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German Pages 250 Year 2006
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1031
Der gestaltende Steuergesetzgeber im Konflikt mit dem Sachgesetzgeber Von Ralf Barthelmann
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
RALF BARTHELMANN
Der gestaltende Steuergesetzgeber im Konflikt mit dem Sachgesetzgeber
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1031
Der gestaltende Steuergesetzgeber im Konflikt mit dem Sachgesetzgeber
Von
Ralf Barthelmann
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-12094-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die Arbeit lag dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main im Sommersemester 2005 als Dissertation vor. Dank gilt zuallererst meinem Doktorvater Prof. Dr. Georg Hermes, der mich stets gefördert hat. In seinen öffentlich-rechtlichen Seminaren und seinen „Mitarbeiterrunden“ habe ich vielfältige Anregungen erhalten, ohne die die Arbeit so nicht entstanden wäre. Prof. Dr. Ute Sacksofsky danke ich für die zügige Erstattung des Zweitgutachtens und für Vorschläge für die Veröffentlichung. Ante Bagaric´ und Markus Pöcker haben während der Entstehung der Arbeit immer wieder für Diskussionen zur Verfügung gestanden und manchen wertvollen Hinweis gegeben. Ihnen möchte ich an dieser Stelle herzlich danken. Für die finanzielle Förderung danke ich der FAZIT-Stifung. Mehr als Dank gilt meinen Eltern und Zrinka Vucˇic´, die mich in allem stets vorbehaltlos unterstützt und maßgeblich zur Entstehung der Arbeit beigetragen haben. Ihnen ist die Arbeit gewidmet. Frankfurt am Main, im Februar 2006
Ralf Barthelmann
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
Erster Teil Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
19
A. Konfliktparteien und Konfliktverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
I. Die grundgesetzliche Kompetenzverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
1. Die Verteilung der Steuergesetzgebungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
a) Steuergesetzgebungskompetenzen des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
b) Steuergesetzgebungskompetenzen der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
c) Steuergesetzgebungskompetenzen der Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
2. Die Verteilung der Sachgesetzgebungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
a) Sachgesetzgebungskompetenzen des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
b) Sachgesetzgebungskompetenzen der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
c) Sachgesetzgebungskompetenzen der Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
II. Die einzelnen Konfliktverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
1. Kompetenzkonflikt zwischen Bund und Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
a) Kompetenzkonflikt zwischen einer steuergesetzgebungsbefugten Kommune und dem sachgesetzgebungsbefugten Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
b) Kompetenzkonflikt zwischen dem steuergesetzgebungsbefugten Bund und einer sachgesetzgebungsbefugten Kommune . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
2. Kompetenzkonflikt zwischen Ländern und Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
a) Kompetenzkonflikt zwischen einer steuergesetzgebungsbefugten Kommune und dem sachgesetzgebungsbefugten Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
b) Kompetenzkonflikt zwischen dem steuergesetzgebungsbefugten Land und einer sachgesetzgebungsbefugten Kommune . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
3. Kompetenzkonflikt zwischen Kreisen und Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
8
Inhaltsverzeichnis 4. Kompetenzkonflikt zwischen Bund und Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
a) Kompetenzkonflikt zwischen einem steuergesetzgebungsbefugten Land und dem sachgesetzgebungsbefugten Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
b) Kompetenzkonflikt zwischen dem steuergesetzgebungsbefugten Bund und einem sachgesetzgebungsbefugten Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
B. Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Konfliktlösungen . . . . . . . . . . . . .
48
I. Der Kompetenzkonflikt in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
1. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
a) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor der Verpackungs- und der Sonderabfallabgabenentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
b) Die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . .
54
c) Fazit zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . .
58
2. Die Rechtsprechung der Fachgerichte im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
a) Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
aa) Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . .
59
bb) Die Rechtsprechung der unteren Verwaltungsgerichte . . . . . . . . . . . . . .
62
b) Die finanzgerichtliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
II. Der Kompetenzkonflikt in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
1. Konfliktlösungen auf der Ebene der Kompetenzqualifikation . . . . . . . . . . . . . . . .
64
a) Einschlägigkeit der Sachgesetzgebungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
b) Doppelte Kompetenzgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
c) Isolierte Betrachtung einzelner Lenkungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
d) Uneingeschränkte Steuergesetzgebungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
2. Konfliktlösungen auf der Ebene der Kompetenzausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
a) Kompetenzausübungsschranke aus der Sachgesetzgebungskompetenz . . . .
71
b) Der Grundsatz der Bundestreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
C. Gestaltende Steuern nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes – Kritische Würdigung der dargestellten Konfliktlösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
I. Kompetenzrechtliche Qualifikation gestaltender Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
1. Einschlägigkeit der Steuergesetzgebungskompetenz für alle Steuerregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
Inhaltsverzeichnis
9
2. Keine doppelte Kompetenzgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
3. Die Reichweite der kommunalen Steuergesetzgebungskompetenz . . . . . . . . . . .
88
4. Uneingeschränkte Steuergesetzgebungskompetenz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
II. Kompetenzausübungsschranken für den Steuergesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
1. Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung und konkrete Einzelregelungen als Schranke der Kompetenzausübung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
a) Das Rechtsstaatsprinzip als Grundlage des Verbots von Widersprüchen zwischen Steuer- und Sachgesetzen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
b) Vorrang des Sachgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 c) Übertragung der vermeintlichen rechtsstaatlichen Vorgaben auf das Bund-Länder Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Kompetenzausübungsschranken aus der Sachgesetzgebungskompetenz? . . . . . 114 3. Der Grundsatz der Bundestreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 D. Die Bundestreue als Maßstab zur Lösung von Kompetenzkonflikten zwischen Sachgesetzgebern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 I. Historische Wurzeln der Bundestreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 II. Adressaten der Bundestreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 III. Die konkrete Reichweite der aus der Bundestreue abgeleiteten Kompetenzausübungsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Die Bundestreue zwischen Kompetenzwahrnehmungs- und Abwehrinteresse 123 2. Die berechtigten Interessen der Konfliktparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Das berechtigte Kompetenzwahrnehmungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 b) Das berechtigte Abwehrinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 aa) Das Effektivitätsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 bb) Schwierigkeiten bei der Feststellung eines berechtigten Abwehrinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 c) Konsequenzen aus dem Fehlen eines berechtigten Interesses . . . . . . . . . . . . . 130 aa) Das Fehlen eines berechtigten Kompetenzwahrnehmungsinteresses 131 bb) Das Fehlen eines berechtigten Abwehrinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3. Auflösung des Konflikts zwischen dem berechtigten Wahrnehmungs- und dem berechtigten Abwehrinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Grundsätzlicher Vorrang des Kompetenzwahrnehmungsinteresses vor dem Abwehrinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
10
Inhaltsverzeichnis b) Vorrang des Abwehrinteresses vor dem Wahrnehmungsinteresse aufgrund der besonderen Qualität der Beeinträchtigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 aa) Vorrang des Abwehrinteresses bei schweren Beeinträchtigungen? . . 135 bb) Vorrang des Abwehrinteresses bei intendierten oder vorhersehbaren Beeinträchtigungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 cc) Vorrang des Abwehrinteresses bei unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 c) Vorrang des Abwehrinteresses aufgrund der besonderen Schutzwürdigkeit einer Norm? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 aa) Hierarchie innerhalb der grundgesetzlichen Kompetenzordnung? . . . 139 bb) Erfüllung eines Verfassungsauftrags? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 cc) Größere Zuständigkeit eines Gesetzgebers für die Regelung eines bestimmten Sachverhalts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 dd) Frühere Regelung eines Sachverhalts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 ee) Regelung eines Sachverhalts durch höherrangiges Gesetz? . . . . . . . . . 144 4. Ergebnis und Konsequenzen der vertretenen Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 5. Informationspflichten der kompetenzausübenden Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
E. Die Anwendung der Bundestreue auf den Konflikt zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 I. Grundsätzliche Übertragbarkeit der dargestellten Anforderungen auf den Konflikt zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 II. Politische Gestaltung als vorrangige Aufgabe des Sachgesetzgebers? . . . . . . . . . . . 147 1. Historischer Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Das Verhältnis zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber nach dem Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 3. Ergebnis: Anforderungen der Bundestreue für den Konflikt zwischen Steuerund Sachgesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 F. Übertragbarkeit der im Bund-Länder Verhältnis geltenden Anforderungen auf die sonstigen Konfliktverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 G. Keine Konfliktlösung durch Art. 31 GG bzw. den Gesetzesvorrang . . . . . . . . . . . . . . 162 H. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Inhaltsverzeichnis
11
Zweiter Teil Der Kompetenzkonflikt zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber auf europäischer Ebene
165
A. Konfliktkonstellationen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 I. Die Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. Die Gesetzgebungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . 166 a) Steuergesetzgebungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . . 166 b) Sachgesetzgebungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . . . 173 2. Gesetzgebungskompetenzen der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Einschränkungen der mitgliedstaatlichen Gesetzgebungskompetenz durch Sekundärrechtsakte der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts . . 177 aa) Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften auf dem Gebiet der indirekten Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 bb) Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften auf dem Gebiet der direkten Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 b) Einschränkungen der mitgliedstaatlichen Gesetzgebungskompetenz durch sachgesetzliche Sekundärrechtsakte der Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 II. Konsequenzen der Kompetenzverteilung für den Konflikt zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Kompetenzkonflikt zwischen einem nationalen Steuer- und dem gemeinschaftlichen Sachgesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 2. Kein Kompetenzkonflikt zwischen dem gemeinschaftlichen Steuer- und einem nationalen Sachgesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 B. Die Reichweite des Anwendungsvorrangs als entscheidendes Kriterium zur Lösung von Konflikten zwischen dem nationalen Steuer- und dem gemeinschaftlichen Sachgesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 I. Begründung der Vorrangregel und ihre Bedeutung im Rahmen von Kompetenzkonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 II. Die anerkannten Vorrangfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Unanwendbarkeit des nationalen Rechts im Bereich einer ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Unanwendbarkeit des nationalen Rechts im Bereich einer konkurrierenden Gemeinschaftskompetenz: Verbot direkter Kollisionen mit sekundärem Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
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Inhaltsverzeichnis 3. Keine Anwendbarkeit der anerkannten Vorrangfälle auf nationale gestaltende Steuerregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 4. Exkurs: Der gemeinschaftsrechtliche Steuerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 III. Die Erweiterung des Anwendungsvorrangs: Die indirekten Kollisionen . . . . . . . . . 201 1. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 2. Die Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 3. Stellungnahme: Keine Ausdehnung des Anwendungsvorrangs auf indirekte Kollisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 4. Besonderheiten im Verhältnis zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber? . . . . . . . 213 5. Verbot der missbräuchlichen Kompetenzwahrnehmung und Informationspflicht des nationalen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
Einleitung Innerhalb eines Mehrebenensystems, in dem die jeweiligen Kompetenzen auf verschiedene Hoheitsträger verteilt sind, lassen sich Situationen, in denen die Möglichkeit besteht, dass zwischen den einzelnen Kompetenzinhabern ein Konflikt auftritt, nicht vermeiden.1 Solche Kompetenzkonflikte2 sind insbesondere im Rahmen der Gesetzgebung kein unbekanntes Phänomen.3 Die beteiligten Gesetzgeber streiten hier darüber, ob die kompetenzausübende Partei nach der Kompetenzordnung berechtigt ist, das konkrete Gesetz zu erlassen bzw. ob eine Verpflichtung der Gegenseite besteht, den Erlass des Gesetzes zu dulden. Nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes lassen sich dabei zwei Ebenen unterscheiden. Auf der Kompetenzqualifikationsebene ist Konfliktgegenstand die Frage, ob die kompetenzausübende Partei überhaupt über eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz verfügt. Dies kann deshalb problematisch sein, weil sich Regelungen nicht stets zweifelsfrei einer Gesetzgebungsmaterie zuordnen lassen. Zum einen können die einzelnen Kompetenzthemen nicht immer klar voneinander abgegrenzt werden4 und zum anderen berühren die betreffenden Regelungen des öfteren mehrere Gegenstände. Neben einem solchen Konflikt auf der Ebene der Kompetenzqualifikation kann ein Konflikt auch auf der Ausübungsebene auftreten. Ungeachtet dessen, dass eine Kompetenzzuordnung gefunden und das entsprechende Gesetz als kompetenzgerecht qualifiziert ist, kann die gegnerische Partei geltend machen, dass das Gesetz sie in ihrer Kompetenz stört.5 Dies wird insbesondere deutlich, wenn man bedenkt, dass trotz einer klaren Kompetenzverteilung 1 Siehe hierzu Isensee, FS Bundesverfassungsgericht, S. 719 (721); Lück, Die Gemeinschaftstreue, S. 155. 2 Zum Begriff des Kompetenzkonflikts Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 373. Der Begriff des Konflikts setzt dabei nicht voraus, dass ein Streit wirklich entsteht oder bereits entstanden ist. 3 So können beispielsweise Konflikte zwischen dem Bundeskartellrechtsgesetzgeber und den Landesrundfunkgesetzgebern auftreten. Siehe hierzu Bauer, Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und das Kartellrecht, S. 59 ff. und Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 35. Zu einem Konflikt zwischen Fachplanungs- und Baurechtsgesetzgeber siehe Brohm, DÖV 1983, S. 525 ff. Zu einem Konflikt zwischen Landesrundfunk- und Bundeswirtschafts- bzw. Bundestelekommunikationsgesetzgeber Bullinger / Mestmäcker, Multimediadienste, S. 144 ff. 4 Zu dieser Schwierigkeit Erbguth, DVBl. 1988, S. 317 (319 f.); Fehling, Föderalismus, S. 31 (41); Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 412 f.; Kloepfer / Bröcker, DÖV 2001, S. 1 (3). 5 Damit soll noch nichts darüber ausgesagt werden, inwieweit solche Störungen feststellbar sind. Siehe dazu unten 1. Teil, D. II. b) bb).
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Einleitung
inhaltliche Berührungspunkte nicht ausgeschlossen sind und so die Möglichkeit besteht, dass zwei kompetenzgemäße Gesetze in einem Sachverhalt zusammentreffen und sich gegenseitig widersprechen. Die Beteiligten können demnach auf der Ebene der Kompetenzausübung darüber streiten, ob die Kompetenzwahrnehmung, wie sie sich durch das betreffende Gesetz darstellt, verfassungsgemäß ist oder ob die Störung nicht deshalb unzulässig ist, weil möglicherweise Ausübungsschranken eine solche Kompetenzwahrnehmung verbieten.6 Auch im Verhältnis zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber7 können bei Vorliegen einer Zuständigkeitsdivergenz, wenn also die Steuer- und die Sachgesetzgebungsbefugnis nicht bei ein und derselben Körperschaft vereint sind, Kompetenzkonflikte entstehen. Dies mag im ersten Moment verwundern, könnte man doch denken, dass Gesetze über Steuern sich nur auf die Beschaffung der notwendigen Finanzmittel beziehen, wohingegen Sachgesetze die materiell-inhaltliche Regelung von Sachverhalten zur Aufgabe haben. Inhaltliche Berührungspunkte scheinen im Verhältnis zwischen Steuer- und Sachgesetzen unmöglich, so dass sowohl Kompetenzzuordnungsschwierigkeiten, als auch Störungen des Sachgesetzgebers durch den Steuergesetzgeber vermeintlich ausgeschlossen sind. Eine solche Annahme würde jedoch übersehen, dass mittels der Steuer nicht nur Finanzierungs-, sondern auch Gestaltungsaufgaben wahrgenommen werden können.8 Steuern können nicht nur zum Entzug von finanziellen Mitteln bei den Abgabepflichtigen führen, vielmehr können sie auch individuelle Verhaltensänderungen verursachen. Die steuerlichen Be- oder Entlastungen sind nämlich an Voraussetzungen geknüpft, auf deren Vorliegen oder Nichtvorliegen die Betroffenen durch ihr Verhalten Einfluss nehmen können. Der Anreiz, die Steuerlast zu vermeiden bzw. zu reduzieren, kann deshalb zu Ausweichreaktionen bei den Steuerpflichtigen führen.9 Der Eintritt dieser sog. Gestaltungs- bzw. Lenkungswirkungen kann dabei 6 Zu der Möglichkeit eines solchen Konflikts auf der Ausübungsebene siehe auch Bauer, Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und das Kartellrecht, S. 62 ff; Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 39 f.; Hoffmann-Riem, Rundfunk neben Wirtschaftsrecht, S. 65 ff; Grundmann, Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Wettbewerb, S. 92 ff. Siehe auch Wiederin, Bundesrecht und Landesrecht, S. 341. Auch bei einem Konflikt auf der Ausübungsebene kann man von einem Kompetenzkonflikt sprechen. So zu Recht Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 43. 7 Unter dem Steuergesetzgeber ist der Gesetzgeber zu verstehen, der die Kompetenz zum Erlass von Steuergesetzen besitzt. Im Grundgesetz findet sich die Steuergesetzgebungskompetenz in Art. 105. Dementsprechend soll der Sachgesetzgeber in negativer Beschreibung als derjenige Gesetzgeber bezeichnet werden, der Gesetze nicht-steuerlicher Art erlässt. Im Grundgesetz bilden in erster Linie die Art. 73 ff. die Grundlage für die Tätigkeit des Sachgesetzgebers. 8 In umgekehrter Richtung würde zudem übersehen, dass auch nicht-steuerliche Abgaben zur Finanzierung von Staatsaufgaben beitragen können. 9 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 68; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts Band 1, S. 34; Stern, Staatsrecht, Band II, S. 1102; Schmölders, in: Strickrodt / Wöhe / Flämig / Felix / Sebiger, HwStR, Stichwort „Steuerwirkung“, S. 1370 f.; Birk, SteuerStud 1986, S. 162 (165); Lübbe-Wolff, Rechtsfolgen und Realfolgen, S. 141.
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auch zweckgerichtet verfolgt werden, um mit Hilfe der Steuer politische Ziele durchzusetzen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Möglichkeit ausdrücklich bestätigt und bezeichnet die Steuer in der modernen Industriegesellschaft als ein „zentrales Lenkungsinstrument aktiver staatlicher Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik“.10 Die Steuer wird heutzutage denn auch in vielen Bereichen, wie beispielsweise in der Wirtschafts- oder Umweltpolitik, als Gestaltungsmittel eingesetzt.11 Da sich die Steuer- und die Sachgesetzgebungsbefugnis in dem beschriebenen Sinne inhaltlich berühren, kann auch zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber ein Kompetenzkonflikt auftreten. Verfolgt der Steuergesetzgeber, der grundsätzlich für die Einführung, Ausgestaltung und Abschaffung von Steuern zuständig ist,12 mittels der Steuer Lenkungszwecke,13 kann zwischen den in Rede stehenden Gesetzgebern ein Streit darüber entstehen, ob der Steuergesetzgeber befugt ist, auf bestimmte Materien einzuwirken und diese in seinem – von den Vorstellungen des Sachgesetzgebers u. U. abweichenden – Sinne zu gestalten. Es stellt sich die Frage, ob neben dem Sachgesetzgeber, der mittels vielfältiger Handlungsmittel das Verhalten des Einzelnen steuern und seine politischen Gestaltungsvorstellungen auf dem entsprechenden Gebiet umsetzen kann, auch der Steuergesetzgeber Sachziele verfolgen darf. Zumindest auf den ersten Blick könnte man geneigt sein, diese Frage zu verneinen. Schon die Zuordnung gestaltender Steuern zu der Steuergesetzgebungskompetenz erscheint nicht unproblematisch. Muss sich der Steuergesetzgeber nicht vielmehr auf die Beschaffung der notwendigen Finanzmittel konzentrieren, so dass gestaltende Steuern unter den entsprechenden Sachkompetenztitel fallen? Möchte BVerfGE 55, 274 (299); BVerfGE 67, 256 (282). Zum vielfältigen Einsatz der Steuer als Gestaltungsinstrument siehe Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 49; Kirchhof, DVBl. 2000, S. 1166 (1166); Tiemann, Mit Steuern steuern?, S. 7 (10). Siehe auch unten 1.Teil.E.II.2. 12 Heun, in: Dreier, GG, Art. 105, Rz. 6; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 105, Rz. 1. Zu den damit verbundenen Abgrenzungsproblemen zwischen steuerlichen und nicht-steuerlichen Abgaben siehe Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 192 ff. 13 Auf eine Gewichtung des Finanzierungs- im Verhältnis zum Lenkungszweck wird hier bewusst verzichtet. Eine entsprechende Gewichtung ist zum einen höchst problematisch. Zum anderen würde im Fall, dass man nur solche Steuern in die Betrachtung einbezieht, die primär Lenkungszwecke verfolgen, der Untersuchungsrahmen von vornherein eingeschränkt. Zum Begriff der Lenkungssteuer bzw. zu dem der steuerlichen Lenkungsnorm siehe Kulosa, Verfassungsrechtliche Grenzen steuerlicher Lenkung, S. 7 f.; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts Band 1, S. 36; Birk, SteuerStud 1986, S. 162 (165); Lang, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4, Rz. 22; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I, S. 121. Nach Meßerschmidt, Umweltabgaben als Rechtsproblem, S. 123 ff soll es bei der Qualifizierung einer Steuer als Lenkungssteuer nicht auf den subjektiven Willen des Gesetzgebers ankommen, sondern auf die objektive Finalität der Norm. Auch Vogel in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 87, Rz. 52 und ders., StuW 1977, S. 97 (107) stellt nicht darauf ab, mit welcher Absicht der Gesetzgeber die Vorschrift eingeführt hat, sondern möchte ermitteln, bis zu welcher Grenze eine Regelung durch Überlegungen der Lastenausteilung gerechtfertigt werden kann. Regelungen, die die dargestellte Grenze überschreiten, werden als Lenkungsnormen qualifiziert. 10 11
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der Steuergesetzgeber mit Hilfe der Steuer beispielsweise die Luftreinhaltung fördern, liegt die Vermutung nahe, dass er seinen Zuständigkeitsbereich verlässt und den ihm entzogenen Sachkompetenztitel „Luftreinhaltung“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG) in Anspruch nimmt. Entsprechende Gesetze scheinen weniger Steuerals eher Sachgesetze zu sein. Lenkungssteuern, also Steuern, die primär Lenkungszwecke verfolgen, werden denn auch teilweise als sachgesetzliche Normen bezeichnet, die lediglich steuergesetzlich eingekleidet seien.14 Sieht man den Steuergesetzgeber dagegen auch für den Erlass gestaltender Steuern als zuständig an, ist der Kompetenzkonflikt jedoch noch nicht gelöst, vielmehr kann er auf der Ebene der Kompetenzausübung seine Fortsetzung finden. Es entscheidet dann nämlich nicht allein der Sachgesetzgeber über die Gestaltung der entsprechenden Materie, vielmehr kann auch der Steuergesetzgeber Einfluss auf diese nehmen. Eine Verhaltenslenkung kann also nicht nur durch das vom Sachgesetzgeber normierte Fachrecht, sondern auch durch das vom Steuergesetzgeber normierte Steuerrecht erfolgen. Folglich können Störungen des Sachgesetzgebers durch den Steuergesetzgeber nicht ausgeschlossen werden. Es ist deshalb fraglich, ob der Steuergesetzgeber nicht zumindest auf der Ausübungsebene zu beschränken ist, um eine etwaige Störung des zuständigen Sachgesetzgebers zu verhindern. Muss es nicht unterbunden werden, dass der Steuergesetzgeber dem „sachlich zuständigen Gesetzgeber über die Krücke seiner steuerlichen Regelungskompetenzen ins Handwerk pfuscht“?15 Der dargestellte Konflikt zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber ist Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung. Es ist zu erörtern, wie entsprechende Streitigkeiten aufzulösen und die aufgeworfenen Fragen zu beantworten sind. Eine dogmatisch überzeugende Klärung des Konflikts ist – gerade in Zeiten, in denen die Möglichkeit staatlicher Steuerung mit den Mitteln des Ordnungsrechts zunehmend bezweifelt und verstärkt über indirekte Lenkungsinstrumente wie die Steuer nachgedacht wird16 – dringend notwendig. Dies gilt sowohl im Interesse der Rechtsprechung, die über entsprechende Fallgestaltungen zu entscheiden hat, als auch im Interesse des Steuergesetzgebers, der Umfang und Grenzen seiner Kompetenz kennen muss. Schließlich ist eine Klärung des Problems auch aus Individualschutzgesichtspunkten erforderlich. Der Einzelne, der Eingriffe in seine Grundrechte durch formell verfassungswidrige Gesetze abwehren kann,17 benötigt Klarheit über die Reichweite und Schranken der jeweiligen Kompetenz, um die Erfolgsaussichten einer eventuellen Klage abschätzen zu können. So Lang, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4, Rz. 22. Köck, ZUR 1993, S. 127 (128). 16 Siehe hierzu Sacksofsky, NJW 2000, S. 2619 (2624); Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 152 ff. 17 Dazu, dass Grundrechte auch Schutz gegen kompetenzwidrige Gesetze bieten, BVerfGE 10, 354 (360 f.); BVerfGE 67, 256 (274); BVerfGE 75, 108 (146); BVerfGE 78, 205 (209). 14 15
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Eine dogmatisch „saubere“ Lösung kann aber zur Zeit nicht ausfindig gemacht werden. Zwar wird der Kompetenzkonflikt zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber zumindest auf nationaler Ebene schon seit längerem diskutiert,18 ohne jedoch zu einem dogmatisch überzeugenden Abschluss gefunden zu haben.19 Neue Bewegung in die Debatte brachten dabei zwei neuere Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts.20 Das Gericht, das sich im Rahmen von zwei Verfassungsbeschwerden mit den kompetenzrechtlichen Schwierigkeiten gestaltender Steuern zu beschäftigen hatte,21 entwickelte eine neue, bislang nicht vertretene Antwort zu der Frage. Es bejahte zwar die fragliche Kompetenz des Steuergesetzgebers, die Kompetenzausübung wurde jedoch dahingehend eingeschränkt, dass die steuerliche Lenkung weder der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung noch konkreten Einzelregelungen zuwiderlaufen dürfe.22 Die „dogmatische Revolution“23 des Bundesverfassungsgerichts stieß in der Literatur überwiegend auf Ablehnung und führte zu teilweise heftigen kritischen Stellungnahmen.24 Aber nicht nur, dass es dem Bundesverfassungsgericht offenbar nicht gelang, einen dogmatisch überzeugenden Konsens zu erzielen, wirft das gefundene Ergebnis in der Rechtsprechung scheinbar auch nicht unerhebliche Anwendungsprobleme auf. So sind Entscheidungen eines Instanzgerichts25 aufgrund fehlerhafter Anwendung der entsprechenden Kompetenzschranke durch das Bundesverwaltungsgericht aufgehoben worden.26 18 Siehe hierzu die Literatur aus den 60er und 70er Jahren, wie Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S. 25 ff.; v. d. Heydt, Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Wirtschaftslenkung durch die Steuergesetzgebung; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 160 ff.; Bodenheim, Der Zweck der Steuer, S. 294 ff.; Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 139 ff.; Benda / Kreuzer, DStZ 1973, S. 49 (52). 19 Dies konstatierte jüngst auch Rodi, StuW 1999, S. 105 (105). 20 BVerfGE 98, 83; BVerfGE 98, 106. 21 Ob es sich bei den Sonderabfallabgaben wirklich um Steuern und nicht um Sonderabgaben handelte, ließ das BVerfG, BVerfGE 98, 83 (100 f.) ausdrücklich offen. 22 BVerfGE 98, 83 (97 f.); BVerfGE 98, 106 (118 ff.). 23 So Rodi, StuW 1999, S. 105 (108). Franzius, AöR 126 (2001), S. 403 (405; Fn. 14) spricht von spektakulärer Begründung. 24 Allen voran Sendler, NJW 1998, S. 2875 (2875 ff.). Kritisch auch Führ, KJ 31 (1998), S. 503 (509 ff.); Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), S. 241 (269 ff.); Brüning, NVwZ 2002, S. 33 (35 ff.); Rodi, StuW 1999, S. 105 (108 ff.); Schneider, ZRP 1998, S. 323 (327); Schrader, ZUR 1998, S. 152 (153 ff.); Gelinsky, DRiZ 1999, S. 46; Berkemann, JR 1999, S. 9 (15); Franzius, Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung, S. 126 f.; Meßerschmidt, Rationale Umweltpolitik, S. 361 (378 ff.). Wohlwollend zumindest was die verfassungsrechtlichen Ausführungen betrifft dagegen Bothe, NJW 1998, S. 2333 ff. (2333); Di Fabio, NVwZ 1999, S. 1153 (1157); Krüger, EWiR 1998, S. 653 (654); Henneke, ZG 13 (1998), S. 275 (293). Trotz mancher Kritik im Detail stimmt auch Siekmann, EwiR 1998, S. 841 (842) der Landesabfallabgabenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich zu. 25 Nieders. OVG, Urteil v. 30. 11. 1998, 13 L 7153 / 95, DVBl. 1999, S. 406 und Nieders. OVG, Urteil v. 30. 11. 1998, 13 L 6854 / 94, Nds.VBl. 1999, S. 187. 26 BVerwGE 110, 248. Dieses Urteil wurde bestätigt durch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats v. 3. 5. 2001, 1 BvR 624 / 00, NVwZ 2001, S. 1264.
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Es scheint also, als sei man nach den beiden Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts von einer mehrheitlich akzeptierten Problemlösung weiter entfernt als je zuvor. Die nachfolgende Untersuchung möchte versuchen, diesem Zustand abzuhelfen. Dabei sollen die anerkannten Grundsätze der Kompetenzordnung berücksichtigt und das vermeintliche Sonderproblem in den dogmatischen Gesamtzusammenhang eingebettet werden. Da sich die Frage, ob der Steuergesetzgeber ein bestimmtes Ziel mit einer gestaltenden Steuerregelung verfolgen darf, obwohl er es mit einem Sachgesetz nicht dürfte, trotz der anders strukturierten Kompetenzordnung auch auf europäischer Ebene stellen kann, wird die Untersuchung in zwei Teile aufgespalten. Es wird zwischen innerstaatlichen Kompetenzkonflikten und solchen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten unterschieden. Die Erörterung der nationalen Konflikte wird so angegangen, dass zunächst die Frage behandelt wird, zwischen welchen Körperschaften der beschriebene Konflikt überhaupt auftreten kann. Anschließend erfolgt eine Bestandsaufnahme der zur Lösung des Konflikts vertretenen Ansichten. Diese werden sodann einer kritischen Würdigung unterzogen. Es zeigt sich, dass die verschiedenen Standpunkte Schwächen aufweisen und zumeist nicht überzeugen. Auf der Grundlage der vorgenommenen Kritik soll deshalb in den folgenden Abschnitten ein eigener Lösungsansatz erfolgen. In diesem Zusammenhang stellt sich das Problem, ob dem Sachgesetzgeber im Rahmen des Konflikts eine Vorrangstellung einzuräumen ist oder ob der Steuergesetzgeber gleichermaßen zur politischen Gestaltung befugt ist. Schließlich wird der Kompetenzkonflikt zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber auf europäischer Ebene erörtert. Nach der Darstellung der möglichen Konfliktkonstellationen ist zu untersuchen, wie Kompetenzkonflikte zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten grundsätzlich gelöst werden und ob im Verhältnis zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber Besonderheiten bestehen. Dabei sollen sowohl Parallelen als auch Unterschiede zwischen der Lösung des nationalen und des europäischen Konflikts aufgezeigt werden. Im Mittelpunkt der Untersuchung wird die Frage nach der Reichweite des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts stehen.
Erster Teil
Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt A. Konfliktparteien und Konfliktverhältnisse Wie bereits erörtert, liegt ein Kompetenzkonflikt vor, sofern der Steuergesetzgeber mittels der Steuer eine Materie gestaltet, obwohl er nicht über die entsprechende Sachgesetzgebungsbefugnis verfügt. Diese abstrakte Feststellung beantwortet jedoch noch nicht die Frage, zwischen welchen Körperschaften und unter welchen Voraussetzungen solche Konflikte konkret entstehen können. In diesem Abschnitt werden deshalb die verschiedenen Konfliktverhältnisse aufgefächert, wobei zur Problemverdeutlichung jeweils Beispiele, die z. T. bereits Gegenstand der Rechtsprechung waren, angeführt werden. Um zu erfahren, zwischen welchen Körperschaften und unter welchen Voraussetzungen entsprechende Konflikte auftreten können, ist zunächst die Verteilung der Steuer- und der Sachgesetzgebungszuständigkeiten zu erörtern. Nach der Behandlung der Kompetenzverteilung lässt sich übrigens auch eine Aussage darüber treffen, welche Konfliktkonstellationen den Hauptanwendungsfall in der Praxis bilden.
I. Die grundgesetzliche Kompetenzverteilung 1. Die Verteilung der Steuergesetzgebungskompetenzen Nachfolgend wird erörtert, welche Körperschaften nach dem Grundgesetz befugt sind, Steuergesetze zu verabschieden und wie die Kompetenz zwischen diesen Körperschaften im Einzelnen verteilt ist. Ungeachtet der Frage, ob der Steuergesetzgeber wirklich für alle Steuern, also auch für gestaltende Steuern, zuständig ist, ist jedenfalls klar, dass er nur für Steuern und nicht auch für nicht-steuerliche Abgaben zuständig ist. Die Abgrenzung zwischen Steuern und nicht-steuerlichen Abgaben leistet dabei der verfassungsrechtliche Steuerbegriff1. Danach sind unter Steuern Geldleistungen zu verstehen, die von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen ohne Gewährung einer Gegenleistung zur Erzielung von Einkünften 1 Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff reicht über das Konzentrat einfach-gesetzlicher Normen hinaus. BVerfGE 55, 274 (299); BVerfGE 67, 256 (282). Zur Eigenständigkeit des verfassungsrechtlichen Steuerbegriffs Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 53 ff.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
auferlegt werden. Der Zweck der Einnahmeerzielung kann dabei auch Nebenzweck sein.2 a) Steuergesetzgebungskompetenzen des Bundes Nach Art. 105 Abs. 1 GG hat der Bund die ausschließliche Kompetenz über die Zölle und Finanzmonopole. Neben dieser bedeutungslosen3 Zuständigkeit besitzt er des Weiteren die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz über alle Steuern, – ausgenommen sind gem. Art. 105 Abs. 2a GG lediglich die örtlichen Verbrauchund Aufwandsteuern – deren Aufkommen ihm ganz oder zum Teil zufließt oder für die eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich ist (Art. 105 Abs. 2, 72 Abs. 2 GG). Nach richtiger Ansicht ist er dabei nicht an die in Art. 106 GG genannten Steuerkategorien gebunden.4 Der Bund verfügt demnach über umfangreiche Steuergesetzgebungskompetenzen, insbesondere, wenn man bedenkt, dass – trotz der neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts5 – eine bundes2 BVerfGE 49, 343 (353); BVerfGE 65, 325 (344); BVerfGE 72, 330 (433); Heun, in: Dreier, GG, Art. 105, Rz. 13; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 105, Rz. 3 f. Aus Gründen der klaren Kompetenzabgrenzung ist das Merkmal der Einkünfteerzielung zu bejahen, wenn die Abgabe objektiv Einkünfte erbringt. So zu Recht Osterloh / Brodersen, JuS 1986, S. 53 (55); Jakob / Zugmaier, Rechtliche Probleme von Umweltabgaben, S. 11 (16); Lange, Gesamtverantwortung statt Verantwortungsparzellierung im Umweltrecht, S. 305 (319 f.); Köck, Die Sonderabgabe als Instrument des Umweltschutzes, S. 50; Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 124 ff.; Selmer / Brodersen, DVBl. 2000, S. 1153 (1156); Schwarz, Der Gemeindehaushalt 1998, S. 173 (174); Söhn, FS Stern, S. 587 (589); Jakob, FS Offerhaus, S. 65 (73); Jahn, GewArch 1995, S. 312 (314). A. A. Gern, NVwZ 1995, S. 771 (771 f.); Pieroth, WiVerw 1996, S. 65 (67). 3 Aufgrund der umfassenden Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Zollpolitik und aufgrund der Tatsache, dass gegenwärtig lediglich das Branntweinmonopol existiert, läuft die Vorschrift des Art. 105 Abs. 1 GG weitgehend leer. Siehe hierzu Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 105, Rz. 39; Heun, in: Dreier, GG, Art. 105, Rz. 31 f. 4 Siehe hierzu sogleich unter b). 5 Nach BVerfGE 106, 62 (135 ff., 143 ff.) bestehe kein von verfassungsgerichtlicher Kontrolle freier gesetzgeberischer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG. Konkretisierend hat das BVerfG zur Vorschrift des Art. 72 Abs. 2 GG ausgeführt, dass das Erfordernis der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse nicht schon dann erfüllt sei, wenn es nur um das Inkraftsetzen bundeeinheitlicher Regelungen gehe. Das bundesstaatliche Rechtsgut gleichwertiger Lebensverhältnisse sei vielmehr erst dann bedroht, wenn sich die Lebensverhältnisse in den Ländern der Bundesrepublik in erheblicher, das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigender Weise auseinander entwickelt hätten oder sich eine derartige Entwicklung konkret abzeichne. Zur zweiten Alternative des Art. 72 Abs. 2 GG führt das BVerfG aus, dass die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit unmittelbar institutionelle Voraussetzungen des Bundesstaates betreffe. Eine Gesetzesvielfalt auf Länderebene erfülle die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG erst dann, wenn sie eine Rechtszersplitterung mit problematischen Folgen darstelle, die im Interesse sowohl des Bundes als auch der Länder nicht hingenommen werden könne. Die Wahrung der Wirtschaftseinheit liege im gesamtstaatlichen Interesse, wenn es um die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsraums der Bundesrepublik durch bundeseinheitliche Rechtsetzung gehe. Zur Frage nach der Kontrolldichte der sich aus Art. 72 Abs. 2 GG ergebenden Vorgaben hat das
A. Konfliktparteien und Konfliktverhältnisse
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gesetzliche Steuerregelung zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse zumeist erforderlich i. S. des Art. 72 Abs. 2 GG sein wird. Es wird deshalb zu Recht von einer Dominanz des Bundes im Bereich der Steuergesetzgebung gesprochen.6
b) Steuergesetzgebungskompetenzen der Länder Die Länder besitzen gem. Art. 105 Abs. 2a GG zunächst die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern,7 solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind.8 Einzelne landesgesetzliche Steuervorschriften i. S. des Art. 105 Abs. 2a GG finden sich jedoch nur selten,9 da die Länder die Erhebung örtlicher Verbrauch- und Aufwandsteuern in ihren Kommunalabgabengesetzen zumeist den Gemeinden und Kreisen überlassen haben.10 Neben der ausschließlichen Zuständigkeit für die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern gem. Art. 105 Abs. 2a GG haben die Länder zudem die Kompetenz über die übrigen Steuern – außer über die Zölle und Finanzmonopole, für die der Bund gem. Art. 105 Abs. 1 GG die ausschließliche Zuständigkeit besitzt11 –, BVerfG (BVerfGE 106, 62 [150 ff.]) dahingehend Stellung genommen, dass das Gericht keinen Beschränkungen unterliege, soweit die Feststellung gegenwärtiger oder zukünftiger Tatsachen betroffen sei. Dagegen bejaht es bei Prognoseentscheidungen einen Prognosespielraum des Gesetzgebers, wobei der Spielraum nur im Wege einer Gesamtbetrachtung ermittelt werden könne, die sowohl sachbereichsbezogen sei als auch die zu schützenden Interessen berücksichtige. Zur Entscheidung des BVerfG siehe auch Faßbender, JZ 2003, S. 332 ff. In der Literatur wird auch nach der Neufassung des Art. 72 GG eine Einschätzungsprärogative des Bundesgesetzgebers angenommen. Siehe Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 72, Rz. 14; Jarass, NVwZ 2000, S. 1089 (1093); Stettner, in: Dreier, GG, Art. 72 GG, Rz. 17; Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 418 (Fn. 59); Isensee, FS BVerfG, S. 719 (745). Für eine höhere Kontrolldichte des BVerfG dagegen Kenntner, Justitiabler Föderalismus, S. 175 ff.; Calliess, DÖV 1997, S. 889 (897 ff.); Kröger / Moos, BayVBl. 1997, S. 705 (712 f.). 6 Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 105, Rz. 5 ff.; Häde, Finanzausgleich, S. 180. Zur Frage, inwieweit die Steuergesetzgebungskompetenz des Bundes durch Steuernormen der Europäischen Gemeinschaft eingeschränkt wird, siehe unten 2. Teil, A. I. 2. a). 7 Zur Definition der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern siehe sogleich unter c). 8 Zum Begriff der Gleichartigkeit im Rahmen des Art. 105 Abs. 2a GG sogleich unter c). 9 Als Beispiel können etwa das baden-württembergische Biersteuergesetz vom 14. 3. 1952 (GBl. 1952, S. 149) oder das rheinland-pfälzische Hundesteuergesetz vom 2. 2. 1951, zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. 7. 1977 (GVBl. 1977, S. 252) angeführt werden. 10 Zu der Frage, ob die betreffenden Vorschriften in den Kommunalabgabengesetzen der Länder als echte Ermächtigungen oder vielmehr als Einschränkungen des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts zu qualifizieren sind, siehe sogleich unter c). 11 Streitig ist, ob der Bund die Länder im Rahmen der ausschließlichen Kompetenz nach Art. 105 Abs. 1 GG zur Ausübung des Gesetzgebungsrechts ermächtigen kann. Diese Frage bejahen richtigerweise Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 105, Rz. 24; Heintzen, in:
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
solange und soweit der Bund von seiner Kompetenz nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat (Art. 105 Abs. 2, 72 Abs. 1 GG). Die Frage, ob der Bund seine Kompetenz ausgeübt hat, beantwortet sich dabei nach dem Kriterium der Gleichartigkeit.12 Die Gleichartigkeit zweier Steuervorschriften ist anhand der wesentlichen Merkmale der jeweiligen Steuerregelungen zu beurteilen. So zieht das Bundesverfassungsgericht den Steuergegenstand, den Steuermaßstab, die Art der Erhebungstechnik, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Steuer sowie die Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit als Vergleichsmaßstab heran.13 Abzulehnen sind dagegen Ansätze, die dem Gleichartigkeitsbegriff eine Schutzfunktion zugunsten des Steuerpflichtigen entnehmen und im Ergebnis von einer generellen Gleichartigkeit der besonderen Verbrauchsteuern mit der Umsatzsteuer ausgehen.14 Diese übersehen, v. Münch / Kunig, GG, Art. 105, Rz. 40; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 105, Rz. 14; Häde, Finanzausgleich, S. 157; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 105, Rz. 28. A. A. Vogel / Walter, in: Dolzer / Vogel / Graßhof, BK, Art. 105, Rz. 72. 12 Küssner, Die Abgrenzung der Kompetenzen, S. 75; Wendt, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 104, Rz. 34; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 105, Rz. 26; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 105, Rz. 22 f.; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 105, Rz. 42. 13 BVerfGE 40, 56 (62 f.); BVerfGE 49, 343 (355); BVerfGE 65, 325 (351); BVerfGE 13, 181 (193 f.); BVerfGE 16, 64 (75 f.); BVerfGE 14, 76 (91). Auch Starck, Verfassungsmäßigkeit der Vergnügungsteuer, S. 21, stellt beim Vergleich zweier Steuern primär auf die jeweiligen Steuertatbestände ab. In eine ähnliche Richtung geht auch der Ansatz von Vogel, StuW 1971, S. 308 (314 f.); ders., in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 87; Vogel / Walter, in: Dolzer / Vogel / Graßhof, BK, Art. 105, Rz. 111 f. und Czisnik, DÖV 1989, S. 1065 (1068 ff.). Sie gehen davon aus, dass die in Art. 106 GG genannten Steuern und Steuergruppen ungleichartig seien. Da Steuern nicht definiert, sondern lediglich historisch bestimmten Steuertypen zugeordnet werden könnten, sei bei der Gleichartigkeitsprüfung die zu prüfende Steuer im Rahmen eines Gesamtvergleichs zwischen die verschiedenen Typenvorbilder zu stellen und ihre Zuordnung nach dem Maße ihrer größeren oder geringeren Übereinstimmung mit diesen Vorbildern vorzunehmen. Aufgrund der schwierigen Unterscheidung wird man Steuern, die primär Lenkungszwecke verfolgen, und fiskalisch motivierte Steuern nicht generell als ungleichartig qualifizieren können. So aber Tipke, DÖV 1995, S. 1027 (1034) und Benkmann / Gaulke, ZKF 1990, S. 98 (102). Im Ergebnis wie hier Kluth, DVBl. 1992, S. 1261 (1265); Konrad, BB 1995, S. 1109 (1114). 14 In der Literatur wird dem Gleichartigkeitsbegriff zumeist eine Schutzfunktion zugunsten der Steuerpflichtigen entnommen. So Tipke, StuW 1975, S. 242 (245); Lang, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3, Rz. 33; Küssner, Die Abgrenzung der Kompetenzen, S. 108 ff.; Heun, in: Dreier, GG, Art. 105, Rz. 36; Bultmann, DStZ 1996, S. 760 (763 f.). Relativierend Starck, Verfassungsmäßigkeit der Vergnügungsteuer, S. 20 f. Ausgehend von dieser Prämisse, wird die Gleichartigkeit von Steuern entweder danach beurteilt, an welche Komponente der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit die Steuer anknüpft. So Tipke, StuW 1975, S. 242 (245 f.), der aber Steuern, mit denen ein sozialpolitischer Zweck verfolgt wird, nicht anhand dieses Kriteriums überprüfen will und Lang, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3, Rz. 33. Oder es wird nach den aus der Besteuerung resultierenden Belastungswirkungen für den Bürger gefragt. So Küssner, Die Abgrenzung der Kompetenzen, S. 112 ff. Im Ergebnis gelangen beide Ansichten zu einer Gleichartigkeit der besonderen Verbrauchsteuern mit der Umsatzsteuer. Siehe Tipke, StuW 1975, S. 242 (246); Küssner, Die Abgrenzung der Kompetenzen, S. 186 ff. Auch Holst, Das Gleichartigkeitsverbot, S. 186 ff., 212 f., der den Vergleich zweier Steuer-
A. Konfliktparteien und Konfliktverhältnisse
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dass dem Gleichartigkeitsverbot als kompetenzrechtlichem Begriff keine individualrechtliche Komponente inne wohnt.15 Zudem werden durch eine solche Auslegung des Gleichartigkeitsbegriffs die Unterschiede zwischen den Verbrauchsteuern und der Umsatzsteuer, die in Art. 106 GG ausdrücklich getrennt werden, negiert.16 Das Gleichartigkeitsverbot ist jedoch nicht die einzige Einschränkung der Gesetzgebungskompetenz der Länder, die im Rahmen des Art. 105 Abs. 2 GG diskutiert wird. Vielmehr wird den Ländern z. T. versagt, Steuern zu erlassen, deren Ertrag ihnen gem. Art. 106 GG nicht alleine, sondern ganz oder teilweise dem Bund zusteht. Dies sei notwendig, da anderenfalls eine Abhängigkeit der Bundeseinnahmen von der Gesetzgebung der Länder einträte.17 Da zwingende Gründe, die gegen eine Ertragshoheit des Bundes bei landesrechtlich geregelten Steuern sprechen, nicht ersichtlich sind, bedarf es einer solchen den Wortlaut des Art. 105 Abs. 2 GG überschreitenden Ausdehnung der ausschließlichen Bundeskompetenz jedoch nicht.18 Lehnt man eine Beschränkung der Gesetzgebungskompetenz der vorschriften allein anhand des Steuergegenstandes vornimmt, bejaht eine generelle Gleichartigkeit von Verbrauchsteuern mit der Umsatzsteuer. 15 So auch Holst, Das Gleichartigkeitsverbot, S. 159 ff. 16 Verbrauchsteuern unterscheiden sich in Hinblick auf den Steuergegenstand (Verbrauchsteuern erfassen nur einen Teilbereich der der Umsatzsteuer unterliegenden Gegenstände), den Steuermaßstab (Bemessungsgrundlage der Verbrauchsteuern ist im Gegensatz zur Umsatzsteuer typischerweise nicht das Entgelt, sondern die Menge der verbrauchsfähigen Gegenstände) und der Erhebungstechnik (Verbrauchsteuern werden nur auf der Letztanbieterstufe erhoben) erheblich von der Umsatzsteuer. Diese Unterschiede betonen in bezug auf die kommunale Verpackungssteuer auch BVerfGE 98, 106 (125); BVerwGE 96, 272 (286 f.); Corsten, ZKF 1989, S. 2 (4); Kluth, DVBl. 1992, S. 1261 (1264 f.). Siehe zu diesem Argument auch Vogel, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 87, Rz. 59 und ders., StuW 1971, S. 308 (314). 17 So Vogel / Walter, in: Dolzer / Vogel / Graßhof, BK, Art. 105, Rz. 76 f.; Korioth, Finanzausgleich, S. 158 f. 18 Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 105, Rz. 20; Heintzen, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 105, Rz. 48; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 105, Rz. 41; Häde, Finanzausgleich, S. 169. Ferner ist zu bedenken, dass auch in umgekehrter Richtung eine Abhängigkeit der Länder von der Steuergesetzgebung des Bundes besteht, die durch das Zustimmungserfordernis des Art. 105 Abs. 3 GG nicht vollständig kompensiert wird. Siehe hierzu Heun, in: Dreier, GG, Art. 105, Rz. 8 und Wendt, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 104, Rz. 43. Dazu, dass die Mitbestimmung der Länder an der Gesetzgebung des Bundes nur ein minderer Ersatz für den Verlust an gesetzgeberischer Selbstbestimmung ist, siehe allgemein Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 462 f. und Isensee, FS BVerfG, S. 719 (743). Auch Holst, Das Gleichartigkeitsverbot, S. 136 ff. sieht im Fall, dass den Ländern zwar die Gesetzgebungshoheit, nicht aber die Ertragshoheit zusteht, keine Störung der Funktionsfähigkeit des Finanzausgleichs. Dagegen kann die Ansicht, die die Ertragshoheit des Bundes auf bundesrechtlich geregelte Steuern beschränkt und den Ländern somit neben der Gesetzgebungsbefugnis nach Art. 105 Abs. 2 GG auch die Ertragshoheit zuspricht, solange und soweit der Bund nicht von seiner Kompetenz Gebrauch gemacht hat, ebenfalls nicht überzeugen, da sie den Wortlaut des Art. 105 Abs. 2 GG nur unter Überschreitung des Wortlauts des Art. 106 GG wahrt. So aber Pieroth, in: Jarass /
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
Länder auf die ihnen allein zufließenden Steuern demnach richtigerweise ab, sind die Länder jedenfalls19 befugt, alle in Art. 106 GG erwähnten Steuern einzuführen, soweit diese keine Gleichartigkeit mit bundesgesetzlichen Steuern aufweisen. Obgleich der Bund von seiner Kompetenz nach Art. 105 Abs. 2 GG weitgehend Gebrauch gemacht20 und somit die Kompetenz der Länder stark eingeengt hat, verbleibt den Ländern bei einer solchen Auslegung zumindest ein geringer Spielraum, da die Länder – trotz der in Art. 106 GG grundsätzlich vorgesehenen Ertragszuweisung an den Bund – auf die Steuergruppe der Verbrauchsteuern, die Platz lässt für die Einführung ungleichartiger neuer Steuern, zugreifen können.21 Die Reichweite der Gesetzgebungskompetenz der Länder im Rahmen des Art. 105 Abs. 2 GG ist schließlich entscheidend davon abhängig, ob man ein Findungsrecht des Steuergesetzgebers anerkennt oder ob man ihn auf die in Art. 106 GG erwähnten Steuern beschränkt. Richtigerweise dürfen die Länder nach der geltenden Finanzverfassung auch neuartige, nicht in Art. 106 GG genannte Steuern erlassen. Da die Frage, ob im Rahmen des Art. 105 Abs. 2 GG ein Steuerfindungsrecht besteht, für Bund und Länder nicht unterschiedlich beantwortet werden kann, verfügt übrigens auch der Bund über ein entsprechendes Recht.22 Art. 105 Abs. 2 GG ist keine Verweisungsvorschrift auf Art. 106 GG, so dass unter den Begriff der übrigen Steuern i. S. des Art. 105 Abs. 2 GG auch andere als die im Katalog des Art. 106 GG aufgezählten Steuern zu subsumieren sind.23 Die häufig vertretene Ablehnung eines Steuerfindungsrechts kann dagegen nicht überPieroth, GG, Art. 105, Rz. 25; Heun, in: Dreier, GG, Art. 105, Rz. 34; Schneider, in: Denninger / Hoffmann-Riem / Schneider / Stein, AK-GG, Art. 105, Rz. 31; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 105, Rz. 41; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 105, Rz. 13. 19 Ungeachtet eines womöglich bestehenden Steuerfindungsrecht. Siehe hierzu sogleich unten. 20 Siehe Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 105, Rz. 5 ff. 21 Jedenfalls dann, wenn man Verbrauchsteuern nicht von vornherein als mit der Umsatzsteuer gleichartig ansieht. 22 Küssner, Die Abgrenzung der Kompetenzen, S. 57; Häde, Finanzausgleich, S. 172. A. A. Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 105, Rz. 46, 55, der lediglich ein Steuerfindungsrecht der Länder anerkennt. 23 So zu Recht Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 (828); Häde, Finanzausgleich, S. 172 f., 160 ff.; Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern, S. 17 ff.; Heun, in: Dreier, GG, Art. 105, Rz. 33, Art. 106, Rz. 14; Manssen, Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1996, S. 137 (159 f.); Hendler, AöR 115 (1990), S. 577 (607); ders., Die Sonderabfallabgabe, S. 102 ff.; Schneider, in: Denninger / Hoffmann-Riem / Schneider / Stein, AK-GG, Art. 105, Rz. 22; Jakob / Zugmaier, Rechtliche Probleme von Umweltabgaben, S. 11 (23); Wendt, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 104, Rz. 29, 33; Holst, Das Gleichartigkeitsverbot, S. 140 ff.; Manssen, Rechtswissenschaft im Aufbruch, S. 145 (154); Söhn, FS Stern, S. 587 (599 ff.). Siehe auch Müller-Franken, JuS 1997, S. 872 (877 f.), der ein Steuerfindungsrecht bejaht, sofern das Aufkommen so auf Bund und Länder verteilt wird, dass die Ausgewogenheit der Finanzverteilung gewahrt bleibt.
A. Konfliktparteien und Konfliktverhältnisse
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zeugen.24 Eine Begrenzung auf die in Art. 106 GG genannten Steuern und Steuerarten führt zu einer weitreichenden Einschränkung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit. Insbesondere wird der kompetenzrechtliche Spielraum der Länder eingeengt und ihre Position im Rahmen der föderativen Finanzverfassung geschwächt. Eine derartige Beschränkung wird jedoch weder vom Wortlaut des Art. 105 Abs. 2 GG, noch von der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, noch von dem Gesamtsystem der Finanzverfassung gestützt.25 So enthält der Wortlaut des Art. 105 Abs. 2 GG keine Verweisung auf Art. 106 GG, sondern spricht lediglich von „übrigen Steuern“ und erfasst somit ohne weiteres auch neuartige Steuern.26 Zudem ist den Gesetzgebungsmaterialien des Finanzreformgesetzes von 1969 zu entnehmen, dass der damalige Verfassungsgesetzgeber von einem Steuerfindungsrecht des Bundes und der Länder ausging.27 Gegen ein Steuerfindungsrecht und für einen Typenzwang lässt sich überdies nicht anführen, dass der Katalog des Art. 106 GG ein ausgewogenes verfassungsrechtliches Steuerverteilungssystem begründe, das zum Schutz vor Störungen neuartige Steuern gezielt ausschließe.28 Art. 106 GG ist nicht als ein ausgewogenes, geschlossenes System anzusehen, lässt 24 Gegen ein Steuerfindungsrecht Küssner, Die Abgrenzung der Kompetenzen, S. 56 ff.; Jobs, Steuern auf Energie, S. 168 ff.; Heintzen, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 105, Rz. 45 f.; Förster, Die Verbrauchsteuern, S. 31 ff.; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 105, Rz. 31; dies., StuW 2000, S. 239 (243); Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 106, Rz. 17 ff.; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 105, Rz. 45; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 106, Rz. 2; Rodi, Wandlungen der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, S. 121 (134 f.); Vogel / Walter, in: Dolzer / Vogel / Graßhof, BK, Art. 105, Rz. 66; Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 177 f.; Balmes, Verfassungsmässigkeit von Umweltsteuern, S. 144; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, S. 133; Höfling, StuW 1992, S. 242 (244); Jenzen, Energiesteuern, S. 152. 25 Wendt, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 104, Rz. 29. 26 Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 (828); Hendler, Die Sonderabfallabgabe, S. 102. 27 Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 (828); Hendler, Die Sonderabfallabgabe, S. 103; Söhn, FS Stern, S. 567 (599); Müller-Franken, JuS 1997, S. 872 (877). So heißt es in dem Entwurf des Finanzreformgesetzes ausdrücklich, dass es sachlich nicht begründet sei, die Gesetzgebung des Bundes auf bestimmte Steuerkategorien zu beschränken und dass außerhalb der bundesgesetzlich geregelten Steuern ein Steuerfindungsrecht der Länder erhalten bliebe (BT-Dr. 1969, V / 2861, S. 32 f.). Diese Regelungsabsicht zeigt sich ferner, wenn man die betreffende Änderung des Grundgesetzes mit der vorher bestehenden Rechtslage vergleicht. Nach Art. 105 GG a. F. stand dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für einen enumerativ begrenzten Kreis von Steuerarten zu. Für die dort nicht genannten Steuern bejahte das BVerfG, BVerfGE 16, 64 (77 ff.) eine ausschließliche Zuständigkeit der Länder gem. Art. 70 GG. Siehe hierzu näher Holst, Das Gleichartigkeitsverbot, S. 81 ff. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass der Gesetzgeber mit dem uneingeschränkten Begriff der übrigen Steuern in Art. 105 Abs. 2 GG eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für alle denkbaren Steuern schaffen wollte. So zu Recht Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 (828). 28 So aber Küssner, Die Abgrenzung der Kompetenzen, S. 61 f.; Vogel / Walter, in: Dolzer / Vogel / Graßhof, BK, Art. 105, Rz. 66; Jobs, Steuern auf Energie, S. 168; Förster, Die Verbrauchsteuern, S. 33; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 105, Rz. 45; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 106, Rz. 2; Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 106, Rz. 18.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
die Vorschrift eine Systematik doch gerade vermissen.29 Die Bestimmung des Art. 106 GG ist somit nicht als sorgfältige und differenzierte Regelung der Ertragsverteilung zu verstehen, vielmehr knüpft sie lediglich an den historisch gewachsenen Bestand von Steuern und Steuerarten an, ohne aber andere Steuern auszuscheiden.30 Die Ausgewogenheit des vermeintlichen Ertragsverteilungssystems kann durch die gesetzliche Einführung, Aufhebung oder Änderung der von Art. 106 GG erfassten Steuern zudem ebenso gestört werden, wie durch die Einführung von neuartigen, nicht in Art. 106 GG geregelten Steuern.31 Veränderungen in der Ertragsverteilung können schließlich mit Hilfe der Vorschrift des Art. 106 Abs. 4 GG, die bestimmt, dass die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer neu festzusetzen sind, sofern sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich anders entwickelt, aufgefangen werden.32 Die Anerkennung eines Steuerfindungsrechts führt ferner nicht zu freischwebenden Erträgen,33 da auch für nicht in Art. 106 GG genannte Steuern eine Ertragskompetenz begründet werden kann. Die Ertragshoheit folgt grundsätzlich der Gesetzgebungskompetenz, so dass Steuern, die sich nicht in Art. 106 GG einordnen lassen, der Körperschaft zufließen, die sie erfindet.34 Etwas anderes gilt nur, wenn die Verfassung eine abweichende Bestimmung trifft.35 Gegen die Kon29 So werden zum einen Steuergruppen und zum anderen Einzelsteuern aufgezählt. Daneben fehlen wichtige Steuerkategorien, deren Einführung ein künftiger Steuergesetzgeber in Betracht ziehen könnte. Gegen das Systemargument auch Wendt, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 104, Rz. 29; Heintzen, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 105, Rz. 46; Förster, Die Verbrauchsteuern, S. 21; Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern, S. 17. 30 Wendt, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 104, Rz. 29. Dazu, dass Art. 106 GG kein in sich geschlossenes System bildet, siehe auch Tipke, DÖV 1995, S. 1027 (1028). 31 Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 (828); Hendler, Die Sonderabfallabgabe, S. 103 f.; Söhn, FS Stern, S. 567 (601 f.); Holst, Das Gleichartigkeitsverbot, S. 144. 32 Hendler, Die Sonderabfallabgabe, S. 103 f.; Söhn, FS Stern, S. 567 (601 f.). 33 So aber Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 105, Rz. 45; Jobs, Steuern auf Energie, S. 170; Höfling, StuW 1992, S. 242 (244). 34 Dagegen kann nicht auf Art. 30 GG als Auffangtatbestand abgestellt und eine Ertragshoheit der Länder für jede neuartige Steuer angenommen werden. So aber Häde, Finanzausgleich, S. 160, 172. Die Sonderregelung des Art. 106 GG lässt einen Rückgriff auf die allgemeine Regel des Art. 30 GG nicht zu. Dies zeigt sich schon daran, dass Art. 106 GG auch den Ländern zustehende Erträge nennt. Wäre die allgemeine Vorschrift des Art. 30 GG anwendbar, wäre die Aufzählung der Ländererträge in Art. 106 GG aber überflüssig, da sich die Ertragshoheit der Länder bereits aus Art. 30 GG ergäbe. So zu Recht Küssner, Die Abgrenzung der Kompetenzen, S. 62; Jobs, Steuern auf Energie, S. 170; Förster, Die Verbrauchsteuern, S. 35; Müller-Franken, JuS 1997, S. 872 (877); Henneke, Öffentliches Finanzwesen, S. 133; Höfling, StuW 1992, S. 242 (244). Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Verfassungsgeber verpflichtet ist, die durch die Einführung einer neuen Steuer im Katalog des Art. 106 GG entstandene Lücke durch eine nachträgliche Verfassungsänderung zu schließen. So aber Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, S. 1095. Eine solche Verpflichtung ist nicht begründbar. Gegen eine solche Verpflichtung auch Jobs, Steuern auf Energie, S. 170; Müller-Franken, JuS 1997, S. 872 (877); Vogel, JZ 1993, S. 1121 (1125).
A. Konfliktparteien und Konfliktverhältnisse
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gruenz von Gesetzgebungs- und Ertragshoheit wird z. T. eingewendet, dass die Regelungssystematik der Art. 105, 106 GG mit der separaten Zuordnung der Steuergesetzgebungs- und der Ertragskompetenz zeige, dass dem Grundgesetz eine entsprechende Kongruenz nicht zugrunde liege.36 Ein solches Argument übersieht aber, dass Art. 106 GG gerade als eine von dem allgemeinen Grundsatz abweichende Bestimmung zu qualifizieren ist.37 Da das Leistungsvermögen der Bürger durch die Einführung und Änderung von den im Katalog des Art. 106 GG genannten Steuern ebenso angetastet werden kann wie durch neuartige Steuern, kann ein Steuerfindungsrecht schließlich nicht mit der Begründung abgelehnt werden, anderenfalls bestünde die Gefahr, dass es zu einem Wettlauf des Bundes und der Länder auf das Leistungsvermögen der Bürger käme.38 Der Schutz des Bürgers vor unzumutbaren Belastungen ist nicht durch die Verneinung eines Steuerfindungsrechts zu gewährleitsten, sondern durch andere verfassungsrechtliche Bestimmungen, insbesondere die Grundrechte. Zudem kann die staatsorganisatorische Frage, ob ein Steuerfindungsrecht anerkannt wird oder nicht, nicht unter Rückgriff auf individualrechtliche Erwägungen gelöst werden, da keine subjektivrechtlichen Ansprüche denkbar sind, die die Ablehnung eines Steuerfindungsrechts gebieten.39 Im Ergebnis ist die Reichweite der Steuergesetzgebungsbefugnis der Länder dennoch als gering einzustufen, da der Bund von seiner Steuergesetzgebungskompetenz sehr weitgehend Gebrauch gemacht und die Länder somit wegen des Gleichartigkeitsverbots stark eingeschränkt hat.40 Erkennt man im Rahmen des Art. 105 Abs. 2 GG ein Steuerfindungsrecht an, vergrößert sich der kompetenzrechtliche Spielraum der Länder. Diese können dann eine Vorreiterrolle hinsicht35 Wendt, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, § 104, Rz. 29; Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 (828). Nach richtiger Auffassung steht die Verteilung des Aufkommens der neuartigen Steuer also nicht im Ermessen des Gesetzgebers, da die Kompetenzverteilung zwingend ist und der einfache Gesetzgeber nicht über die Ertragskompetenz verfügen kann. A. A. aber Hendler, Die Sonderabfallabgabe, S. 103; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 105, Rz. 18; Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern, S. 18. Siehe zur zwingenden Kompetenzverteilung des Art. 106 GG Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 106, Rz. 3. 36 Jobs, Steuern auf Energie, S. 170; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, S. 133; Küssner, Die Abgrenzung der Kompetenzen, S. 62. 37 So auch Manssen, Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1996, S. 137 (159). 38 Jobs, Steuern auf Energie, S. 169 unter Hinweis auf die in einem anderen Zusammenhang getätigte Aussage des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 67, 256 (286). Das BVerfG hat die Frage nach dem Bestehen eines Steuerfindungsrechts ausdrücklich offen gelassen. So BVerfGE 98, 83 (101). Dass die Position des Bundesverfassungsgerichts zum Steuerfindungsrecht als offen angesehen werden muss, konstatiert auch Jobs, Steuern auf Energie, S. 164. 39 Der Ansicht, dass die Norm des Art. 106 GG keine Schutzwirkung für den Bürger entfaltet, sind auch Heun, in: Dreier, GG, Art. 106, Rz. 14 und Manssen, Rechtswissenschaft im Aufbruch, S. 145 (153 f.). 40 Zur Frage, inwieweit europarechtliche Einschränkungen für den Landessteuergesetzgeber existieren, siehe unten 2. Teil, A. I. 2. a).
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
lich solcher Steuern einnehmen, die auf Bundesebene nicht bzw. noch nicht durchsetzbar sind. c) Steuergesetzgebungskompetenzen der Kommunen Ungeachtet der Frage, ob das in Art. 28 Abs. 2 GG und den entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen garantierte Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden auch die Befugnis umfasst, ohne spezielle gesetzliche Ermächtigung in Freiheit und Eigentum eingreifende Satzungen zu erlassen,41 richtet sich die Reichweite des Steuersatzungsrechts der Gemeinden aufgrund des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts42 in erster Linie43 nach den Kommunalabgabengesetzen der Länder.44 In den meisten Bundesländern dürfen die Gemein41 Ein solches Recht der Gemeinden ist richtigerweise zu bejahen, können doch weder Art. 28 Abs. 2 GG, noch die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte, noch das Rechtsstaats-, Gewaltenteilungs- oder Demokratieprinzip ein anderes Ergebnis begründen. So zu Recht Engel-Boland, Gemeindliches Satzungsrecht, passim; Adler, Das Satzungsrecht der Gemeinden, S. 75 ff.; Benkmann / Gaulke, ZKF 1990, S. 98; Holzkämper, Kommunale Umweltlenkungsabgaben, S. 14 ff.; Meyer, Finanzverfassung der Gemeinden, S. 59 ff; Tiedemann, DÖV 1990, S. 1 (7); Mohl, Steuerfindungsrecht, S. 37 ff.; Böhm, Umweltschutz durch kommunales Satzungsrecht, Kap. 5, Rz. 640; A. A. BVerwGE 96, 272 (280); OVG Münster, Urt. v. 7. 7. 1995, 15 A 295 / 91, WiB 1996, S. 866 (867); Wendt, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, § 104, Rz. 41; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 105, Rz. 21; Eckert, DÖV 1990, S. 1006 (1006); Palm, KStZ 1991, S. 81 (82); Schneider, in: Denninger / Hoffmann-Riem / Schneider / Stein, AK-GG, Art. 105, Rz. 33; Bethge, NVwZ 1983, S. 577 (580); Schmidt-Aßmann / Röhl, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 1. Kap., Rz. 96; Henneke, Jura 1986, S. 568 (576); Ossenbühl, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6, Rz. 66; Jakob, BayVBl. 1972, S. 141 (145); Friauf, GewArch 1996, S. 265 (267); Heintzen, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 105, Rz. 62; Schwarz, Der Gemeindehaushalt 1998, S. 173 (175); ders., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 106, Rz. 117; ders., ZKF 1996, S. 50 (52); Waldhoff, FS Vogel, S. 495, passim; Winands, JuS 1986, S. 942 (943); Flach, Kommunales Steuerfindungsrecht, S. 24 ff.; Köck / v. Schwanenflügel, Abfallvermeidung durch kommunale Verpackungsabgaben, S. 19. Lehnt man ein eigenes Steuersatzungsrecht der Gemeinden ab, ist die Frage zu entscheiden, ob die Länder aufgrund des Art. 28 GG und den entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen verpflichtet sind, den Gemeinden Steuersatzungskompetenzen zu übertragen. So Flach, Kommunales Steuerfindungsrecht, S. 30 ff. und Köck / v. Schwanenflügel, Abfallvermeidung durch kommunale Verpackungsabgaben, S. 19 f. 42 Zum Anwendungsvorrang des einfachen Rechts siehe Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4, Rz. 50. 43 Zum Teil auch nach speziellen Gesetzen. So wird etwa die kommunale Hundesteuer in Hessen nach dem hessischen Hundesteuergesetz vom 9. 3. 1957, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. 12. 1973 (GVBl. I, 1973, S. 467), und in Rheinland-Pfalz nach dem rheinlandpfälzischen Hundesteuergesetz vom 2. 2. 1951, zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. 7. 1977 (GVBl. 1977, S. 252), erhoben. 44 Erkennt man ein Recht der Gemeinden an, ihre Einwohner ohne gesetzliche Grundlage zu gemeindlichen Steuern heranzuziehen, sind die Vorschriften der Kommunalabgabengesetze, die die Erhebung örtlicher Steuern an gewisse Voraussetzungen knüpfen, als Einschränkungen des gemeindlichen Steuersatzungsrechts anzusehen. Geht man dagegen davon
A. Konfliktparteien und Konfliktverhältnisse
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den danach lediglich örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuersatzungen erlassen.45 Dabei sind unter Verbrauchsteuern auf Überwälzung angelegte46 Warensteuern zu verstehen, die den Verbrauch von Gütern belasten47 und die an das Verbringen des Verbrauchsgutes in den allgemeinen Wirtschaftsverkehr anknüpfen.48 Aufwandsteuern belasten dagegen die Aufwendungen für das Halten oder den Gebrauch von Gegenständen.49 Das Merkmal der Örtlichkeit ist schließlich erfüllt, sofern die entsprechende Steuer an örtliche Gegebenheiten, vor allem an die Belegenheit einer Sache oder an einen Vorgang im Gebiet der steuererhebenden Gemeinde, anknüpft und wegen der Begrenzung ihrer unmittelbaren Wirkungen auf das Gemeindegebiet nicht zu einem die Wirtschaftseinheit berührenden Steuergefälle führen kann.50 Andere Länder kennen eine derartige Beschränkung auf örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern dagegen nicht und berechtigen die Gemeinden allgemein zur Steuererhebung.51 Hier dürfen die Gemeinden also beispielsweise auch örtliche Verkehrsteuern erheben.52 aus, dass ein solches Recht der Gemeinden nicht besteht, sind die Kommunalabgabengesetze der Länder als echte Ermächtigungen einzustufen, die den Handlungsspielraum der Gemeinden erweitern. 45 Vgl. § 6 KAG BW; Art. 3 BayKAG; § 7 HKAG; § 5 KAG RP; § 3 KAG SH; § 3 KAG MV; § 7 SächsKAG; § 5 ThürKAG. Erkennt man die Befugnis der Gemeinden an, aus eigenem Recht Steuersatzungen zu erlassen, ist die Begrenzung auf örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern eine Einschränkung des Selbstverwaltungsrechts. 46 Nach h. M. ist es ausreichend, dass die Möglichkeit der Überwälzung besteht. So BVerfGE 14, 76 (96); BVerfGE 27, 375 (384); BVerfGE 31, 8 (20); BFHE 122, 21 (23); BFHE 141, 369 (375); BFHE 164, 148 (151); Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, S. 73; Jobs, Steuern auf Energie, S. 215 f. A. A. Arndt, Rechtsfragen einer deutschen CO2- / Energiesteuer, S. 59 f. 47 Streitig ist, ob nur der konsumtive oder auch der produktive Verbrauch vom Begriff der Verbrauchsteuer erfasst ist. Siehe hierzu Jobs, Steuern auf Energie, S. 188 ff. m. w. N. 48 Dies sind die wesentlichen Merkmale des Verbrauchsteuerbegriffs. Siehe BVerfGE 98, 106 (122); BVerwGE 96, 272 (281); Holzkämper, Kommunale Umweltlenkungsabgaben, S. 38. Der Inhalt des verfassungsrechtlichen Verbrauchsteuerbegriffs ist bislang aber noch nicht vollständig geklärt. Dies konstatieren auch BFHE 141, 369 (371); Jobs, Steuern auf Energie, S. 177; Küssner, Die Abgrenzung der Kompetenzen, S. 159. Zu den Versuchen der Begriffsbestimmung in Rechtsprechung und Literatur siehe Jobs, Steuern auf Energie, S. 177 ff.; Förster, Die Verbrauchsteuern, S. 46 ff.; Birk / Förster, BB 1985, Beilage Nr. 17, S. 1 ff.; Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, S. 36 ff. 49 BVerfGE 65, 325 (345 f.); BVerwGE 96, 272 (281); Wendt, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, § 104, Rz. 38; Holzkämper, Kommunale Umweltlenkungsabgaben, S. 38; Küssner, Die Abgrenzung der Kompetenzen, S. 163; Winands, JuS 1986, S. 942 (944); Birk / Förster, BB 1985, Beilage Nr. 17, S. 1 (6); Förster, Die Verbrauchsteuern, S. 110 f. 50 BVerfGE 16, 306 (327); BVerfGE 40, 56 (61); BVerfGE 65, 325 (349); Küssner, Die Abgrenzung der Kompetenzen, S. 234; Winands, JuS 1986, S. 942 (944); Wendt, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, § 104, Rz. 38; Förster, Die Verbrauchsteuern, S. 112. 51 Die Länder Brandenburg (§ 3 KAG), Niedersachsen (§ 3 KAG), Nordrhein-Westfalen (§ 3 KAG), Saarland (§ 3 KAG) und Sachsen-Anhalt (§ 3 KAG) sehen keine Beschränkung
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
Die Befugnis zum Erlass von Steuersatzungen steht aber nach allen Kommunalabgabengesetzen53 unter dem Vorbehalt, dass die von der Gemeinde normierte Steuer weder einer bundes- oder landesgesetzlich geregelten Steuer gleichartig ist54 noch dass sie einem Erhebungsverbot unterliegt.55 Probleme wirft in diesem auf örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern vor. So heißt es in den entsprechenden Vorschriften der Kommunalabgabengesetze lediglich, dass die Gemeinden Steuern erheben können. Die Auslegung der betreffenden Vorschriften verläuft dabei hinsichtlich örtlicher Steuern unterschiedlich, je nachdem, ob man ein eigenständiges gemeindliches Steuersatzungsrecht anerkennt oder nicht. Bejaht man ein eigenständiges Steuersatzungsrecht der Gemeinden, sind die Vorschriften hinsichtlich der örtlichen Steuern lediglich deklaratorisch, so dass es unerheblich ist, ob die Länder nach der bundesstaatlichen Kompetenzordnung die Gesetzgebungsbefugnis über die zu erlassende Steuer besitzen oder nicht. Verneint man dagegen die Befugnis der Gemeinden, Steuern aus eigenem Recht zu erheben, sind die entsprechenden Normen als landesgesetzliche Befugnisübertragung und somit als echte Ermächtigungen zu qualifizieren. Die Kompetenz der Gemeinden steht dann aber auch für örtliche Steuern unter dem Vorbehalt, dass für die entsprechende Steuer die Zuständigkeit der Länder nach Art. 105 GG gegeben ist, können die Länder doch nur solche Rechte auf die Gemeinden übertragen, die ihnen nach dem GG selbst zustehen und nicht etwa fremde Bundeskompetenzen. In letzterem Fall unterliegen die kommunalabgabenrechtlichen Vorschriften folglich einer ungeschriebenen Begrenzung. Siehe hierzu Flach, Kommunales Steuerfindungsrecht, S. 44. Anderes gilt freilich für die von den betreffenden Regelungen ebenfalls erfassten überörtlichen Steuern. Diese sind in beiden Fällen als konstitutive Ermächtigungen anzusehen, so dass die Kompetenz der Gemeinden hier niemals weiter reichen kann als die der ermächtigenden Länder, da die Länder nicht mehr an Zuständigkeit weitergeben können, als ihnen nach der bundesstaatlichen Kompetenzordnung selbst zusteht. 52 Verkehrsteuern besteuern Akte oder Vorgänge des Rechtsverkehrs. So BVerfGE 3, 407 (437); BVerfGE 7, 244 (260); BVerwGE 96, 272 (281); Küssner, Die Abgrenzung der Kompetenzen, S. 178 f.; Holzkämper, Kommunale Umweltlenkungsabgaben, S. 40. 53 Auch wenn die nachfolgend genannten Schranken nicht in allen Kommunalabgabengesetzen ausdrücklich genannt sind, haben sie doch zumindest teilweise Eingang in die Kommunalen Abgabengesetze erhalten. Siehe etwa § 6 Abs. 3 KAG BW, Art. 3 Abs. 1 BayKAG, § 7 Abs. 2 HKA, § 5 Abs. 2 KAG RP, § 1 Abs. 1 KAG MV, § 5 Abs. 1 ThürKAG. Auch finden sich in fast allen Kommunalabgabengesetzen (außer in Baden-Württemberg und Thüringen) Regelungen, nach denen die Gemeinden zur Steuererhebung nur berechtigt sind, sofern Bundes- oder Landesgesetze nicht etwas anderes bestimmen. So § 1 KAG NW, § 1 NKAG, Art. 1, BayKAG, § 1, HKAG; § 1, KAG RP, § 1 SKAG, § 1 KAG SH; § 1 BraKAG; § 1 KAG MV; § 1 SächsKAG; § 1 KAG-LSA. Siehe auch § 3 Abs. 2 SKAG, der Landes- oder Bundessteuern gleichartige Gemeindesteuern ausdrücklich ausschließt. 54 Das Gleichartigkeitsverbot gilt übrigens auch, sofern sich eine entsprechende Regelung in den Kommunalabgabengesetzen der Länder nicht findet. Die Beschränkung ergibt sich nämlich aus dem allgemeinen Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes. Nach diesem Prinzip ist das gemeindliche Satzungsrecht eingeschränkt, wenn der Gesetzgeber eine bestimmte Materie abschließend geregelt hat, so dass für eine Regelung durch eine kommunale Satzung kein Raum mehr bleibt. Auf Steuersatzungen bezogen bedeutet dies, dass den Gemeinden die Kompetenz für eine entsprechende Steuer entzogen ist, sofern eine gleichartige Steuer auf Bundesoder Landesebene besteht. So auch Adler, Das Satzungsrecht der Gemeinden, S. 141 ff. 55 So ist etwa nach § 3 Abs. 1 KAG NW, § 3 Abs. 3 NKAG, § 3 Abs. 4 KAG SH die Erhebung einer Schankerlaubnissteuer gesetzlich ausgeschlossen. Von einem Erhebungsverbot ist auch dann auszugehen, wenn die Steuer einer anderen Körperschaft vorbehalten ist. Beispielsweise steht nach § 8 Abs. 2 HKAG, § 6 Abs. 2 KAG RP, § 3 Abs. 4 SKAG die
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Zusammenhang der Begriff der Gleichartigkeit auf. Selbst wenn man den Gleichartigkeitsbegriff bei örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern eigenständig interpretiert und ihn enger versteht als den traditionellen Gleichartigkeitsbegriff,56 liegt jedenfalls keine Gleichartigkeit der betreffenden Steuern mit anderen Steuern vor, sofern sie nach dem traditionellen Gleichartigkeitsbegriff, der im Rahmen des Art. 105 Abs. 2 GG gilt, nicht mit anderen Steuern übereinstimmen. Der Gleichartigkeitsbegriff des Art. 105 Abs. 2 GG, der einen Gesamtvergleich der betreffenden Steuervorschriften erfordert,57 spielt also auch hier eine entscheidende Rolle. Unabhängig davon, welchen Gleichartigkeitsbegriff man im Rahmen des Art. 105 Abs. 2 GG vertritt, soll nach überwiegender Ansicht eine Gleichartigkeit örtlicher Verbrauch- und Aufwandsteuern mit bundesrechtlich geregelten Steuern zumindest dann ausscheiden, wenn es sich um herkömmliche, vor dem Finanzreformgesetz 1969 in Kraft getretene Steuern handelt.58 Demzufolge sind die Gemeinden beispielsweise befugt, – trotz der besonderen Verbrauchsteuern des Bundes auf Alkohol und alkoholische Getränke59 – Getränkesteuern auch auf Alkoholika zu erheben, da es sich bei diesen um traditionelle Gemeindesteuern handelt.60 Neben den Gemeinden können nach den Kommunalabgabengesetzen der Länder auch die Kreise Steuern erheben. Die Reichweite der Steuerkompetenz der Kreise ist jedoch von Land zu Land unterschiedlich. Während ihnen in einigen Bundesländern lediglich spezielle Einzelsteuern, wie etwa die Jagdsteuer oder die Schankerlaubnissteuer, zugewiesen sind,61 reicht ihre Gesetzgebungskompetenz in anderen Ländern grundsätzlich genauso weit wie die der Gemeinden in den entsprechenden Ländern.62 Die Kreise dürfen in diesen Bundesländern also entweder örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern erheben63 oder sind darüber hinaus gar Befugnis zur Erhebung einer Schankerlaubnissteuer lediglich den Kreisen und kreisfreien Städten zu. 56 So BVerfGE 40, 56 (61, 63); BVerfGE 65, 325 (350 f.). 57 Siehe hierzu oben 1. Teil, A. I. 1. b). 58 BVerfGE 40, 56 (64); BVerfGE 44, 216 (226); BVerfGE 40, 52 (55); BVerfGE 69, 174 (183); BVerwGE 58, 230 (240); BVerwGE 96, 272 (285); Selmer, DÖV 1974, S. 374 (378); Schneider, in: Denninger / Hoffmann-Riem / Schneider / Stein, AK-GG, Art. 105, Rz. 36; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 105, Rz. 54; Heun, in: Dreier, GG, Art. 105, Rz. 41; Küssner, Die Abgrenzung der Kompetenzen, S. 286 ff. A. A. Vogel / Walter / Graßhof, in: Dolzer / Vogel, BK, Art. 105, Rz. 123; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 105, Rz. 60. 59 Biersteuergesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I 1992, S. 2150); Gesetz zur Besteuerung von Schaumwein und Zwischenerzeugnissen vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I 1992, S. 2150). 60 A. A. für Steuern auf Bier, da es sich bei ihnen nicht um herkömmliche Verbrauchsteuern handele, Küssner, Die Abgrenzung der Kompetenzen, S. 323 f. 61 § 8 HKAG, § 3 KAG NW, § 7 KAG BW, § 6 KAG RP, § 3 BraKAG, § 8 SächsKAG. 62 Das Konkurrenzverhältnis zwischen den Kreisen und den Gemeinden wird dabei in den Kommunalabgabengesetzen zum Teil ausdrücklich gelöst. Siehe etwa Art. 3 Abs. 2 BayKAG und § 5 Abs. 2 ThürKAG. 63 Art. 3 BayKAG, § 3 KAG SH, § 3 KAG MV, § 5 ThürKAG.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
allgemein zur Steuererhebung befugt.64 Dabei gilt freilich auch für sie das Verbot, gleichartige oder gesetzlich ausgeschlossene Steuern zu erlassen. Festzuhalten bleibt, dass der Umfang des kommunalen Steuersatzungsrechts entscheidend von der Auslegung des Gleichartigkeitsbegriffs abhängig ist. Legt man diesen Begriff, wie hier vertreten, eher eng aus, haben die Gemeinden und teilweise auch die Kreise einen nicht zu unterschätzenden Spielraum für den Erlass von örtlichen Steuersatzungen. In diesem Fall können die Gemeinden bzw. Kreise verschiedene, auch bislang noch unbekannte65 Steuern erheben.66 In der Praxis haben die Kommunen denn auch eine Vielzahl örtlicher Steuersatzungen erlassen.67
2. Die Verteilung der Sachgesetzgebungskompetenzen a) Sachgesetzgebungskompetenzen des Bundes Der Bund verfügt aufgrund der umfangreichen Aufzählung von Gegenständen in den Art. 73 bis 75 GG über das Schwergewicht im Bereich der Sachgesetzgebung. Dabei ist zwischen der ausschließlichen (Art. 71, 73 GG), der konkurrierenden (Art. 72, 74 GG) und der Rahmengesetzgebungsbefugnis (Art. 75 GG) des Bundes zu unterscheiden.68 Unterfällt ein Gegenstand gem. Art. 74, 75 GG der konkurrierenden Gesetzgebungs- oder der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes, verfügt der Bund nur dann über eine entsprechende Kompetenz, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht (Art. 72 Abs. 2 , 75 Abs. 1 GG).69
b) Sachgesetzgebungskompetenzen der Länder Nach der Vorschrift des Art. 70 GG haben die Länder das Recht zur Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse ver§ 3 NKAG, § 3 SKAG, § 3 KAG-LSA. Die Vorschrift des Art. 106 GG begründet kein Ertragsverteilungssystem, dass neuartige Steuern ausschließt. Siehe hierzu oben 1. Teil, A. I. 1. b). Auch bei der in den meisten Bundesländern vorgesehenen Beschränkung auf örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern ist aufgrund der Weite der Steuergruppen die Erfindung neuartiger Steuern möglich. 66 Zu der Frage, inwieweit gemeinschaftsrechtliche Vorgaben die Steuergesetzgebungskompetenz der Kommunen einschränken, siehe unten 2. Teil, A. I. 2. a). 67 Siehe hierzu die Aufstellung bei Birk, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 3, Rz. 101 ff. 68 Auf die Darstellung der Grundsatzgesetzgebungskompetenz gem. Art. 91a, 109 Abs. 3 und 140 GG i.V. m. Art. 138 Abs. 1 WRV wird hier verzichtet. Siehe hierzu näher Rengeling, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, § 100, Rz. 282 ff. 69 Zur Kontrolldichte des Bundesverfassungsgerichts siehe bereits oben 1. Teil, A. I. 1. a). 64 65
A. Konfliktparteien und Konfliktverhältnisse
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leiht. Es besteht also ein Regel-Ausnahme Verhältnis zugunsten der Länder.70 Eine Zuweisung von Sachgesetzgebungsgegenständen an den Bund erfolgt dabei in erster Linie71 in den Katalogen der Art. 73 bis 75 GG. Soweit dem Bund nach Art. 73 GG eine ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis verliehen ist, tritt für den Landesgesetzgeber eine Sperrwirkung ein, die nach Art. 71 GG nur aufgehoben ist, sofern ein Bundesgesetz die Länder zur Gesetzgebung in diesem Bereich ausdrücklich ermächtigt. Anders als im Rahmen der ausschließlichen Gesetzgebung sind die Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 72, 74 GG) dagegen nicht ohne weiteres von der Gesetzgebungsbefugnis ausgeschlossen. Vielmehr können sie nach Art. 72 Abs. 1 GG solange und soweit tätig werden, als der Bund von seiner Zuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Ein Gebrauchmachen in diesem Sinne liegt dabei vor, wenn eine bestimmte Materie eine abschließende und erschöpfende bundesgesetzliche Regelung erfahren hat.72 Im Bereich der Rahmengesetzgebung des Bundes gem. Art. 75 GG sind die Länder solange zur Gesetzgebung befugt, wie der Bund seine Kompetenz nicht ausgeübt hat. Aber selbst dann, wenn der Bund von seiner Zuständigkeit Gebrauch gemacht hat, verbleibt die Gesetzgebungsbefugnis grundsätzlich bei den Ländern, sind Rahmengesetze doch prinzipiell auf eine Ausfüllung durch die Länder angelegt.73 Die Länder haben jedoch keine Kompetenz zum Erlass solcher Gesetze, die gegen den bundesrechtlich vorgegebenen Rahmen verstoßen.74 Insbesondere verbleibt ihnen keine Kompetenz, sofern der Bund für eine bestimmte Frage eine abschließende, alle Einzelheiten regelnde Vorschrift erlassen hat.75 Hat der Bund also eine gem. Art. 75 Abs. 2 GG ausnahmsweise zulässige Vollregelung 70 Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 70, Rz. 1; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 70, Rz. 5. 71 Die Verleihung von – grundsätzlich ausschließlichen – Gesetzgebungskompetenzen an den Bund geschieht auch in anderen Normen des Grundgesetzes, wie beispielsweise in Art. 38 Abs. 3 GG oder Art. 21 Abs. 3 GG. 72 BVerfGE 7, 342 (347); BVerfGE 49, 343 (358); BVerfGE 67, 299 (324); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 72, Rz. 2; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 72, Rz. 11; Stettner, in: Dreier, GG, Art. 72, Rz. 26; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 72, Rz. 20. Nach BVerfGE 98, 265 (300) kann auch im absichtsvollen Unterlassen einer Regelung ein Gebrauchmachen i. S. des Art. 72 Abs. 1 GG liegen. 73 BVerfGE 4, 115 (129); BVerfGE 36, 193 (202). 74 BVerfGE 87, 68 (69); Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 75, Rz. 42; Wiederin, Bundesrecht und Landesrecht, S. 320 ff.; Huber, in: Sachs, GG, Art. 31, Rz. 17a; Pietzcker, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, § 99, Rz. 28; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 31, Rz. 26; März, in v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 31, Rz. 74. Nach a. A. soll eine Nichtigkeit nach Art. 31 GG vorliegen. BVerfGE 66, 291 (310); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 75, Rz. 5; ders., SächsVBl. 1993, S. 15 (17). Auch Jarass, NVwZ 1996, S. 1041 (1047) geht zumindest bei unmittelbar anwendbaren Regelungen von einem Verstoß gegen Art. 31 GG aus. 75 Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 31, Rz. 17a.
3 Barthelmann
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
erlassen,76 sind die Länder in dem betreffenden Bereich von der Gesetzgebung ausgeschlossen. Die Länder können die bundesrechtliche Vollregelung lediglich unverändert in ein Landesgesetz übernehmen. Die Regelung soll dabei aber eine bundesrechtliche bleiben.77 Die umfangreiche Zuweisung von Sachgesetzgebungsgegenständen an den Bund und dessen rege Gesetzgebungstätigkeit begründet in der Praxis ein deutliches Übergewicht des Bundes im Bereich der Sachgesetzgebung, so dass das angesprochene Regel-Ausnahme Verhältnis umgekehrt wird.78 Die Sachgesetzgebungskompetenz der Länder beschränkt sich denn auch im wesentlichen auf das Polizei- und Ordnungsrecht, das Kulturrecht, das Kommunalrecht und das interne Organisations- und Verfahrensrecht.79
c) Sachgesetzgebungskompetenzen der Kommunen Die Sachgesetzgebungsbefugnis der Gemeinden ergibt sich in erster Linie80 aus Art. 28 Abs. 2 GG und den entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen in Verbindung mit den Generalermächtigungen zum Erlass kommunaler Satzungen in den Gemeindeordungen. Nach diesen Vorschriften haben die Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, also solche, die in der der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben,81 im Rahmen der Gesetze durch Satzung zu regeln. Die Gemeinden können demnach zur Gestaltung ihres Wirkungskreises autonome Satzungen erlassen, die nach zutreffender Ansicht auch in Freiheit und Eigentum der Einwohner eingreifen dürfen.82 Die Gemeinden haben in ihrem Wirkungskreis also originäre Rechtsetzungsbefugnisse und können als kommunale Sachgesetzgeber auftreten, sofern sie örtliche Materien nicht-steuerlicher Art durch Satzung regeln. Das Satzungsrecht besteht gem. Art. 28 Abs. 2 GG jedoch lediglich im Rahmen der Gesetze. Die Gemeinden sind deshalb nur solange und soweit zur gesetzlichen 76 Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Vollregelung erlassen werden darf, siehe Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 75, Rz. 12a f.; Jarass, NVwZ 2000, S. 1089 (1094 ff.). Nach Oeter, Integration und Subsidiarität, S. 426 hat die Vorschrift des Art. 75 Abs. 2 GG kaum diziplinierende Wirkung für den Bundesgesetzgeber. 77 So BayVerfGHE 37, 140 (143); BayVerfGHE 37, 177 (179); BayVerfGHE 38, 152 (158). 78 Schmitt Glaeser, AöR 107 (1982), S. 337 (356); Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 70, Rz. 5; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 70, Rz. 1. 79 Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 70, Rz. 11; Bothe, in: Denninger / HoffmannRiem / Schneider / Stein, AK-GG, Art. 30, Rz. 18. 80 Den Kommunen können zudem Rechtsetzungsbefugnisse für staatliche Aufgaben durch Gesetz zugewiesen sein. Siehe etwa § 74 HSOG, der die Gemeinden zum Erlass von Gefahrenabwehrverordnungen ermächtigt. 81 BVerfGE 79, 127 (151). 82 Zur eigenständigen Satzungshoheit der Gemeinden siehe bereits oben 1. Teil, A. I. 1. c).
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Regelung der örtlichen Angelegenheiten berechtigt, wie sie ihnen nicht durch bundes- oder landesrechtliche Hochzonung entzogen worden sind.83 Angesichts der Normierung vielfältiger Sachgebiete durch abschließendes Bundes- bzw. Landesrecht und des damit einhergehenden kommunalen Kompetenzentzugs, verbleiben den Gemeinden im Ergebnis deshalb nur wenige Bereiche zur eigenverantwortlichen Regelung.84 Auch die Kreise haben nach Art. 28 Abs. 2 GG und den Landesverfassungen das Recht zur Selbstverwaltung, wobei ihr Verfassungsstatus aber gegenüber dem der Gemeinden deutlich geringer ausfällt. So ist den Landkreisen kein bestimmter Aufgabenbereich garantiert, vielmehr muss ein solcher erst durch Gesetz festgelegt werden. Ist ihnen ein eigener Wirkungskreis gesetzlich zugewiesen, sind jedoch auch sie zur eigenverantwortlichen Erledigung der damit verbundenen Aufgaben – einschließlich des autonomen Satzungserlasses – befugt. In den jeweiligen Kreisordnungen werden den Kreisen durch die aufgabenrechtlichen Generalklauseln85 aber zumeist nur Ausgleichs- und Ergänzungsaufgaben86 zugewiesen, die nur wenig Raum für eine eigenständige Ausübung von Rechtsetzungsbefugnissen lassen.
II. Die einzelnen Konfliktverhältnisse 1. Kompetenzkonflikt zwischen Bund und Kommunen Die Kommunen und der Bund besitzen sowohl Steuer- als auch Sachgesetzgebungsbefugnisse. Sie können demnach im Rahmen von Kompetenzkonflikten entweder als Steuer- oder als Sachgesetzgeber auftreten, so dass zwei verschiedene Konstellationen zu unterscheiden sind.
a) Kompetenzkonflikt zwischen einer steuergesetzgebungsbefugten Kommune und dem sachgesetzgebungsbefugten Bund Zunächst kann es zu einem Kompetenzkonflikt zwischen einer steuergesetzgebungsbefugten Gemeinde und dem sachgesetzgebungsbefugten Bund kommen. Dies ist der Fall, wenn eine Gemeinde als zuständiger Steuergesetzgeber gestalBVerfGE 79, 127 (143); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 28, Rz. 20. So verbleiben den Gemeinden beispielsweise im Bereich des Umweltschutzes kaum eigene Regelungsbefugnisse. Siehe hierzu Holzkämper, Kommunale Umweltlenkungsabgaben, S. 28 ff. 85 § 2 Abs. 1 KrO BW; Art. 4 Abs. 1 LKro Bay; § 2 Abs. 1 LKrO Bbg; § 2 Abs. 1 KrO Hess; § 89 Abs. 1,2 KV M-V; § 2 Abs. 1 KrO Nds; § 2 Abs. 1 LKO Rh-Pf; § 140 KSVG Saarl; § 2 Abs. 1 LKrO Sachs; § 2 Abs. 1 LKrO S-Anh; § 2 Abs. 1 KrO Schl-H; § 86 Abs. 1, 2 ThürKO. 86 Zu den Kreisaufgaben siehe Schmidt-Aßmann / Röhl, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 1. Kap., Rz. 139 ff. 83 84
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
tende Steuern erlässt, obwohl nicht sie, sondern der Bund über die entsprechende Sachgesetzgebungsbefugnis verfügt. Da die Gemeinden über nicht unerhebliche Steuergesetzgebungskompetenzen verfügen und der Bund nach dem Grundgesetz das Schwergewicht im Bereich der Sachgesetzgebung besitzt, ist diese Konstellation der häufigste Anwendungsfall eines Kompetenzkonfliktes zwischen Steuerund Sachgesetzgeber. Bei der Frage, ob eine gestaltende Steuer, eine Materie betrifft, für die der Bund und nicht die Gemeinde die Sachgesetzgebungsbefugnis hat, ist danach zu unterscheiden, ob die Regelung örtliche oder staatliche Angelegenheiten betrifft. Betrifft sie staatliche Angelegenheiten liegt der fragliche Gegenstand grundsätzlich87 außerhalb der Sachregelungskompetenz der Gemeinden, so dass die hier erörterte Konfliktkonstellation vorliegt, sofern nach der in Art. 70 ff. GG getroffenen Zuständigkeitsverteilung der Bund sachgesetzgebungsbefugt ist. Gestaltet eine gemeindliche Steuer eine Materie, die als örtliche Angelegenheit zu qualifizieren ist, kommt es nur dann zu dem hier in Rede stehenden Konflikt, wenn der Bund nach Art. 70 ff. GG über eine entsprechende Kompetenz verfügt und diese auch ausgeübt hat. Da die Gemeinden zur Regelung der örtlichen Angelegenheiten zuständig sind, sofern ihnen die Angelegenheit nicht durch Gesetz entzogen ist, besitzen die Gemeinden anderenfalls nämlich selbst die Sachgesetzgebungsbefugnis, so dass ein Konflikt mangels Zuständigkeitsdivergenz ausscheidet. Im Gegensatz zu dem Fall, dass eine Steuer eine staatliche Angelegenheit betrifft, kommt es hier folglich nur zu einem Konflikt, wenn der Bund von seiner Sachgesetzgebungskompetenz – also auch von der ausschließlichen Kompetenz nach Art. 71, 73 GG – abschließend Gebrauch gemacht hat. Die hier behandelte Konfliktkonstellation zwischen den steuergesetzgebungsbefugten Kommunen und dem sachgesetzgebungsbefugten Bund ist auch dann einschlägig, wenn die Kreise als Steuergesetzgeber auftreten. Da die Reichweite der Steuergesetzgebungskompetenz der Kreise von Land zu Land stark variiert, kann jedoch keine einheitliche Aussage darüber getroffen werden, wie häufig die Kreise im Rahmen dieser Konfliktkonstellation beteiligt sind. Auch hier ist aber danach zu unterscheiden, ob die Steuer eines Kreises eine Materie betrifft, die als staatliche Angelegenheit oder als Selbstverwaltungsangelegenheit zu qualifizieren ist. Betrifft die Steuer staatliche Angelegenheiten, sind die Kreise von der Gesetzgebung grundsätzlich ausgeschlossen,88 so dass der in Rede stehende Konflikt gegeben ist, wenn der Bund nach der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern über die Sachgesetzgebungszuständigkeit verfügt. Erfasst die Steuer eine Materie, die als Selbstverwaltungsangelegenheit der Kreise zu qualifizieren ist, muss der Bund von seiner Sachgesetzgebungskompetenz ab87 Es sei denn, den Gemeinden sind ausnahmsweise staatliche Aufgaben durch Gesetz zugewiesen. 88 Etwas anderes gilt auch hier nur dann, wenn den Kreisen staatliche Aufgaben durch Gesetz übertragen worden sind.
A. Konfliktparteien und Konfliktverhältnisse
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schließend Gebrauch gemacht und den Kreisen die sachliche Regelungskompetenz in dem betreffenden Bereich entzogen haben. Zur Verdeutlichung der betreffenden Konfliktkonstellation sollen an dieser Stelle Beispiele angeführt werden: Bis vor kurzem haben viele Gemeinden aufgrund ihrer Kompetenz für örtliche Verbrauchsteuern eine sog. kommunale Verpackungssteuer erhoben.89 Die entsprechenden Satzungen normierten eine Steuerpflicht für nicht wiederverwendbare Verpackungen und nicht wiederverwendbares Geschirr, sofern darin Speisen und Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle verkauft wurden.90 Die Verpackungssteuer, deren Höhe sich nach Verpackungseinheiten bemaß, verfolgte u. a. das Ziel, einen wirksamen Beitrag zur Vermeidung von Abfällen zu leisten. Eine spürbare Verteuerung von Waren in Einwegverpackungen sollte den Käufer veranlassen, Waren in Mehrwegbehältnissen zu erwerben. Die Gemeinden setzten die Verpackungssteuer folglich zur Abfallvermeidung ein.91 Auch wenn man die Vermeidung von Verpackungsabfällen als ursprünglich örtliche Aufgabe qualifiziert,92 hat der Bund den Gemeinden die entsprechende sachliche Regelungskompetenz entzogen. So hat der Bund aufgrund seiner konkurrierenden Sachgesetzgebungskompetenz für die Abfallwirtschaft einschließlich der Abfallvermeidung93 gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG das AbfG bzw. das KrW- / AbfG erlassen, das hinsichtlich der Vermeidung von Verpackungsabfällen als abschließend anzusehen ist,94 so 89 Dass die Gemeinden zur Erhebung von örtlichen Verbrauchsteuern befugt sind, siehe oben 1. Teil, A. I. 1. c). 90 Zum Inhalt der Verpackungssteuersatzungen siehe die „Mustersatzung“ der Stadt Kassel, Amtliche Bekanntmachungen der Stadt Kassel, in: Hessische / Niedersächsische Allgemeine, Stadtausgabe Kassel Nr. 300 vom 28. 12. 1991, S. 18. 91 Siehe Birk, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 3, Rz. 234. Ausführlich zur kommunalen Verpackungssteuer und ihrer Bedeutung für die Abfallvermeidung Heintze, KStZ 1999, S. 1 ff. 92 So Holzkämper, Kommunale Umweltlenkungsabgaben, S. 31 f.; Köck / von Schwanenflügel, Abfallvermeidung durch kommunale Verpackungsabgaben, S. 32; Benkmann / Gaulke, ZKF 1990, S. 98 (98). A. A. Papier, VerwArch 84 (1993), S. 417 (425 f.). 93 Der Titel umfasst nach h. M. auch die Abfallvermeidung. Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 74 GG, Rz. 58; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 74 GG, Rz. 119; Klages, NVwZ 1988, S. 481 (483); Münch, VBlBW 1995, S. 121 (127) Selmer, Sonderabfallabgaben und Verfassungsrecht, S. 45; Kloepfer, UPR 1992, S. 201 (205); Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 74 GG, Rz. 90 f.; Rengeling, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 100, Rz. 237; Pieroth, WiVerw 1996, S. 65 (75); Brenner, BayVBl. 1992, S. 70 (71). A. A. BayVerfGHE 43, 35 (57); Bothe, NVwZ 1987, S. 938 (940); Köck / von Schwanenflügel, Abfallvermeidung durch kommunale Verpackungsabgaben, S. 33; Abel-Lorenz / Butzmann, ZUR 1997, S. 313 (314); Hendler, Die Sonderabfallabgabe, S. 44 f. 94 BVerwGE 104, 331 (334); VGH München, Urt. v. 22. 1. 1992, 20 N 91.2850 u. a., NVwZ 1992, S. 1004 (1006 f.); OVG Schleswig, Urt. v. 16. 2. 1996, 3 K 2 / 95, NVwZ 1996, S. 1034 (1034 f.); Kloepfer, UPR 1992, S. 201 (206); Pieroth, WiVerw 1996, S. 65 (75 ff.); Jahn, GewArch 1995, S. 312 (315); Kluth, DVBl. 1992, S. 1261 (1271 f.); Huber, ThürVBl. 1999, S. 97 (104); Gern, KStZ 1989, S. 61 (62); Sendler, NJW 1998, S. 2875 (2876); Konrad, BB 1995, S. 1109 (1116). Zweifelnd Kunig, in: Kunig / Paetow / Versteyl, KrW- / AbfG, § 4, Rz. 19.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
dass den Gemeinden in diesem Bereich keine sachlichen Rechtsetzungsbefugnisse mehr verbleiben. Insbesondere sind in §§ 6 und 7 der auf der Grundlage des § 24 KrW- / AbfG ergangenen Verpackungsverordnung95 Pflichten für den Umgang mit Einweggeschirr und Einwegbesteck normiert.96 Als weiteres Beispiel zur Verdeutlichung der in Rede stehenden Konfliktkonstellation kann die kommunale Vergnügungssteuer herangezogen werden. Diese ist als örtliche Aufwandsteuer einzustufen, die landes- oder bundesgesetzlich geregelten Steuern nicht gleichartig ist,97 so dass die Gemeinden nach den Kommunalabgabengesetzen der meisten Bundesländer grundsätzlich zur Erhebung dieser Steuer befugt sind.98 Neben anderen im Gemeindegebiet veranstalteten Vergnügungen,99 wird in den betreffenden Satzungen regelmäßig auch für das Halten und Betreiben von Spiel- und Unterhaltungsgeräten eine auf die Konsumenten abwälzbare Steuer vom Geräteaufsteller erhoben.100 Die Steuersätze differenzieren dabei u. a. nach der Automatenart, insbesondere werden Geräte, die eine Gewinnmöglichkeit vorsehen, höher besteuert als andere Geräte. Ferner werden oftmals sog. Gewaltspiel- bzw. Killerautomaten, mit denen Gewalttätigkeiten gegen Menschen dargestellt werden, einem erhöhten Steuersatz unterworfen.101 Die Gemeinden verfolgen mit der Vergnügungssteuer u. a. den Zweck, die Zahl der betreffenden Spielautomaten einzudämmen, um Jugendgefährdungen und der Verbreitung der Spielsucht entgegenzuwirken. Die sog. Gewaltspielautomaten, die u. U. einer Brutalisierung der Gesellschaft Vorschub leisten,102 sollen zurückgedrängt werden. 95 Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen vom 21. 8. 1998 (BGBl. I, S. 2379) geändert durch Vierte Verordnung zur Änderung der Gefahrstoffverordnung vom 18. 10. 1999 (BGBl. I, S. 2059, 2065). 96 Siehe zu dem hier vorliegenden Konflikt BVerfGE 98, 106; BVerwGE 96, 272; Hess. VGH, Beschluss v. 15. 12. 1992, 5 N 1202 / 92, ESVGH 43, 101; Hess. VGH, Urteil v. 29. 6. 1995, 5 N 1202 / 92, Hess. Städte- und Gemeindezeitung 1995, S. 452. 97 BVerfGE 40, 52 (55); BVerwGE 45, 277 ff. (281 ff.); BFH, Beschl. v. 21. 2. 1990, II B 98 / 89, NVwZ 1990, 903 (903 f.); Birk, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 3, Rz. 187; David, StVj 1990, S. 169 (186). A. A. Eschenbach, KStZ 1997, S. 191 (191) (örtliche Verbrauchsteuer). 98 In Bayern ist die Erhebung der Vergnügungssteuer nach Art. 3 Abs. 3 BayKAG ausgeschlossen. 99 In Schleswig-Holstein darf dagegen nach § 3 Abs. 3 KAG SH eine Vergnügungssteuer nur für Spiel- und Geschicklichkeitsgeräte erhoben werden. 100 Siehe Birk, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 3, Rz. 195. 101 Zur Differenzierung der Steuersätze und zu dem hier vorliegenden Konflikt siehe nur die Satzung über die Erhebung der Vergnügungssteuer in der Stadt Göttingen vom 8. 11. 1985 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 4. 3. 1991. Diese Satzung war Gegenstand bundesverwaltungsgerichtlicher und bundesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen. Siehe BVerwGE 110, 248 und BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats v. 3. 5. 2001, 1 BvR 624 / 00, NVwZ 2001, S. 1264. 102 Siehe zu den von Gewaltspielautomaten ausgehenden Gemeinwohlgefährdungen Nieders. OVG, Beschluss v. 30. 11. 1998, 13 L 6854 / 94, DVBl. 1999, S. 406 (409).
A. Konfliktparteien und Konfliktverhältnisse
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Diese Ziele könnten die Gemeinden mit einem Sachgesetz nicht verfolgen, da die entsprechende Sachgesetzgebungskompetenz nicht bei ihnen, sondern beim Bund liegt. So kann, ungeachtet der Frage, ob es sich bei der Beschränkung des Spielautomatengewerbes zu Gemeinwohlzwecken um eine Angelegenheit handelt, die einen spezifisch örtlichen Bezug aufweist, oder ob die Aufgabe nicht vielmehr über den Bereich der örtlichen Gemeinschaft hinausreicht, eine sachliche Regelungszuständigkeit der Gemeinden nicht begründet werden. Der Bund hat nämlich aufgrund seiner konkurrierenden Kompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft) die Gewerbeordnung erlassen, die aus Gründen des Jugendschutzes, der Eindämmung des Spieltriebs sowie zum Schutz der Allgemeinheit und der Spieler auch Regelungen über Spielgeräte enthält.103 So sind in den §§ 33c, 33e GewO i.V. m. der aufgrund des § 33f GewO erlassenen Spielverordnung104 die Anforderungen für die Erlangung der Aufstellerlaubnis und der Bauartzulassung für Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit geregelt. Des Weiteren sind in § 33i GewO die Voraussetzungen zum Betrieb einer Spielhalle oder eines ähnlichen Unternehmens aufgezählt. Zudem hat der Bund in dem auf der Grundlage des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (öffentliche Fürsorge) ergangenen Jugendschutzgesetz unterschiedliche Beschränkungen für die Spielautomatenbranche normiert.105 Man wird diese Bestimmungen als erschöpfende Regelungen des gewerblichen Spielrechts zu qualifizieren haben,106 so dass eine Sachgesetzgebungskompetenz der Gemeinden nicht besteht. Schließlich soll ein Beispiel für einen Konflikt zwischen den steuergesetzgebungsbefugten Kreisen und dem sachgesetzgebungsbefugten Bund angeführt werden. So haben die Kreise grundsätzlich die Kompetenz zur Regelung der sog. Schankerlaubnis- bzw. Gaststättenerlaubnissteuer.107 Die als örtliche Verkehrsteuer zu qualifizierende Steuer,108 die keine Gleichartigkeit mit landes- oder bundesgesetzlich geregelten Steuern aufweist,109 ist nach den Kommunalabgabengesetzen 103 Zum Zweck der entsprechenden gewerberechtlichen Vorschriften siehe Nieders. OVG, Beschluss v. 30. 11. 1998, 13 L 6854 / 94, DVBl. 1999, S. 406 (409). 104 Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit vom 11. 12. 1985 (BGBl. I, S. 2245). 105 Siehe § 8 JÖSchG. 106 So BVerfGE 14, 76 (99); Scholz / Aulehner, BB 1991, S. 73 (77); Sipp-Mercier, KStZ 1993, S. 227 (230); Schumacher, Eindämmung des Spielhallengewerbes, S. 124. Wohl auch Nieders. OVG, Beschluss des 13. Senats v. 30. 11. 1998, 13 L 6854 / 94, DVBl. 1999, S. 406 (409). A. A. OVG Münster, Beschl. v. 13. 2. 1997, 4 A 762 / 96, DÖV 1997, S. 1055 (1055); Rodi, StuW 1999, S. 105 (119). 107 Siehe zu dem hier vorliegenden Konflikt BVerfGE 13, 181; BVerfGE 29, 327. 108 BVerwG, Urteil v. 8. 12. 1995, 8 C 36 / 93, Buchholz 401.67, Schankerlaubnissteuer, Nr. 20, S. 1 (3); BVerwG, Beschl. v. 12. 4. 1977, B Verw VII B 45.76, KStZ 1978, 72 (72 f.); Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 105, Rz. 50, 55; David, StVj 1990, S. 164 (184); Vogel / Walter, in: Dolzer / Vogel / Graßhof, BK, Art. 106, Rz. 254. 109 BVerfGE 13, 181 (193 ff.); BVerfGE 29, 327 (333); BVerwG, Urteil v. 8. 12. 1995, 8 C 36 / 93, Buchholz 401.67, Schankerlaubnissteuer, Nr. 20, S. 1 (4); BVerwG, Urt. v. 8. 12. 1995, 8 C 36 / 93, NVwZ-RR 1996, 525 (526 f.).
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
zum Teil ausdrücklich den Kreisen zugewiesen.110 Zudem können die Kreise die in Rede stehende Steuer – ungeachtet des Konkurrenzverhältnisses zwischen Kreisen und Gemeinden111 – auch in den Bundesländern erlassen, die eine allgemeine Steuererhebungskompetenz der Kreise vorsehen und keine Begrenzung auf örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern normieren.112 Steuergegenstand der Schankerlaubnissteuer ist die Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Schankwirtschaft, wobei Steuerschuldner derjenige ist, der die erlaubnispflichtige Schankwirtschaft betreibt.113 Die Steuer kann nicht lediglich zu fiskalischen Zwecken eingesetzt werden, vielmehr können die Kreise die Steuer auch zur politischen Gestaltung nutzen, indem sie etwa durch eine hohe Besteuerung der gaststättenrechtlichen Erlaubnis die Eröffnung von Schankwirtschaften beschränken, um die mit dem Betrieb einer Gaststätte allgemein verbundenen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen. Überdies können die betreffenden Satzungen so ausgestaltet werden, – etwa durch eine Differenzierung der Steuersätze – dass die Eröffnung von Schankwirtschaften, in denen erfahrungsgemäß besonders viel Alkohol konsumiert wird (z. B. Bars), aus Gründen des Gesundheits- und des Jugendschutzes einer höheren Besteuerung unterliegt. In diesem Fall gestalteten die Kreise mit Hilfe der Schankerlaubnissteuer eine Materie, die in die Sachgesetzgebungsbefugnis des Bundes fällt. Regelungen über die Eröffnung und den Betrieb von Schankwirtschaften sind nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft) der konkurrierenden Sachkompetenz des Bundes zuzuordnen. In diesem Zusammenhang kann der Bund auch Vorschriften erlassen, die die Verhinderung von Gefahren zum Gegenstand haben.114 Von dieser Zuständigkeit hat der Bund durch Erlass des Gaststättengesetzes grundsätzlich erschöpfend Gebrauch gemacht.115 So sind beispielsweise in § 4 GaststättenG abschließend die Voraussetzungen geregelt, unter denen die Erteilung einer Erlaubnis bzw. die Eröffnung einer Schankwirtschaft zu versagen ist.116
110 So in Hessen (§ 8 Abs. 2 HKAG), Rheinland-Pfalz (§ 6 Abs. 2 KAG RP) und im Saarland (§ 3 Abs. 4 SKAG). 111 Siehe hierzu oben 1. Teil, A. I. 1. c). 112 Siehe hierzu oben 1. Teil, A. I. 1. c). Teilweise ist die Erhebung der Schankerlaubnissteuer in diesen Ländern aber auch gesetzlich ausgeschlossen. So in Niedersachsen gem. § 3 Abs. 3 NKAG. 113 Zur Ausgestaltung der Schankerlaubnissteuer siehe Birk, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 3, Rz. 178 ff. 114 BVerfGE 8, 143 (149 ff.); Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 74, Rz. 44; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 74, Rz. 24. 115 Den Ländern verbleiben nur wenige Rechtsetzungsbefugnisse, wie z. B. der Erlass von Rechtsverordnungen über die Mindestanforderungen an die Betriebsräume gem. § 4 Abs. 3 GastG oder der Erlass von Rechtsverordnungen über die Sperrzeit nach § 18 Abs. 1 GastG. Weitere Zuständigkeiten der Länder finden sich in §§ 14, 21 Abs. 2, 24 Abs. 2, 26 Abs. 1, 30 GastG. 116 Metzner, GastG, § 4 GastG, Rz. 1.
A. Konfliktparteien und Konfliktverhältnisse
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b) Kompetenzkonflikt zwischen dem steuergesetzgebungsbefugten Bund und einer sachgesetzgebungsbefugten Kommune Ein Kompetenzkonflikt zwischen dem steuergesetzgebungsbefugten Bund und einer sachgesetzgebungsbefugten Kommune liegt vor, wenn der Bund gestaltende Steuern normiert, obwohl die entsprechende Sachgesetzgebungskompetenz nicht bei ihm, sondern bei den Gemeinden bzw. Kreisen liegt. Die entsprechende Materie darf nach der Kompetenzverteilung der Art. 70 ff. GG somit nicht der Sachgesetzgebungsbefugnis des Bundes angehören, ist doch ansonsten ein Kompetenzkonflikt mangels Zuständigkeitsdivergenz ausgeschlossen. Es muss sich vielmehr um einen Bereich handeln, der nach der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern der ausschließlichen Sachgesetzgebungszuständigkeit der Länder zuzuordnen ist. Die Länder dürfen aber nicht – sofern der betreffende Sachverhalt der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden bzw. Kreise zuzurechnen ist – von ihrer Sachgesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht und den Kommunen die Kompetenz entzogen haben bzw. müssen– sofern es sich um eine staatliche Angelegenheit handelt – diese den Gemeinden und Kreisen übertragen haben. Anderenfalls sind nämlich nicht die Gemeinden und Kreise, sondern vielmehr die Länder sachgesetzgebungsbefugt. Aufgrund der geringen Reichweite der kommunalen Sachgesetzgebungsbefugnis werden Konflikte dieser Art in der Praxis nur selten auftreten. Nichtsdestoweniger soll ein Beispiel für eine derartige Konfliktkonstellation angeführt werden. So wäre ein betreffender Konflikt gegeben, wenn der Bund mit Hilfe des Steuerrechts beispielsweise Kulturpolitik betriebe, indem er etwa Theatervorführungen von besonderem künstlerischen Niveau umsatzsteuerrechtlich begünstigte,117 um diese – im Gegensatz etwa zu volkstümlichen Darbietungen – besonders zu fördern. Das Kultur- und Theaterwesen unterliegt jedoch nicht der Sachkompetenz des Bundes, sondern fällt nach der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung in die ausschließliche Kompetenz der Länder.118 Mangels eines landesgesetzlichen Entzugs sind auch die Gemeinden für die Kulturpflege bzw. Kulturförderung in ihrem Gebiet zuständig, da diese als örtliche Angelegenheit zu qualifizieren ist.119 Die Gemeinden verfügen somit in dem betreffenden Bereich über die sachliche Rechtsetzungsbefugnis.120 117 Die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes auf die entsprechenden Leistungen ist nach Art. 1 i.V. m. Anhang H RL 92 / 77 / EWG des Rates vom 19. 10. 1992 europarechtlich zulässig. Die Anknüpfung an einen qualitativen Standard verstößt auch nicht gegen Art. 5 Abs. 3 GG. Siehe hierzu Gersdorf, JuS 1994, S. 955 (959); Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Kunst), Rz. 45; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 5 Abs. 3, Rz. 294. 118 Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 70, Rz. 11; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 70, Rz. 11 f. Aber auch dem Bund stehen vereinzelt Kompetenzen im Kulturbereich zu, wie etwa bei den Auslandsschulen oder der Filmförderung. Siehe hierzu Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 70, Rz. 11. 119 Häberle, Kulturpolitik in der Stadt, S. 23 ff.; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rz. 177.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
2. Kompetenzkonflikt zwischen Ländern und Kommunen Da nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes auch die Länder über Steuer- und Sachgesetzgebungsbefugnisse verfügen, kommen auch sie als Konfliktpartei in Betracht. Dabei sollen zunächst die Konstellationen behandelt werden, in denen die Länder in Konflikt mit ihren kommunalen Untergliederungen treten. a) Kompetenzkonflikt zwischen einer steuergesetzgebungsbefugten Kommune und dem sachgesetzgebungsbefugten Land Ein Kompetenzkonflikt zwischen einer steuergesetzgebungsbefugten Kommune und dem sachgesetzgebungsbefugten Land ist gegeben, sofern eine kommunale Steuer eine Materie gestaltet, für die das Land die Sachregelungsbefugnis besitzt. Dies ist zum einen bei staatlichen Angelegenheiten der Fall, die nach der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern der Kompetenz der Länder angehören. Das Land darf die betreffende Angelegenheit aber nicht den Gemeinden oder Kreisen zur Regelung übertragen haben. Die Sachgesetzgebungskompetenz der Länder ist zum anderen gegeben, wenn die Steuer ein Gebiet erfasst, das ursprünglich als Selbstverwaltungsangelegenheit der Gemeinden bzw. Kreise zu qualifizieren war, das aber von den Ländern durch Gesetz hochgezont wurde. Im Unterschied zu dem Fall, dass eine Steuer eine staatliche Angelegenheit betrifft, muss das Land seine Sachgesetzgebungskompetenz hier also ausgeübt haben, da anderenfalls die Kommunen sachgesetzgebungsbefugt sind. Da der Schwerpunkt der Sachgesetzgebungskompetenz nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes beim Bund liegt und die Sachgesetzgebungsbefugnisse der Länder auf wenige Bereiche beschränkt sind, wird diese Konfliktkonstellation in der Praxis seltener auftreten. Dennoch soll an dieser Stelle ein Beispiel genannt werden. Ein Beispiel für eine gemeindliche Steuer, die eine Materie gestaltet, für die die Länder sachgesetzgebungsbefugt sind, ist die sog. Kampfhundesteuer.121 Diese ist als örtliche Aufwandsteuer zu qualifizieren, die anderen Steuern nicht gleichartig ist.122 Die Gemeinden haben regelmäßig Hundesteuersatzungen normiert,123 die 120 Die Feststellung, dass die Kulturförderung in die Sachkompetenz der Gemeinden fällt, sagt noch nichts darüber aus, ob die Förderung unter Gesetzesvorbehalt steht. Zu dieser Frage Gersdorf, JuS 1994, S. 955 (959), der diese Frage bejaht. 121 Auch diese Konfliktkonstellation war bereits Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Siehe etwa BVerwGE 110, 265; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss v. 29. 5. 2001, 5 N 92 / 00, Hess. Städte- und Gemeindezeitung 2001, S. 346; OVG Rhl.-Pf., Urteil v. 19. 9. 2000, 6 A 10789 / 00, AS OVG Rhl-Pf. / Saarland, 28, 373; OVG Münster, Beschluss v. 15. 5. 2001, 14 B 472 / 01, NVwZ-RR 2001, S. 602; OVG Magdeburg, Urteil v. 18. 3. 1998, A 2 S 317 / 96, NVwZ 1999, S. 321. Siehe auch BVerwG, Beschluss v. 28. 06. 2005, NVwZ-RR 2005, S. 844. 122 Eigenthaler, KStZ 1987, S. 62 (64 f.); Birk, in: ders., Kommunalabgabenrecht, § 3, Rz. 132.
A. Konfliktparteien und Konfliktverhältnisse
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einen erhöhten Steuersatz für sog. gefährliche Hunde bzw. Kampfhunde bestimmen.124 Die besondere Besteuerung von Kampfhunden erfolgt zu Gefahrenabwehrzwecken. Die Zahl der entsprechenden Hunde im Gemeindegebiet soll verringert und der Gefährlichkeit dieser Tiere begegnet werden.125 Die nach der grundgesetzlichen Kompetenzordnung für das Sicherheitsrecht zuständigen Länder haben aber zumeist spezielle Gesetze bzw. Verordnungen erlassen, die abschließende Regelungen über das Halten von gefährlichen Hunden bzw. Kampfhunden enthalten.126 Ungeachtet dessen, dass den Gemeinden teilweise Regelungskompetenzen für die staatliche Aufgabe der Gefahrenabwehr übertragen sind,127 steht den Gemeinden in diesem Bereich somit keine Sachgesetzgebungsbefugnis zu.128 b) Kompetenzkonflikt zwischen dem steuergesetzgebungsbefugten Land und einer sachgesetzgebungsbefugten Kommune Von einem Konflikt dieser Art ist auszugehen, wenn das Land eine gestaltende Steuer erlässt, obwohl die entsprechende Sachgesetzgebungskompetenz nicht bei ihm, sondern vielmehr bei den Gemeinden bzw. Kreisen liegt. Es muss sich demnach um eine Materie handeln, die nach der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung den Ländern entzogen ist und in die Sachzuständigkeit des Bundes fällt. Da ansonsten keine Sachgesetzgebungskompetenz der Kommunen besteht und die hier in Rede stehende Konfliktkonstellation somit nicht einschlägig ist, muss aber der Bund – im Fall, dass die landesgesetzliche Steuer staatliche Angelegenheiten betrifft – den Kommunen entsprechende Sachgesetzgebungsbefugnisse übertragen haben bzw. darf – im Fall, dass die Steuer kommunale Selbstverwaltungsangelegenheiten betrifft – von seiner Sachgesetzgebungszuständigkeit im Verhältnis zu den Kommunen129 nicht abschließend Gebrauch gemacht und den Gemeinden bzw. Kreisen die Rechtsetzungskompetenz entzogen haben. 123 In manchen Ländern besteht eine Pflicht der Gemeinden zur Einführung der Hundesteuer. Siehe etwa § 6 Abs. 2 KAG BW. 124 Siehe hierzu Mohl / Backes, KStZ 1991, S. 66 ff. Zum Inhalt von Kampfhundesteuersatzungen siehe auch Gössl, BWGZ 2000, S. 535. 125 Mohl / Backes, KStZ 1991, S. 66 (66); Birk, in: ders., Kommunalabgabenrecht, § 3, Rz. 133. 126 In Hessen z. B. die – wieder aufgehobene – Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von gefährlichen Hunden vom 15. 8. 2000, GVBl. I, S. 411. Einen Überblick über Länderregelungen betreffend Kampfhunde gibt Klindt, NuR 1996, S. 571 ff. 127 In Hessen etwa nach § 74 HSOG, der die Gemeinden ermächtig, für ihr Gebiet Gefahrenabwehrverordnungen zu erlassen. 128 So dürfen beispielsweise die Gemeinden in Hessen gem. § 75 Abs. 2 HSOG eine Angelegenheit, die bereits durch Gefahrenabwehrverordnung einer Ministerin oder eines Ministers geregelt ist, nur insoweit durch Gefahrenabwehrverordnung ergänzend regeln, als die Gefahrenabwehrverordnung der Ministerin oder des Ministers dies ausdrücklich zulässt. 129 Eine bundesgesetzliche Sachvorschrift kann also im Verhältnis zu den Ländern durchaus abschließend sein, den Gemeinden bzw. Kreisen aber noch einen Freiraum zur sachlichen Regelung belassen. Zu einem solchen Beispiel sogleich.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
Diese Konfliktkonstellation wird jedoch ebenfalls nur selten eintreten, da, abgesehen von den wenigen Steuergesetzgebungskompetenzen der Länder, die Sachregelungsbefugnisse der Kommunen begrenzt sind. Ein derartiger Konflikt wäre beispielsweise gegeben, wenn der Landesgesetzgeber eine Vergnügungssteuer erließe,130 die Veranstaltungen und Darbietungen in bestimmten Einrichtungen, wie etwa Spielhallen, einer erhöhte Besteuerung unterwürfe, um die planungsrechtliche Spannungen verursachenden Vergnügungsstätten aus den Gemeinden zu verdrängen. Das Land versuchte in diesem Fall mit Hilfe der Steuer, Einfluss auf die städtebauliche Entwicklung in den Gemeinden zu nehmen. Die Befugnis zur Regelung der städtebaulichen Planung gehört aber nicht der Sachzuständigkeit der Länder an, vielmehr besitzt der Bund die entsprechende Regelungsbefugnis. So hat der Bund aufgrund der konkurrierenden Kompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG (Bodenrecht) das im Verhältnis zu den Ländern als abschließend131 zu betrachtende Baugesetzbuch und die Baunutzungsverordnung erlassen, die das Stadtplanungsrecht einer Regelung zuführen und die u. a. allgemeine Bestimmungen darüber enthalten, welche Festsetzungen die Gemeinden in ihren Bauleitplänen treffen dürfen. Die als gemeindliche Selbstverwaltungsangelegenheit zu qualifizierende Aufstellung von Bauleitplänen,132 die die städtebauliche Entwicklung vor Ort regeln und die konkreten planungsrechtlichen Festsetzungen enthalten, sind gem. § 2 Abs. 1 BauGB in der Regelungskompetenz der Gemeinden verblieben. Bund und Gemeinden sind in dem betreffenden Bereich also beide sachgesetzgebungsbefugt. In diesem Fall würde also ein Konflikt zwischen dem steuergesetzgebungsbefugten Land und den sachgesetzgebungsbefugten Gemeinden vorliegen.133
3. Kompetenzkonflikt zwischen Kreisen und Gemeinden Ein Kompetenzkonflikt zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber ist auch zwischen kommunalen Untergliederungen möglich. So kann eine steuer130 Ein solches Gesetz wäre im Verhältnis Land-Gemeinden nicht unzulässig, da die Länder – bei Anerkennung eines eigenständigen Satzungsrechts der Gemeinden – das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht einschränken können und – bei Nichtanerkennung eines solchen Rechts – keine Verpflichtung der Länder zur Übertragung aller örtlicher Verbrauch- und Aufwandsteuern auf die Gemeinden besteht. Entgegen Selmer, Sonderabfallabgaben und Verfassungsrecht, S. 75 und Hendler, Die Sonderabfallabgabe, S. 99 wäre ein solches Gesetz auch Art. 105 Abs. 2a GG zuzuordnen, da eine landesweit erhobene Steuer nicht automatisch überörtlich ist. So zu Recht Küssner, Die Abgrenzung der Kompetenzen, S. 266 f. 131 Erbguth / Wagner, Bauplanungsrecht, Rz. 6; Just, in: Hoppe / Bönker / Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 2, Rz. 2. 132 BVerfGE 76, 107 (117); BVerfGE 56, 310 (319 f.); Erbguth / Wagner, Bauplanungsrecht, Rz. 7 ff.; Just, in: Hoppe / Bönker / Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 2, Rz. 29. 133 Daneben ist wohl auch von einem Konflikt zwischen dem steuergesetzgebungsbefugten Land und dem sachgesetzgebungsbefugten Bund auszugehen.
A. Konfliktparteien und Konfliktverhältnisse
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gesetzgebungsbefugte Gemeinde eine Steuer erlassen, die eine Materie gestaltet, die der Sachgesetzgebungsbefugnis der Kreise angehört. Dies ist der Fall, sofern die gemeindliche Steuernorm eine Selbstverwaltungsangelegenheit der Kreise oder eine den Kreisen durch Bundes- oder Landesgesetz zugewiesene staatliche Aufgabe betrifft. In umgekehrter Richtung ist ein Konflikt gegeben, wenn ein Kreis eine Steuer normiert, die ein Gebiet erfasst, das als Selbstverwaltungsangelegenheit der Gemeinden oder als eine den Gemeinden übertragene staatliche Angelegenheit einzustufen ist. Die vorliegende Konfliktkonstellation ist jedoch eher theoretischer Natur, verbleiben den Gemeinden aufgrund der weitgehenden gesetzlichen Hochzonung doch kaum Selbstverwaltungsangelegenheiten und auch die gesetzlich bestimmte Reichweite der Kreisaufgaben ist begrenzt.134 Zudem sind den Gemeinden und Kreisen eher selten Rechtsetzungsbefugnisse für staatliche Aufgaben zugewiesen. Die wenigen Sachgesetzgebungskompetenzen der Gemeinden und Kreise ist denn auch der Grund, warum Beispiele in diesem Bereich nur schwer zu finden sind. Man könnte etwa an solche Fälle denken, in denen ein Kreis aus städteplanerischen Gründen örtliche Steuern, wie etwa die Vergnügungssteuer oder die Schankerlaubnissteuer, einsetzt, um die entsprechenden Einrichtungen aus den kreisangehörigen Gemeinden fern zu halten, obwohl die Sachregelungsbefugnis über die Städtebauplanung bei den Gemeinden liegt.135
4. Kompetenzkonflikt zwischen Bund und Ländern Schließlich kann es zu einem Kompetenzkonflikt zwischen Bund und Ländern kommen, wobei auch hier zwei Konstellationen zu unterscheiden sind. a) Kompetenzkonflikt zwischen einem steuergesetzgebungsbefugten Land und dem sachgesetzgebungsbefugten Bund Diese Konstellation ist einschlägig, sofern ein steuergesetzgebungsbefugtes Land Steuern erlässt, die eine Materie gestalten, für die der Bund sachgesetzgebungsbefugt ist. Es muss also ein Bereich betroffen sein, welcher in die ausschließliche Sachgesetzgebungskompetenz des Bundes gem. Art. 71, 73 GG oder in die erschöpfend ausgeübte konkurrierende Kompetenz nach Art. 72, 74 GG oder schließlich in die Rahmengesetzgebungsbefugnis des Bundes gem. Art. 75 GG fällt, wobei hier der Bund für eine bestimmte Frage ausnahmsweise eine abschließende Vollregelung getroffen haben muss. Die Häufigkeit dieser Konstellation ist dabei entscheidend davon abhängig, wie man die Reichweite der Steuergesetzgebungskompetenz der Länder bestimmt. Be134 135
Siehe hierzu oben 1. Teil, A. I. 2. c). Siehe hierzu bereits oben 1. Teil, A. II. 2. b).
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
stimmt man diese – wie hier vertreten – eher weit als eng und bejaht insbesondere ein Steuerfindungsrecht, sind angesichts der Tatsache, dass dem Bund das Schwergewicht im Bereich der Sachgesetzgebung zusteht, entsprechende Konflikte durchaus des öfteren denkbar. Erkennt man ein Steuerfindungsrecht der Länder an, könnten Konflikte etwa auf dem Gebiet des Umweltrechts auftreten, sind neuartige, gestaltende Steuern doch insbesondere hier denkbar. So könnten die Länder beispielsweise sog. Emissionssteuern erheben, die direkt an den Output eines Produktionsprozesses anknüpfen.136 Die in die Luft abgegebene Schadstoffemission (etwa CO2) ist hier unmittelbarer Steuergegenstand, wobei sich die Höhe der Steuer nach der emittierten Menge bemisst. Solche – anderen Steuern nicht gleichartige137 – Steuern, können nicht unter die herkömmlichen Steuerkategorien des Art. 106 GG subsumiert werden. Insbesondere scheidet eine Qualifikation als Verbrauchsteuer aus, da sich die Verbrauchsteuer nur auf den Verbrauch marktvermittelter Güter bezieht.138 Würde ein Land eine solche „Luftverschmutzungssteuer“, die einen Beitrag zur Luftreinhaltung leisten soll, erlassen, gestaltete es einen Bereich, der der Sachzuständigkeit des Bundes zuzuordnen ist. Der Bund hat nämlich nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG die konkurrierende Kompetenz über die Luftreinhaltung, die er durch das BImSchG139 zumindest hinsichtlich solcher Immissionen, die von genehmigungsbedürftigen Anlagen verursacht werden, erschöpfend ausgeübt hat.140 So enthält 136 Vorausgesetzt man ist der Meinung, dass solche Abgaben als Steuer ausgestaltet werden können. Dagegen Trzaskalik, StuW 1992, S. 135 (141); Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 105, Rz. 56; Breuer, DVBl. 1992, S. 485 (490); Köck, JZ 1991, S. 692 (695); Köck, Die Sonderabgabe als Instrument des Umweltschutzes, S. 9; Kirchhof, Umweltschutz im Abgaben und Steuerrecht, S. 3 (23); Selmer / Brodersen, DVBl. 2000, S. 1153 (1159); Höfling, StuW 1992, S. 242 (243); Rodi, FS Vogel, S. 187 (197). Die genannten Autoren gehen davon aus, dass die Steuer begrifflich die Anknüpfung an Tatbestände voraussetzt, die Zahlungsfähigkeit indizieren. Diese Anforderung sei aber bei Umweltabgaben, die nicht am Markt gehandelte Güter belasten, nicht erfüllt. A. A. Sacksofsky, NJW 2000, S. 2619 (2621 f.); Jobs, Steuern auf Energie, S. 153; Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 184 f.; Hey, StuW 1998, S. 32 (50 f.); Söhn, FS Stern, S. 587 (593 ff.); Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 (826 ff.); Gawel, StuW 1999, S. 374 (374 – 376); Hendler / Heimlich, ZRP 2000, S. 325 (327); Gawel, Umweltabgaben zwischen Steuer- und Gebührenlösung, S. 44. 137 In der Bundesrepublik werden zur Zeit keine Emissionssteuern erhoben. Eine Gleichartigkeit mit anderen Steuern dürfte schon augrund des unterschiedlichen Steuergegenstandes ausgeschlossen sein. 138 Kloepfer / Thull, DVBl. 1992, S. 195 (203); Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 (828); Franke, StuW 1998 S. 25 (26); Müller-Franken, JuS 1997, S. 872 (876); Köck, JZ 1991, S. 692 (697); Franke, Umweltabgaben und Finanzverfassung, S. 12; Jakob / Zugmaier, Rechtliche Probleme von Umweltabgaben, S. 24; Rodi, Umweltsteuern, S. 135; Höfling, StuW 1992, S. 242 (246); Manssen, Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1996, S. 137 (159). 139 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge i. d. F. der Bekanntmachung vom 14. 5. 1990, BGBl I, S. 881. 140 Jarass, BImSchG, Einleitung, Rz. 45; Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 10, Rz. 85.
A. Konfliktparteien und Konfliktverhältnisse
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das BImSchG in den §§ 4 ff. Vorschriften über die Errichtung und den Betrieb genehmigungsbedürftiger Anlagen, in denen die Anlagenbetreiber u. a. verpflichtet werden, schädliche Umwelteinwirkungen, wozu gem. § 3 Abs. 1 und 4 BImschG auch Luftverunreinigungen zählen, nicht hervorzurufen (§ 5 BImSchG). Die konkreten Immissionsgrenzwerte für die wichtigsten luftverunreinigenden Stoffe finden sich dabei in der auf der Grundlage des § 48 BImSchG ergangenen TA-Luft. Geht man davon aus, dass es sich bei der von manchen Ländern kurzzeitig erhobenen Sonderabfallabgabe um eine Steuer handelte, könnte auch dieser Fall als ein Anwendungsbeispiel für einen Konflikt zwischen den steuergesetzgebungsbefugten Ländern und dem sachgesetzgebungsbefugten Bund angeführt werden.141 Qualifiziert man die Abgabe, die besonders schadstoffhaltige Abfälle zum Gegenstand hatte und die vom Abfallerzeuger bei Übergabe an den Entsorgungsträger erhoben wurde, als Steuer, kann sie jedenfalls nicht in den Katalog des Art. 106 GG eingeordnet werden, da es sich bei ihr mangels eines Verbrauchs des Abfalls weder um eine Verbrauchsteuer noch mangels Anknüpfung an Akte oder Vorgänge des Rechtsverkehrs um eine Verkehrsteuer handelt.142 Die Länder konnten die Sonderabfallabgabe als Steuern demnach überhaupt nur erheben, sofern man im Rahmen des Art. 105 Abs. 2 GG ein Steuerfindungsrecht anerkennt. Die fragliche Abgabe wurde in erster Linie erlassen, um besonders gesundheits- und umweltgefährdende Abfälle zu vermeiden bzw. zu verringern. Durch die finanzielle Belastung der Abfallerzeuger sollte ein Anreiz geschaffen werden, entsprechende Abfälle in Zukunft zu reduzieren. Zu diesem Zweck wurden die Abgabensätze nach der Menge und der Schädlichkeit des Abfalls gestaffelt.143 Da der Bund mit dem Erlass des AbfG bzw. des Krw- / AbfG144 die konkurrierende Kompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG für den Bereich der Abfallvermeidung vollständig ausgeschöpft hat,145 betraf die Abgabe eine Materie, die der Sachgesetzgebungskompetenz des Bundes und nicht der der Länder angehört.146 141 Hinsichtlich der Qualifizierung der Sonderabfallabgabe bestehen Meinungsverschiedenheiten. Für die Qualifizierung der Sonderabfallabgabe als Steuer Kügel, NVwZ 1994, S. 535 (537 f.). Für Sonderabgabe Hendler, NuR 1996, S. 165 (166). Das BVerfG, BVerfGE 98, 83 (100 f.) hat die Qualifizierung der Abgabe ausdrücklich offengelassen. 142 Kügel, NVwZ 1994, S. 535 (538). A. A. Hendler, Die Sonderabfallabgabe, S. 101 f., der die Sonderabfallabgabe als Verkehrssteuer qualifiziert. 143 Siehe Hessisches Sonderabfallabgabengesetz i. d. F. vom 18. 11. 1993, GVBl. I, S. 611; Niedersächsisches Abfallabgabengesetz vom 17. 12. 1991, GVBl. S. 373; Bremische Abfallabgabengesetz vom 24. 11. 1992, GBl. S. 639; Landesabfallabgabengesetz Baden-Württemberg vom 11. 3. 1991, GBl. S. 133. Zum Inhalt des Hessischen Sonderabfallabgabengesetzes siehe auch Selmer, Sonderabfallabgaben und Verfassungsrecht, S. 11 ff. 144 Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen vom 27. 9. 1994, BGBl. I, S. 2705. 145 So Kügel, NVwZ 1994, S. 535 (538 f.); Klages, NVwZ 1992, S. 481 (483); Brenner, BayVBl. 1992, S. 70 (73); Selmer, Sonderabgaben und Verfassungsrecht, S. 48 ff. (alle zum alten Recht). Nach Hendler, Die Sonderabfallabgabe, S. 39 soll das AbfG jedenfalls im Hinblick auf Abgaben der Länder nicht abschließend sein. 146 Siehe zu diesem Konflikt BVerfGE 98, 83.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
Aber auch bei Ablehnung eines Steuerfindungsrechts können Konflikte zwischen den als Steuergesetzgebern auftretenden Ländern und dem sachgesetzgebungsbefugten Bund entstehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man die Länder richtigerweise als befugt ansieht, alle in Art. 106 GG erwähnten Steuern, also auch solche, die ganz oder teilweise dem Bund zufließen, einzuführen, sofern diese keine Gleichartigkeit mit bundesgesetzlichen Steuern aufweisen.147 Die Länder können in diesem Fall insbesondere neuartige Verbrauchsteuern normieren, die zu Konflikten mit dem Bundessachgesetzgeber führen können.148
b) Kompetenzkonflikt zwischen dem steuergesetzgebungsbefugten Bund und einem sachgesetzgebungsbefugten Land Erlässt der Bund eine Steuer, die einen Gegenstand betrifft, für den eine Sachzuständigkeit der Länder besteht, ist ein betreffender Konflikt gegeben. Voraussetzung ist demnach, dass die bundesgesetzliche Steuer einen Bereich erfasst, der der ausschließlichen Sachgesetzgebungskompetenz der Länder zuzuordnen ist. Aufgrund der begrenzten Sachgesetzgebungsbefugnisse der Länder wird ein Konflikt dieser Art jedoch nur selten eintreten. Ein entsprechender Konflikt wäre beispielsweise gegeben, wenn der Bund mit Hilfe des Steuerrechts Schulpolitik betriebe, obwohl das Schulwesen nach Art. 70 GG der ausschließlichen Sachgesetzgebungskompetenz der Länder zuzuordnen ist.149 Der Bund könnte etwa Schulen, die bestimmte Unterrichtsformen und Erziehungsmethoden anbieten, wie z. B. Ganztagsschulen oder Integrationsschulen, steuerrechtlich begünstigen, um auf diese Weise die entsprechenden Schulen zu fördern.150
B. Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Konfliktlösungen Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Konfliktlösungen beziehen sich nicht auf alle der dargestellten Konfliktverhältnisse. Vielmehr treffen sie Aussagen zumeist nur für Konfliktverhältnisse zwischen dem Bund und den Ländern und zwischen dem Bund und den dem Verfassungsraum der Länder angehörenden Siehe zu diesem Streit oben 1. Teil, A. I. 1. b). Zu denken wäre etwa an eine Verbrauchsteuer auf Kunststofftragetüten, die mit der Abfallvermeidung einen Gegenstand erfassen würde, der in die – abschließend wahrgenommene – Sachkompetenz des Bundes fällt. 149 BVerfGE 27, 195 (200); Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 70, Rz. 8. 150 Der Bund könnte beispielsweise entsprechende Privatschulen im Rahmen des Einkommenssteuerrechts begünstigen. 147 148
B. Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Konfliktlösungen
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Kommunen.151 Nicht erfasst werden somit Konfliktkonstellationen innerhalb eines Landes, wenn also das Land mit seinen kommunalen Untergliederungen oder die Kommunen untereinander in Konflikt geraten. Nichtsdestoweniger wirken sich manche der vorgeschlagenen Lösungen zwangsläufig auch auf diese Konstellationen aus.152 Andere Lösungen sind möglicherweise auf die sonstigen Konfliktverhältnisse übertragbar. Die Auswirkungen bzw. die Frage nach der Übertragbarkeit der Konfliktlösungen bedarf jedoch erst dann der näheren Erörterung, wenn ein Lösungsweg grundsätzlich überzeugen kann und es vor diesem Hintergrund berechtigt erscheint, diesem weiter nachzugehen.
I. Der Kompetenzkonflikt in der Rechtsprechung 1. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts a) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor der Verpackungsund der Sonderabfallabgabenentscheidung Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Kompetenzkonflikt zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber bis zur Neukonzeption im Jahre 1998 wird erst dann verständlich, wenn man den Blick nicht allein auf die Konfliktfälle, also auf die Fälle, in denen sich zwei verschiedene Gesetzgebungskörperschaften gegenüberstehen, begrenzt, sondern auch die damalige Rechtsprechung zum Steuerbegriff und zur kompetenzrechtlichen Behandlung von Steuern im Allgemeinen mit in die Betrachtung einbezieht. Nur auf diese Weise wird die Sonderbehandlung der Konfliktfälle durch das Bundesverfassungsgericht deutlich. Das Bundesverfassungsgericht hat schon früh zum verfassungsrechtlichen Begriff der Steuer und zur Reichweite der Steuergesetzgebungskompetenz nach Art. 105 GG Stellung genommen. So hat es bereits im Baurechtsgutachten, 153 in dem es um die Frage geht, ob der Bund die Gesetzgebungszuständigkeit für eine Wertsteigerungsabgabe besitzt, entschieden, dass auch eine in erster Linie außerfiskalisch motivierte Abgabe als Steuer zu qualifizieren sei und dementsprechend unter Art. 105 GG falle. Die primär zu bodenpolitischen Zwecken erhobene Wertsteigerungsabgabe, die Wertsteigerungen infolge städtebaulicher Planungen abschöpft, erfüllt nach Ansicht des Gerichts trotz ihres überwiegend außerfiskali151 Die Kommunen zählen zum Verfassungsraum der Länder. BVerfGE 22, 180 (210); BVerfGE 39, 96 (109); BVerfGE 86, 148 (215). 152 Wird beispielsweise die Steuergesetzgebungskompetenz des Art. 105 GG dahingehend ausgelegt, dass sie keine gestaltenden Steuern deckt, haben die Kommunen keine Steuersatzungsbefugnis für die entsprechenden Steuern, sofern man davon ausgeht, dass die Kommunen nicht über ein eigenständiges, sondern nur über ein von den Ländern abgeleitetes Steuersatzungsrecht verfügen. Die Länder können nämlich nicht mehr an Kompetenz auf die Kommunen übertragen, als ihnen selbst zusteht. 153 BVerfGE 3, 407.
4 Barthelmann
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
schen Zwecks den Begriff der Steuer, da der verfassungsrechtliche Steuerbegriff nicht voraussetze, dass eine Abgabe überwiegend oder in erster Linie der Erzielung von Einkünften diene. Das Abstellen auf den überwiegenden Zweck entziehe einer Begriffsabgrenzung jeden festen Boden.154 Als Konsequenz dieser Qualifizierung geht das Gericht wie selbstverständlich davon aus, dass sich die Gesetzgebungszuständigkeit für die Steuer nach Art. 105 GG bemisst.155 Nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts deckt die Steuergesetzgebungskompetenz also alle Steuern unabhängig davon, ob sie einen außerfiskalischen Neben- oder Hauptzweck verfolgen. Zumindest auf den ersten Blick scheint es so, als habe das Gericht mit dieser Aussage auch den Kompetenzkonflikt zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber uneingeschränkt zugunsten des Ersteren gelöst. Dass dem nicht so ist, zeigen zwei nachfolgende Entscheidungen, die Fälle betreffen, in denen der Steuer- und der Sachgesetzgeber auseinanderfallen. So hat das Bundesverfassungsgericht 1961 im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde über die Frage entscheiden müssen, ob eine von einem Landkreis erhobene Schankerlaubnissteuer, die das Ziel verfolgt, die Errichtung neuer Gaststätten und damit die Steigerung des Alkoholkonsums zu hemmen, die Grundrechte eines Gastwirts aus Art. 12 und 3 GG verletzt.156 Zu dem hier interessierenden kompetenzrechtlichen Problem vertritt das Gericht die Meinung, dass die Zuständigkeit zur Erhebung einer Schankerlaubnissteuer nicht deshalb in Frage gestellt werden könne, weil mit der Steuer sozialpolitische und gewerbepolizeiliche Nebenzwecke verfolgt würden. Zwar verbleibe den Ländern in dem Fall, dass der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis über das Gewerberecht Gebrauch gemacht habe, zur gesetzgeberischen Tätigkeit kein Raum mehr. Ein Land, das die Erhebung einer Steuer zulasse, mit der gewerbepolizeiliche oder sozialpolitische Nebenzwecke verfolgt würden, sei aber nicht im Sinne der Zuständigkeitsvorschriften des Grundgesetzes auf dem Gebiet Gewerbe tätig geworden. Dies sei nur dann der Fall, wenn Bestimmungen die Zulassung zu einem Gewerbe oder dessen Ausübung unmittelbar regelten.157 Die Zuständigkeitsvorschriften auf dem Gebiet des Steuerwesens seien Sonderregelungen gegenüber der allgemeinen Kompetenzverteilung. Die Befugnis eines Landes, eine bestimmte Steuer zu regeln, könne deshalb nicht durch einen Rückgriff auf die allgemeinen Kompetenzvorschriften in Frage gestellt werden, wenn mit der Steuer Nebenzwecke verfolgt würden, die materiell Gebiete berührten, die der Gesetzgebung der Länder entzogen seien.158 BVerfGE 3, 407 (436). BVerfGE 3, 407 (436). Die Entscheidung BVerfGE 6, 55 (81), in der das Gericht – ohne auf das Baurechtsgutachten hinzuweisen – ausführte, dass durch eine Steuer außer der Erzielung von Einnahmen auch andere Zwecke mitverfolgt werden könnten, sofern die mit der Steuer verfolgten „Nebenzwecke“ selbst verfassungsrechtlich neutral seien und mit verfassungsrechtlich unbedenklichen Steuern verfolgt würden, bedeutet wohl keine Abweichung von dieser Rechtsprechung. 156 BVerfGE 13, 181. 157 BVerfGE 13, 181 (196). 154 155
B. Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Konfliktlösungen
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Demzufolge soll der Steuergesetzgeber jedenfalls befugt sein, solche Steuern zu erlassen, bei denen der Finanzierungszweck gegenüber dem außerfiskalischen Zweck überwiegt. Die Entscheidung gibt jedoch keinen Aufschluss darüber, aus welchen Gründen bei der Schankerlaubnissteuer lediglich ein gewerbepolizeilicher Nebenzweck angenommen wird. Zwar befasst sich das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Frage nach der berufsregelnden Tendenz der Steuer mit deren außerfiskalischem Zweck,159 eine Gewichtung der Ziele nach Haupt- oder Nebenzweck unterbleibt aber. Offen bleibt auch die Rechtslage bei Vorliegen eines außerfiskalischen Hauptzwecks. Es ist deshalb fraglich, ob das Bundesverfassungsgericht im Konfliktfall davon ausgeht, dass der einen außerfiskalischen Hauptzweck verfolgende Steuergesetzgeber auf dem jeweiligen Sachgebiet tätig wird mit der Konsequenz, dass eine entsprechende Steuer nicht mehr von der Steuergesetzgebungskompetenz gedeckt ist. Näheren Aufschluss über die angesprochenen Fragen gibt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im 14. Band,160 die eine Vorlage des Oberverwaltungsgerichts Münster zum Gegenstand hat. Das Oberverwaltungsgericht hat eine Bestimmung des nordrhein-westfälischen Vergnügungssteuergesetzes, die die Besteuerung von Gewinnapparaten normiert hat, für mit dem Grundgesetz unvereinbar erachtet. Dagegen hat das Bundesverfassungsgericht die betreffende Regelung als verfassungsgemäß beurteilt. Die kompetenzrechtliche Frage, ob das Land mit der Steuer eine ihm durch die bundesrechtliche Gewerbeordnung verschlossene Zuständigkeit in Anspruch genommen hat, wird vom Bundesverfassungsgericht verneint. Unter Verweis auf den Beschluss im 13. Band führt es zunächst aus, dass die Inanspruchnahme eines Gegenstandes der konkurrierenden Gesetzgebung durch den Bund nur die Zuständigkeit der Länder zur unmittelbaren Regelung dieses Gebiets sperre. Die verfassungsmäßige Zuständigkeit der Länder zur Gesetzgebung über eine bestimmte Steuer bleibe als Sonderregelung bestehen und schließe die Kompetenz zu einem Steuergesetz ein, das Nebenzwecke auf Gebieten verfolge, die nach der allgemeinen Zuständigkeitsregelung der Gesetzgebung der Länder entzogen seien.161 Die in der Entscheidung zur Schankerlaubnissteuer offen gebliebene Frage nach der Rechtslage bei Verfolgung eines außerfiskalischen Hauptzwecks beantwortet das Gericht schließlich dahingehend, dass das Land seine Befugnis zur Steuergesetzgebung missbrauche, sofern es von dem Hauptzweck der Einnahmeerzielung absehe und eine Regelung, die ihm nach den allgemeinen Kompetenzvorschriften versagt sei, in das Gewand eines Steuergesetzes kleide. Die Länder dürften durch ein Steuergesetz das ihnen nach den allgemeinen Kompetenzvorschriften entzogene Rechtsgebiet nur für einen Nebenzweck betreten.162 Anschlie158 159 160 161 162
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BVerfGE 13, 181 (196 f.). BVerfGE 13, 181 (187 f.). BVerfGE 14, 76. BVerfGE 14, 76 (99). BVerfGE 14, 76 (99).
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
ßend wird näher dargelegt, warum bei dem betreffenden Vergnügungssteuergesetz die Eindämmung von Spielapparaten lediglich als Neben- und nicht als Hauptzweck zu qualifizieren sei.163 Sofern dem Landessteuergesetzgeber eine Sachregelung nach den allgemeinen Kompetenzvorschriften versagt ist, wird der Erlass einer Steuer mit außerfiskalischem Hauptzweck somit als Missbrauch der Steuergesetzgebungsbefugnis qualifiziert. Außerhalb von Konfliktfällen hat das Bundesverfassungsgericht dagegen weiterhin keine Einschränkungen vorgenommen. So stimmt das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zur Sonderbesteuerung des Werkfernverkehrs164 bei der Frage des verfassungsrechtlichen Steuerbegriffs und der Reichweite der Steuergesetzgebungskompetenz voll mit den Ausführungen im Baurechtsgutachten überein. Anlass der Entscheidung ist eine Änderung des Beförderungssteuergesetzes gewesen, die einen im Vergleich zum Schienen- und Güterfernverkehr erhöhten Steuersatz für den Werkfernverkehr normiert hat. Die Beschwerdeführer haben eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3, 12 und 14 GG gerügt. Obwohl nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts der Einnahmeerzielungszweck deutlich hinter dem verkehrspolitischen Ziel der Eindämmung des Werkfernverkehrs zurücktritt, wird die Steuereigenschaft der entsprechenden Abgabe bejaht. Es handele sich bei dem entsprechenden Änderungsgesetz zwar um eine in das Gewand eines Steuergesetzes gekleidete wirtschaftliche Lenkungsmaßnahme, gesetzliche Eingriffe in das Spiel der wirtschaftlichen Kräfte seien aber auch in der Form von Steuergesetzen zulässig. Dass ein Steuergesetz vorwiegend einen wirtschaftspolitischen Zweck verfolge, habe es seit jeher gegeben und begründe folglich keinen verfassungswidrigen Formenmissbrauch. Von einem solchen Missbrauch könne erst ausgegangen werden, wenn ein Steuergesetz, dem Zweck Einnahmen zu erzielen, geradezu zuwiderhandele, indem es ersichtlich darauf ausgehe, die Erfüllung des Steuertatbestandes unmöglich zu machen und eine erdrosselnde Wirkung ausübe.165 Zu dem Problem der kompetenzrechtlichen Einordnung von Steuern mit außerfiskalischem Hauptzweck hat das Bundesverfassungsgericht schließlich ausgeführt, dass wenn die zu prüfende Norm trotz ihres verkehrspolitischen Hauptzwecks eine Norm des Steuerrechts bleibe, sei auch die Gesetzgebungskompetenz aus der Spezialnorm des Art. 105 GG zu entnehmen.166 Diese Entscheidung hat jedoch keine Auswirkungen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Fällen der Zuständigkeitsdivergenz gehabt, vielBVerfGE 14, 76 (99 f.). BVerfGE 16, 147. 165 BVerfGE 16, 147 (161). 166 BVerfGE 16, 147 (162). Ein solches Verständnis des verfassungsrechtlichen Steuerbegriffs und der Reichweite der Steuergesetzgebungskompetenz liegt – außerhalb von Konfliktfällen – auch anderen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zugrunde. Siehe BVerfGE 30, 250 (264); BVerfGE 36, 66 (70 f.); BVerfGE 38, 61 (79 ff.). 163 164
B. Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Konfliktlösungen
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mehr ist es hier auch in der Folgezeit bei der dargestellten Sonderbehandlung geblieben.167 Sieht das Bundesverfassungsgericht in dem Fall, dass die Steuer- und die Sachgesetzgebungskompetenz im Bund-Länder Verhältnis auseinanderfallen, in der Verfolgung eines außerfiskalischen Hauptzwecks einen Missbrauch der Steuergesetzgebungskompetenz, schließt sich zwangsläufig die Frage an, wann nach Meinung des Gerichts ein solcher Hauptzweck vorliegt. Erste Hinweise darauf, dass das Gericht nur ausnahmsweise einen außerfiskalischen Hauptzweck annimmt, finden sich in einer Entscheidung zum Niedersächsischen Vergnügungssteuergesetz.168 Das vorlegende Oberverwaltungsgericht ist der Meinung gewesen, dass der Landessteuergesetzgeber seine Zuständigkeit überschritten habe, da die Normierung des überhöhten Steuersatzes für Geräte mit Gewinnmöglichkeit zeige, dass er die Eindämmung der Spielapparate nicht als einen erlaubten Nebenzweck, sondern als Hauptzweck angestrebt habe. Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorlage dagegen für unzulässig erklärt, weil das Oberverwaltungsgericht den Sachverhalt nicht sorgfältig aufgeklärt habe. Ob der Steuergesetzgeber das verfassungsrechtlich gebotene Maß eingehalten habe, lasse sich nur aufgrund einer genauen tatsächlichen Klärung beantworten.169 Dass das Bundesverfassungsgericht bei der Annahme eines außerfiskalischen Hauptzwecks Zurückhaltung übt, wird bestätigt durch eine weitere Entscheidung zum nordrhein-westfälischen Vergnügungssteuergesetz.170 In dem betreffenden Beschluss hat das Gericht eine monatliche Pauschsteuer von 30 DM für Gewinnspielgeräte als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen. Das Land NordrheinWestfalen habe entgegen der Ansicht des vorlegenden Oberverwaltungsgerichts durch das Vergnügungssteuergesetz nicht unzulässig in die vom Bund bereits wahrgenommene Zuständigkeit für eine gewerberechtliche Regelung eingegriffen. Die Steuergesetzgebungsbefugnis der Länder umfasse wesensmäßig auch das Recht, auf den Umfang einer vom Bundesgesetzgeber erlaubten Tätigkeit irgendwie Einfluss zu nehmen und als Nebenzweck neben dem rein fiskalischen Zweck der Einnahmeerzielung auch einen beschränkten Edukationseffekt zu verfolgen. Verfassungsrechtliche Bedenken könnten erst dann geltend gemacht werden, wenn die Erhöhung des Vergnügungssteuersatzes die gewerberechtlich zugelassene Aufstellung von Gewinnspielgeräten in aller Regel wirtschaftlich unmöglich mache und durch diese erdrosselnde Wirkung dem steuerlichen Hauptzweck der Einnahmeerzielung geradezu zuwiderlaufe.171 Dabei sei die tatsächliche Wirkung der Steuererhöhung ausschlaggebend.172 167 Siehe BVerfG, Beschluss des Ersten Senats v. 2. 5. 1967, 1 BvL 30 / 59 u. a., DVBl. 1968, S. 554 (556); BVerfGE 31, 8 (23). 168 BVerfG, Beschluss v. 2. 5. 1967, 1 BvL 30 / 59 u. a., DVBl. 1968, S. 554. 169 BVerfG, Beschluss v. 2. 5. 1967, 1 BvL 30 / 59 u. a., DVBl. 1968, S. 554 (556). 170 BVerfGE 31, 8. 171 BVerfGE 31, 8 (22 f.).
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
Ein außerfiskalischer Hauptzweck soll demnach also erst bei Vorliegen einer sog. Erdrosselungssteuer gegeben sein. Solange die Erfüllung des Steuertatbestandes nicht unmöglich gemacht wird, wird die Einnahmeerzielung als Hauptzweck betrachtet und ein entsprechendes Steuergesetz als zulässig angesehen. Als Konsequenz des dargestellten Beschlusses hat das Bundesverfassungsgericht in der Folgezeit nicht mehr nach Haupt- und Nebenzweck getrennt und keine Gewichtung der verfolgten Zwecke mehr vorgenommen. So hat das Gericht 1997 die Verfassungsbeschwerden mehrerer Automatenaufsteller, die sich gegen die Zahlung von kommunalen Vergnügungssteuern auf das Halten und Betreiben von Spielautomaten gewehrt haben, nicht zur Entscheidung angenommen. Es ist dabei nicht auf die kompetenzrechtliche Problematik von Lenkungssteuern eingegangen und hat nicht zwischen außerfiskalischem Haupt- und Nebenzweck unterschieden.173 Es hat lediglich betont, dass die Spielautomatensteuer nach der Sachverhaltswürdigung der Fachgerichte auch der Einnahmeerzielung diene und eine übermäßig belastende Wirkung derselben nicht bestehe.174 b) Die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat durch die Verpackungssteuer- und Sonderabfallabgabenentscheidung eine Zäsur erfahren. In der Verpackungssteuerentscheidung175 hat das Bundesverfassungsgericht den Verfassungsbeschwerden gegen ein Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs von 1995 stattgegeben, da die diesem Urteil zugrunde liegende Satzung der Stadt Kassel über die Erhebung einer Verpackungssteuer die Beschwerdeführerinnen in ihrem Grundrecht aus Art. 12 GG verletze. Die Satzung, die u. a. zum Zweck der Abfallvermeidung für den Verkauf von nicht wiederverwendbaren Verpackungen und nicht wiederverwendbarem Geschirr vom Verkäufer eine Steuer erhoben hat, sei mit der bundesstaatlichen Ordnung der Gesetzgebungskompetenzen in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar. Zwar dürfe der Steuergesetzgeber seine Steuergesetzgebungskompetenz grundsätzlich auch ausüben, um Lenkungswirkungen zu erzielen. Darüberhinaus bedürfe er für eine steuerrechtliche Regelung, die Lenkungswirkungen in einem nicht steuerlichen Kompetenzbereich entfalte, auch keine zur Steuergesetzgebungskompetenz hinzutretende Sachkompetenz. Solange die Lenkung nach Gewicht und Auswirkung nicht einer verbindlichen Verhaltensregel nahe komme und die Finanzfunktion nicht durch eine Verwaltungsfunktion mit Verbotscharakter verdrängt werde, bleibe eine derBVerfGE 31, 8 (22). BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats v. 1. 3. 1997, 2 BvR 1599 / 89 u. a., NVwZ 1997, S. 573. 174 BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats v. 1. 3. 1997, 2 BvR 1599 / 89 u. a., NVwZ 1997, S. 573 (575). 175 BVerfGE 98, 106. 172 173
B. Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Konfliktlösungen
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artige Lenkungsabgabe eine Steuer, für die die Steuergesetzgebungskompetenz eine ausreichende Rechtsgrundlage bilde. Das Grundgesetz trenne die Steuer- und die Sachgesetzgebungskompetenz als jeweils eigenständige Regelungsbereiche und verweise auch die Lenkungssteuer wegen ihres verbleibenden Finanzierungszwecks und der ausschließlichen Verbindlichkeit ihrer Steuerrechtsfolgen in die Zuständigkeit des Steuergesetzgebers. Der Steuergesetzgeber wird somit zur Regelung von gestaltenden Steuern als zuständig erachtet, unabhängig davon, ob die Lenkung Haupt- oder Nebenzweck ist.176 Das Bundesverfassungsgericht gewährt dem gestaltenden Steuergesetzgeber aber keinen grenzenlosen Freiraum, vielmehr wird die Kompetenzausübung einer Schranke unterworfen. Der Steuergesetzgeber dürfe keine Regelungen herbeiführen, die den vom zuständigen Sachgesetzgeber getroffenen Regelungen widersprechen. Diese Schranke leitet das Bundesverfassungsgericht aus der bundesstaatlichen Rücksichtnahmepflicht und aus dem Rechtsstaatsprinzip ab. Die Verpflichtung zur Beachtung der bundesstaatlichen Kompetenzgrenzen und zur Ausübung der Kompetenz in wechselseitiger bundesstaatlicher Rücksichtnahme werde durch das Rechtsstaatsprinzip in ihrem Inhalt verdeutlicht und in ihrem Anwendungsbereich erweitert.177 Rechtsstaatliche Vorgaben begründeten im Rahmen der bundesstaatlichen Ordnung der Gesetzgebungskompetenzen zugleich Schranken der Kompetenzausübung.178 Nach dem Rechtsstaatsprinzip seien alle rechtsetzenden Organe des Bundes und der Länder verpflichtet, die Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, dass den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen. Zwar werde die Sachkompetenz und die Steuerkompetenz vom Grundgesetz bereits in der Weise aufeinander abgestimmt, dass grundsätzlich der Sachgesetzgeber Verhaltenspflichten und der Steuergesetzgeber Zahlungspflichten regele, so dass das Nebeneinander dieser Kompetenzen und ihre Wahrnehmung insoweit nicht zu sachlichen Widersprüchen führe. Begründe der Steuergesetzgeber aber Zahlungspflichten, die den Adressaten zur Vermeidung des steuerbelasteten Tatbestandes veranlassen sollen, könne diese Lenkung Wirkungen erreichen, die den vom zuständigen Sachgesetzgeber getroffenen Regelungen widersprechen. Vor diesem Hintergrund dürfe der Gesetzgeber aufgrund seiner Steuerkompetenz nur insoweit lenkend und damit mittelbar gestaltend in den Kompetenzbereich eines Sachgesetzgebers übergreifen, als die Lenkung weder der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung noch konkreten Einzelregelungen zuwiderlaufe.179 Die Anwendung dieser Maßstäbe auf den konkreten Fall soll nach dem Bundesverfassungsgericht zur Nichtigkeit der gemeindlichen Verpackungssteuersatzung führen. Die Steuersatzung habe die Grenzen der Kompetenzausübung überschrit176 177 178 179
BVerfGE 98, 106 (117 f.). BVerfGE 98, 106 (118). BVerfGE 98, 106 (119). BVerfGE 98, 106 (118 f.).
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
ten, da sie in ihrer Ausgestaltung der abfallwirtschaftsrechtlichen Konzeption des Bundesgesetzgebers, der die Ziele der Vermeidung und Verwertung von Einwegverpackungen nach dem Kooperationsprinzip verfolge, zuwidergelaufen sei. Die Verpackungssteuer widerspreche mit ihrer konkreten, sanktionsbewehrten Verhaltenslenkung der Entscheidung des Abfallgesetzgebers, die Konkretisierung des Ziels, Verpackungsabfälle zu vermeiden, und die Auswahl der dafür geeigneten Mittel den beteiligten Kreisen mit ihrer besonderen Sachkenntnis und Sachnähe zu überlassen.180 Auch in der Sonderabfallabgabenentscheidung181 hat das Bundesverfassungsgericht den aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatz, dass den Normadressaten nicht gegenläufige, die Rechtsordnung widersprüchlich machende Regelungen erreichen dürfen, als Kompetenzausübungsschranke herangezogen. Gegenstand der Entscheidung sind die mittels Verfassungsbeschwerden angegriffenen Abfallabgabengesetze der Länder Baden-Württemberg,182 Niedersachsen,183 Hessen184 und Schleswig-Holstein185 gewesen. Diese haben u. a. aus Gründen der Abfallvermeidung186 eine Abgabepflicht für die Erzeugung besonders überwachungsbedürftiger Abfälle normiert. Die Zahlungspflicht sollte entstehen, wenn die Sonderabfälle an den Entsorger übergeben oder vom Erzeuger in eigenen Anlagen verbrannt oder abgelagert werden. Aufgrund dessen, dass die Qualifizierung der Abgaben als steuerliche oder nicht-steuerliche unsicher gewesen ist und in der Entscheidung ausdrücklich offen gelassen wird,187 formuliert das Bundesverfassungsgericht die entsprechende Kompetenzausübungsschranke im Gegensatz zur Verpackungssteuerentscheidung hier allgemeiner. Die Schranke soll demnach nicht lediglich für den Steuergesetzgeber, sondern für den Abgabengesetzgeber schlechthin gelten. So könne sich in dem Fall, dass eine Kompetenz sowohl für ein Bundesals auch für ein Landesgesetz bestehe, ein Widerspruch ergeben, wenn einerseits der Bundesgesetzgeber eine Sachregelung treffe und andererseits der Landesgesetzgeber eine Abgabe erhebe. Aus diesem Grund dürfe der Abgabengesetzgeber aufgrund einer Abgabenkompetenz nur insoweit lenkend in den Kompetenzbereich eines Sachgesetzgebers übergreifen, als die Lenkung weder der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung noch konkreten Einzelregelungen zuwiderlaufe.188 BVerfGE 98, 106 (125 ff.). BVerfGE 98, 83. 182 Landesabfallabgabengesetz vom 11. 3. 1991, GBl. 1991, S. 133. 183 Niedersächsisches Abfallabgabengesetz vom 17. 12. 1991, GVBl. 1991, S. 373. 184 Hessisches Sonderabfallabgabengesetz vom 26. 6. 1991, GVBl. 1991, S. 218. 185 Gesetz über die Erhebung einer Abfallabgabe vom 22. 7. 1994, GVOBl. 1994, S. 395. 186 Siehe § 1 LAbfAG SH und LT-Dr. 10 / 4434, S. 29 (Baden-Württemberg); LT-Dr. 13 / 80, S. 19 (Hessen); LT-Dr. 12 / 1930, S. 26 (Niedersachsen). 187 BVerfGE 98, 83 (100 f.). 188 BVerfGE 98, 83 (98). Noch weitergehender formuliert BVerfGE 98, 265 (301). Danach dürfen konzeptionelle Entscheidungen eines zuständigen Bundesgesetzgebers durch Einzelentscheidungen eines Landesgesetzgebers nicht verfälscht werden. 180 181
B. Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Konfliktlösungen
57
Im Ergebnis sieht das Bundesverfassungsgericht die entsprechenden Landesabfallabgabengesetze als unzulässig an. Der Bundesgesetzgeber habe aufgrund seiner Kompetenz zur Regelung der Abfallwirtschaft in einer Gesamtkonzeption von Abfallgesetz und Bundesimmissionsschutzgesetz die Vermeidung und Verwertung produktionsbedingter Abfälle so geregelt, dass mitwirkungsoffene Tatbestände auf eine individualisierende Verhältnismäßigkeit ausgerichtet seien und dem Kooperationspartner ausdrücklich Wahlrechte einräumten. Die Lenkungswirkungen der Abfallabgabengesetze widersprächen diesem Konzept der Kooperation, da die generelle Lenkung des Abgabenrechts nicht nach individualisierender Verhältnismäßigkeit zugemessen und auf die Besonderheiten der einzelnen Anlage abgestimmt werden könne. Zudem vernachlässige sie die Ermittlung der im Einzelfall gegebenen Handlungsalternativen und ihrer unterschiedlichen Umweltverträglichkeit.189 Die dargestellte neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist in einem Kammerbeschluss aus dem Jahr 2001 bestätigt worden.190 Gegenstand des Beschlusses ist eine Verfassungsbeschwerde gegen die Erhebung einer gemeindlichen Vergnügungssteuer auf das Betreiben von Gewaltspielautomaten gewesen. Die Beschwerdeführerin hat gerügt, dass die betreffende Satzung gegen das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung verstoße. Zwar habe der Bundesgesetzgeber der Spielfreiheit im öffentlichen Interesse und zum Schutz des einzelnen Spielers bestimmte Schranken gezogen, innerhalb dieses Rahmens sei die Freiheit zum Spielen aber bestehen geblieben. Es sei dem Ortsgesetzgeber deshalb nicht gestattet, das in den Regelungen des Strafrechts, des Jugendschutzrechts und des gewerblichen Spielrechts zum Ausdruck gekommene bundeseinheitlich geltende Schutzkonzept punktuell nachzubessern. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 93a BVerfGG jedoch nicht zur Entscheidung an, da die Gemeinde bei Ausübung ihrer Steuergesetzgebungskompetenz keinen Widerspruch mit sachgesetzlichen Regelungen verursacht habe. Die kommunale Vergnügungssteuersatzung liefe weder konkreten bundesgesetzlichen Einzelregelungen noch einer etwaigen Gesamtkonzeption des die Spielautomatenbranche betreffenden Bundesrechts zuwider. Insbesondere liege den Regelungen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, des Jugendschutzes und des Gewerberechts nicht ein geschlossenes Schutzkonzept zu Grunde, welches dem Automatengewerbe einen der steuerlichen Lenkung entgegenstehenden Freiraum gewährleiste. Allein aus dem Umstand, dass der Bundesgesetzgeber die Darstellung und Verbreitung bestimmter Gewalttätigkeiten verboten, die Verbreitung bestimmter Medien reglementiert und den Zugang zu bestimmten Aufstellorten von Spielautomaten beschränkt habe, lasse sich nicht im Umkehrschluss folgern, er habe damit zugleich für die von den Verbotsnormen nicht erfassten Spielautomaten einen Freiraum geschaffen, der durch Regelungen BVerfGE 98, 83 (101 ff.). BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats v. 3. 5. 2001, 1 BvR 624 / 00, NVwZ 2001, S. 1264. 189 190
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
im Übrigen nicht mehr eingeschränkt werden dürfe und der Besteuerung nicht mehr zugänglich sei.191 c) Fazit zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Auch wenn die dargestellte Rechtsprechung stets Fälle betraf, in denen Landesbzw. kommunale Steuergesetze Materien erfassten, die der Sachgesetzgebungskompetenz des Bundes unterfielen, ist davon auszugehen, dass das Bundesverfassungsgericht die von ihm entwickelten Maßstäbe auch auf die umgekehrte Konfliktkonstellation – der Bund als Steuergesetzgeber und die Länder bzw. Kommunen als Sachgesetzgeber – übertragen hätte bzw. überträgt. Da Bundes- und Landeskompetenzen gleichrangig sind,192 ist kein Grund ersichtlich, der eine Abweichung für diese Fallgestaltungen rechtfertigen könnte.193 Als Fazit bleibt festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht die Frage, inwieweit der Steuergesetzgeber gestaltende Steuern erlassen darf, obwohl er nicht über die entsprechende Sachgesetzgebungsbefugnis verfügt, bis zur Verpackungssteuer- und Sonderabfallabgabenentscheidung anhand des Haupt- und Nebenzwecks der Steuer entschied. Verfolgte der Steuergesetzgeber mit seiner steuerrechtlichen Regelung einen außerfiskalischen Nebenzweck, wurde die Zulässigkeit der Maßnahme bejaht. Dagegen erachtete es das Gericht als Missbrauch der Steuergesetzgebungsbefugnis, wenn der außerfiskalische Zweck den Finanzierungszweck überwog. Ein derartiger Missbrauch bildete nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch die absolute Ausnahme, da ein außerfiskalischer Hauptzweck nur ausnahmsweise angenommen wurde. Ein überwiegender Lenkungszweck wurde lediglich dann bejaht, wenn die Erfüllung des Steuertatbestandes unmöglich gemacht wurde und die Steuer eine erdrosselnde Wirkung ausübte. Das Bundesverfassungsgericht hat also nicht wirklich eine Unterscheidung nach Haupt- und Nebenzweck vorgenommen, sondern eine Kompetenzgrenze erst bei Vorliegen einer Erdrosselungssteuer gezogen. Es hat im Ergebnis somit ebenso entschieden, wie in den Fällen, in denen die Steuer- und die Sachgesetzgebungsbefugnis bei ein und derselben Körperschaft vereint waren. Von der dargestellten Haupt- und Nebenzwecktheorie hat sich das Bundesverfassungsgericht seit der Verpackungssteuer- und der Sonderabfallabgabenentscheidung gelöst. Der Steuergesetzgeber wird in diesen Entscheidungen einer rechts191 BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats v. 3. 5. 2001, 1 BvR 624 / 00, NVwZ 2001, 1264 (1265). 192 Auch Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung, S. 27; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 170 und Arndt, WiVerw 1990, S. 1 (13) betonen die Gleichrangigkeit von Bundes- und Landeskompetenzen. 193 So weist das Bundesverfassungsgericht in der Verpackungssteuerentscheidung (BVerfGE 98, 106 [119 f.]) ausdrücklich darauf hin, dass nicht lediglich der Landesgesetzgeber oder der kommunale Satzungsgeber, sondern auch der Bundesgesetzgeber bei der Ausübung der Steuerkompetenz an die entsprechenden Maßstäbe gebunden sei.
B. Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Konfliktlösungen
59
staatlich geprägten Kompetenzausübungsschranke unterworfen. Die Frage, wie groß der verbleibende Spielraum des Steuergesetzgebers nach dieser Rechtsprechung ist, ist dabei von der Auslegung des konkreten Sachgesetzes abhängig. Hatte es anfangs den Anschein, dass das Bundesverfassungsgericht einen Widerspruch zwischen dem entsprechenden Sachgesetz und der fraglichen Steuerregelung – insbesondere in Hinblick auf die Gesamtkonzeption des Sachgesetzes – recht großzügig bejaht, ist es in der Entscheidung zur Besteuerung von Gewaltspielautomaten mit der Annahme eines Widerspruchs zurückhaltender.
2. Die Rechtsprechung der Fachgerichte im Überblick a) Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung aa) Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts In Anknüpfung an das Bundesverfassungsgericht ist auch das Bundesverwaltungsgericht zunächst davon ausgegangen, dass Steuergesetze, die einen außerfiskalischen Nebenzweck verfolgen, kompetenzrechtlich unproblematisch seien. So hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemeindlicher Steuersatzungen wiederholt entschieden, dass die Verfolgung von außerfiskalischen Nebenzwecken zulässig sei und nicht daran scheitere, dass das Gebiet des Nebenzwecks in die Kompetenz des Bundes falle. Die allgemeine Kompetenzordnung erfasse nur eine unmittelbare Regelung der dort genannten Gebiete durch die Länder bzw. Gemeinden und verbiete nicht die in der Natur einer jeden Steuer liegende, in der Regel ungezielte Einwirkung auf Materien, die an sich der Bundeskompetenz unterliegen.194 Zur Frage nach der Rechtslage bei Steuern mit überwiegendem Gestaltungszweck hat sich das Bundesverwaltungsgericht zunächst nicht geäußert, da es – in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht – den Begriff des Nebenzwecks weit auslegte, weshalb Steuern mit außerfiskalischem Hauptzweck schlicht nicht zur Entscheidung standen. So hat das Gericht einen Nebenzweck zugrunde gelegt und eine Steuerregelung in kompetenzrechtlicher Hinsicht als zulässig betrachtet, sofern die Regelung keine erdrosselnde Wirkung ausübe und dem Einnahmeerzielungszweck nicht dadurch zuwiderhandele, dass sie die Erfüllung des Steuertatbestandes praktisch unmöglich mache.195 194 BVerwG, Beschluss v. 22. 3. 1994, 8 NB 3 / 93, NVwZ 1994, S. 902 (902); BVerwG, Beschluss v. 17. 7. 1989, 8 B 159 / 88, NVwZ 1989, S. 1175 (1176 f.); BVerwG, Beschluss v 15. 8. 1996, 8 B 167 / 96 u. a., Buchholz, 401.68 Vergnügungssteuer, Nr. 29, S. 16 (18); BVerwGE 96, 272 (287 f.). 195 BVerwG, Beschluss v. 17. 7. 1989, 8 B 159 / 88, NVwZ 1989, S. 1175 (1177). Das Gericht stellt bei der Frage, ob eine Erdrosselungssteuer vorliegt, auf die wirtschaftliche Wirkung der Spielautomatensteuer insgesamt und nicht auf die der Entscheidung zugrunde liegende Besteuerung von Killerautomaten ab. Siehe auch BVerwG, Beschluss v. 22. 3. 1994,
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
Dagegen hat das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung zur Kasseler Verpackungssteuersatzung196 die kompetenzrechtliche Qualifikation von Steuern mit überwiegendem Gestaltungszweck erörtern müssen. Das Berufungsgericht197 hat das Ziel der Abfallvermeidung als Hauptzweck der betreffenden Steuersatzung qualifiziert und dem Bundesverwaltungsgericht die Frage vorgelegt, ob für Steuerregelungen mit außerfiskalischem Hauptzweck die Steuergesetzgebungskompetenz ausreiche. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Vorlagefrage des Hessischen Verwaltungsgerichtshof dahingehend beantwortet, dass bei Steuern mit außerfiskalischem Hauptzweck keine zusätzliche Sachkompetenz für den Bereich des außerfiskalischen Zwecks erforderlich sei. Die Feststellung, dass ein außerfiskalischer Hauptzweck und nicht lediglich ein Nebenzweck vorliege, könne keinen Unterschied derart begründen, dass bei ersterem eine zusätzliche Sachkompetenz notwendig sei. Ausschlaggebend sei nicht die ohnehin nur schwer durchführbare Abgrenzung zwischen Haupt- und Nebenzweck, sondern vielmehr das Kriterium der unmittelbaren, in erster Linie nach den Auswirkungen zu beurteilenden außerfiskalischen Sachregelung. Außer im Fall, dass ein Steuergesetz in eine reine Verwaltungsfunktion mit Verbotscharakter umschlage, bestehe das Erfordernis einer zusätzlichen Sachkompetenz nach diesem Kriterium nur dann, wenn das Steuergesetz in seiner konkreten Ausgestaltung einem unmittelbaren, gezielten sachlichen Gebot oder Verbot nach Gewicht und Auswirkung gleichkomme. Unterhalb dieser Schwelle seien die verfassungsrechtlichen Bestimmungen über die Zuständigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens als Sonderregelungen gegenüber der allgemeinen Kompetenzverteilung anzusehen. Die Gesetzgebungskompetenz sei bei einer Steuernorm ohne unmittelbare außerfiskalische Sachregelung abschließend aus der Spezialnorm des Art. 105 GG zu entnehmen.198 Die kompetenzielle Trennung nach Maßgabe der außerfiskalischen Sachregelung entspreche auch dem auf mehrere Zwecke angelegten verfassungsrechtlichen Steuerbegriff sowie dem Bedürfnis nach möglichst weitgehender Klarheit und Sicherheit bei der grundlegenden Frage der Kompetenz. Die Bestimmung, ob ein außerfiskalischer Zweck Haupt- oder Nebenzweck sei, begegne nämlich größten Schwierigkeiten.199 Schließlich bestehe 8 NB 3 / 93, NVwZ 1994, S. 902 (902), in dem das Bundesverwaltungsgericht dem Oberverwaltungsgericht in der Bewertung folgte, dass bei einer monatlichen Pauschsteuer von 600 DM je Killerautomat der Einnahmeerzielungszweck im Vordergrund stehe. Siehe zudem OVG Nieders., Urteil v. 30. 04. 2003, 13 LB 1450 / 01; VG Düsseldorf, Urteil v. 17. 03. 2004, 25 K 6368 / 03; VG Düsseldorf, Urteil v. 15. 10. 2004, 25 K 4203 / 04. In BVerwGE 38, 317 (319) geht das Gericht bei einer Vervierfachung der Schankerlaubnissteuer für Bars und Kabaretts ohne weiteres von einem außerfiskalischen Nebenzweck aus. Siehe schließlich BVerwG, Beschluss v. 10. 1. 1997, 8 B 204 / 96, NVwZ 1997, S. 801 (801), wo das Gericht in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht in der Sonderbesteuerung von Kampfhunden lediglich einen außerfiskalischen Nebenzweck sieht. 196 BVerwGE 96, 272. Zum Sachverhalt siehe die Darstellung der Verpackungssteuerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts oben 1. Teil, B. I. 1. b). 197 VGH Kassel, Beschluss v. 15. 12. 1992, 5 N 1202 / 92, ESVGH 43, 101 (108). 198 BVerwGE 96, 272 (288 ff.). 199 BVerwGE 96, 272 (291).
B. Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Konfliktlösungen
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auch kein zwingendes Bedürfnis für das Erfordernis einer zusätzlichen Sachregelungskompetenz, da als letzte Schranke das allgemeine auf den Grundsatz der Bundestreue zurückzuführende Verbot missbräuchlicher Ausnutzung von Kompetenzen verbleibe.200 Das Bundesverwaltungsgericht hat also in dieser Entscheidung die Differenzierung nach außerfiskalischem Haupt- und Nebenzweck aufgegeben.201 Auf Art. 105 GG gestützte Steuergesetze werden in kompetenzrechtlicher Hinsicht als zulässig angesehen, sofern sie nach Gewicht und Auswirkung nicht einem sachlichen Gebot oder Verbot gleichkommen und sich nicht als missbräuchliche Ausnutzung der Steuergesetzgebungskompetenz darstellen. Auch die Frage, wann ein solcher Missbrauch anzunehmen ist, beurteilt das Bundesverwaltungsgericht nicht – zumindest nicht allein – anhand des Gewichts des außerfiskalischen Zwecks, hat es doch vorliegend trotz der Annahme eines überwiegenden Gestaltungszwecks eine missbräuchliche Kompetenzausübung abgelehnt.202 Seit dem Wandel der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung durch die Verpackungssteuer- und die Sonderabfallabgabenentscheidung fragt konsequenterweise auch das Bundesverwaltungsgericht danach, ob die steuerliche Gestaltung der sachgesetzlichen Regelung widerspricht, wobei das Gericht jedoch eher zurückhaltend bei der Annahme eines Widerspruchs ist. So hat es – im Gegensatz zum Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht203 – in der Besteuerung von Gewaltspielautomaten weder einen echten Normwiderspruch noch einen Widerspruch gegen die Gesamtkonzeption des die Spielautomatenbranche betreffenden Bundesrechts erblicken können.204
BVerwGE 96, 272 (292). Dagegen klingt in späteren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts die Differenzierung nach Haupt- und Nebenzweck noch an. Siehe BVerwG, Beschluss v. 15. 8. 1996, 8 B 167 / 96 u. a., Buchholz, 401.68 Vergnügungssteuer, Nr. 29, S. 16 (18); BVerwGE 110, 237 (244). 202 BVerwGE 96, 272 (292). 203 Nieders. OVG, Urteil v. 30. 11. 1998, 13 L 7153 / 95, DVBl. 1999, S. 406. Nach dem Oberverwaltungsgericht (S. 407 ff.) bedeute die prohibitive Besteuerung von Gewaltspielgeräten einen unzulässigen Übergriff in die bundesrechtliche Ordnung dieses Sachbereichs durch den Normkomplex der §§ 131 StGB, 118 OwiG, 6 GjS, 8 JÖSchG und 33c ff. GewO. 204 BVerwGE 110, 248 (250 ff.). Diese Entscheidung wurde durch das BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats v. 3. 5. 2001, 1 BvR 624 / 00, NVwZ 2001, S. 1264 bestätigt. Siehe hierzu oben 1. Teil, B. I. 1. b). In BVerwGE 110, 265 (268) geht das Gericht dagegen nicht näher auf das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung ein und fragt nicht, ob die kommunale Besteuerung von Kampfhunden mit etwaigen sicherheitsrechtlichen Regelungen des betreffenden Landes in Widerspruch steht. 200 201
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
bb) Die Rechtsprechung der unteren Verwaltungsgerichte Infolge der früheren Haupt- und Nebenzwecktheorie des Bundesverfassungsgerichts, nach der der Steuergesetzgeber gestaltende Steuern bis zur Erdrosselungsgrenze erlassen durfte, wurden Konflikte zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber auf der erst- und zweitinstanzlichen Ebene zunächst nur selten problematisiert.205 Haben die Verwaltungsgerichte die einschlägigen kompetenziellen Fragen mitunter erörtert, haben sie in Anwendung der Zwecktheorie zumeist einen außerfiskalischen Nebenzweck angenommen und die entsprechenden steuerlichen Regelungen als verfassungsgemäß beurteilt.206 In neueren Entscheidungen haben die Verwaltungsgerichte die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch auf Konfliktkonstellationen innerhalb eines Landes übertragen. So haben sie erörtert, ob zwischen der kommunalen Sonderbesteuerung von Kampfhunden und den sicherheitsrechtlichen Regelungen der Länder ein Widerspruch besteht. Die jeweiligen Berufungsgerichte haben einen solchen Widerspruch verneint, da sowohl die steuerrechtlichen Regelungen als auch die ordnungsrechtlichen Vorschriften die Eindämmung der entsprechenden Hunde bezweckten und sich demnach gegenseitig ergänzten.207 Es ist demnach ein eher behutsamer Umgang mit den bundesverfassungsgerichtlichen Maßstäben festzustellen.208 205 Siehe VGH Mannheim, Beschluss v. 23. 7. 1984, 14 S 1378 / 84, VBlBW 1985, S. 95; OVG Münster, Beschluss v. 22. 2. 1989, 16 B 3000 / 88, NVwZ 1989, S. 588; OVG Lüneburg, Beschluss v. 15. 2. 1989, 13 C 2 / 87, NVwZ 1989, S. 591; SächsOVG, Beschluss v. 14. 1. 1993, 2 S 176 / 92, SächsVBl. 1993, S. 107; VGH Kassel, Beschluss v. 23. 4. 1997, 5 TG 4306 / 96, NVwZ-RR 1998, S. 673; VGH Kassel, Beschluss v. 14. 3. 1996, 5 TH 508 / 96, GewArch 1996, S. 277; OVG Bautzen, Urteil v. 13. 12. 1995, 2 S 193 / 95, NVwZ-RR 1997, S. 113; OVG Lüneburg, Urteil v. 19. 2. 1997, 13 L 521 / 95, NVwZ 1997, S. 816. 206 So OVG Münster, Urteil v. 1. 10. 1992, 22 A 1393 / 90, NVwZ-RR 1992, S. 94 (97); VGH München, Urteil v. 29. 7. 1996, 4 B 95 / 1675, NVwZ 1997, S. 819 (819 f.). Siehe auch SchlHOVG, Urteil v. 22. 9. 1994, 2 L 223 / 93, SchlHA 1994, S. 313 (314). Anders dagegen VGH Kassel, Beschluss v. 15. 12. 1992, 5 N 1202 / 92, ESVGH 43, 101, wo von einem außerfiskalischen Hauptzweck ausgegangen wurde und die Frage nach der kompetenzrechtlichen Behandlung einer solchen Steuer dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurde. 207 Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss v. 29. 5. 2001, 5 N 92 / 00, Hess. Städteund Gemeindezeitung 2001, S. 346 (348); OVG Rhl.-Pf., Urteil v. 19. 9. 2000, 6 A 10789 / 00, AS OVG Rhl-Pf. / Saarland, 28, 373 (376 f.); OVG Münster, Beschluss v. 15. 5. 2001, 14 B 472 / 01, NVwZ-RR 2001, S. 602 (603); VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 23. 01. 2002, 2 S 926 / 01; VG Düsseldorf, Urteil v. 19. 02. 2003, 25 K 1610 / 02. Siehe auch OVG Magdeburg, Urteil v. 18. 3. 1998, A 2 S 317 / 96, NVwZ 1999, S. 321 (321), das schon vor der Verpackungssteuer- und der Sonderabfallabgabenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts danach fragte, – und diese Frage im Ergebnis verneinte – ob der Erhebung einer Kampfhundesteuer sicherheitsrechtliche Regelungen des Landes entgegenstehen. Siehe auch OVG Rhl.-Pf., Urteil v. 14. 06. 2005, 6 C 10308 / 05, wo das OVG ebenso wie das BVerwG danach fragt, ob eine Kampfhundesteuer einem unmittelbaren, gezielten sachlichen Ge- oder Verbot nach Gewicht und Auswirkung gleich kommt. 208 Siehe aber Nieders. OVG, Urteil v. 30. 11. 1998, 13 L 7153 / 95, DVBl. 1999, S. 406 und Nieders. OVG, Urteil v. 30. 11. 1998, 13 L 6854 / 94, Nds. VBl. 1999, S. 187, wo ein
B. Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Konfliktlösungen
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b) Die finanzgerichtliche Rechtsprechung Da der Finanzrechtsweg in Streitigkeiten, die kommunale Steuern betreffen, lediglich in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg eröffnet ist,209 kommunale Steuersatzungen aber den Hauptanwendungsfall im Rahmen des Konflikts zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber bilden,210 haben sich die Finanzgerichte mit dem in Rede stehenden Konflikt nur vereinzelt befasst. So hatten – soweit ersichtlich – die wenigen finanzgerichtlichen Entscheidungen, die die kompetenzrechtliche Problematik von gestaltenden Steuern thematisierten, stets die Hamburgische Spielgerätesteuer zum Gegenstand. Der Bundesfinanzhof211 und das Finanzgericht Hamburg212 haben in Übereinstimmung mit der früheren Haupt- und Nebenzwecktheorie dem Steuergesetzgeber verboten, Steuern zu erlassen, die eine erdrosselnde Wirkung ausüben. Eine solche Wirkung sei bei der Hamburgischen Spielgerätesteuer jedoch nicht feststellbar.213 In einer neueren, nach der Änderung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergangenen Entscheidung, hat das Finanzgericht Hamburg erörtert, ob die Spielautomatensteuer mit sachgesetzlichen Regelungen in Widerspruch steht. Das Gericht verneint jedoch einen Widerspruch, da die Ziele der fraglichen Steuer mit den Zielen des Bundesgesetzgebers auf dem Gebiet des Gewerberechts übereinstimmten. 214
II. Der Kompetenzkonflikt in der Literatur Es ist mittlerweile einhellig anerkannt, dass der verfassungsrechtliche Steuerbegriff auch außerfiskalischen Hauptzwecken offen steht215 und die EinschlägigWiderspruch zwischen der kommunalen Besteuerung von Gewaltspielautomaten und den entsprechenden bundesrechtlichen Regelungen angenommen wurde. 209 Siehe hierzu Seer, in: Dolzer / Vogel / Graßhof, BK, Art. 108, Rz. 78, 150. 210 Siehe oben 1. Teil, A. II. 2. a). 211 BFHE 160, 61 (66); BFHE 180, 497 (502); BFH, Beschluss v. 26. 6. 1996, II R 18 / 95 (unveröffentlicht). 212 FG Hamburg, Urteil v. 1. 2. 1995, VII 56 / 94, EFG 1995, S. 634 (635). 213 BFHE 160, 61 (66); BFHE 180, 497 (502); FG Hamburg, Urteil v. 1. 2. 1995, VII 56 / 94, EFG 1995, S. 634 (635). Zur bislang ungeklärten Frage, ob die Hamburgische Spielgerätesteuer bei einem Steuersatz von 600 DM je Spielhallengerät erdrosselnde Wirkung hat, siehe BFH, Beschluss v. 6. 11. 2001, II B 85 / 01 (unveröffentlicht); FG Hamburg, Beschluss v. 27. 4. 2001, VII 73 / 01 (unveröffentlicht). 214 FG Hamburg, Urteil v. 19. 5. 1998, VII 15 / 96, EFG 1998, S. 1434 (1436). Bemerkenswerterweise hat das Gericht die Haupt- und Nebenzwecktheorie aber nicht aufgegeben, vielmehr hielt es an dem Erfordernis fest, dass die Erzielung von Einnahmen Hauptzweck des Steuergesetzes sein müsse. 215 Zum Steuerbegriff siehe oben 1. Teil, A. I. 1. Exemplarisch zur Gegenauffassung aus früherer Zeit Krüger, StRK-Anm. BefStG 1955, § 11, Rz. 11, die davon ausging, dass der Begriff der Steuer einen überwiegenden Fiskalzweck, der mindestens 51 % betragen müsse, voraussetze.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
keit der Steuergesetzgebungskompetenz somit nicht schon mit der fehlenden Steuereigenschaft einer entsprechenden Abgabe verneint werden kann. Auf der Grundlage dieses Konsenses lassen sich in der Literatur verschiedene Konfliktlösungen unterscheiden, die entweder auf der Ebene der Kompetenzqualifikation oder auf der Ebene der Kompetenzausübung ansetzen.
1. Konfliktlösungen auf der Ebene der Kompetenzqualifikation a) Einschlägigkeit der Sachgesetzgebungskompetenz Nach einer älteren Auffassung ist ein Gesetz, welches eine Steuer regelt, in bestimmten Fällen nicht der Steuergesetzgebungskompetenz des Art. 105 GG, sondern der entsprechenden Sachgesetzgebungskompetenz gemäß Art. 70 ff. GG zuzuordnen.216 So soll eine Steuer mit außerfiskalischem Hauptzweck auf die Sachgesetzgebungskompetenz zu stützen sein.217 Ausgehend von der These, dass ein Gesetz stets derjenigen Kompetenznorm unterfalle, deren Gegenstand es sonderrechtlich regele und nicht derjenigen, deren Materie es nur als allgemeines Gesetz berühre, werden Steuern mit außerfiskalischem Hauptzweck als sachliches Sonderrecht qualifiziert.218 Dass eine Steuer begrifflich gegeben sei, sage noch nichts darüber aus, ob die betreffende Norm ein Gesetz über Steuern sei und dementsprechend steuerliches Sonderrecht vorliege. Die Verfolgung außerfiskalischer Hauptzwecke bedeute gerade vielmehr, dass das Gesetz eine nicht-steuerliche Materie regele, für Kompetenzzwecke also nicht „taxation“, sondern „regulation“ sei. Steuerliches Sonderrecht dulde im außerfiskalischen Bereich demnach naturgemäß nur Nebenzwecke.219 Eine ähnliche Meinung beurteilt die einschlägige Kompetenzgrundlage nach dem Schwerpunkt der Steuer.220 Eine Steuer, die neben der Einnahmeerzielung beispielsweise auch wirtschaftslenkende Zwecke verfolge, habe sowohl steuerrechtlichen als auch wirtschaftsrechtlichen Charakter, so dass eine Zuordnung zu der einen oder anderen Kompetenz nicht zweifelsfrei vorgenommen werden könne. Ein Gesetz, das zwei Materien zugleich berühre, sei deshalb nach dem Schwerpunkt der Regelung abzugrenzen, wobei sich der Schwerpunkt insbesondere aus dem Zweck eines Gesetzes, seinem wesentlichen Inhalt und aus seinen tatsächlichen Auswirkungen ergebe.221 216 Pestalozza, StuW 1972, S. 81 (87); Pestalozza, Formenmissbrauch des Staates, S. 42; v. d. Heydt, Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Wirtschaftslenkung durch die Steuergesetzgebung, S. 77. 217 Pestalozza, StuW 1972, S. 81 (87); Pestalozza, Formenmissbrauch des Staates, S. 42. 218 Pestalozza, StuW 1972, S. 81 (86 f.); Pestalozza, Formenmissbrauch des Staates, S. 42. 219 Pestalozza, StuW 1972, S. 81 (87). 220 v. d. Heydt, Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Wirtschaftslenkung durch die Steuergesetzgebung, S. 77.
B. Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Konfliktlösungen
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b) Doppelte Kompetenzgrundlage Eine andere Meinung möchte Gesetze, welche eine gestaltende Steuer normieren, in bestimmten Fällen sowohl auf die Steuer- als auch auf die Sachgesetzgebungskompetenz stützen.222 So blieben gestaltende Steuern zwar Steuern, die ein Steuerschuldverhältnis begründeten und ein Steueraufkommen erbrächten, weshalb die Steuergesetzgebungskompetenz des Art. 105 GG einschlägig sei. Da die Steuern aber zugleich gestaltend in den Sachbereich einwirkten, in dem sich das zu lenkende Verhalten abspiele, benötigten sie zusätzlich die entsprechende Sachgesetzgebungskompetenz.223 Die Doppelfunktion der in Rede stehenden Steuern, einerseits Finanzierungsmittel, andererseits Mittel der Verhaltenslenkung, führe zu einer doppelten verfassungsrechtlichen Einbindung. Beide Belastungsalternativen, das Verhaltensgebot und der Vermögensentzug, müssten jeweils für sich verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden. Diesem Gebot der Doppellegitimation korrespondiere das Erfordernis einer Doppelkompetenz.224 Die Steuergesetzgebungskompetenz allein sei nicht ausreichend, da sie nur die Handlungsform der Steuer legitimieren, nicht aber eine Legitimation im jeweiligen Sach221 v. d. Heydt, Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Wirtschaftslenkung durch die Steuergesetzgebung, S. 77. Damit seien aber noch nicht alle Übergriffe des Steuergesetzgebers beseitigt. Daneben noch mögliche Übergriffe des interventionistischen Steuergesetzgebers könnten aber durch den Grundsatz der Bundestreue und den Grundsatz der Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit verhindert werden (S. 78 ff.). 222 Friauf, GewArch 1996, S. 265 (268 ff.); Sendler, WiVerw 1996, S. 83 (94 f.); Gern, NVwZ 1995, S. 771 (772); Moench, WiB 1994, S. 971 (972); Brüning, NVwZ 2002, S. 33 (34); Stern, Staatsrecht, Band II, S. 1105; Friauf, Steuervereinfachung, S. 85 (87 f.); Kirchhof, DRiZ 1995, S. 253 (256); Kloepfer, Umweltrecht, § 5, Rz. 261, 290; Kluth, WiB 1995, S. 318 (320); Kluth, ZHR 162 (1998), S. 657 (674); Holzkämper, Kommunale Umweltlenkungsabgaben, S. 25 f.; Jahn, GewArch 1995, S. 312 (315); Kluth, DVBl. 1992, S. 1261 (1265); Sipp-Mercier, KStZ 1993, S. 227 (230); Konrad, BB 1995, S. 1109 (1114 f.); Konrad, BayVBl. 1997, S. 353 (355); Tipke, DÖV 1995, S. 1027 (1035); Kluth, WiB 1996, S. 868 (869); Balmes, Verfassungsmäßigkeit und rechtliche Systematisierung von Umweltsteuern, S. 120 ff.; Köck, ZUR 1993, S. 127 (128); Schumacher, Eindämmung des Spielhallengewerbes, S. 129; Müller-Dehn, JZ 1995, S. 200 (202); Müller, Möglichkeiten und Grenzen der indirekten Verhaltenssteuerung, S. 138; Sendler, NJ 1998, S. 364 (365); Kirchhof, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 88, Rz. 56; Sendler, UPR 1997, S. 354 (356); Kirchhof, Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 3 (10); Kirchhof, Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 72; Rodi, Wandlungen der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, S. 121 (136). Aber auch diejenigen Autoren, die im Rahmen der Prüfung der kommunalen Verpackungssteuer fragen, ob das bundesrechtliche Abfallrecht abschließend ist oder für eine derartige Steuererhebung noch Raum lässt (so Bothe, NJW 1998, S. 2333 [2334]; Huber, ThürVBl. 1999, S. 97 [104]; Di Fabio, NVwZ 1999, S. 1153 [1157]) gehen entweder stillschweigend von der Erforderlichkeit einer zusätzlichen Sachgesetzgebungskompetenz aus bzw. leiten aus der Sachgesetzgebungskompetenz eine Ausübungsschranke für den Steuergesetzgeber ab (dazu sogleich unten) oder besitzen schlicht kein Problembewusstsein. 223 Kirchhof, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 88, Rz. 56. 224 Kirchhof, DRiZ 1995, S. 253 (256); Friauf, Steuervereinfachung, S. 85 (88); Kluth, DVBl. 1992, S. 1261 (1265).
5 Barthelmann
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
bereich begründen könne.225 Die Steuergesetzgebungsbefugnis sage lediglich aus, dass dem Hoheitsträger das Instrument der Steuererhebung zur Einnahmeerzielung zustehe. Die Kompetenznorm treffe jedoch keine Aussage darüber, ob auch eine Zuständigkeit zur Lenkung bestehe.226 Da gestaltende Steuern sich nicht bloß auf den steuerlichen Abschöpfungsvorgang beschränkten, sondern unmittelbar in Sachmaterien übergriffen, die nicht mehr zur Finanzverfassung gehörten und den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften der Art. 70 ff. GG unterlägen, bedürften sie einer doppelten Kompetenzgrundlage.227 Die Erforderlichkeit der kumulativen Steuer- und Sachgesetzgebungsbefugnis wird zudem mit den andernfalls drohenden Gefahren für die Kompetenzordnung begründet.228 So soll es zu schweren Verwerfungen für die bundesstaatliche Kompetenzordnung kommen, sofern man die Steuergesetzgebungskompetenz für alle Steuern genügen lasse. Angesichts der praktischen Allgegenwart des Steuerrechts, das in die gesamte Wirtschafts- und Sozialordnung hineinreiche, böten die steuerlichen Regelungszuständigkeiten in diesem Fall ein nahezu unbegrenzt einsetzbares Instrumentarium, mit dessen Hilfe in den Zuständigkeitsbereich der jeweils für die Sachgesetzgebung zuständigen Körperschaft hineinregiert werden könne.229 Das isolierte Abstellen auf die Steuerkompetenz verletze das föderale Ordnungsgefüge des Grundgesetzes, da die Herstellung und Garantie einheitlicher Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse im Bundesgebiet gefährdet würde.230 Ein föderaler Staat könne es nicht hinnehmen, dass ein sachlich unzuständiger Gesetzgeber über die Krücke seiner steuerlichen Regelungskompetenzen dem sachlich zuständigen Gesetzgeber ins Handwerk pfusche.231 Die Steuergesetzgebungsbefugnis dürfe deshalb nicht als Superkompetenz verstanden werden, durch deren Einsatz die Schranken der allgemeinen Kompetenzordnung unterlaufen und in den Sachregelungsbereich einer anderen staatlichen Ebene eingedrungen werden könne.232 Dem könne auch nicht der Funktionswandel der Steuer hin zu einem politischen Gestaltungsmittel entgegenhalten werden. Dieser Wandel spreche gerade für das Erfordernis der Sachgesetzgebungskompetenz, da nur so der Gefahr widerstreitender Sachpolitik zwischen Bund und Ländern begegnet werden könne.233 Kluth, DVBl. 1992, S. 1261 (1265). Konrad, BB 1995, S. 1109 (1114); Friauf, GewArch 1996, S. 265 (269). 227 Holzkämper, Kommunale Umweltlenkungsabgaben, S. 25. 228 Friauf, GewArch 1996, S. 265 (268); Brüning, NVwZ 2002, S. 33 (34); Konrad, BayVBl. 1997, S. 353 (355); Köck, ZUR 1993, S. 127 (128); Moench, WiB 1994, S. 971 (972); Kluth, WiB 1995, S. 318 (320); Kluth, DVBl. 1992, S. 1261 (1265); Rodi, Wandlungen der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, S. 121 (136). 229 Friauf, GewArch 1996, S. 265 (268). 230 Kluth, WiB 1995, S. 318 (320). 231 Köck, ZUR 1993, S. 127 (128). 232 Friauf, GewArch 1996, S. 265 (268); Stern, Staatsrecht, Band II, S. 1105. 233 Konrad, BayVBl. 1997, S. 353 (355). 225 226
B. Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Konfliktlösungen
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Nicht einheitlich wird jedoch die Frage beantwortet, in welchen Fällen eine zusätzliche Sachgesetzgebungskompetenz erforderlich sein soll. Es werden grundsätzlich zwei verschiedene Richtungen vertreten. Zum Teil wird die Erforderlichkeit einer zusätzlichen Sachgesetzgebungskompetenz nach dem mit der Steuer verfolgten Zweck beurteilt.234 Wenn die Steuer neben dem Zweck der Einnahmeerzielung auch einen Gestaltungszweck verfolge, bedürfe es einer zusätzlichen Legitimation aus der entsprechenden Sachgesetzgebungskompetenz. Innerhalb dieser Ansicht sind jedoch Abstufungen zu beobachten. Überwiegend wird zwischen außerfiskalischem Haupt- und Nebenzweck unterschieden und eine zusätzliche Sachgesetzgebungskompetenz nur bei solchen Steuern, die einen außerfiskalischen Hauptzweck verfolgen, für notwendig erachtet.235 Demnach sollen Nebenzwecke steuerlicher Vorschriften keine unmittelbaren Regelungen des entsprechenden materiellen Sachgebiets darstellen und deshalb auch nicht der zusätzlichen Sachgesetzgebungsbefugnis bedürfen.236 Zudem trage die Differenzierung nach Haupt- und Nebenzweck dem Umstand Rechnung, dass Steuergesetze zwangsläufig in Sachbereiche einwirkten, weshalb die mittelbaren, nicht in erster Linie bezweckten materiellen Auswirkungen als durch die Steuergesetzgebungskompetenz abgedeckt angesehen werden müssten. Anderenfalls müsste für nahezu jede Steuer eine zusätzliche Sachregelungskompetenz verlangt werden.237 Einen anderen Standpunkt nehmen dagegen diejenigen Autoren ein, die die Frage nach der Doppelkompetenz unabhängig vom Gewicht des außerfiskalischen Zwecks beantworten und für jede Art von bezweckter Lenkung, also auch für die nebenzweckliche, eine zusätzliche Abstützung in der Sachgesetzgebungskompetenz fordern.238 Begründet wird dieser Standpunkt mit dem Aspekt der 234 Friauf, GewArch 1996, S. 265 (268 ff.); Stern, Staatsrecht, Band II, S. 1105; Sendler, WiVerw 1996, S. 83 (94 f.); Gern, NVwZ 1995, S. 771 (772); Moench, WiB 1994, S. 971 (972); Friauf, Steuervereinfachung, S. 85 (87 f.); Kirchhof, DRiZ 1995, S. 253 (256); Kluth, WiB 1995, S. 318 (320); Kluth, ZHR 162 (1998), S. 657 (674); Kluth, DStR 1998, S. 892 (893); Holzkämper, Kommunale Umweltlenkungsabgaben, S. 25 f.; Jahn, GewArch 1995, S. 312 (315); Kluth, DVBl. 1992, S. 1261 (1265); Sipp-Mercier, KStZ 1993, S. 227 (230); Konrad, BB 1995, S. 1109 (1115.); Konrad, BayVBl. 1997, S. 353 (355); Tipke, DÖV 1995, S. 1027 (1035); Kluth, WiB 1996, S. 868 (869); Kirchhof, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 88, Rz. 56; Sendler, UPR 1997, S. 354 (356). 235 Friauf, GewArch 1996, S. 265 (268 ff.); Sendler, WiVerw 1996, S. 83 (94 f.); Brüning, NVwZ 2002, S. 33 (34); Gern, NVwZ 1995, S. 771 (772); Schumacher, Eindämmung des Spielhallengewerbes, S. 129; Moench, WiB 1994, S. 971 (972); Friauf, Steuervereinfachung, S. 85 (87 f.); Kirchhof, DRiZ 1995, S. 253 (256); Kluth, WiB 1995, S. 318 (320); Kluth, ZHR 162 (1998), S. 657 (674); Kluth, DStR 1998, S. 892 (893); Holzkämper, Kommunale Umweltlenkungsabgaben, S. 25 f.; Jahn, GewArch 1995, S. 312 (315); Kluth, DVBl. 1992, S. 1261 (1265); Kluth, WiB 1996, S. 868 (869); Kirchhof, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 88, Rz. 56; Sendler, UPR 1997, S. 354 (356); Kloepfer, Umweltrecht, § 5, Rz. 261, 290. 236 Sendler, WiVerw 1996, S. 83 (94). 237 Sendler, WiVerw 1996, S. 83 (94); Friauf, GewArch 1996, S. 265 (268).
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
Rechtssicherheit. Oftmals könne nicht sicher zwischen Haupt- und Nebenzweck einer Steuer unterschieden werden. Ließen sich aber in der Regel keine qualitativen Kriterien zur Bewertung des Gewichts des außerfiskalischen Zwecks finden, sei die Differenzierung zwischen Haupt- und Nebenzweck zur Abgrenzung der Kompetenzsphären nicht geeignet. Die Formstrenge der Finanzverfassung würde ansonsten aufgeweicht.239 Schließlich könnten auch Steuern, die einen außerfiskalischen Nebenzweck verfolgen, in die Entscheidungsfreiheit des Sachgesetzgebers eingreifen und die Kompetenzordnung des Grundgesetzes unterlaufen.240 Im Gegensatz zu der Meinung, die den außerfiskalischen Zweck als maßgeblich erachtet, wird bei der Frage, ob die Sachgesetzgebungskompetenz zusätzlich erforderlich ist, teilweise auch auf die durch die Steuer ausgelösten Gestaltungswirkungen abgestellt.241 Als Begründung wird dabei wiederum die mangelnde Abgrenzbarkeit von außerfiskalischem Haupt- und Nebenzweck angeführt.242 Nach Balmes soll jede Steuer auf ihre Wirkungen untersucht werden und jede Wirkung jeweils für sich gerechtfertigt werden. Die Gesetzgebungskompetenz für die Belastungswirkungen ergebe sich demnach aus der Steuergesetzgebungsbefugnis, während sich die Kompetenz für die Gestaltungswirkungen nach den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften der Art. 70 ff. GG richte.243 Demzufolge soll jede Steuer, die Gestaltungswirkungen entfaltet, einer doppelten Kompetenzgrundlage bedürfen. Der Grad der Gestaltungswirkungen soll dabei gleichgültig sein. Andere Vertreter dieser Richtung sehen eine Doppelkompetenz dagegen nicht bei jeder Lenkungswirkung als notwendig an, sondern erachten eine zusätzliche Sachgesetzgebungskompetenz nur dann für erforderlich, sofern die außerfiskalischen Wirkungen ein gewisses Maß erreichen. Danach sollen Steuern einer kumulativen Absicherung nach Art. 105 GG und Art. 70 ff. GG immer dann bedürfen, wenn sie erhebliche außerfiskalische Wirkungen entfalten.244 Zum Teil wird gefordert, dass dem Ge238 Sipp-Mercier, KStZ 1993, S. 227 (230); Konrad, BB 1995, S. 1109 (1115); Konrad, BayVBl. 1997, S. 353 (355); Tipke, DÖV 1995, S. 1027 (1035); Stern, Staatsrecht, Band II, S. 1105. 239 Konrad, BB 1995, S. 1109 (1115); Tipke, DÖV 1995, S. 1027 (1035). 240 Konrad, BB 1995, S. 1109 (1115). 241 Balmes, Verfassungsmäßigkeit und rechtliche Systematisierung von Umweltsteuern, S. 120; Müller, Möglichkeiten und Grenzen der indirekten Verhaltenssteuerung, S. 138. Wohl auch Müller-Dehn, JZ 1995, S. 200 (202) und Köck, ZUR 1993, S. 127 (128). 242 Müller-Dehn, JZ 1995, S. 200 (202); Müller, Möglichkeiten und Grenzen der indirekten Verhaltenssteuerung, S. 138. 243 Balmes, Verfassungsmäßigkeit und rechtliche Systematisierung von Umweltsteuern, S. 120 ff. 244 Müller, Möglichkeiten und Grenzen der indirekten Verhaltenssteuerung, S. 138. Wohl auch Müller-Dehn, JZ 1995, S. 200 (202), der anscheinend eine doppelte Kompetenzgrundlage fordert, wenn die steuerliche Regelung einen substantiell gestaltenden Eingriff in die Sachmaterie bewirkt. Auch Köck, ZUR 1993, S. 127 (128) geht davon aus, dass nicht für jede Gestaltungswirkung eine zusätzliche Sachregelungskompetenz gefordert werden kann.
B. Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Konfliktlösungen
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setzgeber die Lenkungswirkungen aufgrund der Ausgestaltung des Steuertatbestandes zurechenbar sein müssen.245
c) Isolierte Betrachtung einzelner Lenkungsvorschriften Eine Doppelkompetenz in bestimmten Fällen fordert auch die Ansicht, die die in einem Steuergesetz enthaltenen Lenkungsvorschriften als Sachrecht qualifiziert.246 Im Gegensatz zu der oben dargestellten Theorie der Doppelkompetenz wählt sie aber einen anderen Bezugspunkt. Es wird nicht auf ein Gesetz abgestellt, welches insgesamt eine gestaltende Steuer regelt, vielmehr werden nur die einzelnen in ein Steuergesetz eingestreuten Lenkungsvorschriften behandelt. Danach sollen einzelne in ein Steuergesetz – etwa das Einkommenssteuergesetz – integrierte Normen, die außerfiskalisch motiviert sind, materiell nicht zum Steuerrecht, sondern zum jeweiligen Sachrecht gehören. Soweit etwa der Steuergesetzgeber mit Hilfe von Steuerentlastungs- oder Steuerbelastungsnormen Wirtschaftslenkung betreibe, handele es sich um wirtschaftsrechtliche Normen, die lediglich steuergesetzlich eingekleidet seien und sich nur der Technik der Steuergesetze bedienten. Da die rechtliche Qualifizierung jedoch nicht von technischen Äußerlichkeiten abhängig sein könne, ergebe sich die Kompetenz für solche Vorschriften nicht aus der Steuergesetzgebungskompetenz nach Art. 105 GG, sondern vielmehr aus der jeweiligen Sachgesetzgebungskompetenz nach Art. 70 ff. GG.247 In dem Fall, dass einzelne Lenkungsvorschriften in ein Steuergesetz eingestreut sind, sollen also zwei Gesetze, ein Steuergesetz und ein Sachgesetz, vorliegen,248 so dass konsequenterweise eine doppelte kompetenzielle Abstützung erforderlich ist.
245 Müller, Möglichkeiten und Grenzen der indirekten Verhaltenssteuerung, S. 138. Ebenso Rodi, Wandlungen der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, S. 121 (136 f.). Rodi fordert aber nur dann eine zusätzliche Sachgesetzgebungskompetenz, wenn sich eine solche nicht bereits aus der Finanzverfassung ergebe. Dies sei der Fall, wenn die Finanzverfassung durch die verfassungsrechtliche Anerkennung bestimmter Einzelsteuern in Art. 105, 106 GG nicht nur das Mittel des Steuergesetzes, sondern auch die notwendig mit dem jeweiligen verfassungsrechtlich vorausgesetzten Steuertypus verbundenen Inhalte und Wirkungen legitimiere. Siehe zu dieser Auffassung ausführlich auch unten 1. Teil, B. II. 2. a). 246 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, S. 1062; Lang, in : Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4, Rz. 22; Tipke, StuW 1988, S. 262 (273); Vogel, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, § 87, Rz. 52; Vogel, StuW 1977, S. 97 (99). Siehe auch Schaden, Die Steuervergünstigung als staatliche Leistung, S. 65 ff. und Bayer, StuW 1972, S. 149 (153), die Steuervergünstigungen isoliert betrachten und unter die allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften der Art. 70 ff. GG einordnen, da Steuervergünstigungen ihrer Meinung nach nicht unter den verfassungsrechtlichen Steuerbegriff subsumiert werden können. 247 Lang, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4, Rz. 22. 248 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, S. 1062.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
d) Uneingeschränkte Steuergesetzgebungskompetenz Schließlich wird die Auffassung vertreten, dass gestaltende Steuern ohne weitere kompetenzielle Einschränkungen allein auf die Steuergesetzgebungskompetenz zu stützen sind.249 Es wird geltend gemacht, dass aus Spezialitätsgründen ein Vorrang der finanzverfassungsrechtlichen Regelungen bestehe. Die Art. 105 bis 108 GG seien nach Wortlaut und Systematik für den Bereich der Steuern Sonderregelungen gegenüber den allgemeinen Regelungen über die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen. Nach allgemeinem Verständnis bedeute Spezialität, dass bei partieller Deckungsgleichheit der Einschlägigkeit zweier Rechtssätze die speziellere Norm mindestens ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal aufweise. In diesem Sinne hätten die Art. 70 ff. GG die Staatstätigkeit auf dem Gebiet der Gesetzgebung zur Voraussetzung, während Art. 105 GG die Staatstätigkeit auf dem Gebiet der Gesetzgebung und zusätzlich den Gegenstand Steuern zur Voraussetzung hätten.250 Aus der Spezialität der Art. 105 bis 108 GG folge, dass bei Anwendbarkeit der speziellen Regeln sich auch die Rechtsfolgen ausschließlich nach den speziellen Regeln richteten. Halte man somit die Art. 105 bis 108 GG für anwendbar, weil es sich um eine Steuer handele, dann sei auch die Rechtsfolge ihrer Zulässigkeit bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen uneingeschränkt zu ziehen. Da gestaltende Steuern dem verfassungsrechtlichen Steuerbegriff unterfielen, bestimme sich die Gesetzgebungskompetenz folglich auch bei diesen ausschließlich nach den speziellen finanzverfassungsrechtlichen Regelungen.251
2. Konfliktlösungen auf der Ebene der Kompetenzausübung Andere Autoren suchen eine Konfliktlösung auf der Ebene der Kompetenzausübung. Danach sollen gestaltende Steuern allein unter die Steuergesetzgebungskompetenz fallen, die Kompetenzausübung soll zum Schutz des Sachgesetzgebers jedoch bestimmten Schranken unterliegen.252 Die alleinige Einschlägigkeit der 249 Pieroth, WiVerw 1996, S. 65 (73 f.); Jakob, FS Offerhaus, S. 65 (74); Wieland, FS Bundesverfassungsgericht, S. 771 (784 ff.); Schefold / Göcke, ZUR 1994, S. 316 (317); Lange, Gesamtverantwortung statt Verantwortungsparzellierung im Umweltrecht, S. 305 (319); Meßerschmidt, Umweltabgaben als Rechtsproblem, S. 133 f.; Meßerschmidt, Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts, S. 83 (93); Manssen, Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1996, S. 137 (152 f.); Spanner, StuW 1970, S. 377 (380). 250 Pieroth, WiVerw 1996, S. 65 (73). 251 Pieroth, WiVerw 1996, S. 65 (74). 252 Bodenheim, Der Zweck der Steuer, S. 294 ff.; Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 139 ff.; Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 153; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 160 ff.; Rodi, StuW 1999, S. 105 (113 ff.); Hendler, UPR 2001, S. 281 (285); Hendler, NuR 2000, S. 661 (666); Selmer, FinArch N.F. 52 (1995), S. 234 (239); Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 105, Rz. 24; Selmer / Brodersen, DVBl. 2000, S. 1153 (1157); Klocke, Klimaschutz durch ökonomische Instrumente, S. 185; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 25; Köck / v. Schwanenflügel, Abfallvermeidung durch kommunale Verpackungsabgaben, S. 27 f.
B. Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Konfliktlösungen
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Steuergesetzgebungsbefugnis wird dabei mit dem weiten verfassungsrechtlichen Steuerbegriff begründet, der über die richtige Kompetenzgrundlage entscheide. Für die Qualifikation eines Gesetzes als Steuergesetz i. S. des Art. 105 GG sei allein die definitorische Erfüllung des Steuerbegriffs ausschlaggebend.253 Sei der Steuerbegriff erfüllt, sei die Kompetenzzuordnung abschließend geklärt, da sich die Gesetzgebungskompetenz für alle Steuern allein nach der Spezialnorm des Art. 105 GG richte.254 Der differenzierte Regelungsgehalt des X. Abschnitts des Grundgesetzes mit seinen Regelungen über die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen sowie über die Verteilung des Steueraufkommens sei zur Geltung zu bringen, sofern eine Steuer begrifflich gegeben sei.255 Angesichts des Umstandes, dass der Steuerbegriff auch gestaltende Steuern erfasse, ergebe sich die Zuständigkeit folglich auch bei diesen allein aus der Steuerverfassung.256 Die Vertreter dieser Ansicht sehen jedoch ebenfalls die Gefahr, dass die allgemeinen Gesetzgebungszuständigkeiten durch Steuergesetze ausgehöhlt werden könnten.257 Sie formulieren deshalb Kompetenzausübungsschranken, die die „Aushebelung“ der Sachgesetzgebungszuständigkeiten verhindern sollen. Die aufgestellten Schranken unterscheiden sich dabei sowohl nach ihrer Begründung als auch nach ihrer Reichweite.
a) Kompetenzausübungsschranke aus der Sachgesetzgebungskompetenz Zum Teil werden die allgemeinen Sachgesetzgebungszuständigkeiten der Art. 70 ff. GG als Grundlage der Kompetenzausübungsschranke betrachtet. Die Anfänge dieser Lehre gehen zurück auf Friauf 258 und Selmer.259 So sieht Friauf in der Zuständigkeitsverteilung nicht lediglich eine formale Zuteilung von Gesetz253 Bodenheim, Der Zweck der Steuer, S. 295; Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 139. 254 Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 153; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 160 f. 255 Rodi, StuW 1999, S. 105 (114). 256 Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 142 f.; Rodi, StuW 1999, S. 105 (114); Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 160 f. 257 Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung durch Steuergesetze, S. 28 ff.; Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 153 f.; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 162; Selmer, FinArch N.F. 52 (1995), S. 234 (239); Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 140.; Hendler, UPR 2001, S. 281 (285); Hendler, NuR 2000, S. 661 (666). 258 Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung durch Steuergesetze, S. 25 ff. Freilich hat Friauf nicht explizit von Kompetenzausübungsschranken gesprochen, in der Sache gehen die Ausführungen jedoch in diese Richtung. 259 Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 160 ff. Auch Selmer verwendet den Begriff der Kompetenzausübungsschranken nicht ausdrücklich, die Unterscheidung zwischen richtiger Kompetenzgrundlage und zulässiger Kompetenzausübung wird hier aber schon relativ deutlich.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
gebungsbefugnissen, bei der die Einzelkompetenzen beziehungslos nebeneinander stehen, vielmehr würden die jeweiligen Einzelzuständigkeiten durch übergreifende materielle Ordnungsprinzipien, wie etwa das Ziel der Wirtschaftseinheit, getragen und beherrscht. Aus dem Ordnungszusammenhang, in dem die verschiedenen Gesetzgebungskompetenzen stünden, müsse gefolgert werden, dass es nicht zulässig sei, eine Einzelzuständigkeit in einer Weise auszunutzen, die mit dem Sinn und Zweck der gesamten Kompetenzverteilung nicht vereinbar wäre. Ein Land dürfe daher nicht die ihm zustehende Steuergesetzgebungskompetenz nutzen, um Regelungen zu setzen, die in die vom Bund zu gewährleistende Einheitlichkeit des Rechts der Wirtschaft eingriffen. Umgekehrt dürfe aber auch der Bund nicht durch lenkende Steuergesetze mittelbar die den Ländern vorbehaltenen Sachbereiche seinen eigenen Ordnungsvorstellungen unterwerfen.260 Auch nach Selmer dürfen die Steuer- und die Sachgesetzgebungskompetenzen trotz ihrer räumlichen und sachlichen Trennung nicht als gegeneinander abgeschirmte, beziehungslose Regelungskreise verstanden werden. Art. 105 GG stelle unter dem Blickwinkel der als Einheit zu begreifenden Gesetzgebungsgewalt des Staates vielmehr nur eine Ergänzung der Art. 70 ff. GG dar. Daraus sei zu folgern, dass der Steuergesetzgeber die den allgemeinen Gesetzgebungskompetenzen zugrundeliegenden Verteilungsentscheidungen des Verfassungsgebers nicht unbeachtet lassen dürfe, wenn er mittels eines Steuergesetzes sachregelnde Ziele verfolge.261 Der Gedanke, dass die Sachgesetzgebungszuständigkeit die Steuergesetzgebungskompetenz begrenze, ist von der nachfolgenden Literatur aufgenommen und weiter präzisiert worden. So wird in späteren Abhandlungen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich aus der allgemeinen Zuständigkeitsordnung der Art. 70 ff. GG Ausübungsschranken für die Steuergesetzgebungskompetenz ergeben könnten.262 Auf diese Weise könne jenseits der in der Verfassung angelegten trennenden Primärzuordnung von Sach- und Steuergesetzgebungskompetenz in einem zweiten Schritt die gesamte Kompetenzordnung als ein in sich stimmiges System zur Geltung gebracht und die Einheit der Verfassung durch Herstellen praktischer Konkordanz gewahrt werden.263 Ungeachtet dessen, dass die Vertreter dieser Auffassung in der Begründung der Kompetenzausübungsschranke grundsätzlich übereinstimmen, differieren sie bei der Frage nach der Reichweite der Schranke teilweise erheblich. Die Zahl der Meinungen entspricht dabei nahezu der Zahl der Autoren. 260
Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung durch Steuergesetze,
S. 28. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 162. Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 143; Bodenheim, Der Zweck der Steuer, S. 296; Rodi, StuW 1999, S. 105 (114); Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 105, Rz. 24. 263 Rodi, StuW 1999, S. 105 (114). 261 262
B. Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Konfliktlösungen
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So wird die Frage, inwieweit der Steuergesetzgeber gestaltende Steuern erlassen darf, anhand des Kriteriums der Nebenregelung,264 nach dem Haupt- und Nebenzweck,265 nach dem Gewicht des Zwecks im Hinblick auf die allgemeine Zuständigkeitsordnung266 sowie mittels einer wertenden Zurechnung267 beantwortet. 264 Nach Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung durch Steuergesetze, S. 31 f. müsse der Steuergesetzgeber in einem Steuergesetz zwangsläufig zahlreiche Nebenbestimmungen treffen, auch auf die Gefahr hin, dass er damit Wirkungen über den steuerrechtlichen Bereich hinaus erzeuge. Soweit es sich dabei objektiv um echte Nebenregelungen handele, die notwendig erschienen, um die Steuertatbestände überhaupt sachgemäß und vollständig normieren zu können, seien sie zulässig. Werde aber der notwendige Sachzusammenhang verlassen, vor allem bei ausgesprochen interventionistischen Sonderregelungen, würden sie von der Steuergesetzgebungskompetenz nicht gerechtfertigt. 265 Nach Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 163 f., 167, müsse sich der Steuergesetzgeber dann, wenn er in eine Sachgesetzgebungszuständigkeit übergreife, angesichts der in den allgemeinen Kompetenzvorschriften zum Ausdruck kommenden materiellen Grundvorstellungen der Verfassung von der Struktur der föderativen Ordnung im Ergebnis auch so behandeln lassen, als sei er auf diesem Gebiet mit einer sachlich-rechtlichen Normierung tätig geworden. Es stelle sich dann die Frage, ob und inwieweit er hierzu berechtigt sei, ob er also über die entsprechende Sachgesetzgebungsbefugnis verfüge. Die Frage, ob der Steuergesetzgeber mit einer Regelung in eine Sachgesetzgebungszuständigkeit übergreift, soll sich dabei nicht nach den faktischen Auswirkungen des Steuergesetzes bestimmen, sondern nach dessen Zielsetzungen. Der Steuergesetzgeber dürfe das ihm entzogene Sachgebiet lediglich dann betreten, sofern er einen fiskalischen Hauptzweck verfolge, der außerfiskalische Zweck somit Nebenzweck bleibe. Handele es sich dagegen um primär sachregelungsorientierte Steuervorschriften, also solche, die einen außerfiskalischen Hauptzweck verfolgen, bedürfe der Steuergesetzgeber der entsprechenden Sachgesetzgebungsbefugnis. Neuerdings leitet Selmer diese Schranke aus dem Grundsatz der Bundestreue ab. Selmer, FinArch N.F. 52 (1995), S. 234 (239) und Selmer / Brodersen, DVBl. 2000, S. 1153 (1157). 266 Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 142, 144. Knies lehnt die Differenzierung zwischen außerfiskalischem Haupt- und Nebenzweck ab. Diese Unterscheidung beachte nicht, dass die indirekte Regelung einer Sachmaterie bloß den Rang eines untergeordneten Nebenzwecks haben könne, dennoch aber einen substantiell gestaltenden Eingriff in die Sachmaterie bewirke. Nebenzweck eines Steuergesetzes sei eben nicht gleichbedeutend mit Nebensächlichkeit für die Zuständigkeitsordnung. Ob der Steuergesetzgeber gegen Kompetenzausübungsschranken aus der allgemeinen Zuständigkeitsordnung verstoßen habe, beurteile sich deshalb nicht nach dem Rang des außerfiskalischen Zwecks im Verhältnis zur steuerlichen Gesamtregelung, sondern nach dem Gewicht des außerfiskalischen Zwecks in Bezug auf die allgemeine Zuständigkeitsordnung des Grundgesetzes. Nähere Kriterien, die helfen, den außerfiskalischen Zweck in Hinblick auf die allgemeine Zuständigkeitsordnung zu gewichten, werden jedoch nicht genannt. 267 Bodenheim, Der Zweck der Steuer, S. 297 f. Ihm folgend Klocke, Klimaschutz durch ökonomische Instrumente, S. 185. Nach Bodenheim verletze die konkrete Ausübung der Steuergesetzgebungsbefugnis die Schranken aus Art. 70 ff. GG dann, wenn die betreffende Steuernorm zugleich materielle Regelung eines dem Steuergesetzgeber entzogenen Sachbereichs sei. In diesem Zusammenhang müsse aber berücksichtigt werden, dass eine Steuervorschrift nicht schon dann materielles Sonderrecht setze, wenn sie den entsprechenden Sachbereich irgendwie berühre, da bei jeder Steuer ein außersteuerlicher Sachbereich notwendig berührt werde. Ob eine Steuernorm zugleich eine materielle Regelung darstelle, sei ein Problem der wertenden Zurechnung, in deren Zentrum die typische Wirkung der Norm und die vom Gesetzgeber objektiv vorgenommene Wertung stehe.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
Überdies wird auch das vom Bundesverfassungsgericht begründete Widerspruchsverbot herangezogen und eine Schranke für den Steuergesetzgeber angenommen, wenn die steuerliche Lenkung der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung oder konkreten Einzelregelungen zuwiderläuft.268 Hinzuweisen ist schließlich auf eine neuere Ansicht Rodis, der bei der Frage nach Inhalt und Reichweite der aus der Sachgesetzgebungsbefugnis abgeleiteten Kompetenzausübungsschranke zwischen den von einer Steuernorm ausgehenden Gestaltungswirkungen, die verfassungsrechtlich legitimiert seien und solchen, die eine solche Legitimation nicht aufweisen, unterscheidet.269 Da der Staat des Grundgesetzes seine Augen nicht vor der Tatsache verschließe, dass jede Steuer neben Finanzwirkungen auch Gestaltungswirkungen habe, sei davon auszugehen, dass die Kompetenzordnung bestimmte, mit der Kompetenzausübung notwendig oder zumindest traditionellerweise verbundene Gestaltungswirkungen anerkenne. Wenn die Verfassung beispielsweise in Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG eine Straßengüterverkehrsteuer voraussetze, könne ihr keine Blindheit vor den damit verbundenen Gestaltungswirkungen unterstellt werden. Soweit sich die durch die Steuernorm verursachten Gestaltungswirkungen demnach in objektiv-historischer oder teleologisch-wertender Betrachtung bereits aus dem materiellen Gehalt der steuerlichen Kompetenzvorschriften ergäben, bedürften sie keiner weiteren Legitimation und unterfielen keiner Kompetenzausübungsschranke.270 Weitere zulässige Gestaltungswirkungen könnten überdies daraus resultieren, dass sie zwar nicht von der Steuerkompetenzordnung vorausgesetzt, jedoch von anderen Verfassungsprinzipien, wie etwa dem Sozialstaatsprinzip, gefordert würden.271 Die beschriebenen legitimierten Gestaltungswirkungen seien schließlich in einem letzten Schritt von darüber hinausgehenden, besonders rechtfertigungsbedürftigen Lenkungswirkungen abzugrenzen. Dazu sei eine Grenzlinie zu markieren, bei deren Überschreiten die an der gerechten Lastenausteilung orientierte Besteuerungsfunktion in eine Verwaltungsfunktion umschlage.272 In Anlehnung an Vogel, der die Auswirkungen eines Steuergesetzes der Lenkungsfunktion zurechnet, wenn sie sich nicht mehr als Ausprägung austeilender Gerechtigkeit verstehen lassen,273 sieht Rodi ein starkes Indiz für das Vorliegen einer Verwaltungsfunktion, wenn die steuergesetzlichen Gestaltungswirkungen nicht mehr mit der an Gerechtigkeits- oder Praktikabilitätsgesichtspunkten orientierten Ausgestaltung einer ver268 Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 105, Rz. 24; dies., Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 25; Frenz, DÖV 1999, S. 41 (43). 269 Rodi, StuW 1999, S. 105 (115 ff.). 270 Rodi, StuW 1999, S. 105 (115). 271 Rodi, StuW 1999, S. 105 (115). 272 Rodi, StuW 1999, S. 105 (115). 273 Siehe Vogel, StuW 1977, S. 97 (107). Zu der von Vogel vorgenommenen Rechtsfolgenabschichtung siehe oben Einleitung (Fn. 13).
B. Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Konfliktlösungen
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fassungsrechtlich anerkannten und vorausgesetzten Steuer erklärt werden könnten.274 Ebenso ein Indiz sei die objektiv zu ermittelnde Zwecksetzung des Steuergesetzgebers. Steuerliche Gestaltungswirkungen, mit denen der Steuergesetzgeber planmäßig auf Wirtschafts- und Sozialabläufe Einfluss nehme, sprächen für eine zusätzliche Rechtfertigungsbedürftigkeit. Es genüge allerdings nicht, dass der Gesetzgeber die verfassungsrechtlich anerkannten Gestaltungswirkungen einer Steuer zielgerichtet einsetze. Von einer Verwaltungsfunktion könne erst ausgegangen werden, wenn der Steuergesetzgeber darüber hinausreichende, spezifische Ordnungsvorstellungen für bestimmte Politikfelder entfalte. So könne der Steuergesetzgeber etwa mit der verfassungsrechtlich anerkannten Mineralölsteuer durchaus bewusst auf gesellschaftliche oder wirtschaftliche Prozesse einwirken. Voraussetzung sei aber, dass er sich bei der Ausgestaltung der Steuer im Rahmen der traditionell anerkannten Gestaltungswirkungen halte und sich an Gesichtspunkten der Leistungsfähigkeit orientiere. Möchte der Steuergesetzgeber dagegen weitergehende Ordnungsvorstellungen verwirklichen und sich damit über die Kompetenzausübungsschranke hinwegsetzen, müsste er hierzu von der Verfassung spezifisch ermächtigt sein. Dies sei nur unter Berufung auf eine entsprechende Sachgesetzgebungskompetenz möglich.275 Besonderheiten gelten nach Rodi schließlich für den kommunalen Steuergesetzgeber. So erfahre dieser eine Begrenzung nicht lediglich durch die eben erörterten Kompetenzausübungsschranken, vielmehr könnten kommunale Steuern, die eine Verwaltungsfunktion aufweisen, schon nicht auf die allgemeinen Ermächtigungsgrundlagen in den Kommunalabgabengesetzen gestützt werden. Die Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung erfordere in diesem Fall vielmehr eine spezifische Befugnisnorm, die mögliche Gestaltungszwecke hinreichend genau vorzeichne. Gestaltungswirkungen von Kommunalsteuern, die nicht mehr von deren traditionellem Erscheinungsbild umfasst seien, seien demnach nicht Gegenstand der kommunalen Steuerermächtigungen.276
b) Der Grundsatz der Bundestreue Nach anderer Auffassung können Schranken für den Steuergesetzgeber nur aus dem Grundsatz der Bundestreue gewonnen werden. Das Prinzip der Bundestreue schütze den Sachgesetzgeber ausreichend und ohne „rechtsdogmatische Künstelei“277 vor Übergriffen des Steuergesetzgebers.278 Rodi, StuW 1999, S. 105 (116). Rodi, StuW 1999, S. 105 (116). 276 Rodi, StuW 1999, S. 105 (117 f.). 277 Hendler, NuR 2000, S. 661 (666). 278 Hendler, NuR 2000, S. 661 (666); Hendler, UPR 2001, S. 281 (285); Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 153 f.; Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), S. 241 (275 f.); Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 96 f., 198 ff. 274 275
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
Bei der Frage nach der Reichweite der sich aus der Bundestreue ergebenden Kompetenzausübungsschranke verweisen die Anhänger dieser Auffassung zumeist auf den Missbrauchsgedanken. Mehr als eine Missbrauchsgrenze lasse sich dem Grundsatz der Bundestreue nicht entnehmen.279 Teilweise wird die Grenze dahingehend konkretisiert, dass es dem Steuergesetzgeber verboten sei, die Sachgesetzgebung der anderen föderalen Ebene durch mittelbares Hineinwirken gezielt zu konterkarieren.280
C. Gestaltende Steuern nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes – Kritische Würdigung der dargestellten Konfliktlösungen I. Kompetenzrechtliche Qualifikation gestaltender Steuern 1. Einschlägigkeit der Steuergesetzgebungskompetenz für alle Steuerregelungen Die Beantwortung der Frage, ob ein Gesetz kompetenzgerecht erlassen wurde, vollzieht sich in zwei Schritten. Zunächst ist der in Betracht kommende Kompetenztitel auszulegen, anschließend ist zu untersuchen, ob das Gesetz dem so bestimmten Kompetenzthema zuzuordnen ist.281 Die beiden Stufen sind dabei nicht streng isoliert zu betrachten, vielmehr ist stets ein „Hin- und Herwandern des Blicks“ erforderlich.282 Die Entscheidung, ob ein Gesetz, welches eine Steuer zum Gegenstand hat, unter die Steuergesetzgebungskompetenz des Art. 105 GG oder unter die Sachgesetzgebungskompetenz der Art. 70 ff. GG fällt, bedarf demnach zunächst der Auslegung des Art. 105 GG bzw. der Art. 70 ff. GG. Für die Auslegung gelten die allgemeinen Regeln der Verfassungsinterpretation.283 279 Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), S. 241 (275); Hendler, UPR 2001, S. 281 (285). Ohne nähere Angaben, was aus dem Grundsatz der Bundestreue konkret folgen soll, Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 154. Auf den Missbrauchsgedanken stellen auch Starck, FS Wacke, S. 193 (209), Hörstel, NVwZ 1995, S. 552 (552) und Kempen, JZ 1997, S. 845 (849) ab, ohne jedoch den Grundsatz der Bundestreue explizit aufzugreifen. 280 Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), S. 241 (276). Ähnlich Starck, FS Wacke, S. 193 (209), der einen Missbrauch annimmt, wenn der Steuergesetzgeber seine Kompetenz offenkundig nur zu dem Zweck in Anspruch nimmt, in die allgemeine Gesetzgebungskompetenz des jeweils anderen Gesetzgebers einzudringen. Siehe auch Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 198 ff. 281 Rengeling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, § 100, Rz. 27; Rengeling, Gesetzgebungskompetenz für den integrierten Umweltschutz, S. 58 ff.; Kunig, Jura 1996, S. 254 (255); Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70, Rz. 43; Rozek, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 70, Rz. 47. 282 Rozek, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 70, Rz. 47; Stettner, in: Dreier, GG, Art. 70, Rz. 25; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70, Rz. 43. Siehe hierzu auch Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (182).
C. Gestaltende Steuern nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes
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Der Wortlaut des Art. 105 GG zeigt, dass die Vorschrift von einem einheitlichen Anwendungsbereich für alle Gesetze über Steuern ausgeht. Die Steuergesetzgebungskompetenz verwendet einen einheitlichen Steuerbegriff und bezieht sich folglich auf jedwede Steuer. Eine Unterscheidung zwischen Gesetzen, die gestaltende Steuern und solchen, die sonstige Steuern regeln, ist der Kompetenzbestimmung fremd. Art. 105 Abs. 2a GG differenziert wohl zwischen unterschiedlichen Steuerarten (Verbrauchsteuern, Verkehrsteuern usw.), eine sonstige Differenzierung nimmt die Vorschrift des Art. 105 GG dagegen nicht vor. Der Wortlaut lässt die Herausnahme bestimmter Steuergesetze aus dem Anwendungsbereich des Art. 105 GG somit nicht zu. Vielmehr ist Art. 105 GG einschlägig, sofern eine Abgabe als Steuer zu qualifizieren ist.284 Ein Gesetz, welches eine Steuer zum Gegenstand hat, fällt demnach stets unter die Steuerkompetenz des Art. 105 GG, so dass die Einführung anderer Abgrenzungskriterien, wie die Haupt- und Nebenzwecktheorie bzw. die Schwerpunkttheorie,285 nicht zu überzeugen vermag. Mit dem Wortlaut des Art. 105 GG unvereinbar ist übrigens auch die Annahme, dass einzelne in ein Steuergesetz eingestreute Steuerentlastungs- oder Steuerbelastungsnormen, die Gestaltungszwecke verfolgen, nicht als Steuer-, sondern als Sachvorschriften zu qualifizieren sind.286 Unabhängig davon, ob sich solche Normen in einem Steuergesetz wirklich isolieren lassen,287 kann Art. 105 GG keine Unterscheidung dahingehend entnommen werden, dass Normen, die die nähere Ausgestaltung von Steuertatbeständen zum Gegenstand haben, nur dann der Steuergesetzgebungskompetenz unterfallen, wenn sie keine Gestaltungszwecke verfolgen. Vielmehr ist Art. 105 GG als eine einheitliche Kompetenzgrundlage anzusehen, der alle Gesetze, die die Einführung, Abschaffung oder Ausgestaltung von Steuern betreffen, zuzuordnen sind.288 Das Ergebnis der Wortlautinterpretation wird durch die systematische Auslegung der Steuergesetzgebungskompetenzen bestätigt. Betrachtet man Art. 105 GG im Kontext mit den übrigen Kompetenzbestimmungen der Art. 70 ff. GG, wird deutlich, dass zwischen Art. 105 GG und Art. 70 ff. GG ein Spezialitätsverhältnis besteht. So ist die Vorschrift des Art. 105 GG als lex specialis hinsichtlich der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen über Steuern einzustufen, da sie als einzige Kompetenznorm im Grundgesetz das Thema „Steuern“ zum Gegenstand hat. Die Art. 70 ff. GG erwähnen Steuern hingegen nicht. Diese Zusammenschau offen283 Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 383 ff.; Jarass, NVwZ 2000, S. 1089 (1089); Stettner, in: Dreier, GG, Art. 70, Rz. 24; Stern, Staatsrecht II, S. 607 ff.; Rozek, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 70, Rz. 48; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70, Rz. 46. Zur bundesverfassungsgerichtlichen Auslegung der Kompetenzmaterien siehe auch Scholz, FG BVerfG, Band II, S. 252 (264 ff.). 284 Heun, in: Dreier, GG, Art. 105, Rz. 6; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 105, Rz. 1. 285 Siehe hierzu oben 1. Teil, B. II. 1. a). 286 Siehe hierzu oben 1. Teil, B. II. 1. c). 287 Hierzu unten 1. Teil, C. I. 2. 288 Heun, in: Dreier, GG, Art. 105, Rz. 6; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 105, Rz. 1.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
bart, dass Art. 105 GG als Kompetenz-Sondervorschrift für Steuerregelungen zu qualifizieren ist.289 Alle Gesetze über Steuern richten sich demnach allein und abschließend nach dieser Bestimmung. Die Art. 70 ff. GG stellen keine Grundlage für den Erlass von Steuerbestimmungen dar, vielmehr haben sie nur außersteuerliche Regelungen zum Gegenstand. Die Qualifikation von gestaltenden Steuergesetzen bzw. von in Steuergesetze eingestreute Gestaltungsregelungen als Sachrecht beachtet folglich nicht das Spezialitätsverhältnis zwischen Art. 105 GG und Art. 70 ff. GG und das daraus folgende Verbot, Gesetze über Steuern auf die Sachgesetzgebungskompetenzen zu stützen.290 Auch eine an der Funktion von Kompetenznormen orientierte Auslegung bestätigt die Richtigkeit des gefundenen Ergebnisses. Obschon die Kompetenzordnung entwicklungsoffen sein muss,291 haben die Kompetenznormen auch die Funktion eine verlässliche Abgrenzung der Zuständigkeiten zu gewährleisten.292 Kompetenzen gehen von einer versteh- und durchschaubaren Zuweisung an bestimmte Zuständigkeitsträger aus.293 Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern bedarf der Berechenbarkeit.294 Diese „Ordnungsfunktion“295 dürfte u. a. hinter der Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach einer strikten Interpretation von Kompetenzbestimmungen stehen.296 Mit der dargestellten Funktion lässt sich eine Aufteilung in Steuern, die der Steuergesetzgebungskompetenz des Art. 105 GG unterfallen und solchen, die der Sachgesetzgebungszuständigkeit der Art. 70 ff. GG angehören, nicht vereinbaren. Eine derartige Differenzierung führt im Rahmen der Kompetenzqualifikation zu erheblichen Unklarheiten. Die Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewichtung des Zwecks einer Steuer legen hierfür Zeugnis ab.297 Dass Art. 105 GG für alle Gesetze einschlägig ist, die die Einführung, Abschaffung oder Ausgestaltung von Steuern zum Gegenstand haben, wird darüber hinaus durch die Entstehungsgeschichte bekräftigt. Die Diskussion im Parlamentarischen 289 Schneider, in: Denninger / Hoffmann-Riem / Schneider / Stein, GG, vor Art. 104a, Rz. 3; Heun, in: Dreier, GG, Vorb. zu Art. 104a – 115, Rz. 25; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 105, Rz. 1; Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 153; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 160; Rodi, StuW 1999, S. 105 (114); Kloepfer / Bröcker, DÖV 2001, S. 1 (5); Pieroth, WiVerw 1996, S. 65 (73 f.); Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 250 (Fn. 109). 290 Ebenso Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 250 (Fn. 109). 291 Siehe hierzu Fehling, Föderalismus, S. 31 (43); Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 413. 292 Fehling, Föderalismus, S. 31 (43). 293 Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 306. 294 BVerfGE 61, 149 (175 f.); BVerfGE 41, 205 (220); BVerfGE 48, 367 (373); BVerfGE 65, 1 (39); BVerfGE 68, 319 (328); BVerwGE 96, 272 (291); März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 136; Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 22. 295 So der Begriff bei Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 306. 296 BVerfG 12, 205 (228); BVerfGE 15, 1 (17), BVerfGE 26, 281 (298); BVerfGE 42, 20 (28). 297 Siehe hierzu unten 1. Teil, C. I. 2.
C. Gestaltende Steuern nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes
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Rat um den im Vergleich zu Art. 106 GG relativ wenig umstrittenen Art. 105 GG ist von dem Gedanken bestimmt worden, dass zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit und insbesondere zur Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen im gesamten Bundesgebiet die Steuergesetzgebungskompetenz im wesentlichen beim Bund liegen müsse.298 Im Rahmen der Verhandlungen ist dabei niemals die Frage thematisiert worden, ob die Steuergesetzgebungskompetenz für alle Gesetze über Steuern gilt oder ob bestimmte Regelungen unter die Sachgesetzgebungszuständigkeit fallen. Vielmehr wird aus den Dokumenten ersichtlich, dass man die Steuergesetzgebungsbefugnis auch für gestaltende Steuern als allein einschlägige Kompetenzgrundlage betrachtet hat. So ist die Notwendigkeit einer dominanten Stellung des Bundes im Bereich der Steuergesetzgebung u. a. damit begründet worden, dass die Steuer auch Lenkungscharakter habe und zur Erreichung bestimmter wirtschaftspolitischer oder sozialpolitischer Ziele benutzt werde.299 Der Steuergesetzgeber habe nicht nur die Aufgabe dafür zu sorgen, dass die öffentlichen Körperschaften ihre Einnahmen erhalten, vielmehr verknüpften sich mit der Steuergesetzgebung eine Fülle anderer Aufgaben. Die Steuergesetzgebung schließe die Sozialpolitik, die Wirtschaftspolitik, die Konjunktur- und Währungspolitik in sich ein.300 Alle diese Aufgaben könnten in einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet aber nur durch den Bund als zentralen Gesetzgeber durchgeführt werden.301 Schon zum Zeitpunkt der Entstehung des Grundgesetzes hat also Einigkeit darüber bestanden, dass Art. 105 GG jegliche Gesetze über Steuern erfassen soll, ohne Rücksicht darauf, ob diese der Verhaltenslenkung dienen oder nicht. 298 Lensch, in: Schneider, Das Grundgesetz, Band 25, S. 4 ff.; Fischer, Parlamentarischer Rat und Finanzverfassung, S. 78 ff.; v. Doeming / Füsslein / Matz, JöR N.F. 1 (1951), S. 750 ff. 299 Siehe die Antworten der Sachverständigen Wolkersdorf und Gast auf die Frage des Abg. Wolff im Finanzausschuss, PR, Finanzausschuss, StenProt. der 4. Sitzung v. 21. 9. 1948, S. 48 ff. (abgedruckt bei Lensch, in: Schneider, Das Grundgesetz, Band 25, S. 111 [126 ff.] und Feldkamp / Müller, Der Parlamentarische Rat, Bd. 12, S. 38 ff. [67 ff.]). Siehe auch die Ausführungen von Fischer-Menshausen im Rahmen des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee, HCh, Unterausschuss II: Zuständigkeitsfragen, Prot. der 5. Sitzung v. 16. 8. 1948, S. 184 (abgedruckt bei Lensch, in: Schneider, Das Grundgesetz, Band 25, S. 36 [47]), der ebenfalls auf die Notwendigkeit einer Bundeszuständigkeit auf dem Gebiet der großen Steuern hinwies und dies u. a. auch damit begründete, dass die Steuerpolitik ein wichtiges wirtschaftspolitisches Lenkungsmittel sei. 300 So Höpker-Aschoff, PR, Hauptausschuss, StenProt. der 41. Sitzung v. 15. 1. 1949, S. 512 (abgedruckt bei Lensch, in: Schneider, Das Grundgesetz, Band 25, S. 337 [338 f.]). 301 Siehe den schriftlichen Bericht von Höpker-Aschoff über den Abschnitt X. Das Finanzwesen, PR, Plenum, Schriftlicher Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (Drs. 850 und 854), erstattet von den Berichterstattern des Hauptausschusses, Anlage zum StenBer. der 9. Sitzung v. 6. 5. 1949, S. 55 (abgedruckt bei Lensch, in: Schneider, Das Grundgesetz, Band 25, S. 423 [427 f.]). Siehe auch die Ausführungen Höpker-Aschoffs im Rahmen der Besprechung von Mitgliedern des Parlamentarischen Rates mit allierten Vertretern, PR, Protokoll der Besprechung von Mitgliedern des Parlamentarischen Rates mit allierten Vertretern v. 9. 3. 1949, S. 3 f. (abgedruckt bei Lensch, in: Schneider, Das Grundgesetz, Band 25, S. 371 [372]). Siehe schließlich Höpker-Aschoff, AöR 75 (1949), S. 306 (319 f.).
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
Schließlich kann auch der grundsätzlich problematische, im Rahmen der Auslegung von Kompetenznormen aber als besonders bedeutsam geltende302 Rückblick auf die Weimarer Reichsverfassung kein anderes Ergebnis begründen. Trotz der großen Zahl gestaltender Reichssteuern in der damaligen Zeit,303 lässt sich kein Hinweis finden, dass Art. 8 WRV304 entsprechende Gesetze nicht abgedeckt hat.305 Die Tatsache, dass eine vermeintliche Ausnahme von solcher Tragweite aber nirgends erwähnt wird, lässt darauf schließen, dass auch in der Weimarer Zeit die Steuer- bzw. Abgabenkompetenz des Art. 8 WRV als einheitliche Kompetenzgrundlage für alle Gesetze über Steuern (bzw. Abgaben) angesehen worden ist und nicht etwa in bestimmten Fällen die Sachgesetzgebungskompetenzen der Art. 6, 7, 9 und 10 WRV herangezogen worden sind. Die Verfolgung außerfiskalischer Hauptzwecke ist damals allein als ein Problem der Reichweite des Steuerbegriffs angesehen worden.306 Die kompetenzrechtliche Qualifikation entsprechender Steuern ist dagegen nicht diskutiert worden. Man kann deshalb davon ausgehen, dass die begriffliche Einordnung zugleich auch über die einschlägige Kompetenzgrundlage entschieden hat. Zudem sind Steuern mit außerfiskalischem Hauptzweck nach dem Preußischen Kommunalabgabengesetz von 1893307, das auch in der Weimarer Republik gegolten hat, ausdrücklich von der gemeindlichen Steuerermächtigung erfasst worden. Nach § 2 des PrKAG findet das ansonsten geltende Subsidia302 Siehe BVerfGE 3, 407 (414 f.); BVerfGE 12, 205 (226); BVerfGE 26, 281 (299); BVerfGE 33, 52 (61); BVerfGE 41, 205 (220); BVerfGE 42, 20 (29); BVerfGE 106, 62 (105). Rozek, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 70, Rz. 49; Heintzen, DVBl. 1997, S. 689 (691); Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70, Rz. 46; Stettner, in: Dreier, GG, Art. 70, Rz. 26. Zur Rechtsprechung des BVerfG siehe auch Scholz, FG BVerfG, Band II, S. 252 (265). Es ist aber zu bedenken, dass das Grundgesetz Traditionen nicht ohne weiteres übernommen hat, sondern vielmehr auch eine bewusste verfassungsrechtliche Neuorientierung darstellt. Zu Recht skeptisch gegenüber der historischen Auslegung Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 384 f. und Wolfrum, DÖV 1982, S. 674 (676). 303 Siehe hierzu den detaillierten Überblick bei Meyer, Entwicklung und Motive der nichtfiskalischen Besteuerung in Deutschland, S. 148 ff. Siehe auch Jung, Wirtschaftspolitisch motivierte Besteuerung im Deutschen Reich, S. 62 ff.; Schmidt, Nichtfiskalische Zwecke der Besteuerung, S. 71 ff. 304 Nach Art. 8 WRV hatte das Reich die Gesetzgebung über die Abgaben und sonstigen Einnahmen, also auch für Steuern, soweit sie ganz oder teilweise für seine Zwecke in Anspruch genommen wurden. 305 Siehe Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 8; Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, Art. 8; Giese, Verfassung des Deutschen Reiches, Art. 8; Wittmayer, Die Weimarer Reichsverfassung, S. 180 f.; Strutz, Grundlehren des Steuerrechts, S. 45 ff. Auch die Verhandlungen des Reichstages, die sich mit gestaltenden Steuern befassten, hatten – soweit ersichtlich – niemals die Frage nach der einschlägigen Kompetenzgrundlage zum Gegenstand. Zu Nachweisen hinsichtlich der betreffenden Verhandlungen des Reichstages siehe Meyer, Entwicklung und Motive der nichtfiskalischen Besteuerung in Deutschland, S. 148 ff. 306 Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 49 ff.; Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 61 ff.; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 110 ff. 307 Gesetzessammlung für die königlichen Preußischen Staaten, 1893, S. 152 ff.
C. Gestaltende Steuern nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes
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riätsprinzip, nach dem die Gemeinden nur dann Steuern erlassen dürfen, wenn die sonstigen Einnahmen nicht ausreichen, auf Hunde- und Lustbarkeitssteuern, sowie auf ähnliche, durch besondere Rücksichten gebotene Steuern keine Anwendung. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass solche Steuern auch in der Weimarer Republik der Steuergesetzgebungskompetenz zugerechnet worden sind. Die Auslegung der Steuergesetzgebungskompetenz des Art. 105 GG ergibt demnach, dass jedes Gesetz, welches die Einführung, Aufhebung oder Ausgestaltung von Steuern zum Gegenstand hat, dieser Kompetenz zuzuordnen ist.308 Mit der Qualifizierung der betreffenden Abgabe als Steuer ist auch über die einschlägige Kompetenzgrundlage entschieden. Es bedarf im vorliegenden Zusammenhang deshalb nicht eines Rückgriffs auf den von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Kriterienstrauß zur kompetenzrechtlichen Zuordnung von Gesetzen.309 Dies wird von denjenigen übersehen, die auf den Hauptzweck bzw. auf den Schwerpunkt des betreffenden Regelwerks abstellen.310 Die Grenze zwischen den Sachgesetzgebungskompetenzen der Art. 70 ff. GG auf der einen und der Steuergesetzgebungskompetenzen des Art. 105 GG auf der anderen Seite verläuft folglich allein entlang der Unterscheidung zwischen nicht-steuerlichen und steuerlichen Abgaben und nicht etwa zwischen Gestaltungs- und Finanzierungsgesetzen. Für die kompetenzrechtliche Qualifikation ist es unerheblich, ob eine Steuer der Verhaltenslenkung oder der Einnahmebeschaffung dienen soll oder ob sie neben Belastungswirkungen auch bestimmte Gestaltungswirkungen entfaltet. Die Reichweite der Steuerkompetenz kann nur über den verfassungsrechtlichen Begriff der Steuer eingeschränkt werden. Wer also die Steuergesetzgebungsbefugnis prinzipiell auf die Finanzierung von Staatsaufgaben begrenzen möchte, muss richtigerweise den Steuerbegriff restriktiv interpretieren. Eine einschränkende Auslegung des Steuerbegriffs dahingehend, dass gestaltende Abgaben auszuklammern sind, wird jedoch zu Recht nirgends vertreten. Somit ist als Ergebnis festzuhalten, dass sowohl gestaltende Steuern als auch einzelne gestaltende Vorschriften aufgrund ihrer Steuereigenschaft bzw. aufgrund ihres Bezugs zu einer Steuer unter die Steuergesetzgebungskompetenz des Art. 105 GG fallen.311
Heun, in: Dreier, GG, Art. 105, Rz. 6; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 105, Rz. 1. Ist die Zuordnung eines Gesetzes zu einer Kompetenzmaterie zweifelhaft, weil mehrere Titel in Betracht kommen, werden von Rechtsprechung und Literatur verschiedene Kriterien herangezogen, die sich in der Sache aber ähneln. Zu Nachweisen der von Rechtsprechung und Literatur vertretenen Zuordnungskriterien siehe Rozek, in: v. Mangoldt / Klein /Starck, Art. 70, Rz. 53; Scholz, FG BVerfG, Band II, S. 252 (267) und Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 420 ff. 310 Siehe hierzu oben 1. Teil, B. II. 1. a). 311 Ebenso das BVerfG (siehe oben 1. Teil, B. I. 1.), diejenigen Autoren, die den Steuergesetzgeber als uneingeschränkt zuständig ansehen [siehe oben 1. Teil, B. II. 1. d)] und die, die den Steuergesetzgeber in der Kompetenzausübung beschränken (siehe oben 1. Teil, B. II. 2.). 308 309
6 Barthelmann
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
2. Keine doppelte Kompetenzgrundlage Anerkanntermaßen ist ein Gesetz auf verschiedene Kompetenzgrundlagen zu stützen, sofern es abtrennbare Bestimmungen enthält, die jeweils unterschiedliche Gegenstände regeln. Das Gesetz ist in diesem Fall in einzelne, den betreffenden Kompetenzmaterien individuell zuzuordnende Norminhalte aufzuspalten.312 Man spricht von einer sog. Kompetenzkombination 313 bzw. von einem sog. Kompetenzmix.314 Besitzt das Gesetz dagegen keine abschichtbaren Regelungen, ist es also unteilbar, ist es jedenfalls nach h. M. von vornherein nur einer Kompetenzmaterie als Ganzes zuzuordnen. Die Ansicht, die es als möglich erachtet, dass ein Gesetz mehrere Materien schwerpunktmäßig betrifft und in diesem Fall die Zuständigkeit sowohl des Bundes als auch der Länder bejaht und die Konkurrenz über Art. 31 GG auflöst,315 hat sich nicht durchsetzen können. Die h. M. lehnt eine solche Doppelkompetenz ab und nimmt bei idealkonkurrierenden Gesetzen stets eine alternative Qualifikation – entweder Bund oder Länder – vor.316 Es müssten zunächst alle interpretativen Erkenntnismittel ausgeschöpft und es dürfte keinesfalls zu früh ein non-liquet festgestellt werden.317 In der weit überwiegenden Zahl der Fälle sei ein Schwerpunkt des Gesetzes auszumachen und eine dementsprechende Qualifikation möglich. Könne ausnahmsweise eine überwiegende Affinität zu einer Zuständigkeit nicht aufgefunden werden, soll entweder der Bund318 oder die Länder319 zuständig sein. Befürwortet man diese von der h. M. vertretene Theorie der alternativen Qualifikation, die ein unteilbares Gesetz immer nur einem, aber auch immer einem Zuständigkeitsträger und einer Kompetenzmaterie zuweist, wird zugleich der Auffassung eine Absage erteilt, nach der für den Erlass eines mehrere Materien schwerpunktmäßig betreffenden Gesetzes alle entsprechenden Kompetenzgrund312 Rozek, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 70, Rz. 54; März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 133; Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (187); Erbguth, DVBl. 1988, S. 317 (322). 313 So die Terminologie bei Kloepfer / Bröcker, DÖV 2001, S. 1 (5); Jarass, NVwZ 2000, S. 1089 (1090). 314 So die Terminologie bei Rozek, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 70, Rz. 54. 315 So Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (189 f.); Lerche, JZ 1972, S. 468 (470 f.); Scholz, FG BVerfG, Band II, S. 252 (256). 316 BVerfGE 106, 62 (114); BVerfGE 36, 193 (202 f.); BVerfGE 61, 149 (204); BVerfGE 67, 299 (321). Siehe auch BVerfGE 97, 228 (251); BVerfGE 97, 332 (341). März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 133 ff.; Goerlich, Formenmissbrauch und Kompetenzverständnis, S. 14 f.; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70, Rz. 53; Rozek, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 70, Rz. 55; Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 423; Stettner, in: Dreier, GG, Art. 70, Rz. 32; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 70, Rz. 12; Müller / Pieroth / Rottmann, Strafverfolgung und Rundfunkfreiheit, S. 49 f. 317 Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 423; Müller / Pieroth / Rottmann, Strafverfolgung und Rundfunkfreiheit, S. 49 f.; März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 133 ff. 318 So Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 423; Müller / Pieroth / Rottmann, Strafverfolgung und Rundfunkfreiheit, S. 49 f. 319 So März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 133 ff.
C. Gestaltende Steuern nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes
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lagen erforderlich sind.320 Nach h. M. ist also von vornherein nur bei teilbaren Gesetzen eine zweifache bzw. mehrfache Kompetenzabstützung zulässig. Legt man dies zugrunde, ist die Theorie der Doppelkompetenz, nach der ein Gesetz über Steuern in bestimmten Fällen einer kumulativen Abstützung sowohl in der Steuerals auch in der Sachgesetzgebungsbefugnis bedarf, nur berechtigt, wenn ein Gesetz, das eine Steuer zum Gegenstand hat, unter bestimmten Voraussetzungen wirklich realkonkurriendes Steuer- und Sachrecht setzt. Beginnt man mit der ersten Bedingung und fragt, ob sich ein Gesetz über Steuern in einzelne, abtrennbare Teile untergliedern lässt, gelangt man relativ schnell zu einem negativen Ergebnis. Ohne überhaupt nach der Teilbarkeit eines konkreten Gesetzes zu fragen, trennen die Vertreter der in Rede stehenden Lehre Steuergesetze nach deren Funktion in einen Finanzierungs- und einen Lenkungsteil. Ob einzelne Teile eines Gesetzes isolierbar sind, lässt sich aber nur anhand seines konkreten Inhalts beurteilen. Dabei ist zu beachten, dass abschichtbare Teilregelungen nur dann vorliegen, wenn sowohl die Teilregelungen als auch der restliche Gesetzesinhalt nach der Trennung als sinnvolle Einheit bestehen können. Ein Herausreißen einzelner Teile aus einer Gesamtregelung mit der Folge, dass absurde Ergebnisse übrig bleiben, ist unzulässig.321 Ein Gesetz, welches eine Steuer einführt oder näher ausgestaltet, kann vor diesem Hintergrund nicht in einzelne Teilregelungen aufgespalten werden, da die verschiedenen Regelungen erst zusammen die konkrete Steuerpflicht begründen. Die unterschiedlichen Regelungen über das Steuersubjekt, das abstrakte und konkrete Steuerobjekt und den Steuersatz bilden den einheitlichen Steuertatbestand322 und sind allesamt Voraussetzungen für das Entstehen der Steuerschuld.323 Der Steuertatbestand würde zerrissen und es blieben keine sinnvollen Einheiten zurück, wenn man bestimmte Norminhalte aussonderte. Dies ist auch denjenigen Autoren entgegenzuhalten, die einzelne in einem Steuergesetz enthaltende Entlastungs- oder Belastungsnormen isolieren möchten.324 Auch wenn man also zu Unrecht davon ausgeht, dass Gesetze über Steuern neben der Steuergesetzgebungskompetenz u. U. auch die einschlägige Sachkompetenzmaterie gegenständlich betreffen, dürfte das entsprechende Gesetz folglich nur als Ganzes und nur einem Kompetenzthema allein zugeordnet werden, will man die von der h. M. vertretene Theorie der alternativen Qualifikation idealkonkurrierender Gesetze nicht erschüttern.325 Da eine Aufteilung nicht möglich ist, müsste man sich 320 Soweit ersichtlich wird diese Auffassung nur von Wiederin, Bundesrecht und Landesrecht, S. 337 ff. vertreten. 321 Siehe BVerfGE 97, 228 (251 f.); BVerfGE 98, 145 (158 f.); Wiederin, Bundesrecht und Landesrecht, S. 340. 322 Zum Aufbau des Steuertatbestandes siehe Birk, Steuerrecht, Rz. 95 ff. 323 Siehe auch Hendler / Heimlich, ZRP 2000, S. 325 (327). 324 Siehe hierzu oben 1. Teil, B. II. 1. c). 325 Auch Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 96, ist der Meinung, dass bei Annahme einer Doppelkompetenz das Verbot der Doppelqualifikation ausschnittsweise außer Kraft gesetzt wird.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
zwischen dem einschlägigen Sachkompetenztitel oder der betreffenden Steuergesetzgebungskompetenz entscheiden.326 Zu der Erforderlichkeit einer kumulativen Abstützung kann man folglich überhaupt nur gelangen, wenn man die Theorie der alternativen Qualifikation ablehnt und davon ausgeht, dass der jeweilige Hoheitsträger über alle schwerpunktmäßig betroffenen Kompetenzen verfügen muss. Dies kann man tun, wahrscheinlich sprechen für diese Auffassung sogar die besseren Gründe, man muss dann aber konsequent sein und bei jeder Kompetenzzuordnung so vorgehen. Es ist jedenfalls nicht zulässig, lediglich im Rahmen von Kompetenzkonflikten zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber von der absolut h. M. abzuweichen und diese Abweichung dabei nicht einmal offen zu legen. Aber auch wenn man die Theorie der alternativen Qualifikation ablehnt, ist eine doppelte Kompetenzgrundlage im vorliegenden Zusammenhang nicht erforderlich, da Gesetze über Steuern niemals sowohl die Steuer-, als auch die Sachgesetzgebungskompetenz gegenständlich betreffen. Der dargestellte Streit wird nur in dem Fall aktuell, dass ein Gesetz zwei oder mehrere Materien schwerpunktmäßig betrifft. Diese Voraussetzung ist bei einem Gesetz über Steuern schon nicht gegeben. Ein Gesetz über Steuern fällt stets allein unter Art. 105 GG und ist niemals den Art. 70 ff. GG zuzuordnen, da sich letztere lediglich auf außersteuerliche Maßnahmen beziehen.327 Die Befürworter einer doppelten Kompetenzgrundlage spalten das Steuergesetz dagegen in einen Finanzierungsteil, den sie der Steuerkompetenz zuweisen, und einen Lenkungsteil, für den sie den entsprechenden Sachkompetenztitel als einschlägig betrachten. Die Steuergesetzgebungskompetenz wird demnach grundsätzlich auf die Finanzierung von Staatsaufgaben beschränkt. Es wird damit der gleiche Fehler begangen, wie von denjenigen, die die Art. 70 ff. GG als alleinige Kompetenzgrundlage heranziehen. Es wird nämlich übersehen, dass die Kompetenzordnung des Grundgesetzes eine solche Unterscheidung nicht trifft, da sie die Steuer- und die Sachkompetenz nicht nach Finanzierung und Lenkung abgrenzt. Die Steuergesetzgebungskompetenz des Art. 105 GG ist nicht auf Finanzierungsaufgaben, sondern auf Steuern beschränkt. Alle Normen, die die Einführung, Abschaffung oder Ausgestaltung von Steuern regeln, sind allein Art. 105 GG zuzuordnen, während die Art. 70 ff. GG lediglich nichtsteuerliche Regelungen zum Gegenstand haben. Die steuerliche Gestaltung gehört somit zum originären Kompetenzbereich des Steuergesetzgebers, so dass ein Übergriff in die Kompetenzsphäre des Sachgesetzgebers nicht vorliegt. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass dadurch die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse beeinträchtigt würde.328 Das Grundgesetz kennt ein entsprechendes Verfassungs326 Man müsste dann nach dem Schwerpunkt eines entsprechenden Gesetzes fragen und wäre dann wieder bei der Auffassung v. d. Heydts. Siehe hierzu oben 1. Teil, B. II. 1. a). Auch wenn man sich dafür entschiede, dass ein Schwerpunkt nicht auffindbar ist, müsste man entweder den Bund oder die Länder als zuständig betrachten. 327 Siehe hierzu und zum Folgenden schon oben 1. Teil, C. I. 1. 328 Siehe zu diesem Argument oben 1. Teil, B. II. 1. b).
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gebot nicht.329 Die Frage, wie viel Einheitlichkeit bzw. Vielfalt in der föderalistisch strukturierten Bundesrepublik herrscht, wird in erster Linie von der Kompetenzordnung beantwortet. Mit dem pauschalen Hinweis auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse lässt sich die Verteilung der Gesetzgebungsbefugnisse nicht überspielen. Eine kumulative Abstützung auf die Steuer- und die Sachgesetzgebungsbefugnis ist folglich nur dann notwendig, wenn in einem Gesetz sowohl steuerliche Regelungen als auch nicht-steuerliche Regelungen zusammengefasst sind. Es kommt demnach weder auf die Gestaltungswirkungen des Steuergesetzes noch auf dessen Zweck an. Deshalb kann auch die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, nach der eine doppelte Kompetenzabstützung dann erforderlich sein soll, sofern das Steuergesetz einem unmittelbaren, gezielten sachlichen Gebot oder Verbot nach Gewicht und Auswirkung gleichkomme,330 nicht überzeugen. Ein Steuergesetz regelt steuerliche Zahlungspflichten und deren Voraussetzungen, nicht aber normiert es nicht-steuerliche Verhaltensregeln.331 Schließlich soll an dieser Stelle auf die von den Vertretern der Doppelkompetenz gewählten Voraussetzungen, unter denen die entsprechende Sachgesetzgebungskompetenz zusätzlich erforderlich sein soll, eingegangen werden. Obwohl bereits gezeigt wurde, dass es richtigerweise weder auf den Zweck noch auf die Wirkung eines Steuergesetzes ankommt, ist auf die Schwierigkeiten, die die unterschiedlichen Kriterien aufwerfen, hinzuweisen. So ist denjenigen, die die Frage, wann eine Doppelkompetenz notwendig sein soll, anhand der Gestaltungswirkungen beantworten, zunächst entgegenzuhalten, dass bei der Kompetenzqualifikation nicht auf die Auswirkungen von Gesetzen abzustellen, sondern stets an den Inhalt der getroffenen Regelungen anzuknüpfen ist. Die Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes haben das rechtsetzende Handeln des Staates zum Gegenstand, sie beziehen sich also auf die Setzung von Normen, nicht auf Normwirkungen.332 Dass für das Kompetenzrecht nur der Regelungsgehalt maßgebend ist, zeigt sich nicht zuletzt an den Folgen, die aufträten, zöge man auch die faktischen Wirkungen heran. So kann ein und dasselbe Steuergesetz von Land zu Land unterschiedliche Gestaltungswirkungen entfalten und somit kompetenzrechtlich unterschiedlich zu qualifizieren sein. Dass identische Gesetze das eine Mal so und das andere Mal anders qualifiziert werden – im vorliegenden Fall also einmal die Sachgesetzgebungskom329 Auch das Sozialstaatsprinzip, das nur einen Mindeststandard verlangt, kann nicht zur Begründung herangezogen werden. So richtig Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 541; Selmer, VVDStRL 52 (1993), S. 10 (20); ders., Vielfalt des Rechts – Einheit der Rechtsordnung?, S. 199 (206). Kritisch gegenüber dem Einheitlichkeitsgedanken auch Kloepfer, Abfallrecht und Föderalismus, S. 13 (19); Lerche, FS Berber, S. 299 (302 ff); Schmitt-Glaeser, AöR 107 (1982), S. 337 (358 ff.). Ein Verfassungsgebot der Einheitlichkeit bejahen Kirchhof, VVDStRL 52 (1993), S. 71 (83 f.); Hohmann, DÖV 1991, S. 191 ff. (194 f.); Arndt, JuS 1993, S. 360 (361 f.); Carl, AöR 114 (1989), S. 450 (463 ff.). 330 Siehe hierzu oben 1. Teil, B. I. 2. a) aa). 331 So auch Trzaskalik, 63. DJT, E 21 ff. 332 Trzaskalik, 63. DJT, E 32; Wieland, FS BVerfG, S. 771 (785). Siehe auch BVerfGE 98, 106 (117).
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petenz zusätzlich erforderlich wäre, das andere Mal nicht – ist mit der Kompetenzordnung, die eine verlässliche Zuständigkeitsabgrenzung voraussetzt,333 jedoch nicht zu vereinbaren. Zudem sind die Schwierigkeiten, die sich bei der Feststellung der Gestaltungswirkungen ergeben, nicht gering zu schätzen. Die Kausalbeziehungen sind heutzutage so komplex und vernetzt, dass sie nicht mehr ohne weiteres zu überschauen sind.334 Überdies lässt sich gegen die Ansicht, die für alle Gestaltungswirkungen eine zusätzliche Sachkompetenz fordert,335 anführen, dass hier die Steuergesetzgebungskompetenzen des Art. 105 GG der Aushöhlung preis gegeben werden. Es ist nämlich zu bedenken, dass jedes Steuergesetz Gestaltungswirkungen entfaltet. Eine rein fiskalische Steuer gibt es nicht, da jeder Besteuerungsakt infolge der Interdependenz aller ökonomischen und sozialen Vorgänge bestimmte Effekte sozialgestaltender Art auslöst.336 Ein Gesetz über Steuern könnte folglich niemals allein auf Art. 105 GG gestützt werden, vielmehr bedürfte es daneben stets der betreffenden Sachgesetzgebungskompetenz. Es widerspräche aber der Funktion des Art. 105 GG stellte man jeden Erlass von Steuergesetzen unter den Vorbehalt, dass der Gesetzgeber neben der Steuergesetzgebungsbefugnis auch über die entsprechende Sachgesetzgebungsbefugnis verfügt. Kompetenzvorschriften sind als eigenständige, ungeteilte Ermächtigungen zu qualifizieren, die in ihrem Anwendungsbereich die abschließende Erlaubnis erteilen, rechtsetzend tätig zu werden. Dieser selbständige Charakter der Kompetenzbestimmungen verbietet es, die Wahrnehmung des Art. 105 GG von der Innehabung anderer Gesetzgebungsbefugnisse abhängig zu machen.337 Die Differenzierung nach der Stärke der auftretenden Gestaltungswirkungen338 gewährleistet schließlich keine sichere Abgrenzung und gibt keine klare Auskunft Zur Ordnungsfunktion siehe bereits oben 1. Teil, C. I. 1. Rodi, JZ 2000, S. 827 (834). Siehe hierzu näher unten 1. Teil, D. III. 2. b) bb). 335 Siehe hierzu oben 1. Teil, B. II. 1. b). 336 Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 61; Gawel, StuW 2001, S. 26 (33); Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 151; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 68, 73 f.; Kirchhof, DVBl. 2000, S. 1166 (1167); Rodi, JZ 2000, S. 827 (829); Gawel, Abgabenrechtliche Verhaltenssteuerung im Umweltrecht, S. 65 (92); Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Band 1, S. 34; Schmölders, in: Strickrodt / Wöhe / Flämig / Felix / Sebiger, HwSTR, Stichwort „Steuerwirkung“, S. 1370 f. 337 BVerfGE 11, 77 (88); BVerfGE 106, 62 (150). Siehe auch März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 112; Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 472, 679; Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 102 ff.; Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 73 ff. („Kompetenz als Entscheidungsgewalt“). Siehe auch Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 209, der Kompetenzen als Machpositionen bezeichnet. Ähnlich Goerlich, Formenmißbrauch und Kompetenzverständnis, S. 14, der von Handlungsmacht spricht. 338 Zu dieser Ansicht siehe oben 1. Teil, B. II. 1. b). 333 334
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darüber, wann genau eine doppelte Abstützung notwendig ist. So lässt sich insbesondere nicht feststellen, was genau substantielle Wirkungen sind. Es fehlt an einem geeigneten Maßstab, an dem die Gestaltungswirkungen gemessen werden könnten.339 Nicht nur die Gestaltungswirkungen sind als Abgrenzungskriterium ungeeignet, auch das Abstellen auf den Zweck führt nicht zu schlüssigen Ergebnissen. Gegen diejenigen, die eine zusätzliche Abstützung in der Sachgesetzgebungskompetenz fordern, sofern mit der Steuer Gestaltungszwecke gleich welchen Gewichts verfolgt werden, spricht ebenfalls, dass die Steuergesetzgebungskompetenz des Art. 105 GG in diesem Fall ausgehöhlt würde. Es findet sich wohl kaum ein Steuergesetz, bei dem gestalterische Erwägungen des Gesetzgebers, insbesondere solche wirtschaftspolitischer Art, überhaupt keine Rolle spielen. Die Innehabung der Steuergesetzgebungskompetenz würde somit entwertet, wenn man jede Verfolgung eines außerfiskalischen Zwecks unter den Vorbehalt der Sachgesetzgebungskompetenz stellte.340 Zudem bringt die Ansicht ein erhebliches Maß an Unsicherheit in das Kompetenzgefüge des Grundgesetzes, da zumeist kaum zu entscheiden sein wird, ob eine bestimmte steuerliche Vorschrift allein der Einnahmeerzielung dient oder ob nicht auch Lenkungszwecke verfolgt werden. Gleiches gilt für die Unterscheidung nach Haupt- und Nebenzweck. Diese macht eine klare Kompetenzabgrenzung unmöglich, da sich bei Steuergesetzen nicht bestimmen lässt, welcher Zweck im Vordergrund steht. Die verschiedenen Steuerzwecke lassen sich in ihrem Verhältnis zueinander nicht quantifizieren.341 Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, dass die im Rahmen des Steuerbegriffs als undurchführbar erkannte Zweckgewichtung auf der Kompetenzebene wieder eingeführt wird.342 Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass die Theorie der Doppelkompetenz nicht beachtet, dass eine mehrfache Kompetenzabstützung im vorliegenden Fall nicht zulässig ist. Überdies können die unterschiedlichen Voraussetzungen, nach denen eine solche Kombination erforderlich sein soll, nicht überzeugen.
Siehe hierzu näher unten 1. Teil, D. III. 2. b) bb). Siehe auch Sendler, WiVerw 1996, S. 83 (94); Friauf, GewArch 1996, S. 265 (268). 341 Siehe BVerfGE 3, 407 (436). Henneke, ZG 1998, S 275 (286); Kulosa, Verfassungsrechtliche Grenzen steuerlicher Lenkung, S. 60 ff.; Jobs, Steuern auf Energie, S. 112; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 76; Lange, Gesamtverantwortung statt Verantwortungsparzellierung im Umweltrecht, S. 305 (319); Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 152; Söhn, FS Stern, S. 587 (588); Starck, FS Wacke, S. 193 (200, 205); Gawel, StuW 2001, S. 26 (35 f.); Gawel, Umweltabgaben zwischen Steuer- und Gebührenlösung, S. 32 ff.; Vogel, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 87, Rz. 51. Siehe auch BVerwGE 96, 272 (290). A. A. Moench, WiB 1994, S. 971 (972). 342 So auch Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 153. 339 340
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3. Die Reichweite der kommunalen Steuergesetzgebungskompetenz Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes gilt nur für das Bund-Länder Verhältnis. Nichtsdestoweniger hat die Entscheidung, dass Art. 105 GG uneingeschränkt alle Steuergesetze erfasst, Einfluss auf die Auslegung der kommunalen Steuergesetzgebungskompetenz. Unabhängig davon, ob man die Kommunalabgabengesetze als Steuerermächtigungen oder als Einschränkungen des kommunalen Steuersatzungsrechts qualifiziert, ist ihr Anwendungsbereich nicht auf fiskalische Steuern beschränkt. Es lässt sich kein Anhaltspunkt finden, dass der Landesgesetzgeber seine umfassende Steuerkompetenz gem. Art. 105 GG nicht umfassend auf die Kommunen übertragen, sondern vielmehr bestimmte Steuern ausgeklammert hat bzw. dass er das eigenständige Steuersatzungsrecht der Kommunen nicht im Umfang seiner Kompetenz eingeschränkt und den Kommunen einen Freiraum für gestaltende Steuern belassen hat. Ebenso wie bei Art. 105 GG lässt sich auch hier eine entsprechende Begrenzung des Anwendungsbereichs der Kommunalabgabengesetze mit dem Wortlaut der betreffenden Vorschriften nicht vereinbaren. Die Kommunalabgabengesetze sprechen durchweg lediglich von Steuern, so dass eine Verkürzung ihres Anwendungsbereichs auf bestimmte Steuerregelungen nicht plausibel begründet werden kann. Mangels einer entsprechenden Differenzierung werden vielmehr alle steuerlichen Abgaben erfasst, gleichgültig, welche Zwecke sie verfolgen oder welche Wirkungen sie entfalten.343 Dieses Ergebnis kollidiert auch nicht mit dem Bestimmtheitsgrundsatz, da die Regelungen der Kommunalabgabengesetze ausdrücklich auf Steuern Bezug nehmen, so dass ihre Reichweite klar und eindeutig ist.344 Vielmehr muss umgekehrt jede andere Auslegung, die den einheitlichen Anwendungsbereich der jeweiligen Bestimmungen aufspalten will, in Konflikt mit dem Bestimmtheitsprinzip geraten. Sofern also vertreten wird, dass die Kommunalabgabengesetze der Länder Steuern mit außerfiskalischem Hauptzweck mangels hinreichender Bestimmtheit nicht erfassen,345 ist diese Auffassung unbegründet.346 Kommunale Satzungen, die die Einführung, Ausgestaltung oder Ab343 Freilich nur solche, die die weiteren Voraussetzungen der jeweiligen Vorschriften in den Kommunalabgabengesetzen erfüllen, wie beispielsweise die Bedingung, dass es sich um örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern handeln muss. 344 Einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsprinzip lehnt auch Pieroth, WiVerw 1996, S. 65 (77 f.) ab. 345 Kluth, DVBl. 1992, S. 1261 (1269); Konrad, BB 1995, S. 1109 (1117); Rodi, StuW 1999, S. 105 (117 f.). Siehe auch Konrad, DÖV 1999, S. 12 (15). 346 Auch hier müsste wieder zwischen der Auffassung, die ein eigenständiges Steuersatzungsrecht der Kommunen ablehnt, und der, die ein solches bejaht, unterschieden werden. Betrachtet man die betreffenden Vorschriften der Kommunalabgabengesetze als Ermächtigungen, die den Kommunen überhaupt erst die Befugnis verleihen, Steuersatzungen zu erlassen, hätte diese Ansicht zur Folge, dass die Kommunen gestaltende Steuern nicht erheben dürfen, sofern es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage fehlt. Das Problem stellt sich dagegen anders dar, sofern man richtigerweise davon ausgeht, dass die Kommunal-
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schaffung von Steuern zum Gegenstand haben, dürfen folglich nur nach den landesrechtlichen Kommunalabgabengesetzen bzw. nach spezialgesetzlichen Steuervorschriften erlassen werden. Dies bedeutet zugleich, dass eine zusätzliche Abstützung nach anderen Vorschriften nicht in Betracht kommt. Auch auf kommunaler Ebene bedarf es somit keiner Kompetenzkombination.
4. Uneingeschränkte Steuergesetzgebungskompetenz? Es wurde gezeigt, dass die Steuer- und die Sachgesetzgebungskompetenzen klar voneinander abgegrenzt werden können. Erstere beziehen sich lediglich auf steuerliche Maßnahmen, während letztere alle nicht-steuerlichen Maßnahmen zum Gegenstand haben. Die Trennung zwischen der Steuer- und der Sachkompetenz knüpft demnach an unterschiedlichen Instrumenten an. Trotz der verschiedenen Regelungsgegenstände ist es jedoch nicht ausgeschlossen, dass Steuergesetze Interessen des Sachgesetzgebers verletzen. Steuergesetze können sachgesetzliche Regelungen beeinträchtigen. Eine solche Möglichkeit besteht insbesondere deshalb, weil Steuer- und Sachgesetze sich auf das gleiche Regelungsobjekt beziehen können.347 So kann es beispielsweise Steuergesetze geben, die Einwegverpackungen zum Gegenstand haben, ebenso wie es Sachgesetze geben kann, die entsprechende Verpackungen erfassen.348 Können Interessenbeeinträchtigungen des Sachgesetzgebers durch steuergesetzliche Normen aber nicht ausgeschlossen werden, stellt sich die Frage, ob bzw. inwieweit solche Beeinträchtigungen zulässig sind. So besteht die Möglichkeit, dass der Steuergesetzgeber Kompetenzausübungsschranken unterliegt, die der Wahrnehmung der Steuergesetzgebungsbefugnis im Einzelfall Grenzen setzen. Die Frage, ob bzw. inwieweit der Steuergesetzgeber an Ausübungsschranken gebunden ist, stellt sich nicht zuletzt deshalb, weil auch außerhalb des Konflikts zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber anerkannt ist, dass eine an sich bestehende Kompetenz unter bestimmten Voraussetzungen auf Ausübungsschranken stoßen kann und dementsprechend nicht voll ausgenutzt werden darf.349 Sollten entspreabgabengesetze im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung keine Steuerermächtigungen, sondern vielmehr Einschränkungen der kommunalen Steuerhoheit sind. Die Einschränkungen würden demnach für örtliche gestaltende Steuern nicht gelten, so dass die Kommunen frei wären, – freilich nur unter Beachtung des Gesetzesvorrangs – entsprechende Vorschriften zu erlassen. Überörtliche gestaltende Steuern dürften von den Kommunen mangels hinreichend bestimmter Ermächtigungsgrundlage hingegen nicht erhoben werden. 347 Dies ist keine Besonderheit gerade der Abgrenzung zwischen Steuer- und Sachkompetenz, vielmehr lässt sich dies auch im Rahmen der Sachgesetzgebungsmaterien beobachten. Siehe hierzu Wiederin, Bundesrecht und Landesrecht, S. 341 und Bauer, Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und das Kartellrecht, S. 62 ff. 348 Hierzu und zu weiteren Beispielsfällen siehe oben 1. Teil, A. II. 349 Siehe hierzu Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 366 f.; Jarass, NVwZ 1996, S. 1041 (1041); Bauer, Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und das Kartellrecht, S. 83 ff., 89 ff.;
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
chende Schranken existieren, wären legislatorische Kompetenzkonflikte mit der Qualifikation des betreffenden Gesetzes nicht abschließend entschieden, vielmehr setzten sie sich auf der Ebene der Kompetenzausübung fort. Mit dem alleinigen Hinweis, dass ein entsprechendes Steuergesetz kompetenzgemäß ergangen ist, ließe sich das Problem somit jedenfalls nicht lösen. Den Vertretern, die eine uneingeschränkte Steuergesetzgebungskompetenz befürworten, ist deshalb vorzuhalten, dass sie den Konflikt zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber nicht umfassend klären und die Prüfung zu früh abbrechen. Aus diesem Grund sollen im folgenden Abschnitt all diejenigen Auffassungen diskutiert werden, die den Steuergesetzgeber in der Kompetenzausübung beschränken.
II. Kompetenzausübungsschranken für den Steuergesetzgeber 1. Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung und konkrete Einzelregelungen als Schranke der Kompetenzausübung? Das Bundesverfassungsgericht hat eine Kompetenzausübungsschranke für den Steuergesetzgeber statuiert, nach der dieser von seiner Steuerkompetenz nur insoweit Gebrauch machen darf, als die Lenkung weder der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung noch konkreten Einzelregelungen zuwiderläuft.350 Es ist an dieser Stelle zu prüfen, ob eine solche Kompetenzschranke wirklich besteht, ob also der Steuergesetzgeber nach dem Grundgesetz tatsächlich verpflichtet ist, die Gesamtkonzeption sachlicher Regelungen und konkrete Einzelregelungen zu beachten. Da der Verfassungstext keine ausdrückliche Aussage zu der Frage nach der Existenz der entsprechenden Kompetenzausübungsschranke trifft, ist zu untersuchen, ob sich diese aus dem Grundgesetz ableiten lässt. Das Bundesverfassungsgericht knüpft bei der Herleitung der Kompetenzschranke an die bundesstaatliche Rücksichtnahmepflicht und das Rechtsstaatsprinzip an. In welchem Verhältnis diese beiden Grundsätze stehen sollen, lässt sich jedoch nicht mit letzter Gewissheit sagen. Ungeachtet dieser Unklarheit, auf die später zurückzukommen sein wird,351 beruht die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts im wesentlichen auf drei Pfeilern.352 Als erstes wird dem Rechtsstaatsprinzip die Anforderung entnommen, dass alle rechtsetzenden Organe des Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 40 ff.; Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 66, 69 f.; Grundmann, Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Wettbewerb, S. 93 f.; Bullinger / Mestmäcker, Multimediadienste, S. 140; Ossenbühl, Rundfunk zwischen nationalem Verfassungsrecht und euopäischen Gemeinschaftsrecht, S. 26 ff. Siehe auch Wiederin, Bundesrecht und Landesrecht, S. 341 und Brohm, DÖV 1983, S. 525 (528). 350 Siehe oben 1. Teil, B. I. 1. b). 351 Siehe unten 1. Teil, C. II. 1. c). 352 BVerfGE 98, 106 (118 f.). Siehe bereits oben 1. Teil, B. I. 1. b).
C. Gestaltende Steuern nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes
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Bundes und der Länder verpflichtet seien, Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, dass den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen. Dabei sollen sich auch Steuerund Sachgesetze in diesem Sinne widersprechen können. Zweitens begründet das Bundesverfassungsgericht einen Vorrang des Sachgesetzgebers im Widerspruchsfall. Der Steuergesetzgeber und nicht etwa umgekehrt der Sachgesetzgeber soll die Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung und konkrete Einzelregelungen beachten müssen. Diese vermeintlichen rechtsstaatlichen Vorgaben werden in einem dritten Schritt entweder direkt oder vermittelt durch die bundesstaatliche Rücksichtnahme auf das Bund-Länder Verhältnis übertragen. Die Untersuchung wird sich bei der Frage nach der Berechtigung der in Rede stehenden Kompetenzausübungsschranke ebenfalls an diesen drei Pfeilern orientieren. So wird zunächst die Frage erörtert, inwieweit das Rechtsstaatsprinzip die Vorgabe enthält, dass den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen dürfen, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen. In diesem Zusammenhang werden insbesondere die hier entscheidenden Widersprüche zwischen Steuer- und Sachgesetzen im Mittelpunkt des Interesses stehen. Anschließend ist auf die Begründung des Bundesverfassungsgerichts zum Vorrang des Sachgesetzgebers einzugehen. Schließlich wird die Frage behandelt, ob die Übertragung der entsprechenden rechtsstaatlichen Vorgabe auf das Bund-Länder Verhältnis gerechtfertigt ist. Gegen diese Vorgehensweise könnte eingewendet werden, dass die gesonderte Prüfung des Rechtsstaatsprinzips unzulässig ist, da diesem eine selbständige Bedeutung nicht zukommt, sondern vielmehr alle vermeintlichen Gehalte des Rechtsstaatsprinzips schon in einzelnen Bestimmungen der Verfassung enthalten sind und das Prinzip eine darüber hinausgehende Leistungskraft nicht besitzt.353 Befürwortet man diesen Ansatz wäre nicht das Rechtsstaatsprinzip, sondern es wären nur die einzelnen Bestimmungen des Grundgesetzes nach ihrem konkreten Inhalt zu befragen.354 Wenn das Rechtsstaatsprinzip hier dennoch einen eigenen Prüfungspunkt bildet und damit so getan wird, als komme ihm ein eigenständiger Gehalt zu, dann nicht deshalb, weil der Verfasser ein integrales Rechtsstaatsverständnis befürwortet, sondern vielmehr deshalb, weil sich die Untersuchung nicht dem Vorwurf aussetzen möchte, dass sie einen eigenständigen, über die einzelnen grundgesetzlichen Bestimmungen hinausgehenden Gehalt des Rechtsstaatsprinzips über353 So Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, passim (insbesondere S. 309 ff.); Schnapp, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 20, Rz. 24; Schnapp, FS Scupin, S. 899 (906). 354 Gegen das sog. summative Rechtsstaatsverständnis, einen eigenständigen Gehalt bejahend, Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band I, § 24, Rz. 7; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20, Rz. 29; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat), Rz. 43; Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 399 ff.; Frankenberg, in: Denninger / Hoffmann-Riem / Schneider / Stein, AK-GG, Art. 20 Abs. 1 – 3 , IV, Rz. 21. Siehe zum Streit zwischen summativen und integralen Rechtsstaatsverständnis auch Görisch, JuS 1997, S. 988 (991).
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
sehen habe. Dieser Aufbau wird also gewählt, um nach allen Seiten abgesichert zu sein. Es ist nicht Aufgabe der vorliegenden Erörterung, nachzuweisen, dass das Rechtsstaatsprinzip einen über die verfassungsrechtlichen Einzelaussagen hinausgehenden Gehalt besitzt bzw. nicht besitzt. Der Streit um einen summativen oder integralen Rechtsstaatsbegriff kann jedenfalls dann offen bleiben, wenn sich ergibt, dass auch bei einem integralen Verständnis des Rechtsstaatsprinzips die Deduktionen des Bundesverfassungsgerichts nicht gerechtfertigt sind.
a) Das Rechtsstaatsprinzip als Grundlage des Verbots von Widersprüchen zwischen Steuer- und Sachgesetzen? Nach dem Bundesverfassungsgericht verpflichtet das Rechtsstaatsprinzip die rechtsetzenden Organe, ihre Regelungen so aufeinander abzustimmen, dass den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen. Widersprüchliche Regelungen in diesem Sinne seien im Verhältnis zwischen Steuer- und Sachgesetzen gegeben, sofern die steuerliche Lenkung der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung oder konkreten Einzelregelungen zuwiderlaufe.355 Aufgrund der Abstraktionshöhe des Rechtsstaatsbegriffs kommt es im Rahmen der Anwendung der Rechtsstaatsklausel auf den Einzelfall regelmäßig zu Schwierigkeiten und Unsicherheiten. Das Rechtsstaatsprinzip enthält keine in alle Einzelheiten bestimmten Gebote oder Verbote, vielmehr bedarf es nach Maßgabe der sachlichen Gegebenheiten der näheren Konkretisierung.356 Angesichts der Weite und Unbestimmtheit der Rechtsstaatsklausel verwundert es, dass das Bundesverfassungsgericht keine nähere Begründung für sein Ergebnis liefert.357 Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts sind demnach für die Beantwortung der Frage, ob Widersprüche zwischen Steuernormen und der Gesamtkonzeption sachlicher Regelungen oder konkreten sachgesetzlichen Einzelregelungen gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen, nur wenig hilfreich. Als Anknüpfungspunkt kann das als Subprinzip des Rechtsstaatsprinzips anerkannte Bestimmtheits- bzw. Klarheitsgebot herangezogen werden.358 Widersprüche Siehe bereits oben 1. Teil, B. I. 1. b). BVerfGE 7, 89 (92 f.); BVerfGE 52, 131 (144); BVerfGE 74, 129 (152); BVerfGE 90, 60 (86); BVerfGE 65, 283 (290). Zur Unbestimmtheit der Rechtsstaatsklausel siehe auch Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 6; Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 237; Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 259 f.; Sendler, NJW 1998, S. 2875 (2875). Nach Grasnick, JZ 1998, S. 507 (507), wisse über den Rechtsstaat niemand so recht zu sagen, worum es überhaupt gehe, nicht einmal im Prinzip. Auch Eichenberger, VVDStRL 40 (1982), S. 7 (8), hebt die Weite, Offenheit und Wandlungsbereitschaft der Wertidee des Rechtsstaats hervor. 357 Die fehlende Begründung bemängelt auch Sendler, NJW 1998, S. 2875 (2875). 358 Papier / Möller, AöR 122 (1997), S. 177 (179 ff.); Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 132 ff. m. w. N. (dort auch zur uneinheitlichen Terminologie); Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 200 ff. m. w. N. 355 356
C. Gestaltende Steuern nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes
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zwischen Rechtsvorschriften sind nämlich in erster Linie ein Problem der Verständlichkeit. Nach dem Bestimmtheitsgebot ist der Gesetzgeber verpflichtet, seine Rechtsvorschriften so zu fassen, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können. Der Normadressat muss sein Verhalten auf die Rechtsordnung abstimmen und ermitteln können, was von ihm verlangt wird.359 Da bei gesetzlichen Regelungen aber nicht alle Unklarheiten von vornherein vermieden werden können360 und auch die ebenfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Einzelfallgerechtigkeit361 „zu klaren“ Gesetzen entgegensteht,362 ist zu Recht anerkannt, dass der Gesetzgeber nicht zu absoluter, sondern nur zu hinreichender Bestimmtheit verpflichtet sein kann.363 Auch wenn in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in jüngerer Zeit eine Tendenz dahingehend zu erkennen sein mag, dass dem Bestimmtheitsgebot verstärkte Wirksamkeit verliehen und eine Verletzung desselben nicht lediglich auf Extremfälle beschränkt wird,364 handelt es sich bei dem betreffenden Verfassungsrechtssatz unbestritten um ein relatives Gebot, das je nach der Eigenart des zu regelnden Sachverhalts365 und nach der Intensität möglicher Grundrechtseingriffe366 variiert. Der Handlungsspielraum des Gesetzgebers darf jedenfalls nicht zu sehr eingeschränkt werden. Das Bestimmtheitsgebot ist nach traditionellem Verständnis auf die vorliegende Fallkonstellation jedoch nicht unmittelbar anwendbar. Herkömmlich soll es näm359 BVerfGE 17, 306 (314); BVerfGE 19, 253 (267); BVerfGE 21, 73 (79); BVerfGE 21, 209 (215); BVerfGE 35, 382 (400); BVerfGE 37, 132 (142); BVerfGE 49, 343 (362); BVerfGE 50, 166 (173); BVerfGE 54, 237 (247); BVerfG 57, 250 (262); BVerfGE 59, 104 (114); BVerfGE 63, 312 (323); BVerfGE 78, 205 (212); BVerfGE 84, 133 (149); BVerfGE 87, 234 (263). Siehe zum sog. Bestimmtheitsgebot auch Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 132 ff. m. w. N.; Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band I, § 24, Rz. 81 und Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 200 ff. m. w. N. 360 BVerfGE 17, 306 (314). 361 BVerfGE 2, 380 (403); BVerfGE 3, 225 (237); BVerfGE 7, 89 (92); BVerfGE 7, 194 (196); BVerfGE 13, 261 (271); BVerfGE 15, 313 (319); BVerfGE 20, 323 (331); BVerfGE 25, 269 (290). 362 Siehe BVerfGE 15, 313 (319) und BVerfGE 25, 269 (290). Zum Konflikt zwischen Einzelfallgerechtigkeit und Bestimmtheit siehe Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band I, § 24, Rz. 91; Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 278 ff. 363 BVerfGE 49, 168 (181 f.); BVerfGE 33, 303 (341). Siehe auch Gassner, ZG 1996, S. 37 (56); Papier / Möller, AöR 122 (1997), S. 177 (199 ff.); Schnapp, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 20, Rz. 29; Frankenberg, in: Denninger / Hoffmann-Riem / Schneider / Stein, AK-GG, Art. 20 Abs. 1 – 3, IV, Rz. 36; Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 235 f. Zur Relativität des Rechtsstaatsprinzips auf der Tatbestandsseite allgemein siehe Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 261 ff. 364 So jedenfalls die Einschätzung von Papier / Möller, AöR 122 (1997), S. 177 (197). Siehe auch BVerfGE 88, 366 (380 f.). Eine Beschränkung auf Extremfälle findet sich in BVerfGE 1, 14 (45). Siehe auch BVerfGE 17, 67 (82). 365 BVerfGE 49, 168 (181); BVerfGE 59, 104 (114); BVerfGE 78, 205 (212). Siehe auch BVerfGE 4, 352 (358); BVerfGE 71, 108 (115); BVerfGE 92, 1 (12, 19); BVerfGE 9, 137 (151). 366 BVerfGE 83, 130 (145). Siehe auch BVerfGE 90, 1 (17).
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lich nur die Fassung einer einzelnen Norm betreffen. Es soll lediglich voraussetzen, dass die erlassene Bestimmung selbst hinreichend klar ist, nicht soll es sich beziehen auf die Frage, ob sich zwei eindeutige Normen inhaltlich widersprechen.367 Die rechtsstaatlichen Anforderungen sind aber über dieses enge Verständnis des Bestimmtheitsgrundsatzes hinaus zu erweitern, so dass auch Widersprüche zwischen Regelungen erfasst werden. Das Bundesverfassungsgericht hat schon in frühen Entscheidungen einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip als möglich erachtet, wenn die Fassung eines Gesetzes in sich widersprüchlich war.368 Die erforderliche Bestimmtheit ist hier also nicht isoliert auf eine einzelne Norm bezogen worden, sondern auf die Zusammenfassung mehrerer Normen in einem Gesetz. Orientiert man sich an der Funktion des Bestimmtheitsgrundsatzes, der die Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns gewährleisten soll, wird man die Anwendbarkeit des Grundsatzes nicht auf die Regelungen innerhalb eines einzelnen Gesetzes beschränken dürfen, vielmehr wird man noch einen Schritt weitergehen und verlangen müssen, dass auch Widersprüche zwischen Bestimmungen verschiedener Gesetze unter bestimmten Voraussetzungen als rechtsstaatswidrig zu qualifizieren sind. Das rechtsstaatliche Gebot, dem Bürger eindeutige und klare Handlungsanweisungen zu geben, kann nicht allein auf eine einzelne Norm bzw. auf Normen eines einzelnen Gesetzes beschränkt werden, sondern muss über die Gesamtrechtsordnung hinweg gelten. Es macht für den Betroffenen nämlich keinen Unterschied, ob die Rechtslage deshalb unklar ist, weil eine einzelne Norm zu unbestimmt ist oder aber weil sich zwei eindeutig gefasste Normen inhaltlich widersprechen. Der Normadressat muss auch bei einer Gesamtschau aller einschlägigen Normen die Rechtslage erkennen und sein Verhalten danach ausrichten können.369 Das Bestimmtheitsgebot370 ist somit in konsequenter Fortentwicklung auch als Schranke gegen übermäßige regulatorische Unklarheiten im Rahmen von Regelungszusammenhängen zu verstehen.371 Dies gilt auch dann, wenn die jeweiligen Bestimmungen von unterschiedlichen Gesetzgebern erlassen wurden, da es für den Normadressat ebenfalls keinen Unterschied bedeutet, ob sich Regelungen zweier Bundesgesetze oder solche eines Bundesgesetzes und eines Landesgesetzes oder solche eines Landesgesetzes und einer gemeindlichen Satzung etc. widersprechen.372 367 Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 238; Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 151. 368 So BVerfGE 1, 14 (45); BVerfGE 17, 306 (314); BVerfGE 25, 216 (227). 369 So zu Recht Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 238; Frenz, DÖV 1999, S. 41 (44); Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 78, 156 ff. 370 Ob man dann immer noch den Begriff des Bestimmtheitsgrundsatzes verwenden oder nicht vielmehr von Normenklarheit im weiteren Sinne (so Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 241) sprechen sollte, sei hier dahingestellt. 371 A. A. wohl Hanebeck, Der Staat 41 (2002), S. 429 (445). 372 So auch Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 78.
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Aber auch die Anerkennung eines weiten Verständnisses des Bestimmtheitsgrundsatzes insofern, als auch Widersprüche innerhalb der Rechtsordnung erfasst werden, sagt noch nichts darüber aus, ob ein rechtsstaatswidriger Widerspruch zwischen einem Steuer- und einem Sachgesetz vorliegt, sofern die steuerliche Lenkung der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung oder konkreten Einzelregelungen zuwiderläuft. Es ist nämlich noch nicht darüber entschieden, welche Widersprüche gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen, sind doch innerhalb der Rechtsordnung verschiedene Arten von Widersprüchen denkbar. So können sich Normen beispielsweise in dem Sinn widersprechen, dass sie gegenläufige Zwecke verfolgen373 oder unterschiedliche Wertungen zugrundelegen.374 Neben diesen Typen von Widersprüchen375 können auch „harte“ Widersprüche in dem Sinne auftreten, dass eine Norm ein bestimmtes Verhalten gebietet, das eine andere Norm verbietet.376 Die möglichen Typen von Widersprüchen sind in Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot jedoch nicht alle gleichermaßen problematisch. Der Bestimmtheitsgrundsatz stellt allein auf die Verständlichkeit der Normprogramme ab. Er verlangt lediglich, dass der Bürger die Rechtslage erkennen und sein Verhalten danach ausrichten können muss. Alle Arten von Widersprüchen, die die Rechtslage nicht unklar und den Bürger nicht orientierungslos machen, sind deshalb mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbar. Der Grundsatz der Bestimmtheit gewährleistet die Widerspruchsfreiheit zwischen Normen nur insoweit, als die Widersprüchlichkeit für den Einzelnen zu einer Ungewissheit über das für ihn maßgebliche Recht führt. Kann der Bürger die Rechtslage erkennen und sich folglich entsprechend den rechtlichen Vorgaben verhalten, ist seinen Anforderungen Genüge getan, auch 373 Diese Widersprüche kann man als teleologische Widersprüche bezeichnen. Der Begriff wird jedoch nicht immer einheitlich verwendet. Siehe hierzu Peine, Das Recht als System, S. 99 ff., insbesondere 104 f.; Brüning, NVwZ 2002, S. 33 (36). Siehe auch Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 63 und ders., Einführung in das juristische Denken, S. 214. Engisch unterscheidet über die vorgenommene Differenzierung hinaus zwischen technischen Widersprüchen (Die Einheit der Rechtsordnung, S. 43 ff.; Einführung in das juristische Denken, S. 209) und Prinzipienwidersprüchen (Die Einheit der Rechtsordnung, S. 64 ff.; Einführung in das juristische Denken, S. 215 ff.). Felix, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 246 spricht in Anlehnung an Wiederin, Rechtstheorie 21 (1990), S. 311 (321 f.) – in der Sache das Gleiche meinend – von Zielkonflikten bzw. Normantinomien. 374 Diese Art von Widersprüchen kann man als axiologische bezeichnen. Auch für diesen Begriff besteht inhaltlich keine Einigkeit. Siehe Peine, Das Recht als System, S. 102 ff. Siehe auch Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 59 ff.; ders., Einführung in das juristische Denken, S. 212 ff. und Jarass, VVDStRL 50 (1991), S. 238 (261 f.), die von Wertungswidersprüchen sprechen. 375 Ob man wirklich von Widersprüchen sprechen sollte oder nicht besser von Konflikten, soll hier offen bleiben. Felix, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 245 m. w. N. verwendet den Begriff des Konflikts, da Widersprüche zwischen Normen nicht möglich seien, könne diesen doch kein Wahrheitswert zugeordnet werden. 376 Diesen Widerspruchstyp kann man als logischen Widerspruch bezeichnen. Siehe Peine, Das Recht als System, S. 99 ff; Peine, JZ 1990, S. 201 (210); Brüning, NVwZ 2002, S. 33 (36). Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 46 ff. und ders., Einführung in das juristische Denken, S. 209 ff spricht von Normwidersprüchen im engeren und eigentlichen Sinne.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
wenn die jeweiligen Regelungen untereinander nicht abgestimmt sein sollten.377 Weitergehende Anforderungen, etwa dahingehend, dass Widersprüche aller Art unzulässig sind, würden den Gehalt des Bestimmtheitsgebots überdehnen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass das Gebot keine absolute Klarheit fordert. Zudem stünde angesichts dessen, dass auch Widersprüche zwischen Regelungen unterschiedlicher Gesetzgeber am Bestimmtheitsgrundsatz zu messen sind, eine entsprechende Erweiterung nicht mit dem Bundesstaatsprinzip in Einklang. Dieses ist aber bei der Auslegung des Rechtsstaatsprinzip ebenfalls zu beachten, stehen doch die einzelnen Strukturprinzipien des Grundgesetzes nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr sind sie zu einem Ausgleich zu bringen.378 Das Bundesstaatsprinzip ist im Grundsatz auf regulatorische Vielfalt angelegt. Es verlangt, dass die verschiedenen Kompetenzträger eigene politische Spielräume besitzen und unterschiedliche Strategien verfolgen können. Der Bundesstaat des Grundgesetzes, der Entscheidungsbefugnisse nicht bei einer Körperschaft monopolisiert, muss den jeweiligen Kompetenzträgern Freiräume zu eigenem Handeln belassen und somit in gewissem Maße auch inhaltliche Divergenzen tolerieren.379 Sähe man dagegen jede Art von Widerspruch als Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip in Form des Bestimmtheitsgrundsatzes an, führte dies zu einer inhaltlichen Uniformität und zu einer Unterminierung der Kompetenzordnung des Grundgesetzes. Die Verteilung der Gesetzgebungsbefugnisse würde auf diese Weise ausgehebelt.380 Steht der Bestimmtheitsgrundsatz aber lediglich solchen Widersprüchen innerhalb der Rechtsordnung entgegen, die dazu führen, dass die Normadressaten die Konsequenzen ihres Handelns nicht mehr erkennen und ihr Verhalten nicht mehr entsprechend ausrichten können, ist ein Verstoß gegen die rechtsstaatlich erforderliche Bestimmtheit nur dann gegeben, wenn gesetzliche Regelungen ein Verhalten gleichzeitig ge- und verbieten oder zwei Dinge gebieten, die nicht gleichzeitig erfüllt werden können.381 Nur in diesem Fall weiß der Einzelne nicht, wie er sich 377 Felix, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 244 ff.; Fischer, JuS 1998, S. 1096 (1098); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20, Rz. 63; Schilling, Rang und Geltung von Normen, S. 380. 378 Dazu, dass auch das Bundesstaatsprinzip in die Auslegung des Rechtsstaatsprinzips und damit auch in die des Bestimmtheitsgebots Eingang findet, siehe Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band I, § 24, Rz. 91; Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 435, 449. 379 BVerfGE 106, 62 (150). Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 567; Fischer, JuS 1998, S. 1096 (1100); Leisner, FS Vogel, S. 593 (600); Rennert, Der Staat 32 (1993), S. 269 (273 f.); Kloepfer, Abfallrecht und Föderalismus, S. 13 (19 ff.); Führ, KJ 1998, S. 503 (513). 380 Das vom Bundesverfassungsgericht vertretene weitgehende Widerspruchsverbot lehnen unter dem Gesichtspunkt des Bundesstaates auch Rodi, StuW 1999, S. 105 (112); Fischer, JuS 1998, S. 1096, S. 1100; Führ, KJ 1998, S. 503 (513); Brüning, NVwZ 2002, S. 33 (37); Gas, SächsVBl. 1998, S. 229 (233); Lege, Jura 1999, S. 125 (128); Bumke, ZG 1999, S. 376 (384) ab. A. A. Frenz, DÖV 1999, S. 41 (44). 381 So zu Recht Felix, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 244 ff.. Auch nach Sendler, NJW 1998, S. 2875 (2876); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20, Rz. 63; Brüning, NVwZ 2002,
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verhalten soll, so dass unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten allein ein solcher Widerspruch unzulässig ist. Richtigerweise wird man deshalb auch Widersprüche, bei denen eine Norm ein Verhalten ausdrücklich erlaubt, welches eine andere verbietet, in Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz als unbedenklich einzustufen haben.382 Der Bürger kann hier nämlich sehr wohl die Rechtslage einschätzen und erkennen, dass er von der ausdrücklichen Erlaubnis aufgrund der anderen Bestimmung nicht Gebrauch machen darf. Gegen die hier vertretene Auslegung des Bestimmtheitsgrundsatzes wird z. T. eingewandt, dass die Rechtslage auch bei sog. konzeptionellen Konflikten, bei denen zwei Normgeber den gleichen Regelungsbereich gestalten, aber auseinanderlaufende Ziele verfolgen oder unvereinbare Handlungsmittel verwenden,383 unklar werden könne und deshalb auch solche Konflikte bzw. Widersprüche gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen könnten. Zwar seien nicht alle derartigen Widersprüche rechtsstaatlich unzulässig, aber es gebe neben unbedenklichen Fällen auch solche, die sich als nicht hinnehmbar erwiesen.384 Das rechtsstaatliche Klarheitsgebot sei nicht nur bei einem logischen Gegeneinander zweier Pflichten verletzt. Es müsse nämlich beachtet werden, dass sich die neuere Gesetzgebung insbesondere im Umwelt- und Wirtschaftsrecht zunehmend von den Kategorien Pflicht und Verbot entferne, um sanfteren, kooperativen Steuerungsmechanismen deren Stellen einzuräumen. Die Klarheitsanforderungen dürften sich aus diesem Grund nicht mehr allein auf die logischen Widersprüche beschränken, vielmehr müssten die rechtsstaatlichen Bewertungsmaßstäbe mit diesen Entwicklungen Schritt halten, wenn sie ihren Wert für diese Bereiche nicht einbüßen sollten.385 Angesichts der neuartigen Regelungsmuster müsse sich der einzelne Rechtsadressat darauf verlassen können, dass das von einem Gesetz erstrebte Verhalten nicht von einem anderen benachteiligt werde. Die Verlässlichkeit des Rechts und die von ihr bewirkte Ausgrenzung der Freiheit beziehe sich auch auf die Freiheit, sich auf eine bestimmte Form der Kooperation, der freiwilligen Beschränkung usw. um einer Vergünstigung willen einzulassen. Diese Freiheit gehe verloren, sofern ein entgegenstehendes Konzept die Einlassung in irgendeiner Form missbillige.386 Knüpfe ein Gesetz Vergünstigungen an ein Verhalten, welchem das andere in offenbarer Weise S. 33 (36); Hanebeck, Der Staat 41 (2002), S. 429 (445) und Kloepfer, Abfallrecht und Föderalismus, S. 13 (25) sind nur logische bzw. echte Widersprüche unzulässig, wenn also zwei Regelungen für denselben Sachverhalt zwei einander ausschließende bzw. miteinander unvereinbare Rechtsfolgen anordnen. Ebenso wohl Menzel, DVBl. 1997, S. 640 (645). 382 A. A. Bumke, ZG 1999, S. 376 (378); Schilling, Rang und Geltung von Normen, S. 380 f. 383 So die Definiton des konzeptionellen Konflikts bei Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 51 ff. 384 Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 157. Siehe auch Frenz, DÖV 1999, S. 41 (44), der die Aussage des Bundesverfassungsgerichts aus dem Bestimmtheitsgebot ableitet. 385 Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 158. 386 Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 158 f. 7 Barthelmann
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entgegenwirke, so werde der Rechtsunterworfene außer Verständnislosigkeit auch Unsicherheit darüber empfinden, was der Staat eigentlich von ihm erwarte. Es komme zum Konflikt, wenn der Adressat eine Vergünstigung erreichen bzw. einer Belastung entgehen wolle, dadurch aber unvermeidbarerweise dem anderen Gesetz nicht gerecht werde und dessen Anordnungen für die von ihm missbilligten Fälle erdulden müsse. Stünden sich zwei Regelungsmodelle in der Weise gegenüber, dass der Einzelne, gleich wie er sich verhalte, es nicht beiden Recht machen könne, so berühre eine solche Gesetzeslage in empfindlicher Weise das Rechtssicherheitsgebot.387 Der Widerspruch müsse aber eine Schwere besitzen, die das Nichtigkeitsverdikt gegenüber einer der kollidierenden Normen tatsächlich rechtfertige. Hier sei eine kriteriengeleitete Abwägung notwendig, um zu ergründen, ob die in Frage stehenden Regelungswerke trotz des Widerspruchs haltbar seien.388 Diese Erweiterung des Bestimmtheitsgebots kann jedoch nicht überzeugen. Ungeachtet dessen, dass die angesprochenen bundesstaatlichen Vorgaben vernachlässigt und aufgrund der erforderlichen komplexen Abwägung dezisionistische Einzelfallentscheidungen hervorgerufen werden, werden die Anforderungen des Bestimmtheits- bzw. Klarheitsgebots hier klar übersteigert. Es ist zwar richtig, dass die Gesetzgebung verstärkt zu neuen Steuerungsmechanismen übergeht und nicht mehr allein in den traditionellen Kategorien Gebot und Verbot handelt. Was daraus aber für das vorliegende Problem folgen soll, ist nicht ersichtlich. Das Bestimmtheitsgebot verlangt die Erkennbarkeit der Rechtslage. Es gewährleistet die Berechenbarkeit staatlicher Reaktionen auf das Verhalten des Bürgers, so dass dieser sich entsprechend einrichten kann. Aus welchem Grund nun das Bestimmtheitsgebot vor dem Hintergrund der Verwendung neuer Steuerungsinstrumente höhere Anforderungen aufstellen soll, wird nicht deutlich, wird der Aspekt der Klarheit dadurch doch gar nicht berührt. Auch wenn sich die neuen Steuerungsmethoden untereinander oder auch mit traditionellen Instrumenten konzeptionell widersprechen, wird die Rechtslage nicht unklar. Der Einzelne kann im Fall, dass sich zwei „weiche“, auf Freiwilligkeit basierende Steuerungsinstrumente widersprechen, erkennen, dass er sich sowohl an dem einen oder dem anderen, als auch an beiden beteiligen darf. Rechtlich ist die Situation eindeutig, wenn auch der Bürger möglicherweise schwierige außerrechtliche Erwägungen anstellen muss, um festzustellen, welcher Weg für ihn der zweckmäßigste ist. Möglicherweise wird er Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 159. Nach Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 160 ff. soll die Annahme der Rechtsstaatsunverträglichkeit widersprüchlicher Gesetzeskonzeptionen dabei von den konkreten Folgen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit abhängen, die sich in erster Linie anhand der Grundrechte bemessen würden. Teil der zu leistenden Abwägung sei auch die Stellung der betreffenden Normen. So seien bei gebietsübergreifenden Widersprüchen geringe Anforderungen an die Rechtsklarheit zu stellen. Auch mache es einen Unterschied, ob die Zentralnormen zweier Rechtsgebiete oder Vorschriften von untergeordneter Bedeutung in Konflikt geraten seien. Im ersten Fall wiege der Widerspruch schwerer. Schließlich sei auch der Aspekt heranzuziehen, inwieweit ein Norminhalt zu bestimmten Erwartungen berechtige, die von einer anderen Norm enttäuscht würden. 387 388
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dabei auch Verständnislosigkeit empfinden, keinesfalls aber Rechtsunsicherheit. Gleiches gilt auch dann, wenn ein Gebot oder Verbot mit einem weichen Instrument zusammentrifft. Auch hier weiß der Einzelne, dass er allein verpflichtet ist, dem Verhaltensgebot oder -verbot nachzukommen. Nur wenn die verpflichtende Verhaltensanforderung nicht entgegensteht, kann er erwägen, ob er auch dem weichen Steuerungsinstrument folgt und ein evtl. empfohlenes Verhalten vornimmt. Die Einbeziehung auch konzeptioneller Widersprüche stellt dagegen nicht auf den Gesichtspunkt der Rechtsklarheit ab, vielmehr soll eine uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit des Einzelnen gewährleistet werden. Der Bürger soll die durch die neuen Steuerungsmodelle eingeräumten Möglichkeiten wahrnehmen können, ohne Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Es sollen weder rechtliche Hindernisse, wie etwa ein Verbot des betreffenden Verhaltens, noch außerrechtliche Hindernisse, wie etwa bestimmte wirtschaftliche Nachteile, seine Entscheidungsfreiheit begrenzen. Dieser angestrebte Schutz der umfassenden Entscheidungsfreiheit ist aber nicht Thema des Bestimmtheitsgebots. Mag die Freiheit vor allgemeinen Nachteilen evtl. von anderen Verfassungsrechtssätzen erfasst werden, unter dem Aspekt der Bestimmtheit ist sie jedenfalls bedeutungslos. Das Bestimmtheitsgebot stellt allein die Erkennbarkeit der Rechtslage sicher. Im Ergebnis kann die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, dass ein Widerspruch zwischen der steuerlichen Lenkung und der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung oder konkreten Einzelregelungen unzulässig ist, jedenfalls nicht mit Hilfe des Bestimmtheitsgebots begründet werden.389 Hier treffen nämlich nicht zwei Regelungen in dem Sinne aufeinander, dass ein Verhalten zugleich ge- und verboten wird oder dass zwei Dinge geboten werden, die nicht gleichzeitig erfüllt werden können. Ein Steuergesetz normiert weder ein Verhaltensverbot, – es trifft lediglich die rechtliche Aussage, dass ein bestimmtes Verhalten steuerpflichtig ist390 – noch regelt es neben der Zahlungspflicht ein zusätzliches Verhaltensgebot, lässt es dem Einzelnen doch gerade die rechtliche Wahl, ob er den Steuertatbestand erfüllt oder nicht.391 Auch wenn man der Meinung ist, dass ein unzulässiger Wider389 Selbst wenn man die Meinung Haacks teilt und auch konzeptionelle Widersprüche von dem Bestimmtheitsgebot als erfasst ansieht, kann die Aussage des Bundesverfassungsgerichts in dieser generellen Form nicht befürwortet werden. Selbst Haack sieht nämlich Ausnahmen vor und gelangt nur bei schweren Verstößen zur Nichtigkeit eines Gesetzes. 390 Diese rechtliche Aussage ändert sich auch nicht, wenn die Höhe der Steuer variiert. Auch bei einer sog. Erdrosselungssteuer wird das jeweilige Verhalten nicht verboten, sondern lediglich extrem hoch belastet. Gebietet ein Sachgesetz ein bestimmtes Verhalten, für das nach einem Steuergesetz eine außerordentlich hohe Steuerpflicht besteht, liegt kein rechtsstaatswidriger Normwiderspruch vor, da der Einzelne genau erkennen kann, was von ihm gefordert wird. Er muss das gebotene Verhalten umsetzen und gleichzeitig die Steuerpflicht erfüllen. Die Rechtslage ist also klar, auch wenn sich die Adressaten u. U. ungerecht behandelt fühlen. Im Fall der Erdrosselungssteuer zweifelnd Bumke, ZG 1999, S. 376 (380). 391 Mag auch der faktische Anreiz ein steuervergünstigtes bzw. steuerfreies, „empfohlenes“ Verhalten vorzunehmen, besonders groß sein, rechtlich gezwungen wird der Einzelne nicht. Selbst in dem Fall, dass ein Sachgesetz ein bestimmtes Handeln verbietet, zu welchem ein Steuergesetz anreizt, ist also die Rechtslage eindeutig.
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spruch schon bei einem Zusammentreffen einer ausdrücklichen Erlaubnis und eines Verbots ein und desselben Verhaltens gegeben ist, gelangt man nicht zu einem Bestimmtheitsverstoß, da ein Steuergesetz keine ausdrückliche Erlaubnis des steuerpflichtigen Verhaltens enthält.392 Aufgrund dieses rechtlichen Charakters von Steuervorschriften treten die im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot allein unzulässigen „harten“ Widersprüche zwischen Steuer- und Sachgesetzen niemals auf.393 Steuer- und Sachgesetze führen bei einer Zusammenschau in keinem Fall zu einer unklaren Rechtslage, vielmehr sind die staatlichen Reaktionen für den Normadressaten stets berechenbar. Unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit ist somit nichts dagegen einzuwenden, wenn die steuerliche Lenkung der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung oder wenn sie konkreten Einzelregelungen zuwiderläuft. In Hinblick auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot hat sich gezeigt, dass lediglich „harte“ Normwidersprüche, die zwischen Steuer- und Sachgesetzen niemals vorliegen können, unzulässig sind. Das vom Bundesverfassungsgericht vertretene Widerspruchsverbot zwischen Steuer- und Sachgesetzen kann aus dem Rechtsstaatsprinzip394 auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Kontinuitätsgewähr und des Vertrauensschutzes abgeleitet werden.395 Der objektiv ausgerichtete Grundsatz der Kontinuität soll eine gewisse Beständigkeit und Dauerhaftigkeit staatlicher Entscheidungen garantieren und Kursänderungen des Gesetzgebers in einem bestimmten Rahmen halten.396 Der Grundsatz des Vertrauensschutzes gewährleistet als subjektives Gegenstück397 in gewissem Maße individuelle Er392 Wenn z. B. Einkünfte aus Schwarzarbeit steuerpflichtig sind, bedeutet dies nicht, dass damit Schwarzarbeit ausdrücklich erlaubt ist. 393 Auch wenn eine Steuer an ein Verhalten anknüpft, das nicht verboten ist und das entsprechende Verhalten unterhalb der Verbotsgrenze einschränken möchte, kann somit ein unzulässiger Normwiderspruch nicht begründet werden. So zu Recht Schilling, Rang und Geltung von Normen, S. 384. 394 Nach dem Bundesverfassungsgericht und nach dem überwiegenden Teil der Literatur folgt der Grundsatz des Vertrauensschutzes zumindest auch aus dem Rechtsstaatsprinzip. Siehe BVerfGE 15, 167 (207); BVerfGE 30, 392 (403); BVerfGE 50, 244 (250); BVerfGE 59, 128 (152); BVerfGE 80, 137 (153); BVerfGE 87, 48 (61). Aus der Literatur siehe Papier, DVBl. 1996, S. 125 (129); Leisner, StuW 1998, S. 254 (257 f.); Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat), Rz. 135; Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 173; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rz. 131; Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20, Rz. 282 ff.; Starck, FS Großfeld, S. 1137 (1142); Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, S. 47 f. A. A. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 418 f.; Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip, S. 231 ff. Zur Ableitung des Grundsatzes der Kontinuitätsgewähr aus dem Rechtsstaatsprinzip siehe Maurer, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 60, Rz. 1; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat), Rz. 134; Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip, S. 290 ff. 395 Nach Frenz, DÖV 1999, S. 41 (44) soll der Grundsatz widerspruchsfreier Normgebung auch auch aus der objektiv verstandenen Verläßlichkeit und Beständigkeit der Rechtsordnung folgen. Dieser Grundsatz soll über die Anforderungen aus dem Vertrauensschutz hinausgehen. 396 Zur objektiven Kontinuitätsgewähr siehe Maurer, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 60, Rz. 1 und Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat), Rz. 134.
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wartungssicherheit und schützt unter bestimmten Voraussetzungen Dispositionen des Einzelnen vor ihrer Entwertung durch Rechtsänderungen.398 Beide Grundsätze beziehen sich demnach auf die temporäre Konsistenz der Rechtslage.399 Sie beantworten die Frage, ob der Gesetzgeber heute so und morgen anders handeln darf, nicht aber treffen sie eine Aussage über die Zulässigkeit von Widersprüchen innerhalb der Rechtsordnung. Die Frage der Dauerhaftigkeit des Rechts und die hier in Rede stehende Widerspruchsproblematik sind grundsätzlich zwei verschiedene Themenkreise. So kann eine Rechtsänderung unter dem Aspekt der Kontinuitätsgewähr und des Vertrauensschutzes relevant sein, obwohl sie keinen Widerspruch innerhalb der Rechtsordnung herbeiführt. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Gesetz komplett aufgehoben und durch ein anderes ersetzt wird. Andererseits ist ein Widerspruch zwischen Gesetzen im Hinblick auf die Kontinuität des Rechts und den Schutz des Vertrauens irrelevant, sofern er keine Rechtsänderung bedeutet, wenn die widersprüchlichen Regelungen also zeitgleich erlassen werden. Ungeachtet dessen, dass die Kontinuitäts- bzw. Vertrauensschutzproblematik und die Widerspruchsproblematik im Grundsatz unterschiedliche Konstellationen betreffen, können sie sich ausschnittsweise decken. So sind Widersprüche zwischen Steuerund Sachgesetzen am objektiven Kontinuitätsgebot bzw. am subjektiven Grundsatz des Vertrauensschutzes zu messen, sofern die Gesetze, wie zumeist der Fall, zeitversetzt ergehen und man hierin eine unter Kontinuitäts- bzw. Vertrauensschutzgesichtspunkten bedeutsame Änderung der Rechtslage erblickt.400 Aber auch dann ist zu bedenken, dass der Grundsatz der Kontinuität und der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht eine mit dem Demokratieprinzip unvereinbare Zementierung der Rechtsordnung bewirken sollen, sondern lediglich solche Rechtsänderungen verhindern, die sich nach Abwägung mit den gesetzgeberischen Gestaltungsinteressen als zu hart und zu abrupt erweisen.401 Widersprüche müssen deshalb nicht 397 Zum Verhältnis der objektiven Kontinuitätsgewähr zum subjektiven Vertrauensschutz siehe Maurer, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 60, Rz. 2, nach dem die Kontinuitätsgewähr praktisch im Vertrauensschutz aufgeht. Nach Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip, S. 290 ff. soll die rechtsstaatliche Kontinuitätsgewähr einen schwächeren Schutz als der seiner Meinung nach abschließend aus den Grundrechten ableitbare (S. 231 ff.) Grundsatz des Vertrauensschutzes vermitteln. 398 Siehe BVerfGE 75, 246 (280); BVerfGE 62, 117 (163 f.); BVerfGE 51, 356 (362 f.); BVerfGE 43, 291 (391); BVerfGE 3, 4 (12). Aus der Literatur siehe Kisker, VVDStRL 32 (1974), S. 149 (161 ff.); Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat), Rz. 135; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rz. 131. 399 Siehe allgemein Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band I, § 24, Rz. 81. 400 Man könnte freilich auch der Meinung sein, dass die Kontinuitätsgewähr und der Vertrauensschutz nicht die Änderung der Gesamtrechtslage in den Blick nehmen, sondern lediglich Änderungen der verschiedenen Teilrechtsordnungen erfassen. Eine neues Steuergesetz wäre demnach nur an der bisherigen Steuerrechtslage zu messen, nicht aber an der jeweiligen Sachrechtsordnung. Für eine Auslegung des Vertrauensschutzgrundsatzes in diesem Sinne wohl Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 256. 401 Zur Gefährdung des Demokratiegebots durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes, S. 22; Weber-Dürler, Ver-
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stets aufgelöst werden. So verstoßen gesetzliche Widersprüche keinesfalls gegen das Kontinuiätsgebot und den Grundsatz des Vertrauensschutzes, sofern sie einen schonenden Rechtswechsel bedeuten und die Normadressaten nur lange genug darauf vorbereiten. Eine zeitliche Abfederung i. S. einer Übergangsregelung ist deshalb geeignet, dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit zu entkommen.402 Ein neu erlassenes Steuergesetz, welches in Widerspruch zu Regelungskonzepten bereits bestehender Sachgesetze tritt, ist bei ausreichender Vorbereitungszeit in dieser Hinsicht unproblematisch. Schon diese Ausführungen zeigen, dass sich das vom Bundesverfassungsgericht vertretene generelle Widerspruchsverbot zwischen Steuer- und Sachgesetzen nicht auf das Kontinuitätsgebot und den Grundsatz des Vertrauensschutzes stützen lässt. Diese verhindern u. U. zwar abrupte Rechtsänderungen, die die bisherigen Leitlinien verlassen,403 und mögen somit in gewissem Umfang auch zur Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung beitragen, nicht aber können alle Widersprüche zwischen Gesetzen beseitigt werden.404 Insbesondere können der Kontinuitäts- und der Vertrauensschutzgrundsatz nicht als Rechtsgrundlage für die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Abstimmungspflicht zwischen Bund und Ländern herangezogen werden. Dies wird deutlich, wenn man, wie bereits oben dargelegt, berücksichtigt, dass die grundgesetzlichen Strukturprinzipien zu einem Ausgleich zu bringen sind und die Inhaltsbestimmung des Rechtsstaatsprinzips nicht isoliert erfolgen darf. Das Bundestrauensschutz, S. 35; Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip, S. 48 ff. Zur Bedeutung der gesetzgeberischen Gestaltungsinteressen im Rahmen des Vertrauensschutzes siehe auch BVerfGE 97, 67 (81 f.); BVerfGE 95, 64 (89). Ausführlich zu dieser Entscheidung Stötzel, Vertrauensschutz und Gesetzesrückwirkung, S. 95 ff. Zur erforderlichen Abwägung Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes, S. 104 ff.; Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip, S. 283 ff. 402 Dazu, dass zeitliche Übergangsregelungen ein geeignetes Mittel sind, um die Verfassungswidrigkeit zu vermeiden, Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes, S. 120, 121 ff. Auch andere Übergangsregelungen, wie beispielsweise Entschädigungen, sind hierzu ebenfalls geeignet. Siehe Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes, S. 120 ff. 403 Es sind nur solche Rechtsänderungen relevant, die von der bisherigen Regelungsidee abweichen, da ein vollkommenes Änderungsverbot mit dem Demokratieprinzip von vornherein unvereinbar wäre. Siehe hierzu auch Peine, Systemgerechtigkeit, S. 110. 404 In Hinblick auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes ist zudem zu bedenken, dass ein Vertrauenstatbestand neben der erforderlichen Abwägung an weitere Voraussetzungen geknüpft ist. Lässt man die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Unterscheidung zwischen echter und unechter Gesetzesrückwirkung einmal außen vor (eine ausführliche Darstellung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und eine kritische Würdigung findet sich bei Stötzel, Vertrauensschutz und Gesetzesrückwirkung, S. 77 ff., 101 ff.), so muss das Gesetz zunächst eine geeignete Vertrauensgrundlage bilden. Zudem muss der Einzelne in Kenntnis der Vertrauensgrundlage sein Vertrauen auch betätigt haben. Siehe hierzu näher Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes, S. 79 ff. Zudem muss die Rechtsänderung für den Adressaten belastende Wirkung haben. Siehe Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes, S. 67 f. Dies zeigt, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes keinesfalls für ein generelles Widerspruchsverbot herangezogen werden kann.
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staatsprinzip findet also auch Eingang in die Auslegung des Kontinuitäts- und Vertrauensschutzprinzips. Daraus folgt, dass – ebenso wie beim Gleichheitssatz des Art. 3 GG405 – die entsprechenden Vorgaben nicht über die Kompetenzebenen hinweg gelten. Das Kontinuitätsgebot und der Vertrauensschutzgrundsatz binden den jeweiligen Kompetenzträger nur in seinem eigenen Rechtskreis. Er hat wohl eine gewisse Beständigkeit in Hinblick auf die von ihm gesetzte Rechtsordnung zu wahren, nicht aber hat er darauf zu achten, dass er die von fremden Gesetzen gebildete Rechtslage kontinuierlich fortführt.406 Verlangte man dagegen, dass ein Kompetenzinhaber auch Gesetzen einer anderen Körperschaft folgen und deren Leitlinien übernehmen muss, bedeutete dies eine Aufweichung der grundgesetzlichen Kompetenzordnung. Die Zuweisung von Gesetzgebungsbefugnissen und der damit verbundene eigene politische Spielraum wird zurückgenommen, wenn die Gesetzgebungskompetenz nur unter Berücksichtigung fremder Regelungsideen wahrgenommen werden darf. Dagegen spricht auch nicht, dass das Kontinuitätsgebot und der Grundsatz des Vertrauensschutzes keine absolute Schranke aufstellen, sondern das gesetzgeberische Gestaltungsinteresse sich im Rahmen der Abwägung durchsetzen oder der Gesetzgeber durch Einfügung von Übergangsregelungen den entsprechenden Anforderungen gerecht werden kann. An der Fremdbindung änderte sich im Grundsatz nämlich nichts, die Kompetenzwahrnehmung hätte sich vielmehr entscheidend an fremden Gesetzesprogrammen zu orientieren. Der eigene Kompetenzspielraum wäre davon abhängig, inwieweit der fremde Gesetzgeber eine dauerhafte und beständige Rechtsordnung aufgebaut und in Hinblick auf neue Gesetze verfestigt bzw. inwieweit er eine Vertrauensgrundlage geschaffen hätte. Der jeweilige Kompetenzinhaber könnte also an der selbständigen Ausübung der ihm zustehenden Gesetzgebungsbefugnis in weitem Umfang gehindert werden. Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen ein Gesetzesvorhaben überhaupt nicht mehr durchgeführt werden könnte oder das Gesetz nur mit solchen Übergangsregelungen erlassen werden dürfte, die es in hohem Maße verfremden. Der Grundsatz der Kontinuitätsgewähr und der des Vertrauensschutzes finden deshalb auf die der Untersuchung zugrundeliegenden Fallgestaltungen, bei denen die steuer- und die sachgesetzgebende Körperschaft nicht identisch sind, keine Anwendung. Ebensowenig steht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit407 Widersprüchen zwischen Steuer- und Sachgesetzen entgegen. Dieser verlangt, dass der mit einer 405 Siehe BVerfGE 21, 54 (68); BVerfGE 76, 1 (73); BVerfGE 79, 127 (158); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 3 Rz. 4a. 406 A. A. Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 180, nach dem die Risiken des föderalen Staatsaufbaus diejenigen tragen, denen es möglich ist, sie zu vermeiden. Siehe auch Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers, S. 72. 407 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird zumeist aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet. BVerfGE 19, 342 (348 f.); BVerfGE 69, 1 (35); BVerfGE 76, 256 (359); BVerfGE 80, 109 (119 f.); BVerfGE 90, 145 (173); BVerfGE 92, 277 (279); Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 515 f. Zum Teil wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch aus den Grundrechten abgeleitet. So BVerfGE 65, 1 (44); Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 354 ff. Nach BVerfGE 19,
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staatlichen Maßnahme verfolgte Zweck und das gewählte Mittel in einer vernünftigen Relation stehen.408 Er bezieht sich also auf ein Gesetz und nicht auf das Verhältnis mehrerer Regelungen zueinander. Widersprüche zwischen Gesetzen sind somit nicht sein eigentliches Thema. Ein Gesetz verstößt nicht deshalb gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil es in Widerspruch mit einem anderen Gesetz steht, sondern vielmehr deshalb, weil der verfolgte Zweck die gewählten Mittel nicht rechtfertigt.409 Dies bedeutet jedoch nicht, dass gesetzliche Widersprüche nicht möglicherweise mittelbaren Einfluss auf das Verhältnismäßigkeitsgebot haben. So können diese evtl. unter dem Gesichtspunkt der Geeignetheit eine Rolle spielen. Fragt man hier nicht lediglich nach tatsächlichen Hindernissen, sondern auch nach solchen rechtlicher Art, scheint es nicht ausgeschlossen, dass Widersprüche der Geeignetheit eines Gesetzes entgegenstehen. Das trifft jedoch allenfalls auf harte Normwidersprüche zu. Nur wenn sich zwei Regelungen in dieser Weise gegenüberstehen, ist es fraglich, ob sie überhaupt zur Zweckerreichung beitragen können.410 Es stellt sich aber dann das Problem, dass man nicht weiß, welches von beiden Gesetzen ungeeignet ist und welches Gesetz die Sanktion treffen soll. In allen anderen Widerspruchsfällen kann man den betreffenden Gesetzen die Geeignetheit indes keinesfalls absprechen, so dass Widersprüche zwischen Steuerund Sachgesetzen nicht erfasst werden. Die Widerspruchsproblematik findet darüber hinaus keinen Eingang in die sonstigen Elemente des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. So sagt das Vorliegen eines gesetzlichen Widerspruchs nichts darüber aus, ob im Rahmen der Erforderlichkeit ein milderes Mittel existiert.411 Insbesondere lässt sich ein solcher Schluß nicht allein aus der Tatsache folgern, dass zwei den gleichen Gegenstand betreffende Gesetze unterschiedliche Regelungskonzeptionen verfolgen und sich in diesem Sinne widersprechen. Es fehlt hier nämlich schon an der Vergleichbarkeit der beiden Regelwerke. Weder werden sie genau ein und dasselbe Ziel verfolgen,412 noch werden sie – nicht zuletzt unter Berücksich342 (348) folgt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus dem Rechtsstaatsprinzip, im Grunde aber bereits aus dem Wesen der Grundrechte. 408 BVerfGE 76, 1 (51): BVerfGE 69, 1 (35); BVerfGE 35, 382 (401); BVerfGE 10, 89 (117). 409 Siehe hierzu Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 382. 410 Die Geeignetheit verlangt keine absolute Zielerreichung, sondern lediglich die Förderung des gewünschten Erfolgs. BVerfGE 67, 157 (173, 175); BVerfGE 30, 292 (316); BVerfGE 33, 171 (187); Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rz. 150; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20, Rz. 84. 411 Zum Gebot der Erforderlichkeit als Gebot des mildesten Mittels BVerfGE 17, 269 (279 f.); BVerfGE 19, 342 (351 ff.); BVerfGE 53, 135 (145 ff.); BVerfGE 67, 157 (177); BVerfGE 68, 193 (218 f.); BVerfGE 81, 156 (192 ff.); BVerfGE 85, 97 (107 f.); BVerfGE 90, 145 (172 f, 182 f.); BVerfGE 91, 207 (222 f.); BVerfGE 92, 277 (327). 412 Der Wahl unterschiedlicher Regelungskonzeptionen werden i. d. R. auch unterschiedliche Zwecke zugrunde liegen. So kann eine sachgesetzliche Maßnahme nicht mit einer solchen steuerlicher Art verglichen werden, da letztere neben einem möglichen Lenkungszweck immer auch einen Finanzzweck verfolgt. Eine Nichtvergleichbarkeit der Zwecke bei unter-
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tigung des gesetzgeberischen Prognosespielraums413 – beide gleichermaßen wirksam sein.414 Unter dem dritten Teilgebot der Angemessenheit wird schließlich erörtert, ob die Schwere des Eingriffs nicht außer Verhältnis zu den durch die Maßnahme geförderten Gemeinwohlbelangen steht.415 Bezugspunkt ist dabei einzig und allein das betreffende Gesetz und nicht dessen regulatorisches Umfeld, so dass eventuelle gesetzliche Widersprüche unberücksichtigt bleiben.416 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kann Widersprüche zwischen Steuer- und Sachgesetzen folglich nicht verhindern. Auch das als Element des Rechtsstaatsprinzips angesehene Willkürverbot417 verbietet nicht Widersprüche der in Rede stehenden Art. Es scheint zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, das Willkürverbot gegen Widersprüche zwischen Gesetzen in Stellung zu bringen. So mag ein Widerspruch u. U. dazu führen, dass einem Gesetz der Regelungsgrund durch die Existenz des anderen Gesetzes vollständig entzogen wird und sich nicht irgendein sachlich vertretbarer Grund anführen lässt, warum das betreffende Gesetz nicht aufgehoben wird.418 Wird das Gesetz in diesem Fall trotzdem aufrechterhalten, kommt möglicherweise ein Verstoß gegen das Willkürverbot in Betracht.419 Es handelt sich dann jedoch um einen sehr schiedlichen Regelungskonzeptionen nimmt auch Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 196 an. 413 Dem Gesetzgeber steht bei der Einschätzung der Auswirkungen einer neuen Regelung ein Spielraum zu, wobei die Weite des Spielraums von der Eigenart des jeweiligen Sachbereichs, der Bedeutung der jeweiligen Rechtsgüter und von der Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, abhängt. BVerfGE 50, 290 (332 f); BVerfGE 57, 139 (159); BVerfGE 62, 1 (50); BVerfGE 90, 145 (173). 414 Das mildere Mittel muss eine gleichwertige Alternative sein. BVerfGE 25, 1 (20); BVerfGE 30, 292 (319); BVerfGE 77, 84 (109, 111); BVerfGE 81, 70 (91). 415 Siehe BVerfGE 30, 292 (316); BVerfGE 65, 1 (54); BVerfGE 67, 157 (173); BVerfGE 68, 193 (219); BVerfGE 76, 1 (51); BVerfGE 80, 297 (312); BVerfGE 83, 1 (19); BVerfGE 90, 145 (173). 416 Ebenso Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 196. Siehe auch Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 382. 417 Das Willkürverbot wird verschiedentlich als Element des Rechtsstaatsprinzips eingeordnet. So BVerfGE 42, 148 (156); Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 483 f.; Degenhart, Systemgerechtigkeit, S. 87. Siehe auch Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 302 ff. m. w. N. 418 Das Willkürverbot ist nur dann verletzt, wenn sich für eine Maßnahme kein sachlicher Grund anführen lässt. So BVerfGE 33, 44 (51); BVErfGE 71, 39 (58); BVerfGE 75, 108 (157). Zur Überschneidung des Willkürverbots mit der Geeignetheitsprüfung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 515. 419 Nach Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 508 verstößt ein früheres Gesetz gegen das Willkürverbot, sofern ein späteres ihm den Regelungsgrund vollständig entzieht. Sobota bezieht sich in ihrem Beispiel aber nicht auf die Gesamtrechtsordnung. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot kann aber nicht deshalb angenommen werden, weil ein Gesetz die Wertungen eines vermeintlich verfassungsnäheren Gesetzes nicht beachtet, da sich die größere Verfassungsnähe eines Gesetzes nicht begründen lässt. So aber Degenhart, Systemgerechtigkeit und Systembildung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S. 81 ff. Zur berechtigten Kritik Peine, Systemgerechtigkeit, S. 244 ff.
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großzügigen Maßstab, der gesetzliche Widersprüche in weitem Umfang zulässt. Selbst wenn man das Willkürverbot in diesem Sinne interpretiert, wird man nämlich lediglich bei harten, unvermeidbaren Normwidersprüchen zu einer Verletzung des Willkürverbots gelangen, bei anderen Widersprüchen, insbesondere bei solchen zwischen Steuer- und Sachgesetzen, werden für die Aufrechterhaltung der jeweiligen Regelwerke dagegen stets Gründe bestehen.420 Zudem wird man das rechtsstaatliche Willkürverbot – ebenso wie das in Art. 3 GG verbürgte Willkürverbot421 – nicht über die Kompetenzgrenzen hinweg anwenden dürfen. Es kann vielmehr nur innerhalb eines Rechtskreises Geltung beanspruchen. Das Gebot der Systemgerechtigkeit, das gewährleisten soll, dass sich neu erlassene Regelungen konsequent in den vorhandenen Rechtsnormbestand einfügen,422 kann ebenfalls nicht als Begründung für ein entsprechendes Widerspruchsverbot herangezogen werden. Das Gebot der Systemgerechtigkeit soll eine gewisse Kontinuität der Gesetzgebung garantieren. Inwieweit das Rechtsstaatsprinzip die Beständigkeit gesetzlicher Maßnahmen schützt, wird aber durch die bereits oben dargestellten Grundsätze der Kontinuitätsgewähr und des Vertrauensschutzes abschließend beantwortet. Weitergehende Anforderungen sind mit Blick auf das Demokratie- und Bundesstaatsprinzip nicht begründbar. Für ein Gebot der Systemgerechtigkeit bleibt deshalb kein Raum, so dass es als selbständiges Element des Rechtsstaatsprinzips nicht anzuerkennen ist.423 Widersprüche zwischen Steuer- und Sachgesetzen über Kompetenzgrenzen hinweg werden schließlich auch nicht von einem etwaigen Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung erfasst. Das Rechtsstaatsprinzip enthält nicht ein derart verselbständigtes, über den Leistungsumfang der einzelnen Rechtsstaatselemente hinausgehendes Gebot. Aufgrund seiner Weite ist ein solches Verständnis des 420 So macht z. B. auch eine Steuerpflicht für ein verbotenes Handeln Sinn, da diese auflebt, sofern das Verbot übertreten wird. Siehe hierzu auch Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 373 ff. hinsichtlich der Zielsetzung des § 40 AO. 421 Zum Verbot willkürlicher Ungleichbehandlungen durch Art. 3 GG siehe Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 3, Rz. 25 f.; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3, Rz. 25. 422 Zur Bedeutung des Begriffs der Systemgerechtigkeit in Rechtsprechung und Literatur und zu den unterschiedlichen Bezugspunkten hinsichtlich der geforderten Konsequenz in diesem Zusammenhang Peine, Systemgerechtigkeit, S. 26 ff. 423 Ein eigenständiges Gebot der Systemgerechtigkeit als Element des Rechtsstaatsprinzips lehnen auch Hanebeck, Der Staat 41 (2002), S. 429 (447); Kischel, AöR 124 (1999), S. 174 (210); Blanke, Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, S. 39 f.; Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 340 f.; Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 74; Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 153 f., 505 f. ab. Auch Degenhart, Systemgerechtigkeit, S. 87 ff. geht nicht von einem eigenständigen Gebot der Systemgerechtigkeit aus, sondern sieht die Beachtlichkeit verfassungsnaher Gesetze durch das Willkürverbot und das Vertrauensschutzprinzip geschützt. Peine, Systemgerechtigkeit, S. 208 ff. verneint grundsätzlich eine Selbstbindung des Gesetzgebers und sieht diesen nur durch das Verbot des venire contra factum proprium und durch das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Konitnuitätsgebot gebunden. Ein eigenständiges Gebot der Systemgerechtigkeit wird also auch hier abgelehnt.
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Rechtsstaatsprinzips zwar nicht von vornherein ausgeschlossen. Gerade die Unbestimmtheit des Rechtsstaats mahnt aber zur Vorsicht und zur Zurückhaltung gegenüber der Entwicklung neuer, selbständiger Grundsätze. Der Inhalt des Rechtsstaatsprinzips wird in erster Linie durch die anerkannten Subprinzipien,424 insbesondere die hier geprüften Grundsätze der Bestimmtheit, der Kontinuität, des Vertrauensschutzes, des Willkürverbots und der Verhältnismäßigkeit, ausgeformt. Werden Widersprüche zwischen Gesetzen von diesen Unterprinzipien aber nur vereinzelt erfasst, kann nicht einfach ein selbständiges, umfassendes Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung begründet werden. Das Rechtsstaatsprinzip ist kein Auffangbecken für alles, was billig und gerecht erscheint. Vor diesem Hintergrund ist ein umfassendes, über den Leistungsumfang der einzelnen Subprinzipien hinausgehendes Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, das soweit ersichtlich bisher nie als selbständiges Element des Rechtsstaatsprinzips in Rede stand,425 nicht herleitbar. Zudem müssen alle aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsätze mit den sonstigen Strukturprinzipien des Grundgesetzes vereinbar sein. Ein selbständiges Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung stünde aber nicht mit dem Bundesstaatsprinzip in Einklang, da es die eigenständig legitimierte Entscheidungsgewalt des jeweiligen Kompetenzinhabers unterlaufen würde. Ein umfassendes gesetzliches Widerspruchsverbot als selbständiges Element des Rechtsstaatsprinzips existiert demnach nicht.426 Die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, Widersprüche zwischen Steuerund Sachgesetzen im Bund-Länder Verhältnis seien rechtsstaatswidrig, ist somit nicht begründet. Eine solche Aussage lässt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip nicht ableiten.427 Es findet sich übrigens auch außerhalb des Rechtsstaatsprinzips keine verfassungsrechtliche Grundlage für ein entsprechendes Widerspruchsverbot. Weder kann es aus den Grundrechten gewonnen werden,428 noch ergibt es sich etwa aus Zu diesen Rechtsstaatselementen Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 471 ff. Zu den zahlreichen mit dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung gebrachten Elementen Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 27 ff. 426 Ebenso Hanebeck, Der Staat 41 (2002), S. 429 (445); Rodi, StuW 1999, S. 105 (110); Franzius, AöR 126 (2001), S. 403 (420); Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 471 ff, 484 f; Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 130 f. Auch Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 192 ff., 223, 235 ff., 253 ff., 300 ff. geht nicht von einem selbständigen, rechtsstaatlichen Gebot der Widerspruchsfreiheit aus, sondern befragt jeweils die einzelnen rechtsstaatlichen Subprinzipien. A. A. Kirchhof, StuW 2000, S. 316 (322); Kirchhof, JbFSt 1999 / 2000, S. 45 (50); Sodan, JZ 1999, S. 864 (869). Auch Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Abs. 3, Rz. 288 zählt die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als eigenständiges Element des Rechtsstaatsprinzips auf. 427 Sendler, NJW 1998, S. 2875 (2875 f.); Rodi, StuW 1999, S. 105 (110 f.); Bumke, ZG 1999, S. 376 (382 f.); Eschenbach, ZKF 1998, S. 246 (252). A. A. Frenz, DÖV 1999, S. 41 (44); Prokisch, FS Vogel, S. 293 (306); Weidemann, DVBl. 1999, S. 73 (74). 428 Weder lässt sich ein solches Widerspruchsverbot aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG, noch aus den Freiheitsgrundrechten ableiten. Art. 3 GG kann hier schon deshalb 424 425
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einer Zusammenschau aller grundgesetzlichen Vorschriften, die bestimmte Anpassungspflichten normieren.429 Ein Widerspruchsverbot, wie es das Bundesverfassungsgericht annimmt, existiert als verfassungsrechtliche Anforderung also nicht. Eine derartige Abstimmungspflicht wäre in einer modernen, komplexen Rechtsordnung, die der heutigen pluralen Wirklichkeit entspricht, auch illusorisch.430 Angesichts der Komplexität der Verhältnisse und der Dynamik des gesellschaftlichen Wandels bedarf es eines ausdifferenzierten und auf Änderungen angelegten Normengefüges.431 Gesetzliche Widersprüche im weitesten Sinne sind dann aber unausweichlich. Bereichsspezifische Regelungen, die der jeweiligen Problemstruktur gerecht werden müssen und die aufgrund wandelnder Rahmenbedingungen und nicht zuletzt aufgrund wechselnder Mehrheitsverhältnisse432 ständiger Änderung unterliegen, lassen sich nicht nicht herangezogen werden, weil er den jeweiligen Hoheitsträger nur in dessen Zuständigkeitsbereich bindet und nicht zwischen unterschiedlichen Kompetenzinhabern gilt. BVerfGE 17, 319 (331); BVerfGE 27, 175 (179); BVerfGE 42, 20 (27). Zudem werden vom Gleichheitssatz des Art. 3 GG keinesfalls alle gesetzlichen Widersprüche erfasst, sondern nur solche, die sich zugleich als eine Ungleichbehandlung darstellen. Das Vorliegen von Widersprüchen begründet aus sich heraus aber keine solche Ungleichbehandlung. So zu Recht Kischel, AöR 124 (1999), S. 174 (194 f.); Hanebeck, Der Staat 41 (2002), S. 429 (446). Siehe auch Felix, Einheit der Rechtsordung, S. 271 ff., 286 ff. Da der Topos der Systemgerechtigkeit bzw. Systemtreue auch in keiner Beziehung zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen steht, wird zu Recht seine Aufgabe im Rahmen des Art. 3 GG gefordert. So Kischel, AöR 124 (1999), S. 174 (194 ff.). Man kann die oben als Elemente des Rechtsstaatsprinzips erörterten Gebote der Bestimmtheit, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes auch aus den Grundrechten gewinnen (so Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 354 ff., 398 f., 418). Mehr als dort lässt sich ihnen aber auch hier nicht entnehmen, so dass die Freiheitsgrundrechte ebenfalls nicht als Grundlage des Widerspruchsverbots in Betracht kommen. 429 Im Grundgesetz sind verschiedene Vorschriften enthalten, die gewisse Anpassungspflichten normieren, beispielsweise Art. 28 GG, Art. 31 GG, Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 71 ff. GG. Aus diesen kann aber nicht in einer Zusammenschau ein weitergehendes Widerspruchsverbot gewonnen werden. Diesen Einzelaussagen lässt sich nämlich kein entsprechender gemeinsamer Kern dahingehend entnehmen, dass alle gesetzlichen Widersprüche im Bundesstaat unzulässig sind. Dies ist aber Bedingung für eine induktive Herleitung. Siehe Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht unter dem Grundgesetz, S. 420. 430 Ebenso Kloepfer / Bröcker, DÖV 2001, S. 1 (2 f.); Brüning, NVwZ 2002, S. 33 (37); Sendler, NJW 1998, S. 2875 (2876); Gas, SächsVBl. 1998, S. 229 (235); Führ, KJ 1998, S. 503 (516); Jobs, DÖV 1998, S. 1039 (1044); Wagner, Öffentlich-rechtliche Genehmigung und zivilrechtliche Rechtswidrigkeit, S. 94; Jobs, Steuern auf Energie, S. 227; Kulosa, Verfassungsrechtliche Grenzen steuerlicher Lenkung, S. 43; Schrader, ZUR 1998, S. 152 (153). Siehe auch Baldus, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 197, der die Formel der Einheit der Rechtsordnung historisch beleuchtet und bezogen auf den Beginn des 20. Jahrhunderts ausführt: „Wenn Heterogenität die sozialen und politischen Verhältnisse kennzeichnete und das Recht diesem Zustand auf einer anderen Ebene nur reproduzierte, so konnte auch aus dieser Perspektive die Einheit der Rechtsordung im Sinne ihrer Widerspruchsfreiheit und Lückenlosigkeit nur eine Chimäre sein.“ 431 Zu den Anforderungen an den modernen Gesetzgeber siehe Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 241; Weber-Grellet, Der Betrieb, S. 9 (10).
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zu einem Großen und widerspruchsfreien Ganzen zusammenfügen. Möchte der Gesetzgeber der heutigen pluralen Wirklichkeit gerecht werden und vielfältige Lebensbereiche von der Gentechnik, der Sterbehilfe, dem Abfallexport etc. regeln, kann man kein Normengefüge erwarten, dass in einem Atemzug erlassen wird. Vielmehr wird sich ein derart omnipräsenter Staat in unübersichtlichen und teils widersprüchlichen Verästelungen rechtlich regulieren.433 In der Rechtsordnung finden sich denn auch zahlreiche Widersprüche.434 Eine entsprechende Forderung ließe sich nur auf der Grundlage einer klassischen Gesetzesvorstellung verwirklichen, die das allgemeine, für unbestimmte Dauer und für unbestimmte Einzelfälle geltende Gesetz als maßgeblich erachtet. Nur wenn man die heutige gesellschaftliche Realität mit ihren Anforderungen an den Gesetzgeber ausblendet und in der Zeit der großen Kodifikationen verharrt, ist also eine widerspruchsfreie Rechtsordnung vorstellbar. Außerdem ist zu bedenken, dass es im Bundesstaat des Grundgesetzes „den“ Gesetzgeber nicht gibt,435 sondern vielmehr eine Aufteilung der Gesetzgebungsbefugnisse auf unterschiedliche Hoheitsträger mit unterschiedlichen politischen Strategien erfolgt. Das vom Bundesverfassungsgericht vertretene Widerspruchsverbot erscheint vor diesem Hintergrund als realitätsfremd. 436 Schließlich soll an dieser Stelle auf die erheblichen Probleme aufmerksam gemacht werden, die bei Anwendung des Widerspruchsverbots auftreten. Wird das entsprechende Verbot – wie durch das Bundesverfassungsgericht geschehen – soweit ausgedehnt, dass auch Widersprüche gegen die Gesamtkonzeption der fremden Regelung erfasst werden, führt dies zu erheblicher Unsicherheit. Angesichts des sehr vagen Begriffs der Geamtkonzeption lässt sich die Frage, was denn genau zur Gesamtkonzeption eines Gesetzes gehört, nur unter großen Schwierigkeiten beantworten.437 Welche Merkmale eines Gesetzes maßgeblich und für die Gesamtkonzeption prägend sind und ob ein anderes Gesetz diesen Merkmalen wider432 Auf die Änderung der Mehrheitsverhältnisse als Ursache von Widersprüchen weisen Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (588); Raupach, FS Tipke, S. 105 (123) und Kloepfer / Bröcker, DÖV 2001, S. 1 (2 f.) hin. 433 Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 241. 434 Siehe hierzu Roellecke, KritV 1998, S. 241 (251). 435 „Den“ Gesetzgeber gibt es auch nicht im Einheitsstaat. Auch hier besteht er aus unterschiedlichen Mitgliedern mit unterschiedlichen Vorstellungen, so dass Entscheidungen i. d. R. Ergebnisse von Kompromissen sind. Siehe hierzu Hanebeck, Der Staat 41 (2002), S. 429 (442); Rüthers, Rechtstheorie, § 6, Rz. 278. 436 Siehe Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (588); Kloepfer / Bröcker, DÖV 2001, S. 1 (2 f.); Hanebeck, Der Staat 41 (2002), S. 429 (440 f.). Siehe auch Isensee, Stichwort: „Staat“, Staatslexikon, S. 137, der die Entscheidungs- und Handlungseinheit des Staates als Bedingung seiner Rechtseinheit sieht. 437 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 251; Rodi, StuW 1999, S. 105 (112 f.); Fischer, JuS 1998, S. 1096 (1099 f.); Schrader, ZUR 1998, S. 152 (153 f.); Kloepfer / Bröcker, DÖV 2001, S. 1 (7); Lege, Jura 1999, S. 125 (128); Franzius, AöR 126 (2001), S. 403 (432); Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (598); Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), S. 241 (276); Kulosa, Verfassungsrechtliche Grenzen steuerlicher Lenkung, S. 43. A. A. Weidemann, DVBl. 1999, S. 73 (74).
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spricht, lässt sich nicht ohne weiteres feststellen. Die unterschiedlichen Auffasssungen hinsichtlich eines Widerspruchs zwischen der Verpackungssteuersatzung und den Landessonderabfallabgaben auf der einen und dem Krw- / AbfG und dem BImSchG auf der anderen Seite sowie zwischen der Spielautomatensteuer und dem betreffenden Bundesrecht legen dafür Zeugnis ab.438 Das umfassende Widerspruchsverbot des Bundesverfassungsgerichts kann die bei Kompetenzfragen erforderliche Berechenbarkeit somit nicht gewährleisten.439 Zudem wird dem Bundesverfassungsgericht in Anbetracht der Vagheit eines solchen Verbots eine weitgehende Zugriffsmöglichkeit eröffnet, die in Konflikt mit dem Demokratieprinzip gerät.440 b) Vorrang des Sachgesetzes Das Bundesverfassungsgericht stellt nicht nur einen mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbaren Widerspruch fest, sondern löst diesen zugleich auch in eine Richtung hin auf. Grundsätzlich werden Widersprüche zwischen Gesetzen nach den allgemeinen Kollisionsregeln bereinigt.441 Bleiben dennoch Widersprüche bestehen, etwa weil die Kollisionsregeln nicht anwendbar sind,442 und lässt sich auch ansonsten keine stärkere, allein maßgebliche Norm ausmachen, heben sich die widersprechenden Normen gegenseitig auf.443 Diesen Weg geht das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht. Vielmehr begründet es einen Vorrang der vom Sachgesetzgeber erlassenen Regelungen. Nach der Darstellung der allgemeinen Kollisionsregeln führt das Gericht aus, dass die Sach- und Steuerkompetenz vom 438 Zur Kritik hinsichtlich der bundesverfassungsgerichtlichen Feststellung eines Widerspruchs in der Verpackungssteuerentscheidung siehe Bothe, NJW 1998, S. 2333 (2334 f.); Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), S. 241 (276 ff.); Schrader, ZUR 1998, S. 152 (154); Schmidt / Diederichsen, JZ 1999, S. 37 (39 ff.). Zur Kritik an den das einfache Recht betreffenden Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in der Sonderabfallabgabenentscheidung siehe Führ, KJ 1998, S. 503 (504 ff.). Schließlich sah das Nieders. OVG (DVBl. 1999, S. 406 [407 ff.]) im Gegensatz zum BVerfG (NVwZ 2001, S. 1264) und zum BVerwG (BVerwGE 110, 248 [250 ff.]) in der Besteuerung von Gewaltspielautomaten einen Widerspruch gegen das die Spielautomatenbranche betreffende Bundesrecht.. Zur Gewaltspielautomatensteuer siehe oben 1. Teil, B. I. 1. b). 439 Zur erforderlichen Berechenbarkeit im Rahmen von Kompetenzfragen siehe oben 1. Teil, C. I. 1. 440 Ebenso Schneider, ZRP 1998, S. 323 (327); Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), S. 241 (276, 278); Kloepfer / Bröcker, DÖV 2001, S. 1 (7); Schmidt / Diederichsen, JZ 1999, S. 37 (41); Rodi, StuW 1999, S. 105 (110). Siehe auch Jobs, Steuern auf Energie, S. 227; ders., DÖV 1998, S. 1039 (1043) und Hendler, UPR 2001, S. 281 (284). 441 Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 210 f.; Dreier, Vielfalt des Rechts – Einheit der Rechtsordnung?, S. 113 (115 ff.); Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 571. 442 Die allgemeinen Kollisionsregeln können nicht sämtliche Widersprüche lösen. Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 211; Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 153 ff. Zu den Lücken der Kollisionsregeln siehe auch Dreier, Vielfalt des Rechts – Einheit der Rechtsordnung?, S. 113 (117 ff.). 443 Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 211 f.
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Grundgesetz in der Weise aufeinander abgestimmt seien, dass grundsätzlich der Sachgesetzgeber Verhaltenspflichten und der Steuergesetzgeber Zahlungspflichten regele. Das Nebeneinander dieser Kompetenzen und ihre Wahrnehmung führten insoweit nicht zu sachlichen Widersprüchen. Begründe der Steuergesetzgeber aber Zahlungspflichten, die den Adressaten zur Vermeidung des steuerbelasteten Tatbestandes veranlassen sollen, so könne diese Lenkung Wirkungen erreichen, die den vom zuständigen Sachgesetzgeber getroffenen Regelungen widersprechen. Daraus resultiert schließlich die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, dass der Steuergesetzgeber nur insoweit lenkend in den Kompetenzbereich eines Sachgesetzgebers übergreifen dürfe, als die Lenkung weder der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung noch konkreten Einzelregelungen zuwiderlaufe.444 Aus welchen Gründen das Bundesverfassungsgericht einen Vorrang der Sachvorschrift annimmt, wird aus diesen Ausführungen nicht wirklich ersichtlich. So könnte die vorausgeschickte Darstellung der allgemeinen Kollisionsregeln bedeuten, dass diese auch hier gelten. Ebenso könnte mit dem Vorrang des Sachgesetzgebers eine spezielle Kollisionsregel im Verhältnis zwischen Steuer- und Sachgesetzen entwickelt worden sein.445 Sollte das Bundesverfassungsgericht ein Spezialitätsverhältnis zwischen Sach- und Steuergesetz begründen und den Vorrang daraus ableiten wollen, ist einzuwenden, dass der lex-specialis Grundsatz vorliegend nicht herangezogen werden kann. Der Grundsatz findet nämlich nur bei Widersprüchen zwischen Normen der gleichen Rangstufe und des gleichen Urhebers Anwendung.446 Bei Widersprüchen zwischen landesrechtlichen bzw. gemeindlichen Steuerregelungen und bundesrechtlichen Sachgesetzen hilft er also nicht weiter. Zudem besteht zwischen Steuer- und Sachgesetzen kein Spezialitätsverhältnis, da sie sich nicht ausschnittsweise decken, sondern vielmehr unterschiedliche (steuerliche und nicht-steuerliche) Maßnahmen zum Gegenstand haben. Auch ansonsten kann die Sachregelung nicht als die stärkere, sich im Widerspruchsfall durchsetzende Norm qualifiziert werden. Es besteht hinsichtlich der Verhaltenslenkung kein Vorrang der Art. 70 ff. GG gegenüber Art. 105 GG.447 Die Aussage, der Steuergesetzgeber regele Zahlungspflichten und der Sachgesetzgeber grundsätzlich Verhaltenspflichten ist zwar richtig, ein Vorrang des Sachgesetzgebers zur Verhaltenslenkung ergibt sich aus ihr jedoch noch nicht.448
BVerfGE 98, 106 (119). Für diese Deutung Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (603). 446 Dreier, Vielfalt des Rechts – Einheit der Rechtsordnung?, S. 113 (118); Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 156; Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 36; Pietzcker, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band. IV, § 99, Rz. 32. 447 Siehe hierzu unten 1. Teil, E. II. 448 Einen Vorrang des Sachgesetzgebers lehnt auch Weber-Grellet, NJW 2001, S. 3657 (3662) ab. Ablehnend auch Bumke, ZG 1999, S. 376 (383), der zu Recht darauf hinweist, dass ein Vorrang auch nicht aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt. 444 445
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c) Übertragung der vermeintlichen rechtsstaatlichen Vorgaben auf das Bund-Länder Verhältnis Das Bundesverfassungsgericht überträgt die vermeintlichen rechtsstaatlichen Vorgaben in einem nächsten Schritt auf das Bund-Länder Verhältnis. Wie diese Übertragung genau durchgeführt wird, lässt sich nicht mit letzter Gewissheit sagen. Zunächst scheint alles dafür zu sprechen, dass die rechtsstaatlichen Anforderungen Eingang in die bundesstaatliche Rücksichtnahmepflicht finden sollen. So wird ausgeführt, dass das Rechtsstaatsprinzip die bundesstaatliche Rücksichtnahmepflicht in ihrem Inhalt verdeutliche und in ihrem Anwendungsbereich erweitere.449 Die bundesstaatliche Rücksichtnahmepflicht und das Rechtsstaatsprinzip scheinen also die gemeinsame Rechtsgrundlage zu bilden und die Kompetenzausübungsschranke scheint erst aus der Verbindung dieser beiden Grundsätze zu resultieren. Ob das Bundesverfassungsgericht die Bundestreue und das Rechtsstaatsprinzip wirklich zusammen heranzieht, ist jedoch nicht sicher, heißt es doch an späterer Stelle, dass die betreffenden rechtsstaatlichen Vorgaben zugleich Schranken der Kompetenzausübung begründeten.450 Dies könnte auch so zu verstehen sein, dass das Rechtsstaatsprinzip alleinige Grundlage der entsprechenden Kompetenzausübungsschranke ist. Es kommt jedoch weder eine direkte, noch eine über die bundesstaatliche Rücksichtnahmepflicht vermittelte Übertragung der aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Vorgaben auf das Bund-Länder Verhältnis in Betracht. Das Rechtsstaatsprinzip kann nicht selbst als Kompetenzausübungsschranke fungieren. Rechtsverhältnisse zwischen Bund und Ländern, die kompetenzrechtliche Fragen zum Gegenstand haben, sind vielmehr allein am Bundesstaatsprinzip451 zu messen. Dieses gestaltet samt seinen Ableitungen und seinen grundgesetzlichen Konkretisierungen, insbesondere der Kompetenzordnung, die Beziehungen zwischen Bund und Ländern und ist deshalb der richtige und einzige Anknüpfungspunkt für eine Lösung entsprechender Kompetenzkonflikte. Im Gegensatz zum Rechtsstaatsprinzip, das im wesentlichen die Beziehungen zwischen Bürger und Staat zum Gegenstand hat und somit thematisch nicht auf bundesstaatliche Fragen bezogen ist,452 ist das Bundesstaatsprinzip und seine anerkannten Subprinzipien BVerfGE 98, 106 (118). Siehe bereits oben 1. Teil, B. I. 1. b). BVerfGE 98, 106 (119). 451 Entgegen Šarc´evic´, Das Bundesstaatsprinzip, S. 59 ff. wird hier davon ausgegangen, dass das Bundesstaatsprinzip einen eigenständigen Rechtsgehalt besitzt und nicht nur als Sammelbezeichnung für die im Grundgesetz enthaltenen Gebote fungiert. 452 Diese Bürger-Staat Bezogenheit des Rechtsstaatsprinzips lässt sich bis zu den Anfängen der geschichtlichen Entwicklung des Rechtsstaatsbegriffs zurückverfolgen. Seinen Ausgang nimmt der Rechtsstaatsbegriff im 19. Jahrhundert als Schöpfung des liberalen Bürgertums. Ungeachtet der vielfältigen Bedeutungsunterschiede, die aus der Auseinandersetzung und den Kompromissen zwischen liberalen und konservativen Tendenzen resultieren, lässt sich ein gemeinsamer Kern des Rechtsstaatsbegriffs beobachten, nämlich die rechtliche Einbindung der Staatsgewalt im Interesse der Gewährleistung individueller Freiheit. Zur 449 450
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auf die Lösung föderaler Probleme zugeschnitten.453 Kompetenzausübungsschranken können somit nur aus dem Bundesstaats- und nicht auch aus dem Rechtsstaatsprinzip resultieren.454 Auch das Bundesverfassungsgericht hat bislang ausdrücklich die Auffassung vertreten, dass neben der aus dem Bundesstaatsprinzip abgeleiteten Bundestreuepflicht keine weiteren Verfassungsgrundsätze bestehen, aus denen Schranken für die Kompetenzausübung gewonnen werden könnten.455 Die vermeintlichen rechtsstaatlichen Anforderungen können schließlich auch nicht Eingang in den Grundsatz der Bundestreue finden. Die im Hinblick auf den einzelnen Normadressaten entwickelte Aussage, diesen dürften keine gegenläufigen Regelungen erreichen, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen, wird dem kompetenzrechtlichen Verhältnis zwischen Bund und Ländern nicht gerecht und würde eine mit dem Bundesstaatsprinzip nicht zu vereinbarende Erweiterung der Bundestreue darstellen. Der ungeschriebene Grundsatz der Bundestreue kann nicht herangezogen werden, um die grundgesetzliche Kompetenzordnung im nachhinein umfassend zu korrigieren. Er ist als akzessorischer Maßstab zu verstehen, der grundsätzlich nur in Ausnahmefällen die Ausübung einer an sich bestehenden Kompetenz verhindert.456 Er geht nicht soweit, dass er eine widerspruchslose Abstimmung der verschiedenen gesetzgebenden Körperschaften untereinander fordert und die Ausübung der Gesetzgebungsbefugnis damit in vollem Umfang an fremde Gesetze und die in diesen enthaltenen politischen Leitlinien bindet.457 Die auf der Kompetenzqualifikationsebene gefundene Abgrenzung ist prinzipiell auch auf der Kompetenzausübungsebene zu beachten.458 Die vom Bundesverfassungsgericht geschichtlichen Entwicklung des Rechtsstaatsbegriffs Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 266 ff.; Šarc´evic´, Der Rechtsstaat, S. 9 ff. 453 Siehe Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 445, die die Gesichtspunkte des föderalen Aufbaus der Bundesrepublik in Anbetracht der Existenz verschiedener grundgesetzlicher Strukturprinzipien dem Bundesstaatsprinzip und nicht dem Rechtsstaatsprinzip zuweist. Auch nach Bauer, Die Bundestreue, S. 241 ist das Rechtsstaatsprinzip thematisch nicht zentral auf die Bundesstaatlichkeit bezogen. 454 Gegen die Heranziehung des Rechtsstaatsprinzips als Kompetenzausübungsschranke auch Fischer, JuS 1998, S. 1096 (1099); Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), S. 241 (275); Eschenbach, ZKF 1998, S. 246 (252). Skeptisch auch Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (598 f.); Gas, SächsVBl. 1998, S. 229 (232). 455 BVerfGE 81, 310 (338). 456 Kloepfer / Bröcker, DÖV 2001, S. 1 (5); Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70, Rz. 55; Meßerschmidt, Die Verwaltung 23 (1990), S. 425 (449); Bauer, Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und das Kartellrecht, S. 94; Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 483; Stettner, in: Dreier, GG, Art. 70, Rz. 35. Siehe näher unten 1. Teil, D. III. 3. a). 457 Ebenso Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), S. 241 (275 f.); Führ, KJ 1998, S. 503 (513); Bumke, ZG 1999, S. 376 (384). Siehe auch Hendler, NuR 2000, S. 661 (666) und ders., UPR 2001, S. 281 (285). A. A. Frenz, DÖV 1999, S. 41 (43), der den Grundsatz der widerspruchsfreien Normgebung u. a. aus der Bundestreue ableitet. 458 In diese Richtung auch Gas, SächsVBl. 1998, S. 229 (236); Lege, Jura 1999, S. 125 (128). 8 Barthelmann
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
vorgeschlagene Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Bundestreue sprengt somit im Ergebnis die von der bundesstaatlichen Kompetenzordnung gezogenen Grenzen und beachtet nicht den Ausnahmecharakter der bundesstaatlichen Rücksichtnahmepflicht. 459 2. Kompetenzausübungsschranken aus der Sachgesetzgebungskompetenz? Zum Teil werden die Sachgesetzgebungskompetenzen als Ausübungsschranke der Steuergesetzgebungskompetenz angesehen. Die Reichweite der aus Art. 70 ff. GG abgeleiteten Schranke differiert dabei beträchtlich.460 Bevor jedoch auf diese Unterschiede eingegangen wird, soll zunächst die gemeinsame Basis betrachtet und der Frage nachgegangen werden, ob die Sachgesetzgebungskompetenzen überhaupt Grundlage einer Kompetenzausübungsschranke sein können. Die jeweiligen Sachkompetenzvorschriften müssten dann nicht lediglich Zuständigkeitszuweisungen sein, sondern zugleich auch Grenze für die Ausübung der Steuergesetzgebungskompetenz. Konsequenterweise dürfte dies aber nicht nur im Verhältnis zwischen der Steuer- und der Sachgesetzgebungskompetenz gelten, vielmehr müsste im Fall, dass den Kompetenzvorschriften ein solcher Gehalt wirklich entnommen werden kann, dieser auch dann zum Tragen kommen, wenn sich zwei Sachgesetzgebungskompetenzen gegenüberstehen. Sollte sich herausstellen, dass Kompetenzen neben einem zuweisenden auch einen begrenzenden Gehalt besitzen, ist kein Grund ersichtlich, warum dieser nicht auch innerhalb der Sachgesetzgebungskompetenzen Wirkung entfalten sollte. Dass die Begrenzungsfunktion der Sachgesetzgebungskompetenzen zumeist nur im Rahmen des Konflikts zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber diskutiert wird,461 lässt deshalb aufhorchen. Die verschiedenen Kompetenzzuweisungen verleihen Gesetzgebungsbefugnisse für bestimmte Gegenstände. Sie sind also in der Weise begrenzt, als sie sich ledig459 Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Lösung wird denn auch zu Recht als kompetenzaufweichende Konstruktion bezeichnet. So Lege, Jura 1999, S. 125 (129). Auch nach Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (595) werden die Vorgaben der bundesstaatlichen Kompetenzordnung durch die Aussagen des Gerichts unterlaufen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lehnen unter dem Gesichtspunkt des Bundesstaates auch Jobs, DÖV 1998, S. 1039 (1044); Zugmaier, BayVBl. 1998, S. 592 (593); Rodi, StuW 1999, S. 105 (112); Fischer, JuS 1998, S. 1096 (1100); Führ, KJ 1998, S. 503 (513); Brüning, NVwZ 2002, S. 33 (37); Gas, SächsVBl. 1998, S. 229 (233) und Bumke, ZG 1999, S. 376 (384) ab. 460 Ausführlich zu dieser Konfliktlösung oben 1. Teil, B. II. 2. a). 461 Alle Vertreter der hier in Rede stehenden Konfliktlösung [Nachweise siehe 1. Teil, B. II. 2. a)] beziehen sich nur auf den Konflikt zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber und formulieren nicht etwa eine generelle Kompetenzausübungsschranke. Weitergehend wohl Frenz, DÖV 1999, S. 41 (43), der die Kompetenzausübungsschranke aber ebenfalls im Rahmen des Konflikts zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber entwickelt. Siehe aber Brohm, DÖV 1983, S. 525 (528), der der Meinung ist, dass jede Kompetenz durch Kompetenzen des anderen Hoheitsträgers begrenzt werde.
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lich auf die Gegenstände beziehen, die von ihnen erfasst werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Gesetzgebungskompetenzen zugleich auch die Ausübung einer anderen Gesetzgebungsbefugnis beschränken. Eine solche Deutung widerspricht vielmehr der Funktion von Kompetenzen. Kompetenzen sind Hoheitsbefugnisse, die auf selbständige Wahrnehmung ausgerichtet sind. Die Zuweisung von Gesetzgebungsbefugnissen bedeutet die Übertragung von Handlungsermächtigungen, die in eigener Verantwortung und unbeeinflußt von femden Kompetenzträgern auszuüben sind.462 Kompetenzen sind in diesem Sinne Machtzuweisungen, die für ihren Bereich eine umfassende Entscheidungsbefugnis verleihen.463 Sie sind als anvertraute Macht zur Erfüllung öffentlicher Interessen zu begreifen.464 Im Bundesstaat des Grundgesetzes bedeutet dies, dass die jeweiligen Kompetenzträger eigene politische Gestaltungsspielräume haben, die sie auch nutzen dürfen, um eigene Strategien, die nicht mit anderen politischen Vorstellungen konform gehen, zu verfolgen.465 Kompetenzen enthalten somit auch die Befugnis zum „Entgegensteuern“ und sind folglich auf eine gewisse Reibung und Störung untereinander angelegt. Die bundesstaatliche Kompetenzordnung des Grundgesetzes ist demnach als ein Modell zu begreifen, das aus eigenständigen, unverbunden nebeneinanderstehenden Kompetenzen besteht und nicht als ein Modell, nach dem die verschiedenen Kompetenzen miteinander verschränkt und in der Ausübung voneinander abhängig sind.466 Ein Verständnis, welches Kompetenznormen zugleich als Ausübungsbegrenzungen fremder Kompetenzen sieht, ist mit der grundgesetzlichen Kompetenzordnung deshalb nicht vereinbar.467 Dagegen kann auch nicht die Einheit der Verfassung ins Feld geführt werden. Der Ausdruck der Einheit der Verfassung wird in so vielen Zusammenhängen herangezogen und für so unterschiedliche Fragen bemüht, dass ein in sich schlüssiges Argument schon nicht zu erkennen ist.468 Das Argument der Einheit der Verfassung, das der Weimarerer Zeit entstammt, übersieht, dass das Grundgesetz weder notwendig lückenlos, noch notwendig frei von 462 BVerfGE 11, 77 (88); BVerfGE 106, 62 (150). Siehe auch März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 112; Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 472, 679; Lerche, VVDStRL 21 (1964), S. 66 (77); Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 102 ff.; Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 73 ff. („Kompetenz als Entscheidungsgewalt“). Siehe auch Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 209, der Kompetenzen als Machpositionen bezeichnet. Ähnlich Goerlich, Formenmißbrauch und Kompetenzverständnis, S. 14, der von Handlungsmacht spricht. 463 Nach Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 54 dürfte die Einstufung von Kompetenz als einer Regelung des Subjekts und Bereichs von Machtzuweisung allgemein akzeptiert sein. 464 Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 679. 465 Siehe Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 103; Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 567. 466 Siehe auch Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 166. 467 Ebenfalls kritisch gegenüber einer Begrenzungsfunktion der Gesetzgebungskompetenzen Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 166 und Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 101 ff. 468 Müller, Die Einheit der Verfassung, S. 225.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
Widersprüchen ist. Die Entstehung des Grundgesetzes, der Kompromisscharakter vieler grundgesetzlicher Normen und das Schweigen des Grundgesetzes in wichtigen Fragen zeigen die Unzulänglichkeit einer Begündung aus der Einheit der Verfassung. Auch ist die Einheit der Verfassung nicht ein anzustrebendes Ziel, da sie real nicht zu erreichen ist.469 Das „schillernde Argument“470 der Einheit der Verfassung ersetzt deshalb nicht die erforderliche Begründung, vielmehr ist ein gefundenes Ergebnis in überprüfbaren Einzelschritten darzulegen. Es ist notwendig, umfassend zu erläutern, warum widerstreitende Normen ausgleichend zu interpretieren sind und im vorliegenden Zusammenhang, aus welchem Grund sich die Kompetenzbestimmungen trotz der Aushöhlung der jeweiligen Kompetenzen und der negativen Auswirkungen auf das Demokratieprinzip gegenseitig begrenzen. Diese erforderliche Begründung bleibt schuldig, wer sich auf die Formel der Einheit der Verfassung zurückzieht.471 Eine Auslegung, die die Kompetenzvorschriften zugleich als Ausübungsschranken begreift, kann sich auch nicht auf das vermeintliche Gebot der Effektivität berufen.472 Ein solches Gebot besitzt aus sich heraus keinerlei Aussagewert.473 Ungeachtet dessen, inwieweit ein Gebot der Effektivität verfassungsrechtlich verankert ist,474 ist es als Maßgröße für den Zielerreichungsgrad475 davon abhängig, dass ein Maß der Zielerreichung durch den jeweiligen Sachzusammenhang vorgegeben wird. Ein solches Maß wird von den Art. 70 ff. GG aber nicht vorgegeben. Es ist darauf hinzuweisen, dass die hier vertretene Meinung nicht zwangsläufig zu einer grenzenlosen Kompetenzausübung führt, vielmehr besagt sie zunächst nur, dass eine Ausübungsbegrenzung nicht aus den Kompetenzvorschriften selbst, sondern allein aus der Bundestreue folgen kann. Gegen die Ableitung einer Ausübungsschranke aus den Kompetenzvorschriften spricht zudem, dass bei dieser, anders als bei dem Grundsatz der Bundestreue, der durch Rechtsprechung und Literatur zumindest eine gewisse Präzisierung erfahren hat, kein Ansatzpunkt für die Reichweite der Begrenzung besteht.476 Zudem stellt sich die Frage, inwieweit eine solche Kompetenzschranke neben der Bundestreue überhaupt noch ihre Berechtigung hat. Sofern sie den Gesetzgeber im Ergebnis ebenso begrenzt wie die Bundestreue, besteht für sie keine Notwendigkeit. Soll sie Müller, Die Einheit der Verfassung, S. 230. Müller, Juristische Methodik, Rz. 388. 471 Kritisch zum vermeintlichen Argument der Einheit der Verfassung Müller, Die Einheit der Verfassung, S. 225 ff.; ders., Juristische Methodik, Rz. 383 ff.; Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 144; Pieroth, AöR 114 (1989), S. 422 (438). 472 So aber Frenz, DÖV 1999, S. 41 (43). 473 Häberle, Die Verwaltung 22 (1989), S. 409 (409); Hoffmann-Riem, Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, S. 11 (17). 474 Siehe hierzu Hoffmann-Riem, Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, S. 11 ff. 475 Schmidt-Aßmann, Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, S. 245 (247). 476 Siehe auch Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 105. 469 470
C. Gestaltende Steuern nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes
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dagegen über die Bundestreue hinausgehen und insbesondere im Rahmen des Konflikts zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber die durch die Bundestreue gezogenen Grenzen überschreiten, sprechen gegen sie die gleichen Argumente, die auch einer Ausdehnung der Bundestreue entgegenstehen.477 Schließlich hat die in Rede stehende Lösung das Problem, dass sie zu einer perspektivischen Verengung führt, indem sie die Interessen des Inhabers der beeinträchtigten Kompetenz tendenziell höher bewertet und einen Konflikt eher zu dessen Gunsten entscheidet. Man betrachtet den Konflikt grundsätzlich aus der Sicht des gestörten Kompetenzträgers, so dass man in der Regel geneigt sein wird, die Interessen des beeinträchtigenden Gesetzgebers auszublenden bzw. zu vernachlässigen. Ein solches Denken von der Grenze her, das zu Einseitigkeiten verleitet, wird dem zwischen den verschiedenen Kompetenzinhabern bestehenden Rechtsverhältnis, das auf einen beiderseitigen Interessenausgleich bedacht sein muss, nicht gerecht. Nicht nur, dass der Ableitung der Kompetenzausübungsschranke nicht zugestimmt werden kann, auch die verschiedenen inhaltlichen Ausfüllungen derselben können nicht überzeugen. So ist einzuwenden, dass sie kein auch nur annähernd sicheres Urteil darüber erlauben, ob die konkrete Ausübung der Steuergesetzgebungskompetenz gegen die Schranke aus Art. 70 ff. GG verstößt oder nicht. Dies trifft zunächst auf all diejenigen Ansichten zu, die eine Zweckgewichtung vornehmen. Für eine solche Gewichtung lassen sich keine Kriterien finden. Dabei spielt es keine Rolle, ob man den außerfiskalischen Zweck in Hinblick auf den fiskalischen Zweck478 oder in Hinblick auf die allgemeine Zuständigkeitsordnung bewertet. Nicht weniger Schwierigkeiten treten bei der Bestimmung einer Regelung als echter Nebenregelung oder bei der Vornahme einer wertenden Zurechnung auf. Gleiches gilt zudem für die Frage, ob die steuerliche Lenkung der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung oder konkreten Einzelregelungen zuwiderläuft.479 Diese Ansätze sind allesamt mit erheblichen Beurteilungsunsicherheiten belastet, die letztlich den Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers schmälern und den der Gerichte vergrößern. Zudem ist zu bemängeln, dass zum Teil der Vorrang der Kompetenzqualifikation nicht beachtet wird. Hat man auf der Ebene der Kompetenzqualifikation die Reichweite der Kompetenz abgesteckt, kann man auf der Ausübungsebene diese nicht ohne weiteres wieder einschränken und die Kompetenzordnung auf diese Weise überspielen. Die bloße Wahrnehmung einer Kompetenz kann nicht gegen eine Kompetenzausübungsschranke verstoßen, vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten.480 Deshalb kann allein die Verfolgung eines außerfiskalischen Hauptzwecks bzw. eines gewichtigen Zwecks in Bezug auf Siehe hierzu näher unten 1. Teil, D. 3. Zur problematischen Unterscheidung von Haupt- und Nebenzweck bei Steuervorschriften siehe bereits oben 1. Teil, C. I. 2. 479 Zur Schwierigkeit diese Grenze zu bestimmen, siehe schon oben 1. Teil, C. II. 1. a). 480 Siehe hierzu näher unten 1. Teil, D. III. 3. a). 477 478
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
die allgemeine Zuständigkeitsordnung oder der Erlass außerfiskalischer Hauptregelungen nicht als unzulässige Kompetenzwahrnehmung betrachtet werden, da die Steuergesetzgebungskompetenz des Art. 105 GG solche Zwecke bzw. Regelungen erfasst. Auch die Unterscheidung zwischen verfassungsrechtlich legitimierten Gestaltungswirkungen, für die die Kompetenzausübungsschranke nicht gelten soll, und nichtlegitimierten Gestaltungswirkungen, die der Kompetenzausübungsschranke unterfallen sollen, kann nicht überzeugen. Hier bleibt zunächst die Frage offen, aus welchen Gründen steuerliche Gestaltungswirkungen der besonderen Rechtfertigung bedürfen. Es wird wohl davon ausgegangen, dass die politische Gestaltung in erster Linie Aufgabe des Sachgesetzgebers ist und der Steuergesetzgeber zur Wahrnehmung dieser Aufgabe nur unter Nachweis einer besonderen Legitimation berechtigt ist. Der hier statuierte Vorrang des Sachgesetzgebers zur politischen Gestaltung erscheint aber zweifelhaft und es wäre zumindest eine nähere Begründung erforderlich gewesen. Zudem bereitet die Bestimmung der legitimierten Gestaltungswirkungen erhebliche Probleme. Die von der Kompetenzordnung anerkannten, mit der Kompetenzausübung notwendig oder traditionell verbundenen, oder von anderen Verfassungsprinzipien geforderten Lenkungswirkungen lassen sich nur unter größten Schwierigkeiten feststellen. Die starke Betonung der traditionellen Gestaltungswirkungen führt schließlich zu einer Versteinerung der gestaltenden Steuern und nimmt dem Gesetzgeber die Möglichkeit, mittels neuer Steuervorschriften auf die Herausforderungen der heutigen Zeit zu reagieren. Dieser Ansatz gerät deshalb unweigerlich in Konflikt mit dem Demokratieprinzip.
3. Der Grundsatz der Bundestreue Im Rahmen von legislatorischen Kompetenzkonflikten streiten die Beteiligten über die Frage, ob die kompetenzausübende Partei berechtigt ist, das konkrete Gesetz zu erlassen bzw., aus der Perspektive der Gegenseite, ob eine Verpflichtung besteht, den Erlass des Gesetzes zu dulden. Auch wenn bereits darüber entschieden ist, dass ein entsprechendes Gesetzgebungsrecht der kompetenzausübenden Partei gegeben ist,481 bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass auch jedwede Wahrnehmung der Kompetenz gerechtfertigt ist. Die umfassende Gesetzgebungsbefugnis kann u. U. auch in einer Weise genutzt werden, die mit den Anforderungen der grundgesetzlichen Kompetenzordnung nicht in Einklang steht. Dies wird insbesondere in Missbrauchsfällen deutlich. In bestimmten Fällen ist deshalb ein eingreifendes 481 Zwischen den Parteien besteht also bereits ein Rechtsverhältnis, da ein Gesetzgebungsrecht bzw. eine Duldungspflicht an sich besteht. Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Anwendungsvorraussetzung der Bundestreue, sie dürfe nur „ins Spiel kommen“, wenn bereits ein konkretes Rechtsverhältnis besteht, ist somit erfüllt. Siehe BVerfGE 13, 54 (75); BVerfGE 21, 312 (326); BVerfGE 42, 103 (117). Siehe auch Bauer, Die Bundestreue, S. 335 ff.
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Korrektiv erforderlich, welches der Kompetenzwahrnehmung Schranken zieht. Diese Funktion übernimmt die Bundestreue. Unabhängig von der Frage, auf welcher Grundlage der Grundsatz der Bundestreue beruht,482 ist er als Kompetenzausübungsschranke in Rechtsprechung und Literatur einhellig anerkannt.483 Hier soll sogar seine wichtigste Funktion liegen.484 Die Bundestreue kann also unter bestimmten Voraussetzungen einer an sich bestehenden Kompetenz Grenzen ziehen, so dass die Überschreitung derselben die Unzulässigkeit der Rechtsausübung zur Folge hat.485 Die Heranziehung des Bundestreueprinzips als Kompetenzausübungsschranke im Rahmen des hier behandelten Konflikts ist dogmatisch somit durchaus berechtigt. Mit dem Hinweis, dass die Bundestreue im vorliegenden Fall anwendbar ist, ist das Problem aber nicht gelöst, vielmehr beginnt es erst. Bei der Bundestreue handelt es sich nämlich um einen Blankettbegriff und nicht um eine subsumtionsfertige Norm,486 weshalb sie zur unmittelbaren Anwendung der Ausfüllung bedarf. Der alleinige Hinweis, dass der Steuergesetzgeber an die Bundestreue gebunden ist,487 ist in dieser Allgemeinheit sicher richtig, zur konkreten Problemlösung trägt 482 Der Grundsatz der Bundestreue wird z. T. aus dem Wesen des Bundesstaates (so BVerfGE 8, 122 [138]; Bayer, Die Bundestreue, S. 43 und Wipfelder, VBlBW 1982, S. 394 [395]), z. T. aus dem bundesstaatlichen Prinzip (so BVerfGE 1, 299 [315]; BVerfGE 31, 314 [354]; BVerfGE 32, 227 [238]; BVerfGE 34, 9 [20]; BVerfGE 43, 291 [348]; BVerfGE 81, 310 [336]; BVerfGE 92, 203 [230, 239]; Isensee, FS BVerfG, S. 719 [731, 734, 742]; Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 365) abgeleitet. Nach Bleckmann, JZ 1991, S. 900 (901 ff.) findet die Bundestreue eine ausdrückliche Grundlage in Art. 72 Abs. 2 GG a. F. Nach Bauer, Die Bundestreue, S. 243 ff. (zustimmend Sachs, in: ders., GG, Art. 20, Rz. 68) soll die Bundestreue aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abzuleiten sein. Nach Ossenbühl, Föderalismus und Regionalismus in Europa, S. 117 (136) handelt es sich bei der Bundestreue um Gewohnheitsrecht. 483 BVerfGE 4, 115 (140); BVerfGE 8, 122 (138); BVerfGE 12, 205 (254); BVerfGE 14, 197 (215); BVerfGE 34, 216 (232); BVerfGE 43, 291 (348); BVerfGE 61, 149 (205). Aus der Literatur siehe nur die Kommentierungen von Sachs, in: ders., GG, Art. 20, Rz. 68 ff.; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70, Rz. 55 ff. und Stettner, in: Dreier, GG, Art. 70, Rz. 35 ff. jeweils m. w. N. Zur Entwicklung der Bundestreue in Rechtsprechung und Literatur (auch zur Kritik an dem Grundsatz) allgemein siehe Bauer, Die Bundestreue, S. 117 ff., 143 ff., 156 ff., 166 ff., 176 ff. Selbst Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 7 (Fn. 37) und Fuß, DÖV 1964, S. 37 (41), die der Bundestreue kritisch gegenüberstehen, erkennen ein – zwar selbständiges und nicht aus der Bundestreue abgeleitetes – Missbrauchsverbot an. 484 So Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, S. 703; Ossenbühl, Rundfunk zwischen nationalem Verfassungsrecht und europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 35; Karpen / v. Rönn, JZ 1990, S. 579 (584). 485 Bauer, Die Bundestreue, S. 356. 486 BVerfGE 81, 310 (337); Bauer, Die Bundestreue, S. 314; Faller, FS Maunz, S. 53 (56); Oeter, Integration und Subsidiarität, S. 482; Bauer, Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und das Kartellrecht, S. 91; Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 98, Rz. 157. 487 Ohne eine nähere Konkretisierung wird die Bundestreue von Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 154 herangezogen.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
er jedoch nicht bei. Erforderlich ist vielmehr eine Präzisierung des Prinzips in Hinblick auf den hier vorliegenden Konflikt. Aufgabe der nachfolgenden Untersuchung wird es deshalb sein, die Bedeutung der Bundestreue für den Konflikt zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber herauszuarbeiten. In diesem Zusammenhang werden auch die in Rechtsprechung und Literatur teilweise vorgenommenen Konkretisierungen erörtert. Der Blick darf jedoch nicht allein auf den Konflikt zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber beschränkt werden, vielmehr gilt es zunächst die Vorgaben der Bundesteue im Rahmen von Kompetenzkonflikten zwischen Sachgesetzgebern darzulegen. Der Konflikt zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber kann von diesem Konflikt nicht komplett abgekoppelt werden, vielmehr sind Abweichungen nur aufgrund von Besonderheiten möglich, die sich aus dem speziellen Verhältnis zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber ergeben.
D. Die Bundestreue als Maßstab zur Lösung von Kompetenzkonflikten zwischen Sachgesetzgebern I. Historische Wurzeln der Bundestreue Die rechtsgeschichtlichen Grundlagen der Bundestreue reichen in die Zeit der Gründung des Deutschen Reiches von 1871 zurück.488 Der Reichsverfassung von 1871 waren Verträge zwischen den beteiligten Souveränen vorangegangen, was auch im Eingang der Verfassungsurkunde zum Ausdruck kommt, in der es heißt, dass die deutschen Fürsten einen „ewigen Bund“ schließen.489 Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die Bundes- bzw. Vertragstreue in der praktischen Politik des Deutschen Reiches als Verhaltensmaxime weit verbreitet war.490 In der Staatsrechtslehre der damaligen Zeit wurde die Bedeutung der Bundes- bzw. Vertragstreue dagegen nicht erkannt.491 Erst Smend unternahm 1916 den entscheidenden Vorstoß zur Begründung der Bundestreue als Verfassungsrechtssatz. Smend sah das Reich und die Einzelstaaten nicht nur in einem Subordinationsverhältnis, sondern ergänzte dieses Über- und Unterordnungsmodell mit Gleichordnungsvorstellungen, die er auf die vertragliche Vereinbarung der Reichsverfassung stützte.492 Mit diesem Standpunkt hatte er einen Ansatz gefunden, um die Bundestreue als allgemeinen Grundsatz und als Verfassungsprinzip anzuerkennen.493 DaSiehe Bauer, Die Bundestreue, S. 38 ff.; Lück, Die Gemeinschaftstreue, S. 93. RGBl. 1871, S. 64. 490 Bauer, Die Bundestreue, S. 40; Lück, Die Gemeinschaftstreue, S. 93. 491 Siehe Bauer, Die Bundestreue, S. 43 ff. 492 Smend, FG Mayer, S. 245 (261) Siehe hierzu und zum Folgenden auch Bauer, Die Bundestreue, S. 56 ff. 493 Smend, FG Mayer, S. 245 (266 f.). 488 489
D. Die Bundestreue bei Kompetenzkonflikten zwischen Sachgesetzgebern
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nach schulde jeder der Verbündeten den anderen und dem Ganzen die Vertragsbzw. Bundestreue und habe in diesem Sinne seine reichsverfassungsmäßigen Pflichten zu erfüllen und seine entsprechenden Rechte wahrzunehmen.494 Smend war sich aber durchaus der Schwierigkeit bewusst, den Inhalt der Bundestreue konkret zu beschreiben. So bezeichnete er die Bundestreue als einen elastischen Grundsatz und wies auf Rechtsunsicherheiten bei der Anwendung des Grundsatzes hin.495 In der Staatspraxis der Weimarer Republik waren nur vereinzelt Anzeichen für ein bundesfreundliches Verhalten des Reiches und der Länder zu beobachten. Im Verhältnis zwischen Reich und Ländern überwog vielmehr die Konfliktbereitschaft zwischen den verschiedenen politischen Richtungen.496 Aber nicht nur in der Praxis fanden sich kaum Indizien für die Geltung der Bundestreue, auch die Weimarer Reichsverfassung lieferte keine Anhaltspunkte für die Rezeption derselben. So enthielt sie weder einen ausdrücklichen Hinweis zur Bundestreue, noch konnte auf Grund des andersartigen historischen Umfelds – die WRV war im Gegensatz zur Reichsverfassung von 1871 nicht auf vertragliche Grundlagen zurückzuführen – die Entstehungsgeschichte zur Begründung der Bundestreue herangezogen werden.497 Nichtsdestoweniger hat sich die Bundestreue in der Weimarer Staatsrechtslehre nach anfänglicher Skepsis im Prinzip durchgesetzt. Dabei waren aber verschiedene Konzeptionen zu unterscheiden.498 So wurde die Bundestreue von manchen nicht als umfassende Treuepflicht für Reich und Länder, sondern als einseitige Verpflichtung der Länder begriffen. Sie wurde somit in den Dienst einer Stärkung des Reiches gestellt. Andere übertrugen dagegen die von Smend begründete umfassende Theorie der Bundestreue, nach der sowohl die Länder, als auch das Reich gebunden waren, auf die Weimarer Republik.499 Das Bundesverfassungsgericht hat unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Smend die Geltung der umfassenden Bundestreue in einer seiner ersten Entscheidungen für das Grundgesetz anerkannt.500 In einer Reihe weiterer Entscheidungen verhalf das Bundesverfassungsgericht der Bundestreue endgültig zum Durchbruch.501 Das Bundesverfassungsgericht sprach gar von einem das gesamte verfassungsrechtliche Verhältnis zwischen dem Gesamtstaat und seinen Gliedern sowie zwischen den Gliedern beherrschenden Grundsatz.502 Ungeachtet dessen, dass diese Rechtsprechung z. T. kritisch betrachtet worden ist, insbesondere im Hinblick auf die an494 495 496 497 498 499 500 501 502
Smend, FG Mayer, S. 245 (261). Smend, FG Mayer, S. 245 (263, 266). Bauer, Die Bundestreue, S. 70 ff. Siehe Bauer, Die Bundestreue, S. 67 ff. Bauer, Die Bundestreue, S. 73 ff. Siehe Bauer, Die Bundestreue, S. 85 ff. m. w. N. BVerfGE 1, 299 (315). Siehe Bauer, Die Bundestreue, S. 143 ff. m. w. N. BVerfGE 12, 205 (254).
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
fänglich vom Bundesverfassungsgericht gewählte Herleitung aus dem Wesen des Bundesstaates und hinsichtlich der inhaltlichen Unschärfe der Bundestreue,503 ist der Grundsatz der Bundestreue auch in der Literatur anerkannt.504
II. Adressaten der Bundestreue Die Bundestreue wird in der Regel entweder aus dem Bundesstaatsprinzip abgeleitet oder sie wird als bundesstaatsspezifische Ausprägung von Treu und Glauben betrachtet.505 Sie ist also auf die bundesstaatliche Ordnung bezogen und dementsprechend nur im Verhältnis zwischen Bund und Ländern sowie zwischen den Ländern anwendbar. Sie verpflichtet dabei alle Parteien gleichermaßen.506 Die Bundestreue gilt dagegen nicht innerhalb des Bundes oder eines Landes, da ein föderaler Bezug hier nicht gegeben ist.507 Konflikte zwischen einem Land und seinen kommunalen Untergliederungen werden folglich nicht erfasst. Ebensowenig findet die Bundestreue im Rahmen von Konflikten zwischen dem Bund und einzelnen Kommunen Anwendung, da es hier ebenfalls an der erforderlichen föderalen Beziehung fehlt.508. Die Kreise und Gemeinden sind zwar Teile der Länder, nicht aber sind sie an dem bundesstaatlichen Grundverhältnis von Bund und Ländern, auf das die Bundestreue als Bestandteil des Bundesstaatsrechts zugeschnitten ist, beteiligt. Ungeachtet dessen, dass sie keine dritte Säule im Staatsaufbau bilden, handeln die Kommunen in eigenem Namen und treten als eigenständige Körperschaften auf.509 Rechtliche Beziehungen zwischen dem Bund und den Kommunen sind deshalb Rechtsverhältnisse eigener Art, die von solchen zwischen Bund und Ländern zu unterscheiden sind.510 Auch im Fall, dass die Länder den Kommunen Gesetzgebungskompetenzen übertragen haben, ist die Bundestreue im Verhältnis zwischen Bund und Kommunen nicht anwendbar. Es ist nämlich zu bedenken, dass die Kommunen auch im Falle der Delegation der Gesetzgebungskompetenz Siehe insbesondere Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 9. Siehe Bauer, Die Bundestreue, S. 138 ff. m. w. N. 505 Zur Ableitung der Bundestreue siehe oben 1. Teil, C. II. 3. 506 Die Bundestreue verpflichtet sowohl die Länder als auch den Bund. BVerfGE 1, 299 (315); BVerfGE 14, 197 (215); Unruh / Strohmeyer, BayVBl. 1999, S. 609 (614); Wipfelder, VBlBW 1982, S. 394 (396); Bauer, Die Bundestreue, S. 294; Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 214. 507 Bauer, Die Bundestreue, S. 295 ff.; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20, Rz. 21. 508 Gegen eine Anwendung der Bundestreue auf die Gemeinden Bauer, Die Bundestreue, S. 297 ff.; Heberlein, DÖV 1990, S. 374 (380); Bayer, Die Bundestreue, S. 57; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20, Rz. 21; A. A. Meßerschmidt, Die Verwaltung 23 (1990), S. 425 (438 ff.). 509 Es ist also nicht richtig, wenn behauptet wird, dass die Bundestreue auch für die Gemeinden gelte, weil die Staatsordnung der Bundesrepublik keinen dreistufigen Aufbau aufweise. So aber Meßerschmidt, Die Verwaltung 23 (1990), S. 425 (438). 510 Bauer, Die Bundestreue, S. 297 ff.; Heberlein, DÖV 1990, S. 374 (380). 503 504
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nicht an die Stelle der Länder treten. Neben der übertragenen Gesetzgebungsbefugnis bestehen noch sonstige, speziell aus dem Rechtsverhältnis zwischen Bund und Ländern resultierende Rechte und Pflichten, die nicht mitübertragen werden können, da sie auf die jeweilige Rechtsbeziehung zugeschnitten sind. Die Länder können demnach nicht alle ihre Rechte im Verhältnis zum Bund auf die Kommunen delegieren.511 Die Bundestreue kann somit nur zur Lösung von legislatorischen Kompetenzkonflikten zwischen Bund und Ländern herangezogen werden, während die sonstigen Konfliktverhältnisse zunächst ausgeklammert bleiben.
III. Die konkrete Reichweite der aus der Bundestreue abgeleiteten Kompetenzausübungsschranke 1. Die Bundestreue zwischen Kompetenzwahrnehmungsund Abwehrinteresse Erkennt man den Grundsatz der Bundestreue als Kompetenzausübungsschranke grundsätzlich an und vertritt demnach die Position, dass die Ausübung eines an sich bestehenden Gesetzgebungsrechts unter Umständen unzulässig sein kann, bedeutet dies, dass legislatorische Kompetenzkonflikte mit der Qualifikation des betreffenden Gesetzes nicht abschließend entschieden sind. Der Konflikt kann sich auf der Kompetenzausübungsebene fortsetzen. Die konkrete Wahrnehmung der Kompetenz kann unzulässig sein, weil sie die Anforderungen des Bundestreuegrundsatzes verletzt. Wie bereits dargestellt, lässt sich die entscheidende Frage, wann eine Verletzung der Bundestreue vorliegt, aufgrund der Unbestimmtheit des Begriffs jedoch nicht ohne weiteres beantworten. Der Grundsatz der Bundestreue wird zumeist dahingehend umschrieben, dass er die kompetenzausübende Partei verpflichtet, bei der Verfolgung der eigenen Interessen auch die Interessen der Gegenseite hinreichend zu berücksichtigen.512 Die Bundestreue steht also zwischen den Interessen der verschiedenen Parteien und liefert den Maßstab anhand dessen dieser Interessengegensatz aufzulösen ist.513 Sie entscheidet darüber, unter welchen Voraussetzungen den Belangen der kompetenzausübenden Partei und unter welchen Voraussetzungen den Belangen der Gegenseite Vorrang zukommt. Je nachdem, inwieweit sie dieses oder jenes Interesse vorgehen lässt, handelt es sich 511 Dies wird von Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 216 übersehen. 512 BVerfGE 4, 115 (140); BVerfGE 6, 309 (361); BVerfGE 13, 54 (76); BVerfGE 31, 314 (355 f.); BVerfGE 32, 199 (218); BVerfGE 34, 9 (44); BVerfGE 34, 216 (232); BVerfGE 43, 291 (348); BVerfGE 81, 310 (337). 513 Siehe Bayer, Die Bundestreue, S. 115. „Ziel der Bundestreue ist der Ausgleich, der sich aus der Verteilung der Hoheitsgewalt zwischen Bund und Ländern ergebenden Interessenkonflikten.“
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um eine Randkorrektur oder um eine umfassende Korrektur des auf der Kompetenzqualifikationsebene gefundenen Ergebnisses. Zur Beantwortung der Frage, in welchen Fällen welches Interesse vorgeht, bedarf es zunächst der Darstellung der sich gegenüberstehenden Interessen. Ganz abstrakt betrachtet hat die Gegenseite das Interesse, dass die Gesetzgebungskompetenz nicht bzw. nicht so ausgeübt wird (dieses Interesse soll hier als Abwehrinteresse bezeichnet werden), während der Kompetenzinhaber das Interesse hat, sein Gesetzgebungsrecht wie beabsichtigt wahrzunehmen und das betreffende Gesetz zu erlassen (dieses Interesse soll als Kompetenzwahrnehmungsinteresse bezeichnet werden). Hinter diesen abstrakt beschriebenen Belangen können jedoch ganz verschiedene Interessen stehen, die nicht alle als gleichermaßen berechtigt qualifiziert werden können. Ein Interesse kann sich im Konfliktfall aber nur dann durchsetzen, wenn es sich um ein berechtigtes Interesse handelt. Anderenfalls ist es von vornherein nicht schutzwürdig. Es sollen deshalb zunächst die berechtigten Interessen von den sonstigen Interessen der Beteiligten geschieden werden. Die Frage, welche Belange berechtigt sind und welche nicht, richtet sich dabei nicht nach allgemeinen Billigkeitserwägungen, sondern muss angesichts der Tatsache, dass hier kompetenzrechtliche Konflikte in Rede stehen, nach der Kompetenzordung des Grundgesetzes beurteilt werden.
2. Die berechtigten Interessen der Konfliktparteien a) Das berechtigte Kompetenzwahrnehmungsinteresse Die kompetenzausübende Partei hat von der ihr zugewiesenen Gesetzgebungskompetenz durch Erlass des betreffenden Gesetzes Gebrauch gemacht. Die Verabschiedung des Gesetzes ist dabei jedoch kein Selbstzweck, vielmehr werden mit dem entsprechenden Gesetz bestimmte Zwecke verfolgt. Die Frage, ob das Kompetenzwahrnehmungsinteresse, das Gesetz genau mit diesem Inhalt zu erlassen, als ein berechtigter Belang zu qualifizieren ist, hat sich an diesen Gesetzeszwecken zu orientieren. Stehen diese in Einklang mit der Funktion der Kompetenzbestimmungen, ist das Kompetenzwahrnehmungsinteresse als berechtigt anzuerkennen. Durch die Verteilung der Sachgesetzgebungszuständigkeiten auf Bund und Länder werden Bereiche abgegrenzt, in denen den jeweiligen Körperschaften Gestaltungsmacht eingeräumt ist. Die Kompetenzbestimmungen verleihen die Befugnis, gesellschaftliche Zustände und Verhaltensweisen in dem einschlägigen Sachbereich rechtlich zu ordnen. Die Innehabung einer Kompetenz kann in diesem Sinne als Legitimation zur Gemeinwohlkonkretisierung514 bzw. als anvertraute Macht zur Erfüllung öffentlicher Interessen verstanden werden.515 Dem Gesetz514 515
Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 72, 202. Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 679.
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geber wird das Recht zugewiesen, seine politischen Gestaltungsziele mit Hilfe von Gesetzen in die Realität umzusetzen.516 Vor diesem Hintergrund liegt ein berechtigtes Kompetenzwahrnehmungsinteresse nur bei solchen Gesetzen vor, die eine entsprechende Gestaltungsfunktion verfolgen. Die sog. symbolische Gesetzgebung scheidet dabei grundsätzlich nicht aus. Abgesehen davon, dass es rein symbolische Gesetze wohl nur in den seltensten Fällen wirklich gibt,517 wird man diese Gesetze, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Gesetzgeber die offiziell angegebenen Ziele nicht erreichen kann oder nicht erreichen will,518 jedenfalls dann als Ausdruck eines berechtigten Kompetenzwahrnehmungsinteresses anzusehen haben, wenn der Gesetzgeber mit ihnen „Flagge zeigen“ möchte. Dagegen ist ausnahmsweise kein anerkennenswertes Interesse auf Seiten der kompetenzausübenden Partei gegeben, sofern das Gesetz nicht eine konzeptionell orientierte Gestaltung eines Sachbereichs darstellt, sondern nur in der Absicht ergeht, dem anderen Glied des Bundesstaates Schaden zuzufügen (Schädigungsabsicht). Dies ist insbesondere der Fall, wenn es – etwa aus wahlkampftaktischen Motiven – nur darum geht, die Verwirklichung fremder Gesetzeszwecke zu verhindern, ohne dass wirklich eigene Gestaltungsinteressen bestehen. Das Gesetz fungiert hier nicht als Instrument der Sozialgestaltung mit dem bestimmte Steuerungsziele in der Sache erreicht werden sollen. b) Das berechtigte Abwehrinteresse aa) Das Effektivitätsinteresse Das abstrakte Abwehrinteresse, dass das Gesetz nicht bzw. nicht mit diesem Inhalt erlassen wird, ist nur dann anzuerkennen, wenn dahinter ein berechtigtes Interesse steht. Damit scheiden zunächst die Fälle aus, in denen die Kompetenzausübung nur deshalb abgewehrt wird, weil das fremde Gesetz nicht den eigenen Vorstellungen entspricht, etwa weil die politischen Ziele nicht geteilt werden oder weil das Gesetz als untauglich zur Erreichung dieser Ziele angesehen wird. Da der kompetenzwahrnehmenden Partei die einschlägige Gesetzgebungsbefugnis zugewiesen ist und sie in dem entsprechenden Bereich demnach über ein umfassendes Gestaltungsrecht verfügt, entscheidet sie selbständig über die jeweiligen Politikziele und über die Frage, wie diese im Rahmen von Gesetzen zu realisieren sind. Die abwehrende Partei verfügt über keine Möglichkeit, hierauf Einfluss zu nehmen. Mit der Bejahung der Gesetzgebungskompetenz ist abschließend über die Entscheidungsmacht hinsichtlich dieser Fragen entschieden, so dass sie im Rah516 Zum Gesetz als Steuerungsinstrument siehe Schuppert, Das Gesetz als zentrales Steuerungsinstrument des Rechtsstaates, S. 105 (105 – 115). 517 Bryde, Die Effektivität von Recht als Rechtsproblem, S. 17. 518 Zum Begriff des symbolischen Rechts und seinen unterschiedlichen Akzentuierungen siehe Bryde, Die Effektivität von Recht als Rechtsproblem, S. 12; Blankenburg, Gesetzgebungslehre, S. 109 (118 f.); Rottleuthner, Wirkungsforschung zum Recht I, S. 43 (44).
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men der Bundestreue keine Rolle mehr spielen können. Ein solches Interesse ist deshalb von vornherein nicht schützenswert. Gleiches gilt für das Interesse, faktische Überwirkungen in eigene, der kompetenzausübenden Partei entzogene, Kompetenzbereiche generell zu verhindern. Gegen die Anerkennung eines solchen Belangs, spricht die Funktion der Kompetenzvorschriften, an der die Bestimmung des berechtigten Interesses ansetzen muss. Wie bereits dargelegt, hat die Zuweisung von Gesetzgebungskompetenzen nicht nur formalen Charakter, sondern ist als Verleihung der Befugnis zur rechtlichen Gestaltung eines Sachbereichs anzusehen. Die Kompetenzvorschriften sind also nicht um ihrer selbst willen zu schützen, schützenswert ist vielmehr die dem Kompetenzinhaber eingeräumte Gestaltungsmacht, also die Möglichkeit die gesellschaftlichen Zustände in dem einschlägigen Bereich den eigenen Vorstellungen entsprechend zu ordnen. Das berechtigte Interesse der abwehrenden Partei muss also darauf gerichtet sein, ihre politischen Zwecke auf dem betreffenden Sachgebiet ohne fremde Störungen durchzusetzen. Dies setzt aber ein Gesetz voraus, in dem die jeweiligen Gestaltungsziele normiert sind.519 Existiert für den betreffenden Bereich kein Gesetz, fehlt es an entsprechenden Gestaltungsvorstellungen, deren Verwirklichung beeinträchtigt sein könnte. Demnach ist es richtig, wenn gesagt wird, dass Kompetenzen erst im Vollzug zur Wirkung kommen.520 Ein allgemeines Interesse, eigene Kompetenzbereiche von Auswirkungen fremder Gesetze freizuhalten, kann mangels hinreichend konkretisierter Zielvorstellungen somit nicht als berechtigtes Interesse qualifiziert werden. Diese Erwägungen leiten über zu dem berechtigten Abwehrinteresse. Sind die Gesetzgebungszuständigkeiten als Befugnisse zur Sozialgestaltung zu verstehen, kann das anerkennenswerte Interesse nur das Interesse an der ungehinderten Wahrnehmung der gewährleisteten Gestaltungsmöglichkeit sein. Die abwehrende Partei ist berechtigterweise daran interessiert, dass sie die ihr zugewiesenen Sachbereiche nach ihren Vorstellungen regeln und ihre politischen Gestaltungsziele mittels Gesetzen in die gesellschaftliche Realität umsetzen kann, ohne dabei von Gesetzen der anderen Partei gestört zu werden. Fremde Gesetze sollen die eigenen Gesetze nicht insofern beeinträchtigen, als sie die Verwirklichung der mit dem eigenen Gesetz verfolgten Zwecke vereiteln.521 Dabei wird man nicht verlangen müssen, dass das Gesetz der abwehrenden Partei bereits in Kraft getreten ist, ausreichend – in Hinblick auf die Tatsache, dass Gesetze im Gesetzgebungsverfahren noch Änderungen unterliegen und die Zwecke des Gesetzes deshalb noch nicht abschließend bestimmt werden können aber auch notwendig – ist vielmehr, dass das Gesetz beschlossen wurde. Siehe auch Lück, Gemeinschaftstreue, S. 123. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 74. 521 Gesetzgeberische Ziele bzw. Zwecke werden hier i. S. von intendierten Wirkungen verstanden. Dies hat den Vorteil, dass die Zwecke konkreter beschrieben werden können und nicht ganz abstrakte Zwecke, deren Eintritt gar nicht überprüft werden kann, zugrunde gelegt werden. 519 520
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Als berechtigtes Abwehrinteresse kann somit allein das Interesse anerkannt werden, dass das Gesetz der kompetenzausübenden Partei nicht die Verwirklichung der mit dem eigenen Gesetz verfolgten Zwecke verhindert.522 Da die Frage, inwieweit ein Gesetz seine Ziele tatsächlich erreicht, gemeinhin unter dem Begriff der Effektivität bzw. der Wirksamkeit des Gesetzes behandelt wird,523 soll hier deshalb von Effektivitäts- bzw. Wirksamkeitsinteresse gesprochen werden. Das Abstellen auf das Effektivitäts- bzw. Wirksamkeitsinteresse – als das einzige in Betracht kommende berechtigte Abwehrinteresse – ist jedoch nicht unproblematisch, da die Frage, ob ein fremdes Gesetz die Wirksamkeit eines anderen Gesetzes beeinträchtigt, mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Auf dieses Problem soll im nachfolgenden Abschnitt näher eingegangen werden.
bb) Schwierigkeiten bei der Feststellung eines berechtigten Abwehrinteresses Die Wirksamkeit bzw. Effektivität eines Gesetzes bezeichnet dessen Eignung zur Verwirklichung der gesetzgeberischen Ziele. Ein Gesetz ist demnach in seiner Wirksamkeit beeinträchtigt, wenn die verfolgten Zwecke nicht bzw. nur in geringerem Maße eintreten. Es ist folglich zu untersuchen, ob der Erlass des fremden Gesetzes dazu führt, dass das vermeintlich beeinträchtigte Gesetz seine beabsichtigten Wirkungen nicht bzw. schlechter erreicht. Dies führt zwangsläufig zu der am Beginn jeder Wirksamkeitsanalyse stehenden Frage, welches denn eigentlich die intendierten Wirkungen des vermeintlich beeinflussten Gesetzes sind. Da das Gesetz als Mittel zur Erreichung eines bestimmten Endzwecks zu verstehen ist, sind mehrere – kausal verknüpfte – intendierte Wirkungen zu unterscheiden.524 So soll beispielsweise die straßenverkehrsrechtliche Anschnallpflicht zunächst bewirken, dass sich die Kraftfahrzeuginsassen anschnallen. Dieses gesollte Verhalten ist aber nicht Selbstzweck, sondern soll darüber hinaus zu einer Verminderung von Personenschäden bei Unfällen führen.525 Die beabsichtigten Wirkungen eines Gesetzes lassen sich jedoch nicht immer so einfach bestimmen wie in diesem Beispiel. Die Zielvorstellungen des Gesetzgebers können auch mehr oder weniger unklar sein, insbesondere angesichts der Tatsache, dass sich die verschiedenen Zwecke 522 Auch Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 367 f. und Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 210 ff. stellen auf die Beeinträchtigung der Zielsetzungen anderer Gesetze ab. Auch im Gemeinschaftsrecht wird im Rahmen der indirekten Kollisionen nach der Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit bzw. der Wirksamkeit der EG-Vorschrift gefragt. Siehe hierzu näher unten 2. Teil, B. III. 523 Deckert, ZG 1995, S. 240 (243); Rottleuthner, Wirkungsforschung zum Recht I, S. 43 (46); Böhret / Hugger, Test und Prüfung von Gesetzentwürfen, S. 24. 524 Hierzu Krawietz, Das positive Recht und seine Funktion, S. 75 f.; Rottleuthner, Wirkungsforschung zum Recht I, S. 43 (45); Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 226 f. 525 Das Beispiel geht zurück auf Rottleuthner, Wirkungsforschung zum Recht I, S. 43 (45).
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aufgrund der unterschiedlichen Vorstellungen der Parteien im Gesetzgebungsprozess und der teilweise erforderlichen Kompromisse auch untereinander widersprechen können. Gerade bei komplexen Normprogrammen können deshalb schon auf dieser Prüfungsstufe erhebliche Schwierigkeiten auftreten.526 In einem nächsten Schritt ist zu erörtern, ob die festgestellten bezweckten Wirkungen durch das fremde Gesetz negativ beeinflusst werden. Der zur Feststellung einer Wirksamkeitsbeeinträchtigung erforderliche Nachweis, dass das fremde Gesetz den Eintritt der intendierten Wirkungen des vermeintlich beeinflussten Gesetzes zumindest teilweise vereitelt bzw. vereiteln wird, lässt sich aber nur schwer führen. Die Bestimmung der Wirkungen des fremden Gesetzes auf das Gesetz der abwehrenden Partei wird oftmals mit einem erheblichen Unsicherheitsmoment belastet. Aufgrund der Tatsache, dass moderne Gesellschaften durch komplexe Interaktionen und Interdependenzen geprägt sind,527 können Gesetze vielfältige Wirkungen in ganz unterschiedlichen Bereichen – im Regelungsbereich und in Nebenbereichen – haben.528 Die Wirkungen können dabei sowohl bei den jeweiligen Normadressaten, als auch in der Gesamtgesellschaft auftreten.529 Zudem kann zwischen längerfristigen Gesetzesfolgen, die erst nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne eintreten, und kurzfristigen Gesetzeswirkungen, die relativ rasch nach dem Erlass des Gesetzes eintreten, unterschieden werden.530 Beispielsweise kann eine Sonderabgabe auf nicht bereitgestellte Ausbildungsplätze nicht nur kurzfristig dazu führen, dass Unternehmen dem Abgabentatbestand durch die Ausbildung von Jugendlichen entgehen oder die Zahlungspflicht erfüllen, vielmehr kann eine solche Abgabe längerfristig u. U. bewirken, dass Arbeitsplätze abgebaut und Betriebe geschlossen werden. Daraus können gesamtgesellschaftliche Folgen, wie etwa konjunkturelle Krisen, resultieren. Jede Gesetzesfolgenanalyse steht vor dem Problem, dass Aussagen vor dem Hintergrund der heutigen komplexen Gesellschaftsstruktur und ihren vielfältigen Vernetzungen getroffen werden müssen. Beurteilungen von Gesetzeswirkungen können deshalb nicht einfach nach einem linearen Ursache-Wirkungs-Prinzip vor526 Zu den im Rahmen der Zweckanalyse auftretenden Schwierigkeiten Ossenbühl, FG BVerfG, Band I, S. 458 (514); Blankenburg, Gesetzgebungslehre, S. 109 (110); König, Gesetzgebungslehre, S. 96 (100 f.); Deckert, ZG 1995, S. 240 (244 f.); Hill, Einführung in die Gesetzgebungslehre, S. 69 ff.; Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 232 f.; Brandt, Wirkungsforschung zum Recht I, S. 23 (29). 527 Siehe hierzu Voigt, Politische Steuerung aus interdisziplinärer Perspektive, S. 31 f. 528 Zur Unterscheidung zwischen Wirkungen im Regelungsbereich und Wirkungen in Nebenbereichen Deckert, Folgenorientierung in der Rechtsanwendung, S. 118 f. 529 Die Gesetzeswirkungen lassen sich in Wirkungen bei den Normadressaten (sog. impact oder Mikrofolgen) und in Wirkungen in der Gesamtgesellschaft (sog. outcome oder Makrofolgen) einteilen. Zur Terminologie siehe Böhret, Grundfragen der Gesetzgebungslehre, S. 131 (132) und Deckert, Folgenorientierung in der Rechtsanwendung, S. 119. 530 Deckert, Folgenorientierung in der Rechtsanwendung, S. 119.
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genommen werden.531 Das Recht ist vielmehr als ein Element unter vielen anderen zu begreifen. Gesetze sind für den Bürger nicht die einzige Verhaltensdeterminante, vielmehr spielen auch gesellschaftliche, ökonomische und politische Rahmenbedingungen eine Rolle.532 Aufgrund der Schwierigkeit, die vielfältigen, sich zudem ständig ändernden533 Kausalfaktoren zu überblicken und ihr hochkomplexes Zusammenspiel richtig zu bewerten, sind Gesetzesfolgen nur sehr schwer feststellbar. Probleme treten insbesondere auf, wenn man im Zeitpunkt der Streitentscheidung nicht auf tatsächlich beobachtete Wirkungen zurückgreifen kann, sondern auf Prognosen angewiesen ist.534 Stabile Prognosen hinsichtlich längerfristiger Gesetzesfolgen sind aufgrund der Schwierigkeit im Moment der Prognose, alle relevanten Kausalfaktoren einschließlich ihrer zukünftigen Entwicklung zu überblicken und entsprechend ihres Gewichts richtig zu bewerten, nur eingeschränkt möglich.535 Aber selbst dann, wenn sich im Entscheidungszeitpunkt bestimmte Verhaltensweisen oder Zustände in der Realität beobachten lassen, hat man das Problem, diese als Folgen des Gesetzes zu qualifizieren.536 Wird ein Verhalten beispielsweise erst längere Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes sichtbar, wird sich ein entsprechender Kausalzusammenhang oftmals nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit herstellen lassen.537 Diese Probleme können auch bei kurzfristigeren Wirkungen auftreten. Auch hier lässt sich nicht stets entscheiden, ob zwischen den in der Realität beobachteten Verhaltensweisen und dem Gesetz eine kausale Verknüpfung besteht oder nicht. Ein entsprechender Kausalzusammenhang ist insbesondere fraglich, wenn es um komplexe Gesetzesprogramme und um Verhaltensweisen geht, die nicht im Regelungsbereich, sondern in Nebenbereichen festgestellt werden. Stellt man also fest, dass das Gesetz der abwehrenden Partei die angestrebten Wirkungen nicht bzw. nicht im vorgesehenen Maße erreicht, lässt sich dies nicht ohne weiteres auf das fremde Gesetz zurückführen, vielmehr können ProgrammGiese / Runde, Zeitschrift für Rechtssoziologie 20 (1999), S. 14 (15). Siehe Bussmann, ZG 1998, S. 127 (137); Lübbe-Wolff, Wirkungsforschung zum Recht I, S. 645 (649 f.); Köck, VerwArch 93 (2002); S. 1 (10); Schmidt-Eichstaedt, DVBl. 1998, S. 322 (323). 533 Böhret / Hugger, Test und Prüfung von Gesetzentwürfen, S. 23 f. 534 Zu den unterschiedlichen Perspektiven der Gesetzesfolgenabschätzung (prospektive oder retrospektive Gesetzesfolgenabschätzung) ausführlich Böhret, Grundfragen der Gesetzgebungslehre, S. 131 (134 ff.). 535 Ebenso Schmidt-Eichstaedt, DVBl. 1998, S. 322 (323). 536 Zur retrospektiven Gesetzesfolgenabschätzung und zur Methode der Evaluation siehe Strempel, ZG 1998, S. 116 (121 f.); Böhret, Grundfragen der Gesetzgebungslehre, S. 131 (146 ff.). 537 Auch Köck, VerwArch 93 (2002), S. 1 (10) beurteilt die Gesetzesfolgenabschätzung bei langfristigen Wirkungen sehr skeptisch. Siehe hierzu auch König, Gesetzgebungslehre, S. 96 (101 f.). 531 532
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fehler des Gesetzes, Vollzugsfehler und Vollzugsdefizite auf Seite der ausführenden Verwaltung sowie die Resistenz der Adressaten für das Nichterreichen der gesetzgeberischen Ziele verantwortlich sein.538 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Beurteilung der Gesetzesfolgen und die Frage, ob eine Beeinträchtigung eines fremden Gesetzes vorliegt oder nicht, sehr anspruchsvoll und mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein kann. Aufgrund dieser Schwierigkeiten bestehen Bedenken, die Verletzung des berechtigten Abwehrinteresses im Rahmen der Bundestreue u. U. als Nichtigkeitsgrund anzusehen. Es werden schon an dieser Stelle die Probleme deutlich, die auftreten, wenn man eine derart einschneidende Rechtsfolge von der Verletzung des berechtigten Abwehrinteresses abhängig macht. Zwischen den Beteiligten wird es oftmals zu einem Streit um die richtige Wirkungsanalyse kommen. Da ein solcher Konflikt zumeist eine politische Auseinandersetzung darstellen wird, kann auch das Bundesverfassungsgericht keine eigene Bewertung vornehmen, ohne seine funktionell-rechtlichen Grenzen zu überschreiten.539 Vor diesem Hintergrund könnte man die Meinung vertreten, dass man das Abwehrinteresse im Rahmen der Bundestreue besser ausklammert und lediglich nach dem Vorliegen eines berechtigten Kompetenzwahrnehmungsinteresse fragt. Wenn im weiteren Verlauf der Untersuchung dennoch die Folgen der Verletzung des berechtigten Abwehrinteresses normativ erötert werden, dann deshalb, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass es auch Wirksamkeitsbeeinträchtigungen gibt, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ermittelt werden können. Dass dafür regelmäßig ein erheblicher Aufwand notwendig sein wird, wird dabei nicht verkannt.540
c) Konsequenzen aus dem Fehlen eines berechtigten Interesses Bevor der problematische Fall, dass auf beiden Seiten berechtigte Interessen stehen, behandelt wird, soll zunächst kurz auf die Konsequenzen bei Fehlen eines berechtigten Interessen hingewiesen werden.
538 Mayntz, Steuerung, Steuerungsakteure und Steuerungsinstrumente, S. 10 ff.; Röhl, Wirkungsforschung zum Recht I, S. 413 (420 ff.); Schmidt-Eichstaedt, DVBl. 1998, S. 322 (323 ff.); Schuppert, Das Gesetz als zentrales Steuerungsinstrument des Rechtsstaates, S. 105 (114 ff.). 539 Zu den funktionell-rechtlichen Grenzen des Bundesverfassungsgerichts siehe Rinken, in: Denninger / Hoffmann-Riem / Schneider / Stein, AK-GG, vor Art. 93 GG, Rz. 98 ff.; Hesse, FS Huber, S. 261 (267 ff.); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rz. 568 f. 540 Dazu, dass die Ermittlung der Gesetzesfolgen eines erheblichen Aufwandes bedürfen, Schmidt-Eichstaedt, DVBl. 1998, S. 322 (323).
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aa) Das Fehlen eines berechtigten Kompetenzwahrnehmungsinteresses Verfolgt die kompetenzausübende Partei mit dem Erlass des betreffenden Gesetzes kein berechtigtes Interesse, übt sie ihr Gesetzgebungsrecht nicht in Einklang mit der Funktion der grundgesetzlichen Kompetenzordnung aus. Sie nimmt ihre Gesetzgebungsbefugnis zu kompetenzfremden Zwecken wahr und missbraucht damit das ihr zugewiesene Recht. Gelingt der Nachweis, dass die kompetenzausübende Partei ihre Gesetzgebungskompetenz nicht in der von der Kompetenzordnung vorgesehenen Weise nutzt und keine Gestaltungsinteressen verfolgt, ist eine missbräuchliche Kompetenzwahrnehmung gegeben, die als Verstoß gegen die Bundestreue zu qualifizieren ist. Entgegen der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts541 kommt es im Rahmen der Bundestreue also sehr wohl auf die konkrete Absicht des Gesetzgebers an.
bb) Das Fehlen eines berechtigten Abwehrinteresses Liegt auf Seiten der kompetenzausübenden Partei ein berechtigtes Wahrnehmungsinteresse vor, während auf Seiten der gegnerischen Partei ein berechtigtes Abwehrinteresse fehlt, kommt eine Verletzung der Bundestreue nicht in Betracht. Macht die abwehrende Partei keine Wirksamkeitsbeeinträchtigungen eines ihrer Gesetze geltend oder lässt sich eine solche nicht feststellen, greift die Bundestreue von vornherein nicht ein. Die kompetenzausübende Partei braucht keine Rücksicht auf nicht berechtigte Belange der Gegenseite zu nehmen. Das Abwehrinteresse kann sich gegen das Wahrnehmungsinteresse überhaupt nur durchsetzen, wenn es berechtigt und damit schutzwürdig ist.
3. Auflösung des Konflikts zwischen dem berechtigten Wahrnehmungsund dem berechtigten Abwehrinteresse Nachdem die berechtigten Interessen beider Parteien herausgearbeitet und die Konsequenzen aus dem Fehlen eines berechtigten Interesses erörtert wurden, stellt sich die Frage, wie ein Konflikt zwischen berechtigten Belangen aufzulösen ist.
a) Grundsätzlicher Vorrang des Kompetenzwahrnehmungsinteresses vor dem Abwehrinteresse Im Rahmen von Gesetzgebungskompetenzkonflikten streiten die Beteiligten um die Frage, ob die kompetenzausübende Partei berechtigt ist, das konkrete Gesetz zu erlassen, bzw. aus der Perspektive der Gegenseite, ob eine Verpflichtung be541 BVerfGE 8, 122 (140). Siehe auch Bauer, Die Bundestreue, S. 337; Unruh / Strohmeyer, BayVBl. 1999, S. 609 (614).
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steht, den Erlass des Gesetzes zu dulden. Wie bereits erörtert, lassen sich dabei zwei Ebenen, die Kompetenzqualifikationsebene und die Kompetenzausübungsebene, unterscheiden. Der Schwerpunkt der Beurteilung liegt jedoch eindeutig auf der Ebene der Kompetenzqualifikation. Ist der betreffenden Partei hier die Gesetzgebungskompetenz zugewiesen, ist der Konflikt grundsätzlich zu ihren Gunsten entschieden. Das auf der Qualifikationsebene gefundene Ergebnis kann nicht einfach mittels der Bundestreue korrigiert werden. Bei der Bundestreue handelt es sich um einen ungeschriebenen Verfassungsrechtssatz.542 Ungeschriebenes Verfassungsecht kann jedoch nicht herangezogen werden, um Aussagen des geschriebenen Rechts einfach zu überspielen. Im Verhältnis zwischen geschriebenem und ungeschriebenem Recht besteht ohne Zweifel ein Vorrang des ersteren.543 Die Fälle der Korrektur geschriebenen Rechts durch ungeschriebenes Recht sind eng zu begrenzen, will man die Verfassung nicht ihrer Normativität berauben. Es bedarf deshalb stets besonderer Gründe, die es erlauben, von einer Aussage des geschriebenen Rechts abzuweichen.544 Maßgeblich ist somit grundsätzlich die Entscheidung, die auf der Qualifikationsebene anhand der geschriebenen Kompetenzordnung gefunden wurde. Die Bundestreue ist nicht in der Lage, auf der Kompetenzausübungsebene eine neue Entscheidungsebene zu eröffnen und den Kompetenzkonflikt erneut komplett aufzurollen. Es sind vielmehr nur Randkorrekturen möglich. Das auf der Qualifikationsebene gefundene Ergebnis kann nur geändert werden, wenn ausnahmsweise besondere Gründe vorliegen.545 Die von der Bundestreue vorausgesetzten besonderen Gründe, die die auf der Qualifikationsebene gefundene Konfliktentscheidung noch ändern können, liegen 542 Zur Ungeschriebenheit der Bundestreue siehe BVerfGE 4, 115 (115, 140); BVerfGE 12, 205 (254); Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S. 203; Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 208; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rz. 268. Siehe auch Bauer, Die Bundestreue, S. 243 ff. und Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 GG, Rz. 68, die die Bundestreue aus dem ungeschriebenen Grundsatz von Treu und Glauben ableitet. 543 Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S. 359 ff; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rz. 34 f.; Müller, Die Einheit der Verfassung, S. 43 f.; Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 85; Gusy, JöR 33 (1984), S. 105 (125); Badura, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VII, § 160, Rz. 9. 544 Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S. 364. 545 Zur gebotenen Zurückhaltung bei der Anwendung der Bundestreue BVerfGE 34, 9 (44); BVerfGE 34, 216 (232); BVerfGE 76, 1 (77); Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70, Rz. 55; Meßerschmidt, Die Verwaltung 23 (1990), S. 425 (449); Bauer, Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und das Kartellrecht, S. 91; Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 406; Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 485; Ossenbühl, DVBl. 1989, S. 1230 (1232); Stettner, in: Dreier, GG, Art. 70, Rz. 35; Šarc´evic´, Das Bundesstaatsprinzip, S. 95; Faller, FS Maunz, S. 53 (66); Bauer, Die Bundestreue, S. 357. Sehr weitgehend dagegen Bleckmann, JZ 1991, S. 900 (903), der die Länder über den Grundsatz der Bundestreue an die durch die Politik des Bundes konkretisierten Allgemeininteressen bindet. Siehe auch Bleckmann, DÖV 1986, S. 125 (131). Auch Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 70 wendet sich dagegen, dass die Bundestreue nur äußerste Grenzen vorgeben soll.
D. Die Bundestreue bei Kompetenzkonflikten zwischen Sachgesetzgebern
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jedenfalls nicht schon dann vor, wenn ein Gesetz der kompetenzausübenden Partei ein Gesetz der Gegenseite beeinträchtigt. Ungeachtet der Tatsache, dass Wirksamkeitsbeeinträchtigungen auch in tatsächlicher Hinsicht nichts Außergwöhnliches sind, da Gesetze aufgrund der vernetzten Gesellschaftsstruktur vielfältige Auswirkungen haben und vielfältige Beeinträchtigungen verursachen können,546 ist eine einfache Beeinträchtigung auch vor der Folie der Kompetenzordnung keine Besonderheit. Vielmehr hat die grundgesetzliche Kompetenzordnung bereits über die Zulässigkeit einer negativen Beeinflussung fremder Gesetze entschieden, weshalb kein Raum für eine Korrektur mittels der Bundestreue bleibt. So ist die Übertragung einer Gesetzgebungskompetenz als Zuweisung einer umfassenden Gestaltungsmacht für einen bestimmten Bereich zu verstehen. Kompetenzen werden deshalb zu Recht als Machtpositionen bezeichnet.547 Sie verleihen einen eigenen Gestaltungsspielraum und ermächtigen somit auch zur Verfolgung gegenläufiger politischer Ziele.548 Die Wahrnehmung dieses Gegensteuerungsrechts führt aber zwangsläufig zu Beeinträchtigungen anderer Gesetze, so dass Gesetzgebungsbefugnisse dementsprechend auch das Recht zu Wirksamkeitsbeeinträchtigungen umfassen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Übertragung einer umfassenden Gestaltungsbefugnis zugleich die Gewährleistung einer eigenverantwortlichen, von fremden Vorgaben grundsätzlich unabhängigen Kompetenzausübung bedeutet.549 Dürfte der Gesetzgeber kein fremdes Gesetz negativ beeinflussen, wäre er aber in hohem Maße von den gesetzlichen Vorgaben der Gegenseite abhängig und dürfte nur insoweit tätig werden, als diese ihm einen entsprechenden Spielraum beließen. Von einer autonomen Gestaltungsbefugnis könnte dann keine Rede mehr sein. Insbesondere die den Ländern verbliebene politische Gestaltungsfreiheit würde dadurch weiter verkürzt und es würde einer fortschreitenden Unitarisierung Vorschub geleistet. Zudem wäre eine solche Abhängigkeit nicht mit dem Demokratieprinzip in Einklang zu bringen. Das Demokratieprinzip steht in engem Zusammenhang mit der grundgesetzlichen Kompetenzordnung und kann bei der Suche nach dem richtigen Kompetenzverständnis deshalb nicht außer Acht gelassen werden. Die bundesstaatliche Kompetenzverteilung vervollständigt und verstärkt die demokratische Ordnung des Grundgesetzes, indem sie die Möglichkeit zu eigenverantwortlicher und sachnaher demokratischer Entscheidung und Gestaltung schafft.550 Die selbständige demokratische Legitimation der jeweiligen Gesetzgebungsorgane wäre vollkommen sinnlos, wenn sie keine Entscheidungen in eigener Verantwortung treffen könnten. Das Demokratieprinzip setzt voraus, dass der demokratisch legitimierte Gesetzgeber, dem die politische Herrschaft von der Mehrheit des Volkes anvertraut worden ist, auch die Verantwortung für sein 546 Siehe auch Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 369 (Fn. 1077), die einander beeinträchtigende Gesetze als eine geradezu zwangsläufige Erscheinung bezeichnet. 547 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 209. 548 Siehe oben 1. Teil, C. II. 2. 549 Siehe oben 1. Teil, C. II. 2. 550 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rz. 224.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
Handeln gegenüber dem Volk trägt.551 Verantwortung kann aber nicht tragen, wer in seiner Entscheidung inhaltlich an die Willensentscheidung eines anderen gebunden ist.552 Die Gesetzgebungsbefugnisse müssen deshalb grundsätzlich unbeeinflusst von fremden Kompetenzträgern ausgeübt werden können, sofern nicht das Grundgesetz selbst kooperative Entscheidungen, wie etwa die Mitwirkung des Bundesrates oder die Vorgabe eines Rahmens im Falle der Rahmengesetzgebungskompetenz, anordnet. Wenn aber das Grundgesetz solche Wirksamkeitsbeeinträchtigungen ermöglicht und der jeweilige Kompetenzträger diese Möglichkeit wahrnimmt, sind diese Beeinträchtigungen von der Verfassung mitbedacht. Dass die Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht eine ungehinderte Wirksamkeit der Gesetze voraussetzt und Beeinträchtigungen keinen Fremdkörper darstellen, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass die grundgesetzliche Kompetenzverteilung selbst zu Effektivitätseinbußen beiträgt. So können die Befugnis zur Regelung materieller Fragen und die Kompetenz zur Regelung der Behördenorganisation und des Verwaltungsverfahrens nach Art. 70 ff., Art. 83, 84 GG553 auseinanderfallen, wodurch – angesichts der Tatsache, dass zwischem sachlich-inhaltlichem Recht und Verfahrensrecht ein enger Zusammenhang besteht554 – Beeinträchtigungen gewissermaßen heraufbeschworen werden.555 Auch die vom Grundgesetz gewählte Technik der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen bewirkt eine erhöhte Störungsanfälligkeit. Die unterschiedlich strukturierten Kompetenzthemen führen nämlich dazu, dass Gesetze trotz anderer Regelungsgegenstände an den gleichen Lebenssachverhalt anknüpfen können. Kann aber der gleiche Sachverhalt aus unterschiedlichen Blickwinkeln und dementsprechend mit unterschiedlichen Präferenzen geregelt werden, sind Wirksamkeitshemmungen – selbst zwischen Bundesgesetzen – vorprogrammiert.556 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rz. 134. Siehe auch BayVGHE 4, 30 (47). 553 Die Kompetenz zur Regelung der Behördenorganisation und des Verwaltungsverfahrens richtet sich grundsätzlich nach Art. 70 ff. GG. Die Länder haben aber nach Art. 83 GG auch im Bereich der ausschließlichen Kompetenz des Bundes das Recht, entsprechende Gesetze zu erlassen, wenn der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Nach Art. 84 Abs. 1 GG ist die Regelung organisations- und verfahrensrechtlicher Fragen durch den Bund zustimmungspflichtig. Siehe hierzu und auch zu abweichenden Auffassungen ausführlich Hermes, in: Dreier, GG, Art. 83, Rz. 24, Art. 84, Rz. 22. 554 Hierzu Hermes, in: Dreier, GG, Art. 83, Rz. 23. 555 Der Konflikt zwischen dem Sachgesetzgeber und dem Verfahrensgesetzgeber wird vorliegend nicht behandelt, da zum einen die Trennung zwischen formellem und materiellem Gesetzgeber erhebliche Probleme aufwirft und zum anderen im Verhältnis zwischen Verfahrensgesetzgeber und Sachgesetzgeber möglicherweise Besonderheiten bestehen. Angesichts dessen würde die Behandlung dieses Konflikts den der Untersuchung gesteckten Rahmen überschreiten. 556 Siehe hierzu Wiederin, Bundesrecht und Landesrecht, S. 341. 551 552
D. Die Bundestreue bei Kompetenzkonflikten zwischen Sachgesetzgebern
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Dass Wirksamkeitsbeeinträchtigungen von der grundgesetzlichen Kompetenzordnung mitbedacht wurden, wird schließlich durch die Entstehungsgeschichte bestätigt. Dem Grundgesetzgesetzgeber war die Möglichkeit von Beeinträchtigungen durch fremde Gesetze sehr wohl bewusst. Dies zeigt sich an der ursprünglichen Vorschrift des Art. 72 GG, die im Rahmen der konkurrienden Gesetzgebung ein Bedürfnis für eine bundesgesetzliche Regelung annahm, wenn die Regelung einer Angelegenheit durch ein Landesgesetz die Interessen anderer Länder oder die Gesamtheit beeintächtigen könnte.557 Es ist folglich davon auszugehen, dass die Kompetenzordung u. a. in Hinblick auf diese Gefahr gestaltet wurde. Sind Wirksamkeitsbeeinträchtigungen vor der Folie der grundgesetzlichen Kompetenzordnung demnach zulässig, können diese im Rahmen der Bundestreue nicht erneut zum Gegenstand der Betrachtung gemacht und evtl. als verfassungswidrig qualifiziert werden. Verstoßen einfache Wirksamkeitsbeeinträchtigungen demnach nicht gegen den Grundsatz der Bundestreue, besteht in dem dargestellten Interessenwiderstreit ein grundsätzlicher Vorrang des Wahrnehmungsinteresses der kompetenzausübenden Partei vor dem Abwehrinteresse der Gegenseite. Die kompetenzausübende Partei darf das betreffende Gesetz grundsätzlich auch dann erlassen, wenn es eine Beeinträchtigung der berechtigten Interessen der kompetenzabwehrenden Partei verursacht. Im Folgenden soll nun erörtert werden, ob es bestimmte Situationen gibt, in denen sich das Verhältnis zwischen Wahrnehmungs- und Abwehrinteresse umkehrt und die Bundestreue letzterem ausnahmsweise zum Erfolg verhilft.
b) Vorrang des Abwehrinteresses vor dem Wahrnehmungsinteresse aufgrund der besonderen Qualität der Beeinträchtigung? aa) Vorrang des Abwehrinteresses bei schweren Beeinträchtigungen? Das Abwehrinteresse könnte das Wahrnehmungsinteresse überwiegen, wenn das Gesetz der kompetenzausübenden Partei das Gesetz der abwehrenden Partei schwer beeinträchtigt. 558 Dem ist jedoch zunächst entgegenzuhalten, dass eine schwere Beeinträchtigung in diesem Sinne nicht feststellbar ist. Eine schwere Beeinträchtigung setzt voraus, dass die intendierten Wirkungen des Gesetzes der abwehrenden Partei in hohem Maße negativ beeinflusst werden. Siehe v. Doeming / Füsslein / Matz, JöR N.F. 1 (1951); S. 464 ff. Auf eine schwere Beeinträchtigung stellt BVerfGE 34, 216 (232) ab. Auch bei Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 51; Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (601); Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 211 f. und Bauer, Die Bundestreue, S. 357 spielt der Topos der schweren Beeinträchtigung die entscheidende Rolle. Siehe auch Bauer, Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und das Kartellrecht, S. 92 f., der eine Verletzung der Bundestreue bei einem Eingriff in den Kernbereich des anderen Kompetenzträgers annimmt. 557 558
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
Wann dies der Fall ist, lässt sich jedoch mangels eines objektiven Maßstabs nicht ohne weiteres bestimmen. Man könnte darauf abstellen, ob die intendierten Wirkungen überhaupt nicht eingetreten sind oder ob von mehreren intendierten Wirkungen einige (wieviele?) bzw. wichtige (welche?) ausgeblieben sind. Ebenso wäre es aber auch möglich, dass man nicht den kompletten Ausfall aller bzw. bestimmter intendierter Wirkungen als entscheidend ansieht, sondern danach fragt, ob alle bzw. bestimmte Wirkungen in erheblich geringerem Umfang als beabsichtigt eingetreten sind. Aber auch dieses Kriterium bliebe mangels eines geeigneten Beeinträchtigungsmaßstabs vage. Zudem sind die intendierten Wirkungen oftmals eher abstrakt gefasst,559 so dass man den beabsichtigten Umfang der Wirkungen gar nicht kennt und somit auch nicht entscheiden kann, inwieweit die intendierten Wirkungen beeinträchtigt sind. Endgültig scheitern muss das Merkmal der schweren Beeinträchtigung schließlich daran, dass die schwerwiegende Beeinträchtigung gerade durch das Gesetz der kompetenzausübenden Partei verursacht sein muss. Es reicht also nicht aus, dass eine erhebliche Wirksamkeitsbeeinträchtigung festgestellt wird, vielmehr muss diese von dem fremden Gesetz ausgehen. Dies bedeutet zwar nicht, dass das Gesetz der kompetenzausübenden Partei die alleinige Ursache der Beeinträchtigung sein muss, man wird aber verlangen müssen, dass es unter den sonstigen Bedingungen, die die Beeinträchtigung bewirken, bestimmenden Charakter hat. Erforderlich wäre demnach die Isolation des Gesetzes von den sonstigen Beeinträchtigungsgründen und die Messung seines konkreten Beeinträchtigungsanteils. Abgesehen davon, dass sich die Frage, ab wann dieser Anteil bestimmend ist, nur schwierig beantworten lässt, ist schon die isolierte Messung der durch das Gesetz verursachten Wirksamkeitsbeeinträchtigung regelmäßig nicht möglich. Es wurde gezeigt, dass bereits die Feststellung, ob das Gesetz überhaupt zu einer Beeinträchtigung beiträgt, angesichts der heutigen vernetzten Gesellschaft und der Multikausalität allen menschlichen Verhaltens sehr problematisch ist und nicht immer mit hinreichender Sicherheit vorgenommen werden kann.560 Noch weniger kann aber unter mehreren Faktoren einer konkret bemessen werden. Ein Verstoß gegen die Bundestreue bei Vorliegen einer schweren Beeinträchtigung ist demnach schon deshalb abzulehnen, weil die entsprechenden Voraussetzungen in der Regel nicht feststellbar sind. Unabhängig davon stellen schwere Beeinträchtigungen vor der grundgesetzlichen Kompetenzordnung auch keinen besonderen Fall dar, der eine Verletzung der Bundestreue begründen könnte. Bedeutet die Innehabung einer Kompetenz die umfassende Macht zur politischen Gestaltung des entsprechenden Bereichs einschließlich des Rechts zum Entgegensteuern und dem damit verbundenen Recht andere Gesetze zu beeinflussen, kann nicht zwischen verschiedenen Beeinträchtigungsgraden unterschieden werden. Die Verfolgung eigener politischer Gestaltungsziele, die anderen Politikvorstellungen 559 So wird beispielsweise im Fall einer gesetzlichen Anschnallpflicht ganz allgemein die Verminderung von Personenschäden intendiert sein. 560 Siehe oben 1. Teil, D. III. 2. b) bb).
D. Die Bundestreue bei Kompetenzkonflikten zwischen Sachgesetzgebern
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entgegentreten, wird oftmals nur möglich sein, wenn dadurch Gesetze der Gegenseite „schwer“ beeinträchtigt werden. Versteht man Gesetzgebungskompetenzen zu Recht als umfassende Gestaltungsbefugnisse, müssen demnach konsequenterweise auch schwere Beeinträchtigungen erlaubt sein. Anderenfalls würde das mit der Innehabung einer Gesetzgebungskompetenz verbundene Gegensteuerungsrecht entwertet. bb) Vorrang des Abwehrinteresses bei intendierten oder vorhersehbaren Beeinträchtigungen? Begreift man Gesetzgebungskompetenzen richtigerweise als umfassende Gestaltungsbefugnisse, ist zugleich über die Frage entschieden, ob ein Vorrang des Abwehrinteresses bei vorhersehbaren oder intendierten Beeinträchtigungen existiert. Darf der jeweilige Gesetzgeber seine Kompetenz auch nutzen, um den politischen Gestaltungsvorstellungen der anderen Partei entgegenzutreten, schließt dieses Recht gerade auch die Befugnis zu intendierten Beeinträchtigungen ein. Gleiches gilt entsprechend für vorhersehbare Beeinträchtigungen. Dieses von der geschriebenen Kompetenzordnung gewährte Recht kann durch den ungeschriebenen Grundsatz der Bundestreue nicht wieder aufgehoben werden.
cc) Vorrang des Abwehrinteresses bei unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen? Auch in den Fällen unverhältnismäßiger Beeinträchtigungen kann die Bundestreue nicht zur Korrektur des auf der Qualifikationsebene gefundenen Ergebnisses herangezogen werden.561 Gegen die Fruchtbarmachung des Verhältnismäßigkeitsgedankens im Rahmen der Bundestreue562 spricht zunächst, dass die drei Teilelemente563 erhebliche Feststellungsschwierigkeiten aufwerfen. Aus diesem Grund wird denn auch zu Recht vertreten, dass die grundgesetzliche Kompetenzordnung 561 In diese Richtung aber Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 51; ders., AöR 126 (2001), S. 588 (601), der danach fragt, ob ein Zurückstehen des Gesetzgebers zumutbar ist bzw. ob das Gesetz ausreichend gewichtige Ziele verfolgt. Auch nach Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 160 sind Tatbestände im Rahmen der Bundestreue nicht von vornherein dem Übermaßverbot entzogen. 562 Das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Verhältnismäßigkeitsgebot kann im BundLänder Verhältnis nicht zur Anwendung gelangen, da das Rechtsstaatsprinzip nicht als Kompetenzausübungsschranke herangezogen werden kann. Siehe dazu oben 1. Teil, C. II. 1. c). Auch wenn man das Verhältnismäßigkeitsprinzip aus den Grundrechten ableitet, kann es im Bund-Länder Verhältnis mangels Grundrechtsberechtigung der öffentlich-rechtlichen Körperschaften nicht angwendet werden. Zu den unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Ableitung des Verhältnismäßigkeitsprinzips siehe oben 1. Teil, C. II. 1. a). 563 Zu den drei Teilelementen des Verhältnismäßigkeitsprinzips Jarass, in Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 GG, Rz. 83 ff.; Sachs, in: ders., GG, Art. 20, Rz. 150 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat), Rz. 170 ff.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
nicht für Verhältnismäßigkeitserwägungen geöffnet werden kann.564 Schon die Frage, ob das Gesetz der kompetenzausübenden Partei überhaupt geeignet ist, die angestrebten Ziele zu erreichen bzw. ob die intendierten Wirkungen nicht mit geringeren Beeinträchtigungen des anderen Gesetzes hätten erreicht werden können, werden zumeist nicht ohne Zweifel zu beantworten sein.565 Besonders problematisch ist aber die unter dem Stichwort der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne abzuhandelnde Frage, ob die Beeinträchtigung der kompetenzabwehrenden Partei auch zuzumuten ist. Hier ist eine Abwägung vorzunehmen, in die sowohl die Schwere der Wirksamkeitsbeeinträchtigung, als auch das Gewicht der verschiedenen intendierten Wirkungen einzustellen ist.566 Da die Schwere der Beeinträchtigung jedoch regelmäßig nicht feststellbar ist und für die Gewichtung der intendierten Wirkungen keine verfassungsrechtlich verbindlichen Maßstäbe zu Verfügung stehen, da das Grundgesetz keine Rangunterschiede zwischen verschiedenen öffentlichen Interessen macht,567 sind entsprechende Abwägungen einem hohen Beliebigkeitsrisiko ausgesetzt.568 Sie können deshalb in kompetenzrechtlichen Zusammenhängen, die Berechenbarkeit voraussetzen,569 nicht angewendet werden. Ungeachtet der dargestellten Anwendungsschwierigkeiten würde ein aus dem Grundsatz der Bundestreue abgeleitetes Verbot unverhältnismäßiger Beeinträchtigungen nicht den Ausnahmecharakter der Bundestreue beachten. Das von der Kompetenzordnung des Grundgesetzes vorausgesetzte umfassende Gestaltungsrecht einschließlich des Gegensteuerungsrechts würde in weitem Umfang ausgehöhlt, da ein Entgegensteuern oftmals zu erheblichen und damit nicht selten auch zu unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen führen würde. Zudem würde sie die Ausübungsebene zu einer umfassenden Abwägungsebene umfunktionieren. Die Bundestreue kann aber lediglich zu Randkorrekturen eingesetzt werden. Sie muss sich auf punktuelle Eingriffe beschränken. Keinesfalls ist sie in der Lage, auf der Ebene der Kompetenzausübung eine komplett neue Entscheidungsebene zu eröffnen.570
März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 136 (Fn. 181). Siehe zu diesen Unsicherheiten auf grundrechtlicher Ebene Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 254. 566 Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 255 f. 567 Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 253. 568 Allgemein zu dem Problem der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne und dem Fehlen von Abwägungsmaßstäben Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rz. 293; Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 380 f.; Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band I, § 24, Rz. 87; Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 249. 569 Siehe BVerfGE 61, 149 (175 f.); BVerfGE 41, 205 (220); BVerfGE 48, 367 (373); BVerfGE 65, 1 (39); BVerfGE 68, 319 (328); BVerwGE 96, 272 (291); März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 136; Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 22. 570 Siehe oben 1. Teil, D. III. 3. a). 564 565
D. Die Bundestreue bei Kompetenzkonflikten zwischen Sachgesetzgebern
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c) Vorrang des Abwehrinteresses aufgrund der besonderen Schutzwürdigkeit einer Norm? Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass das Abwehrinteresse dem Kompetenzwahrnehmungsinteresse auch dann nicht vorgeht, wenn die Beeinträchtigung des Gesetzes der abwehrenden Partei eine besondere Qualität aufweist. Möglicherweise besteht jedoch ein Vorrang des Abwehrinteresses, weil das negativ beeinflusste Gesetz eine besondere Schutzwürdigkeit besitzt. In diesem Fall könnten Beeinträchtigungen verboten sein.
aa) Hierarchie innerhalb der grundgesetzlichen Kompetenzordnung? Man könnte daran denken, dass dem Gesetz der kompetenzabwehrenden Partei eine besondere, keine Beeinträchtigungen bzw. keine Beeinträchtigungen gewisser Qualität gestattende Schutzwürdigkeit zukommt, sofern das Gesetz aufgrund einer besonderen, anderen Kompetenzen gegenüber höherrangigen Kompetenz ergangen ist. Innerhalb der grundgesetzlichen Kompetenzordnung besteht jedoch keine entsprechende Hierarchie. Es existiert keine generelle Hierarchie i. d. S., dass Bundeskompetenzen gegenüber den Kompetenzen der Länder stets höherrangig sind. Die Kompetenzordnung konstiuiert kein Rangverhältnis zwischen Befugnissen des Bundes und der der Länder, sondern geht von einem Nebeneinander der jeweiligen Legislativkompetenzen aus.571 Eine Subordination der Länder kann in diesem Bereich also nicht begründet werden.572 Ebensowenig wie eine generelle Hierarchie der Bundeskompetenzen besteht auch keine Rangordnung zwischen einzelnen Kompetenzmaterien. Der Verfassung lässt sich kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass es Kompetenzen verschiedener Klassen gibt. Sie stellt vielmehr alle Gesetzgebungsbefugnisse gleichberechtigt nebeneinander und sieht keine Kompetenz als höherrangig an. Ein besonderes Gewicht einer bestimmten Kompetenz lässt sich nicht begründen.573
Šarc´evic´, Das Bundesstaatsprinzip, S. 245; Bauer, Die Bundestreue, S. 266. Zu der aus der Kaiserzeit stammenden Subordinationslehre siehe Bauer, Die Bundestreue, S. 47 ff., 130 ff., 222 ff. 573 Gegen eine Hierarchie zu Recht Brohm, DÖV 1983, S. 525 (528); März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 128; Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 166; Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 214; Arndt, WiVerw 1990, S. 1 (13); Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 170; Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung, S. 27. 571 572
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
bb) Erfüllung eines Verfassungsauftrags? Beeinträchtigungen des Gesetzes der abwehrenden Partei sind auch dann zulässig, wenn das Gesetz der abwehrenden Partei in Erfüllung eines Verfassungsauftrags ergeht. Ein solches Gesetz ist in kompetenzrechtlicher Hinsicht nicht besonders schutzwürdig. In der Literatur wird Verfassungsaufträgen dagegen z. T. kompetenzrechtliche Relevanz beigemessen. So soll im Fall, dass wettbewerbsrechtliche Regelungen des Bundes und rundfunkrechtliche Regelungen eines Landes in einem Sachverhalt zusammentreffen und der Sachverhalt von beiden Gesetzen abweichend geregelt wird, der aus der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG resultierende Verfassungsauftrag574 der maßgebliche Gesichtspunkt sein, der den Konflikt zu Gunsten des Rundfunkgesetzgebers entscheide.575 Wenn auch die konkreten kompetenzrechtlichen Konsequenzen des Verfassungsauftrags unterschiedlich beurteilt werden und zudem seine Bedeutung in dieser Hinsicht nicht immer ganz klar wird, kann die Richtung dieser Ansicht doch dahingehend zusammengefasst werden, dass den rundfunkrechtlichen Landesregelungen deshalb Vorrang zukommen soll, weil sie den Auftrag des Art. 5 Abs. 1 GG umsetzen und demnach besonderes Gewicht besitzen sollen. So wird etwa davon ausgegangen, dass ein Gesetz, welches einem Ausgestaltungsauftrag nachkomme, nicht durch ein anderes Gesetz konterkariert werden dürfe und dass das andere Gesetz nicht mit dem Ziel oder der Wirkung des Gegensteuerns eingesetzt werden dürfe.576 Nach anderer Ansicht soll die Kollisionslage zwischen Rundfunk- und Wettbewerbsrecht generell zu Gunsten des Landesrundfunkgesetzgebers zu lösen sein, sofern die rundfunkrechtliche Norm Ausdruck des grundgesetzlichen Ausgestaltungsauftrags sei und der auszugestaltende Bereich nicht ohne Beeinträchtigung der Wettbewerbsordnung geregelt werden könne.577 Schließlich wird der Verfassungsauftrag auch ausdrücklich im Rahmen der Bundestreue verortet und dem Rundfunkgesetzgeber das Recht zuerkannt, sich auf den Grundsatz der Bundestreue zu berufen578 bzw. für den Bundeswirtschaftsgesetzgeber eine Kompetenzausübungsschranke aus der Bundestreue abgeleitet. 579 Eine besondere Schutzwürdigkeit eines entsprechenden Gesetzes kann nicht mit dem Argument begründet werden, dass die Verfassung ja schließlich zum Erlass 574 Dazu, dass der objektive Gehalt der Rundfunkfreiheit den Staat zur Ausgestaltung dieser Freiheit verpflichtet, siehe Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 5, Rz. 44. 575 Als Beispiel für einen solchen Konflikt kann ein Fall aus dem Jahre 1989 angeführt werden, in dem das Bundeskartellamt die Beteiligung des WDR an der Radio NRW GmbH gemäß § 24 GWB untersagte, da dadurch die marktbeherrschende Stellung des WDR verstärkt werde (BKartA, ZUM 1989, S. 477 ff.). Das nordrhein-westfälische Rundfunkrecht eröffnete dem WDR dagegen die Möglichkeit, sich am Rundfunksender Radio NRW GmbH zu beteiligen. Siehe näher zum Sachverhalt Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 2 f. 576 Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 83 ff. 577 Bauer, Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und das Kartellrecht, S. 106 ff. 578 Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 52 f. 579 Grundmann, Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Wettbewerb, S. 93.
D. Die Bundestreue bei Kompetenzkonflikten zwischen Sachgesetzgebern
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dieses Gesetzes verpflichte. Verfassungsaufträge enthalten keine Verpflichtung zum Erlass eines bestimmten Gesetzes. Sie legen den Gesetzgeber nicht auf eine bestimmte Maßnahme fest, vielmehr belassen sie ihm einen relativ weiten Gestaltungsspielraum.580 Die grobe Richtung des Gesetzes mag vorgegeben sein, der konkrete Inhalt aber bleibt regelmäßig offen. Zum „Wie“ treffen Verfassungsaufträge grundsätzlich keine detaillierten Aussagen, so dass der Gesetzgeber seine politischen Präferenzen hier ebenso zur Geltung bringen kann wie bei anderen Gesetzen.581 Das konkret beeinträchtigte Gesetz ist verfassungsrechtlich also nicht geboten. Für eine besondere Schutzwürdigkeit des Gesetzes lässt sich auch nicht anführen, dass – unabhängig vom konkreten Inhalt – alle Gesetze, die einen bestimmten Verfassungsauftrag erfüllen, besonders wichtige öffentliche Interessen verfolgen. Die Tatsache, dass ein Gesetz einen Verfassungsauftrag ausführt, bedeutet nicht, dass dieses auch besonders hochrangige öffentliche Interesssen zum Gegenstand hat. Im Grundgesetz finden sich an verschiedenen Stellen Aufträge an den Gesetzgeber, bestimmte Sachverhalte gesetzlich zu regeln. Die Gesetzgebungspflichten reichen dabei etwa vom Gegenstand der Kriegsdienstverweigerung (Art. 4 Abs. 3 S. 2, 12a Abs. 2 S. 3 GG), über die Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG), bis hin zu Themen wie Schutz des Lebens (Art. 2 Abs. 2 GG), Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) sowie Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG). Diese vielfältigen öffentlichen Interessen sind gegenüber anderen Interessen, für die kein Verfassungsauftrag existiert, nicht höherrangig. Rangunterschiede zwischen verschiedenen öffentlichen Interessen lassen sich dem Grundgesetz nicht entnehmen.582 Die Funktion von Verfassungsaufträgen ist nicht, ein Rangverhältnis zwischen verschiedenen öffentlichen Interessen zu etablieren, vielmehr verpflichten sie den Gesetzgeber deshalb zum Erlass entsprechender Regelungen, weil die jeweiligen öffentlichen Interessen der einfach-gesetzlichen Ausgestaltung bedürfen, um überhaupt Wirksamkeit zu erlangen. Soll etwa die Gleichberechtigung von Mann und Frau oder der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen gesellschaftliche Realität werden, bedarf es gesetzlicher Regelungen, die dies absichern.583 Ein Gesetz, das einen Verfassungsauftrag ausführt, hat somit Das wird von Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 52 f. übersehen. Zum Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Rahmen des Art. 20, 20a GG siehe Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20, Rz. 114, 20a, Rz. 18. Zum Gestaltungsspielraum im Rahmen des Art. 2 Abs. 2 GG Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 261 ff. Siehe allgemein auch Bauer, Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und das Kartellrecht, S. 106 ff. 582 So zu Recht Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 253. 583 Siehe hierzu die grundrechtlichen Ausgestaltungsaufträge betreffend Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rz. 303 f. Zur Gleichrangigkeit des Umweltschutzes mit anderen Verfassungsrechtsgütern Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20a, Rz. 14. Selbst der Lebens- und Gesundheitsschutz aus Art. 2 Abs. 2 GG ist gegenüber anderen öffentlichen Interessen nicht per se höherrangig. Siehe hierzu Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 251 ff. 580 581
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
keinen besonders wichtigen öffentlichen Belang zum Gegenstand und ist demzufolge nicht schützenswerter als andere Gesetze.
cc) Größere Zuständigkeit eines Gesetzgebers für die Regelung eines bestimmten Sachverhalts? Es ist möglich, dass das Gesetz der kompetenzausübenden Partei und das Gesetz der abwehrenden Partei sich in einem bestimmten Sachverhalt überschneiden. In diesem Fall könnte man u. U. geneigt sein, einem Gesetz eine besondere Nähebeziehung zu dem entsprechenden Sachverhalt zuzuerkennen und den Sachverhalt eher dem Thema des einen als dem Thema des anderen Gesetzes zugehörig zu betrachten. Sofern das Gesetz der abwehrenden Partei davon profitieren würde, könnte daraus eine Pflicht der kompetenzausübenden Partei resultieren, sich an den gesetzlichen Vorgaben der Gegenseite zu orientieren und das entsprechende Gesetz nicht zu beeinträchtigen. So könnte man etwa in dem bereits erwähnten Beispiel,584 dass sowohl das bundesrechtliche Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen als auch das Rundfunkgesetz eines Landes die Beteiligungsmöglichkeiten von Rundfunkanstalten regeln, eine größere Nähe des Rundfunkgesetzes zu diesem Sachverhalt annehmen, da sich das Rundfunkgesetz speziell mit Rundfunkanstalten beschäftigt, während sich das GWB nicht nur auf Rundfunkunternehmen, sondern auf alle Unternehmen bezieht. Der für das GWB zuständige Bundesgesetzgeber könnte aus diesem Grund verpflichtet sein, die rundfunkrechtlichen Regelungen zu respektieren und nicht zu beeinträchtigen. 585 Eine solche Annahme würde jedoch übersehen, dass sich im Verhältnis zweier in einem Sachverhalt zusammentreffender Gesetze keine besondere Nähebeziehung eines Gesetzes zu dem Sachverhalt begründen lässt. Bestünde eine entsprechende Nähebeziehung eines Gesetzes, hätte sich dies bereits auf der Qualifikationsebene auswirken müssen. Der Sachverhalt hätte dann exklusiv nur von dem „näheren“ Gesetz geregelt werden dürfen. Weist ein bestimmter Sachverhalt nämlich einen besonderen Bezug zu einem Gesetzesthema auf, gilt dies auch für den entsprechenden Kompetenztitel. Der Sachverhalt kann in diesem Fall nur aufgrund dieses speziellen Kompetenztitels geregelt werden. Ein anderes Gesetz, das auf einem anderen Kompetenztitel beruht, darf den Sachverhalt dann nicht zum Gegenstand haben. Sind nach der grundgesetzlichen Kompetenzordnung dagegen beide Gesetzgeber befugt, Gesetze zu erlassen, die den Sachverhalt regeln, lässt sich eine besondere Nähebeziehung eines Gesetzes nicht ausmachen. Sobald also zwei kompetenzgerechte Gesetze in einem Sachverhalt zusammentreffen, lässt sich keine mehr oder weniger enge Beziehung zum Sachverhalt bzw. keine größere Siehe oben Fn. 575. In diese Richtung wohl Scherer, Rundfunk im Wettbewerbsrecht, S. 123 (131), der die Bundeskompetenz zur Verhütung wirtschaftlicher Machtstellung der Rundfunkkompetenz nach- und unterordnet. Ähnlich Bullinger, AöR 109 (1983), S. 161 (205). 584 585
D. Die Bundestreue bei Kompetenzkonflikten zwischen Sachgesetzgebern
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oder geringere Zuständigkeit eines Gesetzgebers ermitteln, vielmehr gehen die jeweiligen Gesetze den Sachverhalt von unterschiedlichen Seiten her an und regeln ihn unter unterschiedlichen Gesichtspunkten. Dies gilt übrigens auch, wenn ein aufgrund einer modalen Kompetenz586 ergangenes Gesetz mit einem auf einem materiellen Kompetenztitel beruhenden Gesetz zusammentrifft. Der Einwand, ein solches Gesetz habe nicht die gleiche Nähe zu dem betreffenden Sachverhalt, weil das Gesetz unter Einhaltung einer bestimmten Technik der Rechtsetzung vielfältige und ganz unterschiedliche Sachverhalte regeln dürfe, während das andere Gesetz auf entsprechende Sachverhalte eher zugeschnitten sei, geht auch hier fehl. Darf neben dem auf dem materiellen Kompetenztitel beruhenden Gesetz auch das auf der modalen Kompetenz basierende Gesetz den Sachverhalt zulässigerweise regeln, weisen beide einen gleich starken Bezug zu dem Sachverhalt auf. Sie behandeln ihn nur aus verschiedenen Blickwinkeln. Wäre dies anders, dürfte der modale Gesetzgeber den Sachverhalt überhaupt nicht regeln und der nicht-modale Gesetzgeber wäre allein zuständig. Demnach hat beispielsweise die Frage der Zulässigkeit eines baulichen Vorhabens keinen stärkeren Bezug zu den bauordnungsrechtlichen Vorschrifen eines Landes als zu den auf der modalen Zivilrechtskompetenz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) beruhenden Regelungen der §§ 903 ff. BGB.
dd) Frühere Regelung eines Sachverhalts? Gesetzgebungskompetenzkonflikte werden z. T. auch mit Hilfe der lex-posterior Regel gelöst. So soll im Fall, dass sich zwei Regelungen unterschiedlicher Gesetzgeber in einem Sachverhalt überschneiden, die später hinzugetretene Norm die frühere nicht beeinträchtigen dürfen.587 Die Tatsache, dass ein Gesetz früher erlassen ist, kann jedoch keine besondere Schutzwürdigkeit des Gesetzes begründen. Ein Gesetz der abwehrenden Partei darf deshalb auch dann beeinträchtigt werden, wenn es einen bestimmten Sachverhalt früher als das Gesetz der kompetenzausübenden Partei regelt. Der lex-posterior Grundsatz gilt nur für Konflikte zwischen Normen der gleichen Rangstufe und des gleichen Urhebers.588 Das Bund-Länder Verhältnis wird gerade nicht erfasst. Die Anwendung des entsprechenden Grundsatzes im Rahmen der vorliegenden Fallkonstellation würde zu nicht annehmbaren Konsequenzen und zu einer Mißachtung der Funktion der Bundestreue führen. So würde im Fall, dass auf beiden Seiten noch keine Regelung des jeweiligen Sachverhalts existiert, 586 Zu dem Begriff der modalen Kompetenznormen, die nicht an materielle Kriterien, sondern an eine bestimmte Technik der Rechtsetzung anknüpfen, näher März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 125. 587 So Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 214 f. 588 Dreier, Vielfalt des Rechts – Einheit der Rechtsordnung?, S. 113 (118); Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 156; Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, S. 424.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
ein unsinniger Wettlauf zwischen Bund und Ländern um die schnellste Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes ausbrechen.589 Hätte eine Regelung den Sachverhalt dagegen schon besetzt, müsste die andere Partei die gesetzlichen Vorgaben respektieren. Es würde somit in weiten Bereichen eine umfassende Bindung an die Zielsetzungen des früheren Gesetzgebers eintreten. Dies würde aber dem von der Verfassung vorausgesetzten Kompetenzverständnis, nach dem Kompetenzen eigenständige Gestaltungsbefugnisse verleihen, die auch das Recht zum Entgegensteuern einschließen, zuwiderlaufen. ee) Regelung eines Sachverhalts durch höherrangiges Gesetz? Schließlich ist im Rahmen der Bundestreue auch die Höherrangigkeit eines Gesetzes kein Grund für eine besondere Schutzwürdigkeit desselben. Die Bundestreue ist gerade durch ihre Wechselseitigkeit gekennzeichnet. Sie verpflichtet sowohl die Länder als auch den Bund.590 Eine generelle Subordination der Länder und ein generelles Anpassungsgebot an die Zielsetzungen bundesrechtlicher Regelungen zu Lasten der Länder widerspräche deshalb der anerkannten Zweiseitigkeit des Bundestreuegrundsatzes.591
4. Ergebnis und Konsequenzen der vertretenen Lösung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es keinen Fall gibt, in dem sich das Verhältnis zwischen dem berechtigten Kompetenzwahrnehmungsinteresse und dem berechtigten Abwehrinteresse umkehrt und ein Vorrang des Abwehrinteresses besteht. Ist also auf Seiten der kompetenzausübenden Partei ein berechtigtes Interesse gegeben, unterliegt die Kompetenzausübung auch dann keinen Einschränkungen, wenn Gesetze der abwehrenden Partei beeinträchtigt werden. Die Bundestreue begründet also – anders als dies noch nach der Bundes- bzw. Vertragstreue der Reichsverfassung von 1871 der Fall gewesen sein mag – kein umfassendes Treueverhältnis i. d. S., dass Beeinträchtigungen der Gegenseite grundsätzlich verboten sind. Gesetzgebungskompetenzkonflikte sind demnach bis auf die Ausnahme der missbräuchlichen Kompetenzwahrnehmung auf der Ebene der Kom589 Aufgrund dieses Arguments wird die Anwendung der lex-posterior Regel im BundLänder Verhältnis auch von Dreier, Vielfalt des Rechts – Einheit der Rechtsordnung?, S. 113 (118) und Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, S. 424 abgelehnt. 590 BVerfGE 1, 299 (315); BVerfGE 14, 197 (215); Unruh / Strohmeyer, BayVBl. 1999, S. 609 (614); Wipfelder, VBlBW 1982, S. 394 (396); Bauer, Die Bundestreue, S. 294; Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 214. 591 Ebenso Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 214. Siehe aber auch Bleckmann, JZ 1991, S. 900 (903); ders., DÖV 1986, S. 125 (131), der die Länder über die Bundestreue an die durch die Politik des Bundes konkretisierten Allgemeininteressen binden will.
D. Die Bundestreue bei Kompetenzkonflikten zwischen Sachgesetzgebern
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petenzqualifikation zu entscheiden. Auftretende Störungen sind als Konsequenz der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung hinzunehmen. Wem dieses Ergebnis bedenklich erscheinen mag, sollte den Preis berücksichtigen, den man für die Verhinderung von Wirksamkeitsbeeinträchtigungen auf der Kompetenzausübungsebene zahlen müsste. So würde der Vorteil von Bundesstaaten, Problemlösungen dezentral zu suchen und damit die Komplexität des Entscheidungsprozesses zu verringern, blockiert, wenn man den Gestaltungsspielraum der Länder entsprechend einengte. Zudem würde die innovationsfördernde Funktion eines politischen Wettbewerbs der jeweiligen Kompetenzträger untereinander und die damit verbundene Möglichkeit von Experimenten, die später auch einmal dem Gesamtstaat zugute kommen können, gebremst. Es käme vielmehr zu Politikverflechtungen und zu einem Konsensbedarf mit all den negativen Konsequenzen in Hinblick auf das Demokratieprinzip. Vor diesem Hintergrund scheint es allemal besser, Störungen, soweit sie nicht auf der Qualifikationsebene verhindert werden können, zu dulden und Konflikte im politischen Raum auszutragen.
5. Informationspflichten der kompetenzausübenden Partei Dass sich aus der Bundestreue eine Kompetenzausübungsschranke nur im Missbrauchsfall ergibt, bedeutet jedoch nicht, dass sie im Rahmen von Gesetzgebungskompetenzkonflikten nicht noch weitere Anforderungen aufstellen kann. Vielmehr wird man eine Verpflichtung der kompetenzausübenden Partei annehmen müssen, die Gegenseite über ihrer Meinung nach mögliche Beeinträchtigungen in Kenntnis zu setzen. Dass aus der Bundestreue Verfahrenspflichten, insbesondere Informationspflichten, resultieren können, ist denn auch grundsätzlich anerkannt.592 Es besteht aber keine allgemeine Informationspflicht in dem Sinne, dass über jedes Vorkommnis informiert werden müsste.Vielmehr bezieht sich die Informationspflicht nur auf solche Vorgänge, die für die Beteiligten besonders wissenswert sind und für die jeweils betroffene Partei von Bedeutung sind.593 Daraus folgt, dass die kompetenzausübende Partei nicht verpflichtet ist, die Auswirkungen ihres Gesetzes auf alle Gesetze der Gegenseite zu überprüfen und darüber zu informieren, vielmehr besteht eine Informationspflicht nur dann, wenn die kompetenzausübende Parei konkrete Hinweise dafür hat, dass fremde Gesetze beeinträchtigt werden können. Dieses Wissen muss sie weitergeben, da es für die betroffene Partei von Bedeutung ist und für sie selbst keinen nennenswerten Aufwand darstellt. Die betroffene Partei erhält so die Möglichkeit, sich auf veränderte Situationen einzustellen. Möglicherweise kann sie mit der kompetenzausübenden Partei in einen Dialog treten, der zu einer Änderung des beabsichtigten Gesetzes führt. Die Interessen der abwehrenden Partei erhalten somit einen gewissen verfahrensrechtlichen Schutz. 592 BVerfGE 12, 205 (206, 255); BVerfGE 13, 54 (76); BVerfGE 32, 199 (220); BVerfGE 81, 310 (337); Bauer, Die Bundestreue, S. 346 ff. 593 Bauer, Die Bundestreue, S. 346; Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 10.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
E. Die Anwendung der Bundestreue auf den Konflikt zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber I. Grundsätzliche Übertragbarkeit der dargestellten Anforderungen auf den Konflikt zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber Konflikte zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber können von Konflikten zwischen Sachgesetzgebern nicht komplett abgekoppelt werden. Bei beiden handelt es sich um legislatorische Kompetenzkonflikte. Die herausgearbeiteten Anforderungen der Bundestreue sind deshalb grundsätzlich auch auf Konflikte zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber übertragbar. Abweichungen bedürfen der besonderen Begründung, die von vornherein nur in dem speziellen Verhältnis zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber wurzeln kann. Der Steuergesetzgeber darf seine Kompetenz sowohl nutzen, um Einnahmen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu erzielen, als auch, um mittels der Steuer politische Gestaltungsziele zu verwirklichen. Beide Zwecke sind aufgrund der Offenheit des Steuerbegriffs von der Steuergesetzgebungsbefugnis gedeckt. Der Steuergesetzgeber verfolgt somit ein berechtigtes Kompetenzwahrnehmungsinteresse, wenn er sich bei der Ausübung seiner Kompetenz an diesen von der Steuergesetzgebungsbefugnis legitimierten Zwecken orientiert. Geht es ihm in Wahrheit dagegen gar nicht um die Verfolgung dieser Ziele, sondern nur um die Schädigung der Gegenseite, übt er seine Befugnis nicht in Einklang mit der Funktion der Steuergesetzgebungskompetenz aus und missbraucht diese somit. Sofern die z. T. in der Literatur vorgenommene Konkretisierung der Bundestreue, nach der es dem Steuergesetzgeber verboten sein soll, den Sachgesetzgeber gezielt zu konterkarieren,594 darauf abzielen sollte, ist ihr demnach voll und ganz zuzustimmen.595 Dagegen ist die frühere Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, das in der Verfolgung eines außerfiskalischen Hauptzwecks einen Missbrauch der Steuergesetzgebungskompetenz erblickte,596 abzulehnen. Ungeachtet der Anwendungsschwierigkeiten, die eine solche Zweckgewichtung mit sich bringt, ist die primäre Verfolgung eines Gestaltungszwecks von der Steuergesetzgebungskompetenz legitimiert und kann dementsprechend keinen Missbrauch darstellen.597 Berücksichtigt man die weiteren Anforderungen der Bundestreue, ergibt sich zudem, dass ein Verstoß gegen die Bundestreue von vornherein ausgeschlossen ist, Siehe oben 1. Teil, B. II. 2. b). Nicht auszuschließen ist aber, dass diese Ansicht jede intendierte Beeinträchtigung eines Sachgesetzes als Verstoß gegen die Bundestreue qualifiziert. 596 Siehe oben 1. Teil, B. I. 1. a). 597 Auch nach Gas, SächsVBl. 1998, S. 229 (233, Fn. 65) und Friauf, GewArch 1996, S. 265 (268) kann in der Verfolgung eines außerfiskalischen Hauptzwecks kein Missbrauch gesehen werden. 594 595
E. Die Anwendung der Bundestreue auf den Konflikt Steuer- / Sachgesetzgeber
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wenn der nicht missbräuchlich handelnde Steuergesetzgeber kein Sachgesetz der anderen föderalen Ebene beeinträchtigt. In diesem Fall fehlt es bereits an einem berechtigten Abwehrinteresse des Sachgesetzgebers. Liegen sowohl auf Seiten des Steuergesetzgebers als auch auf Seiten des Sachgesetzgebers berechtigte Interessen vor, stellt sich auch hier die Frage, wie dieser Interessenkonflikt zu entscheiden ist. Bei Konflikten zwischen verschiedenen Sachgesetzgebern wird der Konflikt stets zu Gunsten der kompetenzausübenden Partei gelöst. Weder kann eine besondere Qualität der Beeinträchtigung am Vorrang des Wahrnehmungsinteresses etwas ändern, noch lässt sich eine besondere Schutzwürdigkeit eines Gesetzes feststellen, welche den Vorrang der kompetenzausübenden Partei umkehren kann. Angesichts eventueller Besonderheiten im Verhältnis zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber könnte diese Ergebnis im Rahmen des Konflikts zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber jedoch möglicherweise zu modifizieren sein. So könnten Sachgesetze besonders schutzwürdig sein, weil das Grundgesetz einen Vorrang der sachgesetzlichen vor der steuergesetzlichen Gestaltung normiert. Der Steuergesetzgeber könnte deshalb verpflichtet sein, seine Gesetze so zu fassen, dass sachgesetzliche Regelungen nicht bzw. nicht in bestimmter Weise beeinträchtigt werden.
II. Politische Gestaltung als vorrangige Aufgabe des Sachgesetzgebers? Ein Vorrang des Sachgesetzgebers hinsichtlich der politischen Gestaltung wird zum Teil mit der Begründung angenommen, dass die Steuergesetzgebungskompetenzen in erster Linie Einnahmemöglichkeiten eröffnen sollen. Dieser Einnahmeerzielungszweck liege den Steuergesetzgebungskompetenzen primär zugrunde.598 Nehme der Steuergesetzgeber politische Gestaltungsaufgaben wahr, werde er im Randbereich seiner Kompetenz tätig.599 Zudem wird angeführt, dass die grundsätzliche Zubilligung von lenkenden Interventionen des Steuergesetzgebers ohne entsprechende Sachregelungskompetenz eine Begrenzung im Hinblick auf bereits getroffene Sachregelungen notwendig mache, da die Gefahr einer apokryphen Sachregelungsverfassung durch das Steuerrecht verhindert werden müsse.600 Auch wenn der Steuergesetzgeber nach der grundgesetzlichen Kompetenzordnung lenkend tätig werden darf, soll im Verhältnis zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber also eine Rangfolge bestehen. Die politische Gestaltung von Sachbereichen wird in erster Linie als Aufgabe des Sachgesetzgebers betrachtet, 598 BVerfGE 98, 106 (119); Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (603 f.); Henneke, ZG 1998, S. 275 (293). 599 Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (604). 600 Kloepfer, Abfallrecht und Föderalismus, S. 13 (25); Kloepfer / Bröcker, DÖV 2001, S. 1 (7). Einen Vorrang des Sachgesetzgebers bejaht wohl auch Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 250.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
weshalb der Steuergesetzgeber sich an den Zielen entsprechender Sachgesetze zu orientieren habe. Jedenfalls intendierte Beeinträchtigungen sollen dem Steuergesetzgeber demnach verboten sein.601 Nachfolgend soll deshalb die Frage nach der Berechtigung des vermeintlichen sachgesetzlichen Vorrangs geklärt werden. Es ist zu erörtern, ob – ungeachtet dessen, dass die Steuergesetzgebungskompetenz gestaltende Steuern abdeckt – die primäre Aufgabe des Steuergesetzgebers die Einnahmeerzielung ist und die politische Gestaltung in erster Linie als Aufgabe des Sachgesetzgebers anzusehen ist.
1. Historischer Rückblick Die betreffende Frage soll zunächst aus historischer Perspektive beleuchtet werden. Sollte sich dabei ergeben, dass der Steuergesetzgeber in der Geschichte grundsätzlich nur fiskalische Steuergesetze und – wenn überhaupt – nur ausnahmsweise gestaltende Steuergesetze erlassen durfte, könnten sich diejenigen Vertreter, die einen Vorrang des Sachgesetzes annehmen, zumindest auf die Tradition berufen. Beginnt man die historische Betrachtung in dem Zeitpunkt, in dem sich die moderne Staatssteuer herausbildet,602 muss man feststellen, dass Steuergesetze in allen Epochen der deutschen Geschichte auch als politisches Gestaltungsinstrument verstanden werden. So sind im Kameralismus Steuergesetze als ein Mittel zur Bewältigung wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Probleme allgemein anerkannt. Steuergesetze werden hier als fester Bestandteil der umfassenden Wohl601 So Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (603). Ob dem Steuergesetzgeber möglicherweise auch andere Arten der Beeinträchtigung, etwa schwere oder vorhersehbare Beeinträchtigungen, verboten sind, muss erst beantwortet werden, wenn ein entsprechender Vorrang des Sachgesetzgebers nachgewiesen ist. Dagegen wird man von vornherein nicht alle Beeinträchtigungen sachgesetzlicher Regelungen durch den Steuergesetzgeber als einen Verstoß gegen die Bundestreue qualifizieren können. Es ist nämlich zu bedenken, dass alle Steuergesetze Gestaltungswirkungen haben und Beeinträchtigungen deshalb vielfach möglich sind. Wollte man jede Beeinträchtigung von der Bundestreue erfassen, würde diese demnach ihren Ausnahmecharakter verlieren. Siehe dazu, dass es keine reine Finanzsteuer gibt, sondern vielmehr jede Steuer Gestaltungswirkungen verursacht, Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 61; Gawel, StuW 2001, S. 26 (33); Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 151; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 68, 73 f.; Kirchhof, DVBl. 2000, S. 1166 (1167); Rodi, JZ 2000, S. 827 (829); Gawel, Abgabenrechtliche Verhaltenssteuerung im Umweltrecht, S. 65 (92); Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Band 1, S. 34; Schmölders, in: Strickrodt / Wöhe / Flämig / Felix / Sebiger, HwStR, Stichwort „Steuerwirkung“, S. 1370 f. 602 Ursprünglich beruhte die Steuer auf Freiwilligkeit und war eine außerordentliche Einnahmequelle in der Not. Seit dem 15. / 16. Jahrhundert bildet sich die Steuer zu einer ständigen Einrichtung heraus. Solange jedoch der öffentliche Haushalt noch weitgehend Privatsache der Fürsten ist, herrscht zumindest in der theoretischen Behandlung der Gedanke der Subsidiarität der Steuer als außerordentliche Einnahmequelle vor. Dieses Steuerverständnis hält sich noch bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts. Hierzu ausführlich Bodenheim, Der Zweck der Steuer, S. 101 ff.
E. Die Anwendung der Bundestreue auf den Konflikt Steuer- / Sachgesetzgeber
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fahrtspflege des absolutistischen Staates betrachtet.603 Sie sollen als „Triebfeder des Fleißes“ dienen604 und „Polizey-Uebel“ hemmen.605 Man sieht in ihnen ein hervorragendes Mittel, die Volkswirtschaft zu gestalten.606 Aufgrund dieser Fähigkeit sollen steuerliche Vorschriften neben dem fiskalischen Zweck der Einnahmebeschaffung immer auch die Steigerung der Volkswirtschaft zum Ziel haben.607 Sie sollen so gestaltet werden, dass die wirtschaftlich notwendige Förderung oder Hemmung eines Erwerbszweiges oder einzelner Erzeugungsstätten innerhalb eines Gewerbezweiges erreicht wird. Die bestehende Größenschichtung und die Branchengliederung der Gewerbe sollen im Rahmen der steuerlichen Behandlung insofern berücksichtigt werden, als volkswirtschaftlich unerwünschte Größen und Branchen mehr und erwünschte weniger belastet werden.608 Im Bereich der Landwirtschaft soll, sofern dies volkswirtschaftlich geboten ist, mit Hilfe der Steuer eine Umstrukturierung der verschiedenen Anbauarten erfolgen.609 Auch der Einsatz der Besteuerung zur Standortpolitik wird diskutiert. So soll einer nachteiligen Konzentration von Gewerbe und Fabriken in einzelnen Städten dadurch begegnet werden, dass man sie mit großen Abgaben belastet, während man sie in anderen Orten von allen Abgaben befreit.610 Insbesondere die überwiegend als Verkehrsteuern eingestuften611 Zölle werden von der damaligen Finanzwissenschaft als bedeutsame Instrumente der Wirtschaftspolitik betrachtet.612 Anders als noch im Mittelalter, in dem der Handel in erster Linie mit Export- und Importverboten in die gewünschte Richtung gelenkt worden ist,613 soll diese Aufgabe im Kameralis603 v. Sonnenfels, Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanzwissenschaft, Teil 2, S. 209; Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 10 f.; Bodenheim, Der Zweck der Steuer, S. 111 ff.; Tautscher, FinArch N.F. 9 (1943), S. 303 (314). 604 v. Sonnenfels, Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanzwissenschaft, Teil 3, S. 268. 605 v. Justi, System des Finanzwesens, S. 80. 606 v. Justi, System des Finanzwesens, S. 385. v. Justi, Gesammelte politische und FinanzSchriften, Band 1, S. 628 sieht in Abgaben im Vergleich zu Befehl und Verbot das allein wirksame Mittel die wirtschaftspolitischen Ziele zu erreichen. 607 Tautscher, FinArch N.F. 9 (1943), S. 303 (315 f.). 608 Tautscher, FinArch N.F. 9 (1943), S. 303 (325) m. w. N. 609 v. Justi, System des Finanzwesens, S. 385 („Wenn man den Weinbau, den Wiesenbau und andere Theile der Landwirthschaft allzu stark treibet, daß dadurch dem Getraidebau und andern nothwendigen Producten Abbruch geschiehet, so darf man nur die Grundstücke, die zum Wein- und Wiesenbau angewendet werden, mit großen Abgaben belegen und hingegen die Steuern auf die Grundstücke vermindern, die man zu denen Producten nutzet, welche der Staat im Lande eingeführet oder vermehret haben will, so wird man bald den gewünschten Erfolg sehen.“). 610 v. Justi, System des Finanzwesens, S. 385. 611 Siehe Tautscher, FinArch N.F. 9 (1943), S. 303 (329). 612 Die Zölle finden gerade in ihrer wirtschaftsgestaltenden Eigenschaft Beachtung und nicht als fiskalisches Mittel zur Steigerung der Staatseinkünfte. Tautscher, FinArch N.F. 9 (1943), S. 303 (329) m. w. N. 613 Bodenheim, Der Zweck der Steuer, S. 109.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
mus grundsätzlich von den Zöllen wahrgenommen werden. Die Güter, die zur Selbstversorgung der Volkswirtschaft notwendig sind, sollen nur versteuert über die Grenzen hinausgelassen werden und die Güter, die mit der eigenen Erzeugung konkurrieren, sollen durch Zölle vom inländischen Markt ferngehalten werden.614 Auch wenn zumeist die wirtschaftspolitische Bedeutung von Steuergesetzen im Vordergrund steht, wird nichtsdestoweniger auch auf die moralisch-erzieherische Wirkung von Steuerregelungen hingewiesen. So wird die Einführung von Luxusverbrauchsteuern gefordert, die alle Waren, die zur Verschwendung, zur Trägheit oder zum Sittenverfall beitragen, mit einer hohen Steuer belasten.615 Die Gestaltungsmöglichkeiten der Steuer werden aber nicht nur theoretisch aufgearbeitet, auch in der Praxis der damaligen Zeit lassen sich verschiedene Beispiele für eine Indienstnahme der Steuer zu außerfiskalischen Zwecken finden. So werden steuerliche Vorschriften im Bereich der Wirtschaftspolitik eingesetzt, um einheimische Manufakturen und die einheimische Landwirtschaft vor fremder Konkurrenz zu schützen. Aus diesem Grund wird in Preußen der Akzisetarif616 für bestimmte femde Waren und bestimmte fremde Agrarprodukte erhöht.617 Später werden einheimischen Manufakturwaren auch Nachlässe gewährt.618 Zudem werden in Preußen Zollbefreiungen bzw. Zollvergünstigungen für die Ausfuhr von Landesfakbrikaten eingeführt.619 Auch werden Steuerregelungen zur Anwerbung fremder Gewerbetreibender eingesetzt, indem zugezogenen Wollarbeitern, Tuchund Zeugmachern sowie Strumpfstrickern in verschiedenen preußischen Städten u. a. eine dreijährige Akzisefreiheit für die Haushaltungsnotdurft gewährt wird.620 Im Zeitalter des Liberalismus begrenzt die klassisch-liberale Lehre den Staat auf die Herstellung und Bewahrung von Sicherheit. Staatliche Maßnahmen werden in Abkehr von den wohlfahrtstaatlichen Vorstellungen des Absolutismus als störende Eingriffe in die natürliche Ordnung der Wirtschaft und Gesellschaft ver-
v. Sonnenfels, Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanzwissenschaft, Teil 2, S. 206. Tautscher, FinArch N.F. 9 (1943), S. 303 (332) m. w. N. 616 Unter Akzise versteht man ein System von Verbrauch- und Verkehrsteuern. Siehe Bodenheim, Der Zweck der Steuer, S. 109. 617 Im November 1713 wird in den preußischen Residenzstädten ein erhöhter Akzisetarif u. a. für fremde wollende und halbseidende Manufakturwaren eingeführt. Dieser Tarif wird im November 1718 weiter erhöht. Im November 1714 wird zudem ein höherer Steuersatz für femde Messerschmiedewaren festgesetzt. 1723 werden verschiedene fremde Agrarprodukte, insbesondere Getreide, mit besonders hohen Akzisesätzen belastet. Siehe hierzu Rachel, Die Handels-, Zoll- und Akzisepolitik Preußens 1713 – 1740, S. 273 f., 301, 347. 618 Rachel, Die Handels-, Zoll- und Akzisepolitik Preußens 1713 – 1740, S. 336. 619 So sind von 1722 an alle in königlichen Landen fabrizierten Wollwaren, wenn sie außer Landes gebracht wurden vom ganzen und wenn sie zu den Frankfurter oder Magdeburger Messen gebracht werden, vom halben Zoll befreit. Rachel, Die Handels-, Zoll- und Akzisepolitik Preußens 1713 – 1740, S. 340 f. 620 Hierzu näher Rachel, Die Handels-, Zoll- und Akzisepolitik Preußens 1713 – 1740, S. 285 f. 614 615
E. Die Anwendung der Bundestreue auf den Konflikt Steuer- / Sachgesetzgeber
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standen.621 Die von der liberalen Staatsdoktrin geforderte Limitierung der Staatszwecke hat ein entsprechendes Verständnis der Steuer als allein dem Sicherheitszweck dienendes Mittel zur logischen Folge. Sind dem Staat Eingriffe in die natürliche Gesellschaftsordnung verwehrt, so hat dies auch für steuerliche Eingriffe zu gelten. Die politische Gestaltung mittels Steuergesetzen wird deshalb konsequenterweise abgelehnt. Die liberale Finanztheorie erblickt in der Steuer ein bloßes Instrument der Einnahmeerzielung, das die für die Gewährleistung der Sicherheit notwendigen Mittel beschafft.622 Das auf der liberalen Finanzlehre basierende Verständnis der Steuer bleibt jedoch weder in der Finanzwissenschaft unangefochten,623 noch kann es sich in der Rechtslehre und Rechtspraxis der damaligen Zeit durchsetzen. So definiert das juristische Schrifttum den Begriff der Steuer zumeist unabhängig von Zweckmerkmalen und bejaht demnach das Vorliegen einer Steuer auch dann, wenn die Abgabe in erster Linie außerfiskalischen Zwecken dient.624 Nach der Rechtsprechung ist die Verwendung der Steuer als politisches Gestaltungsinstrument ebenfalls zulässig. Das Preußische Oberverwaltungsgericht entscheidet 1903, dass die Steuer primär zur Gestaltung eingesetzt werden dürfe.625 Das Reichsgericht billigt den Gebrauch der Steuer zu außerfiskalischen Zwecken gleichfalls.626 Auch in der Gesetzgebungspraxis jener Zeit lässt sich ein umfangreicher Einsatz der Steuer zu Gestaltungszwecken beobachten. So existieren in der ersten Hälte des 19. Jahrhunderts viele Steuerregelungen, die wirtschaftspolitische, polizeiliche und konsumlenkende Zwecke verfolgen. Beispielsweise sind im preußischen Gewerbesteuergesetz i. d. F. von 1820 die Steuersätze für Gast- und Schankwirtschaften aus polizeilichen Gründen höher als für den Kleinhandel.627 Zudem besteht in Preußen eine Hundesteuer, die u. a. eine hinreichende Aufsicht und Pflege der 621 Bodenheim, Der Zweck der Steuer, S. 122 ff.; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 32 f. 622 Bodenheim, Der Zweck der Steuer, S. 124 ff.; Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 14 ff.; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 32 f. Zu der als Kompromiss zu betrachtenden Anerkennung nichtfiskalischer Nebenzwecke im Rahmen der Steuer Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 22 ff. 623 Als Kritiker ist hier in erster Linie Adolph Wagner zu nennen. Dieser sieht die Steuer nicht nur als Instrument zur Erzielung von Staatseinnahmen, sondern spricht der Besteuerung zugleich eine soziale Funktion zu. Siehe Wagner, Finanzwissenschaft, S. 288 ff. Siehe hierzu und zu den weiteren Vertretern einer sozialpolitischen Steuerauffassung Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 18 f. 624 Strutz, VerwArch 11 (1903), S. 475 (477); Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts (1913), S. 389 f.; v. Bitter, Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung, Bd. 2, S. 522. A. A. aber Fuisting, Die preußischen direkten Steuern, S. 16, der es als unzulässig ansieht, nichtfiskalische Zwecke als Hauptzwecke zu verfolgen. 625 PrOVG v. 8. 12. 1903, PrOVGE 44, 75 (76 f.). 626 RG v. 17. 9. 1901, RGZ 49, 66 (70 f.). 627 Siehe Beilage B des Gesetzes wegen Entrichtung der Gewerbesteuer vom 30. Mai 1820 (Gesetzessammlung für die königlichen Preußischen Staaten, 1820, S. 147 ff.). Siehe hierzu Hoffmann, Die Lehre von den Steuern, S. 203.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
Tiere gewährleisten soll, um dem „Tollwerden“ der Hunde vorzubeugen.628 Darüber hinaus finden sich verschiedene Luxussteuern, die die Bevölkerung dazu anhalten sollen, unnützen Aufwand zu vermeiden.629 Im Bereich der Wirtschaftspolitik kann auf die preußische Branntweinbesteuerung hingewiesen werden, die in erster Linie zur Einführung rationeller Produktionsverfahren und nur in zweiter Linie zur Bekämpfung der Trunksucht anreizen soll.630 Weiter wird zum Schutz der inländischen Unternehmen vor ausländischer Konkurrenz der Eingang fremder Fabrikate besteuert.631 Auch nach der Reichsgründung weist die Steuergesetzgebung eine große Zahl nichtfiskalischer Maßnahmen auf. Auf Reichsebene sind in erster Linie wirtschaftspolitisch motivierte Steuern zu finden. Insbesondere der Schutz kleiner und mittlerer Betriebe sowie der Schutz der Landwirtschaft stehen hier im Mittelpunkt des Interesses. Zur Aufrechterhaltung der Klein- und Mittelbetriebe werden diese beispielsweise im Rahmen des Zuckersteuergesetzes,632 des Biersteuergesetzes633 und des Branntweinsteuergesetzes634 geringer belastet als 628 Ordre vom 29. April 1829 und 18. Oktober 1834 geändert durch Gesetz betreffend die Erhöhung des Höchstbetrages der Hundesteuer in den älteren Landesteilen der Monarchie vom 1. März 1891 (Gesetzessammlung für die königlichen Preußischen Staaten, 1891, S 33). Siehe Hoffmann, Die Lehre von den Steuern, S. 90. 629 Siehe allgemein zu Luxussteuern der damaligen Zeit Hoffmann, Die Lehre von den Steuern, S. 87 ff. 630 Gesetz wegen Besteuerung des inländischen Branntweins, Braumalzes, Weinmostes und der Tabaksblätter vom 8. Februar 1819 (Gesetzessammlung für die königlichen Preußischen Staaten, 1819, S 97 ff.), geändert durch Allerhöchste Kabinettsorder vom 16. Juni 1838 die Berichtigung des bei Erhebung der Branntweinsteuer zur Anwendung kommenden Maischsteuersatzes betreffend (Gesetzessammlung für die königlichen Preußischen Staaten, 1838, S. 358), geändert durch Gesetz wegen Berichtigung des bei Erhebung der Branntweinsteuer zur Anwendung kommenden Maischsteuersatzes vom 19. April 1854 (Gesetzessammlung für die königlichen Preußischen Staaten, 1854, S. 265 f.). Ausführlich hierzu Bodenheim, Der Zweck der Steuer, S. 136 ff. 631 Hoffmann, Die Lehre von den Steuern, S. 375 f. 632 § 65 des Gesetzes die Besteuerung des Zuckers betreffend vom 31. Mai 1891 (RGBl. 1891, S. 295 ff.) i. d. F. des Gesetzes betreffend die Abänderung des Zuckersteuergesetzes vom 27. Mai 1896 (RGBl. 1896, S. 106) erhebt eine Betriebssteuer von der abgefertigten Menge an Zucker je nach Betriebsgröße in unterschiedlicher Höhe. Siehe Meyer, Entwicklung und Motive der nichtfiskalischen Besteuerung, S. 38. 633 § 3a des Gestzes wegen Erhebung der Brausteuer vom 31. Mai 1872 (RGBl. 1872, S. 153 ff.) i. d. F. des Gesetzes betreffend die Ordnung des Reichshaushalts und die Tilgung der Reichsschuld vom 3. Juni 1906 (RGBl. 1906, S. 620 ff.) führt eine Staffelung der Steuersätze ein, die vom einfachen Steuersatz bei geringem bis zum zweieinhalbfachen bei größerem Braustoffverbrauch reicht. Die aus der Steuerabstufung für die kleineren und mittleren Betriebe sich ergebenden Steuervorteile sollen gegenüber den Vorteilen der Großbetriebe in Produktion und Absatz einen Ausgleich bringen. Siehe Meyer, Entwicklung und Motive der nichtfiskalischen Besteuerung, S. 42 f. 634 § 2 des Gesetzes beteffend die Besteuerung des Branntweins vom 24. Juni 1887 (RGBl. 1887, S. 253 ff.) begünstigt Kleinbetriebe dadurch, dass Materialbrennereien ihr gesamtes Erzeugnis zum niedrigeren Steuersatz herstellen dürfen. Materialbrennereien sind aber i. d. R. kleine Betriebe. Siehe Meyer, Entwicklung und Motive der nichtfiskalischen Besteuerung, S. 51.
E. Die Anwendung der Bundestreue auf den Konflikt Steuer- / Sachgesetzgeber
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Großbetriebe. Aus dem gleichen Grund werden in verschiedenen Steuergesetzen auch Produktionsmengenbeschränkungen eingeführt, die für einzelne Produzenten Höchstmengen festsetzen. Solange sich die Produzenten innerhalb dieser Grenze bewegen, gilt der normale Steuersatz. Wird die Höchstgrenze jedoch überschritten, wird die darüber hinausgehende Produktion mit Steuerzuschlägen belastet. Solche mengenmäßigen Beschränkungen, die die Ausdehnung der Großbetriebe verhindern sollen, finden sich beispielsweise bei der Branntweinsteuer ab 1887,635 der Zündwarensteuer von 1909,636 und der Biersteuer von 1918.637 Den Schutz der Landwirtschaft haben etwa das Branntweinsteuergesetz und das Zigarettensteuergesetz zum Gegenstand.638 Beide Steuergesetze verfolgen dabei zugleich gesundheitspolitische Zwecke.639 Darüberhinaus soll die besondere steuerliche Belastung der Zigarette durch die Zigarettensteuer die arbeitsplatzintensiverere Zigarrenindustrie schützen.640 Ein weiterer Zweck der Reichssteuergesetzgebung ist die Eindämmung der Börsenspekulation. Hierzu werden Zeitgeschäfte einer besonderen Besteuerung unterworfen.641 In den Jahren 1875 bis 1918 soll zudem mittels 635 § 2 des Gesetzes beteffend die Besteuerung des Branntweins vom 24. Juni 1887 (RGBl. 1887, S. 253 ff.). 636 § 3 des Artikels IV (Besteuerung der Zündwaren) des Gesetzes betreffend Änderung im Finanzwesen vom 15. Juli 1909 (RGBl. 1909, S. 743 ff.). 637 § 4 des Biersteuergesetzes vom 26. Juli 1918 (RGBl. 1918, S. 863). 638 § 1 des Gestzes betreffend die Besteuerung des Branntweins vom 24. Juni 1887 (RGBl. 1887, S. 253 ff.) soll mit dem gestaffelten Steuersatz je nach Menge des hergestellten Branntweins durch Herbeiführung einer günstigeren Preisgestaltung die Brennerei als landwirtschaftliches Nebengewerbe erhalten. Siehe Meyer, Entwicklung und Motive der nichtfiskalischen Besteuerung, S. 51 und Grohmann, Besondere Verbrauchsteuern als Instrument zur Förderung von Landwirtschaft und Gewerbe, S. 26 ff. Nach § 2 der Anlage 2 (Zigarettensteuergesetz) des Gesetzes betreffend die Ordnung des Reichshaushalts und die Tilgung der Reichsschuld vom 3. Juni 1906 (RGBl. 1906, S. 620 ff.) unterliegen der im Inland geschnittene Zigarettentabak und die im Inland hergestellten Zigaretten einer besonderen Steuer. Durch diese spezielle Belastung der Zigarette im Vergleich zur Zigarre soll die Verdrängung der Zigarre verhindert werden. Durch eine solche Verdrängung würden u. a. die landwirtschaftlichen Interessen verletzt, da der inländische Tabakbau nicht in der Lage sei, die für die Zigarettenherstellung geeigneten Tabake in größerem Umfang zu erzeugen und daher in der Absatzfähigkeit seiner Hauptprodukte beeinträchtigt würde. Siehe Meyer, Entwicklung und Motive der nichtfiskalischen Besteuerung, S. 75 und Grohmann, Besondere Verbrauchssteuern als Instrument zur Förderung von Landwirtschaft und Gewerbe, S. 53. 639 Das Branntweinsteuergesetz soll den schädlichen Folgen übermäßigen Branntweingenusses entgegentreten. Das Zigarettensteuergesetz soll auch deshalb die Verdrängung der Zigarre aufhalten, da der Tabakgenuß in Form von Zigaretten als gesundheitsschädlicher angesehen wird, als der in Form der Zigarre. Siehe Meyer, Entwicklung und Motive der nichtfiskalischen Besteuerung, S. 50, 75. 640 Siehe Meyer, Entwicklung und Motive der nichtfiskalischen Besteuerung, S. 75 und Grohmann, Besondere Verbrauchsteuern als Instrument zur Förderung von Landwirtschaft und Gewerbe, S. 61 ff. 641 Im Gesetz betreffend die Erhebung von Reichstempelabgaben vom 1. Juli 1881 (RGBl. 1881, S. 185 ff.) werden unter Tarifnummer 4 Schlußnoten über Kauf- oder sonstige An-
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
einer Banknotensteuer die Geldmarktpolitik beeinflusst werden. Die Steuer soll eine Verminderung des ungedeckten Notenumlaufs erreichen, indem sie neben einem normalen Steuersatz für den sich innerhalb der regelmäßigen Grenzen haltenden ungedeckten Notenumlauf einen zweiten, höheren Steuersatz festlegt, der bei Überschreitung der Grenze zur Anwendung kommt.642 Gestaltende Steuern lassen sich aber nicht lediglich auf der Ebene des Reiches beobachten, auch auf Länderebene bestehen entsprechende Steuern. So wird etwa in Preußen im Jahre 1891 ein Gewerbesteuergesetz beschlossen, das für Schank- und Wirtsstätten eine besondere Betriebssteuer einführt und auf diese Weise versucht, den Alkoholkonsum einzudämmen.643 Als weiteres Beispiel für ein gestaltendes Landessteuergesetz kann die preußische Warenhaussteuer genannt werden. Um den Kleinhandel vor dem Übergewicht der Warenhäuser zu schützen, werden letztere einer besonderen Besteuerung unterworfen.644 Schließlich sind auch die preußischen Gemeinden ausdrücklich befugt, außerfiskalisch motivierte Steuern zu erlassen. Nach § 2 des Preußischen Kommunalabgabengesetzes von 1893 dürfen sie entsprechende Steuern normieren, ohne dabei an das ansonsten geltende Subsidiariätsprinzip gebunden zu sein.645 Auch in der Weimarer Republik erfährt das Verständnis der Steuer in Wissenschaft und Praxis keinen Bruch. Die Steuer wird von der Rechtslehre weiterhin als politisches Gestaltungsinstrument anerkannt. Indem die Aufnahme eines fiskalischen Zweckmerkmals in die Begriffsbestimmung der Steuer weiterhin mehrheitschaffungsgeschäfte über Wechsel, ausländische Banknoten und Papiergeld, über Aktien, Staatspapiere u. ä. und über Waren, die nach Gewicht, Maß und Zahl gehandelt werden, besteuert. Werden diese Geschäfte auf Zeit abgeschlossen, verfünffacht sich die Steuer. Siehe Meyer, Entwicklung und Motive der nichtfiskalischen Besteuerung, S. 98 f. 642 Siehe § 9 des Bankgesetzes vom 14. März 1875 (RGBl. 1875, S. 177 ff.). Ausführlich dazu Bodenheim, Der Zweck der Steuer, S. 148 ff. 643 § 59 ff. des Gewerbesteuergesetzes vom 24. Juni 1891 (Gesetzessammlung für die königlichen Preußischen Staaten, 1891, S. 205 ff.). Siehe auch Thier, Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, S. 201 ff, 493 f. 644 Gesetz betreffend die Warenhaussteuer vom 18. Juli 1900 (Gesetzessammlung für die königlichen Preußischen Staaten, 1900, S. 294 ff). Derjenige, der das stehende Gewerbe des Kleinhandels betreibt und dessen Jahresumsatz 400.000 Mark übersteigt, wird besteuert. Siehe ausführlich, inklusive der Beratungen des Gesetzes, Spiekermann, Warenhaussteuer in Deutschland, S. 105 ff. 645 Nach § 2 des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 (Gesetzessammlung für die königlichen Preußischen Staaten, 1893, S. 152 ff.) dürfen die Gemeinden von der Befugnis, Steuern zu erheben, nur insoweit Gebrauch machen, als die sonstigen Einnahmen, insbesondere aus dem Gemeindevermögen, aus Gebühren, Beiträgen und vom Staat oder von weiteren Kommunalverbänden den Gemeinden überwiesenen Mitteln zur Deckung ihrer Ausgaben nicht ausreichen. Für Hunde- und Lustbarkeits-, sowie für ähnliche durch besondere Rücksichten gebotene Steuern gilt dies dagegen nicht. Die Gemeinden sind auch vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes befugt gewesen, öffentliche Lustbarkeiten und Hunde zu besteuern. Siehe Adickes, Das Kommunalabgabengesetz vom 14. Juli 1893, Erläuterungen zu §§ 15 und 16. Siehe auch Grotefend, Die Organisation der unmittelbaren und mittelbaren Staatsverwaltung in Preußen, S. 661 f.
E. Die Anwendung der Bundestreue auf den Konflikt Steuer- / Sachgesetzgeber
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lich abgelehnt wird, bleibt sie für außerfiskalische Ziele geöffnet.646 Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die verschiedenen Zwecke, die mit der Auferlegung verfolgt werden, den Rechtscharakter der Steuer nicht beeinflussen.647 Der in § 1 Abs. 1 AO von 1919648 normierte Steuerbegriff, der das Merkmal „zur Erzielung von Einkünften“ enthält, ist deshalb – sofern er überhaupt eine Begrenzung auf den Fiskalzweck festschreibt649 – nicht als allgemeingültige Begriffsbestimmung der Steuer anzusehen.650 Vielmehr wird lediglich eine Aussage darüber getroffen, was unter Steuern i.S. der Reichsabgabenordnung zu verstehen ist und für welche Steuern die entsprechenden Verfahrensregeln gelten sollen.651 Ferner erfolgt auch in der Gesetzgebungspraxis dieser Epoche kein Wandel. Die Steuer wird nach wie vor als Gestaltungsinstrument eingesetzt. Ebenso wie in der Kaiserzeit werden vom Reich beispielsweise Steuergesetze erlassen, die den Schutz kleiner und mittlerer Betriebe sowie den Schutz der Landwirtschaft zum Gegenstand haben. So bleibt die Vorzugsbehandlung landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen des Branntweinsteuergesetzes erhalten.652 Im Jahr 1930 wird außerdem eine besonders niedrige Einkommensbesteuerung für die Landwirtschaft beschlossen.653 Als steuerliche Maßnahmen zum Schutz von Klein- und Mittel646 Siehe Strutz, Grundlehren des Steuerrechts, S. 8; Nawiasky, Steuerrechtliche Grundfragen, S. 32; Fleiner, Instutionen des deutschen Verwaltungsrechts (1928), S. 422; Friedrichs, Grundzüge des Steuerrechts, S. 36; Waldecker, Deutsches Steuerrecht, S. 15, 18; Mirbt, Grundriß des deutschen und preußischen Steuerrechts, S. 6. Siehe zum herrschenden Steuerverständnis der damaligen Zeit ausführlich Bodenheim, Der Zweck der Steuer, S. 171 ff. 647 Mirbt, Grundriß des deutschen und preußischen Steuerrechts, S. 6. 648 Nach § 1 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung vom 13. Dezember 1919 (RGBl. 1919, S. 1993 ff.) sind Steuern i. S. der Reichsabgabenordnung einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. 649 Nach Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 110 ff. und Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 60 ff. soll § 1 AO (1919) keinen rein fiskalisch orientierten Steuerbegriff aufstellen, vielmehr soll die Steuer lediglich von den nichtsteuerlichen Abgaben getrennt werden. A. A. Bodenheim, Der Zweck der Steuer, S. 167 ff. und Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 68, die in § 1 AO (1919) die Normierung eines fiskalischen Steuerbegriffs sehen. 650 Auch das Reichsgericht (RGZ 110, 344 [346]) weist darauf hin, dass es Steuern geben kann, die nicht den Erfordernissen des § 1 AO gerecht werden. Siehe auch Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 61 ff.; Bodenheim, Der Zweck der Steuer, S. 173; Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 49 ff. 651 Mirbt, Grundriß des deutschen und preußischen Steuerrechts, S. 5; Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 54 ff. Auch der Verfasser der Reichsabgabenordnung, Enno Becker, betonte, dass es nicht darum ging, den Begriff der Steuer gesetzlich festzulegen, sondern dass der Anwendbarkeit der AO feste Grenzen gezogen werden sollten. Siehe Becker, Die Reichsabgabenordnung, S. VII. 652 Siehe Meyer, Entwicklung und Motive der nichtfiskalischen Besteuerung, S. 169 ff. 653 Nach § 57a des Einkommenssteuergesetzes vom 29. März 1920 (RGBl. 1920, S. 859 ff.) i. d. F. der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1. Dezember 1930 (RGBl. I, 1930, S. 517 ff.) werden Einkünfte der Land- und
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
betrieben sind das Biersteuergesetz654 und das Umsatzsteuergesetz zu nennen. So normiert das Umsatzsteuergesetz in der Fassung von 1930 zur Bewahrung des Mittelstandes einen besonders hohen Steuersatz für Unternehmen, die überwiegend im Einzelhandel umsetzen und deren Gesamtumsatz eine Million RM übersteigt.655 Ein weiteres Ziel der Umsatzsteuer ist die Konsumlenkung. Durch einen zehnfach höheren Steuersatz für Luxusgegenstände soll die Verschwendungssucht der Bevölkerung eingedämmt werden.656 In wirtschaftspolitischer Hinsicht bedeutsam ist zudem die seit 1924 geltende Steuerermäßigungen für Fusionen. Diese steuerliche Begünstigung bezweckt, Unternehmen zu volkswirtschaftlich sinnvollen Zusammenschlüssen anzuregen.657 Ebenfalls wirtschaftspolitisch motiviert ist auch die Börsensteuer. Diese zielt darauf ab, den Börsenbesuch zu erschweren und nicht berufsmäßige Spekulanten von der Börse fernzuhalten.658 Schließlich soll auf ein gestaltendes Moment im Rahmen der Kraftfahrzeugsteuer hingewiesen werden. Diese wird 1927 dahingehend geändert, dass Kraftomnibusse oder Lastkraftwagen, die nicht auf allen Rädern mit Luftbereifung versehen sind, höher besteuert werden. Dadurch soll ein Anreiz für die Verwendung von Reifenarten geschaffen werden, die die Straßendecke schonen.659 Forstwirte nur dann besteuert, wenn sie 6.000 RM übersteigen. Wenn das Gesamteinkommen 12.000 RM nicht überschreitet, bleiben Einkünfte aus landwirtschaftlichen Betrieben, wenn sie 6.000 RM nicht übersteigen, außer Ansatz. Ist das Einkommen höher als 12.000 RM und sind darin Einkünfte aus der Landwirtschaft enthalten, ermäßigt sich die Einkommenssteuer um 10 %, höchstens um 600 RM. Siehe hierzu Meyer, Entwicklung und Motive der nichtfiskalischen Besteuerung, S. 214. 654 Das Biersteuergesetz vom 9. Juli 1923 (RGBl. I, 1923, S. 557 ff.) und vom 10. August 1925 (RGBl. I, 1925, S. 244) werden durch das Gesetz zur Änderung des Biersteuergesetzes vom 15. April 1930 dahingehend geändert, dass zum Schutz der Klein- und Mittelbrauereien Brauereien, die für Rechnung einer Person betrieben werden, zusammenzurechnen sind (§ 3 Abs. 3). Siehe auch Meyer, Entwicklung und Motive der nichtfiskalischen Besteuerung, S. 180. 655 Nach § 12 des Umsatzsteuergesetzes i. d. F. vom 8. Mai 1926 (RGBl. I, 1926, S. 218 ff.) beträgt die Steuer 7,5 v. T. des Entgelts. Durch das Gesetz zur Änderung des Biersteuergesetzes vom 15. April 1930 (RGBl. I, 1930, S. 136) erhöht sich die Steuer auf 8,5 v. T. Zusätzlich wird in § 12 ein Absatz 2 eingefügt, der für Unternehmen im Einzelhandel mit entsprechendem Umsatz den Steuersatz auf 13,5 v. T. erhöht. Siehe auch Meyer, Entwicklung und Motive der nichtfiskalischen Besteuerung, S. 168. 656 Nach § 13 des Umsatzsteuergesetzes vom 24. Dezember 1919 (RGBl. 1919, S. 2157 ff.) beträgt die Steuer 1,5 %, während sie für Luxusgegenstände nach § 15 15 % beträgt. Siehe auch Meyer, Entwicklung und Motive der nichtfiskalischen Besteuerung, S. 158. 657 Nach § 8 des Gestzes über Steuermilderungen zur Erleichterung der Wirtschaftslage vom 31. März 1926 (RGBl. I, 1926, S. 185 ff.) wird bei Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften die Gesellschaftsteuer auf 10% ermäßigt. 658 Siehe die Börsensteuerverordnung vom 14. Februar 1924 (RGBl. I, 1924, S. 113 ff.). Die Börsensteuer besteht nach § 1 aus der fortlaufenden Börsenbesuchssteuer und der einmaligen Börsenzulassungssteuer. Nach § 2 Abs. 3 können die obersten Landesbehörden bestimmen, dass vereidigte Kursmakler und ihre Angestllten nicht als steuerpflichtige Börsenbesucher gelten. Siehe auch Meyer, Entwicklung und Motive der nichtfiskalischen Besteuerung, S. 241.
E. Die Anwendung der Bundestreue auf den Konflikt Steuer- / Sachgesetzgeber
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Der Steuergesetzgeber wird demnach in allen Epochen der deutschen Geschichte als berechtigt angesehen, mit Hilfe von Steuergesetzen politische Gestaltungsaufgaben wahrzunehmen. Dies wird durch die große Zahl außerfiskalisch motivierter Steuergesetze bestätigt. Ein Regel-Ausnahme Verhältnis in dem Sinne, dass der Steuergesetzgeber grundsätzlich fiskalische Steuergesetze erlassen musste und nur ausnahmsweise politisch gestaltend tätig werden durfte, lässt sich im Rahmen einer historischen Betrachtung nicht nachweisen. Vielmehr war die Steuer in die Erfüllung der Staatsaufgaben integriert und wurde als ein Gestaltungsinstrument unter anderen betrachtet. Wie sie konkret eingesetzt wurde, war allein der politischen Entscheidung überlassen. Im Ergebnis lassen sich folglich keine historischen Argumente dafür finden, dass die primäre Funktion des Steuergesetzgebers in der Erzielung von Einnahmen besteht.
2. Das Verhältnis zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber nach dem Grundgesetz Ein tatsächlicher Vorrang des Sachgesetzgebers in dem Sinne, dass der Steuergesetzgeber nur ausnahmsweise gestaltend tätig wird, lässt sich in der Realität nicht beobachten. Die Gesetzgebungspraxis zeigt vielmehr, dass der Steuergesetzgeber seit Bestehen des Grundgesetzes politische Gestaltungsaufgaben wahrnimmt. Nahezu alle Politikbereiche sind Gegenstand der steuerlichen Gestaltung. So wurde bzw. wird die Steuer unter dem Grundgesetz beispielsweise zu gesundheitspolitischen,660 ordnungspolitischen,661 wohnungs- und wohnungsbaupolitischen,662 wirtschafts- und strukturpolitischen,663 landwirtschaftspolitischen664 so659 Siehe § 4 Abs. 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 21. Dezember 1927 (RGBl. I, 1927, S. 509 ff.). Siehe hierzu Meyer, Entwicklung und Motive der nichtfiskalischen Besteuerung, S. 198 f. 660 Hierzu zählt insbesondere das Tabaksteuergesetz, das Biersteuergesetz, das Gesetz über das Branntweinmonopol sowie das Gesetz zur Besteuerung von Schaumwein und Zwischenerzeugnissen. Zum Lenkungscharakter der Besteuerung von alkoholischen Getränken und Tabakwaren Lang, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3, Rz. 11. 661 So rückt etwa bei der kommunalen Hundesteuer oftmals der ordnungspolitische Gesichtspunkt in den Vordergrund, einer allzu umfangreichen Hundehaltung und den damit verbundenen Verunreinigungen und einer erhöhten Gefährlichkeit zu begegnen. Siehe Birk, in: Driehaus (Hrsg.), Kommunalabgabenrecht, § 3, Rz. 133. Auch die kommunale Besteuerung von Spielautomaten (insbesondere der Killerautomatensteuer) ist ordungspolitisch motiviert. Siehe Birk, in: Driehaus (Hrsg.), Kommunalabgabenrecht, § 3, Rz. 190. 662 Siehe etwa §§ 7b (Erhöhte Absetzungen für Ein- und Zweifamilienhäuser und Eigentumswohnungen), 7e (Erhöhte Absetzungen für Baumaßnahmen an Gebäuden zur Schaffung neuer Mietwohnungen), 7h (Erhöhte Absetzungen bei Gebäuden in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen), 7i (Erhöhte Absetzungen bei Baudenkmalen), 7k (Erhöhte Absetzungen für Wohnungen mit Sozialbindung) und § 10 e EStG (Steuerbegünstigung der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung im eigenen Haus). Die Vorschriften sind mittlerweile z. T. wegen Ablaufs des Begünstigungszeitraums bedeutungslos. Zum Lenkungscharakter dieser Vorschriften Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 19, Rz. 1, 8, 19 und
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
wie sozial- und gesellschaftspolitischen 665 Zwecken eingesetzt. Besondere Aufmerksamkeit wird heutzutage schließlich den sog. Ökosteuern zuteil. Der Steuergesetzgeber versucht etwa mittels der Stromsteuer,666 der Mineralölsteuer,667 der Osterloh, Besteuerung von Einkommen, S. 383 (391). Auch auf kommunaler Ebene wird mit Hilfe der Steuer Wohnungspolitik betrieben. So wird mit der Zweitwohnungssteuer auch der Zweck verfolgt, das Halten von Zweitwohnungen einzudämmen, um dadurch das Wohnungsangebot für die einheimische Bevölkerung zu erhöhen. Siehe Birk, in: Driehaus (Hrsg.), Kommunalabgabenrecht, § 3, Rz. 215. Zur langen Tradition der steuerlichen Wohnungsbauförderung in der Bundesrepublik Meyer, Entwicklung und Motive der nichtfiskalischen Besteuerung, S. 329 ff. 663 So werden etwa bestimmte Branchen unterstützt. Siehe beispielsweise § 5 a EStG, der bestimmt, dass die Gewinnermittlung für Handelsschiffe nach der Tonnage erfolgt und damit den wirklichen Gewinn nur teilweise erfasst. Dazu, dass diese Vorschrift wirtschaftspolitisch motiviert ist, Lang, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 9, Rz. 202 und Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG, § 5a, Rz. 1 („Sicherung des maritimen Standorts Deutschland“). Des Weiteren wird die Steuer zur Mittelstandspolitik eingesetzt. Siehe beispielsweise § 7 g EStG, der Sonderabschreibungen und Ansparabschreibungen zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe regelt, und § 35 EStG, der für Einkünfte aus Gewerbetrieben Steuerermäßigungen vorsieht. Zum Lenkungscharakter dieser Vorschriften Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 19, Rz. 8. Siehe auch die Steuerermäßigungen für kleinere und mittlere Brauereien (§ 2 Abs. 2 BiersteuerG) und für Kleinbrennereien (§ 131 Abs. 2 BranntweinmonopolG). Zur Förderung des Mittelstandes in der Geschichte der Bundesrepublik Meyer, Entwicklung und Motive der nichtfiskalischen Besteuerung, S. 339 ff. und S. 419 ff. (speziell im Rahmen der Branntweinbesteuerung). In wirtschafts- und strukturpolitischer Hinsicht von Bedeutung ist auch die frühere Förderung der neuen Länder und Berlins durch das Steueränderungsgesetz von 1991 (BGBl. I, 1991, S. 1322), das Sonderabschreibungen und Abzugsbeträge im Fördergebiet normierte. Dazu Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 19, Rz. 44. Aus historischer Perspektive bedeutsam ist zudem der Konjunkturzuschlag von 1970. Siehe hierzu BVerfGE 29, 402. Zur steuerlichen Konjunkturpolitik seit den 60er Jahren Meyer, Entwicklung und Motive der nichtfiskalischen Besteuerung, S. 324 f. 664 Zur Förderung der Landwirtschaft siehe etwa §§ 13 Abs. 3 (Freibetrag von 670 bzw. 1.340 Euro), 13a (Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen, so dass der Realgewinn nur partiell erfasst wird), 14a (Vergünstigung bei der Veräußerung bestimmter land- und forstwirtschaftlicher Betriebe) sowie § 34e EStG (Steuerermäßigung bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft). Hierzu Lang, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 9, Rz. 144. Zur Förderung der Landwirtschaft seit Bestehen der Bundesrepublik Meyer, Entwicklung und Motive der nichtfiskalischen Besteuerung, S. 332 ff. 665 Siehe beispielsweise die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonn-, Feiertags- oder Nachtarbeit gem. § 3 b EStG. Hierzu Lang, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 9, Rz. 140. Siehe auch die in den einzelnen Steuergesetzen (z. B. § 10 b EStG) normierten Begünstigungen für gemeinnützige Zwecke, die zu gemeinwohlorientiertem Verhalten anreizen sollen. Hierzu Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 20. 666 Das Stromsteuergesetz soll durch die steuerliche Erhöhung des Energiepreises zum umweltschonenden Energiesparen anreizen. Siehe Entwurf eines Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuerreform, BT-Drucks. 14 / 40 vom 17. 11. 1998, S. 9. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG ist der Strom von der Steuer befreit, wenn er aus erneuerbaren Enerieträgern erzeugt und aus einem ausschließlich aus solchen Energieträgern gespeisten Netz oder einer Leitung entnommen wird. 667 Auch das Mineralölsteuergesetz soll zur Reduzierung des Energieverbrauchs führen. Siehe wiederum den Entwurf eines Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuerreform,
E. Die Anwendung der Bundestreue auf den Konflikt Steuer- / Sachgesetzgeber
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Kraftfahrzeugsteuer668 sowie einkommenssteuerlichen Vorschriften669 seine umweltpolitischen Zielvorstellungen zu realisieren. Nicht nur, dass tatsächlich kein Vorrang des Sachgesetzgebers feststellbar ist, auch normativ lässt sich ein solcher nicht begründen. Weder wird ein entsprechender Vorrang des Sachgesetzgebers vor dem Steuergesetzgeber an irgendeiner Stelle des Grundgesetzes ausdrücklich erwähnt, noch kann er dem Grundgesetz durch Auslegung entnommen werden. Der Normtext der grundgesetzlichen Kompetenzvorschriften enthält keinen Hinweis darauf, dass die politische Gestaltung vorrangige Aufgabe des Sachgesetzgebers ist. Auch aus historischer Perspektive ergibt sich kein Anhaltspunkt für eine Vorrangstellung des Sachgesetzgebers. Wie bereits erörtert, bestand keine entsprechende Verfassungstradition, die das Grundgesetz hätte unverändert fortschreiben können. Ebensowenig hat der Verfassungsgeber einen Vorrang des Sachgesetzgebers erstmals begründen wollen. Vielmehr sind Steuergesetze im Parlamentarischen Rat als reguläres Gestaltungsinstrument verstanden worden. So ist neben der Einnahmeerzielung auch die Verfolgung gesellschaftspolitischer Ziele als Aufgabe des Steuergesetzgebers betrachtet worden.670 Auch aus der systematischen Trennung der Steuer- und der Sachgesetzgebungskompetenz kann kein Vorrang des Sachgesetzgebers abgeleitet werden. Die Ausgliederung der Steuergesetzgebungskompetenz aus dem Katalog der Art. 70 ff. GG und ihre Verortung in Art. 105 GG hat nicht den Zweck, die Aufgabe der politischen Gestaltung primär dem Sachgesetzgeber zuzuweisen. Die erst im Parlamentarischen Rat erfolgte Einfügung der Steuergesetzgebungskompetenzen in die Finanzverfassung hat vielmehr allein regelungstechnische Gründe.671 Alle das Finanzwesen betreffenden Vorschriften sollen in einem eigenen Abschnitt zusammengefasst werden, da sie in wesentlichen Punkten von den sonstigen Regelungen im Grundgesetz abweichen und so der beBT-Drucks. 14 / 40 vom 17. 11. 1998, S. 9. § 2 MinöStG sieht gespreizte Steuersätze je nach dem Schwefelgehalt der Mineralöle vor. 668 Nach §§ 3b, 3d KraftStG werden besonders schadstoffarme Fahrzeuge für eine begrenzte Zeit von der Steuer befreit. Gem. § 9 KraftStG gelten für schadstoffarme Wagen zudem günstigere Steuersätze. Zum Lenkungscharakter der Kraftfahrzeugsteuer Reiß, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 15, Rz. 48 und Flockermann, Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 67 (71). 669 Siehe § 7d EStG, der erhöhte Absetzungen für Wirtschaftsgüter, die dem Umweltschutz dienen gewährt. Die Vorschrift ist mittlerweile aber ausgelaufen und hat keine aktuelle Bedeutung mehr. Siehe auch die umweltpolitisch motivierte Entferungspauschale des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG, die verkehrsmittelunabhängig gewährt wird und damit einen Anreiz zur Benutzung öffentlicher Verkehrsträger schaffen soll. Zudem wird die ressourcenschonende Bildung von Fahrgemeinschaften begünstigt, indem jedem Mitfahrer die Entfernungspauschale zusteht. Hierzu Lang, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 9, Rz. 263. 670 Siehe oben 1. Teil, C. I. 1. 671 Im Entwurf von Herrenchiemsee war die Steuergesetzgebungskompetenz noch im Abschnitt Bund und Länder nach der Regelung der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes (Art. 35) und der Vorranggesetzgebung des Bundes (Art. 36) in Art. 38 geregelt.
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
sondere Charakter des Finanzwesens betont wird.672 Dass diese Erwägungen durchaus ihre Berechtigung haben, zeigt sich an den Schwierigkeiten, die entstünden, wenn man die Steuergesetzgebungskompetenzen in die Art. 70 ff. GG integrierte. So weichen nicht nur die Anforderungen im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung voneinander ab,673 auch normiert Art. 105 Abs. 2a GG eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder, die den Sachgesetzgebungskompetenzen der Art. 70 ff. GG gänzlich unbekannt ist.674 Ein Vorrang des Sachgesetzgebers kann auch nicht damit begründet werden, dass der Steuergesetzgeber, sobald er gestaltende Steuern erlässt, im Randbereich seiner Kompetenz tätig wird. Eine solche Zuständigkeitsabstufung ist der grundgesetzlichen Kompetenzordnung fremd. Die Kompetenzordnung unterscheidet vielmehr nur zwischen zuständig oder unzuständig. Entweder besteht eine Gesetzgebungsbefugnis oder es besteht keine, eine Kategorie „gerade noch zuständig“ gibt es nicht. Zudem ist zu bedenken, dass man – sofern an eine solche Einteilung normative Folgen geknüpft werden – ein erhebliches Unsicherheitsmoment in die Kompetenzordnung hineinträgt. Wenn man also zu Recht anerkennt, dass die Steuergesetzgebungskompetenz zur politischen Gestaltung eingesetzt werden darf, muss sie auch in diesem Fall als vollwertige Kompetenz betrachtet werden. Die Steuergesetzgebungskompetenz verleiht aufgrund der Offenheit des Steuerbegriffs für außerfiskalische Zwecke sowohl die Befugnis zur Einnahmeerzielung wie auch zur politischen Gestaltung. Sie ist in diesem Sinne doppelfunktional.675 Man kann deshalb 672 Das Mitglied des Finanzausschusses Greve führt dazu im Parlamentarischen Rat, 7. Sitzung des Plenums vom 21. 10. 1948 (abgedruckt bei Werner (Bearb.), Der Parlamentarische Rat, Bd. 9, Plenum, S. 217 (258) aus: „Schon ein Blick in die Verfassungen aller Länder, insbesondere in die Verfassungen mit föderalem Charakter zeigt aber, daß dennoch das Finanzwesen außerhalb der übrigen Gebiete der staatlichen Ordnungsfunktionen und ihres Systems behandelt wird und eine entsprechende Regelung gefunden hat. Dafür muß irgendein Grund vorliegen. . . Das Finanzwesen ist als ein Teil der Wirtschaft zugleich nicht nur ein Teil der politischen Ökonomie, sondern es gehört als Teil der Finanzwirtschaft in ein System von Funktionen, die nicht irgendwie beliebig verändert werden können. Das ist einer der hauptsächlichsten Gründe, dass das Finanzwesen dennoch gesondert betrachtet werden kann und losgelöst von den anderen Regelungen eine besondere Regelung zu finden hat. . .“; Siehe auch den Berichterstatter des Finanzausschusses. Höpker-Aschoff, in der 13. Sitzung des Finanzausschusses vom 6. 10. 1948 (abgedruckt bei Feldkamp / Müller[Bearb.], Der Parlamentarische Rat, S. 400, 401 f.); Fischer, Parlamentarischer Rat und Finanzverfassung, S. 90 (Fn. 172); Wacke, Das Finanzwesen der Bundesrepublik, S. 10 f.; v. Doeming / Füsslein /Matz, JöR N.F. 1 (1951), S. 748 f. 673 Nach Art. 105 GG hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebung über bestimmte Steuern nicht nur, wenn die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen, sondern auch, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht. 674 Zu den regelungstechnischen Gründen für die Trennung der Art. 70 ff. GG und des Art. 105 GG und den Schwierigkeiten, die Steuergesetzgebungskompetenzen in die Sachgesetzgebungskompetenzen zu integrieren Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 164 f. 675 So zu Recht Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 8 f., 44 ff.; Weber-Grellet, DB 2002, S. 9 (11 f.).
F. Übertragbarkeit auf die sonstigen Konfliktverhältnisse
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nicht davon ausgehen, dass die politische Gestaltung primär Aufgabe des Sachgesetzgebers ist und er hierfür eher zuständig ist als der Steuergesetzgeber. Beide Gesetzgeber sind zur Wahrnehmung von Gestaltungsaufgaben vielmehr gleichermaßen befugt. Der Steuergesetzgeber zur steuerlichen Gestaltung und der Sachgesetzgeber zur Gestaltung mittels anderer gesetzestechnischer Instrumente. Es geht folglich um unterschiedliche Regelungsgegenstände, so dass in diesem Verhältnis eine Kategorisierung nach mehr oder weniger zuständig schon nicht möglich ist.676 Erkennt man die politische Gestaltungsbefugnis des Steuergesetzgebers an, hat das zur Konsequenz, dass man keinen Vorrang des Sachgesetzgebers mehr annehmen kann. Vertritt man dennoch einen solchen Vorrang, muss dies als das gewertet werden, was es ist: Der Versuch, den Vorbehalten gegenüber einem gestaltenden Steuergesetzgeber auf anderem Wege Ausdruck zu verleihen.
3. Ergebnis: Anforderungen der Bundestreue für den Konflikt zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber Abgesehen von den Mißbrauchsfällen wird der Steuergesetzgeber durch die Bundestreue in der Kompetenzwahrnehmung nicht weiter begrenzt. Er kann die Steuergesetzgebungskompetenz auch dann ausüben, wenn seine Gestaltungsvorstellungen von denen des Sachgesetzgebers abweichen und er dessen gesetzliche Programme stört. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist er aber verpflichtet, die ihm vorliegenden Erkenntnisse über mögliche Beeinträchtigungen dem Sachgesetzgeber mitzuteilen.
F. Übertragbarkeit der im Bund-Länder Verhältnis geltenden Anforderungen auf die sonstigen Konfliktverhältnisse Die Bundestreue gilt nur für Konfliktverhältnisse zwischen Bund und Ländern, nicht dagegen für die sonstigen möglichen Konflikte zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber.677 Die im Rahmen der Untersuchung der Bundestreue gewonnenen Erkenntnisse lassen sich jedoch insoweit auf diese Konflikte übertragen, als dass in diesen Konfliktverhältnissen jedenfalls keine weitergehenden Einschränkungen für den gestaltenden Steuergesetzgeber begründet werden können. Wenn schon aus dem anerkannten Grundsatz der Bundestreue nicht mehr als ein Missbrauchsverbot folgt, gilt dies erst recht für Ableitungen aus dem Grundsatz von Treu und Glauben bzw. für solche aus einem etwaigen kompetenzrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme. Man wird zwar aus dem im gesamten öffentlichen 676 677
Siehe hierzu auch oben 1. Teil, D. III. 3. c) cc). Siehe oben 1. Teil, D. II.
11 Barthelmann
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
Recht geltenden und nicht auf personale Beziehungen beschränkten Grundsatz von Treu und Glauben678 ein Kompetenzmissbrauchsverbot für alle gesetzgebenden Körperschaften abzuleiten haben. Es bedarf nämlich eines Korrektivs, um zu verhindern, dass die Inanspruchnahme einer Kompetenz allein zu dem Zweck erfolgt, die andere Seite zu schädigen. Insoweit ist deshalb auf den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben zurück zu greifen. Ebenso wird man aufgrund des Treu und Glauben Grundsatzes eine Pflicht annehmen können, die andere Konfliktpartei über mögliche Beeinträchtigungen zu informieren. Über das Missbrauchsverbot hinausgehende Kompetenzeinschränkungen bestehen jedoch nicht. Ebenso wie im Bund-Länder Verhältnis kann die ausdrückliche Zuweisung einer Gesetzgebungskompetenz auch hier nicht einfach nachträglich unter Berufung auf einen ungeschriebenen Verfassungsrechtssatz wieder teilweise rückgängig gemacht werden. Ein solches Vorgehen beachtet nicht den Vorrang des geschriebenen Rechts. Alle Einwände, die im Rahmen der Bundestreue gegen eine weitergehende, das Missbrauchsverbot überschreitende Kompetenzbegrenzung vorgebracht wurden, gelten auch hier. Die Zuweisung von Kompetenzen an die Kommunen bedeutet auch für diese eine eigenständige Gestaltungsmacht und auch die Kommunen verfügen über eine eigenständige demokratische Legitimation, so dass auch die Kommunen das Recht zum Entgegensteuern und zur Beeinträchtigung fremder Gesetze haben. Es kann deshalb auch nicht ein aus der Einheit der Verfassung abzuleitender kompetenzrechtlicher Grundsatz der Rücksichtnahme begründet werden, der sämtliche Konfliktverhältnisse erfassen und diese im Wege der Güterabwägung lösen soll.679 Ungeachtet dessen, dass schon der Herleitung des entsprechenden Grundsatzes nicht gefolgt werden kann680 und dass der Grundsatz zudem zu erheblichen Anwendungsschwierigkeiten führt, die mit der erforderlichen Berechenbarkeit der Kompetenzen nicht zu vereinbaren sind, verstößt die Statuierung einer zusätzlichen Abwägungsebene und die dadurch eröffnete Möglichkeit einer umfassenden Kompetenzkorrektur im Einzelfall gegen den Vorrang des geschriebenen Kompetenzrechts.
G. Keine Konfliktlösung durch Art. 31 GG bzw. den Gesetzesvorrang Der Grundsatz der Bundestreue bzw. der Grundsatz von Treu und Glauben verhindern nur dann Beeinträchtigungen des Sachgesetzgebers durch den Steuergesetzgeber, wenn letzterer gegen das Missbrauchsverbot verstößt. Ist dies nicht der Fall, greifen die entsprechenden Grundsätze nicht ein. Nichtmissbräuchliche Beeinträchtigungen können schließlich auch nicht unter Rückgriff auf Art. 31 GG 678 679 680
Bauer, Die Bundestreue, S. 245 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3, Rz. 28 ff. So aber Brohm, DÖV 1983, S. 525 (528); Heberlein, DÖV 1990, S. 374 (380). Zur Kritik am Gedanken der Einheit der Verfassung siehe oben 1. Teil, C. II. 2.
G. Keine Konfliktlösung durch Art. 31 GG
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bzw. den Gesetzesvorrang vereitelt werden. Art. 31 GG und der Grundsatz des Gesetzesvorrangs setzen eine Kollisionslage voraus, die hier nicht gegeben ist. Art. 31 GG und der Grundsatz des Gesetzesvorrangs sind nur dann einschlägig, wenn zwei Rechtsnormen aufeinandertreffen, die dieselbe Rechtsfrage mit einander widersprechenden Rechtsfolgen regeln. Sie kommen dagegen von vornherein nicht zur Geltung bei Gesetzen, die unterschiedliche Regelungsgegenstände betreffen.681 Das Zusammentreffen eines Steuer- und eines Sachgesetzes wird also nicht erfasst, da hier einerseits ein Sachverhalt unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten geregelt wird, während andererseits die sachgesetzliche Regelung eines Sachverhalts in Rede steht. Die erforderliche Gegenstandsgleichheit liegt also nicht vor. Zudem müssen sich zwei unvereinbare Normbefehle gegenüberstehen.682 Es müssen unvereinbare Rechtsfolgen aufeinander prallen.683 Es werden demnach nur harte Widersprüche zwischen Normen erfasst, wenn also gesetzliche Regelungen ein Verhalten gleichzeitig ge- und verbieten oder zwei Dinge gebieten, die nicht gleichzeitig erfüllt werden können.684 Solche harten Widersprüche können aber, wie bereits erörtert,685 im Verhältnis zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber niemals auftreten. Die z. T. vorgeschlagenen Erweiterungen des Art. 31 GG sind indes abzulehnen. Dies gilt zunächst für diejenige Ansicht, nach der Art. 31 GG jedenfalls anwendbar sein soll, sofern Steuergesetze der Länder gegen sachgesetzliche Vorgaben des Bundes verstoßen.686 Wieso hier von den ansonsten geltenden Vorgaben des Art. 31 GG abgewichen wird, ist nicht ersichtlich. Im Konflikt zwischen Steuerund Sachgesetzgeber bestehen jedenfalls keine Besonderheiten, die eine solche Ausnahme rechtfertigen könnten. Auch verlangt Art. 31 GG nicht eine Bindung der Länder an die Ziele der Bundespolitik.687 Eines solches Verständnis missachtet den bundesstaatlichen Aufbau des Grundgesetzes. Die grundgesetzliche Kompetenzordnung gewährt den Ländern eigene Gestaltungsspielräume und nimmt damit Zieldivergenzen bewusst in Kauf. Kollisionen, die von der Zuständigkeitsordnung gedeckt sind, können nicht über Art. 31 GG zu Lasten der Länder auf681 BVerfGE 26, 116 (135); Gubelt, in: v. Münch / Kunig / , GG, Art. 31, Rz. 3; Bernhard / Sacksofsky, in: Dolzer / Vogel / Graßhof, BK, Art. 31, Rz. 53; Huber, in: Sachs, GG, Art. 31, Rz. 10; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 31, Rz. 38; März, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 31, Rz. 40, 42; Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 176 f.; Bauer, Öffentliche Rundfunkanstalten und das Kartellrecht, S. 98; Wiederin, Bundesrecht und Landesrecht, S. 341, 382. 682 Dreier, in: ders., GG, Art. 31, Rz. 39; März, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 31, Rz. 41; Bernhardt / Sacksofsky, in: Dolzer / Vogel / Graßhof, BK, Art. 31, Rz. 53; Pietzcker, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, § 99, Rz. 34. 683 März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 102; Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 85 f. 684 So auch Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 86. 685 Siehe oben 1. Teil, C. II. 1. a). 686 So Huber, in: Sachs, GG, Art. 31, Rz. 19. 687 So aber Bleckmann, DÖV 1986, S. 125 (130).
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1. Teil: Der innerstaatliche Kompetenzkonflikt
gelöst werden.688 Art. 31 GG bietet keine Handhabe, um entgegen der grundgesetzlichen Kompetenzordnung, die von einem gleichberechtigten Nebeneinander der Kompetenzräume von Bund und Ländern ausgeht, einen generellen Vorrang des Bundes zu begründen. Die Vorschrift des Art. 31 GG ist nicht Ausdruck einer Hierarchie zwischen Bund und Ländern. Es lässt sich aus ihr nicht eine generelle Unterordnung der Gliedstaaten ableiten.689 Art. 31 GG zwingt deshalb nicht zur politischen Konformität.690 Gleiches spricht gegen die Ableitung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes aus Art. 31 GG, der sämtliche Widersprüche erfassen soll. Danach soll Art. 31 GG in Widerspruchsfällen, in denen die aufeinandertreffenden Gesetze nicht auf den gleichen Regelungsgegenstand bezogen sind, zwar nicht direkt anwendbar sein, da er eine Identität der Gesetzesthemen voraussetze, er soll aber einen Rechtsgrundsatz enthalten, der dem Bund auch in diesen Fällen einen Vorrang zuspreche. Rechtsfolge sei aber kein umfassender Geltungsvorrang, sondern ein Anwendungsvorrang im jeweiligen Einzelfall.691 In den hier angesprochenen Fällen besteht aber keine unbeabsichtigte Lücke, die durch einen Analogieschluss zu schließen ist. Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes begründet ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Bund und Ländern und nimmt Widersprüche somit bewusst in Kauf. Der Anwendungsbereich des Art. 31 GG ist also bewusst eng begrenzt, nicht erfasste Widersprüche werden im Interesse des Bundesstaates hingenommen. Art. 31 GG kann deshalb nicht als Ausprägung eines allgemeinen Grundsatzes, nach dem sämtliche Widersprüche zwischen Rechtsnormen aufzulösen sind, verstanden werden. Auch ist ihm nicht ein Kerngedanke derart zu entnehmen, dass Widersprüche stets durch einen Vorrang des Bundesrechts zu lösen sind, da er gerade nicht Ausdruck eines Hierarchieverhältnisses zwischen Bund und Ländern ist.
H. Ergebnis Der Konflikt zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber ist außer in den Missbrauchsfällen stets zugunsten des Steuergesetzgebers zu lösen. Weder die Bundestreue noch Art. 31 GG bzw. der Gesetzesvorrang gebieten eine andere Lösung. Insbesondere besteht im Verhältnis zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber kein irgendwie gearteter Vorrang des Sachgesetzgebers, vielmehr ist das Instrument der Steuer ein gleichrangiges Gestaltungsinstrument unter anderen. Dass der Steuergesetzgeber ebenso zur politischen Gestaltung befugt ist wie der Sachgesetzgeber, steht übrigens auch in Einklang mit der europäischen Rechtslage. So erkennt der EG-Vertrag die Gleichrangigkeit der Steuer mit anderen Instrumenten ausdrücklich an.692 688 689 690 691 692
Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 85. März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 206. So auch Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 88. Bauer, Öffentliche Rundfunkanstalten und das Kartellrecht, S. 99 f. Siehe dazu unten 2. Teil, B. III. 4.
Zweiter Teil
Der Kompetenzkonflikt zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber auf europäischer Ebene A. Konfliktkonstellationen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten Zunächst ist zu untersuchen, ob trotz der andersartigen Kompetenzordnung auf europäischer Ebene ein vergleichbarer Konflikt zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber entstehen kann, ob es also überhaupt denkbar ist, dass ein Steuergesetzgeber mit einer gestaltenden Steuerregelung ein bestimmtes Ziel verfolgen darf, obwohl er es mit einem Sachgesetz nicht dürfte. Dafür ist auch hier Voraussetzung, dass die Kompetenz für Steuerregelungen und die Kompetenz für Sachregelungen auseinanderfallen und nicht stets in einer Hand liegen. Unterscheidet der EG-Vertrag dagegen nicht zwischen Steuer- und Sachgesetzgebungskompetenzen, kann ein entsprechender Konflikt nicht auftreten. Erst wenn die Erörterung ergibt, dass sich auch auf europäischer Ebene die Frage stellen kann, ob ein Gesetzgeber gestaltende Steuerregelungen erlassen darf, obwohl er nicht über die entsprechende Sachkompetenz verfügt, ist in einem nächsten Schritt zu untersuchen, ob bzw. inwieweit der jeweilige Steuergesetzgeber mit Hilfe steuerlicher Vorschriften Einfluss auf Sachmaterien nehmen und den zuständigen Sachgesetzgeber u. U. gar stören kann. Nachfolgend sollen die zwei möglichen Konfliktkonstellationen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten – die Mitgliedstaaten als Steuer-, die Gemeinschaft als Sachgesetzgeber und umgekehrt – näher betrachtet werden. Dazu bedarf es ebenso wie im Rahmen des nationalen Konflikts der Erörterung der Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten.
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2. Teil: Der Kompetenzkonflikt auf europäischer Ebene
I. Die Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten 1. Die Gesetzgebungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft a) Steuergesetzgebungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft Nach dem derzeitigen Stand der Integration besitzt die Europäische Gemeinschaft keine Steuergesetzgebungshoheit. Sie hat nach dem EG-Vertrag keine Kompetenz, Steuergesetze zur Finanzierung des Haushalts zu erlassen.1 Insbesondere die Vorschrift des Art. 269 EGV, die vorsieht, dass der Haushalt der Gemeinschaft unbeschadet der sonstigen Einnahmen vollständig aus Eigenmitteln finanziert wird und dass das System der Eigenmittel einstimmig vom Rat festgelegt und den Mitgliedstaaten zur Annahme gemäß ihrer verfassungsrechtlichen Vorschriften vorgelegt wird, gewährt der Gemeinschaft keine entsprechende Rechtsetzungskompetenz. Die Bestimmung und die auf dieser Grundlage ergangenen Eigenmittelbeschlüsse regeln allein die Verfügungsberechtigung der Gemeinschaft über die in den Eigenmittelbeschluss eingestellten Mittel, nicht aber wird neben der Ertragshoheit auch eine Gesetzgebungshoheit zur Steuererhebung übertragen.2 Eine entsprechende Ermächtigung muss vielmehr außerhalb des Art. 269 EGV im EGVertrag gesucht werden.3 Dass Art. 269 EGV keine Steuergesetzgebungskompetenz begründet, zeigt sich auch in Art. 2 Abs. 2 des aktuellen Eigenmittelbeschlusses,4 der bestimmt, dass Eigenmittel erst aufgrund des Vertrags kreiert werden müssen, bevor sie in den Eigenmittelbeschluss eingestellt werden können.5 Darüber hinaus lässt sich auch aus Art. 308 EGV keine Befugnis der Gemeinschaft ableiten, Steuern zur Finanzierung des Haushalts zu erheben.6 Nach Art. 308 EGV kann die Gemeinschaft geeignete Vorschriften erlassen, sofern ein Tätigwerden zur Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes erforderlich ist und die hierfür not1 Siehe Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 10, Rz. 1; Bleckmann / Hölscheidt, DÖV 1990, S. 853 (857); Mick, Die Steuerkonzeption der EU, S. 17; Klein, Steuerrecht im Europäischen Binnenmarkt, S. 7 (27); Hilf, NVwZ 1992, S. 105 (109). 2 So zu Recht Ohler, Die fiskalische Integration in der EG, S. 375; Hagen, Die Harmonisierung der indirekten Steuern in Europa, S. 90; Fugmann, in: Dauses, Handbuch des EUWirtschaftsrechts, Kapitel A III, Rz. 104; Klocke, Klimaschutz durch ökonomische Instrumente, S. 93 f.; Lienemeyer, Die Finanzverfassung der Europäischen Union, S. 209; Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 152 f. A. A. Heselhaus, Abgabenhoheit der Europäischen Gemeinschaft, S. 470 f. 3 So zu Recht Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 152. 4 Beschluss 2000 / 597 / EG, Euroatom des Rates vom 29. 9. 2000 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften, ABl. 2000, Nr. L 253, S. 42. 5 Siehe hierzu Lienemeyer, Die Finanzverfassung der Europäischen Union, S. 209. 6 A. A. aber Bieber, Entwicklungsperspektiven der Europäischen Gemeinschaft, S. 37 (57), der für die Schließung von kurzfristigen Einnahmelücken in Art. 308 EGV eine ausreichende Rechtsgrundlage zur Erhebung von Steuern sieht.
A. Konfliktkonstellationen
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wendigen Befugnisse im EG-Vertrag nicht vorgesehen sind. Auch im Fall, dass die Mittel im Gemeinschaftshaushalt erschöpft sind, fällt die Steuererhebung jedoch nicht unter Art. 308 EGV. Angesichts der Tatsache, dass die Beschaffung von Finanzmitteln und die Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes in nur mittelbarem Zusammenhang stehen, hätte es im Text des Art. 308 EGV deutlicher Anhaltspunkte bedurft, dass die Vorschrift auch die Erhebung von Steuern zur Finanzierung des Haushalts abdeckt.7 Die Ableitung einer entsprechenden Gesetzgebungshoheit verstößt folglich gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nach Art. 5 Abs. 1 EGV. Schließlich kann auch die Ansicht nicht überzeugen, die unter Bezugnahme auf die finanzverfassungsrechtlichen Grundsätze in Bundesstaaten den Finanz- und Haushaltsbestimmungen des EG-Vertrags eine Steuergesetzgebungsbefugnis der Gemeinschaft in finanziellen Notfällen entnimmt.8 Zum einen handelt es sich bei der Europäischen Gemeinschaft nicht um einen Bundesstaat und zum anderen verlangt Art. 5 Abs. 1 EGV stets eine spezielle Ermächtigung im Vertrag.9 Ungeachtet dessen, dass die Gemeinschaft nicht über Steuergesetzgebungskompetenzen im eigentlichen Sinne verfügt, kann die Gemeinschaft nach dem EGVertrag gleichwohl Vorschriften erlassen, die Steuern zum Gegenstand haben. Die betreffenden Kompetenzen können aber nicht als echte Steuergesetzgebungskompetenzen qualifiziert werden, ohne mit dem herkömmlichen Verständnis der Steuergesetzgebungskompetenz zu brechen. Im Gegensatz zu echten Steuergesetzgebungsbefugnissen, die allein auf die Form der Steuer bezogen sind und im Interesse der Einnahmeerzielung zum voraussetzungslosen Erlass von Steuervorschriften berechtigen, stehen die einschlägigen Bestimmungen stets in einem besonderen, nicht-fiskalischen Zweckzusammenhang und erteilen dementsprechend nicht die Befugnis zur Einnahmeerzielung. So ist die Gemeinschaft nach Art. 93 EGV zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern, die Verbrauchsabgaben und die sonstigen indirekten Steuern befugt, soweit die Harmonisierung für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes notwendig ist. Lässt man die Problematik des europarechtlichen Steuerbegriffs zunächst unberücksichtigt,10 darf die Gemeinschaft folglich Richtlinien und Verordnungen erlassen,11 die indirekte Steuern 7 Ebenso Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 153. 8 So Bleckmann, in: ders., Europarecht (5. Aufl.), Rz. 116. 9 So auch Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 153. 10 Siehe hierzu unten 2. Teil, D. II. 4. 11 Art. 93 EGV spricht lediglich von Bestimmungen, so dass grundsätzlich alle in Art. 249 EGV genannten Rechtsformen zulässig sind. Es sind also auch Richtlinien und Verordnungen abgedeckt. A. A. Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 222 ff., der die Gemeinschaft auf unverbindliche Empfehlungen und Stellungnahmen beschränkt, da es an einer ausreichenden demokratischen Legiti-
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2. Teil: Der Kompetenzkonflikt auf europäischer Ebene
betreffen.12 Zentrale Voraussetzung ist jedoch, dass es sich um eine Harmonisierungsmaßnahme handelt,13 die zur Verwirklichung des Binnenmarktes erforderlich ist.14 Entscheidender Bezugspunkt der Vorschrift des Art. 93 EGV ist also der Binnenmarkt. Art. 93 EGV ist allein darauf ausgerichtet, die wirtschaftlichen Freiheiten durchzusetzen sowie ein System des unverfälschten Wettbewerbs zu mation der verantwortlichen Entscheidungsträger fehle. Gegen das Argument der fehlenden demokratischen Legitimation zu Recht Ohler, EuZW 1997, S. 370 (373). 12 Ungeachtet des mehrdeutigen Wortlauts („Verbrauchsabgaben“) ist tatbestandlicher Oberbegriff des Art. 93 EGV der Terminus der Steuer. Es werden also nur solche Abgaben erfasst, die dem gemeinschaftsrechtlichen Steuerbegriff unterfallen. So zu Recht Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 169; Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 232 f.; Müller, Möglichkeiten und Grenzen der indirekten Verhaltenssteuerung, S. 40; Jobs, Steuern auf Energie, S. 351. Des Weiteren muss es sich um indirekte Steuern handeln. Bei der Einteilung in direkte oder indirekte Steuern ist darauf abzustellen, ob das Einkommen und Vermögen oder die Einkommens- und Vermögensverwendung besteuert wird. Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 44 f., 233; Ohler, Die fiskalische Integration in der Europäischen Gemeinschaft, S. 195; Vogel, DStZ 1997, S. 269 (272); Heselhaus, Abgabenhoheit der Europäischen Gemeinschaft, S. 87. Der traditionelle Maßstab der Überwälzbarkeit der Steuer kann dagegen nicht entscheidend sein, da bei entsprechender Marktlage praktisch jede Steuer überwälzt werden kann, während bei anderer Marktsituation auch traditionell als indirekt geltende Steuern nicht weitergegeben werden können. Siehe hierzu Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 40 ff. A. A. Hagen, Die Harmonisierung der indirekten Steuern in Europa, S. 27 f., der bei der Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Steuern auf die typische Wirkung einer Steuer abstellt und unter indirekten Steuern solche Steuern versteht, die zwar bei einem bestimmten Steuerpflichtigen erhoben werden, ihrem Wesen und ihrer Ausgestaltung nach aber darauf angelegt sind, über den Preismechanismus die Einkommensverwendung einer anderen Person als Steuerträger zu erfassen. 13 Der Begriff der Harmonisierung erfordert dabei nicht, dass nationale Steuervorschriften bereits existieren, vielmehr kann eine gemeinschaftsrechtliche Harmonisierung auch Verzerrungen aufgrund mitgliedstaatlicher Alleingänge vorbeugen. Hey, StuW 1998, S. 32 (44); Ohler, EuZW 1997, S. 370 (371); ders., Die fiskalische Integration in der Europäischen Gemeinschaft, S. 195 ff.; Taschner, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 94 EGV, Rz. 34; Leible, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 94 EGV, Rz. 20; Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, S. 278; Hagen, Die Harmonisierung der indirekten Steuern in Europa, S. 84. A. A. Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und, Abgabenrechts, § 11, Rz. 10, 12; Bach, StuW 1995, S. 264 (277); Mick, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 24, Rz. 15; Mick, Die Steuerkonzeption der EU, S. 66 ff.; Klein, Steuerrecht im Europäischen Binnenmarkt, S. 7 (26); Pieroth, WiVerw 1996, S. 65 (80). 14 Die Beantwortung der Frage, inwieweit die Harmonisierung zur Verwirklichung des Binnenmarktes notwendig ist, ist vom Integrationsstand abhängig und fällt in die Einschätzungsprärogative der Gemeinschaft. Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 234; Ohler, Die fiskalische Integration in der Europäischen Gemeinschaft, S. 199 f. Die Gemeinschaft hat jedoch das Subsidiaritätsprinzip gem. Art. 5 EGV zu beachten. Siehe Klein, Steuerrecht im Europäischen Binnenmarkt, S. 7 (23). Siehe zur Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips im Bereich des Steuerrechts auch Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 253 ff., der aufgrund des Subsidiaritätsprinzips dem Wettbewerb der Steuersysteme Vorrang vor einer die Mitgliedstaaten verpflichtenden Steuerrechtsetzung einräumt. Generell gegen eine Geltung des Subsidiaritätsprinzips im Steuerrecht, Voß, StuW 1993, S. 155 (161).
A. Konfliktkonstellationen
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schaffen. Art. 93 EGV erteilt demnach keine Ermächtigung zur Finanzierung des Haushalts.15 Die von Art. 93 EGV nicht erfassten direkten Steuern können nach Art. 94 EGV harmonisiert werden.16 Nach dieser Regelung erlässt der Rat Richtlinien für die Angleichung derjenigen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken. Ein ausdrücklicher Hinweis dafür, dass die Norm auch steuerliche Richtlinien umfasst, ist dabei in Art. 95 Abs. 2 EGV enthalten. Art. 95 Abs. 2 EGV erklärt nämlich die Vorschrift des Art. 95 Abs. 1 EGV für Bestimmungen über Steuern17 für unanwendbar und verweist damit zurück auf Art. 94 EGV.18 Art. 94 EGV betrifft aber nur die Angleichung der direkten Steuern, unterfallen die indirekten Steuern doch – wie bereits erörtert – der speziellen Rechtsgrundlage des Art. 93 EGV.19 Indem die Vorschrift des Art. 94 EGV die Angleichung solcher nationaler Steuerbestimmungen erfasst, die sich auf eine der Freiheiten des EG-Vertrags, der gleichen Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Gemeinschaft oder eines anderen Teilelements des Gemeinsamen Markts negativ auswirken,20 wird wiederum deutlich, dass es sich bei der Vorschrift ebensowenig wie bei Art. 93 EGV um eine echte Steuergesetzgebungskompetenz handelt, mit der Finanzzwecke verfolgt werden können. 15 Mick, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 24, Rz. 4; Mick, Die Steuerkonzeption der EU, S. 69; Voß, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 93 EGV, Rz. 1 ff.; Kamann, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 93 EGV, Rz. 8.; Wolffgang, in: Lenz / Borchardt, EUV / EGV, Vorbem. Art. 90 – 93 EGV, Rz. 6. 16 Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 203; Hilf, NVwZ 1992, S. 105 (108); Schröder, Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 87 (95); Ohler, Die fiskalische Integration in der EG, S. 201; Mick, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 24, Rz. 30; Wolffgang, in: Lenz / Borchardt, EUV / EGV, Vorbem. Art. 90 – 93 EGV, Rz. 14; Voß, StuW 1993, S. 155 (160). 17 Die Steuerbegriffe des Art. 93 EGV und des Art. 95 Abs. 2 EGV sind dabei identisch. So zu Recht Heselhaus, Abgabenhoheit der Europäischen Gemeinschaft, S. 260 f. A. A. Ohler, Die fiskalische Integration in der Europäischen Gemeinschaft, S. 193 f., 206 ff., 211, der zwischen dem Steuerbegriff in Art. 93 EGV und denen in Art. 95, 175 EGV unterscheidet und nur im Rahmen des Art. 93 EGV von einem technischen Steuerbegriff ausgeht. 18 Siehe Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 203; Ohler, EuZW 1997, S. 370 (371); Förster, Festschrift für Bleckmann, S. 77 (78); Pipkorn / Bardenhewer-Rating / Taschner, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUVEGV, Art. 95 EGV, Rz. 53; Leible, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 95 EGV, Rz. 7. 19 Anders Ohler, Die fiskalische Integration in der EG, S. 197 ff., 202, der den Begriff des Binnenmarkts als Minus im Verhältnis zum Gemeinsamen Markt begreift und deshalb auch diejenigen indirekten Steuern von Art. 94 EGV erfasst ansieht, die nicht unter Art. 93 EGV fallen. Bei der hier zugrundegelegten weitgehenden Deckungsgleichheit des Binnenmarktes und des Gemeinsamen Marktes besteht aber keine Notwendigkeit für eine derartige Auslegung des Art. 94 EGV. 20 Siehe Kahl, in: Caliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 94 EGV, Rz. 9; Leible, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 94 EGV, Rz. 12; Förster, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 28, Rz. 8; Eiden, in: Bleckmann, Europarecht, § 26, Rz. 2119; Hagen, Die Harmonisierung der indirekten Steuern in Europa, S. 77.
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2. Teil: Der Kompetenzkonflikt auf europäischer Ebene
Ferner können nach Art. 175 Abs. 1, 2 EGV Richtlinien und Verordnungen21 erlassen werden, die Steuern zum Gegenstand haben.22 Die Bestimmung berechtigt die Gemeinschaft zum Erlass von Vorschriften überwiegend steuerlicher Art,23 die 21 Da die Bestimmung des Art. 175 EGV den alle Handlungsinstrumente des Art. 249 EGV zulassenden Begriff des Tätigwerdens verwendet, können auf ihrer Grundlage sowohl Richtlinien als auch Verordnungen erlassen werden. 22 Die Abgrenzung des Anwendungsbereichs des Art. 175 Abs. 2 EGV von dem der Art. 93, 94 EGV wirft zuweilen Probleme auf. So ist unklar, auf welche Kompetenzgrundlage eine steuerrechtliche Regelung zu stützen ist, wenn sie sowohl die Verwirklichung des Binnenmarktes bzw. des Gemeinsamen Marktes als auch den Umweltschutz zum Gegenstand hat. Z. T. wird eine Spezialität der Art. 93, 94 EGV gegenüber Art. 175 EGVangenommen. So Schröder, Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 87 (93); Pernice, NVwZ 1990, S. 201 (206). Dagegen zu Recht Heselhaus, Abgabenhoheit der Europäsichen Gemeinschaft, S. 276 ff.; Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, S. 69; Schröer, Die Kompetenzverteilung, S. 164 f; Jobs, Steuern auf Energie, S. 344; Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 215 f.; Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen, S. 476 ff. Da die in Rede stehenden Vorschriften alle ein identisches Rechtsetzungsverfahren vorsehen, wollen andere Autoren eine Norm im Zweifel auf mehrere Rechtsgrundlagen stützen. So (für das Verhältnis von Art. 93 zu Art. 175 EGV) Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 262; Jobs, Steuern auf Energie, S. 343; Breier /Vygen, in: Lenz / Borchardt, EUV / EGV, Art. 175 EGV, Rz. 6. Gegen eine Doppelabstützung Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 215; Middeke, DVBl. 1993, S. 769 (771); Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt, S. 228; Müller, Möglichkeiten und Grenzen der indirekten Verhaltenssteuerung, S. 56. Schließlich wird vertreten, dass die Abgrenzung anhand des Schwerpunkts der einzelnen Maßnahme zu erfolgen habe. So Heselhaus, Abgabenhoheit der Europäsichen Gemeinschaft, S. 276 ff.; Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, S. 70; Jobs, Steuern auf Energie, S. 345; Schröer, Die Kompetenzverteilung, S. 164 f.; Klein / Haratsch, DÖV 1994, S. 133 (136); Klein, Steuerrecht im Europäischen Binnenmarkt, S. 7 (25). Gegen die Schwerpunkttheorie wendet sich Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen, S. 531 ff., die das Problem der Kompetenzkonkurrenz über eine Hierarchie der Kompetenzbestimmungen lösen möchte. 23 Der Begriff der Vorschriften überwiegend steuerlicher Art ist dabei mit dem gemeinschaftsrechtlichen Steuerbegriff in Art. 93, 95 Abs. 2 EGV deckungsgleich. So zu Recht Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 176 ff; Breier / Vygen, in: Lenz / Borchardt, EUV / EGV, Art. 175 EGV, Rz. 13; Baier, Rechtliche Probleme von Umweltabgaben, S. 145 (158); Schröder, in: Kirchhof, Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 87 (97); Müller, Möglichkeiten und Grenzen der indirekten Verhaltenssteuerung, S. 83. Für diese Auffassung kann angeführt werden, dass die Bestimmung des Art. 175 Abs. 2 EGV eine entscheidende Parallele zu den Art. 93 und Art. 94, 95 Abs. 2 EGV aufweist. Auch sie verlangt nämlich, dass Entscheidungen über die betreffenden Vorschriften im Rat einstimmig ergehen. Ebenso wie im Rahmen der Art. 93, 95 EGV soll also die mitgliedstaatliche Souveränität im Bereich der Haushaltspolitik gewährleistet werden (siehe Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 177), weshalb nur die haushaltspolitisch besonders sensiblen gemeinschaftsrechtlichen Steuern erfasst werden. Aus diesem Grund sind Auffassungen, die sämtliche Abgaben, also sowohl steuerliche wie nicht-steuerliche, unter die Bestimmung des Art. 175 Abs. 2 EGV subsumieren (so Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 225; Thiel, Umweltrechtliche Kompetenzen in der EU, S. 78 f.; Ohler, Die fiskalische Integration in der EG, S. 211), als auch Auffassungen, die davon ausgehen, dass der Begriff der Vorschriften überwiegend steuerlicher Art gerade keine Steuern, sondern lediglich nicht-steuerliche Abgaben umfasst (so Nettesheim, Jura 1994, S. 337 [341]; Birk, Handbuch des Euro-
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auf die Erreichung der in Art. 174 EGV genannten umweltpolitischen Ziele gerichtet sind. Auch Art. 175 Abs. 1, 2 EGV steht somit in einem besonderen nichtfiskalischen Zweckzusammenhang. Im Gegensatz zu echten Steuergesetzgebungskompetenzen wird nicht die Befugnis zum generellen Erlass von Steuern erteilt. Es reicht nicht aus, dass die Form der Steuer eingehalten wird. Vielmehr müssen die steuerlichen Regelungen im Interesse des Umweltschutzes erlassen werden und dementsprechend Lenkungsqualität auf dem Gebiet der Umweltpolitik haben.24 Schließlich ist die Generalklausel des Art. 308 EGV zu nennen. Wie bereits erörtert, überträgt die Vorschrift der Gemeinschaft zwar keine Kompetenz, Steuern zur Einnahmebeschaffung zu erlassen, doch kann die Gemeinschaft auf ihrer Grundlage nationale Steuerbestimmungen im Interesse des Gemeinsamen Marktes harmonisieren. Da bei Maßnahmen aufgrund der subsidiären Bestimmung des Art. 308 EGV aber stets das zur Zielverwirklichung unbedingt notwendige Maß zu beachten ist,25 hat die Norm im vorliegenden Zusammenhang nur geringe Bedeutung. Die Anwendung der Vorschrift kommt überhaupt nur in den Fällen in Betracht, in denen ausnahmsweise die Harmonisierung von direkten Steuern mittels einer Verordnung, die zwar nach Art. 93 EGV auf dem Gebiet der indirekten Steuern, nicht aber im Bereich der direkten Steuern zulässig ist, erforderlich ist.26 Der EG-Vertrag enthält außer den dargestellten Ermächtigungsgrundlagen keine weiteren Rechtsetzungskompetenzen für den Erlass solcher Bestimmungen, die Steuern zum Gegenstand haben. So können betreffende Maßnahmen nach richtiger Auffassung nicht auf die Kompetenzvorschriften im Rahmen der speziellen Gemeinschaftspolitiken gestützt werden.27 Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass alle behandelten Ermächtigungsgrundlagen für den Erlass von steuerlichen Vorschriften einen einstimmigen Ratsbeschluss vorsehen. Diese strukturelle Gemeinsamkeit resultiert daher, dass der EG-Vertrag das Steuerrecht als Kernbereich der mitgliedpäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 11, Rz. 15; Hilf, Umweltschutz durch Abgaben und Steuern, S. 121 [128]) abzulehnen. Dem Begriff „überwiegend“ in Art. 175 Abs. 2 EGV kommt wohl keine eigenständige Bedeutung zu, so dass auch steuerrechtliche Begleitmaßnahmen dem Einstimmigkeitsprinzip nicht entzogen sind. So Voß, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, J, Rz. 61; Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 178. 24 Ohler, Die fiskalische Integration in der EG, S. 210; Nettesheim, Jura 1994, S. 337 (341); Müller, Möglichkeiten und Grenzen der indirekten Verhaltenssteuerung, S. 83. 25 Streinz, in: ders., EUV / EGV, Art. 308 EGV, Rz. 4; Bitterlich, in: Lenz / Borchardt, EUV / EGV, Art. 308 EGV, Rz. 10 f.; Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 239 f. 26 Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 218; Ohler, EuZW 1997, S. 370 (372). 27 So zu Recht Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 217; Hilf, NVwZ 1992, S. 105 (109); Himmelmann, EG-Umweltrecht und nationale Gestaltungsspielräume, S. 76. Dies gilt auch für die Vorschriften der Art. 37 Abs. 2, Art. 71 Abs. 1 EGV. A. A. Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 237 und Hagen, Die Harmonisierung der indirekten Steuern in Europa, S. 86.
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staatlichen Souveränität betrachtet und einen Eingriff in diesen Bereich nur unter der erhöhten Voraussetzung der Einstimmigkeit zulassen will.28 Als steuerliche Rechtsetzungskompetenzen kommen also nur solche Bestimmungen in Betracht, die generell ein Einstimmigkeitserfordernis normieren oder Regelungen über Steuern ausdrücklich von einer Mehrheitsentscheidung ausnehmen. Dies ist bei den Kompetenzen im Rahmen der speziellen Gemeinschaftspolitiken aber nicht der Fall. Das Fehlen eines Einstimmigkeitserfordernisses ist übrigens auch der Grund, warum Art. 96 Abs. 2 EGV nicht als Rechtsgrundlage für steuerliche Vorschriften qualifiziert werden kann.29 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Gemeinschaft – außer im zu vernachlässigenden Bereich der Besteuerung ihrer Bediensteten30 – keine Befugnis besitzt, Steuergesetze zur Finanzierung des Haushalts zu verabschieden. Sie verfügt folglich nicht über eine Steuergesetzgebungshoheit im eigentlichen Sinne. Die Gemeinschaft ist aber befugt, zur Verwirklichung des Binnenmarktes bzw. des Gemeinsamen Marktes und zum Schutz der Umwelt steuerliche Vorschriften zu erlassen. Da diese Kompetenzbestimmungen aber nicht zur Erzielung von Einnahmen ermächtigen, die Gemeinschaft vielmehr nur berechtigen, nationale Steuervorschriften zum Zweck der Beseitigung der Steuergrenzen anzugleichen oder mit Hilfe steuerlicher Vorschriften den Umweltschutz zu fördern, können sie nicht als echte Steuergesetzgebungskompetenzen bezeichnet werden. Wesensmerkmal einer Steuergesetzgebungskompetenz ist nämlich gerade, dass sie im Interesse der Einnahmeerzielung zum voraussetzungslosen Erlass von Steuervorschriften berechtigt. Ist dies bei den dargestellten Kompetenznormen aber nicht der Fall, handelt es sich bei ihnen nicht um Steuergesetzgebungsbefugnisse, sondern vielmehr um Harmonisierungskompetenzen und Gesetzgebungskompetenzen für den Umweltschutz.31 Sie sind also als Sachgesetzgebungskompetenzen zu betrachten. Dies ist 28 Zum Zweck der Art. 93, 95 Abs. 2, 175 Abs. 2 EGV, die mitgliedstaatliche Souveränität zu schonen, Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 162, 177; Schröder, Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 87 (96); Heselhaus, Abgabenhoheit der Europäischen Gemeinschaft, S. 240; Forst, Rechtsfragen des europäischen Steuer-, Außenwirtschafts- und Zollrechts, S. 5 (16); Himmelmann, EG-Umweltrecht und nationale Gestaltungsspielräume, S. 77; Förster, in: Bleckmann, Europarecht, § 24, Rz. 2011 f.; Leible, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 95 EGV, Rz. 7; Pipkorn / BardenhewerRating / Taschner, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 95 EGV, Rz. 55. 29 Ebenso Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 197. A. A. Weiser, Rechtsprechung und Rechtsetzung auf dem Gebiet der direkten Besteuerung in der Europäischen Union, S. 32 ff. 30 Das Recht, eigene in den Gemeinschaftshaushalt fließende Steuern zu erheben, steht der Gemeinschaft aufgrund Art. 13 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der EG (Abl. EG 1967, Nr. L, 152) bisher nur bezüglich der Steuern auf die Bezüge ihres Personals zu. Siehe hierzu Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 10, Rz. 12. 31 Siehe auch Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 167; Müller, Verbrauchsteuern, S. 26; Förster, in: Bleckmann, Europarecht, § 24, Rz. 1985, 2013.
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wohl auch der Grund, warum die betreffenden Rechtsetzungskompetenzen sich im EG-Vertrag nicht im Abschnitt der Finanzvorschriften befinden. Der EG-Vertrag enthält demnach keine Steuergesetzgebungskompetenzen, sondern vielmehr nur Sachgesetzgebungskompetenzen. Innerhalb dieser Sachgesetzgebungskompetenzen kann unterschieden werden zwischen solchen Kompetenzbestimmungen, die auch zum Erlass steuerlicher Vorschriften ermächtigen, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist. Es finden sich im EG-Vertrag folglich reine Sachgesetzgebungskompetenzen, die keine Steuerregelungen abdecken, und Sachgesetzgebungskompetenzen, nach denen auch Steuernormen erlassen werden dürfen. Der EG-Vertrag trennt aber nicht in gleicher Weise wie das Grundgesetz zwischen der Steuer- und der Sachgesetzgebungsbefugnis. Aus Klarheitsgründen sollte man deshalb auch bei den Kompetenzen, die zum Erlass steuerlicher Vorschriften berechtigen, nicht von Steuergesetzgebungskompetenzen sprechen.
b) Sachgesetzgebungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft Sachliche Rechtsetzungskompetenzen der Gemeinschaft finden sich zum einen im Bereich der sektoriellen Politiken, wie etwa im Bereich der Landwirtschaftspolitik (Art. 37 Abs. 2 EGV), der Verkehrspolitik (Art. 71 EGV), der Umweltpolitik (Art. 175 EGV) oder der Gesundheitspolitik (Art. 152 Abs. 4 EGV). Daneben sind entsprechende Gesetzgebungsbefugnisse in den binnenmarktrelevanten Vorschriften, beispielsweise in Art. 40 EGV (Freizügigkeit der Arbeitnehmer), in Art. 44 EGV (Niederlassungsrecht) oder in Art. 52 EGV (Freier Dienstleistungsverkehr) enthalten. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Generalklausel des Art. 95 EGV. Nach dieser Bestimmung erlässt der Rat Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben. Die ausdrücklichen Zuständigkeiten des EG-Vertrages umfassen nach der sog. Implied Powers Theorie dabei auch diejenigen Rechtsetzungsbefugnisse, ohne die die Hauptkompetenzen nicht vernünftig und zweckmäßig ausgeübt werden können.32 Eine Sonderstellung nimmt schließlich die Vorschrift des Art. 308 EGV ein, die die Gemeinschaft zum Tätigwerden ermächtigt, wenn dies erforderlich ist, um im Rahmen des Gemeinsamen Marktes eines ihrer Ziele zu verwirklichen und der Vertrag die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorsieht. Art. 308 EGV kann jedoch nicht zur Begründung neuer Gemeinschaftszuständigkeiten herangezogen 32 EuGH, Rs. 8 / 55, Slg. 1955 – 1956, 197 (312); EuGH, Rs. 20 / 59, Slg. 1960, 681 (708); EuGH, Rs. 281, 283 bis 285 und 287 / 85, Slg. 1987, 3203 (3253 f.); Jarass, AöR 121 (1996), S. 173 (176 f.); v. Bogdandy / Bast, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 5, Rz. 14; Boeck, Die Abgrenzung der Rechtsetzungskompetenzen von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten, S. 46 ff.; Kraußer, Das Prinzip begrenzter Ermächtigung, S. 59.
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werden, vielmehr kann die Vorschrift nur zur Abrundung von sonstigen im Vertrag zugewiesenen Kompetenzen eingesetzt werden.33 Die Gemeinschaft kann nach dem Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 2 EGV im Bereich der konkurrierenden34 Zuständigkeit nur dann gesetzgeberisch tätig werden, soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können und zudem besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können.35
2. Gesetzgebungskompetenzen der Mitgliedstaaten Die Mitgliedstaaten besitzen in all den Bereichen eine ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis, für die sich im EG-Vertrag keine Kompetenz findet. Aufgrund des in Art. 5 Abs. 1 EGV normierten Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung kann die Gemeinschaft nämlich nur dann gesetzgeberisch tätig werden und die Kompetenz der Mitgliedstaaten beschränken, wenn sie sich auf eine vertragliche Grundlage stützen kann.36 Es ist jedoch zu bedenken, dass die Kompetenzbestimmungen des EG-Vertrags nicht wie im Grundgesetz auf einzelne Gegenstände bezogen sind, sondern nach Aufgabenfeldern verteilt und an Zielen orientiert sind. Die Kompetenzen des EG-Vertrags sind somit weiter geschnitten als die Zuständigkeiten im Grundgesetz.37 Die den Mitgliedstaaten verbleibenden Gesetzgebungskompetenzen sind dort, wo der EG-Vertrag Rechtsetzungsbefugnisse der Gemeinschaft vorsieht, davon abhängig, ob es sich um ausschließliche oder konkurrierende Gemeinschaftszuständigkeiten handelt.38 Eine ausschließliche Gemeinschaftskompetenz ist gegeben, Jarass, AöR 121 (1996), S. 173 (177). Zur Unterscheidung zwischen ausschließlicher und konkurrierender Gemeinschaftskompetenz sogleich. 35 Zum Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 2 EGV siehe Boeck, Die Abgrenzung der Rechtsetzungskompetenzen von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten, S. 37 ff.; Jarass, AöR 121 (1996); S. 173 (192 ff.); Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EGRechts, S. 16 ff.; Schlösser, Die Sperrwirkung sekundären Gemeinschaftsrechts, S. 62 ff. 36 Zum Prinzip der begrenzten Ermächtigung Boeck, Die Abgrenzung der Rechtsetzungskompetenzen von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten, S. 31 ff.; Jarass, AöR 121 (1996); S. 173 (174 ff.); Schweitzer, Die Landesparlamente im Spannungsfeld zwischen europäischer Integration und europäischem Regionalismus, S. 20 (22). 37 Kraußer, Das Prinzip begrenzter Ermächtigung, S. 35, 49; Dittert, Die ausschließlichen Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 76; Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, S. 98, 152; v. Bogdandy / Bast, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 5 EGV, Rz. 1; Lück, Die Gemeinschaftstreue, S. 147. 38 Zur Unterscheidung zwischen ausschließlichen und konkurrierenden Gemeinschaftskompetenzen Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, S. 13 ff.; Dittert, Die ausschließlichen Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 37; Zuleeg, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 5 EGV, Rz. 7 ff.; Kraußer, Das Prinzip begrenzter 33 34
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wenn Gesetzgebungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten unabhängig davon ausgeschlossen sind, ob die Gemeinschaft von ihrer Kompetenz Gebrauch gemacht hat oder nicht.39 Die Anwendung einer entsprechenden nationalen Bestimmung verstößt ohne Rücksicht auf ihren Inhalt gegen die eine ausschließliche Gemeinschaftskompetenz begründende Vertragsnorm.40 Die Mitgliedstaaten können hier nur tätig werden, wenn sie entweder als Sachwalter des Gemeinschaftsinteresses auftreten oder wenn sie von der Gemeinschaft zu entsprechendem Handeln ermächtigt worden sind.41 Eine ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis der Europäischen Gemeinschaft besteht im Bereich des Organisationsrechts,42 im Bereich Ermächtigung, S. 21; v. Bogdandy / Bast, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 5 EGV, Rz. 25; v. Borries, EuR 1994, S. 263 (274 f.); Streinz, in: ders., EUV / EGV, Art. 5 EGV, Rz. 17, 20. Zusätzlich findet sich im Schrifttum die Kategorie der parallelen Kompetenzen (siehe etwa Schweitzer, Die Landesparlamente im Spannungsfeld zwischen europäischer Integration und europäischem Regionalismus, S. 20 (36 ff.); v. Bogdandy / Bast, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 5 EGV, Rz. 37; Streinz, Europarecht, Rz. 136), deren Ausübung eine weitere Ausübung der nationalen Kompetenz nicht hindern soll. Der Annahme einer dritten Kategorie der parallelen Kompetenz bedarf es aber nicht, da die Mitgliedstaaten auch im Rahmen der konkurrienden Kompetenz weiter frei tätig werden dürfen, sofern sie nicht gegen den Anwendungsvorrang verstoßen. Der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts gilt aber auch im Rahmen der parallelen Kompetenz. Für die nationale Kompetenz bedeutet die Differenzierung zwischen konkurrierender und paralleler Kompetenz also keinen Unterschied, so dass die Trennung nicht nur überflüssig ist, sondern auch verdeckt, dass auch hier der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts gilt. Ebenso Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen, S. 435 ff.; Himmelmann, EG-Umweltrecht und nationale Gestaltungsspielräume, S. 84. Skeptisch gegenüber der Annahme einer dritten Kategorie der parallelen Zuständigkeit auch Jarass, AöR 121 (1996), S. 173 (190). Auch die Kategorie der nachträglichen ausschließlichen Zuständigkeit ist abzulehnen, da sie sich nicht von der abschließend wahrgenommenen konkurrierenden Gemeinschaftskompetenz unterscheidet. So auch Jarass, AöR 121 (1996), S. 173 (187). A. A. EuGH, Rs. 151 / 78, Slg. 1979, 1 (12 f.); EuGH, Rs. 3, 4 u. 6 / 76, Slg. 1976, 1279 (1312 f.); EuGH, Rs. 61 / 77, Slg. 1978, 417 (449); EuGH, Rs. 32 / 79, Slg. 1980, 2403 (2432); EuGH, Rs. 40 / 69, Slg. 1970, 69 (80); EuGH, Rs. 159 / 73, Slg. 1974, 121 (129); EuGH, Rs. 48 / 85, Slg. 1986, 2549 (2573); EuGH, Rs. 255 / 86, Slg. 1988, 693 (708); EuGH, Rs. C-61 / 90, Slg. 1992, I-2407 (2452). Siehe auch Dittert, Die ausschließlichen Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 68 ff. 39 Dittert, Die ausschließlichen Kompetenzen der EG, S. 37; Jarass, AöR 121 (1996), S. 173 (186); Schweitzer, Die Landesparlamente im Spannungsfeld zwischen europäischer Integration und europäischem Regionalismus, S. 20 (29 ff.); Streinz, in: ders., EUV / EGV, Art. 5 EGV, Rz. 17; v. Bogdandy / Bast, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 5 EGV, Rz. 28. 40 Siehe Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 56; Schlösser, Die Sperrwirkung des sekundären Gemeinschaftsrechts, S. 44. 41 EuGH, Rs. 41 / 76, Slg. 1976, 1921 (1937); EuGH, Rs. 174 / 84, Slg. 1986, 559 (586); EuGH, Rs. 804 / 79, Slg. 1981, 1045 (1075 f.); Dittert, Die ausschließlichen Kompetenzen der EG, S. 38; Jarass, AöR 121 (1996), S. 173 (186). 42 Dazu zählt das Geschäftsordnungs- (Art. 199 Abs. 1, 207 Abs. 3, 218 Abs. 2, 260 Abs. 2, 264 Abs. 2 EGV) und das Beamtenrecht (Art. 210, 283 EGV) sowie die Kompetenz der Gemeinschaft für die Festlegung der Bedingungen des Zugangs zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (Art. 255 Abs. 2, 3 und 207 Abs. 3 EGV). Auch die Kompetenz für die Festlegung der Regelungen und allgemeinen Bedingun-
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der Zoll-, Handels- und Währungspolitik (Art. 26, 133, 124, 125 EGV) sowie für Maßnahmen zur Beschränkung des Kapital- und Zahlungsverkehrs mit Drittstaaten (Art. 57, 59, 60 EGV).43 Für die den Regelfall im EG-Vertrag bildende konkurrierende Gemeinschaftskompetenz ist kennzeichnend, dass die Mitgliedstaaten auf dem betreffenden Gebiet bis zum Erlass einer gemeinschaftlichen Regelung frei tätig werden dürfen.44 Aber auch wenn eine Gemeinschaftsregelung für einen bestimmten Bereich besteht, ist nicht automatisch jede nationale Rechtsetzung auf diesem Gebiet gesperrt. Der Begriff der konkurrierenden Kompetenz ist hier nicht so wie im Grundgesetz zu verstehen, wonach die Existenz einer Bundesregelung Vorschriften der Länder in dem betreffenden Bereich zumeist komplett ausschließt.45 Mitgliedstaatliche Regelungen sind nach der Lehre vom Anwendungsvorrang vielmehr nur dann faktisch46 ausgeschlossen, wenn sie gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen.47 Das Sekundärrecht entfaltet insoweit eine sog. Sperrwirkung.48 Dabei muss ein Widerspruch zwischen Gemeinschafts- und nationalem Recht nicht immer offen zu Tage liegen, vielmehr kann sich ein solcher auch erst durch Auslegung des Gemeinschaftsrechts ergeben. Dies ist etwa der Fall, wenn ein gemeinschaftlicher Sekundärrechtsakt zwar kein ausdrückliches Verbot für eine bestimmte gen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten (Art. 195 Abs. 4 EGV) ist als ausschließliche Kompetenz zu qualifizieren. 43 Dittert, Die ausschließlichen Kompetenzen der EG, S. 160 ff. 44 Z. T. wird aber eine Stillhalteverpflichtung der Mitgliedstaaten angenommen, wenn an Harmonisierungsvorschlägen gearbeitet wird. So Grabitz, Stillhalte-Verpflichtungen, S. 44 ff. Nach a. A. soll ab dem Zeitpunkt des Richtlinienbeschlusses eine Stillhalteverpflichtung der Mitgliedstaaten gelten. So Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 342 und Ohler, Die fiskalische Integration in der EG, S. 155 f. Zu den unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Vorwirkung von Richtlinien siehe auch Schlösser, Die Sperrwirkung sekundären Gemeinschaftsrechts, S. 77 ff. 45 Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 209. 46 Der mitgliedstaatliche Kompetenzverlust ist nicht rechtlicher, sondern faktischer Natur, da sich die Mitgliedstaaten nach der Lehre vom Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts nicht ihrer Legislativkompetenzen begeben haben. Siehe Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 55; Schröer, Die Kompetenzverteilung, S. 34 f., 197 ff. und später unten 2. Teil, B. I. 47 Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 210; Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen, S. 435; Schlösser, Die Sperrwirkung des sekundären Gemeinschaftsrechts, S. 51; Winter, DÖV 1998, S. 377 (379); Schröer, Die Kompetenzverteilung, S. 199; Hoffert, Europarecht und nationale Umweltpolitik, S. 20. Siehe auch Pernice, NVwZ 1990, S. 201 (202). 48 Zur Sperrwirkung von Gemeinschaftsrechtsakten siehe EuGH, Slg. 1986, Rs. 218 / 85, 3513 (3532); EuGH, Rs. 255 / 86, Slg. 1988, 693 (708); Jarass, AöR 121 (1996), S. 173 (189); v. Bogdandy / Bast, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 5, Rz, 33; Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, S. 14 f.; Kahl, in: Caliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 94 EGV, Rz. 5; Hailbronner, EuGRZ 1989, S. 101 (106); Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 210; Furrer, Die Sperrwirkung des sekundären Gemeinschaftsrechts, S. 92.
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nationale Regelung normiert, ihm aber entnommen werden kann, dass eine bestimmte mitgliedstaatliche Regelung nicht angewendet werden darf. Da sekundäre Gemeinschaftsregelungen insoweit eine Sperrwirkung für nationale Vorschriften entfalten können, als die Mitgliedstaaten nach der Lehre vom Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts keine Bestimmungen anwenden dürfen, die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften widersprechen, sollen nun die sekundärrechtlichen Maßnahmen der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts dargestellt werden, um zu sehen, inwieweit sie eine mitgliedstaatliche Kompetenzeinbuße bewirken.
a) Einschränkungen der mitgliedstaatlichen Gesetzgebungskompetenz durch Sekundärrechtsakte der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts Wie die obigen Ausführungen gezeigt haben, hat der EG-Vertrag nicht etwa eine ausschließliche Steuergesetzgebungskompetenz der Europäischen Gemeinschaft begründet und den Mitgliedstaaten die Kompetenz zur Erhebung von Steuern entzogen. Die Mitgliedstaaten sind also weiterhin grundsätzlich zum Erlass von Steuergesetzen befugt. Die Gemeinschaft kann aber aufgrund der dargestellten Harmonisierungs- und Umweltkompetenzen sekundärrechtliche Bestimmungen steuerlicher Art erlassen, die die mitgliedstaatlichen Steuergesetzgebungskompetenzen einschränken können.
aa) Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften auf dem Gebiet der indirekten Steuern Auf dem Gebiet der indirekten Steuern hat die Gemeinschaft im Jahre 1992 auf Grund der Vorschrift des Art. 99 EWGV a. F. ein Richtlinienpaket erlassen, das die Angleichung der besonderen Verbrauchsteuern betrifft.49 Die Grundlage bildet dabei die sog. Systemrichtlinie,50 die u. a. die der Steuer unterliegenden Gegenstände, die Entstehung der Steuerpflicht und die Entstehung des Steueranspruchs normiert. So werden nach Art. 3 Abs. 1 die Verbrauchsteuern auf Tabakwaren, Alkohol und alkoholische Getränke sowie Mineralöl harmonisiert. Art. 5 regelt zwingend deren Verbrauchsteuerpflichtigkeit mit der Herstellung im oder der Einfuhr in das Gemeinschaftsgebiet. Die Steuerschuld entsteht, sofern die Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt oder wenn Fehlmengen in einem Steuerlager festgestellt werden (Art. 6 Abs. 1). Eine Überführung in den freien 49 Einen Überblick über den Stand der speziellen Verbrauchsteuerharmonisierung gibt Hagen, Die Harmonisierung der indirekten Steuern in Europa, S. 161 ff. 50 RL 92 / 12 / EWG des Rates vom 25. 2. 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren, ABl. 1992, Nr. L 76, S. 1.
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Verkehr liegt dabei gem. Art. 6 Abs. 1 nicht vor, solange sich die verbrauchsteuerpflichtigen Gegenstände in dem Verfahren der Steueraussetzung befinden. Dies ist der Fall, wenn die verbrauchsteuerpflichtigen Waren in Steuerlagern hergestellt oder bearbeitet werden oder wenn sie zwischen innergemeinschaftlichen Steuerlagern befördert werden (Art. 11, 15). Die Systemrichtlinie geht demnach grundsätzlich vom sog. Bestimmungslandprinzip aus, da die betreffenden Waren in dem Mitgliedstaat versteuert werden, in dem sie aus dem Steuerlager entnommen werden. Dagegen gilt für den Reiseverkehr das sog. Ursprungslandprinzip. Waren, die ein Reisender in einem anderen Mitgliedstaat für den eigenen Bedarf erwirbt und selbst über die Grenze befördert, werden nach Art. 8, 9 abschließend im Erwerbsland besteuert. Neben der Systemrichtlinie hat die Gemeinschaft des Weiteren Strukturrichtlinien51 für die betreffenden Gegenstände erlassen, die im wesentlichen eine nähere Bezeichnung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren vorsehen,52 gemeinschaftsweit eine einheitliche Bemessungsgrundlage festlegen53 und verschiedene Steuerbefreiungen normieren.54 Schließlich enthält das betreffende Richtlinienpaket Steuersatzrichtlinien, 55 die für die einzelnen Waren Mindeststeuersätze bestimmen.56 51 RL 92 / 81 / EWG des Rates vom 19. 10. 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle, ABl. 1992, Nr. L 316, S. 12; RL 92 / 83 / EWG des Rates vom 19. 10. 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke, ABl. 1992, Nr. L 316, S. 21; RL 92 / 78 / EWG des Rates vom 19. 10. 1992 zur Änderung der Richtlinien 72 / 464 / EWG und 79 / 72 / EWG über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer, ABl. 1992, Nr. L 316, S. 5 aufgehoben durch RL 95 / 59 / EG des Rates vom 27. 11. 1995 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer, ABl. 1995, Nr. L 291, S. 40 geändert durch RL 99 / 81 / EG, ABl. 1999, Nr. L 211, S. 47. 52 Art. 2 der RL 92 / 81 / EWG; Art. 2, 8, 12, 17, 20 der RL 92 / 83 / EWG (die Steuergegenstände werden in fünf Gruppen, nämlich Bier, Wein, andere gegorene Getränke, Zwischenerzeugnisse und Ethylalkohol unterteilt); Art. 2 – 7 der RL 95 / 59 / EG (einer Besteuerung unterliegen Zigaretten, Zigarren und Zigarillos sowie Rauchtabak). 53 Siehe Art. 3 der RL 92 / 81 / EWG, wonach Bemessungsgrundlage jeweils eine Menge von 1000 l bzw. 1000 kg des Produktes bei einer Temperatur von 15 C ist. Nach Art. 3, 9 Abs. 1, 13 Abs. 1, 18 Abs. 1, 21 der RL 92 / 83 / EWG ist Bemessungsgrundlage für Ethylalkohol der jeweilige Alkoholanteil des Getränkes, bezogen auf den Hektoliter reinen Alkohol bei 20 C, während die anderen alkoholischen Getränke nach dem Volumen des Fertigerzeugnisses besteuert werden; Art. 8 der RL 95 / 59 / EG bestimmt, dass sich die Tabaksteuer sowohl nach der Menge als auch nach dem Wert bemisst. 54 Art. 8 der RL 92 / 81 / EWG sieht obligatorische und fakultative Steuerbefreiungen vor. Die Mitgliedstaaten müssen Mineralöle, die nicht als Kraftstoff für Motoren oder zu Heizzwecken verwendet werden, ebenso von der Verbrauchsteuer befreien wie Kraftstoff für die gewerbliche Luftfahrt und für die gewerbliche Schifffahrt in Meeresgewässern der Gemeinschaft. Art. 4 – 6, 9 Abs. 3, 10, 13 Abs. 3, 14, 18 Abs. 3 und 4, 22, 23, 27 der RL 92 / 83 / EWG normieren Ermäßigungen bzw. Befreiungen für Alkohol aus kleineren Brauereien / Brennereien, für Alkohol, der einen bestimmten Alkoholgehalt nicht überschreitet und für bestimmte Verwendungsarten des Alkohols. Art. 11 der RL 95 / 59 / EG befreit die Vernichtung und bestimmte Verwendungszwecke von der Steuer.
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Die detaillierten Richtlinien beschränken die mitgliedstaatliche Steuergesetzgebungskompetenz zwar, lassen den Mitgliedstaaten im Bereich der besonderen Verbrauchsteuern aber dennoch einen nicht unbeachtlichen Gestaltungsspielraum. Ungeachtet dessen, dass die entsprechenden Richtlinien verschiedentlich eigenständige Entscheidungen der Mitgliedstaaten zulassen, stehen sie auch einer Erhebung von weiteren nationalen Verbrauchsteuern nicht entgegen. So bestimmt Art. 3 Abs. 3 der RL 92 / 12 / EWG, dass beliebige Verbrauchsteuern auf andere Steuergegenstände zulässig sind, sofern sie keine Grenzformalitäten, die z. B. bei gemeindlichen Steuern schon von vornherein nicht auftreten,57 nach sich ziehen.58 Selbst die weitere Besteuerung der von der Harmonisierung erfassten Gegenstände ist nicht gänzlich ausgeschlossen.59 Art. 3 Abs. 2 der RL 92 / 12 / EWG sieht vielmehr vor, dass auf die Steuerobjekte Mineralöl, Alkohol, alkoholische Getränke und Tabakwaren andere indirekte Steuern mit besonderer Zielsetzung erhoben werden können, sofern die Steuern die Besteuerungsgrundsätze der Verbrauchsteuern oder der Mehrwertsteuer in bezug auf die Besteuerungsgrundlage sowie die Berechnung, die Steuerentstehung und die steuerliche Überwachung beachten. Entsprechende gestaltende Steuern werden also nicht ausgeschlossen.60 Weitere Angleichungsmaßnahmen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der indirekten Steuern sind im Bereich der Umsatzsteuer erfolgt.61 Die Grundzüge des derzeit geltenden europäischen Umsatzsteuerrechts werden dabei durch 55 RL 92 / 82 / EWG des Rates vom 10. 10. 1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuern für Mineralöle, ABl. 1992, Nr. L 316, S. 19; RL 92 / 84 / EWG des Rates vom 19. 10. 1992 über die Annäherung der Verbrauchsteuersätze auf Alkohol und alkoholische Getränke, ABl. 1992, Nr. L 316, S. 29; RL 92 / 79 / EWG des Rates vom 19. 10. 1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf Zigaretten, ABl. 1992, Nr. L 316, S. 8; RL 92 / 80 / EWG des Rates vom 19. 10. 1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf andere Tabakwaren als Zigaretten, ABl. 1992, Nr. L 316, S. 10. 56 Art. 3 – 8 der RL 92 / 82 / EWG; Art. 3 – 6 der RL 92 / 84 / EWG (nach Art. 5 der RL 92 / 84 / EWG beträgt der Mindeststeuersatz für Wein 0 ECU); Art. 2 der RL 92 / 79 / EWG; Art. 3 der RL 92 / 80 / EWG. 57 Bogler, NWVBl. 1998, S. 87 (91). 58 Zu der Frage, inwieweit die Erhebung nationaler indirekter Steuern ohne Grenzformalitäten tatsächlich operabel ist, siehe Takacs, Das Steuerrecht der EU, S. 458 f. 59 Auf europäischer Ebene existiert anders als nach dem GG kein Gleichartigkeitsverbot. So besitzt das Verbot gleichartiger nationaler Steuern als Konsequenz gemeinschaftsrechtlicher Harmonisierung weder die Qualität eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes noch ist es aus dem Prinzip der Gemeinschaftstreue oder des effet utile abzuleiten. Ohler, Die fiskalische Integration in der Europäischen Gemeinschaft, S. 235; Takacs, Das Steuerrecht der EU, S. 458. Das Gleichartigkeitsverbot gilt demnach nur dann, wenn die betreffende Harmonisierungsvorschrift dies bestimmt. Ohler, Die fiskalische Integration in der Europäischen Gemeinschaft, S. 235. 60 Hagen, Die Harmonisierung der indirekten Steuern in Europa, S. 223. Zur Zulässigkeit von Lenkungssteuern siehe auch VG Frankfurt, Urteil v. 09. 04. 2002, 10 E 3678 / 98. 61 Siehe hierzu Hagen, Die Harmonisierung der indirekten Steuern in Europa, S. 141 ff.
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die mehrfach geänderte 6. MWSt.-RL62 vorgegeben, die alle wesentlichen materiellen und verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Umsatzsteuerrechts enthält. So regelt die betreffende Richtlinie in Art. 2, 5 bis 7 den Steuergegenstand. Danach unterliegt die Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger im Gebiet der Gemeinschaft gegen Entgelt ausführt, sowie die Einfuhr von Gegenständen in die Gemeinschaft der Besteuerung. Steuerpflichtig ist gem. Art. 4, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis. Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als steuerpflichtig, soweit sie Tätigkeiten ausüben und Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen (Art. 4 Abs. 5). Art. 11 A. der 6. MWSt.-RL bestimmt für den Tatbestand der Lieferung und der Dienstleistung grundsätzlich den Wert der Gegenleistung als Bemessungsgrundlage. In Art. 12 werden Mindeststeuersätze festgelegt, wobei zwischen dem Normalsatz und ein oder zwei ermäßigten Sätzen unterschieden wird.63 Der Normalsatz muss mindestens 15 %, der ermäßigte Satz bzw. die ermäßigten Sätze muss bzw. müssen mindestens 5 % der jeweiligen Besteuerungsgrundlage betragen. Die ermäßigten Sätze dürfen jedoch nur auf die im Anhang genannten Lieferungen und Dienstleistungen Anwendung finden. Des Weiteren sind in Art. 13 bis 16 Steuerbefreiungstatbestände normiert, wie beispielsweise Befreiungen bestimmter dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten (Art. 13 A.) In den Art. 28a – n enthält die betreffende Richtlinie zudem wichtige Übergangsregelungen, die durch die Richtlinie 91 / 680 / EWG64 eingefügt wurden. Insbesondere die Vorschriften des Art. 28a bis c sind hier von Bedeutung, entscheiden sie doch darüber, in welchen Fällen das Bestimmungs- bzw. das Ursprungslandprinzip gilt. So wird gem. Art. 28a Abs. 1 lit. a anstelle der bisherigen Einfuhrumsatzsteuer der innergemeinschaftliche Erwerb besteuert, sofern ein Liefergegenstand aus einem Mitgliedstaat in einen anderen gelangt und sowohl auf Erwerber- wie auch auf Lieferseite ein Unternehmer beteiligt ist. Die Frage in welchem Mitgliedstaat der innergemeinschaftliche Erwerb der Besteuerung unterliegt, wird von Art. 28b A. 62 Sechste Richtlinie 77 / 388 / EWG des Rates vom 17. 5. 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, ABl. 1977, Nr. L 145, S. 1. Die derzeit gültige Fassung beruht auf der Änderung der 6. MWSt.-RL durch die RL 92 / 111 / EWG des Rates vom 14. 12. 1992 zur Änderung der RL 77 / 388 / EWG und zur Einführung von Vereinfachungsmaßnahmen im Bereich der Mehrwertsteuer, ABl. 1992, Nr. L 384, S. 47. 63 Die Regelung über die Mindeststeuersätze wurde in die 6. MWSt.-RL eingefügt durch die RL 92 / 77 / EWG des Rates vom 19. 10. 1992 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der RL 77 / 388 / EWG (Annäherung der MWSt.-Sätze), ABl. 1992, Nr. L 316, S. 1. 64 RL des Rates vom 16. 12. 1991 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der RL 77 / 388 / EWG im Hinblick auf die Beseitigung der Steuergrenzen, ABl. 1991, Nr. L 376, S. 1.
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Abs. 1 i. S. des Bestimmungslandes entschieden. Danach ist Erwerbsort der Ort, in dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung des Versands oder der Beförderung an den Erwerber befinden. Im Gegenzug zu der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsland wird der Tatbestand der innergemeinschaftlichen Lieferung im Ursprungsland von der Umsatzsteuer befreit, wenn der betreffende Gegenstand an einen Unternehmer in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert wird und der Erwerb im Bestimmungsland der Umsatzsteuersteuer unterfällt (Art. 28c A.). Im Gegensatz zum innergemeinschaftlichen Handel zwischen Unternehmen gilt im nichtkommerziellen Reiseverkehr grundsätzlich das Ursprungslandprinzip. Privatpersonen können in anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft Waren zu den dort geltenden steuerlichen Bedingungen erwerben. Die anschließende Verbringung in einen anderen Mitgliedstaat wird von der 6. MWSt.-RL nicht erfasst und ist somit steuerfrei.65 Ungeachtet dessen, dass die 6. MWSt.-RL den Mitgliedstaaten an mehreren Stellen die Möglichkeit eröffnet, eigenständige Vorschriften zu erlassen,66 ergibt eine Gesamtbetrachtung der in Rede stehenden Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten im Bereich der Umsatzsteuer aufgrund der detaillierten Bestimmungen bzgl. des Steuersubjekts, des Steuergegenstandes, der Bemessungsgrundlage und zum Teil auch des Steuersatzes weitreichenden Beschränkungen unterliegen. Zudem normiert Art. 33 Abs. 1 ein Verbot für Steuern, die den Charakter von Umsatzsteuern haben. Dieses sog. Gleichartigkeitsverbot steht aber nicht auch der Erhebung von besonderen Verbrauchsteuern entgegen. Steuern mit dem Charakter von Umsatzsteuern sind nämlich nur solche, die allgemein den Verbrauch belasten und nicht lediglich auf einige wenige Waren und Dienstleistungen erhoben werden. Überdies muss der Umsatz auf mehreren Stufen besteuert werden, die Besteuerung nur einer Stufe ist also nicht ausreichend.67 Eine Teilharmonisierung ist durch die RL 99 / 62 / EG68 auch im Bereich der Kraftfahrzeugsteuern erfolgt. Die betreffende Richtlinie findet nach Art. 2 lit. d auf Fahrzeuge Anwendung, die ausschließlich für den Güterverkehr bestimmt sind und deren zulässiges Gesamtgewicht mindestens 12 Tonnen beträgt. Für die betreffen65 Hinsichtlich neuer Fahrzeuge gilt dagegen das Bestimmungslandprinzip. So ist der Erwerb neuer Fahrzeuge durch Privatpersonen im Bestimmungsland steuerpflichtig (Art. 28a Abs. 1 lit. b), während die Lieferung im Ursprungsland von der Umsatzsteuer freigestellt ist (Art. 28c A. lit. b). 66 Siehe hierzu Voß, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, J, Rz. 239. 67 EuGH, Rs. 93 / 88 u. 94 / 88, Slg. 1989, 2671 (2706 f.); EuGH, Rs. C-109 / 90, Slg. 1991, I-1385 (1398); EuGH, Rs. C-347 / 90, Slg. 1992, I-2947 (2971); EuGH, Rs. C-200 / 90, Slg. 1992, I-2217 (2247); Ohler, Die fiskalische Integration in der Europäischen Gemeinschaft, S. 167; Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 272. A. A. Grabitz / Nettesheim, EWS 1990, S. 246 (254 f.); Hagen, Die Harmonisierung der indirekten Steuern in Europa, S. 213 ff. 68 RL 99 / 62 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. 6. 1999 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge, ABl. 1999, Nr. L 187, S. 42.
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den Kraftwagen werden gem. Art. 6 Abs. 1 i.V. m. Anhang I der Richtlinie Mindeststeuersätze festgelegt. Der Rat kann aber durch einstimmigen Beschluss auf Vorschlag der Kommission die Mitgliedstaaten ermächtigen, Befreiungen oder ermäßigte Sätze aus sozialen, wirtschafts- oder infrastrukturpolitischen Gründen beizubehalten (Art. 6 Abs. 3). Des Weiteren sind die Mitgliedstaaten nach Art. 6 Abs. 2 befugt, auf bestimmte Fahrzeuge, wie etwa Katastrophenschutzfahrzeuge, Feuerwehrfahrzeuge und Notdienstfahrzeuge, ermäßigte Steuersätze oder Befreiungen anzuwenden. Angesichts des begrenzten Anwendungsbereichs der Richtlinie und der Tatsache, dass lediglich die Festsetzung von Mindeststeuersätzen erfolgt, ist im Ergebnis festzustellen, dass die Mitgliedstaaten hier kaum Einbußen ihrer Steuergesetzgebungskompetenz hinnehmen müssen. Zudem sind die Mitgliedstaaten gem. Art. 9 Abs. 1 lit. a weiterhin berechtigt, auf die in Rede stehenden Fahrzeuge spezifische Steuern zu erheben, die bei der Zulassung des Fahrzeugs erhoben werden oder die Fahrzeuge oder Ladungen mit ungewöhnlichen Gewichten oder Abmessungen erfassen. Außerdem hat die Gemeinschaft durch die Richtlinie 69 / 335 / EWG69 die Gesellschaft- und die Börsenumsatzsteuer harmonisiert. Die Richtlinie enthält Vorschriften über das Steuersubjekt (Art. 3), den Besteuerungsgegenstand (Art. 4) und die Bemessungsgrundlage (Art. 5). Da die Gesellschaftsteuer als ein Hindernis für grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse angesehen wird, die gänzliche Aufhebung der Steuer aus haushaltspolitischen Gründen aber nicht durchsetzbar ist, werden in der Richtlinie neben der Festlegung eines Steuerhöchstsatzes Befreiungsmöglichkeiten normiert, die auch die Abschaffung der Steuer erlauben (Art. 7, 8). Aufgrund dieser Befreiungsmöglichkeit wird in Deutschland seit 1992 keine Gesellschaftsteuer mehr erhoben.70 Schließlich ist ein erster Harmonisierungsschritt bei der Versicherungssteuer zu verzeichnen. So sehen Art. 46 Abs. 2 der RL 92 / 49 / EWG71 und Art. 44 Abs. 2 der RL 92 / 96 / EWG72 vor, dass die Versicherungssteuer nur von dem Mitgliedstaat erhoben werden darf, in dem das versicherte Risiko belegen ist bzw. in dem die Verpflichtung aus der Lebensversicherung besteht. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die Gesetzgebungskompetenz der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der indirekten Steuern keinen weitreichenden Beschrän69 RL 69 / 335 / EWG des Rates vom 17. 7. 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital, ABl. 1969, Nr. L 249, S. 25. 70 Siehe Finanzmarktförderungsgesetz vom 22. 2. 1990 (BGBl. I, S. 226). 71 RL 92 / 49 / EWG des Rates vom 18. 6. 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der RL 73 / 239 / EWG und 88 / 357 / EWG (Dritte RL Schadenversicherung), ABl. 1992, Nr. L 228, S. 1. 72 RL 92 / 96 / EWG des Rates vom 10. 11. 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der RL 79 / 267 / EWG und 90 / 619 / EWG (Dritte RL Lebensversicherung), ABl. 1992, Nr. L 360, S. 1.
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kungen unterliegt. Lediglich im Bereich der Umsatzsteuer sowie der Besteuerung des Verbrauchs von Mineralöl, Tabakwaren und Alkohol müssen die Mitgliedstaaten mehr oder weniger große Kompetenzeinbußen hinnehmen. Andere Steuern werden vom Gemeinschaftsrecht entweder überhaupt nicht erfasst oder lassen den Mitgliedstaaten einen erheblichen Gestaltungsspielraum.
bb) Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften auf dem Gebiet der direkten Steuern Vergleicht man den Stand der Harmonisierung der direkten Steuern mit dem der indirekten Steuern, fällt auf, dass die Angleichung ersterer nicht so weit fortgeschritten ist, wie die der indirekten Steuern. So hat die Gemeinschaft im Bereich der direkten Steuern bislang lediglich zwei Richtlinien erlassen, die die Besteuerung von Unternehmen zum Gegenstand haben.73 Die sog. Fusionsrichtlinie74 soll steuerliche Hindernisse beseitigen, die der gemeinschaftsweiten Umstrukturierung von europäischen Kapitalgesellschaften i. S. des Art. 3 entgegenstehen, indem sie verhindert, dass bei Fusionen, Spaltungen, der Einbringung von Unternehmensteilen und dem Austausch von Anteilen (Art. 1) die stillen Reserven der einbringenden bzw. erworbenen Gesellschaft aufgedeckt und besteuert werden. So darf gem. Art. 4 Abs. 1, 2 und Art. 9 bei den beschriebenen Umstrukturierungsmaßnahmen keine Besteuerung des Unterschieds zwischen dem tatsächlichen und dem steuerlichen Wert des übertragenen Aktivund Passivvermögens erfolgen, sofern erstens das Vermögen einer Betriebsstätte der übernehmenden bzw. erwerbenden Gesellschaft im Staat der einbringenden bzw. erworbenen Gesellschaft zugerechnet wird, zweitens das Vermögen einen Beitrag zur Erzielung des steuerlich zu berücksichtigenden Ergebnisses dieser Betriebsstätte leistet und drittens die übernehmende bzw. erwerbende Gesellschaft 73 Bei der sog. Schiedsverfahren-Konvention (Übereinkommen 90 / 436 / EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, ABl. 1990, Nr. L 225, S. 10) handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag. Die Konvention regelt die formellen und materiellen Voraussetzungen, unter denen internationale Verrechnungspreise zwischen verbundenen Unternehmen durch die Steuerverwaltungen korrigiert werden dürfen, wobei sie durch eine kongruente Korrektur des Gewinns bei dem anderen beteiligten Unternehmen eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung aufgrund einer einseitigen Gewinnberichtung verhindert. Näher Voß, in: Dauses, Handbuch des EUWirtschaftsrechts, J, Rz. 146 ff. Schließlich enthält die VO (EWG) Nr. 1612 / 68 des Rates vom 15. 10. 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, ABl. 1968, Nr. L 257, S. 2 eine steuerrechtliche Regelung nach der Arbeitnehmer mit der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates die gleichen steuerlichen Vergünstigungen genießen wie inländische Arbeitnehmer. Näher Voß, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, J, Rz. 165. 74 RL 90 / 434 / EWG des Rates vom 23. 6. 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, ABl. 1990, Nr. L 225, S. 1.
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das übertragene Vermögen zum Buchwert fortführt. Diese Bedingungen gewährleisten, dass das übertragene Vermögen trotz des Umstrukturierungsvorgangs im selben Mitgliedstaat als zuvor steuerverhaftet ist und der Staat der einbringenden bzw. erworbenen Gesellschaft sein Besteuerungsrecht somit nicht verliert, sondern nur bis zu einer späteren Gewinnrealisierung aufschiebt. Schließlich bestimmt Art. 8 für die Gesellschafterebene, dass die eigentlich als gewinnrealisierender Veräußerungsvorgang zu qualifizierende Zuteilung von Anteilen am Gesellschaftskapital der übernehmenden bzw. erwerbenden Gesellschaft an die Gesellschafter der einbringenden bzw. erworbenen Gesellschaft gegen Anteile an deren Gesellschaftskapital nicht eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns auslösen darf. Folglich wird auch auf Anteilseignerebene die Aufdeckung der stillen Reserven verhindert. Die Mutter-Tochter-Richtlinie75 beseitigt die Doppelbesteuerung, die bei grenzüberschreitenden Gewinnausschüttungen einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft76 nach internationalem Steuerrecht grundsätzlich entstehen würde.77 So wird den Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 1 ein Wahlrecht eingeräumt. Entweder besteuern sie die Gewinnausschüttungen der Tochter bei der Muttergesellschaft nicht oder sie rechnen die von der Tochter an ihren Sitzstaat gezahlten Steuern auf den Steuerbetrag der Mutter an. Zudem wird gem. Art. 5 Abs. 1 das Recht der Mitgliedstaaten zur Besteuerung der Tochtergesellschaften eingeschränkt, indem Gewinnausschüttungen der Tochter an die Mutter von der Quellensteuer befreit werden. Letztendlich wird also der von der Tochtergesellschaft erwirtschaftete Gewinn nur einmal in ihrem Sitzstaat besteuert. Die beiden genannten Richtlinien sehen demnach nicht etwa eine Angleichung der Körperschaftsteuersysteme vor, sondern regeln lediglich einzelne Fragen der grenzüberschreitenden Besteuerung. Den Mitgliedstaaten verbleibt im Bereich der Unternehmensbesteuerung somit ein weiter Spielraum. Zudem ist zu bedenken, dass für die sonstigen direkten Steuern Harmonisierungsmaßnahmen bislang gänzlich fehlen.
75 RL 90 / 435 / EWG des Rates vom 23. 7. 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABl. 1990, Nr. L 225, S. 6. 76 Die Muttergesellschaft muss nach Art. 3 Abs. 1 der RL 90 / 435 / EWG wenigstens einen Anteil von 25 % am Kapital der Tochtergesellschaft besitzen. 77 Ungeachtet etwaiger Doppelbesteuerungsabkommen würde der Staat der Tochtergesellschaft Körperschaftsteuer auf den Gewinn der Tochter erheben und die ausgeschütteten Dividenden eventuell einer Quellensteuer unterwerfen. Im Staat der Muttergesellschaft wären die in den Gewinn der Mutter einfließenden Dividenden wiederum körperschaftsteuerpflichtig.
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b) Einschränkungen der mitgliedstaatlichen Gesetzgebungskompetenz durch sachgesetzliche Sekundärrechtsakte der Gemeinschaft Angesichts der zahlreichen Sachgesetze der Gemeinschaft ist es an dieser Stelle nicht möglich, konkrete Aussagen zu den den Mitgliedstaaten verbliebenen Sachgesetzgebungskompetenzen zu treffen.
II. Konsequenzen der Kompetenzverteilung für den Konflikt zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber 1. Kompetenzkonflikt zwischen einem nationalen Steuerund dem gemeinschaftlichen Sachgesetzgeber Die Darstellung der Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten hat gezeigt, dass die sekundärrechtlichen Steuermaßnahmen der Gemeinschaft zu keinen wesentlichen Kompetenzeinbußen der Mitgliedstaaten führen. Dagegen hat die Gemeinschaft von ihren Sachgesetzgebungsbefugnissen in vielen Bereichen rege Gebrauch gemacht.78 Insbesonde finden sich oftmals Gemeinschaftsrechtsakte, die zumindest in Teilbereichen Sperrwirkung entfalten und insoweit jedenfalls nationalen Sachgesetzen entgegenstehen.79 Den nationalen Sachgesetzgebern ist somit in mehreren Bereichen die Kompetenz faktisch entzogen. Dabei ist es unerheblich, ob die Sperrwirkung des Sekundärrechts von einer unmittelbar in den Mitgliedstaaten geltenden Verordnung gem. Art. 249 Abs. 2 EGV oder von einer Richtlinie nach Art. 249 Abs. 3 EGV ausgeht. In beiden Fällen müssen die Mitgliedstaaten entgegenstehende nationale Vorschriften unangewendet lassen.80 Ob die sachlichen Sekundärrechtsakte der Gemeinschaft dabei auch Sperrwirkung für nationale Steuerregelungen entfalten, ist jedoch fraglich. Auch wenn der EG-Vertrag nicht in gleicher Weise wie das Grundgesetz zwischen der Steuer- und der Sachgesetzgebungsbefugnis trennt, differenziert er doch innerhalb der Sachgesetzgebungskompetenzen zwischen solchen Kompetenzen, die auch zum Erlass steuerlicher Vorschriften ermächtigen, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist. Es besteht deshalb durchaus die Möglichkeit, dass es im Hinblick auf die BeSiehe hierzu den Überblick bei Oppermann, Europarecht, Rz. 1235 ff. Zu abschließenden Gemeinschaftsrechtsakten im Umweltschutzrecht siehe Hoffert, Europarecht und nationale Umweltpolitik, S. 21 ff. Zu weiteren Beispielen für abschließende Sekundärrechtsakte Dittert, Die ausschließlichen Kompetenzen der EG, S. 175 ff. 80 Die Handlungsform ist nur insofern von Interesse, als die nationalen Rechtsanwendungsorgane, also Behörden und Gerichte, nationales Recht nur dann unangewendet lassen müssen, wenn das Gemeinschaftsrecht unmittelbar anwendbar ist. Diese Voraussetzung kann bei Richtlinien fehlen. An der grundsätzlichen Verpflichtung der Mitgliedstaaten, mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbare Vorschriften des nationalen Rechts unangewendet zu lassen, ändert sich jedoch nichts. 78 79
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2. Teil: Der Kompetenzkonflikt auf europäischer Ebene
urteilung der Sperrwirkung einen Unterschied macht, ob der Mitgliedstaat sein Ziel mittels einer Steuer- oder einer Sachregelung verfolgt. Es kann folglich nicht ausgeschlossen werden, dass die Mitgliedstaaten81 zur Verfolgung eines bestimmten Ziels eine gestaltende Steuerregelung erlassen dürfen, während ihnen für eine jeweilige Sachregelung die Kompetenz entzogen ist, weil insoweit eine Gemeinschaftsregelung entgegensteht. Vergleichbar dem Konflikt auf nationaler Ebene kann also ein Konflikt zwischen dem nationalen Steuer- und dem gemeinschaftlichen Sachgesetzgeber auftreten. Es stellt sich die Frage, ob der nationale Steuergesetzgeber unter Berücksichtigung der gemeinschaftsrechtlichen Steuerrichtlinien eine Steuer so ausgestalten darf, dass er auf einen Gegenstand in seinem Sinne einwirkt, obwohl er dies mit einer sachgesetzlichen Regelung von vornherein nicht dürfte. Ein entsprechender Konflikt wäre beispielsweise gegeben, sofern ein Mitgliedstaat eine Verbrauchsteuer auf Batterien und Akkumulatoren erlassen würde, die unterschiedliche Steuersätze je nach dem Quecksilbergehalt der Batterien normierte. So könnten etwa Batterien und Akkumulatoren, deren Quecksilbergehalt eine bestimmte Grenze überschreitet (z. B. 0,0003 Gewichtsprozent) höher belastet werden, um im Interesse des Umweltschutzes die Verwendung von Quecksilber einzuschränken. Eine solche Steuer wird von den Steuerrichtlinien der Gemeinschaft nicht erfasst, so dass jedenfalls insoweit kein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht festzustellen ist. Der nationale Steuergesetzgeber würde hier aber mittels einer Steuervorschrift ein Ziel verfolgen, das er als Sachgesetzgeber von vornherein nicht verfolgen dürfte, weil er nicht über die entsprechende Kompetenz verfügt. So hat die betreffende Frage durch die Richtlinie 91 / 157 / EWG82 eine abschließende gemeinschaftsrechtliche Normierung erfahren. Die auf der Grundlage des Art. 100a EWGV ergangene Richtlinie untersagt ab dem 1. Januar 2000 das Inverkehrbringen von Batterien und Akkumulatoren, die einen Quecksilbergehalt von mehr als 0,0005 Gewichtsprozent aufweisen (Art. 3). Die Mitgliedstaaten dürfen aber keinen höheren Standard festsetzen. Nach Art. 9 dürfen sie das Inverkehrbringen der unter die Richtlinie fallenden und deren Vorschriften entsprechenden Batterien und Akkumulatoren weder behindern noch untersagen oder einschränken. Die fragliche Richtlinie normiert also nicht lediglich einen Mindeststandard, der von den Mitgliedstaaten unterschritten werden kann, vielmehr ergibt sich, dass 81 Auf europäischer Ebene wird ohne Rücksicht auf die jeweilige innerstaatliche Verfassungsstruktur des Mitgliedstaates von einem Konflikt zwischen dem Gesamtstaat und der Europäischen Gemeinschaft ausgegangen, da europarechtlich auch in verschiedene Gebietskörperschaften untergliederte Staaten als einheitliche Staatswesen angesehen werden. Siehe hierzu Oppermann, Europarecht, Rz. 651; Streinz, Europarecht, Rz. 99, 157; Šarc´evic´, Das Bundesstaatsprinzip, S. 241; Isensee, FS BVerfG, S. 719 (753). Für die Bundesrepublik ist es also gleichgültig, ob eine Gemeinde, ein Land oder der Bund Steuern erlassen, die einen Sachgegenstand der Gemeinschaft betreffen. 82 RL 91 / 157 / EWG des Rates vom 18. 3. 1991 über gefährliche Stoffe enthaltende Batterien und Akkumulatoren, ABl. 1991, Nr. L 78, S. 38.
A. Konfliktkonstellationen
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im Interesse des Binnenmarktes insoweit eine abschließende Gemeinschaftsregelung vorliegt. Ein Kompetenzkonflikt zwischen einem nationalen Steuergesetzgeber und dem gemeinschaftlichen Sachgesetzgeber könnte des Weiteren im Agrarbereich auftreten. So regelt die aufgrund der Art. 43, 100 EWGV a. F. erlassene RL 70 / 524 / EWG83 die Frage, welche Futtermittel mit welchen Zusatzstoffen in der Gemeinschaft auf dem Markt angeboten werden dürfen. Die in Rede stehende Richtlinie sieht aus Gesundheits- und Verbraucherschutzgründen vor, dass nur solche Zusatzstoffe in Futtermitteln enthalten sein dürfen, die im Anhang der Richtlinie genannt sind und die dort normierten Höchst- und Mindestwerte einhalten. Andererseits unterliegen die nach der Richtlinie zulässigen Futtermittel im Interesse des Gemeinsamen Marktes grundsätzlich84 keinen Beschränkungen (Art. 13). Die Mitgliedstaaten besitzen also keine Kompetenz zum Erlass von Schutzverstärkungsklauseln, da die Richtlinie in dieser Hinsicht als abschließend zu qualifizieren ist. Folglich wäre ein Konflikt gegeben, sofern ein Mitgliedstaat eine Verbrauchsteuer auf Futtermittel einführte und dabei solche Produkte, die bestimmte Zusatzstoffe in bestimmter Menge enthalten, einer erhöhten Besteuerung unterwürfe, obwohl die Produkte die Voraussetzungen der Richtlinie einhalten.85 Dies könnte etwa geschehen, um entsprechende Futtermittel aus Verbraucherschutzgründen vom Markt zu verdrängen.
2. Kein Kompetenzkonflikt zwischen dem gemeinschaftlichen Steuerund einem nationalen Sachgesetzgeber Die Analyse der Rechtsetzungskompetenzen der Gemeinschaft hat ergeben, dass die Gemeinschaft keine echten Steuergesetzgebungskompetenzen besitzt. Die Kompetenzbestimmungen, die die Gemeinschaft zum Erlass steuerlicher Vorschriften ermächtigen, sind als Sachgesetzgebungskompetenzen, nämlich als Harmonisierungs- bzw. Umweltschutzgesetzgebungskompetenzen, zu qualifizieren. Verfügt die Gemeinschaft aber nicht über Steuergesetzgebungs-, sondern allein über Sachgesetzgebungsbefugnisse, kann die Frage, ob die Europäische Gemeinschaft mittels einer gestaltenden Steuerregelung ein Ziel verfolgen darf, das sie mit einem Sachgesetz nicht verfolgen dürfte, von vornherein nicht auftreten. Man könnte zwar auf die Idee kommen, einen Konflikt zwischen dem gemeinschaftlichen Steuer- und einem nationalen Sachgesetzgeber anzunehmen, wenn die 83 RL 70 / 524 / EWG des Rates vom 23. 11. 1970 über Zusatzstoffe in der Tierernährung, ABl. 1970, Nr. L 270, S. 1. 84 Nach Art. 7 der RL 70 / 524 / EWG dürfen die Mitgliedstaaten nur in dem Ausnahmefall, dass die Verwendung der zugelassenen Futtermittel eine Gefahr darstellt, eine entsprechende Genehmigung aussetzen oder den Höchstgehalt der Zusatzstoffe verringern. 85 Eine solche Steuer würde nicht gegen die gemeinschaftsrechtlichen Steuerrichtlinien verstoßen, da entsprechende Steuern von diesen gar nicht erfasst werden.
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2. Teil: Der Kompetenzkonflikt auf europäischer Ebene
Europäische Gemeinschaft auf der Grundlage der Art. 93, 94, 175 oder 308 EGV gestaltende Steuern erlässt,86 die einen Gegenstand betreffen, der in der Kompetenz der Mitgliedstaaten verblieben ist. Es wird aber schnell deutlich, dass es in einem solchen Fall nicht um einen Konflikt zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber geht, als vielmehr um einen Konflikt zwischen zwei Sachgesetzgebern bzw. um einen Konflikt zwischen dem gemeinschaftlichen Harmonisierungs- bzw. Umweltgesetzgeber und dem mitgliedstaatlichen Sachgesetzgeber. Da die Gemeinschaft nämlich auf Grund einer Sachgesetzgebungskompetenz tätig wird, die u. a. auch zum Erlass steuerlicher Vorschriften ermächtigt, macht es für die rechtliche Bewertung keinen Unterschied, ob die Gemeinschaft eine Steuerregelung oder eine Sachregelung erlässt. Das Handeln der Gemeinschaft wäre gleichermaßen zulässig bzw. unzulässig, wenn anstatt der Steuervorschrift eine Sachvorschrift gewählt worden wäre. Da die Reichweite der Kompetenz für Steuerregelungen und für Sachregelungen parallel verläuft, kann sich niemals die Frage stellen, ob der Gemeinschaft etwas mit einer Steuerregelung erlaubt ist, was ihr mit einem Sachgesetz verwehrt ist. Diese Frage und damit ein Konflikt zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber kann lediglich dann auftreten, wenn es eine eigene Kompetenz für das Instrument der Steuer gibt, nicht dagegen, wenn lediglich nicht-formbezogene Kompetenzen existieren. Erlässt die Gemeinschaft auf der Grundlage der einschlägigen Bestimmungen gestaltende Steuern, die einen bei den Mitgliedstaaten verbliebenen Bereich betreffen, liegt die rechtliche Problematik nicht darin begründet, dass die Gemeinschaft mittels einer Steuerregelung tätig wird. Es macht von vornherein keinen Unterschied, ob die Europäische Gemeinschaft mittels einer steuerrechtlichen oder einer sonstigen Vorschrift in einen den Mitgliedstaaten verbliebenen Bereich einwirkt. Besonders deutlich wird dies im Rahmen der Art. 94, 175 und 308 EGV, gelten diese doch auch für nicht-steuerliche Vorschriften und stellen somit zwangsläufig diesselben rechtlichen Anforderungen an steuerliche wie an nicht-steuerliche Regelungen. Gleiches gilt aber auch für Art. 93 EGV. Die Bestimmung gilt zwar nur für steuerliche Vorschriften, dies ändert aber nichts daran, dass sie als Harmonisierungskompetenz zu qualifizieren ist, die genauso gut in die allgemeine Binnenmarktkompetenz hätte eingegliedert werden können. So unterscheidet sich der Fall, dass die Gemeinschaft die besonderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren nach Art. 93 EGV nicht nur im Interesse des Binnenmarktes, sondern auch zum Zwecke des Gesundheitsschutzes angleicht,87 in der rechtlichen Bewertung nicht von dem Fall, dass die Gemeinschaft u. a. aus Gesundheitsschutzgründen ein auf die allgemeine Binnenmarktkompetenz des Art. 95 EGV gestütztes Tabakwerbe86 Neben Art. 175 EGV ermächtigen auch die Art. 93, 94, 308 EGV zum Erlass gestaltender Steuerregelungen. Ohler, Die fiskalische Integration in der Europäischen Gemeinschaft, S. 193. 87 Für Aufgaben des Gesundheitsschutzes besitzt die Gemeinschaft keine Kompetenz. Sowohl nach Art. 129 Abs. 4 1. Spiegelstr. EGV a. F. als auch nach Art. 152 Abs. 4 lit. c) EGV sind Harmonisierungsmaßnahmen der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes ausdrücklich ausgeschlossen.
B. Die Reichweite des Anwendungsvorrangs als entscheidendes Kriterium
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verbot88 einführt. Beide Male stellt sich die Frage, inwieweit die Gemeinschaft mittels einer Harmonisierungskompetenz auf andere, der Gemeinschaft entzogene Bereiche Einfluss nehmen kann. Im Fall, dass die Europäsiche Gemeinschaft auf Grund der Bestimmungen des Art. 93, 94, 175 oder 308 EGV Steuerregelungen erlässt, die eine bei den Mitgliedstaaten verbliebene Materie gestalten, ist somit kein Konflikt zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber gegeben. Kennzeichnend für den Konflikt zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber ist nämlich gerade, dass mit einer Steuerregelung auf einen ansonsten verschlossenen Gegenstand gestalterisch eingewirkt wird. Die rechtliche Problematik liegt darin begründet, dass es fraglich ist, ob eine Steuerregelung zu Gestaltungszwecken gewählt werden darf, obwohl der Gesetzgeber mit einem Sachgesetz keinen Einfluss auf die jeweilige Materie nehmen darf. Da diese Frage hier nicht auftreten kann, wird die betreffende Konstellation im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung nicht eigens behandelt.
B. Die Reichweite des Anwendungsvorrangs als entscheidendes Kriterium zur Lösung von Konflikten zwischen dem nationalen Steuer- und dem gemeinschaftlichen Sachgesetzgeber I. Begründung der Vorrangregel und ihre Bedeutung im Rahmen von Kompetenzkonflikten Während das Verhältnis von Gemeinschafts- und nationalem Recht in der Frühzeit der Gemeinschaft noch zu den umstrittensten Problemen gehörte,89 ist es mittlerweile grundsätzlich geklärt. Dem Gemeinschaftsrecht wird gegenüber dem nationalen Recht prinzipiell Vorrang zuerkannt.90 Die Vorrangregel wird dabei ganz überwiegend91 dem Gemeinschaftsrecht entnommen. So beruft sich der Euro88 Siehe hierzu die auf Art. 100a EGV a. F. gestützte RL 98 / 43 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. 7. 1998 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zu Gunsten von Tabakerzeugnissen, ABl. 1998, Nr. L 213, S. 9. Die RL wurde vom EuGH, Rs. C-376 / 98, Slg. 2000, I-8419 (8530 ff.) für nichtig erklärt. 89 v. Bogdandy / Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Archivband I, Art. 1 EGV, Rz. 32. 90 EuGH, Rs. 6 / 64, Slg. 1964, 1251 (1269 ff.); EuGH, Rs. 11 / 70, Slg. 1970, 1125 (1135); EuGH, Rs. 106 / 77, Slg. 1978, 629 (644); BVerfGE 31, 145 (173 f.); BVerfGE 75, 223 (242 f.); Streinz, Europarecht, Rz. 179. 91 Anders die völkerrechtliche Theorie, die das Primär- und Sekundärrecht der Gemeinschaft dem Völkerrecht zuordnet und das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht nach den Regeln des jeweiligen mitgliedstaatlichen Rechts bestimmt. Siehe hierzu Komendera, Normenkonflikte zwischen EWG- und BRD-Recht, S. 66 ff.; Schweitzer, Staatsrecht III, Rz. 44.
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2. Teil: Der Kompetenzkonflikt auf europäischer Ebene
päische Gerichtshof zur Begründung des Vorranganspruchs auf Art. 10 EGV und Art. 249 EGV sowie auf das teleologisch ermittelte Prinzip der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft.92 Wortlaut und Geist der Verträge hätten zur Folge, dass es den Staaten unmöglich sei, gegen eine von ihnen auf der Grundlage der Gegenseitigkeit angenommene Rechtsordnung nachträglich einseitige Maßnahmen ins Feld zu führen. Eine andere Auslegung bedeutete eine Gefährdung der Verwirklichung der Vertragsziele.93 Auch das Bundesverfassungsgericht erkennt den im EG-Vertrag enthaltenen Vorranganspruch des Gemeinschaftsrechts im Grundsatz an.94 Anders als der Europäische Gerichtshof, der von einem eigenständigen Charakter des Gemeinschaftsrechts ausgeht und die Vorrangregel dementsprechend ohne Rückbindung an die Verfassungen der Mitgliedstaaten allein der europäischen Rechtsordnung entnimmt,95 vertritt das Bundesverfassungericht jedoch die Ansicht, dass der Grundsatz einer Ergänzung im nationalen Verfassungsrecht bedürfe, welche zur Einräumung des Vorrangs im EG-Vertrag ermächtige. Danach sollen erst die von Art. 23 GG gedeckten Zustimmungsgesetze zu den Gemeinschaftsverträgen der Vorrangregel den innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl erteilen.96 Demzufolge kann nach dem Bundesverfassungsgericht – im Gegensatz zum Europäischen Gerichtshof, der einen unbegrenzten Vorrang des Gemeinschaftsrechts auch vor nationalem Verfassungsrecht annimmt97 – das Grundgesetz eine begrenzende Rolle spielen und dazu führen, dass ein gemeinschaftsrechtlicher Vorrang nicht immer akzeptiert werden darf. So wird zu Recht davon ausgegangen, dass das EG-Recht keinen Vorrang vor dem nationalen Recht beanspruchen kann, soweit es die Grenzen des Art. 23 GG überschreitet.98 Wo diese Grenzen im Einzelnen liegen, bedarf dabei noch näherer Klärung.99 Da die Grenzen der Vorrangregel jedoch nur im Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Verfassungsrecht aktuell werden und EuGH, Rs. 6 / 64, Slg. 1964, 1251 (1269 ff.); EuGH, Rs. 11 / 70, Slg. 1970, 1125 (1135). EuGH, Rs. 6 / 64, Slg. 1964, 1251 (1269 ff.). 94 BVerfGE 31, 145 (174); BVerfGE 73, 339 (375); BVerfGE 75, 223 (242 f.). 95 EuGH, Rs. 6 / 64, Slg. 1964, 1251 (1269 ff.). Zu der sog. europarechtlichen Lösung siehe auch Streinz, Europarecht, Rz. 186. 96 BVerfGE 73, 339 (374 f.); BVerfGE 75, 223 (242 f.). 97 EuGH, Rs. 11 / 70, Slg. 1970, 1125 (1135); EuGH, Rs. 106 / 77, Slg. 1978, 629 (644); EuGH, Rs. C-213 / 89, Slg. 1990, I-2433 (2473). 98 Siehe BVerfGE 89, 155 (174 f., 188, 195, 210); Bleckmann, in: ders., Europarecht, § 11, Rz. 1084; Himmelmann, EG-Umweltrecht und nationale Gestaltungsspielräume, S. 60. 99 Man wird an die in Art. 23 GG genannten Prinzipien aufgrund der Integrationsoffenheit des Grundgesetzes jedenfalls nicht dieselben Anforderungen stellen dürfen, wie im innerstaatlichen Bereich. So zu Recht Streinz, Bundesverfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz, S. 253 ff.; Tomuschat, EuGRZ 1993, 489 (494). Das Bundesverfassungsgericht schränkt den Vorrang des Gemeinschaftsrechts im Maastricht-Urteil dahingehend ein, dass es eine generelle Gewährleistung des unabdingbaren Grundrechtsstandards sowie die Einhaltung der durch Zustimmungsgesetz abgesteckten Kompetenzen der Gemeinschaft fordert. So BVerfGE 89, 155 (182 ff.). 92 93
B. Die Reichweite des Anwendungsvorrangs als entscheidendes Kriterium
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nicht im – für die vorliegende Untersuchung allein relevanten – Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und einfachem Gesetzesrecht, braucht der Frage hier nicht weiter nachgegangen zu werden. Im Verhältnis zwischen EG-Recht und einfachem nationalen Gesetzesrecht bleibt es auch nach dem Bundesverfassungsgericht beim generellen Vorrang des Gemeinschaftsrechts.100 Die Nachrangigkeit des nationalen Rechts bedeutet nicht, dass die mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbaren nationalen Normen nichtig sind.101 Vielmehr sind die mitgliedstaatlichen Regelungen im konkreten Fall nur nicht anwendbar.102 Ein so verstandener Vorrang wird den besonderen Erfordernissen des Gemeinschaftsrechts durchaus gerecht und schont überdies die nationalen Empfindlichkeiten.103 Gegen die These vom Geltungsvorrang spricht zudem, dass die Annahme der Nichtigkeit ein normhierarchisches Stufenverhältnis zwischen den jeweiligen Normen vorausetzt, was im Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht jedoch nicht gegeben ist, da die Gemeinschaft über eine autonome Rechtsordnung verfügt.104 Schließlich würde die Anordnung der Nichtigkeitsfolge die Zuständigkeit der Gemeinschaft überschreiten, da sie auch rein innerstaatliche Sachverhalte erfassen könnte.105 Da der Vorrang des Gemeinschaftsrechts die Mitgliedstaaten demnach verpflichtet, jede dem Gemeinschaftsrecht zuwiderlaufende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet zu lassen,106 schränkt er – wie oben bereits erwähnt107 – die Gesetzgebungskompetenz der Mitgliedstaaten ein. Zwar sind die nationalen Gesetzgeber nicht daran gehindert, vom Gemeinschaftsrecht abweichendes Recht wirksam zu setzen, da sie sich nicht mit dinglicher Wirkung ihrer Legislativkompetenzen begeben haben.108 Es liegt also kein rechtlicher Kompetenzverlust der Mitgliedstaaten vor.109 Da mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbare nationale BVerfGE 31, 145 (173 f.). So aber Grabitz, Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht, S. 98 ff. 102 EuGH, Rs. 34 / 67, Slg. 1968, 363 (373); EuGH, Rs. 106 / 77, Slg. 1978, 629 (644); BVerfGE 75, 223 (244); Streinz, Europarecht, Rz. 200; v. Bogdandy / Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Archivband I, Art. 1 EGV, Rz. 41. 103 Streinz, Europarecht, Rz. 200; Oppermann, Europarecht, Rz. 634; Zuleeg, Das Recht der EG, S. 152. 104 v. Bogdandy / Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 1 EGV, Rz. 41; Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, S. 55; Himmelmann, EG-Umweltrecht und nationale Gestaltungsspielräume, S. 68. 105 v. Bogdandy / Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 1 EGV, Rz. 41. 106 EuGH, Rs. 106 / 77, Slg. 1978, 629 (644); EuGH, Rs. C-158 / 91, Slg. 1993, I-4287 (4303); EuGH, Rs. C-347 / 96, Slg. 1998, I-937 (961); EuGH, Rs. C-10 / 97 bis C-22 / 97, Slg. 1998, I-6307 (6333). 107 Siehe oben 2. Teil, A. I. 2. 108 Schröer, Die Kompetenzverteilung, S. 199; Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 55. 109 Schröer, Die Kompetenzverteilung, S. 34 f., 197 ff.; Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 55; Schlösser, Die Sperrwirkung sekundären Gemeinschaftsrechts, S. 44; 100 101
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2. Teil: Der Kompetenzkonflikt auf europäischer Ebene
Rechtsvorschriften nach der Vorrangregel in den Mitgliedstaaten aber nicht angewendet werden dürfen, entsprechende Regelungen also wirkungslos bleiben müssen, haben die Mitgliedstaaten die Kompetenz für die betreffenden Bestimmungen in tatsächlicher Hinsicht verloren. Es wird in diesem Zusammenhang denn auch zu Recht von einem faktischen Kompetenzverlust der Mitgliedstaaten gesprochen.110 Für die Beantwortung der Frage, ob ein nationaler Gesetzgeber im Rahmen eines Kompetenzkonflikts mit der Europäischen Gemeinschaft für eine bestimmte Regelung befugt ist oder nicht, hat man folglich zu untersuchen, ob die betreffende Regelung angewendet werden darf oder ob sie deshalb unangewendet bleiben muss, weil der mitgliedstaatliche Gesetzgeber den Vorrang des Gemeinschaftsrechts nicht beachtet hat. Im Gegensatz zu nationalen Kompetenzkonflikten wird hier also nicht zwischen der Ebene der Kompetenzqualifikation und der Ebene der Kompetenzausübung unterschieden, vielmehr richtet sich die Konfliktlösung allein nach der Lehre vom Anwendungsvorrang. Entscheidend ist also, in welchen Fällen der Vorrang des Gemeinschaftsrechtsrechts eingreift und die Anwendung der entsprechenden nationalen Vorschrift verbietet. Aus diesem Grund bedarf es einer Klärung der konkreten Reichweite des Vorrangs.
II. Die anerkannten Vorrangfälle Unter dem Stichwort des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts werden regelmäßig verschiedene Fallkonstellationen erörtert. Dabei lassen sich Fälle, in denen die Unanwendbarkeit des nationalen Rechts unumstritten und dogmatisch gesichert ist, von solchen Fällen unterscheiden, in denen die Begründung des Vorrangs zweifelhaft ist. Bevor auf diese problematischen Fälle näher eingegangen wird, sollen nachfolgend jedoch zunächst die anerkannten Vorrangfälle dargestellt und gefragt werden, inwieweit der Konflikt zwischen dem nationalen Steuer- und dem gemeinschaftlichen Sachgesetzgeber schon hier eingeordnet werden kann.
1. Unanwendbarkeit des nationalen Rechts im Bereich einer ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz Klar ist zunächst, dass die Mitgliedstaaten keine Vorschriften anwenden dürfen, die sich auf einen Bereich beziehen, für den eine ausschließliche Kompetenz der Gemeinschaft besteht. Die Mitgliedstaaten sind bei Vorliegen einer ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz von der Regelung des betreffenden Gebiets stets ausgeschlossen, da die Anwendung einer entsprechenden nationalen Bestimmung Vedder, Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten, S. 9 (18). 110 Schröer, Die Kompetenzverteilung, S. 200; Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 210.
B. Die Reichweite des Anwendungsvorrangs als entscheidendes Kriterium
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ohne Rücksicht auf deren Inhalt gegen die eine ausschließliche Gemeinschaftskompetenz begründende Vertragsnorm verstößt.111 Da es sich hierbei um eine klare und unbedingte Verpflichtung der Mitgliedstaaten handelt,112 die unmittelbar anwendbar ist, sind nicht nur die nationalen Gesetzgeber verpflichtet, diese zu berücksichtigen, vielmehr haben auch die nationale Behörden und Gerichte mitgliedstaatliches Recht in diesem Bereich unangewendet zu lassen.113
2. Unanwendbarkeit des nationalen Rechts im Bereich einer konkurrierenden Gemeinschaftskompetenz: Verbot direkter Kollisionen mit sekundärem Gemeinschaftsrecht Im Falle einer konkurrierenden Gemeinschaftskompetenz sind die Mitgliedstaaten nicht in gleicher Weise wie bei einer ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz von der Rechtsetzung ausgeschlossen. Vorschriften im EG-Vertrag, die eine konkurrierende Gemeinschaftskompetenz normieren, enthalten für die Mitgliedstaaten kein Verbot in dem Sinne, dass die Anwendung jeglichen nationalen Rechts in dem betreffenden Bereich ohne Rücksicht auf dessen Inhalt gemeinschaftsrechtswidrig wäre.114 Die betreffenden nationalen Regelungen sind aber am Sekundärrecht der Gemeinschaft zu messen. Mitgliedstaatliche Vorschriften dürfen nicht angewendet werden, sofern Rechtsetzungsakte der Gemeinschaft entgegenstehen.115 Das sekundäre Gemeinschaftsrecht entfaltet insoweit eine Sperrwirkung.116 Bei der Frage, wie weit diese Sperrwirkung reicht, in welchen Fällen also das nationale Recht unangewendet bleiben muss, bestehen jedoch noch Unklarheiten.117 Anerkannter111 Siehe Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 56; Schlösser, Die Sperrwirkung des sekundären Gemeinschaftsrechts, S. 44. 112 Zu diesen Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendung von Gemeinschaftsrecht EuGH, Rs. 26 / 62, Slg. 1963, 1 (25 f.); Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 249 EGV, Rz. 161 ff. 113 Zur Bedeutung der unmittelbaren Anwendbarkeit von Gemeinschaftsrecht EuGH, Rs. 26 / 62, Slg. 1963, 1 (25 f.). 114 Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 209. 115 Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 210; Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen, S. 435; Schlösser, Die Sperrwirkung des sekundären Gemeinschaftsrechts, S. 51; Winter, DÖV 1998, S. 377 (379); Schröer, Die Kompetenzverteilung, S. 199; Hoffert, Europarecht und nationale Umweltpolitik, S. 20. Siehe auch Pernice, NVwZ 1990, S. 201 (202). 116 Zur Sperrwirkung von Gemeinschaftsrechtsakten siehe EuGH, Slg. 1986, Rs. 218 / 85, 3513 (3532); EuGH, Rs. 255 / 86, Slg. 1988, 693 (708); Jarass, AöR 121 (1996), S. 173 (189); v. Bogdandy / Bast, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 5 EGV, Rz, 33; Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, S. 14 f.; Kahl, in: Caliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 94 EGV, Rz. 5; Hailbronner, EuGRZ 1989, S. 101 (106); Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 210; Furrer, Die Sperrwirkung des sekundären Gemeinschaftsrechts, S. 92. 117 Dazu sogleich unten III.
13 Barthelmann
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2. Teil: Der Kompetenzkonflikt auf europäischer Ebene
maßen erfasst die Sperrwirkung sog. direkte Kollisionen.118 Darunter sind solche Fälle zu verstehen, in denen eine Gemeinschaftsregelung und eine nationale Norm denselben Gegenstand regeln, aber unterschiedliche Rechtsfolgen anordnen.119 Zwei Vorschriften haben dabei denselben Regelungsgegenstand, wenn sie sich tatbestandlich decken oder wenn ein engerer Tatbestand von einem weiteren Tatbestand komplett erfasst wird, wenn also beispielsweise eine Regelung sämtliche öffentliche Verkehrsmittel erfasst, während eine andere nur einzelne Verkehrsmittel zum Gegenstand hat.120 Würde also etwa eine gemeinschaftsrechtliche Vorschrift für eine bestimmte Steuer einen genau bestimmten Steuersatz festlegen und eine nationale Regelung für diese Steuer einen höheren oder einen niedrigeren Steuersatz normieren, dürfte die mitgliedstaatliche Bestimmung zweifellos nicht angewendet werden. Eine direkte Kollision ist aber nicht nur dann gegeben, wenn eine nationale Vorschrift gegen eine ausdrückliche gemeinschaftliche Regelung, die nach Tatbestand und Rechtsfolge positiv angewendet werden kann,121 verstößt, sondern auch dann, wenn sich einem Sekundärrechtsakt der Gemeinschaft ein konkludentes Anwendungsverbot für eine bestimmte nationale Regelung entnehmen lässt. Eine direkte Kollision kann sich also auch erst durch Auslegung des jeweiligen Sekundärrechtsaktes ergeben.122 Beispielsweise könnte sich einem steuerlichen Rechtsetzungsakt der Gemeinschaft entnehmen lassen, dass auf ein bestimmtes Steuerobjekt nur die in der betreffenden Verordnung bzw. Richtlinie genannten Steuern erhoben werden dürfen, andere Steuern dagegen ausgeschlossen sind. 118 Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 210; Satzger, Europäisierung des Strafrechts, S. 483 f.; Schlösser, Die Sperrwirkung des sekundären Gemeinschaftsrechts, S. 59; Niedobitek, VerwArch 92 (2001), 58 (73 f.); Jarass, DVBl. 1995, S. 954 (959). Man kann dabei zwischen echten und unechten direkten Kollisionen unterscheiden, je nachdem, ob das EG-Recht unmittelbar anwendbar ist oder nicht. Siehe Satzger, Die Europäisierung des Straftechts, S. 479 ff., der im Fall, dass das Gemeinschaftsrecht nicht unmittelbar anwendbar ist, nur von scheinbaren Kollisionen spricht. Die Unterscheidung ist aber im vorliegenden Zusammenhang irrelevant, da die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, kollidierende Vorschriften des nationalen Rechts unangewendet zu lassen, auch dann gilt, wenn das Gemeinschaftsrecht nicht unmittelbar anwendbar ist und von nationalen Behörden und Gerichten somit nicht beachtet werden muss. Zur Problematik der unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinienbestimmungen siehe Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 249 EGV, Rz. 161 ff. 119 Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 210; Satzger, Europäisierung des Strafrechts, S. 483 f.; v. Bogdandy, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Archivband I, Art. 1 EGV, Rz. 35; Huthmacher, Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts bei indirekten Kollisionen, S. 134 ff.; Komendera, Normenkonflikte, S. 3; Grabitz / Nettesheim, EWS 1990, S. 246 (249); Lubitz, Die Angleichung des Privatrechts, S. 107. 120 Lubitz, Die Angleichung des Privatrechts, S. 103 ff. 121 Auch eine solche EG-Regelung kann unmittelbar anwendbar sein. Die unmittelbare Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts setzt nämlich nicht voraus, dass die gemeinschaftsrechtliche Norm stets nach Tatbestand und Rechtsfolge positiv angewendet werden kann und an die Stelle der ausgeschalteten nationalen Regelung treten kann. Vielmehr ist es ausreichend, dass die gemeinschaftsrechtliche Regelung darauf zielt, bestimmte nationale Norminhalte ersatzlos zu eliminieren. So zu Recht Niedobitek, VerwArch 92 (2001), S. 58 (68). 122 Siehe v. Bogdandy, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Archivband I, Art. 1 EGV, Rz. 35.
B. Die Reichweite des Anwendungsvorrangs als entscheidendes Kriterium
195
Würde nun eine mitgliedstaatliche Norm eine in der Verordnung bzw. Richtlinie nicht vorgesehene Steuer auf den entsprechenden Gegenstand erheben, müsste diese Norm unangewendet bleiben. Ob eine Gemeinschaftsregelung ein konkludentes Anwendungsverbot für eine konkrete nationale Regelung beinhaltet, kann jedoch oftmals nur schwer ermittelt werden.123 Die Auslegung hat sich dabei am Sinn und Zweck der Maßnahme zu orientieren und zu berücksichtigen, ob die nationale Regelung die Zielsetzung des Sekundärrechtaktes gefährden kann.124 Angesichts der Tatsache, dass die Kompetenzen der Gemeinschaft nicht wie im Grundgesetz gegenstandsbezogen, sondern zielorientiert formuliert sind,125 ist es durchaus möglich, dass einer Gemeinschaftsmaßnahme weitgehende ungeschriebene Anwendungsverbote für nationale Normen zu entnehmen sind, die u. U. gar ein ganzes Sachgebiet erfassen.126 Es handelt sich dann um einen abgeschlossenen Gemeinschaftsrechtsakt, der den Mitgliedstaaten keinen Raum für eine eigenständige Rechtsetzung in dem betreffenden Bereich belässt. Andererseits ist zugunsten der Mitgliedstaaten der Subsidiaritätsgrundsatz nach Art. 5 Abs. 2 EGV127 bzw. der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gem Art. 5 Abs. 3 EGV128 in die Auslegung einzubeziehen. Sind im gemeinschaftlichen Primär- oder Sekundärrecht Vorbehalte zugunsten der Mitgliedstaaten enthalten, sind nationale Vorschriften insoweit jedenfalls nicht ausgeschlossen.129 Auch Regelungen, die ein anderes Sachgebiet zum Gegenstand haben, sind von der Sperrwirkung regelmäßig nicht betroffen. So wird man beispielsweise nur in den seltensten Fällen davon ausgehen können, dass Verfahrens- und Prozessrechtsregelungen ausgeschlossen sind, wenn der Sekundärrechtsakt der Gemeinschaft dies nicht ausdrücklich bestimmt. Es ist nämlich regelmäßig Sache der Mitgliedstaaten, für die Durchführung der Gemeinschaftsregelungen zu sorgen und die entsprechenden Verfahren auszugestalten.130
123 Siehe hierzu die Rechtsprechungsanalyse von Furrer, Die Sperrwirkung des sekundären Gemeinschaftsrechts, S. 101 ff. 124 Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 210; Winter, DÖV 1998, S. 377 (379). 125 Siehe hierzu oben 2. Teil, A. I. 2. 126 Jarass, AöR 121 (1996), S. 173 (189). 127 Sofern man die Frage nach der zulässigen normativen Dichte des gemeinschaftlichen Rechtsetzungsakts im Subsidiariätsprinzip verankert sieht. So v. Bogdandy / Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Archivband I, Art. 3b EGV, Rz. 27. 128 Sofern man die Frage nach der zulässigen normativen Dichte im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verankert sieht. So Kuntze, Die Kompetenzen der EG auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 253. 129 Jarass, AöR 121 (1996), S. 173 (189). 130 EuGH, Rs. 33 / 76, Slg. 1976, 1989 (1998); EuGH, Rs. 45 / 76, Slg. 1976, 2043 (2053); EuGH, Rs. 265 / 78, Slg. 1980, 617 (629); EuGH, Rs. C-430 / 93 u. C-431 / 93, Slg. 1995, I-4705 (I-4737); EuGH, Rs. C-312 / 93, Slg. 1995, I-4599 (I-4621).
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2. Teil: Der Kompetenzkonflikt auf europäischer Ebene
3. Keine Anwendbarkeit der anerkannten Vorrangfälle auf nationale gestaltende Steuerregelungen Die Mitgliedstaaten können Steuerregelungen nur dann zu Gestaltungszwecken einsetzen, wenn die Anwendung gestaltender Steuern nicht aufgrund einer direkten Kollision mit dem Gemeinschaftsrecht verboten ist. Da bei einem Konflikt zwischen einem nationalen Steuer- und dem gemeinschaftlichen Sachgesetzgeber die Mitgliedstaaten mittels einer gestaltenden Steuer außerfiskalische Zwecke auf dem gleichen Sachgebiet verfolgen, das auch Gegenstand des jeweiligen Sekundärrechtsaktes ist, könnte man auf den ersten Blick davon ausgehen, dass entsprechende nationale Steuerregelungen oftmals mit dem Gemeinschaftsrecht direkt kollidieren. Es scheint, als seien betreffende nationale Steuervorschriften, wenn nicht ausdrücklich, so doch regelmäßig konkludent ausgeschlossen. Dem sekundären Gemeinschaftsrecht wird man aber nur in den seltensten Fällen ein entsprechendes Anwendungsverbot entnehmen können. So lässt sich zunächst den bereits an anderer Stelle behandelten Richtlinien zur Harmonisierung der indirekten und direkten Steuern keine Aussage dahingehend entnehmen, dass den Mitgliedstaaten die Anwendung gestaltender Steuern versagt ist. Die betreffenden Richtlinien normieren steuerrechtliche Vorgaben, die von den mitgliedstaatlichen Gesetzgebern einzuhalten sind. Sie haben somit zweifelsohne auch Bedeutung für den Erlass gestaltender Steuern, da jede Steuer, die in den Anwendungsbereich der Richtlinien fällt, deren Anforderungen beachten muss. Es darf also nicht etwa die Umsatzsteuer in der Weise zu Gestaltungszwecken ausgestaltet werden, dass sie für bestimmte Waren einen Steuersatz von 3 % normiert, obwohl der ermäßigte Satz nach der entsprechenden Richtlinie mindestens 5 % betragen muss.131 Werden die Vorgaben der Richtlinien jedoch erfüllt, stehen sie der Anwendung gestaltender Steuern nicht entgegen. Den Richtlinien lässt sich kein Hinweis darauf entnehmen, dass nationale Steuern nicht zu bestimmten Gestaltungszwecken eingesetzt werden dürfen. Die Richtlinien beziehen sich nämlich nicht auf den Zweck, der mit einer Steuerregelung verfolgt wird. Sie machen die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Steuerregelung nicht von deren Zielsetzung abhängig. Nur ein einziges Mal nehmen die in Rede stehenden Richtlinien auf die Zielsetzung steuerlicher Vorschriften Bezug. So sieht Art. 3 Abs. 2RL 92 / 12 / EWG vor, dass auf Mineralöl, Alkohol, alkoholische Getränke und Tabakwaren trotz der Harmonisierung u. U. noch andere indirekten Steuern mit besonderer Zielsetzung erhoben werden können. Gestaltende Steuern werden hier also ausdrücklich anerkannt.132 Auch dem sonstigen Sekundärrecht der Gemeinschaft wird man regelmäßig kein Anwendungsverbot für gestaltende Steuern entnehmen können. Da gestaltende Steuervorschriften mit nicht-steuerlichen Normen mangels TatbestandsidenSiehe hierzu oben 2. Teil, A. I. 2. a) aa). Hagen, Die Harmonisierung der indirekten Steuern in Europa, S. 223; Ohler, Die fiskalische Integration in der Europäischen Gemeinschaft, S. 193. 131 132
B. Die Reichweite des Anwendungsvorrangs als entscheidendes Kriterium
197
tität nicht direkt kollidieren können,133 lässt sich eine direkte Kollision nur dann begründen, wenn in der jeweiligen EG-Vorschrift die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit gestaltender Steuern ausdrücklich oder zumindest konkludent geregelt ist. Dies ist aber von vornherein nur bei solchen Regelungen möglich, die auf Grund der Art. 93, 94, 175, 308 EGV ergangen sind. So wurde bereits an früherer Stelle dargelegt, dass nur diese Vorschriften die Gemeinschaft berechtigen, steuerliche Bestimmungen zu erlassen.134 Da auch gestaltende Steuern Steuern i. S. des Gemeinschaftsrechts sind,135 sind demnach allein die in Rede stehenden Kompetenznormen für gestaltende Steuern einschlägig und können auch nur die auf diesen Ermächtigungen beruhenden Sekundärrechtsakte überhaupt Aussagen hinsichtlich der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von gestaltenden Steuern treffen. Auf Grund anderer Kompetenzgrundlagen ergangene Gemeinschaftsregelungen können dagegen keine steuerlichen Vorschriften zum Gegenstand haben und können somit auch nicht ein geschriebenes oder ungeschriebenes Anwendungsverbot für die Mitgliedstaaten enthalten, Steuern zu bestimmten Gestaltungszwecken einzusetzen. Möglicherweise kommt eine Kompetenzkombination i. d. S. in Betracht, dass die Gemeinschaftsmaßnahme sowohl Regelungen nicht-steuerlicher Art enthält, als auch ein Anwendungsverbot für gestaltende Steuern, das auf der Grundlage der Art. 93, 94, 175 oder 308 EGV erlassen worden ist. Die Annahme eines ungeschriebenen Anwendungsverbots für bestimmte gestaltende Steuern bedarf aber stets besonderer Anhaltspunkte. Zudem ist zu beachten, dass ein Sekundärrechtsakt der Gemeinschaft nur dann ein entsprechendes Verbot für gestaltende Steuern normieren kann, wenn die Anforderungen der Art. 93, 94, 175, 308 EGV eingehalten sind. Neben den jeweiligen materiellen Voraussetzungen ist dabei insbesondere auf das formelle Erfordernis der einstimmigen Beschlussfassung hinzuweisen, das den Schutz der mitgliedstaatlichen Souveränität auf dem Gebiet des Steuerrechts gewährleisten soll. Eine EG-Vorschrift, die im Rat nicht einstimmig erlassen wurde, kann also weder ein ausdrückliches, noch ein konkludentes Verbot für gestaltende Steuern enthalten, da dieses nichtig wäre. Angesichts der Tatsache, dass Einschränkungen für gestaltende Steuerregelungen der Mitgliedstaaten überhaupt nur auf Grund weniger Kompetenzgrundlagen normiert werden können und diese dabei stets ein Einstimmigkeitserfordernis vorsehen, werden sich nur ganz ausnahmsweise Gemeinschaftsrechtsmaßnahmen finden, die die Anwendung bestimmter gestaltender Steuern ausdrücklich verbieten oder denen ein solches Verbot durch Auslegung zu entnehmen ist. Gestaltende Steuern der Mitgliedstaaten sind übrigens auch dann nicht ausgeschlossen, wenn sie Bereiche betreffen, die in die ausschließliche Kompetenz der Gemeinschaft fallen. Erlassen die nationalen Gesetzgeber eine gestaltende Steuer in einem solchen Bereich, verstoßen sie nicht gegen die eine ausschließliche 133 134 135
So auch Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 223. Siehe oben 2. Teil, A. I. 1. a). Hierzu sogleich unten 4.
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2. Teil: Der Kompetenzkonflikt auf europäischer Ebene
Gemeinschaftskompetenz begründende Vorschrift im EG-Vertrag, da diese sich nicht auf nationale Steuerregelungen bezieht. Steuerliche Vorschriften befinden sich vielmehr außerhalb des Anwendungsbereichs der ausschließlichen Gemeinschaftskompetenzen. Diese enthalten, wie dargelegt, keine Ermächtigung für den Erlass von steuerlichen Vorschriften und können somit auch nicht ein entsprechendes Anwendungsverbot für die Mitgliedstaaten normieren.
4. Exkurs: Der gemeinschaftsrechtliche Steuerbegriff Es wurde gezeigt, dass die Beantwortung der Frage, ob eine gesetzgeberische Maßnahme der Mitgliedstaaten gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt, entscheidend davon abhängig ist, ob es sich bei der nationalen Regelung um eine Steuer i. S. des Gemeinschaftsrechts handelt. Ist dies der Fall, wird eine gemeinschaftsrechtliche Maßnahme nur selten der Anwendung der nationalen Steuervorschrift entgegenstehen. Dagegen wird man bei nicht-steuerlichen Abgaben, die zu Gestaltungszwecken auf dem betreffenden Gebiet eingesetzt werden, häufiger einen Verstoß anzunehmen haben. Da die Kompetenznormen, die die Gemeinschaft zum Erlass von Sachregelungen ermächtigen, auch zum Erlass von nicht-steuerlichen Abgaben berechtigen, kann – im Falle, dass die Unzulässigkeit von nicht-steuerlichen Abgaben nicht bereits ausdrücklich geregelt ist – ein entsprechender Sekundärrechtsakt durchaus ein ungeschriebenes Anwendungsverbot für die betreffenden Abgaben enthalten, so dass der nationale Gesetzgeber nicht berechtigt ist, seine Ziele auf diese Weise zu verfolgen. Zudem sind nicht-steuerliche Abgaben der Mitgliedstaaten im Bereich einer ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz von vornherein ausgeschlossen. Ist die Unterscheidung zwischen steuerlichen und nicht-steuerlichen Abgaben demnach aber von besonderer Bedeutung, erscheint es sinnvoll, nachfolgend wenigstens kurz auf den gemeinschaftsrechtlichen Steuerbegriff einzugehen und ihn von anderen Abgaben abzugrenzen. Die autonom136 vorzunehmende Bestimmung des gemeinschaftsrechtlichen Steuerbegriffs, der in in den Art. 93, 95 Abs. 2, 175, 308 EGV jeweils den gleichen Inhalt hat,137 ist nicht unumstritten. Klar ist zunächst, dass es sich um eine zu Finanzierungszwecken hoheitlich auferlegte Geldleistungspflicht handeln muss.138 Gestaltende Steuern werden aber nicht ausgeschlossen.139 Dem EG-Vertrag lässt sich kein Anhaltspunkt entnehmen, dass er Steuern, die außerfiskalische Zwecke verfolgen, aus dem Steuerbegriff ausnimmt. Vielmehr zeigt die Vorschrift des Art. 175 EGV, die den Erlass von Steuern zu umweltpolitischen Zwecken erlaubt, gerade umgekehrt, dass auch gestaltende Steuern unter den Steuerbegriff zu sub136 EuGH, Rs. C-197 / 94 u. C-252 / 94, Slg. 1996, I-505 (546); Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 36; Jobs, Steuern auf Energie, S. 42; Ohler, EuZW 1997, S. 370 (370). 137 Siehe hierzu oben 2. Teil, A. I. 1. a). 138 Ohler, Die fiskalische Integration in der EG, S. 192. 139 Ohler, Die fiskalische Integration in der EG, S. 193.
B. Die Reichweite des Anwendungsvorrangs als entscheidendes Kriterium
199
sumieren sind. Auch die bislang auf Grund des Art. 93 EGV erfolgten Harmonisierungsmaßnahmen bestätigen diese Annahme, verfolgt die Angleichung der Tabakund Alkohlsteuern doch auch Gestaltungsziele.140 Weitgehende141 Übereinstimmung besteht zudem insoweit, als der Steuerbegriff nur gegenleistungsunabhängige Geldleistungspflichten einschließt.142 Gegenleistungsbezogene Gebühren und Beiträge können somit nicht dem gemeinschaftsrechtlichen Steuerbegriff zugeordnet werden.143 Die jeweiligen Kompetenzvorschriften im EG-Vertrag unterscheiden jedoch nicht lediglich zwischen gegenleistungsunabhängigen Steuern und gegenleistungsbezogenen Gebühren und Beiträgen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass das Gemeinschaftsrecht auch gegenleistungsfreie Abgaben nicht-steuerlicher Art kennt, die zur Erfüllung von Aufgaben innerhalb eines Politikbereichs erhoben werden können.144 Der Zweck der Kompetenzbestimmungen, die zum Erlass steuerlicher Vorschriften ermächtigen, und dabei zum Schutz der mitgliedstaatlichen Souveränität im Bereich der Haushaltspolitik ein Einstimmigkeitserfordernis für steuerliche Regelungen vorsehen,145 steht der Anerkennung solcher nicht-steuerlicher Abgaben nicht entgegen, da die haushaltspolitische Bedeutung der auf einen bestimmten Politikbereich bezogenen Abgaben regelmäßig geringer sein wird als bei Steuern. Dass nicht alle gegenleistungsunabhängigen Abgabevorschriften dem europarechtlichen Steuerbegriff unterfallen, wird auch durch eine den Zweck des Art. 95 EGV beOhler, Die fiskalische Integration in der EG, S. 193. A. A. aber Rodi, JZ 2000, S. 827 (831); Klocke, Klimaschutz durch ökonomische Instrumente, S. 118; Hey, StuW 1998, S. 32 (43, Fn. 118). 142 Wasmeier; Umweltabgaben und Europarecht, S. 39; Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 162; Müller, Möglichkeiten und Grenzen der indirekten Verhaltenssteuerung, S. 42; Voß, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, vor Art. 90 EGV, Rz. 1; ders., in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, J, Rz. 1; Jobs, Steuern auf Energie, S. 44, 351 f.; Breuer, DVBl. 1992, S. 485 (495); Selmer / Brodersen / Nicolaysen, Straßenbenutzungsabgaben für den Schwerverkehr, S. 15 ff. 143 Siehe aber auch Heselhaus, Abgabenhoheit der EG, S. 275, der Gebühren und Beiträge Art. 93 EGV zuweist, sofern sie ausnahmsweise besondere fiskalische Bedeutung haben. 144 Auch der EuGH kennt innerhalb der gegenleistungsfreien Abgaben die Unterscheidung zwischen Steuern und nicht-steuerlichen Abgaben. Siehe EuGH, Rs. 27 / 67, Slg. 1968, 333 (345); EuGH, Rs. 138 / 78, Slg. 1979, 713 (722); EuGH, Rs. 108 / 81, Slg. 1982, 3107 (3137 f.); EuGH, Rs. 179 / 84, Slg. 1985, 2301 (2318); EuGH, Rs. 265 / 87, Slg. 1989, 2237 (2266 f.); EuGH, Rs. C-143 / 88 u. C-92 / 89, Slg. 1991, I-415 (545 f.). Eine Differenzierung wird auch von Lienemeyer, EuR 1998, S. 478 (490 f.) und denjenigen Autoren (Nachweise sogleich) vorgenommen, die entsprechend dem deutschen Recht zwischen Steuern und Sonderabgaben unterscheiden. Auch Heselhaus, Abgabenhoheit der EG, S. 67 ff., 90 ff. geht von einer ähnlichen Unterscheidung aus. So sondert er zum einen parafiskalische Abgaben aus dem Steuerbegriff aus und differenziert zum anderen innerhalb eines weiten Steuerbegriffs zwischen Steuern i. e. S., die gem. Art. 93, 94, 175 Abs. 2 EGV zu erlassen seien und einen besonderen Sachbezug aufweisenden Steuerabgaben, die nur dann auf diese Vorschriften zu stützen seien, wenn sie eine besondere fiskalische Bedeutung haben. A. A. Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 39, 228, 232. 145 Siehe hierzu oben 2. Teil, A. I. 1. a). 140 141
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2. Teil: Der Kompetenzkonflikt auf europäischer Ebene
rücksichtigende Auslegung gestützt. So würde eine weite Auslegung des gemeinschaftsrechtlichen Steuerbegriffs eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Art. 93 EGV und des Art. 94 EGV und damit verbunden eine Ausdehnung des Einstimmigkeitserfordernisses bedeuten. Demgegenüber würde eine Einschränkung des Art. 95 EGV stehen, der nach seinem Abs. 2 nicht für Steuern gilt. Diese Einschränkung würde aber dem Sinn des Art. 95 EGV widersprechen, der die Verwirklichung des Binnenmarktes erleichtern möchte.146 Eine am Sinn und Zweck der betreffenden Kompetenzbestimmungen orientierte Auslegung ergibt also ebenfalls, dass neben Steuern auch andere nicht-gegenleistungsbezogene Abgaben bestehen. Die Frage, wie die gegenleistungsunabhängigen Abgaben nicht-steuerlicher Art von den Steuern konkret abzugrenzen sind, lässt sich jedoch nicht ohne weiteres beantworten. Man wird jedenfalls nicht einfach die dem deutschen Finanzverfassungsrecht bekannte Unterscheidung zwischen Steuern und Sonderabgaben übernehmen und die damit verbundenen Abgrenzungsschwierigkeiten auf die europäische Ebene übertragen können.147 Die Figur der Sonderabgabe kommt in den Rechtsordnungen der anderen Mitgliedstaaten so nämlich nicht vor.148 Näher liegt dagegen, dass die z. T. in anderen Mitgliedstaaten149 durchgeführte Unterscheidung zwischen Steuern und in einen besonderen Fonds oder ein Sondervermögen fließenden parafiskalischen Abgaben auch im Gemeinschaftsrecht Geltung beansprucht.150 Siehe Müller, Möglichkeiten und Grenzen der indirekten Verhaltenssteuerung, S. 41, 67. So aber Schröder, Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 87 (95); Schröer, Die Kompetenzverteilung, S. 158; Breuer, DVBl. 1992, S. 485 (495); Messerschmidt, RdE 1992, S. 182 u. 226 (229); Hilf, NVwZ 1992, S. 105 (107); Kloepfer / Thull, DVBl. 1992, S. 195 (202); Müller, Möglichkeiten und Grenzen der indirekten Verhaltenssteuerung, S. 43 f.; Seeger, Rechtliche Probleme von Umweltabgaben, S. 165 (184 f., 187); Voß, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, J, Rz. 57. 148 Siehe hierzu Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 38 f. Eine Unterscheidung zwischen Steuern und Sonderabgaben wird deshalb von Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, S. 38, 232; Rodi, JZ 2000, S. 827 (831); Hey, StuW 1998, S. 32 (43, Fn. 118); Klocke, Klimaschutz durch ökonomische Instrumente, S. 118; Götz, FS Friauf, S. 37 (49) und Hagen, Die Harmonisierung der indirekten Steuern in Europa, S. 82 abgelehnt. Ebensowenig kann m. E. eine Auslegung überzeugen, die zum Schutz der nationalen Haushaltspolitiken danach unterscheidet, ob die betreffende Abgabe haushaltspolitisch bedeutsam ist. So sollen nach Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, S. 166 ff. nur solche Sonderabgaben i. S. des deutschen Finanzverfassungsrechts vom gemeinschaftsrechtlichen Steuerbegriff erfasst werden, die mit einem hohen Ertrag verbunden sind und bei denen der Fianzierungszweck nicht in den Hintergrund tritt. Auch Heselhaus, Die Abgabenhoheit der EG, S. 275, 261, 247 ff. ordnet parafiskalische Abgaben und Abgaben, die einen besonderen Sachbezug aufweisen, den Art. 93, 95 Abs. 2, 175 Abs. 2 EGV zu, sofern sie beachtliche fiskalische Bedeutung haben. Die Einzelfallprüfung, inwieweit der entsprechenden Abgabe fiskalische Bedeutung zukommt, trägt jedoch ein erhebliches Unsicherheitsmoment in die Kompetenzbestimmungen hinein und ist deshalb abzulehnen. 149 Zur Rechtslage in Frankreich und Italien siehe Götz, FS Friauf, S. 37 (39 ff.) und Heselhaus, Abgabenhoheit der EG, S. 69 f. 146 147
B. Die Reichweite des Anwendungsvorrangs als entscheidendes Kriterium
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III. Die Erweiterung des Anwendungsvorrangs: Die indirekten Kollisionen Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts bei direkten Kollisionen verhindert nicht alle Störungen des Gemeinschaftsrechts durch nationales Recht. Vielmehr ist es nicht ausgeschlossen, dass mitgliedstaatliche Bestimmungen zwar nicht direkt mit dem Sekundärrecht der Gemeinschaft kollidieren, aber dennoch negative Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts haben. Als Beispiel kann der vorliegend behandelte Konflikt zwischen dem nationalen Steuer- und dem gemeinschaftlichen Sachgesetzgeber angeführt werden. Ohne eine direkte Kollision zu verursachen, können die Mitgliedstaaten als gestaltender Steuergesetzgeber ihre eigenen, von der Gemeinschaft u. U. abweichenden Zielvorstellungen verfolgen und so möglicherweise die Effektivität einer entsprechenden EG-Norm beeinträchtigen. Vor diesem Hintergrund stellt sich deshalb die Frage, ob der Vorranganspruch des Gemeinschaftsrechts auf Wirksamkeitsbeeinträchtigungen, die zumeist als sog. indirekte Kollisionen bezeichnet werden,151 auszudehnen ist, so dass nationale Bestimmungen auch in solchen Fällen unangewendet bleiben müssen. Dieses Problem ist vergleichbar mit der Bestimmung der Reichweite der Bundestreue auf nationaler Ebene, so dass die dort angestellten Überlegungen auch hier einfließen können. Bevor die Frage abschließend entschieden wird, sollen jedoch zunächst die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und die Ansichten in der Literatur zu diesem Problem dargestellt werden.
1. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Der Europäische Gerichtshof hat schon mehrfach entschieden, dass der Anwendbarkeit des nationalen Rechts im Interesse der Gewährleistung der Effektivität des Gemeinschaftsrechts Grenzen gezogen sein können. Die Frage, ob mitgliedstaatliche Vorschriften das Sekundärrecht der Gemeinschaft in seiner Wirksamkeit beeinträchtigen, ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs also durchaus von Bedeutung. Die jeweiligen Entscheidungen betreffen dabei ganz überwiegend die Anwendung nationalen Verfahrens- und Prozessrechts. So kann die – wegen regelmäßig fehlender gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben auf dem Gebiet des Verfahrensrechts, mit dem das nationale Verfahrensrecht direkt kollidieren könnte152 – grundsätzlich bestehende Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten nach 150 Zwischen parafiskalischen Abgaben und Steuern unterscheiden Jobs, Steuern auf Energie, S. 353 und Götz, FS Friauf, S. 37 (49 f.). Siehe auch Lienemeyer, EuR 1998, S. 478 (490 f.). 151 Huthmacher, Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts bei indirekten Kollisionen, S. 131; Satzger, Europäisierung des Strafrechts, S. 484 f.; Komendera, Normenkonflikte, S. 150. 152 EuGH, Rs. 33 / 76, Slg. 1976, 1989 (1998); EuGH, Rs. 45 / 76, Slg. 1976, 2043 (2053); EuGH, Rs. 265 / 78, Slg. 1980, 617 (629); EuGH, Rs. C-430 / 93 u. C-431 / 93, Slg. 1995, I-4705 (I-4737); EuGH, Rs. C-312 / 93, Slg. 1995, I-4599 (I-4621).
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2. Teil: Der Kompetenzkonflikt auf europäischer Ebene
dem Europäischen Gerichtshof Einschränkungen unterliegen. Neben dem Gebot, das nationale Verfahrens- und Prozessrecht für gemeinschaftsrechtliche Sachverhalte nicht ungünstiger zu gestalten als für nationale Sachverhalte,153 verlangt der Gerichtshof zudem, dass die vom Gemeinschaftsrecht vorgegebene Rechtslage effektiv umgesetzt werden kann. Die Anwendung des nationalen Verfahrensrechts dürfe die Tragweite und Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts nicht insoweit beeinträchtigen, als sie dessen Durchsetzung praktisch unmöglich mache oder übermäßig erschwere.154 Wann dies der Fall sei, wann also das nationale Verfahrensrecht unangewendet bleiben müsse, könne aber nicht allgemeingültig beantwortet werden, vielmehr müsse stets auf den jeweiligen Einzelfall abgestellt werden.155 Die Rechtsprechung hat u. a. solche Fälle zum Gegenstand, in denen das innerstaatliche Verfahrens- oder Prozessrecht der Rückforderung eines wegen einer europarechtswidrigen Zahlungsverpflichtung vom Bürger zu Unrecht gezahlten Betrags entgegenstand. Die jeweiligen Entscheidungen betreffen dabei unterschiedliche Konstellationen. So hat sich der Gerichtshof etwa mit der Frage beschäftigt, ob der gemeinschaftsrechtlich verliehene Erstattungsanspruch, der die Kehrseite des entsprechenden Erhebungsverbots darstelle,156 deshalb ausgeschlossen sei, weil die Widerspruchsfrist bzw. Klagefrist versäumt worden ist157 oder weil durch die Rückgewähr eine ungerechtfertigte Bereicherung eintreten würde.158 Der Gerichtshof hat dabei im Hinblick auf die Fristversäumung entschieden, dass angemessene Ausschlussfristen die Rechtsverfolgung nicht praktisch unmöglich machten und deshalb angewendet werden dürften.159 Gleiches gelte grundsätzlich auch für den im nationalen Recht normierten Ausschluss der Erstattung, dass die Belastung auf andere Personen abgewälzt worden ist.160 Dagegen seien Beweisvorschriften, nach denen eine solche Abwälzung grundsätzlich vermutet wird, unanwendbar, da sie es praktisch unmöglich bzw. übermäßig schwierig machten, 153 EuGH, Rs. 33 / 76, Slg. 1976, 1989 (1998); EuGH, Rs. 45 / 76, Slg. 1976, 2043 (2053); EuGH, Rs. 265 / 78, Slg. 1980, 617 (629); EuGH, Rs. C-430 / 93 u. C-431 / 93, Slg. 1995, I-4705 (I-4737); EuGH, Rs. C-312 / 93, Slg. 1995, I-4599 (I-4621); EuGH, Rs. 199 / 82, Slg. 1983, 3595 (3612); EuGH, Rs. C-212 / 94, Slg. 1996, I-389 (I-424, 427); EuGH, Rs. 54 / 81, Slg. 1982, 1449 (1463). 154 EuGH, Rs. 33 / 76, Slg. 1976, 1989 (1998); EuGH, Rs. 45 / 76, Slg. 1976, 2043 (2053); EuGH, Rs. 265 / 78, Slg. 1980, 617 (629); EuGH, Rs. C-430 / 93 u. C-431 / 93, Slg. 1995, I-4705 (I-4737); EuGH, Rs. C-312 / 93, Slg. 1995, I-4599 (I-4621); EuGH, Rs. 199 / 82, Slg. 1983, 3595 (3612); EuGH, Rs. C-212 / 94, Slg. 1996, I-389 (I-424, 427); EuGH, Rs. 54 / 81, Slg. 1982, 1449 (1463); EuGH, Rs. C-24 / 95, Slg. 1997, I-1591 (I-1616). 155 EuGH, Rs. 265 / 78, Slg. 1980, 617 (630). 156 EuGH, Rs. 61 / 79, Slg. 1980, 1205 (1225). 157 EuGH, Rs. 33 / 76, Slg. 1976, 1989; EuGH, Rs. 45 / 76, Slg. 1976, 2043. 158 EuGH, Rs. 61 / 79, Slg. 1980, 1205; EuGH, Rs. 199 / 82, Slg. 1983, 3595. 159 EuGH, Rs. 33 / 76, Slg. 1976, 1989 (1998); EuGH, Rs. 45 / 76, Slg. 1976, 2043 (2053). 160 EuGH, Rs. 61 / 79, Slg. 1980, 1205 (1226); EuGH, Rs. 199 / 82, Slg. 1983, 3595 (3612 f.). Siehe auch EuGH, Rs. C-212 / 94, Slg. 1996, I-389 (I-428).
B. Die Reichweite des Anwendungsvorrangs als entscheidendes Kriterium
203
die Erstattung von unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Abgaben zu erreichen.161 Auch der umgekehrte Fall, dass das innerstaatliche Verfahrensrecht die Wiedereinziehung eines vom Mitgliedstaat gemeinschaftsrechtswidrig gewährten Vorteils verhindert, ist Gegenstand der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gewesen. So hat der Gerichtshof in diesem Zusammenhang entschieden, dass eine nationale Verfahrensvorschrift, die die Wiedereinziehung eines zu Unrecht gewährten finanziellen Vorteils aus Gründen der Rechtssicherheit verbietet, sofern der begangene Irrtum nicht auf unrichtigen Angaben des Begünstigten beruht, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei. Es sei aber in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Anwendung der Vorschrift nicht die Grundlage der Bestimmung, in der die Wiedereinziehung vorgeschrieben sei, in Frage stelle und dazu führe, dass die Wiedereinziehung praktisch unmöglich werde.162 Dass der Gerichtshof die Entscheidung jeweils einzelfallabhängig trifft, wird deutlich, wenn er in einem anderen Urteil die Anwendung einer nationalen Fristbestimmung, nach der die Rückforderung einer Leistung ausgeschlossen ist, wenn die Behörde nicht rechtzeitig tätig wird, mit dem Argument verneint, dass anderenfalls die Rückforderung der zu Unrecht gezahlten Beträge praktisch unmöglich gemacht und den Gemeinschaftsvorschriften über die staatlichen Beihilfen jede praktische Wirksamkeit genommen würde.163 Schließlich soll noch auf zwei Entscheidungen hingewiesen werden,164 die versuchen, die Grenze, bis zu der nationale Verfahrensvorschriften anwendbar sein sollen, näher zu konkretisieren.165 Die beiden Urteile haben dabei die Frage betroffen, ob nationales Prozessrecht, das dem Richter in Hinblick auf den Grundsatz der Passivität bzw. auf Grund des Ablaufs einer Rügefrist verbietet, die Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Gemeinschaftsrecht von Amts wegen zu überprüfen, anwendbar ist. Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass die Frage, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Gemeinschaftsrechts unmöglich mache oder übermäßig erschwere, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens EuGH, Rs. 199 / 82, Slg. 1983, 3595 (3613). EuGH, Rs. 265 / 78, Slg. 1980, 617 (630 f.). 163 EuGH, Rs. 24 / 95, Slg. 1997, I-1591 (I-1619). Siehe aber auch EuGH, Rs. 205 bis 215 / 82, Slg. 1983, 2633 (2669), wonach das Gemeinschaftsrecht nationalen Verfahrensvorschriften nicht entgegenstehen soll, die für den Ausschluss einer Rückforderung von zu Unrecht gezahlten Beihilfen auf Kriterien wie den Vertrauensschutz, den Wegfall der ungerechtfertigten Bereicherung, den Ablauf einer Frist oder den Umstand abstellen, dass die Verwaltung wusste oder grob fahrlässig nicht wusste, dass sie die fraglichen Beihilfen zu Unrecht gewährte. 164 Zu weiteren Entscheidungen in diesem Zusammenhang siehe Lubitz, Die Angleichung des Privatrechts in den Mitgliedstaaten, S. 286 ff. 165 EuGH, Rs. C-430 / 93 u. C-431 / 93, Slg. 1995, I-4705; EuGH, Rs. C-312 / 93, Slg. 1995, I-4599. 161 162
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2. Teil: Der Kompetenzkonflikt auf europäischer Ebene
vor den verschiedenen nationalen Stellen zu beurteilen sei.166 Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den jeweiligen Fall, ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass es gemeinschaftsrechtlich nicht geboten sei, von Amts wegen die Frage eines Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht aufzugreifen, wenn die Gerichte dadurch ihre grundsätzlich gebotene Passivität aufgeben müssten.167 Hinsichtlich der Rügefrist hat der Gerichtshof entschieden, dass diese jedenfalls dann unanwendbar sei, wenn die vorinstanzlichen Rechtsprechungsorgane kein Vorabentscheidungsverfahren einleiten könnten und nur das entsprechende Gericht, vor dem die Rüge erstmals vorgebracht worden ist, vorlageberechtigt sei.168 Neben den im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht behandelten Wirksamkeitsbeeinträchtigungen durch den Verfahrensgesetzgeber,169 hat sich der Europäische Gerichtshof nur vereinzelt mit indirekten Kollisionen befasst. Die Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Kollisionen wird dabei jedoch nicht immer hinreichend deutlich. Soweit ersichtlich, haben die Entscheidungen stets die Beeinträchtigung einer Gemeinsamen Marktorganisation betroffen. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang das Urteil „CERAFEL“.170 Der Gerichtshof hat hier in Hinblick auf die Frage, ob eine europäische Verordnung, die eine Gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse errichtet, den Mitgliedstaaten die Befugnis lässt, von einer Erzeugerorganisation erlassene Vorschriften auf sämtliche Erzeuger einer bestimmten Region auszudehnen, entschieden, dass der betreffende Sekundärrechtsakt der Gemeinschaft einer entsprechenden Ausdehnung dann entgegenstehe, wenn entweder ein Bereich berührt werde, der durch die Gemeinsame Marktorganisation abschließend geregelt sei oder wenn die ausgedehnten Vorschriften gegen die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen verstoßen würden oder wenn sie schließlich das ordnungsgemäße Funktionieren der Gemeinsamen Marktorganisation behinderten.171 Mit der letzten Alternative gibt der Gerichtshof zu erkennen, dass er auch indirekte Kollisionen vom Anwendungsvorrang als erfasst ansieht. Er hat aber nicht näher darauf eingehen müssen, ob das Funktionieren der Gemeinsamen Marktorganisation beeinträchtigt worden ist, da er davon ausgegangen ist, dass durch die einschlägige Verordnung ein gemeinschaftliches System von Qualitätsnormen geschaffen worden sei, das als abschließend zu betrachten sei. Aufgrund dieses abgeschlossenen Systems sei es im Bereich einer Gemeinsamen Marktorganisation nicht zulässig, von Erzeugerorganisationen aufgestellte Regelungen über die Auswahl, die Größensortierung, das Gewicht und die Aufmachung für nicht angeschlossene Erzeu166 EuGH, Rs. C-430 / 93 u. C-431 / 93, Slg. 1995, I-4705 (I-4738); EuGH, Rs. C-312 / 93, Slg. 1995, I-4599 (I-4621). 167 EuGH, Rs. C-430 / 93 u. C-431 / 93, Slg. 1995, I-4705 (I-4738). 168 EuGH, Rs. C-312 / 93, Slg. 1995, I-4599 (I-4622 f.). 169 Ebensowenig wie auf nationaler Ebene soll auch auf europäischer Ebene das Verhältnis zwischen dem Verfahrensgesetzgeber und dem Sachgesetzgeber behandelt werden. 170 EuGH, Rs. 218 / 85, Slg. 1986, 3513. 171 EuGH, Rs. 218 / 85, Slg. 1986, 3513 (3532).
B. Die Reichweite des Anwendungsvorrangs als entscheidendes Kriterium
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ger für verbindlich zu erklären. Diese Ausdehnung sei in den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften nicht vorgesehen. Die mitgliedstaatlichen Vorschriften sind also bereits aus disem Grund als gemeinschaftsrechtswidrig erachtet worden.172 Der Europäische Gerichtshof hat noch in weiteren Entscheidungen darauf hingewiesen, dass die Wirksamkeitsbeeinträchtigung einer Gemeinsamen Marktorganisation u. U. ein Anwendungshindernis für nationale Vorschriften sein könne. So können zunächst die Urteile angeführt werden, in denen der Gerichtshof zu der Frage Stellung genommen hat, ob mitgliedstaatliche Preisgestaltungsmaßnahmen mit gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen, die eine Gemeinsame Marktorganisation für die entsprechenden Erzeugnisse errichtet haben, in Einklang stehen.173 Dabei hat der Gerichtshof zwischen nationalen Maßnahmen auf der Großhandelsstufe und solchen auf der Einzelhandelsebene unterschieden.174 Da das durch die einschlägigen EG-Vorschriften eingeführte Preissystem ausschließlich für die Produktions- und Großhandelsstufe gelte, seien die Mitgliedstaaten grundsätzlich nur in diesem Bereich ausgeschlossen. Hier seien die Mitgliedstaaten nicht mehr befugt, durch einseitig erlassene innerstaatliche Rechtsvorschriften in den Preisbildungsmechanismus der Gemeinsamen Marktorganisation einzugreifen.175 Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die Unternehmen, die bestimmte Waren herstellen oder vertreiben und deren Umsatz eine festgelegte Grenze überschreitet, verpflichten, eine Preisliste zu hinterlegen und Preisänderungen erst 60 Tage nach einer entsprechenden Anzeige bei den zuständigen Behörden vorzunehmen, seien deshalb unanwendbar.176 Dagegen sollen die entsprechenden EG-Verordnungen die Befugnis der Mitgliedstaaten für Maßnahmen der Preisgestaltung auf der Einzelhandels- und Verbraucherebene grundsätzlich unberührt lassen.177 Die Mitgliedstaaten dürften von dieser Befugnis jedoch nur Gebrauch machen, wenn sie nicht die Ziele und das Funktionieren der Gemeinsamen Marktorganisation gefährdeten.178 Auch hier fragt der Gerichtshof also nach einer indirekten Kollision. Ungeachtet dessen, dass nationale Preisgestaltungsmaßnahmen, die die Einzelhandelsstufe betreffen, mangels entsprechender Bestimmungen in den jeweiligen EG-Verordnungen, nicht zu einer direkten Kollision führen, werden sie trotzdem Einschränkungen unterworfen. Die nationale Festsetzung einer maximalen Handelsspanne, die der Einzelhändler beim Verkauf an den Endverbraucher berechnen darf, sei nach dem Gerichtshof jedoch grundsätzlich EuGH, Rs. 218 / 85, Slg. 1986, 3513 (3533). EuGH, Rs. 31 / 74, Slg. 1975, 47; EuGH, Rs. 154 / 77, Slg. 1978, 1573. Siehe auch EuGH, Rs. 65 / 75, Slg. 1976, 291. 174 Anders aber EuGH, Rs. 65 / 75, Slg. 1976, 291 (306), wo nicht zwischen Groß- und Einzelhandelsebene unterscheiden wird, sondern unabhängig von der Handelsstufe darauf abgestellt wird, ob die nationale Vorschrift die Ziele und das Funktionieren der Gemeinsamen Marktorganisation gefährdet. 175 EuGH, Rs. 31 / 74, Slg. 1975, 47 (63 f.); EuGH, Rs. 154 / 77, Slg. 1978, 1573 (1583 f.). 176 EuGH, Rs. 31 / 74, Slg. 1975, 47 (63 f.). 177 EuGH, Rs. 31 / 74, Slg. 1975, 47 (64); EuGH, Rs. 154 / 77, Slg. 1978, 1573 (1584). 178 EuGH, Rs. 31 / 74, Slg. 1975, 47 (64); EuGH, Rs. 154 / 77, Slg. 1978, 1573 (1584). 172 173
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2. Teil: Der Kompetenzkonflikt auf europäischer Ebene
nicht geeignet, die Ziele und das Funktionieren einer Gemeinsamen Marktorganisation zu gefährden, sofern die Spanne im wesentlichen nach den auf der Produktionsund Großhandelsstufe angewandten Einkaufspreisen berechnet werde.179 Schließlich hat der Europäische Gerichtshof über mögliche Beeinflussungen Gemeinsamer Marktorganisationen durch nationale Abgabenregelungen entscheiden müssen. So hat er in mehreren Fällen über die Vereinbarkeit einer nationalen Steuer mit gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen, die Gemeinsame Marktorganisationen für bestimmte Erzeugnisse geschaffen haben, geurteilt.180 Dabei ist es u. a. um die Frage gegangen, ob die grundsätzlich zur Übernahme verpflichtete Kommission die gezahlten Beihilfen einer Interventionsstelle, die einen von den Brennereien an die Erzeuger zu zahlenden Mindestankaufspreis für Wein ausglichen, auch dann übernehmen muss, wenn ein Mitgliedstaat die Steuer auf Alkohol aus Melasse erhöht und dies zu einem höheren Preis für den entsprechenden Alkohol im Vergleich zu Weinalkohol führt.181 Die Kommission hat ihre Übernahmeverpflichtung mit der Begründung abgelehnt, dass der Mitgliedstaat mit der Steuererhöhung die Umkehrung des Preisverhältnisses zwischen den verschiedenen Alkoholarten bezweckt habe, um die Gewinnspanne der Wein destillierenden Brennereien zu erhöhen. Da dies auch eingetreten sei, hätten die entsprechenden Brennereien die zusätzliche Gewinnspanne ganz oder zum Teil an die Weinbauern weitergeben und ihnen einen höheren Preis als den Mindestpreis zahlen können. Die nationale steuerliche Maßnahme sei deshalb als eine zu der Gemeinschaftsbeihilfe hinzutretende, mittelbare Beihilfe zu qualifizieren, die die Auswirkungen der gemeinschaftlichen Beihilfemaßnahme verändere und deshalb unzulässig sei.182 Zwar hat der Europäische Gerichtshof die mitgliedstaatliche Steuerregelung als gemeinschaftsrechtskonform beurteilt, dennoch vertritt er grundsätzlich den gleichen rechtlichen Standpunkt wie die Kommission. So hätten die Mitgliedstaaten beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts, der durch eine unvollständige Harmonisierung auf dem Gebiet des Steuerrechts gekennzeichnet sei, zwar weiterhin weitgehende Befugnisse im steuerlichen Bereich. Sie müssten sich aber aller Maßnahmen enthalten, die das Funktionieren der durch die Gemeinsamen Marktorganisationen geschaffenen Mechanismen stören könnten.183 Vorliegend sei aber nicht nachgewiesen, dass die Wein destillierenden Brennereien ihre Gewinnspanne gesteigert und zumindest einen Teil des Gewinns an die Weinerzeuger weitergegeben haben. Eine Gefährdung der Ziele und der Funktion der Gemeinsamen Marktorganisation für Wein könne somit nicht angenommen werden.184 EuGH, Rs. 154 / 77, Slg. 1978, 1573 (1584). EuGH, Rs. 55 / 83, Slg. 1985, 683; EuGH, Rs. 297 / 82, Slg. 1983, 3299; EuGH, Rs. 36 u. 71 / 80, Slg. 1981, 735. Siehe auch EuGH, Rs. C-235 / 90, Slg. 1991, I-5442. Diese Entscheidung hatte eine steuerähnliche Abgabe zum Gegenstand. 181 EuGH, Rs. 55 / 83, Slg. 1985, 683 (693). 182 EuGH, Rs. 55 / 83, Slg. 1985, 683 (693 f.). 183 EuGH, Rs. 55 / 83, Slg. 1985, 683 (694 f.). 184 EuGH, Rs. 55 / 83, Slg. 1985, 683 (695 f.). 179 180
B. Die Reichweite des Anwendungsvorrangs als entscheidendes Kriterium
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In zwei anderen Fällen hat der Gerichtshof darüber befinden müssen, ob eine nationale Steuer auf landwirtschaftliche Erzeugnisse, die einer Gemeinsamen Marktorganisation unterfallen, bzw. ob die Erhöhung der Grundsteuer für landwirtschaftlichen Grundbesitz mit den die Marktorganisationen errichtenden EG-Vorschriften vereinbar ist.185 Der Gerichtshof hat dazu ausgeführt, dass die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen nationalen Steuervorschriften, die Teil einer allgemeinen Einkommenspolitik seien, durch die die Steuerlast auf die verschiedenen Gruppen der erwerbstätigen Bevölkerung verteilt werde, grundsätzlich nicht entgegenstünden.186 Es sei nicht Zweck der Gemeinsamen Agrarpolitik, die in der Landwirtschaft tätigen Personen gegen die Wirkungen einer nationalen Einkommenspolitik abzuschirmen. Auch diene die Festsetzung gemeinsamer Preise im Rahmen der Gemeinsamen Marktorganisationen nicht dazu, den Agrarerzeugern bestimmte Nettopreise zu garantieren.187 Eine nationale Steuer sei aber dann mit den Vorschriften über die Gemeinsamen Marktorganisationen unvereinbar, wenn sie das Funktionieren der Mechanismen behindere, deren sich die jeweilige Marktorganisation zur Erreichung ihrer Ziele bediene. Demzufolge müsse festgestellt werden, ob eine nationale Steuer solche Wirkungen habe.188 Die Mechanismen der Gemeinsamen Marktorganisationen, die im wesentlichen dazu dienten, auf der Produktions- und Großhandelsstufe ein Preisniveau zu erreichen, das sowohl die Interessen der Produktion in dem betreffenden Sektor als auch die Belange der Verbraucher berücksichtige und die Versorgung sicherstelle,189 seien beeinträchtigt, wenn sich eine nationale Steuermaßnahme spürbar, wenn auch vielleicht unbeabsichtigt, auf das Niveau der Marktkpreise auswirke.190 Die Gefahr einer solchen Beeinträchtigung sei bei einer Steuer auf landwirtschaftliche Erzeugnisse größer als bei einer Grundsteuer, die sämtlichen landwirtschaftlichen Grundbesitz besteuere und weder nach dem tatsächlichen Umfang noch nach der Art der landwirtschaftlichen Erzeugung bemessen werde.191 Bei einer Steuer auf landwirtschaftliche Erzeugnisse seien entsprechende Auswirkungen nicht nur vom Steuersatz und dem Zeitraum, in dem die Steuer erhoben werde, abhängig, sondern auch von der Situation des betreffenden Marktes und davon wieviele landwirtschaftliche Erzeugnisse sie treffe. Eine nur kurze Zeit erhobene Steuer auf eine Vielzahl von Erzeugnissen sei möglicherweise neutral in dem Sinne, dass sie die EuGH, Rs. 297 / 82, Slg. 1983, 3299; EuGH, Rs. 36 u. 71 / 80, Slg. 1981, 735. EuGH, Rs. 297 / 82, Slg. 1983, 3299 (3317); EuGH, Rs. 36 u. 71 / 80, Slg. 1981, (749 f.). 187 EuGH, Rs. 297 / 82, Slg. 1983, 3299 (3317); EuGH, Rs. 36 u. 71 / 80, Slg. 1981, (749 f.). 188 EuGH, Rs. 297 / 82, Slg. 1983, 3299 (3318); EuGH, Rs. 36 u. 71 / 80, Slg. 1981, (750). 189 EuGH, Rs. 297 / 82, Slg. 1983, 3299 (3318); EuGH, Rs. 36 u. 71 / 80, Slg. 1981, (751 f.). Siehe auch EuGH, Rs. C-235 / 90, Slg. 1991, I-5442 (5445). 190 EuGH, Rs. 297 / 82, Slg. 1983, 3299 (3318); EuGH, Rs. 36 u. 71 / 80, Slg. 1981, (752). Siehe auch EuGH, Rs. C-235 / 90, Slg. 1991, I-5442 (5445). 191 EuGH, Rs. 297 / 82, Slg. 1983, 3299 (3318 f.). 185 186
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Struktur der landwirtschaftlichen Erzeugung nicht verändere. Wenn die Steuer die Erzeuger jedoch dazu anreize, statt der der Steuer unterliegenden Waren z. T. andere, von der Steuer nicht betroffene Waren zu erzeugen, bestehe die Gefahr, dass die Steuer auf mehreren Märkten zu Verzerrungen führe.192 Bei einer Grundsteuer komme es bei der Beurteilung einer eventuellen Beeinträchtigung darauf an, wie hoch die Steuer sei, ob es sich um eine vorübergehende oder dauernde Steuer handele, ob sie sämtlichen landwirtschaftlichen Grundbesitz betreffe, ob eine unmittelbare Verbindung zwischen der Höhe der Steuer und dem Einkommen des einzelnen Erzeugers bestehe sowie, ob der Steuerbetrag zu einem bestimmten Zweck verwendet werden solle.193
2. Die Ansichten in der Literatur Ebenso wie die Rechtsprechung erörtert auch die Literatur die Problematik der indirekten Kollisionen in erster Linie in Hinblick auf Wirksamkeitsbeeinträchtigungen, die durch den nationalen Verfahrensgesetzgeber verursacht werden.194 Dabei wird übereinstimmend davon ausgegangen, dass Beeinträchtigungen des Gemeinschaftsrechts zur Unanwendbarkeit nationalen Verfahrensrechts führen können. Unklarheiten bestehen aber hinsichtlich der Grenze, bis zu der entsprechende Beeinträchtigungen zulässig sein sollen. So wird die Zulässigkeit mitgliedstaatlichen Verfahrensrechts etwa danach beurteilt, ob es ergänzende Funktionen innerhalb der Gemeinschaftsrechtsordung erfülle und insoweit als Teil des Gemeinschaftsrechts anerkannt werden könne. Entscheidend sei, ob die Ziele und Interessen des europäischen Gemeinschaftsrechts zumindest im Grundsatz die kollidierende verfahrensrechtliche Regelung mittragen würden, so dass die beeinträchtigende nationale Norm durch die Zielvorstellungen des Gemeinschaftsrechts gedeckt sei.195 Andere Autoren sehen in Anknüpfung an das „Milchkontor-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs196 Wirksamkeitsbeeinträchtigungen durch mitgliedstaatliche Vollzugsvorschriften jedenfalls dann als zulässig an, wenn das Gemeinschaftsrecht gleichartige Regelungen enthalte.197 Sofern dies nicht der Fall sei, sei der Grad der zulässigen Wirksamkeitsbeeinträchtigung dagegen vom Gewicht der Gründe abhängig, die hinter der nationalen Vorschrift stünden.198 Die Diskussion über indirekte Kollisionen beschränkt sich jedoch nicht allein auf Beeinträchtigungen gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften durch nationales EuGH, Rs. 36 u. 71 / 80, Slg. 1981, 735 (752). EuGH, Rs. 297 / 82, Slg. 1983, 3299 (3319). 194 Siehe insbesondere die ausführliche Untersuchung von Huthmacher, Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts bei indirekten Kollisionen. 195 Huthmacher, Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts bei indirekten Kollisionen, S. 182 ff. 196 EuGH, Rs. 205 bis 215 / 82, Slg. 1983, 2633 (2669). 197 Gellermann, DÖV 1996, S. 433 (442); Nettesheim, GS Grabitz, S. 447 (460). 198 Nettesheim, GS Grabitz, S. 447 (459 f.). 192 193
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Verfahrensrecht. Das Verbot indirekter Kollisionen soll vielmehr auch für das materielle Recht der Mitgliedstaaten gelten. So ist grundsätzlich anerkannt, dass der Anwendbarkeit nationaler materieller Regelungen, die das Gemeinschaftsrecht behindern, Grenzen gezogen sein können.199 Dies sei zur Funktionssicherung des Gemeinschaftsrechts erforderlich.200 Die Frage, in welchen Fällen das nationale Recht nicht angewendet werden darf, wird dabei dahingehend beantwortet, dass es keine starre Grenze geben könne, sondern vielmehr eine Abwägung zwischen dem Interesse an der Funktionsfähigkeit des Gemeinschaftsrechts auf der einen und der Sicherung der mitgliedstaatlichen Gestaltungsautonomie auf der anderen Seite vorgenommen werden müsse.201 Es bedürfe einer flexiblen, einzelfallbezogenen Lösung, wobei insbesondere der Grad der Wirksamkeitsbeeinträchtigung von entscheidender Bedeutung sei.202 Im wesentlichen seien hier die Fälle einzuordnen, in denen der gemeinschaftsrechtlich erstrebte Regelungserfolg nicht nur behindert, sondern weitgehend vereitelt werde.203 Andererseits sollen aber wichtige Interessen der Mitgliedstaaten nicht verdrängt werden dürfen.204 Es wird also nach einem verhältnismäßigen Ausgleich zwischen den Belangen der Gemeinschaft und den Belangen der Mitgliedstaaten gesucht.
3. Stellungnahme: Keine Ausdehnung des Anwendungsvorrangs auf indirekte Kollisionen Ungeachtet dessen, dass das Verbot von Wirksamkeitsbeeinträchtigungen in Hinblick auf mitgliedstaatliche Verfahrensvorschriften möglicherweise berechtigt ist, kann die Ausdehnung des Anwendungsvorrangs auf indirekte Kollisionen ansonsten jedenfalls nicht überzeugen. Ungeachtet des Verhältnisses zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Verfahrensrecht ist dem EG-Vertrag weder ein generelles Verbot indirekter Kollisionen, noch ein Verbot unverhältnismäßiger Beeinträchtigungen zu entnehmen. Insbesondere die zur Begründung des Vorrang199 Komendera, Normenkonflikte, S. 173 ff.; Jarass, DVBl. 1995, S. 954 (959); v. Bogdandy / Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Archivband I, Art. 1 EGV, Rz. 36; Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, S. 484 ff. 200 Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, S. 486. Das Argument der Funktionssicherung des Gemeinschaftsrechts wird auch zur Begründung des Verbots von Wirksamkeitsbeeinträchtigungen durch den nationalen Verfahrensgesetzgeber herangezogen. Siehe Huthmacher, Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts bei indirekten Kollisionen, S. 159. 201 Komendera, Normenkonflikte, S. 173 ff.; Jarass, DVBl. 1995, S. 954 (959); v. Bogdandy / Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Archivband I, Art. 1 EGV, Rz. 36; Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, S. 486. Siehe auch Grabitz, Stillhalte-Verpflichtungen, S. 43. 202 Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, S. 486; v. Bogdandy / Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Archivband I, Art. 1 EGV, Rz. 36; Jarass, DVBl. 1995, S. 954 (959). 203 v. Bogdandy / Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Archivband I, Art. 1 EGV, Rz. 36. 204 Komendera, Normenkonflikte, S. 177 ff.
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2. Teil: Der Kompetenzkonflikt auf europäischer Ebene
anspruchs des Gemeinschaftsrechts herangezogenen Argumente tragen eine solche Ausdehnung des Anwendungsvorrangs nicht. Diese passen allein auf direkte, nicht auch auf indirekte Kollisionen. So kann ein generelles bzw. ein teilweises Verbot indirekter Kollisionen nicht unter Berufung auf Art. 10 EGV und das Prinzip der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft begründet werden. Art. 10 EGV regelt umfangreiche Verpflichtungen der Mitgliedstaaten gegenüber der Europäischen Gemeinschaft. Insbesondere sieht Art. 10 Abs. 2 EGV vor, dass die Mitgliedstaaten alle Maßnahmen, die die Verwirklichung der Ziele des EG-Vertrags gefährden könnten, unterlassen. Die Vorschrift des Art. 10 EGV bindet jedoch nicht lediglich die Mitgliedstaaten, vielmehr ist sie Ausdruck eines allgemeinen Loyalitätsgrundsatzes, der auch die Gemeinschaft zur loyalen Zusammenarbeit verpflichtet.205 Die Vorschrift ist demnach auf Gegenseitigkeit angelegt und berücksichtigt neben den Interessen der Gemeinschaft auch die der Mitgliedstaaten. Dies ist bei der Auslegung des Art. 10 EGV zu berücksichtigen, so dass die Bestimmung nicht einseitig dahingehend ausgelegt werden kann, dass sie das Gemeinschaftsrecht unter allen Umständen und unter Ausblendung der Belange der Mitgliedstaaten vor Wirksamkeitsbeeinträchtigungen schützt. So ist denn auch anerkannt, dass die Anwendung des Art. 10 EGV nicht zu einer Änderung der Zuständigkeitsverteilung zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten führen darf.206 Die Aushöhlung der nationalen Gesetzgebungsbefugnisse ist von Art. 10 EGV nicht gedeckt.207 Die Generalklausel des Art. 10 EGV bietet also keine Grundlage die im EG-Vertrag getroffene Kompetenzverteilung zu verschieben. Die Ausdehnung des Anwendungsvorrangs auf indirekte Kollisionen bzw. auf unverhältnismäßige Wirksamkeitsbeeinträchtigungen würde die auf primärrechtlicher Ebene getroffene Zuständigkeitsvereilung zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten aber gerade nicht beachten. Hat die Europäische Gemeinschaft nach dem EG-Vertrag in bestimmten Bereichen keine Gesetzgebungskompetenz, ist die Kompetenz bei den Mitgliedstaaten verblieben. Die Entscheidung des EG-Vertrags die Gesetzgebungsbefugnis für diesen Bereich komplett bei den nationalen Gesetzgebern zu belassen, würde also unterlaufen, wenn die Mitgliedstaaten doch wieder an die gesetzlichen Vorgaben der Gemeinschaft gebunden wären. Die Europäische Gemeinschaft würde die Mitgliedstaaten selbst in Bereichen, die ihrer Kompetenz entzogen sind, beschränken können. Gleiches gilt übrigens, wenn der EG-Vertrag bestimmte Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Gemeinschaft aufstellt, wie etwa eine bestimmte Abstimmungsmehrheit im Rat. Auch hier würde die entsprechende Regelung des EG-Vertrags unterlaufen, da der EG-Vertrag die Gesetzgebungsbefugnis der Mitgliedstaaten nur 205 EuGH, Rs. 230 / 81, Slg. 1983, 255 (287); Hatje, Loyalität als Rechtsprinzip, S. 36; Streinz, Europarecht, Rz. 142. 206 v. Bogdandy, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 10 EGV, Rz. 23. Siehe auch Due, Gemeinschaftstreue, S. 18. 207 Siehe Hatje, Loyalität als Rechtsprinzip, S. 50, der die Sicherung der Autonomie als einen Grundgedanken des Loyalitätsprinzips begreift.
B. Die Reichweite des Anwendungsvorrangs als entscheidendes Kriterium
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dann einschränken wollte, sofern die besonderen Voraussetzungen der Norm im konkreten Fall erfüllt sind. Obwohl der EG-Vertrag den Mitgliedstaaten bestimmte Regelungsbereiche zuweist, könnten diese nicht frei tätig werden. Die Mitgliedstaaten verfügten bei Ausdehnung des Anwendungsvorrangs in keinem Bereich mehr über eigenständige und selbstverantwortlich wahrnehmbare Gesetzgebungsbefugnisse. Sie hätten keine Möglichkeit, ihre politischen Vorstellungen unabhängig von den normativen Vorgaben der Europäischen Gemeinschaft durchzusetzen. Es fehlte den nationalen Gesetzgebern trotz ihrer demokratischen Legitimation also durchweg an einer autonomen Gestaltungsmacht. Eigene Ziele könnten sie nur verfolgen, wenn diese insofern in Einklang mit EG-Recht stünden, als sie dieses nicht bzw. nicht unverhältnismäßig beeinträchtigten. Insbesondere würde ein Gegensteuerungsrecht der Mitgliedstaaten entfallen, da die Ausübung desselben zumeist zu schweren und somit i. d. R. auch zu unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen fremder Gesetze führt. Angesichts der hohen Dichte des sekundären Gemeinschaftsrechts und angesichts der Tatsache, dass Gesetze aufgrund der vernetzten Gesellschaftsstruktur viefältige Auswirkungen haben und vielfältige Beeinträchtigungen verursachen können, wären vor diesem Hintergrund viele nationale Gesetzesprogramme in der Realität zum Scheitern verurteilt. Diese Ausführungen zeigen, dass das Verbot von Wirksamkeitsbeeinträchtigungen bzw. unverhältnismäßigen Wirksamkeitsbeeinträchtigungen mit dem allgemeinen Verständnis und der Funktion von Kompetenzen nicht zu vereinbaren ist. Kompetenzen sind Hoheitsbefugnisse, die auf selbstverantwortliche und selbständige Wahrnehmung ausgerichtet sind. Sie sind Machtzuweisungen, die für ihren Bereich eine umfassende Entscheidungsbefugnis verleihen. Die jeweiligen Kompetenzträger müssen demnach eigene politische Gestaltungsspielräume haben, die sie auch zur Verfolgung eigener Strategien und zum Entgegensteuern nutzen dürfen.208 Dies ist auch aus demokratietheoretischer Perspektive notwendig. Um die demokratische Verantwortlichkeit zu stärken und die demokratische Legitimation des jeweiligen Gesetzgebers ernst zu nehmen, sind gegenseitige Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Kompetenzträgern zu vermeiden und die jeweiligen Kompetenzräume soweit wie möglich zu trennen. So kann der nationale Gesetzgeber keine Verantwortung für fremde Entscheidungen tragen. Anderenfalls kommt es zu Politikverflechtungen und zur Konsensdemokratie.209 Das hier zugrunde gelegte Kompetenzverständnis gilt nicht lediglich für das Bundesstaatsmodell des Grundgesetzes, sondern ist an die allgemeine Funktion von Kompetenzen geknüpft. Es findet im Grundsatz auf alle Mehrebenensysteme Anwendung, die Gesetzgebungsbefugnisse auf verschiedene Hoheitsträger verteilen, da die Innehabung einer Kompetenz stets die Innehabung der Entscheidungsmacht für diesen Bereich bedeutet. Einwirkungsmöglichkeiten der anderen Ebene müssen 208 209
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Siehe hierzu bereits oben 1. Teil, C. II. 2. u. 1. Teil, D. III. 3. a). Siehe hierzu oben 1. Teil, D. III. 3. a).
212
2. Teil: Der Kompetenzkonflikt auf europäischer Ebene
dagegen besonders geregelt sein. Die dargestellte Funktion der Kompetenzen beansprucht also auch auf europäischer Ebene Geltung.210 Bei der Ausdehnung des Anwendungsvorrangs auf indirekte Kollisionen verblieben den Mitgliedstaaten aber nicht die dargestellten Befugnisse. Auch die Beschränkung auf unverhältnismäßige Beeinträchtigungen ändert daran nichts, da es sich hier nicht um eine qualitative, sondern nur um eine graduelle Änderung handelt. Die nationalen Gesetzgeber sind hier ebenfalls an die gesetzlichen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts gebunden und verfügen nicht über autonome Gestaltungsmacht einschließlich des Gegensteuerungsrechts. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob eine Beeinträchtigung des Gemeinschaftsrechts durch nationale Vorschriften gegeben ist, zu erheblichen Feststellungsschwierigkeiten führen kann. Besonders problematisch stellt sich die von der Literatur geforderte Abwägung zwischen der Funktionsfähigkeit des Gemeinschaftsrechts und der mitgliedstaatlichen Gestaltungsautonomie dar. Da die Schwere einer Wirksamkeitsbeeinträchtigung als entscheidendes Kriterium regelmäßig nicht feststellbar ist und für die Gewichtung der Belange der Mitgliedstaaten keine Maßstäbe zur Verfügung stehen, sind entsprechende Abwägungen – ebenso wie auf der Ebene des Grundgesetzes211 – einem großen Beliebigkeitsrisiko ausgesetzt. Dies ist aber im Rahmen von kompetenzrechtlichen Entscheidungen, die eine hohe Berechenbarkeit voraussetzen, nicht hinnehmbar.212 Darüber hinaus besteht für die Einbeziehung indirekter Kollisionen in den Anwendungsvorrang auch keine Notwendigkeit. Die Funktionsfähigkeit des Gemeinschaftsrechts wird bereits ausreichend durch das Verbot direkter Kollisionen geschützt. Insbesondere ist daran zu erinnern, dass sekundäre Gemeinschaftsregelungen auch ungeschriebene Anwendungsverbote für nationale Vorschriften enthalten können, deren Nichtbeachtung zu direkten Kollisionen führt.213 Zur Beantwortung der Frage, ob sich der jeweiligen gemeinschaftsrechtlichen Regelung ein ungeschriebenes Anwendungsverbot bestimmten Inhalts entnehmen lässt, ist u. a. entscheidend, ob die nationale Vorschrift die Verwirklichung des mit der Gemeinschaftsregelung verfolgten Zwecks möglicherweise gefährdet.214 Da die Kompetenzbestimmungen des EG-Vertrags nicht gegenstandsbezogen, sondern zielorientiert sind, können Sekundärrechtsakte der Gemeinschaft weitreichende ungeschriebene Anwendungsverbote enthalten, die störenden nationalen Normen entgegenstehen. So können Gemeinschaftsregelungen beispielsweise auch mit nationalen Strafrechtsvorschriften direkt kollidieren.215 Siehe Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen, S. 61 ff. Siehe oben 1. Teil, D. III. 3. b) cc). 212 Siehe auch hierzu schon oben 1. Teil, D. III. 3. b) cc). 213 Siehe oben 2. Teil, B. II. 2. 214 Siehe oben 2. Teil, B. II. 2. 215 Dies soll unabhängig davon gelten, ob man eine Kompetenz der Gemeinschaft zum Erlass von Kriminalstrafrecht bejaht (so Pache, Der Schutz der finanziellen Interessen der 210 211
B. Die Reichweite des Anwendungsvorrangs als entscheidendes Kriterium
213
Innerhalb eines bestimmten, gemeinschaftsrechtlich geregelten Sachbereichs wird also die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts durch das Verbot direkter Kollisionen regelmäßig hinreichend gesichert. Zudem besitzt die Europäische Gemeinschaft in vielen Bereichen konkurriende Gesetzgebungsbefugnisse, so dass sie durch Erlass entsprechender Normen auch auf eventuelle Störungen durch sachgebietsfremde Vorschriften des nationalen Rechts reagieren kann. Eines weitergehenden Schutzes der Funktionsfähigkeit des Gemeinschaftsrechts bedarf es vor diesem Hintergrund nicht. Die trotz des Verbots direkter Kollisionen möglichen Funktionsstörungen des Gemeinschaftsrechts sind vielmehr hinzunehmen. Beeinträchtigungen sind keine außergewöhnlichen und unter allen Umständen zu verhindernde Erscheinungen. Sie sind schon in Einheitsstaaten keine Seltenheit, noch weniger aber in Mehrebenensystemen. Für letztere sind sie gar charakteristisch. Einbußen der Funktionsfähigkeit sind die Konsequenz aus der Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen auf verschiedene Hoheitsträger. Eine komplett reibungs- und störungsfreie Kompetenzverteilung gibt es nicht. Angesichts dessen sind Funktionsbeeinträchtigungen des Gemeinschaftsrechts durch nationale Vorschriften als systembedingt anzusehen.216 4. Besonderheiten im Verhältnis zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber? Nationale Vorschriften, die mit dem EG-Recht nicht direkt, sondern lediglich indirekt kollidieren, werden vom Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts nicht erfasst. Ungeachtet der möglichen Ausnahme für nationales Verfahrensrecht, könnte man daran denken, dass für Wirksamkeitsbeeinträchtigungen durch den nationalen Steuergesetzgeber eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt. So könnte man auch auf europäischer Ebene217 der Meinung sein, dass vorrangig der EG, S. 341 f.; Böse, Strafen und Sanktionen im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 61 ff.; Appel, in: Dannecker, Lebensmittelstrafrecht und Verwaltungssanktionen in der Europäischen Union, S. 165 [180 ff.]) oder eine solche Kompetenz ablehnt (so Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, S. 98 ff.; Huthmacher, Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts bei indirekten Kollisionen, S. 222; Möhrenschläger, in: Dannecker, Die Bekämpfung des Subventionsbetrugs, S. 162 [162 f.]; Tiedemann, NJW 1993, S. 23 [24]). Bejaht man eine entsprechende Kompetenz der Gemeinschaft, kann man ohne weiteres danach fragen, ob ein Sekundärrechtsakt der Gemeinschaft auch ein Anwendungsverbot für eine bestimmte nationale Strafvorschrift enthält. Verneint man eine Strafrechtskompetenz der Gemeinschaft, kann man immer noch auf die akzessorische Natur des Strafrechts abstellen und jeder Strafrechtsvorschrift eine außerstrafrechtliche Primärnorm entnehmen, die in geschriebener oder ungeschriebener Form die Bewertung der Rechtmäßigkeit eines Verhaltens vornimmt. Diese Primärnorm kann mit Gemeinschaftsregelungen direkt kollidieren. So Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, S. 488. 216 Zur Systembedingtheit von Störungen siehe oben 1. Teil, D. III. 3. a). 217 Zur Situation unter dem Grundgesetz siehe oben 1. Teil, E. II.
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2. Teil: Der Kompetenzkonflikt auf europäischer Ebene
Sachgesetzgeber zur politischen Gestaltung befugt ist, während der Steuergesetzgeber in erster Linie zur Beschaffung von Einnahmen zuständig ist. Vor diesem Hintergrund könnte es dem gestaltenden nationalen Steuergesetzgeber verboten sein, Regelungen des europäischen Sachgesetzgebers zu beeinträchtigen. Der Steuergesetzgeber darf auch nach dem EG-Vertrag nicht nur ausnahmsweise gestalterisch tätig werden, vielmehr erkennt der EG-Vertrag die Steuer als reguläres Gestaltungsinstrument an. Erfasst der europäische Steuerbegriff auch außerfiskalische Steuern muss davon ausgegangen werden, dass Steuern als vollwertiges Gestaltungsinstrument gelten. Dies wird ausdrücklich durch die Vorschrift des Art. 175 EGV bestätigt, die sowohl zu umweltpolitischen Sach- als auch zu umweltpolitischen Steuergesetzen ermächtigt und somit die sachgesetzliche und die steuergesetzliche Lenkung auf eine Stufe stellt. Angesichts der Regelung des Art. 175 EGV ist die Annahme eines Vorrangs des Sachgesetzgebers vor dem Steuergesetzgeber nicht vertretbar. Zudem wird in der Gesetzgebungspraxis der Gemeinschaft die Steuer nicht als gegenüber Sachgesetzen nachrangiges, sondern als gleichrangiges Gestaltungsinstrument betrachtet. So verfolgt die Europäische Gemeinschaft mit der Angleichung der Tabak- und Alkoholsteuern auch Ziele im Bereich des Gesundheitswesens218 und zeigt damit, dass sie die Steuer als normales Gestaltungsmittel unter anderen begreift. Ein wie auch immer gearteter Vorrang des Sachgesetzgebers lässt sich also nicht begründen.
5. Verbot der missbräuchlichen Kompetenzwahrnehmung und Informationspflicht des nationalen Gesetzgebers Dass die Mitgliedstaaten Vorschriften erlassen dürfen, die zu indirekten Kollisionen mit gemeinschaftsrechtlichen Regelungen führen, bedeutet nicht, dass sie diese Befugnis ausnutzen können, um die Funktionsfähigkeit des Gemeinschaftsrechts absichtlich zu hintertreiben. Auch das Gemeinschaftsrecht kennt nämlich ein Rechtsmissbrauchsverbot. Dieses hat seinen Sitz in Art. 10 EGV und ist als Konkretisierung des dort verankerten Loyalitätsprinzips anzusehen.219 Eine missbräuchliche Kompetenzausübung ist – ebenso wie unter dem Grundgesetz220 – dann anzunehmen, wenn der nationale Gesetzgeber mit dem Erlass des konkreten Gesetzes keine eigenen Gestaltungsinteressen verfolgt, sondern vielmehr insofern schädigend tätig wird, als er nur die Zweckverwirklichung des europäischen Gesetzesprogramms verhindern möchte. Der nationale Gesetzgeber verfolgt in diesem Fall kein anerkennenswertes Interesse. Neben dem Missbrauchsverbot sind aus Art. 10 EGV schließlich auch Informationspflichten der nationalen Gesetzgeber gegenüber der Europäischen GemeinSiehe Ohler, Die fiskalische Integration in der Europäischen Gemeinschaft, S. 193. Hatje, Loyalität als Rechtsprinzip, S. 77; v. Bogdandy, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 10 EGV, Rz. 33. 220 Siehe oben 1. Teil, D. III. 2. a). 218 219
B. Die Reichweite des Anwendungsvorrangs als entscheidendes Kriterium
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schaft abzuleiten.221 Es besteht eine Pflicht der Mitgliedstaaten, die Europäische Gemeinschaft über alle Rechtsakte zu informieren, die konkrete Auswirkungen auf gemeinschaftsrechtliche Rechtspositionen haben.222 Dazu wird man auch nationale Gesetzesvorhaben zählen müssen, bei denen die Mitgliedstaaten der Meinung sind, dass sie möglicherweise zu Wirksamkeitsbeeinträchtigungen des Gemeinschaftsrechts führen. 6. Ergebnis Der nationale Steuergesetzgeber ist regelmäßig befugt, mit Hilfe von Steuerregelungen Einfluss auf bestimmte Sachmaterien zu nehmen und auf sie gestalterisch einzuwirken, obwohl ihm die entsprechende Sachgesetzgebungskompetenz entzogen ist. Dies gilt auch, wenn es hierdurch zu Wirksamkeitsbeeinträchtigungen des Gemeinschaftsrechts kommt. Anders ist dies nur, wenn ausnahmsweise ein ausdrückliches oder konkludentes Anwendungsverbot für gestaltende nationale Steuern in einem Sekundärrechtsakt der Gemeinschaft enthalten ist oder wenn der nationale Gesetzgeber missbräuchlich handelt.
221 222
Siehe v. Bogdandy, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 10 EGV, Rz. 35. EuGH, Rs. 186 / 85, Slg. 1987, 2029 (2057).
Zusammenfassung Da Steuergesetze als Gestaltungsinstrumente zur Erreichung sachpolitischer Ziele eingesetzt werden können, kann es auch zwischen dem gestaltenden Steuerund dem Sachgesetzgeber zu Kompetenzkonflikten kommen. Dies ist der Fall, wenn der Steuergesetzgeber mittels der Steuer eine Materie gestaltet, obwohl er nicht über die entsprechende Sachgesetzgebungsbefugnis verfügt. Unter dem Grundgesetz kann ein Konflikt dabei sowohl auf der Ebene der Kompetenzqualifikation als auch auf der Ebene der Kompetenzausübung auftreten. Auf der Kompetenzqualifikationsebene ist Konfliktgegenstand die Frage, ob der Steuergesetzgeber überhaupt über eine Gesetzgebungskompetenz für gestaltende Steuern verfügt. Bejaht man die Zuständigkeit des Steuergesetzgebers auch für gestaltende Steuern, stellt sich die Frage, ob der Steuergesetzgeber Ausübungsschranken unterliegt, die eine evtl. Störung des Sachgesetzgebers verhindern. Die Erörterung der Kompetenzverteilung nach dem Grundgesetz ergibt, dass auf nationaler Ebene Kompetenzkonflikte zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber in mehreren Konstellationen auftreten können. So sind Konflikte zwischen Bund und Ländern, zwischen Bund und Kommunen, zwischen einem Land und seinen kommunalen Untergliederungen sowie zwischen Kommunen möglich, wobei die jeweiligen Konfliktparteien sowohl als Steuergesetzgeber als auch als Sachgesetzgeber beteiligt sein können. Zur Lösung des Kompetenzkonflikts werden in Rechtsprechung und Literatur verschiedene Ansichten vertreten. Diese setzen z. T. auf der Ebene der Kompetenzqualifikation und z. T. auf der Ebene der Kompetenzausübung an. Das Bundesverfassungsgericht hat sich von seiner anfangs vertretenen Haupt- und Nebenzwecktheorie gelöst und unterwirft den Steuergesetzgeber nun einer aus der bundesstaatlichen Rücksichtnahmepflicht und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Kompetenzausübungsschranke, nach der die steuerliche Lenkung weder der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung noch konkreten Einzelregelungen zuwiderlaufen dürfe. In der Literatur wird für gestaltende Steuern z. T. die Sachgesetzgebungskompetenz als einschlägig angesehen, z. T. wird in bestimmten Fällen eine doppelte Kompetenzabstützung gefordert bzw. es wird im Fall, dass einzelne Lenkungsvorschriften in einem Steuergesetz eingestreut sind, vom Vorliegen eines Steuer- und eines Sachgesetzes ausgegangen. Zudem wird die Auffassung vertreten, dass gestaltende Steuern ohne weitere Einschränkung allein auf die Steuergesetzgebungskompetenz zu stützen sind. Die Lösungen in der Literatur, die auf der Kompetenzausübungsebene ansetzen, leiten eine Kompetenzausübungsschranke entweder aus der Sachgesetzgebungskompetenz oder aus der Bundestreue ab, wo-
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bei im letzten Fall eine brauchbare Konkretisierung der Grenze zumeist unterbleibt. Die Konfliktlösungen in Rechtsprechung und Literatur können größtenteils jedoch nicht überzeugen. So übersehen diejenigen, die für gestaltende Steuern die Sachkompetenz als einschlägig betrachten sowie diejenigen, die eine Doppelkompetenz fordern, dass die Steuergesetzgebungskompetenz des Art. 105 GG jedes Gesetz, welches die Einführung, Aufhebung oder Ausgestaltung von Steuern zum Gegenstand hat, erfasst und dass die Kompetenzordnung des Grundgesetzes die Steuer- und die Sachgesetzgebungskompetenz nicht nach Finanzierung und Lenkung abgrenzt. Den Vertretern, die eine uneingeschränkte Steuergesetzgebungskompetenz befürworten, ist vorzuhalten, dass sie die Frage, ob bzw. inwieweit der Steuergesetzgeber an Ausübungsschranken gebunden ist, nicht behandeln. Sie klären den Konflikt zwischen Steuer- und Sachgesetzgeber demnach nicht umfassend und brechen die Prüfung zu früh ab. Die Ausübungsschranke des Bundesverfasssungsgerichts ist deshalb abzulehnen, weil weder aus dem Rechtsstaatsprinzip, noch aus der Bundestreue eine derart weitgehende Schranke abgeleitet werden kann. Auch den Sachgesetzgebungskompetenzen kann keine Kompetenzausübungsschranke für den Steuergesetzgeber entnommen werden, da ein Verständnis, welches Kompetenznormen zugleich als Ausübungsschranken fremder Kompetenzen sieht, mit der grundgesetzlichen Kompetenzordnung nicht vereinbar ist und die Funktion von Kompetenzen nicht beachtet. Dagegen ist die Heranziehung der Bundestreue dogmatisch gerechtfertigt. Sie bedarf jedoch im Hinblick auf den hier behandelten Konflikt der Präzisierung. Zu diesem Zweck ist zunächst die Bedeutung der Bundestreue als Kompetenzausübungsschranke im Rahmen von Kompetenzkonflikten zwischen Sachgesetzgebern zu erörtern, da der Konflikt zwischen dem gestaltenden Steuergesetzgeber und dem Sachgesetzgeber hiervon ohne trifftigen Grund nicht einfach abgekoppelt werden kann. Die Funktion der Bundestreue ist die Lösung des Interessengegensatzes zwischen der kompetenzausübenden Partei und der Gegenseite. Es stehen sich das Kompetenzwahrnehmungsinteresse und das Abwehrinteresse gegenüber. Das Kompetenzwahrnehmungsinteresse ist als berechtigtes Interesse anzuerkenen, wenn das Gesetz eingesetzt wird, um die eigenen Gestaltungsvorstellungen zu verwirklichen. Als berechtigtes Abwehrinteresse kann allein das Interesse, dass das Gesetz der kompetenzausübenden Partei nicht die Verwirklichung der mit dem eigenen Gesetz verfolgten Zwecke verhindert, verstanden werden. Da Wirksamkeitsbeeinträchtigungen eines Gesetzes durch ein fremdes Gesetz jedoch – wenn überhaupt – nur unter erheblichen Schwierigkeiten feststellbar sind, bestehen schon aus diesem Grund Bedenken, bei einer Beeinträchtigung des Abwehrinteresses überhaupt eine Nichtigkeit des betreffenden Gesetzes wegen Verstoßes gegen die Bundestreue anzunehmen.
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Ist ein berechtigtes Kompetenzwahrnehmungsinteresse nicht gegeben, greift die Bundestreue ein und löst den Konflikt zugunsten der Gegenseite auf. Liegt dagegen ein berechtigtes Kompetenzwahrnehmungsinteresse, aber kein berechtigtes Abwehrinteresse vor, greift die Bundestreue von vornherein nicht ein und schränkt die kompetenzausübende Partei unter keinen Umständen ein. Schwieriger ist der Fall, dass ein berechtigtes Kompetenzwahrnehmungsinteresse auf ein berechtigtes Abwehrinteresse trifft, auf beiden Seiten also berechtigte Interessen gegeben sind. Hier geht grundsätzlich das Kompetenzwahrnehmungsinteresse vor, die Bundestreue schränkt die kompetenzausübende Partei also grundsätzlich nicht ein, da Wirksamkeitsbeeinträchtigungen vor der Folie der grundgesetzlichen Kompetenzordnung zulässig sind. Gesetzgebungskompetenzen verleihen umfassende Gestaltungsbefugnisse, die auch ein Gegensteuerungsrecht umfassen. Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes toleriert somit Wirksamkeitsbeeinträchtigungen, so dass sie im Rahmen der Bundestreue nicht erneut zum Gegenstand der Betrachtung gemacht und als verfassungswidrig qualifiziert werden können. Dieses Verhältnis zwischen dem berechtigten Kompetenzwahrnehmungsinteresse und dem berechtigten Abwehrinteresse kehrt sich auch nicht im Fall einer schweren, intendierten oder unverhältnismäßigen Beeinträchtigung eines anderen Gesetzes um. Auch eine besondere Schutzwürdigkeit von Gesetzen, die eine Beeinträchtigung verbietet, existiert nicht. Ist also auf Seiten der kompetenzausübenden Partei ein berechtigtes Interesse gegeben und liegt also keine missbräuchliche Kompetenzwahrnehmung vor, unterliegt die Kompetenzausübung auch dann keinen Einschränkungen, wenn Gesetze der abwehrenden Partei beeinträchtigt werden. Dies gilt auch im Verhältnis zwischen dem gestaltenden Steuer- und dem Sachgesetzgeber, da sich ein irgendwie gearteter Vorrang des Sachgesetzgebers vor dem Steuergesetzgeber nicht begründen lässt. Da auch Art. 31 GG bzw. der Gesetzesvorrang auf den Konflikt zwischen dem Steuer- und dem Sachgesetzgeber nicht anwendbar ist, ist der Konflikt, abgesehen von den Missbrauchsfällen, stets zugunsten des Steuergesetzgebers zu lösen. Auch auf europäischer Ebene kann ein Konflikt zwischen dem gestaltenden nationalen Steuergesetzgeber und dem gemeinschaftlichen Sachgesetzgeber auftreten. Die Erörterung der Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten ergibt nämlich, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Mitgliedstaaten eine gestaltende Steuerregelung erlassen dürfen, während ihnen für eine jeweilige Sachregelung die Kompetenz entzogen ist, weil insoweit eine Gemeinschaftsregelung entgegensteht. Vergleichbar dem Konflikt auf nationaler Ebene kann folglich ein Konflikt zwischen dem nationalen Steuerund dem gemeinschaftlichen Sachgesetzgeber entstehen, wenn der Mitgliedstaat versucht, mit Hilfe einer Steuervorschrift sein beabsichtigtes Ziel zu verfolgen, obwohl er dies mit einer Sachvorschrift von vornherein nicht dürfte. Dagegen ist ein entsprechender Konflikt zwischen der Europäischen Gemeinschaft als Steuergesetzgeber und einem Mitgliedstaat als Sachgesetzgeber nicht
Zusammenfassung
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möglich, da es im EG-Vertrag an einer eigenen Kompetenz für das Instrument der Steuer fehlt. Die Europäische Gemeinschaft verfügt nicht über Steuergesetzgebungsbefugnisse, vielmehr sind die wenigen Kompetenzgrundlagen (Art. 93, 94, 175, 308 EGV), die die Gemeinschaft zum Erlass steuerlicher Vorschriften ermächtigen, als Harmonisierungs- bzw. Umweltgesetzgebungskompetenzen zu verstehen. Die Frage, ob die Gemeinschaft mittels einer gestaltenden Steuerregelung ein Ziel verfolgen darf, das sie mit einem Sachgesetz nicht verfolgen dürfte, kann so nicht auftreten. Im Gegensatz zu nationalen Kompetenzkonflikten ist bei Konflikten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten nicht zwischen der Ebene der Kompetenzqualifikation und der Kompetenzausübung zu unterscheiden, vielmehr richtet sich die Konfliktlösung allein nach der Lehre vom Anwendungsvorrang. Für die Beantwortung der Frage, ob ein nationaler Gesetzgeber im Rahmen eines Kompetenzkonflikts mit der Europäischen Gemeinschaft für eine bestimmte Regelung befugt ist oder nicht, hat man zu untersuchen, ob die betreffende Regelung angewendet werden darf oder ob sie deshalb unangewendet bleiben muss, weil der mitgliedstaatliche Gesetzgeber den Vorrang des Gemeinschaftsrechts nicht beachtet hat. Der Konflikt zwischen dem nationalen Steuer- und dem gemeinschaftlichen Sachgesetzgeber wird in der Regel nicht von den anerkannten Vorrangfällen erfasst. So werden sich angesichts der Tatsache, dass Einschränkungen für gestaltende Steuerregelungen der Mitgliedstaaten überhaupt nur auf Grund weniger Kompetenzgrundlagen normiert werden können und diese dabei stets ein Einstimmigkeitserfordernis vorsehen, nur ganz ausnahmsweise Gemeinschaftsrechtsmaßnahmen finden, die die Anwendung bestimmter gestaltender Steuern ausdrücklich verbieten oder denen ein solches Verbot durch Auslegung zu entnehmen ist. Gestaltende Steuern der Mitgliedstaaten sind auch dann nicht ausgeschlossen, wenn sie Bereiche betreffen, die in die ausschließliche Kompetenz der Gemeinschaft fallen. Erlassen die nationalen Gesetzgeber eine gestaltende Steuer in einem solchen Bereich, verstoßen sie nicht gegen die eine ausschließliche Gemeinschaftskompetenz begründende Vorschrift im EG-Vertrag, da diese sich nicht auf nationale Steuerregelungen bezieht. Im Gegensatz zu nationalen Steuerregelungen, für die das Gemeinschaftsrecht nur ausnahmsweise ein Anwendungsverbot enthält, werden nationale Regelungen, die nicht-steuerliche Abgaben zum Gegenstand haben, des öfteren gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen, da der EG-Vertrag diese nicht den gleichen strengen Bindungen wie sie für Steuern gelten, unterwirft. Aus diesem Grund ist der Begriff der Steuer i. S. des Gemeinschaftsrechts und die Abgrenzung zu den sonstigen Abgaben von Bedeutung. Schwierig ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Unterscheidung zwischen Steuern und den gegenleistungsunabhängigen Abgaben nicht-steuerlicher Art. Man wird dabei nicht die dem deutschen Finanzverfassungsrecht bekannte Differenzierung zwischen Steuern und Sonderabgaben auf die europäische Ebene übertragen können.
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Da nationale gestaltende Steuerregelungen von den anerkannten Vorrangfällen regelmäßig nicht erfasst werden, stellt sich die Frage, ob der Vorranganspruch des Gemeinschaftsrechts auf Wirksamkeitsbeeinträchtigungen, die sog. indirekten Kollisionen, auszudehnen ist. Der Europäische Gerichtshof hat dies in mehreren Entscheidungen getan und der Anwendbarkeit des nationalen Rechts im Interesse der Gewährleistung der Effektivität des Gemeinschaftsrechts Grenzen gezogen. Die Entscheidungen betrafen dabei in erster Linie nationale Verfahrensvorschriften. Auch in der Literatur ist grundsätzlich anerkannt, dass nationale Regelungen, die das Gemeinschaftsrecht behindern, unanwendbar sein können. Die Ausdehnung des Anwendungsvorrangs auf indirekte Kollisionen kann jedoch nicht überzeugen. Die ursprünglich zur Begründung des Anwendungsvorrangs herangezogenen Argumente können eine Erweiterung desselben nicht stützen. Die Funktionsfähigkeit des Gemeinschaftsrechts wird bereits ausreichend durch das Verbot direkter Kollisionen geschützt. Zudem spielen bei der Frage nach der Reichweite des Anwendungsvorrangs die gleichen Überlegungen eine Rolle, die auch im Rahmen der Auslegung der Bundestreue von Bedeutung waren. So ist das Verbot indirekter Kollisionen insbesondere nicht mit dem allgemeinen Verständnis und der Funktion von Kompetenzen zu vereinbaren. Auch kann die Generalklausel des Art. 10 EGV keine Grundlage für eine Verschiebung der im EGV getroffenen Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten bilden. Schließlich ist auch im Rahmen des Konflikts zwischen dem mitgliedstaatlichen Steuer- und dem gemeinschaftlichen Sachgesetzgeber die Reichweite des Anwendungsvorrangs nicht zu erweitern. Indirekte Kollisionen werden vom Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts hier ebenfalls nicht erfasst. Keinesfalls kann ein anderes Ergebnis mit einem Vorrang des Sachgesetzgebers vor dem gestaltenden Steuergesetzgeber begründet werden. Der EG-Vertrag begreift die Steuer nicht als gegenüber Sachgesetzen nachrangiges, sondern als gleichrangiges Gestaltungsinstrument. Eine andere Auffassung ist im Hinblick auf die klare und eindeutige Regelung des Art. 175 EGV nicht vertretbar.
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Sachverzeichnis Abwehrinteresse 124 Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft 34 Anwendungsvorrang 176 Aufwandsteuern 29 Ausschließliche Gemeinschaftskompetenz 174 Ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis 33 Außerfiskalischer Hauptzweck 53 Baurechtsgutachten 49 Belastungswirkungen 68 Bestimmtheitsgebot 93 Bestimmungslandprinzip 178 Bundesstaatliche Rücksichtnahmepflicht 90 Demokratieprinzip 133 Direkte Kollisionen 194 Direkte Steuern 169 Effektivität 127 Eigenmittel 166 Einheit der Verfassung 72, 115 Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse 84 Emissionssteuern 46 Erdrosselungssteuer 54 Ertragshoheit 23 Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft 190 Fusionsrichtlinie 183 Gebot der Doppellegitimation 65 Gebot der Systemgerechtigkeit 106 Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung 57, 106 Geltungsvorrang 191 Gemeinsame Marktorganisation 204 Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung 55 Gesetzesfolgenanalyse 128 Gestaltungsmacht 126
Gestaltungswirkungen 68 Gleichartigkeit 22, 31 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 103 Grundsatz des Vertrauensschutzes 100 Grundsatz von Treu und Glauben 161 Hamburgische Spielgerätesteuer 63 Haupt- und Nebenzwecktheorie 58 Implied Powers Theorie 173 Indirekte Kollisionen 201 Indirekte Steuern 167 Integrales Rechtsstaatsverständnis 91 Kameralismus 148 Kampfhundesteuer 42 Kommunale Vergnügungssteuer 38 Kommunale Verpackungssteuer 37 Kompetenzausübungsebene 14 Kompetenzausübungsschranke 90 Kompetenzkombination 82 Kompetenzkonflikte 13 Kompetenzmix 82 Kompetenzqualifikationsebene 13 Kompetenzwahrnehmungsinteresse 124 Konkurrierende Gemeinschaftskompetenz 176 Konkurrierende Gesetzgebung 33 Kontinuitätsgebot 100 Kooperationsprinzip 56 Lenkungssteuern 16 Lenkungsvorschriften 69 Lenkungswirkungen 14 Lex-posterior Grundsatz 143 Liberalismus 150 Loyalitätsgrundsatz 210 Modale Kompetenz 143 Mutter-Tochter-Richtlinie 184
Sachverzeichnis Parlamentarischer Rat 79, 159 Politikverflechtungen 145 Preußisches Kommunalabgabengesetz 80, 154 Preußisches Oberverwaltungsgericht 151 Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung 174 Rahmengesetzgebung 33 Regelungsschwerpunkt 64 Reichsabgabenordnung 155 Rücksichtnahmegrundsatz 162 Satzungsrecht 34 Schädigungsabsicht 125 Schankerlaubnissteuer 40 Sonderabfallabgabe 47 Sperrwirkung des Gemeinschaftsrechts 176 Steuerbegriff 19 Steuerfindungsrecht 25 Steuersatzrichtlinien 178
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Steuertatbestand 83 Strukturrichtlinien 178 Subsidiaritätsprinzip 174 Symbolische Gesetzgebung 125 Systemrichtlinie 177 Tabakwerbeverbot 189 Theorie der alternativen Qualifikation 82 Theorie der Doppelkompetenz 83 Ungeschriebenes Verfassungsecht 132 Ursprungslandprinzip 178 Verbrauchsteuern 29 Verfassungsauftrag 140 Vorrang der Kompetenzqualifikation 117 Weimarer Reichsverfassung 80 Weimarer Republik 154 Widerspruch 95 Willkürverbot 105