht hab; jehund wend wir sein end und auhgang auch besehen. Er wonet bey seinem vaster und Fridberten in grossen freüden, was ganh aufrichtig in allen dingen. Dlh geruckt von im

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