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German Pages [236] Year 1992
V&R
CHRISTOPH BULTMANN
Der Fremde im antiken Juda Eine Untersuchung zum sozialen Typenbegriff >ger< und seinem Bedeutungswandel in der alttestamentlichen Gesetzgebung
VANDENHOECK & RUPRECHT IN G Ö T T I N G E N
Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Wolfgang Schräge und Rudolf Smend 153. Heft der ganzen Reihe
Die Deutsche Bibliothek -
CIP-Einheitsaufnahme
Bultmann, Christoph: Der Fremde im antiken Juda: eine Untersuchung zum sozialen Typenbegriff „ger" und seinem Bedeutungswandel in der alttestamentlichen Gesetzgebung/Christoph Bultmann. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1992 (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments; H. 153) Zugl.: Göttingen, Univ., Diss., 1990 ISBN 3-525-53834-0 NE: GT
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft aus Sondermitteln des Bundesministeriums für Forschung und Technologie © Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1992 Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gesetzt aus Garamond auf Digiset 200 Τ 2 Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1989/90 vom Fachbereich Theologie der Georg-August-Universität Göttingen als Dissertation angenommen. Den ersten Anstoß zur Beschäftigung mit dem Thema hatte 1983 die 5. Ausschreibung des Hermann-Leberecht-Strack-Preises der Landeskirchlichen Stiftung für evangelische Theologie der BerlinBrandenburgischen Kirche gegeben. Ich danke allen Teilnehmern des Doktorandenkolloquiums in Göttingen, die durch Kritik und Anregung das Entstehen der Arbeit gefördert haben, besonders meinem Doktorvater Professor Dr. R. Smend, D. D., und Professor Dr. L. Perlitt, der das Zweitgutachten schrieb. Für seine kritischen Bemerkungen im Vorfeld der Veröffentlichung bin ich auch Professor Dr. Dr. S. Herrmann dankbar, und ich hoffe, daß die Durchsicht der Arbeit zum Druck einige Stellen verdeutlichen konnte. Die Realisierung der Publikation in der Reihe FRLANT wurde durch einen Druckkostenzuschuß der Deutschen Forschungsgemeinschaft ermöglicht, der ich ebenso wie den Herausgebern der Reihe und dem Verlag zu Dank verpflichtet bin. Die Evangelische Kirche von Westfalen schließlich hat dem Abschluß des Manuskripts während meines Vikariats wohlwollendes Interesse entgegengebracht. Bochum, August 1991
Christoph Bultmann
Man hat die Geschichte ein riesiges Zusammensetzspiel mit einer Menge fehlender Teile genannt. Aber die Hauptschwierigkeit liegt nicht in den Lücken. Das Bild, das wir uns vom Griechenland des 5. Jahrhunderts v. Chr. machen, ist nicht in erster Linie deswegen fehlerhaft, weil so viele Stücke zufällig verlorengegangen sind, sondern weil es alles in allem die Vorstellung einer kleinen Gruppe von Athenern ist. Wir wissen eine ganze Menge darüber, wie das Griechenland des 5. Jahrhunderts einem athenischen Bürger erschien; aber fast nichts darüber, wie es den Spartanern, den Korinthern oder Thebanem erschien - ganz zu schweigen von den Persern oder den Sklaven oder den sonstigen nicht eingebürgerten Bewohnern der Stadt. (Edward Hallet* Carr, Was ist Geschichte? dt. Ausgabe, 1963, S. 13 f.)
Inhalt Vorwort
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Einleitung
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1. Die Bezeichnung ger 1.1 Die Bezeichnung ger im alttestamentlichen Hebräisch 1.2 Äquivalente zur Wurzel gür in anderen semitischen Sprachen 1.3 Der Begriff „Metöke" als Deutung von hebräisch ger
17 . .
2. Das deuteronomische Gesetz 2.1 Der ger in der agrarischen Gesellschaft (Dtn 24,19-22) . . . . 2.2 Der ger neben dem Leviten in den judäischen Ortschaften (Dtn 14,28 f.) 2.3 Der Einschluß des ger bei den Erntefesten (Dtn 16,9-15) . . . . 2.4 Der Einschluß des ger bei der Ruhetagsforderung des Dekalogs (Dtn 5,12-15) 2.5 Die Unterscheidung des gervom Ortsgenossen ('ah) (Dtn 24,14f.) 2.6 Der mindere Rang des ger im Gottesvolk (Dtn 14,21 a) . . . . 2.7 Die Abgrenzung des Gottesvolkes gegen den näkri (Dtn 14,21a; 15,3; 23,21) 2.8 Die „Versammlungen Jahwes" in Juda (Dtn 23,2-9) 3. Die spätere Deuteronomistik 3.1 Der soziale Typus des ger im Juda des 6. Jahrhunderts 3.2 Der ger und der näkri in der Gemeindeversammlung (Dtn 31,12; 29,21 u.a.) 3.3 Die Verteidigung des davidischen Thronanspruchs gegen den Y/ näkri (Dtn 17,15) 3.4 Das gerechte Verhalten in der Gemeinschaft als eine Bedingung der Verheißungen für das nachkönigszeitliche Juda im Jeremiabuch Qer 7,6; 22,3) 3.5 Der soziale Typus des ger in prophetischer Schuldaufdeckung und Paränese im späten 6.Jahrhundert (Ez 22,7.29; Sach 7,10) . . . 3.6 Die generalisierenden Schutzgebote bezüglich des ger im Bundesbuch (Ex 22,20; 23,9) 4. Heiligkeitsgesetz und Sakralrecht 4.1 Der Anteil des ger an der Ernte im Land und sein Schutz (Lev 19,9f.33f.*)
17 22 28
34 35 45 55 60 74 84 93 103 120 121 136 145
157 162 166 175 176
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Inhalt 4.2 Der Schutz des verarmten Israeliten vor dem Zugriff eines ger (Lev 25,47 ff.) 4.3 Die doppelseitige Israeldefinition im Sakralrecht (Lev 17, I f f . ) 4.4 Die sakralrechdiche Inklusionsklausel im Ezechielbuch (Ez 14,7) 4.5 Der rechtsgleiche Status des ger in Israel neben dem 'azrah (Ex 12,43 ff.) 4.6 Der prophetische Rechtsentscheid über die Zulassung des Fremden am Jerusalemer Tempel (Jes 56, 1 - 8 )
179 190 196 200 207
Schluß. Das historiographische Ziel und exegetische Perspektiven . . . .
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Literaturverzeichnis
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Stellenregister
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Abkürzungen Das Kürzel Dtn (in Zitaten auch Deut, oder Dt.) bezeichnet das biblische Buch Deuteronomium, darin das „deuteronomische" Gesetz Dtn 12-26 wird als dtn Gesetz bezeichnet, seine Urheber entsprechend als der dtn Gesetzgeber oder die dtn Bewegung. Das deuteronomistische Geschichtswerk wird dem ThWAT folgend als DtrGW abgekürzt, das Adjektiv „deuteronomistisch" (dtr) wird für Redaktoren im Umfeld seiner Entstehung verwendet, DtrN steht für späte Redaktionen nomistischer Tendenz.
Einleitung Die vorliegende Untersuchung ist durch die Frage veranlaßt, ob die Bezeichnung ger (ΊΙ) im Alten Testament einen Fremden meint, der nichtisraelitischer Herkunft ist, aber durch die integrative Tendenz der Gebote, die ihn nennen, in „Israel" einen religionsgesetzlich geschützten Status hat, der sich dem Status des genuinen Israeliten bis hin zu völliger Rechtsgleichheit annähert. Die Arbeit verfolgt diese Frage in quellenkritischer und historiographischer Absicht und versucht, die Gestalt des ger in ihrer jeweiligen Beziehung zu der Gesellschaft des antiken „Israel" in den verschiedenen geschichtlichen Zeiten, denen die Quellentexte entstammen, zu beschreiben*. Das Thema hat eine eingehende Behandlung in dem 1896 erschienenen Buch von Alfred Bertholet, Die Stellung der Israeliten und der Juden zu den Fremden, erfahren. Bertholet nimmt für seine Beschreibung des ger im Vergleich mit dem näkrt den einzigen alttestamentlichen Beleg, in dem das Wort ger mit einem Gentilicium verbunden ist (2 Sam 1,13), als Ausgangspunkt. Danach ist der näkrt „der Fremde, der in keine dauernde Beziehung zum Lande (oder zum Volke) getreten ist", der ger dagegen „der Fremde, der sich aufhält und verweilt im Lande und Volke"1. Nach der Einführung des Deuteronomiums als „Reichs- und Staatsgesetz" sei dann der ger „ein in Israel sich aufhaltender Fremder, der zur religiösen Verfassung des Volkes in eine gewisse Beziehung getreten ist"2. Herkunftsmäßig wird der ger vom näkrt nicht unterschieden, der ger sei „durch die Niederlassung (seil, in dem Land, worin er sich aufhält) . . . aus einem -Ί33 ein na geworden"3. „Gemeinsam ist dem Ger und dem Nokhri die fremde Abkunft." 4 Bertholet untersucht sein Thema im Zusammenhang der Frage nach dem „Universalismus" und dem „Partikularismus" der Religion Israels. An der Stellung zu den Fremden nicht-israelitischer Herkunft lasse sich ihr mehr universalistischer oder mehr partikularistischer Charakter in
* Vgl. zum Thema jetzt auch mit anderem Schwerpunkt die Untersuchung von Christiana van Houten: The Alien in Israelite Law, JSOT Suppl Ser 107, Sheffield 1991. 1 A.a.O. S.lf., die Einschränkung, daß der ger „noch kein Nichtisraelit zu sein (braucht)", gilt bei Bertholet nur für „die alte Zeit" mit ihren Ordnungen nach Stamm und Geschlecht, also die vorstaatliche Zeit. 2 A.a.O. S. 101. 3 A.a.O. S.2 A n m . l , danach auch G.Stählin, T h W N T V (1954), S.9. 4 A.a.O. S. 103 für das Dtn.
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Einleitung
seiner geschichtlichen Entwicklung beobachten. Entscheidend sei der religionsgeschichtliche Vorgang, daß mit dem Deuteronomium die Religion „Verfassung" werde, die der Fremde „für seine Person (annehmen)" könne 5 , zumal seitdem „als Subjekt der Religion das Individuum entdeckt" sei6. Der Vorgang verdanke sich dem Einfluß der Propheten. Deren „Reaktion gegen alles Fremdländische" bewirke zwar einerseits den Partikularismus einer geltenden Verfassung überhaupt 7 , andererseits liege aber der „praktische Ertrag" der „universalistischen Gedanken der Propheten" darin, daß man im Deuteronomium „die Fremden (überwindet) und . . . sie unschädlich (macht) dadurch, dass man sie in den eigenen religiösen Verband aufnimmt" 8 . Aus diesem Konzept erklären sich nach Bertholet die Gebote des dtn Gesetzes, die den ger als den Typus eines zugehörigen Fremden nennen. Die Stellung zu den nicht in dieser Weise aufgenommenen Fremden, zur „außerisraelitischen Menschheit" 9 , beweise aber den eigentlich partikularistischen Charakter der israelitischen Religion in einem Widerspruch zum Universalismus ihres Gottesbegriffs. Die Unterscheidung des ger und des näkrt als zwei Typen nicht-israelitischer Herkunft in Israel bleibt in der neueren Literatur auch da anerkannt, wo der weite ideengeschichtliche Horizont, in den Bertholet sie einordnet, abgelehnt oder übergangen wird. So stellt G.v.Rad für den ger im Deuteronomium fest, daß er zwar ein „Individuum nicht-israelitischer Herkunft" sei, daß aber „im Dt. jeglicher Hinweis auf die subjektive religiöse Einstellung des υ als einer Bedingung der Eingliederung fehlt". Die dtn Gebote bezüglich des ger könne man nicht „vom prophetischen Universalismus ableiten", sie seien vielmehr vom „deut[eronomischen] Volksgedanken" her zu verstehen. „(D)ie natürliche Zugehörigkeit der D—u zu Israel . . . ist in ihrer geschichtlich gewordenen, nunmehrigen Tatsächlichkeit für das Dt. der Grund, jene als mit dem Gottesvolk zusammengehörig zu erachten" 10 . Ihre Zugehörigkeit sei „aus
5 A.a.O. S.87.101 bzw. 113.104. 6 A.a.O. S. 116. 7 A.a.O. S.79ff. 8 A.a.O. S. 100f. Auf dieser Linie werde im priesterschriftlichen Recht der ger zum Proselyten. Für den Bereich der Priesterschrift (P) hat Bertholet zu Recht die Bedeutung von υ als sakralrechtlichem Terminus für den „Proselyten" festgestellt und insofern den Wandel des Begriffs zutreffend beschrieben. Vgl. auch schon Th.Nöldeke, Art. Fremde S.298ff. Zu diesen Texten s.u. die Abschnitte 4.3 bis 4.5. ' A.a.O. S. 103. 10 Das Gottesvolk im Deuteronomium (1929), S.53ff. Der Einspruch gegen die Erklärung vom „prophetischen Universalismus" her ist durch die Beobachtung begründet, daß „nur die inmitten Israels wohnenden Fremden so freundlich behandelt (werden)", ebd. S. 54.
Einleitung
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der politisch-nationalen Gleichstellung erwachsen, während die religiöse Gleichstellung an einem Punkt (seil. Dtn 14,21 a) noch nicht ganz vollzogen ist"11. Die Belege für die Bezeichnung ger in späteren Texten unterschieden sich von den Belegen im dtn Gesetz dadurch, daß „in Ρ . . . ί ι ein religiöser Begriff (wird)" und es nun „die Fähigkeit (ist), gesinnungsmäßig sich Israels Religion anzueignen, die ihm den Eingang in die Gemeinde verschafft"12, in beiden Textbereichen präge aber eine Herkunft von außerhalb Israels die Bezeichnung ger. In diesem Sinne bleibt die Deutung der Gestalt des ger als eines „niedergelassene^) Fremden" grundlegend13, obwohl neben ihr auch andere Deutungen stehen, die sich an einem Kanaan-Israel-Dualismus, an dem Fortbestehen einer israelitischen Stämmeordnung die ganze Königszeit hindurch oder an dem Nebeneinander der Monarchien Israel und Juda orientieren. So sei der ger etwa „der unter Israel lebende Kanaanäer oder der Flüchtling aus dem besiegten Nordreich"14. Nach F. Crüsemann kann der ger „sowohl der Angehörige eines anderen Volkes (ζ. B. Jes 14,1) wie der eines anderen israelitischen Stammes sein (z.B. Ri 17,7)" 15 , ein „massives gerim- Problem" habe aber „erst der durch den Untergang des Nordreichs ausgelöste Flüchtlingsstrom nach Juda . . . ausgelöst"16. Sollte
i' A.a.O. S.56. 12 A.a.O. S.55. Für Ρ kann v.Rad damit Bertholet zustimmen. 13 R. Martin-Achard, T H A T 1,410; P.-E. Dion, Israel et l'Etranger S. 223; M. Görg, Der .Fremde' S. 10. Vgl. B. Lang, ThWAT V, 457, der für die Unterscheidung des ger vom nakri wieder das Kriterium der „subjektiven religiösen Einstellung" (v. Rad) geltend macht, daß sich von den Fremden die einen „der JHWH-Religion öffnen", die anderen nicht. 14 D. Kellermann, ThWAT 1,983 f. für die „Frühzeit Israels", d. h. offenbar bis 587 (?). Aus einer Beerbung der Kanaanäer durch Israel erklärt auch L. M. Muntingh, Die begrip ,Ger' S. 549 ff., den Typus des ger. Die gerim sind hinterbliebene Kanaanäer, die ihrerseits jedoch keine „nasionale eenheid" waren, sondern, gemäß den biblischen Aufzählungen von Vorbewohnern im Lande (Dtn 7,1 u. ö.), ethnisch „betreklik heterogeen". „Die bevoorregte posisie van die ger" im Vergleich mit dem „bywoner en uitlander" (a»in bzw. -id:) hat nach Muntingh darin bestanden, „dat ,die vreemdeling wat in jou poorte is' 'η besondere geleentheid gehad het as permanente bewoner van die land Kanaan om tot die geledere van die uitverkore bondsvolk toe to tree deur heel godsdiens, en wat daarmee saamgegaan het, aan te neem en as sodanig as brug tussen Gods volk en die heidenwereld op to tree" (S. 557). 15 F. Crüsemann, Fremdenliebe S. 14; vgl. J.J. Stamm, Fremde, Flüchtlinge und ihr Schutz S. 53; P.Welten, Zur Frage nach dem Fremden S. 135. - Auch nach L. Köhlers vielzitierter Definition bleibt die Frage offen: der na verläßt „Dorf u[nd] Stamm, zu denen er gehört (his original place or(!) tribe)" und sucht „anderwärts" Zuflucht, aber, da er dort „in seinem Recht auf Grundbesitz, Ehe u[nd] Teilnahme an Rechtssprechung, Kult u[nd] Krieg verkürzt ist", wohl jenseits der Grenzen des Volks seiner Herkunft (KBL s.v.). 16 F.Crüsemann, Bundesbuch S.34, vgl. Fremdenliebe S. 16. - M.Cohen, Le „ger" biblique, versucht jetzt aufgrund seiner These, „que l'univocite de ger est un trait commun au Deuteronome et aux Chroniques" (S. 148), die Deutung des ger auf Israeliten im bzw. aus dem Nordreich („un ressortissant de l'Israel septentrional soumis ä la domination judeenne", S. 156) zu untermauern, indem er die Bedeutung der Bezeichnung aus einem Vergleich
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Einleitung
man danach erwarten, daß der ger kein Typus nicht-israelitischer Herkunft ist, betont Crüsemann gerade für die Gebote des dtn Gesetzes, daß es sich „bei den o - u des Deuteronomiums nicht um religiös gleichgeschaltete Menschen (handelt)", sondern daß es „um Fremde (geht), die nicht einfach religiös an Israel angepaßt waren"17. Die „Fremdengesetzgebung" des Deuteronomiums kann so, ihrer Verortung im Spannungsfeld von Universalismus und Partikularismus bei Bertholet nicht unähnlich, als „Gegengewicht" neben die deuteronomistischen Banngebote gegen fremde Völker im Land gestellt werden18. Die Frage, ob und in welchen Textbereichen die Bezeichnung ger einen Fremden nicht-israelitischer Herkunft meint, ist offenkundig wenig umstritten, aber auch wenig geklärt19. Da sich für das dtn Gesetz eine solche Fremdheit nicht positiv belegen läßt, legt sich für die Untersuchung des Problems in Anknüpfung an einen Hinweis von M. Smith, es handle sich bei dem ger um den Typus eines „migratory labourer"20, ein Ansatz bei der Untersuchung der sozialen Lage des ger nahe. Die bestehenden Unklarheiten in der Beschreibung des Typus des ger sind nicht zuletzt durch die unterschiedlichen Einschätzungen des verfügbaren Quellenbestandes bedingt. Obwohl die literarhistorische Erforschung des Alten Testaments die beiden für das Thema der vorliegenden Untersuchung einschlägigen Textbereiche, das deuteronomische Gesetz und das sog. priesterschriftliche Recht, unter breiter Anerkennung etwa in einen Zeitraum vom 7. bis 5.Jahrhundert datiert, schien die Gegenbe-
der Notizen über die Arbeitskräfte beim Tempelbau im DtrGW bzw. ChrGW erhebt (S. 139ff.): Die n"U in 2Chr 2,16 bzw. IChr 22,2 seien Nordisraeliten, wie schon in l K ö n 5,27 !>x-ib- ΪΌ nur Nordisrael, in 1 Kön 9,21 f. -ja dagegen nur die Judäer meine (S. 144), und so ergebe sich ein durchgängig einheitlicher, auch die D-na als eine Gruppe in Juda angesiedelter Nordisraeliten (2 Chr 30,25) einschließender Sprachgebrauch (S. 147 f.). Die Theorie eines „flottement semantique" der Bezeichnung „Israel" in 1 Kön 5 bzw. 9 (S. 143) und die Identifizierung der nach 1 Kön 5 bzw. l K ö n 9 bzw. 2Chr 2 Versklavten können jedoch nicht überzeugen. Auch die Erklärung von 2 Chr 30,25 bleibt fraglich (S. 146 f. und Anm. 33), wie überhaupt der Zusammenhang des angenommenen chronistischen Sprachgebrauchs mit dem des dtn Gesetzes. 17 Fremdenliebe S.20 bzw. S.21. Ob die Definition „Fremde (gerim), d.h. nicht grundbesitzende Leute, die aber auf Dauer ansässig waren" (Bewahrung der Freiheit S. 30) solche Fremdheit implizieren soll, ist nicht ersichtlich. 18 A.a.O. S. 19f. 19 Vgl. auch M.Noth, Leviticus S. 113 zu Lev 17,8 f. 20 Palestinian Parties S.38. - Smith verbindet diese soziale Klassifizierung jedoch mit einer Beschreibung des ger als „ ,resident alien'" (S. 136) und verwickelt sich in den Widerspruch, daß die Gesetze des Dtn, das „did not subject them (seil, die d-u) to the laws it made for Israelites" (S. 136 mit Anm. 159), ausgerechnet den Interessen der „nomadic-ascetic circles in the Yahweh-alone party" entsprochen haben sollen (S.38). Die gerim seien im 7.Jahrhundert zum Teil „refugees fleeing the Assyrians", zum Teil „semi-nomadic groups who came as migratory agricultural workers" (S. 136).
Einleitung
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wegung der gattungsgeschichtlichen Forschung eine Quellengrundlage dafür bereitzustellen, den Raum der Geschichte Israels in seine ganze Tiefe hinein auszuleuchten. Was für die politische Ereignisgeschichte Israels bis in die beginnende Königszeit des 1 O.Jahrhunderts hinauf aufgrund der atl. Überlieferung in gewissen Umrissen möglich ist und durch außeratl. Quellen korrigiert oder bestätigt werden kann, sollte auch für die sozialgeschichtlichen Verhältnisse in Israel gelten. Unter diesen Voraussetzungen konnte der als apodiktisches und mithin echt israelitisches Einzelgebot (eines Gebotsreihenfragments) 21 rekonstruierte Prohibitiv njui xb υ (Ex 2 2 , 2 0 a ! ) bzw. fni>n κί> υ (Ex 2 3 , 9 a ) in dem in die Zeit „zwischen Landnahme und Staatenbildung" datierten Bundesbuch Ex 21-23 2 2 als direkter Quellentext für israelitisches Ethos im Verhalten gegenüber Fremden dienen23. In der vorstaatlichen Zeit ist der ger dann „derjenige, der außerhalb seiner Sippe und seines Stammes lebt und sich dem Schutz eines einzelnen oder einer Gemeinschaft anvertraut" 24 , oder bei weiterer Verknüpfung des Bildes vom Stämmevolk mit dem Bild der Landnahme sind es „Ausländer, Kanaanäer oder stammfremde Israeliten" 25 . Die Plausibilität dieser Darstellungen ist in gewisser Hinsicht völlig unbestreitbar, weil zwischen jeder irgendwie sozial verfaßten geschichtlichen Größe und ihr gegenüber Fremden eine Relation besteht. So schreibt R Koselleck im Horizont der Frage nach den „Bedingungen möglicher Geschichten": „Es gibt keine soziale oder politische Handlungseinheit, die sich nicht durch Ausgrenzung anderer Handlungseinheiten konstituiert. Wenn alle Menschen Mitmenschen sind, was unbestreitbar bleibt, so sind sie es geschichtlich gesehen auf je verschiedene Weise." Denn „der Gegensatz von Innen und Außen . . . (konstituiert) die geschichtliche Räumlichkeit", und „(z)u jeder Innen- und Außenrelation gehören mit ihrer räumlichen Tiefenstaffelung zugleich Grenzbestimmungen, kraft derer über das jeweilige Innen und Außen befunden wird. Diachron wechseln natürlich die Räume, deren Dichte und deren Größe sowie ihre Grenzverläufe. Und ebenso ändern sich die Konflikte, die durch jeweilige Grenzziehungen hervorgerufen und wieder geregelt oder
21 Vgl. A.Alt, Ursprünge S . 3 1 5 f . 2 2 H.J.Boecker, Recht und Gesetz S.122; vgl. M.Noth, Exodus S.141 u.a. 2 3 Wie zuvor bei Bertholet a . a . O . S.31 ff. 2 4 Noth a . a . O . S. 150. 2 5 W.Thiel, Die soziale Entwicklung S. 154. - Mit anderem historischen Interesse versucht F. A. Spina im Zusammenhang der Frage nach „the people who made up Israel" (S. 332) ein Traditionselement von „Israelites as ,gerim'" zu identifizieren und im Rahmen einer mehr Sozialrevolutionären Theorie der Entstehung Israels im palästinischen Raum zu deuten.
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Einleitung
die durch Grenzverschiebungen gelöst werden."26 Es ist jedoch das Interesse der Historiographie, „konkrete Geschichten" 27 zu beschreiben, und in dieser Hinsicht ist es zweifelhaft, ob die Innen- und Außenrelation der in sich wiederum fraglichen Größe eines vorstaatlichen „Israel" aufgrund der genannten Gebote bestimmt werden kann. Denn die Grundlage für die These, die Gebote bezüglich des Typus des ger seien ein Teil jener „lebensfähige(n) Eigenart", die , Israel' nach A. Alt als „junges, gerade erst erwachsendes Volkstum" schon in die Situation seiner Konfrontation mit , Kanaan' „mitbrachte" 28 , ist brüchig. Das Ethos des dtn Gesetzes muß nicht aus einer solchen Traditionslinie verstanden werden. Die vorliegende Untersuchung verzichtet darum aus quellenkritischen Gründen auf den Versuch, an einem absoluten Anfangspunkt der Geschichte Israels einzusetzen. Sie versucht damit zugleich dem nicht unbegründeten Vorwurf G. Garbinis zu entgehen, daß „i teologi improwisatisi storici" das biblische Geschichtsbild selbst nur wiederholten29. Wie sich im Gang der Untersuchung erweisen wird, ist der älteste Quellenbestand, der für die Darstellung des Typus des ger in Israel zur Verfügung steht, das dtn Gesetz. Von ihm aus lassen sich historische Aussagen nur über die Stellung des ger in der antiken judäischen Gesellschaft des ausgehenden 7.Jahrhunderts machen. Das Bild, das insoweit vom antiken Juda entsteht, mag man, da die „Oben-Unten-Relationen" eine genauso fundamentale Kategorie für jede Geschichte sind wie die Innen-AußenRelation30, auf die frühere Königszeit übertragen, muß sich dabei aber der Tatsache bewußt bleiben, daß man es ohne Anhalt in den Quellen tut und insofern Gefahr läuft, die Realität tatsächlicher geschichtlicher Lagen zu verfehlen. Der „Fremde im antiken Juda" ist eine Gestalt in der judäischen Gesellschaft31. Eine Interpretation der auf den ger bezogenen Texte des Alten Testaments liegt darum auf dem Feld der Gesellschaftsgeschichte und hat in bezug auf die Geschichte Israels teil an einer Entwicklung, die G. Alföldy 1974 für die klassischen Altertumswissenschaften so resümierte: „Die zweifellos wichtigste Veränderung innerhalb der Ge26
R. Koselleck, Historik und Hermeneutik S. 15 f. 27 Vgl. ebd. S. 20. 28 Alt a.a.O. S.331. 29 G. Garbini, La ,Storia di Israele' S. 243 ff., Zitat S. 245. 30 Koselleck a.a.O. S.20. 31 Wenn im folgenden häufig von den judäischen Ortschaften die Rede ist, möge man ihre Charakterisierung durch R.deVaux, Lebensordnungen I, S. 113, vor Augen haben: „Die biblischen Städte waren nicht groß. Man ist vielmehr bei den Ausgrabungen überrascht, wie klein sie waren: fast alle ließen sich bequem auf der Place de la Concorde unterbringen, und manche würden nicht einmal den Hof des Louvre ausfüllen."
Einleitung
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schichtswissenschaft, die unsere Generation erlebt, ist die Durchdringung dieser Wissenschaft mit Fragestellungen und Methoden der Soziologie. Auch die Althistorie bleibt von diesem Wandel nicht unberührt, und in den meisten Ländern - in der westlichen Welt am ehesten im englischen Sprachraum - ist heute die Erkenntnis allgemein verbreitet, die R. Mac Mullen vor kurzem exemplarisch, aber sehr zutreffend formulierte: Wer nicht fragt, wie Caesars Verhältnis zu den einzelnen Schichten der römischen Gesellschaft zu dem Zeitpunkt war, als er sein Pferd zum Überschreiten des Rubicon antrieb, der kennt nur Caesar und sein Pferd."32 Im Fall der sozialgeschichtlichen Erforschung des antiken Israel und Juda33 ist besonders darauf hinzuweisen, daß es sich um einen im Methodenkanon der Geschichtswissenschaften überhaupt verankerten Forschungsansatz34 nur dann handeln kann, wenn deutlich wird, daß es zunächst um die Erforschung einer antiken Gesellschaft geht35. Die Tatsache, daß die einschlägigen Quellen für deren Geschichte zugleich als biblisch-kanonische Schriften gelten, führt leicht dazu, „sozialgeschicht-
32 G.Alföldy, Die römische Gesellschaft S. 42. - Vgl. für die römische Geschichte etwa auch die Beiträge in dem Kongreßband: H.Mommsen/W. Schulze (Hrsg.), Vom Elend der Handarbeit. Probleme historischer Unterschichtenforschung (1981). 33 Von Interesse, bedingt auch für das 7.Jahrhundert, ist auf diesem Feld das Buch von H. G. Kippenberg, Religion und Klassenbildung im antiken Judäa (1978), das es mit dem Ziel der Interpretation der „judäischen Widerstandsbewegungen gegen die seleukidischen und gegen die römischen Herrscher" unternimmt, „die literarischen Traditionen des antiken Judentums in den Kontext der Entstehung der antiken Klassengesellschaft in Judäa zu rücken" (S.9 bzw. 12). Kippenberg fragt besonders nach „wirtschaftliche(n) Entwicklungen, die den Zusammenhalt der nach Verwandtschaftsgruppen organisierten judäischen Gesellschaft bedrohten" (S. 44) und findet den Ausgangspunkt für seine Darstellung der Sozialgeschichte der persischen Provinz Juda darin, daß gemäß der Liste Esr 2/Neh 7 „die in das judäische Gebiet zurückgekehrten Israeliten . . . nach Deszendenzgruppen untergliedert (waren)" (S. 23 ff-, Zitat S.40). Kippenberg deutet - Ed. Meyer folgend - an, daß sich aus den Angaben dieser Liste auch die „vorexilische Ordnung" erschließen lasse, macht zugleich aber deutlich, welchen Spielraum für soziale Differenzierung das Verwandtschaftssystem als solches offengelassen habe (S. 33 ff.). Bei der aufgrund des dtn Gesetzes gestellten Frage nach dem Typus des ger im antiken Juda handelt es sich um ein Detailproblem dieser sozialen Differenzierung, nicht um die Diskussion eines historischen Prozesses der „Klassenbildung" nach dem Kriterium der Verfügung über die Produktionsmittel (bes. Grund und Boden). 34 Vgl. dazu z.B. die Beiträge von Th.Nipperdey, Th.Schieder, H.-U.Wehler in dem Band: Th.Schieder/K. Gräubig (Hrsg.), Theorieprobleme der Geschichtswissenschaft (1977). 35 Vgl. auch die Darlegungen von F. Crüsemann zu „Grundfragen sozialgeschichtlicher Exegese" in seiner Frontstellung dagegen, „(d)ie Wahrheit der Bibel, ihre Texte und Aussagen ... auf zeitlose religiöse oder im engeren Sinne theologische Sätze zu reduzieren" (S.280). Zur Orientierung auch P.Welten, Ansätze sozialgeschichtlicher Betrachtungsweise S. 207 ff.
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Einleitung
liehe Bibelauslegungen" von vornherein für die Beantwortung aktueller gesellschaftlicher Probleme und die Beeinflussung aktueller gesellschaftlicher Wandlungsprozesse mit einem religiös umkleideten Autoritätsanspruch zu funktionalisieren. Der Erkenntnisgewinn solcher Vorhaben ist in den meisten Fällen gering, ihre Überzeugungskraft in den wenigsten Fällen stark36. Die vorliegende Untersuchung wäre jedoch mißverstanden, wenn der Eindruck entstünde, sie wolle dem Versuch entgegentreten, die alttestamentliche Uberlieferung im Hinblick auf ihre religiöse und kulturelle Relevanz in der Gegenwart für die Unterstützung eines ethischen Impulses, der zugleich in einem Einklang mit dem neuzeitlichen Gedanken der Humanität steht, fruchtbar zu machen. Sie bleibt, indem sie überwiegend Quellenuntersuchungen bietet, im Vorfeld der Aufgabe eines Entwurfs exegetischer Begründungsverhältnisse für die aktuelle ethische Forderung oder kerygmatische Anrede. In bezug auf das Problem des Fremden in der modernen Gesellschaft muß von einem rechten Verstehen der alttestamentlichen Uberlieferung (vgl. bes. Dtn 10,18 f.; Lev 19, 33 f.) unbedingt ein Impuls für das moralische Leben der Glieder der christlichen Kirchen ausgehen, die sich von einer Sicht des Nächsten leiten lassen, wie sie der Glaube ermöglicht37.
36 Vgl. zum Thema des Fremden W. Schottroff, Flüchtlinge, S.89ff., bes. S. 102 f.: In Israel wurden „gewohnheitsrechtlich . . . wohl noch andere Kategorien von Flüchtlingen (seil, als die aus Dtn 23,16 f. und 19,1 ff. erschließbaren) am Asylort geduldet" und führten dann „in der Asylstadt das normale bürgerliche Leben von Fremden, die als Schutzbürger (ger) aufgenommen sind". 37 Vgl. dazu J. M. Gustafson, The Significance of Luther for Contemporary Theology S. 86; auch ders., Can Ethics be Christian?
1. Die Bezeichnung ger 1.1 D i e Bezeichnung ger im alttestamentlichen Hebräisch Die Bezeichnung der Gestalt, deren Stellung in Juda untersucht werden soll, um darstellen zu können, inwiefern es sich bei ihr um einen Fremden in der Gesellschaft, in der sie lebt, handelt, ist ger. Das Nomen υ geht zurück auf die verbale Wurzel πι 1 , wenn nicht, nach einem Vorschlag von M.Görg 2 , umgekehrt das Verb "m als ein denominatives Verb, abgeleitet von einem Primärnomen na, zu beschreiben ist3. Das Verb π : I, von dem zwei weitere homonyme Wurzeln zu unterscheiden sind4, bedeutet den Aufenthalt und die Ansässigkeit an einem Ort, dem man nicht ursprünglich zugehört. Der ger ist von daher „fremd" in der jeweiligen Relation zu seinem Aufenthaltsort. Diese Fremdheit kann eine Fremdheit über nationale Grenzen hinweg sein. Die volksetymologische Erklärung des Namens des Mosesohnes Gerschom5 in Ex 2, 22 par. 18, 3 führt etwa den Namen auf einen Ausspruch des Mose zurück: m s a f-mi -η—π υ . Danach kann sich mit der Bezeichnung υ der Aspekt solcher Fremdheit verbinden. Den sprachlichen Befund in der Moseerzählung Ex 2,11 ff. darf man jedoch nicht ohne weiteres generalisieren, da es in ihr in besonderer Weise auf den „nationalen" Aspekt ankommt. Mose verteidigt einen rnxn " n y trx vor einem "isn VK (v. 11) und muß dann dem Machtbereich des Pharao entkommen (v. 15).
1 So Gesenius-Buhl s.v., Gesenius 18.Aufl. s.v., KBL s.v.; D.Kellermann, ThWAT 1,980. - H. Bauer/P. Leander, Grammatik S. 464 rechnen das Wort als Ableitung von einem Stamm i„y mit e als Kontraktionsprodukt zu den dreiradikaligen Nomina mit einem zweisilbigen kurzvokaligen Stamm des Typs qatil ( u < *gawir). J.Barth, Nominalbildung S. 17, führt das Nomen u auf einen „ursprünglichen) Stamm med. j" zurück. 2 M.Görg, Der ,Fremde' S. 10. Im HAL s.v. i n bezieht sich die Bemerkung „denom(inativ) v(on) -n" nur auf den einen Bedeutungszweig im Jüdisch- Aramäischen. 3 Eine weitere Bildung von der Wurzel n a aus ist der Abstraktbegriff D—naa mit Belegen in der priesterschriftlichen Erzählung des Verweilens der Patriarchen im Verheißungsland und in wenigen anderen späten Texten, vgl. Gesenius- Kautzsch, Grammatik §124 d, Kellermann a. a. O. Sp. 983. 4 So Gesenius-Buhl, Gesenius 18. Aufl., KBL, HAL; R. Martin-Achard, THAT 1,409. Kellermann a.a.O. Sp.980 tendiert offenbar dahin, nur „Spezialisierungen der gleichen Wurzel" anzunehmen, na II ist Nebenform zu ma, TU III ist Nebenform zu i r . Für na II erwägt Gesenius 18. Aufl. einen Zusammenhang mit π ι I in der Bedeutung des „Gegensinns". F.A.Spina, Israelites as gerim S.327, will die Unterscheidung der homonymen Wurzeln in eine allgemeine Grundbedeutung von „disharmony on both personal and social level" aufheben. 5 Zur Frage der Etymologie des Namens vgl. W. H. Schmidt, Exodus S. 94.
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In Midian ist Mose insofern ein „national" Fremder, als er als - n n ν*κ betrachtet wird (v. 19), während er f ü r den Erzähler natürlich als "nay ν κ gilt. Im Kontext dieser vom Gang der Erzählung geforderten Unterscheidung von ethnischen Zugehörigkeiten trägt in v. 2 2 b der Ausdruck m a : p x den „nationalen" Aspekt. D a ß das u - S e i n nicht mit dem Ansässig-Sein als national Fremder gleichbedeutend ist, geht umgekehrt auch daraus hervor, daß f ü r diese Weise des Aufenthalts auch das Wort au- gebraucht wird (v. 15bß: p i a p x a atri) 6 . Dasselbe Bild ergibt sich aus dem Gebrauch der Verben t u bzw. : t · in den Patriarchenerzählungen. D e r Aspekt nationaler Fremdheit verbindet sich mit dem Ansässig-Sein, wo er durch weitere Näherbestimmungen deutlich wird: Wenn Abraham Gen 12,10 nach Ägypten hinabzieht, um dort seinen Aufenthalt während einer Hungersnot im Land seiner H e r k u n f t zu finden (ob nji>), ist er dort als Nicht-Ägypter ein Fremder in einem fremden Volk. Noch deudicher wird dieses Verhältnis für Jakob nach D t n 26, 5, der durch ein Gentilicium als Angehöriger eines fremden Volkes gekennzeichnet ist, wenn er als iax - m x nach Ägypten hinabzieht und dort ansässig wird (dp " i n vgl. Gen 15,13 a: rt-n- υ oni> x!> p x a "])πτ). Das Wort π 3 f ü r sich bezeichnet nur den Aufenthalt ohne die volksbezogene Unterschiedenheit zu implizieren und auch ohne auf einen bestimmten Zeitaspekt festgelegt zu sein: der Aufenthalt Abrahams ist eine kurze Episode, der Jakobs bzw. des werdenden Volkes Israel eine generationenübergreifende Lage (Gen 15,16a: vier Generationen, Gen 15,13b: 400 Jahre, Ex 12,40: 430 Jahre). Es ist hierin wieder austauschbar mit dem Wort a t r , das etwa Isaaks Aufenthalt auf dem Gebiet des Philisterkönigs in Gerar bezeichnet (Gen 26,1 b. 6, die Offenbarungsrede gebraucht in v. 3 a dafür -m) 7 . D e n Aufenthalt gerade da, w o m a n a n g e k o m m e n ist, bezeichnet das W o r t τ π in der A u f f o r d e r u n g - n u n -i»«3 - t u 2 K ö n 8 , 1 . W e n n in dieser Prophetenerzählung die v o n Elischa v o r einer H u n g e r s n o t gewarnte Frau dann im Land der Philister w o h n t (π-τι®ϊ>3 pnxa u m ) , hängt das damit z u s a m m e n , d a ß die E r z ä h l u n g der daraus resultierenden bodenrechtlichen Verwicklungen und ihrer L ö s u n g w e g e n überliefert ist 8 . D i e E r z ä h lung gebietet es auch, d a ß es sich nur u m einen vorübergehenden A u f enthalt handelt. Entsprechendes gilt für das Buch Rut (nxin -r»a τπί» 1 , 1 ) . U m g e k e h r t gibt es keine direkten Quellen dafür, d a ß Leute aus den N a c h b a r v ö l k e r n Israels und Judas w ä h r e n d einer H u n g e r s n o t in ihrem Land in diesen M o n a r c h i e n Zuflucht g e f u n d e n hätten. Verlangt der Aufbruch aus festen Besitzverhältnissen einen besonderen Grund, den hier jeweils die (vorausgesagte) H u n g e r s n o t gibt, s o zieht in
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Zur Zugehörigkeit des Satzes zur Erzählung vgl. Schmidt a.a.O. S.78 Textanm. 15a; S. 83. 7 Ebenso Jakob bei Laban: Gen 29,14 (w-), Gen 32,5 (na); Lot in Sodom: Gen 19,9 (tu), 19,29 ( m · ) u.a. Ein Bedeutungsunterschied zwischen pw/ni/a®- läßt sich auch in Ri 5,17 nicht feststellen. Vgl. jetzt auch M. Cohen, Le „ger" biblique S. 138. 8 Vgl. E. Wurth wein, Könige S.317f.
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Ri 17 der Levit aus Bethlehem in Juda ohne weiteres los xxn- Ί»κη τπί> (v. 8 f.)9, weil er auch an seinem Herkunftsort ohne Grundbesitz ist (n® u Kim v.7)'°. Für seinen Aufenthalt auf dem Gebirge Efraim wird dann wiederum die Wurzel ntr gebraucht (v. 10 f.). In der Einheit eines gesamten Territoriums impliziert der mit dem Wort n j bezeichnete Aufenthalt eine Fremdheit nur direkt gegenüber dem Ort des Aufenthalts selber. Daß es im antiken Israel bzw. Juda außer den Leviten zahlreiche andere Vertreter des Typus des Landbesitzlosen gegeben haben wird, der zwischen den Ortschaften umherzieht, um zu bleiben, wo er es trifft (Ksn· i®Ka), ist schon aufgrund der Teilung des Grundbesitzes im Erbgang zu vermuten, bei dem nach Dtn 21,15-17 der Erstgeborene zwei Drittel des zu Vererbenden erhält". Es ist danach nur eine Möglichkeit, daß ein mit gär bezeichneter Aufenthalt bzw. der Status als ger durch die Emigration aus dem territorialen Bereich des eigenen Volkes verursacht ist. Insoweit mag die Definition: „It was social and political upheaval due to war, famine, economic and social troubles, oppression, plague and other misfortunes that produced gerim" zutreffen 12 . Wenn die Suche nach einem besseren Wohnsitz (κχη- i&m) in den Bereich eines fremden Volkes führt, ist dies jedoch im Kontext oder in weiteren Näherbestimmungen ausgedrückt und liegt nicht in der Bezeichnung ger selber. An vereinzelten Belegstellen verbindet sich mit der Wurzel τ η der Aspekt nationaler Fremdheit auch im Horizont Judas und seiner Nachbarvölker. In den Völkerorakeln gegen Moab begegnet in Jes 16,4a als Zitat der Rede einer Gesandtschaft aus dem als kriegsverwüstet gekennzeichneten Moab die Bitte um Gewährung von Aufenthalt und Schutz in Jerusalem/Juda: Iii» "isn ιηί> ιγβ—ίπ / ακιη -ma ηη main einer historischen oder als typisch zu denkenden Situation wollen die Hüchtigen Moabs im benachbarten Staat Juda Zuflucht finden, wo sie in der Tat, wenn sie als Fremde ansässig würden (na), einen Typus von landbesitzlosen Fremden nicht-israelitischer bzw. nicht-judäischer Herkunft re-
9 In diesem Sinne der Mobilität steht das Wort u in Jer 14,8 b in Parallele zum „Wanderer, der nur zum Ubernachten (sein Zelt) aufspannt" MAJ Π-IXD) - metaphorisch von Jahwe gesagt. 10 Diesen Aspekt von n j , den die atl. Gesetze überwiegend implizieren, bestätigt im Fall des Leviten die religiöse Doktrin (Dtn 18,1). Vgl. zum Leviten in Ri 17 ff. auch Μ. I. Finley, Odysseus S. 34 f. Der Mann aus Efraim, der in Gibea lebt und dort von den oipnn -BJK unterschieden ist, verfügt dagegen offenbar über eigenen Grundbesitz (Ri 19,16). 11 So mit E. Lipmski, ThWAT V, 350 f. 12 Spina a.a.O. S.324.
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präsentierten. Von diesem Prophetenspruch aus läßt sich jedoch eine entsprechende historische Wirklichkeit in Juda nicht erschließen, da erstens in der Parallele von ηι n i r II mo "in nicht auszuschließen ist, daß es nur um befristeten Schutz und ein „Versteck" vor den Feinden geht, und zweitens aus dem Orakel nicht deutlich wird, ob in dieser - oder einer solchen typischen - Situation von seiten Judas eine positive Antwort erfolgte13. Ein zweites Beispiel für den Gebrauch der Wurzel i n im Blick auf einen Fremden fremder Volkszugehörigkeit und zugleich der einzige Fall, in dem das Nomen υ mit einem Gentilicium verbunden ist, liegt in 2 Sam 1,13 vor, wo sich der Überbringer der Herrschaftsinsignien Sauls an David als -p^ay 13 srx-p vorstellt14. Dieser Beleg steht nicht in einem alten, frühkönigszeitlichen Quellentext 15 , sondern in einem dtr Text frühestens der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts. Denn die im Kontext der Saul-David-Überlieferung ursprüngliche Erzählung des Todes Sauls findet sich in 1 Sam 3116, und daran schließt sich vor 2 Sam 2 allenfalls die Notiz über die Totenklage Davids an, mit der er auf die von einem anonymen überbrachte Todesnachricht reagiert (2 Sam 1,1. 2a. 3f. 11 f.)17. Dagegen überbringt nach v. 5-10 ein die Herrschaftsinsignien18 und wird als der, der den π ι τ rr®a getötet hat, getötet (v. 13-16).
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Nach O.Kaisers Analyse und Deutung des Textes war im primären Stadium v.6 „als höhnisch abweisende Antwort gedacht" (Jesaja II, S. 61). - Anders hat der Text für F.Crtisemanns Deutung des Typus des ger eine fundamentale und direkter Aktualisierung entgegenkommende Funktion: „Neben Hunger ist es der Krieg, der Menschen in die Fremde treibt. Hier ist ... besonders auf Jes 16,4 zu verweisen: ,Laß die Versprengten Moabs bei dir zu Gast sein' ( n i ) - und die Moabiter sind zeitweise von Israel als Todfeinde angesehen worden (Dtn 23,3 [gemeint 23,4-7])." Crüsemann folgert aus Jes 16,4 offenbar, daß es „(b)ei den o—u ... um rechtlich gesicherten Daueraufenthalt in einem fremden Land (geht)" und daß es also „im Zusammenhang der vielen Kriege in der Umgebung Israels ... immer Flüchtlinge und damit Fremde" in Israel bzw. Juda gegeben habe (Fremdenliebe S. 16). Das ist jedoch nach Jes 16,4a nur eine und wenig wahrscheinliche Möglichkeit, und das Verständnis der Belege für die Bezeichnung ger, in denen nicht selber der nationale Aspekt zum Ausdruck kommt, kann von hier aus nicht vorbestimmt werden. 14 Zur Konstruktion vgl. Gesenius-Kautzsch, Grammatik §131 b. 15 Diese Auffassung vertritt etwa R. Martin-Achard, T H A T 1,410. Vgl. auch A. Bertholet, Stellung zu den Fremden S. 29 f. 16 Vgl. J. Wellhausen, Composition S. 252. 17 Vgl. K. Budde, Die Bücher Samuel z. St. V. 2 b kann ein Zusatz im Blick auf die Überbringung der Insignien durch den Amalekiter sein, weil das Bild der Huldigung in einer Spannung zu dem der Trauer steht, vgl. auch F.Foresti, The Rejection of Saul S. 145. Die nach 2 Sam 4,10 vorgestellte Tötung eines Überbringers schlechter Nachricht muß nicht erzählt gewesen sein (anders Foresti a.a.O. S. 144). 18 Für das Diadem des Königs ("m) gibt es nur noch die nicht vor-dtr Belege in den Königspsalmen Ps 89,40; 132,18 sowie einen Beleg in der Erzählung vom Sturz der Königin Atalja (2Kön 11,12par. 2Chr 23,11), den Ch.Levin, Atalja S.46f. einer priesterlichen Bearbeitung der zweiten Hälfte des 4.Jahrhunderts (ebd. S. 52 f.) zuweist, vgl. auch Würthwein a.a.O. S.348.
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Wie F. Foresti gezeigt hat, handelt es sich dabei um eine „Erfüllung" des in 1 Sam 13,13 f.; 15,28; 28,17 f. Angekündigten im Zusammenhang der dtr Konzeption vom Übergang des israelitischen Königtums von Saul auf David, bei der es nach 1 Sam 15 und 1 Sam 28,17 f. gerade darauf ankommt, daß der Verschuldung Sauls beim Kampf gegen die Amalekiter seine Tötung durch einen Amalekiter korrespondiert 19 , trotz des Widerspruchs zur historischen Überlieferung 20 . Daß der ~ijn sich David nicht einfach als Amalekiter (wie v. 8 b) vorstellt, sondern als "j?i>ny υ ®-κ - ρ ist zum einen dadurch bedingt, daß im näheren literarischen Kontext David gerade die Amalekiter so geschlagen hatte, daß außer 400 Kamelberittenen niemand entronnen war (1 Sam 30,17), und zum anderen dadurch, daß sich so sein plötzliches Auftauchen auf dem Gebirge Gilboa (2 Sam 1,6) erklärt 21 . In Hinsicht auf die Bezeichnung υ wird wiederum nur deutlich, daß sie in Verbindung mit weiteren Näherbestimmungen einen nicht-israelitischen Fremden bezeichnen kann, die redaktionskritischen Überlegungen zu 2 Sam 1,5 ff. verbieten es jedoch, Rückschlüsse auf irgendeine historische oder historisch typische Lage zu ziehen. 2 Sam 1,13 läßt sich im übrigen auch so deuten, daß die Versetzung in die soziale Klasse der o - u den ny: verächtlich machen und so die Würdelosigkeit des Todes Sauls unterstreichen soll. Mit dieser Erklärung entfällt 2 Sam 1,13 als vordtn Beleg für das Nomen u . Es kommt dafür außer der Gerschom-Etymologie nur noch das sog. Bundesbuch (Ex 21-23) in Betracht, bei dem aber gleichfalls fraglich ist, ob die Gebotssätze, die den ger nennen, vordtn Traditionsmaterial sind22. Eine Notiz in den geschichtlichen Büchern, aus der hervorgeht, daß ein mit der Wurzel na bezeichneter Aufenthalt keine Flucht- oder Wanderungsbewegungen über weite Distanzen voraussetzt, ist vielleicht 2 Sam 4,3. Dort wird zu der Bemerkung, daß der Ort Beerot zum benjaminitischen Territorium gerechnet wird, nachgetragen, daß die Beerotiter nach Gittajim geflohen und dort bis in die Gegenwart des Erzählers (?) ansässig seien ("m pt.)23. Die Notiz will offensichtlich den Beerotiter Rimmon ]n-J3 -:in von nicht-benjaminitischen, eingebo-
19 Foresti a.a.O. S. 140ff., bes. S. 145. Seine Ablehnung von Quellentheorien läßt Foresti die Differenz zwischen der Textschicht, die von einem v x spricht, und der, die von einem spricht, übersehen (ebd. S. 143 Anm. 167). 20 Die Versuche eines Ausgleichs zwischen den in 1 Sam 3 1 , 3 - 6 . 8 - 1 0 geschilderten Vorgängen und dem in 2Sam 1,5-10 erzählten Ablauf (vgl. z.B. R.Kittel, HSAT 4.Aufl. 1,452) treffen das Problem nicht, weil es gerade darum geht, daß die Insignien in die Hände des Amalekiters geraten müssen, vgl. auch Foresti a.a.O. S. 143. 21 Vielleicht lehnt sich der Redaktor auch an 1 Sam 30,13 an. - Die weiteren Erwägungen Forestis a.a.O. S. 146 sind wohl zu weit hergeholt. 22 S.u. S. 166ff. 23 Als eine - nicht archäologische - Glosse in der Aufstiegsgeschichte Davids kann die Notiz frühestens aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts stammen.
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renen Beerotitern unterscheiden24, die insgesamt die Stadt verlassen hätten und nach Gittajim gezogen seien. Im Unterschied zu den atl. Gesetzen, in denen der Typus des ger eine mehr oder weniger vereinzelte Gestalt ist, wäre hier der besondere Fall gegeben, daß die Bewohnerschaft eines ganzen Ortes an einem anderen Ort zugewandert ist. Was"historisch hinter der Notiz steht, ist dunkel25. Der Ort Beerot ist ca. 6 km nordwestlich von Jerusalem lokalisierbar26, der Ort Gittajim mit erheblich größerer Unsicherheit ca. 30 km westlich davon. Im Modell der Aufteilung des Landes nach Stammesterritorien gehören beide Orte zu Benjamin (Jos 18,25 bzw. Neh 11,33). Die Fremdheit der in Gittajim ansässigen Beerotiter liegt danach allein im lokalen Horizont.
Die angeführten Beobachtungen zeigen, daß in dem Begriff ger selber kein Aspekt von Fremdheit im Sinne ausländischer Herkunft liegt. Bei der Erklärung des Wortes ist von dem Verb gür auszugehen, das ein Ansässig-Sein bedeutet, das vom Ort des tatsächlichen Aufenthalts aus als das eines „Fremden" erscheint. Für die Deutung der Gestalt des ger im dtn Gesetz ist entscheidend, daß er nirgends als ein Fremder in Israel bezeichnet wird - also nicht eine Fremdheit gegenüber der Monarchie, in deren politischen Grenzen er lebt, zum Ausdruck kommt sondern als Fremder im lokalen Milieu, als fremd im Verhältnis zum einzelnen jeweiligen Ort seines Aufenthalts (yny®a -ι»κ). Von daher ist es unrichtig, das Wort ger für die Belege im dtn Gesetz als „Immigrant" zu übersetzen27.
1.2 Äquivalente zur Wurzel gür in anderen semitischen Sprachen Nicht ohne Bedeutung für die Frage, ob in dem Begriff ger ein Aspekt nationaler Fremdheit mitschwingt, ist eine vorgeschlagene etymologische Beziehung zwischen hebräisch ms und akkadisch garü/gerü. Wenn man sich mit der These behilft, daß „im Altertum ,fremd sein' und ,feind sein' nur zwei verschiedene Erscheinungsformen der gleichen Person sein können", ist diese Beziehung, die den Wechsel von einer Wurzel ultimae infirmae im Akkadischen zu einer Wurzel mediae infirmae im Hebräi-
Vgl. P. K. McCarter, II Samuel S. 127 f. Da die Städtetrias Kefira-Beerot-Kirjat-Jearim (vgl.: Kirjat-Jearim-Kefira-Beerot in Neh 7 , 2 9 par. Esr 2 , 2 5 ) in Jos 9 , 1 7 an Gibeon angehängt ist, stellt man gern Verbindungen zu einer „kanaanäischen" Vorgeschichte Beerots her, vgl. z.B. Kittel a . a . O . S . 4 5 7 b und ebd. Anm.b. 2 6 M. Noth, Josua S. 112, und vgl. die Karte „Palästina Süd" zum B H H . 2 7 P.-E. Dion, Israel et l'Etranger S. 223; Spina a. a. O. S. 323. 24
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sehen voraussetzt, vielleicht möglich 2 8 . Sie würde zum Verständnis der Gestalt des ger als einer von außerhalb der Bevölkerung der israelitischen bzw. der judäischen Monarchie kommenden Person anleiten. Eine nähere Betrachtung der Verwendung des akkadischen Wortes erweist jedoch, daß sich eine solche Annahme kaum aufrechterhalten läßt und daß keine semantische Äquivalenz 2 9 zwischen beiden Worten besteht 30 . Einige Beispiele für den Gebrauch der Bezeichnung gerü im Akkadischen mögen das verdeutlichen 31 . In der Einleitung zu einem Bericht über die Taten Tiglatpilesers I (1112-1074 v. Chr.) heißt es32: „ 1 [Tiglat]pileser, der mächtige König, der König der Gesamtheit, der König des Landes Assyrien, 2 der König der vier Weltteile allzumal, der tapfere Mann, der mit dem Beistande 3 des Assur und des Ninurta, der großen Götter, seiner Herren, 4 einherzog, seine Widersacher zu Boden streckte (u-samqi-tu gi-ri-su) . . . " . Eine gleiche Verwendung des Wortes gerü zur pauschalen Bezeichnung der Feinde des Königs findet sich in der Inschrift Asarhaddons (681-669 v.Chr.) der sog. Sendschirle-Stele 33 : „(Asarhaddon)... der seine Feinde besiegt, seine Gegner zu Grunde richtet (ka-sid a-a-be-e-sü mu-hal-li-qu gar e - e - s ü ) . . . " . Das Partizip gäru steht hier in der Parallele zu ajjäbu, dem hebräisch a-ικ entspricht 34 . Ebenso etwas weiter in dem Text in Parallele zu ajjäbu und nakru 35 : „... der die Ortschaften seiner Feinde (na-ki-re-e-sü) vernichtet, 24 seine Gegner (a-a-be-e-sü) tötet, seine Widersacher (ga-re-e-sü) zerstört, die ihm nicht Botmäßigen (la kan-sü-te-e-sü) unterwirft, 25 der alle Leute insgesamt beherrscht". Das Bild, das diese Belegstellen bieten, bestätigt auch eine lexikalische Liste, die „gerü" mit „nakru" gleichsetzt 36 . Während der etymologische Zusammenhang von akkadisch nakru mit hebräisch "OJ unumstritten ist 37 , obwohl im
28 D.Kellermann, ThWAT 1,980. Vgl. ebenso F.A.Spina, Israelites as gerim S.328. Zu diesem Bild des Altertums auch A. Bertholet, Stellung zu den Fremden S. 9. 29 Der Versuch des Nachweises einer solchen Äquivalenz bei Spina a.a.O. S.328 mit dem Ergebnis, daß „the semantic range of Hebrew GWR and Akkadian gerü/garü are not identical... But the various nuances are similar enough to make the supposition of etymological association reasonable". - Nach Μ. Görg, Der ,Fremde' S. 11 ist bei dem Vorschlag dieser Etymologie eher das Prinzip der „semantische(n) Gegenläufigkeit" vorausgesetzt, vgl. auch Gesenius 18.Aufl. S.207b s.v. n i i . 30 Vgl. R. Martin-Achard, T H A T 1,409; Görg a. a. O. S. 10 f. Auch in Gesenius 18. Aufl. wird diese Etymologie nicht akzeptiert. - Görg bezeichnet den Versuch, ein akkadisches Etymon zu TU zu benennen, als eine „Verlegenheitslösung" und schlägt den Rückgang auf „ein ägypto-semitisches oder semito-ägyptisches Substrat mit den beiden starken Basiskonsonanten g/q und r" vor (ebd. S. 12 f.). 31 Die Fundorte der Belege nach AHw 1,286b bzw. CAD G 62f. Siehe dort auch zu der speziellen Bedeutung „Prozeßgegner". 32 Das Folgende nach E. Weidner, A f O 18 (1957/58), S.342f., bes. 343,4 vgl. 349,5. 33 Das Folgende nach R. Borger, Asarhaddon S. 96 f., bes. §65,12. 34 Vgl. A H w 1,23 b; HAL I,37b. » Borger a.a.O. $65,23-25. 36 So nach A H w 286 b bzw. CAD G 62 b. 37 A H w s.v., R.Martin-Achard T H A T 11,66; B.Lang, ThWAT V , 4 5 5 f .
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Hebräischen der Aspekt des Militärischen und Feindlichen im politischen Horizont zurücktritt 38 , ist in keinem einzigen Fall der υ ein Feind, der als eine Seite in kriegerischen Auseinandersetzungen in Betracht käme. Dagegen bezeichnet akkad. gerü Leute, die bekriegten oder unterworfenen fremden Völkern angehören. Eine mit dem hebräischen TU zusammenhängende Wurzel gr, die keine Konnotation des Feindlichen hat, könnte es in zwei ugaritischen Belegen geben 39 , deren Verständnis jedoch unsicher ist. Bei dem Text KTU 1.40 (= CTA 32) handelt es sich um einen Ritualtext offenbar aus einem „staatsoffiziellen" Kultakt 40 , der in das 14.Jahrhundert v. Chr. zu datieren ist. In ihm werden die Bewohner Ugarits (bti ugrt bzw. bt ugrt) angeredet41 und dann mit einer jeweils gleichen Aufforderung (?)42 die Größe gr hmyt ugrt bzw. die Stadt Ugarit bzw. Niqmaddu, der König, bzw. Netheti, die Königin, bzw. zweimal eine Stadt oder Region im Umkreis von Ugarit43. Der Ausdruck gr hmyt ugrt wird als „Fremdling (innerhalb) der Mauern Ugarits" übersetzt und als kollektiver Singular aufgefaßt 44 . In seinem Kontext wird er auf „Größen öffentlichen Rechts"45 oder „privileged foreign inhabitants"46 gedeutet. Im weiteren Fortgang des Ritualtextes werden in anderer Funktion fremde Völker, darunter die Hurriter, die Hethiter und die Zyprioten, genannt47. Ob es sich auch bei der Kollektivgröße gr um Vertreter solcher fremden Völker handelt, oder eher um Zufluchtsuchende aus ugaritischem Territorium 48 , die als besondere Gruppe in der Stadt neben der Stadt selber (bzw. ihrem Herrscher) genannt werden, läßt sich nicht entscheiden. In seiner Zusammenordnung in dem Text hat das Wort nicht den Aspekt des Feindlichen wie akkad. gerü. Der zweite ugaritische Beleg für ein Nomen gr liegt in der Aqht-Dichtung vor, KTU 1.19 III 47 ( = CTA 19, Z.153). Dort werden in III 45-IV 7 von dem mythischen König Danil die drei Städte verflucht, die dem Ort am nächsten liegen, an dem sein Sohn Aqht ermordet gefunden wurde49. Die Flüche sind nach
38 Aber vgl. ζ. B. Thr 5,2 von erobernden Feinden (par. Ü-ΊΤ, das in dieser Verwendung häufiger ist). 39 Vgl. Kellermann a.a.O. Sp.980. to Vgl. M. Weippert, ZDPV 85 (1969), S.47. Seiner Bearbeitung ist auch die klarste Präsentation des Textes beigefügt. 41 Bei Weippert a.a.O. die Sektion III. 42 Die Bedeutung des Ausdrucks wnpy ist rätselhaft, vgl. M. Dietrich/O. Loretz/J. Sanmartin, UF 7 (1975) S. 151; J. C.de Moor, UF 18 (1986) S.260. 43 Vgl. Dietrich/Loretz/Sanmartin a.a.O. S. 152, aber auch UF 10 (1978) S.63. 44 Weippert a.a.O. S.47. « Ebd. 46 de Moor a.a.O. S.260. 47 Bei Weippert a. a. O. die Sektion VI, vgl. ebd. S. 49. Aus der Parallele zu den Partizipien hbtkm und mdllkm („die euch plündern/unterdrücken", vgl. Dietrich/Loretz/Sanmartin ebd., de Moor ebd.) folgt, daß es sich hier um fremde Mächte als Feinde handelt. 48 Vgl. M.C. Astour, Ugarit S.3ff. (mit einer Karte). 49 Vgl. J.C.L. Gibson, Canaanite Myths and Legends S. 26.118 f.; G.del Olmo Lete,
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einem dreigliedrigen Schema aufgebaut, bei dem der Mittelteil je verschieden ist. Im zweiten Fall heißt die Verfluchung: „Deine Wurzel in der Erde treibe nicht/deine Spitze falle durch die Hand deiner Ausreißer", im dritten Fall: „Blindheit lege auf dich Baal", dagegen weniger verständlich im ersten Fall: „Für immer weile im Tempel ('amd gr bt 'i'/)"50. Im zweiten und dritten Fall bedeuten die Verfluchungen der Städte für die ungesühnte Bluttat offenbar ruinöse wirtschaftliche Not, bedingt durch Unfruchtbarkeit des Ackerbodens oder Vergeblichkeit der Arbeit bzw. durch die selbständiges Wirtschaften verhindernde Blindheit (vgl. Dtn 28,28 f.). Entsprechend wird der erste Fluch nicht oder nur mittelbar auf Flucht, sondern vielmehr auf Armut und Not weisen. Der gr am Tempel ist weder in der Parallele zu brh im hinteren Rahmenteil 51 , noch aufgrund einer Asylfunktion des Tempels zu verstehen. Als Metapher für wirtschaftliche Not bezeichnet gr bt '»/vielleicht Leute, die sich am Tempel aufhalten, weil sie von der Versorgung durch eine öffentliche Institution abhängig sind. Bei dieser Interpretation bedeutet das Nomen gr nicht einen Fremden ausländischer Herkunft, sondern jemanden, der sich nicht (mehr) selbständig seinen Lebensunterhalt (durch Ackerbau) verschaffen kann und darum umherzieht und an einem Ort bleibt, wo er Unterstützung erwarten kann 52 . Auch im moabitischen Dialekt des Westsemitischen begegnet in der Inschrift der Mesa-Stele aus d e r Mitte des 9 . J a h r h u n d e r t s v . C h r . ein Beleg f ü r ein W o r t gr. H i e r ist eine V e r b i n d u n g mit der hebräischen Wurzel ms jedoch fraglich. In der Inschrift berichtet Mesa von sich unter anderem, er habe die Stadt Nebo eingenommen und alles in ihr getötet, d. h. als Banngut dem 'Astar-Kamos
Mitos y Legendas de Canaan S. 350f. 360.396 f.; M. Dietrich/O. Loretz, UF 17 (1985) S. 107 ff. 50 Ubersetzung nach Dietrich/Loretz a. a. O. 51 Den Satzteil cnt brh pclmh übersetzen Dietrich/Loretz a. a. O.: „von nun an für immer sei ein Flüchtiger", vgl. Gibson a.a.O.; del Olmo Lete a.a.O. B.Margalit, UF 8 (1976) S. 175.177 schlägt (im Rahmen einer anderen Interpretation) die Übersetzung vor: „the flow of time". Dagegen wiederum F. Renfroe, UF 18 (1986) S. 456 Anm. 8. Im Blick auf die Struktur der Verfluchungen wäre die Beziehung der Wendung allein auf die Zeiterstreckung plausibler, vgl. auch den variierten hinteren Rahmenteil des dritten Fluchs. 52 Weitere ugaritische Belege sind zweifelhaft. Für das Verb grgr KTU 1,23 werden verschiedene Deutungen gegeben (vgl. C.M.Foley, UF 19 [1987] S.63 Anm. 12; B.Cutler/J. Macdonald, UF 14 [1982] S.38. 45). Es geht da um einen Aufenthalt am Rand der Wüste und um Nahrungssuche. Dem Verb grgr in einem Befehl entsprechen hlk Gt „hinund hergehen" und sd „durchstöbern, jagen" in seiner Ausführung. Wenn ein etymologischer Zusammenhang mit hebr. TU besteht, bezeichnet die Wurzel also den Aufenthalt in einem Bereich, in den man zieht, um dem Hunger zu entrinnen. - Der Beleg für gr in der Keret-Dichtung KTU 1.14 III 6 bzw. IV 49 entfällt für den Vergleich, weil es sich um eine Form der dem hebräischen π υ / ι υ II äquivalenten Wurzel handelt (J.de Moor/K. Spronk, UF 14 [1982] S. 166f.; del Olmo Lete a.a.O. S.295). Auf die Instruktionen über Aufstellung und Marsch eines Heeres folgen dort weitere über den Angriff und die Belagerung einer Stadt.
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Die Bezeichnung ger
geweiht: „7000 Männer und gm und Frauen und [gr]t und Sklavinnen" 53 . Wer die hier als grbzw. (nach wahrscheinlicher Ergänzung) grt bezeichneten Leute 54 sind, die je parallel zu den Männern (g[b]m) bzw. Frauen (gbrt) der Ortschaft als ein Teil der Einwohnerschaft genannt sind, der erwähnenswert ist, wenn die Gesamtheit des Ortes bezeichnet werden soll, ist unsicher. Neben der Verbindung des Wortes gr mit hebräisch υ ist deshalb eine Ableitung von hebräisch -n^ Jungtier" vorgeschlagen worden 55 . Obwohl die meisten Übersetzungen sich für die Erklärung von hebr. u her entscheiden 56 , scheint die Annahme plausibler, daß die Gesamtheit der Einwohner eher durch zwei Generationen als durch zwei soziale Schichten bezeichnet wird 57 . Sollte indessen doch ein etymologischer Zusammenhang zwischen moab. gr und hebr. υ bestehen, wird die Aufzählung so zu interpretieren sein, daß diese „Beisassen" einen quantitativ erheblichen Teil der Bevölkerung ausmachen und eine in das Gemeinwesen integrierte, von den „Herren" unterschiedene Unterschicht darstellen. Es dürfte sich kaum um einzelne zugewanderte Schutzbürger fremdländischer Herkunft handeln 58 . D a ß die hebräische W u r z e l gür keine K o n n o t a t i o n d e s A u s l ä n d i s c h e n o d e r des Feindlichen hat, b e l e g e n auch die mit d e m N o m e n ger g e b i l d e ten N a m e n . Im A T ist der N a m e x t j belegt 5 9 , d e r die K u r z f o r m eines aus u + G ö t t e r n a m e n g e b i l d e t e n N a m e n s ist 60 . B e l e g e f ü r d i e s e N a m e n s b i l d u n g gibt es auch auf Siegeln aus d e m Israel d e s 8 . - 6 . J a h r h u n d e r t s . B e k a n n t sind z w e i Siegel mit d e m N a m e n gryhwbl u n d z w e i andere mit
» H.Donner/W.Röllig, KAI Nr. 181 Z.16f., Kommentar Bd.II S.268ff.; J.C.L.Gibson, Textbook S.75 Z.16f.; vgl. TGI Nr.21 (S.51 ff.), TUAT 1,646ff.; KJaros, Inschriften Nr. 15 (S. 41 ff.); E. Lipmski bei W. Beyerlin (Hrsg.), Textbuch S. 253 ff. 54 In ihrer Ausgabe von 1886 lesen R. Smend/A. Socin wmbnn bzw. wbnt, dagegen M. Lidzbarski, Ephemeris I, S. 6 f. Im Umfang der Ergänzungen differieren noch die heutigen Ausgaben. 55 Lidzbarski a.a.O. S. 17; A.H.vanZyl, Moabites S. 191; Kellermann a.a.O. Sp.981; vgl. Gibson a.a.O. S.80f. Lipinski bietet dagegen die Übersetzung „Greise". 56 Galling (TGI), Müller (TUAT): „Beisassen", Donner-Röllig (KAI): „Klienten", Jaros a.a.O.: „Sklaven", vgl. auch N.Lohfink, ThWAT 111,202: „Schutzbürger", R.MartinAchard (THAT 1,409). S.Timm, Dynastie Omri S. 159. Gesenius 18. Aufl. nennt den moabitischen Beleg s.v. υ (S. 227a), aber auch s.v. HJi (S.208b, dort mit Vorbehalt). 57 Vgl. TUAT 1,389 (Kol. III Z.24) und CAD S 184. Die Erwähnung der rhmt, was nach Ri 5,30 als „Konkubinen" erklärt wird (Donner-Röllig a. a. O. S. 176), als letztes Glied der Reihe dürfte die Funktion haben zu betonen, daß man sich auch nicht an unverheirateten Kriegsgefangenen aus dem Banngut vergriffen habe. 58 Da es bei dem in der Mesa-Inschrift genannten Territorium um von zwei Völkern umstrittenes Land geht, legt sich die Frage nahe, wen gr als „Fremder" überhaupt bezeichnen könnte. 59 Der Vater Ehuds Ri 3,15; der Vater Schimis 2 Sam 16,5; 19,17.19; 1 Kön 2, 8 jeweils als Benjaminit bezeichnet; in genealogischen Listen als Sohn bzw. Enkel Benjamins: Gen 46,21; 1 Chr 8,3.5.7. 60 Mit ä als selbständiger Endung: M. Lidzbarski, Ephemeris II, S.7; vgl. M. Noth, Personennamen S. 38. 61 Vgl. J. H. Tigay, Hebrew Inscriptions, Verzeichnis im Appendix A S. 50; J. D. Fowler,
Äquivalente zur Wurzel gür in anderen semitischen Sprachen dem Hypochoristikon dieses Namens gry62. Der Name M. Noth als „Vertrauensname" klassifiziert 63 , und bedeutet in len Form „Klient (des Gottes) Jahwe"64. Für die Wurzel gür aus den Personennamen die Bedeutung des Sich-Aufhaltens, mit der Erwartung von Schutz und Unterstützung (durch die
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wird von seiner volergibt sich verbunden Gottheit).
Vergleichsmaterial zu diesen Namen gibt es in phönizischen und punischen Inschriften aus dem 5.-3.Jahrhundert in der Verbindung mit verschiedenen Götternamen65. Für den akkadischen Bestand gilt wieder die Unterscheidung der Wurzeln von garu/gerü und hebräisch HJI; Namen, die dort gebildet werden, haben die Form: „Ma-nu-gi-ir-dA-sur = ,Wer ist ein Feind von (der Gottheit) Assur'" oder die Form: „As-sur-gar-ru-a-ni-ri = ,Assur töte meine Feinde'"66. Dagegen sind die in akkadischen Texten belegten Namen „Gi-ri-ba-al , Client of Baal'", „Gi-ri-Dadi ,Client of Adad'", „Gi-ri-milki ,Client of Milk'" westsemitischen Ursprungs67. In ihre Gruppe gehört auch der Name „Gir-sa-pu-nu , Client of pas'", der außer in akkadischen Texten auch in einem in Assur gefundenen aramäischen Brief aus der Mitte des 7.Jahrhunderts belegt ist (|DSTJ)68. Aus dem Akkadischen läßt sich der Namensbildung mit gr die mit ubärum, „Ortsfremder, Beisasse, Schutzbürger",69 vergleichen. Auch hier wird das Wort mit einem Götternamen zusammengesetzt, z.B. „U-bar-dNa-bi-um", „U-barShamash", „U-bar-Sin"70. J.J. Stamm71 interpretiert diese Namen als „Ubäru des
Theophoric Personal Names S. 115; für eines der Siegel N.Avigad, Eretz Israel 9 (1969) S. 4. *134 mit der genannten Datierung. " Fowler a.a.O. S. 157; für ein Siegel Y.Aharoni, Tel Aviv 1 (1974) S. 157 mit der Datierung. 63 A.a.O. S. 148f. - Avigad a.a.O. S.4b verweist dazu auf Dtn 10,18 und Ps 146,9. 64 Vgl. ζ. B. Fowler a. a. Ο. S. 115. Die von Jaros a. a. O. S. 69 Nr. 43 gebotene Übersetzung als Satzname „Gast ist Jahwe " klingt ein bißchen nach Philemon und Baucis. 65 Kellermann a.a.O. Sp.981; Fowler a.a.O. S. 115.191.282; Z.S.Harris, Grammar S.92f.; Beispiele in KAI Nr. 36.43.63.65.68.77.80.90.96. Daneben gibt es die Zusammensetzung aus gr und ''hl bzw. hkl „Gast des Zeltes/des Tempels" (Harris ebd. und KAI Nr.49. Vgl. M.Lidzbarski, Ephemeris III, S.99f.). In grmlk ist mlk eher ein theophores Element (vgl. dazu Noth a.a.O. S. 118f.) als daß der Name „Klient des Königs" (so M.J. F.Estafiol, Vocabulario S. 98 f.) bedeutet. Vgl. noch die Zusammensetzung mit dem edomitischen Gott Qos: κοσγηρου (gen.), bei J. R. Bartlett, Edom S. 207 Nr. 54. 66 CAD G 63b, vgl. AHw I,287a.286b; J.J.Stamm, Die akkadische Namengebung S. 238.179. 67 K. L. Tallqvist, Assyrian Personal Names S. 80 b. 81a; ebd. S. XV für die Kennzeichnung. 68 Tallqvist a.a.O. S.81 a bzw. KAI Nr.233, vgl. Bd.II S.282. « AHw III, 1399 b. 70 H . Ranke, Early Babylonian Personal Names S. 170 f. Die Namen stammen hier aus der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends, zahlreiche Belege in der Form „Ubru-Assur", „UbruNabü", „Ubru-Samas" usw. aus dem 8. und 7.Jahrhundert v. Chr. in: Cuneiform Texts from Nimrud II: J. Ν. Postgate, The Governor's Palace Archive (1973); dass. III: St.Dalley/J. N. Postgate, The Tablets from Fort Shalmaneser (1984), siehe dort im Index. 71 A.a.O. S.264.
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Die Bezeichnung ger
Gottes", also „Fremdling (des Gottes)" und bemerkt dazu: „Sinnvoll ist diese Bezeichnung nur, wenn man annimmt, daß ubärum wie hebr. i j den Fremdling bezeichnet, der zugleich Schutzgenosse eines Vollbürgers ... ist. Ubär- d NN heißt dann ,Schutzbefohlener des Gottes'". Es ist jedoch in diesem den Zusammensetzungen mit gr analogen Fall nicht eindeutig zu sagen, in welcher Weise ubäru den Aspekt der Fremdheit enthält. Der Interpretation als „Schutzgenosse" widerspricht J. Lewy und schlägt stattdessen die Deutung von ζ. B. „Ubar-Samas" als „Neighbor of Samas" oder „Friend of Samas" vor72. Das Wort ubäru bezeichnet offenkundig Personen eines besonderen Status in einer Bürgerschaft, nicht jedoch als abhängige Fremde oder sozial Niedrigstehende73. Ist es richtig, daß ein ubäru einen - aufgrund gewisser Funktionen oder Privilegien - differenzierten Rang in der Bürgerschaft einer Stadt einnimmt, schließt das Fremdheit nicht aus74, nur dürfte es sich um einen ansässigen Ortsfremden handeln, der selbständig ist75. Dem entspricht auch die Nennung von ubärum in einer Aufzählung von Gefährten und Genossen neben dem „Stadtbewohner"76.
1.3 D e r Begriff „ M e t ö k e " als D e u t u n g v o n hebräisch ger Im Zusammenhang mit dem Versuch, eine klare Rechtsstellung des ger in der antiken israelitischen und judäischen Gesellschaft bzw. in den einzelnen Ortschaften, in denen er sich aufhält, zu definieren, wird der ger häufig mit dem Metöken in griechischen Städten verglichen 77 . Der
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H U C A 27 (1956), S.59 Anm.250. 3 Vgl. bes. J.J. Finkelstein, JAOS 90 (1970) S.252ff. zu dem Beleg im Codex Esnunna ( l . H . des 2.Jt.) §41: „The ubäru and the müdü, like the naptaru, are equally of higherthan-normal status, by virtue of which titles they enjoy certain exemptions and privileges . . . " (S.253). Die Übersetzungen von R.Haase (Rechtssammlungen 2.Aufl. [1979] S.24) und R. Borger (TUAT 1/1 [1982] S. 37) geben in diesem Sinn „ein Immuner" für ubäru (unter Vorbehalt). Den Beleg in den Amarna-Briefen (20,73) deutet Finkelstein entsprechend als „barons", was die Erklärung als „eine von der einheimischen Bevölkerung verschiedene Einwohnerschicht, nämlich . . . die Metöken" (M.David, OLZ 36 [1933] S.215 Anm.; vgl. Stamm a. a. O.) hinfällig werden läßt. 74 In einem Kommentar zu einer Omendeutung kann ubäru mit nakru erklärt werden, vgl. A H w III, 1399 b und David a. a. O. Von derselben Wurzel werden auch Bezeichnungen für „Karawanserei" oder „Handelskolonie" gebildet (AHw III, 1454: bit ubrim bzw. ubartum). Siehe dazu K. R. Veenhof, Old Assyrian Trade S. 250; Lewy a . a . O . S.59 ff. 75 Für das Sprichwort: u-bar-ru ina äli si-nim-ma re- e-sii, das W.G.Lambert übersetzt: „A resident alien in another city is a slave" (Babylonian Wisdom Literature [1960] S. 259) scheint die Interpretation Finkelsteins: „... a man may be an ubäru in one city, but no more than a ,slave'... in a foreign city" (a.a.O. S.253) plausibel. 76 In der Beschwörungsserie Maqlü IV 79 (G. Meier, Maqlü S. 31 f.) und in der Beschwörungsserie Surpu VIII 58 (E.Reiner, Surpu S.42). 77 Vgl. A. Bertholet, Stellung zu den Fremden S.30 u.ö.; R. Martin-Achard, T H A T 7
Der Begriff „Metöke" als Deutung von hebräisch ger
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B e g r i f f d e s M e t ö k e n ist j e d o c h an die e n t s p r e c h e n d e n g r i e c h i s c h e n Stadtverfassungen u n d d a s n a c h i h n e n g e l t e n d e Bürgerrecht gebunden 7 8 , z u d e m aus d e m antiken Israel u n d J u d a nichts V e r g l e i c h b a r e s b e k a n n t ist 79 . A u c h die s o z i a l e Lage d e s ger, w i e sie in d e n d t n u n d dtr Q u e l l e n t e x t e n greifbar ist, verbietet eine B e s c h r e i b u n g der P o s i t i o n d e s ger in A n a l o g i e z u derjenigen d e s M e t ö k e n in d e n g r i e c h i s c h e n Städten. D i e M e t ö k e n sind ü b e r w i e g e n d H a n d w e r k e r o d e r K a u f l e u t e , die f ü r d a s R e c h t d e r A u s ü b u n g ihres H a n d w e r k s o d e r d e s H a n d e l s ein S c h u t z g e l d b e z a h l e n . Ihr w i r t s c h a f t l i c h e r u n d s o z i a l e r R a n g k a n n b e d e u t e n d sein 8 0 . In H i n s i c h t auf d i e s e F u n k t i o n im ö k o n o m i s c h e n Bereich ist d e m M e t ö k e n allenfalls d e r näkri im d t n G e s e t z vergleichbar 8 1 . Einen starken Einfluß auf die verbreitete Deutung des ger mit dem Begriff des Metöken dürfte M.Webers Darstellung „Das antike Judentum" (1921) in seinen Gesammelten Aufsätzen zur Religionssoziologie gehabt haben. Der Typus des ger wird bei Weber Repräsentant einer spezifischen Schicht in der israelitischen städtischen Gesellschaft. Die Stadt wird nach einem Typus der „Geschlechterpolis" verstanden 82 , in der „die Bedeutung der Sippen-Organisation . . . grundlegend (blieb)" 83 . Für die Stadt und ihr Umland gilt, daß die „antike Klassenschichtung: der stadtsässige Patriziat als Gläubiger, die Bauern draußen als Schuldner, . . . auch in den israelitischen Städten (bestand)" 84 . Auf diesen internen israelitischen Dualismus legt Weber großes Gewicht: „Nicht alle freien Grundbesitzer waren in den antiken Staaten, zumal Stadtstaaten, Aktivbürger oder gar politisch gleichberechtigt, sondern nur die ökonomisch voll wehrfähigen . . . Es gab in den vollentwickelten israelitischen Stadtstaaten sicherlich auch freie israelitische Grundbesitzer, die zu diesen nicht gehörten und daher wie die hellenischen Pe-
1,410; D.Kellermann, ThWAT 1,983f. (in der „Frühzeit Israels", welcher Zeitraum mindestens noch das 7.Jahrhundert einschließen muß, ebd.); 6. Lang, ThWAT V, 458. In die Gegenrichtung verweist H. Hommel, Art. Metoikoi in: Pauly-Wissowa XV (1932) Sp. 1456 auf den ger des AT. Ebenso Der Kleine Pauly III (1964) Sp. 1276 mit Bezug auf G. Stählin, Art. ξένος im ThWNT V (1954) S.9,21 f., der aber ebd. Anm.59 für diese Gleichsetzung den Vorbehalt geltend macht, sie treffe „nur mit gewissen Einschränkungen zu". 78 Vgl. den genannten Artikel von H. Hommel, der geradezu definiert: „Die Metoikie ... ist ein Produkt der Demokratie" (ebd. Sp. 1427). Vgl. Piaton, Nomoi 850 a-d. 79 Entsprechend gibt es auch nichts dem griechischen Begriff απολις Vergleichbares. Vgl. dafür Sophokles, Ödipus auf Kolonos Z. 1357; Philoktet Z. 1018; Piaton, Nomoi 928 e. Die Sentenz in den Proverbien (27,8): „Wie ein Vogel, der sein Nest verläßt/so ist der Mann, der seinen (Wohn-)Platz verläßt." (üb.v. O.Plöger, Sprüche Salomos S.317) hat dagegen nur einen blassen paränetischen Sinn ohne Bezug auf das Phänomen eines städtischen Bürgerrechts. 80 Vgl. Hommel a.a.O. Sp. 1447ff. 8» S.u. S.98ff. 82 A.a.O. S. 17.19. 83 A.a.O. S. 19, vgl. S.23 für „(die) ganz(e) israelitisch(e) Antike". 84 A.a.O. S.26.
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Die Bezeichnung ger
riöken und die römische Plebs außerhalb der Vollbürgerschaft standen." 85 Die landsässigen Israeliten sind also in Stadtverbände und Stämme86 organisiert und sozial zweigeteilt in einen Patriziat und eine Bauernschaft, die „vollfreien Plebejer". In diesem Verfassungsmodell wird dem ger als dem Typus des Metöken ein Platz angewiesen. Der ger oder Metöke ist nicht mit der plebejischen Unterschicht identisch 87 , sondern „(in) der Lage der ,gerim' befanden sich vor allen Dingen große Teile der Handwerker und Kaufleute." 88 Diese gerim sind eine Schicht mit wichtiger Funktion in der städtischen Gesellschaft. Weber vertritt ausdrücklich gegen das Bild, das vor allem das dtn Gesetz vom ger als einer relativ vereinzelten Gestalt bietet, die These, daß „die als gerim politisch nicht zu den israelitischen Stämmen gerechneten Bevölkerungsteile ebenso wie die politisch nicht vollberechtigten Israeliten (Bauern) stets als in Verbänden organisiert gedacht (sind). Die letzteren in Dörfern, die gerim teils in Ortsverbänden, teils ohne solche in Sippen und Stämmen."89 Die „Rechtslage" des ger wird „von dem politischen Verband als solchem geregelt und geschützt" 90 . Auf ein solches „Rechtsverhältnis" deutet Weber den Ausdruck -pnyoa ibx, der im dtn Gesetz auf den υ bezogen ist. Der ger sei also „der zum Rechtssprengel der Stadt als solcher gehörige, zu ihr in einem geregelten Schutzverhältnis stehende Metöke" 91 . Die Theorie vom ger oder Metöken als Vertreter einer in einem rechtlich geordneten Verhältnis zu einer israelitischen Stadt bzw. dem städtischen Patriziat stehenden organisierten Gastsippe findet bei Weber ihre Unterstützung darin, daß sie sich in einer „rituelle(n) Sonderstellung" befunden hätten 92 . Aus Ex 12,48 erschließt Weber, daß „nach älterem Recht" für den ger die Beschneidung „fakultativ" gewesen sei93. Die gerim können darum als „Erscheinung rituell geschiedener Gaststämme" nach indischen Analogien verstanden werden 94 . Webers Beschreibung des ger in diesem Sinne als Typus des Metöken fehlt eine hinreichende Grundlage im atl. Quellenbestand. Für die gesamte israelitische und judäische Königszeit läßt sich weder die postulierte Wirklichkeit der Stadtverfassungen verifizieren noch die Klassifizierung der gerim als in Verbänden organisierte Händler und Handwerker. Die Annahme nicht-israelitischer Herkunft des ger ist ebenso unbeweisbar und unwahrscheinlich wie die auf Ex 12,48 gegründete Behauptung seiner rituellen Geschiedenheit 95 . Die Übertragung des Begriffs
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A.a.O. S. 19 Anm. 1 (gegen Ed.Meyer). 86 Vgl. dazu a.a.O. S.25f. 87 A.a.O. S.32 (gegen Ed.Meyer). 88 A.a.O. S.34, vgl. S.75.87. 89 A.a.O. S.40f. 9 A.a.O. S.39. 9 1 Ebd. 92 A.a.O. S.33, vgl. S.40. 93 A.a.O. S.40. Dieses „ältere Recht" gehört in eine Zeit „lange vor dem Exil" (ebd.). 9 " A.a.O. S.43. 95 Da Weber sich in der Prolog-Anmerkung ausdrücklich auf den Boden der kritischen atl. Wissenschaft nach J. Wellhausen stellt, ist sein argumentativer Gebrauch von Ex 12,48 überraschend, denn von Wellhausen wird Ex 12,43-51 eindeutig zum Priesterkodex Q
Der Begriff „Metöke" als Deutung von hebräisch ger
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„Metöke" auf das antike Israel läßt sich danach nicht rechtfertigen 96 . Der Typus des ger dürfte eher aus seinem Verhältnis zu den „freien Bauern des alten Israel", die „im tiefen Schatten des Schweigens der Quellen (stehen)" 97 , zu erklären sein. Für einen V e r g l e i c h mit hebräisch ger98 k o m m t aus G r i e c h e n l a n d e h e r der T y p u s d e s θης in Betracht 9 9 . D i e thetes w a r e n „ u n g e b u n d e n e b e s i t z lose Arbeiter, die für L o h n tätig w a r e n u n d erbettelten, w a s sie nicht stehlen konnten" 1 0 0 . Sie sind an k e i n e n O r t g e b u n d e n u n d k ö n n e n in der R e g i o n ihrer H e r k u n f t w i e in d e r F r e m d e auftauchen. „Ein thes auf Ithaka k o n n t e auch ein Ithakesier sein, er brauchte n i c h t v o n auswärts z u s t a m m e n . Er w a r aber nicht G l i e d eines oikos; in dieser H i n s i c h t w a r s o g a r der Sklave b e s s e r daran." 1 0 1 „ D a s S c h l i m m e für d e n thes war, d a ß er nirgends d a z u g e h ö r t e , d a ß er k e i n e n A n h a l t hatte." 1 0 2 Direkte Quellen für den sozialen Rang des thes gibt es etwa bei Homer, wohl etwa aus der zweiten Hälfte des 8.Jahrhunderts. „Der thes, nicht der Sklave war das minderwertigste Geschöpf auf Erden, das Achilleus sich vorstellen konnte"103. So sagt er zu Odysseus:
Tröste mich nicht, Odysseus, strahlender, über den Tod weg. Lieber wollt ich als Tagelöhner (thes) den Acker bestellen Bei einem armen Mann, der nicht viel hat an Besitztum, Als über alle die Toten, die hingeschwundenen, herrschen. 104
gerechnet (Composition des Hexateuchs S. 72, Weber nennt das Buch ebd. S. 2). Dieselbe Zuordnung des Textes findet sich auch bei H. Holzinger, Exodus S. 33, im von Weber ebd. S. 5 genannten Kurzen Hand-Commentar. Holzinger erklärt v. 48 als „eine im Interesse des Proselytenmachens angebrachte Erweichung von v.43-45" (S.40). In anderen Fällen ist auch Webers Berufung auf „die Tradition" (ζ. B. a.a.O. S.40) wenig plausibel. 96 Vgl. auch W.Thiel, Sozialgeschichte S. 16 mit Anm.23; H.G.Kippenberg, Klassenbildung S. 11. ">7 Weber a.a.O. S.27f. 98 Für einen Vergleich mit dem Typus des akkad. muskenum bleibt die von W. v. Soden, Einführung in die Altorientalistik S. 73 Anm. 18 angemahnte neue Untersuchung abzuwarten. 99 Neben der allgemeinen Verwendung dieses Typenbegriffs steht ein besonderer terminologischer Gebrauch für die athenischen Rechtsverhältnisse nach Solon, vgl. Liddell-Scott s.v. Dazu E.Will bei H.G.Kippenberg, Entstehung S. 120.128 f.; J.Hahn ebd. S. 81 f. 86 mit Anm. 66. 100 M.I.Finley, Odysseus S.56. Danach das folgende. Vgl. auch den Kommentar des Autors zu diesem Abschnitt über die „unteren Schichten und deren gesellschaftlichen Status" ebd. S. 162. >0» A.a.O. S.58, vgl. S.72f. 102 A.a.O. S.57. !°3 Ebd. 104 Od. 11,488-491, üb.v. R.Hampe. Der Text gebraucht das Verb θητεύειν. Zitiert bei Finley a. a. O.
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Die Bezeichnung ger
In der Anrede des Freiers Eurymachos an Odysseus, den unerkannten Bettler, liegt Spott, wenn es heißt 105 : Fremder (xenos), hättest du Lust, wenn ich zum Knechte (thes) dich nähme, Draußen auf ferner Flur - genügender Lohn soll dir werden Dornengestrüpp zu sammeln und große Bäume zu pflanzen? Essen das ganze Jahr durch würde ich dort dir gewähren, Würde dir Kleider geben und für die Füße Sandalen. Aber da du nichts Rechtes gelernt hast, wirst du zur Arbeit Wohl nicht gehen, sondern von Haus zu Hause dich drücken, Um durch Betteln den Bauch, den nimmersatten, zu nähren. 106 Daß ein thes seines Lohnes nicht sicher sein konnte, liegt in einer Rede des Poseidon an Apollon107: Narr, ein wie dummes Herz hast du; und nicht einmal daran Denkst du, wie vieles Schlimme wir beide erlitten um Troja, Wir von den Göttern allein, als von Zeus gesendet wir kamen Und ein ganzes Jahr dem stolzen Laomedon dienten (als thes) Um bedungenen Lohn; und er befahl und gab Weisung. Ja, da erbaute den Troern ich um die Stadt eine Mauer, Ausgedehnt und schön, eine unzerbrechliche Festung. Phoibos, du hüte[te]st da die Rinder mit schleppenden Füßen In den Tälern des schluchtenreichen, bewaldeten Ida. Doch als die freudigen Hören des Lohnes Ziel heran führten, Da enthielt Laomedon vor uns beiden den ganzen Lohn, der schaurige, fort uns schickend mit drohenden Worten; Denn er drohte, die Füße und Hände zusammenzubinden Und uns so zu verkaufen nach fernegelegenen Inseln, Drohte sogar, mit dem Erz uns abzuschneiden die Ohren. Und wir gingen wieder zurück mit erbittertem Herzen, Wegen des Lohnes zürnend, den er versprach und nicht zahlte. 108 Bei Piaton werden in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts unter den „Freien, welche sich den (für Geld gekauften und auf diese Art erwerblichen) Sklaven freiwillig zugesellen in der Dienstbarkeit, des Ackerbaues und der anderen Künste Erzeugnisse einander zutragend und gegeneinander ausgleichend, die einen auf dem Markte, die anderen von Stadt zu Stadt ziehend über See und zu Lande und Geld gegen Waren oder auch gegen sich selbst umsetzend", die „Geldwechsler und Kaufleute und Schiffsherren und Krämer" auf der einen Seite von denen, „die wir als Söldner dienen sehen und als jedem bereitwillige Tagelöhner" (μισθωτοί και θητες πάσιν έτοιμότατα υπηρετούντες) auf der anderen Seite unter-
105 107
Nach Finley a. a. O. S. 56. Od. 18, 357-364, üb. v. R. Hampe (Z. 357: ξεϊν', ή αρ κ' έθέλοις θητευέμεν...). Nach Finley a.a.O. S.56f. 11.21,441-457, üb.v. R.Hampe.
D e r Begriff „ M e t ö k e " als Deutung von hebräisch ger
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schieden 109 . D e r thes erscheint also als ein sozialer Typus von Leuten, die frei zwischen Städten und Regionen umherwandern und nicht etwa wegen ihrer Fremdheit auf Ablehnung stoßen, sondern als Arbeitskräfte Anstellung finden. In dieser Lage verdienen sie ihren Lebensunterhalt von T a g zu T a g und sind gegen die Willkür ihrer jeweiligen H e r r e n ohne Schutz. Die thetes finden sich sowohl im städtischen als auch im ackerwirtschaftlichen ländlichen Milieu.
109 Piaton, Politikos 289d-290a, üb.v. Fr. Schleiermacher. Vgl. für diesen Typus des Wanderarbeiters auch die Bezeichnung πελάτης, ζ. Β. Piaton, Euthyphron 4 c.
2. Das deuteronomische Gesetz Dem geforderten Rückgang auf eine möglichst tragfähige Quellenbasis für die Beschreibung der Gestalt des ger im Alten Testament kann der Einsatz beim deuteronomischen Gesetz sowohl wegen der relativen Häufigkeit der Bezeichnung ger in Dtn 12-26 als auch wegen der vergleichsweise sicheren Datierbarkeit dieses Quellenbestandes gerecht werden. In der gegenwärtigen Forschungslage1 ist zwar fraglich, wieweit von einem Konsens in der Deuteronomiumforschung die Rede sein könne 2 , andererseits aber ist es offensichtlich, daß die Erforschung des Deuteronomiums im Zuge der wissenschaftlichen Kritik der antiken und kirchlichen Traditionen vom mosaischen Pentateuch zu Erkenntnissen geführt hat, die in ihrer einleitungswissenschaftlichen Darstellung auf nahezu allgemeine Zustimmung rechnen können. Als Fixpunkte für die grobe Orientierung über das Deuteronomium sind hier erstens im Hinblick auf das deuteronomische Gesetz seine Verbindung mit dem Gesetzbuch des Joschka (639-609), zweitens im Hinblick auf die religionsgeschichtlichen Ereignisse in Juda die Zentrierung des Opferkultes des Nationalgottes Jahwe allein auf den Staatstempel in Jerusalem zu nennen. Der Monopolisierung des Jerusalemer Tempels entspricht das Verbot lokaler Opferstätten in Juda und die Einführung einer neuen Form der Schlachtung eßbarer Tiere. Damit verbunden ist die Vereinheitlichung der geltenden Forderungen und der erlaubten Gestalten der Gottesverehrung durch die Durchsetzung eines Religionsgesetzbuches3, das gleichzeitig Sätze des Alltagsrechts religiös qualifiziert. Obwohl der - sekundär ausgestaltete Einführungsbericht 2 Kön 22-23 die Entstehung des Gesetzbuches hinter dem Stichwort vom „Auffinden" verbirgt (22,8), ist aufgrund der religionsgeschichtlichen Implikationen des Gesetzes seine der Bekanntmachung durch Hilkija ungefähr gleichzeitige Entstehung in Jerusalem wahrscheinlich4, ohne daß daraus im einzelnen eine sichere Bestimmung
1
Einen Überblick gibt H.-D. Preuß, Deuteronomium. Vgl. auch N. Lohfink (Hg.), Das Deuteronomium. Entstehung, Gestalt und Botschaft. 2 Vgl. N. Lohfink, ThLZ 108 (1983) Sp. 350 einerseits, L. Perlitt, Streit der Methoden S. 150 andererseits; auch P.-E. Dion, Israel et l'Etranger S. 213 f. 3 Zum Geltungscharakter des dtn Gesetzes in der judäischen Monarchie zur Zeit Joschijas vgl. M. Noth, Die Gesetze im Pentateuch S. 58 ff., nach dem Joschija das Deuteronomium „obwohl es nicht als Staatsgesetz . . . in Geltung gesetzt worden war, wie ein Staatsgesetz behandelte . . . " (S.65). 4 Vgl. R. Smend, Einleitung S. 79: Das ursprüngliche dtn Gesetz kann „kaum lange vor
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des Umfangs des ursprünglichen Religionsgesetzbuches folgte5. Die Promulgation des dtn Gesetzes durch Joschija hat eine lange Nachgeschichte späterer Redaktionen des Gesetzes angestoßen, die bei der Analyse von Einzeltexten ebenso im Blick behalten werden muß wie umgekehrt die Möglichkeit besonderer Vorgeschichten traditionellen Materials in ihm. Die Vermutung einer langen, gar nach Nordisrael weisenden Entstehungsgeschichte des Gesetzbuches im ganzen, das in der Zeit Joschkas tatsächlich ein vorgefundener Bestand gewesen sei6, hat dagegen keine so starken Gründe für sich7, daß das dtn Gesetz von der Religionspolitik unter Joschija und damit aus der Beziehung auf die soziale Wirklichkeit in Juda in der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts gelöst werden müßte. Eine vertretbare Quellendatierung kann der Historiker nur vom Ausgangspunkt des Jahres 622 aus erreichen.
2.1 Der ger in der agrarischen Gesellschaft (Dtn 2 4 , 1 9 - 2 2 ) Eine einprägsame Wendung, in der der ger im dtn Gesetz begegnet, ist die Reihe NJN^XI DIU- U, die in den Erntevorschriften Dtn 24,19-22 dreimal wiederholt wird. Aufgrund ihres Inhalts führen diese Vorschriften in das Alltagsleben einer agrarischen Wirtschaft und damit von der Haupt- und Tempelstadt Jerusalem weg und in die judäische Landschaft hinein. Angeredet ist der Besitzer von Feld, Ölgarten und Weinberg und die Anrede in der Form „wenn du die Ernte deines Feldes einbringst..."
Joschija und kaum anderswo als in Jerusalem entstanden sein". - Die Theorie G. Hölschers, wonach das dtn Gesetz erst nach der Katastrophe des Staatstempels 587 entstanden sei, (ZAW 40, 1922, S. 161 ff.) hat sich (noch?) nicht durchsetzen können, vgl. aber O.Kaiser, Einleitung S. 132 ff. 5 Von den zahlreichen Rekonstruktionen eines Urdeuteronomiums ein Vorschlag in sehr anschaulicher Präsentation bei H. Schmidt, SAT 2/2 (1923) S. 185 ff. 6 Professor S. Herrmann weist mich mit Nachdruck auf diese Möglichkeit als eine nach wie vor unerledigte Alternative zur Auffassung J. Wellhausens hin, wonach eine „reformatorische Partei", als um das Jahr 621 „die Umstände... sich günstig an(ließen)", „mit dem umfassenden Programm einer Neugestaltung der Theokratie" hervorgetreten sei (Geschichte S. 128, vgl. Prolegomena S.401 ff.). Auch H.Donner, Geschichte S.353, polemisiert gegen „die Auffassung, daß das Deuteronomium als Programmschrift ad hoc für die josianische Reform verfaßt worden ist". Die These einer (nichtjudäischen) Entstehungsgeschichte des dtn Gesetzes vor der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts scheint mir aber ein Verlust, kein Gewinn an Sicherheit der Quellendatierung. 7 „Die deuteronomischen Gedanken historisch rückläufig verifizieren zu wollen, führt zwangsläufig in ein Dilemma.": S.Herrmann, Die konstruktive Restauration S. 167. - Das Königsgesetz Dtn 17,14-20 ist dabei übrigens von vornherein auszuklammern, s.u. S. 145 ff., anders Donner a. a. O.
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Das deuteronomische Gesetz
usw. legt die weitere Präzisierung nahe, daß Grundbesitzer gemeint sind, die selber mit der Ernte beschäftigt sind, also auf dem Land, nicht als Großgrundbesitzer in der (Haupt-)Stadt leben. Die Vorschriften haben nicht das Recht des für die Ernte angestellten Arbeiters zum Gegenstand, sondern ordnen außerhalb der Sphäre ökonomischer Rationalität die Zulassung eines Tuns von bedürftigen, marginalen Gliedern der Gesellschaft, oder konkreter: der Dorfgemeinschaft, an, die zu dem Besitzer der landwirtschaftlichen Nutzflächen entweder überhaupt in keinem Vertrags- oder Dienstverhältnis stehen oder zumindest nicht in Hinsicht auf ein solches Verhältnis gemeint sind8. Den drei jeweils im kollektiven Singular bezeichneten Personengruppen: Fremde, Waisen, Witwen, soll ein Anteil am Emteertrag, die „vergessene Garbe" auf dem Feld bzw. die Nachlese in Olgarten und Weinberg, zugestanden werden. Das Teilhaben-Lassen ist in zweifacher Weise religiös motiviert: als Bedingung für den göttlichen Segen für die landwirtschaftliche Arbeit und als Folge eines Grundverhältnisses zum Land, das durch das Dogma des Exodus 9 bestimmt ist. Die Motivierung läßt keine direkte Bindung zwischen dem Land und Jahwe als einem Landesgott bestehen und löst damit auch eine religiöse Bindung des Landbesitzenden und -bearbeitenden an den Ackerboden. Infolgedessen ist die Motivierung sowohl unkultisch als auch nicht-magisch. Mit dem bei der Einbringung der Ernte vorgeschriebenen Verhalten ist nicht die Fruchtbarkeit des Bodens verknüpft, sondern der Erfolg der Arbeit, und die Bedingung des Segens ist nicht durch kultische Abgaben einzulösen, sondern durch eine bestimmte Gestaltung der sozialen Beziehungen: in der Form des Teilhaben-Lassens der Armen im Verband der Ortschaft, die nicht anders als indirekt und vermittelt durch die religionsgesetzliche Forderung anspruchsberechtigt sind. Dem Gesetzgeber steht für das gebotene positive Tun, das er konkret und anschaulich exemplifiziert, kein abstrakter Begriff zur Verfügung 10 . Diese Beobachtung läßt sich ähnlich in den der Tendenz nach verwandten Gesetzen Dtn 15,1-11.12-18 machen. Der terminologische Mangel zeigt, wie dicht das Religionsgesetz mit dem ökonomischen Alltagsleben verbunden ist, in welcher Ursprünglichkeit also Alltagsgesetze für den
8 Daß ein ger auch ein vertraglich gebundener Arbeiter sein kann, zeigt Dtn 24,14 f., dazu unten S. 74 ff. 9 Das Dogma steht hier in der abbreviaturhaften Form: o - u n p m Ji"n 127 -3 n w i . In Dtn 24,18; 15,15 wird das Datum des Auszugs mit dem Begriff mo verbunden, in 5,15 (Dekalog) bildkräftig ausgemalt (mit KS· hi. wie 5,6). 10 Hier liegt auch der Grund für die fragwürdigen wissenschaftlichen Bezeichnungen als „Mildtätigkeits-, Humanitäts- oder Sozialgesetze" usw.
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agrarischen Bereich als Stoffe dienen, das Religionsbuch zu konstituieren, soweit nicht kultisch-priesterliche Themen betroffen sind. Die Verankerung der religiösen Gesetzgebung im Alltagsleben erfordert es, genauer nach der ökonomischen und sozialen Lage der Zeit zu fragen, der sie entstammt. Um zunächst ein Bild von dem sachlichen Umfang der Vorschriften Dtn 24,19-22 zu gewinnen, mag man fragen, wieviel Zeit des Jahres die drei Beispiele von Getreideernte, Olivenernte und Weinlese abdecken, inwieweit also die ökonomische Integration der Besitzlosen durch das gebotene Teilhaben-Lassen als kontinuierliche Fürsorge für sie aufzufassen ist. Die Getreideernte fällt im wesentlichen in den Mai, die Olivenernte und die Weinlese finden später im Herbst, etwa im September und Oktober, statt11. Mit dem agrarischen Rhythmus ist auch der Zyklus der Feste verbunden, wie er in den atl. Festkalendern dokumentiert ist. Der Getreideernte sind zwei Feste zugeordnet, der herbstlichen Weinlese ein drittes12. Nach dem System der drei agrarischen Feste in dem Dtn 24,19-22 gleichzeitigen Festkalender des dtn Gesetzes, Dtn 16,1-17, steht am Ende der Erntearbeiten im Herbst das siebentägige Sukkot-Fest (v. 13-15) als „Dankfest für die gesamte Ernte des Jahres, die mit der Obst- und Weinlese ihren Abschluß fand" 13 . Dieses Fest, das im dtn Gesetz nur relativ zum Stand der Erntearbeiten datiert wird, kann man als den einen Grenzpunkt des Zeitraumes, in dem Dtn 24,19-22 relevant ist, betrachten. Für die aktuelle Geltung von 24,19 läßt sich näherhin der Zeitraum von sieben Wochen zwischen dem Anschnitt des reifen Getreides (16,9) und dem abschließenden Sabuot-Fest (v. 9-12) bezeichnen, der mit den Arbeiten bei der Getreideernte ausgefüllt ist. Nimmt man den Anfang der Getreideernte als den anderen Grenzpunkt der gesamten Erntezeit, ergibt sich eine ungefähre Erstreckung über ein halbes Jahr 14 . Aus dem agrarischen Festsystem ist aber nicht nur die Dauer der Erntezeit abzulesen, sondern auch die große Bedeutung dieser Arbeiten, die ein so dominanter Faktor im Leben der judäischen Gesellschaft sind, daß sie durch kultische Begehungen gerahmt werden. Die Erntevorschriften lassen demnach die Bedürftigen an zentralen Lebensvollzügen der agrarischen Ortsgemeinschaft teilhaben. Ein zweiter Aspekt, der für die Abschätzung der faktischen Bedeutung der Erntevorschriften Dtn 24,19-22 von Belang ist, läßt sich nicht hinreichend klar erfassen: der quantitative. Liegen die erzielten Anteile an der Ernte eher auf dem Niveau des Mundraubs, wie er in Dtn 23,25 f. geregelt wird, oder geht es durchaus um ein Sammeln in Gefäße und mit Geräten, also die Beschaffung eines eigenen Vorrats? Der Rut-Novelle folgend wäre letzteres nicht auszuschließen: Rut sammelt bei der (begünstigten) Nachlese an einem Tag 1 Epha Gerste 11
M.Noth, Die Welt des Alten Testaments S. 32 f. Vgl. zu den einzelnen Festen und dem Versuch, ein einheitliches System zu schaffen, B.Kedar-Kopfstein, ThWAT II, 730ff. und s.u. Abschnitt 2.3. 13 C. Steuernagel, Deuteronomium S. 114. 14 Wenn das Massot-Fest den Anfang der Getreideernte markierte (vgl. aber KedarKopfstein a.a.O. Sp.738 und s.u. S.56), ergäbe sich von der späten Datierung in Lev 23 her genau ein halbes Jahr zwischen dem 15. des 1. Monats und dem 15. des 7. Monats. 12
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Das deuteronomische Gesetz
( 2 , 1 7 ) , und ihr w i r d das R e c h t eingeräumt, bis z u m E n d e der G e r s t e n - u n d W e i z e n e r n t e dabeizubleiben ( 2 , 2 3 ) 1 5 . Auf der anderen Seite aber ist e t w a der Rest, der bei der Olivenernte übrigbleibt, ein Bild für einen minimalen R e s t Qes 24,13; 17,6).
Nach dieser vorläufigen Orientierung über den Inhalt des Gesetzes Dtn 24,19-22 stellt sich die Frage nach der Zeit, in der derartige, auf das Alltagsleben einer durch agrarische Wirtschaft geprägten Gesellschaft bezogene Vorschriften religiöse Gebote und Bestandteil eines Religionsgesetzbuches werden. Offensichtlich erlangen hier die Vertreter solcher ethischen Forderungen beherrschenden Einfluß auf die Gestalt der Verehrung des Gottes Jahwe, oder umgekehrt stellt eine institutionell zuständige Priesterschaft Forderungen dieser Art auf. Obgleich eine grobe Datierung für das dtn Gesetz Dtn 12-26* die 2. Hälfte des 7.Jahrhunderts als Entstehungszeitraum benennen kann, ist bei einzelnen Stoffen jeweils zu fragen, ob sie eine selbständige Vorgeschichte haben, aufgrund derer sie als Quellen von doppeltem Informationswert: für die Zeit ihrer Entstehung und für die Zeit ihrer Sammlung in ein Religionsgesetzbuch, gelten müßten und über das 7. Jahrhundert hinaus in die frühere Königszeit in Juda oder auch in Israel hineinführten. Das scheint bei dem hier diskutierten Gesetz nicht der Fall zu sein. Die Gebote Dtn 24,19-22 sind ihrer Form nach zu den von G. Seitz so genannten „Gesetzen in der ,Wenn-du'-Formulierung" zu zählen, einer Redeform, die im dtn Gesetz verschiedenen Inhalten dient16. Diese Redeform imitiert in neuen rhetorischen Zusammenhängen die Struktur der aus dem Alten Orient 17 und auch aus dem Alten Testament18 bekannten Rechtssätze, die in strenger Formalisierung dem Schema: „wenn χ der Fall ist, soll y geschehen", folgen und vom Täter immer in der 3. Person sprechen. Diesen Rechtssätzen gegenüber handelt es sich wegen der Formulierung der Fallbeschreibung und der Folgebestimmung in direkter Anrede um eine neue kasuistische oder konditionale Redeform. „Die Anrede ist . . . bei diesen Gesetzen nicht gelegentliche Formabweichung oder Ergebnis einer nachträglichen Überarbeitung, sondern für Vorder- und Nachsatz grundlegend."19 Die „Wenn-du"- Vorschriften
15 Wenn 1 Epha 36 Liter sind und man 40 Erntetage ansetzt, ergibt eine natürlich völlig phantastische Maximalrechnung 14401. Getreide als Ertrag der Nachlese, ca. 4 1. pro Tag während eines Jahres. Nach den Berechnungen von H. G. Kippenberg, Entstehung S. 22, entspräche die Menge etwa dem Jahresbedarf von vier Personen. 16 G. Seitz, Deuteronomium S. 142 ff. 17 Das berühmteste Beispiel ist der Codex Hammurapi, jetzt in T U A T 1,39 ff. üb.v. R. Borger. 18 In der literarisch nicht ganz ungestörten Sammlung Ex 21,18 bis 22,16. 19 Seitz a.a.O. S.142.
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sind keine Dokumente aus dem Rechtsleben des antiken Juda oder Israel, für die eine lange Vorgeschichte, an deren Ende erst die Aufnahme in das dtn Gesetzbuch stünde, zu postulieren ist. Vielmehr beerbt die Neuentwicklung dieser Redeform eine Tradition, deren Bedeutung in der Königszeit durch die Uberlieferung des Bestandes in Ex 21 f. einerseits, durch die Tatsache, daß die Verfasser des Gesetzbuches im Erzählkontext der Sinaiereignisse in Ex 19-24 diesen Bestand als Stoff einer in der Theophanie geoffenbarten religiösen Gesetzgebung verwenden, andererseits, erhellt wird. Vor dem Hintergrund der Tradition des Rechtslebens, in dem die kasuistische Gesetzessprache vorherrscht, erweisen sich die „Wenn-du"-Vorschriften als eine Redeform für Inhalte, die in der Sprache dieses Rechtsdenkens, in dem es nach A.Alt „nur auf einen billigen Ausgleich der Ansprüche im Verhältnis von Mensch zu Mensch . . . abgesehen (ist)"20, nicht ausgesagt werden können. Dies gilt besonders für die von Seitz als dritte Gruppe der „Wenn-du"- Gesetze zusammengefaßten „Gesetze vornehmlich sozialen Charakters"21, in denen nicht auf einer Seite die Interessen einer Institution stehen wie bei der ersten Gruppe22 eine über der Ausschließlichkeit der Jahweverehrung wachende Instanz23, bei der zweiten Gruppe24 die militärische Führung25, sondern in der es um Interessen von Verarmten gegenüber Bessergestellten und Besitzenden geht. Während justiziable Rechtsfälle von einem Konfliktfall der Interessen einzelner Personen ausgehen, der allenfalls durch das In-
20 A.Alt, Ursprünge S.294; für den Zusammenhang der kasuistischen Rechtssätze mit der „normalen Gerichtsbarkeit" vgl. ebd. S.288f. 21 A.a.O. S. 165. 22 Dtn 13,2-6.7-12.13-18; 17,2-7: „Gesetze, die sich mit dem Abfall von Jahwe und dem Fremdgötterkult befassen". 23 Die vier Gesetze dieser Gruppe geben kein klares Bild davon, wer diese Instanz ist. 17,2-7 hat in dieser Hinsicht den höchsten Realitätsgehalt, indem es den Fall annimmt, daß in einer Ortschaft entdeckt wird, daß ein Mann oder eine Frau fremde (Astral-)Gottheiten verehren, was dann die kollektive Einheit der Ortschaft als über die Gottesverehrung wachende Instanz mit Steinigung bestrafen soll. Dagegen ist in den drei Fällen in Kap. 13 ohne Hinsicht auf die mögliche soziale Konkretion ein kollektives „Israel" vorausgesetzt. Daß besonders der dritte Fall dieser Gesetze (13,13-18) mit den politischen Strukturen der Königszeit in Juda oder auch, womit sich die Kommentatoren gem behelfen, im kanaanäisch-israelitischen Nordstaat Israel verträglich gewesen sei, scheint kaum glaubhaft. Als terminus ad quem für diese radikale religionspolitische Konzeption kann vielleicht der individuelle Gemeindeausschluß des Apostaten nach Dtn 29,15-20 gelten. 24 Dtn 20,1-9.10-18.19f.; 21,10-14; 23,10-15: „Kriegsgesetze". 25 Dtn 21,10 ff. ist eine Ausnahme. - Der „Institution" der militärischen Führung (eines stehenden oder ad hoc zusammengerufenen Heeres) steht in den Kriegsgesetzen sonst die „Institution" des religiösen Gesetzgebers, doch wohl der Priesterschaft des Jerusalemer Staatstempels, gegenüber, die mit den religiösen Gesetzen die Souveränität der Obersten des Heeres einschränkt.
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Das deuteronomische Gesetz
teresse einer kollektiven Größe überlagert wird26, beruhen die sozialen „Wenn-du"-Vorschriften auf einem Interessengegensatz insofern er durch den Unterschied der sozialen Lage vermittelt ist. Aus diesem Gefälle entspringen „Ansprüche", deren „Ausgleich" die Absicht eines Gesetzgebers werden kann, nur dann, wenn der schwächeren Seite durch eine überlegene Instanz solche Ansprüche beigelegt werden. In der dritten Gruppe der „Wenn-du"-Gesetze ist auf diese indirekte Weise also eine Institution, und zwar eine religiöse, gegenwärtig. Die Tendenz dieser Gesetze ist ebenso wie ihre Form ein Argument dafür, sie unmittelbar als Werk der dtn Bewegung zu beschreiben. Es ist nicht zu erweisen, daß sie dem Gesetzgeber schon vorgelegen hätten, denn „Kennzeichen einer sozialen und humanen Gesinnung tragen ... auch noch andere Gesetze im Dt. Deshalb kann man von inhaltlichen Gesichtspunkten her in der dritten Gruppe der ,Wenn-du'-Gesetze keine eigenständige Sammlung erblicken."27 Eine selbständige Vorgeschichte dieser Gesetze wäre eine unbegründbare Annahme. Die Vorschriften für das Sozialverhalten im lokalen Milieu während der Ernte verdanken ihre Entstehung bestimmten idealen Auffassungen vom Zusammenhalt der judäischen Gesellschaft im 7.Jahrhundert, wie sie die dtn Bewegung vertritt. Wenn ihnen ein agrarisch-ritueller Brauch, Restfrüchte auf den Feldern übrig zu lassen, vorausliegt, könnten sich hinter ihnen zugleich Aspekte der kultischen Reform verbergen. Eine Traditionsgrundlage, die das implizierte, läßt sich aber etwa durch die Ausklammerung der paränetischen Sätze v. 19 b. 22 und der positiven Bestimmung der Anspruchsberechtigten für die Restfrüchte v. 19 aß. 20 b. 21b nicht wahrscheinlich machen28. Selbst wenn Dtn 24,19-22 eine solche Vorgabe ausbaute, wäre der Text mit seiner positiven Zuweisung der Restfrüchte eine Quelle nur für die 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts, und er
26 Vgl. die „Israer-Bearbeitungen der ursprünglich kasuistischen Gesetze im Dtn (Seitz a.a.O. S. 110ff.), besonders die Ältestengesetze Dtn 21,18ff.; 22,13ff.; 2 5 , 5 f f . Von der Sache her liegt der Fall 21,1 ff. zwischen dem Bluträcher und dem Kollektiv eines Ortes anders. 27 Seitz a.a.O. S. 165. - R. P. Merendino, Das deuteronomische Gesetz S.314, kommt nach seiner Analyse von Dtn 23, 16 - 24,18 zu dem Ergebnis, daß die „Aufnahme" von 2 4 , 1 9 - 2 2 der deuteronomischen Redaktion zuzuschreiben sei. Obwohl die Vorschriften seiner Ansicht nach keiner hypothetischen vordtn Gesetzessammlung zugehörten, führt er sie im Verzeichnis der von der dtn Redaktion „vorgefundenen Stoffe" auf (S.402). Was erklärt aber ein Hinweis auf die „Aufnahme" von Material aus ganz unbekannter „Tradition"? 28 Literarkritisch mag man erwägen, ob die Ernteregeln in ihrer engsten Fassung selbständige Gebotssätze darstellten. Ist v. 19 aa nur als Exposition eines breiteren Gebots verständlich, so könnte in den parallelen Sätzen v. 20 a. 21a geprägtes Gut vorliegen. Mit solchen „Wenn-Du"-Kurzprohibitiven wäre aber kein Analogon zu (gereihten) Prohibitiven oder Doppelprohibitiven (vgl. 24,17*) gegeben.
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ist für diese Zeit ein fester Anhaltspunkt für die historische Frage nach dem Auftreten des ger, wie er in den atl. Gesetzestexten belegt ist. Die Sozialverhältnisse, in denen diese Gestalt ihren Platz hat, lassen sich aufgrund des Gesetzes in gewissen Umrissen beschreiben. Auf der einen Seite steht hier eine Schicht der Bevölkerung der judäischen Landschaft, die ihren eigenen Grund und Boden bearbeitet. Weiteres Profil könnte diese Schicht gewinnen, wenn eine Abschätzung des Wertes und der Verteilung des Besitzes der drei Kategorien von agrarischen Nutzflächen möglich wäre. Den höchsten Grad von Allgemeinheit wird der Besitz von Feldern für den Getreideanbau gehabt haben, da ja „Brot... neben dem Wasser das Hauptnahrungsmittel des Orientalen (ist)" und gerade „bei... ärmeren Volksschichten ... Brot und Wasser die Hauptmahlzeit (sind)"29. Auch der Besitz von Ölgarten und Weinberg ist jedoch nicht als Charakteristikum einer schmalen Oberschicht zu betrachten. So heißt es etwa in der dtr Rede über das Königtum in 1 Sam 8 an das ganze Volk adressiert: „Und eure besten Felder und Weinberge und Ölgärten wird er wegnehmen . . . " (v. 14). Dasselbe läßt sich aus der Reihe „Korn, Most und Öl" schließen, deren häufige Verwendung verlangt, daß sie in gewissem Grade auch den Besitzverhältnissen entsprochen haben muß, daß also der Ertrag von Weinberg und Olgarten zu den üblichen Nahrungsmitteln gehörte. In heilsprophetischen Worten kann die Reihe „Korn, Most und Öl" die verheißene kommende Zeit als Segenszeit zeichnen (Hos 2,23 f.; Joel 2,19.24); daß ein jeder unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum sitzt, ist ein Bild der politischen Glanzzeit unter Salomo (1 Kön 5,5) wie auch in der Prophetie ein Bild der Heilszeit (Mi 4,4). Gegenüber diesen Verheißungen, die eine gleichmäßige Verteilung des Besitzes erwarten (usj rnn «rx), wenn nur die politische und ökonomische Not des Volkes ein Ende hat, zeigen Texte wie Am 5, II 30 , daß Anlage und Besitz eines Weinbergs etwas Besonderes sein oder krasse Ungleichheit bekunden kann. Die angeführten Beobachtungen lassen sich dahingehend zusammenfassen, daß es zwar kein exklusiver Kreis ist, der Besitz von Ölgärten und Weinbergen innehat31, aber eine wohlhabende Schicht, die in den Ortschaften selbständig, grundbesitzend und in eigenen Häusern fest ansässig lebt. Dieser Schicht werden in Dtn 24,19-22 Vorschriften für das Verhalten bei der Ernte auf den eigenen Feldern gemacht32. Wenn die drei parallelen Gebote so interpretiert
29
W.Dommershausen, ThWAT IV, 539; vgl. ζ.B. Am 8,11; Ez 4,16f.; 12,18f. 30 Vgl. dazu H.W.Wolff, Amos S.290f., auch die Bemerkung von Müller, ThWAT IV, 335 zu Jes 3,14. Überlegungen zu dem im Hintergrund stehenden sozialen Wandel bei H. Donner, Die soziale Botschaft S. 493 ff.; H. G. Kippenberg, Entstehung S. 33 f. 45. 31 Vgl. auch Dtn 20,6: die Anlage eines Weinbergs potentiell durch jeden auch Wehrfähigen, in negativer Umkehrung Dtn 28,30. - Zu den Olivenpflanzungen auch E.Will bei Kippenberg a.a.O. S. 110 und Kippenberg ebd. S.28. 32 In der Terminologie von L. Köhlers Zürcher Rektoratsrede von 1931 wäre sie als die Schicht der „Vollbürger" zu bezeichnen (Der hebräische Mensch S. 147). Vgl. H. Cazelles, Droit public S. 101 f., der diese Schicht jedoch vielleicht zu eng faßt. Statt des Verweises auf die Leistungskraft der !>-nn " n u , die in Nordisrael unter Menahem mit je 50 Schekel den Tribut aufbringen müssen (2 Kön 15,19 f.), legt sich eher der Verweis auf den p x n 07
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werden dürfen, daß die Angeredeten jeweils dreifach gegliederte Anbauflächen in ihrem Besitz bewirtschaften, läßt sich daraus auf ihre Produktion vorrangig zur Selbstversorgung schließen. Der Ackerbau wird nicht durch Olivenpflanzungen und Weinberge zur Produktion der Tauschwerte Ol und Wein verdrängt. Spielen nach H. G. Kippenberg 33 „sowohl Momente des Reichtums wie des Austausches eine Rolle, ob ein Landstück in der einen oder anderen Weise genutzt wurde", ist beides hier offenbar nicht in dem Maße entwickelt, daß die Alternative „Ackerbau oder Olivenpflanzung", und also die Alternative „Produktion für den Erhalt der bäuerlichen Familie oder Erzeugung eines Überschusses, der als Rente von Investoren angeeignet werden konnte", zugunsten gewinnträchtiger, auf den Handel orientierter Produktion entschieden würde 34 . Insoweit ist das judäische lokale Milieu noch eher ein in sich geschlossenes.
Dem Grundbesitzer, der seine eigene Ernte einbringt, steht auf der anderen Seite die Trias nani>x-Dur-i:i gegenüber. Entsprechend dem am lokalen Milieu orientierten Horizont des Gesetzes hat man in diesen Gestalten eine Schicht in den judäischen Ortschaften zu sehen. Da das Gesetz ihnen Ansprüche auf die Nachlese auf fremden Feldern zugesteht, verfügen sie über kein Grundeigentum als Basis einer ökonomischen Existenz. Alle drei Typen sind nicht als Grundbesitzer in dem Ort ihres Aufenthalts verwurzelt. Trotz ihrer ökonomischen Abhängigkeit leben sie in persönlicher Freiheit. Die besitzlosen Personen stehen in einem gewissen Verhältnis zum Dorf, nicht aber zu einem individuellen Schutzherrn. Weil ihr Lebensunterhalt nicht durch die persönliche Bindung an einen Grundbesitzer garantiert ist, wird der Gemeinschaft des Dorfes durch die Verpflichtung ihrer einzelnen landbesitzenden Glieder darauf, den Besitzlosen Anteil an der Ernte zu gewähren, eine Verantwortung für sie auferlegt. Die Randgestalten sollen in das soziale System des Dorfes integriert werden, soweit die Ermöglichung ihres Lebensunterhalts eine solche Integration leisten kann35. Es geht dem Gesetzgeber
nahe, der in Juda unter Jojakim den Tribut aufbringt (2Kön 23, 35), und zwar nach differenzierten Besitzverhältnissen (lanya Vgl. auch die Beschreibung der judäischen „freien Bauernschaft" durch F. Crüsemann, Thema des Dekalogs S. 28 ff. 33 Klassenbildung S. 46 (im Blick auf die persische Provinz Judäa bzw. die Landwirtschaft in Attika). 34 Diese Beobachtungen sind interessant auch im Hinblick darauf, daß Juda dennoch zu beträchtlichen Tributleistungen fähig war (2 Kön 23,33.35, vgl. H. Donner, Geschichte S. 371). Zur „Expansion des Olivenanbaus" in Griechenland vgl. Kippenberg, Entstehung S. 28; W.J. Woodhouse ebd. S. 154 f.; E.Will ebd. S. 110 zum Zusammenhang der Zunahme des Olivenanbaus mit einer „bäuerlichen Krise" und der Freisetzung von Arbeitskräften (Anm. 13). 35 Der Begriff „Integration" wird hier ganz unterminologisch i. S. v. Stiftung des Zusammenhalts im Bereich eines Dorfes, der das (Über-)Leben aller dort Befindlichen gewährleistet, verwendet. Ein Beispiel für den weitreichenden wissenschaftlichen Gebrauch des Begriffes im Rahmen der empirischen Sozialforschung sei aus einem Bericht R. Königs über
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hier um lokale Angelegenheiten wie in den „Ältestengesetzen" Dtn 21,18ff.; 22,13ff.; 25, 5ff. und 21, i f f . oder in den Folgegesetzen zum Zentralisationsgesetz, die den Fleischverzehr regeln, Dtn 12,15 f. (20 ff.); 15, 21 ff. Die Integration der Trias der Bedürftigen in die Gemeinschaft des Dorfes kennt keine vermittelnden Zwischeninstanzen. Der ger gehört nicht zum „Haus" des in den Gesetzen des Dtn angeredeten Judäers (ηιτη ητικ)36, das außer der Familie in direkter Linie nur Sklaven mit umfaßt37. Die Einreihung des ger in eine Reihe mit Waise und Witwe, die sich in derselben ambivalenten Lage von Angewiesenheit und Selbständigkeit befinden, zeigt, daß alle drei Kategorien bedürftiger Personen auch nicht in den weiteren Verband einer Sippe eingeordnet sind. Die fehlende Unterstützung durch die Solidarität einer Sippe ist ein sozialer Sachverhalt, der eher auf das Nicht-Bestehen oder die mangelnde Tragfähigkeit dieser Struktur hinweist38, als eine fremde Herkunft des ger
eigene Forschungen (Leben im Widerspruch S. 266) zitiert: „ . . . Die gestellte Aufgabe hatte darin bestanden [1957], nachzuprüfen, wodurch der geringe Integrationsgrad des durchschnittlichen ägyptischen Dorfes bedingt ist. Das war wichtig zu wissen, weil die Hypothese bestand, daß jede erfolgreiche Aktivierung oder , Mobilisierung' im Sinne etwaiger wirtschaftlicher Neuerungen als Voraussetzung eines gemeinsamen Handelns Integration erfordere. Integration hängt aber ganz unmittelbar mit einem Minimum an wirtschaftlicher und beruflicher Arbeitsteilung zusammen, weil dadurch komplementäre Zusammenhänge entstehen, während die Familien im ägyptischen Dorf, die alle unter denselben Bedingungen des Fellachendaseins leben, sich beliebig und weitgehend unabhängig voneinander bewegen und entwickeln können - so will es der von Emile Dürkheim charakterisierte Zustand der ,segmentären' Sozialverfassung. . . . " 36 Dtn 14,26; 15,20; 26,11; plur. 12,7; sonst das „Haus" in einzelner Aufzählung 12,12 (plur.). 18; 16,11.14; 5,14. Zur Interpretation dieser sozialen Einheit mit Hilfe des Begriffs der „extended family" vgl. Kippenberg, Klassenbildung S. 27.40. Diese Familie war die „wirtschaftende Grundeinheit" (S. 42, vgl. Entstehung S. 14). 37 Die Feststellung A. Bertholets, daß aufgrund der dtn Schutzgebote und des Status dieses Gesetzes als „Reichsgesetz" „die Zeit vorbei (sei), in der die Gerim der schrankenlosen Willkür ihrer Patrone preisgegeben waren" (Stellung zu den Fremden S. 103), macht die unzutreffende Voraussetzung, daß überhaupt ein Patronatsverhältnis bestanden habe. Kippenberg folgt hier Bertholet mit seiner Annahme, d a ß Fremde als Klienten dem H a u s angegliedert werden konnten: a. a. O. S. 27 mit Anm. 19. - Vgl. auch oben S. 31 zum thes. 38 Kippenberg a. a. O. S. 37 spricht erstens von der „zunehmende(n) Autonomie der einzelnen Familien im Clan", einem Prozeß der nachexilischen Zeit, der aber auch schon „in der israelitischen Gesellschaft vom 8.Jh. an wirksam gewesen (ist)" (Entstehung S.36). Zweitens ist hier seine Deutung der g e , ulla-Institution als der „Form . . . , in welcher Grund und Boden legitimerweise Verkehrsobjekt wurde" (Klassenbildung S. 34) von Gewicht. Sie habe in J u d a „eine Übertragung des Grund und Bodens an die reicheren Familien im Clan, sprich innerhalb des Dorfes" begünstigt (S. 36), wobei ungeklärt bleibe, „ob in Israel der frühere Eigentümer tatsächlich vom Land vertrieben wurde" oder ob er „als Knecht oder als Tagelöhner in den Dienst des Großbauern trat" (ebd.). Im ersteren Fall würde er zum Typus des ger.
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belegt. Dabei ist nicht notwendig an einen aktuellen Prozeß der Erosion integrierender Sippenstrukturen zu denken, denn die Notlage von Waise und Witwe ist schon vor dem 7.Jahrhundert bezeugt (vgl. Jes 1 , 1 7 . 2 3 ) . Der ger steht nicht weniger und nicht mehr außerhalb eines zwischen den Polen der sozialen Differenzierung vermittelnden Beziehungssystems als die Waise und die Witwe. In seine soziale Randlage, in der ihm die Mittel für eine wirtschaftlich selbständige Existenz fehlen, kann er im Horizont einer im Prinzip nach Verwandtschaftssystemen geordneten agrarischen Gesellschaft, wie sie für das Juda des 7.Jahrhunderts erschlossen wird 39 , geraten sein, wobei man an Verschuldungsprozesse 40 , an das Problem der Erbteilung 41 oder an das Problem einer die Betriebsgröße überfordernden Zahl von Familienangehörigen zu denken hat 42 . Der Duktus der Erntevorschriften macht es wahrscheinlich, daß die Bedürftigen nur Randfiguren in sonst stabilen Sozialverhältnissen sind. Wie die Waise und die Witwe scheint der soziale Typus des ger zum regelmäßigen Bild der judäischen Ortschaft zu gehören. Aus dem Gesetz Dtn 2 4 , 1 9 ff. und den weiteren Nennungen der Trias im dtn Gesetz läßt sich nicht auf ein plötzliches massenhaftes Auftreten solcher Gestalten in der Landschaft der judäischen Monarchie im 7. Jahrhundert schließen. Von daher ist die Verbindung des literarischen Befundes der Erwähnungen des ger im dtn Gesetz mit dem archäologischen Befund der auf einen Flüchtlingsstrom aus Nordisrael nach 722 zurückgeführten Stadterweiterung Jerusalems im 7.Jahrhundert 43 problematisch 44 . Auch das Bild der sozialen Lage des ger läßt sich mit dieser Bautätigkeit nicht zur Deckung bringen. Dtn 2 4 , 1 9 - 2 2 und verwandte Vorschriften dienen nun auch nicht der Abwehr einer Bedrohung der freien landbesitzenden Schicht in deren eigenem Interesse 45 , sondern der religiös motivierten Fürsorge für
3 9 Vgl. dafür die Interpretation der Liste Neh 7/Esr 2 durch J. P. Weinberg, Das BEIT Ά Β Ο Τ S. 404 ff. 4 0 Vgl. Kippenberg, Klassenbildung S.33ff. (s.o. Anm.38); Entstehung S.41ff. 4 1 S.o. S. 19 bei Anm. 11. Zur Erblichkeit von Grund und Boden vgl. Kippenberg, Entstehung S. 36; zur Erbteilung in Griechenland Will ebd. S. 103 f. 4 2 Vgl. die Berechnungen von Kippenberg a.a.O. S.24f., dort S.29 das Stichwort der Abwanderung. Für Griechenland vgl. Will ebd. S. 101 ff. 4 3 Die grundlegende Darstellung dieses Befundes gibt M. Broshi, Expansion S. 21 ff.; vgl. P.Welten, Art. Jerusalem, TRE 16,596. 4 4 Mit einem solchen Flüchtlingsstrom und z.T. unter historisierender Ausdeutung von Notizen der Chronik über Festteilnehmer (bes. 2Chr 30,25) erklärt etwa D. Kellennann, ThWAT 1,984.985 f., die Erwähnungen des ger im dtn Gesetz. Vgl. so auch F.Crüsemann, Bundesbuch S.34. S.u. S.213f. 4 5 Für eine solche Möglichkeit läßt sich aus dem 1 O.Jahrhundert die Nachricht in 1 Sam 22,2 vergleichen, daß sich um David „alle, die bedrängt, verschuldet oder verzweifelt waren", versammelten, 400 Mann aus dem südlichen Juda. Die Deutung dieser Leute als
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die, die in ihrer existenzgefährdenden wirtschaftlichen N o t an die Ö f fentlichkeit des Dorfes gewiesen sind. Ursache der auf die Integration der Bedürftigen abzielenden Gesetze dürfte eine neue Auffassung von der Einheit der Bevölkerung der judäischen Monarchie sein, die dem Gedanken der Zentrierung der kultischen Jahweverehrung auf die Hauptstadt Jerusalem (Dtn 12,13-19) korrespondiert. In der Einheit des einen Volkes 46 , die von Jerusalem aus im Zuge der Ordnung des Jahwekultes in der judäischen Landschaft in den Blick kommt, müssen auch die schwächsten Glieder, unter ihnen der soziale Typus des ger, ihren Platz haben. Die Integration der Bedürftigen in die Gemeinschaft des Ortes ihres Aufenthalts ist jedoch eine begrenzte: die Erntevorschriften bewirken nichts, was auf die Befreiung dieser Gestalten aus ihrer Randlage zielt, sie schützen nur das Leben in dieser Lage. Verminderung oder Aufhebung der sozialen Differenzierung, wie sie der utopische Ausblick des Nachtrags Dtn 15,4 aus der Segenserwartung ableitet, ist kein Gedanke, der hinter Dtn 24,19 ff. stünde. In dieser Hinsicht sind es vielmehr statische Strukturen, die der dtn Gesetzgeber im Blick hat.
2.2 D e r ger n e b e n d e m Leviten in d e n j u d ä i s c h e n O r t s c h a f t e n ( D t n 1 4 , 2 8 f.) Ein weiterer geprägter Ausdruck, in dem der ger aus dem Dtn bekannt ist, ist die Verbindung: „der Fremdling, der in deinen Toren ist". Diese Wendung hat ihren prominentesten Platz im Sabbatgebot des Dekalogs in Dtn 5,14 par. Ex 20,10. Innerhalb des dtn Gesetzes ist sie zweimal belegt: 14, 21 a und 24,14, dazu kommt ein Beleg in den Rahmenkapiteln (31,12). Neben ihr steht die ähnliche Beziehung des Relativsatzes η-nywa -urn auf den Leviten (Dtn 12,18; 14,27; 16,11; vgl. 12,12[plur.]) und auf die Trias παπ^κ-πιττ-υ (14,29) bzw. den Leviten und diese Trias (16,14). Diese Formeln sind, außer in den Gesetzen 14,21a; 14, 28 f. und 24,14 f., Fortführungen der Nennung bzw. Aufzählung des „Hauses" des vom Gesetzgeber Angeredeten. Sie haben ihren Platz in der kultischen Gesetzgebung des Dtn und damit in den für die dtn Bewegung des 7.Jahrhunderts überhaupt grundlegenden Texten. In ihnen spiegelt sich deshalb für den Historiker besonders zuverlässig die soziale Wirklichkeit wider, die der dtn Gesetzgeber im Blick hat.
„abenteuernde Elemente" (M. Noth, Geschichte Israels S. 166) verharmlost die Krisenlage, aus der sie ausbrechen. 46 Vgl. zum „dominierenden Volksgedanken" des Dtn G. v. Rad, Gottesvolk S. 63 f. und passim.
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Für die Auswertung dieser Quellen in Hinsicht auf die Gestalt des ger ist das Verhältnis der Formeln zueinander, d. h. das der Beziehung des Relativsatzes auf den einen oder die drei Bedürftigen zu seiner Beziehung auf den Leviten wichtig. Es stellt sich die Frage, ob hier zwei literarische Wachstumsstadien des dtn Gesetzes zu beobachten sind, in deren erstem nur der Levit, in deren zweitem dann auch die Bedürftigen durch die vorgeschriebenen Abgaben versorgt bzw. an ihrem Verzehr beteiligt werden. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Gesetz über den Zehnten in jedem dritten Jahr (Dtn 14,28 f.), der in den Ortschaften dem Leviten und den Bedürftigen überlassen werden soll. Um die Zusammenordnung des ger mit dem Leviten im dtn Gesetz zu verstehen, muß in diesem Abschnitt vor allem dessen eigene Stellung im Zusammenhang der kultischen Reform in der judäischen Monarchie beschrieben werden. Die zentrale religionspolitische Absicht der dtn Bewegung ist die Abschaffung der Jahwealtäre außerhalb Jerusalems 47 . Die Fundamentalbestimmung des dtn Gesetzes, deren Urform in Dtn 1 2 , 1 3 - 1 9 vorliegt 48 , verbietet jegliche kultische Jahweverehrung in der judäischen Landschaft. Den kultischen Abgabepflichten, die mit dem Grundbesitz und der agrarischen Wirtschaft verbunden sind, dürfen die Bauern im Land nicht mehr an den heiligen Orten im Umkreis ihrer Ortschaften (Ι®κ üipn S>DI ΠΚΊΠ v. 13) nachkommen, dagegen wird der Schlachtung von Fleisch zum Verzehr jede kultische Relevanz genommen49, so daß sie weiterhin in den Ortschaften ("Γ"ΐ, ι !>DI V.15) möglich bleibt. Wenn es in den Ortschaften kein legitimes kultisches Tun mehr gibt, ist den Fachleuten für die rituellen Verfahren ihr Lebensunterhalt ge-
4 7 Die Erklärung dieser Absicht mit „in erster Linie machtpolitische(n) Gründen" des Königs (Ch. Levin, Joschija S. 352; Neuer Bund S. 8 4 ) befriedigt jedoch nicht, denn wenn der König überhaupt in kultischen Belangen der Priesterschaft überlegen war, dürfte die königliche Verwaltung stark genug auch für die „Kontrolle" in der judäischen Landschaft gewesen sein. Und was, das in irgendeinem Zusammenhang mit der Stabilität der Monarchie gestanden hätte, sollte zu kontrollieren gewesen sein? 4 8 R.Smend, Entstehung S. 73; H . - D . Preuß, Deuteronomium S. 133; G . Seitz, Deuteronomium S. 209 ff. Von einer „Urform" zu sprechen ist natürlich fragwürdig, denn „den absoluten Anfang einer Sammlung von Gesetzen wird die Warnung (seil. v. 13) nicht gebildet haben" (Seitz a. a. O. S. 211). - D e r Versuch von R. P. Merendino, Das deuteronomische Gesetz S. 3 4 f . vgl. 49, v. 1 3 - 1 9 als die „spätere ausgestaltende Bearbeitung einer älteren, viel knapper formulierten Grundlage" zu beschreiben, die von einem „apodiktischen G e b o t " yji^y n^jm DO nin- i m - ιακ mpnn (nach v. 14 a) ausgehe, kann nicht überzeugen. Es ist auch methodisch zweifelhaft, ob es sich als „literarisches Werden des Textes . . . in mehreren Phasen" beobachten läßt, wenn ein T e x t „im Rahmen der Unterweisung ergänzt" worden sein soll (S. 49). 4 9 Für die damit verbundenen religionsgeschichtlichen Aspekte und die mentalitätsgeschichtlichen Wandlungen vgl. V. Maag, Kultzentralisation S. 94 ff.
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nommen. Deshalb wird im Textzusammenhang von Dtn 12, 13-19 50 „der Levit, der in deinen Toren ist", erwähnt, und daß diese Erwähnung in v. 18 a nicht zufällig ist, zeigt die spezielle Mahnung bezüglich des Leviten in v. 1951. Denn der Grund für die Nennung des Leviten in der fundamentalen Bestimmung des dtn Gesetzes, die für die judäische Landschaft eine gewichtige institutionengeschichtliche Veränderung bewirkt, kann nur darin liegen, daß die Leviten die für die lokalen Opferstätten zuständigen Priester und darum von der Reform besonders betroffen sind". Zwar wird dem Leviten hier diese Bezeichnung nicht beigelegt, weil es keine Heiligtümer und daher auch für ihn keine priesterlichen Funktionen im lokalen Milieu mehr geben soll, aber aus dem Zusammenhang des Gesetzes ergibt sich, daß die angeredeten Bauern nur deswegen zu ihm in eine verpflichtende Beziehung gesetzt werden ( a T y n |3 in&n -ii»n n x v.19), weil durch die Kultgesetzgebung die neue Lage einer Notwendigkeit eben dieser Fürsorge geschaffen wird53. In gleicher Weise ist die priesterliche Kompetenz der Leviten in den Ortschaften die Voraussetzung für das Gesetz Dtn 18,6-8 5 4 , nach dem der Levit, wenn er sich - zeitweilig oder dauerhaft55 - aus dem lokalen Milieu löst, in Jerusalem am Tempel seinen Dienst fortsetzen bzw. wie-
5 0 Für die Integrität dieses Zusammenhangs vgl. auch A. Cholewinski, Heiligkeitsgesetz S. 150f. Seitz a . a . O . S . 2 1 0 klammert v. 14b aus. 5 1 Vorausgesetzt man unterstellt, daß die dtn Autoren wissen, was sie sagen. Anders Merendino a . a . O . S . 3 5 f . : „Das Anliegen des Redaktors scheint hier (seil. v. 19) eher der Aufbau einer einheitlichen literarischen Form, die etwa zur katechetischen Unterweisung und daher zum leichteren Auswendiglernen dienen sollte, als die Sorge für den Leviten gewesen zu sein. E r bedient sich einfach des Wortes ,Levit' von v. 18 aß, um die mit v. 13 begonnene chiastische Form abzuschließen. Auch v. 13 sagt inhaltlich nichts, sondern leitet formal v. 14 ein und dient allein der literarischen Form." Merendino repräsentiert hier eine völlig überzogene einseitige Betrachtung des Textes als einer (reduziblen) literarischen Größe. 5 2 J . Lindblom, Tempelurkunde S. 30 f., der die Erklärung der Leviten in den Orten als Priester bestreitet, will gegen Dtn 1 8 , 6 - 8 das Argument geltend machen, daß eine Vorschrift über „die früheren Höhenpriester und ihre Versorgung" „besser unter die Gesetze der Kultzentralisation gepasst" hätte. W o sie ja auch steht. Es ist unzutreffend, daß „überall, wo die Levijjim der zweiten Gruppe (seil, die ihr Dasein irgendwo im Land hatten) erwähnt werden, . . . das in einem Zusammenhang, wo von den personae miserae der Gesellschaft die Rede ist, (geschieht)". In Dtn 12 gerade nicht. 5 3 Vgl. J . Wellhausen, Prolegomena S. 139. Die Einwände A. H . J . Gunnewegs, Leviten S. 27, dagegen treffen nicht. D a ß der Levit als Priester bezeichnet werde, läßt sich nicht erwarten in einem Kontext, in dem er gerade seine priesterlichen Funktionen verliert. D a ß solche nicht vorausgesetzt seien, ist deshalb unplausibel, weil sich dann kein Grund für seine Empfehlung erkennen läßt. 5 4 Vgl. J . A . E m e r t o n , Priests and Levites S. 129 ff. 5 5 Das Wort κ π ist in dieser Hinsicht nicht eindeutig. Es dürfte der Institution einer Tempelpriesterschaft aber kaum entsprechen, gelegentlich amtierende Gäste Dienst tun zu lassen.
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deraufnehmen darf, sofern es nur im Namen Jahwes (v. 7 a)56 geschieht. Das dtn Gesetz zerreißt also nicht die Einheit der jahwistischen Priesterschaft, entläßt jedoch die kultisch funktionslos gewordenen Leviten aus ihrem Dienst, wenn sie an ihren Aufenthaltsorten im Land Juda bleiben wollen. Insofern kann man nicht davon sprechen, daß sich die Versorgungsgebote für sie und die Dienstrechtssatzung 18,6-8 überschnitten57. Sie fassen vielmehr zwei verschiedene Reaktionen der Leviten auf das Altarverbot ins Auge. Die Vorschriften bezüglich der Leviten im dtn Gesetz sind neben der Darstellung der Ubergabe eines Religionsgesetzbuches von der Jerusalemer Priesterschaft durch den königlichen Schreiber an den König Joschija überhaupt eines der umstrittensten Themen im Zusammenhang der Frage nach den Beziehungen zwischen Dtn 12-26.28* und 2 K ö n 22 f. Es ist daher zu prüfen, ob sich von den Auskünften des Reformberichts bezüglich des lokalen Kultpersonals in 2 K ö n 23, 8 f. her Einwände gegen die vorgeschlagene Auffassung der als „Levit in deinen Toren" bezeichneten Personen ergeben, bevor der Anschluß der personae miserae an den Leviten in einzelnen Gesetzen dargestellt werden kann. Wenn nämlich in 2 Kön 23, 8 a eine historisch zuverlässige Nachricht über das Geschick der außerjerusalemischen Priester im Zuge der Durchsetzung der im dtn Gesetz konzipierten Monopolisierung des Jerusalemer Staatstempels vorliegt, die so zu verstehen ist, daß das lokale Kultpersonal nach Jerusalem verlegt wurde 58 , könnte eine Deutung, die von der Nennung des Leviten in Dtn 12,18 f. aus auf tatsächlich bestehende Verhältnisse in der judäischen Landschaft schließt, hinfällig werden. Entweder hätten die Leviten vor der Reform keine priesterlichen Funktionen im Land Juda ausgefüllt, oder sie wären dort nach der Reform
56 Ob der Ausdruck nin· o®a in 18,7a als ausdrückliche Bedingung zu deuten ist, hängt von der Beurteilung der Lage der Jahwereligion in Juda vor der Monopolisierung des Jerusalemer Tempels ab. M. Smith, Palestinian Parties S. 36 ff., interpretiert zweifellos zu Recht das dtn Gesetz als Dokument einer „Yahweh-alone party". Wie stark aber dieser Partei gegenüber eine „syncretistic party" ist und wo die Leviten der judäischen Ortsheiligtümer stehen, läßt sich nicht sicher sagen. Smith rechnet die Leviten eher zur „Yahweh-alone party", bezüglich der Leviten als lokale Priester bleibt aber eine gewisse Unklarheit (vgl. S.37f. mit Anm.248 und S. 17 f.). - G. Bettenzoli, Leviti S. 3 ff., entwirft auf der Grundlage weitreichender Differenzierungen der Gebote bezüglich des Leviten im dtn Gesetz eine Geschichte des Levitentums, nach der sich die Leviten als Vertreter der Jahwereligion in Nordisrael nach 722 zu einer Einheit formiert und von dort nach Juda ausgegriffen hätten, so daß die Kultzentralisierung unter Joschija die politische Absicht verfolgt hätte, das politische Gewicht dieser Leviten einzuschränken. Dtn 18,6f. wird dabei nur als Dokument eines relativ frühen Stadiums der Entwicklung interpretiert, das den Leviten, um ihre tribale Einheit zu stabilisieren, das Recht zum Dienst an allen Jahweheiligtümem(l) gewährte (S.8). 57 Anders Gunneweg a. a. O. Zutreffend bemerkt Gunneweg jedoch, daß das Gesetz „auf keinen Fall eine Zentralisierung aller Leviten am Zentralheiligtum (fordert)" (S. 119). 58 So z.B. die Darstellung von H.Donner, Geschichte S.353: Joschija „entschloß sich, die Landleviten gegen das Deuteronomium ... in Jerusalem zu konzentrieren, sie jedoch nicht zum priesterlichen Dienst am Tempel zuzulassen".
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nicht mehr funktionslos und damit ihrer Einkünfte beraubt zu finden. Bei dem angenommenen Aktualitäts- und Geltungsanspruch des dtn Gesetzes wäre dann ihre häufige „Empfehlung" unerklärlich 59 . Die Schwierigkeit liegt also darin zu erkennen, was Joschija gemäß der Notiz 2 Kön 23, 8 f. beabsichtigt und erreicht hat und welcher Quellenwert der Notiz zukommt. Der sog. Reformbericht 2 Kön 2 3 , 4 - 2 0 . 2 4 berichtet, was das Territorium der Monarchie angeht, überwiegend Maßnahmen Joschijas, die die Hauptstadt Jerusalem betreffen 60 . In diesem Zusammenhang wird die judäische Landschaft nur in v. 8 a. 9. (24) berücksichtigt 61 . Die Nachricht über die Maßnahmen Joschijas in diesem Bereich ist durch den Einschub von v. 8 b zerrissen, einem ad vocem Jiina nachgetragenen Detail 62 , das, wenn es zu Recht als historisch zuverlässig gilt 63 , damit zugleich für das Alter seines Anknüpfungspunktes v. 8 a spricht 64 . Unabhängig von dem Nachtrag v. 8 b ist die Frage, ob v. 9 gegenüber v. 8 a sekundär ist, ob also, was von außerjerusalemischen Priestern aufgrund historischer Vorgänge oder theoretischer Konzeptionen zu berichten war, bis zur Verwirrung des Bildes durch einen späteren Ergänzer nur in v. 8 a stand. Die v. 9 einleitende Partikel ηκ läßt sich für literarkritische Schlüsse nicht nutzen, wenn sie rein grammatikalisch dazu dient, den Inhalt von v. 9 als Einschränkung 65 auf v. 8 a zu beziehen 66 . Ebensowenig trägt die Beobachtung aus, daß hier nicht Joschija Sub-
59 Auch die Schicht II des Gesetzes Dtn 12 enthält eine Mahnung bezüglich der Leviten (v. 12), nicht mehr dagegen Schicht III (v. 7). 60 Vgl. zum ganzen Text die Untersuchungen von H. Spieckermann, Juda unter Assur S. 79 ff. Der Ausgriff nach Norden in v. 15-20 braucht hier nicht erörtert zu werden. 61 Zu v.5aß vgl. Spieckermann a.a.O. S.84. Die Glosse ist eine Erklärung des später offenbar deutungsbedürftigen Wortes 62 Vgl. für diese Beschreibung E.Würthwein, Könige S.458f. und Spieckermann a.a.O. S. 99 f. 63 Vgl. G.Hölscher, Das Buch der Könige S.209; H.Greßmann, Josia S.327f. Würthwein a. a. O. läßt eine mutmaßliche Ruine zur Überbrückung eines guten Jahrhunderts dienen. Ein anderer Erklärungsvorschlag bei Spieckermann a.a.O. S. 100f., nach dem die Notiz eine sehr späte Kritik an apotropäischen Genien an Toreingängen ist. 64 Das Urteil Levins, Joschija S. 359 Anm. 27, „Ist aber der redaktionelle v. 8 a älter als seine Umgebung, so entschwindet der einzige feste Punkt, auf den man die Annahme einer vordeuteronomistischen Quelle hätte gründen können." setzt nicht nur als erwiesen voraus, daß v. 8 a bloß ein Element des deuteronomistischen Verschuldungsmodells ist, sondern schließt auch die Möglichkeit aus, daß hier mit v. 8 b eine literarisch jüngere „historische" Bemerkung, wenn sie denn eine gewisse Ereignisnähe und also Quellenwert hat, einen terminus ad quem für den ihr vorausliegenden Text setzt. Natürlich ist die Beurteilung von Historizität bei mangelhafter Quellenlage bloß eine Abschätzung von Wahrscheinlichkeiten, aber dasselbe gilt für die Beschreibung von Motiven späterer Ergänzer. Erweist sich übrigens beim Vergleich von 2Kön 23,8a mit 18,4a und 21,3 (ebd. S.358) 23,8a tatsächlich als „(die) üblich(e) Form der deuteronomistischen Höhennotiz" (ebd. S. 362; vgl. K. Budde, Die Reform König Josias S. 196)? - Zur Signifikanz von 2 Kön 18,4a bzw. 23,8 a für die Redaktionsgeschichte der Königsbücher vgl. jetzt I. Provan, Hezekiah and the books of Kings S. 82 ff. 65 Gesenius-Kautzsch, Grammatik § 153. 66 Anders Levin a.a.O. Anm.25: „Gerade das η* zeigt aber auch, daß dieser Anschluß nicht glatt, sondern ausdrücklich hergestellt, d.h. sekundär ist." Wie soll denn eine gegen-
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jekt ist 67 , solange unentschieden ist, ob nicht von den Priestern wirklich etwas berichtet wird. Nachdem jeder Leser in v. 8 a von den Priestern und den mna, auf denen sie geopfert hatten, gehört hat, kann ferner von der Konstruktusverbindung maan nicht als „eindeutig pejorative(r) Titulierung" 68 die Rede sein. Die literarkritische Beurteilung von v. 9 ist nicht vom inhaltlichen Verständnis des Verses, das nicht leicht ist, zu trennen. Nach herrschender Meinung ist das Imperfekt i^jt in v. 9 a fraglos als Bezeichnung eines Verbots auf der Zeitstufe der Vergangenheit aufzufassen: „den Bamoth-Priestern . . . wird untersagt, am Jerusalemer Tempeldienst aktiv teilzunehmen" 69 . Ist aber die Transponierung der modalen Bedeutung des Imperfekts in die Vergangenheit in einem Erzähltext ein zweifelsfreies grammatisches Phänomen? 70 Es besteht die andere Möglichkeit, daß die Form i!>y- ein Imperfekt mit iterativem Aspekt auf der Zeitstufe der Vergangenheit 71 ist 72 . Mit dieser Auffassung des Verbs wäre in v. 9 a nicht eine Sonderregelung der neue kontingente Umstand, der eine „Einschränkung" der Maßnahme des Königs nach v. 8 a ist, sondern ein Tun bzw. Nicht-Tun der Priester, das, wie auch die L X X v. 9 a wiedergibt, in einem auf der Zeitstufe der Vergangenheit erzählenden Satz berichtet würde. Damit gewinnt der Kontrast innerhalb von v.9: dk "3 . . . xi> ηχ an Stringenz: in beiden Teilen des Verses ist vom faktischen Handeln der Priester die Rede. Ein zweiter Punkt, der für die Lektüre von 2 3 , 9 wichtig ist, ist die Frage, wer durch das Wort πκ bezeichnet wird. Bei der Vorentscheidung, 2 K ö n 23, 8 a. 9
laufende Nachricht „glatt" angeschlossen werden? Auch Spieckermann wertet die Partikel als „redaktionelles Signalwort" (a.a.O. S.94), vgl. aber seine Bemerkungen zu 22,7 (S.49). 67 Anders Spieckermann a. a. Ο. S. 94. 68 Spieckermann ebd., so auch H. Hollenstein, Reformmaßnahmen Josias S. 333, zustimmend zitiert bei Levin a. a. Ο. Anm. 32. Die „Eindeutigkeit" ist übrigens fraglich. Judäische nman -ans sind sonst nicht belegt, und die Nennung der mna -:nD in 2Kön 17,32 b ist immerhin mit der Feststellung der begleitenden rechten Gottesfurcht (v. 32 a, wiederaufgenommen v. 33 a) verträglich. In Nordisrael bzw. in der Provinz Samaria sonst noch 1 Kön 12,32; 13,2.33; 2Kön 23,20. 69 Spieckermann a.a.O. S.94ff. Danach liegt in der Joschija-Zeit der Ausgangspunkt für die Degradierung der Leviten zum clerus minor. Die Rolle der levitischen Priester in späteren dtr Schichten (vgl. Dtn 31,9; 17,18) wird jedoch unverständlich, wenn 622 diese Degradierung eingesetzt haben soll. 70 G. Bergsträsser nennt in seiner Grammatik (§ 7 k) für die Bedeutungsmodifikation „dürfen" neben dieser Stelle nur noch Gen 34,31, dort erscheint die fragliche Form aber in wörtlicher Rede wie auch in den Beispielen Gen 43,7 („können") oder 2 Sam 3,33 („müssen"). Diese drei Belege sind auch die einzigen bei P.Joüon, Grammaire § 1131 für „yiqtol avec nuance modale dans la sphere du passe"; vgl. auch Gesenius-Kautzsch § 117 t. Auch die Belege für „sollen" stehen in abhängigen Sätzen (2 Kön 3,27 und bes. 2Kön 17,28). 71 Joüon § 113e; Gesenius-Kautzsch § 107e; Bergsträsser § 7 d ; RMeyer, Grammatik § 100b (S.43). Als Beispiel für diesen Fall mit Negation 1 Kön 18,10. 72 So die Zuordnung dieses Verses bei AB.Davidson, Hebrew Syntax § 44b. Soweit ich sehe, sonst nur von M. Kegel, Die Kultus-Reformation S. 87 in einer Attacke gegen J. Wellhausen mit großartiger Geste vorgeschlagen und von Κ Budde a.a.O. S. 198 ebenso abgelehnt.
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von Dtn 18,6-8 her zu lesen, kann man „aus Dtn 18,7 . . . auch lernen, daß ,die Brüder' nicht die Dorfgenossen, sondern die ,Amtsbrüder' sind"73. Dagegen ist jedoch zu bemerken, daß erstens das Wort 'ah in Dtn 18,7 diese Bedeutung nicht ohne weitere Näherbestimmungen hat, und daß zweitens schwer vorstellbar ist, was für eine Gruppe von Priester-,Brüdern' sich gebildet haben soll, wenn die von auswärts Gekommenen gerade durch Verweigerung priesterlicher Funktionen diskriminiert wurden74. Es bleibt als alternative Möglichkeit, 23,9 nicht direkt von Dtn 18,7 her zu lesen und sich von der Struktur des Satzes auch in Hinsicht auf seine lokalen Angaben leiten zu lassen. Dann korrespondiert "pna ΠΓΓΠΧ dem G^BTra. Statt in Jerusalem leben die Priester der nina also „mitten unter ihren Brüdern" - in den Ortschaften ihrer jeweiligen Zugehörigkeit75, 'ah ist demnach, wie auch noch in anderem Zusammenhang zu zeigen sein wird, eine Bezeichnung für den Nachbarn im Sozialgefüge einer Ortschaft. In der Entgegensetzung zum Amtieren als Priester hat die Redewendung msa einen rituellen und einen ökonomischen Aspekt: es gibt kein Opferfleisch mehr für diese Priester, und sie müssen sich mit kärglicher Nahrung begnügen76. Wie verträgt sich diese Interpretation von v. 9, nach der das Kultpersonal der nina ohne seine früheren Funktionen in den Ortschaften der judäischen Monarchie zu finden ist, mit der Nachricht von v. 8 a, nach der der König Joschija alle Priester „aus den Städten Judas" nach Jerusalem „hineinbrachte" (xia hi.)? Wenn das Verb xa-i die dauerhafte Ansiedlung bedeutet77, schließt das die vorgeschlagene Interpretation von v. 9 aus. Die Deutung von xia hi. als „Ansässig-Machen" dürfte jedoch das Wort überfordern78 und ist von der Sache her schwer vorstellbar79. V. 8 a bezieht sich nur auf aktuelle Vorgänge bei der Aufhebung der außerjerusalemischen Opferstätten „von Geba bis Beerscheba" und v. 9 berichtet dann, daß die Priester der nina nicht in Jerusalem blieben80.
7 3 Greßmann a . a . O . S.327 Anm.2; vgl. Spieckermann a . a . O . S.97. Budde betrachtet die Verwendung der Bezeichnung πκ als „eine starke, freundliche Hervorhebung" der Eigenschaft als Jahwepriester, die die von auswärts Gekommenen besitzen ( a . a . O . S. 197). 7 4 Wie eine solche Deutung für die Vertreter literarkritischer Dehistorisierung von v.9 akzeptabel sein kann, ist rätselhaft, denn wie verträgt sie sich mit dem, was nach der Auffassung später Redaktoren ( 2 3 , 2 0 ) mit Höhenpriestern geschieht? 7 5 So auch W . W . G r a f Baudissin bei D.Kellermann, T h W A T IV, 1077. Würthwein, Könige S. 458, meint wohl die Leviten-Kollegen, wenn er erklärt: „Sie haben sie (seil, die Mazzot) inmitten ihrer ,Brüder' aus ihren Ortschaften verzehrt." - Vgl. auch unten S. 79 ff. zur Bezeichnung 'aA. 7 6 Spieckermann a. a. O. S. 97. Wenn es ohne weitere Nebenaspekte nur um den Lebensunterhalt ginge, würde man die Wendung on^ !>ax erwarten (wie Am 7 , 1 2 ) . 7 7 Ein Grund dafür, diese Auffassung zu vertreten, ist, daß „der Bericht des Königsbuches keinen Zweck nennt", den ein einmaliges Zusammenrufen hätte haben können: Greßmann a. a. Ο. S. 329; vgl. Spieckermann a. a. O. S. 98. 7 8 Man erwartet dafür eher a«r hi. ( 2 K ö n 1 7 , 6 . 2 4 . 2 6 ; Jer 3 2 , 3 7 ; Gen 4 7 , 6 . 1 1 ; KAI Nr. 181 Z. 13). 7 9 Würthwein, Könige z. St., erklärt deshalb v. 8 a als „dtr Wunschdenken". 8 0 Uber die Gründe dafür, etwa eine Niederlage im Machtkampf mit den Priestern des Staatstempels (Wellhausen a. a. O. S. 140; Spieckermann a. a. O. S. 98), mag man viel spekulieren.
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Das deuteronomische Gesetz
2Kön 23,9 läßt damit eine geschichtliche Lage erkennen, die sowohl Dtn 18,6-8, wo der Levit aus einer der Ortschaften kommen könnte, als auch Dtn 12,18 f. usw., wo der Levit ohne kultische Funktionen in den Ortschaften wohnt, korrespondiert. Die Sprache des Historikers, der von den aufgehobenen mna und ihren Priestern spricht, ist natürlich eine andere als die des Gesetzgebers, der dieselben Personen in den Ortschaften gerade ihrer priesterlichen Funktionen beraubt. Die Ereignisse, von denen 2 Kön 23, 8 a. 9 ein Bild entwirft, sind durch das religionspolitische Konzept der Monopolisierung des Jerusalemer Tempels motiviert, das in Dtn 12* als Gesetz Geltung beansprucht. Eine Wirkung des Levitengesetzes Dtn 18,6-8 läßt sich allenfalls darin sehen, daß seine positive Stellung zum außerjerusalemischen Kultpersonal das „Hineinbringen" desselben nach Jerusalem motiviert haben könnte. Da Dtn 18,6-8 eine Kann- und nicht eine Soll-Bestimmung ist, überzeugt weder die Interpretation von 2 Kön 23,9 als Konstatierung eines Widerspruchs zwischen historischen Maßnahmen Joschijas und seinem Gesetzbuch, noch im gleichen Sinne die als schriftgelehrte Herstellung eines innerkanonischen Querverweises vor dem Hintergrund einer Jahrhunderte jüngeren hierarchischen Strukturierung des Jerusalemer Kultpersonals. Natürlich läßt es sich bei gegebener Quellenlage nicht beweisen, daß das in 2 Kön 23, 8 a. 9 entworfene Bild nicht eine Fiktion ist, aber hat die Zuschreibung der schonenden Behandlung der Priester der maa an späte Deuteronomisten gegenüber der vorgeschlagenen Interpretation größere Plausibilität? Aus 2 Kön 23,8 a. 9 ergibt sich nach allem kein Einwand dagegen, Dtn 12,18 f. usw. auf die tatsächlichen Verhältnisse in den judäischen Ortschaften in den letzten beiden Jahrzehnten des 7. Jahrhunderts hin, d. h. auch nach der Durchsetzung der Kultreform unter Joschija, zu interpretieren. In dem Gesetz Dtn 12,13 ff., das den selbständigen grundbesitzenden Bauern über die Bedingungen der Erfüllung seiner agrarisch-kultischen Pflichten belehrt, wird der „Levit in deinen Toren" berücksichtigt, weil er traditionell bei den kultischen Abläufen eine Funktion hatte. Durch das Gebot, ihn weiterhin zu beteiligen, wird die bisherige Ordnung insgesamt auf die Ebene der neuen religiösen Verfassung unter der Bedingung der alleinigen Legitimität des hauptstädtischen Jahwealtars gehoben. Derselbe Sachverhalt zeigt sich auch im Gesetz über die Abgabe des Zehnten Dtn 14,22-27 und wäre auch im Gesetz über die Erstgeburten Dtn 15,19-23 zu erwarten, w o jedoch nur der Angeredete und sein „Haus" genannt ist. Dtn 14, 22 ff. 81 wiederholt in der Form einer detaillierten Instruktion die Vorschrift 12,17 ff. über die Abgaben vom Ertrag des Ackerbaus und der Viehzucht, die wegen ihres rituellen Charakters an den zentralen Kultort gezogen werden. Sie gelten nicht als eine an die Institution des
81
Zur Analyse vgl. Seitz a.a.O. S. 192ff.
Der ger neben dem Leviten in den judäischen Ortschaften
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Tempels abzuliefernde Steuer 82 , sondern haben den Charakter einer Darbringung dadurch, daß sie vor der Gottheit ("ΐ"π!>κ mrr "JD^) verzehrt werden. Der Anteil, den der lokale Priester an diesen Abgaben hatte, bleibt ihm dadurch garantiert, daß er an der Wallfahrt und der Darbringung beteiligt werden soll. Die damit anerkannte Verpflichtung dürfte der Grund für das besondere Gesetz über den Zehnten jedes dritten Jahres Dtn 14,28 f. sein. Der Levit lebt in wirtschaftlicher Abhängigkeit von den selbständigen Grundbesitzern, und sein Lebensunterhalt besteht in den religiös geforderten Abgaben. Der dtn Gesetzgeber rechnet mit der Fortdauer dieser Lage, da den Leviten der Erwerb von Landbesitz verboten ist (18,1*; vgl. 14,27.29) und sie also nur als Grundbesitzlose ihren Aufenthalt in den Ortschaften haben (τι: 18, 6). Die Ansprüche der Leviten bleiben anerkannt, so daß der Gesetzgeber ihrem faktischen Bedarf Rechnung tragen muß. Der Zehnte jedes dritten Jahres wird offensichtlich als die Quantität betrachtet, die den Lebensunterhalt der Leviten sichert, wenn die Deutung richtig ist, daß es sich wenigstens beim Zehnten des dritten Jahres um den „Vollzehnten" handelt, während beim jährlichen Zehnten mehr der symbolische Aspekt von Belang ist83. In jedem dritten Jahr wird die Ablieferung des Zehnten aufgrund der Bestimmung, ihn in der Ortschaft anzusammeln, ein Geschehen von Bedeutung für die kollektive Größe des Ortes, während die individuellen Aspekte, die mit der Zehntabgabe für den Grundbesitzer sonst verbunden sind, durch das „Bekenntnis" am zentralen Heiligtum, das Dtn 26,12 ff. vorschreibt, aufgenommen werden. Die interne Bedeutung der Drittjahresabgabe für das Leben der Ortschaft gibt Anlaß dazu, auch die weiteren dort lebenden bedürftigen Personen zu nennen. Die Ansprüche auf Gewährung des Lebensunterhalts, die der Levit aufgrund seiner früheren kultischen Funktionen an die Ortschaft hat, werden in 14,28 f. auf die anderen landbesitzlosen und nicht selbständig produzierenden Personen übertragen, so daß nicht nur der Levit, sondern auch der ger, die
82 Das Problem, inwiefern der Zehnte den Charakter einer Besteuerung in der (israelitischen und) judäischen Königszeit hatte, untersucht F. Crüsemann, Der Zehnte S. 21 ff. Danach setzt die dtn Bestimmung über den Verzehr des Zehnten am Heiligtum durch den Bauern selber eine Abschaffung des Zehnten als Steuer voraus (S. 45 f.). Sicheres läßt sich darüber jedoch bei der gegebenen Quellenlage nicht sagen, da der einzige Beleg, aus dem sich auf den Zehnten als eine Steuer schließen ließe, das sog. Königsrecht in der dtr Rede über das Königtum in 1 Sam 8 ist, und „dieser Text kann zwischen Samuel (oder besser: Salomo) und dem Redaktor, der ihn nachträglich in das deuteronomistische Geschichtswerk eingefügt hat, also während eines halben Jahrtausends, sozusagen immer formuliert worden sein" (R-Smend, Ort des Staates S. 192; zur Frage nach dem Redaktor vgl. aber auch U.Becker, Beurteilung des Königtums S.246ff.). 83 C. Steuernagel, Deuteronomium S. 106f. Aus der Wendung ijrasn ni»3Ki (v. 29) läßt sich das jedoch nicht mit Sicherheit erschließen.
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Das deuteronomische Gesetz
Waise und die Witwe die Ernteabgaben erhalten. Damit ist der Zehnte jedes dritten Jahres ein Mittel geworden, die Bedürftigen im Sinne der Ermöglichung ihres Lebensunterhalts in die Ortschaft zu integrieren. Ob es sich daneben in einem unmittelbareren Sinne um die Kompensation der Folgen des Verbots der lokalen Heiligtümer handelt, an denen zuvor die Schicht der Ärmsten sich durch gewisse Anteile an den kultischen Abgaben hätte am Leben halten können, läßt sich nicht entscheiden, weil über die konkreten sozialen Formen der Kultübungen an diesen Heiligtümern Nachrichten fehlen. Eine Differenzierung nach redaktionellen Schichten, die dazu nötigte, die Vertretung der Interessen des Leviten und die der Interessen der Bedürftigen zwei verschiedenen Stadien der Entstehung des dtn Gesetzes zuzuweisen, läßt sich in 14,28 f. nicht durchführen. Zwar ist im Gesetz über die kultische Darbringung des Zehnten nur der Levit genannt (v. 27), aber daß die Bestimmung des Drittjahreszehnten einen weiteren Kreis einschließt, hat die genannten sachlichen Gründe. Literarkritisch könnte ferner der Anschluß der Trias der Bedürftigen an den Leviten über den Begründungssatz ηη? ni>rm pbn ιί» j-κ -d hinweg und in syntaktisch undeutlicher Weise an das Verb s n ein Grund dafür sein, ein sukzessives Wachstum des Gebotes anzunehmen. Da diese Unebenheiten jedoch nur eine gewisse Sonderstellung des Leviten gegenüber dem ger, der Waise und der Witwe zeigen, die sich aus der kultreformbedingten Neuheit seiner sozialen Lage in der Ortschaft erklärt, reichen sie für literarkritische Schichtungshypothesen nicht aus84. In Dtn 2 6 , 1 2 - 1 5 , wo das neue Gesetz vorausgesetzt wird, ist die Aufzählung der Berechtigten zu der Reihe njaWt-mir-ni-'i^ geglättet. Die Rücksicht auf die Schicht der Armen ist mit den Vorschriften bezüglich der Leviten in den Orten gleichzeitig. Das Gesetz Dtn 14,28 f. ist seiner Intention nach mit den Erntevorschriften 24,19 ff. verbunden, eine Verbindung, die der nahezu gleichlautende Finalsatz 14, 29 b II 24,19 b unterstreicht. Beide Gesetze sind ein Ausdruck der Auffassung, die die dtn Bewegung vom Zusammenhalt der Ortschaften und der Verpflichtung der Grundbesitzer gegenüber den Besitzlosen hat. Diese Blickrichtung kommt in dem Relativsatz -pnyua ίρκ zum Ausdruck, der sowohl auf den durch die Kultreform in den judäischen Orten funktionslos gewordenen Leviten (12,18; 14,27), als auch auf den gerund die übrigen Bedürftigen bezogen wird (14, 29 u.ö.). Die soziale Wirklichkeit, in der der ger des dtn Gesetzes lebt, ist das lokale
8 4 Merendino a. a. O. S. 102 f. macht umgekehrt den Vorschlag, eine Texteinheit v. 2 2 . 2 8 2 9 * ohne Nennung des Leviten zu rekonstruieren und in Analogie zu Dtn 2 4 , 1 9 als reine Humanitätsbestimmung aufzufassen.
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Der Einschluß des ger bei den Erntefesten
Milieu, dem die Hauptstadt der Monarchie Juda gegenübersteht (12,17 f.; 18,6). Der Levit, dessen Aufenthalt in den Ortschaften mit dem Wort gür bezeichnet wird (18,6; vgl. Ri 17,9), verfügt einerseits nicht über Grundbesitz, ist andererseits aber dem Ort so fest zugehörig, daß dessen Bewohnern eine Verpflichtung, ihn zu versorgen, auferlegt wird (12,19). Die Nebeneinanderordnung des ger und des Leviten erlaubt es, diese Charakterisierung auch auf den sozialen Typus des ger zu übertragen. Der ger ist in den judäischen Orten ein Fremder insofern, als er dort keinen Grundbesitz hat. Er ist nur locker an das soziale Gefüge der Ortschaft gebunden und wäre entsprechend mobil, wird aber überall, wo er hinkommt, insoweit in den O r t seines Aufenthalts integriert, als ihm dort Lebensmöglichkeiten gewährt werden sollen. Den ger trennen religionsgesetzliche Schranken weder von der Ortschaft noch von dem Leviten, neben dem er unter den Bedürftigen steht (14,28 f.). Das Fehlen einer Distanz zwischen dem gerund dem Leviten, der seine Priesteramtsfähigkeit durch die Reform nicht verliert (18,6-8), ist auffällig, wenn man die Möglichkeit der Herkunft des ger aus dem Bereich der Verehrung einer fremden Gottheit in Erwägung zieht. Von daher stellt sich die Frage, ob der ger überhaupt von außerhalb Judas kommt. Es ist keine Differenzierung zwischen dem ger und der übrigen Schicht der Bedürftigen in einer Ortschaft nach ursprünglicher bzw. nicht ursprünglicher Zugehörigkeit zu der Verehrung des Gottes Jahwe, des Nationalgottes der judäischen Monarchie 85 , erkennbar. *
2.3 D e r E i n s c h l u ß des ger bei d e n E r n t e f e s t e n (Dtn 16,9-15) Ein Fall, der der Nennung der Schicht der Armen im Gesetz über den Zehnten jedes dritten Jahres verwandt ist, dessen religiöse Implikationen aber noch weiter reichen, ist ihre Erwähnung in den Gesetzen über das Sabuot- und Sukkotfest in Dtn 16,9-12.13-15. Der Festkalender in Dtn 16 ordnet jährlich drei Wallfahrtsfeste an, die an das zentrale Heiligtum gezogen sind. Die Feste sind in unterschiedlicher Weise mit der agrarischen Wirtschaft verbunden. Am deutlichsten ist dies bei dem Sabuot- und dem Sukkotfest der Fall, während es bei dem mit dem Passa vereinigten Massotfest umstritten ist. Im Zusammenhang der Frage nach der Gestalt des ger in der judäischen Ge-
85 Vgl. H.H.Schmid, Altorientalische Welt S.98f. sowie ebd. S.46ff. zum „national ausgerichtete(n) Weltordnungsdenken" (S. 54).
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Das deuteronomische Gesetz
sellschaft interessiert das Passa- und Massotfest nur insoweit, als zu prüfen ist, ob Gründe dafür erkennbar sind, daß bei diesem Fest im Unterschied zu den beiden anderen die Bedürftigen nicht erwähnt werden. Der Festkalender in Dtn 16 geht auf das System der drei Jahresfeste in Ex 23,14-17 und Ex 34, 18.22 f. zurück. Die Vorschriften des Dtn sind in allen Fällen Erweiterungen der in diesen Listen enthaltenen Gebote. „Die Neuerungen sind die deut. Bindung der haggim an den ,erwählten Ort', d.h. praktisch das jerusalemische Heiligtum (Deut. 16, 2-6.11.15) und ferner die wiederholte Aufforderung, sich am hag zu freuen, sowie an dieser Festfreude außer den Familienangehörigen auch die sozial Niedriggestellten und Benachteiligten teilnehmen zu lassen (v.ll.Hf.)." 86 Das erste Fest des Festzyklus ist ein in den Monat Abib, den ersten Monat des Jahres bei Jahresbeginn mit dem Frühjahrs-Äquinoktium, datiertes Fest, das in Dtn 16,16 (Ex 23,15; 34,12) msnn an genannt wird. Aufgrund der Divergenzen zwischen fixierter Datierung und variierendem Beginn der Ernte 87 sind die Bezüge dieses Festes zur landwirtschaftlichen Produktion nicht sicher zu beschreiben. Nach der üblichen Auffassung handelt es sich um ein siebentägiges Fest beim Anschnitt der neuen (Gersten-)Ernte, bei dem das neue Korn in seiner Ursprünglichkeit und nicht mit altem Sauerteig vermischt gegessen wird88. Die Identifikation des Zeitpunktes des Anschnitts der Ernte (nnpa t u m !>nn), von dem ab nach Dtn 16,9 die Zeit zum Sabuotfest zu rechnen ist, mit dem Massotfest ist jedoch unsicher89. In keinem Fall ist das Massotfest ein Fest, das durch den Ertrag der Ernte motiviert wäre. Darüber hinaus erstrecken sich die Fragen nach dem Zusammenhang des Festes im Monat Abib mit der Ernte nur auf eine Vorgeschichte dieses Festes, die nicht nur dem dtn Gesetz, sondern auch den älteren literarischen Belegen in Ex 23,15 und 34,18 vorausliegt, in denen das Fest schon vollständig durch das Exodusdogma absorbiert ist. In dem Gebotskomplex Dtn 16,1-8 wird das Exodusdogma als Grundartikel der judäischen Nationalreligion noch ausschließlicher der Sinngehalt des Festes im Monat Abib dadurch, daß das Massotfest in der Einheit mit dem Passa als dem Fest des Gedenkens an den Auszug
86 B. Kedar-Kopfstein, ThWAT 11,741 f. 87 Vgl. J.Halbe, Massotfest S.325f. 88 M.Noth, Exodus S. 154. 89 C. Steuernagel, Deuteronomium S. 114 trotz Beziehung des Massot-Festes auf den Beginn der Getreideernte (S. 113); unklar W.H.Schmidt, Geschichte S. 131.127; entschiedene Bestreitung der Identifikation durch Kedar-Kopfstein a.a.O. Sp.738.
Der Einschluß des ger bei den Erntefesten
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aus Ägypten ganz hinter diesem zurücktritt 90 . Dabei macht der dtn Gesetzgeber das Passa zu einem Opferfest, bei dem npm JKX rituell geschlachtet wird (v. 2) und das deshalb nur am zentralen Heiligtum stattfinden darf (v. 2.5 f. 7). Gerade in den Opfervorschriften aber zeigt sich eine Unabhängigkeit des Festes von der agrarischen Wirtschaft und von der Fruchtbarkeit des Landes darin, daß nicht geboten wird, Opfertiere aus den eigenen Beständen zu präsentieren. Der Festteilnehmer ist in 16,1-8 nicht als selbständig wirtschaftender Grundbesitzer angesprochen, sondern als „Israelit" in dem Sinne, daß das Bekenntnis des Auszugs aus Ägypten fundamental für seine Religionsübung ist. Das kommemorative Fest im Monat Abib, bei dem sogar eine symbolische Gleichzeitigkeit des Zeitpunkts des Passa-Opfers mit dem Zeitpunkt des Auszugs angestrebt ist (v. 6), gründet die Gottesbeziehung vor allem Segen in der agrarischen Arbeit auf die Vergegenwärtigung der „Befreiungstat" des Exodus (v. 1 b. 3bß. 6 b)91. Das Exodus-Gedenkfest in 16,1-7.(8) ist seinem ganzen Charakter nach von den Erntefesten unterschieden. Das bedingt zwei auffällige Eigenarten des Passa-Massot-Gesetzes im Vergleich zu den Sabuotbzw. Sukkot-Gesetzen: es fehlen der Gedanke der „Festfreude" 92 und die Nennung des „Hauses" des Angeredeten und weiterer Personen. Die Erklärung dafür kann zum einen die sein, daß es beim Passa nicht um ein Freudenfest mit Festmahl geht, und daß auch das siebentägige MassotEssen nichts ist, was eine besondere Aufforderung zum Teilhabenlassen nahelegt. Zum anderen scheint aber auch die Erklärung mit einer beabsichtigten Exklusivität des Teilnehmerkreises möglich. Das dtn PassaMassot-Fest wäre danach ein Fest gerade derjenigen, die etwa in der sog. sozialen Gesetzgebung des dtn Gesetzes auf den Fundamentalartikel des Exodus angesprochen werden (Dtn 16,12; 15,15; 24,18.22; 5,15), der Schicht der landbesitzenden Vollbürger. Sie sind in der Stellung, die
90 Da sich nicht wahrscheinlich machen läßt, daß die Vereinigung von Passa und Massotfest das Werk späterer Redaktoren und nicht des dtn Gesetzgebers ist, kommt es auf die detaillierte literarische Analyse hier nicht an. R. P. Merendino (Das deuteronomische Gesetz S.139 u.ö.), J.Halbe (Passa-Massot S.162), E.Otto (ThWAT VI,674) erklären den Text als Einbau der Passavorschriften in ein Massotfestgesetz; C. Steuernagel (a. a. O. S. 112), G.v.Rad (Deuteronomium S. 80), G. Seitz (Deuteronomium S. 196 f.) erklären umgekehrt die Massotverordnung als eine nachträgliche Einfügung, vgl. so auch H. Spieckermann, Juda unter Assur S. 135. 91 Während v. 3ba ein an Ρ erinnernder Nachtrag sein kann (ρτοπι vgl. Ex 12,11, aber auch Jes 52,12!), ist v.3bß davon völlig unabhängig. Die von Halbe (a.a.O. S. 158 Anm. 54) bemerkte sprachliche Differenz zu v. 1 kann darauf zurückgehen, daß n-TSnn aus der Tradition (Ex 23,15; 34,18) vorgegeben war. Daß ein Finalsatz formkritisch von Prohibitiven unterscheidbar ist (ebd. S. 157), ist kein literarkritisches Kriterium. 92 Vgl. G. Braulik, Freude des Festes S.185f.
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Das deuteronomische Gesetz
ihnen ihre wirtschaftliche Selbständigkeit verleiht, in besonderer Weise Träger der Religion 93 . Es ist nach allem im Charakter des national bedeutsamen 94 PassaMassot-Festes im dtn Gesetz begründet, daß die Schicht der Bedürftigen wie auch das „ H a u s " nicht in die Festgemeinschaft eingeschlossen werden. Das ist hingegen bei den Erntefesten der Fall. Am Ende der Getreideernte steht das eintägige Wochenfest (niynw in), das in der Freude „vor Jahwe" am Jerusalemer Tempel gefeiert werden soll (16,9-12). Über die Abgaben und das, was bei diesem Fest zu verzehren ist, fehlen genaue Vorschriften; die Quantitäten sind abhängig von Willigkeit und Ernteertrag des Grundbesitzers (v. lOaß.b, vgl. 17). Der wenig klare Bezug auf die Erstlinge in Ex 23,16 a bzw. 34,22 a 95 entfällt, da das dtn Gesetz von Erträgen des Ackerbaus als kultische Abgabe nur den Zehnten (12,17; 14, 22 ff.), der nicht mit einem fixierten Festtermin verbunden ist, kennt, und die Erstlinge „reine Priestersteuer" sind (18,4) 96 . Obwohl für den Grundbesitzer also nur freiwillige Aufwendungen für das Erntefest Pflicht sind, sollen von seinem „Haus" unabhängige Bedürftige aus seiner Ortschaft an dem Fest beteiligt werden. Die Explikation der Anweisung, das Wochenfest zu feiern, in 16,11 besteht aus dem Gebot, sich vor Jahwe zu freuen, der Aufzählung des „Hauses" des grund- und sklavenbesitzenden Ackerbauern, des Leviten ("pnytra -i!>rn) und der drei personae miserae ("IIPK n:ai>Krn cnn-m u m η π ρ ι ) sowie der Bestimmung des erwählten Heiligtums (Jerusalems) als Ort des Festes. Die jeweilige Verknüpfung eines besonderen Relativsatzes mit dem Leviten bzw. der typisierenden Reihe der Armen könnte als Argument dafür gelten, daß ursprünglich nur der durch die Verlegung des Erntefestes an den monopolisierten Tempel geschädigte Levit ge-
9 3 Auch wo das „Haus" genannt ist, ist es ja Begleitung. Es erklärt sich so, warum ungebrochen aus der Tradition (Ex 23,17; 34,23) das Gebot aufgenommen werden kann, daß „jeder Mann" ("|τπτ !>D) drei Wallfahrten zu absolvieren habe (Dtn 16,16 f.). Daß „dem dtn Verfasser daran liegt, daß auch weibliche Familienmitglieder an den kultischen Feiern beteiligt sind" (Seitz a . a . O . S. 198), kann man von 16,1-8 her nicht sagen. Der Sachverhalt ist ein anderer in Dtn 2 9 , 9 f . ; 31,12. 9 4 Ob historisch richtig oder nicht, ist es sicher nicht zufällig, daß vom Reformkönig Joschija - in gewisser Konkurrenz zur Bundesschluß-Versammlung 2 K ö n 2 3 , 1 - 3 - eine Passafeier organisiert wird ( 2 K ö n 23, 21-23). Vgl. dazu Spieckermann a. a. O. S. 130 ff. 9 5 Ob und wie es mit den Ausdrücken -|-®YN " Ι Ό 3 bzw. Ο - Β Π Τ Ϊ Ρ - Π 3 Η um die Datierung oder um Darbringungen geht, ist unsicher, vgl. Noth, Exodus S. 155; J. Halbe, Privilegrecht S. 194. 9 6 M.Tsevat, ThWAT 1,644. Anders die Darbringung von Erstlingen (πητκπ -na n-tun) in der - von den drei Festen unabhängigen - Liturgie Dtn 26,1-11. Vgl. Ex 23,19 a; 34,26 a.
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nannt gewesen wäre. Eine solche literarkritische Differenzierung 97 hat jedoch keinen sachlichen Anhalt an der Vorschrift für das Wochenfest. Denn gerade die Erntefeste stehen in einem klaren Bezug zu dem wirtschaftlichen Leben, an dem die Besitzlosen in gewissem Umfang teilhaben, wenn sie insoweit in die Ortschaft integriert sind, als sie dort ihren Lebensunterhalt gewinnen können. Weil die Fülle des Ertrags für die N o t leidenden Glieder des Ortes mit ausreichen soll, schließt auch ihre kultische Darstellung diese Gestalten mit ein. D a ß es in einem materiellen Sinn um Teilgabe geht, beweist die an den zu entsprechendem Verzicht aufgeforderten Ackerbauern gerichtete eindringliche Mahnung zum Gehorsam v. 12. Die Verwandtschaft von 16,12 und 24,22 zeigt, daß die Intention, die sich bezüglich der Besitzlosen im Gesetz über das Wochenfest ausdrückt, dieselbe ist wie in 24,19-22. Das dritte Fest im Festzyklus ist das siebentägige Laubhüttenfest (jrr niDon). Es wird in 16,13-15 als Fest am Ende der Weinlese bestimmt. Das Fest entspricht dem „Lesefest" (η-οκη art) Ex 23,16 b bzw. 34,22 b, ist im dtn Gesetz jedoch nicht mehr auf den Jahreswechsel im Herbst datiert 98 . Der Grund für den Wegfall dieser Zeitbestimmung ist die Verlegung des Jahresbeginns ins Frühjahr 99 , wobei nicht zu erkennen ist, in welchem Abstand zu dieser Kalenderreform das Gesetz steht100, ob also der Wegfall der Datierung einen aktuellen polemischen Sinn hat und es sich um eine programmatische Trennung der Erntefeste (Jahwefeste) von dem solilunaren Kalender handelt 101 . Der Wegfall der absoluten Datierung soll andererseits vielleicht nur einen gewissen zeitlichen Spielraum schaffen, der den Schwierigkeiten Rechnung trägt, die aus der Forderung der Wallfahrt zum einzigen legitimen Heiligtum resultieren. Beide Erntefeste, die nur in relativer Abhängigkeit von den Erntearbeiten datiert sind, erlauben ferner re-
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Merendino a.a.O. S. 135 macht sie für postulierte vordeuteronomische Textstadien geltend. 98 Ex 23,16: π:βπ πιαη; Ex 34,22: rutin ποιρη; vgl. zu dem Termin Noth, Exodus z. St. und ABLAK 1,119 f. mit Anm. 28. 99 J. Begrich, Chronologie S. 89. 100 Begrich a.a.O. S.90 nimmt vorjoschijanische Geltung des sog. Nisan-Jahres an und verlegt die Kalenderreform an den Beginn der assyrischen Vorherrschaft über Juda (S. 156f.). Dem folgt A.Jepsen, Chronologie S.28.36; mehr zögernd B H H 111,2212 s.v. Zeitrechnung. Da die chronologischen Rekonstruktionen mit starken Unsicherheiten belastet sind und sich vor Joschija keine Belege für den Jahresanfang im Frühjahr finden, kann als sicher nur gelten, daß „in der letzten Zeit der judäischen Könige" das Jahr im Frühjahr beginnt (Begrich S. 70 ff.). So spricht Noth von der „frühestens in spätvorexilischer Zeit übernommenen Frühlingsjahresrechnung" (Könige S. 110); vgl. ABLAK 1,126 ff.; E. Kutsch, Das Jahr der Katastrophe S. 11 ff., bes. S. 16. 101 Die Frage ist auch deshalb von Belang, weil damit eine vorexilische Analogie zur Abschaffung des Vollmond-Sabbat durch die Übertragung des Namens „Sabbat" auf den Ruhetag im 6/7-Tage-Rhythmus vorläge. S. u. S. 63 ff.
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Das deuteronomische Gesetz
gionale Differenzierungen innerhalb der judäischen Monarchie, während das auch in anderem unterschiedene Passa-Massot-Fest eine festere Datierung, wenn auch nur auf den Monat, hat. An Ausführungsbestimmungen ist das Gesetz über das Sukkot-Fest nicht reicher als das über das Sabuot-Fest. Es sind wiederum keine Abgabevorschriften mit ihm verbunden, sondern es findet sich nur der allgemeine Hinweis auf den göttlichen Segen über Ertrag und Arbeit. Das Fest ist ausdrücklich als Freudenfest bestimmt (ηκ ir-m ... ·μπη nrrann nnt?) und schließt die gesamte Ortschaft als Teilnehmer zusammen. Die Glättung der Aufzählung der nicht an das „Haus" gebundenen Personen in v. 14 erklärt sich damit, daß es sich um eine Wiederholung nach v. 11 handelt. Entsprechend fehlt auch eine weitere paränetische Anrede wie v. 12. Die Beteiligung der Schicht der Besitzlosen an den beiden Erntefesten hat den gleichen Sinn wie die Vorschriften bezüglich der Nachlese und des Drittjahreszehnten. Die ökonomisch abhängigen, aber im Unterschied zu den Sklaven des „Hauses" freien Randgestalten der Ortschaften werden in die Festgemeinschaft integriert, obwohl sie über keine eigenen agrarischen Erträge verfügen und ihnen daher weder Darbringungspflichten obliegen noch Früchte für ein Festmahl verfügbar sind. Die Teilnahme des ger an den kultischen Begehungen am Jerusalemer zentralen Heiligtum hat darüber hinaus religiöse Implikationen. Der ger gehört so zur Bevölkerung der judäischen Monarchie, daß ihn keine Fremdheit von der Verehrung des Gottes Jahwe trennt. Es kann von daher nicht wahrscheinlich gemacht werden, daß er als Fremder von jenseits der Grenzen des Gottesvolkes nach Juda gekommen ist. Dagegen spiegelt sich seine soziale Lage darin wider, daß er bei den Erntefesten als unselbständige Gestalt wie Waise und Witwe von den grundbesitzenden Bauern berücksichtigt werden soll, während er bei dem nationalen Fest, das das Grundverhältnis dieser Bauern selbst zum Land vergegenwärtigt, nicht genannt ist.
2.4 Der Einschluß des ger bei der Ruhetagsforderung des Dekalogs (Dtn 5 , 1 2 - 1 5 ) Mit den Belegen für den ger bei den beiden jährlichen Erntefesten im Festkalender des dtn Gesetzes gehört der Beleg im Sabbatgebot des Dekalogs zusammen, obwohl er außerhalb des dtn Gesetzeskorpus steht. Denn in beiden Fällen geht es um religiöse Zeiten, die der selbständig wirtschaftende Grundbesitzer einzuhalten gemahnt wird. Und in beiden Fällen sind die Texte der dtn Bewegung der 2. Hälfte des 7.Jahrhunderts zuzuschreiben. In bezug auf den Dekalog im allgemeinen und das Sab-
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batgebot im besonderen ist eine treffende quellenkritische Beschreibung bekanntlich äußerst umstritten. Als mit einiger Allgemeinheit anerkannt darf j e d o c h gelten, daß es die „deuteronomisch/deuteronomistische Schule (war), die d e m D e k a l o g zu seiner überlieferten Gestalt . . . verhalf", und daß der D e k a l o g also „zu einer Einheit und G a n z h e i t . . . kaum vor dem 7.Jh." wurde 1 0 2 . D i e Datierung des D e k a l o g s als einer Hervorbringung der dtn B e w e g u n g in die judäische K ö n i g s z e i t des 7. Jahrhunderts hängt nicht zuletzt davon ab, ob es sich wahrscheinlich machen läßt, d a ß die vorexilische Zeit den na»rt d t ( D t n 5, 12) genannten Feiertag als Festtag einer S i e b e n - T a g e - W o c h e gekannt hat. Die vier meist fraglos 103 als vorexilische Belege gewerteten Texte, die einen Festtag na® nennen, sind 2 K ö n 4,23; Am 8,5; H o s 2,13; Jes 1,13. An diesen Stellen steht nac immer, diesem nachgestellt, parallel zu Pin 104 . Eine ungezwungene Deutung dieses Sachverhalts 105 ergibt nur die Annahme, daß in dieser Paarbildung neben dem Neumondtag (tnn) der Vollmondtag (na®) stehe 106 . Beide Tage sind Unterbrechungen des Arbeitsrhythmus (2 Kön, Am), an den Heiligtümern werden sie festlich begangen (Hos, Jes) 107 . Die vier genannten Belege sind mit der Klassifizierung „vorexilisch" zu wenig genau eingeordnet. Der älteste Beleg dürfte 2 Kön 4,23 in einer Elisa-Legende aus dem 9.Jahrhundert sein. Für das Amoswort gilt die generelle Datierung des Auftretens des Propheten in die Mitte des 8.Jahrhunderts, das Hoseawort stammt aus der „Frühzeit Hoseas", „den letzten Jahren der langen Friedensherrschaft Jerobeams II (787-747)" 108 . Auch f ü r Jes 1,13 wird die Herkunft aus J e s a j a s Frühzeit" vorgeschlagen 109 , wonach die Lage in der judäischen Monarchie im Jahrzehnt nach dem Tode Usijas 746 im Hintergrund stünde. Die Belege für den vorexilischen Sabbat stammen demnach sowohl aus der israelitischen als auch aus der judäischen Monarchie. Sie liegen in der Zeit vor 730 und lassen einen Zwischenraum von über 100 Jahren bis zur Durchsetzung des religionspolitischen Programms der dtn Bewegung unter Joschija im J a h r 622. Aus diesem
102 L. Perlitt, TRE 8,411 bzw. 412 s.v.Dekalog. 103 Den Belegjes 1,13 in 1,10-17 führt O.Kaiser inzwischen auf einen Vertreter aus dem Kreis der Tempelsänger des Zweiten Tempels zurück (Jesaja S. 42). 104 Der Eindruck der Regelmäßigkeit dieses Festtag-Paares wird beeinträchtigt, wenn in Jes 1 , 1 4 Neumondtage (plur.) allein stehen. Dort ist jedoch zu D 3 - j n zu emendieren, vgl. H.Wildberger, Jesaja I, 34 Textanm. 14 a. 105 E. Kutsch, Der Sabbat S.72, hat darin Recht, daß der Fall Ez 45,17 (plur.) nicht viel anders als Hos 2,13 liegt, nur kann man die Stelle nicht ohne ihren Kontext Ez 40-48 lesen, wo 44,24 und 46,1 ff. deutlich machen, was für ein Tag der Sabbat ist. Es dürfte hier die von J.Jeremias für Hos 2,13 gegebene Erklärung zutreffen, daß „monatliche und wöchentliche Festtage in absteigender Linie" genannt werden (Hosea S. 45). 106 Ch. Levin, Atalja S.39f. 107 Zu den Mondtagen in der Umwelt Israels bzw. Judas vgl. A.Lemaire, Le Sabbat S. 165 ff. 108 Jeremias a.a.O. S.40 bzw. 17. 109 Wildberger a. a. O. S. 37; vgl. R. Smend, Entstehung S. 149.
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Zeitraum gibt es keinen Quellentext, der das Bestehen der Institution des Sabbat bezeugte. Für den Festtag nap im Juda der ausgehenden Königszeit gibt es einen nicht gleichzeitigen Beleg in den Klageliedern. In einer Reihung der Verluste, die Jerusalem durch die Zerstörung 587 getroffen haben, nennt Thr 2,6bot die Feiertage, die J a h w e in Zion in Vergessenheit brachte". Wenn hier Elemente der gewohnten Ordnung des Alltagslebens in Juda vor dem Ende der Monarchie genannt sind, beweist der Vers die Üblichkeit eines Festtags na® vor 587. Wenn jedoch der zeitliche Abstand des Klageliedes von dem Sieg der Neubabylonier über Juda generationenweit ist, könnte ein Dichter die ihm dann gewohnte religiöse Zeitstrukturierung in die ferne Vergangenheit projiziert haben. Es ist nun umstritten, ob tatsächlich „der geschichtl. Ort (seil, der Klagelieder) . . . eindeutig die Exilszeit zwischen der Zerstörung Jerusalems 587 und dem Cyrusedikt 538 v.Chr. (ist)" 110 , oder ob es sich um „literarisch-aktualisierend(e) Gebetsdichtungen" aus der Zeit des Zweiten Tempels im 5.Jahrhundert handelt 111 . Folgt man nicht den Prämissen, die O.Kaiser zu dem letzteren zitierten Urteil führten, eine „überlegt und planvoll gestaltete Kunstdichtung" sei einer Hervorbringung „aus einer Stimmung des Augenblicks" entgegengesetzt 112 , und eine nur mit indirektem Bitten verbundene Klage weise auf „erheblichen zeitlichen Abstand" zur beklagten Lage 113 , sind die Gründe für eine derart ereignisferne Entstehungszeit von Threni 2 kaum tragfähig 114 und sein Interpretations-
110
Smend a.a.O. S.220. O.Kaiser, Klagelieder S.331; vgl. 300ff. 112 A.a.O. S.330 - und was ist ein Augenblick von 50 Jahren! 113 A.a.O. S.341. 114 Im wesentlichen geht es erstens darum, ob „v. 15 f. ganze Verse aus dem jedenfalls erst frühnachexilischen 35. Psalm verarbeitet" (a. a. O. S. 330), und zweitens um das Wort !>Dn in v. 14. Zur Konstatierung von Abhängigkeiten reichen diese Bezüge nicht aus. Gibt es Feinde und Spötter, sind die Metaphern „Maul aufsperren" (Thr 2,16: f in; Ps 35,21: nm hi.) und „Zähne fletschen" sowie die Zitation von Triumph- und Prahlreden (vgl. H. Gunkel/J. Beglich, Einleitung S. 198 f.) doch wohl zu allgemeine Ausdrucksmöglichkeiten, als daß man von ihrer „ursprünglichen Beheimatung ... in den Klagepsalmen" und dann „literarischen Entlehnung" (S.339) sprechen müßte. - Für v. 14 gilt eher, daß der Bezug auf Ez 13, lOff. verwirrt, als daß „v. 14a ohne den Kommentar von Ez 13,11-14 unverständlich ist" (S. 338). Denn in Thr 2,14 ist !>Dn im Wortpaar ^ m κι® kein „Bild", sondern ist der ganze Ausdruck ein Hendiadyoin und i>D7i doch wohl nach Hi 6,6 zu deuten (KBL, BDB s.v.). Das Postulat einer hebräischen Wurzel S>do II wie !>38 neben !>dji I (Gesenius-Buhl u.a.) ist überhaupt zweifelhaft, vgl. auch die LXX an den entsprechenden Stellen und die Übersetzungen von Aquila und Symmachos in Ez 13 (W. Zimmerli, Ezechiel 1,283 Textanm. 10 d). Auch in Ez 13 kommt man ohne ein Nomen Soji II mit der Bedeutung „Tünche" aus (vgl. E.König, Wörterbuch s.v.; A.B.Ehrlich, Randglossen 5,45), da !»on immer Objekt zu rna ist, das die Bedeutung „tünchen" trägt. Wenn etwa loy das richtige Material wäre (Lev 14,42), kann ^an ebenso die unsachgemäße Mischung bezeichnen wie im Salzlosen (Teig) Hi 6,6. Auch der letzte atl. Beleg des Wortes, Ez 22,28, läßt sich so befriedigend verstehen (Explikation: Kit» und 3T3). !>dji ist dann nicht der „kräftige Kalkputz" (Kaiser a.a.O.), sondern der wertlose Putz (Zimmerli a.a.O. S.294 für Ez 13,10: „heller Tüncheanstrich") auf einer gerissenen Mauer, das Bild wird dadurch nicht viel schlechter. Nach Zimmerli 111
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Vorschlag dient eher der Erklärung möglicher späterer Rezeptionslagen für diese Lieder. Es ist nicht wahrscheinlicher, daß in Thr 2 ein Dichter des S.Jahrhunderts die „Rolle des . . . Augenzeugen" 115 spielt, als daß ein Zeitgenosse der Niederlage Judas mit rhetorischer Konzentration und Formgebung klagt. Gilt das Kriterium der Parallelstellung von rutn »in für die Beschreibung von nit? als Vollmondtag in den vorexilischen Belegen, dann ist Thr 2 , 6 jedoch kein Beleg dafür, daß „der Sabbat als Vollmondtag in Israel . . . mit dem Untergang Jerusalems verschwunden (ist)" 116 . Denn in Thr 2 , 6 steht na® nicht mehr neben tnfi, sondern neben Tjnn als Bezeichnung der Jahresfeste 117 , und damit entfällt der Grund dafür, das Wort na® als Namen des Vollmondtages zu deuten. Wenn diese Deutung aber ausscheidet, kommt nur die des Sabbat als des siebten Tages der Woche in Frage. Darf man Thr 2 , 6 also auf die religiöse Strukturierung des Jahreslaufs vor der Zerstörung des Staatstempels beziehen, ist offensichtlich am Ende der vorexilischen Zeit nac als der wöchentlich zu haltende Tag ein anerkannter „Festtag" der Jahwereligion gewesen 118 .
Die Belege für na® als Vollmondtag im 9. und 8. Jahrhundert schließen es keineswegs aus, die „Fusion des Vollmondsabbat mit dem siebten Tag der Woche, der durch Arbeitsruhe gekennzeichnet ist""9 auf die dtn Bewegung des 7. Jahrhunderts zurückzuführen. Die Abschaffung auf den Mondlauf orientierter religiöser Festtage120 ist als eine Maßnahme der dtn „Yahweh-alone"-Bewegung121 gut denkbar, und die ihr gegenüberstehende Verstärkung der religiösen Bedeutung der Zeitstruktur durch
(a. a. O. S. 299) sollte es übrigens sogar offen bleiben, ob Ez 13 aus der Zeit vor oder nach 587 datiert, so daß es in Threni allemal vorausgesetzt werden könnte, us A.a.O. S.336.337. us Levin a.a.O. S.41. •ι 7 Mit Kaiser a.a.O. S.335. 118 Kutsch a.a.O. S.71 ff. will über Lev 23,10f. 15-17, das „der Entstehung der Formulierung nach in die vorexilische Zeit" gehöre (S. 75), nachweisen, daß die Fixierung des Wochenfestes den Sabbat als 7. Tag der Woche in vorexilischer Zeit kenne. Der Versuch leidet an der unbewiesenen Voraussetzung, daß „Ausgangspunkt für die Zählung der sieben Wochen ... das dem Wochenfest vorangehende ... Massotfest" sei (S. 73,75), vgl. A. Cholewmski, Heiligkeitsgesetz S. 198 f. In Lev 23,10 ist der n-wn my - Ritus wie der Termin Dtn 16,9 vom Massotfest getrennt. Lev 23 entfällt als Beleg für die judäische Königszeit. 1 ' 9 F.-L. Hossfeld, Dekalog S. 251. Gegen Hossfelds Datierung dieses Vorgangs ist jedoch einzuwenden, daß es unplausibel ist, daß man im Exil ausgerechnet einen Festtag, der die Kultzentralisation und die Tempelzerstörung unbeeinträchtigt überstanden hätte (und zu dem komplementär ebenso der Neumondtag zu denken wäre), vollständig umwandelt, wenn man „an die kultischen Traditionen vorexilischer Zeit anknüpfen" will (ebd.). Im übrigen beweist Lev 23, daß die Erntefeste nicht obsolet geworden waren. 120 Allerdings ist „πν ... im AT kein Gestirn mit eigenständiger Relevanz weder im profanen ... noch im religiösen Bereich", sondern steht kultisch nur im Zusammenhang mit Sonne und Gestirnen: H. Spieckermann, Juda unter Assur S. 87. Über die Bekanntschaft mit assyrischer Hemerologie und Menologie in Juda ebd. S. 281; danach kann die Aufhebung der Mondumlauf-Festtage durchaus polemischen Sinn haben. 12 ' Als einer „Yahweh-alone"-Partei zugehörig beschreibt M.Smith die dtn Bewegung, s. o. S. 48 Anm. 56.
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den Sabbat als eine religionsgesetzliche Forderung, deren Beachtung keinen besonderen Kultort verlangt, kann als ein Ausgleich für die Aufhebung der traditionellen lokalen Bindungen der Jahweverehrung in der judäischen Landschaft gedeutet werden. Die Institution des wöchentlichen Sabbat dürfte deshalb für den dtn Gesetzgeber großes Gewicht gehabt haben, und die Vorausnahme des Sabbat in den Dekalog ist auch die einzige Erklärung dafür, daß der Ruhetag im 6/7-Tage-Rhythmus aus Ex 23,12; 34,21 im Gesetz Dtn 12-26* keine Berücksichtigung findet. Daß dieses Muster einer Zeitstruktur der dtn Bewegung nicht gleichgültig war, zeigen weiterhin sowohl die deuteronomistisch gefärbte Begründung des Ruhetaggebots in Ex 23,12 b als auch die breite Fortentwicklung des Brachjahrgebots Ex 23,10 f. in Dtn 15,1-11. Ist insoweit die Verbindung des Dekalogs mit der dtn Gesetzgebung im Blick auf die Institution des Sabbat wahrscheinlich, könnten sich neue Einwände gegen eine Interpretation des Dekalogs, die ihn, das Sabbatgebot eingeschlossen, dem dtn Gesetz als Dokument der Intentionen derselben dtn Bewegung an die Seite stellt, von seiner möglichen Entstehungsgeschichte her ergeben. Es stellt sich dabei die Frage, ob der Text des Dekalogs als einheidicher Ausdruck der Interessen der dtn Bewegung gelesen werden kann, oder ob nach verschiedenen, auf einer knappen Urgestalt aufbauenden Wachstumsstadien differenziert werden muß. Da ferner eine Einigkeit der Exegeten in der Bestimmung der Richtung der Textrevision zwischen Ex 20,2-17 und Dtn 5,6-21 fehlt122, ist es nicht von vornherein sicher, daß die Fassung Dtn 5,6-21 zur Grundlage einer historischen Deutung des Dekalogs unter sozialgeschichtlichen Aspekten gemacht werden kann. Ein Urteil darüber ist aber die Voraussetzung dafür, Zusammenhänge innerhalb des Dekalogs für die Zeichnung eines Bildes der im Sabbatgebot sichtbar werdenden sozialen Gegebenheiten zu nutzen. Im Interesse quellenkritischer Orientierung läßt sich hier also ein Exkurs zur Entstehung des Dekalogs nicht umgehen, so sehr die Probleme dabei nur grob skizziert werden können. Die Kritik des Dekalogs in seinem jetzigen Textbestand nimmt Anstoß an seinen „formalen Unausgeglichenheiten" und folgt dem Leitbild einer „reine(n) Prohibitivreihe ohne die beiden positiven Gebote, ohne Verweise, Begründungen und bedingte Verheißungen und ohne den Sprecherwechsel" (zwischen Dtn 5,6-10 und 11-16. (21 ))123. Die Rekonstruktion einer Entstehungsge-
122 Hossfeld sucht in seinem genannten Buch über den Dekalog gegen die herrschende Meinung die Priorität von Dtn 5 zu erweisen; dagegen Ch. Levin, Dekalog S. 165 ff.; A. Graupner, Dekalogfassungen S. 308 ff.; auch T. Veijola, Das dritte Gebot S. 3. 123 Levin a.a.O. S. 170. Levin steht damit mutatis mutandis in der exegetischen Tradition der Urdekalogrekonstruktionen, vgl. die Berichte in der ThR 1929 (L.Köhler) und 1961 (J. J. Stamm), aber auch Perlitt a. a. O. S. 411; F. Crüsemann, Thema des Dekalogs S. 17.
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schichte des Dekalogs setzt also sowohl im „Bereich der Jahwerede" 5 , 6 - 1 0 als auch im „Bereich der Menschenrede" 5,11-16 ein und nimmt die Prohibitivform im „neutralen Bereich ohne Nennung Jahwes" 5 , 1 7 21 zum Maßstab 124 . Soll der Dekalog aber, wie es sich gerade von dem ersten der beiden positiven Gebote, dem Sabbatgebot, her nahelegt, als ein Dokument der dtn Bewegung für die Reform der Jahweverehrung in der judäischen Monarchie, das neben dem ausführlicheren dtn Gesetz steht, interpretiert werden, ist demgegenüber der interne sachliche Zusammenhang der Gebote stärker geltend zu machen, der - trotz der relativen Freiheit von Formzwängen, die der literarischen Kritik als Ausgangspunkt dient, - den Dekalog als eine ursprüngliche literarische Einheit zu beschreiben erlaubt, die nur geringe Erweiterungen erfahren hat. Der formale und sachliche Anstoß, den der Sprecherwechsel zwischen dem ersten und dem zweiten Bereich darstellt, geht auf das Problem des Dekaloganfangs mit der Jahwerede in der ersten Person zurück. Die Interpretation der Selbstvorstellungsformel, mit der am Anfang das „Ich" der Gottheit vor ihren Verehrern erscheint (yn^K mrr '3a«), ist entscheidend für die Situation der Rede und in der Folge für die Frage nach dem Hintergrund der Entstehung des Dekalogs: in der gelebten Religion oder in der Literatur. Das Phänomen der Präsenz einer Gottheit als redendes „Ich" ihren Verehrern gegenüber nun ist überwiegend ein Phänomen des Kultes, so daß als primärer Sitz im Leben der Selbstvorstellungsformel die „gottesdienstliche Rechtsproklamation" beschrieben wird 125 . Eine Rede, die mit dem „Ich" der Gottheit anhebt, ist Rede im Munde eines bevollmächtigten Kultfunktionärs 126 . Von daher ist der Begriff „Sprecherwechsel" für die Bezeichnung des Ubergangs von Dtn 5 , 6 - 1 0 zu 5,11 ff. irreführend: es wechselt nicht der Sprecher, sondern derselbe Sprecher wechselt die Richtung seiner Rede, indem er nicht mehr direkt von der Gottheit her, sondern über sie spricht. Es ergibt sich daraus ein weiteres: wenn der Verfasser des Dekalogs seinen Anfang von diesem Sitz im Leben her nimmt, d. h. aus den kultischen Vollzügen seiner Zeit entlehnt, gibt er die Formel, auch wenn er sie literarisch erweitert, diesem Sitz im Leben zweifellos wieder zurück 127 . Denn die Annahme, daß 124
Die Abgrenzung der „Bereiche" nach Hossfeld a.a.O. S.242. Hossfeld a.a.O. S.264, nach W.Zimmerli, Gottes Offenbarung S.38ff. 126 Zimmerli ebd. Besonders deutlich wird etwa in Lev 18,1-5 solche Rede einem Mittler übertragen; vgl. für das Dtn hinsichtlich aktuell vollzogenen und vollziehbaren Kultgeschehens auch das Hif'il von na* Dtn 26,17 a. 127 Von daher ist die Entgegensetzung einer Erklärung des Dekalogs „als Ergebnis rein literarischer Produktivität" und einer Erklärung daraus, „daß der Dekalog im Rahmen regelmäßiger, mehr oder weniger kultischer Begehungen gelebt und Gestalt gewonnen hat" (Crüsemann a.a.O. S. 14) mißlich, denn ohne die Zwischenstufe „rein literarischer Produktivität" setzt der Kult kaum einen Text wie den Dekalog aus sich frei. 125
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ein Element aus dem religiösen Leben in die Literatur entlehnt wird, ohne auf dieses zurückzuwirken, ist unplausibel. Aufgrund des rhetorischen Charakters der Dekalogpräambel ist die Entstehung des Dekalogs nicht als literarisches Geschehen in weiter Distanz zum Kult beschreibbar128. Der Sitz des Dekalogs im Leben des Kultes macht ihn für die spätere Literatur zu einer „zitablen Einheit"129. Dtn 5,6-21 kann danach als ein religiöser Gebrauchstext mit eigenen Funktionen vor seinem Sitz in der Literatur verstanden werden130. Der Dekalog ist nicht an seinen erzählerischen Kontext in Dtn 5 gebunden, dessen Entstehung darum nicht als terminus ante quem non für seine Datierung gelten darf131. Vielmehr ist die szenische Verortung des Dekalogs als Jahwerede in einer Theophanie nur die literarische Einbindung ätiologischen Charakters eines Textes, der mit dem „Ich" der redenden Gottheit beginnt, neben oder auch nach seiner aktuellen kultischen Funktion132. Nach allem besteht keine Notwendigkeit, einen Urdekalog zu rekonstruieren, in dem der „Sprecherwechsel" beseitigt ist133. Im Gegenteil läßt es sich geradezu erwarten, daß der vollmächtige Sprecher nach der Eröffnung seines Vortrags mit der „Selbstvorstellung" der Gottheit zu Geboten übergeht, die dessen weitere Ansprüche an seinen Verehrerkreis bekunden (v. 11-15), bevor dann die Grundorientierungen für das soziale Leben fixiert werden (v. 16-21). Denn die Prohibitive ν. 7.9 a134 legen,
128 Von Ps 50 und 81 her urteilt Hossfeld, daß die „kultische Verwendung des Dekalogs" in seine „Wirkungsgeschichte" gehöre (a. a. O. S. 264). Als ein Gegensatz zu seiner Entstehungsgeschichte, d.h. seinem Sitz im Leben zur Zeit seiner Entstehung, ist das kaum zutreffend. Es kann sich übrigens nur um einen Aspekt dieser Wirkungsgeschichte handeln, denn die vielbeobachtete Funktion der Zehnzahl für die Memorierbarkeit läßt konkrete andere Zweige seiner Wirkungsgeschichte erschließen. 129 Dieser Begriff bei Perlitt a.a.O. S.411. 130 Das xjp !>x- und das Exodus-Konzept des Dekalogs ist dem : i n i n-m-Konzept des dtr Dekalograhmens gegenüber selbständig. 131 Hossfeld a.a.O. S.280ff. verbindet dagegen den Dekalog unmittelbar mit der dtr Nachbildung einer jehowistischen Sinaitheophanie. Für Ex 20 vertritt Levin a. a. Ο. S. 174 ff. ein Modell, nach dem ein Urdekalog „Keimzelle" einer Sinaiperikope darstellt. 132 In der Theophanieerzählung Dtn 5, in deren primärer Schicht (v. 1 aa. 2.4. mxi> (aus v. 5): Hossfeld) kein Mittler eine Rolle spielt, ist der „Sprecherwechsel" tatsächlich ein Bruch in der Redestruktur. 133 Für eine weitere literarkritische Analyse des ersten Dekalogbereichs (v. 6-10) sei auf Hossfelds Monographie verwiesen. 134 Für das in die Eröffnung eingebettete Bilderverbot v. 8 gilt nach Zimmeriis Beobachtungen das - von ihm erwogene, aber wegen der Fixierung auf Hypothesen über einen Urdekalog verworfene - literargeschichtliche Urteil, „daß das Gebot v. 4 erst nachträglich an seine jetzige Stelle geraten ist und den ursprünglichen Zusammenhang von v. 3. 5 f. zerrissen hat" (Verszählung nach Ex 20): Das zweite Gebot S. 240. Wie im Dekalog ist auch in der Fluchsatzreihe in Dtn 27 das Bilderverbot (v. 15) eine Erweiterung.
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indem sie die Konkurrenz von π"ΐπκ θ"πί»χ verbieten, nur ein Fundament, das das Daß des „Yahweh-alone" etabliert, nicht aber das Wie. Die notwendigen Anweisungen für die alltägliche Gestalt der Religion im Leben der Jahweverehrer geben erst v. 11 (negativ) und v. 12-15 (positiv). Der im Dekalog Angeredete weiß erst durch diese Gebote, was sein Gott von ihm fordert. Das erste Gebot im zweiten Bereich des Dekalogs (v. 11) verbietet die Dekkung nichtigen religiösen Tuns mit dem Namen Jahwes 135 und ist darin genauso ein Ausdruck der dtn Intention der ausschließlichen Konzentrierung der Religion auf den Gott Jahwe und bestimmte erlaubte Formen seiner Verehrung wie die Präambel. Richtet sich die Polemik dort gegen theistische Apostasien, so hier gegen numinose136. Im Verhältnis zu dem im religiösen Tun Intendierten darf der Name der Gottheit nichts Äußerliches sein137. Das Verbot Dtn 5,11 ist insofern ein negatives Komplement zu dem Gebot Dtn 6, 5.
Was im Dekalog positiv über die Gestaltung des religiösen Lebens gesagt ist, steht im Sabbatgebot v. 12-15. Das Sabbatgebot ist deshalb ein integraler Bestandteil des Dekalogs als einer Reihe der Grundforderungen Jahwes an seine Verehrer. Darin, daß es als Forderung eines spezifischen religiösen Tuns konkret in die Ordnung ihres Lebens eingreift, ohne Bedingungen zu implizieren, die außerhalb Jerusalems nicht mehr erfüllbar wären, hat es sachlich eine Komplementärfunktion zum Verbot der lokalen Opferstätten und literarisch eine Komplementärfunktion zum dtn Gesetz, das für religiöses Tun nur da positive Regelungen aufstellt, wo Wallfahrten zum Tempel erforderlich sind. Am Sabbatgebot muß sich auch die Frage nach dem Verhältnis zwischen den beiden Dekalogfassungen in Dtn 5 und in Ex 20 entscheiden, da nicht nur jeweils die sog. Sabbatbegründung eine andere ist, sondern auch der Gebotstext selbst eine deutliche Revision erfahren hat. Das Sabbatgebot in Dtn 5 enthält wie das Elterngebot als Überschuß gegenüber Ex 20 den Verweis auf die gebietende Gottheit: nw- ηιχ TWKD •prr^x. Ließe sich für den Vergleich der beiden Dekalogfassungen die methodische Regel „lectio brevior potior" aufstellen138, wäre die Richtung der Revision leicht entschieden. Da der Dekalog jedoch mehr ein Gebrauchstext im Kult und ein Memoriertext als ein Literaturtext ist, bleibt die Möglichkeit sekundärer Abschleifungen von Umständlichkei-
135 Vgl, H.Gese, Dekalog S.75; Hossfeld a.a.O. S.247. 136 Als Hintergrund für den Begriff κι® im religiösen Kontext vgl. z.B. Dtn 26,14a. Gegen diese Deutung argumentiert jetzt Veijola a. a. O. mit gewichtigen Gründen. 137 Eine Verbindung zu dem Konzept vom Zion als dem Ort des Wohnens des Sem Jahwes, wie sie Hossfeld a. a. O. S. 245 herstellt, legt sich nicht nahe. 138 Levin a.a.O. S.166.
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ten in der Formulierung mindestens gleichrangig neben einer Auffüllungshypothese bestehen. Die Formel -pni>x mrr -ps -iwo wird in der Regel präterital übersetzt und als Rückverweis erklärt. Da ein solcher Rückverweis nur bei zwei Dekaloggeboten steht, zielt er auch bei der Annahme einer Priorität von Ex 20 nicht dorthin. Die Korrespondenzstellen der Verweise zu bestimmen, ist ein Problem. Für 5,14 benennt man üblicherweise Ex 23, 12139, obwohl dort gerade nicht vom naen a r die Rede ist; für 5,16 die nnr mn-Sätze Ex 21,15.17, weil nämlich „das Gebot der Elternehrung keinen atl. Vorläufer besitzt"140. Wenn man ferner Dtn 5,12 b. 15 b als „doppelten Rückverweis" zusammennimmt141, ist es vollends unmöglich, einen literarischen Verweisbezug zu finden, denn den Zusammenhang von Sabbat und Exodus (... ρ by) gibt es überhaupt nur an dieser Stelle. Die präteritale Übersetzung der Formel sowie die Zuweisung der Funktion, „auf der synchronen Textebene" Bezüge herzustellen, an dieselbe142 sind aufgrund dieser Verlegenheiten eher zweifelhaft143. Sind die Verweisformeln aber kein klares Zeichen dafür, daß Dtn 5,6-21 den Kontext einer „synchronen Textebene" voraussetzt, ist nach ihrer Bedeutung in einer „zitablen Einheit" zu fragen. Die Übersetzung der Wendung "pn!>x mrr -px ίβιο in einer selbständigen Texteinheit kann nicht präterital sein144. Das Perfekt -pjt kann jedoch auch als konstatierendes Perfekt in präsentischer Bedeutung145 aufgefaßt werden. Der Ton der Wendung liegt darauf, daß es der Gott Jahwe ist (yni>x mrr), der den Sabbat fordert, als -ρπί>κ mn-!> τη® (ν. 14 a). Die Unterstreichung dieses Sachverhalts stimmt mit der polemischen Tendenz der Dekalogpräambel und des Gebotes v. 11 zusammen. Die Formel hat demnach einen ursprünglichen Platz im Dekalog und die Gebotsfassung von Ex 20 ist sekundär gekürzt. Die Formel betont, daß es der Gott Jahwe ist, von dem die Weisung ausgeht, und ist in
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C.Steuernagel, Deuteronomium S.73; Levin a.a.O. S. 174; Hossfeld a.a.O. S.56. 140 Hossfeld a.a.O. S.253ff. 14 > Ebd. S. 54 ff. 142 Ebd. S.68. 143 Dieselben Schwierigkeiten ergeben sich in Dtn 20,17 (vgl. auch 24,8). Die Verwendung des Satzes in erzählenden oder mahnenden Kontexten und mit pauschalem Bezug auf das Gesetz ist ein anderer Fall. Hier geht es um Reflexionen über vorliegende Bestände. Die Stellen bei Hossfeld a.a.O. S.55. Auf diese Stellen bezieht sich auch W.L.Moran, Love of God in Deuteronomy S. 86, mit der Beobachtung, daß das Perfekt in der Phrase -px iBK präteritale Bedeutung hat, weil es zum Horeb zurücksieht, während „the T O D A Y of Deuteronomy is confined to the participle m e sawwe". Die Stellen Dtn 5,12-15.16 dagegen „constitute a special problem", für das Moran keine Erklärung bietet (ebd. Anm. 51). Ebenso offen bleibt das Problem bei N. Lohfink, Hauptgebot S. 60 und G. Braulik, Die Ausdrücke für .Gesetz' S.14 Anm. 10. D.W.Skweres, Rückverweise S. 182-184, führt bezüglich dieser Stellen nicht über Steuernagels Bemerkung „wohl Abschreiberzusatz" (a. a. O. S. 73) hinaus. 144 Es sei denn als Memento der kultischen Promulgation im Memoriertext. 145 G.Bergsträsser, Grammatik II § 6e; vgl. den Stativ bei R. Meyer, Grammatik § 101.2.
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dieser Funktion an die religionspolitische Lage im Juda des ausgehenden 7.Jahrhunderts gebunden, so daß sie bei der erneuten Aufnahme des Dekalogs in einen späteren literarischen Kontext (Ex 20) wegfallen konnte, wenn sie nicht schon im Zuge der mündlichen Weitergabe des Dekalogs weggefallen war146. Der Dekalog als Text der dtn Reformbewegung insistiert dagegen ausdrücklich darauf, daß der alles religiöse Tun ausschließlich auf sich ziehende Gott Jahwe die Einhaltung des Ruhetages im 6/7-Tage-Rhythmus fordert 147 . Nach dem Verbot der lokalen Kultstätten ist die Präsenz der Gottheit im Alltag ihrer Verehrer die Präsenz in der Zeitstruktur. In diesem Sinne ist die Formel keine Rückverweisformel, sondern eine Statuierungsformel. In 5,16 steht sie im ersten der „ethischen" Gebote ein zweites Mal und ist insofern das Vorzeichen für die ganzen Gebote v. 16-21. Die „ethischen" Gebote sind dadurch genauso Bekanntgabe des Willens Jahwes, der mit seinem Ausschließlichkeitsanspruch der Gott der Angeredeten ist, wie die Gebote in v.6-15. Der polemische Sinn der Statuierungsformel liegt hier in der Beanspruchung des in v. 16-21 normierten Verhaltens im sozialen Leben durch eben diesen Gott Jahwe. Der größte Unterschied der Dekalogfassungen von Dtn 5 und Ex 20 ist die Begründung der Sabbatforderung. Nach Dtn 5 wird der Tag mit der völligen Arbeitsruhe geheiligt (tnp pi.)148 und sein Sinn ist, daß eben ein solcher Ruhetag besteht, der auch den Abhängigen zugute kommen und sie insoweit an diesem Tag dem Besitzenden gleichstellen soll: •pno ηηηκι -pay n u \ Die Verwandlung der Gesellschaft an diesem Tag durch die Arbeitsruhe in eine Gemeinschaft der Gleichen wird mit dem Gedenken an die Herausführung aus Ägypten begründet. In diesem Sinne ist η η ort ην ein soziales Ereignis, das in einem Zusammenhang mit der mythischen Wirklichkeit der Befreiung der angeredeten Judäer aus Ägypten steht. In dem Grad der Bedeutung der Exodustradition steht Dtn 5,12-15 neben 16,1 ff., wo ein jährlicher Festritus das Exodusdogma gegenwärtig halten soll. Auch die sog. Sabbatbegründung in Dtn 5 bestätigt den angenommenen Zusammenhang des Dekalogs mit dem dtn
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Ein weiterer Grund für diese Abschleifung im Dekalogtext kann die spätere radikale Strafgesetzgebung gegen Verehrer fremder Götter (Dtn 13) sein: Die Lage hat sich geklärt. 147 Die Beobachtung Lohfinks, Dekalogfassung S. 17 ff., daß wegen der Syndese der Prohibitivreihe Dtn 5,17-21 das Sabbatgebot eine gewisse Zentralstellung einnimmt (6-10/11/12-15/16/17-21), kommt der vorgeschlagenen Auffassung entgegen. 148 Die Interpretation von 9ip pi. auf kultische Sabbatbegehung hin (H.-P. Müller, THAT II, 605) ist überzogen. Den Tag „heilig machen" heißt, ihn der Verfügbarkeit entziehen und an die Gottheit umwidmen (vgl. Dtn 22,9 (qal); 15,19 (hi.)), vgl. M.Noth, Exodus z.St. Daß die Formulierung so einmalig ist wie der Sabbat, reicht nicht dazu, sie zu streichen (gegen Hossfeld a.a.O. S.248).
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Das deuteronomische Gesetz
G e s e t z , und es gibt keinen G r u n d , sie f ü r literarisch sekundär zu erklären. Die D e k a l o g f a s s u n g in E x 20 ersetzt die dtn Begründung durch eine andere mit kosmologischen Bezügen 1 4 9 . D e r T a g wird geheiligt, weil die Zeitstruktur dem Muster der S c h ö p f u n g folgt (v. 11 a II G e n 2 , 2 ) und weil der T a g selber von G o t t gesegnet und geheiligt wurde (v. 11 bll G e n 2 , 3 ) . D a ß diese von der priesterschriftlichen Schöpfungsgeschichte abhängige Begründung die spätere ist, ist unumstritten. Es könnte sein, d a ß der S a b b a t mit seiner neuen Sinndeutung im H o r i z o n t der K o s m o l o g i e Funktionen vom Kult am Jerusalemer Staatstempel nach dessen Zerstörung übernimmt. D i e Revision des Gebotstextes 1 5 0 und die Ersetzung der Sabbatbegründung erweisen die Sekundarität von E x 20 gegenüber Dtn 5. Die Dekalogfassung von Ex 20 läßt sich auch für Dtn 5,16-21 als Revision derjenigen von Dtn 5 verstehen. Von Belang ist hier der Vergleich von Dtn 5,21 mit Ex 20,17 151 . Da in Dtn 5 die Konkurrenz der Begehrensverbote mit zwei der nach Hos 4,2 gebildeten Prohibitive 152 noch deutlicher sichtbar ist als in Ex 20, kommt auch hier dem Dtn-Text die Priorität zu. Das Verbot der Schädigung des Nächsten durch Einbrechen in seine Ehe (ηκιιι xt· v. 18) konkurriert mit dem Verbot, sich die Frau des Nächsten zu verschaffen (ijn τηπτι x!> ν. 21a) 1 5 3 , das Diebstahlverbot (ajjii xb v. 19) konkurriert mit dem Verbot der versuchten Aneignung des die wirtschaftliche Existenz des Nächsten sichernden Eigentums ( Π Ί Κ Ϊ Ι Π . . . nl> v.21b) 1 5 4 . Beide Verdoppelungen sind in gewisser Weise zugleich Kommentierungen der Prohibitive, d.h. der rezipierten traditionellen Vorgabe 155 . Das zweite Begehrensverbot zählt dafür den Besitz an Immobilien: Haus und
149 Vgl. dazu E.Jenni, Theologische Begründung S. 25 ff. 1 5 0 Zum Wechsel ίπιγ/ί3τ vgl. Hossfeld a . a . O . S.40ff. - Im Interesse der Glättung des Textes kann das Arbeitsvieh unter nana subsumiert werden; vielleicht tritt auch die Dominanz der Anschauung der ackerbauenden Gesellschaft in Juda zurück. 1 5 1 Ob die Weglassung des zweiten Finalsatzes au-Ex 20,12 mehr bedeutet als glättende Reduktion von Plerophorie in Angleichung an „vorgeprägte(n) Sprachgebrauch" (dazu Levin a . a . O . S. 167f. mit entgegengesetztem Urteil) sei dahingestellt. Der Wechsel von nie ly zu τρ® -ry (Ex 20,16) trägt der religiösen Konnotation von κι® (Dtn 5 , 1 1 / E x 2 0 , 7 ) Rechnung. Die Asyndese Ex 20,13-17 verdeutlicht die Zehnzahl der zum festen topos gewordenen D—inn mey (Dtn 4,13; 10,4). 1 5 2 Hossfeld a . a . O . S.276ff. Die Annahme eines Umweges über Jer 7 , 9 (Levin a . a . O . S. 169 f.) legt sich nicht nahe und trägt zum Grundsätzlichen, der Umsetzung von prophetischer Anklage, nichts bei. 153 Vgl. zum Wort meine Menschendiebstahl, und es habe ursprünglich einen Prohibitiv -rann K^ gegeben. '55 Vgl. Graupner a . a . O . S.327f.
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Feld, an Arbeitskräften und -vieh und an sonstigen (Gebrauchs-)Gütern i>3 -|yni>) auf. Ex 20,17 revidiert diese Gebote, die im Dekalogganzen einen gewissen Überschuß darstellen, durch ihre Zusammenfassung zu einem Gebot 156 . Das wird durch die Gleichheit des Verbs (zweimal mn) und die Unterstellung der Personen und Objekte unter den Oberbegriff -|jn n-a im Sinne von „Hausstand" bewirkt 157 . Das ehemals zweite Verbot wird eine Explikation des voraufgehenden. Der Bedeutungswandel von ira hat die Auslassung des Immobilienbesitzes zur Folge: der Begriff -|jn ira ist umgedeutet, im® weggelassen 158 .
Die Ausführungen des Exkurses rechtfertigen es vorläufig, mit F. L. Hossfeld die Priorität der Dekalogfassung von Dtn 5 vor der von Ex 20 zu vertreten und den Dekalog, was hier besonders in Hinsicht auf das Sabbatgebot erörtert wurde, als einen dtn Programmtext zu betrachten. Der sozialgeschichtliche Hintergrund des Dekalogs ist also aufgrund der Fassung Dtn 5,6-21 zu rekonstruieren. Der Dekalog kann direkt dem dtn Gesetzgeber zugeschrieben und im Zusammenhang mit dem dtn Gesetzeskorpus Dtn 12-26* interpretiert werden. Auf welche Weise der dtn Dekalog auf aktuelle Wirkung zielte, ist klarer zu sehen als beim umfangreichen dtn Gesetz, weil seine Präambel ausweist, daß er Stoff „gottesdienstlicher Rechtsproklamation" ist159. Während die dtn Bewegung die Abschaffung der vertrauten Religionsübung in der judäischen Landschaft beabsichtigt, bietet sie gleichzeitig einen Memoriertext, der die Gottheit und ihre Ansprüche an das religiöse und soziale Leben des Alltags in dieser neuen Lage bekanntmacht. Der Angeredete des Dekalogs160 ist der freie Besitzer von Haus, Akkerland, Vieh und Sklaven, der zu vier Personengruppen in Beziehung gesetzt wird: 1. seinen Eltern, 2. seinen (Kindern und) Sklaven, 3. dem grundbesitzlosen Mann in seiner Ortschaft ("pnywa Ί®Κ η υ ) und 4. seinem gleichrangigen Nachbarn ("|jn). In ν. 14 b. 16 ist das die Relation des Starken zum Schwachen, in v. 17-19.20 f. die des Starken zum Gleichen. Der Dekalog setzt in Dtn 5,12-16.20 f. mit diesem Personenkreis dasselbe Milieu der agrarwirtschaftlichen Gesellschaft in Juda voraus, wie es im dtn Gesetz zutage tritt. Der Angeredete soll sich dem jn gegenüber nicht durch ungerechtes Tun Überlegenheit verschaffen und ihn weder
156 Die Zählung wird durch die Verselbständigung des Bilderverbots ausgeglichen: Hossfeld a.a.O. S.24.144. 157 Es entfällt das (zweite) selbständige Gebot bezüglich der Frau des Nächsten. Über die „Bewertung der Stellung der Frau" läßt sich, obwohl man das gern versucht (ζ. Β. E. König, Deuteronomium S.92f.; Graupner a.a.O. S.323.327), daraus nichts lernen, da sie so wie noch nur als -|yn nt>« in Betracht kommt. 158 Der Sachverhalt läßt sich wiederum als eine gewisse Distanznahme von der agrarischen Lebenswelt deuten, s. o. Anm. 150. 15 ' S.o. bei Anm. 125. 160 Vgl. zum folgenden auch Criisemann a.a.O. S.28ff.
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Das deuteronomische Gesetz
im Bestand seiner Familie, noch in seiner ökonomischen Existenz schädigen. Die zum Haus gehörigen Sklaven und der ger sollen an der Arbeitsruhe teilhaben. Auch im Elterngebot geht es um das Verhalten des freien Vollbürgers zu wirtschaftlich Unselbständigen und Angewiesenen: der älteren Generation darf die Unterstützung nicht entzogen werden161. Der Dekalog erweist sich, prüft man ihn auf seine sozialen Bezüge, als eine „Ethik der Bessergestellten"162, der freien Grundbesitzer 163 . Er ist an dieselbe Schicht adressiert, die in Dtn 16, i f f . als die Schicht der die Jahwereligion in der judäischen Landschaft eigentlich Tragenden bzw. der dazu Aufgerufenen hervortrat. Dieser Schicht steht der ger in derselben Weise gegenüber wie in Dtn 24,19-22. Im Arbeitsverbot zählt Dtn 5,14 b zuerst das „Haus" des Angeredeten auf: die (arbeitsfähigen) Kinder, Sklaven und Tiere. Auf die direkt in der Verantwortung des Grundbesitzers stehenden nicht blutsverwandten Personen in dieser Reihe, Sklave und Sklavin, bezieht sich der Finalsatz v. 14 bß zurück: -|in3 ηηηκι -pay ma" jyaK Der Sabbat für Jahwe als religiöse Unterbrechung des Zeitkontinuums, das ein Kontinuum von Arbeitstagen ist, wird dem Sklaven wie dem Herrn gewährt, wird vom Sklaven wie vom Herrn gefordert, stellt darin den Sklaven und den Herrn gleich ("pns). In diese Ordnung wird auch der ger in der Ortschaft eingeschlossen: er darf am Ruhetag nicht als Arbeitskraft genutzt werden164. Die Beziehung, die im Sabbatgebot durch die Suffigierung von υ als •pi zwischen dem angeredeten Grundbesitzer und dem ger hergestellt wird, ist kein Beleg dafür, daß der ger in einem persönlichen Schutzverhältnis zu einem Patron steht. Denn die Bezeichnung η υ ist nicht ohne die Näherbestimmung durch den Relativsatz HPK ZU lesen, die
161 Da es keinen Grund gibt, einen Wechsel in der Schicht der Angeredeten anzunehmen, tragen zur Erläuterung des Gebots nur die Beispiele aus der ersten Gruppe der Proverbia bei Hossfeld a. a. O. S. 254 bei. Daß hier „sowohl die soziale Rücksicht auf die Eltern wie die Anerkennung ihrer Vermittlungsaufgabe" (seil, in religiöser Lehre, vgl. Dtn 6,20 ff. u.a.) gemeint seien (S. 259) ist eine gezwungene Konsequenz des späten Datierungsansatzes bzw. eben eine Deutung für die späteren Rezeptionszeiten. Bezüglich der Kinder gilt hier wohl noch Dtn 21,18 ff., die Kinder (ΙΒΠ) in der Gemeindeversammlung Dtn 31,12 stellen eine geschichtlich jüngere Entwicklung dar. 162 Die Verwendung des Begriffes lehnt sich hier an einen Vortrag von E. Tugendhat im Juli 1988 in Göttingen an, der so eine auf „negative Pflichten" eingeschränkte Ethik qualifizierte. 163 Vgl. _ m i t Datierung vor die Mitte des 8.Jahrhunderts - W. Richter, Recht und Ethos S. 130 f., der auch auf den „konservativen" Zug dieses Standesethos hinweist. 164 Sieht man den ger hier als ein Relikt einer aus der Literatur bekannten Kultteilnehmerliste wie in Dtn 16,14, kann man über das Fehlen des Leviten rätseln (Hossfeld a.a.O. S. 249). Aber der Levit wird immer nur durch Gaben unterstützt und nicht zu mx!>a angestellt, so daß er im Arbeitsverbot nicht zu erwarten ist. Gleiches gilt für Waise und Witwe.
Der Einschluß des ger bei der Ruhetagsforderung
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zeigt, daß der ger eine Person in den Ortschaften außerhalb der Familien- oder Besitzstruktur des einzelnen „Hauses" ist. Da die Arbeitsruhe, die dem einzelnen Betrieb zugestanden und auferlegt ist, am „Sabbat für Jahwe" jedoch das Bild der gesamten Ortschaft bestimmen soll, der ger aber nicht eine in bezug auf die religiöse Verpflichtung wie der Grundbesitzer selbständig angeredete Person ist, wird er hier in die Verantwortung des Vollbürgers gestellt als desjenigen, der ihn zur Arbeit anstellen könnte. Insofern ist der Vollbürger in gewisser Weise für ihn zuständig, obwohl der ger nicht in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis zu ihm steht, sondern auch hier der Typ des persönlich freien, nur ökonomisch - in bezug auf Arbeit, Lohn, Arbeitsruhe und Nahrung - abhängigen Mannes in der Ortschaft ist. Die Ambivalenz der durch die Suffigierung vollzogenen Zuordnung ist auch der Grund dafür, daß in dem Finalsatz v. 14 bß der ger nicht genannt wird. Die andere Seite des Gebots ist hier nur impliziert und man kann allenfalls v. 15 als Hinweis auf diese Implikationen deuten: wenn der ger in der Notlage ist, von seinem Tagesverdienst leben zu müssen (vgl. 24,14 f.), bedeutet die Anrede des Grundbesitzers darauf, daß auch der ger am Sabbat nicht arbeiten darf, zugleich den Appell, ihm seinen Lebensunterhalt auch an dem Tag zu ermöglichen, an dem er ihn nicht als Gegenleistung für Arbeit erhalten kann. In dieser Hinsicht fällt von den Festgesetzen her Licht auf das Dekaloggebot (vgl. 5,15 par. 16,12)165. Weil der ger bei seinem Einschluß in die Ruhetagsforderung durch die Suffigierung auf den Vollbürger bezogen wird, läßt es sich hier nicht erschließen, daß er als ein selbständiger Fremder der religionsgesetzlichen Vorschrift unterworfen wird. Es geht nicht um die Einbeziehung eines der Jahweverehrung ursprünglich nicht zugehörigen Fremden, sondern um den Bedürftigen, den der grundbesitzende Judäer an der für ihn und sein Haus geltenden Sabbatruhe teilhaben lassen soll. Der Sabbat ist ein kommemorativer Tag bezogen auf den Exodus: das ökonomisch nicht gewinnbringende Tun wird aufgrund des Exodus gefordert (... ρ by ν. 15 b) und ist darum in sich ein Verweis auf den Exodus. Der Sabbat ist „wegen des Exodus" geboten insofern, als er ein Tag des Verzichts auf ökonomischen Gewinn ist und den Abhängigen und Bedürftigen Begünstigungen gewährt. Was in der vergegenwärtigten mythischen Wirklichkeit die Gottheit im Großen am judäischen Grundbesitzer getan hat (v. 15 a), soll dieser im Kleinen geschehen lassen. Auf diese Weise wird das im Geschichtsbild des religiösen Sinnhorizonts überlieferte Eintreten der Gottheit zugunsten ihres Volkes, der O'Tiy in
165 Doppelte Erträge am Tag vor dem Sabbat kennt nur die Erzählkunst (Ex 16), der ger arbeitet da kaum f ü r doppelten Lohn.
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Ägypten, kompatibel mit ihrem Segen für den jetzt Starken, Land und Sklaven Besitzenden. Damit fügt sich das Leben in der Gesellschaft von sozialer Differenzierung in die den ganzen Dekalog beherrschende Perspektive des Exodus (Dtn 5,6) ein. Der Sabbat bringt mit der allgemeinen Ruhe des zu heiligenden Tages für den Gott Jahwe den - wie sehr auch immer beschränkten - Ausgleich zwischen der göttlichen „Befreiung der Unterdrückten" und ihrer Etablierung als besitzender Schicht in einem sozialen Gefüge mit Sklaven und gerim als Unterschicht. Das Gedenken und die gleichzeitig daraus erwachsende Verpflichtung zur Fürsorge für die schwachen Glieder der Gesellschaft, die neben Waise und Witwe der ger repräsentiert, löst so das Problem der Übertragung des Gedankens der Solidarität der Gottheit mit den Schwachen auf die nun Starken, den ρ κ π ay im Juda des 7. Jahrhunderts. 2.5 Die Unterscheidung des ger vom Ortsgenossen Cah) (Dtn 24,14 f.) Der ger ist bisher nur als Person in der sozialen Einheit des Dorfes sichtbar geworden, der von der jeweils angeredeten Schicht durch fehlenden Grundbesitz und daher Armut und ökonomische Abhängigkeit bei persönlicher Freiheit unterschieden ist. Weder die Reihen, die den ger bei den Erntefesten nennen, noch die Rücksicht auf ihn im Sabbatgebot ließen erkennen, daß Aspekte nationaler, ethnischer oder religiöser Fremdheit, bedingt durch eine Herkunft von jenseits der Grenzen des Territoriums der judäischen Monarchie, seinen Sonderstatus prägten. Das Bild verschiebt sich nur wenig durch Belege, bei denen weitere Differenzierungen zwischen dem freien Vollbürger und dem ger zutage treten. Das ist zunächst in Dtn 24,14 f. der Fall. Dtn 24,14 f. ist ein Gebot bezüglich der Lohnauszahlung an den Tagelöhner (vaw). „Es ist dabei sehr umständlich und verschwenderisch an Worten."166 Man hat daher in verschiedenen Variationen versucht, diese „Plerophorie"167 auf ein Minimum an notwendigen Wörtern zu reduzieren. Als Ausgangspunkt einer mehrphasigen Wachstumsgeschichte des Gebotes bietet sich der Prohibitiv: -rat? p®yn xi> an168, den man allenfalls noch dem „Fragment einer Verbotsreihe" zuordnet169. Das Interesse an
166
A. Cholewmski, Heiligkeitsgesetz S. 292. G. Seitz, Deuteronomium S. 179. 168 Seitz ebd.; W.Richter, Recht und Ethos S. 112 f., anders S. 134; L. Perlitt, Bezeichnung ,Bruder' S. 37 Anm. 33. Vgl. Lev 19,13 aa: ijn nx KV. 169 G.v.Rad, Deuteronomium S. 109. v.Rad bildet eine Reihe mit drei Gliedern: v. 14 aa. 17 a*. 17 b. Vgl. auch E. Gerstenberger, Das apodiktische Recht S. 86, der aber ebd. 167
Die Unterscheidung des ger vom Ortsgenossen ('ah)
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einem solchen isolierten, reihungsfähigen Prohibitiv, dessen Abgrenzung im gegenwärtigen Textbestand von Dtn 24,14 f. keinen sicher ausweisbaren formalen Kriterien folgt 170 , ist das Interesse an seiner Vorgeschichte. Geleitet durch den Dekalog als Prohibitivreihe, einer an Ex 20, 3. 4 aa. 7 a. 13. 14. 15. 16. 17 a anknüpfenden Rekonstruktion, werden die Verbote dieses „apodiktischen Stils" als Dokumente der Frühzeit Israels gewertet 171 . Dem steht jedoch als mögliche andere Erklärung gegenüber, die Sprachform des „Du sollst nicht . . . " als natürlichen Ausdruck bestimmter ethischer Auffassungen zu interpretieren 172 . Danach ist die formale Struktur eines Prohibitivs nicht derartig signifikant, daß auf ihr sichere Hypothesen über Herkunft und Trägerkreise gebaut werden können. Die Verortung solcher Prohibitive ist vielmehr in mindestens drei verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen denkbar: dem kultischen, etwa im Rahmen einer priesterlichen Büß- und Beichtpraxis an den lokalen Heiligtümern 173 ; dem familiären, in dem die Mitteilung der Prohibitive die Generationen überbrückt 174 ; dem weisheitlichen im Rahmen einer „Schule", die ein Standesethos prägt und lehrt 175 . Des weiteren kommen „Kreise" in Betracht, die das Erbe der Prophetie als kritischer Instanz gegenüber der königszeitlichen Staatsreligion bewahren und zur Geltung zu bringen suchen, denen also eine Umsetzung prophetischer Scheltrede in gesetzliche Weisungen, wie sie sich zwischen Hos 4 , 2 und Dtn 5 , 1 7 19 beobachten läßt, zugeschrieben werden kann. In Hinsicht auf alle vier genannten Milieus ist es nicht notwendig, für die Entstehung der Prohibitive über das 7.Jahrhundert hinaus in die frühe israelitische/judäische Königszeit oder in die vorstaatliche Zeit zurückzugehen, und einen so weiten Spielraum für die Datierung der Prohibitive zu eröffnen ist nur
S. 88 diese Zusammenordnung unter „zweifelhafte Dreiergruppierungen oder später zur Dreizahl erweiterte Reihen" rechnet. 170 D a „die Länge der Prohibitivsätze nicht uniformiert werden kann", kann Gerstenberger p-am -jy VD® peyn x!> als ursprünglichen Prohibitiv lesen (S. 75, vgl. aber S. 34). So auch Richter a.a.O. S. 134. R. P. Merendino, Das deuteronomische Gesetz S.303 betrachtet ein Gebot: Π3ϊ jnn ι ο η / τ 3 » psyn x^ als Urform. 171 A.Alt, Ursprünge S.302ff.; verbunden mit dem Vorschlag eines nomadischen statt eines kultischen Hintergrundes Gerstenberger a.a.O. - Weitere Reihen aus Ex 21, Ex 23, Lev 18, Lev 19(2), Dtn 27. 172 Richter a.a.O. S. 118 spricht von einer „Verflochtenheit mit dem alltäglichen und gehobenen Sprachgebrauch". 173 Vgl. H. Schmökel, ,Du sollst'-Gebote S. 365 ff. mit schöner Ausmalung. Alt denkt an einen „Vortrag vor der versammelten Volksgemeinde beim Laubhüttenfest jedes siebenten Jahres" in der vorstaatlichen Frühzeit Israels (a.a.O. S.327.330). 174 Gerstenberger a.a.O. Die Fixierung auf die Sippenstruktur einer nomadischen Frühzeit ist dabei nicht notwendig. 175 Richter a.a.O. S. 120 et passim.
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Das deuteronomische Gesetz
möglich, wenn eine mündliche Vorgeschichte der Gebote erschlossen wird. Da, wo nicht zumindest in fragmentarischer Gestalt Gebotsreihen oder in sich geschlossene Sentenzen im überlieferten Textbestand erhalten sind, läßt sich aber aus der stilistisch festen und zugleich auch variablen Redeform der Prohibitive die Zugehörigkeit eines Gebotssatzes zu einer Tradition apodiktischer Satzreihen nicht erweisen, so daß eine solche Tradition für die Erklärung der im dtn Gesetz vorliegenden Texte nicht zwingend in Rechnung gestellt werden muß. Gegen die methodische Einseitigkeit einer Isolierung reiner Prohibitive aus ihren literarischen Kontexten und Erschließung jahrhundertelanger Vorgeschichten derselben ist die Möglichkeit geltend zu machen, daß die Redeform der Prohibitive der im dtn Gesetz beobachtbaren Ausbildung oder Vereinnahmung derjenigen ethischen Auffassungen, die in ihnen Ausdruck gefunden haben, gleichzeitig ist. Statt der auf unzureichender Quellenbasis erschlossenen Tradition ist auf der anderen Seite die Einwirkung weisheitlicher Lehre auf die ethischen Gebote der dtn Bewegung nicht unwahrscheinlich176. Für den Anfang des Zeitraumes von ungefähr 100 Jahren, an dessen Ende das dtn Gesetz von der Jerusalemer Priesterschaft durch Hilkija dem Königshof zugespielt wird und unter Joschija Geltung für die Jahweverehrung in der judäischen Monarchie erlangt (622), gibt es die Nachricht, daß im Umfeld des judäischen Königs Hiskija (728-698) eine Sammlung von Weisheitsworten veranstaltet wurde (Prv 25,1). Es handelt sich dabei um eine Uberschrift über die Sentenzensammlung Prv 25-29, deren „Zusammenstellung zur Zeit und am Hofe Hiskijas von Juda . . . durchaus plausibel (ist)"177. Ihr kann die Sammlung Prv 10,1-22,16, deren „Material ... zweifellos im ganzen vorexilisch (ist)"178, an die Seite gestellt werden, so daß der in diesen beiden Sammlungen dokumentierte Bestand an Sentenzen für das 7. Jahrhundert vorausgesetzt werden kann. Hierzu kann ferner die Sammlung von Mahnworten Prv 22,17-23,11 gerechnet werden, die eine Verwandtschaft mit dem ägyptischen Weisheitsbuch des Amenem-ope zeigt, dessen Entstehung in den Zeitraum zwischen 1150 und 1000 v. Chr. fällt179, so daß Entlehnungen daraus in der judäischen Königszeit gut möglich sind. Vom Tagelöhner ist im Proverbienbuch nicht die Rede, obgleich sowohl eine Sentenz oder ein Ratschlag hinsichtlich des Nutzens der kurz-
176 Vgl. M.Weinfeld, Deuteronomy S.282ff„ bes. 293ff. 177 R-Smend, Entstehung S.212. Die Zuschreibung an Salomo (10,1) ist dagegen als apokryph zu beurteilen, ebd. S.210. 178 Ebd. S.211; vgl. O.Plöger, Sprüche Salomos S. 119. 179 Plöger a.a.O. S.265.
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fristig verfügbaren Arbeitskraft 180 als auch eine Mahnung über seine Behandlung im Einklang mit einem Ethos der Billigkeit und des eigenen Nutzens denkbar wären. Dagegen ist in einigen Sätzen der Schwache, Η (auch jrnK oder genannt, einerseits als Objekt der Bedrückung (i'TJ/pwy), andererseits als Objekt der Begünstigung (pn). Auch in der Weisheit steht das Thema der Notleidenden und Schutzlosen im Horizont der Stellung des Handelnden und des Betroffenen vor Gott. Prv 14, 31 stellt die zwei entgegengesetzten Verhaltensweisen hinsichtlich des Armen gegenüber. „Wer den Schwachen bedrückt, höhnt den, der ihn geschaffen hat; es ehrt ihn aber, wer sich des Bedürftigen erbarmt." ( m s m ins»? η-ιπ bi p®y )T2K μπ). Die eine Seite der Antithese blickt auf ihn als den Ausgelieferten, die andere als den Angewiesenen. Das zwischen den beiden extremen Handlungsweisen der Bedrückung und der Förderung liegende faire Verhalten, das den Rahmen einer irgendwie geordneten Beziehung zum Armen voraussetzte, wie es beim Lohnarbeitervertrag der Fall wäre, liegt als positive Alternative zum Bedrücken nicht im Blick. Das Argument dieser Sentenz ist, daß „am Verhalten gegenüber dem Armen und Elenden auch das Verhältnis zum Schöpfer ersichdich ist"181, daß also dem Leben in der Differenzierung der sozialen Wirklichkeit die Gleichheit der Geschöpflichkeit (vgl. bes. Prv 22,2) vorausgeht und in ihm fortwirkt, indem sie als Maßstab ethischen Verhaltens zur Geltung kommen will. Mit dem Gedanken der Ehre des Schöpfers ("ua pi.) verbindet sich die Mehrforderung des „Erbarmens" (μπ), die Überbietung der bloßen Vermeidung von Rechtsverletzungen. Solche Überbietung ist auch die Erwartung, die aus der Sentenz Prv 19,17 spricht: „Es gibt eine Anleihe an Jahwe, wer sich des Armen erbarmt, und seine [gute] Tat vergilt er ihm." (ii> n!?tr ibnji μπ mrr πιί>π). Die Konkretion des „Erbarmens" ist das „Geben" an den Armen, der außerhalb der Verantwortung steht, die etwa der Angeredete für sein eigenes Haus hat. Das „Geben" ist auch Thema von Prv 22,9: „Wer gütig dreinblickt - er wird gesegnet; denn er gibt von seinem Brot dem Bedürftigen." (S»-ri» lnnbn "3 -pa- κιπ ]-y am). Für den Geber handelt es sich um einen Verlust, dessen Ausgleich durch Jahwe (d^® 19,17) oder Beantwortung durch den göttlichen Segen (22,9) religiöse Verheißung ist. Der ethische Standard der Unterstützung des Armen folgt in der in den Proverbien vorausgesetzten stabilen Sozialordnung182 nicht aus den sozialen Relationen allein, vielmehr ist er vom Bezug auf die Gottheit getragen. Die Ablehnung der Bedrückung des Armen kann sich daneben aber auch auf Evidenzen berufen: „Wer den Armen bedrückt, will sich Gewinn verschaffen. Wer dem Reichen gibt, hat nur Verlust." (Prv 22,16: -r»y!> jtij i!> jnain!» pvy nonni» ηκ). Die Wendung ιί> η·αιπί> weist ironisch auf die „Unsinnigkeit" hin, „aus dem Bedürftigen, der ohnehin nichts besitzt, noch etwas herauspressen zu wollen, um sich daran zu bereichern"183. Dieselbe Erfahrung ausbleibenden Vorteils
180 Vgl. 181
2U
derartigem Kalkül Dtn 15,18, wo die Rechnung aber ungünstig ausfällt.
Plöger a.a.O. S. 176; vgl. Prv 17,5; 22,2; 29,13. 182 Vgl. G.v.Rad, Weisheit in Israel S. 105.116. 183 plöger a.a.O. S.257, zur Beziehung von i!> siehe ebd. S.252 Textanm. 16a. Die Über-
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drückt Prv 28,3 mit der Metapher vom gewaltigen Regen, der keine Frucht bringt, aus. Ein besonderes Eintreten der Gottheit für die Armen wird in dem Mahnspruch Prv 22,22 f. als Argument für die Abwehr ihrer Bedrückung angeführt 184 . Der Spruch verbindet chiastisch die allgemeine Bedrückung des Armen mit der besonderen Situation eines Rechtsfalles 185 . Der weisheitliche Mahnspruch empfiehlt in der Form des Vetitivs die Schonung des Armen: in !>TJ7i i>x und schließt daran die Begründung an: xw in -a 186 . Nach dem parallelen Vetitiv v. 22 b folgt eine religiöse Begründung: „denn Jahwe wird ihren Rechtsstreit führen und wird ihren Räubern (?) das Leben rauben (?)" (»a: Drryap ηκ yapn oa—i a - v mrr- -3 vgl. 23, I I b ) . Daß die Gottheit Beschützer der Armen ist, wird sich danach auf das Ergehen dessen, der ihnen Unrecht tut, auswirken. Wenngleich nicht sicher ist, daß yaρ ναι Χ τικ geradezu ein Zu-Tode-Bringen bedeutet 187 , zeigt der Begründungssatz, daß der Fall der Bedrückung der Armen auf der Ebene ihres Lebenkönnens überhaupt betrachtet wird. Die Androhung der gleichen Vergeltung (nn-yap ηκ yap), die eine aktive Vertretung der Interessen der Armen durch die Gottheit zeichnet, steigert rhetorisch das religiöse Argument, das Prv 14,31 als „Schmähung seines Schöpfers" geltend machte. Die Darstellung der ausgewählten weisheitlichen Sätze, die den Schutz oder die Förderung der Armen als ethischen Standard ausdrücken und als religiöse Pflicht auffassen, zeigt, da sie sich auf Bestände des 7. J a h r hunderts in J u d a beziehen kann, einen Hintergrund f ü r das dtn G e b o t Dtn 2 4 , 1 4 f. Auch die gesetzliche R e d e f o r m des Prohibitivs ist in der mahnenden und warnenden Anrede der Weisheitsschule vorgeprägt. D a die R e d e f o r m des Prohibitivs keine weit ausgedehnte Vorgeschichte des entsprechenden Satzes impliziert, kann d a s G e b o t Dtn 2 4 , 1 4 f. vor dem weisheitlichen Hintergrund interpretiert werden, ohne d a ß man eine an dem M a ß s t a b eines literarisch und sprachlich „glatten" Textes orientierte, beträchtliche Zeiträume übergreifende Entstehungsgeschichte des G e botes rekonstruieren müßte. Methodisch ist es fragwürdig, einen von allen „sekundären Zutaten" befreiten T e x t zum Ausgangspunkt der Erklärung zu nehmen, wenn zwischen den verschiedenen, mit dem Prohi-
setzung der L X X : ο συκοφαντών πένητα πολλά ποιεί τα εαυτου hat notwendig in den meisten Handschriften die Ergänzung κακα nach sich gezogen. 1 8 4 Eine Verbindung von Prv 22,22 zu dem Satz der Lehre des Amen-em-ope 4,4 f. („Hüte dich, einen Elenden zu berauben und einen Schwachen zu vertreiben" - üb.v. H. Brunner bei W. Beyerlin, Textbuch S. 76) wird von Richter a. a. O. S. 30 als „nicht zwingend", aber im Rahmen des Gesamtbildes als „wahrscheinlich" (ebd. S. 35) beurteilt. 1 8 5 ^tj ist gleichbedeutend mit pvy vgl. Jer 21,12; 22,3. Dem Wort !>·π in v . 2 2 a entspricht yaF> v. 23 b. 186 Der Kausalsatz könnte die Versuchung zum „Berauben" meinen (so offenbar Plöger: „ . . . weil er arm ist") oder das Verbot (tautologisch) begründen: „ . . . denn er ist arm", vgl. Dtn 24,15 aa 2 . 187 v g l . plöger a . a . O . S.263 Textanm.23a und S.269.
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bitiv T 3 » κ!» verknüpften Bestimmungen im Duktus des Gebotes nicht deutliche Bruchstellen zu erkennen sind. Die Plerophorie läßt sich in Dtn 24,14 f. als gleichzeitige Häufung verschiedener im Fall des armen Tagelöhners in Betracht kommender Aspekte verständlich machen. Nachdem das vorausgehende Gesetz über die Pfandnahme 24,10-13 in einem Unterfall den Besitzlosen ('iy tri«), der nicht mehr ein eigenes Haus in der Ortschaft hat, genannt hatte, ist die Abfassung von v. 14 f. in derselben Perspektive nicht auffällig, so daß es für die Abtrennung von jraxi in v. 14 a keinen Grund gibt. H a t diese Apposition eher den Charakter eines Appells, der das Gebot bezüglich des TD® in den Kontext des auf die Armen überhaupt bezogenen Ethos stellt, dient v. 14b der weiteren Präzisierung der Bestimmung desjenigen, dem der gesetzliche Schutz gilt: [ - | 2 π κ ι ] ί ρ κ - p m in η-rwn. Hier kommt es auf die zwei Personenkreise an, aus denen einzelne ein Arbeitsverhältnis als tdw eingehen können. Der Sinn der Angabe ist es, eine unzulässige Verengung des Anwendungsbereiches des Schutzgebotes auszuschließen. Die zwei Personenkreise sind die „Brüder" des Angeredeten (γπκη) und die Ortsfremden η»κ -pj») 188 . Wie L. Perlitt gezeigt hat, setzt die Rede vom „Bruder" (πκ) im dtn Gesetz „nicht beim Volks- oder Organisationsgedanken überhaupt, sondern beim einzelnen Israeliten und beim je konkreten und besonderen Fall seiner Sozialbeziehung" an189. Führt man die Erklärung dieser Verwendung von 'ah im Sinne von „Mitisraelit" 190 in ihre soziale Konkretion, ist der 'ah der Nächste, der da lebt, wo auch der im Gesetz Angeredete lebt, und das ist in dem lokalen agrarischen Milieu der judäischen Monarchie, auf das die Gesetzesstoffe hinweisen, die Ortschaft. Neben dem appellativen Aspekt der Bezeichnung 'ah, dem „Anspruch an den einzelnen Israeliten, seinen Nächsten als Bruder zu sehen und zu behandeln" 191 , steht der deskriptive Aspekt, nach dem 'ah der selbständig wirt-
188 -pan in τπχη und -|S-iK3 ίβκ sind keineswegs „im Dt geläufige Wendungen" (Seitz a.a.O. S. 179). yia zur Bezeichnung eines Kollektivums, nicht einer typischen Gestalt, ist nur hier belegt, für die Parallele zu πκ ist allenfalls Dtn 1,16 vergleichbar. Der Relativsatz ist in dieser Form singular und dürfte auf einer späteren Korrektur, die den ger ausdrücklich auf das als eine Einheit im ganzen betrachtete Land ("|πκ) bezieht, beruhen. Von derselben Anschauung ist in Dtn 24 der Zusatz v. 4 b geprägt, vgl. ebenso Dtn 15,7, dort mit dem Landgaberelativsatz. Der Relativsatz -p-iyta ist häufig auf die personae miserae bezogen und deshalb auch hier das Ursprüngliche. 189 A.a.O. S.27ff. Zitat S.51. Warum soll dann aber trotz der Beobachtung am akkadischen Material, daß „in keinem (seil, angeführten) Fall... das assyrische , Volk' oder auch nur die Gesamtbürgerschaft einer Stadt hier die Bezugsgröße für ahu . . . (ist)", keine Vergleichbarkeit gegeben sein (S. 46)? Vgl. auch v.Soden bei E. Lipmski, ThWAT VI, 189. 190 Ebd. S.34. - Meldet sich hier doch wieder der „Volksgedanke"? >9i Ebd. S. 37.
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schaftende, landsässige Grundbesitzer ist, zu dem sich soziale Beziehungen aufgrund von Nachbarschaft ergeben. Ein solcher sozialer Status des 'λΑ läßt sich aus den Gesetzen erschließen, die diese Bezeichnung verwenden. Die Ortschaft ist der Kontext, in dem Streitfälle entstehen und in dem das künftige Zusammenleben nicht durch Entehrung des 'ah (ni>p) gestört werden soll (25, 1-3)192. Nur wenig über die Ortschaft hinaus in die Region führt auch das Gesetz 22,1-4 über das verlaufene Vieh des 'ah, das zugleich seine soziale Lage sichtbar macht als die des Besitzers von Rind, Ziege und Esel. Da Rind und Esel die Arbeitstiere vor allem beim Ackerbau sind193, kann man von hier aus mit einiger Sicherheit auf den Landbesitz des Nachbarn schließen. Das dtn Gesetz faßt drei Fälle in den Blick, in denen der persönlich freie und selbständige Bauer in Abhängigkeiten geraten kann: als Schuldner/ als Sklave auf Zeit/als Τ 3 ϊ . Für den Fall der Verschuldung kommt zunächst 23,20 f. in Betracht, das Zinsverbot. Auch dieses Gesetz fügt sich in den gezeichneten Rahmen: es spricht nichts für die Annahme, daß es um Geld- oder Naturalienkredit (ί»3Κ ηθ3 η®: usw.) eines fernen, außerhalb der Ortschaft oder ihres direkten Umfeldes zu suchenden Gläubigers geht, und der Schuldner ist zwar bedürftig und soll vor Zinsforderungen geschützt werden, ist aber eben auch kreditwürdig. Da die Schuldbeziehung hinsichtlich des Besitzes des Gläubigers nicht neutral, sondern nachteilig ist, ist der Bedürftige mit mahnendem Beiklang als •ρπκ bezeichnet. Dagegen gebraucht die Vorschrift bezüglich der Pfandnahme 24,10-13, wo dem Angeredeten keinerlei Selbstlosigkeit zugemutet wird, die sozusagen objektivere Bezeichnung jn (mit Suffix der 2. Pers. Sing.)194. Wo man die Bezeichnung rix erwarten könnte, im Unterfall des "Jy ϊγν (v. 12 f.), läuft der Satz direkt in die religiöse Vorstellung vom Segen und angerechneter Gerechtigkeit aus. Der Vergleich zwischen 23,20 f. und 24,10 ff. gibt keinen Anlaß, unterscheidbare Redaktionsschichten des dtn Gesetzes in diesen Sätzen anzunehmen; die sprachliche Differenz von 'ah und re"c impliziert nicht notwendig verschiedene Entstehungsstadien 195 .
192 Ist Dtn 2 5 , 1 - 3 tatsächlich ein mehrfach geschichteter Text? Vgl. ebd. S. 38. Der mahnende Tonfall von v. 1 b gleicht eher v. 3 als dem für eine „kasuistisch(e) Grundform der Vorlage" zu erwartenden (vgl. Ex 21,18-22,16). Und ist die Festlegung eines Maximums von 40 Schlägen „Überschwang der Predigt guter Werke"? - J. Buchholz, Alteste S. 96, beschreibt drei Textstadien. 193 Vgl. A. Bertholet, Kulturgeschichte Israels S. 144; M.Noth, Die Welt des Alten Testaments S. 35 f.; H. G. Kippenberg, Entstehung S. 25 f. 194 Mit dieser Unterscheidung erklärt sich auch, warum im Dekalog Dtn 5,20 f. nur die Bezeichnung jn steht. 195 Daß Dtn 23,20a (gemeint v. 20aa?) „vom dt Gesetzgeber selbst in eigener Sprache ... formuliert" ist (Perlitt a.a.O. S.39), ist eine plausible Annahme. Warum aber v.20f. nicht
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Schuldverpflichtungen sind auch das Thema in Dtn 1 5 , 1 - 1 1 . ( 1 2 - 1 8 ) , w o die Bezeichung πκ in großer Dichte begegnet ( 1 5 , 2 . 3 . 7 ( b i s ) . 9 . 1 1 . 1 2 ) . Gegenstand des ersten Gesetzes (v. 1-11) ist es, alle sieben Jahre eine Semitta zu machen, verknüpft damit sind Vorschriften bezüglich der Unterstützung Bedürftiger. Gegenstand des zweiten Gesetzes (v. 12-18) ist die Freilassung eines „hebräischen ("nay)" Sklaven im siebten Jahr bzw. seine endgültige Übernahme als Sklave 196 . Dtn 1 5 , 1 - 1 1 knüpft scheinbar an einen alten „apodiktisch formuliert(en) Rechtssatz" an, der schon durch eine „Legalinterpretation" erweitert ist, deren „Regelung . . . geschichtlich einer anderen Zeit als der ihr vorgegebene . . . Rechtssatz (entstammt)" 197 . Die Möglichkeit, daß der dtn Gesetzgeber mit v. 1 f. altertümlichen vorgegebenen Stoff aufnimmt, ist nicht mit Sicherheit auszuschließen, aber auch nicht zu beweisen. Der formale Unterschied der Präzision der Rechtssetzung in v. l f . gegenüber v. 3.7-11 1 9 8 erlaubt noch keine Aussagen über die hypothetische Traditionsgeschichte dieser Verse 199 . D a nicht wahrscheinlich ist, daß sie ohne ihre Fortsetzung in der „Predigt" (v.Rad) im dtn
eine zusammenhängende nomothetische Aussage des dtn Gesetzgebers sein soll (vgl. ebd. S. 42), bleibt eine offene Frage. - Daß 23,20 f. in kontextueller Hinsicht einen „Zuwachs" zu den „durch das Stichwort ,Gelübde' verbunden(en)" Versen 19.22-24 darstellt (ebd. Anm. 38), ist nur eine Möglichkeit. Es könnte auch sein, daß der zum Thema Armut gekommene Gesetzgeber (v. 20 f.) in dieser Perspektive das sakralrechtliche Thema wieder aufgreift (v. 22-24), bevor er zum Fall des Mundraubs (v.25f.) kommt, denn die die Gottheit beleidigende und darum im Religionsgesetz verbotene Verweigerung der Erfüllung eines Gelübdes kann ja durchaus ökonomisch bedingt sein. Die „Wenn du"-Redeform nicht weniger als die Prohibitivform sind dem dtn Gesetzgeber verfügbar gewesen. 196 Die Deutung, daß „der dtn Verfasser von Dtn 15,12-18 ... die Sklavenfreilassung dem neoB-Satz von v. 1 unterordnet)" (Perlitt a. a. O. S. 34, vgl. S. 32), kann nur zutreffen, wenn er sie auch dem Semitta-Jahr als Institution zuordnet, was wenig wahrscheinlich ist. Andernfalls handelt es sich um eine durch thematische Verwandtschaft bedingte Aufeinanderfolge. 197 v.Rad, Deuteronomium S.75 nach F.Horst. Vgl. Perlitt a.a.O. S.32. 198 Die mit der Partikel "D odk Anschluß suchenden Verse 4-6 haben mit dem Thema Verschuldung und Semitta nichts zu tun, sondern bieten Verheißungen und Belehrungen zu den Themen Segen, Gehorsam, Rang unter den Völkern. Die Argumentation ist die von DtrN im späten 6.Jahrhundert. i " Mit welchen methodischen Mitteln will man aus dem isolierten Satz niryn o-j» jra® ppn nun® darauf schließen, daß er in die Frühzeit der israelitischen Monarchien oder sogar noch in die diesen vorausliegende Zeit zurückreiche? - Daß die Institution der agrarischen Brache nicht zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen dem 10. und dem 7. Jahrhundert plötzlich aufkommt, sondern seit je mit dem Ackerbau verbunden gewesen ist (vgl. v. Rad z. St.), ist wahrscheinlich. Aber handelte es sich um eine derart im 6/7-Jahres-Zyklus termingebundene Institution? Es könnte doch gerade durch die dtn Bewegung eine nach Regionen oder Anbauflächen ungleichzeitige Brache (vgl. Ex 23, lOf.) vereinheitlicht und neugeordnet sein, unter erstmaliger Bildung des Begriffs (mn-!>) naoe und Betonung der „sozialen" Implikationen. V. 1 ist dann weniger ein „vorgegebener ,Text'" (Perlitt a.a.O. S.32) als die Neubezeichnung einer nun reformierten Institution. Vgl. für einen solchen Vorgang auch Dtn 5,13 f. - Zur Zweifelderwirtschaft in Griechenland (ein Brachjahr nach jedem Erntejahr) vgl. H.G. Kippenberg, Entstehung S.24f.; W.J. Woodhouse ebd. S. 152 f.
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Gesetzbuch gestanden haben, ist für die dtn Gesetzgebung von vornherein der Zusammenhang v. 1-3.7-11 zu betrachten. In v. 2 wiederholt sich hinsichtlich der Verwendung des Wortes nx das Bild von 24,10 ff. verglichen mit 23,20 f.: wo von dem verkehrsüblichen Vorgang der Kreditvergabe die Rede ist, wird der Partner jn genannt (v. 2 ay), wo dem Stärkeren ein Verzicht zugemutet wird, findet die Bezeichnung nx Verwendung (v.2b: ... vi- κί>). Worin dieser Verzicht besteht, ist umstritten. Nach A. Rofe ist die Semitta-Institution in Dtn 15 aufgrund der Analogie des Brachjahres und der Bedingtheit des Gesetzes selber durch das Brachjahr nur „a periodical moratorium every fallow year"200. Diese Argumentation überzeugt mehr als der Schluß von der „Logik des v. 9" auf eine „totale Löschung der Schuld"201, denn es könnte auch die Verzögerung der Rückzahlung um ein Jahr Grund genug sein, Kredit zu verweigern. Und im Fall periodischer Schuldannullation wäre der Fall des Selbstverkaufs in die Sklaverei (v. 12ff.) unverständlich202. In D t n 15,1 ff. ist demnach ''ah eine Person, die sich verschuldet hat, um seine Wirtschaft aufrechtzuerhalten 2 0 3 , und auf den Ernteertrag angewiesen ist, um die Schuld zurückzahlen zu können. D e r Bedürftige ist auch hier nicht der schlechthin Mittellose, sondern der in eine seine wirtschaftliche Existenz gefährdende Notlage Geratene. Er befindet sich in einer Ausnahmelage, keiner Dauerlage. Auch die breite eindringliche Rede v. 7 - 1 1 kann nicht darüber hinwegtäuschen, d a ß es sich bei dem „Geben" (|Π3 ν. 9 f.) um ein rückzahlungspflichtiges Geben gegen ein P f a n d (aiy v. 8, vgl. 2 4 , 1 0 ) handelt. D e r 'ah in diesem Gesetz ist der grundbesitzende Ortsgenosse in einer Notlage. Mit der Verwendung der Bezeichnung 'ah verbindet sich eine Anschauung sozialer Realität. Erklärt sich die „Brudersprache" aber durch die Ausrichtung an dem lokalen Milieu der agrarischen Gesellschaft, liegt darin zugleich eine Bestätigung dafür, d a ß sie „nicht beim Volksoder Organisationsgedanken überhaupt" ansetzt 204 .. Andererseits ist sie dann immer schon auf eine kollektive Einheit bezogen, nur d a ß diese unterhalb der nationalen Ebene liegt. Von daher wird die bis zur U n stimmigkeit feine Differenzierung der Belege nach singularischer oder 200 Methodological Aspects S. 15. Ein weiteres Argument Rofes ist die Konstruktion des Satzes v. 2 ( i t als Objekt zu Bin® gegen die Vokalisierung von rwa im MT). Die LXX bietet in 15,1-3 zahlreiche Abweichungen, die Institution als Schuldenerlaß (αφεσις) interpretierend. 201
v.Rad a.a.O. S.76; so auch C.Steuernagel, Deuteronomium S. 108 u.a. 202 2ur vorausgesetzten personalen Haftung vgl. Kippenberg, Klassenbildung S. 72 f. (nach F.Horst); Entstehung S.41. 203 So auch v. Rad a. a. O. S. 75: „Oft genug war der Bauer gezwungen, zur Uberbrückung gewisser Notlagen .Kapitalien' aufzunehmen." - Vgl. für Griechenland E.Will bei Kippenberg, Entstehung S. 104 und dort Anm. 4 zu „Anleihen zwischen Dorfbewohnern". 2 0t Perlitt a.a.O. S.51, s.o. bei Anm. 189
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pluralischer Form hinfällig 205 , denn auch die pluralischen Belege implizieren nicht sofort die Kategorie des Nationalen, Volkshaften. Es kann deshalb der in Dtn 23,20 f.; 24,10 ff.; 15,1 ff. gewonnene Begriff von 'ah auch für Dtn 24, 14 f. in Anspruch genommen werden. Dtn 24,14 f. faßt den dritten Fall, in dem ein Ortsgenosse in Abhängigkeit geraten kann, in den Blick. Neben 'ah steht hier ger für die zweite Gruppe von Personen, die ein Arbeitsverhältnis als Tagelöhner eingehen können. Nach der Beschreibung der mit der Bezeichnung 'ah gemeinten Gestalt als des in der Grenzlage zum Verlust der wirtschaftlichen Selbständigkeit befindlichen Ortsgenossen, der, wenn er als vd® Arbeit annimmt, seinen Besitz als Grundlage seiner wirtschaftlichen Existenz wohl schon eingebüßt hat, folgt für den Typus des ger aus der Unterscheidung zwischen dem 'ah und dem ger, daß er als ein Ortsfremder anzusehen ist, der nicht am O r t seines jetzigen Aufenthalts durch die Einbuße seines Eigentums verarmt, sondern von anderswoher zugewandert ist. Dort kann er in einem Prozeß der Verarmung um die Mittel für seine wirtschaftliche Existenz gekommen sein oder solche, etwa aufgrund minderer Erbberechtigung, nie erlangt haben. Offensichtlich aber muß die Beschreibung des ger als landbesitzloser Ortsfremder nicht um einen Aspekt nichtisraelitischer Herkunft erweitert werden. Da der Begriff 'ah primär keine nationalen oder ethnischen Implikationen in dem Sinne hat, daß er von einer Konzeption der Einheit des Staatsvolkes der judäischen Monarchie her gedacht wäre, sondern auf der Ebene der konkreten lokalen Gemeinschaft liegt, führt die Unterscheidung des ger vom 'ah nicht auf eine Herkunft des ger von außerhalb Judas. Umgekehrt zeigt sich vielmehr für Dtn 15,1-11, wie begrenzt die Intention dieses Gesetzes auf die Solidarität innerhalb einer bestimmten Schicht ausgerichtet ist, indem es das „Geben" eben nicht an „die viel zitierten personae miserae" empfiehlt 206 , sondern eingeschränkt auf den Ortsgenossen in einer bestimmten Grenzlage.
205 Perlitt beschreibt als die „primäre Ausdrucksform" der appellativen Brudervorstellung die singularische Form mit dem Suffix der 2. pers. sing., also "ρπκ (S. 36). Dann sind in Dtn 15 weder i-πχ in v. 2 b noch η-mtn in v. 7 a (txtem. vgl. ebd. Anm. 33) zum Primärstadium zu rechnen (ebd. mit Anm. 31.32). Wie verhält sich dazu die Bemerkung, daß „jene . . . , die dann in v.7-11 durchgehend ihre eigene Sprache sprechen . . . " die „vertiefte Begründung" v. 2ba eingetragen haben (S. 33)? Und setzt nicht ji-axn η-rtx v. 7 b am Anfang dieser Rede das ynxn ρ-ηκ v.7a (txtem.) voraus? Dann kann aber diese Pluralform nicht „vollends vorstellungsmäßig und literarisch abgeleitet aus der ... stilbildenden paränetischen Formulierung im Sing." erscheinen (S. 36 f.). Auch in Anm. 23 bliebe sonst die Beschreibung unklar, daß „der Verfasser" (von 15, 7-11) „dieselbe Schicht" wie 24,14 ("pmtn) repräsentiert. 206 Perlitt a. a.O. S.40. - Für die spätere Wirkungsgeschichte des Gebotes mag das gelten.
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Daß der ger in einer entsprechend lockereren Bindung an den Ort seines Aufenthalts steht als der 'ah spiegelt sich auch darin wider, daß das anschließende 207 Rechtsschutzgebot 24,17 f. nur den Typus des ger nennt. Der 'ah kann demnach auf Unterstützung aus dem Ort rechnen, während der ger bei der Vertretung seiner Rechtsansprüche in der lokalen Gemeinschaft allein steht und durch das Religionsgesetz geschützt werden muß. In dieser Lage ist er wiederum der Waise (und Witwe?) vergleichbar, die keinen Schutz durch ihre Sippe erfahren. Der Text des Gebots ist jedoch nicht völlig sicher. Liegt eine ursprünglich selbständige Sentenz runb« -ria bann xi>I DIU- ÖDPO rrisn xi> zugrunde, die der Parallele von Witwe und Waise in Jes 1,17.23 u. ö. vergleichbar wäre? G. Seitz hält DIU- für einen Zusatz 208 , aber für eine Parallele nj/njni>N gibt es keine Analogie. Für die Konstruktusverbindung DITT ΒΒΒΠ kann man an grundbesitzbezogene erbrechtli-
che Ansprüche denken, vgl. Prv 23,10 f. Die Erweiterung des Ausdrucks um den ger folgte der Trias der personae miserae 209 , und könnte in engerem Sinne die Rechtsansprüche des ger im Blick haben, die aus einem Lohnarbeiterverhältnis resultieren. Die Begründung v. 18 macht es wahrscheinlich, daß hier die Erweiterung eines geprägten Doppelprohibitivs dem dtn Gesetzgeber zuzuschreiben ist, der überhaupt in der Gruppe 24,14-22* Rechtssätze bezüglich der Behandlung des sozialen Typus des ger konzentriert. O f f e n geblieben ist insoweit die Interpretation der Texte, in denen der „Fremde": "na:, dem „Bruder": πκ, gegenübergestellt wird ( 1 5 , 3 ; 2 3 , 2 1 ; [ 1 7 , 1 5 ] ) . Zu ihr soll die Deutung der Gestalt des ger in der Anordnung D t n 14,21 a, die die bisherigen Erläuterungen zum Typus des ger in der dtn Gesetzgebung in Frage stellen könnte, überleiten.
2 . 6 D e r m i n d e r e R a n g d e s ger i m G o t t e s v o l k (Dtn 14,21a) Läßt sich die Unterscheidung von g e r u n d 'ah in D t n 2 4 , 1 4 f . auf die vorgeschlagene Weise im H o r i z o n t der Sozialverhältnisse im Juda der 2. H ä l f t e des 7.Jahrhunderts erklären, so stellt sich bei dem „unbequemen Vers" D t n 1 4 , 2 1 a w e g e n der „Gegenüberstellung von υ und ny tmp" noch einmal neu die Frage, ob der ger nicht doch ein „Individuum nicht-israelitischer Herkunft" ist 210 .
207 Der Grundsatz der individuellen Zurechnung von Verschuldung 24,16 ist ein späterer Zusatz im dtn Gesetz, veranlaßt durch das Stichwort xan in v. 15 bß und sachlich von Ez 18 abhängig. 2 °8 A.a.O. S. 180. 209 Die LXX vervollständigt das asyndetische Din- υ zur syndetischen Trias der personae miserae (ohne daß dabei v. 17b ausfällt, unrichtig Steuernagel z.St.). 210 G.v.Rad, Gottesvolk S.53.
Der mindere Rang des ger im Gottesvolk
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Dtn 14,21a steht in einem Zusammenhang, dessen Abgrenzung nach hinten eindeutig ist: 14,21 b ist ein nach redaktioneller Schichtenzugehörigkeit nicht identifizierbares wörtliches Zitat von Ex 23,19 b par. 34,26 b, das nur in weiterem Sinne mit dem von Dtn 12 über Kap. 13 hinweg bis Kap. 14 reichenden Thema des Erlaubten und Verbotenen in puncto Fleischgenuß zu tun hat; mit 14, 22 ff. beginnt das neue Thema des Zehnten. Weniger klar ist die Anbindung des Satzes nach vorn. Im jetzigen Wortlaut hat v. 21 aai dieselbe pluralische Formulierung wie die Liste der reinen und unreinen Tiere v. 4-20, während v. 21 aa2.3. β singularisch formuliert sind. Ist dieser Versteil deshalb schon eine spätere Erweiterung? Da eine Vorschrift über das Essen toter Tiere nicht direkt zu einer Liste eßbarer bzw. nicht eßbarer Tiere gehört211 und da sich die Pluralform in v. 21aaj leicht als Einwirkung der pluralischen Liste erklärt212, kann es als wahrscheinlich gelten, daß v. 21aa 2 . 3 . β nicht eine sekundäre „Zusatzbestimmung" zu v.21aa! sind213, sondern zusammen mit v. 21 aai* (sing.) ein ursprünglicher Gebotssatz. Wenn die Beeinflussung durch die Liste v. 4-20 aber sekundär ist, ist v. 21 a nach vorn nicht ursprünglich an sie angeschlossen. Die Liste mit dem einleitenden v. 3 ist ihrerseits im dtn Gesetz ein nach Form und Inhalt besonderer, sekundärer Text, der das priesterliche Wissen von der Unterscheidung der Tiere zu dem durch Kap. 12 vorgegebenen Thema der Schlachtung nachträgt214. Auch Dtn 14,1 f. gibt keinen Anschluß für 14,21 a. Der pluralische Verbotssatz V. 1, der aufgrund einer Theorie der Gotteskindschaft: 03"Π!>Κ MRR!» Α TIN O"33 Trauerbräuche verbietet, die am Ende des 7.Jahrhunderts üblich waren (Jer 16,6) 215 , hat seine Parallelen im Heiligkeitsgesetz und dürfte von dort her an das Verbot der Fremdkulte Kap. 13 angefügt worden sein216. Handelt es sich in 14,1 danach um einen „priesterlichen" Zusatz, so ist demgegenüber 14,2 eine Korrektur im dtn/dtr Sinne. Das Verbot der Trauerriten ist in Lev 21,5 speziell ein Gebot für die Priester, in Lev 19,27 f. steht es - wie das ganze Kapitel - unter der individuellen Heiligkeitsforderung 19,2 a: R N N D'TNJ?. Aus dieser Vorstellungswelt heraus wird es in Dtn 14,1 unter den Satz gestellt: mn-S» οηκ crn ü3-ni>K. „Die Bezeichnung der Israeliten als , Söhne für Jahwe' ist im Dt, aber
211 Vgl. Lev 11,1-23 und dann l l , 3 9 f . , dazu M.Noth, Leviticus S.80. 212 Vgl. umgekehrt den Singular in v. 3 nach v. 2 (vgl. BHS). 213 C. Steuernagel, Deuteronomium S. 104. 214 Vgl. Steuernagel a.a.O. S.33; Noth a.a.O. S.76. Das Verhältnis zu der Liste in Lev 11,1-23* ist entweder das der Ableitung von derselben Grundlage (v. Rad, Deuteronomium S. 72 f.) oder der Übernahme aus Lev 11* in einem früheren Stadium (Noth). 215 Zur Authentizität vgl. W.Thiel, Jeremia 1,195ff. 216 Vgl. Lev 21,5; 19,27f. Nach K.Eiliger, Leviticus S.261, ist das „Rundscheren des Kopfrandes" nichts anderes als das „Glatzescheren".
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auch im ganzen Alten Testament vereinzelt." 217 Die zwei Stellen, die v. Rad dazu als „allenfalls" vergleichbar nennt, Ex 4 , 2 2 und Hos 11,1, sprechen nur von „Israel" als „Sohn" 218 . Dem entspricht in der Tendenz Dtn 14,2: der Gedanke der Sohnschaft des Einzelnen wird durch das (leicht variierte) Zitat von Dtn 7 , 6 im Sinn der kollektiven Vorstellung vom onp ny korrigiert. Dtn 14,1 f. trägt also zur Erklärung von 14,21 a nichts bei, dagegen bleibt als negatives Ergebnis festzuhalten, daß v. 21 aß nicht eine verkürzende Wiederaufnahme von v. 2 ist. Dann kann v. 21 aß nur in seiner Begründungsfunktion für v. 21 aa gedeutet werden, nicht im Rahmen weiterer kontextueller Bezüge 219 .
Sachlich gehört 14,21 a als Einschränkung zu dem Thema ηικ i»sa !>DK:n (12, 20. (21), vgl. 15) und literarisch ist der Anschluß des Verses an die singularische Rede 12, 1 3 - 1 9 . 2 0 - 2 8 gut möglich 220 . In einem weiteren Sinne hat 1 4 , 2 1 a also den Charakter eines Schlußsatzes für die Fundamentalbestimmungen des dtn Reformgesetzes. Die Frage, ob aber 1 4 , 2 1 a überhaupt Bestandteil eines dtn Gesetzbuches der judäischen Königszeit und nicht nur „ein später Zusatz" ist 221 , kann nur anhand des Sprachgebrauchs und vor dem Hintergrund der Geschichte des Eßverbots nicht rituell geschlachteter Tiere beantwortet werden. Der Ausdruck "|"iyea i c x ui> steht den bisher vorgeführten Belegen so nahe, daß er ein Argument gegen den Versuch ist, 14,21 a literarkritisch aus dem Zusammenhang des ursprünglichen dtn Gesetzes herauszunehmen und einer späteren redaktionellen Bearbeitung des Gesetzes zuzuweisen. Seine Parallelen im dtn Gesetz verbieten es auch, eine Verschiebung der Bedeutung des Ausdrucks anzunehmen. Die Bezeichnung " O J ist im dtn Gesetz noch in 15, 3 und 2 3 , 2 1 sowie als "Ί33 Γ'* in 17,15 belegt. Sieht man vorerst von 17,15 ab, ist offensichtlich die Unterscheidung des " i d : von den „Israeliten" in 1 4 , 2 1 a ; 15, 3; 23,21 dieselbe. Ob diese Gestalt in der ursprünglichen Fassung des
2 1 7 v.Rad a . a . O . S.72, vgl. Steuernagel a . a . O . S. 105: „beachte den Plural o-an, der den einzelnen Israeliten die Sohnesstellung zuerkennt." 2 1 8 Es kommt hier sehr auf die Verwendungsweise der Bezeichnung „Söhne" an. Die Belege, in denen die Sohnesmetapher den Erziehungs- oder (Un-)Gehorsamsaspekt ausdrückt (Jes 1 , 2 ; 3 0 , 1 . 9 ) sind keine direkten Parallelen. Dem positiven Duktus von Dtn 14,1 ist am ehesten Hos 2 , 1 (noch 6.Jahrhundert?) vergleichbar, ferner die Sammlungsverheißung Jes 4 3 , 5 - 7 . 2 1 9 Man kann Dtn 14, 2 II 21 a ohnehin schon deshalb nicht mit A. Cholewmski, Heiligkeitsgesetz S. 284, als „Inklusion" der Liste v. 3 - 2 0 beschreiben, weil v. 2 Begründung für v. 1 ist. 2 2 0 Die Rede über die Distanz zu den a-u 1 2 , 2 9 - 3 1 . ( 1 3 , 1 ) sowie die Gesetze über das Verhalten bei Aufforderung zum Dienst fremder Götter erklären sich aus Problemkonstellationen nach dem Ende der judäischen Monarchie. 12,28 konnte als „Schlußsatz" leicht Einsatzpunkt für Erweiterungen sein. 13,1 oder 1 3 , 1 9 sind in dem Sinne dann Wiederaufnahmen. 2 2 1 So noch H.-J. Fabry, T h W A T V, 170.
Der mindere Rang des ger im Gottesvolk
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dtn Gesetzes literarisch verankert ist, muß im folgenden Abschnitt erörtert werden. Einen terminus ad quem für die ausgrenzende Unterscheidung des '*i3J geben jedoch die dtr Belege in Dtn 29,21; 1 Kön 8,41.43, die der Person fremdländischer Herkunft in der Gemeinschaft der Jahweverehrer positiv gegenüberstehen. Für die Wendung (νπί>κ mrri») imp ny ist nach Ausschluß von 14,2 im dtn Gesetz 14,21a der einzige Beleg. Auch in den übrigen Teilen des Dtn wird das Volk der Jahweverehrer nur in seltenen Fällen als „heilig" bezeichnet. Der Ausdruck imp ay findet sich in Dtn 7,6, ferner mit einem Rückverweis oder besser einer Formel der Vergewisserung in 26,19, sowie mit einem bekräftigenden Verweis auf einen Schwur im Abschnitt über den Segen in 28,9. Da bei der möglichen Beziehung zwischen 14, 21 aß und 7,6 die Richtung der Abhängigkeit keineswegs eindeutig von der volltönenden Erwählungsaussage 7 , 6 zu einer verkürzenden Zitierung aus dem Rahmentext im Gesetz geht, kann die Frage, ob die fiktiv in die Urzeit einer Landnahme zurückblickende Rede über die rigorose Absonderung von anderen, nichtjahwistischen Bevölkerungsanteilen im Land 7 , 1 - 6 der Selbstbehauptung der judäischen Staatsreligion gegen den Druck der Assyrer in der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts oder der Selbstbehauptung einer nicht mehr staatlich verfaßten Gemeinschaft der Jahweverehrer nach dem Ende der judäischen Monarchie dient, offen bleiben, ohne daß ein sicherer Anhalt für die Datierung des Begriffs ram qädos in 14,21 a unberücksichtigt bliebe. Auch eine Abhängigkeit von 26,19 oder 28,9 läßt sich für 14,21 a nicht behaupten, so daß der Ausdruck innerhalb des dtn Gesetzes literarisch selbständig ist. Aus dem Sprachgebrauch von 14,21a ergibt sich nach allem kein Einwand gegen die ursprüngliche Zugehörigkeit des Gebotssatzes zum dtn Gesetz 222 . Innerhalb des dtn Gesetzes ist zu 14,21 aß die Forderung der Heiligkeit des Kriegslagers 23,15 zu vergleichen. Dieses Gesetz ist „in jenen konditionalen Predigtstil gekleidet, der für viele dt. , Gesetze' so charakteristisch ist"223 und wird demselben primären entstehungsgeschichtlichen Stadium des dtn Gesetzes angehören wie die Gesetze mit der Rücksicht auf den sozialen Typus des ger (24, 14-22*) 224 . In 23,15 begründet der die Heiligkeitsforderung aufstellende Satz die gebotene Meidung einer
222 Daß andererseits eine Vorgeschichte als selbständiger Gebotssatz zu postulieren und deshalb von Dtn 14,21a aus auf ein vordtn „Traditionselement der Beziehung ritueller Weisungen auf die Heiligkeit Israels" zu schließen sei (H.-J. Kraus, Das heilige Volk S.44f.), ist nicht wahrscheinlich. 223 v.Rad a.a.O. S.105. 224 Vgl. G. Seitz, Deuteronomium S. 164 f. Die Differenzierung zwischen redaktionellen Stadien in 23,15 a / 1 5 b (S. 160) ist unnötig.
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Das deuteronomische Gesetz
Verunreinigung des für eine aktuelle militärische Aktion aufgestellten Kriegslagers. Das Lager, nicht die Krieger, soll heilig sein, weil die Gottheit im Lager anwesend gedacht ist (·ρπη aipa η^πηη). Die aktuelle Präsenz der Gottheit begründet ein Verhältnis, das den Schutz vor Unreinheit verlangt. In Dtn 14, 21 aß liegt solche Präsenz nicht im Blick, vielmehr ist ein dauerndes Verhältnis zu seinem Gott das, was den d? ni;ri> imp charakterisiert und vor Verunreinigung geschützt werden soll. Daß in 23,15 aber die Einheit des Lagers eine konkrete Orientierungsgröße ist, könnte insofern Licht auf die kollektive Größe des ny werfen, als auch diese dann bei ihrer Prädizierung als heilig nicht ein völlig anschauungsloser Abstraktionsbegriff wäre. Für das Verständnis des Begriffs fam qädos 'm 14,21 a ist es wichtig, das „Du" der Anrede in dem begründenden Satz mrri> nnx imp ay - j -ρπ!>κ soziologisch genau zu erfassen, um nicht durch unausweisbare Pauschalisierungen theologischer Begrifflichkeit einen falschen Gegenbegriff zu υ zu konstruieren225. Das Gesetz 14,21a betrifft direkt den Vieh- und Herdenbesitzer, da ja der Angeredete die Verfügung über das ohne die richtige Schlachtung zu Tode gekommene Tier hat (jna, naa). Der Adressatenkreis ist derselbe wie der der bisher erwähnten dtn Gesetze und deckt sich mit denen, die das Kriegsgesetz betrifft, denn die „waffenfähigen Männer" sind die „freien und grundbesitzenden Vollbürger" (vgl. Dtn 20, 5-7)226. Die gänzlich Besitzlosen sind bei der nationalen und nationalreligiösen Angelegenheit des Krieges227 ebensowenig dabei, wie sie in dem religiös gebundenen Lebensbereich des Ackerbaus eine selbständige Rolle spielen. Läßt sich hieraus auf ihre Randstellung im Jahwevolk" als Einheit auch in Hinsicht auf die Reinheitspflichten schließen, so daß in Dtn 14,21 a nicht der ger gegen den fam qädös wie eine Sondergestalt gegen die gesamte, als Einheit aufgefaßte, den Gott Jahwe verehrende Bevölkerung der judäischen Landschaft gestellt wäre, als „Nichtisraelit" gegen „Israel"? Dann wäre 'am qädös ein Begriff, der die Totalität der jahwistischen Bevölkerung nur indirekt umfaßte, indem er an der Schicht orientiert wäre, die dadurch, daß sie den nationalreligiösen (Abgabe-)Pflichten nachkommen kann, eigentlich das J a h w e volk" ausmachte. Demgegenüber wäre der ger nach Dtn 14, 21 a frei von dem Verbot der Verunreinigung durch das Essen von n^a:, weil er dieser das Jahwevolk" konstituierenden Schicht nicht zugehörte und insofern einen minderen
225
„,Heiliges Volk' (cam qados) wird Israel zum erstenmal im Deuteronomium genannt.": Kraus a.a.O. S.38, vgl. L.Perlitt, Bundestheologie S. 57. (Hervorhebung von mir) 22 Seitz a.a.O. S.163. 22 ? Vgl. H.H.Schmid, Altorientalische Welt S.91 ff.
D e r mindere R a n g d e s ger im G o t t e s v o l k
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Rang im Gottesvolk innehätte. In der Notlage, in der er sich befindet, wird ihm vielmehr das für die vieh- (und land-)besitzende Schicht tabuisierte Fleisch als Nahrung erlaubt. Daß dabei gewisse Aspekte der Tabuisierung bestehen bleiben, und insofern die Tabu-Ansprüche der Gottheit an ihn abgetreten werden, erhellt daraus, daß der Besitzer keinen Vorteil (etwa an Arbeitsleistung) aus der Überlassung des Tieres ziehen darf (inj), während es, wenn es die Grenzen des 'am qädos tatsächlich verläßt, indem es an einen Fremden, näkrt übergeht, zur Handelsware wird ("on). Gerade die Überlassung des verbotenen Fleisches an den ger, die der Überlassung der Nachlesefrüchte an ihn entspricht (Dtn 24,19 ff.), integriert den ger als den Empfänger des nach dem Willen dieses Gottes verfallenen Fleisches in die Einheit des Jahwevolkes. Der ger ist religiös vom 'am qädos nicht so unterschieden, daß er aufgrund herkunftsmäßiger Fremdheit keine volle Zugehörigkeit zum Volk des Gottes Jahwe erlangt hätte oder zu erlangen brauchte, sondern nur so, daß für ihn eine mindere Beanspruchung durch das Religionsgesetz gilt. Im Jahwevolk gilt also für den ger das Reinheitsgesetz nicht, vielmehr wird hier wiederum der Forderung des Gottes durch Barmherzigkeit Genüge getan (vgl. 24,19ff.). Diese interne Differenzierung gewinnt vor dem Hintergrund der Geschichte des Verbots, genauer: seiner Nachgeschichte und der aufgrund davon rekonstruierbaren Praxis vor der Zeit des dtn Gesetzes, an Wahrscheinlichkeit. D a s V e r b o t D t n 1 4 , 2 1 a ist im A T nicht o h n e Parallele, es ist indessen fraglich, o b es eine T r a d i t i o n hat. U n t e r d e n diversen G e s e t z e s s t o f f e n in E x 2 2 , 1 7 -
23,19 findet sich in 22,30 der Satz:
ιί>3Κΐι xi> nous rma -i»ai
p-nn tnp -pikt
ιηκ pa^tm. D i e s e r Vers 2 2 8 stellt, pluralisch formuliert, an die e i n z e l n e n Israeliten die Forderung, heilig z u sein 2 2 9 , aus d e r das V e r b o t , A a s z u essen, folgt. D i e sakrale Bedeutung dieses V e r b o t s ist g r ö ß e r als in D t n 1 4 , 2 1 a : k o m m t d o r t dieses Fleisch als N a h r u n g für M e n s c h e n in Betracht, ist es hier nur n o c h für H u n d e gut.
228 Vgl. jetzt die Diskussion des Verses durch L. Schwienhorst-Schönberger, Bundesbuch S. 368 ff. 229
Nach W. Beyerlin, Paränese, sind «πρ "«κ die Glieder des Jahwevolkes, die auf Wallfahrtsfesten (des 12./11.Jahrhunderts) so angesprochen werden. Abgesehen von den mittlerweile fragwürdigen Voraussetzungen hinsichtlich der „Wallfahrtsfeste der Jahweamphiktyonie" (S. 25), - ist Ex 22,30 a sicher „schon in einer vordeuteronomischen Phase" (welcher?) „doch wenigstens vorstellbar" (S. 17)? Und ist Ex 22,30 im Vergleich mit Dtn 14,21a, also der Gedanke geforderter individueller Heiligkeit der Verehrer des Gottes Jahwe verglichen mit dem Gedanken der Besonderheit des Volkes als Einheit im Verhältnis zu seinem Gott als mn-^ «mp ay tatsächlich „nicht im selben Maße reflektiert" (S. 17)? Dieselben Einwände richten sich gegen die Übernahme dieser Erklärung durch J. Halbe, Privilegrecht S. 425 mit Anm. 5.
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Das deuteronomische Gesetz
Ex 22,30 gleicht in der individuellen Heiligkeitsforderung Lev 19 , 2 230 , im Aufbau D t n 14, l 2 3 1 .. H a t K. Elliger mit der Beobachtung Recht, d a ß innerhalb des Heiligkeitsgesetzes die von 19,2 abhängigen Stellen 2 0 , 7 und 2 0 , 2 6 schon eine „Akzentverschiebung innerhalb des Heiligkeitsbegriffes" erkennen lassen, „insofern der in c. 19 spürbare stark ethische Einschlag völlig zurücktritt und die Heiligkeit nun in erster Linie kultisch-levitisch bestimmt erscheint" 2 3 2 , und läßt sich diese T e n d e n z verallgemeinern, ist offensichtlich, d a ß Ex 22, 30 eher einem späteren Stadium der Leitfunktion der Heiligkeitsforderung f ü r die Gesetzgebung zugehört. Im näheren Kontext des Bundesbuches in der Sinaiperikope Ex 19-24 besteht eine auffällige Verwandtschaft zwischen 22,30 a und 19,6 a: Ji3i>an -!> r n n djini «mp - u i Π-3Π3. Für 19,6 a im Kontext von 19,3 b - 8 läßt sich nun mit hoher Sicherheit die Exilszeit als terminus ante quem non angeben 2 3 3 . W ä h r e n d der Ausdruck «mp - u ein Nachklang des dtn Ausdrucks (πιπ-ί>) smp ay ist, liegt das Originale dieses Satzes in dem Ausdruck 0":m na^nn. G e h t es damit einerseits um die „Funktion gegenüber den Heidenvölkern" 2 3 4 , unterstellt andererseits der religiöse Anspruch, Priestervolk zu sein, alle Glieder der Gemeinschaft dem Priesterrecht. D e m entspricht genau die Forderung, heilig zu sein, von 22, 30, die danach in keinem Fall über die Mitte des 6.Jahrhunderts hinaufführt 2 3 5 . Die vorstellungsmäßige Verbindung zwischen 22, 30 und 19,6 könnte darüber hinaus auch einen sachlichen Erklärungsgrund f ü r das G e b o t 22, 30 geben. D e n n das strikte Verbot, nicht durch Schlachtung zu T o d e gekommene Tiere zu essen, ist - außer in D t n 14,21 a - sonst eine Weisung f ü r die Priesterschaft 2 3 6 . In Ez 4 , 1 4 wird nach W. Zimmerli literarisch in einer „Erweiterung durch den Propheten selber" oder einem „Element der Nachexegese im Rahmen der Schultradition" 2 3 7 das Bekenntnis der Reinheit, mit dem der P r o p h e t dem Befehl der Bereitung unreiner Speise widerspricht, erläutert mit dem Satz: κί> πβτβι ni>aji
230
Dort: rnn π·νιρ. Die singulare Formulierung von Ex 22, 30 a -!> p-rrnff-rp-bjx trägt zur Deutung nichts bei: ®ip „im gen. als Umschreibung des adj." ist häufig belegt, s. GeseniusBuhl s. v., die Verbindung von B-χ plur. st. es. mit einem Abstraktbegriff etwa Jes 57,1 ("»:* ion); Hi 34, 36 (px ~»jk). Die Ergänzung durch -!> auch in späten Belegen, vgl. Elliger a.a.O. S.255 Anm.3. 231 Dieser Aufbau ist nach Noth ein Zeichen für „jüngeren Rechtsstil" (Exodus S. 152). Damit ist für eine Unterscheidung von 7. und 6./5.Jahrhundert nicht viel anzufangen. Zu Dtn 14,1 s.o. S.85f. 232 A.a.O. S.272 bzw. S.270f. zur Abhängigkeit von 19,2. 233 Perlitt a.a.O. S. 172ff. Ob der Text als Synthese „spät-dtr, priesterlich(er) und exilisch-prophetisch(er) Strömungen" (S. 175) noch in die Exilszeit zu datieren ist, ist vielleicht von Jes 61,6 her zu bezweifeln. Vgl. ebd. S. 176 die Erwägungen zu 19,5bß. 6 a. 234 Kraus a.a.O. S.47. 235 G. Otto, Rechtsbegründungen S. 6, rechnet Ex 22,30 zu einer dtr Bearbeitung des Bundesbuches, Schwienhorst-Schönberger teilt den Vers so auf, daß er v. 30 a „nachdeuteronomisch-(früh-)priesterliche(r) Theologie" zuweist (a.a.O. S.373) und v.30b für „älter als Dtn 14,21 a" erklärt (S. 375), für v.30bß jedoch wiederum eine Zuweisung an den dtr Redaktor, als „implizite Korrektur an Dtn 14, 21 a" erwägt (S. 377). 236 Dasselbe gilt für Dtn 14,1 vgl. Lev 21,5f., dazu s.o. S.85f.. 237 Ezechiel 1,128.
Der mindere Rang des ger im Gottesvolk
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... ΊΒ3 '33 xa « h -jii>3K. Der Satz setzt voraus, daß der Verzehr von nanai bzw. bus Unreinheit bewirken würde. Da Ezechiel jedoch ein Priester oder zumindest Sohn aus einer Priesterfamilie ist (Ez 1, 3) 238 , ist von hier aus kein eindeutiger Schluß auf ein positives, nicht nur f ü r Priester geltendes Gesetz, das solches Fleisch zu essen verbietet, möglich. Für piggul-Fleisch, Opferfleisch, das am dritten Tag nicht mehr gegessen werden darf, finden sich im Heiligkeitsgesetz Lev 19,5-8 und einem Abschnitt der „an die Laien" gerichteten „Heilsmahlsopfertora" Lev 7, 11-2 1 239 Verbote, die mit allgemeiner Gültigkeit seinen Verzehr verbieten. Das piggul-Fleisch steht jedoch von vornherein im sakralen Kontext einer Darbringung, und das eigentliche Thema der Vorschrift ist also die „Wahrung der Heiligkeit der Opfermaterie" 240 . Der Genuß zerrissener oder sonst verendeter Tiere ist demgegenüber ein anderer Fall. Nach den priesterlichen Gesetzen in Leviticus besteht nur für Priester ein striktes Verbot des Verzehrs solchen Fleisches (22, 8), eine Auffassung, die auch Ez 44,31 ausspricht. Dagegen ergibt sich für die Laien aus solchem Verzehr nur eine Reinigungspflicht: Lev 17,15 f. 241 ; nach Lev 11,39 f. sogar nur eine Pflicht zur Waschung der Kleider. H a t man mit diesen Belegen zwar nur Quellen aus dem späten 6. oder dem 5.Jahrhundert, sind sie doch ein Indiz dafür, daß keine alte Rechtstradition das nicht rituell korrekt geschlachtete Fleisch zu essen verboten hat. Vor diesem Hintergrund wird die Betonung in der Reinigkeitsbeteuerung Ezechiels, rtmai ni>33 nicht gegessen zu haben, durch seinen priesterlichen Status (bzw. Herkunft) bedingt sein, und nur die Aussage über das Meiden von piggul-Fleisch auf ein allgemeines Verbot Bezug nehmen. Die individualisierte Heiligkeitsforderung von Ex 22,30 a führt dann zur Übertragung dieser elitären Vorschrift auf alle Israeliten als das Priestervolk ( 1 9 , 6 a ) in Ex 22,30b 2 4 2 . In seinen alten Bestandteilen, den kasuistischen Rechtssätzen Ex 21,18-22,16, scheint das Bundesbuch den „Genuß verendeter Haustiere" dagegen durchaus zu kennen 243 . Das Interesse an den zu Tode gekommenen Tieren ist so groß, daß in einzelnen Fällen genau bestimmt wird, wem sie zustehen (21, 34.35.36), wohl kaum um sie den Hunden vorzuwerfen (22,30).
Ist Ex 22,30 auf die vorgeschlagene Weise zu erklären, kann das Gesetz nicht mehr als traditionsgeschichtlicher Hintergrund von Dtn 14,21a in Anspruch genommen werden. Vielmehr ist Dtn 14,21a das
238
Dazu Zimmerli a.a.O. S.24*.38. > Elliger a.a.O. S.87. 2to Ebd. S.93. 23
ay -ρηί>κ mrr!» verbunden ist. Das Gebot bedeutet von vornherein einen gesteigerten Grad religionsgesetzlicher Verpflichtung. Die Folgerung, die F. Crüsemann aus Dtn 14,21a zieht, daß es sich nämlich „bei den t r u des Deuteronomiums nicht um religiös gleichgeschaltete Menschen (handelt)"244, ist also in dem Sinne zutreffend, daß die Besitzlosen nicht gleich verpflichtet sind, soweit es um religiöse (Verzichts-)Leistungen geht, die Besitz und selbständige Wirtschaft in der agrarischen Gesellschaft zur Voraussetzung haben. Daß die gerim von außerhalb des Jahwevolkes kommen - wie der näkri- läßt sich aufgrund der Belege im dtn Gesetz auch im Fall von 14,21 a nicht wahrscheinlich machen245. Es kann deshalb auch nicht überzeugen, wenn A. Bertholet unter der Voraussetzung, der ger sei ein national und religiös Fremder, für das Deuteronomium erklärt: „Man überwindet die Fremden und
2 4 4 Fremdenliebe S. 20. - Ob der Begriff der religiösen Gleichschaltung befriedigende deskriptive und interpretatorische Kraft hat, sei hier dahingestellt (vgl. aber Dtn 6, 5). Führt man ihn in der zitierten Weise bei Dtn 14,21 a ein, wäre es aber nur konsequent, ihn dann in gegenteiligem Sinne auch für die Deutung von Lev 1 7 , 1 5 oder Ex 1 2 , 4 9 usw. zu brauchen. 2 4 5 Anders P.-E. Dion, Israel et l'Etranger S. 222 ff. Dion, der in der Deutung der Bezeichnung ger A. Bertholet folgt und ger als „un immigrant" betrachtet, qui „habite lors de son pays d'origine" (S. 223), bemerkt zu Dtn 1 4 , 2 1 a in der Spannung zu Dtn 5 , 1 4 usw., daß „les donnees du Deuteronome sur les droits et obligations des immigrants en matiere religieuse ne sont pas tres claires" (S. 224). Er hält jedoch Dtn 14,21 a als den entscheidenden Beleg für die Beschreibung der religiösen Fremdheit des ger fest, während er erklärt, daß das Sabbatgebot seiner Bedeutung für die Deuteronomistik wegen auch Immigranten auferlegt werden konnte, „meme s'ils n'etaient pas sujets aux autres droits et devoirs des Israelites", und die Teilnahme an den Erntefesten, da sie keine Opferfeste seien, keine „communio in sacris" bedeute (S. 224f.). Für die Zeit Joschijas gilt jedoch nach Dion aufgrund von Dtn 2 9 , 1 0 und 3 1 , 1 2 als für diese Zeit ausgewerteten Quellentexten der Einschluß des ger in die Gemeindeversammlung, in einem „disaccord avec les implications de 1 4 , 2 1 " und motiviert durch das Interesse „a gagner cet element de la population pour mieux unifier toutes les forces disponibles" (S. 230).
Die Abgrenzung des Gottesvolkes gegen den
näkri
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macht sie unschädlich dadurch, dass man sie in den eigenen religiösen Verband aufnimmt. ... Ger ist fortan ein in Israel sich aufhaltender Fremder, der zur religiösen Verfassung des Volkes in eine gewisse Beziehung getreten ist." „Der Ger des Deuteronomiums ist noch nicht der Proselyt, aber er ist daran, sich demselben zu nähern. Er ist zu gewissen aber noch nicht zu allen religiösen Geboten verpflichtet (14, 21 )."246 Der ger ist auch dort, wo er am weitesten von den Trägern der Jahwereligion in der judäischen Landschaft unterschieden ist (14,21a), ein sozialer Typus und nicht eine Gestalt fremdländischer Herkunft, deren gradweise Annäherung an das Gottesvolk sich im dtn Gesetz spiegelte. Die Differenzierung zwischen den Angeredeten als ram qädös und dem ger erklärt sich aus dem Charakter der Jahwereligion in der judäischen Monarchie, die so, wie sie nach dem dtn Gesetz als historischer Quelle beschreibbar ist, die grundbesitzende Schicht in der judäischen Landschaft in besonderer Weise als Trägerkreis verpflichtet. Die Richtung des dtn Gesetzes vom Jerusalemer Staatstempel in das Land hat dabei zur Folge, daß die nationalen und königsideologischen Elemente der Tempeltheologie nicht gleichgewichtig deutlich werden.
2.7 Die Abgrenzung des Gottesvolkes gegen den näkri (Dtn 14,21a; 15,3; 23,21) Dem sprachlichen und sachlichen Befund hinsichtlich des ger im dtn Gesetz und im mit diesem im Zusammenhang interpretierten dtn Dekalog steht der Befund hinsichtlich der Bezeichnung näkri gegenüber. Schon der Vergleich mit akkadisch „nakru" zeigte, daß das Wort " o : eine Unterscheidung des Anderen von der eigenen politischen Einheit bedeutet, die nationale Konnotationen impliziert247, näkri ist die Bezeichnung eines Fremden, der ein „Fremder in Israel" ist, d.h. seine Herkunft von außerhalb der israelitischen Monarchien hat. Die Unterscheidung nach diesem Kriterium ist in der Bezeichnung ger nicht impliziert und kann deshalb nicht stillschweigend vorausgesetzt werden, wo 246
Stellung zu den Fremden S. 101 bzw. 103, jeweils gesperrt. Von seiner Voraussetzung aus, ger bezeichne einen (vormaligen) Nordisraeliten (s.o. S. 11 Anm. 16), interpretiert M. Cohen Dtn 14,21 a und Lev 17,15 £. als zwei gleichzeitige Texte so, daß der Deuteronomist eine „attitude segregationiste", die Priesterschrift eine „attitude integrationiste" vertrete (a.a.O. S. 157). 247 S. o. S. 23 f. P. Humbert, zar et nokri S. 115, beschreibt den Wortgebrauch als bezogen auf denjenigen, „qu'on ne reconnait pas comme de tel ou tel peuple, c.-ä-d. celui qui est etranger dans le sens ethnique". Soweit für die Völker noch eine selbständige politische Verfassung anzunehmen ist, kann man auch von „nationalen" Unterschieden sprechen. Vgl. dazu für die Zeit Nehemias auch M. Smith, Palestinian Parties S. 110.
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Das deuteronomische Gesetz
das Wort begegnet. Die Art der sozialen Randexistenz, die den Typus des ger prägt, ist zwar nicht an das Verbleiben innerhalb der Grenzen des eigenen Volkes gebunden, wie ja auch eine Unterscheidung nach der Herkunft aus oder dem Aufenthalt in einem fremden Volk als Näherbestimmung zu dem Wort ger hinzutreten kann248, es hat sich aber bei der Untersuchung der Belege im dtn Gesetz gezeigt, daß ger in keinem Fall auf eine kollektive Bezeichnung des judäischen Volkes als Gesamtgröße in einer konkreten territorialen und politischen Einheit bezogen wird, da sich die Entgegensetzung zum tmp ny als eine nur relative, durch die differenzierte religionsgesetzliche Verpflichtung der Trägerschicht der Jahwereligion bedingte erklären ließ. Die Beziehung ist stets die auf „deine Tore", also die Ortschaften in der judäischen Landschaft. Auch die Unterscheidung von πκ (24,14) hielt sich in diesem Bezugsrahmen. Während das Wort υ danach im dtn Gesetz ein sozialer Typenbegriff ist, enthält der Begriff "Ί33 den Aspekt der Herkunft aus einem fremden Volk, ohne zugleich die soziale Lage eines solchen Fremden zu beschreiben. Die Bezeichnung -IDJ ist im dtn Gesetz viermal belegt. In Dtn 17,15 wird das Wort als Adjektiv verwendet (-Ί33 HTK), in 14,21 a; 15, 3; 23,21 als selbständiges Substantiv. Diese drei Belege sind also von 17,15 unterschieden und ihrerseits miteinander eng verbunden. Da in bezug auf alle vier Belege die primäre Zugehörigkeit zum dtn Gesetz umstritten ist, liegt die Frage nahe, ob es einen sicheren Beleg für die Verwendung der Bezeichnung näkri in der Königszeit gibt. Als ein solcher Beleg kommt 2 Sam 15,19 in Betracht. In 2 Sam 15,19 wird Ittai aus dem philistäischen Gat im Gefolge Davids als -Ί33 angesprochen. Bei Davids Flucht aus Jerusalem während der Revolte Abschaloms zieht er im Anschluß an den Vorbeimarsch von Davids militärischer Hausmacht (v. 18) 249 mit seinen Leuten und seinem Troß (-ι»κ «|»π !>3i ι·ϊΐκ !>3i inn) an ihm vorbei (v. 22 b). Der Gatiter Ittai hat demnach einige kampffähige Leute unter sich (r»:x) und einen Troß (ia 2 5 0 ) bei sich. Da David dessen Begleiter als dessen „Brüder" (-ρπκ ν. 20 b) bezeichnet, ist Ittai wohl das Haupt einer Sippe. Dagegen sind die „600 Gatiter" in v. 19b als Textverderbnis von 1 Sam 2 7 , 2 her aufzuklären 251 . Für D-mn bs ist, der Konjektur J. Wellhausens folgend, o'iajn zu lesen 252 , die Aufzählung von Davids Hausmacht in 15,19 ist der in
Vgl. z.B. 2Sam 1,13; Ex 2,22 par. 18,3. S.o. S.20f. 17f. Mit J. Wellhausen, Bücher Samuelis S. 196, ist nach der LXX in v. 17 zu lesen: η!>ππ viay i>3i, in v. 18: o - n y nyn S»3i. 250 Zur Bedeutung von ηΒ siehe K.Budde, Samuel z.St.; C.Locher, ThWAT 111,373. 251 Vgl. in diesem Punkt P.K.Mc Carter, II Samuel S.363f. 252 A. a. O. S. 197. Das Suffix der 3. pers. sing, von i!>:na im Relativsatz v. 18 b a j muß sich 249
Die Abgrenzung des Gottesvolkes gegen den näkri
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20,7 vergleichbar. Daß Ittai in v. 19 so plötzlich da ist, erklärt sich aus der Funktion des Wortwechsels v. 19-22 im Erzählkontext. Dem Gatiter Ittai wird nach 18,2 neben den beiden Söhnen des Zeruja, Joab und Abischai, ein Drittel von Davids Truppe anvertraut. Dieser Rang Ittais macht es verständlich, daß der Erzähler der Thronfolgegeschichte den Wortwechsel als Erweis der Treue Ittais einfügt. Die Szene dürfte aus 18,2 herausgewachsen sein und in der Situation des Vorbeimarsches eine passende erzählerische Verankerung gefunden haben. Da 15,19-22 sachlich nichts enthält, was nicht der Abfassung der Erzählung von der Revolte Abschaloms im ganzen gleichzeitig sein kann, ist auch für diese Szene die einleitungswissenschaftliche Beurteilung der ganzen Erzählung gültig. Danach liegt in v. 19 ein Beleg für das Wort " o : aus dem 1 O.Jahrhundert vor253. Für A. Bertholet ist 2 Sam 15,19-22 der Text, aus dem sich der Typus des näkri am deutlichsten erkennen und im Vergleich zum Typus des ger nach 2 Sam 1,13 so beschreiben läßt, daß „ein für allemal festgestellt werden (darf), daß der Unterschied, der aus den genannten Beispielen zu Tage tritt, im ganzen späteren Sprachgebrauch festgehalten wird", weil nur der Begriff ger „einen völligen Wandel der Bedeutung durchmacht", während für den Begriff näkri die Charakterisierung nach 2 Sam 15,19 konstant gültig bleibe254. Für das Verständnis der Bezeichnung näkri an den drei Belegstellen im dtn Gesetz ist also eine nähere Beschreibung der Lage des Gatiters Ittai nützlich. Wenn als Erklärung für das plötzliche Auftreten Ittais in v. 19 richtig ist, daß literarisch die Szene v. 19-22 aus dem in 18,2 berichteten Sachverhalt erwachsen ist, läßt sich aus dieser Szene nicht darauf schließen, daß solche Fremden (im 1 O.Jahrhundert) prinzipiell in einem besonderen Dienst- oder Abhängigkeitsverhältnis zum König stehen. Ein näkri ist nicht unbedingt eine Gestalt, die an das Milieu des Hofes gebunden ist. Ittai aus dem philistäischen Gat dürfte „mit den Seinigen, vermutlich in Parteikämpfen, aus der Vaterstadt verbannt und vertrieben" sein255. Die Schar, die er führt, könnte eine ökonomisch selbständige Einheit sein, wenn ihr das Recht zur Ansiedlung zugestanden würde. Daß die Absicht zu solcher Ansiedlung besteht, erhellt aus der Anrede Davids (v. 19 atr), dem es unzulässig scheint, den kürzlich erst gekommenen Fremden ("|Nia innn) zu einem Flüchtling zu machen (yu hi. ν. 20 a). Es ist gerade nicht so, daß „Ittai, der , N o k h r i ' . . . ,gestern' gekommen (ist) und ... heute oder morgen wieder zurückkehren (soll)" und deshalb den Typus eines Fremden repräsentierte, „der in keine dauernde Beziehung zum Lande (oder zum Volke) getreten ist"256. Vielmehr ist
wie das von v r v. 18aa auf David beziehen. Die Zuordnung der 600 Kämpfer zu Ittai verlangte dessen Nennung schon in v. 18 (vgl. S. R. Driver, Books of Samuel S.313; Budde ζ. St.). 253 Vgl. R.Smend, Entstehung S. 133. 254 Stellung zu den Fremden S. 2. 255 Budde z.St. 256 Bertholet a. a. O. S. 1 f. Bertholet setzt voraus, daß der Imperativ i n v. 19.20 die Rückkehr ins philistäische Gat, nicht das Dableiben in Jerusalem meine. Das verbietet aber die Nachricht, daß Ittai ein mipan n!>j sei (v. 19 txt.em. - McCarter a.a.O. S.364 schlägt weiter vor, für das schwierige Partizip n^i ein Perfekt tt!>3 zu lesen, vgl. LXX). Der in v. 19 b gemeinte König ist nicht der König von Gat, sondern der (neue) von Jerusalem.
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die selbstverständliche Erwartung die, daß der Flüchtling (ni»j) Seßhaftigkeit anstrebt. Die Bezeichnung nakn impliziert nicht in der Weise einen Zeitaspekt, daß das Wort nur für kurzfristig anwesende Fremde gebraucht werden könnte. Dagegen sind zwei andere Aspekte deutlich: der näkri hat eine (identifizierbare) fremdländische Herkunft, und er ist nicht ein hilflos Schutzsuchender, vielmehr hat er, wenigstens an Arbeitskräften, die Mittel zu ökonomischer Selbständigkeit. Seiner sozialen Lage nach ist ein näkri, unter der Voraussetzung, daß ihm die selbständige Existenz an seinem neuen Aufenthalt im fremden, einer zentralen Macht unterworfenen Land zugestanden wird, eher eine „starke" Gestalt. Es wird sich zeigen, daß diese am Sonderfall des Ittai gewonnene Charakterisierung auch für die Belege im dtn Gesetz geltend gemacht werden kann.
Die Verwendung der Bezeichnung näkri ist also kein Argument gegen die ursprüngliche Zugehörigkeit der entsprechenden Gebotssätze zum dtn Gesetz. Gegen ihre Wertung als Quellentexte für die 2. Hälfte des 7.Jahrhunderts wird jedoch von seiten der literarkritischen Quellenanalyse geltend gemacht, daß es sich bei ihnen um literarisch sekundäre Erweiterungen handle. C. Steuernagel identifiziert „die Stellen, die den dem rix so gegenüberstellen, daß er als der Minderwertige erscheint, gegen den man auch die sonst geforderten Humanitätspflichten nicht zu erfüllen braucht (17,15; 14,21; besonders aber 15,3; 23,21)" als „Zusätze", die einen dem weitherzigen Dtn geradezu entgegengesetzten, „national engherzigen Geist (verraten), dessen Aufkommen während des Exils infolge der von den Fremden ausgehenden Bedrückung ja wohl begreiflich ist"257. Vor einer Beschreibung der Stellung des näkri in der Gesellschaft der judäischen Monarchie ist diese literarkritische Entscheidung zu prüfen. In Dtn 14,21a ist die Alternatiworschrift nsn ix syntaktisch nicht fest eingebunden, weil sie nicht wie die erste positive Anweisung (21 aa 2 ) in der Anrede der 2.pers. sing, formuliert ist, sondern mit dem infinitivus absolutus. Dazu könnte die Aussage im Kontext redundant scheinen. Ist Dtn 14,21 a aber wie gezeigt als von 14, 3-20 unabhängiger und ursprünglich an Dtn 12* anschließender Gebotssatz zu lesen, in dem 21 aa,* (sing.) mit 21 aa2. β fest zusammenhängt, ist es kaum mehr plausibel, für 21aa 3 literarisches Wachstum anzunehmen258. Dann aber ist der in sich geschlossene Vers 21a ein Beleg dafür, daß dieselbe dtn Schicht, die vom i&x υ und vom Ortsgenossen als nx spricht, die Gestalt auch des 'Ί31 in der Gesellschaft der 2. Hälfte des 7.Jahrhunderts in Juda im Blick hat.
257 Deuteronomium S. 33. 258 R. P. Merendino, Das deuteronomische Gesetz S. 88.95 f., der von einem isolierten Gebot v. 21 aaj ausgeht, betrachtet v. 21 aa2.3 (und aß) als Zusatz von einer Hand, der des deuteronomischen Redaktors.
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Für Dtn 15,3 und 23,21 macht Steuernagel259 nur allgemeine Gründe gemäß seinen oben zitierten Unterscheidungen gegen eine ursprüngliche Zugehörigkeit der den näkri betreffenden Sätze zum jeweiligen Gesetz geltend. Die literarkritische Differenzierung ist möglich, weil jeweils 15,1 f. bzw. 23, 20 eine in sich sinnvolle Gebotsaussage machen260. Dem Verbot, vom „Bruder" ein Darlehen im Semittajahr einzutreiben261, stellt 15, 3 die Erlaubnis gegenüber, den näkri zu drängen; dem Verbot, vom „Bruder" Zinsen zu nehmen, 23, 21 a die Erlaubnis, dem näkri mit Zinsen zu leihen. Da man nicht erwarten kann, daß die Anfügung solcher Entgegensetzungen literarisch „glatt" ist, kann umgekehrt die Beobachtung eines literarischen „Neuansatzes" entstehungsgeschichtliche Hypothesen nicht tragen. Für Dtn 1 5 , 1 - 3 ist unter Aufgabe der von speziellen Theorien über die apodiktische Rechtssatzform abhängigen Voraussetzung, daß 15,1 traditionelles, ehemals selbständiges Gut sei262, festzustellen, daß v. 1 mit der Anrede in der 2.pers. sing, stilistisch auf derselben Ebene wie v. 3 liegt. Der Wechsel in die 3.pers. sing, in 15,2 ist dadurch bedingt, daß genannt werden muß, wen die Semitta im besonderen angeht, und das ist nicht jedermann, sondern nur n»n !»yn ίο 263 . Wird 15,1 nicht traditionsgeschichtlich gegen 15,3 abgesetzt, gibt es keinen Grund mehr, das explikative rrtN nm in v. 2 für sekundär zu halten. Die Bezeichnung jn in v. 2 b ist Nachwirkung ihrer für die exakte Fallbeschreibung notwendigen Verwendung in v. 2 a, während der von v. 1 herkommende, auf v. 3 hinlenkende Gesetzgeber mit der Bezeichnung nx zu seiner eigentlichen Sprache zurückkehrt264. Zu beweisen ist hier naturgemäß nichts, es zeigt sich aber, daß nicht aus literarkritischen Gründen mit einer Vielzahl von Schichten gerechnet werden muß. Dasselbe gilt für Dtn 23,20 f., wenn nicht der „unbedingte Prohibitiv" ynxi> ysm xi> als „Ausgangspunkt"265 angesetzt wird. Nach dem Urteil von G. Seitz liegen im übrigen in beiden Fällen die Stadien, die die
259 A . a . O . S. 108.137. 260 D a ß Steuemagel Dtn 2 3 , 2 0 für so begründungsunbedürftig hält, daß er auch auf v. 21 b „mit seinen Formeln" für das primäre Stadium verzichtet, ist schon eher fragwürdig. So die Erklärung nach A. Rofe, s. o. S. 82. G . Seitz, Deuteronomium S. 167 nach F. Horst, vgl.o. Anm. 199. D e r Begriff nan® ist nur noch Dtn 3 1 , 1 0 belegt. 2 6 3 Vgl. zu dieser Konstruktion Gesenius-Buhl s.v. BOP; A. Rofe oben Anm. 200. Steuernagel a. a. O. S. 104 ergänzt ein zweites nen, was unnötig ist, weil man die Konstruktusverbindung ν πβη ohnehin nicht versteht, vgl. G . v . R a d , Deuteronomium S . 7 4 Anm. 1. 2 6 4 Seitz a . a . O . S. 168 bemerkt ausdrücklich, „wie eng sich v.3 an den vorhergehenden Kontext anschließt". 2 6 5 Seitz a . a . O . S. 175. Die „Brudersprache" findet sich sonst nie in einem derartigen Prohibitiv, vgl. aber Lev 1 9 , 1 3 a a . 261
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Schichtenanalyse vermeintlich freilegen kann, der Stellung dieser Gebote im dtn Gesetz voraus 266 . Die Annahme, daß die Sätze 15,3; 23,21a nicht zur primären Textfassung der jeweiligen Gebote im dtn Gesetz gehört hätten, läßt sich also literarkritisch nicht hinreichend stützen. Sie könnte deshalb nur von sachlichen Erwägungen getragen sein267. In Dtn 15, 3; 23,21 a steht der näkri explizit dem 'ah gegenüber, und zwar so, daß eine Exklusivität der Gemeinschaft der 'ahim gedacht ist, die sich gegen den näkri abgrenzt. Die Entgegensetzung πκ - -naa als solche stellt aber keinen sachlichen Grund dar, der eine literarhistorische Entscheidung, die die Bezeichnung näkri enthaltenden Sätze im dtn Gesetz in das 6./5.Jahrhundert zu weisen, stützen könnte. Es handelt sich bei den Sätzen Dtn 15,3; 23,21a um die Rücknahme der religiös begründeten Verzichtsforderung für den Fall des wirtschaftlichen Verkehrs mit Fremden, die dem Verehrerkreis des Nationalgottes, der sich nach den Vorstellungen des dtn Gesetzgebers auch als Solidargemeinschaft auf ökonomischem Feld konstituieren soll, nicht angehören. Daß solchen Fremden gegenüber die Zumutung der Verzichtsleistung wegfällt, läßt sich weder als „Negativaffekt der Abwehr des Fremden" 268 beschreiben, noch trifft der Satz: „Von allen Menschen, mit denen der Jude sozialen Kontakt hat, behandelt er den nökri am schlechtesten." den Sachverhalt269. Denn es ist weder eine Tendenz zum Ausschluß dieser Personen von dem Wirtschaftsverkehr erkennbar, noch kann man es eine „schlechte Behandlung" nennen, wenn die Überwindung üblicher Standards (Kreditrückforderung, Zinsnahme) zugunsten einer speziellen Solidarethik der nationalreligiös gebundenen Einheit der Bevölkerung einer Monarchie nicht universal geltend und damit ihrerseits zum üblichen Standard gemacht wird270. Weil es um eine religiöse Forderung im Namen des Gottes Jahwe geht (15,2bß. (10); 23,21 b), schließt sie nicht die dem Verehrerkreis dieser Gottheit Fremden mit ein. Dieser Sachverhalt
A.a.O. S. 168.175f. 183. L. Perlitt macht im Zuge seiner Interpretation des Begriffs πκ die Beobachtung, daß „erst durch den Kontrastausdruck -IDJ . . . die . . . Bruderterminologie ihre soziale Konkretion . . . (bekommt)" (Bezeichnung ,Bruder' S.34). Diese Beobachtung mtißte dann aber gerade an dem Urteil hindern, daß „der Kontrast "IDJ - πκ . . . in jedem einzelnen Fall zu den jüngsten, vielleicht durch exilisch-nachexilische Erfahrungen schon stimulierten Ergänzungen dieser Bruder-Theologie (zählt)" (S. 42). 268 Perlitt a.a.O. S.42. In der negativen Feststellung, daß ein solcher Affekt nicht als Grund für die in der sog. Brudersprache Ausdruck findenden ethischen Auffassungen geltend zu machen sei, ist Perlitt zuzustimmen. 269 B. Lang, ThWAT V, 457. Ist dieses Urteil von den eschatologisch verheißenden Sätzen in Jes 60,10; 61,5 beeinflußt? 270 Vgl. P.-E. Dion, Israel et l'Etranger S. 222: „Au pur etranger aucun egard special n'est dü, ce qui ne veut d'ailleurs pas dire qu'on a carte blanche pour l'egorger." 267
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braucht nicht erst exilisch-nachexilische Erfahrungen vorauszusetzen. Er steht als genaue Bestimmung des Geltungsbereichs eher im Dienst der Durchsetzung der erhobenen Verzichtsforderungen. Nach allem läßt sich das Problem, die Stellung des näkri in der Gesellschaft der judäischen Monarchie der 2. Hälfte des 7.Jahrhunderts zu beschreiben, nicht literarkritisch auflösen. Die explizite Ausnahme des näkri bei den die besondere religiöse Solidargemeinschaft betreffenden Geboten zeigt, daß er im wirtschaftlichen Verkehr eine ständige Rolle spielt. Da für die Rückzahlung eines Kredits (mit oder ohne Zinsen) leicht der Ertrag der nächsten Ernte abgewartet werden muß, und zumindest das Gesetz Dtn 15,1-11* einen Zeitraum von Jahren überblickt, ist es unwahrscheinlich, daß das Wort näkri nur einen vorübergehend anwesenden Fremden bezeichnet. In jedem Fall geht es um eine längerfristige Anwesenheit. Entscheidend für seine nähere Charakterisierung ist die soziale Lage des näkri. Die drei Gebote im dtn Gesetz, die ihn nennen, beziehen sich alle auf Vorgänge des Tauschverkehrs. Nach 14,21 a ist der näkri keine unterstützungswürdige Gestalt, denn das in der Gemeinschaft der Jahweverehrer eigentlich tabuisierte und nur zur Unterstützung Bedürftiger freigegebene Fleisch soll man an ihn verkaufen (naa). Daß er als arm und kreditbedürftig erscheint, liegt am Thema der Gebote, bei denen er berücksichtigt wird. Aus den Geboten 15,1 ff.; 23,20 f. geht dennoch hervor, daß der näkri als selbständige Person am Wirtschaftsverkehr Anteil hat. Er gilt als kreditwürdig und wird als hinreichend leistungsfähig eingeschätzt, um einen Kredit mit Zinsen zurückzuzahlen. Der näkri hat also die Mittel, solchen Kredit produktiv zu nutzen. Da als Adressaten des dtn Gesetzes im besonderen die grundbesitzende Schicht in der judäischen Landschaft benannt wurde, stellt sich deshalb die Frage, ob der näkri auch über Grundbesitz verfügt und vom Ackerbau lebt oder ob er im lokalen Milieu andere Funktionen erfüllt. Die dtn Gebote stellen den näkri außerhalb der Gemeinschaft der Jahweverehrer. Nach 14,21a gilt für ihn nicht die Reinheitsvorschrift der Meidung des Fleisches verendeter Tiere, nach 15,3 muß er als Schuldner im Semittajahr nicht geschont werden und wird darum in seiner wirtschaftlichen Betätigung durch die Institution des sakralen Brachjahrs auch nicht beeinträchtigt sein. Da, wie besonders die Erntefeste zeigen, die Jahwereligion im dtn Gesetz eng mit dem Ackerbau verbunden ist, ist es eher unwahrscheinlich, daß ein Fremder, der an der Jahweverehrung nicht teilhat, seine wirtschaftliche Existenz auf den Ackerbau gründet 271 . Die Möglichkeit dazu läßt sich jedoch nicht aus271 Vgl. auch die Überlegungen Kippenbergs zur Frage der Verkäuflichkeit von Grund und Boden an Fremde (Klassenbildung S. 36).
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schließen, weil kein natürliches Band das Land und den Nationalgott Jahwe verbindet. Von 2 Sam 15,19-22 her gesehen tritt der näkrt in den Machtbereich des Landesgottes ein. Der philistäische, also unbeschnittene Fremde würde von David für sein Verbleiben im Land im Namen des Gottes dieses Landes gesegnet (v. 20 b)272, und schwört selber unter Anrufung eben dieses Gottes (v. 21 ba). Die Gebote im dtn Gesetz lassen dagegen erkennen, daß sich die Zusammengehörigkeit von Land und Landesgott, die den näkri religiös integrierte, gelöst hat. In Dtn 14, 21 a wird der "id: dem «mp oy gegenübergestellt. Für den im dtn Gesetz singulären Begriff war oben273 die Erklärung vorgeschlagen worden, er bezeichne die Bevölkerung der judäischen Monarchie mit besonderer Hinsicht auf diejenige soziale Schicht, die als Träger der Jahwereligion in der Region neben dem Staatstempel in der Hauptstadt zu gelten hat. Das Dtn gründet das Verhältnis zwischen dem Volk und seinem Gott Jahwe auf die Anrede des Volkes als „Israel", das Jahwe als „Seinen Gott" hat (vgl. Dtn 26,16-19 ). Die Wirklichkeit dieses Verhältnisses ist nicht mit dem Seinszustand des Landes als dem Land des Landesgottes Jahwe gegeben. „Israel" ist eine Personengemeinschaft im politischen Territorium der judäischen Monarchie, neben der dann in demselben Territorium auch andere Fremde stehen können, die an der Verehrung des Nationalgottes nicht teilhaben. Aus der politischen Ereignisgeschichte der Monarchien Israel und Juda lassen sich bekanntlich zwei Daten des ausgehenden 8. Jahrhunderts nennen, die die Verselbständigung des Gottes Jahwe und seines Volkes gegenüber dem Land gefördert haben werden. Das Territorium der Monarchie Israel geht mit der Eroberung durch die siegreichen Assyrer in zwei Schritten für den Gott Jahwe verloren (733 und 722) 274 . Im Jahr 701 bewirkt sodann der Feldzug Sanheribs den zeitweiligen Verlust des Territoriums der Monarchie Juda außer der Hauptstadt Jerusalem mit dem Staatstempel. Die Abtrennung judäischen Territoriums von Jerusalem und seine Übergabe an die philistäischen Vasallen der Assyrer betrifft nach A.Alt „so ziemlich . . . das ganze bisherige Herrschaftsgebiet der Davididen, nur mit Ausschluß Jerusalems und seiner nächsten Umgebung" 275 . Die dadurch geschaffene Lage dauert einige Jahre lang an, da man damit rechnen muß, daß erst Manasse (ab 696) „wieder in den vollen Besitz des 701 verlo-
272 Nach Wellhausen a.a.O. S. 197 ist zu ergänzen -py n&y- m m , vgl. LXX und 2Sam 2,6. In der umgekehrten Blickrichtung heißt es „Geh, diene andern Göttern!" 1 Sam 26,19.
273 S.O. S.87ff. 274 Vgl. M. Noth, Geschichte Israels S.236f. 275 A. Alt, Territorialgeschichtliche Bedeutung S. 243; vgl. Noth a. a. O. S. 243; H. Donner, Geschichte S. 326 ff. A. H.J. Gunneweg, Geschichte S. 118, schränkt die Abtrennung auf „Grenzorte" ein.
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renen Reiches Juda gelangte"276. Beide politischen Vorgänge lockern die Beziehung von Landesgott und Land277 und fördern damit die Voraussetzungen für die Differenzierung, die sich im dtn Gesetz ganz unpolemisch in der Berücksichtigung von Fremden manifestiert, die der religiösen Einheit der Bevölkerung der judäischen Monarchie nicht zugehören. Ob sich in der Zeit der Abtrennung der judäischen Landschaft etwa philistäische η·Ί3: in dem Land festgesetzt haben, läßt sich aufgrund der mangelhaften Quellenlage nicht abschätzen.
Bei der Frage nach anderen Funktionen des näkri im lokalen Milieu, wenn er dort nicht eigenen Boden bewirtschaftet, kann, angesichts des Schweigens der Quellen, ein Modell der agrarischen Gesellschaft der Beschreibung seiner Lage zu weiterer Klarheit verhelfen. Als ein Charakteristikum von „peasant societies" kann nach B. Lang gelten: „Peasants do not form a complete and independent society; in fact, they are only one half of it, the other half being a propertied, educated and merchant elite often resident in towns and always monopolizing control of public affairs."278 Lang folgt damit für das 8.Jahrhundert in der israelitischen Monarchie dem Modell von R. Redfield, der feststellt: „... a peasant's community is only a part-community, his society is incomplete without the town or city, and he himself sees his world as to include urban things and people."279 Für die Verhältnisse in der judäischen Monarchie am Ende des Z.Jahrhunderts wird man diese Aspekte der Struktur einer agrarischen Gesellschaft nur mit Modifikationen in Ansatz bringen können, um nicht in einen falschen Land/Stadt-Dualismus zu fallen280. Die im dtn Gesetz angeredeten Grundbesitzer sind in Ortschaften ansässig und als der ay ρ κ η der judäischen Landschaft nicht politisch machtlos (vgl. 2Kön 21, 24; 23,30). Es kommt hier jedoch nur darauf an, in der agrarischen Gesellschaft den Platz für eine weitere Schicht zu identifizieren, die nicht direkt mit der agrarischen Produktion zur Erhaltung der eigenen Familie befaßt ist. Die Verflechtung des ländlichen Lebens mit dem städtischen ist hauptsächlich durch Handel und Markt gegeben. „Peasant products are sold in town or city; some of the peasants' labor may be part of an urban labor market. The peasant is a part of a money m a r k e t . . . "2S1 Die unter diesen Bedingungen entstehende „merchant eli-
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Alt a.a.O. S.248; Donner a.a.O. S.328.332f. Die Reform Joschijas setzt diese Lockerung ja auch bei der Abschaffung der maa voraus (2Kön 23,8). 278 Social Organisation S. 85. 279 Papers 1,287. 277
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Vgl. dafür E. Neufeld, Royal-Urban Society S.31 ff. 1 Redfield ebd.
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te" dringt auch in die ländlichen Strukturen selber ein282, so daß auch in den Ortschaften Gestalten eine Rolle spielen, die eine Mittlerfunktion beim Austausch von agrarischen Produkten und anderen Gütern wahrnehmen. Die wenigen Hinweise mögen genügen, um eine mögliche Funktion des nakri in der judäischen Landschaft zu zeigen. Es ist zwar übertrieben, daß „Israel auch noch zur Zeit des Dt. so gut wie ausschließlich ein Bauernvolk war" und deshalb „als Händler und Kaufleute eigentlich nur Ausländer (fungierten)"283, auf dieser zweiten Seite des wirtschaftlichen Lebens der agrarischen Gesellschaft den Platz für die selbständige Existenz des im dtn Gesetz genannten nakri zu sehen, ist aber dennoch plausibel. Die drei Belege für den „Fremden in Israel" im dtn Gesetz lassen sich also für die Zeit der 2. Hälfte des 7.Jahrhunderts verstehen, ohne daß dagegen historische oder religionsgeschichtliche Einwände geltend gemacht werden müßten. Der Fremde ist, unter der Bedingung, daß sein Aufenthalt und seine Ansiedlung überhaupt zugelassen werden, eine ökonomisch selbständige Gestalt, die besondere Funktionen in der agrarischen Gesellschaft ausfüllt, wenn sie nicht über Landbesitz verfügt. In die besondere religiöse Einheit des Volkes ist er nicht integriert, andererseits lassen die Gebote im dtn Gesetz nicht erkennen, daß man seiner Anwesenheit ablehnend oder feindlich gegenüberstünde oder sie für eine religiöse Gefahr hielte. Im Vergleich mit der Gestalt des ger zeigt sich, daß die Unterschiede zwischen dem nakri und dem ger nicht nach dem Kriterium der Dauer des Aufenthalts im Land zu beschreiben sind. Für die Belege im dtn Gesetz läßt sich ferner in keinem Fall die fremdländische Herkunft des ger, die in der Bezeichnung nicht impliziert ist, wahrscheinlich machen, während der Aspekt der Herkunft aus fremdem Land den Begriff nakri prägt. Nach seiner sozialen Lage ist der ger eine Gestalt, die über keine Mittel zur Erzielung und Sicherung ihres Lebensunterhalts verfügt, während der nakri eine ökonomisch selbständige Existenz hat.
282 Ein Beispiel aus aktueller empirischer Forschung bei Redfield a. a. O. S. 293. Vgl. Kippenberg, a. a. O. S. 36, über den „ortsfremden, den Handel betreibenden Metöken" in Attika. 283 v.Rad a.a.O. S.106.
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2.8 Die „Versammlungen Jahwes" in Juda (Dtn 23,2-9) Als eine weitere Quelle gehört das sog. Gemeindegesetz des Deuteronomiums, Dtn 23,2-9, in den Zusammenhang einer Untersuchung der Frage nach dem Fremden im antiken Juda284. Das Gesetz, das Fremde nicht mit einer allgemeinen Bezeichnung, sondern mit bestimmten Gentilizia nennt, betrifft auf den ersten Blick nicht so sehr die Stellung anwesender Fremder in Juda, als vielmehr ihre Aufnahme oder die Zulassung ihrer Ansiedlung überhaupt. Die Bezugsgröße hierfür ist mrr !>np, die „Versammlung" oder „Gemeinde" Jahwes. Bei der Auswertung dieser Quelle stellt sich, wenn der Text dem dtn Gesetz der 2. Hälfte des Z.Jahrhunderts zugehört, die Frage, ob für die genannten Fremden der Aufenthalt in der judäischen Monarchie möglich ist, ohne daß sie Glieder des q'hal JHWH werden, oder ob die Größe q'hal JHWH mit der territorialen Einheit der judäischen Monarchie zusammenfällt, so daß den Fremden, die nicht in den q'hal JHWH „hineinkommen" dürfen, der Aufenthalt in Juda verwehrt ist. Die Datierung von Teilen oder des Ganzen des sog. Gemeindegesetzes schwankt in der Wissenschaft zwischen dem 12. und dem 2.Jahrhundert285. Wo nicht eine vorstaatlich-amphiktyonische Herkunft der Gebotssätze angenommen wird, scheint die Zugehörigkeit des Gemeindegesetzes zu einem dtn Gesetz der Königszeit eher fraglich286. Die Stellen, 284 Im folgenden wird die mißliche Bezeichnung „Gemeindegesetz", die sich eingebürgert hat, gelegentlich weiterverwendet, obwohl sie sofort die Vorentscheidung, wenn nicht Irreführung, impliziert, es handle sich hier um „die Religionsgemeinde, welche das von Assyrern und Chaldäern vernichtete Volk überlebte" (J. Wellhausen, Prolegomena S. 1). Die treffendere Bezeichnung „Versammlungsgesetz" wird leicht dem nomen rectum in der Verbindung am· nicht gerecht. 285 Einzelne Verfahrensregeln aus verschiedenen Grenzheiligtümern der vorstaatlichen Zeit, die dann am amphiktyonischen Heiligtum Gilgal vereinigt wurden und ohne eigentliche Aktualität für Juda mit dem Deuteronomium aus Nordisrael dorthin kamen, erkennt K. Galling, Gemeindegesetz S. 176 ff. in Dtn 23,2-9, ihm folgend, aber weniger vereinzelnd, G.v.Rad, Deuteronomium S. 104; R. P. Merendino, Das deuteronomische Gesetz S.277; U. Kellermann, Gemeindegesetz S. 37 f. - A. Bertholet, Stellung zu den Fremden S. 144f., hatte auf den Spuren von B.Duhm, Jesaia S.421, v.2-7 in die Zeit um Esra und Nehemia datiert, v. 8-9 ziemlich ratlos in die Makkabäerzeit. 286 C. Steuernagel, Deuteronomium S. 135, datiert das Gesetz auf das Ende des 7.Jahrhunderts, aber nur in der „privaten Bearbeitung", seiner Ausgabe D 2 c ; G. Seitz, Deuteronomium S.302, rechnet es zu den „von der dtn Überarbeitung [d.h. zwischen ca. 615 und 605] eingebrachten neuen Gesetzen". Auf G.Hölscher macht das Gesetz „seinem ganzen Tone nach ... keinen urdeuteronomischen Eindruck", er datiert es als sicher nach 587 und wahrscheinlich erst nach 433 entstanden (Ursprung des Deuteronomiums S.212 Anm.5). Nach H. D.Preuß, Deuteronomium S. 143, „gelangt das Gemeindegesetz wohl doch in die nachexilische Zeit in die Nähe von Esra und Nehemia". F.-L. Hossfeld sieht wiederum
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die als Bezugnahmen auf das Gemeindegesetz interpretierbar sind (Thr 1,10; Neh 13,1-3; Jes 5 6 , 1 - 8 ) , geben keinen festen Anhalt für seine Datierung vor oder nach dem Ende der judäischen Monarchie. Threni 1, wo sich v. lObß als unmittelbares Zitat von Dtn 23,4 beschreiben läßt287, wird ein Dokument eher aus der 2. Hälfte des 6.Jahrhunderts oder später, als ein zeitnaher Reflex auf die Katastrophe von 587 sein288. Die rein literarische Verwertung des Gemeindegesetzes in dem Klagelied macht es immerhin wahrscheinlich, daß dieses nicht von umstrittener Aktualität ist und deshalb wohl eher schon ein älterer Traditionsbestand. Für seine Deutung ist von Interesse, daß der Verweis auf das Gesetz eine Parallele zwischen dem Betreten des Tempels (ntnpn im) und dem Hineinkommen in den !>nj> herstellt (·|!> !>πρ>ι ixa- x!>)289, so daß offensichtlich der Begriff bnp eine aktuelle Versammlung meint und nicht Gesamtbegriff für das Jahwevolk ist. In jedem Fall belegt Thr 1,10 das Vorhandensein des Gemeindegesetzes für die Zeit vor Nehemia (um 445), während ein pauschaler Hinweis auf das Werk Nehemias für das Datierungsproblem nichts austrägt und sich in der Nehemia-Denkschrift kein Bezug auf das Gesetz findet290. Auch aufgrund von Jes 56,1-8 läßt sich, wenn überhaupt eine Linie zu Dtn 23,2-9 zu ziehen ist291, zur Datierung des Gemeindegesetzes nur sagen, daß es zu einer nicht viel näher bestimmbaren, kaum sehr frühen Zeit des Zweiten Tempels nach 515 bekannt war292. Aus der Stellung des Gemeindegesetzes in der Reihung der Gesetzesstoffe ab Dtn 20,1 ff. kann die Quellenkritik kein Argument für seine Sekundarität gewinnen. Über den ersten Verbotssatz, nach dem kein „irgendwie Entmannter"293 in den q'hal JHWH hineinkommen darf, ist das Gesetz an die voraufgehenden Vorschriften über den Schutz des Zusammenlebens in den Ortschaften (vgl. 2 2 , 1 5 . 2 3 u. ö.) vor der Störung durch familienrechtlich relevante sexuelle Vergehen angeschlossen,
mehr Gründe für eine „vorexilische Ansetzung des Grundbestandes" (ThWAT VI, 1211; Volk Gottes S. 129). 287 Vgl. O.Kaiser, Klagelieder S. 313 mit Anm. 39. 288 Vgl. O.Eißfeldt, Einleitung S.682; Kaiser a.a.O.: „kaum vor dem Ende des ersten Drittels des 5.Jahrhunderts". 289 Vgl. Kaiser a.a.O. S.308 Anm. 13. 290 Die ideale Szene Neh 1 3 , 1 - 3 ist ein nachchronistischer Zusatz, vgl. G.Hölscher, Esra und Nehemia S. 498 b. 557 b; Α. H.J. Gunneweg, Nehemia S. 163 f. Ob die Erweiterung von Neh 13,23 durch Hinzufügung der Ammoniter und Moabiter (mit v. 24 b) eine Angleichung an 1 3 , 1 - 3 ist (so Gunneweg S. 172) oder eine frühere Glossierung nach Dtn 23,4 kann offen bleiben. 29 · S.u. S.211. 292 Vgl C.Westermann, Jesaja S. 244. 293 Übersetzung der Zürcher Bibel. Die Frage, ob die gemeinte Versehrtheit - „die Hoden zerquetscht oder die Harnröhre abgeschnitten" (Ubersetzung von Steuernagel a. a. O.) - auf sakrale Sexualriten zurückzuführen ist, sollte vor der Identifizierung dieser Personen mit Eunuchen am Königshof warnen (o-io 2 Kön 24,12; 25,19; Jer 34,19; 38, 7; Jes 56, 3 f. (?) u.ö.).
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und das folgende Gesetz über die Reinheit in dem kollektiven Ganzen eines Heerlagers (23,10 ff.) schließt sich über den mindestens in 23,2 virulenten Gedanken der Reinheit der kollektiven Größe des qehal JHWH an. Vermittelt durch den Aspekt der Sakralität könnte auch zwischen den Institutionen des mrr irr ρ und des Heerlagers selber ein sachlicher Zusammenhang bestehen, denn von dem Kriegslager gilt: mrr -pnn m p i η^ηιιη -pnbx (v. 15). Die Abfolge von 23, lOff. nach 22,13ff. usw. ohne das qähäl-Gesetz ist noch weniger zu verstehen als die jetzige Reihung der Gesetze, so daß die Stellung des Gemeindegesetzes in seinem literarischen Kontext eher ein Argument für die Ursprünglichkeit von 23,2-9 im dtn Gesetz ist. Im Text des Gemeindegesetzes in Dtn 23,2-9 sind einige spätere Ergänzungen zu unterscheiden. Zum Grundbestand gehören die Sätze, die das Hinzukommen (xm) in den qehal JHWH zum Thema haben, also die negativen Bestimmungen v. 2.3 a. 4 a und die positive Bestimmung v. 9 mit dem dafür vorausgesetzten v. 8. Da mit v. 9 die Generationenzählung im Gesetz enthalten ist, können auch v. 3b. 4 b ursprünglich sein294. Die Begründungen für die Zulassung der Edomiter und der Ägypter v. 8 aß. bß bleiben im Rahmen des knappen Stils des Gesetzes und müssen mit der Begründungsbedürftigkeit der positiven Bestimmungen gegenüber den drei voraufgehenden Verboten erklärt werden 295 . Dagegen fällt die breite Erklärung über die Ammoniter und die Moabiter v. 5-7 aus dem Rahmen des Gesetzes als sekundär heraus. Als Grundbestand des Textes kann demnach 23,2.3.4.8.9 angenommen werden 296 . Die sekundäre Kommentierung des Verbots betreffend die Ammoniter und die Moabiter könnte einen terminus ad quem für ihre Vorlage setzen, ist indessen ihrerseits nicht so klar zu fixieren, daß sie zu mehr Bestimmtheit als der durch Thr 1,10 erreichbaren führen würde. Die Kommentierung ist in drei Stufen gewachsen: v. 5 a (plur. Anrede) stellt eine Verbindung zur landnahmegeschichtlichen Überlieferung her. Da das Motiv jedoch nicht eine Selbständigkeit wie das
294 V. 3 b fehlt in der LXX, was ein Verlust der Vorlage durch Homoioteleuton gewesen sein wird. In v.4b kann o!>iy "ij> eine tautologische Glosse sein. Anders unterscheidet z.B. Kellermann a.a.O. S.45 die „alte humanitäre Mahnung" v.8 von ihrer „kultrechtlichen Uberbietung" v. 9 als verschiedene Textstadien. 295 Anders z.B. Merendino a.a.O. S.279. 296 Die damit abgelehnten weiteren Differenzierungen des Textes sind natürlich als Möglichkeit nicht auszuschließen. Es spricht aber nichts dafür, den Text des sog. Gemeindegesetzes, so wie es Bestandteil des dtn Gesetzes war und ist, auf wenige einzelne apodiktische Sätze zu reduzieren. Die Erfassung verschiedener (Bevölkerungs-)Gruppen verlangt eine Mehrzahl von Sätzen, und die Verschiedenheit ihrer Beurteilung bedingt verschiedene Formulierungen (xin- K!> bzw. ajmrt x!>). Soweit kein Bruch in der Thematik der Einzelsätze festzustellen ist und also die Leitworte mrr i>np> und mn dominieren, lassen sich literarkritisch keine Gründe für eine Staffelung des Textes in Redaktionsstadien finden.
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Exodusmotiv (Dtn 15,15 usw.) hat, ist hier einerseits schon die Zugehörigkeit des dtn Gesetzes zum dtr Geschichtswerk vorausgesetzt. Da das Bild von der Wanderungsbewegung andererseits mit dem der dtr Darstellung in Dtn 2, wo Israel aufgefordert werden muß, Moab und Ammon nicht zu attackieren (v. 9.19), nicht zusammenstimmt, wird es jünger sein297. Darüber hinaus steht v. 5 a auf derselben Ebene wie das sog. Amalekitergesetz Dtn 25,17-19 und der Verweis auf die Mirjamgeschichte Dtn 24 , 9298, deren Blick sogar schon über die dtr Darstellung in Dtn 1 - 3 hinaus zurückgehen. In einer zweiten Stufe v. 5 b-6 (sing. Anrede) ist hier wie in Jos 24,9 f. die Reminiszenz an die Bileam-Geschichte nachgetragen, schließlich steht v. 7 auf der Ebene der chronistischen Esralegende (vgl. Esr 9,12). Die intensive Kommentierung des Satzes über die Ammoniter und Moabiter führt also nur in die 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts und später. Aus der Tatsache, daß das Verbot v. 4 derartig kommentiert wird, kann man darauf schließen, daß es erläuterungsbedürftig geworden ist und keinen aktuellen Sinn mehr hat299, so daß die Ergänzungen v. 5 a. 5 b-6 bestätigen, daß das Gemeindegesetz ein Bestand höheren Alters sein muß. Das Gemeindegesetz ist in ihrer Zeit schon ein Text ohne geschichtliche Relevanz für die Frage des Zutritts zur jahwistischen Religionsgemeinde geworden, und das Verbot betreffend die Ammoniter und Moabiter wird als historisch bedingter Sonderfall kommentiert, während für das tatsächlich praktizierte Verfahren der Zulassung von Fremden spätere sakralrechtliche Normen gelten. Es folgt daraus, daß die nachexilische Verortung des Gesetzes nicht ohne weiteres plausibel ist. Die exaktere Datierung des Gemeindegesetzes als einer historischen Quelle im Zeitraum vor dem 5. Jahrhundert kann nur aufgrund des Textes des Grundbestandes selbst gewonnen werden. Der zentrale Begriff im Gemeindegesetz ist mrr i>np. Diese Konstruktusverbindung ist außer hier nur noch in Mi 2,5, zweimal in der priesterschriftlichen Erzählung (Num 16,3; 2 0 , 4 ) und einmal in der Chronik (1 Chr 2 8 , 8 ) belegt. Da sich das Problem des Zutritts zu dem konkret vorgestellten qähäl nicht mit der idealen Vorstellung der israelitischen Gemeinde der Wüstenwanderung verbinden läßt, repräsentieren die priesterschriftlichen Belege einen andersartigen, späteren Gebrauch der Be-
297 Preuß a.a.O. S. 142 hält v. 5a für eine „bewußte Korrektur" von Dtn 2, dazu dürfte das Motiv des Nicht-Entgegenkommens zu wenig spezifisch sein (vgl. Jes 21,14). - In dieselbe Richtung, aber noch weiter (und das Stichwort aus dem Richterzeitmodell, vgl. 1 Sam 12,10f. u.ö., in die Vorzeit übertragend) geht die dort den Fortgang von v.8 nach v. 11 störende Glosse in Jos 24,9 f. Für das Verhältnis von Dtn 23, 5 ff. zu Num 23 f. vgl. jetzt S.Timm, Moab S. 151. 298 Vgl. die Formel D-isnn D3Jixsa i n a in beiden Texten. 299 Dem steht die Verbindung mit 25,17-19 nicht im Wege, weil dieses Gesetz allein auf der literarischen Ebene die Funktion einer Vorbereitung der dtr-historiographischen Darstellung in 1 Sam 30 sowie 1 Sam 15 hat, vgl. F. Foresti, The Rejection of Saul S. 92 ff. 102 ff. - 23,7 spiegelt dagegen wie die ganze chronistische Konzeption der nachexilischen Geschichte Israels in Juda aktuelle exklusive Tendenzen wider.
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Zeichnung und scheiden als direkte Parallelen aus. Für die Erklärung des Begriffes in Dtn 23 ist nur Mi 2, 5 vergleichbar. Mi 2 , 5 ist ein Nachtrag zum Prophetenwort 2 , 1 - 4 im Zuge einer dtr Überarbeitung nach der Katastrophe der judäischen Monarchie 300 und ist damit ein Beleg für den Begriff mn- !>rtp in der 1. Hälfte des 6.Jahrhunderts. Wenn die Interpretation, daß der Satz: mn" i>np inua !>an ηί· η-η- x!> ρί> mit Hilfe der Terminologie traditioneller Landverteilungsverfahren der Exilsgeneration das endgültige Aufhören solcher Verteilung von Ackerboden als Auslegung der Drohung Michas ansagt, richtig ist 301 , läßt sich daraus erschließen, daß in vorexilischer Zeit im Rahmen einer institutionellen Größe, die mn- !>np hieß, durch eine weiter unbekannte Autorität Landstücke zugeteilt wurden 302 . Eine Vorstellung, daß an das ganze Volk das ganze Land in der einen Versammlung Jahwes zur Verteilung durchs Los käme, ist in Mi 2 , 5 nicht enthalten 303 . Was Mi 2 , 5 im Blick hat, ist demnach ein Vorgang auf lokaler Ebene, und entsprechend muß auch qehal JHWH eine Formation im lokalen Milieu gewesen sein. „In jeder Ortsgemeinde oder in größeren Verbänden" tritt der qehal JHWH, bestehend aus den freien Männern, zusammen 304 .
300
Vgl. die Analyse von H.W.Wolff, Micha S.40.45.50. 301 Wolff a.a.O. S.50. 302 Der Text von Mi 2,5 ist sprachlich schwierig. Man erwartet die Konstruktion von -]!>B hi. mit !>na statt mit !>an, also „das Los werfen" statt „das Meßseil anlegen", vgl. Jos 18,8.10. Da beide Wörter Ausdrücke für das vermessene und zuzuteilende Landstück sein können (Jos 17,14), gibt es offenbar eine gewisse Austauschbarkeit zwischen ihnen, vgl. auch Am 7,17. - Die eigentliche Schwierigkeit scheint die Präposition -a in H m darzustellen. Die Ubersetzung von Wolff (a. a. Ο. S. 50): „in einem Losanteil", wozu dann parallel stünde: „in der Gemeinde Jahwes", ist unmöglich. Faßt man als Landstück auf, ist wohl mit J. Wellhausen, Kleine Propheten S.22 (aber vgl. S. 138), „über den Acker" zu verstehen, sonst „gemäß dem Los" (vgl. Num 26,55). Das Verfahren wäre dann so: eine Autorität nimmt die Landabmessung und Zuweisung an den durch Los Bezeichneten vor, und dieser Vorgang spielt sich im q'hal JHWH ab. Aus was für einem Fundus von Boden Land zu solcher Verteilung kommt, bleibt unklar, vgl. dazu auch wieder Am 7,17. Wellhausen (a.a.O. S. 138) äußert die Vermutung, „daß das Gemeindeland von Zeit zu Zeit an die Berechtigten neu aufgeteilt wurde", und verweist auf Jer 37,12. Solches „Gemeindeland" kann nur ein Teil des zu einer Ortschaft gehörenden Ackerlands gewesen sein, da auf der anderen Seite feste Eigentumsgrenzen geschützt werden (Dtn 19,14; 27,17; Prv 22,28). Vgl. zum Übergang vom kollektiven Landbesitz eines Clans zu dem einzelner Familien H.G. Kippenberg, Klassenbildung S. 33 ff. In seinem Modell (vgl. S. 28) der mispaha zitiert Kippenberg zwar Mi 2,1-5 mit als Beleg dafür, daß „die Mispaha ... korporative Eigentumsrechte am Land ... (trägt), das auf dem Wege der Verlosung unter die Deszendenzgenossen verteilt wurde", weist aber ausdrücklich darauf hin, daß dem AT „über eine periodische Wiederkehr der Umverteilung" nichts zu entnehmen sei (S. 25 mit Anm. 14). 303 Während es in v. 5 konkret um einzelne Landstücke geht, beklagt der Zusatz in v. 4 (nach Wolff a.a.O. S. 45.50) das Unheil eines gesamten Landverlusts: -ny ρί>π. Bei Α Alts Hypothese vom γης αναδασμός in Juda (KS III, 373 ff.) sollte man beachten, daß er in v. 4 a mit v.5b einen Text herstellt: nin- !>npa -τη-* -ay p!>n (S.378 Anm.l)! 304 Alt a.a.O. S.380.
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Der exilische Zusatz Mi 2,5 macht es wahrscheinlich, daß qehal JHWH ein Begriff noch der judäischen Königszeit ist, und nimmt man die Stellung von Dtn 23,2-9 im dtn Gesetz ernst, liegt das Gesetz über den Zutritt zur „Versammlung Jahwes" genau in der von Mi 2, 5 gewiesenen Richtung. Der Jerusalemer Gesetzgeber steuert durch das Gesetz Vorgänge in der judäischen Landschaft, indem er sich an dieselbe soziale Schicht wendet, die in den übrigen Gesetzen sichtbar wird, die wirtschaftlich selbständigen freien Vollbürger, q'hal JHWH ist die aktuell zusammentretende Versammlung in den Ortschaften, nicht eine ideale Größe im Sinne der priesterschriftlichen Gemeinde (my). Problematisch ist bei dieser Interpretation die Funktion, die solche religiös bedeutsamen Versammlungen gehabt haben können. Opferkulthandlungen sind als Gelegenheit ihres Zusammentritts auszuschließen. Ebensowenig kann q'hal JHWH das militärische Aufgebot meinen, denn das heißt im dtn Gesetz ay (20, 5.9) und wird von besonderen Beamten (n-ia&) kontrolliert, so daß über Zulassungsbeschränkungen kein allgemeines Gesetz wie 23,2-9 erforderlich ist. Nach Mi 2, 5 kann man sagen, daß öffentliche bodenrechtliche Angelegenheiten den q'hal JHWH angehen, über weiteres läßt sich nur spekulieren. Da die Bezeichnung nahelegt, daß es um nationalreligiös relevante Themen geht, mag man fragen, in welchem Rahmen sich etwa der judäische ramm hä^ärces als handlungsfähiges Subjekt konstituierte (2Kön 21, 24; 23, 30)305. Die Bezeichnung q'hal JHWH kann ferner, da sie erstmals in Dtn 23 im Zusammenhang des dtn Verbots lokaler Kultstätten belegt ist, die Bezeichnung einer Versammlung sein, in die ersatzweise gewisse Funktionen des öffentlichen und religiösen Lebens verlegt werden, die vorher an die Heiligtümer gebunden gewesen wären. Von hier aus ist die weitere Begriffsgeschichte 306 gut verständlich, in der !>np zu einer Gesamtbezeichnung der religiösen Gemeinde wird, die am Horeb am irtpn d t konstituiert wurde. Diese Bedeutung gewinnt der Begriff brtp in Erweiterungsschichten des dtr Rahmens des Dekalogs und des dtn Gesetzes. Während
305 Vielleicht geht auch eine Angelegenheit wie die Tributleistung 2 Kön 24,35 nicht ohne jede „Versammlung" ab, auch wenn sie mehr königliche Verwaltungsangelegenheit sein mag. 306 Auch sonst gibt es für den Begriff qähäl keinen Beleg für die Königszeit. 1 Kön 8,14 ff. (5 mal) ist nicht vordtr (vgl. E.Würthwein, Könige z. St.), 1 Kön 12,3a fehlt noch in der LXX. 1 Sam 17,47 ist (nach v. 46) späte erbauliche Glosse, Ri 20,2; 21,5.8 ist die Versetzung der priesterschriftlichen Wüstenzuggemeinde ins Westjordanland (anders M. Noth, System S. 162 ff.; bes. S. 170), Jos 8,35 ist eine dtr Szene (vgl. Noth ebd. S. 146ff.; Josua S. 5 Iff.). Die Verwendung des Begriffs qähäl in der dtr Historiographie steht selbständig neben dem qähäl-Gesetz, so daß es sich bei diesem nicht um eine Einfügung in das dtn Gesetz handelt, die nomistische Voraussetzungen für die Historiographie schaffte wie etwa im Fall des Monarchiestatuts in Dtn 17, dazu s.u. S. 145ff.
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in der Überschrift zur ursprünglichen Einbettung des Dekalogs in die Geschichtsdarstellung Dtn 5,1 aαϊ wie in Dtn 1,1 die Kollektivbezeichnung bxnr verwendet wird, erscheint das Kollektiv in dem sekundären Vers 5,22 307 nur mehr als Versammlung308. Der Tag am Horeb kann als ein Ereignis zwischen Jahwe und „Israel" nicht mehr erzählt werden, ohne die Konstituierung eines Israel einzutragen, das nicht mehr in gegebener Einheit unter dem sakralen Israelnamen, sondern als eine im Verhältnis zum Gesetz Bestand gewinnende Versammlung vorgestellt ist. In diesem Sinn wird i>nprt Dr zu einem Wort der paränetischen Rhetorik (Dtn 9,10; 10 , 4)309 oder sonst narrativen Vergegenwärtigung des Horebdatums (Dtn 18,16)310. Ohne direkten Bezug auf die Konstitutionsszene am Horeb ist die Vorstellung von Israel als Versammlung in dtr Schichten bei der Gesetzesverpflichtung in der Landnahmedarstellung (Jos 8, 35) und bei Salomos Tempelweihe (lKön 8,14ff.) belegt311. Obwohl die Belege spärlich sind, läßt sich so eine begriffsgeschichtliche Linie vom dtn Gesetz zu den dtr Texten ziehen. Die späteren dtr Schichten nehmen bei der Verwendung von qähäl als Bezeichnung der Gesamtheit der jahwistischen Religionsgemeinschaft den Begriff q'hal JHWH des dtn Gesetzes gewandelt auf. Nach der von Mi 2, 5 und von der Richtung des dtn Gesetzes auf seinen bestimmten Adressatenkreis her gegebenen Erklärung von q'hal JHWH stand der Begriff ursprünglich als Bezeichnung konkreter lokaler Versammlungen von nationalreligiöser Relevanz neben der sakralsprachlichen Gesamtbezeichnung !>mtr, die im dtn Gesetz das ganze judäische Jahwevolk als Einheit benennt, von der sakrale Reinheit gefordert ist (19,13; 21,8; 23,18; 17,4; 17,12; vgl. 18,1) und in der der einzelne Judäer seine Ehre hat (21,18 ff.; 22,13 ff.; 24, 7; 25,5 ff.). Aus einer Bezeichnung der verfaßten Größe in soziologisch realer Gestalt wurde später die Bezeichnung der Gesamtheit der Jahweverehrer als qähäL Wenn so die Institution des qehal JHWH als ein religiöses und soziologisches Phänomen in der Entstehungszeit des dtn Gesetzes zu verstehen ist, sichert der Begriff die Datierung des dtn Versammlungsgesetzes in die Zeit Joschijas.
307
Vgl. L. Perlitt, Bundestheologie S.82 Anm. 1. 308 Di e Wortwahl kann erzählerische Gründe haben, aber wenn es auf die Einfügung des Begriffs nicht ankäme, hätte die Präposition i>x mit Suffix ausgereicht. - Ein paralleler Wechsel der Vorstellung findet in Dtn 31,9 ff. statt. Ursprünglich ist von ton»- !>d die Rede (v. 11 [bis]), dann wird die Aufforderung angefügt, die Versammlung allererst zu konstituieren (5>np> hi. ν. 12), vgl. zum ganzen Hossfeld, Volk Gottes S. 131 f. 309 In der zu einer voraufgehenden singularischen Schicht noch sekundären pluralischen Passage Dtn 9,7 b-10,5, vgl. R.Smend, Entstehung S.72. 310 Dtn 18,16-18 korrigiert den nach v. 15 möglichen Eindruck, die Prophetenzusage v. 15 wäre eine eigenmächtige Ankündigung Moses, und ist eine Erweiterung des dtr-historiographischen Prophetengesetzes, vgl. zur Analyse (mit anderer Datierung) Seitz a. a. O. S. 241 f. 311 S.o. Anm.306. - In Dtn 31,30 ist h n « r irip ^D der Adressat des Moseliedes.
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Die Datierung und Interpretation des sog. Gemeindegesetzes als einer Quelle aus der judäischen Königszeit verlangt weiter, die Zusammenstellung der genannten Personengruppen zu klären. Da es keinen hinreichenden Grund dafür gibt, die sechs genannten Gruppen - der Entmannte, der mamzer, der Ammoniter und der Moabiter, der Edomiter und der Ägypter - auf verschiedene Redaktionsstadien zu verteilen, dokumentiert das Gesetz die Möglichkeit ihres gleichzeitigen Auftretens in Juda. Die erste Personengruppe ist nicht näher identifizierbar. Da das Gesetz im Fall der Entmannten nicht von königlichen Eunuchen (D-ΊΟ) spricht, ist das Bestehen oder Nicht-Bestehen der Monarchie kein Kriterium für die Deutung und zeitliche Ansetzung des Paragraphen312. Die oft geäußerte Vermutung, daß der sexuelle Greuel der Entmannung durch fremdreligiös-sakrale Riten bedingt sei313, ist nicht sicher zu belegen. Diese Unklarheit erschwert das Verständnis auch der zweiten Personengruppe, denn für das Wort ιτηη ist mit philologischen Mitteln keine sichere Bedeutung auszumachen314 und ist man um so mehr auf eine Erklärung aus dem Kontext angewiesen. Wenn aber 23,2 nicht nur „sexualethische", sondern religiöse Ursachen hat, wirkt die Erklärung von ιτηη in 23,3 von 23,1 usw. her als „Bastard"315 gezwungen. H. Cazelles hält es nun für wahrscheinlich, „que pour l'auteur du Deuteronome le Mamzer est plutöt un gentilice comme l'ammonite ou le moabite, qu'un appelatif"316, und K. Elliger deutet das Wort mamzer geradezu als einen „staatsrechtlichen Begriff", der den „aus der Ehe zwischen einem israelitischen und einem nichtisraelitischen Elternteil Entsprossenen" meine317. Von der Offenheit des Gesetzes über die beim Kriegszug erbeutete Frau (21,10-14) her geurteilt kann diese Interpretation im Rahmen der eherechtlichen Auffassungen des dtn Gesetzes noch nicht genügen. Es bleibt als weitere Möglichkeit, das Quasi-Gentilizium mamzer nach dem geographischen Horizont des Versammlungsgesetzes zu deuten. Das Gesetz führt die Nachbarn Judas von Nordosten nach Südwesten an: Ammon, Moab, Edom, Ägypten. In diese Linie eingereiht ist der mamzer im Westjordanland als nördlicher Nachbar Judas zu suchen und d.h. auf dem Territorium der ehemaligen israelitischen
312 S. o. Anm. 293. Das Gesetz und seine Ausdrücke sind ohne Parallele. Für Dtn 2 3 , 2 ff. als eine dtn Gesetzesvorschrift kann man die Nennung des ο·ιο auch nicht erwarten, denn dieser ist eine hauptstädtische Gestalt. 3,3 Steuernagel a.a.O. S. 135; K.Marti, Deuteronomium S.302; Hossfeld a.a.O. S. 129; vorsichtiger B. Kedar-Kopfstein, ThWAT V, 951. 314 Ygi jjg Lexika. Die Erklärungen pendeln zwischen den beiden von der LXX vorgegebenen Möglichkeiten εκ πόρνης (Dtn 23, 3) bzw. αλλογενείς (Sach 9,6). 315 Galling a.a.O. S.178f., danach (skeptisch) v.Rad a.a.O. S. 105; Preuß a.a.O. S.142 u.a. 316 La Mission d'Esdras S. 121. Die Argumentation mit Neh 13,23 ist jedoch nicht tragfähig (s.o. Anm. 290), und seine Identifizierung des mamzer mit dem Asdodier bringt Cazelles selbst in Verlegenheiten (vgl. ebd. Anm. 2). 317 Alexanderjahr S. 82. Auch Elliger verweist für diese „Klasse von Halbisraeliten" auf Neh 13,23.
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Monarchie, der assyrischen Provinz Samerina 318 . Angesichts des Verfahrens der Assyrer bei Deportation und Neuansiedlung besiegter Feinde 319 ist die Wahl einer ethnisch nicht verifizierbaren Bezeichnung für eine Person aus dieser benachbarten Provinz 320 gut denkbar 321 . Der Ammoniter und der Moabiter (23,4) sind Vertreter der ostjordanischen Nachbarvölker Judas. Die Reihenfolge ihrer Nennung, die jetzt von Ammon im Norden über Moab in der Mitte zu Edom im Süden führt, macht es wahrscheinlich, daß an die konkreten geographischen und politischen Verhältnisse gedacht ist, denn ein an bloß literarischen Bezügen orientierter Redaktor hätte die Abfolge Moab-Ammon gewählt, die aufgrund der Lot-Moab/Ammon-Genealogie (Gen 1 9 , 3 0 - 3 8 ) vorgegeben ist und sich mehrfach im DtrGW findet 322 . Wie die politischen Beziehungen zu den Nachbarvölkern in der 2. Hälfte des Z.Jahrhunderts im einzelnen ausgesehen haben, ist nicht hinreichend bekannt, um in ihnen einen Erklärungsgrund für die Vorschriften des Versammlungsgesetzes zu finden. Daß „gegen Ende des 7.Jh. . . . die Aggressivität der Ammoniter (wie die der Edomiter und Moabiter) zu(nahm), besonders gegen Juda" und die Ammoniter „auf judäisches Gebiet über(griffen)", ist eine Hypothese mit zu schwachem Anhalt in den Quellen 323 . Die späteren Koalitionspläne (Jer 2 7 , 3 ) und die Fluchtbewegung in ihr Gebiet (Jer 4 0 , 1 1 ) lassen eher auf freundliche Beziehungen zu den Völkern schließen, mit denen es wegen der geringen nördlichen Erstreckung des
318
Der phönizische und philistäische Westen bleiben unberücksichtigt. 319 Vgl. M.Noth, Geschichte Israels S.237f.; H.Donner, Geschichte S.315f. 320 Da das Gesetz von Einzelpersonen spricht, muß hier nicht ein tendenziöses Urteil über die Gesamtbevölkerung des ehemaligen Nordreiches impliziert sein, wie es nach Würthweins Erklärung die Verfasser von 2Kön 17,24-41 - historisch gesehen zu Unrecht - leitet (Könige S. 398 ff.). 321 Folgt man Elligers Erklärung von Sach 9,1 ff., trennen ca. 300 Jahre (622-332) die beiden atl. Belege für das Wort Tina (wenn man sie nicht als gleichzeitige datiert!). - Die Alternative, daß das Wort in Sach 9,6 entweder als Drohung eine neuangesiedelte Mischbevölkerung oder als Drohung und zugleich Verheißung (vgl. v. 7 aß. b) eine schon bestehende und positiv beurteilte jüdische Mischbevölkerung meint, (Elliger) bleibt bei der gegebenen Deutung von Dtn 23,3 bestehen. 322 Di e Bemerkungen über die salomonischen Altäre für 1.: Kemosch, den Gott Moabs, und 2.: ,Milkom', den Gott der Ammoniter, (1 Kön 11,7) beurteilt Würthwein a.a.O. S. 131, als „alte Nachrichten", vgl. auch Donner a. a. O. S. 218. Dann ist von daher auch die Abfolge in 2 Kön 23, 13 vorgegeben. Die geographisch sprunghaften Reihen in 1 Kön 11,1 und Ri 10,6 zeigen aber, wie die zwei Völker literarisch typisierend zusammengeordnet werden. Wenn in 2 Kön 24,2 statt „Aram" „Edom" zu konjizieren ist (vgl. Würthwein a.a.O. S.468f., dagegen aber J. R. Bartlett, Edom S. 148f. 170 und überhaupt gegen die Historizität der Notiz Donner a.a.O. S.372 Anm. 18), wäre die Anordnung eine sachgemäße, sonst auch hier typisierend. In der historischen Notiz Jer 27,3 folgt die Aufzählung der Geographie, so natürlich auch in der Schilderung der Wanderung von Süden her in Dtn 2. 323 J. R. Bartlett, Art. Ammon und Israel S. 460. Als Quelle kommt hier nur Zef 2, 8 ff. in Betracht, ein Orakel, das nur von der Prahlerei Moabs und Amnions spricht. Nach K. Elliger, Kleine Propheten S. 72 f. handelt es sich dabei um eine Erweiterung aus dem 6.Jahrhundert. In der Deutung von 2 Kön 24,2 ist Bartlett selbst behutsamer (ebd. und s. vorige Anm.).
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judäischen Territoriums und des Toten Meers im Osten in keinem Fall eine lange gemeinsame Grenze gibt324. Auch geschichtliche Erinnerung an eine Annexion ehemals israelitischen Gebietes durch Ammon und Moab läßt sich nicht als Grund für das Verbot des Zutritts von Gliedern dieser Völker zum qehal JHWH geltend machen, da es eine offene Frage ist, zu welchen Teilen etwa das ostjordanische Land zwischen dem Jabbok im Norden und dem Arnon im Süden nach dem Ende der israelitischen Monarchie zum Territorium der assyrischen Provinz Gilead oder zu dem der Ammoniter (von Osten her) bzw. der Moabiter (von Süden her) gehört hat325. Das Gesetz läßt jedoch überhaupt nicht direkt auf eine Feindschaft zwischen den Völkern schließen, denn das von ihm zu regelnde Problem setzt ja gerade voraus, daß Ammoniter und Moabiter nach Juda drängen oder daß es sie dort gibt326. Daß „die Ausschließung der Moabiter und Ammoniter durch ihren Ursprung aus Blutschande (Gen 19,30 ff.) bedingt gedacht" sei327, ist nach der „staatsrechtlichen" Deutung von tnamzer und auch wegen der in der genealogischen Tradition umgekehrten Abfolge beider Namen nicht wahrscheinlich. Was den dtn Gesetzgeber zur Abweisung der Ammoniter und Moabiter veranlaßt, sind am ehesten religiöse Gründe. Soweit die Reformen Joschijas durch die Ideen der dtn Bewegung geprägt sind, läßt sich aus seiner Beseitigung des Kemosch- und des Milkom-Kultes in Jerusalem (2Kön 23,13) auf den dtn Kampf gegen diese Götter schließen. Die Ammoniter und die Moabiter gelten danach wohl als so durch die Verehrung ihrer eigenen Götter geprägt, daß sie für eine Gefahrenquelle gehalten werden und darum in der judäischen Landschaft in keinen qehal JHWH kommen sollen. Ein Erklärungsgrund für die Vorschrift Dtn 23,4 ist also nicht auf der Ebene der politischen Ereignisgeschichte zu suchen, sondern im Yahwehalone-Konzept der dtn Bewegung. Da spätere dtr Redaktoren des Geschichtswerks das Problem der Präsenz der Gottheiten der Moabiter und Ammoniter als Gefährdung für das Jahwevolk, die von ihnen in gleicher Weise wie von den Vorvölkern des Landes ausgehe, immer mehr stilisieren (vgl. 1 Kön 11,1 f.), kann bei ihnen die Vorstellung von einem Ansinnen der Ammoniter und der Moabiter betreffend den Eintritt in einen qehal JHWH nicht mehr erwartet werden. Das
324
Vgl. die Karten bei M.Noth, Josua S.91 oder im B H H S. 891/2. Vgl. Donner a.a.O. S.308 mit Anm.30; Noth, Geschichte S.248 und zur Vorgeschichte bis ins 8.Jahrhundert ders., ABLAK I, 463-475. Noth erwägt sogar einen Übergriff Joschijas auf das Ostjordanland (Geschichte ebd.; ABLAK 1,428 Anm. 161; Josua S. 14). 326 Es ist darum auch kein Gegensatz zu Jer 40,11 zu konstruieren (anders Hölscher a. a. O.), wo wie in Jer 27, 3 kein feindseliges Verhältnis der Völker im Hintergrund stehen kann. Vgl. auch die Tendenz von Dtn 2. Wenn Zef 1, 5 (txtem.) ein Beleg für die Attraktivität des Milkom-Kultes in Jerusalem ist (vgl. 2 Kön 23,13), setzt auch das wohl friedliche Beziehungen voraus. 327 Steuernagel a.a.O. S.135; vgl. Hossfeld/Kindl, ThWAT V, 1211 f. - In Dtn 2 werden die Völker zwar im genealogischen Verhältnis als »i!> "ja (v. 9.19) betrachtet, aber nicht einmal in der primären dtr Darstellung (M. Noth, Uberlieferungsgeschichtliche Studien S.34f.) und ohne Beweiskraft für Dtn 23; umgekehrt werden dort eher Dtn 23, 8 aß und 2 , 4 weitergeführt. 325
Die „Versammlungen Jahwes" in Juda
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Gemeindegesetz ist darin eher ein dem Bild der dtr Historiographie entgegenlaufender Text. Dazu kommt, daß das Gesetz offenbar genaue Vorstellungen mit den genannten Völkern verbindet 328 und sie nicht in eine pauschale Reihenbildung hinein aufhebt. Die Motivation der Vorschrift des Gemeindegesetzes, die im Fall der Ammoniter und der Moabiter nicht ausgesprochen, sondern nur in der Abwehr ihrer Gottheiten zu erschließen war, ist im Fall Edoms eine genealogische Theorie: "3 xin η-πκ. Für die Anschauungen der dtn Bewegung von der Volksgeschichte belegt das heilsgeschichtliche Summarium Dtn 26,5 ff., wenn es als ein liturgischer Text dem dtn Gesetz gleichzeitig ist329, einen Dtn 23, 8 aß (und 8bß) parallelen Rückgang auf die Vorgeschichte. Der Punkt, auf den 26, 5 mit dem -mx zurückgeht, der als direkter Ahnvater des Volkes nach Ägypten hinabzieht und bei dem es sich nur um Jakob handeln kann, ist derselbe, der für die genealogische Verbindung zu Edom als Bruder verlangt wird, denn Edom ist Israels Bruder, weil Esau Jakobs Bruder ist (vgl. Gen 25,19 ff.; 27)330. Mit der Bezeichnung 'aA wird in 23, 8 aß anders als dort, wo sie auf die soziale Realität blickt (24,14 u. ö.), eine genealogische Tradition positiv rezipiert 331 . Die genealogische Konzeption von Edom als Brudervolk ist ein Traditionsbestand, der für die Königszeit als gesichert gelten darf. Sie entsteht durch die Identifizierung Esaus im Jakob-Esau-Zyklus mit Edom, nachdem Esau zuvor schon das Siedlungsgebiet des Sei'r vertreten hatte 332 . Dabei ist ein Grad von politischer Organisation der Edomiter in Sei'r vorausgesetzt, der sich erst etwa im 9. Jahrhundert herausgebildet hat333. „Mit dem Völkerspruch Gen 25,23 und der in der Geburtsgeschichte implizit enthaltenen Isaak-Edom-Jakob-Genealogie (25,21-28) dürften die ältesten alttestamentlichen Edom-Traditionen vorliegen".334 Der geschichtliche Hintergrund für die Unterordnung Esaus/Edoms unter Jakob/Israel in Gen 25,23; 27,40 a ist dabei in der „judäischen Suprematie über Edom im 10. und 9.Jh. v.Chr." zu sehen335, während der Segensspruch
328
Zum vermutlichen Ende der ammonitischen und moabitischen Monarchien im Jahr 581 vgl. Bartlett a.a.O. S.460; M.Görg, Art. Ammon Sp.88f. 329 Seine Funktion wäre die einer gewissen Kompensation des dtn Verbots der lokalen Kultorte und der dtn Zentralisierung der Erntefeste gewesen. Die Einführung 26,1 des Textes und des entsprechenden Ritus setzt allerdings die Integration des dtn Gesetzes als moabitische Moserede in das DtrGW voraus. 330 £)ie Frage, inwieweit diese Verbindung vorstellungsmäßig zu der vollständigen Linie Esau/Jakob b e ne Isaak ben Abraham verlängert wird, kann hier offenbleiben. In Jos 2 4 , 3 f. und im Väterschwur der dtr Rahmenschichten geschieht das in aller Breite (Dtn 1,8; 6,10; 9,5; 29,12; 30,20; 34,4; vgl. 9,27). 331 Insofern ist die Bezeichnung 'ah in Dtn 23,8 aß nicht von ihren sonstigen Belegen im dtn Gesetz her zu erklären. Sie macht in einem eigenen Sinn den Edomiter zu einem „fellow Israelite", anders Bartlett, Brotherhood S. 6; Edom S. 182. 332 Hierzu und zum folgenden Bartlett, Brotherhood S. 16ff.; Edom S. 175 ff.; vgl. bes. 179f. nach M.Noth, Pentateuch S. 103ff.; G.v.Rad, Genesis S.281. 333 Ε. Α Knauf, Supplementa S.65.70; Bartlett, Brotherhood S. 14. 33 " Knauf ebd. S.69. 335 Knauf ebd. für Gen 25,22 f. und Num 24,18; vgl. Bartlett, Brotherhood S.20 für Gen 27,40 a.
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2 7 , 4 0 b auf die Verselbständigung Edoms zu Beginn der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts (2Kön 8 , 2 0 - 2 2 ) blickt 336 . Damit ist für die Tradition einer genealogischen Verbindung von Israel und Edom eine Datierung etwa in das späte 9. Jahrhundert gegeben 337 . Wenn Hosea von einer Bruderbeziehung Jakobs spricht (12, 4) 338 , die nur die zu Esau sein kann, ist er also indirekt zugleich ein Zeuge für die so gedeutete Tradition. Deutlicher läßt sie sich für die Königszeit auch aus exilischen Anklagen Edoms erschließen, die sicher nicht die Theorie von Edom als dem Bruder Jakobs als Neuheit einführen (Am 1,11; Ob 10. 12) 339 . Die exilischen Verfasser des DtrGW mit ihrer durch eine bestimmte „geschichtstheologische Systematisierung" bedingten „wohlwollenden Haltung gegenüber den Edomitern"340 bedienen sich mit dem Brudermodell (Dtn 2 , 4 . 8 ) dieser traditionellen Vorgabe, die sie für ihre darstellerischen Zwecke trotz des gleichzeitigen Edomiterhasses (Ob; Ez 2 5 , 1 2 f f . ; 35; Jer 4 9 , 7 f f . ; Ps 137,7) aufnehmen 341 . D a ß sie sich mit der positiven Behauptung der Bruderschaft Edoms gegen edomfeindliche Tendenzen des 6.Jahrhunderts stellen 342 ; wird mit daran liegen, daß sie durch das dtn Gesetz gebunden sind (Dtn 23 , 8) 343 . Die Aufnahme der genealogischen Edom-Tradition durch die dtn Bewegung selber ist wahrscheinlich noch nicht vor dem Hintergrund edomfeindlicher Strömungen zu sehen 344 . Dtn 2 3 , 8 aß rekurriert wie 26, 5 (und 23, 8 bß) allein auf die Vorgegebenheit der Vätertradition und ist von exilischen Tendenzen der Empörung über Edom unabhängig 345 .
336 337 338
Bartlett, Brotherhood S.20; Edom S.179f. Bartlett ebd., Knauf a.a.O. S.69. Zur Authentizität von Hos 12,4 vgl. H.W.Wolff, Hosea z. St.; J.Jeremias, Hosea
z. St. 339 Vgl. H.W.Wolff, Amos S. 170f. 184f. 194f. zum Nachtragscharakter des Edom-Spruches. Soweit die exilische Datierung auf dem historischen Argument des Verhaltens Edoms 587/6 ruht, wird sie jedoch wieder fraglich, vgl. M. Weippert, Art. Edom und Israel S. 295; Bartlett, Edom S. 151 ff. Bartlett tendiert dahin, Am 1,11 f. als authentisch anzuerkennen, ebd. S. 180; Brotherhood S. 14 ff. 3« Noth a.a.O. S.33. 341 Vgl. dazu jetzt L. Perlitt, Deuteronomium S. 150 ff. 342 Vgl. Bartlett, Edom S. 182 f. 3« Vgl. schon Noth a.a.O. S.33 und S.34 Anm.3. 344 Soweit die politische Entwicklung Edoms zum selbständigen, monarchisch verfaßten Volk im 9.Jahrhundert (vgl. Bartlett, Edom S. 115 ff.) die Voraussetzung für das Brudermodell ist (s.o.), wird sie als „Abschütteln des Jochs" gedeutet (Gen 27,40b). Am 1,11 f. mit seinen pauschalen Vorwürfen gegen Edom ist als Nachtrag im Zyklus der Völkerorakel kein Quellentext des 8., sondern erst des 6.Jahrhunderts. Der damit in engem Zusammenhang stehende Text Num 20,14-21 (vgl. Am 1 , 1 1 b - Num 20,18) ist ein Problem, wenn er der Darstellung von Dtn 2,1-8 aus alter Tradition vorgelegen haben soll (vgl. jetzt die Diskussion bei Perlitt a.a.O. S. 152.156f.). Aber ist die Gestalt des -μόη (20,16) tatsächlich ein Zeichen für eine elohistische Quellenschrift (Noth, Numeri S. 131) oder gibt der Text auf der Stufe der Angelologie später Deuteronomistik (Ex 23,20 ff.; Ri 2,1 ff.) eine Gegendarstellung zu Dtn 2? Vgl. J. van Seters, Conquest S. 191 f. 345 Perlitt a.a.O. S. 152 betrachtet 23, 8aß als eine „dtr Erweiterung" und greift zu vorläufiger Orientierung positiv den Hinweis von Knauf a. a. O. S. 70 auf eine mögliche Interessenlage im perserzeitlichen Idumäa auf (vgl. auch oben Anm.2, 3, 38). - Bartlett a.a.O.
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Die Erlaubnis, daß Edomiter in der dritten Generation Zutritt zum qehal JHWHhdben sollen (23,8 a.9) kann historisch konkret mit Siedlungsverhältnissen in Südjuda zusammenhängen. Archäologische Beobachtungen an verschiedenen Orten in dem Gebiet faßt J. Bartlett dahingehend zusammen, daß „all these sites seem to have been occupied and active in the seventh-sixth centuries BCE, and though in Judah's territory to have clear links culturally with sites in Edom to the east. - What this suggests is that by the end of the Assyrian period a number of Edomites, or people with Edomite affinities, were settled among the population of the region roughly south a line drawn from Arad to Beersheba.... The settlement of Edomites west of the Wadi f Ar ab a was probably a process extending over several centuries ... In the eighth-seventh centuries . . . , individual Edomites ... perhaps found the prospect of settlement on the southern fringes of Judah more attractive than the future of farming in the higher, wilder mountains of Edom." 346 Dieser langfristige siedlungsgeschichtliche Prozeß ist nach Bartlett auch die Erklärung für die später angeklagte Besitzergreifung von südjudäischem Territorium durch die Edomiter (vgl. Ez 35,10ff.), denn „the evidence for an Edomite military takeover of southern Judah in the sixth century BCE remains uncertain" 347 . Der dtn Gesetzgeber steht danach mit der Edom-Vorschrift des Versammlungsgesetzes dieser Entwicklung positiv gegenüber. Für seine Vorschrift in Dtn 23,8 a. 9 dürften aber auch religiöse Implikationen der genealogischen Tradition verantwortlich sein, wie das „Kommen Jahwes" vy&nll ππκ π-rM (Ri 5,4; vgl. Dtn 33,2) zeigt348. Die Edomiter sind nicht wie die Ammoniter und die Moabiter als Volk eines fremden Gottes bekannt, und aus ihrem Fehlen in der Liste der alternativ zu Jahwe gewählten Götter fremder Völker in Ri 10,6 geht hervor, daß nach dem Urteil der dtr Redaktoren von ihnen keine Gefahr religiöser Verführung ausging. Zwar ist dann in 1 Kön 11,1 auch von edomitischen Frauen die Rede, aber die Fortsetzung nennt dort keine edomitische Gottheit. Der edomitische Nationalgott Qaus/Qös 349 wird nicht mit dem ammonitischen Milkom und dem moabitischen Kemosch in eine Reihe gestellt350. Da der erste positive Beleg für die Gottheit ein theophorer Königsname in der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts ist, und überhaupt die politische Selbständigkeit Edoms erst im 9.Jahrhundert beginnt, Qaus als Nationalgott also wohl eine relativ junge Gestalt ist351, könnte es historisch völlig richtig sein, daß das DtrGW für die Zeit Salomos von ihm schweigt und in ihr, anders als in bezug auf Kemosch und Milkom (1 Kön 11,5.7; 2 Kön 23,13), keinen Anhalt für Po-
S. 181 f. zieht Dtn 2,1-8 und 23,2-9 (inkl. v. 5-7) offenbar als Texte eines Deuteronomisten vor 587 zusammen. Edom S. 143, vgl. S. 190. 347 A. a. O. S. 150; vgl. Weippert a. a. O. S. 295; Knauf a. a. O. S. 73. Diese Unsicherheit gilt auch für eine mögliche Übertragung des Gebiets an Edom durch Nebukadnezar, vgl. dazu Donner a.a.O. S.374f. 388. 348 Vgl. Bartlett a.a.O. S. 197f. Vgl. Weippert a.a.O. S.296; Bartlett a.a.O. S.200ff. 350 Bartlett a. a. O. S. 187.194 f. 551 Vgl. Bartlett a.a.O. S.202f.; E.A. Knauf, Qaus S.95.
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Das deuteronomische Gesetz
lemik findet. Erst der Chronist überträgt das Apostasie-Schema auch auf irgendwelche vy® -ja -πί>κ bzw. o m -π!>κ (2Chr 25, 14-16.20)352. Der parallele Paragraph des Versammlungsgesetzes über die Ägypter verbietet es jedoch, denjenigen über die Edomiter mit einer aktuellen Beziehung der Edomiter zum Gott Jahwe vor ihrem Zutritt zu einem judäischen cfhal JHWH zu erklären353. Als Grund für die Zulassung der Leute edomitischer Herkunft muß die genealogische Tradition gelten, die angesichts der Siedlungsverhältnisse in Südjuda354 neue Aktualität gewinnt. Die Aussprüche gegen Edom nach der Katastrophe Judas machen das Entstehen dieser Vorschrift in der Exilszeit oder später unwahrscheinlich. Auch wo hier die Bruder-Tradition noch positiv aufgenommen wird (Dtn 2,1-8), geschieht das in der Geschichtsdarstellung gerade zur Fixierung des legitimen edomitischen Siedlungsgebietes auf dem τ?® in (v. 5 b). Für die Zulassung des Ägypters gibt das Gesetz die Begründung: η--π υ -3 ΊΧΊΚ3 (23, 8bß). Dieser Satz stellt genauso wie v. 8 aß einen Rückgang hinter das Datum des Exodus dar. Die positive oder neutrale Erwähnung einer Ansässigkeit als u in Ägypten, das sonst als n-iay jra (5,6) bzw. das Land, wo man iiy gewesen ist, in der Herausführungstradition als Ausgangspunkt der Befreiung durch den Gott Jahwe vergegenwärtigt wird, läßt sich nach Dtn 26,5 f. als differenzierende zeitliche Strukturierung des Ägyptenaufenthalts verstehen. Der Ahnvater zieht nach Ägypten hinab (v. 5aa 2 ), wird dort, wenige Leute stark, ansässig (v. 5 aß), wird dort zu einem großen Volk (v. 5 b), das dann erst die Bedrückung durch die Ägypter erfährt. Die Beschreibung des Status in Ägypten als ger konkurriert hier also nicht mit der als 'cebced, vielmehr handelt es sich um zwei Verlaufsstadien der mythischen Volksgeschichte, zwischen denen allererst die Volkwerdung liegt. Der Satz: unxa n—n υ "3 bezieht sich auf den Ägyptenaufenthalt als Teil (und Ende) der Geschichte des Ahnvaters355 und steht damit auf derselben Stufe wie der Satz über die genealogische Beziehung zu Edom. Aus dieser Vorzeit des Ahnvaters wird die Zulassung von Leuten ägyptischer Herkunft zum efhal JHWH begründet. Die Begründung einer Gesetzesvorschrift mit diesem Stadium der Vorgeschichte ist singular. Die vier Belege für ein mit dem ger-Status in Ägypten argumentierendes Gebot (Dtn 10,19; Ex 22,20; 23,9; Lev 19,33f.) beziehen diesen Status in pluralischer Anrede auf die Volksgeschichte (pxa orr-π a - u -3 • - u n ) und ersetzen damit, der Überbietung des ersten Exodus durch den zweiten Exodus in der prophetischen Ansage folgend, das Bild vom ^ ^ - S t a t u s 3 5 6 . Sie sind deshalb von Dtn 23,8 bß zu unterscheiden.
352
Vgl. dazu J.Wellhausen, Prolegomena S.201; Bartlett a.a.O. S.195. So die Überlegung von Bartlett a.a.O. S. 199. „A late acknowledgement of Edom's religious affinities with Israel . . . perhaps appears in Deut. 23,8". 354 Bartlett a.a.O. S. 143 weist darauf hin, daß eine scharfe Grenzlinie zwischen judäischem und edomitischem Territorium nicht zu identifizieren sei und man eher von einer „border zone" zu sprechen habe. 355 Es ist derselbe Punkt, auf den die Josephsnovelle führt. Daß das Bild vom Ägyptenaufenthalt in der Tradition nicht einseitig auf das Sklavenhaus als Hintergrund des Exodus festgelegt ist, zeigt auch Ez 23,3. 356 S.u. S. 126f. 353
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Angesichts der fundamentalen Bedeutung des Exodusdatums für die dtn Bewegung scheint die Begründung in Dtn 23,8 kaum tragfähig. Das Verhältnis zwischen Gebot und Begründung ist eher so zu beschreiben, daß mit dem Rückgang in die Exodusvorgeschichte eine aktuelle Entscheidung gerechtfertigt wird, als daß die rechtliche Entscheidung des Gebots aus dem Traditionsbestand abgeleitet würde. Auf die politische Geschichte Judas bezogen läßt sich die Öffnung des qehal JHWH für Leute ägyptischer Herkunft in der dritten Generation vielleicht als Ausdruck einer an ägyptischer Unterstützung interessierten antiassyrischen Tendenz lesen. Sicherheit ist in diesem Punkt nicht zu gewinnen, weil die Stellung des judäischen Königs Joschija zu Ägypten, die noch nicht mit der des dtn Gesetzgebers identisch sein muß, nach 2Kön 23,29 dunkel bleibt357. Man kann darüber spekulieren, ob die Absetzung des vom p x n ny eingesetzten Joschija-Sohnes Joahas und die Einsetzung des Joschija-Sohnes Eljakim mit dem Thronnamen Jojakim durch den Pharao Necho (2Kön 23,31-35) gegen den f ΊΧ71 ny die Unterstützung gerade einer ägyptenfreundlichen Jerusalemer Partei bedeutete, die im dtn Gesetz die Zulassung von Ägyptern in den lokalen qehal JHWH durchsetzen wollte.
Die Erklärungen zu den gemeinten Personengruppen und ihrer differenzierten Beurteilung lassen sich im Hinblick auf die Frage nach der Datierung des qähäl- Gesetzes als einer historischen Quelle dahingehend zusammenfassen, daß seine Interpretation als Bestandteil des dtn Gesetzes, aus dem es sich quellenkritisch nicht mit hinreichenden Gründen als sekundärer Zusatz herausnehmen läßt, für die 2. Hälfte des 7.Jahrhunderts gefordert ist. Das Gesetz gehört nicht in die Kategorie der beim Einbau des dtn Gesetzes in das dtr Geschichtswerk eingefügten Gesetze, und seine Erklärung als eine Ergänzung aus der Zeit des Zweiten Tempels legt sich nicht nahe. Es ist damit die Aufgabe gestellt, das Versammlungsgesetz als ein im Kontext des dtn Gesetzes an die bekannte Schicht in der judäischen Landschaft gerichtetes Gesetz des ausgehenden 7. Jahrhunderts zu interpretieren358. Das Versammlungsgesetz im Rahmen des die Zentrierung der kultischen Jahweverehrung auf den Jerusalemer Staatstempel fordernden dtn Gesetzes ist an die Schicht der ökonomisch selbständigen Freien in der judäischen Landschaft gerichtet. Es geht in ihm um ein Zusammentreten eines qehal JHWH im lokalen Milieu, bei dem das Problem einer Zulassung oder Abweisung bestimmter religiös oder ethnisch als Nichtjudäer unterscheidbarer Personengruppen besteht. Der Gesetzgeber ordnet einerseits die Nicht-Zulassung solcher an, die entmannt sind oder die pro-
357 Vgl. Würthwein a.a.O. S.465; anders Donner a.a.O. S.357, vgl. ebd. S.340f. 356f. 361 zur proassyrischen Politik Ägyptens unter Psammetich I und Necho II. 358 Diese Aufgabe besteht im übrigen genauso dann, wenn man aufgrund traditionsgeschichtlicher Hypothesen die Bedeutung der Sätze schon für eine Lage im 12.Jahrhundert erklärt hat; s. o. Anm. 2.
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vinzsamarischer(?), ammonitischer oder moabitischer Herkunft sind, andererseits die Aufhebung eines doch wohl Ausschließung bedeutenden Verabscheuungsurteils (ayrni ιό)359 und die Zulassung im Fall der Edomiter und Ägypter. Die Problemkonstellation von Dtn 23,2-9 ist demnach die, daß im lokalen Milieu von denen, die durch ihr Zusammenkommen den q'hal JHWH konstituieren, selber eine Entscheidung über den Ausschluß gewisser Leute zu treffen ist. Das Gesetz differenziert präzise nach der Zugehörigkeit zu den umliegenden Völkern. Seine Tendenz ist eher die Öffnung des q'hal JHWH als seine Abschließung nach außen, da nur die eine Abweisung verbietenden Gebote begründungsbedürftig sind. Der Einheit des Sinns und der Geltung des Gesetzes wegen muß man, da es in dem Gesetz um unmittelbar gleichzeitige Fragen beim Zusammentreten eines qähäl geht, annehmen, daß auch v. 8 f. nicht künftige Perspektiven entwirft, sondern aktuelle Bedeutung hat. V. 8 f. bestimmt also nicht etwas, was erst drei Generationen später virulent wird, so daß für den gegenwärtigen Augenblick kein praktischer Unterschied zwischen v. 4 und v. 8, dem Urteil über die Provinzsamarier (?), Ammoniter und Moabiter bzw. über die Edomiter und Ägypter, besteht, sondern etwas, dessen Konsequenz es in der Gegenwart zu realisieren gilt. Dann ist die Situation für das Versammlungsgesetz die, daß drei Generationen lang oder länger in Juda ansässige Edomiter und Ägypter zum q'hal JHWH hinzukommen wollen. Bei den Provinzsamariern (?), Ammonitern und Moabitern kann es sich dagegen entweder um neu nach Juda Hineinkommende handeln, oder auch, wegen der in infinitum gesteigerten Generationenrechnung, um Ansässige. Aus dem dtn qähäl- Gesetz läßt sich so auf eine gewisse Durchsetzung der judäischen Bevölkerung im 7. Jahrhundert mit Leuten ausländischer Herkunft aus dem Kreis der Nachbarvölker schließen. Wenn die Deutung des Begriffs qehal JHWH won der Schicht der im dtn Gesetz Angeredeten her richtig ist, läßt sich auch etwas über den sozialen Rang dieser Leute sagen. Er muß dem der judäischen Grundbesitzerschicht annähernd gleich sein, weil der qähäl in gewisser Weise elitären Charakter hat360. Auf eine ökonomisch selbständige Existenz der Fremden weist auch die Tatsache hin, daß sie Familien haben und generationenlang in Juda ansässig sein könnnen361. Es handelt sich demnach
359
Die singulare Gebotsformulierung aynn kV ist nicht überzuinterpretieren, da die Wurzel ayn auch profansprachliche Bedeutung haben kann: Am 5,10 (Obj.: o-nn nat, par. x:t>). 360 s . o . S. 107f. und vgl. o. S.56ff. zu Dtn 16,1-8. 361 Nach der Erklärung des Begriffes i n durch D. N. Freedman und J. Lundbom im ThWAT wird bei dieser Rechnung der Sohn als erste Generation gezählt, wonach •trfc» i n die Urenkel meinte, also Leute mit ca. 3 χ 20-30 Jahre lang in Juda ansässiger Familientra-
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sozial um den Typus des näkri, der im Versammlungsgesetz, anders als in Dtn 14,21a; 15,3; 23,21, als Person in Betracht kommt, die volle Integration in die Gemeinschaft der Jahweverehrer sucht und abgewiesen bzw. zugelassen werden soll. Da diese ansässig gewordenen Fremden möglicherweise als Landbesitzende an der agrarischen Wirtschaft mit all ihren religiösen Aspekten teilhaben, ist ein Interesse an gleichberechtigter Zugehörigkeit auch zur lokalen oder regionalen Institution des qehal JHWH plausibel. Ein Widerspruch erwächst aus der Unterscheidung zwischen Fremden, die Ackerbau treiben und in den q'hal JHWH streben, und anderen, die in der agrarischen „part-community" andere Funktionen ausfüllen und aus dem Jahwevolk und seiner konkreten soziologischen Darstellung mit entsprechenden rituellen (14,21a; 15,3) und ökonomischen (15,3; 23,21) Folgen ausgeschlossen bleiben, nicht, denn erstens kommen Provinzsamarier (?), Ammoniter und Moabiter als solche ndknm noch in Frage, zweitens werden die Phönizier, Philister und andere Völker in dem Gesetz überhaupt nicht berücksichtigt, und drittens ist selbst die zweite Generation von Edomitern und Ägyptern noch fremd und wie der näkri nicht integriert. Nach der vorgeschlagenen Interpretation kann das dtn qähäl- Gesetz als eine Quelle dafür gelten, daß im 7.Jahrhundert in der judäischen Monarchie Fremde edomitischer und ägyptischer (sowie ammonitischer und moabitischer usw.?) Herkunft lebten und in ihrem sozialen Rang den judäischen Grundbesitzern vergleichbar eine selbständige ökonomische Existenz hatten. Diese zu voller Integration tendierenden nichtisraelitischen Fremden sind von anderen zu unterscheiden, die sich der Verehrung des Nationalgottes Jahwe nicht anschließen (·13:).
dition (II, 186), Leider sagen die Autoren nicht, wie man sich das beim Versammlungsgesetz vorstellen soll (Sp. 193). - Nimmt man dagegen in Dtn 23,9 die Formulierung: ΊΒΧ D~J3 oni> ni>v in striktem Sinne und den Ausdruck: -®-i>t> i n als Apposition dazu, bezieht sich die Zulassung auf solche, die den Neuangesiedelten im Land geboren werden, was „praktikabel" scheint. Dann wären die Generationen so gerechnet, daß der Neuansiedler mit seinem „Haus" kommt, zu dem die Eltern gehören, die als erste Generation zählen (vgl. 1 Sam 22,3). Die danach zweite Generation dürfte zwar (als ökonomisch selbständige) Landbesitz haben, nicht aber in die Versammlungen des q'hal JHWH kommen. Die Legitimität ihres Landbesitzes bestätigt ausdrücklich (unter veränderten sakralrechtlichen Voraussetzungen) Ez 47,22. (Preuß a.a.O. S. 143 nimmt dagegen bei Datierung von Dtn 23,8 f. ins 5.Jahrhundert an, daß Dtn 23,8 f. Ez 47,22 gerade „widersprechen wollen".) Deren im Land geborene Söhne hätten als die dritte Generation Zutritt in den lokalen qähäl
3. Die spätere Deuteronomistik Von der Interpretation der Vorschriften im dtn Gesetz her, die den sozialen Typus des ger bzw. die Gestalt des Fremden in Juda berücksichtigen, erschließen sich als weitere Quellentexte für die Untersuchung der Frage nach dem Fremden im antiken Juda die dtr Texte der Bearbeitungen der Religionsgesetze, der Geschichtsüberlieferung und der Prophetenbücher im 6. Jahrhundert. Die theologische Bewegung der Deuteronomistik, die im Grundsatz den Bezug Israels, der Gemeinschaft der Jahweverehrer, auf das Gesetz verstärkt 1 , verpflichtet die nachkönigszeitliche Gesellschaft in Juda auf die religiöse Ausschließlichkeitsforderung für die Verehrung des Gottes Jahwe und sucht in ihrer Gegenwart auch das Ethos des dtn Religionsgesetzbuches zur Geltung zu bringen. Ihrem literarischen Hauptwerk nach, dem deuteronomistischen Geschichtswerk (DtrGW), das mit der Begnadigung des 597 in babylonische Gefangenschaft geratenen judäischen Königs Jojachin im Jahre 562 endet (2Kön 25,27-30), empfiehlt sich für die Texte dieser Bewegung eine Datierung um die Mitte des 6.Jahrhunderts 2 bzw. in dessen zweite Hälfte, wo es sich um Ergänzungen der primären Redaktion des DtrGW und ihnen verwandte Texte in anderen Bereichen handelt. Die Deuteronomistik beerbt nach dem Ende der judäischen Monarchie und der Zerstörung des Tempels die dtn Bewegung des ausgehenden 7. Jahrhunderts, die mit ihrem religionspolitischen Konzept der Kultreform in der judäischen Landschaft an das Bestehen des Jerusalemer Staatstempels gebunden war. Die Verbindung mit dem Tempel könnte die Wirkungsgeschichte des dtn Gesetzes zwischen 622 und 587/562 getragen haben, wenn nicht der geschichtliche Impuls der dtn Bewegung unter Joschija mit dessen Tod (609) verbraucht war 3 und sein erneutes Fortwirken in
1 Vgl. M. Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien S. 103. Die graduelle Steigerung dieser „gesetzlichen und nomistischen" Tendenz beobachtet R. Smend, Das Gesetz und die Völker. 2 Noth a.a.O. S.91; R. Smend, Entstehung S. 124. E.Würthwein, der die Zugehörigkeit von 2 Kön 25,27-30 zum ursprünglichen Königsbuch bestreitet und mit 25,7 als dessen originalem Abschluß rechnet (Könige S. 475.482.484), datiert die „dtr Grundschrift des Königsbuches" (vgl. S. 489 mit Anm. 10) „in relativer Nähe zu der Katastrophe von 587 vor der Mitte des 6.Jhs." (S. 503). Vgl. auch die Diskussion alternativer Erklärungs- und Datierungsvorschläge für das DtrGW bei H. Weippert, ThR 50, S. 235 ff. 248 f., sowie jetzt im besonderen zur Redaktionsgeschichte der Königsbücher I. Provan, Hezekiah and the books of Kings. 3 Vgl. M.Smith, Palestinian Parties S. 18.30; H.Donner, Geschichte S.357.
Der soziale Typus des ger im Juda des 6. Jahrhunderts
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der Deuteronomistik als eine Renaissance zu deuten ist. Ein gewichtiges Thema der dtr Texte ist die Abgrenzung der nicht mehr monarchisch verfaßten Gemeinschaft der Jahweverehrer nach außen gegen die umgebenden Bewohner des syrisch-palästinensischen Raums und ihre Selbstbehauptung gegen die Gefahr, die von ihnen für die Alleinverehrung Jahwes, des Gottes Israels, ausgeht (Dtn 7,1 ff. u. ö.). Dennoch finden sich hier auch Quellentexte für die Frage nach den internen Sozialverhältnissen im Juda des 6. Jahrhunderts.
3.1 Der soziale Typus des ger im Juda des 6.Jahrhunderts 3.1.1 Die Verpflichtung auf die Fürsorge fiir den ger als Liebesgebot (Dtn 10,19) Auf einer Linie mit den auf den ger bezogenen Geboten im dtn Gesetz liegen in den Rahmentexten des Dtn die Sätze Dtn 10,19; 27,19; 1,16 f. Das umfassendste, positiv formulierte Gebot bezüglich des ger ist in den Vorreden zum dtn Gesetz die ethisch-aktualisierende Aufnahme und Umsetzung einer hymnischen Gottesprädikation, die gebietet, den ger zu lieben. Seiner Interpretation vorauszuschicken ist die Datierung dieses Gebotes, das seinen näheren kontextuellen Ort in der Rede Dtn 10,1211,1 hat. Sie ist von der Analyse und literargeschichtlichen Beurteilung der Einleitungsreden zum dtn Gesetz abhängig, bei der die erste Frage ist, ob das dtn Gesetz überhaupt Einleitungsreden hatte, bevor es als transjordanische Moserede in die dtr Geschichtsdarstellung eingebaut wurde, da sich der Zwischenraum zwischen dem Geschichtsrückblick der das DtrGW eröffnenden Moserede und der mosaischen Gesetzesmitteilung offenkundig als Raum für Einschaltungen einer Zeit anbietet, in der die transjordanische Redesituation vor der souveränen Verfügung über das Land die sachgemäßeste war. Für Dtn 6, 4-9 wird diese Frage in der Forschung überwiegend positiv beantwortet4, weil die Einheit und Einzigkeit des „inx mrr" als Voraussetzung der Forderung der Singularisierung des Jerusalemer Staatstempels als einzigen Jahweheiligtums interpretiert werden kann5 und Dtn 6,4-9 ein Text in singularischer Anrede ist, der nicht erkennbar einen transjordanischen Standort impliziert. Eine solche cisjordanische singularische Rede ist auch der nähere Kontext des pluralischen Liebesgebots in 10,19. Sie setzt in 10,12 in deutlicher Abgrenzung nach vorn mit dem Aufruf bmsr nnyi ein und ist
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Vgl. H. D. Preuß, Deuteronomium S. 100 f. Vgl. A.Alt, Die Heimat des Deuteronomiums S.253.
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nach hinten begrenzt durch den N e u a n s a t z in pluralischer R e d e 1 1 , 2 o r n o n y r i . In dem Passus 1 0 , 1 2 - 1 1 , 1 wechseln Sätze mit singularischer und pluralischer Anrede, und seine Analyse ist bei der Unterscheidung einzelner Schichten und Entstehungsstadien von starken Unsicherheiten belastet, da es sich weniger um einen darstellerisch o d e r argumentativ fortschreitenden T e x t als um gereihte Sentenzen in hymnischer Diktion handelt. Der v. 12 in singularischer Anrede des kollektiven Israel einsetzende Zusammenhang wird in v. 14 scheinbar durch die Interjektion jrr unterbrochen, die indessen nur die Situation kultischer Rede als Herkunftsort des Satzes spiegelt. An die kosmologische Aussage v. 14 schließt sich mit v. 15 a eine Aussage über das Sonderverhältnis Jahwes zu dem in seinen Vätern repräsentierten Israel an. Die damit festgestellte Beziehung von Jahwe zu Israel wird in v. 15 b ausdrücklich und in pluralischer Anrede für die Gegenwart als Erwählungsaussage (ina) erneuert 6 . Zwischen v. 15 a und v. 15 b liegt das Zerbrechen der nationalreligiösen Evidenz des Sonderverhältnisses zu dem Gott Jahwe, das durch die Bekräftigung seiner aktuellen Gültigkeit mit Hilfe des Erwählungsbegriffs gegen die Erfahrung der neuen Gegenwart behauptet wird. Es folgt in v. 16 ein Satz in pluralischer Anrede, der die Erwählungsaussage mit der Forderung der Beschneidung des Herzens und einem Verbot der Halsstarrigkeit kommentiert und darin in Überbietung der ursprünglichen dtn Forderung von Dtn 6 , 5 eine Metaphorik, die sich angesichts der in der Katastrophe der judäischen Monarchie erwiesenen Verschuldung und des Ungehorsams des Volkes entwickelte, gesetzlich umsetzt 7 . Die v. 17 (plur.) einleitende Partikel "3 ist eher in demonstrativer 8 als in kausaler Bedeutung aufzufassen, denn ein klares Begründungsverhältnis zu v. 16 ist nicht erkennbar. Von der Gattung des Hymnus her gesehen ist der Anfang von 10,17 eliptische Redeweise, weil etwas wie eine Aufforderung zum Preisen Jahwes, auf die dann der mit "3 eingeleitete Satz als Begründungs- oder Objektsatz folgte 9 , fehlt. Die langgezogene Prädikation Jahwes v. 17bß. 18 ist nicht eine sekundäre Verlängerung eines ursprünglich v. 16 begründenden hymnischen Satzes v. 17 aba, vielmehr ist v. 17-19 eine die hymnische Prädikation und die Ableitung eines ethischen Gebotes umgreifende Einheit. Der Passus v. 17-19 (plur.) ist deshalb nicht von v. 16 abhängig, sondern kann schon ein Einschub sein, nachdem durch v. 15 b (plur.) die ursprüngliche Fortsetzung von v. 15 a abgetrennt worden war. Zu v. 15 b wiederum kann v. 17-19 auch in einem ursprünglich kausalen Verhältnis stehen, indem die besondere Erwäh-
6 Man kann zwar Dan in v. 15 b als Glosse betrachten (C. Steuernagel, Deuteronomium S. 89), es bleibt dann aber immer noch die seltsame, auf heute (πτπ gtd) vergewissernde Aussage einer Erwählung der Nachkommen (jht) nach den Vätern. 7 Zum Bild der „Halsstarrigkeit" vgl. 2 K ö n 1 7 , 1 4 ; Jer 7 , 2 6 u. ö.; zum Bild des unbeschnittenen Herzens vgl. Jer 4 , 4 . Aus der Forderung in Dtn 1 0 , 1 6 a wird in Dtn 3 0 , 6 eine Verheißung. 8 Vgl. R. Meyer, Grammatik § 31.1 d. 9 Vgl. H. Gunkel/J. Begrich, Einleitung S. 42 f. In Dtn 7 , 9 schließt sich ein ähnlicher hymnischer Satz an die Aufforderung nyt-i an.
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lung Israels auch in der gegenwärtigen Generation mit der überlegenen Macht Jahwes begründet wird, wie es in dem dtr Text Ex 19,5 10 der Fall ist. Der Passus läßt sich zwar wegen der Entwicklung und Applikation des Hymnus in v. 17bßy. 18.19 nicht auf eine Begründungsfunktion festlegen, verdankt ihr aber vielleicht seine Stellung. Von den folgenden singularischen Versen 10,20-11,1 kommt v. 20 als die ursprüngliche Fortsetzung von v. 15 a nicht in Betracht, weil sich der Vers mit der betonten Voranstellung des Objekts nicht an v. 15 a anschließt. Dagegen hängt v. 20 eng mit dem wiederum hymnisch geprägten v. 21 zusammen, und beide Verse werden zusammen eine spätere Erweiterung sein 11 . Den Anschluß an v. 15 a findet erst wieder 11, l 1 2 . Dann ist die ursprüngliche Aussage über das Sonderverhältnis von Jahwe zu Israel eine zweigliedrige Aussage, die das Verhältnis in den Vätern begründet und für die Gegenwart positiv eine Verpflichtung daraus ableitet. Die Korrespondenz der beiden Teile unterstreicht das zweimal gebrauchte Verb anx: πιιικ nan«!» πιπ-ρτπχι pn (10,15 a) n-n-π 1>D . . . m m e n ma®i -ρπϊ>κ mn- nx nanxi (11,1). Der zweite Teil geht von der grundsätzlichen Forderung der Liebe zu Jahwe direkt zur Forderung des Gesetzesgehorsams über. Es könnte damit eine gute Einleitung des dtn Gesetzes gegeben sein, und C. Steuernagel hat vielleicht damit Recht, an 11,1 sogleich 12,13 ff. anzuschließen 13 . D t n 1 0 , 1 2 . 1 4 . 1 5 a ; 1 1 , 1 wäre nach dieser Analyse ein früher dtn Text, der den Zusammenhang des dtn G e s e t z e s mit d e m Tempelkult, d e m ein hymnischer Satz wie 1 0 , 1 4 entstammt, belegte. D a v o n diesem Ausgangspunkt her als erste Erweiterung die ausdrückliche Zusage der Erwähltheit des V o l k e s auch in der Gegenwart (v. 15 b) als neue Versicherung des Sonderverhältnisses z u d e m G o t t Jahwe wahrscheinlich ist, die auf eine Problemkonstellation nach der Katastrophe der judäischen M o n a r c h i e und ihres Staatstempels antworten dürfte 1 4 , kann für den weiteren Zusatz 1 0 , 1 7 - 1 9 das zweite Jahrzehnt des 6. Jahrhunderts als terminus a quo gelten. W e n n die Verflechtung von hymnischer Gottes-
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Vgl. L. Perlitt, Bundestheologie S. 172. Dtn 10,22 ist ein Nachtrag, der schon die in der priesterschriftlichen Erzählung sekundäre Zahl 70 als Zahl der nach Ägypten Hinabgezogenen kennt, vgl. dazu H. Gunkel, Genesis S.495; M.Noth, Exodus S. 10. 12 G.v.Rad, Deuteronomium S.60, erwägt den ursprünglichen Anschluß von 11,1 an 10,12-14. - Wenn im ursprünglichen Text die Abfolge 10,15 a: 11,1 gegeben war, kommt v. 13 als Mahnung zum Gesetzesgehorsam zu früh und ist darum sekundär. 13 A.a.O. S.9.90 (für die Ausgabe D 2 c ) . 14 Einen der Ergänzung von 10,15b nach 10,15a analogen Vorgang stellt die Vergewisserung über den Rang als πιπ"!> βττρ oy durch die bekräftigende Erwählungsaussage in Dtn 7 , 6 im Verhältnis zu 14,21 aß als einem dtn Satz (s. o. S. 87.) dar. Vgl. dann die Ausführung des Themas in 7,7 f. 11
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prädikation und ethischen Forderungen als ein Phänomen kultisch-religiöser Rede am Jerusalemer Tempel der Königszeit, vielleicht in einiger Nähe zur dtn Bewegung gezeigt werden kann, handelt es sich andererseits bei Dtn 10,17-19 nicht unbedingt um einen beliebig späten Zusatz. Die bemerkenswerte Parallele zwischen der kosmologischen Aussage Dtn 10,14 und Ps 24,1 sowie - für die Erweiterung - die Bezüge zwischen der Bezeichnung Jahwes als «-mm nam i>Tin ί>κπ (Dtn 10,17ba) und der Bezeichnung als m s i tit? bzw. nnnS>n n u (Ps 24, 8) weisen für
das Verständnis der hymnischen Sätze Dtn 10,14 und 10,17f. in den Bereich des Jerusalemer Tempelkults. Sowohl die in der Anrede singularische als auch die pluralische Prädikation könnten je ein Niederschlag aktueller religiöser Rede im Zusammenhang der Unterrichtung über die dtn Gesetzesforderungen vom Tempel aus sein, die nur in einigen wenigen Mustern literarisch geworden wäre. Denn gerade Ps 24 ist ein Dokument dafür, daß der Jerusalemer Tempelkult religiöse Forderungen aufgenommen hat, wie sie das dtn Gesetz geltend macht. Der Psalm 15 , der mit einer betont auf den Gott Jahwe bezogenen kosmologischen Aussage beginnt (v. 1 f.) und mit einer kultisch-dramatischen Darstellung oder zumindest kultisch-rituellen Vergegenwärtigung der Präsenz der Gottheit im Tempel, die durch sein Einziehen symbolisiert wird, endet (v. 7-10), verbindet diese Formeln (oder Akte) des Kultgeschehens mit der Erhebung eines religiösen Geltungsanspruchs für ethische Forderungen, deren Erfüllung in doppelter Weise zur Bedingung für den erlaubten und lohnenden Tempelbesuch gemacht wird. An ihnen entscheidet sich einerseits das Recht auf den Zugang zum Tempel, andererseits die Erlangung von naia und npis von der am Tempel präsenten Gottheit her 16 . Der Tempelbesucher erfährt in priesterlicher Rede 17 als Belehrung über den Zugang durch Frage und Antwort 18 :
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Wesentliche Anregungen für den Rekurs auf Ps 24 zur Erklärung von Dtn 10,12 ff. verdankt der Verf. einem Vortrag von H. Spieckermann über Ps 24 im November 1988, vgl. jetzt ders., Heilsgegenwart. Eine Theologie der Psalmen (1989), S. 196 ff. 16 Als Illustration dafür, was nana kbj heißt, kann man Dtn 28,3-6 heranziehen, vgl. Seitz, Deuteronomium S. 272. 17 Es ist nicht notwendig, für v. 3 einen Sprecherwechsel zu Laien oder zu einer Festprozession anzunehmen, denn die Frage und ihre Antwort kann auch eine Vergewisserung derer sein, die schon da sind, und vor denen und für die die Zulassungsfrage als rhetorische Frage durch Priester gestellt wird; anders H. Gunkel, Psalmen S. 102. - H.-J. Kraus, Psalmen 1,194 f., der den Psalm als Einheit interpretiert und gleichzeitig bei v. 3 wie in v. 7-10 Sprecherwechsel annimmt, verwickelt sich in den Widerspruch, daß dieselben Leute, die wie Laien nach den Einlaßbedingungen fragen, schon das - zweifellos hochheilige - Symbol der Präsenz der Gottheit tragen. Gunkel war diesem Problem entgangen, indem er die Teile des Psalms getrennt hielt und ihre Vereinigung „erst in sehr später Zeit" vermutete (a. a. O. S. 104). Vgl. auch W. Beyerlin, Heilsordnung S.91 f., zur Vortragssituation von Ps 15. 18 Mit der syntaktischen Strukturierung von v. 4 in der Weise, daß v. 4aa die Antwort
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i m p mpna πψ" -m / η τ m a nbjr -a aai> i n n-oa
(v. 3 . 4 a a ) ,
und er erfährt hinsichtlich des Erfolgs seines Tempelbesuchs die Bedingung: ππίπ!> ya®j «in / *iB33 ΚΊΒ!> ΠΒ: κί> ΊΒΝ -n^xn πρπχι / mn- nxa nana κ«τ
(ν. 4 aßb. 5).
Die Zusammenordnung des Mittelteils des Psalms (v. 3-5) 1 9 mit den hymnischen (v. 1 f.) und liturgischen (v. 7 ff.) Sätzen zeigt, wie für den Tempelbesucher die höchsten religiösen Aussagen mit der konkreten sozialen Verfaßtheit des Lebens und dem rechten Verhalten darin verbunden werden. V. 4 aßb hat als Thema die Unterlassung der Schädigung des Gleichgestellten besonders im Bereich des Rechtswesens durch trügerisches Prozeßverhalten, wie es der Tendenz und dem sozialen Horizont der Gebote des Dekalogs Dtn 5 , 1 7 - 2 1 entspricht. Ps 24 könnte ein Beispiel für liturgische Rede am Jerusalemer Tempel gerade aus der Zeit der dtn Monopolisierung dieses Tempels sein 20 . D e r durch D t n 1 0 , 1 4 nahegelegte Vergleich v o n 1 0 , 1 2 f f . mit P s 2 4 zeigt den Hintergrund, vor d e m 1 0 , 1 7 - 1 9 erwachsen sind. D e r pluralische Passus dürfte aber, die hymnische D i k t i o n und ethische Thematik mit ihrem Sitz im kultischen Leben am Tempel aufnehmend, eine literarische Bildung sein. D i e pluralische Anrede spiegelt vielleicht den exemplarisch im Verhältnis v o n D t n 5 , 1 (i>jn«r vgl. 1 0 , 1 2 : J>xur nnyi) z u D t n 5 , 2 2 (oairij? i»3) b e o b a c h t b a r e n Ü b e r g a n g v o n der V o r s t e l l u n g d e r kollektiven Einheit d e s Staatsvolks z u d e r neueren V e r s a m m l u n g s v o r s t e l l u n g 2 1 , die natürlich
auf die Frage v. 3 ist, während v. 4 aßb Subjektsatz für v. 5 ist, folgt der Verf. einem Vorschlag R Smends bei der oben Anm. 15 genannten Gelegenheit. Unter Verzicht auf eine solche Strukturierung wendet sich Beyerlin a.a.O. S.26ff.30ff. mit anderen Argumenten gegen eine literarkritische Zerteilung von v. 3-5 in Ps 24. 19 Der unklare v. 6 scheint eine kommentierende literarische Glosse zu sein, denn das demonstrative πτ bezieht sich generell auf Leute der in v. 3-5 beschriebenen Qualität, nicht auf die, denen v. 3-5 in aktueller Rede gesagt wird. 20 Daß Ps 24 ein Text aus der Zeit des Ersten Tempels sei, ist herrschende Meinung. Man kann ihn aber noch näher mit der dtn Kultzentralisierung auf diesen Tempel verbinden. Wenn das Hinaufsteigen (n!>y) das Kommen von außerhalb Jerusalems voraussetzt, ist die Zeit, in der der größte Orientierungsbedarf über die Frage v. 3 bestand, sicher diejenige der Verpflichtung der gesamten Bevölkerung der judäischen Monarchie auf diesen Tempel. Und dieser Richtung auf das Zentrum entspricht die Gegenrichtung vom Zentrum weg (km |a). Die Erlangung von nana und npu ist gerade für die im dtn Gesetz angeredete bäuerliche Schicht ein wichtiges Thema (vgl. Dtn 16,15; 24,19; 23,21 u.ö. Cpa); 24,13 (np-rs) bzw. negativ 24,15; 23,22f. u.ö. (κβπ)). Und zu Ps 24,7-10 vgl. Dtn 23,15 sowie die spätere Theorie von den ladetragenden Leviten (31,9; 10,8; 31,25). Ein so hochkultischer Akt wie die szenische oder deklamatorische Darstellung des Einzugs der Gottheit in den Tempel als dem isnp Dipa wäre sinnvoll gerade auch in der Zeit des Verbots aller lokalen heiligen Orte. - Für den verwandten Ps 15 neigt Beyerlin a.a.O. S. 100 eher zu einer Datierung in die „Ära nach dem Exil, als ohnehin so vieles zu reorganisieren war". 21 Vgl. F.-L.Hossfeld, Dekalog S.226f.; Volk Gottes S. 131 und s.o. S. 108f.
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auch schon in die kultische Rede selbst, die nicht mehr die hymnische und religiös belehrende Rede am Staatstempel ist, eingedrungen sein kann. Ist also Dtn 10,17-19 einerseits vom Tempelkult des ausgehenden 7.Jahrhunderts her zu verstehen, kann der Text andererseits nur ein Nachklang der kultischen Rede dieser Zeit sein. Der Verweis auf den Tempelkult und die etwa in Ps 24 belegte Verbindung von hymnischer Gottesprädikation und ethischer Thematik zeigt aber, wie es überhaupt zu einer so seltsamen Verlängerung eines Hymnus und einem direkt von ihm abgeleiteten Gebot wie in Dtn 10,17-19 kommen kann. Den zeitlichen Abstand von 10,17-19 zum „deuteronomischen" Tempelkult in Jerusalem zeigt nicht nur der literarische Ort des Textes im Anschluß an die erste, exilische Erweiterung von 10,12 ff.* mit der Erwählungsaussage v. 15b. Auch der Begründungssatz v. 19b: Dir-n o—u -d •'Ίχη fiNi ist mit der variierten Vorstellung eines Status als ger in Ägypten charakteristisch unterschieden von den Sätzen des dtn Gesetzes und Dekalogs, die einen auf das für Israel fundamentale Datum des Exodus hinlenkenden Status als 'cebced vorstellen, um mit der Erinnerung an die mythische Vorgeschichte des Volkes die Erteilung gewisser Gebote zu begründen, die eine Begünstigung der Armen verlangen ("3 ιποτι n-ns» p x a n—n -ray Dtn 24,22 u.ö.; 5,15). Demgegenüber ist die Argumentation von 10,19 b weniger streng am Exoduscredo orientiert. Der Ägyptenaufenthalt wird eine in sich ruhende Phase der auf die Angeredeten bezogenen Vorgeschichte, die nicht sogleich über sich hinausweist, sondern ein Zeitraum ist, der als Quelle eigener „Erfahrung" gedeutet wird, die eine Analogie zum Ergehen anderer in der Gegenwart darstellt. Die Bezeichnung 'cebced kann darum in Stichwortentsprechung zu der sozialen Typenbezeichnung im Gebotstext durch ger ersetzt werden. Dieses die dtn Tradition variierende Bild läßt sich in die exilische Zeit einordnen, in der der Exodus aus Ägypten ein so fester Bestand der religiösen Rede geworden ist, daß die „typologische Verwendung des Exodusstoffes" 22 zum rhetorischen Mittel für die Ankündigung eines neuen Exodus wird (Ez 20,32 ff.; Jes 52, 3 ff.; 43,16 ff.). Denn bei ihr kommt es für den erwarteten, göttlich verursachten Wandel nicht so sehr auf das Bild der Lage im fremden Land an, als auf das Neue des Auszugs und Weges in Richtung Jerusalem, so daß die Bezeichnung für den Status in Ägypten kontextuell flexibel wird. Die Variabilität in der Beschreibung des Ausgangspunktes des Auszugs mag darüber hinaus durch ein Wissen um wirkliche gegenwärtige Situationen von Teilen Israels in fremden Ländern beeinflußt sein, die mit der Erwartungszeit vor dem Exodus in Parallele gesetzt werden, ohne daß die Bezeichnung 'cebced
21
W. Zimmerli, Der ,neue Exodus' S. 197.
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aus der religiösen Tradition eine richtige Analogie darstellte 23 . Gegenüber dieser Bezeichnung schließt die Klassifikation als geritn die persönliche Freiheit mit ein, und indem der Kontext den Typenbegriff auf den Aspekt des Aufenthalts in fremdem Land festlegt, mag sich sein sozialer Sinn - trotz der dadurch in der Entsprechung von v. 19 zu v. 18 entstehenden Spannung - ausweiten 24 . Dtn 10,19 b ist hinsichtlich der Umformulierung der Lage in Ägypten ein anderer Fall als 23, 8 b ß, weil hier nicht die vor-volksgeschichtliche Lage des Ahnvaters gemeint ist, sondern die unfreiwillige Lage des ganzen zu befreienden Volkes. Die Bezeichnung ger in Dtn 10,18 b. 19 kann, vermittelt durch den Einfluß des dtn Gesetzes auf die kultische Rede und aufgrund des literarischen Ortes in der Einleitung dieses Gesetzes, wiederum im Zusammenhang mit ihren Belegen im dtn Gesetz verstanden werden. Für die Interpretation des Wortes als eines sozialen Typenbegriffs liefert 10,18 b insofern eine Bestätigung, als der Satz zeigt, daß der ger eine selbständige und nicht zu einem „Haus" gehörige Person ist, die am Rande des Existenzminimums lebt und für die der Gemeinschaft der in kultischer Rede Angeredeten eine Verantwortung auferlegt wird. Die auf den ger gerichtete Liebe der Gottheit (nnx) bedeutet konkret, ihm Mantel und Brot zu geben, die elementaren Erfordernisse zum Uberleben (Dtn 24, 6.12 f.). Indem dies hyperbolisch von der Gottheit ausgesagt wird, ist es eine Explikation und Konkretisierung der auf die Angeredeten, denen die Gottheit ein Vorbild sein soll25, als Forderung übertragenen „Liebes"-Aussage 26 . Die Prädizierung Jahwes als na an« ist singulär 27 . Da das Gebot eine Ableitung aus dieser Prädizierung ist, läßt sich keine Abhängigkeit von dem Liebesgebot bezüglich des Nächsten (jn) in Lev 19,18 aß und dessen Anwendung auch auf den ger in Lev 19,34acc2 nachweisen 28 . Der Passus Dtn 10,17-19 belegt historisch das Vorhandensein einer Unterschicht von gerim, die darauf angewiesen sind, daß ihnen „Brot und Mantel" gegeben wird, auch in der Bevölkerung Judas nach dem
23 Vgl. zur sozialen Lage der Deportierten M.Noth, Geschichte Israels S.268; H . D o n ner, Geschichte S.383f. Anders Zimmerli a.a.O. S.201: „Es erklärt sich . . . aus der Lage der Gefangenschaft, in der die Exulanten erneut in einem .Knechtshause' (Ex 20,2) sitzen, daß die Tradition von der ,Herausführung' . . . nun stark herausgestellt wird." 2t Vgl.o. S. 18. 25 Vgl. J. Barton, Old Testament Ethics S.60. 26 Vgl. dazu auch die Auslegung von H.-P. Mathys, Nächster S. 12 f. 27 Eine vergleichbare hymnische Prädikation findet sich in Ps 146,9, wo der Sänger in Anlehnung an die aus dem dtn Gesetz geborgte Trias der personae miserae formuliert: R R T Y njn^xi D I U - / N - Υ Π nx -in» M R R Das „Gedicht" gehört „einer sehr späten Zeit" an: Gunkel a.a.O. S.613. 2 « Zu Lev 19,33f. s.u. S. 177ff. 206f.
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Sturz des davidischen Königshauses und der Deportation der „führenden Oberschicht"29 Judas. Das Ende der judäischen Monarchie bedeutete nicht einen tiefgreifenden Wandel der Sozialstrukturen der judäischen Gesellschaft, durch den die Schicht der genm zu ökonomischer Selbständigkeit gelangt wäre. Im lokalen Milieu der judäischen Landschaft, in dem nach der vorgeschlagenen Interpretation der Belege im dtn Gesetz die Gestalt des ger zu suchen ist, besteht offenbar der Unterschied zwischen dem grundbesitzenden, wirtschaftlich selbständigen Freien und dem persönlich freien, aber wirtschaftlich abhängigen Arbeiter fort. „Die bäuerliche Bevölkerung des Landes . . . verblieb an Ort und Stelle"30, und eine Neuordnung des Landbesitzes zugunsten der in der Königszeit Besitzlosen findet nicht statt oder kann das Problem der bedürftigen gerim nicht dauerhaft lösen. Diesem Bild scheinen die Notizen 2 K ö n 25,11 f. par. Jer 52,15 f. und besonders Jer 3 9 , 1 0 zu widersprechen, wonach überhaupt nur Glieder der Unterschicht ( ρ κ π iiHa bzw. nmxn απ!> |·κ um n-^-rn nyn ja) von den siegreichen Babyloniern im Land übriggelassen wurden und allein noch als ackerbauende Schicht im Land Juda zu finden sind. Diese Notizen sind jedoch historisch wertlos, in ihnen „dürfte . . . die von der Gola vertretene Auffassung sich geltend machen: Alle einigermaßen besitzenden und angesehenen Leute wurden weggeführt, gehörten also zur Gola" 31 . Da man keinerlei sicheres Wissen über eine
29 Noth. a.a.O. S.259. Donner a.a.O. S.381 spricht von der „städtischen Führungsschicht". 30 Noth a.a.O. S.260. Weniger klar ist der Satz, daß „die israelitischen Stämme mit ihrem Grundbestand weiterhin beieinander auf dem Boden des palästinischen Kulturlandes (verblieben)" ebd. S.263. - H. Kreissig, Juda S. 24, faßt seine Diskussion der Frage mit dem Satz zusammen: „Was hier zurückblieb, war ganz einfach das judäische Volk - ohne seine herrschende Klasse." - womit vor allem eine aus geschichtstheoretischen Gründen vermutete Schicht von Großgrundeigentümern gemeint ist. Für die wissenschaftliche Wirkungsgeschichte der Vorstellung einer umfassenden Deportation vgl. seine Bemerkung zum Einfluß Ed.Meyers, ebd. S.29. Gegen diese Vorstellung auch Donner a.a.O. S.381.387. 31 E.Würthwein, Könige S.478, zu 2Kön 25,11 f. - W.Rudolph, Jeremia S.321, betrachtet die Parallele Jer 52,15 f. als historisch zuverlässige Nachricht und interpretiert sie als „Beweis, daß Nebukadnezar nicht die Absicht hatte, aus Palästina eine Wüste zu machen", womit er aber die tendenziöse Radikalität der Aussage, daß überhaupt nur ein Teil der fίκπ nl>-r (txt.em.) übriggeblieben sei, entschärft. Jer 39,10 ist von 52,15f.par. abhängig (ebd. S. 243.245.319). Eine inkonsequente Interpretation von 2Kön 25,11 f. bietet Α. H.J. Gunneweg, Geschichte Israels S. 126 ff., wenn er einerseits v. 11 als „geschichtstheologische Inteipretation der Ereignisse" erklärt (S. 126), andererseits aber v. 12 (und Jer 39,10) als Quelle dafür nimmt, daß „eine Neuverteilung des Landbesitzes vorgenommen" wurde, und daraus weitreichende Schlüsse darauf zieht, daß die „jüdischen [= judäischen] Vollbürger" der Königszeit „sofern (sie) nicht exiliert worden waren, ... nunmehr durch die neue Landverteilung deklassiert (wurden)" (S. 127). Gunneweg meint damit eine Erklärung für den Bedeutungswandel der Bezeichnung p u n ay in der chronistischen Sprache aus dem sozialgeschichtlichen Wandel der 1. Hälfte des 6. Jahrhunderts geben zu können, aber
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soziale Neustrukturierung der Bewohnerschaft der judäischen Landschaft nach der Deportation der „führenden Oberschicht" hat, kann umgekehrt ein Gebot wie Dtn 10,19, das nicht vor die Mitte des 6. Jahrhunderts zu datieren ist, als Beleg für die relative soziale Stabilität in Juda in der tempellosen Zwischenzeit von 587-515 (und darüber hinaus) gelten. Die Bevölkerungsgruppe derer, die die Ez 33,24 zitierte Losung: ρ κ π τικ » v i DmiK rrn -τπχ ntmn!> ρ κ π nana u!> D-n ianaxi kursieren lassen und sich „im Besitzgut der Deportierten einzurichten begonnen haben"32, ist nicht die Schicht der gertm, sondern eine Schicht wirtschaftlich schon Starker, die sich bereichert. Gerade die Verknüpfung des Wandels der Eigentumsverhältnisse mit der religiösen Deutung, daß darin der Wille Jahwes erkennbar sei (]na ni., vgl. bes. Ez 11,15), legt es nahe, als die Verantwortlichen die Grundbesitzerschicht der judäischen Landschaft zu identifizieren, deren Bedeutung als Träger der Jahwereligion in der Königszeit das dtn Gesetz dadurch belegt, daß es gerade an sie gerichtet ist. Auch um die Mitte des 6. Jahrhunderts bleibt in Juda die soziale Differenzierung zwischen den ökonomisch Selbständigen und Starken und den Abhängigen und Schwachen, deren Schutz oder Begünstigung ein Thema religiöser Forderungen ist, bestehen. Für den Beleg der Bezeichnung ger in Dtn 10,18 b. 19 im näheren Kontext der Prädikation Jahwes als des höchsten Gottes v. 17 a und der Erwählungsaussage v. 15 b, im weiteren Kontext der vorgegebenen kosmologischen Aussage v. 14 und der mit ihr verbundenen Zuwendungsaussage v. 15 a, stellt sich noch einmal besonders die Frage, ob die Bestimmung des Verhältnisses zu den o~u v. 19 nicht eine Entsprechung zu der negativen Abgrenzung D-nyn !>3n ν. 15 b als eine „positive Forderung der Liebe über die nationalen Schranken hinaus" sei33. In die Richtung einer Deutung der Bezeichnung ger als des ethnisch Fremden könnte ja auch v. 19 b weisen. Dennoch ist Dtn 10,19 kein Gegenbeispiel zu der Erklärung der Bezeichnung ger als eines sozialen Typenbegriffs. V. 19 b zeigt nicht mehr, als daß Personen, die in der sozialen Lage eines ger sind, dies auch in einem fremden Land sein können, da ja gerade hier das Wort ger die soziale Bezeichnung 'cebced ersetzt. Ein Verhältnis zur Er-
vor dem Chronisten steht erst einmal die Nehemia-Denkschrift, und die dort belegte soziale Differenzierung zwischen den min· -in und den Armen (bes. Neh 5,1-13, dazu Α.H.J.Gunneweg, Nehemia S. 85 ff.) läßt keinen Rückschluß auf eine solche von den Babyloniern geförderte soziale Revolution zu. Man wüßte übrigens gern, wie man sich nach den vier Jahrhunderten der judäischen Monarchie die Antithese von „genuinen Israeliten" und „Nachkommen von Kanaanäern oder der sonstigen nichtisraelitischen Bevölkerungsteile" (ebd. S. 127; vgl. auch E.Janssen, Juda in der Exilszeit S. 54) vorzustellen hat. 32 W. Zimmerli, Ezechiel 11,818. Es handelt sich hier um eine Variante der auch schon nach 597 umlaufenden Parole Ez 11,15 (nach der Datierung Zimmeriis a.a.O. 1,251 f.). 33 Steuernagel a.a.O. S.89f.
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wählungsaussage v. 15 b stellt sich nicht so her, daß die von der Erwählung Ausgegrenzten nun durch das Liebesgebot in das Sonderverhältnis Jahwes zu Israel hineingezogen würden, sondern so, daß diesem Sonderverhältnis eine Integration im Innern der Gemeinschaft der Erwählten entsprechen soll, bei der alle ihre Lebensmöglichkeit haben, um die es konkret nach v. 18 b β geht. Die für die Belege des dtn Gesetzes gegebene Erklärung der Bezeichnung ger gilt auch noch für die dtr Texte in den Rahmenkapiteln. Eine wortgeschichtliche Bedeutungsänderung der Bezeichnung ger wird erst im Zusammenhang ihrer Beziehung auf die Gesamtheit eines „Israel" in einer Weise, wie in v. 19 b als ein Nebenaspekt neben dem der sozialen Lage die Israeliten als gerim auf Ägypten bezogen sind, zu beobachten sein. 3.1.2 Der Fluch über die Verletzung von Rechtsansprüchen der Bedürftigen (Dtn 27,19) In denselben Bereich kultischer Rede wie Dtn 10,17-19 führt die zwölfgliedrige Fluchsatzreihe Dtn 27,15-26. Ihr literarischer Ort ist ein großes „Fluchzeremonieü", das im jetzigen Text die Anordnungen des Mose für eine Szene von Segen und Fluch (27,11-13, danach Jos 8,30-35*) auf der Redaktionsebene der dtr-historiographischen und -nomistischen Vorbereitungen der Landnahmeerzählung erweitert34. Ob das „liturgische Stück 27,14-26" im ganzen ein Zusatz nach v. 11-13 ist35, oder ob v. 14 die Verankerung der Reihe v. 15-26 in ihrem Kontext nur wieder verbessert, nachdem sie durch v. 11-13 von ihrer möglicherweise ursprünglichen Einleitung v. 9 f. abgetrennt worden war, läßt sich nicht sicher sagen. Da die Fluchreihe „so hinter dem Dtn (seil. = dtn Gesetz) wie der Dekalog in Dtn 5 vor dem Dtn" steht36, ist es nicht ausgeschlossen, daß v. 9 f., wo Mose und D-II>N TRANAN Z U !»D (vgl. 5,1) sprechen, ursprünglich nicht nur die Uberleitung zu Kap. 28 sind37, sondern auf der Ebene der Einbettung des Dekalogs und des dtn Gesetzes in die dtr Geschichtsdarstellung zum sog. Fluchdodekalog überleiten, an den sich dann erst Kap. 28 anschließt. Für die Interpretation des Textes v. 15-26 ist die exakte Bestimmung des redaktionellen Stadiums seines
34
Vgl. Preuß a.a.O. S. 151, Preuß bezeichnet v. 11-26 als „das große Fluchzeremoniell", aber man muß zwischen v. 11-13 und v. 14-26 unterscheiden. - Das späte literarische Stadium von v. 14 zeigt sich darin, daß von D-fcn ohne Hinweis auf ihren Priesterrang die Rede ist. 27,14 setzt also Entwicklungen voraus, die etwa zwischen den literarischen Schichten von 31,9 und 31,24-26 liegen. 35 So Steuernagel a.a.O. S.39. Preuß a.a.O. S.152. 37 So Preuß a.a.O. S. 151 mit Steuernagel.
Der soziale Typus des ger im Juda des 6. Jahrhunderts
131
Einbaus in das D t r G W aber nicht entscheidend, da es sich bei ihm weitgehend um eine vorgängig geformte Reihe handelt. In der Fluchsatzreihe sind der erste und letzte Satz (v. 15.26) gegenüber dem sonstigen Bestand wegen ihrer anderen syntaktischen Struktur und ihrer größeren Ausführlichkeit sekundär38. Thematisch steht der Fluch über den, der sich RTAOM !>OD macht (v. 15), dem in den Dekalog eingeschobenen Verbot des !>03 (5, 8) nahe. Der an seinen literarischen Ort oder an die Situation eines Gesetzesvortrags gebundene Fluch über den, der nicht πκτη nnnn "UT (^D?) tut (v. 26), setzt die Auffassung vom Gesetz als einem geschlossenen Ganzen voraus, die 31,9-11 in der Erzählung entwickelt. Der ursprüngliche Bestand ist also die zehngliedrige Fluchsatzreihe 2 7 , 1 6 - 2 5 . Sie erfaßt wie der Dekalog die soziale Dimension der Großfamilie, indem sie die Unterstützung der abhängig gewordenen Elterngeneration fordert (5,16 in positiver, 27,16 in negativer Form) und - einen im Dekalog ausgeklammerten Themenbereich 39 aufnehmend - sexuelle Tabus bekräftigt (v. 20-23). Ihr weiterer sozialer Horizont ist wie im Dekalog die Konkretheit der sozialen Beziehungen im lokalen Milieu der agrarischen Gesellschaft und zwar in Hinsicht auf die Gleichgestellten (jn) in den Sätzen v. 17.24.25 und - wiederum über den Dekalog hinausgehend - in Hinsicht auf die Schwächeren in den Sätzen v. 18 ( n y ) und v. 19 (nja^xi mrr u ) . Dem Untersagungsmodus der Verfluchung entspricht es, daß es sich um Vergehen handelt, die im Verborgenen geschehen oder (im Rechtswesen v. 19.25) geheime Voraussetzungen haben. Die Reihe entspricht in ihrer Tendenz der dtn Übernahme von Rechtsmaterien in den Bereich der religiösen Forderungen und der Richtung der Anrede auf die grundbesitzende, für die Bedarfsdeckung ihres „ H a u s e s " wirtschaftlich selbständig sorgende Schicht. D a eine solche responsorische Gebotsverpflichtung durchaus im Zusammenhang mit der dtn Monopolisierung des Jerusalemer Staatstempels und der Bindung der judäischen Bevölkerung an dieses zentrale Heiligtum vorstellbar ist, kann die Fluchsatzreihe als ein Dokument liturgischer Wechselrede im Tempelkult des ausgehenden 7.Jahrhunderts gelten. Der Fluchsatz 27,19 N:n!>xi D I U · U »D»a nan -ιπκ steht also in einer Linie mit den Belegen für die Dreierreihe n:ai>Ki mrr υ im dtn Gesetz (24,19 ff. u. ö.). Die in ihm gemeinte Rechtsbeziehung des ger zu denen, die sich am Heiligtum akklamatorisch unter den Fluch stellen, dürfte derselben Art sein wie in 24,17 und in der Hauptsache die Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis als Tagelöhner betreffen.
38 39
Vgl. Preuß a . a . O . S. 152. Vgl. F. Crüsemann, Thema des Dekalogs S. 8 f.
132
Die spätere Deuteronomistik
Der Beleg für die Reihe Π3ηί>χι mn- u in Dtn 27,19 zeigt wie der Beleg für den Ausdruck -ι»κ η υ in Dtn 5,14, daß diese erst im dtn Gesetz geprägten Wendungen und die ethischen Anschauungen bezüglich der Gestalt des ger, die das dtn Gesetz verbindlich zu machen sucht, in der kultischen Rede und in memorierfähigen Reihen präsent sind. Aus der Erweiterung der Fluchsatzreihe durch die Sätze v. 15.26 und ihre Aufnahme in die Rahmentexte des dtn Gesetzes läßt sich darauf schließen, daß diese Präsenz im Kult auch über die Zerstörung des Staatstempels im Jahre 587 hinweg andauert. 27,19 ist dann wie 10,17-19 ein Beweis dafür, daß der Typus des ger auch noch eine schutzbedürftige Gestalt in den Sozialverhältnissen in Juda in der Mitte des 6. Jahrhunderts oder später ist. 3.1.3 Der ger in der Mahnrede bei der Ein fuhrung der Rechtsverfassung (Dtn 1,16f.) In denselben Zeitraum gehört auch die Berücksichtigung des ger in der Mahnrede bezüglich des Rechtswesens in Dtn 1,16 f. Die Szene der Einsetzung von Funktionsträgern zwischen der zentralen Instanz „Mose" und dem Volk (1,9-18) ist ein Zusatz in der Eröffnungsrede des DtrGW, der mit dem Ausdruck ιτππ nya Anschluß an seinen Kontext sucht40. Es überlagern sich in diesem Abschnitt ein Modell der militärischen Strukturierung des Volkes nach Tausendschaften und Unterabteilungen (v. 15 b) und die Konzeption der Einsetzung besonderer beauftragter Richter unterhalb der Ebene eines Zentralgerichts (v. 16 f.). Da die Einleitung der Szene v. 9.10.12 41 auf das Thema des Rechtswesens führt, ist im folgenden trotz des harten Anschlusses von v. 16 f. die Konzeption der Richtereinsetzung das Primäre. Nicht nur das Stichwort Dann in v. 12 weist in diese Richtung, sondern überhaupt die Problemkonstellation, die hinter den Worten Moses liegt, denn bei der Metapher vom „Tragen" des Volkes bzw. der „Last und Bürde" des Volkes (v. 9b. 12) geht es nicht um (fallweise) Führung im Krieg bzw. auf dem Wüstenzug und bei der bevorstehenden Landeroberung42, sondern um die permanente Belastung im Führungsamt, die eben durch die Rechts-
4 0 Vgl. S.Mittmann, Deuteronomium S . 2 4 f f . 164f.; J.Buchholz, Älteste S.98; F.Foresti, Deuteronomium S. 20. - Anders jetzt L. Perlitt, Deuteronomium S. 58 ff., der sich mit M. Noth zögernd für die Zugehörigkeit von Dtn 1 , 9 - 1 8 * zum primären Stadium der Einleitungsrede ausspricht. 4 1 Zum Nachtragscharakter von v. 1 1 . 1 3 f . vgl. Mittmann a.a.O. S . 2 4 f . 4 2 Anders M.Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien S. 15.30f., der die Organisation des Volkes auf die „kommenden Unternehmungen und Kämpfe" bezieht und den Passus der Grundschicht der Einleitungsrede zurechnet. Vgl. Perlitt a. a. O. S. 60.67.
D e r s o z i a l e T y p u s d e s ger im J u d a d e s 6. J a h r h u n d e r t s
133
fälle des Volkes entsteht. Ebenso weist die verlangte Qualität der Funktionäre, die t r y - r i a - n a n ο ί μ χ sein sollen, in den Rechtsbereich. Die ursprüngliche Fortsetzung von v. 9 . 1 0 . 1 2 ist danach v. 15 a* 4 3 , woran sich v. 16 f. anschließen 44 . Die Einsetzung der Funktionäre geschieht also in drei Schritten: D - j n - i D-nan n-sux [ . . . ] πρχι
(ν. 1 5 a a * )
D - w n DTix JUKI
(v. 15 aß)
mxi> χ'πγτ xija ds-bd® nx nixxi
(v. 1 6 a ) .
Nur scheinbar ist die unvermittelte Identifizierung der Häupter (nr®m) mit den Richtern (traoe), die - mit ihrer Suffigierung - nicht den Eindruck machen, als seien sie eben erst eingesetzt worden, ein Argument für eine literarkritische Differenzierung zwischen v. 15 a und v. 16 f. 45 . Denn diese Spannung läßt sich damit erklären, daß Dtn 1 , 9 - 1 8 * eine Nachholung der vorgegebenen Erzählung Ex 18,13 ff. ist, in der die Leute, die Richterwerden sollen (v.21 a.22) 4 6 , als oyn by d-βκί eingesetzt werden (v. 25 a) 47 . Die Anrede an die Richter Dtn 1,16 f., die mit der Formel s-nn nya auf dieselbe Zeit zurückweist wie v. 9, obwohl die Vorlage Ex 18,13 ff. keine solche Rede enthält, ist ein Zeichen dafür, daß die Szene der Einsetzung von Richtern in die dtr Geschichtsdarstellung nachgetragen wird, weil sie aktuellen Zwecken dient. Mose schafft das Vorbild und die Tradition, oder auch nur die Bestätigung einer Rechtsverfassung, die dem dtn Gesetz entspricht (16,18 f.; 17, 8 - 1 3 * ) . Das besondere Interesse an einer Einsetzung von Autoritäten für Rechtsfälle in Dtn 1 , 9 ff. ist aufgrund des literarischen Ortes des Textes in die Zeit nach der Dezimierung der judäischen Oberschicht durch die Babylonier zu datieren, und die Annahme ist plausibel, daß es ein Erfordernis dieser Zeit spiegle48.
In v. 1 5 a ist DD-aa» -bkt rix eine Glosse, vgl. Mittmann a . a . O . S . 3 4 . Die militärische Formation des Volkes v. 15 b, für die - gemäß Dtn 2 0 , 1 ff.* - sowohl o"iw als auch n-ita® nötig sind, ist nach dem Gesagten sekundär. 43 44
«
Vgl. Buchholz a . a . O . S.23. D a ß der Kern der Szene die Bestallung von Richtern ist, zeigt E x 1 8 , 1 3 ff.* noch deutlicher als Dtn 1 , 9 ff.*. In E x 18 ist das abgestufte D-w-Modell nachgetragen ( v . 2 1 b . 2 5 b ) , vielleicht aufgrund des Nachtrags Dtn 1 , 1 5 b ; vgl. U . Rüterswörden, Beamte S . 2 5 . Das Prädikat W t r x unter den in E x 1 8 , 2 1 a verlangten Qualitäten der Leute ist nicht eindeutig militärisch geprägt, vgl. H.Eising, T h W A T 11,905. 46
4 7 Die Bestimmung der Richtung der Abhängigkeit: von E x 18 nach Dtn 1, dürfte nach wie vor das Richtige treffen, vgl. N o t h a . a . O . , Mittmann a . a . O . U b e r die Datierung von E x 18 ist damit noch nicht viel gesagt, vgl. Buchholz a. a. O. S. 97 ff., dessen Interpretation von Jitro als Chiffre für die Perser und Datierung des Textes in die „Esra-Nehemia-Zeit" aber daran leidet, daß Jitro der midianitische Schwiegervater des Mose sein soll. 48
Vgl. Buchholz a . a . O . S.85ff., bes. S.90. Mittels einer Konstruktion über das dtr
134
Die spätere Deuteronomistik
Die Beschreibung des literarischen und geschichtlichen Ortes von Dtn 1,9.10.12.15 a*. 16 f. macht deutlich, daß der Beleg für die Berücksichtigung des ger im Kontext von Mahnungen bezüglich des Rechtsverhaltens, die durch den Gebotssatz 24,17 und den Fluchsatz 27,19 bedingt sein mag, in die Mitte des 6.Jahrhunderts zu datieren ist. Er setzt wie die zuvor diskutierten Sätze aus den Rahmentexten des dtn Gesetzes im DtrGW die relative Vergleichbarkeit der Sozialverhältnisse im lokalen Milieu in Juda vor und nach der Katastrophe der Monarchie voraus. Die Bezeichnungen ^ah und ger in 1,16 bß49 sind vom Sprachgebrauch des dtn Gesetzes abhängig und im selben Sinne innerhalb der konkreten lokalen Lebenswelt, in die ja die Einsetzung von Richtern unterhalb der Ebene der Zentralinstanz führt, zu erklären. Dann ist die singulare Beziehung von ger mit dem Suffix auf einen Einzelnen nicht gegen die übrigen Belege für seine Bezogenheit auf die Ortschaft IWK) als ein persönliches Klient-Patron-Schutzverhältnis zu interpretieren, durch das der ger gleichsam zum Haus des freien Mannes gehörte 50 , sondern als eine sprachliche Analogie zu rnx, was ja auch nicht den leiblichen und insofern wirklich direkt auf den Einzelnen bezogenen „Bruder" meint, sondern irgendeinen, d.h. jeden Ortsgenossen, zu dem eine Rechtsbeziehung im wirtschaftlichen oder sonstigen Verkehr besteht51. Die Interpretation der Belege im dtn Gesetz für die Gestalt des ger als des freien, aber landbesitzlosen und ökonomisch abhängigen Bewohners in den Ortschaften der judäischen Landschaft erlaubt auch das Verständnis von Dtn 1,16.
Richterschema will Buchholz auch Dtn 16,18 in diese Zeit einordnen, aber der je eine Richter in der Richterzeit dürfte doch von den " P I Y ® Son D-BD«? Z U unterscheiden sein. Daß Dtn 1,16 f. in Konkurrenz zur „CTBDB-Überlieferung im Dtn" tritt, weil „schwierige' Fälle . . . nun nämlich nicht mehr von B D » M D - Ι ^ Π Α · 3 Π 3 Π , sondern von Mose ,gehört' (werden)" (S. 98), leuchtet nicht ein, denn wer anders als die Instanz der Priester (und Bewahrer der judäischen religiösen Tradition) ist bei einer angenommenen Aktualität von 1,9 ff. MOSE? Vgl. auch unten Anm. 125. 49 Mittmann a. a. O. S. 26 erklärt v. 16 bß zusammen mit v. 17 a (in LXX sing.) für sekundär in der Rede v. 16 f., Foresti a. a. O. S. 18 Anm. 51 hält v. 16 b β für noch sekundär gegenüber v. 17 a. Wenn Dtn 1 auf Ex 18 zurückgeht, ist diese Differenzierung nicht sehr überzeugend, denn v. 16 bß greift Ex 18,16 aß auf und v. 17 ay läßt sich auch am besten von Ex 18 (v. 16b. 19b) her verstehen. V. 17aaß könnte als weisheitliche standardisierte paränetische Rede auch vom ersten Redaktor „zitiert" worden sein. 50 A. Bertholet, Stellung zu den Fremden S. 35 f. 51 Wenn v. 16bß literargeschichtlich beliebig spät eingeordnet wird, kann der Ausdruck na pm Ί-ΠΚ pm («τκ pa) natürlich auch eine Entsprechung zu der sakralrechtlichen Klausel ΙΠΤΚ3 U3 gemäß dem Grundsatz Ex 12,49 sein.
Der soziale Typus des ger im Juda des 6. Jahrhunderts 3.1.4 Der soziale Aufstieg des ger als Fluchandrohung (Dtn
135
28,43f.)
Die Fluchandrohung Dtn 28,43 f., die den Aufstieg des ger und den Abstieg des angeredeten „Du" ankündigt, scheint die Annahme eines Fortbestehens der aus dem dtn Gesetz bekannten sozialen Differenzierung im 6. Jahrhundert zu widerlegen und Zeugnis für eine „soziale Umschichtung"52 zu sein. Eine solche Deutung setzt jedoch erstens voraus, daß die Drohung nicht derartig stilisiert ist, daß sich aus ihr überhaupt nicht auf ein besonderes geschichtliches Ereignis schließen läßt, und zweitens, daß sie als ein vaticinium ex eventu erst in das 6.Jahrhundert nach dem endgültigen Sieg der Babylonier zu datieren ist. Beide Voraussetzungen sind unsicher, da die Verfluchung eine reine Antithese zu den normalen Verhältnissen sein kann und da man mit einem gewissen Bestand an Fluchmaterial, der in dem Abschnitt 28, 15-46 enthalten sein muß, im Abschluß des originalen dtn Gesetzes mit Segen und Fluch rechnen kann53. Nach der Analyse von G. Seitz gehört v. 43 f. zu einer „Gegensatzreihe", die aus v. 38-40.43 f. 41.42 literarisch sukzessive zusammengesetzt ist und „Israel als im Land wohnend voraus (setzt)"54. Die Erwähnung des ger in der Fluchandrohung 28,43 f. „stellt eine Verbindung dieses Fluches mit dem dtn Gesetz her"55. Der Ausdruck ibk υ π "ρτρι ist demnach im Sinne der Beziehung des ger auf die Ortschaft (•piywa -ι»κ) zu verstehen und nicht als die Gegenüberstellung eines ethnisch Fremden und der Gesamtheit eines Volkes. Es ergibt sich auch aus dem Inhalt der vorangehenden Fluchsätze v. 38-40.41.42, daß das kollektive Du die ackerbauende Schicht der judäischen Monarchie ist, die auch sonst im dtn Gesetz angeredet wird, nicht aber eine national konzipierte Einheit eines „Israel". Von seinem Kontext her ist es offensichtlich, daß der Satz v. 43 f. nur auf einer geprägten Struktur der Antithetik basiert, hinter der allenfalls typische Erfahrungen stehen, nicht aber besondere geschichtliche Vorgänge spiegelt56. Der Eindruck, daß die Entgegensetzung des ger gegen das „Du" der Anrede den Rahmen der internen sozialen Differenzierung sprenge, könnte aufgrund von 28,44 a entstehen, weil eine Umkehrung der Ordnung im Leihverkehr schlecht zur sonstigen Charakterisierung des ger paßt, der - anders als der näkrt( 15, 3; 23,21) - freie Gaben, nicht aber
52 Janssen a.a.O. S.53. - Vgl. oben S.128f. 53 Vgl. Steuernagel a.a.O. S.150f.; Hölscher a.a.O. S.222; Perlitt, Bezeichnung .Bruder' S. 45; anders (nach Reduktion des Materials auf v. 3 - 6 . 1 6 - 1 9 ) Preuß a. a. O. S. 154. 5t Seitz a.a.O. S.286.288. 55 Seitz a.a.O. S.288. 56 Auch 28,41 ist nicht ein Reflex auf die Niederlage von 587, sondern eine Anspielung auf eine übliche Praxis bei Kriegszügen, vgl. Dtn 21,10.
136
Die spätere Deuteronomistik
Kredite bekommt, und weil ihre symmetrische Entsprechung tatsächlich über die nationalen Grenzen hinausführt (28,12 b; 15,6ba). Diese Spannung läßt sich damit erklären, daß das Umkehrungsverhältnis in Hinsicht auf Kreditnahme und -gäbe in das Aufstiegs- und Abstiegsmodell eingebaut worden ist. Der Vergleich mit dem entsprechenden Segenswort 28,12b. 13a zeigt, daß es sich dabei um einen sekundären Nachtrag handelt. In 28,12b wächst die Verheißung über das Leihen wie in 15,6 aus dem Gedanken des Segens heraus, nicht dem einer Umkehrung der Verhältnisse, während 28,13 a deutlich eine Nachkonstruktion von v. 43 aßb. 44 b in vertauschter Reihenfolge ist57. V. 13 a macht weiter deutlich, daß die bildhaften Redeelemente zusammengehören, die in v. 43 f. durch v. 44 a getrennt werden. Die Unstimmigkeit in v. 44 a erklärt sich also daraus, daß zu dem positiv und vom Angeredeten her gezeichneten Thema des Leihens an die Völker eine Umkehrung gebildet und in einen vorgefundenen Kontext eingefügt wird, der die in v. 12 bß nicht genannte Gegenseite des Leihverkehrs im Falle eigener Not vorgibt. Die Aussage über das Leihen ist ursprünglich eine reine Verheißung und wird erst sekundär zu einem Umkehrfluch 58 . Die Verbindung der Vorstellung vom Leihverkehr mit dem Typus des ger in 28,44 a ist also von der angedrohten Umkehrung der sozialen Ordnung in 28,43.44 b zu unterscheiden. Die Bezeichnung ger hat in v. 44 a möglicherweise schon die Entwicklung zu der Bedeutung erfahren, die in Lev 25,47 vorausgesetzt ist59, während in v. 43.44 b der ger genau die aus dem dtn Gesetz bekannte persona misera ist. Auf eine „soziale Umschichtung" nach 587 läßt sich von Dtn 28, 43 f. her nicht schließen, der Satz ist nur eine Fluchandrohung an die Vollbürger der judäischen Landschaft in der Königszeit. Insofern gehörte dieser Beleg noch zu den Texten des dtn Gesetzes.
3.2 D e r g e r u n d d e r näkriin d e r Gemeindeversammlung (Dtn 31,12; 29,21 u.a.) An das im Liebesgebot Dtn 10,19 gipfelnde Interesse der kultischen Gebotsverkündigung und der literarischen Bearbeitung des DtrGW an der sozialen Integration des ger und seinem Schutz in der Gemeinschaft der nach der Deportation der führenden Oberschicht im Land verbliebe57
Vgl. Seitz a. a. O. S. 260, der jedoch dasselbe Verhältnis auch zwischen v. 12 b und v. 44 a sieht. 58 Insofern hat Steuernagel mit seiner Konstruktion des Parallelismus von dem Segensspruch her Recht (a. a. O. S. 150f.). 59 Vgl. Hölscher a.a.O. S.222f. mit Anm. 1 und s.u. S. 179ff. Für die Datierung von 2 8 , 1 2 b und danach 2 8 , 4 4 a gibt der Zusatz 1 5 , 4 - 6 einen terminus a quo.
Der ger und der näkri in der Gemeindeversammlung
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nen Bevölkerung Judas schließt sich seine Zurechnung zur Gemeindeversammlung, die auf die religiösen Gesetze verpflichtet wird, an. Vorbereitet ist diese Entwicklung durch die Nennung des ger im Sabbatgebot des Dekalogs (Dtn 5,14) und die Aufzählung der personae miserae bei den Erntefesten im Festkalender (Dtn 16,11.14), die nach der vorgeschlagenen Interpretation ursprünglich den sozialen Sinn der Teilgabe an der Arbeitsruhe bzw. am Verzehr des im Kult präsentierten Anteils des Ernteertrages hatten, nicht aber eine direkte religiöse Verpflichtung des ger darstellten. Demgegenüber bedeutet seine Nennung als selbständige Gestalt in der Umschreibung des Kreises, dem die Gesetzes- und Bundesverpflichtung gilt, in Dtn 31,12; 29,10 eine Neubestimmung der Stellung des ger in der Gemeinschaft der Jahweverehrer. 3.2.1 Die Verpflichtung des ger auf das Gesetz im 7-Jahres-Rhythmus (Dtn 31,12) Dtn 31,12 ist eine Ergänzung des Mosebefehls über die Verlesung des Gesetzes beim Sukkotfest im Semittajahr (v. 9-11), die die dort genannte Größe Wntr ί>3 dadurch genau bestimmt, daß sie in einem Befehl, das Volk zu versammeln (ayn jik S»npn), die Schicht der Freien und wirtschaftlich Starken durch die Nennung von Männnern, Frauen und Kindern erfaßt und ihnen den ger beiordnet. Die Gemeindeversammlung beruht danach nicht mehr auf dem Prinzip der Verantwortung des freien Mannes für sich und sein Haus und die Randgestalten in seiner Ortschaft (Dtn 5,14; 12,18; 16,11.14), sondern neben den Männern stehen selbständig die Frauen und Kinder sowie der ger60. Wenn es richtig ist, daß 31, 9-11 eine Ordnung für die Zeit nach der Zerstörung des Staatstempels schafft 61 , ist die Ergänzung v. 12 mit einer gewissen Verzögerung in dieselbe Zeit zu datieren. Da sie in ihrem Sprachgebrauch und Vorstellungshintergrund mit der zitathaften Aufnahme des Ausdrucks ynypa ΊΒΚ "pi dem dtn Gesetz nicht fernsteht, dürfte sie wiederum die einigermaßen konstant gebliebenen sozialen Verhältnisse in der judäischen Bevölkerung, die der Versammlungsbefehl zusammenbringen soll, voraussetzen und noch in die 1. Hälfte des 6.Jahrhunderts gehören. Die Tendenz, den ger als selbständige Person in der Gemeindeversammlung auf die Tora zu verpflichten, entspricht der integrativen Absicht der
60
Das von der Dreierreihe in Dtn 16,11.14 her gesehen erklärungsbedürftige Fehlen der Waise und der Witwe erklärt sich damit, daß diese Personen bei der Nennung von D-BJTI "|am mit eingeschlossen sind, vgl. zu deren Nennung auch M. Weinfeld, Deuteronomy S. 291. Im Fehlen des Leviten zeigt sich der Abstand von 31,12 zu der Zeit des dtn Reformgesetzes, vgl. auch Dtn 12,7 (s.o. zu S.49 Anm.59). 61 S.u. S. 153f.
138
Die spätere Deuteronomistik
gesteigerten religiösen Motivierung der Forderung der Fürsorge für ihn in Dtn 10,19. Dtn 31,12 läßt sich als eine Anweisung verstehen, die auf ein konkret zu realisierendes Verfahren abzielt, „das Volk" der judäischen Landschaft zu versammeln. Gegenüber dem Versammlungsgesetz Dtn 23,2-9 liegt hier eine Modifikation des Konzeptes der Gemeindeversammlung vor, die auch als ein Grund dafür geltend gemacht werden kann, daß für den Begriff mn' ί>ηρ des dtn Gesetzes keine breite Nachwirkung belegt ist. Durch die ausdrückliche Zurechnung von Frauen, Kindern und der Unterschicht zur Versammlung besteht der q'hal JHWH nicht mehr als die Größe weiter, die er in der Königszeit war. Der Vorschrift Dtn 31,12 gemäß wird in ihrer erzählenden Umsetzung der ger in der Szene der Gesetzesverlesung durch Josua in Jos 8,34 f., der paradigmatischen Ausführung des in Dtn 31, 9 ff. Gebotenen, mitgenannt. Josua verliest das Gesetz ton»" trip bj UJ, und dieser Versammlung werden wiederum ausdrücklich die Frauen, die Kinder und der ger zugerechnet62. Die Abhängigkeit von der gesetzlichen Vorschrift, den ger in den Ortschaften (-piy&a um) in gleicher Weise zu verpflichten, wird besonders deutlich in der Umwandlung dieses sozialen Typus zu einer Gestalt, die inmitten des Volkes des Landeroberungszuges mitzieht ( t m p a ηϊ>πη nam) 6 3 .
3.2.2 Der ger in der zum Bundesschluß versammelten Kultgemeinde (Dtn 29,9-14) Anders als in der gesetzlichen Vorschrift Dtn 31,12 wird in Dtn 29,10 der ger in einer kultischen Anrede an die gewissermaßen vor Augen stehende Versammlung genannt64. Dtn 29 gehört nach den Untersuchungen von D. Knapp in den Bereich der Spät-Deuteronomistik, und an den „spät-dtr Stil" sollte man „in bezug auf Stringenz und sprachliche wie sachliche Einheitlichkeit nicht
« Vgl. M. Noth, Josua S.52f. Nach Noth hätte die Grundschicht von 8,30-35 sowohl von !>m®als auch von ^m®" i>np ^d gesprochen, während die „Einzelaufzählung" sekundär nachgetragen wäre. Aber die Angabe, daß Josua die Verlesung Ϊ Ί Π Β - I>NP> !>D U J statt !>m®" ί>3 υ : (Dtn 31,11) vorgenommen habe, erweist die Rücksicht schon auf Dtn 31,12. Die Einzelaufzählung ist dann keine sekundäre Ausweitung dessen, was der ^ΧΊΒ- !>np umfaßt, sondern wie in Dtn 31,12 direkt seine Umgrenzung (trotz des Fehlens des Gliedes vgl. LXX). 63 Die LXX empfindet offenbar diese Schwierigkeit und bietet darum als Übersetzung: οι ηροσηλυτοι οι προσπορευομενοι τω Ισραήλ, so daß der „Fremde" nicht von vornherein mitzieht, sondern erst - im Land - hinzukommt. 64 Vgl. G.v.Rad, Deuteronomium S. 129: „... die zum Bundesschluß versammelte Kultgemeinde wird genau nach ihren Ständen spezifiziert".
Der gerund der näkriin der Gemeindeversammlung
139
zu strenge Maßstäbe anlegen" 65 . Die Anrede an die Versammlung in 29,9-14 kann danach trotz des Numeruswechsels als eine Redeeinheit gelten 66 . Die vorgestellte Szene spiegelt mit dem fünfmaligen n r n offenbar einen kultischen Akt der Bestätigung des besonderen Bundesverhältnisses der Versammlung, und insofern diese „Israel" repräsentiert, des Volkes Israel, zu dem Gott Jahwe wider. Das Thema der Szene verlangt bei der Repräsentation dieses Israel seine Vollständigkeit. V. 9 b. 10 und in anderer Hinsicht v. 13 f. führen darum die in der Literatur mosaische, im rituellen Vollzug priesterliche Anrede DD^D (v. 9 a) aus. Das tragende Konzept ist dabei die Repräsentanz durch Führer der Stämme ("»in DD-AN® 6 7 ), womit der Abschnitt schon ursprünglich auf der Vorstellungsebene der späten Nachträge in Dtn 1,15 und 5,23 liegt68. Der „akribische(n) Explikation des DD!>3" 69 haftet also eine gewisse Künstlichkeit an, die auch in der Häufung von Funktionsträgern 70 neben der Gesamtbezeichnung J>mtr i>371 sichtbar wird. V. lOaßb läßt erkennen, wie die Rücksicht auf die religiöse Literatur in die kultische Rede einfließt und die Anschauung der sozialen Realität überlagert. Der Passus, der als mosaische Rede seinen literarischen Ort im Dtn gefunden hat, nimmt direkten Bezug auf die erzählerische Darstellung der westjordanischen Landnahme. Die in v. 10 b genannten Gestalten der „Holzhauer und Wasserschöpfer" sind aus Jos 9,27 zitiert, und es ist deshalb wahrscheinlich, daß auch der ger mit der den geläufigen Relativsatz -pnytsn variierenden Näherbestimmung "pna mpn aus Jos 8,35, der Umsetzung des Versammlungsgebots Dtn 31,12, stammt 72 . Angesichts
65
D . Knapp, Deuteronomium 4, S. 128 ff., das Zitat S. 50. Vgl. ebd. S. 141.144 sowie die grundsätzlichen Bemerkungen zum Numeruswechsel Anm.161 S.169. 67 Vgl. zu dieser Konjektur C. Steuernagel, Deuteronomium S. 156; J. Buchholz, Älteste S. 19 mit Anm. 19. 68 Oder Anlaß für die dortigen Interpolationen ist; vgl. zu den Stellen S. Mittmann, Deuteronomium S.32; Buchholz a . a . O . S. 19. ? Buchholz ebd. 70 Vor 03-TB® könnte DS-BD® ausgefallen sein, vgl. L X X und Jos 23,2; 2 4 , 1 . 71 Diese Bezeichnung im Dtn sonst nur noch als Gegenüber der nicht mehr priesterlichen Leviten in 27,14. Nach Steuernagel a . a . O . S. 156 könnte der Ausdruck ein Zusatz sein, aber s. o. die Charakterisierung des „spät-dtr Stils". 72 Die Ursprünglichkeit von v. 10 a β erhellt daraus, daß die F o r m e l . . . ι»κ · ρ j der Anlaß für den Wechsel in die singularische Anrede v. 11, der vor 13 f. unentbehrlich ist (anders Steuernagel z. St.), gewesen ist. Man kann die Variation des Relativsatzes nicht einmal situationsgemäß nennen, weil v. 10 b nicht ein wanderndes Lager voraussetzt. - Daß, wie Buchholz a. a. O. S. 20 annimmt, Dtn 3 1 , 1 2 „in sprachlich abgewandelter Form" aufgrund von 2 9 , 9 f. nachgetragen ist, scheint weniger wahrscheinlich als die Entwicklung von der konkreten Anweisung 3 1 , 1 2 über die exemplarische historisierende Ausführungserzählung Jos 8,35 zum typisierenden Element kultischer Rede. 66
140
Die spätere Deuteronomistik
des Interesses von 29,9-14 an einer vollständigen Umschreibung von „Israel" kann man wegen des Fehlens der mTR-u-Klausel trotz des Rückgriffs auf Jos 8,30-35 die Zufügung dieser Glosse in Jos 8, 33 als terminus ante quem für die Datierung des „spät-dtr" Abschnitts bestimmen. Ist die Nennung des ger in 29,10 durch eine Linie (Dtn 5,14 usw.) - Dtn 31,12 - Jos 8, 35 - Dtn 29,10 zu erklären, läßt sich kein Bedeutungswandel der Bezeichnung hin zu einem als Proselyt von außen neu in die Religionsgemeinschaft eintretenden Fremden nachweisen73 . 3.2.3 Die Erwartung des näkrt als Glied der Religionsgemeinschaft (Dtn 29,21-27; lKön 8,41-43) Die Frage, ob im Bereich des dtn-dtr Schrifttums das Problem des Zutritts eines Fremden zur Religionsgemeinschaft im Sinne eines bewußten Wechsels zur Verehrung des Gottes Jahwe eine Rolle spielt, stellt sich dagegen in Hinsicht auf die Bezeichnung näkrt. Das Versammlungsgesetz aus der späten judäischen Königszeit Dtn 23,2-9 bietet keine allgemeine Regelung dieses Problems, da es zu sehr auf die für sich je differenziert beurteilten Nachbarvölker beschränkt ist und nicht einmal diese vollständig erfaßt. Es ist jedoch grundsätzlich auf eine Offenheit der Jahwegemeinde angelegt, wenn auch zunächst eine aufgrund der vätergeschichtlichen nationalreligiösen Tradition bestehende vorgängige Beziehung zu Israel als Kriterium geltend gemacht wird (23, 8aß.bß). Als eine praktikable Regelung kann das qähäl- Gesetz nach dem Ende des judäischen Staates kaum mehr bindend gewesen sein74, so daß ein gewisser Freiraum für die geschichtliche Entwicklung gegeben war, die zu der aus der Nehemia-Denkschrift bekannten Lage geführt hat. Für das Problem des näkrt und seiner Beziehung zur jahwistischen Religionsgemeinschaft gibt es im Bereich der Deuteronomistik noch kein eigentliches Gesetz, man kann aber zwei dtr Notizen auf ihre Voraussetzungen in gesetzlichen Auffassungen und in der historischen Realität hin befragen.
73 Anders Steuernagel a.a.O.: „Der u , der zur Bundesgemeinde gerechnet wird, ist hier schon = Proselyt." Auch B. Lang wertet Dtn 29,10; 31,12 als Belege dafür, daß gerim Fremde sind, „die sich der JHWH-Religion öffnen" (ThWAT V, 457). Die literarischen Bezüge verbieten es aber, die Bezeichnung ger hier anders als in den sonstigen Belegen des Dtn zu deuten. 74 Das Verbot der Zurückweisung des Edomiters Dtn 23,8 a und der sog. Edomiterhaß nach 587 (Ps 137,7; Am 1,11 f. u.ö.) lassen sich nicht harmonisieren, vgl. auch oben S. 114ff. Als eine förmliche Abrogation des Gemeindegesetzes interpretiert H.Donner Jes 5 6 , 1 - 8 mit Datierung in die 2. Hälfte des 5.Jahrhunderts (S.82.85).
D e r g e r u n d der näkriin
der G e m e i n d e v e r s a m m l u n g
141
In Dtn 29,21 wird der national Fremde aus fernem Land, also nicht eine Gestalt aus den direkten Nachbarvölkern oder von den Bewohnern des als israelitisch beanspruchten Territoriums, in Parallele gestellt zu den eigenen Nachkommen der Angeredeten. Der Aufbau des Abschnitts 29,21-27 erschwert die Bestimmung der Beziehung des näkri zu diesen genuinen Nachkommen, weil in der Wiederaufnahme der Frageeinleitung v. 23 a das Subjekt D^nn b j heißt, also nicht die Glieder der Jahwegemeinde fragen, sondern Außenstehende, deren Repräsentant schon in v. 21 a der näkri sein könnte 75 . Einer solchen Ineinssetzung von "OJ und crun i>3 steht jedoch entgegen, daß der Ausdruck α-πη i>3 keinen Bezug zu dem Konzept des Fremden npirn ρ κ η hat, sondern eher, wenn überhaupt eine geographische Vorstellung mit ihm verbunden ist, auf die umliegenden Nachbarvölker blickt. Die Erwähnung des näkri in v. 21 geht also nicht auf den Topos zurück, daß andere, Außenstehende danach fragen, warum Jahwe dies und das seinem Volk angetan habe. Es ist vielmehr wahrscheinlich, daß der näkri in der Parallele zu den „Söhnen" zu der Einheit der „künftigen Generation" gerechnet wird und v.21aa 2 ßy eine Explikation von jnnxn i n n sind76. Nach Dtn 29,21 ist der einzelne Fremde aus fernem Land ein mögliches Glied der Gemeinschaft des Jahwevolkes. Der Text Dtn 29, 21-27 hat jedoch nur bedingt einen Quellenwert für die religionsgesetzliche Entwicklung im Hinblick auf den Fremden, da er verschiedene literarische Vorgaben aufgreift und seine Datierung problematisch ist. Es handelt sich um eine „Gerichtsbegründung im Frage-Antwort-Stil", wie sie aus dem Jeremiabuch bekannt ist77. In der Variante, d a ß Fremde n a c h den G r ü n d e n für das v o r A u g e n liegende U n g l ü c k fragen, b e g e g n e t diese R e d e f o r m n o c h in Jer 2 2 , 8 f. u n d 1 K ö n 9, 8 f . p a r . 2 C h r 7 , 2 1 f. V o n b e i d e n Belegen unterscheidet sich D t n 2 9 , 2 I f f . durch seine Anschauungslosigkeit. In 1 K ö n 9, 8 f. b e z i e h t sich die Frage n a c h d e m gegenwärtigen Zustand v o n Land u n d T e m p e l auf d e n zerstörten T e m p e l ; der dtr E r g ä n z e r gibt „eine eindrückliche D e u t u n g des Schicksals des T e m p e l s ,
75 Trotz seiner Inkonsistenz ist der „spät-dtr" Abschnitt Dtn 29,21-26 als Einheit zu beurteilen, denn die Frage v. 23 aß setzt das „Sehen" v. 21b voraus, und v.23b wohl auch v.22(bßy). Vgl. Knapp a.a.O. S. 149ff., der jedoch v.22 als Zusatz ausscheidet. Zu v.27 s.u. Anm.81. 76 Steuemagel u.a. fassen -nsani als zweites Subjekt zu dem pluralischen Prädikat ι χ π v. 21 b neben jnnxn u m auf. Die singularische Verbform nam ν. 21 a spricht jedoch dafür, 03-ja II -TDjm als Explikation von ριπκπ min zu erklären. Der Plural in v. 21b setzt dann die Mehrzahl aus dieser Explikation fort. Der Begriff n i ist hier kein genealogischer Begriff, sondern bezeichnet das „zu einer bestimmten Zeit lebend(e) Menschenkollektivum", vgl. G. Gerleman, T H A T 1,444. 77 Vgl. hierzu und zum folgenden W.Thiel, Jeremia S. 295ff.
142
Die spätere Deuteronomistik
wie es seiner Generation vor Augen steht"78. In gleicher Weise richtet sich in dem Text der dtr Bearbeitung des Jeremiabuches die Frage der Völker (D-3T D'U) auf die Stadt Jerusalem 79 . Beide Texte stehen in einem nicht zu großen Abstand von den Zerstörungen im Jahr 587. In Dtn 29,21 ff. kann das Frage-Antwort-Schema dagegen erst nach einer Beschreibung des erklärungsbedürftigen Zustandes verwendet werden, die sich nicht auf tatsächliche Gegebenheiten bezieht, sondern die Zeichnung des Eintreffens einer Verfluchung gibt (vgl. v. 26 b α) 80 .
Im Vergleich mit Jer 22, 8 f.; 1 Kön 9, 8 f. erweist sich Dtn 29,21 ff. als eine Nachahmung, die den Ereignissen von 587 schon so fern steht, daß die Gerichtsbegründung an eine unwirklich übersteigerte Lagebeschreibung angeknüpft werden kann. Für die Datierung des Textes kann kein bestimmter geschichtlicher Wandel als „Besserung" der in v. 21 b. 22 ausgemalten Lage, und so auch nicht etwa der Wiederaufbau des Tempels 520-515, als terminus ad quem gelten. Das formelhafte πτπ o r 3 bezieht sich nur auf v. 27, der die jüdische Diaspora zu jeder beliebigen Zeit nach 587 im Blick haben kann 81 . Von der Bestimmung des Abhängigkeitsverhältnisses zu Jer 22, 8 f. und 1 Kön 9, 8 f. her fällt auch Licht auf die Nennung des näkri in v. 21. Denn wenn 29,21 ff. nur auf literarische Vorlagen zurückgreift, ist es wahrscheinlich, daß v. 21 diese Gestalt nach 1 Kön 8,41-43 (η&κ -Ί3ίπ . . . π ρ im ρ κ η ΚΙ[Ί. . . ] ) zitiert. Dtn 29 interpretiert dann den näkri aus dem Tempelweihgebet als gleichgestelltes Glied der Gemeinde ( i n ) , ohne daß des näheren gesetzliche Auffassungen von den Bedingungen seines Anschlusses erkennbar würden. Von Dtn 29,21 ist also auf die Vorgabe 1 Kön 8,41 ff. zurückzugehen. Der näkri wird dort in dem Teil des Tempelweihgebets genannt, der sich als Bitte um Jahwes Gehör für Gebete des Volkes an die Bitte um Erhaltung der davidischen Dynastie nach ihrem Sturz im Jahr 587 anschließt (1 Kön 8,29-53) 82 . Bezieht sich das Weihgebet einerseits zwar
78
E.Würthwein, Könige 1,104 f. Vgl. Thiel a.a.O. S.240. 80 Dtn 29,21 b spricht nur metaphorisch von „Plagen und Krankheiten", v. 22 beschreibt den Zustand nach Gen 19,24 f. In v. 22 hat die Ausführung zum Stichwort natxn nns aus Gen 19,25 bß nicht einmal nach den Bemerkungen 2 Kön 25,11 f. Anhalt an den Verhältnissen in Juda nach 587. 81 Wer in v.27 eigentlich Objekt ist, bleibt unklar. Die Voraussetzung von v. 21 ist, daß Bewohner im Land sind. Die Demonstration des Eintreffens der Verfluchung ist bereits mit v.26 fertig. Anders macht Steuernagel a.a.O. S. 157 v.27 als Beweis für die Hinsicht des Verfassers auf den „Zustand des Landes während des Exils" geltend, vgl. so auch Knapp a.a.O. S. 150. 82 Vgl. zum ganzen Text Würthwein a. a. 0 . 1 , 9 1 ff. Würthweins Analyse macht das „sukzessiv(e) Wachstum" des Kapitels deutlich, aber zugleich auch, daß „alle Texte" in 8,14-61 „dtr Gepräge (tragen) und ... jeweils spezifisch dtr Themen (vertreten)" (S.96).
D e r ger und der nakri in der G e m e i n d e v e r s a m m l u n g
143
betont auf den judäischen Staatstempel, stammt es andererseits jedoch aus der Zeit nach der Zerstörung des Tempels und dem Aufhören des Tempelkults der Königszeit. Obwohl das Fortbestehen eines Altars am Tempel zutage liegt (v. 31 b), kommt der Tempel83 nur als Gebets-, nicht als Opferstätte in Betracht. In der Gebetsanrede des Königs Salomo ist die Kollektivbezeichnung für die Jahweverehrer Wn«r "|ny (v. 30.32 LXX.33f. u.ö.), d.h. daß der Text nicht auf die konkrete Verfassung der Gemeinde blickt, sondern - anachronistisch und durch die fiktive Redesituation bedingt - in religiöser Diktion vom Staatsvolk spricht. Dementsprechend erschwert es der Stil der Rede, die dem Verfasser gleichzeitige und von ihm vertretene Konzeption der Verfassung der Religionsgemeinschaft zu beschreiben. Der in v. 41-43 genannte nakri steht außerhalb des Jahwevolkes Israel (v.41aß) und repräsentiert die anderen Völker (pxn -ny S>3), die dadurch, daß Jahwe seinen Gebetswunsch erfüllt, dazu kommen sollen, den Namen dieses Gottes zu erkennen, ihn so wie sein Volk Israel zu fürchten und die besondere Qualität des Jerusalemer Tempels zu erkennen. Es geht nach dieser Bitte um einen Machterweis des Gottes Jahwe an dem Fremden, der die anderen Völker vertritt, um der Erkenntnis der Völker willen84, nicht um die Aufnahme dieses Fremden in die kollektive Größe „Israel". Der Fall des nakri im Tempelweihgebet ist danach ein rein hypothetischer Fall mit einer bestimmten Funktion für den Erweis bzw. die Anerkennung der universalen Macht der Gottheit des Jerusalemer Tempels, der vor dem Hintergrund etwa der kosmologischen Prädikationen Jahwes im Tempelkult zu sehen ist. Spiegelt so 1 Kön 8,41-43 zwar nicht eine bestimmte geschichtliche Situation hinsichtlich des Auftretens von naknm in Jerusalem und Juda wider, lassen sich doch gewisse normative Orientierungen erschließen. Der Tempel als Gebetsstätte ist nicht gegen Fremde abgeschlossen, aber: die zugelassenen Fremden kommen als Vertreter von p x n -ny i»3 nicht aus den judäischen Nachbarterritorien, sondern npim p x a . l K ö n 8,41 ff. steht damit seinen gesetzlichen Voraussetzungen nach auf einer Stufe mit dem Bündnis- und Schonungsverbot bezüglich der Völker des beanspruchten oder direkt umliegenden Landes (Dtn 7,1 ff. u. ö.). D i e Zulassung des Fremden aus einem fernen Land z u m T e m p e l entspricht der literarisch sekundären Einschränkung der Vorschrift für d e n Überfall auf eine
83
Ein Problem ist der Ausdruck πτπ η-πα (v. 31.33), wenn der Tempel in Trümmern liegt. Von der von Würthwein a. a. O. S. 98 erörterten Alternative - entweder fiktiv der Bestand des vorexilischen Tempels vorausgesetzt oder Gebet im Zweiten Tempel - sollte man im Kontext des Tempelbauberichts die erste Möglichkeit nicht zu schnell verwerfen. 84 Vgl. M.Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien S. 102 f. 109.
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Die spätere Deuteronomistik
fremde Stadt in Dtn 20,10 ff. auf alle weit entfernten Städte (v. 15 a)85, während sich aus einem Überfall auf die Städte von ηί>κπ α-ππ keinerlei Beziehungen zu Uberlebenden ergeben sollen (v. 15 b. 16 f. 18 )86. Der Passus des Tempelweihgebets setzt diese Konzeption der Absonderung von den Völkern, die eine Verführung zu religiöser Assimilation darstellen könnten, voraus. 1 Kön 8,41 ff. ist also kein Dokument dafür, daß nach der Errichtung des Zweiten Tempels „die ursprüngliche Abgeschlossenheit nach außen ... gelockert worden (sei)"87, da diese Abschließung ein Problem der Selbstbehauptung in der unmittelbaren Umwelt ist, der näkn aus fernem Land aber nur als eine typisierte Gestalt zum Erweis der universalen Macht des Gottes Jahwe auftritt. Die Bitte, die der dtr Redaktor Salomo in den Mund legt, läßt nicht erkennen, ob und in welcher Weise ein näkri &in Glied der Religionsgemeinschaft werden kann; ein Problem, das sich in Juda in der Mitte des 6.Jahrhunderts, während der Jerusalemer Tempel noch in Trümmern lag, kaum schon gestellt haben dürfte. Die Stellung des dtr Verfassers des Textes 1 Kön 8,41-43 gegenüber dem näkri, der aus fernem Land zum Jahwetempel kommt (und kommen soll), unterscheidet sich dennoch von der Stellung des dtn Gesetzgebers gegenüber dem näkn, der mit den Judäern in wirtschaftlichem Verkehr steht (Dtn 14,21 a; 15, 3; 23,21). Der näkri soll hier, wie es die Erhörungsbitte zeigt, positiv in eine Relation zu dem Gott Jahwe treten, während im dtn Gesetz durch die Ausgrenzung aus dem durch die Geltung besonderer Gebote qualifizierten Jahwevolk keine Relation überhaupt besteht. Der Konzeption des dtn Gesetzgebers entspricht in seiner Zeit eine soziale Realität, der Konzeption des dtr Autors noch nicht. Man kann darum nicht sagen, daß nach 1 Kön 8, 41 ff. der Fremde anderer Nationalität einen bewußten Eintritt in die jahwistische Religionsgemeinschaft vollzieht. Die Problemkonstellation ist erst in Jes 56,1 ff. eine andere, insofern als es dort konkret um die Zugehörigkeit des Fremden (na^n-p) zum Jahwevolk geht. Innerhalb der Deuteronomistik zeichnet sich der Zutritt des Typus des näkn zur verfaßten Religionsgemeinschaft nur als eine Möglichkeit ab, deren religionsgesetzlicher Aspekt noch nicht entfaltet wird, weil sie in einem universaleren Erwartungshorizont steht (v. 43 b).
85 Gegen die man sowieso derartige Überfälle nicht ausführt. Vgl. zum Thema des Gesetzes Μ. I. Finley, Krieg und Herrschaft S. 84 ff. 86 Vgl. zu diesen Texten und dem Banngebot die Bemerkungen von H. D. Preuß, Deuteronomium S. 189. 87 A. Bertholet, Stellung zu den Fremden S. 128; zustimmend zitiert von Würthwein a.a.O. S.99.
Die Verteidigung des davidischen Thronanspruchs
145
3.3 Die Verteidigung des davidischen Thronanspruchs gegen den 'z7 näkri (Dtn 17,15) Das sog. Königsgesetz im dtn Gesetz, in dem ein "Ί33 ausdrücklich von der Thronfolge in Juda ausgeschlossen wird, ist ein Text, bei dem die Zurechnung zum Grundbestand des dtn Gesetzes oder die Zuweisung an die spätere Deuteronomistik umstritten sind. Im Rahmen der Frage nach der Stellung des Fremden im antiken Juda ist jedoch eine Untersuchung des Belegs für den Fremden im Königsgesetz geboten, obwohl sie scheinbar aus dem Bereich der Gesellschaftsgeschichte in den der Institutionengeschichte wechselt. Während die bisher angeführten Quellentexte jeweils einen bestimmten sozialen Typus im Spektrum der Bevölkerung der judäischen Monarchie zeigten und dessen ökonomische und soziale Lage oder Randlage in der Gesellschaft erkennen ließen, geht es im Königsgesetz nicht um eine Schicht oder Gruppe, sondern um ein Amt, die Spitze der Machthierarchie in Juda. Mit der sozialgeschichtlichen Fragestellung bei der Interpretation der Belege für die Bezeichnungen ger bzw. näkri im dtn Gesetz ist eine Erklärung von Dtn 17,14-20 jedoch insofern verbunden, als das Gesetz eine Verfaßtheit der judäischen Gesellschaft zur Voraussetzung hat, bei der ein 'ts näkri ein so ernsthafter Thronprätendent werden könnte, daß im Religionsgesetz seine hypothetische Thronfolge verboten werden muß. Daneben steht der zweite Aspekt, daß das Gesetz, wenn es denn ein eigentliches Gesetz ist, keine solcherart verfestigten Machtstrukturen voraussetzt, daß eine Thronnachfolge (genauer: Thronbesetzung) nach einem sicheren Muster abliefe und ohne daß das - im Gesetz kollektiv angeredete - Volk die Chance hätte, etwa einen '« näkri einzusetzen. Die mögliche Verfügbarkeit des Thrones für vom Volk einzusetzende Kandidaten88 ist für die judäische Monarchie mit ihrer davidischen Dynastie ein unlösbares Problem, denn sowohl bei internen Revolten (2Kön 11) und Unmündigkeit des Prinzen (2Kön 21,24; 22, 8) als auch beim Eingriff ausländischer Despoten (2Kön 23, 33 f.; 24,17) war klar, daß ein Davidide auf den Thron gehört. Nach allem, was man historisch weiß, ist in der Königszeit das Königsamt weder in Israel noch in Juda so frei verfügbar, wie das Gesetz es voraussetzt89. Von seiten der In-
88 Zu beachten ist, daß es nach dem Gesetz nicht um (militärische) Thronrevolten geht, wie sie aus der (nord-)israelitischen Monarchie bekannt sind. 89 Wenn A.Alt, Die Heimat des Deuteronomiums S.266 Anm. 1, sagt, daß „das ausdrückliche Verbot der Erhebung eines Ausländers auf den Thron . . . bei Beziehung auf die Verhältnisse im Reiche Israel sehr viel sinnvoller (erscheine), als wenn man an das dynastisch gebundene Königtum der Davididen denkt . . . " ist damit noch nicht gesagt, daß es tatsächlich sinnvoll sei. Das Argument wirkt aber in der Debatte um die Herkunft des dtn
146
Die spätere Deuteronomistik
stitutionengeschichte richten sich diese Fragen nicht nur gegen die in Dtn 17,15 b in den Blick genommene Möglichkeit des Auftretens eines 'iT näkri als Thronprätendent, sondern auch schon gegen das für das Gesetz 17,14 ff. grundlegend vorausgesetzte Machtverhältnis zwischen Volk und König. Dtn 17,14-20 ist ein „Gesetz" mit drei Paragraphen. Es betrifft erstens die Einsetzung des Königs (v. 14 f.), zweitens die Beschränkung seiner Machtmittel und Machtentfaltung (v. 16 f.), drittens seine Unterordnung unter das der Priesterschaft anvertraute Religionsgesetz (v. 18 ff.). Der erste Teil des Gesetzes behandelt zwei Aspekte, den der Einsetzung eines Königs überhaupt (v. 15 aa) und den der Wahl des rechten Kandidaten (v. 15aßb), wobei der 'i7 näkri ins Spiel kommt. Die literarkritische Frage bei der Analyse des Königsgesetzes als einer historischen Quelle ist eine doppelte: die interne nach Aufbau und Schichtung des Gesetzes selbst, und die externe nach seiner Stellung im Zusammenhang des dtn Gesetzes. In beiden Fragen kann die Beschreibung, des Textes hier der glänzenden Analyse von F. Foresti, nicht ohne eine gewisse Vergröberung seiner Differenzierungen, folgen 90 . Das Gesetz beginnt mit der syntaktischen Einheit aus dem temporalkonditionalen Einleitungssatz 91 v. 14 und dem Gebot v. 15aa. Da v. 15aa kein selbständiger Gebotsanfang ist und die in der 3.pers. sing, formulierten Gesetze über die Machtbeschränkung v. 16 f. von der Einsetzung des Königs in v. 15 aa abhängig sind, läßt sich keine von dem Einlei-
Gesetzes immer noch mächtig nach, vgl. ζ. Β. H. Donner, Geschichte S. 353. U.Rüterswörden, Gemeinschaft Anm. 33 S. 134, erklärt zwar, „in der exilisch-nachexilischen Zeit, in der es überhaupt keine Könige mehr zu wählen gab, (sei) diese Bestimmung noch viel weniger zu verstehen" (als in der Königszeit), unterläßt es aber, dem Leser mitzuteilen, wie sie denn in der Königszeit zu verstehen sei und wie damals die „Wahlen" ausgesehen hätten. Letzteres wäre besonders deshalb von Interesse, weil in der sachlichen Erklärung nur alternativ geboten wird: „Sukzession: genealogisch" (S. 90) bzw. „Art der Designation": „der König wird vom Volk eingesetzt und von Jahwe erwählt" (S. 92). Der Hinweis auf einen „Berührungspunkt zu Verhältnissen des Nordreiches Israel" (S. 60) ist im Zuge von Rüterswördens Gesamtinterpretation von Dtn 16,18-18,22* als eines konzentrierten vorexilischen judäischen Verfassungsentwurfs wenig erhellend. 90 Redazione S. 104-127. Der Übersichtlichkeit halber sei das Resultat von Forestis Analyse tabellarisch präsentiert: I 1 4 a b a . l 5 a b a (ohne η-πκ π ρ η ) II 14 bß III -ρπκ 2ipn (in 15ba). 16aai. 17aab. 20 aa IV 17 aß. 18.19aa. 20 aß V 19aßb. 20 b VI 15 bßy VII 16aa 2 ßb 91 Foresti a.a.O. S.57.
Die Verteidigung des davidischen Thronanspruchs
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tungssatz unabhängige Grundlage des Königsgesetzes nachweisen92. Aufgrund der Einleitung, nach der der Satz v. 15 aa die Antwort auf den Satz v. 14ba ist, ist für den Text Dtn 17,14-20 nicht eine Beschreibung als „Gesetz", sondern nur eine als „Erlaubnis" zutreffend93. Das Thema des sog. Königsgesetzes ist ursprünglich eine Fragwürdigkeit der Institution als solcher, nicht das Verfahren bei einer Inthronisation. Als Text über die grundsätzliche Legitimität des Königtums ist das Königsgesetz also vielmehr als Monarchiestatut zu bezeichnen. Seinem Thema entspricht in v. 15 aßb der Satz, daß der von Jahwe Erwählte zum König eingesetzt werden solle94. Von den konkurrierenden Näherbestimmungen bezüglich der Person des Königs, daß er der Erwählte Jahwes sein wird95 und kein Ausländer ( " m trx) sein darf, gehört die erstere urspünglich als Modifikation der generellen Erlaubnis in den Zusammenhang des Gebots. Das Monarchiestatut stellt nicht nur die göttlich gewährte Legitimität der Institution fest, sondern, indem es ankündigt, daß es einen Erwählten Jahwes geben werde, auch die der Dynastie. Das mit der Erwählungskonzeption konkurrierende Verbot der Einsetzung eines Ausländers gehört demnach nicht zum primären Stadium des ersten Paragraphen von Dtn 17, 14-20 96 , dem nur v. 14.15 aba zuzurechnen
92
So mit G. Seitz, Deuteronomium S.232, Rüterswörden a.a.O. S.54f., Foresti a.a.O. S. 105 f. gegen R. P. Merendino, Das deuteronomische Gesetz S. 180f. 185. 93 Foresti a.a.O. S. 104.119. Das emphatische α-en Di® gebietet doch wohl mehr zu sagen, als daß „das Königtum fast widerwillig als ein Zugeständnis an die geschichtliche Wirklichkeit aufgefaßt ist" (G.v.Rad, Deuteronomium S. 85). 94 Die syntaktische Strukturierung von v. 15aba gegen die LXX und die Masoreten durch Foresti a. a. O. S. 105 f. fördert sehr das Verständnis des Verses: wegen der grammatikalischen Schwierigkeit der Beziehung des Relativsatzes auf das indeterminierte Wort -)i>n schlägt Foresti vor, den Relativsatz als Objekt (vgl. 1 Sam 10,24) aufzufassen und die zwei Sätze im Verhältnis von erst genereller, dann spezieller Aussage zu lesen: l!>0 "T^y 0ΊΜ1 Dl® l^a -ρ!·? D-bji [ . . . ] la "ΓΠ!>Κ mrr ma" -ι®κ Wird so v. 15aßba zu v. 15aa gezogen, ergibt sich auch die beste Erklärung des Wechsels von Di® zu in] in v. 15bß. 95 Wenn man hier auf den Begriff ina Gewicht legt, zeigt sich wiederum, daß mit den „Verhältnissen im Reiche Israel" nichts erklärt wird: Erwählung wird nur vom primus rex Saul (1 Sam 10,24) und vom ersten Davididen David (1 Sam 16,1-13; 2 Sam 6,21; 1 Kön 8,16; 11,34) ausgesagt. Auch in Hoseas Kritik der Thronrevolten spielt der Begriff i m keine Rolle. 96 Alt a. a. O. S. 265 Anm. 3, erwägt (vordeuteronomische!) Sekundarität des Erwählungssatzes v. 15aß. Rüterswörden a.a.O. S.59f. spricht im Blick auf v. 15 von „eine(r) gewissein) Inkohärenz" „auf der Ebene der zugrunde liegenden Vorstellungen", bzw. mit einem Zitat von F.Horst von der „,völlig andere(n) Orientierung'" (von v. 15a verglichen mit v. 15 b), scheint sich aber unter Berufung auf den „deuteronomischen Charakter von v. 15" mit Seitz gegen eine redaktionelle Differenzierung der Sätze „völlig anderer Orientierung" zu entscheiden.
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Die spätere Deuteronomistik
sind97. Da es eine möglicherweise von gewissen Parteien favorisierte Entscheidung verbietet, dürfte es eine redaktionelle Erweiterung von aktuell polemischem und normativem Charakter sein. Um die Möglichkeiten für die Datierung dieses Zusatzes abwägen zu können, ist zunächst nach weiteren Kriterien für die Datierung des primären Stadiums des Monarchiestatuts zu fragen. Denn während sich die fundamentale Reflexion auf die Legitimität von Institution und Dynastie am ehesten nach ihrer Katastrophe einordnen läßt, scheinen v. 16 f. Instruktionen zu geben, die in der Zeit einer bestehenden Monarchie Geltung beanspruchen. Dem König wird verboten, sich Rosse, Frauen, Silber und Gold „viel zu machen". Ob mit dem Neueinsatz des zweiten Paragraphen mit der einschränkenden Partikel pi eine neue redaktionelle Schicht sich äußert, läßt sich rein nach sprachlichen Kriterien nicht entscheiden. V. 16 f. enthält eine allgemein zu Recht zusammengenommene Dreierreihe von Verboten: - D-010 lb Π3Τ Ki> - G-»J l!> Π3Ί- K!>1 - 1KB i!> m v xi> arm ηθ3ΐ
Da die Gebote grundlegend kontextgebunden und kein selbständiges Traditionsgut sind98, können zum zweiten und dritten Gebot noch für das primäre Stadium die motivierenden Finalsätze hinzugerechnet werden, obwohl sie nicht so gleichförmig wie die Gebote selber sind, und der zum dritten Gebot gehörige Finalsatz durch den neueingeleiteten dritten Paragraphen des Statuts von seinem Gebotssatz abgetrennt ist. Danach ist v. 17 a a mit v. 17 aß, v. 17b mit v.20aa verbunden. Wegen der Parallelität der Gebote ist dann aber auch im ersten Fall die Verbindung mit einem das Gebot motivierenden und damit zugleich seinen Sinn erklärenden Satz zu erwarten. Obwohl der mit κ!>ι + impf, eingeleitete Folgesatz in v. 17 aß konsekutivisch, in v. 16 aci2 Imperativisch klingt, ist das Verhältnis zum jeweiligen Gebot in beiden Fällen dasselbe konsekutivische: eine angestrebte Vielzahl an Frauen würde das Herz des Königs „abwenden"99, eine angestrebte Viel-
97 Forestis nie unbegründete, aber nicht immer zwingende Differenzierungen gehen weiter: „-Jin-no TBK π-υπ ^dd" v. 14bß rechnet er zum zweiten Stadium, da die Formel pejorativen Sinn habe. Es könnte aber auch neutral das Vorbild der monarchischen Verfassung der Nachbarvölker gemeint sein, vgl. T.Veijola, Königtum S.68f. und dagegen wiederum U.Becker, Beurteilung des Königtums S.253f., der vom „kritischen Akzent" der Formel spricht. - -ρπκ mpa v. 15bai rechnet Foresti zum dritten Entstehungsstadium wegen einer Korrespondenz von o-nx hier und in v. 20 aa. Der Sprachfluß im Stadium I ist dann hervorragend schön. 98 Auch Alt meldet hier Zweifel an einer „älteren apodiktischen Satzreihe" an (a.a.O. S. 264 Anm. 3), deren Theorie ja auch stets die soziologisch breite Promulgation voraussetzt. 99 Das absolute n o ist abbreviaturhaft, gemeint ist: von der rechten Verehrung Jahwes. Daß der Ausdruck in dieser Kürze genügt, zeigt die Blickrichtung des Redaktors nach
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zahl an Pferden würde ihn veranlassen, zwecks ihrer Beschaffung „das Volk"100 nach Ägypten „zurückzuführen"101. Es spricht deshalb nichts dagegen102, auf derselben redaktionellen Ebene die drei Gebote mit ihren drei Motivationen zu verbinden103. Zur Gebotsreihe in v. 16 f. gehören also noch jeweils die Sätze: οίο m a i n lyn^ n a - i x a ajm jik a-sr κ!>ι Uli" TO" KV»I r n x n m!> o n "ΙΙΪΊ!> -
War der erste Paragraph des Monarchiestatuts die grundsätzliche Legitimierung von Institution und Dynastie und nicht eine praktikable Königswahlordnung, so ist auch der zweite Paragraph nicht eine Regierungsinstruktion, sondern eine Aussage über die Institution: die Benennung von Gefahren, die in ihr liegen. Es bestätigt die vorläufige Annahme, daß sich die grundsätzliche Reflexion auf die Institution am ehesten nach ihrer Katastrophe einordnen lasse, wenn ihre Legitimität nicht ohne den Aspekt der möglichen Verschuldung behauptet wird. Die beiden ersten Paragraphen dürften zum primären Stadium des Monarchiestatuts zu rechnen sein. Da ferner das Problem der Verschuldung des
1 Kön 11,1 ff. Eine spätere Erläuterung dieses n o ist der mit dem jjjn^-Satz v. 19 b konkurrierende zweite -nVa^-Satz v. 20 aß über den Nutzen des Gesetzesstudiums. 100 Wer mit oyn gemeint ist, hat der Ergänzer von v. 16b (2.pers.plur.) schon nicht mehr verstanden, der es auf das ganze Volk Israel deutet (wie Dtn 28,68, vgl. Gen 26,2 a bei der Gestalt des Ahnvaters Isaak). Das ist eine Fehlinterpretation, weil es gerade nicht um die Auflösung des Volks unter die Ägypter geht, sondern um die Stärkung der nationalen Macht, oyn dürfte die formierte Streitmacht sein (Dtn 20,9), also die Truppe, die zur Equipierung nach Ägypten geschickt wird. Diese Politik wird auch sonst aus religiösen Gründen abgelehnt: Jes 31,1 u. ö. 101 Daß es sich bei einer solchen Unternehmung um ein zweites (oder wiederholtes) Mal handeln würde (aw hi.), ist eine Unstimmigkeit, die die Blickrichtung des Redaktors nach 1 Kön 5,6; 10,26ff. zeigt. 102 Die Numerusdifferenz d-oio/oid ist kein literarkritisches Kriterium: der Plural hat das Gezählte vor Augen, der Singular das Kollektiv der Pferdestreitmacht, das (meistens in der Parallele zu 331) im Singular steht. Daß es um sie als solche geht und nicht um „des Königs viele Pferde" erklärt auch, daß das Dativobjekt lb in v. 16 aß fehlt (das die LXX ergänzt). Man kann deshalb weder v. 16 aai gegen v. 16 aß ausspielen, noch v. 16 aß als Wiederaufnahme und darum auch v. 16aa2 als sekundär betrachten. Anders Foresti a.a.O. S. 109 (nach Merendino a.a.O. S. 180). 103 Foresti differenziert: diesem Textstadium (bei ihm III) seien "ρπκ mpn aus v. 15 ba + 16 aai + 1 7 a a + 17b + 20 aa zuzurechnen (a. a. O. S. 109 f. 114), das fromme Herz v. 17aß stellt er auf die Stufe von v. 18 usw. (IV); beim Ägyptenthema differenziert er nicht und rechnet v. 16aci2ßb als Zitat und Zitatvorbereitung im ganzen zum letzten Stadium (VII). Seine Analyse ist zwar in sich stimmig, macht aber m. E. zu Unrecht für v. 16 f.* das sachliche Interesse eines am Standard der Gerechtigkeit orientierten „redattore forense" (S. 116, vgl. S. 187 ff.) geltend, weil es im sog. Königsgesetz anders als in den Richtergesetzen nicht mehr um praktikable Vorschriften geht. Die Bezüge auf Salomo und auch die Herzensbeobachtung (gleichzeitig in der zweifachen Relation v. 17 aß. 20 aa) gehören von vornherein auf dieselbe literarische Ebene wie die Gebote des zweiten Paragraphen.
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Königs von einem solchen historischen Standort aus nicht als abstrakte Möglichkeit in Betracht kommt, sondern als geschichtlich folgenreiche und tatsächlich erfahrene, gehört die Frage des dauerhaften Bestandes der Monarchie und der Dynastie schon in das primäre Stadium. Positiv gewendet haben die drei Gebote v. 16 f. also den Sinn v. 20 b104: i > m t r n p a r i n i Hin i n s ^ n n
D - n - η - η κ - jyni> -
Die Verantwortung des Königs für sein Tun vermittelt den temporalen Aspekt einer Gefährdung ihres Bestehens mit der göttlichen Begründung der Institution, die von Jahwes Erlaubnis und Kandidatenwahl abgeleitet wird. Als Text der Primärfassung des Monarchiestatuts ergibt sich nach dieser Deutung Dtn 17,14. 15aba. 16a. 17. 20aab 105 . Es ist offenkundig, daß es sich hierbei nicht um die handlungsleitende Vorschrift eines Verfassungsentwurfs handelt, sondern um einen Text von Erklärungskraft hinsichtlich der Institution und des Bestandes des Königtums. Für eine Datierung des Textes ist die Datierung seines Problems das maßgebliche Kriterium, und da es keinen Anhalt dafür gibt, daß dieses Problem dem Bestand der judäischen Monarchie gleichzeitig ist, kann seine Datierung in die Zeit nach dem Ende der Monarchie als hinreichend wahrscheinlich gelten. In dieselbe Richtung weist auch die externe literarkritische Untersuchung der Stellung von Dtn 17,14-20 im dtn Gesetz. Es ist schon lange aufgefallen, daß im Rahmen des dtn Gesetzes und im näheren Kontext der sog. Ämter- und Justizgesetze Dtn 16,18-19,21 das sog. Königsgesetz inhaltlich und sprachlich eine Sonderstellung einnimmt106. Die „historisierende Gebotseinleitung"107, die in den meisten Fällen einen temporal-konditionalen Landsässigkeits- oder Landbesitzvorbehalt aufstellt, ist im dtn Gesetz in 12,20 vgl. 19, 8 (am hi., Sj. Jahwe, Obj. linaa). 12,29; 19,1 (ins hi., Sj. Jahwe, Obj. o-u) und 17,14; 18,9; 26,1 (ma q. 2.pers. sing.) belegt. Forestis Untersuchung dieser und der übrigen Belege der variablen Formeln, denen gemeinsam ist, daß sie die Gesetze als transjordanische
104 In den Wendungen τ:ηι χιπ bzw. aipa sieht man gern Zusätze. D a f ü r gibt es keine hinreichenden Gründe. D a ß der dynastische Erwählungsgedanke im Statut präsent ist, liegt auf der H a n d , und ton»- n p n ist nach v. 20 aa weder in der 3.pers. (gegen v. 14 f.) noch in der Vorstellung überraschend. 105 Im Vergleich zu Forestis Analyse handelt es sich hierbei um einen stärker synthetisch aufgefaßten Text. Differenzen zu Ch. Levins Abgrenzung der Grundgestalt (Bundestheologie S. 86) ergeben sich hinsichtlich der ersten beiden Gebotsmotivierungen. 106 Es ist üblich, Dtn 16,18-18,22 als einen Block von Amtergesetzen zusammenzufassen und in 19,1 den Beginn des „zweite(n) Großabschnitt(s) des dtn Gesetzescorpus" zu sehen (H. D. Preuß, Deuteronomium S. 138). Wenn man aber - neben 16,21-17,1 - auch 1 7 , 1 4 18,22 ganz (C. Steuernagel, Deuteronomium S. 115) oder teilweise f ü r sekundär hält, sollte man den Anschluß von 19, I f f . an 16,18ff. nicht zertrennen. Vgl. auch G.Hölscher, Ursprung des Deuteronomiums S. 197. 107 Seitz a . a . O . S.71 Anm.51; S.95ff.
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Rede des Mose an Israel im Land Moab am Vorabend der Eroberung auffassen und darbieten, hat erwiesen, daß sie im Zusammenhang des Entwurfs des dtr Geschichtswerks und seiner späteren Redaktionen stehen108. In Dtn 12 findet sich die Formel nicht zur Eröffnung eines Gebotes, vielmehr steht sie in 12,20 (am hi.) am Ubergang zur Fortschreibung des ursprünglichen Zentralisationsgesetzes 12,13-19 und konkurriert mit dem eigentlichen Brückensatz 12,21 . . . Dipan ηηη pnv -3, durch den dem Gesetz weitere Vorschriften hinzugefügt werden, ohne daß sie im Horizont eines zu erwartenden geschichtlichen Wandels lägen. 12,29 (ms hi.) leitet den Absatz v. 29-31 ein, der mit dem Problem der Korrumpierung der Jahwereligion durch das Vorbild der n-u, die eigentlich aber verdrängt sein werden, zu tun hat und sich als zweiter Rahmenteil mit dem Absatz v. 1-7 zusammenschließt, der das Stadium einer redaktionellen Bearbeitung des Gesetzes bereits nach seinem Einbau in das Geschichtswerk repräsentiert 109 . Deutlich sekundär ist auch der zweite Beleg dieser Variante (τπ3 hi.) in 19,1, wo die mit dem Verbot der lokalen Altäre in der judäischen Monarchie sachlich unmittelbar zusammenhängende Bestimmung von Asylstädten für den nicht der Todesstrafe und Blutrache verfallenden Totschläger (vgl. zur Sache Ex 21,13f.) unter den temporal-konditionalen Landbesitzvorbehalt gestellt wird, während die ursprüngliche Fassung strukturgleich mit Dtn 15,1 ff.; 18,1 ff.* aus dem fundamentalen Gebotssatz v . 2 a b a . 3 b : [ . . . ] ("|2πκ "pna) -|ί> !>"τηη π-iy tni>® ΠΧΊ !>3 N N » OIII> R R M und seiner Explikation: . . . ηχ-ΙΠ Ί 3 Τ ΠΤΙ bestanden haben dürfte 110 . Der temporal-konditional eingeleitete Unterfall desselben Gesetzes 1 9 , 8 - 1 0 (am + Ι Π Ί hi.) nimmt unter den Formelvarianten eine Sonderstellung ein, weil er den geschichtlichen Wandel im Westjordanland (nach Norden?) oder vom Westjordanland aus (nach Osten?) erwartet und damit von der Stilisierung des Gesetzes als moabitischer Moserede nicht nur nicht abhängig ist, sondern ihr entgegenläuft111. Dtn 19, 8 ist ein Beleg dafür, daß das ursprüngliche dtn Gesetz in seinen ohne jede temporal-konditionale Einleitung formulierten Gesetzen keineswegs stillschweigend einen ostjordanischen Standort voraussetzt, der in den Gebotseinleitungen 17,14; 18,9; 26,1 nur offen zutageträte, sondern vom Standort der judäischen Monarchie aus ein Gesetz für die judäische Monarchie ist. Im Kontext der Amter- und Justizgesetze sind die zwei Texte, die den Vorbehalt künftigen Landbesitzes vom östlichen Jordanufer her (durch Mose: 18,15) ausdrücken, konzeptionell sekundär. Dem entspricht, daß sie literarisch die Reihe praktikabler Anweisungen hinsichtlich der Rechtssprechung und der auf diesem Gebiet durch das Verbot der lokalen Kultstätten bedingten Neuerungen unterbrechen. Dtn 16,18-20ul als Einsetzung von den Stadtältesten übergeord-
•08 A.a.O. S.56-61. »n o-JHDn in 18,1 ff.* scheint sich mit 17,8ff. und vor 19, Iff. ähnlich stichworthaft zu verbinden wie 15, Iff. mit 14,28 f. (o-j® yyt/vbv ppa) vor 15,19ff. Man nimmt gelegentlich eine Umstellung von 18, Iff. im Zuge der Schaffung eines „Ämterblocks" in 16,18-18,22 an. 117 Die drei Verbote 16,21-17,1 sind rätselhaft und in ihrem Kontext späte Zusätze. 16,21 könnte auf einer Ebene mit Dtn 27,5-7; Ex 20,24 f. liegen, vielleicht ist nach der Zerstörung des Tempels zeitweilig das Problem von Altarbauten oder sonst kultischen Stätten und Zeichen virulent gewesen, vgl. Levin a.a.O. S.96 Anm.94 (zu Ex 20,24). 17,1 ist im dtn Gesetz nach 15,21 eine Dublette. 118 Zum Prophetengesetz vgl. etwa Preuß a.a.O. S. 138. " 9 Aus dem Imperfekt in der Formel: η - n i · * m r r i m - i s k ( D i p n n ) kann man kein Argument für einen - auch Dtn 17,14 betreffenden - mosaisch-transjordanischen Standort des ursprünglichen dtn Gesetzes machen, da es die rhetorische Funktion hat, das Neue der Monopolisierung des Jerusalemer Staatstempels jetzt auf eine göttliche Erwählung zurückzuführen und gegen die Tradition geltend zu machen. Anders Rüterswörden a. a. O. S. 57 f.
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v. 16 f. schon vorausgesetzt ist 120 . M a n muß danach ein erstes Stadium des Statuts, in dem die Reihe der Verbote die Verschuldungsmöglichkeiten f ü r das legitime, aber in der Geschichte gescheiterte (israelitische und) judäische K ö n i g t u m aufzeigen, unterscheiden von einem zweiten Stadium, in dem d a s K ö n i g t u m seines exzeptionellen Ranges dadurch beraubt wird, d a ß es in einen Sonderfall des T o r a - G e h o r s a m s aufgehoben wird. Die geschichtliche Institution, die der idealen Instanz der Tora entspricht, sind in v. 18 f. die „levitischen Priester". Da die so qualifizierten Priester, crjnsn D'ibn, schon im ursprünglichen dtn Gesetz erwähnt werden, bei der Einrichtung des Jerusalemer Zentralgerichts 17,9 sowie im eigentlichen Priestergesetz (Landbesitzverbot und Amtsansprüche) 18,1 vgl. 18,7, wird man den Beleg in 17,18 nicht zu weit davon trennen121. Das Konzept, daß die levitischen Priester mit der geschriebenen Tora betraut sind, ist hier dasselbe wie in Dtn 31,9, wobei die Annahme, daß die erzählerische Nachricht 31,9-11 im dtr Rahmentext hier literarisch schon vorausgesetzt sei 122 , zutreffen dürfte, weil wie selbstverständlich gesagt wird, daß der König seine Abschrift der Tora (na&a) von ihrer Verwaltung durch die levitischen Priester her nehmen soll (ο·ι!>π Π-3Π3Π "jnbn). Dtn 31,9-11 nun stellt die Kodifizierung der Tora durch Mose und die Bestimmung über ihre Verwahrung und Vergegenwärtigung im Zusammenhang der Einbettung des dtn Gesetzes in das DtrGW dar. Die Anschauung von der ganzen (mosaischen) Tora ist dann in 31,9-11 wie auch in 17,18 der dtr Rahmung und Redaktion des dtn Gesetzes zuzuschreiben. In Rücksicht auf die späteren Erweiterungen in 31,12 f. sowie die konkurrierende Notiz 31,24-26 1 2 3 und aus dem sachlichen Grund, daß die Gesetzesrede des Mose nicht ohne eine Bemerkung über ihre Kodifizierung im DtrGW gestanden haben wird, gilt für 31,9-11 die Zugehörigkeit zur primären dtr Redaktion. Wenn die erste Erweiterung von Dtn 1 7 , 1 4 - 2 0 danach vorstellungsmäßig 1 2 4 der primären, dtr-historiographischen Einbettung des dtn Geset-
1 2 0 In dem literarischen Bruch spiegelt sich die geschichtliche Lage wider, daß in der Gegenwart auch des Ergänzers der Thron nicht besetzt ist. 1 2 1 Das (pluralische) Gesetz über den Fall von Aussatz Dtn 24, 8 f. ist nachgetragen, vgl. Steuernagel a . a . O . S. 141. 1 2 2 Vgl. Steuernagel a . a . O . S. 119, ähnlich Seitz a . a . O . S.233. 1 2 3 Vgl. Buchholz a . a . O . S.20f. 1 2 4 Die sprachliche Differenz zwischen D - i ! > n π - ί τ η η und ~i!> " J 2 o - j n a n (31,9) läßt sich literarhistorisch nicht auswerten, sondern allenfalls kontextuell erklären: im Gesetz folgt die Redaktion den Vorgaben 17,9; 18,1 usw., im dtr Rahmen könnte, falls der Ausdruck •ii> -ja das überhaupt verlangt, schon ein Stämmemodell vor Augen stehen (vgl. Dtn 1, 23; 3,12 ff.). Die Ausdrucksweisen vermischen sich später: im Gesetz spricht der Nachtrag 21, 5 von "ja - (in breiter Aufnahme der Stammes-Erwählungstheorie 10, 8 f.; 18, 5), im Rahmen spricht die Wiederaufnahme von 26,16-19 nach den Instruktionen für das Verhalten nach der Jordanüberquerung 2 7 , 9 f . von n-i^n - .
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zes nicht fern steht125, wird man zur Datierung des Monarchiestatuts überhaupt sagen können, daß es einerseits nicht im dtn Gesetz stand, ohne daß das Gesetz im Rahmen des DtrGW stand, daß andererseits das dtn Gesetz nicht im Rahmen des DtrGW stand, ohne daß das Monarchiestatut im Gesetz stand126. Es hat nach allem keinerlei Wahrscheinlichkeit für sich, mit dem Monarchiestatut vor die dtr Geschichtsdarstellung in der Mitte des 6.Jahrhunderts zurückzugehen. Es ist damit ein fester terminus a quo für das religionsgesetzliche Verbot der Inthronisierung eines Ausländers als König gegeben. Der sprachlich undatierbare Zusatz 17,15bßy 127 unterscheidet sich deutlich von den beiden skizzierten Entstehungsstadien des Monarchie-
125 Anders verhielte es sich, wenn J. Buchholz mit der These Recht hätte, daß das erste dtr-exilische Stadium von Dtn 31,9 ff. gerade nicht die levitischen Priester mit der Tora betraut sah. Gegen seine Analyse (a. a. O. S. 17 ff.) möchte man aber doch an der Ursprünglichkeit der Doppelung: [... ] "i!> m n-jim !>κ II !>m«r -jp>T ^κ in Dtn 31,9 festhalten. Die Gründe für die Annahme, daß die levitischen Priester sekundär zugesetzt seien, sind gegenüber den dann offenbleibenden Fragen nicht stark genug: 1. Das Kriterium der „Praktikabilität und Plausibilität des V. 9-11 Gesagten" (S. 18) ist nicht nur gegen die Übergabe der Tora und den Verlesungsbefehl an zwei Gruppen geltend zu machen, sondern gegen die Betrauung einer Gruppe überhaupt, denn wie soll es praktikabel sein, daß „alle Ältesten Israels" die Tora (eine Abschrift?) bekommen und am Sukkotfest im Semittajahr vorlesen? - 2. Der Fall des Gesetzes Dtn 21, Iff., wo die levitischen Priester v.5 allerdings ein offenkundiger Zusatz sind, ist nicht parallel. Es ist nicht terminologisch von den „Ältesten Israels" die Rede, sondern doch wohl - trotz des Suffixes der 2.pers. sing. - von den Ältesten der betroffenen Städte (so auch Buchholz S. 69ff.) - und den dort sitzenden Richtern! -, und die levitischen Priester treten dort auf, wo sie nicht sind: außerhalb der Tempelstadt, und haben keine Funktion. In 31,9 ff. dagegen sind sie, wo sie sind: am Ort des Tempels, und haben ihre Funktion religiösen Amtes, hier der Belehrung. - Spielt man beide Gruppen gegeneinander aus und spricht exklusiv von der „Beauftragung der Ältesten Israels im Deuteronomium mit dem .Dokument des Jahwebundes', der Tora" (S. 42) und dem „ihnen Dtn 31,9-11* erteilte(n) Auftrag der Gesetzesverkündigung" (S. 104), bleibt die Frage nach dem Subjekt dieser Beauftragung bzw. den diese Beauftragung ins Gesetzbuch schreibenden Redaktoren offen. Wer anders kommt dafür aber in Frage als eine auf dem Boden des Geltungsanspruchs des dtn Gesetzes stehende Jerusalemer Priesterschaft? Und warum sollte sie das Gesetz (und den Festtag) erst ganz aus der Hand geben, um es dann wieder zurückzuholen? Hat das Gesetz Hilkijas (2 Kön 22, 8) den Jerusalemer Tempel oder dessen Trümmer je ganz verlassen? Das Eigentümliche von Dtn 31,9-11 scheint die Nebeneinanderordnung von Ältesten Israels und levitischen Priestern zu sein (trotz der zweistufigen Offenbarung nach Dtn 5). Buchholz' Interpretation von Dtn 31,24-26 bleibt von diesen Einwänden unberührt. 126
In diesem Sinn Foresti a.a.O. S. 115; Levin a.a.O. S.86; vgl. Preuß a.a.O. S. 137. Der adjektivische Gebrauch von ist zu geläufig, als daß man eine zeitliche Beziehung zu " o : B-K in Qoh 6,2 herstellen könnte, wie Foresti a.a.O. S. 112 andeutet. Auch der Begriff rix im Relativsatz by ist, da aus dem Kontext entlehnt (v. 15 ba. 20 aa), kein ausdeutbares sprachliches Indiz. - Mit der national fremden Gestalt des "T3J trx ist die Gestalt des IT trx in Dtn 25, 5 nicht vergleichbar, da TT dort nicht den national fremden, politischen Feind bedeutet (Jes 1,7; Hos 7,9 u. ö.), der auch gar nicht in einzelnen Vertre127
D i e V e r t e i d i g u n g d e s davidischen T h r o n a n s p r u c h s
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statuts im Horizont der historiographisch-gesetzlichen Deutung der Institution des Königtums dadurch, daß er nicht mehr Reflexion über das Königtum als ein Phänomen der National- und Religionsgeschichte enthält, sondern aktuell eine bestimmte politische Option verbietet. Daß der Zusatz auf die Realität des geschichtlichen Lebens im Juda der 2. Hälfte des 6.Jahrhunderts oder später zielt, läßt sich auch daraus schließen, daß es der Formulierung nach nicht so sehr um die Einsetzung eines Königs auf den israelitischen Königsthron geht, als vielmehr um die Anerkennung eines Souveräns überhaupt, die mit dem Verb J I I J ausgedrückt wird. Der Zusatz verteidigt also nicht nur das davidische Königtum gegen einen falschen, ausländischen Prätendenten, sondern auch die Institution überhaupt gegen ihren Verlust aufgrund einer geschichtlichen Unmöglichkeit der adäquaten Restitution des Königtums. Offenbar droht auf der Gegenseite die Ablösung der Aufrechterhaltung des davidischen Thronanspruchs durch die Anerkennung neuer Herrschaftsstrukturen, an deren Spitze ein 'i7 näkri steht. Im Religionsgesetz bringt sich dagegen das Interesse an der nationalen Tradition und der nationalen Restitutionserwartung zur Geltung. Für die genauere Bestimmung des Zeitraums, für den der Zusatz 17,15 bßy Quellenwert hat, lassen sich nur allgemeine Erwägungen darüber anstellen, wann das Problem einer Ablösung der Davididen an der Spitze des Jahwevolkes Israel durch einen ausländischen Oberherrn akut gewesen sein könnte. Da die Dynastieverheißung im DtrGW (2 Sam 7) ebenso wie die mD* x^-Formel in 1 Kön 2,4; 8,25; 9, 5 in dieser Hinsicht einen unpolemischen Eindruck macht, dürfte in der Exilszeit der Rang der davidischen Dynastie noch unbestritten sein. Auch die Schlußnotiz des Geschichtswerks über die Begnadigung Jojachins (2 Kön 25,27-30) kann als Ausdruck gewisser Erwartungen hinsichtlich der Zukunft der Davididen gemeint und verstanden worden sein128. Als ein weiteres D a t u m ist die sich an den D a v i d i d e n Serubbabel k n ü p f e n d e H e i l s e r w a r t u n g z u r Zeit d e s Baus d e s Z w e i t e n T e m p e l s u m 5 2 0 z u nennen, die die P r o p h e t e n H a g g a i u n d Sacharja inspirieren u n d forcieren 1 2 9 . D i e in D t n 1 7 , 1 5 bßy auf Seiten der G e g n e r erkennbare A b w e n d u n g v o n der davidischen
tern unter Israel wohnt, sondern denjenigen, „der sich außerhalb der Familie befindet" (L.A. Snijders, ThWAT 11,563). Auch der Finalsatz 2 5 , 6 b kann die Beweislast für die Erklärung, daß π ®-κ hier „den von ,Israel' zu unterscheidenden .Fremden' meint", nicht tragen, gegen Buchholz a.a.O. S . 6 5 f . 7 4 f . '28 Vgl. dagegen M.Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien S. 108; H.W.Wolff, Kerygma S. 323. Nach Wolff könnten dem wenig hoffnungsvollen Verfasser des DtrGW eher noch optimistischere Vertreter davidischer Königsideologie (vgl. Jer 28,4) gegenübergestanden haben. 129 Vgl. M.Noth, Geschichte Israels S.282; Donner, Geschichte S.412f.
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Die spätere Deuteronomistik
Traditions- und Verheißungslinie scheint kaum vor dem Fehlschlag dieser Erwartung, die in eine - wenn auch nur „verhaltene"130 - Verheißung an und über Serubbabel (Hag 2,23) mündet, möglich. Man möchte demnach etwa den Beginn des 5. Jahrhunderts als terminus ante quem non für den Zusatz im Monarchiestatut betrachten. Einen weiteren Orientierungspunkt kann aber noch die in der Denkschrift Nehemias mitgeteilte Nachricht geben, daß die judäisch-jerusalemische Oberschicht, die min- "in, um die Mitte des 5.Jahrhunderts so stark mit der Bevölkerung der Nachbarprovinzen Judas verflochten ist, daß sie sich dem Konzept der Abgrenzung und Verselbständigung Jerusalems/Judas durch Nehemia widersetzt (Neh 6,17-19) 131 . Das Verbot der Einsetzung eines Ausländers zum König mit seinem mehr konkreten Sinn als Verbot der Anerkennung der faktischen Oberhoheit eines Nicht-Davididen wäre dann ein komplementärer Vorgang zum gleichzeitigen Konnubiumsverbot (Neh 13,23-29, vgl. Dtn 7,3) im Interesse des Schutzes der religiösen und nationalen Identität der Gemeinschaft der Jahweverehrer in Juda. Ein Hinweis darauf, daß das Problem des nationalen Königtums in jener Zeit ein offenes und nicht unaktuelles Problem war, ist auch der Verteidigung Nehemias gegen die als Verleumdung dargestellte Behauptung, er bereite seine Ausrufung als nnn-a "|!>n vor, zu entnehmen (Neh 6,5-9). Die redaktionelle Einfügung eines aktuell polemischen Verbots in das Monarchiestatut des Gesetzbuches innerhalb des DtrGW ließe sich als Vorgang mit der argumentativen Bezugnahme auf diese Geschichtsdarstellung in der Auseinandersetzung mit den Gegnern nach Neh 13,26 (vgl. l K ö n 11, Iff.) vergleichen. Mit dem Maß an Sicherheit, das angesichts der Quellenlage zu gewinnen ist, kann gesagt werden, daß das Problem des Fremden ("ta: b-k) auf dem „israelitischen" Königsthron in Dtn 17,15 bßy ein Problem des 5.Jahrhunderts im Kontext der von der judäischen Oberschicht nicht als nationaler und religiöser Gefahr realisierten Tendenz 132 zur Verschmelzung der Judäer bzw. der Juden (n-nn- Neh 1,2 u. ö.) mit den palästinischen Nachbarn in der persischen Satrapie Transeuphratene 133 ist. Die Lage, in der ein Ausländer als Kandidat für die nationale Oberherrschaft abgewehrt werden muß, ist die der jerusalemisch-jüdischen Gesellschaft des 5. Jahrhunderts, in der sozialgeschichtlich eine Oberschicht mit star-
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° H.W.Wolff, Haggai S.85. >31 Vgl. Α.H.J.Gunneweg, Nehemia S. 101 f.; Donner a.a.O. S.421 £.; M.Smith, Palestinian Parties S. 100.116. 132 Man kann nicht ausschließen, daß die deuteronomische Tradition ein für Nehemia wie die min- "in gemeinsamer Boden ist. Nur hielten letztere dann das Erwählungskonzept (Dtn 17,15aßba) für übertragbar auf einen Fremden, vgl. auch Jes 44,28; 45,1. Und Nehemias Feinde Sanballat und Tobia etwa dürften religiös jahwistisch gewesen sein, vgl. Gunneweg a. a. O. S. 56. 133 Zum persischen Verwaltungssystem vgl. Wolff a.a.O. S.22; A.H.J.Gunneweg, Geschichte Israels S. 137.
Das gerechte Verhalten als eine Bedingung der Verheißungen
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ken Assimilationstendenzen sichtbar wird134. Problematisch ist dabei nicht so sehr der Fremde in Israel als vielmehr Israel unter den Fremden, d. h. die Fremden um ein politisch nach außen unabgeschlossenes Israel herum.
3.4 D a s gerechte Verhalten in der Gemeinschaft als eine Bedingung der Verheißungen f ü r das nachkönigszeitliche J u d a im Jeremiabuch (Jer 7 , 6 ; 2 2 , 3 ) Die Beobachtung der Aufnahme und Aktualisierung der dtn Forderungen hinsichtlich der drei personae miserae und im besonderen des sozialen Typus des ger in der späteren Deuteronomistik, die sich an den dtr Texten in den Rahmenkapiteln des Dtn machen ließ, läßt sich für die dtr Bearbeitung des Jeremiabuches wiederholen. Die Reihe nin^xi diu" u ist dort als Objekt in Sätzen, die mit umfassenden Ausdrücken ihre Bedrückung abwehren wollen, in den Prosareden in Jer 7,6 und 22, 3 belegt. In der Tempelrede Jer 7,1-15 gehört der Beleg zu der Bearbeitungsschicht, die nach dem Ende der judäischen Monarchie durch eine bedingte Verheißung die Vergewisserung über die Möglichkeit des fortgesetzten Besitzes des Landes leistet135. Zu dieser Schicht sind v. 3.5-7 zu rechnen136. Sie stellt eine direkte Anrede und Ermahnung der Hörer dar137, so daß auch hier der Rückschluß auf die vorausgesetzte soziale Lage der Angeredeten erlaubt ist. Die Konkretisierungen der grundlegenden Forderung, „Wege und Taten" „gut zu machen" (v. 3.5 a) in v. 5 b. 6138, die die Bedingungen für den Landbesitz formulieren, zielen auf eine Hörerschaft im Land139. Die bedingte Verheißung bezieht sich 134 v g i . hierzu auch die Rolle der o—m und ihr Zusammenspiel mit der Königin tyrischer Herkunft Isebel in 1 Kön 21 nach der Analyse von A. Rofe, The vineyard of Naboth S. 89 ff. Vgl. W.Thiel, Jeremia I, S. 109; W.McKane, Jeremia S.160. 164f. - Der Versuch W. L. Holladays, Jeremia S.234ff., Jer 7, 1-12 als authentische jeremianische Redeeinheit zu beschreiben, kann nicht überzeugen. 136 Vgl. Thiel a.a.O. S. 108ff. u.a. Zu den methodischen Grenzen der hypothetischen Rekonstruktion des authentischen Jeremiawortes als Kern des Abschnitts vgl. bes. McKane a.a.O. S. 164f., auch schon W.Rudolph, Jeremia S.52f. 137
R.P. Carroll, Jeremiah S. 211; McKane a. a. O. S. 159; vgl. Thiel a. a. O. S. 109.118 f. Ob v. 6 aßy als nachgetragenes Zitat aus 22,3 (Rudolph z. St.) oder mit Hilfe einer Korrektur der Negationspartikel ί>κ in nb als ursprünglich im jetzigen Zusammenhang zu beschreiben ist (vgl. McKane a.a.O. S. 161), kann hier offen bleiben. Für den Nachtragscharakter des Satzes könnte sprechen, daß der Ausdruck πτπ nipan hier gegenüber v. 3.7 doch wohl eine Verengung des gemeinten Gebietes bedeutet, dagegen in 22,3 (Palast) sachgemäß ist. ι » Vgl. Thiel a.a.O. S. 119. 138
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Die spätere Deuteronomistik
nicht auf eine Rückkehr in das Land, so wenig dieser Aspekt auch in dem Begriff pw pi. ausgeschlossen ist, vielmehr ruht selbst das an Bedingungen gebundene Wohnen im Land noch auf dem Grund der Kontinuität und „Ewigkeit" der Verleihung des Landes (v. 7aßb)140. Der Landbesitz ist nicht aufgrund der Erfahrung seines Verlustes fraglich geworden, sondern weil sich seine äußerste Gefährdung gezeigt hat, die mit dem Ende der monarchischen Verfassung des Staates Juda zusammenfiel. Die Angeredeten stehen auch deshalb in einer Kontinuität mit den Bewohnern Judas der Königszeit, weil der Aufforderung, die eigenen Wege und Taten zu bessern, nicht etwa das Beispiel der Vorfahren gegenübergestellt ist, deren Verschulden zur Katastrophe geführt hätte, sondern sie selbst es sind, deren Umorientierung zum „Guten" den Bestand im Lande mit sich bringen würde. Die Elemente der Bearbeitung der jeremianischen Tempelrede in 7, 3.5-7 sind also „Predigt" nicht lange nach dem Fall Jerusalems 587141. Soweit die Explikation der Grundforderung v. 3.5 a in v. 5 b. 6 soziale Bezüge hat, läßt auch sie keinen tiefgreifenden sozialen Wandel aufgrund der geschichtlichen Ereignisse erkennen, die das Problem der Vergewisserung über das Verbleiben im Land und seinen Besitz geschaffen haben. Die Angeredeten sind als eine Schicht gesehen, die in einer zweifachen Relation steht: gegenüber Gleichen und als Stärkere gegenüber Schwächeren. Auf der Ebene der Gleichrangigkeit liegt der Satz v. 5 b: injn p n v x j-a aoipn i»yn o«, der in seiner positiven Formulierung den Maßstab des Rechts geltend machen kann, weil die Beteiligten Personen sind, die Rechtsansprüche gegeneinander haben. Daß es die Schicht der Selbständigen und Besitzenden ist, geht aus dem zweiten Satz hervor (v. 6aa), der die soziale Differenzierung zwischen den Angeredeten und abhängigen und ausgelieferten Personen voraussetzt: (nx) iptryn n:ni>xi n w υ . Die Predigt ist also an dieselben gerichtet, die sich als Adressaten des dtn Gesetzes erwiesen, und die Verbindung mit dem Thema des Landes bestätigt, daß es die Schicht der Landbesitzenden ist142. Die Bearbeitung des jeremianischen Tempelworts läßt also, als
140 Aus der Perspektive des Landverlustes, die sich in der rhetorischen Fiktion des ostjordanischen Standpunktes der Moserede realisiert, entspricht diesem Fundament im Dtn der „Schwur" der Landgabe (Dtn 1, 8; 6,10 u.ö., vgl. im Jeremiabuch 11,5; 35,22). 141 Vgl. Thiel a.a.O. S. 109, anders aber S.294. Ein Problem ist das Verhältnis dieser Elemente zu v. 14 aßy und v. 15, denen Thiel S. 119 f. dieselbe Chiffre D zuordnet. Während v. 14aßy sich auf eine Verwüstung des Landes deuten läßt und nicht notwendig seinen Verlust (so Thiel) meint, drückt sich in v. 15 eine Theorie der Gesamtexilierung der Bevölkerung aus, die den Voraussetzungen von v. 3.5-7 widerspricht. 142 Die Gleichartigkeit dieser Anredestruktur läßt die Deutung der Belege für die dem dtn Gesetz verwandten Forderungen im Jeremiabuch (Jer 7 , 6 usw.) als Beleg dafür, daß „der am ha'arez, in dessen Reihen die deuteronomistischen Ideen besonders gepflegt wurden,
D a s gerechte Verhalten als eine B e d i n g u n g der V e r h e i ß u n g e n
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Niederschlag aktueller Anrede ihres Hörerkreises interpretiert, insoweit auf eine Konstanz der Sozialstruktur in Juda über den politischen Bruch von 587 hinweg schließen. Die Schicht der personae miserae hat sich nicht durch Besitzverschiebungen im Zuge der Deportationen aufgelöst. Daß die Norm, die für das Verhalten gegenüber den Abhängigen aufgestellt wird, in 7,6 aa einen grundsätzlichen und allgemeinen Klang bekommt, erklärt sich mit ihrer Stellung im argumentativen Zusammenhang der Benennung der Bedingungen für das weitere Wohnen im Land. In der Form, daß die Trias der Bedürftigen Objekt zu dem Verb p>wy ist, ist der Satz v. 6 aa kein Zitat eines Satzes aus dem dtn Gesetz, vielmehr werden die präziseren Vorschriften des Gesetzes in diese weite Formulierung hinein aufgehoben143. Bedingung der Verheißung ist die umfassende, jedoch in der Form negativer Sätze bleibende Forderung an das Verhalten in der Relation zu den schwächeren Gliedern der Gesellschaft. Eine Abhängigkeit vom dtn Gesetz läßt die Bezeichnung der Schicht der Schutzbedürftigen mit der Trias run^xi αιιτ υ erkennen, weil erst dieses in verschiedenen Fällen konkreter Verpflichtung der Angeredeten die Reihe prägt144. Das integrative Anliegen des dtn Gesetzes bekommt durch seine Übernahme in die Predigt an die Generation, die im nachköniglichen Juda lebt, ein neues Gewicht. O b die Bearbeitung mit dieser H i n s i c h t über d e n sozialen H o r i z o n t ihrer V o r l a g e hinausgeht o d e r o b die U n t e r s c h i c h t der B e s i t z l o s e n s c h o n im jeremianischen T e m p e l w o r t im Blick liegt, m u ß o f f e n bleiben. D i e in v. 9 a gemeinten und im Bildwort v. 11 a z u s a m m e n g e f a ß t e n U n r e c h t s t a t e n liegen vielleicht nur auf der E b e n e d e s Verkehrs der G l i e d e r der b e s i t z e n d e n Schicht untereinander.
Die Konditionierung des Landbesitzes in Jer 7, 3.5-7 spricht nicht von einer besonderen (königlichen) Oberschicht. In diese Richtung werden in
auf sozialem Gebiet vollkommen versagte" und daß er „seiner eigenen Idee untreu wurde" (E.Janssen, Juda in der Exilszeit S. 52 f.), wenig wahrscheinlich sein. Die Landbesitzerschicht wird in der Joschijazeit wie in der nachköniglichen Zeit vom Tempel (bzw. dessen Trümmern) her angeredet. 143 Das Verb p>»y wird im dtn Gesetz nur in Dtn 24,14 mit Bezug auf den Tagelöhner (VDB) verwendet, wobei schon wegen seines Objekts und zumal mit den weiteren Bestimmungen ein spezifisches Verhalten im Blick liegt. „A legal norm of this sort" (Holladay a. a. Ο. S. 240) kann Jeremia aus dem dtn Gesetz nicht zitieren. 144 Holladay urteilt, daß aus sachlichen Gründen „it would be hard to avoid using the phrase", ohne jedoch eine Traditionslinie zum Dtn ziehen zu wollen (a.a.O. S.240). Es mag zutreffen, daß die Reihe im geläufigen Sprachbestand weite Verbreitung hatte, aber doch erst durch das dtn Gesetz (etwa im Zusammenhang mit seinen Festgesetzen). Die Erklärung von Jer 7 , 6 a a mit Ex 22,20 f. (S.243) ist gezwungen, im übrigen auch unnötig, weil das Joschija-Gesetz auch einem authentischen Jeremiawort (aus dem Herbst 609: S. 582!) voraufginge. Die Frage, ob Jeremia selber oder erst die Prophetenfigur der Bearbeitungen) ein Mahner zum Gesetz ist, läßt sich so nicht umgehen.
160
Die spätere Deuteronomistik
der „Predigt" Jer 22,1-5 Forderungen geltend gemacht, in der die Redaktion ihre Prophetenfigur vom Tempel zum Palast führt 145 , um den Propheten seine Rede an den davidischen König, dessen Beamten und dessen Leute adressieren zu lassen146. Diese Predigt ist nicht an die von ihr in engerem Sinne (v. 3-5) Angeredeten als an eine aktuelle Hörerschaft gerichtet, weil sie das Ende der judäischen Monarchie mit der Exilierung der höfischen Oberschicht voraussetzt147. Dennoch nennt sie als Bedingungen für die Verheißung über ein erneuertes davidisches Königtum ein bestimmtes Tun dieser Kreise. Insoweit die Predigt der „Interpretation des Gerichts" dient148, ist diese rhetorische Situation unproblematisch. Dagegen kann hier die zweite der „Doppelfunktion" der Aussagen der Redaktion 149 , die aktuelle Verheißung und Ermahnung, nur indirekt in einer Appellfunktion der Predigt an die tatsächlichen Hörer zur Geltung kommen, die darin liegt, daß die Verhaltensnormen, die auch für sie selber gelten, als Bedingung für das Bestehen des Königtums an den königlichen Hof gerichtet und dadurch in ihrer Bedeutung bekräftigt werden. Diese Redestruktur spiegelt sich in v. 3 in der Erweiterung der durch die jeremianischen Königssprüche vorgegebenen Forderungen (21,12aßy; vgl. 22,15 bß) durch das Schutzgebot für die personae miserae wider. Denn v. 3 ba ist nicht mehr Ausdruck der besonderen gerichtlichen Funktionen des Königs auch im Hinblick auf die Unterschicht der Schwachen (vgl. Ps 72,4), vielmehr ereignet sich die (abgewehrte) Bedrückung der personae miserae im weiteren Kreis der Gesellschaft. So genau im Blick auf das Thema des Königtums die Deutung als Benennung von „test cases, by means of which the seriousness and determination of the king to preside over a just community can be ascertained" die Sache trifft 150 , steckt in v. 3 im Kontext der Restitutionserwartung doch zugleich die Forderung an Hörer in einer sozialen Position, in der von ihnen solche Bedrückung ausgehen kann, Verant-
145 Das Formelement A (= Einleitungsformel) in Thiels Beschreibung der Alternativpredigt bleibt problematisch (a.a.O. S.290ff.). In 7,1 f. akzeptiert er die in LXX fehlende Einleitung des M T (S. 107 Anm. 17), in 17,19 offenbar die in LXX fehlende Adressierung mit der Partikel (vgl. S. 239), die Erklärung für ihr Fehlen in 22,1 ist eine Verlegenheitslösung (ebd.). Die Botenformel mn- na» ttd in 17,19aai; 22,1 aa macht dagegen offenbar schon die Auftrittsszene selbst zu einem predigthaft wiederholbaren Symbol, so daß die ganze Einleitung nicht - weder im Fremd- noch im Selbstbericht - Erinnerung daran ist, was der Prophet ein(st)mal(s) getan hat. 146 Zur Beschreibung des begrenzten höfischen Personenkreises vgl. McKane a.a.O. S. 516. 1*7 Vgl. Rudolph a.a.O. S. 137 und S.XVIff.; Thiel a.a.O. S.239. i « Thiel a.a.O. S.239. i « Thiel a.a.O. S.208f. (zuJer 17,19-27), vgl. S.293. 150 McKane a.a.O. S.517.
Das gerechte Verhalten als eine Bedingung der Verheißungen
161
wortung für den Zustand der „just community" zu übernehmen. Es gilt danach für die vorausgesetzten sozialen Verhältnisse in 22, 3 dasselbe wie in 7,6 151 . Das Verhalten gegenüber dem vom dtn Gesetz her in den Blick bekommenen sozialen Typus des gerund der Waise und Witwe wird durch 22, 3 in einem zweiten Fall zu einer Bedingung für eine in der Lage nach dem Ende der judäischen Monarchie ergehenden Verheißung. Die Forderung ist hier wie in 7, 6 mit einem generalisierenden Ausdruck formuliert. Statt des Verbs pvy zur Bezeichnung von Bedrückung im weiten Sinne (7,6), das sich schon in dem zitierten jeremianischen Wort findet ( 2 2 , 3 a ß par. 21,12ay 1 5 2 ), wird das Verb ru- hi. verwendet. Die Doppelung der Verben un !>κ ιοηππ ί>χ könnte als Hinweis darauf zu werten sein, daß das Wort n:- hi. kein geläufiger Ausdruck gesetzlicher Sprache ist und deshalb mit einem zweiten glossierend erläutert wird 153 . Im dtn Gesetz hat das Verb nur einen Beleg in einer nachklappenden Bemerkung zum Gesetz über das Bleiberecht eines flüchtigen Sklaven Dtn 23,17 b, die leicht eine sekundäre Zufügung im Sinne einer Entwicklung von der präzisen Rechtsvorschrift zu einer allgemeineren Mahnung sein kann. Die Annahme, daß das Verb n r „a verb associated with ,sojourner' (and ,orphan and widow') in traditional law" sei 154 , kann sich nur auf einen einzigen Beleg im sog. Bundesbuch stützen: Ex 2 2 , 2 0 ff., und da ein solches „traditional law" im dtn Gesetz keinen Niederschlag findet, ist es eine fragwürdige Größe.
Für Jer 22,3 wie für 7,6 ist es die wahrscheinlichste Erklärung, daß die Bearbeitung, die mit der Trias nan^Ki mir -u vom dtn Gesetz herkommt, die einzelnen Bestimmungen dieser Gesetzgebung verallgemeinert. Da sich für die angeführten Belege aus der Bearbeitung des Jeremiabuches mit einiger Sicherheit eine Datierung nicht zu lange nach 587 angeben läßt, können sie als Quelle dafür gelten, daß im frühen nachköniglichen Juda die Intention des dtn Gesetzes zur Integration der landbesitzlosen Glieder der Bevölkerung aufgegriffen und in der Form pauschaler Mahnungen im Kontext der Vergewisserung über die zukünftige
151 Vielleicht geht die Formulierung von v.3a thematisch auf der Ebene des zentralen Stichworts der Anklage liegen, während v. 12 b einen Schlußakzent setzt. Der Grund für die Anklage der Stadt wird hier am Verhalten einer Oberschicht exemplifiziert. Es sind die ton»in Jerusalem (ηη), die für die „Bluttaten" verantwortlich sind. Die Unrechtstatbestände sind die Feindschaft innerhalb der eigenen Familie (v. 6 a txt.em.), Verleumdung (v. 9 a), Annahme von Bestechung (v. 12 a) und ökonomischer Ruin des (gleichrangigen) Anderen (jn v. 12b). Da im Kontext von Ez 22, Iff. nichts dafür spricht, die Bezeichung d-K'&j anders als auf der Ebene der Gleichzeitigkeit und der Gegenseitigkeit zu deuten, muß es sich um eine soziale Schicht handeln. Wenn für Ezechiel selber der Gebrauch des Wortes x-b: zur Bezeichnung des Königs kennzeichnend ist 159 , ist schon die Satzgruppe v. 6 a. 9 a. 12 a. b eine erste Erweiterung des Drohwortes v. 1-5. Der Ausdruck bmtr -ir&i in 2 2 , 6 ist in demselben Sinn auf eine Oberschicht zu beziehen wie in den Nachträgen 21,17; 45,9. (10-12) 1 6 0 . Die gemeinte Mehrzahl von d-k-bi dürfte dann eine Konzeption voraussetzen, nach der sie Sippenführer (oder literarisch auch Stammesführer) sind 161 . Da dies im Rahmen
bung von v. 3 aß (nny mal·) und v. 4aß als Nachträge zu eliminieren, zieht er nur eine Konsequenz aus dem statischen Konzept der „sakralrechtlichen Deklaration". Die sekundäre Einbringung der sakralrechtlichen Aspekte in v. 6 ff. zeigt aber, daß die Entwicklung nicht von dort her, sondern dort hin verläuft. Vgl. auch F.-L. Hossfeld, Ezechielbuch S. 105 Anm.23. 158 Gegen Fohrer, der v. 1-5.14 zusammennimmt, und Zimmerli, der v. 1-12 als Einheit liest, vgl. die Analyse von Hossfeld a. a. O. S. 99 ff., dem unsere Darstellung weitgehend folgt. 159 Vgl, Ez 21,30; 12, 10 (txt. em.). 12; 19,1 (txt.em. oder präziser diachroner Sinn des Plurals, vgl. Zimmerli a.a.O. S.418 Textanm. lb). 160 Zum Nachtragscharakter von 21,17 vgl. Zimmerli a.a.O. S.475. Ez 45,9 beschreibt Zimmerli mit v. 1-8.10-17 als Nachtrag eines Ergänzers des in Ez 40-48 sekundären Komplexes der X-B3- Ordnungen (S. 1245f.) aus der Zeit zwischen 571 und 538 (S. 1248). Zimmerli deutet die Anrede an die „Fürsten" nach dem Modell des κ-®: (sing.) (S. 1148 f.). Aber wie ist eine Anrede !>>πβ- -x-bj od^ π zu verstehen, wenn es zu einer Zeit nur je einen k-bj gibt (anders im Rückblick v. 8 b, vgl. 46,18)? Setzt der Plural nicht eher voraus, was Zimmerli die „Krise des κ-w-Amtes" nach Serubbabel (um 520) nennt (S. 1248) und was das Freiwerden des Titels für die Bezeichnung einer Oberschicht zur Folge gehabt haben könnte? Für eine solche Übertragung vgl. auch die Textgeschichte von Ez 7,27 (dazu Zimmerli S. 165 Textanm. 27 a). Die Verwendbarkeit des Titels in einer gewissen soziologischen Breite setzt - wenn auch eingeengt auf das 12er-Schema - auch Ρ voraus (vgl. Zimmerli S. 1261). Ist es - wenigstens in Hinsicht auf die Ez-Belege - sicher, daß dabei „die konkret soziologischen Komponenten (zurücktreten)" (ebd., vgl. S. 492)? 161 Vgl. insoweit H. Niehr, ThWAT V, 651 ff. zu den Belegen in P. Dieser Hintergrund ist ein Argument für die Korrektur des MT nach der LXX in 22,6 a (ljni), vgl. BHS, mit der auch der Anschluß von v. 7 (am ικ) leichter verständlich wird, weil der Horizont der Familie schon erreicht ist.
164
Die spätere Deuteronomistik
des Ezechielbuches eine Entwicklung weg vom singularischen Gebrauch des Titels χ·ν: voraussetzt, dürfte die den Vorwurf des Blutvergießens so exemplifizierende Textschicht frühestens in die 2. Hälfte des 6.Jahrhunderts gehören162. Eine entsprechende Datierung gilt f ü r die Ergänzungen dieser ersten Erweiterungsschicht in v. 7 . 9 b a . 10163, die die Tendenz zur aktuellen paränetischen Funktionalisierung der Anklage der „Blutstadt" verstärken 164 und in diesem Zusammenhang die Bedrückung des ger und der Waise und Witwe anklagen. D e r Kontext, in dem die Ergänzung den Typus des ger berücksichtigt, bedingt es, daß er hier in das hauptstädtische Milieu versetzt wird. Ez 22,7 ist so ein Beleg dafür, daß sich vor dem Hintergrund einer Konstanz der sozialen Problematik in Juda bei der Deutung der zurückliegenden Katastrophe Jerusalems als Erfahrung eines göttlichen Strafgerichts das in der Tradition der ethischen Forderungen des dtn Gesetzes aufgedeckte schuldhafte Verhalten als ein Aspekt des Schuldzusammenhangs so zur Geltung bringen läßt, daß darin zugleich eine Mahnung an die gegenwärtigen H ö r e r liegt. Auf derselben Ebene liegt die Beschreibung der Verschuldung des Landes im Rückblick auf den Fall Jerusalems am „Tag des Zorns" ( o r i oyr) in Ez 22,23-31 1 6 5 . Hier wird nach den hauptstädtischen Ständen der d-r-ipj166 - D-ans - [•—i®] - D'icaa die Schicht der wirtschaftlich Starken in der Landschaft ( ρ κ π ny) genannt, der mit allgemein gehaltenen Formulierungen gewaltsames Unrechttun vorgeworfen wird. V. 29 b hebt dann die Beziehung zu den Schwächeren hervor: die Bedrückung des Armen (jrnxi -ay) und das Unrecht gegenüber dem ger. Die Differenzierung dieser beiden Personengruppen ist wie in Dtn 24,14 f. nach dem Kriterium ursprünglicher Ortszugehörigkeit im konkreten lokalen Milieu zu verstehen. Eine Verbindung zu dem Thema dieses Gesetzes besteht auch darin, daß an verletzte Rechtsansprüche des ger gedacht
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Sollten Ereignisse um Serubbabel einen Einfluß auf die Wortgeschichte gehabt haben (s.o. Anm. 160), ergäbe sich eine noch spätere Ansetzung. i « Zur Analyse Hossfeld a.a.O. S. 126ff. 150f. 164 „Die Stadt wird zum Negativsymbol der ethischen Unterweisung" (Hossfeld a. a. O. S. 150). 165 Vgl. Zimmerli z. St. 166 Di e s e Konjektur in v. 25 ist allgemein anerkannt. Die Auslegungen schwanken wie in 22,6 zwischen der Beziehung des Ausdrucks auf eine diachrone Reihe von Königen oder auf soziologisch nicht verortbare „Fürsten". Auch hier gewinnt das Verständnis, wenn man die ο-κ~»3 als eine Oberschicht deutet. Von der Vorlage Zef 3,1 ff. her gesehen könnte die Bezeichnung die o-n® und d-bdb ersetzen. Ez 22,27 (tru») wirkt in der Reihe v. 25.26.28 wie ein blasser Nachtrag ("pa vgl. 22,25; dt "|0» vgl. 22,6 u.ö.; yia vgl. 22,12.13), der die (so oder umgekehrt) zusammengehörigen Priester und Propheten auseinanderreißt.
Der ger in prophetischer Schuldaufdeckung und Paränese
165
ist167, die nur aus einem Arbeitsverhältnis erwachsen sein können. Ez 22,29 ist ein weiterer Beleg dafür, wie die durch das dtn Gesetz gesteuerte Wahrnehmung der kritischen Lage des sozialen Typus des ger im ausgehenden 6.Jahrhundert aktuell ist und in umfassende Mahnungen umgesetzt wird. 3. 5.2 Die Mahnrede bei Sacharja Das Bild, das die Bearbeitungen des Ezechielbuches als literarkritisch erschlossene Quellen zu zeichnen erlauben, wird durch einen Beleg für die Gestalt des ger in der Sammlung von Visionen Sacharjas (Sach 1 - 8 ) bestätigt. Von den Datierungen für die Visionen Sach 1-6* in 1,7 bzw. für die Erörterung der Fastenfrage ( 7 , 1 - 6 + 8,18 f.) in 7,1 her ergibt sich für diesen Beleg im Kontext 7, 7 - 1 4 als terminus a quo das Auftreten des Propheten um 519/518. Wenn, wie wahrscheinlich, Sach 7 , 7 - 1 4 Teil einer nachsacharjanischen redaktionellen Bearbeitung im weiteren Raum der späteren Deuteronomistik ist168, führt der Beleg möglicherweise sogar ins 5.Jahrhundert hinein169. In der Mahnrede Sach 7 , 9 b. 10 steht υ parallel zu und ist gemeinsam mit dem Paar m i n naa!»« Objekt zu dem Vetitiv npwyn Die dtn Trias ist also auch hier aufgelöst in das Paar „Witwe und Waise" und die einzelne typische Gestalt des ger. Diese Gruppierung erklärt sich wiederum (von Dtn 2 4 , 1 4 f. her) damit, daß der ger als Arbeitskraft in Frage kommt, vom 'äni aber nach dem Kriterium ursprünglicher Ortszugehörigkeit unterscheidbar ist170. In Sach. 7 , 9 f. ist das Bedrückungsverbot
167
Zum Text von v. 29 b siehe Zimmerli z. St. Die drei verwandten Texte Sach 1 , 2 - 6 ; 7 , 7 - 1 4 ; 8,14-17, die lehrhaft mahnend die Verknüpfung von Ungehorsam und Unheil an der von den Vätern erfahrenen Geschichte: dem Ende der judäischen Monarchie, demonstrieren, werden von W. Α. M. Beuken, H a g gai-Sacharja 1-8, S. 84 ff. 118 ff. 171 ff. einer Bearbeitung der Prophetenüberlieferung durch „levitische Kreise" der „deuteronomistisch-chronistischen Tradition" zugewiesen, vgl. R.Smend, Entstehung S. 184ff.; O.Kaiser, Einleitung S.288. Ob man mit hinreichender Sicherheit über O. Eißfeldts Urteil hinauskommt, diese (und weitere) seien „Worte sehr allgemeinen Inhalts, die auch jeder andere Prophet gesprochen haben könnte", aber „wirklich begründeter Verdacht (bestehe) gegen kein einziges von ihnen" (Einleitung S. 585), mag hier offen bleiben. Gegen Ende des 6.Jahrhunderts könnten die dtr Argumentationsmuster einem Propheten priesterlicher Abkunft zuhanden gewesen sein. 168
169 D a ß die Bezeichnung ger im 5.Jahrhundert noch als sozialer Typenbegriff im Sinne des dtn Gesetzes verwendet wird, zeigt auch Mal 3 , 5 , wo der Text allerdings unsicher ist. Vielleicht ist in v. 5 b a nach L X X zu ergänzen τι BDBO und im Parallelismus zu lesen: Υ BDSD "aa(a)i II TD»[ Der Zusatz m m wäre eine durch die Trias der personae miserae im dtn Gesetz veranlaßte Glosse, die in L X X ausgeführt wird. 170 S.o. S.83. Wenn die Wendung in v.9bß ney o - a m i -τοπ als Bestimmung des ethischen Verhaltens schon im Gefälle vom Stärkeren zum Schwächeren zu deuten ist, liegt die
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Die spätere Deuteronomistik
zunächst nur indirekt ein Appell, da es im Kontext als Zitat der Mahnrede von D-JBKin D-K-ajn steht171. Die Belehrung über das Tun und Ergehen der Väter will jedoch im Sinn von Sach 1,4 aktuelle Anrede sein, so daß die Mahnung nicht nur literarisch-zitathaften Charakter hat, sondern einer realen gesellschaftlichen Lage entsprechen muß. Von Sach 7,10 her findet die Annahme einer relativen Konstanz im 6. Jahrhundert der sozialen Problematik, in deren Umkreis die Gestalt des ger gehört, weitere Bestätigung172. Der Beleg erweist damit zugleich, daß der Zeitraum, in dem das Wort ger als sozialer Typenbegriff zu deuten ist und die Lage dieses Typus ähnlich wie aufgrund des dtn Gesetzes im Z.Jahrhundert beschrieben werden muß, bis in das 5.Jahrhundert hineinreicht173. 3.6 D i e generalisierenden Schutzgebote bezüglich des ger im Bundesbuch (Ex 2 2 , 2 0 ; 2 3 , 9 ) Wie die Mahnungen und Anklagen hinsichtlich des Verhaltens gegenüber dem ger in den Bearbeitungen des Jeremia- und Ezechielbuches einen umfassenden Ausdruck für das Unrechttum wählen, so auch die Gebote zum Schutz des ger im sog. Bundesbuch174. Der ger ist hier zweimal Thema eines Gebotes175. Ex 22,20 verbietet seine Bedrückung unter Verwendung der Verben nr hi. und ρπί>, Ex 23,9 mit dem Verb ρn5>176.
Formel rnx nx b-k nicht mehr nur auf der Ebene der Gleichrangigkeit, sondern schließt die Bedürftigen mit ein, so daß v. 10 a dazu als Explikation zu lesen ist. Dann wird hier noch einmal deutlich, daß ger als sozialer Typenbegriff keine ins Gewicht fallende Konnotation des „Fremden" hat. 171 Die vorausgesetzte Theorie entspricht sozusagen in Gegenrichtung dem Konzept von Dtn 18,15 ff. 172 Die den Zusammenhang Sach 7,7/11 ff. zerreißende Einleitung v. 8.9 a belegt die Aktualität der Mahnung noch für eine spätere Redaktionsstufe. 173 Für die Gesellschaftsstruktur im Juda dieser Zeit vgl. besonders H. G. Kippenberg im Hinblick auf den - erodierenden - „Zusammenhalt der nach Verwandtschaftsgruppen organisierten judäischen Gesellschaft" (Klassenbildung S.36ff. und s.o. S.43f.). Bei den historischen Ableitungen aus der Liste Neh 7/Esr 2 (J.P.Weinberg, Das BEIT ΆΒΟΤ S.404ff.; Kippenberg ebd. S.23; vgl. H.Donner, Geschichte S.412) droht jedoch leicht eine Vernachlässigung der drei Generationen lang kontinuierlich ansässig Gebliebenen (vgl. auch H.Kreissig zu Ed.Meyer, Juda S.83 mit Anm.4 einerseits, S.29 andererseits, s.o. S. 128). 174 Zum Bundesbuch vgl. besonders die Untersuchung von E. Otto, Rechtsbegründungen; jetzt auch L.Schwienhorst-Schönberger, Das Bundesbuch (1990). 175 Der Quellenwert des beziehungslosen Zusatzes u m im Ruhetagsgebot Ex 23,12 nach den mit Suffixen der 2.pers.sing. angebundenen Haustier- und Sklavenbezeichnungen läßt sich nicht abschätzen. Im Vergleich mit Dtn 5,14, wo der ger sachgemäß im Arbeitsverbot genannt wird, scheint hier ein angleichender Nachtrag vorzuliegen - literarisch nach Ex 20,10. 176 Zu n r hi. s.o. S. 161. Das Verb fn> fehlt im dtn Gesetz und im Heiligkeitsgesetz und
Die generalisierenden Schutzgebote im Bundesbuch
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Die Gebote stehen in dem Teil des Bundesbuchs, der sich mit ethischen und sakralrechtlichen Vorschriften an die Sammlung kasuistischer Rechtssätze in Ex 2 1 , 1 8 - 2 2 , 1 6 anschließt. Vom Vergleich der Form dieser kasuistischen Rechtssätze mit dem Stil der Gesetze in Dtn 12-26 her wird in der Einleitungswissenschaft üblicherweise das Bundesbuch dem dtn Gesetz der Zeit Joschijas entwicklungsgeschichtlich vorgeordnet. Auch der detailliertere Vergleich des Gesetzes Ex 2 1 , 2 - 1 1 mit seiner paränetisch-rhetorisch erweichten Fassung in Dtn 15,12-17 kann eine solche Richtung der Entwicklung bestätigen. Die kompositorischen Verhältnisse innerhalb des Bundesbuchs sind indessen zu kompliziert, als daß man von dem Bestand in Ex 2 1 , 2 - 1 1 ; 2 1 , 1 8 - 2 2 , 1 6 her ein Urteil über die gesamte Sammlung als ein in sich abgeschlossenes Korpus von Rechtssätzen fällen könnte 177 . Eine hinreichend sichere Beschreibung des Bundesbuchs als historischer Quelle kann der Einzeluntersuchung der Gebote im zweiten Teil ab Ex 22,17 nicht vorgegeben werden 178 . Das erste Gebot zum Schutz des ger im Bundesbuch steht im näheren Kontext ethischer Mahnungen 2 2 , 2 0 - 2 6 , die Spuren mehrfacher Bearbeitung aufweisen. Zwischen dem Ende der Sammlung kasuistischer Rechtssätze und dieser Versgruppe finden sich drei vereinzelte und formal unterschiedliche Sätze über religions· und sexualrechtliche Straftatbestände 179 , so daß sich kein direkter Über-
auch sonst in Anklagen sozialen Unrechts. Für individuell erfahrene Not steht es in Hi 36,15 parallel zu vgl. noch die Konstruktus-Verbindungen γιό ππί> und ρηί> π-n in 1 Kön 22,17 (Jes 30,20 txt.?). Das Wort gehört eigentlich in das politisch-militärische Sprachfeld, wobei das ganze Volk Objekt und (auswärtige) Feinde Subjekt sind, Am 6,14; 2 Kön 13,4; Ri 2,18 u. ö. In Dtn 26,7; Ex 3,9 bezeichnet das Wort das Geschick Israels in Ägypten. Ob sich wegen der Stichwortentsprechung Ex 22,20 : Ex 3,9 im weiträumigen literarischen Zusammenhang des Bundesbuches am Sinai mit den Auszugsgeschichten das Begründungsverhältnis Ex 23,9a : 9bp wiederholt, ist fraglich, vgl. aber Otto a.a.O. S.59; sehr entschieden auch Schwienhorst-Schönberger a.a.O. S. 342f.352ff. Der Ton läge aber gerade dann nicht auf der Fremdlingschaft Israels in Ägypten, sondern auf der sozialen Notlage in der Unterdrückung. 177 In seiner auf einseitiger Betonung der Strukturfunktionen der Sätze beruhenden Analyse des Bundesbuchs versucht J. Halbe, Privilegrecht S. 413 ff., exakte Kompositionstheorien über das Bundesbuch als ein geschlossenes Korpus aufzustellen. Für die Datierung der Sätze des Bundesbuchs als historischer Quelle ist mit seiner Beschreibung als Strukturganzes wenig gewonnen. Gerade im Falle einer festen literarischen Struktur müßte die Datierung von den jüngsten Elementen ausgehen (Ex 23,9 b; 22,30; 23,13 ?). Vgl. dazu auch Otto a.a.O. S.7; anders nimmt G.Wanke, Art. Bundesbuch S.414, die Untersuchungen Halbes positiv auf. 178 Eine neue Grundlage schafft die Analyse Schwienhorst-Schönbergers, der mit einem erheblichen Anteil protodeuteronomischer und deuteronomistischer Redaktionen rechnet. 179 Für eine detaillierte Untersuchung der Gebote Ex 22,17-19 ist hier nicht der Ort. Es sei nur darauf hingewiesen, daß sich alle drei im Zusammenhang der Abwehr fremdreligiösen Tuns wie in den Erweiterungen des dtn Gesetzes nach dem Ende des judäischen Staates verstehen lassen. Zu Ex 22,17 vgl. Dtn 18,9f. im Kontext der Problematik der Selbstbehauptung unter den umgebenden D-U, sowie die einzige Parallele für die Strafbestimmung π-nn x!> in Dtn 20,16 im gleichartigen Kontext (ab v. 15). Für Ex 22, 79 vgl. auch dort (v. 17) und in Dtn 13,13 ff. die Strafe des Banns (cnn) im Fall von Apostasie. Zur Präsenz des Falles von Ex 22,18 vgl. Dtn 27,21.
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Die spätere Deuteronomistik
gang von den Rechtssätzen für Streitfälle innerhalb der Gesellschaftsschicht gleichrangiger und wirtschaftlich Selbständiger 180 zu den Vorschriften zum Schutz der Schwächeren ergibt. In E x 2 2 , 2 0 - 2 3 sind G e b o t e b e z ü g l i c h d e s ger u n d der W i t w e u n d W a i s e mit ihren j e w e i l i g e n paränetischen N a c h s ä t z e n m i t e i n a n d e r v e r w o ben. D a s S c h u t z g e b o t f ü r die W i t w e u n d W a i s e ist in pluralischer A n r e d e formuliert u n d u m f a ß t z u n ä c h s t v. 21 u n d v. 23. D a f ü r die D r o h u n g v. 23 ein V o r d e r s a t z erforderlich ist u n d S t i c h w o r t k o r r e s p o n d e n z z w i s c h e n v. 21 u n d v. 2 2 a (nay pi.) b e s t e h t , ist n o c h v. 22 a h i n z u z u r e c h n e n , der im Z u g e der Z u s a m m e n s c h m e l z u n g d e r G e b o t e in d e n Singular u m g e s e t z t w u r d e . V o n d e m v e r b l e i b e n d e n B e s t a n d ist v. 2 0 a 2 . b ein N a c h t r a g v o n 2 3 , 9 a . b ß , der mit d e m V e r b pn!> das V e r b n r hi. kommentiert 1 8 1 . D i e G r u n d f a s s u n g d e s S c h u t z g e b o t s für d e n ger lautet also: uipys yavx yn® -S>k pys- pys dk
ruin xi» nxi
V o r d e m H i n t e r g r u n d d e r G e b o t e d e s d t n G e s e t z e s , die das Verhältnis d e r g r u n d b e s i t z e n d e n S c h i c h t z u d e m s o z i a l e n T y p u s d e s freien, aber a b h ä n g i g e n ger regeln (bes. D t n 2 4 , 1 9 ff. 17 f. 14 f.; 5 , 1 2 ff.), w i r d d i e s e s G e b o t als eine V e r a l l g e m e i n e r u n g verständlich, w i e sie in der späteren D e u t e r o n o m i s t i k auch in d e n Bearbeitungen d e s J e r e m i a - u n d E z e c h i e l b u c h e s in K r a f t g e s e t z t w e r d e n . Es ist d a g e g e n n i c h t einsichtig, w a r u m im d t n G e s e t z v o n e i n e m G e b o t w i e E x 2 2 , 2 0 a!. 2 2 b als V o r g a b e her e i n z e l n e V o r s c h r i f t e n e n t w o r f e n , der orientierende G r u n d s a t z aber n i c h t ü b e r n o m m e n w o r d e n sein sollte 1 8 2 . D a s S c h u t z g e b o t für d e n ger stellt k e i n e n v o r d t n B e s t a n d d e s B u n d e s b u c h s dar 1 8 3 , s o n d e r n ist v o n einer
180 Auch die Sklavengesetze liegen auf dieser Ebene, vgl. 21,21 bß. 181 Vgl. die ähnliche Doppelung i n j e r 22,3b (s.o. S. 161). - Weitreichende Erwägungen über die textstrukturierende Funktion einer Klammer Ex 22,20/23,9 bei Halbe a.a.O. S. 418 f. 429 ff., vgl. F. Crüsemann, Bundesbuch S.33. 182 Di e Parallelaufstellungen für das Bundesbuch und das Deuteronomium nennen für Ex 22,20-23 als Entsprechung Dtn 24,17-22 (17-18), für Ex 23,9 Dtn 24,17f., vgl. z.B. G.v.Rad, Deuteronomium S. 8; H.-D.Preuß, Deuteronomium S. 105 f. Gegen derartige Listen erhebt schon C. Steuernagel, Deuteronomium S. 40, begründet Einspruch. - Zutreffender nennt übrigens M. Weinfeld, Deuteronomy S. 289, Dtn 10,19 als Parallele zu Ex 22,20. 183 Crüsemann datiert das Bundesbuch gerade auch aufgrund der Gebote bezüglich des ger in die Königszeit und vor das Dtn (a.a.O. S. 35; von seinen eigenen Voraussetzungen her könnte er präziser die judäische Königszeit des späten 8. oder des 7. Jahrhunderts als terminus a quo geben). Kriterium ist dabei, daß das Thema der gerim den „Mittelabschnitt" (Ex 22, 20-23,9?) präge (S. 33) und historisch der Untergang des Nordreichs „ein massives genm-Problem ausgelöst" habe (S. 34). Ist diese Annahme historisch zwar nicht unplausibel, ist sie dennoch nicht zu belegen (s.o. S.44), und selbst literargeschichtlich bleibt angesichts der sonstigen Belegung von nj- hi. und des Verhältnisses von Ex 22,20 a zu den Sätzen des dtn Gesetzes die vorgeschlagene Verbindungslinie zweifelhaft. Unnötig ist Crüsemanns Rekurs auf Nordreichstraditionen zur Erklärung des zweiten Teils des Bundesbuches
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generalisierenden nomistischen Tendenz in der späteren Wirkungsgeschichte des dtn Gesetzes her zu verstehen184. Das Schutzgebot für den ger in Ex 22,20 a!. 22 b ist als einzelnes begründet. Die Begründung, die auf der Abfolge von Schreien des Bedrängten und Hören der Gottheit beruht, stellt eine gegenüber den paränetischen Sätzen im dtn Gesetz gesteigerte Selbstverpflichtung des Gottes Jahwe auf die Fürsorge für die personae miserae dar. In Dtn 24,15 b; 15,9b hat das Schreien (»np>) zur Folge, daß das verweigerte gerechte oder unterstützende Tun in dem zwischen Gerechtigkeit (vgl. Dtn 24,13 b) und Sünde geordneten Leben des Angeredeten als Sünde («an) angerechnet wird. Hier bedeutet jedoch die Abfolge von Schreien und Erhörung eine direkte Zusage der Hilfe für den Schwachen und eine Drohung an den Starken. Die Bekräftigung des Eintretens der Gottheit für den Schwachen ist der Gottesprädikation in Dtn 10,17 b. 18 vergleichbar und weist auch für den literargeschichtlichen Ort der Begründung Ex 22,22 b in die 2. Hälfte des 6.Jahrhunderts185. Hat sich in Ex 2 2 , 2 0 ai. 22 b die Gestalt des ger einerseits aus der dtn Trias π:ηϊ>κι dw" υ gelöst (vgl. Dtn 10,18; Ez 22,7.29), so wird diese Reihung andererseits die Ergänzung des Schutzgebots für Witwe und Waise Ex 22,21. 22 a*. 23 veranlaßt haben 186 . Das Schema von Zorn und Unheil, das seinen paränetischen Nachsatz trägt, findet sich sonst als Drohung in den dtr Rahmenschichten des Dtn (Dtn 7,4; 11,17; vgl. Jos 2 3 , 1 6 b MT) und dürfte in der paränetischen Verwendung gegenüber seiner geschichtstheologischen Funktion für die Deutung der Volksgeschichte Israels (Ri 2 , 1 4 . 2 0 ; 2 K ö n 23,26 f.; 24,20; Dtn 29,19 u.ö.) sekundär sein 187 .
(S. 38 f.), weil die Nordreichsflüchtlinge ja nur in Juda und von dort aus als gerim sichtbar werden könnten. Die Deutung der Bezeichnung ger als sozialer Typenbegriff, wie sie die Belege im Dtn erfordern, erschwert im übrigen grundsätzlich die Verbindung dieser Gebote mit der Ereignisgeschichte, in der bestimmte Ereignisse in verstärktem Maße zum Auftreten von „Fremden" geführt hätten. 184 Schwienhorst-Schönberger identifiziert denselben Grundbestand des Gebotes vor dtr Erweiterungen (a. a. O. S. 345), weist ihn jedoch zusammen mit v. 24a. 25.26 einer protodeuteronomischen („gottesrechtlichen") Redaktion zu (S. 359). Der Prohibitiv mit n r sei „für die alttestamentliche Sprache ... gängig" (S.342), was sich angesichts der angeführten Belege (Anm. 30) aber nur schwer und wenigstens nicht für eine vordtn Zeit vertreten läßt. 185 Otto erklärt a.a.O. S.40f. die göttliche Erhörung des „Zetergeschreis" Ex 22,22b. 26 b und die Prädikation jun v.26bß aus der Vorstellung von Jahwe als „Königsgottheit". Das ist mit der vorgeschlagenen Datierung gut vereinbar, vgl. Jes 52,7 und auch die sog. Jahwe-König-Psalmen Ps 47.93.96-99. In Ps 94,6 wird die Klage über das Ergehen der Witwe und des ger sowie der Waise unter den Gottlosen (o"y®T v. 3) vor Gott als den &9t> ρ κ π (ν. 2) gebracht, vgl. auch Ps 146,9. Daß die Anrufung Jahwes durch den bedrückten ger ganz selbstverständlich gedacht ist, erweist diesen unproblematisch als ein Mitglied der religiösen Gemeinschaft. 186 Vgl. Otto a.a.O. S.5 (mit Anm.20), S.38. 187 Vgl. Otto ebd. mit Anm. 21.
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Der ganze Komplex Ex 22,20-23 läßt sich danach vom dtn Gesetz her als Teil von dessen Wirkungsgeschichte verstehen. Die Schutzgebote für den ger bzw. für Witwe und Waise mit ihren unheilsschweren paränetischen Nachsätzen sind Texte, die das Bestehen der sozialen Problematik, der sie entgegenwirken wollen, für das Leben im Juda der nachköniglichen Zeit bezeugen. Die Weite der Gebotsformulierung und die Radikalität der Drohung zeigt, daß die Verschuldungstatbestände, die am dtn Gesetz im Einzelnen erkannt werden konnten, zusammengefaßt und vor dem Hintergrund der erfahrenen Katastrophe in ihrer Tragweite neu gedeutet werden. Ein entsprechend größeres Gewicht bekommt die religiös motivierte Abwehr der Bedrückung der Schicht der Armen, die Hilfe bei dem Gott finden, der mit der Gesetzgebung im ganzen die Gemeinschaft der Angeredeten verpflichtet188. Die erzielte Klärung bezüglich Ex 22,20-23 erledigt nicht die Frage, ob mit dem - auch in 22,20 eingeschobenen - Gebotssatz Ex 23,9 ein Teil vordtn Bundesbuchbestandes vorliegt189. Eine solche Möglichkeit kommt besonders dann in Betracht, wenn der Satz zu einer Satzreihe gehörte, die als eigenständige zitable Einheit eine eigene Vorgeschichte außerhalb ihres jetzigen literarischen Ortes im Bundesbuch gehabt hätte.
188 Zu Recht spricht Otto a . a . O . S.38 von einer Verstärkung des Akzents der Armentheologie im Bundesbuch. Sein Versuch, in dem Komplex Ex 2 2 , 2 0 - 2 6 aufgrund der Ausdrücke "|ay -jyn (v. 24) und "|jn (v. 25) ein Stadium zu identifizieren, in dem die sozialen Schutzgebote „aus dem Gesellschaftszusammenhang begründet" waren, bevor sie mit v.22.26bßy und der Glosse -ny τικ (ν.24) theologisch begründet, d.h. von der Gottheit als Rechtsquelle absorbiert werden (S. 39 f.), kann jedoch nicht überzeugen. Schon in Stadium I wäre das Gebot nicht von der Gesellschaft her begründet, sondern vom humanen Empfinden der Evidenz einer Notlage her (vgl. als Beispiele direkten Ausdrucks davon Dtn 2 4 , 6 b . 15 aß; Ex 2 3 , 9 b ) . - Die Projizierung des Modells der Ablösung gesellschaftlicher und genealogischer Normenbegründung einer Zeit intergentaler Konfliktregelung durch religiöse Begründungen nach dem sozialhistorischen Umbruch einer entstehenden Staatlichkeit auf die Geschichte Israels (a. a. O. passim) führt überhaupt in Aporien, weil Staatlichkeit und Urbanität Phänomene in Israel/Juda seit dem 1 O.Jahrhundert sind, die religiösen Rechtsbegründungen literarisch aber kaum vor dem 7.Jahrhundert greifbar werden. Vgl. etwa auch die Ausführungen zur Differenzierung von Schicht I (Stichwort "prnx v. 6) und Schicht II (,Ich' Jahwes v. 7bß) in Ex 23,1 ff.* (S.45 ff.). M . E . ist eher zwischen Rechtssätzen aus einer Ethik der Gleichgestellten (Bessergestellten), in denen es um Ausgleich von Rechtsansprüchen geht, und Geboten zum Schutz der Schwächeren zu unterscheiden, die diesen Gestalten allererst Ansprüche beilegen - mit weisheitlich-humanen oder religiösen Begründungen. 189 Nach A.Bertholet, Stellung zu den Fremden S. 35, bleibt nach der Untersuchung der Gebote im Bundesbuch „als ältestes Gesetz in bezug auf die Fremden in Israel lediglich die Mahnung übrig: f rr^n x^ u . Sie will gewürdigt sein als ein schönes Zeugnis der humanen Gesinnung, die wir Alt-Israel im Ganzen zugesprochen haben." Bertholet interpretiert das Gebot als eine Mahnung „seitens der Träger der göttlichen T h o r a " an den Patron, von dem der ger in vorstaatlicher Zeit abhängig sei (S. 36)
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Als Grundlage des Komplexes Ex 23,1-9 hat man einen „Richterspiegel" zu identifizieren gesucht190, der ein Traditionselement von hohem Alter sein könnte. Die thematische Einheit, die Ex 23,1-3.6-9 191 in dem Thema Rechtsverhalten findet, läßt sich jedoch nicht mit befriedigendem Ergebnis zur Herstellung einer gleichförmigen, zitablen Satzreihe nutzen192. Das Schutzgebot für den ger in 23,9 ist damit zwar im thematischen Kontext von 23,1-3. 6-9 zu lesen, ohne daß aber eine Tradition greifbar würde, die dem jetzigen Text weit vorausläge. Das Thema Rechtsverhalten wird in Ex 2 3 , 1 - 3 . 6 - 9 in einer besonderen Konstellation polemisch zur Sprache gebracht. Die Gebote sind einerseits Vorschriften für den Angeredeten zum eigenen richtigen Verhalten, andererseits Warnungen vor der Beteiligung am Tun Anderer. Es drückt sich in ihnen ein Ethos aus, das gegen eine andere Gruppe behauptet werden muß. Der Angeredete soll sich nicht mit dem ym oder den „Vielen" verbünden (v. 1.2), sondern sich vielmehr von deren lügnerischen Angelegenheiten fernhalten (v. 7). Er soll den „Großen"193 im Rechtsstreit nicht begünstigen (v. 3) und das Recht des jraK nicht
190 Vgl. A.Alt, KS I, S. 316 Anm.3. Dieser Versuch steht im Zusammenhang der Rekonstruktion der israelitischen Rechtsgeschichte aufgrund einer Theorie über die Rechtssatzformen. Gerade das Material von Ex 23,1-3.6-9 beugt sich aber kaum den Erfordernissen dieser Theorie, vgl. schon bei Alt, der keinen rekonstruierten Text bietet, S. 315 Anm. 2.3, S. 316 Anm. 4. 191 Die „schönen Verse 23,4.5" werden allgemein als Nachtrag beschrieben, vgl. J. Wellhausen, Composition S.90 u.a. Daß sie eine Vorlage für Dtn 22,1 (-3).4 waren (s.o. Anm. 182), ist keineswegs sicher. Gerade in einem Kontext, der das Verhältnis zu den cryBi (23,1.7, vgl. D-m v.2) bestimmt, können sie eine Grenze sozusagen zur anderen Seite hin ziehen: daß man sich nun auch wiederum am Schaden des Anderen nicht freuen soll, selbst wenn er ηη-χ bzw. ηχ» ist. Dann ist eine spätere gesellschaftliche Konstellation vorausgesetzt, wie manche Psalmen sie belegen (vgl. H. Gunkel/J. Begrich, Einleitung S. 196 ff., bes. 208 f.). 192 Das beste Resultat dieser Bemühungen bietet W.Richter, Ethos S. 122, der aus dem gegenwärtigen Text v. 1 a. 6*. 8 a. 9 a übrigbehält und 22,21 * hinzunimmt:
XIV ynv κνπ x!> Bavo nan x!> npn x5> -m®i pn^n x!> u i [myn xi· 0111-1 τυα^κ] Sämtliche Weglassungen sind dabei nicht sachlich, sondern nur mit Formgesetzen begründet. - Schwienhorst-Schönberger, a.a.O. S.378ff., entwickelt die Entstehung von Ex 23, 1-9, indem er - J. Halbe folgend - von der Grundlage dreier Prohibitive ausgeht (I = v. la.2a.6*). Sie sei zu einer Zehnerreihe erweitert worden (II = v. 1 b.2b. 3-5.7aba), die der protodeuteronomische Redaktor ins Bundesbuch brachte (mit III = v. 7 bß). Dem dtr Redaktor werden (IV) v. 8.9 a. 9 b zugewiesen. 193 Ex 23,3 ist nach Lev 19,15 zu emendieren. Das Verb "nn drückt doch wohl eine Ehrung aus, die man einem Höhergestellten (oder Würdigeren: Lev 19,32) zu erweisen geneigt sein kann (bzw. verpflichtet ist), also einer aus dem Durchschnitt schon nach oben hinausdifferenzierten Person (anders Otto a.a.O. S.47 mit Anm. 168; Rechtssystematik S. 195).
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beugen (v. 6). Von dem Dualismus in der Gesellschaft, der hier sichtbar wird, findet sich im dtn Gesetz noch keine Spur. Anders als beim einzigen Beleg für ysn im dtn Gesetz (Dtn 25,1 ff.), w o das Wort den im Rechtsfall Schuldigen bezeichnet, ist der ytn in Ex 2 3 , 1 - 7 eine typisierte Gestalt 194 . Deutlich wird die unterschiedliche Lage auch im Vergleich des Gesetzes über den onn "ry in Dtn 19,16 ff. mit der Zuordnung des Tuns eines onn "ry zum Typ des yen und der gebotenen Distanzierung in Ex 23,1. Der Komplex zum Thema Rechtsverhalten in Ex 2 3 , 1 - 3 . 6 - 9 setzt eine Wahrnehmung sozialer Verhältnisse voraus, die das dtn Gesetz als Quelle für die judäische Königszeit noch nicht erkennen läßt 195 .
Da in Ex 23,1 ff.* insgesamt keine geprägten vordtn Traditionen überliefert sind, ist das Schutzgebot für den ger im Kontext der Vorschriften für das Rechtsverhalten vor dem Hintergrund von Dtn 24,17; 27,19 und im Zusammenhang mit Dtn 1,16 zu verstehen. Ein reicher Traditionshintergrund wie der des dtn Gesetzes kann auch die lockere Reihung der Sätze in Ex 2 3 , 1 - 3 . 6 - 9 erklären, in der sonst gerade der literarische Anschluß des Schutzgebots für den ger an das aus Gebotssatz und Begründungssatz wie ein Sprichwort zitabel geformte Verbot der Bestechungsannahme 23, 8 unklar ist196. Die Erinnerung an den ger ist angereiht, weil dieser soziale Typus im gesellschaftlichen Spektrum unübersehbar in einer Notlage ist und das Schutzanliegen auch sonst in der späteren Deuteronomistik intensiv vertreten wird. Die über den unmittelbaren Rechtsbereich hinausweisende generalisierende Gebotsformulierung mit dem Verb pni> zeigt, daß die abgewehrte Bedrückung des ger nicht nur in der Verletzung von eigentlichen Rechtsansprüchen liegt.
194 Nach der Fassung von 23,7bß in der LXX könnte jron noch die konkrete Bedeutung „Schuldiger" haben, vgl. M.Noth, Exodus S. 153. Da aber die LXX mit dem Zusatz ενεκεν δώρων interpretiert, hat sie wohl doch nicht die ursprüngliche Lesung bewahrt. 195 Der Dualismus in der Gesellschaft findet sich auch, aus der Perspektive der Gerechten und der Armen, in den Psalmen, z.B. Ps 82.94. Dazu Gunkel/Begrich a.a.O. Eine gewisse Unsicherheit für die historische Einordnung dieser Verhältnisse und ihre sprachliche Darstellung ergibt sich von den Proverbien her, vgl. zu Ex 23,1 ff. z.B. Prv 17,15.23. Aber selbst wenn hier königszeitliches Material vorliegt, ist die Umsetzung in Gebote wie Ex 23,1.7 doch noch ein Zweites. 196 Nach Wellhausen a.a.O. S.90 ist „das Sprichwort 23,8b eingeschoben, denn wenn der Satz γπ^η xi· -m v. 9 hier nach 22,20 überhaupt eine Stelle haben soll, so muss er mit v. 7 und 8 a eng verbunden sein, damit man merke, dass speciell von Bedrückung im Gericht die Rede sei". Auch Richter erklärt a. a. O. S. 86 zögernd v. 8 b als Erweiterung. Otto beschreibt 23,1 f./3.6/7 aba. 8 als Ringkomposition (schon auf einer zweiten Redaktionsstufe) (Rechtssystematik S. 194 f.; Rechtsbegründungen S. 5 f. 47 f.) und verweist aus Gründen der Textstruktur für 23,9, welcher Vers im vorderen Rahmen keine Entsprechung hätte, auf eine spätere Redaktion. Seine Beobachtung (S.6), 23,9 wolle „in dtr Geist das Prozeßrecht sozial akzentuieren", ist nicht unplausibel, aber warum „nachträglich" (vgl. v. 6) und inwiefern stellt der vorgängige Bestand „Prozeßrecht" dar? (vgl. schon Alt a. a. O. S. 316 mit Anm. 3). Die Erklärung (S. 5), das Gebot mit pnS> und Obj. υ „dürfte hier wie dort (seil. 22,20*; 23,9) der Verknüpfung dienen", ist unklar. Verknüpfung von was womit?
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D i e Intensität des g e s e t z g e b e r i s c h e n A n l i e g e n s , die v o r d e m H i n t e r grund d e s d t n G e s e t z e s auf die S c h u l d e r f a h r u n g z u r ü c k g e h e n dürfte, die sich i m Z u g e der D e u t u n g der K a t a s t r o p h e d e r j u d ä i s c h e n M o n a r c h i e 5 8 7 f o r m t e , k o m m t auch in d e n paränetischen E r w e i t e r u n g e n des S c h u t z g e b o t s z u m A u s d r u c k . D a d a s G e b o t 2 3 , 9 a in singularischer, die paränetischen N a c h s ä t z e 2 3 , 9 b a . β in pluralischer A n r e d e formuliert sind, ist hier w o h l n o c h mit e i n e m T e x t w a c h s t u m z u rechnen 1 9 7 . D a b e i dürfte in e i n e m ersten Stadium d i e B e g r ü n d u n g nur v. 9 bß u m f a ß t h a b e n , d e n n das G e b o t mit d e m V e r b FN!> Obj. "IJ ist i m Zitat in E x 2 2 , 2 0 1 9 8 in der F o r m 2 3 , 9 a. bß v o r a u s g e s e t z t . D i e B e g r ü n d u n g v. 9 b ß ist dieselbe, die in D t n 1 0 , 1 9 mit d e m G e b o t , d e m V o r b i l d d e s G o t t e s J a h w e f o l g e n d ( 1 0 , 1 8 b ) d e n ger z u „lieben", v e r b u n d e n ist. Es entspricht der f ü r die literarische E n t w i c k l u n g z u d e n S c h u t z g e b o t e n im B u n d e s b u c h a n g e n o m m e n e n R i c h t u n g v o m dtn G e s e t z her, d a ß sich der paränetische N a c h s a t z in D t n 1 0 , 1 9 bruchlos an das pluralische G e b o t anschließt, w ä h r e n d er in E x 2 3 , 9 bß ( 2 2 , 2 0 b ) v o n d o r t ü b e r n o m m e n ist 199 . E x 22, 20 ai w a r ursprünglich mit der anderen B e g r ü n d u n g 2 2 , 2 2 b m o t i viert, E x 2 3 , 9 a im b r ü c h i g e n K o n t e x t der V o r s c h r i f t e n für d a s R e c h t s verhalten w i e 2 3 , 3 . 6 o h n e Begründung 2 0 0 . D e r w e i t e r e A u s b a u d e s N a c h s a t z e s v. 9 b ß d u r c h v. 9 b a steht vielleicht unter d e m E i n f l u ß der w e i s h e i t l i c h e n S e n t e n z v. 8 201 . D i e B e a r b e i t u n g e n der S c h u t z g e b o t e b e l e -
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Da der ger-Status in Ägypten Vorgeschichte des Volkes, nicht Biographie des Angeredeten ist, muß die heilsgeschichtliche Tradition in kollektiv-singularischer oder pluralischer Anrede vergegenwärtigt werden. Da in Ex 23,1 ff. im Singular der konkrete Einzelne angeredet wird, kann der paränetische Nachsatz nur im Plural formuliert sein. Es wäre dann immerhin denkbar, v. 9 a und v. 9 b β einer Hand zuzuweisen. 198 S.o. S. 168 bei Anm.7. 199 Zu diesem Begründungssatz s.o. S. 126f., für seine Unterscheidung von Dtn 23,8b s.o. S. 116. Von dem „bekannten Hinweis auf den Aufenthalt Israels in Ägypten" (Crüsemann a.a.O. S.33) wird man nur sprechen können, wenn man den Satz mit Dtn 5,15; 15,15 u. ö. zusammennimmt. Das Argument W. Beyerlins, Paränese S. 14, „Wäre die Bundesbuch-Paränese durch die Rückprojektion (?) entsprechender deuteronomischer Elemente zustande gekommen, dann wäre die Einfügung der letztgenannten Formulierung (seil. Dtn 5,15 usw.) weit eher zu erwarten gewesen als die der nur einmal im Deuteronomium gebrauchten Parallelklausel (10,19b) . . . " ist schwerlich gültig. Es zeigt sich vielmehr, daß Ex 23,9 bß schon die Entwicklung vom dtn Gesetz zu den dtr Rahmenschichten voraussetzt. Von Beyerlins Konzeption her wäre nicht zu verstehen, wieso Ex 23, 9bß nicht mit sonstigem Bundesbuchstoff in das dtn Gesetz gelangt wäre, dann aber in den dtr Gesetzesrahmen. 200 In Ex 23,1-3.6-9* kommt es zuerst nicht auf Einzelbegründungen an, sondern auf die Absetzung vom ytn. Anlaß für die Zufügung einer Begründung bei 23,9 könnte der in sich fest zusammenhängende Satz 23, 8 gewesen sein. 201 S. vorige Anm. Ex 23,9ba hat „weder im Deuteronomium noch sonst irgendwo im Alten Testament ein vergleichbares Gegenstück aufzuweisen" (Beyerlin a.a.O. S. 15). Das Phänomen der Beobachtung der m j des Nodeidenden findet sich noch in Dtn 24,15 aß;
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Die spätere Deuteronomistik
gen eine bleibende Dringlichkeit der richtigen ethischen Bestimmung des Verhaltens der Glieder des Jahwevolkes zum sozialen Typus des ger in einer gesellschaftlichen Lage, die, wie die traditionsgeschichtlichen Beziehungen der Texte zum dtn Gesetz wie zum dtr Rahmen des Gesetzes zeigen, die der Gesellschaft der 2. Hälfte des 6.Jahrhunderts (oder später) ist.
zur Formulierung jn- Obj. ®dj läßt sich Prv 12,10 vergleichen (vgl. O. Plöger, Sprüche S. 146 Textanm. 10 a), womit auch ein Hinweis auf den 23,8 verwandten sprachlichen Horizont von 23, 9 ba gegeben wäre.
4. Heiligkeitsgesetz und Sakralrecht Die Datierung des Heiligkeitsgesetzes Lev 17-26 als historischer Quelle stellt den Historiker schon vor das Problem, ob es überhaupt als selbständiges (und nur locker und sekundär in den Sinaikontext eingebautes) „Rechtsbuch" 1 , oder ob es als redaktionelle Ergänzung der sog. Priesterschrift und „niemals als selbständiges Korpus konzipiert" ist2. In der Einleitungswissenschaft üblicher ist es, aufgrund der Erwartung, dem Fluchkapitel Lev 26 als einem Gegenstück zu Dtn 28 müsse ein begrenzter Bestand an Gesetzesmaterial voraufgegangen sein, das Heiligkeitsgesetz als ein eigenständiges Korpus zu beschreiben, das mit „Segen und Fluch" abgeschlossen werde. Das Problem der Entstehung des Heiligkeitsgesetzes als eines Gesetzeskodex mit eigener, seiner Stellung im literarischen Kontext vorausliegender Vorgeschichte verschärft sich weiter, wenn nicht „an ein von vornherein als solches konzipiertes einheitliches Gesetzbuch zu denken" ist3. Denn handelt es sich um eine bloße Sammlung einzelner kleinerer geformter Einheiten, konkurriert mit der einen Möglichkeit, daß sie in einem Gesetzeskorpus mit einem vorliterarischen Sitz im Leben vereinigt wurden, die nicht weniger wahrscheinliche andere, daß sie gleich an ihren literarischen Ort gestellt wurden4. Auch für Kap. 26 läßt sich nicht als einzige oder primäre Funktion die als Epilog eines Gesetzeskodex postulieren5, da in dem Text eine „Agende" aus aktueller kultischer Rede, die sogar schon eigene „literarische Schicksale hinter sich" habe, vermutet wird 6 . In jedem Fall erlauben und erfordern die literarischen und thematischen Verhältnisse in Lev 17-25.26 reiche diachrone Differenzierungen. Von Einzelstoffen möglicherweise abgesehen, gibt wegen der „deuteronomistischen Art der Kapitel 17ss"7 das abgeleitete Verhältnis der Redaktionen zum Dtn einen 1
Vgl. M. Noth, Leviticus S. 109 f. K. Elliger, Leviticus S. 16. 3 R-Smend, Entstehung S. 61. 4 Es würde damit die Annahme hinfällig, daß die Kapitelüberschriften sekundär eingesetzt seien (vgl. Smend a. a. Ο. S. 60). 5 Es ist übrigens fraglich, welche Stoffe in Η einen solchen Fluchepilog („Ankündigung von Lohn und Strafe": Noth) rechtfertigen würden. Z.B. scheiden Lev 2 1 , 1 - 2 2 , 1 6 als Priesterrecht und ähnlich Lev 2 4 , 1 - 9 dafür aus, ebenso wohl der narrativ gerahmte Abschnitt 24,20-23. Und wie ist das Verhältnis von Kap. 26 zu den breiten Zwischenparänesen im Korpus zu bestimmen? 6 Elliger a.a.O. S.371 bzw.372. 7 J. Wellhausen, Composition S. 165. 2
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Heiligkeitsgesetz und Sakralrecht
terminus a quo. Nach A. Cholewmski verläuft das traditionsgeschichtliche Gefalle so eindeutig vom Deuteronomium zum Heiligkeitsgesetz, daß er es als eine fundamentale Absicht des Heiligkeitsgesetzes erkennt, das Deuteronomium zu ergänzen und zu modifizieren 8 . Mit der Bezeichnung „Sakralrecht" ist ein Quellenbestand gemeint, der die Gesetzestexte im engeren oder weiteren literarischen Anschluß an die priesterschriftliche Erzählung der Vorgeschichte Israels und der Einsetzung seiner religiösen Ordnungen umfaßt. Durch diesen Bestand läuft ein zweiter Strang von Belegen für die Bezeichnung ger, in dem das Wort nicht mehr einen sozialen Typus im judäischen Territorium bezeichnet, sondern einen von außerhalb Israels hinzukommenden Fremden, der unter gewissen gesetzlichen Bedingungen der Religionsgemeinschaft Israel, deren Glieder im jerusalemisch-judäischen Stammland wie in der Diaspora leben und in dieser Zeit nicht mehr eine territorial bestimmbare Einheit darstellen, zugehörig wird. Während sich von der integrativen Tendenz im Sakralrecht gegenüber dem „Proselyten" her kaum ein Bild der entsprechenden geschichtlichen Wirklichkeit zeichnen läßt, liegt ein Dokument für einen aus dieser sakralrechtlichen Lage erwachsenden Konfliktfall in Jes 56,1 ff. vor.
4.1 D e r Anteil des ger an der Ernte im Land und sein Schutz (Lev 1 9 , 9 f . 33 f.*) Zwei Belege im Heiligkeitsgesetz gehören in den Strom der Ausweitung der Gebote bezüglich des ger vom dtn Gesetz her, der in der späteren Deuteronomistik sichtbar wurde. Lev 19,9 f. erneuert die Freigabe der Nachlesefrüchte an die Bedürftigen, Lev 19,33 f.* greift das Bedrükkungsverbot in seiner weiten Formulierung auf 9 . In Lev 19,9 f. ist das in singularischer Anrede formulierte Gebot der Überlassung der Nachlese v. 9aßb. 10 aba ein dem Redaktor von Kapitel 19 verfügbarer Bestand10. Der engere Rahmen des Gebots v. 9aa. lObß ist wie der weitere Rahmen des ganzen Kapitels v. 2a 2 b. 36b. 37 in pluralischer Anrede formuliert, die die Redeform eines Redaktors ist, der nach der für Lev 19 gültigen einleitungswissenschaftlichen Ansicht etwa in das mittlere 6. Jahrhundert zu datieren ist. Die Aufnahme der Nach8
A. Cholewmski, Heiligkeitsgesetz S. 339 ff. - Eine mehr aufgelockerte Sicht des Verhältnisses von Dtn und Η entwirft, im einzelnen nicht immer überzeugend, G. Bettenzoli, wenn er von „innerer Verflechtung der entsprechenden Schreiberschulen" spricht (Deuteronomium und Heiligkeitsgesetz S. 398). 9 Lev 23,22 ist ein Zitat aus Kap. 19, vgl. M.Noth, Leviticus S. 150. 10 Vgl. K. Elliger, Leviticus S.247; A. Cholewmski, Heiligkeitsgesetz S.49.
Der Anteil des ger an der Ernte und sein Schutz
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lesebestimmungen in Lev 19 verdankt sich also einem entsprechenden Interesse in der Zeit nach dem Ende der judäischen Monarchie. Die Restfrüchte sollen dem 'äni und dem ger überlassen werden (v. 10ba), welche zwei Typen die Schicht der Bedürftigen darstellen, die in den entsprechenden Geboten im dtn Gesetz mit der Trias njniw am- n: bezeichnet war (Dtn 24,19 ff.). Welche Aspekte die Differenzierung zwischen xj (v.48) und des n:» barn (ν. 50 ff. 54) auf den Fall der Schuldsklaverei bei einem ger zur Anwendung. Der Fall des Paragraphen v. 47 ff., in dem sich ein Glied der Gemeinschaft ("ρπκ) an den ger verkaufen muß ("|ny [ . . . ] ui> nann v. 47 ba), läuft zum Fall des Paragraphen v. 39 ff. parallel, in dem der verarmte 'λΑ Schuldsklave bei einem anderen Glied derselben Gemeinschaft wird (η1> v. 39 a2). Die Parallelität der beiden Sklavenrechtsfälle legt eine entstehungsgeschichtliche Differenzierung der entsprechenden Abschnitte nicht nahe, vielmehr ist die Alternative: Schuldsklaverei bei einem "'ah oder bei einem ger, grundlegend in dem Gesetz enthalten. Der Zusammenhang beider Fälle wird noch deutlicher, wenn man von den Erweiterungen des Sklavengesetzes absieht. Der erste Fall wird in v. 39-41 a mit einer Bestimmung des Dienststatus des Sklaven und seiner Befristung bis zum Jobeljahr geregelt. Das Zitat der Jobeljahr-Doktrin v. lObßy (plur.) in v. 41 b könnte schon eine Erweiterung sein, wenn
22 Nach der Einführung im Hendiadyoin n&im υ in v. 47 a ist in v. 47 ba entweder a»in ein (in der LXX geglätteter) Zusatz, oder es ist (mit K. Elliger, Leviticus S. 337 Textanm. 47) ein -ι zu ergänzen. V. 47 b β steckt voller Schwierigkeiten: ipy ist hapaxleg., ebenso die Constructus-Verbindung u nnsBB. Der Ausdruck dürfte in diachronem Sinn Nachkommenschaft meinen und, von v. 45 bßy abhängig, nachgetragen sein, vgl. Elliger S. 342. Da er als nomen rectum allein das Wort aufnimmt, wird der Verfasser in v. 47 ba nur u gelesen haben, so daß von daher das asyndetische nein dort noch später sein muß. 23 A. Cholewinski, Heiligkeitsgesetz S. 102.
Der Schutz des verarmten Israeliten vor dem Zugriff eines ger
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man einen gleichen Abschluß der Fälle v. 40b. 41 allv. 54b erwartet 24 . Der ohne klaren Bezug angeschlossene v. 42 25 ist ein Zitat aus v. 55, das sich als Vorholung des abschließenden Begründungssatzes v. 55 erklärt, nachdem das Doppelgesetz durch die Erweiterungen v. 43-46 auseinandergerissen wurde. Denn daß v. 43 ein Nachtrag ist, geht daraus hervor, daß er nur v. 39 b mit dem Begriff -pa variiert. Auch in v. 53 wird dieser Begriff nachgetragen, wie der Anschluß von v. 53 an seinen Kontext durch Wiederholung von v. 50 bß zeigt 26 . V. 4 4 - 4 6 behandelt statt des Themas der Schuldsklaverei das des legitimen Sklavenkaufs und ist (v. 44 b 46 ba) ein pluralischer Einschub im singularischen Kontext 27 . Im zweiten Fall des Gesetzes ist v. 47 bß eine Glosse 28 . Eine Erweiterung ist auch v. 49 a, der ein dem ursprünglichen Gesetz fremdes Verständnis der Bezeichnung o-rot voraussetzt 29 . Dem Rechnungsgrundsatz v. 50 dürfte schließlich die Ausführung v. 51 f. nachgetragen sein 30 . Als G r u n d b e s t a n d d e s S k l a v e n g e s e t z e s k a n n d e m n a c h 2 5 , 3 9 - 4 1 a. ( 4 1 b ? ) + 2 5 , 4 7 a b a . 4 8 . 4 9 b . 5 0 . 5 4 gelten. E s ist ein singularischer G e s e t z e s t e x t , der mit d e m d o g m a t i s c h e n S a t z über die Israeliten (v. 55 a, 3 . p e r s . p l u r . ) u n d d e r pluralischen S c h l u ß f o r m e l v. 55 b ( 2 . p e r s . p l u r . ) b e g r ü n d e t wird. D a s S k l a v e n g e s e t z läßt sich aber innerhalb v o n Lev 2 5 nicht als selbs t ä n d i g e s G e s e t z ausgrenzen. E s ist stilistisch (v. 39 aa. 47 a) mit v. 2 5 ff. 35 ff. v e r b u n d e n u n d g e h ö r t mit d e m Begriff i>arn na» ( v . 4 0 b . 4 1 b ? . 5 0 . 5 4 ) in d e n Z u s a m m e n h a n g der J o b e l j a h r - G e s e t z g e b u n g v. 8 - 5 5 * , die ihrerseits v o m S a b b a t j a h r - G e s e t z v. 1 - 7 * ausgeht. D i e sklavenrechtlichen
24 Vgl. Elliger a.a.O. S.341 f. Die Variation rna« mnx ließe sich auch damit erklären, daß die ητπκ, die dem Schuldsklaven ja ganz entglitten ist, nicht mehr als ιητπκ bezeichnet werden kann. Eine befriedigende Erklärung des Anschlusses von v. 42 gibt der Plural mi« nicht her (anders Elliger ebd.). 25 Cholewmski a.a.O. S. 107 bezieht v.42 nur auf „die wirklich ... verkauften Israeliten", es ist aber unmöglich, v. 42 aß entsprechend eingeschränkt zu lesen. Wenn Cholewmski S. 244 f. Lev 25,42 als Entfaltung und Vertiefung von Dtn 15,15 interpretiert, setzt auch er den Bezug auf alle Israeliten voraus. 26 Die verschiedene syntaktische Konstruktion in beiden Versen (Elliger S. 342) zeigt, daß sie nicht eine Strukturentsprechung im ursprünglichen Gesetz darstellen. 27 Elliger a.a.O. S.341 rekonstruiert v.44a + v.46bß (sg.) als selbständiges Gebot, das durch v. 44b-46ba (pl.) zerrissen sei. Ein solches Verfahren eines Redaktors scheint wenig wahrscheinlich und für den rekonstruierten Gebotssatz wäre das singularische Objekt ia (v. 46 bß) unstimmig. - Der Befund in v. 44-46 ist eher so zu erklären, daß der in pluralischer Anrede schreibende Redaktor mit v. 44 a (sg.) als „Überschrift" Anschluß an den Kontext sucht und in v. 46 bß mit der Wiederaufnahme von v. 43 a seinen Einschub abschließt. 28 S.o. Anm.22. 29 Vgl. Elliger a.a.O. S.342. Zur Kasuistik im Hintergrund des Satzes vgl. Num 27,1-
11. 30 Elliger a.a.O. S.343. Damit das Berechnungsverfahren einen Maßstab hat, ist v. 50b unentbehrlich (vgl. auch Dtn 15,18); anders Elliger ebd.
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Heiligkeitsgesetz und Sakralrecht
Bestimmungen v. 39 ff. 47 ff. stellen einen Teilaspekt der Konzeption des Jobeljahrs dar und sind als historische Quelle nur in diesem Kontext beschreibbar, der hier deshalb einer kurzen Betrachtung bedarf. Die Sätze, die die Konzeption von Lev 25 tragen, sind in pluralischer Anrede formuliert. Sie dienen als Einfassung von in singularischer Anrede oder im „neutralein) kasuistische(n) Stil" 31 formulierten Gebotssätzen. Zu dem pluralischen Gerüst gehören die Sätze 25,2.10.23 a. 24.55, in denen einerseits das Land, andererseits seine Bewohner, die Israeliten, je als ideale Gesamtheit aufgefaßt sind. Das Land soll Sabbatruhe halten (v. 2), im Land soll für alle Bewohner Freilassung ausgerufen werden (v. 10), das Land soll nicht irreversibel, sondern nur mit Auslöserecht verkauft werden können (v. 23 a. 24), die Israeliten sind Sklaven eigentlich nur des Gottes Jahwe (v. 55). Den zyklischen Nullpunkt im agrarischen Leben schafft das Sabbatjahr, den zyklischen Nullpunkt im sozialen Leben das Jobeljahr 3 2 . Beide Bewegungen einer restitutio in integrum sind durch die Zuordnung des Landes bzw. der Israeliten zu Jahwe bedingt (v. 23 a. 55)33. Die Konzeption zeichnet ideale Abläufe, die aber durch bestimmte Rechtsinstitute geschichtlich wirklich werden sollen. Hier haben das Jobeljahr und die ni»xa ihre Funktion. Einen Einbruch in die ideale Konzeption bedeutet der Fall des Selbstverkaufs eines Schuldsklaven an einen ger, der beiden fundamentalen Orientierungsgrößen, dem Land und seinen Bewohnern, den Israeliten, nicht eigentlich zugehört. Wenn Lev 25 von seinem tragenden Gerüst her zu interpretieren ist, ist es methodisch falsch, dieser Konzeption vorausliegende Textstadien identifizieren zu wollen. Es kann sich dann nur um einzelnes Material handeln, das der Gesetzgeber aufnimmt oder im Anschluß an derartigen Stoff formuliert 34 . Von einem solchen Ansatz der Analyse von Lev 25 her stellt sich der Anschluß des Sklavengesetzes nach vorn folgendermaßen dar: den zwei Paragraphen über Verarmung und Schuldsklaverei gehen ein Paragraph über Verarmung und Landverkauf (v. 25-31) und ein Paragraph über Verarmung und Stützung der wirtschaftlichen Existenz (v. 35-38) voraus. Der Fall des Landverkaufs (ιητπκη Ί30ΐ
51 Eiliger a.a.O. S.339 für v.25* 26-34. 32 Vgl. die Verteilung des agrarischen und kultischen Aspekts auf das Sabbatjahr, des sozialen auf das Jobeljahr bei Cholewinski a. a. O. S. 224. 33 Gegen Cholewinskis auf den schwierigen Textverhältnissen in v. 10-12 beruhende Differenzierung, das Jobeljahr sei „nicht so unmittelbar auf Jahwe bezogen wie das Sabbatjahr" (S.226f.), ist eben auf die zwei Begründungen v. 23 a. 55 zu verweisen. 34 Die klarste Analyse von Lev 25 bietet Elliger. Problematisch ist aber die Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte des Kapitels von der „älteste(n) literarische(n) Schicht" der Bestimmungen v. 25-31* her über ein „bis auf den Anfang ganz erhalten(es)" Jobelgesetz (vgl. die „Vorlage" bei Cholewmski S. 101 f. 118) zum Hauptredaktor des Heiligkeitsgesetzes Ph 1 (vgl. Cholewinski; HG). Hat Elliger zwar in der Abgrenzung des ältesten Materials Recht (s.u.), so ist das Jobel(jahr)gesetz vor dem Gesamtkonzept des Kapitels nicht greifbar (vgl. auch die Funktion von v. 11 aa in Elligers Analyse). Vor einer Identifikation des Autors des tragenden Gerüstes von Lev 25 mit dem Redaktor von Lev 19 warnt schon die Ortsangabe "3·ο i m in 25,1, die schwerlich mit dem Vorschlag einer Kapitelumstellung erklärt ist. Und gibt es wirklich etwas in Lev 25, was dem Satz Lev 19,2 entspricht?
Der Schutz des verarmten Israeliten vor dem Zugriff eines ger
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v. 25 aß) schließt direkt an den Obersatz über die grundsätzliche Gewährung des n!»KJ-Rechts v. 24 an. Dieser Satz ist die positive Entsprechung zu v. 23 a α, und da v. 23 aß für das Bodenrecht die Begründung enthält wie v. 55 für das Personenrecht, sind v. 23 a. 24 als einleitender Grundsatz zusammenzunehmen 35 . Ob v. 23 a direkt an die Grundsatzerklärung über das Jobeljahr v. 10 (plur.) anschließt, oder ob das Thema des Verkaufens zuerst durch v. 14 f. eingeführt wird, kann offenbleiben 36 . Zwischen v. 10, dem Grundgesetz des Jobeljahrs, und der Datierung v. 8 f. liegt ein literarisch wenig klarer Übergang vom Singular in den Plural. Das Jobeljahr wird nach dem Sabbatjahr berechnet. V. 8 (sing.) schließt deshalb an das Sabbatjahrgesetz an, für das der in pluralischer Anrede schreibende Verfasser des tragenden Gerüstes von Lev 25 (ν. 2.10 usw.) das singularische Gebot v. 3 f. 37 zitiert oder in Anlehnung an Traditionsmaterial formuliert 38 . In bezug auf den Übergang von v. 8 zu v. 10 stellt sich die Frage, ob der Beginn des Jobeljahrs allein arithmetisch fixiert wird, oder mit exakter Datierung und dem Verfahren seiner Eröffnung nach v. 9. Im ersteren Fall müßte v. 10 (plur.) an v. 8 (sing.) anschließen: nach 49 durchgezählten Jahren soll das neu beginnende 50. Jahr 39 geheiligt werden (mp> pi.), und zwar indem - ohne nähere
35 V. 23 b ist ein Nachtrag, der mit v. 55 konkurriert, vgl. M. Noth, Leviticus S. 165. Die hier eingedrungene Frömmigkeit von Ps 39,13; 119,19.54; 1 Chr 29,15 bedeutet eine Sublimierung des Themas des ganzen Kapitels. 36 Der Bestand von v. 11 -22 ist - vielleicht von v. 14 f. abgesehen - eine lose Reihung von Erweiterungen. V. 11, mit Wiederaufnahme aus v. 10 angeschlossen, beschäftigt sich von der Hauptsache ablenkend mit den Sabbat-, d.h. Brachjahraspekten des Jobeljahres. V. 12, ähnlich angefügt, erweicht die Bestimmung v. 11, während v. 13 nach diesen Exkursen wieder zum Stand von v. 10 zurücklenkt. V.14f. schließt an v. 10 an, könnte aber auch schon pragmatisch räsonnierende Erweiterung sein. V. 16 ist didaktischer Kommentar und schließt mit variierender Wiederaufnahme von v. 15. V. 17 ist ein allgemein paränetischer Satz auf der Grundlage von v. 14 b. V. 18 folgt der Tendenz von v. 17, ebenso danach v. 19, es geht hier um paränetische Nutzbarmachung des Uberlieferungsbestandes. V. 20-22 ist später Zusatz (vgl. hier Eiliger, Cholewmski). Die Tatsache des ungewöhnlich reichen Textwachstums erklärt sich aus der Idealität und zugleich Stringenz der Konzeption des Kapitels, die auch für die Datierung der Stadien des Wachstums terminus a quo ist. Elligers Argumentation für die Zuweisung von v. 17 b-19 an Ph 1 (S. 347) leistet nicht mehr als die Aufweisung des Traditionshintergrundes. Schon der Anschluß der Formel mrr -jx mit "D (fehlt in LXX) ist eine Differenz gegenüber Lev 19, ebenso die Funktion der allgemeinen Gebotsparänese v. 18 a als Bedingung einer göttlichen Zusage. 37
V. 3 b ist aus Ex 23,10 nachgetragen und stört die Gleichförmigkeit des Aufbaus (vgl. Elliger a.a.O. S.344). v. 5, durch die variierende Wiederaufnahme von v.4a eingefügt, verschärft den sakralen Tabuaspekt (vgl. v. 11), wird dann wieder durch die Freigabe v.6aa korrigiert, dazu die Überbietung v. 6aßb. 7 (njirnin 38 Vgl. Ex 23,10 f.; Dtn 5,13 f. par. Ex 20,9 f. Daß v.3a.4 „altes poetisch geformtes Gut" und der Ausdruck |IJUB na» „hochpoetisch" sei (Elliger S. 344), ist angesichts der sonstigen Bezeugung von pnai na» fraglich. Der Ausdruck ist eher ein Indiz dafür, daß die hier vorliegende Stilimitation jungen Datums ist - und von einem anderen als dem Verfasser von v.2 (plur.)? 39 Dazu, daß es sich in v. 8.10 nicht um zwei verschiedene Jahre handelt, siehe Noth a.a.O. S. 163. Daß aber in v. 10 eine „andere Zählweise" vorausgesetzt sei, leuchtet nicht ein, denn - das Ausgangs-Sabbatjahr mitgezählt - ist das neu beginnende Sabbatjahr nach
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Heiligkeitsgesetz und Sakralrecht
Angabe des Verfahrens - Freilassung ( i m ) ausgerufen wird. Den Akt der Ausrufung von i m identifiziert v. 10 b mit dem ^ar-Institut und erläutert ihn mit dem bodenrechtlichen und dem personenrechtlichen Grundsatz der Rückkehr eines jeden zu seinem Landbesitz und zu seiner Sippe. Durch die Gleichsetzung der personenbezogenen Freilassung ( i m ) mit dem ursprünglich vielleicht nur bodenbezogenen ^ar-Institut 40 wird !>ar der Oberbegriff für den zweiseitigen Freilassungsakt. Die Erstreckung des bar-Termins über ein Jahr und die Fixierung seiner zyklischen Wiederkehr verdankt sich der vom Sabbatjahrkonzept ausgehenden Berechnung. Das zyklische Jobeljahr ist also eine Synthese aus dem „spontanen" Element der Ausrufung von i m (v. 10 aß) und dem „sabbatikalen" Element der Potenzierung des Sabbatjahrs (v. 8.10 act). D a v. 8.10 a in Jahren rechnen und deutlich das 50. Jahr von seinem Beginn an als das geheiligte Jahr meinen, ist die exakte Datierung von v. 9 ein Überschuß, während das Verfahren des Signalgebens mit dem Lärmhorn zu dem spontanen Element von i m paßt 41 . In v. 9 läßt sich jedoch nach dem Text der LXX 4 2 die gesamte Datierung v. 9 a 2 . b als ein Nachtrag erkennen, der mit der Wiederaufnahme v. 9 bß eingefügt ist43. Der bodenrechtliche Grundsatz v. 23 a. 24 (plur.) schließt also (über v. 14f.?) an die landbezogene Sabbatjahrdoktrin und die i m / i > a r - D a t i e r u n g am Anfang der Gesetzeskonzeption Lev 25 an, dessen Grundbestand in v. 1 - 2 (pl.). 3a. 4(sg.). 8. 9a!(sg.). 10 (pl.) zu sehen ist. Der Numeruswechsel erklärt sich - wenn auch nur unbefriedigend 44 - daraus, daß der Verfasser in ν 3 a. 4 in eine Imitation des singularischen Stils des dekalogischen Sabbatgebots 45 fällt.
49 Jahren das 50ste. Die Zählweise ist in v. 8 von vornherein nicht dem 6 + 1 von v. 3 f. analog. Anders wird etwa in Lev 23,15 für die Wochenzählung der Tag nach dem Sabbat als Ausgangspunkt angesetzt (nn®n ninna). 40 S.u. zu v. 25-31. Der literarisch spätere v. 13 könnte diesen Sachverhalt widerspiegeln. 41 Vgl. 1 Sam 13,3; 2Sam 15,10; 20,1; 1 Kön 1,34.39; 2Kön 9,13: das iDis-Blasen als Verfahren, vom König her im ganzen Land etwas Neues bekanntzumachen. Vgl. auch Am 3,6. 42 LXX liest v. 9 Anfang: και διαγγελειτε σαλπιγγος φωνη εν παση τη γη υμων. Ob der Singular des MT oder der Plural der LXX ursprünglicher ist, läßt sich zwischen v. 8 (sg.) und v. 10 a (pl.) nicht entscheiden. Die Ortsangabe ist jedoch eher ein Verlust des MT als ein Zusatz der LXX - trotz der Regel „lectio brevior". 43 Es kommt bei der Tagesdatierung in v. 9 von vornherein nur darauf an, den Versöhnungstag ins Spiel zu bringen. V. 9* ist ein angleichender Zusatz nach Lev 23,27, und es ist nicht mit Noth a. a. O. S. 162 mit zwei Textstadien zu rechnen, in deren erstem v. 9 a den Jahresbeginn auf den 10. VII. (vgl. Ez 40,1) setzte, und in deren zweitem v. 9 b dem ungültig gewordenen Termin nach Lev 23,23 ff. 26 ff. einen Sinn gäbe. Es entfällt damit das Postulat einer Jobeljahrgesetzgebung, für die die Datierung des Jahresbeginns nach Lev 23,23 ff. als terminus ad quem zu gelten hätte. Der Eintrag des Versöhnungstages v.9a2b schafft - über v. 1 hinweg - eine späte redaktionelle Verbindung zwischen Lev 23 und 25. 44 Vgl. die Beobachtungen von D. Knapp zum Numeruswechsel in der „Spätdeuteronomistik", Deuteronomium 4 S. 22 f. mit Anm. 161. 45 Der rein sakrale Charakter des Sabbatjahres Lev 25,1-4* (vgl. Cholewinski a.a.O. S. 225 f.) macht es wahrscheinlich, daß der Verfasser für den Sabbattag bereits die Begründung Ex 20,11 voraussetzt. Vom dekalogischen Sabbatgebot her erklärt sich auch der Begriff mp pi. Lev 25,10, vgl. (Dtn 5,12 par.) Ex 20,8.11.
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D e r z u u n t e r s u c h e n d e sklavenrechtliche Fall Lev 2 5 , 4 7 f f . * ist B e standteil eines G e s e t z e s t e x t e s über d a s Sabbatjahr u n d d e s s e n P o t e n z i e rung im Jobeljahr. A l s T r a d i t i o n s v o r g a b e w i r d an seinem A n f a n g 2 5 , Ι Ο * n i c h t eine v o r r e d a k t i o n e l l e T e x t s c h i c h t greifbar, s o n d e r n erstens das P h ä n o m e n des j e t z t sabbatikal interpretierten Brachjahrs im 6 / 7 - J a h r e s R h y t h m u s ( E x 2 3 , 1 0 f.; D t n 15, 1 - 3 4 6 ) u n d z w e i t e n s das P h ä n o m e n einer A u s r u f u n g v o n i m s o w i e drittens m ö g l i c h e r w e i s e der Begriff ^ i r , der hier z u r B e z e i c h n u n g des aus d e r J a h r e s r e c h n u n g u n d J a h r e s w e i h e einerseits u n d d e m " π π - I n s t i t u t andererseits g e w o n n e n e n Sonderjahres dient: OD!> rrnn i r n !>ar (v. 10 ba). D a ß es sich bei dem Begriff bar in der Tat um eine Traditionsvorgabe handelt, geht aus Lev 2 5 , 2 5 - 3 1 hervor. Der jetzt als erster der vier mit gleichförmig stilisierter Einleitung versehenen Paragraphen im Kontext des Jobeljahr-Gesetzes stehende Abschnitt hat eigentlich das Rückkaufrecht (nbin) zum Thema 47 . Er nimmt darüber hinaus wie selbstverständlich auf einen Termin bar Bezug, an dem aufgrund von Verschuldung verkauftes Land frei wird und an den Verkäufer zurückfällt (v. 28 b. 31b ß), während ein Haus in der Stadt nach Ablauf einer beschränkten π^κι-Frist endgültig verkauft ist (v. 30 b). Es wird dabei nicht deutlich, daß bar ein an eine feste Rechnung gebundenes Jahr ist, vielmehr wird offenbar vorausgesetzt, daß bar ein Ereignis ist, das den Verkäufer selbst noch betreffen kann, was gegen eine Verbindung mit der (maximalen) 50-Jahres-Frist spricht 48 . Während so v. 25-31 nicht von v. 8-10* herkommen, setzt der Zusatz v. 28aa 2 ß die Jahresrechnung voraus, indem er den Ausdruck barn na® verwendet 49 . Auf dieser Ebene liegen auch der dritte und der vierte Paragraph (barn ri:® v. 40.50.54). Dem Verfasser von Lev 25* ist aus einer Tradition des Bodenrechts ein - sonst unbekanntes - Rechtsinstitut bar vorgegeben 50 , das er in dem defini-
« S.o. S.81 f. 47 Zu Recht nimmt Noth a.a.O. S. 165 „ein ursprünglich selbständiges Korpus von ge'ullah-Bestimmungen" an, nur ist die Annahme auf v. 25-31 zu beschränken, und es ist eher von Material als von einem Korpus zu sprechen. Vgl. Elliger S. 347. Auch N.-P. Lemche, Manumission S. 49, vermutet in v. 25-54 vorgegebenes Material. Ein von ihm im Anschluß an H. Graf Reventlow für den ganzen Abschnitt postulierter „originally independent codex of so-called -pn rules" (S. 54.49f.) läßt sich aber nicht nachweisen. - Zur sozialgeschichtlichen Bedeutung der ge'ullah vgl. H. G. Kippenberg, Klassenbildung S. 33 ff. 48 Das biographisch Irreale der (maximalen) 50-Jahres-Frist gleicht dann die Ausdehnung auf die neue Generation aus: raai ΚΊΠ ν. 41 aß. 54 bß. 49 Vgl. Elliger a.a.O. S.339.345. 50 Das Schweigen des dtn Gesetzes ist hier kein Argument, denn „über das Problem des Bodenverkaufs fällt... im Dt kein Wort" (Cholewmski a. a. O. S. 226), es findet sich nur der Gebotssatz über die Grenzmanipulation Dtn 19,14 (27,17). Das Rechtsinstitut bar im Bodenrecht kann ein unregelmäßig und unberechenbar eintretender Akt gewesen sein, dessen Verständnis sich vielleicht am besten aus der Ausschlußklausel Lev 25, 30 b ergibt, die einer altorientalischen Vertragsklausel ähnelt, die verkauftes Land aus dem (an)durarumRecht ausnimmt, vgl. CAD A/2 S. 116a (aus Hana, ca. 14.Jh.); J.Lewy, Akkadian Documents S.*25.*30f.
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H e i l i g k e i t s g e s e t z u n d Sakralrecht
torischen Satz v. 1 0 b a mit d e m Rechtsakt der Freilassung ( n n ) und d e m p o t e n zierten Sabbatjahr identifiziert.
Da der dritte und vierte Paragraph den Ausdruck i>irn nw verwenden, liegen sie auf der Ebene dieser Synthese. Die Traditionsvorgabe umfaßt also nur v. 25-31, während v. 39 ff. 47 ff. neue Rechtssetzungen im Zusammenhang der sabbatikalen Gesamtkonzeption von Lev 25 sind51. Für den Numeruswechsel zwischen der Einfassung v. 23 a. 24/v. 55 (plur.) und dem Gesetzesstoff (sing.) ist hier erstens eine sachliche Notwendigkeit für die fallrechtliche Durchführung und zweitens wie bei v. 3 f. Stilimitation anzunehmen (vgl. Dtn 15,12). Die Neuheit des dritten Paragraphen v. 39-41 a erhellt auch aus dem Vergleich mit dem sklavenrechtlichen Gesetz Dtn 15,12-18 (nach Ex 21, 2-11). Gegen die die Dienstzeit auf sechs Jahre begrenzende Bestimmung von Dtn 15 ordnet Lev 25 eine Dienstzeit bis zum Jobeljahr an. Andererseits hebt Lev 25 den Sklavenstatus des Schuldsklaven innerhalb der Gemeinschaft der Angeredeten überhaupt auf mit der Vorschrift, ihn ntniiD "I-3W3 sein zu lassen, und entspricht damit in Richtung auf den israelitischen Besitzer eines Schuldsklaven dem Grundsatz v. 55 aα. „Dt 15,12-18 sollte eigentlich durch Lv 25,39-55 abgeschafft und ersetzt werden."52 Das Verhältnis von Lev 25 zu Dtn 15 ist das der zeitlichen Nachordnung 53 . D i e s e s Verhältnis ist auch in b e z u g auf d e n Ausdruck atnua v a m z u b e o b a c h ten. D i e soziale T y p e n b e z e i c h n u n g a®ni b e g e g n e t n o c h nicht im dtn G e s e t z und den d a v o n a u s g e h e n d e n dtr T e x t e n . Im s o z i a l e n Spektrum steht d o r t oberhalb der h a u s g e b u n d e n e n Sklaven, aber o h n e (landbesitzbegriindete) wirtschaftliche Selbständigkeit der υ (vgl. D t n 1 6 , 1 1 . 1 4 ; 5 , 1 4 ) an derselben Stelle, w o nach Lev 2 5 , 4 0 der Τ 3 ϊ und der atnn stehen 5 4 . D e m G e s e t z g e b e r v o n Lev 25 steht
51 Es gibt keinen Anlaß dazu, die Paragraphen v. 39ff.*47ff.* als sekundär gegenüber einem ersten Stadium der Gesamtkonzeption zu betrachten, denn diese ist von v. 10 an ( i m ; lJirtDsn !>χ νκ) auch auf Personenrecht bezogen. 52 Cholewinski a . a . O . S.245. 53 So auch Lemche a. a. O. S. 50.56. Elliger a. a. O. S. 360 erklärt die Opposition von Lev 25 und Dtn 15 damit, daß die Jobeljahrbefristung judäisch, die 6-Jahresbefristung nordisraelitisch-deuteronomisch sei. Die Hypothese, daß das dtn Gesetz eigentlich ein nordisraelitischer Fremdkörper in Juda sei, ist jedoch unhaltbar. 54 Beide Begriffe des Doppelausdrucks werden denselben sozialen Typus bezeichnen mit dem Unterschied, daß der va® jeweils in einem (saisonalen oder täglichen) Arbeitsverhältnis zum Landbesitzer steht. Der Wechsel der Bezeichnungen f ü r dieselbe soziale Lage zeigt sich noch deutlicher in der Liste im sekundären v.6, wo zur Beschreibung der Art und Weise des Aufenthalts des nicht mehr "n genannten Typus das Partizip von n j + Praep. oy gebraucht wird. - Der Versuch von H . Kreissig, J u d a S. 86ff., den Begriff a®in auf eine (vorexilische) Klasse im Modell eines Dualismus von Grundeigentümern und Grundbesitzern zu deuten, führt nicht weiter; vgl. auch ebd. S. 89.
Der Schutz des verarmten Israeliten vor dem Zugriff eines ger
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offenbar das Wort ger zur Bezeichnung dieses sozialen Ranges nicht mehr zur Verfügung. Im Kontext seiner sabbatikalen Restitutionskonzeption gewinnt diese Schicht darüber hinaus eine neue Charakterisierung: wenn seine Gesetzgebung die Gesamtheit des Landes (v. 23 a. 24) und die Gesamtheit der —33 (v. 55) umgreift, kommen die Israeliten nur als selbständige Landbesitzer oder als Schuldsklaven (ohne Sklavenstatus nach v. 39 ff.) in Betracht. Die Schicht von V3& und ist danach bereits durch den Aspekt nichtisraelitischer Fremdheit charakterisiert. In Lev 2 5 , 4 0 ist dieser Aspekt impliziert, in der Erweiterung v. 44-46 wird er (wie auch in Ex 12,43 f.) explizit deutlich 55 . In b e z u g auf d e n Begriff ger u n t e r s c h e i d e t sich d e r G e s e t z g e b e r v o n Lev 2 5 mit seinem W o r t g e b r a u c h u n d seinem Bild der s o z i a l e n V e r h ä l t nisse im L a n d nicht nur v o m d t n G e s e t z , s o n d e r n auch v o m G e s e t z g e b e r v o n Lev 19, der in v. 33 f.* g e r a d e f ü r d e n ger als p e r s o n a misera das an E x 2 2 , 2 0 ff. angelehnte S c h u t z g e b o t formuliert hatte. W e l c h e neue B e d e u t u n g die B e z e i c h n u n g ger in Lev 25 a n g e n o m m e n hat, z e i g t sich im vierten P a r a g r a p h e n d e s J o b e l j a h r - G e s e t z e s . D e r ger steht als eine G e s t a l t , an die ein israelitischer Schuldsklave fallen kann, ö k o n o m i s c h auf derselben Stufe w i e die israelitischen 'dAim (v. 47 b. 39 a) 56 . D a s Interesse d e s P a r a g r a p h e n ist es, d i e s e G e m e i n s c h a f t der 'ahim g e g e n ü b e r der ö k o n o m i s c h e n M a c h t d e s ger z u s a m m e n z u s c h l i e ß e n u n d sie v o r ihm z u s c h ü t z e n . E s w i r d d e s h a l b im Fall der S c h u l d k n e c h t s c h a f t bei e i n e m ger d a s b o d e n r e c h t l i c h e Institut der nS>xj in d e n Bereich des Sklavenrechts übertragen u n d die g e s a m t e G e m e i n s c h a f t der Israeliten z u r Leistung des Freikaufs verpflichtet 5 7 . D e r ger ist ein F r e m d e r g e g e n ü b e r dieser G e m e i n s c h a f t , die n a c h v. 55 die d e r i > N i t i — i s t . Er
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Unter Voraussetzung einer anderen Analyse von Lev 25,39-47 sieht Noth a.a.O. S. 168, in den „,Beisassen'" „wohl im allgemeinen Angehörige fremder Völker . . . , die als Kaufleute oder Handwerker sich im Bereich Israels betätigten", also Leute, die im dtn Gesetz der 2. Hälfte des 7.Jahrhunderts als näkrim bezeichnet wurden. Das stimmt hier aber schwerlich mit ihrer sozialen Lage überein. 56 Der ökonomisch starke Status des ger wird in v. 47 aa als Aufstieg aus einer sozial schwachen Lage gedeutet. Daran, daß für v. 47-54* die Opposition zu den israelitischen α-πχ fundamental ist, ändert das nichts. V. 47 aa führt den υ im Hendiadyoin a w n 13 ein, und der n®ui ist nach v. 40 a der Typ der nichtisraelitischen persona misera. Daß ein „Erstarken" des ger für den Fall v. 47 ff. vorausgesetzt wird, ist durch die ideale Konstruktion der Verhältnisse im Land bedingt und ist literarisch eine Entsprechung zu dem komplementären „Schwachwerden" des 'ah. Bei der für Lev 25* wahrscheinlichen Datierung (s.u.) ist nicht sicher zu sagen, welches Territorium in dem idealen Entwurf mit dem „Land" gemeint ist. Dem Verfasser dürften Grenzumschreibungen wie die von Dtn 1,7 bekannt gewesen sein. Dann sind mit der Bezeichnung ger hier im Land auch die Nachbarvölker gemeint, die in dem späteren Text v. 44-46 wieder „realistisch" als (03-ΓΠ"30 ίβκ) ο-υπ bezeichnet werden wie in der Nehemia-Denkschrift Neh 5,8 (s. u.). 57 V. 49 a engt dieses Konzept auf die Verwandten der nnosa ein. Im Traditionsmaterial v. 25 ff. ist dagegen nur vom bfo (v. 26 a bzw. r!>K n p n i^kj v. 25ba) die Rede.
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Heiligkeitsgesetz und Sakralrecht
steht in wirtschaftlichem Verkehr mit den Israeliten, ist aber den Forderungen der religiösen Gesetzgebung, wie sie für Schuldsklaverei in v. 39 ff. aufgestellt werden, nicht unterworfen. Die Übertragung des Instituts der hier nicht nur familiären, sondern volksgebundenen n^xj auf den Fall der Schuldsklaverei bei einem ger ist möglich, weil der Freikauf keinen wirtschaftlichen Nachteil für den Gläubiger bedeuten muß. D a ß der ger nun trotz seiner Fremdheit gegenüber der Religionsgemeinschaft dem Religionsgesetz des sabbatikalen i>ar unterworfen wird, erklärt sich aus dem sakralen und im übrigen wenig realen Charakter dieses Termins. Für den Verfasser von Lev 25 bezeichnet der Begriff ger also eine der Gesamtheit der gegenüber fremde Gestalt, mit der diese im wirtschaftlichen Verkehr im Land zusammenleben 58 . Allein in Hinsicht auf diesen Bereich hat der ger im Land der idealen Gesamtkonzeption mit der Gemeinschaft Israel Kontakt. Geben die traditionsgeschichtlichen Bezüge von Lev 25,39 ff. zu Dtn 15, und d.h. zum dtn Gesetz, dessen Aktualität im 6.Jahrhundert durch die Folge der dtr Rahmenschichten und seine literarischen Nachwirkungen in anderen Textbereichen belegt ist, für die Konzeption von Lev 25 einen terminus a quo, der wegen der Radikalität, mit der Dtn 15,12-18 „durch Lv 25,39-55 abgeschafft und ersetzt" werden sollte 59 , frühestens am Ende des 6.Jahrhunderts liegt, so weist nach den Beobachtungen etwa zu Sach 7,10 in Hinsicht auf die Bezeichnung ger der Wortgebrauch den Verfasser eher ins 5.Jahrhundert. Wenn Lev 25 abgesehen von den bodenrechtlichen n^m-Bestimmungen v. 2531 kein Traditionsmaterial enthält, das vor diesen Zeitraum zu datieren ist, stellt sich die Frage, wie das Verhältnis der sabbatikalen Jobeljahr-Konzeption zur Seisachthie Nehemias Neh 5 , 1 - 1 3 zu bestimmen ist. Die in der Nehemia-Denkschrift bezeugte Problemkonstellation in der Mitte des 5. Jahrhunderts entspricht in vielem der hinter Lev 25 liegenden Lage, und der souveräne Akt, mit dem Nehemia als „local tyrannt" auf diese Lage reagiert, ist dem Rechtsakt - i m vergleichbar60. Die Oberschicht der ο "in und der π ή ο soll gegen alle „assimila-
58 Zu Dtn 24,14, der Differenzierung zwischen 'ah und ger im internen judäischen lokalen Horizont s.o. S.83. 59 Cholewmski a. a. O. S. 245. Cholewmski selbst folgt für die Datierung einem Vorschlag von G. Wallis, der das Jobeljahrgesetz aufgrund einer angenommenen Funktionalität für die Durchsetzung von Landbesitzansprüchen der heimkehrerwartenden Exilierten in die sog. Exilszeit datiert (S. 248 f.). Mit seiner präzise am Verkauf wegen Überschuldung orientierten Kasuistik könnte Lev 25 eine entsprechende Funktion aber nicht erfüllen. Und der soziale Sinn des Begriffes i m (v. 10) und damit das ganze tragende Konzept würde in seiner Richtung genau umgekehrt. Deportiert wurde, soweit sie deportiert wurde, die Oberschicht. 60 Vgl. M.Smith, Palestinian Parties S. 103ff. und zu Neh 5 , 1 - 1 3 insgesamt den Kommentar von Α. H. J. Gunneweg sowie Kippenberg a. a. O. S. 56 ff.
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tionistischen" Tendenzen auf das Konzept verpflichtet werden, daß die Glieder der Religionsgemeinschaft „Brüder" seien, denen gegenüber besondere Solidaritätspflichten bestehen und die vor Außenstehenden zu schützen sind 61 . Auf der einen Seite seien die Spirale der Verschuldung und die Versklavung der verarmten α-πκ mit der religiösen Grundlage der Gemeinschaft unvereinbar (Neh 5,9 ba), auf der anderen Seite gefährde der Verkauf jüdischer Sklaven an die umgebenden n-u (v. 8 a) die Selbsterhaltung der „kleinen judäisch-jüdischen Gemeinschaft" 62 gegenüber den Völkern der Nachbarschaft. Auf diese Gefahr will Nehemias Partei schon mit Rückkauf reagiert haben (5, 8 a). Die von Nehemia aufgrund des Zetergeschreis (nyn npys) spontan aufgegriffenen Probleme der Übernahme des Grundeigentums der Verarmten, der Sklaverei innerhalb der judäisch-jüdischen Gemeinschaft und des Verkaufs jüdischer Sklaven an volksfremde Nachbarn werden durch den herrschaftlichen Akt der Seisachthie, die Verfügung des Schuldenerlasses und der Rückgabe des übernommenen Grundeigentums, gelöst (v. 11). Eine derartige souveräne Verfügung ist ein Analogon zu dem als i m bezeichneten königlichen Willkürakt der Freilassung 63 . Das geschichtliche Ereignis, als das Nehemias Tun eingeschätzt werden kann, ist nicht die Durchsetzung positiver Rechtsnormen 64 , sondern die einer religiösen und spezifisch solidarethischen Auffassung. Von Neh 5 , 1 - 1 3 her erscheint Lev 25 als eine legislative und begriffliche Ausformung der Leitmotive dieser „restitutio in integrum" unter Nehemia. D a sich v o m dtn G e s e t z und seinen N a c h k l ä n g e n her für Lev 25 eine Datierung in das 5. Jahrhundert nahelegt und da n o c h kein Einfluß v o n Lev 25 auf N e h 5 , 1 ff. feststellbar ist, kann als hinreichend wahrscheinlich gelten, daß die Jobeljahr-Konzeption eine N a c h w i r k u n g des Impulses der Seisachthie N e h e m i a s ist. D e r Herrschaftsakt einer Freilassung ( n n 2 5 , 1 0 ) wird sakral institutionalisiert, die interne judäische Schuld-
61 Vgl. Smith a. a. O. S. 99; Kippenberg a. a. O. S. 66 zum „ethisch geweitete(n) Begriff des Bruders". 62 Gunneweg, Nehemia S. 85. Die Beschreibung des judäischen „Israel" im 5.Jahrhundert mit diesem Begriff ist treffender als der Begriff „Religionsgemeinde", vgl. dazu auch die Bemerkungen von J. Maier, Geschichte S. 7; mit stärkerem politischen Akzent Smith a. a. O. S. 110. 63 Ob dieser Akt im königszeitlichen Israel bekannt war oder als Vorstellung erst durch die verstärkten Beziehungen zu den Assyrern im 7.Jahrhundert nach Juda kam, läßt sich wegen fehlender Belege in der dtr Geschichtsschreibung nicht sagen. Die Predigt über den Treubruch nach einer königlichen Freilassung ( n n ) in Jer 34,8 ff. setzt für die Zeit Zidkijas (597-587) ihre Möglichkeit voraus. Nach Lemche a.a.O. S.57 war Zidkija „simply . . . dependent on the Neo-Assyrian edict practice". Die assyrischen Belege im CAD A / 2 S. 115 ff., bes. Absatz i; für die Zeit Asarhaddons (681-669) leicht zugänglich bei R. Borger, Asarhaddon S. 3 (III, 12); 25 (VII, 16); 94 (35). Ein näherer Vergleich verlangt Differenzierungen, da andurarum nicht nur den Akt eines königlichen Erlasses, sondern auch den „.Zustand der Lastenbefreiung'", „Privileg" bedeuten kann, vgl. E.Ebeling, RLA s.v. Freiheit, Freilassung; Borger a. a. O. S. 2 b Anm. 64
Vgl. Gunneweg a. a. O. S. 89.
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Heiligkeitsgesetz und Sakralrecht
Sklaverei verhindert (v. 35 ff. 39 ff.), für Schuldsklaverei bei Volksfremden der Rückkauf geboten (v. 47 ff.); kommt er nicht zustande, rettet die Jobeljahridee den Zusammenhalt der jüdischen Gemeinschaft 65 . Das schon durch seine Einleitung (~ro i m v. 1) als selbständige Einheit ausgewiesene Gesetz Lev 25 im sog. Heiligkeitsgesetz ist also ein Quellentext aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts. Anders als in den Texten des 7. und 6. Jahrhunderts bezeichnet das Wort ger hier den Typus eines nichtisraelitischen Fremden, von dem sich die Gemeinschaft nach außen abzugrenzen sucht und der seinerseits keinen Anschluß an die Religionsgemeinschaft anstrebt. In der Sprache des Gesetzes über Jahwes Land (v. 23 a) repräsentiert hier der ger die Bevölkerungsanteile in den Provinzen auf dem Boden der ehemaligen Monarchien Israel und Juda, von denen sich die Religionsgemeinschaft sonst als von den umgebenden (oder den früheren) Völkern (tru) abgrenzt 66 . Die Verwendung der Bezeichnung ger in diesem Sinn ist singular im AT67. Nur scheinbar ist Jes 14, l b ein Fall, in dem das Wort υ vergleichbar den außerhalb Israels stehenden Fremden bezeichnet. Denn die Unterscheidung des ger von den fremd bleibenden Völkern, die nicht eine universale Bewegung des Anschlusses an Israel ergreift, sondern die zu Sklaven und Sklavinnen werden (v. 2, vgl. Jes 60,10 a u. ö. über die zeigt, daß trotz der in die Zukunft gerichteten Erwartung von v. 1 b der ger hier nicht der Typus des außerhalb stehenden Fremden ist, sondern der Typus des zugehörig werdenden, der sonst im Sakralrecht als zugehörig gewordener mit dem Wort ger bezeichnet wird. Die Bezeichnung ger ist hier sozusagen in eine falsche Zeitebene transponiert, „... die Naherwartung (bewirkt) die Einbeziehung der Gegenwart und mithin auch ihrer Proselyten"68.
4.3 Die doppelseitige Israeldefinition im Sakralrecht (Lev 17, Iff.) Innerhalb der Gesetzgebung von Lev 17ff. zeigt sich eine Verwendung der Bezeichnung ger in einer Weise, die dem dtn Gesetz und der dtr Tradition unbekannt ist. Das Wort wird zu einem Begriff der sakralrechtlichen Sprache, und sein besonderer sozialer Sinn ist nicht mehr 65
Über die tatsächliche geschichtliche Entwicklung ist damit nichts gesagt. Joel 4 , 6 läßt den Verkauf jüdischer Sklaven außer Landes im Rahmen des schwungvollen antiken Sklavenhandels erkennen. 66 Vgl. H.Donner, Geschichte S.425. ν Aber vgl. Dtn 28,44a, s.o. S.136. 68 O.Kaiser, Jesaja II, S.25; vgl. ebd. S.22.24f. zum späten, schriftgelehrten Charakter des Abschnitts Jes 14,1-4 a, in dem v. 1 b noch einmal ein Nachtrag sein könnte (ebd. S. 23).
Die doppelseitige Israeldefinition im Sakralrecht
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erkennbar. Der Begriff findet sich in dieser Verwendung nur in Inklusionsformeln, die die gleiche Gültigkeit von Gesetzesforderungen für den gerwie für den genuinen Israeliten statuieren. Das Prinzip der dieser Gleichstellung voraufgehenden Grenzbestimmung ist nicht mehr mit einer Beschreibung der sozialen Lage des ger zu gewinnen, vielmehr verfügt der ger ganz ununterschieden über die ökonomischen Mittel dafür, kultischen Pflichten (Opfer) nachzukommen. Bei seiner Unterscheidung kommt ein Begriff von Israel zum Tragen, der die Religionsgemeinschaft so darstellt, daß ihr der ger einerseits gleichberechtigt zugehören kann, andererseits in der kollektiven Größe eine Sonderstellung einnimmt. Die Stellung des ger ist insoweit eine ambivalente, als er seiner Herkunft nach unterscheidbar ist, während er in Israel als dem einheitlichen Geltungsbereich des Gesetzes ganz integriert ist. Die gesetzlichen Inklusionsklauseln, die diesen Sachverhalt zum Ausdruck bringen, stellen deshalb die Bezeichnung ger jeweils in Parallele zu einer Bezeichnung der genuinen Israeliten, für die sich in einer ersten Gruppe von Belegen in diesem Zusammenhang - und von einer Ausnahme abgesehen nur in diesem Zusammenhang69 - der sakralrechtliche Terminus Γ Π Τ Κ und in einer zweiten Gruppe die Wendung ^xisr ']in/irnn w-κ trx findet. Die Belege für die Parallele von gerund 'cezrah werden in Abschnitt 4.5 untersucht70. Die sakralrechtliche Inklusionsformel ohne den Begriff Γ Π Τ Κ ist in Lev 17; 20,2; 22,18 jeweils als Einleitung eines Gebotssatzes, sowie in Ez 14,7 in einem Drohwort belegt. Sie besteht aus drei Elementen, die in gewissem Maße variabel sind. Das erste Element ist ein wiederholtes „zur Umschreibung des Begriffs jeder, alle", als „Ausdruck der Totalität oder des Distributiven" 71 . Die Einleitung will so exakt jedes einzelne kultisch handlungsfähige Subjekt im Geltungsbereich des Gesetzes erfassen. Das zweite und dritte Element umgrenzen diesen Geltungsbereich durch die vollständige Beschreibung der Gesamtgröße Israel. Das zweite Element bezieht sich auf die genuinen Israeliten: (jedermann) !>m®- iran 72 , das dritte nennt mit einer Kollektivbezeichnung die Fremden ( i m jm). Diese zweite, parallel zu bmtr n-a stehende Gruppe ist mit variablen Näherbestimmungen dem „Israel" zugeordnet: in Ez 1 4 , 7 ; Lev 17, 8 mit dem Relativsatz TU- "IPX, sonst mit dem Partizip un 7 3 ; dazu gehört in Ez 14,7; Lev 20,2; 22,18 die
69 Die Ausnahme ist Lev 23,42, dazu s.u. S.205f. Ps 37,35 ist der MT zu emendieren, vgl. BHS App. 70 Vgl. für den Begriff ger in diesen Kontexten A. Bertholet, Stellung zu den Fremden S. 167 ff. 71 Gesenius-Kautzsch, Grammatik §123 c. 72 Variante dazu I'm®- -Jan, im MT in Lev 17,13 wohl unter dem Einfluß von v. 12, sonst in Lev 20,2. Die LXX bietet in allen Lev-Belegen των υιων, in 22,18 mit der Präposition απο, damit auch 20,2 (τις απο). 73 In Lev 22,18 MT Haplographieverlust.
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Heiligkeitsgesetz und Sakralrecht
adverbielle Angabe Switra, in Lev 17 nanu, so daß diese zweite Gruppe immer auf den Gesamtbereich Israel bezogen ist. Die Inklusionsklausel bleibt ganz auf der Ebene des Sakralrechts, ohne daß - etwa durch die Beziehung des ger auf das Land - der konkrete Lebensbereich der Gemeinschaft Israel in den Blick käme. Diesem Abstraktionsgrad entspricht es, daß in Ez 14, 7 die Formel in der rhetorischen Situation einer Anrede an die Israeliten in Babylonien verwendet wird. Es handelt sich danach bei diesem Typus des ger nicht um einzelne Gestalten im Land, sondern geradezu um einen zweiten Flügel der Gemeinschaft Israel, und zwar von Gliedern, die von außerhalb in sie aufgenommen sind. Die Unterscheidung zwischen den genuinen Israeliten und diesem ger ist eine Binnendifferenzierung innerhalb der Größe Israel und damit im Grunde wieder aufgehoben. Daß der ger dieser Formel ein selbständiges, gleichberechtigtes Glied der Religionsgemeinschaft ist, zeigen auch die Fälle, die die Gesetze regeln. In Lev 17, 8f. geht es um die Darbringung von Opfern (ix ni>y πιτ), in 17, lOff. um Blutgenuß, der die Schlachtung von Haustieren voraussetzt, in 17,13ff. um Blut von Jagdbeute. In Lev 20, 2ff. geht es um den Fall des mlk-Opfers, das als Opferung eines eigenen Kindes das Bestehen einer Familie voraussetzt, in Lev 22,18ff. um opferbare Tiere. Bei allem liegt die wirtschaftliche Selbständigkeit und die Kultfähigkeit des ger zutage. Das Bild wird durch Ez 14,7 bestätigt, den Fall apostatischer religiöser Praktiken und gleichzeitiger Befragung eines Jahwepropheten. Schließlich zeigt die Strafbestimmung Lev 17, 9 b vgl. 10 bß, daß der ger in diesen Texten nicht der Typus eines vereinzelten Bedürftigen ist. Die literarkritische Analyse und literarhistorische Beschreibung der Quellentexte, die jeweils mit der Inklusionsformel beginnen, stellen besonders in Lev 17 vor Schwierigkeiten. Wenngleich das Verbot des Blutgenusses „der Sache nach zweifellos uralt" ist74, führt dennoch der Versuch einer Rekonstruktion alter Rechtssätze zu keinem befriedigenden Ergebnis. Zu Recht bemerkt K. Elliger, daß in v. 3f. „gerade die historisierenden Ausdrücke . . . integrierende Bestandteile" bilden 75 , und dasselbe gilt auch in v. 8f., wo sich iyin $»πκ nicht als sekundäre Historisierung 76 ausscheiden läßt. Eine Vorlage von „drei trx vx Paragraphen", die vom Wüstenzug-Modell als Rahmen der Gesetzgebung unabhängig wäre, bleibt unerweisbar 77 .
74
M.Noth, Leviticus S. 113. 75 K. Elliger, Leviticus S.223. 76 So Elliger a. a. O. S. 220. Ohne die Ortsangabe hängt aber x n hi. in der Luft. 77 Diese „Vorlage" leidet nicht nur an der Rekonstruktion des Falles v. 8f. und dessen
Die doppelseitige Israeldefinition im Sakralrecht
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Der Aufbau des Gesetzes Lev 17 wird eher in der Paragraphenfolge von seinem Anfang her verständlich: der erste Paragraph v. 3-7* betrifft das Schlachten von Haustieren. Dazu verhält sich der zweite Paragraph v. 8f. als Ergänzung, die das Brand- und das Schlachtopfer sowie die Inklusionsformel nachträgt78, während der dritte Paragraph (v. 10-12) als „Anhang zu v. 3.4" ein allgemeines Verbot jeden Blutgenusses enthält79 und der vierte (v. 13f.) den Sonderfall erjagter Tiere behandelt. Da der erste Paragraph jedes Schlachten als eine rituelle Angelegenheit darstellt, dürfte das durch die Formulierung seiner Strafbestimmung in der l.pers. Jahwes aus der Reihe herausfallende allgemeine Verbot des Blutgenusses ein Nachtrag sein, der vielleicht die unpraktikable Ausgangsbestimmung auf das grundlegend Wichtige reduzieren soll. Das Gesetz regelt also die Fälle Schlachtung - Opfer - Jagd jeweils mit der nicht gleichförmig stilisierten Strafbestimmung der Exkommunikation (ma v. 4bß. 9b. 14bß)80. Für die Datierung des G e s e t z e s ist sein Verhältnis z u m dtn G e s e t z ein Maßstab, da es durch die Bindung jeder Haustierschlachtung als rituellen Aktes an das zentrale Heiligtum den Vorschriften v o n D t n 12 widerspricht, nach denen nur besondere Kultabgaben z u m Tempel gebracht werden müssen ( 1 2 , 1 7 f . 11.6). Lev 17 folgt d a g e g e n den Opfervorschriften Lev 1 und 3, an die es sich schon in der A u f z ä h l u n g v o n a»3 ικ n® Ty iK (v. 3) literarisch anlehnt 81 . Während dort bei der Opferhandlung der Ablauf v o n n i p hi. - [ηηο] - an» klar ist, bleibt hier bei der kultischen Vereinnahmung der Schlachtung das Verfahren undeutlich: das Schlachten selbst scheint „an einem beliebigen Ort" der Darbringung (nil hi. + j n p ΐΉρπί») vorauszugehen 8 2 . D i e s e Unstimmigkeit 8 3 zeigt, daß die dem dtn G e s e t z folgende Praxis ( D t n 1 2 , 1 5 f . ) vorausgesetzt ist. D a gerade die dtn G e s e t z g e b u n g zur Kultzentralisation ( D t n 12) mehrfache paräne-
Interpretation als Fremdgötterkultverbot, sondern auch an der Unvollständigkeit des rekonstruierten zweiten Falles v. 10a ... l l a a . Die Reihe: Opfer - Blutgenuß - Jagdbeute bleibt ohne den Fall der Schlachtung defizient, nicht zufällig erwägt Elliger die Möglichkeit eines „größeren Korpus gleichgebauter Sprüche" (S. 224). Wieweit Elligers traditionsgeschichtliche Hypothesen die Inklusionsformel betreffen, bleibt unklar, weil er die Vorlagen-Paragraphen nur „in ihrer Substanz" „weit zurück in die vorexilische Zeit" reichen sieht (ebd.), während der Begriff na als „wie sonst bei Ρ im Gegenüber zum ,Haus Israel'" erklärt wird (S. 227). Elliger scheint also wie R. Kilian, Heiligkeitsgesetz S. 5f. 8f., für die primären Sätze nur mit einer Einleitungsformel "IBX vx trx zu rechnen. 78 Vgl. Noth a.a.O. S. 112f. Daß die LXX den verschon in v.3 berücksichtigt, dürfte sekundäre Angleichung sein. 79 Noth a.a.O. S. 113. 80 Für eine detaillierte Analyse des Textwachstums in Lev 17 ist hier nicht der Ort. Als Grundschicht liegt den zahlreichen Ergänzungen vielleicht 17,3.4aa.bß. 8aßy. b. 9. 13. 14aai.bß zugrunde. 81 Vgl. Lev 1,2.3.10.(14); Lev 3,1.6.7.12. 82 Vgl. Noth a.a.O. S. 111. 83 Im Nachtrag v. 5-7 wird die Ordnung mn hi. - πητ hergestellt und die Schlachtung mit dem Terminus π-η^Β πητ (vgl. Lev 3) bezeichnet.
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Heiligkeitsgesetz und Sakralrecht
tische Nachbearbeitungen aufweist 84 , von denen auf den Geltungsanspruch des Gesetzes im 6.Jahrhundert geschlossen werden kann, läßt sich Lev 17 schwerlich aus einer gleichzeitigen Opposition gegen die dtn Bewegung erklären 85 . Lev 17 spiegelt nicht den Widerstand einer Gegenpartei 86 in der späten Königszeit, sondern ist eine in nachdtr Zeit neue aktuelle Gesetzgebung im engsten jerusalemisch-judäischen Horizont 87 . Es ist zu fragen, ob die übersteigerte kultische Reglementierung des Alltagslebens vom zentralen Heiligtum aus nicht eine Macht der Priesterschaft voraussetzt, die sich erst in nachnehemianischer Zeit in Juda entwickelt hat. Die Nehemia-Denkschrift zeigt, daß sich die judäische Landschaft so weit vom Jerusalemer Tempel emanzipiert hat, daß ein besonderer Regierungsakt erforderlich ist, um die Abgaben für den levitischen Tempeldienst zu sichern (Neh 13,10-14) 88 . Die in Lev 17, 3f. intendierte Zuordnung der Provinz zur Tempelstadt ist kaum vor dem Prestige- und Autoritätsgewinn Jerusalems im 5. Jahrhundert denkbar. Wenn Lev 17,3f. in dieser Weise das Tempelumland an den Tempel bindet, fragt sich, warum im Kontext der Reihe von Lev 17, 3f. 8f. (10f.). 13f. in v. 3f. der ger, für den in den anderen Fällen uneingeschränkt die religiöse Verpflichtung des rrn gilt, nicht genannt wird. Die Erklärung mit „eine(r) gewisse(n) Exklusivität gegenüber dem Fremden"89 kann nicht überzeugen, denn wenn nach den Inklusionsformeln im Grundsatz und nicht nur fallweise für den ger dasselbe Recht gilt, wäre dessen Geltung gerade in der besonderen Nähe zum Tempel zu erwarten. Als eine mögliche Erklärung bietet sich an, daß umgekehrt gerade der enge regionale Bezug des Gesetzes die Rücksicht auf den ger entbehrlich macht, während ihn die allgemeineren Sätze des Sakralrechts einschließen. Der Typus des sakralrechtlich in „Israel" eingegliederten Fremden ist danach primär nicht eine Gestalt in der jerusalemisch-judäischen Gemeinschaft.
Ein weiterer mit der Inklusionsformel eingeleiteter sakralrechtlicher Fall ist das Verbot des mlk-Opfers Lev 20,2-5. Es handelt sich bei diesem Abschnitt um einen frei formulierten Text, der keinen vorgegebenen
84
Vgl. R. Smend, Entstehung S.72f. 85 Anders Elliger a.a.O. S.226. 86 Elliger ebd. spricht nur sehr vermutungsweise von „gewissen, offenbar priesterlichen Kreisen", aber das dtn Gesetz war ja ein Gesetz des judäischen Staatstempels. 87 Noth a.a.O. S. 111 betrachtet als Verhältnisse, in denen Lev 17 überhaupt in irgendeiner Weise hätte realisierbar sein können, die Zeit nach 587, während die Dimensionen der sog. nachexilischen Zeit wieder zu groß gewesen seien. Aber war das Juda des 6. Jahrhunderts soviel kleiner als das des 5.Jahrhunderts? 88 Auch in der danach gestalteten Passage der Verpflichtungsurkunde Neh 10 (vgl. A.H.J. Gunneweg, Nehemia S. 135ff. 168) ist nur von den Abgaben als tempelbezogenen Pflichten der Judäer die Rede. 89 Elliger a.a.O. S.226.
Die doppelseitige Israeldefinition im Sakralrecht
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Gebotssatz enthält, aber eine Ausführung des Satzes Lev 18,21 ist90. Das Verbot des durch Beschreibung des Verfahrens (»K3 v a y n , i m >pip) oder mit dem terminus technicus w/^-Opfer 91 bezeichneten Kinderopfers findet sich im dtn Gesetz nur in den dtr Erweiterungen Dtn 18,10 und Dtn 12, 3192. Der Datierung dieser Textschichten in das 6. Jahrhundert entspricht es, daß alle Belege, die als Quellen für eine w/^-Opferpraxis im königlichen Juda in Betracht kommen, zweifelhaft sind93. Ohne einen solchen Anhaltspunkt aber ist die Annahme, die Belege in Lev 18,21; 20,2ff. gehörten einem „von den Jer- und Kön-Belegen unabhängigen Traditionsstrom" an und spiegelten „eine zutreffende Erinnerung an die Verhältnisse im 7.Jahrhundert" wider 94 , unbegründet. Lev 20,2ff. ist die Paraphrase eines Gebotssatzes, der thematisch frühestens in die zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts zu datieren ist. Fehlt dann zwar jeder weitere Anhalt für die Datierung des Gesetzes, läßt sich andererseits auch für diesen Beleg die Annahme, daß die Bezeichnung ger als Bezeichnung eines zweiten Flügels der Religionsgemeinschaft „Israel" ein Element alter sakralrechtlicher Terminologie sei, nicht aufrechterhalten. Die „sehr späten Belege Jes 57, 5 und Ps 106, 37f."95 sowie die Entsprechungen für das mlk-Opfer im phönizisch-punischen Bereich aus dem 6.-2.Jahrhundert 96 erlauben für den sekundären Gebotstext Lev 20,2ff. ohne weiteres eine Datierung in das 5.Jahrhundert oder später 97 . Damit liegt Lev 20, 2ff. im zeitlichen Umfeld von Lev 17. In denselben, von Lev 17 her nach oben eingegrenzten Zeitraum fällt auch der dritte Beleg für die sakralrechtliche Inklusionsformel im sog. 90 Vgl. Elliger a.a.O. S.268f.272. Auch A. Cholewinski, Heiligkeitsgesetz S.57f., beschreibt den Text als „literarische Einheit", möchte aber einen um- mn-Satz als Vorlage rekonstruieren. In den Strafbestimmungen wird man mit mehr Textwachstum rechnen müssen, als beide Autoren es tun. 91 Vgl. zum ganzen H.-P. Müller, ThWAT IV, 957ff. 92 Vgl. dazu O.Kaiser, Kinderopfer S. 151; H.Spieckermann, Juda S. 104 Anm. 154. 93 Vgl. die Ordnung der Belege bei Kaiser a.a.O., der den dtr Vers Jer 7, 31 als „Ausgangsstelle" betrachtet (S. 156). Anders versucht Spieckermann (a.a.O. S. 105f. mit Anm. 155) 2Kön 23,10 als ein DtrH vorgegebenes Element des Reformberichts festzuhalten; dagegen im Rückgriff auf Kaiser (aber vgl. ebd. Anm. 33) Ch. Levin, Joschija S. 360; vgl. auch E. Würthwein, Könige S. 459. 94 Spieckermann a.a. O. S. 102 Anm. 150 bzw. S. 106. Der ebenfalls dafür angeführte Text Ez 20,25f. ist in seinem Kontext keineswegs fest verankert. 95 Spieckermann a.a.O. S. 101 Anm. 147; vgl. Müller a.a.O. Sp.967. 96 Vgl. Müller a.a.O. bes. Sp.958.965. Bei der zögernden Datierung der Lev-Belege ist Müller an die literarhistorische Voraussetzung einer „Sekundärschicht des Heiligkeitsgesetzes" gebunden, die „ihre Literalisierung frühestens in exilischer, eher in nachexilischer Zeit erfuhr" (Sp.967). 97 Das Gebot hat im übrigen das mlk-Opfer als private Opferhandlungen Einzelner im Blick, so daß in keinem Fall seine Beziehung auf eine staatliche Krisenlage Judas Erklärungskraft hätte.
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Heiligkeitsgesetz und Sakralrecht
Heiligkeitsgesetz (Lev 22,18). Die Formel steht hier am Anfang eines Gesetzes über die Fehllosigkeit von Opfertieren (22,17-25), dessen redaktionelle Zuordnung fraglich bleibt. Der nähere Kontext des Gesetzes sind nach vorn spezielle Priesterbestimmungen (21,1-22,16), nach hinten der Festkalender Lev 23. Den Nachtragscharakter des Gesetzes erweist neben seiner Stellung im Kontext auch die Abhängigkeit von Thema und Kasuistik des Priestergesetzes 21,16ff. 98 Der in Lev 22,17-25 ausgeführte Grundsatz, daß keine fehlerhaften Opfertiere (oia in ί>3) dargebracht werden dürfen, findet sich schon in Dtn 15,21 und danach wieder in Dtn 1 7 , 1 " und liegt der Forderung, unversehrte Opfertiere darzubringen (α-πη Lev 1,3.10 u. ö. vgl. 22,19), zugrunde. Daß sich seine Aktualität für einen Gesetzgeber nicht auf einen engen Zeitraum fixieren läßt, zeigt das zweite Disputationswort bei Maleachi (bes. Mal 1, 8.13). In Lev 22,17ff. läßt sich die Inklusionsklausel nicht als Element eines alten sakralrechtlichen Traditionsbestandes beschreiben. Vielmehr zeigt sich darin, daß dem Vordersatz v. 18ba ein entsprechender Nachsatz fehlt100, eine sekundäre Aufnahme der Formel aus dem Gesetz Lev 17, das, insoweit es den „Umgang mit dem Blut" beim „Vollzug des Opfers" regelt, durch Lev 22,17ff. als Bestimmung über die „Beschaffenheit der Opfertiere" ergänzt wird101.
4.4 Die sakralrechtliche Inklusionsklausel im Ezechielbuch ( E z 14, 7) Kann die Datierung der Belege für die sakralrechtliche Inklusionsformel tocura/oaina ( n r -ι®κ) un un ]»i iran nrx tr» in den Gesetzen Lev 17.20 Α. 22 Β in das 5.Jahrhundert oder später als hinreichend wahrscheinlich gelten, dann läßt sich der vierte Beleg für diese Formel in Ez 14,7 nicht mehr im Rückgriff auf eine alte sakralrechtliche Tradition, die gerade im Heiligkeitsgesetz greifbar wäre, erklären. Da sich die Inklusionsformel in Ez 14 nur in einer Erweiterung des Prophetenwortes findet, ist ihre Zuschreibung zum Sprachbestand des Propheten Ezechiel im ersten Viertel des 6. Jahrhunderts aber in jedem Falle fraglich. Auf der
98 Vgl. Elliger a . a . O . S.295f.299. Während Eiliger versucht, Lev 22,17ff. als die „ursprüngliche Fortsetzung zu 2 1 , 1 6 - 2 4 " dem Redaktor Ph 3 zuzuweisen (S. 297), kommt die Verlegenheit in der Beurteilung des Abschnittes bei Cholewinski (a.a.O. S . 7 8 ) klar zum Ausdruck, der „eine ganz neue redaktionelle Schicht" postuliert. 99 S.o. S. 152 Anm. 117. 10° Noth a . a . O . S. 141. ιοί Elliger a . a . O . S.298.
Die sakralrechtliche Inklusionsklausel im Ezechielbuch
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anderen Seite erlaubt dieser literarische Sachverhalt die Untersuchung des Belegs Ez 14,7 in relativer Unabhängigkeit von der Frage, ob die sakralrechtlichen Deklarationsworte im Ezechielbuch im ganzen als eine deuteroezechielische Schicht zu beschreiben seien102. Das „Drohwort gegen synkretistische Frager"103, die sich an einen Jahwepropheten wenden, geht von der Situation einer Konfrontation Ezechiels mit „Männern von den Ältesten Israels" aus (14, l)104. Die Unvereinbarkeit der Hinwendung zu Jahwe mit der Verehrung von D^ib: kommt in der Verweigerung einer prophetischen Antwort an solche Frager zum Ausdruck. An die Stelle einer Antwort Jahwes tritt eine Drohung. Die aus der Situation heraus entwickelte Prophetenrede v. 1-4 enthält insoweit keine näheren Strafbestimmungen. V. 5 gibt der Drohung eine Zweckbestimmung, die die Voraussetzung einer Apostasie ganz Israels macht105. Die hier ausgesprochene Absicht, „das Haus Israel an seinem Herzen zu packen" (üb. v. Zimmerli), wird in dem Umkehrruf v. 6 konkretisiert106. Da diese Verse die Begrenztheit der vorgestellten Redesituation überschreiten, stellen sie eine Erweiterung des Prophetenwortes dar. Ihr direkter Anschluß an die Drohung v. 4 b macht wahrscheinlich, daß die Drohung nicht in weiteren Strafbestimmungen entfaltet war. V. 7 ist eine variierende Wiederaufnahme von v. 4, die die Erweiterung v. 5f. bereits voraussetzt107. Die in v. 7bßy wiederaufgegriffene Drohung v. 4 b wird dann in v. 8 entfaltet und mit der Erkenntnisformel v. 8 b abgeschlossen. Gegen die Annahme, v. 8 sei die ursprüngliche Fortsetzung von v. 4 b108 spricht die Parallelität der Fälle des „synkretistischen Fragers" v. 4 und
102 Vgl H.Schulz, Todesrecht S. 163ff.; O.Kaiser, Einleitung S.265. Es verwundert, d a ß Schulz Ez 14,1-11 ohne weitere Analyse als einheitlichen Text liest (S. 179). 103
Vgl. G. Fohrer, Ezechiel S.76. Einen Versuch, dem Text ohne diachrone Differenzierungen als Ganzheit betrachtet zu folgen, bietet W. Zimmerli, Eigenart der prophetischen Rede S. 150ff., Ezechiel (BK) z. St. Es ist aber fraglich, ob eine solche mögliche Würdigung der Endgestalt die literarkritische Analyse und die entstehungsgeschichtliche Hypothesenbildung ersetzen kann. Die formgeschichtliche Rekonstruktion eines Hintergrundes, vor dem Ezechiel als „ein Spätling innerhalb der Traditionsgeschichte dieser Formeln" erscheint (Eigenart S. 170), beruht nicht auf einem gesicherten Bestand alter Quellentexte (vgl. ebd. S. 169, BK S. 305f.). 105 Das in der L X X fehlende d!>3 ist eine richtige exegetische Glosse. 106 £)i e Doppelfunktion von v. 5 als Finalsatz im Verhältnis zur Vorlage v. 1 - 4 und als Vorbereitung des durch ihn bedingten v. 6 (p^) zeigt, daß der Anschluß von v. 5 (jya^) gesucht ist. V. 5 ahmt v. 11 nach. 107 V. 7 " ΐ τ π nach v. 5 n u mit einer Ableitung von - m das ungewöhnliche i n ni. ersetzend. V. 7 ba "3 i!> t m ^ ist eine Verdeutlichung des aufgenommenen v. 4 aß. V. 7 bp ist das Partizip n:yj gegenüber v. 4 b -n-ayj „eine leichte Erweichung des Ausdrucks" (Zimmerli, Ezechiel S. 301 Textanm. 4d). 108 Fohrer a . a . O . S.76, jedoch unter Beibehaltung von v.5. 104
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Heiligkeitsgesetz und Sakralrecht
des Propheten v. 9, die in v. 10 zusammengefaßt werden. In dieser Parallele hat die Schlußformel v. 8 b keinen Ort109, und die Ausführung der Drohung v. 8 a unterscheidet sich sprachlich von v. 9 b so stark110, daß ihre Beschreibung als Entsprechung zu v. 9 b unwahrscheinlich ist. Wenn die redaktionelle Anknüpfung von v. 5f. zu Recht als Hinweis darauf gewertet wurde, daß die Drohung v. 4 b für den Fall des „synkretistischen Fragers" suffizient ist, dürfte aber auch v. 9 b selbst eine Erweiterung sein111. Als ursprünglich können dann nur die parallelen Drohungen v.4bIIv.9aßy 112 und ihre gemeinsame Fortführung in v. 10 gelten113. Das primäre Drohwort umfaßt danach Ez 14,1-4.9 a. 10 sowie den abschließenden v. 11, der dadurch in der vorgestellten Redesituation verankert ist, daß er die betroffenen Personen als Autoritäten auffaßt 114 , die dafür verantwortlich wären, daß das „Haus Israel" von seinem Gott Jahwe weg in die Irre geht (nyn). In dem Drohwort begegnet soweit im unpersönlichen Rechtsstil115 der Ausdruck ton»- n - a n ®-k (v. 4), nicht die sakralrechtliche Inklusionsformel. Angesichts der Häufigkeit der Bezeichnung ί>ΧΊΒ- n - a bei Ezechiel116 und der grammatischen Funktion der Wiederholung des Nomens117 braucht es sich bei diesem Ausdruck keineswegs um eine traditionelle Formel zu handeln. Der Inhalt des mit diesem Ausdruck eingeleiteten Satzes v. 4 ist so eigentümlich prägnant, daß hier kaum „das Wort des Gebotes, das ja jeder wohl kennt"118 zur Geltung gebracht werden soll. Ez 14 führt nicht darauf, daß in dem Ausdruck eine Redeform vorliegt, die im frühen 6. Jahrhundert gleichzeitig in einer „kürzeren" oder „erweiterten Form"119 gebraucht werden konnte, denn die sog.
109
Fohrer ebd. beurteilt deshalb v. 9-11 a als sekundär. V. 8: "ny -ρππ r m a n i - ν. 9: !>x-i®- -ny "pnn ΤΓΠΗΒΠΙ. Das mittlere Glied v. 8aa2 ist ein Uberschuß. 111 Der Ausdruck i>m®- -ay zwischen i>m®" π-a in v. 4 und v. 11 a ist besser verständlich, wenn die Ausführung der Drohung als redaktionelle Erweiterung beschrieben wird, die die Bundesformel in v. 11 b schon voraussetzt. 112 Vgl. Zimmerli a . a . O . S.301 Textanm.4d. 113 Die Beispiele Lev 17,16; 20,19 zeigen, daß der Deklaration uiy XBJI keine anderen Strafbestimmungen oder -androhungen vorausgehen müssen. Lev 19,8 könnte ein Fall sein, in dem die Deklaration sekundär Strafbestimmungen nach sich zieht. 114 Vgl. zu den Ältesten J. Buchholz, Älteste S.28ff. Die Umlenkung des Wortes auf Israel (v. 5f.) fällt mit der von ihm beobachteten Tendenz zum Ablenken von der Verschuldung der Ältesten zusammen. u s Vgl. Zimmerli a . a . O . S.302. u 6 Vgl. Zimmerli a . a . O . S. 1260. 117 S.o. S. 191 bei Anm.71. u s Zimmerli a . a . O . S.310. 1,9 Zimmerli a . a . O . S.303. 110
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erweiterte Form gehört einer deutlich späteren Textschicht zu120, und die kürzere ist ad hoc gebildet worden. Da die spätere Textschicht (v. 7f.), die bei der Wiederaufnahme von v. 4 die sakralrechtliche Inklusionsklausel verwendet, überwiegend Vorgaben aus dem unmittelbaren Kontext aufnimmt 121 , muß neben der Verdeutlichung der Strafandrohung gerade die Einbeziehung des zweiten Flügels der Gemeinschaft Israel (!>mirn m r η®« υ π als Kollektivum, konstruiert mit der Präposition ja) in das jeden Synkretismus abwehrende Prophetenwort ein Anliegen der Redaktion gewesen sein. Sein Thema nämlich macht die Unterstreichung der umfassenden Geltung des prophetischen Rechtssatzes leicht verständlich: der Typus des ger, der im Bereich „Israel" steht und dessen Religionsgesetz in gleicher Weise unterworfen ist, ist als einer, der nicht mit herkunftsmäßiger Ursprünglichkeit zu Israel gehört, vielleicht in besonderer Weise der Gefahr ausgesetzt, synkretistische Elemente in der Verehrung des Gottes Jahwe zu bewahren. Zwischen Ez 14,4 und 14,7 liegt also ein geschichtlicher Wandel, der die Rücksicht auf eine zweite Gruppe, die die Religionsgemeinschaft Israel konstituiert, verlangt 122 . Da in Ez 14,7f. nicht notwendig eine judäische Redaktion im Gang der Uberlieferung des Buches des Exilspropheten vorliegt, bleibt die Möglichkeit offen, daß das Problem eines zweiten Flügels der Gemeinschaft Israel sich zuerst und vor allem in der Diaspora gestellt hat 123 . Der ger der Inklusionsklausel steht in keinem erkennbaren Verhältnis zu den Bewohnern des judäischen Landes, denn „Israel" ist hier die sakralsprachliche Bezeichnung der Religionsgemeinschaft. In Hinsicht auf seinen sozialen Rang läßt sich, da schon vor der Erweiterung v. 7f. der gewissermaßen aristokratische H o rizont der ^ m t r -3ρτ (v. 1) durch den Blick auf ganz Israel überlagert worden ist (v. 5f.), nur bemerken, daß völlige Gleichrangigkeit vorausge-
120
Anders liegt der Fall in Lev 17 (MT), s.o. S.194. Zu v. 7 s. o. Anm. 107. Es liegt also die Abfolge von I (v. 1 - 4 . 9 a. 10.11), II (v. 5f.), III (v. 7f.) vor. D a ß f ü r v. 8 auch v. 9 b bereits vorgegeben war, läßt sich vielleicht aus dem bloßen -ny statt !>xi®- -ny schließen. Die Erkenntnisformel v. 8 b hat zahlreiche Parallelen im Ezechielbuch, vgl. Zimmerli, Erkenntnis Gottes S. 42f. 122 Vgl _ bei Annahme ezechielischer Herkunft - D. Rothstein, Das Buch Ezechiel S. 902 Anm. f: „es gibt also zur Zeit, als Ezechiel dies Orakel kundgeben mußte, innerhalb der Exulantengemeinden auch Proselyten, Leute nichtisraelitischer Herkunft, die sich der jüdischen Religionsgemeinschaft angeschlossen hatten . . . " Nach Zimmerli hat dagegen die Nennung des Typus ger überhaupt keinen aktuellen Sinn, sondern wird umgekehrt auf die „Entstehung (des) Formtyps in der Zeit der vorexilischen Ansässigkeit Israels im Lande" gedeutet (a.a.O. S.303 vgl. 306). Aber warum sollte der Prophet in v.7 eine sinnlose erstarrte Formel gebrauchen, wenn er in v. 4 schon sachgemäß die „kürzere Form" gebraucht hat? 121
S.o. S.194 zu Lev 17,3.
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setzt ist. Welcher Spielraum sich für die Datierung der Erweiterung Ez 14, 7f. ergibt, zeigt die schon vorausgesetzte Erweiterung v. 5f., die anders als v. 11 - das Prophetenwort auf ganz Israel wendet und in einen direkten Umkehrruf umsetzt. Wenn sich darin die Theorie von der Botschaft der „früheren Propheten" als Umkehrruf (Sach 1,4) 124 spiegelt, führt diese redaktionelle Erweiterung schon an das 5. Jahrhundert heran. In jedem Fall läßt sich Ez 14,7 nicht als ein Beleg der Inklusionsklausel erweisen, der eine Datierung verlangte, die von der oben für die übrigen Belege vorgeschlagenen stark abwiche 125 . Vielmehr zeigt sich auch im Ezechielbuch, daß die sakralrechtliche Verwendung des Wortes ger ein wortgeschichtlich späteres Phänomen ist als seine Verwendung im Sinne eines sozialen Typenbegriffs (Ez 22,7.29). Der Übergang von der einen zu der anderen Bedeutung erklärt sich mit dem Wandel der Bezugsgröße „Israel", die nicht mehr an den konkreten sozialen Verhältnissen im judäischen Territorium orientiert ist, sondern an der Religionsgemeinschaft, die sich teils innerhalb, teils außerhalb des Landes findet. Der Sinn der älteren sozialen Gebote bezüglich des ger bleibt insofern gewahrt, als in beiden Fällen eine Tendenz zur Integration des „ger" wirksam ist126. Da der Verwendung der Bezeichnung ger in der sakralrechtlichen Inklusionsklausel die Unterscheidung von Israel als kollektiver Größe nach außen zugrundeliegt, ist der ger hier seiner Herkunft nach der Typus eines Nichtisraeliten. In den Inklusionsklauseln erscheint er jedoch bisher immer nur als das gleichberechtigte Glied der Gemeinschaft Israel, ohne daß das Verfahren und die Bedingungen seiner Aufnahme erkennbar wären.
4.5 Der rechtsgleiche Status des ger in Israel neben dem 'cezrah (Ex 1 2 , 4 3 f f . ) Die Doppelseitigkeit in der Beschreibung von Israel als Geltungsbereich des religiösen Gesetzes, die in der sakralrechtlichen Inklusionsformel in dem Nebeneinander der kollektiven Größen $>k-i!T xra und b m t r a . . . urt
12t Vgl. Zimmerli a.a.O. S.311 und s.o. S. 165. 125 J.Garscha bietet für Ez 14,1-11 überhaupt eine Datierung auf das Ende des 4.Jahrhunderts: Ezechielbuch S. 266ff. 303ff. 308ff. 126 Die Brücke, die A. Bertholet, Stellung zu den Fremden S. 110, zwischen den sozialen Schutzgeboten und der sakralrechtlichen Gleichstellung mit der Annahme schlägt, „dass Gerim mit dem Volke schon ausgezogen sind", ist wenig tragfähig, wenngleich auch unter der Voraussetzung, daß der ger des dtn Gesetzes usw. eine nichtisraelitische Gestalt sei, logisch stimmig. Bertholet interpretiert Ez 14, 7 (und 47,22f.) als authentisches Wort Ezechiels.
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•3ina/ zum Ausdruck kommt, liegt auch der Gegenüberstellung von γπτχ und υ zugrunde. Es geht in beiden Fällen um einen Dualismus innerhalb Israels, bei dem der Begriff ger den Typus eines Nichtisraeliten bezeichnet, der von außen in die Religionsgemeinschaft Israel hineingekommen und nun in gleicher Weise der Verpflichtung durch das Gesetz unterworfen ist127. Daß die herkunftsmäßige Unterscheidung zwischen dem Israeliten und diesem Typus des ger im Geltungsbereich des Gesetzes und also in dem durch das Gesetz und die Tradition bestimmten Gottesvolk aufgehoben ist, machen im besonderen die Rechtssätze klar, die die Einheitlichkeit einer Gesetzesvorschrift und damit die des einen Gesetzes überhaupt für den 'cezrah und den ger konstatieren (nnx min Ex 12,49; Num 15,13-16 u. ö.). Wie nach den sakralrechtlichen Inklusionsformeln in der Gesetzeseinleitung ist auch nach den Gesetzen, in denen der ger dem 'cezrah gleichgestellt ist, das Vorhandensein dieses zweiten Flügels von Israel eine Wirklichkeit, auf die Rücksicht genommen werden muß. Die Sprache des Sakralrechts läßt den Verlauf des geschichtlichen Wandels, der zu dieser Lage geführt hat, nicht erkennen. Es wird jedoch eine Abgrenzung dieses Typus des integrierten Fremden gegenüber anderen Fremden, die mit der Religionsgemeinschaft nicht verbunden sind, und eine Bedingung für diesen Status als „ger" in einem Anhang zur Passagesetzgebung in Ex 12,43-49 deutlich. Ex 12,43-49 ist ein Nachtrag zur Passagesetzgebung der Priesterschrift in Ex 12,1-20*. 28.40f. 128 und stellt in ihr ein zweites Stadium der Gesetzgebung dar, das ohne Rücksicht auf den erzählerischen Kontext die Zulassungsbedingungen für das Passa regelt, während das erste Stadium das Passa gerade in der Auszugserzählung verankert (12,1-14). Seine literarische Stellung weist den Abschnitt als einen Quellentext aus, der in Abhängigkeit von der priesterschriftlichen Erzählung zu datieren ist und deshalb in keinem Fall vor das 5.Jahrhundert zurückführt 129 . In dieselbe Richtung zeigt auch das Verhältnis dieses Passagesetzes zum
127 Im Blick auf die Ausbildung der griechischen Terminologie ist es üblich, diesen Typus des ger als „Proselyten" zu bezeichnen, vgl. ζ. Β. A. Bertholet, Stellung zu den Fremden S. 174; D.Kellermann, ThWAT 1,988. Dagegen zögert K. G.Kuhn, ThWNT VI, 730, auf diesen Typus des ger die Bezeichnung „Proselyt" anzuwenden, da er den sakralrechtlichen Gebrauch des Wortes ger νon dem dtn/dtr Gebrauch im Sinne eines sozialen Typenbegriffs nicht hinreichend unterscheidet. - Der Begriff „Proselyt" wird im Zuge unserer Darstellung nicht verwendet, weil in ihm die spätere Differenzierung von Proselyten, die in verschiedenem Grad das Religionsgesetz übernehmen (vgl. Kuhn a.a. O. S. 730ff.), mitschwingt. Diese Differenzierung aber ist in unseren Quellentexten noch nicht ausgearbeitet. 128 M.Noth, Exodus S.72. 129 Zur Datierung von Ρ vgl. O. Eißfeldt, Einleitung S. 275f.; R. Smend, Entstehung S. 57. An dieser Datierung ändert die Frage, ob Ρ eine selbständige Schrift oder nur eine Bearbeitungsschicht sei, nicht viel, vgl. O. Kaiser, Einleitung S. 116f.
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dtn Gesetz (Dtn 16,1-8), zu dem es einerseits erhebliche Differenzen aufweist130, während es andererseits den Rang, den das dtn Gesetz dem Passa als einem „nationalen Fest" verliehen hatte, beibehält131. Eine Grenze nach unten ist der Datierung dadurch gezogen, daß die weitere Ergänzungsbestimmung zum Passagesetz in Num 9,1-14 nicht mehr in den unmittelbaren Kontext der gesetzlichen Einsetzung des Passa gelangt ist, sondern nur noch - in eigener erzählerischer Ausgestaltung in die Gesetzgebung am Sinai132. Ex 12,48 aß statuiert eine Aufhebung der religionsgesetzlichen Unterscheidung zwischen dem ger und den genuinen Israeliten: der ger soll sein p s n n u m . Der abschließende Rechtssatz v. 49 unterstreicht die gleichrangige Stellung des germ und führt in eine Grundsätzlichkeit, die über das Einzelgesetz für das Passa hinaus konsequent auf den Geltungsbereich des ganzen Gesetzes zielt134. Die Bedingung für diese Stellung des ger in Israel ist die Beschneidung (v. 48 aa3). Die Beschneidungsforderung zeigt, daß es sich bei diesem Typus des ger um einen ursprünglichen Nichtisraeliten handelt. Als eigentlicher Leitsatz für die gesetzlichen Bestimmungen von Ex 12,43-49 ist deshalb nicht v. 43 b ( n !»dk- κ!> Ί33-μ-ί>3), sondern v.48b (m i>3ic Hy zu verstehen. Von dem Ritus des Passa und somit von Israel als Religionsgemeinschaft (I'm®" my v. 47) sind alle Fremden ausgeschlossen, soweit sie unbeschnitten sind, während die Übernahme der Beschneidung den Fremden gleichberechtigt in Israel eingliedert. Der nach v. 43 b ausgeschlossene been nekär ist also nicht jeder Fremde, sondern der Fremde, der nicht den mit der Übernahme der Beschneidung gegebenen Anschluß an Israel sucht. Das Gesetz berücksichtigt diesen Typus des Fremden in drei sozialen Klassen. In v. 43 b ist der been nekär soziologisch den Israeliten offenbar gleichrangig, in v. 44 kommt er als Sklave und in v. 45 als ökonomisch abhängige Gestalt in Betracht. Der Sklave fällt aus der Kategorie dieser Fremden insofern heraus, als er als Besitz seines Eigentümers
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Vgl. E.Otto, ThWAT VI,677. Vgl. A. Cholewinski, Heiligkeitsgesetz S. 189 (zu Lev 23,5-8). 132 Die freie Verwendung von Num 9,11 in 2Chr 30,2 (vgl. W.Rudolph, Chronikbücher S. 299) zeigt, daß diese Ergänzungsbestimmung für den Chronisten schon traditionelles Gut ist. 133 V. 49 ließe sich wegen des Numeruswechsels und der möglichen rahmenden Funktion von v.43b/v. 48 b als sekundär beschreiben. Eine solche Differenzierung ist jedoch unerheblich, da v.49 sachlich mit v. 4 8 aß übereinstimmt. 134 Während die Passabestimmung npn genannt wird (v. 14.17.43), verwendet v.49 die Bezeichnung mm. Nach G. Liedke/C. Petersen, T H A T II, 1037f., ist zwar min hier nicht als Kollektivbezeichnung für das Gesetz zu verstehen, aber die Allgemeinheit der Formulierung macht dennoch deutlich, daß es nicht um eine Besonderheit in einem Einzelfall geht. Vgl. auch Num 15,15.16. 131
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in das Ganze des „Hauses" integriert ist und dem Beschneidungsgebot (Gen 17,12) unterliegt, so daß seine Teilnahme am Passa unproblematisch ist. Die Fremden in abhängiger, nicht hausgebundener Lage (aunn VDtn) sind dagegen wie der selbständige (v.43) ausgeschlossen135. Die Bezeichnung ger in Ex 12,48 ist insofern proleptisch136, als sie eine Gestalt meint, die nach v. 48 aa3 die Beschneidung allererst übernehmen soll. In der konditionalen Gebotseinleitung ist ger schon der sakralrechtliche Begriff für den in die Religionsgemeinschaft Israel integrierten Fremden. Was dabei der eigentliche Orientierungsrahmen des Gesetzes Ex 12,43-49 in bezug auf den Begriff Israel ist, ist schwer zu bestimmen, weil sich zwei Vorstellungen überlagern. Nach v. 47 ist die Vorstellung der kollektiven Größe der „Gemeinde Israel" (tontr my-bs) leitend. Keine konkretere Anschauung ergibt sich aus v. 46, der im Kontext des Schutzes des Passa vor unbefugten Fremden das aus 12, 3f. heraus entwickelte Problem zum Gegenstand hat, daß das Fleisch des Passamahls aus dem Haus nach draußen gebracht werden könnte, denn hier kommt nur das jeweilige Haus eines Israeliten in den Blick und ist Israel so in seinen individuellen Gliedern vorgestellt. Das Passa selber ist nach der Gesetzgebung der Priesterschrift gegen Dtn 16, 5f. nicht an das zentrale Heiligtum gebunden137. Im Einleitungssatz des Falles v. 48 ist der ger präpositional auf das angeredete Israel bezogen (η: ηηκ n r -3i), so daß der Fall ganz auf der sakralrechtlichen Ebene zu liegen scheint. Danach ist für das Thema des Rechtssatzes keine Vorstellung eines bestimmten Landes, in dem „Israel" wohnte, leitend. Der Ausdruck ρ κ π ΓΠΤΚ (v. 48 aß) trägt dagegen die Landvorstellung ein. Wenn das Gesetz damit zwar die „Kulturlandsituation" voraussetzt138, ist dennoch nicht in ir-
135 D i e Parallele von v. 4 3 b / v . 45 macht deutlich, daß hier in dieser sozialen Lage nur Nichtisraeliten gemeint sind. Der Sprachgebrauch entspricht der idealen Vorstellung von Lev 2 5 , 4 0 a, nach der nur in Ausnahmefällen verarmte Israeliten in eine solche Lage kommen können. Auch in Lev 2 5 , 4 5 ist (in einer Erweiterungsschicht) in der Parallele zu v. 44 offensichtlich, daß tSsäbim nichtisraelitische Fremde sind, vgl. Gen 17,12. Dieser Typus tdsab ist - obwohl er sich in vergleichbarer sozialer Lage befindet und die Weise seines Aufenthalts mit na beschrieben wird - vom ger des dtn Gesetzes ebenso zu unterscheiden wie vom ger in der sakralrechtlichen Sprache, s.o. S. 186f. und überhaupt zum Gebrauch der Bezeichnung ger in Lev 25,47ff. s.o. Abschnitt 4.2. 136 Vgl, M.Smith, Palestinian Parties S.214 Anm. 171 für Ex 12,19; anders jedoch im Text S. 138 für Ex 12,48. - Wie im Gebrauch des Wortes ger nimmt die Gebotseinleitung schon in dem gesetzten Fall des Passafeierns überhaupt vorweg, was das Gebot erst freigibt. 137 Vgl Noth a.a.O. S.74; Leviticus S. 147; Numeri S.65. Insofern greift die Beschreibung, daß Ex 12 die dtn Zentralisationsforderung „interpretiert" (Otto a.a.O. Sp.677) zu kurz. Auch für Lev 23, 5 - 8 ist nicht zu erweisen, daß das Passa am Tempel stattfinden soll. Otto ebd. folgt zwar in dieser Annahme Cholewinski a.a.O. S.214, erklärt aber den für dessen Argumentation wichtigen v. 8 a für sekundär. 138
Noth a.a.O. S.78 (als Gegensatz zur Situation der Auszugsnacht).
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gendeinem geographischen Sinn ein „Bereich von Israel"139 vorgestellt. Das Nebeneinander mit Fremden, deren soziale Lage von der der Israeliten nicht unterschieden ist (v. 43 b. 48) 140 , verbietet es eher, an einen engen geschlossenen territorialen Bereich Israels zu denken. Hinzu kommt, daß im Blick auf den jerusalemisch-judäischen Bereich die Problemkonstellation des Gesetzes nicht aktuell scheint, da die Sitte der Beschneidung auch von den Nachbarn Judas geübt wird141. Die Spannung, die zwischen der sakralrechtlichen Abstraktion des Gesetzes und dem Begriff ρ κ π ΠΊΤΚ besteht, erklärt sich vielleicht aus der Begriffsgeschichte damit, daß ΠΊΤΚ als Gegenbegriff zum sakralrechtlichen Begriff υ im ersten Stadium der Ausbildung der Terminologie das Komplement ρ κ π verlangte 142 . Im Hintergrund für die Konstruktus-Verbindung steht dann, daß das „Land" noch als Ausgangspunkt für die Fixierung des Status eines Gliedes der Ί»ΚΊ»- M Y als ΠΊΤΚ gilt. Dafür ist nur eine verfolgbare Traditionslinie verlangt, nicht das aktuelle Wohnen im Land143. Hat das Komplement ρ κ π ursprünglich diesen herkunftstraditionsbezogenen Sinn, ist der Ubergang zur Näherbestimmung von ΠΊΤΚ mit ϊ>ΚΊ»—3aa (Ez 47,22; Num 15,29; vgl. Lev 23,42: !>ΚΊΪΓ3; Lev 19, 34: DDn) bzw. zur Verwendung der Bezeichnung ohne jede Näherbestimmung (Ex 12,49; Lev 16,29; 17,15 u. ö.) verständlich. Die Beziehung auf das Territorium der ehemaligen judäischen Monarchie ist nicht
Noth ebd. Auch der Begriff nein hat nicht notwendig einen territorialen Bezug, wie die individuelle Zuordnung in der Konstruktusverbindung jna aBin Lev 22,10 zeigt. 141 Vgl. W.Rudolph, Jeremia S.69f. (zu Jer 9,24f.). - Aus dem Einzugsbereich des Tempels stammt jedoch der Beleg für die Abgrenzung nach außen gegen den n a j - p in Lev 22,25, wonach von diesem kein Opfertier gekauft werden darf. 142 Für ΠΊΤΚ wird gewöhnlich eine sonst nicht belegte Wurzel ΠΗΤ 2 angenommen (Gesenius-Buhl, Gesenius 18. Aufl., HAL). Die Konstruktus-Verbindung ρ κ η ΠΊΤΚ findet sich nur noch an zwei von Ex 12,48f. abhängigen Stellen in Ex 12,19 (Nachtrag nach v. 17 bzw. v. 14) und Num 9,14. Für einen etymologischen Zusammenhang und die mögliche Entlehnung des Wortes aus dem Akkadischen vgl. K. Deller, ZA 74 (1984), S.235ff. 143 Von einer realen Bindung an das judäisch-samarische Territorium her wollen H. Cazelles, Esdras S. 129, und P.Grelot, redaction sacerdotale S. 177f., den Ausdruck 'tszrah verstehen. In einer einheitsstiftenden Gesetzgebung hätte 'azrah gerade auch die Bevölkerungsgruppe eingeschlossen, gegen die Nehemia die Jerusalemer Gemeinschaft abschließen wollte. Der Gegenbegriff ger bezeichne dann die exilierten oder geflohenen Israeliten nach ihrer Heimkehr (Cazelles) bzw. in der Diaspora (Grelot). Von Ex 12,48 her ist aber evident, daß der ger als ein nichtbeschnittener Nichtisraelit in die Gemeinde hineinkommt, und außer in Ex 12, 48 und den zwei davon abhängigen Stellen wird 'cezrah nicht auf das Land, sondern auf die sakrale Größe Israel bezogen. Vgl. gegen diese Theorie auch H.P. Mathys, Nächster S. 42f. - Richtig ist, daß Cazelles von „deux categories dont se compose la communaute sainte" spricht (S. 128; vgl. Grelot S. 178), denn es handelt sich bei dem ger in diesem Stadium des Sakralrechts nicht um ein Randphänomen, sondern um einen offenbar erheblichen Faktor in „Israel". 140
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konstitutiv für d e n R a n g eines 'cezrah in Israel, ^cezrah u n t e r s c h e i d e t nur auf d e r sakralrechtlichen E b e n e innerhalb Israels als R e l i g i o n s g e m e i n s c h a f t d e n g e n u i n e n Israeliten v o n d e m n e u in Israel e i n g e g l i e d e r t e n ger, der im Blick auf die V e r p f l i c h t u n g durch d a s R e l i g i o n s g e s e t z ununters c h i e d e n ist. So steht auch in d e m v. 48 aß b e k r ä f t i g e n d e n v. 4 9 das W o r t Π Ί Τ Κ o h n e E r g ä n z u n g u n d ist Τ : mit d e r P r ä p o s i t i o n - P M auf Israel als eine religiös a u s g e z e i c h n e t e G a n z h e i t b e z o g e n . Ist die A b l e i t u n g des B e griffs Γ Π Τ Κ aus d e r V e r b i n d u n g Ρ Ι Χ Η Π Ί Τ Κ richtig, stellt die E r g ä n z u n g des P a s s a g e s e t z e s E x 1 2 , 4 3 - 4 9 d e n frühesten B e l e g f ü r die I n k l u s i o n s klausel dar, die mit der Parallele v o n 'cezrah u n d ger d e n D u a l i s m u s innerhalb Israels umgreift. D i e w e i t e r e n G e s e t z e o d e r E r g ä n z u n g e n z u G e s e t z e n , die d e n T y p u s d e s ger als gleichberechtigtes G l i e d der Relig i o n s g e m e i n s c h a f t berücksichtigen, repräsentieren ein e n t s p r e c h e n d späteres S t a d i u m der G e s e t z g e b u n g , in d e m Israel jeweils s o g l e i c h in der D o p p e l s e i t i g k e i t v o n 'cezrah u n d ger in Betracht kommt 1 4 4 . Ein besonderes Problem liegt darin, ob in diesem Stadium der Gesetzgebung die Ergänzungsbestimmung zum Laubhüttenfest in Lev 23,42f. 1 4 5 einen Widerspruch zur sakralrechtlichen Inklusion des ger darstellt. Dort wird bei der Anordnung und neuen Sinndeutung des Brauchs, sieben Tage lang in Hütten zu wohnen, die Ausführung des Brauchs nur für ^m«ra rrnxn geboten (v. 42 b). Entsprechend den übrigen Belegen für ''cezrah muß auch hier der Typus des ger das Gegenüber sein 146 , ohne daß ein Grund für seine Nichterwähnung sichtbar wäre 147 . Eine Erklärung dieser Ausnahme ist vielleicht von dem Opfergesetz
144
Lev 16,29; 17,15f.; 18,26 (paränetischer Kontext); Num 15,22ff.; 19,10. Der erzählte Präzedenzfall Lev 24,10-23 kommt zwar von dieser sakralrechtlichen Voraussetzung her (vgl. v. 16.22), stellt aber einen Sonderfall dar, der nicht als Erläuterung dafür, was der Typus ger ist, gelesen werden kann (anders Noth, Leviticus S. 156). In einer gewissen Spannung zum Grundsatz der gleichen Geltung des Gesetzes in der einen doppelseitigen Gemeinde wird hier noch weitergehend eine Gestalt in den Geltungsbereich des Gesetzes eingeschlossen, die offenbar nicht qua eigenen Rechtes, sondern nur aufgrund einer genealogischen Linie (v. 10 a) mit der Gemeinde Israel verbunden ist. Der fiktive Charakter der am (Auszugs-: Ex 12,38 und) Lagermodell orientierten Erzählung hindert jedoch daran, den Durchsetzungsanspruch dieser über die eigentliche Gemeinde weit ausgreifenden Rechtstheorie abzuschätzen, vgl. auch v. 15 b. 145 Lev 23,42f. ist ein eigenständiger später Nachtrag zu v. 33-38.39-41, vgl. Noth, Leviticus S. 153. K. Elligers Insistieren auf der „literarische(n) Einheitlichkeit" von v. 39-43 (Leviticus S. 306) kann nicht überzeugen. Das Kriterium des lebendigen und anschaulichen Stils in v. 40-42 (ebd.) ist wertlos, da sich die Vorstellungen beider Verse nicht zusammenbringen lassen, und daß der Redaktor v. 42 a in der Quelle vor der Schlußformel v. 41 ba gefunden, dann aber hinter die Schlußformel umgestellt habe (S. 323), ist wenig wahrscheinlich. 146 Das Problem ist nicht, daß „Nichtisraeliten" ausgeschlossen sind (T. Kronholm, ThWAT V, 854), sondern die Nennung des einen Flügels von Israel (ΠΊΤΚ) ohne den zweiten (u). 147 Elliger a.a.O. S.306.323 erklärt die Beschränkung auf den 'cezrah mit der heilsge-
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Num 15,1-16 her möglich. Auf die Opferbestimmungen v. 3-12 wird dort zuerst der ''xzrah verpflichtet (n^x jik Π33 nt>jr πιτχη v. 13 a), bevor ausführlich ihre gleiche Geltung für den ger statuiert wird (v. 14-16). Das Thema des Gesetzes könnte vorrangig auf den Typus des 'xzrah bezogen sein, weil das Opfer an den Jerusalemer Tempel gebunden ist und deshalb besonders die Bewohner des jerusalemisch-judäischen Einzugsbereichs betrifft. Der Typus des ger in der sakralrechtlichen Terminologie ist als einer, der allererst durch die Übernahme der Beschneidung in die kollektive Größe Israel eingegliedert wird (Ex 12,48), nicht eine Gestalt gerade in diesem Bereich148. Im Falle des Opfers wird er in Num 15 mitgenannt, weil es erstens dem Grundsatz der Gleichstellung entspricht und weil er zweitens bei der häufigen Gelegenheit des Opfers, gerade in den „privaten" Fällen von ττ: und nau (v. 3), als Opfernder in Betracht kommt, auch wenn er nicht im judäischen Umland Jerusalems wohnt149. Die Beschränkung auf den Typus des ''xzrah im Fall des Laubhüttenfestes erklärt sich dann so, daß der besondere Ritus Lev 23,42f. nur für die Israeliten im jerusalemisch-judäischen Bereich vorgeschrieben ist, in deren Gemeinschaft als realer soziologischer Größe der Typus des ger in der Regel nicht auftritt. Der Sonderfall Lev 23,42f. hat keine ausgrenzend-polemische Konnotation, sondern eine historisch-realistische. Damit stimmt zusammen, daß sich die Sonderbestimmung des Laubhüttenritus (trotz ihrer „heilsgeschichtlichen" Motivation) an eine Erweiterung des Festgesetzes anschließt, die das Fest ausdrücklich mit der Ernte des Landes verbindet (v. 39.40). Der an der judäischen Provinz orientierten Bestimmung v. 42 b liegt auch deshalb kaum eine grundsätzliche Abgrenzung gegen den sakralrechtlich in Israel integrierten Typus des ger zugrunde, weil in diesem Stadium der Gesetzgebung vorgesehen ist, daß der ger Anteil am Land haben soll. Er wird im Landverteilungsprogramm von Ez 47f. berücksichtigt (47,22f.), und auch in der Asylstadtkonzeption für das Land ist die rechtliche Möglichkeit des Wohnens des im Sakralrecht gleichberechtigten ger vorausgesetzt (Num 35, 15150; Jos 20,9). Während die Bezeichnung ger im Sinne eines sakralrechtlichen Terminus in das dtn Gesetz nicht mehr eingedrungen ist, liegt in Lev 19,33f. der Fall einer Uberkreuzung des Gebrauchs des Wortes als sozialer Ty-
schichtlichen Motivation v. 43, aber dagegen spricht, daß der ger das Passa-Massot feiert (Ex 12, vgl. bes. v. 17). 148 Daß beim chronistischen Passa des Hiskija (vgl. Rudolph, Chronikbücher S. 299ff.) in 2 Chr 30,25 auch der Typus des ger aus Israel und Juda kommt, erklärt sich aus „historiographischen" Zwängen. Der Chronist hat natürlich die Gemeinde in der Doppelstruktur von 'cezrah und ger vor Augen. 149 Der Fall des Opfers eines ger ist wohl eine seltene Ausnahme. Hinweis darauf könnte seine umständliche Nennung sein: D3-nn!' DSDina "i»N ix u D3J1X n r -di (v. 14 a); vgl. aber Lev 22,18. Noth, Numeri S. 102, spricht vom Anschluß des Fremden an den Jerusalemer Kult", aber grundsätzlich ist der Anschluß an Israel ja nicht an Jerusalem gebunden. S. o. S. 194. 150 Num 35,15 nennt neben dem τα den asnn, der eigentlich nach Ex 12,45 u.a. nicht im Geltungsbereich des Religionsgesetzes steht, weil das Blutvergießen das Land betrifft.
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penbegriff mit diesem zweiten Strang der Belege vor151. In das ursprüngliche soziale Schutzgebot152 ist der Grundsatz der Gleichrangigkeit des ger als Glied der Religionsgemeinschaft Israel eingetragen worden: ΠΊΤΙΟ •an« υ π Ί3Π Dsi» rrrr Dsn (v. 34ax m^jn Ί3:π-ρ, d.h. als einer, der sich der Religionsgemeinschaft schon angeschlossen hat, und das Zitat in v. 3 aß setzt voraus, daß der Fremde eine drohende Absonderung vom „Volk" Jahwes befürchtet162. Wenn die Jerusalemer Priesterschaft diesen Fremden, die als neue Glieder Israels wohl aus der Diaspora nach Jerusalem kommen, die Anerkennung verweigert, bestreitet sie die sakralrechtliche Möglichkeit des Anschlusses von Fremden, die in der Diaspora gegeben ist. Die prophetische Entscheidung der Rechtsfrage in v.6f. sichert dagegen dem Typus des Fremden, der sich Israel anschließt, eine Stellung auch in Jerusalem als dem Zentrum der Religionsgemeinschaft: Jahwe selbst bringe sie zum Tempelberg und lasse sie an der Freude des Tempelkultes teilhaben (v.7aa). Die Jerusalemer Priesterschaft muß danach die Fremden, die sich in der Ferne der Religionsgemeinschaft angeschlossen haben, zulassen163.
iss Für eine Diskussion des Problems und einen neueren Lösungsvorschlag vgl. S. Sekine, Jes 56-66 S. 34. 38f. 159
Duhm a.a.O. S.421. B. Kedar-Kopfstein, ThWAT V, 954 vgl. 952. 161 Die direkte Beziehung des Typus D-IO in Jes 56 auf Nehemia (Smith a.a.O. S. 137f.) erlaubt zwar eine spannende Interpretation, ist aber rein spekulativ. 162 Vg[. Sekine a.a.O. S.41f. für die nach seiner Analyse primäre Textschicht. 163 V. 7 hat eine an die aktuelle Lage gebundene Funktion in dem Prophetenwort. Sekine läßt sich a. a. O. S. 37.40 m. E. zu Unrecht durch eine eschatologische Interpretation von v. 7 dazu bringen, v. 3-5 bzw. v. 6f. auf zwei verschiedene Textstadien zu verteilen. 160
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Daß der Tempel dabei vorrangig als Gebetsstätte in Betracht kommt (v. 7aa 2 .b), stellt eine Traditionslinie zwischen dem Prophetenwort und dem dtr Tempelweihgebet in 1 Kön 8 her. Ist dort in dem Passus v. 41-43 der Fremde ("idj) nur in Hinsicht auf seine Funktion für die Erkenntnis aller Völker ( p u n -ny i>3) gesehen und bleibt insofern eine Gestalt außerhalb Israels, deren Auftreten am Tempel ein hypothetischer Fall ist164, so folgt Jes 56 der damit dennoch gegebenen normativen Orientierung in einer geschichtlichen Lage, in der der Fremde „aus fernem Lande" tatsächlich nach Jerusalem kommt. Im Unterschied zu 1 Kön 8,41-43 ist der ban nekar in Jes 56 jedoch ein Glied der Religionsgemeinschaft geworden, bevor er Zugang zum Tempel h a t Diese sakralrechtliche Voraussetzung hält auch die begründende Verheißung v. 7 b in festen Grenzen. Auch v. 7 aß, w o n a c h sich der prophetische Rechtsentscheid über die Zulassung des an Israel angeschlossenen Fremden auch auf ihre Opferdarbringungen erstreckt, beruht auf dieser Voraussetzung. D a s Prophetenwort schafft damit die Grundlage für das Stadium der Gesetzgebung, dem das Opfergesetz N u m 1 5 , 1 16 zuzurechnen ist, das ausdrücklich die gleiche Geltung seiner Vorschriften für den Typus des ger statuiert.
Während Jes 56, 3 a den Ί 3 : - ρ durch das Attribut mn- ί>κ mi>:n als einen besonderen Typus des Fremden, der bereits in eine Beziehung zur Religionsgemeinschaft getreten ist, qualifiziert, nennt v.6* 165 in Anlehnung an die Einleitung v. lf. Bedingungen, unter denen der Fremde die festgestellten Zugangsrechte hat. Die Bedingungen v. 6 b entsprechen in ihrer Zweigliedrigkeit und darin, daß an erster Stelle das Sabbatgebot genannt wird, v. 2 b in der Einleitung und v. 4 a im Wort über den säris. Die zweite Forderung, die in v. 2 b. 4 a gemäß dem Obersatz v. 1 a. (2 a) ethischen Charakter hat, ist dagegen in v. 6 b die Forderung, am „Bund" festzuhalten. Da der Begriff m a in der einleitenden Grundlegung für die prophetische Entscheidung nicht verwendet wird, ist es wahrscheinlich, daß er hier nicht in einem umfassenden Sinn für das Verhältnis Jahwes zu seinem Volk steht, in dem er den ethischen Forderungen und der Ansage des nahenden Heils entspräche, sondern in einem mehr spezifischen rituellen Sinn. Dann ist hier mit dem Begriff des Bundes nach Gen 17,10 die Bedingung der Beschneidung gemeint166. Nach Jes 56,6 ist der been nekär,
i " S.o. S. 142ff. 165 Das Attribut v. 6 ac^ßy ist ein sekundärer Nachtrag, der in der Jahwerede (ab v. 4) von Jahwe in 3.pers. spricht und an das Zitat aus v. 3 aa2 weitere Wendungen ohne normativen Sinn anhängt. Der stilistische Bruch in v. 6 a beweist, daß das Attribut hier und nicht in v. 3 a sekundär ist; anders Duhm a. a. O. S. 420. 166 Vgl. Duhm a.a.O. S.422; anders Westermann a.a.O. S.250. Nach Ex 31,16 kann auch die Sabbatverpflichtung eine ni»iy m a sein, aber der Vergleich von v. 6 b mit v. 2 b. 4 a zeigt, daß kein solcher Parallelismus vorliegt.
Prophetischer Rechtsentscheid und Zulassung am Tempel
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der in die Gemeinde aufgenommen wird und auch an ihrem Zentrum Jerusalem nicht abgewiesen werden soll, wie nach Ex 12,48 der Beschneidungsforderung unterworfen. Da diese Forderung nicht neu gegen ihn erhoben wird, sondern in der Begründung der Abwehr seiner Befürchtung, ausgeschlossen zu werden, steht, ist im Streitfall von Jes 56 offensichtlich der Typus des hwhj la hwlnh rknhevb ein Nichtisraelit, der durch die Übernahme der Beschneidung schon Glied der Religionsgemeinschaft geworden ist167. Einen weiteren, mehr missionarischen Charakter erhält das Prophetenwort dann durch seine Erweiterung in v.6a. Für die Interpretation des prophetischen Rechtsentscheids Jes 56, 1-8168 stellt sich die Frage nach seinem Verhältnis zum Gesetz über den qehal JHWH im dtn Gesetz (Dtn 23,2-9). Eine direkte literarische Beziehung zwischen beiden Texten läßt sich nicht nachweisen. Der Fall des särts in Jes 56 ist keine genaue Entsprechung zu Dtn 23,2, da ihm schon eine Rechtswirklichkeit vorausliegt, nach der der särts ein Glied der Gemeinde sein kann. In bezug auf die Zulassung von Fremden folgt Jes 56 der einen Tendenz in Dtn 23, nach der die Religionsgemeinschaft nicht prinzipiell gegen alle fremden Glieder verschlossen ist (23, 8f.), während die andere Tendenz, nach der Vertreter gewisser Völker rigoros ausgeschlossen sind (23, 3f.), nicht fortgeführt wird. Wenn die Erklärung des historischen Hintergrundes von Jes 56,1-8 richtig ist, kann es nicht verwundern, daß die Differenzierung nach nationaler bzw. ethnischer Zugehörigkeit, wie sie Dtn 23 im 7. Jahrhundert vornahm, in Jes 56 nicht festgehalten wird. Der in der Diaspora sich an den Gott Jahwe anschließende ban nekär (v. 3 a) vertritt keine der in Dtn 23 aufgezählten Nachbarvölker der ehemaligen judäischen Monarchie. Das Gesetz Dtn 23, 2-9 kann für die Diaspora keine Geltung gehabt haben, und Jes 56 bestätigt jetzt für den jerusalemisch-judäischen Bereich die sakralrechtliche Wirklichkeit, die sich ohne eine Einschränkung durch das dtn Gesetz entwickelt hat. Insofern als im Ergebnis gegen eine Zulassung von Fremden unter der Bedingung der Beschneidung (und des Sabbatgebots) das Gesetz Dtn 23,2-9 nicht mehr geltend gemacht werden kann, mag man von einer Abrogation von Dtn 23 durch Jes 56 sprechen169.
167 Hierin könnte eine mögliche Erklärung für das durative Partizip hi. von ρτπ in v. 6bß liegen. Vielleicht ist aber auch mehr an die mit der Beschneidung verbundenen Pflichten (vgl. Duhm a.a.O. S.422),also die übrigen religionsgesetzlichen Vorschriften, gedacht. Dieses weite Verständnis ist in jedem Fall für das Zitat in v. 4 b verlangt. 168 Zum ursprünglichen Bestand des Wortes sind nach allem v. 1 - 3 . 4 a . 5 a . ö a c q . b . 7 zu rechnen. Wenn die Schlußformel v. 8 a noch hinzuzunehmen ist, wäre der in der Diaspora in Israel eingegliederte Fremde schon zu den ^Χ-ΙΡ- ·ΠΉ gerechnet. Mit erneutem Einsatz in der l.pers. ist v. 8 b ein später Zusatz. 169 H.Donner, Abrogationsfall; s.o. S. 138 Anm.74.
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Heiligkeitsgesetz und Sakralrecht
Die Datierung von Jes 56,1-8 ist davon abhängig, zu welcher Zeit der vorausgesetzte abweisende Standpunkt der Jerusalemer Priesterschaft historisch wahrscheinlich ist. D a ß das Prophetenwort das Bestehen des Zweiten Tempels kennt, ist unbestritten, andererseits aber ist die Erwartung der Nähe des Heils 56,1 b von der an den neuen Tempelbau geknüpften eschatologischen Erwartung (Hag 2,6f.) zu unterscheiden, da sie ein Reflex auf die deuterojesajanischen Verheißungen ist. Von daher liegt es nicht nahe, Jes 56 in unmittelbare Nähe zum Wiederaufbau des Tempels zu setzen 170 . Da die Nehemia-Denkschrift für Jerusalem und Juda in der Mitte des 5.Jahrhunderts eine ungeordnete Symbiose mit den Nachbarvölkern bezeugt, an der auch die Priesterschaft teilhat (vgl. Neh 13, 4f. 28), ist die hinter Jes 5 6 , 1 - 8 stehende Problemkonstellation eher in der Zeit nach der Verselbständigung Jerusalems und der judäischen Provinz gegenüber ihren Nachbarn (vgl. Neh 2,20; 13,25 b. 27) und sonstigen Fremden (vgl. Neh. 13,16ff.) zu verstehen. Eine Bestätigung für diese zeitliche Ansetzung ist die Bedeutung des Sabbatgebots in Jes 56,2.4.6, vgl. Neh 13,15ff. Jes 56,1-8 ist danach ein Quellentext aus der 2. Hälfte des 5.Jahrhunderts 171 . Die Zulassung von Fremden in die Religionsgemeinschaft Israel, die sich in den sakralrechtlichen Inklusionsklauseln spiegelt, ist in dem prophetischen Rechtsentscheid Jes 56,1-8 für eine bestimmte geschichtliche Situation in Jerusalem greifbar. Die normativen Vorstellungen, die das Prophetenwort leiten, entsprechen denen des Sakralrechts: der Fremde ist der Beschneidungsforderung und den übrigen Geboten unterworfen wie alle Glieder der Gemeinde. Es gilt einerseits eine prinzipielle Offenheit gegenüber den Fremden, andererseits eine feste Ordnung für ihre Zulassung. Die Religionsgemeinschaft steht damit weder in einer totalen Isolation, noch in der Gefahr der Assimilation 172 . In der sakralrechdichen Terminologie wandelt sich der Begriff ger zu einer Bezeichnung dieses Typus des in Israel aufgenommenen nichtisraelitischen Fremden. Er ist als selbständige Gestalt unabhängig von territorialen oder sozialen Bedingungen auf die kollektive Größe Israel als Religionsgemeinschaft bezogen und in diese integriert. Israel wahrt dabei seine Eigenart als Gottesvolk (ay 56,3) und erlaubt zugleich, daß die anfängliche Wendung „aller Enden der Erde" zu seinem Gott (vgl. Jes 45,22) geschichtlich Gestalt gewinnt.
170 Vgl. fü r eine solche Datierung Sekine a.a.O. S.42. 171
Vgl. Vermeylen a.a.O. S.456, der erklärt, Jes 5 6 , 1 - 7 „date . . . d'une epoque largement posterieure a l'exil, car la problematique qui s'y trouve exposee . . . n'apparait guere avant la fin de la periode perse". Neben dieser Datierung steht unausgeglichen die Datierung von v. 3-7 „plusieurs decennies apres l'edit de Cyrus" (S. 458). 172 Die religionsgesetzliche Regelung der Zulassung von Fremden geht darum nicht auf eine „assimilationist party" zurück, vgl. oben Anm. 153.
Schluß. Das historiographische Ziel und exegetische Perspektiven Das Bild, das nach der vorliegenden Untersuchung vom Fremden im antiken Juda zu zeichnen ist, wird wesentlich von dem quellenkritischen Urteil bestimmt, dem zufolge das deuteronomische Gesetz als eine historische Quelle für das Juda des ausgehenden 7. Jahrhunderts gelten muß. Einer auf diesen Quellenbestand gestützten Betrachtung erweist sich der soziale Typus des ger als Vertreter einer Unterschicht im lokalen Milieu der Landschaft der judäischen Monarchie. In der Relation zu diesem Raum, und d.h. zu den einzelnen Ortschaften dort, ist die Fremdheit des ger zu bestimmen. Der ger ist fremd an dem Ort seines Aufenthalts, und es läßt sich für keinen Beleg in dem genannten Quellenbestand nachweisen, daß die Fremdheit in dieser Relation von der Fremdheit in einer möglichen zweiten Relation überlagert würde, nach der der ger eine Gestalt nicht-israelitischer Herkunft wäre, d.h. aus den benachbarten oder sogar entfernteren Völkern im Umkreis der Monarchie Juda stammte. Als ein Vertreter fremder Völker im Bereich der judäischen Monarchie ist dagegen der Typus des näkri zu beschreiben, für den aus seinen wirtschaftlichen Beziehungen zu der Schicht der selbständigen Bauern zu folgern ist, daß er dauerhaft im Land ansässig sein kann. Keinen Anhalt an den dtn Quellentexten hat auch die Annahme, daß der ger in Juda im Zusammenhang mit einer Fluchtbewegung aus Nordisrael nach der Zerstörung der israelitischen Monarchie durch die Assyrer im Jahr 722 stünde. Weder eine solche Fluchtbewegung noch die Bedingungen der Integration solcher Flüchtlinge bzw. ihrer Nachkommen in Juda in den 100 Jahren judäischer Geschichte zwischen diesem Ereignis und der Zeit Joschijas finden einen literarischen Niederschlag im dtn Gesetz oder auch in der dtr Geschichtsdarstellung. Der archäologische Befund der Erweiterungen Jerusalems und einer „intensive settlement activity" in Juda im ausgehenden 8. und im 7. Jahrhundert 1 ist kaum mit dem sozialen Typus des besitzlosen ger in Verbindung zu bringen. Wenn sich aus einer nordisraelitischen Fluchtbewegung des Jahres 722 ein beträchtlicher Zuwachs der judäischen Bevölkerung ergeben hat, bedeutet das gerade nach den archäologischen Erkenntnissen eine Verstärkung der Gesamtbevölkerung auf den verschiedenen sozialen Ebenen. Aus dieser Gesamtheit geht der soziale Typus hervor, der im dtn Gesetz unter der Bezeichnung ger, bei der keinerlei „nationale" Fremdheit impliziert ist, historisch greifbar wird. Die chronistische Notiz
1
M. Broshi, Expansion S. 2iff.
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Das historiographische Ziel
2 Chr 30,25 aus der ersten Hälfte des 3.Jahrhunderts2 ist nicht nur deshalb kein Argument dafür, daß der Typus des ger im dtn Gesetz „nordisraelitische Schutzbürger in Juda" repräsentiere3, weil sie keinerlei Quellenwert für die in Frage stehende Zeit hat, sondern auch deshalb, weil in ihr nur von den „Proselyten aus beiden Reichen" (mm-a β ί ι η ι i>mB- p x n n-nan n-urr) die Rede ist4, die neben mm- !>np i>3 und π-κιπ irtpn i>3 an der chronistischen Passafeier des Hiskija teilnehmen5.
An der Gestalt des ger im dtn Gesetz ist die Beobachtung einer internen sozialen Differenzierung in Juda zu machen. Neben der Schicht der Bauern, die über Grundbesitz und die Mittel zu seiner Bewirtschaftung verfügen, die ein festes Haus in einer Ortschaft besitzen und Familie, sogar Sklaven, haben, steht eine andere Schicht von einzelnen, freien, besitzlosen Personen, die darauf angewiesen ist, daß diese Bauern ihre Arbeitskraft beanspruchen oder, dem Religionsgesetz gehorchend, ihnen in ihrer Notlage gewisse Begünstigungen bei der Beschaffung ihres Lebensunterhalts gewähren. Dem Fehlen von Grundbesitz entspricht eine weniger feste Anbindung an die einzelnen Ortschaften, weshalb der Typus des ger hier und da als Ortsfremder auftauchen kann. Eine rituelle Scheidung zwischen dem ger und der freien, selbständigen Bevölkerung des Landes besteht nicht, wenngleich er nur an der Sabbatruhe und an den Erntefesten teilhaben soll, von bestimmten religiösen Pflichten der für ihr „Haus" die Jahwereligion tragenden Landbesitzenden aber ausgenommen ist. Als die fundamentale soziale Struktur in der judäischen Landschaft erscheint die Gliederung nach Ortschaften, nicht nach Sippen oder „Gentilverbänden" 6 . Noch deutlicher als an der Gestalt des ger zeigt sich an den in vergleichbarer sozialer Lage befindlichen Gestalten der Waise und der Witwe, daß die Sippe im ausgehenden 7. Jahrhundert keine Bindungskraft hat, noch auch tragfähig genug ist, die in der dtn Trias ger yätöm w''almänäh genannten Personen aufzufangen, wenn sie in die soziale Randlage und Notlage geraten, in der sie sich befinden. Es handelt sich dabei nicht um ein besonderes - gar auf die Hauptstadt Jerusalem beschränktes - städtisches Phänomen, sondern gilt für den gesamten judäischen Bereich.
2
Datierung nach P.Welten, Geschichtsdarstellung S. 199f. D.Kellermann, ThWAT 1,986; vgl. F.Crüsemann, Fremdenliebe S.16; W.Meier, Notiz S.42. S.o. S.44. 4 W.Rudolph, Chronikbücher S.301 (bei Datierung der Chronik in die erste Hälfte des 4.Jahrhunderts, ebd. S. X). 5 Dem chronistischen Geschichtsbild folgend müßte man die gerim der Königszeit eher für hinterbliebene Kanaanäer halten (1 Chr 22,2; 2 Chr 2,16, vgl. 8, 7f.). 6 Vgl. zu deren Bedeutung und Differenzierung in einzelnen Familien oben S. 43. 3
und exegetische Perspektiven
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Die integrative Tendenz, die den dtn Geboten bezüglich des ger und der übrigen Bedürftigen zugrundeliegt, ist deshalb an den einzelnen Ortschaften orientiert, in denen zumal im Blick auf den ger als einen Ortsfremden niemand unmittelbar verpflichtet wäre, ihm den Erwerb seines Lebensunterhalts möglich zu machen. Als eine Gestalt in der sozialen Wirklichkeit im jeweiligen lokalen Horizont gesehen, wird er durch das Religionsgesetz geschützt. Ob ein Zusammenhang mit dem dtn Verbot jeglichen Opferkults in der judäischen Landschaft und der Bestimmung der Zentralisierung des Kults in Jerusalem darin besteht, daß im Zuge dieser Reform die lokalen Heiligtümer als Sammelpunkte und Versorgungsgelegenheiten für den ger weggefallen wären, kann man allenfalls vermuten. Die vorliegende Untersuchung zeichnet das antike Juda als eine Gesellschaft erheblicher sozialer Differenziertheit. Vom dtn Gesetz als historischer Quelle her kommt dabei die Hauptstadt Jerusalem nur als die Stadt des judäischen Staatstempels in den Blick, von dem aus dieses Gesetz als Religionsgesetz an die Bewohner der judäischen Landschaft gerichtet ist, die seiner neuen religionspolitischen Forderung unterworfen werden. Über die Lage des ger oder eines vergleichbaren sozialen Typus in Jerusalem, wo etwa die königliche und sonstige Bautätigkeit als ein weiterer Faktor zu berücksichtigen wäre (vgl. Jer 22,13ff.; 21,11 f.), läßt sich darum nichts sagen7. Die Nachwirkungen des dtn Gesetzes in der Deuteronomistik zeigen, daß die soziale Differenzierung der judäischen Gesellschaft nach dem Ende des Königtums fortbesteht. Es ist mit einer Kontinuität der sozialen Verhältnisse in der Landschaft zu rechnen, für die die Zerstörung des politischen und kultischen Zentrums Jerusalem keinen tiefgreifenden Einschnitt bedeutete. Für die Bezeichnung ger ist deshalb im 6. Jahrhundert eine Weiterverwendung im Sinne des sozialen Typenbegriffs festzustellen. Die entsprechenden Gebote werden generalisiert und in neue theologische Argumentationszusammenhänge gestellt. Das dtn Gesetz gewinnt jedoch für die Jahwereligion nach der Zerstörung des Staatstempels und nach dem Verlust ihres Charakters als einer Staatsreligion, den
7 Als Beleg für einen starken Anteil von Ausländern in Jerusalem und nationalbewußte prophetische Kritik daran gegen Ende des 8.Jahrhunderts möchte man gelegentlich Jes 2 , 6 b (vgl. auch 22,15ff.) werten. Dort sei als ein Verschuldungstatbestand gemeint, daß Juda(?) von Ausländern „überfließe" oder daß man mit Ausländern „Handschlag tausche (seil, zu Geschäftsabschlüssen)". Diese Deutungen lassen sich nach der Erörterung der Stelle durch H. Wildberger, Jesaja I, S. 92f. 97ff., nicht aufrechterhalten. Es handelt sich um eine Polemik gegen mantische und magische Praktiken, und für den Text muß eine Datierung nach Dtn 18,9ff. (6.Jahrhundert) als wahrscheinlich gelten. Vgl. auch oben S. 112 Anm. 326 zu Zef 1,5.
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Das historiographische Ziel
sie bis 587 hatte, einen neuen Status als Urkunde des Verhältnisses zwischen dem Gott Jahwe und seinem Volk überhaupt. Dem entspricht eine gewandelte Konzeption der Verpflichtung auf das Gesetz, die an einer Versammlung aller Glieder der jahwistischen Religionsgemeinschaft orientiert ist und dabei im Unterschied zu dem mehr „aristokratischen", an der landbesitzenden Schicht orientierten königszeitlichen Gesetz den sozialen Typus des ger wie die Frauen und Kinder als selbständige Glieder mit einschließt. Dadurch steht der ger als das zugehörige Glied, das er ist, in einer Relation zur Religionsgemeinschaft als ganzer, ohne daß sich in dieser Relation eine herkunftsmäßige Fremdheit des ger ν on außerhalb Judas ausdrückte. Nach außen hin suchen die Bearbeitungen des Religionsgesetzes vielmehr die Gemeinschaft abzugrenzen und ihre Assimilation an die religiösen Bräuche der umgebenden Völker abzuwehren. Mit dem Wechsel des Bezugsrahmens: vom judäischen lokalen Milieu zum Konzept eines weit ausgreifenden religiösen Zusammenhalts, hängt der wortgeschichtliche Bedeutungswandel zusammen, in dem die Bezeichnung ger, wohl kaum vor der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts, ihren sozialen Sinn verliert und zur Bezeichnung derjenigen Gestalt wird, deren Verhältnis zu Israel eigentlich problematisch ist, des Fremden, der von außerhalb der Religionsgemeinschaft kommend ihr zugehörig werden will8. Die Fremdheit liegt bei diesem zweiten Strang der Belege für die Bezeichnung ger in der Relation zu Israel als der Gesamtgröße, die durch die jahwistische Religion und ihr Sakralrecht definiert ist, und weil dieses Israel sowohl in der persischen Provinz Juda als auch in der Diaspora lebt, ist sie nicht auf das judäische Territorium und die konkreten sozialen Möglichkeiten des Lebens in ihm bezogen. Der Fremde ist nicht-israelitischer, d.h. nicht-jüdischer Herkunft und wird erst durch die Beschneidung zum ger (Ex 12,48), während er als unbeschnittener been nekar ausgeschlossen bleibt (Ex 12,43). Diese sakralrechtliche Entwicklung ist nicht primär im jerusalemisch-judäischen Bereich zu verorten, sondern in der Diaspora. Ihrer Anerkennung am Jerusalemer Tempel dient der prophetische Rechtsentscheid Jes 56, Iff. Eine Übertragung des sakralrechtlichen Begriffs des ger und seiner Prämissen auf die Bestimmungen des dtn Gesetzes würde deren ursprünglichen Sinn verdecken. Wo beide Stränge des Wortgebrauchs verknüpft werden (Lev 19, 33f.), wird das Bedrückungsverbot, das die besondere soziale Lage des Typus des ger voraussetzt, dem Gebot der
8 In der Verwendung der Bezeichnung ger für einen Fremden außerhalb der Religionsgemeinschaft, der nicht aufgenommen ist, ist Lev 25, w o die Gestalt auf die Gesamtgröße des Landes (in einem idealen Umfang?) bezogen wird, ein Sonderfall, der keinen eigenen terminologischen Sinn hat, sondern in seinem Kontext von der verbalen Wurzel her zu verstehen ist.
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Rechtsgleichheit untergeordnet, und für das auf den ger übertragene Liebesgebot ist in diesem Kontext der soziale Rang eines ger von dem des reac (Lev 19,18) nicht mehr unterscheidbar. Einer solchen umdeutenden Aufnahme des Schutzgebotes in diesem späteren Stadium der Geschichte Israels kommt die integrative Tendenz des ursprünglichen, aus einer Reaktion auf die sozialen Verhältnisse im Juda des 7. und 6. Jahrhunderts zu erklärenden Gebots entgegen. Das „eine Recht", das die sozialen Gebote einschließt, gilt für den ger wie für den ^cezrah im sakralrechtlichen Raum der Religionsgemeinschaft Israel9. Das Interesse, im Ausgang von der Frage nach der Bezeichnung ger einen bestimmten Typus in der antiken judäischen Gesellschaft zu beschreiben, bringt es mit sich, daß die alttestamentliche Uberlieferung primär als historischer Quellenbestand untersucht wird. Dabei muß beim gegenwärtigen Stand der Wissenschaft den quellenkritischen Fragen breiter Raum gegeben werden, weil für alle Texte, die die Grundlage der historiographischen Darstellung sein können, ihre Verankerung in ihrem literarischen Kontext und ihre Datierung umstritten sind. Das wissenschaftliche Ziel: zu wissen, was in einem bestimmten Abschnitt der judäischen oder der israelitischen Geschichte der Fall war10, gebietet es, hinter die Endgestalt der kanonisch-biblischen Texte zurückzugehen, um Quellentexte zu erschließen, in denen die historische Wirklichkeit, die sie bezeugen, nicht von Vorstellungen späterer Zeiten überlagert ist. Wie sehr dabei Unsicherheiten bestehen bleiben, kommt schon darin zum Ausdruck, daß man aus gutem Grund nicht von erschlossenen „Originaldokumenten" spricht, die eben bis auf weiteres für die antike Geschichte Judas noch fehlen. Die historische Forschung dient dem Verstehen der Aussagen der religiösen Überlieferung, die tradierwürdig erschienen, insoweit das Verstehen auf die historischen Bestände in ihrem ursprünglichen, nicht dem später gedeuteten oder variierten Sinn gerichtet ist, während die Deutungen und Variationen ihrerseits als selbständige Aussagen zu verstehen sind. Die historische Kritik ist ein Einspruch dagegen, zu direkte Verbindungen zwischen geschichtlichen Vergangenheiten und den Zeitlagen neuer Gegenwart herzustellen. Damit wird jedoch die fremde Erfahrung vergangener Zeiten keineswegs für die Gegenwart bedeutungslos, denn insoweit sie verstehbare Erfahrung ist, kann sie den je eigenen Erfahrungsraum mit konstituieren11. Darüber hinaus stellt sich die Aufgabe, den ethischen Anspruch, der in den religionsgesetzlichen Forderungen
' Zu Lev 19,33f. s.o. S. 177ff.206f. Vgl. Μ. I. Finley, ,Wie es eigentlich gewesen' S. 62ff. 11 Vgl. R. Koselleck, Vergangene Zukunft S. 354ff. 10
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Das historiographische Ziel
der religiösen Überlieferung spezifischen Geltungsanspruch erhebt, im Gesamtgefüge der religiösen Orientierung in der Gegenwart aufrechtzuerhalten. Die vorliegende historische Untersuchung kann dazu im besten Fall als vorbereitende Darstellung der antiken Bezugsebene für ein mögliches exegetisches Begründungsverhältnis gegenwärtiger ethischer Forderung im Hinblick auf das Verhalten zu den Fremden angesehen werden. Nach den Beobachtungen, die sie vorführt, wäre in diesem Zusammenhang vom dtn Gesetz und der späteren Deuteronomistik her die Orientierung des Ethos an der konkreten sozialen Wirklichkeit da, wo die Angeredeten leben, und die integrative Tendenz in der Verpflichtung auf Schutz und Fürsorge für die Glieder der Gesellschaft, die keine eigene wirtschaftliche Selbständigkeit erlangen, geltend zu machen. Der ethische Anspruch ist daran ausgerichtet, den in einer verfestigten sozialen Struktur - den Ortschaften - Fremden, wo er da ist, zu lieben: nbnsn •π!» ii> nn^ (Dtn 10,18f.). Von den sakralrechtlichen Gesetzen her wäre der Gesichtspunkt geltend zu machen, daß in der religiösen Gemeinschaft der Verehrer des einen, im Zeugnis der Tradition bestimmten Gottes, die nach außen unterscheidbar bleibt, eine Gleichheit aller Glieder herrschen soll, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem Status vor der Zugehörigkeit (vgl. Gal 3,28). Zu dem Bestand religiöser Rede dieser Gemeinschaft gehört der Satz, daß Gott den ger liebe und darum ihre Glieder diesem Vorbild folgen sollen (Dtn 10,18f., vgl. Lk 6, 36 und Mt 5, 48). Diese Forderung der alttestamentlichen Gesetzgebung gilt innerhalb des Raumes der Religionsgemeinschaft, und ihre Ausweitung über dessen Grenzen hinaus verlangte weitere religiöse Argumente (vgl. Prv 14,31; Lk 10,29ff.) 12 . Gelebte Religion ist Religion in einer bestehenden Gesellschaft, und deshalb ist eine Kenntnis der antiken judäischen Gesellschaft für ein Verständnis der in der biblischen Uberlieferung enthaltenen Zeugnisse gelebter Religion nicht unerheblich. Die Ausprägungen der Religion haben teil an dem Wandel der jeweiligen Gesellschaft und werden durch die Geschichte der Gesellschaft im Zuge der politischen Ereignisgeschichte mitbestimmt. Da, wo es wie im Fall der dtn Gebote bezüglich des ger um die religiöse Bestimmung des Verhältnisses zu Gliedern der Gesellschaft geht, ist es sachgemäß, diesen Gesichtspunkt bei der Interpretation der Texte ausdrücklich zu berücksichtigen. Insofern mag die historische Forschung zur sozialgeschichtlichen Exegese überleiten. Die Religion steht andererseits jedoch nicht in einem abgeleiteten Verhältnis
12
Hier wäre für das AT auch das Problem der Fremdvölkerorakel zu erörtern, bei denen nicht daran gedacht ist, daß die Menschen vor dem ihr Volk betreffenden Unheil als Flüchtlinge in Israel Schutz finden.
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zu den jeweiligen gesellschaftlichen Strukturen. Sie wirkt vielmehr auf die Gesellschaft zurück, wie es in gewisser Hinsicht auch die religionspolitische Maßnahme der Zentralisierung des Opferkults der judäischen Monarchie in Jerusalem gemäß dem dtn Gesetz oder die Durchsetzung des Widerspruchs gegen assimilationistische Tendenzen im Juda des 5.Jahrhunderts zeigen. Gerade wenn die Religion, wie für die dtn Bewegung (Dtn 6, 5), in der Tiefe der Existenz begründet ist, ist sie einer der Faktoren, die die Inkommensurabilität des Menschen für alle geschichtlich gewordenen gesellschaftlichen Strukturen, in denen er steht13, ausmachen.
13
Vgl. K.-G. Faber, Theorie der Geschichtswissenschaft S. 105f.
Literaturverzeichnis Abkürzungen richten sich nach S. Schwertner, Abkürzungsverzeichnis zur TRE (1976). Die gebräuchlichen Lexika und Konkordanzen sowie die Aufsatztitel zu Kapitel 1.2 werden im Literaturverzeichnis nicht gesondert aufgeführt. Artikel aus dem T H A T und dem ThWAT werden mit dem Namen ihres Verfassers nur in den Anmerkungen zitiert. Ahlström, G. W.: Royal Administration and National Religion in Ancient Palestine, Studies in the history of the ancient Near East 1, Leiden 1982 Alföldy, G.: Die Alte Geschichte und die Erforschung des Historischen, in: Die römische Gesellschaft. Ausgewählte Beiträge, Heidelberger althistor. Beiträge und epigraph. Studien 1, Stuttgart 1986, S. 12-39 - Die römische Gesellschaft - Struktur und Eigenart (1974), ebd. S. 42-68. 6981 Alt, Α.: Die Ursprünge des israelitischen Rechts (1934), in: Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes Israel I, München 1953, S. 278-332 - Das Verbot des Diebstahls im Dekalog (1949), ebd. S. 333-340 - Die territorialgeschichtliche Bedeutung von Sanheribs Eingriff in Palästina (1930), ebd. II, S. 242-249 - Die Heimat des Deuteronomiums (1953), ebd. II, S. 250-275 - Micha 2,1-5. ΓΗΣ ΑΝΑΔΑΣΜΟΣ in Juda (1955), ebd. III (1959), S. 373-381 Amusin, J. D.: Die Gerim in der sozialen Legislatur des Alten Testaments, in: Klio 63, 1981, S. 15-23 Astour, M.C.: Ugarit and the Great Powers, in: G. D. Young (Hg.), Ugarit in Retrospect, Winona Lake 1981, S.3-30 Bächli, Ο.: Israel und die Völker, AThANT 41, Zürich 1962 - Zur Aufnahme von Fremden in die altisraelitische Kultgemeinde, in: FS W. Eichrodt (Wort-Gebot-Glaube, hg. v. H.J. Stoebe, AThANT 59), Zürich 1970, S. 21-26 Barth, J.: Die Nominalbildung in den semitischen Sprachen, 1894 = Hildesheim 1967 Bartlett, J.R.: Edom and the Edomites, JSOT SupplSer 77, Sheffield 1989 - The Brotherhood of Edom, in: JSOT 4, 1977, S.2-27 - Art. Ammon und Israel, in: TRE 2, 1978, S. 455-463 Barton, ].: Old Testament Ethics, in: JSOT 9, 1978, S. 44-64 Bauer, H./Leander, /'..•Historische Grammatik der hebräischen Sprache des Alten Testaments I, 1922 = Hildesheim 1965 Becker, U.: Der innere Widerspruch der deuteronomistischen Beurteilung des Königtums (am Beispiel von 1 Sam 8), in: FS A. H.J. Gunneweg (Altes Testament und christliche Verkündigung, hg. v. M. Oeming u. A. Graupner), Stuttgart 1987, S. 246-270
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Stellenregister (in Auswahl) (Kursive Seitenzahlen beziehen sich auf dii Nennung der Bibelstelle nur in einer Anmerkung) Genesis
11,39 f.
91 f.
2,2 f.
70
16,29
204.205
12,10
18
17-26
175
15,13
18
17, I f f .
190ff.799.207
17,10 ff.
203.210
17,15f.
91 (.93.204.205 65
19,30-38
lllf.
18.1-5
25,19 ff.
113
18,26
205
26, I f f .
18
19,2
85.90.176.7S2
27,40
113 f.
19,5-8
91
19,9f.
176 f. 179
Exodus 2,22
19, 18
127.178.779.217
17 f.94
19,23 ff.
85
19,33 f.
16.116.127.176.177 ff.187. 204.206 f.216 f.
3,9
167
4,22
86
12,43-49 18,3 18,13ff. 19,3-8 20,2-17
30.92.134.175.200 ff.207. 211.216 17.94 133 90.123 64 ff.75.766.184
20,24 f.
152
23
21-23
13.21.3S.39.7.5.S0.89.91. 166 ff.
23,42 f. 24,10 ff.
205
21,2-11
167.186
25
179 ff.
21,13 f.
151
25,47 ff.
136.179ff.203.276
22,20-23
13.116.7 59.161.166 ff. 178. 187
22,30
89 ff.
Numeri
23,1-9
13.116.166 ff.
9,1-14
23, 10-12
64.81.166.183.1S5
23, 14-17
56 ff.
34,18 ff.
56 ff. 64
Leviticus 7,11-21
91
20.2-5
191 f. 194 f.
21,5
85
22, I f f .
91
22,10
204
22,18
191 f. 195 f.
22,25
204 37.63.184.195.202/ 197.204.205 f.
202.204
15,1-16
201.202.206.210
15,22 ff.
204.205
19,10
205
20,14 ff.
114
23 f.
706
35,9 ff.
7 5 7.206
232
Stellenregister
Deuteronomium
21,10-14
39.110.735
1,7
187
21,15-17
19
1,9-18
79.121.132ff.139
21,18-21
40.43.72.109.7 52
2,1-25
106.777/114.116
22.1-4
80.171
4,4 Iff.
151
2 2 . 1 3 ff.
40.43.105.109.752
5
66.109.125.130.139
23.2-9
20.103 ff.127.138.140.211
5,6-21
45.57.60 ff.75.S0/92.116.
23,10-15
39.87 f.105.725
125f.131f.137.140.162.
2 3 , 1 6 f.
16.161
166.168.773.7S3.186
23,18
109
2 3 , 2 0 f.
80 ff.86.93 ff.l 19.135.144
24.6
127
6,4-9
67.92.121.219
7,1-6
77.86 f.121.723.143.169
10,8 f.
125.153
10,12-11,1
121 ff.
10.17-19
16.27.116.121 ff.136.138. 76S. 169.173.7 77.178 f. 218
12-26
34.38.48.64.71.104.167 43.45 ff.86.123.137.151. 193
12,13-19 12,29-31
151.195
13
39.69.S5.167
14, I f .
85 f.
14,21a
ll.45.84ff.93ff.119.723. 144
14,22-27
52 f.58.85
14,28 f.
45 ff. 7.52
15.1-3(11)
36.79.81 ff.86.93 ff.l 19. 135.144.151 f.l69.77S.185
15,4-6
45.81.136
15,12-18
36.77.167.7S7.186.188
15,19-23
43.52.196
16,1-8
56ff.72.118.202 f.
16.9-15
37.55 ff.63. 137.186
16.18-18,22
746.150 ff.
16,18 f.
133 f.
17.2-7
39.109.152
17,8-13
109.133.152
17, 14-20
3J.5O.84.86.94.70S.145 ff.
18,1-8
79.47 ff.58.109.151 ff.
19,1-13
76.109.151 f.
19,14
107.185
24.7
109
24,10-13
79f.82f.127.169
2 4 . 1 4 f.
36.45.73.74ff.84.94.113. 759.162.164 f. 168 f. 7 73. 177.178.188
24.16
84
2 4 . 1 7 f.
84.131.134.168.172
24,19-22
35 ff.54.57.59.72.84.87. 89. 126.131.168.777
25,1-3
80.752.172
2 5 , 5 ff.
40.43.109.7i2.154
2 5 , 1 7 ff.
106
26,1-11
18.5S.113f.116
26,12-15
53f.67
26,16-19
65.87.100.753
27,9-14
HO. 139.153
27,15-26
75.7 07.121.130 ff. 134. 172. 185
28,1-14
87.136
28,15-46
130.135.175
2 8 , 2 8 f.
25
28,30
41
2 8 , 4 3 f.
135f.790
29,9-14
58.92.HS ff.
29,15-20
39
29,21-27
87.140 ff.
3 1 , 9 ff.
45.50.58.72.92.125λ
31.
136 ff. 140.153 f. 31,24-26
725.153 f.
33,2
115
19,16 ff.
172
20,1-9
39.47.88.108.733.749
20.10-20
39.144
Josua
21,1-9
40A5.m.l52ff.
8, 30-35
108. 109.130.138 ff. 207
233
Stellenregister 9,27
139
Jesaja
20
7:57.206
1,2
24,9 f.
106
1,7
154
1.13 f.
61
I,17.23
44.84
Richter
86
5,4
115
2,6
215
5,17
18
14,1
11.190
17.7 ff.
11.19.55
16.4
19f.278
30,1.9
86
1 Samuel
31,1
149 86
8
53
43,5-7
22,2
44
44,1-5
208
26,19
100
44,28
156
2 Samuel 1.13
9.20f.94
4,3
21
15,19-22
94 f. 100
1 Könige
45,1
156
45,22
212
46,13
208
56,1-8
104.144.176.207ff.216
60.10
98.190
61.5
98
8.14 ff.
70S.lO9.142f.
8,41-43
87.142ff.210
Jeremia
9 , 8 f.
141 f.
7, I f f .
11, I f f .
777.112.115.749.156
14,8
19
21
157
21.11 ff.
78
22,1-5
78.157 f f . 168
22, 8 f.
141 f. 111.112
2 Könige
70.157ff.
4,23
61
27,3
8,1
18
34, 8 ff.
189
15,19 f.
41
39.10
128
17,32
50
40.11
111.772
18,4
49
4 9 , 7 ff.
114.27S
21,24
101.108
52,15f.
128
22 f.
34.48
22.8
34
Ezechiel
23, 8 f.
48 ff.
4.14
90
23,13
112.115
II,15
129
23,21-23
58
13, lOff.
62
23.29
117
14,7
191f.196ff.207
23.30
101.108
22,1-16
162ff.777.200
23,31-35
42.117
22,23-31
164 f. 7 77.200
24,35
108
25,12ff.
114
25,7
120
33,24
129
25,11 f.
128.142
35
114 f.
25,27-30
120.155
44,31
91
234 45,17 47,22 f.
Stellenregister 61 119.204.206
Hosea
2,1 2,13 4,2 7,9 11,1 12,4
86 61 70.75 154 86 114
Joel 4,6
190
ylmoj 1,11 f. 3,6 5,11 7,17 8,5
114.140 184 41 107 61
Obadja Iff.
114
Micha 2,1-5
106 ff.
Zefanja 1.5 3,1 ff.
112.215 164
Haggai 2.6 f. 2,23
212 156
Sacharja 7,7-14 9,1 ff.
165 f. 777.188
Maleachi 1,8.13 3,5
196 165
Psalmen 15 24
125 124 ff.
110.111
37,35 39,13 72,4 82 94,6 119,19.54 137,7 146,9
191 183 160 172 169.172 183 114.740 27.127.169
Proverbia 10,1 12,10 14,31 17,15.23 19,17 22,2.9.16 22,22 f. 22,28 23,10 f. 25,1 27,8 28,3
76 173 77 f.218 772 77 77 78 107 84 76 29 78
Rut 1,1 2,17.23
18 38
Threni 1,10 2,6
104 f. 62 f.
Esra 2
Nehemia 2,20 5,1-13 6,5-9 6,17-19 7 13,1-3 13,10-14 13,16 ff. 13,23-29
15.22.44.166
212
129.187.mL 156 156 15.22.44.166 104 194 212 704.156.212
Stellenregister 1 Chronik 22,2 29,15
12.214 183
2 Chronik 2,16 30,2 30,25
12.214 202 12.44.206.2U
Rainer Albertz Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit Band 1: Von den Anfängen bis zum Ende der Königszeit (Grundrisse zum Alten Testament, 8/1) 373 Seiten, mit zwei Schaubildern im Text,kart. ISBN 3-525-51671-1 Band 2: Vom Exil bis zu den Makkabäern (Grundrisse zum Alten Testament, 8/2) VI, 375-726 Seiten, kart. ISBN 3-525-51675-4 Leinenausgabe: Teilband 1 und 2 zusammen, ISBN 3-525-51676-2 Die Geschichte der israelitisch-jüdischen Religion von den frühesten noch erkennbaren Anfängen (ca. 1250 v. Chr.) bis in die hellenistische Zeit (ca. 100 v. Chr.) wird hier nicht nur in ständigem Rückbezug auf die Religionen der vorderorientalischen Umwelt, sondern auch unter umfassender Einbeziehung der israelitischen Sozialgeschichte dargestellt. Religionsgeschichte wird beschrieben als Wechselspiel zwischen geschichtlichen Herausforderungen, religiösen Erfahrungen und theologischen Reaktionen, als fortlaufendes Ringen unterschiedlicher Gruppen um die Gott angemessene religiöse Antwort und die ihr entsprechende gesellschaftliche Praxis. Der breite methodische Ansatz, der archäologische, geschichtliche, sozial-, literatur- und religionsgeschichtliche Daten zu einem lebendigen Szenarium zusammenbindet, macht aus dem Werk ein Lehrbuch, das dem Leser einen anregenden Uberblick über das gesamte Gebiet der alttestamentlichen Forschung vermittelt. Erstmals wird der bislang vernachlässigten nachexilischen Epoche der ihr gebührende Platz eingeräumt. Der Verfasser bezieht die Leser in den theologischen Diskurs der biblischen Menschen ein und läßt sie Anteil nehmen an ihren Ängsten und Hoffnungen, ihren Leiden und Kämpfen.
Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen/Zürich