Der Europäische Erfüllungsgerichtsstand für Dienstleistungsverträge: Zur Auslegung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO 9783161527371, 9783161526992

Der europäische Erfüllungsgerichtsstand nach Art. 5 Nr. 1 EuGVO gehört zu den wichtigsten Gerichtsständen dieser Verordn

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German Pages 280 [281] Year 2014

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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Kapitel 1: Bedeutung der Frage nach der Zuständigkeit
A. Internationale Zuständigkeit
I. Heim- oder Auswärtsspiel
1. Kenntnis der Gerichtssprache, der lex fori und der Gepflogenheiten
2. Verfügbarkeit des vertrauten Rechtsbeistands
3. Marginalisierbarkeit im Ausnahmefall
II. Rechtliche Unterschiede zwischen verschiedenen Staaten
1. Verfahrensrecht
2. Anwendbares Recht
III. Tatsächliche Unterschiede zwischen verschiedenen Staaten
B. Örtliche Zuständigkeit
Kapitel 2: Einführendes zu Art. 5 Nr. 1 EuGVO
A. Funktionsweise
B. Entstehungsgeschichte
C. Reformgrund
Kapitel 3: Normzweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO
A. Gewährung eines zusätzlichen parteineutralen Gerichtsstands
I. Das Prinzip actor sequitur forum rei als Grundprinzip der EuGVO
1. Ausgleich für den Einlassungszwang des Beklagten
2. Schutz des Bewahrers des status quo als allgemeines Ordnungsprinzip
3. Ausgleich für das Überraschungsmoment der Klageerhebung
4. Prozessuales Abbild der grundsätzlichen Selbsthilfesituation
II. Relativierung des favor defensoris bei vertraglichen Streitigkeiten
III. Notwendigkeit eines zusätzlichen parteineutralen Gerichtsstands
IV. Zuständigkeitsgerechtigkeit durch Verfolgung gemeinsamer Parteiinteressen
B. Begründung vorhersehbarer Zuständigkeiten
I. Gründe mangelnder Vorhersehbarkeit des Zuständigkeitsrechts
1. Ermessensspielräume
2. Rechtskomplexität
3. Umfangreiche Zuständigkeitswahlrechte als Vorhersehbarkeitsmängel?
4. Einseitige Manipulierbarkeit zuständigkeitsbegründender Umstände
II. Zeitpunkt der Beurteilung der Vorhersehbarkeit und Binnenmarktfunktion
1. Rechtsschutzfunktion der Vorhersehbarkeit als allgemeiner Ausgangspunkt
2. Binnenmarktfunktion der Vorhersehbarkeit als spezifischer Ausgangspunkt
3. Gegenüberstellung mit Art. 5 Nr. 3 EuGVO
III. Gerichtsstandsvereinbarung als gleichwertige Alternative?
1. Vorhersehbarkeit durch Vereinbarung
2. Vorzüge fehlender Vereinbarungen
3. Bestimmung der Höhe der Vergütung der Vereinbarung
4. Beurteilung der Notwendigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung und der Folgen einer Vereinbarungsunwirksamkeit
C. Begrenzung der Zuständigkeiten als eigenständiger Normzweck
I. Störung der prozessualen Ebenbürtigkeit der Parteien durch forum shopping
II. Keine Relativierung durch Möglichkeit einer negativen Feststellungsklage
D. Begründung sach- und beweisnaher Zuständigkeiten
I. Unterscheidung zwischen territorialer und örtlicher Sach- und Beweisnähe
II. Bedeutung der territorialen Sach- und Beweisnähe
1. Beweisaufnahme als Hoheitsakt
2. Implikationen der Beweisaufnahme im Hinblick auf Personen im Ausland
3. Rechtshilfeverfahren
4. Besonderheit der EuBVO
5. Keine Beseitigung sämtlicher Widrigkeiten der Beweisaufnahme im Ausland
III. Bedeutung der örtlichen Sach- und Beweisnähe
IV. Binnenmarktrelevanz der Sach- und Beweisnähe
1. Verquickung von Verfahrensdauer und Verfahrenskosten
2. Verfahrensdauer und Bindung von Kapital
V. Gegenläufigkeit der Ziele der Vorhersehbarkeit und der tatsächlichen Sach- und Beweisnähe
1. Auflösung des Konflikts zwischen Sach- und Beweisnähe und Vorhersehbarkeit
2. Abwägung dennoch erforderlich
VI. Keine Gewährleistung tatsächlicher Sach- und Beweisnähe durch Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO
VII. Besondere Geeignetheit der Anknüpfung an den Ort der Dienstleistungserbringung
1. Begrenzte Relevanz in der Sphäre Dritter befindlicher Beweismittel in Fällen konzeptionell bedingt fehlender Sach- und Beweisnähe
2. Hervorgehobene Relevanz in der Sphäre Dritter befindlicher Beweismittel in Fällen konzeptionell bedingter Sach- und Beweisnähe
VIII. Abweichende Konzeption des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO
E. Rechtsnähe
I. Kein konzeptioneller Gleichlauf von ius und forum in EuGVO und Rom I-VO
II. Art. 12 Abs. 2 Rom I-VO
III. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO
F. Zwischenergebnis
Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO
A. „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ als systematischer Ausgangspunkt
I. Übertragbarkeit der zu Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVÜ ergangenen Entscheidungen
1. Beachtung des Aktualisierungszwecks der EuGVO
2. Beachtung des Ziels der Wahrung der Kontinuität
3. Diesbezügliche Wortlautidentität des Art. 5 Nr. 1 EuGVO
II. Konkretisierung des Anwendungsbereichs des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ durch den EuGH
1. Der Vertrag als freiwillig eingegangene Verpflichtung
a. Kein Erfordernis eines spezifischen subjektiven Willens
b. Annahmeerfordernis
c. Erstreckung auf organschaftliche Rechtsverhältnisse
2. Ansprüche aus einem Vertrag
a. Abgrenzung zum Gerichtsstand der unerlaubten Handlung
b. Verletzung von Rechtsvorschriften als Anspruchsvoraussetzung entscheidend?
c. Parallele zum Kollisionsrecht
III. Streitiger Vertragsschluss
1. Vertragsschluss als Voraussetzung
2. Maßgeblichkeit des Klägervortrags
3. Eingeschränkte Verfügbarkeit für negative Feststellungsklagen?
B. Notwendige Stellung der Dienstleistung innerhalb des Vertrages
I. Dienstleistung als charakteristische Leistung des Vertrages
II. Vermutung der Charakterisierung des Vertrages durch Dienstleistung?
1. Erforderlichkeit im Übrigen irrelevanter Untersuchungen
2. Entgegenstehen systematischer und teleologischer Erwägungen
III. Werklieferungsverträge
C. Gegenstand der Dienstleistung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO
I. Differenzierung zwischen Gegenstand der Verpflichtung und Art des Verpflichtungsverhältnisses
II. Auslegung innerhalb des Regelungssystems der EuGVO
1. Der Wortlaut als unsichere Stütze
2. Abgrenzung zum Vertrag über Verkauf beweglicher Sachen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO
a. Kein Spezialitätsverhältnis
b. Begriffsbestimmung
c. Schlussfolgerungen
3. Abgrenzung zu Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO?
4. Abgrenzung zu Versicherungsvertrag, Arbeitsvertrag und Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen im Sinne der EuGVO
a. Verhältnis der Regelungen zu Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO
b. Erfolgsbezogenheit der Dienstleistung in Abgrenzung zu Art. 18 ff. EuGVO?
5. Funktionale Auslegung des Begriffs der Dienstleistungen
a. Dienstleistungsbegriff als Einfallstor der autonomen Erfüllungsortbestimmung
b. Gewährleistung der Durchführbarkeit der Zuständigkeitsbestimmung als Aufgabe des Dienstleistungsbegriffs
6. Keine enge Auslegung aus Gründen des Beklagtenschutzes notwendig
III. Normhierarchische Auslegung nach Maßgabe des Primärrechts
1. Geltungsgrund
2. Primärrechtlicher Dienstleistungsbegriff
3. Keine uneingeschränkte Übertragbarkeit
4. Positivdefinierte Merkmale des primärrechtlichen Dienstleistungsbegriffs
5. Vorteil konkreter Normierung
IV. Auslegungszusammenhang zwischen EuGVO und Rom I-VO
1. Zum Auslegungszusammenhang
a. Konkordanzgebote
b. Keine vollständige Aufhebung der Relativität der Rechtsbegriffe
c. Praktische Vorteile des Auslegungszusammenhangs
2. Die Regelung über Beförderungsverträge in Art. 5 Rom I-VO
a. Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO-Entwurf
b. Deklaratorische Funktion des Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO-Entwurf
c. Grund für die Abänderung des Rom I-Entwurfs
3. Die Regelungen über Franchise- und Vertriebsverträge in Art. 4 Abs. 1 lit. e und lit. f Rom I-VO
4. Die Regelung über Verträge über Rechte an geistigem Eigentum oder gewerbliche Schutzrechte in Art. 4 Abs. 1 lit. f Rom I-VO-Entwurf
5. Sinn und Zweck des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO
6. Weitere Regelungen der Rom I-VO
V. Zusammenfassende Feststellung
VI. Zwischenergebnis
D. Art der Gegenleistung
I. Gesetzgeberische Intention nicht eindeutig
II. Gegenleistung und Sinn und Zweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO
1. Bestimmung der charakteristischen Leistung bei Gegenleistung in Geld
2. Bestimmung der charakteristischen Leistung bei Naturalleistungen
3. Verminderte Eindeutigkeit und Verkomplizierung der Bestimmung der charakteristischen Leistung bei Naturalgegenleistung
4. Unumgänglichkeit der Bestimmung der charakteristischen Leistung
a. Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO als Auffangregelung
b. Anknüpfung an die charakteristische Leistung auf kollisionsrechtlicher Ebene
5. Bloße Verschiebung des Problems?
6. Dennoch bessere Eignung des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO?
a. Übereinstimmung der Erfüllungsorte nach den verschiedenen Sachrechten
b. Ermittlung der lex causae ohne Bestimmung der charakteristischen Leistung
c. Entbehrlichkeit beim Vorliegen einer Rechtswahl
7. Keine Sach- und Beweisnähe bei Naturalgegenleistung
a. Konzeptioneller Ausgangspunkt
b. Fehlgehen der zugrundeliegenden Prämisse
8. Zusätzliches Unsicherheitsmoment durch weite Auslegung
III. Der Begriff der Dienstleistungen in Art. 57 AEUV
1. Entgeltlichkeit im primärrechtlichen Sinne
2. Bedenken gegen normhierarchische Auslegung
IV. Erwägungsgrund 17 der Rom I-VO
1. Beiderseitige Naturalleistungsverpflichtung beim Franchisevertrag
2. Keine entsprechende Problematik im Kollisionsrecht
3. Erfassung von Franchiseverträgen als Regelausnahme
4. Erfassung von Franchiseverträgen als Regelbeispiel
V. Zwischenergebnis
E. Anwendbarkeit bei einseitigen Verpflichtungen zur Erbringung von Dienstleistungen
I. Auffassung des EuGH
II. Wortlaut und Systematik des Art. 5 Nr. 1 EuGVO
1. „Verkauf“ vs. „Erbringung“
2. Rechtsvergleichendes auf Grundlage des DCFR
3. Keine „entgeltliche Erbringung“ als Anknüpfungskriterium
III. Keine Auswirkungen der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 13 EuGVÜ
1. Enge Auslegung als Ausprägung des Beklagtenschutzes
2. Fehlende Schutzwürdigkeit bei unentgeltlichen Verbraucherverträgen
3. Keine Übernahme des Art. 13 EuGVÜ
IV. Das Ziel der Vorhersehbarkeit und der Sach- und Beweisnähe
1. Einfachheit der Bestimmung der charakteristischen Leistung
2. Besonderes Zutreffen der zugrundeliegenden Prämissen der Sach- und Beweisnähe
V. Die praktische Wirksamkeit des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO als möglicher Einwand
VI. Zuständigkeitsrechtliche Privilegierung des unentgeltlich handelnden Dienstleisters?
VII. Dienstleistungsbegriff des Art. 57 AEUV
VIII. Gleichlauf zwischen EuGVO und Rom I-VO
IX. Zwischenergebnis
F. Innenrechtsverhältnisse der Gesellschaften und juristischen Personen
I. Reichweite des Art. 22 Nr. 2 EuGVO
1. Sinn und Zweck
2. Nicht erfasste Bereiche
a. Streitigkeiten im Außenrechtsverhältnis
b. Streitigkeiten im Innenrechtsverhältnis ohne Rechtswirkungen erga omnes
II. Vertragliche Qualifikation der Innenrechtsverhältnisse der Gesellschaften und juristischen Personen
1. Entscheidung des EuGH in der Rs. Peters
2. Entscheidung des EuGH in der Rs. Duffryn
3. Unbeachtlichkeit des organisationsrechtlichen Charakters des Rechtsverhältnisses
4. Sonderrechtsbeziehungen
III. Qualifikation als Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen
1. Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO und Organisationsrecht
2. Rechtsverhältnisse innerhalb der Gesellschaft
a. Zwischen den Gesellschaftern
b. Zwischen Gesellschafter und Gesellschaft
3. Organpersonen
a. Differenzierung zwischen Bestellung- und Anstellungsverhältnis im deutschen Recht
b. Qualifikation des Anstellungsverhältnisses
c. Qualifikation des Bestellungsverhältnisses
d. Bedeutsamkeit der Qualifikation
e. Kein Gleichlauf zwischen EuGVO und Rom I-VO
4. Zwischenergebnis
G. Ausgewählte Verträge
I. Miete, Pacht und Leihe
II. Beherbergungsverträge
III. Reiseverträge
IV. Timesharing-Verträge
V. Übertragung und Einräumung von Rechten
VI. Maklerverträge
VII. Darlehens- und Kreditverträge
VIII. Geldanlage
IX. Überweisungen
X. Risikoübernahmen
XI. Versicherungsverträge
Kapitel 5: Zuständigkeitsbestimmung
A. Die faktische Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes
I. Allgemeines
1. Alleinige Maßgeblichkeit der Tätigkeitsausführung
2. Vertrag als faktisches Kriterium
3. Abgrenzung zur normativen Erfüllungsortsbestimmung
II. Verhältnis zwischen vertraglicher und tatsächlicher Anknüpfung
1. Vor- und Nachteile der Anknüpfungsalternativen und Regelungskonzeption
a. Anknüpfung an die tatsächliche Dienstleistungserbringung
b. Anknüpfung an die vertragliche Vereinbarung
2. Konzeption des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO: Vorrang des Vertrages
a. Wortlaut
b. Entbehrlichkeit des Merkmals „nach dem Vertrag“ bei abweichendem Verständnis
c. Vertrag als tragendes Element der Erfüllungsortszuständigkeit
d. Normbekenntnis zum Vorrang der Vorhersehbarkeit
3. Konvergenz des vertraglichen und des tatsächlichen Erbringungsortes
4. Konvergenz aufgrund konkludenter nachträglicher abändernder Vereinbarung
a. Erkennbarkeit des Ortes der Dienstleistungserbringung
aa. Keine notwendige Kenntnis des Erbringungsortes bei Hinnahme der Dienstleistung
bb. Abweichende Sachlage bei der Lieferung von Waren
b. Notwendigkeit der Kenntnis der prozessualen Folgen?
5. Divergenz des vertraglichen und des tatsächlichen Erbringungsortes
a. Territoriale Abweichung
b. Örtliche Abweichung
c. Keine alternative Maßgeblichkeit beider Erbringungsorte
6. Klarstellungsfunktion des Wortlauts
III. Auslegung der Vertragsvereinbarung
IV. Beachtlichkeit von Handelsbräuchen
V. Zwischenergebnis
B. Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes beim Vorliegen mehrerer vertraglicher Orte der Dienstleistungserbringung
I. Anwendbarkeit des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO
1. Entscheidung des EuGH in der Rs. Besix
2. Auflösung des vermeintlichen Widerspruchs
II. Lösung des EuGH: Maßgeblichkeit des örtlichen Schwerpunkts der Dienstleistungserbringung
1. Herleitung der Maßgeblichkeit des Schwerpunkts aus Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO
a. Schwerpunktbetrachtung als Fortführung formaler Typisierung
b. Beibehaltung der Zuständigkeitskonzentration
2. Erforderlichkeit der Konkretisierung der Schwerpunktbestimmung
III. Alternative Bestimmungsansätze
1. Wahlrecht
a. Uneingeschränkte Klagemöglichkeit an jedem Ort der Dienstleistungserbringung
b. Begrenzung der Klage auf die am jeweiligen Ort zu erbringenden Dienstleistungen
2. Maßgeblichkeit des Ortes der streitigen Dienstleistungserbringung
a. Parallelen und Unterschiede zum Wahlrecht mit begrenztem Klageumfang
b. Sach- und Beweisnähe und insbesondere Einfachheit der Bestimmung
c. Mangel an Vorhersehbarkeit und Gerichtspflichtrisiko
d. Problematik der streitigen Gegenlesitung
e. Wortlaut des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstich EuGVO
f. Verweis auf parteiautonome Gestaltungsmittel?
3. Rückgriff auf normative Kriterien
IV. Zusammenfassende Feststellung
Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes
A. Eckpfeiler der Synthese
I. Schwerpunktbestimmung als Ausgangspunkt
II. Vorhersehbarkeit und Sach- und Beweisnähe
III. Einfachheit der Rechtsanwendung
1. Prozessökonomische Erwägungen
2. Erwägungen der Rechtssicherheit
3. Zunahme der Fehleranfälligkeit bei Zunahme der Prüfungsschritte
4. Zunahme der Fehleranfälligkeit bei unbekannter Rechtsmaterie
5. Einfachheit als Regelungszweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO
B. Differenzierung zwischen örtlichem und territorialem Schwerpunkt
I. Verschiedene Korrelationen zwischen Schwerpunkt und Sach- und Beweisnähe
II. Dienstleistungserbringung in nur einem Mitgliedstaat
III. Dienstleistungserbringung in mehreren Mitgliedstaaten
C. Hervorgehobene Bedeutung und Vorrang des territorialen Schwerpunkts
I. Kein Ausgleich durch hohe Wahrscheinlichkeit örtlicher Sach- und Beweisnähe
II. Gleichwohl keine Irrelevanz örtlicher Modalitäten der Dienstleistungserbringung
D. Methodik der Schwerpunktbestimmung
I. Fallgruppenbildung vs. Systematisierung der Schwerpunktbestimmung
1. Fallgruppenbildung in der Rechtsprechung des EuGH?
2. Aufladung der Schwerpunktprüfung durch Fallgruppenbildung
3. Einheitliche Geltung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO
4. Vorhersehbarkeit durch Systematisierung
II. Schwerpunktbestimmung in zwei Schritten
1. Bestimmung der hauptsächlichen Dienstleistungen
2. Bestimmung der Orte der Erbringung der hauptsächlichen Dienstleistungen
III. Vorüberlegung zu den Bestimmungskriterien
IV. Kriterien zur Bestimmung der hauptsächlichen Dienstleistung
1. Erforderlichkeit einer qualitativen Bestimmung
2. Quantitatives Zeitkriterium als Indikator
3. Quantitatives Preiskriterium als Indikator
4. Wertschöpfung durch Kombination von Dienstleistungen
V. Kriterien zur Bestimmung des Schwerpunkts der Erbringung der hauptsächlichen Dienstleistungen
1. Quantitative Bestimmung anhand des Zeitaufwands
2. Gefahr des Einfließens sachfremder Erwägungen bei Rückgriff auf den Preis
3. Keine ex ante-Bestimmbarkeit des Preises bei Tätigkeit auf Provisionsbasis
E. Größe eines zuständigkeitsbestimmenden territorialen Schwerpunkts
I. Beurteilungsrelevanz der Frage des Fortgeltens des favor defensoris
II. Relativer Schwerpunkt ausreichend bei Relativierung des favor defensoris
1. Willkürlichkeit eines Mindesterfordernisses
2. Häufigere Bestimmbarkeit bei geringeren Schwerpunktanforderungen
3. Maßgeblichkeit eines besonders kleinen relativen Schwerpunkts kein Regelfall
III. Schwerpunkt bei Fortgelten des favor defensoris
F. Einwand zu großer Komplexität
I. Komplexität kein Selbstzweck
II. Entstehung über wesentliche Parteiinteressen
III. Attraktivität einer einfacheren Bestimmungsalternative
IV. Hinnehmbarkeit der Komplexität der Schwerpunktbestimmung
G. Beachtlichkeit eines örtlichen Schwerpunkts der Dienstleistungserbringung?
I. Die Lösung des EuGH
II. Keine Rechtfertigungsbedürftigkeit örtlicher Zuständigkeit
III. Wahlrecht als unverzichtbare Auffanglösung bei Nichtbestimmbarkeit eines örtlichen Schwerpunkts
1. Unbedingtes Erfordernis gleichbleibender internationaler Zuständigkeit
2. Ungeeignetheit anderer Bestimmungsmethoden
IV. Notwendigkeit einer zweistufigen Bestimmung?
1. Differenzierte Beurteilung der Komplexität
a. Entscheidung über weniger bedeutende Parteiinteressen
b. Unverhältnismäßige Zunahme an Komplexität
2. Identische Beurteilung bei Dienstleistungen in nur einem Mitgliedstaat
V. Zwischenergebnis
H. Dienstleistungserbringung in Mitglied- und Drittstaaten
I. Möglichkeit positiver Kompetenzkonflikte als Einwand?
II. Wertungen aus Art. 5 Nr. 1 lit. c EuGVO
III. Abweichende Entscheidung bei Fortgelten des favor defensoris
I. Berücksichtigung tatsächlicher Dienstleistungserbringung?
I. Vorteile der Anknüpfung an die tatsächliche Dienstleistungserbringung
1. Entbehrlichkeit der Schwerpunktbestimmung im Einzelfall
2. Allgemeine Vorteile
3. Keine Belohnung des vertragswidrig handelnden Dienstleisters
II. Nachteile der Anknüpfung an die tatsächliche Dienstleistungserbringung
1. Zufallsabhängigkeit der tatsächlichen Dienstleistungserbringung
2. Erhebliche Unsicherheit auf Seiten des Bestellers in der Rolle des Klägers
3. Erhebliche Unsicherheit auf Seiten des Bestellers in der Rolle des Beklagten
4. Kein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Dienstleisters
5. Relativierung der ausgeprägten Sach- und Beweisnähe
III. Berücksichtigung tatsächlicher Dienstleistungserbringung vor Streitentstehung
IV. Keine andere Beurteilung bei Dienstleistungserbringung in nur einem Mitgliedstaat
1. Mehrfache örtliche Zuständigkeiten schon als Reflex des Klägerwahlrechts
2. Zwischenzeitliche Herbeiführung örtlicher Unzuständigkeit
3. Relative Unbedeutsamkeit örtlicher Sach- und Beweisnähe
4. Erwägungen der Rechtseinfachheit
J. Vorliegen mehrerer territorialer Schwerpunkte
K. Zwischenergebnis
L. Unbestimmbarkeit der Orte der Dienstleistungserbringung nach dem Vertrag
I. Territorialer Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung nicht ermittelbar
1. Raum für Rückgriff auf die tatsächliche Dienstleistungserbringung?
2. Wahlrecht des Klägers
3. Rückgriff auf normative Kriterien
a. Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO
b. Rückgriff auf den materiellrechtlichen Erfüllungsort der (charakteristischen) Dienstleistungsverpflichtung
c. Analogie zu Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO
d. Rückgriff auf allgemeineuropäische Rechtsgrundsätze
4. Bewertung
a. Keine Maßgeblichkeit des tatsächlichen Erbringungsortes und kein Wahlrecht
b. Keine Anknüpfung an die streitige Hauptverpflichtung
c. Einfachheit des Rückgriffs auf Wertungen des DCFR oder der Rom I-VO
d. Rückgriff auf Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO und gesetzgeberischer Wille
e. Begründungspotential der normativen Erfüllungsortsbestimmung
f. Rechtsnähe und Sach- und Beweisnähe
g. Zwischenergebnis
II. Territorialer Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung bestimmbar
1. Bestimmung der internationalen Zuständigkeit unbedenklich
2. Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit
a. Keine Maßgeblichkeit der tatsächlichen Dienstleistungserbringung
b. Wahlrecht
M. Bestimmung bei Gleichartigkeit der Anteile der Dienstleistungserbringung in verschiedenen Mitgliedstaaten
N. Bestimmung des Erfüllungsortes bei Beförderungsverträgen
I. Die Rechtsprechung des EuGH
II. Besonderheit der Beförderungsdienstleistung
III. Bestimmung nach dem territorialen Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung
IV. Bestimmung unmittelbar nach Erwägungen der Sach- und Beweisnähe
V. Zum möglichen Vorwurf ungenügender Berücksichtigung des Tätigkeitselements
VI. Schutz der Fluggäste?
Kapitel 7: Erfüllungsortsvereinbarungen
A. Zulässigkeit von Erfüllungsortsvereinbarungen in Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO
I. Grundsätzliche Gefahr der Umgehung der Formvorschriften des Art. 23 EuGVO
II. Einhaltung der Formvorschriften bei abstrakten Erfüllungsortsvereinbarungen
B. Erfüllungsortsvereinbarungen bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen
I. Einschub „und sofern nichts anderes vereinbart worden ist“
II. Ausgestaltung einer beachtlichen Erfüllungsortsvereinbarung
1. Vereinbarung über den Erfüllungsort der Dienstleistungsverpflichtung
a. Maßgeblichkeit der Vereinbarung für streitige Gegenleistung fragwürdig
b. Verweis auf Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO
c. Lex causae-Bestimmung des Erfüllungsortes der Gegenleistungsverpflichtung
2. Vereinbarung über den Erfüllungsort der Gegenleistungsverpflichtung
a. Bestimmung des Erfüllungsortes bei streitiger Dienstleistungsverpflichtung
b. Gespaltenes Zuständigkeitskonzept?
3. Vereinbarung über Erfüllungsorte beider Verpflichtungen
III. Bewertung
1. Fragwürdigkeit der gesetzgeberischen Intention
2. Respektierung eines prozessualen Gestaltungswillens der Parteien?
a. Reflex der lex causae-Bestimmung in Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO
b. Inkompatibilität der Zielsetzung des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO
IV. Notwendigkeit einschränkender Auslegung
1. Einfache Zuständigkeitsbestimmung bei Erfüllungsortsvereinbarung als ratio
2. Lediglich bei Vereinbarung eines einheitlichen Erfüllungsortes keine weitere Prüfung
C. Zusammenhang zwischen vereinbartem Erfüllungsort und Vertragswirklichkeit
D. Materiellrechtliche Wirksamkeit der Erfüllungsortsvereinbarung
E. Zwischenergebnis
Zusammenfassung der Ergebnisse
Literaturverzeichnis
Register
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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 297 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:

Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

Hannes Wais

Der Europäische Erfüllungsgerichtsstand für Dienstleistungsverträge Zur Auslegung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

Mohr Siebeck

Hannes Wais, geb. 1983, Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg und Bologna, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für ausländisches und internationales Privatund Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg (2009–2013), Visiting Researcher am Georgetown University Law Center (2011), Rechtsreferendariat am Landgericht Darmstadt; Promotion an der Universität Heidelberg (2013), zur Zeit Senior Researcher am Max Planck Institute Luxembourg for International, European and Regulatory Procedural Law.

e-ISBN PDF 978-3-16-152737-1 ISBN 978-3-16-152699-2 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2013  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­ tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek­ tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck­ papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.

Vorwort Diese Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Heidelberg im Wintersemester 2012/2013 als Dissertation angenommen und mit dem Serick Preis 2012 der Rolf und Lucia Serick Stiftung ausgezeichnet. Das Manuskript wurde im Wesentlichen im Juni 2012 abgeschlossen. Mein aufrichtiger Dank gilt meinem verehrten Doktorvater Herrn Professor Dr. Thomas Pfeiffer, der mich während meiner Zeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl sowohl fachlich als auch persönlich entscheidend geprägt hat. Mit Rat und Tat hat er das von ihm angeregte Dissertationsvorhaben von Beginn an unterstützt und mir dabei stets den erforderlichen Freiraum gewährt. Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Erik Jayme danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens und vor allem dafür, dass er mir mit seinem Wissen und seiner humorvollen Art immer weitergeholfen und meinen Blick für das Wesentliche geschärft hat. Herrn Professor Dr. Burkhard Hess danke ich für sein besonderes Engagement im Heidelberger Graduiertenkolleg und der International Max Planck Research School „Erfolgreiche Internationale Streitbeilegung“ sowie für die wissenschaftliche Betreuung, die mir dort zuteil wurde. Herrn Professor Dr. Athanassios Kaissis danke ich für seinen fachlichen Rat und seine Unterstützung. Er hat mich darin bekräftigt, diesen meinen Weg zu gehen. Für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe „Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht“ sei an dieser Stelle auch Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Basedow gedankt; außerdem der Landesgraduiertenförderung Baden-Württemberg für die großzügige finanzielle Förderung des Promotionsvorhabens im Rahmen des Heidelberger Graduiertenkollegs. Meinen Eltern danke ich für ihre liebevolle Fürsorge und Unterstützung auf meinem bisherigen Lebensweg. Sie werden mir stets ein moralisches Vorbild sein.

VI

Vorwort

Mein ganz besonderer Dank gilt schließlich meiner Freundin Franziska Hornig für den Rückhalt, den sie mir in allen Jahren gegeben hat, und die Geduld, mit der sie meine vorübergehend eingegangene Parallelbeziehung zu Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ertragen hat. Heidelberg, im Herbst 2013

Hannes Wais

Inhaltsübersicht Einleitung ............................................................................................... 1 Kapitel 1: Bedeutung der Frage nach der Zuständigkeit ............ 4 A. Internationale Zuständigkeit ................................................................. 4 B. Örtliche Zuständigkeit .......................................................................... 9

Kapitel 2: Einführendes zu Art. 5 Nr. 1 EuGVO ....................... 11 A. Funktionsweise ................................................................................... 11 B. Entstehungsgeschichte ........................................................................ 13 C. Reformgrund ...................................................................................... 14

Kapitel 3: Normzweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO .............. 16 A. Gewährung eines zusätzlichen parteineutralen Gerichtsstands ............ 16 B. Begründung vorhersehbarer Zuständigkeiten ...................................... 22 C. Begrenzung der Zuständigkeiten als eigenständiger Normzweck ........ 31 D. Begründung sach- und beweisnaher Zuständigkeiten .......................... 33 E. Rechtsnähe ......................................................................................... 46 F. Zwischenergebnis ............................................................................... 47

Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO .................................................................... 49 A. „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ als systematischer Ausgangspunkt ................................................................................... 49 B. Notwendige Stellung der Dienstleistung innerhalb des Vertrages ........ 58 C. Gegenstand der Dienstleistung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO .......................................................................... 62 D. Art der Gegenleistung ......................................................................... 81 E. Anwendbarkeit bei einseitigen Verpflichtungen zur Erbringung von Dienstleistungen ................................................................................. 95 F. Innenrechtsverhältnisse der Gesellschaften und juristischen Personen ........................................................................................... 103 G. Ausgewählte Verträge ........................................................................117

Kapitel 5: Zuständigkeitsbestimmung ....................................... 127

VIII

Inhaltsübersicht

A. Die faktische Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes ............ 127 B. Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes beim Vorliegen mehrerer vertraglicher Orte der Dienstleistungserbringung ............... 143

Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes .............................. 160 A. Eckpfeiler der Synthese .................................................................... 160 B. Differenzierung zwischen örtlichem und territorialem Schwerpunkt ..................................................................................... 164 C. Hervorgehobene Bedeutung und Vorrang des territorialen Schwerpunkts ................................................................................... 165 D. Methodik der Schwerpunktbestimmung ............................................ 167 E. Größe eines zuständigkeitsbestimmenden territorialen Schwerpunkts ................................................................................... 176 F. Einwand zu großer Komplexität ....................................................... 180 G. Beachtlichkeit eines örtlichen Schwerpunkts der Dienstleistungserbringung? ............................................................... 183 H. Dienstleistungserbringung in Mitglied- und Drittstaaten ................... 189 I. Berücksichtigung tatsächlicher Dienstleistungserbringung? .............. 191 J. Vorliegen mehrerer territorialer Schwerpunkte.................................. 197 K. Zwischenergebnis ............................................................................. 198 L. Unbestimmbarkeit der Orte der Dienstleistungserbringung nach dem Vertrag ...................................................................................... 199 M.Bestimmung bei Gleichartigkeit der Anteile der Dienstleistungserbringung in verschiedenen Mitgliedstaaten ............ 216 N. Bestimmung des Erfüllungsortes bei Beförderungsverträgen ............ 217

Kapitel 7: Erfüllungsortsvereinbarungen .................................. 223 A. Zulässigkeit von Erfüllungsortsvereinbarungen in Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO .................................................................. 223 B. Erfüllungsortsvereinbarungen bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen ...................................................... 224 C. Zusammenhang zwischen vereinbartem Erfüllungsort und Vertragswirklichkeit ......................................................................... 233 D. Materiellrechtliche Wirksamkeit der Erfüllungsortsvereinbarung ...... 234 E. Zwischenergebnis ............................................................................. 235

Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................ 236 Literaturverzeichnis ......................................................................... 241 Register .............................................................................................. 251

Inhaltsverzeichnis Vorwort .................................................................................................. V Inhaltsübersicht .................................................................................. VII Abkürzungsverzeichnis ................................................................ XXIV Einleitung ............................................................................................... 1 Kapitel 1: Bedeutung der Frage nach der Zuständigkeit ............ 4 A. Internationale Zuständigkeit ................................................................. 4 I. Heim- oder Auswärtsspiel ........................................................... 4 1. Kenntnis der Gerichtssprache, der lex fori und der Gepflogenheiten ...................................................................... 5 2. Verfügbarkeit des vertrauten Rechtsbeistands .......................... 5 3. Marginalisierbarkeit im Ausnahmefall ..................................... 6 II. Rechtliche Unterschiede zwischen verschiedenen Staaten ............ 6 1. Verfahrensrecht ....................................................................... 6 2. Anwendbares Recht ................................................................. 7 III. Tatsächliche Unterschiede zwischen verschiedenen Staaten ......... 8 B. Örtliche Zuständigkeit .......................................................................... 9

Kapitel 2: Einführendes zu Art. 5 Nr. 1 EuGVO ....................... 11 A. Funktionsweise ................................................................................... 11 B. Entstehungsgeschichte ........................................................................ 13 C. Reformgrund ...................................................................................... 14

Kapitel 3: Normzweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO .............. 16 A. Gewährung eines zusätzlichen parteineutralen Gerichtsstands ............ 16 I. Das Prinzip actor sequitur forum rei als Grundprinzip der EuGVO ...................................................................................... 16 1. Ausgleich für den Einlassungszwang des Beklagten .............. 17 2. Schutz des Bewahrers des status quo als allgemeines Ordnungsprinzip .................................................................... 17

X

Inhaltsverzeichnis

3. Ausgleich für das Überraschungsmoment der Klageerhebung ...................................................................... 18 4. Prozessuales Abbild der grundsätzlichen Selbsthilfesituation ................................................................ 18 II. Relativierung des favor defensoris bei vertraglichen Streitigkeiten ............................................................................. 19 III. Notwendigkeit eines zusätzlichen parteineutralen Gerichtsstands ........................................................................... 20 IV. Zuständigkeitsgerechtigkeit durch Verfolgung gemeinsamer Parteiinteressen .......................................................................... 21 B. Begründung vorhersehbarer Zuständigkeiten ...................................... 22 I. Gründe mangelnder Vorhersehbarkeit des Zuständigkeitsrechts .................................................................. 23 1. Ermessensspielräume............................................................. 23 2. Rechtskomplexität ................................................................. 24 3. Umfangreiche Zuständigkeitswahlrechte als Vorhersehbarkeitsmängel? ..................................................... 25 4. Einseitige Manipulierbarkeit zuständigkeitsbegründender Umstände .............................................................................. 26 II. Zeitpunkt der Beurteilung der Vorhersehbarkeit und Binnenmarktfunktion ................................................................. 27 1. Rechtsschutzfunktion der Vorhersehbarkeit als allgemeiner Ausgangspunkt ................................................... 27 2. Binnenmarktfunktion der Vorhersehbarkeit als spezifischer Ausgangspunkt ................................................... 27 3. Gegenüberstellung mit Art. 5 Nr. 3 EuGVO ........................... 28 III. Gerichtsstandsvereinbarung als gleichwertige Alternative? ........ 29 1. Vorhersehbarkeit durch Vereinbarung .................................... 29 2. Vorzüge fehlender Vereinbarungen ........................................ 29 3. Bestimmung der Höhe der Vergütung der Vereinbarung ......... 30 4. Beurteilung der Notwendigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung und der Folgen einer Vereinbarungsunwirksamkeit ................................................. 31 C. Begrenzung der Zuständigkeiten als eigenständiger Normzweck ........ 31 I. Störung der prozessualen Ebenbürtigkeit der Parteien durch forum shopping .......................................................................... 32 II. Keine Relativierung durch Möglichkeit einer negativen Feststellungsklage ...................................................................... 32 D. Begründung sach- und beweisnaher Zuständigkeiten .......................... 33 I. Unterscheidung zwischen territorialer und örtlicher Sach- und Beweisnähe................................................................................ 34 II. Bedeutung der territorialen Sach- und Beweisnähe .................... 34

Inhaltsverzeichnis

XI

1. Beweisaufnahme als Hoheitsakt ............................................ 34 2. Implikationen der Beweisaufnahme im Hinblick auf Personen im Ausland ............................................................. 35 3. Rechtshilfeverfahren ............................................................. 36 4. Besonderheit der EuBVO ...................................................... 36 5. Keine Beseitigung sämtlicher Widrigkeiten der Beweisaufnahme im Ausland ................................................. 37 III. Bedeutung der örtlichen Sach- und Beweisnähe ......................... 38 IV. Binnenmarktrelevanz der Sach- und Beweisnähe ....................... 39 1. Verquickung von Verfahrensdauer und Verfahrenskosten ....... 40 2. Verfahrensdauer und Bindung von Kapital ............................. 40 V. Gegenläufigkeit der Ziele der Vorhersehbarkeit und der tatsächlichen Sach- und Beweisnähe .......................................... 40 1. Auflösung des Konflikts zwischen Sach- und Beweisnähe und Vorhersehbarkeit ............................................................. 41 2. Abwägung dennoch erforderlich ............................................ 42 VI. Keine Gewährleistung tatsächlicher Sach- und Beweisnähe durch Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ........................ 43 VII. Besondere Geeignetheit der Anknüpfung an den Ort der Dienstleistungserbringung ......................................................... 44 1. Begrenzte Relevanz in der Sphäre Dritter befindlicher Beweismittel in Fällen konzeptionell bedingt fehlender Sach- und Beweisnähe ........................................................... 44 2. Hervorgehobene Relevanz in der Sphäre Dritter befindlicher Beweismittel in Fällen konzeptionell bedingter Sach- und Beweisnähe ........................................... 44 VIII. Abweichende Konzeption des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO ............ 45 E. Rechtsnähe ......................................................................................... 46 I. Kein konzeptioneller Gleichlauf von ius und forum in EuGVO und Rom I-VO ........................................................................... 46 II. Art. 12 Abs. 2 Rom I-VO ........................................................... 46 III. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO ............................................................. 47 F. Zwischenergebnis ............................................................................... 47

Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO .................................................................... 49 A. „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ als systematischer Ausgangspunkt ................................................................................... 49 I. Übertragbarkeit der zu Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVÜ ergangenen Entscheidungen.......................................... 49 1. Beachtung des Aktualisierungszwecks der EuGVO................ 49 2. Beachtung des Ziels der Wahrung der Kontinuität ................. 50

XII

Inhaltsverzeichnis

3. Diesbezügliche Wortlautidentität des Art. 5 Nr. 1 EuGVO ..... 51 Konkretisierung des Anwendungsbereichs des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ durch den EuGH ........................................ 51 1. Der Vertrag als freiwillig eingegangene Verpflichtung ........... 52 a. Kein Erfordernis eines spezifischen subjektiven Willens ... 52 b. Annahmeerfordernis .......................................................... 53 c. Erstreckung auf organschaftliche Rechtsverhältnisse ......... 54 2. Ansprüche aus einem Vertrag ................................................ 54 a. Abgrenzung zum Gerichtsstand der unerlaubten Handlung .......................................................................... 54 b. Verletzung von Rechtsvorschriften als Anspruchsvoraussetzung entscheidend? ............................ 55 c. Parallele zum Kollisionsrecht ............................................ 56 III. Streitiger Vertragsschluss ........................................................... 56 1. Vertragsschluss als Voraussetzung ......................................... 56 2. Maßgeblichkeit des Klägervortrags ....................................... 57 3. Eingeschränkte Verfügbarkeit für negative Feststellungsklagen? .............................................................. 57 B. Notwendige Stellung der Dienstleistung innerhalb des Vertrages ........ 58 I. Dienstleistung als charakteristische Leistung des Vertrages ........ 58 II. Vermutung der Charakterisierung des Vertrages durch Dienstleistung? .......................................................................... 59 1. Erforderlichkeit im Übrigen irrelevanter Untersuchungen ...... 60 2. Entgegenstehen systematischer und teleologischer Erwägungen .......................................................................... 60 III. Werklieferungsverträge .............................................................. 61 C. Gegenstand der Dienstleistung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ..................................................................... 62 I. Differenzierung zwischen Gegenstand der Verpflichtung und Art des Verpflichtungsverhältnisses........................................... 62 II. Auslegung innerhalb des Regelungssystems der EuGVO ........... 63 1. Der Wortlaut als unsichere Stütze .......................................... 63 2. Abgrenzung zum Vertrag über Verkauf beweglicher Sachen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO ........ 65 a. Kein Spezialitätsverhältnis ................................................ 65 b. Begriffsbestimmung ......................................................... 65 c. Schlussfolgerungen ........................................................... 66 3. Abgrenzung zu Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO? ............................. 66 4. Abgrenzung zu Versicherungsvertrag, Arbeitsvertrag und Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen im Sinne der EuGVO ..... 67 a. Verhältnis der Regelungen zu Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO .................................................... 68 II.

Inhaltsverzeichnis

XIII

b. Erfolgsbezogenheit der Dienstleistung in Abgrenzung zu Art. 18 ff. EuGVO? ........................................................... 68 5. Funktionale Auslegung des Begriffs der Dienstleistungen...... 69 a. Dienstleistungsbegriff als Einfallstor der autonomen Erfüllungsortbestimmung .................................................. 69 b. Gewährleistung der Durchführbarkeit der Zuständigkeitsbestimmung als Aufgabe des Dienstleistungsbegriffs ...................................................... 70 6. Keine enge Auslegung aus Gründen des Beklagtenschutzes notwendig ................................................ 70 III. Normhierarchische Auslegung nach Maßgabe des Primärrechts .............................................................................. 71 1. Geltungsgrund ....................................................................... 71 2. Primärrechtlicher Dienstleistungsbegriff ................................ 72 3. Keine uneingeschränkte Übertragbarkeit ............................... 72 4. Positivdefinierte Merkmale des primärrechtlichen Dienstleistungsbegriffs .......................................................... 73 5. Vorteil konkreter Normierung ................................................ 74 IV. Auslegungszusammenhang zwischen EuGVO und Rom I-VO ... 74 1. Zum Auslegungszusammenhang ............................................ 74 a. Konkordanzgebote ............................................................ 74 b. Keine vollständige Aufhebung der Relativität der Rechtsbegriffe ................................................................... 75 c. Praktische Vorteile des Auslegungszusammenhangs .......... 75 2. Die Regelung über Beförderungsverträge in Art. 5 Rom I-VO ............................................................................. 76 a. Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO Entwurf............................... 76 b. Deklaratorische Funktion des Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO Entwurf ........................................................... 77 c. Grund für die Abänderung des Rom I-Entwurfs................. 77 3. Die Regelungen über Franchise- und Vertriebsverträge in Art. 4 Abs. 1 lit. e und lit. f Rom I-VO .................................. 78 4. Die Regelung über Verträge über Rechte an geistigem Eigentum oder gewerbliche Schutzrechte in Art. 4 Abs. 1 lit. f Rom I-VO-Entwurf ........................................................ 79 5. Sinn und Zweck des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO ................ 79 6. Weitere Regelungen der Rom I-VO ....................................... 80 V. Zusammenfassende Feststellung ................................................ 80 VI. Zwischenergebnis ...................................................................... 81 D. Art der Gegenleistung ......................................................................... 81 I. Gesetzgeberische Intention nicht eindeutig ................................ 82

XIV II.

Inhaltsverzeichnis

Gegenleistung und Sinn und Zweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO ...................................................................................... 82 1. Bestimmung der charakteristischen Leistung bei Gegenleistung in Geld ........................................................... 83 2. Bestimmung der charakteristischen Leistung bei Naturalleistungen .................................................................. 83 3. Verminderte Eindeutigkeit und Verkomplizierung der Bestimmung der charakteristischen Leistung bei Naturalgegenleistung ............................................................. 84 4. Unumgänglichkeit der Bestimmung der charakteristischen Leistung ................................................................................ 84 a. Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO als Auffangregelung .................. 84 b. Anknüpfung an die charakteristische Leistung auf kollisionsrechtlicher Ebene ............................................... 85 5. Bloße Verschiebung des Problems?........................................ 85 6. Dennoch bessere Eignung des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO? ...... 86 a. Übereinstimmung der Erfüllungsorte nach den verschiedenen Sachrechten ................................................ 86 b. Ermittlung der lex causae ohne Bestimmung der charakteristischen Leistung ............................................... 86 c. Entbehrlichkeit beim Vorliegen einer Rechtswahl .............. 87 7. Keine Sach- und Beweisnähe bei Naturalgegenleistung ......... 87 a. Konzeptioneller Ausgangspunkt ........................................ 88 b. Fehlgehen der zugrundeliegenden Prämisse ...................... 88 8. Zusätzliches Unsicherheitsmoment durch weite Auslegung ... 89 III. Der Begriff der Dienstleistungen in Art. 57 AEUV..................... 89 1. Entgeltlichkeit im primärrechtlichen Sinne ............................ 89 2. Bedenken gegen normhierarchische Auslegung ..................... 90 IV. Erwägungsgrund 17 der Rom I-VO ............................................ 90 1. Beiderseitige Naturalleistungsverpflichtung beim Franchisevertrag .................................................................... 90 2. Keine entsprechende Problematik im Kollisionsrecht ............ 91 3. Erfassung von Franchiseverträgen als Regelausnahme ........... 92 4. Erfassung von Franchiseverträgen als Regelbeispiel .............. 93 V. Zwischenergebnis ...................................................................... 93 E. Anwendbarkeit bei einseitigen Verpflichtungen zur Erbringung von Dienstleistungen ................................................................................. 95 I. Auffassung des EuGH ................................................................ 95 II. Wortlaut und Systematik des Art. 5 Nr. 1 EuGVO ...................... 95 1. „Verkauf“ vs. „Erbringung“ ................................................... 96 2. Rechtsvergleichendes auf Grundlage des DCFR .................... 96

Inhaltsverzeichnis

XV

3. Keine „entgeltliche Erbringung“ als Anknüpfungskriterium ........................................................... 97 III. Keine Auswirkungen der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 13 EuGVÜ .......................................................................... 97 1. Enge Auslegung als Ausprägung des Beklagtenschutzes ........ 98 2. Fehlende Schutzwürdigkeit bei unentgeltlichen Verbraucherverträgen ............................................................ 98 3. Keine Übernahme des Art. 13 EuGVÜ................................... 99 IV. Das Ziel der Vorhersehbarkeit und der Sach- und Beweisnähe ... 99 1. Einfachheit der Bestimmung der charakteristischen Leistung ................................................................................ 99 2. Besonderes Zutreffen der zugrundeliegenden Prämissen der Sach- und Beweisnähe ......................................................... 100 V. Die praktische Wirksamkeit des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO als möglicher Einwand .................................................................. 100 VI. Zuständigkeitsrechtliche Privilegierung des unentgeltlich handelnden Dienstleisters? ....................................................... 101 VII. Dienstleistungsbegriff des Art. 57 AEUV ................................. 102 VIII. Gleichlauf zwischen EuGVO und Rom I-VO ........................... 102 IX. Zwischenergebnis .................................................................... 103 F. Innenrechtsverhältnisse der Gesellschaften und juristischen Personen ........................................................................................... 103 I. Reichweite des Art. 22 Nr. 2 EuGVO ....................................... 104 1. Sinn und Zweck ................................................................... 104 2. Nicht erfasste Bereiche ........................................................ 104 a. Streitigkeiten im Außenrechtsverhältnis .......................... 105 b. Streitigkeiten im Innenrechtsverhältnis ohne Rechtswirkungen erga omnes .......................................... 105 II. Vertragliche Qualifikation der Innenrechtsverhältnisse der Gesellschaften und juristischen Personen ........................... 106 1. Entscheidung des EuGH in der Rs. Peters ........................... 106 2. Entscheidung des EuGH in der Rs. Duffryn ......................... 107 3. Unbeachtlichkeit des organisationsrechtlichen Charakters des Rechtsverhältnisses ...................................... 107 4. Sonderrechtsbeziehungen .................................................... 107 III. Qualifikation als Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen ...................................................................... 108 1. Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO und Organisationsrecht ............................................................... 108 2. Rechtsverhältnisse innerhalb der Gesellschaft ..................... 109 a. Zwischen den Gesellschaftern ......................................... 109 b. Zwischen Gesellschafter und Gesellschaft ........................110

XVI

Inhaltsverzeichnis

3. Organpersonen ..................................................................... 111 a. Differenzierung zwischen Bestellung- und Anstellungsverhältnis im deutschen Recht .......................112 b. Qualifikation des Anstellungsverhältnisses .......................112 c. Qualifikation des Bestellungsverhältnisses .......................113 d. Bedeutsamkeit der Qualifikation ......................................114 e. Kein Gleichlauf zwischen EuGVO und Rom I-VO ...........115 4. Zwischenergebnis .................................................................117 G. Ausgewählte Verträge ........................................................................117 I. Miete, Pacht und Leihe .............................................................117 II. Beherbergungsverträge .............................................................119 III. Reiseverträge ........................................................................... 120 IV. Timesharing-Verträge............................................................... 120 V. Übertragung und Einräumung von Rechten .............................. 121 VI. Maklerverträge ........................................................................ 122 VII. Darlehens- und Kreditverträge ................................................. 123 VIII. Geldanlage ............................................................................... 124 IX. Überweisungen ........................................................................ 125 X. Risikoübernahmen ................................................................... 125 XI. Versicherungsverträge .............................................................. 125

Kapitel 5: Zuständigkeitsbestimmung ....................................... 127 A. Die faktische Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes ............ 127 I. Allgemeines ............................................................................. 127 1. Alleinige Maßgeblichkeit der Tätigkeitsausführung ............. 127 2. Vertrag als faktisches Kriterium ........................................... 128 3. Abgrenzung zur normativen Erfüllungsortsbestimmung ...... 129 II. Verhältnis zwischen vertraglicher und tatsächlicher Anknüpfung ............................................................................. 129 1. Vor- und Nachteile der Anknüpfungsalternativen und Regelungskonzeption........................................................... 129 a. Anknüpfung an die tatsächliche Dienstleistungserbringung ............................................... 130 b. Anknüpfung an die vertragliche Vereinbarung ................. 130 2. Konzeption des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO: Vorrang des Vertrages ............................................................................. 131 a. Wortlaut .......................................................................... 131 b. Entbehrlichkeit des Merkmals „nach dem Vertrag“ bei abweichendem Verständnis.............................................. 132 c. Vertrag als tragendes Element der Erfüllungsortszuständigkeit ............................................. 133

Inhaltsverzeichnis

XVII

d. Normbekenntnis zum Vorrang der Vorhersehbarkeit ............................................................. 133 3. Konvergenz des vertraglichen und des tatsächlichen Erbringungsortes ................................................................. 134 4. Konvergenz aufgrund konkludenter nachträglicher abändernder Vereinbarung ................................................... 134 a. Erkennbarkeit des Ortes der Dienstleistungserbringung ... 135 b. Notwendigkeit der Kenntnis der prozessualen Folgen? .... 136 5. Divergenz des vertraglichen und des tatsächlichen Erbringungsortes ................................................................. 137 a. Territoriale Abweichung .................................................. 138 b. Örtliche Abweichung ...................................................... 138 c. Keine alternative Maßgeblichkeit beider Erbringungsorte .............................................................. 140 6. Klarstellungsfunktion des Wortlauts .................................... 140 III. Auslegung der Vertragsvereinbarung........................................ 141 IV. Beachtlichkeit von Handelsbräuchen ....................................... 141 V. Zwischenergebnis .................................................................... 142 B. Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes beim Vorliegen mehrerer vertraglicher Orte der Dienstleistungserbringung ............... 143 I. Anwendbarkeit des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO .................................................................................... 143 1. Entscheidung des EuGH in der Rs. Besix ............................. 143 2. Auflösung des vermeintlichen Widerspruchs ....................... 144 II. Lösung des EuGH: Maßgeblichkeit des örtlichen Schwerpunkts der Dienstleistungserbringung ........................... 144 1. Herleitung der Maßgeblichkeit des Schwerpunkts aus Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO .................................................... 145 a. Schwerpunktbetrachtung als Fortführung formaler Typisierung ..................................................................... 145 b. Beibehaltung der Zuständigkeitskonzentration ................ 146 2. Erforderlichkeit der Konkretisierung der Schwerpunktbestimmung ..................................................... 147 III. Alternative Bestimmungsansätze ............................................. 148 1. Wahlrecht ............................................................................ 148 a. Uneingeschränkte Klagemöglichkeit an jedem Ort der Dienstleistungserbringung ............................................... 148 b. Begrenzung der Klage auf die am jeweiligen Ort zu erbringenden Dienstleistungen ........................................ 150 2. Maßgeblichkeit des Ortes der streitigen Dienstleistungserbringung ................................................... 153

XVIII

IV.

Inhaltsverzeichnis

a. Parallelen und Unterschiede zum Wahlrecht mit begrenztem Klageumfang ................................................ 153 b. Sach- und Beweisnähe und insbesondere Einfachheit der Bestimmung .............................................................. 153 c. Mangel an Vorhersehbarkeit und Gerichtspflichtrisiko .... 154 d. Problematik der streitigen Gegenlesitung ........................ 154 e. Wortlaut des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstich EuGVO .... 156 f. Verweis auf parteiautonome Gestaltungsmittel? .............. 156 3. Rückgriff auf normative Kriterien........................................ 157 Zusammenfassende Feststellung .............................................. 158

Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes .............................. 160 A. Eckpfeiler der Synthese .................................................................... 160 I. Schwerpunktbestimmung als Ausgangspunkt ........................... 160 II. Vorhersehbarkeit und Sach- und Beweisnähe ........................... 160 III. Einfachheit der Rechtsanwendung ........................................... 161 1. Prozessökonomische Erwägungen ....................................... 161 2. Erwägungen der Rechtssicherheit ........................................ 162 3. Zunahme der Fehleranfälligkeit bei Zunahme der Prüfungsschritte................................................................... 163 4. Zunahme der Fehleranfälligkeit bei unbekannter Rechtsmaterie ...................................................................... 163 5. Einfachheit als Regelungszweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO ............................................................................... 163 B. Differenzierung zwischen örtlichem und territorialem Schwerpunkt ..................................................................................... 164 I. Verschiedene Korrelationen zwischen Schwerpunkt und Sach- und Beweisnähe ............................................................. 164 II. Dienstleistungserbringung in nur einem Mitgliedstaat .............. 164 III. Dienstleistungserbringung in mehreren Mitgliedstaaten ........... 164 C. Hervorgehobene Bedeutung und Vorrang des territorialen Schwerpunkts ................................................................................... 165 I. Kein Ausgleich durch hohe Wahrscheinlichkeit örtlicher Sach- und Beweisnähe ............................................................. 166 II. Gleichwohl keine Irrelevanz örtlicher Modalitäten der Dienstleistungserbringung ....................................................... 166 D. Methodik der Schwerpunktbestimmung ............................................ 167 I. Fallgruppenbildung vs. Systematisierung der Schwerpunktbestimmung ......................................................... 167 1. Fallgruppenbildung in der Rechtsprechung des EuGH? ....... 167 2. Aufladung der Schwerpunktprüfung durch Fallgruppenbildung ............................................................. 167

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XIX

3. Einheitliche Geltung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ...................................................... 168 4. Vorhersehbarkeit durch Systematisierung ............................ 168 II. Schwerpunktbestimmung in zwei Schritten .............................. 169 1. Bestimmung der hauptsächlichen Dienstleistungen .............. 169 2. Bestimmung der Orte der Erbringung der hauptsächlichen Dienstleistungen ........................................ 169 III. Vorüberlegung zu den Bestimmungskriterien ........................... 170 IV. Kriterien zur Bestimmung der hauptsächlichen Dienstleistung .......................................................................... 172 1. Erforderlichkeit einer qualitativen Bestimmung ................... 172 2. Quantitatives Zeitkriterium als Indikator ............................. 172 3. Quantitatives Preiskriterium als Indikator ............................ 173 4. Wertschöpfung durch Kombination von Dienstleistungen .... 173 V. Kriterien zur Bestimmung des Schwerpunkts der Erbringung der hauptsächlichen Dienstleistungen .................... 173 1. Quantitative Bestimmung anhand des Zeitaufwands ............ 174 2. Gefahr des Einfließens sachfremder Erwägungen bei Rückgriff auf den Preis ........................................................ 174 3. Keine ex ante-Bestimmbarkeit des Preises bei Tätigkeit auf Provisionsbasis .............................................................. 175 E. Größe eines zuständigkeitsbestimmenden territorialen Schwerpunkts ................................................................................... 176 I. Beurteilungsrelevanz der Frage des Fortgeltens des favor defensoris ....................................................................... 177 II. Relativer Schwerpunkt ausreichend bei Relativierung des favor defensoris ....................................................................... 178 1. Willkürlichkeit eines Mindesterfordernisses ........................ 178 2. Häufigere Bestimmbarkeit bei geringeren Schwerpunktanforderungen ................................................. 179 3. Maßgeblichkeit eines besonders kleinen relativen Schwerpunkts kein Regelfall ............................................... 179 III. Schwerpunkt bei Fortgelten des favor defensoris ..................... 179 F. Einwand zu großer Komplexität ....................................................... 180 I. Komplexität kein Selbstzweck ................................................. 180 II. Entstehung über wesentliche Parteiinteressen .......................... 181 III. Attraktivität einer einfacheren Bestimmungsalternative ........... 182 IV. Hinnehmbarkeit der Komplexität der Schwerpunktbestimmung ......................................................... 182 G. Beachtlichkeit eines örtlichen Schwerpunkts der Dienstleistungserbringung? ............................................................... 183 I. Die Lösung des EuGH ............................................................. 183

XX II. III.

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Keine Rechtfertigungsbedürftigkeit örtlicher Zuständigkeit ..... 184 Wahlrecht als unverzichtbare Auffanglösung bei Nichtbestimmbarkeit eines örtlichen Schwerpunkts ................. 184 1. Unbedingtes Erfordernis gleichbleibender internationaler Zuständigkeit ............................................... 184 2. Ungeeignetheit anderer Bestimmungsmethoden ................... 185 IV. Notwendigkeit einer zweistufigen Bestimmung? ...................... 185 1. Differenzierte Beurteilung der Komplexität ......................... 186 a. Entscheidung über weniger bedeutende Parteiinteressen ............................................................... 186 b. Unverhältnismäßige Zunahme an Komplexität ................ 186 2. Identische Beurteilung bei Dienstleistungen in nur einem Mitgliedstaat ....................................................................... 187 V. Zwischenergebnis .................................................................... 188 H. Dienstleistungserbringung in Mitglied- und Drittstaaten ................... 189 I. Möglichkeit positiver Kompetenzkonflikte als Einwand? ......... 189 II. Wertungen aus Art. 5 Nr.1 lit. c EuGVO .................................. 190 III. Abweichende Entscheidung bei Fortgelten des favor defensoris ................................................................................ 190 I. Berücksichtigung tatsächlicher Dienstleistungserbringung? .............. 191 I. Vorteile der Anknüpfung an die tatsächliche Dienstleistungserbringung ....................................................... 191 1. Entbehrlichkeit der Schwerpunktbestimmung im Einzelfall ............................................................................. 192 2. Allgemeine Vorteile ............................................................. 192 3. Keine Belohnung des vertragswidrig handelnden Dienstleisters ....................................................................... 192 II. Nachteile der Anknüpfung an die tatsächliche Dienstleistungserbringung ....................................................... 193 1. Zufallsabhängigkeit der tatsächlichen Dienstleistungserbringung ................................................... 193 2. Erhebliche Unsicherheit auf Seiten des Bestellers in der Rolle des Klägers ................................................................ 193 3. Erhebliche Unsicherheit auf Seiten des Bestellers in der Rolle des Beklagten ............................................................. 194 4. Kein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Dienstleisters .... 195 5. Relativierung der ausgeprägten Sach- und Beweisnähe ........ 195 III. Berücksichtigung tatsächlicher Dienstleistungserbringung vor Streitentstehung ................................................................. 195 IV. Keine andere Beurteilung bei Dienstleistungserbringung in nur einem Mitgliedstaat ........................................................... 196

Inhaltsverzeichnis

XXI

1. Mehrfache örtliche Zuständigkeiten schon als Reflex des Klägerwahlrechts........................................................... 196 2. Zwischenzeitliche Herbeiführung örtlicher Unzuständigkeit ................................................................... 196 3. Relative Unbedeutsamkeit örtlicher Sach- und Beweisnähe ......................................................................... 197 4. Erwägungen der Rechtseinfachheit ...................................... 197 J. Vorliegen mehrerer territorialer Schwerpunkte.................................. 197 K. Zwischenergebnis ............................................................................. 198 L. Unbestimmbarkeit der Orte der Dienstleistungserbringung nach dem Vertrag ...................................................................................... 199 I. Territorialer Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung nicht ermittelbar ...................................................................... 200 1. Raum für Rückgriff auf die tatsächliche Dienstleistungserbringung? ................................................. 201 2. Wahlrecht des Klägers ......................................................... 201 3. Rückgriff auf normative Kriterien........................................ 202 a. Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO ....................... 203 b. Rückgriff auf den materiellrechtlichen Erfüllungsort der (charakteristischen) Dienstleistungsverpflichtung .......... 206 c. Analogie zu Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO....................... 207 d. Rückgriff auf allgemeineuropäische Rechtsgrundsätze .... 208 4. Bewertung ........................................................................... 209 a. Keine Maßgeblichkeit des tatsächlichen Erbringungsortes und kein Wahlrecht .............................. 209 b. Keine Anknüpfung an die streitige Hauptverpflichtung ... 210 c. Einfachheit des Rückgriffs auf Wertungen des DCFR oder der Rom I-VO ......................................................... 210 d. Rückgriff auf Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO und gesetzgeberischer Wille ....................................................211 e. Begründungspotential der normativen Erfüllungsortsbestimmung ...............................................211 f. Rechtsnähe und Sach- und Beweisnähe ........................... 214 g. Zwischenergebnis............................................................ 214 II. Territorialer Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung bestimmbar .............................................................................. 214 1. Bestimmung der internationalen Zuständigkeit unbedenklich ....................................................................... 215 2. Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit ............................. 215 a. Keine Maßgeblichkeit der tatsächlichen Dienstleistungserbringung ............................................... 215 b. Wahlrecht ........................................................................ 215

XXII

Inhaltsverzeichnis

M.Bestimmung bei Gleichartigkeit der Anteile der Dienstleistungserbringung in verschiedenen Mitgliedstaaten ............ 216 N. Bestimmung des Erfüllungsortes bei Beförderungsverträgen ............ 217 I. Die Rechtsprechung des EuGH ................................................ 217 II. Besonderheit der Beförderungsdienstleistung........................... 217 III. Bestimmung nach dem territorialen Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung ....................................................... 218 IV. Bestimmung unmittelbar nach Erwägungen der Sach- und Beweisnähe.............................................................................. 219 V. Zum möglichen Vorwurf ungenügender Berücksichtigung des Tätigkeitselements ............................................................. 220 VI. Schutz der Fluggäste? ............................................................. 221

Kapitel 7: Erfüllungsortsvereinbarungen .................................. 223 A. Zulässigkeit von Erfüllungsortsvereinbarungen in Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO .................................................................. 223 I. Grundsätzliche Gefahr der Umgehung der Formvorschriften des Art. 23 EuGVO ...................................... 223 II. Einhaltung der Formvorschriften bei abstrakten Erfüllungsortsvereinbarungen .................................................. 224 B. Erfüllungsortsvereinbarungen bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen ...................................................... 224 I. Einschub „und sofern nichts anderes vereinbart worden ist“ .... 225 II. Ausgestaltung einer beachtlichen Erfüllungsortsvereinbarung ...................................................... 226 1. Vereinbarung über den Erfüllungsort der Dienstleistungsverpflichtung ............................................... 226 a. Maßgeblichkeit der Vereinbarung für streitige Gegenleistung fragwürdig ............................................... 226 b. Verweis auf Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO ............................. 227 c. Lex causae-Bestimmung des Erfüllungsortes der Gegenleistungsverpflichtung ........................................... 228 2. Vereinbarung über den Erfüllungsort der Gegenleistungsverpflichtung ............................................... 228 a. Bestimmung des Erfüllungsortes bei streitiger Dienstleistungsverpflichtung ........................................... 228 b. Gespaltenes Zuständigkeitskonzept? ............................... 229 3. Vereinbarung über Erfüllungsorte beider Verpflichtungen .... 229 III. Bewertung ............................................................................... 229 1. Fragwürdigkeit der gesetzgeberischen Intention .................. 230 2. Respektierung eines prozessualen Gestaltungswillens der Parteien? ............................................................................. 230

Inhaltsverzeichnis

XXIII

a. Reflex der lex causae-Bestimmung in Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO ................................................................... 231 b. Inkompatibilität der Zielsetzung des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO ................................................................... 231 IV. Notwendigkeit einschränkender Auslegung .............................. 232 1. Einfache Zuständigkeitsbestimmung bei Erfüllungsortsvereinbarung als ratio .................................... 232 2. Lediglich bei Vereinbarung eines einheitlichen Erfüllungsortes keine weitere Prüfung ................................. 232 C. Zusammenhang zwischen vereinbartem Erfüllungsort und Vertragswirklichkeit ......................................................................... 233 D. Materiellrechtliche Wirksamkeit der Erfüllungsortsvereinbarung ...... 234 E. Zwischenergebnis ............................................................................. 235

Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................ 236 Literaturverzeichnis ......................................................................... 241 Register .............................................................................................. 251

Abkürzungsverzeichnis a.A. Abs. AEUV a.F AG AjP AktG Anh. Art. Aufl.

andere Ansicht Absatz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Aktiengesellschaft; Amtsgericht Aktuelle juristische Praxis Aktiengesetz Anhang Artikel Auflage

Bd. Bearb. BeckRS Begr. BGB BGH bzw.

Band Bearbeiter Beck-Rechtsprechung Begründer Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof beziehungsweise

CISG CPC CR

Convention on the International Sale of Goods Code de procédure civile Zeitschrift für Computer und Recht

d.h. DCFR Diss.

das heißt Draft Common Frame of Reference Dissertation

EG EGZPO Einl. endg. erw. EU EuGH EuGVO

Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung Einleitung endgültig erweitert Europäische Union Europäischer Gerichtshof Verordnung (EG) Nr. 44/2001des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Europarecht Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EuGVÜ EuR EUV EuZW

Abkürzungsverzeichnis

XXV

EWiR EWS

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht

f./ff. FS

folgende Festschrift

GA GmbH GmbHG

GS GVG

Generalanwalt Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gemeinschaftsprivatrecht Zeitschrift Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil Gedächtnisschrift Gerichtsverfassungsgesetz

Habil.-Schr. Hrsg.

Habilitationsschrift Herausgeber

IHR IPR IPRax

Internationales Handelsrecht Internationales Privatrecht Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrecht

JA JBl JURA JuS JZ

Juristische Arbeitsblätter Juristische Blätter Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung

Kap. krit.

Kapitel kritisch

LG lit. LMK LugÜ

Landgericht litera Lindenmaier-Möhring – Kommentierte BGH-Rechtsprechung Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

MünchKomm m.w.N.

Münchner Kommentar mit weiteren Nachweisen

n.F. NJW NJW-RR Nr. NZA NZG

neue Fassung Neue Juristische Wochenzeitschrift Neue Juristische Wochenzeitschrift Rechtsprechungs-Report Nummer Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

OGH OLG

Oberster Gerichtshof Oberlandesgericht

GPR GRURInt

XXVI RabelsZ RIW RL Rn. Rom I-VO

Abkürzungsverzeichnis

Rs.

Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Recht der Internationalen Wirtschaft Richtlinie Randnummer Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Rechtssache

TranspR

Transportrecht

Urt.

Urteil

vgl. VO Vorbem. VVG

vergleiche Verordnung Vorbemerkung Versicherungsvertragsgesetz

ZEuP ZPO ZZPint

Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Zivilprozess International

Rom II-VO

Einleitung Die Vorschrift über die Zuständigkeit am Erfüllungsort nach Art. 5 Nr. 1 gilt als die bedeutendste1 und zugleich als eine der umstrittensten und am schwierigsten zu handhabenden Zuständigkeitsnormen der EuGVO.2 Diesem Meinungsbild entspricht, dass der EuGH seit dem Inkrafttreten der Verordnung zum 1. März 2002 bereits sechsmal im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV über die Auslegung des Art. 5 Nr. 1 EuGVO zu entscheiden hatte.3 Keine andere Gerichtsstandsregelung der EuGVO war häufiger Gegenstand eines solchen Verfahrens: Weit abgeschlagen folgen an zweiter Stelle die Regelungen über die Zuständigkeit bei Verbrauchersachen nach Art. 15 ff. EuGVO, zu denen drei Entscheidungen4 ergangen sind, und an dritter Stelle der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVO, über dessen Auslegung erst zweimal5 entschieden worden ist.6 Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes beschäftigt den EuGH allerdings nicht erst seit Inkrafttreten der EuGVO; die ersten beiden Entscheidungen 1 Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 1; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 6; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 6 Rn. 48; Magnus/Mankowski/Mankowski, Brussels I Regulation, Art. 5 Rn. 23 (aA Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 23 Rn. 1); Metzger, IPRax 2010, 420; Sujecki, EWS 2007, 398; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 290; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, vor Art. 5 Rn. 1; Hau, JZ 2008, 974; Berg, NJW 2006, 3035; Stadler, FS Hans-Joachim Musielak, S. 569. 2 Lehmann/Duczek, IPRax 2011, 41. 3 EuGH, Urteil v. 3.5.2007 – Rs. C-386/05, Color Drack; EuGH, Urteil v. 23.4.2009 – Rs. C-533/07, Falco; EuGH, Urteil v. 9.7.2009 – Rs. C-204/08, Rehder; EuGH, Urteil v. 25.2.2010 – Rs. C-381/08, Car Trim; EuGH, Urteil v. 11.3.2010 – Rs. C-19/09, Wood Floor Solutions; EuGH, Urteil v. 9.6.2011 – Rs. C-87/10, Electrosteel. 4 EuGH, Urteil v. 7.12.2010 – Rs. C-585/08 und C-144/09, Pammer, Alpenhof (in dieser Entscheidung sind zwei unterschiedliche Rechtsfragen angesprochen); EuGH, Urteil v. 14.5.2009 – Rs. C-180/06, Ilsinger. 5 EuGH, Urteil v. 16.7.2009 – Rs. C-189/08, Zuid-Chemie BV; EuGH, Urteil v. 25.10.2011 – Rs. C-509/09 und C-161/10, eDate Advertising, Martinez (hier ist zweimal dieselbe Rechtsfrage angesprochen). 6 Wobei freilich auch zu berücksichtigen ist, dass Art. 5 Nr. 3 EuGVO gegenüber Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ bis auf den Zusatz „oder einzutreten droht“ nicht geändert worden ist.

2

Einleitung

zum seinerzeit in Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ normierten Gerichtsstand des Erfüllungsortes reichen zurück in das Jahr 1976;7 es folgten – bei konservativer Betrachtung8 – nicht weniger als 16 weitere.9 Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einem formal kleinen Ausschnitt des Art. 5 Nr. 1 EuGVO, nämlich allein mit der Vorschrift in lit. b 2. Spiegelstrich über die Erfüllungsortszuständigkeit bei Dienstleistungsverträgen (auf die drei der erwähnten sechs EuGH-Entscheidungen entfallen10), und geht auf die insoweit parallele Regelung in lit. b 1. Spiegelstrich für Kaufverträge und die Ausgangsregelung in lit. a nur dann ein, wenn dies zur Erläuterung geboten erscheint. Um einen nur formal kleinen Ausschnitt handelt es sich deshalb, weil Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO in der Praxis einen Großteil aller Anwendungsfälle des Art. 5 Nr. 1 EuGVO ausmacht.11 Die Bedeutung der Dienstleistung für den europäischen Binnenmarkt ist schließlich enorm: Der Dienstleistungssektor macht schätzungsweise 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Europäischen Union aus; der Binnenmarkt für Dienstleistungen gilt nachgerade als powerhouse der Europäischen Wirtschaft12 bzw. Motor des Wirtschaftswachstums.13 Da es, wie schon Erwägungsgrund 2 der EuGVO beweist, auch Aufgabe des Europäischen Zuständigkeitsrechts ist, zum „reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes“ beizutragen, kommt der Optimierung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich 7 EuGH, Urteil v. 6.10.1976 – Rs. 12/76, Tessili; EuGH, Urteil v. 6.10.1976 – Rs. 14/76, De Bloos. 8 Hier ausgenommen sind Entscheidungen betreffend Arbeitsverträge (vgl. etwa EuGH, Urteil v. 26.5.1982 – Rs. C-133/81, Ivenel; EuGH, Urteil v. 15.2.1989 – Rs. 32/88, Six Constructions) sowie solche Entscheidungen, die Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ nur peripher betreffen (vgl. etwa EuGH, Urteil v. 27.9.1988 – Rs. 189/87, Kalfelis; EuGH, Urteil v. 11.7.2002 – Rs. C-96/00, Gabriel). 9 EuGH, Urteil v. 17.1.1980 – Rs. 56-79, Zelger; EuGH, Urteil v. 4.3.1982 – Rs. 38/81, Effer; EuGH, Urteil v. 22.3.1983 – Rs. 34/82, Peters; EuGH, Urteil v. 15.1.1987 – Rs. 266/85, Shenavai; EuGH, Urteil v. 8.3.1988 – Rs. 9/87, Arcado; EuGH, Urteil v. 10.3.1992 – Rs. C-214/89, Duffryn; EuGH, Urteil v. 17.6.1992 – Rs. C-26/91, Handte; EuGH, Urteil v. 29.6.1994 – Rs. C-288/92, Custom Made Commercial; EuGH, Urteil v. 20.2.1997 – Rs. C-106/95, MSG; EuGH, Urteil v. 27.10.1998 – Rs. C-51/97, Réunion européenne; EuGH, Urteil v. 28.9.1999 – Rs. C-440/97, Groupe Concorde; EuGH, Urteil v. 5.10.1999 – Rs. C-420/97, Leathertex; EuGH, Urteil v. 19.2.2002 – Rs. C-256/00, Besix; EuGH, Urteil v. 17.9.2002 – Rs. C-334/00, Tacconi; EuGH, Urteil v. 5.2.2004 – Rs. C-265/02 Frahuil; EuGH, Urteil v. 20.1.2005 – Rs. C-27/02, Engler. 10 EuGH, Urteil v. 23.4.2009 – Rs. C-533/07, Falco; EuGH, Urteil v. 9.7.2009 – Rs. C-204/08, Rehder; EuGH, Urteil v. 11.3.2010 – Rs. C-19/09, Wood Floor Solutions. 11 Magnus/Mankowski/Mankowski, Brussels I Regulation, Art. 5 Rn. 24. 12 Monti, A New Strategy for the Single Market at the Service of Europe's Economy and Society, S. 53. 13 Vgl. Erwägungsgrund 4 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt.

Einleitung

3

EuGVO insofern auch eine unmittelbare und bedeutsame Binnenmarktrelevanz zu. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, durch die Entwicklung eines dogmatisch schlüssigen, gleichwohl praktikablen Systems zur Handhabung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auf prozessualer Ebene einen Beitrag für das „reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes“ zu leisten. Diese erforderliche Systembildung lässt die Rechtsprechung des EuGH zum europäischen Erfüllungsgerichtsstand bisweilen vermissen.14 Dabei entspricht es der Überzeugung des Verfassers, dass trotz zugrundeliegendem Pragmatismus15 und erforderlicher Praktikabilität der Regelung16 eine die Dogmatik im Auge behaltende Systematisierung unumgänglich ist, will man vermeiden, dass auch die Vorschrift des Art. 5 Nr. 1 EuGVO – wie in der Vergangenheit schon die Vorgängerregelung in Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ – „Dauergast“ in Luxemburg sein wird.17 Das gilt insbesondere für Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO, da doch der schillernde Begriff der Dienstleistungen eine Vielzahl von Leistungen erfasst, für die Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO aber dennoch dieselbe Methode der Bestimmung der Erfüllungsortszuständigkeit vorsieht. Die Regelung scheint daher geradezu dafür prädestiniert zu sein, durch Einzelfallrechtsprechung und Fallgruppenbildung18 zerstückelt zu werden. Das Ziel dieser Arbeit gibt zugleich deren einfachen Aufbau vor: Notwendig ist zunächst die Klärung der dogmatischen Grundlagen der Vorschrift und das Herausstellen wesentlicher, die Auslegung leitender Grundsätze. Daran zu messen sind sodann die Lösungsansätze für solche Probleme, die sich bei der Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ergeben. Von einer ausführlichen Abbildung der historischen Entwicklung oder der Untersuchung der Erfüllungsortszuständigkeit nach nationalen Rechtsordnungen wurde abgesehen.19 14 15

Vgl. auch die Kritik von Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Art. 5 EuGVO Rn. 71. Vgl. den Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 15; zur konkreten Anwendung der Vorschrift ferner Mankowski, TranspR 2009, 303, 305; Mankowski, EWiR 2009, 607. 16 Schack, ZEuP 1998, 931, 938; Hau, JZ 2008, 974, 978. 17 Vgl. nur zum Erfordernis der Dogmatik im Gemeinschaftsrecht Kühling/Lieth, EuR 2003, 371, 381, 385f. 18 Leible, EuZW 2009, 569, 573; Wagner, IPRax 2010, 143, 148. 19 Diesbezüglich ist auf die bereits existierende umfangreiche Literatur zu verweisen, vgl. Schack, Der Erfüllungsort im deutschen, ausländischen und internationalen Privatund Zivilprozessrecht S. 128 ff. und 163 ff.; Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, S. 41 ff. und 124 ff.; sowie Markus, Tendenzen beim materiellrechtlichen Vertragserfüllungsort im internationalen Zivilverfahrensrecht, S. 99 ff.

Kapitel 1

Bedeutung der Frage nach der Zuständigkeit A. Internationale Zuständigkeit A. Internationale Zuständigkeit

Die Frage der internationalen Zuständigkeit, über die auch Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO entscheidet, ist für die Parteien von grundlegender Bedeutung. Haben die Parteien ihren Wohnsitz in unterschiedlichen Staaten, hängt von der Entscheidung über die internationale Zuständigkeit regelmäßig ab, welche der Parteien den Vorteil der Zuständigkeit heimischer Gerichte genießt. Außerdem hat die internationale Zuständigkeit unabhängig vom Wohnsitz der Parteien rechtliche und weitere tatsächliche Implikationen, die ebenfalls erhebliche Auswirkungen haben können. I. Heim- oder Auswärtsspiel Ob der Kläger in seinem Heimatstaat klagen kann oder vor ausländische Gerichte ziehen muss, bzw. ob der Beklagte sich zur Verteidigung vor ausländischen oder vor heimischen Gerichten einlassen muss, hängt von der internationalen Zuständigkeit ab. Die Folgen einer solchen Entscheidung über „Heim- oder Auswärtsspiel“1 sind weitreichend. Sie schmälern die Siegeschancen für die ausländische Partei und treiben ihren zeitlichen und finanziellen Aufwand in die Höhe.2 Die Frage nach der internationalen Zuständigkeit hat auch einen wesentlichen Einfluss darauf, ob es überhaupt zu einem Prozess kommt, weil bisweilen der Kläger oder auch der Beklagte sich nur vor heimischen Gerichten überhaupt auf einen Prozess einlassen möchte. Das gilt selbst dann, wenn nach Prüfung der materiellen Rechtslage die Erfolgsaussichten gut sind, da mitunter der Vorteil eines gewonnenen Rechtstreits den zu betreibenden zeitlichen und finanziellen Aufwand nicht aufwiegt.3

1 2 3

339.

In Anlehnung an Mankowski, IPRax 2006, 454, 456. Mankowski, IPRax 2006, 454, 456. Rühl, in: Bork/Eger/Schäfer, Ökonomische Analyse des Verfahrensrechts, S. 335,

A. Internationale Zuständigkeit

5

1. Kenntnis der Gerichtssprache, der lex fori und der Gepflogenheiten Die augenscheinlichste Konsequenz der internationalen Zuständigkeit ausländischer Gerichte ist zunächst der Unterschied in der Sprache. Gerichtssprache ist in aller Regel Landessprache.4 Aufgrund des Sprachunterschieds ist die ausländische Partei des Prozesses regelmäßig auf einen Dolmetscher angewiesen, und auch die Kenntnisnahme der gerichtlichen Schriftstücke setzt deren Übersetzung voraus. Zudem ist mit der Frage der Zuständigkeit immer auch die Frage nach dem maßgeblichen Prozessrecht beantwortet; dieses stellt die lex fori.5 Die ausländische Partei spielt also in aller Regel nach ihr unbekannten oder zumindest weniger vertrauten Spielregeln, wohingegen die heimische Partei in ihrem gewohnten Umfeld agiert. Dazu kommt, dass in verschiedenen Staaten unterschiedliche Umgangsformen und Verhaltensmuster gelten. Was etwa im Heimatstaat als ein gängiges und akzeptables Verhalten angesehen wird, kann im Ausland als Unhöflichkeit aufgefasst werden.6 Es besteht die Gefahr, dass die ausländische Partei die Missgunst des Gerichts auf sich zieht. Sympathie ist auch im Prozess ein bedeutender Faktor. 7 Wer sie verliert, schmälert seine Siegeschancen. Schließlich ist auch die Gefahr eines forum bias nicht von der Hand zu weisen, d.h. dass sich das Gericht – auch unbewusst – parteiisch verhält und die heimische Partei gegenüber der ausländischen bevorzugt.8 2. Verfügbarkeit des vertrauten Rechtsbeistands Die ausländische Partei kann zudem in aller Regel nicht auf den vertrauten heimischen Rechtsbeistand zurückgreifen.9 Denn nur in Ausnahmefällen wird dieser Rechtsbeistand des Vertrauens Kenntnisse des ausländischen Prozessrechts und der Gerichtssprache haben, geschweige denn eine Zulassung, vor dem ausländischen Gericht aufzutreten. Hat die Partei einen geeigneten ausländischen Rechtsbeistand gefunden, so gilt auch hier, dass Übersetzungen erforderlich werden können. Diese kosten Zeit und Geld. Übersetzungen bergen die Gefahr, dass sich Übersetzungsfehler einschleichen. Die ausländische Partei mag mitunter nicht in der Lage sein, die Be4 Für Deutschland § 184 S. 1 GVG, beachte allerdings den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Kammern für internationale Handelssachen (BR-Drs. 42/10), wodurch es den Prozessparteien bei Handelssachen mit internationalem Bezug ermöglicht werden soll, das Verfahren in englischer Sprache zu führen; vgl. auch NJW-Spezial 2010, 337. 5 BGH NJW 1985, 552, 553. 6 Mankowski, IPRax 2006, 454, 456. 7 Wendler/Hoffmann, Technik und Taktik der Befragung im Gerichtsverfahren, II.2 Rn. 102. 8 Mankowski, IPRax 2006, 454, 457. 9 Mankowski, IPRax 2006, 454, 457.

6

Kapitel 1: Bedeutung der Frage nach der Zuständigkeit

deutung einzelner prozessualer Handlungen vollständig zu erfassen. Schlimmstenfalls nimmt die ausländische Partei ihre prozessualen Rechte ungewollt nur eingeschränkt wahr. Auch das schmälert ihre Siegeschancen. 3. Marginalisierbarkeit im Ausnahmefall Wer langjährige Geschäftsbeziehungen zu ausländischen Geschäftspartnern pflegt und Sprache und Kultur des Gerichtsstaates kennt, wer sich auf alle Eventualitäten dieser Geschäftsbeziehungen einrichtet und vor Ort einen vertrauten Rechtsbeistand hat, dem gegenüber erweist sich dieser strukturelle Nachteil des „Auswärtsspiels“ freilich als weniger gravierend als gegenüber demjenigen, der völlig unerwartet vor ausländischen Gerichten auftreten muss. Heutzutage sind es nicht nur große, international vertretene, sondern auch mittelständische, lokale Unternehmen sowie Einzelpersonen, die international agieren und weltweiten Handel treiben. Daher ist auch kaum davon auszugehen, dass jeder Akteur am internationalen Markt sich in besonderer Weise auf seine Geschäftspartner einstellen wird und einstellen kann, wie es erforderlich wäre, um diesen strukturellen Nachteil des „Auswärtsspiels“ zu marginalisieren. II. Rechtliche Unterschiede zwischen verschiedenen Staaten Darüber hinaus können mitunter beträchtliche Unterschiede im Recht der verschiedenen Staaten bestehen, die im Streitfall relevant werden und ebenfalls großen Einfluss auf die Entscheidung zur Klage haben können. 1. Verfahrensrecht Allgemein gilt, dass sich das anwendbare Prozessrecht nach der lex fori richtet.10 Die lex fori des einen Staates kann andere Kostentragungsregelungen vorsehen als die des anderen;11 auch kann in einem Staat Anwaltszwang herrschen, in einem anderen nicht. Diese Unterschiede in der lex fori wirken sich auf die Prozesskosten und deren Erstattungsfähigkeit12 und das Prozessrisiko aus.13 Das Prozessrecht eines Staates kann für die Parteien, abhängig vom konkreten Fall und unabhängig davon, ob es sich um das heimische oder um fremdes Recht handelt, unterschiedlich günstig sein. Ist etwa in einem Prozess das Beibringen bestimmter Beweismittel für den Kläger besonders schwierig, so kann es für den Verfahrensausgang ent10 von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 3 Rn. 5; krit. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 39f. 11 Heinze, EuR 2008, 654, 665. 12 Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 23 Rn. 4. 13 Wolf, in: Grunsky/Stürner, Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, S. 35, 48 ff.; Gounalakis/Pfeiffer, Rechtshandbuch Electronic Business, § 13 Rn. 7.

A. Internationale Zuständigkeit

7

scheidend sein, ob die internationale Zuständigkeit bei den Gerichten eines Staates liegt, dessen Prozessrecht umfassende Mitwirkungspflichten der Parteien hinsichtlich der Beibringung des Prozessstoffs kennt,14 oder ob solche Pflichten im Prozessrecht nicht vorgesehen sind.15 Darüber hinaus können auch die in einem Staat zur Verfügung stehenden Rechtsmittel attraktiver sein.16 2. Anwendbares Recht Zudem kann die internationale Zuständigkeit Auswirkungen auf das anwendbare materielle Recht haben, denn auch darüber entscheidet die lex fori.17 Sehen die Kollisionsnormen zweier Staaten unterschiedliche Anknüpfungskriterien vor, so kann das anwendbare Recht verschieden sein, je nachdem, bei welchem Staat die internationale Zuständigkeit liegt. Diese Gefahr ist zwar in den Mitgliedstaaten der EU im Anwendungsbereich von Rom I- und Rom II-VO gebannt, weil insoweit einheitliche Kollisionsnormen gelten. Doch zeigen die Anwendungsbereichsausnahmen der Art. 1 Rom I-VO und Art. 1 Rom II-VO deutlich, dass längst nicht alle Rechtsfragen durch diese Verordnungen einheitlichen Kollisionsnormen zugeordnet werden. Soweit es aber den Mitgliedstaaten selbst überlassen ist, Kollisionsregeln aufzustellen, besteht auch innerhalb der EU die Möglichkeit fort, dass die internationale Zuständigkeit mittelbar über das anwendbare Sachrecht entscheidet. Im Übrigen ist auch im Anwendungsbereich der Rom I- und Rom II-Verordnungen die einheitliche Anwendung des Rechts nicht gewährleistet, soweit es um Eingriffsnormen geht. Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO und Art. 16 Rom II-VO sehen vor, dass das zuständige Gericht den Eingriffsnormen der lex fori Geltung verleihen kann. Dass aber die Gerichte auch fremde Eingriffsnormen berücksichtigen, ist nach Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nur bedingt zulässig18 und nach Maßgabe der Rom IIVO allgemein fraglich,19 sodass je nach Zuständigkeit insofern unterschiedliche Normen zur Anwendung berufen sein können. Findet nach den Kollisionsnormen das Sachrecht eines bestimmten Staates Anwendung, ist freilich auch die Richtigkeitsgewähr der Entschei14 So etwa das Disclosure-Verfahren im englischen Recht, das beide Parteien zu umfangreicher Offenlegung beweisrelevanter Daten verpflichtet; vgl. hierzu Kay/Ashfield, Blackstone's civil practice, S. 741 ff. 15 Vgl. auch Wolf, in: Grunsky/Stürner, Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, S. 35, 55ff; Gounalakis/Pfeiffer, Rechtshandbuch Electronic Business, § 13 Rn. 7. 16 Gounalakis/Pfeiffer, Rechtshandbuch Electronic Business, § 13 Rn. 7. 17 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 1; von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 1 Rn. 32. 18 Vgl. Martiny, MünchKomm-BGB, Art. 9 Rom I-VO Rn. 6. 19 Junker, MünchKomm-BGB, Art. 16 Rom II-VO Rn. 20.

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Kapitel 1: Bedeutung der Frage nach der Zuständigkeit

dung größer, wenn Gerichte ebendieses Staates über den Rechtsstreit befinden.20 Kein Richter wird das ausländische Recht so gut kennen wie das eigene. Jeder Staat hat seine eigenen Rechtstraditionen. Der Richter ist kaum davor gefeit, dass diese – wenn auch unbewusst – bei der Anwendung und Auslegung des ausländischen Sachrechts Platz greifen und das Ergebnis der Rechtsanwendung ein anderes ist als bei der Anwendung des Rechts durch inländische Gerichte. Aus demselben Grund sind Entscheidungen, die ein Richter auf der Grundlage ausländischen Rechts fällt, weitaus weniger vorhersehbar, als solche, die nach Maßgabe der lex fori ergehen. III. Tatsächliche Unterschiede zwischen verschiedenen Staaten Außerdem mahlen die vielzitierten Mühlen der Justiz in manchen Staaten langsamer als in anderen.21 Der Kläger wird in der Regel ein Interesse an einer raschen Entscheidung haben, damit ihm ohne großen Zeitverlust zu seinem Recht verholfen wird. Für ein Unternehmen, das aufgrund ausstehender Forderungen unmittelbar vor der Insolvenz steht, ist eine schnelle Entscheidung überlebensnotwendig. Hingegen wird der Beklagte bisweilen versuchen wollen, die Gerichtsentscheidung und deren Vollstreckung so weit wie möglich hinauszuzögern. Ein beklagtes Unternehmen, das seinerseits mit massiven Zahlungsschwierigkeiten zu kämpfen hat, kann davon profitieren, aufgrund der langen Verfahrensdauer erst zu einem späten Zeitpunkt zur Rückzahlung eines geschuldeten Geldbetrags verurteilt zu werden. Solange nämlich aufgrund der Möglichkeit, über den konkreten Geldbetrag selbst zu verfügen, noch ein höheres Investitionskapital zur Verfügung steht, stehen eventuell die Chancen günstiger, aus eigener Kraft eine drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden und das eigene Fortbestehen zu sichern. Dem Gläubiger kann ferner daran gelegen sein, in dem Staat vor Gericht zu ziehen, in dem der Schuldner Vermögen hat, weil ein inländisches Urteil einfacher vollstreckt werden kann, als ein ausländisches.22 Das gilt – obwohl Entscheidungen nach Art. 33 Abs. 1 EuGVO grundsätzlich automatisch anzuerkennen sind23 – auch im Anwendungsbereich der Verordnung, da in der Praxis weiterhin Unterschiede zwischen der Vollstreckung inländischer und ausländischer Urteile bestehen.24

20 21 22 23 24

Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 8 Rn. 205. Vgl. auch Gounalakis/Pfeiffer, Rechtshandbuch Electronic Business, § 13 Rn. 7. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 8 Rn. 204. Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 33 Rn. 1. Vgl. Hess/Pfeiffer/Schlosser, Heidelberg Report on the Application of Regulation Brussels I in 25 Member States, Rn. 514 ff.

B. Örtliche Zuständigkeit

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Es ist gleichwohl stets eine Frage des Einzelfalls, ob die nationalen Unterschiede im Hinblick auf die rechtliche und tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung des Verfahrens ein bestimmtes Zuständigkeitsinteresse der Parteien begründen. Im Gegensatz dazu hat jede Partei grundsätzlich ein Interesse daran, vor heimischen Gerichten zu prozessieren.25 Ausnahmsweise kann es freilich so liegen, dass die genannten nationalen Unterschiede für eine Partei gerade einen Prozess im Ausland vorteilhafter erscheinen lassen und dieser Vorteil – sei er rechtlicher oder tatsächlicher Art – das grundsätzliche Interesse an einer inländischen Zuständigkeit überwiegt. Darüber hinaus kann freilich auch die Qualität der Rechtsprechung variieren;26 etwa weil der Justizapparat überlastet ist, weil sich die Ausbildung der Richter unterscheidet, oder schlimmstenfalls, weil Gerichte nicht auf der Grundlage des Rechts entscheiden.

B. Örtliche Zuständigkeit B. Örtliche Zuständigkeit

Im Vergleich zur internationalen Zuständigkeit ist die örtliche Zuständigkeit, soweit es um die gerichtliche Beilegung grenzüberschreitender Streitigkeiten geht, weit weniger bedeutend. Die wesentlichen Lasten sind bereits verteilt, wenn es um die Frage des örtlich zuständigen Gerichts geht, weil dann schon feststeht, in welchem Staat der Prozess stattfinden wird. Ob die ausländische Partei vor den Gerichten eines Ortes A oder eines Ortes B klagen oder verklagt werden kann, spielt für diese dann eine vergleichsweise kleine Rolle, weil von der Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit in der Regel allein noch abhängt, wie groß die räumliche Entfernung ist, die es zu überbrücken gilt. Diese Entscheidung kann somit zwar Einfluss auf den zu betreibenden Aufwand haben, wenn es beispielsweise darum geht, ob der Kläger mit Wohnsitz in Innsbruck den italienischen Beklagten 400 Kilometer entfernt in Mailand oder 1500 Kilometer entfernt in Palermo verklagen kann, oder ob der deutsche Beklagte mit Wohnsitz in Karlsruhe sich 100 Kilometer entfernt vor einem Gericht in Straßburg oder 1300 Kilometer entfernt in Biarritz einlassen muss. Die Relevanz der örtlichen Zuständigkeit ist hier jedoch gerade der Gestaltung des Einzelfalls geschuldet. Geht es darum, ob der Beklagte mit Wohnsitz in Lissabon sich in Athen oder Thessaloniki auf den Prozess einzulassen hat, dürfte die Entscheidung dieser Frage für den Beklagten weitgehend unbedeutend sein. Im Übrigen bleiben die mit der Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts verbundenen Nachteile, bzw. 25 26

Siehe bereits oben, Kap. 1 A. I. 1. Gounalakis/Pfeiffer, Rechtshandbuch Electronic Business, § 13 Rn. 7.

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Kapitel 1: Bedeutung der Frage nach der Zuständigkeit

die mit der Zuständigkeit eines heimatstaatlichen Gerichts einhergehenden Vorteile, grundsätzlich dieselben.

Kapitel 2

Einführendes zu Art. 5 Nr. 1 EuGVO A. Funktionsweise A. Funktionsweise

Unter den Voraussetzungen des Art. 5 Nr. 1 EuGVO „kann“ eine Person, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden. Es handelt sich daher beim Gerichtsstand des Erfüllungsortes um einen fakultativen besonderen Gerichtsstand, auf den der Kläger nach seiner Wahl alternativ zum allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten nach Art. 2 Abs. 1 EuGVO, welcher nach der Konzeption der Verordnung grundsätzlich gegeben sein muss,1 zurückgreifen kann.2 Im Gegensatz zum Beklagten muss aber der Kläger seinen Wohnsitz nicht in einem Mitgliedstaat haben.3 Anders als Art. 2 Abs. 1 EuGVO4 regelt Art. 5 Nr. 1 EuGVO neben der internationalen Zuständigkeit auch die örtliche. 5 Nicht allgemein die Gerichte des Mitgliedstaates, sondern die Gerichte des Ortes, an dem der Erfüllungsort liegt, sind nach Art. 5 Nr. 1 EuGVO zuständig. Aus der Formulierung „in einem anderen Mitgliedstaat“ folgt sogleich, dass Art. 5 Nr. 1 EuGVO dann keine Anwendung findet, wenn hiernach derselbe Mitgliedstaat zuständig wäre, der schon nach Art. 2 Abs. 1 EuGVO zuständig ist.6 Zudem kann Art. 5 Nr. 1 EuGVO auch nicht die Zuständigkeit drittstaatlicher Gerichte herbeiführen; das folgt zum einen aus dem Wortlaut und zum anderen freilich schon daraus, dass drittstaatliche Gerichte dem Rechtsanwendungsbefehl der Verordnung nicht unterworfen sind.7

1 Vgl. Erwägungsgrund 11 der EuGVO: „Die Zuständigkeitsvorschriften müssen […] sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen […].“ 2 Prütting/Gehrlein/Pfeiffer, ZPO, Art. 5 EuGVO Rn. 1; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Vorbem. Art. 5 Rn. 1. 3 Vgl. EuGH, Urteil v. 13.7.2000 – Rs. C-412/98, Group Josi, Rn. 33 ff. 4 Prütting/Gehrlein/Pfeiffer, ZPO, Art. 2 EuGVO Rn. 4. 5 Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Vorbem. Art. 5 Rn. 1. 6 Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, vor Art. 5 Rn. 4; Magnus/ Mankowski/Mankowski, Brussels I Regulation, Art. 5 Rn. 10. 7 Vgl. Wais, LMK 2011, 318710.

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Kapitel 2: Einführendes zu Art. 5 Nr.1 EuGVO

Aus der einleitenden Formulierung „Person, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat“ ist zudem zu entnehmen, dass die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 EuGVO ebenso ausscheidet, wenn auch Art. 2 Abs. 1 EuGVO nicht anwendbar ist. Anders als die ausschließlichen Gerichtsstände des Art. 22 EuGVO8 und der vereinbarte Gerichtsstand nach Art. 23 EuGVO9 setzt Art. 5 EuGVO entsprechend der Grundkonzeption der Verordnung voraus, dass der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat. Das würde sich ändern, sofern sich der diesbezügliche Reformvorschlag der Europäischen Kommission durchsetzt, nach dem es künftig für die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 EuGVO allein darauf ankommen soll, dass der prozessuale Erfüllungsort im Sinne der Vorschrift in einem Mitgliedstaat liegt.10 Der Erfüllungsgerichtsstand nach Art. 5 Nr. 1 EuGVO würde dem Kläger folglich auch dann zur Verfügung stehen, wenn der Beklagte in einem Drittstaat ansässig wäre.11 Die Vorschrift ist schließlich nicht anwendbar, wenn ausschließliche Gerichtsstände gegeben sind, sowie dann, wenn die besonderen Vorschriften über die Zuständigkeit für Versicherungssachen nach Art. 8 ff. EuGVO, für Verbrauchersachen nach Art. 15 ff. EuGVO oder für individuelle Arbeitsverträge nach Art. 18 ff. EuGVO einschlägig sind. Zwar haben diese Vorschriften nicht den Charakter ausschließlicher Zuständigkeitsregelungen, weil die schwächere Partei sich ihres Schutzes durch ausdrückliche Vereinbarung einer abweichenden Zuständigkeit nach Streitentstehung oder konkludent durch rügeloses Einlassen nach Art. 24 S. 1 EuGVO12 begeben kann.13 Doch ist die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 EuGVO auf solche Sachverhalte, die in den Anwendungsbereich dieser besonderen Vorschriften fallen, jedenfalls unweigerlich ausgeschlossen.

8 Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 22 Rn. 2a. 9 Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 23 Rn. 16. 10 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über

die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung), KOM(2010) 748 endgültig, S. 26; vgl. zum Entwurf Weller, GPR 2012, 34. 11 Dann würden insbesondere auch die Probleme im Umgang mit § 29 ZPO als Regelung internationaler Zuständigkeit entfallen; siehe hierzu auch Wais, LMK 2011, 318710. 12 EuGH, Urteil v. 20.5.2010 – Rs. C-111/09, Bilas, Rn 30; dazu Staudinger, IPRax 2011, 548. 13 So auch Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 8 Rn. 3, 6.

B. Entstehungsgeschichte

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B. Entstehungsgeschichte B. Entstehungsgeschichte

Die Vorschrift des Art. 5 Nr. 1 EuGVO ist aus Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ hervorgegangen.14 Der Regelungsinhalt der Vorgängervorschrift findet sich nunmehr – soweit es um „gewöhnliche“15 Verträge geht – in Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO.16 Außerdem enthielt Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ noch eine besondere Regelung für Arbeitsverträge,17 die nunmehr in den Art. 18 ff. EuGVO behandelt werden.18 Hinzugekommen sind in Art. 5 Nr. 1 EuGVO die Regelung in lit. b 1. Spiegelstrich betreffend Verträge über den Verkauf beweglicher Sachen und die Regelung in lit. b 2. Spiegelstrich betreffend Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, die den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bildet.19 Als Vorbild des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ gilt die Regelung des deutschen Rechts über den Erfüllungsgerichtsstand in § 29 ZPO.20 Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO hingegen entstand unter französischem Einfluss; die Regelung ist deutlich an Art. 46 code de procédure civile21 angelehnt.22 Als eine Neuerung ist zudem die – für Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ freilich noch sinnlose – Regelung in Art. 5 Nr. 1 lit. c EuGVO zu betrachten, wonach lit. a gilt, wenn lit. b nicht anwendbar ist.

14 Das EuGVÜ selbst geht auf eine Initiative der Kommission aus dem Jahre 1960 zurück. Die Arbeit des eingesetzten Sachverständigenausschusses dauerte sechs Jahre. Unterzeichnet wurde es schließlich am 27.9.1968; vgl. Schlosser, EuGVÜ, Einl. Rn. 5. Das EuGVÜ trat nach seinem Art. 62 am 1.2.1973 in Kraft. 15 Vgl. auch Magnus/Mankowski/Mankowski, Brussels I Regulation, Art. 5 Rn. 24. 16 Jayme/Kohler, IPRax 1999, 401, 405. 17 Diese Regelungen stellen eine Umsetzung der Rspr. des EuGH dar (vgl. EuGH, Urteil v. 26.5.1982 – Rs. C-133/81, Ivenel, Rn. 20; EuGH, Urteil v. 15.1.1987 – Rs. 266/85, Shenavai, Rn. 16; EuGH, Urteil v. 15.2.1989 – Rs. 32/88, Six Constructions, Rn. 15), die in der ursprünglichen Fassung noch nicht vorgesehen war, vgl. Schlosser, EuGVÜ, Art. 5 Rn. 8. 18 Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Vorbem. Art. 18 Rn. 1. 19 Ausführlich zur historischen Entwicklung der Norm insgesamt Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. Nr. 1 EuGVVO, S. 41 ff. und 124 ff. 20 Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 5 Rn. 12. 21 Die Vorschrift des Art. 46 code de procédure civile lautet: “Le demandeur peut saisir à son choix, outre la juridiction du lieu où demeure le défendeur: – en matière contractuelle, la juridiction du lieu de la livraison effective de la chose ou du lieu de l’exécution de la prestation de service; […]”; vgl. hierzu Després/Dargent, Code de procédure civile, Art. 46 Nr. Nr. 7 ff. 22 Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 27.

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Kapitel 2: Einführendes zu Art. 5 Nr.1 EuGVO

C. Reformgrund C. Reformgrund

Allgemein sollte mit der EuGVO das Europäische Zivilprozessrecht des EuGVÜ inhaltlich aktualisiert werden, vor allem um neuen Handelsformen Rechnung zu tragen, die 1968 noch nicht existierten.23 Als Grund für die Reform des europäischen Erfüllungsgerichtsstands im Besonderen gilt hingegen vor allem die Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, die ihren Anfang in den Entscheidungen in der Rs. Tessili24 und der Rs. De Bloos25 nahm, und die daran geäußerte Kritik.26 In seiner zweiten Entscheidung zur Auslegung von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, die aus Gründen der Übersichtlichkeit hier an erster Stelle präsentiert sei, stellte der EuGH klar, dass maßgebliche Verpflichtung, auf deren Erfüllungsort es für die Bestimmung des nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ zuständigen Gerichts ankommt, die jeweils streitige Primärpflicht sei.27 Streiten sich etwa – wie in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall – ein Alleinvertriebshändler und sein Lieferant über Schadenersatzpflichten als Folge eines möglichen Vertragsbruchs, kommt es nicht auf den Erfüllungsort dieser Ersatzpflicht und auch nicht auf den Erfüllungsort der vertragscharakteristischen Hauptleistungspflicht an. Maßgeblich ist allein die Hauptleistungspflicht, deren Verletzung geltend gemacht wird. In der Rs. Tessili entschied der EuGH, dass der Erfüllungsort dieser maßgeblichen Verpflichtung sich nach dem materiellen Recht bestimmt, dem der Vertrag nach dem Kollisionsrecht des Forumsstaates unterliegt.28 Die Bestimmung der Erfüllungsortszuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ erfordert also zusätzlich eine kollisionsrechtliche Untersuchung zum anwendbaren Recht sowie eine Bestimmung des materiellrechtlichen Erfüllungsortes der streitgegenständlichen Verpflichtung. Beide Entscheidungen werden auch weit über 30 Jahre nach ihrer Verkündung noch in einem Atemzug mit dem europäischen Erfüllungsgerichtsstand genannt29 und waren Anstoß für teils massive Kritik.30 Diese

23 Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 4. 24 EuGH, Urteil v. 6.10.1976 – Rs. 12/76, Tessili. 25 EuGH, Urteil v. 6.10.1976 – Rs. 14/76, De Bloos. 26 Jayme/Kohler, IPRax 1999, 401, 405. 27 EuGH, Urteil v. 6.10.1976 – Rs. 14/76, De Bloos, Rn. 15/17. 28 EuGH, Urteil v. 6.10.1976 – Rs. 12/76, Tessili, Rn. 13. 29 Vgl. nur den Titel des Beitrages von Rauscher, NJW 2010, 2251. 30 Deutlich etwa Schack, Der Erfüllungsort im deutschen, ausländischen und internationalen Privat- und Zivilprozessrecht, S. 104 ff.; Jayme, IPRax 1995, 13; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 677 ff.

C. Reformgrund

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lässt sich im Wesentlichen folgendermaßen zusammenfassen:31 Zum einen belaste die Notwendigkeit, zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit stets erst das anwendbare Recht zu ermitteln, die Zuständigkeitsprüfung unangemessen stark. Zum anderen berge die Maßgeblichkeit der jeweils streitigen Verpflichtung die Gefahr einer zuständigkeitsrechtlichen Zersplitterung von Streitigkeiten aus einem einheitlichen Vertragsverhältnis und schließlich führe die Maßgeblichkeit des materiellrechtlichen Leistungsortes bei Geldleistungen zu sachfernen Gerichtsständen und privilegiere deren Gläubiger.32 Für Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO hat der Unionsgesetzgeber nunmehr Anderes vorgesehen: „Um […] Nachteile durch den Rückgriff auf Regeln des Internationalen Privatrechts des Staates des angerufenen Gerichts zu vermeiden“, bestimmt diese Regelung nunmehr als maßgeblichen Erfüllungsort den Ort, „an dem die Waren vertragsgemäß geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen“ bzw. „die Dienstleistungen vertragsgemäß erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen“; dabei soll es sich um eine „pragmatische Bestimmung des Erfüllungsortes“ handeln, die „unabhängig davon [gilt], welcher Art die streitige Verpflichtung ist.“33

31 32

Ausführlich ist hierauf an anderer Stelle einzugehen, vgl. unten, Kap. 6 L. I. 3. a. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 23; Brinkmann, IPRax 2009, 487, 491. 33 Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 15.

Kapitel 3

Normzweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO A. Gewährung eines zusätzlichen parteineutralen Gerichtsstands A. Gewährung eines zusätzlichen parteineutralen Gerichtsstands

Die Regelung des Art. 5 Nr. 1 EuGVO zeichnet sich dadurch aus, dass ihr kein parteibezogenes Anknüpfungskriterium zugrunde liegt, sondern mit dem Erfüllungsort ein Kriterium, das sich auf den Streitgegenstand bezieht. Weil hiernach die Zuständigkeit ein Reflex der Vereinbarungen des Vertrages (lit. b) oder des materiellen Rechts (lit. a) ist, hat das Zuständigkeitsrecht hier keinen Einfluss darauf, ob der Beklagte im konkreten Fall vor heimischen Gerichten zu verklagen ist. Damit steht Art. 5 Nr. 1 EuGVO im Widerspruch zu dem in Art. 2 Abs. 1 EuGVO Ausdruck findenden Prinzip actor sequitur forum rei.1 Genau darin, d.h. in der Gewährung eines zusätzlichen Gerichtsstandes, der abweichend von diesem Prinzip nicht an die fundamentalen Zuständigkeitsinteressen des Beklagten anknüpft, liegt aber der primäre Regelungszweck der gesamten Regelung des Art. 5 Nr. 1 EuGVO.2 Wie nämlich zu zeigen ist, hat die Vermutung der Schutzwürdigkeit des Beklagten im Zuständigkeitsrecht und damit einhergehend die Anknüpfung an den Wohnsitz des Beklagten ihre Berechtigung nur dem Grundsatz nach. In den von Art. 5 Nr. 1 EuGVO erfassten Fällen wird dieser favor defensoris durch besondere Umstände relativiert; das Bedürfnis einer neutralen Zuständigkeit ist dann gleichsam Erfordernis der Zuständigkeitsgerechtigkeit. I. Das Prinzip actor sequitur forum rei als Grundprinzip der EuGVO Erwägungsgrund 11 der EuGVO statuiert, dass sich die Zuständigkeitsvorschriften der Verordnung grundsätzlich nach dem Wohnort des Beklagten richten müssen, und stellt somit klar, dass der allgemeine zuständigkeitsrechtliche Grundsatz des actor sequitur forum rei im europäischen Zuständigkeitsrecht Geltung beansprucht. Ausdruck findet dieser Grundsatz in 1

Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 2 Rn. 1; Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 2 Rn. 1; Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 2 Rn. 159. 2 Ähnlich auch Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 5 Rn. 5; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 286.

A. Gewährung eines zusätzlichen parteineutralen Gerichtsstands

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der Regelung des Art. 2 Abs. 1 EuGVO, wonach vorbehaltlich abweichender Regelungen in der EuGVO die internationale Zuständigkeit grundsätzlich bei den Gerichten des Mitgliedstaates liegt, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat.3 Der Grundsatz actor sequitur forum rei wird so zur Grundmaxime des Zuständigkeitssystems der EuGVO.4 Die Begründung des Grundsatzes actor sequitur forum rei fällt indes nicht leicht;5 jedenfalls ist die Berechtigung eines allgemeinen favor defensoris im Europäischen Zuständigkeitsrecht nicht so offensichtlich, wie allgemein angenommen.6 1. Ausgleich für den Einlassungszwang des Beklagten Die Notwendigkeit, dem Beklagten die Verteidigung zu erleichtern, wird damit begründet, dass der Kläger gegenüber dem Beklagten im Vorteil sei, weil er ihn durch die Erhebung der Klage mittelbar zum Prozess zwingen könne. Die Begünstigung des Beklagten durch die grundsätzliche Zuständigkeit seiner heimischen Gerichte wird als Ausgleich für dessen Einlassungszwang verstanden.7 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte ebenso den Kläger zum Prozess zwingt, wenn er sich weigert, den Forderungen des Klägers nachzukommen. Dem Einlassungszwang auf Beklagtenseite steht der Klagezwang auf Klägerseite gegenüber. Es zeigt sich, dass der Prozesszwang beide Seiten trifft.8 2. Schutz des Bewahrers des status quo als allgemeines Ordnungsprinzip Es wird angeführt, dass der Kläger den status quo zu seinen Gunsten verändern wolle, wohingegen der Beklagte den status quo zu seinen Gunsten zu bewahren beabsichtige und es sich bei der Begünstigung desjenigen, der den status quo bewahren wolle, um ein grundlegendes Rechts- und Ordnungsprinzip handle, durch das die friedenssichernde und vertrauensschützende Funktion des Rechts Wirkung erlange.9

3 EuGH, Urteil v. 17.6.1992 – Rs. C-26/91, Handte, Rn. 14; EuGH, Urteil v. 13.7.2000 – Rs. C-412/98, Group Josi, Rn. 35; EuGH, Urteil v. 19.2.2002 – Rs. C256/00, Besix, Rn. 52. 4 Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 2 Rn. 1. 5 Leible, FS Ulrich Spellenberg, S. 451. 6 Dessen Berechtigung gänzlich ablehnend Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, S. 94. 7 Musielak/Heinrich, ZPO, § 12 Rn. 1. 8 Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 236; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 600; Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, S. 90. 9 LG Karlsruhe, NJW 1996, 1417, 1418.

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Kapitel 3: Normzweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO

3. Ausgleich für das Überraschungsmoment der Klageerhebung Der prozessuale Vorteil des Klägers soll auch daraus folgen, dass dieser willkürlich den Zeitpunkt der Klageerhebung wählen könne.10 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die wirtschaftlichen Umstände des Klägers, die drohende Verjährung der geltend zu machenden Ansprüche oder eine sich abzeichnende Insolvenz des Beklagten den Kläger in seiner Freiheit, den Zeitpunkt der Klageerhebung zu wählen, einschränken können.11 Das Vorliegen der geschilderten Umstände, die den Kläger dazu zwingen können, zu einem bestimmten Zeitpunkt Klage zu erheben, ist gleichwohl stets eine Frage des Einzelfalls. Nicht jeder Kläger ist wirtschaftlich so aufgestellt, dass er unmittelbar Klage erheben muss, nicht jedem Beklagten droht die Insolvenz und nicht jeder Anspruch unterliegt der gleichen Verjährungsfrist. Außerdem setzen die genannten Umstände meist nur einen zeitlichen Rahmen. Wann der Kläger innerhalb dieses Rahmens Klage erhebt, steht weiterhin zu seiner Disposition. So kann der Kläger doch regelmäßig ein Überraschungsmoment für sich verbuchen; er entscheidet über die Ausgestaltung der Klage und den genauen Zeitpunkt der Klageerhebung.12 Die Klage kann den Beklagten „aus heiterem Himmel“ treffen. Selbst in den wohl häufigeren Fällen, in denen sich die Klage schon im Vorfeld ankündigt,13 hat der Beklagte dennoch erst mit der Zustellung endgültige Gewissheit über den Inhalt und den Umfang der Klage. Erst zu diesem Zeitpunkt ist er in der Lage, das Ausmaß der Klage abzusehen und geeignete Verteidigungsmaßnahmen zu ergreifen.14 Im Hinblick auf die prozessuale Stellung der Parteien lässt sich somit ein Ungleichgewicht zu Lasten des Beklagten attestieren, dieses ist allerdings wenig ausgeprägt und spricht nur für einen leichten zuständigkeitsrechtlichen favor defensoris.15 4. Prozessuales Abbild der grundsätzlichen Selbsthilfesituation Dabei erscheint es auch denkbar, den Grundsatz actor sequitur forum rei als prozessuales Abbild eines natürlichen Befundes zu verstehen, der vor10 11

Patzina, MünchKomm-ZPO, § 12 Rn. 2; Wacke, JA 1980, 654, 655. So Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, S. 90, der zur Untermauerung der Bedeutung zeitlicher Zwänge im Zivilprozess auf Sinn und Zweck des vorläufigen Rechtschutzes hinweist. 12 Wacke, JA 1980, 654, 655. 13 Das obligatorische Güteverfahren nach § 15a EGZPO trägt für den deutschen Bereich hingegen nicht dazu bei, grenzüberschreitende Streitigkeiten gütlich beizulegen, da die Regelung gemäß § 15a Abs. 2 S. 2 EGZPO keine Anwendung findet, sofern die Parteien nicht in demselben Land wohnen. 14 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 600. 15 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 600.

A. Gewährung eines zusätzlichen parteineutralen Gerichtsstands

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liegen würde, wenn es die Institution des Zivilprozesses nicht gäbe und Selbsthilfe zur Durchsetzung eines Anspruchs – bis auf wenige Ausnahmen16 – nicht verboten wäre. Würde unter diesen Voraussetzungen A eine Forderung gegen B geltend machen, d.h. etwas von B „wollen“, und wäre der B nicht aus eigenen Stücken bereit, die geschuldete Leistung zu erbringen, so müsste A im Regelfall den B aufsuchen, um die Forderung im Wege der Selbsthilfe mit Gewalt durchzusetzen.17 Indes knüpft die Notwendigkeit des Zivilprozesses insofern nicht schon an die Tatsache an, dass A zu B gehen muss, sondern folgt daraus, dass, wenn ein allgemein geltendes Selbsthilfeverbot besteht, von staatlicher Seite darüber entschieden werden muss, ob eine Forderung des A existiert und der Staat ihm bei der Durchsetzung seiner Forderung zur Seite springt.18 Der Prozesszwang soll insofern die Aufrechterhaltung des inneren Friedens gewährleisten.19 Dass durch die Institution des Zivilprozesses etwas daran geändert werden sollte, dass „sich holen muss, wer etwas will“, ist hingegen nicht ersichtlich. Es geht vielmehr darum, dass der Staat darüber entscheidet, ob jemandem das, was er „will“, auch zusteht, und ggf. das „Holen“ übernimmt. Unter diesen Voraussetzungen aber würde jede andere Zuständigkeit als die am Wohnort des Beklagten grundsätzlich eine gegenüber diesem natürlichen Zustand unbegründete Besserstellung des Gläubigers darstellen. Nach dieser Argumentationslinie bezweckt aber der Grundsatz des actor sequitur forum rei gerade keine Besserstellung des Beklagten, sondern ist Ausdruck zuständigkeitsrechtlicher Neutralität. II. Relativierung des favor defensoris bei vertraglichen Streitigkeiten Haben die Untersuchungen bis hierher ergeben, dass unter Berücksichtigung des grundsätzlichen Verhältnisses zwischen den Prozessparteien der Beklagte sich gegenüber dem Kläger in einer leicht schwächeren Position befindet, die es rechtfertigen kann, ihm die Verteidigung vor heimischen Gerichten zu ermöglichen, muss dieser Befund relativiert werden, soweit es um die von Art. 5 Nr. 1 EuGVO erfassten Klagen geht. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass sich hier die Parteien freiwillig auf ein Näheverhältnis eingelassen haben;20 es ist offensichtlich, dass unter diesen Umständen 16 Im deutschen Recht etwa § 229 und § 904 BGB; vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, § 229 Rn. 1. 17 Dass der Angreifer den Angegriffenen an dessen Ort aufzusuchen hat, „folgt schon aus der Natur der Sache“, vgl. Wacke, JA 1980, 654, 655. 18 Musielak, Grundkurs ZPO, § 2 Rn. 11. 19 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1 Rn. 6. 20 Lehmann, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, 17, 27; Lehmann, ZZPInt 2004, 168, 182.

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Kapitel 3: Normzweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO

eher Streit entstehen kann als dann, wenn zwischen den Parteien vorher kein bewusster und gewollter Kontakt bestand.21 Beide Parteien haben durch ihr freiwilliges Zusammenwirken zugleich einen „Grundstein“ für mögliche zukünftige Streitigkeiten zwischen ihnen gelegt. Den Parteien ist auch bewusst, dass sie selbst durch das freiwillige Eingehen eines solchen Näheverhältnisses das Risiko erhöhen, dass es zwischen ihnen zu Streitigkeiten kommen wird. Unter diesen Umständen erscheint aber ein parteiisches Zuständigkeitsrecht, das allein die Zuständigkeitsinteressen des Beklagten umsetzt, als unangemessen.22 III. Notwendigkeit eines zusätzlichen parteineutralen Gerichtsstands In Anbetracht der fehlenden Berechtigung eines zuständigkeitsrechtlichen favor defensoris bei Vertragsstreitigkeiten erfordern Erwägungen der Zuständigkeitsgerechtigkeit, dass in diesen Fällen ein zusätzlicher, angemessener Gerichtsstand zur Verfügung gestellt wird.23 Dabei kann es aber ebenso wenig überzeugen, die spezifischen Zuständigkeitsinteressen des Klägers in den Blick zu nehmen; auch ihm ist das freiwillige Näheverhältnis in Rechnung zu stellen, auch er hat den „Grundstein“ gelegt. Es geht darum, Kläger und Beklagten möglichst gleich zu behandeln.24 In der Folge muss eine parteibezogene Anknüpfung ausscheiden, weil diese stets entweder den Kläger oder Beklagten besserstellt. Es gilt, einen zusätzlichen Gerichtsstand zu schaffen, der diesem besonderen Umstand Rechnung trägt. Darin liegt der primäre Zweck des Art. 5 Nr. 1 EuGVO,25 auf den sogleich zurückzukommen ist.26 Gleichwohl findet Art. 5 Nr. 1 EuGVO auch dann Anwendung, wenn das Bestehen eines Vertrages streitig ist.27 Dabei ist zunächst offensichtlich, dass es nicht darauf ankommen kann, ob das Recht aus einem bestimmten Verhältnis zwischen den Parteien irgendwelche Wirkungen ablei21 22

Vgl auch Stadler, FS Hans-Joachim Musielak, S. 569, 587. In diese Richtung ebenfalls Stadler, FS Hans-Joachim Musielak, S. 569, 579, die auf die „Sonderbeziehung zwischen den Beteiligten“ verweist, die es rechtfertige, einen weiteren Gerichtsstand zu eröffnen (allerdings in erster Linie mit Blick auf die Unwandelbarkeit der Erfüllungsortszuständigkeit). 23 So auch Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 5 Rn. 4 und Art. 3 Rn. 2; allerdings mit Blick auf die Wandelbarkeit des Art. 2 Abs. 1 EuGVO; Schack, Der Erfüllungsort im deutschen, ausländischen und internationalen Privat- und Zivilprozessrecht, S. 104; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 286. 24 Lehmann, ZZPInt 2004, 168, 183. 25 Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 5 Rn. 5. 26 Siehe unten, Kap. 3 B., C. und D. 27 EuGH, Urteil v. 4.3.1982 – Rs. 38/81, Effer, Rn. 7; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 8.

A. Gewährung eines zusätzlichen parteineutralen Gerichtsstands

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tet, denn die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, dass es zu Streitigkeiten zwischen ihnen kommt, wird schon allein dadurch bedingt, dass die Parteien überhaupt miteinander in Kontakt treten; schon ein faktisches Näheverhältnis kann insofern ausreichend sein. In vielen Fällen, in denen die Parteien über die materiellrechtliche Wirksamkeit eines Vertrages streiten, wird dieses freiwillig eingegangene faktische Näheverhältnis dennoch unzweifelhaft bejaht werden können. Das Erfordernis einer Verpflichtung, die darüber hinaus auch angenommen worden ist,28 dient hier als Kriterium, um eine gewisse Intensität des Näheverhältnisses zu gewährleisten. Darüber hinaus folgt freilich die Verzichtbarkeit des tatsächlichen Vorliegens eines Vertrages auch daraus, dass die Wirksamkeit des Art. 5 Nr. 1 EuGVO nicht dadurch beeinträchtigt werden soll, dass der Beklagte lediglich das Nichtbestehen eines Vertrages zu behaupten bräuchte, um die Anwendung der Vorschrift auszuschließen.29 Zudem kann der Kläger am Vertragsgerichtsstand allein Ansprüche, die im Zusammenhang mit dem Vertrag stehen, geltend machen; eine Annexzuständigkeit für außervertragliche Ansprüche besteht nicht.30 Der Beklagte ist also auch vor einer ausufernden Gerichtspflicht geschützt.31 IV. Zuständigkeitsgerechtigkeit durch Verfolgung gemeinsamer Parteiinteressen Der Gerechtigkeitsgehalt der Zuständigkeitsvorschrift32 wird indes nicht schon allein durch den Verzicht auf parteibezogene Anknüpfungskriterien gewährleistet. Die spezifischen Kläger- und Beklagteninteressen stehen einander diametral entgegen; die Stellung der einen Partei bestimmt sich immer auch relativ zur Stellung der anderen, sodass jeder zuständigkeitsrechtliche Vorteil einer Partei, der nicht auch der anderen Partei zugute kommt, für diese einen zuständigkeitsrechtlichen Nachteil bedeutet. Auch bei Verwendung solcher Anknüpfungskriterien, die sich auf den Streitgegenstand beziehen, besteht die Möglichkeit, dass die dergestalt bestimmte Zuständigkeit für eine Partei besonders vorteilhaft, für die andere besonders nachteilig ist. So liegt es, wenn der Erfüllungsort mit dem Wohnsitz 28 29 30

EuGH, Urteil v. 20.1.2005 – Rs. C-27/02, Engler, Rn. 55. EuGH, Urteil v. 4.3.1982 – Rs. 38/81, Effer, Rn. 7. Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 59; krit. Geimer, IPRax 1986, 80, 82. 31 Lehmann, ZZPInt 2004, 168, 183. 32 Der Unionsgesetzgeber spricht nicht von Zuständigkeitsgerechtigkeit, sondern von einem „notwendigen Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Parteien“, vgl. Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 4.

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Kapitel 3: Normzweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO

einer Partei zusammenfällt. Beide Parteien haben schließlich ein grundsätzliches Interesse an der Zuständigkeit heimischer Gerichte, jedoch kann nur dem diesbezüglichen Interesse einer Partei entsprochen werden, wenn die Parteien in unterschiedlichen Staaten beheimatet sind. Gerechtfertigt ist eine solche Zuständigkeit indes, weil sie allgemeinen Rechtsschutz- und Effizienzinteressen beider Parteien entspricht: Die Anknüpfung an den Erfüllungsort in Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO gewährt neben Vorhersehbarkeit vor allem Sach- und Beweisnähe der hiernach zuständigen Gerichte. Davon profitieren sowohl der Kläger als auch der Beklagte, weil sich diese Nähe positiv auf Dauer und Kosten des Verfahrens und die Qualität der Entscheidung auswirkt.33 Diese gemeinsamen Parteiinteressen werden indes nicht schon durch Art. 2 Abs. 1 EuGVO bedient, da eine allgemeine Anknüpfung an den Wohnsitz des Beklagten schon konzeptionell nicht in der Lage ist, unter Berücksichtigung des Streitgegenstandes geeignete Zuständigkeiten zu begründen.34 Zudem wird Art. 2 Abs. 1 EuGVO insofern ein gewisses Vorhersehbarkeitsdefizit aus Sicht des Klägers attestiert, als der Beklagte durch Verlegung seines Wohnsitzes ins Ausland vor Klageerhebung35 auch die andernfalls begründete allgemeine Zuständigkeit einseitig verändern kann,36 wohingegen die Erfüllungsortszuständigkeit grundsätzlich unwandelbar sein soll.37

B. Begründung vorhersehbarer Zuständigkeiten B. Begründung vorhersehbarer Zuständigkeiten

Nach dem Erwägungsgrund 11 der EuGVO müssen die Zuständigkeitsvorschriften dieser Verordnung in hohem Maße vorhersehbar sein. Der Grundsatz der Vorhersehbarkeit ist eine Ausprägung des Prinzips der Rechtssi-

33

Vgl. Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 169; Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, S. 156; sowie unten, Kap. 3 D. IV. 1. 34 Vgl. Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, S. 146. 35 Eine einmal begründete Zuständigkeit bleibt indes nach den Grundsätzen der perpetuatio fori bestehen, vgl. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Vorbem. Art. 2 Rn. 15; zum maßgeblichen Zeitpunkt vgl. Löser, Zuständigkeitsbestimmender Zeitpunkt und perpetuatio fori im internationalen Zivilprozess, S. 86 ff. 36 Siehe hierzu unten, Kap. 3 B. I. 3. sowie C. 37 Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Nr. 6; ob allerdings die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 EuGVO tatsächlich unwandelbar ist, hängt insbesondere davon ab, nach welchen Maßgaben der Erfüllungsort zu bestimmen ist, vgl. unten, Kap. 6 I.

B. Begründung vorhersehbarer Zuständigkeiten

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cherheit.38 Hierdurch soll der Rechtsschutz der in der Europäischen Union ansässigen Bürger gestärkt werden.39 Der Kläger soll ohne Schwierigkeiten feststellen können, welches Gericht er anrufen kann, und ein Beklagter entsprechend in der Lage sein, vorherzusehen, vor welchem Gericht er verklagt werden könnte.40 I. Gründe mangelnder Vorhersehbarkeit des Zuständigkeitsrechts 1. Ermessensspielräume Ein Mangel an Vorhersehbarkeit des Zuständigkeitsrechts im Sinne fehlender Rechtssicherheit ist gegeben, wenn Zuständigkeitsregelungen dem über seine Zuständigkeit entscheidenden Gericht einen eigenen Ermessensspielraum belassen.41 Dann liegt es so, dass die korrekte Anwendung nicht zu einer einzigen rechtslogisch richtigen Entscheidung führt, sondern dass das eigene subjektive Dafürhalten der zur Entscheidung berufenen Richter den Ausschlag gibt. Unter diesen Umständen kann der Kläger nicht absehen, vor welchem Gericht er klagen kann. Es besteht das Risiko, dass eine Klage abgewiesen wird, weil das Gericht nach eigener Einschätzung die Zuständigkeitsvoraussetzungen als nicht erfüllt ansieht. Die mit der Klageerhebung entstandenen Kosten sind dann vergebens aufgewendet worden. Diese Kosten summieren sich, wenn an anderer Stelle erneut Klage erhoben wird.42 Für den Beklagten liegt es ähnlich. Er muss sich auf jeden gegen ihn angestrengten Prozess insoweit einlassen, als dies für die vorsorgliche Rüge der Zuständigkeit erforderlich ist, und hilfsweise zu seiner Verteidigung vorbringen, um nicht zu riskieren, dass ein Versäumnisurteil ergeht. Unvorhersehbare Zuständigkeiten werden der Rechtsschutzfunktion der EuGVO nicht gerecht, weil weder der Kläger noch der Beklagte ohne weiteres ermitteln kann, wo er seinen gesetzlichen Richter findet, bzw. wo ihm rechtliches Gehör gewährt wird.43

38 EuGH, Urteil v. 1.3.2005 – Rs. C-281/02, Owusu, Rn. 40; EuGH, Urteil v. 28.9.1999 – Rs. C-440/97, Groupe Concorde, Rn. 24. 39 EuGH, Urteil v. 19.2.2002 – Rs. C-256/00, Besix, Rn. 25. 40 EuGH, Urteil v. 3.5.2007 – Rs. C-386/05, Color Drack, Rn. 20; EuGH, Urteil v. 1.3.2005 – Rs. C-281/02, Owusu, Rn. 40; EuGH, Urteil v. 28.9.1999 – Rs. C-440/97, Groupe Concorde, Rn. 24; EuGH, Urteil v. 19.2.2002 – Rs. C-256/00, Besix, Rn. 26; EuGH, Urteil v. 17.6.1992 – Rs. C-26/91, Handte, Rn. 18. 41 EuGH, Urteil v. 1.3.2005 – Rs. C-281/02, Owusu, Rn. 41. 42 Vgl. im Hinblick auf das forum non conveniens EuGH, Urteil v. 1.3.2005 – Rs. C281/02, Owusu, Rn. 42. 43 Diese Rechte werden auf europäischer Ebene auch durch Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK verbürgt, vgl. Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, Art. 6 Rn. 31 ff. und 101 ff.

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Kapitel 3: Normzweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO

Insbesondere darf es nicht darauf ankommen, ob die Zuständigkeit im konkreten Fall in den Augen des Gerichts unter Gesichtspunkten etwa der Verfahrensökonomie oder der Verfahrensgerechtigkeit angemessen erscheint – derartige Fragen sind kaum justiziabel und stellen daher eine erhebliche Gefahr für die Rechtssicherheit dar.44 2. Rechtskomplexität Um keinen Vorhersehbarkeitsmangel im eigentlichen Sinne, sondern um einen den Vorhersehbarkeitsmängeln ähnlichen Mangel handelt es sich, wenn die Bestimmung des zuständigen Gerichts die Bewältigung einer großen Anzahl komplexer Prüfungsschritte erforderlich macht.45 Im Gegensatz zu solchen Vorschriften, die Vorhersehbarkeitsmängel im eigentlichen Sinne aufweisen, kann nämlich der Rechtsanwender bei einer Vorschrift, die sich allein durch eine hohe Komplexität auszeichnet, theoretisch eine vorhersehbare Rechtsfolge erzielen, solange er nur die Regelung nicht rechtsfehlerhaft anwendet. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei der Ermittlung der Zuständigkeit den Parteien oder dem Gericht Fehler unterlaufen, umso höher, je komplexer und zahlreicher die einzelnen Prüfungsschritte sind. Bei komplexen Gerichtsstandsregelungen unterscheidet sich die Situation somit kaum von den Fällen, in denen das Zuständigkeitsrecht dem Gericht einen eigenen Beurteilungsspielraum zugesteht. In beiden Fällen müssen die Parteien damit rechnen, dass das Gericht abweichend entscheidet. Um einen Vorhersehbarkeitsmangel im eigentlichen Sinne handelt es sich aber deshalb nicht, weil es hier um abweichende Zuständigkeitsentscheidungen als das Resultat einer fehlerhaften Rechtsanwendung geht, das Recht aber – im Gegensatz zu den Fällen eines gerichtlichen Beurteilungsspielraums – eine eindeutige und objektiv erkennbare Rechtsfolge anordnet, wenn auch auf komplizierte Art und Weise.46 Der wesentliche Unterschied zwischen einer im eigentlichen Sinne unvorhersehbaren und einer zu komplexen Gerichtsstandsregelung liegt darin, dass bei letztgenannter regelmäßig mit Rechtsmitteln gegen die Entscheidung vorgegangen werden kann, wenn die aus Sicht der Partei unvorhergesehene Zuständigkeit oder Unzuständigkeit auf einem Rechtsanwendungsfehler des Gerichts und nicht der Partei beruht. Was die faktischen Auswirkungen betrifft, so sind die Differenzen wiederum zu vernachlässigen. Sowohl in den Fällen berechtigter, als auch in 44 Vgl. Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 1075, der die Rechtssicherheit sogar in „unerträglichem Maße“ gefährdet sieht. 45 Vgl. auch Lehmann/Duczek, IPRax 2011, 41, 46 („mit der Vorhersehbarkeit verwandt, aber doch von ihr zu unterscheiden“). 46 Denkbar ist freilich auch, dass eine Regelung beides ineinander vereint, d.h. sowohl besonders komplex ist, als auch dem Gericht einen Beurteilungsspielraum einräumt.

B. Begründung vorhersehbarer Zuständigkeiten

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den Fällen unberechtigter abweichender Zuständigkeitsentscheidung durch das Gericht führt die Notwendigkeit erneuter Klageerhebung bzw. gegebenenfalls des Beschreitens des Rechtsmittelwegs zu einer erheblichen Zeitverzögerung und Kostensteigerung,47 die sich zu den ohnehin schon hohen Kosten eines grenzüberschreitenden Prozesses48 addieren. 3. Umfangreiche Zuständigkeitswahlrechte als Vorhersehbarkeitsmängel? Es kann auch so liegen, dass eine Gerichtsstandsregelung dem Kläger ein Wahlrecht zwischen den Gerichten verschiedener Orte belässt, wie etwa bei Deliktsklagen nach Art. 5 Nr. 3 EuGVO zwischen den Gerichten des Handlungs- und des Erfolgsortes.49 Ein solches Wahlrecht des Klägers ist der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit aus Sicht des Beklagten abträglich, denn der Beklagte kann nicht mit Gewissheit sagen, an welchem Ort der Kläger Klage erheben wird.50 Sie ist aber insofern im Hinblick auf die Rechtssicherheit unproblematisch, als das Recht eine eindeutige Rechtsfolge anordnet, also gerade nicht „unsicher“ ist: Dasjenige der zur Wahl stehenden Gerichte, für das sich der Kläger entscheidet, ist zuständig. Aus der Perspektive des Klägers, der ohne Schwierigkeiten vorhersehen können muss, vor welchen Gerichten er Klage erheben kann,51 ist ein solches Wahlrecht unproblematisch. Die Parteien müssen unter diesen Umständen nicht damit rechnen, dass das entscheidende Gericht eine andere als die Rechtsfolge ausspricht, die sie nach Ausübung des Wahlrechts durch den Kläger erwartet haben. Insofern besteht die Gefahr frustrierter zeitlicher und finanzieller Aufwendungen nicht; weder für den Kläger, noch für den Beklagten. Soweit also der EuGH den Grundsatz der Vorhersehbarkeit allein als Ausprägung der Rechtssicherheit sieht, ist bei einem umfangreichen Zuständigkeitswahlrecht des Klägers jedenfalls nicht von einem Mangel an Vorhersehbarkeit in diesem engen Sinne zu sprechen. Gleichwohl misst der EuGH die Zulässigkeit solcher Wahlrechte am Grundsatz der Vorhersehbarkeit.52 In der Tat wird man bei einem besonders umfangreichen Zuständigkeitswahlrecht davon sprechen können, dass der Beklagte nicht vorhersehen kann, vor welchem Gericht genau er verklagt werden

47 48 49

Vgl. auch EuGH, Urteil v. 1.3.2005 – Rs. C-281/02, Owusu, Rn. 42. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 8 Rn. 203; sowie oben, Kap. 1 A. I. EuGH, Urteil v. 30.11.1976 – Rs. 21/76, Mines de Potasse, Rn. 15/19; EuGH, Urteil v. 27.10.1998 – Rs. C-51/97, Réunion européenne, Rn. 27 f. 50 Vgl. auch GA Bot, Schlussanträge v. 15.2.2007, Rs. C-386/05, Color Drack, Fn. 30. 51 EuGH, Urteil v. 3.5.2007 – Rs. C-386/05, Color Drack, Rn. 20. 52 EuGH, Urteil v. 9.7.2009 – Rs. C-204/08, Rehder, Rn. 42.

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Kapitel 3: Normzweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO

kann.53 Fraglich ist dann freilich, wo hier die Grenze zu ziehen ist.54 Der EuGH hat jedenfalls eine Auslegung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, die auf ein unbegrenztes Zuständigkeitswahlrecht des Klägers hinausgelaufen wäre, wegen mangelnder Vorhersehbarkeit abgelehnt. 55 Die mangelnde Vorhersehbarkeit, um die es hier geht, ist vor allem im Hinblick auf die Zuständigkeitsgerechtigkeit problematisch.56 4. Einseitige Manipulierbarkeit zuständigkeitsbegründender Umstände Die Gefahr mangelnder Vorhersehbarkeit besteht auch, wenn eine Partei die zuständigkeitsbegründenden Umstände einseitig verändern oder bestimmen kann. Im Gegensatz zum Zuständigkeitswahlrecht kann die mangelnde Vorhersehbarkeit in diesen Fällen auch den Kläger treffen. Das ist im Hinblick auf den Wohnsitz als Anknüpfungskriterium des Art. 2 Abs. 1 EuGVO der Fall. Den Wohnsitz und mithin auch die Zuständigkeit nach Art. 2 Abs. 1 EuGVO kann der Beklagte ändern, ohne dass der Kläger Einfluss darauf hat.57 Gewissheit über die Zuständigkeit nach Art. 2 Abs. 1 EuGVO hat der Kläger erst zum Zeitpunkt der Klageerhebung. Die Verlegung des Wohnsitzes, erst recht in einen anderen Mitgliedstaat, ist freilich mit einem erheblichen Aufwand verbunden und steht in keinem Vergleich zur Ausübung eines Zuständigkeitswahlrechts. In anderen Fällen, wenn eine einseitige Manipulation der zuständigkeitsbegründenden Umstände ohne großen Aufwand möglich erscheint, ergeben sich jedoch größere Bedenken. Problematisch ist insbesondere, dass anders als bei einem Zuständigkeitswahlrecht die andere Partei mitunter nicht einmal absehen kann, welche Orte überhaupt für eine Klage in Frage kommen.58

53 Huber-Mumelter/Mumelter, JBl 2008 2008, 561, 570, sehen hingegen bei einem solchen Wahlrecht die Vorhersehbarkeit überhaupt nicht berührt. 54 Vgl. auch Wais, GPR 2010, 256, 258. 55 EuGH, Urteil v. 19.2.2002 – Rs. C-256/00, Besix, Rn. 35. 56 Siehe hierzu sogleich, Kap. 3 C. 57 Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 3 Rn. 2, nimmt an, dass der böswillige Schuldner auf diese Weise die Durchsetzung der Gläubigeransprüche mitunter sogar vollständig vereiteln könne; vgl. zudem Buchner, Klägerund Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, S. 50 ff. 58 Siehe auch unten, Kap. 5 A. II. 1. und II. 5. a.

B. Begründung vorhersehbarer Zuständigkeiten

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II. Zeitpunkt der Beurteilung der Vorhersehbarkeit und Binnenmarktfunktion 1. Rechtsschutzfunktion der Vorhersehbarkeit als allgemeiner Ausgangspunkt Dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes ist bereits Genüge getan, wenn zum Zeitpunkt der Streitentstehung erkennbar ist, vor welchen Gerichten der Streit ausgetragen werden kann, denn vor Streitentstehung besteht kein faktisches Bedürfnis nach Rechtsschutz. 2. Binnenmarktfunktion der Vorhersehbarkeit als spezifischer Ausgangspunkt Im vertraglichen Kontext hingegen ist die Frage der Zuständigkeit nicht erst im Streitfall bedeutend, sondern schon vor Vertragsschluss.59 Angesichts des großen Aufwandes, der hohen Kosten und der tendenziell strategisch schlechteren Position, die mit einer Klage im Ausland verbunden sind,60 ist die Frage der im Streitfall zuständigen Gerichte auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit einer grenzüberschreitenden Transaktion. Wenn der im Streitfall drohende prozessuale Nachteil außer Verhältnis zum potentiellen Transaktionsgewinn steht, kann das hierdurch bedingte hohe Prozessrisiko im äußersten Fall die Parteien davon abhalten, die konkrete Transaktion am Binnenmarkt durchzuführen.61 Ein solches Ergebnis widerspräche in hohem Maße dem primärrechtlichen Binnenmarktziel, dem nach ihrem ersten Erwägungsgrund auch die EuGVO untergeordnet ist. Die Möglichkeit, das Prozessrisiko im Rahmen der Vertragskostenkalkulation zu berücksichtigen und gegebenenfalls durch das Aushandeln abweichender privatautonomer Regelungen Abhilfe zu schaffen,62 setzt freilich voraus, dass das Prozessrisiko vor Vertragsschluss berechnet werden kann.63 Damit ändert sich auch für die vertraglichen Gerichtsstandsregelungen der EuGVO der Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Vorhersehbarkeit. Die Zuständigkeit muss zu diesem Zweck nicht erst zum Zeitpunkt der Streitentstehung vorhersehbar sein, sondern bereits während der Vertragsanbahnung. Eine zutreffende Einschätzung des eigenen Prozessrisikos, welches mit einer grenzüberschreitenden Transaktion einhergeht, ist nur möglich, wenn schon vor Vertragsschluss absehbar ist, vor welchen Gerichten im Streitfall Klage erhoben werden kann. Die Vorhersehbarkeit 59 60 61

Vgl. auch Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 286. Siehe hierzu oben, Kap. 1 A. I. Vgl. Rühl, in: Bork/Eger/Schäfer, Ökonomische Analyse des Verfahrensrechts, S. 335, 339. 62 Hierzu sogleich, Kap. 3 B. III. 63 Vgl. Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 160.

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des Art. 5 Nr. 1 EuGVO ist daher, soweit es um die unmittelbare Binnenmarktrelevanz der Vorschrift geht, aus einer ex ante-Perspektive64 zum Zeitpunkt der Vertragsanbahnung zu beurteilen. 65 Zwar fördert auch die leichte Feststellbarkeit der Zuständigkeit im Streitfall das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes.66 Doch nützt den Akteuren des Binnenmarktes auch die Zuständigkeit eines besonders geeigneten Gerichts wenig, wenn nicht absehbar ist, welche Kosten mit der Prozessführung verbunden sind und mit welchen grundsätzlichen Verfahrensumständen, insbesondere mit welcher Verfahrensdauer, zu rechnen ist. 3. Gegenüberstellung mit Art. 5 Nr. 3 EuGVO Darüber hinaus kann auch ein Vergleich zum Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVO angestellt werden. Da bei Art. 5 Nr. 3 EuGVO die Zuständigkeit der Gerichte durch den Handlungs- und den Erfolgsort der unerlaubten Handlung begründet wird,67 steht hier für die Parteien regelmäßig mit der Entstehung des außervertraglichen Schuldverhältnisses fest, wo Klage erhoben werden kann, falls der Schuldner seinen gesetzlichen Verpflichtungen aus diesem Schuldverhältnis nicht nachkommt. Dass ein außervertragliches Schuldverhältnis entsteht, bedeutet indes nicht automatisch, dass es hierüber zum Streit kommt. Es erscheint als ein gewisser Widerspruch, wenn die Parteien zwar bei außervertraglichen, nicht aber bei vertraglichen Schuldverhältnissen schon zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses in der Lage sein sollten, die Gerichte vorherzusehen, bei denen Ansprüche aus diesem Schuldverhältnis geltend zu machen sind. Das außervertragliche Schuldverhältnis im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVO entsteht schließlich unabhängig von irgendeinem willentlich gesteuerten Dazutun des Geschädigten, d.h. der Geschädigte hätte ohnehin nicht die Wahl, aufgrund einer etwaigen ihm unliebsamen Zuständigkeit hiervon Abstand zu nehmen. Die Entstehung des vertraglichen Schuldverhältnisses ist hingegen gerade Ausfluss des willentlichen Zusammenwirkens der Parteien. Ihnen sollte es ermöglicht werden, gerade in möglichst weitgehender Kenntnis der rechtlichen Implikationen dieses Zusammenwirken zu entscheiden. Das gilt insbesondere aus einer Binnenmarktperspektive, weil Verträge das Rechtsinstrument zur wirtschaftlichen Betätigung sind.

64

Rühl, in: Bork/Eger/Schäfer, Ökonomische Analyse des Verfahrensrechts, S. 335,

343. 65 66 67

Leible, EuZW 2009, 571, 573; Leible, FS Ulrich Spellenberg, S. 451, 460. Hager/Bentele, IPRax 2004, 73, 76. EuGH, Urteil v. 30.11.1976 – Rs. 21/76, Mines de Potasse, Rn. 15/19; EuGH, Urteil v. 27.10.1998 – Rs. C-51/97, Réunion européenne, Rn. 27 f.

B. Begründung vorhersehbarer Zuständigkeiten

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III. Gerichtsstandsvereinbarung als gleichwertige Alternative? 1. Vorhersehbarkeit durch Vereinbarung Grundsätzlich können die Parteien eine Vereinbarung nach Art. 23 Abs. 1 EuGVO über das für die Streitentscheidung zuständige Gericht treffen. Zwar sind bestimmte Bereiche des vertraglichen Zusammenwirkens einer von der gesetzlichen Regelung abweichenden Zuständigkeitsvereinbarung nicht zugänglich68. Sobald aber der Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 EuGVO eröffnet ist, sind auch abweichende Gerichtsstandsvereinbarungen zulässig. Vor diesem Hintergrund sieht sich die hier geäußerte Forderung nach Vorhersehbarkeit zum Zeitpunkt der Vertragsanbahnung möglicherweise dem Vorwurf ausgesetzt, dass Parteien, die sich in besonderem Maße um die zuständigkeitsrechtlichen Implikationen einer grenzüberschreitenden Transaktion am Binnenmarkt sorgen, ebenso gut eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 Abs. 1 EuGVO treffen können, und vor diesem Hintergrund die geforderte frühe Anknüpfung zur Beurteilung der Vorhersehbarkeit gar nicht notwendig sei. Es könnte argumentiert werden, dass Art. 5 Nr. 1 EuGVO vielmehr nur in den Fällen überhaupt relevant werde, in denen die Parteien es versäumt oder schlicht für nicht notwendig gehalten haben, sich über die Zuständigkeit Gedanken zu machen und eine Gerichtsstandsvereinbarung zu treffen, da in diesen Fällen der Vertrag regelmäßig schon geschlossen und eine Berücksichtigung des Prozessrisikos bei der Vertragsgestaltung nicht mehr möglich ist. Auf der Grundlage dieser Argumentation könnte daher ein zum Zeitpunkt der Vertragsanbahnung bestehender Mangel an Vorhersehbarkeit im Hinblick auf die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 EuGVO zu vernachlässigen sein. 2. Vorzüge fehlender Vereinbarungen Gegen eine solche Argumentation lässt sich jedoch anführen, dass den Parteien angesichts des Konfliktpotentials, welches Verhandlungen über den zu vereinbarenden Gerichtsstand bergen, eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht immer wünschenswert erscheint. Schon im Rahmen der Vertragsverhandlungen an mögliche Vertragsstreitigkeiten zu denken, wenn endlich ein Vertragsinhalt gefunden worden ist, mit dem beide Parteien zufrieden sind, erinnert ein wenig daran, „während der Hochzeit die Scheidung zu planen“.69 Nicht nur kann das Antizipieren eines möglichen Konflikts die 68 Das gilt gem. Art. 13 EuGVO für Versicherungsverträge, gem. Art. 17 EuGVO für bestimmte Verbraucherverträge und gem. Art. 21 EuGVO für individuell ausgehandelte Arbeitsverträge; außerdem für Streitigkeiten, die der ausschließlichen Zuständigkeit nach Art. 22 EuGVO unterfallen, wozu etwa Mietverträge gehören können, vgl. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 22 Rn. 23. 69 Park, International Forum Selection, S. 764.

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Kapitel 3: Normzweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO

vom Gedanken des „Sich-Vertragens“ geprägten Vertragsverhandlungen stören. Regelmäßig wird der Wunsch der einen Partei nach der Zuständigkeit der Gerichte eines bestimmten Ortes oder Staates bei der anderen Partei Misstrauen hervorrufen, weil der (berechtigte) Eindruck entsteht, dass die antragende Partei dies allein zu ihrem eigenen Vorteil nutzen will oder gar aus prozesstaktischen Erwägungen den zu vereinbarenden Gerichtsstand zum Schaden der anderen Partei gewählt hat.70 Stets wird von der einen Seite zu hinterfragen sein, was die Gründe der anderen Seite für den gewünschten Gerichtsstand sind. Neben dem grundsätzlichen Misstrauen, das der Wunsch nach einer Gerichtsstandsvereinbarung in die Geschäftsbeziehung der Parteien hineinträgt, sind vor allem auch ein höherer Rechtsberatungsaufwand und mithin höhere Transaktionskosten die Folge, was sich wiederum negativ auf die Bereitschaft zur Durchführung grenzüberschreitender Transaktionen am Binnenmarkt auswirkt. Es kann daher für beide Seiten durchaus vorteilhaft und gewollt sein, es bewusst bei der gesetzlich vorgesehenen Zuständigkeit zu belassen. Das hängt auch damit zusammen, dass dem Recht eine gewisse Vorbildwirkung zukommt. So können die Parteien erwarten, dass die Gerichtsstandsregelungen der EuGVO den Anforderungen der Zuständigkeitsgerechtigkeit grundsätzlich entsprechen.71 Wenn also die Parteien von einer Zuständigkeitsvereinbarung absehen und sich für die vom Gesetz vorgesehene Zuständigkeit entscheiden, hat dies eine positive Wirkung auf beide Seiten, weil die eigentliche Zuständigkeitsentscheidung von dritter Stelle getroffen wird, die Parteien wohl davon ausgehen werden, dass die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung auch gerecht ist, und ein solches Vorgehen nicht so offensichtlich suggeriert, auf den eigenen Vorteil bedacht zu sein, wie dies bei einer Gerichtsstandsvereinbarung der Fall wäre. 3. Bestimmung der Höhe der Vergütung der Vereinbarung Selbst für den Fall, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen werden soll, hilft der Vergleich mit der gesetzlich vorgesehenen Zuständigkeit und den dort zum Ausdruck kommenden Wertungen, um den eigenen Standpunkt besser bestimmen zu können. Jede Partei wird intensiv prüfen, ob diese Vereinbarung ihr zum Nachteil gereicht. Ein Abgleich mit der gesetzlichen Regelung als dem, was der Gesetzgeber als „fair“ erachtet hat, ist dabei unerlässlich. Diese Standpunktbestimmung ist auch deshalb bedeutend, weil sich die Parteien unter diesen Voraussetzungen über den Preis 70 71

In diese Richtung auch Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art. 23 Rn. 16. Die Kommission spricht von einem „notwendigen Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Parteien“, vgl. den Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 4.

C. Begrenzung der Zuständigkeit als eigenständiger Normzweck

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der Vereinbarung einigen können. Regelmäßig wird es so liegen, dass – Ebenbürtigkeit vorausgesetzt – die Partei, die von der Vereinbarung nicht profitiert, sich diesen prozessualen Nachteil vergüten lässt bzw. ein anderweitiges Entgegenkommen ihres Vertragspartners verlangt. Wenn sich freilich herausstellt, dass die vereinbarte Zuständigkeit auch ohne Vereinbarung gegeben wäre, bedarf es keiner Vergütung oder eines anderweitigen Ausgleichs. 4. Beurteilung der Notwendigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung und der Folgen einer Vereinbarungsunwirksamkeit Die grundsätzliche Notwendigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung kann nicht treffend beurteilt werden, wenn nicht absehbar ist, wie die Zuständigkeitsentscheidung nach Maßgabe der gesetzlichen Regelung aussähe.72 Zudem kann die ursprünglich abbedungene Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 EuGVO bedeutend werden, wenn das derogierte oder prorogierte Gericht die Gerichtsstandsvereinbarung – begründeter oder unbegründeter Weise – für unwirksam hält. Die Parteien sollten in der Lage sein, vorab das für den Fall der Unwirksamkeit der Vereinbarung zuständige Gericht erkennen zu können. All dies kann jedoch Art. 5 Nr. 1 EuGVO nicht leisten, wenn das potentielle Zuständigkeitsergebnis nicht schon vor Abschluss des Vertrages vorhersehbar ist.

C. Begrenzung der Zuständigkeiten als eigenständiger Normzweck C. Begrenzung der Zuständigkeit als eigenständiger Normzweck

Primärer Regelungszweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO ist es, ausgehend von der strukturellen Ebenbürtigkeit der Parteien bei Streitigkeiten aus Verträgen einen neutralen Gerichtsstand zur Verfügung zu stellen, dessen konkrete Ausgestaltung sich dadurch rechtfertigt, dass unbesehen ihrer prozessualen Stellung allgemeinen Rechtsschutz- und Effizienzinteressen beider Parteien entsprochen wird.73 Daher muss sogleich gelten, dass die Regelung nicht darauf abzielt, dem Kläger Gerichtsstände in verschiedenen Staaten zur Verfügung zu stellen, weil hierdurch die bezweckte Neutralität des Erfüllungsgerichtsstandes gegenüber den Parteien aufgehoben würde. Es muss vielmehr auch ein Regelungsziel sein, dass eine Vervielfachung internationaler Erfüllungsgerichtsstände verhindert wird.

72 So auch Hau, JZ 2008, 974, 978; vgl. auch Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 160. 73 Siehe die obigen Feststellungen, Kap. 3 A. III. und IV.

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Kapitel 3: Normzweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO

I. Störung der prozessualen Ebenbürtigkeit der Parteien durch forum shopping Könnte Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO die Zuständigkeit verschiedener Mitgliedstaaten begründen, so würde dies den Kläger in unzulässiger Weise bevorteilen, weil er durch die Erhebung der Klage auf prozesswesentliche Faktoren wie insbesondere die lex fori und die Sprache, in der der Prozess zu führen sein wird, Einfluss nehmen und somit bedeutende Weichen stellen könnte, die Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens haben.74 Die Waffengleichheit der Parteien würde empfindlich gestört, weil dem Beklagten eine vergleichbare Einflussnahme nicht möglich wäre. Erst mit der Klageerhebung hätte der Beklagte Gewissheit über die vom Kläger gewählte Zuständigkeit; bis zu diesem Zeitpunkt aber müsste er sich parallel auf verschiedene Prozessstandorte vorbereiten, wenn er sich gut gewappnet auf die Klage einlassen wollte. Der zu betreibende vorprozessuale Aufwand des Beklagten wäre somit erheblich größer als der des Klägers. Es entspricht daher zugleich grundlegenden Anforderungen der Zuständigkeitsgerechtigkeit, wenn der Vervielfältigung der Zuständigkeiten ein Riegel vorgeschoben wird.75 II. Keine Relativierung durch die Möglichkeit einer negativen Feststellungsklage Dagegen kann nicht eingewendet werden, dass auch der Beklagte aus seiner (potentiellen) Beklagtenrolle schlüpfen und – freilich vor Klageerhebung durch den Kläger – selbst durch Erhebung einer negativen Feststellungsklage76 an dem für ihn passenden Erfüllungsort die Zuständigkeit zu seinen Gunsten lenken könnte. Zunächst kann nämlich die negative Feststellungsklage nicht den Rang eines Leitbildes für sich beanspruchen; hierdurch würde die Regelvorstellung, dass derjenige, der den status quo zu seinen Gunsten verändern möchte, prozessual aktiv werden muss,77 ins Gegenteil verkehrt.78 Bedeutender ist aber, dass es aufgrund der prinzipiell gegebenen Möglichkeit, auch durch Erhebung der negativen Feststellungsklage die Zuständigkeit zu seinen Gunsten zu verändern, in derartigen Fällen des Bestehens mehrerer internationaler Erfüllungsgerichtsstände zu einem „Wettlauf zu den Gerichten“ kommen kann, da aufgrund der 74 75 76

Siehe oben, Kap. 1 A. I. Siehe auch Wais, GPR 2010, 256, 258. Zur Zulässigkeit derartiger Feststellungsklagen im Anwendungsbereich von Art. 5 Nr. 1 EuGVO vgl. Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 6 Rn. 48. 77 Vgl. auch oben, Kap. 3 A. I. 4. 78 Vgl. auch Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 600.

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Rechtshängigkeitsregel in Art. 27 EuGVO die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts die Zuständigkeit des später angerufenen ausschließt.79 Das Bestehen mehrfacher internationaler Zuständigkeiten erhöht somit sogar die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Prozess kommt, weil jede Partei zuerst Klage erheben muss, will sie ihren Vorteil wahren. Jedes Zögern einer Partei und jeder Versuch der außergerichtlichen Streitbeilegung kann ihr daher zum Nachteil gereichen.80 Das erscheint im Übrigen auch bedenklich im Hinblick auf die Förderung des Binnenmarktes als das erklärte Primärziel der EuGVO,81 denn eine solche kann durch die Erhöhung der Attraktivität frühzeitigen Prozessierens nicht erreicht werden, weil hierdurch der Weg einer oftmals ökonomisch sinnvolleren außergerichtlichen Streitbeilegung82 frühzeitig abgeschnitten wird.83

D. Begründung sach- und beweisnaher Zuständigkeiten D. Begründung sach- und beweisnaher Zuständigkeiten

Erwägungsgrund 12 der EuGVO erklärt, dass alternative, zum allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten hinzutretende Gerichtsstände zuzulassen sind, die sich durch eine enge Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit auszeichnen. Der Grund für die Existenz des Art. 5 Nr. 1 EuGVO liegt (auch) darin, dass – so die zugrundeliegende Prämisse – der Gerichtsstand des Erfüllungsortes eine solche enge Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit vermittelt.84 Das Bestehen einer engen Verbindung zwischen Rechtsstreit und zur Entscheidung berufenem Gericht soll Nähe zum Streitgegenstand und eine einfache Beweisaufnahme gewährleisten.85 All79 80

EuGH, Urteil v. 8.12.1987 – Rs. 144/86, Gubisch Maschinenfabrik, Rn. 14 ff. Zur Problematik der sog. „Torpedoklagen“ vgl. Sujecki, GRURInt 2012, 18; sowie Weller, LMK 2011, 318709. 81 Vgl. Erwägungsgrund 1 der EuGVO. 82 Rauscher, MünchKomm-ZPO, Einleitung Rn. 49; sowie allgemein Tochtermann, JuS 2005, 131. 83 Zwar führt auch die parallele Anwendbarkeit des Art. 2 Abs. 1 EuGVO und allgemein der besonderen Gerichtsstände des Art. 5 EuGVO dazu, dass dem Kläger in den jeweiligen Fällen mehr als nur ein Gerichtsstand zur Verfügung steht. Das hierdurch bedingte Wahlrecht ist jedoch bei weitem unbedenklicher als die soeben behandelten. Die Zuständigkeit nach Art. 2 EuGVO stellt nämlich für den Beklagten den zuständigkeitsrechtlichen Idealfall dar, streitet er doch vor heimischer Kulisse. Das macht die Wahl dieses Gerichtsstandes für den Kläger zugleich besonders unattraktiv. Für den Beklagten stellt daher das grundsätzliche Nebeneinander des allgemeinen und eines besonderen Gerichtsstands spiegelbildlich keinen erheblichen Nachteil dar. 84 EuGH, Urteil v. 3.5.2007 – Rs. C-386/05, Color Drack, Rn. 22; EuGH, Urteil v. 23.4.2009 – Rs. C-533/07, Falco, Rn. 24; EuGH, Urteil v. 9.7.2009 – Rs. C-204/08, Rehder, Rn. 32; EuGH, Urteil v. 25.2.2010 – Rs. C-381/08, Car Trim, Rn. 48. 85 EuGH, Urteil v. 19.2.2002 – Rs. C-256/00, Besix, Rn. 31.

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gemein wird deshalb anstelle von der „engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit“ auch von der „Sach- und Beweisnähe“ der Gerichte des Erfüllungsortes gesprochen.86 I. Unterscheidung zwischen territorialer und örtlicher Sach- und Beweisnähe Geht es um Sach- und Beweisnähe der Gerichte, so kann zwischen territorialer und örtlicher Sach- und Beweisnähe unterschieden werden. Territoriale Sach- und Beweisnähe ist immer dann gegeben, wenn sich die relevanten Beweismittel im Forumsstaat befinden, und zwar unabhängig von der Frage, wie groß die räumliche Entfernung zwischen diesen und den zuständigen Gerichten ist. Außerdem ist sie in tatsächlicher Hinsicht immer nur entweder gegeben oder nicht gegeben; graduelle Abstufungen sind nicht möglich. Beweismittel befinden sich nur entweder im Forumsstaat oder außerhalb des Forumsstaates. Ähnlich der internationalen Zuständigkeit ist die territoriale Sach- und Beweisnähe bei rein nationalen Streitigkeiten, bei denen beide Parteien ihren Wohnsitz in demselben Staat haben und der Rechtsstreit auch im Übrigen keine Verbindungen zu anderen Staaten aufweist, selten problematisch. Unter der örtlichen Sach- und Beweisnähe ist die tatsächliche räumliche Nähe der zuständigen Gerichte zu den relevanten Beweismitteln zu verstehen. Bei der örtlichen Sach- und Beweisnähe sind graduelle Abstufungen möglich. So mögen die Gerichte in Frankfurt beweisnäher als die Gerichte in Hamburg sein, wenn sich die relevanten Beweismittel in Heidelberg befinden. Noch beweisnäher wären jedoch die Gerichte in Mannheim oder Heidelberg. Die örtliche Sach- und Beweisnähe findet ihr zuständigkeitsrechtliches Äquivalent in der örtlichen Zuständigkeit insofern, als sie auch bei rein nationalen Streitigkeiten stets eine Rolle spielt. II. Bedeutung der territorialen Sach- und Beweisnähe 1. Beweisaufnahme als Hoheitsakt Zur Ermittlung des Sachverhalts ist regelmäßig eine Beweisaufnahme durchzuführen, wenn nicht die vorgetragenen Tatsachen unstreitig sind. Die Beweisaufnahme stellt einen hoheitlichen Akt dar und ist als solche grundsätzlich auf das eigene Hoheitsgebiet beschränkt.87 Im Ausland ohne Zustimmung durchgeführt, würde sie die Souveränität des betreffenden 86

Vgl. etwa Gsell, IPRax 2002, 484, 488; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 8; ebenso (wenn auch ablehnend) Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 5 Rn. 7. 87 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 2347; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 133.

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Staates verletzen.88 Das zuständige Gericht darf daher eine Ortsbesichtigung oder eine Zeugenbefragung im Ausland nicht ohne weiteres vornehmen,89 sondern ist grundsätzlich auf internationale Rechtshilfe angewiesen.90 2. Implikationen der Beweisaufnahme im Hinblick auf Personen im Ausland Geht es hingegen darum, eine im Ausland ansässige Person zu einer Aussage vor Gericht zu bewegen, so ist in mehrfacher Hinsicht zu differenzieren. Wird etwa von dem ersuchenden Gericht ohne Androhung von Zwangsmitteln lediglich angefragt, ob die Person bereit wäre, freiwillig vor Gericht zu erscheinen oder auch nur fernmündlich oder schriftlich Fragen zu beantworten, so ist diese Handlung zulässig.91 Das Gleiche gilt, sofern um die Vorlage einer im Ausland befindlichen Urkunde oder eines Augenscheinsobjektes nur gebeten wird.92 Allerdings sind die Erfolgsaussichten einer solchen Maßnahme durchaus kritisch zu bewerten, da der Erfolg allein von der freiwilligen Kooperation dieser Person abhängt.93 Im Inland kann hingegen das Gericht das Erscheinen einer Person oder eine sonstige zur Sachverhaltsaufklärung notwendige Handlung effektiv durch die Androhung von Zwang bewirken. Die Androhung von Zwang gegenüber im Ausland befindlichen Personen ist hingegen wohl nur in zwei Konstellationen zulässig: Dies ist zum einen der Fall, wenn es sich um Staatsangehörige des Forumstaates handelt, da diese kraft Personalhoheit der inländischen Gerichtsgewalt unterliegen.94 Zum anderen ist die Androhung von Zwang zulässig, wenn auf andere Weise ein völkerrechtlich ausreichender Kontakt hergestellt worden ist, der die Erstreckung der inländischen Gerichtspflicht auf die Person erlaubt. Ein solcher Kontakt ist im Hinblick auf die Parteien gegeben, wenn das Gericht international zuständig ist, er fehlt jedoch bei Dritten, d.h. bei Sachverständigen und Zeugen.95

88 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 437, 442; Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 3 Rn. 110. 89 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 709. 90 Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 3 Rn. 114. 91 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 430. 92 Rauscher/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 1 Rn. 28, 31. 93 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 430. 94 Gebauer/Wiedmann/Huber, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, EuBVO Art. 1 Rn. 38. 95 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 431.

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3. Rechtshilfeverfahren Die Beweisaufnahme kann, wie auch die hoheitliche Vorladung von ausländischen Sachverständigen und Zeugen, im Ausland daher grundsätzlich nur im Wege der Rechtshilfe erfolgen, d.h. dass das inländische Gericht den Staat, in dessen Hoheitsgebiet sich etwa Zeugen aufhalten oder für den Rechtsstreit relevante Gegenstände befinden, um die Durchführung der Beweisaufnahme bittet.96 Im Verhältnis zu Drittstaaten wird die Beweisaufnahme vor allem durch das HZPÜ und das HBÜ geregelt, 97 soweit diese den Übereinkommen beigetreten sind.98 Im Übrigen gilt der auf der comitas99 beruhende vertragslose Rechtshilfeverkehr. 100 Im Verhältnis der Mitgliedstaaten der EU ist die EuBVO zu beachten.101 4. Besonderheit der EuBVO Eine „revolutionäre Änderung“102 gegenüber dem anderweitigen Rechtshilfeverkehr bringt Art. 17 EuBVO: In Abweichung von den allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen kann unter den Voraussetzungen dieser Vorschrift das inländische Gericht im Ausland selbst eine Beweisaufnahme durchführen, etwa einen Zeugen befragen oder Beweisobjekte in Augenschein nehmen. Dieses Verfahren bietet den Vorteil, dass das zuständige Gericht selbst unmittelbar das Aufnahmeverfahren durchführen kann und so auch dessen bessere Fallkenntnis zur Geltung kommt.103 Außerdem erfolgen Beweisaufnahme und Beweiswürdigung nach demselben Verfahrensrecht.104 Nach Art. 17 Abs. 2 EuBVO ist es dem Gericht gleichwohl nicht gestattet, die Beweisaufnahme unter Ausübung hoheitlicher Gewalt durchzuführen. Vor allem aber kann das inländische Gericht auch nach Maßgabe der EuBVO im Ausland befindliche Dritte nicht unter der Androhung von Zwang selbst vorladen oder zur Übermittlung von Beweisgegenständen auffordern.105 Darüber hinaus bleibt es bei der Beweisaufnah96

Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 168; Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 3 Rn. 114. 97 Hierzu Böckstiegel/Schlafen, NJW 1978, 1073. 98 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 2353 f. 99 Zur comitas vgl. Ziegler, Völkerrecht und IPR, S. 43 ff.; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 75 ff. 100 Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 3 Rn. 111. 101 Einführend Berger, IPRax 2001, 522. 102 Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 3 Rn. 114. 103 Müller, Grenzüberschreitende Beweisaufnahme im Europäischen Justizraum, S. 120. 104 Rauscher/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 17 EG-BewVO Rn. 2. 105 Gebauer/Wiedmann/Huber, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, EuBVO Art. 1 Rn. 37 f.

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me durch das ersuchte Gericht nach Art. 10 EuBVO, in Anwesenheit der Beteiligten nach Art. 11 EuBVO und unter Beteiligung Beauftragter des ersuchenden Gerichts nach Art. 12 EuBVO. Gem. Art. 10 Abs. 1 EuBVO ist ein Ersuchen innerhalb von 90 Tagen zu erledigen; eine Sanktion für eine Überschreitung dieser Frist ist gleichwohl nicht vorgesehen.106 5. Keine Beseitigung sämtlicher Widrigkeiten der Beweisaufnahme im Ausland Auch wenn somit zwar durch die EuBVO die Vereinfachung sowie Beschleunigung der grenzüberschreitenden Beweisaufnahme innerhalb der Europäischen Union erreicht wird,107 sind dennoch die Auswirkungen fehlender territorialer Sach- und Beweisnähe der zuständigen Gerichte erheblich: Führt das zuständige Gericht die Beweisaufnahme nicht selbst durch, sondern leisten ausländische Gerichte Rechtshilfe, so ist die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme berührt.108 Zudem ist der Fortgang des Prozesses, soweit nicht von der Beweisaufnahme abgesehen wird (was ebenso bedenklich wäre), von der Kooperation des ausländischen Gerichts abhängig. Das gilt nicht nur im vertragslosen Rechtshilfeverkehr, sondern auch unter dem HBÜ und auch im Anwendungsbereich der EuBVO; auch dort wird die nicht unverzüglich erfolgende Erledigung des Rechtshilfeersuchens nicht sanktioniert. Die in Art. 10 Abs. 1 EuBVO statuierte 90-Tage-Frist wird nicht selten überschritten.109 Darüber hinaus ist jede Art von Rechtshilfe mit bürokratischen Formalitäten verbunden, deren Bewältigung zusätzlich Arbeit und Zeit in Anspruch nimmt und wiederum nicht allein in den Händen des ersuchenden, sondern auch in denen des ersuchten Gerichts liegt. Auf die Fehleranfälligkeit des Verfahrens des Rechthilfeersuchens wirkt sich dies negativ aus.110 Hinzu kommt als wesentlicher Faktor, dass Übersetzungen der Aussagen der ausländischen Zeugen erforderlich sind, da im Ausland ansässige Zeugen regelmäßig nicht die Sprache des ermittelnden Gerichts sprechen wer106 107

Rauscher/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 10 EG-BewVO Rn. 2. Bericht der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen vom 5.12.2007, KOM(2007) 769 endgültig, S. 7; Knöfel, EuZW 2008, 267. 108 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 8 Rn. 205. 109 Bericht der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen vom 5.12.2007, KOM(2007) 769 endgültig, S. 4. 110 Siehe Fn. 109.

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den. Gleiches gilt auch für die Mitteilungen des die Beweisaufnahme durchführenden ausländischen Gerichts, wenn nicht das zuständige Gericht nach Maßgabe von Art. 17 EuBVO selbst die Beweisaufnahme durchführt. Auch durch Übersetzungen wird die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme gemindert. Übersetzungsfehler werden nicht immer zu vermeiden sein. Im Übrigen entstehen hierdurch beträchtliche Kosten. Die Erforderlichkeit einer Beweisaufnahme im Ausland hat somit starke Auswirkungen auf deren Unmittelbarkeit, die Verfahrensdauer und den zu betreibenden Verfahrensaufwand.111 Sie treibt die Prozesskosten in die Höhe. Hierauf gründet die enorme Bedeutung der territorialen Sach- und Beweisnähe des zuständigen Gerichts. Ist sie gegeben, so sind Beweismittel greifbar und entfallen umständliche, zeitaufwendige und kostenträchtige Zeugenladungen im Ausland.112 III. Bedeutung der örtlichen Sach- und Beweisnähe Sind der Belegenheitsort eines Augenscheinsobjektes oder einer Urkunde, der Aufenthaltsort eines Zeugen, eines Sachverständigen oder einer Partei nicht mit dem Verfahrensort identisch, so muss, damit sich das Gericht selbst und unmittelbar einen Eindruck verschaffen oder eine Vernehmung durchführen kann, die räumliche Distanz zwischen diesen Orten überwunden werden. Je größer die Distanz, die überwunden werden muss, desto größer ist prinzipiell auch der Zeitaufwand. Ist jedoch territoriale Sachund Beweisnähe gegeben, lässt sich dieser erhöhte Zeitaufwand grundsätzlich auf die Parteien oder Dritte abwälzen, indem das Gericht etwa anordnet, dass Augenscheinsobjekte oder Urkunden vorgelegt werden, oder indem es Zeugen zur Vernehmung lädt. Da sich ein Gericht ohnehin nicht kontinuierlich und ausschließlich mit einem einzigen, sondern mit verschiedenen Rechtsstreitigkeiten beschäftigt und es zwischen den einzelnen Terminen große Zeitfenster gibt, wirkt es sich auf die Dauer des Prozesses kaum aus, wenn den Parteien oder Dritten entsprechende Pflichten auferlegt werden. Einzig eine Ortsbesichtigung hat unmittelbare Auswirkungen auf die Verfahrensdauer, weil der erhöhte Aufwand der Überwindung der räumlichen Distanz hier vom Gericht bewältigt werden muss und umso beträchtlicher ist, je weiter entfernt der zu besichtigende Ort liegt. Da dieser Ort freilich nicht zum Gericht gebracht werden kann, besteht schließlich nicht die Möglichkeit, den zeitlichen Mehraufwand auf andere abzuwälzen.

111 Zu den bis dato wenig effektiven Möglichkeiten der Zeugenvernehmung via Videokonferenz unter der EuBVO vgl. Hess, AnwBl 2011, 321, 324. 112 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 169.

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Das Gericht kann allerdings auch von einer Ortsbesichtigung absehen und auf ein Sachverständigengutachten zurückgreifen. Der Ortstermin dürfte darüber hinaus ohnehin die Ausnahme darstellen; in Deutschland etwa ist das in der Praxis am häufigsten gebrauchte Beweismittel der Zeugenbeweis.113 Darüber hinaus wird es in der Regel ebenso möglich sein, dass das zuständige Gericht eine Zeugenbefragung114 oder eine Ortsbesichtigung115 durch ein anderes, näheres Gericht durchführen lässt. Die Auswirkungen fehlender örtlicher Sach- und Beweisnähe sind gegenüber den Auswirkungen fehlender territorialer Sach- und Beweisnähe weniger einschneidend, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass das zuständige Gericht kraft Hoheitsgewalt den mit geringerer örtlicher Sachund Beweisnähe verbundenen Mehraufwand der Beweisaufnahme – um dessen Vermeidung es bei der örtlichen Sach- und Beweisnähe gerade geht – regelmäßig Dritten aufbürden kann. Es hat beispielsweise auf ein Verfahren vor Freiburger Gerichten geringere Auswirkungen, wenn ein wichtiger Zeuge sich 800 Kilometer entfernt in Kiel aufhält, als wenn dieser Zeuge französischer Staatsangehöriger ist und sein Aufenthaltsort 80 Kilometer entfernt in Straßburg liegt, weil nur im ersten Fall das zuständige Gericht ohne Weiteres das Erscheinen des Zeugen anordnen kann. Die eigentlichen Hürden der Beweisaufnahme im internationalen Prozess werden durch völkerrechtliche Schranken begründet. IV. Binnenmarktrelevanz der Sach- und Beweisnähe Unmittelbar bemerkbar machen sich die Vorteile eines sach- und beweisnahen Gerichtsstands erst dann, wenn es tatsächlich zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung gekommen ist. Dann ermöglicht die Zuständigkeit eines sach- und beweisnahen Gerichts eine raschere Beweisaufnahme. Wie bereits festgestellt, kommt es dabei weniger auf eine tatsächliche Nähe an, als auf eine Nähe im territorialen Sinne, d.h. die Verfügbarkeit der Beweismittel im Hoheitsgebiet des Gerichtsstaates.116 Sach- und Beweisnähe ermöglichen eine effizientere Prozessführung, was grundsätzlich geringere Prozesskosten und eine kürzere Verfahrensdauer zur Folge hat.117 Außerdem fördert die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme das mit der Beweisaufnahme verfolgte Ziel, den Richter von der Wahrheit tatsächlicher Behauptungen zu überzeugen, mithin der objektiven Wahrheit möglichst na113 114

Musielak, Grundkurs ZPO, Rn. 429. So etwa im deutschen Recht nach § 375 ZPO, im französischen Recht nach Art. 730 code de procédure civile. 115 Im deutschen Recht nach § 372 Abs. 2 ZPO. 116 Siehe oben, Kap. 3 D. II. 117 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 8 Rn. 201.

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hezukommen.118 Neben der allgemeinen Grundrechtsrelevanz einer überlangen Verfahrensdauer119 ist die Verfahrensdauer auch unter zwei Gesichtspunkten für das Binnenmarktziel bedeutend. 1. Verquickung von Verfahrensdauer und Verfahrenskosten Mit der Verfahrensdauer steigen auch die Verfahrenskosten. Die Aussicht, im Streitfall mit einem hohen Zeitaufwand und enormen Kosten konfrontiert zu sein, kann die Parteien schon im Vorfeld davon abbringen, sich auf grenzüberschreitende Geschäfte einzulassen. Können hingegen die Parteien im Streitfall mit einer schnellen Entscheidung rechnen, kann dies dazu beitragen, dass Bedenken gegen eine grenzüberschreitende wirtschaftliche Tätigkeit abgebaut werden und die Betätigung am Binnenmarkt zunimmt. 2. Verfahrensdauer und Bindung von Kapital Wenn es zum Prozess gekommen ist, gilt es zu beachten, dass der Zeitraum, in dem der Ausgang des Verfahrens unsicher ist, umso größer ist, je länger das Verfahren dauert. Solange Ungewissheit über die rechtliche Zuordnung von Gütern oder Leistungen herrscht und für die Parteien viel auf dem Spiel steht, werden diese mitunter verhaltener am Markt agieren und von anderen Geschäften Abstand nehmen, bis das Gericht klare Verhältnisse geschaffen hat. Je schneller Klarheit herrscht, desto früher können die Parteien wieder uneingeschränkt am Markt aktiv werden, weil Rücklagen für den Fall eines ungünstigen Verfahrensausgangs dann nicht mehr gehalten werden müssen, bzw. weil die Entscheidung des Gerichts Gewissheit über das von der Klage betroffene wirtschaftliche Potential der Parteien erzeugt. V. Gegenläufigkeit der Ziele der Vorhersehbarkeit und der tatsächlichen Sach- und Beweisnähe Die Förderung der Vorhersehbarkeit geht zu Lasten der Sach- und Beweisnähe, umgekehrt ist die Förderung der Sach- und Beweisnähe der Vorhersehbarkeit abträglich. Denn die Vorhersehbarkeit kann umso stärker gewährleistet werden, je abstrakter und pauschaler das Anknüpfungsmoment gewählt ist, wohingegen eine Zuständigkeitsregelung ein umso größeres Maß an Sach- und Beweisnähe liefert, je mehr das Anknüpfungsmoment die Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalles zulässt. Die Gewährleistung größtmöglicher Vorhersehbarkeit und größtmöglicher Sachund Beweisnähe in einer Vorschrift mit ein und demselben Anknüpfungs118 119

Prütting, MünchKomm-ZPO, § 284 Rn. 8. Vgl. hierzu ausführlich sowie mit weiteren Nachweisen Magnus, ZZP 2012, 75 ff.

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moment ist daher aufgrund der Gegenläufigkeit der Mittel, die zur Umsetzung dieser Zielsetzungen dienen, nicht möglich. Unter diesen Gegebenheiten muss die Regelung des Art. 5 Nr. 1 EuGVO, will sie beiden Anforderungen gerecht werden, diese miteinander in Einklang bringen. 1. Auflösung des Konflikts zwischen Sach- und Beweisnähe und Vorhersehbarkeit Das Mittel der Wahl ist dabei die formale Typisierung, bei der ein Anknüpfungsmoment so gewählt wird, dass es hinreichend starr ist, um noch vorhersehbar zu sein, und zugleich zu einem Zuständigkeitsergebnis führt, das ein ausreichendes Maß an Sach- und Beweisnähe gewährt.120 Damit ist aber zugleich auch klar, dass es sich bei der Anknüpfung an den Ort der Dienstleistungserbringung in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO insofern um einen Kompromiss zwischen beidem handelt. Es ist auch zu beachten, dass je nach Ausgestaltung der formaltypisierten Anknüpfung in verschiedenem Maße Vorhersehbarkeit oder Sach- und Beweisnähe erreicht werden kann. So hätte auch für den Fall, dass die Wirksamkeit des Vertrages streitig ist, an den Ort des Vertragsschlusses anzuknüpfen sein können und nur für den Fall, dass Gewährleistungsansprüche den Streitgegenstand bilden, an den Erfüllungsort. Durch eine solche differenziertere Anknüpfung hätte besser auf die Einzelheiten des konkreten Falles eingegangen werden können. Nach Maßgabe der getroffenen Feststellungen zur Vorhersehbarkeit121 muss hier jedoch zweierlei Berücksichtigung finden: Zum einen wird auf diese Weise ein weiteres Entscheidungskriterium geschaffen, nämlich die Frage, ob es sich bei dem Streitgegenstand um eine Frage der Vertragswirksamkeit oder um Gewährleistungsansprüche handelt, und so zur Komplexität der Gerichtsstandsregelung beigetragen. Zum anderen können die Parteien zum Zeitpunkt der Vertragsanbahnung nicht wissen, worum es bei einem zukünftigen Streit geht, sodass mit unterschiedlichen potentiellen Zuständigkeiten gerechnet werden müsste. Beide Aspekte wirken sich negativ auf die Vorhersehbarkeit aus. Die Zuständigkeit bei formaler Typisierung wird umgekehrt umso vorhersehbarer, je pauschaler und starrer die Anknüpfung erfolgt. Dann allerdings wird auch die Zahl der Fälle zunehmen, in denen die der Typisierung zugrundeliegende Wertung nicht zutrifft.

120 Vgl. Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 205, 432, 627; Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 1 Rn. 14. 121 Siehe oben, Kap. 3 B. I. 2 und 3.

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2. Abwägung dennoch erforderlich Letztlich muss also bei formaler Typisierung eine Abwägung zwischen Vorhersehbarkeit und Sach- und Beweisnähe vorgenommen werden. Wie schon aus dem ersten und zweiten Erwägungsgrund der EuGVO folgt, zielt die Verordnung darauf ab, das „reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes“ zu fördern. Hieraus folgt, dass sich die Bewertung der verschiedenen Zuständigkeitsaspekte im Zuständigkeitssystem der EuGVO insbesondere daran orientieren muss, welcher Stellenwert den einzelnen Faktoren für die Zwecke grenzüberschreitender wirtschaftlicher Betätigung beizumessen ist. Im Hinblick auf Art. 5 Nr. 1 EuGVO muss die Gewichtung deshalb zugunsten der Vorhersehbarkeit erfolgen.122 Wichtiger als das im Einzelfall im Hinblick auf die Sach- und Beweisnähe zutreffende Zuständigkeitsergebnis ist die durch die Bereitstellung vorhersehbarer Gerichtsstände zu erreichende Gewährleistung effektiver Rechtsschutzmöglichkeiten123 und unter dem Gesichtspunkt der primärrechtlichen Zielsetzung der EuGVO die Förderung des Binnenmarktes.124 Es nützt den Parteien wenig, sich darauf verlassen zu können, dass im Streitfall ein sach- und beweisnahes, für die Streitentscheidung besonders geeignetes Gericht zuständig sein wird, wenn sie nicht vorab feststellen können, welches dies sein wird und welche Kosten damit verbunden sein werden, oder schlimmstenfalls selbst zum Zeitpunkt der angestrebten Klageerhebung nicht genau wissen, wo ihr gesetzlicher Richter zu suchen ist. Zwar mag die Zuständigkeit eines sachund beweisnahen, besonders geeigneten Gerichts sich förderlich auf die Prozessdauer auswirken und, was den von der Prozessdauer abhängenden finanziellen Aufwand anbelangt, zu einer Verringerung der Prozesskosten führen.125 Auch mag die mit einer kürzeren Verfahrensdauer einhergehende Möglichkeit zur frühzeitigeren Freisetzung von Kapital und Eröffnung von Handelsspielräumen unter Binnenmarkt-Gesichtspunkten wünschenswert sein.126 Doch die Brisanz der Frage nach der internationalen Zuständigkeit kann durch die Aussicht auf die Zuständigkeit eines sach- und beweisnahen Gerichts nicht abgemildert werden. Denn an dem Befund, dass das „Auswärtsspiel“ für jede Partei einen beachtlichen Nachteil und das

122 Vgl. Markus, Tendenzen beim materiellrechtlichen Vertragserfüllungsort im internationalen Zivilverfahrensrecht, S. 219; Markus, AjP 2010, 971, 979; zu Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ vgl. EuGH, Urteil v. 29.6.1994 – Rs. C-288/92, Custom Made Commercial, Rn. 18 ff. 123 Hau, JZ 2008, 974, 978. 124 Siehe oben, Kap. 3. B. II. 2. 125 Siehe oben, Kap. 3 D. IV. 1. 126 Siehe oben, Kap. 3. D. IV. 2.

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„Heimspiel“ einen ebensolchen Vorteil darstellt, 127 ändert sich nichts. Diesen Befund kann auch die Sach- und Beweisnähe nicht relativieren. Es steht daher dem Normzweck der Sach- und Beweisnähe auch nicht entgegen, dass Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO im Einzelfall mitunter nicht imstande ist, die Zuständigkeit sach- und beweisnaher Gerichte herbeizuführen.128 Für die Parteien muss vorab erkennbar sein, wohin im Streitfall die Reise geht; hierauf kommt es in erster Linie an.129 VI. Keine Gewährleistung tatsächlicher Sach- und Beweisnähe durch Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO Die Anknüpfung an den Ort der Dienstleistungserbringung kann nicht gewährleisten und zielt nach Maßgabe des soeben Gesagten auch nicht darauf ab, dass im konkreten Fall die nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichte auch tatsächlich sach- und beweisnah sind. Wurden etwa am Sitz des Dienstleisters bestimmte Dienstleistungen an einer beweglichen Sache erbracht und ist diese Sache zum Zeitpunkt der Klageerhebung mittlerweile in einen anderen Staat verbracht worden, so ist offensichtlich, dass die Gerichte am Ort der Dienstleistungserbringung im Hinblick auf diese Sache weder auf territorialer noch auf örtlicher Ebene sach- und beweisnah sind.130 Ebenso wenig gewährleistet die Anknüpfung in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO Sach- und Beweisnähe im Hinblick auf solche Streitigkeiten, die die Wirksamkeit oder den Inhalt des Vertrages zum Gegenstand haben;131 Vertragsurkunden und andere in diesem Zusammenhang relevante Beweismittel werden sich in aller Regel am Sitz der Parteien befinden. Auch wenn es um die Frage geht, ob Gegenleistungspflichten erfüllt worden sind, ist nicht ersichtlich, dass der Ort der Dienstleistungserbringung eine besondere Sach- und Beweisnähe vermittelt. Dass im Einzelfall also die Prämisse der Sach- und Beweisnähe der Gerichte am Erfüllungsort nicht zutrifft, ist zugunsten des hehreren Zieles der Vorhersehbarkeit hinzunehmen.132

127 128

Siehe oben, Kap. 1 A. I. Anders Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 5 Rn. 8; Gsell, IPRax 2002, 484, 488. 129 Vgl. auch Markus, Tendenzen beim materiellrechtlichen Vertragserfüllungsort im internationalen Zivilverfahrensrecht, S. 192. 130 Vgl. auch Gsell, IPRax 2002, 484, 489. 131 Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 5 Rn. 8; Gsell, IPRax 2002, 484, 489; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 8. 132 Vgl. etwa auch BVerfG NJW 1986, 2817, 2820 (freilich betreffend das deutsche Recht): „[Es kann] dem Gesetzgeber nicht verwehrt sein, mit einer nicht sachwidrig typisierenden Regelung […] insgesamt einem als dringlich empfundenen Anliegen der Ge-

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Kapitel 3: Normzweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO

VII. Besondere Geeignetheit der Anknüpfung an den Ort der Dienstleistungserbringung Wenn nun zwar feststeht, dass die Anknüpfung an den Ort der Dienstleistungserbringung in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO keine Sachund Beweisnähe gewähren kann, wenn es um Streitigkeiten betreffend den Abschluss, den Inhalt oder die Wirksamkeit des Vertrages geht, ist aber zugleich zu berücksichtigen, dass in diesen Fällen selbst die grundsätzlich relevante territoriale Sach- und Beweisnähe der Gerichte keine so bedeutende Rolle spielt. 1. Begrenzte Relevanz in der Sphäre Dritter befindlicher Beweismittel in Fällen konzeptionell bedingt fehlender Sach- und Beweisnähe Soweit nämlich der Vertrag als solcher Streitgegenstand ist, werden sich die Beweismittel regelmäßig in Vertragsurkunden und weiteren Aufzeichnungen erschöpfen; es handelt sich um Beweismittel, die von den Parteien selbst unschwer vorgelegt werden können. Im Übrigen unterliegen auch die ausländischen Parteien der Hoheitsgewalt des zuständigen Gerichts,133 sodass auch die territorialen Grenzen des Forumsstaates nicht erheblich werden, soweit es um die Beweisaufnahme geht.134 Fehlende Sach- und Beweisnähe in Fällen, in denen Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO eine solche regelmäßig nicht zustande zu bringen vermag, ist daher eher zu verschmerzen. 2. Hervorgehobene Relevanz in der Sphäre Dritter befindlicher Beweismittel in Fällen konzeptionell bedingter Sach- und Beweisnähe Anders liegt es, wenn sich Streitigkeiten im Hinblick auf die Erbringung der Dienstleistungen ergeben. Durch die Leistungserbringung entfaltet das Vertragsverhältnis erstmals tatsächliche Wirkungen auf die Außenwelt; vor diesem Punkt ist nämlich das gesamte Vertragsverhältnis noch allein eine Vereinbarung zwischen den Parteien, die faktisch nicht wahrnehmbar ist. Mit der Leistungserbringung wird regelmäßig auch ein Kontakt zu Dritten hergestellt, die als Zeugen in Frage kommen können. Beweismittel können sich außerhalb der Einflusssphäre der Parteien befinden. Weil unter diesen Umständen die Parteien nicht ohne weiteres die erforderlichen Beweismittel vorlegen können, ist es hier bedeutend, dass das Gericht selbst kraft Hoheitsgewalt gegenüber Dritten deren Beibringung bewirken kann. Insofern überzeugt auch die typisierte Anknüpfung, die sich zur Verwirklirechtigkeit nachzukommen und dabei in untypischen Einzelfällen weniger erwünschte Folgen mit in Kauf zu nehmen.“ 133 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 431. 134 Siehe bereits oben, Kap. 3 D. II. 1.

D. Begründung sach- und beweisnaher Zuständigkeiten

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chung des Zieles der Sach- und Beweisnähe nicht auf vertragsschlussrelevante Orte bezieht,135 sondern den Ort der Dienstleistungserbringung zum Gegenstand hat.136 VIII. Abweichende Konzeption des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO Wenngleich nach Erwägungsgrund 12 der EuGVO allgemein die enge Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit eine Abweichung vom allgemeinen Beklagtengerichtsstand nach Art. 2 Abs. 1 EuGVO rechtfertigen kann, so gilt doch für Art. 5 Nr. 1 EuGVO, dass dort in lit. a und lit. b dieser „engen Verbindung“ ein jeweils unterschiedliches Verständnis zugrunde gelegt wird. Während es in Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO darum geht, die Zuständigkeit der Gerichte zu begründen, die in besonderem Maße sachund beweisnah sind, zielt nämlich Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO offensichtlich darauf ab, einen Gleichlauf zwischen der materiellrechtlicher Leistungspflicht und prozessualer Klagemöglichkeit herzustellen: Wo der Schuldner nach dem materiellen Recht leisten muss, soll er vor Gericht „Rede und Antwort stehen“.137 Für die Bestimmung des nach Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO zuständigen Gerichts ist nicht – wie allgemein in Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO – auf den Ort abzustellen, an dem die charakteristische138 Leistung erbracht worden ist oder hätte erbracht werden müssen, sondern auf den Ort, an dem die streitige Verpflichtung nach Maßgabe der nach dem Kollisionsrecht des Forumsstaates zu ermittelnden lex causae erfüllt werden muss;139 ein Gleichlauf wäre andernfalls nicht möglich.140 In Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO wird die enge Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit formaler verstanden als in Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO, dem ein faktisch geprägtes Verständnis dieser engen Verbindung im Sinne ausgeprägter Sach- und Beweisnähe zugrunde liegt.

135 136 137

Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 7. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 46. So ausdrücklich auch Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 5 Rn. 5; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 1. 138 EuGH, Urteil v. 25.2.2010 – Rs. C-381/08, Car Trim, Rn. 31. 139 EuGH, Urteil v. 23.4.2009 – Rs. C-533/07, Falco, Rn. 56; EuGH, Urteil v. 6.10.1976 – Rs. 12/76, Tessili, Rn. 13; EuGH, Urteil v. 6.10.1976 – Rs. 14/76, De Bloos, Rn. 13/14. 140 Insofern und im Hinblick auf die Vorhersehbarkeit zweifelhaft daher Schilf, IHR 2011, 181, 184, der zugunsten einer engeren Verbindung gleichsam in Sinne eines forum non conveniens ein Abweichen vom lege causae bestimmten Erfüllungsort befürwortet.

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Kapitel 3: Normzweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO

E. Rechtsnähe E. Rechtsnähe

Ebenso wie Sach- und Beweisnähe für die sachgerechte Prozessführung bedeutend ist, hat auch die Rechtsnähe der zuständigen Gerichte eine hervorgehobene Bedeutung. Wenn die Gerichte nach der lex fori entscheiden können, ist das ein nicht zu vernachlässigender Vorteil.141 I. Kein konzeptioneller Gleichlauf von ius und forum in EuGVO und Rom I-VO Grundsätzlich ist die Begründung der Zuständigkeit rechtsnaher Gerichte kein Ziel des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO, weil die Anknüpfung an den Erfüllungsort dies nicht zu gewährleisten vermag. Das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht bestimmt sich nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO grundsätzlich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt desjenigen, der die charakteristische Leistung des Vertrages erbringt,142 soweit keine Rechtswahl vorliegt. Ein Gleichlauf von ius und forum kann daher gegeben sein, wenn die Leistungserbringung am Sitz des charakteristisch Leistenden erfolgt; dies hängt jedoch von der Lage des konkreten Falls ab.143 II. Art. 12 Abs. 2 Rom I-VO Eine kollisionsrechtliche Anknüpfung an den Erfüllungsort ist indes in Art. 12 Abs. 2 Rom I-VO vorgesehen. Hiernach ist in Bezug auf die Modalitäten der Erfüllung und die vom Gläubiger im Falle mangelhafter Erfüllung zu ergreifenden Maßnahmen das Recht des Erfüllungsstaates zu berücksichtigen. Insofern könnte tatsächlich ein Gleichlauf von ius und forum angenommen werden. Allerdings knüpft Art. 12 Abs. 2 Rom I-VO allein an den tatsächlichen, nicht aber an den vertraglichen Erfüllungsort an.144 Das kann dazu führen, dass dennoch auch im Hinblick auf Art. 12 Abs. 2 Rom I-VO kein Gleichlauf von ius und forum gegeben ist. Wie noch zu zeigen sein wird, kann es nämlich für die Zuständigkeitsanknüpfung, wenn der tatsächliche und der vertragliche Ort der Dienstleistungserbringung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auseinanderfallen, nur auf den vertraglichen Erbringungsort ankommen.145 Außerdem regelt Art. 12 Abs. 2 Rom I-VO auch nicht vollumfänglich das 141 142 143

Siehe schon oben, Kap. 1 A. III. Pfeiffer, EuZW 2008, 622, 625. Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1. Art. 5 Rn. 9; Huber-Mumelter/Mumelter, JBl 2008 2008, 561, 567. 144 Staudinger/Magnus, BGB, Art. 12 Rom I-VO Rn. 82; Spellenberg, MünchKommBGB, Art. 12 Rom I-VO Rn. 175. 145 Siehe unten, Kap. 5 A. II. 2.

F. Zwischenergebnis

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anwendbare Recht, sondern nur einen „zu berücksichtigenden“ Teilbereich der Erfüllungsmodalitäten; es gilt im Übrigen weiterhin das Vertragsstatut.146 III. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO Einen weiteren Gleichlauf kann es auch im Hinblick auf bestimmte Eingriffsnormen geben, da nach Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO die Berücksichtigung der Eingriffsnormen des Staates, in dem die vertraglichen Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, vorgesehen ist. Problematisch ist insofern allerdings, dass hier dem Gericht ein eigener Entscheidungsspielraum eingeräumt wird, wenn es darum geht, diesen Eingriffsnormen Wirkung zu verleihen.147

F. Zwischenergebnis F. Zwischenergebnis

Primärer Normzweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO ist das Bereitstellen eines zusätzlichen Gerichtsstands, weil der Verweis allein auf die nach Art. 2 Abs. 1 EuGVO zuständigen Gerichte den Kläger in unangemessener Weise benachteiligen würde; ein allgemeiner favor defensoris ist nicht anzuerkennen, wenn Kläger und Beklagter sich freiwillig auf ein besonderes Näheverhältnis eingelassen haben, aus dem die Streitigkeiten herrühren.148 Darüber hinaus bezweckt Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO die Begründung vorhersehbarer Zuständigkeiten, und zwar schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses.149 Aus dem primären Regelungszweck, der sich als ein Erfordernis der Zuständigkeitsgerechtigkeit präsentiert, folgt sogleich, dass Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO nur die Herbeiführung einer zusätzlichen internationalen Zuständigkeit zum Ziel hat.150 Außerdem geht es der Regelung um die Begründung der Zuständigkeit sach- und beweisnaher Gerichte, wobei es in erster Linie auf die territoriale und nur sekundär auf die örtliche Sachund Beweisnähe ankommt.151 Die Bedeutung dieser Zielsetzungen wird durch das Allgemeinziel der EuGVO – Förderung des Binnenmarkts – verstärkt.152 Weil aber die Herbeiführung von Sach- und Beweisnähe zu Lasten der Vorhersehbarkeit geht und umgekehrt die Herbeiführung von Vorhersehbarkeit zu Lasten der Sach- und Beweisnähe, bedient sich die Vor146 147 148 149 150 151 152

Spellenberg, MünchKomm-BGB, Art. 12 Rom I-VO Rn. 175. Pfeiffer, EuZW 2008, 622, 628. Siehe oben, Kap. 3 A. II. Siehe oben, Kap. 3 B. II. Siehe oben, Kap. 3 C. I. Siehe oben, Kap. 3 D. II. und III. Siehe oben, Kap. 3 D. IV.

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Kapitel 3: Normzweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO

schrift einer formalen Typisierung. Da dem Normzweck der Vorhersehbarkeit eine gegenüber dem der Sach- und Beweisnähe höhere Bedeutung zukommt, muss dieser sich im Konfliktfall durchsetzen.153

153

Siehe oben, Kap. 3 D. V.

Kapitel 4

Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO A. „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ als systematischer Ausgangspunkt A. „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“

Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ist keine vollständig autonome Regelung, sondern stellt eine Erweiterung zu Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO dar, durch die die Methode der Bestimmung des Erfüllungsortes für die Verpflichtung zur Erbringung von Dienstleistungen spezifiziert wird. Die sachlichen Anwendungsvoraussetzungen des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO offenbaren sich daher nach der Systematik des Art. 5 Nr. 1 EuGVO erst dann, wenn man die Vorschrift im Zusammenhang mit Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO liest. Erforderlich ist somit jedenfalls, dass zunächst die Anwendungsvoraussetzungen des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO vorliegen, die sodann durch Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO noch konkretisiert werden. I. Übertragbarkeit der zu Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ergangenen Entscheidungen Die Rechtsprechung des EuGH betreffend einen autonomen Vertragsbegriff bezieht sich allein auf Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ und nicht auf Art. 5 Nr. 1 EuGVO. Da die EuGVO aus dem EuGVÜ hervorgegangen ist, stellt sich die grundsätzliche Frage, inwieweit die Rechtsprechung des EuGH betreffend die Vorschriften des EuGVÜ auf die EuGVO übertragen werden kann. Dabei gilt es zweierlei zu beachten: 1. Beachtung des Aktualisierungszwecks der EuGVO Zum einen dient die EuGVO der Aktualisierung des EuGVÜ.1 Sofern also Vorschriften des EuGVÜ von den sie ersetzenden Vorschriften der EuGVO abweichen, kann die Rechtsprechung des EuGH betreffend erstere nicht unbesehen auf letztere übertragen werden. Dies lässt sich beispielhaft an 1 Vgl. Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 4.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

der Rechtsprechung des EuGH zu den Vorschriften über die Zuständigkeit für Verbrauchersachen nach Art. 13 ff. EuGVÜ bzw. Art. 15 ff. EuGVO veranschaulichen. So hatte der EuGH in der Rs. Gabriel und in der Rs. Engler entschieden, dass ein Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer im Sinne des Art. 13 Abs. 1 EuGVÜ „gegenseitige, voneinander abhängende Pflichten zwischen den beiden Parteien“ voraussetzt.2 Diese Rechtsprechung übertrug der Gerichtshof nicht auf die Nachfolgevorschrift des Art. 15 Abs. 1 EuGVO; vielmehr entschied der EuGH in der Rs. Ilsinger, dass der Begriff des Verbrauchervertrages im Sinne des Art. 15 Abs. 1 EuGVO nicht mehr ausnahmslos synallagmatisch verknüpfte Verpflichtungen voraussetzt.3 Der Grund für die abweichende Entscheidung liegt im unterschiedlichen Wortlaut beider Vorschriften. Während nämlich Art. 13 Abs. 1 EuGVÜ dem Wortlaut nach neben Verträgen über den Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung sowie Kreditgeschäften zur Finanzierung eines solchen Kaufs lediglich Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen oder die Lieferung beweglicher Sachen erfasste, findet Art. 15 Nr. 1 EuGVO dem Wortlaut nach – sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind – auf Verträge im Allgemeinen Anwendung. 2. Beachtung des Ziels der Wahrung der Kontinuität Zum anderen bezweckt die EuGVO jedoch, wie schon aus ihrem 19. Erwägungsgrund folgt, auch die Beibehaltung von Struktur und Grundprinzipien sowie die Wahrung der Kontinuität des EuGVÜ.4 Sofern daher die Vorschriften der EuGVO mit den Vorgängervorschriften des EuGVÜ übereinstimmen oder beinahe identisch sind, gebietet es das Erfordernis der Kohärenz, für die einander entsprechenden Vorschriften beider Rechtsakte denselben Anwendungsbereich anzunehmen, sofern nicht zwingende Gründe für eine abweichende Auslegung sprechen.5 Schließlich verlangt der Grundsatz der Rechtssicherheit, der eine Grundlage beider Rechtsakte ist,6 dass eine herkömmliche Rechtsprechung des Gerichtshofs, die der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht ändern wollte, nicht in Frage gestellt wird.7

2 EuGH, Urteil v. 11.7.2002 – Rs. C-96/00, Gabriel, Rn. 49; EuGH, Urteil v. 20.1.2005 – Rs. C-27/02, Engler, Rn. 34. 3 EuGH, Urteil v. 14.5.2009 – Rs. C-180/06, Ilsinger, Rn. 51. 4 EuGH, Urteil v. 23.4.2009 – Rs. C-533/07, Falco, Rn. 50. 5 EuGH, Urteil v. 1.10.2002 – Rs. C-167/00, Henkel, Rn. 49; EuGH, Urteil v. 23.4.2009 – Rs. C-533/07, Falco, Rn. 51. 6 EuGH, Urteil v. 14.5.2009 – Rs. C-180/06, Ilsinger, Rn. 58. 7 EuGH, Urteil v. 23.4.2009 – Rs. C-533/07, Falco, Rn. 53.

A. „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“

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3. Diesbezügliche Wortlautidentität des Art. 5 Nr. 1 EuGVO Im Hinblick auf Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ und Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO ist festzustellen, dass beide Vorschriften, abgesehen von den Sonderregelungen für Arbeitsverträge in Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, über einen identischen Wortlaut verfügen. Zudem folgt aus den vorbereitenden Arbeiten zur EuGVO, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber lediglich für Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO eine von der bisherigen Handhabung abweichende Auslegung implementieren wollte, hingegen die für vertragliche Schuldverhältnisse geltende Regelung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ in Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO übernommen werden sollte.8 Soweit es daher um die Auslegung des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO geht, ist auf die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ zurückzugreifen. Daher ist davon auszugehen, dass der Vertragsbegriff des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, wie er durch den EuGH konkretisiert worden ist, jedenfalls für Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO gilt. Inwieweit er auch für Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO gilt, ist noch zu untersuchen.9 II. Konkretisierung des Anwendungsbereichs des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ durch den EuGH Die Vorschrift des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ findet Anwendung, wenn ein „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ den Gegenstand des Verfahrens bilden. In der französischen Fassung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ist von „matière contractuelle“, in der italienischen von „materia contrattuale“ die Rede. Die englische Fassung spricht von „matters relating to a contract“. Den zitierten Sprachfassungen würde „vertragliche Angelegenheiten“ am meisten entsprechen. Bei der Unterscheidung zwischen „Vertrag“ und „Ansprüchen aus einem Vertrag“ handelt es sich um eine sprachliche Eigenart der deutschen Fassung. Das zeigt auch ein Vergleich zur sprachverwandten niederländischen Fassung, die zwar genauso wenig von „vertraglichen Angelegenheiten“ spricht, aber jedenfalls einheitlich „verbintenissen uit overeenkomst“ voraussetzt. Dennoch verläuft die Konkretisierung des Anwendungsbereichs des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ in zwei Linien, die ebendieser Besonderheit der deutschen Fassung zu entsprechen scheinen.10 Denn zum einen hat der EuGH dem Begriff des Vertrages im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ Konturen gegeben und zum anderen konkretisiert, inwieweit Ansprüche, die im Zu8 Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 7, 15. 9 Vgl. sogleich Kap. 4 E. und f. 10 Zur Übertragbarkeit der zum EuGVÜ ergangenen Rspr. des EuGH auf die EuGVO unten, Kap. 4 A. I.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

sammenhang mit Verträgen stehen, in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen.11 1. Der Vertrag als freiwillig eingegangene Verpflichtung Wenn der EuGH nach grundsätzlich für die EuGVO zu beachtender12 autonomer Auslegung13 feststellt, dass Grundvoraussetzung für die Anwendung von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ist, „dass eine von einer Person gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene Verpflichtung bestimmt werden kann“,14 liegt genau hierin das vertragliche Element, was die Anwendung der Vorschrift nach ihrer Konzeption erlaubt. a. Kein Erfordernis eines spezifischen subjektiven Willens Überzeugen kann schließlich, dass es nur dem äußeren Anschein nach zu einer solchen Verpflichtung gekommen sein muss.15 Auf subjektiver Ebene liegt die Rechtfertigung der durch Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ermöglichten, vom Grundsatz actor sequitur forum rei abweichenden Erfüllungsortszuständigkeit in dem freiwilligen Näheverhältnis zwischen den Parteien.16 Ein solches freiwilliges Näheverhältnis wird durch die freiwillige Verpflichtung indiziert. Auf das Vorliegen eines solchen Näheverhältnisses hat das Vorliegen eines subjektiven Rechtsbindungswillens oder gar die materiell-

11 Die Ausgestaltung des Anwendungsbereichs des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ durch den EuGH vollzog sich im Wesentlichen in acht Entscheidungen (EuGH, Urteil v. 22.3.1983 – Rs. 34/82, Peters; EuGH, Urteil v. 8.3.1988 – Rs. 9/87, Arcado; EuGH, Urteil v. 10.3.1992 – Rs. C-214/89, Duffryn; EuGH, Urteil v. 17.6.1992 – Rs. C-26/91, Handte; EuGH, Urteil v. 27.10.1998 – Rs. C-51/97, Réunion européenne; EuGH, Urteil v. 17.9.2002 – Rs. C-334/00, Tacconi; EuGH, Urteil v. 5.2.2004 – Rs. C-265/02 Frahuil; EuGH, Urteil v. 20.1.2005 – Rs. C-27/02, Engler; eine ausführliche Darstellung findet sich bei Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, S. 84 ff. 12 Vgl. etwa Hess, IPRax 2006, 348, 351 ff.; kritisch Scholz, Das Problem der autonomen Auslegung des EuGVÜ, S. 47 ff. 13 Hiergegen Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 3a, sowie Schlosser, IPRax 1984, 65, der darauf hinweist, dass unter Umständen nach autonomer Auslegung ein Vertrag anzunehmen und gleichwohl über den Anspruch nach deliktischen Grundsätzen zu entscheiden sein könnte, wenn nämlich die lex causae die vertragliche Qualifikation nicht teilt. 14 EuGH, Urteil v. 20.1.2005 – Rs. C-27/02, Engler, Rn. 51. 15 EuGH, Urteil v. 20.1.2005 – Rs. C-27/02, Engler, Rn. 54. 16 Lehmann, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 17, 27; Stadler, FS Hans-Joachim Musielak, S. 569, 579; sowie oben, Kap. 3 A. II.

A. „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“

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rechtliche Wirksamkeit des hierdurch bezweckten Rechtsverhältnisses keinen Einfluss.17 b. Annahmeerfordernis Darüber hinaus konkretisiert der EuGH den Begriff des Vertrages durch die Statuierung des Annahmeerfordernisses.18 Zwar ändert die Annahme nichts an der Freiwilligkeit desjenigen, der sich verpflichtet.19 Der Grund für das Erfordernis, dass der Begünstigte die Verpflichtung auch angenommen haben muss, offenbart sich jedoch, wenn man berücksichtigt, dass der Gerichtsstand nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ sowohl der begünstigten als auch der sich verpflichtenden Partei zur Verfügung steht. Wäre die Annahme der Verpflichtung nicht erforderlich, könnte etwa ein Dienstleister seine Leistungen dem Begünstigten „rechtsgrundlos“ aufdrängen und dann ggf. vor seinen Heimatgerichten – unberechtigt – Zahlungsklage erheben, sodass der ungewollt Begünstigte sich vor anderen als den heimischen Gerichten verteidigen müsste, obwohl er sich niemals auf ein Näheverhältnis eingelassen hat, das den allgemein geltenden favor defensoris relativieren würde.20 Weil also der Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ beiden Vertragsparteien offen steht, setzt er auch ein freiwilliges Näheverhältnis auf beiden Seiten voraus.21 An die Annahme selbst stellt der EuGH allerdings keine hohen Anforderungen, sie kann insbesondere in der Geltendmachung der Forderung gesehen werden.22 Dass jedoch nicht bei jeder Klage auch von einer angenommenen Verpflichtung ausgegangen werden kann, folgt schon aus dem soeben genannten Beispiel.23 Es überzeugt zudem, dass der EuGH bei der Frage der Annahme eine ähnlich großzügige Betrachtungsweise an den Tag 17 Es muss insofern allein darauf ankommen, ob die Parteien durch ihr freiwilliges Verhalten eine ausreichende Grundlage für die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, dass es zwischen ihnen zu einem Streit kommen kann, geschaffen haben; vgl. oben, Kap. 3 A. II. 18 EuGH, Urteil v. 20.1.2005 – Rs. C-27/02, Engler, Rn. 55; vgl. etwa auch Dutta, IPRax 2009, 293, der eine Einigung zwischen den Parteien voraussetzt. 19 Kritisch deshalb Leible, NJW 2005, 796, 797; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 20a. 20 Siehe oben, Kap. 3 A. II. 21 Ob freilich dessen Vorliegen vom Kläger auch bewiesen werden muss, ist eine andere Frage und bei Geltung der Lehre der doppelrelevanten Tatsachen zu verneinen; jedenfalls wird aber ein schlüssiger Vortrag zu verlangen sein, vgl. auch Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 22; zu doppelrelevanten Tatsachen Mankowski, IPRax 2006, 454. 22 EuGH, Urteil v. 20.1.2005 – Rs. C-27/02, Engler, Rn. 56. 23 A.A. Bach, IHR 2010, 17, 21, wonach stets ohne weiteres von einem wirksamen Vertrag ausgegangen werden könne, sobald das Gericht über einen Anspruch zu entscheiden habe.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

legt wie bei der Frage, ob eine Verpflichtung seitens des Erklärenden vorliegt; auch hier können die Differenzierungen des materiellen Rechts keine Rolle spielen. Es kommt darauf an, ob die Parteien sich objektiv erkennbar auf ein Näheverhältnis eingelassen haben. c. Erstreckung auf organschaftliche Rechtsverhältnisse In der Rs. Peters und in der Rs. Duffryn hat der Gerichtshof zudem den Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ auch auf organschaftliche Rechtsverhältnisse erstreckt, was vor dem Hintergrund der autonomen Auslegung keine Bedenken hervorruft24; die Implikationen dieser Entscheidungen werden aber an anderer Stelle noch zu diskutieren sein.25 2. Ansprüche aus einem Vertrag Wenn nun feststeht, unter welchen Umständen ein Vertrag im Sinne der Vorschrift vorliegt, der die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ grundsätzlich ermöglicht, ist im Anschluss zu fragen, wann eine Streitigkeit eine hinreichende Nähe zu diesem Vertrag aufweist, d.h. eine vertragliche Angelegenheit darstellt, bzw. mit den Worten der deutschen Fassung, unter welchen Voraussetzungen ein streitiger Anspruch ein Anspruch aus einem Vertrag ist. a. Abgrenzung zum Gerichtsstand der unerlaubten Handlung Relevant wird diese Frage vor allem, wenn es um Ersatzansprüche und die Abgrenzung der Anwendungsbereiche des Erfüllungsgerichtsstands nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ und des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ geht.26 Der Begriff der unerlaubten Handlung ist ebenso wie der Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ autonom auszulegen.27 Um Ansprüche aus unerlaubter Handlung im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ handelt es sich nach dem EuGH bei Ansprüchen aus Schadenshaftung des Beklagten, die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art 5 Nr. 1 EuGVÜ anknüpfen,28 der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ergibt sich somit gerade erst aus dieser Abgrenzung.29 Eine Schadenshaf-

24 25 26 27

Haubold, IPRax 2000, 375, 377. Siehe unten, Kap. 4 f. Vgl. zum Ganzen Stadler, FS Hans-Joachim Musielak, S. 567 ff. EuGH, Urteil v. 17.9.2002 – Rs. C-334/00, Tacconi ./. Wagner, Slg. 2002, I-07357, Rn. 19. 28 EuGH, Urteil v. 27.9.1988 – Rs. 189/87, Kalfelis, Rn 17. 29 Zur Qualifikation der culpa in contrahendo vgl. Schmidt-Kessel, ZEuP 2004, 1019.

A. „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“

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tung liegt auch vor, wenn Ersatz eines Vermögensschadens begehrt wird,30 nicht jedoch, soweit es nur um die Umkehr unberechtigter Vermögensverschiebungen oder um die Beseitigung von Verfügungswirkungen geht.31 b. Verletzung von Rechtsvorschriften als Anspruchsvoraussetzung entscheidend? Als Ansprüche aus einem Vertrag sind Ansprüche jedenfalls dann zu qualifizieren, wenn sie entweder unmittelbar aus dem jeweiligen Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ folgen, oder ihren Grund in der Nichteinhaltung einer Vertragspflicht haben.32 In der Rs. Tacconi brachte der EuGH allerdings als Argument für die nichtvertragliche Qualifikation eines Anspruchs vor, dass sich der Anspruch aus der Verletzung von Rechtsvorschriften ergebe,33 wobei diese Feststellung freilich irreführend ist. Allein die Tatsache, dass Ansprüche aus der Verletzung einer gesetzlich festgeschriebenen Pflicht folgen, kann kaum der vertraglichen Qualifikation dieser Ansprüche im Wege stehen, weil andernfalls selbst kaufrechtliche Nacherfüllungs- oder Schadenersatzansprüche als nichtvertragliche Ansprüche qualifiziert werden müssten, da die Pflicht, deren Verletzung diese Ansprüche auf den Plan ruft, etwa im deutschen Recht in § 433 Abs. 1 BGB kodifiziert ist.34 Damit aber gesetzlich geregelte Ansprüche, die aus der Verletzung einer gesetzlich geregelten Pflicht hervorgehen, als vertragliche Ansprüche im Sinne des Art. 5 Nr. 1 (lit. a) EuGVO/LugÜ zu qualifizieren sind, muss neben einer freiwilligen Verpflichtung als Anknüpfungspunkt auch eine Lückenfüllfunktion des Gesetzesrechts anzunehmen sein.35 Dem Recht muss die Aufgabe zukommen, einen zu vermutenden hypothetischen Willen rational agierender Parteien umzusetzen und Lücken in der Verpflichtungsvereinbarung auszufüllen.36 Wenn hingegen das Recht allein außerhalb des freiwilligen Rechtsverhältnisses liegende Interessen bedient oder den Parteien Verpflichtungen auferlegt, die objektiv nicht dem Interesse zumindest einer Partei entsprechen, kann von der Umsetzung eines hypothetischen Parteiwillens keine Rede sein, weil nicht davon ausgegangen 30 Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. Rn. 90; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 86b. 31 EuGH, Urteil v. 27.9.1988 – Rs. 189/87, Kalfelis, Rn 14, 21; EuGH, Urteil v. 26.3.1992 – Rs. C-261/90, Reichert (II), Rn. 19. 32 EuGH, Urteil v. 8.3.1988 – Rs. 9/87, Arcado, Rn. 12, 13. 33 EuGH, Urteil v. 17.9.2002 – Rs. C-334/00, Tacconi, Rn. 25. 34 Vgl. Mankowski, IPRax 2003, 127, 131; Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, S. 89. 35 Mankowski, IPRax 2003, 127, 132. 36 Mankowski, IPRax 2003, 127, 132.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

werden kann, dass das Recht lediglich anordnet, was die Parteien vernünftigerweise ohnehin vereinbart hätten.37 Der Anspruch kann seine Grundlage dann nicht in dem zwischen den Parteien bestehenden „konsensualen Band“38 haben. c. Parallele zum Kollisionsrecht Geht man von einem allgemeinen Vertragsbegriff des Europäischen Privatrechts aus,39 kann man, soweit man nunmehr die Problematik vom EUGVÜ auf die EuGVO überträgt, freilich auch eine Parallele zur Rom I-VO ziehen. Diese Verordnung gilt nach ihrem Art. 1 Abs. 1 für vertragliche Schuldverhältnisse. Aus Art. 12 Abs. 1 lit. b und lit. e Rom I-VO folgt, dass das durch die Verordnung zur Anwendung berufene Recht auch für die Folgen der Nichterfüllung sowie für die Folgen der Nichtigkeit des Vertrages gilt. Daraus kann geschlussfolgert werden, dass in diesem Sinne auch Sekundär- und Rückabwicklungsansprüche vertragliche Ansprüche sind.40 III. Streitiger Vertragsschluss 1. Vertragsschluss als Voraussetzung Konzeptionell setzt Art. 5 Nr. 1 EuGVO voraus, dass immer dann, „wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden“, zwischen den Parteien ein Vertrag im Sinne der Vorschrift geschlossen worden ist. Auf einen Vertrag im Sinne der lex causae kommt es freilich nicht an.41 Wie der EuGH festgestellt hat, muss das Verhalten des Verpflichtenden vernünftigerweise darauf schließen lassen, dass er sich verpflichten wolle.42 Es kommt auf die objektiven, das Näheverhältnis faktisch begründenden Umstände an; ein innerer Rechtsbindungswille ist hingegen nicht erforderlich.43 Auch an die Annahme durch den Begünstigten sind keine hohen Anforderungen zu stellen.44 Liegen diese Voraussetzungen vor, kann auf ein freiwilliges Näheverhältnis von ausreichender Intensität zwischen den Parteien geschlossen werden, dessen Vorliegen dazu führt, dass der allgemeine, in Art. 2 Abs. 1 EuGVO zum Ausdruck kom37 38 39

Wais, IPRax 2011, 138, 141. Mankowski, IPRax 2003, 127, 132. Vgl. hierzu Lehmann, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 17, 24 ff. 40 Vgl. im Hinblick auf Art. 10 EVÜ bereits EuGH, Urteil v. 8.3.1988 – Rs. 9/87, Arcado, Rn. 15. 41 Kritisch etwa Schlosser, IPRax 1984, 65. 42 EuGH, Urteil v. 20.1.2005 – Rs. C-27/02, Engler, Rn. 54. 43 Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 27. 44 Siehe oben Kap. 3 A. III.

A. „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“

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mende favor defensoris des Europäischen Zuständigkeitsrechts insofern unberechtigt ist.45 2. Maßgeblichkeit des Klägervortrags Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes steht dem Kläger allerdings auch dann zur Verfügung, wenn zwischen den Parteien das Zustandekommen des Vertrages, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, streitig ist.46 Wenn eine der Parteien nur das Nichtbestehen des Vertrages zu behaupten bräuchte, um die in dieser Vorschrift enthaltene Regelung auszuschalten, so würde die Vorschrift rechtlich bedeutungslos werden; die Regelung des Art. 5 Nr. 1 EuGVO könnte nicht ihre volle Wirksamkeit entfalten.47 Ausschlaggebend ist also, ob auf der Grundlage des Klägervortrags auf einen Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVO geschlossen werden kann.48 3. Eingeschränkte Verfügbarkeit für negative Feststellungsklagen? Unproblematisch sind solche Klagen, mit denen der Kläger die Feststellung begehrt, dass ein vertragliches Rechtsverhältnis nicht mehr besteht, weil dann der Klägervortrag dennoch impliziert, dass ein Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVO geschlossen worden ist und mithin die Umstände vorliegen, die ein Abweichen von Art. 2 Abs. 1 EuGVO erfordern und rechtfertigen.49 Auf den ersten Blick problematisch sind hingegen solche Klagen, die auf die Feststellung abzielen, dass ein Vertrag zu keinem Zeitpunkt bestanden hat, weil dann selbst der Klägervortrag impliziert, dass nicht einmal die einen Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVO begründenden Umstände vorgelegen haben; es also zu keinem Zeitpunkt ein den allgemeinen favor defensoris des Zuständigkeitsrechts relativierendes Näheverhältnis gegeben hat. Indes ist auch hier die Anwendung der Vorschrift unbedenklich, weil der Beklagte, der nicht sofort anerkennt, zu erkennen gibt, dass er davon ausgeht, dass ein Vertrag bestanden hat. Dann ist es gerechtfertigt, wenn er auch mit der aus dem behaupteten Vertrag folgenden prozessualen Konsequenz leben muss, d.h. mit der Möglichkeit, auch vor anderen als den nach Art. 2 Abs. 1 EuGVO zuständigen Gerichten verklagt zu werden. 45 46

Siehe oben Kap. 3 A. II. EuGH, Urteil v. 4.3.1982 – Rs. 38/81, Effer, Rn. 8; so auch die ständige Rspr. deutscher Gerichte, vgl. etwa BGH NJW 1994, 1413; NJW 1996, 1411, 1412; OLG München NJW-RR 1997, 229. 47 EuGH, Urteil v. 4.3.1982 – Rs. 38/81, Effer, Rn. 7. 48 Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 22a. 49 Zur negativen Feststellungsklage im Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 EuGVO vgl. bereits oben, Kap. 3 C. II.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

B. Notwendige Stellung der Dienstleistung innerhalb des Vertrages B. Notwendige Stellung der Dienstleistung innerhalb des Vertrages

I. Dienstleistung als charakteristische Leistung des Vertrages Da Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nur anordnet, dass „der Erfüllungsort der Verpflichtung – für die Erbringung von Dienstleistungen“ der Ort der Dienstleistungserbringung ist, könnte die Anwendung der Regelung zunächst auch dann in Betracht kommen, wenn die Dienstleistung nur von untergeordneter Bedeutung für den konkreten Vertrag ist. Einen solchen grammatikalischen Auslegungsspielraum lassen auch andere Sprachfassungen des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO, so beispielsweise die englische Fassung50, die italienische Fassung51 und auch die französische Fassung52. Würde hingegen Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO den Begriff „Dienstleistungsverträge“ (wortgetreu: contracts for services, contratti di prestazione di servizi, contrats de services53) verwenden, wäre schon nach dem Wortlaut eindeutig, dass die Regelung nur dann Anwendung findet, wenn es sich bei der Dienstleistung um die charakteristische Leistung des Vertrages handelt, denn die charakteristische Leistung gibt regelmäßig dem Vertrag seinen Namen.54 Es handelt sich insofern auch nicht um eine sprachliche Eigenart der deutschen Fassung.55 Da auch der Begriff des „Dienstleistungsvertrages“ dem Verordnungsgeber keinesfalls fremd ist,56 ließe sich durchaus eine gesetzgeberische Intention hinter dem Verzicht auf den Begriff „Dienstleistungsvertrag“ vermuten, die auf eine möglichst weite Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO abzielen könnte. Hiergegen sprechen freilich die Erläuterungen im Verordnungsentwurf: Die von lit. a abweichende Methode der Erfüllungsortsbestimmung in lit. b soll „für zwei Arten von vertraglichen Schuldverhältnissen“ gelten.57 Dass sich verschiedene vertragli50 “The place of performance of the obligation in question shall be in the case of the provision of service“. 51 “Il luogo di esecuzione dell'obbligazione dedotta in giudizio è nel caso della prestazione di servizi“. 52 “Le lieu d'exécution de l'obligation qui sert de base à la demande est pour la fourniture de services“. 53 Es handelt sich hierbei um die von den verschiedenen Sprachfassungen in Erwägungsgrund 17 der Rom I-VO verwendeten Begriff der „Dienstleistungsverträge“. 54 von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 10 Rn. 45. 55 Anders als beim Merkmal „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“, siehe oben, Kap. 4 A. 56 Vgl. etwa Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO. 57 Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 15.

B. Notwendige Stellung der Dienstleistung innerhalb des Vertrages

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che Schuldverhältnisse durch ihre charakteristische Leistung unterscheiden, liegt schon in der Natur des „Charakteristischen“. Es ist somit für die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO erforderlich, dass es sich bei der Erbringung von Dienstleistungen um die charakteristische Leistung des Vertrages handelt.58 Wollte man Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auf jede Dienstleistung anwenden, unabhängig von ihrer Bedeutung für den Vertrag, so müsste die Zuständigkeit entweder ausschließlich nach Maßgabe von lit. b 2. Spiegelstrich bestimmt oder aber auf Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO zurückgegriffen werden, wenn die Hauptverpflichtung (die nicht Dienstleistungsverpflichtung ist) grundsätzlich in dessen Anwendungsbereich fällt. Die erste Option widerspräche dem Ziel der Sach- und Beweisnähe, mit dem Ziel des Einheitsgerichtsstands59 geriete die zweite in Konflikt. Außerdem gilt der Grundsatz, dass Nebensächliches der Hauptsache folgt60, auch für Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO.61 Wenn die Dienstleistung nur eine unbedeutende Nebenleistung ausmacht und der Vertrag insgesamt der Regelung des Art. 5 Nr. 1 lit. a oder ggf. lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO unterfällt, muss daher die Dienstleistung folgen. II. Vermutung der Charakterisierung des Vertrages durch Dienstleistung? Nach der Rechtsprechung. des OLG München soll es – jedenfalls bei einem nach deutschem Recht als Werkvertrag einzuordnenden Bauvertrag – für eine Qualifikation als Dienstleistungsvertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO gleichwohl ausreichen, dass überhaupt Dienstleistungen erbracht werden.62 Auf eine Gewichtung des Dienstleistungsanteils und der anderen Leistungsanteile komme es nicht an, weil andernfalls fast regelmäßig ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müsste.63 Diese Notwendigkeit ist nach Ansicht des Gerichts in Streitfällen aus Bauverträgen nicht vereinbar mit Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO, da die Gerichtszuständigkeit vorhersehbar und ohne Aufwand, insbesondere ohne Sachverständigengutachten zu klären sein können müsse; dies folge aus dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes und aus verfahrensökonomischen Überlegungen. 64

58 Implizit auch EuGH, Urteil v. 23.4.2009 – Rs. C-533/07, Falco, Rn. 54; EuGH, Urteil v. 25.2.2010 – Rs. C-381/08, Car Trim, Rn. 31. 59 Mankowski, IPRax 2007, 404, 406. 60 EuGH, Urteil v. 15.1.1987 – Rs. 266/85, Shenavai, Rn. 19. 61 Franzina, La Giurisdizione in Materia Contrattuale, S. 401. 62 OLG München, 9 U 5019/10, BeckRS 2011, 14844. 63 OLG München, 9 U 5019/10, BeckRS 2011, 14844. 64 OLG München, 9 U 5019/10, BeckRS 2011, 14844.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

1. Erforderlichkeit im Übrigen irrelevanter Untersuchungen Dieser Auffassung ist zunächst zuzugeben, dass es misslich ist, wenn die Entscheidung über die Zuständigkeit das Einholen eines Sachverständigengutachtens erforderlich macht, zumal selbiges für die Begründetheit der Klage (wenn überhaupt) in den allerseltensten Fällen von Bedeutung sein wird.65 Zwar mag man zunächst auch daran denken, dass die Bestimmung der charakteristischen Leistung regelmäßig auch bei der Frage des anwendbaren Rechts eine Rolle spielt und daher ein derartiges Gutachten früher oder später ohnehin erforderlich sein könnte. Doch kommt es im Kollisionsrecht nur darauf an, wer die charakteristische Leistung erbringt, weil der gewöhnliche Aufenthaltsort des Erbringers dieser Leistung das anwendbare Recht bestimmt, und nicht darauf, welche von mehreren Leistungen, die von derselben Person erbracht werden, sich als die konkret charakteristische erweist. Beim Bauvertrag ist aber eindeutig, dass unabhängig von der Frage der konkreten charakteristischen Leistung diese jedenfalls vom Bauunternehmer und nicht vom Besteller erbracht werden, sodass insofern regelmäßig kein Gutachten erforderlich ist. 2. Entgegenstehen systematischer und teleologischer Erwägungen Dennoch kann ein solches Verständnis, wonach schon das bloße Vorliegen einer Dienstleistung für die Annahme eines Dienstleistungsvertrages ausreichen soll, nicht überzeugen, würde es doch implizieren, dass die Regelung über Kaufverträge in Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO und die Regelung über Dienstleistungsverträge in lit. b 2. Spiegelstrich nicht gleichberechtigt nebeneinanderstünden, sondern letztgenannte vorrangig anzuwenden wäre. Indes nehmen Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich und lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO „denselben Platz in dem mit dieser Verordnung errichteten System ein“.66 Für Bauverträge, die sich durch die Vielgestaltigkeit ihres Pflichtenprogramms auszeichnen,67 kann daher nicht pauschal gelten, dass hier stets die Dienstleistung die charakteristische Leistung darstellt, auch wenn tatsächlich die Lieferung im Mittelpunkt steht und daher der Vertrag dem Kaufvertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO viel nähersteht. Bedenklich wäre eine solche pauschale Vermutung schließlich auch im Hinblick auf die Sach- und Beweisnähe der zuständigen Gerichte, wenn der Lieferort und der Ort der Dienstleistungserbringung auseinanderfallen und die Lieferung im eigentlichen Mittelpunkt des Vertrages steht.68 Dienstleistungselemente finden sich 65 66 67 68

Vgl. auch die Kritik von Lehmann/Duczek, IPRax 2011, 41, 46. EuGH, Urteil v. 9.7.2009 – Rs. C-204/08, Rehder, Rn. 36. OLG München, 9 U 5019/10, BeckRS 2011, 14844. Dazu unten, Kap. 5 B. II. 1. a.

B. Notwendige Stellung der Dienstleistung innerhalb des Vertrages

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schließlich in einer Vielzahl von Verträgen, die – unter zutreffender Bestimmung der charakteristischen Leistung – entweder Art. 5 Nr. 1 lit. a oder lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO zuzuordnen wären. So kann etwa beim Kauf eines Elektronikgerätes eine kostenlose telefonische Beratung mit inbegriffen sein oder beim Erwerb einer Lizenz zur Herstellung eines bestimmten Produktes der Lizenzgeber verpflichtet sein, den Lizenznehmer in den genauen Ablauf der Herstellung einzuweisen. Würde in allen diesen Fällen das Dienstleistungselement den Ausschlag geben, würde zudem der Anwendungsbereich dieser Regelungen erheblich eingeschränkt. Die Differenzierung zwischen Kauf-, Dienstleistungs- und allgemeinen Verträgen in Art. 5 Nr. 1 EuGVO belegt, dass die Vertragscharakterisierung ein tragendes Element dieser Regelung ist. III. Werklieferungsverträge Ebendiese Frage nach der charakteristischen Leistung des Vertrages stellt sich auch, soweit es um die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auf Verträge geht, deren Gegenstand die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware ist. Das ist insofern problematisch, als die Herstellung oder die Erzeugung als Tätigkeit ohne weiteres eine Dienstleistung im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO69 darstellen und die Lieferung als Erfüllungsleistung eines Vertrags über den Verkauf beweglicher Sachen, d.h. als „Lieferung beweglicher Sachen“ im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO, gelten kann. Nach Maßgabe der obigen Feststellung ist klar, dass die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO voraussetzt, dass es sich bei der Dienstleistung um die charakteristische Leistung des Vertrages handelt; umgekehrt gilt für die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO, dass hier die Lieferung im Rahmen des Verkaufs dem Vertrag sein charakteristisches Gepräge verleihen muss.70 Das ergibt sich auch, wenn man im Sinne der rechtsaktübergreifenden einheitlichen Auslegung71 eine Parallele zu anderen europäischen Rechtsakten und solchen des internationalen Einheitsrechts zieht. So statuiert Art. 1 Abs. 4 Verbrauchsgüterkauf-RL72, dass als Kaufverträge im Sinne dieser Richtlinie auch Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu 69 70

Zum Begriff der Dienstleistungen sogleich, Kap. 4 C. So auch Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 46c; Metzger, IPRax 2010, 420, 422. 71 Siehe hierzu unten, Kap. 4 C. IV. 1. 72 Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

erzeugender Verbrauchsgüter gelten. Darüber hinaus umfasst – wie der EuGH in diesem Zusammenhang selbst festgestellt hat73 – der Begriff „öffentliche Lieferaufträge“ in Art. 1 Abs. 2 lit. c Auftragsvergabe-RL74 auch das Bereitstellen von Waren, die individuell nach den Bedürfnissen des jeweiligen Kunden hergestellt und angepasst werden.75 Schließlich ist Art. 3 Abs. 1 CISG als Bestandteil internationalen Einheitsrechts zu beachten.76 Hiernach stehen Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware Kaufverträgen gleich. Das gilt dann nicht, wenn der Besteller einen wesentlichen Teil der für diese Herstellung oder Erzeugung notwendigen Stoffe selbst zur Verfügung stellen muss. Es kommt somit darauf an, ob der durch die Dienstleistung, d.h. durch Herstellung oder Erzeugung herbeigeführte Mehrwert zu einer Wertsteigerung einer Sache führt, die jedenfalls vor Durchführung dieser Tätigkeiten im Eigentum des Bestellers stand77, oder ob sich die Wertsteigerung gänzlich ohne Bezug zur Sphäre des Bestellers vollzieht und erst mit der Übergabe der hergestellten oder erzeugten Sache zum Vermögen des Bestellers beisteuert. Ist ersteres der Fall, so steht die Dienstleistung im Vordergrund. Bei letzterem ist die Lieferung die vertragscharakteristische Leistung. Das ändert sich selbst dann nicht, wenn der Besteller bestimmte Vorgaben betreffend die Erzeugung oder Herstellung macht.78

C. Gegenstand der Dienstleistung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO C. Gegenstand der Dienstleistung

I. Differenzierung zwischen Gegenstand der Verpflichtung und Art des Verpflichtungsverhältnisses Die im AEUV verwendete Terminologie der Dienstleistung als „entgeltliche Leistung“ mag dem Primärrecht zweckdienlich sein, weil hier „nur“ allgemeine rechtliche Rahmenbedingungen festgelegt werden. Im europäischen Zuständigkeits- und Kollisionsrecht erscheint diese Terminologie 73 74

EuGH, Urteil v. 25.2.2010 – Rs. C-381/08, Car Trim, Rn. 39. Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge. 75 EuGH, Urteil v. 11.6.2009 – Rs. C-300/07, Oymanns, Rn. 66. 76 EuGH, Urteil v. 25.2.2010 – Rs. C-381/08, Car Trim, Rn. 37. 77 Zu beachten ist, dass etwa nach Maßgabe des deutschen Rechts der Verarbeitende an der dergestalt entstandenen Sache gem. § 950 Abs. 1 BGB Eigentum erwerben kann; zu daraus folgenden Problemen bei Werklieferungsverträgen nach § 651 BGB Röthel, NJW 2005, 625. 78 EuGH, Urteil v. 25.2.2010 – Rs. C-381/08, Car Trim, Rn. 43.

C. Gegenstand der Dienstleistung

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wenig geeignet. Weil nämlich Entgeltlichkeit Zweiseitigkeit impliziert, werden durch die Formulierung „entgeltliche Leistung“ Verpflichtungsgegenstand und Pflichtenverhältnis vermengt. Da aber EuGVO und Rom IVO sowohl den Begriff der Leistung als auch den des Vertrages kennen, ist es sinnvoll, zwischen dem Vertrag als Pflichtenverhältnis und der Dienstleistung als Verpflichtungsgegenstand zu trennen. Es geht daher bei den Untersuchungen zum sachlichen Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO im Grunde um zwei unterschiedliche Fragestellungen, nämlich zum einen um die Frage nach dem Gegenstand einer Dienstleistung im Sinne dieser Vorschrift, und zum anderen um die Frage nach der Ausgestaltung des Pflichtenverhältnisses, im Rahmen dessen die Dienstleistung zu erbringen ist, d.h. ob dieses auch einseitig sein kann oder ob stets synallagmatisch verknüpfte zweiseitige Verpflichtungen erforderlich sind. II. Auslegung innerhalb des Regelungssystems der EuGVO Der Begriff der Dienstleistungen findet in vielen Rechtsakten des Unionsrechts Verwendung, so insbesondere in den Art. 56 und 57 AEUV, in der Rom I-VO, aber auch in verschiedenen Richtlinien79. Bevor allerdings der Frage nachgegangen wird, wie sich dieser Umstand auf den Dienstleistungsbegriff des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auswirkt, ist zunächst zu ermitteln, welcher Inhalt ihm beizumessen ist, soweit allein klassische Auslegungskriterien im Regelungssystem der EuGVO berücksichtigt werden. 1. Der Wortlaut als unsichere Stütze Insbesondere im Bereich der autonomen Auslegung erscheint die Auslegung nach dem Wortlaut, soweit es nur um die Bedeutung eines einzelnen Begriffes und nicht eines Satzes oder eines Satzteils geht, wenig ergiebig und für sich genommen wenig überzeugend. Anders als bei der grammatikalischen Auslegung eines Satzes oder eines Satzteils, bei denen die Syntax objektive Schlussfolgerungen zulässt und allgemein die grammatikalischen Regeln einer Sprache eine Rolle spielen, ist die Auslegung eines einzelnen Begriffs allein nach seinem Wortlaut viel stärker von dem subjektiven Dafürhalten des Verwenders geprägt. Dieses grundsätzliche Man79 Vgl. statt vieler RL 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt; RL 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz; RL 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem bezüglich der Geltungsdauer der Mehrwertsteuerregelung für Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie bestimmte elektronisch erbrachte Dienstleistungen.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

ko der Wortlautauslegung einzelner Begriffe besteht umso mehr, wenn es zahlreiche verschiedene Sprachfassungen zu berücksichtigen gilt. So kann auch der EuGH in der Entscheidung in der Rs. Falco behaupten, dass der Begriff der Dienstleistung im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO schon nach seiner natürlichen Wortbedeutung voraussetzt, „dass die Partei, die sie erbringt, eine bestimmte Tätigkeit gegen Entgelt durchführt“ und dass etwa das Einräumen eines Rechts keine derartige Tätigkeit darstellt.80 Warum aber dieses Einräumen eines Rechts keine derartige Tätigkeit darstellen soll, ist kaum allein anhand des Wortlauts begründbar, kann es doch nach seiner Wortbedeutung sehr wohl als eine Tätigkeit, nämlich als „Einräumtätigkeit“, verstanden werden, weil es einen aktiven Prozess beschreibt. Die Untiefen der grammatikalischen Auslegung zeigen sich auch in den Ausführungen der Generalanwältin Trstenjak in den Schlussanträgen zu dieser Entscheidung. Dort führte die Generalanwältin aus, dass die „gewöhnliche Bedeutung“ des Begriffs der Dienstleistung verlange, dass derjenige, der die Dienstleistung erbringt, eine bestimmte Tätigkeit ausführt.81 Bei einem Lizenzvertrag erlaube indes der Lizenzgeber dem Lizenznehmer lediglich die Nutzung des Immaterialgüterrechts, das Gegenstand der Lizenz ist; als Aktivität werde vom Lizenzgeber nur verlangt, „dass er den Lizenzvertrag unterzeichnet und den Gegenstand der Lizenz tatsächlich zur Nutzung überlässt“, was nach Ansicht der Generalanwältin „nicht als Dienstleistung bezeichnet werden [könne].“82 Die Generalanwältin kann hier nicht ganz überzeugend erklären, weshalb es sich bei dem von ihr selbst als „Aktivität“ bezeichneten Überlassen nicht um eine Tätigkeit handelt, die der Begriff der Dienstleistungen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO voraussetzt. Die Feststellung, das Überlassen könne eben „nicht als Dienstleistung bezeichnet werden“, erscheint zirkelschlüssig. Hieran lässt sich verdeutlichen, dass der Wortlaut eine nur unsichere Stütze bieten kann, wenn einzelne Begriffe auszulegen sind. Soweit es um die Bestimmung des Gegenstandes der Dienstleistung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO geht, wird in der vorliegenden Untersuchung verstärkt auf die Entstehungsgeschichte, die Systematik und den Sinn und Zweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO abzustellen sein.

80 81 82

EuGH, Urteil v. 23.4.2009 – Rs. C-533/07, Falco, Rn. 29f. GA Trstenjak, Schlussanträge v. 27.1.2009, Rs. C-533/07, Falco, Rn. 57. GA Trstenjak, Schlussanträge v. 27.1.2009, Rs. C-533/07, Falco, Rn. 58.

C. Gegenstand der Dienstleistung

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2. Abgrenzung zum Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO a. Kein Spezialitätsverhältnis Die Regelung in Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO über die Zuständigkeit bei Verträgen über den Verkauf beweglicher Sachen und Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO stehen gleichberechtigt nebeneinander, denn Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO lässt nicht darauf schließen, dass ein Spezialitätsverhältnis zwischen den Regelungen besteht.83 Außerdem spricht auch die gesetzgeberische Intention, den prozessualen Erfüllungsort „für zwei Arten von vertraglichen Schuldverhältnissen“ autonom zu bestimmen,84 für die Annahme, dass es sich bei Verträgen über den Verkauf beweglicher Sachen und über die Erbringung von Dienstleistungen um nebeneinander stehende Vertragstypen handelt. Dass es sich bei Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO um eine Auffangvorschrift zu Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO handelt, mit der Folge, dass jeder Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen auch als Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen aufzufassen wäre, der aber von einer spezielleren Regelung erfasst wird, ist deshalb nicht anzunehmen. Aus dem in systematischer Sicht gleichberechtigten Nebeneinander beider Regelungen in Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO85 folgt sogleich, dass nicht Erbringung von Dienstleistungen sein kann, was Verkauf beweglicher Sachen ist, und umgekehrt. Aus diesem Grund kann der Gegenstand der Dienstleistung im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auch durch Abgrenzung der Anwendungsbereiche beider Regelungen konkretisiert werden. b. Begriffsbestimmung Zur Bestimmung des Begriffs des Verkaufs im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO kann auf den Kaufvertragsbegriff des CISG zurückgegriffen werden.86 Aus Art. 53 CISG ergibt sich, dass der Kaufvertrag den Käufer zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet. Der Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO setzt mithin einen zweiseitigen Vertrag voraus und verlangt zusätzlich, dass die Gegenleistung in der Zahlung eines Geldbetrages liegt. Der Begriff des Kaufvertrages erfasst daher mangels Entgeltlichkeit nicht den Schenkungsvertrag und mangels Kaufpreiszahlung als Gegenleistung 83 84

EuGH, Urteil v. 9.7.2009 – Rs. C-204/08, Rehder, Rn. 36 („denselben Platz“). Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 15 (Hervorhebung durch den Verfasser). 85 Mankowski, IHR 2009, 46, 51. 86 EuGH, Urteil v. 25.2.2010 – Rs. C-381/08, Car Trim, Rn. 34, 36.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

nicht den Tauschvertrag87, obwohl bei beiden Vertragstypen die Besitzund Eigentumsübertragung im Vordergrund stehen und auch hier „geliefert“ wird. Um eine bewegliche Sache handelt es sich bei körperlichen Gegenständen, sodass der Verkauf von Rechten, wie etwa Forderungen, Patente oder Lizenzen nicht von Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO erfasst wird. c. Schlussfolgerungen Jedenfalls bei der entgeltlichen Lieferung beweglicher Gegenstände, die in Erfüllung kaufvertraglicher Verpflichtungen erfolgt, handelt es sich also schon allein auf der Grundlage systematischer Erwägungen nicht um eine Dienstleistung. Nähme man nun an, dass nur die Lieferung gegen Geldleistung keine Dienstleistung im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO darstellt, wohl aber die unentgeltliche und die tauschweise Lieferung, würde dies gleichwohl im Umkehrschluss bedeuten, dass Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO nur auf eine spezielle Form der Dienstleistung „Lieferung“, nämlich die entgeltliche, Anwendung findet, und ebenso auf ein Spezialitätsverhältnis zwischen Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich und lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO schließen lassen. Die Lieferung im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO als die Übergabe der beweglichen Sache (in Abgrenzung zur Lieferung als Transportdienstleistung88), sollte daher nicht als Dienstleistung im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO angesehen werden.89 Das gilt unabhängig davon, ob sie nun im Zuge eines Kauf-, Tausch- oder Schenkungsvertrages erfolgt. Ebenso ist zu entscheiden, wenn man auf die – bei einzelnen Begriffen freilich stets subjektiv geprägte90 – natürliche Wortbedeutung zurückgreifen wollte; eine Übergabe kann hiernach ebenfalls nicht als Dienstleistung aufgefasst werden. 3. Abgrenzung zu Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO? Die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO setzt stets zumindest einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO voraus.91 Daher kann der Gegenstand der Dienstleistung nicht durch eine Abgrenzung der Anwendungsbereiche beider Vorschriften konkretisiert werden.

87 88 89

Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 39. Vgl. hierzu unten, Kap. 6 N. I. Für Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO im Hinblick auf die Schenkung auch Martiny, MünchKomm-BGB, Art. 4 Rom I-VO Rn. 30. 90 Siehe oben, Kap. 4 C. II. 1. 91 Siehe oben, Kap. 4 A.

C. Gegenstand der Dienstleistung

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Der EuGH möchte hingegen aus der Koexistenz beider Vorschriften eine äußere Grenze der Bedeutung der Dienstleistung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO herleiten, die sich aus dem Erfordernis der Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit von Art. 5 Nr. 1 lit. c und a EuGVO ergeben soll.92 Allerdings kann sich der Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO als Auffangvorschrift zu Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO93 ohnehin nur auf das erstrecken, was von lit. b nicht erfasst wird, sodass möglicherweise allein nach dem allgemein im Gemeinschaftsrecht geltenden Grundsatz der praktische Wirksamkeit94 erforderlich sein könnte, dass lit. b nicht so ausgelegt wird, dass für lit. a überhaupt keine Anwendung bleibt. Dabei ist aber selbst diese Schlussfolgerung nicht zwingend, weil zumindest in den Fällen, in denen der nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. oder 2. Spiegelstrich EuGVO bestimmte prozessuale Erfüllungsort in einem Drittstaat liegt, Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO auch dann zur Anwendung käme, wenn die sachlichen Anwendungsbereiche von lit. a und lit. b deckungsgleich wären.95 Fest steht allein, dass eine hilfreiche Konkretisierung des Gegenstands der Dienstleistung durch das Festsetzen einer äußeren Bedeutungsgrenze auf systematischer Ebene im Verhältnis zu Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO nicht erfolgen kann, weil insofern die einzige Determinante ist, dass lit. a nicht jeglicher Anwendungsbereich genommen werden kann. 4. Abgrenzung zu Versicherungsvertrag, Arbeitsvertrag und Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen im Sinne der EuGVO Die EuGVO hält in den Art. 8 ff. für Versicherungsverträge, 96 in den Art. 18 ff. für individuelle Arbeitsverträge97 und in Art. 22 Nr. 1 für Mietund Pachtverträge über unbewegliche Sachen besondere Zuständigkeitsregeln bereit. Teilweise werden diese Sachgebiete dennoch begrifflich zu den Dienstleistungen gezählt.98 Vertreten wird aber auch das Gegenteil.99

92 93 94

EuGH, Urteil v. 23.4.2009 – Rs. C-533/07, Falco, Rn. 42f. Magnus/Mankowski/Mankowski, Brussels I Regulation, Art. 5 Rn. 24. Zur Auslegung nach dem effet utile siehe Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, S. 317, 336. 95 Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 15. 96 Instruktiv Geimer, FS Andreas Heldrich, S. 627. 97 Instruktiv Behr, GS Wolfgang Blomeyer, S. 15; Däubler, NZA 2003, 1297. 98 Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 44; Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325, 328. 99 Hau, IPRax 2000, 354, 359; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 50.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

a. Verhältnis der Regelungen zu Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO Aus der Systematik der EuGVO lässt sich diese Frage nicht beantworten, weil sowohl denkbar ist, dass Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO schon aus begrifflichen Gründen nicht auf derartige Verträge anzuwenden ist, als auch, dass es sich bei den Regelungen in den Art. 8 ff., 18 ff. und 22 Nr. 1 EuGVO jeweils um eine lex specialis zu Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO handelt. Im Umgang mit Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ist die Frage, ob die genannten Verträge Dienstleistungen zum Gegenstand haben oder nicht, ohne Bedeutung, weil jedenfalls feststeht, dass nicht Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO, sondern andere Zuständigkeitsregelungen zur Anwendung kommen.100 Die Tatsache, dass es den Art. 8 ff. und 18 ff. EuGVO um den Ausgleich eines strukturellen Ungleichgewichts zwischen den Parteien des Versicherungsbzw. Arbeitsvertrages geht101 und bei Art. 22 Nr. 1 EuGVO die grundsätzlich102 ausschließliche Zuständigkeit des sach- und rechtsnahen Gerichts im Vordergrund steht103, d.h. jeweils eine von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO abweichende Zwecksetzung vorliegt, mag aber immerhin dafür sprechen, dass es sich bei den genannten Regelungen systematisch nur um speziellere Regelungen handelt. Dafür kann insbesondere auch angeführt werden, dass die Regelungen der Art. 8 ff. EuGVO nicht auf Rückversicherungen im Verhältnis zwischen Versicherern und Rückversicherern Anwendung findet, wobei dieser Ausschluss vom Gesetzgeber nicht mit einer etwaigen Andersartigkeit der Leistung, sondern allein mit der fehlenden Schutzbedürftigkeit der Parteien begründet wird.104 b. Erfolgsbezogenheit der Dienstleistung in Abgrenzung zu Art. 18 ff. EuGVO? Dennoch wird vertreten, dass in Abgrenzung zum Arbeitsvertrag der Gegenstand eines Vertrages über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nur die Herbeiführung 100 Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, S. 157. 101 Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 16, 19. 102 Nach Art. 22 Nr. 1 EuGVO bestehen unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von der Ausschließlichkeit der Zuständigkeit für Miet- und Pachtverträge, die für einen Zeitraum von weniger als sechs Monaten abgeschlossen werden. 103 EuGH, Urteil v. 10.1.1990 – Rs. 115/88, Reichert (I), Rn. 10. 104 Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 16.

C. Gegenstand der Dienstleistung

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eines bestimmten faktischen Erfolges und nicht die schlichte Verrichtung einer Tätigkeit sei.105 Indes ergibt sich diese Beschränkung des Dienstleistungsbegriffs jedenfalls nicht aus einer Abgrenzung zu Art. 18 Abs. 1 EuGVO, weil sich der Arbeitsvertrag im Sinne dieser Vorschrift nicht allein dadurch auszeichnet, dass er den Arbeitnehmer nicht zur Herbeiführung eines Erfolges, sondern bloß zur Verrichtung einer bestimmten Tätigkeit verpflichtet. Charakterisierend für den Arbeitsvertrag im Sinne des Art. 18 Abs. 1 EuGVO ist vielmehr zusätzlich, dass die Tätigkeit weisungsgebunden und in Abhängigkeit zum Arbeitgeber erfolgt, der Arbeitnehmer darüber hinaus regelmäßig in einer bestimmten Weise in dessen Betrieb eingebunden ist und er weder unternehmerische Entscheidungsfreiheit hat noch ein unternehmerisches Risiko trägt.106 Daraus folgt, dass der Individualarbeitsvertrag vor allem durch die besonderen Modalitäten der Leistungserbringung charakterisiert wird. In systematischer Sicht wäre also, wenn man überhaupt davon ausginge, dass es sich bei der Regelung in Art. 18 ff. EuGVO nicht allein um eine lex specialis zu Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO handelt, nur anzunehmen, dass die bloße Verrichtung einer Tätigkeit, die zudem diesen übrigen Modalitäten entspricht, keine Dienstleistung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ist. 5. Funktionale Auslegung des Begriffs der Dienstleistungen Rückschlüsse auf den Dienstleistungsbegriff des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO sind zudem möglich, wenn man auf dessen konkrete Funktion innerhalb des Art. 5 Nr. 1 EuGVO abstellt, d.h. einen funktionalen Dienstleistungsbegriff zugrundelegt.107 a. Dienstleistungsbegriff als Einfallstor der autonomen Erfüllungsortsbestimmung Der Begriff „Erbringung von Dienstleistungen“ stellt, wie auch der Begriff „Verkauf beweglicher Sachen“, das Einfallstor für die autonome Erfüllungsortsbestimmung dar; von der Auslegung dieser Begriffe hängt ab, inwieweit andernfalls auf die Bestimmungsmethode des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO zurückzugreifen ist. Der Grund für die Maßgeblichkeit des Ortes der Dienstleistungserbringung als Anknüpfungskriterium für die Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes liegt (unter anderem) in dem Ziel 105 106

Klauser/Kodek, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rn. E 81 h. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 18 Rn. 2; Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 18 Rn. 4. 107 Vgl. zu einem funktionalen Vertragsbegriff in der Rom I-VO Lehmann, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, 28.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

begründet, einen sach- und beweisnahen Gerichtsstand zur Verfügung zu stellen.108 Ob aber Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO tatsächlich die Zuständigkeit sach- und beweisnaher Gerichte auf vorhersehbare Weise herbeizuführen vermag, hängt insbesondere auch von der Frage ab, auf welche verschiedenen Arten von Leistungen die Regelung Anwendung findet. b. Gewährleistung der Durchführbarkeit der Zuständigkeitsbestimmung als Aufgabe des Dienstleistungsbegriffs Eine autonome Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes nach Maßgabe des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO, die ohne den Rückgriff auf normative Kriterien erfolgen soll, setzt voraus, dass die Leistungserbringung faktisch wahrnehmbar ist.109 Die Gewährung von Sach- und Beweisnähe durch die Anknüpfung an den Ort der Dienstleistungserbringung kann wiederum nur dann funktionieren, wenn auf der Grundlage einer formal-typisierenden Betrachtung die Vermutung der Sach- und Beweisnähe der Gerichte des Erbringungsortes auch berechtigt ist. Das aber setzt voraus, dass der faktisch wahrnehmbare Teil der Leistungserbringung für den Vertrag auch von hervorgehobener Bedeutung ist. Weil der Begriff der Dienstleistungen über die Anwendbarkeit des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO entscheidet, hat der Begriff also auch die Funktion, für die Erreichung der mit der Vorschrift verfolgten Ziele Sorge zu tragen. Aus dieser funktionalen Bedeutung lässt sich als Anforderung an den Dienstleistungsbegriff zusammenfassend herleiten, dass es sich um eine in ihrer Erbringung wahrnehmbare Leistung handeln muss, wobei zugleich dieser faktisch wahrnehmbare Teil der Leistungserbringung auch im Mittelpunkt des Vertrages zu stehen hat.110 Nicht ausreichend wäre es, wenn zwar dieser faktisch wahrnehmbare Teil zu einer fraglichen Leistung gehört, ihr aber nicht das charakteristische Gepräge verleiht, das den hauptsächlichen Grund dafür darstellt, dass eine derartige Leistung nachgefragt wird. 6. Keine enge Auslegung aus Gründen des Beklagtenschutzes notwendig Der Gerichtshof hat den allgemeinen Grundsatz entwickelt, dass die besonderen Zuständigkeitsvorschriften der EuGVO eng auszulegen sind.111 108 109 110

Siehe oben, Kap. 3 D. VIII. Hierzu ausführlich im Folgenden, Kap. 5 A. I. Ähnlich Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn 43; wohl auch Brinkmann, IPRax 2009, 487, 491. 111 EuGH, Urteil v. 27.10.1998 – Rs. C-51/97, Réunion européenne, Rn. 16; EuGH, Urteil v. 27.9.1988 – Rs. 189/87, Kalfelis, Rn. 19.

C. Gegenstand der Dienstleistung

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Dahinter steht die Überlegung, dass durch eine Begrenzung des Anwendungsbereichs der besonderen Zuständigkeitsvorschriften der allgemeine Gerichtstand des Art. 2 EuGVO praktisch an Bedeutung gewinnt, weil der Kläger dann häufiger allein hierauf zurückgreifen kann, mit der Folge, dass entsprechend dem Grundsatz actor sequitur forum rei eine Klage nur vor den Gerichten des Heimatstaates des Beklagten möglich ist. Anzumerken ist allerdings, dass selbst der Gerichtshof diesem Postulat nicht immer Folge leistet.112 Das Postulat der engen Auslegung wird daher bisweilen auch als „bloße Wortfloskel“ abgetan.113 Der EuGH zieht gleichwohl auch diesen Grundsatz heran, um damit seine (enge) Auslegung des Begriffs der Dienstleistung zu stützen.114 Unabhängig von der grundsätzlichen Fragwürdigkeit dieses Grundsatzes115 ändert aber auch die enge Auslegung des Begriffs der Dienstleistungen ohnehin nichts an der Anwendbarkeit des Art. 5 Nr. 1 EuGVO insgesamt, weil auch bei einer noch so engen Auslegung im Übrigen zumindest Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO zur Anwendung kommt und der Beklagte hiernach grundsätzlich ebenfalls vor anderen als den Gerichten seines Heimatstaates verklagt werden kann.116 III. Normenhierarchische Auslegung nach Maßgabe des Primärrechts 1. Geltungsgrund Das Primärrecht ist dem Sekundärrecht übergeordnet und bildet zugleich dessen Grundlage; eine am Primärrecht orientierte einheitliche Auslegung ist insofern Ausfluss einer formalen Einheitlichkeit der Rechtsbegriffe, die man aufgrund der primärrechtlichen Abstammung des Sekundärrechts annehmen könnte. Zugleich könnte man auf der Grundlage der Normenhierarchie dem Primärrecht eine gewisse Autorität auch im formalen Sinne zuschreiben.117 Überzeugend erscheint auch eine andere Erwägung: Für eine an Art. 57 AEUV angelehnte Auslegung des Dienstleistungsbegriffs in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO spricht, dass sich durch die stän112 Vgl. EuGH, Urteil v. 20.1.2005 – Rs. C-27/02, Engler, Rn. 48, wonach der Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ in Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ „nicht eng ausgelegt wird“. 113 Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Vor Art. 5 Rn. 3; wohl zustimmend Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 5 Rn. 1. 114 EuGH, Urteil v. 23.4.2009 – Rs. C-533/07, Falco, Rn. 37. 115 Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, vor Art. 5 Rn. 3; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 3; Magnus/Mankowski/Mankowski, Brussels I Regulation, Art. 5 Rn. 13. 116 Vgl. auch Brinkmann, IPRax 2009, 487, 489. 117 Vgl auch Mankowski, JZ 2009, 958, 960 („grundsätzliche Prägung durch das Verständnis aus Art. 50 EGV“).

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

dige Rechtsprechung des EuGH gleichsam ein genuin europäischer Dienstleistungsbegriff herausgebildet hat und es Erwägungen der Praktikabilität, Einfachheit und Vorhersehbarkeit entspräche, wenn dieses Begriffsverständnis weitest möglich übernommen würde.118 Ein entsprechendes Begriffsverständnis ist gleichwohl nur zu übertragen, soweit dies möglich erscheint.119 2. Primärrechtlicher Dienstleistungsbegriff Nach Art. 57 Abs. 1 AEUV sind Dienstleistungen solche Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen. Im Hinblick auf das Merkmal der Entgeltlichkeit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es vorliegend allein um den Gegenstand der Dienstleistung geht und nicht um die Art und Ausgestaltung des Pflichtenverhältnisses, in das die Erbringung der Dienstleistung eingebettet ist. Für die Zwecke der Untersuchung des Gegenstandes der Dienstleistungen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO soll hier die primärrechtliche Vorgabe der Entgeltlichkeit120 unberücksichtigt bleiben, weil eine solche sich im privatrechtlichen Kontext besser als eine Konkretisierung eines synallagmatischen Pflichtenverhältnisses darstellen lässt,121 auf die an anderer Stelle einzugehen ist.122 Eine Dienstleistung im Sinne des Art. 57 AEUV ist per definitionem nicht eine solche Leistung, die den anderen Marktfreiheiten unterfällt. Hierin kommt zum Ausdruck, dass die Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit im Verhältnis zu den übrigen Marktfreiheiten die Funktion eines Auffangtatbestandes erfüllen.123 3. Keine uneingeschränkte Übertragbarkeit Übertragen auf Art. 5 Nr. 1 EuGVO würde daraus folgen, dass lit. b 2. Spiegelstrich immer dann anzuwenden wäre, wenn ein Vertrag auf primärrechtlicher Ebene weder in den Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit, der Niederlassungsfreiheit, der Arbeitnehmerfreizügigkeit, noch der Kapitalverkehrsfreiheit fiele. Die Übertragung dieses primärrechtlichen Dienst118 119

Vgl auch Mankowski, JZ 2009, 958, 960. Vgl. auch EuGH, Urteil v. 23.4.2009 – Rs. C-533/07, Falco, Rn. 33ff; sowie im Ergebnis Mankowski, CR 2010, 137, 138. 120 Siehe auch oben, Kap. 4 D. III. 121 Siehe schon die Klarstellung oben, Kap. 4 C.I. 122 Siehe unten, Kap.4 E. 123 Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/HilfArt. 50 EGV Rn. 32.

C. Gegenstand der Dienstleistung

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leistungsbegriffs auf die EuGVO scheitert schon daran, dass die Funktion des Auffangtatbestands im System des Art. 5 Nr. 1 EuGVO nicht lit. b 2. Spiegelstrich, sondern lit. a zukommt.124 Daraus folgt, dass diese Definition nicht für den Begriff der Dienstleistungen im Sinne der EuGVO gelten kann.125 Selbst wenn man Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO als Auffangvorschrift – nicht im Hinblick auf den sachlichen Anwendungsbereich von lit. b, sondern im Hinblick auf die räumlichen Anwendungsgrenzen derselben Vorschrift – auffassen würde, die immer dann Anwendung findet, wenn der nach Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO bestimmte Erfüllungsort in einem Drittstaat liegt,126 wäre eine Übernahme der primärrechtlichen Dienstleistungskonzeption kritisch zu sehen, weil dann Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich jedenfalls noch als Auffangvorschrift zu Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO verstanden werden müsste. Dagegen sprechen aber sowohl die Systematik des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO, die nicht auf ein Rangverhältnis beider Vorschriften schließen lässt, als auch der gesetzgeberische Wille, wonach Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO „für zwei Arten“ von vertraglichen Schuldverhältnissen gelten soll127, sowie die natürliche Wortbedeutung (sofern man sie denn bemühen möchte). Das zeigt, dass Art. 57 AEUV, soweit es um die darin enthaltene Negativdefinition der Dienstleistung geht, für die Zwecke des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO unbrauchbar ist. 4. Positivdefinierte Merkmale des primärrechtlichen Dienstleistungsbegriffs Die positiv formulierte Auflistung verschiedener Leistungen in Art. 57 Abs. 2 AEUV, die jeweils Dienstleistungen im unionsrechtlichen Sinne darstellen, kann dagegen als Grundlage der Begriffsfindung dienen. Um Dienstleistungen im Sinne dieser Vorschrift handelt es sich insbesondere bei gewerblichen Tätigkeiten, kaufmännischen Tätigkeiten, handwerklichen Tätigkeiten und freiberuflichen Tätigkeiten. Auch wenn es sich dabei nur um eine beispielhafte und nicht abschließende Aufzählung handelt, wie sich aus der Formulierung „insbesondere“ ergibt, wird hier nämlich zum einen deutlich, dass die „Tätigkeit“ tragendes Element der Dienstleistung im primärrechtlichen Sinne ist, soweit es nicht um ihre negativdefinitorisch bedingte Auffangfunktion geht.128 Zum anderen fügt sich dieses ru124 125 126 127

Gottwald, MünchKomm-ZPO, Art. 5 EuGVO Rn. 29. EuGH, Urteil v. 23.4.2009 – Rs. C-533/07, Falco, Rn. 36. Siehe hierzu bereits oben, Kap. 2 A. Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 15. 128 Calliess/Ruffert/Kluth, EUV/AEUV, Art. 57 AEUV Rn. 8.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

dimentäre Mindesterfordernis in den durch die Funktion des Dienstleistungsbegriffs in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO vorgegebenen Rahmen, wonach es sich um eine in ihrer Erbringung faktisch wahrnehmbare, tatsächliche Leistung handeln muss.129 5. Vorteil konkreter Normierung Der Vorteil des Rückgriffs auf Art. 57 Abs. 2 AEUV – soweit es um die Tätigkeit als Gegenstand der Dienstleistung geht – liegt allerdings darin, dass diese positiv normiert ist. Will man den Gegenstand der Dienstleistung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO bestimmen, ohne sich allein auf die „natürliche Wortbedeutung“ zu berufen (die in besonderem Maße vom persönlichen Dafürhalten abhängt), sondern konkret ausformulierte gesetzgeberische Vorgaben bemühen, findet sich in Art. 57 Abs. 2 AEUV eine Stütze, die sich aus dem Prinzip der normhierarchischen rechtsaktübergreifenden Auslegung ergibt. Entsprechend Art. 57 Abs. 2 EuGVO ist daher der Begriff der Dienstleistung in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO dahingehend auszulegen, dass nur solche Leistungen erfasst werden, deren hauptsächlicher Gegenstand die Ausführung einer Tätigkeit ist.130 IV. Auslegungszusammenhang zwischen EuGVO und Rom I-VO 1. Zum Auslegungszusammenhang a. Konkordanzgebote Zwischen EuGVO, Rom I- und Rom II-VO besteht ein Auslegungszusammenhang, den es zu beachten gilt.131 Sowohl die Rom I-VO als auch die Rom II-VO enthalten in ihrem 7. Erwägungsgrund ein allgemeines Konkordanzgebot, wonach der materielle Anwendungsbereich und die Bestimmungen beider Rom-Verordnungen und der EuGVO miteinander im Einklang stehen sollten; zudem folgt aus dem 17. Erwägungsgrund der Rom I-VO ein besonderes Konkordanzgebot im Hinblick auf die Begriffe „Erbringung von Dienstleistungen“ und „Verkauf beweglicher Sachen“; diese sollten hiernach so ausgelegt werden wie bei der Anwendung von Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO.132 Im Hinblick auf den Begriff der Dienstleis129 130

Siehe oben, Kap. 4 C. II .5.; Brinkmann, IPRax 2009, 487, 491. Teilweise abweichend Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, S. 167, der zwar auch aus Art. 50 EGV(nunmehr Art. 57 AEUV) den Kern des Dienstleistungsbegriffs des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO herleitet, allerdings dann weitergehend nicht nur die „Tätigkeit“, sondern allgemein die „entgeltliche Leistung“ als Ausgangspunkt wählt. 131 Bitter, IPRax 2008, 96, 100. 132 Würdinger, RabelsZ (75) 2011, 102, 117f.

C. Gegenstand der Dienstleistung

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tungen gilt es freilich zu beachten, dass auch die Rom I-VO keine Definition dieses Begriffs enthält. b. Keine vollständige Aufhebung der Relativität der Rechtsbegriffe Da zwischen allen drei Verordnungen kein Rangverhältnis besteht, ist auch nicht gesagt, dass sich ein Begriffsverständnis, wie es sich nach Auslegung innerhalb einer Verordnung präsentiert, gegenüber möglicherweise abweichenden Begriffsverständnissen in den anderen Verordnungen durchsetzen kann. Es geht vielmehr darum, auch die grammatikalischen, systematischen und teleologischen Referenzpunkte der jeweils anderen Verordnungen zu berücksichtigen und dergestalt ein einheitliches Begriffsverständnis herauszubilden, das sich in jeden dieser Rechtsakte einfügt. Weil es dieser Referenzpunkte bedarf, um überhaupt auf eine bestimmte Bedeutung eines Begriffs zu schließen, und nicht gesagt ist, dass sich bei Unvereinbarkeit der in den beiden Verordnungen vorherrschenden Begriffsverständnisse eines durchsetzen müsste, erscheint auch die Annahme, die Relativität der Rechtsbegriffe, die es grundsätzlich auch im Unionsrecht zu beachten gilt,133 werde durch Erwägungsgrund 17 der Rom I-VO aufgehoben,134 als zu weitgehend. Aus dem Konkordanzgebot folgt kein unbedingter Zwang zur einheitlichen Auslegung; das Erfordernis rechtsaktübergreifender Auslegung findet seine Grenze in entgegenstehenden rechtsaktinternen Vorgaben.135 Es muss vielmehr darum gehen, in dem durch diese Vorgaben gesetzten Rahmen, d.h. im Rahmen des Möglichen, eine gemeinsame Begriffsbedeutung zu schaffen. c. Praktische Vorteile des Auslegungszusammenhangs Die zusätzlichen für die Auslegung maßgeblichen Referenzpunkte, die sich aus den jeweils anderen Verordnungen ergeben, helfen bei der Begriffskonkretisierung. Die rechtsaktübergreifende Auslegung ermöglicht es, Begriffsgebilden einfache Konturen zu verleihen. Gerade in den Fällen, in denen die Bedeutung eines Rechtsbegriffes allein mit Hilfe rechtsaktinterner Auslegungsparameter nicht eindeutig bestimmt werden kann, erlaubt die rechtsaktübergreifende (einheitliche) Auslegung dort eine rechtlichargumentativ begründbare Begriffskonkretisierung, wo sie andernfalls willkürlich erschiene. Die rechtsaktübergreifende Auslegung vermag so 133 134 135

Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, S. 317, 326. Würdinger, RabelsZ (75) 2011, 102, 119. Das impliziert auch GA Trstenjak, Schlussanträge v. 27.1.2009, Rs. C-533/07 (Falco), Rn. 70, wonach der Begriff der Dienstleistungen nicht so ausgelegt werden dürfe, dass er Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO zuwiderläuft. Was für die Rom I-VO gilt, muss nämlich ebenso für die EuGVO gelten.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

auch einen Ausgleich für die im Vergleich zum nationalen Recht verminderte Relevanz der „natürlichen Wortbedeutung“ für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts136 zu gewähren. Zudem können sich in Rechtsprechung und Lehre rascher überkommene Begriffsauslegungen etablieren, weil bei rechtsaktübergreifend einheitlicher Auslegung die Bedeutung eines Rechtsbegriffs nicht mehr isoliert ermittelt wird, sondern auch für andere, den konkreten Begriff ebenfalls verwendende Rechtsakte Geltung beansprucht.137 Die potentielle Bedeutungsvielfalt der Rechtsbegriffe wird verringert. Dies entspricht auch dem Gedanken der Rechtseinfachheit, weil die Parteien grundsätzlich davon ausgehen können, dass die Bedeutung eines Rechtsbegriffs in einem bestimmten Rechtsakt mit dessen Bedeutung in anderen Rechtsakten übereinstimmt. Möglichst weitgehende Harmonie und Parallelität zwischen verschwisterten Rechtsakten gewährleisten Rechtssicherheit und auch Rechtsanwendungsqualität.138 2. Die Regelung über Beförderungsverträge in Art. 5 Rom I-VO Da in der Rom I-VO eine besondere Regelung über das auf Beförderungsverträge anwendbare Recht existiert, ist fraglich, ob es sich bei Beförderungsverträgen zugleich um Dienstleistungsverträge im Sinne des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO handelt. Aus der Rom I-VO folgt dies jedenfalls nicht explizit. Erwägungsgrund 22 der Rom I-VO führt lediglich an, dass „als Güterbeförderungsverträge auch Charterverträge für eine einzige Reise und andere Verträge gelten, die in der Hauptsache der Güterbeförderung dienen“. a. Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO-Entwurf Bezieht man allerdings den Vorschlag der Kommission zur Rom I-VO 139 in die Untersuchung mit ein, so wird zunächst der Eindruck erweckt, dass es sich bei Beförderungsverträgen nicht um Dienstleistungsverträge im Sinne von Rom I-VO-Entwurf handelt. Nach Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VOEntwurf soll bei Beförderungsverträgen das Recht des Staats maßgebend sein, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nichts Anderes würde aber gelten, wenn die Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 lit. b 136 137

Vgl. Hess, IPRax 2006, 348, 353. Bitter, IPRax 2008, 96, 100, stellt heraus, dass es zukünftig zu einer „parallel verlaufenden Begriffsbildung“ kommt. 138 Mankowski, FS Andreas Heldrich, S. 867, 868. 139 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnis anzuwendende Recht (Rom I), 15.12.2005, KOM(2005) 650 endgültig.

C. Gegenstand der Dienstleistung

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Rom I-VO-Entwurf über das auf Dienstleistungsverträge anwendbare Recht (die der endgültigen Fassung entspricht) gelten würde, weil doch eindeutig der Beförderer als der Erbringer der Dienstleistungen anzusehen wäre. Sollten also Beförderungsverträge auch als Dienstleistungsverträge aufzufassen sein, so erschiene die Regelung in Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom IVO-Entwurf überflüssig, weil man bei Anwendung der Regelung über das auf Dienstleistungsverträge anwendbare Recht in Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO-Entwurf zu demselben Ergebnis gelangen würde. Der Eindruck verstärkt sich, wenn man bedenkt, dass die Sonderregelungen für Franchise- und Vertriebsverträge – die zwar jeweils Dienstleistungsverträge im Sinne der Rom I-VO darstellen – ihren Grund jedenfalls darin haben, dass hier ausnahmsweise die Anknüpfung zu Gunsten der schwächeren Partei erfolgt140, wohingegen die Regelung des Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO-Entwurf offensichtlich nicht den Schutz der schwächeren Partei bezweckt. Wenn also Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO-Entwurf nicht die schwächere Partei schützen soll und wie Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VOEntwurf an die charakteristische Leistung anknüpft, dann scheint die Regelung nur Sinn zu machen, wenn es sich bei Beförderungsverträgen nicht um Dienstleistungsverträge handelt. Andernfalls wäre die Sonderregelung in Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO-Entwurf überflüssig. b. Deklaratorische Funktion des Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO-Entwurf Beachtet man allerdings die Vorgängerregelung in Art. 4 Abs. 4 EVÜ, nach der zur Ermittlung des auf Beförderungsverträge anwendbaren Rechts an die Hauptniederlassung des Erbringers der Beförderungsleistung anzuknüpfen war, wenn auch der Verlade- oder Entladeort oder die Hauptniederlassung des Absenders sich in diesem Staat befinden, zeigt sich, dass Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO-Entwurf vielmehr deklaratorische Funktion hatte: Beförderungsverträge sollten nunmehr ohne Ausweichmöglichkeit dem Sitzrecht des Beförderers unterstellt und damit das Konzept der Anknüpfung an die charakteristische Leistung auch für Beförderungsverträge durchgesetzt werden.141 c. Grund für die Abänderung des Rom I-Entwurfs Jedoch wurde Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO-Entwurf nicht übernommen; die alleinige Anknüpfung an das Recht des Staates, in dem der Erbringer der Beförderungsleistung seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, er140 Vgl. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnis anzuwendende Recht (Rom I), 15.12.2005, KOM(2005) 650 endgültig, S. 6. 141 Staudinger/Magnus, BGB, Art. 5 Rom I-VO Rn. 12.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

scheint unangemessen.142 Weitere Anknüpfungskriterien sind erforderlich, weil der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Beförderers als Erbringer der charakteristischen Leistung (Güter-, Personenbeförderung) bei internationalen Geschäften sehr häufig keine objektive Verbindung zum Vertrag aufweist, wenn etwa der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat hat, in dem weder Ausgangs- noch Zielort der Beförderung liegen.143 Die Existenz des Art. 5 Rom I-VO ist somit der Eigenart des Beförderungsvertrags geschuldet und hängt nicht etwa damit zusammen, dass es sich bei diesen nicht um Dienstleistungsverträge handeln könnte.144 Schließlich wird auch im Grünbuch zur Rom I-VO davon ausgegangen, dass bei einem Beförderungsvertrag der Frachtführer derjenige sei, „der eine Dienstleistung schuldet“.145 Dann ist wiederum zu konstatieren, dass auch unter der Berücksichtigung der rechtsaktübergreifenden einheitlichen Auslegung die Beförderungstätigkeit nicht als Gegenstand einer Dienstleistung im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auszuschließen ist. 3. Die Regelungen über Franchise- und Vertriebsverträge in Art. 4 Abs. 1 lit. e und lit. f Rom I-VO Die Tatsache, dass die Rom I-VO besondere Kollisionsnormen für Franchise- und Vertriebsverträge bereit hält, kann nicht zu einer Konkretisierung des Dienstleistungsbegriffs beitragen, soweit es um den Gegenstand der Dienstleistung geht.146 Zwar könnte auch hier dem ersten Anschein nach die Existenz dieser besonderen Regelungen als Indiz gewertet werden, dass nach systematischer Auslegung derartige Verträge keine Dienstleistungsverträge im Sinne des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO darstellen. Indes lässt sich der gesetzgeberische Wille nachweisen, mit diesen spezifischen Franchise- und Vertriebsvertragsregelungen den Streit um die Frage der charakteristischen Leistung dieser Verträge zu entscheiden und den Schutz der schwächeren Partei zu bezwecken,147 sodass die Existenz dieser 142 143 144

Staudinger/Magnus, BGB, Art. 5 Rom I-VO Rn. 2. GA Bots, Schlussanträge vom 19. 5. 2009, Rs. C-133/08, Interfrigo, Rn. 52. Vgl. Staudinger/Magnus, BGBArt. 5 Rom I-VO Rn. 2, wonach der Beförderungsvertrag in Ermangelung des Art. 5 Rom I-VO von Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO erfasst werden würde. 145 Grünbuch zur Rom I-VO KOM(2002) 654 endgültig, S. 14. 146 Eine andere Frage ist, inwieweit sich die Tatsache, dass Franchiseverträge als Dienstleistungsverträge im Sinne der Rom I-VO gelten, auf die Qualifikation anderer Verträge mit zweiseitiger Dienstleistungsverpflichtung auswirkt; dazu unten, Kap. 4 D. IV. 147 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnis anzuwendende Recht (Rom I), 15.12.2005, KOM(2005) 650 endgültig, S. 6.

C. Gegenstand der Dienstleistung

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Regelungen nicht unbedingt als Hinweis darauf zu werten ist, dass es sich nicht um Dienstleistungen handeln könnte. Im Übrigen stellt Erwägungsgrund 17 der Rom I-VO unmissverständlich klar: „Franchiseverträge und Vertriebsverträge sind (…) Dienstleistungsverträge“. 4. Die Regelung über Verträge über Rechte an geistigem Eigentum oder gewerbliche Schutzrechte in Art. 4 Abs. 1 lit. f Rom I-VO-Entwurf In Art. 4 Abs. 1 lit. f Rom I-VO-Entwurf fand sich eine Regelung über das auf Verträge über Rechte an geistigem Eigentum oder über gewerbliche Schutzrechte anwendbare Recht, die in der endgültigen Fassung der Rom I-VO nicht übernommen wurde. Der Grund hierfür liegt aber nicht darin, dass derartige Verträge nunmehr von der Regelung über das auf Dienstleistungsverträge anwendbare Recht erfasst werden sollten. Vielmehr lag es so, dass man sich im Rat nicht einig wurde, welche Vertragspartei die vertragscharakteristische Leistung zu erbringen hatte.148 Aus diesem Grund wurde die Regelung nicht übernommen. Eine Konkretisierung des Dienstleistungsbegriffs nach rechtsaktübergreifender Auslegung dahingehend, dass die Übertragung von Rechten nicht umfasst sei, kann daher hiermit nicht begründet werden. 5. Sinn und Zweck des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO Die Benennung der maßgeblichen Anknüpfung in Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO dient in erster Linie der Erhöhung der Rechtssicherheit.149 Aufgrund der Umsetzung des Prinzips der charakteristischen Leistung150 setzt die Anwendung des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO funktional voraus, dass es sich bei der Dienstleistung um die charakteristische Leistung des Vertrages handelt. Das kommt selbstverständlich auch in dem Begriff „Dienstleistungsvertrag“ zum Ausdruck, weil es doch zumeist die charakteristische Leistung ist, die dem Vertrag seinen Namen gibt.151 Rückschlüsse auf den Gegenstand der Dienstleistung sind aber nicht möglich, insbesondere weil es sich bei dem Dienstleistungsvertrag selbst nur um den Anknüpfungsgegenstand handelt; Anknüpfungsmoment ist hingegen der gewöhnliche Aufenthalt des Dienstleisters und nicht die Erbringung der Dienstleistung an einem bestimmten Ort, aus der sich gerade bei Art. 5 Nr. 1 lit. b

148 Vgl. hierzu GA Trstenjak, Schlussanträge v. 27.1.2009, Rs. C-533/07 (Falco), Rn. 69 und Fn. 71. 149 Martiny, MünchKomm-BGB, Art. 4 Rom I-VO Rn. 2; Pfeiffer, EuZW 2008, 622, 625. 150 Pfeiffer, EuZW 2008, 622, 625. 151 von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 10 Rn. 45.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

2. Spiegelstrich EuGVO funktionale Implikationen ergeben.152 Im System der Rom I-VO ist die Frage, was als Gegenstand der Dienstleistung gilt, kaum bedeutsam, weil ein Vertrag, wenn die fragliche Leistung die vertragscharakteristische ist, nach der andernfalls anzuwenden Regelung des Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO demselben Recht unterliegt. 6. Weitere Regelungen der Rom I-VO Die Frage, ob auch Versicherungsleistungen im Sinne des Art. 7 Rom I-VO Dienstleistungen darstellen, ist auch auf der Ebene rechtsaktübergreifender Auslegung für Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO unbedeutend, weil bei Streitigkeiten aus derartigen Verträgen ohnehin die besonderen Zuständigkeitsregelungen in den Art. 8 ff. EuGVO anzuwenden sind.153 Aus ebensolchen Gründen gilt Gleiches für Leistungen im Sinne von Art. 8 Rom I-VO, die im Rahmen eines individuellen Arbeitsvertrages erbracht werden,154 sowie für Miete und Pacht unbeweglicher Sachen nach Art. 4 Abs. 1 lit. d Rom I-VO.155 Eine andere Frage ist freilich, wie es sich grundsätzlich bei Miet- und Pachtverträgen über bewegliche Sachen sowie bei Leihverträgen verhält; darauf ist an anderer Stelle einzugehen.156 V. Zusammenfassende Feststellung Ein Bild dessen, was Gegenstand der Dienstleistung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ist, ergibt sich, wenn man die zunächst durch Auslegung ermittelten Hinweise zum Dienstleistungsgegenstand zusammenfasst und dem Gegenstand der Lieferung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO gegenüberstellt. Ausgehend von der funktionalen Bedeutung, die dem Begriff der Dienstleistung in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zukommt, sowie unter normhierarchischen Gesichtspunkten ist festzuhalten, dass es sich bei dem Gegenstand der Dienstleistung um die Ausführung einer Tätigkeit handeln muss, wobei der Prozess der Ausführung als solcher wahrnehmbar und zusätzlich für den Vertrag von entscheidender Bedeutung sein muss. Außerdem ist anzunehmen, dass die Lieferung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO, d.h. die Übergabe im Zusammenhang mit der Eigentumsübertragung, auch dann nicht Gegenstand einer Dienstleistung sein kann, wenn sie nicht von Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuG152 153 154 155 156

Siehe oben, Kap. 4 C. II. 5. Rauscher/Staudinger, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 8 Rn. 1. Vgl. oben, Kap. 4 C. II. 4. b. Vgl. oben, Kap. 4 C. II. 4. a. Siehe unten, Kap. 4 G. I.

D. Art der Gegenleistung

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VO erfasst wird, obwohl freilich dem Wortlaut nach eine solche Übergabe auch als Dienstleistungstätigkeit aufgefasst werden könnte. Aus der Gegenüberstellung zu dieser Übergabetätigkeit lassen sich dabei Hinweise gewinnen, die zur Konkretisierung des Dienstleistungsgegenstands in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO beitragen können. Bei der Übergabe kommt nämlich der Übergabetätigkeit selbst kaum ein bestimmter eigener Wert zu. Die Übergabetätigkeit ist allein Mittel zur Werteverschiebung. Unabhängig davon, ob die Kaufsache einen Wert von 100 oder 1000 Euro hat, bleibt doch die Übergabetätigkeit dieselbe. Vertragszweck auf Seiten des Käufers ist nicht die Mehrung des Vermögens durch die Ausführung einer Tätigkeit, der selbst ein Wert zukommt, sondern die Mehrung des Vermögens durch die Übertragung eines schon existierenden, in der Kaufsache verkörperten Wertes. Nicht auf die Übergabetätigkeit, sondern allein auf die Sache kommt es an. Das zeigt sich etwa daran, dass eine Übergabe auch dann anzunehmen ist, wenn der Verkäufer lediglich zulässt, dass der Käufer sich der Sache bemächtigt, sich also rein passiv verhält. Festzustellen ist, dass die Übergabe selbst zwar einen eigenen Wert haben kann, soweit man denn die mit der Übergabe verbundene Aufwendung von Energie berücksichtigt. Doch wird der Kaufvertrag nicht geschlossen, damit der Vertragspartner in den Genuss dieses Wertes kommt. Es kommt nur auf den in der Kaufsache verkörperten Wert an. VI. Zwischenergebnis Gegenstand der Dienstleistung ist grundsätzlich eine Tätigkeit. Es ist dabei zu fordern, dass dieser Tätigkeit selbst ein eigener Wert zukommt und diese aufgrund dieses Wertes im Mittelpunkt des Vertrages steht. Diesen Anforderungen wird eine Tätigkeit immer dann nicht gerecht, wenn Zweck des Vertrages nur die Verschiebung eines Wertes ist, der in einem Gegenstand oder einem Recht verkörpert wird. Insofern lässt sich eine Parallele zur primärrechtlichen Abgrenzung zwischen Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit ziehen.

D. Art der Gegenleistung D. Art der Gegenleistung

Die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO setzt jedenfalls voraus, dass eine Dienstleistung vorliegt, die zudem die charakteristische Leistung des Vertrages darstellt.157 Fraglich ist aber, ob es zusätzliche Anforderungen zu beachten gilt, soweit es um den Gegenstand der Leis157

Siehe oben, Kap. 4 B. I.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

tung geht, die im Gegenzug für die Dienstleistung erbracht wird. Mit anderen Worten geht es darum, ob Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ebenso auf in der Regel atypische Verträge anzuwenden ist, bei denen zwar die Dienstleistung die charakteristische Leistung darstellt, die aber auch die Gegenseite zur Erbringung von Sachleistungen verpflichten, oder ob stets erforderlich ist, dass die Gegenleistung in der Zahlung eines Geldbetrages liegt. I. Gesetzgeberische Intention nicht eindeutig Intuitiv mag man davon ausgehen, dass nur solche durch eine Dienstleistung charakterisierte Verträge erfasst werden, bei denen die Gegenleistung in der Zahlung eines Geldbetrages liegt. Doch ist auf den bereits erwähnten Erwägungsgrund 17 der Rom I-VO hinzuweisen, der einen formalen Auslegungszusammenhang zwischen Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO und den Regelungen der Rom I-VO anordnet, soweit es um die Begriffe „Erbringung von Dienstleistungen“ und „Verkauf beweglicher Sachen“ geht, und erklärt, dass es sich bei Franchise- und Vertriebsverträgen um Dienstleistungsverträge handelt. Beim Franchisevertrag158 und beim Vertriebsvertrag159 werden aber von beiden Vertragsparteien Dienstleistungen bzw. jedenfalls Naturalleistungen erbracht.160 Der Gesetzgeber scheint also nicht zwingend das Konzept von Dienstleistung und Gegenleistung in Geld zu verfolgen. II. Gegenleistung und Sinn und Zweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO Die Vorschrift des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO bezweckt unter anderem Gewährung eines vorhersehbaren Gerichtsstands.161 Auch sind in Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO gewisse Vereinfachungsbestrebungen zu erkennen, die darin zum Ausdruck kommen, dass es zum einen nicht mehr auf die mitunter schwierig feststellbare konkret streitige, sondern ausnahmslos auf die charakteristische Leistungspflicht ankommt,162 und zum anderen der prozessuale Erfüllungsort nunmehr autonom an dem Ort zu lokalisieren ist, an dem die Kaufsache zu liefern bzw. die Dienstleistung zu erbringen ist163, weil mit beiden Schritten offensichtlich auch eine Vereinfachung der Zuständigkeitsbestimmung beabsichtigt war. Außerdem soll die Zuständigkeit sach- und beweisnaher Gerichte begründet werden. Frag158 159 160 161 162 163

Staudinger/Magnus, BGB, Art. 4 Rom I-VO Rn. 62. Staudinger/Magnus, BGB, Art. 4 Rom I-VO Rn. 71. Siehe auch unten, Kap. 4 D. IV. 1. Siehe oben, Kap. 2. B. Markus, AjP 2010, 971, 976. Siehe unten, Kap. 5 A. I. 1.

D. Art der Gegenleistung

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lich ist, ob eine weite Auslegung, wonach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auch dann Anwendung findet, wenn der charakteristischen Dienstleistung keine Geldleistung gegenübersteht, mit diesen Regelungszielen vereinbar ist. 1. Bestimmung der charakteristischen Leistung bei Gegenleistung in Geld Um über die Anwendbarkeit des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auf einen bestimmten zweiseitigen Vertrag entscheiden zu können, muss stets untersucht werden, ob die Dienstleistung die charakteristische Leistung dieses Vertrages darstellt, weil Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nur dann Anwendung findet, wenn es eine Dienstleistung ist, die dem Vertrag sein spezifisches Gepräge verleiht.164 Auch wenn Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO allein auf solche Dienstleistungsverträge anzuwenden ist, die die Gegenseite zur Zahlung eines Geldbetrages verpflichten, muss zwar methodisch die charakteristische Leistung des Vertrages bestimmt werden. Da aber die charakteristische Leistung regelmäßig die Leistung ist, für die Zahlung geschuldet wird 165, bereitet unter diesen Umständen freilich die Bestimmung der charakteristischen Leistung keine Probleme. 2. Bestimmung der charakteristischen Leistung bei Naturalleistungen Sollte es hingegen für die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auf zweiseitige Verträge allein darauf ankommen, dass die Dienstleistung die charakteristische Leistung ist, ohne dass die Gegenleistung in der Zahlung eines Geldbetrages liegen muss, könnte sich die Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen nicht analog zur Regelung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO, die ja einen „Verkauf“ und nicht nur eine „Lieferung“ voraussetzt,166 auf die Frage beschränken, ob der Verpflichtung zur Dienstleistung eine Verpflichtung zur Geldleistung gegenübersteht. Vielmehr müssten, sobald sich Dienstleistung und eine andere Sachleistung gegenüberstehen, detaillierte und mitunter nicht eindeutig verlaufende Untersuchungen zur charakteristischen Leistung des jeweiligen Vertrages erfolgen. Als Beispiel für die mitunter problematische Bestimmung der charakteristischen Leistung eines Vertrages kann gerade der Franchisevertrag gelten; die hier stark umstrittene Frage nach der ver-

164 165

Siehe oben, Kap. 4 B. I. Giuliano/Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EG 1980 C 282, S. 19. 166 Siehe auch unten, Kap. 4 E. II. 1.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

tragscharakteristischen Leistung167 hat der Unionsgesetzgeber für die Zwecke der Rom I-VO nun zugunsten des Franchisenehmers entschieden.168 3. Verminderte Eindeutigkeit und Verkomplizierung der Bestimmung der charakteristischen Leistung bei Naturalgegenleistung Der mit zunehmender Komplexität einhergehende Mangel an Eindeutigkeit ginge zu Lasten der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit.169 Stehen sich Dienstleistung und eine andere Naturalleistung gegenüber, wäre je nach Entscheidung über die charakteristische Leistung das zuständige Gericht entweder nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO oder nach Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO zu bestimmen. Bei gegenseitigen Dienstleistungsverpflichtungen würde selbst die Bestimmung des nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichts hiervon abhängen. Auch stünde die Notwendigkeit derartiger Untersuchungen zur charakteristischen Leistung in einem gewissen Widerspruch zu den Vereinfachungsbestrebungen des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO. Nur wenn die der Dienstleistung gegenüberstehende Leistung eine Geldleistung ist, kann über die Anwendung der Vorschrift, regelmäßig eindeutig und ohne Aufwand entschieden werden. 4. Unumgänglichkeit der Bestimmung der charakteristischen Leistung Es ist allerdings fraglich, ob diese hier aufgeführten Erwägungen einen ausreichenden Grund darstellen, im Sinne der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsbestimmung Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nur auf solche zweiseitigen Verträge anzuwenden, die auf einer Seite zur Erbringung einer Dienstleistung und auf der anderen allein zur Zahlung eines Geldbetrages verpflichten. a. Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO als Auffangregelung Immer dann, wenn der Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO mangels Dienstleistung nicht eröffnet ist und auch ein Kaufvertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO nicht vorliegt, findet als lex generalis Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO Anwendung. Hier kommt es auf den nach Maßgabe des auf den Vertrag anwendbaren Sachrechts zu bestimmenden Erfüllungsort der konkret streitigen Hauptleistungspflicht an.170 Zur Ermittlung des anwendbaren Rechts für die Zwecke der Zuständigkeitsbestimmung nach Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO 167

von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 10 Rn. 49; Martiny, MünchKomm-BGB, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 117. 168 Leible/Lehmann, RIW 2008, 528, 535. 169 Siehe oben, Kap. 3 B. I. 2. sowie unten, Kap. 6 f. 170 Siehe oben, Kap. 3 D. VIII., sowie ausführlich unten, Kap. 6 L. I. 3. a.

D. Art der Gegenleistung

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kommt es ganz überwiegend auf die Vorgaben der Rom I-VO 171 und insbesondere auf die in Art. 4 enthaltenen Kollisionsnormen an. b. Anknüpfung an die charakteristische Leistung auf kollisionsrechtlicher Ebene Wenn man sodann zutreffender Weise auf einen solchen Vertrag, in dem sich eine Dienstleistung und eine weitere Naturalleistung gegenüberstehen, die Kollisionsvorschrift des Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO anwendet, ergibt sich wiederum das Problem, dass die charakteristische Leistung des Vertrages bestimmt werden muss, denn nach Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, in dem die Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, die die für den Vertrag charakteristische Leistung erbringt. Selbst wenn man – inkonsequent im Hinblick auf den Auslegungszusammenhang zwischen den Verordnungen172 – Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO anwenden würde, wäre damit nicht geholfen, weil hier dieselbe Problematik der Bestimmung der charakteristischen Leistung im Raum stünde. Die Vorschrift knüpft ebenso wie Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO an die Dienstleistung als die charakteristische Leistung des Dienstleistungsvertrages an.173 In jedem Fall wäre die für den Vertrag charakteristische Leistung zu bestimmen. 5. Bloße Verschiebung des Problems? Nähme man also solche Verträge, die zwar auch die Erbringung einer Dienstleistung zum Gegenstand haben, deren charakteristische Leistung jedoch möglicherweise nicht eindeutig bestimmbar ist, weil die Gegenleistung keine Geldleistung ist, von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO heraus, würde damit das Problem der Bestimmung der charakteristischen Leistung auf der Ebene des Zuständigkeitsrechts nicht aus der Welt geschafft. Es wäre nur nicht mehr im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO, sondern regelmäßig im Rahmen von Art 5 Nr. 1 lit. a EuGVO zu prüfen. Auch dort kann die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit beeinträchtigt werden, weil von der Frage der charakteristischen Leistung abhängt, welches Sachrecht Anwendung findet und das jeweils anwendbare Sachrecht wiederum den Erfüllungsort unterschiedlich verorten kann.

171

Ausnahmen bestehen etwa im Hinblick auf organschaftliche Rechtsverhältnisse, die nach Art. 1 Abs. 2 lit. f Rom I-VO vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen sind. 172 Siehe oben, Kap. 4 C. IV. 1. 173 Pfeiffer, EuZW 2008, 622, 625.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

Durch die weite Auslegung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO wird daher – so mag also der Gegeneinwand lauten – die Praktikabilität und die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsbestimmung nach Art. 5 Nr. 1 EuGVO insgesamt nicht beeinträchtigt, da sowohl bei lit. b 2. Spiegelstrich als auch bei lit. a aufwendige Untersuchungen zur charakteristischen Leistung durchzuführen wären. Würde man solche Verträge, die auf beiden Seiten zur Erbringung von Naturalleistungen verpflichten, von vornherein dem Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO zuordnen, würde das Problem der Bestimmung der charakteristischen Leistung regelmäßig nur aufgeschoben, nicht aber aufgehoben. 6. Dennoch bessere Eignung des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO? Gegen eine weite Auslegung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO könnte aber sprechen, dass im Anwendungsbereich von Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO auf kollisionsrechtlicher Ebene die Bestimmung der charakteristischen Leistung häufiger verzichtbar sein kann. a. Übereinstimmung der Erfüllungsorte nach den verschiedenen Sachrechten So liegt es zum einen dann, wenn jedes in Frage kommende Sachrecht den Erfüllungsort der streitigen Verpflichtung an demselben Ort lokalisiert, weil dann offensichtlich die Frage des anwendbaren Rechts keinen Einfluss auf die Verortung des Erfüllungsortes haben kann. Doch sind auch im Anwendungsbereich von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO Konstellationen denkbar, in denen die Frage nach der charakteristischen Leistung unbeantwortet bleiben kann. So etwa, wenn beide Parteien zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichtet wären und diese an demselben Ort erbracht werden müssten. Dann führte auch Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO unabhängig von der maßgeblichen Leistung stets zur Zuständigkeit desselben Gerichts. Sowohl bei Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO als auch bei Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ist jedoch die Möglichkeit, die Frage der charakteristischen Leistung dahinstehen zu lassen, eine Frage des Einzelfalls, sodass diese Erwägung weder für eine enge noch für eine weite Auslegung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO streiten kann. b. Ermittlung der lex causae ohne Bestimmung der charakteristischen Leistung Im europäischen Kollisionsrecht besteht in Art. 4 Abs. 3 und Abs. 4 Rom IVO die Möglichkeit, das anwendbare Recht nicht nach dem Kriterium der charakteristischen Leistung, sondern unmittelbar nach dem Kriterium der

D. Art der Gegenleistung

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engeren oder engsten Verbindung zu bestimmen. Doch setzen beide Regelungen tatbestandlich voraus, dass zunächst das nach Art. 4 Abs. 1 oder Abs. 2 Rom I-VO anzuwendende Recht bestimmt wird und befreien ebenfalls nicht von der Bestimmung der charakteristischen Leistung auf der kollisionsrechtlichen Ebene; zwischen den einzelnen Absätzen des Art. 4 Rom I-VO besteht ein Rangverhältnis,174 sodass die Anwendung einer nachgelagerten Regelung erfordert, dass vorgelagerte Regelungen durchgeprüft worden sind. c. Entbehrlichkeit beim Vorliegen einer Rechtswahl Doch lässt sich gegen die weite Auslegung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ein weiteres Argument zu Felde führen: Liegt eine Rechtswahl vor, so würden sich im Anwendungsbereich von Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO wegen Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO Untersuchungen zur charakteristischen Leistung erübrigen, wohingegen diese bei Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO dennoch erforderlich wären. Das eingangs hervorgebrachte Argument, dass Untersuchungen zur charakteristischen Leistung im Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 EuGVO ohnehin durchzuführen seien und es daher keinen Unterschied mache, wenn man dieser Frage schon im Rahmen des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nachginge, ist daher nicht ausnahmslos zutreffend. Freilich könnte man argumentieren, dass in solchen Fällen, in denen an eine Rechtswahl gedacht wurde, die Parteien regelmäßig auch eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen haben werden, sodass eine Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. a oder lit. b EuGVO ohnehin nicht zur Diskussion steht. Dies wird häufig, jedoch nicht ausnahmslos der Fall sein. Darüber hinaus könnte man einwenden, dass ebenso gut nur eine Gerichtsstandsvereinbarung, nicht aber eine Rechtswahl getroffen worden sein kann. Da aber in diesen Fällen die gesamte Problematik der Erfüllungsortsbestimmung ohnehin entfallen würde, vermag eine solche Argumentation den hier festgestellten Befund nicht zu relativieren. 7. Keine Sach- und Beweisnähe bei Naturalgegenleistung Fraglich ist, ob die weite Auslegung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO, wonach die Regelung auf jeden zweiseitigen Vertrag Anwendung findet, dessen charakteristische Leistung eine Dienstleistung ist, vor dem Hintergrund, dass die Regelung einen sach- und beweisnahen Gerichtsstand begründen soll, überzeugen könnte.

174

Martiny, MünchKomm-BGB, Art. 4 Rom I-VO Rn. 276.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

a. Konzeptioneller Ausgangspunkt Konzeptionell gehen die Regelungen des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO davon aus, dass die Sach- und Beweisnähe der Gerichte am Ort der Lieferung bzw. der Dienstleistungserbringung besonders ausgeprägt ist. Dabei wird eine formal-typisierende Betrachtungsweise zugrunde gelegt.175 Die Unbeachtlichkeit des Erbringungsortes der Gegenleistung, soweit es sich um eine Geldleistung handelt, lässt sich damit rechtfertigen, dass solche Streitigkeiten, die sich zunächst unmittelbar auf die Geldzahlung beziehen, ihren Ursprung gleichwohl regelmäßig in der charakteristischen Leistungspflicht haben.176 Eine Geldleistung ist schließlich ihrer Natur nach kaum fehleranfällig; sie wird regelmäßig nur entweder vollständig, teilweise oder gar nicht erfolgt sein. Die Qualität oder Art und Weise der Geldleistung wird selten den Gegenstand einer Klage bilden. Die Naturalleistung hingegen ist in viel höherem Maße fehleranfällig. b. Fehlgehen der zugrundeliegenden Prämisse Ist die Gegenleistung eine Naturalleistung, kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass Streitigkeiten, die die Gegenleistung betreffen, regelmäßig ihren Grund in der Dienstleistungserbringung haben, weil insbesondere auch in Betracht kommt, dass die Gegenleistung selbst mangelhaft ist. Wenn eine Naturalleistung den Streitgegenstand bildet, kann auch nicht die verminderte Relevanz der Sach- und Beweisnähe der zuständigen Gerichte für diese Fälle geltend gemacht werden. Die Prämisse der Sach- und Beweisnähe der zuständigen Gerichte am Ort der Dienstleistungserbringung trifft dann nicht zu, weil in demselben Maße, wie diese Gerichte im Hinblick auf Streitigkeiten betreffend die Erbringung der (charakteristischen) Dienstleistung sach- und beweisnah sind, auch die Gerichte am Erbringungsort der Gegenleistung über Sach- und Beweisnähe verfügen, soweit sich nämlich der Streit um diese Gegenleistung dreht.177 Letztgenannte Gerichte wären allgemein nicht weniger zur Streitentscheidung geeignet als die Gerichte am Ort der Dienstleistungserbringung. Es erscheint daher sinnvoll, die Zuständigkeit für diese Verträge nach der konkret streitigen Verpflichtung zu bestimmen und den Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zugunsten des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO zurückzunehmen.

175 176

Siehe oben, Kap. 3 D. VII. 1. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 46; Rauscher, Verpflichtung und Erfüllungsort in Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, S. 213. 177 Ähnlich auch Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, S. 225.

D. Art der Gegenleistung

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8. Zusätzliches Unsicherheitsmoment durch weite Auslegung Schon durch die Notwendigkeit, anhand des Dienstleistungsbegriffs, d.h. des Gegenstandes der Verpflichtung, Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO von Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO abzugrenzen, entsteht Rechtsunsicherheit. Sie sollte nicht noch zusätzlich dadurch erhöht werden, dass bei sich gegenüberstehenden Naturalleistungen eine häufig wenig eindeutige Entscheidung über die charakteristische Leistung erforderlich wird. Wenn der Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO – im Hinblick auf die Gegenleistung – über das leicht abgrenzbare Merkmal „Dienstleistung gegen Geldleistung“ bestimmt würde, sind hingegen eindeutige Entscheidungen leicht zu erzielen. III. Der Begriff der Dienstleistungen in Art. 57 AEUV Fraglich ist zunächst, ob der Begriff der Dienstleistungen im Sinne des Art. 57 AEUV insoweit eine Antwort vorgibt. Nach Art. 57 AEUV gelten als Dienstleistungen solche Leistungen, „die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden“. 1. Entgeltlichkeit im primärrechtlichen Sinne Allerdings ist ungewiss, was unter „Entgelt“ zu verstehen ist. Ein Entgelt liegt dem Wortsinn nach dann vor, wenn eine Leistung entgolten wird, d.h. wenn eine Gegenleistung im Austausch für diese Leistung erfolgt. Das Wesensmerkmal des Entgelts ist, dass es die wirtschaftliche Gegenleistung für die betreffende Leistung darstellt.178 Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass es sich um eine Gegenleistung in Geld handeln muss. Den primärrechtlichen Regelungen über die Grundfreiheiten geht es darum, wirtschaftliche Tätigkeiten im Binnenmarkt zu liberalisieren.179 Die Tatsache, dass eine Leistung für eine andere Leistung erbracht wird, die nicht in der Zahlung von Geld liegt, vermag jedoch nichts an der Qualifikation als wirtschaftliche Tätigkeit zu ändern; jedenfalls sind Leistungen schon immer dann dem Bereich wirtschaftlicher Tätigkeit zuzuordnen, wenn ihnen eine Gewinnerzielungsabsicht zugrundeliegt.180 Vor diesem Hintergrund kann der Begriff des Entgelts in Art. 57 AEUV tatsächlich als eine Gegenleistung verstanden werden, die nicht zwingend eine Geldzahlung sein muss.

178 179

EuGH, Urteil v. 27.9.1988 – Rs. 263/86, Humbel, Rn. 17. Grabitz/Hilf/Randelzhofer/Forsthoff, Das Recht der Europäischen Union, Art. 57 Rn. 40. 180 Calliess/Ruffert/Kluth, EUV/AEUV, Art. 57 AEUV Rn. 11.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

2. Bedenken gegen normhierarchische Auslegung Freilich sollte auch das Primärrecht eine bestimmte Auslegung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nicht vorgeben können, wenn auf der unmittelbaren Auslegungsebene zu berücksichtigende Gründe dagegen sprechen.181 In teleologischer Hinsicht ist jedenfalls zu berücksichtigen, dass die Verwirklichung des Binnenmarktes nicht unmittelbarer Regelungszweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ist, sondern allenfalls mittelbar, weil schon das der Verordnung insgesamt zugrundeliegende Regelungsziel nach Erwägungsgrund 1 das Binnenmarktziel ist. Wenn es somit mittelbar jeder Regelung der EuGVO zugrunde liegt, kann es nicht zur Abgrenzung einzelner herangezogen werden. Es ist daher fraglich, ob der primärrechtliche Dienstleistungsbegriff Anhaltspunkte liefern kann im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO, die an die Gegenleistung zu stellen sind, die bei zweiseitigen Verträgen im Austausch für die Dienstleistung erbracht wird. IV. Erwägungsgrund 17 der Rom I-VO Bei der Frage, ob Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO dahingehend auszulegen ist, dass er auf jeden Vertrag Anwendung findet, dessen charakteristische Leistung eine Dienstleistung ist, d.h. auch dann, wenn die Gegenleistung nicht in einer Geldzahlung liegt, muss darüber hinaus Erwägungsgrund 17 der Rom I-VO Berücksichtigung finden. Hiernach soll es sich zunächst auch bei Franchiseverträgen und Vertriebsverträgen um Dienstleistungsverträge im Sinne der Rom I-VO handeln; da überdies die Anwendungsbereiche der dienstleistungsspezifischen Vorschriften in EuGVO und Rom I-VO parallel laufen sollen, muss Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auch auf Franchise- und Vertriebsverträge Anwendung finden. 1. Beiderseitige Naturalleistungsverpflichtungen beim Franchisevertrag Speziell beim Franchisevertrag verpflichten sich sowohl der Franchisegeber als auch der Franchisenehmer zur Erbringung von Dienstleistungen oder anderen Naturalleistungen; namentlich stehen sich hier Betriebseingliederung und Betriebsförderung durch den Franchisegeber sowie die Absatzförderung durch den Franchisenehmer, der zusätzlich Gebühren zu entrichten hat, gegenüber.182 Dementsprechend umstritten war hier stets die Bestimmung der charakteristischen Leistung.183 Wenn nun der Verord181 182 183

Siehe schon oben, Kap. 4 C. III. 1. Martinek, Moderne Vertragstypen Bd. 2, S. 67. von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 10 Rn. 49; Martiny, MünchKomm-BGB, Art. 4 Rom I-VO, Rn. 117.

D. Art der Gegenleistung

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nungsgeber verkündet, dass es sich bei einem solchen Vertrag um einen Dienstleistungsvertrag handelt, könnte dies für eine weite Auslegung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO sprechen, weil die Regelung somit auch auf einen Vertragstyp Anwendung findet, bei dem die Bestimmung der charakteristischen Leistung grundsätzlich problematisch ist. 2. Keine entsprechende Problematik im Kollisionsrecht Allerdings halten Art. 4 Abs. 1 lit. e und lit. f Rom I-VO besondere Regelungen bereit, wonach sich das auf Franchise- bzw. Vertriebsverträge anwendbare Recht nach dem Recht des Staates bestimmt, in dem der Franchisenehmer oder der Vertriebshändler seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der Verordnungsgeber soll mit diesen Vorschriften den Streit um die charakteristische Leistung zugunsten des Vertriebshändlers und des Franchisenehmers entschieden haben184. Unter dieser Voraussetzung bereitet auch die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auf die genannten Verträge keine Schwierigkeiten, weil die Festlegung der charakteristischen Leistung in der Rom I-VO auf die EuGVO übertragen werden kann; für die Zwecke der Bestimmung des nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichts muss es dann nämlich auf den Erbringungsort der Dienstleistungen des Franchisenehmers bzw. des Vertriebshändlers ankommen. Der explizite Hinweis des Verordnungsgebers, dass es sich bei Franchise- und Vertriebsverträgen um Dienstleistungsverträge handelt, hat keine Auswirkungen auf die kollisionsrechtliche Behandlung dieser Verträge, weil es im Anwendungsbereich der Rom I-VO nämlich unerheblich ist, ob Franchise- und Vertriebsverträge als Dienstleistungsverträge einzuordnen sind oder nicht, da sie in jedem Fall ihren eigenen Kollisionsnormen unterliegen und keine Fälle denkbar sind, in denen entweder Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO (wenn ein Dienstleistungsvertrag anzunehmen wäre) oder Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO (wenn kein Dienstleistungsvertrag anzunehmen wäre) als Auffangtatbestand einschlägig wären. Der Hinweis zielt somit eher auf die Qualifikation der Franchise- und Vertriebsverträge im Anwendungsbereich der EuGVO ab.

184

Leible/Lehmann, RIW 2008, 528, 535; berücksichtigt man allerdings, dass die gewählte Lösung auf Schutzerwägungen zugunsten der schwächeren Partei beruht, vgl. den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnis anzuwendende Recht (Rom I), 15.12.2005, KOM(2005) 650 endgültig, S. 6, so erscheint diese Feststellung nicht ganz eindeutig.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

3. Erfassung von Franchiseverträgen als Regelausnahme Man könnte daher den Erwägungsgrund 17 der Rom I-VO gleichsam als Hinweis auf eine Ausnahme von der Grundregel deuten, dass Verträge, die auf beiden Seiten zu der Erbringung von Naturalleistungen verpflichten, prinzipiell nicht in den Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO fallen. Erwägungsgrund 17 der Rom I-VO würde dann nur deshalb für Franchise- und Vertriebsverträge eine Ausnahme machen, weil aufgrund des Art. 4 Abs. 1 lit. e und lit. f Rom I-VO die grundsätzliche Schwierigkeit, bei derartigen Verträgen die charakteristische Leistung zu bestimmen, nun nicht mehr besteht. Eine solche Interpretation würde für eine enge Auslegung des Anwendungsbereichs des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO sprechen. Auch die Tatsache, dass der Verordnungsgeber mit der ausdrücklichen Formulierung der für bestimmte Verträge maßgeblichen Anknüpfung in Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO die Rechtssicherheit fördern wollte185, spräche für eine solche Interpretation. Ein Mehr an Rechtssicherheit im Vergleich zur allgemeinen Anknüpfung an die charakteristische Leistung in Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO könnte nämlich Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO bei Verträgen mit beiderseitigen Naturalleistungsverpflichtungen nicht leisten, weil die Bestimmung der charakteristischen Leistung lediglich nicht mehr im Hinblick auf das Anknüpfungsmoment, sondern vorgelagert im Hinblick auf den Anknüpfungsgegenstand, d.h. bei der Frage der Anwendbarkeit aufträte und das Problem mithin nur verschoben würde. Gleichwohl ist dieses Argument kein starkes. Weil nämlich unabhängig von einer weiten oder engen Ausgestaltung des Anwendungsbereichs des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO bei derartigen Verträgen die charakteristische Leistung ohnehin ermittelt werden muss, führt eine weite Auslegung des Begriffs des Dienstleistungsvertrages in Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO jedenfalls auch nicht zu weniger Rechtssicherheit. Insofern gilt dasselbe, was schon bei Art. 5 Nr. 1 EuGVO zu beachten ist, wenn es darum geht, ob Erwägungen der Rechtssicherheit gegen die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auf zweiseitige Verträge sprechen, wenn auch die Gegenleistung aus einer Naturalleistung besteht.186 Folgte man jedoch diesem Verständnis, so würde das freilich bedeuten, dass der Hinweis im Erwägungsgrund 17 über eine bloße Klarstellung hinausginge und vielmehr den Charakter einer gesetzlichen Anordnung hätte. Denn auf der Grundlage dieser Erwägungen werden Franchise- und Vertriebsverträge erst durch Erwägungsgrund 17 dem Begriff des Dienstleistungsvertrages und mithin dem Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 185 186

Pfeiffer, EuZW 2008, 622, 625. Siehe oben, Kap 4 D. II. 8.

D. Art der Gegenleistung

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2. Spiegelstrich EuGVO zugeordnet. Wenn aber der Gesetzgeber selbst davon ausgegangen sein sollte, dass Franchise- und Vertriebsverträge ihrer Konzeption nach im Grundsatz nicht in den Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO fallen, dann hätte man diese konstituierende Anordnung wohl kaum in den Erwägungsgründen, sondern vielmehr im eigentlichen Gesetzestext vermutet. 4. Erfassung von Franchiseverträgen als Regelbeispiel Darum könnte man auch entgegengesetzt davon ausgehen, dass Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ein weiter Anwendungsbereich zuzumessen ist und daher auch solche Verträge erfasst werden, bei denen die Bestimmung der charakteristischen Leistung problematisch sein kann. Dann wäre der Hinweis in Erwägungsgrund 17 der Rom I-VO als reine Klarstellung zu interpretieren, weil aufgrund der Tatsache, dass Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO unter lit. b eine Kollisionsnorm für Dienstleistungsverträge und unter lit. e und lit. f Kollisionsnormen für Franchise- und Vertriebsverträge bereit hält, andernfalls der Eindruck entstehen könnte, dass es sich bei den letztgenannten Verträgen nicht um Dienstleistungsverträge im Sinne der Rom IVO handelt und daher Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO aufgrund des Anwendungsgleichlaufs keine Anwendung finden könnte. Eine solche Auffassung sähe sich auch nicht dem Vorwurf ausgesetzt, dass auf diese Weise den Erwägungsgründen möglicherweise eine ihnen nicht zugedachte187 normative Geltung zukommen würde. Der Grund für die Existenz der Regelungen in Art. 4 Abs. 1 lit. e und lit. f Rom I-VO läge nach dieser Sichtweise allein darin, für die Dienstleistungsverträge „Franchisevertrag“ und „Vertriebsvertrag“ die Ermittlung des anwendbaren Rechts zu vereinfachen und vorhersehbar zu machen. Ausgehend von dieser Interpretation könnte Erwägungsgrund 17 der Rom I-VO für eine Auslegung streiten, wonach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO prinzipiell auf zweiseitige Verträge auch dann Anwendung findet, wenn der Verpflichtung zur Dienstleistung nicht allein eine Geldleistungspflicht entgegensteht und aus diesem Grund das Auffinden der charakteristischen (Dienst-)Leistung, auf deren Erbringungsort es nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ankäme, Probleme bereiten könnte. V. Zwischenergebnis Im Ergebnis sollte sich die enge Auslegung durchsetzen, wonach bei zweiseitigen Verträgen der Dienstleistung regelmäßig eine Geldzahlung gegenüberstehen muss. Diese Auslegung führt zu keinerlei Hindernissen auf der 187

Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 4 Rn. 66.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

Ebene des Kollisionsrechts, weil Verträge, die unter Zugrundelegung einer weiten Auslegung möglicherweise von Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO erfasst worden wären, nunmehr Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO unterfallen und das anwendbare Recht kein anderes ist. Der Anwendungsbereich von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO und Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO ist somit – da auf der Ebene des europäischen IZPR dringend geboten und auf der Ebene des europäischen IPR jedenfalls nicht verboten – eng zu verstehen, soweit es um zweiseitige Verträge geht; als Gegenleistung ist stets eine Geldleistung zu verlangen. Es bleibt einzugestehen, dass bisweilen die charakteristische Leistung auch dann, wenn die Gegenleistung nicht Geldleistung ist, einfach bestimmbar sein kann. So liegt es beispielsweise dann, wenn im Einzelfall die Naturalleistung die Geldleistung offensichtlich nur ersetzt. Im Hinblick auf die Rechtssicherheit ließe sich vor diesem Hintergrund zwar andenken, Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zumindest insoweit anzuwenden, als die Bestimmung der charakteristischen Leistung trotz des Vorliegens zweier Naturalleistungen unproblematisch und eindeutig verläuft, und erst für den Fall, dass die Bestimmung tiefergehende Untersuchungen erfordert, auf Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO zurückzugreifen. Eine solche Lösung übersähe jedoch, dass auch die Beurteilung der Frage, ob die Bestimmung der charakteristischen Leistung noch leicht von der Hand geht oder schon zu umfangreich ist, einen erheblichen Beurteilungsspielraum des Rechtsanwenders zulässt und somit nur zu einem Mehr an Rechtsunsicherheit beitragen würde. Eine gewisse Rigidität in den Randbereichen ist für den damit verbundenen Gewinn an Rechtssicherheit kein zu hoher Preis.188 Besonders bedeutend ist schließlich, dass vor dem Hintergrund des Ziels der Sach- und Beweisnähe die starre Anknüpfung an eine bestimmte Dienstleistung in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nur dann sachgerecht erscheint, wenn die Verpflichtung zur Gegenleistung allein in einer Geldzahlung liegt. Andernfalls ist es ratsamer, es auf die konkret streitige Verpflichtung ankommen zu lassen.189 Außerdem führt diese enge Auslegung auch zu einem Gleichklang zwischen Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. und 2. Spiegelstrich EuGVO, jedenfalls soweit es um zweiseitige Verträge geht, weil auch ein Kaufvertrag kein Vertrag sein kann, der den Austausch von Naturalleistungen bezweckt.190 Diese Konformität ist in systematischer Sicht ebenfalls wünschenswert.

188 189 190

Mankowski, FS Andreas Heldrich, S. 867, 870. Siehe oben, Kap 4 D. II. 7. b. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 39; sowie oben, Kap. 4 C. II. 2. b.

E. Anwendbarkeit bei einseitigen Verpflichtungen

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E. Anwendbarkeit bei einseitigen Verpflichtungen zur Erbringung von Dienstleistungen E. Anwendbarkeit bei einseitigen Verpflichtungen

Wenn nun zwar feststeht, dass Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auf einen zweiseitigen Vertrag nur dann Anwendung findet, wenn die Dienstleistung die charakteristische Leistung dieses Vertrags darstellt und zudem die Gegenleistung in einer Geldzahlung liegt, ist damit noch nicht geklärt, ob Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zwingend das Vorliegen synallagmatisch verknüpfter Leistungen verlangt oder auch auf einseitige Verpflichtungen zur Erbringung von Dienstleistungen anzuwenden ist. I. Auffassung des EuGH Der EuGH hatte sich konkret mit dem über den Begriff der Dienstleistungen gesteuerten Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO bislang in den Entscheidungen in der Rs. Falco und in der Rs. Car Trim ausführlicher auseinanderzusetzen, wobei er sich nur in der erstgenannten Entscheidung, und nur mittelbar, indem er sich zur Entgeltlichkeit äußerte, auch im Hinblick auf die Zweiseitigkeit des Verpflichtungsverhältnisses erklärt hat. Der EuGH stellte fest, dass der Begriff der Dienstleistungen zumindest bedeutet, „dass die Partei, die sie erbringt, eine bestimmte Tätigkeit gegen Entgelt durchführt.“191 Der Gerichthof geht somit klar davon aus, dass Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nur auf zweiseitige Verträge Anwendung findet; eine konkrete Begründung liefert er allerdings nicht. Deutsche Gerichte sind dem gefolgt.192 Auch in der Literatur finden sich Stimmen für diese äußerst enge Auslegung. 193 Ob ein solches Begriffsverständnis tatsächlich überzeugen kann, erscheint fraglich. II. Wortlaut und Systematik des Art. 5 Nr. 1 EuGVO Es fällt auf, dass Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO im Hinblick auf die Ausgestaltung der Regelungen des ersten und zweiten Spiegelstrichs kein einheitliches Konzept verfolgt. Zwar gilt zunächst sowohl für Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich als auch Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO, dass die von Art. 5 Nr. 1 lit. a EUGVO abweichende Erfüllungsortsbestimmung jedenfalls voraussetzt, dass es sich bei der Leistung, an die jeweils anzu191 192 193

EuGH, Urteil v. 23.4.2009 – Rs. C-533/07, Falco, Rn. 29. OLG Saarland, Urteil v. 16.2.2011, BeckRS 2011, 07417. Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 6 Rn. 51; Markus, AjP 2010, 971, 974; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 50; Magnus/Mankowski/ Mankowski, Brussels I Regulation, Art. 5 Rn. 92; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 43.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

knüpfen ist, um die charakteristische Leistung des Vertrages handelt.194 Doch während Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO die Anwendung auf Verträge über den Verkauf beweglicher Sachen beschränkt, verlangt Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO lediglich, dass ein Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen vorliegt. 1. „Verkauf“ vs. „Erbringung“ Ein Verkauf setzt dem Wortlaut nach zwingend voraus, dass für die charakteristische Leistung, mit den Worten des Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO die Lieferung beweglicher Sachen, eine Gegenleistung erbracht wird, d.h. Zahlung des Kaufpreises. Hingegen setzt der Begriff der Erbringung im Gegensatz zum Begriff des Verkaufs keine synallagmatisch verknüpften Hauptleistungspflichten voraus. Im Unterschied zur Regelung in lit. b 1. Spiegelstrich, die nicht auf Schenkungsverträge über bewegliche Sachen anzuwenden ist, obwohl hier die charakteristische Leistung ebenso in der Lieferung beweglicher Sachen liegt, ist somit nach dem Wortlaut der Regelung in lit. b 2. Spiegelstrich nicht ausgeschlossen, dass diese auf sämtliche Verträge anzuwenden ist, deren Gegenstand die Erbringung von Dienstleistungen ist, ohne dass es auf das Bestehen einer Gegenleistungspflicht ankäme. Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO könnte somit ein im Vergleich zu Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO erheblich weiterer Anwendungsbereich zukommen, soweit es um die Art und die Ausgestaltung des Verpflichtungsverhältnisses geht.195 2. Rechtsvergleichendes auf Grundlage des DCFR Auch setzt der Begriff der Dienstleistung selbst nicht notwendigerweise eine entgeltliche Leistung voraus. Das zeigt sich etwa auf rechtsvergleichender Grundlage196 im Draft Common Frame of Reference (DCFR). Nach DCFR IV.C. – 1:101 (I) (b) finden die allgemeinen Regeln für Dienstleistungen auch dann Anwendung, wenn die Dienstleistungen anders als im Gegenzug für die Zahlung eines Preises erbracht werden. Das lässt darauf schließen, dass eine Dienstleistung begrifflich nicht zwingend Entgeltlichkeit voraussetzt. Dasselbe folgt aus DCFR IV.C. 2:101. Hiernach ist für Dienstleistungen grundsätzlich ein Preis zu zahlen, wenn es sich bei dem Dienstleister um einen Unternehmer handelt und sich nicht aus den 194 195

Siehe oben, Kap 4 B. I. Vgl. auch Leible, EuZW 2009, 571, 572, der darauf hinweist, dass man aus der einheitlichen Auslegung von lit. b 1. und 2. Spiegelstrich kein „unumstößliches Dogma“ machen dürfe; sowie Mankowski, IHR 2009, 46, 51, einheitliche Auslegung „nicht mehr als ein Desiderat“; dagegen von Hein, IPRax 2013, 54, 58. 196 Vgl. Würdinger, RabelsZ (75) 2011, 102, 123.

E. Anwendbarkeit bei einseitigen Verpflichtungen

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Umständen etwas anderes ergibt. Auch hieraus folgt im Umkehrschluss, dass Dienstleistungen auch unentgeltlich erbracht werden können. Nichts anderes gilt im deutschen Recht, dort statuiert § 612 Abs. 1 BGB, dass eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Dienstleistung nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Im Umkehrschluss ist wiederum zu folgern, dass eine Dienstleistung auch ohne Vergütung erfolgen kann. 3. Keine „entgeltliche Erbringung“ als Anknüpfungskriterium Der Gesetzgeber hätte, wenn ein Gleichklang mit Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO beabsichtigt gewesen wäre, als Anknüpfungskriterium anstelle der bloßen „Erbringung von Dienstleistungen“ die „entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen“ wählen können. Umgekehrt hätte der Gesetzgeber, um eine Parallele zwischen den beiden spezifischen Regelungen zu ziehen, auch als Anknüpfungskriterium in Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO anstelle des Begriffs „Verkauf beweglicher Sachen“ den Begriff „Lieferung beweglicher Sachen“ verwenden können. Dieser Gleichklang von Verträgen über die „Lieferung von Waren“ und die “Erbringung von Dienstleistungen“ hätte darüber hinaus der üblichen Verwendung im Gemeinschaftsrecht entsprochen, die sich allgemein etwa in der Fernabsatzrichtlinie197 sowie auch in der Verbraucherkreditrichtlinie198 findet. Vor allem aber ist dieses Begriffsbinom auch dem Zuständigkeitsrecht nicht unbekannt. So ist etwa in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ ebenfalls von Verträgen die Rede, die – im Gegensatz zu „Verkauf beweglicher Sachen“ und „Erbringung von Dienstleistungen“ in Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO – „die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen“ zum Gegenstand haben; dem Wortlaut nach erfasst auch die „Lieferung beweglicher Sachen“ schenkungsweise Leistungen.199 III. Keine Auswirkungen der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 13 EuGVÜ Allerdings erfasst nach Entscheidung des EuGH der Begriff des Vertrages, der „die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand hat“, in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ nur solche Verträge, die „gegenseitige, voneinander abhängende Pflichten zwischen

197 Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz. 198 Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates. 199 Bach, IHR 2010, 17, 20.

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Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

den beiden Parteien des Vertrages“ entstehen lassen200. Das hier vorgeschlagene Verständnis des Vertragsbegriffs in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO stimmt mit diesem Begriffsverständnis nicht überein. Einen Widerspruch zu der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ stellt die Auslegung des Vertragsbegriffs in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO dahingehend, dass eine einseitige Dienstleistungsverpflichtung ausreicht, allerdings nur scheinbar dar. Die Argumentationslinie des Gerichtshofs, die er bei der Auslegung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ verfolgte, ist nicht auf Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO übertragbar. 1. Enge Auslegung als Ausprägung des Beklagtenschutzes Der EuGH hatte sich dort im Wesentlichen von dem allgemeinen Grundsatz leiten lassen, dass solche Vorschriften, die es dem Kläger ermöglichen, den Beklagten vor anderen als den Gerichten seines Wohnsitzstaates zu verklagen, eine enge Auslegung erfahren müssen.201 Die enge Auslegung auf der Grundlage dieses allgemeinen Grundsatzes hat, sofern man ihm denn Folge leisten möchte,202 hier seine Berechtigung. Eine derartige Auslegung des Begriffs der Verträge, die „die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand haben“ in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ vermag tatsächlich den Anwendungsbereich der verbraucherschützenden Zuständigkeitsvorschriften des EuGVÜ zu beschränken, die dem Verbraucher regelmäßig ein forum actoris liefern. Bei der Auslegung des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO ist jedoch die Beachtung dieses Grundsatzes unerheblich, weil selbst dann, wenn der Anwendungsbereich dieser Vorschrift verringert werden würde, über Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO, der dann anzuwenden wäre, ein Abweichen vom Prinzip actor sequitur forum rei dennoch möglich wäre.203 Die enge Auslegung des Vertragsbegriffs des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO würde also nicht zur Förderung des Beklagtenschutzes beitragen können. 2. Fehlende Schutzwürdigkeit bei unentgeltlichen Verbraucherverträgen Zusätzlich ließe sich die Begrenzung des Anwendungsbereichs der Verbrauchergerichtsstände der EuGVÜ auch mit dem Argument stützen, dass der Verbraucher, der eine Leistung unentgeltlich bezieht, weniger schutzwürdig ist und daher nicht in den Genuss dieser den Verbraucher privile200

EuGH, Urteil v. 11.7.2002 – Rs. C-96/00, Gabriel, Rn. 49; EuGH, Urteil v. 20.1.2005 – Rs. C-27/02, Engler, Rn. 34; krit. insofern Bach, IHR 2010, 17, 20. 201 EuGH, Urteil v. 20.1.2005 – Rs. C-27/02, Engler, Rn. 43. 202 Kritisch etwa Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 3. 203 Siehe oben, Kap 4 C. II. 6.

E. Anwendbarkeit bei einseitigen Verpflichtungen

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gierenden Zuständigkeitsvorschriften kommen sollte. Auch diese Erwägungen können für die Auslegung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nicht berücksichtigt werden, weil die Vorschrift keine Schutzfunktion hat. Außerdem gilt Art. 13 EuGVÜ nur für Situationen, in denen der Vertragspartner des Verbrauchers in beruflicher oder gewerblicher Funktion handelt,204 was ebenfalls gegen unentgeltliche Lieferungen oder Dienstleistungen spricht. 3. Keine Übernahme des Art. 13 EuGVÜ Art. 15 EuGVO, der Art. 13 EuGVÜ ersetzt, hat den Begriff der Verträge, die „die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand haben“, nicht übernommen und setzt auch eine synallagmatische Verpflichtung nicht mehr voraus.205 Auch in systematischer Hinsicht ergeben sich somit keine Widersprüche, wenn der Begriff des Vertrages für die Zwecke des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO insofern entsprechend dem in Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO herrschenden Begriffsverständnis ausgelegt wird, wonach Mindest- aber auch ausreichende Voraussetzung das Vorliegen einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung ist. IV. Das Ziel der Vorhersehbarkeit und der Sach- und Beweisnähe Auch unter Berücksichtigung des Zieles des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO, einen vorhersehbaren und sach- und beweisnahen Gerichtsstand zu begründen, spricht nichts gegen einen derartigen weiten Anwendungsbereich. Die Einseitigkeit des Vertrages wirkt sich auf die Vorhersehbarkeit und die Sach- und Beweisnähe des nach Maßgabe der Regelung bestimmten zuständigen Gerichts nicht nachteilig aus. Ganz im Gegenteil lässt sich bei einseitigen Dienstleistungsverpflichtungen der Regelungszweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO in besonderem Maße verwirklichen. 1. Einfachheit der Bestimmung der charakteristischen Leistung Die charakteristische (Dienst-)Leistung, auf deren Erbringungsort es für die Zuständigkeit nach lit. b 2. Spiegelstrich ankommt, kann bei keinem anderen Vertrag so problemlos bestimmt werden wie bei einem einseitigen Vertrag.206 Diesbezügliche Fehlentscheidungen sind auszuschließen. Das fördert die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 204 205 206

Schlosser, EuGVÜ, Art.13 Rn. 3. EuGH, Urteil v. 14.5.2009 – Rs. C-180/06, Ilsinger, Rn. 51. von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 10 Rn. 46.

100 Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO 2. Spiegelstrich EuGVO. Im Übrigen entfallen auch Abgrenzungsprobleme, wenn es darum geht, ob bestimmte Geldleistungen auch im Gegenzug für die Dienstleistungen erbracht worden sind und demnach eine entgeltliche Dienstleistungserbringung vorliegt, oder allein die Gegenleistung für im Zusammenhang mit anderen Verträgen erbrachte Leistungen darstellen.207 2. Besonderes Zutreffen der zugrundeliegenden Prämissen der Sach- und Beweisnähe Außerdem erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO zugrundeliegende Prämisse, dass die Gerichte am Ort der Dienstleistungserbringung im Hinblick auf die zugrundeliegende Streitigkeit besonders sach- und beweisnah sind, auch im Einzelfall zutrifft, da es aufgrund der Einseitigkeit der Verpflichtung keine Streitigkeiten geben kann, die sich auf die Verpflichtung zur Gegenleistung beziehen und womöglich einen engeren Bezug zum Erfüllungsort ebendieser Verpflichtung aufweisen.208 Wenn also Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO „für die Erbringung von Dienstleistungen“ allein auf den Ort der Dienstleistungserbringung abstellt, dann kann auch unter Berücksichtigung des Ziels der Sach- und Beweisnähe die Anwendung der Vorschrift konsequenterweise nicht davon abhängen, dass auch eine Verpflichtung zur Gegenleistung209 besteht, sondern muss vielmehr auch jede einseitige Dienstleistungsverpflichtung erfasst sein.210 V. Die praktische Wirksamkeit des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO als möglicher Einwand In etwas anderem Kontext, nämlich bei der Frage, welche Leistungen als Dienstleistung im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO gelten, hat der EuGH angeführt, dass eine weite Auslegung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO die praktische Wirksamkeit von Art. 5 Nr. 1 lit. c und a EuGVO aufgrund der damit einhergehenden Verringerung ihrer Anwendungsbereiche beeinträchtigen würde.211 Dieselbe Argumentation 207 208

In diese Richtung auch Kienle, IPRax 2006, 614, 615. So auch Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im Internationalen Zivilverfahrensrecht, S. 319. 209 Zur Frage, welcher Art der Gegenstand der Gegenleistung sein muss, sofern ein zweiseitiger Vertrag vorliegt, oben, Kap. 4 D. II.-IV. 210 Vgl. Rauscher, NJW 2010, 2251, 2254, der berechtigterweise die Frage stellt, weshalb ein entgeltlicher Auftrag unter Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO und ein unentgeltlicher Auftrag unter Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO fallen sollte; sowie von Hein, IPRax 2013, 54, 57. 211 EuGH, Urteil v. 23.4.2009 – Rs. C-533/07, Falco, Rn. 43.

E. Anwendbarkeit bei einseitigen Verpflichtungen

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ließe sich möglicherweise auch auf die hier behandelte Auslegungsproblematik übertragen. Doch ist hiergegen einzuwenden, dass eine derartige Argumentation „hinkt“, jedenfalls solange dem Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO nicht jeglicher Anwendungsbereich genommen würde, weil sich der Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO im Verhältnis zu Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO erst aus einer Abgrenzung zur letztgenannten Regelung ergibt. Durch den Verzicht auf eine Gegenleistung in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO würde aber der Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO nicht soweit reduziert, dass die Regelung überhaupt keine Anwendung mehr fände. VI. Zuständigkeitsrechtliche Privilegierung des unentgeltlich handelnden Dienstleisters? Würde man für die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO stets die Entgeltlichkeit der Dienstleistung verlangen, würde sich die Erfüllungsortszuständigkeit für unentgeltliche Dienstleistungen nach Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO bestimmen. Teilweise wird angenommen, dass es für den Dienstleister aus dem Grund, dass das materielle Recht den Erfüllungsort der Dienstleistungsverpflichtung regelmäßig am Wohnsitz des Dienstleisters lokalisiere, vorteilhaft wäre, wenn unentgeltliche Dienstleistungen nicht in den Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO fielen.212 Für das Erfordernis der Entgeltlichkeit der Dienstleistung soll daher auch ein allgemeiner Rechtsgedanke angeführt werden können; dass nämlich unentgeltlich Handelnde – wie dies etwa im deutschen Recht in den Haftungsmilderungen nach §§ 521, 599 sowie § 690 BGB zum Ausdruck kommt213 – zu privilegieren sind.214 Dagegen spricht allerdings, dass es der Regelung des Art. 5 Nr. 1 EuGVO grundsätzlich nicht um die Privilegierung einer Partei geht, sondern dies vielmehr (in vertraglichen Angelegenheiten)215 Aufgabe der Art. 8 ff., Art. 15 ff. und Art. 18 ff. EuGVO ist.

212 213 214 215

von Hein, IPRax 2013, 54, 58. Vgl. auch Harke, Freigiebigkeit und Haftung, S. 11 ff. So wohl von Hein, IPRax 2013, 54, 58. Das gilt hingegen nicht für Art. 5 EuGVO allgemein; bei Unterhaltsstreitigkeiten nach Nr. 2 geht es um die Privilegierung des Unterhaltsberechtigten, vgl. Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 61; die Regelung wird aber nunmehr durch die EuUnthVO ersetzt; vgl. auch Gruber, IPRax 2010, 128, 132.

102 Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO VII. Dienstleistungsbegriff des Art. 57 AEUV Nach Art. 57 AEUV handelt es sich bei Dienstleistungen im Sinne der Verträge um solche Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden.216 Legte man dieses Begriffsverständnis zugrunde, so könnten auch einseitige, unentgeltliche Dienstleistungsverträge als Ausnahme zu den in der Regel entgeltlichen Dienstleistungsverträgen unter Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO gefasst werden. Auch in tatsächlicher Hinsicht wird es freilich so sein, dass Streitigkeiten wegen unentgeltlicher Dienstleistungen eher die Ausnahme als die Regel darstellen, weil erstens zweiseitige Verträge ein erheblich höheres Streitpotential aufweisen und zweitens gerade wirtschaftliche Erwägungen Antrieb und Motivation für Dienstleistungserbringungen mit grenzüberschreitendem Bezug sein dürften. Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses des Art. 57 AEUV ergeben sich insofern gar keine Diskrepanzen zwischen der hier vertretenen Auffassung und dem primärrechtlichen Dienstleistungsbegriff. VIII. Gleichlauf zwischen EuGVO und Rom I-VO Mit Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO ist es ohne weiteres zu vereinbaren, wenn auch unentgeltliche Dienstleistungen als Dienstleistungen im Sinne der Vorschrift gelten, da auch die Vermutung der engsten Verbindung zwischen dem Vertrag und dem Recht des Staates, in dem der Erbringer der charakteristischen Leistung (der Dienstleister) seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat,217 nicht dadurch in Frage gestellt wird, dass eine Gegenleistung nicht erfolgt.218 Auch wenn man auf die vom Kollisionsrecht intendierte Bevorzugung der von der rechtlichen Regulierung typischerweise stärker betroffenen Partei durch Anwendung ihres Heimatrechts abstellt,219 kann nichts anderes gelten, weil der Dienstleister stets stärkerer rechtlicher Regulierung unterliegen wird, unabhängig von der Frage, ob die Dienstleistung gegen Entgelt erbracht wird.220 Im Ergebnis hat freilich die Frage, ob eine einseitige Dienstleistungsverpflichtung als Dienstleistungsvertrag im Sinne des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO zu qualifizieren ist oder von dem andernfalls einschlägigen Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO erfasst wird, auf das anwendbare Sachrecht keine Auswirkungen, da auch für den Fall, dass ein solcher einseitiger Vertrag 216 217

Zur normhierarchischen Auslegung siehe oben Kap. 4 C. III. 1. Zum EVÜ Giuliano/Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EG 1980 C 282, S. 19. 218 Vgl auch Martiny, MünchKomm-BGB, Art. 4 Rom I-VO Rn. 23. 219 Vgl. hierzu Kropholler, Internationales Privatrecht, § 52 III 2 a; Rühl, Statut und Effizienz, S. 536 f. 220 So von Hein, IPRax 2013, 54, 58.

F. Innenrechtsverhältnisse der Gesellschaften und juristischen Personen

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nicht in den Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO fiele, über Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO dasselbe Sachrecht zur Anwendung berufen würde.221 Immerhin wird aber in der Begründung zum Rom I-VO-Entwurf der Rückgriff auf das Merkmal der charakteristischen Leistung in erster Linie bei „komplexeren Verträgen“ erwogen222, was wiederum gegen eine Auffangfunktion des Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO für einseitige Dienstleistungsverträge und für die Anwendbarkeit des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO spricht. IX. Zwischenergebnis Im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO kann die Anwendung dieser Regelung auf einseitige Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen vollends überzeugen. Sie ist weit weniger problematisch als die Anwendung auf zweiseitige Dienstleistungsverträge. Da auch der Wortlaut der Regelung eine solche Auslegung ohne weiteres zulässt, sollte daher Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO – entgegen der Auffassung des EuGH – so verstanden werden, dass er auch auf Verträge anzuwenden ist, die nur den Dienstleister einseitig zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten.223

F. Innenrechtsverhältnisse der Gesellschaften und juristischen Personen F. Innenrechtsverhältnisse der Gesellschaften und juristischen Personen

Ein Dienstleistungsvertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO in seiner einfachsten Form ist die freiwillige (einseitige) Verpflichtung zur Ausführung einer aktiven Tätigkeit.224 Nunmehr geht es darum, ob auch bestimmte Innenrechtsverhältnisse bei juristischen Personen und Gesellschaften, wenn sie (auch) zur Ausführung einer Tätigkeit verpflichten, als Dienstleistungsvertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zu qualifizieren sein könnten. Das ist insbesonde221 222

Ebenso von Hein, IPRax 2013, 54, 58. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnis anzuwendende Recht (Rom I), 15.12.2005, KOM(2005) 650 endgültig, S. 17. 223 So auch Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 5 Rn. 90; Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325, 328; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im Internationalen Zivilverfahrensrecht, S. 319; sowie für den Dienstleistungsbegriff in Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO auch Martiny, MünchKomm-BGB, Art. 4 Rom IVO Rn. 23; Staudinger/Magnus, BGB, Art. 4 Rom I-VO Rn. 40; Palandt/Thorn, BGB, Art. 4 Rom I-VO Rn. 9. 224 Siehe oben, Kap. 4 E. IX.

104 Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO re deshalb fraglich, weil derartige Rechtsverhältnisse regelmäßig einen organschaftlichen Charakter aufweisen. I. Reichweite des Art. 22 Nr. 2 EuGVO Fraglich ist, ob Streitigkeiten aus derartigen Rechtsverhältnissen nicht schon von Art. 22 Nr. 2 EuGVO erfasst werden und daher eine Anwendung des Art. 5 Nr. 1 EuGVO ohnehin ausscheidet. Art. 22 Nr. 2 EuGVO gewährt einen ausschließlichen Gerichtsstand für Klagen, bei denen es in erster Linie um die Gültigkeit, Nichtigkeit oder Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person, sowie die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe geht.225 1. Sinn und Zweck Durch die Zuständigkeitskonzentration am Sitz der betroffenen Gesellschaft soll vermieden werden, dass einander widersprechende Entscheidungen ergehen, die das Bestehen der Gesellschaft oder juristischen Person und die Wirksamkeit ihrer Beschlüsse zum Gegenstand haben.226 Da derartige Entscheidungen ihre Wirkung in der Regel erga omnes entfalten, wird es als besonders problematisch angesehen, wenn in diesem Punkt sich widersprechende Entscheidungen ergehen.227 Darüber hinaus soll die Zuständigkeitskonzentration am Sitz der Gesellschaft den Gleichlauf von ius und forum gewährleisten.228 So soll sichergestellt werden, dass sich die zuständigen Gerichte nicht mit komplizierten Fragen ausländischen Gesellschaftsrechts auseinandersetzen müssen,229 und außerdem, dass zwingende Erfordernisse des Gesellschaftsstatuts sowie die Publizitätsanforderungen des Registerstaates gewahrt werden.230 2. Nicht erfasste Bereiche Da Art. 22 Nr. 2 EuGVO voraussetzt, dass Klagegegenstand das Bestehen oder Nichtbestehen der Gesellschaft oder juristischen Person oder die Wirksamkeit von Beschlüssen ist, bleiben zahlreiche Konstellationen, die einen gesellschaftsrechtlichen Bezug aufweisen (können), außen vor.

225 226 227 228

EuGH, Urteil v. 12. 5. 2011 – Rs. C-144/10, Berliner Verkehrsbetriebe, Rn. 44. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 22 Rn. 33. Vgl. Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 22 Rn. 28. Magnus/Mankowski/de Lima Pinhero, Brussels I Regulation, Art. 22 Rn. 39; Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 22 Rn. 28. 229 Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art. 22 Rn. 16. 230 Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 6 Rn. 117.

F. Innenrechtsverhältnisse der Gesellschaften und juristischen Personen

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a. Streitigkeiten im Außenrechtsverhältnis Art. 22 Nr. 2 EuGVO ist nicht einschlägig, sofern es um Streitigkeiten zwischen der Gesellschaft oder juristischen Person und einer anderen Person im Außenverhältnis geht; das folgt nicht erst aus Art. 22 Nr. 2 EuGVO, sondern schon aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 60 EuGVO, weil letztgenannte Regelung überflüssig wäre, wenn alle Rechtsstreitigkeiten, an denen Gesellschaften oder juristische Personen beteiligt sind, von Art. 22 Nr. 2 EuGVO erfasst würden. Zudem ist Art. 22 Abs. 2 EuGVO auch dann nicht einschlägig, wenn der Verein oder die Gesellschaft geltend macht, dass ein vertraglicher Anspruch eines Dritten nicht bestehe, weil ein Organbeschluss, der zum Vertragsschluss geführt habe, ungültig sei.231 Zwar ist in solchen Fällen zumindest auch die Wirksamkeit des Beschlusses eines Organs zu prüfen, doch geht es jedenfalls nicht ausschließlich oder in erster Linie um eine solche Frage.232 b. Streitigkeiten im Innenrechtsverhältnis ohne Rechtswirkungen erga omnes Auch wenn Streitigkeiten aus dem Innenverhältnis der Gesellschaft oder juristischen Person, die keine Auswirkungen auf ihre Existenz oder die Wirksamkeit ihrer Beschlüsse haben, den Gegenstand der Klage bilden (in der Regel die Geltendmachung bestimmter Rechte und Pflichten aus diesem Innenrechtsverhältnis), findet Art. 22 Abs. 2 EuGVO keine Anwendung, da die Vorschrift nur dann einschlägig ist, wenn das Ziel der Klage die Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen der Gesellschaft oder der juristischen Person oder die Wirksamkeit von Beschlüssen ist, nicht aber, wenn über diese Fragen nur als Vorfrage zu entscheiden ist, etwa weil das Bestehen von Zahlungsansprüchen die Wirksamkeit des Korporationsverhältnisses voraussetzt.233 Die ausschließliche Zuständigkeit am Gesellschaftssitz nach Art. 22 Abs. 2 EuGVO ist nicht gegeben, wenn ein Gesellschafter Ansprüche auf Gewinnauszahlung gegen die Gesellschaft geltend macht oder umgekehrt die Gesellschaft Einzahlung der Stammeinlage verlangt,234 außerdem bei Klagen der Organpersonen gegen die Gesellschaft, z.B. Klagen des Vorstands auf Vergütung der Geschäftsführertätigkeit, und bei Klagen der Ge-

231 232 233

EuGH, Urteil v. 12. 5. 2011 – Rs. C-144/10, Berliner Verkehrsbetriebe, Rn. 47. EuGH, Urteil v. 12. 5. 2011 – Rs. C-144/10, Berliner Verkehrsbetriebe, Rn. 38. Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 22 Rn. 154; Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 22 Rn. 33. 234 Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 22 Rn. 40.

106 Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO sellschaft gegen Organpersonen,235 z.B. Schadenersatzansprüchen gegen den Geschäftsführer aus § 43 Abs. 2 und 3 GmbHG236 und § 64 S. 1 GmbHG.237 Insgesamt fallen in erster Linie Leistungsklagen aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift heraus, da die Entscheidung über eine solche Klage keine Wirkung erga omnes entfaltet.238 II. Vertragliche Qualifikation der Innenrechtsverhältnisse der Gesellschaften und juristischen Personen In den Entscheidungen in der Rs. Peters239 und in der Rs. Duffryn240 hat der EuGH den Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ vereins- und gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten eröffnet. Der Gerichtshof hatte sich dabei von einem engen, schuldrechtlich geprägten Vertragsverständnis gelöst und im Wege autonomer Auslegung unter den Begriff des Vertrages im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ auch Vereinsmitgliedschaften und Satzungen von Aktiengesellschaften gefasst. 1. Entscheidung des EuGH in der Rs. Peters In der Rs. Peters, in der es um Zahlungsansprüche eines Vereins gegen eines seiner Mitglieder ging, stellte der EuGH „etwas zaghaft“241 fest, „dass der Beitritt zu einem Verein zwischen den Vereinsmitgliedern enge Bindungen gleicher Art schafft, wie sie zwischen Vertragsparteien bestehen“ und es „daher gerechtfertigt [ist], für die Anwendung von Artikel 5 Nr. 1 [EuGVÜ] die […] bezeichneten Ansprüche als vertragliche Ansprüche anzusehen“.242 Der EuGH führte dabei das pragmatische Argument an, dass „die Anwendung von Artikel 5 Nr. 1 [EuGVÜ] außerdem praktische Vorteile [hat}“, „da nach den innerstaatlichen Rechtsverordnungen meistens der Ort des Vereinssitzes auch Erfüllungsort für die Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft ist“ und „das Gericht des Ortes, an dem sich der Sitz des Vereins befindet, […] in der Regel die Vereinssatzung, -bestimmungen und -beschlüsse sowie die Umstände, die mit der Entstehung des Rechtsstreits zusammenhängen, am besten verstehen [kann]“.243 235 Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 22 Rn. 40; Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 22 Rn. 35. 236 OLG München IPRax 2000, 416. 237 OLG München IPRax 2000, 416; OLG Düsseldorf IPRax 2011, 176; OLG Karlsruhe IPRax 2011, 179, mit Anm. Wais, IPRax 2011, 138. 238 Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 22 Rn. 35. 239 EuGH, Urteil v. 22.3.1983 – Rs. 34/82, Peters. 240 EuGH, Urteil v. 10.3.1992 – Rs. C-214/89, Duffryn. 241 Kindler, FS Peter Ulmer, S. 305, 310. 242 EuGH, Urteil v. 22.3.1983 – Rs. 34/82, Peters, Rn. 13. 243 EuGH, Urteil v. 22.3.1983 – Rs. 34/82, Peters, Rn. 14.

F. Innenrechtsverhältnisse der Gesellschaften und juristischen Personen

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2. Entscheidung des EuGH in der Rs. Duffryn Im Anschluss stellte der Gerichtshof in der Rs. Duffryn, in der es im Grunde um die Wirksamkeit einer in die Satzung einer Aktiengesellschaft aufgenommenen Gerichtsstandsvereinbarung ging, fest, dass „in gleicher Weise […] auch die Bindungen zwischen den Aktionären einer Gesellschaft mit denjenigen vergleichbar [sind], die zwischen Vertragsparteien bestehen“.244 Um den Gesellschaftszweck zu erreichen, habe „jeder Aktionär gegenüber den anderen Aktionären und den Organen der Gesellschaft Rechte und Pflichten, die in der Satzung der Gesellschaft niedergelegt sind“, sodass für die Zwecke des EuGVÜ „die Satzung der Gesellschaft als Vertrag anzusehen [sei], der sowohl die Beziehungen zwischen den Aktionären als auch die Beziehungen zwischen diesen und der von ihnen gegründeten Gesellschaft regelt“.245 3. Unbeachtlichkeit des organisationsrechtlichen Charakters des Rechtsverhältnisses Das diesen Entscheidungen zugrundeliegende weite Vertragsverständnis hat der Gerichtshof im Zuge seiner ausführlichen Rechtsprechung zu Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ in der Entscheidung in der Rs. Handte246 und in folgenden Entscheidungen247 insofern bekräftigt, als er einen äußerst weiten Vertragsbegriff vertrat, der allein eine freiwillig eingegangene Verpflichtung voraussetzt.248 Das organisationsrechtliche Element eines Gesellschaftsvertrages steht somit offensichtlich der Anwendung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ und folglich auch des Art. 5 Nr. 1 a EuGVO nicht entgegen. Das überzeugt vor dem Hintergrund, dass immer dann, wenn die Streitigkeit über das Verpflichtungsverhältnis hinausgeht, d.h. wenn es in erster Linie um die konstituierende Funktion des Gesellschaftsvertrages geht und mithin unmittelbar das organisationsrechtliche Element des Gesellschaftsvertrages angesprochen ist, aufgrund der Wirkung der Entscheidung erga omnes ohnehin Art. 22 Nr. 2 EuGVO einschlägig ist.249 4. Sonderrechtsbeziehungen Vertraglich zu qualifizieren sind zudem nicht allein die Rechtsbeziehungen zwischen den Gesellschaftern untereinander und gegenüber der Gesellschaft, sondern auch die organschaftliche Sonderrechtsbeziehung zwischen 244 245 246 247 248 249

EuGH, Urteil v. 10.3.1992 – Rs. C-214/89, Duffryn, Rn. 16. EuGH, Urteil v. 10.3.1992 – Rs. C-214/89, Duffryn, Rn. 17. EuGH, Urteil v. 17.6.1992 – Rs. C-26/91, Handte, Rn 15. EuGH, Urteil v. 20.1.2005 – Rs. C-27/02, Engler, Rn. 50 m.w.N. Siehe auch oben, Kap 4 A. II. 1. Vgl. hierzu auch Schaper, IPRax 2010, 513.

108 Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO einer Gesellschaft und ihren Organpersonen, etwa zwischen der GmbH und ihrem Geschäftsführer oder zwischen einer AG und ihrem Vorstand.250 Zwar handelte es sich bei der Bestellung zum Vorstand oder zum Geschäftsführer durch die Gesellschaft um einen einseitigen, körperschaftlichen Akt, doch bedarf die Bestellung zur Erlangung der Wirksamkeit der Annahme durch die Organperson.251 Mit der Bestellung sind umfangreiche Rechte und Pflichten verbunden.252 Das organschaftliche Rechtsverhältnis stellt daher ebenso eine freiwillig eingegangene Verpflichtung dar und ist als Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO zu qualifizieren.253 III. Qualifikation als Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen Es stellt sich die Frage, ob beim Vorliegen von Verpflichtungen zur Ausführung bestimmter Tätigkeiten, die sich aus diesen Rechtsbeziehungen ergeben, auch ein Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO anzunehmen sein kann, wenn die Tätigkeiten als solche auch als Gegenstand einer Dienstleistung im Sinne dieser Vorschrift in Frage kommen. 1. Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO und Organisationsrecht Dabei ist zunächst zu klären, ob der organschaftliche Charakter einer Rechtsbeziehung innerhalb einer Gesellschaft oder einer juristischen Person einer Qualifikation als Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO entgegen steht. Geht man allein vom Vertragsbegriff im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO aus, so wäre diese Frage zu verneinen. Der organschaftliche Charakter eines Innenrechtsverhältnisses in Gesellschaften oder juristischen Personen selbst könnte daher nur dann die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ausschließen, wenn das Merkmal „Erbringung von Dienstleistungen“ in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO einer entsprechenden Qualifikation entgegenstünde. Versteht man aber das Merkmal „Erbringung von Dienstleistungen“ als reine Konkretisierung des Verpflichtungsgegenstandes,254 sodass eine freiwillig eingegangene Verpflichtung255 zur Ausführung einer aktiven Tätig250 OLG München IPRax 2000, 416; OLG Düsseldorf IPRax 2011, 176; Haubold, IPRax 2000, 375, 377; Wais, IPRax 2011, 138, 141. 251 Spindler, MünchKomm-AktG, § 84 Rn. 9; 21; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 35 Rn. 10. 252 Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 35 Rn. 12. 253 OLG München IPRax 2000, 416; OLG Düsseldorf IPRax 2011, 176; Haubold, IPRax 2000, 375, 377; Wais, IPRax 2011, 138, 141. 254 Siehe oben, Kap. 4 E. II. 255 Siehe oben, Kap. 4 A. II. 1.

F. Innenrechtsverhältnisse der Gesellschaften und juristischen Personen

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keit256 als Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen gilt, kann auch die Tatsache, dass dem jeweiligen Rechtsverhältnis nach dem nationalen Recht zudem eine konstituierende, organisationsrechtliche Funktion zukommt, nicht erheblich sein.257 2. Rechtsverhältnisse innerhalb der Gesellschaft Das Rechtsverhältnis zwischen dem Gesellschafter und den Mitgesellschaftern sowie der Gesellschaft wird hier am Beispiel der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach § 705 ff. BGB als Prototyp der Personengesellschaft des deutschen Rechts258 untersucht, wobei zwischen dem Verhältnis der Gesellschafter untereinander und dem Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft zu unterscheiden ist.259 Nach deutschem Recht verpflichtet der Gesellschaftsvertrag die Gesellschafter zur Leistung ihrer vereinbarten Beiträge (§ 705 BGB), die gemäß § 706 Abs. 3 BGB auch „in der Leistung von Diensten“ bestehen können. Es ist herausgestellt worden, dass unter einer Dienstleistung im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO jede aktive Tätigkeit zu verstehen ist,260 sodass die „Leistung von Diensten“ auch Gegenstand der Dienstleistung im Sinne von lit. b 2. Spiegelstrich sein kann. Relevant wird die Frage der Qualifikation derartiger Rechtsverhältnisse in erster Linie dann, wenn „die Leistung von Diensten“, die den Gesellschaftsbeitrag darstellt, nicht am Gesellschaftssitz, sondern nach dem Gesellschaftsvertrag andernorts erfolgt, weil dann der Ort der Dienstleistungserbringung im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nicht mit dem nach der lex causae zu bestimmenden Erfüllungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO übereinstimmt, wenn das Gesellschaftsstatut den Erfüllungsort am Gesellschaftssitz lokalisiert. a. Zwischen den Gesellschaftern Im Verhältnis der Gesellschafter untereinander bestehen Ansprüche auf Leistung des Beitrages in aller Regel nicht.261 Das Verhältnis zwischen den Beitragspflichten kann nicht als Austauschverhältnis verstanden werden.262 Es fehlt daher im Verhältnis der Gesellschafter zueinander schon an einer Verpflichtung im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO, aus dem ein Gesell256 257

Siehe oben, Kap. 4 C. V. So auch Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im Internationalen Zivilverfahrensrecht, S. 315. 258 Reuter, MünchKomm-BGB, § 22 Rn. 1. 259 Ulmer, MünchKomm-BGB, § 705 Rn 186. 260 Siehe oben, Kap. 4 C. V. 261 Ulmer, MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 215. 262 Hüffer, Gesellschaftsrecht, § 9 Rn. 5.

110 Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO schafter in eigenem Namen Ansprüche gegen einen Mitgesellschafter klageweise geltend machen könnte. b. Zwischen Gesellschafter und Gesellschaft Anders liegt es im Verhältnis zwischen dem einzelnen Gesellschafter und der Gesellschaft insofern, als hier die einzelnen Gesellschafter Gewinnansprüche und Ansprüche auf Geschäftsführervergütung gegen die Gesellschaft haben, die gegenüber der rechtsfähigen Gesellschaft, andernfalls gegenüber den übrigen Gesellschaftern als Gesamthänder geltend zu machen sind.263 Dem stehen die Rechte der Gesamthand gegen die einzelnen Mitglieder gegenüber, unter ihnen vor allem die Beitragspflicht und die Pflicht zur Geschäftsführung.264 aa. Besondere Stellung des Gesellschaftszwecks Dennoch kann auch im Verhältnis zwischen Gesellschaftern und Gesellschaft der Gesellschaftsvertrag nicht als Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO qualifiziert werden. Dem steht vor allem die dominierende Stellung des Gesellschaftszwecks entgegen. Selbst wenn nämlich der Gesellschafterbeitrag in der Ausführung bestimmter Tätigkeiten liegt, die für sich genommen auch den Gegenstand einer Dienstleistung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO darstellen können, so ist doch die – wenn man so will – charakteristische Verpflichtung des Gesellschafters die Verpflichtung zur Förderung der Erreichung des Gesellschaftszwecks, der der Gesellschafter ggf. auch durch die Ausführung bestimmter Tätigkeiten nachzukommen hat. Um die Beitragsleistung geht es nur in zweiter Linie. Es wäre zudem auch kaum überzeugend, wenn im Verhältnis zu einem Gesellschafter, dessen Beitrag tatsächlich in der Ausführung bestimmter Tätigkeiten liegt, Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO anzuwenden wäre und es auf Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO im Verhältnis zu einem anderen Gesellschafter ankäme, dessen Beitrag beispielsweise in der Erbringung einer Sacheinlage liegt, obwohl es sich um ein und denselben (Gesellschafts)Vertrag handelt. Die Qualifikation eines Vertrags als Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne der Vorschrift kann schließlich nicht davon abhängen, auf welche Verpflichtung im konkreten Fall abgestellt wird, denn Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ist unter den gegebenen Voraussetzungen auf einen Vertrag insgesamt anzuwenden und lässt dann keinen Raum für eine Aufspaltung der Verpflichtungen nach Art. 5 Nr. 1 lit. a und lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO. 263 264

Ulmer, MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 197. Ulmer, MünchKomm-BGB, § 705 Rn. 201.

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bb. Inkompatibilität des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO Überhaupt passt Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO seiner Konzeption nach bei Verträgen, die nicht nur einseitig zur Erbringung von Leistungen verpflichten, die jeweils für sich den Streitgegenstand bilden können, nur dann, wenn die Gegenleistung eine Geldzahlung ist. Andernfalls würde die zugrundeliegende Prämisse, dass Streitigkeiten, die unmittelbar nicht die Dienstleistung sondern die Gegenleistung betreffen, jedenfalls mittelbar doch ihren Grund in der Dienstleistungserbringung finden, nicht zutreffen.265 Die Annahme, dass auch bei einer Klage des Gesellschafters gegen die Gesellschaft der Grund der Streitigkeit in aller Regel zumindest mittelbar in seiner Beitragsleistung liegen wird, dürfte dagegen schon aufgrund der Tatsache, dass das Erreichen des Gesellschaftszwecks von der Mitwirkung aller Gesellschafter abhängt, nicht gerechtfertigt sein. Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ist daher hier nicht anwendbar.266 3. Organpersonen Darüber hinaus gilt es zu untersuchen, ob das Rechtsverhältnis zwischen juristischen Personen und deren Organen als Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zu qualifizieren ist. Als Beispiel sollen hier GmbH und AG dienen. Festzuhalten ist, dass der Geschäftsführer einer GmbH267 oder der Vorstand einer AG268 zur Führung der Geschäfte der jeweiligen Gesellschaft verpflichtet ist. Für sich genommen ist die Geschäftsführung als eine aktive Tätigkeit aufzufassen.269 Dagegen dient die Hauptversammlung als drittes Organ der AG und die Gesamtheit der Gesellschafter als zweites zwingendes Organ der GmbH nur der internen Willensbildung.270 Die Überwachung des Vorstandes als Pflicht des Aufsichtsrats der AG271 und des fakultativen Aufsichtsrates der GmbH272 kann wiederum als aktive Tätigkeit aufgefasst werden, die als solche den Gegenstand der Dienstleistung

265 266

Siehe oben, Kap. 4 D. II. 7. Im Ergebnis auch Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im Internationalen Zivilverfahrensrecht, 313; Mock, RabelsZ (72) 2008, 266, 283; implizit auch von der Seipen, FS Erik Jayme Bd. 1, S. 859, 865. 267 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 33. 268 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 7. 269 Wais, IPRax 2011, 138, 142. 270 Eisenhart, Gesellschaftsrecht, Rn. 574, 712. 271 Habersack, MünchKomm-AktG, § 111 Rn. 18. 272 Eisenhart, Gesellschaftsrecht, Rn. 718.

112 Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ausmachen könnte.273 a. Differenzierung zwischen Bestellungs- und Anstellungsverhältnis im deutschen Recht Im deutschen Recht wird zwischen dem organisationsrechtlichen Bestellungsverhältnis zwischen Gesellschaft und Organperson und dem schuldrechtlich ausgestalteten Anstellungsverhältnis unterschieden.274 Die Bestellung ist ein organisationsrechtlicher Akt, durch den die Organstellung des Geschäftsführers oder des Vorstands und damit einhergehend seine Pflicht zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft begründet wird.275 Ganz überwiegend wird parallel dazu ein Anstellungsvertrag geschlossen, der die Vergütung und Pensionsansprüche regelt und zudem auch auf schuldrechtlicher Grundlage zur Geschäftsführung verpflichtet.276 Auch das organisationsrechtliche Rechtsverhältnis zwischen der AG und dem Aufsichtsrat entsteht mit Bestellung.277 Hierdurch wird seine Pflicht zur Überwachung des Vorstands begründet.278 Im Gegensatz zum Vorstand der AG soll es aber kein zusätzliches Anstellungsverhältnis zwischen Aufsichtsrat und AG geben.279 b. Qualifikation des Anstellungsverhältnisses Das Anstellungsverhältnis, welches auf schuldrechtlicher Ebene zwischen der AG und dem Vorstand besteht, wird nach deutschem Recht als Dienstvertrag im Sinne des § 611 BGB verstanden, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat.280 Dasselbe gilt auch für das Anstellungsverhältnis zwischen GmbH und Geschäftsführer.281 Unproblematisch ist der Anstellungsvertrag auch als Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zu qualifizieren, weil die jeweilige Organperson sich freiwillig zur Führung der Geschäfte der

273 Vgl. auch Franzina, La Giurisdizione in Materia Contrattuale, S. 207 (Fn. 75); Wais, IPRax 2011, 138, 142; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz im Internationalen Zivilverfahrensrecht, S. 315. 274 Wicke, GmbHG, § 6 Rn. 1; Spindler, MünchKomm-AktG, § 84 Rn. 10. 275 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 28 ff.; Hüffer, AktG, § 84 Rn. 4, 8. 276 Wicke, GmbHG, Anh. § 6 Rn. 9, 11; Spindler, MünchKomm-AktG, § 84 Rn. 93. 277 Hüffer, AktG, § 101 Rn. 2. 278 Habersack, MünchKomm-AktG, § 111Rn. 18. 279 Hüffer, AktG, § 101 Rn. 2; Habersack, MünchKomm-AktG, § 101 Rn. 67. 280 Spindler, MünchKomm-AktG, § 84 Rn. 50. 281 Wicke, GmbHG, Anh. § 6 Rn. 4.

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Gesellschaft verpflichtet und somit jedenfalls eine freiwillig eingegangene Verpflichtung zur Ausführung einer aktiven Tätigkeit vorliegt.282 c. Qualifikation des Bestellungsverhältnisses Auch wenn die Bestellung zum Vorstand oder zum Geschäftsführer durch die Gesellschaft ein einseitiger, körperschaftlicher Akt ist, so bedarf sie doch zur Erlangung der Wirksamkeit der Annahme durch die Organperson283 und ist daher zumindest als Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. 1 EuGVO zu qualifizieren.284 Zudem folgt die Pflicht des Geschäftsführers bzw. des Vorstandes zur Geschäftsführung bereits aus der Organstellung und wird nicht erst durch den Anstellungsvertrag begründet.285 Es liegen also zwei zur Qualifikation als Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen jedenfalls erforderliche Elemente vor, die freiwillig eingegangene Verpflichtung (Vertrag) zur Erbringung einer aktiven Tätigkeit (Dienstleistung). Weiterhin ist zu verlangen, dass die Dienstleistung auch die charakteristische Leistung des Vertrages darstellt. Soweit man allein auf das aus der Bestellung hervorgegangene Verpflichtungsprogramm abstellt, ist dies anzunehmen, denn Grundaufgabe der Geschäftsführer ist die Geschäftsführung.286 aa. Begründung der Organstellung als primärer Zweck unbeachtlich Soweit man allerdings auf das Charakteristikum des Rechtsverhältnisses insgesamt abstellt, könnte sich möglicherweise dessen organschaftliche Komponente – Schaffung der für die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft notwendigen Organe – in den Vordergrund drängen. Es geht dann aber nicht um Ansprüche, die sich als die primäre Folge der freiwillig eingegangenen Verpflichtungen präsentieren, sondern um zusätzliche spezifische organschaftliche Sonderwirkungen. Diese Wirkungen können jedoch für die Regelung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO keine Rolle spielen, da sie ohnehin nicht unmittelbarer Streitgegenstand einer Klage, für die sich die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO bestimmt, sein können. Soweit hier unmittelbar das organschaftliche Element des Rechtsverhältnisses angesprochen ist, d.h. wenn es um die Feststellung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Bestellung geht, 282 283

Vgl. auch Harbarth/Nordmeier, IPRax 2009, 393, 396. Spindler, MünchKomm-AktG, § 84 Rn. 9; 21; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 35 Rn. 10. 284 Haubold, IPRax 2000, 375, 377. 285 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 28 ff; Hüffer, AktG, § 84 Rn. 4, 8. 286 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 28.

114 Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO findet ohnehin Art. 22 Abs. 2 EuGVO Anwendung; die Regelung ist in diesem Kontext einschlägig, wenn es um Klagen geht, die „die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe zum Gegenstand haben“.287 Im Übrigen setzt ja die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft durch ihre Organe gerade das Tätigwerden letzterer voraus. bb. Vermeidung von Inkongruenzen bei der Anwendung des Art. 5 Nr. 1 EuGVO Würde man aufgrund des organschaftlichen Charakters des Bestellungsverhältnisses dessen Qualifikation als Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ablehnen, würden sich nur schwer nachvollziehbare Unterschiede in der Zuständigkeitsbestimmung ergeben. Je nachdem, ob eine Klage auf die Verletzung der aus dem Anstellungsvertrag oder der Bestellung hervorgehenden (identischen) Verpflichtung zur Geschäftsführung gestützt würde, wäre nämlich die Zuständigkeit entweder nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO oder nach Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO zu bestimmen, obwohl es um dieselbe tatsächliche Pflicht zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft geht, die sowohl durch die Bestellung als auch durch den Anstellungsvertrag begründet wird. Ob darüber hinaus gar die Differenzierung zwischen Anstellungs- und Bestellungsverhältnis für die Zwecke der autonomen Qualifikation aufzugeben ist,288 kann dahinstehen, sofern jedenfalls beide Rechtsverhältnisse in gleicher Weise qualifiziert werden. d. Bedeutsamkeit der Qualifikation Die Qualifikation des Bestellungsverhältnisses zwischen juristischen Personen und ihren Organen spielt in erster Linie eine Rolle, wenn einzelne Geschäftsführer ihrer Tätigkeit nicht am Gesellschaftssitz, sondern im Ausland nachgehen, ohne dass hierdurch zugleich eine Verlegung des (tatsächlichen) Gesellschaftssitzes begründet würde. Nach deutschem Recht wird der materiellrechtliche Erfüllungsort der Geschäftsführungsverpflichtung regelmäßig am Gesellschaftssitz liegen,289 sodass nach Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO die Zuständigkeit der dortigen Gerichte gegeben wäre, wohingegen die Zuständigkeitsbestimmung nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nach dem Ort der Dienstleistungserbringung, d.h. der tatsächlichen Ausführung der Tätigkeit zur Zuständigkeit der Gerichte am Sitz des Geschäftsführers im Ausland führen würde. 287 288 289

Siehe dazu schon oben, Kap 4 f. I. Diese Frage aufwerfend Mankowski, RIW 2004, 167, 171. OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2009, BeckRS 2010, 12145; Wais, IPRax 2011, 138, 142.

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Wenn eine Gesellschaft, die im Staat X gegründet wurde, ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegt, ist zudem denkbar, dass unter Vorherrschaft der Gründungstheorie nach Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO die Zuständigkeit der Gerichte am statutarischen Sitz der Gesellschaft gegeben ist, wohingegen nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO bei grenzüberschreitender Sitzverlegung das faktische Element der Zuständigkeitsbestimmung für die Zuständigkeit der Gerichte am Verwaltungssitz spricht, wird dieser doch gerade durch den Tätigkeitsort der Geschäftsführung begründet.290 Im Ergebnis entspricht eine Auslegung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO dahingehend, dass auch Bestellungsverhältnisse zwischen juristischen Personen und ihren Organen erfasst werden, dem Ziel der Sach- und Beweisnähe, weil den Gerichten am tatsächlichen Sitz des Geschäftsführers insbesondere die Beweisaufnahme regelmäßig leichter fallen wird, als den Gerichten am satzungsmäßigen Sitz. e. Kein Gleichlauf zwischen EuGVO und Rom I-VO Nach Art. 1 Abs. 2 lit. f Rom I-VO sind Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen, wie insbesondere die Errichtung und Auflösung von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen und die persönliche Haftung der Gesellschafter und der Organe für die Verbindlichkeiten von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen vom Anwendungsbereich der Rom I-VO ausgenommen. Fraglich ist, ob von dieser Bereichsausnahme auch das Rechtsverhältnis zwischen juristischen Personen und ihren Organen erfasst wird. aa. Rechtsverhältnis zwischen juristischen Personen und ihren Organen und Rom I-VO Unter diesen Umständen würde Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auf ein Rechtsverhältnis Anwendung finden, für das nicht auch Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO gilt; ein Anwendungsgleichlauf zwischen den beiden Vorschriften wäre insofern nicht gegeben. Zu beachten ist, dass Art. 1 Abs. 2 lit. f Rom I-VO dem Wortlaut nach nur die „persönliche Haftung der Gesellschafter und der Organe für die Verbindlichkeiten von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen“ umfasst, von einer Haftung im Innenverhältnis ist nicht die Rede. Hieraus wird mitunter geschlussfolgert, dass Fragen betreffend das Rechtsverhältnis innerhalb der Gesell-

290 von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 7 Rn. 25; Spindler/ Stilz/Müller, AktG, IntGesR Rn. 4; Weller, MünchKomm-GmbHG, Einleitung Rn. 321; begründet durch Sandrock, FS Guenther Beitzke, S. 669, 683.

116 Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO schaft oder juristischen Person nicht vom Anwendungsbereich der Rom IVO ausgeschlossen sind.291 Überzeugender ist aber die Annahme, dass der Ausschluss des Art. 1 Abs. 2 lit. f Rom I-VO sich auf alle Fragen des gesamten Gesellschaftsrechts erstreckt, die spezifische Probleme des Gesellschaftsrechts zum Gegenstand haben, weil diese sinnvollerweise einem einheitlichen Gesellschaftsstatut unterstehen sollten.292 Kaum überzeugen würde schließlich eine kollisionsrechtliche Behandlung der Rechtsbeziehungen zwischen juristischen Personen und ihren Organen, die dazu führen würde, dass die Rechte und Pflichten einzelner Organpersonen derselben Gesellschaft, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt jeweils in einem anderen Staat haben, ohne inhaltlichen Grund unterschiedlich ausgestaltet würden. Vor diesem Hintergrund ist also festzustellen, dass aufgrund der Bereichsausnahme des Art. 1 Abs. 2 lit. f Rom I-VO auf das Rechtsverhältnis zwischen juristischen Personen und ihren Organen die dienstleistungsspezifische Regelung des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO keine Anwendung findet, obwohl es grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO fällt. bb. Gleichlauf kein zwingendes Erfordernis Wie aber bereits herausgearbeitet worden ist, gilt das Erfordernis der rechtsaktübergreifenden Auslegung zwischen EuGVO und Rom I-VO nicht uneingeschränkt, sondern nur dann, wenn die Auslegungsparameter auf der primären Auslegungsebene hierfür Raum lassen.293 Indes entspricht die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auf Bestellungsverhältnisse zwischen juristischen Personen und ihren Organen in besonderem Maße dem Erfordernis der Sach- und Beweisnähe; immer dann, wenn sich die Qualifikation des Rechtsverhältnisses überhaupt auf die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 EuGVO auswirkt, d.h. wenn die Organperson nicht am (statutarischen) Gesellschaftssitz tätig ist,294 ist es wahrscheinlicher, dass ein nach Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO normativ bestimmtes zuständiges Gericht in tatsächlicher Hinsicht dem Rechtsstreit näher stehen wird, als ein nach Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO bestimmtes. Soweit es aber um die einseitige Ausführung einer Tätigkeit geht – das folgt aus Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO – muss es auf die tatsächliche Nähe und nicht auf den Gleichklang von Klagemöglichkeit und

291 292 293 294

Plender/Wilderspin, The European Private Law of Obligations, 4-34. Vgl. Staudinger/Magnus, BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 82. Siehe oben, Kap. 4 C. IV. 1. b. Siehe oben, Kap. 4 f. III. 3. d.

G. Ausgewählte Verträge

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materiellrechtlicher Leistungspflicht, der Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO zugrunde liegt,295 ankommen. Schließlich stellte auch die Bereichsausnahme in Art. 1 Abs. 2 lit. e EVÜ betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen, die derjenigen in Art. 1 Abs. 2 lit. f Rom I-VO entspricht, auch für den EuGH keinen Grund dar, von der Anwendung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ auf das Innenrechtsverhältnis eines Vereins296 oder einer AG297 abzusehen. 4. Zwischenergebnis Auch das organschaftliche Bestellungsverhältnis zwischen juristischen Personen und ihren Organen ist als Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zu qualifizieren. Hingegen fällt das Rechtsverhältnis zwischen den Gesellschaftern und gegenüber der Gesellschaft nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift.

G. Ausgewählte Verträge G. Ausgewählte Verträge

I. Miete, Pacht und Leihe Bei Miet-, Pacht- und Leihverträgen geht es zunächst darum, dass der Vertragspartner Besitz an der vertragsgegenständlichen Sache erhält. Die Übergabe bei Miet-, Pacht- und Leihverträgen entspricht – soweit Gegenstand eine bewegliche Sache ist – faktisch der Übergabe bei Verträgen über den Verkauf beweglicher Sachen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO. Dass sich bei Kaufverträgen mit der Übergabe zusätzlich zur Besitzverschaffung eine Übereignung vollzieht, hängt allein vom anwendbaren Recht ab und kann für die auf einem faktischen Kriterium beruhende Erfüllungsortsbestimmung in Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO ohnehin keine Rolle spielen, weil es sich bei der Eigentumsübertragung um einen rechtlichen Vorgang handelt, der normativ bestimmbar aber faktisch nicht wahrnehmbar ist. Kommt es insofern allein auf die faktische Besitzverschaffung an, so sind Kaufverträge und Miet-, Pacht- und Leihverträge zunächst miteinander vergleichbar, was das Tätigkeitsmoment bei der Erbringung der hauptsächlichen Leistung anbelangt: Es geht jeweils darum, dem Vertragspartner die Inbesitznahme einer bestimmten Sache zu ermöglichen. Dabei gilt es 295 296 297

Siehe oben, Kap. 3 D. VIII. EuGH, Urteil v. 22.3.1983 – Rs. 34/82, Peters. EuGH, Urteil v. 10.3.1992 – Rs. C-214/89, Duffryn.

118 Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zu beachten, dass die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO auf Miete, Pacht und Leihe freilich schon an dem besonders engen Anwendungsbereich dieser Vorschrift scheitert, der expressis verbis den „Verkauf“ beweglicher Sachen voraussetzt. Da man aber die Übergabe an sich ohne weiteres als eine Tätigkeit auffassen könnte, stellt sich die Frage, ob Miet-, Pacht- und Leihverträge in den Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO fallen. Allerdings steht der mit der Übergabe bezweckte tatsächliche Erfolg, nämlich die Besitzerlangung auf Seiten des Vertragspartners, gänzlich im Vordergrund. Die Übergabe im Sinne der ausgeführten Tätigkeit ist dabei nur Voraussetzung für den Eintritt dieses tatsächlichen Erfolges. Dabei könnte freilich eingewandt werden, dass auch bei jedem Werkvertrag, bei dem ein bestimmter Erfolg geschuldet ist, die Verrichtung einer Tätigkeit notwendige Voraussetzung ist. Doch stellt bei einem Werkvertrag auch die durchgeführte Tätigkeit für sich genommen bereits einen Mehrwert dar; jedenfalls dergestalt, dass Arbeit verrichtet worden ist, sodass der Werkvertrag als Dienstleistungsvertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zu qualifizieren ist.298 Anders liegt es bei der Übergabe, denn ein Besitzwechsel kann sich auch dann vollziehen, wenn der ursprüngliche Besitzer schlicht zulässt, dass der neue Besitzer sich Besitz verschafft. Hinzu kommt, dass bei Miet-, Pacht- und Leihverträgen nicht allein die Verschaffung des Besitzes geschuldet ist, sondern zudem im Anschluss daran die Besitzüberlassung während der Dauer der Vertrages. Der Unterschied zum Kaufvertrag liegt darin, dass Vermieter, Verpächter und Verleiher ihr Eigentum gar nicht und ihre Besitzrechte nicht vollständig aufgeben. Dem Vertragspartner kommt es hier entscheidend darauf an, dass ihm während der Dauer des Vertragsverhältnisses der Besitz an der Sache überlassen wird. Die Verpflichtung zur Besitzüberlassung ist aber ab dem Zeitpunkt der Übergabe nichts anderes als eine Verpflichtung, Einflussnahmen auf die Sache, die den Mieter, Pächter oder Entleiher in seinem Besitz stören könnten, zu unterlassen. Gegenstand des Vertrages ist insofern nicht eine Tätigkeit, sondern ein Unterlassen, d.h. eine Untätigkeit. Gegenüber einem Eigentümer folgt diese Unterlassungspflicht unmittelbar aus der Rechtsordnung. Für den Vermieter, Verpächter oder Verleiher hingegen folgt sie aus dem Vertrag. Die vertragsgemäße Besitzüberlassung, d.h. das Unterlassen einer Besitzstörung, ist zugleich wesentliche Hauptleistung des Vertrages. Zwar verpflichten sich Vermieter und Verpächter regelmäßig, auch dafür Sorge zu tragen, dass sich die vermietete oder verpachtete Sache während 298 Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 44; Rauscher/ Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 50.

G. Ausgewählte Verträge

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der gesamten Vertragslaufzeit in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand befindet,299 sodass mitunter umfangreiche Instandhaltungstätigkeiten auszuführen sein können. Doch sind die für derartige Verträge charakteristischen Leistungen die Einräumung und Überlassung des Besitzes, da diese unverzichtbare Voraussetzung für die Vertragserfüllung sind, wohingegen die Pflicht zur Erhaltung der überlassenen Sache nur dann akut wird, wenn die Sache sich verschlechtert. Verbleibt sie in dem vereinbarten Zustand, besteht auch keine Notwendigkeit zur Ausführung bestimmter Tätigkeiten, die der Instandhaltung dienen. Die vertraglichen Verpflichtungen des Überlassenden sind dann erfüllt, ohne dass Instandhaltungstätigkeiten ausgeführt worden sind. Auch weil die Ausführung dieser Tätigkeiten ungewiss ist, können sie nicht als maßgeblich erachtet werden. Zudem kann durch vertragliche Vereinbarung die Instandhaltungspflicht in erheblichem Umfang auch auf den Mieter, Pächter oder Entleiher übertragen werden.300 Es muss somit auf die Gebrauchsüberlassung ankommen, die jedoch nicht als Dienstleistung aufzufassen ist.301 II. Beherbergungsverträge Bei einem Beherbergungsvertrag kommt es zu einer Gebrauchsüberlassung von Wohnraum. Insofern scheinen derartige Verträge vergleichbar mit Mietverträgen über Wohnraum. Vom reinen Mietvertrag unterscheidet sich der Beherbergungsvertrag jedoch darin, dass weitere Leistungen hinzutreten. So wird regelmäßig eine tägliche Zimmerreinigung Bestandteil des Leistungsprogramms sein, sowie teilweise die Versorgung der Gäste. Bei sog. „all inclusive“-Angeboten werden regelmäßig zur vollumfänglichen Versorgung der Gäste ein tägliches Unterhaltungsprogramm oder Abendveranstaltungen hinzutreten. Ebenso ist denkbar, dass auch etwaige „Wellness“-Leistungen mit umfasst sind. Im exklusiveren Beherbergungsbereich kann zudem eine ganztägige persönliche Betreuung hinzukommen. Treten all diese genannten Leistungen zur bloßen Gebrauchsüberlassung hinzu, wird man nicht davon ausgehen können, dass allein die Gebrauchsüberlassung die wesentliche Leistung des Vertrages ausmacht; vielmehr wird anzunehmen sein, dass ein solcher Vertrag die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zum Gegen-

299 Vgl. etwa § 535 Abs. 1 S. 2 und § 581 Abs. 2 BGB, Art. 1577 und Art. 1621 codice civile sowie auf rechtsvergleichender Grundlage DCFR IV. B. – 3:104: (1). 300 Vgl. zu den sog. Schönheitsreparaturklauseln BGH NJW 2004, 2961; NJW 1987, 2575. 301 Vgl. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 44; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 50c; für Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO auch Martiny, MünchKomm-BGB, Art. 4 Rom I-VO Rn. 30.

120 Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO stand hat.302 Allerdings ist stets zu prüfen, ob nicht die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO aufgrund des Vorliegens eines Verbrauchervertrages im Sinne von Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVO ausgeschlossen ist.303 III. Reiseverträge Ist zusätzlich zu den soeben aufgeführten Leistungen auch die Beförderung im Rahmen der An- und Abreise des Gastes vom geschuldeten Leistungsprogramm erfasst, wird freilich nicht mehr von einem Beherbergungsvertrag, sondern von einem Reisevertrag zu sprechen sein. Bei solchen Verträgen wird gegenüber der reinen Gebrauchsüberlassung ebenfalls das Tätigkeitselement der übrigen Leistungen (umso mehr) in den Vordergrund treten, sodass grundsätzlich ebenfalls ein Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO vorliegt. Zu prüfen ist aber wiederum, wie insbesondere aus Art. 15 Abs. 3 EuGVO folgt, ob möglicherweise ein Verbrauchervertrag im Sinne von Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVO vorliegt mit der Folge, dass die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ausgeschlossen ist. IV. Timesharing-Verträge Soweit für Streitigkeiten aus sog. Timesharing-Verträgen nicht der ausschließliche Gerichtsstand nach Art. 22 Nr. 1 EuGVO eröffnet ist, stellt sich die Frage, ob diese als Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen zu qualifizieren sind. Aufgrund der Vielgestaltigkeit der verschiedenen Timesharing-Verträge lässt sich hier eine pauschale Aussage nicht treffen. Bei einem Timesharing-Vertrag geht es immer um die Nutzungsüberlassung, hinzu treten andere Leistungen, wie etwa die Instandhaltung der Immobilie, Reinigung, Überwachung, Verwaltung und Betreuung. All diese hinzutretenden Leistungen haben die Ausführung einer Tätigkeit zum Gegenstand und wären daher für sich genommen als Dienstleistung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zu qualifizieren. Regelmäßig wird es aber so liegen, dass die Nutzungsüberlassung das prägende Moment des Timesharing-Vertrages ist304 und deshalb schon Art. 22 Nr. 1 EuGVO vorrangig zur Anwendung kommt. Es ist dennoch möglich, dass die im Rahmen des konkreten Timesharing-Vertrages zu erbringenden Dienstleistungen im Mittelpunkt des Vertrages stehen, wenn etwa das mit 302

Klauser/Kodek, ZPO, EuGVVO Art. 5 Rn. E 81i; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 44; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 10b. 303 Vgl. hierzu EuGH, Urteil v. 7.12.2010 – Rs. C-585/08 und C-144/09, Pammer, Alpenhof. 304 Mankowski, NZM 2007, 671, 672.

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dem Vertrag erworbene Nutzungsrecht auch wertmäßig hinter den übrigen Leistungen zurücktritt.305 In diesen Fällen ist von einem Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auszugehen.306 Zu beachten ist zudem, dass zwar sowohl schuldrechtlich als auch vereins- und gesellschaftsrechtlich ausgestaltete Spielarten des TimesharingVertrages denkbar sind;307 doch kann die materiellrechtliche Ausgestaltung für sich genommen freilich keine Auswirkungen auf die autonome Qualifikation haben.308 V. Übertragung und Einräumung von Rechten Die Übertragung von Rechten, wie etwa im Rahmen eines Rechtskaufs, stellt keine Dienstleistung im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO dar, weil sich hier die erforderliche Tätigkeit in der Willensmitteilung erschöpft und insofern noch geringer ausfällt als bei der Übergabe von Sachen.309 Vor allem aber kommt es auch hier dem Erwerber zu allererst auf die erworbene Rechtsinhaberschaft an. Sofern darüber hinaus bestimmte Formalitäten zu beachten sind, handelt es sich zudem um Tätigkeitsanforderungen, die erst aus der Anerkennung eines Rechts durch die Rechtsordnung folgen. Auch die Erteilung einer Lizenz ist keine ausreichende Tätigkeit, die die Annahme einer Dienstleistung im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO begründen würde. Zwar wird eingewandt, dass die übertragene Nutzungsbefugnis auf dem erworbenen Schutzrecht beruht, das seinerseits das Ergebnis einer besonderen Dienstleistung darstellt.310 Bei einem solchen Verständnis ist allerdings die Abgrenzung zwischen Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. und 2. Spiegelstrich EuGVO problematisch. Da nämlich auch die im Rahmen eines Kaufvertrags übertragenen Rechte an einer zuvor für diesen Zweck hergestellten beweglichen Sache auf dem Eigentum und dem Besitz des Verkäufers an dieser Sache beruhen, was seinerseits ebenfalls als das Ergebnis einer Dienstleistung – nämlich der Herstellung dieser Sache – aufzufassen ist, müsste auf der Grundlage dieser Argumentation auch der Verkauf von Sachen eine Dienstleistung im Sinne der Vorschrift darstellen; unter dieser Voraussetzung ließe sich aber die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO

305 306 307 308 309

EuGH, Urteil v. 7.4.2005 – Rs. C-73/04, Klein, Rn. 20. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 44. Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 22 Rn. 17, 18c. Vgl. auch Kienle, IPRax 2006, 614, 616. Im Ergebnis (für Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO) auch Martiny, MünchKommBGB, Art. 4 Rom I-VO Rn. 30. 310 Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 6 Rn. 51.

122 Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auf derartige Werklieferungsverträge311 nur erklären, wenn es sich bei dieser Regelung um eine lex specialis gegenüber Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO handeln würde. VI. Maklerverträge Beim Maklervertrag besteht nach deutschem Recht die Besonderheit, dass der Makler zur Erbringung seiner Leistungen nicht verpflichtet wird, sondern § 652 Abs. 1 BGB nur die andere Partei verpflichtet, für den Nachweis der Gelegenheit zum Vertragsschluss oder die Vermittlung eines Vertrags den versprochenen Mäklerlohn zu entrichten.312 Vor dem Hintergrund, dass Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO als Mindesterfordernis die freiwillige (und angenommene) Verpflichtung zur Erbringung einer Dienstleistung voraussetzt,313 hängt die Anwendbarkeit der Regelung bei Maklerverträgen zum einen davon ab, dass dennoch von einer Verpflichtung des Maklers ausgegangen werden kann, und zum anderen davon, dass die Maklerleistungen als Dienstleistung im Sinne von lit. b 2. Spiegelstrich zu qualifizieren sind. Im Hinblick auf die fehlende gesetzlich normierte Verpflichtung des Maklers ist zu berücksichtigen, dass es sich hierbei um ein gesetzliches Leitbild handelt, neben dem sich in der Rechtspraxis eine weitere Spielart des Maklervertrags entwickelt hat, bei der auch den Makler eine unmittelbare Leistungspflicht trifft.314 Ob tatsächlich eine Verpflichtung des Maklers besteht, ist für die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO insofern unerheblich, als es im Gegensatz zu Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO gerade nicht auf die konkret streitige Verpflichtung ankommt und aufgrund des Annahmeerfordernisses auch gewährleistet ist, dass auch aus der Sicht des Maklers ein freiwilliges Näheverhältnis vorliegt, das die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 EuGVO rechtfertigt.315 Fraglich ist, ob die Leistung des Maklers als Ausführung einer Tätigkeit aufzufassen ist. Faktisch geht es beim Maklervertrag in der Regel darum, eine Erwerbsgelegenheit gegen ein prozentual bestimmtes Entgelt anzubieten, sodass der Maklervertrag insofern große Ähnlichkeit zum Kaufvertrag aufweist.316 Allerdings wird mit der Maklercourtage immer auch die Vorbereitung dieser Erwerbsgelegenheit entgolten, d.h. die Tätigkeit des Maklers im Vorfeld des Nachweises, insbesondere die ständige Pflege der Ange311 312 313 314 315

EuGH, Urteil v. 25.2.2010 – Rs. C-381/08, Car Trim, Rn. 43. Roth, MünchKomm-BGB, § 652 Rn. 3. Siehe oben, Kap. 4 A. II. 1. sowie E. IX. Roth, MünchKomm-BGB, § 652 Rn. 7. Siehe oben, Kap. 3 A. III.; für eine Unerheblichkeit des Vorliegens einer Verpflichtung des Maklers auch Kienle, IPRax 2006, 614, 616. 316 Staudinger/Reuter, BGB, Vorbemerkung zu §§ 652 ff, Rn. 4.

G. Ausgewählte Verträge

123

botskartei und die aktive Suche nach solchen Objekten, die dem spezifischen Wunsch des Vertragspartners entsprechen. Maklerleistungen stellen daher eine Dienstleistung im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO dar.317 VII. Darlehens- und Kreditverträge Bei einem Kreditvertrag und allgemein bei Darlehensverträgen geht es – nicht unähnlich dem Mietvertrag – um die Überlassung von „etwas“. Der Unterschied liegt freilich darin, dass anders als beim Mietvertrag zeitlich begrenzt allein ein verkörperter Wert überlassen wird, der am Ende der Vertragslaufzeit rückgewährt werden muss.318 Die Überlassung als solche ist jedoch, wie bereits festgestellt wurde,319 keine ausreichende Tätigkeit. Dass darüber hinaus vom sogenannten Finanzdienstleister weitere Leistungen erbracht werden, die für sich genommen als Tätigkeit gelten, wie etwa Bonitätsprüfungen und Kundenberatungen, kann zu keiner anderen Lösung führen, weil diese ganz offensichtlich nicht im Mittelpunkt des Vertrages stehen.320 Auch die Kreditgewährung stellt somit keine Dienstleistung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO dar.321 Soweit Gegenteiliges vertreten und zur Begründung auf den Begriff der Finanzdienstleistungen in Art. 2 lit. b FinanzdienstleistungsfernabsatzRL322 abgestellt wird,323 ist zu berücksichtigen, dass aus der in dieser Regelung verwendeten Formulierung, wonach eine Finanzdienstleistung „jede Bankdienstleistung sowie jede Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung“ ist, gerade nicht zwingend folgt, dass auch die Kreditgewährung selbst eine Finanzdienstleistung im Sinne der Vorschrift darstellt, sondern eben nur solche Dienstleistungen, die „im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung“ erbracht werden. Indes folgt 317 OLG Zweibrücken, Beschluss vom. 2.11.2010, 2 AR 36/10; Kienle, IPRax 2006, 614, 616. 318 Berger, MünchKomm-BGB, § 488 Rn. 26; Jauernig/Berger, BGB, § 488 Rn. 12. 319 Siehe oben, Kap. 4 G. I. 320 A.A. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 44, wonach gerade aufgrund dieser zusätzlichen Aktivitäten ein Dienstleistungsvertrag anzunehmen sein soll. 321 In diese Richtung wohl auch Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 50a. 322 Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG. 323 BGH, Urteil vom 28.02.2012 – XI ZR 9/11, BeckRS 2012, 07969; OLG München, Urteil vom 25.10.2010- 19 U 2004/10, BeckRS 2010, 29615.

124 Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO immerhin aus Art. 6 Abs. 3 lit. a Finanzdienstleistungsfernabsatz-RL, dass auch die Kreditgewährung – und nicht nur jede Dienstleistung im Zusammenhang mit ihr – eine Finanzdienstleistung im Sinne der Richtlinie darstellt. Gegen die Maßgeblichkeit dieses Begriffsverständnisses kann freilich eingewendet werden, dass die Richtlinie erst nach der EuGVO in Kraft getreten ist und dem Verordnungsgeber insofern nicht als Vorbild gedient haben kann.324 Im Übrigen besteht ohnehin kein allgemeines Gebot zur rechtsaktübergreifenden einheitlichen Auslegung im Gemeinschaftsrecht.325 VIII. Geldanlage Bei Geldanlagen muss unterschieden werden: Soweit es allein um Zinsen geht, die ausgezahlt werden, weil ein bestimmter Betrag auf dem Konto für einen festgelegten Zeitraum belassen wird, dann liegt es nicht anders als bei einem Kreditvertrag, nur in umgekehrter Richtung. Gleiches gilt, wenn etwa Anleihen erworben werden; der Emittent zahlt dann regelmäßig einen Betrag an den Erwerber der Anleihen für das Überlassen des in den Anleihen bezifferten Geldbetrages. Wenn es hingegen darum geht, dass der Anbieter eines Finanzproduktes durch gezielte Verwendung des eingezahlten Betrages für Investitionen einen Gewinn erwirtschaftet, wobei ein Teil dieses Gewinns vom Anbieter des Finanzproduktes einbehalten wird oder unabhängig davon eine Gebühr für diese Tätigkeiten zu zahlen ist, so wird man diese Investitionstätigkeit als Dienstleistung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO anzusehen haben. Es kommt dabei aber darauf an, ob der Geldgeber neben dem Insolvenzrisiko auch ein Risiko trägt, dass sich die Investitionen, die durch den Anbieter des Finanzproduktes getätigt werden, nicht auszahlen. Liegt es so, dass ein nicht variabler, fest vereinbarter Betrag ausgezahlt wird, unabhängig davon, ob ein Gewinn erzielt worden ist, wird genau zu prüfen sein, ob tatsächlich der Anbieter des Finanzproduktes durch Investitionstätigkeiten eine Dienstleistung erbringt, oder ob es im Ergebnis doch „nur“ – ähnlich einem Kreditvertrag – um das Bereitstellen des Kapitals und im Gegenzug um die Auszahlung eines Zinses geht. Auch die Altersversorgung wird man als Dienstleistung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO aufzufassen haben, denn hier stehen die zukünftige monatliche Auszahlung und die Vermögensverwaltung im Vordergrund.

324 325

Magnus/Mankowski/Mankowski, Brussels I Regulation, Art. 63 Rn. 16. EuGH, Urteil v. 23.4.2009 – Rs. C-533/07, Falco, Rn. 34 ff.

G. Ausgewählte Verträge

125

Soweit wiederum auf den Begriff der Finanzdienstleistungen in Art. 2 lit. b Finanzdienstleistungsfernabsatz-RL rekurriert wird, gilt das soeben Gesagte.326 IX. Überweisungen Unzweifelhaft ist auch die Überweisung als Dienstleistung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zu verstehen, weil hier durch die Bank eine Tätigkeit ausgeführt wird. X. Risikoübernahmen Allein die Übernahme eines Risikos, etwa durch Stellung einer Bürgschaft, ist nicht als Tätigkeit aufzufassen, die den Gegenstand einer Dienstleistung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ausmacht.327 Bei der Risikoübernahme geht es um das Versprechen, für den Fall, dass sich ein bestimmtes Risiko verwirklicht, eine spezifische Leistung zu erbringen. Zwar kann die Leistung, zu deren Erbringung sich der Übernehmende im Fall des Risikoeintritts verpflichtet hat, möglicherweise für sich genommen eine Tätigkeit zum Gegenstand haben, die als Gegenstand einer Dienstleistung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO aufzufassen wäre. Ob jedoch diese Leistung tatsächlich erbracht werden muss, ist gerade ungewiss. Im Vordergrund steht allein die Risikoübernahme im Sinne einer Absicherung eines Dritten. XI. Versicherungsverträge Geht es um Versicherungsverträge, sind freilich stets und zuvörderst die Regelungen der Art. 8 ff. EuGVO über die Zuständigkeit für Versicherungssachen zu berücksichtigen; ob ein Versicherungsvertrag, der in den Anwendungsbereich dieser Regelungen fällt, auch als Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO gilt, ist aufgrund des erschöpfenden Charakters der Art. 8 ff. EuGVO328 eine müßige Frage.329 Allerdings gilt es zu beachten, dass diese besonderen Regelungen nicht schlechthin jeden Versicherungsvertrag erfassen; fest steht nämlich, dass jedenfalls auf den Rückversicherungsvertrag die besonderen Vorschriften über die Zuständigkeit für

326 327

Siehe oben, Kap. 4 G. VII. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn 44; für die Rom IVO Martiny, MünchKomm-BGB, Art. 4 Rom I-VO Rn. 29. 328 Rauscher/Staudinger, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 8 Rn. 1. 329 Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, S. 157.

126 Kapitel 4: Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO Versicherungssachen der Art. 8 ff. EuGVO keine Anwendung finden.330 Insofern bliebe also prinzipiell Raum für die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO. Beim Rückversicherungsvertrag geht es allgemein darum, dass der Rückversicherer vom Versicherungsnehmer, der zugleich Versicherer im Verhältnis zu Dritten ist, das gegenüber diesen Dritten versicherte Risiko übernimmt. Im Gegenzug zahlt der versicherte Versicherer an den Rückversicherer den Rückversicherungsbeitrag; die Leistung des Rückversicherers ist also die Tragung der Gefahr, dass der Versicherungsnehmer einen wirtschaftlichen Nachteil erleidet, weil sich im Verhältnis zwischen diesem und dessen Versicherungsnehmer ein versichertes Risiko verwirklicht.331 Es steht also auch hier eine Risikoübernahme im Vordergrund. In dieser Risikoübernahme eine Dienstleistungstätigkeit im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zu sehen, bereitet Schwierigkeiten. Während sich beim einfachen Versicherungsvertrag weitere Verpflichtungen des Versicherers ergeben, etwa die Schadensabwicklung im Versicherungsfall, die für sich genommen als Verpflichtung zur Erbringung einer Dienstleistung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO aufzufassen sind, wird sich die Leistung des Rückversicherers im Versicherungsfall darauf beschränken, den Schaden des Versicherungsnehmers auszugleichen, der diesem daraus entstanden ist, dass sich im Verhältnis zu dessen Versicherungsnehmer das Versicherungsrisiko verwirklicht hat. Selbst wenn seitens des Rückversicherers die Verpflichtung zur Ausführung bestimmter Tätigkeiten im Versicherungsfall bestünde, die als Gegenstand einer Dienstleistung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO aufgefasst werden können, wäre doch zu berücksichtigen, dass der Eintritt des Versicherungsfalls und mithin auch die Ausführung dieser Tätigkeiten höchst ungewiss ist. Das spricht ebenfalls dagegen, den Rückversicherungsvertrag als Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO aufzufassen.332

330 Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 16; zu Art. 7 ff. EuGVÜ vgl. EuGH, Urteil v. 13.7.2000 – Rs. C-412/98, Group Josi, Rn. 67. 331 Schwepcke, MünchKomm-VVG, Rückversicherungsvertragsrecht Rn. 60 f. 332 A.A. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 44; für die Rom I-VO Martiny, MünchKomm-BGB, Art. 4 Rom I-VO Rn 28.

Kapitel 5

Zuständigkeitsbestimmung A. Die faktische Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes A. Die faktische Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes

I. Allgemeines Nach den Ausführungen der Kommission zum EuGVO-Vorschlag beruht die Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes im Anwendungsbereich von lit. b „auf einem rein faktischen Kriterium“. 1 „Faktisch“ ist in diesem Sinne gleichzusetzen mit „deskriptiv“, es kommt darauf an, dass ein Umstand sinnlich wahrgenommen werden kann, im Unterschied zu nicht sinnlich erfahrbaren rechtlichen Wertungen wie etwa dem materiellrechtlichen Gefahrübergang.2 1. Alleinige Maßgeblichkeit der Tätigkeitsausführung Da es sich bei Dienstleistungen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO um aktive Tätigkeiten handelt,3 ist unter dem Ort der Dienstleistungserbringung der Ort zu verstehen, an dem diese gegenständlichen Tätigkeiten ausgeführt werden, ohne dass es auf den Eintritt eines etwaigen, mit der Ausführung dieser Tätigkeiten bezweckten tatsächlichen Erfolges ankommt.4 Es liegt daher auch anders als bei der Lieferung beweglicher Sachen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO, die nämlich als tatsächlichen Erfolg jedenfalls die Möglichkeit zur Inbesitznahme voraussetzt.5 Dort, wo die Tätigkeit ausgeübt wird, entfalten sich die größten Auswirkungen auf die Außenwelt, insbesondere auf Dritte, und ist umgekehrt die Dienstleistung auch am stärksten den Einflüssen von außen ausgesetzt.6 Mit dem Rechtsinstitut der Erfüllung im materiellen 1 Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 15. 2 Mankowski, IHR 2009, 46, 51. 3 Siehe oben, Kap. 4 C. V. 4 OG Wien, IPRax 2006, 608, 610; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 51; Mankowski, IHR 2009, 46, 54; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 10 b. 5 Vgl. nur EuGH, Urteil v. 25.2.2010 – Rs. C-381/08, Car Trim, Rn. 62. 6 Vgl. oben, Kap. 3 D. VII.

128

Kapitel 5: Zuständigkeitsbestimmung

Sinne hat der prozessuale Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO grundsätzlich nichts zu tun; es handelt sich um einen eigenständigen Begriff.7 Die insofern unglückliche Wortwahl ist auf den evolutiven Charakter der Vorschrift zurückzuführen, denn im Anwendungsbereich der Vorgängervorschrift des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, bzw. nunmehr Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO, ist diese Wortwahl auf Grund des materiellrechtlichen Bezuges der Vorschrift noch berechtigt.8 2. Vertrag als faktisches Kriterium Im Hinblick auf die Methodik der Bestimmung dürfen die Ausführungen der Kommission allerdings nicht so verstanden werden, als dass es für die Bestimmung allein auf die rein tatsächlich vorliegenden Umstände der Erbringung der Dienstleistung ankommen müsse. Das zeigt sich, wenn man Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auf Fälle anwendet, in denen es noch zu keinem Vollzug des vertraglichen Leistungsprogramms gekommen ist: Da es an tatsächlichen Umständen mangelt, wenn die Dienstleistungen noch nicht erbracht, d.h. noch nicht „in die Tat“ umgesetzt worden sind, wäre in diesen Fällen überhaupt keine Bestimmung der Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO möglich. Dass dies nicht die Intention des Gesetzgebers gewesen sein kann, folgt auch aus der Formulierung „Ort (…), an dem sie nach dem Vertrag (…) hätten erbracht werden müssen“ in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO, die derartige Fälle zweifelsohne erfasst. Daraus folgt, dass das „faktische Kriterium“ als Grundlage der Erfüllungsortsbestimmung nach Maßgabe des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO jedenfalls dann, wenn es noch zu keinem Vollzug des Vertrages gekommen ist, nicht die tatsächlich vorliegenden Umstände sein können. „Faktisches Kriterium“ muss daher für die Zwecke der Erfüllungsortbestimmung nach lit. b jedenfalls auch das sein, was sich als wahrnehmbar und beschreibbar erweisen würde, ohne dass es auf eine juristische Wertung ankäme, wenn der Vertrag tatsächlich umgesetzt worden wäre; es handelt sich dabei gewissermaßen um einen „Vorgriff auf Fakten“9. Der Vertrag selbst wird zum „faktischen Kriterium“.10 Zur Bestimmung des Ortes der Dienstleistungserbringung ist in den genannten Fällen fehlender Leistungserbringung allein auf den Vertrag zurückzugreifen und unter Berücksichtigung aller Regelungsaspekte des Ver7 8

BGH NJW-RR 2010, 789. 790. Sprachliche Inkonsistenzen ergeben sich im deutschen Recht allerdings insoweit, als die Grundregel des § 269 BGB den Begriff Erfüllungsort nicht kennt, sondern vom Leistungsort spricht, wobei aber die Begriffe teilweise synonym verwendet werden, vgl. Jauernig/Stadler, BGB, § 269 Rn. 1. 9 Mankowski, IHR 2009, 46, 50. 10 Hager/Bentele, IPRax 2004, 73, 74.

A. Die faktische Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes

129

trages ein Abbild der Vertragswirklichkeit herzustellen. Maßgeblich ist der vorgestellte Ort, an dem bei vertragsgemäßem Verhalten der Parteien die Tätigkeit, die den Gegenstand der Dienstleistung darstellt, tatsächlich ausgeführt werden würde. Dort liegt der nach Maßgabe des Vertrages bestimmte Ort der Dienstleistungserbringung und mithin der prozessuale Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO. 3. Abgrenzung zur normativen Erfüllungsortsbestimmung Das von der Kommission erdachte Merkmal der Bestimmung anhand eines faktischen Kriteriums soll in erster Linie den Unterschied dieses Ansatzes im Vergleich zur Tessili-Rechtsprechung des EuGH verdeutlichen, wonach gerade die rechtlichen Wertungen der lex causae ausschlaggebend waren für die Erfüllungsortsbestimmung.11 Einer Bestimmung des Ortes der Dienstleistungserbringung auf Grundlage einer Wirklichkeit, wie sie bestünde, wenn der Vertrag entsprechend seinem Inhalt umgesetzt worden wäre, d.h. auf Grundlage der Vertragswirklichkeit, steht das „faktische Kriterium“ nicht entgegen. II. Verhältnis zwischen vertraglicher und tatsächlicher Anknüpfung Nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO bestimmt sich der prozessuale Erfüllungsort nach dem Ort, an dem die Dienstleistungen „erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen“. Wenn der Dienstleister Tätigkeiten, die Gegenstand der geschuldeten Dienstleistungen sind, bereits tatsächlich ausgeführt hat, spricht das von der Kommission proklamierte faktische Element der Erfüllungsortsbestimmung in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zunächst dafür, auf diese tatsächlichen Umstände als maßgebliche Kriterien zurückzugreifen. In diesem Zusammenhang stellt sich somit die Frage, ob bei bereits erfolgter Leistungserbringung diese nunmehr tatsächliche Gegebenheit oder das auf Grundlage der Vertragsvereinbarungen erdachte Erfüllungsszenario entscheiden soll. Es gilt daher im Folgenden klären, in welchem Verhältnis die Anknüpfung an den nach dem Vertrag bestimmten zu der Anknüpfung an den tatsächlichen Ort der Dienstleistungserbringung steht. 1. Vor- und Nachteile der Anknüpfungsalternativen und Regelungskonzeption Bevor das Verhältnis zwischen der Anknüpfung an den tatsächlichen Ort der Dienstleistungserbringung und der Anknüpfung an den vertraglichen 11 Mankowski, IHR 2009, 46, 50; Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, S. 140.

130

Kapitel 5: Zuständigkeitsbestimmung

Ort der Dienstleistungserbringung näher untersucht wird, ist es notwendig, sich mit den Vor- und Nachteilen der „faktischen“ Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nach Maßgabe der Vertragsvereinbarungen und nach Maßgabe der tatsächlichen Dienstleistungserbringung auseinanderzusetzen, um eine treffende Beurteilung zu ermöglichen. Auf das praktische Verhältnis beider Möglichkeiten ist im Anschluss einzugehen.12 a. Anknüpfung an die tatsächliche Dienstleistungserbringung Für die uneingeschränkte Anknüpfung an den tatsächlichen Ort der Dienstleistungserbringung sprechen in erster Linie Erwägungen der Sach- und Beweisnähe. Fallen der Ort, an dem die Dienstleistungen tatsächlich erbracht worden sind, und der Ort, an dem sie nach dem Vertrag hätten erbracht werden müssen, auseinander, so liegt es auf der Hand, dass letztgenannter Ort kaum sach- und beweisnah ist, weil sich die tatsächliche Manifestation der Vertragswirklichkeit nicht dort vollzogen hat. Darüber hinaus kann für den tatsächlichen Ort der Dienstleistungserbringung sprechen, dass dieser insbesondere in Fällen, in denen die vertraglichen Leistungsmodalitäten unklar sind, einfacher und eindeutiger zu bestimmen sein kann. Mitunter, wenn nämlich der Vertrag überhaupt keine Vereinbarungen über die Leistungserbringung enthält, kann die Ermittlung des prozessualen Erfüllungsortes im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nach Maßgabe des Ortes der tatsächlichen Dienstleistungserbringung sogar die einzige Möglichkeit einer in diesem Sinne faktischen, d.h. nicht normativen Erfüllungsortsbestimmung sein.13 Diese Argumentation greift jedoch nicht in allen Fällen; ist etwa Streitgegenstand die Wirksamkeit des Vertrages, so vermag auch der Ort der tatsächlichen Dienstleistungserbringung kaum Sach- und Beweisnähe zu vermitteln. Gleichwohl kann dieser letztgenannte Punkt kaum ins Gewicht fallen, da Ausgangspunkt der Prämisse der besonderen Sach- und Beweisnähe des Erfüllungsortes ohnehin nur eine formal-typisierenden Betrachtung ist und in Kauf genommen wird, dass diese im Einzelfall nicht zutrifft.14 b. Anknüpfung an die vertragliche Vereinbarung Für die Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen spricht die besondere Vorhersehbarkeit des 12 13 14

Siehe sogleich, Kap. 5 A. II. 2. Zur normativen Bestimmung siehe unten, Kap. 6 L. I. 3. Siehe oben, Kap. 3 D. V. 1.

A. Die faktische Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes

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zuständigen Gerichts, die ein solcher Ansatz gewährleistet. Der vertragliche Ort der Dienstleistungserbringung steht schon mit Vertragsschluss fest. Das Abstellen auf den nach Maßgabe des Vertrages bestimmten Erbringungsort ermöglicht es den Parteien, schon im Vorfeld des Vertrages das neben den Gerichten am Wohnort des Beklagten potentiell zuständige Gericht zu ermitteln und in die Kalkulation ihres Prozessrisikos mit einzubeziehen.15 Außerdem wird auf diese Weise die Zuständigkeit von der Frage gelöst, ob die Dienstleistungen bereits erbracht worden sind oder nicht. Auf diese Zufälligkeit käme es hingegen an, wenn man auf den tatsächlichen Ort der Dienstleistungserbringung abstellen wollte. Zudem sprechen auch Erwägungen der Zuständigkeitsgerechtigkeit für die Bestimmung des Orts der Dienstleistungserbringung nach Maßgabe des Vertrages, da dieser Anknüpfungspunkt und damit mittelbar die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO – im Gegensatz zum tatsächlichen Erbringungsort als Ort der tatsächlichen Ausführung der dienstleistungsgegenständlichen Tätigkeit16 – nicht willkürlich vom Dienstleister gewählt werden kann, sondern stets eine Willensübereinstimmung des Vertragspartners voraussetzt.17 Hinzu kommt, dass die Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes nach Maßgabe des Ortes der tatsächlichen Dienstleistungserbringung die Kenntnis dieses Ortes voraussetzt und es in solchen Fällen, in denen sich die Erbringung der Dienstleistung allein in der Sphäre des Dienstleisters vollzieht, dem Dienstleistungsgläubiger mitunter Schwierigkeiten bereiten kann, an die erforderlichen Informationen zu gelangen. 18 Zum Überraschungseffekt zulasten des Dienstleistungsgläubigers gesellt sich somit ein potentielles Informationsdefizit. Die Bestimmung nach Maßgabe des Vertrages hingegen gewährleistet auch die gleiche Verteilung der Informationen, die die Parteien zur Bestimmung des nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichts benötigen. 2. Konzeption des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO: Vorrang des Vertrages a. Wortlaut Der zuständigkeitsbegründende prozessuale Erfüllungsort des Dienstleistungsvertrages ist nach dem Wortlaut von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO an dem Ort zu lokalisieren, an dem die Dienstleistungen „nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen“. 15 16 17 18

Siehe oben, Kap. 3 II. Lehmann/Duczek, IPRax 2011, 41, 46. Wais, GPR 2010, 256, 257. Siehe zur Problematik bei ortsunabhängigen Dienstleistungen Kap. 5 A. II. 4. a.

132

Kapitel 5: Zuständigkeitsbestimmung

Gleiches gilt gemäß Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO für Kaufverträge, hier kommt es auf den Ort an, an dem die Kaufsachen „nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen“. Daraus folgt, dass die Bestimmung des Erfüllungsortes zunächst grundsätzlich nach Maßgabe des Vertrages erfolgen muss.19 Der Wortlaut ist insoweit eindeutig.20 Nur die Formulierung „erbracht worden sind“ für sich genommen ließe ein abweichendes Verständnis zu. Weil aber der Gesetzgeber dieser Formulierung die Worte „nach dem Vertrag“ voranstellt, ist es nach dem Wortlaut nicht möglich, die Regelung auf diese Weise zu interpretieren.21 Dasselbe gilt freilich auch für den insofern identischen Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO.22 b. Entbehrlichkeit des Merkmals „nach dem Vertrag“ bei abweichendem Verständnis Außerdem hätte der Gemeinschaftsgesetzgeber, hätte er ein gleichrangiges Verhältnis der Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes im Sinne von lit. b 2. Spiegelstrich nach dem vertraglichen Ort der Dienstleistungserbringung einerseits und nach dem Ort der tatsächlichen Dienstleistungserbringung andererseits beabsichtigt, schlicht auf die Formulierung „nach dem Vertrag“ verzichten können. Die Wortfolge „hätten erbracht werden müssen“ impliziert für sich genommen schon eine Bestimmung „nach dem Vertrag“, weil sich für die Zwecke des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO gerade aus dem Vertrag die Pflicht zur Erbringung der Dienstleis19 Im Ergebnis auch EuGH, Urteil v. 11.3.2010 – Rs. C-19/09, Wood Floor Solutions, Rn. 38. 20 Zu einem gänzlich anderen Verständnis, wonach die Formulierung „hätten geliefert werden müssen” zur Fixierung der Erfüllungsortes nach materiell maßgeblichem Recht dient, vgl. noch Piltz, NJW 2002, 789, 792. 21 Vgl auch den Wortlaut von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO in der englischen, französischen, italienischen und niederländischen Sprachfassung: „- in the case of the provision of services, the place in a Member State where, under the contract, the services were provided or should have been provided“ „- pour la fourniture de services, le lieu d'un État membre où, en vertu du contrat, les services ont été ou auraient dû être fournis“ „- nel caso della prestazione di servizi, il luogo, situato in uno Stato membro, in cui i servizi sono stati o avrebbero dovuto essere prestati in base al contratto“ „- voor de verstrekking van diensten, de plaats in een lidstaat waar de diensten volgens de overeenkomst verstrekt werden of verstrekt hadden moeten worden“; Hervorhebung jeweils durch den Verf. 22 Anders wohl Mittmann, IHR 2010, 146, 147 und dort Fn. 9, wonach der Ort der körperlichen Übergabe an den Käufer nur begrenzt vorhersehbar sei, da sich der Einsatzort ändern könne. Indes ist eine solche Variabilität bei der Bestimmung nach Maßgabe des Vertrages gerade nicht einseitig, sondern nur im beiderseitigen Einverständnis möglich und daher der Ort der Übergabe auch vorhersehbar.

A. Die faktische Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes

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tungen an einem bestimmten Ort ergeben muss, wenn materiellrechtliche Erwägungen auf der Grundlage der lex causae keine Rolle spielen sollen. Nur unter diesen – freilich nicht vorhandenen – grammatikalischen Voraussetzungen stünde der vertraglichen Bestimmung des prozessualen Erfüllungsorts eine Bestimmung nach Maßgabe des Ortes, an dem die Dienstleistungen tatsächlich „erbracht worden sind“ jedenfalls gleichberechtigt gegenüber.23 c. Vertrag als tragendes Element der Erfüllungsortszuständigkeit Dogmatisch lässt sich die hervorgehobene Bedeutung des Vertrages damit begründen, dass die Relativierung des favor defensoris, welcher allgemein in Art. 2 Abs. 1 EuGVO Ausdruck findet, darauf zurückzuführen ist, dass der Beklagte sich aufgrund eines freiwilligen Willensentschlusses auf ein Näheverhältnis zum Kläger eingelassen hat.24 Die zwischen den Parteien getroffene freiwillige Vereinbarung in Gestalt des Vertrages wird so zum tragenden Element des Art. 5 Nr. 1 EuGVO und muss konsequenterweise auch bei der Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes besondere Beachtung finden. d. Normbekenntnis zum Vorrang der Vorhersehbarkeit Zugleich ist Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO die gesetzliche Wertung zu entnehmen, dass der Vorhersehbarkeit gegenüber der Sach- und Beweisnähe der Vorrang gebührt.25 Der tatsächliche Ort der Dienstleistungserbringung bzw. der Lieferung der Kaufsache bei Kaufverträgen hat daher gegenüber dem vertraglichen Ort der Dienstleistungserbringung eine nachrangige Bedeutung. Dass es überhaupt möglich sein könnte, unter gewissen Umständen auf den tatsächlichen Erbringungsort abzustellen, folgt nicht aus dem Wortlaut, sondern ließe sich allenfalls aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift herleiten, die Zuständigkeit eines sach- und beweisnahen Gerichts zu begründen. Im Hinblick auf die überragende Bedeutung der Vorhersehbarkeit im Zuständigkeitssystem der EuGVO überzeugt die Konzeption des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO.26 Es handelt sich hierbei um eines der wichtigsten Grundprinzipien des europäischen Zuständigkeitsrechts.27 Daher er23 Wollte man zudem klarstellen, dass es sich nicht um gleichwertige Anknüpfungsalternativen handelt, würde das Einfügen des Wortes „andernfalls“ hinter dem Wort „oder“ Abhilfe schaffen. 24 Siehe oben, Kap. 3 A. II. 25 Dies galt auch schon für Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, vgl. EuGH, Urteil v. 29.6.1994 – Rs. C-288/92, Custom Made Commercial, Rn. 18f. 26 Siehe oben Kap. 3 B. II. und D. V. 2. 27 Pontier/Burg, EU principles on jurisdiction and recognition and enforcement of judgments in civil and commercial matters, S. 45 ff.

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Kapitel 5: Zuständigkeitsbestimmung

scheint es konsequent, wenn auch Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO konzeptionell der Vorhersehbarkeit gegenüber der Sach- und Beweisnähe Vorrang gewährt, und auch im Hinblick auf das Primärziel der Verordnung, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes zu fördern, erscheint eine solche Lösung sachgerecht. Wie bereits gezeigt stellt schließlich die mangelnde Vorhersehbarkeit der internationalen Zuständigkeit aufgrund der damit verbundenen Unkalkulierbarkeit der Vertragskosten gegenüber der – zweifellos ebenfalls nicht wünschenswerten – fehlenden Sach- und Beweisnähe eine größere Hürde für die Erreichung des Binnenmarktzieles dar.28 Es darf gleichwohl nicht unbeachtet bleiben, dass die Regelung des Art. 5 Nr. 1 EuGVO neben dem Ziel der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit stets auch das Ziel der Sach- und Beweisnähe verfolgt.29 Beide Prinzipien müssen so weit wie möglich zur Entfaltung kommen. 3. Konvergenz des vertraglichen und des tatsächlichen Erbringungsortes Wenn der auf der Grundlage der Vertragsvereinbarungen ermittelte und der tatsächliche Ort der Dienstleistungserbringung übereinstimmen, entsprechen sich auch die dergestalt bestimmten Zuständigkeiten. In diesen Fällen macht es im Hinblick auf die Zuständigkeit daher keinen Unterschied, ob auf den aus den Vertragsvereinbarungen folgenden oder auf den tatsächlichen Ort der Dienstleistungserbringung abgestellt wird. Der Gleichklang von tatsächlichem und vertraglichem Ort der Dienstleistungserbringung ist der Idealfall unter zuständigkeitsrechtlichen Gesichtspunkten, da hier zur Vorhersehbarkeit, die die Bestimmung des Ortes der Dienstleistungserbringung auf der Grundlage des Vertrages gewährt, das hohe Maß an Sach- und Beweisnähe hinzutritt, das am Ort der tatsächlichen Dienstleistungserbringung zu finden ist. Weil aber jedenfalls zu Beginn der Klärung der Zuständigkeitsfrage im konkreten Fall jeweils zunächst festgestellt werden muss, ob eine derartige Übereinstimmung vorliegt, bleibt die Ermittlung des Ortes der Dienstleistungserbringung auf Grundlage der Vertragswirklichkeit stets erforderlich.

28 29

Siehe oben, Kap. 3 D. V. 2. EuGH, Urteil v. 6.10.1976 – Rs. 12/76, Tessili, Rn. 13; EuGH, Urteil v. 15.1.1987 – Rs. 266/85, Shenavai, Rn. 18; EuGH, Urteil v. 29.6.1994 – Rs. C-288/92, Custom Made Commercial, Rn. 12; EuGH, Urteil v. 3.5.2007 – Rs. C-386/05, Color Drack, Rn. 32; EuGH, Urteil v. 25.2.2010 – Rs. C-381/08, Car Trim, Rn. 48; EuGH, Urteil v. 11.3.2010 – Rs. C-19/09, Wood Floor Solutions, Rn. 22.

A. Die faktische Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes

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4. Konvergenz aufgrund konkludenter nachträglich abändernder Vereinbarung Das bedeutet gleichwohl nicht, dass in den Fällen tatsächlicher Dienstleistungserbringung stets auch eine ausführliche Untersuchung der Vertragsvereinbarungen erfolgen muss, um dergestalt ein Abbild der Vertragswirklichkeit „vor dem inneren Auge“ zu schaffen, nach dem der Ort der Dienstleistungserbringung bestimmt werden kann. Sofern nämlich aus dem Verhalten des Gläubigers der Dienstleistungen geschlussfolgert werden kann, dass er mit der Leistungserbringung am konkreten Ort einverstanden ist, kann dahinstehen, ob der Ort der tatsächlichen Dienstleistungserbringung im Einklang mit den ursprünglichen Vertragsvereinbarungen erfolgte. Dann gilt der Ort der tatsächlichen Dienstleistungserbringung.30 Hierin ist regelmäßig eine konkludent getroffene, nachträgliche Abrede über die Leistungsmodalitäten zu sehen.31 Die anfängliche Vertragswidrigkeit der Erbringung der Leistung an diesem Ort ist dann aufgrund der abändernden – konkludenten – Vereinbarung geheilt. In diesem Fall stellt der tatsächliche Ort der Leistungserbringung dann zugleich auch den nach Maßgabe des Vertrages bestimmten Erbringungsort dar. Auf den ursprünglichen vertraglichen Ort der Dienstleistungserbringung darf nicht zurückgegriffen werden.32 a. Erkennbarkeit des Ortes der Dienstleistungserbringung Allerdings bedarf es bei der Erbringung von Dienstleistungen einer umfassenderen Prüfung als bei der Lieferung von Waren im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 1 Spiegelstrich EuGVO, bevor aufgrund der Hinnahme der Leistung eine nachträgliche Vereinbarung über die Leistungsmodalitäten angenommen werden kann, was auf die Eigenarten der Dienstleistungserbringung zurückzuführen ist. aa. Keine notwendige Kenntnis des Erbringungsortes bei Hinnahme der Dienstleistung Bei der Bestimmung des Ortes der Dienstleistungserbringung sind erfolgsbezogene Kriterien unbedeutend; es kommt allein darauf an, wo die Tätig-

30 Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 47; Rauscher/ Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 51; Magnus, IHR 2002, 45, 47. 31 BGH NJW 2010, 2442, 2443; Markus, AjP 2010, 971, 978. 32 BayObLG RIW 2001, 862; Prütting/Gehrlein/Pfeiffer, ZPO, Art. 5 EuGVO Rn. 5; aA etwa Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 5 Rn. 142, wonach beide Orte alternativ zur Verfügung stehen sollen, solange nur der Gläubiger die Leistung entgegengenommen hat.

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Kapitel 5: Zuständigkeitsbestimmung

keit, die Gegenstand der Dienstleistung ist, ausgeführt wird.33 Vor allem bei nicht ortsbezogenen Dienstleistungen fallen daher der Ort der Leistungserbringung und der Ort der Leistungsabnahme nicht notwendigerweise zusammen,34 sodass der Gläubiger den tatsächlichen Ort, an dem der Dienstleister die geschuldeten Tätigkeiten verrichtet, nicht immer nachvollziehen kann. Weil der Gläubiger aus dem Anbieten der endgültigen Dienstleistung in diesen Fällen keine Rückschlüsse auf den tatsächlichen Ort der Dienstleistungserbringung ziehen kann, hat daher auch die Abnahme der Dienstleistung keinen den Ort der Tätigkeitsausübung betreffenden Erklärungswert. Führt etwa ein Mechaniker die vereinbarten Reparaturen an einem beschädigten PKW nicht in seiner Niederlassung, sondern an einem anderen Ort durch, ohne dass dies für den Auftraggeber erkennbar war, so stellt auch die Abnahme der Dienstleistung durch den Auftraggeber am Ort der Niederlassung keine konkludente Erklärung dahingehend dar, dass er mit der Dienstleistungserbringung, d.h. der Ausführung der dienstleistungsgegenständlichen Tätigkeit, an einem abweichenden Ort einverstanden sei. Grundvoraussetzung für die Annahme einer konkludenten nachtäglich abändernden Vereinbarung ist daher stets, dass der Vertragspartner auch Kenntnis des tatsächlichen Ortes der Dienstleistungserbringung hatte, weil nur unter diesen Voraussetzungen objektiv ein entsprechender Erklärungswille zu vermuten sein kann. bb. Abweichende Sachlage bei der Lieferung von Waren Bei der Lieferung von Waren ist der Lieferort erfolgsbezogen zu bestimmen, es kommt auf den Ort an, an dem „die Waren dem Käufer körperlich übergeben wurden oder hätten übergeben werden müssen“35. Indem also der Käufer die Ware entgegennimmt, hat er zugleich Kenntnis vom Lieferort und mithin des prozessualen Erfüllungsorts im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO. Daher kann immer dann, wenn der Käufer die Annahme der Ware an einem anderen als dem vertraglich vereinbarten Ort nicht verweigert, dieses Verhalten als eine nachträgliche Abänderung der Vertragsvereinbarungen gedeutet werden. Bei der Lieferung von Waren liegt es also anders als bei der Erbringung von Dienstleistungen, denn eine Übergabe an den Käufer ohne dessen Kenntnis ist nicht vorstellbar. Die Möglichkeit zur Inbesitznahme, auf die es für die Begründung des Lieferortes im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b

33 34 35

Siehe oben, Kap. 5 A. I. 1. Vgl. etwa OLG München, Urt. v. 23.12.2009, 20 U 3515/09, Rn. 44. EuGH, Urteil v. 25.2.2010 – Rs. C-381/08, Car Trim, Rn. 60.

A. Die faktische Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes

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1. Spiegelstrich EuGVO ankommt,36 setzt auf Seiten des Käufers die Kenntnis des Belegenheitsorts der in Besitz zu nehmenden Sache voraus. b. Notwendigkeit der Kenntnis der prozessualen Folgen? Dahinstehen kann hingegen die Frage, ob der Vertragspartner in diesen Fällen auch tatsächlich das Bewusstsein gehabt haben muss, dass diese materiellrechtlich bedeutende Handlung zugleich auch prozessuale Wirkungen (die Veränderung der Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO) entfaltet. Zwar ist freilich zutreffend, dass mit der konkludenten Abänderung der Vereinbarungen über den Ort der Dienstleistungserbringung die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO eine andere ist. Doch ist der ursprüngliche Ort der Dienstleistungserbringung nur für denjenigen relevant, der schon zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen auch die prozessualen Implikationen dieser Transaktion bedacht und bei der Ausgestaltung seines Angebots entsprechend berücksichtigt,37 bzw. wer sich zumindest vor der Dienstleistungserbringung Gedanken über die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO gemacht hat. Wer zu diesem frühen Zeitpunkt schon ein solches prozessuales Bewusstsein hatte, von dem kann erwartet werden, dass er sich auch zum Zeitpunkt der Dienstleistungshinnahme dieser prozessualen Folgen bewusst war. Im Hinblick auf die ursprüngliche Vorhersehbarkeit ergeben sich somit keine Probleme, da diese „wissende“ Partei auch die Hinnahme hätte ablehnen können. Wer sich hingegen über die (möglichen) prozessualen Folgen der Dienstleistungshinnahme nicht im Klaren ist, der wird sich auch vor der Dienstleistungserbringung keine Gedanken über eine mögliche Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO gemacht haben und daher auch nicht in die Vorhersehbarkeit der durch den ursprünglich vereinbarten Ort der Dienstleistungserbringung bedingten Zuständigkeit vertrauen. 5. Divergenz des vertraglichen und des tatsächlichen Erbringungsortes Nur in den Fällen, in denen eine abredewidrige tatsächliche Leistungserbringung durch den Dienstleister vorliegt, hat die Frage, ob es auf den Ort der Dienstleistungserbringung, wie er sich auf Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen darstellt, oder auf den Ort der tatsächlichen Dienstleistungserbringung ankommt, überhaupt erst Auswirkungen auf die Bestimmung des nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Ge36 37

EuGH, Urteil v. 25.2.2010 – Rs. C-381/08, Car Trim, Rn. 60. Siehe hierzu oben Kap. 3 B. IV. 2.

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Kapitel 5: Zuständigkeitsbestimmung

richts. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob Erwägungen der Vorhersehbarkeit oder der Sach- und Beweisnähe in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ein höherer Stellenwert eingeräumt wird. Wie vorangehend dargelegt, entscheidet sich die Vorschrift für einen Vorrang der Vorhersehbarkeit.38 Darüber hinaus könnte aber trotz des grundsätzlichen Überwiegens der Bedeutung der Vorhersehbarkeit im Einzelfall dennoch Raum für die Berücksichtigung der Sach- und Beweisnähe bleiben, wenn und weil den grundlegenden Anforderungen der Vorhersehbarkeit Genüge getan wäre. a. Territoriale Abweichung Es ist bereits festgestellt worden, dass es bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten im Wesentlichen auf die Frage der international zuständigen Gerichte ankommt; dem gegenüber ist die Frage der örtlichen Zuständigkeit weitaus unbedeutender.39 Aus diesem Grund sollte das Abstellen auf den abredewidrigen tatsächlichen Erbringungsort ausgeschlossen sein, wenn dies eine abweichende internationale Zuständigkeit zur Folge hätte. So läge es, wenn sich der vertragliche und der tatsächliche Erbringungsort nicht im Hoheitsgebiet desselben Mitgliedstaates befinden. Weil andernfalls selbst die bedeutende internationale Zuständigkeit nicht vorhersehbar wäre, kann die Bestimmung des nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichts nach Maßgabe des vertraglichen Ortes der Dienstleistungserbringung von vornherein die einzige Option sein. Zwar stehen in diesem Fall Erwägungen der tatsächlichen Sach- und Beweisnähe entgegen. Doch haben die Untersuchungen gezeigt, dass im Konfliktfall das grundsätzliche Konkurrenzverhältnis zwischen Vorhersehbarkeit und Sach- und Beweisnähe in Art. 5 Nr. 1 EuGVO zugunsten der Vorhersehbarkeit aufzulösen ist.40 In diesen Fällen besteht kein Raum, um entgegenstehende Erwägungen tatsächlicher Sach- und Beweisnähe zu berücksichtigen. b. Örtliche Abweichung Es ist aber fraglich, ob nicht in den Fällen, in denen der Ort der Dienstleistungserbringung auf Grundlage der Vertragswirklichkeit und der Ort der tatsächlichen Dienstleistungserbringung zwar nicht miteinander übereinstimmen, aber doch zumindest im Hoheitsgebiet desselben Mitgliedstaates liegen, zugunsten der Sach- und Beweisnähe dem tatsächlichen Erbringungsort der Vorzug gewährt werden muss. 38 39 40

Siehe oben, Kap. 5 A. II. 2. d. Siehe oben, Kap. 1 B. Siehe oben, Kap. 3 D. V. 2.

A. Die faktische Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes

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aa. Relative Unbedeutsamkeit der Vorhersehbarkeit der örtlichen Zuständigkeit Immerhin sind, was die wesentliche Lastenverteilung im grenzüberschreitenden Prozess angeht, die Würfel bereits gefallen; im Vergleich zur internationalen Zuständigkeit fallen die durch eine abweichende örtliche Zuständigkeit verursachten Nachteile in der Regel nicht entscheidend ins Gewicht. bb. Keine willkürliche Zuständigkeitsveränderung durch den Dienstleister Allerdings könnte der Dienstleister, wenn schon vor Erbringung der Dienstleistungen feststeht, dass es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen wird, die örtliche Zuständigkeit nach Belieben steuern. Der Dienstleistungsgläubiger hat indes grundsätzlich ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass der Ort, den er vorab nach Maßgabe des Vertrages als prozessualen Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO identifiziert hat, auch tatsächlich Gerichtsort sein wird. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Erkenntnis, dass der Besteller nicht notwendigerweise Kenntnis vom Ort der tatsächlichen Dienstleistungserbringung hat. Bei solchen Dienstleistungen, die allein in der Sphäre des Dienstleisters erbracht werden, wäre der klagende Gläubiger darauf angewiesen, dass der Dienstleister ihn über den Ort der tatsächlichen Dienstleistungserbringung informiert, um das nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständige Gericht zu ermitteln; durch Zurückhalten dieser Informationen könnte der Dienstleister die Klageerhebung vereiteln oder jedenfalls verzögern. cc. Keine Bevorzugung der vertragswidrig handelnden Partei Der Dienstleister, der Dienstleistungen an einem anderen als dem vereinbarten Erfüllungsort erbringt, handelt vertragswidrig. Durch das Abstellen auf den tatsächlichen Erbringungsort würde die vertragswidrig agierende Partei bevorzugt. dd. Relative Unbedeutsamkeit der örtlichen Sach- und Beweisnähe Das Abstellen auf den Ort der tatsächlichen Dienstleistungserbringung fördert die örtliche Sach- und Beweisnähe. Es wurde aber festgestellt, dass es in erster Linie darauf ankommen muss, dass das zuständige Gericht kraft der ihm verliehenen Hoheitsgewalt selbst Zeugen laden und die Beweisaufnahme durchführen kann. Das wird in aller Regel durch territoriale Sach- und Beweisnähe gewährleistet.41 Wenn aber der vertragliche und der 41

Siehe oben, Kap. 3 D. II.

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Kapitel 5: Zuständigkeitsbestimmung

Ort der tatsächlichen Dienstleistungserbringung in demselben Mitgliedstaat liegen, sind alle Gerichte dieses Mitgliedstaates auf territorialer Ebene sach- und beweisnah. In prozessökonomischer Sicht fällt daher der Unterschied zwischen der Zuständigkeit der Gerichte am vertraglichen und am abweichenden Ort der tatsächlichen Dienstleistungserbringung ohnehin nicht so stark ins Gewicht. Deshalb sollte auch dann, wenn beide Orte in demselben Mitgliedstaat liegen, nicht auf den tatsächlichen Erbringungsort zurückgegriffen werden, um den prozessualen Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zu bestimmen. c. Keine alternative Maßgeblichkeit beider Erbringungsorte Fraglich ist ferner, ob nicht in den Fällen des Auseinanderfallens des vertraglichen und des tatsächlichen Ortes der Dienstleistungserbringung auch an beiden Orten eine Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO gegeben sein könnte. Möglicherweise könnte nämlich der Wortlaut des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auch so ausgelegt werden, dass sich die Formulierung „nach dem Vertrag“ allein auf die nachträglich konkludent abgeänderten Vertragsvereinbarungen bezieht und die Formulierung „hätten erbracht werden müssen“ den Bezug zur ursprünglichen Vertragsvereinbarung herstellt, aus der sich dieses „Müssen“ ergibt, sodass beide Erbringungsorte als Anknüpfungspunkte in Frage kämen. Allerdings hätte eine solche Lösung für den beklagten Dienstleistungsgläubiger keine anderen Auswirkungen als die alleinige Maßgeblichkeit des tatsächlichen Erbringungsortes, weil der Dienstleister in beiden Fällen jedenfalls auf den Ort der tatsächlichen Dienstleistungserbringung zurückgreifen könnte, der von ihm einseitig steuerbar und aus den genannten Gründen42 abzulehnen ist. Ein vom Vertrag abweichender tatsächlicher Erbringungsort kann daher grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Das gilt selbst dann, wenn sowohl der Ort der tatsächlichen Dienstleistungserbringung als auch der vertragliche Erbringungsort in demselben Mitgliedstaat liegen und zumindest die internationale Zuständigkeit feststünde. 6. Klarstellungsfunktion des Wortlauts Wenn nun feststeht, dass es im Grunde genommen allein auf den vertraglichen Ort der Dienstleistungserbringung ankommt, stellt sich freilich die Frage, weshalb Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO dem Wortlaut nach eine zweigliedrige Anknüpfung an den Ort, an dem die Dienstleistungen „nach dem Vertrag erbracht worden sind“ bzw. „hätten erbracht wer42

Siehe oben, Kap. 5 A. II. 1.

A. Die faktische Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes

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den müssen“ verfolgt. Dieser Zweigliedrigkeit kommt indes eine Klarstellungsfunktion zu: Auch wenn es noch zu keiner Dienstleistungserbringung gekommen ist, kommt Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zur Anwendung; das wäre allein aus dem Merkmal „nach dem Vertrag erbracht worden sind“ nicht offensichtlich. Dagegen hätte die alleinige Verwendung des Merkmals „hätten erbracht werden müssen“ den Eindruck erwecken können, Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO fände nur dann Anwendung, wenn es noch zu keiner Dienstleistungserbringung gekommen ist. III. Auslegung der Vertragsvereinbarungen Wenn im Vertrag der Ort, an dem die geschuldeten Dienstleistungen zu erbringen sind, ausdrücklich erwähnt wird, bereitet die Bestimmung des maßgeblichen prozessualen Erfüllungsortes im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nach Maßgabe des Vertrages keine Probleme. Allerdings ist darauf zu achten, dass eine materiellrechtliche Leistungsvereinbarung, mit der insbesondere Aspekte der Gefahrtragung geregelt werden sollen, nicht ohne Weiteres als gleichzeitige Vereinbarung über den Ort der Dienstleistungserbringung gewertet werden kann. Vereinbart etwa der französische Eigentümer eines beschädigten Pkw mit einem deutschen Mechaniker, dieser möge den Wagen an seinem Wohnsitz abholen und nach erfolgter Reparatur dort abliefern, ergibt sich hieraus nicht, dass der prozessuale Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO am Wohnsitz des Pkw-Eigentümers in Frankreich liegt. Denn aus dieser Abrede folgt nicht, dass die Reparaturtätigkeit, die Gegenstand der Dienstleistung ist, am Wohnsitz des Pkw-Eigentümers durchzuführen ist. In den Fällen, in denen der Ort der Dienstleistungserbringung nicht ausdrücklich benannt wurde, ist auf Grundlage der Vertragsvereinbarungen, d.h. insbesondere der Vereinbarungen über die Leistungsmodalitäten zu ermitteln, an welchem Ort die Dienstleistungen zu erbringen sind. Es geht also darum, den Vereinbarungen klare Referenzpunkte zu entnehmen, die es ermöglichen, ein imaginäres – und eindeutiges – Abbild der Vertragswirklichkeit entstehen zu lassen, nach dem ermittelt werden kann, an welchem Ort die dienstleistungsgegenständlichen Tätigkeiten auszuführen sind. Im Beispielsfall etwa wird man erwarten können, dass der Ort der Dienstleistungserbringung am Ort der Niederlassung des Mechanikers in Deutschland liegt. Führt der Mechaniker die Reparatur des Pkw in der Niederlassung eines Bekannten in Luxemburg durch und nimmt der Eigentümer den reparierten Pkw entgegen, liegt hierin keine Billigung des tatsächlichen Erbringungsortes in Luxemburg.

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Kapitel 5: Zuständigkeitsbestimmung

IV. Beachtlichkeit von Handelsbräuchen Darüber hinaus sind bei der vertraglichen Bestimmung des Ortes der Dienstleistungserbringung auch Handelsbräuche zu berücksichtigen.43 Dabei gilt es zu ermitteln, wie sich die Vertragswirklichkeit darstellt, wenn unter Befolgung des Handelsbrauches die Dienstleistungserbringung erfolgt. Der konkrete Handelsbrauch muss dabei allerdings auch Bestandteil der Vertragsvereinbarung geworden sein. Dass die Berücksichtigung etwaiger Handelsbräuche zulässig und geboten ist, zeigt sich daran, dass auch nach Art. 23 Abs. 1 lit. c EuGVO Handelsbräuche zu berücksichtigen sind, soweit es um die Frage der Formwirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung geht und nicht ersichtlich ist, weshalb sie als Bestandteil einer (vertraglichen) Vereinbarung im Übrigen keine Beachtung finden sollten.44 Lassen die Vertragsvereinbarungen hingegen keinen Schluss auf den Ort der Dienstleistungserbringung zu, so ist dieser nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO anderweitig zu bestimmen. Dabei ist auf die im weiteren Verlauf der Untersuchung noch zu entwickelnden Lösungsansätze zu verweisen, wobei zu unterscheiden ist zwischen solchen Fällen, in denen fest steht, dass nach dem Vertrag die Dienstleistungen jedenfalls in nur einem Mitgliedstaat erbracht werden sollen,45 und Fällen, in denen mehrere Mitgliedstaaten in Betracht kommen oder schlicht kein Mitgliedstaat benannt ist.46 V. Zwischenergebnis Obgleich es in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO um eine „faktische“ Bestimmung des Erfüllungsortes geht, ist der prozessuale Erfüllungsort niemals allein nach dem Ort zu bestimmen, an dem die Dienstleistungen tatsächlich erbracht worden sind, denn der prozessuale Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO kann nur ein solcher Ort der Dienstleistungserbringung sein, der auch den Vertragsvereinbarungen entspricht. Somit kommt es letztlich stets auf den Vertrag an. Eine konkludente, nachträgliche Änderung der Vertragsvereinbarung liegt vor, wenn der Gläubiger die Erbringung der Dienstleistungen an einem ursprünglich vereinbarungswidrigen Ort hingenommen hat und dies auch erkennen konnte. Weil im Fall der Leistungshinnahme vormals entgegenstehende Vereinbarungen ohnehin überholt wären, ist in diesen Fällen auf den Ort der tatsächlichen Leistungserbringung abzustellen (der aber zu43 44

Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 48. EuGH, Urteil v. 9.6.2011 – Rs. C-87/10, Electrosteel, Rn. 19, 20; mit Anm. Gebauer, LMK 2011, 322284. 45 Siehe unten, Kap. 6 L. II. 46 Siehe unten, Kap. 6 L. I. und M.

B. Mehrere vertragliche Orte der Dienstleistungserbringung

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gleich auch der vertragliche Erbringungsort ist); bei nicht streng ortsbezogenen Dienstleistungen ist stets genau zu prüfen, ob aus dem Verhalten des Dienstleistungsgläubigers auf eine Hinnahme der Dienstleistungserbringung geschlossen werden kann.47 Eine nicht nachträglich konkludent vereinbarte und somit abredewidrige Dienstleistungserbringung kann niemals als prozessualer Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO gelten.48

B. Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes beim Vorliegen mehrerer vertraglicher Orte der Dienstleistungserbringung B. Mehrere vertragliche Orte der Dienstleistungserbringung

Die Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO bereitet Probleme, wenn sich aus den Vertragsvereinbarungen ergibt, dass an mehreren Orten Dienstleistungen erbracht werden sollen, es also mehrere Orte der Dienstleistungserbringung gibt. I. Anwendbarkeit des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO Können nach Maßgabe des Vertrages mehr als nur ein Ort der Dienstleistungserbringung bestimmt werden, so ist zunächst schon fraglich, ob Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO überhaupt Anwendung findet,49 schließlich kommt es nach lit. b 2. Spiegelstrich auf den Ort an, an dem nach dem Vertrag die Dienstleistungen erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen, und nicht auf die Orte. Dasselbe gilt freilich für die Regelung betreffend Kaufverträge in lit. b 1. Spiegelstrich, denn auch hier kommt es nach dem Wortlaut der Vorschrift nur auf den Ort an, an dem nach dem Vertrag geliefert wurde oder hätte geliefert werden müssen. 1. Entscheidung des EuGH in der Rs. Besix Ginge man also davon aus, dass Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO entsprechend seinem Wortlaut ausschließlich Fälle erfasst, in denen ein Ort der Dienstleistungserbringung vorliegt, so könnte die Regelung beim Vorliegen mehrerer Erbringungsorte unanwendbar sein.50 In der BesixEntscheidung des EuGH, wonach nicht Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, sondern allein Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ anwendbar ist, wenn es sich bei der streitigen ver47 48 49 50

Siehe oben, Kap. 5 A. II. 4. Siehe oben, Kap. 5 A. II. 5. b und c. Mankowski, IPRax 2007, 404, 408. So etwa das Vorbringen der deutschen Regierung in der Rs. Color Drack, vgl. GA Bot, Schlussanträge v. 15.2.2007, Rs. C-386/05, Color Drack, Rn. 30.

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Kapitel 5: Zuständigkeitsbestimmung

traglichen Verpflichtung um eine geografisch unbegrenzt geltende Unterlassungspflicht handelt und damit durch eine Vielzahl von Orten gekennzeichnet wird, an denen sie zu erfüllen ist,51 scheint diese Lösung zunächst eine gewisse Stütze zu finden. Indes liegt freilich die Besix-Entscheidung nicht darin begründet, dass es hier überhaupt mehr als nur einen Erfüllungsort gibt, sondern vielmehr in der unendlichen Vielzahl derselben. 2. Auflösung des vermeintlichen Widerspruchs Bei einer Gesamtbetrachtung der Vorschrift findet eine solche restriktive Auslegung keine Stütze: Der Anwendungsbereich wird durch die Formulierung „Erbringung von Dienstleistungen“ konkretisiert; der hintere Satzteil dient nur als gesetzestechnischer Verweis auf die örtliche Zuständigkeit, sodass hieraus gerade nicht geschlossen werden kann, dass es nur einen solchen Ort gibt.52 Darüber hinaus handelt es sich bei solchen Verträgen, die die Erbringung von Dienstleistungen oder die Lieferung von Waren an mehreren Orten vorsehen, nicht etwa um ungewöhnliche Ausnahmeerscheinungen, sondern – gerade im Hinblick auf den europäischen Binnenmarkt – um alltägliche Vertragsgestaltungen. Würden derartige Verträge vom Geltungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO nicht erfasst, so müsste es sich bei dieser Regelung um eine absolute Ausnahmevorschrift handeln. Darauf lässt aber auch die Entstehungsgeschichte der Norm nicht schließen. Vielmehr ist hiernach anzunehmen, dass Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO allgemein auf Kauf- und Dienstleistungsverträge anzuwenden ist, unabhängig von dem konkreten Leistungsprogramm.53 II. Lösung des EuGH: Maßgeblichkeit des örtlichen Schwerpunkts der Dienstleistungserbringung Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der prozessuale Erfüllungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO in Fällen, in denen mehr als nur ein Ort der Dienstleistungserbringung existiert, nach dem Ort zu bestimmen, an dem der Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung liegt; das soll sowohl dann gelten, wenn alle Erbringungsorte in einem Mitgliedstaat liegen, als auch dann, wenn Dienstleistungen in verschiede-

51 52

EuGH, Urteil v. 19.2.2002 – Rs. C-256/00, Besix, Rn. 55. GA Bot, Schlussanträge v. 15.2.2007, Rs. C-386/05, Color Drack, Rn. 37; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 55a; Leible, EuZW 2010, 380; Huber-Mumelter/Mumelter, JBl 2008 2008, 561, 563. 53 Vgl. Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 15.

B. Mehrere vertragliche Orte der Dienstleistungserbringung

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nen Mitgliedstaaten erbracht werden54. Der prozessuale Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO ist nach dem EuGH ebenso zu bestimmen, d.h. nach dem Ort der Hauptlieferung.55 Diese Rechtsprechung des EuGH blieb im Schrifttum nicht ohne Kritik56. 1. Herleitung der Maßgeblichkeit des Schwerpunkts aus Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO Dass die Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes im Sinne von lit. b 2. Spiegelstrich nach dem Ort der hauptsächlichen Dienstleistungserbringung in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO angelegt ist, wird von Stimmen in der Literatur bezweifelt; die Maßgeblichkeit der hauptsächlichen Dienstleistungserbringung sei eine Erfindung des EuGH.57 a. Schwerpunktbetrachtung als Fortführung formaler Typisierung Berücksichtigt man indes, dass schon die Prämisse, dass sich der Ort der Dienstleistungserbringung bzw. der Lieferort durch seine besondere Sachund Beweisnähe auszeichnet, das Ergebnis einer formal-typisierenden Betrachtung ist58, so entspricht die Schwerpunktbetrachtung gerade in besonderem Maße der Konzeption des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO. Sie ist nur konsequent, weil die Annahme, dass die Zuständigkeit der Gerichte des Ortes der Dienstleistungserbringung gegenüber anderen Orten die größte Sachund Beweisnähe verspricht, einer Schwerpunktbetrachtung ähnelt. Gleiches gilt freilich für die Lieferung von Waren und Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO. aa. Formale Typisierung als Wahrscheinlichkeitsprognose Die berechtigte Vermutung, dass in der Mehrzahl der Fälle nicht die Gerichte am Wohnsitz einer Partei an den verschiedenen Wohnsitzen beider Parteien oder an einem gänzlich anderen Ort, sondern die Gerichte am Ort der Leistungserbringung sach- und beweisnah sind, wird nämlich bei der Schwerpunktbestimmung schlicht dahingehend fortgeführt, dass in der Mehrzahl der Fälle die Gerichte des Ortes, an dem die Leistungserbringung im Schwerpunkt stattgefunden hat, gegenüber den Gerichten an den anderen Erbringungsorten sach- und beweisnäher sind. Dabei handelt es sich im Grunde genommen um eine Wahrscheinlichkeitsprognose. Der Gesetzge54 EuGH, Urteil v. 9.7.2009 – Rs. C-204/08, Rehder, Rn. 36, 38; EuGH, Urteil v. 11.3.2010 – Rs. C-19/09, Wood Floor Solutions, Rn. 36. 55 EuGH, Urteil v. 3.5.2007 – Rs. C-386/05, Color Drack, Rn. 36. 56 Vgl. Markus, AjP 2010, 971, 976; Lehmann/Duczek, IPRax 2011, 41, 48. 57 Lehmann/Duczek, IPRax 2011, 41, 48. 58 Siehe oben, Kap. 3 D. V. 1.

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ber geht zunächst davon aus, dass sich in der Mehrzahl der Fälle der Streitgegenstand sowie Beweispersonen und Beweismittel am Ort der Dienstleistungserbringung befinden.59 Die besondere Sach- und Beweisnähe, soweit sie den Gerichten des Ortes der Dienstleistungserbringung attestiert wird, ist somit gleichzusetzen mit der Annahme, dass es am wahrscheinlichsten ist, dass im Einzelfall die Gerichte am Ort der Dienstleistungserbringung tatsächlich sach- und beweisnah sind. Bei der Vermutung der größten Sach- und Beweisnähe der Gerichte am Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung handelt es sich um eine fortgesetzte Typisierung; ihr liegt eine Wahrscheinlichkeitsprognose betreffend die tatsächliche Sach- und Beweisnähe der Gerichte der verschiedenen Orte der Dienstleistungserbringung zugrunde, die zugunsten des Schwerpunkts ausfällt. bb. Einzelne Teile der Dienstleistungserbringung als Streitgegenstand Wie bereits herausgestellt worden ist, spielt die Sach- und Beweisnähe der zuständigen Gerichte in erster Linie eine Rolle, wenn es um Streitigkeiten geht, die die Dienstleistungserbringung zum Gegenstand haben; geht es um die Wirksamkeit des Vertrages, fällt die Sach- und Beweisnähe weniger ins Gewicht.60 Auch die Gegenleistung betreffende Klagen werden zumeist ihren Grund in der Dienstleistung haben.61 Erfolgt die Dienstleistungserbringung an verschiedenen Orten, dann ist zum einen nachvollziehbar, dass der Teil der Dienstleistungserbringung, der die anderen überwiegt, häufiger streitgegenständlich sein wird, als die unbedeutenderen Teile, weil mit dem Umfang der Dienstleistungserbringung auch die Fehleranfälligkeit der Ausführung steigt. cc. Gesamte Dienstleistungserbringung als Streitgegenstand Wenn die Dienstleistungserbringung möglicherweise insgesamt an allen Orten mangelhaft war, ist wiederum zu berücksichtigen, dass in aller Regel die Auswirkungen dieser Mangelhaftigkeit dort am größten sein werden, wo die Dienstleistungserbringung im Schwerpunkt erfolgt ist; das gilt beispielsweise für Mangelfolgeschäden und entgangenen Gewinn. b. Beibehaltung der Zuständigkeitskonzentration Zudem gilt, dass hierdurch regelmäßig die durch Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO bezweckte Zuständigkeitskonzentration an einem 59

Und nicht etwa am Ort des Vertragsschlusses, der gerade dann, wenn die Vertragspartner sich nicht an demselben Ort aufgehalten haben, nur schwierig bestimmt werden kann; vgl. auch Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 2. 60 Siehe oben, Kap. 3 D. III. 61 Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 46.

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Ort hergestellt wird, wodurch sich das Risiko des forum shopping verringert, und der Beklagte nicht mit Zuständigkeiten in verschiedenen Mitgliedstaaten und an verschiedenen Orten rechnen muss. Darin liegt ein Vorteil dieses Bestimmungsansatzes gegenüber anderen, im weiteren Verlauf noch zu besprechenden alternativen Ansätzen, weil diese oft zur potentiellen Zuständigkeit der Gerichte an verschiedenen Orten und in verschiedenen Staaten führen oder gar Parallelverfahren ermöglichen.62 Die Schwerpunktbestimmung bedeutet somit auch ein Mehr an Zuständigkeitsgerechtigkeit. Sie entspricht in besonderem Maße der Funktionsweise und der dogmatischen Grundlage des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO und macht die Zuständigkeit auf der Grundlage des Vertrages vorhersehbar. 2. Erforderlichkeit der Konkretisierung der Schwerpunktbestimmung Dennoch ist die Bestimmung des nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichts nach dem Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung nicht unproblematisch. Der Begriff „Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung“ erweist sich als ein äußerst weiter Rechtsbegriff, dessen mangelnde Bestimmtheit ein großes Unsicherheitspotential birgt. Es besteht de Gefahr, dass die Parteien und das zuständige Gericht dem Begriff unterschiedliche Bedeutung zukommen lassen. Lässt nämlich der Begriff unterschiedliche „richtige“ Interpretationen zu, können sich die Parteien selbst unter der Voraussetzung, dass weder sie noch das Gericht je rechtsfehlerhaft entscheiden würden, nicht darauf verlassen, dass das im Vorfeld des Vertragsschlusses von den Parteien in Betracht gezogene Gericht des Erfüllungsortes in entsprechender Weise über seine Zuständigkeit befindet, weil es – freilich innerhalb der Grenzen des Wortlauts – mehrere „richtige“ Auslegungen gibt. Hinzu kommt, dass weite Rechtsbegriffe, die dem Gericht einen Beurteilungsspielraum belassen, ein verdecktes Einfallstor für sachfremde Erwägungen darstellen können. Ein Gericht, das unbedingt – oder keinesfalls – über den Rechtsstreit entscheiden will, könnte über die Interpretation des Begriffs des Schwerpunktes die Weichen für die eigene Zuständigkeit stellen. Daraus wird deutlich, dass der Ansatz der Bestimmung des nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichts nach Maßgabe des Schwerpunktes der Dienstleistungserbringung unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeitsvorhersehbarkeit kein Allheilmittel ist. Wenn man es allein bei dem Kriterium des Schwerpunktes der Dienstleistungserbringung belässt, vermag auch dieser Bestimmungsansatz aufgrund der Unbestimmtheit des Schwerpunktbegriffs keine vorhersehbaren Zuständigkeiten 62

Siehe unten, Kap. 5 B. III. 1. a. aa., 1. b. cc. und 2. c.

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zu begründen.63 Der Begriff des Schwerpunktes und die Methode zu seiner Bestimmung bedürfen daher der Konkretisierung. III. Alternative Bestimmungsansätze Neben der vom EuGH durchgeführten Bestimmung des nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichts nach dem Ort der hauptsächlichen Dienstleistungserbringung sind weitere Lösungsansätze denkbar, nämlich das Zugeständnis eines Klägerwahlrechts, das Abstellen auf den Ort der streitigen Dienstleistungserbringung sowie der Rückgriff auf normative Kriterien. 1. Wahlrecht Als weitere Lösungsmöglichkeit könnte zunächst in Betracht kommen, dem Kläger das Recht zuzugestehen, an jedem Ort zu klagen, an dem nach Maßgabe des Vertrages Dienstleistungen zu erbringen sind. Es sind zwei unterschiedliche Spielarten des Wahlrechts denkbar. a. Uneingeschränkte Klagemöglichkeit an jedem Ort der Dienstleistungserbringung Es wäre denkbar, dass man den Kläger zwischen den vertraglichen Orten der Dienstleistungserbringung den Klageort auswählen lässt und er an diesem Ort seiner Wahl die Klage in vollem Umfang erheben kann.64 Wenn Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auf den Ort der Dienstleistungserbringung abstellt und man die Vorschrift auch bei mehreren Erbringungsorten für anwendbar erklärt, dann könnte es schließlich der ratio des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO entsprechen, dass auch jeder dieser Orte als prozessualer Erfüllungsort im Sinne der Vorschrift in Betracht kommt. Das Zugeständnis eines uneingeschränkten Wahlrechts bietet zudem einen Vorteil: Stehen die Orte der Dienstleistungserbringung fest, kann kein Streit über die Zuständigkeit bestehen, weil nach Wahl des Klägers schlicht jedes dortige Gericht zuständig sein kann und es auf keine weiteren, mitunter aufwendigen Prüfungen ankommt.

63 64

Siehe auch im Hinblick auf Ermessensspielräume oben, Kap. 3 B. I. 1. Mankowski, IPRax 2007, 404, 406; Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 5 Rn. 87; Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, S. 201; Markus, Tendenzen beim materiellrechtlichen Vertragserfüllungsort im internationalen Zivilverfahrensrecht, S. 204.

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aa. Vervielfältigung der Gerichtsstände Doch wird hierdurch die Zahl der Gerichtsstände vervielfältigt und daher für den Beklagten die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit eingeschränkt,65 was insbesondere zu einem Defizit der Zuständigkeitsgerechtigkeit führen kann, weil allein den Beklagten die Ungewissheit über den letztlich gewählten Verfahrensort trifft66 und der Kläger, wenn die Orte der Dienstleistungserbringung in verschiedenen Mitgliedstaaten liegen, forum shopping betreiben kann.67 Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO bezweckt grundsätzlich nur die Schaffung eines weiteren Gerichtsstandes, nicht mehrerer.68 bb. Konzeptwidrigkeit Es erschiene außerdem konzeptwidrig, wenn der Kläger wegen des Mangels der im Mitgliedstaat A erbrachten Dienstleistungen im Mitgliedstaat B und wegen eines Mangels der im Mitgliedstaat B erbrachten Dienstleistungen im Mitgliedstaat A klagen könnte.69 Von Sach- und Beweisnähe des zuständigen Gerichts kann dann – selbst auf formal-typisierender Grundlage – keine Rede sein. cc. Verminderte Kritikwürdigkeit bei feststehender internationaler Zuständigkeit Gleichzeitig fallen jedoch die angeführten Kritikpunkte weit weniger ins Gewicht, wenn von dem Wahlrecht des Klägers nur die Gerichte eines einzigen Mitgliedstaates erfasst werden, d.h. wenn alle Orte der Dienstleistungserbringung in demselben Mitgliedstaat liegen. Denn in diesen Fällen kann auch der Beklagte jedenfalls voraussehen, in welchem Mitgliedstaat er verklagt werden kann.70 Die bedeutende internationale Zuständigkeit stünde dann nicht zur Disposition des Klägers. Auch besteht keine ernsthafte Möglichkeit zum forum shopping, weil grundsätzlich jedenfalls die Frage nach dem anwendbaren Recht innerhalb eines Mitgliedstaates gleich beantwortet werden muss und auch das Prozessrecht dasselbe ist.71 Zudem 65 Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, S. 201. 66 Siehe oben, Kap. 3 C. I.; Wais, GPR 2010, 256, 258. 67 Mankowski, IPRax 2007, 404, 406. 68 Vgl. zu dieser Problematik bereits oben, Kap. 3 C. 69 Mankowski, IPRax 2007, 404, 406; Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, S. 202. 70 GA Bot, Schlussanträge v. 15.2.2007, Rs. C-386/05, Color Drack, Rn. 101; HuberMumelter/Mumelter, JBl 2008 2008, 561, 569; Wais, GPR 2010, 256, 258. 71 Dies gilt jedenfalls solange es sich um einen Mitgliedstaat mit nur einer Rechtsordnung handelt und auch sonst kein spezifisches lokales Recht zur Anwendung kommt.

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ist zumindest auf territorialer Ebene auf Grundlage formal-typisierender Betrachtung auch die Sach- und Beweisnähe der Gerichte gegeben, weil sich nach Maßgabe dieser Typisierung der Streitgegenstand, andere Beweismittel sowie Auskunfts- und Beweispersonen in aller Regel jedenfalls im Hoheitsgebiet dieses einen Mitgliedstaates befinden.72 Es könnte daher angezeigt sein, bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines allgemeinen Klägerwahlrechts danach zu differenzieren, ob mehrere Orte der Dienstleistungserbringung in nur einem Mitgliedstaat liegen, oder ob in verschiedenen Mitgliedstaaten Dienstleistungen zu erbringen sind.73 b. Begrenzung der Klage auf die am jeweiligen Ort zu erbringenden Dienstleistungen Die genannten Einwände gegen das vollumfängliche Wahlrecht rufen schließlich eine Alternative auf den Plan, die in ähnlicher Form auch in der Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVO bei Pressedelikten74 Anklang findet.75 In Anlehnung an diese sog. Mosaikbeurteilung76 wäre es denkbar, die Klage an jedem Erbringungsort in ihrem Umfang auf die dort zu erbringenden Dienstleistungen zu beschränken, sodass der klagende Dienstleistungsgläubiger am jeweiligen Ort der Dienstleistungserbringung nur die dort bestehenden Mängel geltend machen könnte. 77 aa. Besondere Sach- und Beweisnähe Da an einem Ort der streitigen Dienstleistungserbringung nur wegen der dort erbrachten Leistungen geklagt werden könnte, würde jedes angerufene Gericht unter diesen Umständen über ein besonders hohes Maß an Sachund Beweisnähe im Hinblick auf die dort jeweils erhobenen Klagen verfügen.78 72

Zu den Bedeutungen der Territorialität im Hinblick auf die Beweisnähe vgl. wiederum oben, Kap. 3 D. II. und III. 73 Vgl. unten. Kap. 6 G. III. 2. 74 EuGH, Urteil v. 7.3.1995 – Rs. C-68/93, Shevill, Rn. 33. 75 Kritisch etwa Kreuzer/Klötgen, IPRax 1997, 90. 76 von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 3 Rn. 228. 77 Mankowski, IPRax 2007, 404, 406; Lynker, Der besondere Gerichtsstand am Erfüllungsort in der Brüssel I-Verordnung (Art. 5 Nr. 1 EuGVVO), S. 115; Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, S. 203; Markus, Tendenzen beim materiellrechtlichen Vertragserfüllungsort im internationalen Zivilverfahrensrecht, S. 204. 78 Mankowski, IPRax 2007, 404, 406; Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, S. 203; Markus, Tendenzen beim materiellrechtlichen Vertragserfüllungsort im internationalen Zivilverfahrensrecht, S. 204.

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bb. Verringerung des Gerichtspflichtrisikos Diese Lösung bietet zudem den Vorteil, dass in praktischer Hinsicht das Risiko des Beklagten vor einer ausschweifenden Gerichtspflichtigkeit verringert würde, weil der Kläger nicht ähnlich frei in seiner Wahl des zuständigen Gerichts ist, solange nicht die gesamte Leistungserbringung als solche streitig ist. Besteht Streit nur wegen eines Teils der Dienstleistungserbringung, kann nämlich der Kläger ohnehin nur vor den Gerichten der Orte klagen, an denen dieser streitige Teil der Dienstleistungserbringung liegt, da die Gerichte der übrigen Orte der Dienstleistungserbringung nur über die dort erfolgte – in diesem Fall jedoch unstreitige – Leistungserbringung entscheiden könnten. Zudem würde die Gefahr des forum shopping insofern gebannt, als der Kläger nicht mehr die Wahl hätte, die gesamte Klage vor ein bestimmtes Gericht zu bringen, sondern vielmehr die einzelnen Teile der Leistung jeweils vor den diesen zugeordneten Gerichten einzuklagen hätte; er könnte also den Klageort nicht allein nach Gesichtspunkten der Opportunität wählen.79 cc. Keine Vermeidung mehrfacher Zuständigkeiten Dennoch müsste der Beklagte weiterhin mit verschiedenen internationalen Zuständigkeiten rechnen, weil der Kläger geradezu dazu angehalten wäre, vor den Gerichten jedes Erbringungsortes den dort zu erbringenden Teil der Dienstleistungen einzuklagen. Dies gilt vor allem dann, wenn die Dienstleistungserbringung in ihrer Gesamtheit streitig ist. Das wäre allerdings auch dem Kläger nicht zuzumuten, denn angewendet auf das im vorherigen Abschnitt bemühte Beispiel der verschiedenen Erbringungsorte in drei verschiedenen Mitgliedstaaten würde dies bedeuten, dass er nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nämlich ebenso vor neun verschiedenen Orten den jeweils dort zu erbringenden Teil der Leistung einfordern müsste. Demgegenüber bleibt freilich einzuwenden, dass der Kläger auch auf den allgemeinen Beklagtengerichtsstand nach Art. 2 Abs. 1 EuGVO zurückgreifen und dort die Leistung in ihrer Gesamtheit einklagen könnte.80 dd. Widersprechender Gesetzeszweck Gegen das Mosaikprinzip spricht deshalb vor allem, dass sie der Intention des Gesetzgebers, mit dem Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO eine Zuständigkeits79 Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, S. 203. 80 So im Hinblick auf deliktische Ansprüche auch der EuGH, Urteil v. 7.3.1995 – Rs. C-68/93, Shevill, Rn. 32.

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konzentration für alle Klagen aus dem Vertrag an einem Ort zu schaffen81, nicht gerecht wird und dieses Manko auch nicht durch einen besonderen Zugewinn an Vorhersehbarkeit und Zuständigkeitsgerechtigkeit ausgleichen kann. Zwar verfügt unstreitig jeder einzelne Gerichtsstand für die dort zu erbringende Dienstleistung über ein hohes Maß an Sach- und Beweisnähe. Da es jedoch bei Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO – wie sich an den zugrundeliegenden Erwägungen der Sach- und Beweisnähe zeigt – gerade auch um Prozessökonomie geht,82 erschiene es widersprüchlich, wenn nach dieser Vorschrift zahlreiche Gerichte an den verschiedenen Orten der Dienstleistungserbringung jeweils erneut über dieselben Fragen entscheiden müssten; wenn etwa wegen eines grundsätzlichen Missverständnisses auf Seiten des Dienstleisters die Dienstleistungen an jedem Ort mangelhaft erbracht worden sind oder es um die Frage geht, ob der Anspruch des Dienstleistungsgläubigers aufgrund der Unwirksamkeit des Vertrages möglicherweise nicht besteht, würde sich jedes angerufene Gericht mit denselben Fragen auseinandersetzen müssen, soweit es hieran nicht durch die Rechtskraftwirkung einer früheren Entscheidung gehindert würde. Schließlich besteht nach diesem Ansatz die Gefahr, dass es zu widersprüchlichen Entscheidungen der jeweils angerufenen Gerichte kommt.83 ee. Problematik der streitigen Gegenleistung Probleme bei der Anwendung dieses Lösungsansatzes ergeben sich ferner dann, wenn es um die Gegenleistung geht. Wenn beispielsweise der Dienstleistungsgläubiger die gesamte Zahlung bis zur Beseitigung bestimmter Mängel, die aber nur an einem einzigen Erbringungsort aufgetreten sind, verweigert, ist schon fraglich, ob dann der Dienstleister die gesamte Zahlung an diesem Ort der behaupteten mangelhaften Dienstleistungserbringung einklagen können soll, oder nur anteilig in Höhe des Wertes der Dienstleistungserbringung an diesem Ort. Dem Konzept der Klagebegrenzung auf den am jeweiligen Ort zu erbringenden Teil der Dienstleistung würde letztgenannter Ansatz entsprechen. Dagegen könnte für ein vollumfängliches Klagerecht angeführt werden, dass der Grund für die Zahlungsverweigerung in der behaupteten Mangelhaftigkeit der Dienstleistungserbringung allein an diesem Ort liegt. Dem Dienstleister dürfte es ebenfalls kaum zuzumuten sein, an jedem Erbringungsort jeweils den Teil 81 Mankowski, IPRax 2007, 404, 406; Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, S. 204. 82 Markus, Tendenzen beim materiellrechtlichen Vertragserfüllungsort im internationalen Zivilverfahrensrecht, S. 219. 83 Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 55; Mankowski, IPRax 2007, 404, 406; Markus, Tendenzen beim materiellrechtlichen Vertragserfüllungsort im internationalen Zivilverfahrensrecht, S. 205.

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der Zahlung einzuklagen, der der Dienstleistungserbringung an diesem Ort entspricht. Schließlich führt die Mosaiktheorie zu einer prozessualen Begrenzung materiellrechtlicher Ansprüche; das könnte, wenn man von einer Trennung von materiellem Recht und Prozessrecht ausgeht,84 jedenfalls systemfremd erscheinen. 2. Maßgeblichkeit des Ortes der streitigen Dienstleistungserbringung Eine weitere Möglichkeit, im Falle mehrerer Orte der Dienstleistungserbringung den prozessualen Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zu bestimmen, wäre es, allein auf den Ort abzustellen, an dem der Teil der Dienstleistungserbringung erfolgt ist, der konkret streitig ist.85 a. Parallelen und Unterschiede zum Wahlrecht mit begrenztem Klageumfang Sofern die Dienstleistungserbringung nur an einem Ort streitig ist, ähnelt dieser Ansatz dem bereits vorgestellten Wahlrecht zwischen allen Orten der Dienstleistungserbringung bei gleichzeitiger Begrenzung der Entscheidungsbefugnis des Gerichts auf den dort zu erbringenden Teil der Dienstleistung, weil die streitige Dienstleistung ebenfalls nur an diesem einem Ort eingeklagt werden könnte. Ein Unterschied zeigt sich hingegen dann, wenn die Dienstleistungserbringung an mehreren Orten streitig ist. Nach dem hier zu erläuternden Ansatz könnte der Kläger nach seiner Wahl an jedem dieser Orte seine Ansprüche in vollem Umfang geltend machen86, d.h. auch betreffend die streitige Leistungserbringung andernorts, wohingegen nach dem zuvor erläuterten Ansatz Ansprüche nur insoweit geltend gemacht werden könnten, als sie die an diesem Ort zu erbringenden Dienstleistungen zum Gegenstand haben. b. Sach- und Beweisnähe und insbesondere Einfachheit der Bestimmung Zweifelsohne hätte die Maßgeblichkeit des Ortes der streitigen Dienstleistungserbringung für die Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO den Vorteil, dass jedenfalls dann, wenn tatsächlich ein bestimmter Teil der Dienstleistungser84 85

Vgl etwa Säcker, MünchKomm-BGB, Einleitung Rn. 6, m.w.N. Lehmann/Duczek, IPRax 2011, 41, 48; in diese Richtung – wenngleich ablehnend – auch schon Wagner, IPRax 2010, 143, 146. 86 Lehmann/Duczek, IPRax 2011, 41, 48; „Da die Dienstleistungen, um die sich der Streit dreht, an verschiedenen Orten erbracht wurden (…), muss die Zuständigkeit der Gerichte an allen diesen Orten begründet sein. Es gibt also mehrere konkurrierende Vertragsgerichtsstände. Der Kläger kann sich einen von ihnen aussuchen.“

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bringung streitgegenständlich ist, in besonderem Maße der Sach- und Beweisnähe des nach lit. b 2. Spiegelstrich zuständigen Gerichts entsprochen würde.87 Es kann auch nicht bestritten werden, dass unter diesen Voraussetzungen die Bestimmung des zuständigen Gerichts vergleichsweise einfach wäre.88 Wie noch zu zeigen sein wird, ist nämlich die Bestimmung des Ortes der hauptsächlichen Erbringung der Dienstleistung mitunter sehr komplex.89 Dabei darf freilich die Tatsache, dass sich die Vorteile hier in aller Kürze darstellen lassen, nicht von ihrer Bedeutung ablenken. c. Mangel an Vorhersehbarkeit und Gerichtspflichtrisiko Gegen diesen Ansatz sprechen aber die bereits erwähnten Bedenken in Bezug auf die Vorhersehbarkeit, wenn man einen frühen zeitlichen Anknüpfungspunkt wählt, weil erst zum Zeitpunkt der Streitentstehung feststünde, welche Gerichte nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständig wären.90 Bedenklich ist der Ansatz auch hinsichtlich der Zuständigkeitsgerechtigkeit. Könnte der Kläger nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zwischen mehreren Gerichten in verschiedenen Mitgliedstaaten wählen, hätte der Beklagte mitunter bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung keine Gewissheit über den Gerichtsort und der Kläger die Möglichkeit zum forum shopping. Das wäre insbesondere der Fall, wenn die Dienstleistungserbringung in mehreren Mitgliedstaaten streitig ist und Ansprüche in vollem Umfang geltend gemacht werden können. Wenn der Dienstleister die Erbringung der Dienstleistungen insgesamt verweigert mit dem Hinweis, es bestehe kein wirksamer Vertrag, müsste dem Kläger konsequenterweise sogar ein Wahlrecht zwischen allen vertraglichen Erbringungsorten zugestanden werden. d. Problematik der streitigen Gegenleistung Ein wesentlicher Nachteil dieses Ansatzes liegt auch darin, dass er voraussetzt, dass es sich bei der streitigen Verpflichtung um die (charakteristische) Dienstleistungsverpflichtung handelt. Zwar ist zuzugeben, dass gerade bei Zahlungsklagen regelmäßig der Grund für das Ausbleiben der Zahlung darin liegt, dass der Zahlungsschuldner die erbrachten Dienstleistungen als nicht vertragsgemäß erachtet.91 Wenn allerdings der Dienstleistungsempfänger schlicht die Zahlung verweigert, ohne sich auf die erbrachten Dienstleistungen zu beziehen, käme die Annahme, der Streit 87 88 89 90 91

Lehmann/Duczek, IPRax 2011, 41, 48. Lehmann/Duczek, IPRax 2011, 41, 48. Siehe dazu unten, Kap. 6 A. III. Siehe oben, Kap. 3 B. II. 2. Vgl. auch Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 46.

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drehe sich auch in diesen Fällen um die Dienstleistung92, jedenfalls einer Unterstellung gleich. Geht es darum, ob überhaupt die Zahlungsverpflichtung als solche besteht, weil unklar ist, ob ein wirksamer Vertrag vorliegt, oder weil der Schuldner Erfüllung einwendet, ist offensichtlich die Zahlungsverpflichtung Gegenstand der Streitigkeit. Hier ist die Annahme, der Streit drehe sich um die Dienstleistung, schlicht nicht zutreffend. Dennoch wird vorgeschlagen, auch in diesen Fällen jeden Ort der Dienstleistungserbringung als prozessualen Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zu verstehen und mithin dem Kläger die Wahl zwischen Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten zu lassen.93 Dieser Ansatz kann ohne die Unterstellung, streitig sei jeweils die der Zahlung gegenüberstehende Dienstleistung, auch gar nicht funktionieren, weil es für die Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO niemals auf die Verpflichtung zur Gegenleistung ankommen kann. Ist die Zahlungsverpflichtung insgesamt streitig und lässt sich ihr daher kein spezifischer Teil der Dienstleistungserbringung zuordnen, müsste daher konsequenterweise die Zuständigkeit der Gerichte aller Erbringungsorte angenommen werden. Kommt es aber zu einem solchen Wahlrecht zwischen verschiedenen internationalen Zuständigkeiten, sieht sich dieser Ansatz derselben Kritik ausgesetzt, die schon an dem bereits abgehandelten Wahlrecht – ggf. mit begrenztem Klageumfang – zu üben war.94 Aufgrund der Erhöhung des Gerichtspflichtrisikos ist daher dieser Ansatz der Zuständigkeitsgerechtigkeit gerade abträglich statt förderlich.95 Es bleibt anzumerken, dass sich die funktionalen Schwierigkeiten bei der Anwendung dieses Ansatzes vor allem daraus ergeben, dass Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO nicht für jede eingeklagte Verpflichtung, sondern nur für die Verpflichtung zur Erbringung der charakteristischen Leistung einen eigenen prozessualen Erfüllungsort bestimmt, und daher immer dann, wenn es um die Verpflichtung zur Gegenleistung geht, eine individuelle Bestimmung des prozessualen Erfüllungsort nach der streitigen Leistung fehlgehen muss. Stünden im Anwendungsbereich von Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO für beide Verpflichtungen separate Anknüpfungen zur Verfügung, wie dies bei Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO der Fall ist, wäre dieser Ansatz weniger problematisch. Er wäre jedenfalls insofern operabel, als bei Streitigkeiten be-

92 93 94 95

So Lehmann/Duczek, IPRax 2011, 41, 48. Lehmann/Duczek, IPRax 2011, 41, 48. Siehe oben, Kap. 5 B. III. 1.a.aa. und b. cc. Andeutungsweise auch Lehmann/Duczek, IPRax 2011, 41, 48; die sodann auf prozessuale Gestaltungsmittel verweisen.

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treffend die Gegenleistung diese nicht mehr einem bestimmten Dienstleistungsteil zugeordnet werden müssten. e. Wortlaut des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO Darüber hinaus gibt auch der Wortlaut des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO keinen Hinweis darauf, dass unter dem maßgeblichen Ort der Dienstleistungserbringung der Ort der streitigen Dienstleistungserbringung zu verstehen ist.96 f. Verweis auf parteiautonome Gestaltungsmittel? Angesichts dieser Bedenken wird von den Befürwortern eines solchen Ansatzes vorgebracht, dass die Parteien ebenso gut eine Vereinbarung über den Erfüllungsort treffen könnten, um die Unzulänglichkeiten der Zuständigkeitsbestimmung nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nach dem Ort der streitigen Dienstleistungserbringung zu umgehen.97 Auch andernorts wird hierauf verwiesen, um Defizite im Umgang mit Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO abzumildern.98 Tatsächlich scheint vor diesem Hintergrund der Hinweis in Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO, dass die nachstehenden Regelungen des 1. und 2. Spiegelstrichs nur gelten, „sofern nichts anderes vereinbart worden ist“, einen Sinn zu ergeben.99 aa. Für die streitenden Parteien nicht hilfreich Allerdings ergeben sich Bedenken gegen einen Ansatz, der darauf angewiesen ist, den Parteien gewissermaßen einen Vorwurf zu machen, dass sie nicht von anderen bestehenden Möglichkeiten Gebrauch gemacht haben, um so bestehende Unzulänglichkeiten zu relativieren. Dem Beklagten, der wegen einer Streitigkeit betreffend die Wirksamkeit des Vertrages mit einer Klage an jedem Ort der Dienstleistungserbringung in verschiedenen Mitgliedstaaten rechnen müsste, ist damit nicht geholfen. Auch der Kläger, dem bei einem Streit, der sich allein auf die Gegenleistungsverpflichtung bezieht, mangels Bestimmbarkeit eines Ortes der streitigen Dienstleistungserbringung der faktisch zu bestimmende Erfüllungsgerichtsstand nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO genommen würde, steht durch diesen Hinweis nicht besser da.

96 97 98 99

Wagner, IPRax 2010, 143, 146. Lehmann/Duczek, IPRax 2011, 41, 48. Vgl. GA Bot, Schlussanträge v. 15.2.2007, Rs. C-386/05, Color Drack, Rn 109f. Zu der Kritik an dieser Regelung vgl. unten, Kap. 7. B. IV., sowie Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, S. 219.

B. Mehrere vertragliche Orte der Dienstleistungserbringung

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bb. Fehlen einer Kalkulationsgrundlage Es ist auch zu bedenken, dass eine Vereinbarung über die Zuständigkeit, unabhängig davon, ob sie unmittelbar im Sinne von Art. 23 EuGVO oder mittelbar durch Vereinbarung über den Erfüllungsort erfolgt, ihren Preis hat. Die Partei, für die diese Vereinbarung gegenüber den bestehenden Gerichtsständen nachteilig ist, wird sich eine solche Vereinbarung vergüten lassen. Können die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht absehen, welche Gerichte nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO für eine mögliche Streitigkeit aus dem Vertrag zuständig sind, können sie auch nicht den Wert der eigenen Position bestimmen, von der sie durch eine Vereinbarung des Erfüllungsortes abweichen.100 Genau das wäre jedoch nach diesem Ansatz aufgrund der Unvorhersehbarkeit der Ursache einer zukünftigen vertraglichen Streitigkeit und damit einhergehend der Unvorhersehbarkeit der nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichte regelmäßig der Fall. Außerdem verliert die Erfüllungsortszuständigkeit in diesen Fällen ihre Funktion als „neutrales“ Forum, weil sie nicht mehr nur Reflex eines tatsächlichen, materiellrechtlich gesteuerten Vorgangs ist, sondern durch die Parteien bewusst gelenkt wird. 3. Rückgriff auf normative Kriterien Der Vollständigkeit halber seien hier auch die grundsätzlich in Frage kommenden normativen Bestimmungsansätze genannt, auf die aber an anderer Stelle101 vertieft einzugehen sein wird: Es steht die Möglichkeit im Raum, den prozessualen Erfüllungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nach den Wertungen der lex causae zu bestimmen. Dabei könnte entweder der materiellrechtliche Erfüllungsort der streitigen oder der charakteristischen Hauptverpflichtung maßgeblich sein. Die Maßgeblichkeit des Erfüllungsortes der streitigen Hauptverpflichtung kommt freilich einem Rückgriff auf Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO gleich. Das Abstellen auf den Erfüllungsort der charakteristischen (Dienstleistungs)Verpflichtung entspricht dagegen der Regelung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ im Hinblick auf Arbeitsverträge, die als Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ a.F. bei Arbeitsverträgen102 in das Übereinkommen implementiert wurde.103 Darüber hinaus kommt grundsätzlich auch eine Analogie zur Regelung des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO in Betracht, wonach das auf einen Dienstleistungsvertrag anzuwendende Recht, sofern keine Rechtswahl vorliegt und 100 101 102 103

Siehe oben, Kap. 3 B. III. 3. Ausführlich hierzu unten, Kap. 6 L. I. 3. EuGH, Urteil v. 26.5.1982 – Rs. C-133/81, Ivenel, Rn. 19. Schlosser, EuGVÜ, Art. 5 Rn. 8.

158

Kapitel 5: Zuständigkeitsbestimmung

sofern der Vertrag nicht offensichtlich eine engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweist, das Recht des Staates ist, in dem der Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Schließlich könnte in derartigen Fällen der prozessuale Erfüllungsort nach normativen Kriterien zu bestimmen sein, die sich aus allgemeinen europäischen Rechtsgrundsätzen ergeben; als Rechtserkenntnisquellen für die Ermittlung auslegungsleitender europäischer Rechtsgrundsätze könnte der DCFR herangezogen werden. Nach DCFR III. – 2: 101: (1) (b) liegt der Erfüllungsort für solche Verpflichtungen, die nicht die Zahlung von Geld betreffen, am Unternehmensort des Schuldners; Geldschulden sind nach DCFR III. – 2: 101: (1) (a) am Unternehmensort des Gläubigers zu begleichen. IV. Zusammenfassende Feststellung Von allen zur Wahl stehenden Lösungsansätzen kann die Schwerpunktbestimmung am meisten überzeugen. Die Ansätze, die es dem Kläger ermöglichen, nach seiner Wahl unterschiedliche internationale Zuständigkeiten zu begründen, sind hingegen ebenso abzulehnen, wie jener Ansatz, der den Erbringungsort der konkret streitigen Dienstleistungserbringung für maßgeblich erklärt. Das uneingeschränkte Wahlrecht führt dazu, dass der zukünftige Beklagte nicht einmal unmittelbar vor Klageerhebung wissen kann, auf welche internationale Zuständigkeit und den damit einhergehenden rechtlichen und tatsächlichen Eigenheiten des Forumsstaates er sich einstellen muss. Das Wahlrecht ist insofern mit den Anforderungen der Zuständigkeitsgerechtigkeit nicht zu vereinbaren.104 Dasselbe kann für das eingeschränkte Wahlrecht nach Maßgabe der Mosaiktheorie gelten, wenn die Dienstleistungserbringung in mehreren Staaten streitig ist.105 Für die Mosaiktheorie und den Ansatz der Maßgeblichkeit der streitigen Teile der Dienstleistungserbringung gilt darüber hinaus, dass sie ihre gegenüber dem allgemeinen Wahlrecht bestehenden Vorteile nicht ausspielen können, wenn die Gegenleistung streitig ist.106 Allen diesen Ansätzen ist darüber hinaus gemein, dass sie es den Parteien jedenfalls nicht ermöglichen, die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO schon vor dem Auftreten von Streitigkeiten genau vorherzusehen und für die Kalkulation ihres Prozessrisikos im Rahmen der Vertragsverhandlungen zu berücksichtigen. Gerichtsstandsvereinbarungen oder wenigstens Erfüllungsortsvereinbarungen, die allein auf die Modifizierung der Zuständigkeit abzielen, wären dann unumgänglich. Der Ver-

104 105 106

Siehe oben, Kap. 5 B. III. 1. a. aa. Siehe oben, Kap. 5 B. III. 1. b. cc. Siehe oben, Kap. 5 B. III. 1. b. ee. und 2. d.

B. Mehrere vertragliche Orte der Dienstleistungserbringung

159

weis auf parteiautonome Gestaltungsmittel kann insofern keine Lösung sein.107 Die Schwerpunktbestimmung kann hingegen diese Unzulänglichkeiten grundsätzlich umgehen; sie ist das Mittel der Wahl.108 Zum einen führt sie grundsätzlich zu einer Zuständigkeitskonzentration und setzt den Beklagten nicht der Gefahr aus, mit verschiedenen internationalen Zuständigkeiten konfrontiert zu werden. Zum anderen ist die Schwerpunktbestimmung vorhersehbar, weil sie an den Vertrag und nicht an tatsächliche (zufällige) Gegebenheiten des konkreten Falls anknüpft. Zuzugeben ist, dass auch die Schwerpunktbestimmung keinen Lösungsansatz darstellt, mit dem ausnahmslos in jedem Fall gearbeitet werden kann, denn sie setzt selbstverständlich das Bestehen eines Schwerpunkts voraus. Doch zeigt sich aufgrund der Anknüpfung an den Vertrag eine etwaige Inoperabilität nicht erst mit der Streitentstehung, sondern schon zum frühen Zeitpunkt der Vertragsanbahnung. Das bietet den Parteien die Möglichkeit, hierauf entsprechend zu reagieren – etwa durch eine Gerichtsstandsvereinbarung oder durch finanziellen Ausgleich eines zuständigkeitsrechtlichen Nachteils. Ein normativer Ansatz widerspricht unabhängig von der Frage seiner konkreten Ausgestaltung der gesetzgeberischen Intention der faktischen Bestimmung der Erfüllungsortszuständigkeit;109 er kann keine Option darstellen, solange eine Zuständigkeitsbestimmung nach faktischen Kriterien in hinreichender Weise durchführbar ist.

107 108

Siehe oben, Kap. 5 B. III. 2. f. Anders Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5. Nr. 1 EuGVVO, S. 206, der neben der Schwerpunktlösung auch auf die Mosaiklösung zurückgreifen möchte, sowie freilich Lehmann/Duczek, IPRax 2011, 41, 48. 109 Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 15.

Kapitel 6

Synthese eines Lösungsansatzes A. Eckpfeiler der Synthese A. Eckpfeiler der Synthese

I. Schwerpunktbestimmung als Ausgangspunkt Der Ansatz der Schwerpunktbestimmung muss der Ausgangspunkt für einen eigenen Lösungsansatz sein. Es bedarf es allerdings der Konkretisierung ihrer Methode. Gleichzeitig ist aber zu berücksichtigen, dass auch die anderen – zwar im Ganzen grundsätzlich abzulehnenden – Ansätze mitunter gewisse Vorzüge aufweisen. So zeichnet sich das allgemeine Klägerwahlrecht durch seine einfache Handhabbarkeit aus. Für die normative Bestimmung des prozessualen Erfüllungsorts im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO spricht, dass dieser Ansatz jedenfalls stets operabel ist, unabhängig von der Gestaltung des konkreten Einzelfalls. II. Vorhersehbarkeit und Sach- und Beweisnähe Geht es nun darum, die Methode der Bestimmung des nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichts nach dem Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung zu konkretisieren, sind zunächst die auslegungsleitenden Prinzipien herauszustellen, an denen sich die Untersuchung orientieren muss. Bei der Auslegung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO kommt es in erster Linie auf die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit an. Das Erfordernis der Vorhersehbarkeit ist in ständiger Rechtsprechung des EuGH als ein grundlegendes zuständigkeitsrechtliches Prinzip in der EuGVO herausgearbeitet worden.1 Im Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 EuGVO ist insbesondere entscheidend, dass diese Vorhersehbarkeit schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses besteht.2 Außerdem ist in Erinnerung zu rufen, dass die Belange der Vorhersehbarkeit nicht im Hinblick auf sämtliche Zuständigkeitsaspekte gleich zu bewerten sind. Die bedeutenden Vor- und Nachteile werden mit der Entscheidung über die Frage der internationalen 1 EuGH, Urteil v. 3.5.2007 – Rs. C-386/05, Color Drack, Rn. 20; EuGH, Urteil v. 23.4.2009 – Rs. C-533/07, Falco, Rn. 22. 2 Siehe hierzu oben, Kap. 3 B. II. 2.

A. Eckpfeiler der Synthese

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Zuständigkeit verteilt. Welches Gericht innerhalb des international zuständigen Mitgliedstaates darüber hinaus örtlich zuständig ist, fällt dagegen kaum ins Gewicht.3 Gegenüber der Vorhersehbarkeit spielt die Sach- und Beweisnähe eine untergeordnete Rolle. Das zeigt sich schon daran, dass der Vorschrift ein auf formaler Typisierung beruhendes Verständnis der Sach- und Beweisnähe zugrunde liegt.4 Zugleich ist aber der Grund für die Anknüpfung an den Ort der Dienstleistungserbringung in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO gerade die Sach- und Beweisnähe, über die die Gerichte dieses Ortes – nach formal-typisierender Betrachtung – verfügen. Diese besondere Sach- und Beweisnähe kann umgekehrt in den Fällen, in denen der für Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO maßgebliche Ort der Dienstleistungserbringung nicht ohne weiteres ermittelt werden kann, Hinweise für dessen Bestimmung liefern.5 Auf tatsächliche Sach- und Beweisnähe kommt es hingegen nicht an.6 Im Hinblick auf die einfache effektive und unmittelbare Beweisaufnahme durch die Gerichte, die durch die Sach- und Beweisnähe gewährleistet werden soll, ist insbesondere von Bedeutung, dass die Beweismittel sich in demselben Mitgliedstaat befinden, in dem auch das zuständige Gericht seinen Sitz hat. Auf diese Weise müssen die wirklichen Hürden der Beweisaufnahme, die in der Begrenzung der staatlichen Hoheitsgewalt auf das eigene Staatsgebiet begründet liegen, nicht überwunden werden. Gegenüber dieser territorialen Sach- und Beweisnähe fällt die örtliche Sachund Beweisnähe – wenngleich sie wünschenswert ist – weitaus weniger ins Gewicht.7 III. Einfachheit der Rechtsanwendung 1. Prozessökonomische Erwägungen Das Zuständigkeitsrecht tritt als Rechtsfrage zum frühesten Zeitpunkt des Prozesses in Erscheinung. Oftmals wird das angerufene Gericht, wenn es sich mit der Frage der Zuständigkeit befasst, dem eigentlichen Rechtsstreit nicht weiter nachgehen, weil es sich für unzuständig erklärt. Es entspricht daher Erwägungen der Prozessökonomie, wenn das Zuständigkeitsrecht dem Gericht eine rasche Entscheidung der aufgeworfenen Fragen ermög3 4 5

Siehe oben, Kap. 1 A. Siehe oben, Kap. 3 D. V. Vgl. auch EuGH, Urteil v. 9.7.2009 – Rs. C-204/08, Rehder, Rn. 38; EuGH, Urteil v. 11.3.2010 – Rs. C-19/09, Wood Floor Solutions, Rn. 39. 6 Siehe oben, Kap. 2 D. VI. sowie schon EuGH, Urteil v. 29.6.1994 – Rs. C-288/92, Custom Made Commercial, Rn. 21. 7 Siehe oben, Kap. 2 D. III.

162

Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

licht. Das setzt voraus, dass die Prüfung der Zuständigkeit nicht die Bewältigung komplizierter und aufwendiger Prüfungsschritte verlangt. Diesen prozessökonomischen Anforderungen entspricht es freilich auch, wenn die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen vom Kläger lediglich vorzutragen sind, ohne dass im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung eine Beweiserhebung hierüber erfolgen muss.8 Zuständigkeitsrecht muss einfach sein.9 Zudem sind auch die Rechtsberatungskosten der Parteien im Vorfeld eines Vertragsschlusses geringer, wenn die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO einfach bestimmt werden kann. 2. Erwägungen der Rechtssicherheit Darüber hinaus ergeben sich dieselben Anforderungen an das Zuständigkeitsrecht auch aus dem Erfordernis der Rechtssicherheit. Rechtseinfachheit bedeutet auch Rechtssicherheit.10 Theoretisch gewährt das Zuständigkeitsrecht jedenfalls Vorhersehbarkeit im Sinne von Rechtssicherheit, wenn Gerichtsstandsregelungen an gegebene Tatsachen anknüpfen und auf der Grundlage dieser Tatsachen eine bestimmte Rechtsfolge anordnen.11 Wenn hingegen dem entscheidenden Gericht ein eigener Entscheidungsspielraum zugestanden wird und somit das Eintreten einer bestimmten Rechtsfolge nicht allein vom Vorliegen bestimmter rechtserheblicher Tatsachen abhinge, sondern auf letzter Ebene vom nicht justiziablen Befinden des angerufenen Gerichts, kann von Vorhersehbarkeit in ihrer grundlegendsten und rechtsstaatlich unverzichtbarsten Form der Rechtssicherheit keine Rede sein.12 Selbst wenn aber abstrakt betrachtet das Recht noch so klar und die Rechtsfolge eindeutig ist, können sich dennoch ähnlich gewichtige Defizite auf der praktischen Rechtsanwendungsebene ergeben, wenn ein ernst zu nehmendes Risiko besteht, dass das angerufene Gericht die vom Gesetz angeordnete Rechtsfolge – fälschlicherweise – nicht ausspricht. Zwar besteht bei einer Fehlentscheidung regelmäßig die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen. Doch ist in jedem Falle mit einem erhöhten prozessualen, zeitlichen und finanziellen Aufwand zu rechnen. Außerdem gilt das hier Vorgebrachte selbstverständlich nicht nur für die angerufenen Gerichte, sondern ebenso für die Parteien selbst, die mit höherer Wahrscheinlichkeit komplexe Zuständigkeitsregeln fehlerhaft anwenden und eine unzutreffende Rechtsfolge prognostizieren würden, als dies bei einfacheren Regelungen der Fall wäre. 8 Vgl. EuGH, Urteil v. 4.3.1982 – Rs. 38/81, Effer Rn. 7. 9 Mankowski, IPRax 2007, 404, 409. 10 Etwa BVerfG NJW 1986, 2817, 2820. 11 Siehe schon oben, Kap. 3 B. I. 1. 12 Vgl. die entsprechende Kritik am forum non con conveniens

onales Zivilprozessrecht, Rn. 1075.

von Geimer, Internati-

A. Eckpfeiler der Synthese

163

3. Zunahme der Fehleranfälligkeit bei Zunahme der Prüfungsschritte Die Möglichkeit, dass das Gericht das maßgebende Recht fehlerhaft anwendet, wird zwar niemals vollständig ausgeschlossen werden können, doch gilt, dass das Risiko einer Fehlentscheidung grundsätzlich höher ist, wenn das anzuwendende Recht sich durch besondere Komplexität auszeichnet. Mit zunehmender Länge der Kaskade der aneinander anknüpfenden Prüfungsschritte steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass das erzielte Ergebnis fehlerhaft ist. Liegt etwa die Fehlerwahrscheinlichkeit bei jedem einzelnen Prüfungsschritt bei fünf Prozent, bzw. die Erfolgswahrscheinlichkeit bei 95 Prozent, so liegt bereits bei drei Prüfungsschritten mit gleicher Fehlerwahrscheinlichkeit die Erfolgswahrscheinlichkeit insgesamt nur noch bei etwa 86 Prozent (0.95 x 0.95 x 0.95 = 0.857), was einer Fehlerwahrscheinlichkeit von etwa 14 Prozent entspricht. Bei zehn derartigen Prüfungsschritten läge die Fehlerwahrscheinlichkeit bei etwa 40 Prozent. Nun ist freilich zuzugeben, dass die Fehlerwahrscheinlichkeit in der Regel geringer ausfallen wird; dennoch ist offensichtlich, dass sich das Risiko einer Fehlentscheidung jedenfalls erhöht, je mehr Prüfungsschritte zu bewältigen sind.13 4. Zunahme der Fehleranfälligkeit bei unbekannter Rechtsmaterie Im Verhältnis zur Komplexität des Rechts wird darüber hinaus die Fehleranfälligkeit der Entscheidungsfindung immer dann höher sein, wenn es sich um ein Rechtsgebiet handelt, mit dem sich das Gericht im Regelfall nur selten auseinanderzusetzen hat und daher im Umgang mit demselben weniger routiniert ist, weil dann schon die Erfolgswahrscheinlichkeit jedes einzelnen Prüfungsschrittes geringer sein wird. Genau so liegt es beim europäischen Zuständigkeitsrecht; dass sich ein Gericht in einem Mitgliedstaat mit Fragen der internationalen Zuständigkeit auseinandersetzt, dürfte allgemein hin Ausnahme und nicht Regelfall sein. 5. Einfachheit als Regelungszweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO Die Einfachheit der Bestimmung der Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO ist darüber hinaus im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des europäischen Vertragsgerichtsstands auch als Regelungsziel der Vorschrift aufzufassen; schließlich stellt Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO offensichtlich eine Abkehr von der durch den EuGH begründeten Erfüllungsortsbestimmung

13 Vgl. auch Sujecki, NJW 2008, 1628, 1631 (Interaktion zwischen Prüfungsumfang, Fehleranfälligkeit und Rechtssicherheit).

164

Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

in Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ dar, die sich insbesondere durch ihre große Komplexität auszeichnete.14

B. Differenzierung zwischen örtlichem und territorialem Schwerpunkt B. Differenzierung zwischen örtlichem und territorialem Schwerpunkt

I. Verschiedene Korrelationen zwischen Schwerpunkt und Sach- und Beweisnähe Weil es bei der territorialen Sach- und Beweisnähe darum geht, dass die zuständigen Gerichte kraft der ihnen verliehenen Hoheitsgewalt selbst die Beweisaufnahme durchführen können, kommt es auf der Grundlage formal-typisierender Betrachtung auf den Mitgliedstaat an, in dessen Staatsgebiet die Dienstleistungserbringung hauptsächlich erfolgt. Territoriale Sach- und Beweisnähe wird mithin durch den territorialen Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung bestimmt. Bei der örtlichen Sach- und Beweisnähe geht es hingegen um die Möglichkeit der Beweisaufnahme „vor Ort“, die keine Überwindung großer räumlicher Distanz erfordert. Es handelt sich mit anderen Worten um Beweisnähe im räumlichen Sinne. Ausgehend von der anzustellenden formaltypisierenden Betrachtung ist diese örtliche Sach- und Beweisnähe an dem Ort zu finden, an dem die Dienstleistungserbringung hauptsächlich erfolgt. Es kommt hier auf den örtlichen Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung an. II. Dienstleistungserbringung in nur einem Mitgliedstaat In Fällen, in denen mehrere Orte der Dienstleistungserbringung in nur einem Mitgliedstaat liegen, fallen territoriale und örtliche Sach- und Beweisnähe niemals auseinander. Weil jedes Gericht dieses Staates über territoriale Sach- und Beweisnähe verfügt, sind notwendigerweise auch die Gerichte am Ort der hauptsächlichen Dienstleistungserbringung nicht nur auf örtlicher, sondern auch auf territorialer Ebene sach- und beweisnah. Eine Differenzierung zwischen diesen zwei Ebenen der Sach- und Beweisnähe und mithin zwischen territorialem und örtlichem Schwerpunkt ist nicht erforderlich. III. Dienstleistungserbringung in mehreren Mitgliedstaaten Verteilen sich die Orte der Dienstleistungserbringung auf mehrere Staaten, so ist nicht gewährleistet, dass der örtliche Schwerpunkt der Dienstleis14

GA Bot, Schlussanträge v. 15.2.2007, Rs. C-386/05, Color Drack, Rn. 91.

C. Hervorgehobene Bedeutung und Vorrang des territorialen Schwerpunkts

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tungserbringung zugleich in dem Staat liegt, in dem sich auch der territoriale Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung befindet. Die Annahme des relativ größten Anteils der gesamten Dienstleistungserbringung in einem Staat setzt nämlich nicht notwendigerweise voraus, dass dieser Anteil an einem einzigen Ort liegt; vielmehr ist der territoriale Schwerpunkt auch durch die Kumulation vieler kleiner Anteile, die für sich unbedeutend sind, begründbar.15 Es besteht daher die Möglichkeit, dass der örtliche Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung nicht mit dem territorialen Schwerpunkt in demselben Staat zusammenfällt. So ist etwa denkbar, dass an einem Ort in Deutschland 40 Prozent der Dienstleistungserbringung erfolgen und jeweils 20 Prozent an drei verschiedenen Orten in Frankreich. Der größte Anteil der Dienstleistungserbringung an einem Ort liegt in Deutschland, der größte Anteil der Dienstleistungserbringung in einem Mitgliedstaat wird aber in Frankreich erbracht. Auf der Grundlage formal-typisierender Betrachtung ist die örtliche Sach- und Beweisnähe der Gerichte am Erbringungsort in Deutschland am größten, wohingegen die Gerichte Frankreichs über die größte territoriale Sach- und Beweisnähe verfügen. Da es für die Bestimmung des territorialen Schwerpunkts der Dienstleistungserbringung nur auf die Größe des Anteils der Dienstleistungserbringung im Staatsgebiet ankommt und dieser Anteil auch durch die Dienstleistungserbringung an nur einem Ort begründet werden kann, ist aber ebenso denkbar, dass der örtliche Schwerpunkt zugleich den territorialen Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung markiert. So läge es etwa bei einer Verteilung der gesamten Dienstleistungserbringung von 60 Prozent an einem Ort in Frankreich und jeweils 20 Prozent an zwei Orten in Deutschland. Weil das Auseinanderfallen der beiden Schwerpunkte zur Folge hat, dass die örtlich sach- und beweisnächsten Gerichte nicht zugleich auch über territoriale Sach- und Beweisnähe verfügen, ist dieser Umstand aber in jedem Fall bedeutsam.

C. Hervorgehobene Bedeutung und Vorrang des territorialen Schwerpunkts C. Hervorgehobene Bedeutung und Vorrang des territorialen Schwerpunkts

Weil aber die territoriale Sach- und Beweisnähe bei weitem bedeutsamer ist als die örtliche, kann es auf die Gerichte am örtlichen Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung, die über die größte örtliche Sach- und Beweisnähe verfügen, für Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nicht an15

Andeutungsweise schon Wais, GPR 2010, 256, 258.

166

Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

kommen, wenn der territoriale Schwerpunkt und mithin die größte territoriale Sach- und Beweisnähe in einem anderen Mitgliedstaat liegt. Es muss die Zuständigkeit bei den Gerichten des Mitgliedstaates liegen, in dem der territoriale Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung auszumachen ist, weil es auf die territoriale Sach- und Beweisnähe in erster Linie ankommt. So hat selbst der EuGH bereits in der Rs. Effer im Hinblick auf Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ festgestellt, dass „das Übereinkommen eine Reihe von Vorschriften (enthält), die (…) im Interesse der Parteien die Bestimmung desjenigen nationalen Gerichts ermöglichen, das in territorialer Hinsicht zur Entscheidung über einen Rechtsstreit am besten geeignet ist.“16 I. Kein Ausgleich durch hohe Wahrscheinlichkeit örtlicher Sach- und Beweisnähe Wenn die Wahrscheinlichkeit, dass die Gerichte am örtlichen Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung tatsächlich territorial sach- und beweisnah sind, geringer ist, als die Wahrscheinlichkeit, dass die Gerichte eines anderen Staates über diese Nähe tatsächlich verfügen, kann dieses Defizit auch nicht durch eine relativ größte Wahrscheinlichkeit tatsächlicher örtlicher Sach- und Beweisnähe der Gerichte am örtlichen Schwerpunkt ausgeglichen werden. II. Gleichwohl keine Irrelevanz örtlicher Modalitäten der Dienstleistungserbringung Wenn nun zwar gilt, dass der territoriale Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung Voraussetzung für die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO sein muss, bedeutet das freilich nicht, dass sich die Schwerpunktbestimmung von einer Zuordnung der Dienstleistungserbringung in örtlicher Hinsicht lösen könnte. Die Betrachtung der Dienstleistungserbringung auf örtlicher Ebene ist vielmehr der Ausgangspunkt jeglicher Schwerpunktbestimmung, da auch der territoriale Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung immer durch einen oder mehrere Orte der Dienstleistungserbringung begründet wird.17

16 17

EuGH, Urteil v. 4.3.1982 – Rs. 38/81, Effer, Rn. 6 (Hervorhebung durch Verf). Mitunter liegt es allerdings auch so, dass die Bestimmung des territorialen Schwerpunkts der Dienstleistungserbringung eine genaue Analyse der einzelnen örtlichen Dienstleistungserbringungen nicht erforderlich macht, wenn schon aufgrund der Häufigkeit der Erbringungsorte in einem Mitgliedstaat klar ist, dass dieser auch den territorialen Schwerpunkt darstellt.

D. Methodik der Schwerpunktbestimmung

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D. Methodik der Schwerpunktbestimmung D. Methodik der Schwerpunktbestimmung

Mit der Konkretisierung der Schwerpunktbestimmung geht das Herausarbeiten ihrer Methodik einher; dabei gilt es vorab einige Weichen zu stellen, die den weiteren Verlauf der Untersuchung beeinflussen. I. Fallgruppenbildung vs. Systematisierung der Schwerpunktbestimmung Die Methode der Schwerpunktbestimmung muss konkretisiert werden, weil andernfalls – wenn man es bei dem konturlosen Begriff des „Schwerpunkts“ belässt – Bedenken insbesondere im Hinblick auf die Vereinbarkeit dieses Ansatzes mit den Anforderungen der Rechtssicherheit bestehen.18 Dabei kommt in Betracht, Fallgruppen bestimmter Dienstleistungsverträge herauszubilden, für die spezifische Schwerpunktskriterien gelten, und fallgruppenspezifische Feststellungen über den Schwerpunkt der jeweiligen Dienstleistungen zu treffen.19 Alternativ ist an eine Systematisierung der Schwerpunktbestimmung zu denken. 1. Fallgruppenbildung in der Rechtsprechung. des EuGH? Eine solche Fallgruppenbildung zeichnet sich möglicherweise auch in der Rechtsprechung des EuGH ab. In der Wood Floor-Entscheidung wies der Gerichtshof darauf hin, dass es für die Bestimmung des Schwerpunktes der Dienstleistungserbringung durch einen Handelsvertreter mitunter auch auf tatsächliche Aspekte, insbesondere die aufgewendete Zeit und die Bedeutung der ausgeübten Tätigkeit ankommen kann.20 Er unterließ es aber klarzustellen, ob diese Erwägungen allgemein für jegliche Art der Dienstleistung gelten sollen. Auch findet sich in den Erwägungen des EuGH in der Rs. Rehder kein Bekenntnis zu einer etwaigen Allgemeinverbindlichkeit für alle Arten der Dienstleistung. Da es aber umgekehrt auch an einem Hinweis fehlt, dass es sich um einzelfallbezogene Erwägungen handelt, und auch die Anzahl der Entscheidungen zu gering ist, als dass man eine gewisse Regelmäßigkeit, ein bestimmtes Schema erkennen könnte, lassen sich verlässliche Rückschlüsse nicht ziehen. 2. Aufladung der Schwerpunktsprüfung durch Fallgruppenbildung Der Nachteil einer solchen Fallgruppenbildung liegt freilich darin, dass zum einen die Bestimmung des nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichts noch weiter verkompliziert würde und zum 18 19 20

Siehe oben, Kap. 5 B. II. 2. So etwa Leible, FS Ulrich Spellenberg, S. 451, 460. EuGH, Urteil v. 11.3.2010 – Rs. C-19/09, Wood Floor Solutions, Rn. 40.

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

anderen dieser Ansatz selbst ein zusätzliches Unsicherheitspotenzial birgt. Nicht nur würde die zutreffende Anwendung der Vorschrift auf Fälle der Dienstleistungserbringung in mehreren Mitgliedstaaten die Kenntnis dieser verschiedenen Fallgruppen voraussetzen. Auch würde es erforderlich werden, einzelne Dienstleistungen konkret einer bestimmten Fallgruppe zuzuordnen; diese Zuordnung kann insbesondere in Zweifelsfällen nicht immer eindeutig verlaufen, was zu zusätzlicher Unsicherheit führen würde. Eine derartige Schwerpunktbestimmung würde Rechtssicherheit und Planbarkeit beeinträchtigen und stünde somit im Widerspruch zur eigentlichen Zielsetzung des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO.21 3. Einheitliche Geltung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO Außerdem entsprechen eine solche weitergehende Differenzierung zwischen verschiedenen Dienstleistungsverträgen und die Anwendung fallgruppenspezifischer Schwerpunktskriterien auch nicht der Konzeption des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO. Die Vorschrift findet als solche einheitlich auf alle Arten der Dienstleistungen Anwendung. Eine Differenzierung zwischen verschiedenen Dienstleistungen ist in lit. b 2. Spiegelstrich nicht vorgesehen.22 Sie würde zudem zu einer zusätzlichen Zersplitterung der Regelung des Gerichtsstands des Erfüllungsortes führen.23 Auch diese Erwägungen sprechen gegen eine Fallgruppenbildung, bei der für einzelne Fallgruppen unterschiedliche Kriterien zur Schwerpunktbestimmung heranzuziehen sind. 4. Vorhersehbarkeit durch Systematisierung Vorzugswürdig erscheint vielmehr, allgemeine Kriterien zur Schwerpunktbestimmung herauszuarbeiten, die für alle Arten der Dienstleistungen gelten, um so einer weiteren Zersplitterung des Art. 5 Nr. 1 EuGVO vorzubeugen, und die Schwerpunktbestimmung durch einen allgemeinverbindlichen Algorithmus zu systematisieren. Allein die Systembildung ermöglicht es, ohne die – andernfalls notwendige – Kenntnis einer ausdifferenzierten Fallgruppenbildung und auf vorhersehbare Weise den zuständigkeitsrelevanten Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung zu bestimmen. Die Systematisierung sorgt für einen „schlanken“ Bestimmungsapparat. Dabei kann nicht bestritten werden, dass freilich eine auf einer bestimmten Sys21 22 23

Vgl. Mankowski, IHR 2009, 46, 49. Lehmann/Duczek, IPRax 2011, 41, 45. Zu der allgemeinen Kritik an der Unterscheidung zwischen Kauf- und Dienstleistungsverträgen nach lit. b und allgemeinen Verträgen nach lit. a innerhalb des Art. 5 Nr. 1 EuGVO siehe etwa Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 31; Rauscher, NJW 2010, 2251, 2254.

D. Methodik der Schwerpunktbestimmung

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tematik beruhende Bestimmungsmethode nicht in der Lage ist, in gleichem Maße im Einzelfall zutreffende Ergebnisse zu erzielen, wie dies bei einer ausdifferenzierten Fallgruppenbildung anzunehmen wäre. Das liegt jedoch in der Natur einer auf allgemeinen Regeln beruhenden Systematik; Rechtssicherheit geht zulasten der Einzelfallgerechtigkeit.24 II. Schwerpunktbestimmung in zwei Schritten Dienstleistungsverträge zeichnen sich dadurch aus, dass sie regelmäßig nicht nur zur Erbringung einer einzigen Dienstleistung verpflichten, sondern eine Vielzahl verschiedenster Dienstleistungen umfassen können. Diese Dienstleistungen werden oft schon aufgrund der Struktur des jeweiligen Dienstleistungsvertrages naturgemäß an unterschiedlichen Orten erbracht, ohne dass im Vertrag überhaupt verschiedene Orte der Dienstleistungserbringung explizit vereinbart werden. Schließen die Parteien etwa einen Bauvertrag über die Errichtung eines Hauses an einem bestimmten Ort ab, werden Dienstleistungen in der Regel schon an mindestens zwei Orten erbracht, da Planung und Entwurf zumeist am Sitz des Bauunternehmens und nicht an der eigentlichen Baustelle erfolgen. 1. Bestimmung der hauptsächlichen Dienstleistungen Die Systematisierung der Schwerpunktbestimmung impliziert hier eine Prüfung in zwei Schritten: Zunächst gilt es, die hauptsächliche Dienstleistung des jeweiligen Dienstleistungsvertrages zu bestimmen.25 Dabei wird es freilich nicht immer möglich sein, eine einzige hauptsächliche Dienstleistung zu ermitteln, weil ebenso denkbar ist, dass verschiedene Dienstleistungen gemeinsam den primären Vertragsgegenstand bilden, ohne dass eine Leistung die andere(n) überwiegt. Jedenfalls sind aber nebensächliche Dienstleistungen auszuschließen. 2. Bestimmung der Orte der Erbringung der hauptsächlichen Dienstleistungen Im Anschluss an die Bestimmung der hauptsächlichen Dienstleistung(en) des Vertrages sind dann zunächst die Orte zu ermitteln, an denen diese zu erbringen ist bzw. zu erbringen sind. Wenn alle Orte der Dienstleistungserbringung identifiziert sind, gilt es den Ort zu bestimmen, an dem die Dienstleistungserbringung hauptsächlich erfolgt. Es ist also zu unterscheiden zwischen der hauptsächlichen Dienstleistung und der hauptsächlichen 24 25

Vgl. etwa Mankowski, ZEuP 2002, 804. So schon Lynker, Der besondere Gerichtsstand am Erfüllungsort in der Brüssel IVerordnung (Art. 5 Nr. 1 EuGVVO), S. 69.

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

Dienstleistungserbringung; der Ort an dem letztgenannte erfolgt, stellt den Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung dar. Die vorgelagerte Ermittlung der hauptsächlichen Dienstleistung(en) ermöglicht es, die Anzahl der für die Zwecke der Schwerpunktbestimmung zu untersuchenden Orte der Dienstleistungserbringung zu reduzieren. Auf die Orte, an denen nebensächliche Dienstleistungen erbracht werden, kann es schließlich nicht ankommen. Stets ist aber zu berücksichtigen, dass es nicht darum geht, bei einem Vertrag, der zu der Erbringung einer Vielzahl von Dienstleistungen verpflichtet, um jeden Preis eine einzige Dienstleistung als die hauptsächliche zu identifizieren, sondern vielmehr darum, Unwesentliches vom Wesentlichen zu trennen; oftmals wird es so liegen, dass mehrere Dienstleistungen zusammen als „hauptsächlich“ zu verstehen sind. Wie die Entscheidung in der Rs. Rehder zeigt, in der es um die Ermittlung des Schwerpunkts der Dienstleistungserbringung bei Flugreiseverträgen ging, verfährt auch der EuGH ähnlich. Der Gerichtshof stellte hier nämlich zunächst fest, dass etwa „die Bereitstellung eines angemessenen Flugzeugs mit entsprechender Besatzung (…) logistische Vorbereitungshandlungen für die Durchführung des Vertrags über die Beförderung im Luftverkehr (darstellen) und keine Dienstleistungen, deren Erbringung in Zusammenhang mit dem Inhalt des Vertrags im eigentlichen Sinne (stünde).“26 Ob man allerdings der Rechtsprechung des EuGH auch die hier vorgestellte Unterscheidung zwischen der hauptsächlichen Dienstleistung und der hauptsächlichen Dienstleistungserbringung entnehmen kann, ist fraglich, weil der Gerichtshof in der Rs. Rehder von dem Ort, an dem „die Hauptdienstleistung zu erbringen ist“27 und in der Rs. Wood Floor von dem „Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung“28 spricht. Auf der Grundlage des hier vertretenen Ansatzes ist der prozessuale Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO freilich eine Kombination dieser beiden Begriffe, nämlich „der Ort der hauptsächlichen Erbringung der Hauptdienstleistung“. III. Vorüberlegung zu den Bestimmungskriterien Auf der Grundlage systematischer Vorgaben des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ist eine Eingrenzung der für die Bestimmung der hauptsächlichen Dienstleistung und des Schwerpunkts der Erbringung dieser Dienstleistung infrage kommenden Bestimmungskriterien möglich.

26 27 28

EuGH, Urteil v. 9.7.2009 – Rs. C-204/08, Rehder, Rn. 39. EuGH, Urteil v. 9.7.2009 – Rs. C-204/08, Rehder, Rn. 38. EuGH, Urteil v. 11.3.2010 – Rs. C-19/09, Wood Floor Solutions, Rn. 33.

D. Methodik der Schwerpunktbestimmung

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Zunächst ist zu beachten, dass es sich um Kriterien handeln muss, die an Umstände anknüpfen, die beiden Parteien bekannt sind; andernfalls bestünde ein Informationsvorteil zugunsten einer Partei, gleichbedeutend mit einem Informationsdefizit zulasten der anderen. Die nicht über diese Informationen verfügende Partei wäre auf die Kooperation der anderen Partei angewiesen oder aber zumindest dazu angehalten, umfangreiche Nachforschungen anzustellen.29 Dann läge es nicht anders als bei (abzulehnender) Maßgeblichkeit des tatsächlichen, nicht den Vertragsvereinbarungen entsprechenden Ortes der Dienstleistungserbringung. 30 Außerdem müssen die maßgebenden Umstände konsequenterweise schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorliegen, da nur auf diese Weise Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO seiner unmittelbaren Binnenmarktfunktion voll gerecht werden kann. Jegliche Bemühungen um die Bestimmbarkeit der Zuständigkeit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wären andernfalls vergebens. Zudem wird hierdurch gewährleistet, dass auch ein Informationsdefizit zulasten einer Partei zu diesem Zeitpunkt nicht besteht. Gegen die Berücksichtigung solcher Tatsachen, die nicht schon aus dem Vertrag folgen, sondern sich erst mit der Ausführung des Dienstleistungsvertrages manifestieren, etwa – von der Generalanwältin in den Schlussanträgen in der Rs. Wood Floor vorgeschlagen – der tatsächliche Umsatz, die tatsächlichen Auslagen, der tatsächlicher Aufwand sowie die tatsächliche Dauer der Ausführung dienstleistungsgegenständlicher Tätigkeiten31 bestehen zudem erhebliche prozessökonomische Bedenken, weil regelmäßig eine umfangreiche Tatsachenermittlung erforderlich werden würde.32 Für die Schwerpunktkriterien muss daher in jedem Falle gelten, dass es sich um Kriterien handeln sollte, die ohne großen Aufwand ermittelt werden können; auch insoweit spricht vieles dafür, den Vertrag und nicht tatsächliche Umstände als Bestimmungsgrundlage zu wählen. Auf den ersten Blick scheint ein gewisser Widerspruch zu bestehen, wenn im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung über solche Tatsachen, die so wesentlich sind, dass sie sogar in der Begründetheit eine Rolle spielen, eine Beweiserhebung nicht erforderlich sein, sondern deren bloße Behauptung ausreichen soll (sog. doppelrelevante Tatsachen),33 wohingegen über solche Tatsachen, die die Umstände der Dienstleistungserbringung betreffen und für die materiellrechtliche Bewertung der Streitfrage regelmäßig ohne jegliche Relevanz sind, vollumfänglich Beweis erhoben werden

29 30 31 32 33

So auch Mankowski, IPRax 2007, 404, 409. Oben, Kap. 5 A. II. 5. GA Trstenjak, Schlussanträge v. 12.1.2010, Rs. C-19/09, Wood Floor, Rn. 78. So auch Lehmann/Duczek, IPRax 2011, 41, 46. Vgl. hierzu Mankowski, IPRax 2006, 454.

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

muss.34 Dieser Befund ist aber letztlich nur konsequent, denn nach Maßgabe der Lehre von den doppelrelevanten Tatsachen kann die diesbezügliche Beweiserhebung ja gerade deshalb unterbleiben, weil im Rahmen der Begründetheit eine solche ohnehin noch durchzuführen ist; das aber gilt für die Umstände der Dienstleistungserbringung an den verschiedenen Erbringungsorten gerade nicht. Hier führt an der Beweiserhebung kein Weg vorbei. IV. Kriterien zur Bestimmung der hauptsächlichen Dienstleistung 1. Erforderlichkeit einer qualitativen Bestimmung Bei der Bestimmung der hauptsächlichen Dienstleistung(en) kann der Rückgriff auf quantitative Kriterien irreführend sein. Bloße Vorbereitungshandlungen können mitunter mehr Zeit in Anspruch nehmen oder mit einem höheren Arbeitsaufwand verbunden sein als diejenigen Dienstleistungen, die diese Vorbereitungshandlungen voraussetzen und im eigentlichen Mittelpunkt des Vertrages stehen.35 Die Bestimmung der hauptsächlichen Dienstleistung oder mehrerer hauptsächlicher Dienstleistungen muss grundsätzlich einer qualitativen Bewertung folgen. Eine Parallele zu der aus dem Kollisionsrecht bekannten Problematik der charakteristischen Leistung36 besteht dabei nur scheinbar: Dort geht es nur um die Feststellung, welche der Parteien die charakteristische Leistung erbringt, weil es für die Bestimmung des anwendbaren Rechts auf den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts dieser Partei ankommt.37 Eine Bewertung verschiedener Leistungen, die von derselben Partei erbracht werden, muss das Kollisionsrecht nicht vornehmen. Verpflichtet ein Vertrag Partei A zu verschiedenen Naturalleistungen und Partei B zu Geldleistung, kann sich das Kollisionsrecht nämlich mit der Feststellung begnügen, dass jedenfalls Partei A die charakteristischen Leistungen erbringt; dieselbe Feststellung würde aber vorliegend gerade nicht weiterhelfen. 2. Quantitatives Zeitkriterium als Indikator Indizien für die Bestimmung der hauptsächlichen Dienstleistung können indes aus einer quantitativen Betrachtung der verschiedenen Dienstleistungserbringungen gewonnen werden. Grundsätzlich wird davon auszugehen sein, dass eine bestimmte Dienstleistung, deren Erbringung beispielsweise das Zehnfache der Zeit in Anspruch nimmt, die für die Erbringung einer anderen Dienstleistung zu veranschlagen ist, auch von größerer Be34 35 36 37

Kritisch Lehmann/Duczek, IPRax 2011, 41, 46. Mankowski, CR 2010, 137, 140. Dazu etwa Kropholler, Internationales Privatrecht, § 52 III.2. So etwa bei Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO.

D. Methodik der Schwerpunktbestimmung

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deutung ist als diese andere Dienstleistung. Das ist vor allem dann anzunehmen, wenn es um Tätigkeiten geht, die keine besondere Expertise erfordern. Je einfacher eine Tätigkeit ist, desto dominanter werden das zeitliche Moment oder andere quantitative Kriterien. Je spezieller und anspruchsvoller eine bestimmte Tätigkeit im Vergleich zu anderen, ebenfalls im Rahmen des Vertrages auszuführenden Tätigkeiten ist, desto weniger kann umgekehrt eine quantitative Betrachtung der verschiedenen Dienstleistungen einen Rückschluss auf die Bedeutung und Stellung der verschiedenen Leistungen im Vertrag erlauben. 3. Quantitatives Preiskriterium als Indikator Sofern vorhanden, kann die Bepreisung einzelner Dienstleistungen des Vertrages ebenfalls ein starkes Indiz für die hauptsächliche Dienstleistung sein. Vor allem in den Fällen, in denen das zeitliche Moment keine eindeutigen Rückschlüsse zulässt, weil verschiedene Dienstleistungen in etwa gleichen zeitlichen Teilen erbracht werden, kann der Preis hilfreiche Differenzierungen ermöglichen. Der Preis ist grundsätzlich als Indiz für einen objektiven Marktwert zu werten.38 4. Wertschöpfung durch Kombination von Dienstleistungen Geht es darum, ob mehrere Dienstleistungen gemeinsam als hauptsächliche Dienstleistungen des Vertrages anzusehen sind, kann im Übrigen die Frage, ob die verschiedenen Dienstleistungen für sich genommen jeweils als Gegenstand eines eigenständigen Dienstleistungsvertrages in Betracht kommen, Hilfestellung leisten. Ist dies nicht der Fall, sondern erhalten die Dienstleistungen erst in ihrer Kombination ihre eigentliche Bedeutung und einen wirtschaftlichen Wert, so spricht das dafür, dass diese Dienstleistungen gemeinsam die hauptsächlichen Dienstleistungen des Vertrages darstellen und der Ort der hauptsächlichen Dienstleistungserbringung als prozessualer Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO an den Erbringungsorten dieser Dienstleistungen zu suchen ist. V. Kriterien zur Bestimmung des Schwerpunkts der Erbringung der hauptsächlichen Dienstleistungen Sind erst die hauptsächlichen Dienstleistungen oder die hauptsächliche Dienstleistung des Vertrages identifiziert worden und geht es nunmehr um 38

Anders wohl Mankowski, CR 2010, 137, 140, der hieraus auf die subjektive Wertschätzung des Bestellers schließen möchte, die dieser der konkreten Dienstleistung entgegenbringt. Ein solcher Rückschluss anhand des Preises ist aber nur dann möglich, wenn man berücksichtigt, welche Preise unter anderen Umständen oder von anderen Personen für dieselbe Dienstleistung gezahlt werden.

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

die Bestimmung des Schwerpunkts der Dienstleistungserbringung, so muss es auf quantitative Kriterien ankommen.39 1. Quantitative Bestimmung anhand des Zeitaufwands Bei der Schwerpunktbestimmung im Falle der Dienstleistungserbringung an verschiedenen Orten geht es darum, den Mitgliedstaat ausfindig zu machen, dessen Gerichte nach formal-typisierender Betrachtung über die größte Sach- und Beweisnähe verfügen. Wie bereits erörtert, beruht die Verortung der größten Sach- und Beweisnähe am Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung auf der Annahme, dass regelmäßig der Teil der Dienstleistungserbringung, der das Schwergewicht ausmacht, im Einzelfall Gegenstand der Streitigkeiten sein wird. Objektiv steigt schließlich die Wahrscheinlichkeit, dass bei der Erbringung einer Dienstleistung Fehler oder vermeintliche Fehler auftreten, mit der Häufigkeit oder mit der Dauer, mit der die jeweilige dienstleistungsgegenständliche Tätigkeit ausgeführt wird. Häufigkeit und Dauer schlagen sich im zeitlichen Aufwand nieder, der für die Dienstleistungserbringung an den verschiedenen Orten jeweils anfällt. Wenn eine einzige hauptsächliche Dienstleistung nicht bestimmt werden konnte, sondern mehrere Dienstleistungen gemeinsam die hauptsächlichen Dienstleistungen ausmachen, ist ebenso auf die für die Erbringung der verschiedenen Dienstleistungen aufgewendete Zeit zurückzugreifen. Das ist insofern zulässig und auch erforderlich, als unter diesen Umständen die Dienstleistungen gemeinsam im Mittelpunkt des Vertrages stehen und dies gerade aufgrund ihrer qualitativen Gleichwertigkeit der Fall ist. 2. Gefahr des Einfließens sachfremder Erwägungen bei Rückgriff auf den Preis Da der zeitliche Aufwand, den die Erbringung einer Dienstleistung erfordert, mitunter in Korrelation mit dem zu zahlenden Preis steht, stellt sich die Frage, ob hierauf zurückgegriffen werden sollte, um den Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung zu bestimmen. Dabei ist jedoch zunächst schon zu beachten, dass eine Differenzierung nach dem Preis dann nicht möglich ist, wenn einzelne Teile der Dienstleistungserbringung nicht gesondert bepreist sind, sondern nur ein Gesamtpreis für die gesamte Dienstleistungserbringung gezahlt wird. Außerdem ist darauf zu achten, dass für bestimmte Dienstleistungserbringungen mitunter auch deshalb ein höherer Preis zu zahlen sein kann, weil höhere Materialkosten oder andere Kosten, die nur an einem Erbringungsort auftreten, abgedeckt werden sollen. Anders als die aufgewendete Zeit ist der Preis schwächerer Indikator des mit 39 Vgl. auch Markus, Tendenzen beim materiellrechtlichen Vertragserfüllungsort im internationalen Zivilverfahrensrecht, S. 204.

D. Methodik der Schwerpunktbestimmung

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den jeweiligen Dienstleistungserbringungen verknüpften tatsächlichen Aufwandes. Sieht man darüber hinaus im Preis auch das Abbild einer persönlichen Wertschätzung,40 erweist sich der Preis für die Bestimmung des Ortes der hauptsächlichen Dienstleistungserbringung als ungeeignet, wenn man das eingangs erläuterte Element der Häufigkeit und Dauer der Tätigkeitsausführung als maßgeblich für die Begründung der Sach- und Beweisnähe des Schwerpunkts der Dienstleistungserbringung ansieht. Der Bestimmung des Schwerpunkts der Dienstleistungserbringung anhand einer gesonderten Bepreisung einzelner Teile der Dienstleistungserbringung birgt also stets die Gefahr, dass sachfremde Erwägungen, wie die Abdeckung verschieden hoher Kosten oder die subjektive Wertschätzung einzelner Erbringungsanteile an bestimmten Orten, den Ausschlag geben. Sind erst die hauptsächlichen Dienstleistungen identifiziert, ist der Schwerpunkt nach dem Kriterium des zeitlichen Aufwandes an den jeweiligen Erbringungsorten zu bestimmen.41 3. Keine ex ante-Bestimmbarkeit des Preises bei Tätigkeit auf Provisionsbasis Auch ist die Ermittlung des Schwerpunktes der Dienstleistungserbringung zu einem Zeitpunkt während der Vertragsverhandlungen nach Maßgabe des vereinbarten Preises auch dann nicht möglich, wenn die Bezahlung für die zu erbringende Dienstleistung – wie etwa bei Handelsvertreterverträgen – auf Provisionsbasis erfolgt. Hier ist regelmäßig nicht absehbar, wie hoch die durch die Erbringung der Handelsvertreterdienstleistung an verschiedenen Orten erzielte Provision jeweils sein wird. Außerdem spiegelt in diesen Fällen der Preis ebenfalls nicht den zeitlichen Aufwand wieder, weil es sein kann, dass die Handelsvertretertätigkeit an einem Ort trotz hohen Aufwands zu keinem Vertragsschluss führt und an anderer Stelle ein Vertrag zustande kommt, ohne dass dort dem Handelsvertreter viel abverlangt wurde.42 Hingegen kann hier, wenn dem Handelsvertreter zumindest die Anweisung gegeben wird, seine Tätigkeit auf bestimmte Orte auszurichten, anhand des auf Grundlage des Vertrages antizipierten Zeitaufwands ein Schwerpunkt ermittelt werden. Es bleibt festzuhalten, dass der Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung nach quantitativen Kriterien zu bestimmen ist,43 wobei es grundsätz40 41 42

Mankowski, CR 2010, 137, 140. BGH NJW 2006, 1806, 1808; OLG München NJW-RR 2010, 789, 790. Ähnlich auch GA Trstenjak, Schlussanträge v. 12.1.2010, Rs. C-19/09, Wood Floor, Rn. 78. 43 Anders – und im Hinblick auf mehrere Lieferorte – Mankowski, IPRax 2007, 404, 408, der eine Vermutung zugunsten der vertragsbetreuenden Niederlassung des Lieferers statuieren möchte.

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

lich auf das Kriterium der aufzuwendenden Zeit ankommen muss.44 Scheitert die Bestimmung eines Schwerpunkts der Erbringung der hauptsächlichen Dienstleistung daran, dass die Erbringungsanteile gleichwertig sind, so kann insofern auf die dort ebenso zu erbringenden übrigen Leistungen zurückgegriffen werden, die zwar nicht die Hauptdienstleistung(en) darstellen, aber dennoch nach Maßgabe des Vertrages zu erbringen sind.

E. Größe eines zuständigkeitsbestimmenden territorialen Schwerpunkts E. Größe eines zuständigkeitsbestimmenden territorialen Schwerpunkts

Die Untersuchung hat gezeigt, dass es – soweit es um die bedeutenden Auswirkungen der Sach- und Beweisnähe geht – in erster Linie auf die territoriale Sach- und Beweisnähe ankommt. Das Höchstmaß an territorialer Sach- und Beweisnähe wird durch den territorialen Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung markiert. Territoriale Sach- und Beweisnähe ist zugleich keine Frage der örtlichen, sondern der internationalen Zuständigkeit, weil es nicht um tatsächliche Nähe im räumlichen Sinne geht, sondern darum, dass die Beweisaufnahme nicht durch die territorialen Grenzen hoheitlicher Gerichtsbefugnisse und die Sprachbarriere behindert wird. Über das Höchstmaß an territorialer Sach- und Beweisnähe verfügen deshalb nicht einzelne Gerichte vor Ort, sondern alle Gerichte eines Staates, in dem der territoriale Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung liegt. Es hängt also umgekehrt von der Frage der internationalen Zuständigkeit ab, ob solche Gerichte zur Entscheidung berufen sind, die territorial sach- und beweisnah sind. Territoriale Sach- und Beweisnähe ist auf der Ebene der internationalen Zuständigkeit zu erreichen, örtliche Sach- und Beweisnähe auf der Ebene der örtlichen Zuständigkeit. Es stellt sich die Frage, ob für die Bestimmung der Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO jeder Schwerpunkt, d.h. jedes relative Überwiegen eines Erbringungsanteils an der gesamten Dienstleistungserbringung maßgeblich sein kann (relativer Schwerpunkt), oder ob bestimmte Anforderungen an das Überwiegen dieses relativen Schwerpunkts zu stellen sind (qualifizierter relativer Schwerpunkt) – ob zu verlangen ist, dass der Schwerpunkt mehr als die Hälfte der gesamten Dienstleistungserbringung in sich vereint (absoluter Schwerpunkt) oder ob möglicherweise noch ein bestimmtes zusätzliches Überwiegen erforderlich ist (qualifizierter absoluter Schwerpunkt).

44 Ganz ähnlich, allerdings bezüglich der Anwendung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ auf Arbeitsverträge EuGH, Urteil v. 27.2.2002 – Rs. C-37/00, Herbert Weber, Rn. 52.

E. Größe eines zuständigkeitsbestimmenden territorialen Schwerpunkts

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I. Beurteilungsrelevanz der Frage des Fortgeltens des favor defensoris Wenn der EuGH erklärt, „der Grund für diese dem Ziel der räumlichen Nähe entsprechende Regel [des Art. 5 Nr. 1 EuGVO] liegt in der engen Verknüpfung von Vertrag und zur Entscheidung berufenem Gericht“,45 impliziert das, dass der EuGH vom Fortwähren der Schutzbedürftigkeit des Beklagten ausgeht, deren Außerachtlassung „im Interesse einer sachgerechten Prozessführung“46 hinzunehmen ist. Geht man also davon aus, dass der Beklagte auch in Fällen, die von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO erfasst werden, in gleicher Weise schützenswert ist, wie er allgemein nach der Konzeption des Art. 2 Abs. 1 EuGVO für schützenswert gehalten wird, dann hängt der Gerechtigkeitsgehalt des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO in entscheidender Weise davon ab, inwieweit die der Vorschrift zugrundeliegenden Erwägungen ein Abweichen vom Prinzip actor sequitur forum rei rechtfertigen können. Die Sach- und Beweisnähe der nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichte hat ein umso größeres Rechtfertigungspotential, je stärker ausgeprägt sie ist. Sach- und Beweisnähe ist auch mit der Wahrscheinlichkeit gleichzusetzen, dass die zuständigen Gerichte auch im konkreten Fall tatsächlich sach- und beweisnah sind. Wie schließlich gezeigt worden ist, beruht die Sach- und Beweisnähe der zuständigen Gerichte bereits auf einer gewissen formalen Typisierung, soweit Dienstleistungen nur an einem Ort zu erbringen sind. Die Verortung der Sach- und Beweisnähe am Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung bei Dienstleistungserbringung an mehreren Orten beruht dann sogar auf einer fortgeführten Typisierung.47 Dabei ist die Wahrscheinlichkeit tatsächlicher Sach- und Beweisnähe umso geringer, je kleiner der Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung ist. Vor dem Hintergrund, dass die Zulässigkeit der Typisierung nicht von davon entbindet, dass wenigstens die Mehrzahl der Fälle zutreffend erfasst werden muss,48 zeigt sich, dass der territoriale Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung nicht zu geringfügig sein darf, weil sonst ebendieser Vorgabe nicht entsprochen werden kann. Geht man jedoch zutreffender Weise davon aus, dass aufgrund des freiwilligen Näheverhältnisses, das typischerweise in den von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO erfassten Fällen vorliegt, die Interessen bei-

45 EuGH, Urteil v. 3.5.2007 – Rs. C-386/05, Color Drack, Rn. 22; EuGH, Urteil v. 23.4.2009 – Rs. C-533/07, Falco, Rn. 24; EuGH, Urteil v. 9.7.2009 – Rs. C-204/08, Rehder, Rn. 32; EuGH, Urteil v. 25.2.2010 – Rs. C-381/08, Car Trim, Rn. 48; EuGH, Urteil v. 11.3.2010 – Rs. C-19/09, Wood Floor Solutions, Rn. 22. 46 EuGH, Urteil v. 29.6.1994 – Rs. C-288/92, Custom Made Commercial, Rn. 12. 47 Siehe oben, Kap. 5 B. II. 1. a. 48 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 627.

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

der Parteien gleichermaßen zu betrachten sind,49 hat die Sach- und Beweisnähe keine ähnlich ausgeprägte Bedeutung für die Zuständigkeitsgerechtigkeitsgehalt des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO, weil der Sach- und Beweisnähe dann nicht die Funktion zukommt, das Abweichen von Art. 2 Abs. 1 EuGVO zu rechtfertigen. Vielmehr geht es darum, zu rechtfertigen, weshalb konkret die Gerichte eines bestimmten Ortes zuständig sind, weil auch dieses Zuständigkeitsergebnis je nach Lage des Einzelfalls für die eine Partei sehr vorteilhaft und für die andere Partei ausgesprochen nachteilig sein kann. Erwägungen der Sach- und Beweisnähe müssen also nicht erklären, weshalb andere als die nach Art. 2 Abs. 1 EuGVO zuständigen Gerichte zur Streitentscheidung berufen sein können, sondern lediglich, weshalb dies gerade die Gerichte eines bestimmten Mitgliedstaates sind (soweit es um den territorialen Schwerpunkt geht). Es geht insofern darum, den Parteien einen neutralen, weil streitgegenstandsbezogenen Gerichtsstand zur Verfügung zu stellen.50 II. Relativer Schwerpunkt ausreichend bei Relativierung des favor defensoris Da davon auszugehen ist, dass in den Anwendungsfällen des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ein favor defensoris nicht besteht, müssen Erwägungen der Sach- und Beweisnähe nicht dafür herhalten, ein Abweichen von Art. 2 Abs. 1 EuGVO zu rechtfertigen. Es ist dann lediglich zu begründen, weshalb die Wahl auf die Gerichte eines bestimmten Mitgliedstaates und nicht auf andere gefallen ist. Insofern reicht es, wenn die Wahrscheinlichkeit tatsächlicher territorialer Sach- und Beweisnähe in einem Mitgliedstaat größer ist als jeweils in einem anderen Staat, weil dann kein anderer Staat, soweit es um die Dienstleistungserbringung geht, auf der Grundlage formal-typisierender Betrachtung für die Streitentscheidung besser geeignet wäre. 1. Willkürlichkeit eines Mindesterfordernisses Stellt man darüber hinaus weitere Anforderungen an einen zuständigkeitsmaßgeblichen Schwerpunkt, so sähe man sich mit dem Problem konfrontiert, dass es für die Ausgestaltung dieser hinzutretenden Kriterien keinerlei Anhaltspunkte gibt. Einem relativen oder absoluten Schwerpunkt liegen die Eigengesetzlichkeiten qualifizierter Mehrheit zugrunde; hingegen wäre jede weitere Qualifikation dieser Mehrheit letztlich willkürlich.51

49 50 51

Siehe oben, Kap. 3 A. II. Siehe oben, Kap. 3 A. III. Das deutet sich auch bei Mankowski, IPRax 2007, 404, 410 an.

E. Größe eines zuständigkeitsbestimmenden territorialen Schwerpunkts

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2. Häufigere Bestimmbarkeit bei geringeren Schwerpunktsanforderungen Außerdem wird es umso seltener der Fall sein, dass bei Dienstleistungserbringung in verschiedenen Staaten die nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichte nach dem Erbringungsschwerpunkt bestimmt werden können, je höher die an einen zuständigkeitsmaßgeblichen Schwerpunkt zu stellenden Anforderungen sind. Wenn aber die Anknüpfung an den Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung ausscheidet, müssen die nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichte notwendigerweise nach anderen, normativen Kriterien bestimmt werden, was in aller Regel zur Zuständigkeit der Gerichte am Sitz einer Partei (zumeist der Dienstleister) führt52 und mithin dazu, dass eine Partei im Rahmen der Zuständigkeit bevorteilt wäre. Für die Durchführung der Schwerpunktbestimmung spricht stets die Neutralität dieses Anknüpfungskriteriums. 3. Maßgeblichkeit eines besonders kleinen relativen Schwerpunkts kein Regelfall Darüber hinaus geht es hier um die Bestimmung des territorialen und nicht des örtlichen Schwerpunkts der Dienstleistungserbringung. Dass tatsächlich ein relativer Schwerpunkt zuständigkeitsmaßgeblich ist, der sich durch einen Anteil auszeichnet, der beispielsweise nur 10 % der gesamten Dienstleistungserbringung ausmacht, wird der absolute Ausnahmefall sein, bedürfte es doch der Dienstleistungserbringung in mindestens zehn anderen Staaten, damit ein Erbringungsanteil von 10 % in einem Mitgliedstaat den zuständigkeitsmaßgeblichen relativen Schwerpunkt ausmachen kann. Regelmäßig wird sich die Dienstleistungserbringung auf mehrere Orte in jedem Erbringungsstaat erstrecken, sodass sich der territoriale Schwerpunkt aus mehreren Anteilen an der gesamten Dienstleistungserbringung zusammensetzt. Daher sollte ein relativer territorialer Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung für die Begründung der Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ausreichen.

III. Schwerpunkt bei Fortgelten des favor defensoris Anders muss entscheiden, wer davon ausgeht, dass es auch in den von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO erfassten Fällen einen favor defensoris zu beachten gibt. Unter dieser Voraussetzung wäre jedenfalls ein absoluter Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung zu verlangen, weil überhaupt nur dann davon auszugehen wäre, dass auch im Zuge der fortge52

von Hein, IPRax 2013, 54, 58; sowie unten, Kap. 6 L. I. 3. a. ff. und 4. e.

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

führten Typisierung, die in der Schwerpunktbetrachtung zum Ausdruck kommt, in der Mehrzahl der Fälle tatsächliche Sach- und Beweisnähe vorliegt.53 Die Verortung der Sach- und Beweisnähe am Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung entspricht auch dem Gedanken, dass es wahrscheinlich ist, dass der größte Teil der Dienstleistungserbringung – und nicht irgendein anderer Erbringungsanteil – streitig sein wird, wenn der Streit sich nicht ohnehin auf die gesamte Dienstleistungserbringung an allen Orten bezieht; mit dieser Wahrscheinlichkeit korrespondiert insofern die Wahrscheinlichkeit tatsächlicher Sach- und Beweisnähe im konkreten Fall.54 Bei einem relativen Schwerpunkt ist aber zu beachten, dass es unter dieser Prämisse wahrscheinlicher ist, dass an irgendeinem der übrigen Orte der Dienstleistungserbringung diese streitig sein wird.

F. Einwand zu großer Komplexität? F. Einwand zu großer Komplexität?

Offensichtlich nicht von der Hand zu weisen ist, dass die Bestimmung des territorialen Schwerpunkts der Dienstleistungserbringung aufwendige und umfangreiche Untersuchungen zu den verschiedenen Orten der Dienstleistungserbringung erforderlich machen kann. Dass die Schwerpunktbestimmung mitunter kompliziert ist, kann nicht geleugnet werden.55 Wie aber bereits erläutert wurde, gilt es – insbesondere im Zuständigkeitsrecht – das Erfordernis der Rechtseinfachheit zu berücksichtigen.56 Dieses Erfordernis kann einer Auslegung entgegenstehen, die zu großer Komplexität führen würde. I. Komplexität kein Selbstzweck Die Komplexität einer Regelung erscheint zwar regelmäßig als nicht wünschenswert, es handelt sich dabei jedoch oftmals auch um eine unumgängliche Notwendigkeit. Denn die Komplexität einer Regelung besteht in der Regel nicht um ihrer selbst Willen, sondern ist die Kehrseite einer in einer Regelung vorgesehenen Möglichkeit zur Differenzierung und mithin zur möglichst zutreffenden Erfassung der Sachlage des Einzelfalls, die über die Etablierung einer Mehrzahl an Prüfungsschritten und Anknüpfungen innerhalb einer Regelung erreicht wird. Je größer die Möglichkeit zur Differenzierung, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die angeordnete Rechtsfolge im konkreten Einzelfall dem Sinn und Zweck der Regelung 53

Wohl sympathisierend, wenn auch mit anderer Begründung, Mankowski, CR 2010, 137, 140. 54 Siehe oben, Kap. 5 B. II. 1. a. 55 Lehmann/Duczek, IPRax 2011, 41, 47. 56 Mankowski, IPRax 2007, 404, 409; sowie oben, Kap. 6 A. III.

F. Einwand zu großer Komplexität?

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entspricht, weil eine bessere Berücksichtigung der jeweiligen Sachlage des konkreten Falles möglich ist. Dem steht der Ansatz gegenüber, im Sinne der Rechtseinfachheit zur Vermeidung großer Komplexität auf etwaige bessere Möglichkeiten zur Berücksichtigung der Lage des konkreten Einzelfalls zu verzichten und die Rechtsfolge ohne die Zwischenschaltung bestimmter Prüfungsschritte und Anknüpfungen unmittelbar anzuordnen; dann besteht allerdings ein großes Risiko, dass die angeordnete Rechtsfolge im Hinblick auf den jeweils zugrundeliegenden konkreten Fall nicht dem mit der Regelung verfolgten Zweck entspricht und daher unangemessen erscheint. Das kann sich das Recht umso weniger erlauben, je bedeutender die von der angeordneten Rechtsfolge betroffenen Interessen sind. Stehen gewichtige Interessen auf dem Spiel, kann verstärkt ein Bedürfnis nach Möglichkeiten zur Berücksichtigung der Sachlage des Einzelfalls bestehen. Dem wird entsprochen durch Differenzierungsmöglichkeiten innerhalb der anzuwendenden Vorschrift, d.h. über eine Kaskade verschiedener Prüfungsschritte und Anknüpfungen. In diesen Fällen stellt sich daher die Komplexität einer Regelung, die die Kehrseite dieser Differenzierungsmöglichkeit ist, als ein notwendiges Übel dar. Geht es hingegen um weniger bedeutende Interessen, kann die Komplexität einer Regelung eher als unangebracht erachtet werden, weil das Interesse an Rechtseinfachheit möglicherweise höher zu bewerten ist als das Erreichen des Regelungszwecks im konkreten Einzelfall. Daraus folgt, dass die Angemessenheit der Komplexität einer Regelung nicht für sich genommen, sondern stets im Zusammenhang mit dem verfolgten Regelungszweck und den tangierten Interessen zu beurteilen ist. II. Entscheidung über wesentliche Parteiinteressen Von der Bestimmung der Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO sind bedeutende Partei- und Gerichtsinteressen betroffen, wenn hiervon abhängt, in welchem Mitgliedstaat Klage erhoben werden kann.57 Hier werden prozesswesentliche Weichen gestellt und die Voraussetzungen für eine rasche Streitbeilegung geschaffen. Die Zuständigkeitsprüfung kann zur Folge haben, dass der Kläger überhaupt erst eine Klage in Erwägung zieht und ebenso gut ausschlaggebend dafür sein, dass eine Klage nicht erhoben wird. Die ausländische Partei ist dabei regelmäßig schlechter gestellt als die inländische. Wer davon ausgeht, dass auch in den von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO erfassten Fällen der Beklagte entsprechend dem Prinzip actor sequitur forum rei schutzwürdig ist, muss auch in besonderem Maße Anforderungen des Beklagtenschutzes berücksichtigen. 57

Siehe oben, Kap. 1 A.

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

Das Abstellen auf den territorialen Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung ermöglicht es, die auf territorialer Ebene über Sach- und Beweisnähe verfügenden Gerichte zu ermitteln, deren Zuständigkeit unter prozessökonomischen Gesichtspunkten und im Hinblick auf Rechtsprechungsqualität wünschenswert und allgemein gerechtfertigt ist. Aufgrund der hervorgehobenen Bedeutung der internationalen Zuständigkeit – viel geringer ist sie bei innerstaatlichen Streitigkeiten – ist hier in besonderem Maße erforderlich, dass die Zuständigkeit in einer Weise festgelegt wird, die den Anforderungen der Zuständigkeitsgerechtigkeit entspricht. III. Attraktivität einer einfacheren Bestimmungsalternative Wollte man zugunsten der Rechtseinfachheit von einer komplexen Analyse und Bewertung der Dienstleistungserbringungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten absehen, dann blieben die bereits erläuterten Ansätze, d.h. zum einen das Zugeständnis eines allgemeinen Klägerwahlrechts oder eines begrenzten Klägerwahlrechts im Sinne der Mosaiktheorie, zum anderen die Maßgeblichkeit der jeweils streitigen Dienstleistungserbringung oder ein allgemeiner Rückgriff auf normative Bestimmungen.58 Das Zugeständnis eines Klägerwahlrechts wäre jedoch weder mit dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit zu vereinbaren, weil die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht einmal absehen können, in welchem Mitgliedstaat sich die nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichte befinden, wenn die Dienstleistungserbringung in mehreren Mitgliedstaat erfolgt, noch mit dem Grundsatz der Zuständigkeitsgerechtigkeit, weil die Ungewissheit über die Zuständigkeit allein zulasten des Beklagten geht, der erst zum Zeitpunkt der Klageerhebung mit Sicherheit wissen kann, in welchem Mitgliedstaat er sich überhaupt verteidigen muss. Die Maßgeblichkeit der streitigen Dienstleistungserbringung ist als Ansatz inoperabel. Der Rückgriff auf normative Kriterien lässt sich nur schwer mit dem Sinn und Zweck des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO vereinbaren und kommt nur als ultima ratio in Betracht. IV. Hinnehmbarkeit der Komplexität der Schwerpunktbestimmung Die Bestimmung der Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nach dem territorialen Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung weist all diese Defizite nicht auf. Die Parteien können vorhersehen, in welchem Mitgliedstaat Klage erhoben werden kann. Die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO hängt nicht von der Wahl des Klägers ab und lässt sich darüber hinaus gerade mit der territorialen Sachund Beweisnähe der Gerichte rechtfertigen. Hiervon profitieren die Partei58

Vgl. schon oben, Kap. 5 B. III. sowie IV.

G. Beachtlichkeit eines örtlichen Schwerpunkts?

183

en und die Gerichte. Die Ermittlung des territorialen Schwerpunkts der Dienstleistungserbringung ist unter Gesichtspunkten der Zuständigkeitsgerechtigkeit erforderlich. Die Komplexität, die mit dieser Schwerpunktbestimmung verbunden ist, muss daher als „notwendiges Übel“ hingenommen werden. Das Auffinden des territorialen Schwerpunkts ist für die Zwecke der Bestimmung der Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO beim Vorliegen mehrerer Erbringungsorte unumgänglich. Darüber hinaus liegt es auch keinesfalls so, dass die Bestimmung des Schwerpunkts stets besonders aufwendig verläuft. Ebenso gut kann es auch so liegen, dass nach einem Blick auf die Vertragsvereinbarungen klar ist, in welchem Mitgliedstaat mehr die Hälfte der Dienstleistungserbringung erfolgt.

G. Beachtlichkeit eines örtlichen Schwerpunkts der Dienstleistungserbringung? G. Beachtlichkeit eines örtlichen Schwerpunkts?

Liegt ein territorialer Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung vor, ist über die Frage der internationalen Zuständigkeit entschieden. Gleichwohl ist aber die Frage aufgeworfen, ob und unter welchen Umständen ein örtlicher Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung im international zuständigen Mitgliedstaat möglicherweise das nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO örtlich zuständige Gericht vorgeben kann. I. Die Lösung des EuGH Nach dem EuGH bestimmen sich die nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichte bei Dienstleistungserbringung in mehreren Mitgliedstaaten nach dem Ort, an dem diese hauptsächlich erfolgt.59 Der Schwerpunkt entscheidet also sowohl über die internationale wie die örtliche Zuständigkeit. Dasselbe muss gelten, wenn die Dienstleistungserbringung allein in einem Mitgliedstaat erfolgt. Für den Fall mehrerer Lieferorte in einem Mitgliedstaat sollen nämlich ebenfalls die nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichte nach dem Ort der hauptsächlichen Lieferung zu bestimmen sind.60 Ob indes eine solche Lösung stets sachgerecht ist, erscheint fraglich.

59 60

EuGH, Urteil v. 11.3.2010 – Rs. C-19/09, Wood Floor Solutions, Rn. 38. EuGH, Urteil v. 3.5.2007 – Rs. C-386/05, Color Drack, Rn. 40.

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

II. Keine Rechtfertigungsbedürftigkeit örtlicher Zuständigkeit Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass auch im Anwendungsbereich von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO der Beklagte gegenüber dem Kläger schützenswert ist, ist ein Rechtfertigungserfordernis im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit, wenn die internationale bereits feststeht, nicht aus dem Grundsatz actor sequitur forum rei herzuleiten, soweit er in Art. 2 Abs. 1 EuGVO Ausdruck findet. Art. 2 Abs. 1 EuGVO schützt vor der Zuständigkeit ausländischer Gerichte, nicht aber vor einer bestimmten örtlichen Zuständigkeit. Grundsätzlich ist der Beklagte nach Art. 2 Abs. 1 EuGVO vor Gerichten seines Heimatstaates zu verklagen; neben der internationalen Zuständigkeit regelt die Vorschrift aber nicht auch die örtliche Zuständigkeit, sondern überlässt dies Mitgliedstaatlicher Regelung. 61 Die Verordnung nimmt also auch keinen Einfluss darauf, ob der Beklagte in dem nach Art. 2 Abs. 1 EuGVO international zuständigen Wohnsitzstaat allein vor den Gerichten seines Wohnsitzes oder den Gerichten anderer Orte verklagt werden kann. Das Vorliegen eines mindestens absoluten örtlichen Schwerpunkts der Dienstleistungserbringung wäre daher unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeitsgerechtigkeit selbst dann nicht erforderlich, wenn man von der Fortgeltung des favor defensoris im Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ausginge. Es läge somit anders als bei der Frage der internationalen Zuständigkeit.62 Motivation für die Anknüpfung an einen – auch nur relativen – Schwerpunkt könnte insofern auch die Herbeiführung eines einzigen Gerichtsorts aus Gründen der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit auf örtlicher Ebene sein. III. Wahlrecht als unverzichtbare Auffanglösung bei Nichtbestimmbarkeit eines örtlichen Schwerpunkts 1. Unbedingtes Erfordernis gleichbleibender internationalen Zuständigkeit Nachdem nun festgestellt wurde, dass die Vorzüge territorialer Sach- und Beweisnähe ausreichend sind, um im Spannungsfeld der hier gleich zu bewertenden spezifischen Zuständigkeitsinteressen von Kläger und Beklagten eine Entscheidung herbeizuführen, bzw. eine von Art. 2 Abs. 1 EuGVO abweichende internationale Zuständigkeit zu rechtfertigen,63 steht gleichfalls fest, dass die Frage nach dem örtlichen Schwerpunkt auf die internationale Zuständigkeit keinen Einfluss haben kann. Aus Gründen der Zuständigkeitsgerechtigkeit ist es nicht zulässig, dem Kläger die Klage61 62 63

Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 2 Rn. 7. Siehe oben, Kap. 5 E. 3. Soweit davon ausgegangen wird, dass der favor defensoris der EuGVO auch im Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 EuGVO nicht aufzuheben ist.

G. Beachtlichkeit eines örtlichen Schwerpunkts?

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möglichkeit in diesem Mitgliedstaat vorzuenthalten, und ebenso wenig überzeugend, wenn man auf Erwägungen der Prozessökonomie rekurriert, weil auf der Grundlage formal-typisierender Betrachtung die territoriale Sach- und Beweisnähe und mit ihr bedeutende Vorzüge im Hinblick auf die Durchführung des Prozesses und die Urteilsfindung gegeben sind.64 2. Ungeeignetheit anderer Bestimmungsmethoden Daraus ergibt sich, dass vom Vorliegen eines örtlichen Schwerpunkts, sofern man einen solchen verlangen würde, jedenfalls nicht abhängen könnte, ob überhaupt nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO Gerichte in dem Mitgliedstaat örtlich zuständig sind. Liegt ein territorialer Schwerpunkt vor, muss gelten, dass in diesem Mitgliedstaat ein Gerichtsstand gegeben ist. Ein Rückgriff auf die Maßgeblichkeit der Orte der streitigen Dienstleistungserbringung65 taugt schon deshalb nicht zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit, weil nicht einmal feststeht, dass die streitige Dienstleistungserbringung überhaupt in diesem international zuständigen Mitgliedstaat und nicht in einem anderen zu ermitteln ist. Ein Wahlrecht mit begrenztem Klageumfang66 muss aus denselben Gründen ausscheiden. Auch können normative Bestimmungskriterien67 nicht weiterhelfen, weil der Wohnsitz des Dienstleisters (oder des Bestellers), auf den es hiernach ankommt, ebenfalls in einem anderen Mitgliedstaat liegen kann. Es verbleibt daher allein ein allgemeines Wahlrecht. Wenn kein örtlicher Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung ermittelbar wäre, muss daher die örtliche Zuständigkeit bei den Gerichten aller Orte der Dienstleistungserbringung in dem international zuständigen Mitgliedstaat liegen, weil alle diese Orte jedenfalls einen Bezug zur Dienstleistungserbringung aufweisen und auch nicht in nachvollziehbarer Weise erklärt werden könnte, weshalb einige dieser Gerichte zuständig und andere nicht zuständig sein sollten.68 IV. Notwendigkeit einer zweistufigen Bestimmung? Wenn aber jedenfalls dann, wenn kein örtlicher Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung ermittelbar ist, ohnehin dem Kläger das Recht zuzugestehen wäre, zwischen allen Orten der Dienstleistungserbringung in dem international zuständigen Mitgliedstaat zu wählen, wäre alternativ denkbar, 64 Zu den bedeutenden Vorzügen der territorialen Sach- und Beweisnähe vgl. bereits oben, Kap. 3 D. II. 65 Vgl. hierzu oben, Kap. 5 B. 2. 66 Siehe oben, Kap. 5 B. 1. b. 67 Vgl. hierzu oben, Kap. 5 B. 3. sowie ausführlich unten, Kap. 6 I. 3. 68 Im Ergebnis auch EuGH, Urteil v. 3.5.2007 – Rs. C-386/05, Color Drack, Rn. 42, allerdings nur für den Fall, dass alle Leistungen nur in einem Mitgliedstaat erbracht werden.

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

aus Gründen der Rechtseinfachheit dem Kläger dieses Recht unabhängig vom Fehlen eines örtlichen Schwerpunkts zuzusprechen. Denn umfangreiche Untersuchungen zu der genauen Verteilung der Dienstleistungserbringung auf die verschiedenen Erbringungsorte in diesem Staat wären dann hinfällig. 1. Differenzierte Beurteilung der Komplexität Auch auf der Ebene der örtlichen Zuständigkeit ist das Erfordernis der Rechtseinfachheit zu berücksichtigen. Dieses Erfordernis kann einer Auslegung entgegenstehen, die zu großer Komplexität der Zuständigkeitsbestimmung führen würde. Im Gegensatz zur Zuständigkeitsbestimmung auf internationaler Ebene folgt dieses nicht so sehr aus dem Ziel der Vorhersehbarkeit, weil ohnehin die örtliche Zuständigkeit weit weniger bedeutend ist als die internationale, als vielmehr aus ökonomischen Erwägungen: Bei unbedeutenderen Rechtsfragen darf der zu ihrer Beantwortung erforderliche Aufwand nicht außer Verhältnis zu betroffenen Interessen stehen.69 a. Entscheidung über weniger bedeutende Parteiinteressen Bei der Bestimmung der nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO örtlich zuständigen Gerichte geht es in der Regel nicht mehr um wesentliche Aspekte der Klage. Die Interessen der Parteien an einer bestimmten örtlichen Zuständigkeit sind vergleichsweise unbedeutend; die relevanten prozessualen Weichen sind bereits auf der Ebene der internationalen Zuständigkeit gestellt worden. Die bedeutende territoriale Sach- und Beweisnähe liegt nach typisierender Betrachtung ebenfalls vor.70 Von der örtlichen Sach- und Beweisnähe und mithin der Bestimmung des örtlichen Schwerpunkts hängt dagegen kaum noch etwas ab. Auch das Vorhersehbarkeitsdefizit, das naturgemäß mit einem Wahlrecht einhergeht,71 kann hier hinzunehmen sein, weil der Beklagte sich allein auf unterschiedliche örtliche – nicht aber internationale – Zuständigkeiten einzustellen hat. b. Unverhältnismäßige Zunahme an Komplexität In Fällen der Dienstleistungserbringung in verschiedenen Mitgliedstaaten wird der territoriale Schwerpunkt oft schon allein aufgrund der Häufigkeit der Erbringungsorte in einem Mitgliedstaat bestimmt werden können, ohne dass detaillierte Untersuchungen zum Umfang der Dienstleistungserbringung an den jeweiligen Orten erforderlich wären. Erfolgt etwa die Erbrin69 70 71

Siehe oben, Kap. 6 f. Vgl. oben, Kap. 3 D. II. Vgl. auch oben, Kap. 3 B. I. 3.

G. Beachtlichkeit eines örtlichen Schwerpunkts?

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gung der Dienstleistung zu ungefähr gleichen Teilen an neun verschiedenen Orten, wobei sechs dieser Orte in Frankreich liegen, so ist der territoriale Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung ohne Schwierigkeiten schon allein nach der territorialen Verteilung dieser Erbringungsorte bestimmbar, ohne dass genaue Untersuchungen der einzelnen Dienstleistungserbringungsanteile erforderlich wären. Ganz anders läge es aber bei der Bestimmung des örtlichen Schwerpunkts, hier wären genaue Untersuchungen erforderlich, um unter den sechs Orten der Dienstleistungserbringung den örtlichen Schwerpunkt zu ermitteln. Liegen die einzelnen Anteile der Dienstleistungserbringung an den verschiedenen Orten mengenmäßig nah beieinander, kann ebenso unklar sein, ob überhaupt ein örtlicher Schwerpunkt besteht. Zwischen den Parteien könnte ein mitunter langwieriger Streit über das letztlich nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO örtlich zuständige Gericht entstehen, wenn etwa der Kläger von der Gleichwertigkeit der Dienstleistungserbringungsanteile und folglich von einem Wahlrecht ausgeht, wohingegen der Beklagte die örtliche Zuständigkeit nur an einem Ort, dem vermeintlichen Schwerpunkt, gegeben sieht. Derartige Streitigkeiten, die allein die örtliche Zuständigkeit betreffen und für beide Parteien ohne substanzielle Bedeutung sind, werden regelmäßig allein mit dem Ziel entfacht, den Prozess zu verzögern. Hierdurch werden rechtsstaatliche Ressourcen verschwendet. Wenn hingegen ein Wahlrecht dem Kläger schon von vornherein, d.h. unabhängig von der Existenz eines örtlichen Schwerpunkts der Dienstleistungserbringung zugestanden wird, können auch derartige Unsicherheiten und entsprechendes Streitpotential nicht entstehen. Will man zugunsten der Rechtseinfachheit ganz allgemein von einer komplexen Analyse und Bewertung der einzelnen Dienstleistungserbringungen an den verschiedenen Orten absehen, dann ist es konsequent, ohne Umwege die örtliche Zuständigkeit der Gerichte an allen Orten der Dienstleistungserbringung anzunehmen, die in dem Mitgliedstaat liegen, in dem sich auch der territoriale Schwerpunkt befindet, und nicht zunächst nach einem örtlichen Schwerpunkt zu suchen.72 2. Identische Beurteilung bei Dienstleistungserbringung in nur einem Mitgliedstaat Wenn alle Orte der Dienstleistungserbringung in einem Mitgliedstaat liegen, erübrigt sich die Bestimmung des territorialen Schwerpunkts. Dann könnte es möglicherweise angemessen sein, wenn auf der Ebene der örtlichen Zuständigkeit die Untersuchungen umfangreicher ausfallen. Es könn72 Das Zugeständnis eines allgemeinen Wahlrechts wird hingegen abgelehnt von Mankowski, IPRax 2007, 404, 411.

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

te verstärktes Augenmerk auf die örtliche Sach- und Beweisnähe zu richten und der örtliche Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung zu ermitteln sein. Trotz der Unzweifelhaftigkeit der internationalen Zuständigkeit ist die Interessenlage, die für die Beurteilung der Angemessenheit der mit der Schwerpunktbestimmung einhergehenden Komplexität heranzuziehen ist, dieselbe. Dass in nur einem Mitgliedstaat Orte der Dienstleistungserbringung liegen, bedeutet nicht, dass keine grenzüberschreitende Streitigkeit vorliegt. Auch hier ist über die internationale Zuständigkeit zu entscheiden, die für die Parteien von enormer Bedeutung sein kann, weil die Parteien – wenn denn die EuGVO Anwendung findet – ihren Wohnsitz in unterschiedlichen Staaten haben. In diesen Fällen nunmehr eine Bestimmung des örtlichen Schwerpunkts vornehmen zu wollen, die ohne Zweifel bisweilen besonders aufwendig ausfallen kann, schafft nur zusätzlichen Aufwand und Streitpotential, obwohl kein bedeutender Zugewinn durch die örtliche Sach- und Beweisnähe zu erwarten ist. Es sollte daher ganz darauf verzichtet werden und ebenso die örtliche Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Ortes der Dienstleistungserbringung angenommen werden.73 Zudem wird auf diese Weise auch die Einheitlichkeit der Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO gewahrt. V. Zwischenergebnis Es erscheint sinnvoll, die örtliche Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO überall dort zu bejahen, wo in dem international zuständigen Mitgliedstaat die Dienstleistungserbringung nach dem Vertrag zu erfolgen hat; selbst wenn die Dienstleistungserbringung an einem Ort für sich genommen ausreicht, um den territorialen Schwerpunkt zu begründen, sollte dieser nicht allein maßgeblich sein. Die vorgeschlagene Lösung stimmt nicht mit der Auffassung des EuGH überein.74 Immerhin zeigt sich aber, dass auch der EuGH die Bedeutung der territorialen Sach- und Beweisnähe anerkennt, da er dem Kläger ein Wahlrecht zwischen allen Lieferorten in einem Mitgliedstaat jedenfalls dann zugesteht, wenn ein Ort der hauptsächlichen Lieferung nicht bestimmt werden kann.75

73

Insofern wiederum übereinstimmend mit Huber-Mumelter/Mumelter, JBl 2008 2008, 561, 569, die jedoch darüber hinaus andenken, dass Wahlrecht auch auf alle Orte der Dienstleistungserbringung in verschiedenen Mitgliedstaaten zu erstrecken. 74 Vgl. oben, Kap. 6 G. I. 75 EuGH, Urteil v. 3.5.2007 – Rs. C-386/05, Color Drack, Rn. 42.

H. Dienstleistungserbringung in Mitglied- und Drittstaaten

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H. Dienstleistungserbringung in Mitglied- und Drittstaaten H. Dienstleistungserbringung in Mitglied- und Drittstaaten

Liegt der nach Maßgabe von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO autonom bestimmte prozessuale Erfüllungsort in einem Drittstaat, so kann die Vorschrift nicht angewendet werden. Der Grund für die Unanwendbarkeit liegt darin, dass die EuGVO die Zuständigkeit der Gerichte solcher Staaten, die sich nicht dem Zuständigkeitsregime der Verordnung unterworfen haben, nicht herbeiführen kann. Diese entscheiden nach eigener lex fori. Fraglich ist jedoch, ob Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO dann Anwendung findet, wenn Dienstleistungen sowohl in Drittstaaten als auch in Mitgliedstaaten erbracht werden. Vorausgesetzt, dass in einer solchen Konstellation der prozessuale Erfüllungsort im Sinne der Vorschrift in einem Mitgliedstaat liegt, kann gegen die Anwendbarkeit von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nicht angeführt werden, dass hierdurch unzulässigerweise die Zuständigkeit eines drittstaatlichen Gerichts bestimmt werden würde. I. Möglichkeit positiver Kompetenzkonflikte als Einwand? Allerdings besteht beim Vorliegen irgendeines Drittstaatenbezuges immer auch die Möglichkeit, dass nach der lex fori dieses Drittstaates auch dessen internationale Zuständigkeit gegeben ist und es zu Parallelverfahren kommt. Dann sind einander widersprechende Entscheidungen zu befürchten. Erwägungsgrund 15 der EuGVO erklärt aber, dass im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege Parallelverfahren soweit wie möglich vermieden werden müssen. Indes gilt diese Aussage nur für Parallelverfahren unter der EuGVO. Kompetenzkonflikte gegenüber Drittstaaten sind unter dem Zuständigkeitsregime der EuGVO hinzunehmen. Das zeigt sich etwa daran, dass die Verordnung auch dann Anwendung findet, wenn nur der Beklagte und nicht der Kläger seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat.76 Wollte der Beklagte mit Mitgliedstaatlichem Wohnsitz seinerseits gegen den in einem Drittstaat ansässigen Kläger vor drittstaatlichen Gerichten eine Klage wegen desselben Anspruchs erheben, so würden die Rechtshängigkeitsvorschriften der Art. 27 f. EuGVO, die die Vermeidung von Parallelverfahren zum Ziel haben,77 keine Anwendungen finden, weil hier Klagen nicht nur vor mitgliedstaatlichen Gerichten anhängig wären. Daran zeigt sich, dass nach der Konzeption der EuGVO die Möglichkeit, dass es zu positiven Kompetenzkonflikten mit drittstaatlichen Gerichten kommen kann, keinen beachtlichen Einwand darstellt. 76 77

Vgl. EuGH, Urteil v. 13.7.2000 – Rs. C-412/98, Group Josi, Rn. 33 ff. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, vor Art. 27 Rn. 1; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 27 Rn. 1.

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

Kein anderes Bild ergibt sich, wenn man wiederum berücksichtigt, dass nach Art. 5 Nr. 1 lit. c EuGVO auf lit. a zurückzugreifen sein soll, wenn der nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO bestimmte prozessuale Erfüllungsort in einem Drittstaat liegt. In diesen Fällen ist offensichtlich, dass ein Forumskontakt zu einem Drittstaat vorliegt, der so wesentlich ist, dass er als solcher im System der EuGVO zuständigkeitsbegründende Wirkung hätte; dann wäre es auf der konzeptionellen Grundlage der EuGVO zu erwarten, dass auch dieser Drittstaat diese Forumskontakte für ausreichend hält. II. Wertungen aus Art. 5 Nr. 1 lit. c EuGVO Wenn durch Art. 5 Nr. 1 lit. c EuGVO dem Kläger zusätzlich die Möglichkeit gegeben wird, nach Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO am Gerichtsstand des Erfüllungsortes zu klagen, wird darin das Bestreben Gesetzgebers erkennbar, dem Kläger möglichst oft die Möglichkeit der Klage am Erfüllungsort in einem Mitgliedstaat einzuräumen.78 Es ist daher fraglich, ob dieses Bestreben auch bei der Schwerpunktbestimmung zu berücksichtigen ist, wenn Dienstleistungen sowohl in Mitgliedstaaten als auch in Drittstaaten erbracht werden. Es geht also darum, ob auf den zweitgrößten Anteil der gesamten Dienstleistungserbringung abzustellen ist, wenn der eigentliche relative territoriale Schwerpunkt in einem Drittstaat liegt, oder ob in diesen Fällen Art. 5 Nr. 1 lit. c EuGVO einschlägig ist. Bedenkt man, dass es Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nur darum geht, die Zuständigkeit der am besten für die Streitentscheidung geeigneten Gerichte herbeizuführen und diese Entscheidung im Rahmen der EuGVO nicht im Hinblick auf die Gerichte in Drittstaaten getroffen werden kann, muss diese Frage bejaht werden. III. Abweichende Entscheidung bei Fortgelten des favor defensoris Abweichend muss jedoch entscheiden, wer von der Fortgeltung des favor defensoris im Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ausgeht. Würde man unter diesen Umständen den an sich maßgeblichen absoluten territorialen Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung unberücksichtigt lassen und im Hinblick auf allein die Dienstleistungserbringung in Mitgliedstaaten einen „unechten“ territorialen Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung bestimmen, wäre nicht gewährleistet, dass in der Mehrzahl der Fälle die hiernach zuständigen Gerichte auch tatsächlich sach- und beweisnah sind, weil doch der ganz überwiegende Großteil 78 Hau, IPRax 2000, 354, 360; Leipold, GS Alexander Lüderitz, S. 431, 450f.; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 53; Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, S. 232.

I. Berücksichtigung tatsächlicher Dienstleistungserbringung?

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der Dienstleistungserbringung in einem Drittstaat erfolgt. Unter diesen Umständen wäre es dann nicht gerechtfertigt, den Grundsatz des Beklagtenschutzes zu vernachlässigen und eine von Art. 2 Abs. 1 EuGVO abweichende Zuständigkeit zuzulassen. Der hier angewandte Rechtfertigungsmechanismus würde nur dann taugen, wenn man vor den Gerichten des „unechten“ territorialen Schwerpunkts nur solche Klagen zuließe, die nicht die konkrete Dienstleistungserbringung in dem Drittstaat zum Gegenstand haben. Indes bliebe dann für Klagen betreffend ebendiese Dienstleistungserbringung in einem Drittstaat nur der allgemeine Beklagtengerichtsstand nach Art. 2 Abs. 1 EuGVO. Es käme zu einer Aufspaltung der Zuständigkeit für Klagen aus ein und demselben Vertrag. Diese Lösung widerspräche mithin einem wesentlichen Ziel79 des Art. 5 Nr. 1 EuGVO.

I. Berücksichtigung tatsächlicher Dienstleistungserbringung? I. Berücksichtigung tatsächlicher Dienstleistungserbringung?

Die Bestimmung der Orte der Dienstleistungserbringung muss grundsätzlich „faktisch“ auf der Grundlage des Vertrages erfolgen.80 Hat der Dienstleister die Dienstleistungen an den vertraglich vereinbarten Orten erbracht (wobei ein derartiger vertraglicher Ort auch nachträglich durch die Hinnahme der Leistung entstehen kann),81 ergibt sich ohnehin kein Unterschied zwischen den vertraglich bestimmten und den tatsächlichen Erbringungsorten, sodass auch kein Platz für Differenzierungen bleibt. In den Fällen, in denen zwar mehrere vertragliche Orte der Dienstleistungserbringung vorliegen, jedoch noch nicht an allen vertraglichen Erbringungsorten Dienstleistungen auch tatsächlich erbracht worden sind, ist aber fraglich, ob möglicherweise allein diese zugleich vertraglichen tatsächlichen Erbringungsorte für die Zwecke der Bestimmung des prozessualen Erfüllungsorts im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nach dem territorialen Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung zu berücksichtigen sind und alle nur in den Vertragsvereinbarungen existierenden Erbringungsorte, an denen noch keine tatsächliche Dienstleistungserbringung erfolgt ist, außer Acht gelassen werden müssen. I. Vorteile der Anknüpfung an die tatsächliche Dienstleistungserbringung Würde man in solchen Fällen, in denen sich nach Maßgabe des Vertrages mehrere Orte der Dienstleistungserbringung bestimmen lassen, nur dieje79 Vgl zum Einheitsgerichtsstand schon oben, Kap. 5 B. III. 1. b. dd., sowie Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Rn. 55; Mankowski, IPRax 2007, 404, 407. 80 BGH NJW 2010, 2442, 2443; Markus, AjP 2010, 971, 978. 81 Siehe oben, Kap. 5 A. II. 4.

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

nigen vertraglichen Erbringungsorte berücksichtigen, an denen die Dienstleistungserbringung auch tatsächlich stattgefunden hat, so hätte dies mitunter nicht zu vernachlässigende Vorteile. 1. Entbehrlichkeit der Schwerpunktbestimmung im Einzelfall Wenn erst an einem vertraglichen Erbringungsort bereits tatsächlich Dienstleistungen erbracht worden sind, würde sich die gesamte Problematik, wie beim Vorliegen mehrerer Erbringungsorte der prozessuale Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zu bestimmen ist, erübrigen. Jedenfalls böte dieser Ansatz den Vorteil, die Anzahl der zu berücksichtigenden Erbringungsorte zu verringern. 2. Allgemeine Vorteile Für die Maßgeblichkeit des Ortes der tatsächlichen Dienstleistungserbringung in derartigen Fällen können darüber hinaus grundsätzlich die bereits erörterten Vorteile82 ins Feld geführt werden. Vor allem die tatsächliche Sach- und Beweisnähe fällt hier ins Gewicht. Wenn etwa die Dienstleistungserbringung erst an einem Ort in einem Mitgliedstaat erfolgt ist und der nach dem Vertrag bestimmte territoriale Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung in einem anderen Mitgliedstaat liegt, trifft schließlich die Prämisse, dass dieser vertragliche Schwerpunkt die größte Sach- und Beweisnähe vermittelt, ganz offensichtlich nicht zu – zugleich bestünde aber durch die Anknüpfung an den tatsächlichen Erbringungsort die Möglichkeit, die Zuständigkeit auch tatsächlich sach- und beweisnaher Gerichte herbeizuführen. 3. Keine Belohnung des vertragswidrig handelnden Dienstleisters Zudem erfolgt die Dienstleistungserbringung in den hier erörterten Konstellationen im Einklang mit den vertraglichen Vereinbarungen. Daher würde durch das Abstellen auf den Ort der tatsächlichen Dienstleistungserbringung, im Gegensatz zu den oben untersuchten Fällen des Auseinanderfallens von vertraglichem und tatsächlichem Erbringungsort, in denen die Dienstleistung abredewidrig an einem anderen Ort erbracht wird,83 auch nicht der vertragswidrig handelnde Dienstleister belohnt werden.

82 83

Siehe oben, Kap. 5 A. II. 1. Oben, Kap. 5 A. II. 5.b. cc.

I. Berücksichtigung tatsächlicher Dienstleistungserbringung?

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II. Nachteile der Anknüpfung an die tatsächliche Dienstleistungserbringung 1. Zufallsabhängigkeit der tatsächlichen Dienstleistungserbringung Gegen die Maßgeblichkeit der tatsächlichen Dienstleistungserbringung spricht zunächst, dass es stets eine Frage des Einzelfalls ist, ob es überhaupt zu einer Dienstleistungserbringung gekommen ist. Es kann schließlich auch so liegen, dass der Streit zwischen den Parteien schon vor der Vornahme der dienstleistungsgegenständlichen Tätigkeiten entstanden ist. Wird Klage erhoben, ohne dass eine Dienstleistungserbringung vorliegt, müsste diese Methode der Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ausscheiden. Das würde zwangsläufig zu einer zweigliedrigen Schwerpunktsbestimmung führen und ein Zufallselement in die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO hineintragen. Je nachdem, ob der Dienstleister schon mit der Dienstleistungserbringung begonnen hat, könnten nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO andere Gerichte zuständig sein, weil der vertragliche territoriale Schwerpunkt und der tatsächliche territoriale Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung in verschiedenen Mitgliedstaaten liegen. Aufgrund dieser Einzelfallabhängigkeit kann es sich bei der Maßgeblichkeit des oder der Orte der tatsächlichen Dienstleistungserbringung auch von vornherein um keinen allgemeinen Lösungsansatz handeln. 2. Erhebliche Unsicherheit auf Seiten des Bestellers in der Rolle des Klägers Damit gingen erhebliche Unsicherheiten für den Dienstleistungsgläubiger einher. Die Maßgeblichkeit der tatsächlichen Dienstleistungserbringung würde es dem Dienstleister erlauben, einseitig die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zu steuern. Kommt es zum Streit, bevor die Dienstleistungen erbracht worden sind, müsste der klagende Dienstleistungsgläubiger sich zunächst darauf einrichten, den Dienstleister vor den Gerichten eines vertraglichen Erbringungsortes in dem Mitgliedstaat zu verklagen, in dem der vertragliche territoriale Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung liegt. Gleichzeitig müsste er aber auch damit rechnen, dass der Dienstleister in der Zwischenzeit, d.h. zwischen dem Klageentschluss des Klägers und der Klageerhebung, bereits an einigen der im Vertrag vorgesehenen Orte die Dienstleistungen tatsächlich erbringt und so einen vorläufigen tatsächlichen territorialen Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung herbeiführt, der mit dem vertraglichen nicht übereinstimmt. Dann könnte sich bei Anknüpfung an die tatsächliche Dienstleistungserbringung nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

eine andere internationale Zuständigkeit ergeben. Weil die Dienstleistungserbringung an den jeweiligen Orten vertragsgemäß wäre, müsste der Dienstleistungsgläubiger diese auch hinnehmen. Der Dienstleistungsgläubiger wäre insofern schutzlos.84 Handelt es sich zudem um Dienstleistungen, die allein in der Sphäre des Dienstleisters erbracht werden und von deren Erbringung der Gläubiger keine unmittelbare Kenntnis erlangt, so könnte es dazu kommen, dass der klagende Gläubiger zunächst – wenn keine tatsächliche Dienstleistungserbringung vorliegen würde – ein nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständiges Gericht anruft, dieses sich jedoch für unzuständig erklärt, weil der Dienstleister in der Zwischenzeit und noch vor Klageerhebung in einem anderen nunmehr maßgeblichen Mitgliedstaat die Dienstleistungen im Schwerpunkt tatsächlich erbracht hat, ohne dass der Gläubiger hiervon Kenntnis gehabt hätte. Selbst für den Fall, dass es sich um Dienstleistungen handeln sollte, die in der Sphäre des Bestellers erbracht werden und von deren Erbringung der Gläubiger naturgemäß unmittelbar Kenntnis erlangt, wäre die Lage kaum weniger problematisch. Der Dienstleister könnte mit der Leistungserbringung jedenfalls bereits durchgeführte langwierige und kostspielige Prozessvorbereitungen des Gläubigers gegenstandslos werden lassen, wenn nunmehr eine andere internationale Zuständigkeit bestünde. 3. Erhebliche Unsicherheit auf Seiten des Bestellers in der Rolle des Beklagten Auch dem Dienstleistungsgläubiger, der sich umgekehrt in der Rolle des zukünftig Beklagten wiederfindet, wäre es kaum zumutbar, im Hinblick auf eine erwartete Klage des Dienstleisters, der seine Dienstleistungen bislang noch nicht erbracht hat, mit verschiedenen Klageorten in verschiedenen Mitgliedstaaten rechnen zu müssen und seine Verteidigung auf die mit den verschiedenen internationalen Zuständigkeiten verbundenen unterschiedlichen rechtlichen und faktischen Gegebenheiten85 einzustellen. Diese Erwägungen haben schon dazu geführt, dass ein allgemeines Klägerwahlrecht zwischen allen Erbringungsorten in verschiedenen Mitgliedstaaten abgelehnt wurde,86 und gelten auch in diesem Fall. Ein solches Szenario wäre immer dann denkbar, wenn der Dienstleister nach dem Vertrag die Dienstleistung in verschiedenen Mitgliedstaaten erbringen muss. Die mangelnde Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit würde allein zulasten 84

Vgl. auch Schack, Der Erfüllungsort im deutschen, ausländischen und internationalen Privat- und Zivilprozessrecht, Rn. 339. 85 Siehe Gounalakis/Pfeiffer, Rechtshandbuch Electronic Business, , § 13 Rn. 7, sowie oben, Kap. 1 A. 86 Siehe oben, Kap. 5 B. IV.

I. Berücksichtigung tatsächlicher Dienstleistungserbringung?

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des Beklagten gehen. Da sich im Prozess die Positionen der Parteien stets im Verhältnis zueinander bestimmen, würde dieser strukturelle Nachteil des Beklagten im Gegenzug einen ebensolchen Vorteil des Klägers bedeuten. Die einseitige Möglichkeit der Einflussnahme durch den Dienstleister ist daher vor allem im Hinblick auf die Zuständigkeitsgerechtigkeit bedenklich. Zudem würde in diesen Fällen das Abstellen auf den tatsächlichen Ort der Dienstleistungserbringung dem Dienstleister in der Position des Klägers die generell unerwünschte Möglichkeit des forum shopping eröffnen.87 4. Kein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Dienstleisters Auch würde man hier kaum mit dem Grundsatz des Verbots rechtsmissbräuchlichen Verhaltens arbeiten können. Zwar handelt es sich bei dem Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens um ein allgemeines europäisches Prinzip, dass auch im Anwendungsbereich der EuGVO Beachtung verlangt.88 Doch kann einem Dienstleister, der allein seinen vertraglichen Leistungspflichten nachkommt, rechtsmissbräuchliches Verhalten nicht vorgeworfen werden, wenn er lediglich Dienstleistungen in der im Vertrag geforderten und zugelassenen Weise erbringt. 5. Relativierung der ausgeprägten Sach- und Beweisnähe Außerdem trifft die grundsätzliche Annahme, der tatsächliche Ort der Dienstleistungserbringung vermittle ein hohes Maß an Sach- und Beweisnähe, in einer solchen Konstellation, in der sich der Kläger zu einem Zeitpunkt vor der tatsächlichen Dienstleistungserbringung oder ohne Kenntnis davon zur Klage entscheidet, regelmäßig nicht zu, weil diese tatsächliche Leistungserbringung in der Regel nicht den Streitgegenstand darstellen wird. Daher würde auch das Abstellen auf den Ort der tatsächlichen Dienstleistungserbringung nicht notwendigerweise in allen Fällen die tatsächliche Sach- und Beweisnähe der zuständigen Gerichte fördern. III. Berücksichtigung tatsächlicher Dienstleistungserbringung vor Streitentstehung Ließe man es auf die tatsächliche Dienstleistungserbringung ankommen, wenn diese zum Zeitpunkt der Streitentstehung schon erfolgt ist, hätte sich der die Klage vorbereitende Dienstleistungsgläubiger allein auf den zu die87

So in leicht anderem Kontext (Mehrzahl von nicht nur potentiellen Erfüllungsorten) auch Mankowski, IPRax 2007, 404, 406. 88 Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 5 Rn. 266; Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 23 Rn. 12h; Wais, IPRax 2012, 91, 94.

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

sem Zeitpunkt bestehenden tatsächlichen territorialen Schwerpunkt einzustellen. Indes wäre auch eine solche Lösung kaum praktikabel, weil der Zeitpunkt der Streitentstehung kaum genau feststellbar sein wird. Außerdem kann es dem Dienstleistungsgläubiger mitunter sehr schwer fallen oder sogar unmöglich sein, Kenntnis über die Orte der tatsächlichen Dienstleistungserbringung zu erlangen, wenn es um nicht ortsbezogene Tätigkeiten in der Sphäre des Dienstleisters geht. Zudem findet ein solches Kriterium im Wortlaut des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO keine Stütze. IV. Keine andere Beurteilung bei Dienstleistungserbringung in nur einem Mitgliedstaat Hingegen hätte es der Dienstleister nicht in der Hand, durch die tatsächliche Dienstleistungserbringung die internationale Zuständigkeit zu steuern, wenn nach dem Vertrag die Dienstleistung an mehreren Orten in nur einem Mitgliedstaat zu erbringen ist. Es stellt sich daher wiederum die Frage, ob in diesen Fällen ein Abstellen auf die tatsächliche Dienstleistungserbringung, die nicht zugleich vertragliche Dienstleistungserbringung ist, zulässig sein kann. 1. Mehrfache örtliche Zuständigkeiten schon als Reflex des Klägerwahlrechts Als Alternative zur Maßgeblichkeit der tatsächlichen Dienstleistungserbringung käme nur ein allgemeines Klägerwahlrecht infrage, infolge dessen sich der Dienstleistungsgläubiger, der sich in der Rolle des Beklagten befindet, ohnehin mit einer örtlichen Zuständigkeit an jedem vertraglichen Ort der Dienstleistungserbringung rechnen müsste. Da die Anzahl der Orte der tatsächlichen Dienstleistungserbringung geringer sein kann als die Anzahl der vertraglich vereinbarten Erbringungsorte, würde die Maßgeblichkeit allein der tatsächlichen Dienstleistungserbringung mitunter zu einer Begrenzung des klägerischen Spielraums führen. 2. Zwischenzeitliche Herbeiführung örtlicher Unzuständigkeit Wenn allerdings der Dienstleistungsgläubiger als Kläger aufträte, könnte er sich unter Umständen vor einem örtlich unzuständigen Gericht wiederfinden, wenn es aufgrund zwischenzeitlich erfolgter Dienstleistungserbringung nur noch auf tatsächliche Erbringungsorte ankäme und am vom Kläger ausgewählten vertraglichen Erbringungsort noch keine Dienstleistungserbringung stattgefunden hätte.

J. Vorliegen mehrerer territorialer Schwerpunkte

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3. Relative Unbedeutsamkeit örtlicher Sach- und Beweisnähe Ebenso ist aber zu berücksichtigen, dass sich hier der Vorteil der Sach- und Beweisnähe nicht so sehr ausspielt, weil jedenfalls die bedeutende territoriale Sach- und Beweisnähe unweigerlich gegeben ist, d.h. auch dann, wenn es auf alle vertraglichen Erbringungsorte ankommt. 4. Erwägungen der Rechtseinfachheit Daraus erhellt, dass in den Fällen, in denen das Abstellen auf allein die tatsächliche Dienstleistungserbringung im Hinblick auf die Sach- und Beweisnähe Sinn ergeben würde, d.h. bei Dienstleistungserbringung in verschiedenen Mitgliedstaaten, dies aus Gründen der Zuständigkeitsgerechtigkeit abzulehnen ist, und in den übrigen Fällen Erwägungen der Sachund Beweisnähe dies nicht erfordern. Dann aber sollte aus Gründen der Rechtseinfachheit auch hier keine Berücksichtigung tatsächlicher Dienstleistungserbringungen stattfinden.

J. Vorliegen mehrerer territorialer Schwerpunkte J. Vorliegen mehrerer territorialer Schwerpunkte

Denkbar ist, dass sich auf dieser Grundlage mehr als nur ein territorialer Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung bestimmen lassen; sind beispielsweise für die Erbringung einer bestimmten Dienstleistung 200 Stunden jeweils an verschiedenen Orten in Frankreich und an verschiedenen Orten in Belgien und 100 Stunden jeweils in den Niederlanden, Deutschland und Luxemburg aufzuwenden, so könnte zunächst ein territorialer Schwerpunkt sowohl in Frankreich als auch in Belgien anzunehmen sein. Fraglich ist, wie in einem solchen Fall zu verfahren wäre. Vor dem Hintergrund, dass auf der Grundlage formal-typisierender Betrachtung sowohl französische als auch belgische Gerichte über die am stärksten ausgeprägte territoriale Sach- und Beweisnähe verfügen und daher am besten geeignet sind, über Streitigkeiten zu entscheiden, die im Zusammenhang mit dem Vertrag entstehen, scheint es zunächst konsequent, wenn nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO französische und belgische Gerichte zuständig sind.89 Gegen eine solche Lösung bestehen jedoch Bedenken im Hinblick auf die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit aus der Perspektive des Beklagten; er müsste sowohl mit der internationalen Zuständigkeit Frankreichs als auch Belgiens rechnen. Es läge ein einseitiger Vorhersehbarkeitsmangel vor, weil es allein dem Kläger anheim gestellt wäre, zwischen diesen Gerichten zu wählen. 89 In diese Richtung EuGH, Urteil v. 9.7.2009 – Rs. C-204/08, Rehder, Rn. 44; sowie Wagner, IPRax 2010, 143, 148.

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

Der EuGH geht freilich in solchen Fällen davon aus, dass der Vorhersehbarkeit genüge getan sei, weil ja der Beklagte jedenfalls wisse, welche Gerichte überhaupt in Frage kommen.90 Wie aber bereits dargelegt wurde, sind einseitige Vorhersehbarkeitsmängel im Hinblick auf die Zuständigkeitsgerechtigkeit äußerst kritisch zu sehen.91 Außerdem ist offensichtlich, dass selbst dann, wenn man die Möglichkeit des Klägers, zwischen zwei internationalen Zuständigkeiten zu wählen, noch für zulässig erachten sollte, bei einer bestimmten Anzahl eine Grenze gezogen werden muss.92 Diesbezügliche Kriterien lassen sich indes kaum nachvollziehbar begründen; weshalb sollten etwa zwei internationale Zuständigkeiten nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO noch zulässig sein, drei möglicherweise auch, vier jedoch nicht mehr?93 Das Zugeständnis eines Wahlrechts ist unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten äußerst bedenklich; es eröffnet dem Kläger weitere Möglichkeiten zum forum shopping. Ein Wahlrecht zerstört das im Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO bestehende Gleichgewicht zwischen den Parteien und ist daher allgemein abzulehnen, weil es auch von der dogmatischen Grundlage der Regelung nicht gedeckt ist.94 In derartigen Fällen muss daher die faktische Bestimmung der gem. Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichte nach dem Ort der Dienstleistungserbringung scheitern.95

K. Zwischenergebnis K. Zwischenergebnis

Auch beim Vorliegen mehrerer vertraglicher Orte der Dienstleistungserbringung ist die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO faktisch zu bestimmen. Dabei ist zunächst zu klären, ob der gegenständliche Dienstleistungsvertrag die Erbringung verschiedener Dienstleistungen umfasst. Gegebenenfalls sind hier nach qualitativen Kriterien die hauptsächliche Dienstleistung bzw. die hauptsächlichen Dienstleistungen des Vertrages zu ermitteln. Dem quantitativen Kriterium des Zeitaufwands, der mit der Erbringung der einzelnen Dienstleistungen jeweils verbundenen ist, kommt eine Indizwirkung zu. Diese Indizwirkung wird je90 91 92 93

EuGH, Urteil v. 9.7.2009 – Rs. C-204/08, Rehder, Rn. 45. Siehe oben, Kap. 3 B. I. 3. und C. I. Wais, GPR 2010, 256, 257. Jedenfalls ein unbegrenztes Wahlrecht lehnt indes auch der EuGH ab, vgl. EuGH, Urteil v. 19.2.2002 – Rs. C-256/00, Besix, Rn. 34. 94 Vgl. auch oben, Kap. 3 C. 95 Abweichend freilich EuGH, Urteil v. 9.7.2009 – Rs. C-204/08, Rehder, wonach gerade ein Wahlrecht zwischen zwei Orten der Dienstleistungserbringung in verschiedenen Mitgliedstaaten eröffnet wird; hierzu sogleich, Kap. 6 N.

L. Unbestimmbarkeit der Orte nach dem Vertrag

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doch umso kleiner, je anspruchsvoller und komplizierter die Erbringung der weniger zeitaufwendigen Dienstleistung im Vergleich zu der Erbringung der zeitaufwendigeren Dienstleistung ist. Es geht darum, bloße Vorbereitungshandlungen auszuklammern. Verteilen sich die Orte der Erbringung dieser hauptsächlichen Dienstleistung(en) auf mehrere Mitgliedstaaten, so ist der territoriale Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung zu ermitteln, d.h. der Mitgliedstaat, in dem der größte Anteil der gesamten Dienstleistungserbringung erfolgt. Ausreichend ist hier jeder relative Schwerpunkt. Bei der Bestimmung des Schwerpunkts der Dienstleistungserbringung kommt es wiederum auf den Zeitaufwand an, der mit der Erbringung der Dienstleistung an den verschiedenen Erbringungsorten verbunden ist. Anders als im Rahmen der Bestimmung der hauptsächlichen Dienstleistung(en) des Vertrages kommt allerdings hier dem quantitativen Kriterium des Zeitaufwands nicht nur bloße Indizwirkung zu, sondern es spricht sogar eine widerlegliche Vermutung dafür, dass der größte Zeitaufwand den Schwerpunkt markiert. Nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO sind die Gerichte an allen Erbringungsorten in diesem Mitgliedstaat potentiell zuständig; der Kläger hat zwischen diesen Gerichten die Wahl. Kann ein relativer territorialer Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung nicht ermittelt werden, muss die faktische Bestimmung der nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichte ausscheiden. Liegen alle vertraglichen Orte der Dienstleistungserbringung in nur einem Mitgliedstaat, erübrigt sich die Bestimmung des territorialen Schwerpunkts. Im Übrigen sind auch hier nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO wiederum die Gerichte an allen vertraglichen Erbringungsorten in diesem Mitgliedstaat nach Wahl des Klägers zuständig. Erfolgt die Dienstleistungserbringung auch in Drittstaaten, so ist diese Dienstleistungserbringung bei der Bestimmung des territorialen Schwerpunkts nicht zu berücksichtigen. Auf die tatsächliche Dienstleistungserbringung kommt es auch beim Vorliegen mehrerer vertraglicher Orte der Dienstleistungserbringung nicht an. Maßgeblich sind allein die Orte der Dienstleistungserbringung und die dort jeweils erfolgenden Anteile an der gesamten Dienstleistungserbringung, wie sie sich auf der Grundlage des Vertrages präsentieren.

L. Unbestimmbarkeit der Orte der Dienstleistungserbringung nach dem Vertrag L. Unbestimmbarkeit der Orte nach dem Vertrag

Die Bestimmung des Ortes oder der Orte der Dienstleistungserbringung auf der Grundlage des Vertrages ist nicht möglich, wenn der Vertrag nicht

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

genügend Anhaltspunkte liefert, auf deren Grundlage die örtlichen Modalitäten der Erbringung der Dienstleistungen ausreichend konkret ermittelt werden können. Es kann so liegen, dass den Vertragsvereinbarungen nicht einwandfrei entnommen werden kann, wo die Dienstleistungserbringung konkret erfolgen soll, weil der Dienstleister zwischen verschiedenen im Vertrag benannten Orten oder Mitgliedstaaten die Wahl haben soll, sodass nach dem Vertrag allenfalls potentielle Orte der Dienstleistungserbringung feststehen oder sich aus dem Vertrag nur ergibt, in welchen Staaten eine Dienstleistungserbringung möglicherweise erfolgt. So kann es beispielsweise bei Handelsvertreterverträgen liegen.96 Derartige potentielle Orte der Dienstleistungserbringung taugen indes nicht zur Ermittlung der Gerichte, welche aufgrund ihrer Sach- und Beweisnähe am besten für die Streitentscheidung geeignet sind, weil nicht einmal unter der Voraussetzung, dass sich der Dienstleister in jeder Hinsicht vertragskonform verhält, überhaupt sicher ist, an welchen Orten die Dienstleistungserbringung tatsächlich erfolgt. Denkbar ist auch, dass die Parteien schlicht vergessen haben, über die örtlichen Modalitäten der Dienstleistungserbringung eine Vereinbarung zu treffen, und durch Auslegung keinerlei Rückschlüsse gewonnen werden können. Es erscheint außerdem möglich, dass der Vertrag keine Vorgaben enthält zu den einzelnen Orten der Dienstleistungserbringung, aber jedenfalls darüber, in welchen Staaten die Dienstleistungserbringung zu erfolgen hat. Es kann aber auch so liegen, dass trotz mangelnder Anhaltspunkte zu den einzelnen Orten der Dienstleistungserbringung zumindest festgestellt werden kann, zu welchen Anteilen die gesamte Dienstleistungserbringung in verschiedenen Staaten zu erfolgen hat. Es ist danach zu differenzieren, ob dem Vertrag dennoch wenigstens entnommen werden kann, in welchem Mitgliedstaat der größte Anteil der gesamten Dienstleistungserbringung erfolgen soll, oder ob der Vertrag auch hierauf keine Rückschlüsse zulässt. I. Territorialer Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung nicht ermittelbar Enthält der Vertrag überhaupt keine Angaben zu den Modalitäten der Dienstleistungserbringung oder wird dem Dienstleister zur Erbringung seiner Leistungen ein Wahlrecht zwischen mehreren Staaten eingeräumt, das nicht an weitere Vorgaben geknüpft ist, so wird sich dem Vertrag regelmäßig nicht entnehmen lassen, ob es einen relativen territorialen Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung gibt. 96 Vgl. etwa den zugrundeliegenden Rechtsstreit in EuGH, Urteil v. 11.3.2010 – Rs. C-19/09, Wood Floor Solutions.

L. Unbestimmbarkeit der Orte nach dem Vertrag

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1. Raum für Rückgriff auf die tatsächliche Dienstleistungserbringung? Es stellt sich wiederum die Frage, ob in derartigen Fällen an etwaige tatsächliche Dienstleistungserbringungen anzuknüpfen sein sollte. Einen solchen Ansatz vertritt immerhin der EuGH, der erklärt, dass hilfsweise der Ort heranzuziehen sei, „an dem er seine Tätigkeiten zur Erfüllung des Vertrags tatsächlich überwiegend vorgenommen hat“, solange die Erbringung der Dienstleistungen an diesem Ort nicht dem vertraglichen Parteiwillen widerspreche.97 Mitunter wird ein solcher Ansatz auch ohne diese Einschränkung der Willenskonformität vertreten.98 Wird im Vertrag dem Dienstleister ein eigenes Recht eingeräumt, den oder die konkreten Orte der Dienstleistungserbringung zu wählen, entspricht es außerdem dem im Vertrag erkennbaren Willen des Dienstleistungsgläubigers, wenn der Dienstleister einseitig eine diesbezügliche Entscheidung trifft. Zudem führt das Abstellen auf die tatsächliche Dienstleistungserbringung, selbst wenn alle geschuldeten Dienstleistungen erbracht worden sind, regelmäßig zu einer Eingrenzung der – nach dem Vertrag nur potentiellen – maßgeblichen Erbringungsorte. Ganz anders liegt es bei den bereits untersuchten Fällen, in denen die Dienstleistungserbringung an mehreren konkreten Orten erfolgen muss. Dort würde sich bei vertragsgemäßem Verhalten eine Eingrenzung nur dann ergeben, wenn die Dienstleistungen noch nicht vollständig erbracht worden sind. Dennoch vermögen auch diese Umstände die grundsätzlichen Einwände, die gegen die Maßgeblichkeit der tatsächlichen Dienstleistungserbringung sprechen,99 nicht zu entkräften. Als ausschließliche Bestimmungsmethode taugt dieser Ansatz schon deshalb nicht, weil es bei Klageerhebung zu einem Zeitpunkt, zu dem es noch zu keiner Dienstleistungserbringung gekommen ist, nicht möglich wäre, die nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichte verlässlich zu ermitteln, weil sich die Zuständigkeit bei zwischenzeitlich erfolgender Dienstleistungserbringung noch verändern könnte. 2. Wahlrecht des Klägers Als weiterer Lösungsansatz könnte wiederum in Betracht kommen, dem Kläger die Wahl zwischen allen Erbringungsorten zu lassen.100 Das würde freilich voraussetzen, dass im Vertrag zumindest potentielle Orte der 97 98

EuGH, Urteil v. 11.3.2010 – Rs. C-19/09, Wood Floor Solutions, Rn. 40. OG Wien, IPRax 2006, 608, 610; sowie GA Trstenjak, Schlussanträge v. 12.1.2010, Rs. C-19/09, Wood Floor, Rn. 75. 99 Siehe oben, Kap. 6 I. II. 100 Dafür Wagner, IPRax 2010, 143, 148, allerdings mit der sehr vagen Einschränkung, dass der gewählte Ort eine „hinreichende Nähe zum Rechtsstreit“ aufweisen müsse.

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

Dienstleistungserbringung benannt sind. Ein solches Wahlrecht ist indes abzulehnen, wenn es dem Kläger ermöglichen würde, über die internationale Zuständigkeit zu entscheiden. Unter diesen Umständen würde Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO den Anforderungen der Vorhersehbarkeit nicht gerecht werden.101 Auch unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeitsgerechtigkeit ist eine solche Auslegung abzulehnen, weil die Ungewissheit, die aus dieser fehlenden Vorhersehbarkeit folgt, allein zu Lasten des Beklagten geht. Sie ist überdies rechtspolitisch bedenklich, weil sie dem Kläger forum shopping ermöglicht. Schließlich würde ein solches Wahlrecht auch nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift entsprechen, einen sach- und beweisnahen Gerichtsstand zu begründen, weil sich unter der Voraussetzung, dass nur potentielle und keine konkreten Erbringungsorte nach Maßgabe des Vertrages ermittelbar sind, keine Aussage über die territoriale Sach- und Beweisnähe treffen lässt. 3. Rückgriff auf normative Kriterien Kommt ein Rückgriff auf normative Kriterien in Betracht, stehen methodisch unterschiedliche Herangehensweisen im Raum: Zunächst könnte man möglicherweise Art. 5 Nr. 1 lit. c EuGVO anwenden und auf diese Weise auf Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO zurückgreifen;102 der maßgebliche prozessuale Erfüllungsort wäre dann der materiellrechtliche Erfüllungsort der jeweils streitigen Hauptverpflichtung wie ihn die nach dem Kollisionsrecht der lex fori zu ermittelnden lex causae bestimmt.103 Alternativ könnte man es stets und ausschließlich auf den nach der lex causae bestimmten materiellen Erfüllungsort der (charakteristischen) Dienstleistungsverpflichtung ankommen lassen. Darüber hinaus wäre eine analoge Anwendung des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO denkbar; hiernach müsste nicht nur zur Ermittlung des anwendbaren Rechts, sondern auch zur Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes der Dienstleistungsverpflichtung an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Dienstleisters angeknüpft werden. Schließlich wäre es denkbar, den prozessualen Erfüllungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nach allgemeineuropäischen, materiellrechtlichen Grundsätzen zu bestimmen. Diese allgemeineuropäischen Grundsätze könnten aus dem DCFR gewonnen werden.104 Dabei würde wiederum entweder der Erfüllungsort der (charakteristischen) Dienstleistungsverpflichtung oder der Erfüllungsort der konkret streitigen Hauptverpflichtung in Betracht kommen. 101 102 103 104

S.o. Kap. 5 B. III. 1. So etwa Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 10a. Vgl. etwa Kadner, JURA 1997, 240, 242. Dazu sogleich unter Kap. 6 L. I. 3. d.

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a. Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO aa. Fall der Nichtanwendbarkeit von Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO? Fraglich ist, ob der Wortlaut des Art. 5 Nr. 1 lit. c EuGVO entgegensteht. Nach lit. c soll es dann auf lit. a ankommen, wenn lit. b „nicht anwendbar“ ist. Entscheidend ist also, ob Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auch dann im Sinne von lit. c „nicht anwendbar“ ist, wenn allein die Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes nach dem Ort der Dienstleistungserbringung fehlgeht. Um die Anwendungsvoraussetzungen des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zu bestimmen, ist die Regelung im Zusammenhang mit dem einleitenden ersten Satz des Art. 5 EuGVO sowie mit Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO zu lesen. Aus dieser Zusammenschau ergibt sich, dass lit. b 2. Spiegelstrich Anwendung findet, wenn es 1.) um einen Dienstleistungsvertrag oder Ansprüche hieraus geht und 2.) der Ort der Dienstleistungserbringung in einem Mitgliedstaat liegt, in dem zudem der Beklagte nicht seinen Wohnsitz hat. Unter diesen Voraussetzungen scheint der Rückgriff auf Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO via lit. c gesperrt zu sein, wenn Dienstleistungen in einem oder mehreren Mitgliedstaaten erbracht werden, weil grundsätzlich jede Dienstleistungserbringung auch einen Erbringungsort voraussetzt.105 Allerdings hat die Untersuchung gezeigt, dass ein Ort der Dienstleistungserbringung nur dann die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO vorgeben kann, wenn er bestimmten Anforderungen gerecht wird: Der Ort muss ein vertraglicher Erbringungsort in einem Mitgliedstaat sein, in dem auch der territoriale Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung liegt.106 Setzt man also diesen „qualifizierten“ Erbringungsort voraus, so kann es vorkommen, dass trotz Dienstleistungserbringung in Mitgliedstaaten kein (im Sinne dieser Vorschrift maßgeblicher) Ort der Dienstleistungserbringung vorliegt, wenn nämlich die Schwerpunktbestimmung wegen Gleichwertigkeit der Erbringungsanteile ausscheidet. Unter diesen Umständen wäre daher auch der Weg frei, über Art. 5 Nr. 1 lit. c EuGVO auf lit. a zurückzugreifen. bb. Fortgelten der Tessili- und De Bloos-Rechtsprechung zu Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kommt es im Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ auf den Erfüllungsort der jeweils streitigen

105 Das gilt nicht für solche Dienstleistungen, die gerade in einer Ortsveränderung bestehen, d.h. Beförderungs- und Transportdienstleistungen, vgl. unten, Kap. 6 N. I. 106 Siehe oben, Kap. 6 E. und G. III.

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Hauptleistungspflicht an;107 dieser ist der lex causae zu entnehmen, die nach dem Kollisionsrecht der lex fori bestimmt werden muss.108 Nach der überzeugenden Rechtsprechung des EuGH gilt diese Auslegung auch für die insofern wortgleiche Vorschrift des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO.109 Denn die in Art. 5 Nr. 1 EuGVO angelegte Unterscheidung zwischen Verträgen über den Verkauf beweglicher Sachen und die Erbringung von Dienstleistungen einerseits und den übrigen Verträgen andererseits macht nur dann Sinn, wenn die Vorschriften auch eine unterschiedliche Behandlung dieser Verträge vorsehen.110 Zugleich erfordert auch das Gebot der Kohärenz, dass die Regelungen der EuGVO entsprechend ihren Vorgängerregelungen des EuGVÜ ausgelegt werden, solange kein zwingender Grund111 besteht, davon abzuweichen.112 Überlegungen zur Übertragung der Auslegung von lit. b auf lit. a113 ist somit zugleich eine Absage zu erteilen.114 cc. Komplexität und damit einhergehende Fehleranfälligkeit dieses Ansatzes Um das nach Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO zuständige Gericht zu bestimmen, bedarf es einer mitunter aufwendigen115 Prüfung: Zunächst muss das angerufene Gericht bestimmen, welche die streitige Hauptleistungspflicht des Vertrages ist, was insbesondere dann, wenn sich der Streit um die Verletzung von Sekundär- oder Nebenpflichten dreht, Probleme bereiten kann.116 Sodann muss das Gericht zunächst in eine kollisionsrechtliche Prüfung des anwendbaren Rechts eintreten, um dann das anwendbare materielle Recht 107 EuGH, Urteil v. 6.10.1976 – Rs. 14/76, De Bloos, Rn. 15/17; EuGH, Urteil v. 15.1.1987 – Rs. 266/85, Shenavai, Rn. 20; EuGH, Urteil v. 5.10.1999 – Rs. C-420/97, Leathertex, Rn. 31. 108 EuGH, Urteil v. 6.10.1976 – Rs. 12/76, Tessili, Rn. 13; EuGH, Urteil v. 29.6.1994 – Rs. C-288/92, Custom Made Commercial, Rn. 26; EuGH, Urteil v. 28.9.1999 – Rs. C440/97, Groupe Concorde, Rn. 32. 109 EuGH, Urteil v. 23.4.2009 – Rs. C-533/07, Falco, Rn. 56. 110 Brinkmann, IPRax 2009, 487, 491. 111 Ein solcher kann freilich schon bei einem abweichenden Wortlaut gegeben sein, vgl. oben, Kap. 4 A. I. sowie EuGH, Urteil v. 14.5.2009 – Rs. C-180/06, Ilsinger, Rn. 51. 112 EuGH, Urteil v. 23.4.2009 – Rs. C-533/07, Falco, Rn. 51; EuGH, Urteil v. 1.10.2002 – Rs. C-167/00, Henkel, Rn. 49. 113 Jayme/Kohler, IPRax 1999, 401, 405; Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325, 329. 114 Brinkmann, IPRax 2009, 487, 491; Mankowski, JZ 2009, 958, 961; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 31. 115 Vgl. Hau, IPRax 2000, 354, 356; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 23; Brinkmann, IPRax 2009, 487, 491; außerdem McGuire, GPR 2010, 97, 101. 116 Vgl. etwa zur maßgeblichen streitigen Verpflichtung bei Rücktritt Schack, Der Erfüllungsort im deutschen, ausländischen und internationalen Privat- und Zivilprozessrecht, S. 224.

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auf die Lokalisierung des Erfüllungsortes der Hauptleistungspflicht zu untersuchen. Eine solche Komplexität des Rechts führt faktisch zu Rechtsunsicherheit;117 das gilt umso mehr, als es sich um Rechtsgebiete handelt, mit denen das Gericht nicht alltäglich zu tun hat.118 dd. Gespaltene Zuständigkeiten Die Maßgeblichkeit der konkret streitigen Hauptleistungspflicht führt im Übrigen dazu, dass für Streitigkeiten aus demselben Vertrag unterschiedliche Gerichte zuständig sein können;119 Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das anwendbare materielle Recht die Erfüllungsorte der Hauptleistungspflicht an unterschiedlichen Orten lokalisiert. So liegt es bei Dienstleistungsverträgen beispielsweise nach deutschen Recht, da nach §§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 4 BGB auch der Erfüllungsort einer Zahlungsverpflichtung am Wohnsitz des Schuldners liegt; anders zum Beispiel das italienische Recht, da hier gem. Art. 1182 Abs. 1 codice civile für Geldschulden der Wohnsitz des Gläubigers als Erfüllungsort gilt. ee. Uneinheitliche Zuständigkeitsbestimmung Wenn das Kollisionsrecht der Mitgliedstaaten unterschiedlich ist, kann der Erfüllungsort der Hauptleistungspflicht – obwohl es sich um denselben Vertrag handelt – unterschiedlich zu lokalisieren sein, je nach dem, in welchem Mitgliedstaat Klage erhoben wird.120 Die sich daraus ergebende Gefahr möglicher Kompetenzkonflikte ist allerdings weitestgehend gebannt, da sich in allen Mitgliedstaaten das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht nach Maßgabe der Rom I-VO bestimmt. Allein die Anwendungsbereichsausnahme des Art. 1 Abs. 2 lit. f Rom I-VO für das Gesellschaftsrecht zeigt aber, dass noch nicht alle (auch vertraglich zu qualifizierenden) Rechtsfragen durch diese Verordnungen einheitlichen Kollisionsnormen zugeordnet werden.121 ff. Möglichkeit eines forum actoris Gegen die Maßgeblichkeit des materiellrechtlichen Erfüllungsortes wird zudem eingewandt, dass auf diese Weise nicht selten122 ein Klägergerichts117 118 119

Oben, Kap. 6 A. III. 2. Vgl. auch Markus, AjP 2010, 971, 972. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 23; Markus, AjP 2010, 971, 972. 120 Jayme, IPRax 1995, 13; Markus, AjP 2010, 971, 972. 121 Vgl. auch oben, Kap. 4 f. III. 3. e. 122 Kritisch zu sehen ist die Annahme etwa von Schack, Der Erfüllungsort im deutschen, ausländischen und internationalen Privat- und Zivilprozessrecht, S. 223, dass

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stand eröffnet werde.123 Prinzipiell erscheint dies jedoch als hinzunehmende Konsequenz, wenn man die Verortung der Zuständigkeit von materiellrechtlichen Wertungen abhängig macht; hieraus folgt nicht, dass Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO grundsätzlich einen Klägergerichtsstand bezweckt, denn ob tatsächlich der Kläger an seinem Wohnort klagen kann, liegt nicht in der Hand der Regelung.124 Auch bei Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO liegt es nicht anders; je nach Lage des Ortes der Dienstleistungserbringung kann auch hier dem Kläger ein Klägergerichtsstand zur Verfügung stehen. Ein Unterschied ergibt sich jedoch, wenn man das Begründungspotential der zugrundeliegenden Prämisse in den Mittelpunkt rückt: Im Gegensatz zur Sach- und Beweisnähe, von der grundsätzlich beide Parteien profitieren, ist der Gleichklang von materiellrechtlicher Leistungspflicht und prozessualer Klagemöglichkeit ein weitgehend formales und daher weniger überzeugendes Argument. b. Rückgriff auf den materiellrechtlichen Erfüllungsort der (charakteristischen) Dienstleistungsverpflichtung Denkbar wäre darüber hinaus, den prozessualen Erfüllungsort allgemein an dem Ort zu lokalisieren, an dem nach der lex causae die (charakteristische) Dienstleistungsverpflichtung – und nicht die konkret streitige Verpflichtung – zu erfüllen war.125 Ein solcher Ansatz wurde freilich schon im Zuge der Kritik an der De Bloos-Rechtsprechung im Hinblick auf Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ gefordert.126 Auf diese Weise würde zumindest die Notwendigkeit der Bestimmung der konkret streitigen Hauptleistungspflicht hinfällig. Doch bestünde nach diesem Lösungsansatz weiterhin die Notwendigkeit, mitunter komplizierte kollisionsrechtliche Untersuchungen anzustellen, um grundsätzlich ein Klägergerichtsstand für den Erbringer der charakteristischen Leistung bestehe, sofern diese Leistung Gegenstand der Streitigkeit sei. Denn auch nach dem materiellen Recht, wie beispielsweise nach deutschem Recht gem. § 269 Abs. 1 BGB, kann es zur Bestimmung des Erfüllungsortes zunächst auf die konkreten Umstände ankommen, insbesondere auf die Natur des Schuldverhältnisses, bevor pauschal auf den Wohnsitz des Schuldners abzustellen ist. Unter diesen Umständen liegt auch der materiellrechtliche Erfüllungsort nicht ausschließlich am Wohnort des Erbringers der Leistung; vgl. auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.01.2005, 8 W 411/04 (wenngleich betreffend die Zahlungsverpflichtung). 123 Jayme, IPRax 1995, 13. 124 Ähnlich Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 5 Rn. 5, wonach es sich um kein Klägerforum handele, da als Kompetenzgrund ein streitgegenständlich bezogenes und nicht ein in der Sphäre des Klägers liegendes Anknüpfungsmerkmal diene. 125 Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 10 b; wohl sympathisierend Markus, AjP 2010, 971, 976. 126 GA Lenz, Schlussanträge v. 8.4.1994, Rs. 288/92, Custom Made Commercial, Rn. 76.

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die lex causae zu ermitteln und dann nach Maßgabe des möglicherweise unbekannten Rechts den materiellrechtlichen Erfüllungsort der Dienstleistungsverpflichtung zu bestimmen. Begründet man die Erfüllungsortszuständigkeit damit, dass der Kläger dort klagen können soll, wo er materiellrechtlich die Leistung einfordern kann, ergibt sich freilich ein gewisses Begründungsdefizit, soweit es um die Gegenleistung geht, weil dieser Gleichklang dort nicht berücksichtigt wird. Mitunter wird es darüber hinaus als misslich angesehen, dass unter diesen Umständen niemals für beide Vertragsparteien ein forum actoris bestehen kann.127 c. Analogie zu Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO Auch eine Analogie zu Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO kommt in Betracht.128 Nach Maßgabe dieser Vorschrift ist das auf einen Dienstleistungsvertrag anzuwendende Recht, sofern eine Rechtswahl nicht vorliegt und sofern der Vertrag nicht offensichtlich eine engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweist, das Recht des Staates, in dem der Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Analog Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO wäre der prozessuale Erfüllungsort dann am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Dienstleisters zu lokalisieren. aa. Unterschiedliche ratio der Anknüpfung Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Dienstleisters als Erbringer der charakteristischen Leistung im Kollisionsrecht erfolgt aufgrund der Vermutung, dass die charakteristische Leistung dem Rechtsverhältnis ihr spezielles Gepräge verleiht.129 Das Charakteristikum des Rechtsverhältnisses ist indes nicht notwendigerweise mit der örtlichen Pflicht zur Dienstleistungserbringung verknüpft; Erwägungen der Sachund Beweisnähe spielen keine Rolle.130 bb. Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthaltsort? Überdies ist zu klären, ob man auch für die Zwecke der Zuständigkeitsbestimmung entsprechend Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO auf den gewöhnlichen Aufenthaltsort oder aber besser auf den Wohnsitz abstellen sollte. Der gewöhnliche Aufenthalt wird in der EuGVO als Anknüpfungskriterium zur Bestimmung der Zuständigkeit nur an einer Stelle verwendet, nämlich in 127 Schack, Der Erfüllungsort im deutschen, ausländischen und internationalen Privatund Zivilprozessrecht, S. 223. 128 So Leible, EuZW 2010, 380, 382; ähnlich Mankowski, IPRax 2007, 404, 408; wohl auch Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 6 Rn. 54. 129 Pfeiffer, EuZW 2008, 622, 625. 130 Mankowski, FS Andreas Heldrich, S. 867, 873.

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Art. 5 Nr. 2 EuGVO.131 Dort soll in erster Linie der Unterhaltsberechtigte begünstigt werden.132 Zudem wird ein Gleichlauf mit verschiedenen Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen133 bezweckt.134 Daneben findet das Merkmal des gewöhnlichen Aufenthalts zwar auch in Art. 13 Nr. 3 und Art. 17 Nr. 3 EuGVO Verwendung, allerdings dient es dort nicht als Anknüpfungskriterium. Der Wohnsitz ist hingegen das häufigste Anknüpfungskriterium in der EuGVO und von zentraler Bedeutung.135 Das spricht dafür, Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO in zweifacher Hinsicht entsprechend anzuwenden, wenngleich sich dadurch die Anzahl der Fälle verringert, in denen es zu einem wünschenswerten Gleichlauf von ius und forum kommt. Weil sich nämlich der Wohnsitz nach Art. 59 Abs. 1 EuGVO nach der lex fori des angerufenen Gerichts bestimmt, wohingegen es sich bei dem gewöhnlichen Aufenthalt um einen rein faktischen Begriff handelt,136 sind Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt nicht zwingend deckungsgleich. d. Rückgriff auf allgemeineuropäische Rechtsgrundsätze Schließlich könnte in derartigen Fällen der prozessuale Erfüllungsort nach normativen Kriterien bestimmt werden, die sich aus allgemeinen europäischen Rechtsgrundsätzen ergeben. Als Rechtserkenntnisquelle für die Ermittlung derartiger auslegungsleitender europäischer Rechtsgrundsätze bietet sich der DCFR an.137 Zwar ist der Entwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens zum Europäischen Vertragsrecht keine politisch legitimierte, verbindliche Gesetzesregelung, sondern rein akademischer Natur,138 sodass die Übertragung der Wertungen des DCFR nicht mit dem Geltungsanspruch des Rechts begründet werden kann. Weil aber dieser Entwurf das Ergebnis rechtsvergleichender Studien eines gesamteuropäischen Forschungsprojekts darstellt,139 kann geschlussfolgert werden, dass es sich bei 131 Wobei selbst dieser Regelung mit dem Inkrafttreten der EuUnthVO zum 18.6.2011 keine Relevanz mehr zukommt, weil nach Art. 68 Abs. 1 EuUnthVO Unterhaltsstreitigkeiten aus dem Anwendungsbereich der EuGVO ausgegliedert werden; vgl. auch Gruber, IPRax 2010, 128, 132. 132 EuGH, Urteil v. 15.1.2004 – Rs. C-433/01, Blijdenstein, Rn. 29. 133 Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 15.4.1958; Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973. 134 Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 61. 135 Mankowski, FS Andreas Heldrich, S. 867, 879. 136 Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 14. 137 Mankowski, EWiR 2009, 607. 138 Draft Common Frame of Reference (Outline Edition), Intr. 4. 139 Draft Common Frame of Reference (Outline Edition), Intr. 7.

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den im DCFR verankerten Grundsätzen um gemeineuropäische Rechtsgrundsätze handelt. Der DCFR ist somit selbst auch nur mittelbare Erkenntnisquelle, unmittelbar geht es hier um eine rechtsvergleichende Gesamtschau im Rahmen der autonomen Auslegung. 140 Das dritte Buch des Entwurfs enthält auf Schuldverhältnisse im Allgemeinen anzuwendende Regeln. Nach DCFR III. – 2: 101: (1) (b) liegt der Erfüllungsort für solche Verpflichtungen, die nicht die Zahlung von Geld betreffen, am Unternehmensort des Schuldners; Geldschulden sind nach DCFR III. – 2: 101: (1) (a) am Unternehmensort des Gläubigers zu begleichen. Ausgehend von diesen Modellregeln wäre daher der prozessuale Erfüllungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO für den Fall, dass es stets auf die konkret streitige Hauptleistungspflicht ankommen soll, am Sitz des Schuldners zu verorten. Wenn die Verpflichtung zur Zahlung von Geld streitige Hauptleistungspflicht ist, läge der prozessuale Erfüllungsort am Sitz des Gläubigers. Soll es hingegen entsprechend der Konzeption des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO allein auf die (charakteristische) Dienstleistungspflicht ankommen, so läge der prozessuale Erfüllungsort im Sinne der Vorschrift allein am Sitz des zur Erbringung dieser Dienstleistungen Verpflichteten. 4. Bewertung Die verschiedenen Lösungsansätze führen mitunter zu unterschiedlichen Zuständigkeitsergebnissen. So hängt die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO bei Maßgeblichkeit der tatsächlichen Leistungserbringung allein vom Dienstleister und im Fall der Maßgeblichkeit der lex causae jedenfalls von der konkreten Ausgestaltung der materiellrechtlichen Erfüllungsortsregelungen ab. Bildet man eine Analogie zu Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO oder greift man auf die Wertungen des DCFR zurück, liegt die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO stets bei den Gerichten am Wohnort des Dienstleisters, bzw. – sofern man auf die konkret streitige Verpflichtung abstellt – mitunter auch am Wohnsitz des Bestellers. a. Keine Maßgeblichkeit des tatsächlichen Erbringungsortes und kein Wahlrecht Auf den oder die tatsächlichen Erbringungsorte kann es nicht ankommen, weil ein solcher tatsächlicher Ansatz dem Dienstleister ermöglichen würde, 140 Würdinger, RabelsZ (75) 2011, 102, 123; zur auslegungsleitenden Funktion des DCFR vgl. Dauner-Lieb/Pfeiffer, Anwaltkommentar BGB, Unionsprivatrecht und Rechtsverhältnisse Rn. 23a; GA Poiares Maduro, Schlussanträge Rs. C-412/06, Hamilton, Rn. 24 (und dort Fn. 8).

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die Zuständigkeit bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung – und vor allem auch in der Beklagtenrolle – noch zu verändern. Kommen verschiedene Mitgliedstaaten für die Dienstleistungserbringung in Betracht, hat der Dienstleistungsgläubiger bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts keine Gewissheit über die Zuständigkeit. In der Rolle des Klägers könnte der Dienstleister durch Dienstleistungserbringung die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO steuern und auf diese Weise mittelbar unerwünschtes forum shopping betreiben, was insbesondere dem Art. 5 Nr. 1 EuGVO zugrundeliegenden Gedanken der Gleichbehandlung beider Parteien widerspricht.141 Aus diesem Grund ist, wenn für die Dienstleistungserbringung verschiedene Mitgliedstaaten in Frage kommen, auch das Klägerwahlrecht abzulehnen.142 b. Keine Anknüpfung an die streitige Hauptverpflichtung Ein bedeutender Einwand gegen den Rückgriff auf Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO ergibt sich daraus, dass bei Maßgeblichkeit der jeweils streitigen Hauptverpflichtung die Möglichkeit besteht, dass unterschiedliche Gerichte zuständig sein können.143 Bei der Schaffung des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO ging es aber dem Gesetzgeber vor allem auch darum, diese mit der Entscheidung in der Rs. De Bloos144 etablierte Rechtsprechung aufzuheben, soweit es um Streitigkeiten aus Verträgen über den Verkauf beweglicher Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen geht.145 Eine solche Aufspaltung vergrößert das Gerichtspflichtrisiko der Parteien, weil schließlich der Erfüllungsgerichtsstand auch dem Schuldner für (negative) Feststellungsklagen zur Verfügung steht. Aus demselben Grund könnte es auch bei einem Rückgriff auf allgemeineuropäische Prinzipien nach Maßgabe des DCFR nur auf die Dienstleistungsverpflichtung und nicht auf die Gegenleistungsverpflichtung ankommen. c. Einfachheit des Rückgriffs auf Wertungen des DCFR oder der Rom I-VO Für die Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nach allgemeineuropäischen Rechtsgrundsätzen, die dem DCFR III. – 2: 101: (1) (b) zu entnehmen sind, als auch für die (doppelt) analoge Anwendung des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I141 142

Vgl hierzu oben, Kap. 3 C. A.A. insofern EuGH, Urteil v. 11.3.2010 – Rs. C-19/09, Wood Floor Solutions, Rn. 40; OG Wien, IPRax 2006, 608, 610, die diese äußerst erhebliche Benachteiligung des Beklagten aufgrund der besondere Sach- und Beweisnähe für gerechtfertigt halten. 143 Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 23; Hau, IPRax 2000, 354, 357; Brinkmann, IPRax 2009, 487, 491. 144 EuGH, Urteil v. 6.10.1976 – Rs. 14/76, De Bloos, Rn. 15/17. 145 Markus, AjP 2010, 971, 976.

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VO spricht zunächst die Einfachheit dieser beiden Ansätze. Zuständig wären dann die Gerichte am Wohnsitz des Dienstleisters. Daher sprechen für diese Bestimmungsansätze Erwägungen der Vorhersehbarkeit auch insoweit, als diese durch Rechtseinfachheit erzeugt wird. Allerdings kann die Einfachheit der Zuständigkeitsbestimmung ebenso als ein Argument gegen eine derartige Bestimmung angeführt werden: Gestaltet sich nämlich die Bestimmung der nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichte nach dem territorialen Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung – insbesondere die Auslegung der Vertragsvereinbarungen – als besonders aufwendig und kompliziert, kann die Verlockung für das über seine Zuständigkeit entscheidende Gericht groß sein, vorschnell und ungerechtfertigt die faktische Bestimmung für fehlgeschlagen zu erklären und auf den Wohnsitz des Dienstleisters zurückzugreifen. d. Rückgriff auf Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO und gesetzgeberischer Wille Gegen die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO auf Dienstleistungsverträge könnte die gesetzgeberische Absicht sprechen, für Kauf- und Dienstleistungsverträge in der EuGVO eine Erfüllungsortsregelung zu verankern, für die es allein auf den (autonom und nach faktischen Kriterien bestimmten) Erbringungsort der charakteristischen Leistung ankommt; es ging gerade darum, „Nachteile durch den Rückgriff auf Regeln des Internationalen Privatrechts […] zu vermeiden.“146 Will man indes den Rückgriff auf Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO allein wegen dieses gesetzgeberischen Willens ablehnen, so ist doch zu berücksichtigen, dass die Geltung dieser Regelung für Kauf- und Dienstleistungsverträge aufgrund der Regelung in lit. c ohnehin vom Gesetzgeber niemals vollständig ausgeschlossen wurde, wohingegen die Einführung autonomer, normativer Kriterien entsprechend den Wertungen des DCFR oder nach analoger Anwendung des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO in Art. 5 Nr. 1 EuGVO dort überhaupt nicht vorgesehen ist. e. Begründungspotential der normativen Erfüllungsortsbestimmung Bei einem Rückgriff auf allgemeineuropäische Rechtsgrundsätze, die dem DCFR III. – 2: 101: (1) (b) zu entnehmen sind, als auch bei (doppelt) analoger Anwendung des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO steht von vornherein feststeht, dass der Dienstleister stets an seinem Wohnsitz Zahlungsklage erheben kann. Es besteht unweigerlich ein forum actoris für den klagenden 146 Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 15.

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Dienstleister, für den klagenden Dienstleistungsgläubiger ergibt sich keine Besserstellung, weil sich die Zuständigkeit regelmäßig mit dem allgemeinen Beklagtengerichtsstand des Art. 2 Abs. 1 EuGVO deckt.147 Auch bei Rückgriff auf die lex causae zur Bestimmung des Erfüllungsorts wird oftmals ein forum actoris gegeben sein. Es ist zu prüfen, wie ein normativ bestimmter prozessualer Erfüllungsort die damit einhergehende Zuständigkeit begründen kann. aa. Keine Berufung auf Sach- und Beweisnähe Beruft man sich auf normative Kriterien, kann dogmatisch die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nicht mehr in der Sachund Beweisnähe der zuständigen Gerichte begründet liegen, weil normative Kriterien nicht zur Ermittlung der Sach- und Beweisnähe taugen.148 Zugleich ist es aber in den Fällen, in denen im Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO normative Kriterien überhaupt bemüht werden müssen, stets der jeweiligen Fallgestaltung geschuldet, dass auf der Grundlage formal-typisierender Betrachtung ohnehin keine ausreichende Sach- und Beweisnähe bestimmbar ist, denn diese ist ja gerade gleichbedeutend mit einem Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung. Daraus folgt zunächst, dass der Rückgriff auf normative Kriterien jedenfalls nicht aus dem Grund unzulässig sein könnte, dass der Zusammenhang zwischen der Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO und der Sach- und Beweisnähe der zuständigen Gerichte zerstört würde. bb. Kein zwingender Gleichklang materieller Leistungspflicht und prozessualer Einklagbarkeit bei Rückgriff auf DCFR oder Rom I-VO Der Grund für Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO bei allgemeinen Vertragsstreitigkeiten, die sich nach dem nach materiellrechtlichen Wertungen der lex causae bestimmten Erfüllungsort der streitigen Hauptverpflichtung richtet, liegt nicht in der Sach- und Beweisnähe dieser Gerichte, sondern darin, dass der Kläger dort, wo er materiellrechtlich die Leistung fordern kann, diese auch prozessual einklagen können soll.149 Aus diesem Grund kommt es auch im Anwendungsbereich von Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO auf den Erfüllungsort der streitigen Hauptverpflichtung an und 147 Soweit das nationale Zuständigkeitsrecht die allgemeine örtliche Zuständigkeit ebenfalls am Wohnsitz des Beklagten verortet, vgl. Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 2 Rn. 7; bzw. der Beklagte nicht seit Vertragsschluss seinen Wohnsitz verlegt hat. 148 Schack, Der Erfüllungsort im deutschen, ausländischen und internationalen Privatund Zivilprozessrecht, Rn. 335. 149 Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 5 Rn. 5; sowie oben, Kap. 3 D. VIII.

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nicht wie in Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO allgemein auf den Erfüllungsort der charakteristischen Verpflichtung. Wollte man den prozessualen Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nach normativen Kriterien durch die Bildung einer doppelten Analogie zu Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO oder den Rückgriff auf allgemeineuropäische Wertungen bestimmen, könnte weder die Sach- und Beweisnähe noch der Gleichlauf zwischen den Orten, an denen die Leistung materiellrechtlich gefordert und prozessual eingeklagt werden kann, einen Grund für die Erfüllungsortszuständigkeit liefern, weil es insofern auf das materielle Recht überhaupt nicht ankäme. cc. Gleichklang dennoch überwiegend gegeben Zu bedenken ist allerdings, dass jedenfalls in der Mehrzahl der Fälle der nach der lex causae bestimmte Erfüllungsort der Dienstleistungsverpflichtung am Wohnsitz des Dienstleisters liegt.150 Daher kann man von einer typisierenden Verallgemeinerung ausgehen und annehmen, dass in aller Regel auch dort geklagt werden kann, wo die einzuklagende Leistung materiellrechtlich zu erbringen ist. Abweichungen im Einzelfall sind dann zugunsten der Rechtseinfachheit und damit einhergehend gesteigerter Rechtssicherheit151 hinzunehmen. dd. Keine Möglichkeit zur Berücksichtigung der Gegenleistung Da ein solcher Ansatz nicht nach der streitigen Hauptleistungspflicht fragt, ist er blind für einen derartigen Gleichklang, wenn Streit um die Gegenleistungspflicht entbrannt ist. Sofern man allerdings Abweichungen von diesem Gleichlauf im Einzelfall als hinzunehmende Auswirkungen der Typisierung zulässt, erweist sich auch dieser Einwand als unbegründet. Denn selbst dann, wenn Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO die Berücksichtigung der Gegenleistungspflicht zuließe, läge der Erfüllungsort dennoch am Wohnsitz des Dienstleisters, weil nach DCFR III. – 2: 101: (1) (b) der Erfüllungsort für solche Verpflichtungen, die nicht die Zahlung von Geld betreffen, am Sitz des Gläubigers liegt. Ohne dass Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO Raum für die Berücksichtigung der Gegenleistungspflicht ließe, wäre dennoch die Zuständigkeit für Streitigkeiten betreffend die Gegenleistungspflicht an dem Ort gegeben, an dem nach allgemeineuropäischen Grundsätzen auch ihr Erfüllungsort liegt.

150 Anders ließe sich die auf rechtsvergleichender Grundlage beruhende Regelung in DCFR III. – 2: 101: (1) nicht erklären. 151 Siehe auch oben, Kap. 6 f. I.

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f. Rechtsnähe und Sach- und Beweisnähe Da auch Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO mangels Rechtswahl zur Ermittlung des auf den Dienstleistungsvertrag anwendbaren Rechts auf den Mitgliedstaat abstellt, in dem der Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wird es in diesen Fällen zudem oftmals zu einem Gleichlauf von ius und forum kommen.152 Darüber hinaus ist zu beachten, dass in vielen Fällen zumindest Teile der Dienstleistungserbringung, wie etwa Planung, Organisation und Kontrolle, am Sitz des Dienstleisters erbracht werden,153 sodass dieser Ort auch eine gewisse tatsächliche Sach- und Beweisnähe für sich beanspruchen kann.154 In Fällen, in denen die Dienstleistungserbringung überhaupt nicht am Wohnsitz des Dienstleisters erfolgt, ist freilich zu beachten, dass dann umgekehrt die Gerichte am Sitz des Dienstleisters mitunter ebenso gut weitgehend beziehungslos zum Rechtsstreit stehen können.155 g. Zwischenergebnis Im Ergebnis sprechen die besseren Argumente für die Bestimmung der gem. Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichte nach dem Wohnsitz des Dienstleisters. Weil es sich bei der Gegenleistung in den von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO erfassten Fällen regelmäßig um eine Geldzahlung handelt,156 fällt insofern nicht ins Gewicht, dass auch in normativer Hinsicht allein auf die Dienstleistung abgestellt wird, weil unter Zugrundelegung normativer Erwägungen des DCFR ihr Erfüllungsort an demselben Ort liegt. II. Territorialer Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung bestimmbar Anders liegt es, wenn zwar jegliche Vorgaben über die örtlichen Modalitäten der Dienstleistungserbringung fehlen und somit Orte der Dienstleistungserbringung nicht bestimmbar sind, aber jedenfalls feststeht, dass die gesamte oder mehr als die Hälfte der Dienstleistungserbringung in einem bestimmten Mitgliedstaat erfolgen muss. Um einen solchen Fall würde es sich etwa handeln, wenn der Handelsvertreter nach dem Vertrag 300 Stunden für die Kundenakquise in Frankreich und jeweils 100 Stunden für die Kundenakquise in Belgien und den Niederlanden aufwenden soll. Trotz des Fehlgehens der Bestimmung der

152 153 154 155 156

Ähnlich Huber-Mumelter/Mumelter, JBl 2008 2008, 561, 576. Emde, RIW 2003, 505, 508; Mankowski, IPRax 2007, 404, 409. Wais, GPR 2010, 256, 259. So auch Pfeiffer, LMK 2010, 300579. Siehe oben, Gegenstand der Gegenleistung, Kap. 4 D. V.

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vertraglichen Erbringungsorte kann nämlich unter diesen Umständen ein territorialer Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung ermittelt werden. 1. Bestimmung der internationalen Zuständigkeit unbedenklich Weil feststeht, dass der Großteil der Dienstleistungserbringung – unabhängig von den örtlichen Einzelheiten – jedenfalls in diesem Mitgliedstaat zu erfolgen hat, ist auf der Grundlage formal-typisierender Betrachtung die territoriale Sach- und Beweisnähe der Gerichte dieses Mitgliedstaates gegeben. Wird hieran angeknüpft, ist die internationale Zuständigkeit vorhersehbar und aufgrund der territorialen Sach- und Beweisnähe der nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichte auch gerechtfertigt. Insofern liegt es nicht anders als in den Fällen, in denen die verschiedenen Orte der Dienstleistungserbringung genau bestimmbar sind. 2. Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit Eine andere Frage ist freilich, wie die örtliche Zuständigkeit zu bestimmen ist, wenn der Vertrag keine Vorgaben zu den Erbringungsorten enthält. a. Keine Maßgeblichkeit der tatsächlichen Dienstleistungserbringung Die einseitige Veränderbarkeit der örtlichen Zuständigkeit, die bei Maßgeblichkeit der Orte der tatsächlichen Dienstleistungserbringung entsteht, ist zwar weit weniger bedenklich als die Veränderbarkeit der internationalen Zuständigkeit. Doch bringt dieser Ansatz hier auch keine bedeutenden Vorteile mit sich, aufgrund derer die damit verbundene Zunahme der Komplexität der Bestimmung und der Nachteil für den Besteller hinnehmbar erscheinen würde.157 Schließlich steht die internationale Zuständigkeit schon fest und ist über die bedeutende territoriale Sach- und Beweisnähe bereits entschieden. b. Wahlrecht Vielmehr ist dem Kläger hier ein Wahlrecht einzuräumen zwischen sämtlichen Orten, die für die Dienstleistungserbringung denkbar sind. Kommt jeder Ort des Mitgliedstaates, in dem der territoriale Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung zu verorten ist, für die Erbringung in Frage, muss sich das Wahlrecht konsequenterweise ebenfalls auf alle diese Orte beziehen. Berücksichtigt man, dass für den ausländischen Beklagten allgemein nicht die Frage, wo er in einem anderen Mitgliedstaat, der nicht sein Wohnsitzstaat ist, verklagt werden kann, sondern ob er überhaupt in einem 157

Vgl. oben, Kap. 6 f.

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

anderen Mitgliedstaat verklagt werden kann, die wesentliche Frage darstellt, ist eine solche Lösung hinnehmbar. Grundsätzlich wird darüber hinaus der Beklagte davon ausgehen können, dass in solchen Fällen, in denen der Kläger nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO in seinem Heimatstaat klagen kann, er in aller Regel vor die Gerichte seines Wohnortes ziehen wird. Darüber hinaus ist ein solches unbegrenztes Wahlrecht im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit selbst dem EuGH nicht fremd, der nämlich in der Rs. Shevill entschieden hat, dass bei Pressedelikten durch ehrverletzende Aussagen der Geschädigte nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ Klage „bei den Gerichten jedes Vertragsstaats erheben kann, in dem die Veröffentlichung verbreitet worden ist und in dem das Ansehen des Betroffenen nach dessen Behauptung beeinträchtigt worden ist“.158 Freilich sollen nach dieser Entscheidung, soweit nicht in dem Staat der Niederlassung des Herausgebers der ehrverletzenden Veröffentlichung geklagt wird, die Gerichte nur über den im jeweiligen Forumstaat entstandenen Schaden entscheiden dürfen.159 Doch ändert das nichts an dem grundsätzlichen Befund, dass auch nach dieser Rechtsprechung an zahllosen 160 Orten in diesem Mitgliedstaat Klage erhoben werden kann.

M. Bestimmung bei Gleichartigkeit der Anteile der Dienstleistungserbringung in verschiedenen Mitgliedstaaten M. Bestimmung bei Gleichartigkeit der Anteile

Nach ihrem äußeren Erscheinungsbild sind von den oben genannten Fällen, in denen aufgrund mangelnder Hinweise im Vertrag auf einen territorialen Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung nicht geschlossen werden kann und daher die Erfüllungsortszuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO bestimmt werden muss, solche Fälle zu unterscheiden, in denen nach dem Vertrag einwandfrei alle Orte der Dienstleistungserbringung in verschiedenen Staaten bestimmt werden können und die Bestimmung der nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichte daran scheitert, dass es keinen territorialen Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung gibt. Die letztgenannten Fälle zeichnen sich dadurch aus, dass das Fehlgehen der faktischen Bestimmung der Erfüllungsortszuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nicht auf mangelnde oder unklare Vertragsvereinbarungen zurückzuführen ist. Weil es aber hier wie dort nach dem Vertrag nicht möglich ist, die Zuständigkeitsentscheidung auf der Grundlage formal-typisierter territorialer Sach- und Beweisnähe zu 158 159 160

EuGH, Urteil v. 7.3.1995 – Rs. C-68/93, Shevill, Rn. 33. EuGH, Urteil v. 7.3.1995 – Rs. C-68/93, Shevill, Rn. 33. Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 92.

N. Bestimmung des Erfüllungsortes bei Beförderungsverträgen

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rechtfertigen, ist aus denselben Gründen der Rückgriff auf normative Kriterien angezeigt.

N. Bestimmung des Erfüllungsortes bei Beförderungsverträgen N. Bestimmung des Erfüllungsortes bei Beförderungsverträgen

Bei der Beförderung von Personen oder Gegenständen handelt es sich um eine Tätigkeit und eindeutig um eine Dienstleistung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO,161 sodass unzweifelhaft bei Streitigkeiten aus Beförderungsverträgen die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zu bestimmen ist. Das gilt selbst dann, wenn es sich um einen Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer handelt, weil aufgrund der Bereichsausnahem des Art. 15 Abs. 3 EuGVO die Vorschriften über die Zuständigkeit bei Verbrauchersachen nicht für Beförderungsverträge gelten, mit Ausnahme von Pauschalreiseverträgen.162 I. Die Rechtsprechung des EuGH Nach der Rechtsprechung des EuGH sind sowohl der Ausgangs- als auch der Zielort gleichermaßen als die Orte anzusehen, an denen die Dienstleistungen, die Gegenstand eines Beförderungsvertrags im Luftverkehr sind, hauptsächlich erbracht werden. Beide Orte wiesen eine hinreichende Nähe zum Sachverhalt des Rechtsstreits auf, sodass an beiden Orten die für Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO erforderliche enge Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zuständigen Gericht bestehe.163 Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, kann diese Entscheidung nicht überzeugen. II. Besonderheit der Beförderungsdienstleistung Das Besondere der Beförderungsdienstleistungen liegt darin, dass sie nicht an Orten, sondern zwischen Orten erbracht werden, weil gerade die Veränderung des Aufenthaltsorts von Personen oder des Belegenheitsorts von Sachen – also eine Ortsveränderung – ihr Gegenstand ist. Einer Beförderungsdienstleistung kann man daher einen Erbringungsort im eigentlichen Sinne, d.h. einen Ort der Tätigkeitsausführung, nicht zuordnen, sondern nur einen räumlichen Erbringungsbereich. Der räumliche Erbringungsbereich einer Beförderungsdienstleistung kann einfach ermittelt werden, er liegt zwischen Ausgangs- und Zielort. Einen territorialen Schwerpunkt 161 162

Mankowski, TranspR 2009, 303; Wagner, IPRax 2010, 143, 146. Vgl. hierzu EuGH, Urteil v. 7.12.2010 – Rs. C-585/08 und C-144/09, Pammer, Alpenhof, Rn. 43. 163 EuGH, Urteil v. 9.7.2009 – Rs. C-204/08, Rehder, Rn. 43f.

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

wird man daher im Gegensatz zu einem örtlichen Schwerpunkt regelmäßig feststellen können. Es handelt sich um den relativ größten Erbringungsbereich, der auf das Gebiet eines Staates fällt; also den größten in einem Staat zurückgelegten Streckenabschnitt. III. Bestimmung nach dem territorialen Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung Ob es hingegen einen ausreichenden territorialen Schwerpunkt im Sinne der obigen Feststellungen gibt, wird je nach Vertragsgestaltung unterschiedlich zu beurteilen sein. Geht es etwa um eine Personenbeförderung per Zug von Hamburg nach Salzburg, so ist offensichtlich, dass die Transportdienstleistungen fast ausschließlich in Deutschland erbracht werden. Auf der Grundlage der bisherigen Untersuchungsergebnisse, wonach der territoriale Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung die internationale und örtliche Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO vorgibt,164 würde hier zunächst alles für die internationale Zuständigkeit Deutschlands sprechen. Modifiziert man den Fall jedoch geringfügig dahingehend, dass es um eine Personenbeförderung von Kopenhagen nach Salzburg per Zug oder per Flugzeug geht, so zeigt sich, dass der Ansatz hier nicht taugt: Zwar würde auch hier wieder eindeutig der mit Abstand größte Streckenabschnitt in Deutschland bzw. in deutschem Luftraum zurückgelegt werden, doch besteht allenfalls ein nur flüchtiger Kontakt zu den passierten Orten in Deutschland, soweit die Zugreise betroffen ist, und faktisch überhaupt kein Kontakt zu Deutschland, soweit es sich um die Flugreise handelt. Die Verknüpfung von territorialem Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung und territorialer Sach- und Beweisnähe geht hier fehl. Noch offensichtlicher ist dies im Fall einer Beförderung per Schiff zur See, findet hier doch regelmäßig ein Großteil der Beförderung außerhalb der Hoheitsgewässer statt. Daher käme in Betracht, alle Streckenabschnitte, die sich außerhalb der Staaten befinden, in denen Ausgangs- und Zielort der Beförderung liegen, mangels ausreichenden Kontakts zu der Dienstleistungserbringung unberücksichtigt zu lassen, und allein die Beförderungsleistungen im Ausgangsund im Zielstaat zu betrachten; nach der relativen Größe dieser Streckenabschnitte könnte dann der territoriale Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung im Falle des Beförderungsvertrages zu bestimmen sein. Doch erweist sich auch das Abstellen auf diese Streckenabschnitte als nicht sachgerecht, denn die Beförderungsleistung weist allgemein zu den passierten Orten keinen relevanten Kontakt auf, unabhängig von der Frage, 164

Siehe oben, Kap. 6 C. und G.

N. Bestimmung des Erfüllungsortes bei Beförderungsverträgen

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wo ein solcher liegt. Ein tatsächlicher und gewichtiger Kontakt besteht nur zum Ausgangs- und Zielort.165 Das zeigt, dass der territoriale Schwerpunkt, soweit er sich aus einem bestimmten räumlichen Erbringungsbereich im Ausgangs- oder Zielstaat zusammensetzt, ebenfalls nicht relevant sein kann. IV. Bestimmung unmittelbar nach Erwägungen der Sach- und Beweisnähe Im Fall der Beförderungsdienstleistungen kommen daher für eine Anknüpfung zur Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nur entweder der Ausgangs- oder der Zielort in Frage. Eine kumulative Anknüpfung an beide Orte ist hingegen schon aus dem Grund abzulehnen, weil das Vorliegen eines freiwilligen Näheverhältnisses allein dazu berechtigt, die Interessen beider Parteien in demselben Maße zu berücksichtigen;166 indes würde ein Klägerwahlrecht nur dem Kläger in die Hände spielen und den Beklagten aufgrund des hierdurch bedingten einseitigen Vorhersehbarkeitsmangels 167 in unzulässiger Weise benachteiligen.168 Da die Anknüpfung an den Ort der Dienstleistungserbringung in diesen Fällen ohnehin fehlgeht, weil Beförderungsdienstleistungen nicht an sondern zwischen Orten erbracht werden, erscheint es opportun, in diesen Fällen unmittelbar auf Erwägungen der Sach- und Beweisnähe zurückzugreifen. Auf der Grundlage formal-typisierender Betrachtung kommt dann eine Anknüpfung an den Ausgangsort nicht in Betracht, weil der Zielort der Beförderung ein deutlich höheres Maß an Sach- und Beweisnähe vermittelt.169 So wirken sich Verspätungen endgültig erst am Zielort aus und nicht schon am Ausgangsort; der Flug kann nämlich verspätet am Ausgangsort beginnen, aber dennoch pünktlich sein, weil während des Fluges Zeit „gutgemacht“ wird. Verzögerungen werden regelmäßig auch während der Beförderung auftreten. Ob bei einem Güterbeförderungsvertrag Beschädigungen an den Gütern aufgetreten sind, wird sich auch erst am Zielort abschließend beurteilen lassen. Auch wenn es um vertragliche Schadenersatzansprüche des Beförderers gegen die beförderte Person oder wegen Beschädigungen durch die transportierten Güter geht, kann darüber in geeigneterer Weise am Zielort Beweis erhoben werden. 165 166 167 168

EuGH, Urteil v. 9.7.2009 – Rs. C-204/08, Rehder, Rn. 41. Siehe oben, Kap. 3 A. III. Siehe oben, Kap. 3 C. I. Anders der EuGH, Urteil v. 9.7.2009 – Rs. C-204/08, Rehder, Rn. 44; Lehmann, NJW 2007, 1500, 1502; Lehmann, NJW 2010, 655, 656; Mankowski, TranspR 2009, 303, 306; Staudinger, IPRax 2010, 140, 141. 169 Anders wiederum der EuGH, Urteil v. 9.7.2009 – Rs. C-204/08, Rehder, Rn. 44; Leible, EuZW 2009, 571, 573; kritisch im Hinblick auf die Sach- und Beweisnähe indes Lehmann, NJW 2010, 655, 656.

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

Ausgangs- und Bestimmungsort sind, soweit es um Sach- und Beweisnähe geht, nicht gleichwertig. Auch etwaige „berechtigte Erwartungen“170 des Passagiers können hier zu keinem anderen Ergebnis führen. Zwar ist mit Recht davon auszugehen, dass für den Gerichtsstand des Erfüllungsortes dessen Rechtfertigung gegenüber Art. 2 Abs. 1 EuGVO aus der Tatsache herzuleiten ist, dass zwischen den Parteien ein freiwillig eingegangenes Näheverhältnis besteht; doch ermöglicht und erfordert dies nur die Berücksichtigung anderer als allein solcher Zuständigkeitsinteressen, die Art. 2 Abs. 1 EuGVO zugrundeliegen.171 Dass aber der Passagier tatsächlich erwartet und in zuständigkeitsrechtlicher Hinsicht auch tatsächlich erwarten darf, an Abflugs- und Zielort Klage erheben zu können, harrt einer Begründung. Abweichend von der Entscheidung des EuGH in der Rs. Rehder, wonach bei Beförderungsverträgen gleichwohl Abflug- und Zielort Erfüllungsorte im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO sind,172 muss daher gelten, dass einzig der Zielort den Erfüllungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO darstellt.173 Auch bei Hin- und Rückreise muss es allein auf den endgültigen Zielort ankommen, weil erst hier die Vertragsgemäßheit der Beförderungsleistungen, auf die es in der Regel ankommen wird, abschließend beurteilt werden kann. V. Zum möglichen Vorwurf ungenügender Berücksichtigung des Tätigkeitselements Es kann nicht geleugnet werden, dass hier dem Tätigkeitselement der Beförderung bei der Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO keine Beachtung zuteil wird, weil insofern allein auf die formal-typisierte Sach- und Beweisnähe abgestellt wird. Ein methodisches Defizit im Vergleich zur Lösung des EuGH lässt sich diesem Lösungsansatz dennoch nicht attestieren, denn auch dessen Lösung geht auf die Tätigkeit der Beförderung nicht ein: Obwohl nämlich bei einem Beförderungsvertrag die Beförderungsdienstleistung eindeutig die Hauptleistung des Vertrages ist,174 stellt der EuGH auf ein ganzes Bündel anderer nebensächlicher Dienstleistungen ab, die neben dieser hauptsächlichen Beförderungsdienstleistung erbracht werden. So etwa die Abfertigung 170 171 172 173

Lehmann, NJW 2010, 655, 656. Siehe oben, Kap. 3 A. III. sowie auch Lehmann, ZZPInt 2004, 168, 178. EuGH, Urteil v. 9.7.2009 – Rs. C-204/08, Rehder, Rn. 43. Im Ergebnis auch Gregor, IPRax 2008, 403, 404; der Lösung des EuGH ebenfalls kritisch gegenüberstehend Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 6 Rn 54 (Fn. 265); wohl auch Musielak/Stadler, ZPO, Art. 5 EuGVO Rn. 12. 174 Leible, EuZW 2009, 571, 572.

N. Bestimmung des Erfüllungsortes bei Beförderungsverträgen

221

und das Anbordgehen der Fluggäste, Empfang an Bord des Flugzeugs am vereinbarten Abflugort, den Start der Maschine zur vorgesehenen Zeit, die Betreuung der Fluggäste während des Fluges und schließlich das sichere Verlassen des Flugzeugs durch die Fluggäste am Zielort.175 Im Hinblick auf diese Leistungen ist klar, dass Orte der Zwischenlandung „keine hinreichende Verbindung zum Kern der sich aus dem Vertrag ergebenden Dienstleistungen auf[weisen]“. Im Hinblick auf die eigentliche Tätigkeit der Beförderung im Sinne einer Ortsveränderung, auf die es eigentlich ankommen müsste, weist aber dieser Ort einen ebenso großen – oder kleinen – Bezug zur Hauptleistung auf, wie der Abflugort und der Zielort. Das zeigt, dass auch der EuGH nicht wirklich auf das Tätigkeitselement der Beförderung einzugehen vermag. Es verwundert allerdings auch nicht, weil eine Ortsveränderung nicht an einem Ort stattfinden kann, sondern nur dazwischen. VI. Schutz der Fluggäste? Es klingt (zunächst) durchaus plausibel, wenn der EuGH dem Fluggast das Recht einräumt, die Fluggesellschaft gem. Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nach seiner Wahl am Abflugs- oder am Zielort zu verklagen.176 Das Wahlrecht verbessert die Chancen des Fluggastes, vor heimischen Gerichten klagen zu können. In aller Regel wird es sich bei den klageweise geltend gemachten Ansprüchen des Fluggastes um Ersatzansprüche nach Maßgabe der Fluggastrechte-VO177 handeln.178 Darüber hinaus ist es international agierenden Fluggesellschaften, d.h. großen Unternehmen, auch ohne weiteres zuzumuten, wenn sich ihr Gerichtspflichtrisiko als Kehrseite des Wahlrechts des klagenden Fluggastes erhöht. Freilich steht Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO insofern auch der Fluggesellschaft zu;179 dass aber die Fluggesellschaft gegen einen Fluggast Klage erhebt, dürfte ein Ausnahme- und nicht der Regelfall sein. Doch darf nicht vergessen werden, dass es den Vorschriften über die Erfüllungsortszuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 EuGVO nicht um den Schutz der schwächeren Partei geht. Schutzwürdigkeitserwägungen, die über das in Art. 2 Abs. 1 EuGVO verankerte Maß hinausgehen, haben in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO keinen Platz. Solchen Erwägungen sind die 175 176 177

EuGH, Urteil v. 9.7.2009 – Rs. C-204/08, Rehder, Rn. 40. Musielak/Stadler, ZPO, Art. 5 EuGVO Rn. 12. Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91. 178 Vgl. hierzu auch Wais, LMK 2011, 318710. 179 Darauf hinweisend Lehmann, NJW 2010, 655, 656.

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Kapitel 6: Synthese eines Lösungsansatzes

Zuständigkeitsvorschriften in den Abschnitten 3 bis 5 der EuGVO gewidmet. Das möglicherweise zu konstatierende Schutzdefizit, soweit es um das Verhältnis zwischen klagendem Passagieren und beklagtem Beförderungsunternehmen geht, ist vielmehr Folge des Art. 15 Abs. 3 EuGVO, wonach die besonderen Vorschriften über die Zuständigkeit bei Verbrauchersachen nicht auf Beförderungsverträge, mit Ausnahme von Pauschalreiseverträgen, anzuwenden sind, und erscheint als vom Gesetzgeber intendiert. Die Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO bei Beförderungsverträgen muss unabhängig davon erfolgen, ob es sich um Güter- oder Personenbeförderungsverträge oder um Verträge im Verhältnis „B2B“ oder „B2C“ handelt. Die Steigerung des Gerichtspflichtrisikos des Beklagten durch das Zugeständnis eines Klägerwahlrechts auf der internationalen Zuständigkeitsebene ist im Hinblick auf die Zuständigkeitsgerechtigkeit abzulehnen.

Kapitel 7

Erfüllungsortsvereinbarungen A. Zulässigkeit von Erfüllungsortsvereinbarungen in Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO A. Zulässigkeit von Erfüllungsortsvereinbarungen in Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO

Bereits zu Zeiten des EuGVÜ hat der EuGH entschieden, dass der nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ maßgebliche Erfüllungsort der streitigen Verpflichtung auch ein solcher sein kann, den die Parteien vereinbart haben.1 Daraus ergibt sich ein Spannungsverhältnis zu Gerichtsstandsvereinbarungen. Da Art. 5 Nr. 1 und Art. 17 EuGVÜ in die EuGVO übernommen worden sind (jetzt Art. 5 Nr. 1 lit. a und Art. 23 EuGVO), gilt Gleiches auch im Anwendungsbereich der Verordnung.2 I. Grundsätzliche Gefahr der Umgehung der Formvorschriften des Art. 23 EuGVO Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO überlässt die Bestimmung des maßgeblichen Erfüllungsortes der lex causae. Voraussetzung für die Beachtlichkeit eines solchen vereinbarten Erfüllungsortes ist daher zunächst, dass die lex causae eine solche Vereinbarung ihrerseits zulässt. Problematisch ist freilich, dass unter diesen Umständen die Parteien durch eine materiellrechtliche Erfüllungsortvereinbarung mittelbar auch die Zuständigkeit steuern können, wobei die bewusste Steuerung der Zuständigkeit durch parteiautonome Vereinbarung grundsätzlich der Regelungsgegenstand der Vorschrift über Gerichtsstandsvereinbarungen in Art. 23 EuGVO ist. Die besonderen Formvorschriften, die Art. 23 EuGVO für Vereinbarungen über die Zuständigkeit statuiert, könnten weitestgehend, d.h. in vertraglichen Angelegenheiten, umgangen werden, wenn jeder vereinbarte Erfüllungsort ohne weiteres die Erfüllungsortszuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO herbeiführen könnte.3

1 2

EuGH, Urteil v. 17.1.1980 – Rs. 56-79, Zelger, Rn. 5. Vgl. zu den Voraussetzungen der Fortgeltung der Rspr. zum EuGVÜ oben, Kap. 4

A. I. 3

Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 36.

224

Kapitel 7: Erfüllungsortsvereinbarung

II. Einhaltung der Formvorschriften bei abstrakten Erfüllungsortsvereinbarungen Eine Möglichkeit, dieser Umgehung vorzubeugen, bestünde darin, die für Zuständigkeitsvereinbarungen geltenden Formvorschriften auch auf Erfüllungsortsvereinbarungen anzuwenden. Dies lehnte der EuGH jedoch aufgrund der unterschiedlichen Konzeption beider Vorschriften ab: Der Erfüllungsgerichtsstand beziehe seine Rechtfertigung aus der „unmittelbaren Verknüpfung zwischen dem Rechtsstreit und dem zu seiner Entscheidung berufenen Gericht“, wohingegen die Regelungen über die Vereinbarung über die Zuständigkeit „auf jeden objektiven Zusammenhang zwischen dem streitigen Rechtsverhältnis und dem vereinbarten Gericht“ verzichteten.4 Stattdessen stellte der EuGH jedoch das zusätzliche Erfordernis auf, dass ein vereinbarter Erfüllungsort, der nicht entsprechend den für Gerichtsstandsvereinbarungen geltenden Formvorschriften vereinbart worden ist, nicht ein solcher sein kann, „der keinen Zusammenhang mit der Vertragswirklichkeit aufweist und an dem die vertraglichen Verpflichtungen nach dem Vertrag nicht erfüllt werden können.“5 Liegt eine solche unzulässige abstrakte Erfüllungsortsvereinbarung vor, ohne dass den Formvorschriften des Art. 23 Abs. 1 EuGVO Genüge getan ist, muss es für Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO auf den Ort ankommen, an dem nach der lex causae die streitige Verpflichtung ohne diese Vereinbarung hätte erfüllt werden müssen. Es wird zudem vertreten, dass bei Vorliegen einer abstrakten Erfüllungsortsvereinbarung, die den Formvorschriften des Art. 23 Abs. 1 EuGVO entspricht, zudem auch Art. 23 Abs. 5 EuGVO analoge Anwendung finden müsse, damit Verbraucher, Versicherungs- und Arbeitnehmer den gegenüber Gerichtsstandsvereinbarungen zugedachten Schutz nicht verlören.6 Allerdings findet Art. 5 Nr. 1 EuGVO ohnehin nur dann Anwendung, wenn nicht die Schutzvorschriften der Art. 8 ff., Art. 15 ff. und Art. 18 ff. EuGVO vorrangig anzuwenden sind. Eine ähnliche Gefährdungslage besteht daher insofern nicht.

B. Erfüllungsortsvereinbarung bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen B. Erfüllungsortsvereinbarung

Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers kann von der Zuständigkeitsbestimmung nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO durch 4 5 6

EuGH, Urteil v. 17.1.1980 – Rs. 56-79, Zelger, Rn. 3, 4. EuGH, Urteil v. 20.2.1997 – Rs. C-106/95, MSG, Rn. 31. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 36.

B. Erfüllungsortsvereinbarung

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eine „ausdrückliche Vereinbarung über den Erfüllungsort“ abgewichen werden.7 Bisweilen wird freilich die Frage aufgeworfen, an welchem Merkmal in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO sich dieser gesetzgeberische Wille festmachen lässt.8 I. Einschub „und sofern nichts anderes vereinbart worden ist“ Zutreffenderweise kommt dieser Wille in Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO in dem Einschub „und sofern nichts anderes vereinbart worden ist“ zum Ausdruck 9 und nicht schon in der Formulierung „nach dem Vertrag“. Die Vereinbarung eines materiellrechtlichen Erfüllungsortes wirkt sich nämlich nicht notwendigerweise auf die Dienstleistungserbringung im Sinne der Ausführung der dienstleistungsgegenständlichen Tätigkeit aus und würde daher nicht schon von der Formulierung „nach dem Vertrag“ erfasst.10 Vereinbaren beispielsweise ein Sammler historischer Automobile und ein Restaurator, dass dieser ein zu restaurierendes Automobil am Sitz des Sammlers abholt, in seiner eigenen Werkstatt restauriert und schließlich dem Sammler an dessen Sitz übergibt, liegt offensichtlich der Ort der Dienstleistungserbringung – der Ort, an dem die dienstleistungsgegenständliche Restaurationstätigkeit ausgeführt wird – am Sitz des Dienstleisters. Vereinbaren die Parteien nun als Erfüllungsort den Sitz des Bestellers, um auf diese Weise die Gefahrtragung zu regeln, entspricht dies einem berechtigten Parteiinteresse und ändert zugleich nichts daran, dass die Restauration am Sitz des Restaurators erfolgt und dort der Ort der Dienstleistungserbringung zu lokalisieren ist. Eine solche Erfüllungsortsvereinbarung wird nicht von dem Merkmal „nach dem Vertrag“ in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO erfasst, weil es hiernach auf die Dienstleistungserbringung nach dem Vertrag, d.h. die Ausführung der gegenständlichen Tätigkeit, und nicht auf die materiellrechtliche Erfüllung ankommt.11 Soweit eine Erfüllungsortsvereinbarung keine Auswirkungen auf den Ort der Dienstleistungserbringung hat und – was regelmäßig der Fall sein wird – mit diesem auch nicht übereinstimmt,12 würde es zudem einer nach dem vereinbarten Erfüllungsort bestimmten Zuständigkeit an der Sach- und Beweisnähe, die sich nach der Konzeption des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO aus der Dienst7 Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 15. 8 Eltzschig, IPRax 2002, 491, 493. 9 EuGH, Urteil v. 25.2.2010 – Rs. C-381/08, Car Trim, Rn. 46. 10 Andere Auffassung etwa Leipold, GS Alexander Lüderitz S. 437, 447. 11 Siehe oben, Kap. 5 A. I. 1. 12 Haas/Vogel, NZG 2011, 766, 767.

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Kapitel 7: Erfüllungsortsvereinbarung

leistungserbringung an diesem Ort ergibt, fehlen. Daraus folgt sogleich, dass eine derartige Erfüllungsortsvereinbarung für die „faktische“ Zuständigkeitsbestimmung nach dem Ort der Dienstleistungserbringung im Sinne dieser Vorschrift unbeachtlich sein müsste und sich die Tatsache, dass eine solche Vereinbarung dennoch maßgeblich sein kann, nicht aus dem Merkmal „nach dem Vertrag“ ergeben kann. Die grundsätzliche Beachtlichkeit materiellrechtlicher Erfüllungsortsvereinbarungen bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen (oder die Lieferung beweglicher Sachen) folgt somit allein aus der anfänglichen Formulierung „und sofern nichts anderes vereinbart worden ist“ in Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO. II. Ausgestaltung einer beachtlichen Erfüllungsortsvereinbarung Fraglich ist aber, unter welchen Umständen eine Erfüllungsortsvereinbarung von der Formulierung „und sofern nichts anderes vereinbart worden ist“ erfasst wird. Denkbar sind grundsätzlich drei verschiedene Konstellationen. Eine Vereinbarung kann zum einen allein den Erfüllungsort der Dienstleistungsverpflichtung, zum anderen allein den Erfüllungsort der Gegenleistungsverpflichtung (der Zahlungsverpflichtung) oder die Erfüllungsorte beider Verpflichtungen betreffen. 1. Vereinbarung über den Erfüllungsort der Dienstleistungsverpflichtung Möglich erscheint es, nach dem vereinbarten materiellrechtlichen Erfüllungsort der Dienstleistungsverpflichtung die Zuständigkeit entsprechend der Konzeption des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO sowohl für Klagen betreffend die Dienstleistung als auch für Klagen betreffend die Gegenleistung zu bestimmen. Der vereinbarte Erfüllungsort würde dann lediglich den Ort der Dienstleistungserbringung in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO als Anknüpfungspunkt für die Ermittlung des maßgeblichen prozessualen Erfüllungsortes ersetzen. a. Maßgeblichkeit der Vereinbarung für streitige Gegenleistung fragwürdig Die durch den prozessualen Erfüllungsort begründete einheitliche Zuständigkeit in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ist nur aufgrund der Sach- und Beweisnähe der Gerichte am Ort der Dienstleistungserbringung gerechtfertigt, und zwar sowohl im Hinblick auf die Dienstleistung wie im Hinblick auf die Gegenleistung.13 Die Anknüpfung an den materiellrechtlichen Erfüllungsort, wie sie auch bei der Beachtung einer Erfüllungsortsvereinbarung vorauszusetzen ist, hat ihren Grund hingegen in dem hier13

Siehe oben, Kap. 3 D. VII.

B. Erfüllungsortsvereinbarung

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durch hergestellten Gleichklang der Orte, an denen die Leistung materiellrechtlich zu erbringen ist und prozessual eingeklagt werden kann.14 Da aber die materiellrechtlichen Erfüllungsorte der Leistungs- und der Gegenleistungsverpflichtung nicht notwendigerweise zusammenfallen, muss die Anknüpfung für jede Hauptverpflichtung gesondert erfolgen.15 Würde man daher Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO beim Vorliegen einer Erfüllungsortsvereinbarung insoweit anwenden, als hierdurch eine einheitliche Zuständigkeit am vereinbarten Erfüllungsort der Dienstleistungsverpflichtung auch für Klagen betreffend die Gegenleistungsverpflichtung begründet wird, dann wäre eine Rechtfertigung für die Begründung der Zuständigkeit für diese Klagen nicht gegeben, weil insofern die Kongruenz materiellrechtlicher Leistungspflicht und prozessualer Klagemöglichkeit gerade nicht gewährleistet ist. Der Schuldner der Gegenleistung könnte unter diesen Umständen vor den Gerichten des vereinbarten Erfüllungsortes verklagt werden, obwohl die Zuständigkeit dieser Gerichte weder mit deren besonderer Sach- und Beweisnähe noch mit dem Gleichklang von materiellrechtlicher Leistungspflicht und prozessualer Klagemöglichkeit zu begründen wäre. Wird vom Fortgelten des favor defensoris im Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ausgegangen, liegt eine nicht gerechtfertigte Abweichung vom Prinzip actor sequitur forum rei vor. b. Verweis auf Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO Diese Überlegungen sprechen dafür, dass die Formulierung „und sofern nichts anderes vereinbart worden ist“ jedenfalls nicht so zu verstehen ist, dass ein vereinbarter Erfüllungsort an die Stelle des Ortes rücken könnte, an dem die Dienstleistungen „nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen“. Diese Formulierung schließt vielmehr die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO insgesamt aus und verweist auf Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO, wenn eine Vereinbarung über den Erfüllungsort vorliegt.16 Eine Stütze findet diese Lösung in dem im Verordnungsvorschlag der Kommission zum Ausdruck kommenden Willen, dass die Parteien durch eine ausdrückliche Vereinbarung über den Erfüllungsort von „dieser Regel“ (Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO) abweichen können.17 Die Vereinbarung eines Erfüllungsortes soll also zur 14 15 16

Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Art. 5 Rn. 5. Siehe oben, Kap. 3 D. VIII. So auch BGH RIW 2005, 777; dagegen Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 57. 17 Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 15.

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Kapitel 7: Erfüllungsortsvereinbarung

Deaktivierung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO führen. Weil aber eine Erfüllungsortsvereinbarung für sich genommen keine Zuständigkeit begründen kann, sondern nur im Zusammenspiel mit einer Vorschrift, die eine Zuständigkeit am Erfüllungsort anerkennt, ist hiermit notwendigerweise ein Rückgriff auf Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO verbunden. Daraus erhellt, dass beim Vorliegen einer Vereinbarung über den Erfüllungsort der Dienstleistungsverpflichtung nicht automatisch eine einheitliche Zuständigkeit auch für Streitigkeiten betreffend die Verpflichtung zur Gegenleistung gegeben sein muss.18 c. Lex causae-Bestimmung des Erfüllungsortes der Gegenleistungsverpflichtung Aus dem anzunehmenden Verweis auf Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO, „sofern etwas anderes vereinbart worden ist“, folgte dann in weiterer Konsequenz, dass die Vereinbarung eines Erfüllungsortes der Dienstleistungsverpflichtung nicht von der Notwendigkeit befreit, im Falle einer streitigen Gegenleistung den Erfüllungsort dieser Verpflichtung nunmehr nach der lex causae zu bestimmen. 2. Vereinbarung über den Erfüllungsort der Gegenleistungsverpflichtung Fraglich ist, ob auch die Beachtlichkeit einer Vereinbarung über den Erfüllungsort der Gegenleistung – wie schon die Vereinbarung über den Erfüllungsort der Dienstleistungsverpflichtung – dazu führen müsste, dass die Zuständigkeit nunmehr ausschließlich nach Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO zu bestimmen wäre. a. Bestimmung des Erfüllungsortes bei streitiger Dienstleistungsverpflichtung Dabei ist zu bedenken, dass beim Vorliegen einer Vereinbarung über den Erfüllungsort der Dienstleistungsverpflichtung die vollumfängliche Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO – wie dargestellt – darauf zurückzuführen wäre, dass es unter diesen Umständen für die Anwendbarkeit des lit. b 2. Spiegelstrich bei Streitigkeiten betreffend die Gegenleistungsverpflichtung an einer hinreichenden Begründung fehlen würde, weil Erwägungen der Sach- und Beweisnähe nicht bemüht werden könnten. Derartige Bedenken würden sich aber im umgekehrten Fall, wenn nur der Erfüllungsort der Gegenleistungsverpflichtung vereinbart worden ist, nicht ergeben, weil für die Dienstleistungsverpflichtung weiterhin nach Art. 5

18

Pfeiffer, LMK 2009, 286480.

B. Erfüllungsortsvereinbarung

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Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO der Ort der Dienstleistungserbringung maßgeblich wäre. b. Gespaltenes Zuständigkeitskonzept? Problematisch wäre indes, dass eine derartige Zuständigkeitsbestimmung weder allein über Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich erfolgen könnte, weil sich das Abstellen auf einen materiellrechtlichen Erfüllungsort und die Maßgeblichkeit der Gegenleistungsverpflichtung mit der konzeptionellen Grundlage des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nicht vereinbaren ließe, noch allein über Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO, weil diese Vorschrift die faktische Erfüllungsortsbestimmung nach dem Ort der Dienstleistungserbringung nicht kennt. Der Rückgriff auf Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO auch soweit die Dienstleistungsverpflichtung streitig ist, für die keine Erfüllungsortsvereinbarung besteht, erschiene dagegen unpassend, weil eine Erfüllungsortsbestimmung gemäß Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO nach dem Ort der Dienstleistungserbringung möglich wäre und nach dem Willen des Gesetzgebers diese Bestimmungsmethode für Dienstleistungsverpflichtungen die besser geeignete darstellt. In diesem Fall wäre von einer gespaltenen Konzeption auszugehen. 3. Vereinbarung über Erfüllungsorte beider Verpflichtungen Wenn Erfüllungsortsvereinbarungen sowohl für die Dienstleistungs- als auch für die Gegenleistungsverpflichtung vorliegen, müsste sich die Zuständigkeit nach dem materiellrechtlichen Erfüllungsort, d.h. nach Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO, bestimmen. Würde man stattdessen Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO anwenden, bliebe keine Möglichkeit, die materiellrechtliche Erfüllungsortsvereinbarung für die Gegenleistungsverpflichtung zu beachten. Auch in dogmatischer Sicht erweist sich Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO als die geeignetere Vorschrift, weil sich ohne weiteres erklären lässt, weshalb an den vereinbarten Erfüllungsorten die Zuständigkeit gegeben ist, wohingegen die dem Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zugrundeliegende Prämisse der Sach- und Beweisnähe keine Erklärung bietet. III. Bewertung Weshalb nach dem Willen des Gesetzgebers bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen materiellrechtliche Erfüllungsortsvereinbarun-

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Kapitel 7: Erfüllungsortsvereinbarung

gen zu beachten sein sollen, lässt sich in nachvollziehbarer Weise kaum erklären.19 1. Fragwürdigkeit der gesetzgeberischen Intention Unproblematisch ist zwar, dass materiellrechtliche Erfüllungsortsvereinbarungen im Anwendungsbereich von Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO zu beachten sind, wenn die lex causae die parteiautonome Vereinbarung des Erfüllungsortes für maßgeblich erklärt. Wenn die Parteien wirksam vereinbaren können, an welchem Ort die Verpflichtung zu erfüllen ist, entspricht die Anknüpfung an diesen vereinbarten Erfüllungsort dem Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO zugrundeliegenden Prinzip des Gleichklangs der Orte, an denen die Leistung materiellrechtlich zu erbringen und prozessual einklagbar ist. Warum es aber bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen, für die nach der Konzeption des Art. 5 Nr. 1 EuGVO die „faktische“ Bestimmung der Erfüllungsortszuständigkeit nach dem Ort der Dienstleistungserbringung offensichtlich die bessere Methode darstellt, nun doch auf den materiellrechtlichen Erfüllungsort ankommen soll, wenn dieser auf einer ausdrücklichen Vereinbarung beruht, ist vor diesem Hintergrund unbegreiflich. Ginge es allein darum, die faktischen Auswirkungen eines solchen Verhaltens auf den Ort der Dienstleistungserbringung zu erfassen, hätte es nämlich einer Anknüpfung an den vereinbarten materiellrechtlichen Erfüllungsort nicht bedurft, weil diesen Auswirkungen schon aufgrund der Anknüpfung in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO an den Ort, an dem die Dienstleistungen „nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen“, Rechnung getragen würde. 2. Respektierung eines prozessualen Gestaltungswillens der Parteien? Denkbar könnte aber sein, dass Erfüllungsortsvereinbarungen bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen aus dem Grund beachtlich sein sollen, weil der Gesetzgeber einen möglichen prozessualen Gestaltungswillen der Parteien respektieren will. Wenn die Parteien nämlich im Anwendungsbereich von Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO die Erfüllungsortszuständigkeit steuern können, indem sie eine Erfüllungsortsvereinbarung

19 Vgl. auch Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 51 („rechtspolitisch angreifbar“); Leible, FS Ulrich Spellenberg, S. 451, 455; Hau, IPRax 2000, 354, 360; Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, S. 219f.

B. Erfüllungsortsvereinbarung

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treffen (die noch einen Bezug zur Vertragswirklichkeit aufweist),20 ist möglicherweise auch den Parteien eines Vertrags über den Verkauf beweglicher Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen eine solche mittelbare prozessuale Gestaltungsmöglichkeit einzuräumen. a. Reflex der lex causae-Bestimmung in Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO In Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO findet eine Erfüllungsortsvereinbarung mittelbar Beachtung unter der Voraussetzung, dass diese von der lex causae anerkannt wird. Soll Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO einen Gleichklang der Orte, an denen die Leistung materiellrechtlich zu erbringen ist und prozessual eingeklagt werden kann, herbeiführen, ist die Anerkennung einer zuständigkeitsbegründenden Wirkung einer materiellrechtlichen Erfüllungsortsvereinbarung grundsätzlich unerlässlich. Die Beachtung materiellrechtlicher Erfüllungsortsvereinbarungen ist daher ausgehend von der konzeptionellen Grundlage des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO auch eine konzeptionelle Notwendigkeit. Grundsätzlich ist aber im System der EuGVO für die parteiautonome Steuerung der Zuständigkeit die Zuständigkeitsvereinbarung nach Art. 23 EuGVO, für die besondere Formvorschriften gelten, das vorgesehene Mittel.21 b. Inkompatibilität der Zielsetzung des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO Bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen kann im Hinblick auf das Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO zugrundeliegende Regelungsziel der Sach- und Beweisnähe die Berücksichtigung einer materiellrechtlichen Erfüllungsortsvereinbarung schon deshalb nicht überzeugen, weil sie keine konzeptionelle Notwendigkeit darstellt. Es ist wiederum darauf hinzuweisen, dass eine Erfüllungsortsvereinbarung, sofern sie sich auch auf die örtlichen Modalitäten der Dienstleistungserbringung auswirkt und mithin unter dem Gesichtspunkt der Sach- und Beweisnähe relevant wird, ohnehin von dem Merkmal „nach dem Vertrag“ in Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. und 2. Spiegelstrich EuGVO erfasst werden würde. Vor dem Hintergrund, dass zum einen die Möglichkeit parteiautonomer Steuerung der Zuständigkeit originärer Regelungsgegenstand des Art. 23 EuGVO ist und zum anderen bei Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO keine konzeptionelle Notwendigkeit besteht, einer Erfüllungsortsvereinbarung zuständigkeitsbegründende Wirkungen zuzuschreiben, erscheint die Anknüpfung an den 20

Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 35; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rn. 5; Lynker, Der besondere Gerichtsstand am Erfüllungsort in der Brüssel I-Verordnung (Art. 5 Nr. 1 EuGVVO), S. 131. 21 Vgl. Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, S. 219.

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Kapitel 7: Erfüllungsortsvereinbarung

vereinbarten Erfüllungsort bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen bedenklich. IV. Notwendigkeit einschränkender Auslegung Da zwar die gesetzgeberische Intention – „durch eine ausdrückliche Vereinbarung über den Erfüllungsort“ soll von Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO abgewichen werden können22 – eindeutig, zugleich aber die Beachtlichkeit von Erfüllungsortsvereinbarungen bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen kritikwürdig ist, sollte die Formulierung „und sofern nichts anderes vereinbart worden ist“ nicht so verstanden werden, dass sie jede Vereinbarung über einen Erfüllungsort erfasst.23 Es kann vielmehr nur auf solche Erfüllungsortsvereinbarungen ankommen, deren Vorteile die geäußerten Bedenken überwiegen. 1. Einfache Zuständigkeitsbestimmung bei Erfüllungsortsvereinbarungen als ratio Bei der Betrachtung dessen, was bei der Anknüpfung an einen vereinbarten Erfüllungsort auf der Habenseite zu verbuchen ist, kann allerdings nicht die Berücksichtigung eines prozessualen Gestaltungswillens aufgeführt werden; das ist das Metier von Art. 23 EuGVO. Ausschlaggebend kann dann nur die Einfachheit der Bestimmung der Erfüllungsortszuständigkeit sein, wenn an einen ausdrücklich vereinbarten Erfüllungsort angeknüpft wird. 2. Lediglich bei Vereinbarung eines einheitlichen Erfüllungsortes keine weitere Prüfung Weil aber beim Vorliegen einer Vereinbarung, die nur den Erfüllungsort der Dienstleistungsverpflichtung oder nur den Erfüllungsort der Gegenleistungsverpflichtung betrifft, die Bestimmung der Zuständigkeit, soweit es um Streitigkeiten aus der ungeregelten Verpflichtung geht, weiterhin nach Maßgabe von Art. 5 Nr. 1 lit. a oder lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO erfolgen muss,24 stellen derartige einseitige Erfüllungsortsvereinbarungen kaum eine Vereinfachung dar. Eine solche ist vielmehr nur dann gegeben, wenn der Erfüllungsort sowohl der Dienstleistungs- als auch der Gegenleistungsverpflichtung vereinbart worden ist. Darüber hinaus ist auch zu for22 Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 15. 23 Im Ergebnis daher dennoch zutreffend Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325, 328; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 57. 24 Siehe oben, Kap. 7 B. II. 1. a.

C. Vereinbarter Erfüllungsort und Vertragswirklichkeit

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dern, dass die Zuständigkeitsvereinheitlichung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO fortgeführt wird; dies gewährleistet nur die Vereinbarung eines gemeinsamen einheitlichen Erfüllungsortes.25 Somit sollten bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen allein ausdrückliche materiellrechtliche Vereinbarungen eines einheitlichen Erfüllungsortes der Dienstleistungs- und der Gegenleistungsverpflichtung beachtet werden.26 Ausschlaggebend ist hier nur die damit einhergehende Vereinfachung der Bestimmung der Erfüllungsortszuständigkeit.

C. Zusammenhang zwischen vereinbartem Erfüllungsort und Vertragswirklichkeit C. Vereinbarter Erfüllungsort und Vertragswirklichkeit

Berücksichtigt man die dogmatischen Bedenken gegen die Berücksichtigung von Erfüllungsortsvereinbarungen bei Streitigkeiten aus Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen, muss die vom EuGH konstatierte Einschränkung, dass eine Erfüllungsortsvereinbarung für Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ unbeachtlich ist, sofern dieser vereinbarte Ort keinen Zusammenhang mit der Vertragswirklichkeit aufweist und die vertraglichen Verpflichtungen nach dem Vertrag dort nicht erfüllt werden können,27 umso strenger beachtet werden. Dabei ist allerdings nicht schon in den Fällen, in denen sich eine materiellrechtliche Erfüllungsortsvereinbarung nicht derart auf die örtlichen Modalitäten der Dienstleistungserbringung auswirkt, dass der materiellrechtliche Erfüllungsort mit dem Ort übereinstimmt, an dem nach dem Vertrag die Dienstleistungserbringung zu erfolgen hat, ein fehlender Zusammenhang zwischen dem vereinbarten Erfüllungsort und Vertragswirklichkeit anzunehmen.28 Zum einen wäre dann der Einschub „und sofern nichts anderes vereinbart worden ist“ gegenstandslos, weil keine andere Zuständigkeit aus der Anknüpfung an den Ort, an dem die Dienstleistungen „nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen“, folgt. Zum anderen sind solche Erfüllungsortsvereinbarungen auch nicht schon deshalb abstrakt, weil eine Übereinstimmung zwischen vereinbar25 Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325, 328; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 57. 26 So auch Rauscher, FS Andreas Heldrich, S. 933, 946; a.A. etwa Gottwald, MünchKomm-ZPO, Art. 5 EuGVO Rn. 27, wonach sich, lit. b gerade nicht entnehmen lasse, dass für alle Vertragspflichten nur ein einheitlicher Erfüllungsort vereinbart werden könne. 27 EuGH, Urteil v. 20.2.1997 – Rs. C-106/95, MSG, Rn. 31; EuGH, Urteil v. 28.9.1999 – Rs. C-440/97, Groupe Concorde, Rn. 28. 28 In diese Richtung wohl von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 3 Rn. 225.

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Kapitel 7: Erfüllungsortsvereinbarung

tem Erfüllungsort und dem Ort der Dienstleistungserbringung nicht vorliegt, da die Parteien aus anderen Gründen ein berechtigtes Interesse an einer solchen materiellrechtlichen Erfüllungsortsvereinbarung haben können – etwa die Regelung der Gefahrtragung. Es ist daher auch bei Vereinbarungen über den Erfüllungsort bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen stets zu prüfen, ob es sich bei der Erfüllungsortsvereinbarung um eine abstrakte handelt. Die Abstraktheit und mithin die Unbeachtlichkeit der Erfüllungsortsvereinbarung auf prozessualer Ebene ist dann anzunehmen, wenn die Vereinbarung keinen nachvollziehbaren materiellrechtlichen Interessen der Parteien entspricht.

D. Materiellrechtliche Wirksamkeit der Erfüllungsortsvereinbarung D. Materiellrechtliche Wirksamkeit der Erfüllungsortsvereinbarung

Neben der Beurteilung des Zusammenhangs des vereinbarten Erfüllungsortes mit der Vertragswirklichkeit stellt sich darüber hinaus die Frage, wonach sich bemisst, ob bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen eine Erfüllungsortsvereinbarung auch wirksam getroffen worden ist. Da im Falle einer nach Maßgabe der soeben getroffenen Feststellungen beachtlichen Erfüllungsortsvereinbarung die Frage der Zuständigkeit bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen dem Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO unterstellt wird und hiernach eine Erfüllungsortsvereinbarung auch nur dann beachtlich sein kann, wenn eine solche nach der lex causae zulässig ist, bemisst sich auch die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung allein nach dieser.29 Zwar zielt Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auch darauf ab, bei der Zuständigkeitsbestimmung bei Streitigkeiten aus Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen „Nachteile durch den Rückgriff auf Regeln des Internationalen Privatrechts des Staates des angerufenen Gerichts zu vermeiden“,30 doch gilt die autonome Erfüllungsortsbestimmung im Sinne der Vorschrift eben nur, „sofern nichts anderes vereinbart worden ist“. Außerdem enthält Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auch keine Anhaltspunkte für eine Wirksamkeitsprüfung.31

29 Eltzschig, IPRax 2002, 491, 494; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 51; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 57; Haas/Vogel, NZG 2011, 766, 768. 30 Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 15. 31 Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 57.

E. Zwischenergebnis

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Eine andere Frage ist, ob nach nationalen Grundsätzen das Vorliegen einer wirksamen Erfüllungsortsvereinbarung bewiesen werden muss oder ob es ausreicht, dass schlüssig Umstände vorgetragen werden, die auf das Vorliegen einer wirksamen Erfüllungsortsvereinbarung schließen lassen. Dabei ist zu differenzieren: Spielt die Erfüllungsortsvereinbarung auf der Ebene der Begründetheit keine Rolle, so ist deren Wirksamkeit bei der Zuständigkeit voll durchzuprüfen. Kommt es hingegen für die Begründetheit der Klage gerade darauf an, dass ein bestimmter Erfüllungsort wirksam vereinbart oder nicht vereinbart worden ist, handelt es sich insofern um eine doppelrelevante Tatsache, die erst dort vollständig nachgewiesen werden muss.32

E. Zwischenergebnis E. Zwischenergebnis

Die Untersuchung hat gezeigt, dass es eines gehörigen argumentativen Aufwandes bedarf, um den Willen des Gesetzgebers, wonach auch für Verträge im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO Erfüllungsortsvereinbarungen beachtlich sein sollen, mit der der Vorschrift zugrundeliegenden Konzeption in Einklang zu bringen. Zusammengefasst muss gelten, dass abweichend von der für Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen geltenden Grundregel, dass sich der prozessuale Erfüllungsort nach dem Ort der Dienstleistungserbringung bestimmt, es auch auf einen ausdrücklich vereinbarten materiellrechtlichen Erfüllungsort ankommen kann. Voraussetzung für die Maßgeblichkeit eines solchen vereinbarten Erfüllungsortes ist zum einen, dass er sowohl für die Dienstleistungs- als auch für die Gegenleistungsverpflichtung gilt, und zum anderen, dass es sich nicht bloß um einen abstrakten Erfüllungsort handelt, der keinen Zusammenhang mit der Vertragswirklichkeit aufweist und die vertraglichen Verpflichtungen nach dem Vertrag dort nicht erfüllt werden können. In allen anderen Fällen, wenn die Parteien offensichtlich allein ein prozessuales Interesse an der mit der Erfüllungsortsvereinbarung verbundenen Steuerung der Zuständigkeit hegten, ist die Vereinbarung unbeachtlich. Anders ist freilich immer zu entscheiden, wenn den Formvorgaben des Art. 23 EuGVO entsprochen wurde.33

32 33

Zu den doppelrelevanten Tatsachen vgl. Mankowski, IPRax 2006, 454. Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 Rn. 57.

Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Im Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 ist ein favor defensoris nicht zu beachten; das freiwillig eingegangene Näheverhältnis erlaubt und erfordert es aus Gründen der Zuständigkeitsgerechtigkeit zugleich, die Zuständigkeitsinteressen beider Parteien in demselben Maße zu berücksichtigen. 2. Primärer Normzweck des Art. 5 Nr. 1 EuGVO ist es daher, den Parteien einen neutralen Gerichtsstand zur Verfügung zu stellen; diese Neutralität wird gewährleistet, indem auf allgemeine Zuständigkeitsinteressen beider Parteien abgestellt wird. 3. Die von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO gefällte Zuständigkeitsentscheidung gründet auf der Sach- und Beweisnähe dieser Gerichte, von der beide Parteien profitieren; die Anknüpfung an den Vertrag zur Bestimmung des Erfüllungsortes ermöglicht es, die Zuständigkeit vorhersehbar zu gestalten. 4. Die Vorhersehbarkeit der internationalen Zuständigkeit ist für die Parteien äußerst bedeutend; mit der Entscheidung über die internationale Zuständigkeit werden prozesswesentliche Weichen gestellt. Die örtliche Zuständigkeit ist demgegenüber bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten vergleichsweise unbedeutend. 5. Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Vorhersehbarkeit muss der Zeitpunkt des Vertragsschlusses sein; unter diesen Voraussetzungen kann Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO unmittelbar zur Förderung des Binnenmarktziels beitragen. 6. Der primäre Normzweck des Art. 5 Nr. 1 EuGVO bedingt zugleich, dass nur ein zusätzlicher Erfüllungsgerichtsstand begründet werden kann, weil andernfalls den Zuständigkeitsinteressen des Klägers in höherem Maße entsprochen würde als den Zuständigkeitsinteressen des Beklagten. 7. Bei der Sach- und Beweisnähe kommt es insbesondere auf deren territoriale Komponente an; wichtiger als die örtliche ist die territoriale Sachund Beweisnähe, weil die bedeutenden Hürden der Beweisaufnahme durch die territorialen Grenzen der Hoheitsgewalt gesetzt werden. 8. Vorhersehbarkeit und Sach- und Beweisnähe können einander entgegenstehen; dieser Konflikt wird in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO durch Zugrundelegung einer formal-typisierenden Betrachtung gelöst. Dass im Einzelfall die nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zu-

Zusammenfassung der Ergebnisse

237

ständigen Gerichte tatsächlich nicht sach- und beweisnah sind, ist daher unbeachtlich. 9. Die Anknüpfung an den Ort der Dienstleistungserbringung kann unter dem Gesichtspunkt typisierter Sach- und Beweisnähe vollumfänglich überzeugen; im Falle solcher Streitigkeiten, bei denen relevante Beweismittel typischerweise nicht im Forumsstaat belegen sind, können diese regelmäßig von den der Hoheitsgewalt des Forumsstaates unterliegenden Parteien selbst ohne weiteres in den Prozess eingebracht werden. 10. Vorhersehbarkeit der internationalen Zuständigkeit ist gegenüber territorialer Sach- und Beweisnähe bedeutender, Gleiches gilt für Vorhersehbarkeit örtlicher Zuständigkeit im Verhältnis zu örtlicher Sach- und Beweisnähe; dies muss bei der Auslegung beachtet werden. 11. Unter dem Begriff des Vertrages im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVO ist jede freiwillig eingegangene Verpflichtung zu verstehen, die von dem hierdurch Begünstigten auch angenommen worden ist. 12. Die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO auf einen Vertrag setzt voraus, dass es sich bei dessen charakteristischer Leistung um eine Dienstleistung handelt. 13. Gegenstand einer Dienstleistung ist die Erbringung einer Tätigkeit, wenn diese Tätigkeitserbringung das Wesentliche der Leistung und zugleich ihren Wert ausmacht. Abzugrenzen sind Dienstleistungen insofern von bloßen Gebrauchsüberlassungen und von Übergabetätigkeiten, bei denen sich der Wert der Leistung nach dem in der übertragenen Sache verkörperten Wert richtet. 14. Wird im Gegenzug für die Erbringung der Dienstleistung eine Gegenleistung erbracht, so muss es sich um eine Geldleistung handeln; Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO findet grundsätzlich keine Anwendung, wenn die Gegenleistung in einer Naturalleistung besteht. 15. Die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO setzt nicht voraus, dass die Dienstleistung gegen Geldleistung erbracht wird; auch unentgeltliche Dienstleistungen werden erfasst. 16. Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO kann mitunter auch auf organschaftliche Rechtsverhältnisse zwischen juristischen Personen oder Gesellschaften und ihren Organen Anwendung finden. 17. Unter dem Ort der Dienstleistungserbringung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ist der Ort zu verstehen, an dem die Tätigkeit, die den Gegenstand der Dienstleistung bildet, auszuführen ist. Ob an diesem Ort auch ein durch die Dienstleistungserbringung bezweckter tatsächlicher oder rechtlicher Erfolg eintritt, ist unbeachtlich. 18. Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO knüpft an den Ort der Dienstleistungserbringung an, wie er sich auf Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen präsentiert. Ein Ort der tatsächlichen Dienstleistungser-

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Zusammenfassung der Ergebnisse

bringung ist allein dann relevant, wenn er mit den Vertragsvereinbarungen übereinstimmt; ein solches Übereinstimmen kann auch nachträglich durch Hinnahme der Leistung bewirkt werden, es handelt sich dann gleichwohl um einen vertraglichen Erbringungsort. 19. Aus der Hinnahme der Dienstleistung, die an einem anderen als dem im Vertrag vereinbarten Ort erbracht worden ist, kann nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass nachträglich ein anderer Erbringungsort vereinbart wurde; anders als beim Verkauf beweglicher Sachen hat der Dienstleistungsgläubiger bei der Dienstleistungserbringung nicht zwangsläufig auch Kenntnis vom Erbringungsort. Die Erbringung der Dienstleistung kann sich mitunter vollständig in der Sphäre des Dienstleisters abspielen. 20. Ist nach Maßgabe des Vertrages die Dienstleistung an verschiedenen Orten in einem oder mehreren Mitgliedstaaten zu erbringen, so sind nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO die Gerichte an allen Erbringungsorten in dem einen Mitgliedstaat zuständig, in dem der territoriale Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung liegt; der Kläger hat hier die Wahl. Auf einen örtlichen Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung kommt es nicht an. Das gilt auch, wenn alle Orte der Dienstleistungserbringung in einem einzigen Mitgliedstaat liegen. 21. Zur Bestimmung des territorialen Schwerpunkts der Dienstleistungserbringung sind bei mehreren Tätigkeiten zunächst die hauptsächlichen Tätigkeiten zu bestimmen; es gilt, unbedeutende Nebenleistungen auszuklammeRn. Dabei kommt es grundsätzlich auf qualitative Kriterien an. Eine quantitative Betrachtung nach dem Kriterium „Zeit“ kann aber erste Anhaltspunkte liefern, wenn es um Tätigkeiten geht, die keine besondere Expertise erfordeRn. Je spezieller und anspruchsvoller eine Tätigkeit im Vergleich zu den anderen Tätigkeiten ist, desto weniger erlaubt allerdings eine quantitative Betrachtung einen Rückschluss auf die Bedeutung der verschiedenen Leistungen. Es kommt auf den Ort an, an dem diese hauptsächlichen Dienstleistungen hauptsächlich erbracht werden. Dieser Ort ist nach quantitativen Kriterien, in erster Linie nach der aufzuwendenden Zeit zu bestimmen. 22. Ausreichend ist jeder relative territoriale Schwerpunkt der Dienstleistungserbringung; eine bestimmte absolute oder relative Mindestgröße des Schwerpunkts ist nicht erforderlich. 23. Erfolgt die Dienstleistungserbringung in Mitglieds- und Drittstaaten, so ist der territoriale Schwerpunkt nur auf Grundlage der Dienstleistungserbringung in den Mitgliedstaaten zu bestimmen. 24. Lassen sich mehrere gleich große territoriale Schwerpunkte der Dienstleistungserbringung bestimmen, besteht kein Wahlrecht des Klägers;

Zusammenfassung der Ergebnisse

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vielmehr muss in diesen Fällen die faktische Bestimmung der Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO ausscheiden. 25. Bei Transport- und Beförderungsverträgen stellt einzig der endgültige Zielort den Erfüllungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO dar; auf den Ausgangsort kommt es nicht an. 26. Die Berücksichtigung materiellrechtlicher Erfüllungsortsvereinbarungen in Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO passt nicht in die Konzeption der Vorschrift, entspricht aber dem Willen des Gesetzgebers. Eine enge Auslegung ist hier geboten; Erfüllungsortsvereinbarungen sind daher nur dann zu berücksichtigen, wenn sie sowohl die Dienstleistungs- als auch die Gegenleistungsverpflichtung betreffen und ein einheitlicher Erfüllungsort vereinbart wird. 27. Können mangels Angaben im Vertrag die Orte der Dienstleistungserbringung nicht bestimmt werden und steht gleichwohl fest, dass der Großteil oder die Gesamtheit der Dienstleistungserbringung in einem bestimmten Mitgliedstaat erfolgt, so sind in diesem Mitgliedstaat die Gerichte an allen Orten, die für eine Dienstleistungserbringung infrage kommen, nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständig; auch hier hat der Kläger die Wahl. Auf die tatsächliche Dienstleistungserbringung kommt es nicht an. 28. Geht die faktische Bestimmung der nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO zuständigen Gerichte fehl, weil der territoriale Schwerpunkt mangels Angaben im Vertrag oder aufgrund der Gleichwertigkeit der einzelnen Erbringungsanteile nicht bestimmt werden kann, so sind nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVO die Gerichte am Sitz des Dienstleisters zuständig; das ergibt sich auf rechtsvergleichender Grundlage aus den Wertungen des DCFR. Auf die tatsächliche Dienstleistungserbringung kommt es wiederum nicht an.

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Register Abändernde Vereinbarung 134 actor sequitur forum rei 16 Aktiengesellschaft 106 Aktualisierung 49 Analogie 207 Anknüpfungskriterien 8 Anleihen 124 Annahmeerfordernis 53 Anspruch 54 Anstellungsverhältnis 112 Anwaltszwang 7 Arbeitsvertrag 67 atypische Verträge 82 Auffanglösung 184 Auffangregelung 84 Auffangtatbestand 73 Augenscheinsobjekt 38 Auslegungszusammenhang 74, 85 Außenrechtsverhältnis 105 außervertragliche Schuldverhältnisse 28 Bauvertrag 59 Beförderungsvertrag 76, 217 Begründungsdefizit 207 Beherbergungsvertrag 119 Beitragspflicht 109 Beklagtenschutz 98, 181 Belegenheitsort 38 Beschlüsse 104 Besitzüberlassung 118 Besitzverschaffung 117 Besteller 62 Bestellungsverhältnis 112 Bestimmungskriterien 170 Beweisaufnahme 33 Binnenmarkt 90, 134 Binnenmarktfunktion 27, 171 Binnenmarktrelevanz 39 Bonitätsprüfung 123

Bürgschaft 125 charakteristische Leistung 58 CISG 65 comitas 36 Darlehensvertrag 123 DCFR 96, 158, 202, 208 Dienstleistungsgläubiger 152 Dolmetscher 6 doppelrelevante Tatsachen 171 Drittstaatenbezug 189 Ebenbürtigkeit 31 Effizienzinteresse 22 Eigentumsübertragung 117 Einfachheit 153, 161 Einflusssphäre 44 Eingriffsnormen 8, 47 Einlassungszwang 17 einseitige Verpflichtung 95 Einzelfall 181 engste Verbindung 45 Entgeltlichkeit 62, 89 Entstehungsgeschichte 13 Erfolgsbezogenheit 68 Erfüllung 46, 127 Erfüllungsmodalitäten 47 Erfüllungsortsbestimmung 129 Erfüllungsortsvereinbarungen 223 Erkennbarkeit 135 Ermessensspielräume 23 Erwerbsgelegenheit 122 EuBVO 36 EuGVÜ 49 faktische Bestimmung 199 Fallgruppenbildung 167 favor defensoris 17, 47, 177 Fehlentscheidungen 163 Fehleranfälligkeit 88, 146, 163

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Register

Finanzprodukt 124 Fluggast 221 Fluggesellschaften 221 Flugreisevertrag 169 formale Typisierung 41, 145, 161 Formvorschriften 223 forum actoris 98, 205 forum shopping 31, 146, 149, 202 Forumskontakt 190 Frachtführer 78 Franchisevertrag 77, 90, 93 Freiwilligkeit 52

Hoheitsakt 34 Hoheitsgewalt 44 hypothetischer Parteiwille 55

Gebrauchsüberlassung 119 Gegenleistung 81, 207 Gegenleistung in Geld 83 geistiges Eigentum 79 Geldanlage 124 Gerichtsgewalt 35 Gerichtspflichtrisiko 151 Gerichtssprache 6 Gerichtsstandsvereinbarung 29 Gesamtbetrachtung 144 Gesamthand 110 Geschäftsbeziehungen 7 Geschäftsführervergütung 110 Gesellschaften 103 Gesellschaftsstatut 104 Gesellschaftszweck 110 Gestaltungsmittel 156 gewerbliche Schutzrechte 79 Gewinnanspruch 110 Gewinnauszahlung 105 Gewinnerzielungsabsicht 89 gewöhnlicher Aufenthalt 77, 102, 207 Gleichartigkeit 216 Gleichklang 97, 206 Gleichlauf 45, 102, 115 Grundfreiheiten 72

Kalkulation 27 Kalkulationsgrundlage 157 Kapital 40 Klagebegrenzung 152 Klägergerichtsstand 205 Klägervortrag 57 Klarstellungsfunktion 140 Kompetenzkonflikt 189, 205 Komplexität 41, 84, 163, 180 Konfliktpotenzial 29 Konkordanzgebot 74 Konkretisierung 147 Kontinuität 50 Konto 124 Konzeptwidrigkeit 149 Kooperation 171 Kostentragungsregelungen 7 Kreditvertrag 123 Kundenberatung 123

Haftungsmilderung 101 Handelsbräuche 141 Handelsspielraum 42 Handelsvertreter 175 Hauptleistungspflichten 205 Hauptlieferung 145 Hauptsache 59 Hauptsächliche Dienstleistung 170 Heimatrecht 102 Hinnahme 135

Immaterialgüterrecht 64 Inbesitznahme 127 Informationsvorteil 171 Innenrechtsverhältnis 103 Insolvenzrisiko 124 Instandhaltungstätigkeiten 119 juristische Person 103

Leihe 117 Leistungsabnahme 135 Leistungsmodalitäten 130 Leistungspflicht 45 Leistungsprogramm 128 Lieferung beweglicher Sachen 96 Lieferung von Waren 136 Lizenz 64 Maklervertrag 122 Manipulierbarkeit 26 Materialkosten 174 materiellrechtlicher Erfüllungsort 205 Mehrwert 118 Miete 67, 117 Misstrauen 30 Mitwirkungspflichten 8

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Register Mosaikbeurteilung 150 Näheverhältnis 19, 47 Naturalleistung 82, 83 Nebenpflichten 204 negative Feststellungsklage 32, 57 Neutralität 19, 31 Nichtbestimmbarkeit 184 normative Erfüllungsortsbestimmung 211 normative Kriterien 157, 202 Normenhierarchie 71 normhierarchische Auslegung 90 Ordnungsprinzip 17 Organperson 105 organschaftliche Rechtsverhältnisse 54 örtliche Zuständigkeit 10 örtlicher Schwerpunkt 144 Ortsbesichtigung 39 Pacht 67, 117 Parallelverfahren 189 Parteiinteressen 21, 181, 186 praktische Wirksamkeit 100 Preiskriterium 173 Pressedelikt 150 Primärrecht 71 Privilegierung 101 Provision 175 Prozessökonomie 161, 171 Prozessrisiko 27 Prozesstaktik 30 prozessualer Gestaltungswille 230 prozessuales Bewusstsein 137 Prozesszwang 17 Prüfungsschritte 181 Publizitätsanforderungen 104 qualitative Bestimmung 172 räumliche Distanz 164 Rechtsanwendungsfehler 24 Rechtsbeistand 6 Rechtsberatung 30 Rechtsbindungswille 52 Rechtseinfachheit 181, 197 Rechtsgrundsätze 208 Rechtshilfe 35 Rechtskauf 121

Rechtskomplexität 24 rechtsmissbräuchliches Verhalten 195 Rechtsmittel 162 Rechtsnähe 46 Rechtsschutzinteresse 22 Rechtssicherheit 22, 25, 92, 162 Rechtsunsicherheit 205 Rechtswahl 87 Referenzpunkte 141 Reflex 196 Reform 14 Regelausnahme 92 Regelbeispiel 93 Regulierung 102 Reisevertrag 120 Relativität der Rechtsbegriffe 75 Richtigkeitsgewähr 8 Risikoübernahme 125 Rückversicherung 68 Sach- und Beweisnähe 34, 38, 43, 87, 99, 150, 160, 176, 197 Sachverständige 35 Sachverständigengutachten 39 Schadensabwicklung 126 Schadenshaftung 54 Schenkungsverträge 96 Schutzwürdigkeit 98 Schwerpunktbestimmung 160, 167 Schwerpunktbetrachtung 145 Selbsthilfesituation 18 Selbstzweck 180 Sonderrechtsbeziehung 107 Spezialitätsverhältnis 65 Sprachbarriere 176 Sprachfassungen 51 Streckenabschnitte 218 Streitentstehung 195 Streitgegenstand 146 streitige Gegenleistung 152 Streitpotential 102, 187 Sympathie 6 Synallagma 63, 72 Systematisierung 3, 167 Systembildung 3 Tätigkeit 127 Tätigkeitselement 220 Tätigkeitsmoment 117

254 tatsächliche Dienstleistungserbringung 130, 191 tatsächliche Umstände 129 territorialer Schwerpunkt 165, 176 Timesharing-Vertrag 120 Transaktionsgewinn 27

Register Vertragsverhandlungen 30 Vertragswidrigkeit 139 Vertragswirklichkeit 129, 233 Vertriebsvertrag 77, 90 Vervielfältigung 149 Vorhersehbarkeit 22, 29, 32, 99, 133, 154, 160

Überraschungsmoment 18 Überweisung 125 unbewegliche Sachen 67 unerlaubte Handlung 54 Ungewissheit 40 Unkalkulierbarkeit 134 unmittelbare Verknüpfung 224 Unmittelbarkeit 38 Unsicherheit 193 Unsicherheitsmoment 89 Unwirksamkeit 31 Unzuständigkeit 196 Urkunde 38, 44

Waffengleichheit 32 Wahlrecht 25, 148, 184, 196, 201 Wahrnehmbarkeit 70 Wahrscheinlichkeitsprognose 145 Werklieferungsverträge 61 Werkvertrag 118 Wertschätzung 175 Wertschöpfung 173 Wettlauf zu den Gerichten 32 Willenskonformität 201 Wirkung erga omnes 104 Wohnsitz 207

Verbraucher 98 Verein 106 Vereinfachungsbestrebungen 82 Vereinsmitglieder 106 Verfahrensdauer 40 Verfahrenskosten 40 Vergütung 30 Vernehmung 38 Versicherungsvertrag 67, 125 Vertrag 49 vertragliche Vereinbarung 130 Vertragsanbahnung 27 Vertragskosten 134 Vertragslaufzeit 119 Vertragsschluss 56 Vertragsvereinbarung 142

Zahlungsschwierigkeiten 9 Zeitaufwand 174 Zeitkriterium 172 Zeitverlust 9 Zeuge 35 Zeugenladung 38 Zufall 193 Zusammenschau 203 Zuständigkeitsbestimmung 127 Zuständigkeitsgerechtigkeit 26, 30, 32, 47, 152, 182, 202 Zuständigkeitskonzentration 104, 146 Zuständigkeitsveränderung 139 Zwang 35 Zweigliedrigkeit 140 Zweistufigkeit 185