Der Bär. Illustrierte Berliner Wochenschrift, eine Chronik fürs Haus [12]

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Illustrirte Verliner Wochenschrift, eine Chronik

für's tzaus.

Unter UUtarbeit von

I.

e. Alfieri, Dr. R. Böringuier, Adolf Bötticher, Dr. p. Llauswitz, L. Friede!, Dr. Jungfer, Dr. S. Gumbinner, Dr. Werner Hahn, Dr. A. Lalifcher, L. König, p. Lindenberg, Ferd. Meyer, L. Neumann -Strela, Dr. Heinrich Gtte, Walter Schwarz fw. von Dallwitz), L. SteinmannBraunfchweig, Hans Sundelin, Dr. Th. Unruh, H. wagener-Potsdam u. f. w. herausgegeben von

Uetev WcrLLs.

Jahrgang XII.

fOctober 1885 bis Ende September 1886.)

Berlin 1886 . Verlag von Gebrüder paetel in Berlin W.

Lützow-Straße

7.

Vorbemerkung.

In

dem Jnhaltsverzeichniß des

XII.

Jahrgangs sind die größeren Aussätze für

sich

allein

Die Ab¬

herausgehoben und Romane und Novellen durch gesperrten Druck bildungen sind hinter den Aufsätzen, denen sie zugehören, vermerkt, und nur diejenigen, die der Besprechung von Werken sich anschließen oder die keine besondere Erläuterung erforderlich machten,

kenntlich gemacht.

sind hierunter aufgeführt.

Berlin 1688 (Ansicht) 44, Berlin 1720 (Pulverthurm) 184, Berliner Bullen¬ 400, (Berl.) Mühle vor dem Halleschen Thor 417, Berliner Stadtvoigtei 393, Borsig's Maschinen¬ bauanstalt am Oranienburger Thor 237, Calandrclli 445, Kirche zu Charenton 45, Kloster Chorin (West¬ Denkmünze des giebel) 209, Chodowiecki (Schlittenfahrt) 213, Denkmünze der französischen Colonie 53, Kurfürsten Georg Wilhelm 385, Dichter (lateinische) 448, 464, Eberswalde (Gcorgskapelle) 153, Sichler (Professor) 484, Epitaph zu St. Gotthardt in Brandenburg 232, Ferienhaus des Johanncsstiftes 224, Frank¬ furt a. O. (a.) Denkmal des Prinzen Leopold von Braunschweig 424, (b.) Rathhaus (Hauptgiebel) 421, 553, (c.) die Oberkirche 428, Herr und Frau Friedrich von der Pfaueninsel 81, 82, Friedrich II. von Schadow Friedrichs II. Ankunft im Elysium 556, Friedrichs II. Denkmal 561, Friedrichs II. Flötenkonzert 564, Friedrich II. und Zielen 565, Friedrich der Große 501, Friedrich Wilhelm III. 301, 388, Germania 584, Grenadiere Friedrichs II. 512, Gutzkow 569, Generalintendant v. Hülsen 116, Jagdbild aus der Mark 40, teilt genzblatt 133, Schloß Königsberg i. Pr. 304, Königsberg i. d. N.-M. (Schw edier Thor) 225, Berliner Schloß Köpenick 157, 125, Leopold-Denkmal in Frankfurt a. O. 424, Berliner Lesezimmer 113, Großherzogin Louise v. Baden 101, Leibnitz und Charlotte Sophie in Charlottenburg 508, Magdeburg 61, lat. Dichter Mcllemann 448, Menzelbild (Abb.) 503, Menzel (Portrait) 505, Napoleon in Berlin 73, Neujahrs¬ gratulation 1787 156, Neustadt a. Dosse (Gestüt) 581, Oranienburg 151, Palais Mendelssohn 196, Parade (französische) im Lustgarten 73, Perring 503, Pfaueninsel 1825 549, Rathhaus Frankfurt a. O. 421, Refugirten-Aufnahme durch den Gr. Kurfürsten 57, Rcichsbank (Inneres) 68, Madame de Roconles 49, Ruinenbcrg (bei Sanssouci) 101, Salzburger anderGrenze 513, Schwerin (Paradebett) 529, Spreewald brücke 481, Spreewalddorf 520, Schinkels Küstenlandschaft 189, Schinkels Dekoration zu Olimpia 249, Secger 443, Tangermünde 297, Joachim Tydecke 464, Stiftung der ersten französischen Kirche 56, Weih¬ nachtskiste für Bruder Studio 140, Weihnachtsbote 161, Werdersche Kirche lBerlin) 1710 48, Kaiser Wilhelm 173, Kaiser Wilhelm und sein Urenkel 601, General Zieten 65. Ansbach (Stadt) 40,

winkel

In

AZ

Nicht v«1«lhb*r

befanden sich zwei hochbetagte Pastoren; sie konnten die Fahrt

10 „Müssen Seine frivole Antwort lautete: „Sind sie schwachsinnig, so mögen sie bleiben! Wenn sie aber noch einen Funken von Verstand haben, so werden sie wohl von selber auswandern." Und so geschah's. Als trotzdem einige der stärksten Säulen der hugenottischen Kirche zurückblieben, um die Gemeinden der Wüste zu trösten, welche sich trotz aller Gewalt¬ maßregeln in Frankreich bis zu den Tagen der Revolution erhalten haben, wurde die Galeerenstrafe in die Hinrichtung umgewandelt, und aus das Haupt eines dieser Geächteten gar oft ein Preis von 5000 Livres gesetzt. Wer sie verbarg, den erwarteten Güterconfiskation und Galeerenstrafe; — auch mancher hochgesinnte Katho¬ lik setzte so schwerer Ahndung um der Brüder willen sich freudig aus. Nur sehr wenigen unter der gewaltigen Zahl der Protestanten leuchtete auch in dieser schweren Zeit noch die königliche Gnade, so daß sie frei und ungehindert das undankbare Vaterland verdie Fremde nicht mehr dem schwachen Körper zumuthen.

die auch fort?" fragte man Louvois.

lassen konnten.

So

dem greisen

Admiral Abraham du Quesne, dem Schöpfer Er zählte 80 Jahre, als das Edikt von

der französischen Flotte.

Nantes widerrufen wurde. In einer huldreichen Audienz versprach König Ludwig ihm den Marschallsstab für seinen Uebertritt. Da wies der Greis auf seine weißen Locken hin. „Majestät", sprach er, „sechzig Jahre habe ich dem Kaiser gegeben, was des Kaisers ist; — lasten Sie mich jetzt Gott geben, was Gottes ist!" — Der König wendete ihm den Rücken zu und stieß ärgerlich die Worte feiner Bildung aus: „Ist denn der Mann toll geworden?" — „Will er in seinem Alter noch zum Kaiser übergehen?" — Man ließ du Quesne zwar endlich seine Glaubensfreiheit; die Erlaubniß zur Auswanderung aber, welche man ihm bereits gewährt hatte, zog man wieder zurück; denn bei seiner genauen Kenntniß der Marinezuständc in Frankreich fürchtete man Verrath von ihm. Frei auswandern dürfen haben nur der Marschall.von Schömberg, auf welchen wir zurückkommen werden, er, der den Tausch zwischen seinem Glauben und der Würde eines Marschalls von Frankreich ausschlug, weil „es ihm genug war, daß der König ihn derselben für würdig gehalten hatte", — der Marquis von Ruvigny, wel¬ cher in England zum Lord Galloway erhoben wurde, und die Prinzessin von Tarent, Amalie von Hessen-Cassel, die Gattin Heinrich Karls de la Tremouillc, des Fürsten von Tarent und Talmond, Pairs von Frankreich, — eines Renegaten, welcher die Gunst des Hofes nicht zu lassen vermochte. Es hatten sich ferner, wie wir sehen werden, viele französische Reformirte bereits vor dem Schreckensjahre 1685 ein sicheres Asyl auf gefahrlose Weise gesucht; — die großen Masten der Resugiö's aber haben Frank¬ reich nur unter furchtbaren Mühsalen und Verfolgungen auf den dunklen Pfaden der Flucht und des Schreckens zu verlosten ver¬ mocht.

Benoit giebt in seiner „Geschichte des Widerrufes des Ediktes von Nantes" uns eine lebendige Schilderung der Gefahren, mit welchen die Flucht verknüpft war; wir übersetzen dieselbe mit einigen Kürzungen: „Nur Flucht sah man aller Orten, nur Flucht! Weiler, Dörfer und Städte, ja ganze Kirchspiele verödeten. Wohl wurden viele Unglückliche durch die Nichtswürdigkeit ihrer Führer ver¬ rathen oder von der Wachsamkeit der Späher ertappt; denn es gab kein Dorf, keinen Strom, keinen Bach, — nicht Weg und Steg, die nicht bewacht gewesen wären. Dennoch fand man Mittel, das Auge der Späher zu täuschen. Endlich zwang man die katholischen Landleute zu Schergendiensten; man gab ihnen Waffen in die Hand und stellte sie des Nachts auf die Straßen, der Furth des Flustes und am Waldesrande auf. Als endlich flucht zu Lande fast unübersteigliche Schwierigkeiten darbot, e man Rettung auf den Pfaden des Meeres. Da freilich gab sich ganz in die Hand des Schiffsherrn, und fast alle die

Unglücklichen, welche einen Katholiken, einen Irländer im Beson¬ deren, gedungen hatten, wurden verrathen und in die Kerker der Heimath zurückgebracht. Auch wurden die Schiffe bei der Abfahrt auf das Strengste untersucht. Viele Flüchtlinge hatten sich in Fässer einschließen lassen; man verstand auch ihnen beizukommen.

Denn man stellte zur „Ausräucherung" derselben eine chemische Composition her, welche nach ihrer Entzündung giftige Dämpfe entwickelte. Dadurch besaß man ein Mittel, auch den sichersten Versteck zwecklos zu machen! In kurzer Zeit waren die Gefäng¬ nisse überfüllt; man mußte besondere Häuser zur Unterbringung der Unglücklichen hinzumiethen. Der Kerkermeister von Tournay hatte bis zum Anfange des Jahres 1687 gegen 700 Gefangene gehabt. Aber alle Schwierigkeiten und Gefahren vermochten nicht, der Auswanderung ein Ziel zu setzen. Wer die Flucht zu Schiffe ver¬ suchte, der verbarg sich wohl unter Waarenballen oder Kohlenhaufen oder zwischen anscheinend nur einfachen, in Wahrheit aber doppelten Schiffsplanken. Andere suchten eine Zuflucht in den Löchern und Höhlen der Felsenküsten, in welchen sie, Männer, Weiber, Kinder, Alte, Kranke, Schwache, so lange dicht zusammengeschaart unter tausend Aengsten warten mußten, bis endlich ein günstiger Wind sich erhoben hatte, und durch die Nacht hin das Signal zur Ein¬ schiffung gegeben werden konnte. O diese erstickende Luft in all diesen Verstecken! Doch nur zur Nachtzeit durften sie verlassen werden. Das lange Harren setzte den Opfermuth der Flüchtlinge auf die härteste Probe; um des Evangeliums willen aber wurde

willig ertragen. Wieder Andere suchten auf kleinen Fahrzeugen zunächst nach England oder Holland zu entkommen. Berühmt sind die schweren Leiden des Grafen von Maraucö, welcher auf einem Schifflein von 7 Tonnen ohne Mundvorrath und ohne Hoffnung auf irgendwelche seemännische Unterstützung in stürmischer und rauher Jahreszeit die Ueberfahrt nach England versuchte. Sie war mit tödtlichen Ge¬ fahren verbunden. Lange trieben die Aermsten auf dem Meere umher, ohne etwas Anderes zu ihrer Erquickung zu haben, als ein wenig geschmolzenen Schnees, mit welchem die Mütter ihren Säug¬ lingen und sich die Lippen befeuchteten, um nur nicht zu verschmachten. Doch nicht Allen, welche auf den Schiffen Angesichts der fremden Küste sich schon gerettet wähnten, glückte es, die goldene Freiheit zu erlangen. Viele Schiffe wurden von Corsaren genommen, und französische Flüchtlinge waren nun auch auf den Sklavenmärkten von Mogodore und Algier feil. Einzelne Fahrzeuge trieb der Sturm an die spanischen und portugiesischen Küsten; die Rsfugiss auf ihnen wurden Opfer der Inquisition; noch andere wurden, — auch das Härteste

wahrhaftig nicht die Unglücklichsten! — vom Meere verschlungen, man hat nie wieder etwas von ihnen vernommen! — Begeben wir uns indesten nach den deutschen Grenzen, den langgezogenen Terrainlinien im Osten. Der Verkehr über dieselben zeigte durchaus das alltägliche Bild. Und doch, — wie abenteuer¬ liche Dinge trugen hier sich zu, Dinge, deren Erinnerung aus dem Herzen der Betheiligten nimmer weichen konnte! Dort wankte ein alter Händler dahin, ein Hausirer, mit Rosenkränzen, Heiligen¬ bildern u. s. w., wohl versehen. Wer hätte in ihm einen Röfugis vermuthet? Dort stolzirten zwei modisch gekleidete Spaziergänger einher, sie kamen von der nahen Stadt und wollten sich im Waldes¬ schatten erquicken. Diese Stutzer mit dem Stückchen in der Hand sanken auf ihre Kniee, sobald die Grenze überschritten war, und beteten heiß empfundene, alttestamentlich feierliche oder leidenschaft¬ liche Gebete. Dort ging ein schmucker Jägersmann; — dort trieb ein Viehtreiber schimpfend seine Heerde dahin; — dort trugen ihrer zwei eine Trage mit Dünger auf ein fernes Feld; — wie mancher Marquis, der einst in den Sälen von Versailles geglänzt hatte, mußte zu solch' einer Verkleidung seine Zuflucht nehmen! Viele Andere wählten die Tracht von Soldaten, welche nach den Niederlanden und nach Deutschland zogen; sie hatten gewöhnlich

11

Wohl dem, der eine volle Börse besaß! Die Beamten der Grenzdistrikte waren der Bestechung überaus leicht zugänglich. Manch' ein Gouverneur wurde binnen kurzer Zeit reich. Ein Baron D'Ivonne z. B. in der Landschaft Gex hatte sich mit seinem Districts-Amtmann Paci verbunden; sie ließen gegen gutes Geld manchen Rsfugiö über die Grenze; Ivonne leistete selbst Führer¬

einen gültigen Paß, den ihnen ein guter katholischer Kamerad aus¬ gestellt hatte. Der rcformirte Handels- oder Kaufmann aber gab

oft vor, er müsse eines ausgebrochenen Bankeruttes halber in's Ausland reisen; — er hatte freudig das Waarenlager, auf welches er bis jetzt so stolz gewesen war, verlassen. Ost sah man einen wohlbeleibten Bauern, welcher als Führer diente, reich gekleidet als vornehmen Herrn zu Rosse die Straße dahinziehen, während ein Sohn des ältesten Adels Frankreichs neben dem Pferde einherlicf, den Mantelsack trug, den Bauern bei Tische bediente, in der Küche des Wirthshauses aß, im Stalle schlief und die Pferde nicht

Allein er wurde von den bewaffneten Bauern ertappt. Die Beiden wurden zu den Galeeren verdammt; durch die Jntercession von Freunden aber wurde die harte Strafe in Verbannung dienste.

umgewandelt." (Fortsetzung folgt.)

eben allzugeschickt besorgte.

Der fürstliche Vetter in Schwedt.*) Historische Novelle von

mungen allein. Wünsche darum auch ben Dank mit Niemand zu theilen, — verstanden?" „Dann fürcht' ich. Euer Hoheit werden vergeblich auf Dank zu warten haben! Ich trage kein Begehren nach solcher

„Wie eine Ausgestoßene, eine Geächtete erscheine ich mir;" fuhr Mignon fort, „meines Bleibens kann hier nicht länger sein, es sei denn, daß Euer Hoheit eiu Wort ehrlicher 16.

Aufklärung zu meinen Gunsten sprechen wollten. Hoheit, ein Wort der Aufklärung, — Sie sind es mir, Sie sind es sich selber und Ihrer Gemahlin schuldig; ich will es Ihnen danken mein Leben lang!" „Danken, kleine Hexe? Recht so! will mir den Dank gleich selber holen!" Er wollte die Widerstrebende an sich ziehen, doch hastig wich

sie

W. Weyergang.

einseitigen Gunst."

Kühl erwiderte der Markgraf den Gruß des Mädchens und ging, sofort seiner Gemahlin von der Ernennung der neuen Hofdame Kenntniß zu geben. — '

Mignon aber hatte ihren Entschluß gefaßt;

noch einen

letzten Versuch wollte sie machen, eine Unterredung

vor ihm zurück.

mit ihrer

fernen, aber der ruhigere Ton, welchen der Markgraf anschlug,

Gebieterin zu erlangen, und dann fort für immer! In ihrem Zimmer hatte sie ihre geringe Habe geordnet, und die brennende Stirn an das Feusterkreuz gelehnt, schaute sie auf die sonnige Landschaft hinaus. Sie dachte des armen verwirrten Mäd¬ chens, daß ihr einmal gesagt, der Sonnenschein thue ihr weh; sonnenhell, wie damals alles sie umglänzte, hatte

hielt

sie

„Hoheit mißverstehen mich! Immer klarer sehe ich, daß ich das Schloß verlaffen muß. Soll mir keine Aufklärung, keine Aussöhnung werden, so will ich wenigstens in Ehren

!

scheiden!" Nach tiefer, förmlicher Verbeugung wollte sie noch

sie

sich

ent¬

zurück.

„Fräulein von Grumkowska,"

Will

mir fällt das Fortgehen schwer: habe ich in der weiten Welt keine Stätte, die ich meine Heimath

kann! Aber unter solchen Verhältniffen kann ich nicht länger weilen; ich bitte, mich ungehindert gehen zu lassen!" „Verhältnisie? Gehen lassen? Hab' andere Pläne. Die alten Hofdamen ennuhiren Uns, wollen neue um Uns sehen, nennen

junge, — haben die kleine Hexe dazu ersehen. Wie? Hab' noch keinen Dank verdient?" In den höfischen Formen der Etiquette aufgewachsen, ver¬ neigte Mignon sich vor dem Gebieter und das Blut stieg ihr —

hübsche

in die Wangen empor„Meine gnädigste Herrin ist mit dem Plane einverstanden?" rief sie, „sie hat mir verziehen?" Und wie vor der Antwort bangend, drückte sie die Hand auf das laut klopfende Herz: „Nein, Hoheit, hindern Sie mich nicht; ich muß zu ihr, ihr zu danken, daß Alles wieder klar ist zwischen ihr und mir." Aber schroff trat ihr der Markgraf in den Weg; das beifällige Lächeln, mit dem er ihre Worte begleitet, war verschwanden, und

unwillig hatte

sich seine

Stirn

gefurcht.

„Unnöthige Mühe, Mademoiselle! Meine Gemahlin ist meinen Absichten noch nicht avisirt; treffe meine Bestimvon *) Anmerkung: Allen neu hinzutretenden Abonnenten werden wir Theil dieser Erzählung, die in diesem Quartale Ende geführt wird, auf Wunsch gratis nachliefern.

den bereits erschienenen zu

heute konnte

sie

Hoheit, auch doch



ihn nachempfinden- Es mochte Mittag geworden sein, als ein leises Klopfen sie aus ihrem unruhigen Sinnen auf¬ schreckte. Es war ein Diener, der im Aufträge des Kammer¬ herrn Seiner Hoheit um eine kurze Unterredung ersuchte. Der Ton der Meldung war voll ungewöhnlicher Ehr¬ erbietung, und den Kammerherrn, der dem Diener auf dem Fuße folgte, abzuweisen, erschien ihr nicht mehr thunlich. Voll devoter Unterwürfigkeit trat der geschniegelte Cavalier, der, gleich allen Anderen, seit Langem nur spöttische Blicke für sie gehabt, vor sie hin, und verwundert schaute er sich in dem schmucklosen Raume um: „Das gnädige Fräulein dürften dieses Gemach bald mit einem geeigneteren vertauschen. Seine Hoheit haben mich gewürdigt, der Ueberbringer einer Botschaft zu sein, die das gnädige Fräulein nicht mehr erfreuen kann, als Dero ergebenen Freund und Diener." Mit ceremonieller Verbeugung reichte er ihr ein Kabinetschreiben dar, doch das junge Mädchen zog die Hand

sagte er, „hatte an jenem

unglücklichen Abend noch eine weitere Bitte an mich. Alles gewähren, — nur nicht fortwollen."

den Gedanken nicht zu erfassen vermocht,

zurück.

:

„Das gnädige Fräulein dürfen das Schreiben immerhin willkommen heißen; es bringt in aller Form Dero Ernennung zur Hofdame unserer durchlauchtigen Frau." „Und unsere gnädigste Frau, — Herr von Osten, Sie wollen diese Frage mir ehrlich beantworten! — ist unsere gnädigste Frau völlig einverstanden mit dem Inhalt dieses Schreibens? Sie zögern? Nun, dann nehme ich es nimmer aus Ihrer Hand! Dieses bescheidene, kleine Gemach, dessen dürftige Einrichtung Sie in Erstaunen setzt, ist mir lieb gewesen, nur weil es den Zimmem meiner Herrin so nahe war; ich durfte

12 kommen, wann ich wollte, — ich war stets gern gesehen. Es ist anders geworden,

— Sie

!

wissen es so gut, wie ich- Durch

I

welches Versehen ich unbewußt die Gunst der Gebieterin ver¬

!

— die Herren und Damen des Hofes scheinen es bester zu wissen, als ich! Sie haben sich vorhin meinen Freund genannt; ich will nicht erwägen, in wie weit die Gunst oder Ungunst, in der wir stehen, solche Freundschaft beeinflußt, — nur um Eines bitte ich Sie, seien Sie ehrlich — meiner Dis¬ kretion dürfen Sie gewiß sein, — weiß Ihre Hoheit um das scherzt,

Schreiben und seinen Inhalt?" „Daß unsere gnädigste Frau darum weiß,

l

Freund und Diener in mir sehen und mein Vertrauen nicht mißbrauchen. Es ist immer gut, sich Freunde zu erwerben, — wollen das gnädige Fräulein Ihrer Freundschaft mich

werth halten nehmen!"

und meine

ehrerbietigsten Glückwünsche an-

Mit

tiefen Verbeugungen zog sich der Kammerherr zurück, in aller Eile dem vertrauteren Freundeskreise die neueste Kunde zu

übermitteln.

Indessen saß Mignon, den Kopf in beide Hände gestützt, vor dem kleinen Tische ihres Stübchens und starrte auf das Schreiben, das immer noch uneröffnet vor ihr lag. Sie wollte das große Siegel nicht erbrechen, ehe die Herrin die Erlaubniß dazu ertheilt. Die Markgräfin konnte ihr eine Audienz jetzt nicht verweigern, und erst, wenn auch das Siegel gelöst war, welches das Geheimniß ihres Zürnens erschloß,

glaube ich

verbürgen zu können; bleibt doch selbst im engsten Hofkreise Seine Hoheit hatten heute früh eine selten etwas geheim.

Unterredung in den Zimmern der Frau Markgräfin; gleich bei seinem Heraustreten gab er dem Geheimsekretair Befehl zu Ausfertigung des Dekretes. Aber ich bin allzu offen vielleicht, — das gnädige Fräulein werden indeß nur den ergebenen

erst

dann hatte

sie

ein Recht, jenes Schreiben zu öffnen. (Fortsetzung folgt.)

Anficht der Städte Gerlin und Cölln ums Jahr 1500. Nach einer Reconstruktion von

Vierhundert Jahre zurück, in des Mittelalters eherne Zeiten, folge uns die Phantasie des Lesers. Von des Mittelmeeres sonnen¬ gewärmten blauen Fluthen, bis dorthin, wo der Ostsee grüne Woge die weite Düne noch weißer wäscht, dehnt sich das Deutsche Reich, geschirmt gegen äußeren Feind, durch diesen großen Verband einheitlich zusammengehöriger Länder, unter der regierenden Hand

eines Oberhauptes, des deutschen Kaisers, gewappnet und ge¬ im Innern mit viel tausend Burgen und Vesten, und jede Stadt eine Festung! Als stände sie allein für sich da, umgeben rings von feindlichen Nachbarn, mit trotzigen Mauern, schirmt

abwehrenden Bastionen, drohenden Thürmen, absperrenden Zug¬ brücken und Thoren, blickte jede Stadt in die umgebende Land¬ schaft, und von hoher Warte schaute der Wachtmann unter finsterem Eisenhutc weg stetig ins weite Land, als sei er stündlich des ein¬ brechenden Feindes gewärtig. — „Jeder für sich, Gott und der

Alle!" — Jeder Bürger ein verpflichteter Soldat seiner Stadt, stand die Bürgerschaft einer solchen Einer für Alle, Alle für Einen. Da gab es keinen Unterschied, wenn die Gefahr Kaiser für

drohete und die Lärmtrommel rief, wer gesunde Beine zum Mar¬ schiren, gesunde Arme zum Dreinschlagen hatte, ob Rathsherr oder Handwerksgesell, mußte mit „zu Wall und Mauer" ziehen, mit

hinaus in Kampf und Fehde, mit eigenem Muth und Blut die Interessen

innerhalb

der

des Gemeinwesens und sicheren Lebens vertheidigen. Das aber gab auch das der Zusammengehörigkeit einer Bürgerschaft,

Stadt,

desselben

zu

Gefühl gewaltigen Burgen: die deutschen Städte des Mittel¬ alters, bauete, die die stattlichen Rathhäuser, die prächtigen Kirchen und himmclanstrcbendcn Thürme errichtete, da jeder sich sagte: Das gehött mir, ist mein Theil und meine Stadt und diesen Stolz des „Civis Romanus sum“ trug mit Bezug auf seine Stadt jeder Bürger als all sein Thun und Treiben belebendes, hcrzerhebendes Gefühl in der Brust. Viele unserer deutschen Städte tragen noch die Gewandung jener ehernen Rüstung der vergangenen Jahrhunderte, die Erinnerung an dieselben lebendig wachrufend. Städte wie Rothenburg an der Tauber haben ganz jenen mittel¬ alterlichen Charakter bewahrt; Städte wie Nürnberg und Köln, Danzig, Lübeck, Stendal, Magdeburg tragen in vielen Bauten die Spuren und Charaftcrzüge jener kriegsbewegten und kriegesstarken Zeiten, selbst in kleineren Orten der Mark, wie in Bernau, Gransee und anderen, zeugen hohe uralte Stadtmauern, die tiefen Schluchten der Stadtgräben, die alten gothischen Backsteinbauten, trotzige starke

stolze

die jene

!

Möller.

Thore und altersgraue himmelhohe Warten mit spitzen Sturm¬ hüten, die, wie die vereinsamten Necken eines untergegangenen Riesengeschlechtes in unsere Zeiten hineinragen, von einem ehr¬ würdigen Alter und von einer Dauer durch die Jahrhundette. In Berlin — von alle dem Nichts, — eine ganz moderne Stadt! — nichts fast in dem Aeußeren der deutschen Kaiserstadt erinnert daran, daß auch sie jene Zeiten, daß auch sie eine reiche und bewegte Geschichte durch die lange Dauer der Jahrhunderte erlebte, daß auch sie einst dastand auf engerem Raume mit einer wackeren, stolzen und kampfesmuthigen Bürgerschaft traulich und treulich zusammengefaßt, trotzig und stark geschützt und bewehtt zu Krieg und Fehde mit dem ehernen Panzer hoher Mauem und Wartthürme, um »die sich dann noch eine andere Wehr breit und weich gürtete, schützend wie Mutterarme das Kind, aber auch wie diese stark wehrend gegen jegliche Gefahr, das sind die Fluthen der Spree. Es ist merkwürdig, aber wahr, von der älteren Ge¬ schichte Berlins, der wichtigsten und größten Stadt auf deutschem Boden, wissen wir verhältnißmäßig nur wenig. — Manches Dorf im deutschen Lande kann mehr in dieser Beziehung reden, oder Das ur¬ besser gesagt, es ist mehr über dasselbe geredet worden. alte Berlin war eben wie die gute Frau, von der Niemand spricht. In einer Urkunde des Markgrafen Johann vom Jahre 1251 zum

Male genannt*), wird sie in derselben gleich schon einer andern, der urkundlich älteren Stadt Prenzlau, als ein Muster aufgestellt; sie war vermuthlich damals schon eine vollkommene „Stadt", von der wir keine ältere Geschichee haben, wohl nur deshalb, weil die Geschichte ihrer Herren und Herrscher, der Wenden, nicht auf uns gekommen ist. — In urältesten Zeiten ersten

wahrscheinlich Residenz eines wendischen Fürsten-Geschlechtes, welches,

wo jetzt das Polizei-Präsidium am Molkenmarkt ist, ein festes Schloß am Spreeufer hatte, war Berlin nachher eine freie Stadt und Hauptstadt der Mark, für die ein neuer Zeitabschnitt begann, als am Tage Sanet Lukas des Jahres 1412 Friedrich von Hohenzollern, Burggraf von Nürnberg, nunmehr Erzkämmerer des Deutschen Reiches und Kurfürst von Brandenburg, von Nürnberg her über Tempelhof in Berlin einzog und auf dem alten Residenz-Schlosse der askanischen und bairischen Fürsten, dem „Hohen Hause" in der Klostersttaße, seinen Aufenthalt nahm. Ueber ein Jahrhundert ge¬ hörte dazu, im Kampfe gegen den Trotz der Städte und des Adels

*) Sinnt.

Köln wird in den Urkunden

schon

früher erwähnt.

13 der

Mark,

eine sichere, geschützte und ausreichende Wohnung des kurfürstlichen

die Herrschaft der neuen Dynastie einzurichten und zu

befestigen, der zunächst Kurfürst Friedrich

II.

eine neue

Hauses und, auch schon der schwer zu beschaffenden Mittel wegen, ohne viel äußere Pracht herzustellen war, motivirt sich schon dadurch, daß denselben bereits 90 Jahre später Joachim II. gründlich um¬ gestalten, prächtiger ausbauen, die Außenwerke der Befestigungen

Burg und

Residenz erbaute, dort, wo bisher hart an der nördlichen Stadt¬ mauer, gegenüber von Berlin, in deren Schwesterstadt Cölln ein Hof des Klosters Lehnin gelegen hatte. Am 31. Juli 1443 ward der Grundstein zur neuen Burg gelegt und dieselbe im Jahre 1451 vom Kurfürsten, der seine Residenz nach Spandau verlegt hatte, von dort aus bezogen. Diese älteste Schloß-Anlage stellt unser Bild dar.*) Dem Charakter der Zeit und der für dieselben er¬ forderlichen Befestigungen gemäß lag dasselbe hinter hohen Mauern und Thürmen geschützt und hatte diese, gen Norden (nach der jetzigen Lustgarten-Seite hin) die ehemalige Cöllnische Stadtmauer durchbrechend, sowohl hier als auch nach der Spree deshalb durch¬ weg neu und gewiß unter Benutzung der von Nürnberg aus be-

Im

eingehen und deren wuchtige Mauerwerke zum weiteren Ausbau benutzen ließ; infolgedessen die auf unserem Bilde ersichtlichen Be¬ festigungsthürme in der Spree zu jenen hohen mehreckigen Schloß-

;

Leihauit.

kanntm vortrefflichen Besestigungs- und Baukunst, entsprechend allen Erforderniffen der Zeit und nach der Nordseite hin deshalb ebenfalls mit den nothwendigen Schutzgräben versehend, einrichten lasten. Die Einfachheit dieses Schloßbaues, der zunächst nur auf *) Anm. Die nachfolgenden Ausführungen über den Schlotzbau und über den damaligen Zustand der hervorragendsten Bauwerke Berlins und Cöllns, die der Reconstruktion E. Müllers zu Grunde liegen, beruhen vielfach auf Annahmen, deren kritische Untersuchung wir uns für die von dem Verfaffer demnächst

in Aussicht

gestellte

thürmen ausgebaut wurden, die von dem Joachim'schen Schloßbau nach der Spreeseite noch bis in die Gegenwart erhalten sind (?). Bon diesem ältesten und ersten Schloßbau sowohl, wie von dem Bau, der Einrichtung und Umgrenzung von Berlin und Cölln sind uns freilich bildliche Darstellungen aus jener Zeit (vor ca. 400 Jahren) nicht, wohl aber soviel Relikten, bauliche Spuren und historische

„Wanderung durch das

alte Berlin"

vorbehalten müssm. Die älteste Burg wird unmittelbar am Wafler gelegen und erst nach Veränderung des Spreebettes (durch Ver¬ Jedenfalls sandung) an dieser Seite Schutzmauern erhalten haben. bleiben die achtseitigen Wartthürme vor dem Schloß, die Gestaltung des Domes, des Thurmes der Marienkirche und des Rathhauses, die Lage des Mühlendammes und die Darstellung der Wendenburg wie Manches Andere näher nachzuweisen. (Das Pendant „Berlin 1250" s. „Bär" Jahrg. IX.)

Ueberlieferungen geblieben, daß wir uns unter Benutzung alter Pläne und Grundrisse ein ziemlich klares Bild davon zu machen vermögen, welchen Anblick die beiden Städte zu jener Zeit geboten haben. Dieses Bild geben wir in einer sorgfältig geprüften und den Ueberlieferungen gemäß zur Anschauung gebrachten Dar¬ stellung wieder. „Der Zufall hat es gewollt", sagt Holtze in seiner

vortrefflichen Schrift über die Geschichte der Befestigung von Berlin, „daß wir demselben Manne, unter besten Leitung die

Stadt Berlin

(zu Zeiten des Großen Kurfürsten) eine neue Gestalt gewann, das einzige Bild der alten Befestigung verdanken, welches auf uns gekommen ist: Memhardt lieferte 1652 für die ZeilerMerian'sche Topographie der Mark Brandenburg einen Plan des damaligen Berlin, der uns vollkommen genügt, da wir mit Bestimmtheit wisten, daß die Grenzen der Stadt während des Mittelalters und bis in die Mitte des XVII. Jahrhunderts sich nicht mehr verändert haben." Dieser Plan hat unserem Bilde

14

als Grundlage gedient. — Von Norden her die uralte Straße, den „Bielbogs-Weg", welche von Berlin über Oranienburg (das alte Bötzow) führte, kommend und welche Straße ungefähr dort, wo jetzt die Artillerie-Kaserne am Oranienburger Thore liegt, die alte Heerstraße nach Spandau abzweigte, erblicken wir Berlin und Cölln von den Höhen jener Weinberge aus, die an der Oranienburger-Straße lagen. Starke und hohe Thürme, wie sich solche z. B. in Bernau, Jüterbock und anderen Städten der Mark bis in die Gegenwart erhalten, schützen eine hohe Stadtmauer, die sich rings um die beiden Städte zieht, dort wo Thore eine Oeffnung in dieselbe fordern, letztere durch andere WartStattlich liegen und Schutz - Thürme noch mehr befestigend. da mit ihren zwischen den meist niedrigen, die Städte theils noch mit Strohdächern versehenen Wohnhäusern, hoch überragt von den Hauptbauten und Kirchen, von denen die letzteren uns, wenn auch in theilweise veränderter Bauform, noch als die Hauptkirchen im Innern von Berlin und Cölln erhalten Breit umfängt die Spree, mit den aus ihren Fluthen sind. reichlich genährten Festungsgräben, die beiden Städte. Ein Neben¬ kanal, ebenfalls auf unserem Bilde sichtbar, führte dem Schlosse gegenüber neben einem runden Thurme, dort wo die kleine Burgstraße später durch dessen Zuschüttung entstand, ins Innere der Stadt, zu dem Zwecke, die Kausmannswaaren direkt zu Wasser nach den großen Kaufhäusern am Neuen Markte verfrachten zu können. An diesem Wasser liegt der alte Lehnin'sche Abteihof, dessen letzte Baulichkeiten in der ehemaligen Kriegsakademie erhalten waren und erst kürzlich der Anlage der Kaiser Wilhelmstraße zum Opfer fielen. Die Fundamente der alten Festungsthürme und auch der Thore, meist aus mächtigen Wanderblöcken in kolostalen und starken Dimensionen angelegt, welche der Memhardt'sche Plan und somit auch dieses unser Bild zeigt, sind im Laufe der Zeit, bei Gelegenheit der Kanalisations- und anderer Bauten aufgefunden und haben so aufs Neue die Richtigkeit jener Angaben dargethan. Im Vordergründe erblicken wir auf unserem Bilde eine uralte

Im

Leihamt.

Großstädtisches Elend und großstädtischer Leichtsinn, wie dicht liegen beide nebeneinander, wie oft berühren sie sich, wie häufig gehen sie ineinander aus! — Manch' liebes Mal haben sie soviel

Aehnlichkeit, daß man nicht weiß, ob man vor einer erschütternden Tragödie oder vor einer lächerlichen Burleske steht, heute Ver¬ schwendung und Luxus, morgen Hunger und Noth, heute in Saus und Braus, morgen von allem entblößt, ein ewiges Schachspiel mit dem Leben, mit Glück und Zufall! — Den steten, düsteren Hintergrund für diese schwankenden Wechsclzüge des weltstädtischen Daseins giebt ein Haus in der Jägerstraßc ab; es ist ein großes, schwerfälliges Gebäude, welches durch keinerlei Merkmale seinen Beruf anzeigt, der „kundige Thebaner" fteilich erkennt ihn bereits an mancherlei Vorposten: an den Dienstmännern, die in der Nähe des Eingangs weilen, an den verschüchterten Neulingen, die mit befangenen Mienen auf- und abwandern und nicht den Muth finden, die Schwelle zu übertreten, an den Männern und Frauen, die mit großen Packeten unter dem Arm in der weiten Thüröffnung ver¬ schwinden und alsbald wieder ohne Bürde erscheinen! Freilich, im Innern des Hauses merkt Jeder, wo er sich befindet, da weisen Schilder zu den einzelnen Räumlichkeiten hin, und die ausgetretenen Treppenstufen lehren uns eindringlich, wieviele Tausende unb Aber¬ tausende hier schon hinaufgewandert sind — die Meisten sicherlich nicht in ftoher Stimmung, — um materielle Hülfe im . „König!. Preußischen Leihamte" zu finden! —

...

Ein kurzes Verweilen in diesen Hallen, eine Stunde zu¬ nur, wie greift sie uns an das Herz! — Da kommen sie Alle an, für die in der Millonenstadt nichts vom Tische des

schauend

Linde, auch diese ist historisch an dieser Stelle. Haftiz gedenkt derselben in seiner handschriftlichen Chronik; beschreibt die enorme Größe des Baumes, den man „das Wahrzeichen von Berlin" nannte, wahrscheinlich weil der Wandrer, die Hauptstraße kommend, schon von fern desien hohe grüne Laubkrone erblickte. Hinter diesem alten Baumriesen erheben sich die dicken runden Thürme des Spandauer Thores. Wir schreiten, den mit Partisane und Streitaxt wohlgerüsteten Wachtmann grüßend, über die niedergelasiene, knarrende Zugbrücke weg, durch den dunklen Thorbogen, hinein in die Stadt, in welche wir in einem anderen Aufsatze unsere Leser „auf einem Spaziergange durch das mittelalter¬ liche Berlin" demnächst begleiten werden. — Gewiß hätten die Umstände, die Entwickelung der Stadt und die dauerbare Anlage jener alten Thürme und Thore es wohl gestattet, einige derselben den künftigen Geschlechtern als ein die historischen Erinnerungen vergangener Zeiten wachrufendes interessantes Andenken zu erhalten, das im malerischen Kontraste mit den rings umher entstandenen modernen Bauten gewiß eine Zierde der Stadt bilden und dem hastigen Getriebe der Gegenwart in unsern Straßen ein Gedächtniß geben würde vom Wechsel und Wandel der Zeiten und von der historischen Vergangenheit und den kleinen Anfängen, aus denen die Riesenstadt jugendlich frisch, in ungeahnter Pracht und Größe empor gewachsen ist. Nichts ist uns davon geblieben, in breiten, mit prächtigen Palästen geschmückten Straßen rollt die Fluth des freien, modernen Verkehrs über jene Stätten, wo einst Thurm und Mauer den Bürger in die engen Grenzen der Stadt einschloß, der, wenn er von hoher Warte ins ferne Land hinaus blickte, mit den Waldflächen der Mirika, der wasserreichen, schilf- und Weiden bewachsenen Ebenen des Spreethales und den fernen mit Kiefern¬ wald gesäumten Höhenzügen, gewiß nicht ahnte, daß einst ein Jahrhundert kommen könne, wo alles Land, was sein weiter Blick umfaßte, mit einem Häusermeer bedeckt sein und daß seine beschei¬ dene märkische Hauptstadt am grünen Strand der Spree einst des deutschen Landes stolze Kaiserstadt sein würde. E. Müller.

Ueberfluffes abgefallen ist, bei denen Sorge und Kummer als stete Genossinnen in der ärmlichen Behausung sitzen, — eine lebende Chronik großstädtischen Kummers und Elends. Männer und Frauen, oft auch Kinder, in gebückter Haltung, mit durchfurchten Mienen, mit zagendem Schritt — der Gang mag ihnen wahrlich

nur zögernd, mit leiser Stimme, geben Sachen an, die sie hier deponiren wollen, und was für Sachen oft: Kleidungsstücke, Wäsche, Meubel, Wirthschaftsgegenschwer genug fallen und sie die

stände, die letzte Bettstelle gar, Dinge, die täglich nöthig sind, und die sie doch fortgeben müssen, denn der Hunger pocht an

die Thür, denn die Noth schaut zum Fenster hinein! — Beneidens¬

wert

noch der, der in dieser Schaar der vom Glück Enterbten Gold- oder Silbersachen zu geben hat, er wird von den Anderen mit begehrenden Augen betrachtet, er ist noch nicht beim Letzten angelangt! — Und zwischen diese Gestalten, denen die Sorge eine

alte Bekannte ist, mischen sich andere Figuren, denen der Gang hierher entweder ein bekannter ist oder die denselben leicht und oft sogar ftohgemuth antreten: sie kennen die Lokalitäten bereits genau, — mit lächelndem Gesicht erscheinen sie an der Barriere und geben die Psänder hin, und wie sie dieselben geben, grenzt oft an Naivetät: der löst seine Uhr von der Kette, jener zieht sich ge¬ müthlich seinen Mantel aus, dieser reicht das mit silbernem Knopf versehene Spazierstöckchen, welches er soeben noch übermüthig auf der Straße geschwungen, hin, und mit fröhlichem Dank wird das Geld eingestrichen — es reicht ja gerade für eine lustige Nacht, für ein lockendes Ballvergnügen Das Leihamt in Berlin sieht auf eine alte Geschichte zurück.

aus!-—

15

Nicolai erzählt uns Einiges davon in seinem bekannten Werk, er schreibt in seiner vor ca. hundert Jahren erschienenen „Beschreibung von Berlin" über das „Adreßhaus", wie damals das Pfandhaus hieß, Folgendes: „Das Adreßhaus ist auf dem Friedrichswerder in der Friedrichsstraße. Daselbst wird Geld gegen hinlängliches

Pfand geliehen; die Zinsen und die Magazinage (oder die Kosten der Aufbewahrung) betragen jährlich 7 Va Procent, nämlich 6 Procent Zinsen und V- Procent Magazinage. An Einschreibungsgebühren

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wird

nach

Proportion der geliehenen Summe überhaupt

sechs

Pfennige, ein Groschen oder höchstens zwey Groschen bezahlt. Man bekommt über das Pfand einen Schein auf einen Monat, der aber

Ein Jahr, also zusammen dreyzehn Monate, gültig ist. Wenn alsdann die Zinsen nicht bezahlt werden, ist das Pfand verfallen, doch kann es, wenn es noch nicht wirklich verauktionirt ist, noch eingelöset werden. Die verfallenen Pfänder werden von Zeit zu Zeit verauktionirt, welches vorher allezeit öffentlich bekannt gemacht wird. Wenn aus den Pfändern mehr gelöset wird, als darauf gegeben worden, so wird der Ueberrest, nach Abzug des Kapitals, der Zinsen und der Auktionskosten, dem

nach demselben noch

Vorzeiger des Pfandscheins zurückgegeben; jedoch muß er sich dieserhalb binnen der nächsten sechs Monate nach geschloffener Auktion melden, weil nach solchen sechs Monaten dieser Ueberschuß dem Fiskus anheimfällt. Diese Anstalt ward 1692 errichtet und einer refugirten Familie verliehen. 1717 ward das ihr darüber ertheilte Privelegium bestätigt." — Des Weiteren berichtet uns

Nicolai, daß dieses „Adreßhaus" täglich von 9 bis 12 und 2 bis 4 Uhr geöffnet war und es scheint demnach reichlichen Zuspruch

gefunden zu haben, leider werden uns einschlägliche Zahlen nicht mitgetheilt. Wie ungeheuer würden sie gegen die neuesten Daten

traurigen Kapitel einer modernen Großstadt, wurden doch allein in dem einen Jahre 1883 für 179,036 Pfänder 5,155,911 Mark bezahlt. Am 20. Januar 1883 befanden sich in den Magazinen des Leihamtes zusammen 172,102 Pfänder und zwar 142 Stück Papier-Effekten, 2665 Schmucksachen und Juwelen, 67,565 Stück Gold- und Silbersachen, 19,527 Stück Uhren, 82,203 Stück Wäsche, Stoffe, Pelze, Kleidungsstücke rc. Auch einen Ueberblick über den Stand Derjenigen, die etwas versetzen, gewährt uns die Statistik. Unter 3000 Darleihern befanden sich 30 Rückkaufshändler, Pfandleiher, zurückstehen! Dieselben bilden ein zahlenreiches Echo zu einem

Kommissionäre, 1047 Handwerker (einschließlich Gesellen), 685 andere Gewerbe- und Handelstreibende (einschließlich Gehülfen), 291 Tageund Fabrikarbeiter, 29 Rentiers, Haus- und Gutsbesitzer, 42 Künstler (Schauspieler, Maler), 9 Studirende, 36 Gelehrte (Profefforen,

Lehrer, Aerzte, Literaten), 1 Offizier, 175 Beamte des Staates, der Kommune u. s. w., 655 Wittwen und unverheirathete Frauen. Um den Ersten eines Quartals häuft sich der Andrang erheblich, so wurden in der ersten Woche um den 1. Januar des genannten Jahres allein 7495 Pfänder gebracht! — Und diese vorstehenden, vielumfaffenden Zahlen lassen uns nur hinter die Koulisien des Königlichen Leihamtes schauen, das drei große Abtheilungen umfaßt, in Berlin bestehen aber gegenwärtig außerdem mehrere hundert Rückkaufsgeschäfte, — von wie vielen Thränen, von welchem Elend und auch von welchem Leichtsinn

Paul Lindenberg.

könnten diese erzählen!

MisceUrn. Zum dreißigsten September bringt das weite Deutschland seinen Gruß der Kaiserin Augusta, die in diesen Tagen ihr vierundsiebzigstes

Lebensjahr vollendet. Von überall her ruhen dustende Blumen und sinnige Gaben auf dem Geburtstagstisch der theuren Landesmutter: ist sie doch ihr Leben lang die Trösterin der Armen, die Pflegerin der Kranken, die stillwaltende Beschützerin echten Talentes und wahren Ver¬ dienstes gewesen. Deutschland verehrt in ihr die treue Lebensgefährtin des geliebten Kaisers, die Mutter des heldenhaften Thronfolgers, die Ahnfrau der Kaiser aus dem Zollernhause. Wie zahllose Stiftungen ihren Namen tragen, so geben überall gemeinnützige Anstalten Kunde von ihrem edlen Wirken. Fremdes Leid zu lindern, Andere zu erfreuen, das ist ihr ganzes Thun. Solchem Drange entsprang auch die Schöpfung der wundervollen Rheinanlagen bei Koblenz, die ihre Residenz Vielen zum Lieblingsaufenthalt gemacht haben. Ein Bild des berühmten Krüger mag als Festgabe freundlich aufgenommen werden; dieser Künstler malte die edle Frau im Jahre 1829, also bald nach ihrem Einzuge in Berlin. Cs zeigt sich darauf die siebzehnjährige Prinzessin in der Tracht jener Zeit mit einer eigenthümlichen, aber durchaus nicht unkleidsamen Haartour. Die Lieblichkeit der Züge ist vortrefflich in diesem Bilde wiedergegeben, womit wir Vielen eine Freude zu bereiten hoffen. Hin Kartenspiel Kricdrich Wilhelms II. (Hierzu Abb. S. 9.) Im Besitze unseres Mitarbeiters L. Alfieri befindet sich ein Kartenspiel Friedrich Wilhelms II., dessen einzelne Karten, soweit sie Figuren dar¬ stellen, als die Porträts gleichzeitiger bedeutender Schauspieler in ihren Hauptrollen anzusehen sind. So erscheint als Coeur-König der König Attila aus der „Sonnenjungfrau", als Carreau-Dame Gurly aus den „Indianern in England" und als Treff-bube Fix aus der „offenen Fehde". Wir theilen heute nur das Pique-As mit, um einigen der übrigen Karten eine weitläufigere Beschreibung beizufügen. Die Karten sind sehr sauber gestochen und in den charakteristisch gebrochenen Farben jener Zeit kolorirt; als der Künstler ist der Stecher H. S. Penningh angegeben. Hcdenktafel am niederländischen Valais. Bei dem veränderten Beptzstande des niederländischen Palais ist die Anregung gegeben worden, zur Erinnerung an Wilhelm!., König der Niederlande, eine Gedenktafel atl der Fa?ade des Hauses anbringen zu lassen. Dieser König starb ""yllsch en dem Palais am 12. Dezember 1843, nachdem er seit dem 7. Oktober 184(1 der Regierung entsagt und sich unter dem Namen eines Grasen von Nassau hierhin zurückgezogen hatte. Er erlag in eineni Zimmer des ersten Stockes im rechten Seitenflügel des zweiten Hofes in seinem Lehnstuhl einem Schlagfluß. Während einer sünfundzwanziglahrrgen Regierungszeit hat Wilhelm 1. Alles gethan, sein Land groß zu mach en; vor Allem hat er auf das Heftigste der Abtrennung Belgiens widerstrebt und trotz des Drängens der übrigen Mächte erst 1839 die betreffenden Traktate unterschrieben. Die Gemahlin des Königs war Prinzessin Wilhelmine, Tochter Friedrich Wilhelms 1L, deren Sohn rul Friedrich der Niederlande im Mai 1825 Prinzessin Louise von D Preußen heimführte, während die jüngere Schwester Marianne fünf Jahre spater sich mit dem Prinzen Albrecht von Preußen vermählte.

i

Hinquartierung von 1806. Nach den Akten des Magistrats der Stadt Berlin hatte die Stadt zu leisten vom 24. Oktober 180ti bis zum Dezember 1808 in den Kasernen 2 406 842 Tagesrationen zu V» Thaler,

bei den Bürgern 4 898 565 desgleichen zu '/- Thaler und ebenfalls bei den Bürgern für Offiziere und höhere Civilpersonen 4 998 330 Rationen zu 1 Thaler —, dazu kamen noch an Kasernenkosten 167 360 Thaler, an

Tafelgeldern 190 489 Thaler, für Möblirung 23 248 Thaler, sür das Barackenlager bei Charlottenburg 92 537 Thaler, oder im Ganzen 8 723 527 Thaler. Hine kunstgewcrvkiche Lotterie von 1695. Seit einigen Jahre» werden Seitens des Ministers des Innern öffentlichen Vereinen und Privatpersonen Verloosungen gestattet, deren Erträge dem deutschen Kunst¬ gewerbe zu Gute kommen oder sonstwie einen guten Zweck erfüllen sollen. Der Sache nach haben nun, wie aus einem Prospekt von 1695 hervor¬ geht, derartige Lotterien, wenn auch mit mehr privatem Charakter, schon zu Zeiten des ersten Königs stattgefunden. Stach dem Verzeichniß der bei einer derselben zu verloosenden Gegenstände besanden sich darunter ein Spiegel mit venedischem Glase, ein Ring mit 7 reinen Demanten besetzt, eine güldene Damenuhr, eine Sackuhr mit einem Wecker, ein paar italiä¬ nische Pistolen, neun Ellen Brocard in Gold und Silber, eine weiße Schürze mit Gold brodirt, sehr propr»; dann eine vergüldete silberne Kanne, Augsburger Arbeit, 32 Loth schwer, 27 Thaler werth u. s. w. Der Unternehmer der Lotterie war Girardi er, Leibschneider Sr. Durch¬ laucht des Kurprinzen. Hark /»ermann Witter Am 12. September verstarb in Berlin an einem Schlage der frühere Finanzminister Carl Hermann Bitter, der vor Allem in musikalischen und wissenschaftlichen Kreisen sich eines großen Ansehens erfreute. Geboren in Schwedt a. O. am 27. Februar 1813, widmete er sich der Venvaltungslaufbahn, trat 1833 in den preußischen Staatsdienst, wurde 1846 Negierungsrath, später Mitglied der Donau-Commission und Oberinspektor der Rheinschifffahrt, 1872 Regierungspräsident in Mannheim, 1876 Regierungspräsident in Düssel¬ dorf, 1877 Unterstaatssekretär im Ministerium des Innern, 1879 Finanz¬ minister. Es ist bekannt, daß er schon 1882 diese Stellung wieder aus¬ gab, weil er seine Ueberzeugung mit der herrschenden Anschauung nicht in Einklang bringen zu können glaubte. Er schrieb „Joh. Seb. Bach", „Beiträge zur Geschichte des Oratoriums", „Gervinus Händel und Mozart", sowie mehrere kleinere bedeutsame Fachschriften. seinen Salons pflegte er hauptsächlich Bach, Gluck und Mozart. Ueber seine Thätigkeit in Mannheim sagt einer der zahlreichen ihm gewidmeten Nachrufe vieles Rühmliche. Obgleich wenig begütert, konnte er doch, zumal er unvermählt geblieben war, den Aufwand machen, welchen quellenmäßige Forschung heut zu Tage erfordert. Es lag ihm daran, der damals zu höchstem Ansehen gekommenen Zukunftsmusik von Richard Wagner und Franz Liszt gegenüber an Johann Sebastian Bach zu erinnern. Jene Zukunfts¬ musik war ihm so zuwider, wie sie David Friedrich Strauß zuwider war, der aus Weimar, wo er ein Asyl gesucht und die herzlichste Aufnahme

f.

In

16 Widerwillen vor Liszt und den Opern „eines gewissen Wagner" geflohen war. Bitter trat 1862, also in seinem 80. Lebens¬ jahre, mit seinem Werke „Johann Sebastian Bach" hervor, das, obgleich einfach geschrieben, ein großartiges Lebensbild des genialen Meisters entwarf und Vielen zur Anregung wurde. Zwei kleinere Schriften gesunden hatte, aus

„Ueber Mozart's Don Juan"

Tauris"

folgten.

und

Mit Mozart war ihm

?

;

derartige Taufen alte Erinnerungen in Berlin gepflegt werden, da ohnehin Vieles geschieht, die Spuren der Vergangenheit pietätlos zu vertilgen. Ueber die älteren Namen der Berliner Straßen hat unser Mitarbeiter Herrmann Vogt eine umfassende Studie fertig gestellt, die der Verein für die Geschichte Berlins in seinen Schriften publiciren will, und auf die wir demnächst ausführlicher zurückkommen. Kleine Ghronik. 8. Sept. 50 jähriges Dienstjubiläum des Betriebs¬ inspektors der Reichsdruckerei Bau mann; Generalversammlung des GustavAdolf-Vereins in Eisenach. — 9. Sept. 50 jähriges Bürgerjubiläum des Rentners Ernst Neidhardt. — 10 Sept. Abfahrt des Kaisers nach Karls¬ ruhe; Kammergerichtsrath Carl Fischer -ff. — II. Sept. 100jähriges Jubiläum der Verlagshandlung Justus Perthes in Gotha; Geburtstag des Kaisers Alexander von Rußland; Generallieutenant Dr. Johann Jakob v. Bacher ff. — 12. Sept. Carl Herm. Bitter, Finanzminister 1879 bis 1882, I. — 13. Sept. Regatta und Stiftungsfest des Berliner Ruderklubs; Einführung des Predigers Göhrke bei der Markuskirche. — 14. Sept. Carl Aug. Fetzer, Mitglied des Frankfurter Parlaments ff in Stutt¬ gart; Fest der Stadt Berlin zu Ehren der Telegraphenkonferenz (im Rathhause); Professor Friedrich Kiel ff. — 15. Sept. Strauß-Jubiläum im FriedrichWilhelmstädtischen Theater. — 16. Sept. Hofmaler Carl Triebe! ff; Be¬ ginn der Flottenmanöver in Kiel; Verleihung des Schwarzen Adlerordens Meeting des Trabrennenan General von Obernitz. — 17. Sept. Vereins in Weißensee; Schlußsitzung der Internationalen Telegraphenconferenz; Negierungsrath Karl von Lerchen seid ff; Adolf Simon, Mitinhaber der Buchhandlung Calvarh L Comp, ff; Fackelzug zu Ehren des Deutschen Kaisers in Stuttgart. so

„Gluck's Iphigenie auf

die klassische Epoche der deutschen Musik abgeschlossen, selbst Beethoven fand er auf Irrwegen, die allmählich zu den unheilvollen Pfaden geführt hatten, die er von Richard Wagner und dessen Freunden betreten sah. Natürlich fanden solche Anschauungen lebhaften Widerspruch; Bitter erschien den Jüngern der Zukunftsmusik Indeß Bitteres Werk als ein bemitleidenswerter Zurückgebliebener. „Earl Philipp Emanuel Bach, Wilhelm Friedrich Bach und ihre Brüder" (1865), das die so bedeutenden und doch so wenig bekannten Söhne ihres großen Vaters aus Grund umfassendster Studien vorführte, zeigte ihn von Mit Neuem als einen achtenswerthen Forscher auf diesem Gebiete. Gervinus, dem berühmten Historiker, der seiner Bewunderung durch Shakespeares und G. F. Händel's damals in einer Schrift begeisterten Ausdruck gegeben hatte, setzte sich Bitter, der trotz aller Anerkennung Vieles anders auffaßte, in der Schrift „Gervinus, Händel und Shake¬ speare", auseinander. Auch besorgte er die Herausgabe von „Carl Lowe's Selbstbiographie", die 1870 erschien. Bitter hat sich noch in seinem

68. Jahre verheirathet.

Nene Straßennamen. Neuerdings ist Berlin um einige Straßen¬ namen bereichert worden. Der im Zuge der Hohenzollernstraße über den Schissfahrtskanal nach dem Lützower Ufer führenden Fußgängerbrücke ist der Name Lützow-Brücke, der zwischen der Burgstraße und der Hciligegeiststrahe vorlängs des Anbaues am Börscngebäude neu angelegten Verbindungsstraße der Name St. Wolfgangs-Straße, der Straße Nr. 3 der Abtheilung II. des Bebauungsplanes von den Umgebungen Berlins der Name Jahn-Straße, der Straße Nr. 10 der Abtheilung IV. des Bebauungsplanes zwischen der Potsdamer- und der Maaßenstraße der Name Winterfeld-Straße, der Straße Nr. 33 der Abtheilung XII. des Bebauungsplanes der Name Kolmarer Straße, der Straße Nr. 33a den Namen Mühlhausener Straße und der Straße Nr. 34 der Name Dicdcnhofener Straße beigelegt worden. Die Benennung einer neuen Straße als St. Wolfgangs-Straße ist im Hinblick auf die Kalandsbrüderschaft erfolgt, deren Andenken seit alter Zeit in gleicher Weise erhalten geblieben ist. Etwa 140 Jahre nach dem Entstehen der Kalandsbrüderschaft erfolgte 1482 in Berlin die Gründung der „St. Wols-

Inhalt. Gedenktage. — Faustrecht, von B. W. Zell; Der fürst¬ liche Vetter in Schwedt, historische Novelle von W. Weyergang. — Feuilleton: Die Herleitung der Eigennamen von P. Walle. — Charlotte von Kalb von C. Neumann-Strela; Aus der Oolonie fran?aise, Bilder und Charaktere von E. de Talange; Im Leihamt von Paul Lindenberg (mit Abb.); Ansicht der Städte Berlin und Cölln ums Jahr 1500, nach einer Reconstruktion von C. Müller (mit Abb.). — Miscellen: Zum dreißigsten September (mit einem Portrait der Kaiserin); Ein Karten¬ spiel Friedrich Wilhelms 11. (mit Abb.); Gedenktafel am niederländischen Palais; Einquartierung von 1806; Eine kunstgewerbliche Lotterie von 1695; Carl Hermann Bitter ff; Neue Straßennamen. — Kleine Chronik.

gangs- und St. Leonhardts - Brüderschaft", welche Markgraf Johann (Cicero) bestätigte. Auch sie trug gleich einer Anzahl anderer Brüder-

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October October October October October October October October October October October October October

1684. 1799. 1858. 1734. 1802. 1870. 1492. 1870. 1601. 1691. 1821. 1870. 1772.-

Antoine Watteau *

zu Valenciennes. 1848 Minister * zu Potsdam. Varnhagen von Ense P. Friedrich Eberhard von Rochow * Berlin. August Kiß * zu Paprotan bei Pleß. Einnahme von Orleans. Columbus entdeckt Amerika. Gefechte bei Breteuil und Epinal. Tycho de Brahe -ß. Die Brandenburger unter Barfus bei Großwardein. Prof. Rudolf Virchow, Pathologe, * zu Schievelbein. Belagerung von Verdun. Gründung der preußischen Seehandlung.

Gras

Dönhoff,

14. 14. 15. 15. 15. 15. 15. 15.

October October October October October October October October

1829. 1872. 1795. 1805. 1810. 1822. 1852. 1880.

16. 16. 16. 16.

October October October October

1553. 1726. 1613. 1870.

Eduard Lasker * zu Jarotschin. Albrecht, Prinz von Preußen +. König Friedrich Wilhelm IV. * Wilhelm von Kaulbach * Arolsen.

Universität zu Berlin. Friedrich Adler, Geh. Oberbaurath * zu Berlin. Friedrich Ludwig Jahn -ß. Vollendung des Domes zu Köln in Gegenwart des

Eröffnung der

Kaisers Wilhelm.

Lucas Kranach der Aeltere -f. Daniel Chodowiecki * zu Danzig. Beginn der Schlacht bei Leipzig. Kapitulation von Soifsons.

Faustrecht. Von B. W. Zell.

II.

Schloß, denn in dieser Zeit des Antichrist, da die neue Lehre des Wittenberger Mönchs die Gemüther der gläubigen Ka¬ Vom Mariendom zu Fürstenwalde schlug es tholiken rebellisch machte, hatten die kirchlichen Würdenträger eine Mahnung für die ehrsamen Bürger der Stadt, nunmehr der Bisthümer Lebus und Natzeburg häufig in wichtigen An¬ die wohlverdiente Ruhe zu suchen, denn morgen hieß es bei gelegenheiten mit ihrem bischöflichen guter Zeit sich wieder an des Tages Oberhirten zu verhandeln. Und sie kamen Arbeit und Gewerb begeben. So ver¬ stets gern nach Fürstenwalde, denn der löschten denn die Lichter allmählig, die „stolze" Bischof Georg war neben seiner hier und da durch die geschlossenen hohen geistlichen Würde ein vollendeter Fensterläden geschiinmert hatten und nur Kavalier, der seine Gäste mit hofmänselten noch sah man zu dieser Stunde eine mensch¬ Stadtwächtern nischer Liebenswürdigkeit empfing und außer den sie stets splendid bewirthete. Sein Leib¬ liche Gestalt die Straße passiren. koch verstand zu kochen, wie keiner weiter Jin bischöflichen Palast aber am im Lande, und seine Weine lobte selbst Kirchplatz oben schien man es mit der der Kurfürst, wenn er, was oft genug Nachtruhe nicht gar so eilig zu haben, geschah, bei seinem Freunde und Rathdenn im zweiten Stockwerk des stattlichen geber, Georg von Blumenthal, zu Gebäudes strahlten noch eine ganze Reihe hellerleuchteter Fenster in die Nacht Gast war. Auch heut, am 3. December 1527, hinaus. Bischof Georg von Blumen¬ thal liebte es, nach der Abendmahlzeit war Besuch angekommen, und zwar der hochwürdige Abt von Chorin mit einem noch einige Stunden im anregenden Gespräch zu verbringen und pflegte da¬ Geleit von Klosterbrüdern. Die letzteren her fast täglich um diese Zeit die Dom¬ saßen nun nüt Vicarien und anderen herren und alle übrigen zum Domkapitel Geistlichen niederen Ranges nach auf¬ gehörigen Geistlichen um sich zu ver¬ gehobener Abendtafel in einem Seiten¬ Trcff'Lube aus einem Larlenfpicl sammeln. Ost war auch Besuch im gemach bei ihren Weinkrügen und erFriedrich Wilhelms 11.

Neun —

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18 zählten allerlei lustige Klostcrschnurren, während nebenan im großen Saal Bischof Georg mit feinem Gaste, seinem Bruder Matthias von Blumenthal und den Domherren im lebhaften Gespräch weilte-

„Ihr

habt doch den Befehl an den Amtshauptmann durch einen besonderen Boten übersandt, Redorfer?" fragte jetzt der Bischof einen der Domherren, und dieser bejahte sofort lebhaft, dabei hinzusetzend: „Wie dürft' ich in so wichtiger Sache säumig sein, Eminenz. Abgesehen

von

Storkvtv

davon, daß Heinrich von Queiß uns säst täglich mit seinen Qucrelcien belästigt, scheint es mir auch wirklich hohe Zeit, daß der rebellische Schäfer aufgehoben und zur strengen Ver¬

antwortung gezogen wird." „Was ist's mit dem alten Queiß auf Plössin und seinem Schäfer, Eminenz?" fragte neugierig der Abt von Chorin, und bereitwillig gab der Bischof Antwort: „Es hat da, tvie uns berichtet ward, Streitigkeiten zwischen dem Gutsherrn von Plössin und seinem Schäfer gegeben. Letzterer hatte wiederholt Schafe aus der Heerde gestohlen und wollte die ihm dafür auferlegte Strafe nicht tragen, ja, der freche Mensch soll in seiner Widersetzlichkeit soweit gegangen sein, daß er sich an der Familie seines Herrn thätlich vergriff. Darauf ist er denn, uin der gerechten Strafe zu entgehen, nach Friedensdorf geflohen, hat sich dort einen Anhang unter den Bauern zu verschaffen gewußt und ist mit diesem in Plössin räuberisch eingefallen, einen großen Theil der Heerde seines Herrn mit sich fortführend. Queiß suchte nun Hülfe und Schutz bei mir, und ich habe auch zu

nimmer zu finden ist." ''Bischof Georg schwieg, in höchster Spannung war der Abt von Chorin seinem Vortrage gefolgt„Die Mähr würde mir schier unglaublich klingen, wenn ich sie nicht aus Ew. Eminenz eigenem Munde vernähme" sagte er dann kopfschüttelnd. „Ist Zuchtlosigkeit und Rebellion bereits soweit eingeriffen in unsern Landen, daß ein Guts— in diesen! Falle ja auch Gerichtsherr, der Queiß doch von Plössin ist — seinen Knecht nicht mehr verdientermaßen strafen kann? Das wäre vor fünfzig Jahren schier unmöglich gewesen!"

Der Bischof nickte nur zustimmend vor sich hin, Wolfgang Redorfer aber rief erregt: „Kann Euch das noch wundern, hochwürdiger Vater, nach all den unerhörten Dingen, die jetzund in der Welt geschehen? Wird denn nicht die Brand¬ Empörung, der Auflehnung gegen das Höchste von Wittenberg aus hinausgeschleudert in alle Welt und wird nicht der, so sie entzündete und triumphirend hochhält, noch geschützt und gehütet von mächtigen Fürsten? Da ist's wohl kein Wunder, wenn die Sprühfunken dieser Fackel überall zünden, wo sie auf fruchtbaren Boden fallen und was von einem schandbaren Mönch nur zur Empörung gegen die heilige Kirche angestiftet ward, wird nun zur allgemeinen Empörung fackel der

Spandauer, Bernauer, Frankfurter, Oranienburger, Lands¬ berger und Rosenthaler Straße.

Die Straßennamen der Hauptstadt. Eine Schrift von Hermann Bogt.

Der langjährige Mitarbeiter des „Bär", Hermann Vogt, hat eine Studie über die Straßennamen Berlin's beendet, die er in einem durch den Verein für die Geschichte Berlin's in Publikation be¬ griffenen Hefte dein großen Publikum zugänglich mache» wird. Schon Alexander Cosmar hat 1830 eine Erklärung der meisten Namen, die bei den Straßen und Plätzen Berlin's vorkamen, herausge¬ geben, doch lagen dem Verfasser die Untersuchungen Fidicins noch nicht vor, die eine urkundliche Begründung der meisten derselben erst ermög¬ lichten. Seit jener Zeit hat sich so Vieles geändert, daß eine Wieder¬ aufnahme seines Versuches unter Benutzung der seit 50 Jahre» erschloffenen Quellen und der heute so reichlich vorhandenen Hülfsmittel eine freund¬ sehr mühsame

liche Aufnahme erwarten darf.

Die

wiederholten Malen meinem Amtshauptmann zu Storkow Befehl zugehen lassen, den Verbrecher sofort einzufangen und ihm den Prozeß zu machen. Leider ist das bis jetzt noch nicht geschehen und ich weiß nicht, ist mein Hauptmann säumig und hat sich der Rebell so gut versteckt, daß er

Straßen, so etwa sagt Vogt in der Einleitung, Stadt. Dies Wort bewahrheitet sich bei jeder ein¬ zelnen Stadt, da die Umstände, denen die Stadt ihre Entwickelung und ihre Bedeutung verdankt, sich in de» Namen der Straßen ausgeprägt finden. Auch Berlin hat, trotzdem es eigentlich bezüglich seines Wachs¬ thums und seiner heutigen Ausdehnung nach eine neue Stadt zu nennen ist, in den alten Stadttheilcn den Stempel der Ursprünglichkeit bewahrt und liefert hier bei seinen Straßennamen eine kurzgedrängte Geschichte der Stadt. Geschichte der

ist die Geschichte der

Bei der weiteren Bevölkerungszunahme, welche eine größere Aus¬ dehnung der Stadt erforderlich »rächte, wurden die Gänge neben den mit der Giebelseite der Straße zugekehrten Häusern zu sogenannten Gaten Diese erhielten ihren Namen meistens von den (Gasserr) ausgebaut. Eigenthümern der Eckhäuser und wechselten denselben auch mehrfach nach den verschiedenen Besitzern dieser Häuser.

Jdens-

später

manns-Gasse

In

diese Kategorie gehören die

Hoffmanns-Gäßlein, MauerJoachim Belings-Gäßlein; Berchcms- später

Reezen-Gasse; und

Frankens Gäßlein, dann Sieber-Gasse u. a. m. Weitere Straßenbezeichnungen gab die in den Jahren 1658—1683 angelegte Befestigung Berlin's. Dieser verdankt die Stadt die Wall-

Pankows-Gasse;

Straße, Linien-Straße, Mauer-Straße

und die Contreescarpen. DieSchieß-Gasse und Schützen-Gasse erinnern an die vor Einführung der stehenden Heere zur Vertheidigung der Stadt errichteten Schiitzengilden und die ersten, in die Stadt gelegten Soldaten, die Derfflingerschcn

Dragoner, gaben der Dragoner-Gasse ihren Namen. Ferner wurden einzelne Straßen in charakteristischer Weise nach ver¬ schiedenen Aemtern benannt, wie Bödel- oder Büttel-Gasse, Heide-

reiter-Gasfe, Hirten-Gasse, Hasenheger-Gasse, Stallschreiber-Gasse, Weinmeister-Gassc u. s. w. Von den Kirchhöfen haben Todten-Gassen ihren Namen, und die Scheunen-Gassen zeigen, daß Berlin im Mittelalter eine lebhafte Landwirthschaft betrieb.

die

„So zeigt die Fischer-Straße den Erwcrbszweig der ersten Bewohner Berlins, während spätere Straßen, wie: Schuster-Gasse,

Erst nach der Bebauung der Friedrichstadt wurden die Straßenbe¬ nennungen nach fürstlichen Personen eingeführt, und es entstanden zu

Messingschläger-Gäßchen, Roscher-Straße, Schmiede-Gasse,

dieser

und

Wilhelms-Straße, Friedrichs-Gracht

die verschiedenen Wursthvfe die weitere Entwicklung

der Gewerke

Hierzu kommen die zahlreichen Bezeichnungen nach den Kirchen und Hospitäler», sowie nach den Bischofs- und Propsthäusern, welche Benennungen im Mittelalter sehr verbreitet waren und einen Belveis für die frühere, auch heute noch vorhandene Frömmigkeit der Berliner

andeuten.

liefern. Zu gleicher Zeit erschienen die Namen der Straßen nach den¬ jenigen alten Städten und Ortschaften, nach denen die Heerwege oder Landstraßen aus Berlin führten, wie Oderberger, Stralauer,

heut geltenden Rainen der Friedrich-Straße, u. s. w. Bis zum Jahre 1813 wurden die Namen der Straßen von dem Magistrat allein bestimmt. Ain 20. Dezember 1813 erschien ein Aller¬ höchster Erlaß, nach welchem die Straßenbcnennung in den Städten Berlin, Potsdam und Charlottenburg nur auf Grund von Vorschlägen des Magistrats und Polizei-Präsidiums durch Königliche Kabinets-Ordre bestimmt werden durfte. Von dieser Zeit an wurde jeder Vorschlag zur Straßenbenennung zwischen den beiden genannten Behörden ausgetauscht

Zeit die

noch

19 gegen jedes Recht und jede Zucht.

Das ist der verderben¬

bringende Kenn, den jenes fluchwürdige Beginnen in sich selber trägt und für alle Frevelthaten, die jetzo in der Welt geschehen, sollte man immer nur den Einen, den Anstifter strafen — den Wittenberger Mönch

Martinus Luther."

Redorfer hatte sich erhoben, seine Angen flammten, als er also sprach. Jetzt, als er sich aufathmend niedergesetzt, herrschte noch einige Sekunden tiefes Schweigen unter den Anwesenden, dann aber trat der Bischof zu dem Domherrn und klopfte ihm wohlwollend auf die Schulter, dabei sprechend: „Ich wünschte wohl, Redorfer, die Schrift, welche Ihr eben jetzt gegen Luther ausarbeitet, sei so flammensprühend wie diese Eure Rede es war. Ich weiß, daß Ihr bei Eurer großen Gelehrsamkeit und der begeisterten Liebe zu unserer heiligen Kirche sicherlich nicht mit leichtem Geschütz gegen den Ketzer anfahren werdet, wird aber das geschriebene Wort die Kraft des Gesprochenen haben?" „Ich hoffe es, Eminenz", entgegnete der Domherr fest„Hat doch Luthcrus mit dem Geschriebenen so viel tausend und abertausend Seelen verführt und verketzert — warum sollte es nicht auch mir gelingen, sie zurückzuführen zur allein selig¬ machenden Kirche?"

das Zeug dazu habt Ihr," nickte der Bischof, „aber in Einem muß ich Euch doch widersprechen- Der An¬

„Ja, ja,

stifter all jenes Unheils, das jetzt in Form von allerlei Em¬ pörung und Widersetzlichkeit in der Welt herrscht, mag schon der Wittenberger Ketzer sein, den der Bannstrahl des heiligen Vaters traf. Jeder Rebell muß darum aber nicht minder und durch das Polizei-Präsidium der erforderliche Bericht an das Mini¬ sterium des Innern zum weiteren Vortrage abgegeben. Berlin hatte aber die erste Zeit wenig Bedarf an Straßen. Nicolai weist in seiner Beschreibung von Berlin vom Jahre 1786 die Anzahl von 268 Straßen

und Plätzen nach, und eine Eintheilung der Stadtbezirke — gedruckt Berlin 1825 bei SB. Dieterici — enthält im alphabetischen Verzeichniß aller Straßen, Gassen, Plätze und Märkte 274 Stück, also in dem Zeit¬ raum von 39 Jahren nur eine Zunahme von sechs Stück. Erst in neuerer Zeit, als Berlin sich mächtig vergrößerte, entstanden ganze Stadtviertel mit neuen Straßen. Um die Straßenanlagen in geordneter Weise ausführen zu können, wurde von Seiten des PolizeiPräsidiums in Verbindung mit dem Magistrat ein Bebauungsplan von dem ganzen Weichbilde Berlins und den unmittelbar anstoßenden Theilen der umliegenden Ortschaften entworfen. Der Bebauungsplan, welcher 15 Abtheilungen mit je einer Anzahl Straßen enthält, wurde durch Aller¬ höchste Kabinets-Ordre vom 26. Juli 1862 genehmigt und bildet seitdem die Grundlage der stetig fortschreitenden Bebauung Berlins. Dieser Bebauungsplan, welcher keine Gassen mehr duldete, vielmehr ein Uebermaß von breiten, schönen Straßen schuf, die nach ihrer späteren Bebauung den Glanz unseres heutigen Berlins und einen nicht genug anzuerkennenden Vorzug vor anderen großen Städten bilden, machte aber Berlin stolz. Die alten historischen Gassen wollte die Stadt los werden, und der Magistrat strebte dahin, sämmtliche Gassen zu Straßen zu erheben. Ein im Jahre 1861 aufgestelltes Verzeichniß führte in Berlin noch 47 Gassen auf, und Petitionen wegen Umwandlungen dieser Gassen gingen in dieser Zeit in großer Masse bei den zuständigen Behörden ein. Von den im Jahre 1862 vorhandenen 47 Gassen ist in Folge 'Verbreiterung, besserer Bebauung und Beseitigung nicht mehr zutreffender Bezeichnungen (wie z. B. die Scheunen-Gassen), die Hälfte verschwunden, das heutige Verzeichniß weist aber immer noch die Zahl von 23 Gassen auf, eine Zahl, welche sich wohl nicht bald vermindern dürfte. Durch die Bauthätigkeit nahm die Anzahl der Straßen so zu, daß sie heut die stattliche Zahl von 700 nachweist, welche sich in folgender Weise zusammenstellt:

519 Straßen, 56 Plätze, 23 Gassen, 7 Märkte, 24 Ufer, 9 Allem, 8 Höfe, 1 Kommunikation, 5 Graben, 6 Brücken, 3 Kirchen, 5 Wege,

Strafe für

That erleiden ohne Ansehen darauf, für dieselbe ward. Und darum sporne ich Euch noch einmal an, Redorfer, ja die Sache gegen deir Schäfer mit aller Strenge zu betreiben." „Das ist bereits geschehen, wie ich Ew. Eminenz nur wiederholen kann," versicherte der Domherr abermals. „Gerade in unserm Bisthum," stihr der Bischof fort, „muß ein strenges Exempel bei derlei Vorkominniffen statuirt werden. Es gährt in den Gemüthern, das wissen wir sehr wohl und nur strenge Zucht kann hier helfen. Was sollte auch mein allergnädigstcr Herr und Freund, der Kurfürst, sagen, wenn ich in meinen Marken die Rebellion eines gemeinen strenge

seine

daß ihm von Außen her Anregung

bäurischen Knechtes ungeahndet ließe, während er dies Ver¬ brechen

mit eiserner Hand

selbst an den Höchsten des Landes

strafte und zwar mit schimpflichem Tode? Sorgt also dafür, Redorfer, daß die heimlichen Rebellen von Storkow ihren

Freund und Verbündete»

bald weithin sichtbar am Galgen

schweben sehen."

Bischof Georg, der während dieser Rede langsam auf und nieder geschritten war, ließ sich jetzt nieder in seinen Sessel sinken und winkte einem Diener, daß er ihm den schweren silbernen Becher von Neuem fülle. Der Choriner Abt folgte seinem Beispiel und wandte sich dann wieder an den Dom¬ herrn. Das Thema vom Wittenberger Aufrührer war doch viel zu fesselnd und gewichtig, als daß man es so gar schnell wieder fallen lassen sollte. „Ihr wäret selbst in Wittenberg, Hochwürden, wie ich hörte und habt die Gräuelwirthschast daselbst mit eigenen 5 Dämme, 2 Berge, 2 Kirchhöfe,

1 Bahn, 1 Gracht, 1 Hain, 1 Gießhaus, 1 Heide, 1 Tisch, 1 Bad, 1 Mauer, 1 Krögel, 1 Linden, 1 Lust¬ garten, 1 Promenade, 1 Wasser, I Hafen, 1 Oberbaum, 1 Bahnhof, 1 Schleuse, 1 Freiheit, 1 Stechbahn, 1 Thor, 1 Urban, 1 Höhe, 1 Zeughaus, 1 Zelten und eine Straße ohne Namen (zwischen der Niederlag-Straße und dem Schinkel-Platz). Was nun die Bezeichnungen dieser Straßen anbetrifft, so sind nach Namen von Fürstlichkeiten und berühmten Personen 221, nach Städten 159, nach Ländern 14, nach Kirchen 36, nach militärischen Bezeichnungen 27 und nach Schlachten 22 benannt, während 220 Straßen verschiedene, unter vorstehende Klassen nicht zu bringende Benennungen haben und eine Straße namenlos ist. Leider ist es bis jetzt nicht gelungen, die Benennungen

der Straßen in den einzelnen neuen Stadtvierteln in ein bestimmtes System zu bringen und so bei der immer wach¬ senden Zahl die Auffindung einer Straße leicht zu machen. Verschiedme. Systeme sind

zwar angebahnt, aber nie vollendet worden.

So sollte beispielsweise die Gegend um den Kreuzberg den Befreiungs¬ kriegen, und die Straßen zwischen Schönhauser und Prenzlauer Allee dem Kriege von 1870/71 gewidmet sein. Bei beiden Vierteln aber sind andere, hierauf nicht passende Namen eingcschoben und dafür andere, aus vorer¬ wähnte Begebenheiten bezügliche Straßen an Stellen gebracht, wo sie sich unter nicht dazu gehörigen Bezeichnungen vereinsamt fühlen. Ebenso müssen Straßenbczeichnungen, wie Lichterfelder- und Lichtenberger-, Fried¬ richsfelder- und Friedrichsberger-Straße wegen ihrer häufigen Verwechs¬ lung vermieden werden." In all diesen Wünschen und Ausstellungen darf man dem Verfasser von ganzem Herzen beistimmen. Sobald das Heft abgeschlossen vorliegt, werden hier noch Beispiele solcher Namen gebracht werden, deren Her¬ leitung Vielen der Leser fremd geblieben sein dürfte und deren wahre Be¬ deutung wohl nur nach langen mühseligen Arbeiten zu ergründen war, für die man dem Verfasser H. Vogt vielen Da rk wisse » muß. Da der Preis, wie bei allen Schriften des Geschichtsvereins wohl nur ein mäßiger sein wird, dürfte das Buch in jeder Hausbibliothek ein Plätzchen finden, deren Besitzer für die Vergangenheit seiner Vaterstadt auch nur einiges Interesse empfindet.

20 hafte und steche Treiben allda, namentlich über das unver¬ Dr. Martinus, der trotz aller Gelehr¬ samkeit und Fürstensteundschaft der rohe Bauernklotz geblieben,

Augen gesehen? Kein Wunder, wenn Euch da Grimm und heiliger Zorn erfaßt, sobald Euch nur der Gedanke an den gottverfluchten Augustinermönch kommtDoch kann ich mir

schämte Gebühren des

nimmer vorstellen, daß die Gefahr für unsere allein selig¬

der er von Haus aus ist, und dies Entsetzen der Seele über¬

machende Kirche so gar groß ist, wie Ueberängstliche vermeinen

trug

wollen. Der Fels Petri steht fest für alle Zeiten und auf ihm unsere heilige Kirche — wahrlich, wie sollte so ein Mönchlein diesen Fels erschüttern?" „Das sagt Ihr so!" fuhr Wolfgang Redorfer auf. „Wenn je Einer, so glaube ich an die Kraft, die Macht, die Unfehl¬ barkeit unseres herrlichen katholischen Glaubens und dennoch sage ich Euch, dieses armselige, vom Bannstrahl getroffene Mvnchlein erschüttert seine Macht, wenn er sie auch nicht zu brechen vermag. Und steht Lutherus denn allein? Leider ist die Teufelssaat, die er gesäet, ja allzu üppig emporge¬ wuchert und hinter dein Verächter des heiligen Vaters in Rom und seiner Unfehlbarkeit stehen jetzt schon Tausende und Aber¬ tausende, vom Fürsten herab bis zum gemeinen Manne, und ob der Katho¬ lizismus diesem vereinten Anprall wider¬ stehen

wird, das

müssen

wir

i

auf den Körper. Redorfer ward stank. Sein Gast¬ geber, ohne Ahilung davon, wen er eigentlich beherberge und der Meinung, er habe es mit einem weither zugereisten AnHänger Lutheri zu thun, holte ihm denn auch dienstbefliffen einen Arzt lind zwar einen lutherischen. Dieser wiederum erwies sich als so begeistert von der neuen Lehre, daß er der sich

Ueberzeugung lebte, dieselbe helfe nicht nur gegen jeden Schaden der Seele, sondern auch den des Leibes und versuchte daher,

mit allerlei geistigen Trastätlein, die natürlich Lutherus verfaßt, zu kuriren. Versetzt Euch nun in Redorfers Lage, — krank und verlassen in einer freniden Stadt, voll heiligen Grimmes über die Ketzerei, welche er unseren guten Domherrn

überall erschauet und nun auch gezwungen, sich diese Ketzereien als Universalmittel gegen alle Uebel Leibes und der Seele vorbeten zu lassen! Mich wundert nur Eins — nämlich daß die Wuth den Domherrn nicht übermannte und er den lutherischen Arzt mit eigenen Händen erwürgte." Alles lachte über diese absichtlich ins Komische gezogene Erzählung des Bischofs, nur Redorfer nicht, der grim¬ mig sagte: „Eminenz haben gut spotten — ich hätte damals keinem Bruder in Christo, und hätte er mir Dies und Jenes ge¬ than — gewünscht, in meine Lage ver¬

erst ab¬

warten."

„Sv kleinmüthig heute, Redorfer?" fragte der Bischof fast höhnisch. „Wahr¬ lich, die ganze Ketzerei scheint mir nicht so viel des Redens werth, geschweige denn der Furcht. Bisher hielten wir es noch für überflüssig, überhaupt ernstlich gegen die Bewegring einzuschreiten, denn von wirklicher Gefahr ist noch bislang keine Rede. Wird diese vorhanden sein, setzt zu werden. so hat man einfach auch für diesen Run, ich hab's ja mit der heiligsten Jungfrau Hülfe über¬ Ketzer den Scheiterhaufen wie für Huß standen und auch die Kraft gefunden, und Andere. Uns und unsern Glauben dem lutherisch ketzerischen Arzt eine Ge¬ schützt nicht nur der auf Erden allmäch¬ genleistung zu bieten, die jetzt vollendet tige Papst, sondern auch der Kaiser und ist und in diesen Tagen an ihn abgehen das Reich und wir haben um so weniger soll. Die ganze Lutherische Sippe — zu fürchten, als — der heiligen Jung¬ Larrau-Qamr aus einem Kartenspiel so hoff' ich — wird sich an diesem frau sei Dank und Preis! — als auch Friedrich Wilhelms II. Traktätlein krank ärgern." unser allergnädigstcr Kurfürst und Herr „Wann kommt Eure Schrift aus fest im Glauben steht und in seineil Landen jedwede Ketzerei schwer ahndet." dem Druck?" fragte der Bischof hastig. „Ich kann die Zeit wollte etwas erwidern, lesen." nicht erwarten sie zu Der Domherr bezwang sich aber. „Morgen Abend, Eminenz, würde ich Proben aus diesem Er wußte, daß der stolze Bischof durchaus nicht der luthe¬ rischen Beweguilg die Bedeutung zuerkennen wollte, welche sie Traktätlein zum Besten geben können."*) in Wahrheit hatte, zum wenigsten mochte er das Anderen gegen¬ „Das freut mich zu hören. Nun aber, liebe Brüder über nicht zugeben. Auch liebte der Prälat in diesen Abendund Herren, dürste es Zeit sein, die Ruhe zu suchen. Ich will morgen gen Cölln an der Spree zuin Kurfürsten und stunden mehr heitere als ernste Gespräche, und Redorfer besann Uebermorgcn hoffe ich zurück zu niöchte zeittg aufbrechen. sich eben, ob er ilicht irgend etwas Ergötzliches zu berichten sein, wird mich begleiten. als der Bischof doch noch einmal zurück¬ Bruder Matthias habe, auf Wittenberg Und nun in Gottes Namen Gute Nacht." kam und zwar, indem er den Abt heiter fragte, ob er denn (Forts, folgt.) wiffe, was dem Redorfer Wundersames in der Ketzerstadt *) In dieser Zeit erschien Wolfgang Nedorfer's Buch gegen Luther, passirt sei? Dieser verneinte und Bischof Georg erzählte gut¬ gelaunt: „Unser getreuer Domherr und hochgelahrter Archidiakon entsetzte sich nämlich in Wittenberg dermaßen über das sünd¬

„Erznei Piichlein von den Früchten des Neven Evangelischen Lebens, Lere und nahmens zu Wittenbergk." Ein Jahr später folgte eine andere Schrift: „Bon der H. Gemeine Christi. Kirche zwölf Bogen stark:

j

c. die Lutherische Ketzerey."

21

Ins

-er Colonie frangaise.

Bilder und Charaktere von E.

II. Unerschöpflich wie die Phantasie der Männer war auch die

der Frauen in der Wahl von Verkleidungen.

Wir

müssen es hier

voranschicken: sie bewiesen den edelsten Heldenmuth; bei

ihnen

offenbarte der religiöse Glaube am schönsten seine wundersam stär¬

In

Macht, seine zu jedem Opfer begeisternde Wirkung. großer Anzahl erblickte man Frauen aus den höchsten Ständen, — Frauen oft im Alter von 60 bis 70 Jahren und junge kende

Mädchen, welche früher kaum einen Fuß auf die bloße Erde gesetzt hatten, in einer Kleidung, die wahrhaftig nicht zum Reisen ein¬ gerichtet war, und auf den schlimmsten Wegen inmitten von Wäl¬ dern und Sümpfen auf Märschen von achtzig bis hundert Stunden. Viele Damen entstellten sich das Gesicht und suchten ihre Schönheit

bis auf die letzte Spur zu vertilgen. Junge Mädchen von edelstem Geschlechte vertrauten ihre Ehre den wilden Söhnen des Gebirges, den gesetzlosen Flüchtlingen und den Aus¬ gestoßenen der Gesellschaft an; — sie fanden

de

Talangc.

Wohl war

ist es schön, daß auch

in schlimmer Zeit, denn eine

Periode der Raubkriege Ludwigs XIV. vorzugs¬ weise, sich immer und immer wieder Ereignisse vorfinden, welche das menschliche Herz ehren. Zu ihnen gehört der Empfang der Rösugivs in Deutschland, speziell in Kurbrandenburg. Freilich läßt sich derselbe nicht zu einem großartigen Geschichtsbilde zusammcnfaffen, wie nachmals der der Salzburger, denn die Fremden Vor jenen deutschen Emigranten kanicn nur in kleinen Schaaren. hatten sie indeffen viel voraus: tiefe Wunden des Glaubens, die um so mehr schmerzten, je edler und feinfühliger diese Naturen waren und die Feinheit der Empfindung. Aber sie verbargen ihr solche

diese

Elend und trugen dasselbe ohne Klage. Allein Gott Lob! viel Freunde trafen sie im Lande Branden¬ burg! Nicht ihn, den großen, unvergleichlichen Fürsten allein; — nicht die Magistrate, Edelleute und Geistlichen deutscher Nation allein, die nun mit regem Eifer für sic sorgten; — nicht sie allein, sondern auch ihres Glau¬ bens und ihrer Heimath Genossen! Ost wurden sic, wenn von den deutschen Thür¬ men die Glocken läuteten, von den lieben Klängen französischer Zunge empfangen. Denn nicht nur von einer Flucht und Auswanderung von 1686 und der späteren Jahre haben wir zu reden: schon lange, wie wir oben sagten, hatten Viele, die das Wetter aufsteigen sahen, sich des schützenden Portes vergewissert: Im Lande Branden¬ burg lebten den Refugws Blutsverwandten und Freunde auch außer dem großen ^Nach¬ kommen des großen Eolignh, Herrn Friedrich

ihnen Erbarmen, bei den Kriegern des Königs nicht. Viele wählten das Kostüm von Bäuerinnen, Händlerinnen, Mägden und Ammen. Ein Fräulein Touchard de la Chesnaye rieb sich allmorgendlich das Antlitz, das einst in blendender Weiße ge¬ bei

leuchtet hatte, mit Nesseln ein. Andere zogen fröhlich Arm in Arm mit Soldaten dahin, welche ihnen besteundete Ofsiziere mitgegeben hatten; sie ließen sich von den Vorüber¬ gehenden als Dirnen verspotten und lachten dazu, in ihrem Glauben auch die Schmach ruhig erduldend, bis sie in der stillen Nacht Wilhelm! unter heißen Thränen auf die Streu sinken Der mächtigste derselben war der Di¬ Und wenn ein protestantisches konnten. plomat Ezechiel von Spanheim. Land erreicht war, dann war der erste Seine Familie stammte aus der UnterGang allezeit der zur Kirche. Mit der pfalz. Sein Vater, Friedrich von Spanheim, Verkleidung noch setzten sich die Flüchtlinge ein gelehrter Theologe, war einst aus der unter die Kanzel, das Wort des Trostes Heimath, als hier die Horden der Spanier und der Erbauung zu vernehmen. hausten, nach Frankreich geflohen und hatte Beliebt war besonders das Bettlerge¬ Coeur-König aus einem Kartenspiel unter den Hugenotten sich die höchste Achtung wand. Viele edle Damen haben die ganze Friedrich Wilhelms ll. Die Gemeinde zu Eharcnton erworben. Zeit über von Almosen gelebt, weil sie Pastor an jenem berühmtesten ihn zum wollte entweder wirklich keine Baarschaft besaßen Frankreich erwählen, dessen Ab¬ protestantischen Gotteshause des oder Gold und Kleinodien nicht zeigen durften. Selbst vor Gewalt¬ des französischen Domes vor Kirche bild wir Berliner in der thaten schreckten einzelne Frauen nicht zurück. Ein Fräulein de la schon lange zerstört ist. Original nun uns haben, nachdem das CHLtre wurde unterwegs angehalten. Sie schoß den Bauern nieder, Lehrstuhl der Philosophie zu Genf Allein Spanheim zog den der ihrem Pferde in die Zügel gefallen war. Das Echo des Schusses wurde hier aus er nach Leyden Von dem Pastorenamte vor. brachte indeffen die Verfolger auf die Spur der kleinen Schaar, dem kleinen Hoshalte der dort in mit welcher die Dame reiste; es entspann sich ein Kampf, in welchem berufen. Wir finden ihn glänzenden Elisabeth unglücklichen „Winterkönigin", der einst so die Dame vielfache Wunden erhielt. Sie wurde gefangen genommen Stuart; wir sehen ihn aber auch Ehrengeschenke von der und verließ später leider den Glauben ihrer Ahnen. —

Friedrich Wilhelm der Große hatte in dem Potsdamer Edikte den Nefugiös drei große Sammelplätze angewiesen: das waren Frankfurt am Main, Amsterdam und Hamburg. In der erst¬

Stadt leistete der brandenburgische Resident Merian den Röfugiös unvergeßliche Dienste. Auss Umsichtigste gab er Aus¬ kunft und in vorzüglicher Weise leitete er die Auswandererzüge zurecht. Den Unbemittelten wurde auf diesen drei Plätzen eine Wegzehrung von 2 g. G. pro Tag und Person ausgezahlt, — eine Summe, die keineswegs kärglich war; denn sie entspricht 1,50 Mark von heute, und außerdem ist zu berücksichtigen, daß nun auch das Mitleid und das Erbarmen der Deutschen und Holländer für die Rsfugies Alles that. genannten

Sein Sohn von Schweden empfangen. Salmasius, trat bei und Ezechiel, ein Schüler von Heinsius den diplomatischen Pfalz in dem Kurfürsten Karl Ludwig von der Dienst ein; im Jahre 1679 weilte er als deffen Gesandter in England. Friedrich Wilhelm der Große übertrug ihm auch seine Vertretung; noch weilte kein Otto von Schwerin in London! Von 1680 bis 1689 residirte Spanheim mit wenigen Unterbrechungen in Versailles; sein Einfluß in Berlin litt unter seiner Entfernung indeffen — Gott Lob! — in keiner Weise. An beiden Höfen konnte er daher den Rvfugiö's die wichtigsten Dienste erweisen. Von 1689 ab lebte Spanheim mehrere Jahre lang in Berlin; jetzt war namentlich den gelehrten Röfugiö's eine warme

Königin

Christine

22

Im

Später wurde er Gouverneur von Pillau.

Er starb im Jahre 1632 Brandenburg gedient an Hause 1679, nachdem er von dem großen des Kur¬ hatte. Wie er in alten Tagen dem Paladine fürsten, dem gewaltigen Konrad von Burgsdorff, nahe gestanden hatte, so war er in späterer Zeit durch die Vermählungen seiner Töchter der Familie des Großkanzlers von Kreytzen, den Fink. Dohna und Schlieben nahe getreten. Er liegt zu Pillau begraben, der wackere Huguenott. Seine Ehe mit der Tecklcnburgerin Alexa Arnolde von Münster war kinderlos geblieben; seine zweite Ge¬ mahlin Anna von Santmann aber hatte ihm einen Sohn Wil¬ helm geboren. Rühmlich zeichnete sich derselbe 1695 vor Namur aus; er führte später das Regiment Krusenark und starb 1727 auf dem Erbgute der Familie, auf Didlacken im preußischen Amte

Jahre 1697 wurde er von Neuem nach Paris gesendet; er verblieb jetzt bis zum Jahre 1701 in Frankreich. Dann aber hatte er das Notificatorium der An¬ nahme der Königskrone nach England zu überbringen und behielt nun den dortigen Gesandtschastsposten bis zu seinem Tode bei. Spanhcim starb am 25. November 1710; er wurde in der Westminster-Abtci neben seiner Gemahlin Charlotte du Port bestattet. Seine Tochter, die Marquise von Moutendre, empfing von der Königin Anna das kostbare, ihrem Vater bei seiner Abberufung zugedachte Geschenk. Durch die Vermählung seiner Tochter war der Baron von Spanheim auch ein Verwandter des ursprünglich resormirten Hauses der de la Rochefoucault geworden. Unermüd¬ lich thätig, gütig, hochgebildet, steht er in der brandenburgischen Staatsgeschichte eben so hoch da wie in den Annalen der Colonie. Wenn wir die bedeutendsten Männer des Berliner Refuge in der ältesten Zeit indessen fast ausschließlich auf dem Gebiete krie¬ gerischer Thätigkeit angetroffen, so hat diese Erscheinung ihren guten Grund. Sie erklärt sich demgemäß sehr leicht: Die Fran¬ zosen, welche vor der Emigration von 1686 nach Brandenburg gekommen waren, hatten mit den Waffen ihr Glück in dem Exil Fürsprache

gewiß.

bei Hose

Fisch hausen.

begründet.

Zu

diesen

französischen Kriegern in brandenburgischen

ersten

Diensten gehören ausgezeichnete Männer. Und merkwürdig! Mit welch' liebenswürdiger Sorgfalt nahmen diese Soldaten die Flücht¬

linge auf!

Den glänzendsten derselben,

d'Espenscs, behandeln

wir besonders;

den

Grafen Beauvau wir hier

die übrigen fassen

zusammen.

Eine interessante Gestalt bildet zunächst Herr Heinrich von Hallard, genannt Elliot, — späterer Geheime Kriegsrath, GeneralMajor von der Infanterie und erster Commandant aller Vesten an der Peene. Seine Familie stammt aus Schottland. Amalrich von Hallard aber, der Vater unseres Generals, hatte sich mit Katharina Fournicr von Neuville, seiner Gemahlin, zu Anfange des 17. Jahrhunderts nach Holland begeben. Katharina Fournicr war eine glühende Feindin des Katholizismus; auf ihrer Brust trug sie ein Medaillon, welches die Ermordung des Holofernes durch die schöne Judith darstellte, und derselbe Gegenstand war auch in ihrem Schlasgemache dargestellt: Holofernes aber trug die Züge des Herzogs von Guise und Judith die seines Mörders Poltrot. Unser Hallard ist in den Buch'schen Tagebüchern oft erwähnt als kühner, des Erfolges gewisser Mann; seine glänzendste That aber war wohl die Vertheidigung von Wolgast gegen Mardefeldt. Auch der Uebergang nach Rügen brachte ihm im Jahre 1678 reiche Lorbeeren; er befehligte bei demselben den linken Flügel der Brandenburger. Später saß er still auf seinen Schlössern Stargardt und Lassahn. In erster Ehe war er mit einer Freifrau von der Osten, geborenen von Dewitz, der letzten Erbin des gräflichen Hauses Eberstein, in zweiter mit der Tochter seines alten Feindes, mit Hedwig Sophie von Mardeseldt, der Erbin des schwedischen Feldmarschalls Konrad von Mardeseldt, vermählt. Hallard hatte nur Töchter, und sein Blut fließt durch dieselben heut in den Adern der Borck und Koller. Er starb zu Plathe am 22. Dezember 1681; sein Leichnam ruht in der dortigen Gruft, und wohl noch heut ist sein Zinnsarg erhalten, welcher, wie Erman berichtet, die AhnenWappen des Generals, — sechzehn holländische und französische Schilde — auswies. Das Schloß zu Plathe aber hat er selbst mit Sgrafitto-Malereien geschmückt. Wohl zu gleicher Zeit mit Hallard im Jahre 1632, war auch der berühmte Pierre de la Cave in brandenburgische Dienste ge¬ treten, Ritter vom heiligen Michael und bald auch von St. Jo¬ hann zu Jerusalem. Er nennt sich Herr von Cave-haute in der Grafschaft Courtenav und von Madelon de Waufin. Schon 1654 kommandirtc

er

zwei

Kompagnien

brandenburgischer

Garden.

i

Und von dieser Stätte im äußersten Osten des Vaterlandes nun zu seinem fernen Westen, nach Wesel, hin! Wie dort zu Pillau erhebt sich auch hier das Denkmal eines kriegerischen Rafugiäs, — merkwürdigerweise in der katholischen Wilibrorduskirche: Eine Trophäe hängt an der Wand, und d'rum steht die Umschrift: „Heinrich, Freiherr von Briquemault, Herr von St. Loup, Sr. Kurs. Gnaden von Brandenburg General-Lieutenant von der Cavaleric, Oberst eines Regiments zu Pferde und zu Fuß, auch Gouverneur der Veste Lippstadt, ist in Gott verschieden am 16. August 1692." — Der Freiherr stammte aus hochangesehencr Familie; seine Vorfahren hatten zu den ernstesten und begeistertsten Kämpfern der Religionskriege gehört. Briquemault wurde 1681 General-Major, später General-Lieutenant. Da er der französischen Grenze nahe war, konnte er seinen Landsleuten sich besonders hülsreich erweisen und vielen Edelleuten eine Unterkunft verschaffen. Oft treffen wir ihn bei den Leichenbegängnissen der Hohenzollern als Wappenträger an. Brachte er es auch nicht so weit auf der Stufenleiter, militärischer Ehren, so hat er doch nicht minder treu gedient, der wackere Isaak du Plessis-Gouret, Herr auf La Primave und Esyander, wie auf Malsdorf und Lützow. Er starb als Obrist und Kommandant von Magdeburg im Jahre 1688. Natürlich hatte er sich der Magdeburger Resugiäs besonders angenommenSchon 1667 war er Obristlieutenant und Kommandant von

Spandau. haben hier einer merkwürdigen Sendung zu gedenken, sür welche Friedrich Wilhelm der Große gerade den Herrn Isaak du Plessis auserwählt hatte. Der Kurfürst war zeitweilig auf die

Wir

j

!

!

Schweizer sehr unwillig zu sprechen, und das leidige „Auf die Reis' laufen" war in der That ein Unfug, der die Ehre der Schweiz aufs Aergste befleckt hat. „Wie kommt Ihr dazu, den Feinden Deutschlands, den Feinden des protestantischen Glaubens fort und fort das brauchbarste Kriegsmaterial, Eure herkulischen Söhne, zu liefern? — Laffet erst mich und Holland von der Uebermacht Frankreichs zu Boden geworfen sein; dann sehet zu, bleibet!" Das waren die Aufträge, welche Duplessis und wo

Ihr

zu überbringen hatten. Daß dieselben auf die von Frankreich erkauften Patrizier und Edelherren der Schweiz keine Wirkung hatten, versteht sich von

Graf Friedrich von Dohna den Eidgenoffen

selbst. -

Die letzte That des alten Duplessis war die Einnahme der Moritzburg bei Halle und des Schlaffes Mansfeld. In schönen — Tagen hatte er einst den Orden de la Gönörositö. erhalten; ehe er aber noch dem neuen Herrn, der ihm einst seine Freundschaft Du geschenkt hatte, dienen konnte, raffte ihn der Tod hinweg. übrigens hatte verdiente, Monographie wohl eine sich Plessis, der vollständig in die brandenburgischen Verhältniffe eingelebt, daß er kaum noch als ein Fremder angesehen wurde. Nicht wenig hatte dazu der Umstand beigetragen, daß er sowohl in erster wie in zweiter Ehe mit echten Brandenburgerinnen vermählt war: so

seine erste Gattin war Agnes Dorothea von Götzen; sie war ihm im Schlosse zu Kölln an der Spree angetraut worden; — seine zweite Gemahlin war Luise von Somnitz, des berühmten Lorenz Christoph von Somnitz Tochter. Wir übergehen eine Menge niederer Offiziere, welche bereits vor 1685 in dem Heere des großen Kurfürsten dienten, die Chauvet, dn Chesnoi, Dollö u. s. w. Erwähnt aber muß er werden, der energische und kühne Heinrich von Montgommcry, welcher cs wagte, in Warschau selbst den Handstreich auf Christian Ludwig von Kalk¬ stein auszuführen. Es war eine überkecke That; aber sie gelang. In Teppiche und Decken eingehüllt, wurde der gefesselte Nerräther, in welchem die Traditionen der „Eidechsen-Gesellschast" noch ein¬ mal lebendig geworden waren, zu Wagen fortgeschafft und nach Memel geführt, wo er enthauptet wurde. Der polnische Hof hatte Montgommery's That sich nicht träumen laffen; die Verletzung des

Völkerrechts war indessen eine so unbestreitbare, daß der kühne Parteigänger sich eine Zeit lang unter falschem Namen verborgen halten mußte. Unter den Männern aber, welche ihren Glaubensgenossen von Berlin aus berichten konnten, daß hier ein großmüthiger Fürst lebe, der den reformirten Glauben mit aller Macht zu schützen

wir

endlich noch den Orangeois Philipp von Chicze Jahre 1660 trat er aus schwedischen in brandenburgischc Dienste über. Seine Neigung trieb den späteren Obersten und General-Quartiermeister allerdings mehr an das Reißbrett und auf die Baustätte, als auf das Feld der Waffen. Heut freilich ist wenig mehr von seinen Werken vorhanden. Denn umgebaut sind die Schlöffer zu Potsdam und Kaput, umgebaut ist der alte Pack¬ hof und die alte Münze. Auch der Springbrunnen und die Häuser, welche er auf dem Werder zu Berlin angelegt hatte, sind im Laufe der Zeit verschwunden; ebenso seine Werke zu Cüstrin, Stargardt und Colberg. Nur in dem Namen der Berliner Kutschen lebt der

bereit sei, haben

zu nennen.

Im

alte Architekt und Mathematikus noch fort.

Nicolai erzählt: „Als

er von dem Kurfürsten in Geschäften nach Frankreich geschickt wurde, ließ er sich nach eigener Erfindung zu dieser Reise einen besonderen

Da nun diese wurde sie bald allgemein, und gab inan solcher Art Kutschen die Benennung „Berliner". Wichtiger dünkt uns allerdings der Antheil Chieze's an der Her¬ stellung des Friedrich Wilhelms-Kanals, tvelchen Michael Matthias Smids dann zu Ende führte. Seiner Glaubensgenossen Helle, frohe Schaarcn hat Philipp von Chieze freilich in Berlin nicht mehr zweisitzigen, in Riemen Hangenden Wagen bauen.

Erfindung in Frankreich Beifall fand,

so

begrüßen können; aber sein Beispiel hatte sie auf ein lohnendes Feld großartiger Thätigkeit hingewiesen, in welchem die Cayart und Gontard dann ihre Lorbeeren ernteten. Ein Diplomat, ein Baumeister und viele, viele Offiziere! Sie Alle hatten ihr Glück gefunden in den Staaten des großen Kur¬ fürsten. Aber wir verstehen nun, warum die Männer, deren Flucht aus Frankreich wir oben geschildert haben, sich, soweit sie den höheren Ständen angehörten, fast ausschließlich dem Wafsenhandwerke zuwendeten.

Ja, es waren furchtbare Tage gewesen, die des Scheidens vom Vaterlande! Aber nun erstarkte Leib und Seele, und das kriegerische Blut der Ahnen, der alte, waffenfrohe Huguenottengeist, sie regten sich wieder. Die Röfugiö's niederer Geburt haben unser Handwerk neu befruchtet; die Edelleute haben fast durchweg in den Waffen sich ausgezeichnet. Der Kunst, der Wissenschaft wendeten die Röfugiö's nur in einzelnen Ausnahmefällen zu. Was sie Bestes dem neuen Vaterlande geleistet haben, — das vollzog sich

sich

entweder aus dem Schlachtfelde oder daheim in der Werkstatt, — im brausenden Kampfe oder in lieber, stiller Arbeit. Der letzteren nachzugehen ist schwer. Auch der diplomatische Dienst hat unsere Gäste, unsere Mitbürger oft an sich gezogen.

Daraus erklärt

sich

die Eigenart der später folgenden Einzelbilder.

ÄUe Berliner Originale. Von Ferdinand Meyer.

Mit

eilt die Zeit im Niedergänge unseres Jahrhunderts mit ihren koloffalen Fortschritten und Erfindungen von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, daß vierzig oder fünfzig Jahre rück¬ wärts uns eine graue Vergangenheit dünken, deren Erschei¬ Riesenschritten

nungen und ehedem staunenswerthe Neuerungen längst zu einer Antiquität geworden sind.

Wenige „echte" Berliner kennen sie noch, die „kaltverständige Hauptstade des deutschen Nordens", in welcher alte Leute starben, ohne jemals die Bannmeile überschritten zu haben; denen die Vaterstadt ihre Welt war, außer der nichts Anderes existirte, — deren ruhige Straßen das Ideal der Nachtwächter und Gensdarmen ausmachten, höchstens einmal vom satirischen „Nachwuchs" durch¬

lärmt, welcher mit den Hökerfrauen im steten Konflikt lebte oder eines der „alten Originale" zur Zielscheibe seines Spottes sich erkor. Jene Originale, welche in dem Leben und Treiben der auf¬ gestiegenen Kaiserstadt unmöglich geworden sind, wollen wir nun aus frühester Jugenderinnerung zu scizziren versuchen.

I. Muster, der Geiger. Unzertrennlich von dem Alltagsleben der Residenz war vor etwa fünf Decennien eine allbekannte Gestalt, welche bei Sonnengluth und Eiseskälte im grauen Flauschrock, die Geige unterm Arm, von Hof zu Hof zog.

Muster, mit

einem außergewöhnlichen Talent begabt und

für das Schöne und Erhabene, ent¬ zauberte seinem Instrument Töne so lieblich-mild einschmeichelnd, wie sie nur der Tiefe eines reinen, treuen Gemüthes entspringen; und dann wieder so mächtig und wehklagend, die Seele vor Wonne einem empfänglichen Gemüth

Es waren bezaubernde Klänge seinem Instrument entlockte. Gewiß war auch unser Muster berufen, am Himmel der Kunst als ein Stern erster Größe zu glänzen, hätte er den Willen und die Lust besessen, sich bis zu dieser Höhe zu erheben. Aber er, der trunkene, vagabondirende „Biersiedler", fühlte sich nur wohl in dem Schlamme, den er zu seinem Lebenselcment erkoren hatte; für ihn bildeten Weißbier und Branntwein die höchsten Lebensgüter, von deren Genuß berauscht, er für den Glücklichsten der Sterblichen sich erachtete. „Was frag' ich nach Gold und Ruhm, hab' ich nur zu essen! Was kümmert mich die ganze Welt, kann ich nur tüchtig trinken", das war die Parole dieses verkommenen Genie-Originals. und Wehmuth erbeben machend. der Himmclswelt, wie sie später

Paganini

Man erzählte, daß Muster in einem solchen Zustande geistiger sich in einer Tabagie verpflichtet hatte, die ihm von

Zerstörtheit

einem Gaste überreichten Strophen eines herrlichen Minnelicdes,

um den Preis eines „großen Kümmels", sofort in Musik zu setzen. Und wirklich komponirte er auf der Tischplatte mit einem Stück Kreide eine ungemein zarte und liebliche Melodie, die er dann auf der Geige vortrug. In echt Callot-Hoffmann'scher Manier, indem er zu den süßen Liebesworten des Gedichtes die tief ergreifenden Klänge der Weber'schen Composition zu Schillers „Rasch tritt der Tod den Menschen an", mit einer Tiefe des Gefühls erklingen ließ, daß die Hörer urplötzlich und mächtig davon ergriffen wurden. Dann wieder ging er im vollkommenen Verrücktsein zu den buntesten Rhythmen der Freude und des Scherzes über. Der Ruf von Musters außerordentlicher Virtuosität war bis in die höchsten musikalischen Kreise gedrungen; selbst Spontini

24 haltend, stürzte er aus dem königlichen Vorzimmer, in raschen Sätzen die Treppen hinab und durch die angrenzenden Straßen, so daß der nacheilende Kammerdiener ihn bald aus dem Gesicht

„Bierfiedler" wiederholt aufgesucht und seinen Tönen ge¬ lauscht haben. Ja, auf den Nortrag dieses Meisters entschloß sich selbst König Friedrich Wilhelm der Dritte, den vagabondirenden Virtuosen zu einem kleinen Concert nach seinem Palais zu be¬ scheiden. So wurde Muster denn gehörig ausstaffirt, um mit An¬ stand erscheinen zu können. Mit Spontini im Vorzimmer des Monarchen angelangt, trat der Maestro zuerst in das Kabinet und ließ seinen Begleiter mit dem Kammerdiener allein. Nun ereignete soll den

verlor. Seitdem ließ der General-Musikdirector den Unverbesserlichen vollständig fallen. So ging denn ein herrliches Talent im Pfuhle schnöder Leiden¬ schaft, in dem Dunstkreise, der ihm für seine Vegetation am besten behagte, zu Grunde. Nicht selten während der letzten Jahre seines Lebens ohne bestimmtes Obdach, fand man ihn — wie die Zeitungen um die Mitte der dreißiger Jahre berichteten — eines Morgens todt auf einem Heuboden in der Mühlenstraße. Neben ihm lag

Unser Musikheld fühlte plötzlich sich eine höchst ergötzliche Scene. von der reinen Aetherluft, die ihn hier umwehte, die Brust beengt; vielleicht auch — wer mag's wissen! — von der Furcht, dem Könige gegenüber die erforderlichen Höflichkeitssvrmen zu beobachten. Genug, seine Geige und die Schöße des Fracks fest unter dem linken Arm

seine

Geige.zerbrochen.

Der fürstliche Vetter in Schwedt. Historische Novelle von

langsam auf, die thränenüberströmten Augen fest auf die Ge¬ bieterin geheftet. Gemessenen Schrittes ging diese zur Thür, dieselbe fest in's Schloß zu ziehen und die schweren Vorhänge

Entschlossen sprang sic aus und machte sich auf den Weg

17-

zur Markgräfin. Der strengen Etiquette im Verkehr mit der¬ selben überhoben, hatte sie früher ungehindert die Vorzimnier durchschreiten dürfen; aber heute trat die dienstthuende Kammerfrau ihr entgegen: „Ihre Hoheit haben befohlen, Niemand zu

ihr

niederzulassen.

„„Was wir mit

einander zu reden Habei,, ist für kein Sie mir: wenn jene Ernennung, die Sie so unwillig von sich geworfen, meine Zu¬ stimmung nicht hätte, was dann?" „Hoheit, meines Bleibens wäre keine Stunde länger im anderes Ohr bestimmt! Nun antworten

zu lasten."

„Aber bestimmt

ich

mich

muß

Ihre Hoheit

für deit

sprechen; dieses Schreiben

besonderen

Dienst der gnädigsten

Frau."

Schlosse! Mein Entschluß ist gefaßt."

Ein tiefer Knix war die Antwort der Kammerfrau, aber sie zögerte immer noch. „Möchte eine andere Stunde nicht vielleicht rathsamer sein?" flüsterte sie; „Ihre Hoheit wollen allein sein." „Gehen Sie immerhin, mich zu melden. Es ist vielleicht

für lange die gestört mit

einzige Gelegenheit, die

Ihrer Hoheit

„Genau wie der meine," entgegnete die Fürstin, das Auge unwillkürlich über die im Zimmer umhergestrenten Sachen streifen lassend.

„Nur

Ihre

mir werden mag, un¬

zu sprechen."

Endlich gehorsamte die Frau, und Mignon

ehe ich

weisen

Jetzt hätte

sic mich beglückt,

Huld; ohne

dieselbe

ist

sie

Dekret zur Erde schleudernd,

sie

nie erstrebt, nie erbeten.

die

Gewänder der

Markgräfin umklammernd: „Nur erbitten: sagen Hoheit mir mit einem Worte, wodurch ich Ihre Gnade verscherzt habe!" In den Zügen der Markgräfin spiegelte sich der Wett¬ streit der Gefühle; der verletzte Stolz der Fürstin lag mit der alten Zuneigung zu dem liebreizenden Geschöpfe vor ihr in eine letzte Gunst habe ich

zu

j

!

hartem Kampfe. Endlich sagte sie, das Auge fest auf den Ring an Mignons Hand geheftet: „Stehen Sie auf, Fräulein von Grumkowska! Sie sind als Fragende zu mir gekommen;

Grage steht allein mir zu." „Fragen Euer Hoheit, — ich will Ihnen antworten, als stände ich vor Gott!" Das junge Mädchen richtete sich

ich glaube, das Recht der

ich weiß es; schonen

Sie mich

..."

„Daß

als ein Zeichen wiederkehrender werthlvs für mich!" Und das flehte sie,

... Ich will

ohnehin

Sie mich nicht ungehört von Sich!

Ernennung, — ich habe

keine Verletzung

nicht fragen, woher Sie jenen Ring haben, den Sie seit jener Nacht an Ihrem Finger tragen; ich weiß

die sich vergeblich mühte, ihren Platz zu verlassen. „O, gehen Sie nicht, Hoheit! Im Andenken an verflossene diese

erträgt . . . Darum, mich entscheide, eine weitere Frage, so schwer sie mir

Frau

wird. Sie werden ehrlich sein, nicht

an meinen Gemahl!" Da konnte sich das erregte Mädchen nicht länger halten. „Hoheit, nicht von Dero Gemahl, von meiner Herrin erbitte ich jede Gunst!" ries sie und lag zu Füßen der Markgräfin,

gute Stunden

das nicht, Hoheit!" rief Mignon. „Hoheit werden Kinder, Ihren Gemahl nicht wieder verlassen wollen!" „Verlassen müssen vielleicht! Es giebt einen Punkt, in

dem die Ehre der

hörte ihre Meldung durch die angelehnte Thür; aber hart ablehnend lautete die Antwort: „Ich habe mit Fräulein von Grumkowska nichts mehr zu sprechen; verweisen Sie dieselbe in allen Stücken

Hier

W. Weyergang.

i

!

j

ich die.

Antwort verweigern würde! Der Ring ist

mir ein liebes Andenken; es sei Euer Hoheit genug, daß ich ihn in Ehren tragen darf/" Die Stirn der Markgräfin hatte sich bei dem festen Tone „Nun denn," sagte sie, des jungen Mädchens tiefer gefurcht. „meine letzte Frage: haben Sie nach jener unglücklichen Nacht eine fernere Zusammenkunft mit meinem Gemahl gehabt? Mßverstehen Sie mich nicht! Das Wildenbrucher Pfarrmütterlein hat, ohne meinen nagenden Zweifel zu kennen, mir an¬ gedeutet, daß in jener Nacht nur edle Absichten Sie zu meinem Gemahl geführt haben, — mag sein; ich will es glauben. Aber wie verhält es sich mit dieser Ihrer Er¬ nennung? Die Vakanz mußte eigens für Sie geschaffen werden." „Ich wiederhole, ich habe sie weder gewünscht, noch er¬ strebt; ich würde dafür nicht einmal Dank wissen." Die Markgräfin lächelte schmerzlich.

„Es scheint, Mignon, daß ich Ihnen Unrecht gethan, verleitet durch Andeutungen, die durch den Neid eingegeben worden. . . Mit meinem Gemahl also trafen Sie seither nicht wieder allein zusammen?"

25

Mignon hatte die langen Wimpern tief gesenkt; sie kämpfte, Antwort sie geben sollte. Die rückkehrende Gunst der Markgräfin war für sie ein zu kostbares Geschenk, als daß sie

reuen möge, das treueste Herz, das je

es leicht hätte

„Sie

opfern mögen.

erst heute,

in frühester Morgenstunde, traf

Die Markgräfin erhob

..."

sich

ich

stolz, mit unwilligem Blicke

vielleicht auch dort ihr nicht glauben. Die Gedanken wirbelten in toller Flucht durcheinander: der Sonnenschein that ihr weh! Wieder dachte sie des verwirrten Mädchens und der

das junge Mädchen messend.

„Es genügt, Fräulein von Grumkowska!" Und mit ächtlicher Handbewegung winkte sie Mignon, zu gehen.

ver¬

j

..."

„Hoheit, das Resultat jener Unterhaltung „War jenes Dekret," rief zornig die Fürstin, „und die Unterredung, die heute mein Gemahl mit mir hatte . . .

un¬

ihrem Stübchen angekommen, raffte sie die Sachen zusammen, die ihr zunächst lagen; ein dunkles Tuch schlang sie um den Kopf und Schultern und flüchtete wie ein ver¬ folgtes Wild die schmale Hintertreppe hinab und zur Seiten¬ pforte hinaus. Wohin? Sie wußte es nicht. Zum Pfarrmütterchen, das so freundlich für sie gesprochen? Rein, nein, man würde

lichen Reden waren also keine Verleumdung?"

„Hoheit,

sie geschlagen,

In

schweigen, Fräulein von Grumkowska? Jene heim¬

Seine Hoheit im Parke, sonst

für

gerecht von sich gestoßen zu haben."

welche

alten Mutter Uhe

... Zu

ihr vielleicht? Gleichviel, wohin,

— fort, nur fort!

!

|

Äie große Granilsthatr vor dem Museum

?u

ürrtin.

(Nach einer älteren Zeichnung.)

5.

Genug, Fräulein von Grumkowska; für mich bedarf es fernerer

Aufklärung nicht!" „Hoheit, — dann habe ich nur Abschied zu nehmen! Noch heute verlasse ich das Schloß, um nimmer wiederzukehren, — es sei denn, — daß Euer Hoheit selber — mich rufen und mir Abbitte thun!" „Sie rufen? Abbitte thun? Nimmermehr! Noch bin ich Herrin und dulde keine Andere neben mir!" „Hoheit, verzeihe Ihnen Gott diesen Schiinpf!" Wie ein

dumpfer Aufschrei rangen sich aus dem gequälten Herzen des Mädchens diese Worte los. Das Gesicht in beide Hände be¬ graben, sank sie zu Boden. Als sie nach längerer Betäubung den schmerzenden Kopf wieder erhob, hatte die Markgräfin das Gemach verlassen; die alte Kammerftau stand vor ihr, den Arm um sie gelegt, sie aufzurichten. Jäh schnellte Mignon empor. „Ich gehe schon, ich bedarf der Hilfe nicht! Ihrer Herrin aber sagen Sie, daß sie nie be-

;

!

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Im Pfarrhause zu Wildenbruch weilten Mutter und Sohn still neben einander. Es war ein schwüler Abend, und doch schnurrte das Rad der fleißigeir alten Frau emsig, wie Der junge Pfarrer saß nachsinnend am Arbeitstische. sonst. Die großen Folianten und Hefte waren zurückgeschoben; er hatte für den Tag fein Pensum geistiger Arbeit beendet und Verschiedene sich ausruhend in den Sessel zurückgelehnt. Werkzeuge lagen zerstreut um ihn her, Schnitzmesser und zierliche Meißel. Von einem der Röfugiös, die in seinem Elternmildthätige Aufnahme gefunden, bis andere Wege sich ihm gebahnt, hatte er die Holzschneidekunst erlernt; manche müßige Stunde halte sie ihm gekürzt, mancher gute Gedanke war ihm gekommen, während er die Hände fleißig geregt. Die Arbeit vor ihm war zum Schmucke seiner Kirche bestimmt. Mt seltener Mühe und Ausdauer hatte'er schon, am Entwürfe geplant, da ihm nichts dem hohen Zweck zm hause

26

Maria Magdalena,

genügen schien.

Mutter des Heilandes am Fuße dieses Bildwerk war endlich unter

neben Johannes und der des

Kreuzes

stehend,



seinen Händen entstanden freudigem Schaffensdrange hatte er anfangs daran gear¬ beitet; dann war ein unruhiges Zagen über ihn gekommen und so überzeugungsvoll auch die Mutter das Werk gelobt und zu seiner Vollendung gedrängt hatte, keine der Gestalten, kein Ausdruck der Züge wollte ihm genügen. Wochenlang hatte die Arbeit dichtverhüllt im Winkel gestanden; sobald die Mutter sie berühren gewollt, hatte der Sohn ihr gewehrt,

In

Gebühren die alte Frau beängstigte. Sie kannte ihn bisher so klar und fest in seinem Wollen und wußte sich seine Stimmung nicht zu deuten. Vielleicht beunruhigten ihn die Kriegsstürme, die ihrem traulichen Heim immer näher kamen, vielleicht die Gährung, die in den um¬ liegenden Dorfsch asten, sogar im eigenen Kirchspiel herrschte. Auch in seiner Gemeinde hatte die neue Glaubenssekte Anhänger gefunden. Für den wahren Messias sich ausgebend, so daß sein seltsames

hatte der Förster Rosenfeld

durch seine Predigten die be¬ arg verwirrt mit, seinen Lehren, die sich zum Theil später in dem Mormonenthum wiedergefunden haben, im Geheimen schon viel Unheil gestiftet. Ohne Mit¬ hülfe der Behörden war indeß wenig gegen ihn auszurichten, und die markgräflichen Rentmeister lachten einfach des Schwärmers, gegen den sie als einen Beamten ihres Gebieters nicht einmal offen einzuschreiten wagten; sah doch der Markgraf den Hütern seiner Gehege und Forsten, sobald sie nur tüchtig in ihrem Amte waren, jede Absonderlichkeit nach. Gewandt und beredt, mit Geheimnißvollen geschickt sich umhüllend, von seinen An¬ hängern thatsächlich wie ein Prophet verehrt, bot der angeb¬ schränkteren Köpfe

liche Messias

in

seinem

Thun

auch der Geistlichkeit keine Hand¬

habe zu gesetzlichem Einschreiten.

Zwei Familien in der Gemeinde des Wildenbrucher Predigers halten sich offen zur Sekte Rosenfeld's bekannt, die des Schäfers Gumto und die des Garnwebers Glanz. Der Erstere, ein Mann von beschränkten Geisteskräften, war das gefügigste Werkzeug in des Propheten Hand. Es verlauteten böse Gerüchte über das Verhältniß Rosenfeld's zu den Töchtern seiner Anhänger, in die reine Nähe des Pfarrhauses hatten diese Gerüchte sich jedoch noch nicht gewagt; man verschloß hier absichtlich jeder Zuträgerei Ohr und Thür. Ungern jedoch vermißte der Pfarrer in dem Weber einen seiner eifrigsten Kirchgänger; an verständiger Mahnung hatte er es nicht fehlen lasten, jedoch umsonst; es schien als sei die mystische Bered¬ samkeit ihres Propheten auf seine Gläubigen übergegangen: auf jede Warnung hatte der Weber eine entsprechende Bibel¬ stelle zur Hand, und unverrichteter Sache mußte der junge Geistliche stets heimkehren.

Bei den verirrten Schafen seiner Herde vermuthete denn auch heute das Pfarrmütterchen des Sohnes Gedanken. Ohne das Schnurren ihres Rades zu unterbrechen oder die fleißigen Hände in den Schoß zu legen, schaute sie oftmals zu ihm hinüber. Die Gruppe zu Füßen des Kreuzes war fast voll¬ Abend gesehen, wie ihr und mit wuchtigem Hammer¬ schlage die Gestalt des Jüngers vom Bildstocke gelöst hatteendet

gewesen;

Sohn das Eisen

da

hatte

sie gestern

fest eingestemmt

Rur die beiden Marien standen noch unter dem Kreuz. Jetzt voll Unmuth den Meißel ansetzte, um auch die Gestalt der Mutter von der Gruppe zu kennen. Fast

sah sie, wie er

that es ihr wehe, denn immer hatte es ihr geschienen, als trüge die Gestalt ihre eigenen Züge. Langsam stand sie auf und legte ihre Hand auf des Sohnes Arm. Die stumme Bitte kam zu spät, aber der Pfarrer hatte sie verstanden. Er hielt den Bildstock zu der alten Frau empor, so daß vom Fenster her das Licht der untergehenden Abend¬ sonne hell aus die Figur fiel, die allein noch zurückgeblieben war; wie in Schmerz versunken, lehnte sie gesentten Hauptes am Stamme des Kreuzes. „Mutter," sagte er rauh, „sie allein gehört dorthin. Auch sie hat Vieles abzubitten; schau sie an, vielleicht erkennst Du jetzt ihre Züge, die mir vorgeschwebt haben; doch ein jugendftohes Gesicht auch in schmerzlicher Bewegung zu treffen, ist nicht so leicht." Die Frau strich liebkosend über seine Stirn; er hatte den Kopf, wie nach einem Halte suchend, an ihre Brust gelehnt, als sie hinter seinen Stuhl getreten war. „Mr ist die Aehnlichkeit wohl schon in den Sinn ge¬ kommen," sagte sie, „aber so deutlich, wie jetzt, habe ich bis¬ her die Züge nicht zu erkennen vermocht." „Ich habe auch erst gestern die letzte Hand daran gelegt; ein einziger Schnitt ändert viel." Mit einem Schlage wenigstens hast Du die Finger von den andern Gestalten getrennt." „Sie gehörten nicht mehr zusammen; ich konnte Dein gutes, liebes Gesicht neben Jener nicht sehen. Ein scharfer Schnitt, so sehr er schmerzen mag, thut oft noth." „Sohn, Sohn! sagte die Alte, schützend die Hand über die Figur ausbreitend, „auch Magdalena hat viel geliebt, und darum allein ward Vieles ihr vergeben! Uns hat Niemand zum Richter gesetzt." „Mutter, ich will nicht richten; aber daß sie dort im Schlosse bleiben kann, wo Jeder seine lose Zunge an ihr üben darf, — daß die Gunstbezeugungen des Markgrafen sie schadlos zu halten vermögen für das verlorene Vertrauen unserer gnädigsten Frau . . . Mutter, ich faffe es nicht! Ge¬ stehe nur, auch Du hast Dich in dem Mädchen geirrt." „„Welcher Mensch irrte nicht und fehlte nicht? Auch ich bin nicht frei von Schuld! Merke wohl auf: ungehört sollen wir Niemand verdammen." Sie schob einen Stuhl heran und setzte sich neben den Sohn, der verwundert zu ihr aufschaute: „Mutter, wenn ein Mensch in einem langen Leben selten gefehlt hat, so bist Du's. Was haben Deine Worte mit Jener dort zu schaffen?" „Mehr, als Du glauben magst, und mehr, als ich vielleicht verantworten kann. Entsinnst Du Dich des Abends, als ich Dich ins Schloß begleitet hatte, um unserer gnädigsten Frau unser Beileid über den Verlust ihres Knaben auszusprechen? Schon damals, Johannes, fiel mir die Entftemdung Mgnons und der Markgräfin auf. Sie dauerten mich Beide in ihrer Vereinsamung, und ich versuchte mit aller Devotion, bei unserer gnädigsten Frau zu vermitteln, aber sie wies jede Annäherung ihres einstigen Lieblings schroff zurück. Nur der ernsteste Grund konnte Anlaß zu solcher Entftemdung sein. Die Mark¬ gräfin verzehrte sich sichtlich unter doppeltem Gram; nicht nur ihr Knabe, auch die jugendftohe Gefährttn fehlte ihr; dennoch wollte sie Mignon nicht einmal sehen." „Und von dem Allen hast Du mir kein Wort gesagt, und nun, da Du es mir erzählst, ist es mir, als hätte ich es mit erlebt!"

27

„Gedachtes und Erlebtes mischt sich oft wunderbar durch¬ einander; in Deinen Befürchtungen magst Du Aehnliches durchlebt haben.

Als

ich die Gemächer der

Markgräfin ver¬

ließ, dachte ich Mignon aufzusuchen; ich hatte es nicht nöthig, sie erwartete mich schon vor der Markgräfin Thür. Ich sah das fröhliche junge Wesen schmerzlich verändert. Sie strömte über voll Unruhe über das Ergehen der geliebten Herrin und voll Schmerz, gleich einer Fremden sich von ihrer Schwelle gewiesen zu sehen."

„Ja, es trägt sich schwer, denen, die wir lieb hatten, uns nahe zu wissen und doch ihnen fernbleiben zu müfien." Der Prediger sagte es leise, wie für sich; sein Mütterchen hatte es aber dennoch gehört. „Ja, lieber Sohn, und nun — kommt meine Schuld! Ich glaubte, das Rechte zu thun; und doch, ich bin hart ge¬ wesen, härter, als ich zu verantworten mag. Sie bat um Obdach und Schutz in unserem Hause, in Deinem vielmehr,

denn Du bist hier der Herr; ich konnte sie nicht ohne Schuld glauben und — wies sie zurück-" „Mutter, das vermochtest Du? Du, die Liebe selbst? Du magst die Arme ins Verderben getrieben haben!" Abbittend aber faßte er gleich darauf beide Hände der guten Alten: „Vergieb mir Mutter! Ich wollte dir nicht wehe thun!" einem Punkte, glaub' ich, denken wir Frauen strenger als Ihr Männer," sagte sie nach einer Weile. „Wir

„In

vergeben viel, aber

wir

verzeihen nicht, wenn eine

Frau ihre

Ehre vergißt."

„Mutter, das hat

nicht gethan! Fräulein von Grumkowska war rein und gut; ist sie es nicht mehr, so tragen wir mit an ihrer Schuld. Es ist kein christliches Thun, dem Strauchelnden die stützende Hand zu entziehen, nach der er sie

Allein zu stehen in weiter Welt, so liebebedürftig und mit der verführerischen Gabe der Schönheit bedacht, — Mutter, da mag es schwer sein immer auf rechtem Wege zu bleiben. Zurückgestoßen von Allen, — ist's ein Wunder, wenn sie dem einzigen Menschen vertraute, der sich voll falscher Freundlichkeit ihr immer wieder nahte?" „Du hast Recht, mein Sohn! An uns ist es nicht, den Stein zu werfen; wir haben nur zu bitten: vergieb auch uns hascht, um die er bittet.

jung,

so

unsere

Schuld!"

Die alte Frau war aufgestanden; am Tische des Sohnes sie stehen, die Gruppe zu betrachten, an der er so lange gearbeitet hatte. „Rur in Einem hast Du nicht recht," sagte sie; „hier am Fuße des Kreuzes ist unser Aller Platz, und dort ist Raum für uns Alle." Er ergriff der Mutter Hand und drückte sie an seine Lippen. „Vergieb, wenn ich hart war!" sagte er noch einmal. Und voll demüthiger Liebe blickte er zu ihr zurück, als er dann in's Freie hinausschritt, um, wie allabendlich, seine Runde durch Dorf und Feld zu machen. (Forts, folgt.) blieb

Misrellen. Hin settencs Spiet Karten aus dem Aelihe Kriedrich Wilhelms II. (Hierzu 3 Illustrationen). Unter den verschiedenen von meinem Gro߬ vater, der unter drei Königen im hiesigen Schlosse als angesehener Hof¬ beamter gewohnt hat, (in Schneiders Geschichte der Berliner Oper wird er auch erwähnt) auf mich überkommeuen Reliquien befindet sich ein Spiel Karten Königs Friedrich Wilhelm II., das, so viel mir bekannt, — einzig in seiner Art sein dürfte. Die noch von einem hellfarbenen, vorn und hinten mit dem königlichen Adler in Gold verzierten Atlas-Etui ein¬ geschlossenen Karten, etwas kleiner als heutiges Format, zeigen sauber gestochen als Figuren die Schauspieler des damaligen Königlichen NationalTheaters in den von ihnen dargestellten Rollen, während die 4 Asse Attribute der Königlichen Macht vorzustellen scheinen. Fangen wir mit den Königen an, so finden wir: als Pique König, Peter Czar aus „den Strelitzen," mit der Unterschrift: „Hier steh ich in Eurer Mitte! Wer wagt's mich anzugreifen." (Die Strelitzen, Schau¬ spiel in vier Acten von Babo, .wurden im König!. National-Theater zuerst 4790 gespielt); als Treff König, Philipp II., König von Spanien aus „Don Carlos," mit der Unterschrift: „Wie vielen Dank bin ich Ihnen für die gegebene Nachricht schuldig." (Zuerst hier aufgeführt 1788); als Carreau König, König Lear aus „König Lear," mit der Unterschrift: „Hinweg, hinweg, ich werde wahnsinnig." (Zuerst hier aufgeführt 1789); als Coeur König, König Atali b a aus der „Sonnenjungfrau," mit der Unter¬ schrift: „Wie schwer ist es König zu sein, wenn man strafen muß." (Schauspiel in 5 Acten von Kotzebue, Musik und Chöre von Wessely, zuerst hier ausgeführt 1790); Pique Dame, Röschen aus „dm beiden Billets," mit der Unter¬ schrift: „Monsieur Schnaps, wisch er sich den Mund" (Lustspiel in 1 Act von A. Wall (Christ. Lebrecht Heynes 1786); Treff Dame, Bertha (singend) aus „Lilli oder Schönheit und Tugend," mit der Unterschrift: „Mit Geld wollt ihr uns fesseln." (Singsp. in 2 Acten nach dem Italien. Musik von Vinzenz Martin 1788); Carreau Dame, Gur ly aus „den Jndianern in England" mit der Unterschrift: „Du mußt mich heirathen." (Lustspiel in 3 Acten, 1. Aufführung 1789); Coeur Dame, Constanze (singend) aus „Belmonte und Constanze," mit der Unterschrift: „Martern aller Arten." (1. AuMhrung 1788); Pique Bube, „Schnaps" aus dem „Stammbaum," mit der Unterschrift: „Und werde Regiments-Feld¬ scher unter den Patriotm." (Bagatelle von A. Wall (Chr. Lebr. Heynes 1. Ausführung 1788); Treff Bube, „Fix" aus der „Offmen Fehde," mit der Unterschrift: „'S geht nicht, wir wollm zu Bette gehn." (Lust¬ spiel in 3 Acten nach dem Französischen von Huber, 1. Aufführung 1788); Carreau Bube, Sturmwald (singend) aus „Doctor und Apotheker" mit der Unterschrift: „Der Wein ist ein Spezificum." (Singspiel nach dem Französischen von N. v. Stephany jun., Musik von Ditto v. Dittersdorf, 1. Aufführung 1787); Coeur Bube, „Magister Niclas" aus „Betrug mit der Unterschrift: „Ja, ich höre dieses durch Aberglaube" Brausm." (Singspiel in 2 Actm von Ebert, 1. Aufführung 1789); Pique As zeigt den von Kriegs - Emblemm umgebmen Schwarzen Adler, mit der Unterschrift: „Macht und Ansehen"; Treff As einen Obelisken, an deffen Fuß ein Schwert und ein Ordm (Rosmkreuzer)

liegt, mit der Unterschrift: „Ehre und Leiden"; Carreau As auf einem Altar eine Krone mit Immergrün, mit der Unterschrift: „Ruhe und Pracht"; Coeur As aus einer Säule thront, von einer Königskrone geschmückt und einem Rosenkranz umgeben das Herz, von welchem vier Strahlenbündel ausgehen. Eine Schlange windet sich zu ihm empor. Das Schwert steckt zwischen Rosen im Boden. Daneben liegt ein Köcher mit herausgezogenem Pfeil und eine geöffnete Börse, aus dem das Gold herausgefallen. Die Unterschrift lautet: „Gutes und Böses." Es ist interessant zu verfolgen, welche Stücke sich bis heute am König!. Theater gehalten haben. Wenn ich nicht irre 3; einige sind heut ganz unbekannt. Zu denken giebt Coeur As. Die Figuren scheinen Portrait. Als Verfertiger der Bilder giebt sich auf dem Pique As „II. J. Penningh. (inv. del. et sculpsit)“ an. Jede einzelne Karte zeigt auf der Rückseite in Gold den König¬ lichen Adler. L. A.

Die Hranitschake im Lustgarten, wovon wir eine ältere Abbildung geben, ist 1827 aus der Hälfte eines der berühmten Markgrafensteine bei Fürstenwalde hergestellt worden. Durchmesser ist sieben Meter groß, das Gewicht beträgt über 1500 Zentner. Das Heraushauen aus dem rohen Felsblock, sowie der Transport derselben sind schon im Jahr¬ gang IX abgebildet und beschrieben worden.

Ihr

Auszeichnungen. Aus Görlitz werden mehrere Auszeichnungen aus Anlaß der dortigen Industrieausstellung gemeldet, wonach die goldene Medaille erhielten: die Hofgoldschmiede Leonhard & Fiegel, die Architekten Cremer & Wolffenstein, die Fabrikanten Siemens und Halste und Henry Hall Nachf., sämmtlich in Berlin, Bildhauer Paul Mayer zu Wiesenburg i. d. Mark, Zeidler & Wimmel in Bunzlau (und Berlin). — Es erhielten von Berliner Industriellen die silberne Medaille in Gruppe IV.: Jacob Landau, Ad. Altmann u. Co., in Gruppe V.: Th. Lißmann, in Gruppe VI.: H. Meyen u. Co., Paul Telge, H. Fankow, in Gruppe VIII.: Werkmeister u. Retzdorf, Berlin-Görlitz, in Gruppe XV.: Reinhold Tetzer, in Gmppe XVI.: Ferdinand Ernecke, Robert Voß, in Gruppe XVII.: Emil Lämmerhirt, W. Schönlein, in Gruppe XVIII. : W. Heiser u. Co., A. Kästner, vorm. M. Geiß, Aktien-Gesellschaft Schäfer u. Walcker, Otto Schumann, P. Hoffmann, M. Sielaff, in Gruppe XIX.: Hugo Bretsch. Die broncene Medaille: Gruppe I.: A. Moritz, in Gruppe IV.: Berliner Aktiengesellschaft für Eisengießerei und Maschinen¬ fabrik von Freund u. Co., in Gruppe VI.: O. C. Haentzschel, in Gruppe VII.: C. Bolle, in Gruppe VIII.: vr. W. Stelzer, in Gruppe X.: Leopold Schulze, Sigismund Lubszynsky, in Gruppe XIV.: Karl Schwanitz, in Gruppe XV. : Linde u. Scheurich, in Gruppe XVI.: Graffh u. Wadack, in Gruppe XVII.; Frati u. Co., Theodor Gerhardt, in Gruppe XVIII.: Keidel, C. E. Nagel und in Gruppe XXI.: R. Ganter. Anerkennungs-Diplome in Gruppe IV.: Rödelheimer, Lintz u. Eckhardt, in Gruppe VIII.: Th.' Paetow, H. Delin, in Gruppe X.: B. Tettweiler, in

I.

I.

28

XV.: Adolf Fiegel, Rudolf de Peerdt u. Co. und in XVI.: Heinrich Hanncher. Mit dem soeben erschienenen Octoberheft Deutsche Rundschau.

Gruppe Gruppe

beginnt die „Deutsche Rundschau" — herausgegeben von Dr. Jul. Rodenberg, Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin W. — ihren zwölften Jahrgang und aus dem dem Hefte beigefügten Prospect ersehen wir, daß dieser Jahrgang an Mannigfaltigkeit und Werth seines Inhalts von keinem früheren übertrosfen ist; er wird erneutes Zeugniß dafür ablegen, daß die „Deutsche Rundschau" keinen anderen Ehrgeiz kennt, als den: die besten Kreise des deutschen Publicums in bestän¬

diger geistiger Gemeinschaft zu erhalten mit den besten

deutschen Wissenschaft und Literatur! — Von in Aussicht gestellten Beiträgen erwähnen wir hier nur ganz speciell neuen großen Roman von Gottfried Keller, der an sich ein

Kräften der den den

literarisches Ereigniß ist, ferner die Aufsätze: „Aus den Denkwürdig¬ keiten eines ehemaligen braunschweigischen Ministers" (nach „Weimar in den 90er handschriftlichen Aufzeichnungen). dessen

Jahren des vorigen Jahrhunderts." (Aus dem Nachlaß eines Zeitgenossen.) „Bemerkungen über die Londoner Gesellschaft." Von einem deutsche» Diplomaten.

„Californien."

Von Professor

„Der amerikanische Roman der Gegenwart." „Taine's Darstellung der Von Professor Dr. A. Schönbach. sranzö fischen Revolution." Von Lady Blennerhasset. „Das Von Professor Dr. Hermann Grimm. Leben Raphael's." „Schicksale der homerischen Poesie." Von Professor Dr. L. FriedDr. E. Reyer.

laender. „Römisches in Deutschland." Von Professor Dr. E. Hübner. „Zur Aesthetik der Tonkunst." Von Dr. Ed. v. Hart¬ „Freiwillig-gemeinnützige Thätigkeit in Deutsch¬ mann. land." Von Dr. A. Lammers. „Ein päpstliches Conclave im 18. Jahrhundert." Von Oberbibliothekar Dr. Otto Hartwig. „Studien über Jnsectionskrankheiten." Von Prof. Dr. E. Straßburger. „Ueber die moderne Phrenologie." Von Pro¬ fessor Dr. F. Goltz rc. rc. Kleine Chronik. 18. Sept. Abreise des Kaisers von Carlsruhe nach Stuttgart; Schluß der Allgemeinen Gartenbau - Ausstellung zu Berlin; 58. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte zu Stra߬

burg; Rundschreiben des Fürsten Alexander von Bulgarien an die Großmächte, betreffend die Vereinigung von Ost-Rumelien mit Bul¬ garien. — 19. Sept. Kaiserparadc bei Ludwigsburg; Ankunft des Fürsten Bismarck in Berlin (von Varzin). — 20. Sept. Regatta des Seglerklubs Wannsee auf dein Wannsee (Wanderpreis des Prinzen Friedrich Karl für die „Germania" von Fritze-Werder); Regatta des Zeuthener Seglervereins auf dem Zeuthensee (erster Preis an die „Toni" des Herrn Tobias); Vermählung des Erbgroßberzogs Friedrich Wilhelm von Baden mit der Prinzessin Hilda von Nassau im Schlosse zu Hohen¬ burg (Baiern); Einweihung der Crain'schen höheren Töchterschule, Keith-

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straße 11. — 21. Sept. Beisetzung des Malers Prof. Carl Triebe! auf dem alten Marienkirchhofe; XII. Brandenburgischer Städtetag in Rathenow; Eröffnung des volkswirthschaftlichen Kongresses in Nürnberg; 100. Ge¬ burtstag F. G. Eiselen's. — 22. Sept. Schluß der See¬ Versuche mit dem unterirdischen Torpedoboot manöver bei Kiel;

I.

(Syst. Nordenfeldt) Adlerschießen der

ansmerbsani zn machen.

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f;

siefen an

der Marienkirche; Feier des 100. Geburtstages Friedrich der Hasenhaide; Velocipedwettfahren auf der Rennbahn in der Brückenallee. — 28. Sept. 50jähr. Jubiläum der Landrö'schen Weißbierstube. Stralauerstraße 36; Eintreffen des Prinzen Friedrich Leopold in Smyrna; Maler Paul Klette in Falkenstein am Taunus; Geh. Commerzienrarh Professor Karl Siemens y G. F. Arndt (in Harburg); Einweihung des Johanniter - Siechenhauses in GroßLichterfelde, in Gegenwart des Prinzen Albrecht. — 29. Sept. Besuch des Königs und der Königin der Belgier in BadenBaden; Achenbachfeier und Achenbach - Ausstellung in Düsseldorf, aus Anlaß des 70. Geburtsfestes von Professor Andreas Achenbach; DI. Geo¬ logenkongreß zu Berlin; 25jähriges Jubiläum des Rektors Ludwig Vorpahl an der 20. Gemcindeschule. — 30. Sept. Feier des Geburts¬ tages der Kaiserin Augusta im Schlosse zu Baden-Baden; Delegirtensitzung des Brandenburgischen Provinziallehrervereins; Ablauf der Kon¬ kurrenz für das Lutderdenkmal auf dem Neuen Markt; Pastor T homa s feiert leine 25jähriae Thätigkeit an der Nicolaikirche.

Friesen's in

f

f;

I.

Inhalt: Gedenktage. — Faustrecht, von B. W. Zell; Der fürst¬ Vetter in Schwedt, historische Novelle von W. Weyergang. — Feuilleton: Die Straßennamen der Hauptstadt, eine Schrift von Hermann Vogt. — Aus der Colonie franfaiee, Bilder und Charaktere von E. de Talange; Alte Berliner Originale von Fer¬ dinand Meyer I. — Miscellen: Ein seltenes Spiel Karten aus dem Besitze Friedrich Wilhelms II. (mit drei Abb.); Die Granitplatte im Lust¬ liche

garten (mit Abb.); Auszeichnungen; Deutsche Rundschau. —

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Nationalökonom Prof. Thun (Freiburg) ch. Wizard in Dresden — 26. Sept. Schriftsteller und Humorist Albert Hopf Einzug des neuvermählten Erbgroßherzoglichen Paares in Karlsruhe; Consul Ludwig Braunfels in Frankfurt a/M. f. — 27. Sept. Schluß der IndustrieAusstellung zu Görlitz; Abschiedspredigt des Predigers Dr. Müllen¬

fessor

enthaltend

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Mar Pflaum -f;

23. Sept. Ab¬ schieds-Feier für den Vorsitzenden des „Vereins Berliner Presse" Dr. Guido Weiß; Ankunft des Kaisers in Baden-Baden; Genremaler Karl Spitz¬ weg in München y. — 24. Sept. Anbringung einer Gedenktafel für Nachtigal in Halle, Scharrengasse 12; Besuch des Prinzen Wilhelm in Wien; Beerdigung des Rentier Carl Christoph Bergmann auf dem Jerusalemer Kirchhofe in der Belle-Alliancestraße. — 25. Sept III. Haupt¬ versammlung des preußischen Medicinalbeamtenvereins zu Berlin; Pro¬

halten zu Charlottenburg (Schützenkönig M.

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I. Jahrgang.

1

Nachdruck verboten.

Gedenktage. 17. October 1813.

Blücher wirft Stadt Leipzig

17. October 1815. 17. October 1870. 18. October 1663.

October October October October October IS. October 18. 18. 18. 18. 18.

1675. 1777. 1831. 1861. 1870. 1815.

die Franzosen bis an die Thore der

zurück.

Emanuel Geibel *

Lübeck.

Besetzung von Montdidier.

Der Große Kurfürst läßt sich in Königsberg als souveränem Herzog die Huldigung leisten. General von Schwerin erstürmt Wollin. Heinrich von Kleist * Frankfurt a./O. Kronprinz Friedrich Wilhelm *. Krönung des Königs Wilhelm in Königsberg. General von Werder nimmt Vesvul.

Friedrich Wilhelm III.

Rückkehr nach

20. 20. 20. 21. 21. 21. 22. 22.

October October October October October October October October

Gesetz

1668. 1683. 1820. 1674.

1821. 1870. 1815. 1861.

23. October 1803. 23. October 1866.

Berlin.

v.

II. VI. 70.

Sophie Charlotte, Gemahlin Friedrich 1. *. Sieg der Brandenburger bei Gran. Monarchencongreß zu Troppau. Derfflinger schlägt die Franzosen bei Zabern. Max von Forckenbeck * zu Münster. Gefecht bei Chartres; Besetzung von Malmaison. 400jähr. Regierungsjubilänm der Hohenzollern. Einzug des Königs Wilhelm und der Königin Augusta in Berlin (nach der Nrönung). Gustav Albert Lortzing * zu Berlin. Veröffentlichung des Wahlgesetzes für den Reichstag des Norddeutschen Bundes.

Faustrecht. Von B. W. Zell.

III.

hätte. Ebenso sicher schritt der späte Gast dann der Hausthür zu, die, nnverschloffen, einem kräftigen Druck auf die Klinke sofort nachgab. Ehe er aber dann, die Thür fest schließend, drinnen im nachtdunkeln Hausflur dazu kain, den Eingang zur Wohnung zu ertappen, ward von innen fast hastig die Zimmerthür geöffnet, und ein Lichtstümpfchen

Bald darauf begaben sich die Domherren, in ihre Mäntel gehüllt und von Dienern begleitet, die ihnen die kleinen Straßenlaternen vorantrugen, in ihre Wohnungen, welche ent¬ weder am Kirchplatz selbst, oder in der Pfaffengasse lagen. Nur Wolfgang Redorfer schritt, den Diener zurückwinkend, an seinem Hause vorüber und bog in die Ber¬ liner Straße ein. Fast am Ende derselben stand, etwas abgesondert von den übrigen Bürgerhäusern und von einein Gärtchen umgeben, ein winzig kleines Häuschen, das in seiner Straßenfront nur zwei Fenster und die niedrige Thür zeigte. Die Laden dieser Fenster waren zwar geschloffen, durch die runden kleinen Oeffnungen aber am oberen Ende derselben drang matter Lichtschein in die dunkle Nacht hinaus. Der Domherr mußte hier gut Bescheid wissen, denn er umschritt schnell den niedern Gartenzaun und öffnete dann seitwärts mit sicherer Hand eine kleine Thür darin, welche das Auge eines Fremden, noch dazu Mrsl Chlodwig ju Hohrntohe-Schillrngsfürst, Kaiserlicher Statthalter für Elsaß-Lothringen. in dieser Dunkelheit, nimmer erspäht

in

einem

Blechleuchter

haltend,

erschien die empor holdseligste Gestalt einer Jungfrau in dem engen Nahmen der Thür. „So spät heut — hochwürdigster Herrl Die Mutter und ich verzagten schon daran. Euch heut noch zu sehen

hoch

'

armseligen

chen

Ihr

noch ein halb Stünd¬ würdet Ihr uns nimmer verzogen,

und hättet

mehr wach gefunden haben. Doch tretet ein — 's ist ein gar kalter Abend und d'rinnen am Kachelofen ist

ein

besserer

Platz, als hier im

zugigen Hausflur."

Der Domherr, der die lieb¬ reizende Erscheinung mit seinen Blicken fast verschlungen hatte, folgte der Aufforderung und nachdem er in der Stube drinnen sich seines Mantels entledigt, reichte er der Jungfrau

zum Gruß beide Hände dar, auf die

sie sich zu ehrfurchtsvollem Kuß niederbeugen wollte. Er aber wehrte ihr, indem er die schlanke Gestalt leicht umfaßte, sie zu sich empor zog und mit seinen Lippen die reine Stirn des Mädchens berührte. „Ihr wißt ja, Margaretha, daß ich diesen demüthigen Gruß von Euch nicht liebe," sagte er dabei, die kleinen Hände noch immer in den seinen haltend. „Aber seht, die Frau

Mutter erwacht — laßt mich

In

auch sie begrüßen."

dein bequemen Lehnstuhl, der möglichst dicht an den

riesigen Kachelofen gerückt war, erhob sich jetzt die Gestalt einer Matrone, die dort fest schlummernd geruht hatte und auch jetzt noch sah,

obgleich

mit schlaftrunkenen Augen

dem Gaste entgegen

bei

seinem Anblick ein freudiges Lächeln die bleichen, kränklichen Züge überflog.

„Verzeiht, Hochwürdigster — aber ich glaube wirklich, ich habe geschlafen. Es war so still im Stübchen — Mar¬ garets, ist stets so emsig bei der Arbeit, daß sie dabei das Plaudern ganz vergißt und was soll da eine alte Frau anders thun als schlafen."

„Ihr

habt ganz Recht gethan, Frau von Schlieben," lächelte der Domherr, der Matrone freundlich die Hand zum

Gruß bietend.

„Es

spät geworden —

ist auch heut gar so aber es waren Gäste im Schloß und da konnte ich mich nicht

früh als

mit

dem Vorgeben zurückziehen, daß ich noch Und ich arbeite auch noch immer," fügte er hinzu, sich in den Stuhl setzend, den Margareth ihm eilig hingeschoben hatte, „uur nehme ich dazu die Nachtstunden. Dies stille Plauderstündchen vorher bei Euch ist mir so zum Bedürfniß geworden, daß cs mir fehlen würde, wie das täg¬ liche Brot, wenn ich es je entbehren sollte — und Ihr werdet es mir doch nicht entziehen, nicht, Frau von Schlieben?" Sein Blick flog dabei zu Margarethe hinüber, die ihn mit schüchternem Vorwurf anblickteDie Mutter aber eiferte schier erregt: „Wie mögt Ihr unserer nur so spotten, Herr Archidiakon! Wißt Ihr doch nur allzugut, daß es jedesmal eine Ehre und eine Freude für uns ist, wenn Ihr Euch herablaßt, mit uns einsamen Frauensleuten den Abend zu verplaudern. Und wie

so

sonst

zu arbeiten hätte.

wir an Euer fesselndes und lehrsames Gespräch gewöhnt sind, bewies uns just der heutige Abend — ich schlief ein und

sehr

Margareth war ganz traurig." „Ist das wahr, Jungfräulein?"

Ende März des Jahres 1829 herrscht; reges Leben in dem GastBär; alle Hände hatten vollauf zu thun mit Scheuern

hos zum schwarzen

und Ausbestern, Putzen und Arrangiren, kurzum mit allen solchen häus¬ lichen Verrichtungen, welche dem Empfange eines hohen und seltenen Gastes vorauszugehen pflegen; manche Sorgenfalte zeigte sich an der Stirn des jungen Wirthes, denn kein geringerer als der Prinz Wilhelm von Preußen, unser jetziger allgeliebter Kaiser und König, von seiner Ver¬

lobungsfeier mit der Prinzessin Augusta, Herzogin von Sachsen-Weimar aus Weimar nach Berlin zurückkehrend, ivollte im schwarzen Bär auf einen Tag und eine Stacht Quartier nehmen. Da hieß es, umsomehr auf dem Platze sein, als gerade damals der Gasthos umgebaut wurde, und das theilweise schon abgebrochene Hauptgebäude am Markte zur Unter¬ bringung von Gästen sich nicht mehr eignete; zum Glück war das Seiten¬ gebäude im Hofe fertig, und wurden denn in demselben die nöthigen Zimmer für den hohen KönigSsohn und fein kleines Gefolge, bestehend aus den Herren Generalmajor von Brause, Oberst von Lützow, Major von Gerlach und dem Hofrath Bork, eingerichtet. Am 29. März traf der Prinz hier ein und reiste den andern Morgen weiter, für jedes Mit¬ glied, des Dienstpersonals im Gasthofe einen Dukaten als Geschenk hinter*) AuS einer »»gedruckte» „Bitterfeldcr Chrom!" von Emil Ödst.

sich

röthend:

„Eure Güte hat uns eben allzusehr verwöhnt. Hoch¬ würden — aber ich habe den Abend benutzt und um so emsiger gestickt — da, seht, wie weit die bestellte Altardecke bereits vorgeschritten."

Damit entfaltete sie ein Gewebe von purpurnem Sammet, das reiche Arabesken in erhabener Gold¬ stickerei zeigte; der Domherr aber blickte gar nicht danach hin, sondern rief verweisend:

„Wie oft bat ich Euch, Margarethe, die klaren Augen nicht mit der angreifenden Abendarbeit zu verderben! Bei dieser armseligen Beleuchtung noch dazu — schier unmöglich ist's ja, auch nur die Stiche zu sehen." „Aber die Tage sind jetzt gar schmuck

soll zur

Jungfrau

so kurz und der Altar¬ heiligen Weihnacht fertig sein," sprach die

schüchtern dagegen.

„So

werde ich Euch, wenn's denn durchaus des Abends gearbeitet sein muß, morgen dicke Wachskerzen senden und davon entzündet zwei, wenn Ihr stickt," entgegnete der Dom¬

herr, nun endlich einen Blick auf die kunstvolle Arbeit werfend, die vor ihm ausgebreitet lag.

„Aber es ist wirklich herrlich, Margareth — man sollte kaum glauben, daß die kleinen zarten Händchen so Schönes vermögen! Und die Zeichnung habt Ihr auch selbst entworfen — wißt Ihr auch, theures Kind, daß Ihr eine Künstlerin seid?" Das schöne Mädchen erröthete vor Freude über dies rückhaltlos gespendete Lob, erwiderte aber dennoch in demüthiger Bescheidenheit: „Nicht mir. Hochwürden, sondern den frommen Klosterschwestern von Friedland gebührt Preis und Aner¬ kennung, denn sie lehrten mich diese Kunstfertigkeit, und die ungelenke Schülerin hat ihnen Mühe und Noth genugsam bereitet. Ich werde es ihnen aber auch danken immerdar, denn durch das Ausnützen der erworbenen Geschicklichkeit

zu

schaffen

lastend.

Das Hotel jhm Prinzen von Preußen in Sitterfeld.-)

fragte Redorfer,

über den Tisch neigend und das schöne Kind erwiderte er-

Herr Lippmann, damaliger Wirth, hatte durch seine Pünktlich¬

keit, Bescheidenheit und Aufmerksamkeit sehr bald die Gunst seines könig¬ lichen Gastes und die der begleitenden Herren erworben, hatte er doch in seinein Zartgefühl sogar den Pumpenschwengel schließen lasten, damit

ja nicht ein unnützes Geräusch verursacht würde; genug, Herr Lippmann gefiel und gütig ließen sich die Herren aus dem Gefolge mit ihm in eine Unterhaltung ein, wobei auch die Frage aufgeworfen wurde, wie der neue Gasthof, wenn er fertig sei, wohl heißen solle, worauf der Wirth sich die Gnade ausbat, denselben nach Seiner Königlichen Hoheit, dem Prinzen Wilhelm von Preußen nennen zu dürfen, und versprachen hierauf die Herren, seine Bitte gelegentlich befürworten zu wollen, nur möge er dieserhalb noch ein besonderes Bittgesuch einreichen, was auch geschah. Nicht lange darauf traf zur größten Freude unseres braven Lippmann folgendes Schreiben aus Berlin hier ein: „Seine Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm „von Preußen, Sohn Sr. Majestät wollen auf Ihren Antrag vom „29. v. M. gern gestatten, Ihren neu zu erbauenden Gasthof zum „Prinz Wilhelm von Preußen „nennen zu dürfen. Bork, Berlin, den 24. May 1829. Königlicher Hofrath und Hofstaats-Secretär des Prinzen Wilhelm von Preußen K. H. An den Gasthofs-Besitzer Herrn Lippmann zu

Bitterfeld."

31 kann ich doch jetzt die schwere Lage meiner theuern

Mutter

„Und wie gütig und menschenfreundlich dazu! Wahrlich ich müßte mich sehr täuschen, wenn Ihr mit diesem frommen Dienst gegen die Kirche nicht zugleich eine Wohlthat gegen Menschen verbindet und meiner Tochter die lohnende Arbeit zuweisen wolltet." „Euer Wohlwollen für mich macht Euch allzu scharfsinnig,

erleichtern."

„Und könntest es nimmer, Kind/ fiel diese ein, „wenn nicht unser hochwürdiger Freund und Gönner hier Dir Ge¬ legenheit gäbe. Deine Kunstfertigkeit so gut zu verwerthen. Wer von den ehrsamen Raths- und Bürgerfrauen dieser guten Stadt Fürstenwalde ließe wohl für schweres Geld kunst¬

Frau," lächelte Redorfer verbindlich. „Sagt Dankbarkeit, Hochwürden," entgegnete sie warm. „Wir können dem Himmel nicht genug danken, daß er uns

verehrte

reiche Stickereien anfertigen?

Wenn eine von ihnen einmal bei besonderer Gelegenheit eine Altarbekleidung spendet, so nimmt sie dazu Tuch aus der eigenen Werkstatt und versteigt sich Eine gar mal bis zu einer Gewandspende für die heilige Jungfrau, so läßt sie dazu Seidenstoff von Cölln kommen. Da können wir cs denn Hochwürdcn nicht genug danken, daß Sie uns die Kirchenstickereien zuwendeten, welche ja zumeist aus der bischöflichen Kaffe gezahlt werden." Dem Domherrn schien diese Anerkennung seines menschen¬ freundlichen Thuns besonders wohl zu thun, denn er nickte der Matrone vertraulich zu und sagte dann, an ihre letzten Worte anknüpfend: „Ja, Bischof Georg thut Viel, sehr Viel zur würdigen

in unserm traurigen Verlassensein einen

so gütigen, hilfsbe¬ reiten Freund und Schützer finden ließ. Als mein Eheherr selig vor drei Jahren starb und die Gläubiger uns unser kleines, schon lange gänzlich überschuldetes Gütchen nahmen, standen wir bettelarm und obdachlos da. — Ihr wißt es. Hochwürden, ja, ja — aber winkt mir nicht Schweigen, laßt mich das Altbekannte wieder einmal erzählen. Freilich ist

Baruth mein Schwäher und Margareth's rechter Ohm und als er zum Begräbniß kam, bot er uns auch großmüthig ein Unterkommen auf seinem Schloß. Leider aber hatte er zu diesem freundlichen Angebot nicht vorher die Erlaubniß seines strengen Ehegemahls eingeholt und Frau von Schlieben und ihre beiden, nach der Mutter gearteten Töchter erklärten später, sie hätten genug Unterröcke im Hause und könnten zwei weitere Weibsbilder nicht mehr gebrauchen. Da ward dann mein Herr Schwäher sehr klein¬ laut, that aber unter sothanen Umständen doch für uns, was in seinen Kräften stand und kaufte uns — seine Eheherrin mags wohl gar nicht wissen — dies Häuschen sammt dem Garten als unser Eigenthum. Da hatten wir denn nun wenigstens ein Obdach, hätten aber doch oft am Hungertuch nagen müssen, wenn Ihr, Hochwürden, nicht auf uns auf¬ merksam geworden wäret und Euch unserer so liebreich ange¬ nommen hättet. Mag's Euch die heilige Jungfrau vergelten — wir können's nimmer. „Schon gut, schon gut, Frau von Schlieben," sagte Re¬ dorfer, seine Hand freundlich zuthunlich auf die der Matrone legend, „sprecht nur nicht so viel von Dank! Mich freut's, wenn Ihr Euch einigermaßen behaglich in Eurem bescheidenen der reiche Schlieben auf

Ausschmückung des Mariendoms, das müssen ihm selbst die Feinde, deren er leider so Viele hat, bestätigen. Einige seiner Spenden sind für die Dauer von Jahrhunderten berechnet und werden der Kirche zum bleibenden Schmuck gereichen, so der kunstvolle sechsarmige Altarleuchter aus gediegenem Messing, den zu schauen Kunstkenner und gelehrte Leute von weit und

breit nach Fürstenwalde pilgern. *) Was aber diese Altardecke betrifft, an der sich Margaretha noch die schönen Augen blind sehen wird, so stiftet sie nicht unser hochwürdigster Bischof, sondern ich, sein geringer Diener, Wolfgang Redorfer geheißen.

„Wie fromm und wie großmüthig Ihr seid. Hochwürden," Jungfrau, die stattliche Gestalt des im besten Mannes¬ jahren stehenden Domherrn mit einem ehrfurchtsvollen Blick betrachtend. Frau von Schlieben aber rief lebhaft: sagte die

*)

Dieser Leuchter befindet sich noch heut im Fürstenwalder Dom, schöne Denkmal alter Kunst durch spätere Reparaturen sehr

nur hat dies gelitten.

Herr Lippmann, heute ein Greis von 9t Jahren, gedenkt noch mit freudigem Bewußtsein dieser denkwürdigen Episode; er, der seine Carriere als Hausknecht in Düben begonnen und durch rastlosen Eifer und unermüdliche Thätigkeit ein Kapital erspart hatte, um in Bitterfeld, wohin 1823 zufolge Neubaues der Halle-Wittenberg - Berliner Chausiee von Düben aus die Post und der damals schwunghafte Fuhrwerksverkehr verlegt war, den hiesigen Gasthof zum schwarzen Bär für 4500 Thaler kaufe» zu können, wird jetzt noch mit gerechtem Stolz erfüllt, wenn er der herr¬ lichen Zeiten gedenkt, wo gekrönte Häupter bei ihm zu Gaste waren. Aber auch fein hoher Gast von 1829, unser allergnädigster Kaiser und König, hat die Stadt Bitterfeld nicht vergessen, da Seine Majestät Sich auf dem Provinzial-Ständefest zu Merseburg am 9. September 1876 beim Herrn Bürgermeister Sommer nach dem früheren hiesigen Postmeister sowohl als dem Posthalter zu erkundigen geruhte, auch dabei äußerte, daß Er wiederholt durch Bitterfeld gereist sei. Das vorcitirte Schreiben endlich befindet sich originaliter unter Glas und Nahmen in der Gaststube des Hotels zum Prinzen von Preußen, und nur die ursprüngliche Firma resp. der Name dieses altrenommirten Etablissements ist nicht ganz treu auf die Jetztzeit überliefert.

Soweit die Geschichte über die Namens-Entstehung unseres ersten Hotels; da aber der damaligen Durchreise unseres Kaisers und Königs auch die feiner Braut kurz darauf folgte, so will ich zur Ergänzung auch

I!

;

darüber kurz erzählen, was ich weiß und was vielleicht noch speciell interessirt: Für den 7. Juni, den 1. Pfingstfeiertag 1829, war die Abreise der Prinzessin Augusta bestimmt und bereits Tags vorher war Prinz Wilhelm wieder in Weimar eingetroffen, um die Braut abzuholen. Nachdem die Abschiedsfeierlichkeiten in Weimar beendet, verließ der Brautzug genannte Stadt und kam am 2. Pfingstfeiertag hier an. Die Hallesche und MühlStraße, welche zu passiren waren, waren zum Empfange festlich niit Maien geschmückt, die Schützen bildeten in ersterer Straße ein Spalier; vor dem Halleschen Thore, da wo jetzt die Mittelschule und das Kaufmann Essigke'sche Haus stehen, war eine Ehrenpforte errichtet, dort stand die Geistlichkeit, Schuljugend — die Mädchen alle weiß gekleidet, u. s. w. ordnungsmäßig aufgestellt. Die Prinzessin - Braut, welche in einem 6spännigen, mit Rosen bekränzten Reisewagen fuhr, wurde von dem hiesigen Superintendenten Poyda durch eine Ansprache begrüßt, worauf die Schulerste Auguste Futtig (Frau Rentier Wilhelm Schmidt) ein seidenes Kissen überreichte und dafür mit einem Kuß von der hohen Braut beehrt wurde. Hierauf setzte sich der Zug wieder in Bewegung, und fuhr langsam die

hinaus.-

Stadt durch zum Mühlthore Die schönen Tage von 1829 sind längst vorüber, und

auch die goldene Hochzeit des Kaiser - Paares rückt immer mehr und mehr in die Ver¬ gangenheit hinaus, aber die treue und ungeheuchelte Liebe des deutschen Volkes zu Kaiser und Reich bleibt ewig jung.

Emil

Obst.

-

32

Haus fühlt und thue gern dazu, was ich vermag. Jedenfalls ist's so besser, als wenn Ihr auf Baruth das Gnadenbrot äßet, denn so wie ich dort die gnädige Frau und die Edel¬ fräulein kenne, hätten sie es Euch nicht allzusehr verzuckert, dies

Brot-" „Das will

ich

Bischof Georg nur mit einem Wort für sie beim Churfürsten verwendet, so haben wir in drei Tagen ihre Ernennung zum wohlbestallten Hofftäulein."

Die Jungfrau war dieser Rede mit Spannung gefolgt und fiel nun ängstlich ein:

wohl glauben," stinimte Frau von Schlieben

„Ach Hochwürden,

wäre schrecklich, wenn ich je zu armes thörichtes Ding da nur anfangen? Ich wüßte kaum, wie ich gehen und stehen, ge¬ schweige denn, wie ich reden, handeln sollte — nein, nein, dann schon lieber in's Kloster, so —" Sie brach plötzlich ab und schaute verwirrt vor sich nieder. Der Domherr hatte sie lächelnd beobachtet. „So ungern ich's auch thäte — gelt Margareth, das wolltet ihr doch sagen?" sagte er dann schelmisch.

bei und Margareth fügte hinzu:

Hof müßte!

„Aber besuchen könnten uns die Basen wohl gelegentlich, wenn sie in Fürstenwalde sind. Ich habe so gar keinen Um¬ gang mit Altersgenossen, daß —" „Laßt Euch das nicht leid sein, Fräulein," sprach der Domherr fast rauh dazwischen. „Was hättet Ihr auch groß, wenn Ihr hier mit einigen Bürgertöchtern verkehrtet, — sie sind doch nicht Euresgleichen und

der Umgang wäre kaum Was aber die Basen betrifft, so weiß ich wohl, weshalb sie nicht kommen — Natur hat sie eben nicht mit

und

segnet

ich

Sie schwieg verschämt. „Nun, nun, nicht so schüchtern, Kind," ermunterte

lohnend.

Schönheit

es

Was sollte

etwa, weil ich Domherr bin, würde ich Euch mit Gewalt in's

sie

mögen den Ver¬ gleich

scheuen.

Braucht nicht so heiß erröthen, — Kind das Schicksal

Kloster sperren?

Weit

sucht

Ich

eben nach einem

Ausgleich gab

Euch

die

„Wenn's aber der Herr Vater

stalt, da es Euch Reichthum und

selig so bestimmt

Güter Und versagte. wahrlich, Mar¬ irdische

hat

auch

Mutter

wünscht" — sagte sie nun, wie ergeben in es

ihr

dem

unliebsames Schicksal, aber

Tausch!" Der Dom¬ herr beugte sich bei diesen Worten zur Jungfrau und fuhr wiederholt lieb¬ kosend mit der weißen wohlgepflegten Hand über ihre zarte Wange. Sie duldete es mit gescnktein Blick, Frau von Schlie¬

„Vorläufig, Kind,

Alles nichts helfen, sie wird doch in's Kloster müssen, wie mein Gemahl selig ja auch von ihrer frühesten Kindheit an bestimmte. So ein armes Edelfräulein ist gar schlimm daran; standesgemäß kann sic nicht und unter ihrem Stande soll sie nicht heirathen, da ist sie denn im Kloster am besten aufgehoben." „Damit hat's noch Zeit," entgegnete Redorfer schnell und scharf. „Sv lange Ihr lebt, Frau von Schlieben, kann und wird Euch Margareth nicht verlassen, und später wird sich auch Rath für ihre Zukunft finden. Vielleicht kann sie dann zu Hof — ihr altadliger Name und ihr Aeußeres würde sie für eine Hofstellung sehr empfehlen. Wenn sich auf meine Bitte

Redorfer fiel ihr in's Wort: lebt Eure Mutter und sie wird

hoffentlich noch recht lange erhalten bleiben. Bis ihrem seligen Ende aber werdet Ihr sie nicht ver¬ lassen und Ihr eine treue Pflegerin, wie ich Euer Beider treuer Freund sein. Darum laßt alle trüben Gedanken fahren und betet heute zur Nachtruhe Euer Ave Maria frohen Herzens. Nun aber könntet Ihr uns noch einen Nachttrunk credenzen, liebes Kind. Mein Diener hat doch heut Euem Weinvorrath ergänzt? Nun gut — schenkt also ein und trinkt mir zu, Margaretha, und dann will ich gehen. Es ist heut später als sonst geworden." Bald darauf verließ der Domherr das kleine Haus und seine Bewohnerinnen suchten die Ruhe, mit einem Dankgebet für ihren Wohlthäter auf den Lippen. Euch

zu

ben aber sagte seufzend:

„Und wird

und

die Frau

Ihr gareth , könnet zufrieden mit

gefehlt!

selbst stimme

gar nicht für Eure Einklei¬ dung."

und

liebreizende Ge¬

sein

er-

Ihr

„Glaubt

ge¬

doch

i

!

,

(Fortsetzung folgt.)

33

Ein

Fischersttchen

in Gerlin im Jahre 1714.

Von flisniii töfftcr.

Im

einer Stange in der Länge eines Spontons.

Allgemeinen ist über das Fischerstechen in der Mark Brandenburg wenig bekannt; es fehlen die speziellen Referate darüber. In der Hauptstadt Berlin fand dieses Fest gewöhnlich alle zwei Jahre statt, und wurde als Festtag stets der 10. August gewählt. Von diesem Tage an.begann man nämlich mit bestimmten

„Zeugen" zu

gegen die Brust — wenn man sie

Am Festtage selbst, wurde die sogenannte „Narrenfreiheit" erklärt, die das „junge Fischervolk" in allen Variationen ausnutzte, d. h. den Vorübergehenden allerlei Schabernack spielte; in ausge¬ lassenster Weise sprang man in Brunnen, herzte und küßte junge Mädchen auf offener Straße u. s. w. Ausnehmend stark wurde an diesem Tage gegessen und getrunken, und waren zu diesem Behufe „Freistellen" errichtet, an welchen Wein, Bier und Branntwein, Brod, Käse, Gebackenes und Obst unentgeltlich verabreicht wurde. Eine Nachricht von 1714 sagt darüber Folgendes: Um zwei Uhr Nachmittags begann der „Zug". Demselben waren zwei Tambours und sechs Musiker an die Spitze gestellt. Dann folgte ein junger Fischer und eine junge Fischerstochter, beide in der Tracht der Spreewalds-Bewohner, Bauer und Bäuerin genannt und viele Andere des Fischergewerkes mit Mohrenmasken und Narrenkostümen angethan. Die Speere mit den Spenden fehlten selbstverständlich bei dem Zuge nicht; der Hauptspeer wurde an der Spitze vor dem Musikcorps getragen. Der Zug bewegte sich nach den Mühlen, wo die „Stecher" und „Kämpfer" vertheilt wurden, d. h. jeder seinen Kahn besteigen mußte. Das eigentliche Fest spielte auf der Spree von den Mühlen bis ungefähr zur Neuen Friedrichstraße. Ein Theil des Zuges blieb am User, während die anderen Theilnehmer mit dem Musikcorps einen großen „Leichter" bestiegen, um den „Stechenden" mit Musik zu folgen. Das Instrument, mit dem „gestochen" wurde, bestand aus

traf —

gestoßen wurde.

Wie

gewöhnlich bei solchen Festlichkeiten wurden viel Ungebührlichkeiten getrieben, weshalb dieselben auch selten ohne Unglücksfälle, Händel und Raufereien verliefen, trotzdem streng darauf geachtet

fischen.

Schon vierzehn Tage vor dem 10. August mußten die Fischer bei dem „regierenden" Bürgermeister die Erlaubniß zur Abhaltung des Fischerstechens einholen, bei welcher Gelegenheit sie cs sich nicht nehmen ließen, den „Bürgermeister" und „Rath" mit „delikaten" Fischen zu beschenken. Vom Tage der Erlaubnißertheilung an wurde das Fest mit „großem Lärm", d. h. mit Trommeln und Pfeiffen ange¬ kündigt. Zur Bestreitung der Unkosten des Festes wurde bei den Bürgern von Berlin eine Sammlung veranstaltet, zu welcher eben¬ falls die Erlaubniß eingeholt werden mußte. Gewöhnlich wurden Geldbeträge und „nützliche Sächelchen" gespendet, z. B. seidene Hals¬ tücher, silberne auch blecherne Löffel, Tabaksrollen und Tabaks¬ pfeifen. Das Geld wurde in „geschmiedeten" mit „Vorhangschloß" versicherten Büchsen „afferviret". Die Töchter, sofern sie unverheirathet waren, schenkten silberne Medaillen, deren größte den Hauptpreis ausmachte. Diese Gegenstände wurden an Speere gehangen. Als „Hauptspeer" wurde derjenige bezeichnet, der mit der größten Medaille „gezieret" war.

An dem Theil, den

der „Stecher" unter den Arm zu nehmen hatte, befand sich ein Quer¬ holz; dagegen an der Spitze eine runde Scheibe, womit der Feind

j !

'

wurde, daß diejenigen, welche gegeneinander einen Groll hegten, nicht zum Stechen gelassen wurden. Während des Stechens wurde fleißig musizirt und die Trommeln gerührt. Die kleinen Kähne fuhren nun paarweise gegeneinander und jeder Insasse ver¬ suchte seinen Gegner mit der obenbezeichneten Stange aus dem Kahn zu stechen. Hierzu wurden auch junge Mädchen gelassen, die mit „Mannesbuchsen" bekleidet sein mußten. — Natürlich sah man darauf, die Jungfrauen zuerst über Bord zu stechen, was den gewandten und kräftigen Fischern ohne Mühe gelang. Die große Medaille wurde demjenigen zuerkannt, der drei Gegner aus dem Kahn gestochen und selbst dabei „trocken" geblieben war. Später zog man eine Verloosung der großen Medaille vor, um den Raufereien Einhalt zu thun, die jedesmal bei der Vertheilung stattfanden; denn viele behaupteten, bei derselben benachtheiligt zu sein. Der Sieger sprang nach Empfang der Medaille, um zu zeigen, daß es ihm nicht auf das „Trockenblciben" ankomme, kopfüber in das Wasser, wofür er von den anwesenden „besten Gästen" beschenkt wurde. Während des Stechens wurde ein Seil über die Spree ge¬ zogen, woran drei lebende Gänse mit den Füßen gebunden wurden, so, daß die armen Thiere mit dem Kopf nach unten zu hängen kamen. Bei dem Rückzug versuchten die „Narren" vom Kahn aus die Gänseköpfe zu erfassen, und gelang dies, so hing der Be¬ treffende so lange an demselben, bis der Hals riß und er ins Wasser stürzte, da der Kahn ruhig seinen Weg nach den Mühlen zurück nahm. Demjenigen aber, dem es gelang, einen Gänsehals herunterzureißen, wurde noch an demselben Nachmittage die dazu gehörige Gans gebraten. Nachdem nun dies Alles beendet war, wurde in den Tabagien getanzt und machten es sich die Jung¬ frauen zur großen Ehre, wenn sie von einem „Nassen" zum Tanzen auserwählt wurden. Noch vor Anbruch des Abends wurde der „Zug" abermals formirt und ging er mit klingendem Spiel durch die Stadt. Vor jeder Tabagie wurde getrunken, und jetzt erst legten die naßgewordenen jungen Fischer trockene Kleider an; es dauerte der später wieder aufgenommene Tanz bis zum andern Morgen. Dann besuchte man sich gegenseitig und ging abermals, jedoch dies Mal ohne zu tanzen, in die Tabagien. Bemerkt sei noch, daß jedem „Fischerstechen" ein „Probe¬ stechen" voranging und diejenigen Fischer, welche sich durch besondere Evolutionen und Künste auf dem Wasser auszeichneten, „Hal¬ loren" genannt wurden.

Aus der Colonie frangaise. Bilder und Charaktere von E.

HI. Auf

jetzt gegen

Talangc.

armen Verurtheilten dahin, schwere Ketten um den Nacken. Einzelne dieser Folterwerkzeuge wogen Wohl an 50 Pfund. Andere Röfugiö's waren in der lästigsten Man ließ sie ferner übergroße Lage auf Wagen angekettet. Märsche machen, und wenn sie dann vor Mattigkeit nickerfielen, Das Brot, welches so trieb man sie mit Stockschlägen wieder auf. sie erhielten, war von schlechtester Beschaffenheit; ihre Peiniger wollten ja von dem Verpflegungssätze für sie noch gewinnen; man An ihrem Zielpunkte gab ihnen also kaum das Nothwendigste. angelangt, wurden sie dann in die schmutzigsten Gefängnisse gestarken Schaaren

den Hakeeren.

Immer größer wurde die Anzahl der Flüchtlinge aus Frank¬ reich. Man sah dort ein, daß es eines wirksamen Mittels be¬ durfte, um die Auswanderung endlich zu beschränken. Für ein solches sah man die

de

Verurtheilung zu den Galeeren an; sie wurde welche auf der Flucht aus

all' diejenigen ausgesprochen,

Frankreich gefangen genommen waren. Es waren tieftraurige Bilder, welche man jetzt auf allen mehr oder minder Straßen des Landes sich entrollen sah.

In

zogen die

34 worfen; — gab es deren nicht, so mußten Ställe oder auch der freie Himmel aushelscn; die Heimathlosen schliefen ohne Decken auf der bloßen Erde; sie mußten zu ruhen versuchen, ohne der Last ihrer Fesseln entledigt zu werden. Um aber ihren Schmerz, ihre geistigen Leiden zu erhöhen, wurden sie mit Dieben und Mördern zusammengeschlossen, die man bloß deshalb nicht zum Stabe vcrurthcilt hatte, weil der Staat ihre Arbeitskräfte ausnutzen wollte. Ost ließ man sie zur Qual für ihre gefangenen Glaubens¬ genossen an deren Kerkern vorüberziehen; dann wurden sie gerade vor deren Angesichtern am furchtbarsten mißhandelt. Schon im Juni 1686 waren mehr als 600 Galeerensträflinge in Marseille angekommen, und noch trafen täglich neue Verurtheilte ein. Man zählte deren gegen 4000, als die Desertionen der angeblich „Bekehrten" aus der niederen Languedoc und aus In Nismes fand allwöchentlich oder den Ecvennen begannen. wenigstens zweimal im Monate eine Gerichtssitzung statt; ohne irgend welche Rücksicht auf Alter, Rang, Gesundheitszustand der Unglücklichen verurtheilte man diejenigen zu den Galeeren, die nian aus der Flucht ertappt hatte. Wir wollen nur ein Beispiel jener furchtbaren Grausamkeiten angeben, die hier vorfielen. David von Caumont, Baron von Monteton aus dem berühmten Hause de Caumont et de la Force, wurde 1686 gerade in dem Augenblicke festgenommen, als er die Grenzen Frankreichs überschreiten wollte. Er war 75 Jahre alt. Durch Beschluß vom 5. Februar 1687 wurde er ohne Gnade aus die Galeeren gesendet. Er blieb dort bis zum Monate August, in welchem er durch die Fürsprache mächtiger Freunde seine Freiheit wieder erhielt. Als Erman 1790 den siebenten Band seines großen Werkes über das Refuge herausgab, lagen ihm Aktenstücke über Galeeren¬ sklaven vor, deren Verwandte sich in den preußischen Staaten se߬ haft gemacht hatten. Wir geben in der Uebersetzung, was er von urkundlichen Nachrichten anführt. Es lebte in Berlin eine Rösugiö'familie Breton. Verschiedene Mitglieder dieses aus Passy stammenden Geschlechtes waren auf den Galeeren gewesen. Jener ehrwürdige Greis aber, welchen die Brctons zu Berlin als das Haupt ihres Hauses betrachteten, Herr Daniel Breton, hatte sich mit einem Fräulein von Marolles ver¬ mählt. Auch in deren Familie zählte man Opfer der Galeeren, ja, ihr eigener Vater gehörte zu denselben. Es ist in Haag 1699 ein Buch „von den Leiden des seligen Ludwig von Marolles" er¬ schienen; ihm ist auch die nachfolgende Schilderung entnommen. Ludwig von Marolles, Rath des Königs und Depositen-Empsängcr in der Amtshauptmannschaft St. Menehould, war zu den Galeeren vcrurthcilt worden. Er gehörte einer- verdienten Familie von der Noblesse de robe an und hatte sich durch seine Recht¬ schaffenheit die allgemeine Achtung erworben. Man wendete alle Mittel an, um ihn von seinem Bekenntnisie abzuziehen, Ver¬ sprechungen und Drohungen. Dem Stolze und dem Eifer Bossuets hätte es geschmeichelt, wenn er auch diese Eroberung jenen andern Triumphen hätte zufügen können, welche ihm Seitens der allein¬ seligmachenden Kirche bereits so viel Lorbeer» eingetragen hatten: er wollte Herrn von Marolles sechs bis acht Monate in sein Haus aufnehmen, um an seiner Bekehrung zu arbeiten. Marolles fürchtete nun zwar die Beredtsamkeit des Bischofs nicht; aber er wollte sich der Gewalt seiner Feinde, denen jedes Mittel zusagte, nicht freiwillig überliefern; er wies daher jenes Anerbieten ab. Jetzt schloß man ihn in das Thürmchen, die Criminalkammer des Parlamentes zu Paris, ein und zwar, damit nicht Vorwürfe laut würden, unter dem Vorwände, er habe den Verstaub verloren. Man sprengte überall Gerüchte aus, welche Marolles aber warf, um den Betrug über¬ dies behaupteten. zeugend nachzuweisen, aus seinem Gefängnisse mathematische Auf¬ gaben mit deren Lösung hinaus, so daß man es wohl erkannte, wie er vollständig bei klarem Verstände war. Allein man machte

!

ihm den Prozeß, und am 20. Juli 1686 wurde er mit der Kette eines Galeerensträflings nach Süden abgeführt. Er lebte bis in's Jahr 1692 und ertrug die furchtbarsten Leiden mit unerschütterlicher Beharrlichkeit. Die Briefe, welche er während seiner Gefangen¬ schaft schrieb, sind bewundernswürdig, nicht allein durch ihre Frömmigkeit, sondern auch durch die Heiterkeit des Gemüthes, welche sie durchweht. Es folgt hier einer derselben, welchen er an seine Gattin schrieb. Er wollte ihr verbergen, was er litt, und berichtete:

für mich; man bringt mir das — Wein und Fleisch für 9 Sous den Tag. Alle Welt behandelt mich hier mit Freundlichkeit, weil man sieht, daß die Offiziere mich von Zeit zu Zeit besuchen. Jetzt will ich mir eine Matratze verfertigen; ich will Tuch kaufen und es mir

„Ich

lebe jetzt fast ganz allein

Esten von draußen,

bequem

machen.

Du

meinst vielleicht,

ich

sei

ein

recht

ver¬

Aber es ist hart, vom letzten Dienstag bis heut auf der bloßen Erde schlafen zu müssen. Wenn Du mich in meinen schönen Sträflingskleidern sehen würdest, würdest Du Dich freuen! Ich hab' ein schönes rothes Gewand, zugeschnitten wie ein Fuhrmannskittel aus dem Ardennenlande; er dient mir zugleich als Hemde und sitzt wie ein solches, denn nur vorn ist er offen. Ich habe eine schöne, rothe Mütze, zwei Kniehosen und zwei Hemden von grober Leinewand, sowie auch Tuchstrümpfe. Die Kleider, welche ich als freier Mann getragen habe, sind nicht verloren. Gefällt's dem Könige, mich zu begnadigen, so erhalte Aber das Gewicht, welches ich am Fuße trage, ich sie wieder. schwenderischer

Haushälter!

hat, obwohl

es noch

nicht 3 Pfund wiegt, mich bei den Bewe¬

gungen mehr belästigt, als das, was Du im Thürmchen an meinem Das kam von meiner großen Magerkeit her, Halse erblickt hast. jetzt aber bin ich wieder beleibt geworden, und man legt mir das

Gewicht

!

!

j

I '

!

!

so

zurecht, daß es nicht drückt." —

Es ist ein herzzerreißender Brief, der so die Gattin trösten Herr von Marolles starb im Hospital der Galeerensträf¬ sollte. linge, nachdem er ein Jahr auf dem Schiffe und fünf Jahre in einem finsteren, ekelhaften Gefängnisse geschmachtet hatte, in welchem Von er gegen Hunger, Kälte und Blöße anzukämpfen hatte. Türkensklaven wurde er auf dem türkischen Kirchhofe der „Galeeren¬ stadt" begraben. Dort ist geweihte Erde in Marseille; dort ruhen zahllose der unbeugsamen Märtyrer des Protestantismus. Nicht minder grausam war das Schicksal des Parlamentsad¬ vokaten Isaak Lesöbvre, eines Freundes des Herrn de Marolles. Er war zu ChLtel-Chinon im Nivernais geboren und gehörte einer sehr angesehenen Familie an; Philosophie hatte er in Genf und das Recht in Orleans studirt. Er gab seinen Posten auf, um die Angelegenheiten der Marquise St. Andrö-Montbrun zu verwalten. Auf der Genfer Bibliothek bewahrt man einige seiner Schriften auf, Paraphrasen der Psalmen, eine metrische Uebersetzung der „Nachfolge Christi", welche er in dem Gefängnisse des Forts St. Johann zu Marseille geschrieben hat, woselbst er im Jahre 1687 eingekerkert war, Elegien und Episteln, die an König Wilhelm von England gerichtet sind. Im Alter von 37 Jahren wurde er durch das Parlament zu Besanqon auf die Galeeren gesendet; er brachte fünfzehn Jahre auf ihnen zu, bis er 1702 verstarb. Auch Elias Neau, gebürtig aus Moise in Saintonge, wurde ein Opfer der Galeeren. Er verließ Frankreich im Jahre 1679 und begab sich nach Boston, wo viele Refugiös sich niedergelaffen hatten. Im Jahre 1692 unternahm er es, ein Kauffahrteischiff, welches er befehligte, von New-Jork nach Jamaika zu führen; allein er wurde von einem Korsaren von St. Mal» eingebracht und nach Frankreich zurückgeführt. Obwohl er sein Vaterland lange vorher verkästen hatte, ehe die Verbote der Auswanderung ergangen waren, hatte man dennoch die Stirn, ihn auf die Galeeren zu schicken. Allein Lord Portland interessirte sich so lebhaft für ihn, daß er im Jahre 1697 seine Freiheit wiedererhielt. Er begab

35 der Schweiz, nach Holland und nach England, um hier überall die Herzen zu werkthätiger Hülfe für seine Leidensgenossen

sich nach

zu begeistern.

Doch gehen wir wiederum näher auf Verhältnisse ein, welche die Berliner Rösugiefamilien näher betreffen. Am 12. Juni 1699 wurde von einem Galeerensklaven zu Marseille der folgende Brief

an das französische Konsistorium zu Berlin gerichtet; das Schrift¬ stück ist in den kostbaren Akten des Refuge erhalten und lautet: „Denkt Euch nur, was wir armen Leute leiden, die wir in Ketten geschmiedet sind, deren Kopf kahl rasirt ist, der Körper ohne Hemde, die Füße bis zu den Knieen nackt, angeschlossen an eine Bank von ungeheurer Länge und Dicke! Die furchtbarste Hitze versengt uns, und vier oder fünf Wüthende schlagen unaufhörlich auf unsere nackten Körper ein, besonders dann, wenn die Kräfte

uns verlassen. Obwohl wir vor Durst verschmachten, giebt man uns nur je eine Taffe Wein und zwei Glas Wasser des Morgens und des Abends. Kurz der grausamste und langsamste Tod gleicht unsern Leiden nicht.

Wohl denen, die einen Sol oder

achtzehn

Pfennige haben, sich eine Ration halb Wasser, halb Wein zu kaufen, um die vertrocknete Zunge zu letzen." — Im Jahre 1708 sendete man aus Frankreich dem Konsistorium zu Berlin eine Liste all' derjenigen Rüsugws ein, welche seit 22 Jahren zu den Galeeren verurtheilt worden waren. Sie umfaßt beinahe 200 — darunter sehr angesehene — Namen. Die Unruhen, welche in den Cevennen ausbrachen, spornten die Folterknechte Ludwigs XIV. zu neuen Grausamkeiten an. So wurde nun auch ein Mann von höchstem Adel, dessen Familie sich in dem Bran¬ denburgischen niedergelaffen hatte, der Vicomte Francois v. Pelet, Herr zu Salgas, ein Verwandter der berlinischen Roculle's, deren Name mit goldenen Lettern in unserer Geschichte aufgezeichnet ist, ein Opfer der Galeeren. Später wurde er in einen scheußlichen Käfig geworfen. Die Königin Sophie Charlotte bat den König um Verwendung für ihn; wir wissen nicht, was aus dem Edel¬ manne geworden ist. Seine Gattin aber hatte sich nach Genf

Unser Gewährsmann, der ehrwürdige Pastor Erman, hat es in seiner Jugend oft erzählen hören, mit welcher Festigkeit des Gemüthes diese Dame ihren reichen Besitz und selbst ihre Kinder verlassen hatte, um sich die Freiheit des Gewissens zu bewahren. Ja, es war Ernst dazumal, und das Wort der Heiligen Schrift: „Wer Vater oder Mutter, — wer Weib oder Kind mehr

geflüchtet.

liebt als mich, ist mein nicht werth!" — es trat, Todesschmerzen Noch blühen bei uns sich bringend, an die Seelen heran! die Pelet's. Doch auch noch andere Familien des brandenburgischen Refuges haben den düstern Ruhm, einen Märtyrer auf die Galeeren

mit

gesendet zu haben.

Unsere Quelle nennt die folgenden:

Dubuy, Meinadier, Serres, Boyer, Melon, Garnier, Villaret, Arnal, Valette, Morin, Espaze, Guillemot, Morel, Breton, Augier, Gau, Flavart, Reboul, Sabatier, Bois de la Tour, Pelet, Patonnier, Puesch, Jauffaud und Mauru. Ein Glied der letzge¬ nannten Familie, Pierre Mauru aus Lisy en Brie, ist mit dem Manne zusammengefesselt gewesen, dessen Leiden wir oben erzählt haben, mit Isaak Lefäbvre aus Paris. Garnier, Villaret, Valette, Guillemot, Morel, Sabatier, Pusch, — noch heut begegnen uns diese Namen in der Residenz! An der Dorotheenstädtischen Kirche aber befindet sich das Monu¬ ment eines ehemaligen Galeerensklaven; — es ist die schlichte Grabestafel eines Daniel Breton. Seine Gattin hat sie ihm setzen lasten, und sie hieß Marie de Marolles. Sie war eine Tochter des oben erwähnten Ludwig de Marolles. So besitzen auch wir ein Denkmal des düstersten Fanatismus und der leuchtendsten Glaubenstreue. Die alten Hugenotten-Monumente in Berlin reden die Sprache einer Geschichte großartigsten Styls; allein es hat noch Niemand versucht, diese Töne festzuhalten. — eines Galeerensklaven im Schatten eines — wahrhaftig, es fehlt dem alten Berlin Gotteshäuser, unserer nicht an Geschichte und nicht an Poesie!

Die Ruhestätte

Der fürstliche Vetter in Schwedt. Historische Novelle von

Der drückenden Gewitterschwüle des Tages hatte selbst der späte Abend keine Abkühlung gebracht; der junge Pfarrer vermochte nicht jiöhlich und erfrischt aufzuathinen, wie sonst; trotz des herzlichen Abschiedes von der Mutter fühlte er sich seltsam bedrückt. Es wollte ihm nicht gelingen, das ver¬ 18.

lorene Gleichgewicht so schnell wiederherzustellen. Außer ernster innerer Einkehr kannte er der Wege zwei: tüchtige Arbeit, die Kopf und Hände nicht ruhen läßt, oder bester noch, eifrige Hingabe an die Interessen Anderer. Seit längerer Zeit hatte er von der alten Mutter Uhö und ihrem kranken Pflegling nichts vernommen, und er meinte, sich wieder einmal nach ihnen umschalten zu müssen. Das gestörte Mädchen hatte früher seine Gegenwart

mit Freuden begrüßt, und wenn sie auch nicht immer seinen Zuspruch ver¬ standen, so hatte seine milde Weise ihr dennoch wohlgethan. Seit aber Rosenfeld in's Dorf gekommen, war es anders ge¬ worden: sichtlich wich sie dem Pfarrer aus. Fast machte er sich Vorwürfe, daß er über den eigenen trüben Gedanken das Mädchen

so

lange vernachlässigt.

Auf schmalen Wiesenwegen umschritt er das Dorf; an der äußersten Grenze, dort, wo prächtige alte Baumgruppen allmählich zum nahen Forst überleiteten, lag die Hütte der Alten. Unter dem dichten Laubwerk durfte er Kühlung er¬ hoffen, und tiefer, als er ursprünglich gewollt, drang der

W. Weyergang.

Pfarrer in den Forst ein. Die Stille des Waldes that ihm wohl, und im Nachsinnen verloren, wandelte er dahin, ohne zu bemerken, daß allmählich die

Ein Geräusch, wie wenn

Sonne untergegangen war. ein

Wild

durch die Büsche

bräche, und fernes Hundegebell schreckte ihn empor; es wäre ihm unlieb gewesen, jetzt dem Markgrafen zu begegnen, der

später Stunde hier jagen konnte, und so trat er in den Schatten des Buschwerks zurück, die Jagd Ein leiser Anruf belehrte ihn, daß er vorüber zu lasten. Eine vermummte Männergestalt, dicht in nicht allein sei.

allein noch zu

so

einen Mantel gehüllt, suchte sich hinter einen Baumstamm zu verbergen und winkte ihm mit der Hand Schweigen zu.

Das Wild mußte den Verfolgern entgangen sein; das Gebell der Hunde klang aus weiterer Ferne herüber, als hätten sie die Fährte verloren. Auch die Jäger schienen die Jagd aufgegeben zu haben; ein Hornsignal rief sie an der

Kreuzung der Wege zusaminen. Die beiden Lauscher vermochten die Gestalt des Markgrafen deutlich zu erkennen; er wischte sich den Schweiß von der Stirn und warf die Flinte dem herantretenden Büchsen¬ spanner zu. „Genug für heute! Die Pferde herbei!" Eitrige Diener eilten, dem Befehle zu gehorchen, während der Gebieter selber langsam dem Wege zuschritt, auf dein die

36

Thiere ihm entgegenkommen mußten. Schon blickte der junge Pfarrer ihm erleichtert nach, als er sah, wie der Markgraf stehen blieb lind lächelnd auf einen Btann deutete, der, ohne den hohen Herrn zu beachten und zu begrüßen, stolz an ihm vorübcrschritt. Der Blick des Geistlichen konnte nicht ge¬ spannter aus diesem Manne ruhen, als der seines Nachbarn, eines jungen Burschen, wie sich jetzt zeigte. Denn er war aufgesprungen, sodaß der Mantel bei der schnellen Bewegung zur Erde fiel; ein leidenschaftlicher Haß lag iti seinem Blicke, und seine Rechte griff zur Seite, als suchte sie dort uach einer Waffe. Warnen^ legte der Geistliche die Hand auf die Schulter des Fremden. „Ihr kennt den Menschen da?" fragte er leise. Er hatte es nicht nöthig, auf Antwort zu warten, da der Markgraf sie mit lauter Stimme gab. „Ah, sieh da, der neue Prophet!" hörten sie ihn lachend rufen.

schüttelnd.

Rosenfeld

hatte die Kavalkade vorübergelassen. allein aus!" sagte er, laut genug, daß die Lauschenden die Worte verstehen konnten. Der junge Bursche hatte die Hand des Geistlichen ab¬ geschüttelt. Mit kräftigem Fußtritt knickte er einen jungen Baumstamm um und setzte wiederum wie zum Sprunge an. „Aber mir soll ineine Beute nicht entgehen!" zischte er zwischen den Zähnen hervor. Ihn fester am Arme packend, erkannte jetzt der Prediger sein Gegenüber. „Sylvester, Ihr?" rief er- „Ihr werdet Euch unglücklich machen! Zurück mit Euch, woher Ihr ge¬

„Werfe meine

Netze

kommen seid!"

„Nein, Herr! Das Unglücklichmachen besorgen die Beiden da! Laßt mich, — ich will nicht umsonst mich hergeschlichen haben."

Jagdbild aus der Mark.

Der Andere war stehen geblieben. „Wozu die Frage? bin's; ich hab's kein Hehl!" Ich Der Markgraf maß drohend den kecken Sprecher mit seinen Blicken. „Und wer bin ich?" fragte er, zu voller Höhe

„Es

des Sprechenden hatte während seiner unziernlichen

ungefährlich nicht, sich eine Nacht aus der Garnison fortzustehlen, nicht wahr?" „Es stehen Spießruthen darauf! Aber was thut's? Mein Leben ist wenig mehr rverth . . . Wißt Ihr, Herr, wer mir's zerstört? Der Eine da, daß er mich in den bunten Rock ge¬ steckt, und der Andere, daß er seine Netze nach meinem Mädchen ausgeworfen. Ich könnte ihn zu Falle bringen, denn ich weiß, daß er bei den Holzanweisungen aus den markgräflichen Forsten kein ehrlich Spiel getrieben; aber dann müßte ich

keine

bei der Zeugenschast mich selbst verrathen."

sich

aufrichtend.

„Der Drache," war die schnelle Antwort, „der Schwedter Drache, der da gekommen ist, daß er Alles verschlinge!" Auge in Auge maßen sich die Männer; in den Zügen Antwort Muskel gezuckt. „Magst Recht haben! Bin's auch!" rief endlich, rauh auflachend, der Markgraf. „Aber der Drache hat heute kein Glück; seine beste Beute ist ihm entwischt; magst sie mir suchen helfeir!" Er bestieg sein Roß, und die Jagdgefährten folgten ihm, über die ungewöhnliche Nachsicht des Gebieters die Köpfe

„Daß

ist

so

Ihr

Wer hieß Euch

„Mir

Handgeld genommen, ist Eure Schuld allein. . .

."

Kopf verwirrt machen lassen? Habt Recht, Herr; ich will darüber auch nichts sagen. Aber daß der Schurke der Marie den armen Kopf noch verwirrter gemacht, den

daß sie eine der

„Heiligen" werden

möchte,

— eine Schande

37

Ihr, wie es thut, Herr, das Mädchen, das man lieb gehabt, zu Grunde gehen zu sehen? Wißt Jhr's?" Der Prediger fuhr zurück, wie im Innersten getroffen,

ist's! Wißt

faßte

aber schnell wieder. „Ich weiß es nicht und sich

will's nicht wiffen," entgegnete und mit festem Griffe des Knittels in des Burschen Hand, — bemächtigte er sich „wißt Ihr, wie sich's leben mag mit einem Mord auf dem Gewiffen? Denkt an Eure alte Mutter, Sylvester Uhs!" „Meine alte Mutter! Ihr kennt sie, Ihr kennt mich? Herr, Ihr werdet mich nicht verrathen!" „Sicher nicht; nur Unheil will ich abwenden, wie ünd wo ich kann! Glaubt mir, auch in mir wallt es voll Ingrimm auf, wenn ich den Menschen da vor mir sehe, der mir die geistige Saat zerstört, die ich so sorgsam gesäet. Aber Hand er; „aber

Ihr, Mann, wißt Ihr," —

an ihn legen, Sylvester? Nein, ein Anderer ist Richter, dem er nicht Und nun kehrt entgehen wird. zurück in die Stadt! Was Ihr der alten Mutter Uhö und Eurer Marie zu bestellen habt, das will ich ihnen treulich berichten." Der Bursche fuhr sich über die Augen, und aus der Tasche einige Geldmünzen hervorsuchend, sagte er: „Bringt das meiner alten Mutter, Herr! Ich habe mehr Sold, als ich zur Lebensnothdurft brauche; und wenn Ihr könnt, Herr, so habt ein wachsames Auge auf mein armes

Für den Pfarrer gab es keinen Zweifel, wer die Flüchttge sei. Wo aber mochte sie Schutz gefunden haben? Trotz aller Sorge überkam ihn fast tröstlich der Gedanke, daß sie rechtzeitig die Gefahr, die ihr im Schlöffe drohte, erkannt;

den.

nur berührte Schutz seiner

es ihn schmerzlich, daß sie Mutter gestellt, die ihr stets

sich

nicht unter den

eine treue Freundin

Unwillkürlich schaute er hinter jede Baumgruppe, jeden Grabenrand hinab, — es konnte ja sein, daß sie dort erschöpft zusammengebrochen war! Thöricht fteilich erschien es, zu glauben, daß sie gerade diesen Weg gewählt gewesen.

haben sollte. 6.

Bor der Hütte der Mutter Uhe fand der Pfarrer die Alte nicht, wie es sonst am Spätabend ihre Gewohnheit war, auf der Thürschwelle kauem; die Thür selbst war verschloffen, und durch die Ritzen schimmerte der Schein eines trüben Lichtes.

Bei seinem Pochen erlosch es schnell, und mit merklicher Besorgniß wurde leise nach seinem Namen und Be¬

gehr geforscht.

Erst nachdem er sich trat die Alte

zu erkennen gegeben,

vorsichtig zu ihm heraus, sichtlich verlegen ob seines späten Besuches.

Sie fteute

sich,

von dem Sohne zu

hören, und sprach ihren Dank aus, daß der ehrwürdige Herr ihn zur Rückkehr bewogen; die Marie, sagte sie, hätte Sylvester heute doch nicht daheim getroffen. Sie dulde sonst nicht, daß das Mädchen die Ver¬ sammlungen der Rosenfelder be¬ suche; heute hätte sie es jedoch nicht hindern können. Die Frau hatte etwas so Hastiges und Geheimni߬ volles; die Sorge um die sichere

Mädchen." Aber er nahm noch nicht Ab¬ schied, sondern folgte zögernd dem Prediger den schmalen Waldsteg entlang, der dem Dorfe zuführte. Nachdrücklicher drängte der Pfarrer Heimkehr des Sohnes konnte nicht den Burschen zur Umkehr, aber der alleinige Grund dafür sein. dieser entgegnete: „Laßt mich immer Der Pfarrer hielt mit seinem Un¬ mein Heil versuchen, Herr. Wenn willen, daß sie das Mädchen fort¬ ich sie auch nicht sprechen kann, so Zrrne II. aus der Jugend Friedrichs gelaffen, nicht zurück und verlangte, einmal möcht' ich sie doch noch (Nach einer Zeichnung von L. Wolf.) daß sie ihm das Haus zeige, in sehen, ehe es gegen den Feind geht. dem der falsche Messias seine An¬ Die Leute im Dorfe wollen meiner hänger um sich versammelt habe. „Ihr werdet mich nicht alten Mutter nicht wohl, ich weiß es; da will ich schon vorEhrwürden," sagte verrathen, sie nach kurzem Zögern; „die sichttg sein, daß ihr durch mich keine Ungelegenheit entsteht." Schnell schritt er nun an dem Geistlichen vorüber, aber thörichten Menschen würdm sich an mir rächen." Und als sei sie stoh, ihn von ihrer Hütte zu entfernen, geleitete sie ihn noch einmal wendete er sich zurück: „Aus dem Schlöffe ist auf Umwegen zu einem der verstecktesten Häuser des Dorfes. auch Eine heimlich fort; ich hatte Wache am Schloßthor, da Das Hofthor war nur angelehnt, und vom Hintergebäude weiß ich's, soviel sie aber auch nach ihr gespürt, sie haben sie fiel ein heller Schein durch die schlecht verwahrten Fenster¬ nicht gefangen." laden. „Hier, Ehrwürden! Aber ich bitte, seid vorsichtig; die Geist¬ Dame?" rief der „Aus dem Schlöffe? Eine junge Menschen drinnen wiffen nicht, was sie thun." Damit verließ liche, seine Erregung mühsam verbergend. „Ja, eine Dame, die sonst immer mit der Frau Mark¬ ihn die Alte. Durch die Spalten der Laden konnte der Geistliche mit gräfin zusanimengewesen. Mit einem Male, so erzählen sie im Schlöffe, sei sie in Ungnade gefallen, und darum sei sie leichter Mühe das Gemach überschauen; zum zweiten Male fort; nur der Markgraf wüßte, wohin. Aber es ist nicht machte er heute den Lauscher, und er empfand es bedrückend genug. Einige Kienfackeln warfen von den Wänden her ein wahr, — nichts weiß er, denn er ist fuchswild gewesen." unruhiges und Licht. Inmitten des Raumes, auf erhöhtem Platze, Die letzten Worte verhallten schon in der Feme, stand der Prophet. Zu beiden Seiten knieten am Boden bald war der Bursche den Blicken des Geistlichen entschwun¬

38

in weiterem

mehrere junge Mädchen;

zu seinen Füßen geberdeten sich wie Verzückte.

Umkreise standen oder

mich Dir dienen immerdar! Lehre mich den Himmel schauen!" riefen sie durcheinander, und auch die Mütter drängten sich heran, als ob sie ihm selber ihre Töchter zuführen und seinen Segen erflehen wollten. „Tretet heran, Ihr meine heiligen

übrigen Gläubigen, die Einen in gleicher Verzückung, wie er, die Blicke bald begeistert zur Decke, bald zerknirscht zu Boden richtend, die Anderen stumpf vor sich hinschauend. Aus den verschiedensten Dorfschaften mußten die Leute sich zusammengefunden haben; zu seiner Freude waren dem Pfarrer saßen die

sich der Himmel selbst erwählet hat," hub der Prophet abermals an, — da nahte sich aus dem Dunkel des Hintergrundes mit ausgebreiteten Armen eine neue Mädchen¬ gestalt: „Herr, sie haben mir meinen irdischen Bräutigam ge¬ nommen! Laßt auch mich eine der heiligen sieben Jungfrauen werden!" Ein Faustschlag, der von außen den morschen Laden und die kleinen, bleigefaßten Scheiben zertrümmerte, daß das grünliche Glas weit in den Raum hineinsplitterte, machte die unglückliche Marie, wie die Nächststehenden zurückweichen. Aber mit kräftiger Hand riß der junge Priester den Zorn¬ bebenden, der sich in das Gemach hineinschwingen wollte, zurück: „Nicht Ihr, Sylvester! Ihr bleibt und haltet Wache! Da drinnen ist mein Platz. Bleibt und denkt an Eure alte Mutter und an Euer Loos, wenn Ihr erkannt würdet." „Gut, Herr, — aber wehe dem, der Hand an Euch zu

Bräute, die

nur wenige bekannt. Des Redners Gestalt überragte Alle; mit dem wallenden Bart, dem bleichen, nicht unschönen Gesicht glich er in feiner Auch gebietenden Haltung in der That einem Propheten. Bezwingendes. wurde seine Oft seine Stimme hatte etwas Rede durch leisen Chorgesang unterbrochen; wenn er aber sprach, so schienen die Zuhörer ihm die Worte von den Lippen zu nehmen. „Gott will nicht steinerne Tempel, von Menschen¬ händen

Pfarrer ihn sagen; „Euer Er wohnen will. Darum Kirchen, in denen sie Euch nur Irrlehren ver¬

gemacht,"

hörte

Herz allein ist der Tempel,

fort mit den

der

in

dem

Eure Prediger sind alle feile Diener der Obrigkeit! Sie scheeren Bart und Haar, nur weil die Obrigkeit es will: sie reden nur, was ihnen geboten wird; sie verdrehen Recht Was kümmert und Unrecht, wie ihr Vortheil es fordert. sie Euer Seelenheil? Sie wollen zu nichts Euch machen, als zu willenlosen Sklaven Eurer Herren, die Euch das Mark aussaugen! Was braucht Ihr aber Herren und Obrigkeit? kündigen.

Herr und Obrigkeit in seinem eigenen Hause, wie auch die Patriarchen es einst gewesen sind! Fort darum mit der Obrigkeit; sie gleichet der krummen Schlange, die da nur suchet, wen sie verderbe. Euer König aber ist der Beelzebub, der Bösen Oberster; mit Krieg hat er das Land überzogen, und Eure Söhne müffen in Feindesland ihr Blut für ihn zu Markte tragen. Und Euer Markgraf ist der große Drache; erst heute hab' ich es ihm selber gesagt, und er hat nicht gewagt, dem Propheten des Herrn zu wider¬ sprechen. Und daß Jhr's wißt: in meine Hand ist die Wurf¬ schaufel gelegt, daß sie die Spreu vom Weizen sondere. Bin ich's doch, von dem geschrieben steht: es wird kommen aus Zion, der da erlöse und abwende das gottlose Wesen von

Ein Jeder

sei

Jakob." hielt der Prophet inne, und zornerglühend schwankte der junge Geistliche, ob er nicht in das Gemach eintreten und mit Donnerworten den Lästerer zu Boden schmettern solle. Da legte sich eine feste Hand auf seine Schulter. „Ehrwürden, ihr habt mich heute zurückgehalten, als ich dem Mann dort zu Leibe wollte; laßt mich die Rech¬ nung quitt machen. Wartet ein Weilchen, — noch ist's nicht Erschöpft

Zeit." Wieder hatte

sich

dem Geistlichen gesellt.

der Soldat in seiner Verhüllung zu „Nein, sorgt Euch nicht um mich,"

fuhr er fort; „ich komme

schon

unerkannt wieder heim, ehe

zur Neveille geblasen wird." Regungslos standen nun die Beiden neben einander. Die Stimme des Propheten drang deutlich wieder zu ihnen heraus: „Eine neue Zeit, ein neues Reich wird kommen auf Erden, und wer zu mir gehört, der wird den Himmel offen schauen und ewiges Leben haben schon hienieden. Wohlan Meister da und rufet Her zu mir, der ist Euch! Ihr meine

Getreuen!" Leises Stöhnen von den

Einen, lautes Aufjauchzen von den Andern begleiteten seine Worte; besonders die Mädchen

„Herr, laß

legen

wagt!"

Mit

Fußtritt sprengte der Soldat den 'der Geistliche unter Thür, und furchtlos schritt Männer hinein, die in wortloser Ueberraschung sich um einem kräftigen

Riegel der die j

ihren Propheten geschaart hatten. „Nicht dorthin! Hierher zu mir, Marie!" rief der Priester, das Mädchen bei der Hand fastend und zur Thür drängend.

„Ihr aber," fuhr er mit wuchtiger Stimme fort, „Ihr, Ihr Männer sein wollt und Eure gesunden Sinne habt, schämt Ihr Euch nicht, sie so verwirren zu lasten? Sind Euch die Bibelworte gegeben, daß Ihr sie also verdrehen sollt? „Ihr Lieben", heißt es im Johannes, „glaubet nicht die

einem jeglichen Geiste, sondern prüfet, ob er von Gott ist;

in die Welt gekommen, die nicht bekennen Jesum Christum. So Jemand kommt und bringet diese Lehren nicht, den nehmet nicht auf in euer Haus und grüßet ihn nicht; denn wer ihn grüßet, der macht sich theil¬ denn es sind viele Verführer

haftig seiner bösen Werke." Und Salomo spricht: „Fürchte Gott, mein Sohn, und laste dich nicht mit den Aufrührern ein. Und Du, heißt es dort weiter," — dabei trat er dicht vor den Propheten hin, — „Du laß deine Hand von unge¬ rechtem Gute! Aber Euch, Mensch, ist nichts heilig, weder irdisches noch ewiges Gut, nicht einmal das ewige Heil dieser armen Bethörten. Gott und die Obrigkeit lästert Ihr, die Ihr ein Dimer beider zu sein vorgebt. Oder," — in zür¬ nendem Eifer packte er ihn an dem Waffenrock, der unter dem malerisch drapirten Mantel hervorschaute, — „tragt Ihr diesen Rock etwa auch in Ehren? Zurück mit Euch," — er wehrte die Hand des Propheten ab, der ihn zurückschleudem wollte, — „oder ich vergesse, daß ich ein Diener des Friedens

bin."

„Verrath! Verrath!" schallte es um ihn her. „Der Priester wird uns alle in's Elend bringen!" Die Furcht¬ samsten drängten zur Thür, während die Weiber in lautes Schluchzen ausbrachen. (Fortsetzung folgt.)

39

Miscellen. Kürst Hhkodwig von Kokenkohe, besten Portrait wir auf der ersten Seite der heutigen Nummer bringen, ist berufen, als Nachfolger des ver¬ storbenen Generalfeldmarschalls Freiherrn von Manteuffel im Namen des Kaisers die Statthalterschaft von Elsaß-Lothringen zu führen. Die Wahl des dem Kaiser persönlich befreundeten Fürsten ist in Straßburg und Metz mit großer Befriedigung aufgenommen worden, weil von dem neuen Statthalter eine wesentliche Stärkung des deutschen Elementes in den Reichslanden erwartet wird, feine genaue Kenntniß der fran¬ zösischen Verhältniste ihn aber zur Annahme eines so schwierigen Postens doppelt geeignet erscheinen läßt. Auch in Süddeutschland hat diese Er¬ nennung viele Sympathie gefunden, weil der Gewählte einem bairischen Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schil¬ Geschlechte entsprossen ist. lingsfürst, erblicher Reichsrath (geboren am 31. März 1819), war 1866 bis 1870 bairischer Minister des Auswärtigen und ging 1874 nach Paris, um von da ab bis heute als Botschafter des deutschen Reiches thätig zu sein. Als einer der gewandtesten Diplomaten wurde er 1878 durch den Fürsten Bismarck zu den Verhandlungen des Berliner Co rgresses heran¬ gezogen. Das Geschlecht der Hohenlohe, nach der Burg Holloch bei Uffeln benannt, kommt schon im XIl. Jahrhundert vor. Die Linie HohenloheWaldenburg, die 1744 in den Reichsfürstenstand erhoben wurde, theilt sich in die Zweige Hohenlohe-Waldenburg-Bartenstein und HohenloheWaldenburg-Schillingssürst. Nachdem die Letztere von dem Land¬ grafen Viktor Amadeus von Hesten-Rheinfels-Rothenburg das Herzozthum Ratibor und das Fürstenthum Korvey geerbt hatte, ernannte Friedrich Wilhelm IV. den Fürsten Viktor zum Herzog von Ratibor, den jetzigen Statthalter aber von Elsaß-Lothringen zum Prinzen von Ratibor und Korvey. ßine Scene aus der Äugend Ariedrichs II. Nachdem Friedrich Wilhelm 1. den Kronprinzen wegen kleinerer Vergehen wiederholt mi߬ handelt, ihn überhaupt wie einen ungerathenen Sohn blosgestellt hatte, beschloß dieser, sich der unerträglichen väterlichen Gewalt zu entziehen. Die verunglückten Fluchtversuche in Sachsen (Juni 1730) und auf einer Reise nach Ansbach von Steinfurth aus (August 1730) erbitterten den König so sehr, daß er ihm bei dem Zusammentreffen auf einer Dacht bei Mannheim mit seinem Stocke das Antlitz blutig schlug und ihn dann ge¬ fangen nach Wesel bringen ließ (14. August). Als er dort durch den

Festungskommandanten Generalmajor von der Mosel dem Könige vor¬ geführt wurde und sich dabei in wenigen würdigen Worten zu verthei¬ digen suchte, ließ der König sich im Zorne übermannen, den Degen gegen ihn zu ziehen, und er würde den Prinzen durchbohrt haben, wenn der Festungskommandant ihm nicht in den Arm gefallen wäre mit den Worten: „Sire, durchbohren Sie mich, aber schonen Sie Ihres Sohnes." Als der König ob dieser Kühnheit stutzte, benutzte von der Mosel das, den Prinzen hinauszuführen und ihn in seinem Zimmer vorläufig in Sicher¬ heit zu bringen. So wird jener Vorgang in der dem Kaiser Wilhelm gewidmeten Geschichte des Preußischen Heeres dargestellt, von einem Manne, dessen Vaterlandsliebe nicht wohl verdächtigt werden kann. Das kleine Bildchen ist ein Denkmal edler Gesinnung, die das preußische Königshaus vor einem ewigen Schandfleck bewahrt hat.

Das Luthcrdenkmak für Merlin hat wider Erwarten im Ganzen nur 47 Bewerber gefunden, die durch Einsendung der Modellskizzen sich an der ausgeschriebenen Concurrenz betheiligt haben. Die weitaus größte Zahl derselben stammt aus Berlin. Die Modelle haben trotz competenten Einspruches schließlich in den Räumen der Kunstakademie aufgestellt werden müssen, weil der früher dazu ausersehene Oberlichtssaal des provi¬ sorischen Ausstellungslocals am Cantianplatz, wie bekannt, nicht geheizt werden darf. Die Jury, welcher übrigens nur zwei Bildhauer ange¬ hören, hat kurz nach dem ersten Oktober mit der Aufnahme der schwie¬

rigen Beurtheilungsarbeiten begonnen und darf man wohl wünschen, daß das Resultat der Concurrenz ein recht günstiges sein möge. In Folge der erhabenen Idee, die durch die Gestalt Luthers vertreten werden soll und die für Deutschland den Anfang einer geistigen Machtstellung in Europa bedeutet, ist die Lösung des gegebenen Problems zweifelsohne keine leichte. Nur ein glücklicher monumentaler Wurf vermag hier etwas zu schassen, das der ersten Stadt des Protestantismus würdig ist. Wird das Denkmal doch so lange das einzige sichtbare Zeichen der gewaltigsten Reform des XVI. Jahrhunderts sein, bis am Lustgarten einmal der langgeplante, von drei Königen gelobte Dom wirklich erstanden ist. Viel¬ leicht giebt das Lutherdenkmal den Anstoß zur Wiederaufnahme des Domprojektes.

Jas Hanzkvkal

zum dicken Wilhelm

in Merlin. In

Berlin"

heißt es u. A.:

Wir

Ballsaal.

Derselbe ist rund, nicht eben groß und hoch, aber durch Kron¬

brillant erleuchtet. Wie eine Art Ueberbau ziehen sich ringsumher vergitterte und mit Gardinen versehene Logen, die aber nicht zum Zu¬ schauen, sondern im Gegentheil zum Nichtzesehenwerden und zu stiller Unter diesem Abgeschiedenheit im magischen Dunkel bestimmt sind. leuchter

Ueberbau sitzen diejenigen, welche nicht tanzen, auf gepolsterten Bänken, meistentheils paarweise, wodurch dann auch viel Raum erspart wird, indem die meisten traulichen Paare nur den Sitz einer einzelnen Person einnehmen. Der Eingangsthür gegenüber befindet sich eine große Nische für die Musiker und hinter derselben eine glänzende Spiegelwand, wodurch der Saal noch einmal so groß erscheint, vor den Musikern aber ein Gitterwerk, um diese Künstler und ihre Instrumente sicher zu stellen, im Fall etwa die Partei der Bewegungen (was sich zuweilen ereignet) im Saal die Oberhand gewinnen sollte, für welchen Fall auch alle Vor¬ Der Schänktisch ist mit sichtige gute Knüttel mitzubringen pflegen. Blumenvasen und dergl. geschmackvoll dekorirt, wie denn überhaupt Alles sehr glänzend ist. Von der Gesellschaft selbst kann man sagen, daß sie sehr lustig und durchaus unzenirt sei; z. B. hört man die meisten Damen, die hier sämmtlich sehr charakteristische Beinamen führen, sich mit den Herren gegenseitig dutzen. Ein interessantes Kleeblatt sticht hervor: eine schon ziemlich ältliche Lais, aber von sehr gebieterischem, kecken, imposanten Wesen; ein kleiner, buckliger Schneidergesell, aber gewaltiger Raisonneur und besonders großer Politikus; und dann ein großer Mensch mit einer breiten Narbe über die Wange hinweg, wie ein vieljähriger, abgestandener akademischer Renommist anzusehen. Diese drei spielen die Hauptrolle und geben den Ton an. Zur Dekoration des Saales gehören Schildereien aus der Mythologie und die Büsten der letzten Könige wie auch Fürst Blüchers, der seinen Platz neben dem Schänktisch hat. Ein Berliner Freund, mein rathender und beschützender Gabriel, sagte mir, daß die Gesellschaft des „Berliner Saales" seit einiger Zeit im Anstand bedeutende Fortschritte gemacht habe und sich nur noch selten prügele. Stattlich, ja übermäßig herausgeputzt waren Alle und spielten nach Möglichkeit Noblesse. Getanzt wurden nur Galoppaden und Walzer und dazwischen ertönte oft eine lust-unterbrechende Klingel, wo jeder Tänzer dann 1 Sgr. erlegen mußte. Uebrigens mögen sich die Kosten denn doch nicht sehr hoch belaufen, da die Herren den Damen meistens nur Weißbier präsentirten und die demnach die meisten eine trauliche Unterhaltung dem Tanze vorzogen, ' Silbergroschen sparten. H. S—n.

Die Jubiläums-Jenümünzc der französischen Kolonie, in Bronce ausgeführt durch die hiesige Medaillenmünze (vormals Loos), hat 60 mm im Durchmesser. Entworfen von dem Bildhauer W. Uhlmann, zeigt ihre Vorderseite unter dem Hohenzollernschen Adler mit der Devise „non soli cedit“ die von Eichenzweigen umgebenen Bildnisse des großen Kurfürsten und Kaiser Wilhelms des Ersten. Der Kurhut, die Königs- und Kaiser¬ krone bilden den dekorativen Abschluß, unterhalb dessen die Inschrift „visu Protege nos Souverains“ sich befindet. Die Mitte der Rückseite nimmt eine aufrecht stehende, gekrönte Borussia ein, in der Rechten ein Schwert, in der Linken einen Glaubensschild haltend. Zu beiden Seiten derselben gruppiren sich Kindergcstalten, mit Attributen der Wissenschaft, der bildenden Kunst und des Gartenbaues. Die Umschrift lautet hier: „veuxisms ssutsnairs de l’Eglise du Refuge en Prusse.“ In Betreff der Festaufführungen u. s. w. sei hier noch bemerkt, daß die Frist zur Entnahme der Eintrittsbillets seitens der Mitglieder der Colonie mit dem 9. d. M. bereits abgelaufen war. Der Abbruch der Schloßapothekc hat auch die letzten Spuren der großartigen Landesbibliothek verwischt, die vor 200 Jahren der große Kurfürst auf Betreiben seiner Gemahlin hatte anlegen wollen. Auf dem Beruh. Schultz'schm Plan von 1688 bemerkt man zwischen Schloßapotheke und alter Börse (damals Grotte) ein Gebäude von der Aus¬ dehnung des Schlosses selbst, das in drei Geschossen besteht und unten Arkaden hat. Stridbeck, der es im Jahre 1690 einen Stock hoch aus¬ geführt sah, bezeichnet es als „die annoch unausgebaute Bibliothek". Wir haben es also darin mit den Resten eines von Memhardt begonnenen Monumentalbaues zu thun, der wahrscheinlich in Folge der auf die Be¬ festigung der Stadt gerichteten Bestrebungen liegen geblieben ist. Neben der Schloßapotheke war immer noch eine der Arkaden zu sehen, während der ganze Mitteltheil der „Bibliothek" dem jetzigen Dome hat weichen müssen.

dem, 1832

im „Harzboten" zum Abdruck gelangten Bruchstück einer „Reisebe¬ wenden uns nach der Dorotheenstraße und gehen dort in den Berliner-Saal oder, wie man auch sonst sagt, zum „dicken Wilhelm". Von der Straße her bietet das Haus nichts besonderes dar, aller Glanz hat sich nach Innen konzentrirt. Schon die Hausflur kündigt Höheres an: sie ist mit Reben¬ stöcken bemalt und versetzt uns also in einen Weinberg. Ein Anschlag besagt, daß Niemand in Livree und Futterjacken eintreten darf; dann bezahlt man 2 Sgr. 6 Pf. für ein Eintrittsbillet, das' man aber drinnen in eine Stange Weißbier oder in ein anderes Labsal umsetzen kann. Der Vorsaal führt in einen kleinen düsteren Hof, wo uns schon die Musik des nahen Balls entgegenschallt. Man erblickt zwei Thüren: die zur Linken

schreibung nach

führt in ein kellerartiges Billardzimmer, wo übrigens nicht allein Billard, sondern auch sonst noch Allerlei gespielt wird, denn die Gesellschaft ist hier sehr gemischt; durch die Thür zur Rechten aber kommt man in den

Kaiseranekdote. Von der Parade, welche der Kaiser bei den Würt¬ tembergischen Kriegervereinen abnahm, erzählen die Blätter einen rühren¬ den Zug: Der Kaiser hielt bei einem im Wagen fahrenden 92 jährigen Greise, der das eiserne Kreuz aus den Befreiungskriegen trug, an. Der alte Mann wollte vom Wagen steigen, um dem Kaiser entgegen zu gehen, aber da der Kaiser sah, daß es ihm Mühe machte, so rief er ihm zu, daß er sitzen bleibm möge, er sei der Jüngere und könne zu ihm kommen. Damit stieg der Kaiser aus, ging auf den Mann zu, der ihn mit der Anrede begrüßte: „Mein erhabener Herrscher, nun ist das Maß meines Lebens voll, nun ich meinen Kaiser gesehen habe!" Der Kaiser winkte ab und meinte, das sei noch lange nicht nöthig, obwohl sie — damit deutete er auf das Eiserne Kreuz des Veteranen — die beiden einzigen

40 unter diesen Tausenden seien, die das Kreuz von 1813 trügen. „Allerdings," fügte der Kaiser, die Hand ihm schüttelnd, hinzu, „werden wir uns wohl nicht wiedersehen." Aber das schien das Volk selbst nicht glauben zu wollen, denn all' sein Jubel bei der Abreise des Kaisers an demselben Nachmittag und bei der bewundernswerthen Frische des hohen Herrn wollte besagen: „Auf Wiedersehen!"

Schweiger-/erchcnsckd’s Afrika. Afrika. Der dunkle Erdtheil im Lichte unserer Zeit. VonA. v. Schweiger-Lerchenfeld. Mit 300 Illustra¬ 30 Lieferungen. tionen hervorragender Künstler, 18 colorirten Karten re. A. Hartleben's Verlag in Wien. Dieses allenthalben mit großem Beifalle aufgenommene Werk ist mit den bisher vorliegenden ersten sechs Lieferungen in den Brennpunkt der afrikanischen Actualitäten eingetreten. Abgesehen von den interessanten Schilderungen. Zanzibars und der dazu gehörigen Küste, ist es namentlich das fesselnde Gemälde, welches der Verfasser von dem gewaltigen Erdraume des Congo-Beckens entwirft, dem unser Interesse in erster Linie gilt. Wenn man die Fülle des geographischen Quellen¬ materials in Betracht zieht und die Schwierigkeiten bedenkt, die sich bei der fortschreitenden Entschleierung jener Region der Gestaltung des ge¬ waltigen Stoffes entgegenstellen, muß man dem Verfasser dahin gerecht werden, daß er seiner Aufgabe in anerkennenswerthcr Weise Herr geworden ist. Wohl den meisten Lesern wird es erst durch diese Schilderungen klar, um welche Faktoren und Thatsachen sich die dermalige Bewegung hin¬ sichtlich des Congo-Gcbietes dreht. Die großen Reisen Livingstone's, Cameron's und Stanley's werden mit dramatischer Lebendigkeit vor¬ geführt. Dank der leichtfaßlichen, anziehenden Schreibweise liest sich mancher dieser Abschnitte, wie eine Erzählung. Damit soll dem sachlichen Gehalte des Werkes keineswegs ein Abbruch geschehen. Sind doch zum Mindesten Stanley's großartige Asrikafahrten von einem unleugbaren romantischen Hauche umweht. Von den Kartenbeilagen verdient besonders die ethnographische hervorgehoben zu werden. Den Laien wird das Volker-Mosaik, wie es in dem dunklen Erdtheil besteht, und von dem irrthümlich die Vorstellung von einer „einheitlichen Race" im Schwünge steht, sicherlich überraschen. Die zahlreichen Illustrationen sind durchweg

In

Gries-

Benutzung.

Herr» M. S. Die Zusendung gelangte zu spät an uns, um die Aufnahme in die erste Oltobernummer noch ermöglichen zu können; wir quittiren dankend den Empfang des Doppelheftes 5 und 6 der Juristischen Universalbibliothek (Verlag von Max Schildberger), die zum Preise von 40 Pf. eine handliche Gesindeordnung enthält. Manche junge Haus¬ frau wird daraus Rath und Belehrung für das Verhalten dem Dienst¬ personal gegenüber schöpfen können. Fräulein C. F— ky. in Bonn. Nach einer weit verbreiteten Annahme ist die Berliner Stadtbahn 6 Kilometer lang und kostet rund 60 Millionen Mark; hiernach kostet ein Meter derselben nicht weniger wie zehntausend Mark und ein Millimeter zehn Mark. Die Rentabilität liegt bei dem jetzigen Wachsthum der Stadt in einer nicht allzusernen Zeit; Franzosen, Engländer und Amerikaner beneiden Berlin um dies Werk; es ist die erste auf massiven Gewölben durch Häuserinseln geführte Hochbahn. Die Bahnhöfe, nach Ihrem Geschmack etwas zu theuer, haben indessen auch die Aufgabe, im internationalen Verkehr zu repräsentiren. Herrn L. K. hier. Einzelne Nummern des „Bär" erhalten Sie an

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Kleine Chronik. 1. October. Generalversammlung des Pestalozzi¬ vereins in Fürstenwalde; Uebersiedelung der Prinzessin Friedrich Carl von Jagdschloß Glienicke nach dem Palais am Wilhelmsplatze zu Berlin; Militärjubiläum des Hofbuchhändlers Alexander Duncker, Major des 35. Landwehr-Regiments; 25jähr. Jubiläum des Rector Bielefeld an der 8. Gemeindeschule; Ankunft des Kronprinzen in Monza; 50jähriges Dienstjubiläum des Leibkutschers des Kaisers Heise in Potsdam; 25jähr. Jubiläum des Schulvorstehers Böhm; 25jähr. Jubelfeier der Stadt Havelberg als Garnison des 4. Brandend. Inf. Rgt. Nr. 24. — 2. October. Justus von Grüner, Unterstaatssecretär des Auswärtigen a. D. ch. — 3. October. Der Kronprinz fährt von Monza nach Venedig; 25 jähr. Jubiläum des Prof. vr. Euler an der Kgl. Turnlehrerbildungsanstalt. — 4. October. Pferderennen auf der Bahn zu Hoppegarten; Feier des 10jähr. Bestehens der Rollerschen Stenographie im Central¬ verein durch Aufstellung einer Büste Rollers; Feier der 50 jähr. Thätigkeit des Setzers Fritz in der Druckerei der „Vossischen Zeitung." — 5. October. Einweihung des dritten Schulhauses in Rixdorf.^ — 6. October. Erlaß des Berliner Polizeipräsidiums betreffend die Unfallversicherung; 50jähr. Amtsjubiläum des Predigers Dahms I. an der Georgenkirche. — 7. October. Der Kaiser nimmt in Baden-Baden das Diner bei dem Fürsten von Fürstenberg; Aufruf zur Sammlung für die Hinterbliebenen der Mannschaft der Corvette „Augusta." — 8. October. Der deutsche Bot¬ schafter in Paris, Fürst Hohenlohe, überreicht aus Anlaß seiner Ernennung zum Statthalter von Elsaß-Lothringen dem Präsidenten Grövy das Kaiser¬ liche Abberufungsschreiben; Eintreffen des neuernannten Württembergischen Militärbevollmächtigten, Oberst Graf

Die Durchsicht einiger derselben wird Sie am jedem Zeitungsstande. einfachsten mit dem Charakter der für uns brauchbaren Artikel bekannt Sie werden sich dadurch vor mancher Bemühung bewahren. machen. Lehrer K—l. Hierselbst. Ueber „Essenwein's kunsthistorische Bilder¬ bogen des Mittelalters" werden Sie in kurzem im „Bär" eine ausführ¬ lichere Mittheilung finden. Herrn Erwin v. S—z. Dresden. Nicht brauchbar. Bei Wieder¬ einsendung von Beiträgen bitten wir Namen, Stand und Wohnung möglichst genau anzugeben, da es durchaus nicht gleichgültig ist, wer als der Verfasser derartiger Arbeiten genannt werden soll. Herrn L. M. Köpenick. Die Aalraupen sind stets in großer Menge gefischt worden. Zu Zeiten war nach K lö d en's Angabe der Reichthum an fetten Quappen in der Mark so groß, daß die Fischer sie zerschnitten, trockneten und statt des Holzes als Kiehn benutzten. —

Inhalt: Gedenktage. — Faustrecht, von B. W. Zell; Der fürst¬ liche Vetter in Schwedt, historische Novelle von W. Wehergang. — Feuilleton: Das Hotel zum Prinzen von Preußen in Bitterfeld von Emil Obst. — Ein Fischerstechen in Berlin im Jahre 1714, von Adam Löffler; Aus der Colonie franpaise, Bilder und Charaktere von E. de Talange. — Miscellen: Fürst Chlodwig von Hohenlohe (m. Port.); Eine Scene aus der Jugend Friedrichs 11. (m. Abb.); Das Lutherdcnkmal für Berlin; Das Tanzlokal zum dicken Wilhelm in Berlin; Die Jubiläums-Denkmünze der französischen Kolonie; Der Abbruch der Schloßapotheke; Kaiseranekdote; Schweiger-Lerchenfeld's Afrika. — Kleine Chronik. — Ansicht der Stadt Ansbach (Abb.); Stillleben im Winter (Abb.) — Brief- und Fragekasten. — Inserate.

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F. R. hier. Berliner Drucke aus dem Jahre 1530 werden von Sammlern zu den Seltenheiten gerechnet, weil sich die Buchdruckerei hier erst kurz nach dem Auftreten der Reformation einbürgerte. L. v. S. in H—h. Sie sind im Irrthum. Die Kavalierbrücke diente zuletzt nicht mehr als Sechserbrücke. Die älteste Vorgängerin der¬ selben hat schon zur Zeit des großen Kurfürsten bestanden; bei einem Feste im Jahre 1709 brach sie ein, wurde aber wieder hergestellt und erst 1772 wegen Baufälligkeit abgetragen; über 50 Jahre später wurde sie dann wieder aufgeführt und ist seitdeni mit wenigen Aenderungen in

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vorzüglich und interessant. Mit den vorliegenden sechs Lieferungen ist ganz Südafrika und Centralafrika, mit Ausnahme der neuesten politischen Gestaltung und Wandlung am Congo, erledigt. Die nächsten Hefte werden die afrikanische Westküste (Gabun, Kamerun) und den westlichen Sudan behandeln. Von dem Werke find gleichzeitig Uebersetzungen in fremde Sprachen in Vorbereitung, ein Beweis, daß das Bedürfniß nach einer solchen erschöpfenden Darstellung Aftikas auch im Auslande empfunden wird.

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Herausgeber und verantwortlicher Redakteur:

IT

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-

Erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch alle Buchhandlungen, Zeitungsspeditionen und Postanstalten Jm Postzeitungs-Latalog eingetragen unter llr. 2455. vierteljährlich zu beziehen.

XII. Jahrgang.

Verlag von Gebrüder Partei in

TTr. 4.

Berlin

25. 25. 26. 26. 26. 26. 26.

Oktober October October October October October October October October October October October

1648. 1794. 1813. 1870. 1806. 1868. 1870. 1684. 1694. 1752. 1800.

Abschluß des Westfälischen Friedens.

General Friedrich von Ga gern * Weilburg.

in Berlin. Kapitulation von Schlettstadt. Siegesdanksest

Napoleon

am Sarge Friedrichs d. Gr.

Maler Eduard

Hildebrandt f.

Einzug in Schlettstadt; Besetzung von Dreux. Gencralfeldmarschall Graf Schwerin *. Samuel Pufendorf -ß. Heinrich Friedrich Karl Freiherr von Stein *. Generalfeldmarschall Graf Moltke * Parchim. 1818.- Ludwig H äusser, patriotischer Schriftsteller und Geschichtslehrer, Mitglied des Erfurter Parlaments (-j- 1867). 27. October 1760. Gneisenau *. 27. October 1870. Kapitulation von Metz.

b cn 24.

W.

Oktober

1885. Nachdruck verboten. VI. 70. Gesetz v.

II.

Gedenktage. 24. 24. 24. 24. 25.

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28. October 1585. 28. October 1787. 28. October 1870.

Cornelius Jansen *. Joh. K. Aug. Musaeus -j-. Emennung des Kronprinzen von Preußen und des Prinzen Friedrich Carl zu General-Feldmarschällen.

28. October 1871.

Unterzeichnung des

29. 29. 29. 29. 29. 30. 30. 30. 31.

October October October October October October October October October

1685. 1762. 1790. 1830. 1870. 1611. 1785. 1870. 1517.

Gotthardbahnvcrtrages

zu

Berlin. Das Edikt von Potsdam. Schlacht bei Freiberg. Diesterweg * Siegen (P 7. Juli 1866). Augenarzt Prof. Schweigger in Berlin * Halle. Besetzung von Metz. Regierungsantritt Gustav Adolfs von Schweden. Fürst Hermann von Pückl er-Muskau *. Gefecht bei Le Bourget; General Beyer nimmt Dijon. Luther schlägt seine 95 Thesen an der Schloßkirche zu Wittenberg an.

Faustrecht. Von B. W. Zell.

IV.

hinaus in den kleinen Garten, welcher

Die folgende Nacht brachte den Fürstenwaldern fußhohen Schnee und zwar so echten, widerstandsfähigen Winterschnee, daß selbst der strahlende Sonnenschein des nächsten Tages



sich

hinterwärts dem

Häuschen anschloß.

Der strahlende Decembersonnenschein hatte sie hinaus¬ war aus dem warmen Stübchen getreten ohne

gelockt, und sie

es

war ein Sonntag — ihn nicht zum Thauen brachte. Fröhliches Leben herrschte daher im

eine andere wärmende

Städtchen, denn die Landbewohner kamen fast ausnahmslos auf ihren kleinen Schlitten, an denen die Glöcklein lustig erklangen, zur Kirche, und für den Nachmittag hatte die Fürsten-

lose über das schwarze Tuchmieder gesteckt hatte.

Umhüllung überzuwerfen als ein kleines blauwollenes Busentuch, das sie

Die Biegsamkeit ihrer schlanken Gestalt, die Kraft und Anmuth ihrer Bewegungen kam so zur vollen Geltung, und als sie sich jetzt niederbeugte, um den Saum des langwallen¬

walder Jugend in Eil eine gemeinsame den Gewandes zusammenzufassen und dann Schlittenpartie nach Rauen verabredet, denn mit den kleinen Füßen, die in derben Leder¬ genießen, Winterfreuden man mußte doch die schuhen steckten, ungescheut in den hohen Margarethe von so lange sie sich boten. Schnee hineinzutapfen, bot sie ein reizendes Schlieben wußte davon Nichts; wie wir schon » Pf.— Siam 3 b. 50 Pf. — Persien 4 b. 50Pf. etc. Preisliste grat. u. frco. Ernst Hayn. Berlin N., Jnbalidcnftraße 15.

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Eröffnung des Winterbetriebes der Großen Pferdebahn¬ gesellschaft in Berlin; Uebernahme des Rectorats der Berliner Universität durch Professor Dr. Kleinert. — 16. October. Kastellan Bieberstein in Schloß Bellevue, ein Veteran von 1813, feiert den 90. Geburtstag; Königliche Hetzjagd des Prinzen Wilhelm bei Plantagenhaus. — 17. October. Rückkehr des Kronprinzen nach Potsdam; Sonderausstellung der Arbeiten von Professor Wilhelm Camphausen (Düsseldorf) und des

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1

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Kleine Chronik. 14. October. SOOjähriges Jubiläum der Kirche Wilsnak; Erkrankung der Kaiserin Charlotte von Mexico in Brüffel.

— 15. October.

welche Feuchtigkeit, Regen und mechanischen Angriffen widersteht. Von anderer Seite wird indessen das Malen des eben erwähnten Schildes als gewagt hingestellt, man hält in gewissen Kreisen die Kaseinfarben nur für innere Malereien hinreichend sicher und widerstandsfähig. Unter allen Umständen ist durch dieses Bild diesem Matmittel Gelegenheit geboten, sich als wind- und wetterbeständig zu bewähren, da die ziemlich bedeutende Fläche ganz frei liegt und gegen die Wetterseite gerichtet ist. Doppelt interessant wird dieser Malversuch dadurch, daß derselbe nur um 2 Monate später, wie die in Keimicher Mineralmalerei gemalte Fayade des Gabriel Sedlmayr'schen Spatenbräu-Ausschanks in der Friedrichstraße fertig¬

Gesucht

Arbeit getriebenen Kurhut. Die Mitte des Schildes nimmt das Staats¬ wappen ein, auf dessen Feldern sich die kleinen Landeswappen sehr deutlich erkennen lagen. Die Helmzierden und die Arabesken, welche dasselbe ein¬ schließen, sind schön ausgeführt, die verschiedenen Erhöhungen in richtigem Maßstab abgestuft, so daß es einen wirksamen Rahmen giebt. In den kleinen Portalen links und rechts findet man gleichfalls erhabene Frauen¬ gestalten, deren Eine, leicht geschürzt, den linken Fuß kraftvoll auf Kriegswappen stellend, in der Hand einen Palmzweig schwingt; die andere in züchtiger Frauenkleidung, die mit ihrer linken Hand einen Köcher mit Pfeilen festhält, steht hinter einem Bienenkorb, zu besten Flugloch soeben drei der Bewohnerinnen zurückgekehrt sind. Die Inschriften unter den beiden Figuren sind nicht völlig erhalten (an den äußeren Ecken hat das Kunstwerk schon etwas gelitten), sie finden sich also angegeben: (Via bellli evertit regiones jura precesque (O)ptamus pacem, Pax opus alma dei. Krieg zerstört Landschafft und Stedt, (Ver)bundniß Eid und das Gebeth, Drumb wünschen wir den Fried zur Frist, Der Fried ein Gabe Gottes ist. Pax 8anota ligat mites animosqne (?) eoncordia. Omnia araore vigent omnia lite rigent.


i
vir nun schnell all seinen Wünschen nachkommen?" schaltete hier der Bischof ein, doch der Domherr strhr fort: „Wollen Eininenz nur geruhen, meine Rede bis zum

'

!

j

nach einer kleinen Pause zu fragen:

„Und welchen Bescheid erhält der gestrenge und gerechte Landvogt, Tunkel Herr von Bernizko?" „Wir werden ihm schreiben," entgegnete der Bischof, und bei diesen gemessenen Worten war er ganz der stolze Kirchen¬ fürst, der sich Königen gleichstellte, „wir werden ihm schreiben, daß wir in unseren Bisthümem Lebus und Ratzeburg auch die weltliche Gerichtsbarkeit

zu

üben und zu pflegen und

Amtes bisher in strenger Gerechtigkeit, sonder Ansehen zur vollkommensten Zufriedenheit unseres aller¬ gnädigsten Herrn und Kurfürsten gewaltet haben. Auch dem Heinrich Queiß, unserem Vasallen, werde sein gutes Recht dieses

der Person,

werden, was auch ohne Einmischung Herrn Tunkel von Bernizko's geschehen Nach einigen Tagen wurden beide Schreiben, genau des

wäre."-

oben beschlossenen

Carl Naundorf als Louis XVII.

zu

Inhalts,

abgesandt.

(Fortsetzung folgt.)

Brandenburg.

Erzählt von einem Zeitgenossen.

Die alte Kur- und Hauptstadt Brandenburg enthält eine Straße, die seit einiger Zeit Hauptstraße genannt wird. Dieselbe wurde früher in ihren einzelnen Theilen „Neuethorstraße", „Parade¬ platz", „Venedig", „Zwischen beiden Städten" und „An der langen Brücke" genannt. In dem sog. „Venedig" befand sich früher das Elisabethkloster, ein Asyl für alte Frauen, das nach der Petersilien¬ straße verlegt wurde, um einem Wintertheater Platz zu machen. Letzteres brannte 1824 ab. Damals mich zur Brandstätte be¬ gebend, sah ich, wie ein brennender Balken mitten in die Straße stürzte, wodurch ein Müllergeselle, getroffen, todt zur Erde fiel. In diesem Theater gab die rühmlich bekannte Gerstel'sche Ge¬ sellschaft sehr besuchte Vorstellungen, namentlich wurde in jener Zeit einen Tag um den andern bei ausverkauftem Hause Preciosa und Freischütz aufgeführt. Einen Tag nach dem Brande stand im „Wochenblatt" folgende Mittheilung: „Bei dem gestrigen Brande des Schauspielhauses sind aus meinem Laden sämmtliche Taschenuhren, auch die mir zur Reparatur übergebenen, gestohlen worden. Ich bin daher nicht im Stande, letztere ihren Eigenthümern zurück¬

Naundorf,

Uhrmachermeister." Sofort ging das Gerücht habe das Feuer angelegt und unter diesem Deckmantel sich selbst bestohlen. Er wohnte zwei Häuser vom Theater. Brandstifter und Diebe blieben unermittelt. Einige Zeit darauf zeigte der Depositalkassen - Rendant Neumann dem Land- und Stadtgericht an, der Uhrmacher Naundorf habe als Vorniund zu einer Nachlaßmasse baare Gelder eingezahlt, darunter haben sich falsche harte Thaler, 60 an der Zahl, befunden. Naun¬ dorf, vorgefordert, bestritt, falsches Geld gemacht zu haben. Es wurde ermittelt, daß er vertrauten Umgang mit dem Schlosserzugeben.

durch die

Stadt: Naundorf

gesellen Wilhelm E. gepflogen. Beide wurden inhastirt. Naun¬ dorf blieb beim Streiten, obgleich der geständige E. ihm bei der Konstontation ins Gesicht sagte: „Earl, streite man nich länger, ick habe es bereits gestanden." Die Prägewerkzeuge wurden, wie E. vorher bekundete, unter einem bestimmten Baum in der Nähe des Dorfes Neuendorf, '/- Meile von der Stadt, vergraben, wo sie der Untersuchungsrichter, Gerichtsrath Schultze, begleitet von

einem Nuntius und den beiden Angeklagten, vorfand. Das Gericht verurtheilte den geständigen E. zur vollen Strafe: 3 jährige Baugefangenschaft in der Festung Spandau; Earl Naundorf dagegen wegen dringenden Verdachts nur zu 2'/- Jahr Zuchthaus in der Strafanstalt Brandenburg. Ihm wurde darin wegen Widersetzlich¬ keit eine Strafe von 25 Hieben zuerkannt. Er lehnte sich dagegen aus, da er als Ludwig XVII., Duc de Normandie, eine ent¬ ehrende Strafe nicht dulden könne. Dies half ihm nichts, Stach seiner Entlastung begab er sich zum Justizkommissar Ziegler, späteren Oberbürgermeister, der ihm wegen der körperlichen Mißhandlung Revanche verschaffen sollte. Dieser erklärte ihm, daß in der Sache nichts zu thun sei; er habe ja doch einmal die Hiebe weg rc. Bei dieser Unterredung war ich zugegen; Naundorf schien ein Vierziger zu sein, war sehr pockennarbig, sprach gebrochen französisch und sah im Profil wie ein Bourbon aus. Bon Brandenburg begab er sich mit seiner Familie nach Krossen. Seine bildschöne Frau war die Tochter des Gefangenwärters König. Später tauchte er in Paris auf unter dem Namen Louis XVII. Louis Philippe befahl ihm, binnen 48 Stunden Frankreich zu verlassen. Sodann ging er nach England. Dortige Widersacher Frankreichs nahmen ihn freundlich auf, seine Kinder wurden in Dresdens höheren Bildungs-Anstalten erzogen. Ein Sohn ging nach Holland und wurde dort Offizier. Dieser machte seine Stechte auf die Krone Frankreichs geltend. Soweit die Nachrichten aus Frankreich mir zugegangen, habe ich noch nicht ersehen, daß dieses Prätendenten Ansprüche berücksichtigt werden sollen.*) Earl Naundorf wurde einst Bürger und Uhrmachermeister in Spandau, ohne ein Geburts¬ zeugniß beibringen zu können. Er behauptete, seine Herkunft hülle Mit gutem Führungsattest versehen, sich in mystisches Dunkel. siedelte er nach Brandenburg über und wurde auch dort ohne Taufzeugniß Bürger und Meister. — Sein Komplice E. war später ein wohlhabender Mann und Besitzer des Wintermannschen Hauses in Brandenburg. Von einer Pappel, die der Sturmwind umgeworfen, getroffen, starb er plötzlich, in einer Droschke fahrend, aus der Chaussee nach dem Neuenkruge bei Brandenburg. F. Gr.

Erinnerungen von der Muenmftl. Mitgetheilt von Werner Hahn. (Fortsetzung.)

In

die Küche! — ist's eine Küche? — Ja, Heerd und Rauch-

fang sind da, wenn auch so klein, daß man sie kaum sieht, und so sauber und so geschmückt, daß man sie kaum dafür hält. Worauf das Auge aber gewiesen ist, das sind ringsum Schränke mit Glasthüren, geschlossene und offene, und so vielerlei Kleines und Großes, darin und darauf, in Glas, Porzellan und Metall, Schüsseln und Teller, Näpfe und Töpfe, an goldknöpsigen Nägeln hängend oder übereinander stehend. Man ist unfähig, das Auge an einem Orte zur Ruhe oder dauernden Thätigkeit zu

Denn jedes Einzelne fordert zu eingehender Beobachtung, Prüfung auf. Endlich — Frau Friedrich stand daneben und erstellte sich an unserm Erstaunen — endlich wurde Einzelnes herausgegriffen. Sie selbst hob dies und das herab und gab es uns zur Be¬ bringen.

zu aufmerksamer

helms

III.;

in Gold:

es

da ein Noccoco-Service mit Zeichnungen von Stofen war ein Geschenk vom Prinzen August, Bruder des

Prinzen Louis Ferdinand. Da waren die Majolikageräthe, Kannen, Töpfe und allerlei Anderes, blau, roth und gold in sauberer Schmelzarbeit. Hier eine seine Porzellantaffe, klein, aber vielsagend. Die Unterlasse zeigte als Rand, in dem die Obertasse ruhte, eine Krone. Es war ein Stück aus eineni der Service Friedrich's des Großen. Hier wieder waren Töpfe, Schalen, Näpfe in allerlei Formen lebendiger Wesen: Delphine, Vögel, Gnomen. Da ein Service, *) Anm. Andere Prätendenten oder Betrüger

sichtigung.

Da war ein silberner Sahnentopf:

Kaisers Nikolaus; da, auf einer besonderen Konsole stehend, zwei mit Gemälden königlicher Schlösser, mit sil¬ Henkeln: sie waren Geschenke Friedrich Wil¬ Deckeln und bernen

kleine Porzellantöpfe

eine Gabe des russischen

Hervagault, Brumeau

und

Hebert.

noch außer

ihm waren:

94 Theile, als wäre das Ganze ein gefüllter Obstteller, zuein¬ ander paßten: das Unterbrett — ein Weinblatt, die Zuckerschale — eine Birne, die Tassen — Aepiel, die Kanne — eine Ananas. Da waren aus Porzellan gefertigt, Säulen, Obelisken, mit Gemälden, hier mit Porträts von Fürsten, Generalen, Ministern, da mit dem Gemälde einer Garde-Parade oder mit einem Genre¬ bild aus dem Treiben eines Posthofs und was sonst Alles! Denn wer (so konnte man fragen) hatte sich in der Küche der Frau

J

derungen und Ablehnungen ein lebhaftes Gespräch entspann, das die fremde Dame mit der nicht ganz höflichen Wendung zu schließen dachte: „Sie sind eine ungebildete Person!" — „Ja," gab Frau Friedrich ihr zurück, „so gebildet wie Excellenz kann ich allerdings nicht sein; denn die Schule, die ich besucht habe, bat monatlich

Friedrich nicht verewigt? Nur Weniges gehörte der jüngeren Zeit an. Das Meiste wies in entlegenere Jahrzehnte zurück. Friedrich Wilhelm's III. Gaben — außer jenen silberbeschlagenen Töpfen noch drei oder vier andere Stücke — waren durch ein schwarzes Bändchen gekennzeichnet.

Es gab

so

viel zu fragen, aus dem Herzensschatz längst

herauszuheben, wir selbst waren so lebhaft die Zeit uns rascher verging, als wir merkten. beschäftigt, daß dabei Die Dunkelheit war plötzlich eingetreten und mahnte zum Ausbruch. Als wir schieden, dankten uns die Einsiedler mit ein¬ begrabenen Lebens

Worten für unsern Besuch. gingen den Weg zur Fähre und sahen den blasien unserer Flimmer der Sterne durch die weiche, kalte Luft. Eindrücken. Seele aber sprühte ein wunderbares Gemisch von Kleines und Großes, Nahes und Fernes, Stillbescheidenes und Weithinausklingendes — so nahe nebeneinander und in einem so

fach herzlichen

Wir

In

kleinen und

so versteckten

Und, wie immer, war sie auch dann gegen Hoch und Niedrig ganz gleich. Geschah es doch einmal, daß bei Gelegenheit des Besuchs einer bei Hofe viel verkehrenden Dame sich in Folge gewisier For¬

mangeln.

dessen

?

nur einen Silbergroschen gekostet!" Beide, die Excellenz und Frau Friedrich, waren hiernach mit sich zufrieden. Und namentlich die Excellenz war des Sieges, den sie davon getragen, so sicher, daß sie den Vorfall dem Prinzen Karl zur Beurtheilung vorlegte. „Denken Sie," fuhr Frau Friedrich in ihrer Erzählung an uns fort, „redet mich der Prinz Karl, als ich am nächsten Sonnabend bei seinem Garten vorbei fahre, darauf an und läßt sich von mir die ganze Sache noch einmal erzählen! Er mußte vom ersten bis zum letzten Worte lachen. Als ich aber mit der Schule und dem Schulgeld bis zu Ende gekommen war, klopfte er sich auf's Knie. „Topp, Frau Friedrich," sagte er, „in die Schule möchte ich auch gegangen sein." Es war, wenn auch dann und wann in harter Schale, Alles treu und wahr an ihr. Darum ehrten, die dies kannten, sie so sehr. Die Prinzen und Prinzessinnen des königlichen Hauses waren mit dieser Achtung vor ihr und dieser Vertraulichkeit zu ihr heran¬ gewachsen.

Raume!

Gartenbewässerung"

Eines Tages erzählte sie uns, wie es ihr kürzlich mit dem Kronprinzen und der Kronprinzessin gegangen war. „Der Kronprinz hatte mir sagen lassen, daß er am nächsten Tage mit seiner Gemahlin zu Mittag kommen werde. Es hatte aber in der Nacht stark gewittert, der Himmel war am Morgen

Ein sinniger Kopf, in allerlei Gewerben und Künsten zu Hause, ein eifriger Charakter voll Fleißes und Aus¬ dauer für die schwierigsten und feinsten Arbeiten, das war er, als

ganz bezogen; es war auch kein Absehen, daß der Regen nachlasien könne. „Jette", sag' ich, „es ist nicht möglich, heute kommt Keiner, wir werden uns nicht unnütze Mühe machen!" Und es gießt

Wie

sehr reich aber das Häuschen auch

war, — eine Seite

in ihm stattfand, hatte es uns noch nicht gezeigt. Der alte Herr, der von der Nebenstube her einen Augenblick zu uns getreten, war ja mehr und ganz etwas Anderes, als woran des Lebens, das

wir

bei

denken

dem

Titel „Maschinenmeister

der

konnten.

solcher hatte er sein langes Leben geführt und

führte es noch.

Und ebenso, wie Frau Friedrich von so vielen hohen Personen allerlei werthvolle Gaben in ihrem Küchenputzkästlein zusammen¬ gestellt hatte: so hatte er allerlei werthvolle Gaben, Werke seiner Hand, Elfenbein-, Bernstein- und Mosaikkunstwerke, in die Häuser vieler Hohen, in die Schlösser der Fürsten auseinandergestreut. Es war erst bei einem spätern Besuche, daß wir auch hierin ein¬ geweiht wurden.

III. Die Scheidewand zwischen Frau Friedrich und uns war gefallen. Sie kam, wenn wir da waren, unaufgefordert an uns heran, setzte sich aus längere Zeit nieder und begann freiwillig zu erzählen. Ereignisse komischen Charakters spielten in ihren Erzählungen Sic hatte deren aus allen Jahrzehnten ihres die Hauptrolle. langen Aufenthalts auf der Pfaueninsel im Kopfe — vom Prinzen Albrecht an (dem Sohne Friedrich Wilhelm's III.), der einmal, ein

Knabe von dreizehn oder vierzehn Jahren, auf einem Esel heran¬ geritten war und sie gebeten hatte, einen Augenblick das Thier zu halten, „er käme gleich wieder!" und den sie dann, als er länger als eine Stunde wegblieb, derb ausgescholtcn habe: „Königliche Hoheit sollen ja nicht denken, daß ich nichts Besieres zu thun habe, als Esel zu halten," — bis zu dem Konflikt, der kürzlich mit der Wärterin eines der jüngsten kronprinzlichen Kinder eingetreten war. Die Wärterin hatte ihr Vorschriften geben wollen,-wie sie das Kind auf dem Schoß halten dürfe. „Denken Sie ja nicht," hatte

Frau Friedrich ihr geantwortet, „daß ich nicht darf, was Sie nicht dürfen. Fragen Sie nur die Frau Kronprinzessin!" Es war allerdings leicht, mit ihr in Konflikt zu kommen; es brauchte nur ein klein wenig an Bescheidenheit und Höflichkeit zu

immerfort. Ich kann aber das Sitzen in der Stube nicht lange aushalten, und wie ich da, um frische Lust zu schöpfen, die Hausthüre aufmache, wer steht vor mir? Der Kronprinz, so groß wie er ist, und triefend wie ein Sieb. Und als er mich sieht, stemmt er die Arine, wie ich's zuweilen mache, beide in die Seiten und spricht heftig auf mich ein. „Aber, königliche Hoheit," sagt er zu mir, „wer konnte das denken? Bei solchem Wetter hab' ich nichts für Sie parat gemacht. Nun kann ich Ihnen nichts geben." Ich mußte lachen. „Ja, königliche Hoheit," sagte ich, „daß müßte ich Der Kronprinz aber fuhr fort: „In gutem zu Ihnen sagen." Wetter, Frau Friedrich, kann Jeder kommen." Und zur Jette, die in der Küche war, rief er: „Nicht wahr? Jette, wir kriegen noch Mittag!" — „Ja, königliche Hoheit," antwortete die, „aber nicht so bald!" Unterdesien war der Kronprinz zurück ans Ufer gegangen, denn sie hatten mit dem Fährkahn sich hierher rüdem lassen, und führte die Kronprinzessin ins Haus. In meine Stube mußte ich sie nehmen. Und während der Kronprinz zu meinem Manne ging, ihn nach der Kunst zu fragen, denken Sie, ließ sich's 'ne Schürze geben, tote Kronprinzessin nicht nehmen, ich mußte ihr denn sie wollte helfen. „Na," setzte Frau Friedrich lächelnd hinzu, „schneller vorwärts kamen wir darum nicht." Aber es machte den Herrschaften doch Spaß, und ich freute mich, wie seelenvergnügt sie in meiner Stube waren. Beim Abschied reichte mir der Kronprinz die Hand und sagte: „Frau Friedrich, so gut habe ich lange nicht gegessen."

Wer ganz besonders Sinn und Verständniß für ihre Tüchtig¬ keit hatte, das war von Anfang an die Kronprinzessin. In jedem Sommer sandte sie einmal, auch mehreremale die heranwachsenden Prinzen und Prinzessinnen zu stundenlangem Aufenthalt in ihren Garten und in ihre Obhut.

95

Die Auszeichnung der Frau Friedrich durch die Kronprinzessin ging soweit, daß diese in aller Förmlichkeit bei Gelegenheit der Taufe der später geborenen Kinder sie durch die Oberhofmeisterin einladen ließ, zugegen zu sein.

Da

nur ganz Einfaches und Selbstverständliches, und dies mit den kürzesten Worten: „er ist hier gewesen"/ „hat hier zu Mittag ge¬ Und namentlich alles Koniische, selbst das Heitere war aus ihren Mittheilungen verbannt. Es war, wie cs schien, ein tiefer stiller Klang, aus besonderen Erinnerungen und Gewißheiten gewoben, der in ihrem Herzen bei seinem Namen geweckt wurde. Nicht, daß das Heitere und Harmlose im Verkehr zwischen speist" oder ähnlich so.

einmal, daß ihr Wagen unmittelbar hinter Wrangel beim Schlosie vorfuhr. Der Feld¬ marschall wollte, da er eine Dame aussteigen sah, seiner Höflich¬ keit gemäß Verfahren, sie begrüßen und ihr den Vorgang geben. geschah es

dem des Feldmarschall

Mutter Friedrich, wie kommst Du hierher?" — „Na, wie Sie, Excellenz! Zu Wagen!" Daß ihr das richtige Wort nie fehlte, war in manchen Augenblicken um der verantwortlichen Stellung willen, die sie in

Frau Friedrich nicht vorgekommen wäre! Im Gegentheil, der König scherzte, wie aus Mittheilungen der anderen Hausbewohner ersichtlich war, gern mit ihr, z. B. über ihr beider¬ seitiges Alter. Frau Friedrich war die ältere, sogar um acht Jahre älter. „Nein, nein," hatte aber der König gesagt, „Sie sind jünger. Mit den Kriegsjahren überhole ich Sie, die zählen

der Einsamkeit und Abgeschiedenheit einnahm, eine besondere Wohl¬

doppelt."

Sogleich erkannte er das treue gute Gesicht aus dem Maschinen¬ hause und, seine Verwunderung nicht bergend, sagte er: „Ei,

dem Könige und

Nur einmal —

Einmal kam mit lustigem Gesang eine große, fahnenge¬ schmückte Gondel, mit Herren und Damen jugendlichen Alters gefüllt, die Insel vorüber und legte an ihrem Landesteg an. „Mit lustigem Gesang" — richtiger gesagt: mit ausgelassenem Juchzen und Schreien. Frau Friedrich sandte sofort Jette hin und ließ sagen, daß hier nicht ausgestiegen werden dürfe. Die Autorität des Dienstmädchens war aber der Gesellschaft nicht groß genug. Sie stiegen doch aus, und von den Herren traten zwei näher zu Frau Friedrich, um Bestellungen für Esten und Trinkm zu machen. Auf ihre Erwiderung, daß hier kein Wirthshaus sei und nichts gereicht werde, sagte einer der Herren: „Frau Friedrich, Sie er¬ kennen mich wohl nicht?" Und in der That, er hatte das Richtige getroffen, denn sie gab ihm kurzweg zur Antwort: „Nein, in dieser Gesellschaft kenne ich Sie nicht!" drehte sich um und ging hinweg. Die Gondel war schnell wieder bestiegen und suchte einen andern Hafen. — that.

es

war im Jahre 1866 — ging ihr, damals Frau, das Herz über. Freilich, die

der achtundsiebzigjährigen

Veranlassung dazu war selten groß und stark. Es waren ja die Tage, in denen der Krieg mit Oesterreich immer mehr unvermeidlich wurde. Oesterreich hatte den Konferenzvorschlag der anderen Großmächte zurückgewiesen ; an den Grenzen waren die Truppen versammelt; am Bundestag, dessen Kompetenz

in der schwebenden Angelegenheit Preußen nicht anerkannte, wurden Schritte gegen Preußen vorbereitet; Prinz Friedrich Karl hatte zur Armee nach Schlesien bereits entlassen werden müsten. In diesen Tagen, wo der König — er wußte nicht, wie schnell und wie plötzlich — in die Nothwendigkeit versetzt sein konnte,

Wort in entgegengesetzter Weise, als ihm wünschenswcrth war, zu geben, hatte er, bevor seine Abreise er¬ forderlich würde, ein paar stille Stunden auf der Pfaueninsel zu¬ sein letztes entscheidendes

bringen wollen.

Von König Wilhelm erzählte Frau Friedrich nie mehr als

(Schluß folgt.)

Alte Berliner Originale.

iii. Zu

'

den von uns geschilderten Originalen gesellt sich auch ein

In

weibliches, das weniger die Stadttheile mit den unruhigen Straßen¬ elementen, als vielmehr das

Stillleben des sogenannten Gcheimrath-

Viertels frequentirte. Wer die „Porzellan-Fee" nicht aus eigener Anschauung gekannt, und in derselben etwa eine der Hebe gleichende Gestalt vermuthet, deren junonische Büste der Gürtel der Grazien umschlang, für den wollen wir eine Schilderung des historischen Portraits vorausgehen lasten.

Die Draperie ihres Oberkörpers bildete ein Fragment von Umhang, dem wohl schwerlich ein Modejournal als Vorbild gedient haben mochte. Formlose Gewandstücke umhüllten die übrigen Körpertheile bis zur Fußbekleidung herab, welch' letztere gewöhnlich in einem Pantoffel und einem Schnürstiefel bestand; der naturwüchsige, von einem Tuch halb verhüllte Haarkultus gipfelte in einem Zopfe — nach der weiblichen italienischen Bezeichnung „codina“ oder Schwänzchen. Eine pensionirte Bunzlauer Kaffeekanne, welche sie stets mit sich trug, bildete das Attribut der hiernach benannten

„Porzellan-Fee".

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!

Der Anblick dieser beklagenswerthen Gestalt, welcher das Gepräge des höchsten Elends so sichtbar aufgedrückt war, mußte das Herz eines jeden Menschenfreundes zum innigsten Mitleid bewegen; ließ doch ein prüfender Blick auf dies Antlitz mit seinen Furchen, in deren Tiefe der Jammer eines halben Jahrhunderts begraben lag, die Ueberzeugung gewinnen, daß die Nebelschleier eines gestörten Geistes hier ein ödes Dasein überschatteten.

Unser Original gehörte keineswegs dem Bodensätze der mensch¬ lichen Gesellschaft an; in seiner Entsagung und Beharrlichkeit

gewährte es vielmehr ein Bild, wie nur die deutsche Ballade uns ähnliche Beispiele darbietet. ihrem glücklichen Lebensalter mit allen Reizen der Jung¬

fräulichkeit ausgestattet, war die „Porzellan-Fee" einer reichen und angesehenen Familie — anderer Version zufolge sogar einem altadeligen Geschlecht — entsprossen. Nach harten Kämpfen mit den stolzen Verwandten mußte sie, die in leidenschaftlicher Liebe zu einem nicht begüterten Jüngling erglüht war, dem Theuersten entsagen, was ihr das Leben lieb machen konnte. Und dieses „schmerzliche Verzichten" begleitete die Unglückliche durch das ganze Dasein; ihre Lippen verstummten, denn nie hat man sie sprechen gehört; und von ihrer Familie sich lossagend, gefiel sie sich, aus Haß gegen dieselbe, in der Darstellung des größten, öffentlich zur Schau getragenen Elends. Indifferent gegen die Außenwelt, setzte dies Fragment der menschlichen Gesellschaft dem Hohnnccken der Straßenjugend, welche sie zur „Hexe von Berlin" stempelte, einen passiven Widerstand entgegen. Und diesem Umstande allein hatte sic es zu verdanken, ihre Schritte unbehelligt durch die Straßen der Stadt lenken zu können.

in lichten Momenten wohl ein aus längstvergangenen Tagen in ihrem Gemüth erbeben mochte, wurde der vermeintlich Hülfsbedürftigen hin und wieder ein Almosen entgegen gereicht, von ihr jedoch beharrlich ausgeschlagen; denn die Zinsen eines deponirten Kapitals sicherten ihre Subsistenz, bis der erlösende Tod auch dieses, aus der allgemeinen Harmonie der Wesen ohnehin gewaltsam herausgerissene Original vor etwa anderthalb Deeennien vom öffentlichen SchauAuf

diesen Rundgängcn, wo

leiser Klang

j

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;

!

platz entführte.

F. Meyer.

96

Der fürstliche Vetter in Schwedt. Historische Novelle von

„Wollcn's schon besorgen!" antwortete dieser von draußen und führte Mignon dem Pfarrmütterchen zu, das, nachdeni es lange vergeblich um Einlaß gebettelt, mit gefalteten Händen im Garten aus und ab schritt. „Recht so!- sagte der Alte, aus seinen Posten zurück¬ 23-

verwunderten Schwarzen. „Fort mit den Frauensleuten! Seine Hoheit will sie drinnen nicht haben; gehören auch nicht dahin, wenn es unter Männern ein Wort unter vier Augen gilt . . . Nun, wollen schon Wache halten und Niemand mehr herauslassen!" Er reichte dem Schwarzen die gefüllte Flasche dar; der gekehrt,

Mohr

zu

de»«

zustimmend und ließ mit behaglichem Grinsen Theil des Inhaltes die Kehle Hinuntergleiten. „Bomben unb Granaten! Die drinnen meinen's aber gut. Wie das aufeinander platzt!" rief der Stelzfuß, selber die Flasche an die Lippen setzend. „Auf das Wohl Seiner Ehrwürden!" „Auf Seiner Hoheit Wohl!" that ihm der Schwarze Bescheid. Die Unruhe drinnen kümmerte ihn wenig; still ging es nirgend zu, wo sein Herr seiner üblen Laune die nickte

den größten

Zügel

schießen ließ.

Um was es

sich

hier handelte, vermochte

W. Wryergang.

„Hund!" rief der Markgraf, und heftig sauste seine Faust auf die Schulter des Anderen nieder. „Oho, ist's so gemeint?!" Mit eiserner Faust packle der Alte den Angreifer im Nacken, der vergeblichen Bemühungen, ihn abzuschütteln, lachend. „Nein, Hoheit, da versteh' ich, als Schulmeister, die Sache doch besser! Könnt Euch den Griff merken; bei dem kommt Keiner los." Das Zusammensein der Beiden dauerte im Ganzen nur wenige Augenblicke, doch spielte sich innerhalb derselben eine höchst turbulente Scene ab, während welcher der Markgraf sich nicht eben sehr Vortheilhast ausnahm.*) Vergeblich war das Geschrei des Markgrafen. „Bei Leibe nicht, Schwarzer!" übertönte der Stelzfuß den Ruf. „Niemand hinauslaffen! Bedenke Seiner Hoheit Befehl!" Jetzt schleuderte der Schulmeister in weitein Bogen das Rohr in's Zimmer und ließ den Markgrafen los, der keuchend gegen die Thür prallte. „So, Schwarzer, nun auf¬ — unsere Rechnung ist fertig." „Die meine nicht, Schurke!" knirschte der Freigegebene, dienstwillig eintretenden Mohren mit einem Fußtritt be¬

machen, den

grüßend, so daß er zu Boden taumelte und die Scherben der „Werde Justiz zu üben wiffen über die Schmach, die . . ."

Kopf nicht zu fasten; er sorgte sich auch nicht darum; die Flasche in seiner Hand weckte ihm viel größeres

Flasche weit umher klirrten.

Interesse.

,/Justiz, Ihr?" höhnte der Schulmeister, das gesunde Bein verächtlich auf das Rohr setzend. „Seht hier das Rechts¬ mittel, das Ihr allein kennt, mit dem Ihr allein Justiz zu üben wißt. Wollte Gott, es gäbe auch bei uns bald andere Justiz . . . Geht nur und klagt, bei wem Ihr wollt, — Euch selber zur Schande. Klüger aber wär's, Ihr hieltet den Mund ; von mir wird keine Seele von der Rechnung erfahren, die wir heute mit einander abgemacht!.. . Adieu, Kamerad!" nickte der Alte noch dem Schwarzen zu, der schwankend und scheu, wie ein furchtsamer Pudel, hinter seinem Gebieter drein

sein

dicker

Desto aufmerksamer lauschte der Stelzfuß.

So gedämpft

und fest die Worte des Geistlichen ertönten, so lärmend klang die Stimme des Markgrafen ; plötzlich prallte, wie von fremder

Kraft geschleudert, eine Gestalt gegen die Thür. Als ob er sic mit eigenen Augen schaute, so klar sah der Schulmeister die Scene drinnen vor sich, und es duldete ihn nicht länger auf seinem Posten. „Wo zur Attaque

getrommelt wird, muß ein alter Soldat dabei sein, nicht wahr, Kamerad?" sagte er, dem Schwarzen die Flasche in die Hand drückend. „Da, trinkt, Kamerad, auf mein Wohl! Ihr zwingt's wohl allein. Ihr seht, die Beiden brauchen mich drinnen!"

stolperte.

„Oho,"

Der Schwarze nickte und hielt die Flasche gegen das Licht, um gleich darauf ihren Inhalt bis zum letzten Tropfen

gefurchter

hinunter zu spcdiren.

lich Haus

Als der Schulmeister die Thür öffnete, bot sich ihm ein merkwürdiger Anblick dar: hart an den Rahmen der Thür gedrängt, stand der Hausherr; vor ihm, das Rohr in der geschwungenen Rechten, das Antlitz von zorniger Gluth über¬ flogen. der Markgraf. Ein gewandter Griff, und das Rohr war in der Hand deS alten Soldaten: „Nicht so, Hoheit! Soll's hier partout Hiebe geben, so sollen sie auch an die richtige Adreffe! Der geistliche Herr hat wohl nichts damit zu schaffen."

will

Damit schob er den Pfarrer, genau wie dieser es vorher mit dein zitlernden Mädchen gethan, zur Thür hinaus. „Fort, Ehrmürdcn, — wir zwei Beide haben beffer keine Zeugen! . . . So, Schwarzer, das war der Letzte. Nun halte gute Wacht!

Bedenke Seiner Hoheit Befehl: Niemand

hinauslaffcn!" Fester stemmte der

gegen die

Mohr von draußen

seinen breiten Rücken

Thür; von innen lehnte der Stelzfuß

dagegen.

reckte sich

dann der Schulmeister, den Beiden

nachblickend, „oho, war das eine Lection heute!"

„Eine Lection," entgegnete der Hausherr, der ihm mit

Stirn

entgegentrat, „eine Lection, deren mein ehr¬ ewig zu schämen hat. Nein, schweigt! Ich nicht hören, was ich beffer nicht wiffen darf. Geht, — sich

Wort

zu Eurer Entschuldigung!" Halb trotzig, halb beschämt, wie ein Schulknabe, der für einen übereilten Streich gern abbitten möchte und dazu den Muth und die rechten Worte nicht finden kann, ging der Stelzfuß hinter dem geistlichen Herrn her und schaute bei jeder Wendung bittend zu ihm auf. Vergeblich! Ohne ihn anzu¬ blicken erreichte der Pfarrer das kleine Kirchlein, wohin er seine Schritte gelenkt, und trennend fiel die Thür zwischen Beiden in's Schloß. Der Schulmeister fühlte, daß eine Scheidewand sich zwischen ihnen erhoben; sein tollkühner Uebermuth war schnell verraucht; den langen, grauen Schnurrbart zwischen den Zähnen zerbeißend, schlich er langsam von dannen.

kein

*) Die

„Geschichte Schwedt's" berichtet den Vorgang, nur

mit

dem

Unterschiede, daß die active Rolle bei demselbm nicht einem Schulmeister,

sondern dem Geistlichen selbst zugeschrieben wird.

97

Erregt schritt der Pfarrer im Schiffe der kleinen Kirche auf und nieder. So gehoben und beglückt er sich von Mgnons Begrüßungsworten gefühlt, die letzte Viertelstunde hatte ihm alle Freudigkeit wieder genommen. Er ahnte nur zu gut, welche Folgen die Schmach, die in seinem Hause dem Gebieter angethan worden, nach sich ziehen werde. Daß auch Mignon darunter zu leiden haben werde, schmerzte ihn am meisten. Langsam stieg er die kleine Orgeltreppe hinauf und ließ sich vor der Orgel nieder; fast unbewußt glitten seine Hände über die Tasten. Der Tag hatte des Unerwarteten und Aufregenden so viel gebracht, daß es ihn nicht einmal überraschte, die Töne erklingen zu hören, die doch nicht hätten erschallen können, wenn nicht unerbeten eine freundliche Hülfe ihm gekommen wäre. Er hatte es nicht Acht. Seine Gedanken, wie sie ein¬

ander anklagten und verfolgten, spiegelten

sich

in

seinem Spiele

Aber vielleicht fordere ich ein großes Opfer von Ihnen, indem ich Sie beim Worte halte." „Zu groß wüßt' ich keines! Was kann es in meinem kleinen Leben überhaupt Großes geben?" „Mignon," rief er, sie mit aufleuchtendem Dankesblicke an seine Seite niederziehend, „Sie haben mir heute schon einmal Aehnliches gesagt und durch Ihre Worte große Hoff¬ nungen in mir erweckt. Das aber war im Augenblicke der Erregung; nun sind wir ruhiger, und Sie sollen mich ruhig anhören, ehe Sie Sich entscheiden . . . Schon längst habe ich offen mit Ihnen sprechen wollen, doch hielt mich eine heimliche Scheu zurück. Ich wollte nicht als ein Opfer der Dankbarkeit, was nur freie Liebe geben darf: auch vermochte ich nicht zu ergründen, ob Ihr Herz wirklich noch frei sei, und ob ich nicht, schon mit der bloßen Frage, einem jüngeren

Die kurfürstliche Schiffswerft ju Havrtbrrg. (Nach einem Kupfer aus dem

XVII. Jahrhundert

wieder, bis sie allmälig sich zu friedlicheren Accorden auflösten und er mit einer Bach'schen Fuge schloß. Die letzten Töne waren verhallt, und den Kopf in die Hand gestützt, blätterte er traumverloren in dem alten Bibel¬ Ein fremder Schritt, buche, daß dort oben seine Stelle hatte. der hinter der Orgel vorüberhuschte, machte ihn aufblicken. „Sie, Mignon, Sie hier? Was hat Sie hierher geführt?

O, ich errathe, Sie waren die freundliche Kraft, die mir die Töne belebte. Haben Sie Dank: der lang mtbehrte Genuß

mir zu einem wirklichen Troste geworden." „Und doch scheint es, als hätte Ihr Spiel Sie nicht froher gestimmt! Darf ich nicht um Ihren Kummer wiffen?" „Möchten Sie ihn mir tragen helfen?" „Verscheuchen lieber; das scheint mir befferer Dank für ull Ihre Liebe und Treue!" „So helfen Sie mir, Mgnon! Sie allein vermögen es. ist

von Mchael Madderstegh).

Freunde die Treue bräche, die Sie selber vielleicht ihm halten

wollten." Sein Auge ruhte forschend auf dem Ringe an ihrer Rechten, den er vom ersten Augenblicke, da er ihn an ihrer Hand wahrgenommen, wieder erkannt; er hatte ihn zu oft an Sehdlitz' Finger gesehen, wenn der Junker im Pfarrhause vorgesprochen.

„Sie reden von Sehdlitz, nicht wahr?" fragte sie lächelnd. „O, Sie selber hätten wiffen können, daß er mir nichts hat Der Ring ist mir eben sein wollen, als ein guter Kamerad! nur ein Andenken an einen ,guten Kameraden^." „Aber Sie? Sie sind jedem seiner Erfolge mit so un¬ verhohlenem Jubel gefolgt durch alle diese Jahre . . „Daß Sie meintm, ich wäre am liebsten eine kecke Reitersftau geworden? Dazu nun der übermüthige Mit bei anbrechender Nacht! Nein, Freund, es war mein letzter. Ich

98

muthige Frau zur Seite haben wirst, die in den Stunden der Roth „Richt mehr vergessen darf, daß sie nur eine schlichte, kleine Pfarrfrau hat werden wollen?!" „Als ob ich's je vergessen könnte! Rein, mit dem kecken Uebermuthe ist es vorbei: mein Herr und Gemahl soll eine milde fromme Hausfrau in mir finden." Der Prediger schaute sie mit glücklichem Lächeln an. Im Pfarrhause suchte er den Bildstock hervor, an dem er einst so eifrig geschnitzt, und fügte die beiden Gestalten an ihrer alten Stelle, am Fuße des Kreuzes, ein, von der er sie einst voll Unmuth losgelöst hatte. „Ei, schau," nickte sein Mütterchen ihm zu, „da wären wir ja nun alle wieder am Fuße des Kreuzes vereint! Sieh, Mignon," — und sie hielt das kleine Kunstwerk hoch zum Lichte empor, — „nun magst Du selber erkennen, wie lange er schon Dein Bild im Herzen getragen hat. Sieh, wie es Dir gleichet Zug um Zug." Und das Mädchen umfaßte das Mütterchen mit aller ihr eigenen Herzlichkeit: „Lehre mich nur. Dem da zu dienen und meinem Gemahl ein gehorsames Weib zu sein." — Als sich die Frauen zur nächtlichen Ruhe zurückgezogen halten, setzte sich der Pfarrer noch an den Schreibtisch. In¬ dem er sich anschickte, den schwarzen Amtsrock gegen das be¬ queme Hauskleid zu vertauschen, dasselbe, das ihm am Morgen so viele Demüthigungen bereitet, streifte seine Hand über die Brusttasche, und ein Knittern in derselben erinnerte ihn an das Schreiben, das der Schulmeister ihm in der Frühe über¬ bracht. Wie hatte er desselben nur so ganz vergessen können? Die Handschrift der Adresse erschien ihm fremd, und erst ein Blick auf das große Siegel zeigte ihm Sehdlitz' Wappen. Voller Spannung überflog er den Inhalt: „Seiner Ehrwürden, meinem lieben Freunde, dem hoch¬ würdigen Pfarrer zu Wildenbruch. „Der preußische Soldat ist allzeit, selbst im Schlafe, in Sr. Majestät Dienst; derowegen wirv mein lieber Herr Pastor nicht allzu desappointirt sein, daß er so lange keine uouvellea von mir einpfangen. Ueber meine avaneemeuts kann ich Ihn und Niemand au eouraur halten; es geht saus comparaison, und hoffe ich, daß Er mit seinem einstigen wilden Schüler zufrieden sein soll. „Dennoch, und da ich seit Kunersdorf durch einen in¬ famen Schuß an der Hand blessirt und invalid bin, will ich nicht manquiren, durch meinen Secretair Ihm meine vorhandene Mariage mit der Susanne Albertine, Comtesse von Hake, zu

bin nun bald ein alles Fräulein, und da ziemt sich's ohnehin Aber wenn auch ein altes Fräulein, — zur Samariterin bin ich doch noch nicht angelegt."

..."

nicht mehr.

„Mignon!" „Sie meinen, woher mir

solche Kunde gekommen?

O,

die Vögel zwitschern es in den Lüften, daß unser ehescheuer

Freund, den selbst eine Kathinka von Nochow mit all ihrer Schönheit nicht zu gewinnen vermocht, ein solider Hausvater werden will- Ich gönne ihm alles Glück, ich gönne ihm auch dieses! Ich habe ihn lieb in meiner Weise, — nur als ehr¬ samen Hausherrn kann ich ihn mir nicht denken. Ich fürchte, er wird auch in der friedlichsten Ehe sich auf die Dauer nicht befriedigt fühlen." „Ich habe Aehnliches gedacht, Mignon, und dennoch, — wir sprechen von seinen Plänen, als ob wir Gewißheit darüber Aber gleichviel, er hatte Ihnen ein glänzendes Los hätten. zu bieten, — ich vermag nach dem heutigen Besuche des Markgrafen meinen Lieben vielleicht nicht einmal eine bleibende Stätte zu gewähren. Verleumdungen und Anklagen werden sich gegen mich erheben; daß ich dem Rosenfeld nicht fest ge¬ nug entgegengetreten, daß ich der alten Dorfhexe, wie sie die Mutter Uho schelten, das Wort geredet, — Alles mag gegen mich benutzt werden, als sei ich lau in Amt und Glauben. Ja, Mignon, es sind bewegte Tage für uns gewesen, und Gott weiß, welche Folgen sie nach sich ziehen mögen. Ich kann ein Flüchtling werden im Lande, der keine Zufluchtsstatt sein eigen nennt, — ist es da recht, an mich ketten zu wollen, was mir lieber ist als das Leben? . . Nein, Mignon, ant¬ worten Sie mir noch nicht; ich weiß, welche Antwort Sie mir jetzt geben wollen, und fürchte doch, Sie könnten sie einmal bereuen." Das Mädchen schüttelte leise den Kops; sie deutete auf das Bibelbuch, das offen vor ihm lag. „Hier meine Ant¬ wort," sagte sie fest, und sein Auge überflog die Stelle, die ihr Finger bezeichnete. Es war die Antwort der Ruth: „Rede mir nicht darein, daß ich dich jetzt verlassen sollte und von dir umkehren. Wo du hingehest, da will ich auch hin¬ Dein Volk ist gehen; wo du bleibest, da bleibe ich auch. mein Volk, dein Gott ist mein Gott- Wo du stirbst, da sterbe ich auch, der Tod muß mich und dich scheiden." Mit einem lallten Rufe der Freude zog er sie an seine Brust, an welche sie in mädchenhafter Scheu sich anschmiegte. „Nun denn," sagte er nach einer Weile, „nimm denn auch Mit der freien meilt Gelöbniß aus dem heiligen Buche." Hand warf er die Blätter herum und deutete auf die Stelle im Johannes: „Run, dann bitte ich dich, Frau, nicht als ein neues Gebot, sondern das wir gehabt haben von Anfang an, daß wir uns unter einander lieben; und das ist die Liebe, daß wir wandeln nach seinem Gebote." „Ja, ja!" sagte sie bewegt. „Wir wollen einander nun lieb haben vor aller Welt, wie wir es heimlich doch lange schon gethan, und muthig auf uns nehmen, was da kommen mag!" Hand in Hand stiegen sie die schmale Treppe hinab; am Ausgange des Gotteshauses schaute der Pfarrer lange mit bewegtem Herzen in den stillen Raum zurück. „O, Du Lieber," rief sie, „nicht Abschied nehmen von Mir der Stätte, an der wir eben so glücklich geworden! sagt eine innere Stimme, daß unseres Bleibens noch lange •

hier ist.

Vergissest

Du denn ganz, daß Du fortan

eine kleine

vermelden.

„Ich

kann mir die surprise meines lieben Herrn Pastors

wohl weiß, mich bisher wenig interessirt; indeß, auch Fortuna ist eine Dame, und da sie mir hold gewesen ist, warum meine fortune nicht denken, da die dames, bis auf eine, wie er

auch also versuchen?

hoffe von meinem lieben Pastor bald ähnliche Jntensionen zu erfahren; nach Dero letztem Schreiben glaube ich den Namen der künftigen Frau Pastor errathen zu können

„Ich

und kann zu solcher alliance nur gratuliren. „Mein lieber Herr Pastor darf persuadirt sein, daß ich bis in den Tod bin

Sein wohlaffectionirter und dankbarer -

Sehdlitz."

99

Wenige Tage, einen einzigen Tag früher nur, und der Geistliche hätte, wie von schwerem Drucke Befreit, beim Lesen dieser Zeilen hoch aufgeathmet; jetzt aber, in seiner frohbe¬ glückten Stimmung, vermochten sie ihm nur ein leises Lächeln Und doch empfand er es wie ein Geschenk des zu entlocken.

stumm vor sich hin, bald durchsuchte Garten, und die junge Pfarrersfrau,

Himmels, daß Mignon sich ihm zu eigen gegeben, ehe ihr Kunde von dem Inhalt des Schriftstückes geworden. Kein äußerer Einfluß hatte sie bestimmt, ihm anzugehören, — Alles, was ihn sonst von Sorgen umdrängte, war vergessen.

Auch sonst lastete auf Mignon manche Sorge, denn das Pfarrhaus hatte merklich von der Ungunst des Markgrafen

11 .

in aller Stille stattgefunden, — hoffte vergeblich, daß die Alles heilende Zeit die Aufregung des Mädchens mindern werde.

Offenen Anklagen, selbst von Seiten der vorge¬ setzten Kirchenbehörden, hatte der Pfarrer bisher sein gutes zu leiden.

Recht

Genau, wie einst von Rosenfeld und seinen Anhängern, schien auch von der alten Mutter Uhö in der Markgrafschaft jede Spur verweht zu sein. So viel auch in der Stille nach ihr geforscht wurde. Niemand wollte von ihr wissen oder sie vor ihrem Fortgange gesehen haben; es war, als ob Jeder fürchtete, durch die leiseste Andeutung eines Einverständnisses mit ihr beschuldigt zu werden. Indessen mußte die Alte vor ihrem Fortgange noch einmal in ihre Hütte zurückgekehrt sein, denn Alles, was tragbar von ihren Habseligkeiten, war eines Morgens, in ein Bündel zusammengeschnürt, vor Mariens Kammerthür gefunden worden. Wie es dahin gekommen, ob die Alte selber während der Nacht in das Pfarrhaus gedrungen, das vermochte Niemand zu erkunden, und das arme Mädchen, das vielleicht allein Auskunft darüber hätte geben können, war verwirrter und aufgeregter, denn je zuvor; kein Zuspruch des Geistlichen, nicht das liebevollste Mühen des Pfarrmütterleins vermochten das Mädchen zu der alten freundlichen Dienstwilligkeit zurückzubringen. Bald starrte sie stundenlang

sie angstvoll Hof und — die Trauung hatte

entgegenzusetzen

vermocht, und

seine Gemeinde

hatte

darin treu zu ihm gestanden; den kleinen Chicanen gegenüber war er jedoch machtlos.

Voll Besorgniß hatte Frau

er auch gesehen, wie seine junge

im Haushalte abmühen mußte. „Nimm statt der vorübergehenden Hülfe der Dorffrauen Dir eine neue Magd in's Haus," sagte er oftmals; „die Marie ist Dir keine Hülfe mehr; irgend eine der Dörflerinnen mag sie zu sich nehmen." „O, nicht doch," hatte sie dann wohl gebeten. „Es ist so leicht nicht, mit einem Schlage Alles zu verlieren, woran man hängt; ich gewinne uns das Mädchen wohl noch zurück; stoße sie nicht in die Fremde hinaus, jetzt, wo unsere Liebe sie schon verwöhnt hat!" Eines Morgens aber war das Mädchen verschwunden, und weder die Nachforschungen des Pfarrers, noch die des Schulzen vermochten eine Spur von ihr auf¬ sich

zufinden.

So vergingen die Tage in stillen Sorgen und Schaffen; Winter folgte der Frühling, dem Frühling der Sommer.

dem

(Fortsetzung folgt.)

Misrellen. Kronprinzessin Mctoria (mit Portrait). Die Kronprinzessin des Deutschen Reiches und von Preußen feiert am 21. November ihr fünf¬ undvierzigstes Geburtsfest, bei welcher Gelegenheit die von Professor Raschdorff erbaute englische Kirche im Parke des Schlaffes Monbijöu' eingeweiht werden soll. Die ganze kronprinzliche Familie wird an diesem Tage nach Berlin übersiedeln, um in dem Palais Unter den Linden, das in einzelnen Theilen renovirt wurde, den kommenden Winter zuzubringen. Die englische Kirche wurde aus Anlaß der Silberhochzeit d.es kronprinzlichen Paares gestiftet und verdankte ihre rasche Förderung und einen Theil ihrer künstlerischen Gestaltung der Kronprinzessin persönlich. Mit dem diesmaligen Geburtstage fällt auch die Vollendung des Spielschreins zusammen, den der Kunstgewerbeverein zur Erinnerung an die silberne Hochzeit hat ausführen lassen. Dieser außerordentlich kunstvolle Schrank selbst, der von der hiesigen bewährten Firma Max Schulz und Comp. (Alte Jacobstr.) ausgeführt wurde, soll nach Genehmigung des Kronprinzen mit sämmtlichen Spielen in der allernächsten Zeit öffentlich zur Aus¬ stellung gelangen. Die Warmor-ßokonnade im

I'ark vei Sanssouci (mit

Abb.).

Die

dem städtischen Archiv entnommene in der vorliegenden Ausgabe mitge¬ theilte Abbildung der durch Knobelsdorff entworfenen, einst so berühmten Marmor-Colonnade zwischen Sanssouci und dem neuen Palais ist sehr selten, weil man dieses Kunstwerk bei Erbauung des Marmorpalais wieder abbrechen ließ, um die schönen Säulen bei der Ausschmückung der Hallen benutzen zu können. Auf drei Stufen erhob sich nach den

älteren Beschreibungen der kreisförmige Säulengang von rothem Marmor. Ein von flachen Consolen getragenes Gesimse und eine Ballustrade mit vergoldeten Vasen und Figuren bildeten die Krönung. Zwischen den Säulen standen Sandsteinbecken, aus denen Felsen mit Statuengruppen hervorragten. Pan, Diana, Narciß, Glaukus, Venus, Adonis, Pyramus und Thisbe, Arethusa, Boreas und Andere wechselten mit Tritonen und Sirenen, mit Schwänen und Delphinen in bunter Folge. Auf den Portalen sah man sitzende Nymphen mit Urnen, aus denen ein Wafferftrahl in die großen Becken am Fuße der Colonnade herabschoß. Goldene Barockvasen mit Füchsen, die an wildes Geflügel heranschlichen, standen aus den Schlußsteinen der Portalbogen, an denen Faungesichter von schilfbekränzten Schilden goldene Guirlanden zu den Füllhörnern am Kämpfer herabließen. Säulen und Pilaster waren von rothem schlesischem Marmor, die Pfeiler von Sandstein, die Kapitelle und Simse von weißem Cararamarmor. Knobelsdorff erlebte nicht die Vollendung des Werkes, das 1797 durch Boumann d. mit Genehmigung Friedrich Wilhelms 11. abgebrochen wurde.

I.

Die kurfürstliche Schiffsöauerei zu Kavckkierg (mit Abb.).

In

Jahren der Regierung Friedrichs III. (nachher König Friedrich I.) wurde der Schiffsbauhof, der bis dahin in Berlin gewesen, aufgehoben, wie aus einem Bericht des Oberbaudirektors Nehring hervorgeht, den dieser im Frühjahr 1695 erstattete. Michael Madderstegh, der den neuen Schiffsbauhof bald nachher gezeichnet hat, war ein Schüler des berühmten Barkhuyzen und als Maler ebenso geschätzt wie als Schiffsbau¬ meister. Er wurde 1698 zum Hof-, See- und Schlachtenmaler mit 1000 Thaler Gehalt angestellt unter der Bedingung, ausschließlich für den Kurfürsten zu arbeiten. Er baute die mit 22 Kanonen ausgestattete Fregatte „Friedrich", die 1704 aus Holland nach Berlin überführt und zur Abhaltung von Schmausereien und Lustbarkeiten an der Langenbrücke den ersten

bei dem Schlosse verankert wurde. Dieses im Innern reich mit Schnitzwerk und Malereien gezierte, von G. Wolfgang in Kupfer gestochene Schiff und ebenso die kurfürstliche Dacht, die bei Potsdam auf der Havel lag, wurde von Friedrich Wilhelm I. dem Zaar Peter verehrt, der sie nach Petersburg bringen ließ. Madderstegh starb 1709 zu Amsterdam. Luthcrdenkmak. Das Comits für die Errichtung eines Luther¬ denkmals in Berlin versendet einen officiellen Bericht, betreffend die Preis-Entscheidung über die Konkurrenz - Entwürfe zu einem LutherDenkmal, dem wir Folgendes entnehmen. Bei Feststellung der Konkurrenzfähigkeit der vorliegenden Entwürfe gemäß den Bestimmungen des Programms vom Januar 1885 fand sich, daß einer derselben, nämlich der mit dem Motto „Martin" versehene, trotz lebhafter Anerkennung von der Bewerbung deshalb ausgeschlossen werden mußte, weil er, entgegen dem in 8 2 des Konkurrenz-Ausschreibens ausgesprochenen Bedingniß, symbolische Gestalten enthält. (Anm.: Dieser Entwurf stammt von Otto Lesfing her.) Behufs Ermittelung der zu ertheilenden Preise hat die Jury nach wiederholter gemeinsamer Musterung der vorhandenen Entwürfe eine Klassifikation in der Weise vorgenommen, daß zuvörderst diejenigen aus¬ geschieden wurden, für deren Berücksichtigung sich aus der Zahl der Preisrichter keine Stimme erhob. Nach Ausscheidung dieser Entwürfe traten 24 in die weitere Wahl, während 7 in die engere gestellt wurden. Bei der Schlußverhandlung über die zur engeren Wahl stehenden Entwürfe wurde für Nr. 4 (Motto: Brunn' alles Heils) besonders die Schönheit des Aufbaues und die Anmuth der Nebenfiguren hervorgehoben, auch fand es lebhafte Anerkennung, daß der Künstler in denselben die Träger des reformatorischen Gedankens im brandenburgischen Herrscher¬ hause zur Geltung gebracht; Nr. 14 (Motto: Mit Gott A.) erschien

I.

100 beachtenswert, einesthetls um der rhythmischen Gliederung willen, welche der Gesammt-Ausbau zeigt, andererseits wegen der Fülle verständnißvoll gewählter Motive und mit Rücksicht auf die würdige Luthergestalt; doch machte sich bei aller Tüchtigkeit ein gewisser Schematismus empfindbar; Nr. 19 (Motto: „Paulus") erwarb sich Dank der Großartigkeit der architektonischen Anlage und vermöge der kraftvollen Charakteristik des Figürlichen ungeteilten Beifall, wenn auch ebenso entschieden die Zu¬ lässigkeit der bie halbrunden Rampen vorn abschließenden, an sich treff¬ lichen Gestalten des Moses und Paulus in diesem Zusammenhang ange¬ fochten wurde; Nr. 29 (Motto: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen") zog die Ausmerksamkeit der Jury namentlich durch die Reichhaltigkeit und geschmackvolle Anordnung der Nebenfiguren auf sich, wogegen die Luther¬ gestalt weniger befriedigte; Nr. 30 (Motto: „in silentio et spe“) gewann lebhafte Anerkennung hinsichtlich der Klarheit und Einfachheit der gesammten Anordnung, sowie namentlich mit Bezug auf die Lebendigkeit und Frische der beiden am Postament angebrachten Gruppen, deren Vor¬ zügen gegenüber die Lutherfigur zurücktrat; an Nr. 37 (Motto: „Ich hab's gewagt" 6.) erfreute besonders die Wahl und Darstellung der in den drei Grupven am Postament zum Ausdruck gebrachten Wirkungen der Reformation, wie sie einerseits im Glaubensleben und in der Geistesbesreiung des Volkes (Abendmahl unter beiderlei Gestalt, Forschung in der

Schrift), andererseits in der Weihe

des deutschen Psarrhauses durch hervortreten; dagegen fand die Luthergestalt nur

Aufhebung des Cölibats bedingten Beifall; die Architektur wurde einstimmig für verfehlt erklärt; der Entwurf Nr. 41 endlich (Motto: „93—58") erregte ungeachtet der Bedenken gegen den Maaßstab des Gesammtaufbaues und gegen die Drastik der Hauptfigur vermöge seines genialen Wurfes sowie vermöge der Originalität, Kraft und Grazie in Anordnung und Formgebung bei der Mehr¬ heit der Jury den Eindruck der weitaus hervorragendsten künstlerischen Leistung. Die Zettel-Abstimmung ergab: für den I. Preis (5 000 Mark) (7 von 10 Stimmen): Entwurf Nr. 41, Motto: „93—58"; für den II. Preis (3 000 Mark) (t> von 10 Stimmen): Nr. 19, Motto: „Paulus"; für den III. Preis (2 000 Mark) (7 von 10 Stimmen): Nr. 87, Motto: „Ich hab's gewagt". Außerdem wurden zum Ankauf für je 1000 Mark bestimmt: die Entwürfe Nr. 4 (Motto: „Brunn' alles Heils'") und Nr. 30 (Motto: „in silentio et spe"). Bei Oeffnung der betreffenden Briefumschläge wurden ermittelt: als Urheber des mit dem ersten Preise gekrönten Entwurses: Paul Otto (Rom); als Urheber des Entwurfes mit dem zweiten Preise: C. Hilgers (Charlottenburg); als Urheber des Entwurfes mit dem dritten Preise: Bernhard Römer. Bildhauer und Max Ravoth, Architekt (Berlin). Urheber des zum Ankauf bestimmten Entwurfes Nr. 4 (Motto: Brun»' alles Heils") ist: Pros. Erdmann Encke (Berlin); als Urheber des ebenfalls angekauften Entwurfes Nr. 30 (Motto: „in silentio et spe") wurde der Bildhauer Prof. Voltz (Karlsruhe) festgestellt. (Anm.: Verfasser von Nr. 14 ist Werner Stein in Leipzig, von Nr. 29 Paul

Werner in Berlin).

Der Ausbau des Schlosses zu Merlin. Die unseres Wiffens im zwei Jahren etwa gegebene Anregung, das königliche Schloß im Lustgartenflügel bis an die Spree zu verlängern, wird in Künstler¬ kreisen jetzt ivieder sehr warm vertreten. Es läßt sich nicht leugnen, daß die Schlohapotbeke in ihrer gegenwärtigen Verfassung einen keineswegs anmuthigen Eindruck macht, und daß dieser Eindruck nicht besser wird, wenn die Abbruchsstelle nach der neuen Brückenzufahrt durch einen Giebel verkleidet wird. „Der kleine Vorgarten und die freundlichen Häuschen, welche früher zwischen Spreeufer und Ostfagade der Schlohapotheke lagen, diese eigenartige Verbindung von Epheu, Baumlaub, Blumen und Archi¬ tektur haben," so schreibt ein Architekt in der „Voss. Ztg.", „über manches hinweggetäuscht, was jetzt, nachdem Hacke und Spaten hier gehaust haben, das Auge beleidigt. Daß der jetzige Zustand nicht bleiben kann, liegt auf der Hand. Selbstverständlich muß, wenn hier etwas neues entstehen soll, das Alte, sofern es ein besonderes architektonisches Interesse bean¬ sprucht oder aus die Geschichte unseres Herrscherhauses besonders innige

Peter Walle,

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Wasser befürworten.

Hin Wappenbuch. Bei dem Herannahen des Weihnachtsfestes wird oftmals mit frohem Danke ein Fingerzeig aufgenommen, der unsere Auf¬ merksamkeit auf ein sinnreiches Geschenk lenkt, das nicht nur für einen Augenblick erfreut, sondern von dauerndem Interesse ist. Diesen Vorzug besitzt das im Verlage von H. S. Hermann, Berlin (Beuthstr. 8), er¬ schienene Heraldische Stammbuch, welches aus fünfzig Wappen¬ schablonen besteht, nach Zeichnungen des in der Mitte des XVI. Jahr¬ hunderts in Nürnberg lebenden Malers und Formenschneiders Jost Amman. ;

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„Bär" vor

Zu beziehen durch Wilhelm-Straße 35:

In

Jul. Bohne, Berlin,

Stifrungsaltar des Grafen Rochus zu Lynar in der Nikolaikirchc zu Spandau, mit Llbbildung des der

Altars, Stammtafel und Auszug aus des XVI. Iabrbunderts. den Tagebüchern ”

Preis ä Mark. Schlüters Aufenthalt in Petersburg. (Svnderabdruck). Preis 1 Mark.

— —

DEUTSCHE RUNDSCHAU eröffnet mit dem Octoberhest den XII.

Beziehung hat, mit Pietät geschont werden. Bezug auf die Schlo߬ apotheke sind aber keine Gründe anzuführen, die eine Schonung zur Pflicht machteit. Der noch zu zwei Dritteln bestehende Theil bietet im Innern nicht die geringste architektonische Merkwürdigkeit und die äußere Fa?ade mit ihren Renaissancegiebeln und gothischen Fenstereinfassungen erweckt ebenfalls kein bedeutendes Jntereffe. Historische Reminiscenzen knüpfen sich an den Bau nicht an. und so kann man nicht umhin, auch für die Entfernung dieses Restes zu sprechen. König Friedrich Wilhelm IV. hat schon etwas Aehnliches geplant, wenigstens beabsichtigte er den neu zu erbauenden Dom mit dem königlichen Schlosse durch einen bedeckten Gang zu verbinden, und dieses Projekt wäre nur möglich gewesen bei einem Umbau oder gänzlicher Beseitigung des Apvthekengebäudes. Was aber die Hauptsache ist: nach Niederlegung der Schloßapotheke könnte dasjenige ausgeführt werden, was allen Berliner Architekten am Herzen liegt, ein Ausbau des königlichen Schlaffes „an dieser Nordost-Ecke. Nach dieser letzteren hin hat die Lustgarten-Fa?ade keinen Abschluß: sie läuft sich todt gegen den schmalen Zwischenbau, der Schloß und Apotheke verbindet. Entsprechend der risalitartig vorspringenden Nordwestecke des Eosanderschen Theiles müßte auch hier ein Risalit mit derselben Fensterzahl vor¬ springen. Man hätte dann eine symmetrisch gegliederte Fapade mit den beiden Portalen in den Mittellagen und den Risaliten an den Ecken. Statt dessen bricht der eigentliche Schloßbau, wie er sich nach dem Lust¬ garten hin präsentirt, am Apothekengebäude ab und setzt sich einfach fort in dem viergeschossigen, bis zum Spreeufer reichenden, schmalen Bau, welchen der Graf Lynar aufgeführt und Nehring später umgebaut hat." Diesen großartigen Gedanken hat früher schon Baurath Heyden ausge¬ sprochen und wir können uns demselben nur voll und ganz anschließen, im Zusammenhang aber damit eine Renovirung des Lynar'schen Flügels zwischen den Schloßhöfen und einen Ausbau des Kapellenthurmes am

In

die einzelnen Blätter des Stammbuches sind die höchst geschmackvollen Wappenschablonen in der Weise eingedruckt, daß daneben ein freier Raum für die Wahlsprüche und Namen der Inhaber des betreffenden Wappens bleibt, welches in den heraldischen Farben oder als Federzeichnung ausgeführt, das Wappenschild schmückt. Jede Schablone zeigt ein anderes Arrangement der Wappendecken; Helm, Krone und Federn sind so zweck¬ mäßig verwandt, daß für jedes Wappen eine passende Zeichnung zu finden ist. Künstlerisch auch sind die heraldischen Figuren, welche den Effekt bedeutend erhöhen. Da das Stammbuch aus losen Blättern be¬ steht, ist es leicht, fernen Freunden ein solches Blatt zum Ausfüllen zu¬ zusenden und es gewährt diese Sammlung Gedenkblätter ein besonderes Interesse gerade in einer Zeit, welche sich bewußt ist, daß in der Hoch¬ haltung des Adels nicht ein Stolz, sondern eine Pflicht liegt.

S. von Keller.

Inhalt: Gedenktage. — Faustrecht, vonB. W.Zell. — Feuilleton: erste Eisenbahn, von Emil König. — Carl Naundorf als Louis XVII. zu Brandenburg, erzählt von einem Zeitgenossen; Er¬ innerungen von der Pfaueninsel, mitgetheilt von Werner Hahn (Fortsetzung); Alte Berliner Originale, von F. Meyer. — Der fürstliche Vetter in Schwedt, historische Novelle von W. Weyergang. — Miscellen: Kronprinzessin Victoria (mit Portrait); Die MarmorBerlins

Colonnade im Park bei Sanssouci (mit Abb.); Die kurfürstliche Schiffs¬ bauerei zu Havelberg (mit Abb.); Lutherdenkmal; Der Ausbau des Schlosses zu Berlin; Ein Wappenbuch. — Inserate.

chöulieit ist eine Zierde.

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Hritkrafi,

haben

st

Stift.

d.

Berl. Akademie der Wissenschaften.

Schlacht bei Kaiserslautern. R. G. Löwe, Componist * zu Löbejün b. Halle.

I.

Friedrich Adolf Trendelenburg * Eutin. Theodor Mommsern * Garding (Schleswig).

Anton Rubinstein * Wechwotynetz b. Jassy.

Friedrich Wilhelm d. Großen. Die „Karschin" (geb. Dürbach) * bei Schwiebus. Thronbesteigung

Eröffnung des Opernhauses in Berlin.

December December December December December 2. December 2. December 2. December

1817. 1825. 1871. 1791. 1792. 1817. 1867. 1870.

3. 3. 3. 4.

December December December December

1811. 1838. 1857. 1703.

4. 4. 4. 4.

December December December December

1791. 1815. 1825. 1870.

1. 1. 1. 2. 2.

Leop. Alex. Fried.

Alexander

1.

II. Arends, Stenograph * Wilna.

von Rußland -f.

Erste deutsche Volkszählung (41058139 ©tu.). Ansbach und Baireuth an Preußen abgetreten. Sieg bei Bockenheim.

* H. v. Sybel, Direkt, d. Staatsarchive Düsseldorf. Grundsteinlegung d. Nationalgalerie zu Berlin. Schlachten und Gefechte bei Beauvillars-Fame und Coury - Chateau, bei Champigny, Brie und

Artenah.

Maler Eduard B endemann * Berlin. Louise Großherzogin von Baden *. Daniel Christian Rauch f-, Errichtung des Oberappellationsgerichtes

Berlin.

Philosoph Heinrich Ritter * Zerbst. A. W. Zumpt, Gymnasialdirektor * Königsberg. Professor Franz Heinrich Reusch * Brilon. Prinz Friedrich Carl siegt bei Orleans.

Faustrecht. Von B. W. Zell.

VII.

Liebe

Es war digen, aber klaren und sonnigem Märztage, als Margarethe von Schlieben wieder einmal wie fast täglich um die Mittagsstunde, hinaus in ihr Gärtchen trat, weniger um frische Luft zu schöpfen, als ihren lieben

Martin

zu sehen und

Aber

Reste

des

sehnsüchtig

sie

wartete

heut

vergebens,

Mittagsfteistunde verrann und noch eine ganze Weile darüber, ohne daß Martin erschien und in höchster Un¬

mit ihm

ruhe, ob er vielleicht krank geworden sein möge, mußte sie endlich ins Haus zurück, da Frau von Schlieben ihren Mittagsschlaf beendet hatte und nun nach der Tochter rief. Jm Bürgermeisterhause aber hatte es an demselben Tage und zur

festgefrornen

Schnees, der noch hier und da im

Garten lag, zusammen, und wenn man scharf hinschaute, konnte man wohl schon an manchen Stellen die Spitze eines Grashälmchens entdecken, das voreilig und neugierig zu ftüh in die Welt guckte und glaubte, der Frühling sei bereits gekommen. Auch in der Jungftau Herzen zauberte der Sonnenschein Frühlingsgefühle von

und

denn ihre von der Mutter festgesetzte

Unter den warmen plaudern. Strahlen der Mittagssonne schmolzen letzten

Glück

ob denn das treuherzige Gesicht des Liebsten nicht bald darüber auftauche.

zu

die

und

schaute sie hinüber zum Nachbarszaun,

an eineni scharf win¬

selben

Louise, Kroßherzogin von Lade».

(* 3.

December 1838.)

Stunde zwischen den Eltern

und ihrem einzigen Sohne eine gar heftige und aufgeregte Scene gegeben, Bürgermeister Beste war heut mit finsterer Miene aus der Rathsver¬ sammlung heimgekehrt und hatte

102

alsbald Martin zu sich rufen lasten, der in einem anderen Theile des Hauses beim Tuchmachergewerb beschäftigt war und dort an des Vaters Statt die Gesellen beaufsichtigte und das ganze Geschäft leitete. Mit bescheidener und doch verwunderter Miene trat er nun vor den Vater hin, denn es geschah äußerst selten, daß dieser ihn zu ungewöhnlicher Stunde vom Ge¬

verthust unnütz die kostbare Zeit und das schöne Geld? Wo soll's mit diesen Firlefanzereien hinaus? Hab ich Dich nicht sieben Jahre in unsere gute Fürstenwalder Bürgerschule ge¬

und weißt Du nicht weitaus, was einem braven Tuch¬ macher und einstigen Kaufherrn zu wiffen Noth thut? Nun, Antwort! Wo soll's hinaus?"

schickt,

„Herr Vater," entgegnete Martin

schäft abrief.

„Was wünscht der Herr Vater?" fragte

er jetzt,

als er

sah, daß der Bürgermeister keine Micne machte, das Gespräch zu eröffnen, sondern still

im Lehnseffel

saß

und mit finsterem

Straße hinausschaute. Der Angeredete blickte jetzt um und unwillig auf den Sohn, der in Jugendkraft vor ihm stand und dem Blick offen und ehrlich begegnete. „Ist es war, Martin," fragte jetzt der Bürgermeister scharf, „ist es wahr, was mir heute Rathmann Henze zu¬ raunte, daß Du allabendlich zum Pater Dominikus gehst, um dort Latein und allerlei andern gelehrten Krimskrams zu treiben und daß Du diesem für diese Allotria noch oben¬ ein Deinen sauer erworbenen Wochenlohn hingiebst?" In des Jünglings Antlitz schoß eine tiefe Nöthe, aber ohne sich einen Augenblick zu besinnen, antwortete er fest: „Ja, Herr Vater, es ist wahr." „Also doch!" brauste der Bürgermeister auf. „Während ich Dein frühes Zurückziehen nach dem Abendimbiß also deutete, daß Du zeitig die Ruhe suchtest, um des Morgens bei guter Zeit und frischen Kräften wieder im Gewerb zu schaffen, sitzest Du wie ein Gelahrter bei der Bücherei und Gesicht auf die

Neue literarische Erscheinungen. Von Julius Rodcnberg ist soeben eine kleine Sammlung „Bilder aus dem Berliner Leben" erschienen, die, wie er selbst sagt, nach und nach den Gefühlen des Dankes und der Anhänglichkeit gegen die Stadt Berlin entstanden sind.*) Sie bilden die Erzeugnisse zwangloser Wanderungen durch alle die verschiedenen Quartiere, die in den letzten Jahrzehnten so gewaltige Umwandlungen erfahren mußten. Weiter aber als zehn Jahre geht keines dieser Blätter zurück, die, wie der Ver¬ fasser betont, keineswegs die vorhandenen Arbeiten „zur Geschichte Berlins" vermehren wollen. Es tvar seine Absicht, das Alte mit dem Neuen, die Vergangenheit mit der Gegenwart zu verbinden und zugleich Alles für die Zukunft so zu zeichnen, wie es sich vor und in der bewegtesten Periode der Stadtentwickelung seinen Augen noch wahrnehmbar gezeigt hat. Mit einem solchen Bekenntniß ist daS, was wir in dieser Sammlung zu erwarten haben, ziemlich deutlich bereits gezeichnet. Nicht Studien und Zahle», die neueres historisches Material zur Geschichte der Stadt uns geben, sondern Erinirerringen an ältere Tage im Zusammenhang mit dem, was um uns her wirklich vorgegangen und vorgeht, stimmungsvolle Federzeichnungen also, die, so gut dies eben möglich ist, Bilder ohne Illustration vorführen wollen. An der Spitze dieser Aussätze steht eine Skizze unter dein Titel „Die letzte Pappel." Darin führt uns der Dichter in eine ehrwürdige Pappelallee, wie sie ehemals bei der Potsdamerstraße bestanden haben mag. In dieser Straße befand sich, nahe dem Kanal, ein Bier- und Kaffeegarten, in denr sich Nachmittags ein „Damenkränzchen" zu treffen pflegte, und in welchem außer dem Erzähler mehrere originelle Stammgäste verkehrten. Das Leben nun in der Weise jener Zeit und die Eigenthümlichkeiten aller dieser Besucher werden in reizvollster Weise geschildert und dabei durch die Beziehungen derselben untereinander allerlei hübsche Momente in das einfache Treiben des damaligen Berlin hinein¬ getragen. Hübsche Scenen von tiefer, gemüthvoller Stimmung ketten sich in dieser Erzählung zu einer anmuthigen Folge, auf die man wohl geme ein halbes Stündchen verwenden wird, obwohl dem Kenner das specifisch Berlinische der Skizze nicht prägnant genug erscheinen mag. Die *) „Bilder aus dem Berliner Leben" von Julius Rodeuberg. Gebrüder Paetcl 1885.

Berlin, Verlag von

bescheiden, obgleich er

naht „Ihr wißt, Herr jetzt eine entscheidende Vater, daß es von Kindesjahren an mein innigster Herzens¬ wunsch gewesen, dereinst ein Gelehrter zu werden. Ihr wäret an allen Gliedern zu beben begann, da er sich sagte, es

Stunde für ihn —

diesem Wunsche entgegen und bestimmtet mich zu dem Tuch¬ macherhandwerk, das schon meine Vorfahren getrieben und ich glaube, ich bin auch allezeit Eurem Willen und Befehl

ein fleißiger Lehrling und tüchtiger Gesell gewesen. Aber wenn ich so am Tage zu Eurer vollen Zufriedenheit meine Schuldigkeit that, wollet Ihr mir es nicht gönnen, daß ich meine Freistunden meinen Neigungen gemäß ausfülle? Meine Altersgenoffen sitzen des Abends beim Bier und verthun dort Zeit und Geld, während sie allerhand tolles Zeug treiben — ist's Euch da nicht lieber, ich sitze bei Pater Dominikus über den Büchern?" „Nein und hundertmal nein!" rief der Vater, über diese ruhige und selbstbewußte Rede des Sohnes nun erst recht erzürnt, „nein, es ist mir nicht lieber! Junges Volk soll und muß mit einander lustig sein — so ist's allezeit in der Welt gewesen und soll auch so bleiben. Bei den Pfaffen und den nach

tiefe, gedankenvolle Schreibart Rodcnberg's, die in hohem Grade fesselt und anregt, darf hier nicht eingehender hervorgehoben werden, sie ist den den Lesern des „Bär" durch die unlängst abgedruckten Arbeiten Zelten" und „Die Kreuzberggegend", die ebenfalls in diesem Bande auf¬ genommen wurden, bekannt. Ganz in derselben freien, poetischen Auf¬ fassung bewegen sich die in der „Rundschau" erschienenen Aufsätze: „Der

„In

Sonntag vor dem Landsberger Thor"

und

„Das Werden und

Wachsen unserer Stadt", von denen besonders der letztere zeigt, wie todte Zahlen durch die Darstellung Leben gewinnen können*).

— Neben Nodenberg tritt August Trinius mit einem neuen Bändchen auf, das ec als ein Skizzenbuch „vom grünen Strand der Spree" bezeichnet.**) Nicht weniger wie zwanzig kleinere Aufsätze werden hier dem Leser in reichem Wechsel vorgeführt, ganz so, wie das ewig treibende Leben einer modemen Residenz am Heerde und da draußen, bei Reich und Arm, solchen mit sich bringt. Zuerst leitet uns der Verfasser auf den Rathhausthurm, um von dort „Berlin aus der Vogel¬ perspektive" zu schauen, dann geht er mit uns vor das Thor, die Schönheiten des Frühlings zu genießen; jetzt werden wir in die Geheimniffe „der Berliner Hofmusik" eingeweiht, d. h. in die Künste der Leierkastcnvirtuosen und der Berliner Voigtlandstroubadoure, die auf den düstem feuchten thurmhohen Höfen Freude in die Herzen der Kinder und Dienstmägde tragen, die musikkundigen Miether aber mit heiligem Zorne erfüllen. Recht zeitgemäß ist die Skizze eines „Berliner Wahllokals*, wenngleich bei ihr gerade das Philisterium den wirklichen Verhältnissen gegenüber ein wenig zu sehr in den Vordergrund tritt. Der Eifer, womit viele Menschen das Wählen betreiben, hat ja etwas Komisches, und die Meisten derer, die zum ersten Male in ihrem Leben am Wahltische sitzmd sich am Ziele ihres bürgerlichen Strebens erblicken, machen für den Beob¬ achter eine merkwürdige Figur; im Allgemeinen aber giebt es wohl in alleren Schriften folgt, wäre cs intcresiant und einige andere Punkte hier zu erfahren. Gegenüber der Erhebung Cöllns zur „Residenz" (1451) könnte in dem Aufsaye „Wcrdcn und Wachsen unserer Stadt" der Einfluß der Befestigung näher beleuchtet sein, weil dadurch erst die „Landeshauptstadt" entstand, aus welcher nach der Entfestigung die „Königsstadt" sich entwickelte. Die Giebel der Schloßapothekr werden von Rodenberg irrthümlich als gothisch bezeichnet. **) Vom grünen Strand der Spree. Berliner Ekizzenbuch von A. Trinius. Minden (Wests.) I. C. C. Bruiös Verlag 1885.

*) Wiewohl Rodenberg überall

gewesen, seine Meinung über bas

einsach den

Alter

des

Roland

103 Büchern fängt so ein junger Kopf nur Mucken und der Deine scheint damit auch schon über und über angefüllt. Lernen sollst Du noch, das will ich selber, aber nur, was einem

in späteren Jahren

Kaufherrn von Nöthen und darum werde ich Dich auf ein Jahr in ein großes Handelshaus zu Cölln an der Spree thun; mit Pater Dominik aber und seinem Latein hast Du fürderhin Nichts mehr zu schaffen, verstanden?"

Und ist

vielleicht ein Kleines, Bürgermeister einer bischöf¬ zu sein, noch dazu, wenn der Bischof ein Blumenthal ist! Lieber wollte ich mit zehn Kur¬ von Georg Alles das fürsten zu thun haben, als mit einer Eminenz. gehört zwar eigentlich nicht hierher" — der ^Bürgermeister lichen

weiter zu lernen und wenn er sich dann ein¬ höheren Studium vorbereitet und mehr Aussicht auf Erfüllung seiner Wünsche hatte, war es noch immer Zeit, mit einer Eröffnung hervorzutreten, die seinen Vater so empfindlich treffen mußte. Dem Bürgermeister würde dieses lange Schweigen Martins bei einer andern Gelegenheit wohl sofort aufgefallen sein und in seiner barschen, bestimmten Weise hätte er zustimmende Antwort gefordert, jetzt aber einem

schienen andere Gedanken

ihn zu beschäftigen, denen er

klingenden Spargroschen einst zu erben, ist, dünkt mich, eine gar schöne Sache. Und Deine Eheliebste wird Dir doch der¬ einst einige Schock böhmische Groschen als Mitgift zubringen." Bürgermeister Besse hatte sich augenscheinlich in gute

Laune hineingeredet, denn

auch

den

durstgesegneten

nächst haben

längst dar¬

mich wollen?" brachte

wir

Zu¬

da zwei Brandenburgische Guinea-Medaillen, eine von

I.

1692 bis 1694. Die preußischen Ausprägungen für den Außenhandel beginnen mit einem Thaler der asiatischen Handelskompagnie zu Emden (ohne Jahreszahl); der erste Thaler der datirt ist, hat die Jahreszahl 1755; er ist aber nur in wenigen Stücken geprägt und sonst auf Wunsch des Königs wieder eingeschmolzen worden. Unter den übrigen Münzen befindet sich ein Bancothaler von 1765 abgebildet, dann ein sogenannter Albertusthaler von 1766 und ein ebensolcher von 1767 und 1797, ein Levantiner von 1766; 1767 wurden solche für den Handelsverkehr mit der Den Beschluß bilden Levante für über 8000 Reichsthaler geprägt. mehrere Zweidrittel nach Leipziger Fuß, über welche mit Mendel Oppen¬ heim und Nathan Liepmann längere Verhandlungen gepflogen wurdm. Verbindung mit diesen Brandenburgisch-Preußischen Prägungen verdienen die Publikationen des unerschrockenen Afrikareisenden Hugo Zöller Erwähnung, von denen schon drei Bände uns vorliegen.*) Sie geben unter dem Titel „die Deutschen Besitzungen an der west¬ afrikanischen Küste" anschauliche Schilderungen dessen, was Zöller, der im Aufträge der „Kölnischen Zeitung" und aus eigenen wissenschaft¬ lichem Interesse seine waghalsigen Fahrten unternommen, bis dahin in undurchforschten Gebieten erlebt hat. Der erste Band bringt das „Togo¬ land und die Sklavenküste", der zweite, dem Fürsten Bismarck ge¬ widmete, Forschungsreisen in der deutschen Colonie Kamerun und zwar das Kamerungebirge mit den Nachbarländern Dahome, Fernando

— Von dem Werke „Fünfhundert Jahre Berliner Ge¬ schichte" von Adolf Strecksuß erscheint bei Albert Goldschmidt (Köthenerstraße 32) gegenwärtig die vierte Auflage. Die fesselnde Schreibweise des Verfassers, die inmitten historischer Angaben alles Trockene geschickt zu vermeiden weiß, ist wohl geeignet, zum Lesen des ziemlich umfang¬ reichen Bandes anzuregen und damit für die Vergangenheit der Kaiser¬ stadt neue Freunde zu erwerben. Die früheren Auflagen sind von allen Blättern, sowie von der Fachpresse mit ungetheilter Anerkennung auf¬ genommen worden, die jetzt noch zunehmen dürfte, da eine Erweiterung des historischen Stoffes über das Jahr 1848 hinaus bis zum Jahre 1871

In

In

erfolgt ist. die Geschichte der Hauptstadt spielen so viele Ereignisse anderer Städte und Staaten hinein, ja so viele hervorragende kultur¬

darin mit zur Behandlung, daß außer dem lokalen noch ein ganz allgemeines und vielseitiges Interesse dem Werke innewohnt. Die lieferungsweise Ausgabe in etwa 30 Heften ermöglicht Jedem die Beschaffung des empfehlenswerthen Hausbuches. historische Vorgänge kommen

Po u. s. w., während der dritte Band das Flußgebiet von Kamerun, seine Bewohner und seine Hinterländer behandelt. Zöller beobachtet sehr scharf und schreibt sehr gut. Seine Schriften führen uns durch Frische und Lebendigkeit unmittelbar unter die Neudeutschen in Afrika, deren Leben, Cultur und Heimath durch zahlreiche Abbildungen in jedem Bande illustrirt wird. Seine Schriften seien hier wärmstens empfohlen.

— Der Numismatiker

Adolf Meyer veröffentlicht ein werthvolles „Prägungen Brandenburg-Preußens, betreffend dessen 1601

Gevatter Henze und ich sind

1661, die im vorigen Jahrgang des „Bär" abgebildet wurde, eine andere von demselben Jahre von B. Schultz nach der Angabe von Oelrichs. Dann folgen 20 Brandenburgische Guinea-Dukaten, der erste von 1682 ist mit C. S. bezeichnet, den Initialen des Münzwardein Christof Stricker; die übrigen sind von 1683, 1685—1688, 1690 (bisher unedirt) und von

grün".

—1810."

werden in Licht¬ druckabbildungen 37 Medaillen und Münzen wiedergegeben und beschrieben,

dem

die die Colonialbeziehungen Brandenburgs und Preußens betreffen.

Schweineschlächtermeister

Afrikanische Besitzungen und Außenhandel (Berlin, Mittler und Sohn). In dieser kleinen Schrift

ausführlich und freundlich wie

mit

„Aber — aber wird die Jungfer Martin mit schwerer Zunge hervor.

Sonnabend, den geschwätzigen Modelleur Furcht und den geheimen Kalku¬ lator Meißner aufzuweisen haben. Wo sie sich aber auch gefunden haben mögen, ihre Zeichnung giebt ein amüsantes Bild. In den „Zeitungsnänien" beschäftigt sich Trinius mit den gewerbsmäßigen Todtenklagen im Jnseratentheile der Tagesblätter, die allzu oft nur den Spott der Leser hervorrufen; die „Burgstraße" giebt eine prächtige Schilderung des verlassenen Platzes am alten Dom, wie sie wahrer und hübscher nicht gedacht werden kann. Der Herausgeber ist eine reflektirende, mit kleinen Spitzen wohl versehene Natur, die in diesen Aufsätzen jedem im Banne Berlins befindlichen Gegenstände etwas Interessantes und Gutes abzu¬ gewinnen versteht. Genannt seien nur noch: „Im Treptower Park", „Mein Sargtischler", „Berliner Sonntagsjäger" und „Berlin im Tannen¬

Heft:

sonst selten

über einig."

solche Prachtexemplare von Spießbürgern, wie den ehemaligen Schuhmachermeister, jetzigen Schiedsmann, Rentier

Grimm,

er

von gesprochen?

Berlin wenige Wahlkreise, die Hausbesitzer

so

Sohn. Dennoch schoß bei der letzten Bemerkung das Blut in Martins Wangen und verwirrt fragte er: „Meine Eheliebste, Herr Vater?" „Nun ja, die Gustel Henze. Hab ich Dir noch nie da¬

jetzt sprach

alsbald lauten Ausdruck gab. „Möchte fürwahr wissen, woher der Bursche die ge¬ lehrten Mucken hat. Seit fast 200 Jahren treiben die Beffe's vom Vater zum Sohn das ehrsame und wohlanständige Tuchmachergewerb und sind nebenbei tüchtige Bürger oder gar angesehene Rathsmannen gewesen, ein Zeichen dafür, daß es ihnen an hellem Verstand nimmer gefehlt. Auch ich habe

und

es

Stadt

wandte sich jetzt plötzlich wieder zum Sohn, nachdem er Obiges gedankenvoll vor sich hin gesprochen — „aber ich wollte damit nur sagen, daß man auch ohne Büchergelahrsamkeit ein tüchtiger und angesehener Mann werden kann, und wem wird's besser geboten als Dir? Des Vaters ehr¬ lichen Namen, sein gutes Geschäft und die wohlerworbenen

geben, fleißig

zu

wissen Noth thut, und bin Dominik in die Lehre gegangen. nie zu einem Pater

doch

Martin schwieg. Er überlegte, ob er schon jetzt offen mit seinen Zukunftsplänen hervortreten oder sich scheinbar fügen und den Willen des Vaters thun solle. Zu Cölln mochte es ja wohl noch eher und bcffer als hier Gelegenheit gehender

noch vieles gelernt, was einem guten und

gewissenhaften Bürgermeister zu

!

*) Verlag von 58. Spcman» in Stuttgart.

104

„Narrenspoffen!

Mit

tausend Freuden.

ein schmucker Bursche und des Bürgermeisters

„Sv weiß sie schon darum?" „DaS just gerade nicht, ist ja

auch nicht

Bist Du nicht

Bücherwurm, der sich fast nie zu Spiel und Tanz unter das junge Volk mischt, denn Gelegenheit gehabt, eine eigene Wahl zu treffen?" Noch hatte der Vater ruhig, mehr verwundert als er¬ zürnt gesprochen und so raffte denn Martin alle seine Kraft zum letzten entscheidenden Wort zusammen, während er ein Sto߬ gebet zur heiligen Jungfrau emporschickte, daß sie, die Himmels¬ königin, ihm beistehen möge. Dann sagte er mit leichtem Beben:

l

Sohn?" nöthig.

Wenn

die Väter es wißen und wollen, so ist damit doch die Sache

abgethan." Jetzt aber regte sich in Martin das Selbstbewußtsein des werdenden Mannes und all seinen Muth zusammennehmend,

„In

sagte er fest:

„Mit

nächster Nähe,

Herr Vater, im Nachbarhause.

Ihr

kennt doch das wohledle Fräulein Margarethe von Schlieben? Ost habt Ihr Euch lobend über sie ausgesprochen, wenn sie zur Frühlingszeit rüstig im Garten schaffte." Da brach der Sturm los. Der Bürgermeister fuhr aus

aber mich dünkt, daß auch

Verlaub, Herr Vater, Meinung dabei habe." Der Bürgermeister hatte so etwas nicht erwartet; er starrte den Sohn ganz verwundert an, als habe er nicht ich eine

Prospekt des Sasfins und der Ruinen ouf rinrni Serge, Sanssouri gegenüber befindlich. (Nach einem alten Stich.)

recht gehört.

dem Seffel auf, daß alles Geräth an den Wänden erbebte, und mit zorngeröthetem Antlitz schrie er:

Dann sagte er, noch immer mit seinem Er-

stauneu kämpfend:

„Du

„Was, das adlige Bettelpack, das von der Gnade An¬

Meinung? Das wäre mir neu! Und welche andere oder gar beffere Meinung könntest Du haben als Dein Vater? Ist die Gustel nicht ein dralles, nettes, hübsches Ding? Und daß sie auch eine anständige Mitgift hat, sagte ich

Dir

eine

derer oder vielleicht von noch Schlimmerem lebt! Mit solcher Sippe willst Du mich verschwiegern! Jn's Narrenhaus ge¬

Derlei kommt von den gottlosen hörst Du, verstanden? Neuerungen, daß die junge Brut klüger fein will, als die Alten und nach eigenem Herzen wählen." Jetzt stürzte auch die Frau Bürgermeisterin herein, welche

eben."

„Das mag

schon alles sein. Ferne sei es von mir, der irgendwie nahe treten zu wollen, denn ich glaube gern, daß sie Schmuck und Zier jedes Hauses sein wird, in dem sie einst als Hausfrau waltet. Aber habt Ihr nie bedacht, Herr Vater, daß mein Herz schon eine andere gewählt haben könnte?" „Das wird ja iinmer verwunderlicher", staunte das Oberhaupt der guten Stadt Fürstenwalde mehr und mehr. „Eine Herzcnslvahl ohne des Vaters Wissen und Erlaubniß — sage mal, hast Du derlei Unsinn in der lateinischen Stunde gelernt? Und wo hättest Du Stubenhocker, Du

Jllngfer

Henze

die zornigen Worte des Hausherrn bis in den Küchenraum, wo sie beim Mittagsmahl handtirte, vemommen hatte. „Um aller Heiligen willen, was geht hier vor?" rief sie angstvoll, als sie den Eheherrn mit zornigen Geberden und

Sttrnader im Gemach umherstürmen, Martin aber todtenbleich, mit bebenden Gliedem zur Seite stehen sah. „So rede doch," rief sie noch einmal, als nicht sogleich Ant¬ wort erfolgte, „was ist geschehen?" hochgeschwollener

!

(Fortsetzung folgt.)

Aberglaube in der Mark. Wie allenthalben sind auch in der Marl allerlei abergläubische Meinungen über die verschiedensten Dinge verbreitet; bei manchen derselben ist der Ursprung nicht zu erkennen,

sie

Sticht die Finger,

In der Plaue-Niederung, namentlich Mörz, giebt es viele Irrlichter und man erzählt dort: Einmal kam ein Bauer mit einer Fuhre Heu durch eine sumpfige Gegend. Als er noch im Trocknen war, erschien ihm ein Lichtermann und der Bauer sprach zu ihm: „Wenn Du mir einmal leuchten willst, so leuchte mir durch den Sumpf." Der Lichter¬ mann that es wirklich; als sie glücklich hindurch waren, sprach der Bauer: „Gott segne Dich!" und der Lichtermann war ver¬ sobald sie diesen empfangen. zwischen Locto und

bisher noch nicht gedruckt sein. Wenn Jemand ißt, während es zum Begräbniß läutet, be¬ kommt er Zahnschmerzen. Wenn Eender jeschtorrewen (gestorben) is nn dar Düscher (Tischler) sal in Sarrek maken, so rädert et (redet es) däen Oaend vörha int Handwerriktstüeck (den Abend vorher im Handwerkszeug). In Treuenbrietzen z. B. noch bestimmt geglaubt.

Wenn man

sich

verkleidet und

reimt, eine

so

schwunden.

In

erhält er an dem¬

häßliche Larve

der Verfertiger des Brautkleides mit der Nadel in bekommt die junge Frau von ihrem Manne recht

In

immerhin mehr und mehr schwinden, aufzuzeichnen, denn wenn sie Diesem oder Jenem auch leerer Unsinn zu sein dünken, so sind sie dies in den meisten Fällen eben doch nicht und für das Ver¬ ständniß der Vorzeit, für den Forscher oft von großem Werth. Darum sei im Nachfolgenden mitgetheilt, was Andere*) und ich in dieser Beziehung gesammelt haben — das Meiste davon dürste

sich

so

viele Küsse (Treuenbrietzen). Die Irrlichter werden „Lichtermender" (Lichtermänner) ge¬ nannt und wenn man sie sieht, muß man nicht beten, sonst kommen immer mehr; flucht man dagegen, verschwinden sie alle plötzlich. Locto heißt es umgekehrt: Lichtermender sind Kinder, welche den Segen Gottes nicht erhalten haben und die sofort verschwinden,

sind kaum zu

erklären, andere jedoch kennzeichnen sich deutlich als Reste des Glaubens unserer Voreltern. Es erscheint nicht überflüssig, diese Meinungen, welche — in gewisser Hinsicht ja erfreulicherweise —

Sagt Jemand etwas, was selben Tag noch einen Brief.

sich

bat mich einmal eine besorgte

Berlin entfernt belegenen Dorfe Mutter, für ihren zum Militärdienst

einberufenen Sohn folgenden

„Schutzbrief"

einem zwei Meilen von

Namen des Vaters rc. Amen. Buchstaben bei der Gnade.

vor's

L.

Im

I.

abzuschreiben:

„Im

F. K. G. B. K. N. K. Die Namen Gottes rc. So wie

Christus im Oelgarten stillstand, so soll alles Geschütz stillstehen. Wer diesen Brief bei sich trägt, den wird nichts treffen von Feindes Er Geschütz und wird vor Dieben und Mördern gesichert sein. darf sich nicht fürchten vor Degen, Gewehren und Pistolen, denn sowie man es auf ihn anschlägt, so müssen durch den Tod und und Befehl Jesu Christi alle Geschütze stillstehen, ob sichtbar oder unsichtbar. Alles durch den Befehl des Engels Michael im Namen Gottes des Vaters rc. Gott sei mit Dir! Wer diesen Segen gegen die Feinde bei sich trägt, der wird vor Gefahr geschützt bleiben. Wer dieses nicht glauben will, der schreibe es ab, hänge es einem

nimmt, dann „kommt es" (etwas Unsichtbares, Geister¬ haftes, der Teufel) und nimmt einen mit. Das Trinken von Backwasier — Wasser, womit man den Teig bestreicht, bevor er in den Ofen geschoben wird — schützt Gesicht

vor Zahnweh. Wer über den Kehricht (Käring) geht, hat kein Glück. (Frohnsdorf bei Treuenbrietzen). Wer Tabak raucht, läuft die Stiefel nicht schief. (Ebenda). Wenn man eine junge Katze zum Geschenk erhält, muß man einen Sechser dafür geben, sonst „maust" sie nicht. Das erste Veilchen muß man essen, dann friert einem nicht

Hund um den Hals und schieße auf ihn, so wird er sehen, daß daß der Hund nicht getroffen und daß es wahr ist; auch wird derjenige, der daran glaubt, nicht von den Feinden genommen werden. So wahr es ist, daß Jesus Christus auf Erden gewandelt hat und gen Himmel gefahren ist, so wahr ist es, daß Jeder, der an diesen Brief glaubt, vor allen Gewehren und Waffen im Namen des lebendigen Gottes des Vaters rc. unbeschädigt bleiben soll. Ich bitte im Namen unseres Herrn Jesu Christi Blut, daß mich keine Kugel treffen möge, sie sei von Gold, Silber und von Blei. Gott im Himmel halte mich von Allem frei, im Namen rc. Dieser Brief ist vom Himmel gesandt und in Holstein gefunden worden im Jahre 1724 und schwebte über der Taufe Magdalena. Wie man aber angreifen wollte, wich er zurück, bis sich im Jahre 1791 Jemand mit dem Gedanken näherte, ihn abzuschreiben." Einen ganz ähnlichen Schutzbrief theilt Strackerjahn in seinem Buche „Aberglauben und Sagen aus dem Herzogthum Olden¬ burg" mit. sAnm.: Im vorigen Jahrhundert waren solche Briefe H. Sundelin. bei katholischen Soldaten sehr verbreitet.j

so sehr.

(Frohnsdors). man sehen, ob das Korn theuer wird, muß man, wenn das erste gedroschen und noch nicht gereinigt ist, drei Tasienköpfe voll Kornähren dazwischenthun und jeden Tassenkopf voll auf den Hof allein hinschütten und wieder einthun. Ist es dann mehr, so wird das Korn billig, ist es weniger, aber theuer. — Ob es nach Weihnachten theurer wird, ist zu erkennen, wie der Wind am Michaelstage weht: geht er Vormittags heftiger, als Nach¬

Will

mittag, wird das Korn billig, und umgekehrt. Wenn's bei der Trauung der Braut in den Kranz regnet, bedeutet das Thränen, und sie muß noch viel weinen — in Locto bei Niemegk heißt es: dann wird die Braut reich, schneit es ihr aber in den Kranz, arm. Läßt sich ein Paar bei abnehmendem Monde oder im Zeichen des Krebses trauen, geht Alles rückwärts; am Freitag bleibt es nicht lange zusammen, weil es Gerichtstag ist; ebenso, wenn einer Braut das Kleid bei der Trauung zerreißt.

Erinnerungen von der Psaueninsel. Mitgetheilt von Werner Hahn. (Schluß.) Vor allem," so hatte seines Vaters stand vor seinem Gewissen. Besuch diesen später, Allem, was an sich anreihend, Friedrich Wilhelm Hl. geschrieben, „mögen Preußen, Rußland geschah, muß man annehmen, daß der König für tiefer gehende und Oesterreich sich nie von einander trennen." Gab es keinen Gedanken ein Asyl suchte. Er wollte Zweifel abklären, Bedenken Ausweg aus der Nöthigung, diesem Willen entgegen zu handelnd beschwichtigen, Unsicherheiten bannen. Hatte er in seinem Herzen Es ist ein wunderbar ernster und weicher Zug im Charakter doch mit mehr und anderen, mit ungleich höheren Dingen zu des Königs, daß er zur Entscheidung dieser Ueberlegungen einen rechnen, als in der Politik des Augenblicks lagen! Das Testament ungestörten Aufenthalt gerade auf der Pfaueninsel ersah, wo jeder *) Einen Theil der Mittheilungen verdanke ich dem Lehrer und fußbreit unverfälschte und besonders lebhaft sprechende Erinnerungen Redakteur Herrn W. Lahn in Stolpe, der dieselben im Verein mit an Friedrich Wilhelm III. weckte. Kollegen zusammengetragen hat. ; Nach

>

j

106

es

Nur von einem Adjutanten begleitet, kam König Wilhelm — war am 3. Juni — zu Frau Friedrich, um das Mittagsmahl

einzunehmen, das er kurz vorher hatte bestellen lassen. Ganz srei von Geschäften war auch die kurze Zeit seines Aufenthaltes beim Maschinenhaufe nicht. Hatte doch eine Depesche

— kam sie vom Bundestag? von den Grenzen Holsteins? oder Böhmens? — ihm nachgeschickt und seinerseits erledigt werden müssen! Dieser Besuch war es, der die alte Frau im Herzen so be¬ schäftigte, das; sie das Schweigen über den König gegen uns brach. Als wir im Laufe des Sommers das nächste Mal bei ihr ein¬ sprachen, war es, als wenn sie lange Zeit Jemand erwartet hätte, dem sie davon erzählen konnte. Niemand war bei ihr. Sie saß vor der Thüre, still, wie versunken in Gedanken. Als sie uns kommen sah, schien es, als wenn sie erwachte. Sie ließ uns nahe herantreten und, ohne mit einem Gruß unsern Gruß zu erwidern, faßte sie uns bei der Hand und zog uns zu ihrer Seite auf die Bank hinab. „Der König war hier," sagte sie in einem stillen, fast feier¬ lichen Tone. „Er wollte ein paar Stunden Ruhe haben. Aber sie haben sie ihm doch nicht gelassen. Als ich die Depesche kommen sah und die Miene bemerkte, mit der der König sie empfing, konnte ich's nicht ertragen. Ich zitterte an allen Gliedern und ging schnell in meine Küche. Der König hatte in der Stube essen wollen, weil es draußen zu heiß war. AIs er nun nach Tische ausstand, die Tasie Kaffee in der Hand, that er ein paar Schritte weiter über den Flur bis in meine Küche. „Friedrichen," sagte er, indem er die eine Hand aushob, „der da oben weiß, daß ich nicht anders kann und darf. Ich habe Alles gethan, was irgend möglich war, um den Krieg zu verhüten. Beten Sie für mich! ich kann es brauchen." „Majestät", sagte ich, „alle Tage bete ich für Sie!" Dabei stürzten mir die Thränen aus den Augen und ich wollte Aber der König entzog sie mir. „Nicht so!" seine Hand küssen. ja alte Freunde." Seine Stimme bebte und sind sagte er, „wir der König drehte sich schnell von mir ab. Dieser Besuch war nicht der einzige im Jahre 1866. Ja, nach Beendigung des Krieges folgte ihm bald ein zweiter. Mitten unter den Einholungsfeierlichkeiten, unter dem Jubel, den die Heldenwunder des siebentägigen Krieges überall erweckt und nicht zur Ruhe hatte kommen laffen, fand König Wilhelm am 28. September wieder ein paar Stunden für den Aufenthalt auf der Pfaueninsel und auch bei Frau Friedrich. Er kam, nachdem er nur wenige Augenblicke vorher ange¬ meldet war.

„Majestät," sagte Frau Friedrich, ihm entgegengehend, „einen Ehrenbogen finden Sie hier nicht; der steht bei mir im Herzen." „Ich weiß," antwortete der König, „danken wir Gott! Er hat unsere Gebete erhört." Das Geheimniß, das bei diesen Besuchen im Herzen des Königs obwaltete, die stille und ehrwürdige Tiefe seiner Empfindungen, enthüllte sich vollständig erst mit dem, was am 3. August des folgenden Jahres im Hause der Frau Friedrich vorging. Da kam, voin Könige beauftragt, einer der Hofbeamten — der König selbst war zur Zeit in Ems — und brachte ein Geschenk, ein lange vorher ausgcdachtes und bestelltes. Auf einem Untersatz von Porzellan stand in der Mitte ein größeres, schlankeres, zu beiden Seiten zwei niedrigere Gefäße, etwa wie Vasen. Jedes war durch einen einfachen Goldrand ge¬

mit einem Datum versehen. Was der König mit dieser Gabe sagen wollte, lag in den Daten. Auf den kleinen Vasen zu beiden Seiten stand — hier „der 3. Juni", — da „der 28. September": die Tage der vorjährigen Und auf dem größeren Gefäß in Besuche auf der Pfaueninsel. Datum des Geburtstags seines das August": der Mitte „der 3. Wilhelm Hl. Vaters, Friedrich

schmückt und

Der König hatte zwei Exemplare dieses Gedenkwerks in der Porzellanmanufaktur fertigen laffen: eines für ihn selbst nach Babels¬ berg, das andere für Frau Friedrich. Der König schätzte die greise bewährte Dienerin so hoch, daß er ihr offen — wie damals die Noth, so nun auch die Aussöhnung seines Herzens zeigte.

IV. Joseph Friedrich und Elisabeth Riesleben. Dies sind die Namen der Beiden im Maschinenhaule. Er, ein Elsässer, 1790 zu Straßburg geboren. Sie, eine Holsteinerin, im Jahre 1789 in einem Dorfe bei Wandsbeck geboren.

Zwei edle deutsche Stämme, die des Elsaß und Holsteins, Jahrhundertelang dem Bunde des deutschen Lebens entzogen, hatten lange Zeit, bevor sie mit Deutschland wieder vereinigt wurden, je eines ihrer Kinder, einen Sohn und eine Tochter, zum Dienste des Fürstenhauses ausgesandt, dem es beschieden war, die Länder dem Reiche zurückzugeben. Joseph Friedrich hatte, sechszehnjährig, Frankreich verlassen, um sich die Beschäftigung mit der Kunst zu retten. In Frankreich stand ihm nichts als Aushebung zu den kaiserlichen Truppen bevor. In seinem Herzen aber lebte die Kunst, die er in der Werkstatt seines Vaters, eines Holzschnitzers, gepflegt hatte. Auf der Wanderschaft hatte er im Jahre 1812 in der märkischen Stadt Lenzen, wo Elisabeth Riesleben's Vater damals lebte, ein Bild seiner künftigen Frau gesehen. Er erbot sich den Eltern des Mädchens zur Ueberbringung von Nachrichten nach Berlin, wo Elisabeth damals Kammerjungser bei der holsteinischen Gräfin Morgenstern war. Joseph und Elisabeth wurden einander bekannt. Und bald versprachen sie sich. Als Friedrich durch Anstellung als Maschinenmeister am Königstädtischen Theater seine Lage gesichert fühlte, fand die Vermählung statt — am 8. Oktober 1815. Nicht lange darauf geschah es, daß ihm durch das königliche Hosmarschallamt die Stelle des Maschinenmeisters für die Bewässe¬ rung übertragen wurde, die über die Pfaueninsel ausgebreitet werden sollte. Was hier seiner Arbeitsamkeit wartete, hing mit den Plänen zusammen, die Friedrich Wilhelm III. in den zwanziger Jahren aus der Insel durchzuführen begann. Es war eine Stimmung des Alters, die Friedrich Wilhelm III. um diese Zeit mehr als früher auf die Pfaueninsel verwiesen hatte. Er wollte nach den schicksalsvollen Wendungen seines Lebens einen

Ort der Einsamkeit, der

abgeschlossenen Ruhe haben.

Aber, wunderbar genug, während er diese Wohlthat sich allerdings bereitete, schuf er zugleich für das Volk in weiteren Kreisen gerade das Entgegengesetzte. Die Pfaueninsel wurde, eine Reihe von Jahren hindurch, ein Ort der muntern Gesellschaftlichkeit, des lebendigen Ein- und Ausströmens größerer Volksmaffen. Denn kaum daß die Verschönerung und Bereicherung der Insel begonnen hatte, — die Anpflanzung der Blumen und Sträucher, der Bau des Palmenhauses, die Anlage des zoologischen Parks, die Auf¬ stellung eines russischen Rollbergs, einer englischen Fregatte, — als auch, an gewissen Tagen der Woche dem Besuch des Publikums freigegeben, das Eiland ein Leben in sich aufnahm, wie vordem nie. Die Pfaueninsel wurde eine Berühmtheit, die Jeder gesehen Der Jubel von haben mußte. Truppweise kam man hierher. verschwand vor dem Be¬ Kindem erscholl; die Stille der Natur zusammentreffenden grüßen und Erzählen der vielen, hier zufällig Fremden aus Berlin und von weither. Denn aus der Provinz — kein Kaufmann, der zur Messe, kein Privatmann, der ins Bad, keine Familie, keine Gesellschaft, die, zu irgend einem Zwecke reisend, in Berlin ein paar Tage weilte, unterließ es, einen derselben an die Pfaueninsel zu wenden. Noch über den Tod Friedrich Wil¬ helms HI. hinaus, bis zu der Zeit, da die Thiere nach dem in Berlin eingerichteten zoologischen Garten hinübergeführt wurden, war es so. Karavanenweise zogen die zwölf- und fünfzehnsitzigen

107 Wagen die Chaussee von Berlin zur Fährstelle der Pfaucninsel (Eisenbahn gab es erst gegen Ende dieser Zeit), und zwei und drei Fährleute, mit den größten Kähnen versehen, hatten vollauf zu

es Schönheit, was ihn umgab; immer war es die Heimath, die ihm Freiheit gewährte. Sie stellten schnell die Kräfte wieder her. Was Friedrich in seiner Kunst geleistet hat, ist theils dem Werthe, theils dem Charakter nach beschränkt. Was ihm gefehlt hat, sind stufenweise Schulung in den Jünglingsjahren und offener, beharrlicher Verkehr mit der Kunst. Um so bewunderungswürdiger ist es, was er geleistet hat. Ohne Ehrgeiz, war er unermüdlich thätig — ein stilles deutsches Gemüth. In die Welt hinaus¬ zutreten, lag außer seinem Willen. Im Jahre 1857 erschien (in der „Jllustrirten Zeitung" vom 28. Februar, Nr. 713) ein Abriß seines Lebens, darin eine Würdigung seines Talents und eine Auszählung der bedeutendsten seiner Werke. Auch ein Porträt von ihm in Holzschnitt war bei¬ gegeben. Wie sehr überrascht war Friedrich, als er davon hörte! Ein Freund, dem eine Photographie von ihm zu Händen ge¬ kommen war, hatte ohne sein Wissen, in der liebenswürdigen Absicht, ihn aus der Unbekanntschaft herauszuheben, ihm eine andere, der Kunst mehr geziemende Stellung zu bereiten gewünscht. Friedrich that nichts dazu, dieser Absicht das Gedeihen zu ermöglichen. Er sprach nicht einmal ein Wort. die mannigfachen Irrthümer, welche der Lebensabriß enthielt, zu berichtigen. Eine der ersten Elfenbeinarbeiten, die er auf der Pfaucninsel

thun, um alle Gäste hinüber- und zurückzubringen. In diese neuen Einrichtungen hinein griff das Amt, zu dem Friedrich im Jahre 1824 berufen wurde. Die Maschine zur Bewäfferung mußte er ausstellen, die Röhren legen helfen. Das Haus, darin er wohnen sollte, stand noch nicht. Der Morgen Landes, der ihm überwiesen wurde, war roher, unordentlich be¬ buschter und beschilfter Boden in der entlegensten Ecke der Insel. Alles, was hier entstanden, ist sein Werk. Wie waren das glückliche Tage! Tage der hoffnungsvollen Arbeit im kräftigen Mannesalter! Aus diesem Häuschen dachte er nicht wieder hinausgehen zu sollen und mit all seinen Geschicklich¬ Dieses Gärtchen sollte seinen keiten legte er selbst Hand an. kommenden Jahren zur Freude erblühen, und mit abwägendem Sinn für Nützliches und Schönes theilte er die Beete, bestimmte die Plätze für Bäume und Sträucher. In dieses Heim dachte er, was ihm das Liebste war, Frau und Kind hineinzuführen, und mit sorgsamer Umsicht, die Zukunft vorausbedenkend, maß er die Breite und Länge der Wände in Stube und Kammer, und was an Geräthen und Möbeln erforderlich schien, tischlerte und schlosserte er selbst, — stattliche Kommoden und Spinden, noch Kindern und Kindeskindern zum Dienst. Und eben jene Einrichtungen waren es, die seiner Frau die Lebensweise, die nach außen gehende Geschäftigkeit anwiesen.

vieler Fremden machte

fertigte, war ein Kästchen mit einem Schnitzwerk auf dem Deckel, eine Jagd im Walde darstellte. Die Arbeit war so fein ausgeführt, daß, wenn mittels des Drucks an der Seite das Schloß sich öffnete und der Deckel sich hob, die Blätter der Bäume, wie vom Winde bewegt, zitterten. Alles, auch die Schlosserarbeit, war Friedrichs Werk. Friedrich Wilhelm III. wünschte das Kästchen, das seine Bewunderung erregte, zu besitzen. Auf seine Frage nach dem Preise antwortete Friedrich: „Die Anerkennung, die Majestät mir aussprechen, ist der höchste Preis, den ich wünschen kann." das

Der

wünschenswcrth, daß die Besuch so Pfaueninscl auch eine Stätte böte, wo der Wanderer einen Augen¬ blick Ruhe und Erquickung fände. Daß ein Wirthshaus nach gewöhnlicher Art angelegt würde, hätte weder dem Charakter der Insel, noch dem Willen des Königs entsprochen. Es war eine Ausnahmestellung, die man ins Leben rief. Frau Friedrich empfing das Recht, aber nicht die Pflicht, denen, die es

„Ah bah, Anerkennung!" sagte der König, „davon können Frau und Kind nicht leben." Die Richtung, welche die Arbeiten Friedrichs nahmen, schreibt sich vorzugsweise daher, daß Friedrich Wilhelm III. Geiallen an ihnen fand. So sind Nachbildungen der hauptsächlichsten Bauten des Königs in Elfenbein entstanden: der Werder'schen Kirche, des Museums in Berlin, der Nikolaikirche in Potsdam, der russischen Kirche auf dem Pfingstberge; ferner (aus späterer Zeit) der Kirche

bei ihr ansprachen. Eins und das Andere zu reichen. Man vertraute, daß sie das Rechte in Grenzen benutzen werde. Die Art, wie Frau

Friedrich ihr Leben führte, war von diesen Jahren bis an Ende — neunundvicrzig Jahre lang — unverändert dieselbe.

ihr

Anders geschah es für ihren Mann. Ihm schieden sich die zwei, drei Jahre der Grundlegung und Einrichtung von den darauf eintretenden der Erhaltung und des Fortbetriebes. Sein Amt gab ihm reichlich Muße. Schon als Maschinenmeister am König¬ städtischen Theater hatte er häufiger als früher zur Pflege seiner Kindesneigungen zurückgreifen können. Elfenbeinschnitzerei und Mofaikbildnerci waren seine Lieblings¬ beschäftigung geworden. Jetzt hatte er, in Voraussicht der Lebens¬ weise, wie sie ihm auf der Pfaueninsel bevorstünde, die eine Stube des Häuschens vom Bau der Mauern, von der Anlage der Fenster an, zur Werkstätte werden kaffen: die Eckstube unter der Giebel¬ wand mit dem reichlichen Licht von zwei Seiten her. Darin hatte der Arbeitstisch mit Schraube und Stock Platz gefunden, ferner das Repositorium für die Werkzeuge, die Feilen, Hobeln, Bohrer, Meißeln und Sägen, die Meffer, Scheren und Zangen, ferner das Spinde zur Verwahrung der Zeichnungen, die er entworfen, oder der Berechnungen, über die er gerade sinnend sich ausbreitete. Da saß er nun, das Kleinste vom Kleinsten sondernd, Farbenatome, ja Licht- und Schattenreflexe, die nur mittelst der wirk-

für körperliche Gegenstände erachtet werden können, einander gegenüberstellend und mit einander verbindend. Wenn er stunden-, tagelang so gearbeitet, war es oft kaum merkbar, um wie samsten Lupe noch

viel er vorwärts geschritten, dem Auge des Beschauers kaum einer Linie Breite, die er hinzugefügt hatte. Ihm aber vergingen über dem Flug der Stunden die Tage viel zu schnell. Das Auge er¬ müdet, überangestrengt, trat er in die Lust des Gartens, in das Licht des Tages, oder in die Dämmerung des Abends. Immer war

zu Nikolsköe

und der zu Sacro.

Schlosse der Pfaueninsel aufgestellt,

Alle

diese Werke,

zuerst

im

sind später der Kunstkammer

Berlin einverleibt. Zur Würdigung Arbeit dabei muß man wissen, daß jedes einzelne der Werke aus mehreren tausend, man sagt zehn- bis zwölftausend kleinen Stückchen Elrenbein und Perlmutter zusammengesetzt ist. Sie waren um ihrer Sauberkeit und Richtigkeit willen so sehr Gegen¬ stand der Bewunderung und erregten namentlich den Beiiall des Kaisers Nikolaus in so hohem Grade, daß dieser eine Wieder¬ holung der Arbeiten für eines der Schlösser in Petersburg bestellte. Friedrich war eine klare und praktische Natur. Was ihm ganz fern lag, war namentlich alle Hellseherei, alles Geheimni߬ Einmal jedoch mußte auch ihm etwas Unbegreifliches volle. passiren. Er erzählte die Geschichte gern und ließ die Leute sich des königlichen Museums zu

der

ebenso

!

darüber wundern.

Als das Abbild der Nikolaikirche, kürzlich vollendet, noch bei ihm in der Stube stand, hörte er plötzlich einen seinen, durch die Lu't langsam hinwehenden Klang, so hell, wie der silberne Klang einer kürzesten Harfensaite. Was war es? Er untersuchte dm Ort, der ihm als Quell des Erklingens vorgekommen war. Da siche! Das Elfenbein-Gebäude der Nikolaikirche hatte einen Riß bekommen, ebenso und ebenda, wie und wo kürzlich die Mauer der wirklichen Kirche auf dem Alten Markte zu Potsdam. Der Sprung am Elfenbeinwerk bog sich ohne Zuthun wieder zusammm, so daß man ihn jetzt mit unbewaffnetem Auge nicht mehr sieht.

108 Eine Zeit lang war Friedrich besonders bemüht, eine in früheren Jahrhunderten mehr gepflegte Art der Bernsteinvcrwcndung wieder zur Anerkennung zu bringen: die Herstellung von Bildern, die durch Lichtdurchschimmerung wirksam werden, von Landschaften, Figuren und dergleichen, die in Basrelief der Bcrnstcinplattc cingcgrabcn sind. Außerdem war er säst ununterbrochen mit kleineren Arbeiten beschäftigt, die ihm persönlich von Mit¬ gliedern des königlichen Hauses aufgetragen wurden.

!

daß sie wegen einer Unart, eines Wortes wegen, das sie im Eifer gesprochen, einmal sogar wegen Versagung der Ansprüche, die ein



;

;

der Stütze.

sich

das

Stöckchen

es

und

Der Hofgärtner Reuter hat von den Erben für die Pfaueninsel ausgebeten. Er verwahrt

denkt seinem Amtsnachfolger dereinst die weitere Verwahrung dieses Documents einer gleich heiteren und ernsten, gleich kleinen und

großen Geschichte zu hinterlaffen.

Um ein schönes poetisches Erzählen ist die Pfaueninsel durch Frau Friedrich reicher geworden. Die Sage wird nicht nöthig haben, des Verherrlichenden viel hinzuzufügen. Was in unge¬ schminkter Weise von ihr berichtet werden kann, genügt, ein Ge¬ dicht daraus zu machen. Schon bei Lebzeiten trug ihr Haupt den Nimbus des Poetischen. Was sagte einst die in Hofgeheimnissen stark bewanderte, ältere

Dame, mit der ich in Berlin in einer Gesellschaft zusammen war? Sie hatte gehört, daß ich die Pfaueninsel im Sommer öfter be¬ vertrauliches sucht habe. Da ergriff sie die Gelegenheit, mit mir ein Näheres etwas gewiß mir werden „Sie Gespräch zu führen.

gänzlich verfallen. Ich habe lange genug davor gestanden und gestaunt, bis ich nun denke, daß ich es herausgekriegt habe." Dabei entrollte er ein zweites Bild, auf dem in anmuthigen Ver¬

schlingungen ein Tanz der Grazien dargestellt war, umschwebt von Amoretten, genau auf das Fragment pasiend. Die Freude leuchtete

darüber sagen können," wendete sie sich, leise sprechend, an mich. „Aus ziemlich sicherer Quelle weiß ich, daß unsere Majestät auf — nun! so eine Art Egeria, der Pfaueninsel eine Freundin hat Staatsactionen um bedeutenden bei allen schwierigen und die

ihm aus den Augen, als er unsere Ueberraschung sah. So arbeitete und so jugendlich empfand der damals neunundsiebzigjährigc Greis. — Im Jahre 1865 am 8. Oktober standen die beiden Alten vor dem Priester, der ihnen den goldenen Ehesegen gab. Noch acht Jahre waren ihnen hiernach beschieden. Sie ließen Alles beim Alten. Herr Friedrich blieb der schaffende Einsiedler in seiner Werkstatt; Frau Friedrich die Wirthin mit dem Willkomm

er

Rath ftagt, bei der

er

dinirt, oft Tagelang verweilt und von der

er immer neu gestärkt zurückkehrt!" Wie leid that es mir, an diesem

;

Nimbus ein wenig lüften Rühmens¬ zu müffenl Frau Friedrich aber behält auch ohne ihn des werthen genug.

für jeden Gast, der sich in geziemenden Grenzen hielt. Frau Friedrich war im Umkreise Potsdams eine Art Volksthümlicher Gestalt geworden. Wer kannte sie nicht? War sie doch seit so vielen Jahren wöchentlich einmal, auch zweimal, um Einkäufc zu machen, nach der Stadt gefahren; hatte dort inmitten des Volks auf den Märkten und in den Läden offen verkehrt; waren zu ihr hinaus doch so Viele aus allen Kreisen gekommen, und Jeder hatte schnell einen ausgeprägten Eindruck von ihr empfangen; sprachen dabei doch sogleich in Jedem ebenso entschieden enttvcder Gefallen und Freude, oder Mißfallen und Verdruß mit, — denn man glaube nicht, daß sie nicht auch Feinde, besonders

?

!

!

-

Es sind Worte, die ich immer noch zu hören meine, Worte, mit die eine Bäuerin der Umgegend, ein altes Mütterchen, einst gute, eine ist „Das sprach: mir zu Friedrich Frau Bezug auf vielmögende Frau!" Langsam, als ob sie die einzelnen Fälle, die ihr bekannt waren, sich vorzählte, setzte sie dann hinzu: „Wie viele

— Leute haben der zu danken für ihr Helfen und Fürbitten!" Rührend ist die Geschichte ihres Todes, des Hinübergehens

Beider, in der Dämmerspanne von drei Wintertagen. Zur Zeit des beginnenden Jahres 1873 fing der alte Herr zu leiden an, schmerzlich und bettlägerig. Jette pflegte ihn. Die Schmerzen, Unterleibsschmerzen, wurden so groß, daß die alte Frau darüber ängstete und quälte, — umsomehr, als die Schwäche des Alters ihr nicht gestattete, selbst für ihn zu sorgen. Aber sie hielt sich gesund. Als er am 12. Februar Abends, nachdem man sie eben zu Bette gelegt hatte, starb, wollten Jette und die beiden anwesenden Töchter ihre Ruhe nicht stören und unterließen es darum, sie zu Wecken. Als sie am folgenden Morgen darüber in

Mißgönncr gehabt hat! In Fontane's „Wanderungen in der Mark" (111.) findet sich eine Schilderung von ihr, die der merkwürdigen Frau keineswegs gerecht wird. Das witzige Berschen, das Fontane auf sie gemacht hat, kann sie sich wohl gefallen lassen: auch

sich

Herr Friedrich faß auf Sanssouci, Den Krückstock, den vergaß er nie; Frau Friedrich sindet's ä propos Und sagt: ich mach' es ebenso!

gesetzt wurde, schrie sie einmal laut auf, hielt sich dann und meistens schweigend die Tage über, während das ruhig aber

Kenntniß

Begräbniß vorbereitet wurde. Sie erlebte den Abend des Begräbnißtages. „Nun liegt er schon in der Erde," sagte sie zu Jette, als diese sie zu Bette brachte. „Morgen um diese Zeit liegt er einen Tag lang in der Erde." Es schien, als wollte sie noch etwas hinzufügen. Aber sie sank zurück — der treuen Dienerin aus den Armen. Auf dem Kirchhof zu Nikolsköe liegen Beide — der Elsässer und die Holsteinerin. Das deutsche Kaiserhaus hatte ihnen die

Was aber außerdem dort von ihr erzählt wird, ist poetisch erfunden und bedarf sehr der Berichtigung. Daß etwas, wie „der Nasenwinkel eines Fremden, oder eine Falte in seiner Cravatte" genügt hätte, um der Frau Friedrich den Humor zu verderben, oder daß nur, wer durch „Epaulets oder Orden beglaubigt war, bei ihr die liebenswürdige Wirthin fand, trifft, soweit ich sie kennen

Den einfachen bürgerlichen Kreisen

fürstlicher Besuch gestellt hatte, abbitten mußte. Nur was den „Krückstock" in jenem Berschen betrifft, — den letzten drei damit hatte es allerdings seine Richtigkeit. oder vier Jahren ihres Lebens nämlich. Da sah man sic gewohnlich mit einem Stöckchen hin- und hergehen. Sie bedurfte

In

Von einem seiner größeren und schwierigeren Werke empfingen bei Gelegenheit unseres ersten Eintritts in seine Werkstatt durch ihn selbst Kunde. „Hier," sagte er zu uns, „das sollen Sie einmal rathen!" Er entrollte ein langes Blatt Papier, so lang, daß cs säst die Breite seines Arbeitstisches einnahm. „Was ist das?" fragte er schalkhaft lächelnd. Wir gewahrten Fragmente, wie man wohl ganz verstümmelte pompejanische Wandgemälde kopirt hat. Hier ein Fuß, dort eine Hand mit dem Rest einer Blumcnguirlande; hier ein Kopf, dort ein Oberkörper, da vielleicht ein in die Lust gestrecktes Beinchen; dazwischen, oben und unten, große Stellen ganz leer. Jeder Zusammenhang fehlte. „Das bringt man mir zum Restauriren," sagte er. „Es ist eine Mosaik, die sich auf einer Kommode befand, welche die Stadt Potsdam Friedrich dem Großen zum Geschenk gemacht hat. Seit einem halben Jahrhundert steht das Ding auf dem Boden und ist da

wir

gelernt habe, durchaus nicht zu.

gehörte die Mehrzahl ihrer Gäste an. Sie war nie neugierig zu erfahren, wer und was dieser und jener Gast sei, der sich's bei ihr Wohlgefallen ließ. Und was den Verkehr mit Höhergestellten betrifft, so ist es besonders in früheren Jahren sogar vorgekommen,

i

Stätte da bereitet.

109

Der fürstliche Vetter in Kchwedt. Historische Novelle von

Es war ein heller, fteundlicher Sonntagmorgen, und Pfarrfrau schickte sich an, wie sie es gewohnt war, an der Seite des Mütterleins zur Kirche zu wandern. Der markgräfliche Sitz, der dem Pfarrstuhl gegenüber lag, war seit Monden unbenutzt geblieben; die Bewohner des Schlosses, die sonst wohl hin und wieder das Wildenbrucher Kirchlein mit ihrem Besuche beehrt, hatten es schon lange gemieden; der markgräfliche Hof, hieß es, wohne auf speciellen Befehl Seiner Hoheit fortan nur dem Gottesdienste in der eigenen Schloßkapelle bei. Für Mignon war das eine Beruhigung gewesen; es hatte sie ver¬ 24.

die junge

W. Weyergang.

Als die beiden Frauen vor

dem Gotteshause anlangten,

vor dem Kirchhofs¬ thore; einer der Heiducken hielt die Thür zum markgräflichen Sitze geöffnet, und fast gleichzeitig mit der Mutter und der Gattin des Pfarrers traten die hohen Herrschaften ein. Die Begegnung zu vermeiden, schritt die junge Pfarrfrau gesenkten Hauptes so schnell dem Predigerstuhle zu, daß das Mütterchen ihr kaum zu folgen vermochte. Als sie ihren Sitz fast er¬ reicht hatte, trippelte ihr ängstlich der Kirchendiener entgegen, als ob er ihr etwas zu sagen hätte, aber die rechten Worte standen die markgräflichen Wagen bereits

In

letzt, daß trotz der pflicht¬

nicht finden könnte. der Nähe des Stuhles

von

schaute, von den Gemein¬

schuldigen

ihrer

Anzeige

ehelichen

Verbin¬

degliedern

dung vom Schlosse keiner¬ lei Notiz von derselben

Ferne

schwarze Gesicht des mark¬

genommen war.

Im Pfarrhause

aus scheuer betrachtet, das

gräflichen Mohren den Frauen entgegen. „Seiner Hoheit Befehl!" sagte er, auf ein gewaltiges Siegel deutend, das die Thür des Pfarrstuhles ver¬ schloß. „Seine Hoheit wollen das hochmüthige

war

Alles sonntäglich gerüstet, und der Ruf der Glocken lud zum Besuche des Gotteshauses ein. Da ritten, — eine im Dorfe

lange nicht gesehene Er¬ scheinung, — die mark¬

Gesicht der

Frau Pfarrer

gräflichen Heiducken im schnellsten Trabe die Dorf¬

nicht just vor

entlang, geraden Weges dem Kirchlein zu. Den alten Küster bei Seite schiebend, ordneten sie Alles im markgräfli¬ chen Stuhle, machten auch sonst im Gotteshause sich

in

Stört

straße

Allerhöchstdieselben

der Andacht!"

Die zuckte

junge

Frau

zusaminen.

Mit

ängstlichem Zupfen suchte

das Pfarrmütterchen, das inzwischen

herangekom¬

men war, der Schwieger¬ tochter Aufmerksamkeit

und stellten dann sich als Ehrenwache am Eingänge auf. Oft¬

zu

sich sehen.

schaffen

auf zwei leere Plätze zu lenken, die von dem alten

Schulmeister für die Be¬ wohnerinnen des Pfarr¬ hauses reservirt schienen. (Zeichnung von C. Hübner.) Aber Mignon hatte die angemeldet; Herrschaften Hand schon auf die Gitterthür gelegt, welche den Pfarrstuhl heute aber erregte ihr unerwartetes Erscheinen Verwunderung und heimliche Sorge. Mignon vor Allem konnte kaum ihre von den übrigen Räumen der Kirche absperrte. Unwillen und Erregung verbergen, während das Pfarrmütterchen in seiner verletzter Stolz flammten in ihrem Gesichte aus; ein trotziger gutmüthigen Weise in dem hohen Besuche nichts zu sehen ver¬ Blick hinauf zu dem markgräflichen Sitze, und mit fester Hand öffnete sie, das Siegel sprengend, die Thür. mochte, als eine Auszeichnung für den Sohn. Einen kurzen Augenblick, dann lehnte sie wie betäubt an „Unsere gnädige Frau," sagte sie, „verlangt es sicher, Dich wieder einmal zu hören, Johannes. Mache Deine Sache der Thür; wie ein dunkler Schatten legte es sich über ihre

mals hatten die Heiducken früher in ähnlicher Weise die Ankunft der hohen

Vrnrralfttdrnarschatl Hans Adam von Schöning, Gouverneur von Berlin, Ritter des Ordens de la Generosite.

nur gut, — Du kannst es ja! Und unsere Mignon wird sie als junge Frau begrüßen wollen." „Nur Muth, mein Liebling," ermunterte auch der Pfarrer seine Gattin, als er sich anschickte, in's Gotteshaus zu wandern, um in der Sakristei noch einmal in Ruhe die Predigt zu überdenken. „Vermuthlich läßt nach dem Gottesdienst unsere gnädigste Frau Dich zu sich bescheiden; laß alles Vergangene dann vergeben und vecgcffen sein!" —

Augen, und Alles um sie her schien zu schwanken; krampfhaft umklammerte sie mit der Hand die Thür, um sich vor dem Umsinken zu schützen.

Da fühlte sie plötzlich einen Arm sich um sie schlingen, als ob er sie stützen wollte, und wie ein Ton aus lang ver¬ gessener Zeit klang eine Stimme flüsternd an ihr Ohr: „Nicht, Mignon, nicht Groll mit Groll vergelten. In unserem Stuhle ist Raum auch für Sie!

110

Die junge Frau blickte nicht auf, obwohl sie die Stimme wohl erkannt hatte; gewaltsam raffte sie sich aus, und ihr empörter Stolz ließ sie hart erwidern: „Mein Platz ist hier, gnädigste Frau; von dieser Stätte wenigstens soll Niemand mich vertreiben!" Der Gesang der Gemeinde, der jetzt in das Orgelspiel

und wegen mangelnden Respectes gegen die vorgesetzte mark¬ gräfliche Behörde der Pfarrer zu Wildenbruch seines Amtes entsetzt sei und zum Beginn des nächsten Quartals das Pfarr¬ haus zu räumen habe. In Schrecken erstarrt, blickte sie lange auf den engbe¬

Bogen; erst die Schritte der Heimkehrenden im Hausflur ließen sie aus der Betäubung auffahren. Wie Je¬ mand, der aus bösem Traum erwacht und seines Wachseins sich noch nicht voll bewußt ist, wendete sie sich der Thür zu,

schriebenen

einfiel, machte jeden weiteren Wortaustausch unmöglich. Als Mignon endlich, beim ersten Worte des Predigers, ihren thränenfeuchten Blick zum Altar schweifen ließ, da haftete er voll stiller Dankbarkeit auf der hohen Gestalt des Gatten und seinen friedlichen Zügen. In seiner gewohnten milden Weise verkündete er das Gesetz ewiger Liebe und Vergebung, und kein Zug seines Gesichtes verrieth, daß ihm eine Ahnung geworden von der neuen Unbill, die seinen Lieben widerfahren. Als Mignon nach Schluß des Gottesdienstes noch einen Blick auf den markgräflichen Sitz warf, sah sie, wie die Mark¬ gräfin, anscheinend in beweglicher Bitte, zu ihrem Gemahl redete, dieser jedoch in finsterem Schweigen von dannen

dem Gatten entgegen zu eilen; es verlangte sie, ihre Arme um ihn zu schlingen und ihren Kopf an seiner treuen Brust ausruhen zu lassen, damit sie sich vergewissere, daß ihr Liebstes auf Erden ihr nicht schon genommen sei. Sie hörte seine Stimme heiter scherzend vom Flur herein¬ klingen. Gottlob, er hatte von all der Unbill, die der heutige Morgen ihm und ihr gebracht, nichts erfahren; vielleicht, — sie blieb zögernd stehen, — war der Schlag noch von seinem Haupte abzuwenden, und wenn nicht, — von neuem Leide zu erfahren, war es noch immer früh genug! Manch aben¬ teuerlicher Plan wirbelte wie im Fluge durch ihren Kopf; sie konnte nicht prüfen, nicht überlegen, — aber Zeit wollte sie gewinnen, und schnell entschlossen verbarg sie das Schreiben

schritt.

12 .

Die junge Pfarrfrau hatte als eine der Ersten das Gotteshaus verlasien. Um wenigstens etwas zur Ruhe zu sie mit Ihrigen wieder zusammentraf, war ehe den kommen, davon geeilt und hatte den Pfarrhof erreicht, ehe zuschauende Menge sich an der Abfahrt der markgräflichen Wagen satt gesehen. Der Geistliche pflegte nach beendetem Gottesdienste von den ferner wohnenden Mit¬ gliedern seiner Gemeinde mannigfach in Anspruch genommen zu werden, und sie durfte hoffen, daß die äußeren Zeichen ihrer stürmischen Bewegung verwischt wären, ehe er zum Pfarrhause zurückkehrte. Erschöpft legte sie iin Wohnzimmer Hut und Tuch ab; ihr Auge schweifte durch den freundlichen und sonnigen Raum; auf dem Arbeitstische ihres Gatten blieb Ein großes amtliches Schreiben war während ihrer es haften. Ein Bote vom markgräflichen Abwesenheit dorthin gelegt. Rentamte, erzählte die Magd, habe es gebracht, als die Herr¬ schaft kaum das Haus verlaffen. Wie im Traume hörte sie den Bericht und tastete nach dem Schreiben, als müßte sie Nie hatte sie ohne sich überzeugen, daß sie wirklich wach sei. ihres Gatten Vorwiffen seine Papiere berührt; auch heute er¬ schien es ihr wie ein Unrecht, daß sie das Schriftstück prüfend in ihrer Hand hielt. Was mochte es enthalten? Nach dem eben Erlebten wagte sie auf gute Botschaft nicht zu hoffen; den Inhalt aber hätte sie gern gewußt, um den Gatten vor¬ bereiten zu können, falls ihm ein neues Aergerniß bevorstände. Sie hielt das Schreiben in ihrer Hand, — wie schwer es wog! Konnte nicht die Kunde, die es enthielt, noch schwerer wiegen für ihrer beider Geschick? Aber vielleicht enthielt es nur eine gleichgiltige Verordnung, wie ihrer so manche kamen, und sie war eine Thörin, sich also zu sorgen. Wieder beschaute sie das leuchtende große Siegel: es trug dasselbe Wappen, welches an den Pfarrstuhl geheftet, sie heute so in Aufregung versetzt. Ein leises Knistern, und das Siegel war unter ihren Händen zerknickt; mit klopfendem Herzen ent¬ faltete sie den großen Bogen, und angstvoll überflog ihr Blick die Zeilen. Die üblichen verschnörkelten Kanzlei-Ausdrücke waren ihr wenig geläufig; das aber verstand sie dennoch, daß unter der Anschuldigung, andersgläubige Sectirer unterstützt zu haben

in ihrer

Tasche.

Aber wie unbefangen sie sich auch stellte, ihre Erregung entging dem Gatten nicht, und bald hatte seine Mutter ihn schonend von der Versiegelung des Pfarrstuhles Bericht erstattet. „Mein armes Weib," sagte er, „Du siehst nun, was es heißt, treu zu mir zu stehen! Aber laß es Dich nicht an¬ fechten: eine neue Laune des Markgrafen, weiter nichts . . . Unsere gnädigste Frau war freundlich zu Dir, nicht wahr?" „Freundlicher, als ich es heute um sie verdient habe," entgegnete die junge Frau und erzählte beschämt ihre Begeg¬ nung im Kirchlein. „Aber," setzte sie wie zur eigenen Recht¬ fertigung hinzu, „von diesem Platze soll Niemand mich ver¬ treiben dürfen. „Meine kleine Frau hat ihn tapfer genug behauptet!" tröstete er, mit trübem Lächeln ihr über die erhitzten Wangen streichelnd; „ich sah Dich am gewohnten Platze. Aber ein die Theilnahme der Wort des Dankes hast Du sicher für hohen Frau gehabt?" „Nein, Johannes! Ich habe an nichts gedacht, als an Dich und mich und an die Schmach, die mir widerfahren war." Er schüttelte leise den Kopf. „Und an den Sturm, den die Fürstin durch ihre muthige Parteinahme über sich selbst heraufbeschworen, dachte meine kleine Frau nicht? Ich sah die Markgräfin ohne Wort und Gruß Seitens ihres Gemahls, allein ihren Wagen besteigen, und während die übrigen in's Schwedter Schloß zurückkehrten, schlug ihr Gespann den Weg

sie schnell

noch die neugierig

nach

Monplaisir ein." „Nach Monplaisir?

Ich will

zu

ihr, Johannes!

Dort, Tage mit ein¬

wo wir so lange einsame und dennoch schöne ander verlebt, wird sie mich anhören! — Du hast Recht, es war unrecht von mir, die Hand zurückzustoßen, die sie mir so freundlich bot. Ich will zu ihr, Abbitte zu thun, — ich darf, ' Johannes, nicht wahr, — ich darf?" !

!

„Gewiß! Wenn es ein Unrecht gut zu machen gilt, dürfen wir immer." „Aber ich muß allein gehen, sonst finde ich den Muth nicht! Nicht wahr, ich darf, und Du wirst Dich nicht um mich sorgen?"

111

„Ich

Zusammensein lassen?

„O,

langer Entfremdung das erste ungestörtes ein ist; aber allein Dich fort¬

gebe zu, daß nach so besser

Die Zeiten sind unsicher

.

!

!

für ihn der

hielt er am Kreuzwege, das Heran¬ kommen des Gefährts zu erwarten. nächste wäre,

„Hollah! Meiner Six! Hol' mich der Kosak, wenn das nicht der Wildenbrucher Schulze ist!" schallte es Andrer und seiner Begleiterin entgegen. Der Reiter war jener kecke Ser¬ geant, der den gemüthlichen Abend im Wildenbrucher Psarr-

.

ich finde meinen Weg durch die weite

Welt! Fürchtet daß gestrenger Eheherr, seine kleine Frau ihm wieder mein einmal mit den Kosaken auf und davon reite?" „Ich fürchte nichts," erwiderte der Pfarrer; „es thut nie gut. Jemandem in dem entgegen zu sein, was er als Pflicht erkannt hat. Geh' denn mit Gott! Unter Andrse's Schutz weiß ich Dich in guter Hut; der Schulze selber mag Dich fahren." Die junge Frau hatte ungewöhnlich lange unter ihren Sachen zu ordnen, ehe sie am Nachmittage bereit war, das Wägelchen au besteigen, das, vom Schulzen gelenkt, am Pfarrhause ihrer harrte, und bewegter, als den Ihrigen für die kurze Trennung begreiflich erschien, war der Abschied, den sie von ihnen nahm. Allzu schweigsam dagegen erschien die junge Frau dem braven Andres; kaum einmal gelang es ihm aus der langen Fahrt, sie in ein kurzes Gespräch zu verwickeln. Sie hatte gar Vieles zu überdenken; an ihren heimlichen Plänen war so Manches zu ordnen und zu sichten, damit sie überhaupt nur Gestalt und Leben gewönnen, und so blieb ihr zum Plaudern weder Stimmung noch Muße. Andrer hatte die kürzere Straße, über einsame Feldwege hin, eingeschlagen. Ueberall lag sonntägige Ruhe; nur hier

Quartier noch nicht vergessen hatte, und einmal in die Markgrafschaft geführt.

den der

Zufall wieder

Fröhlich

ritt

den Wagen heran, dem Schulzen die Hand zu schütteln: nun, schnell, Kamerad, steht Rede: wo find' ich die

Markgräfin? Augenblick zu

Ich habe Briefschaften für verlieren!"

sie

er an

„Und Frau

und keinen

Andrer gab dem Courier bereitwilligst Auskunft, wie er die Briefe am schnellsten nach Monplaisir bringen und dann die Hauptstraße wieder erreichen könnte.

„Auf Wiedersehen, Kamerad," rief der Sergeant noch im Weitersprengen, „wenn Ihr denselben Weg fahrt. Mein Gaul braucht ein paar Stunden Ruhe, — haben einen heißen Ritt gemacht." Er klatschte seinem Thiere ermunternd auf den kräftigen Nacken und wendete sich dann noch einmal zurück: „Habe da auf dem Wege von einem russischen Courier 'ne wunderbare Nachricht gehört. Werdet's über kurz oder

lang ja doch erfahren: haben in Rußland den jungen Czaren," — er machte die Pantomime des Erdrosselns, — „bei Seite Na, auf Wiedersehen! Macht, daß Ihr mir geschafft.

...

und da begegnete man einem vereinzelten Wanderer. Am Kreuzwege, wo der Pfad nach Monplaisir sich ab¬ zweigte, holte ein berittener Bote sie ein, ein Courier, der, ans dem Wege vom preußischen Feldlager zur Hauptstadt be¬ griffen, nebenbei auch mit Briefschaften für den markgräflichen Hof beauftragt sein mochte. Unschlüssig über den Weg, der

schnell nachkommt."

Mignon blickte dem Reiter nach, den eine Staubwolke bald ihren Blicken entzog. „Und diese Botschaft bringt er der Frau Markgräfin?" meinte ungläubig Andrer. „Wird wohl selber nichts wissen von dem, was in den Briefen steht." (Fortsetzung folgt.)

Hans Ädam von Schöning, Gouverneur von Berlin. (Mit Portrait.)

Im Jahre 1684 erhielt die befestigte Stadt Berlin als Gouverneur den General-Lieutenant Hans Adam von Schöning, einen General aus der alten Schule des großen Kurfürsten, der sich selbst von unten herauf als Kriegsmann emporgearbeitet hatte. Berühmt ist er durch seine hervorragende Theilnahme an dem Feldzuge der Brandenburgischen Truppen gegen die Türken und durch seinen Streit mit dem General von Barfus, der im Lager zu Bonn unter den Augen des Kurfürsten selbst sich abgespielt hat. Hans Adam von Schöning, geboren 1. Oktober 1641, war ein Sohn des Hans Adam von Schöning auf Tamsel (t. Neumark) und dessen Gattin, einer Marianne von Schapelow. Er hatte damaliger Sitte gemäß in Straßburg und Wittenberg die Uni¬ versitäten besucht, sowie eine längere Reise durch Deutschland, Spanien, Italien, Frankreich und Niederlande unternommen. Im Jahre 1666 trat er als Rittmeister in das Kürassierregiment Nr. 1 ein, nahm aber 1668 dort den Abschied und wurde 1669 Oberst¬

lieutenant des Radziwill'schen Reginients zu Königsberg. Nach gegen die Franzosen (in Westfalen) und gegen die Schweden (in der Mark und in Pommern) avancirte er 1677 zum Gouverneur von Spandau, sieben Jahre später zu dem von Berlin. Für die Einnahme von Ofen erhielt er vom Kaiser einen mit Brillanten besetzten Degen. 1689 nahm er als Oberstkommandirender am Rhein Schloß Linn und war bei der Erobe¬ rung von Rheinberg und Kaiserswerth zugegen. Wegen des Streites mit Barfus, bei dem es bis zu Stockhieben gekommen, verließ er den brandenburgischen Dienst, wurde nachher sächsischer verschiedenen Kämpfen

Generalfeldmarschall und starb zu Dresden 28. August Seine Leiche wurde in der Gruft zu Tamsel beigesetzt.

j ;

1696.

In

der „Geschichte des Preußischen Heeres" spendete Oberst Mebes der Tüchtigkeit und Tapferkeit Schönings das größte Lob. Im

„Vaterländischen Ehrensaal" ist der Zug der 8000 Brandenburger nach Ungarn ausführlicher beschrieben. Am 17. April 1686 hielt der große Kurfürst in Gegenwart vieler Fürsten und Minister bei Krossen Heerschau über die abziehenden Hülfstruppen; es war das

Mal, daß er einer solchen festlichen Revue beiwohnte. Er hielt nach der Parade große Tafel und hielt alsdann eine An¬ sprache an die Offiziere, welche Generallieutenant Schöning erwiderte. Als auf den nachfolgenden Märschen die Verpflegung nicht ausreichend war, ließ Schöning das Hülfskorps liegen, fouragirte aber trotz Gegenbefehls des Kaisers auf seinem ganzen Weitermarsch auf eigene Hand und antwortete dem sich beschwerenden Gesandten einfach, daß „Kurbrandenburgische Soldaten gewohnt seien, sich satt zu essen". Die Brandenburger schlugen sich nachher so tapfer, daß der Kaiser und der Herzog von Lothringen sie nicht genug zu rühmen wußten. Von 8200 Mann blieben 3188 auf fremder Erde. Vor der Rückreise in die Heimath wurde Schöning vom Kaiser empfangen, der ihm viel Schmeichelhaftes über seine Truppen dabei sagte. Da er ein Geldgeschenk von 15 000 Thalern ablehnte, sandte der Kaiser hernach ihm das eigene Bildniß und dabei jenen diamantenbesetzten Degen von 12 000 Thalern an Werth. — R. — letzte

j

j

j

I

112

Miscellen. Merkiner Arvcitercokonie. Der Jnspector der Berliner Arbeitercolonie, Pastor Weber, bittet alle Freunde und Freundinnen der Ber¬ liner Arbeitercolonie, welche Obstkerne gesammelt haben, den etwaigen Vorrath an Kirsch-, Pflaumen-, Pfirsich-, Aepfel-und Birnen¬ kernen übersenden zu wollen und das Sammeln bis zum Frühjahr nicht einzustellen, vielmehr damit fortzufahren, auch Andere zum Sammeln von Obstkernen auszufordern. Die Gärtnerei, Reinickendorferstraße 36a, hat für jede Zahl von Obstkernen nützliche Verwendung. der Haube- und Spenerschen Hin Hrtravkatt von 1814.

Staatszeitung

In

zu Berlin, vom 9. August 1814 Den braven Bürgern dieser Stadt Gab manches frohe Extrablatt Zum Guten Kraft und Leben. Ta's lange keins gegeben hat. Wird heul' ein Extra-Extrablatt Ganz gratis ausgegeben.

liest man-

f

f

f;

Ein Wütherich der Höll' entstieg; Sein Leben war ein grauser Krieg, Den hat nun Gott entschieden. Erfochten ward ein Extrasieg,

f

f;

Vollendet ist ein Extrakrieg, Ihm folgt ein Extrasrieden. Dem Extravolk der Extrastadt Verkündet ihn dieß Extrablatt; Drob freu' cs sich nicht wenig; Und wer dieß Blatt gelesen hat. Geh' seinen Weg und schrei' sich satt:

„Heil unserm Extrakönig!" Kleine Chronili. 1. November. Reformationsfest und

Festkommers der Technischen Hochschule zu Ehren des Rector vr. Dobbert Louis Gratweil, Begründer der Gratweil'schen Brauerei (Wiesbaden). — 5. November. Eilfte Ausstellung in Gurlitt's Kunstsalon; Staats¬ sekretär Graf Hatzfeldt begiebt sich auf seinen neuen Botschafterposten nach London; Serenade zu Ehren des neuen Statthalters Fürsten Hohen¬ lohe in Straßburg; Abhaltung der Landtagswahlen in Preußen; Parforce¬ jagd bei Schloß Grunewald. — 6. November. Verlagshändler Carl Janke -f; Hofjagd bei Springe; 50jähr. Amtsjubiläum des Predigers Prof. vr. Carl Semisch. — 7. November. Hofjagd im Saupark bei Springe. — 8. November. Jahresfeier des Gustav-Adolfs-Vereins in der Hof- und Domkirche; Jahresfest des Mägdevereins (in der Christuskirche); Einführung des Divisions-Pfarrers Li«. Groebler in der Garnisonkirche; Gedächtnißpredigt des Konsistorialrath Berner für den verewigten Prediger vr. Friedrich Albert Schmidt in der Waisenhauskirche; Prinzessin Friedrich Karl in Rom. — 9. November. E nweihung des DoppelSchulhauses Niederwallstr. 6; Professor Eduard Krüger .(in Göttingen) ; Rentier Gustav Markwaldt ch; 50 jähr. Doktorjubiläum des vr. Karl Lehfeldt; Majoratsherr von Schdlitz - Ludwigsdorf aus Niederstruse Erstes Nilsson-Concert in der Philharmonie; Geh. Sanitälsrath vr. Richard Ulrich (Bernburg). — 10. November. Parforcejagd im Grunewald. — 11. November. 50 jähr. Bürgerjubiläum des Handschuhmachers Friedrich Festessen der Adolph Grimmer (Charlottenburg); Rektor Heinrich Gehler alten Jvachimsthaler im Zoologischen Garten. — 12. November. Beginn des Vorlesungscyklus des Vereins „Berliner Presse" im Archirektenhause (Fr. Dernburg über Heinrich von Besson). — 13. November. Einzug des Regenten Prinz Albrecht von Preußen in Wolssenbüttel; Hofjagd in der Colbitz-Letzlinger Haide; 25 jähr. Doktorjubiläum des Prof, von Berg¬ mann. — 14. November. Eröffnung der Sonder-Ausstellung polychromer Skulpturen in der Nationalgalerie; Rubinsteinfeier im Kaiserhofe; Stadl¬ rath a. D. F. A. Zacharias Goldene Hochzeit des Eisenbahndirektors und Senator Johns in Hamburg; Einweihung der 153. und 154. Ge¬

Glockenweihe

in Schönfeld bei Strausberg; Einführung der Vergnügungssteuer in Tempelhof; Generalversammlung des Preußischen Kunstvereins; Preis¬ entscheidung in der Lutherdenkmalkonkurrenz (l. Pr. Paul Otto in Berlin); Erster Schneesall in Berlin; Eingehen der letzten Personenpost in Danzig; Geh. Justizrath vr. Jul. Hcrm. Schalck + (Mainz); Enthüllung des Lutherdcnkmals in Dresden (Schilling); 50 jähr. Jubiläum des Amts¬

gerichtssekretär Tsckepke. — 2. November. Feierlicher Einzug des Regenten von Braunschweig Prinzen Albrecht und seiner Gemahlin in Braunschweig. — 3. November. Hubertusjagd im Grunewald; Sitzung des GesammtStaatsministeriums; Ermordung der Frau Geh. Sekretär Paepke in der Dreyscstraße zu Moabit. — 4. November. Vorstellung des Personals des Nachtwachtwesens vor dem neuen Polizeipräsidenten von Nichthofen;

f;

meindeschule

in der

Zehdenickerstraße. — 15. November.

(Portrait);

Prospekt des Bassins und der Ruinen

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W.

1886. Nachdruck verboten.

Gedenktage. 30. 30. 30. 30. 31. 31. 31.

Januar Januar Januar Januar Januar Januar Januar

1. Februar 1. Februar 1. Februar 2. Februar

2. 2. 2. 2.

Februar Februar Februar Februar

1648. 1649. 1697. 1871. 1679. 1797. 1866. 1705. 1828. 1872. 1679. 1711. 1829.. 1844. 1864.

Münster Philipp 11. u. Holland. enthauptet. (* 19. November 1600). * Johann Joachim Quanz Oberschaden (Hann.) Frasne b. Pontarlier durch die Südarmee genommen. Schöning siegt bei Lipkalis über die Schweden. Franz Schubert * Lichtenthal bei Wien (-s 1828). Friedrich Rückert -j- (* 16. Mai 1788). Sophie Charlotte, Gemahlin Friedrichs 1. -s. Professor Gustav Adolf Spangenberg * Hamburg. Bogumil Dawison (* 15. Mai 1818). General Görtzke schlägt die Schweden bei Woinat. Staatskanzler Fürst Kaunitz * Wien (-j- 1797). Alfred Edmund Brehm * Renthendorf b.Neustadta./O. Luise Crhartt * Wien (seit 1864 in Berlin). Beschießung v. Missunde durch Prinz Friedrich Carl. Friede zu

Carl

zwischen

1.

f

Gesetz

3. Februar 1721. 3. Februar 1803. 3. Februar 1809.

.3. Februar 1847.

v.

n. VI. 70.

Friedrich Wilhelm von Seydlitz * Calcar bei Kleve. Abg. Fr. W. Ziegler * Warchau bei Brandenburg. Felix Mendelssohn-Bartholdy * Hamburg. Verordnung über Bildung des vereinigten Land¬

tages.

Februar Februar Februar Februar

1695. 1847. 1864. 1621.

5. Februar 5. Februar 5. Februar 5. Februar 5. Februar

1685. 1779. 1794. 1840. 1864.

4. 4. 4. 5.

Feldmarschall Frhr. Georg von Dersslinger -s. Otto Franz Gensichen * Driesen (Neumark). Gablenz schlägt die Dänen; Preuß. Sieg b. Klein-Rheidc. Ferdinand II. erhebt das Wilhelmskollegium zu Stra߬ burg zur Universität.

Joh. Friedr. Böttger, Erfindend.Meißner Porzellans*. Gras Möllendorf schlägt die Oesterreicker bei Brüx. Publication des Preußischen Landrcchts. Richard Schöne, Generaldirektor d. Museen * Dresden. Die Dänen räumen die Danewerkstellung.

Faustrecht. Von B. W. Zell. exn.)

Das

Auftreten der Alten, ihre ruhige Bestimmt¬ heit verblüfften Nickel ein wenig. Zudem sprach sie wahr, denn ohne Hülfe hätte er die Pfanddokumente nimmer auf¬ gefunden und was den Schatz betraf, so war's auch damit vielleicht, wie sie sagte. Möglich, daß er hier gestandet! und daß man ihn in letzter Zeit weggeschafft hatte, ja, vielleicht sichere

sogar in der Kirche selbst. „Laß uns im Kirchenschiff suchen," befahl er nun nach einigen Mnuten des befand er

sich jetzt

Schweigens rauh. scheinst

ja

eine

mit niedergeschlagenem Gesichtsausdruck, denn auch ihre Zu¬ Spähend leuchtete sie in der versicht begann zu schwinden. Sakristei mit der Fackel umher, an den Wänden, auf dem Fußboden, plötzlich fiel ihr eine klaffende Fuge in den Eichen¬ dielen aus, die zudem neueren Ursprungs zu sein schien. „Hierher, Herr Ritter!" rief sie mit gellem Ton. „Brechen

wir die

— dort hinein in den Grund werden Pfaffen ihre Schätze geborgen haben." Minckwitz eilte

den Fußboden auf

herzu, sah die

„Du gute

Spürnase zu haben — vielleicht haben ihn die -Pfaffen dort versteckt."

Damit eilte er voran in die Kirche und Katrin folgte.

Dir Schlittenfahrt. Eine Randskizze von D. Chodowiecki.

Auch hier durch-

stöberten sie Alles, leuchteten mit ihren Fackeln

in

jede Ecke,

hinter alle Pfeiler, schlugen krachend an die Altäre und hinauf zum Sakramentshäuschen, zu den Kanzeln — vom Kirchenschatz keine Spur. Nachdem sich Nickel von der Erfolglosigkeit seines Suchens an dieser Stelle überzeugt, eilte er noch einmal mit wildem Fluch in die Sakristei zurück, um hier sein fieberndes Umwühlen noch ein¬ mal zu beginnen. Wieder war die Alte ihm gefolgt, diesmal stiegen

Spaltung

im Holz und sofort inachten sich nun die beiden mit vereinten Kräften daran, die Diele aufzureißen. Das war nicht so leicht. denn es fehlte ihnen an jedem Werkzeug dazu und

nur des Ritters breites Schwert konnte die Bemühungen ihrer Hände unterstützen. Dazu war es ein fußbreiter Eichenbalken, den sie auszuheben hatten, aber nach einstündiger, angestrengter Arbeit gelang eS ihnen endlich auch und schweißtriefend standen die beiden an der breiten Oeffnung die durch den entfernten Balken freigeworden war. Aber auch in dieser Höhlung fand sich weder Kiste noch Schatz, sondern sie erschien angefüllt mit Steinen und Schutt, der augenscheinlich schon Jahrzehnte darin lagerte und namentlich

214

in

letzter Zeit nicht aufgerührt worden war. Dennoch stürzte die Alte sofort auf die Kniee nieder, um mit ihren Händen den Schutt zu durchwühlen. Auch Minckwitz stieß sein Schwert

unzählige Male hinein und rüttelte nach allen Seiten das Geröll auf- Staub und Sand flog empor, aber von der Eisenkiste mit dem Kirchenschatz war trotz des genauesten Forschens auch nicht das Geringste aufzuspüren. Da flammte des Ritters unbändige Wuth über sein ge¬ täuschtes Hoffen wild empor und da kein anderer zugegen war, an dem er sie hätte laffen austoben können, richtete sich ihr ganzer Ausbruch gegen die noch immer am Boden liegende und umherwühlende Alte„Verdanimte Hexe!" schrie er geifernd. „Entweder be¬ trogst Du mich, oder Du wardst selbst betrogen — immerhin aber hast Du mich genasführt und mich die kostbare Zeit hier unnütz vergeuden laffen, während welcher ich den Schatz vielleicht anderswo aufgespürt hätte- Jetzt müssen wir fort, denn der Tag zieht herauf — ich kann nicht warten, bis etwa der entkommene Bischof einen Anhang gesammelt und gegen uns heranzieht. Verloren, nun das Wichtigste verloren — der Bischof nicht gefangen, der Schatz nicht gefunden! Um der paar armseligen Schuldverschreibungen wegen dieses ganze, gefährliche, in seinen Folgen unberechenbare Unternehmen? Ich könnte meinen Schädel gegen diese Wand schmettern, mich in mein Schwert stürzen — aber nein, was einmal begonnen unter meiner Leitung, muß nun auch hinausgeführt werden — die Freunde aber warten auf mich unb haben mein Wort."

Ein

„Du

aber, Teufelsweib, sollst Deinen Lohn von mir — erhalten da, nimm, was Dir gebührt!" Er schwang das Schwert, daß es im rothen Licht der Fackel jäh aufblitzte und stieß es mit sicherer Hand der Alten in die Brust, die lautlos zusammensank. Ohne nur noch einen einzigen Blick auf sein Opfer zu werfen, raste dann Nickel Minckwitz davon, im eilenden Laufe die bis dahin offene Thür der Sakristei zuschlagend, als wolle er das sterbende Weib verhindern, ihm zu folgen, vielleicht auch um die schau¬ rigen Flüche nicht zu hören, welche die Alte vom Rauenstein ihrem Mörder nachsandte. Und Mutter Katrin war wirklich nicht todt, obschon zu Tode getroffen. Aechzend wand sie sich auf dem Boden, während Blutbäche der tiefen Wunde entströmten. Die neben

ihr liegende

Fackel flackerte, dem Verlöschen nahe, jetzt noch einmal hoch auf und warf phantastische Streiflichter auf die kahlen Wände umher, auf die zerstörten Geräthe, auf das im Todeskampf ringende Weib. Schwach und schwächer ward sein Stöhnen, starr und immer starrer das machtvolle Auge, das jetzt plötzlich in seiner ganzen Wildheit noch einmal auf¬ zuckte. Was war es, das die Sterbende erschaute — eine Vision, eine Phantasie? Sah sie in der Todesstunde mit Geisteraugen noch einmal den einst so heißgeliebten und dann so tödtlich gehaßten Mann, Heinrich Queiß — oder ihren braven Verlobten, Gottlieb — oder endlich den Vater ihres Kindes, Pater Hyacinth? Rein, diese Gestalten traten nicht mehr vor die Seele der sterbenden Alten; aber was sie sah,

!

Vielseitigkeit des Meisters vorführt, deffen Tüchtigkeit ohne Grund in Zweifel gezogen worden ist. Von dem Zeughause erhalten wir eine

neues Werk über Berliner Sauten des XVII. und XVIII. Jahrhunderts.

In

der Neuzeit haben sich die Stimmen gemehrt, die der Erhaltung Bauten das Wort reden, die aus einer bisher weniger in der jetzigen Hauptstadt Deutschlands herrühren. Das überschwängliche Lob italienischer und französischer Meister erfährt allmählig eine kleine Einschränkung zu Gunsten der Studien über die zahl¬ reichen Arbeiten, die sich in Berlin aus der Zeit des großen Kurfürsten bis auf Friedrich Wilhelm III. erhalte» haben. Dem löblichen Bestreben des Magistrates, den monumentalen Bauwerken dieser genannten Spanne unserer großstädtischen Entwickelung in Zukunft eine größere Aufmerksamkeit zu widmen, findet einen gut vorbereiteten Boden durch ein vor nicht langer Zeit ins Leben getretenes verdienstvolles künstlerisches Unternehmen, das um so mehr anerkennende Unterstützung verdient, als selbst über die Bauten Scklüt er's und Nehrin g's im Ganzen nur wenig veröffentlicht ist. Der Gedanke einer Herausgabe der Berliner Bauten des XVII. und XVIII. Jahrhunderts ist von dem Hofphotographen Rückwardt ausgenommen und durch die Herstellung einer Mappe von 40 Tafeln in Lichtdruck praktisch ins Werk gesetzt worden. Zwanzig Tafeln davon liegen in einer Auswahl vor, die mit den älteren Bauten beginnend, auch derjenigen beachteten Zeit

vorwiegend Arbeiten von Smids, Nehring, Schlüter, Gontard und Ungcr enthält, die also einen Zeitraum von etwa 120 Jahren umfaßt. Aus diesen Namen sieht inan schon, daß die ausgewählten Bauten nicht in den dreißigjährigen Krieg zurückreichen, doch befindet sich unter den mitgetheilten Ansichten das hübsche Portal des Ribbeck'schen Hauses in der Breitenstraße, das 1624 vollendet wurde.-) Erst nach dem westphälischen Frieden beginnt eine reichere Bauzeit, für deren Formengebung der Einfluß niederländischer Baumeister maßgebend wurde. Meinhard wenigstens, Smids, Nehring und Langervelde müssen dahin gezählt werden, wiewohl in Nehring's Werken ebenso der Einfluß italienischer Baute» auf das Deutlichste hervorleuchtet. Das erste Gebäude, das aus der RcgierungSzeit des großen Kurfürsten in der Rückwardt'schen Mappe uns entgegentritt, ist der von Mathias Smids um 1665 errichtete Marstall in der Breitenstraß«, dessen Pferdegruppe im Mittelgiebel auch auf einen holländischen Bildhauer hinweist. Die Architektur der Fagadc ist hier, wie an dem ebenfalls mitgetheilten Nordgiebel nicht ganz ursprünglich, doch giebt sie in den Verhältnisse» die einfache schlichte Theilung unverändert wieder.. Ueber Memhardt und Langervelde geht dann das Werk direkt zu Nehring über, aus dessen zahlreichen Arbeiten wir das Zeughaus und die Lange Brücke finden, denen die Parochialkirchc und das Fürstenhaus noch folgen werden. Die Auswahl dieser Bauten ist insofern eine sehr geschickte, als sie uns die *1 Al§ Meister veS Ribbeck'schen Hauses wird Balthasar Bcnzelt aus Dresden, angenvmmen; i» Berlin selbst war damals cm Architekt nicht vorhanden; Sala 1 1621.

I

Längsperspektivc der Hauptfaqade, welche die Komposition in den Haupt¬ zügen wohl erkennen läßt. Die Lösung gradsturziger mit Giebeln bekrönter Fenster zwischen Pilastern im Hauptgeschoß über einem Quadergeschoß mit kräftigen Rundbogen erscheint uns als eine Konsequenz der früheren Schöpfungen des Meisters, von denen hier nur das seit 25 Jahren ver¬ schwundene Rathhaus in der Königsstraße und die Arkadengallerie des Königlichen Schlosses am Wasser zu nennen wären. Nehring starb so kurz nach dem Baubeginne des Zeughauses, daß die in der oberen Etage zu Tage tretenden französischen Einflüsse seinen Nachfolgern, vor Allem wohl Jean de Bodt zugeschrieben werden müssen. Vielleicht mag auch Schlüter schon eingewirkt haben bei der etwas theatralischen Dekoration der Hauptaxe, die im oberen Stock geschlossen werden mußte, um hier ähnlich, wie bei dem Louvre, Inschrift und Bild des Königs anbringen zu können. Ein Blatt, welches den Mittelbau des Zeughauses in geometrischer Ansicht giebt, ist besonders gelungen, indem in Folge gut gewählter Beleuchtung der gesammte plastische Schmuck besser hervortritt; zum Studium ist dasselbe außerordentlich werthvoll, da es auch hier an Aufnahmen in größerem Maßstabe — ebenso wie beim Schlöffe — noch fehlt. Die Lange Brücke ist durch Cahart ausgeführt worden; Nehring entwarf die Architektur, die sich durch die kühnen Archivolten der Korbbögen und durch reichen Sculpturcnschmuck auszeichnet. Da eine Medaille auf die Brücke vom Jahre 1692 existirt, so muß in diesem Jahre schon der endgiltige Plan festgestanden haben. Damit hat wahr¬ scheinlich auch Schlüter's Thätigkeit in Berlin begonnen, nicht aber erst 1694, wie Nicolai annimmt. Die Lange Brücke oder Kurfürstenbrücke ist der erste monumentale Brückenbau in Berlin; links im Hintergründe, an der Ecke der Burgstraße, liegt das 1703 von Schlüter erbaute Palais des Grafen Kolb'von Wartenberg, das heute die „alte Post" genannt wird; es kommt auf diesem Blatte n cht recht zur Geltung. Das untere Geschoß ist gequadert; die beiden Stockwerke darüber sind durch jonische Pilaster zusammengezogen; in dem dreiaxigen Mittelbau ist nur das Balkonsenster hervorgehoben, die Fenster sind sonst einfach und »»gesucht vertheilt; die Attika an der Straße ist sehr hoch und rings mit Figuren besetzt. Von den in Aussicht gestellten ferneren Werken Nehring's ist das Fürstenhaus ein Umbau, der heute wieder manche Veränderungen zeigt; die Parochialkirche aber ein Schöpfungsbau, in welchem der Meister zun> ersten Male den italienischen Kuppelbau in Berlin zu ver¬ werthen suchte. Sein frühzeitiger Tod läßt die Frage unbeantwortet, ob ihm das gelungen sein würde, was die Epigonen leider aufgeben mußten; sein Talent darf man daher nicht nach der späteren Ausführung beurtheilen; so zu sagen Alles daran ist verändert; vor Allem ist der Thurni, ein sehr wesentlicher Zusatz, eine Arbeit von Grüneberg und Gerlach. Von Andreas Schlüter, der schon die Sculpturen der Kurfürstenbrücke modellirt und sicher an dem alten Berliner Rathhause Antheil gehabt hat, giebt uns die Mappe zunächst nur drei Blatt, das Schloß

215 das erregte und fesselte die schwindenden Sinne mehr, als irgend ein menschliches Wesen es iin Stande gewesen wäre, denn dort, dort — just offenstehende

Thür

in der

Ecke

verdeckt hatte,

der Sakristei, welche die

stand ein großer,

Kasten — der Kirchenschatz.*) Der Alten Kräfte schwanden zu Ende.

Ritter nicht mehr zurückrufeir und hätte

eiserner

Sie konnte

es auch

den

nicht gewollt.

Mochten die Priester immmerhin den Schatz behalten — ihr Mörder sollte ihn nun auch nicht haben! Und dann verwirrten sich ihre Sinne, laut aufstöhnend faßte sie nach dem Herzen und wie Geisterhauch kam es von ihren Lippen: „Heinrich

Queiß — ich sterbe nun doch durch ihn — Gottlieb — Pater Hyacinth — laß ihn nicht hängen, den Sohn — schweres Röcheln, — die Fackel erlosch — ein leiser Aufschrei — die Hexe vom Rauenstein war ver¬

Jacob."-Ein schieden.

Dämmernd brach der Tag an- Draußen auf dem Kirchplatz sammelten sich jetzt die Plünderer und Räuber wieder, um in geordnetem Zuge die überfallene, ausgeraubte Stadt zu verlassen. Die Gefangenen wurden aus dem Palast ge¬ führt, voran Matthias von Blumenthal mit gebundenen Händen, zwei Domherren, einige Priester und eine ganze Schaar adliger Hosbedienstete des Bischofs. Den vornehmsten Ge¬ fangenen gab man ein Pferd, die übrigen mußten zu Fuß gehen, jeder einzelne umgeben von einer Schaar Wächter. *)

Historisch.

von der Südostseite, die Loge Royal Jork in der Dorotheenstraße und das Krosigk'sche Haus in der Wallstraße. Der Photograph hat, um die ganze Südfa?ade des Schlosses auf seine Platte zu bringen, den Standpunkt ziemlich weit gewählt, so daß die Details dieses imposanten Baues darnach nicht die richtige Würdigung finden können; da nun ohne¬ hin noch ein Detail des Schweizerhofes im Schlosse versprochen wird, so darf man vielleicht wünschen, daß der Herausgeber durch eine Spezial¬ aufnahme eines der Portalbauten — ebenso wie beim Zeughause — seine Sammlung doch noch vervollständigen möchte. Für die Gesammtwirkung ist die Aufnahme charakteristisch und geschickt, indem links die Kurfürsten¬ statue, rechts der ältere Theil der Schloßbauten am Wasser sichtbar wird. Ueber das Schloß, den bedeutendsten Bau des bald nachher schon ge¬ stürzten Meisters, ist es hier nicht nothwendig, noch irgend etwas zu sagen; an glücklicher Vertheilung der Masten und an geschickter Ver¬ wendung bildnerischen Schmuckes steht diese Fayade fast einzig da; leider fehlen noch die die Balustrade bekrönenden Figuren, deren Aufstellung schon Schinkel in Vorschlag gebracht hat. Die alte Loge ist das ehe¬ malige Gartenhaus des Herrn v. Kamecke, über welches aus Anlaß des Ende'schen Neubaues der Loge in der „Deutschen Bauzeitung" Einiges Vublicirt wurde, woselbst man auch die interestantere Gartenseite findet! Diese Fa?ade mit ihrem geschweiften Ausbau, den kleinen Figürchen auf den Risaliten und der trockenen plastischen Auszierung einzelner Flächen zählt nicht zu den nennenswerthen architektonischen Arbeiten Schlüters; bei diesem Gebäude, das seiner Bestimmung nach spielender, freier, weniger streng sein durfte, gehört der Hauptreiz den schwungvollen kraftstrotzenden Sculpturen des Innern an — darin erkennt man das Genie des un¬ glücklichen Künstlers, das — für Berlin wenigstens — hier zum letzten Mal aufflackerte. — Weit origineller und anziehender ist das Krosigksche Haus, Wallstraßc 72. das durch Schlüter in den Jahren 1698 bis 1706, also in der letzten Zeit seines Schaffens aufgeführt wurde. Die dreigeschossige Fa?ade hat nur 5 Axen, von denen die drei mittelsten um eine Fensterbreite vorgezogen sind. Das Erdgeschoß hat dorische, das Hauptgeschoß jonische, das Obergeschoß, das mit dem darüber liegenden Halbgeschoß zusammengezogen erscheint, korinthische Pilaster. Die Fenster¬ öffnungen sitzen ohne jeden Schmuck in der Fläche, nur das Mttelfenster des Hauptgeschosses ist durch eine in Muschelform geschloffene Nische er¬ Dieses etwas gesuchte Motiv macht die kleine Fa?ade entschieden setzt. intereffant; die geringen Veränderungen in den oberen Fenstern sind leicht wegzudenken, und man wird ein Bild haben, das für die Eigenartigkeit aller Arbeiten Schlüter's ein Zeugniß ablegt. Aus der nachschlüterschen Zeit bringt Tafel X das Eosandersche Portal an der Schloßfreiheit, das hier in allen Theilen gut zu er-, kennen ist. Die angeblich an den Septimiusbogen anlehnende Erfindung ist immerhin stattlich und spricht trotz einiger Freiheiten der Details und Verschiedenheiten des Maaßstabes nicht dafür, daß der Autor so talentlos gewesen sei, als gemeinhin angenommen zu werden Pflegt. Die sonst noch ausgewählten Blätter, enthalten der Zeitfolge nach

So ging

es beim ersten Morgenstrahl zum Thore wieder hinaus, die Bande singend und johlend, denn sie hatte über¬ reiche Beute gemacht, die Ritter und Führer des Zuges mit finsteren Mienen, im griinmen Schweigen — ihnen hatte das Unternehmen nicht eingebracht, was sie erhofft, und die bangen Ahnungen der Folgen ihrer That legten sich bereits schwer auf ihre Seele. Aus der geplünderten, arg mitgenommenen Stadt aber schallten ihnen tausend Flüche und Verwünschun¬ gen, lautes Jammern und Wehklagen nach. Und noch ein Anderer rüstete sich in Dieser Stunde,

Fürstenwalde wieder zu verlassen — Martin Besse. Er stand bei Sonnenaufgang im Gärtchen der Schliebens, Hand in Hand mit Margarethe und schaute ihr voll Trennungsschmerz

in's Auge.

Sie aber hob das erblaßte Antlitz zu ihm empor und sprach bittend: „Du willst wirklich gehen, Martin, ohne die Eltern be¬ grüßt, ohne sie auch nur gesehen zu haben?" „Ich muß, Geliebte," entgegnete er weich. „Nach dem, was ich in dieser Nacht erfahren, mag ich der Mutter jetzt nicht begegnen. Aber auch noch ein anderer, gewichtigerer Grund treibt mich zu solchem Handeln; wenn ich jetzt heim¬ kehre, werden inich die Eltern vielleicht mit Freude aufnehmen, aber ich wäre auch auf's Neue an Haus und Gewerb gefesselt und könnte wieder jahrelang warten, ehe sich Gelegenheit fände, fortzukommen und meinen Plan auszuführen, nämlich ein Ge¬ lehrter zu werden. Tuchmacher kann und will ich nun einmal nicht bleiben und auch der einstige Bürgermeisterposten reizt das Königliche Hausmiizisterim in der Wilhelmstraße (früher Sacken'sches Palais), erbaut durch Konrad Wiesend (nicht Wieland) 1734, das früher Ephraim'sche Haus am Molkenmarkt von F. W. Dietrichs (1762), das ehemalige Kadettenhaus, die Lotterie-Direction und das Portal des Schlosses Monbijou von Unger, den deutschen Dom und die Königscolonnaden von Gontard„ dann die Mohrencolonnade und die Herculesbrücke von Langhans. Die meisten dieser Bauwerke verrathen eine gute Schule, wiewohl allerlei Willkürlichkeiten unterlaufen, die von fran¬ zösischen Vorbildern zeugen. Konrad Wiesend ist ein Schüler von Dietrichs, dieser aber hatte seine architektonischen Kenntnisse von Böhme, dem langjährigen Gehilfen Schlüter's. Unger dagegen ist aus der Schule Gontards, der sich unter dem berühmten Richter in Baireuth und unter dem jüngeren Vlondel in Paris gebildet hatte. Dies erklärt uns die Verschiedenartigkeit der danmligen Bauten, die trotz gleichzeitiger Entstehung an ein und demselben Orte bei einem durchgehends würdigen Grundzuge ein individuelles künstlerisches Streben be¬ kunden. Knobelsdorff's Versuche des Zurückgehens auf die Antike hat die Schüler des Barock und Rococco nicht aufzuhalten vermocht; sie gehen ihren eigenen Weg wie Langhans, dessen Thätigkeit als eine freiere eklektische sich gestaltete. Die noch folgenden

kirche

Tafeln werden u. A. enthalten: die Parochial(Nehring), Schloßhof (Schlüter), Palais Podewils

(Sparkasse), die

Seehandlung

am Gensdarmenmarkt, das Kammerder Kurstraße von

gericht (von Gerlach), das Fürstenhaus in

Nehring, ländische von

das

Opernhaus von Knobelsdorfs,

Palais

unter den Linden von

Knobelsdorfs,

Colonnaden,

sowie

Dietrichs,

die Bibliothek von mehrere der besseren

Unger,

das

Nieder¬

die Universität die Leipziger-

Privathäuser,

(Hötel

Brandebourg, Lutter L Wegner, Wohnhaus Friedrichstraße 32). Aus diesen Angaben, gewinnt man eine Uebersicht darüber, wie der Herausgeber bemüht war, auf 40 Tafeln womöglich allen Schulen ge¬ recht zu werden; seine Arbeit, die durchweg in künstlerisch schönen Auf¬ nahmen und geschmackvoll ausgestattet erscheint, bietet eine willkommene Ergänzung der vorhandenen Materialien, die uns aber immer wieder zeigt, wie wenig bisher für die ältere Berliner Baugeschichte geschehen ist. Da der Text, den Directorialassistent Pabst vom Kunstgewerbemuseuni übernommen hat, noch nicht vorliegt, darf man auch annehmen, daß die Tafeln noch nicht sämmtlich im Druck sich befinden. In diesem Falle wäre es erwünscht, wenn einige weniger bedeutende Fa?aden in Wegfall kommen könnten, um dafür vielleicht die Schloßapotheke, die Hedwigskirche, das Brandenburger Thor, das Derfflinger'sche Haus, die Arkadengallerie des Schlosses, die alte Gewerbeakademie und den Jnnenhof des Zeughauses eingereiht zu sehen. Als Jllustrationsprobe der Rückwardt'schen Mappe geben wir in Holzschnitt das interessante Portal des Ribb eck'schen Hauses, Breitestraße 32, an welchem gewiß Viele oftmals achtlos, vor¬ übergegangen sind. P. Walle,

216 mein Begehren nimmer.

So ist's denn am

gezogen seien und der gewohnte Friede

besten, ich gehe

jetzt gleich fort zur Universität nach Frankfurt und wenn ich dort etwas Rechtes geworden, hole ich Dich heim, Margareth. So lange mußt Du auf mich warten — und vielleicht haben wir all die Jahre nicht einmal Gelegenheit, uns zu sehen." „Du weißt, daß ich gern und freudig warte, und wär's ein halbes Leben lang. Daß wir uns nicht sehen dürfen in all der Zeit, ist freilich hart, aber wir werden auch das mit der Heiligen Hülfe überstehen, Geliebter. Nur laß so oft als möglich traute Kunde von Dir in meine Einsamkeit gelangen und dann habe ich noch eine herzinnige Bitte." „Sprich sie aus, theuerste Margareth! Was würde ich Dir in dieser Stunde versagen können?"

„Wenn

ich wieder die

derern zu entdecken, die waren längst draußen auf der Land¬ straße, um mit ihrer Beute heimzuziehen. Das weiße Bett¬ laken

hing noch immer zur Dachluke heraus und flatterte

jetzt schier lustig um das blonde Haupt der

die Morgensonne ohnehin wie

Jungfrau, welches

mit einem Glorienschein umgab.

Mit

dankbarem Blick schaute Margareth auf das weiße Linnen, dem sie ihre Rettung aus großer Gefahr dankten und dachte

dann wieder liebend des treuen Verlobten, der diese Rettung für sie ersonnen. Dann schaute sie nach dem Bürgermeister¬ hause nebenan, das unversehrt dastand wie das ihre; nur die Steinhaufen vor demselben und einige kleine dunkle Lachen — man konnte sie für Blut halten und

Frau

doch war es nur der Frau Bürger¬ meisterin gutes Bier — kündeten

noch von dem heißen Kampf, der

an dieser Stelle stattgefunden.

Nicht gar lange hatte Mar¬ gareth zum Fenster herausgeschaut, als von allen Seiten die Bürger der Stadt, Rathsherren sowohl als ganz geringe Leute in hellen Schaaren herbeigezogen kamen, alle klagend und jammernd und die rohen Söldner verwünschend. Sie alle gingen ins Bürgermeisterhaus

ich

dort vom Oberhaupet der Stadt Rath und Trost

da ich

zu holen und aus den Reden der

dem hochwürdigen Domherrn

die Vorübergehenden entnahm Jungfrau, daß Adam Beffe's 'wohl Haus und das ihrige die

nebenan,

kommen?«

„Darauf erwidere nur, hätte nicht Zeit gehabt,

Redorfer Freundschaft geschlossen, der auch Dein edler väterlicher Freund sei — dann wird meine Mutter wiffen, weshalb ich nicht zu ihr kam. Und nun leb ivohl, Geliebte, für lange, lange Zeit! Alle Heiligen mögen Dich behüten und segnen — und denke mein im Gebete jedes Abends, im Traum

beiden

um

einzigen aus der

ganzen

Stadt seien, welche von der Plünderung und Zerstörung ver¬

Mit tiefer Weh¬ muth vernahm sie all das Klagen und schloß dann endlich das Fenster, um sich zu den nunmehr schont geblieben.

Philippinr Lhartotte, Herzogin von Braunschweig.

Eine Schwester Friedrichs des Großen.

gewiß erwachten geben und für deren Stärkung zu sorgen.

jeder Nacht.«

Sie sah thränenden Auges zu ihm auf. Da neigte er und drückte den ersten langen Brautkuß auf ihre Lippen — dann war er fort. Margareth wankte zur dichtumsponnenen Hopfenlaube, sank dort auf die Kniee nieder und betete lange und brünstig für den enteilenden Verlobten. Endlich aber erhob sie sich und ging ins Haus, um nachzuschauen, ob die Mutter und der Domherr schon aus ihrem Erschöpfungs¬ schlummer erwacht seien und sie ihnen einen erquickenden Frühtrunk bereiten könne. Als sie aber leise und vor¬ sichtig ins Zimmer trat, fand sie Beide noch fest schlafend und schlich sich nun ebenso leise wieder hinaus, um vorn in das Stübchen zu begeben, welches sich nach Dort wollte sie die Fensterläden nach der Straße zu lag. öffnen um zu sehen, ob nunmehr wirklich alle Feinde ab¬ sich

den Straßen der

Stadt herrsche. Als sie zum geöffneten Fenster vorsichtig hinausschaute, war allerdings nirgends mehr eine Spur von rohen Plün¬

Biirgermeisterin am Baum treffe — sie spricht jetzt immer so freund¬ lich mit mir, und ist gewiß in schwerer Sorge um Deinen Ver¬ bleib — darf ich ihr nicht ver¬ rathen, daß Du lebst und wohl¬ auf bist?« „Das magst Du immerhin thun. Du weiches, gütiges Herz das von jedem Menschenkind den Schmerz nehmen möchte! Und Du magst ihr mehr sagen, wenn es Dir gut scheint, nämlich, daß ich diese Nacht hier und wo ich hin¬ wandern will — Alles, Alles." „Aber sie wird fragen, wärmn Du nicht in's Elternhaus ge¬

mit

in

j

!

Ihrigen

zu be¬

XIII. Nebenan im Bürgermeistershause aber empfing Frau Käthe

all' die Klagenden, die Freunde und Gevattern. Ihr Eheherr war nicht daheim, sondern schon vor Morgengrauen davon¬ geeilt, um als pflichtgetreues Oberhaupt der Stadt sich aller Orten seihst zu überzeugen, wieviel Schaden und Unglück an¬ gerichtet und was davon etwa zu helfen und zu bestem sei. Er fand überall Zerstörung, Raub, Mord — außer dem einen bei Vertheidigung seiner Habe erstochenen Bürger hatte man aber auch die Leiche der alten Kräuterfrau von, Rauen¬ stein in der Sakristei gefunden — und Verwirrung, Erbitte-, nmg, Verzweiflung herrschte überall bei den Einwohnern der

Stadt. Adam Besse half, tröstete, beruhigte wie und wo er nur konnte, traf dann in Eile alle möglichen Sicherheitsma߬ regeln gegen einen etwaigen zweiten Ueberfall, solcher nicht wahrscheinlich

Vormittag

war, und ließ dann

obschon ein zu zehn

Uhr

Raths- und Bürgerversammlung ausrufen, um Daß der Bischof noch recht¬ zeitig entkommen und nur sein Bruder gefangen, wußte man allgemein als zweifellos; die Bürger aber wünschten im Stillen, man hätte lieber den hochmüthigen Kirchenfürsten, den Teufel von Lebus in seinem eigenen Bett morden und dafür sie und ihre Stadt mit Plünderung und Zerstörung verschonen mögen. Für den gemordeten Bürger ward ein feierliches Leichenbegängniß angeordnet, die „Hexe vom Rauenstein" aber, die man nie in irgend einer Kirche gesehen und deren Aufreizen und Anfeuern zu immer roheren Gewaltthaten von Vielen trotz aller Schrecken und Verwirrung der letzten Nacht bemerkt worden war, sollte sogleich in aller Stille auf dem Anger eine

weitere Maßregeln zu berathen.

verscharrt werden.

Als man

eben die nothwendigen Vorbe¬

reitungen dazu traf, strömten schon in Schaaren die Landleute der umliegenden Dörfer herbei, welche die Schreckenskunde vom Ueberfall und Plünderung der Stadt Fürstenwalde mit Blitzesschnelle ereilt hatte, und, ein frommes Kreuz beim An¬ blick der Leiche schlagend, erzählten die Bauern von Rauen, daß sie heut früh beim Wege durch den Wald statt der Hütte der Kräuterkatrin nur ein Häuflein rauchender Asche gefunden. Wer hatte die Waldhütte mit dem Wendentempel angezündet? Die Alte selber nimmer, denn man hatte sie doch die ganze Hatte Nacht in Fürstenwalde bei den Plünderern gesehen. der Höllenfürst selbst die Hand im Spiel oder seine bösen Geister, welche am Nauenstein hausten? Vielleicht war's auch Jacob Lösche, der Schäfer gewesen, denn von ihm rührten ja seit Monaten alle Brandschatzungen in der Umgegend her — und mit dieser Vermuthung kamen die Leute jedenfalls der

Wahrheit am nächsten. Kaum daß man die Leiche aus der Sakristei geschafft, so kam auch Domherr Redorfer eilends, um voll Herzensangst nach dem Kirchenschatz zu sehen und ein jubelnder

Aufruf

ent¬

Lippen, als er denselben unberührt in der Thürecke stehen sah. Sofort ließ er ihn nun in seine eigene Wohnung schaffen und dort von sechs Palastdienern, die der

rang

sich seinen

Gefangenschaft entgangen, bewachen, während er selbst daran ging, mit Hülfe der Geistlichen und des vorhandenen Gesindes, die alle allmählig aus ihren Verstecken hervorkamen, die Zimmer des bischöflichen Schloffes so gut es ging wieder in Ordnung zu bringen, sowie ein Verzeichniß aller geraubten

Gegenstände aufzunehmen.

Inzwischen hatte sich das Bürgermeisterhaus wieder von Gästen und Jammernden geleert, sehr zürn Wunsch Frau Käthe's. Denn nachdem diese vernommen, daß an Schlieben's Haus ein Leichentuch hänge und dies und ihr eigenes die beiden einzigen der Stadt seien, welche von Plünderung verschont worden seien, hielt es sie nicht länger in der Stube. Seil Martin's Verschwinden hatte sie die liebliche Margareth ganz und gar

in's Herz geschloffen und wenn nun eine Leiche nebenan im Hause war, so konnte doch nur die alte Frau von Schlieben gestorben sein und Margareth war nun eine von aller Welt verlasiene Waise und wußte sich in ihrer Noth und Verlassen¬ heit gewiß keinen Rath. Zudem mußte doch auch an Be¬ stattung der Leiche gedacht werden und, du lieber Gott! damit

würde es wohl hapern, denn woher sollte die Jungfrau das schwere Geld nehmen, was ein anständig christlich Begräbniß kostete? Sie dachte plötzlich wieder an den verschwundenen Sohn und Thränen füllten sofort wie stets bei solchen Ge¬ danken ihre Augen, — wer würde ihm, falls er todt, wohl ein ehrlich Leichenbegängniß zu Theil haben werden lasten? Flugs eilte sie an ihre Sparkaffe und schüttete den ganzen Inhalt ungezählt in ihre Tasche, davon sollte die alte Frau begraben werden und sie wollte Margareth helfen, das Sterbe¬ kleid zurichten und der armen verlaffenen Waise überhaupt

hin eine Stütze sein — ach, daß doch nur Martin da wäre! Wie gern wollte sie jetzt die beiden Kinder nach jeder Seite

verloben?

Sie eilte hiuaus in ihren Hof und ließ einen raschen Blick in den Nachbarsgarten schweifen, Margareth war nicht darin. Aber das war doch auch natürlich, die würde drinnen bei der todten Mutter sitzen und weinen und klagen, und so trat denn die Frau Bürgermeisterin durch die Zaunlücke in den Schlieben'schen Hof, um zum ersten Mal das Haus der „Adligen" zu betreten. Eben wollte sie ohne Zögern ihre Hand auf die Thürklinke der Hofthür legen, als diese von innen geöffnet wurde und Margareth ihr entgegentrat. Aber nicht blaß und verweint, sondern wie es der Frau Bürger¬ meisterin schien, rosiger und frischer als während all' der Monate und ganz überrascht blieb sie stehen. Aber auch die Jungfrau stand erschreckt und bestürzt still — Mar¬ tin's Mutter! Was führte sie her — hatte sie schon erfahren, daß ihr Sohn hiergewesen? Zugleich fiel ihr die beleidigende Vermuthung ein, die doch jedenfalls von der Frau Bürger¬ meisterin Martin mitgetheilt worden war, obgleich er voll Schonung die Mutter nicht genannt^ und tiefes Roth stieg in ihre Wangen und ergoß sich über Hals und Stirn. Aber es war nur während eines kurzen Augenblicks, daß gerechter Groll in ihr aufstieg; in dem beglückenden Bewußtsein, den Geliebten lebend, gesund und treu zu wiffen, sah sie gleich darauf in der stattlichen Frau da vor sich nur die Mutter ihres Verlobten, die gewiß um den Verbleib des Sohnes sorgte und bangte, wenn sie es auch zu keinem aussprechen durfte und die außerdem in den letzten Monaten doch recht lieb und gut gegen sie gewesen war. Und in diesem Gefühl eilte sie nun hastig auf die Bürgermeisterin zu, reichte ihr beide Hände hin und rief: „Es freut mich herzlich. Euch nach dem Schrecken dieser Nacht so wohlauf zu sehen, Frau Bürgermeisterin. Daß auch Euer Haus verschont ward, sah ich bereits, aber es hat wohl schweren Kampf gekostet — wir hörten es in der Nacht." Frau Käthe war verblüfft; spricht so eine jammernde Waise, die vom Todtenlager der Mutter kommt? Fürwahr, für so herzlos hätte sie die Jungfrau doch nimmer gehalten letzten

und etwas streng entgegnete sie:

»Ja, ja, wir sind wohlauf: aber an Euerm Haus hängt das Leichentuch, das allein Euch wohl gerettet hat, und da Ihr selbst frisch und gesund vor mir steht, kann es doch nur die Frau Mutter sein, die auf der Bahre liegt. Darum kam ich, um Euch beizustehen." Margareth ward einen Augenblick bleich bei dem Ge¬ danken an den Tod der geliebten

Mutter, lächelte aber gleich

darauf glücklich die Bürgermeisterin an. (Schluß folgt.)

218

Die Herzogin Philippine Charlotte von Lraunschweig. Erinnerung an eine Lleblingsschwester Friedrich des Großen.

Am „Langenhofe" in Braunschweig, einer engen Straße, welche den Bohlweg mit dem Wilhelmsplatze verbindet, steht ein in Fach¬

1

werk aufgeführtes großes, zweistöckiges Eckhaus, dessen lange Fensterreihe im Hauptgeschoß durch einen der stumpfen Ecke vor¬ gelegten Balkon unterbrochen wird. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts erbaut, bietet das Haus in architektonischer Beziehung

nichts Interessantes; die hohe Einfahrt aber, sowie, der weite Hausflur mit der zum ersten Obergeschoß hinaufführenden Doppel¬ treppe im Hintergründe deuten daraus hin, daß das Gebäude einst zu einem anderen Zwecke bestimmt war, als zu dem es jetzt dient. Und dem ist in der That so. — Noch vor etwa hundert Jahren hieß das Haus im Bolksmunde „das Palais der alten Hoheit", und voller Respekt schauten die Vorübergehenden nach den Fenstern der Belleetage hinauf, an denen sich häufig eine hochbetagte Dame zeigte und den ehrfurchtsvollen Gruß der Paffanten freundlich er¬ wiederte. Es war die verwittwete Herzogin Philippine Charlotte von Braunschweig, die Schwester Friedrich des Großen, die von den Braunschweigern zum Unterschiede von ihrer Schwiegertochter, einer englischen Prinzessin als die „alte Hoheit" bezeichnet und verehrt wurde und in dem einfachen Hause am Langenhofe ihren

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Wittwensitz genommen hatte. Philippine Charlotte, die zweite Tochter König Friedrich Wilhelms I. von Preußen, war am 2. Juli 1733 mit dem dama¬ ligen Erbprinzen Karl von Bevern, welcher zwei Jahre später in Braunschweig zur Regierung gelangte, vermählt. Diese Ehe war eine sehr glückliche und mit dreizehn Kindern gesegnet, von denen aber nur fünf: Karl Wilhelm Ferdinand, der Regierungsnachwlger seines Vaters, der von Friedrich dem Großen mit dem Fürstenthum Oels belehnte Friedrich August, ferner Sophie Karoline Marie, vermählte Markgräfin von Bayreuth, Anna Amalie, die Begrün¬

den Fahnen seines berühmten Oheims, des preußischen Feldmarschalls Herzog Ferdinand focht, starb 19 Jahre alt am 8. August 1761 zu Hamm an der bei einem am 20. Juli in einem Gefechte bei Schün erhaltenen Verwundung, Wilhelm Adolf, welcher in ruffische Kriegsdienste getreten war, erlag am 24. August 1770 einer

Johann Amold Ebcrt reiche geistige Anregung. Ihre bedeutende, allerdings der Mehrzahl nach aus Werken französischer Schrift¬ steller bestehende Büchersammlung wurde ihrer Verfügung gemäß, später der herzoglichen Bibliothek in Wolfenbüttel einverleibt. — Im Gegensatz zu ihrer Schwiegertochter, der Erbprinzessin Auguste, welche sich nach englischer Sitte sehr exclusiv hielt, war Philippine Charlotte sehr populär und beliebt bei den Braunschweigem, die mit einem gewiffen Stolz auf die Herzogin, als die Schwester des großen Friedrich blickten, deffen Kriegesruhm die Welt erfüllte, und unter dessen Fahnen auch der Erbprinz Karl Wilhelm Ferdinand die ersten Lorbeeren ermngen hatte. Nach dem Siege

Familie und den Bewohnern der Residenz war namentlich bis zum Eintritt der französischen Zeit ein sehr patriarchalisches, und noch heute lebt die Erinnerung daran in Hunderten von artigen Anek¬ doten fort, von denen die folgende hierher gehören dürfte. An der St. Michaeliskirche war die Stelle des Organisten vakant geworden. Der Prediger dieser Kirche, Dreißigmark, hatte dem Vorstand einen Musiker in Vorschlag gebracht, welcher erblindet war und durch die Verleihung der Stelle auf Lebenszeit versorgt werden konnte; als Gegenkandidat aber wurde von der Herzogin in letzter Stunde noch ein junger Mann warm empfohlen, welcher sie um ihre Pro¬ tektion gebeten hatte. Da, wenige Tage vor der Entscheidung geht der Frau Herzogin ein Schreiben zu, welches nichts weiter enthält, als den Hinweis auf eine gewisse Bibelstelle, sowie die Unter¬ Die Fürstin schrift „Dreißigmark, Pastor zu St. Michaelis." schlägt die bezeichnete Schriftstelle nach und liest die Worte : „Verflucht, wer einem Blinden einen Stein in den Weg wirft." — Die Beziehung hatte sie wohl verstanden; noch am selbigen Tage ging dem Kirchenvorstande die Nachricht zu, daß der von der Frau Herzogin in Vorschlag gebrachte Organist zu Gunsten des Blinden von der Bewerbung um die Stelle zurückgetreten sei. — Mit ihrem Bmder, König Friedrich dem Großen, stand Philippine unausgesetzt in regem Briefwechsel, sie war ihm in Geradezu frappirend ist geistiger Hinsicht ungemein ähnlich. die Aehnlichkeit derselben in der äußeren Erscheinung mit ihrem berühmten Bruder, wie solche uns in einem, im Braunschweiger Schlosse befindlichen Portrait von der Meisterhand des Hof¬ Das Bild stellt die malers Ziesenis lebensvoll entgegentritt. „alte Hoheit" im Alter, in fast ganzer Figur, sitzend in pelzver¬ brämter Seidenrobe vor. Das zart geschnittene, stark markirte Gesicht mit den lebhaften, fast stechenden blauen Augen läßt den Beschauer auf den ersten Blick in dem Bilde die Schwester des

derin des Weimarschen Musenhoses und Auguste Dorothea, Aebtissin von Gandersheim, die Mutter überlebten, der aber auch nicht der Schmerz erspart geblieben war, drei Söhne in der Blüthe des Lebens zu Grabe getragen zu sehen. Albert Heinrich, der unter

Krankheit im Lager vor Oczakow und Leopold ertrank bei dem hochherzigen Unternehmen, Menschenleben zu retten, am 27. April 1785 in den Wellen der Oder bei Frankfurt. Seit Herzog Karl im Jahre 1745 das Collegium Carolinum gestiftet, hatte sich am braunschweigischen Hofe ein reges geistiges Leben entwickelt, deffen Mittelpunkt die Herzogin Philippine Charlotte bildete. War es, wie bei ihrem Bruder, vor Allem auch die französische Litteratur, der die Fürstin huldigte, so suchte und fand sie doch im täglichen Verkehr mit den damals in Braunschweig versammelten Gelehrten und Dichtern wie Jerusalem, Karl Christian Gärtner, Friedrich Wilhelm Zachariä, Conrad Arnold Schmied,

Friedrichs bei Roßbach trugen Herren und Damen in Braunschweig gelbe seidene Bänder als Brustschleifen, auf deren Enden der Namenszug der Herzogin und die Legende: „Gott schütze unsere Landeskrone — Groß im Bruder, groß im Sohne" angebracht war. — Das Verhältniß zwischen den Mitgliedern der herzoglichen

„alten Fritz" erkennen. Am 26. März 1780 starb Herzog Karl I., 67 Jahre alt. „Dessen Wittwe, Philippine Charlotte", so heißt es in einer uns vorliegenden gleichzeitigen Aufzeichnung, „hat ihren Wittwensitz auf dem Schlosse durchaus nicht behalten, sondern auf einem andern Schlosse ves Herzogthums einrichten wollen. Dieselbe ist dennoch endlich bewogen worden, das von ihrem Sohne, dem regierenden Herzoge Karl Wilhelm Ferdinand, am Langenhofe am Wasser be¬ legen«, von des Hosraths und Kabinetssecretairs Liebher Erben für mehr als 7000 Thaler erhandelte, darauf ganz neu eingerichtete

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und aufs prächtigste möblirte Haus als ein neues Palais am 20. Oktober 1780 bei ihrer Rückkunft von Potsdam nebst ihrem ungemein starken Hofstaat als Wittwensitz zu beziehen". — Während der Sommermonate wohnte die Fürstin in dem unweit Wolfen¬ büttel vor dem Lechlenholze gelegenen freundlichen Lustschlosse „Antonettenruhe", das mit seinen mit Orangenbäumen besetzten Terrassen an Sanssouci erinnette. Dorthin sah man an Sommer¬ tagen regelmäßig den weitgereisten Hoftath Langer, den Amtsnach-

folgcr Lessings als herzoglicher Bibliothekar in Wolfenbüttel, wandern, welcher zu den täglichen Gesellschaftern der „alten Ho¬ heit" gehörte. Besondere Vorliebe für dieses in lieblicher Umgebung gelegene, die Fernsicht bis zu den blauen Harzbergen bietenden Schlößchen, hatte die Herzogin bewogen, einen Platz in dem sich hinter denselben ausbreitenden Buchenwalde zu ihrer letzten Ruhe¬ stätte zu

bestimmen.

Sie lieh

zu diesem Zwecke einen offenen

219 Tempel in antiken Geschmack erbauen, in besten Mitte sich die von einer Grabplatte bedeckte ausgemauerte Gruft befand. Der Wunsch der Fürstin in dieser Waldeinsamkeit zu ruhen, ward aber bei ihrem am 16. Februar 1801 erfolgten Tode von dem regierenden Herzoge nicht erfüllt; sie wurde am 26. Februar Abends 9 Uhr in der Fürstengruft des Domes in Braunschweig feierlich beigesetzt. — Der Tempel ward später abgebrochen und lagerte viele Jahre in Wolfenbüttel; er wurde in den vierziger Jahren auf der nach der Herzogin genannten „Charlottenhöhe" vor Braunschweig aufgestellt, nach dem Verkaufe der Charlottenhöhe jedoch abermals abgebrochen und in einem von hohen Buchen beschatteten Platze des Parks von Schloß Richmond wieder aufgebaut, der in neuester Zeit aus der Hinterlassenschaft des verstorbenen Herzogs Wilhelm dem Herzoge von Cumberland als Erbe zugefallen ist.

Der mit schwarzem Sammet überzogene Sarg der Herzogin in der Fürstengruft zwischen den Särgen ihres Gemahls und ihres Lieblingssohnes Leopold. In einer zu Häupten des Sarges befindlichen Mauernische steht eine Urne aus dunklen Marmor mit der Inschrift „La Grace de Dieu me suive daus l’eternite“. Was diese Urne enthält, wird so lange ein Geheimniß bleiben, wie man den letzten Willen der Verstorbenen ehrt, in deren Beisein dieselbe verschlossen und verlötet wurde. — In der Nacht des steht

9. Februar 1811 wurde dieses Erbbegräbniß der herzoglichen Familie beraubt, drei Särge, darunter auch der der Herzogin Philippine Charlotte waren erbrochen, jedoch wurde nur eine Hals¬ krause von Brabanter Spitzen vermißt, mit welcher die Verstorbene bekleidet gewesen war. Außerdem waren von mehreren der neuen C. Steinmann. Särge die breiten Silberfranzen abgetrennt.

Der Einfluß der geographischen Lage auf die Entwicklung Lertins. Von Dr. P. Clauswitz. des Planes würde dem Preußischen Staate, Deutschland und den osteuropäischen Staaten überhaupt eine voll¬ ständig andere Gestaltung und Zukunft gegeben haben. Das Mi߬ lingen des Planes entschied aber auch das Schicksal der Stadt Berlin, und deshalb wurde diese ganze Bewegung in die Be¬ trachtung mit hineingezogen. Wenn der große Kurfürst seine Ab¬ sicht erreichte, so war Berlin die längste Zeit Residenz- und Haupt¬ stadt gewesen. Die Nothwendigkeit mußte es alsdann verlangen, daß er seine Residenz von Berlin, das nunmehr ungünstig in einem todten Winkel in der südwestlichen Spitze des neuen Staates lag, nach Stettin verlegte, dem Mittelpunkte der neugegründeten See¬ macht, einer Stadt in der entwicklungsfähigsten Lage, die außerdem Berlin zu jener Zeit bei weitem überragte. Die Regierung des großen Kurfürsten enthielt also eine Krisis für das Schicksal unserer Stadt, welche sie in Folge des Verlaufs

Das Gelingen

der politischen Ereignisie glücklich überstehen konnte. Der große Kurfürst versuchte auch eine neue Verkehrslinie die Mark Brandenburg zu schaffen, indem er durch den Mülroser- oder Friedrich-Wilhelms-Kanal eine Verbindung der Oder mit der Spree und hierdurch mit der Elbe herstellte. Der neue Wasserweg mußte voraussichtlich in erster Linie die Lage Berlins verbeffern. Der Kanal, oder der neue Graben, wie man ihn nennt, leistete aber nach seiner Vollendung bei weitem nicht das, was man von ihm erwartete, und besonders hatte Berlin nicht alle die erhofften Vortheile. Zunächst verstand man sich damals noch sehr schlecht auf die Technik des Kanalbaues. Man kannte z. B. nur hölzerne Schleusen, die natürlich sehr bald reparaturbedürftig werden mußten. Ferner vermochte man die Nivellements nur unzureichend auszuführen. Die Folge war, daß die höher gelegenen Strecken des Kanals zu wenig Waffer erhielten. Durch solche Uebelstände entstanden bald Schwierigkeiten und Unterbrechungen der regelmäßigen Schifffahrt. Und diesen Umstand wußte Sachsen sehr wohl zu benutzen, indeni es den großen Breslauer Handel auf dem gewohnten Landwege über Leipzig mit allen möglichen Zollerleichterungen festzuhalten suchte. Es gelang dies auch im wesentlichen und nur ein Viertel der Waaren ungefähr ging durch den neuen Graben. Ein regerer Verkehr entstand nur während und nach der Zeit, als man, im Jahre 1681 etwa, wegen der Pest in Sachsen den Durchzug durch das Land scheute. Der Hauptübelstand bei dem neuen Graben lag darin, daß von dem Transitverkehr, der nun wirklich durch Berlin seinen Weg nahm, den eigentlichen Vortheil nicht die Berliner hatten, sondern die Hamburger und die Breslauer. Berlin besaß kein Stapelrecht mehr. Man meinte nun eine Art Ersatz dafür in der Art herstellen zu können, daß man die Schleuse in Berlin etwas eng baute, so die Hamburger und Breslauer Schiffe in der direkten Durchfahrt durch

(Schluß).

hinderte und sie zum Umladen zwang. Der Packhof wurde auf diese Absicht hin angelegt. Man glaubte auf diese Weise die Mitbetheiligung der Berliner am Geschäft zu Stande zu bringen. Jndeffen doch ohne Erfolg. Die Hamburger machten alles Geschäft direkt mit den Breslauern und umgekehrt, wie zuvor; alle Ein¬ mischung der Berliner Kaufleute wurde prinzipiell ausgeschloffen. Hamburg ließ den Import und Export, den es gänzlich beherrschte, auch nicht im geringsten Theile in fremde Hände gehen. Nicht einmal die Berliner Schiffer wurden in der Führung des Transit¬ verkehrs zugelaffen. Daher denn auch viele Klagen an die Regierung

eingingen, daß die Berliner bei dem Handel, der doch durch ihr Land ginge, nur den Zuschauer spielen dursten. Die Regierung selbst trug eigentlich durch andere Maßregeln wieder dazu bei, die Konkurrenz der Berliner Kaufleute auszuschließen. Bei dem Krossener Oderzoll zahlten die Breslauer 100 Prozent weniger, als die Einwohner der Brandenburgischen Lande. Die Breslauer wollte

man nämlich durch diese Zollerleichterung auf den Weg durch den neuen Kanal hinlocken. Die Einheimischen ließ man zahlen, weil man annahm, daß sie so wie so diesen Weg einschlagen müßten. Trotz dieser Mißverhältnisse nun, trotzdem daß die vorhin geschilderte Jsolirung der Mark, die politische Geographie der Um¬ gebung und der nachtheilige Einfluß der Nachbarn auf unsere Verkehrslinien fortdauerte, nahm Berlin doch schon gegen das Ende der Regierung des großen Kurfürsten und noch mehr in der Folge¬ zeit einen erheblichen, man kann sagen, überraschenden, Aufschwung. Der Grund hierzu war indeffen von den geographischen Verhältnissen völlig unabhängig. Er entsprang aus der gänzlich veränderten Wirthschastspolitik des großen Kurfürsten und noch mehr seiner Nachfolger. Indem es nämlich sich als verfehlt heraus¬ stellte, Preußen zu einem Handelsstaat herausbilden zu wollen, begann man nun die heimische Gewerbsthätigkeit aufzurichten, sie zu schützen, neue Zweige derselben ins Leben zu rufen, das Land

Den wirksamsten Antrieb zu zu machen. dieser neuen Wirthschastspolitik gaben die eingewanderten Franzosen. zu einem industriellen

Sobald

sie

festen

Fuß

bestimmende Einfluß aus

gefaßt

hatten,

ging

von ihnen der

in allen Industrie- und Handelssragen.

systematische Schutz unserer Gewerbe zurückzuführen. Vorzugsweise wurde Berlin, die Haupt¬ stadt, bei der Pflege der gewerblichen Thätigkeit berücksichtigt, wobei auch die neuen stanzösischen Mitbürger die Hauptrolle spielten; hierhin zog man Industrielle und Arbeitskräfte, soweit sie nicht von selbst sich einfanden, hier vor allem rief man mit staatlichen Mitteln

Auf ihre Kreise ist der andauernde

neue Industriezweige

ins Leben.

Daher der Aufschwung.

In

den nächsten 100 Jahren, bis gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts, hat der preußische Staat seinen Wohlstand in stetigem

Fortschritt unglaublich, den früheren Verhältniffen gegenüber, ver-

220 mehrt, ganz im Gegensatz zu dem übrigen Deutschland, wo sehr bemerklich ein wirthschaftlicher Niedergang stattfand, wo überall die Klagen sich hören ließen über. Rückgang der Gewerbe und Ueberschwemmung mit ausländischen Waaren. Berlin selbst war eine industricreiche Stadt von ungefähr 170 000 Einwohnern geworden, unter den deutschen Residenzen bereits die angesehenste. Aber das alles ist in erster Linie nicht bewirkt worden durch günstigere geographische

Gestaltungen, sondern

Politik, das zielbewußte

vielmehr

durch

die innere

Wirthschastssystem Friedrich Wilhelm

I.

und Friedrich des Großen. Allerdings blieben gewisse geographische Thatsachen, die in diesem Zeitraum hervortraten, auch nicht ohne erheblichen Einfluß auf die raschere Entwickelung Berlins. Die geographischen Thatsachen sind folgende. Erstlich die Erweiterung der preußischen Staatsgrenzen im vorigen Jahrhundert durch die Erwerbung von Schlesien, Westpreußen und einen Theil von Polen. Preußen wuchs hiermit aus den kleinstaatlichen Ver¬ hältnissen heraus und die Hauptstadt gewann aus dem Hintergründe eines großen geschlossenen Länderkomplexes eine ganz andere Be¬ deutung. Die

mit dem

da¬

maligen Re¬ gierungs¬ ver¬

system

bundene sehr

weitgehende

Centrali¬ sation in allen

Sie boten nämlich einen Ersatz für die in unseren Gegenden noch überaus schlechten Landwege. Die Landstraßen, auch die nach der Residenz führenden großen Kurse, waren bei nasiem Wetter oft ganz unwegsam. Feste Kunststraßen, oder gar unsere heutigen Chausiecn kannte man hier zu Lande absolut nicht. Die erste Kunststraße begann man 1792 nach Charlottenburg zu bauen und erst 1801 war eine längere Verbindungsstraße, nämlich die von

Berlin

nach Frankfurt a. O., fertig gestellt. Es ist leicht begreiflich, daß solchen Zuständen gegenüber die Wasierwege, bei aller ihrer Mangelhaftigkeit, von dem Verkehr bei ‘ weitem vor den Landstraßen bevorzugt wurden.

Und doch baute man andrerseits wieder die erste längere Kunst¬ Berlin aus nach Frankfurt a. O., nach der Oder also wo bereits hin, eine doppelte Wasserverbindung vorhanden war, der Mülroser- und der Finowkanal. Es ist daraus zu ersehen, wie wenig die Schifffahrt dem wachsenden Verkehr nach Osten genügen konnte, und wie das Bedürfniß nach einer zuverlässigeren Fahrbahn, als Fluß und Kanal sich immerwährend geltend machte. Mit den Fortschritten in der Technik des Straßenbaus und mit der weiteren

straße von

Errichtung vonChauffeen

in den

ersten

Jahrzehnten unseres Jahr¬ hunderts ver¬ denn loren auch die öst¬

Verwal-

lichen Waffer-

tungszweigcn führte zugleich Menge eine neuen von Elementen nach der Re-

straßenfürden eigentlichen Handel Ber¬ lins wieder an Bedeutung.

sidenz.

Die zweite Thatsache steht

be¬

darin,

daß Friedrich der Große

unser Kanal¬

ausbaute und so der natürlichen Lage Berlins den heute noch vielgerühmten Vorzug verlieh, weit verzweigte Wasserstraßen zur Verfügung zu haben. Friedrich ließ den Finowkanal anlegen, als zweite Verbindung der Oder mit der Spree und mit der Havel, den Plauenschen

netz

Kanal zum besseren Anschluß der mittleren und oberen Elbe nach der Spree hin, während von der unteren Elbe her die Havel bereits die natürliche Fahrstraße herstellte; endlich den Bromberger Kanal zur Verbindung der Oder mit der Weichsel. Die veränderten politischen Verhältnisse brachten es mit sich, daß Berlin nun auch wirklich Nutzen ziehen konnte von den Kanälen, daß nicht mehr wie früher die Nachbarn störend eingriffen. Denn die ganze Oder mit Stettin und Breslau war jetzt in preußischen Händen, ebenso Schlesien; keine fremden Einflüsie konnten sich einmischen, den in Breslau centralisirten Handel wieder durch Sachsen zu lenken. Der polnische Handel durfte durch die preußisch gewordene Warthe und Netze direkt nach Berlin sich wenden, wie es in alter Zeit stattgefunden hatte. Es war überhaupt die Zeit, wo Wasierstraßen und Kanäle bei uns die besten Dienste leisten konnten, und zum Theil hat darin auch das eifrige Herstellen des Kanalnetzes damals seinen Grund.

Alle werth¬ vollere Waare kam und ging durch Fracht¬ fuhrwerk. So¬ gar das Ge¬ treide führte man aus der Uckermark,

dem

Oder¬

bruch, der Neumark, Schlesien wohl bis 20 Meilen per Axe hier ein.

Berlin hatte, wie erwähnt, bei dem Ablauf des vorigen Jahr¬ hunderts bereits den anderen deutschen Städten den Rang abge¬ laufen. Bei alledem war es damals und im Anfange unseres Jahrhunderts immer doch nur eine arme Stadt zu nennen. Sie bot eine recht bescheidene kleinstädtische Physiognomie ohne Ent¬ faltung von Reichthum und Luxus, wenigstens nach westeuropäischen Begriffen und Verhältnissen. Die Ursache hiervon lag nicht in der Schuld der Einwohner oder der Verwaltung, sie wurzelte viel¬ mehr hauptsächlich in einem alten Uebelstande, der sich von jeher fühlbar machte und den die geographischen Verhältniffe mit sich brachten. Berlin als Hauptstadt war nämlich auf ein Land ange¬ wiesen, das die Natur in Boden und Klima etwas stiefmütterlich ausgestattet hatte. Die östlichen Provinzen des preußischen Staates, deren wirthschastlichen Mittelpunkt Berlin bildete, weisen bekanntlich große Landstriche sehr wenig ertragfähigen Bodens auf. Unser zwar als gemäßigt geltendes Klima nimmt bereits jenseits der Oder einen so rauhen Charakter an, daß es auch fruchtbarere Strecken nicht im rechten Maße ausnutzen läßt. Unter solchen Bedingungen konnte sich denn auch eine dichte, wohlhabende, kauf-

221

luftige Bevölkerung nicht entwickeln, am wenigsten eine solche, welche Mittel aufzuwenden hatte für Luxuserzeugnisse und Luxus¬ leben der Residenz. Es konnte der Hauptstadt nicht viel Geld aus einem solchen Lande zuströmen. Eine Wendung zum Besseren bereitete sich aber bereits mit der Wende des Jahrhunderts in der Stille vor. Man hatte nämlich sür die weiten Bodenflächen, auf denen der Getreideanbau nicht lohnte oder überhaupt versagte, die Frucht gefunden, welche dort gerade an ihrem Platze war, die Kartoffel. Es ist eine all¬ gemein bekannte Thatsache,

Stadt nachrühmt und welche eine Folge der Schienenverbindungen sind, ist dort bereits Erwähnung geschehen. Es sind dann später noch die neuesten, einschneidenden Veränderungen der politischen Geographie eingetreten, indem Preußen sich vergrößert hat durch die Erwerbung von Schleswig-Holstein, Hannover, Heffen-Nassau. Die Hinein¬ ziehung dieser Länder in das Staatsgebiet gab einen weiteren An¬ stoß zu immer rascherem Anwachsen und zur Erhöhung der Be¬ deutung der Residenz. welche man heute der geographischen Lage unserer

in

Nach

der

Konstituirung

wie auffallender Weise der Wohlstand der östlichen Pro¬ vinzen bei der raschen Ver¬ breitung der Kartoffel in der ersten Hälfte unseres Jahr¬ hunderts sich nach und nach hob. Und nicht bloß insofern durch die Frucht ausreichendere Nahrung gewonnen wurde für Mensch und Vieh, der Landmann Getreide verkaufen

des deutschen Reiches endlich,

konnte, sondern besonders auch durch die großartig sich ent¬ der wickelnde Verwerthung Kartoffel in der Spiritus-In¬ den 20 er Jahren dustrie.

graphische Beziehungen nicht zu Grunde. Denn die Bildung

In

lernte

man

den

Kartoffel¬

spiritus entfuseln. Die zählig darnach im Osten

un¬ sich

vermehrenden Brennereien ver¬ drängten bald den Getreide¬

spiritus des Westens und setzten dann ihre Produkte mit großem Gewinn an das Ausland ab. Die wohlthätigen Folgen dieser Verbreitung der Kultur der Kartoffelpflanze im Osten unseres Vaterlandes kamen der Hauptstadt in doppelter Weise zu Gute. Erstens konzentrirte sich der überwiegendste

Theil des Berlin,

welches Freizügigkeit und ein¬

heitliche wirthschaftliche Gesetz¬ gebung einzuführen . begann,

Theil unter dem wirthschaftlichen Einheit ist Berlin Millionenstadt, Welstadt ge¬ und

zum

Einflüsse dieser neuen

worden.

Dieser letzteren Ein¬

wirkung auf das Leben unserer

Stadt

liegen

indeffen

geo¬

des Reiches und

seiner Ein¬ richtungen ist mehr eine wirthschastliche,

als eine geogra¬

phische Thatsache,

sie brachte neue, uns wesentlich berührende

Veränderungen der politischen Grenzen nicht mit sich. Faßt man nun das Re¬ sultat der ganzen Entwickelung kurz zusammen, so stellt sich dasselbe folgendermaßen dar:

Berlin

verdankt sein Emporkommen und hervorragende Stellung,

frühestes

die

welche es den Hohenzollern

XV. Jahrhundert als

im

Residenz

empfahl, vorallem der günstigen natürlichen geographischen Lage des Ortes, wo die Ansetzung

der Stadt erfolgte. Alsdann aber, nachdem es Hauptstadt und zugleich etablirte sich hier geworden, gestaltete sich die am Orte die Fabrikation der politische Geographie derartig, destillirten Branntweine und daß fast 300 Jahre lang Berlin Liqueure in großem Maßstabe. in hohem Grade unvortheilhaft Man betrieb dieselbe zum Theil gelegen war. Der Stillstand sogar unter Geheimhaltung der in der Entwickelung ist diesem Methode, um die Fabrikation Umstande zuzuschreiben. Die nicht an anderen Plätzen auf¬ Vergrößerung des Staatsge¬ kommen zu laffen. Weit und Das portal des Nibbeck'schen Hauses biets im vorigen Jahrhundert breit versorgte Berlin die Pro¬ in der Breitenstraße zu Berlin. (1624.) bewirkte wieder eine Vervinzen Jahrzehnte lang mit (Zu dem Aufsatz: Berliner Bauten des XVH. und XVIII. Jahrh.). befferung der Lage, aber der seinen Destillationsprodukten. Auffchwung der Stadt im vorigen Jahrhunderts ist weniger eine Der zweite, höher anzuschlagende Vortheil aber war der, daß Folge dieser Verbesserung, als der inneren Politik der preußischen die östlichen Provinzen in ihrer wirthschastlichen Lage sich verbefferten. Denn eine Hauptstadt kann eben nur gedeihen und in einigem Glanz Könige. In unserem Jahrhundert endlich hat der Ausbau des Eisenbahnnetzes der Stadt ganz neue, weitreichende geographische sich entwickeln mit dem Hintergründe eines wohlhabenden Landes. Wir wären nun bei dem Zeitpunkte angelangt, von welchem Verbindungen geschaffen und deren Ausnutzung ermöglicht. Mit diesem Hauptfaktor unter zunehmendem Wohlstand des Staates bei der Betrachtung der geographischen Verhältnisse Berlins zunächst und dem Eintreten äußerst fördernder politischer Umgestaltungen ausgegangen wurde, nämlich bei der Epoche, wo ein ganz neuer ist dann Berlin zu dem jetzigen Standpunkt gelangt, nach welchem Verkehrsfaktor, die Eisenbahnen, völlig andere geographische Be¬ es die dritte Stelle unter den europäischen Städten einnimmt. ziehungen der Städte, Länder und Meere schuf. Der Vorzüge,

Spiritushandels

nach

222

Die Concurren? für die Malereien im Trcppenraum des Rathhaufes. (Schluß.)

Mühlenbruck's Skizzen,

die in ihrem Gesammtzuge schon kurz erwähnt sind, verrathen ohne Zweifel ein bedeutendes Talent; die Auffasiung und die knappe Charakterisirung der großen Vor¬ gänge ist von packender Kraft und voller guter Ideen; die Art des Wurfes aber, die etwas undeutsches, etwas mehr französisches, genrehastes an sich hat, läßt den Zweifel aufsteigen, ob die Skizze bei ihrer Ausführung in der Wirklichkeit und in größerem Ma߬ stabe manche jetzt wahrnehmbaren Vorzüge nicht etwa einbüßen

wird? Arbeit auf Goldgrund eingeliefert, die von den bisher genannten in mancher Hinsicht ab¬ weicht. In der Mitte der ganzen Eomposition steht der Genius Deutschlands, die Kaiserkrone hochhaltend, vor ihm, mit einem gewaltigen Schwert umgürtet, in einen weiten Purpurmantel gehüllt, Kaiser Wilhelm, hinter ihn: der Kronprinz, Bismarck und Moltke; an der andern Seite die bekränzten Sieger und im Vorder¬ gründe und unter allegorischen Figuren stehend die Geschichte. In den Wolken erscheint ein Halbkreis von Viktorien und Genien, die den großen Friedensakl weihen. Auf dem Seitenbilde links steht Berolina mit dem Abzeichen der Kaiserstadt auf einem Wagen von vier prächtigen Rosien gezogen, deren Führer die vier Königreiche Baiern, Württemberg, Preußen und Sachsen versinnbildlichen sollen. Dem Wagen voraus gehen Friede und Eintracht; es folgen ihm Gerechtigkeit, Poesie, Kunst, Wisienschaft. Im Hintergründe sieht man das Brandenburger Thor. Auf dem Seitenbilde rechts bildet die Mitte ein Prachtwagen mit der Germania, die mit schützenden starken Armen Elsaß und Lothringen, — zwei liebliche Jungkrauen neben ihr — umfängt. Vor dem Wagen her sieht man den Kaiser

— Rudolf Eichstädt hat eine

sehr fleißige

Barbarossa und die „Freiheit" mit gesprengten Fesieln, eine prächtige, dämonenhaft schöne Figur. Hinter dem Wagen folgen Gefangene in Ketten geführt; über ihnen wird der beendete Kampf durch den Adler angedeutet, der den zerzausten gallischen Hahn aus den Wolken stürzt. Den harmonischen Abschluß dieser Dar¬ stellung bildet die Verkündigung des Friedens und die Feier der Heimkehr, die in einer edel realistischen Weise gehalten sind. Die Gegenüberordnung der Seitenbilder ist im Ganzen recht geschickt und glücklich; auch im Einzelnen haben diese Skizzen vieles Hübsche; nur sind sie in Farbe und Umriß nicht einheitlich, nicht ausgereist genug, was sich indesien bei der Ausführung vielleicht günstiger gestalten würde. Die beiden großen Siegeswagen mit dem reichen Viergespann wirken etwas zu breit und stören die figürliche Kom¬ position. — Prosesior Otto Heyden wählt als Mittelbild die Kaiserproklamation zu Versailles, in deren Centrum der Reichs¬ kanzler steht. Den Vorgängen entsprechend stehen im Seitenbilde links Borussia und La France mit ihrem Anhang sich drohend gegenüber; in der Mitte ruht im Hintergründe Vater Rhein auf Auf dem Seitenbilde rechts empfangen die einem Postament. den Kaiser an der Spitze seiner siegreichen der Stadt Vertreter Engelsgestalten in den Wolken bringen der Hauptstadt Helden. und Frieden die Reichsinsignien. Ehrenjungstauen und ben Magistratsmitglieder bieten dem nach oben weisenden Kaiser Ehren-

Im

Hintergründe sieht man in phantastisch freier AufBrandenburger Thor, das Reichstagsgebäude, schließlich fasiung das das Schloß, wodurch dieses Bild allerdings ein bezugreiches Gepräge erhält. Jedenfalls ist auch von O. Heyden Alles geschickt vermieden, was uns in die Greuel des Krieges hineinführen nnd die Erinnerung an die Siege unserer Tapferen verbittern kann. In dem Mittel¬ bilde ist Bismarck's Behandlung als Hauptfigur wohl als ein Fehler anzusehen, wenngleich die Gruppirung dem Künstler diese Lösung diktirt haben mag. Die mehr ideale Durchführung des linken Seitenbildes, das den Kampfbeginn darstellt, entspricht im Ganzen nur wenig seinem mit zahlreichen Portraits ausgestatteten kcänze.

Gegenüber. — Bei Maler Wiegmann füllt der Auszug des Heeres unter allgemeiner Volksbegeisterung das rechte Seitenbild; das Seitenbild links zeigt Kaiser Wilhelm, wie er nach der Schlacht

als Sieger inmitten seiner Getreuen auf einer Anhöhe der Wahl¬ hält und Germania aus den Wolken herabschwebt, ihn zu krönen. In dem Mittelfeld ist in gelungener Weise der Einzug dargestellt. Wiegmann hat die gegebenen Felder architektonisch ge¬ theilt und dadurch Gelegenheit gefunden, andere begleitende Figuren, die mit dem Siegeskampfe selbst nicht in Verbindung stehen, in pasiender Weise unterzubringen. So haben wir neben den Gestalten statt

Kunst und

Gewerbes,

des Handels und der Wissen¬ Kurfürst Friedrich I., den König Friedrich I., dann mehrere für die Entwickelung der Stadt bedeutsame Männer, wie Rauch, Beuth, Schinkel, Humboldt. Die Gemälde an sich sind gut entworfen und korrekt zum Vortrag gebracht; sie schließen nur nicht so recht in der Folge aneinander an und betonen zu sehr vielleicht die militärische Seite der Bewegung. — Maler Knapp in München hat als Mittelbild eine allegorische Krönung durch Germania, auf einem Felsen thronend, den die verbündeten Mächte umstehen. Von allen Seiten nahen die Vertreter von Handel und Gewerbe, ihr zu huldigen; im Hintergrund erscheint auf dem Meere die deutsche Handelsflotte. Das Hauptbild rechts behandelt die Kaiserproklamation, dasjenige links die Erhebung der Stadt Berlin durch die Huldigung der deutschen Städte. — Carl Ehrenberg in Dresden hat ein vortreffliches Mittelbild, in welchem die in den Wolken schwebende allegorische Hauptfigur der Weltgeschichte von den Göttinnen der Gerechtigkeit und Weisheit, Stärke und Humanität begleitet wird, während aus der Erde zu ihren Füßen die Gestalten des Friedens und der Wisienschaft auf¬ schauen. Die großen Seitenbilder sind sehr geschickt in Bezug zu einander gesetzt: auf dem Einen empfängt auf einem breiten thron¬ artigen Sitz Borussia die Kaiserkrone durch die Bavaria, auf dem Andern reicht Germania der Berolina die Krone über alle Städte. In beiden Bildern ist die Krone zu einem Ausgangspunkte einer strahlenden Lichtfülle gemacht, die dem ganzen Akt etwas märchen¬ haft Hoheitvolles aufprägt. Auf dem ersten Bilde sieht man links mehrere allegorische Figuren, darunter die Religion; fernerhin den Kaiser Barbarosia auf einem Hintergrund, aus welchem das Her¬ manndenkmal hervorragt; auf der andern Seite sind ebenfalls Figurengruppen angeordnet, über denen das Niederwald-Denkmal und die Thürme des Domes zu Köln sichtbar werden. Ihnen entsprechen auf dem Gegenbild Herolde und die Figuren der Kunst bezw. Friedrich I., der aste Fritz und der große Kurfürst mit dem Neichstagsbau, der Siegessäule und dem Brandenburger Thor. — Hugo Louis in Berlin hat eine hübsche Arbeit geliefert, die von tüchtigem Talent und ernstem Streben Zeugniß giebt. Er hat auf allen drei Bildern in der Mitte eine architektonische Composition angenommen, die einen natürlichen Kernpunkt für alle Vor¬ gänge bietet. Im Mittelbilde, vor einem tempelartigen Aufbau, von dem der Genius des Friedens segnend herabschaut, reicht Germania auf einem Purpurkiffen König Wilhelm die Krone des Reiches; an den Stufen des Thrones sieht man Berolina mit der Vor der halbrunden Rückwand des Tempels Kaiserstandarte. jubeln von der einen Seite her der Kronprinz, Hand in Hand mit dem Könige von Sachsen und Baiern, von rechtsher Künstler, Gelehrte und Geistliche dem Vorgang zu. Auf dem großen Sei¬ tenbilde links hat man an der Außenseite eine Gruppe verwundeter Franzosen, dann einen Theil eines Siegeszuges, in welchem Göben und von der Tann, Moltke und Prinz Friedrich Carl, vor denen her Artillerie bekränzte Kanonen vorwärts schiebt. Den Hintergrund bildet die deutsche Ruhmeshalle, in deren Nischen die verdientesten

der

schaft bei ihm

des

noch den

223 Vorfahren des Kaisers in Land und Reich ihren Platz gefunden. In dem großen Bilde rechts blickt man in eine offene Bogen¬ halle, zu deren Seiten stattliche Nischen die Statuen von Schinkel und Rauch aufgenommen haben. In den Arkaden sitzen Handel

Entwürfe zu entscheiden hat, wird keine leichte Arbeit haben, da sie außer den durch die Künstler gebotenen Ideen selbst auch die Frage zu erörtern haben wird, ob der Einsender einer Skizze, die als solche Beifall findet, auch die Ausführung zu übernehmen ge¬ eignet sein wird? Eine Skizze ist noch kein monumentales Gemälde, und wir haben gerade unter diesen Concurrenzen mehrere, bei denen man unwillkürlich fürchten möchte, daß mit der Skizze auch

und Gewerbe und schauen auf den vorbeiziehenden Festzug hinieder, dessen Glanzpunkt ein mit Kränzen beladener, von kleinen Genien geleiteter Prachtwagen mit dem Modell des Reichstagsgebäudes erscheint. Vor und hinter demselben bilden die Gruppen der Gewerke mit ihren Bannern und Fahnen, dann die Sänger¬ chöre mit ihren allerliebsten Einzelfiguren einen reizenden Abschluß. Schloßkuppel, Rathhaus und die Thürme von Sankt Nicolai über¬ ragen hoch und bedeutsam das lebensvolle malerisch entrollte Bild. Mag man auch mit dem Autor über die Berechtigung der Aus¬ wahl seiner Hauptfiguren und Gegenstände streiten wollen, im Großen und Ganzen haben wir eine schöne Leistung vor uns, die ihres redlichen Wollens und der sorgsamen liebevollen Durchführung halber alle Anerkennung verdient. Auf die noch verbleibenden drei Concurrenzen müffen wir es uns versagen, näher einzugehen, zumal sie Momente, die Beachtung verdienen, nicht zu Tage fördern. Die Commission, die über die

als

das künstlerische Vermögen des Urhebers nach der zeichnerischen Seite hin erschöpft ist. Daß auch hier eine der ausgestellten Arbeiten ohne Weiteres für die Ausführung gewählt werde, ist kaum anzunehmen, weil auch die, die vielleicht im Ganzen dazu geeignet wären, im Einzelnen auf besondere Wünsche noch stoßen werden. Die Concurrenz hat aber jedenfalls zur Klärung der Frage beigetragen; vielleicht legt sie noch einmal die Erwägung nahe, ob dieses für eine monumentale Behandlung keineswegs günstige Treppenhaus außer einem Mittelbilde sich nicht besser auf einen einfacheren, mehr decorativen Schmuck beschränke? Gleichermaßen wäre es ja wohl naheliegend, zuerst den farblosen Bürgersitzungssaat einmal künstlerisch zu bedenken, und dann erst das zu ihm führende

Treppenhaus zu ihm in eine harmonischere Beziehung zu bringen.

Miscellcn. stellungen von meist winzigen Dimensionen, die mit den Darstellungen, an deren Rande sie oben, unten oder an den Seiten angebracht sind, häufig in gar keinem geistigen Zusammenhange stehen. Gerade in diesen Künstlereinfällen offenbart sich die fruchthare Erfindungskraft des stetig schaffenden Meisters, der bei längerer Arbeit an einer größeren Platte den sich fortwährend aufdrängenden neuen Ideen in Ruhepausen einen oft entzückenden Ausdruck gab. Bei späteren Abzügen wurden diese leicht schrasfirten Einfälle wieder von der Platte entfernt, deshalb gehören Blätter mit solchen Künstler-Einfällen zu den seltensten und von den Sammlern gesuchtesten. Einen solchen Künstler-Einfall entnehmen wir der ersten Sammlung der bei Mitscher L Röstell erschienen Auswahl aus Chodowiecki's schönsten Stichen. Derselbe stellt eine Schlittenfahrt dar, die den besten Beweis für die Wahrheit des oben über die Künstler—R.— Einfälle Gesagten liefert.

Jas Ferienhaus des Zohannesstiftes. (Mit einer Ansicht.) Noch vor hundert Jahren etwa, als Berlin kaum die Größe der volkreichen Provinzial-Städte von heute hatte, wären Ferien-Kolonien eine über¬ flüssige Einrichtung gewesen; aber heute, wo die Einwohnerzahl die Ziffer von

l'/s Millionen fast erreicht hat, wo man fast eine Meile weit gehen muß, um aus dem durch die zahlreichen Fabriken mit gesundheits¬ widrigen Gasen gefüllten Dunstkreise der Stadt in Gottes freie Natur zu gelangen, da sind die Ferien-Kolonien, welche schwächlichen Kindern der ärmeren Bevölkerungsklassen — so weit sie im schulpflichtigen Alter stehen — während der Sommerferien einen Aufenthalt in freier Natur ermöglichen und hierdurch in erster Linie zur Besserung des meist ungünstigen Gesundheitszustandes der Kinder beitragen sollen, sicher kein Luxus mehr. Der Einwand, daß Berlin zu den gesundesten Großstädten gehöre und mithin ein zeitweiser Landaufenthalt für die gedeihliche und kräftige Entwicklung der Kinder unnütz oder doch wenigstens nicht unbedingt noth¬ wendig sei, kann nur der machen, der in einem der bessern Stadttheile wohnt und niemals die Kehrseite des äußern Glanzes kennen zu lernen Gelegenheit hatte. Wer aber als Arzt, als Armencommiffar oder als Beamter Gelegenheit hatte zu sehen, wie viel Tausende im dumpfigen Keller oder auf engen Höfen, die nie ein Sonnenstrahl erreicht, zusammen¬ gepfercht wohnen, wer die tiefe Armuth in den engen Wohnungen namentlich in den nördlichen und östlichen Stadttheilen gesehen, wer rie

Friedrich Wilhelm

seinen er ohne Verzug zur Kirche, trat ein und stellte sich, auf seinen Krückstock gelehnt, der Kanzel gegenüber.

Kühn'sche Buchhandlung, 1847), besteigt die Kanzel, keineswegs einen so vornehmen Zuhörer in der Kirche vermuthend. Nachdem cr ein Eingangs¬ gebet aesprochen, will er seine Predigt heginnen: da fallen seine Augen urplötzlich auf den ihm gegenüberstehenden König, den er unglücklicher Weise kennt. Er erschrickt, wird verwirrt, stammelt einige Worte und hält dann voll Verzweiflung inne. Da erhebt der König drohend und zornig den Krückstock und befiehlt ihm, fortzufahren. Aber der erschrockene Prediger hatte die Fassung völlig verloren, spricht in feiner Herzensangst nur noch den Segen und verläßt dann eiligst die Kanzel. Der Prediger wurde in Berlin noch einmal examinirt und bestand die Prüfung, worauf die Sache mit einem „derben Königlichen Verweise" ihr Bewenden hatte.

einem unglaublichen Dunste aufwachsenden Kinder hin und wieder zu beobachten Gelegenheit hatte, der muß bekennen, daß die Ferien-Kolonien ein Werk der Mildthätigkeit, aber auch zugleich eine Errungenschaft auf dem Gebiete der häuslichen Gesundheitspflege sind. — Das erste

des St. Johannes-Stiftes wurde im vorigen Jahre durch-die Baumeister E. und H. Hoffmann erbaut und hat vielen armen Kindern im vorigen Sommer die Gesundheit wiedergegeben oder gekräftigt. Die kleine Ansicht zeigt das in Ziegelrohbau mit reichem Muster von bunten Steinen erbaute Haus. Der überaus freundliche Bau enthält zur m Flächeninhalt (bei ebenen Erde einen großen Hauptsaal von 270 6 m Höhe), eine gewölbte Eingangshalle von 24jHm und eine Vor¬ laube von 91 Hs m, welche bei schlechtem Wetter zugleich als Spielplatz benutzt wird. In der ersten Etage befinden sich noch gewölbte Wohnräume für die Lehrer und Aufseher. Alle Räume haben Steinfußboden, welche, wo dieses nöthig, mit Linoleumteppichen belegt sind. Hoffen wir im Interesse der Gesundheitspflege der ärmeren Klassen unserer Stadt, daß bald nach dem Muster dieses ersten so praktisch eingerichteten Ferienhauses ein ganzer Kranz solcher Heil- und Pflegstätten ura Berlin herum entstehen möge, damit wenigstens ein geringer Prozentsatz der kranken Kinder unserer Arbeiter in den Sommermonaten den engen und 'der Entwicklung hinderlichen Wohnungen entrückt werden kann. Rr. 8.

Ierien-Haus



damaligen Lieblingswerke illustrirte, haben einen Reiz der naiven Wiedergäbe des Lebens, der oft mehr wirkt als alle Prätensionen bei größer ausgeführten Kunstwerken. Chodowiecki war gerade im Kleinen groß, und nirgends tritt uns dies mehr entgegen als bei seinen Künstler-Einfällen, bekanntlich sind dies kleine, auf den Rand einer Platte gestochene Dar¬

war, fuhr

Der damalige Prediger Rossow, ein schon bejahrter Mann, so erzählt Karl Hoppe in seiner „Chronik von Rheinsberg" (Neu-Ruppin, Gustav

in

EhodowicLi's Schlittenfahrt. Erst die neuere Zeit läßt Chodowiecki, dem Berliner Hogarth, die ihm gebührende Werthschätzung zu Theil werden, wie dies kürzlich in einem Artikel dieses Blattes dargelegt wurde. War er doch ein Sittenschilderer ersten Ranges und die Unzahl kleiner Bildchen, mit denen er die Almanachs, Modebüchlein und die

der Wrediger von Zrheinsöcrg. Eines I und „lieben Fritz" in Rheinsberg, König

schönen Tages besuchte der und da es gerade Sonntag

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Der Knapphans. Da, wo jetzt die Königswache steht, hielt früher ein Knapphans seine Würste und dergl. feil und fand bei der dort täglich stattfindenden Parole-Ausgabe reichlichen Absatz. Nach und nach hatte sich auch ein Verhältniß zwischen ihm und König Friedrich Wilhelm Hl. an¬ gebahnt: täglich, wenn der König früh morgens am Fenster seines gegen¬ überliegenden Palais erschien, lüpfte unser darauf wartender Knapphans die Kappe und glaubte ein gnädiges Nicken feines königlichen Herrn wahr¬ zunehmen. Als nun der Bau der Königswache beginnen sollte, fürchtete er, von seiner Stelle vertrieben zu werden und schrieb deshalb an den König. Weil er aber hörte, daß dieser die Kürze liebe, faßte auch er sich kurz und beschränkte seine Eingabe auf die Worte: „Da Königswache gebaut wird, wo bleibt Knapphans?" Ein ebenso kurzer Bescheid war die Antwort, bestehend in seinem eigenen Briefe, in welchem von des Königs Hand zwei Worte geändert und umgestellt waren, so daß es hieß: „Wo Königswache gebaut wird, da bleibt Knapphans!" H. S-n.

Erinnerungen an die Schlacht Lei Kokin. Eine nicht geringe Zahl von preußischen Fahnen, Feuer- und blanken Waffen ist in dem k. k. Hof-Waffen-Museum zu Wien innerhalb des Artillerie-Ar¬ senals aufgestellt, und verdienten namentlich die Fahnen eine genaue Beschreibung und Abbildung. Es dürfte dies bei Weitem nicht so um-

224 und theuer ausfallen, wie die von mir für den „Bär" ge¬ lieferten Abbildungen und Beschreibungen der brandenburgisch-preußischen Fahnen, Marine-Flaggen, Kanonen und Spontons, die im Jahre 1879 hier beschrieben wurden. Ich darf wohl einschalten, daß die Herstellung der Zeichnungen für diese Abbildungen im „Bär" damals gegen 2000 Mark gekostet hat. Es mussten u. A. 90 Fuß hohe Gerüste in der Nitterhvlmskirche zu Stockholm gebaut werden, um unseren dort hängenden Fahnen beizukommen. *) In dem Waffenmuseum der kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt Wien, welches aus dem Bürgerlichen Zeughaus am Hof unter der vortrefflichen Leitung des Städtischen Archivdirectors vr. K. Weiß ent¬ standen ist, befinden sich nahe der Büste des Feldmarschalls Gideon Ernst Freiherrn von Laudon (geb. 10. October 1716, gest. 14. Juli 1790) an der Wand 12 preußische Kavallerie- und Infanterie-Gewehre und in der Fensternische zwischen dem XXXV. und XXXVI. Felde links ein preußischer Kavallerie-Säbel und 6 preußische Infanterie-Säbel, sowie 4 preußische Reiterpistolen, angeblich vom Koliner Schlachtfeld. Bei meinem diesjährigen Aufenthalt in Budapest ersuchte ich den Director des Ungarischen National - Museums, mir dasjenige Herr zu zeigen, was an Beutestücken von Collin vorhanden sei. Director Franz von Pulsky entsprach sofort meinem Wunsche freund¬ lichst und führte mich an einen Schautisch, in welchem ein unansehn¬

Feier, an welcher der Kronprinz und als Vertreter der Stadt Berlin Ober¬ bürgermeister von Forckenbeck und Stadtverordnetenvorsteher JDr. Wolfgang Straßmann theilnahmen, giebt auch die Zuschriften, Gebete und Ansprachen; dann füllt eine ausführliche Schilderung des Abendsestes in der Philharmonie über 30 Seiten, während Mittheilungen über die Pete cke Refuge etc. dm Beschluß bilden. Erwähnt sind dann noch die Feiern des Ereigniffes außerhalb Berlins, die u. A. in Angermünde, Gramzow, Königsberg, Magdeburg, Potsdam, Prenzlau und Schwedt stattgefunden haben. Das Buch bildet eine hübsche Erinnerung an den 29. Oktober und wird durch die vielen genauen Angaben fortwährend an historischem Jntereffe gewinnen.

stündlich

Kurfürst Joachim I. als lateinischer Redner

«Line alte Berliner Pheatercrinncrung. „Am ersten Januar 1843 fand die feierliche Eröffnung und Einweihung des neuen Theatergebäudes der Privatgesellschaft Thalia hier statt," — lasen wir einen mit A. H. unterzeichneten Artikel auf einem alten vergilbten Blatte, dessen Abstam¬ mung wir leider nicht recht zu erkennen vermochten. „Das Gebäude, auf dem Wollank'schen Weinberge gelegen," — heißt es dann weiter — „ist mit vielem Geschmacke und in ebenso einfacher als würdiger Art nach Angabe des Eigenthümers und Besitzers des Grundstücks, des Herrn Gräbert jun., erbaut, und sowohl im Innern, wie im Aeußeren durchaus allen billigen Anforderungen genügend. Eingeleitet wurde die Feier des Abends durch einen auf die Jntereffen der Gesellschaft bezüglichen Prolog, welchen Herr Burckhard mii vieler Wärme, kräftigem Ausdruck und vollstem Verständniß vortrug. Hierauf folgte das Originallustspiel von Benedix: „Doktor Wespe", welches in seltener Vollendung von den spielenden Mitgliedern der Gesellschaft aufgeführt wurde. Besonders heben wir unter den Darstellern Herrn Caspar (Doktor Wespe), Dlle. Leopold (Elisabeth), Fräulein von Wedell (Thekla) und Herrn Löwe (Wallstein) in rühmlichster Weise hervor. Wir hatten Gelegenheit, in dem Herrn Caspar ein seltenes Talent des Copirens zu entdecken, was sich nicht bloß in Sprache und Haltung, sondern auch in Bezug der geistigen Auffaffung documentirte. Herr E. fas, Herausgeber des Declamatoriums, hatte das Stück mit vielem Fleiß und Geschick in Szene gesetzt. Wenn der Vorstand der Gesellschaft, dem die tüchtigsten Männer beigesellt kein müssen, die Kraft hat, iür die Folge eine gleiche Energie, gleichen Eifer zu bewahren und in dieser Beziehung von den Mitgliedern kräftig unterstützt wird, so haben wir das beste Vertrauen für das Fort¬ blühen des Instituts, dem wir im Voraus das Beste von Herzen wünschen." E. K.

Messern und Gabeln übereinstimmend, verwahrt ivar. Ein »weites Paar, ebendaher stammend ist angeblich im Besitz eines ungarischen Grafen. Ungarische Husaren sollen diese Sachen erbeutet haben.

Das Schlachtfeld von Colin, Collin, Kolli» oder Kolin

vier Schreibweisen vor (die von Prag nach Brünn führende Oestcrreichische Staatseisenbahn-Gesellschaft schreibt Ko lins — ist von der Bahn aus trefflich zu übersehen. Von Prag kommend erblickt man schon in weiter Entfernung von Kolin rechts auf einem Hügel, dem Standpunkte Friedrichs II. während der Scblacht, eine 1842 errichtete Spitzsäule zum Andenken an den von Daun am 18. Juni 1757 erfochtenen Sieg. Da die Gegend vom Ackerbau stark in Aistpruch genommen und in Folge dessen abgeholzt ist, kann man sich über den Verlauf des Treffens leicht orientiren. Friedrich mußte bekanntlich in Folge der Niederlage Böhmen räumen; hierauf bezieht sich die dem 1766 verstorbenen Feldmarschall Graf Daun gewidmete Inschrift: Patriae Liberatori, welche Maria Theresia an dem Grabmal des Feldherrn in der Augustiner Kirche zu Ernst Friedei. Wien hat anbringen lassen. es kommen alle

zweite Säliularscicr des Ediktes von Potsdam hat dem Dr. Beringtster Anlaß gegeben, Alles auf diese Feier des 29. Oktober 1885 bezügliche in einem kleinen Bändchen zu sammeln, das den Titel führt: „Ausführliche Beschreibung der Feier zum 200jährigen Gedächtnisse des Ediktes von Potsdam (*9. Oktober 1685) begangen von den französischen Gemeinden in Brandenburg-Preußen, gewidmet (Verlag von den kommenden Geschlechtern zur III. Säkularfeier." Mittler & Sohn.) Der wcitschauende Verfasser, der dem Jahre 1985 bereits vorarbeitet , beschreibt zunächst die Errichtung des Calvin¬

Litt

5»ic

Assessor

denkmals im Vorgarten



Inhalt: Gedenktage. — Faustrecht von B. W. Zell. — Feuilleton: Ein neues Werk über Berliner Bauten des XVII. und XVIII. Jahr¬ hunderts, besprochen von P. Walle (mit der Abbildung des Portals am Ribbeck'schen Hause in der Breitenstraße). — Die Herzogin Philippine

!

;

des französischen Hospice, wobei alle einleitenden

Schritte und Ausrufe, sowie die Weihreden aktenmäßig Aufnahme fanden; cs folgt die Enthüllung der Reliefs an dem Koloniegebäude Klosterstr. 43; Bildhauer Boese hat darin den Empfang der Resugies durch den großen Kurfürsten und die Einweihung der Kirche der Berliner Parochie in der Klosterstraße (11. Aug. 1726) dargestellt. Eine Beschreibung der kirchlichen •) Dies patriotische Opfer hat im Jahre

1879 der damalige deutsche Consul

in ziarls-

Franz Wolsf gebracht, derselbe Herr, welcher den schwedischen Granit zum Sockel der Siegessäule auf dem jlonigsplay unentgeltlich gespendet bat. Von unbctheiligter

krona,

Seite lourdc mir unlängst versichert, dass es bislang übersehen worden sei, dem Herrn Tür diese seine wiederholte» patriotischen Tiensic zu danlcn.

Hirschhorns

Charlotte von Braunschweig,

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Augsburg.

dem berühmten Reichstage zu Augsburg im Jahre 1530 der päpstliche Gesandte in einer lateinischen Rede bewillkommnet werden sollte, und keiner der anwesenden Fürsten, nicht einmal einer von den geistlichen, dies konnte oder sich doch nicht getraute, stand Kurfürst Joachim von Brandenburg auf und hielt eine so zierliche Rede in lateinischer Sprache, daß ihm allgemeine Bewunderung zu Theil wurde. E. K.

liches stark abgenutztes Messer uud eine Gabel mit silbernen Griffen, gezeichnet I?. R. mit ähnlichen in Potsdam verwahrten



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Herausgeber und verantwortlicher Redakteur: Peter Walls in Berlin 8.1V. 48. — Verlag von Gebrüder Partei in Berlin W. Druck: W. Moeser Hofbuchdruckerei in Berlin 8. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubniß ist untersagt.

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Line Chronik für's tzaus Erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch alle Buchhandlungen, Zeitungsspeditionen und vostanstalten vierteljährlich zu beziehen. — Im Postzeitungs-Latalog eingetragen unter Nr. 2455.

tttt Jahrgang.

Verlag von Gebrüder Paetel in

Nr. 25.

20. 20. 20. 20. 20. 20.

März März März März März März

1239. 1568. 1792. 1821. 1828. 1871.

21. 21. 21. 21. 22. 22. 22. 22. 22.

März März März März März März März März März

1685. 1848. 1871. 1876. 1540. 1599. 1745. 1797. 1832.

Hochmeister

Herrmann von Salza

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Berlin.

Hans Kohlhase, Roßkamm zu Cölln f. Antony von Dyk * Antwerpen

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Herausgeber und verantwortlicher Redakteur: Peter Walls in Berlin S.W. 48. — Verlag von Gebrüder Paetel in Berlin W. — Druck: W. Mörser Hofbuchdruckerei in Berlin 8. — Abdruck ohne eingeholte Erlaubniß ist untersagt.

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Line Chronik für's Haus.

und' vostanstalten für 2 Erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch alle Buchhandlungen, Seitungsspcditionen. vierteljährlich zu beziehen. — Im Postzeitungs-Latalog eingetragen unter rsr. 2455 .

XIL Jahrgang.

-

Verlag von Gebrüder Paetel in

Nr. 26.

27. März 1687. 27. März 1810.

27. 28. 28. 28. 28. 29.

März März März März März März

1828. 1483. 1522. 1793. 1806. 1771.

29. 30. 30. 30. 30.

März März März März März

1813. 1559. 1793. 1813. 1821.

Bleibtreu * Tanten a./Rh.

Raffael Sqnti * Urbino

W.

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1520). Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Ansbach *. G. H. Pertz, Herausg. d. dlonnmentu Germ. hist. *. Georg Victor v. Unruh * Tilsit. Burggraf Fr. Ferd. Al. zu Dohna - Schlobitten * Schloß Frankenstein. Der Kronprinz von Preußen begiebt sich nach Dresden. Rechenmeister Adam Riese -ff* 1492 zu Staffelstein). Prinz Louis Ferdinand siegt bei Florsheim. Blüchers Einzug in Dresden. Einweihung des Denkmals auf dem Kreuzberge.

30. 31, 31. 31.

(-j-

Im

März März März März

Mark 50 Vf. den 27. März 1886 .

Nachdruck verboten. Gesetz v. VI. 70.

II.

Gedenktage.

Königin Sophie Dorothee von Preußen *. Adolf Glaßbrenner, Red. d. Berl. Montagszeitung,

* Berlin. Prof. Georg

Berlin



1878. 1580. 1814. 1819.

1. 1.

April 1663. April 1785.

1. 2. 2. 2. 2.

Apiil April April April April

1815. 742. 1693. 1719. 1798.

2.

April

1870.

Eröffnung der hundertsten Gemeindeschule in Berlin. Bogislav XIV., letzter Herzog in Pommern * (-f 1637). Einzug der Verbündeten in Paris. Fürst Chlodwig zu Hohenlohe, Statthalter v. ElsaßLothringen *. Friedrich Freiherr v. Derfflinger* Gusow 1724). Joh. David Erdmann Preuß, Historiograph * Lands¬ berg a./W. Fürst Otto v. Bismarck, Kanzler des Deutschen Reiches*. Karl der. Große * (-f 8. Januar 814). George Keith, Lord Marishal * Kincardine. Joh. Wilh. Ludw. Gleim * Ermsleben (-ß 1803). Aug. Heinr. Hoffmann v. Fallersleben * Fallers¬

(f

leben.

Kampf vor Paris; Zurückschlagung der Aufständischen.

goldnen Horn.

Novelle aus dem Berliner Künstlerleben von Hermann Heinrich.

Hastige Schritte störten Mathilde aus ihrem Sinnen, und als sie ihre Augen erhob, stand Gustav vor ihr. Wie schön er war! Nein, diese frischen Wangen, diese blitzenden Augen

(Schluß.)

konnte kein Gram berühren.

— und doch ging ihr schönes Gesicht. sie selbst

Er durfte ihr niemals gehören

bei seinem Anblick eine leise Nöthe über

Aber

Niemals habe ich im Ernste einen Menschen getäuscht, am allerwenigsten aber werde ich es thun, wenn meine Kunst Mein Streben ist, wie meine dabei auf dem Spiele ist. Es liegt mir daran, Handlungsweise, ernst und ehrlich. als ob Sie Ihr Vertrauen das bittere Gefühl zu beseitigen, einem Unwürdigen zuge¬ wendet hätten!" „Das habe ich niemals

war die Ursache,

daß Gustavs Augen so hell erglänzten.

geglaubt, Herr Bergow",

Mathilde rasch. Vorfall bedauern, daß Sie

„Fräulein Mathilde", begann er, „ich habe Sie

entgegnete

gesucht."

nur

„Ich

sich zu ver¬ abschieden, dachte sie.

habe

Ihrem Freunde zu Fräulein Philippine v- Norden zu folgen. Wenn Sie mir noch

mit Ihnen

einige recht ernste Worte zu sprechen und bitte Sie herz¬ lich, mich ruhig zu hören.

beim Abschiede eine Freund¬ lichkeit erweisen wollen, so

bitte ich Sie herzlich, gehen Sie nicht nach Bernsdorf!" „Wer hat Ihnen das fragte Gustav gesagt?"

Unser Abschied heute Morgen

hatteeinen etwas stürmischen

Charakter. inich

Lasten

Ihnen aber

Sie

es

sagen, daß

Mißtrauen und die Feindseligkeit Ihres Herrn Vaters nicht verdient habe. ich das

zu

dazu gedrängt worden sind,

Er kommt,

„Ich

habe bei dem

Kurfürst Albrecht Achill mit Gras Jobst Gans ;u putlitz und Graf Johann zu Lindow und Nupptn. (Rach einem Gemälde des

XVI. Jahrhunderts.)

überrascht.

„Ich weiß", fuhr sie fort, „daß Sie nach dem.

314 was

länger bei uns bleiben können. Sie gehören überhaupt in eine andere, größere Welt. Gehen Sie, wohin Neigung und Beruf Sie führen, nur nach Bernsdorf geschehen ist, nicht

Sie nicht!" „Fräulein Mathilde!" rief Gustav warm. „Sic kenne» diese Dame noch nicht", fuhr Mathilde lebhaft fort. „Nur um vor der Welt zu prunken, zieht sie die Herren an sich heran. Ihr Freund, Herr Spranger, mag gehen

nichts daraus machen, wenn er nachher betrogen ist; er geht nur seinem Vergnügen nach. Sie aber sind zu schade dazu. Das Beste ist. Sie verlassen Blankenrode so schnell als sich

möglich."

Sie wischte sie

sich

mit der Hand über die Augen, reichte

dann schnell Gustav und sagte:

„Dort

kommt mein Vater.

Er darf uns nicht zusammen finden. Leben Sie wohl!" Gustav aber rief: „Wie, liebes Fräulein? Und Sie wollen nicht einmal erst die Deutung meines Traumes vom Post¬ horn hören, den ich Ihnen heute Morgen mittheilen wollte,

als wir unterbrochen wurden?

war jene ftische Melodie, die mir vom Gebirge hernieder¬ tönte. Eine Braut, eine junge, schöne Braut werde ich mir erwerben! Sie wollen mich verabschieden? Ich soll Sie ver¬ lassen?

Niemals, Mathilde, niemals!"

Er

drückte

seine

Lippen auf die dargebotene Hand und ging dann schnell den eintretenden Herren entgegen. Ueberrascht sah Mathilde dem Künstler nach. Und ihr freudiges Erstaunen wuchs, als sie sah, wie der Vater und Gustav sich freudig begrüßten, sich wieder und wieder die Hände schüttelten, und als die lauten Versicherungen gegen¬ seitiger Hochachtung an ihr Ohr schallten. Dann kamen die Herren geradeswegs aus Mathilde zu. Was Gustav da schlicht und herzlich sprach, wurde ihr in ihrer Verwirrung zwar nicht ganz klar, aber als er gleich darauf die Linke sanft um ihren Hals legte und ihre Lipperi im ersten, zarten Kusse berührte, da verstand sie, was seine Worte zu bedeuten hatten: „Niemals, liebes Fräulein, niemals!"

Das Lied von der Liebe

Das verwunschene Schlößchen, ein Heim berühmter Berliner.

Der Zug unserer Zeit geht auf das Grobartige und Prächtige. Das kleine Blauveilchen, das im Verborgenen blüht, bleibt heute unbeachteter als je. Und doch kenne» wir einen Fall, in dem cs eine gewisse Be¬ rühmtheit erlangt hat, — dieses eine Mal freilich auch nur, weil es inmitten eines reichen Straußes kostbarer Blüthen eben durch sein beschei¬ denes Gewand Aufmerksamkeit erregte. Doch wir wollen uns „unverblümter" ausdrücken. Welcher Berliner kennt nicht die Thiergartenstraße, welcher Berliner nicht daselbst das eine große Haus an der Ecke der Bendlerstraße, das einem Aschenputtel gleich sich in ein schlichtes, graufarbenes Gewand gehüllt hat. Jedem, der überhaupt die Thiergartenstraße entlang gegangen ist, fiel dieses Haus gewiß in's Auge, nöthigte es die Frage auf: wie kommt die Hütte in diesen Glanz?

/



Das ist eine wirklich berechtigte Frage. Unter allen den prachtvollen Landhäusern in griechischem oder modernem Geschmack steht dieses lang¬ gestreckte, düstere Haus, das weit aus einem öden, nur von wenig Bäumen beschatteten Garten hervorlugt, verlassen da und streckt seinen einen, recht¬ winklig an das Hauptgebäude angefügten Seitenflügel mißmuthig bis zum Rande des Bürgersteiges vor. Dichter Epheu kriecht dort, wo Hauptund Seitengebäude zusammenstoßen, an der Mauer hinan und erhöht mit seiner dunklen Farbe den Eindruck der Schwermuth und Einsamkeit, den daS ganze Gebäude ausübt. Rur eine winzige Konditorei auf der

Bendlcrstraßenscite und ein kleiner Blumenladen vorn am Thiergarten deuten darauf hin, daß es Menschen giebt in diesem einsamen Gebäude, welches der Mund der Nachbarschaft das „verwunschene Schlößchen" getauft hat. Die Konditorei freilich ist auch traurig genug von Ansehe» und das Urbild vielleicht von jener, die Heyse in seiner schwermüthigen Novelle „Lottka" so plastisch gezeichnet hat. An den Wandtapeten haben Fliegen die schwarzpunktigen Merkmale ihres Daseins hinterlafie», von der Decke herab hängt eine matte Petroleumlampe, und durch das kleine Gemach zieht das süßliche Aroma von Punsch und Kuchen. In den, Blumenladen aber schaltet eine niedliche, junge Gärtnersfrau, deren liebenswürdige Munterkeit uns fast glauben läßt, daß es am Ende doch nicht gar so schlimm sein muß, unter diesem „verwünschten" Dache zu Hausen. Und in der That, cs ist auch nicht so schlimm! Das Haus Thier¬ gartenstraße Nr. 11 hat eine Geschichte, aus der hervorgeht, daß schon manche fröhliche Stunde unter feinem Dache verlebt wurde. Wenn es reden könnte, so würde es sagen: „Wer weiß, ob eines von euch, ihr stolzen Gebäude meiner Nachbarschaft, schon je so viel Frieden und stilles Glück zwischen seinen vier Wänden zu sehen bekommen hat, wie ich." Ja, wer weiß es? Nun, wir wollen anstatt des Hauses ein tvenig von seiner Geschichte erzählen. Vor etwa achtzig Jahren schon sah es so aus, wie heutzutage. Damals bewohnte es eine berühmte Frau; nicht eine von jenen, auf welche Schillert Gedicht seine ironiegetränkten Pfeile abschießt, die über den Wunsch, berühmt zu sein, ihres Frauenthums vergessen, sondern im Gegentheil eine solche, die ihren 3!uhm ihrem Geschlechte dankte, weil sie nämlich daS Idealbild einer Frau, eines häuslichen, gemüthrcichen, geist¬ vollen Weibes, gewesen ist. Es war Henriette Herz. Sic wohnte lange Jahre in diesem Hause, das damals noch verlassen und fern der eigentlichen Stadt am Rande des Thiergartens lag. Hier besuchte sie oft der treue, alte Freund, Schlcicrmacher, der ihr im Älter der liebste

Unterhalter war. Bis zur späten Nachtstunde saß der greise Gelehite mit ihr zusammen und tappte dann mit seinem Laternchen, das ihm nur spärlich den Weg erhellte, durch den Thiergarten nach Hause. Auch aus¬ wärtige Freunde kamen hin und wieder hier zu Gast. Einmal sogar betrat ein königlicher Herr das schlichte Haus — das erste und einzige Mal wohl, daß ein gekröntes Haupt in seinen Mauern erschienen. Es war König Friedrich Wilhelm IV. Der Monarch, der stets für Henriette Herz ein besonderes Wohlwollen an den Tag legte, hatte schon oft den Wunsch ausgesprochen, die ehrwürdige Matrone vor ihrem Tode zu sehen, sowie die Hoffnung, ihr einmal im Thiergarten zu begegnen. Doch dazu bot das zunehmende Leiden Henriettens wenig Aussicht. Der König begünstigte sie daher am 6. Juli 1847 durch seinen Besuch und unterhielt sich auf's theilnehmendste und freundlichste mit ihr. — Wenige Jahre vorher schon war ein anderer in das stille Haus gezogen, dessen Namen die Welt auch nicht vergeffen hat: Scheerenberg nämlich, der Sänger des „Waterloo" und „Hohenfriedberg". Der Dichter war ein Vierziger, als er aus seiner Vaterstadt Stettin in seine bescheidene Wohnung im ersten Stock, die aus nichts als aus zwei geweißten Stuben bestand, übersiedelte. Er hatte viel erlebt und wenig erreicht, als ihn das „verwunschene Schlößchen" aufnahm. Er hatte das Gymnasium besucht, war Kaufmann und Schauspieler, Ehemann und Vater gewesen, hatte das seligste Liebesglück, das nur je ein dobäwe empfunden, genossen und sich dann — von seiner Frau scheiden laßen müssen. Nun besaß er nichts, als die Pflicht, seine halbertvachsenen Kinder zu ernähren und den quillenden Drang in seinem Busen, ein Dichter zu werden. Doch man lebt nicht von den Gedanken, die unausgesprochen im Hirne kreisen; auch dieses Metall bedarf der Prägung, um als Münze gangbar zu werden. Scherenberg wußte es wohl, und doch schrieb er immer noch nichts ordent¬ liches, als heute oder morgen mal ein kleines Gedicht, das seine Freunde entzückte. Aktenabschreiben und Unterricht an die Kinder der Gärtnersleute in der Nachbarschaft mußte ihm die Nothdurft des Lebens fristen helfen. Für das Kopiren gab es baares Geld, für die Lektionen Cerealien, oder wie Fontane in seinem interessanten Buche über Schcrenberg (Christian Friedrich Scherenberg und das literarische Berlin von 1840 bis 1860, von Theodor Fontane. Berlin, Verlag von Wilhelm Hertz, Besser'sche Buchhandlung 1885) sagt: minder euphemistisch ausgedrückt, Kartoffeln. Und noch dazu in allerknappstem Maße. Eine Metze Kartoffeln pro Stunde war schon viel, und bei schlechter Laune der Gärtnersleute blieb die Zahlung auch wohl ganz aus. Und solche Laune herrschte mal schlecht^ wieder, als in der Osterwoche der Sonnabend bereits da war, ohne daß der seit längerer Zeit fällige Cerealientribut entrichtet worden wäre. Die Kinder einschlugen sich der Sorge darüber, einfach der Ueberzeugung lebend, die Zahlung sei diesmal mit Vorbedacht hinausgeschoben worden, um ihr den Charakter einer besonderen Ostersreude geben zu können und unter¬ hielten nur darüber einen Zweifel, ob sich die gesammte Gärtnerei durch einen knusprigen Kalbsbraten inklusive rückständiger Kartoffeln oder aber durch einen großen Napfkuchen legitimiren werde. So vergingen erwartungs¬ volle, wenn auch freilich schon von einem gewissen Bangen angekränkelte

Ostersamstagsstunden. Endlich — es dämmerte bereits — erschien der hefte Schüler und trug etwas unter einem Tuch, ein Anblick, der das ganze Haus, den Vater mit eingeschloffen, in freudiger Hoffnung erzittern machte. Von allen Seiten umringte man den Jungen, der bann schließlich mich, das Tuch zurückziehend, ein kleines Bauer mit grünen Stäbchen und einer Lerche darin an Scherenberg überreichte. Diese Lerche war ein Geschenk, das der gutmüthige Junge seinem Lehrer aus persönlicher Dankbarkeit darbrachte, seitens der Eltern aber war weder an rückständige Stundenzahlung noch an einen Osterkuchen gedacht worden. Nur mit Aiühe bewahrte man Haltung, im selben Augenblick aber, wo der Junge gegangen war, brach auch schon die gesammte Kinderschaar, die sich so

Eine viertel Stunde mochte dem jungen Paare im Glück der ersten Liebe vergangen sein, als Spranger hastig in den Garten trat und, da er Gustav mit Mathilde in der Laube sah, sofort auf dieselbe zuging. Zu jeder anderen Zeit wäre es ihm peinlich gewesen, Mathilden wieder unter die Augen zu treten; jetzt aber, da sein Herz von der Neigung zu

Philippine ganz erfüllt war, fühlte er sich diesem Mädchen gegenüber unendlich erhaben. „Finde ich Dich doch wieder in dem alten Neste?" rief er seinem Freunde entgegen. Gustav stellte ihm Mathilde als seine Braut vor. „Ich gratulire von Herzen," sagte Spranger. „Unser Schicksal, lieber Freund, ist sich hierin gleich. Auch die Stunde meines Glücks hat geschlagen. scheiden."

Noch

heute Abend muß es sich ent¬

Er

zog ein Papier aus der Tasche und fuhr fort: „Ich mit einer Bitte, Gustav. Es ist nicht das erste Mal, daß die Liebe den Menschen zum Dichter macht. Ich habe ein Sonett auf sie gedichtet, mit dem es freilich eine eigene Bewandtniß hat. Darf ich es Dir einmal vorlesen?"

komme

jäh um ihre Fest- und Osterfreude betrogen sah, in allerbitterste Thränen auS. Der Vater, selber trostesbedürftig, tröstete so gut es ging, und schrieb dann, als er in Ostermorgenfrühe die Lerche wieder in Wald und Feld hinausgetragen, eins seiner schönsten und tiefempfundensten Gedichte, aus den, folgende drei Strophen angeführt sein mögen:

Vor mir erglomm die Morgenröthe, Geläute wehte nah und fern, Mir war's, wir träten zum Gebete Hin vor das Angesicht des Herrn.

„Du, Vöglein, singst, das ist das Deine", Hub leise ich zur Lerche an, „Ich geb' dich frei, das ist das Meine, Ein Jeder bete wie er kann." Und wie Gott über Land und Meere Aufthut die weite Segenshand, So that auch ich zu seiner Ehre Auf meine schwache Menschenhand. Und siehe da, die Lerche stieg in den Himmel auf, sich der Freiheit freuend, die der in Noth und Bande geschlagene Poet ihr zurückgegeben hatte, das wieder mit heimgenommene Bauer aber behielt er zur Er¬ innerung an diesen Tag und erhob das daran befindliche Wassernäpfchen, eine kleine graue Kruke, zu seinem Schreibzeug und Dichtertintenfaß, aus dem er seine Dichtungen bis an sein Lebensende mit einer sich immer gleich bleibenden Freudigkeit und Frische niedergeschrieben hat. Noch eine zweite Anekdote aus dem trübseligsten Lebensabschnitt des armen Poeten, erzählt Fontane in seinem Buche; auch diese sei hier wiedergegeben, weil sie sogar doppelte Anknüpfungspunkte an unser Häuschen bietet. In dem Eckladen desselben — ebenda, wo heute die Mauckert'sche Conditorei ansäßig ist — versah nämlich ein Brüderpaar den kauf¬ männischen Dienst, die Gebrüder Hollmach, junge Leute von 18 oder 20 Jahren, die sehr bald eine schwärmerische Liebe zu dem armen, in ihren Augen aber unendlich reichen und hoch bevorzugten Poeten faßten. Dieser seinerseits gab ihnen Unterricht in Sprachen und Briefstil und faß all¬ abendlich, wenn das Geschäft nachließ, vor dem großen Contobuch, bequem auf einem Drehschemel reitend, der gelegentlich auch wohl zum allerdirektesten Dichtersitz wurde, wenn der aus dem Thiergarten heimkehrende Poet, wie Jbykus „des Gottes voll", in seinem Schaffensdrangs die Treppe zu seiner Wohnung nicht erst hinaufsteigen wollte. Dann bot sich ihm der Eckladen mal als eine bequem gelegene Station oder Etappe dar, auf der er im Fluge niederschrieb, was ihm feurig durch Herz und Seele ging, und eines der bei solcher Gelegenheit rasch vom Drehschemel her in das Hollmach'sche Contobuch eingetragenen Gedichte befindet sich noch in Fontane's Besitz. Es ist ver Entwurf zu dem schönen Gedichte „Thorwaldsen's Tod", das sich in der Gerirung der roth und blauen Contobuchlinien sonderbar genug ausnimmt Als Scherenberg längst dem verwunschenen Schlößchen den Rücken gewandt hatte, hielt ein Anderer daselbst seinen Einzug. Auch ein Mann von der Feder, doch grundverschieden ist Gedanken- und Ausdrucksweise von jenem — Ernst Kossak. Gerade zu jener Zeit — im Ausgang der fünfziger Jahre — stand Kossak auf dem Gipfel seines Ruhmes. Das Wort ist nicht zu voll¬ klingend für den Gedanken, den es ausdrücken soll. Seine „Feder¬ zeichnungen", diese köstlichen Skizzen aus der Berliner Gesellschaft, die den Geist ihrer Zeit wie kaum ein zweites derartiges Buch athmen , waren

....

„Bitte!" Während Spranger las, kamen der Postmeister und der Freiherr, angelockt durch die laute, begeisterte Deklamation, an die Laube heran. Spranger schwieg und sah Gustav er¬ wartungsvoll an. „Nun?" fragte er„Nach meinem Verständniß recht schön", antwortete Gustav. „Aber habe ich recht gehört, so fängt Dein Opus mit den Worten an: „Der Frühling naht" — und wir sind im Herbst." „Das ist eben der wunde Punkt", bestätigte Spranger, worüber ich Deinen Rath hören möchte. Du wirst zugeben, daß das Sonett kaum geändert werden darf. Hier fügt sich Gedanke an Gedanke, Vers an Vers, wie die Steine zrr einem prächtigen Bauwerk. Des Frühlings mildes Wehen ruft die Kinder Floras hervor. Unter allen Blumen ist die schönste sie, die Rose von Bernsdorf. Sie entzückt der Menschen Herzen und giebt sich einem ganz zu eigen. Dieses Herz lohnt ihr mit ewiger Treue und ist bereit, sein Blut für sie zu vergießen. Merkst Du, wie ein Gedanke aus dem anderen erschienen. Seine meisterhaften Kritiken erhoben die von ihm redigirte „Montagspost" zu einer der gelesensten Zeitungen. Sie erschien des Montags früh, damals als das einzige Berliner Blatt, das am Sonntag gedruckt wurde, und ihr Inhalt war schon nach wenigen Stunden Stost des Tagesgesprächs. Es gab, wenn man auf ein Gefühl des Dankes bei Lesern rechnen könnte, keinen beliebteren und — anno 1860 durfte man dies noch ohne Hinblick auf den jetzigen Usurpator dieser Bezeichnung behaupten — sicherlich keinen bestgehaßteren Mann. als Kossak. Bestgehaßt von denen natürlich, die seinen Tadel, seinen Spott, seine Ironie zu fürchten Anlaß hatten. Es waren glückliche Jahre, die Kossak anfangs in dem „verwunschenen Schlößchen" lebte. Aus seinen Stuben ging so manches Feuilleton hervor, das sich als ein unverwelkliches Blatt an diesem modernsten Schößling des weitverzweigten Baumes Poesie erwiesen. Welch' eine auserwählte Gesellschaft sah sich hundertmal zwischen diesen schmalen vier Wänden versammelt. Oft auch kam guter Besuch aus der Frenrde; so einmal Alexander Dumas, der Barer, der sich nur einen Tag in Berlin aufhielt und doch eine Visite bei Kossak, dessen Talent er hochachtete, nicht unter¬ lassen mochte. Ueber eine Stunde saßen die Beiden in Kossak's Arbeits¬ zimmer beisammen, dann verabschiedete sich Dumas, heiter lächelnd; man schien sich also gut unterhalten zu haben. Aber von was? Es gab Ver¬ ehrerinnen des Autors des „Grafen von Monte Christo" im Hause, denen eine Beantwortung dieser Frage über alles werth gewesen wäre. Doch von Kossak war darüber nichts zu erfahren, er schmunzelte nrrr vergnügt, so oft man ihn darum anging. Endlich, nach Wochen löste sich das Räthsel. Es kam eine Sendung aus Paris: ein Buch mit einem bei¬ gefügten Autogramm des Aufgebers. Und was war es? Der „BriliatSavarin“, die Physiologie du gout, als eine Erinnerung an die angenehme Convcrsation. Nun war das Geheimniß verrathen! Man hatte sich von Ragouts und Pasteten unterhalten und bei ihrer ersten und einzigen Be¬ gegnung hatten die beiden Schriftsteller sich als das präsentirt, was sie beide freilich auch eounue il saut gewesen — als exquisite Gourmands . . . Die heiteren Tage der sechsziger Jahre gingen schnell vorüber und das „verwunschene Schlößchen", das die Glanzzeit gesehen, sollte auch das trübe Schicksal seines Bewohners erleben. Das schwere Leiden, das Kossak dreizehn Jahre an den Krankenstuhl fesselte, kam 1868 über ihn. Der Mann, der beobachtend und studirend Jahre lang inmitten der glänzendsten Berliner Gcsellichaft sich bewegt hatte, saß nun Tag um Tag in seinem Stuhl am Fenster, das hinaus in den Thiergarten blicken ließ. Dann und wann erhob er das edle, leidendurchfurchte und von einem langen schneeweißen Barte umrahmte Haupt, legte seine schönen Hände nervös spielend auf sein Buch, das er gelesen, und blickte träumerisch sinnend auf die Kinder hinab, die sich lärmend und fröhlich jauchzend vor seinem Fenster tummelten soeben

....

Henriette Herz, Ernst Scherenberg, Ernst Kossak — das sind die drei Namen, welche die Geschichte des Hauses Thiergarten-Straße Nr. 11 in sich fassen. Nicht lange mehr, und dieses selbst wird verschollen sein, wie heute schon seine einstigen Bewohner. Vielleicht, daß diese doch so nahe¬ liegende Möglichkeit unsere in dieser Beziehung nicht allzu sparsamen Väter der Stadt veranlaßt, eine Gedenktafel an dem Hause anbringen zu lassen, die, wenn das alte, gebrcste Gemäuer in den Schutt sinkt, an das neue geheftet werden kann. Dann dürfte das alte Haus, das uns hellte anmuthet, wie das, von welchem Andersen sein trauliches Märchen erzählt, mit doppeltem Stolz auf seine Geschichte blicken. Und es würde vielleicht sagen: „Sie schelten mich das verwunschene Schlößchen, aber das schadet nichts; denn ich habe eine Geschichte und da ist es immer bester, eine alte Scharteke, als jung und schön zu sein!" — A. Nutari.

tnit zwingender Nothwendigkeit folgt? Neiße ein Glied heraus, und der ganze Bau stürzt zusammen!" „Nun", entgegnete Gustav, „da wir auch die Ordnung der Natur nicht umkehren und die Jahreszeiten kommandiren können, so wirst Du mit der Ueberreichung Deines Gedichtes Doch halt — schon bis zum nächsten Jahre warten müssen. — Robert siehst Du nichts?" es ist vielleicht nicht nöthig. Zur Gartenthür herein schritt stolz und gravitätisch der Doktor. An seinem Arme ging Fräulein Philippine mit einem Gesicht, das deutlich den Triumph über die endlich erreichte

!

Von der Straße her ertönte ein Posthorn: „Muß i denn, i denn zum Städtle hinaus." „Da wird ihm noch der Gustav beugte sich zu Marsch geblasen," meinte Mathilde.

muß

ihr nieder und

sang leise:

„Ueber's Jahr, über's Jahr, wann Dann soll die Hochzeit sein."

schnell

aus

geführt und ging seitdem

„Ich

mit gebeugtem Nacken einher. Es war stadt¬ bekannt,

Laube

die

habe die

die Verlobung

er selbst hatte es dem gegenüber Poflnleister

mit Tochter Herrn Doktor Schneider anzuzeigen." Ehe noch jemand

offen ausgesprochen, daß

Spranger

ihm

den

schlimmsten Streich ge¬

spielt habe, als er durch

gratuliren konnte, wandte sich der Doktor anSpranger. „Ich freue ", mich. Sie hier zu treffen sagte er mit maliziösem

„Wir

von

er

seiner

meiner

Lächeln.

daß

Frau entsetzlich lyrannisirt wurde, und

Ehre",

sagte Herr v. Norden,

„Ihnen

wiedrum komm'.

Und die Hochzeit wurde zu Ostern nächsten Jahres mit derjenigen Pracht, wie sie einem respektablen Postmeisters¬ und reichen Bürgerkinde zukommt, gefeiert. Doktor Schneider hatte schon Weihnachten vorher seine Philippine zum Altare

Der Absicht verrieth. Herr v. Norden folgteDie drei kamen zu.

i

uni Norden

seine Bemühungen

Philippine v. des Doktors Eifersucht entflammte. Als ihm im zufällig Gustav

sind

„Deutschen Hause"

heute Morgen in einer

be¬

hart

gegnete, drückte er ihm

gerathen.

hätte Sie beleidigt. Das

mit aufrichtiger Freude die Hand. Er konnte dem Doktor wegen der

Herr

ihm bewiesenen Feind¬

Spranger- Ich wider¬ rufe vor diesen Zeugen meine heftigen Worte, erkläre Sie für einen Ehrenmann und ver¬

seligkeit nicht zürnen und

Sie meines voll¬

das in der glänzenden Waffe eingeschloffeneJn fest betrachtet.

erregten

Stunde

aneinander

Dian sagt sogar, bedauere

sichere

ich,

ich

erinnerte

seiner

mit

der Besitzer eines kost¬

baren

kommensten Respektes."

Spranger fühlte

sich

dem Jntereffe, wie etwa

sich

Bernsteinstückes

keines Wortes mächtig.

„Wie geht's, Herr

Es war ihm, als ob sich die Erde um ihn

Doktor?" „Wiewird's gehen!"

herumdrehte. Philippine aber sah ihm mit ihrem strahlendsten Lächeln an,

hielt ihm die Hand hin und sagte: „Nun, so gratuliren Sie mir doch! Ich weiß ja, Ihr großes Herz gönnt mir dieses Glück." Da wandte sich Spranger schnell zu Bergow, faßte seine Hand und sagte: „Lebewohl! Auf Wiedersehen in Berlin!" Dann stürmte er zum Garten hinaus. „Der Entsetzliche!" rief Philippine. „Er wird sich ein Leid anthun!" „Befürchten Sie nichts, mein Fräulein!" sagte Bergow beruhigend. „So lange die Erde noch ein hübsches Mädchen trägt, kann mein Freund Spranger niemals ganz unglücklich

werden."

erwiderte

Das Zrdlmayrsthr Haus ;um Zpaten. — Friedlichst!. 172. —

laut.

dieser

klein¬

„Das Bier

ist

und die Erde ist ein Jammerthal, Sie schlecht,

sind

ja auf dem

besten Wege

dazu, es auch noch zu er¬

macht denn dieser Mosjö, der Herr Spranger? Ich habe als Arzt für ihn ein gewisses wissenschaftliches Jntereffe. Er ist mir so zu sagen ein inter¬

Aber

fahren.

essanter

sagen

Sie, was

Fall".

„Er

ist

verlobt!" „Verlobt?

„Mt

munterer als je.

Seit vier Wochen ist

er

Mit wem?"

einer Dame vom Ballet." Der Doktor sah Gustav überrascht an. Sein Gesicht klärte sich aus, ein maliziöses Lächeln spielte um seinen Mund.

317

„Ich bin

an der Seite des Vaters zu sitzen.

reichte Gustav

schönen

gerächt", sagte er dann mit offenem Triumphe. Er Seit die Hand und ging langsam hinaus. dieser Zeit trug der Doktor den Kopf wieder aufrecht. Was der Fürst bei der Audienz von dem jungen Künstler vorausgesagt hatte, begann sich zu erfüllen. Die Statue der

Braut,

die Gustav

aufs

glücklichem Lächeln

Mund

Du weißt, daß ich in Komplimenten immer etwas schwach gewesen bin." — Jahre waren vergangen. Da stand eines Tages der Postmeister Müller in Blankenrode in besonders würdiger Haltung vor seiner getreuen Gattin, indem er ein großes Zeiiungsblatt vor sich entfaltet hielt. Immer wieder und wieder las er der glücklichen Mutter die Stelle vor, welche die Nachricht von der Ernennung des Bildhauers Bergow in Berlin zum Königlichen Professor enthielt. Dann legte er seine Hand schwer auf ihre Schulter und sagte mit dem Ausdruck innigster Selbstachtung: „Nicht Mutter? Das haben

wir damals gut gemacht!"

Studie von Oskar Schwebet.

(Schluß.)

ihres Gleichen! (?) Indeß, — der Protestantismus hat ja nun einmal die Kunst aus der Kirche vertrieben und sucht seine Erbauung allein auf religiösem Grunde! — Ich bitte den Leser nunmehr, mich aus einem Gange durch die Straßen und über die Plätze der Königsstadt zu geleiten: es finden sich auch hier der interessanten Stellen und Orte genug! sie

wir wieder

am Alexanderplatz an! 69 und 70 der Alexanderstraße sich die Häuser Wo erheben, befand sich einst der Nachfolger des „schwarzen Bären", der „Stelzenkrug". Ich weiß nicht recht, wie ich den Namen ableiten soll. War Sand oder Sumpf so tief, daß man hier nur mit Stelzen „durchkommen" konnte, oder übte auf diesem Platze jetzt

ganz besonders die Jugend den Sport des sicherlich aus Holland — Allein der „Stelzen¬ zu uns gekommenen Gehens auf Stelzen? Name, so wackere, „honoriger" krug" war späterhin kaum mehr ein erweisende Wirthe der großmüthig gegen Kirche und Schule sich

Stelzenkrug auch gehabt hatte. Es mußte dennoch wohl ein „Kaiser Alexander"statt seiner dort an der andern Flucht des Platzes entstehen. (Anm. d. Red. : Der Stelzenkrug hat d. Namen von d. Invaliden). Auch drüben das stattliche Eckhaus zwischen Landsberger und Neue Königsstraße, welches den Hirsch im Frontispice führt, war einst ein Gasthof, natürlich zum „goldenen Hirsch" geheißen. Das Haus, — bekanntlich das Haus mit den 99 Schafsköpsen, von — wurde welchem Cosmar die launige Sage in Kurs gesetzt hat, 1784 auf Königliche Kosten neu erbaut. Natürlich knüpfte der

„arietes“ an.

Auch drüben die Häuser 69 und 70 der Alexanderstraße haben In Nr. 70 richtete der große Friedrich eine ihre Geschichte.

.

Seidenfabrik ein, und in Nr. 69 befand sich einst das Heim des Bildhauers und Rektors der Akademie der Künste Johann Peter Anton Tassaert. Man lächelt heute wohl, wenn man an die alten zopfigen, einst den Wilhelmsplatz schmückenden Statuen Seidlitzens und Keiths zurückdenkt, welche von Tassaert geschaffen worden waren; — allein: Tassaert war einst ein sehr beliebter Meister, und seine Statue Ludwigs XV. ist viel gefeiert worden. Der Holländer verstarb als Oberaufseher sämmtlicher Skulpturwerke in der Residenz im Jahre 1788. Und drüben einst das Königstädtische Theater und der „Ochsen¬ kopf"! — Welche Perspektive in die Vergangenheit Berlins er¬ öffnet sich uns bei diesem Namen! Die grimme Noth des Jahres 1806, welcher der Baron von Kottwitz durch seine „Freiwillige Beschäftigungs-Anstalt" abzuhelfen suchte, das Elend des klein¬ städtischen Berlin, welches sich hierhin flüchtete, aber auch der uns kaum mehr begreifliche, etwas kindliche Kunstenthusiasmus der dreißiger Jahre, die unreife Frucht einer unreifen Geistesrichtung, Sehr charakteristisch erscheint mir aber das sie stehen vor uns. Bild des Alexanderplatzes, wenn ich an jene Topfmärkte zurück¬ denke, die ich als Knabe hier schaute, und auf denen es neben der

Rolle und Gleich ehrwürdig Gott Lob! Daß sich Couard, die Amtsnachfolger Woltcrsdorff's. haben bis in die diese Traditionen von St. Georgen erhalten — Markus und erhalten haben, auch nachdem St. neueste Zeit, abgezweigt St. Bartholomäus von der alten Muttergemeinde worden sind! In kirchlich künstlerischer Beziehung hat die Königs¬ stadt freilich immer Unglück gehabt. Die Markuskirche ist durch die unästhetischen Contouren der Kuppel und durch den GlockenthurmAnbau verpfuscht worden und St. Bartholomäus kommt, so schön dies Gotteshaus gelegen ist, überhaupt nicht in Betracht. „Eine gothische Kirche mit einer Holzdecke," — in dieser Hinsicht sucht erscheinen die Pastoren Koch,

diese römischen

drückte seinen

und Goden der Berliner Gönigsstadt.

Eine residcnzgeschichtliche

Berliner Volkswitz an

in die dunklen Augen,

den

ihr mit

sagen, aber

fertigt hatte, nahm den Fürsten Lichtcnstein vollständig für ihn ein, und seiner Protektion war es zuzuschreiben, daß dem genialen Künstler größere Aufträge ertheilt wurden, deren vortreffliche Ausführung die Augen des ganzen Vaterlandes auf ihn lenkte. Bald gab es kein größeres künstlerisches Un¬ ternehmen, bei dem nicht sein Name für die glückliche Aus¬ führung desselben hätte bürgen müssen. Und während er nach außen hin mehr und mehr an Bedeutung gewann, er¬ blühte ihm im Inneren des Hauses die Blume des innigsten Familienglückes. Drei dunkellockige Knaben und ein blau¬ äugiges Mädchen stritten sich beim Mahle um den Vorzug,

Fangen

Dann nahm er wohl seine Hände, sah

zum innigen Kusse auf die blühenden Lippen und sagte: „Du mußt Dich damit begnügen. Ich möchte Dir vieles Schöne

neue nach Mathildes Modell ange¬

Auf Grund

Kopf seiner Frau zwischen

!

„Sparbüchse" noch einen anderen Schatz zu erwerben galt: eine irdene, mit Wasser zu füllende und dann sehr anmuthig singende „Eule". Charakteristisches in Hülle und Fülle bieten auch heut noch die Prenzlauer Straße, der ehemalige Heinersdorfer Weg, mit ihren großen Speditionsgeschäften, ihren kleinen Gasthöfen, ihrer alten Musiker-Weißbierkneipe und ihrer berühmten Schlächterei „zum Lamme" dar. Wir fühlen uns hier fast in das Leben einer ver¬ kehrsreichen Kleinstadt versetzt! Große Erinnerungen aber birgt der St. Nikolai-Kirchhof an ihrem Ende; doch sie, sie erfordern wohl eine gesonderte Betrachtung! Im XVII. Jahrhunderte befand sich hier sehr fleißig angebautes Land; unter anderen stand hier die Meierei des berühmten Leibmedikus des großen Kurfürsten, des Or. Weise, die heil. Geist-Meierei und das Kuhhirtenhaus des Magistrates. „Hirten-Straße!" Der Name erweckt gar seltsame Reminiscenzen in uns. Wir hören Schalmeienton und sehen das schwer hinwandelnde Rindvieh grasen am Fuße städtischer Wein¬ berge, auf welchen lustige, lustige, mit bunten Fähnlein besteckte

Pavillone errichtet sind! Solch' ein Weinberg, — irre ich nicht, der Leßmann'sche — befand sich auch da, wo jetzt die Neue Königstraße mündet und

318

St. Bartholomäi

seinen zierlichen Münsterthurm in die Höhe reckt. Non den Gebäuden der Neuen Königstraße hat freilich kaum ein

An eine Berühmheit von völlig anderer Art erinnert Büschingsstraße und Büschingsplatz. v. vr. Anton Friedrich Büsching, der Rektor vom grauen Kloster, gehört ja auch zu den Unsterblichen Berlins! Er selbst hat 1789 sein Leben beschrieben. Es ist ein ziemlich bewegtes Gelehrtendasein, welches uns hier vorüberzieht. Er war am 27. September 1724 zu Stadthagen in Lippe-Schaumburg geboren worden, bezog 1743 noch auf ein Jahr das Hallesche Waisenhaus und studirte dann in der Saalestadt. Schon 1747 sinden wir ihn dort als Magister legens der

einziges historisches Interesse; es müßten denn dies die Häuser Nr. 13 und 14 sein. Hier stand zu den Zeiten Friedrichs des

Großen das Ordonnanz-Haus. Dasselbe war von der ServisDeputation angekauft, um die nach Berlin transportirten Rekruten einzuquartieren und zu verpflegen. Grad' in den Zeiten des sieben¬ jährigen Krieges ist dasselbe reich besetzt gewesen. Gewiß; — es wird manch' ein schwerer Seufzer hier erklungen sein und manch' ein Gedanke sich wehmüthig zur Heimath zurückgewendet haben: es hat hier aber auch jene Schlachtensreudigkeit geherrscht,'welche deni großen Friedrich den Sieg gewannen half. Schade! Willi¬ bald Alexis' „Fridericus Rex, unser König und Herr" ist kein historisches Volkslied; — sonst dächten wir uns die Rekruten gewiß mit ihm aus dem alten grauen Hause zu ihren Regimentern ab¬ ziehend; denn — was sollten sie anders singen? Lieder des felsen¬ festen Vertrauens auf ihren Heldenkönig ermuthigten sie allein zu dem furchtbaren Kampfe! Wir gehen die Neue Königstraße langsam hinauf. „BarnimStraße!" — Die grausige Höhe des Elendes, welches nun einmal unvermeidlich mit dem Leben einer großen Stadt verbunden ist, steht vor uns. „Gollnow-Straße!" Wir denken an einen alten, ehrenfesten Bürger Gollnow, der auch ein rechter Gönner war der Kirche zu St. Georgen! „Wadzeck-Straße!" — Nur klein ist die Berühmtheit des Namens Wadzcck; doch hat dieselbe einen guten Klang in der Geschichte der Berliner Publizistik. Professor Wadzeck war ein ächter Lokaldichter, war Schöpfer eines Wochenblattes und Verfasser — gemeinschaftlich mit Rektor Wippel vom grauen Kloster, — einer „Geschichte der Erbhuldigungen der Hohenzollern", welche 1798 erschien. Wichtiger aber und liebenswürdiger erscheint er uns als Stifter der Wadzeck-Anstalt für 100 Berliner Stadt¬ kinder beiderlei Geschlechts. Wie freundlich erscheint uns heute die Wadzeck-Anstalt mit ihrem beschatteten Hofe! Bleibe das Andenken dieses Gerechten in stetem Segen! „Lietzmann-Straße!" — Andere Bilder entrollen sich uns bei diesem Namen! Ich werde auf das alte Tuchmacher- und Vürgermcistcrgeschlecht der Lietzmann einstmals besonders hinweisen; — die beiden alten Bürgermeister von Berlin, Kaspar und Johann Joachim Lietzmann, haben es wohl verdient, daß man dankbar

ihrer gedenke! An die Landsberger Straße knüpft sich das Andenken an einen anderen Wohlthäter Berlins, den Rathmann Stanislaus Rückert, welcher einst dir. 27 besaß, — sonst das Haus genannt „zum armen Lazarus." Ich vermag den Namen nicht zu er¬ klären; Rückert bestimmte Anno 1733 dasselbe zu einer lutherischen Armenschule. Merkwürdige Hausbenennungen sind übrigens in der Königstadt nicht selten; — ich nenne z. B. aus der Prenzlauer Straße „den goldenen Arm" und „den weißen Engel". Das sind wohl alte Gasthossbezeichnungen. Im Uebrigen will der Berliner Humor genommen sein, wie er ist. Da hilft kein Drehen und kein Deuteln, auch kein Beschönigen. Ich glaube, der „blutige Knochen" und der „Schmortopf", Dysphemismen für alte Tanz¬ lokale, lagen der Königsstadt nicht allzu fern! Eine historische Er¬ innerung aber haftet an den Häusern Landsberger Straße 2—10. Hier befand sich einst der Dolläus'sche, noch ftüher der Dörffling'sche Weinberg. Gewiß hat an linden Sommertagen der alte Recke hier geweilt. Sein Gusow zeigt's ja deutlich, wie sehr er die Landwirthschaft geliebt hat! Gern denken wir uns einen friedeverklärten Abend, an welchem der alte Herr in seiner Laube sitzt und ein Pfeislein Toback raucht. Er war sehr gräumlich geworden, der General-Feldmarrschall; — an solchen Abenden aber, die er in der gesegneten Sommerzeit auf seinem Weinberge verlebt hat, mag ein Zug des Friedens wohl auch eingezogen sein in sein unruhiges, ehrbegieriges, leicht verletzbares Herz.

;

?

Theologie. Noch aber sollten Hofmeisterjahre kommen; er ward Erzieher des Grafen Friedrich Ulrich zu Lynar und ging 1749 mit seinem Zöglinge zu kurzem Aufenthalte nach St. Petersburg, von dort aber sehr bald nach Holstein zurück und auf die Akademie von Soroe nach Dänemark. Im Jahre 1752 ließ er sich zu stiller, schriftstellerischer Muße in Kopenhagen nieder; oft sehen wir ihn dort predigen; vor Allem aber arbeitete er fleißig an seiner „Erd¬ beschreibung". Im Jahre 1754 erhielt er den Ruf als Professor der Philosophie und als zweiter Universitätsprediger nach Göttingen. Seine fteisinnigen theologischen Anschauungen verbitterten ihm hier das Leben sehr. Er selbst sagt: „Man hat mich zu Göttingen verfolget, verketzert und verhöhnt;" aber muthig hielt er aus, Gott und seiner Feder vertrauend. Und doch schien der Untergang zu kommen; ein hitziges Fieber warf ihn nieder! Aber gerade, als er genesen war, kam der Ruf zum deutschen Pastorate nach St. Petersburg. Aber auch hier nicht Glück noch Stern! Büschings Amts¬ genosse, der Senidr Treffurt, huldigte der altgläubigen Richtung; Feldmarschall Münnich wurde erbittert gegen ihn, weil Büsching anderen pädagogischen Anschauungen, als der berühmte Graf huldigte und dieselben in die Schule bei St. Petri einführte. Drei Kinder starben dem Pastor zu St. Petersburg; — da konnte er es nicht mehr in der Fremde aushalten; er ging am 13. Juni 1765 zu Schiffe nach Deutschland zurück. .Unterwegs starb das jüngste Kind. Endlich landete er auf Jasmund und zog sich nun nach

Altona zurück. Bon dort wurde der berühmte Gelehrte zum Rektorate des vereinigten Berlinisch-Köllnischen Gymnasiums berufen; er hat demselben vorgestanden und die Schulen zu hoher Blüthe gebracht, bis er heimging. Sein wissenschaftliches Verdienst besteht in der Neubegründung der Geographie. Auch für die Statistik und die Geschichte, namentlich der Mark, hat er viel gewirkt; ich erinnere an die „Reisen nach Rekahn und Kyritz". In der Gollnowgaffe, auf Nr. 30, aber hatte er seinen lieben Garten. Hier ließ er sich bestatten. Den alten Berlinern ist seine Grabstätte gewiß noch bekannt. Der schmucklose Leichenstein, der, wenn ich mich recht erinnere, nach dem Nikolai-Kirchhofe versetzt worden ist, trug die Inschrift:

„Hier im Schooß der Erde Schlummert ihr Beschreiber Dr. Anton Friedrich Büsching, Sept. 1724, gest. den 28. Mai 1793. Seines Lebens Blüthe welkt nimmer, Seiner Arbeit Früchte reifen für die Ewigkeit. Sein Denkmal sind seine Werke und seine Schüler. Nur ihrer Liebte setzte dies Denkmal Seine weinende Gattin." geb. 27.

j

Und jetzt gehen wir wieder zu der Stätte zurück, von welcher sind, nämlich zum Georgen-Kirchhofe. Noch haben wir pietätsvoll einiger ftommen und mildherzigen

wir ausgegangen Stiftungen zu

gedenken.

Splett" (Hospital); —

Nr. 17 und 18 hieß ich vermag

seinen Ursprung

ehedem

„das

nicht anzu¬ geben; denn das eigentliche St. Georgen-Hospital liegt Nr. 33 und 34. In dem letzteren werden 50 bis 60 Hospitaliten beiderlei Geschlechtes unterhalten. Zu den größten Wohlthätern derselben

——

319 gehört der Stadtrath August Kgrl Friedrich Hollmann, der über¬ haupt das schönste Verdienst um die beiden alten Siechenhäuser der Stadt zu St. Georg und zum h. Geist sich erworben hat. Er hat hier neben der uralten Stiftung das „Wilhelminen-AmalienStift" zum Gedächtnisse seiner Gemahlin mit etwa 7000 Thalern gegründet. D'rum auch auf der Stirnwand des renovirten

Hospitals die Inschrift: „Wilhelminen-Amalien -Stiftung, gegründet durch den Stadtrath Hollmann zum Andenken seiner am 9. März 1834 verstorbenen Gattin, geborene Zander." Hier am Georgen-Kirchhofe befindet sich ferner das DorotheenHospital. Die vielgeschmähte zweite Gemahlin des großen Kur¬ fürsten hatte dafielbe 1672 gestiftet, um den Fremden in der Residenz in Krankheitsfällen eine Zufluchtsstätte zu gewähren. Jetzt dient dafielbe zur Versorgung armer Wittwen bürgerlichen Standes. Daneben, Nr. 19 aber, hat eine reichere Geschichte als diese Nr. 16. In Nr. 19 befanden sich zuerst die Lazarethe der Regimenter „von Lichnowski" und „von Thüna". An das Regiment „von Thüna", später „von Bornstedt", erinnert noch heut drüben das alte Exercierhaus in der Keibelstraße, dessen kolofiales Dach merk¬ würdig genug gebaut und dessen Giebelseite mit einer Art von gothischen Kirchenpforte versehen ist. Von 1806 bis 1838 aber befand sich Georgen-Kirchhof Nr. 19 das berühmte „Zeune'sche Blinden-Jnstitut." Professor Zeune gründete dasselbe am 4. Ok¬ tober 1806, und der Berliner Geschichtsschreiber Mila sagt 1829

]

Werk betreibt. Die Stiftung ist vortrefflich und wahrhaft gro߬ herzig eingerichtet: an den „Fleischtagen" sollte auf jedes Kind ein halb Pfund Fleisch gerechnet werden! Ehedem saßen die Kornmefier'schen Kinder vor der Kanzel der Parochialkirche; — auf der rechten Schulter ihrer Kleider führten sie das Wappenzeichen der Kornmesser, einen schwimmenden Schwan, der ein Oelblatt im Schnabel führt, „in der Größe eines harten Thalers mit weißer Wolle gestickt." So ist es denn also viel Liebes und Gutes, was wir aus der alten Königsstadt zu berichten haben. Freilich, große heroische Erinnerungen sind es nicht gewesen, auf welche wir hinweisen Doch nicht gänzlich fehlen sie diesem Stadttheile Berlins! An der Mauer der Bartholomäus-Kirche, in der neuen Königs¬ straße, erhebt sich ein schöner, neu errichteter gothischer Giebel, in welchem das früher am Königsthore befindliche Marmorkreuz des

konnten.

j

eingemauert

ist.

Inschrift lautet:

Freiheitskampfe

Wir diesen

werden diesen 20. Februar 1813 einmal ausführlich in Blättern schildern: es ist der Tag des Handstreichs

Tettenborns aus Berlin. An ihn erinnern noch zwei unscheinbare Monumente der Königsstadt. An dem Mette'schen Hause in der Prenzlauer-Straße gegenüber der Hirtenstraße ist eine Kartätschenkugel mit dem gleichen Datum, — den 20. Februar 1813 — eingemauert. Ein altes Haus der Weberstraße, dicht an der Landsberger-Straße belegen, trägt ferner als Wahrzeichen einen Kosaken. Hier im Nordosten Berlins ging der Hauptstadt das Gestirn der Befteiung auf Durch den Nordosten Berlins, von Weißensee her, hielt auch Luise, die Herrliche, am 23. Dezember 1809 ihren oft geschilderten, thränenreichen und doch so erhebenden Wiedereinzug in die Haupt¬

Das war der Neuen Königsstraße hehrster Tag! Und das sind gewiß schöne und große patriotische Erinne¬ rungen, wenn auch nur schlichte Denkzeichen der großen Zeit der Befreiung! Pietätsvoll haben die Vorfahren diese unscheinbaren Denkmäler gehütet, nachdem sie dieselben an ihren hohen, herrlichen Tage gesetzt hatten. Und da ist es erfreulich, zu sehen, wie Den unsere Tage an alte Traditionen angeknüpft haben. schönsten Ort, welchen ein bescheidenes Kriegerdenkmal in Berlin finden konnte, den hat das Monmnent am Aufgange zum stadt.

christlichen Erbarmens aufgenommen, das „Kornmesser'sche Waisenhaus." Durch bitt'res Leid und schwere Trübsal war der Bürger¬ meister Joachim Friedrich Kornmesser, geboren 1641, gestorben 1715, dazu gebracht worden, ein Samariter zu werden unter den Bürger¬ meistern Berlins. Von seiner zweiten Gemahlin Maria de Pedy hatte er einen Sohn, seinen einzigen. Als Friedrich Wilhelm Korn¬ messer in einem Alter von 17 Jahren die Universität Halle be¬ ziehen sollte, starb er plötzlich. Da vermachte der Bürgermeister sein ganzes Vermögen, über 26 000 Thaler, und seinen ganzen Hausrath einem nach Ordnung des Amsterdamer Waisenhauses ein¬

in

schlichte

am 20. Februar 1813."

Stiftung

welches zuerst

Die

„Alexander Freiherr von Blomberg geboren zu Iggenhausen den 31. Januar 1788 siel als erstes Opfer im deutschen

kunst, worin den Blinden die Feinheit ihres Gehöres sehr zu statten kommt, lernen sie lesen vermittelst Buchstaben aus Pappe und Teig, das Schreiben durch in Schiefer vertiefte Buchstaben, das Rechnen durch hundert hölzerne Würfel und die russischen Rechnenbretter, Schetschaty genannt, die Geometrie durch Hülfe von Flächen aus Pappe und Körpern aus Holz, die Geographie vermöge einer Erd¬ kugel von 4 Fuß im Durchmesser und kleinere Globen, auf welche die Länder erhaben in Ghps aufgetragen sind u. s. w." Es erfreut, den schönen Geist werkthätiger Menschenliebe gerade in dem Berlin von 1806 so rastlos thätig zu erblicken! Seit 1838 hat die ehemalige Blindenanstalt eine andere

Stifte,

Gefallenen der deutschen Freiheitskriege

ersten

über dafielbe: „Es befinden sich in demselben jetzt 11 königliche Freischüler und 6 königliche Kostgänger mit mehreren anderen Schülern. Außer dem Unterrichte im Christenthume, im Lateinischen und in den neueren Sprachen durch den Weg des Gehörs, und in der Ton¬

zurichtenden

straße und endlich seit 1838 am Georgen-Kirchhofe sein gesegnetes

Friedrichshain erhalten! Poesie und Geschichte, erbarmungsvolle Liebe und edles Heldenthum also auch in diesem Theile von Berlin! Es wandelt Friedensstraße sich gut aus der mit Anlagen besetzten Seite der Sonnenlichter schräger fallen auf die vielen wenn die Abends, des Hunderte der hier spielenden Kinder und die Glocken von St. Bartholomäi erklingen. — Ja, Frieden der großen Stadt und auch diesem, ihrem kleinen Theile! In engen, ärmlichen Räume» weilt ja auch hier so manche Seele, welche des Friedens dringend

dem Kornmesser'schcn Hause,

der Parochialkirche gegenüber, sodann in dem von dem Eigenthümer geschenkten von Rifielmannschen Palaste ebenfalls in der Kloster-

bedarf!

Einiges über das „Tobacks-Rauchen". Bei der immer mehr um sich greifenden Unsitte, brennende Cigarren fortzuwerfen, wodurch so häufig Brände der verschiedensten Att vorkommen, ist es angezeigt. Einiges aus der alten Zeit über das Tobacks-Rauchen mitzutheilen. Unterm 19. Januar» 1764 erschien ein Edikt des Königs Friedrich, welches folgenden Titel trug:

8.

j

Erneuerung und Declaration des Edikts vom 1744 wieder das verbotene Feuer-Anmachen

Juli

und Tobacks-Rauchen in den Heiden u. s. w Wir Friedrich, von Gottes Gnaden, König in Preußen rc. Entbieten allen und jeden unseren Prälaten, Grafen, Frei-

320 Herrn, denen von der Ritterschaft, Magistraten in den Städten, wie auch unseren sämmtlichen Beamten, Forst- und Heide Bedien¬ ten, Land- und Ausreutern, Lehn, und Gerichts-Schulzen und ins¬ gemein allen Unsern Unterthanen, dis- und jenseit der Oder und Elbe Unsere Gnade und Gruß, und fügen ihnen hierinit zu wissen:

bemüht war, die umfastendsten Maßregeln zur Verhütung eines Brandes zu treffen, und daß die Behörde deshalb auch mit aller Strenge gegen die Tobacks-Raucher vorging. Erst im Jahre 1833 wurde es etwas milder mit dem Rauchen denn im Jahre 1832 erschien eine Allerhöchste Kabinetsordre

Was

folgendes

Massen verschiedene Vorfälle, da nehmlich durch höchst straf¬ bare Unachtsamkeit und Verwahrlosung mit Feuer Licht, absonder¬ lich aber durch das unbehutsame Tob acks-Rauchen in den

öffentlichen Tabacksrauchens in den Städten. Mit der von dem Staatsministerio in dem Berichts vom 24. v. Mts. entwickelten Ansicht, daß die auf das feuergefährliche Tabackrauchcn gesetzte Strafe in den Fällen, in welchen eine solche Feuergefahr nicht vorhanden ist, keine Anwendung finden könne,

Heiden bei trockenen Jahreszeiten auch in Städten und Dörfern, an Orten, wo Feuerfangende Sachen, vorhanden, große Brand¬ schaden verursacht, auch sogar von ruchlosen und boshaften Menschen, die in und an den Heiden zu dem Ende aufgerichteten Warnungs¬

tafeln umgehauen und zernichtet worden. Uns bewogen haben, die wieder dergleichen Frevelthaten und Unbedachtsamkerten unterm 28. Aprilis 1723 und 22. Junii 1726 emanirten Edicta, nebst der, sub dato den 20. October 1742 Publizisten Deklaration des obigen Edikts, vom 28. April 1723 nachmals unterm 8. Julii 1744 zu renoviren und zu deklariren, dergestallt: daß gleichwie von Un¬ serer Chur-Märkischen Krieges- und Domainen-Cammer und wie Wir nicht zweifeln, auch von Seiten der geistlichen Stifter, Va¬ sallen und Städte, welche Heiden und Holzungen haben, besonders

erklären Ich Mich einverstanden.

Tabackrauchen für bestimmte Plätze, Spaziergänge und Straßen, selbst für den ganzen Bezirk eines Orts, bei einer OrtsArmen-Kaffe einzuziehenden Strafe von 10 Sgr. bis 1 Thlr. von

den Orts-Polizei-Behörden verboten werden dürfte, welche Verbote

in hinreichender Zahl

jedoch durch besondern

gesetzte

Warnungs¬

tafeln oder sonst genügend bekannt zu machen sind. Für die Residenzstädte Berlin und Potsdam bewendet es bei den diesfalls erlassenen Bestimmungen. Berlin, den 9. Dezember 1832.

ist allbereit seit einigen Jahren das Nöthigste veranstaltet worden; Als setzen und und ordnen Wir hiermit auf das ernstlichste, daß niemand, er sei wer er wolle, sich an den vor und in den Heiden befindlichen Warnungs-Tafeln, wie bishero an ver¬ schiedenen Orten geschehen, zu vergreisten, noch einiges Feuer weder in den Feldern, wo Holzungen anstoßen, anzumachen, oder das so oft verbotene Nachtfischen und Krebsen bey Feuer, in den Holtzungen, sich unterstehen soll, im gleichen so wenig bey Sommers¬ zeiten in den Holtzungen, noch auch in der Erndte, — bey Auf¬ lad- und Einführung des Getreides, Heues Holtzes und Torfes,

In Folge

(gez.) Friedrich Wilhelm. dieser Kabinetsordre erließ der Magistrat in Cottbus

folgende Bekanntmachung: Folge der Allerhöchsten Kabinetsordre vom 9. Dezember 1832 wird das Tabackrauchen innerhalb der Ringmauer der Stadt, sowie auf den Wällen als belästigend für das Publicum bei 10 Sgr. bis 1 Thaler Strafe verboten, dagegen wird daffelbe in

In

folgenden Gegenden der Vorstädte: 1. in der Spremberger Vorstadt: a) von dem Hause des Tuchbereiter Siemon auf dem Wege nach der Metze bis gegen das Haus der Wittwe Kunze Nr. 14, dem Siemon'schen Hause rechts auf der Straße nach von b) Sachsendorff bis an das Heinitzsche Haus Nr. 119 a, c) von dem Hause der Wittwe Gumlick bis an das Haus des Ziegler Nr. 114 a, d) von dem Hause des Nadler Richter Nr. 78 bis an das

Vieh-Futtern in Scheunen

und Ställen, oder neben solchen Gebäuden, absonderlich wo StrohDächer vorhanden, und überhaupt an Orten, wo Flachs, Hanf oder Feuerfangende-Sachen liegen, es sei in Städten, Flecken oder Dörfern Toback zu rauchen. Solte aber jemand diesem Verboth freventlich zuwiederhandeln, so hat er sich zu gewärtigen, daß nach Proportion des daraus entstehenden Schadens, der Uebertreter mit dem Spanischen Mantel, Gefängniß, bei Master und Brod, oder Drey monatlicher Festungs-Strafe ohne Ansehung der Person, be¬ leget werden solle. Derjenige aber, welcher die Anzeige dieserhalb thun wird, soll aus dem bereitesten Vermögen des Uebertreters ein Ooueeur von Fünf und Zwanzig Thaler erhalten, auch desten Rahme allenfalls verschwiegen bleiben. allen übrigen Punkten bleibet es lediglich bey dem bereits erwehnten erneuerten und ge¬ schärften Edikt vom 8. Julii 1744. Wie denn auch dieses Edict, damit es zur inänniglichcn Wistenschaft komme, auch in frischen Gedächtniß bleiben und niemand mit der Unwissenheit sich entschuldigen könne, nicht allein in allen Städten, Flecken und Dörfern, auch Gast- oder Wirthschaftshäusern öffentlich angeheftet, sondern auch alljährlich vom Martio an, bis zum September, wenigstens Vier mahl, des Sonntags an gewöhnlichen Orten, von denen Schultzen denen Hirten und Schäfern, vorgelesen und bekannt gemachct, auch darüber unverbrüchlich gehalten werden soll. Uhrkundlich unter Unserer höchst eigenhändigen Unterschrift und beygedruckten Jnsiegel; so geschehen und gegeben zu Berlin den 19. Januarii 1764.

Holz'sche Haus

Nr. 58 und

e) an den Spreehäusern (jetzige Parzellenstraße), 2. in der Luckauer Vorstadt, von dem Hause des Tischler Hunger bis an den Schwan,

In

als feuergefährlich angesehen und bei 2 Thlr. Strafe untersagt. Cottbus, den 25. Juny 1835.

Der Magistrat. Die Bekanntmachung wurde nicht allein in dem Lokalblatte publizirt, sondern es wurden auch im Jahre 1839 an den Stadt¬ thoren blecherne Warnungstafeln befestigt mit der Aufschrift: „Das Tabackrauchen auf den Straßen, auch wo cs nicht als feuergefähr¬ lich erscheint, wird als belästigend für das Publicum bei 10 Sgr. bis 1 Thlr. Strafe verboten." ' Hierbei blieb es 4 Jahre. Im Oktober 1845 wurden die Tafeln entfernt, da das Magistrats-Kollegium einstimmig beschlossen hatte, daß das nichtfeuergefährliche Tabacksrbuchen im Stadtbezirke

Friedrich.

v. Borcke. v. Mastow. v. Blumenthal. Die Folge dieser Edicts-Erneuerung war, daß man allerwärts

jedoch auch das nicht feuer¬

so

primiret,

(Siegel.)

Da

gefährliche Tabackrauchen zur Belästigung des Publicums gereichen kann, so genehmige Ich den Antrag, daß in den Fällen und den Orten, wo eine solche Belästigung nach dem Ermeffen der OrtsPolizeibehörde zu besorgen ist, auch das nicht feuergefährliche

wenn selbige mit den Unserigen grentzen und zusammen stoßen, wegen Setzung und Unterhaltung gewisser Warnungstafeln, auf welchen die Strafe der Contravenienten gemahlt und deutlich ex-

bey dem Dreschen, Häcksel-Schneiden und

^

Inhalts:

Allerhöchste Kabinetsordre vom 9. Dezember 1832, wegen des

;

ferner nicht bestraft werden solle. Seitdem und namentlich in neuerer Zeit und hauptsächlich in Fabrikstädten sieht man kaum der Schule entlassene Burschen mit dem brennenden Glimmstengel umherlaufen.

321

Wilhelm von Türk Auf

dem romantischen Friedhofe zu Klein-Glieneke

ruht unter

einfachem Steine einer der edelsten und besten Menschen seiner Zeit,

ein Mann, der wenig bekümmert um sein eigenes Wehe, nur auf das Wohl und das Beste der Armen und Schwachen, der Kranken und Bedrängten bedacht gewesen ist. Wilhelm v. Türk, besten Name in der Türk'schen Schule in Glieneke und in Türkshof am Griebnitzsee sich erhalten hat, wurde am 8. Januar 1774 als

jüngerer Sohn des kurländischen Edelmannes Otto Philipp v. Türk geboren, der zuletzt in Meiningen Herzoglicher Kammerpräsident und Obermarschall gewesen. Nach dem Tode der Mutter kam der kränkliche Knabe zu seinem Oheim, dem Oberjägermeister v. Bibra in Hildburghausen, mit besten Kindern gemeinsam er eine vor¬ treffliche Erziehung genoß. Bon Ostern 1701 ab studirte er die Rechtswissen¬ schaften in Jena und schloß dort nähere Bekanntschaft

mit

Erzieher im Hause Sarrazin, die Töchterschule der Frau Karoline Rudolphi in Heidelberg, endlich die Pestalozzi'sche Schule in Buchsee.*) Auf seiner Rückreise erfuhr v. Türk in Leipzig, daß in seiner Abwesenheit zwei jüngere Assefforen vor ihm in den Konseil berufen seien, was ihn bewog, nach einer Unterredung mit dem Gouverneur, Baron v. Maltz ahn, in den oldenburgischen Dienst der Verheirathung mit Wilhelmine überzutreten. Nach v. Buch, Tochter des Geheimen Rathes v. Buch zu Stolpe an der Oder, nahm er 1805 seinen Wohnsitz in Oldenburg, richtete dort, wiewohl er Justiz- und Konsistorialrath war, eine Abend¬ schule für Knaben und Seminaristen ein und pflegte näheren Um¬ gang mit Maler Fischbein, Justizrath v. Halem, Maler Strack

und Dichter Gramberg. Die Lust an der Jugend¬ erziehung erfüllte ihn so, daß, als man ihm hierin entgegen war, er die ver¬

dem späteren Ober¬

lockendsten Aussichten auf¬

B a s s e w i tz, mit Hardenberg (No¬ valis) und dem nach-

gab und Oldenburg ver¬ ließ, um eine Erziehungs¬

präsidenten v.

anstalt in A Verdun zu be¬ gründen (1808). Dort ertheilte er noch Unterricht in Pestalozzi's Institut in Naturwissenschaft und in Denk- und Sprech¬ übung, siedelte aber 1811 nach Vevah über, wo er in dem ehemaligen Schlosse der Ballifs mit seinen Zöglingen aus Frankfurt, Augsburg, Hamburg, Basel und Genf ein vor¬ treffliches Unterkommen fand. Das Institut hatte bald einen guten Namen und als die Erfolge der

herigen Württembergischen

v.

Wangen¬

Als

er nach be¬

Minister

heim.

endeten Studien in Mei¬ ningen angestellt zu werden wünschte, schlug man das

ab,

weil

sein

Vater

Kammerpräsident und sein Bruder bereits Mitglied der Regierung war. So konnte er sich glücklich schätzen, einst

als dritter

Mann zum L'hombre bei Hofe befohlen zu werden; denn diesem Zufall ver¬ dankte er die Bekanntschaft mit dem Prinzen Karl

Waffen gegen Napoleon die Aussicht auf einen größeren Wirkungs¬ kreis in der Heimath er¬ öffnete, gelang es ihm durch Steins und deutschen

von Mecklenburg-Strelitz, der ganz kurz nachher zur Regierung berufen wurde und ihn als Auditor der Justizkanzlei undKammerjunker in seine Dienste nahm. Das Leben bei Hofe bot wenig Ab¬ wechselung;

Regierungsrath Wilhelm v. Türk, Türk'schen Schule in Glieneke.

Stifter der

auch die ju¬

war keine anregende für solchen Geist. Sein einziger Trost war der Verkehr im Hause des Ministers v. Dewitz und in demjenigen der Wittwe Moses Mendelssohn's. Als Nachfolger des späteren preußischen Ministers v. Kamptz fielen ihm in der Regierung die Schulangelegenheiten zu, denen er sich mit außerordentlichem Fleiße widmete. Schon 1804 schrieb er „über Schul- und Unterrichtsanstalten, mit vorzüglicher Rücksicht auf Mecklenburg." Sein Wunsch, die besteren Anstalten in Gotha und Frankfurt/ und diejenigen von Tillich und Pestalozzi ein¬

ristische Thätigkeit

mal

zu sehen, sollte ihm wegen Nichtbewilligung des Reisegeldes versagt bleiben, als ein für Pestalozzi begeisterter Stettiner Kauf¬

mann, Salingre, die Mittel zu einer Studienreise zur Verfügung stellte, welche für das ganze spätere Leben Türk's entscheidend ge¬ wesen ist. Besucht wurden nun Tillich und Olivier in Leipzig,

Profeffor

Ritter in

Frankfurt a. M.,

vr. Engelmann

daselbst,

Schuckmanns

Ver¬

mittelung als Schulrath nach Frankfurt a. O. mit tausend Thaler Gehalt berufen zu werden. Am 6. Dezember 1815 wurde er in sein Amt eingeführt, nahm sich sofort fleißig des Schulwesens an, veröffent¬ lichte schon bald nachher den Leitfaden zum Unterricht im Rechnen und stiftete die Schullehrer - Wittwenkasse der Diöcese Sorau, welcher alsbald viele andere Kreise folgten. 1816 hielt v. Türk zweiWochen lang Vorlesungen über die Einrichtungen des Elementar¬ unterrichts, denen etwa 70 Superintendenten, Schulinspektoren und Lehrer beiwohnten. Schon 1817 wurde er als Schulrath nach Potsdam versetzt, wo er seine Wirksamkeit mit der Einrichtung des Lehrerseminars begann, für dessen Leitung v. Klöden (damals Lehrer der Plamannschen Anstalt) von ihm gewonnen wurde. Dann organifirte er die höhere Bürgerschule neu und zwar unter *) Wegen der dort gewonnenen Eindrücke lese man die Selbstbiographie, die 1859 bei August Stein in Potsdam erschienen ist.

322 Adlerorden dritter Klaffe verliehen; persönlich aber redete er den hochverdienten Mann, der schon über 20 Jahre in seinem Amte wirkte, am 1. Oktober 1837 an, als die Zöglinge der Waisen¬ versorgungsanstalt in Glieneke, in der Peter-Paulskirche zu Nikolskos die liturgischen Chöre gesungen hatten. Die schriftstellerische Thätig¬ keit des seltenen Mannes umfaßt nicht weniger wie 18 Arbeiten aus dem Gebiete des Schulwesens und der Industrie. Neben seiner amtlichen Thätigkeit beschäftigte ihn die Begründung der höheren

dem Rektorate Löfflers, damals Lehrer am Militärwaisenhause zu

Annaburg. In gleicher Art galt seine Fürsorge der Baugewerk¬ schule in Potsdam, der Schule für Vagabundenkinder im Land¬ armenhause zu Straußberg, der Anstalt zur Erziehung verwahrloster Kinder in Berlin (vor dem Halleschen Thor), der Umwandlung des Gymnasiums zu Jüterbogk in eine höhere Bürgerschule, Ordnung der Schulanstalten in Brandenburg, Prenzlow, Wriezen, Schwedt, Dippmannsdorff u. s. w. Auch arbeitete v. Türk die ersten Vor¬ lagen für die Aufbefferung der Gehälter der Landschullehrer aus. Zur Förderung der Lage der letzteren suchte er die Seiden¬ zucht zu verbreiten und machte selbst eine Reise nach

die besten Einrichtungen an

Ort und Stelle

Italien, um

zu studiren.

Merk¬

würdig ist es, daß Friedrich Wilhelm III., wie Bischof Eylert berichtet, den Schulrath v. Türk wegen seiner Sorge für das Volk und die Armen für einen Demagogen hielt; der König war zwar

!

j

eines

besseren

Berlin, die Stiftung der Friedensgesellschaft zu Potsdam, die Errichtung einer Schwimm- und Turnanstalt, die Stiftung des Civil - Waisenhauses und einer Kinderbewahranstalt in Potsdam, — der Wohlthätigkeitsverein, die Waisenversorgungs¬ anstalt zu Klein-Glieneke, endlich das Elisabeth-Stist in Potsdam. — Alles Einrichtungen, denen er die Kraft seines Lebens gewidmet hat. W. v. Türk starb hochgeehrt am 30. Juli 1846. Gewerbeschule zu

belehrt worden und hatte ihm 1823 den rothen

R. T.

Berliner Originale. Der Waflerschukze. Unter diesem Namen war vor ungefähr dreißig Jahren ein Mann bekannt, der in den belebteren Straßen der Residenz z. B. unter den Linden, sein Wesen oder bester gesagt — Unwesen trieb. Das Aeußere dieses Mannes war das eines ehrwürdigen Greises, mit schneeweißem Lockenhaar und ebensolchem halblangen Vollbart. Seine Beschäftigung war eigentlich diejenige eines Kolporteurs, nebenbei schien er jedoch im Solde der Bibelgesellschaft oder sonst eines frommen Vereins zu stehen und hat sich, ob in Folge dieser Beschäftigung oder aus eigenem Antriebe, in einer Art religiösen Fanatismus hinein exaltirt. Seine Bekanntschaft machten in der Regel junge Leute im Alter von 15—17 Jahren, grade in dem Alter, wo man das Rauchen zu versuchen pflegte. Sah er einen solchen Jüngling stolz mit seiner brennenden Ambalema gehen, so war er wie der Blitz an seiner Seite und begann sofort ein gleichgültiges Gespräch. Ueberraschung, sich von einem so ehrwürdig

sonders des Morgens, in einer bekannten Buchhandlung auf, und sahen wir fast jeden Tag ihn an dem, auf dem Hofe befindlichen Brunnen

in seinem Lieblingsgetränk schwelgen. Es war das wirklich interestant zuzusehen.

repräsentirenden Mann angesprochen zu sehen und jugendliche

Bescheidenheit verboten es, sich der aufgedrungenen Bekanntschaft zu erwehren, und bald genug steuerte unser Freund denn auch auf sein Ziel los, indem er eine donnernde Zornrede auf das Laster Er ruhte auch nicht eher, als des Rauchens vom Stapel ließ.

bis der Betreffende ihm seine Cigarre nebst Spitze und Cigarren¬ tasche ausgeliefert hatte, womit er zugleich demselben das feierliche Versprechen abnahm, nie wieder zu rauchen. Es waren aber auch wirklich schreckliche Dinge, die er prophezeite, im Fall man sich dieses Laster nicht abgewöhnen könnte, und es gelang ihm sonder¬ barer Weise oft, die oben genannten Gegenstände zu erhalten. Mit den so eroberten Cigarrentaschen, unter denen viele theure waren, pflasterte er sein Wohnzimmer aus, und wie Augenzeugen versicherten, auch die Stufen, die in daffelbe führten. Es braucht wohl nicht hinzugefügt zu werden, daß er auch mit der Vertheilung von Traktätchen nicht sparsam war. Oft genug war ich selbst Zeuge seiner Manipulationen. Seinen Namen führte er mit Recht von der unglaublichen Menge Masters, welches er mehre male des Tages zu vertilgen Pflegte. Er hielt sich viel, be¬

Dir Stammbäume

ja

Vater beschwerend, dabei in eine Wuth ausbrach, die deutlich zeigte, daß es. in seinem Oberstübchen doch nicht ganz richtig war. Nur mit Mühe gelang es meinem Vater, ihn zu besänftigen. Wir hatten aber durch sein Auftreten solchen Schreck bekommen,

wir ihn fortan nur mit Scheu betrachteten und ihn nie wieder belästigten. Er ist längst zur Ruhe gegangen, der originelle Greis mit seinen jugendlich raschen Bewegungen, und Berlins Jünglinge daß

rauchten ferner ungestört auf der Straße, ohne von Wasterschulze ihrer nöthigsten Requisiten beraubt zu werden.

L. Krön.

der französischen Colonie in Berlin.

vr.

Rich. Bsringuier hat jetzt den zweiten Theil der Stammbäume der ftanzösischen Colonie auf Bogen 17—28 des ganzen Werkes vollendet und ebenfalls in den Folioschristen des „Vereins für die Geschichte Berlins" veröffentlich. Der Baum der Gaillard's

beginnt mit dem zu Rouen geborenen Goldschmied Pierre Gaillard d'Ervilly aus Berlin ihm einen 1726 geborenen Sohn Eleazar schenkte, der ebenfalls wieder Goldschmied deffen Gemahlin, Jeanne

sich

Gründlichkeit gut 10 Minuten erforderte, und dann ging erst das Trinken los. Wer es nicht mit ansah, kann es kaum glauben, oft genug zählten wir an 30 Glas, die er zu sich nahm. Die ersten gab er wieder aus, um sich auch dm Mund zu dem Genuffe ordentlich zu präpariren. Nach dieser Erftischung begann er seine gegen die Laster gerichtete bekehrmde Thätigkeit. Es war ihm in seiner Jugend nicht vor der Wiege gesungen worden, daß er sich sein Brod auf solche Weise im Alter verdienen würde. Er soll dereinst in jungen Jahren ein schmucker Offizier gewesen sein und hatte zuletzt bei allem religiösen Fanatismus doch noch die Eitel¬ keit, daß er sich gem „Herr Lieutenant" nennen hörte. Im Adreßbuche stand auch bei seinem Namen „Lieutenant a. D." verzeichnet, was mich zu der Annahme veranlaßt, daß seine zur Schau ge¬ tragene Frömmigkeit und Bekehrungswuth doch wohl nur das Mittel zum Zweck war, d. h. sich mühelos zu ernähren. In seiner guten Zeit verkehrte er häufig bei Volpi an der Stechbahn, und mein Vater erzählte oft von ihm als einem flotten Billardspieler. Wir hatten ihn als Knaben in übermüthiger Weise einst ge¬ neckt, allein wir kamen schlimm an, indem er sich bei meinem

:

sich

Erst pumpte er eine volle Viertelstunde, um

recht kaltes und klares Master zu verschaffen, alsdann wusch er sich die Hände und das Glas, welche Arbeit auch durch ihre

'

j

war. Die Familie Mila stammt nach den Aufzeichnungen des Amtsgerichtsraths L. Adalbert Mila aus dem Languedoc. Die Gebrüder Joffrs, Hugo und Ramon de! Mila zogen 1229 nach Arragonien um gegen die Mauren zu kämpfen; von Ramon del Mila stammt in elfter Linie der Procureur beim PräsidialHofe zu Montauban Jean de Mila, der des Glaubens wegen seiner Aemter entsetzt wurde und 1692 starb. Der Sohn eines

323

Don Juan bei Mila war mit Catharina Borgia, einer Schwester Calixtus VIII. vermählt und wurde durch seinen Sohn Auxia Vorfahr des in den erblichen deutschen Reichsfürstenstand erhobenen Milano principe d’ardore. Ein Nachkomme des Pierre Bonnel aus Villierslebel bei Paris (-j- 1720 in Prenzlau) ist der Rektor Max Waldemar Bonnel, des Jean Lejeune aus Louche au pays conguis, Hoflieferant Jean Louis Lejeune, Inhaber der Berliner Erbswurstfabrik, des Oowinus Amaldricus Dulon, eines Schweizers von Adel aus dem XIII. Jahrhundert der unter dem Namen von Dulong am 20. Februar 1885 geadelte Regierungsrath Dulon in Wernigerode. Die letzten Urenkel des Jacques Eoqui nennen als ihren Ahnherrn einen sagenhaften Helden Raoul de Coucy, Des der im Jahre 1191 vor 8t. Jean d’Arce gefallen ist. Kaufmanns Franpois Eatel Enkelin im vierten Gliede ist die Gattin des Schriftstellers Ernst Freiherr von Wolzogen. (Zu den Verwandten desselben gehört vermuthlich auch ein bei Nicolai er¬

Perponcher (vermählt 1410), über welchen hinaus noch Sardon, Jean, Charles und Robert de Perponcher (vermählt 1243) nachgewiesen werden. Der Beisatz von Sedlnitzky stammt von Anna von Sedlnitzky von Choltitz, ersten Gemahlin des Jsak de Perponcher (-j- 1656). — Zwei von der Ahe werden 1794 aufgenommen als Kinder des Geheim¬ sekretärs Charles Guillaume von der Ahe mit einer Louise Franqoise Sarre, die zur Colonie gehörte. Die von der Ahe, nicht zum Adel gehörig, haben den Accent vermuthlich erst später ange¬

In

Westfalen existiren noch Bauernfamilien mit Namen nommen. Hofgoldschmied Alfred Sy, Sohn des 1881 verstorbenen Ahe. Commerzienrath Louis Sy, stammt im sechsten Gliede von Abraham Sy, der 1687 einwanderte. Ein Urenkel des Abraham Boullay du Plessis, der Hauptmann Friedrich Wilhelm du Plessis hatte als Pathen bei der Taufe in Königsberg 29. Juli 1736 (Ein¬ französischen Kirche) den König Friedrich Herzogin von Holstein-Beck geb. Dohna. Von Wilhelm I. und die seien noch die Bouche, Thibaut, sonstigen Familien zahlreichen den Barthelemy und erwähnt. Or. Bsringuier ist mit Vibeau Cuvry, gediehen, daß er in einem Arbeit jetzt weit fleißigen so seiner Stammbäume sämmtlich aufnehmen zu die letzten Hefte dritten sind wohl für die Familiengeschichte, Die Stammbäume hofft. können mehr aber noch für die Culturgeschichte höchst wichtig und ver¬ dienten, auch bei anderen Familien Nachahmung durch Aufstellen solcher Tafeln zu finden. (Der Bürger sollte ebenso gut, wie er sollte Alles, was der Edelmann seine Vorfahren ehren; nicht aus Hochmuth und er von ihnen zu erfahren vermag, Eitelkeit, sondern aus Dankbarkeit und Ehrfurcht, sorgfältig auf¬

weihung

wähnter Kaufmann Eatel, welcher eine sehr sinnreiche Erdkugel konstruirt und 1781 einen Wegemesier erfunden hat?). Abraham Devrient,der Ururgroßvater des Schauspielers LouisDevrient, hatte zwei Söhne, von denen der ältere Isaak im Jahre 1742 in Prenzlau starb. Sein Enkel ist der 1738 in Prenzlau geborene Kaufmann Philipp Devrient, der Vater Louis's. Außer Louis Devrient kommen in dieser Familie noch fünf weitere Schauspieler desselben Namens vor, ferner die Schröder-Devrient, und der Theaterintendant Otto Devrient in Oldenburg; angeheirathet sind Hofrath Bouneß und Hofjuwelier Wagner. Die Grafen von Perponcher-Sedlnitzky (Guillaume, Hofmarschall Frederic und Eeremonienmeister Louis) haben als Ahn den Seigneur Charles de

zeichnen.)

der

neuen



MisrrUen, zweifelsohne etwas flottes, künstlerisch durchdachtes. Gleichwohl sticht es mancher Hinsicht zu sehr von unseren gewohnten Empfindungen ab. Das erschwert uns das Verständiß für die vielfach gepriesenen Reize eines Gebäudes, das für seine wohlüberlegten, wunderdaren Unregelmäßigkeiten den Schein des Zufälligen und Naiven beanspruchen möchte.

die Abbildung auf der ersten Seite.) einem Gemälde, das vor siebzig Jahren sich in der königlichen Kunst¬ kammer befand, sieht man den Kurfürsten Albrecht Achill niederknieend zum Gebete in Begleitung des Grafen Johann von Linvow und Ruppin und des Jobst Gans Edler zu Putlitz. Johann, Graf von Lindow und Herr zu Ruppin war 1578 Landeshauptmann der Priegnitz, als Nach¬ folger des Havelberger Bischofs Wedigo von Putlitz (dieser seit 1472). Ob Jobst zu Putlitz gemeint ist, oder auch ein Johannes (Johs), welcher ebenfalls als Landeshauptviann der Priegnitz vorkommt, läßt sich mit Sicherheit nicht angeben. Das Bild, das nach den darüber vorhandenen Mittheilungen vermöge der Technik (Oel auf Leinwand) auf eine spätere Zeit hindeutet, und — falls es nicht Theil eines Stiftungsbildes — möglicher Weise eine Belehnung darstellt, ist der Trachten wegen immer¬ hin beachtenswerth. Der Kurfürst, eine schwarzbraune Mütze auf dem

Kurfürst Albrecht Achill. (Hierzu

in

Auf

Kießlings neuer großer F'lan von Merlin in sauberem fünf¬ farbigem Drucke ist soeben in zweiter Auflage erschienen. Bei einen; Maaßstabe von 1 :15 000 findet man die Weichbildgrenze, die Häuser¬ numerirung, Postbezirke, das Pferdebahnnetz u. s. w. leicht kenntlich ein¬ getragen. Die Karte ist auf die nächste Umgebung bis zum Einschluß von Heinersdorf, Treptow, Wilmersdorf und die Rehberge ausgedehnt und giebt im Vordruck ein alphabetisches Verzeichniß sämmtlicher Straßen, Plätze, Brücken und einen Stundenplan der Sehenswürdigkeiten Berlins. —

Haupte tragend, ist mit einem blaßrothen Churfürstlichen Mantel angethan, unter welchem die vergoldete und mit mancherlei Zierrathen versehene ritterliche Rüstung sichtbar ist. Die Sporen sind golden. Graf Johann von Lindow trägt einen mit grauem Pelzwerk ausgeschlagenen Mantel; er hat den Kurhut in beiden Händen. Auch das Unterkleid ist schwarz. Der Edle Herr zu Putlitz trägt das prächtige Churschwert; der Mantel ist röthlich und mit Zobel verbrämt, das Wamms schwarz. Auf das Bild ist schon von dem Ordensrath König und nach ihm von dem Historiker Friedrich Wilken (1820) aufmerksam gemacht worden.

Aas Sedkmayrfche Kaus zum Spaten, erbaut von Architekt Seidl, bildet in dem langen Zuge der Friedrichstraße eine hervorragend eigen¬ artige Erscheinung für sich: am Tage durch den reichen Farbenschmuck der Fa?ade, am Abende durch die seltsame Lichtfülle, die aus allen Geschossen zwischen den schmalen Pfeilern in das Dunkel der Straße hinausströmt. — Dies ganze uns so eigenartig berührende Bild trägt das Gepräge einer süddeutschen Schöpfung. Zum ersten Male hat man hier zu den einfach strengen Formen der Frührenaissance zurückgegriffen, zum ersten Mal in diesem Umfange die Keimsche Mineralmalerei als Außenschmuck zur Anwendung gebracht. Das Haus mit dem hochgereckten, wenig vor¬ springenden Erker hat den Charakter einer Burg. So tritt es keck und trotzig aus der langen einförmigen Häuserreihe hervor, zum Besuche des Innern herausfordernd. Im Erdgeschoß entwickelt sich in der weißgetünchten mit dunklem Holzpanneel umzogenen Halle ein Leben, das vielfach an die berühmtesten Bierkeller des ewig durstigen München gemahnen muß. Im Oberstock hat Maler Seitz an Wänden und Decke seine Phantasie frei walten lasten in bunten figürlichen und ornamentalen Decorationsmotiven, — die die Unverfälschtheit der Stilweise noch schärfer hervortreten läßt. Form und Farbe streiten hier nicht um die Herrschaft; sie ergänzen sich gegenseitig, den von dem Künstler gewollten Effekt in dem Besucher des Spatenbräu hervorzurufen. Architektur und Auszierung des Hauses haben

fine

Geistliche Komödie von 1589.

Unter den; Titel „Eine kurtze

Comedien von der Geburt des Herrn Christi" hat die Reclamsche Universalbibliothek das ofterwähnte Weihnachtsspiel veröffentlicht, „nach der Hand¬ schrift vom Jahre 1589 herausgegeben und mit einer Einleitung versehen von vr. Adolf Gerstmann." Vielen wird die ältere Ausgabe dieser „Comödie" von Gottlieb Friedländer aus dem Jahre 1839 zur Hand sein, wonach der „Verein für die Geschichte Berlins" im Jahre 1873 bereits die Comödie zur Aufführung brachte. Das geistliche Spiel erfreut durch die einfache ungekünstelte Sprache und durch die harmlose naive Ausfassung des Dichters. Es ist gewiß Manchem angenehm/ zu einem verschwindend geringen Preise das kleine Büchlein sich anschaffen zu können. — Ueber die Art der Herausgabe selbst und die von vr. Adolf Gerst¬ mann gegebene Einleitung hat sich Dr. L. H. Fischer in den Mittheilungen des „Vereins f. d. Gesch. Berlins" jüngst ausgelassen. Er tadelte, daß der Herausgeber den Schein erweckt, als ob er dieses geistliche Spiel zum ersten Mal aus der auf der König!. Bibliothek befindlichen Hand¬ schrift veröffentliche, indem er der Friedländer'schen Ausgabe, die er

anscheinend einfach hat abdrucken lassen, mit keiner Silbe Erwähnung thut! Auch der Einleitung Friedländers ist er so gmau

daß er alle dort vorkommenden Fehler getreu nachgedruckt hat, ohne sich um spätere Richtigstellungen und Forschungen überhaupt zu kümmern, vr. Fischer hat auch festgestellt, daß Gerstmann die Bestände des Geh. Staatsarchivs, die er mehrfach citirt, niemals gesehen hat! Auf diese Vorwürfe wollen wir hier nicht eingehen, glauben aber der „Universalbibliothek" den Rath geben zu sollen, bei der Auswahl ihrer Publicationen möglichst vorsichtig zu Werke zu gehen. Bei einigen der früheren Bändchen war schon auszusetzen, daß gleich hinter den Klassikern her die Produkte literarischer Neulinge sich eindrängten, deren einer Schriften im Grunde genommen dort nicht hingehören.

gefolgt, '

j

In

324 solchen

Bibliothek

sucht man bewahrte Schriften, nicht aber besseren Erscheinungen verdrängen.

Arbeiten, die

mit großeni Unrecht die

Hine Türkische Hesandischast in Merlin 1791. Der Gesandte, den ottomanische Pforte zu Anfang des Jahres 1791 schickte, hieß Meklupsi Asmi Said Effcndi. Er war Minister vom ziveiten Range und demnach als ein Envoye extraordinaire anzusehen. Sein Gefolge bestand die

aus 15 Personen, darunter befand sich ein Herr Groß, „Preuße und Handelsmann" in Constantinopel, als Dolmetscher. An der Grenze wurde die Gesandtschaft vom Major von Röder, vom Graf Görtz'schen CürassierRegiment empfangen und begleitete dieselbe nach Berlin. Man machte nur kleine Tagereisen und übernachtete in Schlesien unter Anderen in Grobschütz, Neustadt, Neiße, Grottkau, Ohlau, Breslau, Neumarkt, Parchwitz, Nauden, Glogau, Neusalz und Grünberg. Am 28. Januar traf dieselbe E. K. in BreSlau ein.

Mcrkincr Steuern. Ob

eine

Stadt

reich oder arm sei, darüber ent¬

in erster Linie ein Blick auf die Steuervertheilung. Da ist es recht lehrreich, einmal sich unsere Berliner Steuervcrtheilungstabellen auf diesen Punkt der allgemeinen hauptstädtischen Wohlhabenheit anzusehen. Nach der Steueraufnahme für das vorige Jahr betrug die Berliner Be¬ völkerung ungefähr 1 200 000; davon waren ungefähr 200000 Einwohner frei von der Klassensteuer, weil das Einkommen der Betreffenden das ge¬ setzlich erforderliche Besteuerungsminimum von 420 Mark nicht erreicht hatte! Bon den zur Klassensteuer eingeschätzten 976 505 Einwohnern ent¬ fallen auf die 2 ersten Stufen mit einem Steuereinkommen von 420 Mark resp. 660 Mark 148 128 resp. 121 502, also volle zwei Drittheile, und schon bei der nächstfolgenden Stufe, also bei einem versteuerbaren Ein¬ kommen von 900 Mk., sinkt die Ziffer der Eingeschätzten jählings auf 27 777 und weiter auf 21 632 in der 4. und auf 11 970 in der 5. Stufe. In der nächsten macht sich eine kleine Steigerung auf 14 739 geltend, aber in der 7., mit 1600 Mk. Einkommen, sinkt sie aus 5552 hinab. Die 8. Stufe mit 1650 Mk. Einkommen zeigt 7760, die 9. mit 1800 Mk. 6721, die 10. mit 2100 Mk. 6667 Eingeschätzte. Die 11. fällt mit je scheidet

2400 Mk. Einkommen auf 2838 und die 12. steigt dann endlich auf 4221 Steuerpflichtige hinan. Noch weit lehrreicher ist aber die Betrach¬ tung der Ziffer aller zur Staatseinkommensteuer in Berlin herangezogenen Bürger. Ist es nicht für die meisten Leser eine sehr überraschende That¬ sache, daß noch nicht einmal 30 000 Menschen in unserer Millionenstadt mit einem Jahreseinkommen von über 3000 Alk. leben? Auf der Grenze also zwischen 3000 und 3600 Mk. Steucrcinkommen stehen ungefähr 5100; der 2. Gruppe mit einem Einkommen von 3600 Mk. gehören ca. 4000, der dritten mit 4200 Mk. etwas über 3000, der viertm mit 4800 Mk. ca. 2700; dieses Niveau hält sich im Ganzen auch auf den nächst¬ folgenden beiden Steuerstufen. Auf Stufe 7 rmd 8 mit einem Einkommen von 7200 resp. 8400 Mk. finden wir die annähernd gleiche Ziffer von je 1600 Eingeschätzten. Die nächste Stufe mit je 9600 zeigt wieder einen Abfall auf 999! Mit einem Einkommen von 10 800 Mk. sind etwas über 1100 Einwohner in die Steuerliste eingetragen, dann sinkt die Ziffer regelmäßig von Stufe 11 bis 21 mit einem Einkommensatze von 12 000 bis 48 000 Mk. von 820 hinunter bis zu 101 Eingeschätzten. Auf der 22. Stufe stehen 81 mit je 54 000 Mk. Einkommen, ebenso vielen be¬ gegnen wir auf der nächsten (60 000 Mk.) Einkommenstufe, dann aber sinkt die Ziffer auf 56, 52, 43 mit Einkommenhöhen von 72 000, 84 000, 96 000 Mk. Bei dem ersten 100 000 Mk. Jahreseinkommen macht sich abermals ein ordentlicher Absatz geltend; hier finden wir nur 23, dünn folgen 27, 19, 23 und 16, bei denen endlich das zweite Einkommen¬ hunderttausend überschritten ist. Darüber hinaus begegnen wir nur noch ganz vereinzelten Individuen; da sind 8 mit 240 000 Mk., 10 mit 300 000 Mk., 5 mit 360 000 Mk., 1 mit 420 000 Mk., 5 mit 480 000 Mark, 3 mit 540 000 Mk. und vier mit einem selbst diese Summe, über¬ schreitenden Jahreseinkommen. Es sei hinzugefügt, daß vom Jahre 1869 an bis 1874 das Durchschnittsjahreseinkommen auf den Kopf der Be¬ völkerung von etwas über 500 auf beinahe 627 Mark sich gehoben hatte: von da ab ist es aber wieder stetig herunter gegangen. Im Jahre 1883 hatte diese Ziffer ihren Tiefstand von 499 Mk. erreicht, seitdem ist das Durchschnittseinkommen ein wenig wieder angestiegen bis 534 resp. 555 Mk. V. Z.

Gries- und Fragekasten. Herrn C. v. R., Schloß B. Die Manuskripte bleiben zu Ihrer Berfügung, da wir derartige „Humoresken" leider nicht verwenden können, sich damit einmal an größere, politische Blätter, für ihre Sonntagsbeilagen lieben. Die Erzählung ist für uns nicht geeignet. Aus „Bär" wird es Ihnen leicht fein, sich über Ton

vielleicht wende» Sie welche solche Beiträge

Frl. H.

v. L.

jedem Jahrgange des und Umfang der für uns geeigneten Stoffe zu unterrichten, wodurch beider¬ seits manche Arbeit erspart würde. Frl. R. B. in. S. An eine „historische" Novelle im „Bär" legen wir doch einen strengeren Maßstab als Sie anzunehmen scheinen. Die Hauptfiguren dürfen nicht erfunden sein; auch darf die Handlung nirgend der Wirklichkeit widersprechen! A. M. Bülowstr. Ausnahmsweise geben wir auch Autographen bedeutender Männer. Behufs Erwerbung eines Briefes von Rauch müßte man das Original einsehen können, da der Preis sich unter anderem auch nach der Bedeutung des Inhaltes richtet. Ist der Brief noch nicht ver¬

öffentlicht?

Br. L. Bk. Daß in dem Müller'schen Artikel zu dem Stadthofe der Abtei Lehnin die Kriegsakademie nach Charlottenburg verlegt wird, ist natürlich ein lapsus. Der Neubau der Anstalt in der Dorotheenstraße ist ja erst unlängst im „Bär" abgebildet worden. Indeß besten Dank für

Ihre

freundliche Aufmerksamkeit. dem Kirchhofe zu Eiche bei Potsdam findet sich das Grabmonument der Kinder des H. Rietz, eines Bruders des Geheimen Kämmerers Rietz. Kann Jemand durchaus Zuverlässiges mittheilen über die Kinder des Letzteren außer der Ehe der Gräfin Lichtenau? Hatte

Anfrage: Auf

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Annahmen in Berlin.

Friedrichsir. 177, Central-Geschäft Potsdamerstr. 123 b, an der Brücke. Belle-Alliancepl.lla, a.d.Friedrichstr. Alexanderstr.71, am Alexanderplatz. Oraniensir. 165, am Oranienplatz. Rosenthalerstr.40, am Hakesch. Mt. Rathenoverstr. 106, Moabit.

er

vor

dieser Ehe schon eine Tochter, oder aber

nachher mit der Schau¬

spielerin Baranius?

Anmerkung: Es gehen der Redaktion fortgesetzt so viele Manuskripte zur Prüfung zu, die oft gar nicht für das Blatt geeignet sind, daß wir uns gezwungen sehen, in der Folge solche Arbeiten, die nach Stoff oder Umfang sich als unverwendbar erweisen, oder die aus Mangel an Raum abgelehnt werden müffen, unfrankirt den Verfassern wieder zustellen zu lassen. Auch kann eine Verpflichtung, größere Aufsätze, die eingeschrieben eingehen, in gleicher Weise zurückzugeben, wegen der damit verbundenen Umstände nicht anerkannt werden. Der Kreis der älteren Mitarbeiter ist ein so weiter, daß andere Einsendungen nur dann berücksichtigt werden können, wenn sie dem Charakter der Zeitschrift durchaus entsprechen. Zu dem Zwecke muß man das Blatt vor Allem näher kennen.

Inhalt: Gedenktage. — Im goldnen Horn, Novelle aus dem Berliner Künstlerleben von Hermann Heinrich. — Feuilleton: Das verwunschene Schlößchen, ein Heim berühmter Berliner, von A. Rutari. — Auf Grund und Boden der Berliner Königsstadt, eine residenzgeschichtliche Studie von Oskar Schwebe! (Schluß); Einiges über das „Tobacks -Rauchen"; Wilhelm von Türk, von R. T. (mit Portrait): Berliner Originale. Der Wafferschulze, von L. Krön; Die Stammbäume der französischen Colonie in Berlin. — Miscellen: Kurfürst Albrecht Achill (mit Abb.); Das Sedlmayrsche Haus zum Spaten (mit Abb.); Kießlings neuer großer Plan von Berlin; Eine Geistliche Komödie von 1589; Eine Türkische Gesandtschaft in Berlin 1791; Berliner Steuern. — Brief- und Fragekasten. — Inserate. * oc‘St » ±1 =S

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SS

»’S'rSP 0 ~~c 5= =« vie Du!" Richard hatte nichts Anderes erwartet; er winkte seinem geschützt sein durch meine

„Deshalb muß ich Der, dem

ich mich

,

auf den Stuhl des Bürgermeisters will ich einst werden." Seine Stimme hatte sich erhoben und klang jetzt voll und kräftig, so daß Koppen Richard den Spott zurückdrängte, mit

steigen lind dieser

Gaste daher, fortzufahren.

Stadt hochmächtig' Haupt

„Deshalb ivünsche

ich seit langer

Zeit,

mich

Dir

noch

Eilig aber müssen ivir jetzt näher und fester zu verbinden. zur That schreiten; sonst geht vielleicht der günstige

für uns vorüber! fehlt eine Wirthin: deshalb

Augenblick nur allzu schnell

Meinem Hanse aber bitte ich Dich, Koppen Richard, um die Hand der ehrsamen Maria Wardenberg. Gewähre Du Dann sind wir ein Geschlecht, und sie mir! meiner Jugend Schmach, sie ivird verdeckt durch den ererbten Glanz des Namens Wardenberg!"

nBOSÄM

„Hermann, bist Du toll?" rief ihm jetzt Koppen Richard zornig zu. „Schäme Dich; — weil ich durch mein Unglück gezwungen wurde. Dein Schuldner zu werden, soll ich diese holde, liebliche Blüthe Dir überlasten, soll ich die Schwester meiner Fra» Dir opfern und ver¬ kaufen? Pfui, — schäme Dich! Du vergißt es auch, daß Maria einen festen, eigenen Willen hat." — „Es ivird Deine Sache sein, ihn zu brechen! Allein ich weiß es: sic würde ohnehin thun, was Du ihr gebietest! Sie ist Nichts ohne Dich, und das weiß Jedermann, gegen Dich

„Wir

daß

heiße Dankbarkeit

ihr Herz erfüllt." sind

zu Ende,

Hermann Mellin", mir zu-

sprach der Bürger, aufstehend, „wenn Du mnthest, ein hiilflvses, heimathloses Weib Markt. 15. Der Königl. Stall. 14. Der Neue

it Potsdam

Majestät in Preußen Friederici oeiterung von der

Mittag- und

zusehen.

'baudirektors

Feldmann).

16 . 17. 18 . 19. 20. 21. 22. 23. 24.

Die Nauensche Brücke. Das Nauensche Thor. Das Holländische Quarre-. Die St. Nicolai-Kirche u. Thurm. Das Königl. Schloß. Pulver-Magazins. Das Rath-Haus. Der alte Markt. Die Heil. See.

25. Die Teltoische Brücke. 26 . Das Berlinische Thor. 27. Das Mägdichen Waisen-Haus. 28. Die Heil. Geist-Kirche u. Thurm. 29. 30. 31. 32. 33. 34.

Das Keller-Thor. Die Communication. Das alte Schützen-Haus. Die Meilen-Säule. Die Königl. Brauereien. Der Jäger-Hof.

Dir

zu

opfern." „Höre mir ruhig zu, Koppen," fuhr der Handelsherr unbeirrt fort; — „hier kann von einer Opferung ja nicht gesprochen werden! Wir gehen den Weg zum Glanze und zur Größe; das wird ihr ehrgeiziges, wardenbergisches Herz mit Glück und Freude erfüllen! Und regt sich in Dir selbst nicht auch die Lust, ein Anderer

— Ja, in der Noth ivnßten sie Dich einst zu finden; — da mußtest D» ihr Hauptmann gegen — Das Falke sein! Was haben sie Dir dafür gethan? zu werden?

welchem

er

dem

Kaufmann antworten wollte.

Er

schwieg

>

daher. —

„Allein",

Erich sprach Hermann

Bundesgenossen!

Mellin

jetzt leiser, „ich brauche

Die Macht der alten Geschlechter ist immer

noch allzu bedeutsam gegen mich;

|

!

sic werden sich gewiß auch

auftaffen in dem Augenblicke der Gefahr! Sie werden mich dann ächten, und mir vielleicht selbst nach dem Leben trachten! Du siehst also: ich verberge mir jene Gefahren keiireslvcgs, ivclche Und mag's auch sein, daß ich mir sich mir entgegenstellen. eine Gaffe bahne durch die alten Geschlechter, daß ich sie mit — einander verfeinde, daß ich sie abhängig mache von mir: und ich weiß, daß auch das Volk mich haßt! Denn Barmherzigkeit Nachsicht habe ich fteilich auf meinem Wege nicht üben

dürfen." —

;

;

Stadtbanner ruht wieder auf dem Rathhause; in Schulden bist Du gerathen, und nicht einmal einen Sessel im Rathe haben sie Dir für Deine männlichen Thaten zu Theil werden lassen!"

Wohl regte sich Zorn und Bitterkeit im Herzen Koppen Richard»; aber er war fest genug, um dem Versucher zu antworten:

„Auf

diesem Wege

will

ich

nicht emporsteigen!"

„Es ist schade d'rum!" sprach Hermann Mellin völlig ruhig und gefaßt. „Ich sehe keinen andern Pfad, auf welchem Du zu dem beneidenswerthen Ziele emporklimmen könntest.

342

Sag', Koppen, — hast Du lammfromm denn

Die Wardenberg waren einst „verfestet"; es heißt, die Zünfte und der Rath haben sich das Wort gegeben, keinem Manne aus dem Geschlechte mehr die Rathhausthür zu öffnen! So bleibst Du also stets, was Du jetzt bist, ein schlichter Bürger, man läßt Dich allenfalls wohl wieder rufen, wem: der Feind vor den Thoren steht. Ist der geschlagen, so trittst Du in die Dunkelheit zurück, und sie lachen sich in's Fäustchen, daß sie so billig Schutz und Rettung gefunden haben! — Koppen, Koppen, so thut kein rechter Mann! seiest

Alan

sagte einst,

Rache entsagt?"

„Ich

zu

Es ist eine edlere wenn ich diene zum Frommen der Stadt, als wen» ich ihre Ordnungen umstoße! Ja, es ist wahr: sie haben schwer gesündigt einst an Thilo v. Wardenberg! Elende Buben ich ihnen verziehen!

haben ihn sogar der Sünde angeklagt,

Du

so

habe.

wir

sie

seinen

spiegelblank erhalten hat, die Güter der Das erfordert eine Rache! Mein

alten Wappenschild

Stadt veruntreut daß

er, der

daß

edles Weib und ich aber haben sie bis jetzt

nur

darin

gesucht,

Lügen strafen durch ein ehrbar' und gottesftirch-

tigcs Leben in — ihrer Mitte!" „Und der Schatten Thilo Wardenberg's zürnt Dir, daß Du so gutmüthig, so lässig bist! D'rum hat der Segen Deinem Thun bisher gefehlt!" „O nein, nein, Hermann, — er hat mir nicht gefehlt! Wir tragen ihn in uns! Und auch Thilos Schatten ist ver¬ söhnt; denn auch mein Weib und ihre Schwester haben unseren Feinden gern vergeben." —

haben!"

trage denn geduldig ihren

Vaterstadt", sprach Koppen Richard

meine

Rache,

„Ich bin es noch!" erwiderte der Hausherr. „Du freilief;, Hermann, wirst es nicht begreifen können, mit welch' edler Ge¬ nugthuung es das Herz des Mannes erfüllt, der Heimatb ohne

„Sv

liebe

„d'rum hab'

ernst;

stolz."

Lohn gedient

auch schon Deiner

Spott!

Aber ich hätte geglaubt, daß Du noch aus anderen Gründen meine Pläne, meine Werbung nicht zurückweisen würdest! Als Du einst mit Thilo v. Wardenberg aus dem Thore rittest, da sah ich, wie Dir im edle» Zorn die Wange brannte! Da gelobtest Du Dir, einst Deine Schmach zu rächen! Noch sitze» sie im Rathe, die sie oder ihre Söhne, ihre Brüder! Dich damals ausstießen;

.

(Fortsetzung folgt.)

Dir

ersten Fisteliü-Änstnhrungen in Berlin. Von Di'. Alfred Chr. Kalischcr. I. Wien — man befand sich gerade in der Kongrcßzeit — elektrisier Es dürfte nicht Vielen in der Gcgcnlvart bekannt sein, daß hatten, als man sich endlich erinnerte, daß dieser Beethoven doch Beetb vvcn's einzige Oper Fideliv (Leonvre), die etwa im auch einen Fideliv komponirt hatte. Alan ersuchte ihn abermals Winter 1804—1805 entstanden war, den nachhaltigsten Enthu- darum, seine einzige Oper zur Oper herzugeben ; Beethoven willigte siasmus zuerst in Berlin erfuhr, und daß überhaupt die ganze gern ein, nahm jedoch vor der Aufführung in Gemeinschaft mit !

;

j

\

wie man hier, im Gegensatze zur stolzen Donaustadt Wien, dieser Oper und damit dem Genius Beethovcn's huldigte, für den Tondichter viel des wahrhaft Herzerquickenden darbot: so daß er von dieser Zeit an der Entwickelung der Berliner Hofbühnc mit großer Aufmerksamkeit folgte. Ja, er dachte allen Ernstes daran, eigens für die Berliner Oper ein neues Werk zu schaffen. Es ist interessant und lehrreich zugleich, die mannigfachen Beziehungen, die dabei zu Tage treten, übersichtlich vorzuführen. Die Hauptparthie des Fideliv lvar für Fräulein Anna Milder, die nachmals so

Art,

außerordentlich berühmte

|

!

;

j

i

j

;

Aufführung sah sich Beethoven veranlaßt, seine Oper zurückzuziehen. Also geschehen im Jahre des Heils 1805. Im folgenden Jahre (1806) erlebte Fideliv -Leonvrc zwar wieder zwei Aufführungen

Universität zu Bonn) am Texte von Treitschke viele Umänderungen hatte; allein von einem Erfolge konnte auch jetzt keine Rede sein. Beethovcn's zahlreiche Feinde sorgten erfolgreich dafür, daß dieses Meisterstück zu Falle kommen mußte. So ruhte diese Partitur denn volle 8 Jahre, ehe sie endlich zu neuem Leben

Mnfikwclt

nehmen konnte. die dazu Mcisterschöpfnng Beethovcn's die nachhaltigste Geltung zu ver¬ schaffen, und die auch in persönlichem Verkehr mit Beethoven

waren unter Anderem die Franzosen kurz vor der ersten Aufführung des Werkes in Wien eingezogen — trugen das Ihrige dazu bei, um die erste Fidelioaufführung als einen Nach dreimaliger entschiedenen Mißerfolg erscheinen zu laßen.

vorgenommen

endlich durchschlug und seinen Nundgang durch die ganze

wir uns nunmehr zur Fideliodarstellerin Anna Milder, berufen war, an der Hofopcr zu Berlin dieser

so

in Wien, nachdem Beethoven an der Musik, und sein bewährter Freund Dr. Wegelcr (später Medizinalrath und Professor an der

die umfassendsten

Wenden

H a u p t m a n n geschrieben.

Verhältnisse —

Georg Friedrich Treitschke

Umgestaltungen vor. Die nunmehrige Frau Mildcr-Hauptmann gab wieder die Leonore, obwohl ursprünglich eine neu engagirte Sopranistin, Frau Hönig, dafür bestimmt war. Und so vollzog sich denn am 22. Mai 1814 das Ereigniß, daß Beethovcn's Fideliv

Berliner Hofopernsängerin Frau Mi ld er-

Bekanntermaßen hatte diese, jetzt von aller Welt als allerhöchstes Meisterwerk anerkannte Oper „Fideliv" das merkwürdigste Schicksal, — freilich ein solches, wie cs gerade auserlesensten OriDie ungünstigsten ginalschöpfungen nicht selten zu Theil wird.

dem Textdichter

j j

j

verblieb.

Anna Pauline Mildcr-Hauptmann

ist den 13. De¬ — — 1785 man höre zu Konstantinopel geboren, wo ihr zember Vater damals Konditor und Kaffcetier beim K. K. östreichischen Jnternuntius Baron Herbert war. Dann lebte sie längere Zeit in Bukarest. Erst späterhin in Wien erhielt sie seit 1795 eine schulNeukomm, ein Licblingsschülcr Joseph gerechte Kunstbildung. Haydn's, unterrichtete sie. Als Haydn sie zum ersten Male gehört hatte, rief er aus: „Liebes Kind, Sie haben eine Stimme wie ein Haus!" Neunzehn Jahre alt betrat sie die Bühne; sic war gerade 20 Jahre, als sic die Leonore sang, die Beethoven speziell für

ihre Stimme komponirt hatte. Wie übrigens die Bethätigung an Opcrnmusik auch die stolzesten Geister zu bändigen geeignet erscheinen will: das lehren uns Beethovcn's Beziehungen zur Milder. Zur Zeit der Wieder¬ aufnahme des Fideliv im Jahre 1806, bei welcher Gelegenheit der

Tenorist Röckel den Florestan sang, oder im Jahre 1808, als Beethovm ein Konzert veranstalten ivollte, schrieb derselbe an diesen

auferweckt werden konnte.

Es war im Jahre 1814, nachdem neue, gewaltige SymphonieElite der europäischen Gesellschaft in

schöpfungen des Meisters die

Milder.

Sagen Sic ihr nur, daß Sie heute sie schon in meinem Namen voraus bitten, damit sie nirgends anders singen möge.

343

Morgen komme

abermals nach Berlin einlud. — Seit der Berliner Hofbühne an, längere Zeit Sie verstand es, ganz Berlin in einen wahren

ich aber selbst, um den Saum ihres Nockes zu küssen" (!!). Wer würde wohl in diesen Ausdrücken den feuerstolzen Beet¬

dem

hoven wiedererkennen!

künstlerischen Freudenrausch zu versetzen.

berg 1814 hörte und

Mai 1815

erst noch

gehörte

als Gast.

sie

sie

In

rein inusikalischer Hinsicht hatte Anna Milder freilich mit Beethoven manchen Strauß auszufechten. Dein Bccthovenbivgraphen Anton Schindler machte sie noch im Jahre 1836 allerhand Mit¬ theilungen über jene Vorgänge. „Sie sagte unter Anderem aus, daß auch sie, hauptsächlich wegen der unschönen, unsangbaren, ihrem

Organ auch noch widerstrebenden Passagen im Adagio der Arie in E-dur, harte Kämpfe mit dem Meister zu bestehen gehabt, — jedoch vergeblich, bis sie 1814 entschieden erklärte, mit jener so ge¬ stalteten Arie nicht wieder die Bühne betreten zu wollen. Das wirkte." — „Ein Vergleich der vorliegenden Arie", fügt Schindler hinzu (Leben Beethoven's, 111. Ausl. I, p. 136), „mit der ersten Bearbeitung wird nicht minder zu Dank gegen diese Künstlerin auffordern, wie in dem verwandten Falle mit dem Bassisten Meier" (d. i. dem Sänger des Pizarro). Aber auch Beethoven hatte sich mit dieser Operngeschichte das schwerste Kreuz aufgeladen. Vergegenwärtigt man sich ein wenig die Eigenart seines künstlerischen wie menschlichen Charakters so fühlt man ihm ganz nach, wenn er im Uebermaß der Misere fein Herz vor seinem Dichter Tr ei tschke, nachdem er diesem hinsichtlich seines Fidelio bereits versprochen hatte, „die verödeten Ruinen eines alten Schlosses wieder aufzubauen", also ausschüttet: „Die Geschichte mit der Oper ist die mühsamste von der Welt, und es ist beinahe kein Stück, woran ich nicht hier und da meiner jetzigen Unzu¬ friedenheit einige Zufriedenheit hätte anflicken, müssen. Das ist aber ein großer Unterschied zwischen dem Falle, sich dem freien Nachdenken oder der Begeisterung überlassen zu können."

Doch kehren wir zu unserer Sängerin zurück. Anna Milder wußte aber auch alle Welt zu entzücken; sebst dem kunstverwöhnten Kaiser Napoleon I., vor dem sie im Jahre 1809 öfters in Schön¬ brunn bei Wien sang, wußte sie den Ausruf zu entlocken: „Voilä uue voix, depuis longtemps je n’ai pas entendu une teile voix!“ (Vgl. v. Ledcbur's Berliner Tonkünstlerlexikon sub voce „Milder.")

Rellstab

(der Vater des späteren tonangebenden Referenten der Vossischcn Zeitung), der 1811 in Wien war, kurz nachdem sich die Sängerin mit dem Juwelier Hauptmann verheirathet hatte, mad)te

in seinem Reiseberichte für die Berliner Vossische Zeitung dieses Jahres das Berliner Publikum also auf dieselbe aufmerksam: „Wenn man den Berichten des Herrn Kapellmeisters Reich ardt und mehrerer Tonkünstler trauen soll, so kann man sich ihre aus¬ gezeichnet schöne Stimme nicht anders denken: als tvie ein schönes, volles Orgelregister, aber auch ebenso flach, ebenso ungünstig und ebenso monoton wie jenes. Das ist aber in den letzten drei Eigenschaften keineswegs der Fall. Es kann keine Sängerin und Tonkünstlerin geben, auf welche sowohl meine Neugier mehr gespannt

-Ich

gewesen wäre, als auch ineine Ausinerksamkeit in größerer Er¬ wartung. hörte und studirte ihre Stimme alle Tage. Sie hat einen Uinfang von a—c'". In diesem Umfange sind sännntliche Töne gleich schön, gleich stark, gleich voll; sollte

11.

Frau Anna Milder-Hauptmann ist

es denn auch zu verdanken,

vertraut tvurden, ob¬ wohl am 11. Oktober 1815 die erste Aufführung des Fidelio nicht init Frau Milder, sondern mit Frau Schnitze, die uns noch beschäftigen wird, von statten ging. Die Ursache davon ist in den traurigen Familienverhältnissen zu suchen, in die sie — wie alle anerkennen — allein durch die Schuld ihres Mannes gekommen war und die ihr auch das ganze spätere Leben vergällten. Ueber die erste Fidelivaufführung, die einen eklatanten Erfolg hatte, urtheilt daS Berliner dramaturgische Wochenblatt jener Tage also: „Diese Oper trägt den Keim zu einer theatralischen musika¬ lischen Reformation in sich und wird der Astermuse den Sturz bereiten."*) Aber als drei Tage später (14. Oktober) Frau MilderHauptmann die Leonore sang, da wollte der Beifall kein Ende

daß die Berliner mit Beethoven's Fidelio

nehmen, und durch sic erst, die während der damaligen 24 Gast¬ abende 11 mal im Fidelio auftrat, ist den Berlinern erst die volle, unvergängliche Herrlichkeit dieser Meisterschöpfung erschlossen worden. Beethoven, der leidensoolle Meister, erfuhr das Alles und ward hocherfreut. Im Uebermaße seines Entzückens schrieb er

unterm 6. Januar 1816 folgenden übersprudelnden Brief an diese großartige Bühnenheldin :

„Meine werthgeschätzte, einzige Milder, meine liebe Freundin! Sehr spät kommt ein Schreiben von mir Ihnen zu. Wie gerne möchte ich dem Enthusiasmus der Berliner mich persönlich beifügen können, den Sie im Fidelio erregt! Tausend Dank von meiner Seite, daß Sie meinem Fidelio so getreu geblieben sind. Wenn Sie den Baron de la Motte- Fouque in meinem Namen bitten wollen, ein großes Opernsuj et zu erfinden, welches auck) zugleich für Sie passend wäre, da würden Sie sich ein großes Verdienst um mich und um Deutschlands Theater erwerben; auch wünschte ich solches ausschließlich für das Berliner Theater zu schreiben, da ich es hier mit dieser knickerigen Direktion nie mit einer neuen Oper zu stände bringen ivcrde. Antworten Sie inir bald, baldigst, sehr geschwind, so geschwind als möglich, auf's ge¬ schwindeste, ob so was thunlich ist. Herr Kapellmeister 93.**) hat

Sie himmelhoch

bei mir erhoben, und hat recht; glücklich kann sich derjenige schätzen, dem sein Loos Ihren Musen, Ihrem Genius, Ihren herrlichen Eigenschaften und Vorzügen anhciinfällt, so auch

Sic her darf sich nur Nebenallein nur führe mit recht de» ehrerbietigen Namen Hauptmann in mir, ganz im Stillen Ihr wahrer Freund und Verehrer Beethoven. (Mein arnrer unglücklicher Bruder ist gestorben***) — dies die ich.

Wer

mann

es

auch sei, alles um

nennen, ich

Ursache meines lange ausgebliebenen Schreibens.) Sobald Sie mir geantwortet haben, schreibe

Baron

de

la Motte Fouque.

Gewiß wird

Ihr

ick)

auch

an

Einfluß in B.

man aber doch einige vorziehen können,

so wären es die bei anderen Stinrnren so selten schönen Mitteltöne d'—d". Es ist der Toir einer wirklich echten Steiner-Geige, die ich noch der Crcmonescr vorziehe auch hat sie alle Nüancen der Stärke und Schwäche" :c. Dem enthusiastischen Berichte des alten Rellstab — er war Alusiker, Kritiker und Buchhändler — ist es wesentlich zuzuschreiben, daß Anna Milder -Hauptnrann nach Berlin berufen wurde. Im Jahre 1812 unternahm dieselbe ihre erste Kunstreise nach Berlin, hier debütirte sie ani 4. Oktober mit außerordentlichen! Beifalle als Iphigenie auf Tauris, wie sie denn in Gluck'schen Opern besonders groß war. Nach diesem ersten glanzvollen Gastspiel kehrte sie nach Wien zurück, wo sie der preußische Staatskanzler Fürst v. Harden¬

-—

III,

p. 369. *) Cf. A. W. Thahcr, Beethoven's Leben, Band Eben dort hat dieser amerikanische Autor auch im Gegensatze zu v. Ledebur oben angegebenes Datum der I. Fidelivaufführung genau fixirt. **) Dieses B. ist dunklen Sinnes. Thayer's Randglosse dazu „SB.?

Bernhard

Anselm Weber?" mag ihre Berechtigung haben. Dieser Weber

ivar dazumal Hofkapellnieistcr in Berlin. ***) Das war Beethoven's Bruder Caspar Anton Carl von Beet¬ hoven, Kafsirer bei der K. K. Bank-Hauptkasie, der am 15. November 1815, 41 Jahre alt, starb und einen kleinen Sohn Carl hinterließ. Beethoven ward dessen Vorinund und Pflegevater. Es ist dies der wohlbekannte Stesse Beethovens, dem in der Geschichte dieses Uünstlerlcbens eine so eigenthümliche Rolle zuertheilt war.

344 cs

leicht dahin bringen, daß ich für das Berliner Theater und

Sie, mit annehmlichen Bedingungen eine — nur antworten Sie bald, damit ich

besonders berücksichtigt für

große Oper schreibe

mit meinen übrigen Schreibereien darnach eintheilen kann:

mich

mm

-4-

Ich

1

Sie,

küs - se

drü

- cke

Sie an mein

Herz!

II 2ch, der Hauptmann,

der

Hauptmann.

(Fort mit allen übrigen falschen Hauptmännern)." Daß Frau Milder-Hauptmann einen derartigen BeethovenBrief als kostbarstes Andenken aufbewahrte, wird ein Jeder be¬ greiflich finden: für die Berliner aber bietet dieser Brief noch ein mannigfaches, belehrendes Interesse dar. Zunächst bringt dieses überschwengliche-humoristische Briefdokument all diejenigen ober¬ flächlichen Schwätzer in Beethoven zu Falle, welche nicht müde werden, ohne jeden Anhalt zu behaupten, Beethoven habe stets geringschätzend von Berlin

gesprochen, und die

die Bühne als fest angestelltes Mitglied. Sie erhielt jährlich 4000 Thaler Gehalt und hatte einen jährlichen Urlaub von 3 Monaten. Den Fidelio sang sie in: Ganzen 21 Mal. Man darf jedoch nicht glauben, daß Berlin in ihr die höchste, unvergleichlichste Fidelio-

Sängerin jener Zeit gesehen hätte. Es gab noch andere Sterne im Reiche Polyhymuia's, die ihr darin den Rang abliefen. Dies wird einem aus der Lektüre der sehr anziehenden „Musikalischen Beurtheilungen" von Ludwig Rellstab (1848: zwanzigster Band der gesammelten Schriften 1801) zur vollen Gewißheit. Ludwig Rellstab, der tonangebende Musikkritiker jener Zeiten spendete gerade dieser Sängerin nicht das überschwengliche Lob, wie es so viele Andere thaten. So schreibt derselbe (30. Oktober 1827) über dieselbe: (Musikalische Beurtheilungen p. 58/59): „Am Sonntag hörten wir Mme. Milder nach ihrer Rückkehr zum ersten Male in der Jphigenia in Tauris wieder. Schwebt uns gleich noch die hohe Vollkommenheit, mit der diese Rolle durch Demoiselle Schechner gesungen und gespielt wurde, als ein fast unerreichbares Vorbild vor der Seele, und haben wir uns gleich niemals mit der Art und Weise, lvic Mme. Milder ausspricht, recitirt und die Melodie vorträgt, ganz befreunden können, so offenbart sich doch in der Leistung dieser Künstlerin ein großer Sinn für das so

Berliner

Schöne

abgesehen

redtesten

offenbar,

von

diesem

Zeugnisse

daß

ist

die

Berlin, resp. B erl i n er

volle

noch

be¬

Stadt g c i st-

wirkt Mme. Milder durch ihre wahrhaft königliche Hal¬ tung; den plastischen Theil der Rolle giebt sie stets an

des

sich so schön,

Bettina von Arnim,

Hoffmann, an Amalie Sebald-Krause, an Varnhagen van Ense an E. Th. A.

und seinen Kreis, an den Fürsten Anton von Radziwill, anL. lind viele Andere mehr.

Ute Neugestaltung der Umgebung der Sophienkirchc. (Nach dein Entwurf von Fr. Schulze).

Rellstab, A.

C.

Marx

Dann leuchtet aber aus diesem Briefe noch hervor, daß Beethoven schon im Jahre 1810 ernstlich daran dachte, eine neue Oper ganz speziell für die Berliner Hofoper zu kvmponiren. Ging ihm mit seinem „Fidelio" hinsichtlich Wiens doch fast ebenso wie seinem großen Vorgänger Mozart mit seiner Oper „Figaro's Hochzeit". Die Wiener verstanden sie zunächst gar nicht; doch Mozart fand sich dafür reichlich durch seine lieben Prager entschädigt uitd konrponirte seinen „Don Juan" auch eigens für diese Stadt. — Beethoven'S Fidelio erweckte in Wien, wie wir wiffen, lange Zeiten hindurch gar keine Begeisterung. Erst nach den Berliner großen Erfolgen brach sich die Oper in Wien und anderwärts die ihr ge¬ bührende Bahn. Aus Dankbarkeit wollte also Beethoven seine Projektile neue Oper speziell für Berlin schaffen. Wir werden im Verlaufe dieser Darstellung erfahren, daß Beethoven noch oft auf dieses Projekt zurückkam: allein es sollte überhaupt zu keiner zweiten Oper kommen. — Fidelio blieb für Beethoven und für alle Welt ein Unicum. Ueber Frau Milder-Hauptmann sind noch einige Schlu߬ worte zu sagen. Am 6. Juni 1810 bettat sie zum ersten Male

daß selbst da,

wo wir oft durch Stellung und Vorttag ganz etwas Anderes bezeichnet tvünschten, ihre Erscheinung an und für doch immer großartig sich tvirkt." — Auch ein andermal

beispielsweise nur an den Hoskapellmeister Reichardt, an

es

schön unter¬

einen großen

schöpften.

Beethoven'schcn Genius gethan haben. Man denke

eine

so

wir

immer

Genuß aus der Vorstellung Besonders aber

es

Persönlichkeiten

Würdigung

der

sie

stützt, daß

das Allermeiste für die rechte

Erhabene

und

wird von ihrer reinen, klangvollen Stimme Musik,

hätten bei seinen Lebzeiten nie ein rechtes Verständniß für seine Musik besessen. — Auch

urtheilt dieser Dichter-Kritiker: „Von jeher ist die Darstellung ruhiger Würde diejenige gewesen, welche Mme. Milder durch Stimme und Körperlichkeit gleich begünstigt, am meisten gelingt." (a. a. O. p. 41) Diese vortrefflichen Beurtheilungen machten es uns übrigens begreiflich, daß Frau Milder in späteren Jahren

gewisse Gluck'sche Schöpfungen zu ihren Seelenstücken auserkor. Verordnete sie doch schließlich mit als letzten Willen, daß ihr die Rolle der „Jphigenia", der „Alceste" und „Armida" mit

ins Grab gegeben würden." Das hier in Rede stehende Jahr 1827, das Todesjahr Beet¬ hovens, nennt übrigens Rellstab für sich in Berlin „das Jubel¬ jahr des Gesanges, durch die Catalani, Ranette Schechner, Wilhelmine Schröder-Devrient, Anna Milder, Henriette Sontag und mittlere Talente, wie Sabine Heinefetter (in erster Jugend), Karoline .Seidler und Andere, die heute weit die unseres ersten Ranges überglänzen tvürden." (a. a. O. p. 42.) Die Fidelio-Palme aber reicht Rellstab ohne Bedenken den genialen Sängerinnen Ranette Schechner (spätere Frau Waagen) und Wilhelmine Schröder-Devrient. Einer Besprechung der Fidelio-Aufführung am Ende Juni 1827 sei hier Folgendes ent¬ nommen (a. a. O. p. 38 ff.): „Am Freitag erlebten wir im Opern¬ hause eine Vorstellung der Oper Fidelio, die Jedem, der ihr bei-

.

ä./

_

s
vie Eichhorn, Hüllmann und Barthold, als Fundamente und nothwendige Requisite mittelalterlichen Städterechts aufgestellt haben. Im Gegentheil wird gleich am Anfange der Urkunde Reu-Ruppin, den faktischen Verhältnissen entsprechend, als Stadt (civitas) bezeichnet, denn in derselben fungiren ein Vogt, ein Schulze und ein Magistrat. Der Vogt besorgt im Rainen des Landes¬ herrn die peinliche Rechtspflege, deni Schulzen liegt in gleicher Weise die zivile Gerichtsharkeit oo, der Magistrat aber wird als Organ der Selbst¬ verwaltung von der Bürgerschaft gewählt und führt das Stadtregiment; einzelne Mitglieder desselben ziehen die polizeilichen Uebcrtretungen vor ihr Gericht und strafen »ach Befund unter Zuziehung von Schöppen nach alten oder neuen polizeilichen Verordnungen, wie sie eben die besprochene Urkunde andeutet. Die Stadt besitzt ferner einen alten und neuen

Ansicht zu begründen,

Anrichtung guter Polizei und bürgerlicher Nahrung. Der Inhalt der Urkunde deutet aber auch ganz evident auf den Erlaß älterer Urkunden hin, auf welche sie Bezug nimmt, und die uns leider ebenso verloren gegangen sind, wie die Urkunde, welche die thatsächliche Erhebung der Ortschaft Reu-Ruppin zur Stadt enthält. Neu-Ruppin ist also

nicht

so

glücklich wie Stendal, seine Erhebungsurkunde zur

Stadt, wenigstens

dem

Wortlaute

nach zu besitzen.

Endlich

Inhalt

der Urkunde auf keinen Fall die Ueberschrist: Privilegia primae plantationis Indus civitatis Ruppin (Privilegien über die erste Ertheilung des Bürgerrechts der Stadt Ruppin); jene kann sach¬ gemäß nur lauten: Privilegia Indus civitatis Ruppin (Privilegien der Stadt Ruppin). Dessen ungeachtet soll uns die Urkunde eben so lieb und werth, wie vorher bleiben; sie ist für uns ein unschätzbares Gut, wie selten eine Urkunde, weil sie uns das deutlichste und farbenreichste Bild mittelalterlichen Städtelebens vor unseren Augen zu entrollen vermag. Auf welche Weise aber jene Ueberschrist entstanden, das zu erörtern hielt der Vortragende für irrelevant und zwecklos. Er schloß nach Vorlesung der Stendaler Urkunde vom Jahre 1151 seinen Vortrag mit den Worten: Neu-Ruppin konnte am 9. März 1856 wohl sein 600jähriges Bestehen als Stadt, keineswegs jedoch das 600jährige Jubiläum seiner Erhebung zur Stadt feiern. — Darauf wurden noch einige den Verein betreffende Angelegenheiten besprochen, und refcrirte Herr Hauptmann a. D. von Wussow über den Namen Zieten. Nachdem Herr Gymnasiallehrer Haase einen Vortrag für die nächste Zusammenkunft an¬ C. L. gekündigt hatte, wurde die Sitzung geschlossen. —

entspricht

dem

Brief- und Fragekasten. Herrn F. Br. Einen Aufsatz über den verstorbenen Geh. Hofrath Schneider (von H. I. v. Nippern) mit gutem Portrait brachte der „Bär"

bereits in der Ausgabe vom 27. Sept. 1879. Auch späterhin sind wieder¬ holt Mittheilungen über ihn erfolgt, so noch im vorigen Jahrgang (S. 458) durch Assessor l)r Beringuier. Das andere Portrait ist nicht

den j

zu unserer Verfügung.

Herren Joh. K. in K. und F. R. in Br. Die Sendungen sollen gelegentlich zum Abdruck kommen. Doch bitten wir den Namen beifügen zu dürfen. Bei rein geschichtlichen Aussätzen hat das Pseudonym, das nur ausnahmsweise zulässig sein sollte, keinen rechten Sinn. Wer für seine Arbeit nicht selbst einstehen will, darf der Redaktion die Gründe dafür nicht vorenthalten. Herrn E. K. in L. Besten Dank für die Karte. Wenn der „Ber¬ liner Börsen-Cvurier" und manche andere Blätter unsere Miscellen ohne Quellenangabe abdrucken, so liegt wohl meist nur ein Versehen vor. Freilich haben wir den Nachtheil, daß die kleineren Blätter ihrerseits natürlich den „Börsencourcer" als Quelle angebe», was uns nicht gerade lieb sein kann. Bei den großen Aufwendungen, die der „Bär" jahraus, jahrein für gute Miscellen zu machen hat, bitten wir, solche Wahrneh¬ mungen auch fernerhin zu unserer Kenntniß zu bringen, um im Wieder¬ holungsfälle Abhülfe schaffen zu können. Frl. H. v. R. Wir haben leider nur die erste Lieferung gesehen. Das Blatt sollte allerdings zuerst einen stark emanzipirten Titel erhalten, bezeichnete sich aber hinterher als für edle Frauen geschrieben; es verrieth das eine gewisse Unklarheit, welcher in den Angaben über die Redaktion

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>
v. Churfürstl: Durchlaucht Länder-Gräntze erweitert und mit an dem Meere befestigt worden. Wie nun über solche gute Botschafft all Ew. Churs: Durchl: getreue Unterthanen und darunter der Rath mit der Bürgerschaft allhicr von Hertzcn erfreuet worden, So haben Bürgermeister und Rath dieser Hauptund Residentz-Städten Ew. Churs: Durchl: hierdurch als einen Uebcrwindcr, einen Siegesfürsten, regierenden Hcrtzog von Pommern, Gratnliren, Glückwünschen und dabey GOTT danken wollen, daß Er Ew. Churs: Durchl: hohe Person mit dero hochgeliebten Geniahlin, Churfürstlich Princen und Princessinnen vor allem Unfall bishero bewahret; die recht¬ mäßig ergriffenen Waffen gesegnet, Sic allerseits bey guter Gesundheit erhalten und des Heiligen Römischen Reiches und Ew. Churs: Durchl: eigene Feinde aus Dero vor langen Jahren Ew. Churs: Durchl: furo proprio zugehörigen Erb-Ländcrn nunmehr» glücklich vertrieben hat: Dem Gott aller Götter und Herrn aller Potentaten ferner dchmüthigst bittend, daß Eiv. Churs: Durchl: Selbst, Dero hochgeliebte Gemahlin und Churfürstl: Princen auch Princesstn bei allem Hochfürstlich Wohlergehen ferner erhalten und seine Göttliche Gnade von oben herab verleihen ivolle, damit das in Dero Hertzogthum Preußen hervorglimmende Feuer auch bald möcht wieder gedampffet werden, damit unter E>v. Churfürstl: Durchlaucht gnädigsten Scepter wir weiter geruhig wohnen und Ew. Churs:

Durchl: und Dero Churfürstlich Stuhl-Erben Schutzes,

so

lange die Welt

stehet, genießen mögen.

Ew. Churfürst!: Durchlaucht darauf gehorsamst ersuchend, daß dieselben gnädigst geruhen wollen, nunmehro den Triumphirlichen Einzug auch allhier in Dero Residentzicn zu halten und das, was aus unterthänigster Liebe zu Dero Ewigen Gedächtniß Sie aufgerichtet und angefertigt finden werden, also Gnädigst und Landes Väterlich auffzunehmen, als sonst ein

liebliches Vater Hertz seiner gehorsamen Kinder Verrichtung und diensthasftc Auffwartung Ihnen gefallen läßt und darauff mit seiner Chur¬ fürstl: Gnade den Rath nebst den sämbtlichen Einwohnern allhier Gnädigst

und Landes-Väterlich zugethan zu verbleiben." Potsdam. H. Wagener.

388

„Auf

einen fröhlichen Maientag im Walde,

Anna,"

so

trank der Verbannte seiner Gattin zu, „und daß auch Dein Kummer schwinde. Du gute, liebe Marie! Ich bitte Dich: härme Dich doch nicht mehr darüber ab, daß Du den üblen Hermann

Mellin nicht zum Manne nehmen konntest! Nein, liebe Schwester, — Du bist nicht an unserm Unglücke schuld! Ich selber habe ja den Schwager abgelehnt! Doch wie Du zitterst! Hüte Dich, daß Dich nicht ein Fieber überfalle!" In der That mußte ein schweres Leiden auf der Seele Maria's von Wardenberg liegen. Sie faßte mit unsicherer Hand den Becher, und Perlen des goldenen Weines sprühten umher. Doch sie trank ihn dem Schwager zu: „Glück," „allen Deinen sprach sie, Plänen, und Friede Deiner

Seele!" — Die Beiden, Koppen und sein Knecht Hans, waren nun tiefer in den Wald ge¬ gangen. Henning lehnte an seinem Speere;

weidenden Rosse.

im Morgenmüde, kranke

Schwester'.

„Ich

fürchte, Anna, ich

kann cs nicht!"

matte Antwort

stiche!"

Dann aber faßte sich

wie als schäine Gereiztheit .

sie

und sprach ruhig weiter, sie sich der

und

der

Be¬

wegung, welche ihre Worte lind ihr Verhalten verrathen hatten.

„Ja,"

fuhr

sie

fort,

friedlich und ruhig, „ich muß

„Mochtest Du nicht ein wenig ruhen?" fragte Frau Anna, selbst blühend wie die

Sv sage mir es doch, wen Dein Herz gewählt hat, damit ich rathen und, so cs angeht. Dir auch helfen kann!" Anna Wardcnberg streichelte freundlich das Haar auf dem Scheitel der Schwester. Aber Maria richtete sich hastig auf; — in ihren Zügen lag es ivie heimliche Angst und lvie bittere Qual. „O Anna, liebe Anna," sprach sie dann, weinend die Schwester umarmend, „versuche nicht, in meiner Seele zu lesen! Ich bitte Dich, — dringe nicht in mich; denn selbst Deine lieben, freundlichen Worte verwunden mich schon wie Dolch¬ bunden!

Der Ort

hatten den während sie selbst frei, Blick von hohem Buschwerk ge¬ Tiefgrünes, schützt waren. über schwellendes Moos, gebreitet Tücher welches waren, bot eine prächtige und duftende Lagerstätte dar.

thaue,

bist frei und unge¬

und ihre Stimme klang jetzt

Ruhenden

Knospe

Du

die

war gut zur Lagerstätte ge¬ wählt; er lag hoch, und

eine

Aber

er bewachte

die beiden Frauen und

die

heimrufen in unsere Vaterstadt.

lautete die der schönen,

krank sein,



schon

seit

Es zieht ja ivohl in den Maientagen die Hoffnung und die Freude

langer Zeit!

in das ärmste Herz; — in meines aber kanl sie nicht! Ich bin zum Sterben ein selbst

müde, Schwester; das glaube

mir, aber mein Herz ist nicht in Berlin; es ist bei Euch! Wenn wir aber erst wieder eine Heimath haben,

will ich mich still niederlegen und warten in Geduld, bis mir Genesung kommt. Hilf mir beten, Schwester! Und dann, wenn wir ein Haus be¬ dann, liebe Schwester, Dir wieder helfen, o, mit allen Kräften und so fteudig gern! So bin ich nur, — das fühle ich selbst, sitzen,

will

ich

Marie. Friedrich Wilhelm HI. „Komm' her, Liebe," Aus bem Werke „Kaiser Wilhelms Jugendjahre mahnte die Schwester, „und (Verlag von Greßner & Schramm). — ein unnütz' Wesen auf lege Dein Haupt auf meinen — der Welt, und das verursacht Wie kannst Du Schooß! nur an einem so wundcrholden Morgen so tieftraurig sein? — mir so vielen Kummer. Warte nur, liebe Schwester! Sehe Komm' her zu mir, liebe Schwester! Es hört uns Nicinand auf ich Dich erst wieder glücklich, so wird bald auch mein Auge wieder so hell strahlen wie Deins!" der lveiten, weiten Welt! Du mußt Dein Herz einmal erleichtern! Kopffchüttelnd betrachtete Frau Anna die Züge der Ich habe cs schon vor langer Zeit entdeckt, daß ein geheimer Kummer Dich beschwert! O fasse doch Vertrauen zu mir und Schwester, tvclche sich neben ihr zur Ruhe niedergestreckt hatte. Hier mattete ein Geheimniß; — das sah Frau Richard deutlich zu Koppen! Es kann ja nur eins sein, was Dich drückt! Du ein. Es kamen ihr beängstigende Gedanken. Das Schicksal hast gewiß Dein Herz in Berlin zurückgelassen, obwohl ich der Wardenberg war ein so tragisches gewesen, daß durch nie gesehen habe, daß Deine Neigung sich einem Manne zuge¬ Grübeleien über daffelbe bei einer jungen, schwärmerisch ange¬ wendet hat. Aber, wer cs auch sein mag, hoffe! Was ftir legten Natur ein Schwanken des Gleichgewichtes der geistigen mich und meinen Mann gilt, gilt nicht in gleicher Weise für Dich! Du kannst dort glücklich werden noch zu jeder Zeit! und seelischen Kräfte'sehr wohl herbeigeführt werden konnte. Uns beiden, Koppen und mir, wird freiliefe zuvor erst eine Frau Anna erschrak. Sollten die Prüftmgen ihres Hauses Zeit des Kampfes kommen müssen, ehe die Glocken uns wieder noch weiter gehen? War es der letzten Erbin der Wardenberg bleichen

389 bestimmt, in geistiger Nacht z» enden? — Nein, das durfte nicht sein! Sie beschloß, die Kranke mit hingcbendster Liebe zu Pflegen.

Fra»," sprach der Knecht; „da sagen sic wohl, der „schwarze Tod" habe die Stadt Blumenthal einst wüst gemacht. Das ist schon recht! Aber warum ist denn der schwarze Tod gekommen? Ich will's Euch sagen: Das ist der »Ja,

Aber wo? — Sie selbst besaß ja keine Heimat

mehr!

Stille lag nun

Nur dann und wann ging

der Wald.

ein Rauschen durch das maienfrische Laub.

Ferne Glockentöne

!

!

„Blumenthal" dahin. Der Knecht Henning hatte inmitten desselben einen großen Granitstein entdeckt, der auch heut noch, nach mehr denn fünf Jahr¬ hallten

über

das Trümmerfeld

hunderten, im Walde Blumenthal liegt und, wie man sagt, Er war auf den¬ den Marktplatz der wüsten Stadt bezeichnet. selben hinaufgestiegen und wachte dort Recken

der,

gleich,

mit seiner Lanze,

einem

schlimmes Ende

Die Patrizierin winkte ihn zu sich. „Bleibe bei uns, Henning," sprach sie, „mir wird bange Angesichts dieser geheimnißvollen Trümmer." Ueberlcgen lächelte der Knecht. „Ja, das will'ich wohl

Frau!"

„Es

sagte er.

ein Haus

ließe sich vieles erzählen hier

von den grauen, moosüberwachsenen Steinen!" „Was weißt Du von ihnen?" fragte Frau „Erzähl' cs uns doch, bis der Herr wiederkehrt!"

Die Bürger waren von jeher üppig und stolz; denn der Boden hier herum trägt gut. Endlich fanden sie noch Gold in diesem Fließe. Ich weiß nicht, ob es von den alten Wenden kam, oder ob es ihnen der üble Teufel zur Lockspeise ausge¬ streut hatte. Nun war aber des Hochmuthes kein Ende mehr. Sie kleideten sich in Sammet und Seide und grüßten keinen, der nicht aus ihrem Orte war; sie arbeiteten nicht mehr und lebten in Saus und Braus; da mußte es denn wohl ein

Grund!

mit ihnen nehmen." Frau Anna seufzte: „Ja, Du hast Recht!" sprach sie. „Es thut dem Menschen nimmer gut, wenn er sich fiir etwas Siehst Du, Henning, so hat Besseres hält als die Andern. Gott auch uns gedemüthigt, und wenn wir erst wieder

starr und unbeweglich, eine Fürstengruft

behütet.

meinen,

sehet,

scheiden

haben, wir wollen dann fein leutselig und

be¬

sein!"

Anna.

(Fortsetzung folgt.)

öörnc in Berlin.

(Ein Jubiläumsblatt).

(Schluß.)

bereits aus der Mode gekommen; man drückte sich nur noch die

Am meisten wurde Börne aber von dem regen geistigen Mtd gesellschaftlichen Leben angezogen, welches damals in Berlin herrschte.

Hände.

In

Börnes erster Gang war natürlich zu seiner alten Liebe, Hen¬ riette Herz, gewesen, die er freilich inzwischen schon einmal wiedergesehen hatte. Die Freude war auf beiden Seiten eine gleich herz¬ liche, denn es war ja das Gefühl reinster Freundschaft, das jetzt in beider Gemüthern herrschte. „Die Herz", schreibt Börne, „ist jetzt 64 Jahre alt, aber die Spuren ihrer Schönheit erkennt man noch Sie lebt in beständiger Thätigkeit und benutzt die Viertel¬ stunden als wären es Tage Sie vollbringt ihre Arbeiten, als wären es Vergnügungen, und ihre Vergnügungen als wären es Geschäfte. Jeden Vormittag von 9—12 unterrichtet sic die Kinder armer, einst vermögender Eltern in allen lebenden Sprachen und zwar unentgeltlich. Sie thut dies schon seit 1813."

der Singakademie hielt unter anderem Alexander v. Humboldt Vorlesungen über physikalische Geographie, denen der ganze Hof, hunderte von Offizieren uitd die ganze gebildete Welt Berlins bei¬

wohnte — eine glanzvolle Versammlung. „Vor einem solchen Publikum möcht' ich auch lesen", ruft er staunend aus. Auch das gesellige Leben gefiel ihm außerordentlich. „Was ich in Frankfurt vom hiesigen schlechten Leben gehört habe", schreibt er, „habe ich durchaus falsch gefunden. Der Luxus hier beim Essen ist nicht so groß, als bei uns, das kommt aber daher, weil sie in Frankfurt nur selten Feste geben, hier aber jede Woche. Das Essen und der Wein" (Börne war ein Feinschmecker) „ist so gut, oft besser, als bei uns. Spargel und junge Erbsen, wie bei uns im Sommer, und alle möglichen Weine, ach! und Austern viermal so groß, als die Pariser!" Ueber die Gastgeber sagt er: „Es ist doch sonderbar, daß hier nur die Juden oder getaufte Juden Häuser machen, und die Christen fast gar nicht. Christliche reiche Kaufleute giebt es hier weniger, und die übrigen haben kein Geld!" Aber im Gesell¬

....

Die beiden gastfreiesten Familien, welche einen stets offenen Salon unterhielten, waren damals die Familien Varnhagcn und Mendelssohn. In beiden verkehrte Börne auf das eifrigste und traf daselbst mit der ganzen eleganten und gebildeten Welt zusammen. Rahel Varnhagen war seine frühere Mitarbeiterin an der „Waage"

schaftsleben selbst spielte die Confession nicht die geringste Rolle; das war es, was ihn gegen das engherzige, intolerante Frankfurt so angenehm berührte. „Der Hof, der höchste Adel scheute sich keinen

in ihrem nicht zu theilen vermochte, — war er doch ein Gegner Goethe's, — so waren der Berührungs¬ punkte, die er mit Rahel hatte, genug, um beide in engen freund¬ schaftlichen Beziehungen zu halten. Auch im Mendelsohn'schen Hause gefiel cs ihm ausnehmend. Die Pflege der Musik, der man sich gewesen, und wenn er auch die Goetheschwärmerei, wie sie

Hause vorzüglich gepflegt wurde,

Augenblick, die Soireen, die in jüdischen Häusern stattfanden, mit zu beehren. „In F. hat man keine Vorstellung davon, wie eine Prinzessin zwei enge Treppen zu einer getauften Jüdin, die keine 1000 Gulden Einkommen hat" (er spricht von Henriette Herz) „hinaufkriechen mag, um eine Taste Thee und ein seinem Besuch

In

all diesen hier widmete, sagte seinen Neigungen besonders zu. Kreisen und Gesellschaften wurde Börne geradezu gefeiert, stets wat¬

Stückchen Wurst zu verzehren." Damals galt aber noch in der Berliner Gesellschaft nichts anderes, als das persönliche Verdienst, es gab keinen andern Rangunterschied als den des Geistes und

Gemüth wurde selbst Namentlich die Schriftsteller „werden hier sehr gefüttert." Mancherlei gesellschaftliche Unterhal¬ tungen, die heute fast schon veraltet scheinen, waren damals ganz neu und belustigten Alles, so das Stellen von lebenden Charaden.

des

Herzens.

Reichthum

bei dem Untersten

an

Geist

und

willig anerkannt.

Den Damen die Hand zu küsten war, wie Börne berichtet, damals

....

!

j !

er von einem großen Schwann Verehrer umringt, die auf seine Worte mit Spannung und Begeisterung lauschten. Höchst interessant sind die Notizen und Urthcjle, die er über die Personen niederschrieb, mit denen er in Berührung kam. So sagt er u. A. von Eduard Gans: „Mein Freund G. läuft mit mir in den Kaffeehäusern, den Restaurants herum. Er ist ein Bonvivant lind bedauert nur, daß mit mir nicht viel zu machen sei. Alle hundert Schritt begegnet er einem Bekannten auf der Straße, dem er mich vorstellt, und diese Leute kennen mich alle, und der Aufsatz von der Sontag

SSO

Mal zur Sprache . . . . Ich liebe Gans wegen Stimme. Ein wunderlicher Kerl. Seine Lampe seiner lauten brennt beständig im Zimmer, ob er zwar Abends nicht zu Hause ist. Zuweilen zündet er die Schwefelhölzchen an und saugt dm Dampf ein. Ein großer Schwätzer, ich bin ein Diplomat gegen ihn. Er verschwendet viel und mag Wohl locker leben, übrigens viel Geist, und das anerkannt." Auch mit dem alten Zelter, diesem kommt bann jedes

originellsten Musiker, kam er zusammen. „Als ich bei Mendels¬ sohn," schreibt er einmal, „das Gespräch darauf brachte, ob es ein größeres Unglück sei, blind oder taub zu sein, bemerkte Zelter, bei der Taubheit habe man schon gleich den großen Vortheil, daß man nicht brauche in die Kirche zu gehen. Er scheint ein Original zu sein und erzählt die schönsten Anekdoten, sauber oder nicht, mag

will."

Wir

erfahren hier auch den Ursprung der Sie ein Lied singen wollen, fangen Sie sich's gefälligst allein an," die einmal Zelter von einem Berliner Schusterjungen zu hören bekam. Auch Börnes Mittheilungen über die Persönlichkeit Fouque's, Humboldt's u. a. sind von Werth und Interesse für die Kenntniß des damaligen Berlin. Börne's Zimmer wurde nicht leer von Besuchen. Bankiers, Literaturfreunde, Verleger machten ihm ihre Aufwartung, junge dabei sein wer

bekannten Berliner Redensart: „Wenn

Dichter wollten ihm mit aller Gewalt ihre Erstlingswerke vorlesen. Er hatte das Hotel de Rome verlassen und ein Zimmer nebst Cabinet auf der Friedrichstraße beim Buchhändler Logier gemiethet, wofür er monatlich 14 Thaler bezahlte, also einen noch den heutigen Vcrhältnisien angemessenen Preis. Doch auch hier war seines Bleibens nicht, das fortwährende Rauchen des stärksten Tabaks, das er sich angewöhnt hatte und das seiner Gesundheit sehr schädlich war, veranlaßte seine Wirthslcute, ihm das Zimmer zu kündigen. Börne wurde in Berlin mehrfach bestohlen, was ihm übrigens öfters begegnete, denn er war in Bezug auf seine Sachen und den Verschluß des Zimmers von unglaublicher Sorglosigkeit, und die häufigen mißlichen Erfahrungen konnten weder seine gute Laune beeinflussen, noch ihn bessern. So ist's denn kein Wunder, daß es ihm in Berlin, wo man ihn so feierte, außerordentlich gefiel, daß er Berlin mit Paris verglich, es ihm sogar in vielen Beziehungen voranstellte. Er sagte noch später oft: er begreife nicht, wie man Berlin langweilig nennen könne, nirgend herrsche ein so frisches Geistesleben, nirgend ein so straffer esprit cke corps, nirgend werde begabten jungen Schriftstellern von Anfang an mit so viel Freund¬ lichkeit begegnet, als daselbst. Das Theater besuchte er nicht zu häufig, noch am meisten die Opernvorstellungen. Sein damals schon weit vorgeschrittenes Gehörlciden beeinträchtigte ihm diesen Genuß, es erschwerte auch die Unterhaltung mit ihm. Von Spontini fühlte er sich trotz der Pracht, mit denen seine Werke gegeben wurden, abgestoßen, beffer gefiel ihm Rvssini's Musik, unauslöschlichen Eindruck aber machte Alceste von Gluck auf ihn. „Nie hat eine Musik größeren Eindruck auf mich gemacht", schrieb er, „selbst Mozart nicht." Von den damals

in Berlin wirkenden Künstlern gefiel ihm am Besten der Bassist Spitzeder, den er sehr rühmt. Von Seiten der Hofkreisc, wo man sich ebenfalls für Böme interessirte, wurde er vertraulich angefragt, ob er nicht geneigt sei, in Berlin eine Theaterzeitung herauszugeben, in der unter der Blume für die ministerielle Politik Propaganda gemacht werden solle. Nach seiner Weise lehnte Börne energisch ab. Von den Kunstsammlungen war er nicht sehr entzückt, das hohe Trinkgeld, das er in der Galerie der Ghpsabgüsse dem Diener geben mußte, fast 3 Gulden, ärgerte ihn, und noch mehr das dilettantenhafte Kunstsimpeln der meisten Damen vor den Bildwerken, dessen unsieiwilliger Zeuge er ward. Ein Kunstwerk, Pflegte er zu sagen, müsse man ganz still genießen. Auch das Berliner Vereinswesen, das damals freilich noch in den Windeln lag, imponirtc ihm nicht besonders, nicht einmal die Mittwochsgesellschaft, er fand cs dort ziemlich steif und langweilig, wenn er auch vorzog, dieselbe nicht mit solchen Bosheiten zu beehren wie Saphir, der nur von einer „Mittwochsgeselschaft" sprach. Eben so drollig erschien er sich in einer Gesellschaft, in der ausschließlich hochadlige Familien des Landes vertreten waren und die Namen von Bürger¬ lichen überhaupt nicht, nicht einmal im Gespräch, Erwähnung fanden. glücklich,

Im so

Ganzen fühlte er sich, wie gesagt, außerordentlich daß er sogar an die Freundin schrieb: „Ich

begreife nicht, warum ein Schlingel, wie ich es so gut hat

in

der

Welt." Aber ewig währt ja kein Glück und auch

Böme entschließen, dem

geschätzten

mußte

sich

schließlich

Berlin Adieu

zu sagen.

so

Am 30. April reiste er nach zehnwöchentlichem Aufenthalte ab. Rührend war namentlich der Abschied von seiner alten Freundin Henriette Herz. Beide ahnten, daß sie sich nicht mehr wiedersehen würden, und die Greisin reichte ihm, von Wehmuth überwältigt, die Wange zum Abschiedskusse. „Als ich vor 25 Jahren in Thränen zerflossen vor ihr stand, liebte ich sie und durfte nur ihre Hand küffen", bemerkt er bei der Schilderung des Abschieds. Diese Tage in Berlin gehörten zu den letzten angenehmen und ungetrübten, die Börne erlebte. Bald darauf ward sein körperlicher Zustand immer schlimmer, die Taubheit ward fast voll¬ ständig und ein furchtbarer Schmerz wich nicht aus seiner Brust. Die Politischen Gegensätze spitzten sich immer schärfer zu, die Zeiten wurden bewegter und in dem bald ausbrechenden Kampfe mußte Böme zu seinem Leidwesen oft genug seine reinen und edlen Ab¬ sichten und Ziele gerade von denen verkannt und verlästert sehen, für die er schrieb, und auf deren Unterstützung er am meisten ge¬ rechnet hatte. Bald ward es einsam um ihn und nur wenige der engsten Freunde blieben ihm treu. Wie oft mag er dann in seiner engen Pariser Klause, umrast vom Lärm der Großstadt und doch beinahe verlaffen, von Schmerzen gepeinigt, von den hämischen Angriffen der Gegner verletzt, zurückgedacht haben an die schönen und festlichen Tage an den gastlichen Ufern der Spree!

Conrad Sittenseld.

Zur Aufhebung der Wochenmürkte in Berlin. Bon vr. P. Die großen Wochenmärktc der inneren Stadt verschwinden von ihren Plätzen bei dem Anbruch der Jahreszeit, wo sie das belebteste und bunteste Bild zu bieten pflegten. Das warme Wetter sowohl, als die Erstlinge des Sommers an Gartenfrüchten und Blumen, in Frische und in ansehnlichen Vorräthen zur Schau gestellt, zogen dann zahlreichere Käufer noch als sonst herbei. Weniger für den an diesen Anblick gewöhnten Berliner, als für den Fremden gehörte das Treiben gewissermaßen zu den Sehens-

tvürdigkeiten der Residenz. Indessen war cs doch die höchste

würdigkeit ein Ende nimmt.

Zeit,

daß diese Sehens¬

Nicht bloß die genugsam bekannten

Clauswitz. Schattenseiten der Einrichtung, sondern mehr noch die veränderten Ansprüche der Großstadt auf Versorgung ihrer Einwohner forderten dringend die Aufhebung. Es handelte sich nämlich bei der Ein¬

führung des Markthallenshstems im letzten Ziele nicht dämm, daß man Käufer und Verkäufer vor dem Einfluß des Wetters schütze, die öffentlichen Plätze von Verkehrsstömngen frei mache — das sind Nebmvortheile, die dabei erreicht werdm — sondern um eine völlige Umgestaltung des Marktwesens überhaupt, auf welche das Anwachsen der Stadt unabweisbar hindrängte. Neben dem Moment, daß wir die Million in der Bevölkemngsziffer erreichten, neben Einrichtungen, wie die Stadtbahn, Tclephonshstem und elektrisches

391 Straßenlicht ist nichts so charakteristisch für die Umbildung Berlins zu einer wirklichen Großstadt, als dieser Systcmwechsel im Markt¬ verkehr. Die Berechtigung der letzteren Bemerkung wird vielleicht im Laufe des folgenden sich ergeben. Der letzte entscheidende Schritt für die Reform unseres MarktWesens

geschah

aus

eigener

Initiative

der Kommunalbehörden.

Sie wendeten sich hiermit einer Aufgabe wieder zu, welche in älterer Zeit recht eigentlich in de» Kreis ihrer Thätigkeit gehört hatte und mit großem Eifer von ihnen erfüllt war, der Fürsorge für den städtischen Markt. Nur dadurch, daß die Königliche oder die Staatsgewalt ihnen später die Marktpolizei entzog, ging dann für lange Zeit das Interesse verloren, bis es erst in den letzten Jahrzehnten wieder rege hervortrat. — Wochenmärkte, welche naturgemäß jüngeren Ursprungs sind als die Jahrmärkte, waren

in Berlin nachweisbar int 14. Jahrhundert bereits eingebürgert. Den Verkehr derselben leitete der städtische Rath durch eine Reihe sehr energisch in Kraft erhaltener Maßregeln, die ein doppeltes Ziel im Auge hatten: einmal, dem Bürger unter thunlichster Aus¬ schließung des Zwischenhandels den direkten Kauf vom Produzenten Verwerthung ihrer Erzeugnisie möglichst zu drücken und auszubeuten. Das letztere geschah, indem man durch Beseitigung aller Konkurrenz den Landmann zu billigem Verkauf zu zwingen suchte. Zu den einschnei¬ dendsten dieser Maßregeln gehörte unter anderem, daß jeglicher Handel auf dem platten Lande verboten war. Niemand durfte in den Dörfern hausiren, weder kaufend, noch verkaufend, sondern die Bauern sollten alles, was sie feil zu bieten hatten, selbst nach der Stadt bringen, um sich dort die Preise machen zu lasten, sogar nur nach der ihnen am nächsten gelegenen Stadt, damit auch hierin einer möglichen Konkurrenz vorgebeugt würde. Auf dem Markte nun selbst beschränkte man den Einkauf der Händler und Wieder¬ verkäufer auf die letzten Stunden des Marktes. Erst sollten die Bürger ihren Hausbedarf gedeckt haben. Willkürlich schob man dabei die Stunde des freien Verkaufes hinaus und ließ die Bauern in Regen und Unwetter warten, um sie zu billiger Abgabe geneigt zu machen. Ferner war alles Ueberbieten eines Käufers durch den anderen streng untersagt. Kein Verkäufer durfte mit zwei

selbst zu sichem, und zweitens die Landleute bei der

Personen zugleich handeln.

Es ist der rücksichtslose Egoismus der alten Stadtwirthschaft, der hier zu Tage tritt. Und je tüchtigere Männer an der Spitze der städtischen Obrigkeit standen, desto eifriger waren sie in der Befolgung jener für das Marktwesen als nothwendig anerkannten Maßregeln. Um die ganze Wichtigkeit der letzteren für das städtische Leben richtig zu würdigen, muß man bedenken, daß auf den damaligen Wochenmärkten eine Anzahl der unentbehrlichsten Landes¬ produkte ihren Platz hatten, die heute bei uns in Berlin längst von denselben ausgesondert sind, vor allem Korn, Wolle, Flachs, Hopfen und Wachs. Selbstverständlich suchte das platte Land mehr und mehr gegen diese systematische Ausbeutung sich zu wehren. Bei der geringen Entfernung der Landesgrenze wurden z. B. die wichtigste» Pro¬ dukte von den Landleuten in das Ausland geführt und hierdurch Konkurrenz und bessere Preise geschaffen. Auf diese Weise gewann die Wochenmarktsstage, die Frage der zwangsweisen Durchführung der städtischen Anmaßung, eine hohe politische Bedeutung. Beide Theile, die Städte sowohl als das Land, bemühten sich, den Landesherrn für ihre Wünsche auf ihre Seite zu bringm, wozu sich die Gelegenheit günstig bot, wenn derselbe sie um Geldbewilligung

Auf allen Landtagm im 16. und 17. Jahrhundert in erster Linie auf der Tagesordnung und erbitterten Streit der beiden Parteien. Der Kampf um verursachte angehen mußte.

stand die Marktfrage

die Wochenmarktsgesetzgebung ward zum Kampfe um das handels¬ politische System des Landes. Die kurfürstliche Regierung gab

dabei keiner Seite entschieden den Vorzug.

Sie hielt im allgemeinen

an dem Grundsätze fest, daß alle Erzeugniste in der

Stadt

zu

Markt

gebracht werden sollen, gestattete aber andererseits den adligen Gütern das Vorrecht, wenigstens ihre eigenen Erzeugnisse nach freiem Ennessen, zeitweise sogar außer Landes veräußern zu dürfen. Die sie von dem Zwange, die nächstbelegene

Bauern erlangten, daß

Stadt

austuchcn zu müssen, befreit wurden.

In

der Folgezeit, im 17. und 18. Jahrhundert regelte sich dann der Handel mit den hauptsächlichsten ländlichen Erzeugnissen, wie Korn, Wolle, Flachs u. s. w., in anderer Weise. Diese Pro¬ dukte konzentrirten sich zwar von selbst nach den sondere

nach

Berlin,

lösten sich

Städten, insbe¬

aber mehr und mehr von den

Wochenmärktcn los. Ein eigener Wollmarkt in Berlin wird schon gegen 1720 erwähnt. Die den Wochcnmarkt berührende Frage verliert dadurch ihre allgemeine politische Bedeutung und die Vor¬ schriften für diese Märkte richten ihre Spitze hauptsächlich nur noch gegen die Bceinwächtigung des Bürgers durch Aufkäufen von Lebensmitteln und Hausbedarf seitens der Händler, gegen die sogenannte Vorkaufcrei. Die Wvchenmarktsordnung des Raths zu Berlin von 1688, überhaupt die älteste aus unserer Stadt erhaltene, enthält in dieser Richtung ausführliche Bestimmungen, aus denen unter anderem hervorgeht, daß die Aufkäufer bei Nacht sich über die Spree setzen ließen, um in aller Frühe schon vor den Thoren die Bauern abfangen zu können. Die Strafe für den Vorkauf war sehr hoch bemessen, 10 Thaler neben Konfiskation

der Waare.

uns bekannte Marktordnung des Magistrats ist Es iuurbc bald nachher, wie bereits angedeutet, mit der Ortspolizei überhaupt auch die Marktpolizei der städtischen Obrigkeit entzogen und beson¬ deren von der Stadt unabhängigen königlichen Beamten unterstellt. Die königliche Polizei übernahm die ganze Fürsorge für das Ber¬ Diese

zugleich

erste

auch

die letzte, welche derselbe erlassen hat.

liner Marktwescn. Die zahlreichen Verordnungen, welche sie iin Laufe des vorigen Jahrhunderts erließ, wurzeln aber auch in dem alten Grundsätze, daß man der Bürgerschaft billige Lebensmittel sichern müsse vor allein durch Einschränkung der Hökerci und des Zwischenhandels in und außerhalb der Stadt. Ein Radius von 4 Meilen beschrieb den Bezirk um Berlin, innerhalb dessen die Höker nichts von: Lande einholen durften. Am lehrreichsten für jene Verhältnisse sind die Polizeiinstruktion und die Hökcrordnung für Berlin von 1742. Außer den ältern hergebrachten traten ganz neue Schutzmaßregeln gegen das Hökerwesen hinzu. Die Land¬ wagen sollten nicht in die Gasthöfe einkehren, weil die Händler sic dort festhalten ivürden. Man lähmte ferner das Geschäft der Letzteren dadurch, daß sie nur metzen- und pfundweise, nur nach Groschen und Pfennigen verkaufen durften. Auch keinem Bürger erlaubte man über 12 Scheffel Erbsen jährlich einzukaufen — seinen muthmaßlichen Bedarf — damit er nicht zum Wiedcrverkäufer werde.

Es ist natürlich, daß sehr bald mit der Zunahme der Be¬ völkerung die Versorgung der Stadt ohne Zwischenhandel wohl kaum noch möglich war. Die Klagen über diesen gingen indessen nicht aus und jede eintretende Vertheuerung ließ sich ihm am bequemsten zur Last legen. So blieb dmn die Polizeivcrordnung von 1742 gültig bis in das 19. Jahrhundert und wurde innner wieder von Zeit zu Zeit in Erinnerung gebracht. Mit Einführung der Gewerbesteiheit erst kamen dann derartige Beschränkungen von selbst in Fortfall. Besondere gesetzliche Regelung fand dann der Wochenmarktverkehr durch die Gewerbeordnung von 1845, insofern

generell bestimmt wurde, was denn eigentlich Gegenstand des Verkaufs auf dem Wochenmarkte sein dürfe. Indem nian den Kreis dieser Dinge einschränkte auf Naturerzeugnisse, Fabrikate der 'Art, Land- und Forstwirthschaft und frische Lebensmittel aller fielen die Handwerkerwaaren endgültig aus, eine wesentliche Aen¬ derung gegen die bisherige Gewohnheit, nach welcher die Hand-

392 werkerstände stets in nicht geringer Zahl vertreten waren, um von dem Zuströmen der Landbevölkerung Vortheil zu ziehen.

aufhören zu laffen. Es ergab sich ferner im Laufe der dainaligen Verhandlungen der wichtige Gesichtspunkt — und hierfür traten besonders Magistrat und Stadtverordnete energisch ein — daß keinesfalls die öffentlichen Plätze zum Bau von Hallen benutzt werden dürften. Den Fortgang der, nun auch von der städtischen Verwaltung lebhaft aufgenommenen Markthallenfrage beeinflußte wesentlich der Umstand, daß zwei nicht konzentrische Behörden hierbei zusammenwirken mußten, die staatliche Ortspolizei und die Kommunalbchörde, wobei der Schwerpunkt der Entscheidung bei der ersteren lag. Eine sehr gründliche Behandlung der Sache entsprang hieraus, ebenso aber auch die Schwierigkeit, thatsächlich etwas ins Werk zu setzen. So zerschlug sich denn auch — man kann, wie die

Entgegen den Grundsätzen der Gewerbefrciheit und eigentlich Stadt machte sich in der Eintvohncrschaft Berlins immer noch wieder die Ansicht geltend, daß es Pflicht der Polizei sei, für einen billigen Lebensmittelmarkt

auch in Verkennung des Bedürfnisses der

zu sorgen, zunächst durch Schutzmaßregeln gegen das Einkäufen der

Da die Gewerbeordnung von 1845 eine Thür Maßregeln offen ließ, so kam es unter dem Druck der Nothjahre 1846 und 1847 dazu, daß auf besonderen Antrag der Stadtverordneten das alte Vorkaufsverbot wieder hervorgcsucht und durch Polizeiverordnung vom 29. April 1847 zunächst den Händlern nnr die beiden letzten Marktstunden zu ihren Einkäufen freigelassen wurden. In der am 9. Februar 1848 erfolgenden Wochenmarkts¬ ordnung für Berlin fehlte zwar wieder diese Beschränkung der Marktfreiheit, sie enthielt aber unter dem Titel „Vorkauf" die Bestimmung, daß Niemand vor den Thoren Wochenmarktswaaren einhandeln dürfe, und daß die Verkäufer von Kartoffeln während der Dauer des Marktes den Preis nicht erhöhen sollten, bei Strafe der Fvrtwcisung vom Markte. Die sehr ausführliche Wochenmarktordnung ist formell bis auf den heutigen Tag gültig, obwohl sie, wie schon die eben angeführten Stellen beweisen, größtentheils veraltet und nicht mehr anwendbar erscheint. Für den 'Verkehr in den Markthallen wird sie von selbst hinfällig und durch die Markthallenordnung ersetzt. Schon bald nach Erlaß der Wvchenmarktordnung mußten indessen die Klagen über die Beeinträchtigung der kaufenden Bürger durch die Wicderverkäufer aus einem anderen Grunde ver¬ stumme». Durch das Anwachsen der Stadt und die mit den Eisen¬ bahnen gebrachte Zufuhr geschah es ganz von selbst, daß die produzirenden Landleutc der Umgegend auf dem Wochcnmarkte mehr und mehr einen immer kleineren Bruchtheil bildeten, bis sie schlie߬ lich fast ganz verschwanden. Man kaufte auf dem Markte fast ausnahmslos von Hökern und Händlern. Und nachdem dieser Wechsel endlich sich vollzogen hatte, konnte nun auch der Plan in Betracht gezogen werden und auf Verwirklichung rechnen, die öffentlichen Plätze vom Wochenmarktverkehr zu befreien und den¬ selben in geschlossene Hallen mit vermiethbaren Ständen zu ver¬ legen. Denn bei einer solchen Einrichtung war für den Landmann, der seine eigenen Erzeugnisse feilbietet, keine Stelle mehr. Schon seit Ansang der 50 er Jahre wurden Unternehmer bei dem Polizei-Präsidium mit hierauf bezüglichen Projekten vorstellig, die sich aber als unausführbar erwiesen. 1864 trat dann die

Zwischenhändler. zu solchen

Sache heut liegt, sagen glücklicherweise — das nächste, sehr gro߬ artig projektirte Unternehmen und zwar eigentlich im letzten Augen¬ blicke

sich

gesellschaft.

Man

anheischige

elf

Markthallen

Bauauf

war, die Polizei die Aus¬

hebung der Märkte bereits zugesagt. Allein gerade damals ging ein

Polizei vor sich. Der neue Präsident, Herr von Madai, welcher an Stelle des Herrn von Wurmb trat, wollte der Zusage seines Vorgängers nicht beipflichten. Als leitender Gesichtspunkt galt hierbei, daß man die Marktstätten für den Ver¬ kauf der nothtvendigsten Lebensbedürfnisse nicht einer privaten Erwcrbsgesellschaft überweisen dürfe, welche den Verkehr vermuthlich zum Gewinn einer Dividende ausbeute. Markthallen, unter Sperrung der öffentlichen Märkte, könnten vielniehr nur von der Kommune selbst gebaut werden, die keinen Gewinn aus der Einrichtung zu ziehen beabsichtige. Die zuständigen Ministerien schlossen sich dieser

Wechsel im Präsidium bei der

i

Auffassung an, und

so

mußte die Deutsche Baugesellschaft, ungeachet Bau der Markt¬

des erworbenen großen Grundbesitzes, von dem

den benutzten

>

j

:

hallen Abstand nehmen. Es währte nicht lange, so machten Magistrat und Stadt¬ verordnete die eben ausgeführten Grundsätze des Polizeipräsidiums Man hielt daran fest, daß nur die vollständig zu. den ihrigen. Stadt selbst die neuen Anstalten für die Lebensmittelversorgung herzustellen habe. Die Ausführung mußte aber zunächst noch verschoben werden, weil andere Arbeiten, Kanalisation, Wasser¬ werke re. die städtischen Mittel zu hoch in Anspruch nahmen. Als dann jedoch 1880 der Bau der Stadtbahn der Vollendung ent¬ gegen ging und die Möglichkeit sich darbot, die Eisenbahn un¬ mittelbar dem Marktvcrkehr nutzbar zu machen, beschloß die städtische Verwaltung die Frage der Reorganisation des Marktverkehrs nicht Der weitere Verlauf der Angelegenheit, inehr hinauszuschieben. die eingehenden Verhandlungen mit der Staats-Eisenbahnverwal¬ tung, die Arbeiten in den städtischen Deputationen, die Schwierig¬ keiten der Grunderwerbung, die Auseinandersetzung mit der Polizei, die Hindemiffe in der Bauausftihrung re. müssen hier übergangen werden.

Wir

uns auf die Anführung der Thatsache, in der neuen Friedrichstraße, der Lindenstraße,

beschränken

daß die vier Hallen

der Zimmerstraße, der Dorotheenstraße dem Verkehr eröffnet sind, daß 8 Wochenmärkte und zwar die auf dem Alexandcrplatze, dem dem Dönhofsplatze, dem Gensdarmenmarkte, dem Belleallianceplatze, am Potsdamer Thore, in der Karlstraße und in der Oranienburgerstraße für immer ihr Ende erreichen. Die Fortentwicklung unserer Wochcnmärkte hatte seit geraumer

neuen Markte,

sei, nicht einzelne

öffentliche Märkte, sondern gleich einen ganzen Kreis von solchen

sich

gegeben, endlich, was das Hauptersordcrniß

überzeugte sich bei diesem gescheiterten Versuche, daß es

für das Bestehen von Markthallen nothwendig

machte

und gleichzeitig zu eröffnen unter der Bedingung, daß ebenmäßig die offenen Märkte sämmtlich aufgehoben würden. Die großen und kostspieligen Bauplätze an geeigneten Punkten der Stadt hatte die Gesellschaft erworben, die Kommunalbehördcn ihre volle Zustimmung

voraussetzen, daß sie einen möglichst hohen Nutzen aus der Anlage zu ziehen gedachte. Ob die Uebcrlaffung des Marktes an eine solche Gesellschaft nicht in Widersprüche mit der Gewerbeordnung gerathen

für

Sie

besonderen Baustellen, nicht auf öffentlichen Plätzen, zu errichten

Karlsstraße hervor. Sic erhielt die Konzession zum Bau, und am !. Oktober 1867 konnte die Markthalle wirklich eröffnet werden. Von der Unternehmerin, einer Erwerbsgesellschaft, mußte man wohl

Naum zulassen und so die Erzielung eines Gewinnes wohl aus¬ schließen wollte, daS ist damals nicht in Frage gekommen. Denn bereits nach halbjährigem Bestehen wurde die Halle geschlossen, weil Käufer und Verkäufer fortblieben. Es geschah dies Ausbleiben, trotzdem daß die Polizei die in der Nähe bclegenen beiden öffent¬ lichen Märkte aufhob. Die Jmmobiliengesellschaft hat dann später nach 1873, bis dahin immer noch vergeblich einen günstigen Zeitpunkl für die Wiedereröffnung der Halle abwartend, dieselbe in einen Cirkus umgewandelt.

nämlich wieder eine Aktiengesellschaft, welche die Umgestaltung

des Marktwcsens in die Hand nehmen wollte, die Deutsche

Berliner Immobilien - Aktiengesellschaft mit einem annehmbaren Plane zur Errichtung einer Halle zwischen Schiffbauerdamm und

könnte, welche Marktabgaben nur als Vergütung

vor der Verwirklichung. den ersten 70 er Jahren, in der Eründungsperiode, fand

In

j !

393

Zeit

schon durchaus nicht gleichen Schritt gehalten mit der Vermehrung der Bevölkerung. Seit der Zählung van 1875 bis Ende 1885 nahm die Bevölkerung zu um mehr, als 34 Prozent. Faßt man dagegen die Anzahl der Verkaufsständc von sämmtlichen Märkten zusammen, so wird man finden, daß diese in derselben Zeit sich nur etwa um 18 Prozent vermehrten. Hinsichtlich der Frequenz der Käufer giebt es keine statistischen Angaben, man kann aber folgende Betrachtung machen. Für den Markt des Belle¬ allianceplatzes wurden die Käufer hauptsächlich von der südlich des Halleschen Thores belegenen, sehr volkreichen Tempelhofer Vorstadt gestellt, aber auch aus den umliegenden Straßen diesseits des Kanals. Wenn nun auch ein Theil dieser Einwohnerschaft weiter gehtj, den Dönhofsplatz u. s. w. aussucht, so bleiben jedenfalls immer weit über 20 000 Haushaltungen, die für den Bellealliance¬

mehr zurück, und die zahlreichen Läden und Verkaufsstellen von Marktwaaren in allen Straßen nahmen in gleichem Maße zu. Was aber der Markt in dieser Hinsicht verlor, gewann er auf einer anderen Seite. Er ist seit längerer Zeit schon die Stätte des Großhandels, des Verkehrs zwischen Großhändler und Wicderverkäufer geworden, obwohl die Einrichtungen dazu wenig geeignet

Und dieser Großhandel der Wochenmärkte wuchs wie der Kleinhandel im Verschwinden begriffen war. Wer nun also die Aufhebung der öffentlichen Märkte plante, der mußte vor Allem bedacht sein, dem zunehmenden Großhandel eine Stelle, und zwar eine zweckmäßigere, zu schaffen. Dieses Moment fand denn auch bei der Neugestaltung des Marktwesens seine gebührende Berücksichtigung. Der Einkauf der Haushaltungen bei dem Produzenten selbst ist längst zur Unmög-

sich

erwiesen.

ebenso stetig,

WWkr-Mtz

Die Ztadtvoigtrr von der Mscherbrückr aus gesehn. Originalzeichnung für den Bär von W. Geißler.

lichkeit in der Residenz geworden. Um billige Lebensmittel und stabile Preise zu erzielen, gilt es in erster Linie, den Großhandel zu erleichtern, indein man die Zufuhr aus weiten Entkernungen heranzuziehen sucht und ihm die schnelle Abnahme ermöglicht. Hierdurch vor allem wird es erreichbar sein, die Zahl der Zwischen¬

platz in Rechnung kommen. Würden alle diese Haushaltungen ihren Bedarf an Fleisch, Gemüse, Eiern, Butter, Fischen u. s. w.

auf diesem Markte einkaufen, dann müßte hier der Verkehr an den Markttagen in ganz anderem Maßstabe stattfinden, als es jetzt — bei aller Frequenz — thatsächlich der Fall war. Und ähnlich lag das Verhältniß auch für die anderen Marktplätze. Was kann man aus allen diesen Umständen schließen? Jeden¬ falls wenigstens, daß eine sehr große Zahl von Haushaltungen dem Wochenmarkte — aus welchen Beweggründen, bleibt hier unerörtert — keine Beachtung schenkte, sondern die Entnahme der Bedürfniffe lediglich aus den Verkaufsläden vorzog. Das ist nun eine Erfahrung, die man auch ohne Hülfe der Statistik im täg¬ lichen Leben bestätigt finden konnte. Thatsächlich ging die Bedeu¬ tung des öffentlichen Marktes für den Einzeleinkauf mehr und

hände, welche die Waare vertheuern, einzuschränken. Die unmittel¬ bare Verbindung der Eisenbahn mit der Centralmarkthalle und die

Organisation, nach welcher der auswärtige Produzent in direkte Verbindung mit der Markthallenverwaltung treten kann, bilden j

j

j

hierbei die hauptsächlichsten Hebel. dem eben Angedeuteten liegt das eigentliche Ziel der Anläge und zugleich der charakteristische Gegensatz wirklich großstädtischer Verhältnisse gegen die ftüheren kleinstädtischen. Während man noch vor wenigen Jahrzehnten den Händler und Wiedervcr-

In

394 iäufcr als den Verderber des Marktes ansah, ihn von dort

zu

verdrängen suchte, wurden jetzt Einrichtungen geschaffen, um ihnen Vorschub zu leisten. Es war ein Grundsatz der alten Stadtwirthschast, von dem Lebensmittelmarkt nicht einträgliche Abgaben zu erheben. Man Wollte keine Einnahmequelle aus demselben machen. In der frühesten Zeit war bei den Berliner Wochenmärkten noch nicht ein¬

mal das sogenannte Standgeld für den beanspruchten Raum üblich. Man nahm zuerst nur von einigen wenigen Artikeln eine geringe Handelsabgabe, unter dem Namen Martinizins. Erst als etwa im 17. Jahrhundert das Hökerwesen hervortrat, erschien es gerechtfertigt, diese zu einem regelmäßigen Marktgelde heran¬ zuziehen, da ja die auf den Wochenmärkten feil bietenden Handwerker ihren Budenzins zahlen mußten. Der Verkehr der Dies Stättegeld der Höker Landleute aber blieb frei. Standgeld, war auch eigentlich kein sondern eine viertel¬ Die Einnahme figurirte in jährlich eingeforderte Handelsabgabe. städtischen „Krautbüchse", „Fischer¬ dem Etat unter der Bezeichnung büchse", „Kirschenbüchse" u. s. w. Später, mit der Mitte des 18. Jahrhunderts etwa, tritt der gemeinsame Titel Hökerzins ein, und der Marktmeister erscheint als Pächter desselben, womit die Abgabe den Charakter eines Standgeldes von dem benutzten Raum gewinnt. In diesem Sinne ist sie denn auch nach Einführung der Städtcordnung angesehen und das Recht auf die Forterhebung der Stadt nicht streitig gemacht worden. Die Landbewohner, die ihre Erzeugnisse zu Markte brachten, blieben aber nach, wie vor von der Entrichtung befreit. Das Stättegeld aus der ganzen Stadt, zuletzt für 90 000 Mark verpachtet, beträgt für den lausenden Meter 4 Pfennig. In den Hallen fällt es selbstverständlich fort, dort tritt an Stelle deffen die Platzmiethe. Sie beläuft sich auf durchschnittlich 50 Pfennig für den Quadratmeter täglich, so daß ein Schlächterstand z. B. ungefähr 900 Mark jährlich kosten mag. Dies erscheint auf den ersten Blick als eine bedeutende Erhöhung Erwägt man aber die gegen die Sätze des alten Standgeldes. Unkosten für das Aufschlagen der Bude» auf den offenen Märkten, besonders aber, daß die Verkaufsstelle in der Halle, gleich einem Laden fast den ganzen Tag benutzbar ist und die unverkauften Waaren an Ort und Stelle bleiben können, so gewinnt das Ver¬

hältniß ein anderes Ansehen. Keinesfalls liegt darin eine Belastung mit hohen Abgaben. Gerade der Umstand, daß auch des Nach¬ mittags und Abends die Hallen geöffnet sind, wird den Einzel¬ einkauf der Haushaltungen, die sich dem Markte bereits allmählich entwöhnt haben, wieder beleben.

Der Zeitpunkt der Eröffnung ist für die Beurtheilung der Wirkung auf die Preisverhältnisse nicht gerade günstig. Augen¬ blicklich stehen die Preise für fast alle Lebensmittel ziemlich mäßig. Sollte eine Erhöhung in der Folge aus irgend einem Grunde eintteten, so wird es nicht an Leuten fehlen, welche den Markthallen die Schuld beimessen, obwohl das Steigen, wie Sinken der Lebensmittelpreise mit ganz anderen Ursachen im Zusammenhange zu stehen pflegen.

Die öffentlichen Plätze, welchen jetzt der Wochenmarkt entzogen wird, dienen demselben mit wenigen Ausnahmen noch nicht lange. Im alten Berlin und Köln konzcntrirte sich dieser Verkehr um die Petrikirche, die Nikolaikirchc und die Marienkirche. Alle umliegenden Straßen und Plätze wurden mit in Anspruch genommen. Die alten Wochcnmärkte gebrauchten bei der Menge von Landwagen mit Korn, Wolle u. s. w., bei dem Umstande, daß jede Haus¬ haltung auf den Markt angewiesen war, einen verhältnißmäßig großen Raum. Später, wie Angaben aus dem 17. Jahrhundert lehren, ließ man die Kirchhöfe frei und breitete sich dafür noch weiter in den Sttaßen aus. Die Vorstädte erhielten ungefähr zu Ende des 17. und zu Anfang des 18. Jahrhundetts ihre eigenen Wochenmärkte. Solche waren z. B. auf dem Werderschen Markt, bei der Dorotheenstädtischen Kirche, Unter den Linden, am Bran¬ denburger Thor, in der Wilhelmsstraße, bei der Jerusalemer Kirche, auf dem Haakschen Markte.

Von den jetzt aufgehobenen Märkten bestand der des Neuen Marktes wohl schon im 14. Jahrhundert, auf dem Bellealliance¬ platz wurde bereits 1723 Kornmarkt abgehalten, der des Gensdarmenplatzes verdankt seine Einrichtung einer Kabinetsordre von 1728, der des Dönhofsplatzes einer solchen von 1815, den Alexander¬ platz bestimmte dazu eine Regierungsverordnung von 1820, die

Oranienburger Straße eine Verfügung des Polizeipräsidiums von 1823 und endlich den Leipziger Platz eine Verfügung derselben Behörde von 1847.

Ocr Grundstein des ehemaligen Ilttienspcichers. Beim Abbruch des ehemaligen Aktienspeichers aus dem Grundstück Kleine Präsidentenstraße 7, welcher im Jahre 1836 erbaut worden ist, fanden sich ine Grundstein folgende Schriftstücke und Drucksachen vor: 1. Ein historischer Bericht der Direktion der Speicher-Aktien¬ gesellschaft vom 29. Juni 1836, kalligraphirt, mit der Uebcrschrift: „Es ist beschloßen, nach dem Gebrauch unserer Vorfahren diesen Grundstein zu legen und in denselben einige Nach¬ richten, sowohl über die Veranlassung zur Ausführung des hierauf aufgeführten Speicherbaucs, als auch über den gegen-

wärtigen Zustand der Stadt Berlin für unsere Nachkommen einzulegen." Diesem Bericht entnehmen wir folgende heute intcreffantc Daten: Vor 1824 bestand in Berlin keine bedeu¬ tende Speicheranstalt. Im Jahre 1824 erwarb ein unter dem Namen „Jnsel-Aktien-Gesellschaft" zusammengettetener Verein von Kaufleuten die sogenannte Insel an der Fischerbrücke und erbaute darauf einen Speicher von bedeutendein Umfang, wo¬ durch indeß iiur dein Bedürfniß nach einer Lagerungsanstalt für Waaren für die Gegend oberhalb der Schleuse abgeholseii war. Dieser Speicher soll nun für die Bedttrfiiiffe der unteren Stadttheile errichtet werden uiid ist dazu das Grundstück Kleine Präsidentenstraße 7 neben der Herkulcsbrücke ge¬ kauft worden. Tie zweistöckigen Häuser an der Srraße, sowie

alle Nebengebäude wurden abgcttagen und neue Gebäude „mit hohen Etagen" aufgeführt. Das Grundstück war Ende des 17. und Anfang 18. Jahrhunderts ein Ravelin der Festungswerke, 1749 stand darauf eine Windmühle, in dem¬ selben Jahre hatte es der Kattunsabrikant Simon gegen ein Air das Grundstück in der Splittgerbcrgasse eingetauscht. Grundstück grenzte die vormalige Meierei der Königin Sophie, jetzt Lustschloß Monbijou. Es wird dann der Segen des

Jahre bestehenden Friedens betont; „Preußens Militärverfaffung, die Gesetzgebung für die Kultur des Landes, die Städteordnung von 1808, die Verbefferungen im Schul¬ wesen, der durch Preußen gestiftete Zollvcrband in Deutsch¬ land sind Glanzpunkte der Regierung des geliebten Monarchen. Die vielen Werke der Baukunst in der Stadt sind großarttg. schon 20

Vor dein

Halleschen

Thor erhebt

sich

zu Ehren des Heeres

ein schönes Denkmal; die Schloßbrücke, die Kirche aus dem Friedrichswerder, der neue Packhof, die Bauschule, die vergrö¬ ßerte Charite sind die vorzüglichsten Schöpfungen unserer Zeit.

Der Lustgarten ist wieder als ein solcher hergestellt und mit einem Springbrunnen verziert, der Thiergarten gewinnt seit der vor zwei Jahren begonnenen Umgestaltung täglich an Außerhalb der Ringmauern hat der ftomme König 4 neue schöne Kirchen (am Gesundbrunnen, auf dem Verschönerungen.

395 Wedding, in Moabil, in der Roscnthalcr Vorstadt) aufführen und 1835 eröffnen laffen. Die Bürgerschaft hat durch die Stadtverordneten auf Grund der Städte-Ordnung eine kräftige Einwirkung auf die Communal-Verwaltung. Viel ist für die Verbesserung der Schulen geschehen, ein Realgymnasium, eine Gewerbeschule, 2 höhere Bürgerschulen uitd 8 Elementarschulen sind etablirt, 7 neue Schulen erbaut und die 3 städtischen Gymnasien theils durch Neubauten, theils durch neu acquirirte Grundstücke verbessert, weitere Bauten sind int Gange. Von der durch die Kricgszeit und durch die Maßregeln gegen die Cholera entstandenen Schuldenlast von mehreren Millionen sind bisher nur die rückständigen Zinsen bezahlt, und jetzt erst hat die Schuldentilgung durch Ausfertigung von Stadtobligationen

Die Hauseigenthümer zahlen 3 ‘A % des Mietv¬ ertrages als Haussteuer, die Miether 673% Miethssteuer.

begonnen.

.

Jndirecte Steuern werden gezahlt vom Getreide und von Präparaten desselben, sowie vom Vieh, Fleisch re. Der PolizeiPräsident heißt Gerlach. Die Kaufmannschaft bildete bis zum Jahre 1820 zwei Gilden, durch Statut vom 2. März 1820 1817 ist unter dem ist sie in eine Corporation vereint. „Friedrich-Wilhelms-Stadt" ein neuer Stadttheil ent¬ Namen standen, deren Straßen nach den kürzlich entschlafenen Mit¬ gliedern des Königl. Hauses: Louisen-, Carls-, Albrechts-, Marien-Straße benannt sind. Im Bau befindet sich das Palais des Prinzen Wilhelm (jetzt Kaiser), im Umbau die Universität und das neue Thor. Für die Bequemlichkeit der Fußgäitger wird seit einigen Jahren durch Einlegung von Granitplatten auf den Bürgersteigen Sorge getragen, wozu jeder Eigenthümer eine Beihülfe von 24 Silbergroschen für den lausenden Fuß (3" breit) erhält. Die Einwohnerzahl ist noch sehr bedeutend im Zunehmen begriffen; man zählte 1809 Unterschrieben 168 000 Seelen und jetzt circa 250 000." haben diesen Bericht: Joseph Mendelsohn, Carl Wilh. Jacob Schultze, A. H. Neo, W. Brose, Keibel, Hitzig, F. G. v. Halle, Marchand (als Syndikus), W. Langerhans (als Baumeister).

Ein Situationsplan des Grundstücks. 3. Ein Verzeichniß der Actionäre der Speicher-Gesellschaft (38). 4. Ein Getreide-Preis-Courant vom 24. Juni 1836 (Weitzen kostet 36 bis 40 Thaler, Roggeit 24 bis 26, Erbseit 32, Gerste 22, Malz 17, Hafer 17 bis 19). 2.

-

,

Ein Waaren -Preis-Courant desselben Tages (Butter 17 bis 8 Thaler, Reis 10 bis 24 Thaler pro Centner, Honig 12 Thaler, Spiritus 15 bis 16 Thaler pro Centner, Stärke 7 bis 7>/z Thaler, Zucker 30>/, Thaler). 6. Ein Courszcttcl der Fondsbörse voin 25. 6. 1836 (4%ige Staatsschuldscheinc 102, 4%ige Berl. Stadt-Oblig. 102>/4 , 4%tge Pfandbriefe 1027,, 3>/s %ige Kur- u. Neu - Mark. Pfandbriefe 98>/,„ 4%ige Schlesische Pfandbriefe 105. Der Discont betrug 4 ■/,>%). Von dem Courszettel wird auf einer Nachschrift gesagt: „Dieser Hertel'sche Coursbericht ist seit dem 1. Januar 1817 hier eingeführt, zahlreiche Exemplare werden täglich in der Obst'schen Druckerei im Börsenhause gedruckt und sowohl in der Stadt ausgegeben, wie in In- u. Ausland verschickt." Das Gvldagio betrug 13 7, bis 18>/, %. 7. Eine Angabe der Tagclohn-Sätze (Maurer- oder Zimmergcscll 20 Sgr. pro Tag, Tagelöhner 10 Sgr.). 8. Eine Liste der Getreide- und Fleisch-Steuer-Sätze (Weitzen 10 Sgr. pro Centner, Roggen 2'/, Sgr., Stärke, Gries,

5.

7bis

Graupe 20 Sgr., Weitzenbackwaaren 10 Sgr., Roggcnbackwaaren 2 >7, Weitzcnmehl 13 */3 Sgr., Roggenmehl 3>/, Sgr., ein Ochse 27, Thaler, eine Kuh oder Ferse 17, Thaler, ein Kalb >/, Thaler, ein Schwein ■/„ Thaler, Fleisch 7, Thaler pro Centner. Ein Plan von Berlin 1835, nach Stadtbezirken kolorirt, am Rande eine Anzahl Stahlstiche, Ansichten von Berlin darstellend. 10. Ein gedrucktes Heft: „Namen-Verzeichniß sämmtlicher Mit¬ glieder der Korporation der Kaufmannschaft von Berlin, deren Beamten, Taratoren, Makler und Gütcrbestätigcr für die 9.

11.

12.

Land- und Wafferfrachten" pro 1836. Ein Adreß-Kalender für Berlin, Potsdam und Charlottcnburg von 1835. Ein „Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger für Berlin, Potsdam und Charlotttenburg von 1836", mit Titelvignittc: Plan von Berlin nach der bekannten Medaille von 1700 und init einem „neuesten Grundriß von

Berlin."

Die zwölf Jnhaltsstückc des Grundsteins sind im Märkischen Museum niedergelegt, außerdem befanden sich darin noch 6 danrals kurrente Münzen, nämlich: Ein Thaler, y6 Thaler, >/„ Thaler (Silbergroschen), ein halber Silbergroschen, ein Dreier, ein Pfennig. R. Buchholz.

Miscc llen.

Ale Anlage des Victoriaparks auf den« Krcuzkerge. Zwischen Fiskus und Magistrat ist der „Dtsch. Bauztg." zufolge der Entwurf eines Vertrages vereinbart worden, nach welchem ersterer der Stadt nicht nur das ganze in seinem Besitze befindliche Gelände am Kreuzberge aus¬ schließlich des Denkmals und der Grundstücke, auf welchen Wohnung und Wachtlokal des Denkmals-Wärters - sich befinden, im Gesammt-Umfangc von rd. 56 260 gm unentgeltlich abtritt, sondern zu den Kosten der An¬ legung des Bictoriaparks auch noch einen einmaligen Zuschuß von 134 000 Mark leistet, während die Stadt — vorausgesetzt, daß ihr das Enteignungsrecht für diesen Zweck gewährt wird — die Verpflichtung übernimmt, eine Anzahl anstoßender Grundstücke zu «rtverben und von diesen eine, das Denkmal schädigende Bebauung für alle Zeiten fern zu halten; es bleibt ihr jedoch unbenommen, diejenigen äußern Theile des Gesammt-Geländes, welche für den Park selbst nicht erforderlich sind, unter der Bedingung wieder zu veräußern, daß dieselben lediglich mit kleineren Landhäusern bebaut werden dürfen. — Zur Zeit liegt dieser Vertrags - Entwurf der Stadtverordneten - Versammlung zur Berathung zugleich mit dem Magistrats-Antrage vor, im Falle der Zustimmung mit dem ihr vorgelegten Entwurf des Parks sich einverstanden zu erklären und zu genehmigen, daß für die Arbeiten zur Anlegung deffelben zunächst der Staatszuschuß zur Verwendung gelangt, während die Kosten der noch erforderlichen Grunderwerbungen vorschußweise aus der Stadtkasse be¬ stritten iverden sollen. Die Versammlung hat diese Vorlage vorläufig einem Ausschuffe zur Vorberathung überwiesen. Hieran knüpft das ge¬ nannte Blatt folgende Betrachtungen. „Wer sich für die weitere Ausgestaltung der deutschen Hauptstadt zu einer ihrer Würde und Bedeutung entsprechenden Erscheinung interessirt, kann mit dieser Entwicklung der Dinge nur zufrieden sein und muß wünschen, daß die Vorschläge des Magistrats zur schnellen Annahme ge-

lange», damit die Arbeiten an dem neuen Parke unverzüglich beginnen können und den z. Z. auf dem Gelände desselben herrschenden sehr un¬ erfreulichen Zuständen ein Ende gemacht wird. Für Wünsche im einzelnen ist freilich noch Raum vorhanden, und wir wollen diese Gelegenheit benutzen, um der Stadtverordncten-Versammlung einen solchen, die Ge¬ staltung der bezgl. Parkanlage betreffenden Wunsch ans Herz zu legen. Wie wir hören, stimmt nänilich der gegenwärtig zur Genehmigung vor¬ liegende Plan, nach welcheni die Herstellung des Parks in Angriff ge¬ nommen werden soll, keineswegs mit dem ursprünglichen Entwürfe des Herrn Garten-Direktors Maechtig überein, sondern stellt sich als eine sehr wesentliche Vereinfachung desselben dar. Die großartige KaskadenAnlage, welche in Verbindung mit den in der Are der Großbeercn-Straße zum Denkmal hinauf führenden Treppe angenommen war und welche den eigenartigen Reiz jenes Entwurfes bildete, soll gestrichen und durch einen ziemlich nüchternen Aufgang ersetzt sein." Wir würden es lebhaft bedauernj wenn es an Mitteln zur Durchführung eines über das gewöhn¬ liche Maß hinausgehenden künstlerischen Gedankens fehlen sollte. Per Laiserllein vei Lanke. In dem in der vorletzten Ausgabe enthaltenen Aufsatze über „Lanke" ist gegen de» Schluß von einem Stein die Rede, der zur Erinnerung daran errichtet sein soll, daß am 16. Dezember 1819 der Prinz Wilhelm von Preußen durch unglückliche Entladung eines Die ganze Abfasstmg der hand¬ Gewehrs am Finger verletzt wurde. schriftlichen Mittheilung schloß sowohl über den Wortlaut der Inschrift, wie über die Person des Prinzen nicht jeden Ziveifcl aus, weil damals auch noch der ältere Prinz Wilhelm lebte, der Bruder des Königs, der Oheim des Kaisers. In Wirklichkeit aber handelt es sich um einen Vor¬ fall, der den jetzigen Kaiser Wilhelm betraf, der damals als Gast des Herrn von Wülknitz einer großen Treibjagd bei Lanke beiwohnte. Die Aufschrift des Steines lautet ganz einfach: „Den 16. Dezember 1819." Jener

396 ältere Prinz Wilhelm, später Gouverneur der Rheinlande mit dem Sitz in Köln, wär der jüngste Sohn Friedrich Wilhelms II. Der Prinz August Ferdinand ist der jüngste Bruder seines Großvaters, des Prinzen August Wilhelm. Es dient hierzu folgende Uebersicht: dessen jüngster Bruder: August Ferdinand Prinz August Wilhelm,

Friedrich Wilhelm

II.

Friedrich Christian Ludwig 1806

f

1

III.

Friedrich Wilhelm Heinr. August 7 1843

jüngster Bruder: Friedrich Wilhelm Carl P September 1851 Waldemar Adalbert Friedrich Wilhelm Ludwig 1849 1873 (jetzt Kaiser Wilhelm) Z»rin; Friedrich von Kwmburg. Das Trauregister der Hof- und Dom¬ kirche zu Berlin enthält folgende denkwürdige Notiz: „1670 den 23. October, wardt der Durchlauchtige Fürst und Herr, Herr Friedrich, Landtkrasf zu Hessen, Fürst zu Hirschfeldt, Graf zu Katzenellenbogen, Dietz, Ziegenhain, Nidda, Schaumburg, Isenburg und Biidingen mit der auch Durchlauchtigen Prinzessin und Fräulein, Fräulein Louhse Elisabeth, in Lifflandt, Kurlandt und Scmgallen Hertzvgin, durch Herren D. Georg Conrad Bergium Ehelich

Friedrich Wilhelm

dessen

f

f

vertrauet." —

Ohne diese Hochzeit wäre Friedrich von Homburg vielleicht nicht der Held von Fehrbellin geworden, denn die Braut war des Großen Kurfürsten Nichte, eine Tochter seiner älteren Schwester, und besonders die Ver¬ mählung mit derselben veranlaßte Homburg zum Eintritt ins brandenburgische Heer; am 9. Dezember desselben Jahres erhielt er das Patent als General der kurfürstlichen Kavallerie. — Uebrigens war der siebenunddreißigjährige Bräutigam bereits Witwer — seine erste Gemahlin, die schwedische Gräsin Margarethe Brahe, starb 1669 — und, obwohl der schneidigste Reiterführer seiner Zeit, doch ein Krüppel, denn er hatte als schwedischer Oberst 1658 vor Kopenhagen ein Bein verloren und trug seitdem ein künstliches mit silbernen Charnieren, daher sein Beiname: vr. „Der Landgraf mit dem silbernen Bein." Deutsche Encyklopädie. Mit dem 10. und 11. Hefte eilt der erste Band der Deutschen Encyklopädie seinem Abschlüsse zu. Besonderes Interesse nehmen eine Anzahl größerer Artikel in Anspruch. Asien be¬ handelt Dr. A. Berg ha us in Berlin in einem, fesselnde Darstellungsweisc mit wissenschaftlicher Genauigkeit vereinigenden, umfangreichen Artikel; die Fauna Asiens Prof. Ludwig in Gießen, die Geologie R. Naumann in Meißen, die durch eine Karte erläuterte Ethnographie vr. Uhle in Dresden. Die Argentinische Republik schildert ein genauer Kenner des Landes, vr. Palakowsky in Berlin, die Geographie und Geschichte Armeniens Prof. Wünsch in Jicin, die armenische Litteratur und Kirche ein Armenier, vr. Karamianz in Tübingen. Geschichtliche Artikel von Bedeutung sind noch die Darstellung der Geschichte von Argos, die Prof. Busolt in Kiel giebt, und die mit einer Geschlechts¬ tafel versehene eingehende Abhandlung über die Askanier von Ober¬ bibliothekar vr. v. Heinemann. In fesselnder Weise unterrichtet Major Rohne in Berlin über die Geschichte der Artillerie. Die Aristokratie behandelt in einer dem Gange der historischen Entwicklung folgenden Darstellung der Herausgeber der Deutschen Encyklopädie, v. NathusiusLudom. Derselbe legt die Aufgaben und die Organisation des Armeewesens dar, dessen Geschichte Landgerichtsrath Dozent vr. Medem in Greifswald behandelt. Ueber Arithmetik spricht knapp und klar Prof. R. Gretschel in Freiberg. Aus der Philologie und Litteratur sind außer der vorzüglichen Abhandlung über Aristoteles, zu der sich Geh.

I.

Rath Kurator vr. Schräder in Halle und Prof. Hcinze in Leipzig ver¬ einigt haben, noch zu nennen die Artikel Archäologie von Prof. Flasch in Erlangen und Prof. Viktor Schultze in Greifswald, und Artus¬ sage von Prof. Birch-Hirsch seid in Gießen, der diesen interessanten Stoff der vergleichenden mittelalterlichen Sagengeschichte fesselnd darstellt. Aus dem Jahre 1848. Im Jahre 1848 bildete sich zu Werneuchen bei Bernau — bekannt durch seinen als Dichter von Goethe verspotteten Prediger Schmidt — ein „Schutzverein", dem am 10. Juli von dem Königlichen Artillerie-Depot zu Berlin 30 Gewehre leihweist geliefert wurden. Unter dem 10. Mai 1848 sandte der Schulze von Jahnsfelde folgende Nachricht: „Wir haben soeben in unserm Dorfe die Sturmglocke gezogen, um den 4000 Polen, welche bei Goeritz über die Oder setzen und bis dahin schon gesengt und gebrannt haben, kräftigen Widerstand leisten zu können. Diese Nachricht ist uns per ©staffelte zugegangen, welche von Seelow bis Berlin dies ausbreiten soll. Daher eilig." Auf den: bezüglichen, in den Akten des Magistrats zu Werneuchen befindlichen Blatte ist bemerkt: „ad acta, da sich die Sache als unbegründet heraus¬ gestellt hat." — Uebrigens machten Wcrneuchener selbst einmal „Revo¬ lution". Im Jahre 1787 wurde in Werneuchen ein Nebenzoll von dem Straus b erg 'schen Zollamt eingerichtet, womit die Bürger aber sehr unzu¬ frieden waren, und am 12. Juli des gen. Jahres rissen sie den Schlag¬ baum weg. Laut Criminal-Erkenntniß de publloaro Bernau 5. Martius 1788 wurden dafür die beiden Bürgermeister Schmiedicke und Müller zu einer Strafe von je 4 Thlr. 12 Sgr. 4 Pf. und der Ackerbürger Beater zu einer solchen von 1 Thlr. 19 Sgr. 4 Pf., sowie gemeinsam zur Tragung der Kosten des Verfahrens verurtheilt, worauf ein neuer Schlagbaum errichtet ward. H. S—n. Are Eröffnung einer Dampfbaljn nach dem Gruncwakd vom Zoologischen Garten aus hat am 29. April Vormittags stattgefunden. Die Strecke ist 3'/, Kilometer lang. Die Wagen gehn in der Woche halb¬ stündlich; Sonntags viertelstündlich; sie fassen 30—47 Personen. Sonderbare Dekulkignng der Kerren von ZSekkow. In einer geschriebenen Brandenburgischen Chronik aus dem Jahre 1597 ist zu lesen: „Die Herren von Belkow waren so reich und prächtig, daß sie eigene Trompeter gehalten, und, wenn sie vom ,Panquetiere>p unlustig gewesen, haben sie zu voraus an Markttagen in den Wochen mit den Pferden durch die Töpfe gerennet, dieselben zertreten, und sonach baar bezahlt. Und wenn die Pferde erhitzet und schwitzend geworden, vor die Stadtkeller geritten und dieselben mit Malvasier begossen und E. K. Are Stadtvoigtei zu Aerlin geben wir heut nach einer Original¬ zeichnung von Wilhelm Geißler, unter Hinweis auf die Beschreibung der Anstalt in Nr. 45 d. v. Jahrgangs. gebadet."

Inhalt: Gedenktage. — „Verfestet", eine Berliner Geschichte aus dem Jahre 1380 von Oskar Schwebet (Fortsetzung). — Feuilleton: Zwei Ansprachen des Bürgermeisters von Berlin an den Großen Kur¬

fürsten, von H. Wagener. — Börne in Berlin, ein Jubiläumsblatt von Conrad Sittenfeld (Schluß); Zur Aufhebung der Wochen¬ märkte in Berlin, von vr. P. Clauswitz; Der Grundstein des ehemaligen Aktienspeichcrs, von R. Buchholz. — Miscellen: Die Anlage des Victoriaparks auf dem Kreuzberge; Der Kaiserstein bei Lanke; Prinz Friedrich von Homburg; Deutsche Encyklopädie; Aus dem Jahre 1848; Die Eröffnung einer Dampfbahn nach dem Grunewald; Sonderbare Belustigung der Herren von Belkow; Die Stadtvoigtei zu Berlin (Abb.); Denkmünze des Kurfürsten Georg Wilhelm von Branden¬ burg (Abb.); Friedrich Wilhelm III. (Abb.). — Inserate.

1

Geheimnisse unseres Organismus. Während des Jahres scheidet das Blut fortwährend unbrauchbare Stoffe aus, die, wenn sie nicht rechtzeitig nach aussen abgeführt werden, die mannigfachsten und schwersten Krankheiten hervorrufen können. Im Frühjahr und Herbst ist aber die rechte Zeit, um die sich im Körper während des Jahres abgesetzten, überflüssigen und die Thätigkeit der einzelnen Organe hemmenden Stoffe und Säfte (Halle und Schleim) durch eine regelrechte, den Körper nicht schädigende Abführknr zu entfernen und hierdurch schweren anderen Leiden, welche durch diese Stoffablagerungen leicht hervorgerufen werden, vorzubeugen. Nicht nur für Diejenigen, welche an gestörter Ver¬ dauung, Verstopfung, Blähungen, Hautausschlag, Blutandrang,Schwindel, Trägheit und Müdigkeit der Glieder, Hypochondrie, Hysterie, Hämorrhoiden, Schmerzen im Magen, in der Leber ond den Därmen leiden, sondern auch den Gesunden, oder den sich für gesund haltenden kann nicht dringend genug angerathen werden, dem kostbaren rothen Lebenssaft, der unsere Adern und Aederchen durchströmt, die volle Reinheit und stärkende Wirksamkeit durch eine zweckmässige und regelmässig durchgeführte Kur vorsichtig zu wahren. Als das vorzüglichste Mittel hierzu können Jedermann die Apotheker Richard Brandt’schen Schweizerpillen, welche unsere hervorragendsten medizinischen Autoritäten als ebenso wirksam wie absolut unschädlich wärmstens empfehlen, aufs beste angerathen werden und findet man dieselben in den Apotheken ä Schachtel M. 1. Man achte genau darauf, dass jede Schachtel als Etiquett ein weisses Kreuz in rothem Grund und den Namenszug R. Brandts trägt.

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,

»rt)^()Vi(»u Ak




Pf.

den 1Z. Mat 1886.

Nachdruck Verbote».

Gedenktage. 15. 15. 16. 10. 17. 17. 18.

Mark

Gesetz

1782. 1771. 1771. 1764. 1798. 1784. 1786.

v.

II. VI. 70.

Fr. A. W. v. Lützow * Mark (f Berlin 6. Dez. 1834). Heinr. Georg Graf v. Perponcher-Scdlnitzki * Haag. Rahel Varnhagen van Ense (geb. Marcus) * (ch 1833). Johann Gottfried Schad ow * Berlin (f 27. Jan. 1850). Heinr. Aug. Will). Sto lze, Stenograph, * Berlin (ch 1867). Geh.Hofr. E.B.S. R a u p a ch * Straupih b. Liegnitz (f1852). Friedrich v. Klöden * Berlin (ch 9. Januar 1856).

„Verfestet!" Eine Berliner

tv.)

„Das

gebe

Geschichte aus dem

Jahre 1380 von Oskar Schwebe!.

Dann aber wehe unserm armen,

Gott, Frau!"

„Aber wir leiden

doch

Frau Anna konnte nicht uinhin, die Wahrscheinlichkeit

auch

Ihr fällt

es nicht, daß der

„Auch ich," sagte

so

„habe

in Pfandbesitz hat; sonst möchten auch das wohl noch uns

sie

wegnehmen und zerstören."

Den Knecht jammerte der

Frau. vertriebenen armen, „Aber, Frau Richard," sprach er zutraulich, um sie zu trösten,

„ich habe das gewiß nicht ge¬ sagt, um Euch das Herz schwer

Ich

Gewiß nicht! Nur gefällt mir nicht, daß so weit hinwegziehen er kein Auge haben sein Hab und Gnt.

zu machen.

glaub', er tvird einen Anderil nach Prag gesendet haben, und er selbst liegt, wie der Fuchs auf der Lauer, ganz in der Mhe, um die Zeit ja nicht

das

eben

der Herr

will, lvo kann auf

zu versäumen, wenn das Loch

offen ist, auf daß er wieder in dm Hühnerstall hinein komnic.

sie,

Wllllow und Spreenhagen be¬ reits für immer verloren ge¬ geben!" Sic seufzte. — „Nur gut," fuhr sie dann fort, „daß Herr Thilo Brügge unser Haus

weit lveg ziehen will in die Glaubt Ihr denn, Fremde! daß Hermann Mellin tvcit ab ist von Berlin? — Er sei vielleicht zu König Wenzel ge¬ gangen, sagt Ihr, damit der Acht- und Bannbrief gegen ihn zerrissen wird? — Ja, das ist obwohl der schon möglich, feige ist und sein Wucherer zu Geld zu sehr liebt, um die weite Fahrt zu wagen.

anzuer-

kennen.

schlechter

Herr

Vermuthungen

dieser

unschuldig, denn der Hermann Mellin ist ein gottcrbärinlich

Mann. Und, — wißt was, Frau? — Mir ge¬

Herrn!"

lieben

erwiderte der Knecht, der sich schon etwas erlauben durfte.

Prinz Albrecht von Preußen, Regent von Braunschweig.

Wißt Ihr, was ich an seiner Stelle thäte, Frau?" „Nun, Henning?"

398

„Ich

bliebe

Freundschaft »iit

Ich wollt'

ganz

in der Nähe,

de» Junkcr»,

Fra»,

»nd

Höher und höher stieg die Sonne.

»lachte

Koppens Roß laut imb freudig.

die ich einst bekänipft habe!

von Berlin schon zeigen, was es z» bedeuten hat. Einen zu verbannen, der zu Felde gezogen ist, wenn sic auf dem Lottcrbcttlein oder hinter dem Ofen gelegen haben! Die ganze Meute hetzt' ich ihnen auf den Hals und machte ihnen die Hölle heiß; — sie sollten, wie wir sagen, die lieben Englein im Himmel singen und pfeifen hören! Und dem schlechten Kerl, dem Hermann, lauerte ich auf, und wenn ich ihn gefangen hätte, so richtete ich ihn selbst; — da ist der Ast und dort der Strick! Es heißt, ein Gott wohlgefälliges Werk thun, wenn man die böse Wurzel ausrautet, daß sie nicht mehr schaden kann! Und dann wartete ich in einem festen Hause auf die Berliner! Ich sage Euch, Frau; sie würden schon kommen zu ihrer Zeit, und dann ließ ich sie erst himmel¬ hoch bitten und sagte schließlich: „So, — gebt mir Brief und Siegel darauf und ersetzt mir allen Schaden, den ich erlitten habe, und dann erst wollen wir sehen, was zu thu» ist! Sehet, Frau, — so handelte ich!" es

Züge nicht.

der

j

!

j

;

i

Die Lürstengrust des Doms

zu

Äraunschweig.

Eine Ruhestätte deutscher Helden.

Unter de» mittelalterlichen Bauwerken der, an solchen so reichen der von Heinrich dem Löwen nach seiner Heimkehr and Palästina erbaute St. Blasius-Dom die vornehmste Stelle ein. »nd selten wohl lvird cs ein hier einkehrender Fremder versäumen, dieses sowohl in architektonischer, als geschichtlicher Beziehung merkwürdige Gotteshaus zn besuchen. Und wenn er dann die seit der im Jahre 1881 beendigten Herstellung im erneuerten Bildcrschmuck der Wände und Gewölbe dastehenden weiten Hallen der Kirche durchwandert und an dem Grabmale gestanden hat, welches im Mittelschiff die Stelle bezeichnet, wo sich der Stifter deS Domes einst zur Ruhe niedergelegt mit seinem gottessnrchtigcn Gemahl, dann steigt er, von dem Wärter geftihrt, auch wohl in die unter dem Chor gelegene Gruft hinab, in welcher in langen Reihe» die Särge der Mitglieder der älteren Linie des Hauses Braunschnveig stehen, als deren letzter Sproß Herzog Wilhelm dort am 25. Oktober 1884 beigesetzt wurde. Die Gruft ist drcischiffig, die Gewölbe werden im östlichen Theile von romanischen Säulen, im westlichen von Pfeilern getragen. Sie diente ursprünglich zu gottesdienstlichen Handlungen, wurde aber im Jahre 1681 vom Herzoge Ferdinand Albrecht 1. zum Erbbegräbniß seiner Familie bestimmt. Bo» der im nördlichen Flügel des Doms gelegenen Grabes¬ pforte ab-'über welcher die Inschrift: Rio finis invidiae, perseculionis et ijuaerelae (hier ist das Ende des Neides, der Verfolgung und der Klage) angebracht ist, führt eine steinerne Treppe von sechs Stufe» in die Gruft hinunter. Die älteren Särge sind zumeist kunstvoll aus Zinn oder Kupfer, die jüngere» aus Holz gearbeitet, mit schwarzem Sammet überzogen und reich mit goldenen Borten besetzt. Aber nicht diese verblichene Pracht ist cs, welche unsere Theilnahme in Anspruch nimmt,— cs ist die große Zahl von Namen berühmter Helden, namentlich aus der Zeit des siebenjährigen Krieges, welche uns aus den Inschriften der Särge entgegenleuchten. Wir treten zunächst an einen einfachen Sarg von Eichenholz. Sein einziger Schmuck besteht aus zwei Blcitafeln, die eine zu Häupten, die andere zu den Füßen, von denen die erstere die Inschrift trägt: „Ferdinand, Gutsherr von Vechelde, vom Jahre 1746 an, bis den 8. Juli 1792: geboren auf dem kleinen Mosthofe zu Braunschiveig den 12. Januar 1721,

sprach

Da, ganz aus der Nähe, schmetterte jetzt ein Jagdhorn seine freudigen Töne durch den Wald! Maria Wardenberg schreckte empor und richtete sich auf. Der

denen

Frau Anna lächelte. „Du hast eigentlich so Unrecht nicht, Henning," sprach sic; „allein der Herr ist nun einmal anders, als Dn! Doch sieh': Gott Lob, meine Schwester ist eingeschlafen! Nun wollen wir aufhören, zu reden; wir sprechen ein ander Mal wohl mehr darüber." — — Tiefe, erquickende, feierliche Stille thronte nun wieder über dem „Blumenthal"; nur die Vögel dort am Waldesrande zwitscherten. Hoch über der wüsten Stadt zog ein Falk seine Kreise, und von dort blickte ein Eichhörnchen neugierig auf die Fremden herab. Diana Wardenberg aber verlor selbst während des Schlummers den angstvollen Allsdruck ihrer holden

Plötzlich wieherte

„Der Herr naht!"

Stadl Braunschiveig nimmt



-

'

Knecht Henning.

Schlummer hatte ihre bleichen Wangen lieblich geröthet. „Was ist es, — Schwester?" fragte sie erschrocken. Statt der Antlvort wies Frau Anna ans die Waldestiefe hin. Dort erschien Koppen Richard mit einem Manne in Jägertracht, der von einer Jagdbracke begleitet war; der Knecht Hans kam hinter den Beiden und trug einen erlegten Rehbock. Die Frauen erhoben sich. Der Jäger war ein Mann von gebräunten, aber edlen Zügen und von hoher Gestalt. „Bei St. Hubertus," rief er, „welcher Glanz leuchtet durch die maieufrische Haide! Fast könnte ich die alten Mären von dein „Blumenthal" glauben! Ist es doch, als wär' ich um ein Jahrhundert zurück, mitten in die goldenen Tage Markgraf Ottos mit dem Pfeile hinein versetzt, da Frauen¬ schönheit auch den märkischen Wald verklärte! Fürchtet Euch nicht, Ihr holden Frauen; ich bin der Herr des Waldes, der Heine Jlow dort drüben aus Jlow! Wir wissen die Schönheit zu schätzen, wir Jlviv's; eine Jungfer führen wir auf dein Helme und einen rosengeschmückten Kranz im Schilde! Einen schweren Verbrecher aber haben mir in diesem Manne ergriffen, einen Frevler an unseren Herrenrechten, einen Wilddieb, der uns dies Böckleiil weggeschossen hat! Wir haben ihm zwar gnädigst verziehen, aber Strafe muß sein! So ivollteu wir Euch denn, Ihr schönen Frauen, erstlich auf unser Schloß Jlow entführen und Euch den Maientag über einkerkern ; aber da wir hörten, daß Ihr eilen wollet, den Weg zu vollenden gestorben den 8. Juli 1792." — Die zweite Tafel dagegen enthält die Worte: „Großer, aber durch das Blut Jesu Christi, seines Seeligniachers und Erlösers begnadigter Sünder vor Gott. Hier nur seine irdische Hülle." — In diesem Sarge mit der von ihm selbst bestimmten bescheidenen Inschrift ruhet der nächst Friedrich größte Feldherr des siebenjährigen Krieges, Herzog Ferdinand von Braunschweig, der Sieger von Minden, dessen Bild sich auch unter den vier Reitergestalten am Denkmale Friedrich des Großen in Berlin befindet. Vechelde, als dessen „Gutsherr" die an¬ geführte Inschrift den Herzog bezeichnet, war der eine Meile von Brannschweig belegcnc Landsitz, auf welchem der ruhmgekrönte Held nach Be¬ endigung des siebenjährigen Krieges sein Leben in stiller Abgeschiedenheit beschloß; dort unter dem Laubdachc einer Gruppe alter Linden seines Schloßgartens, war er seiner Bestimmung gemäß auch begraben, jedoch wurde der Sarg später auf Anordnung seines Neffen, des Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand, nach Braunschweig überführt. Einer Sage zufolge ist der Sarg innen am Deckel mit eincin Schlosse versehen, zu ivelchem der Verstorbene den Schlüssel in der Hand hält. Zur Seite Ferdinands ruhen zwei seiner jüngeren Brüder. Albrecht, geboren 1725, der im ersten schlesischen Kriege am 30. Septcntber 1745 bei Soor fiel, und Friedrich Franz, der 26 Jahre alt als Königlich preußischer General-Major und Chef eines Infanterieregiments bei dem Ueberfalle von Hochkirch in der Nacht des 14. Oktober 1758 von einer Kanonenkugel tödtlich ant Haupte getroffen wurde. Albrechts Sarg um¬ schließt ein prächtiger, aus Marmor und Alabaster gearbeiteter Sarkophag, tvelche» ihm sein Bruder, der regierende Herzog Karl I., errichten ließ.

In

.

;

|

;

der Mitte der Vorderseite ist das braunschweigische Wappen angebracht, iteben Ivelchem die „Fama" ruhet. Ueber dem Sarkophage breiten sich zwei in Alabaster gearbeitete Löwenhäute aus, deren herabhängende Köpfe und Tatzen die Ecken des Kunstwerkes bilden. Diesem Sarkophage gegenüber steht der mit schivarzem Sammet über¬ zogene und mit Silberborten besetzte Sarg eines zweiten berühmten Heer¬ führers des siebenjährigen Krieges, des Herzogs August Wilhelm von

Braunschwcig-Bevern.

Der Herzog, in der Geschichte unter den Generalen Friedrichs II. einfach „Bevern" genannt, hatte sich bereits bei Loivositz und bei Prag durch seine Führung und persönliche Tapferkeit Lorbeeren errungen. Gleim weiht ihm diesen Lorbeer zusammen mit drei andern Helden jener Tage in seinem „Siegesliede nach der Schlacht bei Lowofitz d. 1. Oktober 1756", in welchem es heißt: Da kamen Wilhelm, Bevern, Kcith Und Braunschweigs Ferdinand,

399 der See, — was

nach



so

wir

wollen

ich

Euch

übrigens ftir sehr thöricht halte,

die Lanze eingelegt und das Schivert gelockert;

der Wind, die Geleitsmannschaft geworfen und mit der schönen

zur Strafe nur für ein Stündlein

Bente hinein in den Wald!

unsere Gesellschaft aufdringen und diesen Mann, den Frevler, zehnten an Brod und Wein! Der Knecht aber dort mag zusehen,

ob

er

uns

ein

Stücklein

Rehkeule

am

den Schaden ein!

Armbrust in das Gras und sich dazu, dicht an die Seite Atari« Wardenbergs. Frau Anna dankte zierlich dem fröhlichen, gütigen Edelmanne und ging'dann selbst dem Knechte Hans zur Hand, der heitern Blickes sich zur Bereitung des Bratens anschickte. Henning aber zapfte von des trefflichen Knochenhauers edlem Weine. Heine von Jlow trank höflich der Frauen Gesundheit. „Bei meinem Schutzpatrone!" rief er, den Becher schwenkend, „der Wein ist nicht bei Bukow gewachsen, noch auf Euren Bergen bei Tempelhof! Schwer genug mag's Euch wohl geworden sein, aus dem Bienenkörbe, diesem reichen und übermüthigen Berlin, auszufliegen; — mir aber scheint», als sei das Wandern leicht mit solch' einem Tröster zur Seite!" Doch der Edelmann blickte auf die nun wieder fast farblos erscheinenden Züge der Jungfrau, welche ihm zur Seite saß. „Verzeihet," sprach er, „ich wollte Euch nicht wehe thun! Nur Euch, verstehe ich nicht, Meister Koppen Richard! Wenn man mir so mitgespielt hätte wie Euch, — bei St. Hubertus, ich wüßte, was ich thäte! Bin sonst kein Krippenreiter aus dem Stegreif, wie meine würdigen Nachbarn, die Britzke, Belling, Karow und die Storkow. Ich hasse des Adels unadlige Art. Aber in dem Falle legte ich mich selbst hinter die Hecke, und wenn ein Wagen käme, der nach Berlin wollte, oder einer der Krämer aus der Stralauer Straße triebe seine Gäule mit dem schiverbepackten Wagen vorüber, — dann, Koppen Richard,

glaube

seine

einundsiebenzigjährigen Fürsten zur Uebernahme des Commandos und zu einem Kampfe führten, dessen Ausgang er unter trüben Vorbedeutungen ahnte, und der ihm den Lorbeer vom Haupte riß, den er sich als Erbprinz unter den Fahnen seines großen Oheims auf den Schlachtfeldern des siebenjährigen Krieges errungen hatte. Am Morgen des unglücklichen 14. Oktobers 1806 bei Auerstädt durch eine Flintenkugel am Haupte tödtlich verwundet, flüchtete Karl Wilhelm Ferdinand nach Braunschweig, sodann vor den nahenden Franzosen weiter nach Ottensen bei Altona, wo seinen Seelen- und Körperschmerzen der Tod am 10. November ein Ende machte. Aus der Gruft, wo Rückert singt: „Zu Ottensen an der Mauer Der Kirche ist ein Grab, Daselbst des Lebens Trauer Ein Held geleget ab" wurde die Leiche im Jahre 1819 nach Braunschweig überführt und ini Erbbegräbnisse beigesetzt. Zur Seite Karl Wilhelm Ferdinands steht der Sarg seines jüngeren Bruders Albert Heinrich. In dem von demselben befehligten Corps und unter den Fahnen seines großen Oheims Ferdinand dienend, wurde er in einem Gefechte, welches in der Nacht des 20. Juli 1761, vier Tage nach dem Siege von Mellinghausen, bei dem Dorfe Ruhne vorfiel, durch eine Musketenkugel am Halse verwundet, in Folge dessen er, 19 Jahre alt, am 8. August zu Hamm verschied.

einem Vierteljahre holt' ich in Berlin vor

beben sollten sie

mir;

sie

haben manchem Edelmann die Kehle zugeschnürt

und haben manchen guten Alaun auf dem Gewissen!

setzte

Vier große Helden, weit und breit Durch ihren Muth bekannt. Die glänzendste Waffenthat des Herzogs war der, 1762 von ihm erfochtene Sieg über die Oesterreicher bei Neichenbach. Nach dem Hubertus¬ burger Friedensschlüsse wurde er mit dem Range als Geueral-Major zum Gouverneur von Stettin ernannt, wo er 66 Jahre alt am 2. August 1781 starb. Seinen Sarg, welcher im Monat November desselben Jahres nach Braunschweig überführt worden war, fand man am 10. Februar 1811, nebst drei andern Särgen von räuberischen Händen erbrochen. Die Leiche war in voller Generalsuniform, die Brust mit dem schwarzen Adlerorden geschmückt, bestattet und noch wohl erhalten. In der Reihe seiner Ahnen ruhet hier auch Herzog Karl Wilhelm Ferdinand, von dem Lande, das unter seiner weisen landesväterlichen Regierung sich zu hoher Blüthe entwickelte, noch heute unvergessen, durch den Unglückstag von Jena aber, wo er als Feldmarschall des preußischen Heeres dem Welteroberer gegenüber stand, zu trauriger Berühmtheit ge¬ langt. Nicht die eigenen Wünsche, sondern die unabweisbaren Bitten Friedrich Wilhelms Hl. und der Königin Louise waren cs, welche den

In

Zittern rmd

mir, und namentlich diese würdigen Rathmannen sollten es thun, die hier draußen ihre Güter haben! — Koppen Richard,

Spieße

bereiten kann."

Der Edelmann warf

— hervor wie

keine Sünde, allen

sich

seiner Haut ivehren

Es ist

— ritterlich — mit

Mitteln!" „Aber

ich

leider

stamme

aus

Berlin,"

entgegnete

der

Bürger, „und es ist nicht schön, das eigene Heim zu zerstören, in welchem man sich einst so lvohl gefühlt hat! Verargt mir's nicht, Herr Ritter; aber wenn ich jetzt die drei Thürme von Berlin uub Kölln vor mir sähe, — es würde mir doch wunderlich um's Herz werden! Das fühl' ich jetzt schon, ivenn ich daran denke, wie sie in dieser Stunde den Maientanz halten durch die Straßen und über die Plätze Berlins! Die Weise des Maienliedes, welches sie dabei singen, will mir heut nicht aus meinem Sinne."

„Das

ist die starke

Kraft der Heimathsliebe,"

sprach der

fröhliche Ritter ernst, „und auch ich fühle sie! Ich kann mich auch nicht trennen von diesem feierlichen Waldesrauschen, von diesem hehren Chore melodischer

Stimmen, und lvie derselbe

in der Wiege begrüßt hat, so soll er mir auch einmal das Grablied singen! Es ist diese starke Alacht der Vaterlandsliebe gewesen, welche Euch mit Geduld gerüstet hat gegen die Unbill; denn unbillig ist es, ein Dienen ohne Lohn zu verlangen, so gern und freudig sich auch der rechte Alaun mich einst

Nein, — bis jetzt rath' ich Euch nicht, ein „Stegreif-Reiter" zu werden. Aber sie werden Euch zu einem solchen versteht!

Diesen Särgen der Helden des siebenjährigen Krieges gegenüber steht

Sarg eines der begeistertsten Kämpfer der Freiheitskriege, des am Juni 1815 bei Quatrebras gefallenen Herzogs Friedrich Wilhelm. Durch Napoleons Machtsprnch: „La maison de Bronsvic n’existe plus“ des Erbes seiner Väter beraubt, trat er im Jahre 1809, „Als Alle, Alle zagten", als Alliirter Oesterreichs mit dem von ihm in Oels errichteten „schwarzen Corps" in den Kampf gegen den Welteroberer, mit welchem der 16.

j

j

nach Oesterreichs Niederlage bei Wagram und ausgeschlossen von dem Frieden von Znaim im Monat Juli den kühnen Heldenzug von Böhmens Grenze bis zum Gestade der Nordsee antrat, auf welchem Halberstadt im Sturme genommen ivurde und der mit der Einschiffung des Corps nach England abschloß. Nach der Schlacht bei Leipzig nach Braunschweig zurückgekehrt, und von seinem Volke mit unendlichem Jubel empfangen, war Friedrich Wilhelm einer der Ersten auf dem Platze, als es galt, zum zweiten Male gegen Napoleon in den Kampf zu treten, dessen Durchbruch bei Quatrebras verhindernd, er als ein deutscher Leonidas fiel. Der Sarg des Herzogs, an dessen Vorderseite man die Worte „Friedrich Wilhelm, früh verklärter, tiefbetrauerter Bürgerfürst" liest, steht unter einem vom Gewölbe herabschwebenden großen Lorbeerkranze, welcher von Braunschweigs Töchtern am 1. August 1815 dargebracht wurde, außerdem ist derselbe mit zwei Gedächtnißfahnen geschmückt. Zur Rechten Friedrich Wilhelms ruhet in einem mit noch frischen Kränzen bedeckten Sarge sein zweiter Sohn, .der am 18. Oktober 1884 zu Sybillenort ge¬ storbene Herzog Wilhelm, während dessen älterer Bruder, Herzog Karl, seiner eigenen Verfügung gemäß, der Heimath entfrcindet auf der Place des Alpes zu Genf sein Grab gesunden hat. Bevor wir von dieser Friedcnsstätte scheiden, treten wir noch an den Sarkophag eines Fürsten, dem zwar nicht die Siegesgöttin den blutigen Lorbeer um die Schläfe wand, der aber zu den edelsten seines Geschlechtes gehört, und dessen Andenken immerfort im Segen bleiben wird. Zur Seite seiner Mutter, der Herzogin Philippine Charlotte, der Schwester Friedrich des Großen, ruhet hier auch Herzog Leopold, der bei dem hochherzigen Unternehmen, Menschenleben zu retten, am 27. April 1785 in der Oder bei Frankfurt ertrank. Leopold, von welchem bekanntlich die Garnisonschule in Frankfurt gegründet wurde, war preußischer Generalmajor und

er dann, j

j ;

:

!

!

.

j

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Johanniterritter.

Im Verlaufe von etwa zweihundert Jahren sind in diesem Erb¬ begräbnisse, sowie in einem daneben liegenden kleineren Gewölbe 57 Mitglieder des Hauses Braunschweig beigesetzt, darunter 8, welche auf dein Schlachtfelde den Tod fanden. Wahrlich eine Zahl von Helden, wie sie größer wohl kaum eine andere Fürstengruft aufzuwciseit hat. C. St.

40Ö

gewiß nun auch

in £ab’ und Gut

zu Grunde richten; denn

das ist nun einmal so das Loos der Ausgewiesenen. Vielleicht ihr schon morgen geächtet und verfestet; dann suchet Euer Recht! Ritterlich und ehrlich!" —

seid

„Verfestet!"

wiederholte Koppen Richard. „Ein Wort eigenthümlichen Klange und von so tiefer Bedeutung!

von

„Verfestet!" Es bezeichnet das höchste Glück und die heiligste Pflicht; — verfestet sind wir unserm Gotte, unseren Lieben, dem Vaterlande! Verfestet, — es bezeichnet aber auch das tiefste Elend; denn der arme Verfestete ist heimatlos allüberall; er darf auf Frieden nimmer hoffen; — zur Beute und zum Schlachtvpfer ist er dahingegeben einem

Jeden,

der

seine

Hand wider ihn auf¬ heben will. Barm¬ herziger

Gott, —

Hauptmann und

einst

Berlin

von

nun vielleicht verfestet!"

„Laßt's tröstete

der

„Ihr

seid bekümmert," so sprach er zu dem

Bürger, „und mir lacht heute im Lenze das Herz im Leibe.

Wir

passen nicht zusammen.

Doch noch

Eins!"

Er zog einen goldenen Ring voin Finger, in dessen Platte der Schild der Jlow mit dem Blumenkränze eingeschnitten war. „Nehmet, Jungfrau," sprach er, zu Maria gewendet, „dies kleine Andenken an den Herrn des Waldes Blumenthal an! Der Schild zeigt unsern Blüthenkranz, und ein froher Kranz mög' auch Euch balde schmücken! Nein, nehmet die Gabe, — man sagt, dort in den Trümmern läge inehr Gold, als ein Junker von Jlow zu verbrauchen im Stande sei. Viel¬

mir

leicht ist's

be-

Der Ring

schieden!

aber hat vielleicht

Euch

Wenn Erich die Junker im Oderlande aiifhalten, die

für Euch.

Nutzen

gutmüthig

Ritter

schlug es ans.



anfechten,"

nicht

lederen Braten; — einer der Wagen hatte die zinnerne Schüssel geliefert. Koppen bat den Ritter, noch zu bleiben; er aber

Heine

von

Jlvw

den Bür¬

ger,

„Ihr

seid's ja

Stegrcifrittcr, ich

oder

die

Euch

nannte,

die

Uchten-

wenn auch wirklich

hagen, dann saget ihnen, Ihr hättet Geleit von nur! Ich glaube nicht, daß Einer den Kranz

Unheil

der Jloiv mißachten

ohne Eure Schuld! Ein starkes brandenburgisches Herz erschrickt nicht leicht,

schlimmes

gekommen ist. Lasset

wird, und sollte

den Becher kreisen!

dennoch

Ans unser brandenVater¬ burgisches

Und nun eine fröh¬

so

es

geschehen,

meldet

nlir's.

land ! Wir lieben es doch, wenn's uns auch oft eine recht harte Mutter ist!

Maientage!" Er grüßte noch einmal und war gar

Männer und Frauen, — auf seine Wälder

bald sammt seinem ftcudig bellenden Hunde im Walde

Auf

seine

liche

Reise

am

Der Äullemvinkel der Laubrnstraße vor dem Durchbruch. verschwunden. Den und Seen, — seine (Originalzeichnung von Wilhelm Geißler). Flüchtigen ivar's, Städte und Burgen! als hätten sie ein Leider können wir Wunder im Walde Blumenthal erlebt. Frau Anna aber sprach nicht sagen: „Auf seine Fürsten!", denn wir haben keine mehr; — ansgebrochen ist der herrlichste Edelstein aus seiner Krone! leise zu ihrer Schivcstcr: „Das war ein adeliger und ritterlicher Mann!" — Aber es werden andere Zeiten kommen! Da wird man wieder sagen können: „Auf Fürst und Volk!" Dann wird man VI. Niemand mehr „verfesten," der seiner Stadt so treu gedient Seit der Vertreibung Koppen Richards aus Berlin war hat, wie Ihr dem mächtigen Berlin gegen den kühnen Ehrich — auf Eure und auf die auch etwas mehr, als ein Monat verflossen. Es war dem Gebannten Falke! Auf die Zukunft also, nicht schwer geworden, bei dem Rathe der berühmten Stadt Eurer Frauen!" Der jugendliche Ritter leerte den Becher und erhob sich Stralsund, welche damals, nach dem „goldenen Frieden", die höchste Blüthe ihrer Macht und Herrlichkeit erreicht hatte, dann. Er nahm die Armbrust über die Schulter und pfiff Dienste zu finden. Frau Anna und ihre Schwester Maria seiner Rüde, die bei Frau Anna und dem Knechte sich zu hatten in dein Schirme und unter dein Schutze des Rathes schaffen gemacht hatte. Die Beiden kamen eben mit dem

4ol „am Sunde" ein wohnlich' Obdach gefunden bei St. Marien Stralsund. Wohl hatte der neue Hauptmann der Hansastadt gewünscht, im Dienste der Stadt aus Seeland oder in Schonen verwendet zu werden. Aber der Rath hatte für gut befunden, nach

zu

welche

jenen Schlössern,

er aus

der-

schwedischen Küste inne

Skanoer und Falsterbon, nur Krieger nordischen Kämpfe bereits gewohnt altcrprobter Mannschaft war arich in diesem

hatte, nach Malmoc, zu

senden,

waren.

welche

Mit

der

Jahres 1380', Wulf Wulflam, der kriegerische Patrizier von Stralsund, nach Schonen abgegangen. „Wir kömrcir Euch besser gebrauchen im Poinmerlandc," hatte er bei'm Scheiden zu Koppen Richard gesagt, und es wird Euch leichter sein, hier zu Lande Euch um die Hansa wohl verdient zu machen! Es wird mich immer freuen, Gutes von

Mai, in dein

des

Euch zu vernehmen."



Der Auftrag, welchen Koppen Richard demnach von den, unermüdlich thätigen Rathe zu Stralftmd erhielt, war zwar ein andrer, als er crivartet hatte; aber er war gleich ehrenvoll und, wie der große Kriegsheld Wulflam geäußert hatte, der Vergangenheit des verbannten Bürgers von Berlin ein durchaus angemessener.

Mit

den drei anderen pommerschen Vorderstädtcn blühte

damals auch die Stadt Anklam fröhlich auf. Aber sie hatte auch ingrimmige Neider ihres Glückes, Feinde ihres Wohlstandes und Verfolger, welche um Alles in der Welt gern die kecken und kraftvollen Bürger in ihren Mauern gedemüthigt hätten. Rings um Anklam, im Norden wie namenrlich im Süden, saßen die Junker von Schwerin aus Spantekow, Wuffeken, Ducherow, Löwitz, Putzar, Altwichshagen und Ziethen, — von jeher geschworene Feinde derer von Anklam. Schon fünfzig

Jahre lang tobte die Fehde mit ihnen; eine Entscheidung aber war noch nicht gefallen. Die Herren von Schwerin warfen die Bürger und fingen ihre Waarcnzüge auf; die von Anklam aber sengten und brannten in den Dörfern der Schwerin. Jetzt endlich sollte ein nachdrücklicher Schlag gegen das kecke geführt werden: Koppen Richard erhielt den Befehl, ihr Schloß Altwichshagen, zu brechen. Die Bürger vom Sunde sendeten ihn deshalb mit einem ihrer Rathmannen „denen von Anklam" zu Hülfe. So lag Koppen Richard Anfangs Juni 1380 denn vor Altwichshagen. Es war ein schwer' Stück Arbeit, Schlosse dem die Belagerung dieser Burg der Schwerin, und jener Junker, der in derselben sich hielt, führte nicht umsonst den Beinamen „Stciukopf." Aber die Anklamer hatten Geschütz, und Koppen Richard ließ im Vereine mit dem Stralsundcr Rathsherrn Gerhard Smitcrlöw die Stcinkugeln aus dem gewaltigen

Adelsgeschlccht

Vallisten und Donnerbüchsen so dicht auf den „Steinkopf" niederhageln, daß die Thürme von Altwichshagen schließlich in Trümmer sanken. Heiming Schwerin aber vereinte mit der ungefügen Kraft des Bären auch die List des Fuchses. Als er sah, daß er sein Schloß nicht mehr halten konnte, suchte Herrn Gerhard Smitcrlöw kannte er zur er zu entfliehen. Genüge; bei Koppen Richard also versuchte er durchzubrechen. Allein der frühere Hauptmann von Berlin kannte dergleichen Schliche: Erich Falke von der Leßnitz hatte es einst arich nicht airders gethan, als er die Mauern voir Schloß Sarnruird Wanken sah. Henning von Schwerin wurde gefangen, und

lauter Jubel

herrschte bei der Mannschaft der „Hansen".

„Wart', Du Berliner Bärenhärrter!" sprach der gefangene „Ich hoffe, auch Dir noch einmal den Ring durch die Rase zu legen, und will Dich dann tanzen lehren nach meiner Pfeife!" — „Herr Koppen Richard," nahte sich dem Glücklichen lachend

Junker.

Smitcrlöw, „laßt ihn; — das ist nun einmal so des „Steinkopfes" Art! Wir rvollen ihm eine treffliche Aufgabe stellen in der Stadt Anklam: mag er sehen, ob er mit der steinernen Stirn durch die Wände des „Fangerthurms" der Rathsherr

hindurch kann! Euch aber meinen herzlichsten Glückwunsch! Es ist nicht jedem so gerathen, der von Süden zu uns kam!

Ich Sunde" Bericht erstatten; ein gülden Kettlein ist Euch ob der That gewiß!" — Wie hätte cs anders sein können, als daß freudiger Stolz die Brust des Mannes schwellte, der sich endlich in der- Fremde anerkannt sah? — Wie Gerhard Smitcrlöw gesagt hatte: — der Rath zum Sunde verehrte ihm eine goldene Kette aus dem

selbst

will

den

„Herrn

zum

Lösegcldc Hennings von Schwerin, des „Stcinkopss." Freude also herr-schte zur Mittsommcrszeit in dem kleinen Häuslein bei St. Marien zum Sunde. Die schöne Maria von

Wardenbcrg schaffte still, aber emsig im Hause; und Frau Anna stellte sich, daß ihr Gatte wiederum ein geachteter Mann geworden war selbst bei den stolzen, durch bürgerliches Verdienst in gleicher Weise, wie durch Reichthum ausgezeichneten

Stralsunds. es war an einem Juni-Abend, und von den hohen Thürmen hallten die Abendglocken, — saßen die eng verbundenen Drei lviedcruin beisannncn aus der lauschigen Galerie ihres Hauses, welche auf einen allerdings nur ver¬ schwindend kleinen Hof hinabzusehen gestattete. Die Magd hatte soeben ein Kännlein vvil dem Ehrenwcinc aufgetragen, welchen der Rath dem hcimgekehrte» Hauptmanne gesendet Geschlechtern

Einst, —

hatte.

Frau Ailna blickte heiter, und

auch auf

Maria Warden-

bcrgs Wangen begannen die Rosen der Gesundheit wieder zu blühen.

„Es war doch ein schöner Anfang in fremdem Lande," Frall Richard; „Gott scheint lins endlich Gnade gegeben

sprach

O, lieber Koppen, — gern hätt' ich mit Dir auch Schmach und Schande getragen! Aber wie hoch erstellt es doch ein Fralienherz, deil Gatten geehrt und geachtet zu

zu haben!

sehen !"

„Und doch, liebe Frau," rathen, Dich keinen allzu freudigen Erivartungen hinzugeben. Ueber klirz oder lang würden dieselben sich als Täuschungen erweisen. Laß' mich nur einmal unglücklich sein im Felde: ich bin verloren dann in dieser reichen und großen Stadt." Koppen Richard hob den Becher.

sprach er,

„will

ich

Dir

„Denkst Du nach Bcrliil zurück?" stagte Frau Anila. „Ja, — immer und immer wieder und mit ganzer Seele! Du weißt: ich habe kämpfen müssen, um die Unbill zil über¬ winden, welche uns widerfahren ist! Aber nun, nachdem mein Herz ruhiger geworden ist, ergreift mich die Erinnerung an die Heünat wiederllm mit wunderbarer Kraft. Oft höre ich im Traume die Glocken voll St. Nicolai läuten; — gar oft vernehme ich das stiedlich leise Rauschen der Spree, und oft ist's mir, als stände ich auf den steilen Höhen über der Havel,

und ob meinen Häupten rauschten gleich vollstimmigen Harfen¬ klängen die alten, schwarzen Föhren. Und lvcnn es uns ans

402

wird: das Brod der Verbannung, es bitter! Besser daheim ein Hüttlcin, als in der Fremde ein Schloß!" Frau Anna mochte mit ihrem Gatten mitfühlen, sie schwieg und barg ihr Antlitz in ihren Händen. „Sei muthig, Frau," mahnte sie ihr Gatte; „das schwere Dasein muß nun doch einmal ausgekämpft sein! Und ich denke, wir werden bestehen mit Gott und mit Ehren!" Die Frauen verharrten in demselben, ergebungsvollen goldenem Teller gereicht

Falke von der Leßnitz gefühlt haben mag, als ich init dem

schmeckt doch

Banner der Stadt Berlin sein väterlich Erbe in Flammen aufgehen ließ! — Die Dörfer sind ganz wüst?" „Wir haben Näheres nicht erfahren," entgegnete Herr Gerhard Smiterlöw. „Und mein Halis zu Berlin?" „Ist von dem Rathe der Stadt als verwirkt eingezogen worden, obwohl der Richter der Stadt, — man sagt mir, ein trefflicher und gerechter Mann, — dasselbe schützen wollte. Herabgerissen ist das Zeichen Elires Geschlechtes von der Thür; ja, die Boten erzählten, uni Friedebruches willeil seien die Mauern Eures Hauses der Erde gleich gemacht worden. Saget, mein Freund, — wie konntet Ihr ben Rath Eurer Heimathsstadt also schwer erzürileil?" Koppens Antlitz war aschfahl geworden. Mt bebender Stimme antwortete er: „Herr Gerhard Smiterlöw, ich habe nur gethan, was Ihr, trügt mich nicht Alles, ail meiner Stelle auch ge¬ than hättet! Mein Knecht, — mein getreuer Knecht, war widerrechtlich verhaftet worden; ich habe ihn mit Gewalt befreit." „Wie Euch auch der Kilecht an's Herz gewachseil gewesen sein lnag," erwiderte Gerhard Smiterlöw, „es war doch immer ein Friedebruch, und die gegen Euch ausgesprochene Acht besteht so lange zli Recht, bis Ihr Euch mit dem Berliner Rathe versöhnt habt. — Die Kunde von Eurer Waffenthat vor Altwichshagen aber," fuhr der' Rathsherr fort, „scheint zu Berlin den Haß wider Euch von Neuenl rege gemacht zu haben, und fast fürchte ich, daß die Herren zu Berlin von keinem Frieden, voll keiner Versöhnung mehr luiffcn wollen. Leset selber!" Er reichte Koppen Richard ein Pergameilt Hill. Es war ein Schrcibeil, lvclches der Rath voir Berlin an die Bürger¬ meister zu Stralsund gerichtet hatte. Die „ehrbaren, weisen und fürsichtigen Nathmannen zu Berlin" baten in demselben die Stralsunder, ihre ganz besonderen Freunde, „nm alter Bundesgenoffenschaft willen nimmer zll hegen noch zu pflegen deil argen, ftiedlosen und landesflüchtigen Mann Koppen Richard, welchen sie geächtet hätten, sondern denselben zu bindeil uild zll schließeil und ihil einzuliefern dein Rathe zu Olden - Berlin, damit er Buße leiste, wie es Rechtens ist." —

.

Koppen Richard führte

Schweigen.

sinnend den Becher an

seine Lippen.

„Es ist ein schlimmer Trost," sprach er, „den ein Manu im Weine findet! Aber er thut mir wohl, dieser feurige Trank! Mir ist, als würde ich bald meine ganze Kraft einsetzen müssen, um für Euch und für meine Ehre zu kämpfen." Da meldete der Knecht Hans den alten, würdigen Herrn Gerhard Smiterlöw, und Koppen ging, ihn in dem kleinen Prunkzimmer des Hauses zu empfangen. Der stolze Patrizier streckte ihm zun: herzlichen Gruße die Hände entgegen. „Mein Freund und Waffenbruder," sprach er; — „vor Altwichshageu zeigtet Jhr's, daß Ihr ein Mann

Ich bring'

seid!

EntEurer vollen, männlichen Fassung bedürfen

Euch heute leider Nachrichten, bei deren

Ihr

gegcnnahme

!

j

werdet."

„Seit langer Zeit," erwiderte Koppen Richard, schmerzlich „bin ich daran gewöhnt, nur Düsteres und Verhängniß-

lächelnd,

volles zu hören! Ich bitte Euch, Herr Smiterlöw, theilet mir unverzüglich mit, was Ihr mir zu sagen habt." „Nun denn," so sprach der greise Rathsherr theilnahmsvoll, „Ihr werdet- auch das überwinden, wie viele, gute Männer das vor Euch gethan haben." „Ich bin Verse st et von der Stadt Berlin?" fragte

!

Koppen.

„Ihr

habet cs errathen," erwiderte der Patrizier.

„Doch Mark haben noch andere Kunde gebracht. Der Rath von Berlin hat sich durch seine Knechte Eurer Güter bemächtigen wollen; — Eure Leute und Unterfassen

unsere Boten aus der

haben

Widerstand

geleistet;

es

ist

zum

j

Kampfe gekommen

und" — „Meine

Dörfer sind niedergebrannt!" vervollständigte Koppen Richard die Rede seines Gastes. — „Was er erwartet hat,

schreckt

rubig fort.

indessen einen

„Ich

weiß es

!

Alaun mit Nichten!" fuhr Koppen jetzt, was einst der Ritter Erich

(Fortsetzung folgt.)

HlchenMmifahrttn in's gelobte Land. Bon Ferdinand Meyer.

Hl. am Abend ihrer Ankunft in Jerusalem besuchten die Pilger einige der traditionell geheiligten, alißerhalb des Tempels gelegenen «Stätten, und am Abend des folgenden Tages (einem Freitag) das heilige Grab. Hier vollzog der Kurfürst die Weihe Noch

des Ritterschlags an einer

Anzahl feiner Begleiter, deren Namen Wir können die Träger derselben umsoinehr an unserm geistigen Auge vorüberziehen laffen, als mancher in nähere Berührung mit Berlin gekommen ist. Den Reigen der Ritterbürtigen eröffnet Fürst Albrecht zu Anhalt und Graf von Askanien, welcher als Zeuge in

Peter Rot

aufgezeichnet hat.

mehreren Urkunden auftritt. So in dem „Gelöbniß-Briefe" der Bürgermeister, Rathleute, Gelverke und Gemeinden voni 26. Februar 1442, die vom Kurfürsten gegebene Verordnung wegen der j Rathswahlen und Umgestaltung der städtischen Verwaltung „stets uild fest zu ewigen Zeiten uiwerbrüchlich zu halten". Dann in dem Tauschverttagc vom 18. März 1443, den der Kurfürst mit den, Kloster Lehnin bezüglich des Abtcihauses und Hofes „an der Mauer, gegenüber deni Kloster in Cöln" abgeschlossen hatte, uin das dadurch gewonnene Terrain zum Schlvßbau verwenden zu können.

403 des Schlvanen-Ordens durch den hochseligen König, gelegentlich der Feier des 400jährigen Stiftungstagcs, angesehen werden. Damit erfolgte auch die Ausfertigung der Urkunde über die Errichtung des Krankenhauses Bethanien, und gleichzeitig ließ der König, zum Gedächtniß an diese Stiftung, für seine hohe Gemahlin ein Geschmeide anfertigen, das jetzt im Besitze Ihrer Majestät der Kaiserin sich befindet. Denn unser Kaiser hat cs den Intentionen seines verewigten Königlichen Bruders entsprechend erachtet, daß diese Ordensdekoration von der jedesmaligen Königin getragen

Land¬ graf Ludwig vvn Leuchtcnberg, die Grafen Otto von Henneberg und Bernhard von Regenstein, welcher mit zu unserem Fürstenhaus« in vielfachen Beziehungen stand;

seiner Herrschaft am Harz 1443 begeben hatte und dessen

in den Schutz des Kurfürsten sich Rath geworden war. Ferner: Gebhard

von Mansfeld und Ludwig von Isenburg; die Bannerherren Gottschalk vvn Bles; und Hans von Turgow; Marschall Georg von Pappen heim, 1450 mit Albrecht Achill über die L-tädtischen bei Leutershausen siegend; Büppel in vom Stein, Lutz von Rotenhan, der Träger des „Georgcnfähnleins" unter Kaiser Friedrich; Ritter Georg Vvn Waldenfels, der Vertraute des Kurfürsten und dessen Kämmerchen.

werde.

So reichen die Beziehungen zu jenen „Hohcnzollernfahrten" bis in unsere Zeit hinein; doch auch sic ruft die Erinnerung wach an eine gleiche Fahrt, die ein nicht minder ritterlicher Sprosse dieser Dynastie unternommen, nachdem der verewigte Prinz Albrecht von Preußen auf seiner Orientreise im Winter l 842/43 die heiligen

Auch er ist in der vor¬

erwähnten Urkunde vom 26. Februar 1442 als Zeuge namhaft gemacht, und erhielt später das „Hohe Haus" in der Klosterstraße (das spätere sogenannte „Lagerhaus") als Burglehn.

In

Otto

der

stattlichen Reihe

Stätten ebenfalls besucht hatte. Es war im Jahre 1869, als unser Kronprinz, einer Ein¬ ladung des Vizekönigs von Egypten zur Eröffnungsfeier des Suezkanals folgend, im Oktober über Wien, Venedig und Athen zunächst nach Kvnstantinopel sich begab, und von dort die Reise übcr Rhodus nach Jerusalem antrat. In der Frühe des 3. Novembcr langte die „Hertha" mit dem hohen Herrn auf der Rhede von Jaffa an, woselbst der Pascha von Jerusalem und der GcneralConsul des norddeutschen Bundes sich eingefunden hatten. In sengender Mittagsgluth wurde von dort aufgebrochen, um

Ritterbürtigen folgen dann: und Georg von Schliebcn — jener der erste Landvogt der

in der Lausitz während der Brandenburgischen Herrschaft, letzercr einer der drei Rottenmeister, welche Kurfürst Friedrich der Zweite unter Anführung des vorgenannten Waldenfels seinem BruderAlbrecht Achill mit der Kriegsmannschaft gegen die Nürnberger zu Hülfe schickte;

Henning von Quast, Obermarschall des Kur¬ vvn Bredow, dessen bereits bei der Pilger¬

fürsten, und Hasso

fahrt der Markgrafen Johann und Albrecht, als Statthalter der Mark, Erwähnung geschehen ist. Fenier: der Kurfürstliche Rath und Besitzer des Städtleins Freienwalde, Balthasar von UchtenHagen, welcher daselbst einen Wasserzoll von Berlin und Frankfurt erheben durfte; Claus vvn Sparrc, Pfandinhaber des kurfürstlichen Amtes Angermünde und einer der vorerwähnten drei Rottenmeister; Kraft von Vesten¬

Jerusalem anderen Tages rechtzeitig zu erreichen. Durch die weiten, Orangenhaine unfern der Hafenstadt bewegte sich die stattliche Karawane wie durch einen Zauberwald der Armida. Vorauf eine türkische Eskorte von 60 Btann Kavallerie und BaschiBozuks auf ihren kleinen mageren Pferden. Alle bewaffnet bis an die Zähne, gewährten sie mit ihren überlangen Fcucrschloßslintcn

schönen

berg, Jacob von Polentz, Nickel Pfuhl, Hans von Beda, Urban Stoß, Lamprecht Befehlsheim, Peter Markburg und endlich der Baseler Bürgermeister Peter Rot, welcher Ritter

einen eigenartigen Anblick. Ihnen folgten die drei Katvasscn des General - Consuls, in dunkelblauer, beschnürter Tracht zu Pferde,

riesige silbcrbeschlagene Stöcke tragend; dann zwei Araber mit dcr preußischen und norddeutschen Fahne, denen die Königliche Stan¬

des Schwancnordens war.

Nach Besichtigung der heiligen Stätten ritten die Pilgrimme am Sonntag nach St. Ulrichstag frühzeitig aus Rama und ge¬ langten zur Zeit des „Imbisses" wieder auf die Gallionc. Eine

darte folgte.

Unmittelbar hinter der Letzteren ritt der Kronprinz auf einem kleinen arabischen Schiminelhcngst, die historische kurze Pfeife rauchend; neben ihm der türkische Pascha in malerischein tveißcn Burnus, aus einem edlen cyprianischen Maulthier mit reicher Zäumung und seidenem Sattelkissen. Der Kronprinz und sein

Notiz in dein Tagebuche besagt, daß der Kurfürst mit dem Schiffs¬ patron Anthonien Loridan von Venedig 35 Dukaten Fahrgeld für jeden der Reisebegleiter ausbedungen habe. Damit schließt der

Gefolge trugen ein leichtes Reisekostüm, um die Kopfbedeckung weiße Schleier zum Schutze gegen die brennenden Sonirenstrahlen geschlungen. Ihnen folgten 30 Seeleute vvn der „Hertha", dann die Diener und das Maulthier mit dein leichten Gepäck, hinterdrein schritten drei schwerbeladene Kamcele gemessenen Trittes. Den Schluß des Zuges bildete ebenfalls eine türkische Eskorte vvn

Bericht. . . . Eine kostbare Reliquie aus jener Zeit befindet sich im Besitze Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen: die einzige noch vorhandene Kette des Schwanenordens, welche auf der großen Heraldischen Ausstellung in Berlin eines der kostbarsten Objekte bildete. tvar der Baseler Bürgermeister

Der einstige Träger dieser Kette im Pilgcrgefolge Fr-iedrichs II.

Rot

30 Pferden.

Sie stammt nach v. Stillfrieds Angabe aus der Baseler Domkirche und war dort lange Zeit der Halsschmuck einer Statue der heil. Ursula. Bei Auflösung der Kantonverfassung und Theilung des Kirchcnschatzes des Münsters sollte die Kette um das Jahr 1833 zur öffentlichen Versteigerung gelangen und war im Katalog beschrieben: „Eine stark vergoldete silberne Halskette mit einen Zoll langen Gelenken; als Gehänge das Bild der Diaria und darunter das¬ jenige eines Schwans tragend; von fleister Arbeit." Der spätere General-Postmeister von Nagler, damals Ge¬ sandter beim Bundestage zu Frankfurt, las die Ankündigung; er errieth den hohen Alterthumswerth des Kleinods und ließ dasselbe

Das bunte Durcheinander der Trachten, das Geschrei der Maulthier- und Kameeltreiber in ihrer Effendi-Tracht und in kaftanähnlichen Gewändern bildete ein echt orientalisches Gemälde. Nach halbstündigem Ritt änderte sich die Scenerie: eine trost¬ Durch diese lose dürre Ebene, Saaron, lag vor den Reisenden. Biarkgrascn beiden die woselbst Rainlcp, ging cs bis zum Dorfe

ankaufen, um es dem Kronprinzen, nachmaligen König Friedrich

Wilhelm IV., zum

Geschenk zu machen. Unzweifelhaft war die Kette von den Erben des Baseler Bürgermeisters in die Domkirche gestiftet worden.

Dieser Vorfall kann wohl als die Veranlasiung zur Erneuerung

,

1435 in dem Barfüßer-Kloster übernachtet hatten. Die Kronprinzlichc Karawane machte hier nur kurze Rast, denn der Weg bis zum Nachtquartier war noch ein weiter. Mit Sonnenuntergang erreichte man dasselbe in einem geschützten Thal, am Fuße des Gebirges. Gegen 20 Zelte nahmen die Reisenden auf, und nach beendigter Mahlzeit umfing unter herrlichem Sternenhimmel der Schlummer die Ermüdeten. In der sechsten Morgenstunde des 4. 'November tvurde wieder aufgebrochen. Der Weg schlängelte sich durch enge, mit Schlagholz, duftendem Geisblatt und stachlichem Strauchwerk bewachsene

404 Thäler hin. Weiter vorwärts dringend, verminderte sich die Vegetation, duner und steiniger wurde die Straße. Zwei Weg¬ stunden von Jerusalem kam eine letzte grüne Oase, das Thal Karjat — el — Anep (Traubendorf), auch „Thal des Jeremias" genannt. Ein Don lehnt sich an einen Felsen zur Rechten des Weges und reicht hinab in ein kleines herrliches Thal, dessen Gärten von einem Bach bewässert werden. In einem tiefen Eng¬ paß am Eingang des Thales hausete einst der berüchtigte Straßenräuber Abu-Gosch mit seiner Bande. An dem berüchtigten Räubernest mit seiner Kreuzfahrer-Kirche vorüber ging der Ritt eine volle Wegstunde. Dann wurde gerastet, um die zum feierlichen Einzuge nöthige Toilette zu machen. Aus der Stadt trafen schon Deutsche zur Begrüßung ein, die dann dem Zuge sich anschlössen. Endlich war die Anhöhe vor Jerusalem erreicht, die aber nur einen Ausblick über ein weites, wcißlichgraues Häusermeer gewährt, aus dem hin und wieder schlanke Minarets emporragen. Der Kronprinz betrat ein dort aufgeschlagenes Zelt und wurde hier von dem armenischen Patriarchen, dem gesammten ConsulatsEorps, den Franziskanern und Jesuiten, den abyssinischen Christen, von Israeliten und Kopten begrüßt. Unter Vorantritt der von der Garnison begleiteten türkischen Behörde und unmittelbar hinter den preußischen Seesoldaten hielt nun der Kronprinz seinen Einzug in die Stadt?) Entlang der zackigen Mauer mit ihren Thürmchen, welche an die Zeit der Kreuz¬ züge erinnert und sich über Hügel von Schutt und Trümmer in Schlangcnwindungen um die Stadt zieht, erfolgte der Einzug durch das Damaskus-Thor, woselbst eine zahlreiche Volksmenge sich an¬ gedrängt hatte, welcher die stattliche Gestalt des weit über das Meer gekommenen Königssohnes sichtlich imponirte. Der erste Gang des Kronprinzen galt der heiligen „GrabesKirche," tvelche von einem großen, zu verschiedenen Zeiten erwei¬ terten Gebäude in byzantinischem Styl uinschlosien tvird und, wie bereits geschildert, die Schädelstätte nebst mehreren anderen Kapellen in seinen Mauern birgt. Eine volle Stunde verweilte der Kron¬ prinz in dem geheiligten Raume und überließ sich da Eindrücken, deren hier wohl Niemand sich erwehren kann. Um die Mittagstunde wurde kurze Siesta in dem JohannitcrHosPiz gehalten, welches der Sultan dem Könige von Preußen abgetreten hatte, und das jetzt von dem Kronprinzen übernommen wurde. Dann fand auf der „Via dolorosa" die Inaugenschein¬ nahme der Stätten und Bauwerke statt, welche augenscheinlich, wie u. A. die Arkade „Eixe liomo“, das Haus der Veronika und das des „reichen Mannes", modernen Ursprungs sind, denen frommer Glaube aber eine traditionelle Authentie gegeben hat. Dann wurde der Olivengarten besucht, welcher auf HalberHöhe eines ziemlich schroffen Hügels (des Oelbergs), liegt von einerniedrigen Brauer umzogen wird und fünf im Absterben begriffene Oclbärune, so tvie einige, augenscheinlich jüngeren Alters enthält. Hebron und Bethlehem bildeten das Reiseziel der nächsten beiden Tage. Ersteres wurde nach sechsstündigem heißen Ritt auf dem vier Meilen langen, durch Einöden und über Felsgeröll, oft nur als Saumpfad sich hinziehenden Wege erreicht. Nachdem ein Frühstück schnell eingenommen war, eilte der Kronprinz zur Moschee, welche über den „Gräbern der Erzväter" oder „Patriarchen" sich erhebt.

Dem uralten, zweifellos in die Blüthe Judäa's zurückreichenden Grabmonument wird seitens der Muhamedancr die höchste Ehre erwiesen. Als die Araber Besitz von Jerusalem und ganz Pa¬ lästina ergriffen, erbauten sie an das schon damals als „Grab dcr Patriarchen"- für heilig erklärte Bauwerk noch eine Moschee. So

*) Wir verweisen auf das in der „National-Galerie" befindliche Gemälde von G.cntz, welcher sich im Reisegefolge des Kronprinzen befand.

!

I

j

blieb es bis zu den Zeiten der Kreuzzüge, als im Jahre 1119 ein Mönch mit Genehmigung des Grafen Beaudouin, dem Herrn von Hebron, unter Leitung des Klosterpriors Eudes und des Canonikus Raoul in der zu einer christlichen Kirche umgewandelten Moschee Nachgrabungen anstellte. Während mehrtägiger Arbeit stießen sic auf sechs in den Felsen gehauene Grabkammcrn. In der zweiten derselben, einer Grotte ähnlich, befand sich ein langer schmaler Gang, welcher in einer kleinen runden Halle endigte. An dieser Halle befanden sich sechs kleine Grotten, deren eine mit einer Inschrift versehen war. Drei der Grotten waren leer, in der vierten jedoch lag ein Skelett, in der fünften fand man deren zwei,

und in der sechsten fünfzehn Thonurnen mit Knochen. - Die beiden Priester glaubten nun, daß die drei Skelette die der Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob seien, nahmen dieselben aus ihren Felsengräbern, durchzogen damit in feierlicher Prozession Kirche und Kloster lind brachten sie dann wieder an ihre ursprüngliche Stelle. So berichtet ein unzweifelhaft echtes, aus vier Pcrgarnentblätteril bestehendes und von jenem Mönche Anno 1119 in latei¬

Manuskript, welches vor einigen Jahren inscriptions et des belles lettres“ vorgelegen ,,.4eademie des der 1187 wieder in die Hände der Hebron Nachdem dann hat. jene vermeintlichen dieselben gefallen war, ließen Mohamedancr wie solche von Zustande, „Gräber der Patriarchen" in demselben worden vorgefunden Balduins den beiden Geistlichen zur Zeit Muselmänner fanatischen waren. Seitden, auch untersagten die jedem Christen auf das Strengste den Besuch der Moschee. Wenn es aber in dem Bericht über jene aufgefundene Hand¬ schrift heißt, daß der einzige Christ, welcher seitdem die „Patriarchcngräber" mit ausdrücklicher Genehmigung des Sultans besucht hat, der Prinz von Wales gewesen sei, so ist dies nicht zutreffend; nischer Sprache verfaßtes

vielmehr war es der Kronprinz von Preußen, welchem diese Vergünstigung schon vorher zu Theil geworden war. Er und seine Begleiter durften durch eine runde Oeffnung in die erleuchtete Gruft Abrahams hinabschauen und die Gräber der beiden ailderen Erzväter in Augenscheiil nehmen. Von irgend welcher Untersuchung konnte keine Rede sein, die Heiligkeit des

Ortes gestattete nur eine Besichtigung. Der Abklatsch zweier In¬ schriften, in der Hast auf Papier vorgenommen, mißglückte leider. Nach Vertheilung kleiner Palmcnzweige ging es wieder zu Pferde, um noch rechtzeitig die Teiche bei Selamnis zu erreichen, zehnstündigem Ritt, das Nachtlager bereitet war. Morgen sah die Reisenden auf dem Wege nach Beth¬ nächste Der dreiviertelstündigem Ritt erreicht wurde. nach lehem, das wurde hier dem Kronprinzen Stätten Der Besuch der heiligen der auf einander eifer¬ Zänkereien die durch und seinem Gefolge woselbst, nach

süchtigen Griechen, Armenier und Franziskaner, welche sich buch¬ stäblich um den hohen Herrn rissen, sehr verkümmert. Nach Jerusalem zurückgekehrt, wurden die Thore der Stadt

und der

„Klageplatz der Juden" in

Augenschein genommen,

Zion und Moriah, sowie das Thal Josaphat mit seinem „Hiobsbrunncn" und den sogenannten „Gräbern des Josaphat und Absalon" besucht. Letzteres bildet einen steinernen Kubus mit einer vierseitigen Pyramide in einem einzigen demnächst die Berge

Felsblock des Hügels gehauen. Am folgenden Tage verließ der Kronprinz, nach Beiwohnung des Gottesdienstes in der Englischen Kirche, die heilige Stadt, welche ihre Geschichte mit dem Demantgriffel der Ewigkeit ge¬ schrieben — in welcher während jener denkwürdigen Tage des Kronprinzlichen Aufenthalts die Standarte des preußischen Königs¬ hauses

zum ersten Male,

faltete!

.

auf dem Johanniter-Hospiz,

sich

ent¬

. .

Die jüngste Reise nach Palästina war bekanntlich diejenige verewigten Prinzen Friedrich Carl; möchte cs nicht die des letzte der

„Hobenzollernfahrten"

gewesen sein!



405

Äus

dem alteren Schulwesen der

Es sei gestattet, hier Einiges über das Schulwesen, namentlich einige Aeußerungen über Personen vom Gymnasium zu Bran¬ denburg vor 63 Jahren, mitzutheilen: 1. Der Ordinarius von Quarta nannte uns Sie, die übrigen Lehrer Du und Ihr, der Mathematikus dagegen Er, .nur, wenn er,

was selten vorkam, milde gestimmt war. Wir! Als ihin ein vor¬ witziger Schüler auf die Frage: „Wie heißen Wir?" antwortete: „Sie heißen Herr Mathematikus F. und ich Friedrich N. N.", da bearbeitete er dessen Schulten, mit dein Rohr, empört ausrufend: „Warte Er Eisbär!" (Der Schüler trug einen hell¬ farbigen Flauschrock.) 2. Der Rektor vr. B., ein sehr alter Hagestolz, von

Mark.

wohl Geiz nennen könnte.

Wenn er dann und wann zu abend¬

war, brachte er mit, die ihn, die Frau Konrektor auf

lichen Zusammenkünften zu Konrektors eingeladen stets eine leere Medizinflasche

mit der übrig gebliebenen Bratensauce füllen mußte. Um das Schornsteinfegergeld zu sparen, fegte er die Rauchfänge seiner Amtswohnung eigenhändig. Als dies die Primaner erfahren hatten, verfielen sie auf folgenden Ulk: Sie färbten die Flächen ihrer Hände mit Kienruß, und als nun de,- Prorektor die Klasse betrat, riefen sic ihm entgegen: „Aber Herr Prorektor, wie sehen seinen Wunsch

Sie im Gesicht aus. Sie ja ganz schwarz im Gesicht, als hätten Sie im

sind

Schornstein gesteckt. Sehen Sie mal, hier und hier", dabei streichelten sie ihm das

großer Gelehrsamkeit, dabei ein tüchtiger Kopf, von hervorragender Eloquenz; er sprach mit den Schülern mehr Latein als Deutsch, hatte die Neigung, täglich einige Gläser leichten Mosel¬ wein, jetzt Kutscher genannt, zu trinken. Er saß fast täg¬ lich Abends am runden Tisch in der Weinstube, umringt von vielen Mit¬ der gebildeten gliedern Bürgerschaft, die seinen tiefsinnigen Orakelsprüchen mit Andacht zuhörten. Da sein Magen etwas ge¬

Gesicht, selbst die Nase, so

daß der Aermste wie

ein

Kongoneger (?) aussah. Ihr Gelächter erschütterte die Wände, drang bis in aus den den Korridor, übrigen Klassen strömte das neugierige Volk. Auch dcr alte Rektor trat aufgeregt

hinzu, und nachdem er vonbelehrt Primanern worden, forderte er in deren Gegenwart den Gefärbten auf, künftig nicht nur das Fegegeschäst den Leuten des Schonffteinfegermeisters zu

den

schwächt war, so kam es wohl manchmal vor, daß ein Tröpfchen zu viel ihn

überlassen, sondern auch von letzteren, Quittung über hinterzogene Gebühren ihm,

Unter einer verstimmte. solchen Verstimmung seiner¬ seits hatte ich auch einmal zu leiden. Ich besuchte ihn eines Morgens, um mir ein Schulzeugniß zu er¬

dem

eines

wollte.

Elementar¬

Er rief mir ent¬ „Wie heißt Er?"

„Ich bin der Sekundaner N. N." „Was will Er?" „Ich wollte Sie um ein Ab¬

Im üerliner

Grslndevennirthungsburrau. Ein Bild aus dem Leben der Hauptstadt. (Hierzu der Aufsatz S. 406).

gangszeugniß bitten, HerrRektor." „Was will Er werden?" „Ich möchte mich zur Anstellung als Supernumerarius beim hiesigen Königlichen Land- und Stadt¬ gericht unter Beifügung des erbetenen Zeugnisses melden." „Was!

will Er werden? Dann gebe ich Ihm kein Attest." „Nun gut, Herr Rektor, dann werde ich in kürzester Frist mich an Ihren bereits designirten Amtsnachfolger mit sicherer Hoffnung auf Erfolg wenden." „Nun mache Er, daß Er hinauskommt." So Schreiberknecht

Schüler und Lehrer von einander. 3. Der Prorektor P., sehr alt, auch Anhänger des Cölibats; er hatte ein großartiges Herbarium zusammengebracht, dessen Verzeichniß 60 Bogen in Großfolio umfaßte. Er wurde heftig von einer übertriebenen Sparsamkeitssucht gepeinigt, die man mit Recht schieden

ife:'/V-'KJaSTi st

fegen

lassen berechtigt

und ver¬

zu

Zu Neujahr

schenkten die Primaner

lehrers, der sein Mündel der Sexta einverleiben lassen gegen:

beizubringen,

lichen Gebäude

pflichtet sei.

bitten, traf ihn in Gesell¬ schaft

Rektor

da der Meister kontraktlich für die Gebühren die öffent¬

ihrem Prorektor öfters einige Flaschen Wein. Einige von ihnen, darauf spekulirend, daß sein Geiz ihn ver¬ hindern würde, den Wein zu kosten, füllten mehrere mit PlumpenFlaschen

heimer und versiegelten sie auf's Prompteste. Sie er¬ reichten ihren Zweck. Denn als 3 Jahre nachher bei seinem er¬ folgten Ableben die Inventur seines Nachlasses vorgenonimen wurde, fanden sich viele wohlversiegelte Flaschen darunter, mehrere voll des reinsten Ouellwassers vor. Der frühere primus omniuw, dessen schon einmal rühmlich gedacht worden, war als Auskultator und Protokoll¬ führer bei der Aufnahme des Nachlaßinventarii beschäftigt; zwischen ihn, und einigen einst mit seinem Pettschast versiegelten Flaschen lügenhaften Weines fand ein Wiedersehen statt. (Des alten Mannes 8000 Thaler betragendes Vermögen kam an einen weitläufigen Verwandten in, Elsaß, der 640 Thaler Erbschaftsstempelsteuer an den Preußischen Fiskus davon zu zahlen hatte.) Bein, Leichenzuge folgten ihm die Verwünschungen der am Wege stehenden Armen nach.

40« 4. Dcr Konrektor, Professor Br. Dieser war ein Liebling aller seiner Schüler und stand in hoher Achtung bei seinen Kollegen. Das Publikum in allen Lebenskreiscn verehrte ihn wegen seiner Leutseligkeit. Er war ein tüchtiger Schulmann und wurde ein¬ stimmig zum Nachfolger des Rektors Dr. B. ernannt. Wir nannten ihn Weber, denn seine Wiege stand neben dem Webstuhl seines

-

Blau gründete zu seinem Andenken ein Stipendium, das seinen Namen trug und setzte ihm ein prachtvolles Grabdenkmal mit einem Brustbild im Profil. 5. Der Subrektor W. Von ihm ist nicht viel Bemerkens¬ werthes zu bekunden, und nur noch zu bemerken, das; er ein mehr als 80 jähriger Pensionär an seiner Weigerung, Medizin einzunehmen, gestorben ist. Er bildete sich ein, daß ein früherer Kollege von ihm, aus dessen Gehalt er 12 Jahre hindurch jährlich einige Hundert Thaler Zuschuß zil seiner Pension bezog, ihn unter Beihülfe des Arztes vergiften wolle, um endlich in den Genuß seines vollen Gehaltes zu gelangen. Sein einziger Sohn, dcr Schriftsteller und ehemalige Buchhändler Wohlbrück in Bremen ist vor einigen Wochen Er war ein sehr geachteter Gelehrter, hat auch einige gestorben. Zeit für die Nossische Zeitung geschrieben. Er muß 80 Jahre alt geworden sein, denn als ich nach Sekunda versetzt wurde, bezog Batcrs.

Bei dessen Erwähnung darf nicht verschwiegen werden, daß seine Schüler aus Furcht vor seiner Grobheit und Strenge recht viel gelernt haben. Im Uebrigen war er in der Schule und im Publikum sehr verhaßt. Auch in moralischer Mathematikus F.

Beziehung stand er nicht sehr hoch. Wie wenig er auf Kollegialität hielt, dafür ein auffallendes Beispiel. Es kam mit dem Prorektor und einem Primaner L. zu einem Rencontre, das so tumultuarisch wurde, daß der Mathe¬ matikus F., der gerade iit dcr an Prima grenzenden Quarta Un¬

Im berliner

ich

j

,

Da

stehen sie eng nebeneinander, die Beherrscherinnen der

Küche und Kinderstube, nüt drallen Annen und

ausgearbeiteten

Händen, theils in ihrer einfachen Küchenkleidung, theils in sehr moderner Gewandung mit Fedcrhut und kühner Tournure, das Dienstbuch in der Hand und ebenso neugierig Diejenigen musternd, von denen sie forschend betrachtet werden, von Damen und Herren, Welche hier „an der Quelle" schleunigen Ersatz für das fortgejagte oder' von selbst fortgegangcne Dienst- oder Stubenmädchen suchen. „Sic haben ja seit drei Monaten den dritten Dienst", sagt ziemlich vorwurfsvoll eine korpulente Commerzienräthin zu einer *1

Anmerkung: Sogenannte

vorige Jahrhundert.

„Gesindemäckler"

I

!

folgendes Kuriosum:

Gesuch liegt gegenwärtig den Stadtverordneten vor. Wenn diese Herren von meinem damaligen, übrigens längst verjährtem Frevel hören, sind sie im Stande, das Pensionsquantum nicht, wie ich so lebhaft wünsche, nach obenhin abzurunden, sie begnügen sich dann vielleicht, nur das gesetzlich mir zustehende auszuwerfen." 7. Der Kollaborator und spätere Subrektor R. Von ihm muß bemerkt werden, daß die Schüler sich beklagten, nichts von ihm gelernt zu haben. Er konnte niemals die Disziplin aufrecht halten, trotz aller Hiebe die er austheilte. Sehr oft wurde er in Quarta herausgetromnielt und ausgepsiffen. Nur der alte Rektor, zu dem er flüchtete, konnte seine Autorität momentan wieder¬

herstellen.

Von deir übrigen Kollaboratoreir ist hier nichts mitzutheilen. Alle in diesen Blättern gedachten Personen haben längst das Diesseits mit dem Jenseits vertauscht. F. G.

Gcsmdcvtrmiethungslmrcau. niedlichen Blondine. „Ick sich fast

Die kleinen Leiden großstädtischer Hausftauen spiegeln tagtäglich in den vcrschiedentlichen, über ganz Berlin versweuten Gesindcvermicthungsbureau's wieder, welche — auch eine Er¬ rungenschaft dcr Weltstadt! — erst seit wenigen Jahren im öffentlichen Leben der Residenz aufgetaucht sind.*) Es ist eine buntgemischte Gesellschaft, die sich in diesen auf das einfachste aus¬ gestatteten Räumen von früh bis spät umherschicbt und umhcrdrängt, ein Rendezvousplatz der Küchenfeen und „Zofen", der Kinder¬ mädchen und „Ammen", die sich sonst nie recht vertragen, die aber hier merkwürdig einig miteinander sind, besonders darin, „daß mit die Berliner Herrschaften mecrschtcnthcels wenig los is." Denn den Berliner Dialect hört man hier fast ausschließlich, da sich nur selten in die Gemeinschaft der Rieten und Justen, Emma's und Mariens, welche thcilweise schon ihr „fünfundzwanzigstes Dienst¬ jubiläum" hinter sich haben, junge Novizinnen von auswärts mischen.

Frau Kalefaktorin niederkamen. Hieran knüpfe Als ich vor 16 Jahren auf einer Geschäfts¬ reise in eine Stadt in der Prignitz kam, traf ich den Attentäter L. Wir erkannten uns wieder. Ich erinnerte ihn an die Karambolage mit dem Waschfaß. „Seien Sie stille. Sie können mir großen Schaden thun. Ich bin hier Rektor an der Stadtschule; vor kurzem bin ich ivcgen Altersschwäche um Pcnsionirung eingekommen. Mein stelltcn Waschfaß der

er die Universität.

6.

terricht gab, unsere Klassenthür mit dem Ausruf: „Was ist denn das für ein Katzcngeheul!" weit aufriß. Da sahen wir denn eine sonderbare Prozessioit, voran dcr Prorektor mit dem Primaner L., beide fest umschlungen, hinter beiden laut jubelnd, sämmtliche Pri¬ maner. Statt nun dein bedrängten Kollegen zu Hülfe zu eilen, kehrte F. nach Quarta zurück und dozirte mit Seelenruhe weiter fort. Da hörten wir denn, daß beide Umschlungenen, Lehrer und Schüler, die nahe Treppe herunterkugelteir und neben den; aufge-

kannte schon

da?

liebe die Veränderung, Madame!" lautet Ein anderes Zwiegespräch entspinnt

die sehr energische Antworft. sich dicht

„Mit diesen Zeugnissen kann ich Sie nicht Kind", meint eine hagere Frau zu einer Köchin, hier zurück: „Wenn ick Ihr ,liebes Kind* wäre,

nebenan.

gebrauchen, liebes sogleich

hätte

tönt

ick noch

es

ville schlechtere!" — Auch über die Arbeitsleistungen

sind die Meinungen der Mietherinncn und Gemietheten recht ver¬

„Wieviel Lohn wollen Sie haben", wird eins der biederen „Mädchen für Alles" gefragt. „Na, sechzig Thaler-, — aber nich kochen!" — „Also ich werde Sie nehmen", sagt hier- eine Dame schieden.

zu einer robusten Brünetten, „Sie können heute schon zu mir ziehen." — „Ach, eine Frage vorher, Madame", erkundigt sich das Mädchen mit ordentlich drohendem Tone, „wieville Zimmer sind denn zu besorgen?" — „Vier und ein Cabinet." — „Det is für meine Costituffchion zu viel!" —

Derartige Scenen wiederholen

sich

fortwährend und schade,

daß nran nur so wenig von ihnen venrimmt, sie würden einen höchst amüsanten Beitrag zu dem Kapitel von den Berliner Dienstboten geben. Denn mag man von letzteren denken, wie man will, sie verfügen mit wenigen Ausnahmen über eine gute Portion Witz und Humor, gepaart mit stets bereiter Schlagfertigkeit. Glaßbrenner, der einst als „Brennglas" so scharf das Berlin der vierziger Jahre beleuchtet hat, widmete ihnen sogar ein besonderes

Büchlein, in welchem er sie mit ihren „Tugenden, Leidenschaften und Eigenthümlichkeiten" auftreten ließ. Er schilderte sie besonders in einzelnen Anekdoten, von denen sich viele charakteristische bis heute erhalten haben.

Paul Lindenberg.

407

Misrellen. Drin;

Albrecht von Preußen, Ncgcnt von ZZraunschweig. (Mit Abbildung). Prinz Albrecht von Preußen (Friedrich Wilhelm Nikolaus Albrecht) ist als Sohn des am 14. Oktober 1872 verstorbenen Prinzen Albrecht, Bruders Sr. Majestät des Kaisers, am 8. Mai 1837 gebore», gegenwärtig Herrenmeister der Ballei Brandenburg des Ritter¬ lichen Ordens St. Johann vom Spital zu Jerusalem, koinmandirender

Mitte der kaiserliche Thron einnimmt, läßt bei größere» Festlichkeiten

General des X. Armeecorps var eine Galeere und in derselben „die Ewigkeit (?!), auf einer Wolke *) Bergt. Nr. 16.

— am liebsten bei Erich Falke von der Leßnitz auf den Schlössern Saarmund und Trebbin! Von dort aus will ich kämpfen gegen meine Stadt. ist,

Wir reiten

„Wann fahren wir?" fragte Frau Anna, „Sowie Du bereit bist, liebes Weib." — Er war gegangen. Auch Frau Anna hatte ihre Ent¬ schlossenheit wiedergewonnen.

„Gott Lob!"

sprach sie.

„Wir

sitzend", zu sehen. Hinter der Wolke ging die Sonne auf und vorne in der Galeere erblickte man „die Zeit (?) und die Fama (?)"; das Ruder aber fiihrte Minerva. Um die Galeere herum schwammen Tritonen, die in blau und weißmelirtem Feuer brannten. Ein blauer brennender Schütze schoß nach 4 schwimmenden Enten. Ein Hund kam geschwominen und brachte dem Schützen im Maule eine Ente an. Der Kurprinz zündete von der Pforte im Lustgarten aus das Feuerwerk selber an. XX. Kopfsteuer. Am 28. November 1697 wurde in der Mark Brandenburg eine Kopffteuer ausgeschrieben, kraft deren ein Gehcim-Rath 30 Thaler, ein Rath vom Adel 28 und einer, der nicht vom Adel war 20, ein Bürger 5 Thaler, ein Knecht 18 Gr. u. s. f. bezahlen mußte.

XXI. Geplünderte Post. Am 28. November 1697 plünderte in der Mark eine Rotte von 30 abgedankten Soldaten die Frankfurter Post und nahm gegen 6 000 Thaler weg. So beraubten auch drei Tragoncr bei Taßdorf, 3 Meilen von Berlin, eine französische Dame und nahmen ihr 500 Thaler ab. Der eine der Räuber aber, der nach dem Raube seine Kameraden niedergemacht hatte, wurde eingefangcn und erhielt seinen verdienten Lohn.

XXII. Friedensdankfest.

Am 15. Dezember 1697 wurde in

Berlin wegen

des Rhßwiker Friedens ein feierliches Dankfest gehalten, alle großen Geschütze gelöst und von dem Leibrcgimente „Salve geschossen",

wobei ein junger Cavalier, Namens Gackcborn, der an einem Fenster stand, mit einer Kugel durch den Kopf von Einem, der wider Befehl scharf geladen batte, todt geschossen wurde.

XXIII. Kauf des Amtes Petersbcrg und der Abtei Qued¬ linburg. Nachdem der Kurfürst von Sachsen und König von Polen das

bei Halle a. S. gelegene Amt Pctersberg sammt der Schutzgerechtigkeit über die Abtei Quedlinburg fiir eine Summe von 324 000 Thaler an das Kurhaus Brandenburg überlassen und darauf im Voraus 100 000 Thaler erhalten hatte, bemächtigten sich die Brairdenburger am 23. Januar 1698 'Morgens 4 Uhr der Stadt Quedlinburg durch folgende Branden¬

List: Der Prinz von Anhalt-Dessau, kam mit 300 bis 400 Mann vor die Stadt und ließ vor dem Thore blasen, als ivenn die Post durch¬ reiten wollte, worauf das Thor wie gewöhnlich geöffnet, die Wache über¬ mannt wurde, und die Truppen in aller Stille auf den Markt zogen, so taß fast Niemand etwas davon merkte. Allein das Stift und die Stadt Quedlinburg protestirtcn gegen einen solchen Verkauf, boten dem Könige selber 324 000 Thaler zu zahlen an und machten selbst die Sache beim kaiserlichen Hofe anhängig (natiirlich erfolglos). burgische Obrist,

411

— Hermann

sechs Knechte.

Wie dank' ich Dir, himm¬ Thatkraft wieder erhalten hat! Er hat sich scheeren lassen, wie ein Lamm! Jetzt, hoff ich, ist der Lowe in ihin erwacht! Er ist im Recht; — Gott schütze seine Sache! Komm' Schwester, — wir wollen auch

seine Dienste.

schm jetzt wieder klar!

Mellin

ist wieder

Ich weiß

es bestimmt;

in Berlin!

Er ließ

lischer Vater, daß Koppen seine

den heutigen Abend noch benutzen.

ist

niit Dir vorgegangen? Du

Doch welche Veränderung

gehest ausrechter

und Dein Auge

blitzt?"

„Ich

freue mich,

Anna," erwiderte Maria Wardcnberg,

„daß Dein Gatte endlich entschlossen zu handeln beginnt. Es muß ja nun zu Ende kommen, zu einem guten oder schlimmen! Ich erblicke ihn am liebsten, wenn er gerüstet ist! Ich bitte Gott, daß Koppen sich im Kampfe ritterlich und edel

halte!"-

Es ist wahr: unter den Wirren der letzten in uns erloschen. Es brach zu viel über uns herein! Ich denke, wir haben uns nun wiedergefunden, und Gott wird uns an den Feinden, die uns zum Aeußersten gedrängt haben, die Rache nicht ver¬ sagen." — Der „Stör" zu Stralsund war damals ein schlechtes Wirthshaus unsern dem Bodden. Hier pflegten die reisigen Knechte einzukehren, welche hofften, auf einer Kriegskogge Dienste gu finden, — Dienste gegen die Erbfeinde der „Hansen", die drei nordischen Reiche, welche damals noch nicht durch starke Frauenhand vereinigt waren und deren Politik eine daß das eine oder das so tvirre und schtvankende war, andere derselben unterweilen auch mit den Städten der Hansa eine unnatürliche Bundesgenoffenschaft einging. Koppen Richard hatte sich nicht getäuscht: er fand hier, was er suchte. In dein schnrutzigen Gastzimmer des „Störs" ivürfelten und zechten

„Auch ich!

Zeit war der Geist der alten Wardenberg

In Berlin hatte ein getaufter Türke von einige kostbare Sachen cntivendet, das Geld verspielt und sollte nun am 25. Januar 1698 am Galgen zappeln. Als er schon darunter stand und ihm der Nachrichter den Strick um den Hals legen ivollte, kam ein kurfürstlicher Pardon wegen seiner Jugend an. Der Türke sollte aber nach Spandau gebracht werden und daselbst mit dem Karren fahren. Als er noch einige Schritte vom Hochgericht entfernt war, sah er es starr an und wurde leichenblaß. Als man ihm aber unter dem Galgen Gnade zurief, cnnunterte er sich augenblicklich und sprach: „Ich bin hier gewesen, ich komme nicht wieder!" Berlin gab sich ein Gauner für einen XXV. Ein Renegat. italienischen Grafen ans, trat zur reformirten Kirche über und hoffte nun auf besondere Gnade des Kurfürsten. Als er aber nachher schlecht von der Religion zu sprechen anfing, ward der Betrug entdeckt und er am l. Februar 1698 eingesetzt. — XXVI. Plakate gegen den Luxus. Den 31. März 1698 wurden zu Berlin wegen der überhand nehmenden Pracht und des Luxus in Hinsicht der Kutschen und Kleider u. s. iv. zwei Plakate angeschlagen. Der Inhalt des ersten war folgender: 1. „Alle diejenigen, so Carossen und Chaisen allhier verfertigen lassen lind ausivärts verschicken, sollen dieselbe mit 4 Prozent Versteilern uiid sollen solche Wagen mit einem besonderen Brenneisen gezeichnet werden: Wer dawider handelt, soll das erste Mal in 10 Rthlr. Strafe verfallen, zum anderen Mal aber der Wagen, davon die Accise nicht erleget, confiscabel sein. 2. Ein Jeder, er sei von was Qualität, sowohl Civil, als Militär, der sich der Wagen gebraucht und hält, soll jährlich bei der Accise ab¬ statten vor die Caroffe 1 Rthlr., vor einen sogenannten Zellischen Wagen 16 Groschen und vor eine Chaise 12 Groschen, weileii durch das viele Fahren die Straßen-Pflaster sehr verderbt werden. 3. Diejenigen, so „Paruquen tragen, sollen solche auch jährlich ver¬ steuern: Alle kurfürstliche Civil- und Militärbediente, vom Höchsten, bis zu den Secretären und welche denen im Range gleich sind, sollen jährlich 1 Rthlr. geben, die übrigen kurfürstlichen Bedienten, .Blagistraten, Sekrctaricn, Kammerdiener, Schreiber, Kaufleute u. dergl. jeder jährlich 16 Groschen, Laquaien, Handlverks - Geselle» und übrige geringe Leute, ein jeder 12 Groschen und ist Niemaild exempt als die Prediger, Schul¬ bediente, Studiosi, Schüler und Kinder unter 12 Jahren, item die Untcrofficiere und gemeinen Soldaten." XXIV. Ein Türke.

19 Jahren

seinem Herrn

In

Er faub sie

sie

brauchbar und nahm

sie

sofort in

hinaustreten auf den Hof der Schenke.

„Mir

ist Unrecht und schreiende Gewalt geschehen," so redete er sie an, „und zwar vom Rathe zu Berlin. Deshalb entsage ich

ihm als ein freier, rechtschaffener Mann und will ihn hindern, schädigen und vergewaltigen, wo ich nur kann, gleichwie aud> mir von ihm geschehen ist. Wollt Ihr mir als treue Gesellen zu meinem Recht verhelfen und mir hold und geivärtig sein in Kamps und Frieden, auf Weg und Steg, im Walde nild im Felde, so will ich Euch wohl hallen und Euch auf den Monat geben an Sold je einen Goldgulden. Die Beute theilen wir; mir aber gehört ein doppelt Theil. Seid Ihr deß zufrieden, so saget

Ein vollstimmiges Er fuhr fort:

,Ja!‘" ,Jall

klang Koppen Richard entgegen.

„Ich habe ferner einen Feind; der heißt Hermann Mellin und war einst gesessen zum Olden-Berlin." Da unterbrach ihn einer der Knechte: „Herr," sprach er, „ich wanderte über Alt-Berlin zum Seestrande; der Koppen Richard, — und ich glaube der seid Ihr, — wurde gebannt Hermann Mellin zusammen; der Koppen wurde landflüchtig, wie man mir sagte; aber der Hermann wurde zurückgerufen und sitzt im Rathe so wie früher, — recht in der Wolle! Ei, gegen den auf der Lauer zu liegen, ist eine Lust! Horsa Mellin! Der Widder soll geschoren

mit

dem

werden!"*) Ernst entgegncte ihm Richard: „Du hast es errathen; ich bin, wie ich Euch eben sagen wollte, Koppen Richard, der friihere Hauptmann von Berlin, *) Mellin oder Bellin ist Name

des Widders

in der

deutschen Thicrsage.

Das andere Plakat hatte folgenden Inhalt: 1. „Niemand soll seine Pagueten, Kisten, „Küsters", so mit denen Posten dahingebracht und allda im Posthause versiegelt worden, eher öffnen, bis sie versteuert und der Accise-Visitator zugegen ist, bei Ver¬ meidung der Confiskation oder anderer exemplarischer Strafe. 2. Die Kaufleute, Kramer, Apotheker, Materialisten und Weinhändler sollen ohne Verzug und Excüsen, wenn die Visitatoren zugegen, ihre er¬ haltene Sachen visitircn lassen, bei 4 Rthlr. Strafe. 3. Ein jeder Kauf- und Handelsmann soll nach dem Fundament der Gencralsteuer seine Waaren angeben und durch Vorzeigung seiner Fakturen oder Avisbriefen von dessen Corrcspondenz, in eontinenti erweislich machen. Im Gegentheil, so er verdächtig, entweder so hoch, als er versteuret, be¬ straft werden, oder dem Accise-Amt freistehen, solche Waaren gegen Be¬ zahlung der angegebenen Kosten, nebst 6 Thaler Prosit auf jedes 100 Thaler und Erstattung der erweislichen Fracht oder Porto an sich zu nehmest, und zum Besten S. Kursürstl. Dl. zu verkaufen. 4. Als auch einige kurfürstliche Bediente und andere Leute, welche keine Handlung treiben, bisher» in dem Wahn gestanden, ob dürften sie diejenigen Waaren und Viktualien, so sie zu ihrem eigenen Behuf von anderen Orten bringen lassen, nicht versteuern; so deklariren S. Kurfürstl. Durch!., daß ein Jeder, er sei, wer er wolle, alle Waaren so er aus Holland, Hamburg, Leipzig u. s. w. verschreibet und kommen lasset oder sclbsten mitbringet, versteuern soll, nach Inhalt der Consumtions-

Ordnung." —

XXVII. Wegen Duells gehenkt. Am 8. April 1698 wurde in Berlin an 2 Officieren, die sich vor 4 Wochen duellirt hatten, die Exekution auf folgende Weise vollzogen: Der Eine, ein Sergeant, ein Btann von sechzig Jahren, wurde gefangen genonnnen; der Andere, der gefallen, war ebenfalls schon in vorgerücktem Alter, der große, an Kur¬ fürstliche Diener verheirathete Kinder hatte, auf einer Schleife nach dem Galgen geschleppt, ihm daselbst das Sterbehemde, das ihm die Seinigen angezogen hatten, abgenommen und ihm dafür dasjenige, in dein er sich duellirt hatte, und das voller Blut war, sammt den Hosen angethan und er dann am 8. April 1698 aufgeknüpft. Beide Gehenkten waren Katholiken und obwohl sich Viele, darunter sogar die Kurfürstin selber für die Milderung der Strafe verwendeten, so wurde dennoch mit aller Strenge verfahren.

-

412 der mich den Henning Schwerin fing von Altwichshagen, den

harten,

trotzigen

„Steinkopf!" Nun wißt

Ihr,

daß ich das

Zucht und Ordnung eiserne Handwerk wohl wohl zu halten weiß. Das merkt Euch! Sonst aber will Der ich Euch gern ein freundlicher', geneigter Herr sein. Mellin also, der hinterlistige Schalk, der mich um Hab und verstehe

lind Heimat gebracht hat,

Gut

und

und der jetzt

wieder Raths¬

herr ist zum Olden-Berlin, der ist mein Feind! kennen

Gegen ihn

mit Erich Falke voll der Lcßuitz auf den Schlössern Saarmund und Trebbin. Feste Häuser des Adels müssen uns offenstehen, ivenn unsere Sache gelingen soll. Wir müsseil die Stadt Berlin ferner umlegen ringsum! Dann wunden

habe:

erst können

wir ihren Rathsherren

einheizen,

Luft vergeht! Deshalb kein Friedensbruch gegen die Mannen! Sie werden in hellen Haufen uns zuziehen, wenn sie sehen, daß unsere Sache Erfolg hat!" — — — Koppen hielt fuhr

Erbarmen!

bin

für

Ende!

zll

Mund!

reinen

in —

Mäßig zu trinken wird Euch werdeil! Wie steht es mit den Rossen? Eills fehlt? —

ein Schwert ist zu gut

fort: Ich

Jetzt haltet

wir ihm

Brust;

die

er

„So!

Weil» lvir an ihn kommen, so stechen

Dann aber

an.

wir kein

das Messer

ihnen die

daß

den

— Schurken; und werfeil ihn

Wohl, ich werde mit dein Wirthe

den Hunden zum

Fraße vor. De» Bürgern von

sprechen,

daß

uns

zwei

Berlin, die lvir werfen uild fangen, denen

verschafft.

lege ich gebüh-

erkaufen

er

muntere Klepper

reilde Schatzung Lösegclde

gleich sein

ge¬

hört die Hälfte mir, die Hülste dem,

geschlossen; denn

der eine»

der

gethan. Fang Seid Jhr's zu¬ frieden?"

im Stalle stehen. Er rieb sich

„Wirsind's!"

vergnüglich die Hände und

der Knechte.

Du

Störwirth

hatte starke Rosse

sprach der älteste

„Wir

zu¬

Schweigen!" — Der Handel war schnell ab¬

Von dem

auf.

So

lvir

brachte

einen

bist ein ehr¬

Trunk umsonst, dem „edlen"

Haupt-

Koppen Richard

licher

sehen's:

mann und

ein

Koppen Richard fuhr

Ehren, der die natürlich Pferde weit über deil Werth be¬ zahlt hatte.

fort: „Des Rathes

Koppen die Na¬

zu

redlicher

Krieger!"

Dann schrieb

Friedrich v. Liüdrii. Güter aber * Berlin den 21. Mai 178«. men der Knechte pochen wir aus! (Originalxylographie aus der Sammlung des „Vereins f. d. Gesch. Berlins.") auf und ließ sie Wir wollen schwören: denen von Berlin ein Licht anzünden, daß sie sehen, welch' „Wir schwören urld geloben, Dir zu Deinem Rechte zli einen Schatz lind Hort sie sich zurückgeholt haben in dem verhelfen und Dir hold und gewärtig zu sein, als Gott lins Hermann Mellin! Gegen Frauen lind Kinder aber wird keine helfe in unserer Todesstunde liild St. Marie, die reine Gewaltthat gethan; nur daß wir reichen Frauen eine Schatzung Magd." — auferlegen. Brennen wollen wir nur, so es noth ist! Die Jetzt trank Koppen jebem Einzelnen zu und nahm ihm Kircken lind die geistlichen Güter, des Markgrafen Eigenthum den Handschlag ab. Zum Abschiede trat er noch einmal in uild die Dörfer des Adels sind gefriedet; denn ich will die Mitte seiner Gesellen.

Freundschaft schließen mit einem Ritter, welchen ich einst über¬

„Wir reiten

einzeln

ans!" befahl

er.

„Wählet

verschiedene

413

Thore! Bei'm dreimaligen Anschlagen der Mittagsglocke treffen wir uns nn Kruge zu Stoltenhagen; denn wir ziehen über Schloß Loytz.

Jetzt zeiget, daß

Zu Stoltenhagen löse ich Euch."

Nachdem

fromme Knechte seid!

— hier im „Store"

— dies geschehen

Krug allein.

den

Ihr

geb' ich Euch Angeld;

Neuangeworbenen

Er ließ

daß

zurück,

war, verließ Koppen Richard Knecht Henning bei den

seinen

er

mehr

ihnen

erzähle von

Streit mit den Berlinern. „Wir haben einen guten ritterlichen Herrn bekommen," sprach der Älteste des kleinen Haufens; „nun laßt's uns aber auch mit der That beweisen, daß wir wirklich „fromme Knechte" sind!" — Zufrieden mit dem Erfolge seines Ganges kehrte Koppen Richard zu den Seinen zurück. Er fand Frau Anua allein. Sie eilte ihm entgegen und küßte ihn. „Wie freue ich mich," sprach sie, „daß Dein Auge so klar ist, mein lieber

seinem

und

Herr!" „Es

wohl!"

ihr wehmüthig.

„Denn ich bin fest entschlossen, die Fehde zu führen mit aller Kraft! Denk' Dir, — Hermann Mellin ist wieder in Berlin!" Ich ahnt' es lange! Aber woher weißt Du es?" muß

entgegnete er

„Von einem der angeworbenen Knechte!" „Nun siehst Du selbst, daß Du eine gerechte Sache hast." „Bei Gott, Geliebte! Möge sie aber auch siegreich vor Menschen sein! Ich brauche sehr viel Hülfe! Deshalb

den

alle

Feinde Berlins zü vereinigen suchen. Ruhmlos nicht untergehen! Jetzt laß' mich den Fehdebrief

muß ich

will

ich

schreiben;

denn ritterlich

ab, sowie

wir

will

ich handeln;



ich sende

ihn

märkischen Boden unter den Füßen haben."

Und Koppen Richard setzte sich hin und schrieb: „Wisset Nathmanne» zu dem Olden-Berlin, alte und Dem neue, daß Ihr gesündigt habt an Ehre und Getvisien. Wucherer habt Ihr Frieden gegeben; — mir nicht! Wieviel ich

für

Euch aufgewendet habe, misset

habt

Ihr

hatte

jetzt

Ihr.

Deß zum Danke

namentlich

das

Kundschaften

wohl

verstanden.

Da

Reisigen nicht sengten und nicht brannten, so waren die

seine kecken

auf dem Barnim wohl gelitten; man gönnte den habsüchtigen Berlinern von 1380 die Schläge, von welchen sie jetzt betroffen wurden, allgemein. Vor überlegener Mannschaft klüglich zurückweichend, war Koppen sodann im Grunde des Stobberoiv-Fließes nach Buckow und von dort nach den „Hangenden Bergen" an der Spree, dem heutigen Hangelsberg, gegangen. Auf de» Gipfeln derselben gelagert, bewachte er mit Falkenaugen die Heerstraße nach Frankfurt an der Oder. Da er durch dichten, noch jungfräulichen Forst verborgen tvnrde, so wurde es ihm leicht, mehrere Ladungen Tuch aufzufangen, welche für die Frank¬ furter Messe bestimmt waren. Der Gewinn war ein sehr beträchtlicher. Es fanden sich Händler in Menge bei ihm ein, welche die für Frankfurt bestinnnten Waaren mit Freudeu für Leipzig oder Magdeburg aufkauften. Stets wurde bei solchen Transporten das freie Geleit den Edelleuten, durch deren Gebiet das gewonnene Gut hindurchgeführt tvnrde, reichlich bezahlt, und so hatte Herr Koppen Richard bald fast nur Freunde unter ihnen. Nachdem der kühne Freibeuter sein Lager auf den „han¬ genden Bergen" abgebrochen hatte, zog er in weitem Bogen über die Spree durch das Land der Schenken von Seida, die Herrschaft Zossen und den Teltow der Nuthe zu. Mit jeder Beeile wuchs die Altzahl seiner Noffe. Die Herren von Schlieben auf Wusterhausen und die von Thümen auf Blan¬ kensee waren ihm wohlgeneigt: Er konnte in Ruhe durch die prächtigen Wald- und See-Reviere der Landschaft hindurch¬ Gesellen

stolzen

ziehen.

und

Auf der Höhe

über welchen

lind

sechs

des

Teltotv gelang noch ein Fang,

der Freibeuter jauchzte:

Rosse,

welche

dem

er nahm ztvei Wagen Kaufherrn Hermann Mellin Markte ziehen wollten. Sic

lind nach Leipzig 511 führten gegerbte Häute und lundisches Tuch. Drei Knechte Mellins geriethen m seine Gewalt. Im Walde der Nllthe-Niederung wurde Rast gemacht. Die Schaar der Lagernden war eine beträchtliche, denn auch die Edelleute von Gyna, von Storkow und von Aschersleben gehörten

nur, tvic mir die vom Sunde berichten, mein Haus zerstört und meine Güter verbrannt als ehrlose, hinter-' listige Schälke. Deß will ich mit Gottes Hülfe wohl Rache nehmen und Eurer fangen, soviel ich kann, und will Euer Gut verderben und Euch schelten überall als rechte, meineidige tvaren zu dem Zuge gestoßen. In der sommerlichen Haide entfaltete sich nun ein reichbetvegtes Bild. Schälke. Gott und seine Heiligen sollen Euch zu Schanden ' A>lf einem Hügel, rvelcher von uralten Buche» bestanden machen. Gegeben unter meinem angeborenen Jnsiegel, zum war, lagen Koppen und die Edelleute bei einander; — ein Sunde am Tage St. Medardi des Bischofs. Faß alten, edlen Bernauer Bieres spendete ihnen Labung. Am Koppen Richard." — „Wohl," sprach er ausstehend, „jetzt ist Alles zugerüstet, Fttße der Anhöhe halten die Knechte ein Lager für sich auf¬ geschlagen; wohl ihrer hundert tvaren beschäftigt, Waffen zu und wenn es sein muß, — ich bin bereit, die Brandfackel zu putzen oder das Wanuns und das Lederzctig auszubessern. werfen in Hab' und Gut meiner Feinde, der Rathmanuen von Berlin und Kölln! Den Ryken, den Brügge und den Knochen¬ Große Kessel brodelten in ihrer Bütte. Hier grasten die Rosse, und dort weidete eine Heerde Rinder, tvelche die Wegelagerer hauern werd' ich wohl Gelegenheit finden, meine Schuld mit sich führten. Seitwärts voin Lagerplätze >var ein Verhau abzutragen. Koinnl' liebes Weib, und bringe mir Wein! Seit ich verfestet ward, bin ich ein anderer Mensch gebildet; hier hielten erbeutete Geführte, Lastwagen und Karren. geworden." — Die gefangenen Knechte, an den Häitden und an den Füßen VII. gekoppelt, saßen mit düstern Blicken bei der ihnen einst anver¬ Die Fehde tobte nun bereits Wochen lang. Koppen trauten, nun verlorenen Habe beisammen. Inmitten der Richard hatte den Berlinern anfangs die Straßen nach der Fahrzeuge aber war ein Teppich auf das Gras geworfen; Maria von Wardenberg hatte sich zur Ruhe auf ihm aus¬ See verlegt; er hatte sich im Walde „Bluinenthal" gelagert und hatte die zwischen Oderberg und Berlin verkehrenden gestreckt. Frau Anna machte sich an einem großen Koch¬ kessel zu schaffen, und der Knecht Hans half ihr dabei, wie Waarenzüge zu wiederholten Malen aufgefangen. Der glückliche Erfolg verstärkte ihn an Mitteln und an Mannschaften; er immer. zwanzig

reisige

Knechte

bei

sich,

Senfe,

welche

(Fortsetzung folgt.)

— ilic

414

geistige Atmosphäre und die bildenden Künste zu

es so redlich und treu mit dem Christenthume meinen; sie besuchen die Kirchen sehr fleißig, feiern mit Andacht die Feste und halten Sie sind überhaupt um so die gebotenen Fasten sehr genau. eitriger in der Verehrung Gottes, als sie zu den Völkern gehören,

Das rcichbewegtc, farbenprächtige 16. Jahrhundert war viclverheißend aufgestiegen; dasselbe brachte auch für die Bewohner der Mark Brandenburg viel, unendlich viel an nachhaltigen An¬ Das wird sich regungen zu höherer Lebensthätigkeit mit sich. uns klar ergeben. Zunächst aber ein Wort über die geistige At¬ mosphäre dieser Zeit bei uns!

Zeit zum Christenthume bekehrt worden sind. Nur gilt die Völlerei bei ihnen für keine Untugend, wiewohl es auch unter ihnen viele mäßige und enthaltsame Männer Hier angesiedelte Schwaben und Franken treiben es mit giebt. dem Trinken ja oftmals noch viel ärger, als des Landes eingeborne Söhne!" — Auch Johannes Carion, der berühmte Mann der Kalender, verweilt nun im Schlosse zu Kölln. Aus dem Thurmzimmer, in welchem er wohnt, strahlt zur Nachtzeit oft ein heller Lichtschein auf die breite, düstere Spree hinaus: der Landesfürst treibt dort oben mit Johannes Carion astrologische Studien; er liest es in den Sternen, daß dem Hause der Hohenzollern dereinst noch die welche zuletzt und erst vor kurzer

Die wiedergeborenen Wissenschaften fanden jetzt namhafte Ver¬ treter auch in dem Lande zwischen Elbe und Oder. Unter den „Begeisterten" aber stand der jugendliche Fürst selbst voran, Herr Joachim I., er, „der deutschen Landesherr» Mund und Brust," wie er genannt wurde, — er, der von jetzt gänzlich unbekannten Lehrern vorzüglich gebildet, mit bewunderndem Blicke in das Alterthum und in die unvergängliche Kunstherrlichkeit desselben zurückschaute, — er, der die altrömische Virtus mit fröhlich leichtem Ihm engbefreundet Lebensgcnusie harmonisch verbinden wollte! war der weise Bischof Dietrich von Bülow zu Lebus, welchen eine unverbürgte Tradition zu Joachim's Erzieher macht, ein Phi¬ losoph und Jurist, gebildet auf italienischen Universitäten, — ein

deutsche Kaiserkrone werden

eifriger Beschützer und Förderer der Wissenschaften. Besaß er doch der großen Neoplatoniker, des Jamblichius, des Proklus, des Porsyrius und desSynesius! Sogar ein Mann, wie der hochgelehrte Abt Johannes von Trittenheim zu Sponheim, ersuchte ihn um Mittheilung seiner literarischen Schätze. Der be¬ rühmte schwäbische Edelmann Eitclwolf von Stein, welcher damals am Hofe zu Berlin verweilte, trug dem märkischen Prälaten die Bitte vor, dem Abte Trittenheim diese neoplatonischen Handschriften leihweise aus kurze Zeit zu überlasten. Es entspann sich nun ein Brieflvcchscl, welcher uns lebendig an italienische Vorbilder erinnert. Die „Rüstkammer der Gelehrsamkeit," — so wird Trittenheim in dieser Korrespondenz bezeichnet, — ergeht sich gegenüber der „Zierde der Bischöfe," — das ist Herr Dietrich von Lebus, — in enthusiasti¬ schen Lobpreisungen der Philosophie, uud der Bischof, der sich gar bald nach seinen alten Freunden, den Büchern, zurücksehnt, erkun¬ digt sich angelegentlichst nach deren Befinden. „Kindlich-gelehrte Spielerei — das!" So sagen wir Wohl heul' zu Tage! Einen gewissen Werth hatte dieselbe indessen bei der Rohheit des damals im Lande herrschenden Tones doch! Wie sehr sich Dietrich von Bülow überhaupt in das geheimnißvolle Geistesleben der Neoplatoniker, in ihren Mysticismus und Spiritismus eingelebt hatte,

Thauinaturgen Apollonius von Thana hegte.

Es ist das eine Thatsache, welche dein Geiste der Renaissance und des Humanis¬ mus völlig gemäß ist. Ein Würdenträger der christlichen Kirche begeistert sich für das heidnische Gegenbild, welches der Philosoph Philostratus der leuchtenden Gestalt des Erlösers entgegengesetzt und in phantastischer Weise ausgeschmückt hat. Wie befremdet uns das heute!

welche Joachim

zu

j

Kölln an der Spree,

I.

noch immer bewohnte, sammeln sich um diesen Fürsten, welcher den Glanz des Lebens liebt und in ritterlicher Pracht

zu Neu-Ruppin das erste

Turnier im Lande Brandenburg gehalten hat, reichgckleidete Hofleute, aber auch schlichternstc Gelehrte. Der Abt Trittenheim von Sponheim ist selbst nach Kölln gekommen; hier ertheilte er märkischer Frömmigkeit das höchste Lob! Denn im Jahre 1505 schreibt er von Berlin aus an Rogerius den Sygambrcr:

„Mir

gefallen die Sitten der Einwohner überaus, weil sie

Wir könnten auf auch auf Adel und Bürgerthum ein. Grund der Zusammenstellung, welche Möhsen in seiner „Geschichte der Wissenschaften in der Mark Brandenburg" gegeben hat, eine beträchtliche Zahl brandenburgischer Edelleute nennen, welche über die Alpen gezogen sind, um an einer italienischen Hochschule sich Doch was nützen bloße Namen? den Doktorhut zu erwerben. Immatrikulations-Bücher der Zeit, — namentlich das noch Die unedirte Frankfurter Einschreibebuch und das von Förstemann herausgegebene Wittenberger Album, beweisen es überzeugend, mit welchem Eifer auch der Bürgerstand der Mark, besonders natür¬ lich die Bürgerschaft von Berlin, sich damals wissenschaftlichen Studien hingegeben hat. Diesen gelehrten Celebritäten der Mark und Berlins fehlt es manchmal nicht an einem Jnterresse, welches das Maß des Ge¬ wöhnlichen übersteigt. Es erfreut, wenn wir Ulrich von Hutten zu Frankfurt an der Oder freundschaftlich mit dem Dekane der Artisten, dem Philosophen Johann Lindholz aus der kleinen, mit ihren uralten Mauern aus lustigem Grüne hervorlugenden Land¬ stadt Müncheberg verkehren sehen; — Lindholz verlieh dem frän¬ kischen Edelmanne die erste wissenschaftliche Würde, das Baccalaureat der freien Künste. Und gleich einer dunklen Tragödie liegt der Lebenslauf eines Berliner Bürgersohnes, des Patriziers Jo¬ hannes von Blankenfelde, eines Erzbischofs von Riga, vor uns. In Bologna sitzt er zu den Füßen des berühmten Gelehrten Garzonius, der ihn wie seinen leiblichen Sohn liebt; in Rom erwirbt sich der kluge Berliner, nunmehr Vorsteher des deutschen Hauses uud Prokurator des Schwertbrüder-Ordens, den Ehrennamen des „weisen Deutschen;" in der Heimath hilft er sodann seinem Fürsten die Universität zu Frankfurt stiften und dient dem Vaterland treu¬ lich ein Jahrzehnt lang als Rath seines Fürsten und als Akade¬ miker. Aber wie bei so vielen, wissenschaftlichen Charakteren der Renaissance-Zeit: es liegt ein Zug der „Unstäte" in diesem Patri¬ zier von Berlin! Es treibt ihn nach dem Norden, er erringt sich die erzbischöfliche Würde zu Riga; aber die evangelischen Bürger seiner Hauptstadt wollen ihm nicht huldigen, und sie schützt Walther von Plettenbergs mächtige Hand! Da tritt der Bischof die weite Fahrt zu Kaiser Karl V. an, der in Hispanien verweilt. Der Kaiser soll selbst seine Sache führen! Ehe Johannes indesien die Hofburg erreicht, gebietet höhere Macht ihm ein Halt; — er stirbt zu Torquemada in Kastilien im Jahre 1527. Wie seltsam, — er, der Champion der alten Lehre an dem Orte, welcher dem finstern Ketzermeister seinen Namen gegeben hat! — Wir beabsichtigen jedoch keineswegs, hier etwas, wie eine Ge¬ lehrtengeschichte zu geben. Nur streifende Lichter sollen hier ge¬ gemäß

zeigt das hohe Interesse, welches er für die Lebensbeschreibung des

in der kleinen Burg Friedrich's des Eisernen

soll!

Diese von dem Hofe ausgehenden Anregungen wirken natur¬

sogar Handschriften

Dietrich von Bülow stand den Hoskrcisen Berlins sehr nahe und mag für den Vertreter des ihnen innewohnenden wisscnichastlichen Strcbens gelte». Erst in diesen Tagen Joachims I. kann man überhaupt von einem Berliner Hofe sprechen. Und gar merk¬ würdige Bilder weist derselbe uns auf! Im Schloste oder vielmehr

Berlin im 16. Jahrhundert.

j

415 worfen sein auf das wissenschaftliche Leben und Streben jener Zeit, wie dasielbe in der nunmehrigen Reichshauptstadt und in ihrer nächsten Umgebung damals zu Tage trat. Aus den ange¬ führten, vereinzelten Zügen konstatiren wir, das im 16. Jahr¬ hunderte, und zwar sogleich von dessen Anbruche an, ein reger Eifer für die Wissenschaft vorhanden war; — es ist nicht so dunkel hier bei uns gewesen, wie man gemeinhin glaubt! In den nächsten Jahrzehnten, in der Reformationszcit, 1520 — 1570, wendete sich das Interesse natürlich ausschließlich den geistlichen Dingen zu. Und wie ein Alp lastete es Aivangs auf dem Lande. Wir wollen hundertmal Dargestelltes hier nicht wiederholen: eine summarische Darstellung genüge! Hold und licht hatten die Tage des ersten Joachim begonnen; freudlos und düster-endeten sie! Nun aber war das helle Licht des Evangeliums ausgegangen; sonnig leuchtete dasselbe durch die Mark. An äußerem Wohl¬ stände fehlte es nicht. Prächtig bunt und lebensftoh gestaltete sich die Zeit Joachims 11.; schaffenssreudig, durchaus tüchtig war die Regierung Johann George's. Die Mark war glücklich! —alle Kräfte regten sich; die Wissenschaften blühten auf und mit ihnen Kunst und Industrie und Handwerk. Feilich, — die alte, tüchtige Sitte, namentlich die des bürgerlichen Hauses, war durch das Beispiel Joachim II. arg zersetzt worden. Man erfreute sich all¬ zusehr an den bunten Aeußerlichkeiten des Lebens, an Spiel, Tur¬ nier und Tanz! Und das thut nimmer gut! In jenen Tagen aber schied das Mittelalter von der Mark; die neue Zeit bereitete sich vor. Der Abendhimmel zeigt uns da ein fesselnd Bild! Roth erglüht die Sonne; sie wirft einen leuch¬ tenden Schein aus diese frohe, unbekümmerte Welt! Aber es sind am Horizonte bereits auch dunkle Wolken aufgezogen; der Markt erschallt von religiösen Streitigkeiten, den Vorboten des Dreißig¬ jährigen Krieges! Soviel zur Signatur des Geistes der Zeit! Weitere Einzel¬ heiten bringen die später folgenden Darstellungen. Doch nun vor Allem zur bildenden Kunst der Renaisiancezeit! Vorweg bemerke ich, daß es geboten ist, mit den Werken des 16. Jahrhunderts hier zugleich einzelne Schöpfungen der folgenden Zeit in Betracht zu ziehen, weil die letzteren zum Theil noch den¬ selben Geist athmen. Was das „Schloß" anlangt, so erfordert dasielbe eine Behandlung für sich im Zusammenhange.

Wir hoffen, daß bei unserer Gruppirung Schaffen der Zeit am klarsten darstellen wird. Sprechen wir zuerst von der Architektur.

sich

das künstlerische

Ja,

die branden-

burgischen Kurfürsten dieses 16. Jahrhunderts, ganz besonders aber

Joachim II., sie hatten ihre helle Freude am architektonischen Schaffen, wie wir noch klärlich sehen werden! Auch die Geistlich¬ keit baute um die Wende der Zeit noch immer ein wenig, und das im gothischen Style. Der Meister Bernhard, vielleicht ein Franziskaner von Berlin, hatte von 1471 bis 1474 in schwerer, späthgothischer Architektur den auf gedrungenen Säulen ruhenden Kapitelsaal des grauen Klosters aufgeführt, und noch 1516 uno 1517 wurde bei den Franziskanern ein „Saal" erbaut, jene noch vorhandene Halle im Kloster, welche ein treffliches Sterngewölbe

mit

reichgeschmückten Schlußsteinen überdeckt.

Aber die Bürgerschaft theilte im Allgemeinen diese Neigungen Man behalf sich mit den Wohnungen der Väter so gut es eben ging. Es ist uns jedoch aus dieser Zeit ein trefflicher Bau öffent¬ lichen Charakters erhalten geblieben. Im Jahre 1550 setzte nämlich der Rath auf den alten Schöffenstuhl, auf die Gerichtslaube, ein weiteres Stockwerk auf, den sogenannten Nathsstuhl. Derselbe ist ein hervorragendes Denkmal der Bauweise jener Tage. Auf einer Sandsteinsäule ruht, gleichwie in dem älteren, unteren Theile des Gebäudes, das zu Neubauten nicht.

Gewölbe, und diese Sandsteinsäule ist sehr reich geschmückt. Um ihren, sich stark verjüngenden Schaft legen sich zwei breite Ringe von Flechtwerk, hier ein sehr ansprechendes Motiv, und unter dem schönen, korinthischen Kapitäle ziehen sich Blumenguirlanden hin, an welchen in Schilden die Wappenzeichen der damaligen Bürger¬ meister, der Steinbock der Reiche, die Sparren und das Einhorn der Döring, die Apostelgestalt der Matthias, der Hirsch der Tempel¬ hof angebracht sind. Ueber den Meister des kleinen, aber vortreff¬ lichen Werkes kann ein Zweifel nicht wohl obwalten; die Formen des Kapitäls, verglichen mit Einzelheiten des alten kurfürst¬ lichen Schlosses, weisen entschieden auf den Schlohbaumcister Kaspar Theiß hin, welcher uns noch an anderen Orten begegnen wird. Dort freilich wird sein Verdienst lauter zu uns sprechen

als hier! Auch dieser Rathsstuhl ist

mit der Schöffenlaube

nach

Babcls-

berg versetzt worden.

Wir sehen bereits an diesem Baue reichen, bildnerischen Schmuck verwendet; noch üppiger ist derselbe über das alte, graue Haus vettheilt, welches jetzt einen Theil des König¬ Marstalls lichen auf der breiten Straße ausmacht. Im Jahre 1624 ließ der Marschall Johann Georg von Ribbeck, ein havel¬ ländischer Junker, sich diesen Erbsitz erbauen. Ueber der breiten Front dieses Hauses erhebt sich ein zierliches Giebclsystem mit Schnecken und Obelisken. Die Verhältnisse sind sehr gut, die Profile freilich sind ein wenig schwach. Trefflich aber ist das Portal mit dem Brösigke'schen und Ribbeck'schen, von Engeln ge¬ haltenen Wappen und reichen Fruchtguirlanden ornamentirt. Mit Ehren darf sich dieses Haus auch noch heute in der ReichshauptNibbeck'sche

stadt sehen lasien.

Berlin in der zu. Für das neuerbauten Hauses brauchte man wohl einen in Stein

Der Skulptur überhaupt wendete man Renaissancezeit nun

Thor

des

sich

zu

mit etwas wärmerer Neigung

und die reicheren Familien legten ihren Verstorbenen stets einen Sandstein mit der plastischen Gestalt des Heimgegangenen auf das Grab, oder sie stellten sein Denkmal an Säule und Wand des Gotteshauses auf. Den noch vorhandenen gehauenen Wappenschild,

Grabmonumenten dieser Art widmen wir zunächst eine kurze Be¬ Es sind ihrer uns nicht eben viele geblieben! Ursprüng¬ lich, denke ich, waren dieselben allzumal ausgemalt; — jetzt spricht gewöhnlich nur ein grauer Stein zu uns von alter Zeit! Der älteste dieser Grabsteine ist der wohlerhaltene Leichen¬ stein des Johannes Zehnder, — lateinisch Aerarius genannt, — zu St. Nikolai in der Thurmhalle. Zehnder starb 1515 als Berlins erster, kurfürstlich privilegirter Apotheker. Der bärtige Mann ist leider nur in den Dimensionen eines Kindes dargestellt; er trägt die Schaube, den ärmellosen Mantel, — und eine turban¬ artige Kopfbedeckung, einen, von einem Netze überspannten „Wulst", Der alte, graue Stein schaut gar befremdlich aus; doch ist die Arbeit, namentlich in der sauberen Umschrnt, keineswegs eine schlechte. In St. Marien hinter der Kanzel befindet sich ferner, beinahe am Ende des nördlichen Seitenschiffs, das kräftig in Stein gehauene Bildniß eines Joachim Zerer, welchen ich mich entsinne, irgend einmal als kurfürstlichen Rath urkundlich erwähnt gefunden zu haben. Es ist nur ein kleines, jetzt fast zu Grunde gegangenes Brustbild aus dem Jahre 1543. Prächtig dagegen tritt im Gange unter der Orgel zu St. Nikolai uns das in den alten Farben und in der früheren Vergoldung renovirte Denkmal des bereits erwähnten Bagius entgegen, eines kurfürstlichen Rathes, welcher 1549 starb. Kulturhistorisch ist dies Denkmal besonders um deswillen interessant, weil dasielbe uns mitten in jene glänzende Kreise versetzt, welche den zweiten Joachim umgaben. Der Rath Bagius, sicherlich ein ehrlicher Deutscher, Namens Bach, — er war Joachims Neichstagsgesandter, — trägt die prächtige Hofkleidung jener Tage, einen breiten, das Gesicht beschattenden Federsprechung.

416 Hut, das gepuffte Wamms uud die Schaube; reicher Schmuck ist überall an feiner Kleidung angebracht. Nicht ohne Verdienst sind die ernsten Züge seines Antlitzes gearbeitet; ganz merkwürdig aber

Feldmarschalk im Braunschwei >cr Land

i

War er, braucht ritterlich sein' Hand. Da Herzog Moritz fiel, der Helv, Feldmarschalk er war kühn im Feld." u.

!

!

und mir unerkäilich ist e-, daß Gregor Bagius in der Hand eine Schlange hält, welche einen Pcrgainentzettel im Maule trägt. Wer löst dies Räthsel altertbümlich r Symbolik? Stellt das Reptil hier nur die „Klugheit" dar? — Gegen das Bildnis; Zerer's und des Johannes Zchnder bezeichnet dies Monument einen sehr bcdeutsamen Fortschritt. Ich vermuthe, das; Kaspar Theiß oder einer seiner Bildhauer dasselbe verkertigt hat. Es ist das schönste und glänzendste aller altberlini'chen Mvnuinenlc! In chronologischer Folge seien hier noch aus Berlin erwähnte voin Jahre 1576 der Leichenstein des Propstes Brendicke in St. Nikolai, eine sehr rohe Arbeit; — von 1578/79 die Steinbrecherschen Statuen, der treffliche, um das in den Tagen des Kurfürsten Johaiincs George gegründete Berliner Gymnasium hochverdiente Lehnssekretair Joachii» Steinbrecher, dessen Gattin, Elisabeth Kellers, und der Magister Steinbrecher, in der Vorhalle der Ma¬ rienkirche, welche leider um nichts besser gcarbeetet sind. In St. Nikolai zu Spandau befinden sich außerdem aus den Jahren 1572 und 1575 die bemalten Grabsteine der Brüder Jo¬ achim und Zacharias von Röbel, von welchen der erste kurbrandenburgischer Feldmarschall, der zweite aber Hauptmann zu Spandau, sowie aller friedlichen Bürger und Bauern Feind war. Dies die Das Bagiustvichligsten Denkmale aus dem 16. Jahrhundert. sche ist, wie erwähnt, zweifelsohne das schönste, das des Joachim Denn unter dein letzlern Röbel das interessanteste derselben. stehen treuherzige alte Reime, welche von den Kriegsthalen des streitbaren Herrn Joackimus also reden:

s.

w.

Von Fühnen bis nach Ungarn hin ein Streiter auf allen Wahlstätten seiner Zeit, — man muß es gestehen, Herr Joachim von Röbel, der Held von Magdeburg und Sievershausen, der Kämpfer auf der Pußta und auf der Ehrenberger Klause in Tyrol, der Gegner des großen, kriegerischen Bürgermeisters Jürgen Wullen¬ weber von Lübeck und des tollen Markgrafen Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach, — er ist ein würdiger Vorläufer der Helden, welche die Mark später geboren hat! Seinen Reichthum hatte er — zusammengeraubt! Diesen Grabmälern des 16. Jahrhunderts reihe ich sofort zwei im Renaissancestyl des 17. Säkulums gehaltene Denkmale an; es sind dies die Epitaphien des 1609 verstorbenen Apothekers 'Michael Aschenbrenner, befindlich zu St. Nikolai in der Thurm¬ halle, und des 1630 oder früher verstorbenen Ehrentreich von Röbel in St. Marien zu Berlin. Das erste zeigt einen Mann von großer Stattlichkeit, dessen Brust viele Gnadenpfennige zieren, in reichster, gestickter Kleidung und im Vollbewußtsein seiner Würde. Michael Aschenbrenner war ein Schüler Thurneysiers und bei Hofe ein wohlgelittener Mann. Das Röbel'sche Monument ist von einer höheren Schönheit. reicher, architektonischer Umfassung, welche mit allegorischen Figuren

In

und den Wappen der Geschlechtsvorfahren geschmückt ist, knieen in Lebensgröße vor dem Gekreuzigten ein Ritter und eine Edeldame. J«ner, ein wohlbeleibter Herr mit stattlichem Bart, trägt die Stahlkleidung des 17. Jahrhunderts; die Edelfrau aber die kleid¬ same, einfache Frauentracht jener Zeit, eine Flügelhaube und ein langes Gewand mit weiten, faltigen Aermeln. Das Ehepaar ist

„Der

edel und viel kühne Held, Jochim von Nobel, ich dir meld', Von Jugend aus mit gutem Rath Gar manche Schlacht geschlagen hat. In Holstein, Fühnen, Kopenhagen, In Ungarn, Frankreich, that' er's wagen. Der Graf von Oldenbirrg sein Muth Gespürt, der Sachs' ihm auch war gut. Zum Dacht- und Rittmeister ihn macht', Marschalk ihn vor Mngd'burg bracht. Die Klaus'*! er auch half nehmen ein, In Ungarn Feldmarschalk sollt' sein.

Ehrentreich von Röbel und seine Gemahlin Anna von Göllnitz. Herr Ehrentreich war der Sohn des in Spandau begrabenen Feldmarschalls von Röbel; er scheint den durch das Schwert des Vaters erworbenen Reichthum sehr weise und wirthschaftlich ver-

Heirath mit Daß offene Hand für die Armen besaß, Segen bestehende, zahreiche Stiftungen tvaltet und durch

seine

deutend vermehrt zu haben.

einer reichen Erbin noch be¬ alle Zeit eine

er aber auch

davon

legen noch heute in ein rühmliches Zeugniß ab! —

(Fortsetzung folgt.)

Karl Friedrich von Klöden. (Geb. zu Berlin 21. Mai 1786.)

In

Karl Friedrich von Klöden wurde am 21. Mai 1786 zu Berlin geboren. Sein Vater entstammte einem der ältesten Brandcnburgischcn Adclsgeschlechter, dessen Name seit Albrecht dein Bären in der Altmark vorkommt. Das Geschlecht hatte, wie viele andere, das Schicksal der

Erwägung, daß er als mittelloser Adeliger nicht

allinählichen Verarmung, so daß der Großvater unseres Klöden, Hans Gottfried von Klöden, als Lieutenant im berühmten Regiment BayreuthDragoner nur noch im Besitze zweier Güter war, die indcffen, da er nichts von der Landwirthschaft verstand, fast gänzlich zu Grunde gingen. Dieser Hans Gottfticd von Klöden hatte, trotzdem er mit Leib und Seele Soldat gewesen, später eine tiefe Abneigung gegen den militärischen Stand gefaßt, vermuthlich in Folge vereitelten Deshalb verbot er auch seinem Sohne auf das Avancements. Strengste, in Kriegsdienste zu treten. Als Joachim Friedrich gleichwohl den Vater mit Bitten bestürmte, ihm den Eintritt in das Heer zu gestatten, drohte jener mit Verstoßung und sagte sich auch tvirklich von ihm los, nachdem der Sohn heimlich das Elternhaus verlassen hatte, um in Berlin bei der reitenden Artillerie einzutreten.

leben

könne,

(die jetzige Spazier'sche Maschinenbau Anstalt) geboren. Bei der Lage des damaligen Soldatenstandes, besonders der preußischen Unteroffiziere, erlebte der junge Klöden nicht viele der frohen Tage, und nur die schützende Hand der Mutter erhielt ihn rein und unverdorben in dem wüsten Leben und Treiben der Kascme, die sie mit ihrem Manne beivohnte. Es muß eine vor¬ treffliche Frau gewesen sein, die ihren Kindern, deren Zahl wuchs, nicht nur eine gesittete Erziehung gab, sondern in ihnen auch ben Trieb zum Wissen und zur Bildung pflanzte, obwohl sie selbst nur aus bescheidenen, ja engen Verhältniffen stammte.

j

Nachdem der Unteroffizier Klöden eine vierundzwanzigjährige Dienstzeit zurückgelegt hatte und mit dem Jnvalidenschcin entlassen

werden konnte, brach der Krieg gegen Frankreich aus.

*) Es ist die berühmte Ehrenberger Klause in Tyrol gemeint. — Zug gegen Kaiser Earl V. anno 1552.

standes¬

legte Joachim Friedrich

den Adel ab und heirathete, zum Unteroffizier avancirt, die Tocher eines KompagnieChirurgus, Christiane Dorothea Willmanns. Von dieser tvurde ihm unser Karl Friedrich in dem Hause Holzmarktstraße Nr. 21

gemäß

Trotz der

Bitten seiner Frau machte er die Kampagne mit, und die Familie kam in die bitterste Bcdrängniß. Zu jener Zeit tvurde unser

417 Klöden zuerst in die Schule, und zwar in eine Armenschule geschickt; hier lernte er aber, nach seinem eigenen Geständniß, nichts ivciter als die Prügel verstehen, die es sehr häufig regnete. Nach längerer Gefangenschaft kehrte der Vater zurück und erhielt eine Anstellung als Accise-Einnehmer zu Friedland in Westpreußen.

Damit war

indessen die Lage der Familie kaum gebefiert. Der junge Klöden erhielt in einer elenden, von einer alten Frau geleiteten Dorfschule ferneren Unterricht in den Elementar¬ kenntnissen. Auch hier blieben die Prügel nicht aus, bis er in eine Anstalt höheren Grades kam, die unter der Direktion eines Kantors stand. Hier dehnte sich der Unterricht, neben Rechnen

und Schreiben, auf das Bibellesen und Auswendiglernen eines Abrisies der christlichen Dogmatik aus, deren Verständniß den jugendlichen Gemüthern fern lag. Daß eine solche Methode auch auf unseren Klöden nicht anziehend zu wirken vermochte, ist be¬ greiflich. Aus eigenem Triebe dagegen widmete dieser sich einem Lern¬ zweige, in dem er später so Ausgezeichnetes geleistet hat — dem Zeichnen. Da aber jede höheren Hülfsmittel ihm gänzlich fehlten, Blei und Papier nur selten zu Gebote standen, so wurde ihm auch diese

Kunstbeflissen¬

heit noch

sehr

Zeit lang kochen und dabei dem Onkel werkthätig zur Tief kränkte es ihn besonders, daß seine Liebe zu den Büchern als Dummheit ausgelegt, und sogar über seine Mutter gespottet wurde, während die Tante keinen andern Genuß kannte, als sich zu vergnügen und zu putzen. Wieviel hatte der „Lehrjunge" nicht von diesen beschränkten Menschen zu erdulden! Dennoch verlor er nicht den Muth, an seiner wissenschaftlichen Bildung fortzuarbeiten. In den wenigen auch

eine

Seite stehen.

freien Augenblicken, die er erübrigen konnte, lernte er Französisch, und seine italienische Gramniatik, die er des Morgens um 5 Uhr

während des Stiefelputzens studirte, trug noch in späten Jahren die Spuren dieser Beschäftigung. Bei alledem vergaß Klöden aber keineswegs sein eigentliches Handwerk, so daß zuletzt selbst der grämliche Onkel, welcher sich ftüher sogar zu persönlichen Mißhandlungen hatte hinreißen lassen, ihm seine Zufriedenheit an den Tag legte. Klöden hatte sich selbst¬ ständig die Kunst angeeignet, auf Gold zu graviren, wodurch es ihm gelang, das nur kleine Geschäft des Oheims wesentlich zu Diese Kunst führte ihn bald zur Kupferstecherei, und bei heben. seiner Vorliebe für die Geographie erwarb er sich schnell die Fähig¬ keit, Landkarten zu

er¬

Zur

stechen.

Er¬

lernung des Projcktirens und Karten¬

schwert.

Ein neues Leben begann, als der Vater

zeichnens besuchte er

nach Märkisch-Fried-

Sonntags den

land übersiedelte, um eine Stelle als ThorEinnehmer anzu¬ wurde Hier treten.

demischen Unterricht

für

den Knaben der Unterricht in der Bürgerschule, den ein Kandidat der Theo¬ logie ertheilte, von Wichtigkeit großer

schäft seines Oheims

Neben der deutschen Grammatik und den Anfängen der la¬ Sprache teinischen fesselte ihn Campes

salsschläge.

des Professors Jäck.

Leider ttafen ihn jetzt, als das Ge¬ einen Aufschwung zu

und damit für Klöden eine beffere Zeit zu tagen

nehmen auch

begann, neue Schick¬

1806 brach herein. Klöden sah

den

Dir alte Mühle vor

Groß auch war

Freude, als der Vater ihm, an Stelle der Blechpfeife, eine Flöte kaufte, zu deren Benutzung er bald genug die Kenntniß der Noten sich verschaffte. Um das Klavierspiel zu erlernen, begab er sich zu Bekannten, die im Besitze von Instrumenten waren. Auf gleiche Weise entlieh er mathematische Lesebücher zur Bereicherung seiner Kenntnisse. So war der wiß- und lernbegierige Knabe herangewachsen, und es entstand die gewiß schwer zu beantwortende Frage, welchem Lebmsberuf er sich widmen sollte. Sein glühendster Wunsch, zu studiren, blieb natürlich ohne Aussicht — er mußte demselben Am 25. Mai 1800 erfolgte seine schweren Herzens entsagen. seine

Konfirmation. Noch

ein

Jahr verweilte der junge Klöden im Elternhause,

der Mutter hülfreich zur Hand gehend, dabei aber auch in der Geometrie und Mathematik, in der Musik und sogar in der Astronomie sich fortbildend. Dann -mußte er aus der Familie scheiden, um, nach dem Wunsche der Mutter, bei seinem Onkel in

Berlin

die Goldschmiedekunst zu erlernen. Jetzt begann für ihn recht eigentlich ein trauriges Leben. Von den Verwandten wurde ihm das Leben auf das Aeußerste ver¬ bittert. Nicht nur mußte er sämmtliche Einkäufe besorgen, sondern

zosenkaisers

Zusammensturz

der preußischen Mo¬

dem Höllischen Thor. (Nach einem Kupfer aus dem Jahre 1820).

leidenschaftlicher

Weise.

Das.

Jahr

„Robinson Crusoe"

in

aka¬

in Berlin, Ereignisse, die ihn,

narchie;

er sah den

Einzug

des

Fran¬

den echten Preußen¬

sohn, schmerzlich bewegen mußten, auch wenn sie nicht das große Elend im Gefolge gehabt hätten, das jetzt Handel und Verkehr

lahmlegte. Um diese Zeit traf ihn auch der härteste Schlag: seine Mutter hatte sich aus Friedland nach Berlin aufgemacht und war einer Der Schmerz des Sohnes über den Verlust Operation erlegen. der heißgeliebten Mutter war grenzenlos. Noch in demselben Jahre wurde Klöden als Geselle ausge¬ schrieben; gleichwohl gelang es ihm nicht, seinen Unterhalt durch Ausübung seines Handwerks zu finden. Cr versuchte sich in allem Möglichen: ertheilte Unterricht im Guitarrespiel, gravirte, stach Adressen, Preiscourante, Wechsel und Rechnungsformulare in Kupfer und fristete so sein Dasein bis zum Jahre 1809, ohne indessen die wissenschaftliche Fortbildung

aufzugeben.

Für

diese

war er

auf jede nur mögliche Weise thätig, kaufte bei den Althändlern die verschiedenartigsten Bücher zusammen und fand nur selten eines, aus dem er nicht einen reichlichen Bildungsstoff zu ziehen vermocht hätte. Ungeachtet seiner beschränkten Verhältnisse hatte Klöden den Muth, sich zu verheirathen. Das Glück war dem Wüthigen hold ;

418 Seine Thätigkeit bei der Plamann'schen Anstalt war inzwischen rühmlich bekannt geworden, daß die Königliche Regierung, als sie im Jahre 1817 ein Schullehrerfeminar in Potsdam errichtete, Klöden zum Direktor desselben ernannte. Hierdurch wurde ihm zuerst ein weiterer Wirkungskreis eröffnet, in dem er sieben Jahre hindurch eine segensreiche Thätigkeit entwickelte. Jetzt bemühte er sich, seine Liebe zur Musik auch in die Herzen der ihm anvertrauten Zöglinge zu verpflanzen. Ost veranstaltete

am Ende des Jahres gingen bessere Zeiten sür ihn an, als er mit der Simon Schropp'schen Landkartenhandlung in Verbindung trat. Hier fand er reichlich und lohnende Gelegenheit, seine Kunst zu

so

entfalten, zumal durch die politischen Umwälzungen fast jedes Jahr die Grenzen der europäischen Reiche verändert wurden. Durch die Empfehlung des Herrn Schropp wurde er mit

Niebuhr

bekannt, welcher damals an seinem, Epoche machenden Werk über die römische Geschichte arbeitete. In ihm lernte er zuerst einen tvahrhaft großen Mann kennen, durch den sein Nanie bald in weiteren Kreisen bekannt wurde. Im zweiten Theile seines

er gemeinschaftliche Musikübungen, zu denen, trotz der beschränkten

Mittel,

geeignete Räumlichkeiten und die «forderlichen musikalischen Jnsttumente beschafft wurden. Neben diesem Unterricht pflegte Klöden namentlich auch den¬ jenigen der Naturwissenschaften. Als dann der Bürgermeister von Berlin, Herr v. Bärensprung, damals auftauchende Idee zur Errichtung von Realschulen mit die Ausschluß der alten Sprachen in Berlin durch die Gründung einer Gewerbeschule verwirklichte, war es wiederum Klöden, welcher zum Leiter derselben berufen wurde. Nach erfolgter Entlassung aus seiner Stellung als Seminardirektor begann für ihn der letzte und

Werkes sagt Niebuhr von der Karte Italiens, die Klöden gestochen: „Zuvörderst muß ich bemerken, daß das Verdienst der geographischen Darstellung sowohl für diese Karte, als die des vorhergehenden Bandes nicht mir gebührt, sondern dem geschickten Zeichner, dessen

Namen beide anzeigen." Bald darauf lernte ihn Plamann, der bekannte Direktor der gleichnamigen Anstalt, kennen, und Klöden fand auch hier Gelegenheit, seine wissenschaftlichen Kenntnisse zu verwerthen. Anfänglich ertheilte er in den unteren Klassen vertretungsweise Unterricht, später wurde er definitiv als Lehrer der Geometrie und Mineralogie angestellt. Klöden's Anstellung erfolgte inmitten der großen Ereignisse

j

j

reichste Abschnitt seines Lebens.

Die Ausführung des Projektes kostete indessen viele Kämpfe; es erschien als etwas Unerhörtes, eine höhere, nur für die Realwissenschaftcn bestimmte Lehranstalt, ohne Unterricht in altenSprachen, zu schaffen. Klöden selbst erwähnt in seiner Festtede, bei Gelegenheit' der 25jährigen Jubelfeier der Anstalt, daß Viele ihr den Unter¬ gang prophezeit, und es fehlte nicht an Schulmännern, welche in den ersten Jahren des Bestehens der neuen Anstalt über deren Prinzip sich mißfällig äußerten.

des Jahres 1813. Auch er wäre hinausgezogen mit den Befreiungskämpfern, hätte er nicht Weib und Kind zurücklassen müssen, und hätte er nicht aus eigener Erfahrung das tiefe Elend einer unver¬

sorgten Soldatenfamilic kennen gelernt! So viel jedoch in seinen Kräften stand, trug auch er redlich zur Vertheidigung des Vater¬ landes bei. Es ist bekannt, daß Berlin zu Beginn des Krieges sehr exponirt war und mehr als cinnml von feindlichen Truppen bedroht wurde. Zum Schutze der Stadt sollten Schanzen aufgeführt werden; da General l'Estvcq indessen keinen einzigen Offizier mehr besaß, welchem er das Abstecken der Werke übertragen konnte, so muhten andere Kräfte herangezogen werden. Der Landsturm lieferte die Arbeiter, und Klöden, welcher auch mit der Jngenieurkunst sich beschäftigt hatte, erhielt den Auftrag zur Bauleitung der Schanzen zwischen dem Kottbuser und Schlesischen Thor. Mit regstem Eifer und nicht ohne mannigfache persönliche Opfer, unterzog er sich diesem Aufträge. Dabei fehlte es sticht an manchem Kampf gegen jden Widerwillen und die Disziplinlosigkeeit der Arbeiter. Gleichwohl

'und arbeitete er unverdrossen fort, wenn auch zu seinem großen Leidwesen der Schanzenbau gegen nicht wenige Regeln der Fortistkation verstieß, so wurde doch immerhin eine nothdürftige Be¬ festigung hergestellt. Glücklicherweise verhinderten die Heldenthaten

Bülow's und Taucntzien's,

!

!

!

j

daß diese Befestigung in die Lage kam,

eine Probe zu bestehen.

Je mehr aber Klöden mit wissenschaftlichen Kreisen in Ver¬ bindung trat, desto mehr empfand er den Mangel einer akademischen Bildung. Er mußte also, wollte er nicht auf ein Höhersteigen verzichten, dem akademischen Studium sich unterziehen. Wahrhaft bewundernöwerth ist der Entschluß des 27 jährigen Ehemannes, jetzt noch auf die Lehrbänke der Universität sich zu setzen. Er studirte zunächst die Naturtvisicnschaftcn, nachdem er zuvor eine

Abituricntcnprüfung bestanden hatte. Dann wandte er sich, auf Anrathcn seiner Freunde, der Theologie zu, da ihm die Natur¬ wissenschaften keine auskömmliche Lebensstellung für die Zukunft

Arck

versprachen.

Um diese Zeit wurde Klöden mit Friedrich August Wolf bekannt. Auf Wunsch desielben verfertigte er eine Karte der griechischen Kolonien, zu der Wolf die archäologischen Erläuterungen schreiben wollte. Leidet' ist dies Werk, auf das Klöden jahrelangen, bedeutenden Fleiß verwendete, und das seinen Ruf noch schneller vergrößert hätte, nicht zur Veröffentlichung gelangt; Wolf nahm die Karte mit nach Marseille, woselbst er verstarb, und so blieb dieselbe verschollen.

I

Klöden ließ sich durch diese Anfeindungen nicht beirren; sie spornten ihn im Gegentheil zur Entwickelung einer staunenswerthen Thätigkeit an, und so fanden er und seine Anstalt bald Anerkennung und Nachahmung. Hatte Klöden der Gewerbeschule die volle, hingebende Thätigkeit der nächsten Jahre gewidmet, so sollte ihm nunmehr auch die Leitung des Köllnischen Real-Ghmnasiutns überttagen werden. Welche Ansprüche an die Arbeitskraft eines Mannes — welche Genugthuung aber auch für ihn, sich die wachsende Anerkennung für das Prinzip des Gewerbeschulwesens verschafft zu haben! Ungeachtet der umfassenden Direktoratsgeschäfte ließ Klöden seine sonsttgen wissenschaftlichen Arbeiten nicht ruhen; besonders waren es die mineralogischen Studien, denen er eifrig oblag. Unsere Mark verdankt ihm viele wichtige und noch keineswegs veraltete Beittäge zu ihrer mineralogischen und geognostischen Kenntniß, wie denn auch zahlreiche größere und kleinere Schriften über diese Gegenstände ihm einen wohlverdienten Ruf erwarben. Auch an praktischen Ergebnissen fehlte es den geognostischen Forschungen Klöden's nicht. Bei Rauen, unweit Fürstenwalde, ent¬ deckte er ein Braunkohlenlager, das für die Residenz von Bedeutung wurde und dem Besitzer reiche Früchte trug. Bald stieg Klöden vom Gestein zum Gestirn: er wandte sich der Astronomie zu und veröffentlichte auch auf diesem Gebiete verdienstvolle Arbeiten. Wenige Jahre vor seinen: Tode hatte Klöden die Freude, daß sein König ihm den Adel, den einst der Vater aufgegeben, wieder verlieh. Zahlreiche wiffenschaftliche und polytechnische Vereine ernannten ihn zu ihrem Ehrcnmitgliede. Die philosophische Fakultät der Berliner Universität verlieh ihm 1846, in seinem 60. Lebensjahre, den

!

| !

Doktortitel bvnoris causa.

Kränklichkeit veranlaßte Klöden, die ihm durch 31 Jahre treuer Pflichterfüllung unendlich lieb gewordene Stellung an der Gewerbe¬ schule aufzugeben und um seinen Abschied zu bitten. Am 22. Sept. 1855 wurde ihm derselbe bewilligt, und der Dank seiner Behörden, sowie seiner Mitbürger folgte ihm.

419 Auch jetzt gab Kloben die wissenschaftliche Thätigkeit nicht auf; als er am 9. Januar 1856 im Kreise seiner Freunde verschieb, lagen auf seinem Schreibtisch die jüngst begonnenen Werke: „Ge¬ schichte der Brandenburgischen Harlunger" und die des „Geistlichen

Gesanges." Klöden's Gebeine ruhen auf dem Luisenstädtischen Kirchhof. Kein Schmuck, kein Denkmal bezeichnet die Stätte, die einen der

größten Bürger Berlins birgt. Ein einfacher Stein, den einst liebende Hand auf das jetzt mit Epheu überwachsene Grab gesetzt, trägt nur den Namen des Todten, seinen Geburts- und Sterbetag.

j !

!

Allerdings bedarf es auf

diesem

Stein keiner pomphaften Titel, die

der Welt verkünden, wer Klöden gewesen; in den Herzen hat er sich ein Denkmal gesetzt, dauernder denn Erz.*)

!

Dr. R. Böringuier.

Miscellen.

In

den Ein origineller Zleitergenerak im vorigen Jahrhundert. letzten Regierungsjahren Friedrichs II. lebte zu Jeschkenberg im Kreise Brieg in ländlicher Zurückgezogenheit der General von Reppert, ein äußerst gutherziger alter Herr. Er hatte in einem Kürassierregimcnte gedient und behielt seine Vorliebe für die Cavallerie bis zum letzten Athemzuge. Seine Reitpferde führten die Namen berühmter preußischer Cavalleriegenerale. Er war ein fleißiger Kirchenbcsucher und fand sich regelmäßig beim sonntägigen Gottesdienste in der Kirche zu Michelau ein. An den drei hohen Festtagen legte er sogar den schweren Küraß, den er im activen Kriegsdienste getragen hatte, auf dein Wege zur Kirche an, rurd wenn dann das bekannte Kirchenlied „Herr, Gott, dich loben wir!" gesungen wurde, so sang er dasselbe stehend mit, nahm seinen Fcderhut unter den Ann und legte die Hand an seinen mächtigen Palasch. Außerdem glaubte der alte Haudegen seinen Herr-Gott nicht besser ehren zu können, als wenn er die in diesem Liede vorkommende Stelle: „Die ganze Christen¬ heit auf Erden lobe dich in einem Sinn gar eben," also verwandelte: „Die ganze Christenheit zu Pferde lobt dich re." und einen besonderen Nachdruck auf diese Stelle beim Gesänge legte. Regelmäßig fand sich der alte General von Reppert, versteht sich zu Pferde und in voller Uniform mit dem Küraß, in Krcisewitz ein, wenn der König von Neiße her dort ankommen sollte, um diesem seine Auf¬ wartung zu machen, und obschon es die Etiquette erforderte, daß an den Umspannungsorten Niemand in Gegenwart des Königs zu Pferde sein durfte, so setzte sich doch der alte Reppert über den herkömmlichen Brauch hinweg und blieb auf seinem Rosse, obgleich der König ihn einmal an die Unschicklichkeit durch die Frage zu erinnern wußte: „Sag Er mir mal, Reppert, ist Er denn an seinen Sattel angewachsen?" — Einnial vermißte ihn Friedrich jedoch und erkundigte sich sehr angelegentlich nach ihm, und wenngleich man ihm versicherte, der General sei noch Tags zuvor munter und gesund gesehen worden, so schickte er doch sogleich einen reitenden Feldjäger nach Jeschkenberg, um sich nach dem Befinden Reppert's zu erkundigen und ihm in Brieg zu rapportircn. Schon war des Königs Wagen zur Abfahrt bereit, als Reppert in vollem Carribre, von Schweiß ebenso triefend, wie sein Pferd, ankam. Friedrich erkundigte lange geblieben sei, und Reppert antwortete: sich sogleich, wo er so „Ew. Majestät, das ist mir in meinem Leben noch nicht begegnet; mein Seidlitz (so nannte er sein Pferd) ist mir über Stock und Stein nach Jägerndorf durchgegangen, und da komme ich jetzt eben her." „Na, tröste Er sich mit mir," — sagte lächelnd der König, — „mein Seidlitz ist mir schon lange durchgegangen und gar nicht wiedergekommen. Sag' Er mir nur, Reppert, wird Er das tolle Reiten nicht endlich ein¬ stellen? Ich dächte doch. Er wäre genug geritten! Wird Er denn auch



den Himmel reiten? Der Prophet Elias ist ja dorthin gefahren." Rasch antwortete Reppert: „Ew. Majestät, darum kann ich eben den Kerl nicht' leiden, und wenn's irgend möglich ist, so reite ich hinauf!" — Laut lachend entgegnete Friedrich: „Nun, halt Er's, wie Er will; aber ich rathe

in

schimpfe Er nicht auf den Elias. Er kann nicht wissen, was Der da oben geworden ist; vielleicht ist er jetzt General-Quartiermeister, und .da könnte er Ihm ein schlechtes Quartier anweisen. Adieu, leb Er wohl! Aber das sag' ich Ihm, mit dem Küraß komm Er mir nicht wieder! Er ist nicht mehr Cornet, und wenn der Seidlitz wieder einmal durchgeht, und Er stürzt, so stürzt Er sich's Genick ab."

Ihm,

Mit

diesen Worten

fuhr Friedrich weiter.

E. K.

Anerkennung für Bäckermeister. Am 12. März 1834 las man Aus¬ der Spener'schen Zeitung folgende offizielle Bekanntmachung: führung der Verordnung vom 21. Januar 1816 wird hierdurch bekannt gemacht, daß im verflossenen Monat Februar nachstehende hiesige Bäcker, bei tadelloser Beschaffenheit der Waare, die größten Backwaaren geliefert

in

In

haben: a) An Semmeln: Nimrose, Mauerstr. 22, Dannenberg, Elisabethstr. 33. d) An Weißbrod: Lietzmann, Kreuzgasse 13. e) An Haus¬ backenbrod: Lietzmann, Kreuzgasse 13, Wolf, Georgenkirchgassc 28. Im Laufe des Monats März hat, nach den freiwilligen Angaben, die größten Semmeln, Weißbrode und Hausbackenbrode zu liefern übernommen: Nieckert, Probstgafle 3. 4. Berlin, den 3. März 1834. Königliches Polizeipräsidium. Ger lach.

In einem Manifest Hokdene Worte des großen Kurfürsten. Friedrich Wilhelms, des großen Kurfürsten von Brandenburg hieß es: „Ehrlicher Deutscher, dein edles Vaterland war leider bei den letzten Kriegen unter dem Vorwand der Religion und Freiheit gar jämmerlich zugerichtet. Wir haben unser Blut, unsere Ehre und unseren Namen

dahingegeben und Nichts damit ausgerichtet, als daß wir uns zu Dienst¬ knechten, ftemde Nationen berühmt, und des uralten, hohen Namens fast verlustig und diejenigen, die wir vorher kaum kannten, damit herrlich gemacht haben! Was sind Rhein, Elbe, Weser, Oderstrom nunmehr anders als fremder Nationen Gefangene?! Was ist deine Freiheit und E. K. Religion mehr, denn daß Andere damit spielen!"

Eine Kaöincts-Hrdre Friedrichs des Kroßen vom Jahre 1776. Verordnung, welcher gestalt sowohl diejenigen/welche Bau-Materialien in Berlin unb Potsdam stehlen, als auch die, welche solche gestohlenen BauMaterialien kaufen oder verhehlen, bestrafet werden sollen.

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j

!

Berlin, 12. December 1776. Nachdem Se. Kgl. Majestät von Preußen, Unser allergnädigster Herr, höchst mißfällig in Erfahrung gebracht, daß das Stehlen der BauMaterialien zu Berlin und Potsdam daher, weil die Diebe leicht Käufer und Hehler finden, sehr überhand nehme, so wollen und verordnen Aller¬ höchst dieselben, um diesem eingerissenen Uebel zu steuern, hierdurch, daß 1. sowohl diejenigen, welche als Meister, Gesellen, Jungen, Handlanger und Fuhrleute bei einem Bau arbeiten, als auch überhaupt alle diejenigen, die sich gelüsten lassen, etwas von alten oder neuen Bau-Materialien und Gcräthschaften, es sei so wenig wie es wolle, zu stehlen, mit vierwöchentlicher Zuchthausarbeit, und wenn es Soldaten sind, mit Gassenlaufcn bestrafet werden sollen. 2. Wer von Arbeitern beim Bau oder anderen verdächtigen Leuten alte oder neue Bau-Materialien und Geräthschaften kaust, ohne sich durch gehörige Erkundigung in Gewißheit zu setzen, daß der Bauherr oder Eigenthümer dem Verkäufer aufgetragen habe, solche Materialien und Geräthschaften zu verkaufen, soll, er niag wissen, daß selbige gestohlen seien oder nicht, wenn das gekaufte gleich vom geringsten Belange wäre, als ein Diebeshehler angesehen, und dafern er nicht den zehnfachen Werth zur churmärkischen Kriegs- und Domaincnkammer-Straf-Kasse erstatten kann, wovon dem Denuncianten der vierte Theil zuzubilligen ist, mit achtwöchentlicher Zuchthaus-Arbeit, und wenn es ein Soldat ist, mit Gaffenlaufen bestrafet werden, überdem aber den einfachen Werth, mit dem Diebe oder Verkäufer in solidum an den Eigenthümer zu er¬ statten gehalten sein. 3. Wenn ein solcher Diebstahl von großem Belange sein, oder jemand dergleichen öfters begangen, oder'solche gestohlenen Sachen öfters gekauft zu haben, überführet werden sollte, so sollen gegen den Dieb oder Verkäufer sowohl, als gegen dm Käufer oder Hehler die festgesetzten Strafen geschähet, und nach Befinden die Thäter zur Festung in die Karre gebracht werden. Damit nun diese Verordnung zu jedermanns Wissenschaft gelange ic., so ist sie gedruckt worden re. vom König eigenhändig unterschrieben und mit dem Landessiegel versehen worden. — So geschehen und gegeben zu Berlin den 12. Dezember 1776. (L. 8.)

Friedrich.

von Blumenthal.

von Derschau.

Ansilten im vorigen Jahrhundert. König Friedrich Wilhelm I. war besonders auch darauf bedacht, alberne Gebräuche in seinen Landen aufzuheben. Dahin gehörten besonders die alten Possen, welche gewöhnlich um Weihnachten getrieben wurden, wie z. B. das Herumlaufen der heiligen drei Könige. Der Monarch ließ sich darüber Berichte einsenden. So schreibt z. B. der Inspektor Solbrig aus Salzwedel unterm 25. April 1740:' Allerdurchl. Ew. Kön. Maj. haben sub dato Berlin den 11. Märtz c. allergdst. befohlen, daß ich mich erkundigen solle, ob in meiner Jnspecktion der ärgerliche Mißbrauch noch vorhanden, daß Leute unter dem Nahmen der heiligen 3 Könige, mit schwartz angefärbten Angesichtem u. s. f. herum¬ gehen, und die Leute, ihnen Geld zu geben, zwingen? Solche Erkundigung habe ich in allthngstem. Gehorsam eingezogen, und von allen Orten her, die Nachricht bekommen: 1) Ja! daß leider! solche ärgerliche Gewohn¬ heit zur großen Beschwerde des Landes noch üblich sey, und dergl. Leute sich jährlich einfinden. 2) Daß sie nicht alle aber auf einerlei Art kommen. Z. B. anstatt der gefärbten Angesichter haben sie Flor vorgezogen, so haben sie auch nicht alle ein Licht in ihren Stern u. s. w. _ Das ist aber durchgehends ihr Wesen, daß sie denen Lmten Geld abprcßen. 3) Daß es Soldaten sehn, die solches thun.

*) Ueber die Schriften und Werke werden wir aus Anlaß der Klödenfeier noch Näheres mittheilen.

420 Aehnlich berichtet der Pastor aus Distorf bei Salzwedel: meiner Gemeine ist mir von einem Knecht Ruprecht sonst nichts bewust. Die Bilder derer H. drey Könige aber sind auch hier jährlich in der gewöhnlichen und beschriebenen Gestalt umher gelausten, und wiewohl sie um die Zeit des letzteren Weyh-Racht-Festes bey mir selbst im Hause nicht gewesen sind, haben sie doch meiner Zuhörer nicht geschvnet. Sie haben von mir niemals was bekommen, sondern ich habe sie allemahl damit abgewiesen, daß ihr Gespötte stindlich sei und wider allgdsten. König!. Willen liesse, sie haben sich aber auch nicht anders als gantz schwer wollen bedeuten laßen, sich für Leute angegeben, die in König!, Krieges-Dicnstcn ständen, denen daher die Cousistorial-Verodnungen nichts angingen, ihre Päße angezeiget, und durchaus gefordert, man solle ihnen was geben, hat man sic hierauf stehen laßen, sind sie nach langen Aufent¬ halte zwar weggegangen, aber unter Drohen und Ausstößen aller ersinn-

„In

lichen Scheltworte.

Distorff

den 14.

(9 798)." Die im Eingänge dieser Bekanntmachung erwähnte Vermehrung um 221 Einstellungen beträgt nur ein hundertfünfzigstel aller Verstorbenen, entspricht also bei weitem nicht dem Verhältniß der Zunahme der Bevölkerung.

|

I

April 1740.

Akte I-orm der Eideslcillung. Die Fürstin Louise zu Wied erließ im Aufträge ihres Sohnes, des Fürsten Johann August Karl, im März 1805 eine vereinfachte Eidesordnung, hauptsächlich um so viel als möglich falschen Eiden vorzubeugen, da der „Grund des gegenwärtigen Verderbens in dem zu häufigen Gebrauch des Eides" gefunden sei. In Zukunft sollten demnach alle versprechenden Eide, Unterthanen-, Dienst- und Bürgereide durch den Handschlag ersetzt werde»; bei Kautionen, Schuldscheinen und anderen Händeln soll die Zusicherung auf Treue und Glauben genügen; bei Verbalinjurien und bei Streitigkeiten unter fünf Thaler Werth soll der Eid verboten sein; auch Manifestntionseide finden in der Regel nicht statt. Der Cid selbst sollte möglichst feierlich gehalten werden, um auf seine Urwürdc, Heiligkeit und Reinheit wieder zurückgeführt zu werden. Ist ein Eid unumgänglich nöthig, so soll keiner zu dessen Ab¬ legung zugelassen werden, wenn er nicht vorher von seinem Seelsorger dazu gehörig vorbereitet und der Eid ihm auf eine in aller Rücksicht zweckmäßige 'Art erklärt worden ist. Zu diesem Zwecke soll den Geistlichen ein Auszug aus den Gerichtsakten zugestellt lverden, damit kein Zweifel obwalte, was eigentlich zu beeiden sei. Bevor aber nun der Betreffende, wenn er zum Eide crbötig, wirklich zugelassen, hat der Geistliche an einem Sonntage vorher von der Kanzel bekannt zu machen, daß Jener in der und der Angelegenheit einen Eid ablegen solle, und daß die Gemeindemitglieder aufgefordert werden, unverzüglich etwaige Einwände oder Be¬ denken vorzubringen. Auch gab es drei Grade des Eides. Bei dem ersten begleitete der Seelsorger den Schwörenden zu Gericht, ihn dort noch einmal feierlichst zu ermahnen; bei dem zweiten sollte dem Schwörenden die Bibel in die Hand gegeben und ein Todtenkops auf die schwarz bekleidete Gerichtstafcl gelegt werden; beim dritten Grade fand die Eides¬ leistung in der Kirche bei verschlossenen Thüren in Gegenwart des gcsammten Presbyteriums statt, nachdem der Zeuge vor dem Altar knieend ein Gebet über den Eid nachgesprochen. Die Strafen des Meineides waren folgende: Im ersten oder zweiten Grade wurde der Betreffende öffentlich für ehrlos erklärt, mit einer Schandtafel ausgestellt und körperlich gezüchtigt; er durfte niemals wieder vor Gericht auftreten. Bei dem dritten Grade wurde dem Sünder das Haar abgeschnitten, er selbst dann gezüchtigt und des Landes verwiesen. Außerdem fand Kirchenbuße statt, und wenn die Ver¬ weisung ausnahmsweise erlassen wurde, saß der Begnadigte lebenslänglich auf dem Süuderstühlchen unter der Kanzel.

Aenuhung der Leichenhallen. Der Magistrat der Stadt Berlin macht folgendes bekannt: „Die auf den hiesigen Begräbnißplätzen befind¬ lichen Leichenhäuser sind im Jahre 1885 zur Einstellung von 9 798 Leichen benutzt worden, also von etwa 30 pCt. der in demselben Jahre hier Ver¬ storbenen, deren Zahl 33 331 betrug. Gegen das Jahr 1884, in welchem 9 677 Einstellungen stattfanden, hat sich die Zahl derselben im Jahre 1885 um 221 vermehrt. Die nachstehende Zusammenstellung ergiebt die Zabl der Einstellungen von Leichen bei den einzelnen Leichenbäusern: 1. Dom 1884 58. 1885 (73)/2. DreisaltigkcitS - Kirche 255' (291), 3. Elisabeth-Kirche 315 (368), 4. Jakobi-Kirche 1 181 (1 216), 5. NazarethKirche 183 (91), 6. Garnison-Kirche 117 (122), 7. Parochial-Kirche 102 (99), 8. Philippus-Apostel-Kirche 107 (77), 9. Sophien-Kirche 443 (454), 10. Zwölf-Apostel-Kirche 456 (467), 11. St. Hedwigs-Kirche 314 (343), 12. Michaela-Kirche 185, 13. Jüdische Gemeinde 956 (961), 14. Dorotheen¬ städtische Kirche 122 (146), 15. Jerusalems- und Neue Kirche 382 (471), 16. Friedrichs-Wcrderschc Kirche 239 (228), 17. Matthäus-Kirche 246 (241), 18. Weddings - Begräbnißplatz 4 (7), 19. Nikolai- und Marien Kirche 238 (265), 20. Französische Kirche 84 (59), 21. Georgen - Kirche 1 661 (1716), 22. Thomas-Kirche 1 150 (1 208), 23. Luisenstadt-Kircbe 475 (504), 24. Petri-Kirche 154 (199), 25. Zions-Kirche 147 (183), 26. Böhmisch-Mährische Briidcr-Gemeinde 3 (9). Summa: 9 577

In

König Wilhelm-Bad. Swinemünde am Ostseestrand

Sool-, warme und kalte See- sowie medizinische Bilder und Stahlquelle. — 150 Logirzimmer, vorzügliche Betten, ausgezeichnete Verpflegung zu massigen Preisen. — Schönster Oslseestrand, starker Wellenschlag, Seesteg, täglich Dampfer - Extrafahrten, Concerte etc. Bequemste directe Eisenbahn- und Dampfschiff-Verbindung. Omnibus am Bahnhof u. am Dampfschiff-Bollwerk.

Eröffnung am 3. Juni.

!

Schwerin's Ende. (Hierzu eine Abbildung nach Chodowiecki.) Curt Christoph Graf von Schwerin (geb. zu Löwitz bei Anclam am 26. Okt. 1684) führte beim Ausbruch des siebenjährigen Krieges eine besondere Abtheilung nach Böhmen, griff am 22. Sept. 1756 die Oesterreicher bei Aujest an und bezog nachher die Winterquartiere in Schlesien. Am 6. Mai 1757 vereinigte er sich mit dem Heere des Königs, vor Prag. Rach einem blutigen Kampfe errangen die Preußen den Sieg mit großen Opfern; denn als die Schlacht einen unglücklichen Ausgang zu nehmen drohte, ergriff Schwerin selbst eine Fahne vom zweiten Bataillon seines Re¬ giments und ritt. damit vor, wurde aber in derselben Minute durch 5 Kartätschenkugeln nahe dem Orte Sterboholy zu Boden gestreckt, auf welcher Stelle Kaiser Joseph 11. im September 1776 sechs Grenadier¬ bataillone um sich versammelte und dem Feldmarschall Schwerin zu Ehren eine dreimalige General - Decharge aus dem kleinen Gewehr und der Artillerie machen ließ, lvobei der Kaiser jedesmal den Hut zum Zeichen der Achtung abnahm. Im Jahre 1824 wurde auf demselben Platze ein Denkmal errichtet. Schwerin's marmorne Bildsäule (von C. B. Adam) wurde 1769 aus dem Wilhelms-Platze zu Berlin aufgestellt; sie befindet sich gegenwärtig — nach Ersatz durch ein Bronzedenkmal — in der Vor¬ halle der Kadettenanstalt in Lichterfelde. Friedrich der Große aber setzte ihm ein anderes Denkmal in seinen eigenen Werken, indem er bei der Beschreibung der Schlacht von Prag sagt: „La perte des Prussiens monta a 18 000 combatants; sans compter le Marechal de Schwerin, qui seul valait au dela de 10 000 hommes. Sa mors fletrissait les lauriers de ia victoire, aehetee par un sang trop precieux.“ Er schlug also seinen Werth höher an, wie den von 10 000 Mann.

Kottwitz-Scnlnnak.

Am 13. Mai, als dem Todestage des durch Wohlthätigkeit bekannten Freiherrn Ernst Hans v. Kottwitz, fand auf dem alten Georgenkirchhof eine beachtenswerthe Feier statt, indem auf dem Grabe des Genannten ein neues Kreuz mit dem Namen des verdienten Menschenfreundes errichtet wurde. H. E. v. Kottwitz, geboren am 1. Sept. 1757 (in Schlesien) gründete in den unglücklichen Zeiten der Jahre 1806/1807 in seinem eigenen Hause Große Frankfurterstraße 44

seine

Armcnbeschäftigungs-Anstalt, wobei der Stifter selbst die Besorgung der für die Verarbeitung bestimmten Rohstoffe, sowie den Verkauf der fertigen Waare übernahm. Hauptsächlich wurde gesponnen und gewoben. Am 1. Oktober 1808 wurde die Anstalt in die von Friedrich Wilhelm III. bewilligte ehemalige Kaserne Alcxanderstraße 5—7 verlegt, die damals als Lazareth für die bairischen Truppen eingerichtet, aber nicht benutzt worden. Zur Unterstützung seiner wohlthätigen Be¬ strebungen gab v. Kottwitz mit behördlicher Genehmigung zinslose Aktien aus, die aus dem Verkaufe der Waaren, sowie aus freiwilligen Beiträgen mit der Zeit abgelöst worden sind. Seit 1823 wurde die Anstalt von der Stadt verlvaltet und zwar auf Grund von Bestimmungen, die im April 1826 die Königliche Zustimmung erhielten. Der Begründer der Anstalt starb am 13. Mai 1843. eine

Die Auöck-Kunstausllelkung zum Gedächtniß der ersten Berliner Kunstausstellung im Jahre 1786 soll am 23. Mai eröffnet werden. Der „Bär" wird der geschichtlichen Abtheilung derselben eine besondere Beachtung angedeihen lassen und bei Besprechung derselben auch auf jene erste Aus¬ stellung des Näheren eingehen. Vom künstlerischen Standpunkt mag darauf aufinerksam gemacht sein, daß durch sogenannte historische Festzüge den mit der Ausstellung verbundenen anderweiten Anordnungen und Bildervorführungen eine erhöhte Bedeutung verliehen werden wird. Der Hof hat dem Vernehmen nach schon jetzt sein Erscheinen bei der Eröffnung zugesagt.

Inhalt: Gedenktage. — „Verfestet", eine Berliner Geschichte aus dem Jahre 1380 von Oskar Schwebe! (Fortsetzung). — Feuilleton: Brandenburger Ereignisse von 1695—1699, von E. K. — Die geistige

Atmosphäre und die bildenden Künste zu Berlin im 16. Jahr¬ hundert, I.; Karl Friedrich von Klöden, von Dr. R. Beringuier (mit Portrait). — Miscellen: Ein origineller Reitergeneral im vorigen Jahrhundert; Anerkennung für Bäckermeister; Goldene Worte des großen

Kurfürsten; Eine Kabinets-Ordre Friedrichs des Großen vom Jahre 1776; Unsitten im vorigen Jahrhundert; Alte Form der Eidesleistung; Be¬ nutzung der Leichenhallen; Schwerin's Ende (mit (Abb.); Kottwitz-Denkinal; Die Jubel-Kunstausstellung; Die alte Mühle vor dem Hallischen Thor (Abb.). — Inserate.

Ill-astr. Briefmarien-Journal.

Verbreiteste u. einzige Briefm--Ztg. 65 Ravensberg 2 223 1 739 Herrschaft Lauenburg 125 495 421 In Summa.... 18 298 67 763 44 678 XXXIII. Hinrichtung. Am 15. Februar 1699 erhielt in Berlin ein eine Zeitlang gefangen gesessener Prediger sein Todesurthcil, daß er mit dem Schwerte hingerichtet, der Kopf auf einen Pfahl gesteckt, der Leib aber auf's Rad geflochten werden sollte. Sein Verbrechen bestand darin, daß er drei Weiber genommen, falsch Geld gepräget und dabei sehr liederlich gelebt hatte, wie denn auch einige von seinen Afsektionsschwestern arretirt und mit dem Staupbesen abgestraft wurden. XXXIV. Ein Feuerwerk. Am 26. Februar 1699 wurde iu Berlin zur Feier der Berinählung des Markgrafen Philipp Wilhelm mit der Prinzessin von Anhalt-Dessau Johanna Charlotte ein prächtiges Feuer¬ werk abgebrannt, das aus Folgendem bestand: Zuerst ivurden 12 Kanonen gelöst, worauf sich in blauem Feuer die Venus zeigte, auf einem von 2 Löwen gezogenen Triumphwagen sitzend; Cupido lenkte den Wagen. Ueber dem Haupte der Venus brannte in weißem Feuer der Stern der Venus. Ein fliegender Cupido reichte der Venus einen Kranz, in der Linken eine Hochzeitfackcl haltend. Mars stand mit seinen Planeten in einiger Entfernung und erivartete die Venus; neben ihm lagen seine Waffen. Zur rechten und linken Hand waren zwei Feuer-Fontainen, auf deren einer ein Bär, auf der anderen ein Adler standen, die heftig Feuer sprühten. Das Piedestal dieser Fontaine» bestand aus ineinander ge¬ schlungenen Wallfischen, die gleichfalls Feuer aussprühtcn. — Als dies ver¬ brannt war, wurden zum zweiten Mal 12 Kanonen gelöst und das weiße Feuer angezündet. Hierin brannten 2 ineinander geschlungene Herzen,

Sternberg.

Preußen.

Minden.

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423

werth,

Schwert mehr zu fassen! Dem ersten Manne aber, den wir fangen, dem will ich selber Henker sein!" — „Gefriedet seien ferner die Knochenhaner von Berlin, gefriedet die Ryke, gefriedet Herr Thilo v. Brügge, der Richter, — dem stimm' ich gleichfalls gerne zu! Sie haben unserm Hauptmanne Gutes gethan! Sonst aber sage ich: „Den Brand in jedes Haus und in jedes Gehöft; — den Stahl in ihre Brust und das Beil auf ihre Häupter! Verderben denen von Berlin, den Tyrannen und Blutsaugern im Lande! Koppen Richard, — sie haben's an Dir verdient, — nicht wahr, — auch Du stimmst mir zu?" — Der stürmische Ruf „Verderben denen von Berlin!" antüwrtcte dem greifen Heinrich v. Karow. Koppen Richard er¬ kannte es klar, daß nun jedwede Möglichkeit, mit den Berlinern Frieden zu schließen, abgeschnitten war. Es war ihm ohne Zweifel auch recht so, obwohl er selbst ans diese Grausamkeit der Kriegsführung von selber nicht verfallen wäre. „So schwöre ich denn," sprach er, „da Ihr es also wollet, liebe Gesellen, Euren Befehl zu erfüllen! Es büße jeder, den wir fangen, mit dem Leben!" — Aus dem Grunde des Waldes ertönten jetzt freudige Rufe. Noch konnten die auf dem Hügel lagernden Männer des dichten Unterholzes wegen nicht sehen, was dort in der Tiefe des Forstes geschehen war. Doch jetzt klang ihnen auch das Knarren von Rädern zu, und jetzt traten sie aus dem Gehölze heraus, Genossen von ihnen, welche einen genommenen Wagen geleiteten und einen gefangenen Mann in ihrer Mitte führten. „Allmäch¬ tiger Gott, — welche Fügung!" sprach Koppen leise vor sich er

ist

nicht

auf einem römischen Altare stehend, mit der Ueberschrift: »Plarnmescit uterqne.“ Zur Rechten hiervon stand eine mit Lorbeer umwundene Pyramide, an deren Piedestal ein Bär, oben auf der Spitze in eineni Oval, unter einer Kurkrone mit Palmenzweigen umgeben diese Buch¬ staben brannten: „V. J. C. M. B. N. P. A.“ (Vivat Johanna Charlotta March. Brandenb. Nata Pläne Anhalt.) Zur Linken stand eine eben solche Pyramide, auf deren Spitze brannte: „V. P. W. M. B.“ (Vivat Philipp Wilh. March. Brandenburg.), an deren Piedestal ein Adler zu Als nun zum 3. Male die 12 Geschütze gelöst wurden, gingen sehen war. die Wafferfeueriverke mit großem Geprassel der Wasserschwärmer an, von denen auf einmal mehr als 300 aus einem Satze kamen. Dann erblickte man Tritonen, auf Wallfischen reitend, die Feuer aussprühten. In zwei Ovalen waren unter einer Kurkrone die beiden fürstlichen Namen en Chiffre. Die Raketen flogen immer hundert mit einem Male; das Pommeranzenhaus im Lustgarten war sehr erleuchtet; die Hoftrompeter und Heerpauker ließen sich in 2 Chören lustig hören. Bei den während der Tafel ausgebrachten Gesundheiten wurden wiederum die Kanoneil gelöst. So endete Alles zum allgemeinen Vergnügen. XXXV. Hinrichtung. Am 3. März 1699 ließ in Berlin die neu¬ erbaute Dorotheenstadt, die durch die Kurfürstin Dorothea, letzte Gemahlin des großen Kurfürsteil Friedrich Wilhelin, aufgebaut worden war, ihre erste gerichtliche Exekution ergehen, in der ein Weib, das verschiedene Diebstähle begangen und deswegen schon im Berliner Gericht gesessen hatte und von hier mit dem Staupbesen verwiesen war, mit dem Schwerte hingerichtet wurde.

Der Gefangene war Niemand anderes als — Hermann Mellin. Mit lautem Jubel nahten die Wegelagerer. „Wir haben gesiegt und gefangen!" riefen sie dem Hauptmannc zu. „Sie kamen mit zehn Stadtknechten von Berlin; ein Bolzen ans

hin.

ein

XXXVI. Eingewanderte Franzosen. Nach den im März 1699 aufgestellten Listen waren in der Mark Brandenburg 1377 französische Familien eingewandert, ivorunter waren 46 Prediger, 24 Prediger-Wittwen, 9 Aerzte, 200 Kaufleute, 50 Notarien, 10 Goldschmiede, 1 Bildhauer, l Gypshändler, 6 Conditoren, 24 Seidensticker, 2 Uhrmacher, 13 Peruquenmacher, 6 Tapeziere, 53 Barbiere, 2 Fechtmeister, 36 Wollenfärber, 4 Edelsteinsetzer, 26 Hutmacher, 4 Tischler, 2 Tuchscheerer, 6 Kleinschmiede, 14 Grobschmiedc, 2 Messerschiniede, 3 Nagelschmiede, 5 Klempner, 3 Büchsenschäfter, 4 Rademacher, 6 Faßbinder, 119 Schuster, 101 Schneider, 1 Strumpfschncider, 121 Strumpfweber, 3 Zinngießer, 2 Weinfaßbinder, 2 Schlächter, 13 Maurer, 6 Töpfer, 1 Schwertfeger, 51 Roth- und Wei߬ gerber, 4 Kürschner, 3 Nadeler, 4 Handschuhmacher, 1 Leinweber, 7 Zimmerleute, 1 Schellenmachcr, 2 Brunnenmacher, 9 Steinpflasterer, 2 Schiffsbauer, 2 Knopfmacher, eine große Anzahl Spinner, 4 Gärtner, 257 Ackersleute, 1 Wehemutter, die Alle über 18 000 Menschen aus¬ machten. XXXVII. Eine seltene Blume. Im Juli 1699 wurde zu Goldbeck bei Wittstock in der Mark eine Blume im Roggen gefunden.

Wir stürzten vor; Fuhrknechte drang der Dolch in die Kehle; — da

dem Gebüsche streckte den Rottmeistcr nieder.



dem

entflohen die Feiglinge!

wir unter

j

:

Den Satansburschen hier aber

zogen

den Tuchrollen hervor!

Erst biß er um sich und dann aber ließ er sich geruhig binden und sein Gebein schlotterte ihm. Wir nahmen diese wohl gefüllten Geldbeutel ihn: ab!" — Ein Bild des hoffnungslosesten Elendes und der äußersten Verzweifelung stand jetzt Hermann Mellin gebunden vor seinem kratzte wie eine Katze;

gepanzerten Gegner.

„Hermann Mellin," sprach Koppen Richard erschüttert, „es giebt eine Gerechtigkeit Gottes!" Dann wendete er sich zu seinen Genoffen. „Das ist der Mann," rief er ihnen zu „der mich verderben wollte! Er hat mich friedlos gemacht und verfestet; — er hat's bewirkt, daß mein väterlich Heim, das alte Ehrenhaus, niedergerissen ward, — daß mein Erbgut zu Spreenhagen und Wulkow in Flammen aufging ! Du wolltest mich vernichten, Hermann Mellin!" „Nein, Koppen," rief in Todesangst der Gefangene, „zu Glück und Ehren wollte ich Dich führen." Koppen lachte höhnisch. „Den bessern Mann in mir hast Du getödtet! Hermann, Du mußt jetzt sterben!" „Ich will mich lösen, — lösen mit all' meinem Gold und Silber!" die Niemand gekannt; deswegen wurde sie nach Berlin gesandt. Sie war ungefähr 1'/., Elle lang, gleich einem Säbel von Länge und Dicke, auch unten also von Gefäß 5 Zoll breit und ungefähr einen starken Strohhalm dick, fest, steif, wie starkes Sohlenleder gewachsen. Die beiden breiten Seiten waren so voller grünen Gewächse als ein kleines Band, rothe und blaue Blumen darüber gewachsen, wie die schönsten Fontangcn, eine noch größer, als die andere von unten bis oben, und ivaren auf jeder Seite wohl 5 Fontangcn und große Paruquen mit Knoten eines um das andere zu merken. Oben ant letzten Ende waren 3 Blumeit, sowie die Offiziere auch andere Personen „eine Zeitlang und noch an den Degen tragen. —" XXXVIII. Huldigung in Stargard am 8. Oktober 1699. Nachdem der Kurfürst von Brandenburg am 5. Oktober 1699 die Huldigung zu Cüstrin angenommen hatte, kam er am 8. mit großer Pracht, mit Gefolge von 2 500 auserlesenen Truppen nebst Trabanten und dem Adel von Hinterpommern, der in 50 Kutschen, jede mit 6 Pferden und 100 zu Pferde ihm entgegengezogcn war, zu Stargard an. Daselbst ivaren 5 Ehrenpforten errichtet, die eine von den daselbst Studirenden, die zweite vom Magistrat der Stadt, die übrigen von den Landständen. Die der Studirenden stellte den Musenberg vor, ivorauf sie lebende Tugenden mit angenehmer Musik von Harfen und anderen Instrumenten darstellten. Als der Kurfürst dies sah, hielt er still, um die Vorstellung näher zu betrachten. Während dessen übergaben ihm einige Studenten ein Gedicht, in dem der Parnaß vorgestellt war: 1. Das Verhängniß mit der Ueberschrift: fatum, quod deum sntor. 2. Die Gerechtigkeit: .mm» cuiqne. 3. Die Gottseligkeit: pietas ad omnia ntilis. 4. Die Weisheit: timor domini initium sapientiae. 5. Die Tapferkeit: fortes creantur fortibus. 6. Die Keuschheit: easta placent snperi alba cum veste venire. 7. Der Chor der Tugenden: omtiinn, virtutum mater pietas. Ueber allen Ehrenpforten waren schöne Bilder zu sehen. Die Huldigung des Magistrats und der Bürger geschah auf dein Markte. Der Kurfürst nebst seinen beiden Brüdern, den Markgrafen Wilhelm und Christian Ludwig, saß auf einem rothsammctnen mit Gold gesticktem Thron, sowohl auf dem Markte, als in der Kirche. Endlich ließ der Kurfürst die Prediger und den General-Superintendenten Dr. Heiler vor sich, wo sie der Geheimerath von Fuchs in einer Rede an ihres Amtes Heiligkeit erinnerte, worauf Dr. Heiler antwortete, und sie sämmtlich der Kurfürst zuni Haitdkusse zuließ. Die Huldigung geschah dem ganzen Brandenburger Hause auf alle Nachkoinmen und die Eveittual-Huldigung der Krone Schweden, die zivei Gesandte, zwei Regierungsräthe von Stettin, Jäger und Lagerströhen, gesandt hatte, die mit drei Kutschen, jede von 6 Pferden, geholt wurden. An 50 Tafeln, jede zu 25 Gedecken wurde gespeist; über 1000 Vasallen waren anwesend. E. König.

424

„Mcllin, —

an! Während Dn gefangen wurdest, wurde Dir bereits das Urtheil gesprochen. Wir geben keinem Manne von Berlin mehr Gnade." „Koppen, — Du warst sonst ein barmherziger Mann!" „Deine Rachsucht hat mein Herz zu Stein verwandelt." „Koppen, ich habe mehr Gold als Du denkst! Verbanne mich über die See!" „Kein Wort mehr! Bereite Dich zum Tode."

In

es geht nicht

furchtbarer Weise brach jetzt die Verzweiflung des

Gefangenen aus.

„Der

böse

Feind

vernichte

Koppen!" So rief er aus. Deinen

Augen

schmachten;

sterben,

— vernichtet

Dich

„Die Du

ver¬

sollst

auf's

Entsetzlichste,

lieb hast, mögen vor

Sie

als

Hauptmannes ansichtig wurden. „Alles ist in Ordnung!" riefen sie Koppen zu. „Erich Falke, hat uns seinen Sohn zur Geißel mitgegeben als ein Zeichen, daß er's ehrlich meint. Er läßt Dich bitten, Hanptmann, mit dem alten Heine Karow zu ihm zu kommen, um das Bündniß abzuschließen, und Null die Frauen gern hegen in Schloß Saarmund." „Gott Lob," sprach Koppen Richard, „so sind sie wenigstens geborgen!" Er eilte zum Lager zurück, ließ Frau Anna und Maria v. Wardenberg zu Rosse steigen und übergab den Befehl über das Lager au Wiprecht v. Thümen. Dann schwangen er selbst und Heinrich v. Karow sich in heimkehrten.

schwenkten die Hüte,

den

sie des

Sattel; in

raschem

Ritte

Du werden von der Hand Deiner Feinde; — geschändet bleibe

sprengten sie auf Schloß Saar¬

Dein Name auf einige Zeit! Ein Ende sollst Du nehmen, Verfluchter, auf dem Nabcnsteine; alle Welt soll Dich ver¬ achten, und Höllenqualen sollen Dein Leben vergiften schon hier auf Erden!" „Stopft ihm den ruch¬

sich

losen

Mund!"

sprach

Heine

von Karow, als er sah, daß erbleichte. Richard Koppen „Führet ihn hinfort von den Frauen und hängt ihn an der Waldesecke! Hei, blonder Eber¬ hard und brauner Konrad, freuet Euch: — schon wieder fällt Euch ein TodtenoHfer!"

An der Waldescckc stand eine Eiche

mit starken,

fast wage¬

recht sich ausbreitenden Zweigen.

und bald erhoben im Abendscheine die starken, grauen Thürme der Burgveste vor ihnen. Schloß Saarmund war damals die bedeutendste der die mund zu,

weite Niederung beherrschenden

Nutheburgen.

Man

glaubte

Zeit, in diesen gewaltigen Mauern einen Bau Albrechts des Bären zu er¬

schon zu jener

kennen.

Mit

Feldsteinen,

ge¬

waltigen, unbehauenen Find¬ lingen wie gepanzert, erhob sich die Stirnseite der Burg über der silberhellen Ruthe; eine Vorburg beschützte die Brücke; bei ihr wurde der Straßenzoll nach

Leipzig

erhoben.

Das

Burggebäude selbst zeigte nach Außen nicht ein einziges Fenster,

sondern nur langgeschlitzte, sehr Zwei Knechte kletterten hinauf enge Schießscharten. Vom und befestigten den Strick, dessen höchsten Thurme herab wehte Schlinge der greise Karow ein unheimlich' Banner: auf knüpfte; Bald war das grause schwarzem Grunde zeigte das¬ Werk vollbracht. Die Zeit und selbe einen Falken mit einge¬ ihre Anschauungen waren von zogenen Fängen und hochge¬ furchtbarer Härte. Es hatte Vas Lcopoldsdrnlrinat in Frankfurt a. ©. schwungenen Fittichen. Ueber Niemand, auch die Frauen nicht, (Nach dem Entwurf von Bernhard Rode, ausgeführt die Straße vor der Burg aber einen Einspruch, eine Bitte zum von Chr. SB. Meyer 1787). waren mehrfach schwere, eiserne Besten HermannMellins versucht. Auf dem Hügel im Walde zechten die Mannen fröhlich Ketten gezogen. Das war die Burg und Zollstätte weiter; Koppen Richard aber saß an einer stilleren Stelle am Saarmund im Jahre 1380. Weiter an der Ruthe hinauf Ende des Lagers, das Haupt in die Hände gestützt. Der Abend erhoben sich regellos einzelne Hütten, Schmieden und Wirths¬ häuser: das war der Flecken Saarmund. nahte und Koppen sah der Wiederkunft der Boten entgegen, Heinrich v. Karow stieß in das Jägerhorn, welches er welche er zu Erich Falke nach Schloß Saarnnmd gesendet hatte. über dem Büffelkoller trug. Es dauerte eine geraume Zeit, Noch hallten die letzten Worte des Gerichteten durch seinen Sinn. „Wie wird cs enden?" fragte er sich jetzt in stiller ehe die Ketten niedersanken, welche den Zugang zum Schlosse Stunde selbst. „Doch ich will auch den Fluch tragen," sprach versperrten; denn der von der Burg herabgeschickte Knecht kannte Koppen Richard noch nicht; er war noch nicht auf dem Schlosse er leise, aber fest vor sich hin; „hab' ich nur erst Rache ge¬ gewesen, als die Berliner dasselbe unter Koppen Richards nommen an Berlin! Ja, — bloßer und elender will ich — Führung berannt und durch monatclange Umschließung zur sie machen, als Erich Falke es vordem gethan hat." Aus dem Hohlwege tönten Stimmen herauf. Koppen Uebergabe gezwungen hatten. Doch nun konnten die Ankömmlinge einreiten auf Schloß richtete sich auf; es waren die Boten, welche von Erich Falke

m Am Burgthore empfing sie Erich Falke. „Gott grüß' Euch, Koppen Richard!" rief der Edelmann. „Wohl wußt' ich, daß wir Beide noch einst zusammen kommen würden, als Ihr mich damals finget in dieser Burg! Daß es aber so kommen sollte, das hätt' ich mir nicht träumen lassen! Doch seiet mir willkommen, — vor Allem Ihr, — Ihr Frauen! Was Glich ein unbeweibter, zum Wittwer gcivordcncr Reitcrsmann bieten kann an Bequemlichkeit des Lebens, das soll Euch werden. Meiner lieben, alten Mutter Bett steht auch iloch in ihrer leeren Kenienate; — sie selber ruht dort drüben in der Kirche! Wenngleich mein Haus manch' ivildcm Gesellen Ein¬ lager giebt, — besser ist's doch als der Wald für so zarte,

haben sie auch euch und mich

Saarmund!

schöne

Kasten" nennen, — den haben sic wegen Brandstiftung ein¬ gezogen und ihm die linke Hand so schwer gefesselt, daß sie nun lahm gcivorden ist! Dann haben sie ihn bei ihren eben¬ bürtigen Genossen einquartiert, den edlen Mönchen von Lehnin, die nimmer satt werden, obwohl sie Hab und Gut von ein paar Dutzend Adelsfamilicn bereits verschlungen haben! Auch über sic wird Gottes Zorn noch kommen! Allein Herr Hundewerper wußte zu entflieheu; — seit alten Tagen Verkehre» ja

gutmüthige Frauen in der Abtei Lehnin; — es hat ihm deren eine ihre wendische Haube und ihren Mantel geliehen, und so ist er entkommen zu mir. Herr Hundewcrper wird uns unser Bündniß klar und deutlich niederschreiben!" — Und das geschah. Herr Erich Falke war ein Mann, der wußte, was es galt. Er gab den Freibeutern zwar offenen Zugang zu seinen Burgen Saarmund, Beuchen und Trebbin; er gestattete ihnen, hier ihre Beute zu bergen; er sandte den Berlinern ferner einen neuen Fehdebrief und verlegte ihnen durch seinen Beitritt zum Bündnisse nun auch die Straße nach Magdeburg, Wittenberg und Leipzig; doch dafür forderte er So groß der auch den vierten Theil aller Beute für sich.

einem Reste von Ritterlichkeit, welcher ihm trotz seines

wilden Lebens geblieben war, hob der hochgewachsene Krieger Er übergab sie der Obhut die Frauen aus ihren Sätteln. einer Beschließerin. Koppen Richard und Heino von Karow aber führte er zur Halle der Burg, welche neben dem Thore gelegen war, und deren kleine Fenster sich nach dem Schlo߬ hofe zu öffncteir.

Es war ein kühles, fast dunkles Gemach; deiln die Ein langer Fensternischen waren von ungewöhnlicher Tiefe. Tisch bildete nebst sechs oder sieben Schemeln und zwei Bänken Erich Falke aber, dessen den ganzen Hausrath in der Halle. scharfgebogene Nase und kühner, feuriger Blick vortrefflich zu seinem Geschlechtsnamen Paßten, hatte dem Raume, seinen Gästen zu Ehren, einen festlichen Anstrich gegeben.

Anspruch war, er mußte ihm zugestanden werden.

„Wir

beide," sprach Koppen, auf Heinrich von Karow deutend, „kämpfen ja auch nicht um Gewinnes willen, sondern uur um unsere Rache voll zu sättigen! Gern geb' ich meinen Theil auch hin, — nur, daß ich meine Frauen sicher weiß. „Ich tverde sie euch halten, wie einem Edelmanne gebührt ; — verlaßt euch d'rauf, Herr Koppen Richard! Und nun ist Alles wohl in Ordnung! Siegel» wir das Pergament; — dann aber zu den Bechern!" — Es ward ein wildes Zechgelage an jenem Abende in dem Schlosse zu Saarmund; denn furchtbar war der Haß im Adel gegen die Berliner angeschwollen. Der Schlößherr hatte die andern Führer der Wegelagerer zu sich entbieten lassen; erhalte ein festliches Mahl veranstaltet, und die Wogen ungezügelter Trinklust schäumten höher lind höher. Erich Falke saß mit seinem früheren Feinde oben am Tische, — selbst mäßig, schauten die beiden mit nachdenklichem Blicke ans das Gewühl

Hinter den

Schilden an den Wänden

Eiscnkappen und den prangte Eichenlaub und auf der Tafel standen in hohen Steinkrügen blaue und gelbe Wasser- und Schwertlilien, duftende, goldene Nixenblumen und schneeige Rosen aus dem Burg¬ graben. Ein Thurmfalk, dessen Fänge mit einem Kettlein gefesselt waren, saß in einer der Fensternischen und sträubte, den Hals vorbiegend, sein Gefieder, als die Männer eintraten. dreieckigen

An dem Tische aber befand sich vor einem Blatte Pergament ein Btann, dessen Kleidung sofort einen Geistlichen verrieth. „Willkommen noch einmal," sprach Erich Falke von der Leßnitz, „ihr Männer in meiner Burg! An einem guten Trünke soll es Euch nicht fehlen; — doch erst, denk' ich, be¬

wir unsere Geschäfte! Hier mein Hauskaplan, der ehr¬ würdige Nikolaus Hundewcrper, einst Stistspriester zu Wrictzen an der Oder! Allein dem geistlichen Herrn ist die Kasel zu eng Die Berliner, die geworden; er hat seinen Altar verlassen. ihm wicderrechtlich.sein Erbe vorenthalten haben, hatten, wie ihr wißt, Koppen Richard, ihn einst im Verdacht, er sei der Brandstifter, der ihnen so großen Schaden gethan." „Ich war, — sei Gott mir gnädig, — damals nicht endigen

schuldig

an

dem

Frevel!"

sprach

der einstmalige

vor ihnen hin.

„Der

wildeste

ist

doch

der

ehemalige Priester!"

sagte

Koppen.

„Ich

kann's ihm nicht verdenken," erwiderte Erich Falke,

„er hat furchtbar gelitten unter der falschen, gewissenlosen Anklage! — Er war einst ein Mann von hohen Gaben, und der Domherrenstuhl zu Lebus war ihm gewiß! Gott Gnade den Berlinern vor ihm! Er ist es, der mich zum Bündnisse mit Euch bestimmt hat!" —

Geistliche.

„Jetzt aber könnt' ich's werden." „Ja, es sind fürsichtige und weise Herren, eure früheren Btitbürger, Koppen," sprach Erich Falke lachend, „und sie er¬ gründen Herz und Nieren! Sie sehen's dem Vogel an den Federn an, was für ein Lied er dereinst pfeifen wird! D'rum

Erich Falke fütterte den gezähmten Raubvogel, welcher auf seiner Schulter saß, „Wart', Blitzaug, — jetzt wolle» wir kühneren Flug versuchen!" sprach er. „Flieg' balde auf die Thürme von Berlin!" — (Fortsetzung folgt.)

Die geistige Atmosphäre und die ditdenden Künste All' die erwähnten Grabmäler waren Portrairstatuen, Grabesplattcn bis auf das reichere Röbel'sche Monument. Ich komme nun zu Grabmälern, welche in Bildhauerarbeit Darstellungen aus der biblischen Geschichte enthalten. Das bedeutendste dieser Kunst-

diesem fried¬

seine Habe dem alles ver¬

schlingenden Moloch entreißen ivollte, den sie den „allgemeinen

Frauen!"

Mit

verfestct! Hier,

lichen Manne, der sein Gut und

:

zu

Berlin im 16. Jahrhundert.

(Fortsetzung.)

werke befindet sich zu St. Nikolai. Dasselbe stellt den Erlöser in Lebensgröße dar, wie er den Tod unter die Füße tritt. Es ist das Grabnial eines Unbekannten aus dem Jahre 1556, ein Werk von düsterem Eindrücke, aber von immerhin bedeutendem Werthe. Kleinere Reliefs

4S6 finden

sich

überall; — man hat ihnen

erst

in neuester Zeit tvieder

Äusmerksamkeit und Werthschätzung zugewendet; die Arbeit an diesen Werken ist zum Theil recht tüchtig. So bei dem übertünchten

Grabmal in der Kirche des Dorfes Weißensee, welches die Fa¬ milie der Blankenfelde unter den drei Kreuzen des Herm und der Um mit Details nicht allzu lästig beiden Schächer darstellt. zu fallen, bemerke ich im Allgemeinen: es muß zu Berlin im 16. Jahrhunderte unzweifelhaft treffliche Bildhauer gegeben haben. Und doch! Es ist nicht eines Einzigen Name auf uns gekommen! Archivalische Nachforschungen sind ohne Erfolg verblieben. Möge ei» Anderer bei ihnen glücklcher sein als Nikolai und ich!

wir uns nunmehr

Wenden

den Werken

der Gießkunst zu!

Wir

haben nur von zweien derselben hier zu reden!

stehe

voran:

Im

Das geringere

Jahre 1563 goß Stephan Lichtenhagen, gebürtig

„ein berühmter Kannengießer und sonderlich kunst¬ auf die gegossene und erhobene Arbeit, welcher auch zu Leipzig die beiden schönen Taufsteine zu St. Nikolai und Thomas gemachet," also ein sehr geschätzter Meister, mit seinem Gesellen Hermann den Tausstein für St. Nikolai. Ich kann mir nicht helfen: ich finde trotz jenes Urtheils von Melzers „Schneebergischer Bergchronik" die Form und die Reliefs des Tauffteins auS Schneeberg,

reich

äußerst plump.

Doch nun zu einem der vorzüglichsten Werke der Kunst, die Hauptstadt des Reiches überhaupt bewahrt! Wir

welches

haben den Dom am Lustgarten betreten; der grüne Vorhang, welcher die Kirche von dem Vestibül scheidet, hat sich gelüftet; unser Blick trifft die golden glänzende, am entgegengesetzten Ende der Kirche befindliche Orgel, trifft die Pracht des von dem Könige

Friedrich Wilhelm IV. in so rührender Pietät geschaffenen Altar¬ raumes! Und rechts und links neben uns stehen in düsterer Pracht königliche Sarkophage! Vor uns aber befindet sich ein mittelalter¬ liches oder besser, ein der Renaissance-Zeit angehöriges GrabmoSechs niedere, mit Reliefs ausgefüllte Pfeiler, vor nument. welchen ebensoviel kleine Löwen die Wacht halten, tragen eine reichgegliederte, mit Wappenschilden besetzte Platte, auf welcher Die Modellirung des ehernen Mark¬ eine Fürstengestalt ruht. grafenbildes ist von höchster Energie. Das vortrefflich modellirte Haupt mit dem lockigen Haare und dem gleichen Barte ruht auf einem reich damaszirten, mit vier Quasten versehenen Schilde; über den Plattenharnisch legt sich ein brokatenes Gewand schwerster Art; der Hcrmelinkragen umwallt die Schultern; die auf der Brust liegende Rechte hält das Scepter, die ausgestreckte Linke das Die mit eisernen „Bärentatzen" versehenen prächtige Schwert. Füße stützen sich gegen eine reichgeschmückte Console. Alles ist hochedel gehalten und meisterlich gearbeitet. An den vier Ecken der oberen Platte befinden sich schöngezeichnete Drachenköpfe. Ei¬ förmige Knöpfe, gleichfalls vier, zieren die weiter vorspringenden Ecken der unteren

Die Inschrift auf dem

Platte.

aber lautet;

lxxxxix

„Anno. domini. M.

schrägen Rande

c. e. c. c. Am Mit | woch Königstag Ist gestorven der Durchleuchtigste Hochgebornne Fürst und Herr Herr Johans Marg | graff Zu Brandenburg des Heiligen Ro mischen Reichs Ertzcammerer und Churfürst Zu Stettin Pommern der Cassuben unnd Wenden Hertzog Burg graff zu Nürnberg unnd Fürst Zu | Rügenn Ein Vater Herrn Albrechts Cardinais u. Ertzbischvffs Zu Meynntz unnd Magdeburg u. s. w. unnd Herrn | Joachims des Namens des Ersten gebrueder Marggraven Zu Brandenburg beyder Churfürsten; Dem Gott gennedig und Barmhertzig sey. Amen." Das also sind die schönen Züge des Markgrafen Johannes Cicero, des so früh verstorbenen, trefflichen Fürsten! Indem wir das meisterhafte Denkmal bewundern, fällt unser Blick auf den Boden. Da, — dort zwischen den Pfeilern und auf der Grundplatte des Denkmals, bemerken wir noch ein zweites, ehernes

nach der heiligen drei

s

>

s

Fürstenbild in flachem Relief, gleichfalls einen Herrscher aus dem in Kurhut und Purpurkleid, nicht ge¬ rüstet, den Scepter des Reichskämmereramtes in der Rechten und im Schilde zwischen den Füßen. Wem indeffen ist dies Epi¬ taphium geweiht? — Gleichfalls dem Markgrafen Johannes! — Wir besitzen eine vortreffliche Monographie über diese Kunst¬ werke aus der Feder des verstorbenen Schloßbaumeisters Rabe. Ihr sind die folgenden Daten entnommen. Nachdem der edle Johannes Cicero am 9. Januar 1499 zu Arneburg verstorben war, ließ Joachim I., der nun als 14 jähriger Jüngling die Zügel der Regierung zu ergreifen hatte, den Vater bei den alten Fürsten in Lehnin bestatten. Ein einfacher Grabstein wurde dem Verblichenen geweiht: durch Peter Bischer von Nürnberg ließ Joachim des Vaters ehernes Fürstenbild, wie es jetzt hier im Dome auf dem Estrich liegt, anfertigen und auf der Sandstein¬ platte befestigen, welche einst Johann Cicero's Asche im Kloster Lehnin bedeckte. Später erst vereinigte sich Joachim mit seinem Bruder, dem Kardinal Albrecht von Mainz, um dem Vorstorbenen ein glänzenderes Denkmal aufzurichten. Wieder erhielt Peter Bischer den Auftrag dazu. Die Arbeit aber währte lange. Roch im Jahre 1524 schreibt der berühmte Künstler an den Kurfürsten: „Durchleugtigester Hochgeborner Fürst Genedigster Herr mein unterdenig willig und gehorsam Dienst, sein eur Curiurstl. genaden alle Zeyt mit unverdrossem flehs zuvor bereit. Genedigster Herr ich hab enpsangen von Lorenz Villani Zwey hundert gülden von Wege eur Curfurstlich gnaden, auch eine brief dar in ist gemelt die begrebtnus (und anders) zu verfertigen. Bersten ich die taffell, von der eur Eurfurstliche genad mit mir redet in meiner gießhutten, das ich eurer Curfurstlichen genaden zwue Vissirung auff bapier geinacht über antwurtet. Nun seyt der Zeyt her, ist mir die form und stellung derselben taffell aus der acht kumen, und hab etlich geschicklykeit dar an vergessen. Darum ist mein beger ist eur Curfürstl. genad des willens das mir derselben Visirung eine werd zu geschickt, so wil ich als dan die arbeit sambt dem Grab auf das fuderlichst mir muglich ist aus machen, will mich da mit yn eur Curfurstl. genad als meines genedigste.n Hern besolhen haben. Dat. Nuremberge am abend georgii im 24. Jar. Eur Curfurstlichen Gnaden undterdeniger Peter Bischer Hause Hohenzollern, aber

Rotgieffer." — Joachim I. machte dem Künstler in demselben Jahre eine Anzahlung auf das große Werk, das „Begräbniß", in welches also nach Maßgabe der „Visirungen", d. h. der Zeichnungen Vischers, die alte Tafel eingefügt werden sollte, welche schon vor 1524 zu Lehnin sich befand. Denn der berühmte Rothgießer quittirt also: . „Ich Peter Bischer purger Zu Nurmberg hab empfangen von Lorentzo wilano et Thoma Lappii der gesellschast, rc 200 fl. an zwclffern von wegen meines genedigsten Heren Marckgrave Jochanns Curfursten rc am mitwoch nach jubilate Anno 1524." — Der größeste Erzgießer der deutschen Renaiffance also thätig auch für die Mark Brandenburg zur Ausschmückung des ehrwür¬ digen Klosters Lehnin! Allein es war ihm nicht verstattet, das schöne Werk, welches demnach nur den Kurfürsten Johannes Cicero in doppelter Darstellung uns vorführt, zu vollenden. Erst Peters Sohn Johann beendigte, wie noch heute eine Inschrift am Fu߬ ende des Monuments besagt, daffelbe im Jahre 1530, unmittelbar also nach seines kunstreichen Vaters Tode. Die Reformation aber zog ein in's Land, und die Hallen von Lehnin verödeten. Joachim I. hatte anno 1515 das alt¬ berühmte Kloster zur Ruhestätte seines Hauses bestimmt; 1536 wurde indessen das „schwarze Kloster neben dem Schlöffe zu einem

427 Bilder Christi und Mariä, sowie der zwölf Apostel angefertigt haben, welche von Manncs-Größe und Stärke, silbern und vergoldet waren und vor Beginn des dreißigjährigen Krieges 1614 nach Küstrin geschafft und 1631 eingeschmolzen werden mußten. Im Jahre 1580 findet sich neben dem Goldschmiede Heinrich Rapusch selbst ein Spanier, Diego Martin, am Hofe zu Berlin. Er war ein kunstreicher Goldschmied und ein Protege des großen Grasen zu Lynar. Wir können's uns wohl vorstellen, welch' lohnende Beschäftigung kunstreiche Goldschiniede zu Berlin damals unter dem zweiten Joachim und selbst noch unter Johann George gefunden haben; — die Pracht des äußeren Auftretens galt dieser Zeit ja Alles! Denn je mehr man sich in kulturhistorische Studien vertieft, um so mehr erkennt man es, wie wenig die Reformation unserm Volke sittlich geholfen hat, und wie wohlverdient die Heimsuchungen des dreißigjährigen Krieges für uns gewesen

Domstifte erhoben und zur Erbgruft der Hohenzollern bestimmt. Da ließ Kurfürst Joachim II. auch die sterblichen Reste seiner Vor¬ fahren, die Asche seines Vaters und seines Großvaters, nach Köln an der Spree überführen. Es war der Artilleriehauptmann und Stückgießer Matthias Dietrich aus Burgund, welcher das Denk¬ mal Johann Cicero's aus Lehnin nach der neuen Domkirche versetzte. Wir werden diesem Manne noch in der Folgezeit be¬

hochberühmten

gegnen.

Dies die

Geschichte des

Denkmals! Dasselbe hat eine Contro-

Man hielt nämlich gewöhnlich den unten be¬ findlichen Fürsten sonst für Joachim I.; allein, es kann keine Rede davon sein; er ist es nicht! Ein Denkmal von Joachim I. ist also nicht vorhanden; auch sein Sarg ist noch nicht aufgefunden verse hervorgerufen.

worden.

Warum aber errichtete der Sohn dem Vater kein Monument, ähnlich dem des Großvaters? — Wo ruhen überhaupt die Reste Joachims I.? — Das Alles sind ungelöste Fragen; und wir wollen uns

sind. — Noch ein großes Gebiet der Kunst liegt vor uns: es ist

hier

nicht auf das Gebiet der Hypothesen begeben. Freuen wir uns, daß wir monumentale und urkundliche Beweise dafür haben, daß auch Berlin ein Werk von Peter Bischer besitzt! Er vermochte damals überdies allein, solch ein Werk zu

der Malerei!

fertigen! — Einige Worte nun noch über Holzskulpturen dieser Zeit! Die alte, mittelalterliche Kunst, welche einst jene bunten und goldglänzenden Altarwerke geschaffen hatte, ging um die Wende des 15. und 16. Jahrhunderts ein. Auch in Berlin standen diese Heiligthümer nun verödet da; — seitdem die Hammerschläge durch

In

Deutschland gehallt waren, mit welchen Luther die Sätze wider den Ablaß an die Thür der Wittenberger Schloßkirche befestigt hatte, ward in Berlin und Kölln ein neuer Altar nicht mehr ge¬

Um die Fülle des aus diesem Felde sich uns darbietenden Ma¬ zu bewältigen, möge es uns gestaltet sein, lokaler Ordnung

terials

zu folgen.

St. Nikolai hinter dem Hochaltar befand sich ehedem eine interessante, jetzt leider zerstreute Sammlung von einund¬ höchst zwanzig in Oel auf Holz gemalten Bildern, welche in der Zeit von 1510 bis 1592 entstanden waren und sämmtlich als Votiv¬ gemälde altberühmter Berliner Familien an die Kirche gekommen sind. Es ist erfreulich, daß nunmehr viele derselben restaurirt worden sind. Andere mußten wegen allzu bedeutender Beschädi¬

!

gungen dem

märkischen

Provinzial-Museum übergeben werden.

Merkwürdiger Weise ist auch von den Meistern dieser Gemälde keiner bekannt; Monogramme der Künstler sind in Schilden neben den Wappen und Hausmarken der Nathsgeschlechter, welche diese Gemälde gestiftet haben, zwar vorhanden; dieselben sind indessen bis jetzt nicht zu deuten gewesen: Mit vieler Mühe habe ich wenigstens aus Wappen und Hausmarken die Donatoren dieser zum Theil äußerst werthvollen Kunstwerke nachweisen können; — die Namen der Künstler selbst aber wird wohl eine ewige Ver-

stiftet. Unter dem zweiten Joachim und unter Johann Georg verstaubten auch die schimmernden Schnitzwerke der Klosterkirche.

Vieles ging unwiederbringlich verloren. Eine neue Sitte des kirch¬ lichen Lebens aber kam auf, und die Holzschnitzerei, welche überdem für das bürgerliche Haus ungestört weiter schuf, zog ihren Stutzen aus derselben.

Gegen den Schluß des sechszehnten Jahr¬ hunderts nämlich stifteten sich die reicheren Geschlechter in Stadt und Land umfangreiche, gemalte Gedächtnißtafeln in den Kirchen, und ein prächtiger Holzrahmen mußte dieselben einschließen. So entstanden monumentale Werke der Holzschnitzerei auch in Berlin! Von den in dieser Weise entworfenen Distclwcier'schen Epi¬ taphien bei der Geschichte der Familie! St. Nilolai bewahrt auch sonst noch Meisterwerke dieser Kunst! Nur eins derselben sei hier erwähnt: es sind die prächtig vergoldeten Architekturen um die Kolossal-Gemälde, mit welchen der Kämmerer Markus Golze, 1612, seine und seiner Eheliebsten Ruhestätte schmücken ließ. Mit dem edelsten Style verbindet sich hier eine Fülle von Schmuck und Reichthum. Derartige Holzschnitzereien erfordern auch heute noch eines Bildhauers Meisterhand! Sie sind außerordentlich prächtig und ganz vortrefflich. Es überrascht, daß sie in dem Berlin des siebenzehnten Jahrhunderts gefertigt werden konnten! Freilich, auch die Kleinkünste blühten damals hier in unge¬ ahnter Weise! In dem Folgenden stütze ich mich wesentlich aus die „Nachrichten von Künstlern u. s. w.", welche der um die Reichshauprstadt und ihre Geschichte so außerordentlich verdiente, peinlich gewissenhafte „Aufklärer" Friedrich Nicolai zusammen¬ getragen hat. Nach ihnen treffen wir im sechszehnten Jahrhun¬ derte zu Berlin an: einen „Hans Mahler, „Goldmahler" und Vergülder, einen Seigermacher Paltzer, der mit Juwelen handelt, auch Uhren und Seiger verguldet, die Goldschmiede Kurt Schreck und Joachim Wilcke, den Juwelierer Peter Krause, einen Münzmeister Hieronymus, einen Püchsengießer Mrchel, den Seigermacher Kaspar und den Probirer Burckhardt". Diese Künstler sollen für die 1536 zum Domstifte erhobene Kirche der Dominikaner jene

das

geffenhcit bedecken. Der große Meister Schinkel war es, welcher in der 1817 ent¬ standenen Schrift Ribbeck's über die Nikolai Kirche zuerst aus diese vergessenen, verstaubten, zerbrochenen und wieder zusammengenagelten

Gemälde aufmerksam machte. Ich muß indessen gestehen: sein Urtheil über dieselben war ein viel zu enthusiastisches. Er fand in mehreren derselben vorgebliche Meisterwerke auf. Ein Meister¬ werk ist nun zwar keins von ihnen; wohl aber verrathen viele Schinkel sagte ferner: dieser Bilder ein sehr tüchtiges Können. „Dies Gemälde gehört der Oberdeutschen Schule an; — jenes ist von einem Schüler van Eick's oder Schoreel's; — dieser Maler hat sich nach Correggios!) gebildet, — jener nach den Florentinern. — dieser Wiederrum nach Paolo Veronese, und dies Gemälde ver¬ räth, wo nicht Dürcr's Hand, doch Dürer's Geist und Einfluß; — ja, dieses zeigt durchaus die Dürer'sche Art!" — Ich meine

f

indessen: ein Claus Gryben, z.

B., Patrizier von Berlin,

welchem

zum Gedächtniffe im Jahre 1510 diese Grablegung des Erlösers gestiftet ward, hat mit allen seinen Anverwandten von Dürer's Dasein überhaupt Wohl nichts gewußt! — Die Begeisterung

!

muß nüchtern sein, wenn sie wahr sein soll! — Oft aber hab' auch ich mich an diesen alten, verstaubten Bildern erfreut, wann der Strich des nassen Schwammes ihre frühere Schönheit zu Tage gebracht hat. Allein ich kann dieselben doch nur norddeutschen Künstlern ausschließlich zuweisen, Berlinern, Wittenbergern, Stettinern, Männern vielleicht auch, welche zu Frankfurt an der Oder angesessen gewesen sind! Ueber den

Styl

und die Sujets dieser Bilder nur noch ein

428 Weniges! Stets erblicken wir auf ihnen oben eine biblische Scene, ein Actum der heiligen Schrift, welches diesem Geschlechte besonders tröstlich sein mochte! Unten aber knieen Hausherr und Hausfrau, hinter ihnen die Söhne und die Töchter; — an das Knie schmiegt sich dann wohl das Wappen von Mann oder Frau. Alles ist schlicht und einfach, athmet aber ächte Poesie! Denn cs

liegt etwas unendlich Anheimelndes und tief Religiöses in diese»

Bilder»! Keine Scheidewand trennt die Heiligen dort

oben und

Erdenbürger hier, denen noch des Lebens Bedürftigkeit anhaftet! — Bei der Darstellung der Familie wird auch das schon entschlafene Kind nicht vergessen! es betet an, mit Vater und Mutter zugleich; allein es trägt ein weißes, leuchtendes Kleid, und auf der Brust liegt ihm ein schwarzes Kreuzlein. Im Hintergründe wacht wohl der Haushund. Welch' eine schöne Illustration ist das zu dem Familiensinne unserer Vorfahren! Ich gestehe: mich hat die schlichte Poesie dieser alten, wurmzerfressenen Bilder stets rührend diese armen

angesprochen!

Und ebensowenig sehlt es diesen Gemälden an altdeutschem

Humor! Die Kricgsknechte, welche auf diesem Bilde von 1510 den Herrn martern,— wie hat der Künstler bei ihnen seine Phantasie angestrengt, um die Peiniger des Herrn möglichst häßlich und ver¬ worfen darzustellen! Hier, bei Christi Kreuzigung, erscheinen die Mitglieder des Synedriums als „Kurfürsten deutscher Nation", und der des

Büttel trägt die Sturmfahne Reiches mit dem Doppeladler

Das

beste

ist

die Grablegung von 1510, gestiftet zu Ehren

des Rathmanns Claus Gryben ; ihm nahe aber kommen eine Ver¬ spottung Christi von 1518, ein Epitaph Simon Franke's, „Bürgers

Berlein", und ein jüngstes Gericht von 1557. — Als Donatoren-Familien dieser Votivbilder nenne ich

zu dem

endlich

Tempelhof, Veyel, Schulze, Franke, Fuhrmann, Gryben, Döring, Zehnder, Hauenzwcigk, Noch leben der Familien gleichen Krappe, Mellmann, Krull. Berlin. Der Rückschluß aber, welchen diese Ge¬ Namens einige in Bürgerhauses im scchszehnten des Berliner mälde auf die Gesittung Jahrhunderte uns ermöglichen, ist für dasselbe ein höchst ehrenvoller: nran liebte und achtete die Kunst! Auch in St. Marien findet sich eine beträchtliche Zahl alter Gemälde. Ihr jetziger Zustand erlaubt indessen kaum eine Prüfung derselben auf ihren Werth hin. Doch auch sie sind jüngst der Hand kundiger Restauratoren übergeben worden. Neben vielem Werthlosen wird auch hier entschieden Schätzcnswerthes zum Vorschein kommen; — waren es doch die¬ selben Familien, welche St. Marien und St. Nikolai beschenkten! Das vorzüglichste Gemälde altdeutscher Schule besindct sich indessen in der Klosterkirche. Wir haben oben von einem aus Erz und Sandstein gefertigten Grabmal des Groß-Komthurs Clas Pach vom deutschen Orden ge¬ sprochen; — es ist dem Andenken dieses „Großgebietigers" des im Todeskampfe liegenden Ritterdie Geschlechter Ryke, Blankenfelde,

bundes auch noch ein ander Denk¬

mal geweiht. Es hängt nämlich an

ihnen vor. Mit besonderer Vorliebe aber ist der uns Deutschen seit alter Zeit so vertraute „Altfeind", jener schlimme, kluge, aber doch so dumme und so gutmüthige Teufel behandelt, in dessen Gestalt wir ein gut Theil unseres eignen Wesens hineingelegt haben. In fürchterlichster Gestalt

der Südseite der Kirche, an dem Holzunterbaue der Orgel, noch eine wundervoll schöne Gedenktafel, welche sich auf „Clas vomme Pache" bezieht. Dies prächtige, in wirklich über¬ raschendem Farbenglanzc erhaltene Gemälde stellt eine biblische Scene dar, welche ich freilich nicht mit völliger Gewißheit zu deuten vermag. Der verehrte Geschichtsschreiber des grauen Klosters, Johann Joachim

läutet er hier, da Christus zur Hölle führt, aus einem Gemälde von 1562, die Sturmglocke und klagt: „Mein Sturmläuten nicht helfen will, Bellermann, Hilst sich bei der Be¬ Und wären unser noch so viel!" — Dir Gbrrltirche zu Frankfurt a. G. stimmung des Gemäldes mit eincni (Von der Thurmseitc her mangeln Natürlich auch Ernst gesehn). sehr unklaren Ausdrucke; er sagt, es und Würde diesen heiligen Ge¬ eine Untericht Suchende belehre, welche schichten nicht. Und was ihren Kunstwerth anbetrifft: Wir-Alle, dar „den Heiland, stelle Personen und sei ein Weihverehrenden welche diese Gemälde noch in ihrer unmittelbaren, allerdings völlig vielen, den Lehrer mit Jahre 1521". — vom unwürdigen Zusammenstellung mit einander vergleichen konnten, von Bach Familie geschenk der mußten erklären:

(Schluß folgt.)

Zinn Anbilämii

!>cs

berliner Eimvohner-Melde-Ämts.

Ein Institut, das von

so bedeutendem Einfluß auf das öffent¬ liche und bürgerliche Interesse der Berliner Bevölkerung ist, insofern es nicht nur über die Wohnungsvcrhältniffc des einzelnen Indi¬

viduums Auskunft giebt, sondern überhaupt von allen LebenSverhältniffen der Einwohner bis zu ihrem letzten Scheiden aus der Residenz Kenntniß nimmt, verdient es wohl, daß wir uns bei Ge¬ legenheit seines fünfzigjährigen Bestehens eingehender mit ihm beschäftigen.

Die Anfänge zu dem jetzt bestehenden Einwohner-Melde-Amt waren schon in vergangenen Jahrhunderten vorhanden, wenngleich nicht in der heutigen Organisation, die es der Verwaltung ermög¬ licht, von allen i» ihrem Bereich sich aufhaltenden Persönlichkeiten — ohne Unterschied, ob solche der öffentlichen und Privatsicherheit

ordnete, daß die

hier eintreffenden Fremden sofort dem Das Dienstgebaudc jetzt vorhandene ältere Theil des soge¬

Gouvernement gemeldet

werden sollten.

desselben bildete der noch nannten „Lagerhauses" in der Klosterstraße, ursprünglich und bis zum Jahre 1451 das „hohe Haus" oder die erste Residenz der Hohcnzollern in Berlin. Nachdem dann während des dreißigjährigen Krieges die vor¬ genannte Einwohnerzahl bis auf 6 200 sich vermindert, im Jahre 1700 aber die Höhe von 29 000, und zur Zeit des Regierungs¬ antritts Friedrichs des Großen von 100 000 Seelen erreicht hatte,

Kurfürst

Die Stadt erfolgte die Organisation des Polizei-Präsidiums. wurde in vier Bezirke eingetheilt, denen die „Commissaires des quartiers“ vorstanden, welche lange Zeit hindurch im Volksmundc den Namen „Vicrtels-Konimiffarius" behielten. Mit jener Einrichtung erfolgte auch unterm 20. Februar 1742 und am 21. Mai 1743 die Erneuerung des Frcmden-Melde-

erlaffcncn Edikt über die Wirthshäuser und den Thorschluß ver¬

wesens.

gefährlich sind oder nicht — Kenntniß zu haben.

Berlin zählte vor nunmehr 270 Jahren 12 000 Seelen, als Johann Sigismund, in dem unterm 6. September 1616

429 Daneben hatte sich die Nothwendigkeit einer Kenntniß von Len Bewohnern der „Residentz und Vestung Berlin" auch im Bereiche der Literatur geltend gemacht, indem bereits seit dem Jahre

1704 offizielle „Adreßkalender" erschienen „zum Besten des Publikums mit Approbation der Königl. Societät der Wisienschaften." Freilich in so kleinem Duodezformat (das Gewicht beträgt durchschnittlich kaum 6 Loth), daß diese Dokumente einer längst verklungenen Zeit gegen die heutigen dickleibigen Wohnungsanzeiger vollständig ver¬ schwinden. Natürlich konnte in einem solchen, vorzugsweise für den Fremdenverkehr berechneten Wohnungsverzeichniß der No tadeln Don der „missen eontribusns plebs“ nicht die Rede sein; aber dennoch bilden sie für die Geschichte Berlins ein kaum zu ersetzendes kulturhistorisches Moment. Ausführlicher schon waren die in den Jahren 1799 und 1800 durch Neander von Petershaiden herausgegebenen sogenannten „Neander'schen Tabellen." Sie er¬

in Oktavform und enthielten eine bildliche Darstellung Ler Straßen, Plätze und Häuser der Residenz mit namentlicher Bezeichnung der Eigenthümer derselben. Die erste Ausgabe konnte nur ohne Hausnummern er¬ scheinen, da solche erst im Jahre 1800 eingeführt wurden; ini Jahre 1812 erfolgte dann die Herausgabe des „Sachs'fchen Wohnungsanzeigers," und

schienen

-

Bei dieser Einrichtung waren sämmtliche Reviere neu aufge¬ und es ergab sich dabei eine Einwohnerzahl von 180 000 Seelen, so daß etwa 100 000 Eintragungen erforderlich wurden. Allein das weitläufige Verfahren bei Bearbeitung der überdies unvollständigen und unrichtigen Meldungen ließ kein sicheres Resultat erzielen. Es konnte daher auch nicht auffallen, wenn das Wohnungs-Meldungs-Amt, obgleich außer dem Dirigenten sechs Beamte und mehrere Hülfsarbeiter thätig waren, niemals kurrent, vielmehr mit seinen Eintragungen immer um Monate nommen

,

j !

zurückblieb.

In

Folge

Prüfung vorzunehmen und demnächst Vorschläge zur Verein¬ Die Genehmigung des neuen Planes erfolgte durch Reskript vom 29. November 1822, doch erwies derselbe in der Folge sich noch immer nicht so einfach, als zur Erreichung der Zwecke des Meldungs-Amtes nöthig war. Zuletzt machte man dem Institute den Vorwurf, daß ihm nur die Wohnung bekannt wäre, welche ein Individuum fünf Monate vor der er¬ folgten Anfrage inne hatte. Dies gab eine

denn auch Veranlassung, daß durch Kabinetsordre vom 16. Mai 1830 das Wohnungs-Meldungs-Amt, als entbehr¬ lich, aufgelöst wurde. Die Einwohnerzahl Berlins hatte sich, nach der damals vorgenommenen Zählung, auf 230 000 Seelen erhöht. Nunmehr trat ein umständliches Verfahren ein, sobald eine Behörde oder Privatperson einen Wohnungs¬ nachweis wünschte. Der Antrag mußte

Laktion öfters gewechselt hat. Bis zum Jahre 1810 führte der Magistrat auch die Polizeiverwaltung in Berlin. Seit dieser Zeit, in welcher Lie Leitung der Polizei auf den Staat kiberging, wurde das Bedürfniß einer genaueren Kenntniß der in rascher Zu¬ nahme begriffenen Einwohner lebhaft gefühlt. Bis dahin hatte sich Alles, was sür diesen Zweck geschah, auf eine jähr¬

dem Polizei-Präsidium schriftlich unter¬

breitet werden; journalisirt gelangte er in die Hände des Decernenten und wurde sodann in der Konferenz den sämmtlichen Polizeikommissarien bekannt gegeben, welche in ihren Revier-Registern

liche Feststellung der Seelenliste auf ein,

nach

derselben

forderte das Ministerium des Innern und

fachung des Geschäftsganges zu machen.

später der noch jetzt bestehende, welcher eine Zeit lang in doppelter Konkurrenz erschien und seine Verleger resp. Re-

und

dessen

der Polizei unterm 8. Dezember 1822 das Polizei-Präsidium auf,

buch-

stäblich geordnetes EinwohnerBerzeichniß beschränkt. Nun aber

die gesuchte Person event, zu ermitteln

In diesen Registern waren Namen alphabetisch und, nach nur die dem Eingänge der Meldung, in chrono¬ logischer Folge dicht untereinander ge¬ schrieben, wie z. B. Adam, Alberti, hatten.

blieb die Fortführung dieser Listen eine

Carl Friede. Leop. v. Verlach, indem die durch Geh. Kriegs- und Domänenrath, Kaminerpräsident. Las Publikandum vom 1. April 1803 (Nach einem Bilde aus dem Jahre 1797.) Len hiesigen Einwohnern zur Pflicht ge¬ Aron re. brachten Meldungen nur höchst mangelDa täglich 30 bis 40 solcher Nachfragen einliefen, so wurde haft waren. Denn einmal enthielt die Verordnung so vielerlei es bei den anderweitigen Dienstgeschäften dieser Beamten schließlich Bestiminungen, daß sie nicht gehörig aufgefaßt und befolgt werden zur Unmöglichkeit, in allen Fällen die genügende Auskunft zu er¬ konnte, zum andern aber schrieb sie nicht die Anmeldung aller -anziehenden Personen, und die Abmeldung der aus Berlin Ver¬ theilen; im günstigsten Falle konnte dieselbe immer erst sehr spät höchst unvollständige,

zogenen gar nicht vor. Nach diesen mißlungenen Anfängen erfolgte, auf die wieder¬ holten Berichte des Polizei-Präsidiums an das Ministerium des

Innern

und an den Staatskanzler Fürsten

von Hardenberg,

mittels Reskripts vom 10. Dezember 1812 die Einrichtung eines den Namen „EinKostenaufwand von 3 000 Thalern erfordert hatte. Das neue Institut führte zwei Register: 1. ein nach den ersten drei Buchstaben des Alphabets in sich geordnetes Verzeichniß sämmtlicher Einwohner, bei jedem Namen mit Angabe des Volumens und der Seite des 2. nach Straßen letzterem waren nicht nur und Häusern geordneten Registers. Lie Bewohner ein und deffelben Hauses zusammen aufgeführt,

Wohnungs-Meldungs-Amtes, Ivohner-Kontrolle" erhielt und

welches

einen

In

sondenr es befand sich auch darin die nähere Bezeichnung eines jeden Einwohners mit seinen Familiengliedern und Hausgenossen.

gegeben werden.

Unter solchen Umständen trat das Bedürfniß zur Wieder¬ eingegangenen Instituts, mit Beseitigung seiner mangelhaften Einrichtung deutlich hervor, und ein Reskript des Ministeriums des Innern und der Polizei, vom 16. Dezember 1830, herstellung des

wies das Polizei-Präsidium an, dieserhalb eingehende Vorschläge zu machen.

Nach sorgfältiger Prüfung des durch das frühere Mißlingen nöthig gewordenen Gegenstandes trat dann endlich das jetzige Einwohner-Melde-Amt in's Leben. Mit großer Schwierigkeit war jedoch die Ermittelung einer geeigneten Oertlichkeit für dasselbe ver¬ knüpft; theils wurde seitens der Wirthe die Vermiethung zu dem angegebenen Zwecke verweigert, theils forderte man für die damaligen Zeitverhältnisse ganz enorm bemessene Miethspreise bis zu 1200 Thlrn.

jährlich.

430 Endlich, am 1. April 1836, wurde das Institut in der dritten Etage des Kaufmann Andreac (jetzt Scidcntvaarcnfabrikant Heese'schcn) Hause, Alte Leipzigcrstraße Nr. 1, etablirt, woselbst in der Haupt-Etage das Bureau der V. (Fremden-) Abtheilung sich bereits befand. Der jährliche Micthszins betrug nur 300 Thlr. und wurde von dem Eigenthümer acccptirt, um „seine Bereit¬ willigkeit als guter Bürger gegen die königliche Behörde zu zeigen." Die Geschichte dieses Hauses führt uns zurück in die Zeit der überseeischen Handelsuntcrnehmungen des Großen Kurfürsten, dessen Marine-Direktor Benjamin Raule auf dem Terrain des ehe¬ maligen kurfürstlichen Ballhauses im Jahre 1679 jenes Haus erbaute und darin die Berwaltungslokalitätcn der afrikanischen Handelsgesellschaft, der Marinekasse re. ctablirte.. Der Durchgang über den Hof desselben führte zum damaligen „Holzgartcn" und

trägt

noch

jetzt

die

amtliche Bezeichnung

„Raule's Hof."

Ein

späterer Besitzer war (seit 1774) der durch seine Brustpulvcr noch jetzt bekannte Sanitätsrath Kurella.

Zum

Dirigenten

des

neuen

Ein wohn er-Melde- Amts

war unterm 4. Dezember 1835 der Polizcirath Saegcr ernannt worden; einige Wochen später erfolgte die Besetzung von vier Buchhalterstellcn durch die Rechtskandidatcn Köpcke und de la Croix (genannt Creutz), den Polizei-Sekretair Ring und den KanzlciHülfsarbeiter von Rvscler. Dann fand durch die Polizei-Rcvierbcamtcn eine Aufnahme der Bevölkerung statt, und cs wurden von den ermittelten 280 000 Einwohnern ca. 140 000 neue Registerblätter für die nicht zu einem Haushalte gehörigen Personen an¬ gelegt, resp. alphabetisch-lexikalisch geordnet.

Diese Register bewahrte

man anfänglich in 450 verschließbaren Mappen auf, für welche später Kästen eingeführt wurden.

Die Anzahl der Letzteren belief sich nach 25 Jahren (1861) — also im 50. Jubiläumsjahrc — hat sich ihre Zahl verdoppelt. Am Donnerstag den 5. Mai 1836 begann das neue Institut zuerst seine Thätigkeit durch Auftragung der seitens der PolizeiReviere eingesandten An- und Abmeldungen; dann brachte der Polizei-Präsident von Gcrlach am 30. Juni zur öffentlichen Kenntniß, daß das Einwohncr-Meldc-Amt vom 1. Juli ab für das Publikum eröffnet sein werde. Dieser Tag ist zur Feier des 50 jährigen Jubiläums bestimmt worden, während man vor 25 Jahren den 5. Mai, an welchem das Institut seine erste Thätigkeit begonnen, dazu auscrschcn hatte. Es konnte nicht fehlen, daß dem neuen Institute mancherlei aus 4 844 Stück, gegenwärtig

Schwierigkeiten erwuchsen, die indeß bei sorgsamer und genauer

Prüfung der oft unzuverlässigen und unvollständigen Meldungen überwunden wurden, so daß das Institut bald den möglichst

Ein Jusflug

nach

erreichbaren Grad von Vollkommenheit erlangte und mustergültig

für andere Städte wurde. Anfänglich beschäftigte man noch 13 Hülfsarbeiter auf kurze Zeit, um die Einrichtung schneller zu fördern, und zur Zeit der Wohnungsumzüge, während welcher täglich bis 1 200 Meldungen eingingen, wurde ebenfalls eine entsprechende Anzahl von Hülfskräften verwendet. Gegenwärtig weist das Einwohner-Melde-Amt 85 Beamte auf, denen allerdings eine Bevölkerungszahl von Sie alle sind in dem alpha¬ 1 316 000 Köpfen gegenübersteht. betisch geordneten Hauptregister nach Namen, Alter, Geburtsort und Stand verzeichnet; außerdem gewähren die einzelnen Register¬ blätter seit dem Jahre 1836 einen Nachweis sämmtlicher Wohnungen, welche jeder einzelne Einwohner der Stadt während seines hiesigew Aufenthalts inne gehabt hat, wie denn auch Eheschließungen,

Geburten und Todesfälle darauf verzeichnet sind. Ein zweites Register, die „Hauscontrole," welche den Nach¬ weis aller in einem Hause und in demselben Haus stände be¬ findlichen Personen lieferte, diente bis zum Jahre 1861 haupt¬ sächlich als Grundlage zu den, nach einem dreijährigen Turnus regelmäßig vorgenommenen Volkszählungen.

Ein anderes Register ist die Strafcontrole. Sie enthält Form des Hauptregisters ein Verzeichniß aller Personen, welche Hierselbst durch richterlichen Spruch irgend eine Strafe er¬ litten haben, und setzt somit die' Behörde in den Stand, über das

nach

Leben eines bestraften Subjekts im polizeilichen Interesse sofortige

Auskunft geben zu können. Ein letztes Register ist das sogenannte „reponirte," in welchem die durch Tod, Verheirathung oder sonst aus der Zahl der hiesigew Einwohner geschiedenen Personen geführt werden. Unter Benutzung dieser Hülfsqucllen stellte das EinwohncrMeldc-Amt anfänglich auch die statistischen Verhältnisse der Residenz, in Bezug aus Sterblichkeit, Volksvcrmehrung, Geburten, Zu- und Abgang re. zusammen. Bis zu Anfang des Jahres 1847 verblieb das Institut in dem Hause Alte Leipzigerstraße Nr. 1 und siedelte dann, nachdem Johann Adolf Heese das Gesammtgrundstück für 91 000 Thlr. angekauft hatte, nach dem Polizei-Präsidialgebäude am Molkenmarkt, und einige Jahre später nach dem historisch denkwürdigen Eckhause Poststraßc Nr. 16 über, woselbst es gegenwärtig noch die Gesammträume der dritten Etage einnimmt. Möge das Einwohner-Melde-Amt, aus dem so mancher Beamte zu einem höheren Wirkungskreise hervorgegangen ist, seine oft unschätzbaren Dienste noch den späteren Nachkommen leisten, bis der Tod auch sie in das „reponirte Register" führt!

Fcrd. Meyer.

Frankfurt an der Oder.

(Hierzu die Abbildungen de? Nathhauses, des Leopolddenkinals und der Obcrkirche zu Frankfurt an der Oder.)

Am 9. Mai unternahm der „Verein für die Geschichte Berlins" einen Ausflug nach Frankfurt an der Oder, um nach einer Pause von 12 Jahren abermals die Denkwürdigkeiten der ehr¬ würdigen Schwesterstadt zu besichtigen. Weit über 100 Thcilnehmcr trafen mit dem Schnellzug uni 10 Uhr dort ein, von dem Vorstande des Vereins für Hcimathkundc in entgegenkommendster Weise in Empfang genommen. In dem großen Saale der Akticnbrauerei fand um 11 Uhr eine gemeinsame Sitzung beider Vereine statt, wobei Stadtrath Friedet der Verdienste des Frankfurter Vereins (begr. 1861) in warmen Worten gedachte. Professor Schwarz gab hieraus in großen Zügen eine Entlvickelung der Anlage Frankfurts mit seinen Vorstädten und besprach alsdann im Einzelnen alle diejenigen Stätten und Bauwerke, die im Laufe des Tages besichtigt werden sollten. Nach Beendigung des feffelnden, inhalt¬ reichen Vortrages begann unter Leitung mehrerer Führer der Gang

In

Stadt. den Anlagen an dem schönen Wilhelmsplatz^ der für das Friedrich-Karl-Denkmal des III. Armeekorps ausersehen sein soll, wurde zunächst bei dem Kriegerdenkmal des 8 . Leib-

durch die

regiments Halt

gemacht, dann in der Regierungsstraße das Pfarr¬ haus mit einer Erinnerungstafel an den Aufenthalt der Ge¬ brüder Humboldt (1787) und das nebenliegende Geburtshaus

Heinrich v. Kleist besucht. An demselben ist eine Tafel mit dem erst von Profeffor Schwarz festgestellten richtigen Geburtstag (18. Oktober 1777) angebracht, während z. B. Robert König in seiner deutschen Literaturgeschichte (1879) noch den 10. Oktober 1776 als solchen bezeichnete. Aus der großen Frei¬ treppe des Rathhauses nahm nunmehr ein Vereinsmitglied, Hof¬ photograph Albert Schwarz aus Berlin, ein Gruppenbild der Wandervcrsammlung auf, worauf die schöne, gewölbte Kaufhalle betreten wurde und alsdann der Saal der Stadtverordneten (1607 des Dichters

durch Taddeo

war

eine

Paglione

reiche

erbaut) zur Versammlung diente. Hier Sammlung von Waffen, Folterwerkzeugen und

Originalurkunden ausgelegt, die die lebhafteste Aufmerksamkeit erregten. Die Vorderseite des Rathhauses, auf dessen Spitze das alte Hansezeichen steht, ist in einem formcnarmen, gothischen Stile in Backstein durchgeführt und lehnt sich jedenfalls an eine bessere Vorgängerin an. In beträchtlicher Höhe sind zwei Nischen wahr¬ nehmbar, in denen in lebhafter Malerei und Vergoldung links das Wappen der Stadt (schreitender rother Hahn auf grünen: Boden in Silber) rechts das der Kurfürsten von Brandenburg sichtbar. Pro¬ fessor Adler hat die Giebelseitc früher bereits aufgenommen und einen sehr beachtenswerthcn Herstellungscntwurf gezeichnet. Am Markte hat man an der Ecke der Bischofstraße ein Haus mit hübschem Erker in Renaissance vom Jahre 1597, dann das Ballabene'sche Haus, in welchem vermuthlich früher die Markgrafen ihr Absteige¬ quartier genommen haben (jetzt Nr. 34). In der Junkerstraße ist das

Johanniterhaus

sehenswerth, dessen Nachbargebäude (Nr. 10) Durch das

durch ein kunstvolles Herbergeschild ausgezeichnet ist.

auf der anderen Seite liegende Junkerhaus (jetzt Steuergebäude), kommt man durch zur Oderstraße, woselbst die Trowitz'sche Hosbuchdruckerei sich befindet. Auf dem Hofe derselben steht ein zierlicher Brunnen zum Gedächtniß hundertjährigen Bestehens, mit der Angabe: „Cüstrin 1779, Frankfurt 1879" und dem Spruch: dessen

obere Geschosse hübsche Decken besitzen,

die Forststrabe

„WIRD DIESER STEIN. ZERFALLEN SEIN. ES DAUERT FORT. sich

IM DRÜCK DAS WORT.“

Ein

am Hause Oderstraße 12 wohlerhalten;

mit einer Gaudy-Tafel

hübsches

Portal hat

ein anderes Haus ist

(1800). Rechts ab geht nun der Weg zu der alten hölzernen Oderbrücke, deren Ersatz durch eine steinerne schon seit längerer Zeit im Werke ist. Bei dem versehen

llebergange geht stromaufwärts der Blick bis zu den Höhen, die die letzten Ausläufer des Schlachtfeldes von Kunersdorf bilden. Links der Brücke, am Oderdamm, steht das aus Sandstein gefertigte Denkmal des Prinzen Leopold von Braunschweig, der am 27. April 1785 bei dem Versuche, den durch Ueberschwemmung Bedrohten Rettung zu bringen, in den Fluthen umkam. Den Entwurf zu dem Denkmal zeichnete der Direktor der Berliner Kunstakademie Bernhard Rode; die Ausführung übernahm der rühmlichst bekannte Bildhauer und Rektor der Kunstakademie Wilhelm Christian Meyer, ein Bruder des Hofbildhauers und Modell¬ meisters Friedrich Elias Meyer. Die Gestalten des Denkmals sind von lebhafter Bewegung und trotz einiger Uebertreibung von vortreff¬ lichem Ausdruck. Die an der Rückseite angebrachte Inschrift, welche der Dichter Carl Wilhelm Ramler verfaßte, lautet folgendermaßen: „Menschenliebe

Standhaftigkeit Bescheidenheit

Drei himmlische Geschwister tragen Deinen Aschenkrug, verewigter Leopold, Und klagen mit der Göttin der Stadt, deren Bürger Du zu retten Eiltest, und klagen mit dem Odergotte, in dessen Wellen Du

untergingst. ■

Daß die Erde Kleinod verloren hat." —

Ihr

Nahebei liegt die ehemalige Scidenfabrik, welche nach Friedrichs des Großen Anordnung einstens in Frankfurt angelegt worden. Nach einem ffüchtigen Besuch der kürzlich in: Inneren in der alten Weise wieder hergestellten Nikolaikirche (reformirten Kirche) folgte ein Gang zum alten Universitätsgebäude, das ursprünglich als Collegium pbilosopbioum et urtistarum im Jahre 1499 auf Kosten der Stadt erbaut worden.*) Als hier 1506 die

*) Abb.

s.

„Bär" Jahrgang IX. S. 271.

Universität errichtet wurde, stand die durch eine schöne Lage aus¬ gezeichnete Stadt im Rufe, vortreffliche Weinberge zu besitzen. Die Anstalt nahm anfangs einen ungemeinen Aufschwung, wurde aber bald durch die Stiftung der Universitäten Königsberg (1544) und Jena (1558), mehr noch durch die zu Halle (1694) beeinträchtigt. Im alten Glanze strahlte sie zuletzt bei der zweihundertjährigcn Stiftungsfeier im Jahre 1706. Im Jahre 1811 wurde sie ganz nach Breslau verlegt und mit der dort seit 1702 bestehenden Uni¬ versität vereinigt. — Hiermit schloß der Morgengang, dessen Theilnehmer sich um 2 Uhr zu einem Festmahl im GesellschaftsDort sprach Profeffor Schwarz auf Se. Maj. Hause vereinigten. den Kaiser, Stadtrath Friede! auf die Stadt Frankfurt, Amtsgcrichtsrath Barth auf den Verein für die Geschichte Berlins. Zwei launige Toaste*) auf die „historischen" und die weniger historischen, aber desto schöneren Damen des Vereins bildeten den Schluß dieser Erholungspause, worauf der Gang durch die Stadt wieder aufge¬ nommen wurde. — Die Marienkirche ist von gewaltiger Er¬ scheinung durch die mächtigen Thürme des Hauptgicbcls, obwohl der eine derselben zum größten Theile eingestürzt ist. Im Innern stellt sie sich als eine fünfschiffige Hallenkirche von sehr bedeutenden Ab¬ messungen dar. Sie ist ein bemerkenswerther Backstcinbau des XIII. und XIV. Jahrhunderts von großer räumlicher Wirkung. Sehenswerth

Chorfenster (XIV. Jahrh.), laut Inschrift ein Werk des Pistoricci aus dein Jahre 1419 und das Altarbild „Auferstehung Mariae" von 1517. Berühmt sind der große sicbenarmige Bronzcleuchter auf ist der eigenthümliche Farbenschmuck der

der

Hauptaltar,

Taufbecken, beides meisterhaft ge¬ arbeitete wahrscheinlich gleichzeitige Gegenstände, von denen der letztere den Namen eines Meister Arnold trägt und die Jahreszahl 1376. Im südlichen Kreuzschiff hängt ein Gemälde von B. Rode, dem Chore und das bronzene

die Auffindung der Leiche des Prinzen Leopold von Braunschweig

(Dieser cdclmüthige Krieger, der auch durch seinen Umgang mit Lessing bekannt ist, wird oft irrthümlich als Herzog bezeichnet; er war aber in Wirklichkeit der jüngste Sohn des Herzogs Karl und Bruder des Herzogs Karl Wilhelm [1780—1806]. Er hieß Maximilian Julius Leopold und war geboren am 10. Ok¬ tober 1752 zu Wolffenbüttel). — Auf dem sogen. Märtyrerchore der Kirche befindet sich eine Sammlung alter Tafelbilder, die wohl meist als Stiftungsgemälde oder Epitaphmalereien des XVI. und XVII. Jahrhunderts angesehen werden dürfen. Sic sind zum Theil durch Maler Mühle in Frankfurt in ancrkenncnswerthcr Weise wieder in Stand gesetzt; sie verrathen durchweg eine gute Schule, sind in Hinsicht der Trachten sehr interessant und beziehen sich auf die Familien Wins, Schaum und andere, die den be¬ deutendsten Geschlechten: der alten Handelsstadt angehören. Sie sollen auf Kosten des Frankfurter kunstliebenden Vereins nach und nach sämmtlich in gleicher Weise erneuert werden.**) In der Sakristei der Oberkirchc finden sich noch vereinzelte Deckenmalereien, zwei ältere gothische Kelche und einiges Silbergcräth aus späterer Zeit (XVII.) in etwas schwülstigen Formen. (Vgl. den Aufsatz über die Oberkirche im Bär 1875 Nr. 11). — Von der Oberkirchc aus ging der Zug längs der Loge zu dem von dem kgl. Bauinspcktor von Niederstetter erfundenen sehenswerthen Kriegerdenkmal, dann zu dem poesievollen Denkmal behandelnd.

Ewald von Kleist, hat und dessen Obsorge übernommen worden ist. (Ein von Kleist auf Gebersdorf, ein des Dichters gesetzt

das man kürzlich wieder in Stand

von der Familie von Kleist Angehöriger derselben, der Oberst eifriger Geschichtsfreund, hatte sich

als Mitglied des „Vereins f. d. dieser geweihten

Stätte

Gesch.

angeschlossen).

Berlins"

dem

Besuche

Neben Ewald von Kleist

*) Bon Geometer Vogt und Dr. R. Böringuier. **) Eine Veröffentlichung dieser glücklich geretteten Bilder würde gewiß viele Freunde finden.

432

Darjes, Wolfs

wohl von dem Künstler selbst herrührenden lateinischen Widmung: A. de Werner hanc tabulam pinxit et ccclesiae Gertrudensi Francofurti ad Viadrum D. D. D. A°- D. MDCCCLXXVIII." — Ein Gang durch die schönen Anlagen füllte die kurze Frist aus, ehe nach einem frohen genußreichen Tage Werner mit der

Schüler, der bedeutendste cameralistische Universitätslehrer zur. Zeit Friedrichs des Großen und wahrscheinlich von großem Einfluß auf die Anschauungen des hoch¬ verdienten Svarcz, der hier seinen Rechtsstudicn oblag*). Den letzten Punkt der Besichtigung bildete die neue Gertraudtenkirche. Sie ist vor 8 Jahren durch den Stadtbaurath Jonas errichtet worden und besitzt ein Altarbild (der „Zinsgroschen") von A. von

ruht der alte

von der schönen Oderstadt Abschied genommen werden mußte.

P. Walle.

Miscellen. Alten vorgezcichnet worden und vorgezeichnet werden konnten. Die Technik der Hellenen bildete für Generationen den Kanon der Classicismus; und wenn spätere Nachforschungen durch die Schüler Böttichers eine abweichende Erklärung für antike Bauformen begründeten, so bleibt ihm nach dieser Richtung hin ein ganz außerordentlich großes Verdienst, das ihm auch für andere Arbeiten, wie „Der Baumkultus der Hellenen," der „Hypäthral-

Präsident von Kerkach. (Mit Abbildung). Am 25. August 1757 lvurde dem Kriegsrath vou Gcrlach (ß 1/80 als Geheimer Finanzrath)

ein Sohn geboren, der 1766 bis 1771 den Unterricht der Domschule zu Halberstadt genoß und 1772 die Universität zu Göttingen, 1774 diejenige zu Halle bezog. Im Jahre 1775 vollendete er seine akademischen Studien, wurde Rcfcrendarius beim Kammergericht und bald nachher Assessor bei der iturinärkischcn Kammer. Schon >780 erfolgte seine Ernennung zum Kriegs- und Domänenrath, 1790 diejenige zum Geheimen Finanzrath. Sechs Jahre nachher berief ihn Friedrich Wilhelm II. zum Präsidenten der Kurmärkischen Kammer und deren Justizkommission, in welcher Stellung Er ist identisch mit dem er sich bedeutende Verdienste erworben hat. späteren Berliner Oberbürgermeister von Gerlach, Vater des im Jahre 1877 verstorbenen Juristen und Parlamentariers Ernst Ludwig v. Gerlach. Er wurde eingeführt am 6 . Juli 1809 und starb am 8 . Juni 1813.

Professor Cars Bötticher.

Bötticher in Berlin,

der frühere

tempel" und die Holzarchitektur des Mittelalters zugestanden werden muß. Bötticher ist geboren zu Nordhausen; er wirkte 50 Jahre lang als Lehrer an der Kunstakademie (seit 1832), seit 1849 als Professor der Königliche» Bauakademie. —

Bunte Welt. Von dem, bei dem ersten Erscheinen bereits kurz erwähnten Unternehmen „Bunte Welt" liegen uns zwei weitere Hefte (Nr. 5 und 6 ) vor, die eine größere Zahl ansprechender farbiger Abbil¬ dungen bringen, darunter eine Scene „Aus dem Rennplatz", ein Doppel¬ bild (Portrait) mit der Unterschrift „Sehnsucht", dann „Soldatenleben in Kambodscha" und zwei Skizzen „von der Berliner Pferdebahn." An Unterhaltungsstosf bieten dieselben außer einer Erzählung von Victor Blüthgen und einer Geschichte von H. Convay noch „Weltpostbilder" von Steinbeck und ein amerikanisches M. Lortzing, Kleine Geschichten von Boyesen. Den Beschluß jeden Sittenbild „die Brautbewerbung" von Heftes bildet eine Auswahl kleinerer Mittheilungen unter der Bezeichnung „Bunte Tafel." (Verlag von H. S. Hermann, Beuthstr. 8 ).

Am 29. Mai feiert Professor Carl Direktor der Skulpturengalerie seinen

Das Königliche Münzkabinet besitzt ein großes achtzigsten Geburtstag. Bronzebild dieses verdienten Gelehrten, der durch seine „Tektonik der Hellenen" sich für alle Zeiten einen Namen in der Kunstgeschichte geschaffen hat. Seines Lebens bester Theil, seines Schaffens größte Kraft ist auf die Begründung der griechischen Kunstformen aus ihrem inneren Wesen heraus gerichtet gewesen, eine Aufgabe, die er vor vierzig Jahren mit einer für die damaligen Verhältnisse erstaunlichen Schärfe und Richtigkeit durchgeführt hat. Die leitenden Gedanken dieses seines Werkes, das seit seinem Entstehen, also seit vier Jahrzehnten, das Bekenntniß der Ber¬ liner Bauschule gebildet hat, sind auch von der Kleinkunst in Deutschland begierig aufgenommen und gepflegt worden. Carl Bötticher gab Schinkels Nachfolger die sichere Grundlage, auf welcher fußend sie an eine tektonische Lösung auch »euer Aufgaben herantreten konnten, die ihnen nicht von den

*) Vgl. Dr. A. Fr. Bahlen.

Stölzel,

Feuilleton:

Brandenburger Ereignisse von 1695—1699, von E. König. — Die geistige Atmosphäre und die bildenden Künste zu Berlin im 16. Jahrhundert (Fortsetzung); Zum Jubiläum des Berliner Einwohner-Melde-Amts, von Ferd. Meyer; Ein Ausflug nach Frankfurt, von P. Walle (mit 3 Abb.). — Miscellen: Präsident von Gerlach (mit Abb.); Professor Carl Bötticher; Bunte Welt. —

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Herausgeber und verantwortlicher Redakteur: Peter Wallö in Berlin 8.W. 48. — Verlag von Gebrüder Paetel in Berlin W. — Druck: W. Moeser Hofbuchdruckerei in Berlin 8 . — Abdruck ohne eingeholte Erlaubniß ist untersagt.

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Berlin

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1SS6. Nachdruck verboten. Gesetz v. 11. VI. 70.

Gesetz der Vereinigung Elsaß-Lothringens mit dem Reich. Vertrag zu Dortmund zwischen Brandenburg und Pfalz-

1871. 1609.

Neuburg wegen des Jülichh'chcn Erbfolgcstrcitcs. Die Brandenburger unter d. Herzog August v. Holstein erstürmen die von den Türken besetzte Veste Lewenz. In Folge des Geraer Faniilicnvertrages v. 1598 kommt Ansbach an Joachim Ernst, Baireuth an Markgraf Christian v. Brandenbg., Brüder d. Kurf. Joachim Friedr. Vermählung des Prinzen Wilhelm von Preußen mit der Prinzessin August« von Sachsen-Weimar zu Berlin.

1664. 1603.

1829.

Juni 1672.

„Verfestet!" Eine Berliner Geschichte aus dem Jahre 1380 von Oskar Schwebe!.

müde jenes tyrannischen Joches, in ivclchcm die

VI11.

Seit Erich Falkc's Beitritt kam in der That ein noch keckerer Geist in

herrschenden

Geschlechter

Nur

hielten.

sie gefesselt

die Unternehmungen der

die Wasserwege nach Köpe¬

Sie wagten bis dicht vor sich die Thore von Berlin. Von den Dörfern der

nick und

Freibeuter. jetzt

Stadt war

den

Spandau standen Berlinern noch offen.

Ihr

Handel erschien ver¬

nichtet ; selbst eineHungers-

noth drohte der Stadt. Laut murrten die Gewerke,

kein einziges

mehr sicher, und von dem Hospitale zrr St. Jürgen

die Knochenhaucr voran, gegen

aus schossen die Wege¬ lagerer Droh- und Brand¬ briefe über die Stadt¬ mauer, — Briefe, welche die Einwohner der ein-

Sie

Rath.

den

hatten für ihren Aufstand dem Rathe nur eine Geld¬ strafe gezahlt;

Patrizier

denn die

besorgten

bei

äng¬

strengeren Maßregeln eine

stigten und entsetzten. Die

Erhebung der starken und reichen Zunft. Wilke Hanoiv, der Altmeister, war sinn zwar wieder ein ruhi¬ ger Bürger geworden; aber wenn er mit seinen Kun¬

gcschlosienen

Stadt

alten Feinde der Stadt, die Johanniter im Süden von Berlin leisteten den Geächteten jeden

nur mög¬

lichen Vorschub, und selbst

Unterthanen der Stadt, wie der Schulze von verbanden Lichtenberg, sich den Versesteten, längst

den sprach,

nur Stadtrmy Carl Ludwig Zreger.

(* 1802

f

Weise 1862).

noch

die

in

er jetzt

dürftiger

zufrieden

konnte,so äußerte er

stellen

wohl:

434

„Das kommt Alles nur davon,

daß sich die Obrigkeit verbündet mit Juden und Wucherern hat. — Wir werden noch verhungern müssen in Berlin, weil unser Rath den Koppen Richard, der arm geworden war in der Stadt Dienst,

Verse st et hat." Der Altmeister wußte mehr von Koppen, als er verrieth. Längst hatten das Schlächtergewerk, — längst auch die Ryke und Brügge das dargeliehene Geld von Koppen wieder erhalten.

Wenn aber Jemand nach Richard

antwortete der Altineister gewöhnlich: „Weiß nicht, wo der hinweggescheuchtc Vogel sitzt! Gebe Gott, daß wir ihn nicht alsbald wieder singen hören!" — Koppen Richard weilte noch aus Schloß Saarniund; er hatte auf den Straßen nach Magdeburg und Leipzig reiche Beute gewonnen. Jetzt schrieb man Anfang August; — eine wichtigere Unternehmung sollte ihn jetzt wieder in den näheren Umkreis von Berlin zurückrufen. Im Norden von Berlin tvar das alte, berühmte Stadt¬ geschlecht der Blankenfelde besonders reich begütert. Dasselbe besaß damals die Dörfer Birkholz, Malchow und Wardenberg, den Hof zu Pankow, — beide letztgenannte Besitzthümer aus fragte,

so

dem eingezogenen Vermögen des verbannten und verstorbenen Bürgermeisters Thilo von Wardenberg, — sowie Dorf Blanken¬ felde, ihr altes Stammhaus. Wilke von Blankenfelde, der

Alt-Bürgermeister von Berlin, tvar im Verlaufe der Richard'schen Fehde gestorben und bei den Franziskanem von Berlin beige¬ setzt worden. Sein Neffe Peter hatte seine Erbschaft ange-

Die berliner Gesellschaft vor fünftig Jahren. Beobachtungen über die Gesellschaft enthalte» fast immer etwas Schiefes. Meist ist es das Verlangen, Geistreiches zu sagen, welches den Beobachter dazu verführt, Schwächen derselben zu verallgemeinern und zu vergrößern, oft auch sind es, wie wir dies besonders bei unserer Stadt Berlin in den letzten Jahren erfahren mußten, Haß und Neid, die bei der Schilderung den Griffel führen. Und doch, wie wohlthätig ist es, der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten, und cs ist um so verdienstlicher, je berufener derjenige ist, der sich diesem Amte unterzieht. Dem Nach¬ lebenden sind solche Skizzen von unschätzbarem Werthe, nicht nur, weil er durch sie seine Vorfahren kennen lernt, sonder» weil er auch an ihnen ermessen kann, welche Fortschritte ihn von jener Zeit trennen. Ein solcher Berufener war vor fünfzig Jahren der berühmte Ver¬ fasser der „Briefe eines Verstorbenen", Fürst Pückler-Muskau, der uns in dem zweiten und fünften Bande von „Tutti Frutti" köstliche und, was noch mehr besage» will, wahrheitsgetreue Skizzen aus der Berliner Ge¬ sellschaft darbietet, die durch die Persönlichkeit des vielgereisten und vorurtheilSfreien Verfassers ein noch erhöhtes Interesse gewinnen. Mit durchdringender Klarheit versteh! er cs, die Fortschritte zu kennzeichnen, die die Monarchie und mit ihr Berlin seit Friedrichs des

„Einzigen" Zeiten gemacht bat: „Was Er, als damals größtentheils unter seinem eigenen Standpunkte stehend, verschmähte: vaterländische Bildung in Litteratur, Wissenschaft und Kunst, — hat jetzt siegend Berlin zu einem der Brennpunkte europäischer Intelligenz erhoben, der seine Strahlen über alle Nachbarländer ausströmt." Statt einer persönlichen Schilderung des Monarchen giebt Pückler ein Bild seiner beglückenden Regierung, und wenn ihn auch der Mangel einer Verfassung schmerzlich berührt, so sieht er doch Preußens Stellung im rosigsten Lichte. „Wir dürfen", ruft er aus, denn des Weltgeists Zeichen trügen nie — für ganz Deutschland auf eine schönere Zukunft rechnen, und erhebend ist für uns der Gedanke, daß es Preußen sein wird (wii hoffen css, welches die sich entwickelnde Civilisationscpoche fest und bedächtig eben so zu fördern, als zu zügeln bestimmt ist." Ein voller Strahl dieses Glanzes fällt auch auf die königliche Familie, und er bedauert nur, „daß die eingeführte Etiquette den lebens¬ lustigen, humanen, Unterhaltung liebenden, und auch nach Unterrichtung aller Art begierigen, prinzlichcn Herrschaften, nur in geringem Maße er¬ laubt, sich ihre Gesellschaft zu wählen." Er ist entrüstet über die Ge¬ rüchte, welche den Prinzen „Mangel an edler und liebender Gesinnung" vorwerfe», nimmt insbesondere den Kronprinzen (Friedrich Wilhelm IV.) gegen den Verdacht der Frömmelei und Intoleranz in Schutz und schwärmt von „der besonnenen Ruhe, Einsicht und echt deutschen Biederkeit seines Bruders, de? Prinzen Wilhelm (unseres Kaisers), der chevaleresken, glänzenden Liebenswürdigkeit des Prinzen Karl, an dem, um init Sbakespeare zu sprechen, jeder Zoll ein Ritter ist." Er erklärt das königliche

treten und vereinigte in seiner Hand allen Reichthllm seines alten Hauses. Er allein, so schien es, war von den gewaltigen

Gefahren, welche Berlin drohten, nicht eingeschüchtert; er hatte Söldner angeworben und ftihrte die Fehde wie ein Mann. In dem Walde bei Pankow hatte er einen jugendlichen Vasallen aus dem Geschlechte von Storkow, den „langen Hans," welcher des Bundes Genosse war, gefangen: Der Bürgermeister ließ

ihn hängen vor seinem Hofe in jenem Dorfe. Darum sollt' ihn Koppen Richard jetzt strafen: ein Zug gegen die Güter der Blankenfelde wurde vorbereitet auf der Burg Saarmund. Koppen Richard suchte sein Weib und deren Schwester zu bestimmen, in Erich Falke's Schloß zurück zu bleiben; allein Frau Anna widersetzte sich dem sehr entschieden. „Fürchtet ihr euch etwa vor unserem Wirthe?" fragte Koppen erstaunt. „Nein, nicht im Mindesten!" erwiderte Frau Anna. „Erich Falke ist ein ritterlicher Mann; — er liebt zwar das Gold und den Wein, allein die Sicherheit ehrlicher Frauen würde, er nimmermehr gefährden. Dennoch ist mir's, mein theurer Mann, als wäre ich mit unlösbaren Fesseln gerade jetzt an Dich gekettet. Ich muß auf diesem Zuge bei dir sein." „Nein, Koppen," bat ihn auch die stille Marie, „laß uns nicht hier allein, laß uns, wie inuner niit Dir ziehen! Du willst jetzt reiten gegen unsres Vaters Hof — gegen Dörfer, in welchen wir jeden Baum kennen, in welchen selbst das Rauschen des Laubes, das Säuseln des Windes zu uns spricht von den glücklichen Jahren der Haus als „ein schönes Vorbild für eine Nation, wo der Thron der Herrscherfainilie auf allen Seiten von so hoher Schönheit und so edler Weiblichkeit umstrahlt wird." Nicht minder galant, wie hier gegen die Prinzessinnen ist Pückler gegen die Hofdamen; sie gehören nach ihni „zu den liebenswürdigsten ihres Geschlechtes in Berlin, und wären es werth, daß die alte spanische Hofetiquettc zu ihren Gunsten wieder eingeführt würde, nach der allen Cavaliere», welche in Hofdamen verliebt waren, nicht nur gestattet wurde, sich in Gegenwart des Monarchen zu bedecken, sondern selbst niederzusetzen, sich überhaupt gar keiner Gene mehr zu unterwerfen, indem die spanische Galanterie voraussetzte, daß sie, von so holden Reizen entzündet, auch zu sehr von ihrer Liebe eingenommen wären, um auf das Ceremonie!! des Hofes noch ferner achten zu können." Weniger gut kommt die vornehme Gesellschaft der Stadt fort. „Wir begegnen hier", meint Pückler, „zuerst einem gewissen Mangel an geselliger Verbindung im Allgemeinen, besonders aber zwischen dem diplomatischen Corps und der einheimischen Gesellschaft, der nicht Vortheilhaft auf das Ganze wirkt und zum Theil mit darin seinen Grund hat, daß, seltene Fälle ausgenommen, die fremde Diplomatie von, Hofe ganz ausgeschlossen bleibt. Ueberhaupt fehlt es aber auch der Berliner Gesellschaft an einem entschiedenen Charakter; die Mode herrscht nicht darin, auch keine in¬ dividuellen Potenzen, die den Ton angeben; man wird von keinem einzigen leitenden Interesse, weder politischer noch anderer Art, für oder gegen das man Partei nehmen könnte, lebhaft angeregt, und wird daher auch, selbst in den Coterie», niemals recht mit ganzer Seele die allgemeine Armuth trägt das ihrige dazu bei, das gesellschaftliche Leben monoton zu machen, da die diplomatische, wie die einheimische Gesellschaft nur darin vollkomnien Harmoniken, daß sie sich täglich mehr einschränken." Tanzen und Gesellschaftsspiele treten ihm als die einzigen Unterhaltungsmittel entgegen. „Conversation ist, wenige Häuser aus¬ genommen, ziemlich lebhaftesten und rationellsten sind in Berlin die Bälle. Im Carneval besonders tanzt inan viel, lind soviel ich davon verstehe, mit viel Grazie und Ausdauer von beiden Seiten." Unter den Bällen erregen vor allem die vom Grafen Brühl geschaffenen Subscriptionsbälle seine Aufmerksamkeit: „Es giebt eine ganz eigenthümliche Vereinigung, wo die ganze Strifenleiter der Gesellschaft, von der obersten bis zur untersten zusammen kommt, die Männer in schwarzen Röcken und gleichfarbenen Jnexpressiblcs, die Damen zuweilen in mehr als zu bunten Farben und übertriebenem Putze. Es sind dies die sogenannten Brühlschen Bälle, bestimmt, wie es scheint, den Namen des Gründers auf die Nachwelt zu bringen.

heimisch.

unbekannt.Am

. . . Man behauptet, daß der Intendant der königlichen Schauspiele stets einige verkleidete Carrikaturtänzer unter die Quadrillen des Brühlschen Balles vertheile, um die hohen Herrschaften durch ihre Sprünge zu be¬ lustigen. Der Rest sieht immer ziemlich traurig und cnnuvirt aus, bis die Eßstunde schlägt und sich die häuslichen Tafeln bilden. Die Tournee um diese Tische ist zwar sehr belustigend, aber nicht immer ohne Gefahr, wegen der umherfliegenden Champagncrstöpsel. Aus dem letzten Balle

435

Kindheit! Es wird den armen Landleuten zu Wardenberg und Pankow, welche wir Beide kennen bei Namen und von An¬ gesicht

zu Angesicht,

jetzt schlimm genug ergehen!

Du mußt

nun einmal einherziehen, Furcht und Verderben uin Dich her verbreitend; laß' uns für diese Dörfer, die uns von Jugend aus so lieb und theuer sind, jetzt dein Erbarmen anflehen, — laß' uns, weiln es zum Aeußersten kommt, die Schutzlosen be¬ hüten, und den Verschmachtenden Erquickung bringen! — Zu¬ Koppen, wlind werden solltest, — wer — wer Dich pflegen?" soll Dich hüten, „Allein ich setzte euch der Gefahr des Kampfes aus," warf Koppen Richard ein; „Wilke Blankenfelde hat wohl "warum er all' sein Erbgut an seinen Neffen Peter gelvußt, übertrug; der Bürgermeister wird es wohl verstehen, dasselbe dem, wenn

Du selbst,

zu beschützen."

„O lieber mitten in der Schlacht sein," rief Frau Anna „als fern von Dir sich ängstigen." „Es ist ein gefährliches und ungewißes Leben so," sprach Maria Wardenberg, — „hätt' ich einen Gatten, Koppen, wie

mitmachen zu dürfen: Das war der eheinalige Priester Nikolaus

Huudewerper.

„Was treibt Euch nach Berlin?" fragte ihn Koppen. „Ultd danach fragt Ihr mich'?" entgegnete der Priester. „Sehet, Herr, weil ich es wlißte, wie ein ungerecht bescholtener Mann nach Rache dürstet, beredete ich meinen Herrn, gemeinsame Sache mit Euch zu machen! Jetzt laßt mich mit Euch reiten!" Koppen Richard war ilicht frei von einer Art von aber¬ gläubischer Furcht, mit welcher die Söldner und Knechte auf Nikolaus Hundewerper blickten. Er sei im Stande, den Feind zu bezaubern, und könne auch wohl eilten Maun fest machen, daß kein Speer ihn ritze uitd kein Pfeil ihn verwuitde, — also hieß es auf Burg Saarmund. Es ivar Koppelt Richard ltuit zwar nicht lieb, einen Priester auf jenen Wegen zu erblickeit, welche Nikolaus Hundewerper ging; aber er dachte an seine Leute und hieß auch den Geistlichen,

sich

für

den Auszug bereit

aus,

zu machen.

Anna, — auch ich vermöchte nicht, von dem Verfesteten nur einen Tag lang fern zu bleiben." „So sei's euch denn gewährt, — ihr ziehet mit!" erwiderte Koppen. „Möchte uns mir diesmal der Sieg werden; — Peter Blankenfelde ist ein tapfrer und ein vorsichtiger Mann!" — Es war noch ein Anderer als Frau Anna uild ihre Schwester Maria, der dringend bat, diesen Zug auf Berlin

Es war ein klarer Morgen Aitfangs August des Jahres 1380, als etwa hundert Reiter aus den drei Burgen Saarmund, Trebbin uitd Thyrow sich bei Erich Falke's Zollstätte sammelten. Sie wareit ausitahntslos gut beritten, und die Anführer waren wohl gerüstet. Auch Frau Anita und die Jungfrau Maria Wardenberg hatten ihre Rößlein; — eilt Wagen war seiner geringeren Geschwindigkeit halber auf solch' eiitem Zuge nicht zu verwenden. Koppen Richard hielt sich zur Seite der Frauen, tvährend Erich Falke den Vortrab führte.

dieser Art, dem ich beiwohnte, irrte unser heiterer Prinz Albrecht mit seinem Adjutanten von Saal zu Saal, ohne einen unbesetzten Tisch auf¬ finden zu können. Ich mußte über lachen, der voller Enthusiasmus ausrief: „Das nennen sie eine absolute Monarchie, wo des Königs Sohn keinen Tisch zu seinem Souper finden kann, weil seine guten Bürger sie bereits alle mit Beschlag genommen haben. Wie anders läßt ein con-

C....

stitutioneller Orleans für

sich sorgen!" erwiderte ich, „das wundert manchen Fremden, daß wir in Preußen eben alle nur eine Familie auszumachen scheinen — der König und sein Volk, der Vater und seine Kinder, gleichbedeutende Ausdrücke sind. Darum bedürfen wir auch, Gottlob, keiner Revolutionen und er¬ freuen uns eines gesunde» Körpers, der nicht alle Jahre zur Ader zu lassen braucht." Es ist nur zu natürlich, daß Fürst Pückler bei seiner Schilderung der Berliner Gesellschaft immer wieder auf den Hof verfällt, auf dem sich deren gesammtes Interesse concentrirte. „An den meisten Damen", sagt er einmal, „die ich besuchte, bemerkte Erst ich heute bedeutend viel Unruhe, und sie liefen oft ans Fenster. bei der dritten oder vierten Visite erfuhr ich die Ursache. Der Hoffourier fuhr nämlich herum, um zu einem ckejeüner-ckansaiit bei Hofe einzuladen. Es versteht sich, daß Jede sich glücklich fühlte, die dieses beneidenswcrthe Loos selber traf, aber wurde man übergangen, so wollte man doch wissen, ob die oder jene Bekannte in der Straße auch nicht, oder doch, dazu auserkoren sei. Hielt der Hofmerkur nun nirgends weiter an, so malte sich immer noch eine ziemliche Zufriedenheit auf den Physiognomien der Schöne», stand aber die Carosse irgendwo still, so war der Unmuth nicht zu verkennen. Nun, dachte ich bei mir, die Residenzen sind doch auch nur

„Ja",

größere Krähwinkel!" Recht ergötzliche Schilderungen verdanken wir seinen anderen Schriften: „Es fiel mir auf, erstens, daß fast alle Damen hinter einer Epheuhecke in ihrer Stube entweder saßen, oder auf und ab patrouillirten, zweitens, daß alle Tische im Zimmer, ja selbst die Sophalehnen, mit einer Menge Gerümpel, wie in einer Antiquarsbude, bedeckt waren. Bei den Hübschen nahm es sich noch ganz gut aus, aber wenn eine Alte, die der Pique-Dame glich, hinter ihrem Epheugitter wie ein seltenes Thier paradirte, und unter allen Merkwürdigkeiten ihres Appartements als die größte erschien, konnte ich mich manchmal kaum des Lachens

enthalten.

Als eine dritte Sonderbarkeit erschien es mir, fast immer an einer Wand des Wohnzimmers alle lithographirten Portraits der königlichen Familie als Zeichen eines feurigen Patriotismus in eine unförmliche Masse an einander gereiht, aufgehangen zu sehen — und was für ungetreue Portraits für getreue Unterthanen! Ich behaupte, solche häßliche Copien herrlicher Originale an die Wände zu hängen sei ungemein unpatriotisch." Ob Fürst Pückler alle diese Behauptungen den heutigen Berlinern gegenüber zurücknehmen müßte? Eine nicht geringe Ueberraschung bereitete dem Fürsten ferner die

....

allgemeine Frömmigkeit in Berlin: „Heiligenbilder, Crucifixe, die zehn Gebote kunstreich geschrieben, überraschen Einen häufig und versteigen sich selbst bis in die zierlichsten Boudoirs. Ich sah sogar ein Schlafzimmer bei einer alten Bekannten mit nichts Anderem als einem Ecce homo hinter dem Bette und einer hängenden Bibliothek von lauter Erbauungs¬ büchern geschmückt. . . Man glaubt, daß das neue Modejournal jede Nummer mit einer Predigt beginnen und Sprüche aus dem Sonntagsblatt enthalten werde — eine sehr zweckmäßige Neuerung, denn ein Mode¬ journal muß doch vor Allem die Mode mitmachen." „Bei meinen Abendbesuchen fand ich, eben so regelmäßig als früh hinter dem Epheugitter, jede Dame hinter einem runden Tisch und einer enormen Astrallampe sitzen. Alle Vorbereitungen zum Thee waren sichtbar, nur die Gesellschaft blieb gewöhnlich aus. Man saß in der Wüste mit höchstens zwei bis drei Personen, und Jeder war während der stockenden Unterhaltung stur darauf bedacht, wie er geschickt den Moment erlauern möge, wo er sich mit guter Manier wieder aus dem Staube niachen könne . . . Am einsamsten fand ich es bei einer jungen Gelehrtin, die eben hinter der Astrallampe eingenickt war, als ich hereintrat." Noch ergötzlicher beschreibt Pückler ein Diner bei einem Fürsten, ein Souper in einer reichen jüdischen Familie und ein „Treppenfest" bei einem Geheimrath; keine Schwäche entgeht seinem scharfen Auge, und unerschöpflich ist er in der Erzählung spaßhafter, dem noch ungewandten Treiben der Berliner Gesellschaft, eigenthümlicher Züge. Sehr beklagt der Fürst den Mangel an öffentlichen Vergnügungs¬ örtern außer den Theatern und Concerten; „denn die Bretterbuden von Tivoli und das im Sande des Thiergartens errichtete Elysium oder das Colosseum von colossaler Gemeinheit sind nur Belustigungsörter für die Genügsamsten. Selbst das adelige Casino ist, wie ich höre, an der Schwindsucht gestorben, nachdem es wegen vielfacher Insolvenzen so weit gekommen war, daß man bei jedem Jahresschluß den Mitgliedern ohne Zeitverlust gedruckte Karten zuschickte, worin ihnen in Ermangelung gleich prompter Bezahlung sofort mit Exekution gedroht wurde." Hb die Ansichten des Fürsten über Berliner Volksbelustigungen in unseren Tagen eine Aenderung erfahren hätten? Vermuthlich ebenso wenig als seine Schilderung des Gensdarmen-Marktes: „Ich hätte geglaubt, in Griechenland zu sein, wen.» nicht aus alter Zeit noch ein paar häßliche Anhängsel stehen geblieben wären, die man wahrscheinlich noch nicht Zeit gehabt hat, wegzuschaffen. (Das eine Anhängsel dürste noch sehr lange stehen.) Was mich aber am andern Morgen noch mehr in Erstaunen setzte, war, daß auf diesein schönen Platz mitten in dem ansehnlichsten Stadtviertel und zu den Füßen einer der edelsten Tempel Thaliens (heute könnten wir hinzufügen: zu Füßen des größten Dichters), ein abscheulich schmutziger Fisch- und Viktualienmarkt abgehalten wurde, der fast die Passage hemmte und Auge und Nase auf das Unangenehmste belästigte." Dieser Calamität werden allerdings die Markthalle» ein Ende mache», und so, wie hier wird auch in den meisten anderen Fällen das Fort¬ schreiten Berlins und seiner Gesellschaft seit Pücklers Tagen mit freudiger vr. E. M. Genugthuung constatirt werden können.

436

Ein leichter Nebel

deckte

das Nuthe-Thal und schwebte um

„Ich

kann nicht inehr beten, seit ich den Hermann Mellin

die dunkel bewaldeten Höhen zur Linken der Reiter; zur Rechten

gerichtet habe," erwiederte der Hauptnrann leise.

lag offenes Feld. Bald aber nahm der dichte Wald den blin¬ kenden und von Waffen starrenden Zug auf. Die Reiter näherten sich bald dem friedlichen Städtchen Teltow. Das Schulzenamt in demselben gehörte der Berliner Familie Stroband; längst war darum der ärmliche Ort ausge¬ pocht und gebrandschatzt worden. Die Reisigen ließen den Flecken daher jetzt liegen und zogen auf die Johanniter-Dörfer Marienfelde und Mariendorf los. Allein erst in Britz, wo ihnen ein Verbündeter', der Junker Ebel v. Britzke gesessen tvar, wurde Rast gehalten. Am See, der uralten Kirche gegenüber, lagerten sich die Reiter. Koppen Richard ließ treffliche Mannszucht' halten; — gehörte das Dorf doch einem befreundeten Vasallen! Der Augusttag war gleichmäßig heiter rind klar. Die

wir

leichten, weiße» Wölkchen droben spiegelten

sich

in dem kleinen,

von tiefgrünen Bäumen umstandenen See; friedlich und anmuthig erschien das stille Dorf. Frau Anna blickte mit Rührung hin arlf die Hütten der Armuth. „So still und ruhig liegt

in Pankow der alte Hof meiner Väter da," — dachte sie; „wie wird in tvenigen Tagen das Bild der Landschaft verändert sein!" Nachdem die Schaar tviedcr aufgebrochen tvar, zogen sie in den dichten Wald, die große Köpnicker Haide geheißen. Die Föhren verbreiteten in der Mittagshitzc ihren würzigen Geruch; die blauen Glockenblumen blühten am Wege, und munter klopfte in dem jungfrütckichen Waldreviere der Specht. Durch die Waldeslichtungen erblickten die Reiter das grüne, saftig frische Spreethal; — drüben aber erhoben die Müggelberge ernst, fast düster und doch in tvundcrsam lieblich geschwungenen Linien ihre hochragenden Häupter. Der Pfad senkte sich all¬ mählich abwärts; man näherte sich dem Schlöffe Köpenick, jetzt auch

tvelches den Uebcrgang über die Spree

beherrschte.

Auch die

Herreit von Bibcrstein, damals gesessen auf der Veste zu Köpenick, tvaren den Berlinern feindlich gesinnt; man konnte

mit Gewißheit darauf rechnen, daß

auch sie den Freibeutern und über die Brücke zu Köpenick getvähren würden. Dennoch hielten die Führer nicht für rathsam, die Spree noch heut zu überschreiten. Erst im Dtlnkel der Nacht beschloß Koppen Richard, den Uebergang über den Fluß zu bewerkstellige»; — am nächsten Mittage

deit Durchzug

durch

mochten sie dann,

das Schloß

in weitem Bogen herumziehend, vor Pankow

Vielleicht gelang es so, die Wachsamkeit des Feindes völlig zu täuschen und die Güter der Blankenfelde ohite Blut¬ erscheinen.

vergießen zu nehmen.

So tvurde

denn am Abende wiederum ein Lager in der Haide aufgeschlagen. Der Herr von Biberstein hatte freundliche

Antivort

gesendet und den Geächteten einige Lebensmittel ver¬ Röthlicher und feuriger schimmerten die Kiefernstämme in der Abendsonne, und über den Thürmen von Schloß

kauft.

Köpenick schwamm

es wie flüssiges Gold. Koppen Richard und Erich Falke saßen bei den Frauen; — es tvar nichts mehr zu thun, noch anzuordnen. Auch die Mannschaft hielt sich

still; — wie leicht konnten Kundschafter der Berliner in

der Nähe sein! Leise klangen die Abendglocken von Köpenick

Wald. Die Frauen beteten, und selbst Erich Falke murmelte das r Ave Maria.“ Als er geendigt hatte, sah er Koppen Richard fragend an. den

nehmenden Kampfe!

Herz mehr in der

„Es wird

Es ist mir manchmal, als hätte ich kein

Brust!"

Euch wieder anders werden,

Koppen;" sprach

Zeit; — auch dieser Kampf wird einst ein Ende nehmen! Ich denke auch, dereinst itvch ein friedlicher Mann zu werden, ist nur erst der Uebermuth dieser Städter gezüchtigt. — Weiß Gott, sie machen's uns sauer, das arme Leben im Stegreif! Und dies weite Brandenburg, — cs hätte doch Ramn genug für uns Alle! der Edelmannn.

„Es hat Alles

seine

Wie ein Heißhunger nach Gold und Macht aber ist's über diese Bürger gekommen! Wir müssen siegen, wenn wir leben »vollen, Koppen! Doch kommt, — uns beiden fromint die Ruhe nicht, die jetzt auf diese stille Welt herabsinkt. Ihr denkt an die Vergangenheit, da Ihr einst selbst ein Schiriner des Gesetzes tvaret und mich, den tvilden Falke»:, singet, und auch ich »verde »vcich, »vie ein Kind, »venn die Abendglocken klingen. Laßt uns die Mannschaft mustern, daß »vir schnell aufbrechen können, wenn der Mond untergegangen ist." Die beiden Führer schritten ihre»» Kriegern zu. Frau Anna und ihre Schwester Maria aber blieben mit dein Knechte Hans zurück, der ihnen die Abendmahlzeit bereitet hatte. Auch die Gattiir Koppens se»ifzte. „Mir ist bange um's Herz," sprach sie zu ihrer Schivester, „»vie nie zuvor in dieser schtveren Zeit! A»»s den Zügen meines Gatten und der Hauptle»»te sehe ich's: »vir stehen vor einer schtveren Entscheidung. Behüte Gott unsern Herrn!" „Wir hätten nicht lagern sollen hier!" siel der Knecht Hans ein. „Die ganze Gegend ist verrufen. ,Wer von Schloß Köpenick auszieht, zieht dem Tod entgegen^, heißt's im Sprüch»vort, seitdem der letzte Wendenftirst von jener Veste aus¬ gebrochen ist, um drüben auf der Wahlstatt von Rosenfelde de»» Tod z»» finden. Denn Roseiffelde heißt das Dorf nicht von den Blumen, sondern von Blut und Todestvuitdcn! Wollt' Gott, die Nacht »väre vorbei, und wir ritten erst drüben auf

der Höhe des

Barnim!"

„Mach' uns die Herzen nicht noch schtverer, Hans, als sind!" fiel Maria von Wardenberg ein. „Wie wird rechter Reitersmann sich fürchten!"

sie schon ei»»

„Ja, Jungftau," ertviderte der Knecht, „vor Menschen fürcht' ich n»ich auch nicht, und ich tvill im Kantpfe gern alle¬ zeit dicht hinter dem Herrn sein, der iinmer der Vorderste ist! Hier aber in den» Grlinde treiben dunkle, räthselhafte Wesen ihr

gespenstig Spjel! Gott behüte uns vor der Schloßjungftau von Köpenick, »veirit »vir vorüber reiten." „Was ist es mit ihr, Hans? — Erzähl' es uns!" gebot Maria Wardenberg. „Ja, sehet," entgegnete der Knecht, „das war in alten Zeiten, und es tvar noch kein Christenthum im Lande, da »veilten auf jenem Schlöffe ztvei Fürstinnen, zwei Schtvestern; die liebten einen Wendenritter! Und sie kamen überein und loosten darum, wer ihn» angehöre»: und Hand und Land ihm

z»ibriitgen sollte. her durch

„Ich wollte,

befänden uns erst in einem alle Gedanken in Anspruch

also

blieb

ii:

Das Loos traf die ältere Schwester.

Sie

Glück und Glanz die Fürstir: des Landes und

»vard eine glückliche

Bratit.

Ihre

Schwester aber verinochtc

nun ihr armes Lebe»: nicht länger z»l ertragen; sie stürzte sich von der Zinne des Schlosses dort drüben in den Fluß hinab.

437 Nun aber hat sie nicht Ruhe gefunden in der tiefen Spree; sie ist's, die in der ganzen Landschaft hier das Grauen ver¬ breitet! Sie ist's, die hier an Wassers Rande sitzt, um dein Fischer den Tod in den Wellen zu perkündigen; — oft weht ihr weißer Schleier dort drüben von den Zinnen des Biberstein'schen Schlosses herab, und wehe dann dem Wanderer, der ihn erblickte; — sie ist's, die als wunderschönes Weib die armen Kinder auf die grünüberwachsenen Süinpfe lockt, in welchen sie versinken, und deren unheilvolle Verkündigungen

Die Lerchen erwachten, Vorhaben auf's Entschiedenste. man zog weiter. In der Haide von Weißensee begegnete einein Schäfer; — er floh, als der Reiterzug ihm nahe Schnell wurde seine Heerde zusammengetrieben; — von

und man kam.

zwei

Knechten geleitet folgte sie langsam den schnell nach Nordwesten

vordringenden Freibeutern. Jetzt hatten die Reiter den Blick frei auf das Dorf Pankow. Still und friedlich lag dasselbe vor ihnen, int Süden und im Westen von Wald umgeben. Inmitten niederer Hütten erhob sich hier der stumpfe Feldsteinthurm von Pankow, und dort der spitzige Holzthurm von Niedcr-Schönhausen. Nur das Krähen der Hähne drang zu den Reitern hinüber; — die

wie Unkenruf aus der Tiefe der kleinen Seen hier herum hervortönen! Wollte Gott, wir erblickten das gespenstige Weib in dieser Nacht nicht!" „Schäme Dich, Hans," sprach Frau. Anna ernst, „daß Du die thörichten Kindermärchen glaubst. Unser Herr sucht sein gutes Recht und weiter nichts von der Berlinern! Es ist ein ehrlicher Kampf, — sie haben die Absage empfangen, und wir stehen unter Gottes Schutz." Es war offenbar: Frau Anna suchte sich selber Muth einzuflößen ; sie trug eine Zuversicht zur Schau, welche sie selbst nicht hatte, ihre bleiche Wange strafte ihr wüthiges Wort Alarm Wardenberg aber wiederholte leise aus der Lügen.

Wohnungen der Menschen, erschienen wie ausgestvrben. Mit inniger Theilnahme blickte Frau Anna auf die Wohnstätte ihrer Vorfahren hin; sie beugte sich zu Koppen Richard, der

ihr ritt und bat: „Koppen, — wenn

neben

Er

sagte es

ihr

es

angeht, — schone der Armuth!"

zu.

Erzählung des Knechtes:

Der Ueberfall des Dorfes erforderte nicht eben kriegerische Kunst: im Süden desselben wurden unter dem Schutze des Waldes Reiter vorgeschickt, welche voin Wcstcnde her in's Dorf Von Osten her einbrechen sollten, — Erich Falke führte sie.

„Zwei Schwestern liebten einen Ritter! — Es kann nicht anders, als mit Unheil enden!" —

wollte Koppen selber vordringen. Bei der Kirche, vor dem Gutshofe, sollten beide Abtheilungen zusammentreffen.

Die

Koppen sprengte mit seinen Knechten auch kühn in

Stunden der Nacht waren von wunderbarer Heller Mondschein füllte das weite, tiefe Thal und

ersten

breite Dorfstraße hinein,

Schönheit. lag wie Silber auf diesen Hunderten von Wasserspiegeln, welche das Land damals durchzogen. Wie ein Feenschloß erhob sich drüben die Burg Köpenick »nt ihren Thürmen. Ueber die Waldespfade aber breiteten sich auch tiefdunkle, reckenhafte Schatten, mit ihren seltsamen Gebilden die Phantasie beschäf¬ tigend. Die Luft war so rein und still, daß man das Anschlagen der Glocken in Dorf und Stadt von weiter Ferne her vernahm.

Allein der silberne Glanz erlosch gegen Mitternacht; der Mond ging unter, und die Männer bestiegen ihre Rosse. Langsam ging es der Köpenicker Brücke zu. Der Herr von Biberstein geleitete die Reiter selbst über den Fluß. Wie der Zug über die Spree sich dahinbewegte, zeigte der Knecht Hans aus einen der Burgthürme. Frau Anna konnte in der tiefen Dunkelheit nur soviel unterscheiden, daß etwas Weißes von dem Dache des Thurmes herabwehte. Doch gewiß, — cs war

-

nur die weiße Fahne der Biberstein mit dem rothen Hirschgeweihe! Die Reiter hatten die Brücke überschritten; das Trappeln der Röffe verlor sich in der Ferne; die mittleren Planken wurden wieder aufgezogen. Am Rande der Brücke aber, dort wo sie am südlichen Spreeufer ihren Anfang nahm, krochen

keinen Zweck,

Die

zwei dunkle Gestalten unter dem Bohlenbeläge hervor. Kein Zweifel; sie hatten sich versteckt gehalten, als Erich Falke und Koppen Richard ihre Mannschaften hinüberführten! Es waren

bei

konnte von

— wir finden Weißensee

ihr und von

doch keine Beute

genommene Heerde

hier!" traf ein, —

cs

dem wenigen, im Dorfe Pankow zu¬

rückgebliebenen Geflügel doch wenigstens ein Frühmahl

für die

Knechte bereitet werden.

zwei Stadtknechte von Berlin.

„Jetzt schnell zu Herrn Peter Blankenfelde," sprach der „Sie sind auf dem nördlichen Ufer; es gilt eine von ihnen. also ohne Zweifel den Dörfern nördlich von der Stadt!" — Die Knechte verschwanden im Dunkel der Nacht. In schnellem Ritte setzten die Geächteten unterdessen ihren Marsch fort. In der Morgendämmerung erreichten sie das Dorf Rosenfelde, und Erich Falke schien nicht übel Lust zu haben, das reiche, den Nyken zu Berlin gehörige Rittergut Allein Koppen Richard widersetzte sich diesein auszupochen.

die

ihm keine Menschenseele ent¬ „Das Dorf ist verlassen," so rief er, „der Ueberfall gegen. ist also dennoch ausgekundschaftet worden! Haltet euch ja zusammen und besetzt den Eingang hier zum Dorfe! Mr ahnt eine Kriegslist!" Doch Alles blieb still und stumm. Freundlich leuchtete die Sonne des Laurentiustages, des 10. August 1380, vom Himmel herab. Am Hofe vor der Kirche traf bald auch Erich Falke ein. „Keinen Menschen," so sprach er, „hab' ich gesehen! Nicht ein Haupt Rindvieh, geschweige denn ein Roß, ist in den Gehöften! Ist dieser Ort verhext?" „Vor Allein gilt es, Wachen auszustellen!" mahnte Koppen Richard. „Wir wollen eine Stunde ruhen, dann aber sogleich nach Norden aufbrechen, denn das Verlassensein des Dorfes ist mir völlig räthselhaft." „Ein vortrefflicher Hof!" sprach Erich Falke, den um¬ mauerten Landsitz der alten Wardenberg musternd, auf welchem sich ein hohes steinernes Gebäude von thurmartigcr Form erhob. „Hier könnten wir uns wohl ein Weilchen halten; aber es hat es kam

j

!

j

Mit schmerzlichen Empfindungen sahen die Schwestern von Wardenberg den alten Hof wieder, welcher einst ihre glückliche Kindheit beschirmet hatte, sie begaben sich an das Ende des¬ selben, wo eine kleine, durch eine dichte Hecke fast völlig ver¬ steckte Lücke in der Ununauerung sich befand. Ein Schritt, und sie standen in dem Walde. An dieser Stelle hatte Thilo von Wardenberg einst einen Finkenheerd gehabt. Noch war Alles unverändert, und wie ehedein den Kinder», so rauschten die Kiefern des Waldes jetzt den beiden schwergeprüften Frauen ihren melodischen Gruß zu.

438 Hofthurme lagen die Führer der Schaar. In dem Hanse des Krügers hatte man doch noch in einem Verstecke drei Fäßlein von dem guten Biere des Berliner Stadtkellers gefunden, welches auch unter dem Kiefernadeln-Kranze und Der Tag war dem Sterne zu Pankow ausgeschenkt wurde. heiß geworden, und vortrefflich schmeckte der kühle Trunk den

In

mir zwei

dem

Falke

hatte

sich

soeben wieder den schäumenden

in den Kittel eines Tagelöhners gehüllt, vor ihn trat. „Ehrwürdiger," spottete der Ritter, „nicht wahr, — auch Du begehrst deinen Antheil an dem würzigen Trünke? Reiche mir her Deinen Becher! — Freilich haben wir alle zusammen, — auch Du, — heute noch nichts gethan, um die Labung zu verdienen!" Der ehemalige Priester schlug den Trunk aus. „Ich bitte euch, Herr," sprach er, „um ganz etwas Anderes! Gebt Becher gefüllt, als der Priester Nikolaus Hundcwerper,

bemerkt.

Ein Groß-Komthur vom deutschen Orden hat indessen keine Familie! Ich meine ferner, der dargestellte Vorgang sei ein völlig an¬ derer. „Christus ist's mit seinen Apostel»!" sagt Friedrich Nicolai. Nein! Ich glaube, die dargestellte Scene, — das Gemälde ist



?n

Berlin im

16.

Jahrhundert.

(Schlup.)

heit, ließ ihm hier dies herrliche Epitaphium setzen. Ein Mono¬ gramm oder ein Meisterzeichen ist an dem Bilde nicht zu entdecken. Ich trage Bedenken, seinen Ursprung meiner lieben Vaterstadt zu¬ zuweisen, so gern ich's auch thun möchte. In Berlin konnte um 1521 sicherlich Keiner dergleichen leisten! Denn die Charakte¬ ristik der Gestalten ist ganz vorzüglich. Diese beiden graubärtigen Herren verdienten, allgemein gekannt zu sein! Der kriegerische Schmuck, die Helme, die Panzer, die Schwerter, die Wappen sind geradezu entzückend gemalt! —

nach gutem, altem Brauch so hoch ausgehängt, daß jede eingehendere

Betrachtung seines oberen Theils unmöglich ist, — ist vielmehr die, in welcher Christus zu den Frauen von Jerusalem spricht: „Weinet nicht über mich; — weinet über euch und über eure Kinder!" —

für die Zeit der Entstehung des Gemäldes und

die derzeitige Lage der Deutschherrcn in ganz vortrefflicher Weise

würde. Denn wir erblicken hier ein Bild aus dem Jahre 1521, aus jener Zeit also, in welcher der Orden seinen Untergang tagtäglich vor Augen sehen mußte. Freilich treten sie uns noch wie glänzende Helden entgegen, diese beiden in wahrhaft kostbare, silberschimmernde Rüstungen gekleidete Ritter, welche im Vordergründe unseres Ge¬ mäldes kniecn, das große, schwarze Tuchkreuz auf der Brust. Links vom Beschauer zeigt sich, wie das Wappen ausweist, Clas vom Pach; — rechts kniet ein Edelherr aus der hochberühmtcn, schwäbisch-sränkischen Familie der Truchsesse von Wetzhausen. Es ist der Truchseß Jost, Großmarschall des deutschen Ordens und, wie ich in preußischen Urkunden finde, „der Zeit Testamentarius des deutschen Ritterbundes". Setzen wir die Leiter an, um die Details des Gemäldes zu betrachten! Die Malerei des Bildes, — wie es scheint, in den ehrwürdiggreiscn Gestalten der Donatoren von ganz vorzüglich begabter, — von ganz anderer Hand, als in den übrigen Figuren, — ist in den Einzelheiten geradezu bewundernswürdig; ohne jede Frage gehört dies Bild zu den ersten Schätzen unserer Berliner Kirchen! Und welch' ein großes historisches, ein menschliches Interesse knüpft sich außerdem an dies Gemälde! — Wie kamen diese Großgebietiger der Ritter Maria's nach Berlin? — Der verzweifelnde Orden hatte sich noch einmal aufgerafft; er ließ überall werben; er verhandelte mit allen Fürsten der Nachbarschaft über Truppendurch¬ züge; er sandte seine Großwürdcnträger überall hin, um sich von der Milde der Christenheit Unterstützung zu erbitten. Vielleicht sind der Großkomthur Clas vom Pach, der höchste Ordcnsbeamte, und der Großmarschall Georg Truchseß von Wctzhausen vom Hof¬ meister Albrecht von Brandenburg mit einer Bitte um Beistand an den Kurfürsten Joachim l., den Bruder des Ordensoberhauptcs, abgesendet worden. Im Jahre 1521 aber herrschte zu Berlin die Pest. An ihr mag Clas vom Pach plötzlich verstorben sein; der Truchseß von Wctzhausen aber, jener Greis von ritterlicher Schön¬

ich kann

(Fortsetzung folgt.)

Die geistige Atmosphäre und die bildenden Künste

eine Scene, welche

mit! Die Gelegenheit ist günstig; —

im Schutze des Waldes mich fast wagen bis an das Spandauer Thor zu Berlin! Heut oder nie vollziehe ich meine That der Rache!" „Sei's d'rum!" erwiederte Erich Falke. „Aber hüte Dich; — cs würde mir leid thun, meinen besten Genossen bei'm Becher und bei'm Würfelspiele zu verlieren!" „Fürchtet nichts, Herr!" entgegnetc der Priester. „Ich suche mir selbst die Knechte aus; sie müssen Bescheid wissen zu Berlin! — Gehabt euch unterdessen wohl, und wenn ich euch rathen soll, — verlasset dies Dorf so schnell, wie möglich. Es ist nicht richtig hier! Ich finde euch schon wieder!" Der Priester verließ den Hof; Koppen hatte von der Unterredung nichts gehört lind Hundewerpers Weggang nicht

Kriegern. Erich

Knechte

passen

!

Wohl muß ich fürchten, durch die hier gegebene Fülle von Einzelheiten bereits ermüdet zu haben; allein die Würde und Wichtigkeit des Gegenstandes erforderten dieselben; — nichts ist leichter, als einen Ueberblick „im Großen und Ganzen", — eine geistreiche Charakteristik an bloc zu geben! Ich registrire gewissen¬ hafte Forschungen, damit das Urtheil über „Alt-Berlin" sich nach ihnen endlich einmal umwandele. — Es wurde oben eine lokale Betrachtung der Werke der Malerei wenden wir uns daher jetzt dem kurfürstlichen Schlosse zu Kölln an der Spree zu! Die Joachime liebten und pflegten die Malerei. Der erste „Hofmaler" Kurbrandenburgs wird jedoch erst im Jahre 1524 er¬ wähnt. Es war ein Italiener, Johann Baptista; — Herzoglich Pommcrscher Kontersaitmaler war er daneben. Wir kennen keins seiner Werke außer einem Bildnisse der Kurfürstin Katharina, der Gemahlin Johanns von Küstrin. Frau Käthe bekam von ihrem Eheherrn oft ein Privatissimum „de parsimonia“ zu hören; so auch nach Fertigstellung dieses Portraits. Denn Johann Baptista forderte für daffelbe 110 Thaler, — allerdings einen exorbitanten Preis, wenn man erwägt, daß die Vischersche Familie für das oben erwähnte Erzwerk, den „messingenen Mann" Johannes Cicero, im Ganzen nur 500 bis 600 Gulden erhalten hat! — Frau Käthe zahlte dem Künstler daher auch nur 80 Thaler und hat gewiß dabei nach ihrer bürgerlich-häuslichen Sitte bemerkt, auch soviel sei ihre arme Person noch nicht werth! Der Herr Italiener scheint übrigens eine sehr verschiedene Taxe gehabt zu haben; denn dem reichen Thurnehffer, — manus nianum iavat! — nahm er für dessen „Contrafaktur" nicht mehr als 20 Thaler ab. Thurneyffer's gemaltes Bildniß ist jedoch nicht mehr aufzufinden; das der Markgräfin Katharina aber befindet sich im königlichen Schlosse vorgeschlagen:

i

!

j

Berlin. Für längere Zeit wird nun ein eigentlicher Hofmaler nicht mehr genannt. Erst im Jahre 1590 taucht wieder ein Hieronizu

mus Rosenbaum als ein solcher auf. Wir wiffen aus dem Tage¬ buche des großen Grafen Lhnar nicht uninterreffante Einzelheiten

439 der Neumark gebürtig, der viele Bildnisse, unter andern auch Kur¬

Er hatte „im Zimmer der Kurstirstin im Schlosse zu malen: neun Gemälde, und die Sujets waren, — bezeichnend sür die Zeit, — über ihn.

„fünf Sinne" und „vier Evangelisten"! Später malte Rosenbaum auch Bilder

I. Gemahlin Katharina gemalt hat. Ein anderer Hofmaler, Herr Martin Schulze, hatte bis 1603 viele Streitig¬ keiten mit demselben; er wollte Mawen nicht gestatten, Gesellen zu halten! Der arme, angefeindete Maler aber starb schon 1617. fürst Joachim

die die

Spandau; er erhielt dabei als Zahlung: für je eine Geschichte aus nur drei Thaler!

dem

von

Schulze hatte den Sieg davongetragen; im Jahre 1607 hielt er sich vier „Gesellen"! Wir sehens deutlich, die Kunst fußt noch

„alten Testamente"

völlig auf der gesunden Grundlage des Handwerks! Im Jahre 1603 erscheinen ferner die Maler Gallus Rittner und Hans Greben. Der kurfürstliche Hos liebte es damals noch außerordentlich, die grüne Waldeshcrrlichkeit der Mark aufzusuchen und ihre Schönheit zu genießen; — Land- und Jagdhäuser ent¬

sür die Kirche

Ob Rosenbaums Genius dem „Neuen Testamente sich jemals wir nicht! — Besser, — wir können unmöglch jede Notiz, die wir aufge¬ funden haben, der geneigten Beachtung des Lesers empfehlen, — besser aber als dem wackern Nosenbaum erging es einem Andreas Riehl, welcher neben einem Philipp Cordus und Heinrich Kappes am Schlüsse des 16. Jahrhunderts als Hofmaler zu Berlin er¬ scheint. Er hatte vom Fürsten baare 200 Thaler als jährliches Gehalt zu beziehen! Das war eine auskömmliche Summe; denn wollen wir ihren heutigen Werth erfahren, so müssen wir dieselbe zugewendet hat, erfahren

verzehnfachen.

Allein das Ueble war, daß

So z. B. malte Gallus Rittner aus Befehl der Kurfürstin Eleonore Saal und Kirche zu Potsdam aus; auch die Schlösser zu Saarmund und Kaput hat sein Pinsel geschmückt. Längst aber haben diese alten Arbeiten ihren Platz den Schöpfun¬ gen späterer Künstler überlassen müssen. — Endlich, — um standen überall.

Maler, und 1622 Johann Möller, erwähnt. Ersterer ward als „ganze Leiche" in der St. Petrikirche zu Kölln bestattet; er war also sicherlich ein an¬ gesehener und wohlhabender Mann! — Doch genug der trockenen Notizen! Sie zeugen indessen von einer regen künstlerischen Thätigkeit, welche einst auch in Alt-Berlin das Leben der Altvordern verschönt und veredelt hat! Daß wir es wiederholen: an Wohlstand, an der Behäbigkeit des Lebens fehlte es nicht! Allein, — wir wollen bei dem oben gewählten Bilde bleiben: höher und höher stiegen die düsteren Wolken auf; 1615 werden Tobias der

der Maler,

dieselbe bei der Be¬

schaffenheit der kurfürstlichen Kassen dem Künstler keineswegs regel¬

mäßig gezahlt wurde; Herr Riehl zog es daher vor, eine Stellung bei den Hohenzollern im Frankenlande anzunehmen. Er ging nach Anspach; und von dort supplicirte er, um Nicolai's Worte zu gebrauchen, wegen rückständigen Gehaltes, sowie wegen der Bezah¬ lung sür einige, dem Kurfürsten verkaufte Gemälde. Der Bedarf an Gemälden für den Hof muß damals über¬ haupt ein ziemlich großer gewesen sein. Nicolai registrirt noch folgende Künstler: 1602 Nathan Maw, ein Bildnißmaler, aus Arnswalde in

nur ein Abendroth doch war's gewesen, welches in der künstle¬ rischen Thätigkeit des 16. Jahrhunderts das Land Brandenburg so schön verklärt hatte, ehe die Nacht mit ihren Schrecken hereinbrach.

Die Umgebung von Lanke.*) Es führt eine Chaussee von Lanke über Uetzdorf und Arendsee nach Oranienburg und zwar auf der Strecke Lanke-Uetzdorf auf der Südseite des Obersees und des Flusses, vorwiegend in halben Berghöhen entlang. Es ist dieser Weg der denkbar schönste, denn alte Buchen und junger Nachwuchs beschatten die Chaussee derart, daß sie wie ein langer Laubengang erscheint; immer links tiefer hoher Laubwald, während rechts die Bäume noch einen Durchblick auf Sec und Wiesen herunter gestatten. Haben auch bei der Durchlegung der geraden Kunststraße viele alte Bäunie Platz machen müssen, so steht doch noch manches Prachtexemplar

[

mir dies gelungen. Das Terrain der sogenannten Fuchsberge ist sehr koupirt und mit hohen Buchen bestanden, die wieder ein dichtes Unterholz zu ihren Füßen haben. Die Geschichten lauten etwa wie folgt: „Der obengenannte Besitzer von Lanke habe auf

da, und viele

ehe

ihnen sind an den unteren Theilen der Stämme besät mit Worten und Zeichen, die theilweise schon so verwachsen sind, daß sie fast wie Hieroglyphen aussehen. In Bezug auf diese Inschriften erzählte man mir folgende Geschichte: „Bald nach den Befreiungskriegen, es soll anno 1816 gewesen sein,

von

eingeschnittenen Buchstaben,

ein Franzose in Bernau eingetroffen, habe sich im Laden des Kaufmanns Tiede am Markte in Branntwein ein Räuschchen an¬ getrunken und in diesem Zustande erzählt, daß er in den Kriegs¬ zeiten in einer hohlen Buche in der Nähe von Uctzdorf etwas versteckt habe, was er jetzt aufsuchen wolle. Diese Buche habe er sich durch Einschnitt eines Namens gezeichnet. Zu gleicher Zeit sei aber ein Mann aus Uetzdorf zufällig in dem Laden gewesen, der das Gespräch gehört habe, und der nichts Eiligeres zu thun hatte, als vorauszugehen und jenen Baum zu revidiren, an dem der französische Name schon längst in der Gegend aufgefallen war; und als der Fremde am anderen Tage seinen Baum gefunden hatte, fand er nur noch einen Topf mit leeren Leinwandsfetzen." Auch diese alte Franzosenbuche hat der Zeit Weichen müßen, man tvird aber noch genug Stämme in dieser Gegend finden, nach deren

einem Berge ein zweistöckiges Haus von Fachwerk errichten lassen,

und in einem tiefen Kessel dicht dabei einen Garten, in dessen Mitte sich ein Brunnen mit steinernen Stufen hinab befunden habe. Der

sei

*) Bergt, den Aufsatz über Lanke in Nr. 32.

Inschriften zu schließen, man sich verborgene Schätze darin oder darunter denken kann. Etwa auf der Stelle, wo der Obersee eirdet und die Wiesen anfangen, also auf dem halben Wege zwischen Lanke und Uetzdorf und ziemlich 500 Schritt im rechten Winkel von der Chaussee links im Walde, liegt der sogenannte Komödienberg und Komödien¬ garten aus der Zeit des Kammerherrn v. Wülknitz, von mancherlei Sagen umwoben. Der Fleck ist für den Fremden schwer zu finden, denn ich selbst habe mich müssen zweimal genau insormiren lassen,

Kammerherr habe nun Schauspieler und Akrobaten aus Berlin oder sonstwo her verschrieben, die hier jihre Künste produziren mußten,

und !

habe

als Zuschauer alle

seine

Beamten und deren Frauen

befohlen, wogegen die übrigen Einwohner der benachbarten Dörfer

freien

Zutritt

hatten.

Da

sei

nun der Frau eines Forstaufschers

Kaemerer aus Uetzdorf, in Folge der Eindrücke, die die Leistungen eines Komikers Namens Henri auf sie gemacht hätten, ein Unglück

passirt und dies sei wieder die Ursache gewesen, weshalb die Schau¬

stellungen aufgehoben wurden und Komödien, Haus und Garten in Verfall geriethen. Bei dem Uebergang der Güter an die

Familie v. Redern

sei

das Haus abgebrochen und in Uetzdorf dicht zu Tagelöhnerwvhnungen benutzt

am Fluß wieder aufgebaut und

worden, wo es 1846 abgebrannt sei, und an dessen Stelle das jetzige einstöckige Haus errichtet wurde, in dem sich zur Zeit die Chausseegeld-Hebestelle befindet. Bis zum Jahre 1862 haben noch

bic Fundamente des Komödienhauses und die Stcinstusen im Gartenbrunnen gestanden. Damals sei aber die Chaussee von Lanke nach Uctzdorf gebaut und die steinernen Reste dieser früheren Herrlichkeit

erlebt, niögc ein gütiges Geschick diesen schönen Punkt unserer Mark in der Folgezeit vor einer ferneren Ebbe bewahren. Verlassen wir diesen unheimlichen Ort und kehren zurück zur Chaussee.

wären als Material zu jenem Bau hcrangcschafft und verwandt." Soviel von den Erzählungen meines Gewährsmannes; nun zu meinen eigenen Wahrnehmungen. Wie schon gesagt, fand ich Nur mit vieler Mühe die Stätte, wo jener Musentempel gestanden hat; sie zeichnet sich durch nichts aus von dem übrigen Waldbvden als durch geringe Unebenheiten, entstanden durch das Ausgraben der FtlNdalnentstcinc und durch einen lebhafteren Graswuchs anderer

Dicht vor Uetzdorf wird der Blick freier, um die wenigen einige Gärten, Felder und Wiesen. Die gräfliche Försterei und Schäferei liegen südlich vom Fluß, nördlich ein Tage¬ löhnerhaus und 4 Kolonisten, einschließlich des Gasthauses, welches ebenfalls, >vic in Lanke, sich auf Sommergäste einrichtet. Wo heut die Hcbestelle ist, hat früher ebenfalls eine Wassermühle gestanden, die Ende vorigen Jahrhunderts abgebrochen und nach Prcnden verlegt wurde. Nach dem Landbuch gab sie 1375 an Pacht 3 Mispel Roggen, und zwar an die Kalandsbrüder zu Bernau; bis in die neueste Zeit hat die Spitalkirche daselbst noch aus dieser Quelle Revenüen bezogen. Das Dorf gehörte damals Czabel Whninge (die heutige Fa¬ milie v. Winning), welcher einen Hof mit 8 Hufen Acker dort besaß, und mag vielleicht im Hussitenkriege 1432 zerstört sein, wie viele Dörfer in der Umgegend von Bernau, denn im Scho߬ buch von 1450 wird es nicht mehr erwähnt. Das alte Dorf lag am Wege von Uetzdorf nach Bernau, dicht hinter dem heutigen Försteracker, wo noch im Walde die Stelle des verlassenen Kirchhofs gezeigt wird; auch

Arten, als die nebenbei im Walde wachsenden, verursacht durch den Maucrschutt des abgebrochenen Gebäudes. Unmittelbar dabei führt ein kaum noch zu erkennender Steg nach einem tiefen Thalkessel hinab, in dessen Grund ein länglich-runder Platz von etwa 50 Schritt Durchmesser wagerecht pla-

nirt ist, in sich eine

dessen

Mitte

große, mannstiesc

Grube befindet, der frühere Brunnen. Bewachsen ist der Grund mit etwa 12 allen Tannen von ver¬ schiedener Stärke, mit Ber¬ beritzen, die in ihren rothen Beeren prangten, einigen wenigen verkommenen Zier¬ sträuchern und Buchenauf¬

schlag, der

sich

im Laufe

der Jahre selbst angesamt

hat. Man kann sich nichts Düstereres, nichts Trauri¬ geres

Ort,

denken,

als diesen ihn ver¬ der Wolfs¬

ich möchte

gleichen

mit

schlucht, in der ein schwarzer

Jäger Freikugeln Ein starker, schon verfaulter Stamm Birke liegt im hoben,

gießt. halb

sollen dort,

ebenfalls zur

verwandt, viele alten Fundamente im Jahre

Chaussee

1862 gefunden und ausge¬ graben sein. Das Dorf bestand außer jenen«

Hof

einer

und 4 Kossäten, der Mühle

halb¬

und Schenke, aus 6 Bauern, und war an Acker im Ganzen 40 Hufen groß, wovon 2 zur Pfarre in Prenden gehörten. Es wer¬

vermoosten Laube quer über

Raum, und die meisten Tannen sind von Wild¬ schweinen einige Fuß hoch den

über der Erde angcschauert, sogenannte Malbäume, und deuten an, daß dies

Häuser sind

hier

ein LieblingSauscnthalt jener

Stellen im Walde das „Kossätenfeld", den noch heute

das

große

mrd

„Mühlfeld" u.

kleine

w. bcThiere ist, wo früher nannt. Die heute in Uetz¬ menschliche Ueppigkeit ihre dorf befindlichen 4 Kolo¬ Ausruft» eines verirrten Lindes. Orgien feierte. Harztropfen nisten sind erst auf Befehl (Volksbild aus einem öffentlichen Vergnügungsort Berlins.) saßen an den wunden Stellen Friedrichs des Großen, der Tannen, vermischt mit den Haaren des Wildes, als weinten während der Besitzzeit der Familie v. Hollwede, entstanden. Jener' die Bäume über den Wechsel der Zeiten. Während ich schon große König pflegte seine Invaliden in dieser Weise zu pcnsivnircn länger in tiefen Gedanken versunken, an der stärksten Tanne, und zugleich dabei sein Land wieder dichter anzusiedeln. dicht am verfallenen Brunnen gestanden hatte, rauschte plötzlich Lenken wir nun unsere Schritte dem Liepnitz-See zu, er ist aus deren Geäst ein großer Bussart in die Luft, als hätte er der größte und schönste von allen. Wie schon gesagt, umfaßt er vor Erstaunen, hier mal einen Menschen zu sehen, sich erst mit der Insel 164 Hektar und sein Umgehen erfordert fast 2 Stunden. Wer fiir Seelenwanderung schwärmt, würde Sec und Insel gehören heut zu Lanke, die ihn umgebenden Forsten erholen müssen. bestimmt in diesem Raubvogel den Kammerherrn v. Wülknitz ver¬ dagegen nur etiva zu einem Drittel und zwar auf der nach Uetzdorf muthet haben, der hier auch über die mutatio rerum nachdenkt. zu gewendeten Seite; zwei Drittel derselben gehören zur StadtIch, der ich realistischer veranlagt bin, sehe hier nur die Wirkungen forst Bernau; alle find aber gleich schöne Wälder, überwiegend der wirthschaftlichcn Ebbe, die stets der wirthschaftlichcn Fluth folgt, Buchen, mit wenigen schlanken Kiefern untermischt und die Ufer des Sees werden durchweg von Höhen gebildet, die oft 100 Fuß wenn Ausgaben und Einnahmen sich nicht mehr die Waage halten. Fluth und folgende Ebbe hat die Herrschaft Lanke, so viel man ansteigen und häufig recht steil zum See abfallen. Da der Weg um den See kein öffentlicher ist und nur stellenweis ;u Abfuhr überblicken kann, rmtcr der Familie v. Sparr und der v. Wülknitz s.

441 der Hölzer benutzt wird,

so

ist er gerade kein bequemer zu nennen

und oft verengt er sich zu einem schmalen Wildsteg voller Wurzeln, wenige Meter über dem See, dicht an diesem hinführend. Wer das Bequeme vorzieht, mag sehen, ob ihm jemand von Uetzdorf rund um die Insel zu Kahn fährt, er wird eine lohnendere Partie selten gemacht haben. Schreiber dieser Zeilen hat den Wettersee in Schweden befahren und viele der Schweizer und Tiroler Seen, aber trotzdem findet er den Liepnitz immer wieder schön, so oft er ihn sieht. Mögen jene durch ihre hohen, pittoresken Feldmaßen mehr imponi-

ren;

insel zwischen See und Wiesen, auf welcher eine stark eisenhaltige Quelle sich befindet. Auch hier hat in alten Zeiten ein Dorf ge¬ standen, von dem uns das Landbuch nur kurz berichtet:

„Lubinitz

unbekannt, wie viel Hufen und was sie geben (an Pacht), es ist von alten Zeiten her nicht mehr beackert." Es regt jeden denkenden Menschen zu eigenthümlichen Be¬ trachtungen an, daß aus der kurzen Strecke von kaum einer Meile, Woltersdorf, Uetzdorf, Liepnitz, wo heute nur einzelne menschliche Wohnungen in weitem Abstand stehen, vor mehr als fünfhundert

Jahren

ich habe

viel

mehr

Men¬ lebten

schen

ver-

und viel grö¬ ßere Flächen

mißt, die mir

zum Ackerbau

Liepnitz

übertroffen werden. Hat

verwandt wurden. An der Güte des Bodens kann es nicht liegen, denn,wo solche Buchen wachsen, wie hier, können auch mit Vor¬ theil Roggen

der

undKartoffeln

Flora der

bietet. Seine Wasser sind so

grünlich-blau und klar, daß sie an Durchsichfigkeit höchstens vom

Wettersee

Besucher

sonst Auge da¬

gebaut

für, so mag er die Strophe

den.

Umge¬

kehrt

gegen

des

Eichen-

wer¬

jetzt scheint die

dorfschen

Benutzung der

Liedes:

Insel imLiepnitz - See in

„ Tief die Welt verwor¬

alten

ren schallt, Oben einsam

Zeiten

gewesen sein.

zu

Ihre sich

Rehe grasen."

steil aus dem

auch noch ver¬

Wasser haus¬

wirklicht fin¬

hoch erheben¬ den 'Ufer sind

den ,

denn

Wild giebt noch

es

zwar

reichlich

heute

noch

mit mehr

diesen gro¬

oder

weniger

Forsten,

dicht

bestan¬

wenn sich auch Roth- und

denen

Laub¬

bäumen

be¬

Schwarzwild selten bei Tage

wachsen ,

auf

in

ßen

sehen

Plateau wird Landwirth¬

dem

lassen;

dagegen

jedenfalls

wird

er aber viele Wasservögel bemer¬ ken, die hier

schaft

Der Irustrmprl von Olympia mit dem Panorama von Pergamon auf der Berliner Jubiläumsausstellung.

ihr friedliches Dasein stiften, höchstens mal gestört durch einen Raubvogel, der über ihnen am blauen Himmel seine Kreise zieht. Macht man die Tour um den See zu Fuß oder zu Kahn, so versäume man nicht, das Forsthaus Liepnitz, zu Bernau gehörig, zu besuchen,

in welchem man die

Es liegt wohl auf dem

gastlichste Aufnahme finden

wird.

Punkte an jenem See, mit der weitesten Aussicht über diesen und nach der Insel herüber. Dicht hinter dem Förster-Gehöfte bildet eine Waldparzellc eine Halb¬

WW« MM

betrie¬

ben, von einem

schönsten

-

.

cilf..

;

lichen Theile der

Insel befindet.

kleinen

Hofe

aus, der sich auf dem nörd¬ Diese selbst gehörte nach dem

Landbuche vor 510 Jahren zu Ladeburg und war mit schlechtem Da das Dorf Ladeburg aber Holze und Haide bewachsen. Probstei Bernau zu eigen war, so der damals katholischen Feldmark Liepnitz auch verlassene mag See und Insel und die worden sein, worauf noch der als Dorf hier gehörig betrachtet ein Theil der Bernauer und deutet, welchen Name Probsthaide Wann dann wieder See und Lankcr Forst heute noch führt.

442 so wie andere Pertinentien zu Lanke gekommen sind. Im Volksmunde findet Wird Wohl nicht mehr festzustellen sein. man noch ein dunkeles Gerede, daß ein ungetreuer Bürgermeister von Bernau die Veranlassung dieses Besitzwechsels war. Er soll durch Umwerfen eines Tintenfasses einen Besitzvcrtrag unleserlich gemacht haben. Mag dem sein, wie ihm wolle, bei der Säkularisirung der katholischen Probstei Bernau, ist ihr Besitz getheilt; ein Theil blieb bei Bernau, einen anderen erhielt der Staat, der wieder den Löwenantheil an das Domkapitol zu Berlin über¬ gehen ließ und die damalige vielvermögendc Familie von Sparr zu Prcnden-Lanke wird wohl dafür gesorgt haben, daß die Grenzen nicht zu ihrem Nachtheil gezogen sind. Außerdem waren in alten Zeiten derartige Besitzungen mit den verschiedensten Verpflichtungen belastet, so daß der Besitz durchaus kein freier war und diese erst

Insel hinüber geführt habe, deren Pfähle man am Grunde Nach derselben Quelle soll im 30 jährigem Kriege die Insel längere Zeit ein befestigtes schwedisches Feldlager beherbergt haben, mit dem man die Errichtung der Brücke zusammen bringt, auch sollen bei der Beackerung auf der Insel häufig Waffen, als Partisanen re., gefunden sein. Im märkischen Museum zu Berlin befinden sich lediglich altgermanische Fundstücke von der Liepnitzinsel; östlich jedoch von derselben im Lanker Forst heißt ein Theil derselben „die Festung", westlich im Bernauer Walde ein Fleck „die Schwedenschanze", Namen, die wohl andeuten, daß die Volksstimme auf einer richtigen Spur ist. Zum Schluß möchte ich rüstigen Fußgängern, die diesen schönen Landstrich von Berlin aus in einem Tage besuchen wollen, folgende Route vorschlagen: Man fährt früh von Berlin bis Biesenthal per

alle im Laufe unsers Jahrhunderts abgelöst sind. Man kann sich Wohl eine Zeit denken, wo die Frage gerechtfertigt erscheint, ob der Eigenthümer des Grund und Bodens oder der Nutznießer der verschiedenen Verpflichtungen der Bevorzugte sei, wo also zwischen

Eisenbahn, von hier aus bis Stadt Biesenthal (3 Kilom.) per Omnibus und nun zu Fuß nach der Hellmühle, auf der Nordseite des Hellsees bis zur Brücke, über diese nach der Südseite des Parks hinüber und hier bis Lanke, von dort auf der Chauffee bis Uetzdorf, dann wieder auf der Südseite des Liepnitzsees bis Forsthaus Liepnitz und nun direkt 8—9 Kilom. durch den Stadtwald bis Bernau. Ich bin gewiß, daß jeder Naturfreund zum Abschied von dieser herrlichen Gegend ausrufen wird: „Schirm dich Gott, du deutscher Wald!"

Insel Liepnitz,

Mein und Dein nur ein geringer Unterschied war. Als Kuriosum hierbei noch angeführt, daß auch erst in neuester Zeit die Herr¬ schaft Lanke die Verpflichtung abgelöst hat, der Marienkirche zu Berlin den Streusand zu liefern, eine Verpflichtung, die höchstwahr¬ sei

scheinlich der Generalfeldmarschall von

Sparr übernommen hat.

nach der

des Sees noch soll sehen können.

Die Leute der Unigegend erzählen ferner, daß eine Brücke

C.

Thieme,

Köpenick.

von der Jubiläumsausstellung. (Mit

der Abbildung des Pergamon - Panoramas.)

In

Gegenwart des Kaisers, des Kronprinzen, der Kronprin¬ zessin und einer ungemein zahlreichen, hochgestellten und auserlesenen Gesellschaft ist am 23. Mai die Berliner Jubiläumsausstellung eröffnet worden. Zu ihrer Ausnahme mußte das ehemalige Heim der Hhgieneausstellung in vieler Hinsicht völlig umgebaut werden, um eine Reihe gut beleuchteter Oberlichtsäle zu gewinnen und einen besonderen Saal für die geschichtliche Abtheilung anschließen zu können.*) Diese sehr zweckmäßigen Aenderungen sind durch den Landbauinspektor Professor Fritz Wolfs, den Sohn des Bild¬ hauers Wilhelm Wolfs, mit großer Umsicht ausgeführt worden. Indessen durfte auch das alte Eiscngerüst früherer Ausstellungen nicht würdig sein, die glänzendsten Werke der bildenden Künste der Gegenwart und die weihevollen Schätze der Gestaltungskraft eines vergangenen Jahrhunderts aufzunehmen. So mußte auch nach dieser Seite vieles geschehen, die Räumlichkeiten zu einem passenden Rahmen des kostbaren Kerns zu erheben und der besonderen Be¬ deutung gerade dieser Ausstellung entsprechend, einige Theile wenigstens in künstlerisch-hervorragender Weise zu betonen. Zu diesem Ende wurde unter hiesigen Architekten eine engere Bewerbung ausgeschrieben, aus welchen die Entwürfe der Architekten Kaiser & v. Großheim und Cremer & Wolffenstein als die besten preis¬ gekrönt hervorgingen. Infolge dessen wurde jenen die Aus¬ schmückung des Kuppelraumes, diesen aber die Durchbildung der anschließenden Empfangsräume übertragen. Die Ausführungen beider Künstlerfirmen sind als im höchsten Grade gelungen zu bezeichnen; im opferfreudigen Einvernehmen mit zahlreichen Malern und Bildhauern haben sie ettvas wahrhaft Großartiges, der jungen Kaiserstadt nach allen Seiten hin Würdiges geschaffen. Der Kuppel¬ raum ist namentlich von überwältigender Kraft und Schönheit; hier hat die moderne schnellschaffende Kunst einen seltenen Triumph gefeiert. Die Künstler haben den Raum so behandelt, daß er ober¬ halb der prächtigen Ecknischen durch einen Wölbansatz zum Theil *) Einige Angaben, sowie eine Abbildung des im Aeußeren wenig veränderten Glaspalastes brachte der „Bär" Jabrg. IX. S. 305. Fernere Aufsätze s. Jabrg. XI. S. 510 lind Jabrg. XII. Nr. 17.

wird, doch so, daß das mittlere Deckenfeld fehlt und man nun von unten aus in die hoch über dem Beschauer sich wölbende eigentliche kapcllenartige Kuppel hineinschaut. Hier hat Professor Waldeniar Friedrich in kurzer Zeit ein Meisterstück an geschlossen

Erfindung, Perspektive und Farbenkraft geschaffen, wie es bei solchen vorübergehenden Ausstattungen wohl noch nicht dagewesen sein dürfte. Ueber der kräftigen Brüstung des offenen Kuppelkranzcs erscheinen uns hier Germania in Begleitung deutscher Künstler dem Throne der Berolina zuschreitend, während Apollo mit der Sonnen¬ fackel der Göttin der deutschen Kunst seine Huldigung darbringt. Die Kuppel ruht auf den gewaltigen Pfeilern des Unterbaues, deren Nischen vier schwungvoll gearbeitete Gruppen aufgenommen haben, nämlich die „Phantasie" von Hundneser, die „Harmonie" von Kaffsack, die „Natur" von Eberlein, die „-Inspiration" von Geiger. Außer diesen gebührt ein wesentlicher Antheil an deni gelungenen Zusammenwirken des Raumes der vielseitigen Thätigkeit des Bildhauers O. Lessing. Die künstlerische Behandlung der durch die Architekten Cremer und Wolffenstein ausgeschmückten Ehrensäule ist der Natur der Sache nach weniger überwältigend, im Ganzen aber sicher ebenso gediegen und betreffs der Farbenwahl fast noch besser und feiner Die Räume sind vornehm und behaglich, sie abgestimmt.*) manchen sofort der Eindruck einer höheren Bestimmung im bestell Sinne. — Die übrigen Hallen und Abtheilungen sind im Ganzen einfach gehalten, genügen aber vollauf dem Zweck, für den sie bcstimmt sind und gewähren den Vorzug einer- großen Geräumigkeit mit freundlicher Halle und guter Beleuchtung. Die Gemälde selbst

ihr schönster Schmuck, der durch die zwischendurch eingestreuten Werke der Bildhauerei und der Kleinkunst in reizvoller Weise erhöht wird. — Non den sonstigen Bauten, die aus Anlaß der

sind

Ausstellung entstanden sind, müssen das bei der Eröffnung noch nicht vollendete Caprihaus, eine Künstler-Kneipe (von Baurath

*) Weshalb man bei der Wahl der Sinnsprüche zu der lateinischen Sprache gegriffen hat, ist bei dieser Ausstellung nicht, recht einleuchtend. Das Latein bildet ja ohnehin nicht die starke Seite der ausübenden Architekten und Maler. Ein schöner deutscher Spruch thut noch überall seinen Dienst.

443

A. Tiede), das Kaiserdiorama, der Obelisk und das Panorama von Pergamon erwähnt werden. Ueber die meisten derselben ist schon (in Nr. 14 des „Bär") Einiges mitgetheilt, soweit dies nach den ersten Plänen schon möglich war, heute geben wir den schönsten

bild der Stadt Pergamon mit der Ebene des Kaikos und dein Thale des Jlissos. Ein wunderbar stimmungsvolles Gesammtbild des Aufbaues ist hier durch alle Mittel der Kunst und Wissenschaft erzielt worden, ein Bild, das uns schneller wie alle Gelehrsamkeit initten in das Leben der Alten hineinführt. Unten die gigantischen Figuren am Treppenfriese bieten sich hier bequemer Anschauung dar, und oben der farbige Giebel giebt einen von kundigster Seite angestellten Versuch, die Architektur-Malerei der Griechen in großem Maßstabe vor Augen zu führen. Ob der Tempel wirklich in diesen etwas flauen Tönen bemalt gewesen ist, wer sollte das jetzt noch ent¬ scheiden? Dem großartigen Blicke fügt sich auf dem Bilde der Kaiseroblisk ein, der in seiner veränderten Bestimmung — an das Regicrungsjubiläum des Königs Wilhelm zu erinnern — jedenfalls wieder zahlreiche neue Freunde und Anhänger finden

landschaftlich-künstlerischen Blick, den die Ausstellung überhaupt bietet, eine Ansicht des Zeustempels mit dem in wirklicher Größe aufgestellten Kaiserobelisken, beides Werke, die ebenso wie das Diorama nicht unmittelbar von der Jubiläumsausstellung ausgehen, sondern auf die dankenswerthe Anregung der Architekten Kyllmann

und Heyden hier ins Leben gerufen worden finb.*) Um den Werth der ganzen Baugruppe zu erhöhen, hat man hier mehrere Schätze des Alterthums in glücklichster Weise vereinigt. Der Unterbau mit dem breiten stattlichen Aufgang giebt ein Bild des Altars von Pergamon, der Tempel auf demselben ist eine Wiederherstellung des Zeustempels zu Olympia und im Junern finden wir das Halbrund¬

P. Walls.

wird.*)

Miscellen. Stadtrath Seeger (mitAbbildung). Stadtrath CarlLudwig Seeger,

geboren am 26. Februar 1802, besuchte das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium zu Berlin und trat dann in das Geschäft seines Vaters, mit welchem er nach Erwerbung des Bürgerrechts (1823) gemeinsam ein Lotteriegeschäft führte. Nach des Ersteren Tod (1835) wurde Seeger als Oberkollekteur bestätigt, wurde um dieselbe Zeit Mitglied der städtischen 11. Schul- und Armenkommission, fernerhin dann 1837 Stadtverordnetenstellvertreter, 1838 Schiedsmann des Rauleshof-Bezirksvereins und 1840 Stadtverordneter. Am 19. Dezember 1843 erfolgte seine Einführung als unbesoldeter Stadtrath, ein Amt, in welchem er sich durch Thätigkeit und Aufopferungsfreudigkeit in hohem Grade auszeichnete. Die beste Anerkennung seiner Verdienste war die zweimalige Wiederwahl in den für die Stadt so schwierigen Jahren 1849 und 1856. Seeger starb im Jahre 1862.

Ausrufen eines Kindes in einem öffentlichen Harten. An be¬ sonders schönen Sommertagen werden die öffentlichen Gärten der nächsten Umgebung Berlins von zahllosen Schaaren besucht, die dort für sich selbst Zerstreuung und Erholung von der Arbeit und dem Dienste finden, für die Kinder aber Anregung und Freude an allerlei Spielen. Die Wohnungs¬ verhältnisse der Hauptstadt bringen es mit sich, daß man die Kleinen bei einem solchen Ausflug nicht zu Hause lassen kann; der Familienvater rückt vielmehr mit Kind und Kegel in den rasch sich füllenden Garten ein. Hier wird eine „noch nie dagewescneAixe" gezeigt, dort ein seltenes Thier, hinten dreht sich das Karoussel, und von allen Seiten stürmt das Angebot merkwürdiger Genüsse auf die Ankommenden ein. Endlich hat man eine Bank erobert, auf welcher „Mutter" Platz nimmt; nun wird der Kober ausgepackt, jedes der Kleinen erhält eine kleine Stärkung; auf der Bank beginnt eine eifrige Unterhaltung und ebenso eifrig beginnen die Kinder ihre Spiele im Garten. Eine Stunde ist rasch vergangen; die Eltern haben die Kleinen längst vergessen, ebenso aber die Kleinen auch die Eltern. Eines derselben, ein niedliches Mädchen hat sich bei dein Spiele nicht recht unterhalten; sie steht erst abseits und folgt dann dem Menschenstromc, der den Hauptgang herauf zu dem Karoussel führt. Sehnsüchtig find ihre Blicke auf die rasch sich drehenden Pferdchen gerichtet, auf denen Da so viele Kleinen lachend und mit den Händchen patschend sitzen. möchte nun auch Klein-Lieschen init — aber nun erst sieht sie, daß Vater, der ihr so gerne ihren Willen thut, nicht dabei ist. Sie sieht nur fremde Gesichter um sich, macht sich fort aus dem Gedränge, sucht eine ganze Weile vergeblich den Rückweg zu finden, und bricht endlich, muthlos stehen bleibend, in bittere Thränen aus. Rasch sammeln sich andere Kinder um die Kleine, die sie aber nur theilnahmvoll anschauen, bis ein Schutz¬ mann, durch das Gedränge angelockt, die Sachlage rasch überblickend, Lieschen auf den Arm hebt und sich nun bemüht, aus den wenigen Tönen, die das Kind schluchzend hervorbringt, den Namen der Eltern zu ermitteln. Der sonst so gefürchtete Schutzmann spielt hier die Rolle eines Schutzengels, die ihm, wie der Maler ihn dargestellt bat, gar nicht schlecht ' zu Gesichte steht. Hat nun der Brave mit Ausdauer und Geschick den Namen leidlich herausbekommen, so fällt ihm noch die weit schwierigere Aufgabe zu, das Kind den besorgten Eltern wieder zuzustellen. Entweder geschieht das dann, wie hier wohl, nur durch Hochhalten der Kleinen unter Rufung des Namens oder aber, wie beispielsweise im Zoologischen Garten, durch Ausrufen von der Musiktribüne, wobei das Orchester jedesmal heroldmäßig einen Tusch bläst. Ein solches Ausrufen gehört zu den kleinen Unterbrechungen, die in eine etwa vorhandene Tagesordnung «ine gemütbvolle Heiterkeit hineintragen. (S. die Abb. S. 440.) Der Kronprinz und H'rinz Wilhelm in Köpenick. Im vorigen Jahre übten die Garde-Pioniere auf der Spree bei Köpenick, indem sie

Bild ist

zuerst in Nr. 20 des „Central¬ und von der Verlagsbuchhandlung Ernst & Kon« zur Aufnahme in den „Bär" gütigst überlassen worden.

*) Das beifolgende blatts der Bauverw."

malerische

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Brücken über den Fluß schlugen und sonstige, auf den Ernstfall berechnete Arbeiten vornahmen. Der Kronprinz, bei dem großen Interesse, das der hohe Herr derartigen «nilitärischen Uebungen entgegenbringt, hatte sein Erscheinen erst spät melden lassen. Zu denen, welche um die bevor¬ stehende Ankunft wußten, gehörte ein damals in Köpenick thätig gewesener Bahnmeister. Dieser, ein ehemaliger Sergeant beim Magdeburger PionierBataillon, dem bei der Anwesenheit des Kaisers im Schlosse zu Merse¬ burg, die vor einigen Jahren gelegentlich der großen Korps-Manöver in der Provinz Sachsen stattfand, die Ehre zu Theil geworden war, die Nacht über vor dem Schlafgemach des obersten Kriegsherrn Posten zu stehen, traf in aller Eile Vorsorge zum entsprechenden Empfange der höchsten Herrschaften. Der Kriegerverein, die Feuerwehr und die Schützen wurden alarmirt, die Ankommenden mit allen Ehren begrüßen zu können. Mit einem gewöhnlichen Vorortszug, in welchen der Salonwagen eingestellt war, trafen die Herrschaften ein. Der Kronprinz, Prinz Wilhelm und das Gefolge waren im Begriff, die Fronten abzuschreiten. Beim Schützen¬ verein zuerst ankommend, dessen Kommandeur der Befehl: „Achtung! Präsentirt das Gewehr!" vor lauter Befangenheit in der Kehle stecken geblieben war, konnte sich der Kronprinz eines Lächelns nicht erwehren. Die Lage mit gewohntem Feldherrnblick übersehend, raunte er dem ängst¬ lichen Kommandeur diesen Befehl in’§ Ohr. Nun klappte natürlich das Kommando, deffen Ausführung immer noch Einiges zu wünschen übrig ließ. Einer der Empfangenden, ein älterer Herr, behielt seinen Hut in der Hand, trotz der Aufforderung des Kronprinzen, ihn aufzusetzen. Ver¬ wundert darüber, daß der Mann seinem Wunsche nicht entsprach, was dieser offenbar als eine Ehrfurchtsverletzung dem hohen Herrn gegenüber auffaßte, befahl letzterer dem Ueberängstlichen, endlich den Kopf zu Die getreuen Unterthanen sind oft kaiserlicher als der Kaiser bedecken. selbst! — Bei der Abfahrt aus Köpenick wollte es sich der dortige Bahn¬ hofsrestaurateur nicht nehmen lassen, den höchsten und hohen Anwesenden mit einigen Gläsern Champagner aufzuwarten. Als er in der bekannte» Lcichenbitteruniform, mit blendend weißer Wäsche, auf einem silbernen Teller die Gläser schäumenden Inhalts ehrfurchtsvoll darreichte, sagte der Kronprinz, verbindlichst lächelnd, indem er dabei die rechte Hand auf die Magengegend legte: „Ach, ich bin ja so satt, erst vor kurzer Zeit habe Dennoch berührten seine Lippen das dargebotene Ge¬ ich gefrühstückt." tränk. Prinz Wilhelm, auf die Aufforderung seines hohen Vaters hervor¬ H. H—e. tretend, ließ es sich desto besser munden.

Worträt des Wrinzen Wilhelm von Preußen. Im Kunstverlag Meidinger (Berlin 0 . Nisderwallstr. 22.) der Hofbuchhandlung Herm. erschien soeben ein von G. Engelbach lebensgroß in Kreidemanier auf Stein gezeichnetes Brustbild Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Wilhelm von Preußen, das mit Wappen, Wahlspruch und faksimilirtem Namenszug geschmückt ist und sich den früher schon im gleichen Verlag erschienenen Hvhenzollern-Porträts in würdiger Weise anschließt. Dem Prinzen Wilhelm hat das Portät vor der Veröffentlichung vorgelegen, und wurde gegen dessen Vervielfältigung nichts zu erinnern gefunden. Exemplare in Schwarz- und Tondruck auf schwerem weißen Kupferdruck-Papier 70:95 ct:n. kosten 5 Mark und dürften als Wandschmuck öffentlicher Anstalten, Büreäus, Militär-Kasinos, wie auch häuslicher Wohnräume vielfach Verwendung finden können.

I.

Leopold von Ranlie fi. Am 23. Mai verschied nach kurzem Krankenlager der bedeutendste Geschichtsschreiber der Gegenwart, zugleich der Nestor aller lebenden Gelehrten, Professor Leopold von Ranke in seinem einundneunzigsten Jahre. Seit 1825 wirkte er als Lehrer an der damals noch jungen Universität Berlin, welcher durch sein Schaffen ein ungeahnter Glan; verlieben wurde, den die Schüler des unerreichten Darstellers der Geschichte Giesebrecht, Dunker, v. Sybel, Philipp

abgedruckt

*) Diese Aufsätze werden in zwangloser Folge fortgesetzt iverden.

444

Jasfc, Pertz, Weißäcker

und der nur wenige Tage nach seinem Lehrer verstorbene Waitz, der Direktor der Monument» Germ»ni»e historica vermehrt haben und noch vermehren. Die Nankesche Schule ist in der ganzen Welt zur unbestrittenen Berühmtheit gelangt, sie ist das edelste Erbe, das der große Meister dem deutschen Reiche überwiesen. Unter Ranke trat eine sachlich strenge und persönlich vorurtheilsfreic Auffassung geschichtlicher Vorgänge an Stelle der früheren endlosen Streitschriften gcsallsüchtiger und eigensinniger .Historiker. Seine Werke: „Die Fürsten und Völker von Südeuropa im XVI. und XVII. Jahrhundert"; dann die „römischen Päpste im XVI. und XVII. Jahrhundert", die „Geschichte Englands", die „deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation", „Zwölf Bücher preußischer Geschichte" und seine „Weltgeschichte" werden nach dem

Urtheile berufenster Kenner seinen Namen über Jahrhunderte hin seine Bedeutung wahren. Berlin kann stolz darauf sein, daß Ranke alle An¬ erbietungen, die ihn nach München ziehen sollten, ausschlug, daß er statt: dessen nur auf die Uebernahme des Vorsitzes der „historischen Kommission" einging. Rankes Portrait in dem fünften Band des „Bär" ist eine Schilderung seines Lebens und Wirkens beigegcben; im letzten Bande ist: der Wortlaut des Ehrenbürgcrbriefes der Stadt Berlin mitgetheilt, welchen Oberbürgermeister v. Forckenbeck und der verstorbene Stadtverordnetenvor¬ steher Dr. Straßmann aus Anlaß seines sechzigjährigen Wirkens Hierselbst: überreichten. Ranke war geboren am 21. Dezember 1795 zu Wiehe in Thüringen. Die letzte Ruhe fand er auf dem alten Sophienkirchhofe zur Seite der vorausgegangenen Gattin.

ürief- und Fragekasten. Herrn K. Fr.

O. v. Leixner's „Kunst in 60 Minuten ein Kenner zu lvcrdcn" ist natürlich scherzhaften Inhalts. Es gilt als eine geschickte Nachbildung eines ähnlichen, früher veröffentlichten Schriftchens von H. Detmold. Wer von der Kunst so wenig versteht, daß er meint, die Geheimnisse des Kunsturtheils in 60 Minuten erlernen zu können, dem geschieht schon Recht, wenn er an den Titel glaubt. Der wirkliche Kenner aber wird sich vielleicht an den harmlosen Sätzen ergötzen. Freund des Bl. Eharlottcnburg. Im Ergänzungsbande zu Meyer wird Bekker Emanuel genannt, während der kleine Meyer (1885) richtig Immanuel angicbt. A. Str. in F. TaS „Aennchen von Tharau", von Simon Dach gedichtet, befindet sich im 5. Theile der Arien Älberti's und ist schon vor 1648 in Königsberg gedruckt worden. Einzelne Stellen desselben erinnern allerdings unwillkürlich an die Horazische Ode »Integer vitae.“

Anfrage von außerhalb.

Giebt es in Berlin eine Anstalt volksbildendcn und erziehenden Charakters, die ihre Zwecke auch durch Ver¬ leihung von Ausstattungen zu geschichtlichen Aufzügen zu erreichen strebt? Herrn Karl Schw. in R. und mehreren anderen Einsendern von Dichtungen. Auf Handschriften und Anftagen, aus denen hervorgeht, daß die betreffenden Einsender den „Bär" überhaupt nicht kennen, sehen wir uns nicht veranlaßt, schriftlich oder auch an dieser Stelle des Näheren Wer eine einzige Nummer des Blattes in Händen gehabt einzugehen. hat, wird sich selbst sagen können, daß Ritterballaden, humoristische Lieder und komisch wirkende Gedichte hier keinen Platz finden. Die Beurtheilung solcher Erzeugnisse kann aber erst recht nicht die Aufgabe unserer Re¬ daktion sein. Nur vaterländische Dichtungen können im knappsten Rahmen gelegentlich Verwendung finden. Herrn Prcm.-Licut. T. in W. Der richtige Geburtstag Zieten's findet sich in derselbe» Nummer S. 408 angegeben, ebenso ftüber sckwn S. 286. Es ist der 14 Mai.

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Mai

Frl. E. v. R. Die Königin-Mutter von Bayern, welche kürzlich der Prinzessin Adele Biron von Kurland den Theresienorden verlieh, ist: die preußische Prinzessin Marie, Tochter des im Jahre 1851 verstorbenen Prinzen Wilhelm von Preußen. Der Theresienorden ist ein Frauenordcn, ebenso wie der Elisabethorden und der St. Annenorden. Preußen selbst wird der Luisenorden verliehen (seit 1814) und das Verdicnstkrcuz für Frauen und Jungftauen (seit 1871). Andere Frauenorden sind in Großbritannien der Orden der Krone von Indien, in Oesterreich der Orden des Sternkreuzes, in Portugal der Orden der heiligen Jsabella. Prinzessin Adele ist die jüngste Tochter des Fürsten Wilhelm von Löwen¬ stein-Freudenberg, der sich 1870 zum zweiten Male mit Bertha Hagen (spätere Frciin von Grünau) vermählte. Auch andere Mitglieder dieser fürstlichen Linie sind Ehen mit Bürgerlichen eingegangen, so z. B. Fürst

In

Adolf mit Katharina Schlundt (1831) und Prinz Leopold mit Henriette Wollrabe (1861). Gemahl der Prinzessin Adele ist Prinz Gustav Biron von Kurland, Besitzer der Herrschaft Wartenberg in Schlesien. Der Fürst von Löwenstein-Wertheim-Freudenberg hat seinen Sitz auf Wcrtheim inr. badischen Unterrheinkreis, ist aber erblicher bayrischer Reichsrath.

Anhalt: Gedenktage. — „Verfestet", eine Berliner Geschichte aus dem Jahre 1380 von Oskar Schwebe! (Fortsetzung). — Feuilleton: Die Berliner Gesellschaft vor fünfzig Jahren von Dr. C. M. — Die

geistige Atmosphäre und die bildenden Künste zu Berlin im 16. Jahrhundert (Schluß); Die Umgebung von Lanke von C. Thieme, Köpenick; Von der Jubiläumsausstellung von P. Walle

des Zeustempels von Olympia). —. Miscellen: Stadt¬ rath Seeger (mit Abb.); Ausrufen eines Kindes in einem öffent¬ lichen Garte» (mit Abb.); Der Kronprinz und Prinz Wilhelm in Köpenicks Portrait des Prinzen Wilhelm; Leopold von Ranke ff. — Brief- und

(mit Abb.

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Verlag von Gebrüder Partei in

Nr. 37.

12.

Juni 1733.

13. 13.

Juni 1747. Juni 1775.

13. 13. 13. 14. 14. 15.

Juni Juni Juni Juni Juni Juni

1813. 1845. 1878. 1817. 1873. 1702.

Berlin W.

Gedenktage. 16. Juni 1745. Vermählung Friedrichs II. mit Elisabeth Chr. von Braunschweig. Grundsteinlegung der (kath.) Hedwigskirche zu Berlin. Fürst Anton Heinrick v. Radziwill * (7. April 1833 f). Stiftung der Artillerie- und Ingenieur-Schule zu Berlin. Gencralpostmeister Carl Ferd. Fr. von Nagler -f. Erste Sitzung des Berliner Kongresses (Orient. Frage). G. K. A. v. Kamele, preuß. Kriegsminister * Pasewalk. Georg Friedrich Ludwig v. Raumer -f (* 1781). Einnahme der Beste Kaiserswerth (Unter d. Pr. v. Nassau).

16. 16. 16. 17.

Juni Juni Juni Juni

1815. 1871. 1871. 1810.

18. 18. 18. 18.

Juni Juni Juni Juni

1815. 1815. 1866. 1871.

Mark 30 Pf. j,cn \2 . J un i 1886.

Nachdruck verboten. Gesetz v. 11. VI 70.

Feierliche Eröffnung des Finowkanals zwischen Oder und Havel. Historienmaler Prof. Julius Schräder * Berlin. Einzug der heimkehrenden Truppen in Berlin. Ernennung des Grafen Moltke zum Generalfeldmarschall. Ferdinand Freiligrath * Detinold (-f 18. März 1870). Siegreiche Schlacht bei Bclle-Alliance. General von der Tann-Rathsamhausen * Darmstadt. Aufruf des Königs Wilhelm „An Mein Volk". Friedensfest und Dankgottesdienst zu Berlin.

„Verfestet!" Eine Berliner Geschichte aus dem Jahre 1380 von Oskar Schwebe!,

(viii.) Nach wenigen Stunden der Ruhe, welche den Rosten gewährt werden mußten, gab Koppen Richard den Befehl zum Aufbruche. Es sollte jetzt dem Stammgute der Blankenfelde, dem gleichnamigen Dorfe, sowie dem Orte Bnchholz gelten! Den festen Hof zu Pankviv aber mochten die Führer der Freibeuter nicht

!

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Die Roste ivnrdcn wieder gesattelt; auch die ausgestellten Da tonte plötzlich eine gellende Fanfare ans dem waldigen Grunde des Pankcflicßes im Westen des Dorfes hervor. Von Norden her, von Schön¬ hausen, antwortete sogleich

Wachen wurden zurückgezogen.

ein gleiches Zeichen.

„In aller guter Neitcrsleute Namen!" befahl Koppen Richard. „Macht, daß ihr

aufgeben.

„Lastet mich hier zu¬ rück;" sprach der alte Hein¬

frei! Die Einwohner

Wo haben fertig werdet! nur die Wachen die Augen gehabt? Bei Gott, — wir werden überfallen! Noch ist

mästen aus dem Walde doch wieder heimkehren, oder ich

der Osten frei! Erich Falke, — dorthin! Ich bleibe hier

rich von Karow im Kriegs¬ rathe; „ich halte euch den Rücken

selbst suche sie

auf!

aus dem Hofe! Herr Heinrich von Karow, — ich bitte, dort nach dein Gehölze im Westen vor! Wenn Feinde eindringen, Erich, — viel¬

Lastet

mir nur dreißig Knechte hier!

Ihr

sehet: unsere Hoffnung auf Kampf war eine vor¬ eilige: die Herren von Berlin sitzen ruhig hinter ihren hohen

"wir beide leicht können in die Flanke fassen!"

Mauern!"

„Ich

Die Anordnungen lvaren mit Umsicht und Kaltblütig¬

nicht!" „Es war

begreife sie

sprach Erich Falke.

als Koppen noch führte." —

keit getroffen.

ehedem anders,

Richard

sie

sie

Professor

Ä. Lalandrelli.

(S, 453.)

dammte

„Der

Pfaff!" rief

ver¬

Erich

446

„Er

Bor der Kirche von Pankow sank jetzt auch Heinrich von hat uns den Berlinern ver¬ rathen! Da sind sie schon in der Dorfgasse! D'rauf und.! Karow blutend nieder; er hatte mit den Seinen noch den d'ran! Wir sind verloren, wenn wir uns nicht durchzuschlagen festen Thurm des Gotteshauses erreichen wollen, aber seine vermögen!" — Kräfte verließen ihn vorher, und sein Herzblut überströmte Erich Falke und Heinrich von Karow rückten den Feinden einen der grünen, mit einem Haiderosenbusche geschmückten Hügel. entgegen. Bald verkündete lauter Schlachtnis, daß sic mit den Stadtknechten von Berlin handgemein geworden waren. Der „Mein Rächeramt ist zu Ende," sprach er düster, „allein Kampf schien sich anfangs für die Freibeuter nicht eben nn- ich glalibc, für einen greisen Mann genug gethan zu haben!" günstig zu gestalten; denn wohl wissend, was auf dem Spiele Seine buschigen Braunen zogen sich trotzig zusamnlen. „Gegrüßt, meine Söhne!" rief er noch einmal, dann streckte die greise stand, griffen sie den Feind mit einer Wuth au, welcher der¬ selbe nicht zu widerstehen vermochte. Die Berliner wichen Reckengcstalt sich zum Todesschlummer aus. — zurück, aber freilich nur für wenige Augenblicke. Auch Erich Falke war auf den Hof von Pankow zurückDie starken Mauern der gutsherrlichen Dann aber drangen sic auf allen Seiten wieder vor. geworfen worden. Man sah's, sic waren mit großer Uebermacht gekommen: es Besitzung getvährten nunmehr den Ueberfallenen wenigstens galt, einen verhaßten, unbarmherzigen Feind mit Anspannung einen vorläufigen Schutz. Vielleicht, so hoffte Koppen Richard, aller Kräfte nieder zu schlagen! Das Bewußtsein, in einen war es'möglich, sich hinter ihnen zu sammeln und mit ver¬ Hinterhalt gefallen z» sein, erhöhte indessen auch auf Seiten einter Macht den Dlirchbruch durch die Truppen der Berliner der Freibeuter die Wuth des Kampfes bis zur Verzweiflung. zu erzwingen. Allerdings war die Lage der Eingeschlossenen Allein mehr rmd mehr wurden sie zurückgedrängt, und endlich eine sehr gefährliche, ja, wie sich Koppen Richard nicht ver¬ wurden sie auf den festen Hof der Blankenfelde, das einst¬ hehlte, fast eine hoffnlingslose. Freilich, der alte Hof der malige Besitzthum der Wardcnberg, beschränkt. Ein hoher, Wardenberg konnte im äußersten Falle noch einige Tage ge¬ ritterlicher Mann führte die Stadtknechtc von Berlin vor, es halten werden, denn in der Kunst der Belagerung waren auch war der Bürgernreister Strvband. die Männer von Berlin nicht eben erfahren; aber auf Zuzug Falke zähneknirschend aus.

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zu einem regelrecht bewirthschafteten Forst zu machen.

Eür Forst, im Sinne der heutigen Tages hochentwickelten Forstwissenschaft und Forstwirthschaft, verhält sich zur sogenannten Bauernhaide — es ist nicht immer ein Bauer, der seinen Wald regellos und unverständig oder auch

Prinz Friedrich Carl als Forstmann und Jäger.

gar nicht bewirthschaftet, auch manchem größeren Grundbesitzer ist die Kunst der Waldhege und Waldpstcge ein Buch mit sieben Siegeln — wie etwa ein wohlgepflegter Garten zu einem solchen, dessen Zustand das Bild der höchsten Verwahrlosung darbietet. Daß diese Umwandlung der Haide und Heranziehung derselben zu einem Forst viele Umsicht und Thatkraft, große Sachkenntniß und Liebe und noch niehr finanzielle Opfer erforderte, dürfte auch dem Nichtfachmann einleuchten. Es sind ini Dreilindener Forst — nach dem beim Wannsee bclegenen Jagdhaus Dreilinden des Prinzen genannt, in welchem er und sein Förster wohnte — Wunder¬ dinge verrichtet worden. Es sind öde und wüst gelegene Waldtheile, reine Sandschollen, die zunächst mühsam festgelegt werden mußten, dann durch Zapfensaat oder auch Äiefernballcnpflanzung „bestockt" wurden, in „wüchsige" Bestände übergeführt! Unter Ballenpflanzung versteht man das Einsetzen einzelner Holzpflanzen, deren Wurzeln mit dem zugehörigen Erdbällen umgeben sind. Als großer Freund des Laubholzes, besonders der Eichen, ließ es sich der Besitzer von Dreilinden angelegen sein, seine

(Zum 15. Juni 1886.)

I.

Der „Bär" brachte in seiner Ausgabe vom 3. April d. ein Feuilleton »nt „Erinnerungen an den Prinzen Friedrich Carl", von G. Z. In diesem Aufsatz wird der verewigte Prinz, der Soldat und Feldherr als eine edle Seele in knappen Züge» und in vortrefflicher Schilderung dem geistigen Auge des Lesers näher gerückt. Wen» ich es nun unter¬ nehme» will, den leider so früh Heimgegangenen Helden aus dein Hohenzollernhause als Forstmann und Jäger zu schildern, so glaube ich, damit nicht verspätet zu kommen. Zwar hat die Tagespresse unmittelbar nach deni Hingänge des Prinzen in den Nekrologen und Nachrufen seine Verdienste und Thaten nach den verschiedensten Richtungen hin hervorge¬ hoben. Dies konnte jedoch nur in den allgemeinsten Umrissen erfolgen, da eS nicht Aufgabe und Sache der Zeitungen ist und fein kann. Er¬ schöpfendes über ein solches Thema zu bringen! Ich schicke voraus, daß ich einige Jahre de» königlichen Hofjagden beigewohnt und hierbei auch den Prinzen Friedrich Carl, dem ich eine Zeit lang benachbart war, nahe gekommen bin; denn dieser verabsäumte höchst selten eine Hofjagd. Derselbe war nicht ein „Schießer", dem es darum zu thun ist, recht viel Wild, gleichviel, ob stark oder genug, zu „strecken", sondern ihm gewährte die Jagd nur dann einen Reiz, wenn er möglichst auf „kapitales" Wild „abkommen" konnte. Doch hiervon später; zunächst will ich ihn als Forstmann, richtiger gesagt, Forst Wirth, schildern. Forstmann, im eigentlichen Sinne des Wortes, kann man ihn wohl nicht nennen, da er Forstwissenschaft auf einer der preußischen oder deutschen Forstakademien nicht studirt hatte, und somit ein ausübender und verwaltender Forstmann nicht sein konnte. Um die Wiffenschaft vom grünen Walde zu studire», dazu gehört vor allen Dingen, neben einer liebevollen Hingabe an die Sache, Zeit, sogar sehr viel Zeit, und die ist gewiß einem Prinzen unseres Königshauses, bei den großen anderweitigen Anforderungen, >vie sic an einen solchen herantrete» und herantreten müssen, äußerst knapp zugemessen. Zudem würde es auch nicht den Ueberliefeningen und Grundsätzen gekrönter Häupter entsprechen, ein oder das andere Mitglied ihres Hauses zu einem wirklichen Jünger des Waldes heranbilden zu lasten. Aber Prinz Friedrich Carl war ein praktischer, gediegener Forstwirth, der es verstanden hat, unter Beihülfe seines Revier¬ beamten, des Försters Rosemann, seinen Wald, der vor dem Ankauf durch den Prinzen zum größten Theil wenigstens aus Bauernhaide bestand.

„reinen" Kiefernbestände allmälig in „gemischte" überzufiihren, indein er mit Laubholz durchpflanzen ließ. Nicht nur unsere deutschen Eichen — Sommer-, Winter-, flaumhaarige (pubcscens) und Zerreiche — sondern auch die »ordamerikanischen, wie Huereus rubra und Huorcus coccine«, deren Laub im Herbst eine prachtvolle karminrothe Färbung anitimmt und die dadurch die Einförniigkeit der herbstlich lederbrauneir Blattgebilde uuserer deutschen Eichen auf das Angenehmste unterbrechen, wurden in großer Anzahl angepflanzt. Die jungen Eichen in den Pflanzkampen — Forstgärten — beschnitt der Prinz mit großer Vorliebe selbst, und er fiihrte diese waldgärtncrische Arbeit mit verständnißvoller Umsicht aus. Er stellte deshalb in dieser Beziehung an erstere

seine Forstlehrlinge, welche das Beschneiden der Bäumchen unter seiner

Ueberwachung erlernten, die höchsten Anforderungen.

Wehe! dem Unge¬

ihn traf der ganze Zorn des Prinzen. Daß dieser aber auch sehr gern an den Bodenbearbeitungen sich betheiligtc, davon lieferte sein persönliches Zugreifen und Handanlegen einen Beweis. In eine graue Joppe, die einstmals schön gewesen war, gekleidet, einen großen Hut auf dem Kopfe, dessen breite Krämpen ihn gegen die Sonnenstrahlen schützten, eine derbe Schürze umgethan, so war der Prinz beim Steine¬ schickten,

I

I

auflesen und Zusammentragen beschäftigt, dem er mit einer Emsigkeit oblag, als gälte es das tägliche Brod zu verdienen. Oder er kletterte

auf den hohen Bäumen herum, unr

sie auszuästen.

Ihm war

das süße

447 oder Ersatz war nicht zu rechnen, und die wenigen Lebensmittel im Hofe selbst mußten gar bald zu Ende gehen. In düsterm Schweigen lagen die Männer im Hofe zu Pankow bei einander, — Koppen und Erich mitten unter ihnen. „Es wird doch nichts helfen," sprach Koppen, „wir werden das Gehöft opfern und in Brand stecken müssen, um unter der Verwirrung der Feuersbrunst die Haide zu erreichen. Und noch heut müssen wir versuchen, zu entkommen; — sonst ist uns die Gefangenschaft und ein schimpflicher Tod nur allzu gewiß! Verflucht der Peter Blankenfelde und diese Begierde nach Beute, die uns in dieses Verhängniß gelockt hat!" Der Ritter stimmte dem Geächteten bei. Allein der Muth und die Standhaftigkeit der Eingeschloffenen sollten auf eitle noch schwerere Probe gestellt werden. Ueber den Leichnam Heinrichs von Karow hinweg waren die Stadtknechte von Berlin in die Kirche zu Pankow ein¬ gedrungen. Jetzt begannen sie, das Dach des Thurmes ab¬ zudecken. Frei und offen lag den Knechten dort oben jetzt der Hof des Dorfes als Zielscheibe ihrer Pfeilschüsse vor Augen. Die Armbrustschützen der Freibeuter unterhielten indessen ein wohlgezieltes Feuer auf jeden Kopf, der sich auf dem Dache des stumpfen Thurmes der Kirche blicken ließ, und stundenlang glückte es ihnen, die äußerste Gefahr abzuwenden. Jetzt aber. Nichtsthun ein Gräuel! Da der Prinz ein Verehrer des Tabacks war, rauchte er bei seinen Arbeiten im Forst sehr stark. Der letztere war ihm, als Freund des Waldes und seiner lieblichen Bewohner, des Wildes, ans Herz gewachsen. Um von ihm, nach Möglichkeit, Beschädigungen ab¬ zuhalten, erließ er Maßregeln, die zwar eine gewisse Härte einschlössen, aber, von seinem Standpunkt, als hegender und pflegender Forstwirth, berechtigt waren. So sollte auf keinen Fall Holz aufgelesen werden, da, wie auch die tägliche Erfahrung im forstlichen Betriebe lehrt, es häufig mit dem Holen von Dürrholz nicht sein Bewenden hat, sondern oft, zum Schaden des Forstes, allerlei diebischer Unfug getrieben wird. Bei einem Begang seines Reviers — ein Forstlehrling, der auch Forstauffeher, be¬ gleitete ihn stets bei seinen Waldgängen — traf er eines Tags auf ein altes Mütterchen aus dem benachbarten Zehlendorf, welches, trotz seines erlassenen und allgemein bekannten Verbots, trockenes Holz zusammen¬ suchte. Der Prinz, der unbestreitbar ein rauhes barsches Wesen zur Schau trug, von dessen Herzensgüte jedoch mancherlei Beweise vorliegen, hatte sich vorgenommen, die Alte von ihrem Holzholen gründlichst zu kuriren. Auf einen Wink verschwand sein Begleiter und er machte sich daran, trockene Aeste aus den Randbäumchen einer Kiefernschonung zu brechen. Die alte Frau schien ihn noch gar nicht bemerkt zu haben, denn ohne auch nur aufzusehen, raffte sie sich ihren Tragekorb voll Holz. Der Prinz beschloß nunmehr, sich ihr bemerkbar zu machen, indem er sie anrief und sie fragte, ob sie sich denn nicht vor dem Prinzen Friedrich Carl und seinen Jägern fürchte. Sie wisse doch gewiß, daß das Holz¬ holen streng verboten sei. „Ach Jotte man doch, davon weet unser eener ja nischt. Wenn nu der strenge Kirl, der Prinz, kommt, denn muß ick gewiß Strafe bctahlen und wir sinn man so arm. Wovon soll ick det Jeld hernehmen. Aber Se stehl'n ja och Holz. Wir kennen ja tosammen uffpassen, det Er uns nicht kriegt. Wer Ihn zuerst kuckt, gibt dem annern een Zeichen!" Der Prinz — Holzdieb war damit einverstanden und Beide machten sich wiederum an ihre Arbeit. Es dauerte auch nicht lange, als der Jäger, der das Gespräch im Dickicht, in welches er sich gesteckt, nicht mit angehört hatte, aus diesem heraus und auf die Alte zutrat. „Kreuzmillionen Donnerwetter" fuhr er diese an, „wißt Ihr denn nicht, daß hier kein Holz geholt werden darf. Der Prinz befindet sich in nächster Nähe und Ihr habt die Frechheit, ruhig weiter zu stehlen. Ich werde Euch aber die Lust dazu für immer vergällen. Wie ist Euer Name und wo wohnt Ihr?" Die Alte, darüber entrüstet, daß ihr der Mann, in der grauen Joppe und dem großen Hut, kein Warnungszeichen gegeben und sie schmählich im Stich gelassen, fing auf diesen zu schimpfen an, daß er sich aus dem Staube gemacht und sie vielleicht noch angezeigt habe. „So'n verdammten Kirl, stehlt och un reißt dann ut." Der Forstbeamte,

;

als die Soirne hillter dein Walde im Westen versank, inachte der Feind mit seinem Angriffe Ernst. Wie Schlossen im Hagel¬ wetter prasselten die Pfeile in den Hof, welcher sich schnell mit Verwundeten füllte, und jetzt flogen auch Pechkränze, bläulich brennend, von dem Thurme auf das belagerte Glltsgehöft hinab. So sehr sich die Führer allch bestrebten, Ruhe und Ordllung zu bewahren: es war jetzt nicht inehr möglich. Koppen Richard rüstete sich daher, über den Fiilkenheerd in ben Wald zu dringen, denn die Gebäude der Vorderfront befanden sich bereits in Flammen. Der aufwirbelnde Rauch mochte, wie mau hoffte, die Flucht der Belagerten wenigstens der Hauptmacht verdeckeil. Aber zu halten, — das sahen alle, — war der Hof gegen Der diese Gewitterschauer von Bolzen uild Pfeilen nicht ulehr. Raubzug nach Pankow war völlig mißglückt. Es dunkelte jetzt. Auf dem brennenden Hofe lagen Ver¬ wundete in Menge; — man versuchte, dieselben durch die Hecke am Finkenheerde in ben Wald zu bringen, uiil sie nur wenigstens nicht den: qualvollen Feuertode zu überlassen. „Eitles Bemühen!" sprach Erich Falke in finsterer Ent¬ schlossenheit. „Sie sterben hier oder dort! Quartier erlangeil sie doch nicht! Wir habeil den Männern drüben ja auch keins

gewährt!" —

„Kirl"

aufincrksam gemacht, fragt, wie dieser ausgesehen und er gegangen sei. Als die alte Frau gerade im besten Fluß ist, ihm eine Beschreibung des Mannes zu liefern, erscheint „Da ist er ja, der auch mit Holz gestohlen hat", auch der Prinz wieder.

auf diesen

nach welcher Richtung

so

„Wer? Herr Gott, das ist ja Se. Königliche Hoheit!" Vor Schreck wäre dem Grünrock bald das Gewehr aus dem Arm gefallen. Lächelnden Angesichts machte der hohe Herr diesem Auf¬ tritt ein Ende. Mit offenem Munde hatte die Alte die Erklärung des Forstbeamten angehört. Ein solches Erlebniß hatte sie sich gewiß nie¬ mals träumen lassen. Sie mit dem strengen „Kirl", dem Prinzen Friedrich Carl, zusammen Holz gerafft, das grenzte doch gewiß an's Un¬ glaubliche! — platzt die Alte heraus.

Mit einer eindringlichen Warnung des Prinzen, nie wieder aus seiner Heide — der Ausdruck für Wald seitens der Landbewohner — Holz zu holen, entließ er sie, indem er ihr das Versprechen gegeben und sie ihm Name u. s. w. genannt hatte, etwas für sie thun zu wollen. Am nächsten Tage war die alte Frau im Besitze von zehn blanken Thalern und mehreren Metern Brennholz. In jedem Jahr wiederholte sich diese prinzliche Gabe an Geld und Holz, bis ihr Tod dem ein Ende bereitete. Nicht ohne Thränen des tiefsten Dankes gedachte die Alte des „verdammten Kirl", wenn die Rede zuweilen auf den Prinzen kam. — Den hohen Entschlafenen als Jäger und Waidmann zu schildern, erübrigt nur noch. Seine Schußlisten vom Jahre 1848 bis zum Jahre 1885 weisen auf: 11 521 Stück Wild. Unter diesem befinden sich 1 Auer¬ ochse, 12 Stück Elchwild, 10 Gemsen, 1077 Stück Nothwild, 1997 Stück Damwild, 593 Stück Rehwild, 797 Stück Schwarzwild, 4709 Hasen, 8 Auerhähne, 1952 Fasanen, 2 Bären, 7 Wölfe, 3 Luchse, 2 Wild¬ katzen, 2 Ichneumons, 15 Schakale, 323 Füchse, 1 Pelikan u. s. w. Den ersten Hirsch schoß der Prinz im Juli 1848 im Potsdanier Wild¬

•-

II.

Juni des vorigen Jahres im Dreilindener hirschgerechter Jäger, dem die Hege und ein Er war 15. Juni). (-ß Pflege seines Wildstandes, den er sich mühsam herangezogen hatte, über das Erlegen desselben ging. Als Mitglied des „Märkischen Forstvereins" und des „Allgemeinen Deutschen Jagdschutzvereins" bethätigte er gleich¬ falls sein großes Interesse an Wald und Wild. In einer Waldeskapelle, umrauscht von dem geheimnißvollcn Säuseln, Wogen und Wehen der Waldeskinder ruht er aus, während die Wogen park, den letzten Rehbock am Forste,

!

! !

!

!

der märkischen blauen Havel das Gestade des Waldes sanft bespülen. Um Mitternacht aber, wenn die Thürme des nahen Potsdam die geheimnißvolle Stunde verkünden, erschallt des Jagdhorn's Ruf: „Frisch auf zum fröhlichen Jagen!" geblasen durch Geistermund. H. Hachö.

448



Die Flammen griffen in dem alten Hofthurme zu Pankow jetzt mit reißender Schnelligkeit um sich. Koppen Richard ordnete die wenigen, noch übrigen Knechte zum Auszüge. Auf jedem dieser von den Flammen röthlich bestrahlten Gesichter lag ein leiser 9tuf des Schmerzes dicht

Ohne ein Wort zu

Hauptmann. Er wendete sich um und eilte mit den Worten: „Barmherziger Gott!" auf seine Gattin zu, welche den Verwundeten soeben noch einen kühlenden Trunk zugetragen hatte. Frau Anna war zu Boden gesunken; — aus ihrer Brust schoß ein Blutstrom; — ein Pfeil hatte sie tödtlich getroffen. neben dem finster blickenden

In

sprechen,

Falke von der Leßnitz, als

knieten Koppen Richard und Maria von

nieder.

Die bleiche,

sie die

ir Fior-LiiA“. ir 9 3.

Na/Üs j{°

ihr

schöne

-

5

3

.

sprach

leise,

sie

dunkle Tegeler Haide erreicht

hatten. „Seid ein Mann, Koppen, und schenkt Eurer Gattin im Walde eine Ruhestätte!" — Sie hielten auf einer

dort wurde für Frau Anna, die Tochter des stolzen Thilo v. War¬ Höhe;

Frau reichte den Beiden die Hände. „Rettet euch," so

Koppen neben Erich

„Rach Westen!" hatte der Ritter den Knechten zugerufen. „Wir müssen suchen, über die Spree zu entkommen!" — Zu ihren: Staunen bemerkten sie, daß der Feind ihnen nicht folgte. „Wir müssen uns fassen!" sprach endlich Erich

Schmerze

neben

ritt

Falke dahin.

grenzcnlosein

Wardenberg

mit der Linken auf

dem Rosse haltend und mit derselben Hand zugleich fest die Zügel führend, gelangte er zur Schaar Erich Falke's, welche Er rief nach seinen sich langsam in die Waldestiefe zurückzog. Knechten: nur Henning fand sich zu ihm; auch der getreue Hans war gefallen.

die Entschlossenheit des Todes.

Da plötzlich ertönte

den blutenden Körper seiner Gemahlin

„ich

sterbe gern; — nie hätt' ich diese furchtbaren Bilder

denberg, die einsame

aus dem zerstörten Hause

nun nichts mehr an dieses Leben;" sprach Koppen

meiner

Väter

können! Schütze euch Gott! — Gehet außer Landes; die Heimath

ist

euch

auf

Da fiel

ja

der

gangenen. unterbrach

er

Heimge-

„Doch sich

ja!" selbst.

wird unter¬

„Auch

sie

gehen,



So lang' athme,

Herzen gelegen hat!

Es waren Augenblicke, in welchen das Verderben seine majestätische Größe voll entfaltete! Dort wir¬ belten die Flammen hoch

sein Blick auf die

Schwester

Opfer

ein

meines friedlosen Lebens!

deinem

Ein heller Licht leuchtet mir jetzt, als vorher!" —

nachdem

die Leiche eingesenkt war.

nicht so sehr; — ich weiß

was

düster,

Richard

nun auch für immer ver¬ loren! Rein, Koppen, — bringe mich nicht zu Roffe; laß' mich hier! Lebe wohl! Maria, sei still und weine jetzt,

„Mich feffelt

gegraben.

vergessen

Gruft

Albe rtvs

fridertcvs Me he man berohnensis

Märchita, Simonis

Icti

REComill/E Stecimen.et

Fiuvs, EWDiTioNis

YatesMelüflüus

Älbert Friedrich Mellemaun.

auf; — die Beschießung des Hofes hatte nun auf¬

.

ich

will

selbst noch ich

sic

wenigstens schützen,

das

fteund-

und

Weib!" — Es war

schutzlose

ganz finster

im Walde von Tegel; — eine Fackel hatte ihnen bei

ihrer traurigen Beschäfti¬

gung geleuchtet. Jetzt trat Erich Falke auf den Ver¬ (Zu dem Aufsatz über lateinische Dichtung in Berlin.) gehört. Dort lagen Todte, bannten zu und inahnte — dort noch Verwundete, ihn: „Zu Roffe wieder, welche mit dem Gleichmuthe der Verzweiflung ihr Geschick erKoppen! Wir müssen uns nach meinen Burgen retten! Sehet lvarteten. Dort sammelte Erich Falke noch Krieger, um sie durch über den furchtbaren Tag hinweg, so gut Ihr könnet; — ein (* Berlin 1558).

das verwachsene Thor des Hofes in's Freie zu führen, — in den dunkelnden, bergenden Wald. An der großen Pforte aber gegenüber der Kirche klangen Trompetenfanfaren; versuchten sie zu erbrechen: Eile

war

die Feinde

also vor Allem geboten!

Wohl ivußte Koppen Richard, daß er eine Todte vor aufs Roß hob; allein er vermochte es nicht über sich, theuren Leichnam den Flammen zu überlaffen.

„Maria,"

— sich

den

sprach

„halte dich dicht neben mir!" Dann sprengte er den davon¬ ziehenden Reitern nach. Jetzt war noch das Thor frei; — jetzt aber nicht mehr! Allein mit furchtbaren Schwcrteshieben machte der Hauptmann für sich und seine Gefährtin Bahn; er,

;

Verfesteter muß ja auf Alles gefaßt sein! Unser Verlust ist freilich schwer, fast unersetzlich! Aber, wenn wir untergehen sollen, so wollen wir tvenigstens als Männer sterben." Sie ritten schweigend weiter. Auf einer Furth oberhalb Spandau's wurde die Spree überschritten. Endlich, endlich nahm der Wald ein Ende; die Geächteten traten auf die Straße nach Spandau hinaus, von deren Höhe man das Thal weithin überschauen konnte. Im Osten der Havelseen wollten sie bis Potsdam sich durchschlagen; die Herren v. Rochow, — das dursten sie mit Recht erwarten; — würden ihnen den Uebergang über den Strom nicht verwehre::, und dann war e§

449 möglich, noch vor den Berlinern die Nutheburgen zu erreichen. Mißlang freilich der Zug, so war Alles verloren. Sie überschritten den breiteir Heerweg. Da hielt Erich Falke plötzlich sein Roß an. „Koppen," sprach er, „blicket nicht

so düster

vor Euch hin; —

schauet nach Osten

;

es scheint

uns eine Hülfe gekommen zu sein, an welche wir nicht gedacht haben! Sehet den gewalttgen Feuerschein dort: er kann nur herrühren von dem brennenden Berlin!" Wie mit Zauberkraft wirtte das Wort auf den Mann, welcher soeben die sterbliche Hülle seiner Gattin dem Schooße der Erde übergeben hatte; — wie mit Zauberkraft auch auf

die Kilechte, welche deir beiden Führern folgten.

machten neben der Heerstraße

In

Die Reiter

Halt.

düsterm, aber immer noch blaffem Roth schimmerte

Horizonte. Jetzt jedoch schoß es auf wie helle Lohe; Feuergarben sprühten um die dunklen Thürme von Berliit. Durch die stille Nacht hin erklang deutlich das Stürmen der Glocken: Auch von deu Thürmen der mit Berlin eng verbun¬ „Zurück denen Stadt Spandau ertönten jetzt die Feuerzeichen. es am östlichen

iu

den

Wald!" rief

Erich Falke.

eilten Kampf an zunehmen!" — noch

„Wir

sind zu schwach, um

diesem unglückseligen

l0.

August auf¬

(Fortsetzung folgt.)

Lateinische Dichtung, sowie tateinische Dichter in Derlin und in -er Mnrlr^). „O felix Lenin et tua filia Chorin! Es ist ein fast noch völlig unbebautes Land, auf welches Ex te est orta Nova Cella et Caeli porta !“ Berlins und lateinische Dichtung die nachfolgenden, die gelehrte — möge „Glücklich, o Du, Lehnin, und Deine Tochter Chorin! hinführen; Versuche der Mark Brandenburg behandelnden ihnen daher eine wohlwollende Beurtheilung trotz ihres fragmen¬ tarischen Charakters zu Theil werden; — vielleicht ist eine solche durch die Schwierigkeit des einschlägigen Gegenstandes einiger¬ maßen gerechtfertigt!

Durch Dich entstand Neuzelle und Himmelpforte!" Ich stehe nicht an, diese Inschrift für das älteste Denkmal lateinischer Poesie zu halten, welches uns in der Mark geblieben ist; wir treffen hier bereits den leoninischen Vers an, — jene angeblich nach dem Papste Leo II. benannten Dystichen, deren Glieder sich reimen, und welche noch im 18. Jahrhunderte gebräuchlich gewesen sind**). Dies nur ein Beispiel derartiger kirchlicher Inschriften, welche in gereimter Form ziemlich selten sind, gerade aber zu Lehnin in Fülle sich befunden haben mögen. Allein dieselben treten uns nicht nur in Klöstern und Kirchen, an Mauerbögen und auf Bildern entgegen;-sie laffen sich besonders häufig — häufig im Verhältnisse zu ihrer überhaupt sehr

verlangt vorerst eine Auseinandersetzung über den Umfang des Stoffes; d. h., wir muffen uns die Frage vorlegen, was wir als zugehörig zur lateinischen Dichtung der Mark betrachten dürfen. Je nach der Beantwortung dieser Frage erhalten wir entweder ein sehr weit oder ein sehr eng bemeffencs Gebiet der lateinischen Poesie in der Stadt Berlin und in der Provinz Brandenburg. Denn größere Dichtwerke in lateinischer Sprache sind in der —, auf Glocken nachweisen. So z.B. steht Mark nur sehr wenige entstanden; — schier unzählbar aber ist die .beschränkten Anzahl zu Jüterbogk auf einer campana des 14. Jahrhunderts: Menge der Inschriften, — der Inschriften von Haus, Geräth und „Jesu magne, Gruft, welche hier zu Lande einst in lateinischer Sprache verfaßt Dei agne, worden sind. Gehören die letzteren mit zum Gebiete der lateinischen dignare Tu bejaht werden! entschieden Frage muß meine, diese Poesie? Ich salvare!“ Nos wir's ja auch Literaturgeschichten finden deutschen In den besseren erlöse uns gnädiglich!" sanges¬ Gottes, Jesu, Dame dem Lamm geliebte „Großer die B. D. wenn aufgefaßt, als Poesie h.: z. westlichen Havellande die im Radewege zu läßt: trifft man Worte einätzen So Schwert die das rohen Ritter auf Inschrift von 1587 an: „Kunrad, vielwerther Schenke „En ego campana, Von Winterstetten hochgemut; Nunquam denuncio vana; Hiebi Du mein gedenke; Landn Deum verum, La' ganz decheinen Eisenhut!" Fiebern voco, congrego clerum!“ die einem wir Hause an und es ist in Wahrheit Poesie, wenn Glocke! Niemals diene ich leerem, eitlem die hier bin ich, „Sieh', Inschrift lesen: Gott, rufe das Volk und sammle wahren lobe den feste Zwecke! „Wir bauen hier so Ich — die pedantische Zeit, wenn zu bezeichnet Geistlichkeit!" Es die Gäste; Und sind doch ftemde Kreise diese einfache Inschrift, Beeskow-Storkowischen Selchow im sollten sein, Und wo wir ewig hat, — wenn dies angeknüpft bekanntlich Schiller welche an wir uns wenig ein!"

Die Natur

desselben

Da bauen Demnach möchte ich das weite, große Feld, auf welches ich in dem Folgenden anregend hinzuweisen mir erlaube, durch einen Grenzrain theilen: es giebt bei uns Brandenburgern eine lateinische Poesie der Inschrift und der Schrift, — wenn man will,

des

Druckes, —

phisch niedergelegte

Die

monumentale und lateinische Poesie.

eine

eine

lateinischen Poeten, welche ihre Verse auf

bibliogra¬

Stein

oder

in Erz verewigt haben, genießen von denen, die auf Pergament oder Papier geschrieben haben, natürlich stets den Vorzug der Priorität. Nun sind zwar im Allgemeinen lateinische Inskriptionen mit Ausnahmen der Grabstein-Legenden sehr selten bei uns; sie fehlen aber doch auch nicht ganz. Ich erinnere hier zuerst an Inschriften in märkischen Klöstern, wie z. B. an das bekannte: *) Ein Bortrag, gehalten im

Verein für die Geschichte Berlins."

schlichternste:

„Vivos voco, Mortuos plango,

Fulgura frango!“ rufe die Lebenden, ich klage um die Todten, ich breche die Macht der Blitze!" — in das pomphafte, fast lächerlich klingende Dystichon umgewandelt wird: „Fulsibus auditis concurrite, Selch ovienses, Et ferte in templo hoc vota precesque Deo !“

„Ich

B. findet fich dies Versmaß während des 17. Jahr¬ hunderts noch in der berüchtigten Lehnin'schen Weissagung, auf welche wir heut nicht näher eingehen wollen: „Nunc tibi cum cura, Lenin, cano sata sutura.“ „Jetzt künde ich Dir, o Lehnin, mit Sorgfalt Dein künftiges Schicksal."

**) So

z.

450

„Hört Jhr's läuten, dann

kommet, o Männer und Frauen von Selchow, und bringt in dieser Kirche Gott Gebete und Gelübde dar!" — Doch ist im Allgemeinen die inschriftliche lateinische Poesie der Glocken eine überaus schlichte. Sie ist bei uns geübt worden bis in die neueste Zeit; ich entsinne mich, aui den Glocken von St. Michael zu Berlin als Knabe lateinische Reime gelesen zu habe», von denen der eine begann: „Gemma fulget Ecclesiae,

„Wie

Hedwigis, ductrix Slesiae!“ glänzt sie,. Hedwig, die

Edelstein

ein

Herzogin von

Schlesien" u. s. w. Nicht in gleicher Häufigkeit begegnen wir lateinischen Neimen anderem kirchlichen Geräth, z. B. an Taussteinen und Kelchen. an sind Hier im Lateinischen meist die Worte der heiligen Schrift in Prosa nach der Vulgata gebraucht, während im Deutschen sich häufiger gereimte Inschriften finden, z. B. das bekannte „Ik heete eene dope voerliken; Ik doepe den armen as ok den riken“, welches

in unserer Stadt

sich

:

!

an einem der älteren Taussteine

befindet.

Zu der nwnumentalen lateinischen Poesie der Mark gehört ferner jene sehr große Anzahl der in lateinischen Reimen verfaßten Grabinschriften, welche dem l5. bis 18. Jahrhunderte entstammen. Es ist unmöglich, auch nur die wichtigsten und gedankenreichsten Inskriptionen hier anzuführen; mein Bortrag kann nur mahnen, dieselben einmal mit der nöthigen epigraphischen Treue zu sammeln. Es ist dies ein lohnendes Unternehmen; man findet viel wahre Poesie in ihnen, freilich auch viel überflüssigen Weih¬ rauch, viel leeres Wortgeklingel! Fast alle diese Inschriften, welche geschichtlich oft von hohem Werthe sind, folgen dem elegischen, einige dem asklepiadeischen Versmaße. Ich will hier nur zwei derselben wiedergebe»; die eine ist die überaus düstere Grabschrist, welche dem Bischöfe Dietrich von Lebus im Fürstenwalder Donre gesetzt ist; dieselbe lautet: , chlorten» vivit Iiorno nt debilis oppetat; Ut vivat, moritur perpetuusque homo. Mundus, divitiae, stemmata transeunt;

dieser

:

1

At virtus, vitiuin, factaque pristina Seetantur gelidae mortis imaginem. Sis nostro, volumus, dogmate cautior, Leetor, disee mori et vive perenniter!“ Auf deutsch:

„Der Schwache lebt, daß er sterbe; er stirbt, daß er ewig lebe! Welt, Reichthum, Adel vergeht! Tugend, Laster und der Thaten Bergangenheit folgt dem Bilde des eiskalten Todes. Werde, o Leser, durch diese Wahrheit klüger! Lerne sterben und lebe ewig!" (1523).

Man bemerkt hier bereits den Einfluß der klassischen Bildung, — der leoninische Vers ist gemieden; Asklepiadeen vertreten ihn. Eine andere, ungleich geringerwerthige Inschrift entnehme ich der Unzahl der hier zu Berlin vorhandenen, um hinzuweisen auf einen sehr wenig bekannten,

Rath Gregorius Bagius,

mir

desien

fast räthselhasten Kurfürstlichen prächtiges Grabmal mit der er

haben ausgearbeiteten Figur des Verstorbenen sich in dem Gange unter der Orgel von St. 'Nikolai befindet. Die Inschrift lautet: „Gregor! jaeet hac Bagi sub molo cadaver, Natali rapuit quem fern Parea die! Credidit huic quidquid secreti Marchio babebas. 11nsus consälio saepius usus erat; Et quia non eoluit te fieto pectore vivus, Hüne tecum petimus vivere, Christe, sinas!“ D. h.: „Unter diesem Steine liegt der Leichnam des Gregorius Bagius, welchen die unerbittliche Parze an seinem Geburtstage dahinriß. Jedes Geheimniß vertraute der Markgraf diesem Manne

!

an; seinen Rath benutzte er wiederholentlich; und weil er Dich, o Christus, bei seinen Lebzeiten mit aufrichtigem Herzen liebte, so laß ihn, wie wir bitten, mit Dir ewig leben!" Doch, wie gesagt, die Fülle solcher Grabschriften ist Legion! Recht dringend aber sei hier noch einmal dazu gemahnt, dieselben zu sammeln; — diese mühevolle und nicht eben leichte Arbeit muß stets eine der hervorragendsten Pflichten eines historischen Vereins Ziehen wir das rhetorische Superfluum ab: cs bleibt in sein. solcher Sammlung doch stets noch ein sehr bedeutender Rest wichtiger geschichtlicher Daten übrig! Sind diese Grabschriften naturgemäß Enkomien der Todten, vielleicht auch des Stammes und Geschlechtes der Letzteren, — eine Eigenschaft, welche ihnen mit den vielen, in unseren alten „Leichpredigten" enthaltenen lateinischen, ja selbst griechischen Dichtungelt gemeinsam ist, — so enthält die lateinische Poesie der Marken auch der Panegyrici auf Lebende genug. Und wo wir dieselben finden? — Auf den ersten Blättern, am Eingänge der älteren, trefflichen Druckwerke der Mark! Ehe der Autor beginnt, läßt er sich in hyperbolischer Weise besingen: — das war nun einmal der alte stehende, wohlbekannte Brauch! Die Zahl der hierher gehörigen lateinischen Dichtungen geht noch über die der Grabschriften hinaus. Wie schamlos oft dergleichen Poesien sind, davon nur ein Beispiel! Vor Thurneissers „historia plantarum“, über dem prächtigen Bildniß, welches der hochbegabte Berliner Meister mit dem Monogramm P. F. geschnitten hat, steht nebst griechischer Uebersetznng folgendes Carmen: „8! faciem cupias et membra decora videre, Thurneisiy, hac eädem picta tabella refert. Doetus Apolle fuit, eaelo depingere doctos, Cuius in haue arten» tarn fuit docta manus. lllius hie saltem potuit proferre figuram, Qui queat Ingenium pingere nullus erit. Est enirn variis virtutum dotibus auctus, Artibus insignes praestat in orbe virös. Innumeras terras adiit juvenilibus annis, Saepius invieti militis arma tulit. Inque toga studuit mysteria maxima rerum Nosse, quibus multis gloria magna venit. Huius tu monumenta legas atqne ordine lustres, Si cupis ingenii certior esse sui;“ d. h. aus deutsch: „Wünschest Du das Antlitz und die herrlichen Glieder Thurneissers zu sehen: dies Gemälde zeigt sie Dir! Der war gelehrt von Apelles, dem Himmel die Gelehrten zu malen, desien Hand zu diesem Werke so geschickt war! Er konnte doch wenigstens dessen Antlitz uns bringen, desien Geist niemals Jemand in genügender Weise zu schildern im Stande sein wird. Denn durch das Geschenk vielfacher Tugend ist er bereichert; durch Kunst übertrifft Thurneisier selbst die Trefflichsten auf dem Erd¬ kreise! Unzählige Länder suchte er in jugendlichen Jahren auf; häufig trug er die Waffen eines unbesiegten Kriegers! Im Frieden bemühte er sich, die tiefsten Geheimnisie der Dinge kennen zu lernen, wodurch vielen Männern hoher Ruhm gekommen ist. Lies nun hübsch ordentlich, was er geschrieben hat, wenn Du seines Geistes Hauch verspüren willst." — Ich meine, gegen den paus¬ backigen Jungen solcher Reklame ist die von heut zu Tage, um Berlinisch zu reden, —• nur ein Waisenknabe! Ich kann indessen nun aus diesem genus lateinischer Poesie noch ein völlig anders geartetes Beispiel anführen. Wolfgang Rehdorser, Doktor der Dekretalien, der berühmte Lebuser Domherr, hat im Jahre 1514 zu Frankfurt a./O. ein „Viaticum Lubueense“, d. h. eine Ordnung des Gottesdienstes in dem Stiftssprengel von Lebus, herausgegeben. Das Buch enthält ein lateinisches Akrostichon; — die Anfangsbuchstaben der Verse ergeben den Namen „Wolfgangus Redorfer". Aber wie leichtgeschürzt tanzen hier, unter

451 dem

geistlichen Krummstabe

die

Musen dahin!

In

advnischcm j

Maße lauten diese Verse:

„Usque adeone Omnia mordes,

Livide censor? Fronte funesta Garris inepte!

!

At probe gesto

Nil

sine causa! Grande nefas est, Vollere barbam, (Siste) tonanti! —

Rem fero sacram! Esse ministrum, Di voluere, Omnibus aequum! Rectius ipse

Fac meliora! En facile omnis Roditur absens’“ Ich übersetze: „Also fort und fort begeiferst Du Alles, gries¬ grämiger, gelbsüchtiger Kritiker! Mit düsterer Stirne schwatzest Du Unsinn! Ich aber thue nichts ohne Ursach'! Große Thorheit ist es, dem Donnerer Zeus den Bart ausraufen zu wollen! Laß' davon ab! Ich bringe ein heilig Ding, — die Götter wollten, daß ich ein allen Menschen, ein gern bereiter Diener sei! Mache es selber bester! Siehe, wie leicht ist's, den Fernen zu tadeln!" Darunter steht noch: „Esto procul duplex!“ — „Keiner pfusche mir in's Handwerk!" Ich habe in dem Vorstehenden nur wenige Proben der lateinischen, epigraphischen Poesie in der Mark geben können; das Gebiet ist, wie Sie sehen, überaus umfangreich! Nur eins möge noch erwähnt sein: lateinische Inschriften an weltlichen Gebäuden in der Mark sind mir bis auf das Zeitalter Friedrichs des Großen und bis auf seine berüchtigten Worte „Nutrimentum Spiritus“ und „Laeso sed invicto militi“, in welchen „Spiritus“ == „animi“ und „Laeso“ — „vulnerato“ sein soll, nicht eben häufig vorgekommen. Nicht an Thoren, nicht an Schlössern, nicht an Bürgerhäusern! Gern warte ich der Belehrung: ich kenne nur das berühmte:

„Haec urbs promeruit, quae Brizia fida vocetur. Belli temporibus Principi fida fuit!“ am Rathhause zu Treuenbrietzen: „Wohl darf diese Stadt die getreue genannt werden. Sie war in Kriegszeit ihrem Fürsten getreu!" Ich kenne ferner nur die Inschrift über dem Weinkeller des Rathhauses zu Frankfurt an der Oder:

„Hie gallus vinum tenet immixtum peregrinum!“ — »Hier hält der Hahn" (das Wappenzeichcn der Stadt) „unge¬ mischten, fremden Wein seil;" — allein ich zweifle keinen Augen¬ blick, daß dichterische, lateinische Hausinschristen auch bei uns einmal in Menge vorhanden gewesen sind; — sie sind der Zeit indessen

sammt und sonders, wie es scheint, zum Opfer gefallen. Indessen finden sich wohl noch einige derselben in unseren alten Skribenten erhalten. dem Steinbrechcrschen Hause in der Klosterstraße Hierselbst, neben der Kirche rechts, stand z. B. erst

fast

In

deutsch:

„Im Jahre nach Christi Geburt 1593 Freitags nach Visitationis Mariä habe ich M. Joachim Steinbrecher u. s. w. diese drei Thüren und vier Getnächer bauen lasten. Gott gebe, daß sie meine herzallerliebsten Kinder besitzen mögen in Ehre und Gesundheit, und helle er mir um seines Sohnes Verdienstes Willen zu sich! Der Alte wird wohl vielleicht vergessen sein;

:

— nach dieser herzersreucnden Periode fügte der ehrenfeste Lehnssekretarius indessen lateinisch noch die Worte hinzu: „Non minor est virtus quam quaerere parta tueri!“ „Es ist nicht geringere Tugend, Besitz sich zu erhalten als ihn zu erwerben!" Die Epigraphik Berlins und der Marl liegt übrigens noch völlig im Argen. Jetzt endlich zu jener Art von lateinischer Poesie, die um ihrer selbst willen da ist, die auf dichterischer Conception beruht, die sich aus dem Reiche des Monumentalen in das des Idealen erhebt!

Als die niedrigst stehenden der hierher gehörigen, lateinischen Dichtungen möchte ich bezeichnen: Chronodistiche», 2. Versus memorialis jeder 3. Wahlsprüche. 1.

Art,

Von allen einigt Beispiele! Chronodistichcn in der Mark sind sehr alt. Ihr Wesen besteht bekanntlich darin, daß in den lateinischen Versen jeder Buchstabe, der eine Zahl bedeutet, als solche gerechnet wird. Z. B. 11 as Labor Ottonls ConstrVXIt Caesarls aras QVae sVnt e.X portls, DIVe NICLao, tVIs! Das Distichon lautet übersetzt: „Die Altäre, welche vor den Thoren stehen, hat Dir, o heiliger Nikolaus, der Eifer des Kaisers Otto errichtet!" Die Zahlenbuchstaben ergeben das Jahr 952, und die versus sollen bedeuten, daß Kaiser Otto der Große zu jener Zeit die St. Nikolauskirche außerhalb der Mauern von Tangermünde erbaut hat. Auch dergleichen Chronodisticha giebt es unzählige, oft für die allergeringfügigsten Ereigniste im Lande Brandenburg; die Chroniken starren von ihnen, und meist waren es Schulmänner, oft selbst Magister der kleinsten Städte, welche sie verfaßten. Doch weiter — die versus memoriales! — Das Jahr 1348 war bekanntlich eins der unglücklichsten für das gesammte deutsche Reich; man hatte über dasselbe in der Mark die folgenden Verse, welche z. B. im Augustinerkonvente zu Königsberg in der Neumark an der Wand sich befanden, verfaßt: * „Pestis regnavit plebis quoque miiia stravit, Contremuit tellus populusque crematur Hebraeus.

Insolitus populus flagelat sese seminudus.“ alter Uebersctzung: „Die Pest regiert, bracht viel umb's Leben, Das Erdreich thut auch ganz erbeben; Der Juden wurden viel verbrairnt. Die Geißler sich man streichen fand." Poetisch haben natürlich diese versus Memoriales und Chronodisticha nicht den mindesten Werth. Anders schon steht es mit den Symbolen oder Wahlsprüchen berühmter Männer; auch sie

In

sind noch nicht gesammelt, obwohl dieselben Viel Gutes enthalten.

Ich führe hier nur drei derselben an: Der berühmte brandenburgische Staatsmann Erasmus Von Seidel hatte, um sich in Gefahr zu trösten, die schönen Distichen geschrieben:

„Et

in pelago mediusque tuetur in undis, constanti non nescit filiere Corde. fide Deo, pia mens, spe pelle timorem! ventos,. prece victus, Jova faventes“ „Bütten auf dem Meere und in den Wellen schützt Gott die, welche festes Herzens ihm anveltraucn! Traue also Gott, frommer Sinn; vertreibe durch Hoffnung die Furcht! Durch Dein Gebet besiegt, wird Jehova günstige Winde senden!" — Und ein anderer Deus Quos sibi Ergo age, Ipse dabit

Seidel, Martin Friedrich, gleichfalls geheimer Rath, der Sammler der Brandenburgischen Berühmtheiten, erwählte sich das Symbol: „Interea, o cives, patiar, quaecunque jubebit, Servator, Christus, spesque, salusque mea.

452 und veredelten. Der Schulmann, der Theologe dichtete lateinisch ex professo; es ist wahrhaft bewunderungswerth, wie Manchem von ihnen der lateinische Vers gelang! Eins aber erklärt uns diese Vorliebe für die Musen, — diese Neigung zu stiller Beschäf¬ tigung vor Allem: der Gelehrte stand trotz der oft ausgesprochenen gegentheiligen Meinungen damals viel sorgen- und viel arbeits¬

Sät scio, nec fallor, summi promissa tonantis. I patiens, dixit, tu modo Victor eris! — Victor ero, cum mundus erit uil praeter abyssum, Et rnigro lato laetior inde meo!“ „Geduldig will ich, o Mitbürger, leiden, was mein Heiland Christus, mein Erlöser und Erretter, rnir auferlegen wird! Ich kenne das Wort des Donnerers oben im Himmel auf's Sicherste. „Geh'," so sprach er, „geduldig dahin; — bald wirst Du Sieger sein!" Ja, ich werde Sieger sein, wann die Welt nichts sein wird alt' ein Abgrund, und froh über mein Geschick ziehe ich von dannen!" So sahen Staatsmänner des 16. und 17. Jahrhunderts das Und ein Arzt jener Zeit, der Leib¬ Leben hier auf Erden an! medikus Martin Weise, ein ganz vorzüglicher Mann, gestorben im Jahre 1693, wie die Herren von Seidel ein Berliner, — man findet in der St. Marienkirche sein Grabmal, — er singt seinen

freier da, als jetzt! Lese man bei König jene Besoldungen nach, welche Geistliche, Räthe, Doktoren der Medizin im 16. und 17. Jahr¬ hundert enipfingen; sie sind nach Maßgabe des Geldwerthes viel reichlicher bemessen, als die unsrigen; nur die „Schulkollegen" jj

„Nec meliora volo, nec deteriora recuso, 81 tua cor satiat gratia, Christe, meum! Hac sola eontentus ero, nil amplius opto, Unica pro toto sufficit illa mihi!“

lateinisch zu dichten.

Ich kann hier nun unmöglich alle einzelnen lateinischen Poeten auszählen, welche seit jenen Tagen bis etwa zum Schlüsse des 17. Jahrhunderts in den Städten der Mark gelebt haben; ein Vortrag, — ich wiederhole es, — will nur anregen; er kann bei der mir zugemesienen Zeit nicht das Mindeste erschöpfen. Hier Man wähle hier, man wähle dort ist das weite, weite Feld!

ich weigere mich auch des Här¬

nur Deine Gnade, Christus, mein Herze sättigt! Sie allein genügt mir; nichts will ich weiter; sie ist mein Ein testen nicht, wenn

und

Alles!" Alle

diese Wahlsprüche beweisen,

wie sehr einst in unserer

Stadt die Liebe zur lateinischen Dichtkunst verbreitet war.

Wenn ich

Berlins mit jenen dürftigen Leichensteinen von heute, wenn ich Tracht, Putz, ja selbst Haus¬ ausstattung von damals (1550 bis 1620) mit der von heute ver¬ gleiche, so muß ich mir sagen: der Wohlstand des höheren Bürger¬ thums bei uns ist in erschreckendem Maße zurückgegangen! Grad in dieser Fülle, in dieser Behaglichkeit des Lebens gediehen auch bei uns, hier in Berlin und in vielen anderen Städten der Mark, dichterische Erzeugnisse in fremden Sprachen; man hatte Muße,

Schwanengesang also:

D. h.: „Ich will nichts Anderes,

standen vielleicht schlechter, als heutige Gymnasiallehrer.

die Denkmäler in den alten Kirchen

Wir

Fertigkeiten, die nun verloren gegangen sind und die dennoch das Leben der Altvordern schmückten

stoßen hier auf Neigungen und

>

die

Arbeit! Lohnend wird

sie

überall sein!

(Schluß folgt.)

NcilrrstaM'Ud Friedrich Wilhelms IV.

ans der Freitreppe der Königlichen National- Galerie. (Hierzu das Portrait des Professors A. Calandrelli.) dem Hauptwerke Rauch's, fällt in diese Regierung; sie erfolgte, Werfen wir einen Blick auf die ruhmreiche Geschichte der Hvhcnzollern, so finden wir als gemeinsamen Charakterzug fast als der 70 jährige König für immer die Augen schloß. Ihm folgte aller preußischen Könige ein lebhaftes Interesse für die Kunst, in Friedrich Wilhelm IV. der kunstsinnigste, hochbegabteste aller Herrscher, welcher je auf dem preußischen Throne gesessen. Bedeutende welches besonders Berlin zu Gute gekonunen ist. Es fehlt ein geistige Anlagen, eine vielseitige Bildung und ein ungemein feines solches Interesse nur bei Friedrich Wilhelm 1., dessen derber Soldaten¬ Kunstverständniß vereinten sich in ihm zu einem harmonischen Ganzen., sin» mehr auf das praktische gerichtet war, der das schöne und das Erhabene über anderen Dingen vernachlässigte.*) Für den Kunst¬ Hätte das Schicksal ihn nicht auf der Menschheit Höhen versetzt thi£>

würde er unzweifelhaft eiue Leuchte der Wissenschaft oder Kunst Auf dein Königsthron zeigte er sich als Friedens¬ fürst in einer Zeit, welche kriegerische Eigenschaften und durchgreifende Thatkraft beanspruchte. Ihm hat Berlin in künstlerischer Beziehung unendlich viel zu verdanken; das Neue Opernhaus, das Neue Museum, die Standbilder Jorks, Gneisenaus, Thaers vor der Bauakademie entstanden unter ihm; auch das Friedrichsdenkmal wurde unter ihm enthüllt (am 31. Mai 1851). Ueber diesen Werken

sinn unserer Herrscher legen die mannigfachen Bauwerke und Denk¬

mäler, welche die deutsche Reichshauptstadt schmücken, das beste Zeugniß ab. Der prachtliebende Friedrich I. schenkte derselben das Zeughaus und die Lange Brücke mit dem Meisterwerke Schlüters, ließ durch diesen Künstler das Schloß zu einem Ganzen umgestalten und gründete nach Lcibniz Entwurf die Akademie der Künste und Wissenschaften. Hatten die Bauten seines Sohnes meist praktische Bedürfnisse im Auge, so verstand es Friedrich der Große solche mit der Beförderung künstlerischer Interessen zu vereinigen. Seinem Nachfolger hat Berlin das herrliche Brandenburger Thor mit der Quadriga Schadow's zu verdanken. Zu wahrhaft glänzender Thätigkeit entwickelten sich jedoch die bildenden Künste erst unter Friedrich Wilhelm 111., der trotz seines hausväterischen und spar¬ samen Charakters ein Kunstfreund im besten Sinne des Wortes war. Was unter ihm Männer, tvie Rauch und Schinkel für die Verschönerung Berlins geschaffen haben, kann die Nachwelt an zahlreichen Denkmälern und Prachtbauten bewundern; das Schau¬ spielhaus, die Neue Wache, die Schloßbrücke und die Standbilder Scharnhorst's, Bülow's und Blücher's gehören dieser glänzenden Epoche an. Auch die Grundsteinlegung zum Fricdrichsdenkmal, *1 Änm. d. R. Uebrigens darf man Friedrich Wilhelm I. auch nicht zu streng beurtheile»: er hat sowohl den kostspieligen Schloßbau, wie auch das Zeughaus vollenden lassen und bekanntermaßen viele Hunderttausende

von Thalern für den silbernen Chor und die Prunkgerathe aus Augsburg verausgabt.

so

geworden sein.

des Friedens vernachlässigte er im Gegensatz zu seinen

Vorfahren

die¬

jenigen des Krieges, da künstlerische und wisicnschaftliche Bestrebungen seinem innersten Wesen mehr zusagten. Noch hat die Geschichte

!

über ihn nicht ein endgiltiges Urtheil gefällt;, unumstößlich ist jedoch die Thatsache, daß er zu den edelsten Fürsten aller Zeiten gehört, daß er stets das beste gewollt hat. Das Jahr 1848 brach sein edles Herz; cs war jedoch die nothwendige Folge seiner mittel¬ alterlich-romantischen Gcistesrichtung, welche ihn die Bedürfnisse der Zeit, die Berechtigung gewisser Forderungen schwerer als Andere

.

verkennen ließ.

Diesem Fürsten hat sein kaiserlicher Bruder, dein es vergönnt

war, die Ideale seines minder glücklichen Vorgängers zu ver¬ wirklichen, ein Standbild errichtet, das in diesen Tagen seine Auf¬ stellung auf der Freitreppe der Nationalgalcrie gefunden hat. Ob dieser Platz des Reiterstandbildes besonders glücklich gewählt ist,

dürfte zum mindesten zweifelhaft sein. Bei den bedeutmdcn Ab¬ messungen des Denkmals (die Höhe der eigentlichen Statue betrügt

453 von der Plinte bis zum Scheitel 5 Meter, die des Sockels ungefähr 4 Meter) ist ein Genuß des Denkmales auf der Freitreppe selbst natürlich unmöglich; vor derselben wird die Besichtigung des Denk¬ males durch den Springbrunnen und die Gartenanlagcn, welche ein genügendes Zurücktreten nicht gestatten, einigermaßen erschwert, so daß der Beschauer genöthigt sein wird, bis zur Porticus (nach dem Alten Museum zu) zurückzutreten. Ehe wir uns eingehender mit dem Denkmal selbst beschäftigen,

dürfte es Wohl am Platze sein, einen Blick auf den Ent¬ wicklungsgang seines Schöpfers zu werfen. Professor Alexander Calandrelli erblickte das Licht der Welt am 9. Mai 1834 zu Berlin;*) sein Vater, der Edelsteinschleifer Giovanni Calandrelli aus Rom, welcher frühzeitig bei ihm Neigung und Talent für die Bildhauerkunst wahrnahm, ließ ihn von 1848 bis 1852 die Akademie der Künste besuchen. 1852 bis 1853 finden wir ihn im Atelier des Bildhauers Dankberg, 1854 bei Professor Drake, später bei Professor August Fischer. In seinem' dreißigsten Jahre gründete er ein eigenes Atelier und trat nach einigen kleineren Wachsarbeiten bald mit größeren Bildhauerwcrkcn in die Oeffentlichkeit, von denen wir hier nur die

Drapirung eine der schwierigsten Aufgaben der bildenden Kunst ist. Professor Calandrelli hat diese ideale Gewandung offenbar gewählt, um die für die künstlerische Darstellung wenig geeignete Uniform zu verbergen, ein Hülfsmittel, zu dem namentlich Rauch in meisterhafter Weise bei seinen Statuen gegriffen hat. Von diesem Gesichtspunkte aus müssen wir uns auch den Umstand er¬ klären, daß der Künstler den König barhäuptig dargestellt hat. Würde doch eine militärische Kopfbedeckung, abgesehen davon, daß sie an sich nicht gerade kleidsam genannt werden kann, vor allem wenig mit dem idealen Mantel harmonircn. Ein äußerst lebendiger Ausdruck wird dem König dadurch verliehen, daß der Künstler ihn das ungeduldig scharrende Roß mit Die Darstellung des Pferdes selbst beiden Händen parircn läßt. ist (abgesehen von der etwas kühnen freien Gesammthaltung) in dem Kopfe namentlich vortrefflich gelungen. Das Reiterstandbild ist, wie bereits bemerkt, in doppelter Das Piedestal besteht aus polirtcm Lebensgröße dargestellt. schwedischen Granit mit vier reich ornamentirten Bronzcplattcn. Zu beiden Seiten des Postamentes sind Vorsprünge, welche mit

der Vorder- und

in Berlin befind¬ unsichren wollen.

fort¬ laufen, und welche vier allegorischen

Zu

Eckfiguren

Rückseite

lichen namentlich

einer

seiner

Basis

hervorragendsten

Schöpfungen

Diese Eckfigurcn,

ge¬

Frauen¬

hört unzweifelhaft

sitzende

das aus den dä¬

gestalten,

Krieg be¬ zügliche Relief an

dar:

nischen

der Ostseite

stellen

„die

Philosophie", „die Religion" und „die Kunst"; sie sind derartig

der

aufgestellt, daß die Treppe

der

aufsteigende

durch

sucher

besonders lebens¬

Seite je zwei blickt.

National-Galerie enthält im Kuppelsaale die sitzenden Figuren der Musen Erato, Melpomene, Urania und Thalia (links vom Eingang); ferner als Abschluß der rechten Treppenwange eine sitzende Figur in Sand¬ stein: der „Kunstgedanke" (Gegenstück zu K. Mosers „Kunsttechnik"). der Vorhalle des Alten Museums befindet sich eine stehende Figur von Peter von Cornelius; sehr bemerkenswerth ist endlich das Kriegerdenkmal am Eingang des Friedrichhains, welches der Ostdistrikt seinen in den letzten drei Kriegen gebliebenen Söhnen er¬

In

richtet hat.

In dem Denkmale

auf der Freitreppe der Königlichen NationalGalerie hat Calandrelli sein bisheriges Hauptwerk geliefert. Der Künstler hat in demselben Friedrich Wilhelm IV. hoch zu Rosse fitzend dargestellt; sein Blick ist auf das Neue Museum gerichtet, welches ihm seine Entstehung verdankt; bekleidet ist der König mit der großen Generalsunisorm, die jedoch zum Theil von einem idealen Mantel verdeckt wird. Dieser Mantel, welcher in reichem und leichtem Faltenwurf von den Schultem herabwallt, ist von hervorragender Schönheit, worauf hier besonders hingewiesen sei, da vollendete den Auffatz

im IX. Jahrgang.

er¬

Die Modelle

Qir Noussrau-Inset im Thiergarten. (Nach einer älteren Zeichnung im Berliner Stadtarchiv.)

Be¬

auf jeder

volle Plastik ent¬ schieden die drei andern Reliefs. Die Königliche

*) Vgl. hierzu

Ge¬

schichte", „die

Siegessäule; es stellt den Auszug der Truppen und die Erstürmung der Düppeler Schanzen darund

übertrifft

als

dienen.

Stand¬ bilde sind von Professor Calan¬ zu

dem

drelli persönlich in der Originalgröße angefertigt. Die Granitarbeitcn entstammen der hiesigen Granitschleiferei von Kessel & Röhl, während die Bronzearbeiten (das Standbild wiegt 180 Zentner) aus der Bildgicßerei von H. G laden deck & Sohn hervorgegangen sind. Das letztere Etablissement ist so rühmlich bekannt, ist so bedeu¬ tungsvoll für die Berliner Kunstindustrie, daß dem Leser gewiß einige Worte über dasselbe willkommen sein werden. Erbaut wurde die Gießerei in der Müvzstrahe 10 auf Befehl Friedrich Wilhelm's IV., der in derselben das Denkmal Friedrichs des Großen und die Statuen Uork's und Gneisenau's gießen ließ. Die Thätigkeit des Gießers, dem wir diese Bildwerke zu verdanken haben, währte jedoch nicht lange; derselbe, Namens Friebel, starb, nachdem er die Thüren für die Schloßkirche zu Wittenberg und die Büste Friedrichs des Großen im Friedrichshain gegossen hatte. Nach dem Tode Friebels wurde die Gießerei im Jahre 1854 dem Bildgießer H. Gladenbeck miethsweise überlassen, welcher darin seitdem eine rege Thätigkeit entfaltet hat. Hermann Gladenbeck, ein Schüler August Fischers (geb. 1805, gest. 1866) hat bei dem¬ selben an der Amazoncngruppc von Kiß mitgearbeitet und war thätig an den Gruppen von Ticck, welche auf den Trcppenwangcn

454 des Königlichen Schauspielhauses stehen. Schon im Jahre 1851 hatte er in der Johannisstrahe eine selbstständige Gießerei gegründet; aus dieser gingen u. a. drei Kopien des Rauch'schen FriedrichDenkmals hervor (>/, Größe des Originals); eine derselben befindet sich im Königlichen Schloß, eine zweite im Palais unseres Kaisers, die dritte wurde 1854 dem Kaiser Nikolaus von Rußland geschenkt. Nach der Uebersiedlung in die Räume der Kgl. Gießerei Wurden Hermann Gladenbeck bald größere Arbeiten übertragen; die ersten derselben waren die von Rauch modellirte Statue Kant's für Königsberg, die Statue Händel's für Halle nach dem Modell von Hermann Heidel; von den späteren Arbeiten seien hier namentlich die für Berlin gegossenen Bildwerke angeführt: Albrecht Thaer (Rauch), Graf von Brandenburg (Rauch und Hagen), Löwenkämpfer (Albert Wolff), Freiherr von Stein (Schievelbcin und Hagen), Karl Friedrich Schinkel (Drake), Turnvater Jahn (Encke), Viktoria auf der Siegessäule (Drake), Burggraf Friedrich I. (Rathhaus¬ portal, Encke), Kaiser Wilhelm I. (Rathhausportal, Keil), Krieger¬ denkmal im Fricdrichshain (Calandrelli), Wrangcl (Keil), Graefe (Sicmcring); von den auswärtigen Denkmälern, deren Zahl sich auf über sechszig beläuft, sind die bemerkenswerthesten: die Reiter¬ statue Friedrich Wilhelms IV. (Bläser und Calandrelli) und Wil¬ helms I. (Drake) auf der Rheinbrücke zu Köln, Alexander von Humboldt in Philadelphia (Drake) und endlich das jüngst voll¬ endete Washington-Denkmal für Amerika von Profesior Siemering, ivelchcs vor Kurzem nach der Jubiläums - Ausstellung geschafft worden ist. Berücksichtigen wir, daß die lange Reihe von hervor¬ ragenden Bildwerken, die in der Gladenbeck'schen Gießerei gegossen sind, hiermit noch lange nicht erschöpft ist, daß sich zu ihnen viel¬ mehr noch zahlreiche kolossale Büsten, lebensgroße Statuen, Reliefs re. gesellen, so können !vir dem Besitzer dieser bedeutenden Werkstatt unsere Hochachtung nicht versagen; die Bildgießerei von H. Gladen¬ beck & Sohn steht unzweifelhaft an der Spitze der deutschen Kunst¬ industrie dieser Branche und hat sich einen Weltrubm erworben, zu dessen Vermehrung auch das vorzüglich gegossene Reiterstandbild Friedrich Wilhelms IV. seinen Theil beitragen wird. Was nun den künstlerischen Werth dieser Schöpfung Professor Ealandrellis betrifft, so wird dieselbe trotz etwaiger Bedenken der

Kunstgelehrten sicher zu

historischer Treue gemein, denn die Hauptschönheit des Calandrelli'schcn Werkes haben wir unzweifelhaft in den wohlgelungenen Gcsichtszügen des hochscligen Königs zu suchen. Der Künstler hat den letzteren wiedergegeben, wie er leibte und lebte; schaft

lebenswahren Gesichtszüge würden noch mehr zur Geltung IV. als Friedensfürst hätte darstellen können. Ist doch, obschon die allegorischen Frauen¬ gestalten ja den eigentlichen Charakter des Königs andeuten, der erste Eindruck, welchen wir von seinem Standbilde empfangen das ihn uns hoch zu Rosse in der Generalsuniform zeigt, der, daß wir es mit einem hervorragenden Schlachtenlenker, mit einem genialen Feldherrn zu thun haben. Dies war Friedrich Wilhelm IV. nicht, und der Künstler hätte vielleicht Hervorragenderes schaffen können, wenn man bei dem Denkmale des hochseligcn Königs von dem traditionellen Reiterstandbild abgesehen hätte. Zwei klassische Denkmäler von Friedenskönigen besitzt z, B. München. Das Eine (von Rauch) zeigt uns Maximilian Joseph mit dem Königs¬ mantel umhüllt aus dem Throne; der König hebt segnend die Rechte empor, während die Linke das im Schooße ruhende Scepter hält. Die Darstellungen amPiedestal(„Felicitas publica," „Bavaria", „die Rechtspflege und der Ackerbau", „Religion und Künste," Jnschristtafel mit Darstellung der „Wiffenschaften", „Verleihung

seine

kommen, wenn Calandrelli Friedrich Wilhelm

Verfassung") ergänzen diese Statue zu einem harmonischen Ganzen; noch prächtiger ist das nach dem Entwürfe Kaspar Zumbusch's errichtete Denkmal Maximilians II. Angesichts dieser klassischen Vorbilder berührt es eigenthümlich, daß man den Friedens¬ könig Friedrich Wilhelm IV. nicht in ähnlicher Weise dargestellt hat. der

i

(Nach handschriftlichen Quellen

Majestät nebst dem damahligen krohnprinz ohnweit der pappier mühle von der Ritterschaft und der Bürgerschaft empfangen und unterm geläute aller glokkeir rurd einer auf dein Rathhause auf¬ gestellten musik, auch klingendem spiel der Bürger Compagnien eingeholet wurden. Am folgenden 10. August wohnetcn S. Kgl. Majestät und de§ krohnprinzen Hoheit in der Marienkirche dem Gottes Dienst bei und nach der Predigt warteten sämmtliche Herren Prediger S. K. Majestät auf und wurden zur Audienz gelaßen. Am 11. früh noch vor 5 Uhr, fuhren sie auf dem Ukcrsce und hielten die erste schwancnjagd, dabei 84 Schwane geschoßen, auch etliche lebendig gegriffen wurden. S. K. Majestät aber sowohl als der kronprinz und der Herren Markgrafen Hoheiten bezeigten Vom sich sehr vergnügt und kehrten um 12 uhr wieder zurück. Neustäter thor bis au Christian Mirows Haus, da S. K. Majestät logirten, war eine allec von bäumen gesetzet, und abends wurde auf einer 10 ellcn hohen und breiten Maschine am markt eine Schwanen illumination vorgestellet, welche der Prediger Pauli in der Neustat erfunden und ins Werk gesetzet hatte, weil wegen kürze der zeit keine ehrenpfvrten konnten aufgebauet werden. Zugleich waren alle senster, sonderlich am markt illuminirt, welches alles S. Kgl, Majestät geruhet anzusehen und der musik bei einer halben

hervorragendsten Monumenten der

Calandrelli's Friedrich Wilhelm IV. übertrifft entschieden das Denkmal, welches uns Albert Wolff von dem Vater und Vorgänger dieses Königs ge¬ schaffen hat; und können wir das neue Reiterstandbild auch nicht mit dem Meisterwerk Schlüters auf der Langen Brücke und mit dem Rauch's Unter den Linden auf eine und dieselbe Stufe stellen, so hat es doch namentlich mit dem letzteren die sehr wichtige Eigen¬

R.

Eine Schwnnenjagd „Anno 1704 hielten S. K. M. Friedrich I in Prenzlau eine schwancnjagd. Der einzug geschahe am 9. August, da S. Kgl.

den

deutschen Reichshauptstadt zu zählen sein.

I.

George.

prenzlnu.

zu

im Kgl. Geb. Staatsarchiv.)

mit Wohlgefallen zu zuhören. Am 12ten frühmorgens vor Uhr zogen S. K. Maj. sammt dem gefolge, unter trompeten und paukenschall, nach dreimahliger salve der Bürgerschaft wieder von dannen." Bei dieser gelegenheit wurde dem Stadtwappen vom König Friedrich I ein Schwan zugesetzt. Die hierüber ausgestellte Urkunde vom 21. Oktober 1705 ver¬ dient, den geehrten Lesern dieser Zeitschrift ihrer Originalität wegen mitgetheilt zu werden, wobei noch zu beachten ist, daß Sekl in seiner Prenzlowischcn Geschichte dieselbe nicht anführt. „Nachdem Wir Uns nun in nächstabgewichenen 1704. jähr zu Prenzlow Unserer Hauptstat in der Ukermark befunden, und benach¬ richtiget worden, welchcrgestalt wegen derer zu beidenseiten der Skat belegenen Blindowischen und Ukersee nebst andern geflügel die Schwane jährlich in ziemlicher anzahl einfallen und sich vermehren; stunde 5

inmaßen Wir daselbst zu Unsern besondern vergnügen eine Schwanen pflege und jagt gehalten, bei welchem Uns der dortige Magistrat durch die zu Unserer reoreation und sonsten gemachte gute Veran¬

staltung

ihre allerunterthänigste ckevotion vcrspühren zu laßen, eiferigst bemühet gewesen, daß !vir zu immerwährenden andencken dcffcn der Stat Prenzlow wapen, so dem vermuhten nach durch die länge der zeit corrumpiret worden und mit nahmen ist ein schwarzer schild

in welchen ein rohtcr adler mit einem silbernen offenen stat des kopfes, und darauf ein güldener flügel nach¬

turnin Helm

455 folgendergestalt geändert, vermehret und verbeßcrt nehmlich: daß die Etat von nun an stat des schwarzen einen in der mitte

zu führen und zu gebrauchen fug und macht haben solle. Wir verleihen thun und geben demnach mit wohlbedachtem Muhte,

Überzwerg getheilten schild, das untertheil roht, da¬ rinnen ein auf dem waßer schwimmender, die flügel aufwärts haltender Schwan, das obertheil weiß oder silberfarbe, darinnen ein rohter adler mit ausgestreckten slügeln und schenkeln, auch offenem turnier Helm stat des kopfes und darauf einen rohten flügel deßen achse

gutem raht, rechtem tvißen mehr besagter Unserer

Stat Prenzlau vorbeschriebenes geändertes und verbessertes wapen zum immerwehrenden andenken Unserer daselbst gehaltenen schwanen jagt also und dergestalt, daß der dortige Magistrat von nun an und

hinführo zum ewigen zeiten sich deßen bei ihren Rahtsgerichten und versamnilungen in allen und jeden Handlungen so gerichtlichen, als außergerichtlichen, siegeln, Petschaften, Zeichnungen und anderen

rechtwcrts gekehret,

wie solches wapcn samt deßelben Änderung, zierung und verbeßerung in mitten dieses gegenwärtigen Unsers Königl. briefes gemahlet und mit färben eigentlichen ausgestrichen.

- -

geschäften gebrauchen."

L.

Misrellen.

Ile

Itouffeau-Ansek Sei IZerliu. Auf dem Wege von der Louisen¬ insel zum Großen Stern trifft der Besucher des Thiergartens auf jenes kleine reizende Eiland, das im Winter die vornehme Welt zum Eislauf Am sich versammelt und das seinen Namen dem Prediger der Freiheit und Gleichheit verdankt, dem Philosophen Jean Jacques Rousseau. Diese Stelle aber hat er seinem Andenken weniger erobert, als der viel¬ verketzerte Freund der Menschen, denn als derjenige der Pflanzen und Blumen, als ein hochverdienter und berühmter Botaniker. Einer seiner größten Verehrer, Professor Albert Jansen in Berlin hat vor Kurzem sein Leben zum Gegenstand einer werthvollen Arbeit gemacht, die in dem -neuste» Hefte der „deutschen Rundschau" durch Professor F. Cohn (Breslau) eingehend gewürdigt wird.*) Rousseaus kostbares Herbarium, daß er seiner letzten Schülerin vermacht hatte, befindet sich gegenwärtig im botanischen Museum zu Berlin. Es umfaßt 11 Quartbände in weißen Pergamentmappen in einem gleichaltrigen Spind, das die Aufschrift hat „vitam impendere vero.“ Rousseau lebte zuletzt nur seiner Wissenschaft auf dem Schlosse des Marquis Girardin im Park von Ermenonville, wo er am 2. Juli 1778, vierunddreißig Tage nach Voltaires Tode, einem Schlaganfall erlegen ist. Seine Beisetzung erfolgte mitten in den großen

dieselbe mit Hülfe folgender Dienstkräste zu befriedigen: 1 „Hofpostmeister", 11 „Hofpostsekretäre", 4 „Kopisten" und 36 „Postillons", zusammen

„Postbediente". Dazu traten zur Erledigung der Briefbestellung Es kamen also damals auf einen Briefträger etwa 21400 Einwohner! Sehr entwickelt war schon damals der Postrciseverkehr. Es bestanden außer der reitenden Post, welche nur Briefe be¬ förderte, eine fahrende und eine sogenannte „Kllchen"-Post, letztere jedoch nur zwischen einzelnen Stationsorten. Von Berlin nahmen nicht weniger als 18 größere Postkourse ihren Ausgang, welche zu den Hauptorten der Monarchie im Norden (Stettin), Nordosten (Königsberg in Preußen), Südosten (Breslau) und Westen (Cleve) die Verbindungen vermittelten. Diese 18 Postkourse vertheilten sich wie folgt: 1. nach der Altmark, 2. Breslau, 3. Cleve, 4. Cottbus, 5. Dresden, 6 . Frankfurt a. O., 7. Güstrow 8 . Halberstadt, 9. Halle, 10. Hamburg, 11. Leipzig, 12. Ost¬ friesland, 13. Potsdam, 14. Preußen (durch Pommern), 15. Preußen (durch die Neumark), 16. Salzwedel, 17. Stettin und 18. Wrietzen und Freienwalde.**) Die regelmäßigste Postverbindung bestand zwischen den beiden Residenzen Berlin und Potsdam. Sie wurde durch die sogenannte „Journaliere" vermittelt, welche täglich zweimal (jedoch Mittwochs nur einmal) Morgens um 7 und Mittags 12 Uhr von Berlin abging und dort Mttags um 12 Uhr, Abends 6 Uhr wieder eintraf. Die Verbin¬ dungen mit den anderen Poststationen fanden in der Ziegel wöchentlich zweimal statt. Das Passagiergeld wurde in der Weise geregelt, daß eine reisende Person „wes Standes sie auch ist, für jede Meile sowohl im Winter als im Sommer auf allen Postkoursen incl. des bisherigen soge¬ nannten Stationsgeldes 6 Groschen (75 Pfennig) bezahlet, dergestalt, daß kein Postillon weiter etwas bekommt." Als besondere Vergünstigung galt, daß „dem Passagir 50 Pfund an Bagage, den Kaufleuten aber, wenn sie nach den Messen reisen oder von solchen zurückkommen, 60 Pfund auf der Postkalcsche frei passiret, was aber darüber ist, wird nach dem Gewichte und Beschaffenheit der Sache bezahlet." Die bedeutendsten Post¬ kourse waren die nach Königsberg in Preußen und nach Cleve. Ersterer ging sowohl durch Pommern wie auch durch die Neumark, doch waren beide aus das genaueste geregelt von derselben Länge (84Meilen) und zu gleichem Preise. Die Fahrt von Cleve hatte eine Entfernung von 73 Meilen zurückzulegen; jeder Passagier durfte auf diesem Kurse zu aller Zeit 60 Pfund Bagage frei mitnehmen. Bei so bedeutenden Entfernungen war ein pünktliches Eintreffen am Bestimmungsorte nicht immer möglich. Der Kalender sagte darüber folgendes: „Die ankommenden Posten können nicht allemal, insonderheit zu Winterszeit und bei schlimmem Wetter, in den angesetzteir Stunden eintreffen, sondern laufen 2, 4, 6 und mehr Stunden später ein, nachdem die Kourse lang, die Posten schwer oder leicht beladen und die Wege schlecht sind. Und wer gerne wissen will, wie bald er oder sein Brief hie oder da mit der ordinären Post anlangen möchte, der kan» (wegen Umpackens und andern Aufenthalts eine Station in die andere gerechnet) auf jede Meile, wenn die Wege gut und die Posten nicht schwer beladen sind, '/2 Stunde, die mehreste Zeit aber 2 Stunden rechnen, mit der reitenden Post aber wird auf jede Meile etwa P/j Stunde zu rechnen sein. Die Cleve'sche reitende kommt manch¬ mal inr Winter, wenn die Flösse schwer zu passiren, 24 Stunden später an, als im Sommer." Die reitende Post beförderte nicht alle der Post überhaupt übergebene Briefe, sondern nur einzelne. „Daferne es verlangt wird, dicke Briese oder Sachen mit derselben bei pressanten Fällen fort¬ zuschicken, muß auf der Aufschrift expreß gemeldet werden: mit der reitenden Post. Es muß aber alsdann für jedes Loth so viel als für einen Brief bezahlet werden." Die Postexpedition zu Berlin war zur Annahme von Briefen und Sachen alle Tage von 7 Uhr Morgens bis Mittags 12 Uhr, des Nachmittags von 2 Uhr (Sonntags 3 Uhr) bis Abends 7 Uhr geöffnet. Briefe und Pallete mußte» mindestens 2 Stunden vor Abgang der Posten in's Posthaus, und wenn die Posten des andern Morgens bis um 9 Uhr abgingen, am Abend vorher bis 7 Uhr aufgeliefert werden, „indem nachher keine mehr können angenomnren werden." Ziemlich theuer 52

7 Briefträger.*)

See des Parkes auf einer Pappelinsel, von wo seine Gebeine durch den Convent in die Gruft des Pantheons gebracht wurden, bis die Restauration sie wieder daraus entfernte. Friedrich II. war ein großer Verehrer Rousseaus; die Anlage der Insel erfolgte schon unter Friedrich Wilhelm II. durch Sello, dessen Plan nachher durch Linne landschaftlich erweitert wurde.

Die Anschrift des alten Museums.

Pie Neuvergoldung der bringt die Vorgeschichte dieser durch ihre Fassung vielfach angegriffenen Widmung wieder in's -Gedächtniß. Der erste Entwurf derselben, der dem Könige Friedrich Wilhelm IH. unterbreitet werden sollte, lautete: „Fridericus truilelmus III. antiquitati artique museum erexit.“ Der Ver¬ fasser, Hofrath Hirt, fand diesen Satz etwas zu mager und schlug die Fassung vor: „Fridericus 6uilelmus III. antiquitatis et artis «peribus museum condidit.“ Aber das wollte ihm für den ziemlich langen Fries an der Vorderseite dieses hervorragenden Gebäudes nicht

lateinischen Aufschrift

des alten Museums

ausreichend erscheinen, und so-setzte er eine Erweiterung hinzu, die sich aus die Werke der neueren Künste niit bezog. Auch wählte er statt des Ausdrucks „condidit" das feierlichere Wort „dicavit", sowie statt „oporibus" „rnonurnentis". Die Widmung lautete nun also: „Fridericus

!

!

/2 Uhr: Versammlung im Saale des Richter'schen Gartens. I) Begrüßung der Versammlung beider Vereine. 2) Erstattung des Jahresberichts. 3) Bürgermeister 1>r. Brecht aus Quedlinburg: Die Entstehung und örtliche Entwickelung der Stadt Quedlinburg. 4) Rechnungs¬ ablage. 10>/2 —ll’/a Uhr: Frühstückspause. 5) Archivar Dr. v. Bippen aus Bremen: Die Bremischen Bürgermeister Heinrich und Johann Zobel (1550—1630). Von 1 Uhr ab: Gang durch die Stadt, Besichtigung von Bauwerken, Sammlungen und Gärten. (Von 3—4 >/2 Uhr: Sitzung des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. Versammlung im Saale der Loge. 1) Vortrag des Herrn E. Damköhler aus Helmstedt: Zur Charakterisirung des niederdeutschen Harzes, besonders des Blankenburger Dialekts. 2) Jahresbericht. 3) Kleinere Mittheilungen und Diskussionen.) 5 Uhr: Festmahl in Richtcr's Saal. Darnach Abends: Gesellige Vereinigung. Mittwoch, de» 16. Juni, Morgens 8'/2 Uhr: Gemeinschaftliche Sitzung des hansischen Geschichtsvereins und des niederdeutschen Sprachvereins im Richter'schen Saale. Dr. W. Seelniann aus Berlin: Aus der deutschen Literaturgeschichte Quedlinburgs zur Ottonenzcit. Sitzung deS hansischen Geschichtsvcrcins. 1) Senatssckretär Dr. Hagedorn aus Lübeck: HansischFlandrische Beziehungen in der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts. 2) Ergänzung des Vorstandes. 3) Wahl des nächsten Versammlungsortes. 4) Oefsentlichc Sitzung des Vorstandes zur Besprechung der Vercinsarbeiten. Von I l Uhr ab: Gang durch die Stadt, Besichtigung des Schlosses. 1 Uhr: Imbiß im Brühte. 2 Uhr: Fahrt zu Wagen nach Gernrode. Besichtigung der Stiftskirche, Gang nach dem Stufenberge. 4 >/2 Uhr: Fahrt zu Wagen nach Thalc. 6 Uhr: Essen daselbst bei Zehnpfund. 8 Uhr: Mit der Eisenbahn oder später mittels Wagen zurück nach Qued¬ linburg. Donnerstag, den 17. Juni, Morgens 10 Uhr: Eisenbahnfahrt nach Halberstadt. — Besichtigung des Domes und der Liebfrauenkirchc. — Gemeinsames Miltagsessen. — Rückfahrt nach Quedlinburg mit einem der fahrplanmäßigen Züge. — Laut § 7 der Vcrcinsstatutcn sind für die Theilnahme an der Versammlung, welche auch Nichtmitgliedern zusteht, Die Theilnehmerkarten und die Kartell für 1 M. 50 Pf. zu entrichten. Frühstück und Festmahl am Dienstag, sowie für das Essen in Thale, werden am Montag, den 14. Juni, bei Ankunft der einzelnen Züge in dem Wartezimmer I. Klasse auf dem Bahnhöfe, am Abende dieses Tages und ferner im Geschäftszimmer deS Ortsausschusses im Richter'schen Ge¬ Auch Beitrittserklärungen zu beiden Vereinen sellschaftsgarten gelöst. werden dort entgegengenommen. Die Theilnehmerkarten berechtigen zur Theilnahme an den Versammlungen und den Besichtigungen. -Die Be¬ nutzung der Wageil zur Fahrt nach Gernrode und Thale steht denen frei,

meister, Vorsitzender.

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24 gute Eroschrii milchten

welche Karten für das Esten in Thale gelöst haben. Anmeldungen wolle man an den unterzeichneten Vorsitzenden des Ortsausschusses richten. Der Vorstand des hansischen Geschichtsvereins zu Lübeck: Dr. W. Brehmer, Vorsitzender. Der Ortsausschuß zu Quedlinburg: Dr. G. Brecht, Bürger¬

!

Scheffeldenümal zu Keidelöerg. Der- Dichter des Ekkehard, der Sänger so vieler stoher und tiefsinniger Lieder ist nicht mehr. Seine Dichtungen leben fort im Herzen des deutschen Volkes, der deuschen Jugend. Aber Alle, die sie erfreut und erhoben, drängt es, dem Heimgegangenen Meister ein sichtbares Zeiche» der Liebe zu widmen. So ist fast unmittelbar nach seinem Tode in Heidelberg der Gedanke erwacht, ihm an den Ufern des Neckars, die seine Lieder verherrlicht, ein Denkmal zu setzen. Für ein solches dürfen wir vor Allem das Recht geltend machen, welches uns des Dichters Liebe zu unserem Thale, zu unserer Stadt giebt, die er selbst nannte „mein geliebtes Alt-Heidelberg, auf dessen Boden undindessenLuftdie heitersten meiner Lieder erwachsen sind." Hier weilte er, schon zum Tode krank, Erleichterung seines Leidens hoffend, noch einmal vor seinem Ende; hier feierte er den letzten Geburtstag, den zu erleben ihm beschieden, und nahm das Ehrenbürgerrecht der Stadt als letzte Freude entgegen.

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Unser Aufruf wendet sich an Alle, die den durch Schesfel's Poesie verklärten Zauber von Heidelbergs Naturschönheit empfunden, die an des Dichters heitern und ernsten Gesängen sich erquickt haben — an das deutsche Volk, in dessen Herz kaum ein anderer unserer heutigen Dichter Zur Entgegennahme von Beiträgen sind sowohl so tief sich gesenkt hat. die Unterzeichneten als auch die zum Schatzmeister erwählte Firma „Köster's Bank in Mannheim, Heidelberg und Frankfurt a. M." bereit. Heidelberg, den 7. Mai 1886. Landtagsabgeordnctcr A. Mays, d. Z. Vorsitzender. Stadtrath C. L. Ammann. Geheime Hofrath Dr. K. Bartsch. Geheime Rath Dr. Bekker, d. Z. Prorektor der Universität. Dr. W. Blum, Cand. weck. P. Klaus, d. Z. Vorsitzender der Heidelberger Studentenschaft. Buchhändler G. Koester. Stadtrath Dr. Lobstein. Dr. juris Franz Mittermaier. Stadtdirector von Scherer. Oberbürgermeister Dr. Wilckens.

I.

Akte Erwähnung Merlins. Eines der früheren Druckwerke, in Berlin vorkommt, ist H. Schedel's Buch der Oroniken vnck geschichte» mit figuren vnd pildnussen von anbeginn der weit bis auf dise vnsere zeit, 1493 von Anthonien koberger zu Nürmberg gedruckt. In diesem mit unzähligen Holzschnitten von Wohlgemuth und Pleydenwurff geschmückten Folianten befindet sich auf Blatt 279 folgende Stelle: „Dis Brandeburgischen werden in zwu marck getaylt, eine die alt, die ander die new genant, durch die alten marck rynnet die Elb daran ligen die stett Gadeln Soltwedel vnd Ostroburg. Die newen marck taylet der fluss Ader genant, daran ligt Franekfurt ein reiche kawfmansstatt. Ein andrer fluss Spredo genant befeuchtigt auch diese gegent. Daran ligt die statt Berlyn. Item ein andrer fluss hortel genant tailt die statt Brandemburg von dannen die marck iren namen hat in zwu stett C. L. der eine haist die alt vnd die ander die new.“ denen der Name

;

|

|

Gedenktage. — „Verfestet", eine Berliner Geschichte aus Jahre 1380 von Oskar Schwebet (Fortsetzung). — Feuilleton: Prinz Friedrich Carl als Forstmann und Jäger, von H. Hache. —

Inhalt:

dem

Lateinische Dichtung, sowie lateinische Dichter in Berlin und in der Mark (mit dem Portrait Mellemanns); Das Reiter¬ standbild Friedrich Wilhelms IV. auf der Freitreppe der Königlichen National-Galerie, von R. I. George (mit dem Portrait: des Professors A. Calandrelli); Eine Schwanenjagd zu Prenzlau, handschriftlichen Quellen im Kgl. Geh. Staatsarchiv, von L. — Die Rousseau-Insel bei Berlin (mit Abb.); Die Inschrift des alten Museums; Die Berliner Post vor 100 Jahren; Die 16. Ver¬ sammlung des Hansischen Geschichtsvcrcins; Scheffeldenkmal zu Heidel¬ nach

Misccllen:

berg; Alte Erwähnung Berlins. —

bklanntlich eine» Thaler aus.

In der lieissen. Jeünreszeit

stellen sich durch Düitfehler sehr häufig Störungen in den Verdauungs¬ organen (Verstopfung mit Blutandrang, Herzklopfen, Kopfschmerzen etc.) ein und soll mau in solchen Fällen durch rasche Anwendung eines guten Hausmittels, wie es bekanntlich die Apotheker 11. Brandts Schweizer¬ pillen sind, anderen Leiden vorbeugen. Man versichere sich stets, dass jede Schachtel Apotheker 1{. Brandts Schweizerpillen (erhältlich ä Schachtel M. 1 in den Apotheken) ein weisses Kreuz in rothem Feld und den Namenszug R. Brandts trägt und weise alle anders ver¬ packten zurück.

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Erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch alle Buchhandlungen, Zcitungsspcditionen und postanstaltcn für 2 vierteljährlich zu beziehen. — Im Postzeitungs-Latalog eingetragen unter Nr. 24ZZ.

XII. Jahrgang.

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Nr. 38.

Berlin

W.

1886. -

Gedenktage. 19. 20. * 20 . 21. 21. 22.

Juni Juni Juni Juni Juni Juni

1650. 1530. 1816. 1786. 1829. 1767.

Mathäus Merlan, Kupferstecher und Zeichner +. Eröffnung des Reichstages zu Augsburg. Cabinetsordre betr. die Justizorganisation in Preußen. General Carl Friedrich Wilhelm v. Reyher * 1857). Berlin. Professor Carl Philipp Buttmann

Wilhelm

v.

Humboldt *

f

23. 23. 23. 24. 25. 25.

(f

Potsdam.

Juni Juni Juni Juni Juni Juni

Nachdruck verboten. Gesetz

1775. 1804. 1805. 1704. 1675. 1822.

v.

II. VI. 70.

Freiherr Carl Ludwig v. Pöllnitz P (* 25. Febr. 1692). Joh. Carl Friedr. August Borsig * (j- 6 . Juli 1854). 1882 April). Bildhauer Friedrich Drake * Detmold Marquis d'Argens * Aix (Provence) -f 11. Jan. 1771. Siegreicher Ueberfall bei der Stadt Rathenow. E. T. A. H offmann (* 24. Jan. 1776).

(f

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„Versestet!" Eine Berliner Geschichte aus dem Jabre 1380 von Oskar Schwebe!.

(viii.) Seitwärts vom Wege lag ein Berg mit unbewaldeter Kuppe. Bon ihm aus überblickten die Geächteten ein Schau¬ spiel von grausiger Erhabenheit. Fast tageshell wurde es in der Spandauer Haide, und Männer von Spandau

ritten nach Berlin, aus

dessen

|

Höhe, den Brand der Stadt beobachtend. Endlich befahl Erich Falke den Reitern, nach Potsdam aufzubrechen.

„Kommet, der

Mchard!"

Stadt Berlin.

„Das Bild

ist

allzu grausig, als daß ein rechter Reitersmann an ihm sich länger weiden könnte! Zu schrecklich ist diese Vergeltung! Aber freilich; — ge¬ schunden und gedrückt haben die

Mtte

gewaltigen, in

die Kirchthürmc gleich Flammen stehenden Kerzen empor¬ ragten. Ein Meer von Gluth wogte und wallte über der Stadt. „Nie hab' ich solch' eine Feuers¬

Männer von Berlin jedweden iin Lande: den Fürsten und den Edel¬ mann, den Priester und den Bauer, — ja, selbst die Armen ihrer Stadt und den Juden, der mit seinem Bündel demüthig seiner Straße zog! Kommet, Koppen; — es ist ein

brunst gesehen," sprach Erich Falke tiefernst; „Nikolaus Hundewerper hat seine fürchterlichen Schwüre gehalten!

Berlin ist vernichtet; — wir können in Ruhe nach Schloß Saarmund ziehen!" „Nikolaus Hundewerper," fragte Koppen, „ist er nicht bei uns?" „Nein, ich entließ ihn!" er¬ widerte der Ritter. er hat's gethan!

Koppen

sprach er zu dem ausgestoßenen Sohne

Gottesgericht, über welches zu sprechen uns nicht geziemt." — Langsam ritten sic von der An¬ höhe in den Wald hinab; — heller

„Ich vermuthe, Eine furchtbare

Feuerschein geleitete sie.

That für einen Priester!" „Der Thurm von St. Nikolai

IX.

ragt nicht mehr empor!" fügte Koppen

Nie ist seit ihrem Bestehen bis den heutigen Tag die Stadt auf Todtenopfer wird jenem Grabe dargcGfstzier zu Tische. Berlin von einem Unglücke be¬ bracht, das sich einsam dort drüben troffen worden, welches an furcht¬ erhebt!" — August 1380, des St. Laurentius¬ 10. dem des barer Größe Immer gewaltiger und immer majestätischer wurde der Erzählung aber versetzt uns Unsere Anblick des brennenden Berlin. Sie harrten lange auf der tages, geglichen hätte. Richard hinzu.

„O,

ein furchtbares

Kiedrich der Große ladet einen

französischen

458 aus den Nachtstunden dieses

Tages jetzt

an

seinen

Zeit die Uebertreter

Vor¬

mittag zurück. Wiederum war am

10 .

August 1380

an den „Kaak" angekettet

wurden. Und mm erhob sich Peter von Blankenfelde, auf einen langen Stab sich stützend, wie ihn schon damals nur noch Männer zu tragen pflegteii, welchen ein Recht zustaiid, über Leben und Tod ihrer Mtmenschen zu entscheiden. „Ich gebiete Frieden und Ruhe!" sprach der Bürger„Der strengsten Ahndung seines Frevels sei gewiß, nreister. wer hier den Frieden bricht! Denn wahrlich, jetzt ist keine Zeit, Milde zu beweisen! Hinausgezogen sind unsere Knechte, den Feinden zu wehren, und wir, — wir haben leider eine unerhörte Fülle von Verbrechen zu strafen an einem Tage!" Der ernste Richter redete allerdings nur die volle Wahr¬ heit; erschreckend hatte die Zuchtlosigkeit zugenominen in der Mark unter der Herrschaft der gewiffenlosen Söhne Kaiser

Gerichtstag in

Berlin; allein es galt heut nicht, ein Urtheil zu finden, sondern nur Strafen, auf welche bereits erkannt war, zu

vollziehen.

Wie stets, so hatten sich auch heut Einwohner von Berlin und Fremde in großer Anzahl vor jenem höhnisch

auf den Verbrecher herabblickenden Spottbilde, vor dein eulen¬ artigen Vogel „Kaak", eingeftinden, welcher an dem niedern, die Stidwcstecke der Gerichtslaube stützenden Pfeiler eingemauert war. Thilo von Brügge, der Richter und Stadtschultheiß von Berlin, weilte seit dem Auftuhre der Knochenhauer nicht mehr oft in den Mauern der Stadt. Er stand bereits mit dem Rathe betreffs der Ueberlaffung der Rechtspflege

des Gesetzes

in Unter¬

handlung; er hatte die von den Schöffen gefällten, heut zu vollstreckenden Urtheile bestätigt und dem Bürgermeister Peter von Blankenfelde deren Vollziehung übertragen. In düsterem Ernste saß der stolze Patrizier auf dein Richterstilhle in der offenen Halle der Laube. Die Schöffen und Rathmannen umgaben ihn, und der Büttel der Stadt lehnte, seiner Opfer harrend, an jenem so drastisch geschmückten Aiißenpfeiler des Bailwerks. Der Nachrichter hielt bereits die eisernen Feffeln in den Händen, mit welchen zu jener

Karl's IV. „Und nur eins dieser Verbrechen," ftrhr Peter von Blankenfelde fort, „ist ein leichtes, so daß es an diesem Orte, mn Pranger, bestraft werden kann! Büttel, — führe uns die Magd Margaretha vor."

Vor elendes,

dem Schandpfahle harrte

mit aufgelöstem Haare ein in dessen jugend¬

an den Händen gebundenes Weib,

lichen Zügen

die Spuren

großer ehemaliger Schönheit, aber

Wer will es den Braven verdenken, wenn sie einen Engel auf der Mauer gesehen haben wollten, der sie mit dem Flammenschwerte selber gegen die Feinde führte; jedenfalls drangen sie mit neuem Muthe auf die Weichenden ein, und da§ Ende war eine vollständige Niederlage der mecklenburgischen Raubschaar. Das geschah einen Tag nach den,

hielten.

Das Dassewihftst in Lyrih. Von Joh. Kriitfchell. Welcher Berliner hätte in letzter Zeit nicht von dem lustigen Stücklein „Kyritz-Ptzritz" gehört oder vielleicht gar einen vergnügten Abend im Anschauen der Posse zugebracht! Die, ivelche Berlin schon länger kennen, lverden sich erinnern, daß a» den Säulen seiner Zeit ein ähnliches Lustspiel angezeigt wurde: „Khritzer auf Reisen", und von den ganz Alten hat vielleicht einer oder der andere in seiner Jugendzeit mal recht heimlich gelacht, wenn er „ein Stündlein vor dem Potsdamer Thor" über die Bretter gehen sah, worin wieder „Kvritz, mein Vaterland !" das Schlagwort

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bildete.

Um das harmlose Städtchen in der Priegnitz kümmert sich sonst Niemand, und doch hat auch Kyritz seine Merkwürdigkeiten. Die größte bietet freilich seine Vergangenheit; aber das heutige Geschlecht hält das Andenken daran in hohen Ehren, und wenn ein Büblein in der Schule, nach de» drei christlichen Hauptfesten gefragt, zuerst das Baffewitzfest nannte, dürfen wirs ihm kauni übel nehmen. Jeden Montag nach Jnvocavit rufen die Glocken zweimal die Ge¬ meinde zusannnen. ES tvird „Bassewitz gefeiert"; heute fehlt Niemand in der Kirche und alle Vorbereitungen müssen biS dahin beendet fein. Kuchen und „Hedewecken", kleine Zuckerbrode, die nur zu diesem Tage gebacken werden, sind in jedem Haushalt in stattlicher Anzahl vorhanden; HauS und Hof ist gefegt, und nun strömt alles zur Kirche, wo Jahr aus, Jahr ein die Geschichte von der zweinialigen wunderbaren Errettung der Stadt erzählt oder in die Predigt verflochten wird. Man zählte das Jahr 1381. Wie's damals in der Mark aussah, weiß jedes märkische Kind. Die Anderen seien nur daran erinnert, daß, wie man heute bittet: Gott bewahr' uns vor der Cholera oder den Anarchistc», so damals: Vor Kökeritz und Jtzenplitz, Vor Quitzow und vor Kracht Beivahr' uns, unser Herre Gott! „Und uns vor Basscwitz!" haben wohl die Khritzer Mütter damals gebetet; und sie hatten allen Grund. Es war ein gewaltiger Herr, der mecklen¬ burgische Ritter v. Basscivitz, kühn und ausdaueriid und wohl bewandert in allen ritterlichen Tugenden, zu denen leider auch damals der Straßen¬ raub zählte. Aber ein Waarenzug von Khritzer Kaufleuten hatte ihnen doch einst wacker bei einen, solchen Ueberfall hciingeleuchtet. Wenigstens

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schneller und sicherer ;

Damals

in

seine Hände bekommen.

im Verließ unter dem Thorthurin, der gegen Rehfelde blickte, ein Verbrecher, über den der Rath den Stab bereits gebrochen 's hatte. Wenn das Armesünderglöcklein noch nicht erschollen war, war kein Wunder; die Bürger hatten jetzt Besseres zu thun, als Armesünder saß

zu hängen.

Da geschah es nun, daß die lautlose Stille, die den arnien Schelmen dort unten umgab, auf eine sonderbare Weise unterbrochen wurde. Es >var ein dumpfes Hämmern und Schaufeln, welches mählig und mählig

>var dies wahrscheinlich der nächste Grund, daß er racheschnaubend mit einem gewaltigen Heerhaufen gegen die Stadt anzog, die'damals von doppelter Mauer und breiten, Graben, dessen Spuren heute noch sichtbar sind, umzogen war. Fast vom Marsche aus ging Bassewitz zum Sturm über und seinen gewaltigen und kriegsgeübten Schaarcn gelang es bald, durch den Graben zu gehen und die äußere Mauer zu nehmen. Schon

drang an einer Stelle ein feindlicher Haufe über die innere Mauer, als die Bürger die letzte Kraft zusammenrafften und den Verwegenen Stand

Sonntag Jnvocavit. Doch noch war Bassewitz am Leben, und als er den Rest seines Heeres zurückführte, soll er einen ähnlichen Schwur gethan haben, wie einst Wallenstei» vor Stralsund; und daß der Gefürchtete wiederkommen würde, sagten sich auch die Bürger von Khritz. Zwar eine lange Pause trat nach jenen, ersten Akte ein. Wollte er nun die Bürger ganz sicher machen, oder fühlte er sich da erst stark genug, kurz, erst nach vollen zweiundzwanzig Jahren zog Bassewitz mit neuem Heere heran. Der Thurmwächter auf St. Marien (damals St. Nikolai) soll vor Schrecken keinen Ton aus dem Horn bekommen haben, als er die gewaltigen Heeresmaffen heranziehen sah. Wieder wurde die Stadt nach allen Seiten unischlossen und das Hauptlager nach Norden zu am heutigen Rehfelder Weg aufgeschlagen. Das Ganze bot einen Anblick dar, der wahrlich nicht geeignet war, den Muth der armen Bürger zu heben, besonders da die Stadt ohne Zurüstung war. Wie waren sie daher verwundert, als Baffewitz ihre augenblickliche Verwirrung gar nicht benutzte. Tage und Wochen verstrichen, und, wenn ja ein kleiner Anlauf von draußen erfolgte, so merkte man ihm an, daß es nicht allzu ernst damit gemeint war, und schon beschlich die Bürger der furchtbar ernste Gedanke, daß sie ausge¬ hungert werden sollten. Aber sie irrten sich; Bassewitz wollte die Stadt



näher drang, und sich gerade seine Zelle zum Ziel ersehen zu haben schien. Da schoß ihm ein Gedanke durch den Kopf. Von dem Wärter, der ihm täglich sein kärgliches Brod in die Finsterniß hinabließ, hatte er gehört, daß die Stadt in Fehde lag. Das mußten also die Feinde sein. Mt Händen und Füßen suchte er nun die Kerkerwand zu durchbrechen; aber ach! ob er sich auch die Hände blutig arbeitete an dein harten Stein, eS war vergebens; nur wenige Fuß weit von ihm zog das Klopfen vorüber und verlor sich schließlich in der Ferne. Da senkte sich ein neuer Hoff¬ nungsstrahl in sein verzweifeltes Herz. Als er ain nächsten Tage sein Essen erhielt, bat. er dringend, vor den Bürgernieister. geführt zu werden, dem er eine überaus wichtige Nachricht zu bringen habe. Man gab ihm nach, und vor dem Oberhaupt der Stadt betheuerte er, nichts Geringeres leisten zu wollen, als die Errettung der Stadt, fteilich um den Preis seines Lebens. Die Herren vom Rathe schüttelten erst bedenklich den Kopf; doch welcher Preis wäre ihnen schließlich um solchen Gewinnst zu hoch gewesen! Sie wurden also bald einig, und als der Neugeborene seine wichtige Entdeckung mitgetheilt, waren die Herren des Handels wohl zufrieden.

459 auch die Merkmale der Schande unverkennbar sich ausprägten.

Uebertteterin an den Kaak und riß ihr einen kurzen Schleier voin Haupte; er riß ihr auch das prunkende Gewand von der Schulter, so daß der schneeig weiße Rücken des Weibes vor allem Volke sichtbar wurde. „Sie hat," so fuhr Peter Blankenfelde fort, „vor dem Propsteigebäude von St. Nikolai die schimpflichen Worte aus¬

Der Büttel

Mann an; darauf erhob

sie sich schnell und wankte weinend Georgen- oder Bernauer Thore zu. — Der Bürgermeister Peter von Blankenfelde hatte unter¬ dessen eine Anzahl von abgeschälten Weidenstäben ergriffen,

den j

St.

dem

fesselte die

!

welche der Büttel ihm dargereicht hatte. Er zerbrach sie nach¬ einander und warf sie über die Häupter der Verbrecher, welche,

init

schweren Ketten belastet, ihm vorgeführt wurden, zu Boden.

„Du

gerufen:

Nur Mägdlein her für die Priester! — Sie

der

fuhr das Ruthenbündel

des Dieners

Weib, hast Zauberei getrieben und es der Ehefrau des Heino Neuendvrf angethan, daß sie von der fallenden Sucht heim¬ gesucht ward! Du büßest auf dem Scheiterhaufen, ruchloses

der Gerechtigkeit auf den weißen Nacken des verlorenen Weibes

nieder,

und

gar bald sprang das rothe Blut hervor.

sank die Elende zu Boden, und der

Büttel

entfesselte sie,

bist ein ,Strauchhuhn' geworden, Jakob von Luckan, einst

bist, — der

Stadt auf's Aergste verlästert! Aufs Blut sollst Du sie stäupen, Büttel, und die Stadt soll ihr auf ewige Zeiten verboten sein!" — die Geistlichkeit der

Zischend und pfeifend

Du

ein fahrender Mann und Seiltänzer geivesen Tod durch's Beil erwartet Dich!" Also begann der Bürgermeister und warf die Holzsplitter in die Luft. Dann aber fuhr er fort: „Du, Welburg, du schändliches, dein Teufel verfallenes

hat

Da mit

„Und doch hab' ich die Wahr¬ ohnmächtiger Wuth noch einmal auf. sie in „Die Meßpfaffen von St. Nikolai, — sie und Herinann Mellin sind schuldig meines Blutes und meiner Schande!"

Weib!"*)

ohnmächtig wieder zurück. — Niemand bekümmerte sich mehr um sie, als ein Bettler. Er flüsterte ihr einen Rainen in's Ohr. Auf's Höchste überrascht, blickte sie

wärest des Verräthers Koppen Richard,

Als die Nacht mit ihrer Stille gekommen, legten die Bürger das Ohr auf die Straße, und hörten nun ebenfalls das schauerliche Treiben der Maulwürfe dort unten, deren Gang sie von nun an genau bewachten.

Brödchen, welches in seiner Form die Steine versinirbildlichen soll, die den Fliehenden dainals nachgeworfen ivurden. Da wollen deni» die Jungen

dem Fuße nach

ihr

stoßend.

Wieder knisterte unheimlich die zerbrechende Ruthe. — „Du aber. Elende," sprach jetzt der Bürgermeister, an

heit gesagt!" fuhr

Dann sank

Als etwa

eine wendische

sie

vergangen waren, näherten sich die unheimlichen Töne der Oberfläche. Es war offenbar, die Feinde hatten in der Kirche durchzubrechen beabsichtigt, hatten sich aber um kaum hundert Schritt ver¬ rechnet, und wühlten da, wo heut das Rantzausche Haus am Markte steht, nach oben. Die Städter rechneten richtig, daß am Tage des Durchbruchs, unr die Aufmerksamkeit nach außen zu lenken, gleichzeitig ein Sturm auf die Mauem erfolgen würde. Sie hielten diese also wohl besetzt. Die Stärksten aber aus den Innungen waren am Markte versammelt, um die unterirdischen Gäste würdig zu empfangen; auch die Frauen hatten sich dort in großer Anzahl zu demselben Zwecke mit heißem Mehlbrei und ähnlichen Leckerbissen eingefunden. Der Morgen eines Junitages des Jahres 1403 graute kaum, als sich dort die Erde spaltete, und der Ritter von Bassewitz in voller Rüstung ihrem Schooße entstieg. Hätte er Zeit gehabt, er hätte sich sicher ge¬ wundert, daß ihm die Braven dort so viel unvermuthete Aufmerksamkeit erzeigten. Doch schon fielen hageldichte Kolbenschläge auf ihn herab, die sein lautes Triumphgeschrei ihn» in der Kehle ersticken ließen.*) Kaum hatte man ihm den Garaus gemacht, als sich schon der Nächste aus der Erde hervorarbeitete, den ein gleiches Schicksal traf. Nun eilten auch die Frauen mit ihrem Brei heran und gossen die kochende Masse in die klaffende Erdspalte; bald waren die Nächstfolgenden erstickt; der Gang verstopfte sich und die Gefahr war hier beseitigt. Von außen her war der erwartete Sturm nicht ausgeblieben. Die gesammten Massen waren gegen die Mauern angerückt; schon hatten sie den Graben durchschritten und der Kampf toste um die äußere Mauer, als sich die Kunde verbreitete, daß ihr verwegener Führer gefallen und das Werk, woran man Wochen lang mit aller Kraft gearbeitet hatte, in einem Augenblick vernichtet sei. Da fiel denn den mecklenburgischen Dienst¬ leuten der Muth gar schnell; die braven Bürger aber waren alsbald von neuer Hoffnung beseelt. Jetzt öffneten sie selber die Thore und stürmten zur Stadt hinaus oder von den Mauern herab auf den Leitern, welche die Feinde selber bereits angesetzt hatten. Ein kurzer Kampf nur, dann war der Sieg errungen. Triumphirend kehrten die Braven zurück, und Kyritz war zum zweiten Male gerettet. — Das ist in kurzen Zügen die frohe Botschaft, die an diesem Tage der andächtigen Gemeinde von der Kanzel verkündet wird. Während die Schlußverse ertönen, entsteht eine merkliche Unruhe unter der Jugend, die oben auf dem Orgelchor ihren Platz hat und die an keinen» anderen Tage so zahlreich in der Kirche vertreten ist; während die Kleinen vorher init voller Begeisterung sangen, oder vielmehr schrien, als gelte es, den Feind auf's neue zu vertreiben, haben sie jetzt die Gesangbücher schon zu¬ geklappt und rutschen unruhig auf ihren Bänklein hin und her. Und sie wissen waruin! Kaum ist der Schlußakkord erklungen, so saust die Schaar voin Chor herab; denn heute erhält jeder Kirchenbesucher, der das Gottes¬ haus durch die Brautthür verläßt, ein „Rundstück" das ist ein kleines

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.

!

Anmerkung des Bersassers.

sich

richtend, „die Du einst eine Dienerin Du hast deinem jetzigen

*) Alle angeführten Urtheile sind

acht Tage

*) Sein Schwert wird noch heute im Rathhuuse ausbewahrt. Vcn dem Panzerhemd ist nichts übrig gebtieben, da jeder neue Bürgermeister in dasselbe ein Loch schneiden mußte.

Magd

!

:

geschichtlich bezeugt.

natürlich die ersten sein. Während des letzten Verses hat sich auch eine andere jugendliche Schaar mit glühenden Wangen und garnicht festlich gekämmten» Haar hereingcschlichen. Diese Tapferen haben das Gedächtniß ihrer Altvordern ebenfalls würdig gefeiert, denn auch sic haben soeben eine feindliche Schaar vor der Stadt zurückgeschlagen. Schon früh morgens nämlich kommen aus den» Nachbarstädtchen Wusterhausen zahlreiche Jungen, um a>» der Feier pietätvoll Antheil zu nehmen, im letzten Grunde aber der Rundstücke wegen. Das durchschaue!, denn ihre Kyritzer Altersgenossen ivohl, und so halten sie vor dem Thore treue Wacht, um die Rivalen gleich dort energisch abzuiveisen; es ist der Brodneid im wörtlichen Sinne. Aber den letzten Vers vergessen sie darüber nie. An der Thür haben sich inzwischen die Väter der Stadt aufgestellt und theile,» aus den brodgefüllten Körben zu beiden Seiten Jedem der Herausströnrenden sein Rundstück aus; und ist n»anches Büblein, welches trotz des starken Stromes so gut zu lawiren versteht, daß es auch den Korb der anderen Seite erreicht »u,d dort ein zweites Brödlein erwischt; ui»d weiß es auch das schnell genug unter den» Nöcklein zu verbergen, so ivird die verlangende Hand auch noch inal gefüllt. Doch die Jugend oder etwa die Armen sind cs nicht allein, die in dem Gedränge nach Luft und Brod ringen. Auch der Bürger scheint in dem Empfang des Rundstückes die eigentliche Weihe des Tages zu er¬ blicken. Denn das Brödchen, ivelches an diesem Tage bei jedem Bäcker für vier Pfennige käuflich zu haben ist, kann es an und für sich nicht sein, ivas ihn treibt, sich etwa eine viertel Stunde lang mit der Hälfte des Raumes zu begnügen, den sonst seine Person einnimmt, und sich außerdem tausend Püffen und Fußtritten, ja, wenn's fein Unstern will, dem gänzlichen Verfehlen seines Zweckes ausgesetzt zu sehen, und in einem Bilde zu figuriren, das sonst nur das Berliner Straßenleben etwa bei großen Hoffestlichkeiten bietet. ~ Doch der Stadtsäckel muß noch in anderer Weise feiern helfen. Schon am Tage zuvor sind den Schülern der beiden obersten Klaffen kleine Geldgaben ausgetheilt, womit die Festfreude einen Puten Anfang nimmt; ist es doch oft — wie auch seinerzeit dein» Schreiber dieses — die erste Baarschast, die sie ihr eigen nennen. Jeder der beiden Geistlichen erhält zwei Brode und vier Rundstücke und für die Predigt einen Thaler, der natürlich zur Zeit der Einsetzung des Festes, also gleich nach jener ersten Errettung der Stadt, einen höheren Werth hatte, als heute. Auch der Armen wird nicht vergessen; man theilt ihnen reichlich Brod aus, und wo ein Weiblein an diesem Tage frierend in der Stube sitzt, da erbarint sich, wenn's der Stadtsäckel nicht mehr vermag, der Nachbar oder sonst ein braver Bürger, und sorgt für ivarnien Ofen, und so er's hat, auch

für mehr. So wurde

es init dem Bassewitzfest schon vor fünfhundert Jahren in Kyritz gehalten, und das heutige Geschlecht will es sich nicht nehmen lassen, dem lieben Gott für seine Treue die Ehre zu geben und der tapferen Väter zu gedenken. Und wer einmal recht viel fröhliche Gesichter sehen will, und ein Rundstücklein gratis dazu enipfangen, der komme am Montag nach Jnvocavit nach Kyritz, und feiere mit der braven Stadt

das Baffewitzfest.

--

460

Herrn Klaus Domes ein Gewand gestohlen! Darum sollst Du lebendig begraben werden unter dem Galgen auf dem neuen Markte." — Weder die verurteilten, noch die zahlreichen Bürger von welche dem traurigen Akte beiwohnten, brachen das finstere Schweigen, welches über der Versammlung lag. Es

Berlin,

wußte ein Jeder: das Gesetz der Sachsen war mit Blut ge¬ schrieben und kannte kein Erbarmen." — „Endlich aber," — der Bürgermeister erhob jetzt seine Stimme höher und richtete seinen Blick finsterer auf die Menge, — „sind heut vor acht Tagen gefangen worden zwei Knechte aus dem Gefolge Erich Falke's und jenes Koppen Richard, welcher einst ein Bürger unserer

Stadt war! Wohl haben

sie

uns Kundschaft gebracht vom Zuge der Friedebrecher nach wir durch weitere Botschaft erfahren haben, wie die Frevler in der vergangenen Nacht die Brücke von Köpenick überschritten haben und nach Norden gezogen sind. Allein sie sind Thcilnehmer gewesen der furchtbaren Thaten

Köpenick, also daß

Freibeuter, und darum hat der Rath auch jener

ihnen jedwede Gnade ver¬

Klaus Schulte und Thewcs Mollncr, — be¬ reitet auch euch zum Tode vor; es ist der Galgen, der euch bestimmt ist! Eure Herren gewähren ja auch keine Gnade mehr; man hat den Hermann Mellin gerichtet; — wir sagt.

,



.

w

,

neuen Markte abgeführt worden wareil.

Droheild erhob jetzt Margarethe, welche unter den „Frauen" der Stadt „die schöne Grethe mit den langeil Zöpfen" geilannt wurde, die geballte Faust gegeil das düstere Rathhaus des alten Berlin. „Wehe dir, du Haus, in dem die Gnade nie gewohnt hat! Wenn der Wind günstig ist," so sprach sie zähneknirschend, „so konlint dir wohl noch heut die Stunde deines Unterganges, du Ort des Fluches und der Schande! Mägdlein für die Priesters — Ja, ein Priester und ein armes, verachtetes Mägdlein iverden heut' die Flammeil anschüren, in welchen diese unbarnlherzige und heuchlerische Stadt versinkeil soll!" — Scheu um sich blickend, schlich sie dann durch die Gassen davon, welche voin Rathhause nach dem Ende der Kloster¬ straße am Spandauer Thore hinführten. — Wie noch lange nachher, so standen auch im Jahre 1380 hier nur morsche, schmutzige und ärmliche Häuser, in welchen das Laster unb das Verbrecheil wohnte oder das tiefste Elend seine Blöße zu verdecken suchte. Am Ende der „Roseilstraße", welche ihren höhnischen Namen von jenen geschmiilkten, öffentlichen Hrauen erhalten hatte, die unter der Aufsicht des Büttels im alten Berlin die Straße zu reinigen hatten, angethan mit all' dem kläglichen Flitter¬ staate ihres ehrlosen Ge¬ werbes, — am Ende der

nur mit dem gleichen Maße! Jetzt zur Gerichtsstätte, — nach inesien euch

dem neuen

Der Büttel von Berlin und seine Knechte

Tagen

ein

Geistliche;

Der Pavillon Friedrich Wilhelms in. im Kchloßgarlrn ju Chartottenburg.

bemächtigten sich der Ver¬ urtheilten; — ein langer

denn

der Herbergen

Schweigen nach dem neuen Markte. Herr Peter von Blanken¬ felde war kein Mann, der Widerspruch oder Widersetzlichkeit ertrug, das wußte man im ganzen Lande Brandenburg!

Das Arme-Süuder-Glöcklein am Rathhause tönte fort und fort, — wohl eine Stunde lang; denn nur langsam ging die Vollstreckung der verkündeten Urtheile vor sich. — Mit Grausen wendet sich hellte der Blick voll einer Zeit ab, in welcher solche Urtheile gesetzlich geboten waren,

— in

welcher

deren Vollziehung voll deil unglückseligen Opferrr

mit Gleichnillth erwartet wurde. Aber in der That, — das Leben ivar um 1380 für Viele eine schliminere Heiiilsuchung, als der bittere

Tod!-

der

deren blcndeild weißer Rücken

Unehre sitzende" Weib

blutig

gepeitscht worden

Geschöpfe!"

war,

— geht dort hinein!" erwiderte thellnahmlos die Frau, eine Thür öffilend und sie

„Ein

„Stadtbuche" ver¬

Reisiger wartet auf Euch,

sorgsanr wieder schließend.

Auf in»

in einer

inittelalterlichen Stadt! Das Aeußere dieses Hauses aber Allein die blutig geschlagene Grethe versprach wenig geimg. „mit den langeil Zöpfeil" wußte Bescheid hier. Schnell öffnete sie die unsaubere Hausthür und flog die steile Treppe hinauf. Eül Weib in mittleren Jahren, auf das Allffallendste gekleidet selbst nach den Begriffeil jener lasterhaften Zeit, trat ihr entgegen. „Isis überftailden, Grethe?" fragte sie höhnisch. Das elende Weib antwortete nicht. „Kersten aus der Büttelgaffe hat mich hierher gerufen!" sprach sie. „Was iffs, Frau Else? Ich habe, — o bitte, sagt mir die Wahrheit sogleich, — eine Ahnung, daß ich bei Euch den einzigen Mann antreffe der noch ein Mitgefühl hat mit mir, dem arnien, verlorenen

aber,

hatte unbemerkt den Platz bei der Gerichtslaube verlasien, ilachdem die dein Tode Geweihteil zur Richtstätte auf dei,l *) Sämmtliche Strafen und ihre Gründe sind

die

Schlupfwinkel des Lasters wareil ja stets die besten

Zug bewegte sich in ernstem

zeichnet.

stand in

verFreilich verkehrten hier Ritter unb Fürsten, die nach Berlin kamen, — Patriziersöhne und zur Nachtzeit alich

und hinweg!"*)

„an

zugleich

rufenes Haus.

Markte, fort

Jenes verlorene,

Stadt jenen

Genraches bedeckend.

einem saß

ein

Seffel

des

der

Bestraften

Mann, das Antlitz mit

angewiesenen seinen Häilden

461

„Nikolaus, mein Bruder!" rief Margarethe aus, und es klang wie ein sanfter, aus tiefstem Hetzen kommender Ton hindurch. Dann sank das arme Weib schluchzend zusammen. Der Reisige, der sie aufrichtete, war Nikolaus Hundewerper, der einst als Brandstifter gebrandmarkte, aus der Klosterhast 51 t Lehnin entflohene Priester, der wilde Geselle Erich Falke's

und Koppen Richard's. „Still, Schwester," sprach er, „weine nicht; — ich weiß Alles! Wir haben nicht Zeit zu klagen, Du armes, verführtes

Weib!

Wir

Als

hörte, wie tief Du gesunken bist, stand es bei mir fest, jene frirchtbare That zu begehen, welche man mir einst zugeschrieben hat. Ich habe unschuldig gelitten, allein mein Leben ist zerstört, wie das Deine! Wie glücklich hätten wir sein können, wenn uns ein Sonnen¬ blick des Schicksals gelächelt hätte! Doch still von dem Allem! Jener Plan, den ich gefaßt hatte, als Du von dem wollüstigen Schurken, dem Hermann Mellin, zur Sünde verleitet warst, als Du die verachtete Genossin elender Mönche geworden, und ich, der muthmaßliche Rächer Deiner Ehre, in's Kloster Lehnin gesperrt wurde, — er steht unwiderruflich bei mir fest! Noch hellte solleil die Flammen über Berlin zusammersschlagen! Wenn es loh brennt, dann geb' ich Dir und mir den Tod!" Es lag eine furchtbare Entschlossenheit in den Zügen des Priesters; die verlorene Grethe mit den langen Zöpfen versuchte «licht einmal einen Widerspruch; leise und tiestraurig sprach sie

müssen handeln!

ich

nur:

„Dll

arnler, lieber Bruder, der Du uni der Ehre willen kämest, — der Du verfolgt lvlirdest, weil Dll der Zucht die Treue hieltest, — Du könntest wohl noch leben! Ich aber will gern sterben, ja ich ersehne mir beit Tod von deiner Hand als jene einzige Erlösung, die mir kommen kann! Verzeihe mir rmr meine Schuld und meine Sünde!" „Sprich mir nicht mehr davon, Margarethe!" erwiderte Nikolaus Hundewerper sanft. „Es war ein Unglück, daß ich Dich in dieser Stadt ließ! Jedoch, — hier hast Du Gold, — laß' Wein auftragen! Denn nüchternen Muthes kann ich nicht thun, was ich doch thun muß!" Der Wein wurde gebracht, und die Beiden sprachen lange, lange leisen Tones mit einander. Im dem Antlitze des armen Weibes wechselte das tiefste Roth mit einer leichenähnlichen Blässe. Jetzt nickte sie traurig mit dem Kopfe zu den Vor¬ schlägen des Priesters, — jetzt schrak sie bei den Worten des Bruders zusammen, — jetzt weinte sie leise vor sich hin. Nikolaus Hundewerper aber stützte Becher auf Becher hinab, der Wein war feurig und stark. Und jetzt nahte der Abend. Der ehemalige Priester stülpte den Hut auf und sprach

in Ullehre

zu seiner Schwester:

inuß jetzt fort, — erwarte Du mich hier!" Da fiel sie chm zu Füßen. „Bruder, liebster Bruder," flehte sie leise und ihre weißen Hände ringend, „0 laß' mich nicht sterben hier auf dieser

„Ich

Stätte tiefster Schande! O jetzt, da die Stunde gekommen ist, wird mein Blick wieder klar, und ich erkenne die entsetzliche Größe unseres Verbrechens. O laß' ab, ich flehe Dich an, von deinem Vorhaben! Komm, laß' uns Deinem Gebieter!" —

entfliehen,



zu

„Ich weiß nicht, ob er noch am Leben ist!" erwiderte Nikolaus Hundewerper kalt. „Ich sah, als ich durch den

'

1

'

!

Wald

schlich, überlegene Haufen

von Reisigen auf Pankow hin— vermuthlich sind Erich Falke und Koppen Richard bereits gefangen. Auch ist es schon zu spät. Die Knechte, die ich mit mir führte, sollten beim Läuten der Vesperglocke das Feuer anlegen bei St. Nikolai und am neuen Markte im Hause Hermann Mellin's! Mir bleibt nur noch übrig, den Brand zu werfen in das Gehöft der Blankenfelde; dann ist das Werk gethan; — es brennt im alten und im neuen

ziehen,

Berlin!" Jetzt erhob

sich die

Sie küßte

unglückliche Margaretha mit den langen

Dann sprach sie fest und Klaus; unsere Schande ist allzu groß, um sie zu überleben. Doch eine Sünde will ich von Dir nehmen; — es ist das Letzte, womit ich Dir danken kann! Lebe wohl, — für immer, mein armer Bruder; — ich gehe allein!" Sie zog den Schleier über das Haupt und verließ das Zöpfen. gefaßt:

„Du

den Bruder.

hast Recht,

Haus der Schande und des Verbrechens. Menschenleere Gänge führten damals von der Rosenstraße bei der Wohnung des Büttels und bei dem Hospitale zum heiligen Geiste vorüber nach der von Wiesen umgebenen Spree hinab. Die schöne Else mit den langen Zöpfen schlug sie ein; — man hat nie wieder etwas von ihr vernomnten. Denn das Spreeufer hinter dem heiligen Geiste war völlig einsam am Abende jenes furchtbaren 10. August 1380. Vom neuen Markte her und jetzt auch vom Priesterhause neben St. Nikolai, — vom Hofe der Blankenfelde und jetzt selbst von den kleinen Häusern, den Buden bei dem St. GevrgenThore, war bereits zu gleicher Zeit Feuerlärm erschollen. Man löschte

mit

den unvollkommenen Geräthschaften der

Zeit zwar

das Feuer in dem verlassenen, verrufenen Hause Hermann Mellins am neuen Markte; — unterdessen aber entzündeten die emporsprühenden Funken das Dach der Eine unbeschreibliche Verwirrung bemächtigte schaft von

St. Nikolai-Kirche. sich

der Einwohner¬

„Es brennt auch in Pankow!" meldete St. Marien. — „Wir haben keine Zeit, Priester bei St. Nikolai zu retten! Das Feuer

Berlin.

der Thürmer von

das Haus der

im Hofe der Blankenfelde ist gefährlicher!" entgegnete der wackere Altmeister der Knochenhauer, Herr Wilke Honow, den dringend bittenden Geistlichen. Nie hat sich schlimmer die verhängnißvolle Wahrheit jenes Wortes erwiesen, welches man auch noch nach dem Brande von 1380 in das Stadtbuch eintrug. „Priester und Laien werden leider selten gute Freunde. Das kommt von der Pfaffen Gierigkeit und Unkeuschheit. Wenn die Unkeuschheit sie verläßt, so haben sie in sich alle Gierigkeit. Den Gierigen aber hasset man sehr." Die Hülfe bei St. Nikolai blieb aus, und das hohe Dach des ältesten Gotteshauses von Berlin stand bald in hellen Flammen, und nun war die ganze Stadt Berlin in kurzer Zeit ein wogendes Flammenmeer. Die Thore mußten geöffnet werden; die Hitze in der Stadt war unerträglich. Und was das Schlimmste war: eine jede mittelalterliche Stadt beherbergte in ihren Mauem gesetz- und zuchtlose Männer in Menge. Die brachen jetzt hervor: es wurde geplündert und gemordet in den brennenden Häusern. Viele reiche Geschlechter von Berlin sind für immer zu Grunde gegangen an dem Brande von 1380. Durch die Volksmassen drängte sich an jenem entsetzlichen Abende auch ein Mann im Reitermantel, anscheinend ein

462

Söldner, welcher den breiten, schattenden Hut tief in die Stirn gedrückt hatte. Seine Züge erschienen wie aus Stein geformt, Unbeirrt durch das herzzerreißende Wehklagen, welches die Stadt erfüllte, schritt er über den „alten Markt," auf welchem Hunderte von Unglücklichen lagerten. Niemand achtete auf ihn. Auch er schien die Worte zu überhören, welche man in der Verzweiflung ausstieß. „Das haben uns Erich Falke und Koppen Richard angethan!" so hieß es hier. „Wehe dem

Rathe, der

den

Stadthauptmann verbannt hat!"

so

klang es

da. —

behauptete man dort wiederum, „es ist das Weib gewesen, die Hexe, die neulich schon das Bilsenkraut auf den Ofen der Badestube im Krögel gelegt hat, so daß die Badenden fast erstickt wären von den giftigen Dämpfen! — Warum hat sie der Rath nur auspeitsche» lassen?" — Auf Nikolaus Hundcwerper rieth keiner; die Väter von Lehnin standen nicht eben gut mit den Bürgern von Berlin und hatten ihnen die Flucht des eingekerkerten Priesters nicht

einmal angezeigt.

Lateinische Dichtung, sowie lateinische Dichter in Und wer, glaubt man wohl, ist aus märkischer Erde der erste,

mit

Sicherheit nachzuweisende poeta latinus gewesen?

Kein Ge¬

ringerer als ein glänzender Krieger, ein Zeitgenoß des erlauchten 1311. Sängers Ottos IV., der Graf Burchard von Lindow, Freilich ist uns nur eine Strophe von ihm erhalten; sie gilt seiner holden Gemahlin Elisabeth von Holstein und lautet: „Fulget Elisabetli et floret inter uxores, Quas Rtipitui foret clarissima inter sorores! Ilaec mea spes, mea lux, splendentes inter nitores!“ D. h. „Es blüht und strahlt unter all' ihren Schwestern, welche Ruppin beschützt, mein Weib Elisabeth, sie die glänzendste! Sie ist mir Hoffnung und Licht vor allen schimmernden Sternen!" — Man sieht also, — ein gräfliches und lateinisches „Aennchen von Tharau" aus dem 13. Jahrhunderte! Fürst und König aber aller märkischen Poeten, welche Lateinisch geschrieben haben, wird stets George Sabinus bleiben, der Bürgermeistersohn von Brandenburg, welcher Melanchthons Tochter Anna heirathete, und dessen Schick¬ sale bereits des Oesteren beschrieben worden sind, der gelehrte Jurist, der noch heut zu Königsberg in Preußen, woselbst er erster Rektor der Universität gewesen, dankbar verehrt wird. Eine mär¬ kische Kirche, die ehrwürdige, sünfschiifige „heilige Maria zu Frank¬ furt," birgt seinen Staub. Der berühmte Kardinal Alexander hat ihn zum Dichter gekrönt, — Kaiser Karl V. ihn zum Ritter ge¬ schlagen; — wie vergessen aber ist bei uns dieser wirklich hervor¬

f

ragende Mann des großen, 16. Jahrhunderts! Doch wir übergehn ihn hier; sein Leben ist so außerordentlich reich, der Quell seiner

Dichtung fließt und gießt sich so mannigfaltig zu Thal, daß er eine besondere Behandlung erfordert. Was bis jetzt über ihn ge¬ schrieben ist, genügt keineswegs. Vertiefe sich endlich einmal ein märkischer Forscher in jene Gedichte, welche Sabinus zu Häupten in das letzte, enge Haus mitgegeben worden sind. diesem „deutschen Ovid", wie der Doktor von seinen Zeitgenosien genannt worden ist! Vollständig sind seine Cannina 1606 bei Vögelin in Leipzig erschienen. Auch einen anderen Dichter muß ich ausschließen; es ist der Havelberger Struve mit seinem Epos memorabile u. s. w.; Herr I)r. Dräsecke in Wandsbeck, ein gelehrter Freund, hat diesen Dichter bereits im „Märkischen Provinzialblatte" ausführlich be¬ handelt. Leutinger hat ebenfalls hier zu Berlin schon eine durch¬ aus gerechte Würdigung gefunden, welche freilich auf die Poesien des märkischen Historikers zu wenig eingegangen ist. Das Urtheil über die Dichtungen des unstäten Mannes muß noch erst gefällt werden. Ich übergehe ferner die Frankfurter Prosesioren; sie bedürfen einer Behandlung im Zusammenhange. Alle diese Poeten aber sind bereits mehr oder minder bekannt. Ich möchte heute die Aufmerksamkeit zunächst auf drei fast völlig unbekannte lateinische Lyriker der Mark hinrichten; es sind dies Joachim Tydecke, Albert Friedrich Mellmann und Kaspar von Barth. Weiteres muß eingehenderen Studien vorbehalten werden, für welche in den Bibliotheken des grauen Klosters, des Joachimthalschen Gymnasiums und in den ,^eich-Predigt-Kästchen" der hiesigen Königlichen Bibliothek ein sehr reiches Material vorliegt.

„Nein,"

entsetzliche

Berlin und in -er Mark.

(Fortsetzung folgt.)

(Schluß.)

erste der genannten drei Dichter der Zeit nach ist Joachim Die berühmte Seidelsche Sammlung giebt sein Bildniß. Der Dichter ist völlig gerüstet; er trägt Harnisch, Ringkragen und die breite, spanische Krause; sein Antlitz ist finster, sorgendurchfurcht ; auf dem Tische neben ihm steht ein Helm, liegt ein Buch. Sein Wappen, ein geharnischter Arm mit einer Fahne, deutet auf kriegerisches Verdienst. Wer war dieser Mann? „Juri8 utriusque Licentiatus und Berlinas!“ Ja, das wissen wir; — auch, daß er in den polnischen Wirren von 1575 „sich ritterlich gehalten". Weiter nichts! Von seinen Werken ist eine Rede bekannt, welche er bei einer Gesandtschaftsreise nach Warschau im Jahre 1557 gehalten hat; er soll ferner die Sprichwörter Salomos metrisch übersetzt und mit eigenen Zusätzen vermehrt, zu Gent herausgegeben haben. Wer hilft nach dem Buche suchen; — wer vervollständigt

Der

Tydeke.

die Angaben über diesen lateinischen Poeten und brandenburgischen Kriegsmann? Mir ist die Persönlichkeit desselben völlig räthselhaft; aber ein Bürgermeistergeschlecht Tydeke hat es zu Kölln an der Spree im 15. und 16. Jahrhundert wirklich gegeben. Etwas lichter ist das Leben Albrecht Friedrich Mellmanns von Berlin. Wir kennen den Vater des Dichters ; es ist der Land¬ syndikus Dr. Simon Mellmann, desien Grabmal, aus einem Votiv¬ gemälde bestehend, sich noch im vergangenen Jahrhunderte zu St. Nikolai vorfand. Diesem sonst sehr ehrenwerthen Manne muß doch ein klein wenig Vagantenthum angeheftet haben; Herr Simon war erst Student, dann Krieger, dann heirathete er ein Nürnberger Dämlein. Namens Thraciger, — ich vermuthe, es ist dies der ehrsame deutsche Name „Drahtzieher", — und setzte sich in Berlin zur Ruhe. Auf den im Jahre 1558 geborenen Albert Friedrich scheint etwas von dem Geiste des Vaters sich vererbt zu haben; auch er war ein rechter „Neisläufer". Nicht zu Berlin, sondern zu Stettin besuchte er die Schule; dann ging er auf die Universität Frankfurt, bereiste Italien, Frankreich und England. Er soll in Holstein gestorben sein. Das Bild Albrecht Friedrich Mellmanns in der Seidelschen Sammlung ist wohlgelungen und überaus charakteristisch. Der Kopf zeigt energische, kriegerische Züge; Haar- und Barttracht sind soldatisch; die Kleidung des vates mellifluus, des honigträufelnden Sängers, ist fast als eine überreiche zu bezeichnen. Er trägt einen Spitzenkragen mit reicher Borde, ein kunstvoll gestepptes Wamms mit vielverschlungener Kette, einen Mantel von schwerem Atlas; — wir sehen, wir haben einen Aristokraten unter den Dichtern vor uns! Das bestätigen auch die überaus feinen Hände mit den spitzen Fingern, von welchen die Rechte auf ein Schwert mit kunstvollem Korbe gestützt ist. Ein gewisier Zug des Leidens ist freilich in den Zügen Mellmanns unverkennbar. Wie könnte es indesien anders sein; — der Dichter hat während seiner Reisen viermal an einer pest¬ artigen Krankheit gelitten! Alles Uebrige, was wir von Mellmann wißen, daß Kurfürst Joachim Friedrich ihm einst eine goldene Kette geschenkt hat, daß der Vicekanzler Benkendorf sein Schwager gewesen, daß die Bibliothek der Thraciger ihm vermacht worden ist, — das Alles,

463 meine ich, ist völlig unwesentlich. Wären uns nur seine Gedichte erhalten, welche zu Berlin 1591 in Quart unter dem Titel erschienen sind. Noch Küster, unser überaus fleißiger Küster, hat sie gesehen; — man weiß nicht, wo sic geblieben sein können; man hat vergeblich nach ihnen geforscht! Es ist unglaublich viel an gelehrtem Apparate zur Geschichte der Mark und der Stadt Berlin seit der Mitte des vorigen Jahr¬ hunderts verschwunden.

baren, kavalierinäßigen Verirrungen des Gelehrten, in deffen Geiste Cicero und Prudentius um die Herrschaft ringen, — im Hinter¬ gründe der 30 jährige Krieg, die Brandfackeln der Schweden, die Kontributionen, — das Alles bildet ein Material zu einem kultur¬ geschichtlichen Romane im großartigsten Style! — Man kann nun Wohl mit Recht entgegnen: „Was Du uns sagst von lateinischen Poeten hier zu Lande, ist Alles nur negativ; — Du sprichst von Männern, deren Schriften verloren

Der dritte unserer lateinischen Dichter, auf welchen hinweisen wollen, ist Caspar von Barth auf Rasiendorf.

sind, und jene Poeten, deren Dichtungen uns noch vorliegen, den Rektor Georg Sabinus, den Historiker Beustinger, den Geistlichen

„Omnium horarum poemata“

wir

heute

Derselbe

ward zu Küstrin, woselbst sein Vater Karl von Barth die Stelle eines neumärkischen Kanzlers bekleidete, am 21. Juni 1587 ge¬ boren. Er war ein Wunderkind. Im neunten Jahr den ganzen Terentius aufsagen zu können, — das ist doch etwas, was kein Musterknabe heut zu Wege bringt! Es ward also an seiner Er¬ ziehung nichts gesparet," erzählt Küster, „er ging nachmals zu Eisenach und Gotha in die Schule; im zwölften Jahre brachte er binnen weniger Monate den ganzen Psalter in lateinische Verse; im Jahre 1607, in welchem er also erst 20 Jahre alt war, er¬

schienen zu

Wittenberg bereits von ihm die „luvsnilia silvarum, Lörmonum, elegiarum, lyricorum.“ Der Mark selbst blieb die Wirksamkeit dieses ganz ungewöhnlich begabten Mannes verloren, und fast möchte ich sagen, der Herr von Barth hat eine solche, wenigstens nach Außen hin, auch kaum entfaltet. Es ist ein ge¬ lehrtes Stillleben gewesen, welches er zu Leipzig, — er wohnte

im Paulinum, — in dem Verkehre mit den seltener gelesenen Skriptoren der alten und mittleren Latinität geführt hat. Barth sammelte Manuskripte an, welche er selbst bis zu 18 000 Gulden und wegen deren Ankaufes die Königin Christine von Schweden mehrfach mit ihm in Unterhandlung getreten sein soll. Wenn man eine Ansicht über die ganze Persönlichkeit Barths aus¬ sprechen soll, so ist dieselbe, offen gestanden, trotz der reichen Gaben des Mannes, welche sich nicht ableugnen laffen, eine überaus gering¬

schätzte

— ja, wir halten den Herrn von Barth sogar für einen literarischen Charlatan. Es ist unserer Meinung nach ein fast wahnsinniges Unternehmen, in drei Tagen die Jliade mittelst 2000 lateinischer Verse zu übersetzen. Jöcher erzählt in dem „Ge-

!

Struve, all'

Con- und Subrektoren, die Kollegen und Kantoren am Joachimsthale und an dem grauen Kloster, den wackeren Samuel Dresenius und den „Georgium Gutkium“, sie führest Du uns nicht vor!" Es lässet sich wohl darauf ant¬ worten, meine Herren ! „Was wir besitzen, steht uns zu jeder Zeit und Stunde zur Verfügung! Was wir verloren haben, — das müssen wir wieder zu erlangen suchen. Nur anregen, wir wiederholen diese Rektoren,

es, soll dieser Vortrag, damit wir den ganzen Umfang der ge¬ lehrten Bildung, der latino-poetischen Kunstübung erkennen, welche einst bei uns in der Mark zu Hause gewesen ist. Ich spreche wahr¬

haftig nicht mit dem Rezensenten bei Uhland: „Zeit, wo man mit Wohlbedacht Nur latein'schen Vers gemacht,

Zeit gepuderter Perrücken, Drauf Pfalzgrafen Lorbeern drücken. Steig' auf in der alten Pracht!" Denn jedes Schwärmen für vergangene Zeiten liegt uns sehr fern. Einem Worte, einer Einbildung aber möchte man entgegentreten: das ist der Wahn, daß unsere klassische Bildung augenblicklich so überaus tief und glänzend sei, und Eins möchte man Jedem em¬ pfehlen, der kulturhistorische Studien treibt: das ist das minutiöseste Aufsuchen jedes Lebensäußerungsergebniffes, — verzeihe man das Wort, — der Vergangenheit. Trefflich ist jener Wahlspruch gedacht

schätzige;

und geführt:

lehtten-Lexikon", Barth habe all' seine Bücher aus dem bloßen Gedächtniffe, ohne Zuhülfenahme gelehrten, gedruckten Materials

Und wollte man uns den Vorwurf machen, es sei viel über¬ sehen, viele Dichter kleiner Städte, selbst den berühmten Acidatius von Wittstock u. s. w., — so erwidern wir: wir kennen dieselben sehr wohl, — wir haben Ihnen für dieses Mal nur Einzelnes

geschrieben.

zweifelhafteste

Wir halten

gerade diesen Umstand heut für das Lob, welches einem aufrichtigen Manne gezollt

werden kann. Auch sonst ist Barths Charakter etwas suspiciös; er soll ein Verschwender gewesen sein! Mag das hingehen; aber die Opuseula des Oolornesius erzählen sogar, er habe, ehe er sich mit der Salzjunkettochter Maria Katharina von Schladen aus

Staßfurt verehelicht habe, ein Mädchen, mit welchem

er

in

großer Vertraulichkeit gelebt habe, im Rheine ertränken laffen. Morhoff hat ihn gegen diesen Verdacht vertheidigt; allein noch sind die Akten über das Leben dieses merkwürdigen Mannes keineswegs spruchreif. Seine Gedichte, all' seine Manuskripte sind zerstteut; — wir in Berlin besitzen keinen einzigen geschriebenen

Vers von ihm;

„Was Du

erforschest, hast

Du mit erlebt!"

vorlegen wollen, auf dessen Feststellung es hier ganz besonders ankam. Endlich noch eins: Wir haben nicht allein lyrische lateinische Poeten: wir haben auch lateinische Dramatiker in der Mark! Es ist das Verdienst eines trefflichen Gelehrten, des jetzigen Gym¬

nasial-Direktors Rasmus, auf einen solchen, auf den Frankfurter Christoph Stummel, hingewiesen zu haben in den Jahresberichten des historisch-statistischen Vereins zu Frankfurt an der Oder. 6. und 7. Heft. Frankfurt. Trowitzsch. 1867. Dort findet man eine vorzügliche Arbeit über den im Jahre 1525 zu Frankfurt a./O. geborenen, als Generalsuperintendent zu Stettin 1588 gestorbenen Dichter. Wir entnehmen denselben die Angabe, daß Stummel zwei

es wäre daher eine überaus dankenswerthe Sache, wenn eine tüchtige Forscherkraft aus Sachsen oder aus der Mark sich einmal diesem poeta latinus zuwenden wollte.

profane Komödie „Ltudootes“ und die heilige Komödie „Isaao immolanckus" geschrieben hat. Die erstere ist es, welcher Stummel seine große Berühmtheit verdankt. Dieselbe

Die Titel seiner Schriften sind bei Christoph Hendrich, in de»

ward 1549 zu Frankfurt gedruckt und denen „Oonsulidos et patribus Francofordi ad Viadrum“ dedizirt. Es sei hier die treffliche Analyse wiederholt, welche Herr Dr. Rasmus von dem Stücke gegeben hat. Unser erst 19 Jahre alter Dichter wünscht, den Eltern, wie den Söhnen heilsame Lehren zu geben. Die ersteren sollen nicht knausern, wenn es sich um die geistige Ausbildung

brandenburgischen

Pandekten

pag. 431 aufgeführt. Vielleicht die eine oder die andere noch auffpüren. Christoph von Barth ist entweder zu Leipzig oder auf dem nahen Landgute Sellerhausen, woselbst er gern sich aushielt, am 18. September 1658 verstorben; in Leipzig selbst hat man vergeblich nach einem ließe sich

Grabmale von ihm gesucht. Auch hier also bietet sich gelehrter Forschung ein weites Feld. Und es ist eine anziehende Aufgabe, dies Gelehrtenleben zu schildern. Die Küsttiner, die Thüringer Schule, — die Reisen, — das Sttllleben in Leipzig, — die offen¬

lateinische Dramen, die

ihrer Söhne handle; die letzteren die dargebotenen Mittel nicht sich vor den Mädchen hüten, vorkommenden Falles die Geliebte lieber heirathen, als dieselbe der Schmach überlasten. Soweit die Dedikation. Es tteten sodann drei Greise aus, deren verschwenden,

464 Söhne die Universität beziehen wollen. Natürlich ist Frankfurt gemeint. Der alte Geizhals Philargyrus sträubt sich, seinen Sohn Philomathcs ziehen zu lassen, obwohl gerade dieser der talent¬ vollste, der charakterfesteste der drei Jünglinge ist. Schließlich aber, wie die geizigen Alten stets auf der Bühne, muß Philargyrus nachgeben, und die drei jungen Herren Philomathes, Akolastus, Akrates gehen auf die Hochschule. Wie noch heut der Bursch es thut, miethen sie zuerst „pro re familiari“ eine Stube; wir begleiten sie sodann nach dem Colleg, auf einen Spaziergang; wir hören, wie sie über die Harmonie der Sphären disputiren; wir sehen, wie der alte Bursch Colax sich zu den Füchsen anfindet, — bekanntlich thaten das die „Schönsten" aus den alten Universitäten stets, — und gewahreres, wie die drei jungen Leute von dem be¬ schwerlichen , blumenlosen Pfade der Tugend hinweg¬

Ihrem Professor haben die Drei geführt werden.

redlichen Fleiß versprochen; bald aber hören sie von

JsoTuii in

Be (so

Fosonicojf /j" 7

f

nicht. Die Lage der drei Freunde wird sehr schlimm, namentlich, da Akrates zugleich bei dem Wucherer Danista beträchtliche Schulden gemacht hat. Da schreibt Akolastus an seinen Vater

Eubulus; der letztere kommt, er erfährt was geschehen, und ist natürlich zornig über die Maßen. Allein es zeigt sich, daß Deleasthisa trotz ihres Fehltrittes sonst ein ganz respektables Mädchen ist; sie hat überdem Geld, und so giebt Eubulus schließlich nach. Das Paar heirathet; der Schlemmer Akrates erhält von Hause Geld; Herr Danista (wohl — Dan ist da) kann bezahlt werden; — allgemeine Freude! — Sie werden sagen: „Diese alte lateinische Komödie geht ja noch über die Stücke unserer Vaudeville-Theater! Nein, meine Herren, — der berühmte Leibarzt Joachims II., Herr Jodokus Willichus und sämmtliche Professoren waren die „lorcks proteetors" unseres ChristophorusStummelius; der Generalsuperintendent Cornerus schrieb „ad comoediam “ einen „ epilogus c , und wahrscheinlich ist dies märkische Lustspiel über alle

jenerZeit,

Commercen und Pickenicks

deutschen Bühnen

erzählen.

Nun giebt's ein hübsches Mädchen in der Stadt, Deleasthisa, — wir

wenn man anders schon von solchen reden kann, hinge¬

dürfen den Namen, der aus

dasselbenoch 1562, zu Mag¬

barbarischem Griechisch

deburg selbst noch 1614 auf¬ gelegt worden. Es hatte ja auch solch schönen, mora¬

gangen.

ge¬

bildet ist, vielleicht übersetzen: „Die Stadtbekannte," —

In Straßburg ist

deren Vater solch' ein Ge¬ lage zugerichtet hat. Zu ihr

lischen Schluß!

gehen die drei Studenten, und siehe! Herr Akolastus

1857) übersetzt die beflügel¬ ten Asklepiadeen des Endes der „Studentes“ also:

Hermann Meyer (Studentica, Leipzig

verliebt sich sofort in die Nymphe. Er denkt wie Goethe! Wenn Mephisto¬ pheles das cynische ausspricht:

„Wie das

Wort

Bild strahlend

„Brav' schenken? Gut, — so

Da ja in finsterer Kerker Hast König Aeolus Macht zähmte der Winde Wuth: So als glänzender Spiegel

sofort:

helfen Bitten So biet'

ich

ihr

nicht.

Geschenke.

Auch der Götter Gunst Gewinnen sie! Wie nicht des Weibes Herz!"

Die Schöne ist verständlich

erst

selbst¬

völlig

IoACHIMj, TydICHJj

BeblinaS rvx. VIA.

5CJUPTIS CLvlRj LiTJERATORVM $V1 TEMP; DEL! :

CrviuMILE S

zeigt

FORTIWIMV^

Euch

ein fabelhast

des

Lebens Gestalt

rügt Sitten und lehret

diese Komödie,

Joachim Tydccke. Ein Berliner Dichter des XVI. Jahrhunderts.

Schlechte

(S. 462.)

Euch

spröde, dann — es ist das zugleich

zurück Euch

giebt.

so wird er reussiren!" sagt Akolastus, — ich

übersetze

segelbeschwingte

Meer, Wenn es schlummert, das

Gute, — mahnet mit Ernst, wendet zum Bessern Euch!"

be¬

Zug für die damals durch und durch verdorbene Frauen¬ welt der Universitätsstädte Deutschlands, — weicht sie der Bitte Schritt für Schritt; ja, sie macht am folgenden Tage, an welchem die Eltern verreist sind, bei einer wüsten Zecherei die Wirthin. Ein Harfner kommt; — er besingt das bekannte Abenteuer der Venus mit dem Mars und — dem Netze aus dem Homer; man liebt, man trinkt, man spielt Karten, man schlägt sich, greift zu den Messern, jagt die eingedrungenen Handwerkspursche in die Flucht, weil sie stören wollen, schämender

und setzt sich wieder zu den vollen Kannen. Zwischen Akolastus und Deleasthisa entwickelt sich sodann ein keineswegs platonisches

Verhältniß. Die Eltern der letzteren kehren indessen bald zurück, toben, — aber was hilft das Alles? Der Student soll das Mädchen heirathen, — um jeden Preis! Ich bemerke, verheirathete Studenten waren damals durchaus keine Seltenheit. Er aber will

Und damit schließen auch wir für heute! Das Material ist überreich; wir hätten lateinische Poesien aus der kleinsten märkischen Stadt hier vorführen können. Fäßt man den ganzen ungeheuren Stoff zusammen, — er könnte Manchem nur als Wust und Ballast gelehrter Bildung erscheinen! Nie ist Dem ist nicht also! werthlos, was das Leben erfreut und verschönt hat! Hier aber lassen Sie uns das Wort des Domherrn Rehdorfer gebrauchen; — indessen nicht ironice, sondern vere et sincere, — und rufen

Jedem,

welcher sich späterhin

mit dem anziehenden Gegenstände

beschäftigt, aus vollem Herzen zu:

Fac meliora! Bringe Du Besseres!

0.

8.

465

Von der Jubiläumsausstellung.

In

dem ersten Aufsatze über die Jubiläumsausstellung ist kurz (II). derjenigen künstlerischen Einrichtungen Erwähnung gethan, die zur würdigen Unterkunft der Gemälde und Bildwerke, sowie zur reiz¬ volleren Anordnung des Ganzen genossen worden sind. Einen

großen Theil des Raumes nimmt die historische Abtheilung ein, die an dieser Stelle vor Allem eine eingehende Würdigung

verdient. Perlen darin für den Freund der Geschichte sind Schadow's Gruppe der Prinzessinnen Louise und Friederike, Antoine Pesne's und Chodowiecki's Bilder Friedrichs des Großen, vor Allem aber Franz Krüger's Parade des ersten Garderegimcnts vor Friedrich Wilhelm III. im Jahre 1839. Dieses große, mit

forschung noch sehr zurückhaltend gegenüber; mag sein, daß das

ändert, wenn man im Ganzen dem Verständniß des vorigen Jahrhunderts näher gekommen ist, dessen Künstlerwelt nur ganz kurz vor dem Tode des großen Königs zum erstenmale eine akademische Ausstellung vor sich sah. Ueber jene Ausstellung und die späteren ähnlichen Anordnungen ist ein Bericht erschienen, der augenscheinlich als zuverlässig gelten darf; es möge darnach Einiges sich

hier bemerkt sein. Die von dem Kurfürsten Friedrich III. nach Terwestens und Schlüters Rath ins Leben gerufene Akademie der Künste war unter Friedrich Wilhelm I. aus Rücksichten aus die Lage des Landes auf

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Zn der Herberge zur Hrimath.

(Originalzeichnung von

Sorgfalt durchdachte und durchgeführte Bild enthält über hundert Portraits, die alle bedeutenden oder bekannten Persönlichkeiterr jener letzten Jahre Friedrich Wilhelms III. der bewundemswerthesten

Wir haben deren eine ganze Reihe früher schon nach Studienblättern des Meisters zur Anschauung gebracht, so z. B. den Taglioni mit seiner Frau, die Stich und Crelinger, den Medizinal¬ rath Barez, den Theaterfriseur Warnick und mehrere Andere. In den einzelnen Gruppen find die Künstler und Staatsmänner, die Diplomaten und Krieger, die Gelehrten und die Industriellen, kurz umfassen.

ganz Berlin ist auf diesem herrlichen Werk vertreten. VonBernhard Rode hat ntan nur ein kleines Medaillonbild Friedrichs II. aufgenommcn, obwohl von demselben Maler, der seiner Zeit von dem

Könige sehr hoch geschätzt wurde, viele, weit bessere Arbeiten vor¬ handen sind. Ihm sowohl, wie Pesne steht die heutige Kunst-

G. Krickel.)

das Nothdürftigste eingeschränkt worden. Erst in den letzten Regierungsjahren Friedrichs II., des erhabenen Freundes der Künste und Wissenschaften, gelang es dem Staatsminister von Heinitz, den König zu entschiedenen Maßnahmen zu Gunsten der Anstalt zu vermögen.

Nachdem dieser verdienstvolle Mann zuin Curator

der Akademie ernannt worden, setzte er es durch, daß im

Kunstausstellung in Berlin zwar am 18. Mai „in den Zimmern der

die erste

Mai 1786

eröffnet werden konnte Königlichen Preußischen

und Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften über dem Königlichen Marstall auf der Neustadt". Die Ausstellung umfaßte 349 Nummern; jeder Besucher erhielt Anfangs den Katalog, der

Eintritt berechtigte und in dessen Vorwort die Akademie sich entschuldigte, daß bei diesem ersten Male die Vertretung der alten und neuen Kunst noch eine wenig wirkungsvolle sein werde. Man zum

466 hatte deshalb ältere Bilder von Maler Werner, dem allerersten Direktor der Akademie, dann von Terwesten, einem der ersten Rektoren derselben, ferner von Pesne, B. Sueur, Therbusch, Vailkant, Falbe, Glume (aus der bekannten Bildhauersamilie),

vierte. Im letztgenannten Jahre enthalten die Kataloge auch die näheren Bestimmungen über die von dem Könige ausgesetzten Geld¬ preise von 50 bis zu 500 Thalern. Im Jahre 1791 fand eine Ausstellung geringeren Umfanges statt, wobei hauptsächlich Kunst¬

!

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werke berücksichtigt wurden,

Reel am und Dubuisson

(dem Schwager Pcsne's) mit ausge¬ stellt, „wodurch gewissermaßen eine Geschichte der Kunst zu Berlin den Kennern vor Augen gelegt wird, welche patriotisch gesinnten

werdet*) Die ganze Ausstellung nahm nur fünf Zimmer in Anspruch; ersten Zimmer befanden sich die „Fleißesproben der akade¬ dem in ebenso die Versuche der „Liebhaber", unter denen Schüler", mischen

III.) ver¬

treten war. Im zweiten Zimmer hingen die Gemälde älterer Künstler und diejenigen der Nichtakademiker, im dritten die der Mitglieder der Berliner Akademie, insbesondere solche oes Direktors Rode, von denen wohl eine größere Zahl noch aus unsere Zeit überkommen einem weiteren Raume fanden sich die Ghpsabgüsie der ist. Kunstakademie vereinigt, eirdlich folgte eine Sammlung älterer Gemäldc fremder Meister.

In

Diese erste Ausstellung fand die Theilnahme der kunstliebenden

'Berliner Kreise in

so

eine zweite Ausstellung

hohem Grade,

folgte,

ebenso

daß schon im Jahre 1787 1788 eine dritte, 1789 die

seit 1789, also in

den letzten

fünf Jahren, entstanden waren.

Einwohnern nicht gleichgültig sein kann — und wodurch zugleich die Verdienste jener verstorbenen Künstler auch noch nach ihrem Tode zur Aufmunterung der jetzt Lebenden verewigt werden." Um noch weiteren Stoss für die Ausstellung beranzuziehen, hatte man auch die Arbeiten von Kunstliebhabern (Dilettanten) und von einigen Zöglingen der Akademie zugelassen, in Hinsicht auf welche auch demnächst Preise „zur Aufmunterung" ins Auge gefaßt werden sollten. Am Schlüsse spricht die Akademie die Ueberzeugung aus, daß der gerechte Tadel, sowie der ebenso gerechte Beifall der wahren Kunstverständigen zur Hebung der Akademie viel beitragen

Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen (später Fr. W. mit der- Bleistiftzeichnung einer Minerva nach Bouchardon

die

j

1796 erschien unter den Bild¬ werken die obenerwähnte entzückende Gruppe Schadow's, in welcher die Kronprinzessin, nachmalige Königin Luise mit ihrer Schwester Friederike so innig verbunden erscheint. Das auch jetzt wieder aufgestellte Werk erregte damals ganz ungemeines Aufsehen; es sicherte dem noch jungen Künstler für immer die Huld der höchsten Kreise. Der Katalog des Jahres 1808 erschien in deutscher und französischer Sprache ; von 1820 ab ist dem Verzeichniß der Kunst¬ werke jedesmal ein Vorbericht der Akademie beigegeben, worin die die Anstalt und ihre Mitglieder betreffenden Nachrichten aus den letzten zwei Jahren enthalten sind. Seit 1830 hat man folgende. Eintheilung der Gegenstände: I» Gemälde und Zeichnungen, II. Bildwerke, III, Architektur, IV. Kupferstiche, Holzschnitte und Lithographien, V. Kunstindustrie. Die Zahl der Kunstwerke u. s. w. die beispielsweise 1791 nur 148 betrug, stieg 1824 auf 781, im Jahre 1828 auf 1107 und 1830 auf 1344. Die Ausstellungen wurden abwechselnd zeitweise alljährlich, zeitweise nur alle zwei Jahre wiederholt und in den Räumen der Akademie Unter den Linden abgehalten, bis mit der Neugestaltung der Akademie unter einem besonderen Präsidenten unter gleichzeitiger Erweiterung des Unterrichts durch Meisterwerkstätten eine Aenderung nothwendig wurde, die die Errichtung des vorübergehend benutzten Ausstellungs¬ gebäudes am Kantianplatze (1875) veranlaßte. Hier aber fühlte die Künstlerschaft sich gar zu unsicher vor Wassersnoth und Feuers¬ gefahr, so daß man schon 1883 in der Technischen Hochschule zu Charlottenburg einen weiteren Versuch wagte. Der Mißerfolg trieb die Kunst auf's Neue in den verlästerten Holzbau, an dessen Stelle jetzt hoffentlich für immer die Landesausstellung getreten ist.

P. Walle.

MisceUen. Kriedriib II. ladet einen Kran',ölen zu Hisch (mit Abb.). Rach der Schlacht bei Roßbach befand sich König Friedrich zu Burgwerben, wo die Kriegsgefangenen sich ansammelten. Unter die verwundeten Offziere tretend, redete er sie an mit den Worten: „Meine Herren, ich kann mich noch immer nicht daran gewöhnen, die Franzosen als nieine Feürde zu betrachten." Diese Worte gewannen ihm auf der Stelle die Herzen der Kriegsgefangenen. Er richtete nunmehr die Rede an einen schönen jungen Mann, der einen Arm in der Binde trug, und nachdem er sich nach dessen Namen und Abkunft erkundigt hatte, fügte er hinzu: „Ich sehe, Sie sind verwundet." Der Offizier antwortete: „Ich verdanke diese Wunde der braven Reiterei Ew. Majestät; sie verschafft mir aber das Glück, einen so großen Monarchen, wie Ew. Majestät sind, in der Nähe zu sehen." Zufrieden mit dieser Antwort erwiderte der König: „Ich bedauere Sie, aber ich hoffe, daß Sie bald wieder hergestellt sein werden, und damit wir uns öfter sehe», werden Sie diesen Mittag bei mir speisen." Dieser Vorgang, den Fr. Buchholz in der Geschichte der Städte Berlin und Potsdam ausführlicher mitgetheilt hat, wurde von L. Wolf in einer Dar¬ stellung wiedergegeben, nach welcher die Abbildung den „Bär" gefertigt worden ist.

Bett ordnete, mußte er das Tuch gefaltet auf den davorstehenden Stuhl legen, und wenn der König sich zur Ruhe begab, breitete er es selbst jedesmal über sein Lager aus. — Ein kleiner Charakterzug, der aber einen Blick in das Herz des Königs gewährt.

Ire

Gräflich

Ncdern'sche

Kerrschaft Lanke.

Der Gräflich

III. zu Eharlottenöurg. hatte einen großen Hang zur Stille und Zurückgezogenheit. Ihm sagte das große Schloß zu Charlotten bürg nicht recht zu; er ließ sich deshalb (1825) an der'Seite desselben eine kleine Wohnung von nur wenigen Zimmern bauen. Ruhe und Friede lag auf diesem geschmackvollen Aufenthalt. Als Privatmann wobnte er hier, und nur ivenig Auserwählten war es gestattet, ihn zu betreten. Im Wobnzimmer lagen — >vic uns Ehlcrt erzählt — auf den Tischen die Briefe seiner Kinder. Die Geschenke der Herzen und Hände seiner abwesenden Töchter standen und lagen in köstlichen Stickereien und Geweben umher. DaS kleine, einfache, halbdunkle Schlafzimmer war ein Ort süßer Reche und die Decke seines Bettes ein großes, schönes Tuch, das die Königin Louise lange und gern getragen hatte. Morgens, wenn der Diener das

Redern'schen Herrschaft Lanke bei Biesenthal hat Herr C. Thieme in Kö¬ penick (in Nr. 30 des „Bär" vom 24. April 1886) einen hübschen inter¬ essanten Aufsatz gewidmet. Darnach waren die v. Sparr schon im Jahre 1450 im Besitz von Lanke und hielten diesen Besitz bis ungefähr zum Jahre 1670, zu welcher Zeit- derselbe an die Familie v. Happe überging. Das wäre also ein Besitzstand von mindestens 220 Jahren, der jedoch Unterbrechungen gehabt zu haben scheint, da das Gut Lanke um die Mitte des 17. Jahrhunderts der Kurfürstin Luise gehört hat. Der Unterzeichnete kann ein Dokument vom Jahre 1654 nachweisen, welches wie folgt überschrieben ist: „Churfürstl. Consens über den geschloßenen Kauff des Guths Lancke zwischen der Churfiirstin Louise und den General Feldzeugmcister Otto Christopf von Sparr «üb dato Cöln an der Spree 1654 d. 22 Febr." Laut Inhalt desielben hat die Kurfürstin Luise „das Dorff Lanckyn sambt allen und jeden pertinentien Rechten und Gerechtigkeiten dem General-Feldzeugmeister Otto Christoff von Sparren vmb 2425 Thlr. so auff Pfingsten dieses Jahres (1654) auskommen sollen, in Kaufe zugeschlagen, alles nach ausweisung des am 7. February dieses Jahres geschlossenen Contracts und auffgerichteten Kauf Recessus." Die genannte Gemahlin des großen Kurfürsten hatte um jene Zeit bei ihrem Schlosse in Oranienburg eine Musterlandwirthschaft, verbunden mit Molkerei und Bierbrauerei, zu welchem Behufe sie den dortigen Grundbesitz mehr und mehr vergrößerte und arrondirte, dagegen aber den entfernter von Oranienburg belegenen Besitz abgab. — Näheres hierüber in des Pfarrers Ballhorn „Geschichte der Stadt Oranienburg." Floh bei Schmalkalden. Julius Schmidt.

*) Der Wortlaut findet sich in dem erwähnten, amtlichen Bericht, der dem offiziellen Katalog der diesjährigen Ausstellung vorgedruckt ist.

Aus Wcokai's Nachlaß. Die sehr intereffante HandschristenSammlung Chr. Fried. Nicolai's, des Freundes von Lessing und Mendelssohn, ging durch Kauf in den Besitz des hiesigen Antiquares

ffr

Per Pavillon Kricdricki Wilhelms

König Friedrich Wilhelm

III.

467

Paul Lehmann

über. Dieselbe besteht aus ca. 100 Foliobänden, darunter noch völlig unedirte Chroniken der Mark Brandenburg, das

handschriftliche statistische Material, welches er zu seiner Beschreibung seine Reisen durch Deutschland verwandte, wie viele andere besonders auf Berlin und Preußen bezügliche wichtige Dokumente und Manuscripte. Dem Vernehmen nach will die Kgl. Bibliothek einen Theil derselben erwerben.

Berlins und für

In

preußische Invalidenversorgungen

im

vorigen Jahrhundert.

der ersten Zeit der preußischen Regierung gab es der Invaliden in Schlesien nicht viele. Theils wurden dieselben in's Jnvalidenhaus in Berlin aufgenommen, theils mit dem Gnadenthaler bedacht. Der blutige

siebenjährige Krieg vermehrte ihre Anzahl sehr. Wenn schon nach herge¬ stelltem Frieden das Jnvalidenhaus erweitert, die Fonds der Jnvalidenkasse vermehrt und in der Folge einige Invaliden in der Vorstadt von Kreuzburg untergebracht und vor der Hand aus dem Armenhaussond ver¬ pflegt wurden, so reichten doch alle diese Anstalten bei weitem nicht hin für so viele verstümmelte und erwerbsunfähig gewordene Krieger. Friedrich II. trat auch hier in's Mittel. Er gab im Jahre 1784 12 000 Thaler, wovon 500 Invaliden 2 Jahre hindurch mit dem Gnadenthaler versorgt ivurden. Nach Ablauf dieser Zeit bestiinmte er die Einkünfte der von ihm für 120 000 Thaler erkauften Herrschaft Kujau im Neustädtischen (Oberschl.) zu einem beständigen Fonds, aus dem jährlich 500 Invaliden der Gnadenthaler gereicht werden sollte. Eine der Hauptsorgen Friedrich Wilhelms II. war die Versorgung der Invaliden in seinen Staaten. Er ließ eingchende Untersuchungen anstellen, deren Ergebniffe unter anderen für Schlesien folgendes Regulativ war: „Die noch berührsamen Invaliden und unter ihnen besonders die Ausländer sind ausgehoben und unter 5 neu errichtete JnvalidenkomPagnien vertheilt worden. Zwei davon stehen in Habelschwert, eine in Ottmachau, eine in Ziegenhals und eine in Schlawe. Eine jede -besteht aus ihrem Chef, zwei Offiziers und 121 Unteroffiziers und Gemeinen. Der Gemeine erhält monatlich 2 Thaler, Montur und freies Quartier bei dem Bürger. Dieser empfängt die Vergütung dafür aus der Serviskasse pp." Diese Kompagnien hatten ein besonderes Dienstreglement. Sie besetzten die Wachen und sollten in Kriegszeiten mit zur Besetzung der Festungen gebraucht werden. Die Kosten bestritt die Hauptinvalidenkasse zu Berlin. Die übrigen Invaliden theilten sich erstens in die kleine Anzahl derer, die wegen ihrer Vermögensverhältniffe, Besitzungen re. keiner Unterstützung bedurften, zweitens in solche, die sich zur Civilbedienung schickten. Allen, die dergleichen Bedienungen zu vergeben hatten, wurden Listen zugesandt, in denen diese Invaliden nach ihren Namen, ihren Fähigkeiten re. auf¬ geführt waren, und jährlich wurden nicht wenige von ihnen versorgt, drittens in die — wie es in einer Verfügung jener Tage heißt — „Elenden und Vagabonds, die nirgends zu Hause und sich selbst überlassen" waren. Für diese wurde zu Rybnick, einem Städtchen in Oberschlesien, ein Jnvalideichaus gebaut, und zwar auf der Stelle, auf der 1228 ein Nonnen¬ kloster gestanden und nachher ein ansehnliches Schloß erbaut worden war, in welchem 1782 der Großfürst von Rußland übernachtete. Zu diesem Gebäude hatte der König (Friedrich Wilhelm II.) die Erbauungs- und Einrichtungskosten hergegeben. Zweihundert Mann wurden darin aufgenoinmen, mit Kleidung und Essen versorgt und „die Vagabonds unter ihnen mit allerhand Arbeit beschäftigt." Viertens in solche, „denen im eigentlichen Verstände mit dem monatlichen Gnadenthaler geholfen" war. Deren Zahl war sehr groß. Ungeachtet die Einkünfte von Kujau dazu angewiesen und auch der König die Einkünfte der von ihm im Junius 1788 gekauften Herrschaft Rybnick dazu bestimmt hatte, so reichten doch diese Quellen nicht einmal für die Hälfte hin. Da die Klöster und Stifte in Schlesien zur Zeit der Oesterreichischen Regierung nach den Kriegen ihrer Regenten mit den Türken auf kaiserlichen Befehl die krüppelhaften Soldaten in ihre Klöster oder Dörfer zur Verpflegung aufnehmen mußten, so beabsichtigte man 1789 diese alte Einrichtung wieder einzuführen; allein man nahm davon Abstand, weil diese Last die Stifter zu sehr gedrückt haben würde. Der damalige Minister von Schlesien, Graf von Hohm, vermittelte daher, daß die Stifter gegen einen Geldbetrag, der zu Gnadenthalern für die Invaliden verwandt wurde, davon befreit blieben. Die neuen Gnadenthaler wurden monatlich den Invaliden von den Steuer¬ ämtern gezahlt, denen sie aus der in Schlesien errichteten besonderen Jnvalidenkasse vergütet wurden. Die Zahl alter Invaliden belief 1789 Ein großer Theil davon erhielt den Gnadenthaler, ein sich auf 9000. anderer war mit Civilbedienung versorgt oder sonst untergebracht worden.

K.

Wie Zielen dem Könige grollt.

(Nach mündlicher Ueberlieferung aus Brunne bei Fehrbellin.) Da der alte Zielen die lange Friedenszeit nicht recht vertragen kann, verfällt er auf „lauter dumme Witze", so daß ihn der König schließlich fortjagen muß. Grollend zieht sich der Alte auf sein Gut Wustrau zurück. Wie nun aber der Krieg mit Oesterreich aufs neue ausbricht, merkt der alte Fritz, daß er den alten Haudegen doch wohl noch einmal gebrauchen könne, und schickt schleunigst einen Adjutanten zu ihm mit der Aufforderung, wieder in seine frühere Stellung zurückzu¬ kehren. Zielen aber entgegnet: Nein, der König hat mich einmal fort¬ gejagt, ich komme nicht wieder. Auch als der König einen zweiten Adjutanten schickt, weigert sich der alte General ftst und bestimmt. „Der Alte ist ganz ärgerlich und will nicht kommen," berichtet der Adjutant bei seiner Rückkehr dem Könige. „Da werde ich wohl selbst nach Wustrau müffen," meint Friedrich,, macht sich auf den Weg und erscheint Plötzlich

in

dem Schlöffe zu Wustrau. „Zielen, Er muß kommen, ich gebrauche er bei seinem Eintritte dem alten Waffengefährten entgegen, und Zieten — wie er den König sieht, hat allen Groll vergessen. „Na, wenn mich Majestät so sehr gebrauchen, muß ich schon wiederkommen," erklärt er, läßt sofort die Pferde satteln, und vorwärts gehts mit dem König nach Berlin und von da in den Krieg. — Wustrau wurde mir von dem alten Hofgärtncr Geduldig, welchem es sein Vater überliefert hat, erzählt, daß, wenn Zieten nach Wustrau kam, so hörte man schon Nachts vorher einen Reiter durchs Dorf sprengen, ohne jemand zu sehen. Dam: wußte man schon, daß Zielen am andern Tage von Berlin oder sonstwoher auf seinem Gute angelangt sein würde. C. Lücke.

Ihn," ruft

In

Hine Kochkeillung zur Mkdigungsfeier Kriedrichs II. in Areslau und das Hrausparent eiues Akeilchers. Zu den Festlichkeiten, welche die Breslauer am 11. November 1841, dem Tage der Huldigung Friedrichs II. veranstalteten, hatte unter anderem der Stadtkoch in einer auf dom Neumarkte aufgebauten Küche einen ganzen Ochsen gebraten, der mit Fasanen, Reb- und Haselhühnern, Hasen und Gänsen gefüllt war. Aus der rechten Seite Präsentirte sich der preußische Adler aus großen Vögeln und Lerchen zusammengestellt. Auf der anderen Seite sah man die Worte: Friderious Hex, den polnischen Adler und das deffauische Wappen nebst dem Stadtwappen. Boi der Illumination hatte ein Schlächter ein Bild ausgestellt, welches ihn selbst, einen Ochsen schlachtend, darstellt, mit der Unterschrift: „Wer mir wird den König von Preußen verachten, Den will ich wie diesen Ochsen schlachten. David Schulze, ein Brandenburger." E. K.

Im Thiergarten vor 65 Jahre». Im März 1821 war der Früh¬ ling in Berlin mit aller Macht erschienen. Heller Sonnenschein hatte die im Februar gefallenen großen Schnecmaffen geschmolzen, aber auch die damals noch nicht so hoch aufgeschütteten Wege im Thiergarten so auf¬ geweicht, daß Spaziergänge nur längs der Charlottenburger Chaussee gemacht werden konnten. Eines Tages kam Prinz Karl in seiner kleinen russischen Droschke, mit einem schönen Pferde von auffallend vollen: Schweif und flatternder Mähne in hohem Bügel zwischen zwei Deichseln kurz gespannt, mit den: kleinen Kutscher im langen russischen Rock, kleinem Hütchen und rother Schärpe, im schnellsten Trabe auf dem Hauptwege hergerollt, lenkte aber links vom festen Wege kurz ab in den weichen Boden des Thiergartens so ein, daß die niedrigen Droschkenräder sogleich bis an die Axen einsanken, der Wagen noch auf eine kurze Strecke ge¬ schleift wurde, bis auch das Pferd bis an den Leib im Schlamm versank und das Ganze dann zum Stillstand kam. Der Prinz schwang sich mit kühnem Sprung bis auf des Fußweges Rand. Der kleine Kutscher kroch im langen Rock mühsam aus dem Schlamm hervor, hatte aber seine Peitsche nicht losgelassen. Der Prinz nahm ihm diese ab und hieb damit auf das Pferd ein, welches aber in der schwierigen Lage, in der es sich befand, regungslos verharrte. Niemand außer mir und meinem Freunde, die wir schnell herzusprangen, war zu sehen. Ich trat daher an den Prinzen heran nnd bot ihm höflich meine Hülfe an, welche gern ange¬ nommen wurde. Ich ergriff das Pferd am Zügel, hielt ihm den Kopf hoch, beruhigte es und löste mit Hülfe des Kutschers alle Riemen. In¬ zwischen waren einige Leute herangekommen, welche den Wagen rückwärts bewegten, so daß das Pferd frei wurde. Als es auch so noch nicht im Stande war, sich aus dem Schlamni zu helfen, so ergriff ein Mann dasselbe am Schweif und zog und hob daran, während ich, den

Kopf am Zügel haltend, das Pferd hob und ermuthigte. Es gelang, das Pferd erhob sich. Aber — o Schrecken! — der Mann, der ihm dazu durch einen starken Ruck am Schweif geholfen hatte, lag hintenübergesallen im Schlamm und hielt die falsche Pferdehaartour empor, während das Pferd sich schüttelte und mit der kahlen Schwanzwurzel wedelte. Der Prinz mußte hell auflachen. Der Wagen und das Geschirr wurde nun, so gut es anging, wieder zusammengebracht; doch war es nicht möglich, daß der Prinz darin nach Hause fahren konnte. Zum Glück kam in diesem kritischen Augenblick sein älterer Bruder, der Prinz Wilhelm in seinem solideren Fuhrwerk an, und beide Prinzen fuhren weiter, nach¬ dem Prinz Karl die helfenden Leute in sein Palais beschieden und mir freundlich gedankt hatte. Der kleine Kutscher aber legte mit einem russischen Fluch den falschen Hinterschmuck dem auferstandenen Pferde an.

G.

St.

Sanitätsrath vr. A. » —' und unsere Gesurkdbeit und Existenz bedingende Funktionen zu verrichten har, ist die „Haut". epochemachendes Mittel hervorgebracht, ist die Sie ist besonders in Betracht zu ziehen und schon viel gerühmte und von O s c a r P r e h n bedarf der größten Aufmertfamkeit. Bei Ver¬ in Leipzig hergestellte Sandmandclklcie. nachlässigung der Hautpflege treten vielfach Der-Effect derselben ist zunächst lediglich ein Hautkrankheiten ein, welche den damit Behaf¬ mechanischer, cs wird, wie Schmutz jeder Art teten verunstalten, ja oft bis zur Unkenntlich¬ vomStubenboden. so auch zunächst allerSchmutz keit entstellen, indem die Haut erschlafft, glanz¬ von der Haut durch dieselbe entfernt. Unter los, erdfahl und häßlich wird. Die Haut- letzterem ist aber nicht blos der aus der Um¬ krankbciten bereiten oft ein elendes Dasein. gebung herstammende Staub rc. zu verstehet», Tie Hariptsorge bei Pflege der Haut wird sondern ebenso die von der Haut permanent sich I

darauf zu richten sein, daß die Hautporen ablösenden größeren und kleineren Schuppen, offen und in Thätigkeit gehalten werden, denn deren rasche Entfernung durch Bäder und

durch diese tverden eine Menge schlechter Stoffe, Waschungen vorzugsweise die gesundheitliche ausgeschieden, die bei geschlossenen Poren demj Wirkung letzterer bedingt. UebermäßigeSchupKörpcr anhaften und so die Entwickelung eines j pen- und Secretanhäusung auf und in der zarten Teims hemmen. Durch große Nein-: Haut ist die vornehmlichftc Ursache chronischer lichtest, durch fleißiges Waschen des Körpers! Hautkrankheiten; Sandmandelkleie-Abreibunmit wirklich guten neutralen Seifen thut man! gen dienen somit nicht blos als Heil-sondern viel für die Konscrvirung der Haut. Rein-!auch als Vorbeugungsmittel gegen solche, Bei richtiger Anwendung sind S andliches und fleißiges Waschen genügen trotzdem nicht immer, und man ist genöthigt, bei ein- m and elk leie -Abreibungen ein absolut siche¬ getretenen Hautübeln, wie Hitzbläschen, Leber-! res Mittel. Wie sehr sich meine

W

fleckn», Sommersprossen, Nöthe der

Haut rc.!

Sand mund elkleie'

in Folge der großen Beliebtheit seit Jahren eingeführt hat, beweisen die täglich auftauchenden Nachahmungen, deren Fabrikanten unverfroren meine Etiquetten und den Text nach¬ Mai» achte deshalb auf mei»»e Finna drucke»» lassen.

Oskar Prehn, Leipzig. Prämiirt 1883.

und merke sich die nachstehenden Firmen, welche mein echtes Fabrikat in Büchsen a 1 und 3 Mark führen, lasse sich auch nicht „gewöhnliche MandeMeie" als Sandmandelkleie verkaufen, sondern verlange ausdrücklich „Prchn's Sandmandelkleie".

Die Niederlagen in Berlin sind: Hoslics.

L. Horn, Potsdamerstr. 5. J.C.F.NeurnauukSohu.Taubenst.52. Dr. F. Janecke. Brandenburgstr. 16. Kannenberg & Vielhauer, Friedrichstr. 21. H. Klemm, Wilhelmstr. 124. u. Leipzigerstr. Ecke. J. C.F.Schwartze, Leipzigerstr. 112. H. Koschneck, Markgrafenstr. 23. Grass & Worff. Markgrafenstr. 16 . H. O. Korth, Genthincrstr. 8. Gnstav Lohse, Iägcrstr. 46.

j. 6. F. Nenrnaun L Sohn, Friedrich„



F.W.Pntteudörffer.Friedrichst.l04a. Fugen Kreich, Köpnickerstr. 137. Puttendörffer&Preussner, breite? E. Kunzendorf, Nosenthalerstr. 46. ' straße 18 .

Franz Christoph, Mittel- u. Friedrichst. Ecke. G. Ackermann, Potsdamerstr. 60. C. F. Anker, Friedrichstr. 3. Conrad Ackermann, Kölln. Fischmarkt 5. Eentral-Hotel. H. Barkowsky, Münzstr. 16 . Gust. Becker, Friedrichstr. 112b. Georg Band, Solmsstn 36 u. Friedcnstr. 5.

do.

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do.

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Kreibohm & Loick, Oramenstr.

158.

Paul Linke, Friedrichstr. 44.

B. A. Liedemit, Christinenstr. 31. A. F. Neumann, Jerusal.- u. Zimmerstr. Ecke. E. Noack, Potsdamerstr. 117. H. Neufeld, Neue Iakobstr. 17. Franz Pollno w, WÜsnackerstr. 37. Franz Pollnovv Nachf., Straußbergerstr. 13. O. Peterson, Friedrichstr. 121. Gustav Kettig, Bellealliancestr. 3. A. Kitter, Großbeerenstr. l.

Bich. Kohrschneider, Friedrichstr. Th. Kraemer, Elsasserstr. 10a.

O. Sasse, Bülowstr. 73. H. Schöne, Anguststr. 62. J. Schröder, Köpnickerstr. 102. F. W. Sehmdt, Dresdenerstr. 115. Franz Schmäh, Earlstr. 33. Bich. Gründer, Koinmandanrenstr. 51. Potsdamer- Ecke Lützowstr. B. Scheibener. Bellealliancestr. 23. do. 1. Th. Schaffer, Oranienstr. 109. F. Geiling, Blücherstr. Paul Galli, Alte Iakobstr. 30, Ecntral-Drog. Wilh. Schatz, Steinmetzstr. 17. Budolph Schräder, Brückenstr. 13. Arnold Gädtke, Schönhauser Allee 186. Carl Schulz, Kursürstenstr. 13. Alfred Gotting. Lindenstr. 25. C. A. Wagner, Alt-Moabit 122. Kudolf Gotting, Naunvnslr. C. A. Winkler. Kursürstenstr. 139. A. Hammer & Co., Louisenstr. 40. P. Würfling, Jnvalidenstr. 128. F. L. Harnisch, Potsdamerstr. 22. D. Warmer, Alexandrinenstr. 37a. G. A. Hesterberg, Louisenstr. 39. Gustav W’enke, Moritzplatz. E. Heuser, Potsdamerstr. 88 u. 107. Fritz Weber, Landsbergerstr. 99. Heinrich Hamei, Koppeustr. 04. H. Zblewsky, Gneisenau- u. Noftizstr. Ecke. P. Hase, Niederwallsrr. 28/29. Zehrfeld & Beitz, Prinzenstr. 58. Gebr. Harnisch, Lützowstr. 59. Gebr. Hoppe, Ebarrotten- u. Kransenstr. Ecke. Potsdam: Hoflief. Bichard Bninnert und Edzard Meinhardi. Brandenburg: Kaths-Apoth.; K. Grossmann; B. Neumann; E. Schütz Nachf. Cöpenick: Carl Jackisch. Charlottenburg: Lutter & Co. Frankfurt a. Oder: B. Kobermann; Ed. Fricke; Max Keichert.

^reienwalde: O. Büderich. Eberswalde: B. Hornemann. Haupt-Depor für Berlin und Umgeg.: Larl Doffmann, Brandenburgstr.

19.

i.M.

48. — Verlag von Gebrüder Paetel in Berlin W. — — Abdruck ohne eingeholte Erlaubniß ist untersagt. Druck: W. Moeser Hofbuchdruckerei in Berlin 8 .

Herausgeber und verantwortlicher Redakteur:

196.

Peter Walls in Berlin S.W.

——6,

^. ne Chronik für's Haus. Marli 50 pf.

Erscheint wöchentlich am Sonnabend und ist durch alle Buchhandlungen, Zcitungsspcditionen und Postanstalten für 2 vierteljährlich zu beziehen. — Im Postzeitungs-Latalog eingetragen unter ITr. 2455.

X Jahrgang.

Berlin

Verlag von Gebrüder Paetcl in

ITr. 40.

Nachdruck verboten. Gesetz v. 11 . VI. 70.

Gedenktage. 2. 2.

Juli Juli

1724. 1844.

2. 3. 3.

Juli Juli Juli

1864. 1676. 1778.

3. 4. 5. 6. 6.

Juli Juli Juli Juli Juli Juli

1866. 1715. 1879. 1646. 1808. 1854.

6.

Fr. Gottl. Klopstock * Quedlinburg (f 14. März 1803). Schriftsteller und Hof - Komponist Carl Ludwig Blum Berlin (* Berlin 1786). Ruhmreicher Kampf preuß. Kanonenboote b. Hiddensee. Leopold 1. von Anhalt (der alte Dessauer) * (-J- 1747). -h Philosoph und Botaniker Jean Jacques Rousseau (* 1712). Entscheidender Sieg der Preußen bei Königgrätz. Christian Fiirchtcgott Geliert * Haynichen b. Freiberg i.S. Berordnung betr. die Bertheilung d. Amtsgerichte in Preußen. Gottfried Wilhelm v. Leibniz * Leipzig (P 14. Rov. 1716). Professor o h a n n G u st av D r o p s c» * Treptow a. d. Rcga. Johann Karl Friedrich August Borsig -ß Berlin.

7.

I

1796.

7. 8. 8.

Juli Juli Juli

1807. 1411. 1621.

8. 8. 9.

Juli Juli Juli Juli

1639. 1820. 1871. 1762.

9.

Juli

1870.

8.

I

Juli

den 3. Juli 1886.

W.

Nicolaus

1.

Pauloivitsch

von

Kaiser

Rußland

*

(-ß 2. März 1855). Frieden zu Tilsit zwischen Preußen und Frankreich. Friedrich VI. Burggraf v. "Nürnberg, Verweser der Mark.

Fabeldichter Jean de Lafontaine * Chateau Thierry (Champagne). Bernhard Herzog v. Sachsen-Weimar (* 6 . Aug. 1604). Geschichtsmalcr Professor O. Heyden * Ducherow (Borp.). Aushebung der katholischen Abtheilung im Kultusministerium. Katharina II. besteigt nach Peters III. Ermordung den

f

Thron. König Wilhelm weist den französischen Gesandten Grafen Bcnedetti ab.

„Verfestet!" Eine Berliner Geschichte aus dem Jahre 1380 von OSkar Schwcbcl.

ix.)

Wir

vielleicht unter dem Däncnkrcuzc gefallen.

vermögen nichts mehr von Erich Falke von der Leßnitz

>vie cs geschah;

kamen

alte

Wir

Schlosse

volksthümliche Drohung im Lande Brandenburg. In tiefes Sinnen versunken, kehrte Koppen Richard nach dem Dorfkruge von Jlow heim. Er fand eine

unter dem Der Lindenbaume seiner harrend. Abend war von wundersam klarer Schönheit, und klarer, als sonst blickte ihm auch das Auge seiner Schwägerin entgegen. Es überkam ihn seltsam, süß und schmerzvoll zugleich wie ein tiefes Heimweh; — es war ihm,

Maria v. Wardenberg

— aber die Berliner daß der

ivieder auf den Väter gehegt iverde. Da

Friedebrechcr

Besten seiner

schrieben Herzog Wenzel von Sachsen-

Laucnburg und Matthias Falke dem edlen Herrn von Biberstein, dem Mark Hauptmanne der obersten Entkräftung dieses zur Brandenburg,

will

Dich bloß machen, wie Erich Falke die Berliner!" war

„Ich

ivisscn nicht,

auf den Verdacht,

der Sage des

brandenburger Landes aber und auf dem nun völlig zerstörten Saarmund hat sich das Andenken des grimmen Ritters init dem Falken noch lange erhalte».

Die Chroniken erzählen von seinen Thaten unter dem Danebrog nicht. Nur einmal noch taucht sein Name in den Urkunden und zwar in einem undatirten Schreiben auf, ivclches um 1383 verfaßt worden sein mag. Sein Vetter Matthias Falke war dem kecken Freibeuter im Besitze von Saarmund, Trebbin und Thyrow gefolgt; bald erhoben sich über den Trümmern der alten Falkenburgen

zu melden.

neue, feste Schlösser.

In

Eine Laufbrücke über

(Bild aus

dem Sprecwalde).

auch vom Stamme seines andern ab. Allein er gebot mit Lebens ein Blatt nach dem Macht den schmerzlichen Empfindungen seiner Brust. Er setzte sich neben die Leidende und sprach ihr mit siele

Verdachtes,

„sie hätten Erich Falke in dreien Jahren nicht gesehen und wüßten nicht, wo sie ihn suchen sollten." — Der kühne Ritter lveilte noch ohne Zweifel im Norden und ist

wie er auf die herabgefallenen gelben Blüthenblättcr jenes Baumes sah, als

|

482

„Aber helfen? Er, — ein Verfesteter?" So klang ihm eine innere Stimme zu. O, cs war zum Verzweifeln; — Ruhe die mühsam erkämpfte war tvieder dahin! — „Die Friedlosigkeit, sie ist der Fluch der Verfestctcn!" rauschten im Abendwinde die Blätter der Linde ihm zu. „Ich will ihn ttagen!" rief er aus. „Du kannst es nicht!" klang es jetzt aus seinem Gewissen, „Du bist ja ein Mordbrenner geworden." Er stand auf. „Ruhe, — Ruhe!" seufzte er. „Jin Grabe ist sie, — unter dc,n Hochgerichte!" schienen Geisterstimmen ihn; zuzuflüstern. —

friedlicher, sanft in das Herz sich schmeichelnder Rede von seinem Plane, ihr eine Zufluchtsstätte zu erkaufen im Kloster

Friedland, — dem Kloster mit dein schönen, ruheverheißcudeu "Rainen.

Maria v. Wardenberg wurde sehr bleich, als sie die Worte ihres Beschützers vernahm. Als er aber geendigt hatte, da faird auch

ihre Fassung wieder. muß doch einmal gekämpft werden," sprach sie fest, „und je eher ich ihn bestehe, desto besser vielleicht für mich! Ich nehme also Deinen Vorschlag an; — ich will suchen, in Friedland mir des Herzens Frieden zu erringen!" sie

„Der Kampf

Allein Koppen Richard war ein starker Mann. Er schüttelte von sich ab, als er ein Horn durch's Dorf klingen hörte. Ohne Zweifel, es war der ritterliche Gutsherr, welcher seinem Hofe nahte. Koppen nahm seinen Platz unter der Linde wiederum ein. Es dämmerte soeben. Da schritt Heino von Jlow heran, nach des Waidwerks Anstrengungen noch den kühlen Trunk zur Koppen erhob sich und trat ihm entgegen; Nacht zu thun. aber, als hätte er eine Schlange erblickt, wich der Edelmann vor ihm zurück. „Unglücklicher," so sprach er, — „in meines Dorfes Frieden?" — „Schnell, fliehe sogleich," fügte er leiser hinzu; „aber nach Norden, — nicht nach Süden! Man sucht Dich

Es schiinmertcn Thränen in ihren Augen, als sie jetzt ihren Blick aus ihn richtete. Koppen ivar tief erschüttert. „Um Gottes ivillen," fragte er, „was ist Dir, Schwester? — Bei allen Heiligen, — ich wollte Dir nicht wehe thun!" „Das weis; ich wohl, lieber Koppen!" sprach sie in tiefschmerzlichem Tone. „Aber laß' nur; — cs ist gut also; — ich bin die letzte Wardenberg; ich muß kämpfen, wie sie alle; aber gewiß;

ich

werde überwinde»!

Ich folge Dir

diese krankhaften Regungen schnell wieder

schon

morgen hi» nach Friedland!"

Nu» aber stürzten ihre Thränen unaufhaltsam hervor.

mit leisen, freundlichen Worten, welche wohl anstanden. Wohl wurde Diana Wardenberg ruhiger; aber gleich einer Tiefsinnigen blickte sie still vor sich hin. Koppen sah's, — hier nahm ein Herz Abschied von der letzten Lebenshoffnung! — Sowie die Nebel aus den Wiesen aufftiegen, suchte die Leidende die Ruhe auf. Koppen hatte, wie seine in der fernen Haide ruhende Gattin es längst bemerkt, daß es wie ein Geheimniß auf dem Herzen Maria's lastete; er beschloß, das¬ selbe um jeden Preis, auch um den ihres tiefsten Schmerzes, am folgenden Morgen z» erforschen; nur dann, sagte er sich, Koppen tröstete sic

dem männlich schönen, sricsischeu Manne so

dort!" „Herr Ritter, — höret mich!" bat Koppen dringend. „Ich konnte Freundschaft schließen mit Verfesteten," fuhr Heine von Jlow fort, „aber nicht mit Mordbrennern!" „Bin keiner, Herr!" sprach Koppen bitter. „Sehet, euer

könne er vielleicht noch helfen.

j

kleine Häuser, vor denselben etwa 9 Fuß hohe Bretterbuden, welche außen mit Austernschalen benagelt waren. Die ansehnlichsten dieser Lokale waren der Schafftall, ein langes Viereck, und die Zuckerdose, ein Rundbau, beide im Winter mit sogenannten eisernen Oefen primitivster Art versehen.

Kaffeehäuser und Modetrachten in Berlin vor 80 Jahren. Wenn wir uns den Glanz und die Pracht unserer jetzigen Kaffee¬ däuser, den sie umgebenden ausgesuchten Luxus vergegenwärtigen und dann einen Blick auf die Erholungsstätten unserer Altvordern werfen, in vor 80 Jahren verkehrten, so müssen wir einen Um¬ schwung anerkennen, welcher Alles in Allem genommen das Jetzt und Sonst in einem gewaltigen Gegensatze erscheinen läßt. Wir nehmen das Jahr 1806 deshalb zum 'Ausgangspunkte, weil cs einen Wendepunkt für welchen diese noch

Berlin und ganz Preußen bildet, und in ihm der Zusammensturz Staats und seiner Ordnungen erfolgte.

des alten

Die Kaffeehäuser ivaren im allgemeinen so eingerichtet, daß sie den Fremden abstießen. Ein paar kleine- gewöhnlich eingeräucherte Zimmer standen dem Besucher zur Verfügung, eine dicke Tabacksdampfwolke hüllte sie ei», und in dieser Atmosphäre wurde gespielt: die Karten traten gegen die Brettspiele zurück. Für den Fremden und den Freund ausschweifender Vergnügungen war, namentlich 'Abends, bester gesorgt.

„Stadt" nicht behagte, der flüchtete iti’§ Freie, zuThiergarten, dessen Erholungsorte gut besucht waren, ging cs dort auch nicht zu, doch konnte man wenigstens

Wem es in der nächst nach dem

Viel

bester

Luft schöpfe». Zu de» ältesten Vergnügungslokalen

!

! >

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!

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frische

des Thiergartens gehören die bis 1760 zurückreichenden „Zelte," deren erstes der Franzose Monrier damals mit dem Schilde „der goldenen Gans" und der Inschrift „Mo» Oio (Monnoie) sait tout“ eröffnete. Die „Zelte" nach dem Wasser zu waren noch vor 80 Jahren niedrige

Hund kommt wedelnd zu mir!" Da legte Heinrich von Jlow die Jagdtasche auf den Tisch und setzte sich zu Koppen. Er wußte den Wirth durch einen Wink zu entfernen. Jetzt fragte er mit milderer Stinune:

:

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i

Am Saume des Waldes, dem jetzigen ersten rechts gelegenen Nestaurations¬ lokale gegenüber, befand sich ein Leinwandzelt, in welchem der HoftheaterConditor Reibedanz Gcftorenes und vorziiglichen Kirschkuchen feilbot. Die Musik wurde von vier, höchstens sechs Personen ausgeführt, der Leiter ging mit einem Notenblatte umher und kassirte den üblichen Groschen ein, wobei er ein inerkwürdiges Personengedächtniß entwickelte, indem er nie einen Besucher zum zweitenmale ansprach. Die „Drückeberger" ver¬ ließen das Lokal vor Beendigung desjenigen Musikstücks, weichern das Geldeinsammeln unmittelbar folgte. In der Regel wurden nach dem Einkaffiren zwei kleine Stücke gespielt. — Der Kaffee wurde aus runden, zinnernen Schüsseln portionsweise dargereicht, die Löffel waren von Blei. — Auf der linken Seite des Thiergartens war der Schulgarten, der seinen Namen von dem botanischen Garten hatte, welchen Hecker, der Stifter der ersten Realschule Preußens (1747) überwiesen erhalten hatte. (Die Realschule, heute Realgymnasium genannt, befindet sich, wie bekannt, in der Kochstraße, jetzt unter einem eigenen Direktor, während früher der Direktor des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums, zuletzt noch Ranke, die Oberleitung hatte.) Die Stelle, auf welcher der Schulgarten stand, bildete nach deffen Beseitigung die Schulgartenstraße, jetzt der Anfang der Königgrätzerstraße etwa von der Ecke der Lennestraße ab. Der Weg dahin >var in alter Zeit bei nasser Witterung recht schwer passirbar. Zu nennen sind noch: Blankcnhorn (ein untergeordnetes Lokal, deffen Duldung in dem fashionablen Thiergarten nicht auffiel), Kemper, ein feineres Lokal, das der Victoriastraße weichen mußte und der Hofjägcr, auf dem jetzt Bei dem Hause Thiergarten¬ der Weg zum zoologischen Garten führt. straße 25 vorbei, das einst Jffland und später dem Justizkommissar

483

Junkers anzunehmen, und Heine von Jlow mußte sich endlich darauf beschränken, die Flüchtigen dem Krüger auf das Wärmste Eins that aber der Herr von Jlow doch noch, zu empfehlen. was Koppen nicht erfuhr: er stellte rings um sein Dorf Wachen aus und befahl ihnen, die Annäherung jedes Reiters ihm sogleich zu melden. Er selber dann hielt in seinem Thorhause Wacht für die Heimathlosen. Am frühen Morgen aber sendete er die Erquickungen, welche ein schlichtes Adelshaus in der Mark zu bieten vermochte, nach dem Kruge hinüber. Sodann geleitete er sie selbst ans geheimen Waldlvegcn über Batzlow zli dem nahen Kloster Friedland. Als der spitze Thurm des Cisterzienserinnen-Stiftes sichtbar Ein stiller Friede verklärte die wurde, nahm er Abschied. Züge der letzten, unglücklichen Tochter des Hauses Wardenberg. Sie hielten an einer Waldesecke; Maria nahm das Band mit dem Ringe von ihrer Brlist lind reichte dem Ritter das Kleinod Mit zitternder Stimme sprach sie den Abschiedsgruß; zurück. der Junker von Jlow aber schwieg und lvendete sich um. Die Beiden ritten auf's Kloster zu. Lange, lange sah ihnen der Edelmann nach, dann drückte er den Siegelring „Sie hat ihn ja getragen!" seines Hauses an seine Lippen. „Aber es ist sicher wohlgethan, sprach er leise vor sich hin. daß ich ihren Frieden nicht gestört habe. Wohl dem, der die stille Zufluchtsstätte in des Lebens Sturm gefunden hat! Wir Alle wissen nicht, was uns die nächste Stunde bringt! Und es war wohl auch nur eine thörichte Schwärmerei von mir! Dennoch wollt' ich gern zehn Jahre meines Lebens darum gegeben haben, wenn sie mit reinem Namen Hausfrau hätte sein können auf meinem Hofe Jlow." Er ritt in den Wald hinein; aber sein treuer Hund „Pfeil" blickte verwundert auf seinen Herrn. Kein Jägerlied kam heute über des Ritters Lippen; kein Ton des Waldhorns schmetterte durch den leise rauschenden, vom Frührothscheine dllrchwobenen Wald.

„Könnet ihr's bei eurem Seclenheile schwören, daß ihr Berlin nicht angezündet habt?" „Ich kann's!" — „Wer that's?"

„Soviel

ich muthmaßen kann, der Priester

Niklas Hunde-

werper."

„Euer Genoß?" „Er war's! Nicht kann ich's leugnen! Doch ich will euch nicht beschweren! — Nur diese eine Nacht lastet mich in dem Kruge bleiben; dort drinnen liegt ein krankes Weib; — ihr gewährtet ihr einst durch euren Ring die Bürgschaft eures Schutzes! Morgen, vor Tagesgrauen, wollten wir dies Dorf ja ohnehin verlassen." Der Ritter von Jlow war bewegt. „Ja, Koppen," sprach er, „ich rieth euch selber einst zu einer That der Rache, aber freilich nicht

51t einer Brandstiftung. Und es ging einstmals dort im Blumenthal, an St. Johannis gesegnetem Tage, ein schöner Traum durch mein freies Herz! Es zog mich einst so wundermächtig an jenem Tage zu der Schönheit Maria Wardenberg's hin; — ich träumte oft im Waldesgrün von ihr! Das Alles hat sich in düsterster Weise verändert; — sie fahnden auf euch, die Herren von Berlin; — ihr seid nicht allein geächtet, nein, ihr seit für vogelfrei erklärt, und jeder, der euch tödtet, kann sich schmeicheln, ein gutes Werk gethan zu haben. Denn dieser Brand von Berlin steht ohne Beispiel da in unsres Landes Geschichten! Allein ihr seid bereit, euch durch einen Eid oder durch Gottesurtheil zu reinigen. Schreibt das dem Rathe von Berlin, auf daß euer Name nicht noch dem Fluche der Nachwelt verfalle. Fern aber sei es von mir, einem nvthleidenden Manne die Herberge zu versagen! Kommet mit mir auf nieinen festen Hof, ihr Beiden! Gott sende euch Schlaf und Trost unter meinem Dache!" Allein Koppen war nicht zu bewegen, das Anerbieten des

Der Kopfputz war war das Haar leicht ohne allen Zwang und ungeordnet in die Höhe gelegt, entweder in regellosen Locken uni den Kopf vertheilt, oft auch init einem Bande durchflochtcn. Perrücken wurden uur aus Noth getragen, wogegen der Puderquast namentlich bei bejahrten Frauen beliebt lvar. Hauben und „Kopfzeuge" gab es in Menge, daneben eine Art einfacher Mütze und andererseits ein unschönes, den Kopf um¬ hüllendes gesticktes Tuch. Hüte wurden in allen Formen getragen, wobei es auch an Geschmacklosigkeiten nicht fehlte, indem man den Hut hinten

C. F. Lessing, einem Brudersohne Gotthold Ephraims und Besitzer der Vossischen Zeitung (gest. 1880) gehörte, gelangte man in das Vergnügungs¬

Absätze

Taille

noch

kürzer machte.

Statt

des weggelassenen

Gürtels befestigte

man einen Bandstrich, der sich dicht unter den Armen zwischen den Schultern bis an den Nacken spitz in die Höhe zog und hier als gewaltige Bandrose endigte. Die Kleider wurden kürzer getragen, die Schuhe ohne

mit einem um

den Fuß gegürteten Band.

sehr verschieden: einestheils

lokal.

Der Modetracht von vor 80 Jahren sei noch mit einigen Worten erwähnt. Die Männer trugen häufig dreieckige Hüte, auch spielten Puder und Zopf noch eine Rolle, obgleich viele dieser überflüssigen Zuthaten sich entäußert hatten. Das Halstuch war weiß und die Hemdenkrause (Jabot) durfte nicht fehlen, wie denn überhaupt bei der Leibwäsche große Eleganz entfaltet wurde. Der Leibrock — der „Frack" war noch nicht bekannt — war grün, blau, braun oder grau mit metallenen Knöpfen. Schwarzer Leibrock mit begonnenen Knöpfen wurde als Trauerkleidung getragen. Die eng anliegende» Beinkleider reichten bis zum Knie. Dazu wurden Stiefel mit Stulpen von braungelbem Leder getragen, oder es steckten die enganliegenden Beinkleider in mit Chenille besetzten und vorn mit Puscheln verzierten Stiefeln; doch trug man im Sommer Schuhe mit Schnallen. Im Winter sah man die Herren mit großen Muffen, während Mäntel selten und Pelze noch seltener waren. Die Stiefel .waren mit Thran eingeschmiert, und erst die Franzosen führten die Glanzwichsc, desgleichen die Cigarren ein. Bald nach dem Einrücken der Franzosen, Ende Oktober 1806, stellten sich Knaben mit Bürsten, Wichstopf und einem kleinen Fußschemel auf den Straßen auf und ließen ihr „cirer les bottes“ erschallen. Die Damen trugen im Sommer lange, den Oberarnr bedeckende Handschuhe. Das Erscheinen der Franzosen blieb auch nicht ohne Einfluß auf die Modetracht. Bis dahin behauptete unter den Frauenkleidcrn das sogenannte griechische Kleid noch imnier die Oberhand, doch suchte man die schöne Tracht dadurch zu verschlechtern, daß man die

--S

am Kopfe gleichsain hängen ließ und ihm eine förmlich perpendikuläre Auch die Geschmacklosigkeiten wiederholen sich.

Lage gab.

Versetzen

wir uns

noch

in

den Herbst des Jahres 1806,

in

die Tage

da kurz vor dem Ausbruche des preußisch-französischen Kriegs bei Char¬ lottenburg ein Cavallerie - Lager errichtet und von den Berlinern vielfach

war. Besonderes Interesse erregte» die schönen gelben Uniformen des schweren Reiterregiments, sowie die rothen Unifornien der Zieten-Husarcn mit ihren Bärenmützen, lveiten Lederhosen und ungarischen Stiefeln. Nicht minder niachten sich die Infanterie-Regimenter marsch¬ fertig und mehr Aufmerksamkeit als sonst erregten die in den Kasernen der Neuen Friedrichstraße zwischen Königs- und Klosterstraße liegenden Regimenter Kunheim und Winning (die Regimenter hießen damals »ach ihren Chefs). Die Offiziere trugen auch hier Schärpen und Ringkragen, die Unteroffiziere Spontons und ein spanisches Rohr. Der Vordertheil der Grenadiermützen war von schwarzem lackirten Leder mit lvollener Ein¬ fassung, nach hinten halb blau, halb von der Farbe der Aufschläge und Kragen des Regiments, bei Kunheim z. B. scharlachroth, bei Winning carinoisinroth. Die Säbel waren um den Leib geschnallt, die eng an¬ schließenden Hosen weiß, dazu schivarztucbene Kamaschen. Auch Mäntel hatten die Trappen, und bei deren Auszuge wurden zur Anschaffung von 8. G. Mänteln-Sammlungen veranstaltet. besucht worden



I

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484

XI. Das Eisterzicnserinnenstift Friedland lag am Südrande des OderbrucheS auf einer zwischen zwei Seen sich hindurch¬ ziehenden, sehr schmalen Landzunge; sein spitzes Glockenthürmlein

und die tiefernsten, dunkelbraunen Stiftsgcbäude spiegelten sich ans beiden, fast unbeweglich erscheinenden Wasserflächen zugleich. An die Nmmaucrnng der uralten klösterlichen Niederlassung

Bäume von üppigstem Wüchse, während der Klosterhof selbst mit gigantischen, schon damals halb abgestorbenen Eichen besetzt war. Spuren eines Dörfleins Friedland waren im 14. Jahrhunderte noch nicht vorhanden; schmiegten

sich

und

Büsche

nur an einem der beiden Wasserspiegel, am Kietzcrsec, standen in jene» Tagen einige FischerDas Kloster bildete hütten.

— daß mein Geheimniß mit mir stirbt! Nur Unfrieden könnt' es Deinen Lebenstagen bringen, wenn ich sprechen wollte. Und Du mußt frei sein, — ein Mann von hellem Auge und von starker Brust! O wie heiß will ich für Dich beten. Tu verlassener und verkannter, Du mit Undank belohnter und

Blaun! Nur eine Bitte — dringe nicht mehr in mich, laß uns in gewähre mir noch, Frieden hinziehen zum Kloster Friedland!" Sie bat so dringend und so flehentlich, daß Koppen mit geschmähter, an Sorgen so reicher

Wehmuth auch diesen letzten Versuch aufgab, ihrem Herzen Trost zu spenden. „Und noch etwas Anderes mußt Du mir versprechen," fuhr sie fort, „nicht um meinet-, sondern um deinetwillen. Armer Koppen, — es lastet eine tiefe Schmach auf Deinem

— mit Flüchen, ich kann mir's denken, wird er ansgesprochen in Berlin! Welche Namen;

somit ein Gemälde des tiefsten Friedens und der vollständigsten

Welt. Was aber der Lage des Stiftes

Abgeschlossenheit von der

Gelegenheit geboten

Schönheit verlieh, war, daß der Blick von dieser Höhe meilenweit über die grüne Wassenvildniß des Odcrbruches Wie dahinschweifen konnte. besondere

silberne

in

Kleinode von

unter der Last dieses Und verarge mir cs nicht: in reinem Lichte möcht' ich so gern den Namen Koppen Richards strahlen sehen, wenn, einmal mein Blick aus Verdachtes.

Dort

erhoben sich ans der Btitte der

sumpfigen Niederung hochragende Eichen-

und Elsenhorste;

dem

werden

und

Wasserarmen

immer

stiftung zu reinigen: ich bitte Dich, laß' sie nicht vorübergehen! Du kannst kein Kriegsheld

Sammet schimmerten die Hun¬ derte

auch

furchtbaren Verdachte der Brand -

grünem

Seespiegeln in der Tiefe.

Dir

wird, Dich von

der stillen Klosterzelle

hier

fällt

ans

flüsterte der leise Wind i» einem

diese stürmende Welt. Und wenn

unabsehbaren Gefilde von Schilf

dann Alles sich einst zum Guten fügt durch Gottes Gnade: ver¬ giß mir, Koppen, auch das ein¬ same Grab in der Tegeler Haide nicht." Sie ritten bereits zum Klosterthore hinauf. „Die letzte

und prangenden, blüthenreichen

In

Wasserpflanzen.

aber

zog

der Ferne

der Oderstrom

sich

unc ein silbernes Band durch

hin, und von dort drüben, von den jenseitigen Höhe» her, grüßte der dunkle, die Landschaft

Hochwald

ernste

die

Wardenberg soll nicht mit leeren Händen kommen!" sprach Koppen Richard und übergab ihr das Gold Erich Falke's. Sie steckte

heilige

Stätte. Langsam näherte sich Koppen Richard mit Maria v. Warden¬ berg dem friedenverheißenden

Orte.

Als

jetzt

Professor

Direktor

des Botanischen

vr. A. W. Lichter, Gartens, Mitglied der Akademie der

Wissenschaften.

die Baulich¬

keiten deS Klosters deutlicher erkennbar wurden, fragte Koppen

Richard tief betrübt:

soll,

ernst in das treue, blaue Auge.

Dir

hast

„Nein, Koppen,"

sprach sie

und Trost in dieser Nacht, und

dann, „es kam mir Rath

besser ist es, daß ich schweige.

„Zu

einer Seelen¬

für meine Schwester Anna

sei es

bestimmt," sprach

sie leise;

„ich armes Weib, — ich große Sünderin habe ihr noch vieles abzubitten." Sie waren dicht vor der Pforte; Koppen hielt sein Roß an. „Blein Name," seufzte er, „wehrt Dir vielleicht den Ein¬ tritt; — sag', Schwester, vermagst Du Deine Sache dort allein

Du mir nicht noch ettvas aufzutragen? — Ich weiß es: Deine Brust verschließt ein schmerzliches Geheimniß. Willst Du Dein arm', gebrochen' Herz denn nicht erleichtern? Willst Du dem Manne, der Dich mit seiner innigsten Liebe begleiten wird, bis ihm selber das Auge im Tode bricht, nicht anvertrauen, was Dich in dieser letzten Zeit so tief un¬ glücklich gemacht hat?" Maria Wardenberg richtete sich auf und sah ihm fest und

„Maria,

es zu sich. messe

zu sichren?"

es!" erwiderte sie. „Ein kurzes Lebewohl! also. armer Mann! Doch hoffe ! O sieh' mich nicht so schmerz¬ an! Ich gehe ja zu meinem Frieden ein, und Frieden tven» mein Gebet ein wenig nur an Segen besitzt, auch Lebe wohl, mein Bruder!" zu Theil werden!

„Ich

Du lich

hoffe

(Fortsetzung folgt.)

485

Die Hartungschen Schulen in ücrlin. (Aus der Zugentzerinnerung eines alten Berliners, mitgetheilt von Dr. Heinrich Ottc.)

August Hartung,

endlich, eine Treppe hoch, welche eigentlich die Amtswohnung des Dvmkantors und das Lokal der cinklassigen Dom-Knabenschule war, nahm die Hartungsche Privatschule ein, bis auf ein düsteres Hinterzimmer (anscheinend eine ursprüngliche Küche), welches für die Domschule reservirt blieb, die hier, in jeder Beziehung von der Hartungschen Anstalt getrennt, für sich bestand. Für die zusammen 100—120 Schüler zählenden 4 Klassen der letzteren waren außer einem einfenstrigen Entree, welches als Garderobe für Mäntel und Mützen diente, im Sommer aber gelegentlich auch für den Unter¬ richt benutzt wurde, 3 Vorderzimmer (für die drei oberen Klassen) und ein Hinterzinimcr (für die 4. Klasse) vorhanden. Die Wände waren mit gelber Erde getüncht und die Decken geweißt; die Dielen wurden besenrein gehalten, bekamen aber Wasser kaum jemals zu Der sehen, ebensowenig wie die hühnerstiegenartige steile Treppe. größeste Raum (über der Küsterwohnung) war für die zweite Klasse bestinnnt, diente aber früh vor Anfang des Klassenunterrichts und bei Schulfeierlichkeiten zugleich als „Versammlungszimmer" für die

soviel mir bewußt, der älteste Sohn eines

kinderreichen Bäckermeisters in Bernburg, kam als etwa 15 jähriger Bursche zur Zeit Friedrichs des Großen nach Berlin und fand, da er reformirter Konfession war, Aufnahme bei dem damaligen alten Hof- und Domküster und Vorsteher der Domschulc daselbst, der ihn zum Lehrer heranbildete. Der begabte, strebsame Jüngling über¬ traf bald seinen von ihm hochverehrten Lehrer und erwarb sich als Autodidakt reiche Kenntnisse. Er schrieb zu seinem lebenslänglichen Bedauern zwar eine deutliche, aber keine kalligraphisch geschulte Hand, da er, wie er sagte, niemals Schreibunterricht genossen hatte. Sein Lieblingsstudium war die brandenburgisch-preußische Geschichte, und seine Leistungen in derselben waren so hervorragend, daß er als noch junger Mann mit dem Titel eines königlichen Professors als Lehrer der Geschichte an die allgemeine Kriegsschule berufen wurde, welches Amt er indeß etwa um die Wende des Jahr¬ hunderts aufgab, uin als „Vorsteher zweier Lehranstalten", die er gegründet hatte, seine ganze Thätigkeit diesen zu widmen. Meine Erinnerungen reichen in die Jahre 1813—1820 zurück, in welchen ich die Hartungsche Schule von der fünften bis zur ersten Klasse besuchte. Berlin hatte damals nicht voll 200 000 Ein¬ wohner; öffentliche Schulen, die nach dem Plane der jetzigen

ganze Schule.

Subsellien waren in den Klassen nicht vorhanden; für die geringe Zahl von 20—25 Kindern in jeder Klasse genügten einige lange und breite Tafeln aus nicht aiigestrichencm Holz, an denen die Schüler auf eben solchen Bänken zu beiden Seiten saßen. Für den Lehrer war ein Holzstuhl vorhanden. Im Winter wurde in Kachelöfen mit Holz geheizt, die Beleuchtung geschah anfangs mit Talglichten, die auf Messinglcuchtern (sogen. Blakern) auf die Tische gestellt wurden, und es war ein Ereigniß, als etwa im

lange neben der des

Jahre 1819 Hängelampen (sogen. Astrallampcn mit Glascylindern und aus Drahtgestellen konstruirten, mit Muslin überspannten Kuppelschirmen, wie solche damals zuerst von Stobwasser (Unter den Linden) sabrizirt wurden) an deren Stelle traten. Selbstver¬ ständlich gehörten schwarze Wandtafeln nebst Kreide und Schwamm,

Professors Heinsius (vom Grauen Kloster) in der Oranienburgcrstraße, die einzige blieb. Die Hartungsche Knabenschule befand sich dem königlichen Schlosse gegenüber, an der östlichen Ecke der Brüderstraße,

in cinein

der Domkirche gehörigen dreistöckigen, noch heute baulich unver¬ änderten Eckhause. Im Erdgeschosse rechts von der in der Brüder¬

sowie Staffeleicn zu den Jnventarstücken der einzelnen Klassen; minder verständlich für die jetzige Zeit war das Vorhandensein von Schwefelfädcn zum Anzünden der Lichte an glühenden Kohlen

straße (Nr. 45) belegenen Hausthür war die Dienstwohnung des Domküsters Baldemann (des Aelteren), eines hageren, ernst ge¬

aus den Oefen für die letzte Nachmittagsstunde (von 4—5 Uhr) im Winterhalbjahre, wenn die Lehrer es nicht vorzogen, das Licht sich unten von der stets gefälligen Frau Baldemann ausbitten zu lassen, da dieselbe mit Feuerstahl, Stein und Zunder als gute

Mannes, der hier niit seiner lebhaften, wohlbeleibten Frau und zwei Kindern, einer herangewachsenen Tochter und einein noch im schulpflichtigen Alter stehenden Sohne, seinem späteren Nachfolger im Hofküsteramtc, als Vizewirth eine stille Häuslichkeit führte. Die andere linke Hälfte des Parterre an der Ecke des Schloßplatzes war an den französischen Handschuhmacher Landrs

messenen

veriniethet, den einzigen seines Faches, welcher außer dein ebenfalls zur Kolonie gehörigen Albert Fallou (Poststraße 31, Ecke der Königstraße) damals in Berlin die Fabrikation von Glacehand¬ schuhen betrieb; wir Schulknaben entnahmen von ihm das Schab¬ leder zuin Ausreiben mißlungener Striche in unseren Schwarzkreide¬ zeichnungen. — Zwei Treppen hoch, um dies vorwegzunehmen, wohnte eine kleine ältliche Lehrerin, die Vorsteherin der hier oben befindlichen Dom-Mädchenschule, in welcher gelegentlich auch zarte Knäblein Aufnahme fanden, die hier unter milder weiblicher Hand die Kunst des Stillsitzcns lernen sollten; den Religivns- und

B.

wissenschaftlichen Unterricht ertheilten Domkandidaten, damals z. der spätere Hofpredigcr Snethlage, dessen Vater der ehrwürdige

Direktor des Joachimsthalschen Gymnasiums war, welcher länger als 20 Jahre hindurch in seinen Schulprograinmen „über einige Hindernisse" des Schulwesens gehandelt hat. Die mittlere Etage

vierte

dessen Balkon im Sommer bei schönein Wetter Nach¬ mittags die ehrbaren Stammgäste mit weiß gepuderten Häuptern, die dort bei ihrem Kaffee faßen und aus langen Thonpfeifen rauchten, unsere Aufmerksamkeit von dem Unterrichte abzogen. —

Zeit in der Königsstadt nicht; die Kinder der besseren Stände, welche später in die mittleren Gymnasialklaffen übergehen sollten, waren auf Privatanstalten angewiesen, deren außer den Hartungschen die von Plamann in der Lindensiraßc, Blenz in der Schützen¬ straße, Bartels in der Brüderstraße und etwas später Krüger in der Jüdenstraße existirten. Es waren dies sämmtlich nur Knaben¬ schulen, Plamann allein hatte eine eigentliche und zwar vortreffliche Erziehungsanstalt, Hartung aber errichtete außer der Knabenschule welche

erste rmd

bahn, auf

Mittelschulen arbeiteten, also auch fremde Sprachen, namentlich das damals sehr nothwendige Französisch betrieben, gab es zu jener

zugleich eine höhere Mädchenschule,

Sehr hell und freundlich waren die

Klasse (über dem Handschuhladen) mit der zerstreuenden Aussicht »ach dein Schloßplatz und nach Vvlpi's Kaffeehaus an der Stech¬

Hausfrau wohl versehen war, und wiederuin war es epochemachend, als bald nach Einführung der Astrallampen die mit Asbest und Schwefelsäure gefüllten, oft versagenden und fast stets Brandflecke Zündfläschchen nebst rothköpfigen Schwefelhölzern, damals noch neue Erfindung, den Schwefelfaden aus dem Schulinventar verdrängten. Wer in die 4. Klasse aufgenommen werden wollte, mußte lautrichtig deutsch und nothdürftig französisch lesen können oder, was meist der Fall war, die sogen. „Vorbcreitungs- (oder 5.) Klasse" durchgemacht haben, in welcher diese Kenntnisse erworben wurden. In dieser Klasse, die sich in einem anderen Hause befand (wovon Aufnahme. Die später), fanden Knaben vom 6. Lebensjahre an Schulstunden waren Vormittags von 9 —12, Nachmittags von 2—4, in der „großen Schule" von 2—5 Uhr; Mittwoch und Sonnabend Nachmittags war frei. — Das Schulgeld betrug in verursachenden eine

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der Vorbereitungsklasse monatlich 2, in der großen Schule 3 Thaler; außerdem waren an Nebcnabgaben Holzgeld (jährlich 1 Thaler),

486 Feder- und Tintengeld zu entrichten. — In der ersten Klasse er¬ langten die Schüler die Reise für „Klein-Tertia" der Gymnasien, deren damals in Berlin außer dem französischen College 4 vor¬ handen waren, 2 städtische (das Kloster- und das Werdersche, welches letztere sich im Eckhause der Allen Leipziger Straße an der

Jungfernbrücke befand) und 2 königliche (das Jvachimsthal in der Burgstraße und das Friedrich-Wilhelms-Gymnasium in dem noch Die meisten von gegenwärtig demselben dienenden Gebäude). das Jahr 1820 gingen um Hartung als reis entlassenen Schüler zum Kloster über, andere wählten das Joachimsthal (obgleich sic hier, tvo erst Ostern 1821 eine Unter-Tertia errichtet wurde, nach

Quarta gesetzt wurden), da Klein-Tertia auf dein Kloster derinaßcn an Ucberfüllung litt, daß einige von den 90 Schülern in der engen Klasse sogar stehen mußten, weil auf den Bänken kein Platz mehr war. Wie beliebt die Hartungsche Schule war, geht daraus hervor, daß dieselbe von Kindern aus den entferntesten Stadtthcilen besucht wurde, und daß mehrere von ihnen damals insofern bereits zur zweiten Generation gehörten, als deren Mütter einst Schülerinnen der Hartungsche» Mädchenschule gewesen waren, die bei ihnen im besten,

dankbarsten Andenken

stand.

So

kamen

die Geschwister

Hcllwig (Kinder eines Justizraths) aus der Kochstraße, die Brüder Beelitz (Söhne des Stadtgerichtsdirektors) von Unter den Linden (aus der Nachbarschaft des Ponton-Hauses, nahe der späteren Neuen Wilhclmstraßc), andere, wie Rönnckamp, aus der Holzmarkt¬ straße, Grabau aus der

Gr. Hamburgerstraße, hatten

also

für das

damalige Berlin lveitc Schulwege zurückzulegen. Das Unterrichts- und Erziehungssystem der Hartungsche» Schulen war gemäßigt philanthropisch und eklektisch; Erziehung zur Humanität galt wohl umsomehr, als das letzte Ziel, weil sowohl der Vorsteher als die ständigen Lehrer eifrige Mitglieder des Frei¬ maurerordens waren; doch wollte Hartung keineswegs Kosmopoliten ii la Basedow bilden, sondern, erfüllt, wie er war, von dein glühenden Patriotismus der Befreiungskriege, vor allen Dingen gute Deutsche und, >vas ihm für dasselbe galt, stramme königstrcue Preußen. Sei» einziger Sohn trat als Freiwilliger in die Schaar und kehrte zu des Paters und der Mutter Freude ruhmbekränzt aus dem Felde zurück. Letztere, eine würdige Dame, welche warme mütterliche Freundlichkeit mit den feinsten Lebensformen harmonisch zu verbinden wußte, war nach der Schlacht von Großbeeren bei der Organisation der Krankenpflege in den Lazarcthc» thätig, an welcher sich auch mehrere der Schule bereits der reitenden Jäger

Jungfrauen unter ihrer mütterlichen Leitung betheiligten: Kind der Wittwe des Geheimsekretärs Löschte, wurde, 19 Jahr alt, ein Opfer des Lazarethtyphus, und ihrer gedachte Hartung noch in späterer Zeit stets mit schmerzlicher Rührung. Meine Erinnerungen an den Lehrgang in den einzelnen Lchrentwachsene

eine von ihnen, das einzige

gegenständcn

knüpfe

ich

am besten an die Persönlichkeit der

treffenden Lehrer, soweit dieselben in

be¬

meinem Gedächtniß leben.

Ständige Lehrer der Knaben- tind der Mädchenschule waren, unter Leitung des Aeltcsten in brüderlicher Eintracht die vier Brüder August (L), Ludwig (IT.), Albrecht (III) und Lebrccht (IV.) Hartung. August Hartung, der „Herr Professor", ein Mann von mitt¬ lerer Statur und damals im mittleren Lebensalter, von mäßigem Einbonpoint, trug gewöhnlich einen sauberen Oberrock aus unver¬ wüstlichem blauem „Königstuch", welches die Fabrik des Lager¬ hauses in der Klosterstraßc die Elle zu 10 Thaler lieferte; auf der Straße trug er einen niedrigen Hut mit breiter Krempe (gerade wie später der damit stets in der Mode bleibende berühmte Geo¬ graph C. Ritter) auf dem Kopfe und ein spanisches Rohr mit schwarzer Hornkrücke in der- Hand. Sein ernst-freundliches Wesen blieb sich stets gleich, und niemand hat ihn je in leidenschaftlicher

Erregung gesehen; in allem, tvas er that und redete, auch wenn er strafen mußte, sprach sich stets die herzlichste Liebe aus, und er besaß deshalb die innigste Verehrung nicht bloß seiner Schüler und

Schülerinnen, sondern aller, die den trefflichen Mann kannten. Ohne den leisesten Anflug von Pedanterie bewegte er sich in ge¬ bildeten und wahrhaft vornehmen Lebensfornreir und war ein ge¬ borener Schulmann von Gottes Gnaden. Klarheit und Anschau¬ lichkeit durchdrang seinen Vortrag, und die Lehrstunden, die er ini Deutschen und in der vaterländischeit Geschichte in den beiden Obcrklassen ertheilte, hatten für uns Kinder allezeit ein festliches Colorit. Für den deutschen Unterricht war eine kleine und eine größere, von ihm verfaßte „Sprachlehre" in den unteren Klassen eingeführt, und für die Oberftasse hatte er eine „Anleitung zum richtigen Gebrauche der deutschen Sprache" herausgegeben, in welcher auf jede einzelne Sprachregel immer „Fehlerhafte Sätze" folgten, die wir mündlich und schriftlich zu verbessern hatten, was uns deshalb eben nicht schwer fiel, weil die fehlerhaften Wort¬ bildungen und Redewendungen (leider) durch gesperrten Druck ge¬ kennzeichnet waren. Wie man diese Methode auch mag verurtheilen müssen, so wurde dadurch doch ein lebhaftes Interesse der Schüler hervorgerufen, und welchen Spaß uns die aus der Wirklichkeit ent¬ nommene „Reitende Artillerie - Kaserne" (am Oranienburger Thor inschriftlich) und der „Hölzerne Uhrmacher" (aus einem Aushänge¬ schilde in der Alten Roßstraße) gemacht haben, ist mir noch heute unvcrgeffen. Die Aufsatzthemata waren der kindlichen Fassungs¬ kraft angemessen: Nachbildungen von mündlichen Erzählungen des Lehrers, Umwandlungen erzählender Gedichte aus'Hartung's „Liedcrsammlung für Schulen" (2. Th.), Beschreibungen mit freier Wahl des Gegenstandes, z. B. einer Sommerwanderung in die Umgegend, einer sogen. Weihnachtsausstellung (mit mechanischen Figuren, wie sie damals von den meisten Conditoren veranstaltet wurden und dem Besucher gegen ein Eintrittsgeld von 2 Groschen Courant offen standen), und zwar in Briefform. Hand in Hand mit dein Unterricht im Deutschen ging der planmäßige, in den verschiedenen Klassen von verschiedenen Lehrern ertheilte vortreffliche Leseunter¬ richt. In der Vorbereitungskasse nach der Olivier'schen Methode an Wandtafeln beginnend, wurde derselbe in der großen Schule stufenweise nach Hahn's Stoff zur Ausbildung des Geistes und des Herzens und Wilmsen's Deutschem Kinderfreund fortgesetzt. Aus letzterem wurde in der Oberklassc z. B. das kleine Schauspiel, der Edelknabe von Engel init Verthcilung der Rollen an die besten Leser gelesen und dann mit bankweiser Verthcilung im Chore wiederholt. Für „Gedichtelesen" (aus dem 2., nach den Dichtungs¬ arten geordneten Theile des schon erwähnten „Liederbuches") war in der ersten Klasse eine besondere mit Declamationsübungen ver¬ bundene Stunde bestimmt. — Neben dem Deutschen war die vater¬ ländische Geschichte das Hauptfach des Professors, der sich schon als Lehrer an der Kriegsschule durch Herausgabe einer für den da¬ maligen Stand der historischen Forschung ausgezeichneten und höchst anziehend geschriebenen „Brandeichurgischen Geschichte" (2 Theile,

mit der kurfürstlichen Zeit schließend) herausgegeben hatte. Dieses Buch wurde in der Schule nicht gebraucht, sondern nur als Prämie vertheilt; in den Händen der Schüler befand sich, gleichfalls von Hartung verfaßt, ein „Kurzer Abriß der deutschen Geschichte". Während in den unteren Klassen nur alte Geschichte (in einzelnen Geschichten) getrieben wurde, bestand das Pensum der Oberklassen ausschließlich in vaterländischer Geschichte, in welcher Aug. Hartung excellirte. Durch unzählige Details, die er zum Theil wohl nur der hofküsterlichen Tradition verdanken konnte, wußte er uns Kin¬ dern besonders die Friedericianische Zeit hochintercffant zu machen, und verstand es meisterhaft, uns die Vergangenheit durch An¬ knüpfung an noch nachweisbare Localitäten zu vcrgegentvärtigen und dadurch dem Gedächtniffc fest einzuprägen. — Die Vermögensverhältniffe des Profeffors Hartung dürften, wie die der meisten

487 Berliner Schulvorsteher, recht gut

gewesen sein: er

war Besitzer des

Hauses Brüdcrstraße 9?r. 28, dessen erste Etage er bewohnte, während sich die Mädchenschule parterre links, und die Vorbereitungsklasse der Knabenschule im Hinterhause eine Treppe hoch in einem

freundlichen Salon befand, welcher der Prosessorcnfamilie über Mittag als Speisezimmer diente. Die Ferien pflegte er auf einem Dorfe int Norden von Berlin zu verleben, wo er sich ein kleines

Freigut angekauft hatte. Er erreichte ein hohes Alter, und ich habe ihn zu Anfang der dreißiger Jahre bei einem Spaziergange Unter den Linden das letzte Mal gesehen und gesprochen. Wie würdevoll trat er mir noch damals entgegen, und wie freute er sich, das; ich mich ihm als dankbarer Schüler zu erkennen gab. Have pia animal

Hartung II. (Ludwig), Küster an der Werderschen Kirche; war bereits verstorben, als ich zur Schule kam, und sein An¬ denken lebte nur dadurch fort, daß sich die beiden jüngeren Brüder nach seinem Tode stets noch Hartung III. und IV. nannten.

er

Hartung III.

(Albrecht), Cantor an der Domkirche und Vor¬ ein großer, hagerer, im Grunde jovialer, zuweilen jedoch verstimmter, aber gutherziger Mann, den wir alle lieb hatten, aber wegen seiner Strenge gegen seinen eigenen Sohn Julius, unseren Mitschüler, auch fürchteten. Er war der Rechen¬ lehrer und hatte ein größeres Rechenbuch herausgegeben, welches auch die kaufmännischen Rechnungsarten uinfaßte, die in der ersten Klasse gelehrt wurden. Der Unterricht war nach damals üblicher Weise in Tafel- und in Kopfrechenstunden getheilt, und wenn der Lehrer nierkte, daß die Schüler beim Kopfrechnen erschlafften, ließ er sofort einen munteren Sang anstimmen, z. B. Feuer, Feuer (wo, wo!) da, da (löscht, löscht!) (im aufsteigenden Our-Dreiklang zu singen). Oder nach der Weise des Dessauer Marsches: Grüne, grüne, grüne Petersilie und Kopfsalat. Dann kam wieder frisches Leben in die Klaffe. In der Weihnachtszeit ließ er die Jungen der 3. Klasse zu ihrem größten Jubel Wunschzettel schreiben, zu denen er Papierblätter von gleicher Größe, die er säuberlich zu reißen verstand, austheilte. Er hatte auch den jüngsten Sohn des Königs Friedrich Wilhelm III., den zehnjährigen Prinzen Albrecht, im Rechnen unterwiesen und dafür eine werthvolle goldene Taschen¬ uhr an gleicher Erbskette zum Andenken erhalten, die er uns mit freudigem Stolze bewundern ließ. Wie zitterte ich elfjähriger steher der Domschulc,

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Junge, als er mir einst diese Uhr fest in die Hand gab, daß ich sie zur Controlirung ihres Ganges in der Zwischenstunde zu dem Uhrmacher Aug. Hedrich, der sich damals im Nebenhause ant Schloßplätze etablirt hatte, tragen solle. Es glückte und ich brachte das Kleinod unversehrt wieder. Heute zu Tage wäre das Experi¬ ment noch mißlicher, als damals. Hartung IV. (Lcberecht) war nicht so beliebt, wie seine beiden älteren Brüder. Niemand sah ihn je lachen; sein gemessener Ernst langweilte uns Kinder, und sein unleugbarer Scharfblick war uns drückend; cs fehlte das rechte Zutrauen. Einst überraschte er mich, als ich mich in für einen „Klassenaufseher" unziemlicher Weise mit zwei kleineren Judenknabcn herumbalgte, weil diese in der Zwischenstunde, statt, wie es die Ordnung gebot, hinunter in den Hof zu gehen, verstohlen in der Klasse zurück geblieben waren; bei dem Anblick des Lehrers rissen sie natürlich sofort aus, ich blieb beschämt allein zurück, und ersterer sagte mit ernster Miene weiter nichts zu mir, als das angebliche Wort des Aristoteles oder Augustinus: „Qui proficit in litteris et deficit in moribus, plus

deficit quam proficit.“

Dies machte, weil

ich es

mir

erst

über¬

stärkeren, noch heute haftenden Eindruck auf mich, und seitdem kam mir Hartung IV. wie mein eigenes Gewiffen vor. Er bewohnte nicht nur die Oberetage in dem Hause setzen

mußte, einen um

so

Bruders August, sondern nahm diesem gegenüber später auch ein, daß er durch Verheirathung mit dessen einziger Tochter der Schwiegersohn desselben wurde; als Erbe seines Schwiegervaters, auch des Titels als Professor, setzte er nach Auf¬ seines

die Doppclstellung

lösung der Knabenschule die Mädchenschule, die sich unter seiner Leitung einer langen Nachblüthe zu erfreuen hatte, bis zu seinem Tode noch viele Jahre fort. Da er, soviel ich weiß, Kinder nicht hiirtcrließ, ging das Haus Brüdcrstraße Nr. 28 in fremde Hände über und ist jetzt ;u den hinten anstoßenden Geschäftsräumen des wohl¬ bekannten Kaufmanns Hertzvg, Breite Straße Nr. 14 gezogen. Doch kehren wir nochmals zu der früheren Lehrthätigkeit Lcberecht Hartung's an der Knabenschule zurück, so erinnere ich mich namentlich seines Unterrichts in der Geographie, der ebenso trocken war, wie das als Leitfaden dienende Lehrbuch „der kleine Stein" (verfaßt von eincin Professor dieses Namens am Grauen Kloster). (Fortsetzung folgt.)

Die Dreikönigs-Zusammenkunft in Potsdam 1709. Bon H. Wagner.

Für einen großen Theil der Europäischen Staaten begann das Jahr 1709 nicht unter günstigen Umständen. Nicht allein führte ein ausnahmsweise strenger Winter bei den damaligen mangelhaften Verkehrswegen viel Elend und Noth über die Bevölkerungen der Nordischen Staateir und richtete unersetzlichen Schade» an Vieh, Früchten, Forsten und Wildstand an; auch die furchtbare Geißel des Orients, die Pest, raffte mit ihrem Gisthauch die durch das

Elend auch körperlich erschütterten Menschen so massenhaft hinweg, daß manche Gegenden fast ausgestorben erschienen. Tie in der Preußischen Monarchie traditionell stets sorgfältig gehandhabte Finanzwirthschaft, sowie die vorsorgliche Anlage von Vorrülhen aus den Erträgen der reichen Ernten der Vorjahre, er¬ wiesen sich als die bewährtesten Gegner gegen Theuerung, Hungcrs-

noth und Pestilenz, wenngleich nicht geleugnet lverden darf, daß auch unser Staat ziemlich stark durch jene Landplagen heimgesucht wurde. Nicht unerwähnt darf bleiben, daß die öffentliche Meinung mit der Regierung sich in der Anordnung von öffentlichen Bet¬ stunden zur Abwendung der Gefahr begegnete. Dazu kam der Nordische Krieg zwischen Rußland und Schweden, und der noch immer in hellen Flammen stehende Spanische Erb¬ folgekrieg, welche unser Vaterland in Mitleidenschaft zogen. Gerade

der gigantische Kampf zwischen dein urwüchsigen Peter dem Großen und dem Heldenabcntcurer Karl XII. von Schweden war die Ur¬ sache zu einem diplomatischen Fürstenbesuch am Preußischen Hofe, dessen im Geiste jener Tage barockes Schaugeprängc uns nachstehend beschäftigen soll.

Zuvor erwähnen wir noch des Besuchs des Herzogs von Mecklenburg-Schwerin, Schwager König Friedrichs I., welcher im Februar 1709 einige Tage in Berlin verweilte, um die Streitig¬ keiten beizulegen, die seit mehreren Jahren zwischen ihm und der Mecklenburgischen Ritterschaft wegen der Steuern schwebten. Diese Streitigkeiten hatten mit der Zeit an Schärfe und Schroffheit zu¬ genommen, und man war auf beiden Seiten gleich hartnäckig in der Festhaltung der aufgestellten Forderungen. Die Ritterschaft hatte sogar den Landesherr» bei Kaiser und Reich verklagt und zu ihrem Stolze auch in wesentlichen Stücken Recht erhalten; der Herzog dagegen kehrte sich an die Entscheidungen des Rcichskammergerichts nicht und suchte mit Gewalt von der Ritterschaft zu erzwingen, was

ihm in Güte versagt worden war. — Damals nun gelang es unserem

Friedrich I., auf Wunsch des Deutschen Kaisers, seinen Schwager zum Nachgeben zu bestimmen, und im Berliner Schlosse wurde der Streit zwischen dem Herzog und seiner Ritterschaft gütlich beigelegt.

488 Politisch wichtiger war der zweite Besuch gekrönter Häupter nin Preußischen Hofe: Man könnte ihn die „Drci-Königs-Zu-

sammenkunft" nennen! König Friedrich IV. von Dänemark hatte gegen Ende des Jahres 1708 eine Reise nach Italien angetreten, namentlich aber, um an Ort und Stelle den seiner Zeit so berühmten Karneval von Venedig zu sehen. Auf seiner Rückkehr im Frühlinge 1700 besuchte er in Dresden seinen Verwandten, Friedrich August, König von Polen und Kurfürst von Sachsen. Beide Monarchen waren leib¬ liche Schwester- und Bruderkinder; denn Anna Sophie, die Mutter Friedrich Augusts, war eine Tochter Friedrichs HI. von Dänemark und eine Schwester des Vaters des Königs Friedrich IV. von Dänemark. Der prachtliebende August von Sachsen entfaltete zu Ehren seines Gastes, der am 27. Mai in Dresden angelangt tvar, eine Kette der ausgesuchtesten und fabelhaftesten Vergnügungen, so daß der Dänenkönig sich auf's Beste in dem üppigen Elb-Florenz amüsirte und sich einen ganzen Monat dort aufhielt. Die bedenklichen Verhältnisse des nordischen Krieges stiegen aber wie eine gewitterschwangere Wolkenschicht immer drohender empor und warfen ihre beängstigenden Schatten in den Freuden-, taumel am Hose des in orientalischer Pracht schwelgenden Königs August. Ria» war daher gezwungen, aus einige Tage den Schäferspielen, Theater-Vorstellungen, Feuerwerken re. zu entsagen und ernsten Herrscherpflichten seine Aufmerksamkeit zu widmen. Zu dem Zwecke wählte man das Stadtschloß zu Potsdam als den geeig¬ netsten Ort einer diplomatischen Konferenz, und setzte von diesem Entschluß de» dritten Verbündeten, den König von Preußen Friedrich I., in Kenntniß. Friedrich l. nahm nicht nur den Vorschlag sehr günstig auf, sondern säumte nicht, diese wichtige diplomatische Berathung und seltene Zusammenkunft dreier Könige mit großem Glanze zu umgeben.

Die beiden Könige von Dänemark lind Polen verließen Dresden Juni und übernachteten am 1. Juli im Kloster Zinna, wohin ihnen der Hvfmarschall v. Erlach mit Küche und Keller entgegengefahren war. — Am nächsten Tage, Nachmittag 3 Uhr, als die Monarchen noch eine halbe Meile von Potsdam entfernt waren, ritt der König von Preußen mit seinen drei Brüdern, den Markgrafen Albrecht, Philipp und Ludwig, feinen Gästen am 20.

entgegen und bewillkommnete sie, kehrte aber sofort nach Potsdam zurück, während die fremden Fürsten mit Gefolge einen solennen und imposanten Einzug hielten. Den Zug eröffnete der Erbpost-

mit fünfzig Postillons, die abwechselnd mit den ihnen fol¬ Der Oberjägermeistcr führte den Jagdzug. 3iun folgte eine Kompagnie von der Garde und dann Königliche und Markgräfliche Handpferde. Hierauf er¬ meister

genden Jägern aus ihren Hörnern bliesen.

öffnete der Obermarschall den stattlichen Zug der berittenen Hof¬ kavaliere und Großen des Hofes in Gala, welchen unmittelbar die drei Markgrafen folgten, die der Karosse voranritten, in der die beiden Majestäten saßen. Es war eine neue, reich verzierte und

vergoldete Kutsche eigens zu dem Zwecke angeschafft. Ein pracht¬ volles Gespann von acht Pferden lenkte der reich betreßte Kutscher, und in dem schwankenden, auf schaukelnden Federn ruhenden Kutsch¬ schlag saß der König von Dänemark zur Rechten, der König von Polen zur Linken. Beide hatten das Loos bestimmen lassen, wie einen Tag um den andern der Eine oder der Andere den Vorsitz haben sollte. Den ganzen Zug schloffen die Garde du Corps mit ihren Pauken und Trompeten. — Mittlerweile war es 7 Uhr Abends geworden, ehe die lange Kavalkade in die Nähe der Havelbrücke kam. Nun aber zischte eine Rakete in die Höhe, und sofort wurden nach einander 32 Kanonen, welche im Lustgarten an der Havelseite mit der Mündung nach der Langen-Brückc standen, ge¬ löst. In den rollenden Geschützdonner dröhnten die dumpfen Schläge der 22 Schiffskartaunen auf der prachtvollen Pacht, welche im heu¬ rigen Ncptunstcich des Lustgartens vor Anker lag. Als die Karosse

aus der Brücke anlangte, ward die Salve wiederholt, und zum dritten Male, als der Zug durch's Fortuna¬ portal in den Schloßhof gelangte. Hier standen linker Hand ein Bataillon Grenadiere, rechter Hand die Schweizer und Trabanten, welche, wie die Landmiliz, auf dem Marktplatze vor dem Schlosse beim Einzüge der Kutsche eine dreimalige Gewehrsalve gaben. Es muß ein ganz respektables Echo auf dem Schloßhofe gegeben haben, als die Bataillone ihre Gewehre abschössen, und man darf wohl annehmen, daß die fremden Potentaten nicht wenig aufathmeten, als endlich der Wagen vor der mit Statuen reich geschmückten Pforte zur Marmortrcppe des Palastes hielt. Hier erwartete seine hohen Gäste Preußens Friedrich, um¬ armte sie und geleitete sie die Treppe hinauf nach den für sie be¬ stimmten Gemächern. Der König von Dänemark bezog eines zur Rechten, wahrscheinlich den rothen Saal im Westende des Haupt¬ gebäudes, der Polenkönig eines zur Linken, wohl das große Al¬ kovengemach am Ostende des Hauptgebäudes und beide begaben sich, nachdem sie sich umgekleidet, in das Zimmer der Königin. Es

mit den Monarchen

war nicht die heitere, geistreiche, schöne Sophie Charlotte, welche sie hier empfing, denn diese war ja am 1. Februar 1705 gestorben, soüdern die dritte Gemahlin Friedrichs, die nachher in Trübsinn versunkene Luise Dorothea vyn Mecklenburg-Schwerin. Nach einer längeren politischen Unterredung im Kabinette des Königs riefen um 9 Uhr zwei Chöre mit Pauken und Trompeten Alle zur Tafel im großen Saale. Voran gingen der König von Polen und der von Preußen, denen unmittelbar die Königin, ge¬ führt vom Dänenkönige, folgte. Im großen Marmorsaale, dem Staatsraume des Schlosses, war die ovale Tafel aufgestellt. Ein prächtiger Thronhimmel überwölbte sie, und ein kostbares Büffet mit Spiegeln und den reichsten Gold- und Silbergeschirren zeigte Friedrichs I. Prachtliebe. Dazu blitzten im Lichte der zahllosen Wachskerzen der Krystallkronen die vergoldeten erzenen Kapitäle und Gesimse. Von den hohen Wänden leuchteten die kolossalen 25 Fuß im Ouadrat haltenden Oelgemälde nieder, welche die Thaten des Großen Kurfürsten verherrlichen und dem Saal den Pomp der Galerie Luxemburg verleihen. Des unsterblichen Rubens Schüler, van Tulden, malte zwei dieser Kolossalbildcr. Das eine bezieht Friedrich (nachmaligen ersten sich auf die Geburt des Kurprinzen „Regia progenies 1657“, das andere Unterschrift: der mit Königs) Germain und trägt die Unterschrift: St. Frieden zu den auf „Fax facta 1679“. — Jakob Vaillant aus Flandern malte das dritte allegorische Gemälde: „Die Eroberung Rügens 1678". Der Kurfürst ist zu Pferde dargestellt, seine Gemahlin Dorothea ihm zur Seite auf einen: neptunischen Triumphwagen. Dieses Bild hat etwas Charaktcristisch-Ergreifeirdcs, wenn man sich erinnert, daß diese mitherrschende hohe Frau im echt germanischen Sinn in den Feldzügen des Helden Begleiterin gewesen. Diesem Gemälde gegen¬ über malte Leigebe allegorisch den Triumph des Großen Kur¬ fürsten. Der geniale Schlüter aber hatte in Koloffalgruppcn die Gestaltung der Decke aufgefaßt und Waffcntrophäen zwischen Kapitälcn und über Thüren angebracht. (Das zur Zeit vorhandene große Deckengemälde: „Die Apotheose des Großen Kurfürsten" ist von Vanloo auf Friedrichs des Großen Befehl ausgeführt, existirte also 1709 noch nicht. Wohl aber stand schon damals die Marmorstatue Moritz's von Oranien von Artus Quellinus im Saale.) Um die ovale Tafel gruppirten sich die Herrschaften so, daß der König von Dänemark zur Rechten der Königin Luise Dorothea saß, nebeir ihm der König von Polen und diesem zur Rechten der König von Preußen, dann die Markgrafen Albrecht, Philipp und Ludwig. Zur Linken der Königin saßen die Gemahlinneu der beiden Markgrafen Albrecht und Philipp und dann folgten, den Kreis schließend, Graf Pflug, Graf Flemming, Graf Reventlau und der Vorschneider. Während der Tafel ward

——

489

muficivt, bald mit Waldhörnern, bald mit anderen Instrumenten, und so oft die Königlichen Personen tranken, aus sechs halben Kartaunen, bei dem Trinken der Markgrafen und ihrer Gemahlinnen aber nur aus drei achtpfündigen Kanonen ge¬ feuert. Nach aufgehobener Tafel ging man in derselben Ordnung, in der man den Saal betreten, nach der Königin Gemächer, wo man bei verschiedenen Spielen, Englischen und Französischen Tänzen bis um 3 Uhr Morgens sich belustigte. Am folgenden Tage speiste man zu Mittag mit demselben Cercmoniell in demselben Saale, nur daß der König von Polen die Königin zur Tafel führte und die Oberstelle inne hatte. Nach aufgehobener Tafel und gepflogener Mittagsruhe ging man um 6 Uhr in das Orangeriehaus, den jetzigen Reitstall, uin auf einer hier eingerichteten Bühne die seit einigen Jahren angeworbene abwechselnd

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Luxus und Pomp ausgestattet, wie ihn die darnalige Zeit in raffinirtester Weise nur erdenken konnte. Die darin vorhandenen silbernen und anderen Geräthe schätzte man auf einen Werth von 100 000 Thlr. Das Aeußere des Schiffes schimmerte nicht minder in reichen Goldarabesken und Relieffigurcn, und 22 eherne Geschütze auf seinem Decke verliehen ihm einen respektvollen kriegerischen So staffirte dies glänzende Paradeschiff »üt seinen Anstrich. Wimpeln und Segeln den Lustgarten, und wenn es an lauen Sommerabendcn auf den breiten glatten Havelflächen unter den Klängen einer sanften Musik dahinglitt, um seine königlichen Gäste nach den Gärten von Klein-Glieneke oder nach Kaput zu tragen, konnte man wohl glauben, eines der Prachtschiffe der alten Syrakuscr oder Egvpter zu sehen. — Nach Besichtigung der Jacht, und nachdem man zwischen den Orangenbäumen wandelnd der an-

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Das Satanische Museum zu ürrlin. (Errichtet im Botanischen Garten am Wilmersdorfer Wege.) Französische Schauspielertruppe spielen

zu sehen, welche diesmal eine kleine Oper und ein Lustspiel aufführte. Nach der Vorstellung lustwandelten die Herrschaften an dem warmen Sommerabend in

den Parkwegcn des Lustgartens, erfreuten sich an der herrlichen Aussicht über die Havel nach den waldbedecktcn Höhen des andern Ufers, und während der galante Friedrich August von Polen mit der Königin die geschnörkclten Wege des Holländischen Gartens wandelte, besichtigten die beiden andern Monarchen die im Bassin, dem heutigen Ncptunsteich, liegende große Jacht, auf der die Stückmeister nach einander die Kanonen lösten. Dieses an Pracht und Eleganz seines Gleichen suchende Schiff hatte der König Friedrich I. nach Angabe seines Baumeisters und Malers Madersteg in Holland bauen lasten. Man hatte es zur Fahrt auf flachen Wassern eingerichtet und in seinem Innern mit orientalischem

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genehmen Abendkühle genossen und dem

Spiel der zierlichen Spring¬

brunnen zugesehen, beschloß Tafel und Ball in der Königin Zimmer den festlichen Tag. — Der König von Preußen freilich reiste nach der Tafel Nachts 12 Uhr nach Berlin, um der Frau Kronprinzessin seinen Glückwunsch zur Geburt einer Prinzessin abzustatten, kehrte jedoch noch

vor der Mittagstafel zu seinen hohen Gästen nach Potsdam zurück. Die jeden Abend erneuten Bälle begannen mit Französischen

Tänzen und endeten stets mit Englischen. — Die Mittagstafel wurde immer im Marmorsaale aufgeschlagen; dagegen brachte man eine Abwechselung in die Festivitäten dadurch, daß man bei der Abendtafel um die Plätze looste, der Tafel selbst aber jedesmal eine andere Gestalt gab, so einmal vier Halbmonde, ein andermal eine Drei, dann wieder die Gestalt des Merkurzcichens, der Venus und anderer Planeten.

490 Namentlich zur Ergötzung für den jagdliebcnden Polenkönig veranstaltete Friedrich I. am 5. Juli eine große Jagdpartie im neuen Thiergarten vor der Langen Brücke. Während der König von Preußen mit den Markgrafen in einem Jagdwagen voran¬ fuhren, folgten die beiden fremden Könige in einer mit acht Pferden Erlegt wurden bespannten Karosse zum Platz des Ausschießens. Friedrich Füchse und Hasen. gegen 100 Hirsche, etliche Rehe, gewaltiger Nimrod und starker August von Polen, berühmt als Mann, bewies auch diesmal seine Kraft und Kaltblütigkeit wieder und ließ eine große Sau allein, ohne Hunde dabei zur Unter¬ stützung zu haben, auf sein Fangeisen auflaufen. Erwähnenswerth ist tvohl noch der eigene Umstand, daß am Sonntag den 7. Juli unser König in seiner Schloßkapelle den Bischof Ursin v. Bär hörte, wogegen der Dänenkönig in einem seiner Gemächer der Predigt eines Landsmannes folgte, und Friedrich August auf seinem Zimmer nach den Satzungen der römisch-katholischen Kirche dem Messclcscn des Pater Vota beiwohnte, denn cs gehörte jeder dieser Monarchen einer anderen Konfession an; ein Umstand, der sich bei der Drei-Käiser-Zusammenkunst im September 1872 wiederholte. Am folgenden Tage, Piontag den 8.

Osten der Recke

Peter

Juli,

als im fernen

der Große seinen zähen Gegner, den un¬

Abenteurer und tapferen Ritter Karl XII. von Schweden schlug und Schwedens Macht brach, machten die drei Könige eine tändelnde Wasserfahrt nach dem Jagdschlösse Kaput an der Havel, das der Große Kurfürst sich hatte erbauen lassen, und das sich zur Zeit noch ganz im Schmucke damaliger Stückarbeit, Malerei und Tapezierung im Besitze der Familie v. Thümen befindet. Unter Trompetenklängen glitt die schimmernde Lustyacht am flachen Tornow vorüber durch die seeartige Havel nach dem kleinen Dorfe Kaput, lvo im Schlosse die zahlreiche Dienerschaft die Tafel Hier nahm man auch die merkwürdige schon angerichtet hatte. Sammlung von raren Porzcllangefäßen in Augenschein, welche später unter Friedrich Wilhelm I. nach anderen Schlössern vertheilt wurde. Als man gegen Abend nach dem Stadtschloß unter Scherzen und Musik zurückgefahren war, fand man zum großen Erstaunen Aller die Abcndtafel im Märmorsaale diesmal in einer ebenso sinnigen als luxuriösen Ausstattung und Einrichtung. Im Saale hatte man einen Tempel der Flora errichtet. Eine von Spiegelglassäulen gebildete Rotunde trug ein vergoldetes Gesimse mit Gesimse und Kuppel zierten Blumentöpfe und offener Kuppel. Orangenbäume mit Früchten. Die Tafel nahm den inneren Raum der Rotunde ein. In ihrer Mitte hatte man ein 12 Fuß im Durchmesser haltendes Bassin angebracht, in dessen krystallenen Fluchen Fische und Krebse sich tummelten; aus der Mitte aber stieg ein drei Zoll starker Wasserstrahl durch die Oeffnung der Kuppel bis nahe zur Decke des Saales, um plätschernd ins Bassin wieder niederzusinken. Jedenfalls war dies Arrangement ebenso originell, wie feenhaft. Und der tausendfache Reflex der Wachskerzen in den Spiegclwänden übergoß die Scenerie mit einer blendenden Helle, wogegen der plätschernde Wasserstrahl die Hitze des Juliabcnds Auch heute beendete wieder ein Ball den angenehm dämpfte. angenehin verlebten Tag. Zrr einer ruhigen Sammlrmg rurd Stimmuirg kameir die Fürsten Vergnügungen und Ergötzlichkeiten gar nicht, und es lauter vor schien, als habe nran deir eigentlichen Zweck der Zusammenkunft ganz vergessen. Endlich raffte man sich gewaltsam auf, und da man vielleicht fühlte, daß man in Potsdam durch die verlebten Festtage an zu viel heitere Stunden unwillkürlich erinnert tverden würde, verließ man diesen Ort lind reiste ain 9. Juli nach Oranienbürg, wo man in der That am 10. Juli politische Konferenzen abhielt und Beschlüffc faßte, zu welchem Zwecke jeder der Monarchen erschrockenen

bei

Pultawa aufs Haupt

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Am 11. Juli reisten die einen Minister mitgenommen hatte. Verbündeten, nachdem man Schloß und Garten bei Oranienburg noch in Augenschein genommen hatte, nach dem neuen Lustschlosse bei Berlin, Charlottenburg. Der Einzug der Gäste des Königs von Preußen in Charlottenburg am 12. Juli zwischen 10 und 11 Uhr Vormittags erfolgte wieder in einer achtspännigen Staats¬ kutsche unter dem Donner der abgeschossenen Kanonen. Dieser Tag war von zwiefacher Bedeutung für das Preußische Herrscherhaus; einmal war es der Geburtstag des Königs, der heute in sein 53. Jahr trat, dann aber fand auch an diesem Tage die Taufe der neugeborenen Prinzessin Friederike Sophie Wilhelmine, nachmaligen Markgräsin von Bayreuth, Friedrich des Großen berühinten Schwester, statt. Sofort nach dem Eintreffen der fremden Monarchen verfügten sich diese in die Behausung des Feldmarschalls Grafen v. Wartensleben, um hier, nebst der Königin von Preußen, als hohe Pathen der Taufe des neugeborenen Grafen beizuwohnen. Nachher ging man im Schlosse zur Tafel. Die Vorbereitungen zur Taufe der Prinzessin wurden unterdessen getroffen. Zu Pathen wurden vornehmlich die fremden Gäste, der König von Preußen und seine Gemahlin, erwählt. Die Taufe selbst erfolgte in der Schloßkapelle zu Charlvttenburg in Gegenwart sämmtlicher Fürsten und der gesummten Königlichen Herrschaft unter dreimaliger Abfeuerung der Geschütze. Die junge Prinzessin aber erhielt die Namen Friederika Sophie Wilhelm ine, und zwar den ersten nach den drei Königen, welche als Pathen fungirten, den zweiten nach der Königin von Preußen und der Frau Kronprinzessin, Mutter der Prinzessin, und den dritten nach dem Vater, dem Kronprinzen. — Nach dem Tauftage verweilten die hohen Gäste noch vier Tage in Char¬ lottenburg ; die Vergnügungen, Scherze, Spiele, Bälle re. wechselten unaufhörlich mit einander ab; am letzten Tage, dem 16. Juli, beehrten die fremden Könige den Großbritannischen Gesandten am Preußischen Hofe, Mylord Rabh, mit ihrer hohen Gegenwart 'zur und folgten dessen Einladung Mittagstafel. Der Abend fand sie in den prächtigen Gemächern des allmächtigen Günstlings Friedrichs I., des Oberkammerhcrrn Grafen v. Wartenberg Excellenz, wo eine solenne und üppige Abendtafel ihrer wartete. Hiermit endeten die Festivitäten. Noch an demselben Abend reiste der König von Dänemark ab, Friedrich August erst am anderen Tage. Diesen solennen und heiteren Festen folgten im Leben Friedrichs I. keine ähnlichen mehr. Seine letzten Lebensjahre wurden durch den Trübsinn seiner Gemahlin, der zuletzt in wirklichen Wahnsinn ausartete, und durch eigene Kränklichkeit verdüstert. Die Zusammenkunft der drei Könige mußte Aussehen in Europa machen. Abgesehen von der wichtigen politischen Vcranlaffung der Vereinigung, fanden die Hospoeten und Geschichtsschreiber damaliger Zeit mannigfache Umstände, welche sie in glücklichster Art verar¬ beiteten und mit wichtiger Miene betonten. Man sah es als ein günstiges Omen an, daß alle drei Potentaten den Namen Friedrich trugen, und daß ferner jeder von ihnen einer der drei Hauptkonfessionen im deutschen Reiche angehörte: der katholischen, reformirten und lutherischen Konfession; und daß schließlich diese drei Fürsten, trotz der Verschiedenheit ihrer religiösen Ansichten, dennoch so friedlich mit einander verkehrten und sogar bei der feierlichen Taufhandlung als gemeinsame Pathen ihren Freundschaftsbund bestätigten. Dazu kam nun, ganz im Geschmacke jener Zeit, der glückliche Umstand, daß selbst die Ge¬ stirne diese Zusammenkunft am Himmel zu feiern schienen, und die eigenthümliche Stellung der Sonne, des Saturn und der Venus, die nämlich in diesen Tagen fast in einer geraden Linie standen, die Astrologen zu einer bezüglichen Deutung herausforderte. Schließlich sei noch der Medaillen erwähnt, welche zur Erinnerung an die „Drei-Königs-Zusammenkunft" geprägt wurden. Ihrer sind drei. Jede zeigt auf dem Averse ein gleichseitiges Dreieck, deffen

491

In

Drcieckspitze

HAER. REG. BORVSS. FILTA PRIMOGENITA FIDEM DABANT XII. IVL. MDCCIX. „Ein Tag hat in der merk¬

Auch diese ziert der Lorbeerkranz. Die Namen der Regenten stehen außerhalb dicht an den Dreiecksseiten; dagegen laufen an der Pe¬ ripherie der Münzen folgende Inschriften um das Dreieck: Bei der ersten Medaille: TRIANGVLVS MAIESTATICVS (der

würdigen Zusammenkunft der drey Könige Friedriche, drey helle Lichter und Erdgötter vereiniget gesehen; welche als wollten sie dem Himmel gleichsam ein neu Gestirn einverleiben, bei der Taufe der Prinzessin Friedcrika Sophia Wilhelmina, Sr. Königlichen Hoheit des Kronprinzen von Preußen Prinzessin Tochter, die Pathenstelle den 12. Julius 1709 zu Berlin vertreten haben."

Triangel); bei der zweiten: FELICITAS NOSTRI (die Glückseligkeit unserer Zeit); bei der dritten, die zugleich ein Chronodistichon ist: SIC BENE RESPONDET NVMERO PERFECTIO TRINI. (1709), wie Gütther übersetzt:

Als Beispiel der poetischen Ergüsse, welche die Zusammen¬ kunft ziemlich zahlreich hatte entstehen sehen, möge folgende Stelle eines Gedichtes dienen, das in Großfolio gedruckt, mit verzierten Initialen, Titel- und Schlußvignettcn ausgestattet, in Königsberg

Spitzen die Peripherie der Medaille berühren.

der

oberen

befindet sich das mit Lorbeeren gekrönte Haupt des Königs von Dänemark und Norwegen, in der rechten Ecke das des Königs von Preußen und in der linken das des Königs von Polen.

majestätische

SAECVLI

herauskam:

„Da sich drei Friedriche vergnügt einander küssen: Kann man die dritte Zahl mit Recht vollkommen griissen."

Das sind freilich recht schwache Verse. Die Kehrseite der ersten Medaille trägt folgende Jnschrifi: QVOD TRES IN AMPLEXVS MVTVOS COIERINT REGES TANQVAM REGIVM TRIVM FRtDERICORVM RESERYATVM AETAS NOSTRA NOTET, POSTER[T AS ADMI-

RETVR MDCCIX, d. i. nach Gütther's Uebersetzung: „Daß drey Könige bei einander gewesen und sich freundlich umarmt haben, ist als ein königlicher Vorbehalt dreyer Friedriche anzusehen, welches die gegenwärtige Zeit merken, die Nachwelt'aber bewundern wird." Die zweite Medaille trägt folgende Aufschrift: IN ME MO RI AM

CONVENTVS TRIVM REGVM FRIDERICORVM ET BAPTISMATIS IN QVO PRO FRIDERICA SOPHIA WILHELMINA PR. [PRINCIPIS] IIAER. [HAEREDIS] HEG. [REGNI] BORVSS. [BORVSSIAE] FILTA PRIMOGENITA F1DEM DA BANT BEROLINI XII. IVLII. MDCCIX. „Zum Gedächtnisse der erfreulichen Zusammenkunft dreyer Könige, so alle den Namen Friedrich geführt, und der Taufe, bey welcher dieselben als hohe Zeugen der Prinzessin .Friederika Sophia Wilhelmina, als erstgebohrene Prinzessin Tochter, Sr. Königlichen Hoheit des Kronprinzen von Preußen,

Verwundert Euch nicht mehr, undt macht uns ja kein Grauen! Ihr Sterne: Kündiget! undt Du! gelahrte Weldt! Wann Ihr aufs künftige drey Sonnen werdet schauen. Die Euch auf Eins zugleich der Himmel aufgestellt! Laßt Himmel Himmel seyn! verwendet Eur Gesichte Nur nach der Erde hin! da könnt Ihr Sonnen sehn, Die Nie zugleich gesehn! Betrachtet die Geschichte, Die in der Königsburg, in Potztamm, sindt geschehn! Seht! dieser große Ort hat uns Drey Große Sonnen,

Drey Große Könige, die Eines Nahmens seyn, Drey Theure Friederichs! zu allgemeinen Wonnen Des gantzen Teutschen Reichs s: so wahrlich ungemein, :j Auf einmahl aufgeführt! Drey Könige, Drey Helden, Drey Häubter, Deren Glantz bis an die Sterne scheint Von Denen einst, nach uns, die Nachwelt viel zu melden,

Zu rühmen haben wirbt; sindt würklich itzt vereint. Welcher Pomp und Luxus wurde bei dieser Drei -KönigsZusammenkunft entfaltet, und wie einfach dagegen war die Be¬ gegnung und die Entfaltung äußeren Glanzes bei der viel wichtigeren und bedeutsameren Drei-Kaiser-Zusammcnkunft im September 1872. Wenn damals die drei Herrscher sich zum Kriege gegen Schweden verbündeten, also kriegerischer Absicht halber sich besprachen, so

hatte die Drei-Kaiser-Zusammenkunft den ausgesprochenen Zweck,

12 tot Tag des Heumonats 1709

den Frieden Europas zu befestigen. Mit der weiteren Machtent¬ faltung der Hohenzollcrn'schen Fürsten auf dem Throne Friedri chs I.,

Die dritte Medaille mit dem Chronodistichon zeigt auf der Kehrseite die Inschrift: TRIA VIDIT VNA DIES LVMINA ET NVMINA IN REGVM FRIDERICORVM TRINO QVI NOVVM QVASI COELO TRADITVRI SIDVS IN BAPTiSMATE PRO FRIDERICA SOPHIA WILHELM INA PR.

der nach 170 Jahren zum deutschen Kaiserstuhle ward, können die deutschen Stämme wohl zufrieden sein, namentlich aber mit dem Worte unseres Kaisers, daß das deutsche Reich sein soll ein Reich

in

der Residenz

erschienen

Berlin

den

sind."

.

des Friedens, und

mit der Thatsache, daß

es diesen Frieden bisher

befestigt hat.

Miscellen. zwei Abbildungen). Im Aas Botanische Museum zu Frühjahr 1887 konnte das neue Botanische Museum in Berlin eröffnet werden, dessen Schätze von allen Kennern die ungetheilte Bewunderung finden. Die Sammlung wird nur von der in Kew bei London über¬ drei Stockwerken sind darin das Herbarium und das eigent¬ troffen. liche Museum untergebracht. Das sogenannte Generalherbarium umfaßt 21 Compartiments; ihnen schließen sich noch Räume mit Einzelsammlungen an, darunter das Wildenowfche Herbar (mit 17 000 Arten), Garcke's Europäische Flora, und Ascherson's märkische Sammlung. Ferner finden wir des Professors Mctteniu's Farrensammlung, Hoffmeister's indische Pflanzen, endlich das Herbarium Rousseaus. Das botanische Museum im engeren Sinne besteht aus geordneten Holz- Frucht- Samen- und -anderen Sammlungen, die in einer Vorhalle, zwei Fluren, sechs Zimmern und mehreren Sälen aufgestellt sind. Dem Studium dienen daselbst Minden, Holzfasern, Wurzeln, Modelle und mannigfache Rohprodukte. Die Gegenstände sind meist schon in früherer Zeit hierher gekommen, doch M. Hildebrandt und Andere zur Bereicherung Haben auch Schweinfurth, beigetragen. Die meisten Gegenstände sind in Glasschränken ausgestellt, von denen die im Führer namhaft gemachten durch Zahlenschilder bezeichnet sind. — Die Anstalt befindet sich, wie alle Anlagen des Botanischen -Gartens, unter der Leitung-des Professors Dr. A. W. Sichler, dessen Portrait wir beifügen. ^August Wilhelm Sichler wurde am 22. April 1839 zu Neukirchen (Oberheflen) geboren, wuchs in Eschwege auf, besuchte 1853—57 das Gymnasium zu Hersfeld und studirte alsdann (unter Wiegand) drei Jahre in Marburg. 1881 ward er Assistent des Profeffors Martius in München; 1865 habilitirte er sich dort und übernahm 1868 die alleinige

Berlin (mit

In

I.

Leitung der flora Brasiliens«. Seiner Berufung an das Johanneum in Graz (1871) folgte 1873 die nach Kiel, 1878 diejenige nach Berlin, wo¬ selbst er schon zwei Jahre nachher (1880) in die königliche Akademie der Wissenschaften aufgenommen wurde. Unter seiner Leitung hat sich der Botanische Garten bedeutend gehoben, so daß dieser bei fernerer Bewilligung von Mitteln zum Ausbau der Gewächshäuser, der Pflanzenhäuser und aller übrigen Anlagen in Europa bald den ersten Rang einnehinen dürfte.

Der Kampf um die Zuschrift des alten Museums. Die Inschrift des Museums im Lustgarten, welche in der vorletzten Ausgabe des „Bär" abgedruckt wurde, hatte nach ihrer Abfassung noch eine sehr weitläufige Geschichte. Der Hofrath Professor Dr. Hirt hatte auf Schinkel's Ersuchen die jetzt noch auf dem Gebäude befindliche Inschrift vorgeschlagen, und Schinkel im Mai 1827 dem Könige dieselbe mitgetheilt. Darauf ivurde ein Gutachten des vortragenden Rathes im Unterrichtsministerium, Dr. Süvern, von dem Geheimen Kabinetsrath Albrecht eingefordert. Süvern erhob (15. Oktober 1827) gegen die Inschrift „im Einzelnen wie im Ganzen erhebliche Erinnerungen." Namentlich tadelte er das Wort mnseum, welches im Alterthum ftir die Aufbewahrung archäologischer und Kunstgegenstände niemals gebraucht worden sei, ferner ihre Zweideutigkeit und Unklarheit, hiernächst, daß liberalium artinm schöne Künste bedeuten sollen, die Alten aber Skulptur und Malerei nicht zu den artes liberales gerechnet, als solche ihnen nur Philosophie im ausgedehntesten Sinne, Redekunst, Musik und Gymnastik gegolten hätten. »Liberalium" sei hier unrichtig gebraucht und in der That überflüssig. Ueberhaupt habe die Inschrift keinen Wohlklang und Rhythmus, sei weitläufig, schleppend.

492 Brücken aneinander gehenkt sehnd. Die Gassen sehnd auf beiden Seiten des Flusses lang und breit und in gerader Linie. Es find viel prächtige Häuser auf Italienische Manier gebaut, welche vor Palläst passiven können. Aber das Schloß ist ein rechtes königliches Gebäu, welches aus¬ genommen das Escurial und Louvre an Schönheit und Größe mit den vornehmsten Gebäuen in der Welt um den Vorzug streiten kann. DieSäl und Gemächer sehnd mit den schönsten Gemähld in grosser Menge gezieret. Hat auch ein Wäldlein 500 l?) Schritt groß; dienet dem Churfürsten zur Ergötzlick'keit, gestalten viel Wild darinnen unterhalten werden, da dann der Churfürst zum öfter» nur mit wenig Personen jaget. Die Churfürstl. Gärten mit Citronen, Pomerantzen und allerley schönen Blumeir angefüllet. Es sehnd auch allhier zu sehen der prächtige Marstall, die königliche Kunst-Cammer, die schönen Lusthäuser, als Uranien-Burg unh Potsdam, die berühmte Bibliothek, die vortrefliche Rüst-Cammer, der Dom oder die Stifsts-Kirchen. Es hat auch allhie eine gute Schul. An diesem Ort ist die Churs. Brandend. Hofstatt, derzeit regieret Ihre Churs. Durchl. Friedrich Wilhelm, geboren den 6 . Februar 1620. Ein Fürst, welcher heutigs Tags am meisten Land hat. Er kann durch seine eigenen Länder bey 2000 (?) Teutscher Meilen in die Länge reisen. Hält eine König!. Hofhaltung, bat fünff Fürsten, viel Graffen und andere Herren in seinen Diensten." H. S—n.

schwerfällig und matt. Ludwig Tieck verwirft die Inschrift in einem Gutachten'gleichfalls und bemerkt, daß sie „von allen Gelehrten getadelt worden sei." Er schlägt eine deutsche — allerdings recht geschmacklose — also vor: „Friedrich Wilhelm III. denen Werken bildender Künste, ein Der Geheime Denkmal des Friedens, erbauet im Jahre 1826." Kabinetsrath Albrecht hatte sich auch an Alexander v. Humboldt gewandt, und dieser erwidert ihm am 20. Oktober 1827 unter anderem: „Unser großer Philologe, Herr Prof. Böckh, ist von selbst zuvorgekommen, um sich, wie er sagt, von dem Verdachte zu reinigen, als habe er seine Zu¬ stimmung ,zu einer so überaus sprachwidrigen, abgeschmackten Inschrift geben können? Hvfrath Hirt, sagt er, habe ihm allerdings die Inschrift gezeigt, er ihm aber sehr nachdenklich geäußert, jedes Wort der Inschrift müsse geändert werden... Mit Schrecken habe er gesehen, daß die »»geänderte Inschrift in ihrer großen, von ganz Deutschland erkannten Lächerlichkeit in der Ausführung begriffen sei." Der König forderte nun durch Kabinetsordrc vom 25. Oktober 1827 ei» Gutachten der philologisch-historischen Klasse der Akademie der Wissen¬ schaften, die, wenn die jetzige Inschrift getadelt wird, eine andere sobald wie möglich in Vorschlag zu bringen hat. Hirt berichtete am 21. De¬ zember 1827 dem Könige, brachte allerlei Entschuldigungen und Ausflüchte vor, welche jedoch die philologisch-historische Klasse (deren einer beständiger Sekretär damals Schlcicrmachcr war, der auch den Bericht unterzeichnete) in ihrem Gutachten, gleichfalls vom 21. Dezember 1827, auf ihr richtiges Maß zurückführte und den „wvhlbegründeten Tadel", welchen die Inschrift erfahren, für gerecht, aber deren Ersatz durch eine andere, bessere, für erforderlich erklärte. „Dieser Wunsch ist der einstimmige der Klasse, und es hat in dieser Hinsicht auch nicht der mindeste Zwiespalt in derselben obgewaltet." Dieselbe hat sich denn unter Ausführung ihrer Gründe über folgende Inschrift geeinigt: „Fridericus Guilelmus III. Ecx signis, tabulisque arte vetuslate eximiis collocandis thesaurum exstruxit A. MDCCCXXV1II.“ Obschon nun die Hirt'sche Inschrift allgemein und in starken Ausdrücken verurthcilt war, kam sie doch zur Ausführung, weil sic auf Grttnd früherer Genehmigung begonnen war und man damals die Kosten der Entfernung der alten und der Ersetzung durch eine neue scheute, woran namentlich der Unterrichtsminister Freiherr v. Altenstein schuld war, der in einem, dem Könige erstatteten Berichte de» Kostenpunkt stark betonte. (Man sieht aus diesem Hergang, wie stark die Mächt der Gewohnheit wirken kann. Obwohl diese Entwickelung und der langwierige wissenschaftliche Streit um den Wortlaut der Inschrift bekannt sind, ist es neuerlich Niemandem mehr eingefallen, die Beseitigung der Inschrift zu

Einkünfte des brandcnLurgilch-preußischen Staates in früherer Zeit. Unter Friedrich Wilhelm, dem großen Kurfürsten von Brandenburg, betrugen die Jahreseinkünfte 1 536 000 Thaler, das Heer zählte 28 000 Mann und die Unterhaltungskosten 1000 000 Thaler, unter König Friedrich I. (1688—1713) die Einkünfte: 1 670 000 Thaler, das Heer 36 600 Mann und dessen Unterhaltungskosten 1420 000 Thaler; unter Friedrich Wilhelm I (1713—1740) die Einkünfte: 7400 000 Thaler, das

Heer 76 000 Mann, die Unterhaltungskosten 5 800 000 Thaler, unter Friedrich II. die Einkünfte 20 000 000 Thaler, das Heer 200000 Mann und deren Unterhaltung kostete 13 500 000 Thaler, unter Friedrich Wil¬ helm II. Einkünfte: 30 000 000 Thaler, das Heer 235 000 Mann, deren Unterhaltungskosten 17 000 000 Thaler, unter Friedrich Wilhelm III. 1767—1806 die Einkünfte: 36 000 000 Thaler, das Heer 256 000 Mann und deren Unterhaltungskosten 20 000 000 Thaler, zwischen dem Jahre 1806 und dem Pariser Frieden: 15 000 000 Thaler, das Heer 42 000 Mann, und kostete dasselbe zu erhalten 8 000 000 Thaler. Nach dem Pariser Frieden bis 1825 betrugen die Jahreseinkünfte 50 000 000 Thaler, das Heer zählte 122 000 Mann und die Unterhaltung desselben kostete jährlich 23 000 000 Thaler. — K. —

beantragen.)

Friedrichs II. Fehrcr der Mathematik und in den Kriegswisscnfchaften war ein Ingenieur-Offizier, der Major Scnning. Johann Scnning >var im Jahre 1677 geboren. Er wurde einer der treusten Freunde Friedrichs und starb 1743 als Oberst. Er genoß des Königs Vertrauen in hohem Grade. Mitten im Kriegsgetümmel schrieb ihm Friedrich: „Mein lieber, alter, guter Scnning! Ich danke Euch, daß Ihr an den guten Begebenheiten Theil nehmt, womit das Glück mich begünstigt. Ihr habt sehr Recht, Euch für mich zu interessiren, da Ihr wißt, wie sehr ich Euer Freund bin. Aus Frieden entsteht Krieg, sagt man immer; aber sicherer entsteht aus Krieg Frieden. Nach der letzten Schlacht (bei Mollwitz) halte ich dafür, daß die Oesterreicher außer Stande sind, den Krieg noch länger fortzusetzen, tind soviel ich urtheilen kann, werde ich als friedlicher Bewohner von Charlottcnburg oder Rheinsberg Euch bald wieder um¬ armen und Euch mündlich versichern können, wie viel wahre Achtung und Freundschaft ich fiir Euch babe. Lebt wohl, mein lieber Senning." —

Per Goldschmied LieberKühn. Nach dem gescheiterten Fluchtplane des Kronprinzen Friedrich gingen verschiedene Personen, welche demsclbeu Geld geliehen hatten, desselben verlustig, etliche wurden außerdem von seinem erzürnten Vater mit einer Geldstrafe belegt. Auch der Goldschmied Lieberkühn in Berlin verlor ein Friedrich gemachtes Darlehen, doch kanr er ohne weitere Strafe davon. Nachdem Lieberkühn gestorben war, setzte sein Sohn das Geschäft fort. Nach dem siebenjährigen Kriege ließ sich Friedrich bei dicsent ein goldenes Tafel-Service anfertigen und ihni dazu eine ganze Anzahl alter goldener Gefäße aushändigen. Etliche dieser Gefäße wareit mit Edelsteinen besetzt, deren Werth sich auf 2 500 Thaler belief. Lieberkühn brach sie aus und ftagte beim Könige an, tvem er sie abliefen! sollte. Da erhielt er den erfteulichen Bescheid: „Ich erinnere niich, daß ich Euch noch schuldig bin, und ich will, daß davon nicht weiter geredet werde. könnt die Steine behalten!" E. K.

Ihr

Inhalt: Gedenktage. — „Verfestet", eine Berliner Geschichte aus dem Jahre 1380 von Oskar Schwebe! (Fortsetzung). — Feuilleton: Kaffeehäuser und Modetrachten in Berlin vor 80 Jahren, von Dr. S. G. — Die Hartung'schen Schulen in Berlin, aus der Erinnerung eines

E. K.

Merlin 1682. Ueber Berlin beißt es in dem 1682 bei Matthäus Wagner in Ulm erschienenen Reisehandbuch „Memorabilia Europas oder denkwürdige Sachen, welche ein Reisender in den fürnehmsten Städten Europa« heutigen Tages zu obscrviren und in acht zu nehmen hat" folgendermaßen: „Ist eine sehr schöne Statt von mittelmäßiger Gröffe, sehr wohl gebauet und bewältigt ohncacht deß sandichten Bodens. Die Spree theilet die Statt in zwey gleich Theil, welche mit einer schönen Mitesser, Finnen, Pickeln,

Hitzblättchen und Sommersprossen werden durch Prehn’s Sand-

Heinrich Otte. — Die Dreikönigsvon H. Wagener. — Miscellen: Das Botanische Museum in Berlin (mit zwei Abb.); Der Kampf unr die Inschrift des alten Museums; Friedrichs II. Lehrer der Mathematik und der Kriegswissenschaften; Berlin 1682; Einkünfte des brandenburgisch preußischen Staates in früherer Zeit; Der Goldschmied Lieberkühn; Brücke in einem Spreewaldorte (Abb.); Prof. A. W. Eichler (Abb.). — Inserate.

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— Herausgeber und verantwortlicher Redakteur: Peter Wallck in Berlin 8.1V. 48. — Verlag von Gebrüder Paetel in Berlin IV. — untersagt. Erlaubniß eingeholte ist Abdruck ohne Hofbuchdruckerei in Berlin 8 . Druck: W. Moescr


3 der „Bost. Ztg." eine Mittheilung über eine in der „Chronik von Berlin" enthaltene Kritik der Ausstellung von 1789, ivoraus hier Einiges iviedergegeben zu iverdcn verdient. Nach einer kurzen geschichtlichen Einleitung geht der Kritiker der „Berliner Chronik" zu einer „kleinen Beurtheilung" über. Bon Rode, dem Direktor und Historiennialer, sagt er, daß seine Kompositionen ins große, feierliche fallen; daß der Künstler mit einem geschwinden Pinselzuge die schwersten Stellen durchlaufe und mit wenig Tönen die sinn¬ reichsten Darstellungen schaffe. Dagegen drängt sich bei der ausgestellten Radirung „Christus segnet die Kinder," unserem Kritiker die Frage auf: „Woher kommt cs, daß er (Rode) seinen Kindern theils so alte, so ähnliche Gesichtszügc gab? so daß man unwillkürlich auf den Gedanken kommen muß, daß sie alle nur von einem Vater gezeuget?" — An Daniel Chodowiccki dem Vizedircktor, Maler und Kupferstecher, durch seine Kalender- und anderen Kupfer „so zu seinem Ruhme bekannt, daß nichts mehr hinzuzusetzen übrig bleibt", findet der „Kenner" diesmal auszusetzen, daß manches der früheren Kupfer mit mehrere»! Fleiße ge¬ arbeitet ist, — ein „gewöhnlicher Fall bei Künstlern!" Frisch, der Hof¬ maler, dem selbst der Neid den allgemeinen Künstlerbeifall nicht entziehen könne, wird als der tvahre Beförderer der jetzt aufkeimenden Künstler bezeichnet, welcher sein größtes Vergnügen darin findet, wirkliche Künstler zu bilden. Daniel Berger wird kur-z abgefertigt: er lieferte eine schon bekannte Scene aus einem schon bekannten englischen Trauerspiele (die „Mausefalle" aus dem Hamlet). Von dem Baron von Racknitz heißt es: „Hat viel Muße"; und Profeffor Krüger folge zwar seinen! alten

in der That leicht und freute sich daraus, die Bürde Leibes bald ablegen zu dürfen. Allein noch harrte seiner gewaltige Erschütterung. —

fühlte des

Koppen

Genelli

Aber Chodowiccki der Jüngere „muß noch große Werke. Schritte machen, bis er den Fußstapfen seines würdigen Vaters folgen kann". Ueber des verdienstvollen Kupferstechers Meno Haas' ausgestellte Stiche (nach Grass Gemälden) äußert sich der Herr Rezensent: „Graf C. F. Held's Gemälde: ist ein großer Künstler!" Eben so über „Malte in Oel nach Angelica Kauftnann". Der Kupferstecher Klar wird mit den Bonmot abgefertigt: „Schade, daß wir uns an Frisch's Jupiter und Jo schon satt gesehen hatten". Schlimmer ergeht es den W. Sandcr'schen und den F. Bold'schen Gemälden. Von Ersterem heißt es: „Die Nymphen muffen sich lange nicht gewaschen haben, denn das Wasser, in welchem sie sich badeten, war sehr trübe"; und des Letzteren Werk wird als „Kopie und Original" bezeichnet. Die seidenen Roben auf den Bildern der Frau Justizrath Annisius, Madame Koupken (Stettin) und Lehmann, der Dcmoiffellen Runge und Angelica Friedlaendcr (Königsberg) nöthigten den Rezensenten zu der Benierkung: „Wer hätte einst gedacht, daß die Seidenwürmer so viel nützen würden, und man durch sie so viel Statur ausdrücken könnte!" Zu den Werken der Bildhauerkunst nnd Architektur im ersten Zimmer übergehend, werden zunächst diejenigen des „Geheimerath" Langhaus ausführlicher besprochen. Er lieferte drei Modelle, die der Rezensent als „jedes in seiner Art merkwürdig" bezeichnet und dann fortfährt: „Das Modell zu dem neu aufzuführenden Brandenburger Thor verdient uin so viel mehr die öffentliche Aufmerksamkeit, weil cs selbst ein öffentliches

I.

I.

.

i

so

Gott will, auch die letzte! Leere den bittern Kelch bis auf — Deine Wünsche werden dann gewiß nicht mehr

„es ist gut, daß Du kommst! Nicht wahr, Du inir nicht, daß ich Dich in's Kloster brachte? — Ich vermochte ja nicht mehr, Dich zu schützen; denn was geschehen ist, das mußte schnell geschehen." „Ich danke Dir," erwiderte sie, „daß Du mich zu meinem Frieden führtest! Koppen, — hast Du den Frieden auch ge¬

sprach er;

die Neige;

zürnst

zur Welt zurückfliehen! Ein schwerer Weg ist Dir vorgezeichnet; aber ich weiß: er wird Dich aufwärts führen, nicht abwärts! Sei fest und stark; tröste die Seele, der ein gewaltsames Scheiden bevorsteht."

An die Möglichkeit einer Errettung ivar nicht zu denken; — das wußte auch die welterfahrene Frau in ihrer klöster¬ lichen Abgeschiedenheit zu Friedland. Der Klosterknecht hatte die Novize Maria nach Berlin geführt; — sogleich nach ihrer Ankunft, welche am Morgen des Richttages erfolgte, begab sich

Maria von Wardenberg

funden?"

„Ja, Schwester," entgegnete er, „auch ich habe über¬ wunden ! Ohne Grauen, ohne Schinerz der Seele lege ich mein Haupt auf den Nichtblock. Ich muß und will büßen; denn habe im Finstem gewandelt, da ich ein gesetzloser Mann wurde aus verletztem Stolze und in Haß und Groll über den ernpfangenen Undank. Nicht unschuldig sterbe ich, denn ich gestehe es Dir: mein Herz fteute sich, als ich die Flammen aufleuchten sah über Berlin. Gott segne Dich; bitte Gott für mich." „Allstündlich hab' ich's gethan," erwiderte sie ihm, „und, wie ich's nun mit Freuden sehe, — mein Gebet ist erhört ich

zu

Koppen Richard. Auf den Stufen zum Gefängnisse begegnete ihr der Bürgermeister Blankenfelde. Er erkannte auch in der klösterlichen Tracht die Letzte der Wardenberg sogleich. Maria war jetzt wieder ganz die starke Tochter ihres alten, mann¬ haften Geschlechtes; ohne Klage bat sie den Bürgermeister, ihr die Pforten des Kerkers öffnen zu lassen; sie werde, so sprach sie, bei Koppen

verbleiben, bis er die letzten Schritte zu thun

Koppen, ich habe Leide getragen um Dich, seitdem ersten Mal Dein Haus betrat! Es giebt leider

worden!

Mellin zum

habe.

„Er wird hier vor felde; „wir wollten ihm

der Laube gerichtet," sprach Blanken¬

Menschen, denen der alte Feind das Zeichen aufgeprägt hat,

Blut

daß sie sein sind und zum Verderben Anderer auf der Erde

den Boden des neuen Marktes röthe, auf welchen auch der

wandeln. Solch' ein Mensch war Hermann Mellin! Doch, Koppen, ich habe Dir noch mehr zu sagen. Wir haben mit der Welt nichts mehr zu thun, keine Hoffnung verknüpft uns mehr mit ihr! Da darf ich Dir bekennen, was Du vor Gottes Throne doch erfährst: „Viel Wehe und Leid hast Du mir angethan, als

die Schmach ersparen, daß sein

Galgen steht."

Die Thür der Gerichtslaube öffnete und schloß sich schnell. Der Gefangene stand in tiefem Sinnen am Fenster; er blickte in die goldig klare Luft des einziehenden Herbstes hinaus. Es war der 22. August, der Tag des Märtyrers Symphorianus. Koppen hatte das Oeffnen der Thür überhört. Leise trat Maria zu ihm heran; sie legte ihre Hand auf seine Schulter. Schnell, aber ohne Hast und ohne zu erschrecken, wendete er „Meine Gedanken waren soeben bei Dir, Maria," sich um. Werk ist, welches in der Geschichte des Geschniacks Epoche macht. Durch die edle Simplicität der Alten in ihren Werken rückt es uns wieder näher

vor das Auge und läßt sich unter dem nördlichen Himmelsstrich die Ruinen von Athen zu einen schönen Ganzen wieder verjüngen und bilden. In der That ist der Plan zu diesem Thore nach einem Atheniensischen Thor entworfen, welches in der 85sten Olympiade von Perikles erbaut war und bis auf den heutigen Tag sind noch ansehnliche Ueberbleibsel vor¬ handen. Die auf der Mitte des Thores stehende Quadriga stellt den Triumph des Friedens dar. Sollten wir dem Manne, dessen Arbeiten so entscheidend

für

i

ausspricht,

an.

:

da seine

Arbeit indeß „nicht in Terinino erschienen" erhielt er nur

100 Thaler.

;

Maler Franke errang den siebenten Preis von 100 Thalern für das beste Porträt, und zwar wegen der vorzüglichen Wahrheit im Ausdruck und Fleißes in der Ausführung. Der achte Preis von 100 Thalern für die beste Zeichnung eigener Erfindung wurde Jacob Karstens für den „Sturz der bösen Engel" zuerkannt, — ein Entwurf in großem Stil und lebhafter Einbildungskraft in der Zeichnung. Doch sollte er den Preis erst erhalten, wenn er sich rechtfertigen könnte, das Stück in der bestimmten Zeit selbst verfertigt zu haben und auch dann nur, sofern er sich „im

mit-!

große

sie

j

seine Talente sprechen, nicht danken?"

welch'

Vemrtheilte

stcllung. Für das beste Blumenstllck war ein sechster Preis von 150 Thalern Dieser wurde zwar dem Herrn Schulze „wegen Kolorit, angesetzt. Wahrheit und Gefälligkeit in der Darstellung" mit 18 Stimmen zuerkannt,

i

S ch a d o w,

das Urtheil:

Erschrocken blickte der

!

den Hofbildhauer und Rektor der Akademie, lautet „Bewies schön längst, daß er der Hofbildhauerkunst Vor¬ — ? —!!! — stehen kann!" Das Werk eines Unbenannten wird abgefertigt. Auch die königliche Porzellanfabrik hatte sich an der Aus¬ stellung betheiligt, und in der That zeigte sie, wie der Kritiker es lobend

Ueber

Du ein Friedebrecher wurdest, denn mein armes Herz, — ich konnte ihm nicht gebieten, — hat Dich unsäg¬ lich geliebt!"

hiesigen Lande etabliren und bleiben wollte."

Auf

Werke der Bildhauerei entfielen zwei Preise von je 100 Thalern. den einen, Boy dagegen nur die Hälfte des anderen

Bettkober erhielt

Fortschritte sie in der Kunst gemacht hat.

Die Kupferstecherkunst war mit vier Preisen bedacht worden. (der Jüngere) erhielt für den „Tod des Majors v. Kleist", nach Chodowiecki, wegen „guter Ausarbeitung und Treue in der Nachahmung

„Voll Pathos!"

Preises.

Acht gestickte Gemälde des verstorbenen Hofgoldstickers Heinitscheck entlocke» unserem Kunstrezensenten den Ausruf: „Gott hab' ihn selig!

Berger

Amen

Vorbildes" zwar 6 Stimmen; weil der Stich aber, gegen die Vorschrift des Publikandi, in punktirter Manier ausgeführt war, konnte dem Künstler nur die Hälfte mit 50 Thalern zuerkannt werden. Meno Haas errang den Preis von 200 Thalern für seine „Verstoßung der Hagar", nach Flinck's Gemälde; doch sollte die Auszahlung erst erfolgen, nachdem er sich als Inländer legitimirt hätte. Daniel Chodowiecki, damals Vizedirektor, erlangte den für die beste Vignette oder „Titelkupfer" bestimmten Preis von 50 Thalern. Er hatte die drei Vignetten zu Bürger's „Leonore" ausgestellt, an denen die Wahrheit im Ausdrucke gerühmt wurde. Der letzte Preis von 50 Thalern für den besten Holz¬ schnitt fiel Ungar zu, deffen „Weiber von Weinsberg" die Jury als vollendet in der Ausarbeitung bezeichnete.

!!"

seines

Die Austheilung der von dem König bewilligten Preise für die von

Jury anerkannt besten Werke erfolgte am 6 . November. Cunningham erhielt den ersten von 500 Thalern für sein Gemälde „Friedrich der Große bei Hochkirch." Den zweiten Preis von 400 Thalern theilten sich, in Folge Stimmengleichheit, Grätsch und Döpler; den dritten von 200 Thalern erhielt Professor Lüdke für ein Landschaftsgemälde; in den vierten Preis von 100 Thalern für die zweitbeste Landschaft mußten Ro send erg und Reinhardt sich theilen. An dem fünften Preise von 200 Thalern für das „perspektivische oder Theaterstück" partizipirten Fechhelm und Burnat in Rom, ersterer für das Prospekt des alten Schlosses zu Berlin, ein Freskogemälde von guter perspektivischer Dar-

der

;

508 wenige Worte noch, Koppen! — Du wärest einst Dir der gütige Beschützer meiner elternlosen Kindheit! Mädchen den kühnen, heranreifende Jungfrau erblickte das zur

„Nur

In

ritterlichen und siegreichen Mann, — ich neidete Dich meiner armen Schwester! Das war nicht schwesterliche Liebe, mit welcher ich zu Dir aufblickte, nein, — es war die heiße Gluth eines leidenschaftlichen Frauenherzens! Mit aller Kraft kämpfte ich an gegen diese verbrecherische Liebe; vergebens, sie wurde

Mein Ringen mächtiger, je elender Du wurdest. — ich und umdttsterte meinen Geist, Kraft verzehrte meine mußte fürchten, wahnsinnig zu werden. Da starb die Schwester.

um

so

Ihr

letztes

Wort

,9hm weiß ich Dein Geheimniß !‘ beschämte mich tief. Ich sah ein, daß ich nicht mehr glücklich — der werden konnte;

Sünde folgt die Strafe, das ist ein ewiges Ge¬ setz!

% >!

des Ruhmes jedem Kühnen

büßen

klingt. Stirb als ein edler, freier Friese!" Noch einmal küßte sie ihn. Peter voll Blankenfelde unb Thilo von Brügge erschienen. „Seid Ihr bereit?" fragte der Bürgermeister. „Gern folg' ich euch zur Freiheit lind zur Ruhe!" lautete Koppeil's freudige Antwort. — Er streichelte Unten wieherte ihm sein Roß entgegen. das edle Thier. Seine goldene Halskette übergab' er den lhn begleitenden Franziskanern. Nur wenige Schritte hatte er zli thun. Auf dem ruinenhaften Dache der Gerichtslaube flatterte das Stadtbanner von Berlül. Ungefesselt kniete er an der Ecke der Spaildauer- unb St. Georgenstraße nieder. Sein letzter Blick traf die Novize Maria. Dailn senkte er das Haupt. die- Glocke

Schon Hatteich ent¬

setzlich

winkt, doch schwer ist's, so zu Aus, Koppen, — horch',

für erkanntes Unrecht.

gelitten, als ich

In

einem

Augenblicke

war

der

Gerechtigkeit

Dich den Mordbrennern dem verbunden sah,

genüge gethan.

Wilsten Haufen der Ge¬

ciltblößten das Haupt, und Peter Blankenfelde

setzlosen

Am

!

Die

Grabe

Anwesendeil

sprach:

meiner Schwester schwur

„Sanft nihe

d'rum, Dir zu ent¬ sagen; allein noch kostete es einen letzten Kampf, — im Dorfe Jlow aber ward auch er bestanden. Jetzt, Koppen, kennst Du meine Sünde und mein Leid. Aber lvie

ich

Seele in dem

feine

Frieden

dem Gottes! Ehre Manne, der umkehrt von falschen Wegen unb dem Gesetz

das Leben opfert!"

und eine schvnereHeiinath

Die Stadt Berliil erstaild liach dcul Brande von 1380 schöner denn zuvor; sie erlebte von 1380 bis 1410 die drei Dezennieil ihrer höchsten Machteiltfaltung. Die Zeit des Kampfes, aus

läßt uns dieser Erde Weh

welchem

Du, so habe auch ich Frieden jetzt! Du gehst Anna, — bald werd' ich euch folgen; dann leuchtet lins ein heller Licht auf unsern Pfaden zu

vergessen."



Jetzt siel es

lvie

Schuppen vondenArigcn

Koppen

Richards,

wir

dem Leser

eine einzelne Episode vor¬

Leitn«; und Sophie Charlotte in Chartottendurg. Nach Menzels Originalzeichnung zu den Werken Friedrichs

H.



jetzt verstand er das Wesen

geführt haben, hatte unter Stürmen ihre schölle

Blüthe gezeitigt.

Maria Wardenberg's,

ivelches ihm

allezeit vorher so räthselhaft gewesen war.

Die Novize a>ls Kloster Friedlaild reichte ihm die Hand und segnete ihn mit dem Kusse des Friedens. „Um meines Kampfes lvillen," sprach sie, „wird auch Anna mir verzeihen! Das Schicksal aber ist versöhnt. Es kann ihm freilich nun kein Opfer weiter fallen; — der Name Wardenbcrg ist ausgetilgt für alle Zeit, — verschüttet ist die Gruft unseres Geschlechtes uild sein Wappen von den Flammen aufgezehrt, in denen jene Kirche dort versank! Nun, Koppen, lebe wohl! Ich folge Dir zum Richtplatz lind bringe Dich zu elv'gcr Ruh'! Ich könnt' es nicht, ivenn ich nicht wüßte, daß lvir bald nils wiedersehen. Den Schwestern aber in dem Kloster will ich'S künden, daß Du mit Heldenmuth gestorben bist. O, leicht ist's, in der Schlacht zu falleil, wo der Kranz

In

Segen und in der Machtfülle einer späteren Zeit ist Koppen Mchard's Geschichte bald vergessen worden, zumal, da keine Momunente an ihn und das Geschlecht der Schließlich bildeten sich grauenvolle Wardenberg erinnerten. dem

Sagen „von dem edlen, freien Friesen" aus; nun sind and; sie längst verklungen. Nur jenes Wort: „Ich will dich bloßer machen, als einst Erich

Falke die Berliner!"

erhielt sich noch Jahrhrmderte. — Kloster Friedland liegt in Trümmern und seine Dokumente silld verloren; mir wissen daher auch liicht, wann Diana Wardenberg's Sehllslicht ilach Frieden sich voll und ganz erfüllt hat. Oertliche Sagcil erzählen auch 511 Friedland viel

von einer büßenden Nonne des 14. Jahrhunderts, — wer aber will sagen, ob sic sich auf die letzte Wardenberg beziehen?

509

Ein monumentales Zeugniß hat unter den erzählten große Brand von 1380 geftinden. Eine Inschrift in der Berliner Klosterkirche meldet: „Im Jahre des Herrn 1380 am Tage des heilig. Laurentius ist die Stadt Berlin durch Feuer zerstört

Fünf Jahrhunderte haben seitdein an der Veredlung des in manchen Dingen, in der Starre ihres Rcchtsbetvußtseins zum Beispiel, — in der Gluth ihres Hasses, in der Gewaltthätigkeit ihrer Rache sind uns die Alten fremd und fast unverständlich geworden. Dennoch klingen durch die Wirren und die Stürme jener Tage auch

Begebenheiten nur der

Menschengeschlechtes gearbeitet, und

worden." — Das sind sich

schlichte, einfache Worte.

Töne hindurch, die menschlich unser Herz bewegen. Solche Töne glaubten wir auch zu vernehmen in der Mär' von dem edlen, ftcien Friesen Koppen Richard, dem einstmaligen Bürger und späteren Feinde der Stadt Berlin. D'rum zeichneten wir diese Erzählung auf und schließen sie jetzt mit dem Worte des Bürgermeisters Blankenfelde: Sanft ruhe die Seele des Verfesteten in dem

Unsere Geschichte hat

bemüht zu zeigen, wie viel schwere Thaten jener Feuers¬

brunst vorangegangen , — wie viele ihr gefolgt sind und wie viel an Weh' sie über Berlin verbreitet hat. Bilder aus der Vergangenheit eines Volkes aber haben nur dann einen Werth, wenn sie die Zustände der Vorzeit nach der Wahrheit geben.

Unsere Erzählung

hat dieser Ausgabe

Frieden Gottes!

möglichst gerecht zu werden versucht.

Die Hartung'schen Schulen in Berlin.

(Schluß.)

(Aus der Jugeudcrinnerung eines alten Berliners, mitgetheilt von Dr. Heinrich Otte.)

ini Entree aufgehängte Schelle gegeben wurde. Zu spät kommende Schüler wurden dadurch bestraft, daß sie ihren Platz nicht sofort einnehmen dursten, sondern bis auf Weiteres an der Thür stehen bleiben mußten. Ein Nachsitzen fauler oder ungezogener Kinder fand nicht statt. In den Zwischenzeiten hatten sich alle Kinder hinunter in den Hof zu begeben. Dieser Hof war sehr klein und dadurch unsauber, daß er auch von Hühnern bevölkert war, die dem Handschuhmacher Landrö gehörten, welcher in seinem Geschäfte stets frische Eier haben mußte. Trotz des engen Raunics tummelte sich die Kinderschaar hier gehörig aus; ein in einem Winkel liegender Sandhaufen stellte eine von den Franzosen besetzte Burg vor und tvurde von den Preußen muthvoll erstürmt. Jüngere Lehrer hatten schon die Kleinen der Vorbereitungsschule auf dem geräumigen Flur des Hauses Nr. 28 in den Elementen des mili¬ tärischen Exercitiums unterwiesen, und diese Uebungen wurden von Viele der letzteren besuchten auch den den Größeren fortgesetzt. Turnplatz Jahn's in der Hasenhaide, lvobei sich Hartung neutral verhielt, da er in seinem fcingesitteten Wesen unmöglich mit den derben Formen des Turnvaters sympathisiren konnte, welche diesem von vielen als Rohheit ausgelegt wurden. Die beiden Männern ureigene Vaterlandsliebe war bei Jahn demagogisch, bei Hartung rohalistisch gefärbt. Arndt's Lied: „Was ist des Deutschen Vater¬ land" stand in Hartung's Liederbuch und wurde in seiner Schule mit Begeisterung volksmäßig gesungen. — Während der Zwischenzeit

j

hatten zwei „Klassenaufseher", die beiden Obersten der 1. Klasse, in den Schulzimmern alles zur folgenden Lection zu rüsten, Schreib¬ hefte und Schiefertafeln auszulegen, Wandtafeln und Landkarten an die zurechtgestellte Staffelei zu hängen re. Im Winterhalbjahre mußten sie auch dem Lehrer beim Anzünden der Beleuchtung zur Hand gehen und eine Viertelstunde vor dem Schluß die Wand¬ lampe auf dem Treppenabsätze aufhängen und, da letztere einmal gestohlen worden war, dieselbe mit einem Vorhängeschlößchen befestigen. In dm letzten acht Tagen vor Weihnachten wurde die Schule bereits um 4 Uhr geschloffen, weil die Kinder während des auf dem Schloßplätze und in der Breitenstraße aufgebauten Wcihnachtsmarktes nicht in den abendlichen Markttrubel gerathen sollten: die wenigsten fteilich gingm in dieser erregten Zeit direkt nach Hause. Der Weihnachtsmarkt, weniger die jedesmal acht Tage währmden Jahrmärkte, welche ebmfalls auf dem erwähnten Straßen¬ terrain stattfandm, waren zu verführerisch und wahre Festzeiten für die Schuljugmd. Schon wenn am 8. bis 9. December die Maurer ansingen, den massiven Schornstein zu dem Fachwerkbau der großen

zu errichten, was wir aus den Schulfenstcrii sehr gut beobachten konnten, begann die festliche Stimmung, und Herr Hartung III. mußte in seiner 3. Klasse, welche die beste Aussicht nach dem Schloßplätze gewährte, Wunschzettel schreiben lassen. Ein officielles Schulfest war die öffentliche Schulprüfung, welche alljährlich im Monat Mai in der Großen NativnalMutterloge zu den drei Weltkugeln (in der Splittgerbergaffe Nr. 2) veranstaltet tvurde, und zu welcher Aug. Hartung durch ein gedrucktes Programm mit den Schulnachrichten und der Prüfungsordnung einlud. Wir Kinder erschienen dazu in unseren besten Sonntags¬ kleidern, die Lehrer im damaligen Gesellschaftsanzugc, d. h. im schwarzen Frack, schwarz seidenen Escarpins, dergleichen Strümpfen und Schnallenschuhen, in welcher Toilette sich die drei Hartungs sehr stattlich ausnahmm, andere freilich eine bedaucrnswerthe Figur spielten. Die Prüfung fand in den schönen Parterreräuineii des Logengebäudcs statt, die mit Oelgemälden der preußischen Könige geschmückt waren und aus zwei Zimmern und einem anstoßenden Saale bestanden. Im ersten Zimmer versammelte sich die Schule, aus dem zweiten Zimmer, welches leer blieb, führten einige zu dem Ende gelegte Stufen auf eine Bühne-, welche an einer Schmalseite des Saales aufgeschlagen war, in dem für das zahlreich erscheinende Publicum, welches aus dem angrenzenden Garten seinen Eintritt nahm, Stuhlreihen standen. Die auf die Bühne führende offene Zimmerthür war mit einer Portiere verhängt, aber wegen der Er¬ höhung der ersteren war der Zugang durch die Thür so niedrig, daß die Lehrer nur in gebückter Stellung eintreten konnten, tvas sich trotz aller Feierlichkeit etwas komisch ausnahm. Auf der einen Seite der Bühne stand ein Wiener Flügel zur Begleitung des Ge¬ sanges; die drapirte Rampe war mit geschmackvoll arrangirtcn Blumentöpfen besetzt. Zuerst wurde A. H. Niemeyer's Lied „Sei mir gegrüßt und feierlich, o Prüfungstag" K. nach der Melodie „Wie schön leucht' uns der Morgenstern" von der ersten Singeklasse zweistimmig gesungen, die Reprise des ersten Theiles der Melodie pianissimo, wie es bei der Ausführung des Chorals „Wie herrlich ist die neue Welt" in Graun's Tod Jesu durch die Singakademie

„Waffelbude"

Ueber die äußere Schulordnung mag noch bemerkt werden, daß das Zeichen zum Beginn und Schluß der Lectionen durch eine

hergebracht war und dort wunderbaren Eindruck machte. An den Gesang schloß sich ein salbungsvolles Gebet des Professors, auf

Prüfung der einzelnen Klassen, von der fünften bis zur ersten, in verschiedenen Lehrgegcnständen folgte. Probe¬ schriften und Probezeichnungen waren im Saale ausgelegt. Den Beschluß der ganzen Schaustellung, denn eine solche war es, und zwar in noch höherem Grade, als sonstige, öffentliche Schulexamina, wurde der schwungvolle Hymnus von Joh. Abrah. Peter Schultzc (Kapellmeister des Prinzen Heinrich zu Rheinsberg ft 1800): „Laut welches nun die

!

'

510 großer Name" unter Leidels Leitung gesungen. Das Auditorium war ein höchst ausgezeichnetes; mehr als einmal waren der General von Köckeritz und der damalige Oberst von Malachvwski zugegen, beides vertraute Günstlinge Friedrich Wilhelms III.; für ersteren alten Herrn stand ein besonderer Ehrensessel seitwärts auf der Bühne selbst, und letzterer, der drei Söhne in unserer Schule hatte, ragte in glänzender Paradeuniform

durch die Welten tönt Jehovah's

aus der Versammlung hervor, in welcher einzelne, jedoch mehr Herren als Damen, durch die „deutsche Nationaltracht", die nach Sand's Attentat auf Kotzcbue 1819 alsbald wieder aus der Mode kam, Aufsehen erregten. Leicht läßt cs sich denken, wie denjenigen

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wie ein Spazierstock aus Zuckerrohr und in einem als Attrappe dienenden Lederfutterale, ein damals hochfein moderner Gegenstand, als Geschenk der Schule hingelegt war. Im folgenden Jahre bestand dasselbe in einem geschmackvollen Hängeleuchter aus Holz¬ bronze (einer Sägespahnmasse, die von Menke in der Letzten (jetzt Dorotheen) Straße fabrizirt wurde, aber als zu theuer kein Glück machte), den wir unter großem Jubel an dem in der Zimmerdecke befindlichen Lampenhaken aufhängten. Damit wurde

j

Hartung'schen Schule bei dem Examen derselben durch den Vortrag von Lichtwer's „Thier' und Menschen schliefen feste" seine ersten !

Talents zum Besten gab. — Die ganze Prüfung währte etwa 3 Stunden, und da jede einzelne Klastc nur verhältnißmäßig kurze Zeit in Anspruch genommen war, so zerstreute sich in der freien Zeit die Schule in den großen Logengartcn, in welchem sich das In diesem herrlichen Park mit eigentliche Kinderfest abspielte.

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müssen.

Als

seinen

bemerkenswerth

kann

ich

noch anführen,

daß

wir am

als am 3. Feiertage des Reformationsjubi¬ läums zugleich mit vielen anderen Schulen in die Domkirche geführt wurden, die am 31. Oktober nach Schinkels Restauration des Innern wieder eingeweiht worden war. In eineni anderen Jahre versammelten wir uns, wiederum mit anderen Schulen, am Michaelisfeste in der französischen Klosterkirche zur Anhörung einer „Schulpredigt". Eines besonderen Eindrucks dieser kirchlichen Feiern entsinne ich mich nicht, unterlasse es aber nicht, beiläufig zu erwähnen, daß ich in meinen 7 Schuljahren einen Schul¬ inspektor niemals gesehen habe: denn der kurze Besuch, den der Propst Haustein, in dessen Parvchie die Schule nämlich lag, einmal daselbst machte, galt Wohl lediglich seinen derselben anverttauten eigenen Söhnen, und abgesehen hiervon gehörte das Schulhaus 2. November 1817,

!

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unterirdischen Gang deutete, obgleich das einstöckige Gebäude zahl¬ reiche große Bogenfenster hatte, die ztigleich als Thüren dienen konnten, aber dicht verhängt waren; da entdeckten wir in den Ge¬ büschen allerlei Sandsteinmonumente mit mystischen, uns unverständ¬ lichen Freimaurersymbolen; da stand am jenseitigen Ufer des den

Garten begrenzenden Wassergrabens als Ueberrest der Stadtbefesti¬ gung aus der Zeit des großen Kurfürsten ein Ziegel-Rundthurm, Freilich gehörte zu diesen den wir in graue Vorzeit versetzten. Gartenspielen gutes Wetter; wenn es leider regnete, war die ganze Freude verdorben, aber das Büffet, das der Oekonom der Loge vorn am Eingänge errichtet hatte, machte desto bestcre Geschäfte: hier löffelten die Declamanten (diese Hauptpersonen) aus Tassenköpscn Eigelb mit Candiszucker zur Klärung ihrer Stimmen, Mutter¬ söhnchen vcrschmausten große Stücke leckeren Kuchen, solidere Mägen begnügten sich mit Buttersemmeln, die mit holländischem Käse dick belegt waren; alles, wie in der Loge gewöhnlich, sehr schmackhaft und zu civilen Preisen. — Am Tage nach dem Examen der Knaben¬ schule fand mit beschränkter OeffeNtlichkeit die Prüfung der Mädchenschule statt, zu welcher nur die mit Programmen versehenen Angehörigen der Kinder Einlaß erhielten, als Declamanten durften nur Brüder- der Mädcherr auftrctcir, die Mädchen selbst declamirten nicht.

als er wie gewöhnlich Vormittags unr 10 Uhr in Gesang empfing ihn und ein Schüler richtete eine poetische Begrüßung an ihn, die Kandidat O. im hoch¬ trabenden Odcnstil gedichtet hatte, und die also anfing: Der Grazien und Musen schönste Blumen rc.; nur diesen bezeichnenden Anfang weiß ich noch davon, obgleich ich selbst der Recitirende hatte sein der Professor,

die Schule kam, überrascht:

seines

alten schattige» Baumriesen, seinen lauschigen maigrünen Boskets und seinem Schneckenberg über dein Eiskeller hatte alles für uns, die wir hier „Jagd" oder „Räuber und Wanderer" spielen durften, (nur die Declamanten in Schuhen und weißen Strümpfen tvurden durch Zurufe der Lehrer vor Erhitzung und Beschmutzung gewarnt), einen großen geheimnißvollen Reiz. Da war ein Salon mit der Inschrift „Nur der Geweihete findet den Eingang", was unsere kindische Phantasie auf einen verborgenen

die Knabenschule

beliebigen Beiträge betraut. Von dem Ertrage erhandelten wir bei der Blumenfrau, die ihre duftende Waare auf dem breiten Kaffsims des köngl. Schlosses feil hielt und diese ausgezeichnete Marktstätte mit einem alten Büchertrödler theilte, blühende Monats¬ rosen und Hyacinthen in Töpfen zum Schmucke des im Versamm¬ lungszimmer gedeckten Geburtstagstisches, auf welchem bei der ersten Feier, die ich erlebte, ein seidener pariser Regenschirm, nur so dick

dazu bestimmten kleinen bunten Teppich zu treten; so sorgfältig diese Vorträge, einschließlich des Auftretens, des obligaten TanzmeisterBücklings und der Gesticulation vorher in der Schule von Har¬

Lorbeeren gepflückt und durch seine Mimik Alles zum unauslösch¬ lichen Gelächter hingerissen haben. Zu meiner Zeit war es Louis Schneider, der hier eine mit großem Beifall aufgenommene Probe

alten Sprachen, auf den ansprechenden Gedanken verfiel, zu einem gemeinsamen Geburtstagsgeschenk an den Herrn Professor aufzufordern. Dies wurde von uns mit Eifer ergriffen, einer gab seine verschließbare Blechsparbüchse dazu her, und die beiden Klassenaufseher wurden mit der Sammlung der beideir

Knaben das Herz pochte, die bestimmt waren, vor einem solchen Publicum zwischen den einzelnen Prüfungslectionen als „Declamanten" zu debütiren und mit einer tadellosen Verbeugung auf einen

tung IV. auch eingeübt waren. Die Auswahl der zu dcclamirenden erzählenden Gedichte heroischen, elegischen und komischen Inhalts war auf den verschiedenen Geschmack der Zuhörer berechnet, und die der Deklamanten mit Rücksicht auf die verschiedene Begabung der Knaben getrosten. Ein komisches Gedicht pflegte das letzte zu sein, und der, mir indeß unverbürgt scheinenden Tradition zufolge, soll der Knabe Ludwig Dcvrient (geboren 1784) als Schüler der

In ineinen beiden letzten Schuljahren gestaltete sich auch Aug. Hartung's Geburtstag, der 11. März, als ein Schulfest. Da der Gefeierte persönliche Ovationen nicht liebte, so hatten ftüher nur einzelne dem Lehrer ihrer Kinder auch sonst im Leben näher stehende Eltern ihm ihre Glückwünsche und Blumenspenden am Morgen des Tages durch ihre Söhne und Töchter in seine Wohnung gesandt, bis Herr Candidat Oberländer, der Lehrer der

zur Domkirche. der Hartungschcn Schule nur spärlich zuge¬ messen. Die „Hundstagsferien" dauerten nur zwei Wochen, und bei Beginn derselben wurde den Kindern ein gedrucktes Blatt an

Ferien waren

die Eltern mitgegeben, auf welchem die Nothwendigkeit einer Er¬

j

!

holung für Lehrer und Schüler dargelegt und in bescheidenen Worten entschuldigend hinzugefügt war, daß das Schulgeld auch für die 14 tägigen Ferien gezahlt werden müsse. Wie haben sich Vor den hohen Kirchenfesten wurde doch die Zeiten geändert! selbst am Heiligabend bis Mittag Schule gehalten, d. h. es wurden den Kindern Geschichten vorgelesen, aber sie sollten doch an diesen Tagen den vielbeschäftigten Hausmüttern beim Kuchenbacken und Reinmachen nicht lästig im Wege sein. Am Pfingstheiligabend wurde die Schule bis zum Uebermaß mit Maien, Kalnms und Flieder geschmückt, da kein Kind mit leerer Hand erschien: der in den Klaffen herrschende betäubende Duft wurde selbst dem lieben

511 Schwenk zu arg, aber was halfs, er mußte bis

Mittag

trotz Kopf¬

darin aushalten und thats auch. Den Schülern, die aus seiner Schule auf ein Gymnasium übergingen, stellte August Hartung eigenhändig ein ausführliches Abgangszeugnis; aus, in welchem er jeden nach seiner Indi¬ vidualität treffend zu schildern wußte, freigebig im Lobe, milde schonend im unerläßlichen Tadel. Auch nach ihrem Abgänge von seiner Schule verlor er die neuen Gymnasiasten so leicht nicht gänzlich aus den Augen, sondern erkundigte sich theilnehmend nach ihnen, ivozu ihm theils Bekanntschaft mit den betreffenden Fa¬ milien, theils das Zusammentreffen mit den Gymnasiallehrern in der Loge Gelegenheit bot. — Die Abgangszeugnisse besiegelte er mit dem Siegelringe, den er zu wagen Pflegte, und dessen Bild schmerzen

ohne Zweifel von ihm selbst sinnig entworfen war: der Bernburger seiner Heimath hielt vor sich einen Schild mit einem Bienen¬

Bär

körbe, den emsig fleißige Bienen umschwärmten; über dem Schilde befand sich ein Kranz von Sternen (wenn ich mich recht erinnere,

waren cs 7) nach der Zahl der Kinder des Bcrnburgcr Stamm¬ vaters, dessen vier Sohne, ivie tvir geschildert, in brüderlicher Ein¬ tracht als Lehrer zusammenwirkten, mir und zahlreichen Schülern führende Leitsterne gewesen sind in jener glücklichen Zeit der Kind¬ heit und deren milder Glanz mir noch leuchtet am Spätabend meines langen Lebens. Ja, die Lehrer werden leuchten, wie des Himmels Glanz; und die, so viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die

Sterne immer und ewiglich (Dan. 12, 3).

Dr. Heinrich Ottc.

Eine Psiilgstlvlmdermlg in der Marll. Die Ferientagc besonderen

Pfingstfestes pflegt der Deutsche, im der Bewohner der Residenz mit Vorliebe zu einem des

Ausfluge zu benutzen. Aber die Verlegenheit, ein geeignetes Reise¬ ziel zu finden, ist bei der für die Meisten nur knapp bemessenen Zeit hier eine besonders große. Schwer ist es, eine landschaftlich reizvolle Straße zu entdecken, die man nicht mit hunderten desselben Weges Ziehenden theilen müßte, ivo nicht die Fülle der Reisenden jede Erholung, die Belagerung der bestgcrüsteten Gasthäuser jeden Komfort illusorisch machten. Aber neue Schienenwege erschließen nicht nur dem Landbau und dem Gewerbesteiße neue Absatzgebiete, sie führen nicht allein die Früchte einer erhöhten Kultur in bisher davon ausgeschlossene Gebiete, sondern sie eröffnen auch dem erholungsbedürftigen oder wißbegierigen Touristen neue, bislang durch ihre Abgelegenheit unbekannt gebliebene Reiseziele.

Und eine solche tsn-a incognita ist es, welche die Eröffnung Berlin-Wetzlarer Eisenbahn den Bewohnern der Residenz bequem zugänglich gemacht hat, und von deren Schönheit bisher wohl nur äußerst Wenige gehört haben mögen. In eine Gegend voll entzückender landschaftlicher Reize, ausgezeichnet durch wohl¬ erhaltene, interessante Bauten, Schlösser, Burgen und Gotteshäuser

der

des

Mittelalters und der Rcnaissancezeit, in

eine Gegend, umwoben

von der Erinnerung an die älteste brandenburgische Geschichte und vom Zauber örtlicher, im Munde der Holzfäller und Waldarbeiter von Geschlecht zu Geschlecht fortlebender Sagen, in eine solche durch ihre gänzliche Unberührtheit von dem gewöhnlichen Touristenschwarme doppelt anziehende Landschaft, die früher nur mühsam in zwei bis drei Tagereisen auf Chaussee und Landweg zu erreichen war, versetzt uns der vom Potsdamer Bahnhöfe ausgehende Eilzug in weniger als anderthalb Stunden. Einem ziemlich unbestimmten Gerüchte von der Sehenswürdigkeit jenes auf den Grenzen der

Mark und

belegenen Landstriches folgend,

des anhaltinischen Elbgebietes

habe ich die Mußetage des letzten

Und, wie ich diese Wanderung nicht zu bereuen habe, wie sie neue und anziehende Bilder einem Auge gewährt hat, das durch den Genuß vieles Großartigen und Schönen in Nord und Süd einigermaßen verwöhnt sein könnte, so glaube ich denen einen beachtenswerthen Fingerzeig geben zu sollen, denen bei ihrer Erholungstour nicht das Hotel die Hauptsache ist, und die sich entschließcnmöchten, auf„herrschaftliche" Zimmer und eine reichbesetzte Speisekarte verzichtend, das gleiche Ziel zu wählen. Wer aber nicht ein paar Nächte in einem Dorf¬ kruge schlafen will, oder wer ohne vier warme Mahlzeiten am Tage nicht auskommen kann, der gehe lieber wo anders hin. — Jenseits Potsdam fällt die Berlin-Wetzlarer Bahn in leichter Neigung den Niederungswiesen der Plane zu. Die fast schnur¬ gerade Linie führt beinahe ununterbrochen durch Wald, die Kunersdorfer und Belitzer Stadtforsten, endlich; die ausgedehnten Pfingstfestes zu seiner Durchwanderung benutzt.

Waldungen des sagen- und orakelberühmten Klosters Lehnin. Das Fallen des Terrains gestattet einen meilenweiten Blick über die Kronen der meist niedrigen Kieferbestände hinweg, deren kräftiger Harzgeruch das Koupee erfüllt, und über einzelne Lichtungen, deren heller Sand sich scharf aus dem Dunkelgrün des Nadelholzes her¬ vorhebt. Jenseits des Städtchens Brück verändert sich das Bild. Weite uinbuschte Wiesenflächcn breiten sich zu beiden Seiten des Dazwischen rieselt in munterem niedrigen Bahndammes aus. Laufe die auf dem Hohen Fläming unterhalb der Burg Rabcnstein enspringende Plane mit ihren zahlreichen Nebenbächen und Stich¬ grabenwassern der Havel zu. Vom Planethal ab geht es in starken Neigungen bergauf, dem Rücken des Hohen Fläming zu. Der Wechsel von Berg und

Thal, das „buckelige Land", wie Friedrich Wilhelm IV.

dieses

damals jüngste Gebiet Preußens scherztveise bezeichnete, erinnert uns daran, daß wir uns dem bedeutendsten Höhenzuge nähern,

Sein Name gemahnt der die norddeutsche Tiefebene durchsetzt. an die ftühestcn Versuche christlicher Kultur in der damals slavischen Mark;, an jene niederländischen Kolonisten, die durch verheerende Wasserfluthen aus ihren Wohnsitzen vertrieben, durch Albrecht den Bären hier eine neue Heimath gefunden hatten. Wer nun nichts Anderes sucht, als Ruhe und Erquickung in köstlichem Waldesgrün, den führt der Bahnzug über den Rücken des Hohen Fläming hinweg nach dem am jenseitigen Abhange gelegenen freundlichen Flecken Wiesenburg, und von da in die meilenweit gedehnten Forsten. Wir, die wir gern den Denkmalen der Vergangenheit und den Stätten geschichtlicher Ereignisse nach¬ gehen, verlassen die Eisenbahn bei der guten alten Stadt Belzig, um dort erst einmal kurze Umschau zu halten und den Weg von hier nach Wiesenburg über das historische Hagelberg zu Fuß zu machen.

Da ich Belzig im „Bär" schon einmal eingehender behandelt habe (Bär 1881), so verweise ich hier auf jene Schilderung. Die Landstraße nach Wiesenburg ist an sich schatten- und reizlos, aber sie gewährt schöne Fernsichten: besonders zeigt sich Schloß Eisenhardt im Verein mit der malerischen Briceiuskapcllc im Kranze mächtiger Linden und Pappeln von hier in besonderer Schönheit, darunter in einen Bergkessel gebettet und gänzlich von Baum- und Buschgrün umschlossen die Stadt mit dem hohen Kirchthurme.

Ein kurzer Umweg von der Landstraße ab führt uns durch Kiefernhaide bergan nach dem Dorfe Hagelberg und seinem höchsten Punkte, dem Windmühlenberg. Es ist die höchste Er¬ hebung in der Mark Brandenburg. Das weithin sichtbare trigonometrische Signal steht mit seinem Fußpunkte 208 Meter über dem Spiegel der Osssee. Der Blick von hier, wiewohl demjenigen vom Wartthurm zu Belzig an landschaftlicher Schönheit nachstehend, reicht weiter, als dieser. Von hier schaute der Wende das Heilig-

thum seines Gottes Triglaff auf dem Harlungcr Berge bei Brandenburg, an dessen Stelle sich später die baugcschichtlich höchst merkwürdige Marienkirche erhob. Jetzt begrüßt uns von dort das hochragende Denkmal an die Aufrichtung des Deutschen Reiches, an den Feldzug von 1870 und 71. Wenige hundert Schritt vor uns erhebt sich aus dem mälig ansteigenden Felde, Kiefernwald als Hintergrund, ein anderes Denkmal, eine Erinnerung an die große Zeit, da Deutschland mit demselben Erbfeinde rang, an das Gefecht bei Hagelberg am 27. August 1813, das Nachspiel der Schlacht von Großbeeren. Ani 27. August 1849 ward es in Gegenwart Friedrich Wilhelm IV. enthüllt, eine vom Professor Strcichenberg in Berlin in Sandstein gearbeitete kalossale Borrussia auf hoher Säule. Nach dem Kriege von 1870 schenkte der ver¬ storbene Herr von Watzdorff auf Wicscnburg zwei erbeutete französische Geschütze hinzu, die nun zu beiden Seiten der Bildsäule ihren Platz gefunden haben. Die Stelle, auf der wir stehen, ist reich gedüngt mit deutschem und französischem Blute. Viertausend Todte zählten die Franzosen, an achtzehnhundert die

inmitten des Hofes, eine Seltenheit in norddeutschen Schlössern, erhebt sich ein überaus zierliches Brunnenhaus in Form eines von vier schlanken Pfeilern getragenen Baldachins, reich mit figürlichem und ornainentalein Schmuck bedeckt. Und

Vor

dem Schlosse breitet sich der sehr ausgedehnte prachtvolle

Park aus. Lange Alleen von Baumriesen wechseln mit Wiescnflächen, Bosquets und Blumenparthien. Auch das „Auge der Landschaft," das belebende Auge des Wassers, ist reichlich vorhanden. Als ein Unikum müssen die Versuche bezeichnet werden, welche nicht ohne Erfolg in der Acclimatisation südlicher Holzarten gemacht werden. So findet man überall die herrliche, aber sehr empfindliche Douglastanne angepflanzt so breiten sich anstatt des sonst üblichen grünen Unterholzes weitgedehnte Bosquets blühender Rhododendron

unter den Baumparthien aus. Stundenlang kann man in diesem köstlichen Park lustwandeln, ohne sich müde zu sehen. Kaum merklich wird der Uebergang vom Park in den Wald. Der Wege, die man hier einschlagen kann, sind so viele, daß sich von Wiesenburg aus kaum

eine

bestimmte

für

den

Preußen; General Girard selbst war vcrlvundct. Führte gleich der General von Hirschfeld dasObcrkommando, so gebührt doch die Ehre des Tages jenem

Reiseroute

hochherzigen

Oberst¬

wechselnden

köstlichen

lieutenant von der Marwitz, dem Fontane in seinen „Wanderungen in

Bildern will. Bei Zeit wird

beschränkter

Mark" ein beneidenswerthes litera¬ risches Denkmal gesetzt

thun,

Wanderer feststellen läßt. Es kommt eben auf Zeit und Gefallen an, wie weit man in diesen meilenweiten stillen Wäldern mit ihren stets umherstreifen

der

Von

zuvertrauen, denn bei der Vcrschlungenheit, vielfachen und den Kreuzungen der Pfade

Hagelberg

wir uns wieder

südlich,

durchlvandern

ist es auch

zu

schönen

beiden

einem mit gutem

Parke

Oricntirungssinne aus¬

Seiten der

gestatteten und geübten

kastaniengeschmückten

Dorfstraße und erreichen von Bekzig aus nach dreistündigem Marsche

Wicsenburg.

nrit Hilfe der

Generalstabskarte, selbst

das Vorwerk Glien mit seinem

der Führung

eines Waldarbeiters an¬

hat. — wenden

sich

gut

man

Reisenden

möglich,

nicht

längere

wohl Um-

und Irrwege zu ver¬ meiden. Oft stunden¬ lang sieht man keine Mcnschcnseele, und trifft man auch einmal auf einen Trupp unter der Anfsicht eines Waldlvärters arbeitender, nichts tveniger als von

Dir Grenadiere des großen üönigs am Srunnen. Nach Menzels Original für die Werke Friedrichs ll.

Wicscnburg ist eine der ältesten deutschen Ortschaften in jenem alten Wendengau. Die ehrwürdige, aus Granitfindlingcn gebaute Dorfkirche romanischen

Kultur

„Kulturweiber," so ist die Auskunft, sehr unklare. Die Meisten wiffcn über

Stiles, gehört zu den wenigen Kreuzkirchen ohne Seitenschiffe und birgt manches, sehenswcrthc Grabmal. In ältester Zeit hat die Herrschaft Wiesenburg oft den Besitzer

der

Aus churfürstlichem Besitz ging es an Bischof Dietrich von Brandenburg, dann an verschiedene thüringische und märkische Edelleute über, bis es die Familie Brandt von Lindau im Jahre 1420 in dauernden Besitz nahm. Den thaten- und baulustigen Herren von Brandt verdankt das Schloß seine heutige Erscheinung, so weit sie künstlerischen Werth beansprucht. Denn wenn auch die rcnovirtc Hauptfacade, deren Bild aus dein Spiegel des herrlichen Sees wiederscheint, einen sehr irnposanten Eindruck gewährt — der Reiz

falls ist die Generalstabskarte ein unentbehrlicher Gegenstand.

gewechselt.

der ganzen Anlage liegt doch in den vier Ansichten, die den nahezu quadratischen Hof begrenzen und dem 16. und 17. Jahrhundert ent¬ stammen. Sie gehören mit ihren sieben Prachtportalen zu dem Besten, tvas die Renaiffancc auf dcutschenr Boden geschaffen hat. Herrliche

Laubkronen mächtiger Bäume hüllen sie in wannen Halbschatten.

beleckter, sogenannter

die man dort erhält, meist eine

die Grenze ihres Dvrfbezirkes hinaus nicht mehr Bescheid.

Jeden¬ Nock-

wichtiger aber ist und unerläßlich der Proviant, den man mit¬ zuführen hat; denn nicht immer ist, wenn Hunger und Durst sich einstellen, ein Dorf erreichbar, und in dieser, fast nie von Fremden berührten Gegend besitzt das Dorf nicht immer eines jener segens¬ reichen Institute, in denen man für Geld und gute Worte Zehrung erhalten könnte. Da nun eigentlich alle Routen, die man einschlagen kann, schön sind, so wird dem Leser damit gedient sein, wenn ich ihn» den Weg weise, den ich selbst mit meinem Gefährten gegangen bin. Von Wiesenburg aus wandten wir uns direkt südwärts, in einen zwischen hohen Kiefern und einigermaßen herangewachsenen kiehnenen Schonungsstämmcn hinlaufenden Gestellweg, der den

513 Fahrweg nach Setzsteig bildet. In fünfviertel Stunden erreichten wir Springhüttcn, wie der Name besagt, ein quellenreiches Gebiet, an dem sich unter mächtigen Eichen eine kleine Zahl niedriger Häuser angesiedelt hat, die lediglich von Waldarbeitern bewohnt werden. Springhütten ist solch ein Ort, an dem es weder Speise noch Trank giebt. Der alte lahme Waldwärter, dessen Haus stattlicher, als die anderen mit einem Hirschgeweih geschmückt ist, verschaffte uns bald einen jungen Burschen, der uns weiterführte. Theils in hohem Nadelholz, theils in frischem Laub- und Unterholz lief unser Pfad in einer Schlucht zwischen zwei niedrigen Höhen¬ zügen, dem sogenannten Mühlen gründe. In Setz steig langten wir mit einbrechender Dunkelheit an und fanden Unterkunft und Verpflegung im Hause des trefflichen Holzhändlcrs und zugleich Gastwirthes Büro. Dort trafen wir mit dem bejahrten, aber kerngesunden und lebcnsfrischen Förster Wernitz zusammen, und bald

derung. Herrliche Eichen und Buchen stehen zumeist über einer sanften Moosdecke und mächtigen Farrenkräutern. Bei dem Dorfe Reuden kamen wir aus dem Walde heraus und wanderten noch am Abend nach dem Nedlitzer Bahnhöfe,

um die kurze Tour nach dem Dorfe Lindau zu fahren. Hier konnten wir uns nach der weiten Wanderung (im Gasthofe von Schrödter) stärken und ein zwar sehr bescheidenes, aber reinliches Nachtquartier finden.

Am andern Morgen besahen wir die zerfallende Burg, die vor Erfindung der Feuerwaffen erbaut ist und manche interessante Reste aufweist.

Danach fanden wir unsern Wagen bereits angespannt und fuhren durch den prächtigen Eichwald nach dem Schlosse Leitz kau. Hier wurden wir vom Baron Heino von Münchhausen freundlich aufgenommen und konnten unter seiner Führung das Schloß gründ¬

entspann sich zwischen uns und ihm ein anziehendes Gespräch über den ehemaligen Besitzer Heino von Brandt, der ein wunderlicher,

lich

in Augenschein nehmen. Es ist einer der schönsten Renaissancebauten im nördlichen

Mann, in Sctzsteig

Deutschland, und wenn Lübke in seiner

ein Schloß gebaut

„Geschichte der Re¬

hatte, von dem keine Spur mehr vor¬ handen ist. Aller¬ hand Sagen und knüpfen Märchen

naissance inDeutsch-

unverehelichter

sich

an ihn ;

er eben jene

so

land"cs aus eigener Anschauung nicht kennt, so wäre es,

bevor die dritte zu erwartende Auflage

hatte

erscheint,

Mühle

angezeigt,

Mühlengrunde gebaut, aber sie lag auf der Höhe, und die Frauen aus im

Setzsteig

für ihn einmal

einen Abstecher dort¬

hin zu machen, denn es zeichnet sich durch

seine

mußten

Größe

amd

die Schönheit ein¬

das Wasser hinauf¬ tragen, um sie in Gang zu bringen. Noch viele andere Schnurren von dem Sonderling erzählte

Architekturim weiten Umkreise aus. Die der Bauweise des

zelner kreise

westlichen

Nieder¬

sachsens ange-

uns der Förster, hörigen Formen, bis die einbrechende welche hier auf¬ uns zur Nacht treten, haben in den Ruhe mahnte. benachbarten Ort¬ Am frühen schaften nirgends Morgen ging es im kUe Salzburger auf der preußischen Grenze. Nachahmung ge¬ Friedrichs II. Geleit des braven Nach Menzels Original zu den Werken funden, so daß Wernitz und eines dasselbe unter den Renaissancebauten der Umgegend, ja man kann Holzarbeiters in den Wald. Und welch' ein Wald war das! Keine sagen, des östlichen Deutschlands, durch den besonderen Stilcharakter Pfingsttage. ersten begegnete uns am Menschenseele 1564 erbauten Theile einzig in seiner Art dasteht. dort der nach von „Kiels" ging es, dem nach Durch den „Hinterdonr" die Kirche ist als älteste in brandcnburgischen Landen Auch passirtcn wir die Hier „Schleescn." den, durch den „Solp" nach einst ein von Königsberg, Cassel nach einstmalige Landstraße von (1147—1155) und als erster Bischofssitz des Brandenburger Domkapitels sehenswcrth, obwohl sie nicht mehr als Gottes¬ befahrener begangener viel und Soldatenttupps Lastfuhrwerken und haus dient. Waldwege geworden. stillen Weg, jetzt zu einem Am andern Morgen ging es zurück über Reuden nach StakeMitten in den Jungbuchen lag — eine Kirchenruine aus litz, dann über Weiden, Breesen und die Stcinmühle nach der Dorfes, Name des einmal der Nicht gebaut. Granitfindlingcn Haltestelle Klickau, von wo die Bahn uns nach Coswig führte. Hussitenkriege, der dem Seit erhalten. hat sich gehörte, tvozu sic bietet dem Wanderer eine hier zu Land seltene Er¬ Coswig in Trüm¬ hat, liegt sie gewüthet besonders stark in dieser Gegend seinem großen Friedhof. Man tritt hinein und fühlt in scheinung erhalten, Ostseite ist noch Fenster an der romanisches mern. Ein hundert Jahre zurückverjüngt. In langen Reihen stehen um Kiefern sich und Buchen jetzt Eichen, ihrem Innern in sonst wachsen den 70er Jahren, genau so ausgeführt, als Grabmäler aus da die unserem eindringlich und predigen leise und hinan zum Himmelsdom entstanden. Es muß hier ein Stein¬ vor 100 Jahren wärm sie Herzen. Errungenschaften des letzten Jahr¬ dem die metzgeschlecht leben, an weiter Mittagsrast es kurze gemacht, dann ging Hier wurde eine vorübergegangen sind. Dieselben Todtenköpfe, spurlos hunderts Forst und Brandts Golmengelliner Haide. hinein in den archäisch lächelnden oder affenLämmer und Sanduhren, Spiegel, unserer Wan¬ entschieden der Glanzpunkt war Brandts Haide '

!

1

j

514 artigen Ernst zur Schau tragenden Genien, wie man sie 1770 ge¬ macht. Und diese Denkmäler stammen von 1860 und 1870! Zudem besitzt dieser Friedhof ein sehr ausgedehntes, altes hölzernes Bauwerk vom Jahre 1727 von der Familie Süssemilch zum Zwecke der Leichcnpredigten gestiftet, zwei Wandelgänge, die sich in einer offenen, mit einem Sarkophag geschmückten Halle treffen. — Von Coswig wanderten wir am nächsten Morgen nach Wör¬ litz. Wörlitz ist den Berlinern seines von Leopold Friedrich Franz angelegten herrlichen Parkes wegen bekannt. Uns hinderte in-

zwischen eingetretener Regen an dem vollen Genusse desselben, aber

die Gemälde im Schloß und „gothischen Hause" hielten uns dafür

Abraham

Snaphan,

der Dessau'sche Hofmaler des ein tüchtiger Künstler seiner Zeit, ist hier, wie nirgends anders, Memling und Kranach sind vortrefflich, Van Dyk und Hackert sehr gut vertreten. Der Regen hinderte unser

schadlos.

XVII. Jahrhunderts,

Weiterwandern nach Vockerode und dem Sieglitzer Berge, wo die herrlichsten Eichen Norddeutschlands stehen sollen. Am Abende waren wir wieder daheim.

Ad. Boetticher.

Lathinlra Lalmy. Wer ist Kathinka Balmy? wird vielleicht der geneigte

Leser

fragen, und Schreiber dieses muß zu seinem Bedauern eingestehen, Soviel diese berechtigte Frage auch nicht beantworten zu können. indessen weiß er, daß sie nicht mehr lebt, und daß sie zu jener Schaar patriotischer Frauen und Jungfrauen von anno 13 gehört, die bereitwillig ihren Schmuck für das Vaterland opferten, oder sogar ihr herrliches Haar, wie die von Schmettau, um dem Staate Beihülfe zu leisten zur Ausrüstung der Armee. Kathinka Balmy zog nicht wie Eleonore Prochaska als Jäger mit Lützow's wilder Jagd in das Feld, sie opferte auch nicht ihre langen Zöpfe, wenn sie überhaupt „solche" besessen hat, nein, sie hatte einen anderen Plan ersonnen, sich dem Vaterlandc dankbar und opfermuthig zu erweisen, — sie wollte sich selbst mit ihrem beträchtlichem Vermögen in der Lotterie ausspielen lassen, als Ge¬ winn für einen der Kämpfer von 1813/15. Diese Absicht ist nie bekannt geworden, denn die Lotterie fand nicht statt, und nur ein Brief unter den Papieren des Staats¬ kanzlers v. Hardenberg (Geh. Staatsarchiv, Staatskanzlerakten, Rep. 74 H. 3 Pläne Vol. V.) bewahrt der Nachwelt diese sonderbare Idee der Kathinka Balmy. Hier ist der Brief: „Durchlauchtigster Fürst! Die Tochter eines Offizianten, gebürtig in denen königlich preußischen Staaten, bittet Euer Durchlaucht um gnädige Vor¬ bitte bey Seiner Majestät dem König Friedrich Wilhelm, meinen gnädigsten Landesvater, zu Erlangung der Erlaubniß und seines königlichen Schutzes zur Ausführung eines zwar besonderen, doch keinem unedlen Herzen entstiegenen, noch aus niederen, eigen¬

glaube — oder auch eine abschlägige Antwort auf mein Gesuch, mir durch die Berliner Zeitung unter dem Nahmen Cathinka Balmy gnädig bekannt zu machen; mir auch im Genehmigungsfall Seiner Majestät zugleich zu sagen, an welchen braven Mann ich mich zu Ausführung meines Vorhabens mich zu wenden habe. Wenn Euer Durchlaucht mir nichts durch die Zeitung bekannt machen ließen, so würde ich glauben, mein Brief sey verloren gegangen und würde Euer Durchlaucht mit einem zweiten Schreiben desselben Inhaltes beschwerlich fallen; ich erwarte daher die Erfüllung dieser zweiten Bitte mit Zuversicht und verharre mit ausgezeichneter Hochachtung Euer Durchlaucht

!

;

i

gehorsame

Cathinka Balmy.

Seiner Durchlaucht dem Fürsten Staatskanzler von Hardenberg

in Paris." Das Schriftstück, das weder Datum noch Ort der Absendung trägt, wurde dem Staatskanzler am 1. November 1815 in Paris Wegen dieser mangelnden Bezeichnung vermochte man nicht der Bittstellerin brieflich zu antworten, weshalb der Staatskanzler eigenhändig auf dem Schriftstück vermerkte: „Zu den Akten, bis sich die Bittstellerin etwa wieder meldet. Hbg." Kathinka Balmy scheint sich jedoch nicht wieder gemeldet zu haben, denn weiter findet sich in der Sache nichts vor. Doch hören wir nun ihre „Bedingungen zu Lotherie-Ausspielung einer deutschen

präsentirt. auch

Jungfrau an einen

nützigen Absichten erzeugten Wunsches. Durchlauchtigster Fürst; haben Sie die Gnade, mich ganz zu hören, meiner heiligen Versicherung zu glauben, daß, wenn ich 100 000 Thaler besäße, ich meine Hand nur einem deutschen Manne reichte, der- in einem der beiden letzten Feldzüge für's Vaterland gestritten und eine Hand oder einen Fuß verloren hat; obwohl ich auch ohne Vernrögen andere Ansprüche machen könnte, da ich von der Natur mit einem hübschen Gesicht und Figur, gesunden Verstand und einem für das Gute fühlende Herz ausgestattet ward und erst einige zwanzig Jahre zähle. Hören Sic demnach. Durchlauchtigster Fürst, meinen Wunsch und Bitte, mich unter bcykommendcn Bedingungen, mich für den Preis von 60 000 Thaler in der Berliner Lotherie ausspielen zu laßen: wenn Euer Durchlaucht die Bedingungen, die ich mache, prüfen, so werden Sie finden, daß ich kein leichtsinniges Weesen bin; Sie werden hoffentlich ahnden, daß nur ein schuldloses, moralisch denkendes Mädchen so zu handeln vermag; Sie werden daraus

sehen, daß nicht Reichthum, kein glänzendes Leben mein Wunsch

nur ein einfaches bürgerliches doch sorgenfreies Leben zu führen, zu beglücken und selbst dadurch glücklich zu seyn. ist, sondern

Nochmals bitte ich Euer Durchlaucht, diese Bitte meinem gnädigsten König vorzustellen und die Bewilligung, den erbetenen Schutz Seiner Majestät des Königs, woran ich mit Vertrauen

!

deutschen Krieger, der für's Vaterland eine Hand oder einen Fuß verlor." Preis 60 000 Thaler. 1. Wünscht Cathinka Balmy 10 000 Thaler zum Besten einer im preußischen Staat wohnenden, vortrefflichen Familie zu verwenden. 2. Wenn ein Mann den Preis gewinnt, der nicht im Krieg Hand oder Fuß verlor, dem würden 10 000 Thaler gezahlt. 3. Desgleichen würden einem Manne, der zwar auf besagte Weise im Krieg gelitten, aber dem Trunk oder Spiel ergeben wäre, nur 10 000 Thaler gezahlt. 4. Müßte es mir auch erlaubt sein, einem Mann, der den Preis gewonnen, dessen Charakter und Denkungsart dem meinigen ganz entgegengesetzt wäre, wenn er rauhe Sitten, unmoralisch oder ganz ungebildet wäre, nach dreimonatlicher Frist, in welcher Zeit ich mir schmeichle, ihn kennen zu lernen, statt meine Hand mit 50 000 Thalern, nur 20 000 Thaler zu überlaffen. 5. In dem und jenem Fall würde ich meine Hand mit 30 000 oder 40 000 Thalern nur einem preußischen Krieger bieten, der wie schon gesagt gelitten, jedoch nach meiner eigenen Wahl. 6. In dem Fall würde die Vertvaltung des Kapitals nach Euer Durchlaucht Gutbefinden einem braven Manne so lange übertragen, bis ich mir einen Gatten gewählt, wozu ich für's längste die Zeit von drei Jahren bestimme. Für's Erste würden mir jedoch 10 000 Thaler gleich ausgezahlt zu erstgesagtem Zweck; dann alle drei Monath die fälligen Interessen und gleich nach der Trauung das ganze Kapital.

515 7. Mache ich mich verbindlich, den größten Theil des Jahres im Preußischen zu leben, da wohnhaft zu sein. 8. Wünsche ich, daß mir in jedem Falle das Kapital als Eigenthum zuerkannt werde, damit mein Mann nur die Interessen als gemeinschaftliches jährliches Eigenthum ansehe und das Kapital nicht ohne meine Bewilligung angreifen kann.

9. Wünsche ich meinen Nahmen und Vaterstadt gänzlich zu verschweigen und

10. wäre es mir ganz unmöglich, ganz gegen mein Gefühl, mich einer gerichtlichen Commission, noch viel weniger einem größeren

Publikum persönlich zu zeigen. — Potsdam.

H. Wagener.

Miscellen. I>ie Iuöikäumsausgaöc von Wenzek's Illustrationen zu den Werken Kriedrichs des Großen (Hierzu drei Abbildungen). Der ver¬ storbene kunstsinnige König Friedrich Wilhelm IV., dessen stolzes Denkmal jetzt verdientermaßen die Stätte seines Lieblingswirkens ziert, faßte bald mach Antritt seiner Regierung den Plan, die Werke Friedrichs in einer, des großen Königs würdigen Gesammtausgabe zu veröffentlichen, die sich zugleich zu einem fürstlichen Geschenke eignen sollte. Die Akademie der Wissenschaften, und persönlich Professor Preuß wurde mit der Prüfung und Feststellung des Wortlautes der Schriften betraut, für die künstlerische Ausstattung aber Adolph Menzel herangezogen, der in sechs Jahren im Ganzen 200 Abbildungen für das auf dreißig Bände angewachsene Werk lieferte. Da diese Ausgabe dem Buchhandel nicht zugänglich war, blieben diese Mcnzel'schen Zeichnungen ziemlich unbekannt, bis Kaiser Wilhelm 1882 eine erneute Ausgabe derselben in 300 Abzügen gestattete, die trotz des hohen Preises längst vergriffen sind. Die gegenwärtige Ausstellung Wagnerischen Kunsthandlung (Dessauerstr. gab der R. 2) Gelegenheit, «ine zweite Ausgabe zu ermöglichen, die in Folge der genehmigten größeren Zahl der Abzüge schon zu dem sechsten Theil des früheren Preises von Mark 300 (also für 50 Mark) zu haben ist. In einem kurzen Vorwort giebt Ludwig Pietsch, der bewährte Kritiker und Kenner der Berliner Kunst, einige Angaben über die Entstehung des Werkes, würdigt dann die Darstellungen selbst einer kurzen Kennzeichnung und fügt nähere Mittheilungen über die an den Holzschnitte» betheiligten, sämmtlich leider fckon verstorbenen Künstler Friedrich Ludwig Unzelmann (ft 1854), Joh. PH. Albert Vogel (ft 1881), R. Fr. Otto Vogel (ft 1851) und Herrmann Müller (ft 1876) bei. Die meisten der Abbildungen dienen als Schluhverzierungen der größeren Abschnitte und fügen sich eng dem Geiste der geschilderten Zeit und der Auffassung des Königlichen Verfassers an. Sie sind der treffendste Beweis für die unbegrenzte Vertiefungs¬ fähigkeit des Meisters in die Aufgaben der zeichnenden Kunst, so weit sie zur Erläuterung, zur Belehrung, zur Vergeistigung fremder Gedanken dienen kann. Obgleich abgelöst von der Schrift oder den Schriften, denen diese Darstellungen zugehören, bilden sie für sich im Zusammenhange eine unerschöpfliche Quelle von Anregung, von Ideen, eine seltene Fülle von künstlerischen Empfindungen und geschichtlich bedeutsanien Vorgängen. Der Maler und Forscher, der Geschichtsfreund und Zeichner, der Kenner der Vergangenheit, der Verehrer und Gönner der bildenden Kunst, Alle werden mit Genuß und Freude diese Tafeln durchblättern, welche außer der Schöpfungskraft Menzels die vielseitige Begabung des rastlosen Forschers erkennen lassen. Das Verständniß der einzelnen Abbildungen nach Zu¬ sammenhang und Bedeutung wird durch den kurzen begleitenden Text ermöglicht, der die betreffende. Stelle aus den Werken Friedrichs des Großen «»giebt und in knappem Umriß die Absicht des Malers verrathen will. So ist es Jedem möglich, selbst in den angeführten Werken nach¬ zuschlagen, um staubend vielleicht zu sehen, wie durchdringend der Blick des Zeichners den Schleier der Vergangenheit gehoben und das Wesen alter Zeit dem Auge der Gegenwart vorgeführt hat. Dort wo der Künstler sich freier in der Erfindung ergehen durfte, erhalten wir meist kostbare Perlen in vornehmer Fassung; dort, wo die Geschichte aber das feste Gerippe geliefert hat, ist der Stift treu und wahr, dabei lebensvoll. So werden wir auf diesen 200 Blättern immer wieder durch Eigenartiges und Neues, durch Tiefempfundenes, sorgsam Durchdachtes und künstlerisch Es drängen sich in endloser keck Vollendetes überrascht und angeregt. Folge geschichtliche Erlebnisse, allegorische Darstellungen, kleine Landschaften, allerliebste Genrebilder, Kriegsbilder, Portraits, Büsten, Gruppen und gestaltenreiche Gemälde. Angeführt seien aus dem ersten Bande: Die Belehnung Friedrichs I., Albrecht Achill geharnischt im Kampfe, des großen Kurfürsten Schlittenfahrt über das Haff, Ankunft der Salz¬ burger an der Preußischen Grenze, Friedrich II. als junger König, Luther, Leibnitz und Thomasius, die Grenadiere Friedrichs II., Bildnisse der Maria Theresia, desCardinals Fleury, Kaiser Karls VII., des Maychalls von Sachsen, Georgs II., Augusts III., Ludwigs XV., per Kaiserin Elisabeth von Rußland, des Zaren Peter III., Kaiser Josef Sehdlitzer Kürassiere bei Zorndorf, Portrait des Grafen Brühl, Büste Marc Aurels. Der zweite Band ist noch ungleich reicher, insbesondere an guten Portraits und geistvollen Schriften. Mit Ge¬ nehmigung der Verlagshandlung sind der heutigen Nummer drei Probe¬ drucke des schönen empfehlenswerthen Werkes beigefügt worden. —

II,

Kriedrich II. und General Kahler. König Friedrich II. liebte es, wenn er mit Jemand sprach, eine offene, freie Antwort zu erhalten. Als er dem General Katzler das Gensdarmerie-Regiment verlieh, sagte er zu ihm: „Mein lieber Katzler! Ich gebe ihm das Regiment, weil ich Jemanden dabei haben muß, der nicht so galant ist, als die anderen Offiziere." „Wenn das ist", erwiderte Katzler, „so haben Eure Majestät sehr glücklich

gewählt; denn Gott weiß es, daß ich so wenig galant bin, daß ich erst einen Tanzmeister annehmen mnßte, ehe ich mich in Berlin zeigen durfte." — Nachdem der General das Regiment bereits einige Zeit geführt hatte, fragte ihn der König einmal: „Nun, Katzler! Wie ist Er mit seinen Offizieren zufrieden?" — „Recht gut, Eure Majestät!" antwortete Katzler. „Aber Herr, es sind ja fast lauter Petitmaitres!" warf Friedrich ein. „Des Nachmittags vielleicht, Ew. Majestät", versetzte der General, „beim Exerciren und auf der Parade sind es tüchtige Offiziere; das Uebrige geht uns beide nichts an! Sie thun, was ich befehle, und werden, wenn es einmal Zeit sein wird, gewiß dahin reiten, wohin ich sie führe; mehr können Sie und ich nicht verlangen!" Die gerade und männliche Antwort gefiel dem König zwar; sie war ihm aber doch so ungewohnt, daß er sich darauf kurz umwandte, indem er sagte: „Nun, morgen werde ich sehen, was sie können. Morgen um 10 Uhr soll das Regiment aus dem Crercierplatze vor mir exercieren!" — Am anderen Tage in aller Frühe ver¬ sammelte der General das Offizier-Corps seines Regiments um sich und hielt ihnen folgende Anrede: „Meine Herren! Gestern Abend hat mir der König gesagt, die Offiziere meines Regiments seien sämmtlich Petitmaitres. Ich habe ihm geantwortet: Im Dienst thun sie ihre Schuldigkeit und werden sie stets thun; das Uebrige ginge uns beide nichts an. Ich hoffe, Sie werden heute zeigen, daß ich die Wahrheit gesagt habe. Sagen Sie auch Ihren Leuten, daß sie, wen» heute der König dem Exercieren beiwohnt, schlechterdings nicht thun sollen, als wenn der König zugegen wäre. Sie sollen nur auf mich und mein Commando hören!" Der König erschien früher auf dem Platze als das Regiment eintraf, und suchte es dadurch in eine gewisse Verlegenheit zu bringen, daß er anfing über das lange Ausbleiben zu schelten, wobei ihm die Worje unterliefen: „Die Herren haben gewiß noch nicht ausgeschlafen!" Ruhig legte hierauf der General dem Pferde die Zügel auf den Hals, zog mit der einen Hand die Uhr, mit der anderen die Schreibtafel hervor und sagte: „Sehen Ew. Majestät! Hier steht Ihre gestern gegebene Ordre, und so viel ist's an der Zeit: wir hätten also gut noch 10 Minuten schlafen können." — Der König machte ein verdrießlich-freundliches Gesicht und befahl, das Regiment solle in Zügen abmarschiren, dicht vor ihm Escadrons foriniren u. s. w. und redete immer in das Regiment hinein, um es in Nach beendigtem Exercieren sagte Friedrich: Unordnung zu bringen. „Das Regiment hat unvergleichlich geritten, mein lieber Katzler!" — „Das kann ich eben nicht sagen", entgegncte der General, „die Escadron des Obersten Golz ließ sich irre machen." — „Daran war ich Schuld", begütigte der König lächelnd, „nehme Er es nur nicht übel!" „Ei, da hätten die Leute wenigstens so klug sein sollen, sich nicht daran zu kehren;" — versetzte Katzler — „beim Exerciren und in der Kirche niuß immer nur Einer sprechen!" — Der König verschluckte die Pille und bezeugte ihm nochmals seine Zuftiedenhcit. Um aber doch etwas zu tadeln, meinte Friedrich, die Hüte wären nicht gut gestutzt. Da lächelte Katzler und sagte: „Geben mir Majestät nur einen Probehut! Ein Hut ist leichter K. zuzustutzen, als ein Kopf!"

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Servis- und ßinquartierungswefen Potsdams aus den Hagen Friedrichs des Großen. Auf jedem Potsdamer Privathause innerhalb der Ringmauer der Stadt ruhte nach einer vom Könige Friedrich II.

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vollzogenen Einquartierungsrolle vom Jahre 1750 die Verpflichtung: Eine Stube zu zwei Mann oder Stube und Kammer zu vier oder sechs Mann der Garnison zur Bequartierung zu überlassen. — Nach einem von dein Nachfolger des Monarchen, König Friedrich Wilhelm II. vollzogenen Regulativs vom 25. Juni 1787 ward bewilligt, daß die Einquartierung im Bataillons-Bezirk ausgemiethet werden dürfe, und zwar nicht nur wie sonst nur in der zweiten, sondern auch in einer ersten und dritten Etage, und (ausgenommen das erste Bataillon Garde) auch hinten hinaus. — Das Quartier mußte ordonnanzmäßig so sein, daß resp. vier oder sechs Mann darin schlafen und jeder Soldat auf einem Wollrade spinnen konnte. (Wolle- und Garnspinnen trug den Soldaten einen Nebenverdienst ein). Auf vier Mann mußte die Stube 236 Quadratfuß oder die Stube 208 Quadratfuß und die Kammer 78 Quadratfuß enthalten. Eine Stube ohne Kammer zu sechs Mann mußte 240 Quadratfaß groß sein. Der Hauseigenthümer blieb verbunden, der Einquartierung die ordonnanzmäßige Stube ohnentgeldlich zu geben und solche in gutem und reinlichen Stande zu erhalten, der Einquartierung die Betten aufzumachen, das Mittagsessen zu kochen, wenn die Mannschaft im Dienst war, das Quartier heizen zu lassen, und das Cinquartierungsholz auf seine Kosten anfahren und hauen zu lassen. (Gewöhnlich wurde vom Garnisonholzhof so viel Brennmaterial geliefert, daß der Wirth für seine Bedürfnisse vollauf mithatte). — Durch das allgemeine Regulativ über das Servis- und Einquartierungs-Wesen vom 17. März 1810 trat die Stadt Potsdam in den Servis-Verband sämmtlicher Städte, — damit

516 Per 2>rinz von Komöurg in Meustadt. Ter Landgraf Friedrich

ward die Hausbenutzung frei und die Bcquartieruug der Stadt eine Kommunal-Angclegenhcit. Man glaube gar nicht, daß die Einquartierung der Soldaten in Bürgerquartiere für die Hausbesitzer nach 1810 etwa lästig gewesen sei — iin Gegentheil bemühten sich recht viele Wirthe beim Magistrat um solche Soldatcnquartiere. Man hatte in diesen Miethern prompte Miethszahlcr, nämlich den Magistrat, sic waren sehr genügsam in ihren An¬ sprüchen an Wandfarbe, Ofen, Thüren, Fenster und Treppen — ja Schreiber dieses hat noch in 50 Jahren recht traurige Quartiere dieser Art gekannt. Das reichlich bemessene Brennholz war auch nicht zu ver¬ achte», und die kleinen Dienstleistungen der Mannschaften im Hause recht angenehm. Auch die Soldaten befanden sich damals ungezwungener und freier, als jetzt in der Kaserne und der Umgang mit dem Bürger wurde

v o n H esse n - H o m b urg ist insbesondere durch den beiFehrbellin errungenen Sieg bekannt und berühmt; er hat sich des Ferneren dadurch großes Ver¬ dienst erworben, daß er seine, ihm im Jahre 1662 vom schwedischen Feldmarschall Grafen Hans Christoph v. Königsmark veräußerte Besitzung Neustadt an der Dosse in Flor brachte. Er machte damit den Anfangs den großen Kurfürsten zu bewegen, dem Orte Stadtrecht zu verleihen. Demnach wurde Neustadt „die Molkenkammer der ehemaligen Grafen von Ruppin" am 24. August 1664 zur Stadt erhoben und mit allen dazu gehörigen Vortheilen und Privilegien ausgestattet. Er unterstützte ferner die Niederlassung von Handwerkern und Gewerbetreibenden im genannten Ort, erbaute eine neue Stadtkirche, wovon noch die Inschrift: im Innern derselben zeugt, und verlieh dem Nahrungsstande der dortigen. Einwohner eine dauernde Grundlage durch Gründung von Eisenhütten^ eine Glas- und Spiegelmanufaktur, sowie durch Anlegung eines Gestüts^ ingleichen von Papier- und Schneidenüihlen, Ziegeleien rc. Im Jahre 1666 setzte der Landgraf einen Balgmacher zu Neustadt an, der alle bei Im Jahre 1686 dem Hütteniverke erforderlichen Bälge machen sollte. wurden mehrere Arbeiter aus Cherbourg für die dortige Glasbereitung engagirt, und im folgenden Jahre noch mehrere Polirer und Künstler; im Jahre 1690 wurde ein Spiegelblaser und ein Glas- und Hüttenmeister angenommen. Zugleich wurde auch für die Verschönerung des Ortes und für Anstalten für das Vergnügen des fürstlichen Rittergutsbesitzers, der alle Jahre im August eine Zeit lang dort Hof hielt, gesorgt, namentlich ivurde 1682 der Thiergarten angelegt. Eine Schützengilde wurde vom genannten Fürsten auch zu Neustadt errichtet und ihr eine noch vorhandene Fahne geschenkt. Bis zum Jahre 1694 dauerte der Besitz des Landgrafen von Hessen-Homburg dort, dann erwarb es der Kurfürst Friedrich III.

tausenderlei kleine Beziehungen geknüpft, wogegen er jetzt ganz Außer den Kavallerie-Regimentern, die hier stets in Kasernen lagen, wurde zuerst vor 30 Jahren das Garde-Jäger-Bataillon kasernirt und dann allmählich nach und nach das Erste Garde-Regiment z. F., das vor zwei Jahren seine mächtige Kaserne bezogen hat. durch

abgeschlossen ist.

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Bastiani, ein Zeitgenosse Friedrichs des Zweiten, Sohn eines Schneiders in Venedig, verließ in seiner Jugend sein Vaterland und gerieth in so große Dürftigkeit, daß er sogar kurze Zeit Gras (?) essen mußte. Rach mancherlei Abenteuern siel er in Frankfurt a. Q. preußischen Werbern in die Hände, wurde nach Breslau gebracht, fand hier Gelegenheit mit dem Kardinal Zinzcndorf bekannt zu werden und dieser zog ihn als Abbe an seinen Hofstaat, indem er ihm vom Militär befreite und zu seinem Sccrctair machte. In dieser Eigenschaft wurde er mit dem Könige bekannt, der in ihm den geschickte» Mann und liebenswürdigen Gesellschafter herausfand. Er sandte ihn nach Rom und würdigte ihn seines vertrauten Umgangs. Bastiani starb 1787 in Potsdam. Bastiani schämte sich seiner niederen Abkunft nie. An der Tafel der Prinzessin Amalie bekannte er sic öffentlich und rechnete sie sich zur Ehre an. Als Zinzendorf im 7jährige» Kriege den Befehl erhielt, sich in Berlin aufzuhalten, begleitete ihn Bastiani dorthin. Nachdem sich der König für ihn interessirte, ver¬ wandte er ihn zu der Mission, in Rom die geistliche Einwilligung zu der Ernennung des damaligen Domherrn v. Schaffgotsch zum Vicario episcopali zu erwirken. Die Art, wie er seinen Auftrag ausrichtete, erwarb ihm die Gnade des Königs und nach und nach die Würden, die er bekleidet hat. Der König fand Gefallen an seinem Umgänge, berief ihn mehrmals zu seiner Unterhaltung nach Potsdam, beschenkte ihn zuweilen und unterhielt einen Briefwechsel mit ihm. Einmal schickte er ihm eine kostbare Dose und eine Quantität spanischen Tabak von der Sorte, die er selbst ge¬ brauchte und schrieb ihm: „ohngeachtet der katholischen Geistlichkeit der Gebrauch jeder Sinnlichkeit verboten sei, so würde doch der Geruch aus¬ genommen sein." Er hing mit seltener Treue am König. Als die Oesterreicher sich im siebenjährigen Kriege der Stadt Breslau bemächtigten, arrctirtcn sie Bastiani, brachten ihn erst in das Rumorhaus nach Wien und nachher noch einige Meilen weiter in ein Franciscanerkloster. Auf die Reclamation des Königs wurde er auf freien Fuß gesetzt. Als ihn Friedrich wiedersah, sagte er ihm: sein Name würde in dem Martzrologio borussico aufbewahrt werden. In Wien erklärte der muthigc und treue Bastiani an öffentlicher Tafel: er habe keinen Tropfen Blut, der nicht dem Könige zugehöre. Aus dieser Anhänglichkeit läßt sich seine Trost¬ losigkeit erklären, als er einige Zeit in Ungnade fiel. Er wußte sich die Ungnade nicht zu erklären, niuthmaßte aber, es möchte dem König mi߬ fallen, daß er schwer höre. Indessen fuhr er fort, bei der alljährlichen Anwesenheit des Monarchen in Breslau zur Cour zu erscheinen. Bei einer derselben fragte ihn der König im Vorbeigehen: Ktes-vou$ encore ^ourd? Bastiani antwortete: Je ne l’etois jamais, Sire! k vos Ordres Der König ließ ihn darauf in sein Cabinet rufen und behandelte, ihn wieder so gnädig wie sonst. E. K.

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Empsangsfcierkichkeiteir in Alt-Auppin. In der im Besitz desMagistrats zu Alt-Ruppin befindlichen handschriftlichen Chronik des Bür¬ germeisters Hoppe findet sich folgende merkwürdige Stelle aufgezeichnet, welche uns den Empfang königlicher Herrschaften in genannter Stadt' schildert. Es heißt dort: „Am Dienstag, den 3. Mai 1817 ward den Einwohnern Alt-Ruppins die Freude zu Theil, erstens den Kronprinzen, nachmaligen König Friedrich Wilhelm IV., zweitens die Prinzessin Char¬ lotte, nachherige Kaiserin von Rußland, und drittens die Prinzessin Friederike auf ihrer Durchreise von Lindow nach Neu-Ruppin und Wustran hier zu sehen. Die hohen Herrschaften wurden auf dem Friedrich-Wilhelms» Platze, wo eine Ehrenpforte errichtet war, vom Magistrat und den Stadt¬ verordneten bcwillkommt und den Prinzessinnen, damals beide Bräute, von einer Anzahl weißgekleideter Jungfrauen Blumen überreicht. Die Fischer singen die hohen Herrschaften beim lleberfahren über die Schloßbrücke mit ihren sinnreich ausgespannten Netzen auf, und die Frau des Fischers Arndt übergab Hochdenselben einen großen Karpfen. Hierüber sowohl, als über den herzlichen Empfang überhaupt, besonders über den Scherz der Fischer haben die hohen Herrschaften sich sehr beifällig geäußert — L. — und dem Magistrat dafür ihren Dank geäußert." -

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Gedenktage. — „Verfestet", eine Berliner Geschichte aus Jahre 1380 von Oskar Schwebe! (Schluß). — Feuilleton: Kunstkritik vor hundert Jahren. — Die Hartung'schcn Schulen i>r Berlin, aus der Jugenderinnerung eines alten Berliners, mitgetheilt von Dr. Heinrich Otte (Schluß); Eine Pfingstwanderung in der Mark, von Adolf Boettichcr; Kathinka Balmy, von H. Wagener. — Miscellen: Die Jubiläumsausgabe von Menzel's Illustrationen zu den Werken Friedrichs des Großen (mit drei Abb.); Friedrich II. und General Katzler; Servis- und Einquartierungswesen Potsdams aus den Tagen Friedrichs des Großen; Bastiani; Der Prinz von Homburg in Neustadt;. Empfangsfeierlichkeiten in Alt-Ruppin; Professor Adolph Menzel (Portrait).. — Inserate.

Inhalt:

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M» «ter Gewohnheit ist beim Menschen eine ausserordentlich grosse, weshalb es nur sehr schwer gelingt, dieselbe zu brechen. Trotzdem rathen wir allen Denjenigen, welche seither bei habitueller Verstopfung, Hämorrhoidalbeschwerden etc. eröffnende Mittel, wie Rhabarber, Bittersalz, Sulzberger Tropfen etc. anwendeten, sich zu einem Versuch mit den bekannten Apotheker R. Brandt’s Schweizerpillen zu eutschliessen, derselbe wird sicher zu aller Zu¬ friedenheit ausfallen und beweisen, dass die Schweizerpillen das beste von allen Abführmitteln sind. Man versichere sich stets, dass jede Schachtel Apotheker R. Brandt’s Schweizerpillen (erhältlich a Schachtel Mk. 1 in den Apotheken) ein weisses Kreuz in rothem Feld und den Namenszug R. Brandt’s trägt und weise alle anders ver¬ packten zurück. Zu beziehen durch Wilhelm-Straße ss:

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-SlblLlers as Me ck bans Miliolslioje im Jahre 1825. (Mit Abbildung.) Gegenüber der Pfaueninsel liegt nach Süden hin ein anmuthiger, mit hohen Fichte» bewachsener Hügel; die Aussicht auf denselben ist halb ge¬ Die Pfauinsel liegt, schlossen und bekommt dadurch etwas Vertrauliches. wie in einen Rahmen gefaßt als ein heiteres Bild im Thale und man übersieht sie in all ihren Gruppen ihren äußeren Umrissen nach. Auf dieser stillen Höhe sammelt sich gern, wie von selbst das Gemüth, hier möchte man Hütten bauen. Friedrich Wilhelm III. ließ hier eine Hütte bauen und zwar ein Russisches Blockhaus mit allen ihm eigenthümlichen nationalen Einrichtungen nach einem Plan, den er sich aus Petersburg hatte kommen lassen. Zum Kastellan machte er einen geborenen Russen Namens Iwan, einen schönen alten Mann mit weißem, herabwallcndcm Barte. Als bald nachher Nikolaus I. und seine Gemahlin ihn besuchten, führte er diese seine Tochter (Prinzeß Charlotte) dorthin und sagte: „Siehe, ein russisches Bauernhaus. Es ist eine vollkommen treue Copie des Blockhauses, das Dir so wohl gefiel und in welchem wir froh waren, als Du wünschtest dir damals ein solches ich Euch in Petersburg besuchte. Haus und meintest, man könne darin ebenso vergnügt sein, wie in einem kaiserlichen Palaste. Dies Dein Wort habe ich behalten und zum Andenken daran gerade ein solches Haus hier Dir zu Liebe erbauen lassen. Heute wollen wir es froh einweihen und nach dem Dir theuersten Namen (Nikolaus) soll cs heißen für immer Nikolskojc." Dieser Ansprache folgte ein heiteres Familienfest und der König selbst gewann die Stelle so lieb, daß er zehn Jahre nachher durch Stiller und Schadow die Pctcr-Pauls-Kirche gleich daneben auf diesem Berge erbauen ließ. Die Abbildung zeigt das Blockhaus so, wie es im Jahre 1825 bei einem Besuch der Berliner Künstler durch einen der Theilnehmer abgezeichnet wurde. Moni alten Drih. Ei» Gedcnkblatt von K. Neumann-Strela (Ver¬ lag der Scnsenhauscr'schcn Buchhandlung, Grenadier-Straße 33). Der Schriftsteller Neümann-Strela, aus dessen Feder wir wiederholt Beiträge, hauptsächlich zur Berliner Literaturgeschichte gebracht haben, giebt zur Erinnerung an den hundertsten Todestag Friedrichs des Großen eine kleine volkSthümlich gehaltene Schrift heraus, die unter obigem Titel uns zu¬ gegangen ist. Der Verfasser beschreibt zunächst die Rückkehr des alten Fritz von der Parade am 9. September 1785, schildert dann den „Alten" auf Sanssouci im Verkehr mit seinen Ministem, seinen Freunden und hervorragenden Besuchern' während der letzten Tage seines thatenreichen Lebens, Nicht ohne Geschick sind damit Erinnerungen „aus der Jugend¬ zeit" und aus den Feldzügen des Heldenkönigs verbunden worden, denen eine genauere Beschreibung seines Endes und der Leichenfeierlichkciten, so¬ wie eine Reibe hübscher Einzelvorgänge sich anschließt. Bcigegeben sind ein Porträt Friedrichs »ach dem Originalgcmäldc von C. Bork, sowie ein Doppelbild „Im Parolesaale des Schlosses zu Berlin" nach einem Kupfer

„Probirt und bewährt gefunden“

iährigen schwerenLeideu finden werde. WittweMarieKauffmann,geb.Braudt, Liebenwalderstrasse 43. Man achte beim Ankauf in den Apotheken auf das weisse Kreuz in rothem Feld und den Xamenszug R. Brandts.

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Preis 2 Mark. — — Schlüters Aufenthalt in Petersburg (1718 und 1714). Preis 1 Mark.

Gedenktage. — Ina, ein Roman in Briefen von E. v. Hohen¬ — Feuilleton: Ein Wort für den Berliner Dombau, von P. Walle. — Rosenfeste in der Mark, von H. Sundelinp Nicolais Wohnhaus in der Brüderstraße, Gedenkblatt von Walter Schwarz. — Miscellen: Peter Bischer, der Erzgießer von Nürnberg (mit Portrait); Das Blockhaus Nikolskoje im Jahre 1825 (mit 9166.); Vom alten Fritz; Eine Hinrichtung im Jahre 1817; Bild aus einem Spreewalddorfe zur Sommerzeit (Abb.). — Inserate.

Inhalt:

hausen.

war das Urtheil

eines bedeutenden Professors. Berlin. Sehr geehrter Herr! Ihre werthen Schweizerinnen habe ich richtig erhalten, bin Ihnen aufrichtig dankbar dafür und kaun mit innigster Ueberzeugung den Schweizerpillen das Wort reden, dieselben sind wirklich sehr gut und ich werde sie gewiss empfehlen, wo ich nur kann. Ich leide seit Jahren am Gehör, verbunden mit fast fortwährenden heftigen Kopfcongestionen und Blutandrang nach oben, Herzbeklemmungen, Athemnoth auch Hämorhoideu, aber seit ich die Pillen nehme, treten die Leiden nicht mehr so heftig auf, darum habe ich das feste Vertrauen, dass ich nach längerem Gebrauch der Sehweizerpilleu (welche in den Apotheken erhältlich) gewiss in hohem Maasse Besserung meiner viel-

gu beziehe» durch Wilhelm-Straße 85:

von Chodowiecki, der auf demselben neben dem König, dem Prinzen Fer¬ dinand, dem Prinzen Friedrich Wilhelm, dem Herzog Ferdinand von Braunschwcig und dem General von Zieten u. A. die Generale Schulen¬ burg, Holzendors, Prillwitz, Möllendorf, Wartcnberg und von Braun in charakteristischer Gruppirung vereinigt hat. (Der Preis der Neumann'schen Schrift beträgt 75 Pfennige). — fine Einrichtung im Jahre 1817. Ein alter Märker erzählte unlängst in der „Voss. Ztg." Einiges über eine Hinrichtung, die vor „Der ganze Ort war auf den sechszig Jahren in Brandenburg stattfand. Beinen; die Einwohner der umliegenden Dörfer hatten sich ebenfalls aufgemacht, um einen Nebenmenschen vom Leben zum Tode bringen zu sehen. Die gesammte Gamison, bestehend aus der Jnvalidenkompagnie Nr. 7 und einer Schwadron des 6. Kürassierregiments hatte einen Kreis um das Schaffst dicht vor dem gemauerten Galgen vor der Neustadt gebildet. Der Delinquent, ein Soldat der Jnvalidenkompagnie, hatte in der Tmnkenheit ein Kind seines Nachbars getödtet. Das Gericht hatte ihn zum Rädern von unten heraus verurtheilt. Ein Gesuch um Umwandlung der Strafe in Enthauptung blieb ohne Erfolg. Die Schulen waren nicht geschloffen, standen aber leer. Wir stellten uns an der Klosterkirche von Sanct Jakob auf. Schräg gegenüber stand die ein¬ Die einzige stöckige Stadtförsterdienstwohnung neben der Försterbrücke. Tochter dieses Beamten lag mit einigen ihrer Freundinnen inc offenen Fenster. Nach längereni Warten kam der Zug an. Der Führer des Exekutionskommandos war der Oberst z. D. Herr v. Welling, links an seiner Seite ritt ein Lieutenant des Kürassierregiments, der Prinz von Schwarzburg-Rudolstadt. Dann kam der Delinquent, leicht gefesselt; sein Gesicht entstellten graue Bartstoppeln, er trug gelbe bocklederne Hand¬ schuhe und ging Arm in Arm mit dem Polizeidiener Eichbaum; beide waren Kriegskameraden aus der Rheinkampagne 1792 und von 1806 und 1813. Der Delinquent, Kirschbein mit Namen, hatte es verschmäht, den hinter ihm herfahrenden, mit Strohbündeln versehenen Leiterwagen zu besteigen. Er war sehr erregt, wahrscheinlich in Folge der in der Nacht zuvor eingenommenen Henkersmahlzeit, und focht, lebhaft erzählend, mit den Handschuhen in der Luft. Gerade als er dicht vor uns vorbei¬ schritt, riß er sich von dem Eichbaum los und sprang an das Fenster, woraus die jungen Mädchen schauten, umarmte die Försterstochter, gab ihr mit dem Stoppelbarte einen Kuß und schrie: „Den letzten Kuß, bevor ich sterbe!" Ein furchtbares Aufkreischen! Er aber nahm ruhig den Urm des hinter ihm herslürzenden Polizeidieners und schritt seinem Schicksal entgegen. Kurze Zeit darauf sahen wir das Rad über den Köpfen des Militärs in der Luft sich erheben, man zählte neun Mal. Mehrere Weibsbilder drängten sich durch die Versammelten, um ihre weißen Tücher in das vergossene Blut einzutauchen. Es war schauerlich, einen gesunden Menschen durch Zermalmen der Schienbeine, Schenkel, Arme, Brustbein und Nackenknochen (letzteres nannte man den Gnadenstoß), langsam dahin¬ sterben zu sehen. Das Rad war vorher feierlich eingeweiht worden. Der Ober-Bürgermeister und Polizeidirektor in einer Person nebst 2 Stadt¬ räthen hatten sich in die Werkstatt eines Stellmachernieisters begeben, um durch drei Schläge mit einem Beile das in der Arbeit begriffene Rad zu heiligen."

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