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German Pages 69 Year 2009
FRIEDRICH-CHRISTIAN SCHROEDER
Der Blitz als Mordinstrument Ein Streifzug durch 150 Jahre Strafrechtswissenschaft
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FRIEDRICH-CHRISTIAN SCHROEDER
Der Blitz als Mordinstrument
FRIEDRICH-CHRISTIAN SCHROEDER
Der Blitz als Mordinstrument Ein Streifzug durch 150 Jahre Strafrechtswissenschaft Anhang: Die Genesis der Lehre von der objektiven Zurechnung
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISBN 978-3-428-12940-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 * Internet: http://www.duncker-humblot.de
Inhalt I.
Occidere – causam mortis praestare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
II.
Conditio sine qua non . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
III.
Die Regel des Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
IV.
Fehlender Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
V.
Keine „adäquate“ Verursachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
VI.
Keine Berechenbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
VII.
Der Traum vom Gewitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
VIII.
Das Erbmotiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
IX.
Das Grundwasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
X.
Romane und Dramen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
XI.
Rechtsnormwidrigkeit als Erhöhung der Möglichkeit der Vereitelung des Normzwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
XII.
Die Erbtante auf der Eisenbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
XIII.
Streit um den Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
XIV.
Keine „objektive Zurechnung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
XV.
Gesetzmäßige Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
XVI.
Keine „Tatherrschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
XVII. Kein „Vorstellungsbild“ des Tötens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 XVIII. Keine „Sozialadäquanz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 XIX.
Diverses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
XX.
Keine Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
XXI.
„Lehrbuchkriminalität“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
XXII. Neubelebung der Lehre von der objektiven Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
6
Inhalt
XXIII. Blitz und Aids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 XXIV. Der Erbonkel als Täter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 XXV.
Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Anhang: Die Genesis der Lehre von der objektiven Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Der Blitz als Mordinstrument Ein Streifzug durch 150 Jahre Strafrechtswissenschaft
Die Rechtswissenschaft besteht nicht nur in Thesen und Theorien zur Systematisierung und Auslegung der Gesetzgebung. Sie entwirft auch ausgeklügelte Fälle, mit denen sie ihre Theorien belegt und konkurrierende Theorien herausfordert oder zu widerlegen sucht. Einige dieser Fälle sind unsterblich und – wie es scheint – um so unsterblicher, je lebensfremder sie sind. Anhand eines solchen Falles, der die deutsche Strafrechtswissenschaft bereits seit 150 Jahren beschäftigt, möchte ich die Entwicklung der Strafrechtswissenschaft in dieser Zeit aufzeigen. Dabei will ich auch den Wandel der Sprache der Wissenschaft dartun und werde daher die beteiligten Wissenschaftler häufig zu ihrem eigenen Wort kommen lassen. I. Occidere – causam mortis praestare
Im Jahre 1865 bildete ein „Professor Dr. Hugo Böhlau zu Rostock“ im „Archiv für Preußisches Strafrecht“ den Fall, daß jemand „bei einem heftigen Gewitter seinen Feind in einem Walde spaziren führt in der bestimmtesten Hoffnung, ein Blitz werde den Feind tödten“. Böhlau war vor allem durch eine Monographie über den Mordfall Rose-Rosahl1 bekannt geworden, der ebenfalls noch heute in keiner Vorlesung fehlen darf – aber ich kann hier nicht noch weiteren berühmten Strafrechtsfällen nachgehen. Mit seinem Gewitter1 Der Kriminal-Prozeß Rose und Rosal. Besprochen von Dr. Hugo Böhlau, Weimar 1859. S. a.: Replik in Sachen wider Rose und Rosal, Archiv für Preußisches Strafrecht, Bd. 8 (1860), S. 156 ff.
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Fall wollte Böhlau seinem Heidelberger Kollegen Ernst Immanuel Bekker zu Hilfe kommen. Dieser hatte in einer vielbeachteten „Theorie des heutigen Deutschen Strafrechts“ die Straflosigkeit der Tötung eines Diebes durch eine Selbstschußanlage mit der zivilrechtlichen Lehre – es war die Zeit, in der die Wissenschaft des Zivilrechts alle anderen Disziplinen überstrahlte – von den unmöglichen Bedingungen zu begründen versucht. Der Tod des Eindringlings sei an eine widerrechtliche und damit unmögliche Bedingung geknüpft und deshalb dem Handelnden nicht zur Schuld zuzurechnen2. Nach Böhlau ist, wie er schon zum Fall Rose-Rosahl ausgeführt habe, auf den von den römischen Juristen zur lex Aquilia herausgearbeiteten Unterschied zwischen occidere und causam mortis praestare abzustellen. Böhlau greift zunächst zu Metaphern: „Wer seinen Willen, einen Andern zu tödten, nicht weiter verwirklicht, als daß er diesen Andern mit der Möglichkeit eines Unglücks in ein gleichsam nachbarliches Verhältniß, wer seinen Feind und die causa mortis dicht nebeneinander setzt, ist auch im Fall tödtliches Ausganges des ganzen Drama noch kein Mörder. Nur der ist dies, welcher jene Nachbarschaft zu einer Vereinigung macht, die causa mortis aktuell auf den Feind applicirt.“ Das causam mortis praestare werde zum occidere, wenn diese Applikation eine notwendige sei. Notwendig sei der Erfolg einer Handlung aber nur, wenn er durch Gesetze bedingt sei. Nur das nach Gesetzen regelmäßig Eintretende könne durch menschliche Handlungen bewirkt werden. Wohl lasse sich die Absicht auf einen nicht gesetzlich notwendigen Erfolg, z. B. auf den Tod des Feindes, welchen man einem Gewitter exponiert, richten, bewirken lasse sich ein solcher Erfolg aber nicht3. Wir werden später sehen, daß dies eine erstaunlich moderne Begründung der Straflosigkeit in dem Gewitterfall ist. Allerdings beeinträchtigt Böhlau die Klarheit dieser Erkenntnis anTheorie des heutigen Deutschen Strafrechts, 1859, S. 604 ff. Occidere und causam mortis praestare, Goltdammer’s Archiv für Preußisches Strafrecht, Bd. 13 (1865), S. 472 ff. 2 3
II. Conditio sine qua non
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schließend durch unnötige Ausschweifungen. Die Gesetze, die einen Erfolg zum notwendigen machen, könnten ebensowohl Naturgesetze als ethische, zum Beispiel die Ordnung von Berufs- und Amtstätigkeit, als lediglich konventionelle sein. Als Beispiel für die Bedingung eines Erfolgs durch konventionelle Gesetze dient ihm der Fall, daß jemand einem Hausfreund vergiftete Limonade zum Trinken vorsetzt. Die Gesetze könnten auch höchst individuelle, vom occidendus sich selbst gesetzte, sein wie z. B. die regelmäßige späte nächtliche Heimkehr. Wenn jemand die Kellertür im Hausflur offenlege, auf daß der occidendus in die Öffnung seinen tödlichen Fall tue, bewirke er nach Gesetzen, unter welche Denat sich gestellt habe, den Tod. Bekkers Tötung des Diebes sei straflos, weil das Verbrechen gegen das oberste Gesetz verstoße und Willkür sei. Willkür sei unberechenbar, wie die Wirkung des Blitzes im Ausgangsfall.
II. Conditio sine qua non
Etwa zur gleichen Zeit entwickelte der Reichsgerichtsrat Maximilian v. Buri gegen die damals herrschende Unterscheidung von Bedingungen und Ursachen seine Lehre von der Gleichwertigkeit aller Bedingungen. Ursache war danach jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden könne, ohne daß der Erfolg entfiele (conditio sine qua non)4. Danach mußte im Gewitterfall Kausalität für den eingetretenen Tod vorliegen, denn wenn der Täter seinen Feind nicht im Walde spazierengeführt hätte, wäre er nicht vom Blitz erschlagen worden.
4 Zur Lehre von der Teilnahme an dem Verbrechen und der Begünstigung, 1860; Ueber Causalität und deren Verantwortung, 1873; Die Causalität und ihre strafrechtlichen Beziehungen, 1885 u.ö.
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Der Blitz als Mordinstrument
III. Die Regel des Lebens
Der Breslauer Professor Carl Ludwig von Bar warf v. Buri eine unzulässige Umkehrung des Grundsatzes „Was nicht Bedingung ist, kann auch nicht Ursache sein“ vor und entwickelte zur besseren Begründung des Unterschieds zwischen Ursache und Bedingung die Formel: Ein Mensch ist im rechtlichen Sinne Ursache einer Erscheinung, insofern er als die Bedingung gedacht wird, durch welche der sonst als regelmäßig gedachte Verlauf der Erscheinungen des menschlichen Lebens ein anderer wird5. Mit dieser vieldiskutierten Formel von der „Regel des Lebens“ lehnte er in Böhlaus Gewitterfall einen Mord ab, falls der Täter den anderen nicht an besonders gefährliche Orte zu gehen veranlaßt habe6. v. Bar fügte den damals – 1871 – sehr modernen Fall hinzu, daß jemand einen anderen in Tötungsabsicht auffordert, mit der Eisenbahn zu fahren, und tatsächlich ein Unglück passiert7. Dem hielt wenig später in der „Kritischen Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft“ der Münchner Professor August Geyer entgegen: „Hier müssen wir nun die Frage aufwerfen: Was entspricht eigentlich in den Fällen, wo Zurechnung des Erfolges angenommen wird, nicht der ,Regel des Lebens‘? Die Tätigkeit? . . . Die Tätigkeit bleibt an sich der Regel entsprechend . . . Das ,Regelwidrige‘ ist also immer nur der Dolus“. Auch wer in ganz außergewöhnlicher Weise, auf ein äußerst seltenes Zusammentreffen von Umständen rechne, einen Erfolg herbeizuführen suche, sei für dessen Eintritt verantwortlich. „Wir unsererseits zweifeln nicht daran, daß hier Mord zuzurechnen ist“8. 5 Die Lehre vom Causalzusammenhange im Rechte, besonders im Strafrechte, 1871, S. 11 (gegen Böhlaus Begründung der Straflosigkeit der Selbstschußanlage S. 86 ff.). 6 A. a. O. S. 15. 7 A. a. O. S. 20 Anm. 4. 8 Rezension, 14. Band, 1872, S. 161 ff., 170 ff. Gegen Böhlaus Begründung der Straflosigkeit der Selbstschußanlage S. 172 ff., gegen v. Bars dazu erfolgten Hinweis auf das „allgemein Übliche“ S. 174: „In Niederbayern,
IV. Fehlender Vorsatz
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IV. Fehlender Vorsatz
v. Buri bejahte zwar den Kausalzusammenhang, lehnte aber den Vorsatz ab, da dieser – im Gegensatz zum bloßen Wünschen und Hoffen – ein Bewußtsein von der Tauglichkeit der Handlung erfordere9. 1881 befreite der Bonner Professor Hugo Hälschner in seinem Buch „Das gemeine deutsche Strafrecht systematisch dargestellt“ („gemein“ bedeutet hier „allgemein“ und nimmt auf die Einführung eines gesamtdeutschen Strafrechts durch die Reichsgründung von 1871 bezug) den Gewitterfall immerhin von der Realitätsferne, daß der Spazierenführende ja in aller Regel von dem Blitz genauso getroffen worden wäre. Hälschner wandelte den Fall dahingehend um, daß jemand einen anderen „in dem Wunsche, daß er vom Blitze erschlagen werden möge, veranlaßt, sich während des Gewitters unter einen Baum zu stellen“10. Auch nach Hälschner fehlt nicht der Kausalzusammenhang, sondern der Vorsatz. Wollen könne der Mensch nur, was er sich bewußt sei zu vermögen. Mit seinen Wünschen könne der Mensch über sein Vermögen hinaus gehen, aber er habe, wenn er dabei gehofft habe, daß der Zufall die weiteren Bedingungen hinzufügen werde, weil es über sein Vermögen gegangen sei, alle den Erfolg verursachenden Kräfte in Wirksamkeit zu setzen, den seinem Wunsche entsprechenden Erfolg nicht als vorsätzlich verursacht zu verantworten. Dem widersprach erneut der Münchner Professor August Geyer: Das Maß der vom Täter vorausgesetzten Unwahrscheinlichkeit könne nicht zur Grenzbestimmung zwischen Wollen und Wünschen dienen11. um an etwas Naheliegendes zu erinnern, ist es bekanntlich auf dem Land allgemein üblich, am Kirchtag zum mindesten einen Menschen im Raufhandel umzubringen, bisher ist das aber von den Gerichten noch nicht als Gewohnheitsrecht anerkannt worden“. 9 Ueber Causalität und deren Verantwortung, 1873, S. 15 f. (anhand des Eisenbahnfalles). 10 Erster Band, S. 287. 11 Grundriß zur Vorlesung über gemeines deutsches Strafrecht, 1. Hälfte, 1884, S. 121 f.
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Ein Wiener Wissenschaftler namens Heinrich Lammasch wandelte den Fall in der Zeitschrift mit dem schönen Namen „Grünhut’s Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart“ dahingehend ab, daß jemand einen anderen in mörderischer Absicht tödlich verwundet und dieser vor Eintritt des Todes von einem Blitz erschlagen wird. Lammasch verneinte den Kausalzusammenhang, wenn der Verwundete zur Zeit des Überfalls geschlafen habe, bejahte ihn jedoch, wenn er sich infolge der Verwundung noch am Ort des Blitzeinschlags befunden habe, während er sonst weitergegangen wäre12. Hier lehnte Lammasch mit v. Buri aber einen „Willenszusammenhang“ ab. In der Folgezeit setzte sich die Annahme des Kausalzusammenhangs weitgehend durch13. Schon im Jahre 1885 erklärte der Rektor der Universität Rostock Birkmeyer in seiner Rektoratsrede „Über Ursachenbegriff und Causalzusammenhang im Strafrecht“, der Fall des Spazierenführens im Gewitter gehöre zu den Beispielen, die immer wieder von einem Autor dem anderen entgegengeschleudert, aufgefangen und mit einer neuen Spitze versehen zurückgeworfen würden und nie auf den Boden kämen, ähnlich Jherings Problemen im juristischen Begriffshimmel14. V. Keine „adäquate“ Verursachung
Gegen die Ausweitung der Kausalität auf alle Bedingungen für den Erfolg entwickelte der Freiburger Physiologe Johannes v. Kries 1886 die Theorie der „adäquaten Verursachung“15. 12 Handlung und Erfolg. Ein Beitrag zur Lehre vom Causalzusammenhange. Grünhut’s Zeitschrift, Bd. IX (1882), S. 221 ff., 282 f. 13 Z. B. August Geyer, Grundriß zu Vorlesungen über gemeines deutsches Strafrecht, 1. Hälfte, 1884, S. 121 f. 14 Birkmeyer, Ueber Ursachenbegriff und Causalzusammenhang im Strafrecht, Zschr. Der Gerichtssaal, 37. Bd. (1885), S. 257 ff., 311. 15 Die Prinzipien der Wahrscheinlichkeitsrechnung, 1886; Über den Begriff der objektiven Möglichkeit und einige Anwendungen desselben,
V. Keine „adäquate“ Verursachung
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Neben der Verursachung im konkreten Fall nach der conditio sine qua non gebe es ein Verhältnis ganz anderer Art: daß Handlungen von einer gewissen Art verletzende Erfolge regelmäßig herbeiführen, dazu geeignet seien. v. Kries knüpfte hierbei an v. Bars „Regel des Lebens“ an. Die Theorie der Möglichkeit schaffe hierfür eine bestimmte Unterlage: gewisse Handlungen vermehrten die Möglichkeit eines verletzenden Erfolges. Man könne von einem „generellen ursächlichen Zusammenhang“ sprechen. Das allgemeine Rechtsgefühl lasse für die strafrechtliche Zurechnung die konkrete Verursachung nicht ausreichen, sondern verlange, daß das Verhalten generell geeignet sei, bestimmte Folgen herbeizuführen. In dem von Lammasch gebildeten Fall lehnte v. Kries eine Unterbrechung des Kausalzusammenhanges durch den Blitz ab. Die Besonderheit des Falles liege nur darin, daß eine Handlung einen Effekt, zu dessen Hervorbringung sie generell im höchsten Grade geeignet sei, infolge der ganz besonderen und der Voraussicht entzogenen Gestaltung eines Einzelfalles nicht herbeiführte16. Zur Unterstützung seiner Theorie bildete v. Kries einen eigenen Gewitterfall: Ein Kutscher verfehle den Weg, und dabei werde ein Fahrgast vom Blitz erschlagen17. Hier liege eine Verursachung vor, aber die Möglichkeit zum Schadenseintritt werde nicht vermehrt, das Verhalten sei nicht generell zur Herbeiführung des Erfolgs geeignet. Nicht gegen das Ergebnis, wohl aber gegen die Begründung von v. Kries wandte sich einige Jahre später ein nicht weiter bekannt gewordener Autor in „Jherings Jahrbüchern für die Dogmatik des Bürgerlichen Rechts“ – es ist übrigens wissenschaftshistorisch von Interesse, daß die rechtswissenschaftVierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie, 12. Jahrgg. (1888), S. 179 ff., 287 ff., 393 ff.; Über die Begriffe der Wahrscheinlichkeit und Möglichkeit und ihre Bedeutung im Strafrechte, ZStW Bd. 9 (1889), S. 528 ff. 16 Vierteljahresschrift für wiss. Philosophie, 12. Jahrgg. (1888), S. 210. 17 A. a. O. (Anm. 16), S. 201, 225; ZStW 9 (1889), S. 528 ff., 532. – Zust. v. Bar, Gesetz und Schuld im Strafrecht. Bd. II. Die Schuld nach dem Strafgesetze, 1907, S. 204.
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lichen Zeitschriften zur damaligen Zeit überwiegend einen Begründer hatten und – obwohl teilweise nicht im Titel – mit dessen Namen zitiert wurden: „Goltdammer’s Archiv für Strafrecht“18, „Aschaffenburgs Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform“, „Grünhut’s Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart“, „Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des Bürgerlichen Rechts“, „Seuffert’s Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten“. Unser Autor sagt: „Wenn wir nun auch mit v. Kries darin völlig übereinstimmen, daß von Unterbrechung des Kausalzusammenhanges unter keinen Umständen die Rede sein könne, so möchten wir doch seine Argumentation nicht ohne lebhaften Widerspruch lassen: Es ist zwar das Blitzen nichts Anderes als die nach den festbestimmten Naturgesetzen erfolgende Entladung der Elektricität, und wenn somit v. Kries bezüglich der Zeit der Entladung recht hat, so irrt er sich doch bezüglich des Ortes, denn der Blitz hätte nicht da, wo es thatsächlich der Fall war, eingeschlagen, wenn an diesem Ort der Mensch nicht gewesen wäre, der ihm ein geeigneter Leiter war, an welchem er seinen Fortgang nehmen konnte. Es müßte denn sein, daß der Ort, an welchem die tödtliche Verwundung erfolgte und an welchem der Getroffene liegenblieb, für sich selbst ein Anziehungspunkt für den Blitz war, z. B. ein Baum, eine freistehende Hütte, und der Mensch nur vom Blitz getroffen wurde, weil er sich an einem derartigen notorisch gefährlichen Ort befand . . . . v. Kries hat nur Recht für den Fall, daß der Verletzte ohne die ihm zugefügte Verwundung sich gar nicht an dem Orte, wo ihn der Blitz traf, befunden hätte“19. „Wenn der vom Blitz Erschlagene unter allen Umständen und ganz unabhängig von der Offiziell erhielt die Zeitschrift diese Bezeichnung erst 1953. C. Haß, Über die Verwertbarkeit des Gegensatzes von adäquatem und inadäquatem Kausalzusammenhang in der Lehre vom Interesse. Zugleich ein Betrag zur Lösung des Kausalitätsproblems in der Rechtswissenschaft, Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des Bürgerlichen Rechts, 37. Band, 1897, S. 327 ff., 404. – Zust. Rümelin, Straf- und Civilrecht, Archiv für die Civilistische Praxis, 90. Bd. (1900), S. 171 ff., 288 f. 18 19
VI. Keine Berechenbarkeit
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vorangegangenen Verwundung sich an dem Platze befunden hat, wo ihn der Blitz traf (z. B. ein Militärposten wird von einem Vorübergehenden angegriffen und verwundet, bleibt aber trotzdem auf seinem Platz, und es erschlägt ihn nach einigen Minuten der Blitz), so stehen diese beiden Ereignisse in gar keiner Verbindung miteinander, und für diese Fälle trifft dann zu, was v. Kries sagt, daß die Verwundung alles bewirkt habe, was sie unter den gegebenen Verhältnissen bewirken konnte. . . . In diesem Fall endet die Kausalität der Verwundung mit dem Eintritt des Blitzschlages, dieser aber beginnt u. E. (gegen v. Kries) eine neue Kausalitätsreihe, für die selbstredend der Verwundende nicht mehr verantwortlich gemacht werden kann“20. VI. Keine Berechenbarkeit
Im Jahre 1900 versuchte der Hallenser Privatdozent Moritz Liepmann den Einwand, daß die Adäquanztheorie die vorsätzliche Herbeiführung ungewöhnlicher Erfolgsverursachungen nicht erfassen könne, dadurch zu beheben, daß er an die Stelle der Adäquanz die Berechenbarkeit setzte. Dabei führte er aus: „Denn wie das Wirkliche stets möglich gewesen sein muß, so gehört auch das wirkliche Berechnete dem Gebiet des Berechenbaren an, mag es sich auch um noch so ungewöhnliche Verknüpfungsverhältnisse handeln“21. Diese These zog lebhafte Kritik eines der bekanntesten Strafrechtswissenschaftler der damaligen Zeit, des Straßburger Professors Max Ernst Mayer, auf sich: „Dieser Schluß grenzt gefährlich nahe an sophistische Erwägungen und hält einer genaueren Prüfung nicht Stand.“22 Nun kommt der Gewitterfall, und zwar in Gestalt eines Bauern, der sich seines Knechts entledigen will. „Das Mögliche wird Wirklichkeit, aber das, was der Bauer A. a. O. S. 406. Einleitung in das Strafrecht. Eine Kritik der kriminalistischen Grundbegriffe, 1900, S. 73. 22 ZStW Bd. 20 (1900), S. 545 ff., 549. 20 21
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sich berechnete, gehört nie und nimmer mehr dem Gebiete des Berechenbaren an. Noch schlimmer aber läge dieser Fall, wenn wir Liepmann Recht gäben; der Vorsatz des Bauers liegt klar zu Tage; das Berechnete wäre berechenbar und somit die objektive Zurechnung außer Frage; also müßte der Bauer wegen Totschlages, wenn nicht gar wegen Mordes bestraft werden! So ist uns keine andere Wahl gelassen als die zwischen Scylla und Charybdis“23.
VII. Der Traum vom Gewitter
Ebenfalls im Jahre 1900 wandte sich der Tübinger Zivilrechtler Max Rümelin gegen die Auffassung, daß bei unwahrscheinlichem Kausalverlauf stets jedenfalls der Vorsatz ausgeschlossen sei: „Wer der herrschenden Ansicht beipflichtet, muß in jenem construirten Fall, in dem A den B im Gewitter an eine Stelle führt, von der er geträumt hat, damit B dort vom Blitz getroffen werde, wenn nun zufällig die Erwartung eintrifft, wegen Mords strafen“24. Rümelin stellte für die Adäquanz auf die „menschliche Erfahrung“ ab und lehnte sie daher im Gewitterfall ab. Diesen Fall schmückte 1902 der damalige Lübecker Rechtsreferendar Gustav Radbruch in seiner Berliner Dissertation dramatisch aus: „Ein Mann träumt, er gehe mit seinem Kinde in den Wald und dies werde dort vom Blitze erschlagen. Er glaubt an die Bewahrheitung seiner Träume fest und sieht deshalb mit voller Gewißheit das Unheil voraus. In den nächsten Tagen, als er seinen Traum vergessen hat, geht er, während ein Gewitter aufzieht, mit dem Kinde ins Holz und dies wird – zufällig, sagen wir – vom Blitze erschlagen. Nun fällt dem Vater sein Traum wieder ein, sein Leichtsinn bedrückt ihn schwer und er fordert Bestrafung wegen fahrlässiger Tötung 23 Gegen Liepmann und M. E. Mayer auch Radbruch (u. Anm. 25), S. 377 ff. und Traeger (u. Anm. 30), S. 154 ff. 24 A. a. O. (Anm. 19), S. 227.
VIII. Das Erbmotiv
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seines Kindes“25. Hier liege keine logische Wahrscheinlichkeit vor; die vom Vater außer acht gelassene unheilvolle Erwartung stütze sich nicht auf ontologisches und nomologisches Wissen. Folglich entfielen subjektive Voraussehbarkeit und damit Fahrlässigkeit. Radbruch wandelt dann den Fall dahingehend ab, daß der traumgläubige Vater, um das Kind zu töten, im Gewitter mit ihm spazierengehe und es wirklich vom Blitze erschlagen werde. Subjektive Voraussehbarkeit liege nicht vor; Ahnungen vermöchten den Vorsatz nicht zu begründen26. Der Traumfall fand offensichtlich internationale Verbreitung. Denn 1911 erklärt der Münsteraner Professor Rosenfeld, ihn (in Gestalt des Eisenbahnfalles) der „reizvollen Sammlung ,Praktiske Opgaver i Strafferet‘ von Andreas Urbyes (1905) entnommen“ zu haben27. Der Lübecker Rechtsreferendar Radbruch wurde zwanzig Jahre später Reichsjustizminister und vor allem durch seine heute noch viel benutzte „Rechtsphilosophie“ berühmt; seine 1946 entwickelte These, daß es gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht gebe28, ermöglichte als sog. Radbruchsche Formel die Aburteilung der Staatsverbrechen des Nationalsozialismus und der DDR.
VIII. Das Erbmotiv
Im Jahre 1903 verlangte der Prager Privatdozent August Mirˇicˇka in seinem zunächst in – wie er im Vorwort sagt – „böhmisch“ veröffentlichten, wegen seiner Bedeutung aber 25 Die Lehre von der adäquaten Verursachung, 1902, S. 362. Radbruch verhehlt übrigens Rümelins Urheberschaft und gibt diese nur für den Tollkirschenfall an, den Rümelin wiederum seinem Kollegen Geib zuschreibt. 26 Zust. P. Pomp, Die sogenannte Unterbrechung des Kausalzusammenhangs, Strafrechtl. Abhandlungen, Heft 134, 1911, S. 71. 27 Schuld und Vorsatz im v. Lisztschen Lehrbuch, ZStW Bd. 32, S. 466 ff., 482. 28 Über gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht, Süddeutsche Juristen-Zeitung 1946, S. 105 ff.
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ins Deutsche übersetzten Buch „Die Formen der Strafschuld und ihre gesetzliche Regelung“ für die Schuld eine Zusammenschau subjektiver und objektiver Momente. Die Absicht der Verletzung fremder Rechtsgüter stehe auf der untersten Stufe der Sozialmäßigkeit. Daher genüge eine geringe Gefährdung. Von einer Erhöhung der Gefahr beim Blitz könne aber nur dann die Rede sein, wenn der Unterschied zwischen der größeren Gefahr an dem Orte, wohin das Opfer geführt wurde, und der allgemeinen Gefahr ein solcher sei, daß hier vom Standpunkte der Wissenschaft und der Erfahrung eine abnormal große Gefahr anzunehmen sei. Damit schloß er sich der Auffassung v. Bars (o. III) an, daß eine Strafbarkeit im Gewitterfall nur vorliege, wenn der Täter das Opfer an eine besonders gefährliche Stelle geführt habe. Dabei gab Mirˇicˇka als Absicht des Täters an, das Opfer zu beerben, und bildete die Beispiele, daß der Täter das Opfer an einen hohen, auf einer Anhöhe alleinstehenden Baum oder an den Blitzableiter anbinde29. Diese Ausschmückungen des Falles sollten für die weitere Entwicklung maßgeblich werden. Schon ein Jahr später griff der Marburger Strafrechtsprofessor Ludwig Traeger das Erbmotiv auf und formulierte den Gewitterfall folgendermaßen: „A. schickt seinen zehnjährigen Neffen, den er als nächster Verwandter beerben wird, während eines Gewitters auf eine mit hohen Bäumen bepflanzte Anhöhe, damit ihn dort der Blitz erschlage. Hat A. den Tod des in der Tat vom Blitze Getroffenen verursacht?“30. An dieser Fallgestaltung ist nun wieder sozialökonomisch wenig realistisch, daß hier ein Onkel einen Neffen beerben soll. Offensichtlich zielte der Fallgestalter darauf ab, daß der Neffe nur zehn Jahre alt ist und damit weniger Erfahrungswissen hinsichtlich Gewittern hat. An anderer Stelle übernahm Traeger die Fallgestaltung Max Ernst Mayers, nach der ein Bauer sei29 S. 140 ff., 176. Zust. Klee, Der dolus indirectus als Grundform der vorsätzlichen Schuld, 1906, S. 31. 30 Der Kausalbegriff im Straf- und Zivilrecht, 1904 (2. Abdruck 1929), S. 8, 76.
VIII. Das Erbmotiv
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nen ihm wegen der Mitwisserschaft um ein Verbrechen lästigen Knecht in den Wald schickt, damit ihn der Blitz erschlage (o. VI)31. In diesem Fall könne weder die Verursachung im Sinne der conditio sine qua non noch der Vorsatz abgelehnt werden; daher helfe nur die Adäquanztheorie. Traeger ging auch auf Radbruchs Fall ein, bei dem der Vater mit dem Kind im Gewitter spazierengeht. Hier fehlten in der Tat Fahrlässigkeit und Vorsatz. Wenn jedoch ein des Schießens unkundiger Mensch geträumt habe, er werde auf sehr große Entfernung wider jede Wahrscheinlichkeit seinen Nebenbuhler erschießen, und diesen Erfolg tatsächlich erreiche, so sei er sicherlich wegen Mordes zu betrafen. Der Unterschied könne nur darin gefunden werden, daß im Gewitterfall die Möglichkeit des Erfolgs, seine objektive Wahrscheinlichkeit in keiner oder doch nicht in nennenswerter Weise erhöht worden sei. Der Blitzgefahr seien wir beim Gewitter überall ausgesetzt, und wenn wirklich die Gefahr, vom Blitze erschlagen zu werden, im Walde etwas größer sein sollte, so rechne das Leben erfahrungsgemäß mit dieser Tatsache nicht32. Beim Schießen auf weite Entfernung werde dagegen die Möglichkeit des Erfolgs erhöht, ja überhaupt erst begründet. Traeger nahm schließlich auch noch zu dem von Haß (o. VI) in die Diskussion eingeführten Fall Stellung (ein Militärposten wird von jemandem vorsätzlich verwundet, bleibt aber trotzdem auf seinem Platz und wird dort vom Blitz erschlagen)33. Das zweite Ereignis stehe in keinem Zusammenhange mit dem ersten; der Posten hätte sich auch ohne jede Verwundung auf der selben Stelle befunden, die Verwundung sei deshalb für den Tod durch den Blitz keine conditio sine qua non. Wenn jedoch der von A verwundete B im Wald liegen bleibe und dort vom Blitze erschlagen werde, sei die Verwundung conditio sine qua non für die Tötung des B durch den Blitz; denn wäre B nicht verwundet worden, so hätte er sich nicht an jener Stelle des 31 32 33
A. a. O. S. 168 ff. A. a. O. S. 170. A. a. O. S. 178.
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Der Blitz als Mordinstrument
Waldes befunden, wo sich das Unwetter entlud. Nach übereinstimmender Ansicht werde hier Unbrechung des Kausalzusammenhangs angenommen, doch sei dies nicht begründbar. Josef Kohler, Berlin, eine der Eminenzen der deutschen Strafrechtswissenschaft, erklärte, daß er sich „bezüglich der strafrechtlichen Partie der Schrift völlig abweisend verhalten“ müsse34. Kohler war besonders erbost darüber, daß Traeger sein Beispiel kritisiert hatte, wonach das Säen die alleinige Ursache der Frucht und alles andere nur Bedingung sei. Eine solche Ansicht war nach Traeger „vor dem Forum der modernen Naturwissenschaft, die alle qualitativen Eigenschaften der Dinge auf quantitative räumliche und zeitliche Relationen zurückführt, wohl kaum zu verteidigen“35. Kohler: „Er meint wirklich, daß eine Ursache, welche qualitativ auf das Geschehen wirkt, sich in vielen Fällen nicht feststellen lasse, und damit ist er mit meiner reichlich durchdachten Lehre fertig“. Der Gewitterfall wird bei Kohler zu dem „bekannten Schwiegermutterfall“, wonach jemand als Mörder gelten muß, wenn er seine Schwiegermutter gezwungen hat, durch den Wald zu gehen, mit dem frommen Wunsch und der schüchternen Erwartung, daß der Blitz sie totschlage, – und wenn dies dann wirklich geschieht. Kohler wendet sich gegen Traegers Ablehnung eines adäquaten Zusammenhangs. „Nein: Der zutreffende Grund, warum wir den Schwiegersohn freisprechen, ist vielmehr der, daß der Täter auch bei Absichtsdelikten nur dann für den Erfolg seiner Tat einstehen muß, wenn er den Eintritt des Erfolges mindestens mit einfacher, wenn auch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorausgesehen hat, nicht aber dann, wenn er ihn als einen bloß möglichen erkannte. Daher ist der Herr Schwiegersohn trotz seiner lästerlichen Absicht freizusprechen.“ Kurz darauf wurde das Buch von Traeger von einem Hallenser Privatdozenten rezensiert, der zwanzig Jahre später als 34 35
Archiv für Strafrecht und Strafprozeß, Bd. 51 (1904), S. 327 ff. Traeger, a. a. O. S. 98.
IX. Das Grundwasser
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Bonner Professor eine neue Systematik des Strafrechts begründen sollte, Alexander Graf zu Dohna36. Traeger habe das von ihm formulierte Haftungsprinzip auf rein subjektiven Gefühlstatsachen aufgebaut. Es sei widersprüchlich, daß, wer einen anderen bei aufziehendem Gewitter in den Wald schicke, für dessen Tod nicht verantwortlich sei, wohl aber der Ehebrecher für seine Tötung durch den erbosten Ehemann. Nach Dohna fehlt der Vorsatz, denn niemand könne wollen, daß einen anderen der Blitz treffe. Wenn A vom B im Walde niedergeschlagen und später vom Blitze getroffen werde, so liege nur eine Körperverletzung mit Todesfolge vor.
IX. Das Grundwasser
Mit eigenartigen Argumenten gelangte der Zivilrechtsprofessor Paul Krückmann im Jahre 1909 zu einer Ablehnung der Kausalität. Man müsse, wie dies nun schon seit Jahren immer wieder von allen Seiten mit Recht betont werde, zu einer Einschränkung der Kausalität gelangen. Den Zankapfel bilde ja nur ein Studierstubenfall, aber er stelle doch eine Kategorie dar, der die Denkmöglichkeit nicht abzusprechen sei. Darum sei er zweifellos ein Prüfstein für jede Kausaltheorie: A schickt den B zur Gewitterszeit in den Wald, in der Hoffnung, B werde erschlagen. B wird vom Blitz erschlagen37. „Seine Eigenheit als Studierstubenfall bewährt der Fall darin, daß seine allgemeinen Voraussetzungen falsch sind. Die Blitzgefahr ist an sich im Walde nicht größer als im Freien. Sie ist nur dort größer, wo die Isolierung gegen das Grundwasser schlechter ist als an anderen Stellen. Kein Baum zieht Blitze 36 Monatsschrift für Kriminologie, 2. Jahrgang, 1905/06, S. 425 ff. – Erstmalige Einbeziehung des Vorsatzes in den Tatbestand in: Der Aufbau der Verbrechenslehre, 1936. 37 Verschuldensaufrechnung, Gefährdungsaufrechnung und Deliktsfähigkeit, Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des Bürgerlichen Rechts, 55. Bd. 1909, S. 1 ff., 41 ff. S. a.: Das juristische Kausalproblem als Problem der passendsten Fiktion, ZStW 37. Bd. (1916), S. 353 ff., 361 f.
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Der Blitz als Mordinstrument
an, es sei denn, daß er inwendig hohl und infolgedessen feucht ist und daher eine Leitung in das Grundwasser darstellt. Aber wir wollen einmal dieses Beispiel, so schlecht es ist, annehmen, denn vor ihm soll jede Theorie Rede stehen“. Krückmann führt alle Kausalität auf „Bewegungen“ zurück und nimmt die Indienststellung von sog. Fremdbewegungen nur an, wenn sie von der Eigenbewegung beherrscht würden, ein gewisses Maß von Berechenbarkeit, von Wahrscheinlichkeit aufwiesen.
X. Romane und Dramen
Allmählich verstärkte sich die Kritik an dem Fall als solchem. So erklärte v. Bar 35 Jahre nach seiner o. III erwähnten ersten Stellungnahme: „Es werden dergleichen in Romanen und Dramen zu benutzende Fälle auch kaum zur gerichtlichen Entscheidung gelangen, da es an einem greifbaren, auf ein Verbrechen deutenden Tatbestand fehlt, und vermutlich wer in solchen Fällen sich der Behörde anzeigen möchte, für geisteskrank angesehen werden würde“38. Ein Doktorand meinte keß: „Übrigens geht Fällen von der Art der in Frage stehenden offenbar jede praktische Bedeutung ab. Sie werden auch dadurch, daß sie stets von neuem gegen die Bedingungstheorie ins Feld geführt werden, um nichts beweiskräftiger“39. Wir werden sehen, wie die abfällige Kritik an dem Gewitterfall immer mehr zunimmt.
XI. Rechtsnormwidrigkeit als Erhöhung der Möglichkeit der Vereitelung des Normzwecks
1912 versuchte der Tübinger Privatdozent Max Ludwig Müller den Streit zwischen der Bedingungs- und der Adäquanztheorie der Kausalität dahin zu lösen, daß er neben der Kausalität im Sinne der Bedingungstheorie eine sog. „Rechts38 39
Gesetz und Schuld, Bd. II, 1907, S. 201. P. Pomp (Anm. 26), S. 72.
XII. Die Erbtante auf der Eisenbahn
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normwidrigkeit“ des Verhaltens verlangte. Rechtsnormwidrig sei ein Verhalten, das die objektive Möglichkeit der Vereitelung des in einer Norm gesetzten Zweckes erhöhe. Hier kämen die Gesichtspunkte der Adäquanztheorie zum Tragen40. In Anknüpfung an Mirˇicˇka (o. VIII) verlangte er, neben dem Grad der Gefährdung die Wichtigkeit des gefährdeten Zwecks und den Zweck der zu beurteilenden Handlung zu berücksichtigen. Je wichtiger der von der Norm verfolgte Zweck und je weniger nützlich der von der Handlung verfolgte Zweck sei, desto geringer könne der Grad der Gefährdung sein, derentwegen die Handlung rechtsnormwidrig sei. Nach Müller fehlt die Rechtsnormwidrigkeit, wenn ein objektiver Zweck des dem Neffen erteilten Auftrages die minimale Gefährdung rechtfertige. Traegers Gewitterfall sei daher nicht genügend bestimmt, um eine sichere Entscheidung zuzulassen41 – eine unter Juristen beliebte Argumentationsfigur42. Auch will er bei einer „geringen Erhöhung der Todesmöglichkeit“, einer „zwar minimalen, aber immerhin beachtlichen Gefährdung“, z. B. wenn der Onkel dem Neffen befohlen hat, auf die Anhöhe zu gehen und sich dort unter den höchsten Baum zu stellen, eine Rechtsnormwidrigkeit bejahen43.
XII. Die Erbtante auf der Eisenbahn
Karl Binding, mit seinem vierbändigen Werk „Die Normen und ihre Übertretung“ einer der bedeutendsten deutschen Strafrechtswissenschaftler, erklärte 1914 in der ihm eigenen patriarchalischen Ausdrucksweise, daß „hinsichtlich der Kausalität eine der allgemeinen Anerkennung sichere Antwort öfter nicht gegeben werden kann“. „Man denke an die bei40 Die Bedeutung des Kausalzusammenhanges im Straf- und Schadensersatzrecht, S. 27 ff., 58 f. 41 A. a. O. S. 37 ff., 59 Anm. 1. 42 An anderer Stelle (S. 59) hält er allerdings die Absicht der unverbotenen Handlung für völlig irrelevant. 43 A. a. O. S. 39 f., 59 Anm. 1.
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den kindlichen Schulbeispiele, in deren einem Jemand bei starkem Gewitter seinen Feind unter eine einzelne hohe Tanne legt, damit ihn der Blitz von ihm befreie, und in deren anderem der Neffe die Erbtante auf der Eisenbahn zu fahren überredet, in der Hoffnung, es gäbe ein Unglück. Für mich ist hier nicht zweifelhaft, daß, wenn die Rechnungen zuträfen, ich im ersten Falle die Kausalitätsfrage bejahen, im zweiten verneinen würde“44. Binding hatte damit allerdings den Fall entscheidend verändert. Der Gewitterfall wurde wieder von dem Erbproblem befreit. Das „unter eine Tanne legen“ bedeutet offensichtlich wie bei Mirˇicˇka (o. VIII) ein gewaltsames Vorgehen. Die Erbproblematik wird auf den Eisenbahnfall verlagert, dabei der erbberechtigte Onkel in eine „Erbtante“ verwandelt, also offensichtlich eine erblassende Tante. Der Onkel als Täter wird zur Tante als Opfer – sicherlich lebensnäher45.
XIII. Streit um den Vorsatz
Die meisten Autoren versuchten unter Anerkennung der conditio-sine-qua-non-Theorie, die Straflosigkeit wie schon v. Buri und Hälschner (o. V) auf einen fehlenden Vorsatz zu stützen. Damals tobte ein Streit, ob das Wesen des Vorsatzes im Willen oder in der Vorstellung des Erfolgs liege. Die Anhänger der Willenstheorie verneinten im Gewitterfall das Wollen; es liege nur ein Wünschen vor46. Rosenfeld vermißte bei dem Bauern „das Urhebergefühl, er erlebt sich in bezug auf den Tod des Knechtes gar nicht als tätig werdend, die 44 2. Aufl., 2. Band, 1. Hälfte, 1914, S. 475, Fußn. 4. Binding bestimmte die Ursache nach dem „Übergewicht“ der dem Erfolg günstigen Umstände und bekämpfte die conditio-sine-qua-non-Lehre v. Buris wegen ihrer Ausweitung über die tatbestandsverwirklichende Handlung hinaus (S. 477 ff.). 45 Was hieran „ironisch“ sein soll (Schünemann, Über die objektive Zurechnung, GA 1999, 207 ff., 210 Anm. 15), bleibt unklar. 46 Z. B. Coenders, Strafrechtliche Grundbegriffe, 1909, S. 105 f.; Mezger, Strafrecht, 1931, S. 127, 339.
XIII. Streit um den Vorsatz
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– vielleicht erschütternde – Gemütsbewegung: das ist dein Werk! macht er nicht durch“47. Rosenfeld benutzte den Gewitterfall zu einem Argument gegen die Vorstellungstheorie: sie müsse den Vorsatz bejahen. Deren Anhänger verneinten jedoch z. T. das Wissen bzw. Voraussehen als Element des Vorsatzes48. Diesen Auffassungen hatte schon 1905 der uns schon bekannte (o. VI) Moritz Liepmann entgegengehalten, daß der Vorsatz ein Reflex des objektiv Verwirklichten im Bewußtsein des Täters, eine subjektive Prognose seiner objektiven Kausalität sei. Wer daher mit der Bedingungstheorie die Kausalität bejahe, könne den Vorsatz nicht ablehnen. Ähnliches gelte für die Fahrlässigkeit49. Dagegen erwiderte der Gießener Privatdozent Karl Engisch allerdings zu Recht, daß die Vorsatzform der Absicht sich nicht in einem bloßen Bewußtsein erschöpfe, sondern eine zusätzliche emotionale Beziehung des Täters zu der Tat umfasse, die über das bloße Bewußtsein der Kausalität hinausgehe50. Viel zu weit ging die Auffassung Reinachs, der ein Bewußtsein der Gewißheit oder zumindest großer Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts infolge seines Verhaltens verlangte51. Nach Hans Tarnowski – seine 1922 entstandene Arbeit konnte, wie er im Vorwort schreibt, „wegen der ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Nachkriegszeit“ erst durch Unterstützung seitens der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft 1926 veröffentlicht werden – verlangt der Vorsatz ein Bewußtsein der Gefährlichkeit; diese werde Anm. 27. Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 18. Aufl. 1931, § 59 IX 2 (für den Fall der Veranlassung zu einer Eisenbahnreise). 49 Zur Lehre von der „Adäquaten Verursachung“, GA Bd. 52 (1905), S. 326 ff. Traeger warf er vor, die Adäquanztheorie nur bei absichtlichem Verhalten heranzuziehen, da es andernfalls zu „mit unserem Rechtsgefühle nicht vereinbaren Entscheidungen“ komme (S. 330 f.). 50 Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit im Strafrecht, 1930, S. 156 f. 51 Über den Ursachenbegriff im geltenden Strafrecht, 1905, S. 18, 46, 53 ff. 47 48
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im Gewitterfall nicht erhöht52. Dem hielt der Gießener Privatdozent Karl Engisch entgegen, daß wenn der Förster – aus dem Onkel und dem Bauern ist inzwischen ein Förster geworden! – seinen Gehilfen aus dem mit Blitzableitern geschützten Forsthaus in den Wald schickt, die Gefahr durchaus begründet werde53. Die Lösung könne daher nur – wie schon bei Radbruch (o. VII) – darin liegen, daß die „psychologische Realisierung eines Wahrscheinlichkeitsurteils“ fehle54. Schließlich ging Engisch noch auf den Rümelin-Radbruchschen Fall (o. VII) ein, daß der Täter das Bewußtsein der Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts nur aus abergläubischen Gründen besitzt, z. B. der Förster vorher geträumt habe, der Gehilfe werde durch einen Blitz erschlagen, und ein traumgläubiger Mann sei. Hier müsse der Vorsatz abgelehnt werden, weil das Verhalten wegen völliger Untauglichkeit nicht gesetzlich verboten sei55.
XIV. Keine „objektive Zurechnung“
Im Jahre 1927 griff in einer Göttinger Dissertation ein Karl Larenz auf der Grundlage der Zurechnungslehre Hegels die Vorherrschaft der Kausalitätsbeziehung bei der Zurechnung von Geschehnissen an. Er stellte statt dessen darauf ab, ob das Geschehen die eigene Tat des Täters oder Zufall sei. Entscheidend sei die Möglichkeit der Beherrschung eines Naturgeschehens, der objektive Zweck als Möglichkeit des Willensinhalts. Hierfür verwendete Larenz den Begriff der „objektiven Zurechnung“, der als Übersetzung des lateinischen Wortes „imputatio“ schon im 17. Jahrhundert in der Rechtswissenschaft aufgekommen war (man denke an den heute noch gelegentlich 52 Die systematische Bedeutung der adaequaten Kausalitätstheorie für den Aufbau des Verbrechensbegriffs, S. 156, 173 ff., 207 ff. 53 Anm. 50, S. 161. 54 Anm. 50, S. 162 f. 55 Anm. 50, S. 167 ff.
XV. Gesetzmäßige Bedingung
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verwendeten Begriff der „Zurechnungsfähigkeit“), aber dann in Vergessenheit geraten und erst 1910 von Hans Kelsen in seinen „Hauptproblemen der Staatsrechtslehre“ wieder in die Diskussion eingeführt worden war. In dem Gewitterfall fehle die objektive Zurechnung. Die Adäquanztheorie sei im Ansatz richtig, müsse aber präzisiert werden56. Hieran knüpfte wenig später der Göttinger Professor Richard Honig an. Er verlangte – ähnlich wie schon zuvor Max Ludwig Müller (o. XI) – neben dem Kausalzusammenhang ein Urteil über die „objektive Zurechnung“57. In Anknüpfung an die Äußerungen von Krückmann (o. IX) und Larenz über die Beherrschung und Beherrschbarkeit erklärt er für zurechenbar denjenigen Erfolg, der als zweckhaft gesetzt gedacht werden kann. Allerdings sei stets auf den tatsächlichen, wenn auch noch so ungewöhnlichen Verlauf im Einzelfall abzustellen. A habe sich die Naturgewalt des Gewitters zu Nutze gemacht, wenn Gewitter zu dieser Jahreszeit über die Anhöhe gezogen seien und dort eingeschlagen hätten58. Honig mußte übrigens kurz darauf als Jude nach England emigrieren, während Larenz nach Kiel berufen wurde, um dort die nationalsozialistische sog. „Kieler Schule“ mitzubegründen59. XV. Gesetzmäßige Bedingung
1931 erklärte Karl Engisch die conditio-sine-qua-non-Formel für naiv, da sie den Kausalzusammenhang bereits voraussetze und bei unbekannten Wirkungen versagen müsse. Ursachenzusammenhang liege vielmehr dann vor, wenn ein Er56 Hegels Zurechnungslehre und der Begriff der objektiven Zurechnung, S. 61 f., 68, 81 ff. 57 Kausalität und objektive Zurechnung, Festgabe für Reinhard von Frank zum 70. Geburtstag, Bd. I, 1930, S. 174 ff., 179. 58 A. a. O., S. 186. 59 Larenz wurde nach 1945 einer der bekanntesten deutschen Zivilrechtler und Rechtstheoretiker und verfaßte häufig aufgelegte Lehrbücher.
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folg mit dem Verhalten naturgesetzmäßig verbunden gewesen sei, sog. Formel der gesetzmäßigen Bedingung60. Wir finden hier eine erstaunliche Wiederkehr der Argumentation unseres ersten Autors Hugo Böhlau (o. I). Allerdings schließt Engisch in dem Gewitterfall eine solche Gesetzmäßigkeit nicht aus, lehnt aber die Adäquanz als weiteres Erfordernis ab61.
XVI. Keine „Tatherrschaft“
1931 übertrug ein sonst nicht weiter bekannt gewordener Autor in einer „Preisschrift der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn“ einen vorher für die Schuld gebrauchten62 Begriff auf unseren Fall, nämlich den der Tatherrschaft. Die Täterschaft beruhe auf der Möglichkeit der Tatherrschaft; durch Blitze könnten Menschen nicht töten63.
XVII. Kein „Vorstellungsbild“ des Tötens
In seinem „Strafrecht des Deutschen Volkes“ von 1936 (dem Geist der Zeit entsprechend betitelt, aber inhaltlich von nationalsozialistischen Thesen frei) legte Hellmuth Mayer dar, daß die Strafvorschriften, die die verbrecherische Tätigkeit nicht genauer bezeichneten wie diejenigen über die Tötung und die Körperverletzung, mehr als einen bloßen Hinweis auf den Erfolg enthielten, nämlich ein bestimmtes Vorstellungsbild zugrunde legten. Die Verleitung des Erbonkels zur Eisenbahnfahrt, der unfreiwillige Waldspaziergang während eines Gewitters entsprächen nicht dem Vorstellungsbild des 60
Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände, S. 13 ff.,
21. 61 A. a. O. S. 49 f. S. schon Engisch, Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit im Strafrecht, 1930, S. 151, 156 ff. 62 Von Hegler, Die Merkmale des Verbrechens, ZStW Bd. 36 (1914), S. 19 ff., 184 f., 216. 63 Hermann Bruns, Kritik der Lehre vom Tatbestand, 1932, S. 72.
XVIII. Keine „Sozialadäquanz“
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Tötens64. Traegers erbberechtigter Onkel wird nun über Bindings Erbtante endlich zum Erbonkel; seitdem spricht man vom „Erbonkel- und Gewitterfall“.
XVIII. Keine „Sozialadäquanz“
Im Jahre 1939 befaßte sich der junge Göttinger Professor Hans Welzel mit dem „ziemlich abgeschmackten Beispiel, ob der Neffe ein Verbrechen begeht, wenn er den Erbonkel zu einer Eisenbahnfahrt überredet in der Absicht, daß dieser bei einem Eisenbahnunglück ums Leben kommen möge, und dies tatsächlich geschieht“65. Er brachte eine neue dogmatische Lösung des Falles. Welzel legte dar, daß eine Handlung als sozial bedeutsames Phänomen, als Handlung im sozialen Lebensraum erfaßt werden müsse. Dann müßten für den Unrechtsbegriff alle Handlungen ausscheiden, die sich funktionell innerhalb der geschichtlich gewordenen Ordnung des Gemeinschaftslebens eines Volkes – wir sind im Jahre 1939! – bewegten. Für solche Handlungen schuf Welzel den Begriff der „Sozialadäquanz“ – eine interessante Weiterentwicklung der uns schon bekannten Kausaladäquanz. Die Schaffung dieses Begriffs wird Welzel heute noch höher angerechnet als die von ihm durchgesetzte Einbeziehung des Willens in den Begriff der Handlung, die sog. finale Handlungslehre66. Sozialadäquat sei auch der Rat, eine Eisenbahnreise zu machen67. 64 S. 208 ff. – In seinem „Strafrecht“ von 1953 lehnte er bei der Verleitung zu einer Eisenbahnreise die Zurechenbarkeit zum Willen als Bestandteil der Handlung ab (S. 134 f.). 65 Studien zum System des Strafrechts, Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, Bd. 58 (1939), S. 491 ff., 517. 66 Reyes, ZStW Bd. 105 (1993), S. 108 ff.; Cancio Meliá, Finale Handlungslehre und objektive Zurechnung. Dogmengeschichtliche Betrachtungen zur Lehre von der Sozialadäquanz, GA 1995, 179 ff.; Schünemann, Über die objektive Zurechnung, GA 1999, 207 ff., 211. 67 Das Deutsche Strafrecht, 2. Aufl. 1949, S. 36 ff. bis zur 11. Aufl. 1969, S. 56. Zust. Nowakowski, Zu Welzels Lehre von der Fahrlässigkeit,
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Welzels Lehre fand international große Aufmerksamkeit und Anerkennung, insbesondere im spanischsprachigen Raum. Ein Spanier war es denn auch, der behauptete, Welzel habe seine Lösung des Gewitterfalls mit der Sozialadäquanz aufgegeben und sei zu der klassischen Ablehnung des Vorsatzes übergegangen68. Eine junge Argentinierin hat jedoch vor kurzem darauf aufmerksam gemacht, daß Welzel die Veranlassung des Erbonkels zu einer Eisenbahnreise bis zur letzten Auflage seines Lehrbuchs als Fall der Sozialadäquanz behandelt und nur bei dem Gewitterfall, den er in der 7. Auflage seines Lehrbuchs 1960 erstmals erörtert hat69, den Vorsatz verneint hat70. Sie hält dies bei der ähnlichen Struktur der beiden Fälle für einen Widerspruch. XIX. Diverses
In der Folgezeit wurde Welzels Lehre von der sozialen Adäquanz zunehmend angegriffen71. Auch die nicht sozialadäquate Veranlassung zu einem bestimmten Verhalten mit Schadenserfolg müsse in vielen Fällen straflos sein72. Engisch schloß 1944 die „objektive Bezweckbarkeit“ aus73; daß er hierbei Honig (o. XIV) mit keinem Wort erwähnt, lag offensichtlich an dem damaligen Verbot, jüdische Autoren zu zitieren. Andere verneinten das von Bruns für den Gewitterfall eingeführte (o. XVI) Kriterium der „Tatherrschaft“74, woJZ 1958, 388 ff., 390; Zielinski, Handlungs- und Erfolgsunwert im Unrechtsbegriff, 1973, S. 124. 68 Cancio Meliá a. a. O., S. 179. 69 S. 61. In dieser Aufl. fehlt allerdings der Eisenbahnfall! 70 Mariana Sacher, Sonderwissen und Sonderfähigkeiten in der Lehre vom Straftatbestand, 2006, S. 45. 71 Schaffstein, Soziale Adäquanz und Tatbestandslehre, ZStW Bd. 72 (1960), S. 369 ff.; Hirsch, Soziale Adäquanz und Unrechtslehre, ZStW Bd. 74 (1962), S. 78 ff. 72 Hirsch a. a. O. S. 100. 73 Der finale Handlungsbegriff, in: Probleme der Strafrechtserneuerung, 1944, S. 141 ff., 169 Anm. 93.
XX. Keine Täterschaft
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bei beide Auffassungen diese Gesichtspunkte als Elemente des Handlungsbegriffs ansahen. Hardwig verneinte das Vorliegen eines Steuerungsakts als Voraussetzung der Zurechnung75.
XX. Keine Täterschaft
Natürlich konnte ein Buch mit dem Titel „Der Täter hinter dem Täter“ zu dem Gewitterfall nicht schweigen. Ich habe darauf aufmerksam gemacht, daß im Erbonkel- und im Gewitterfall der scheinbare Täter ja gar nicht unmittelbar tötet, sondern nichts anderes gebraucht als Worte. Er veranlaßt das Opfer nur dazu, sich selbst zu gefährden, so daß gar keine Täterschaft vorliegt76. Diese Auffassung ermöglicht die Annahme einer Täterschaft in Fällen, in denen der Veranlassende ein überlegenes Erfahrungswissen hat, z. B. weiß, daß in einem bestimmten Waldstück schon mehrmals Menschen vom Blitz erschlagen wurden. Dieselbe Auffassung vertrat Harro Otto, der allerdings noch – offensichtlich inspiriert von Hardwig (o. XIX) – das Kriterium der „Steuerbarkeit des Geschehensverlaufs“ dazwischenschaltete, das durch die freie Entscheidung des durchs Gewitter Gehenden ausgeschaltet sei, dabei übrigens den Fall romantisch zu einem Botengang durch die Heide verklärte77. 74 Lange, Literaturbericht Strafrecht – Allgemeiner Teil, ZStW Bd. 63 (1951), S. 456 ff., 471; Gallas, Die moderne Entwicklung der Begriffe Täterschaft und Teilnahme im Strafrecht, Dtsch. Beiträge zum VII. Intern. Strafrechtskongreß in Athen 1957, Sonderheft ZStW, 1957, S. 3 ff., 17; Hirsch, Soziale Adäquanz und Unrechtslehre, ZStW Bd. 74 (1962), S. 78 ff., 98. Dagegen Krauß, Erfolgsunwert und Handlungsunwert im Unrecht, ZStW Bd. 76 (1964), 19 ff., 46. 75 Die Zurechnung. Ein Zentralproblem des Strafrechts, 1957, S. 151. 76 1964, S. 93 f. Ebenso schon vorher, aber völlig unbeachtet, Rutkowsky, NJW 1952, 607 und 1961, 1153. Ähnlich auch kurz zuvor Hirsch, Soziale Adäquanz und Unrechtslehre, ZStW 74. Bd. (1962), S. 78 ff., 100. S. a.: Klug, Sozialadäquanz und Sozialkongruenz im Strafrecht, Eb.Schmidt-Festschr., 1961, S. 249 ff., 263. 77 Kausaldiagnose und Erfolgszurechnung im Strafrecht, Fschr. für Maurach, 1972, S. 91 ff., 99 f.; Risikoerhöhungsprinzip statt Kausalitätsgrund-
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XXI. „Lehrbuchkriminalität“
Im Jahre 1973 erreichte die Kritik an dem Erbonkel- und dem Gewitterfall ihren Höhepunkt. Der Kriminologe Herbert Jäger sprach von „jenen höchstmerkwürdigen Verbrechen, die nicht von Tätern begangen, sondern von Strafrechtslehrern erdacht werden“. Nicht bei den Tätern, von denen die Lehrbücher berichten, sondern allein bei ihren Erfindern seien Verbrechensmerkmale wie Vorsatz, Absicht, Beweggrund, aber auch Tatherrschaft zu entdecken. Die kriminologische Aufmerksamkeit habe sich daher in erster Linie auf die intellektuellen Urheber von Lehrbuchverbrechen zu konzentrieren, deren unselbständige Werkzeuge die „Täter“ seien. Die in den Fallschilderungen begangenen Verbrechen und Vergehen seien nicht aus der psychologischen Motivation und gesellschaftlichen Situation der Täter, sondern der ihrer geistigen Urheber herzuleiten. Die Strafrechtsdoktrin, durch die Mangelhaftigkeit der sozialen Wirklichkeit offensichtlich frustriert und an ihr auch nicht primär interessiert, bediene sich hierzu der Inszenierung jener Fälle, in denen dem „Täter“ allein die Aufgabe zukomme, die ihm vorgeschriebene Rolle zu spielen, um dem Lehrbuchleser „Höheres“ zu vermitteln, d. h. eine Theorie plausibel zu machen oder zu widerlegen. Ein übervorsichtiger Lehrbuchtäter habe, bevor er den Erbonkel auf Reisen geschickt habe, erst Erkundigungen über die Absturzhäufigkeit von Flugzeugen eingezogen78. XXII. Neubelebung der Lehre von der objektiven Zurechnung
Ende der sechziger Jahre wurde die in den zwanziger Jahren entwickelte Lehre von der objektiven Zurechnung (o. XIV) neu belebt. Dabei wandte man sich wieder mit besonderer satz als Zurechnungskriterium bei Erfolgsdelikten, NJW 1980, S. 417 ff., 419; zust. Koriath, Grundlagen strafrechtlicher Zurechnung, 1994, S. 531 („ebenso überzeugende wie elegante Lösung“). 78 Glosse über Lehrbuchkriminalität, MSchrKrim 1973, 300 ff.
XXII. Lehre von der objektiven Zurechnung
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Leidenschaft dem Gewitter- und dem Erbonkelfall zu. Allerdings gab es auch im Rahmen dieser Lehre Nuancen. So lehnte Wessels, bei dem übrigens originellerweise der Bauer seine Frau bei einem Gewitter auf das Feld schickt, ebenso wie früher Larenz (o. XIV), die „objektive Zurechnung“ ab, da die Tat nicht mehr das Willenswerk eines bestimmten Menschen sei79. Der Göttinger Professor Claus Roxin verlangte in der Festschrift für Richard Honig, dessen objektive Bezweckbarkeit (o. XIV) auf ihren normativen Grund zu führen, die Schaffung eines rechtlich relevanten Risikos80. Diese fehle im Gewitterund auch im Flugreisefall. Dieser Auffassung schlossen sich manche an81. Dabei wurde teilweise der Gewitterfall wieder auf den Erbonkel bezogen82, so daß eine gewisse terminologische Verwirrung entstand. Den Flugreisefall sieht Roxin inzwischen in seinem stark ausdifferenzierten System der objektiven Zurechnung als Fall des erlaubten Risikos an83. Roxin hatte in seiner Weiterentwicklung der Lehre von Honig ausgeführt, daß dessen objektiver Zweckhaftigkeit das Kriterium der „Beherrschbarkeit durch den menschlichen Willen“ zugrunde liege84. Dieses schon von Larenz eingeführte (o. XIV) Kriterium – in dem der „Steuerbarkeit“ (Hardwig, Otto, o. XIX, XX) fortgeführt – wurde in der Folgezeit von vielen zum für die Lösung des Gewitterfalls entscheidenden Kriterium gemacht85. Mit dem anderen Kriterium wurde teil79 Strafrecht. Allg. Teil, 1970, S. 39. Ebenso Ebert, Kausalität und objektive Zurechnung, Jura 1979, S. 561 ff., 569. 80 Gedanken zur Problematik der Zurechnung im Strafrecht, Festschr. für Richard M. Honig, 1970, S. 133 ff., 135, 137. Jetzt Strafrecht. Allg. Teil, Bd. I, 4. Aufl. 2006, § 10 Rdn. 38, § 11 Rdn. 55 (für den Gewitterfall). 81 Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts. Allg. Teil, 3. Aufl. 1978, S. 231; Wolter, Der Irrtum über den Kausalverlauf als Problem objektiver Erfolgszurechnung, ZStW 89. Bd., 1977, S. 649 ff., 666. 82 Wolter, a. a. O. (Anm. 81); Roxin a. a. O. (Anm. 80), S. 135 u. § 10 Rdn. 38. 83 Lehrbuch (Anm. 80), § 11 Rdn. 68. 84 A. a. O. (Anm. 81), S. 135. Hierzu o. XIV. 85 Eser /Burkhardt, Juristischer Studienkurs, Strafrecht I, 4. Aufl. 1992, Nr. 4 A 62; Wolter, Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit in einem neuen
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weise die Einordnung in die objektive Zurechnung aufgegeben oder zumindest modifiziert86. Baumann/Weber87 und Hilgendorf 88; lehnen die Kausalität ab. Bei der Kausalität handle es sich um einen Rechtsbegriff, der entsprechend den Anforderungen der Rechtsordnung zu bestimmen sei. Extrem unwahrscheinliche Abläufe seien daher nicht mehr als kausal im Rechtssinne anzusehen. Beide wenden sich ausdrücklich gegen die Lehre von der objektiven Zurechnung89. Gegen die Lehre von der objektiven Zurechnung wandte sich vor allem der Kölner Welzel-Schüler Hans Joachim Hirsch. Er nahm – wie ich – eine straflose Anstiftung zu einer Selbstgefährdung an und lehnte im übrigen, nachdem er 1962 die „Tatherrschaft“ abgelehnt hatte (o. XIX), den Vorsatz ab90. Strafrechtssystem, in: 140 Jahre Goltdammer’s Archiv für Strafrecht, 1993, S. 269 ff., 283, 290; Wolter, Menschenrechte und Rechtsgüterschutz in einem europäischen Strafrechtssystem, in: Bausteine des europäischen Strafrechts (Coimbra-Symposium für Claus Roxin, 1995, S. 3 ff., 21, 27; Wolter, Objektive Zurechnung und modernes Strafrechtssystem, in: Gimbernat /Schünemann /Wolter (Hrsg.), Internationale Dogmatik der objektiven Zurechnung und der Unterlassungsdelikte, 1995, S. 3 ff., 8 (zusammen mit der objektiven Bezweckbarkeit); Kühl, Strafrecht. Allg. Teil, 6. Aufl. 2008, § 4 Rdn. 76 f.; Krey, Deutsches Strafrecht. Allg. Tl., Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Rdn. 290; Wessels /Beulke, Strafrecht. Allg. Tl., 38. Aufl. 2008, Rdn. 183. 86 Nach Wolter ist vor dem Unrechtstatbestand schon die Handlung ausgeschlossen; die Lehre von der objektiven Zurechnung präzisiere auf einer Vorstufe des Unrechtstatbestandes den Handlungsbegriff (in: Objektive und personale Zurechnung von Verhalten, Gefahr und Verletzung in einem funktionalen Straftatsystem, 1981, S. 79 Ablehnung des Handlungsunrechts mangels Störung des Rechtsfriedens). Nach Kühl handelt es sich um ein zusätzliches Zurechnungskriterium über die Grundformel der objektiven Zurechnung hinaus. Nach Krey und Wessels /Beulke liegt zusätzlich das Kriterium des Handelns auf eigene Gefahr vor. Kühl sieht hierin ein weiteres selbständiges Kriterium, das bei der Verleitung zu einer Flugreise eingreifen soll (a. a. O., Rdn. 83 ff., 92). 87 Strafrecht. Allg. Tl., 11. Aufl. 2003, § 14 Rdn. 45. 88 Der „gesetzmäßige Zusammenhang“ im Sinne der modernen Kausallehre, Jura 1995, 514 ff., 521. 89 Baumann/Weber, a. a. O. Rdn. 100; Hilgendorf, Jura 1995, 522.
XXII. Lehre von der objektiven Zurechnung
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Sein Schüler Georg Küpper berief sich darauf, daß Welzel 91 die Tatherrschaft nicht nur als Merkmal der Täterschaft, sondern als „Grundprinzip der Zurechnung“ bezeichnet hatte, und sah sie als immanenten Bestandteil des Handlungsbegriffs an92. Der Begründung der Straflosigkeit mit dem Fehlen des Vorsatzes wurde zutreffend entgegen gehalten, daß auch, wenn der Täter sich fälschlich eine Verwirklichungsmöglichkeit zuschreibe, eine Strafbarkeit entfallen müsse; es handle sich um ein Wahndelikt93; der Täter schaffe lediglich ein „Wahnrisiko“94. Der von mir und anderen vertretenen Ablehnung der Strafbarkeit wegen der freiverantwortlichen Selbstgefährdung des „Opfers“ wurde entgegen gehalten, daß die Strafbarkeit auch bei der Veranlassung eines geisteskranken Erbonkels zu einem Gang im Gewitter ausgeschlossen sein müsse95. Kurz darauf nahm Hirsch von seiner Ablehnung des Vorsatzes Abstand und lehnte nunmehr das unmittelbare Ansetzen (das mangels Tatherrschaft fehle) und damit die objektive Seite einer Tötungshandlung ab96 – seine dritte Lösung des Falles innerhalb von 36 Jahren. Daß er hierbei den Erbonkel- und den Gewitterfall zu Unrecht seinem Lehrer Welzel zuschreibt, hat die vorliegende Darstellung erwiesen.
90 Die Entwicklung der Strafrechtsdogmatik nach Welzel, Festschr. der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität zu Köln, 1988, S. 399 ff., 405. 91 Studien zum System des Strafrechts, ZStW 58 Bd. (1938), S. 491ff., 539 ff. 92 Grenzen der normativierenden Strafrechtsdogmatik, 1990, S. 92. 93 Roxin, Finalität und objektive Zurechnung, Gedächtnisschr. f. Armin Kaufmann, 1989, S. 237 ff., 241. 94 Wolter, Menschenrechte . . . (Anm. 85), S. 27. 95 Roxin, Bemerkungen zur sozialen Adäquanz im Strafrecht, Festschr. für Ulrich Klug, 1983, S. 311 Fußn. 44. 96 Zur Lehre von der objektiven Zurechnung, Lenckner-Festschr. 1998, S. 119 ff., 122 f., 135.
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Der Blitz als Mordinstrument
XXIII. Blitz und Aids
1987 zog der Freiburger Professor Bernd Schünemann den Gewitterfall für die Strafbarkeit von Aids-Infizierten bei einer Täuschung des Partners trotz Einhaltung von Safer-Sex-Praktiken heran. Auch wenn der Neffe den Erbonkel bei Gewitter auf der Bergkuppe an einen Baum fesseln würde (wir erinnern uns an Mirˇicˇka 1903!), würde es für die Annahme eines versuchten oder vollendeten Tötungsdelikts genügen, daß die Begründung der exponierten Lage des Opfer aus gewitterphysikalischen Gründen nur irgendeine Risikoschaffung bedeute97. Die Parallele zum Geschlechtsverkehr liegt etwas fern, aber man sieht, daß ein Strafrechtsprofessor heute ohne den Gewitterfall nicht mehr auskommt. 1994 präsentierte Schünemann den Gewitterfall auf einem Symposium in Taiwan und machte ihn damit auch in der ostasiatischen Strafrechtswissenschaft populär98.
XXIV. Der Erbonkel als Täter
Damit ist die Geschichte des Gewitterfalls noch nicht zu Ende. Erst vor kurzem hat sich wieder ein junger Wissenschaftler in seiner Dissertation mit ihm beschäftigt99. Allerdings zeigt sich hier ein erschütterndes Unverständnis der jüngeren Generation gegenüber dem sozialen Gehalt des Falles. Denn danach soll der Erbonkel seinen Neffen auf eine Berghöhe schicken in der Hoffnung, daß er dabei umkommt. Wir erinnern uns, daß bei Traeger eigenartigerweise ein Onkel seinen Neffen beerben sollte, daß Binding hieraus eine Erbtante 97 Die Rechtsprobleme der AIDS-Eindämmung – Eine Zwischenbilanz, in: Schünemann/Pfeiffer (Hrsg.), Die Rechtsprobleme von AIDS, 1988, S. 373 ff., 488. S. a.: Über die objektive Zurechnung, GA 1999, 207 ff., 220. 98 Die Objektivierung von Vorsatz und Schuld im Strafrecht, in: Cheng Chi Law Revue, Vol. 50 (1994), S. 259 ff., 294. 99 Hübner, Die Entwicklung der objektiven Zurechnung, 2004, S. 52, 259, 264, 274 ff.
XXV. Resümee
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und Hellmuth Mayer schließlich einen Erbonkel machte. Welches Interesse aber soll der Erbonkel daran haben, daß sein Neffe umkommt? Daß wir auf dem Wege in die Erbengesellschaft sind, ist der jüngeren Generation offensichtlich noch nicht zum Bewußtsein gekommen. Nach dem Autor kann im Gewitterfall der Täter den Blitz nicht steuern, da kein einschlägiger Erfahrungssatz bestehe100.
XXV. Resümee
Ich möchte hier keine abschließende Lösung des Erbonkelbzw. Gewitterfalls vorlegen. Bei dem klassischen Gewitterfall, der Überredung eines anderen, sich in den Wald, auf einen Berg oder in die Heide zu begeben, fehlt es nach meiner Auffassung an der Täterschaft, da das Opfer nur zu einem eigenverantwortlichen Verhalten überredet wird. Bei der Fesselung eines Anderen anläßlich eines Gewitters würde ich die Strafbarkeit ebenso bejahen wie bei dem völlig unwahrscheinlichen Erfolg eines Schusses aus extrem weiter Entfernung101. Aber der Zweck meiner Darstellung war ein anderer. Ich wollte einen Streifzug durch die Geschichte der Strafrechtswissenschaft unternehmen und zeigen, wie rastloser und kritischer Forschergeist immer neue Lösungen ein- und desselben Falles entwickelt hat. 35 berühmte Strafrechtswissenschaftler habe ich dabei vorgestellt; viele andere, die sich ebenfalls zu dem Fall geäußert haben, mußte ich weglassen. Bemerkenswert erscheint auch, wie lange ein Schulfall braucht, bis er sein klassisches Stadium erreicht. Über fünf Stationen (Feind spazierenführen – Erbabsicht – erbberechtigter Onkel – Erbtante) entsteht endlich der „Erbonkelfall“, der dann allerdings bedauerlicherweise in die Eisenbahnreise abwandert und den Gewitterfall nur mit dem Knecht, dem Förstergehilfen oder der Ehefrau zurückläßt. 100 101
A. a. O., S. 277, 282. Schroeder, StGB – Leipziger Kommentar, 11. Aufl. 1994, § 16 Rdn. 76.
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Deutlich geworden ist auch die Bedeutung der Sprache für die Rechtswissenschaft. Die Durchsetzungskraft juristischer Theorien hängt offensichtlich entscheidend von ihrer griffigen Formulierung ab. „Adäquanz“, „Rechtsnormwidrigkeit“, „Beherrschbarkeit“, „Bezweckbarkeit“, „Sozialadäquanz“, „Tatherrschaft“, „objektive Zurechnung“, „Urhebergefühl“, „Risikoerhöhung“ – alle diese attraktiven Formulierungen wurden für den Gewitterfall verwendet oder sogar erfunden, und man kehrte immer wieder zu ihnen zurück.
Anhang: Die Genesis der Lehre von der objektiven Zurechnung* I.
Entstehung und Aufstieg des Begriffs der Zurechnung . . . . . . . . . .
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II.
Der Niedergang im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III.
Die Umdeutung der Straftat als Erfolgsverursachung . . . . . . . . . . .
42
IV.
Die Adäquanztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V.
Der Verbotsverstoß als Gefährdungsbegründung und -verwirklichung (M. L. Müller 1912) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
VI.
Die Zurechnung als normative Alternative zur Kausalität (Kelsen 1910) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VII. Die „objektive Zurechnung“ als objektive Zweckhaftigkeit ab 1927 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VIII. Welzels „teleologischer Sinnsetzungszusammenhang“ (1931) . . .
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IX.
Gefahrverwirklichung und Risikovergleich (Engisch 1931) . . . . .
51
X.
Die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
XI.
Die Lehre vom Schutzzweck der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
XII. Die Entstehung der modernen Lehre von der objektiven Zurechnung (1969 / 70) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 XIII. Die weitere Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XIV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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In den fünfziger und sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts drehte sich fast die gesamte strafrechtswissenschaftliche Diskussion um die finale Handlungslehre, und sie fand auch im Ausland große Beachtung. Heute, 40 Jahre später, ist es die Lehre von der objektiven Zurechnung, die sowohl hinsichtlich * Erweiterte Fassung eines zuerst in der Festschrift für Nikolaus K. Androulakis Athen 2003, S. 651 – 669 erschienenen Aufsatzes; mit freundlicher Genehmigung des Ant. N. Sakkoulas Verlages, Athen.
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ihrer grundsätzlichen Bedeutung als auch ihrer Beachtung im Ausland an die Stelle der finalen Handlungslehre getreten ist. Es erscheint reizvoll zu untersuchen, wie es dieser Lehre gelungen ist, ihren großen Einfluß zu erringen. Dabei wird sich zeigen, daß in diese Lehre mehrere schon vor längerer Zeit begründete dogmatische Entwicklungslinien eingeflossen sind. I. Entstehung und Aufstieg des Begriffs der Zurechnung
Der Begriff der Zurechnung ist eine Übersetzung des lateinischen Begriffs der „imputatio“. Dieser war im Jahre 1672 durch den Rechtsphilosophen Samuel Pufendorf eingeführt worden1 und hatte alsbald Eingang in die Strafrechtswissenschaft gefunden2. Der Begriff der „Zurechnung“ saugte bald fast alle Probleme der Strafrechtsdogmatik in sich auf. So umfaßt in den „Grundsätzen des gemeinen deutschen und preußischen Peinlichen Rechts“ von Ernst Ferdinand Klein von 1796 der Abschnitt IV von der Zurechnung des Verbrechens zur Strafe fast alle Elemente der Straftat einschließlich der Teilnahme und des Versuchs. Infolgedessen suchte man nach Differenzierungen innerhalb des Begriffs der Zurechnung und fand sie insbesondere in der „imputatio facti“ und der „imputatio juris“. Auf den – bei den einzelnen Autoren unterschiedlichen – Inhalt dieser Begriffe kann hier nicht näher eingegangen werden3. Der Begriff der „objektiven Zurechnung“ findet sich wohl erstmals 1803 bei L. Harscher von Almendingen, und zwar im Sinne der „äußeren Zurechnung“, der „Zurechnung des Factums“ im Gegensatz zu der „inneren“, der „moralischen Zurechnung“4. Auffallend ist, daß sich in dieser Zeit 1 De iure naturae et gentium libri octo, 1672, I.c.9; auszugsweise in: De officio hominis et civis iuxta legem naturalem, 1673, I.c.1. 2 Caspar Ziegler, Disputatio de poenis, 1674: „Frequens et in omnium vere ore vocabulum imputationis est“. 3 S. u. a. G. Radbruch, Der Handlungsbegriff in seiner Bedeutung für das Strafrechtssystem, 1904, S. 99 Anm. 3. 4 Darstellung der rechtlichen Imputation, 1803, S. 31 ff.
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neben der Verbindung der Zurechnung mit einem Genitivobjekt auch die Ausdrucksweise „Zurechnung zu . . .“, z. B. „zur Strafe“, „zur Tat“, „zur Schuld“ usw. herausbildete. Dies ist sprachlich nicht korrekt, denn offensichtlich soll hier nicht ein Merkmal zur Schuld usw. gerechnet, sondern einer Person als Schuld usw. zugerechnet werden5.
II. Der Niedergang im 19. Jahrhundert
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts verschwand der Begriff der Zurechnung immer mehr aus der Strafrechtsdogmatik. Dies geschah auf zwei Entwicklungslinien. Zum einen wurde der Begriff der Zurechnung zunehmend auf die Elemente reduziert, die das subjektive Verhältnis des Täters zur Tat betreffen, und dann durch den Begriff der „Schuld“ ersetzt6. Die zweite Entwicklungslinie verlief in den Versuchen, die Rechtsphilosophie Hegels in die Strafrechtsdogmatik umzusetzen. Im Anschluß an die §§ 113 ff. von Hegels „Grundlinien der Philosophie des Rechts“ (1821) trat die Handlung in das Zentrum des Aufbaus der Straftat und saugte den Begriff der Zurechnung in sich auf7. Lediglich in den §§ 50, 59 StGB 1871 und in der verbreiteten Bezeichnung des „Ausschlusses der freien Willensbestimmung“ (§ 51 StGB 1871) als „Unzurechnungsfähigkeit“ begegnete er noch als erratischer Findling. 5 S. a. Honig, Kausalität und objektive Zurechnung, Festgabe für R. von Frank zum 70. Geburtstag, Bd. I, 1930, S. 174 ff., 179: Unter „Zurechnung“ kann nur die Verknüpfung eines Geschehens mit einer Person verstanden werden. 6 S. z. B. Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen Peinlichen Rechts, 1801 (11. Aufl. 1832), § 84. 7 Nachw. bei G. Radbruch, Der Handlungsbegriff in seiner Bedeutung für das Strafrechtssystem, 1904, S. 86; E. von Bubnoff, Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffes von Feuerbach bis Liszt unter besonderer Berücksichtigung der Hegelschule, 1966, S. 36 ff.
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III. Die Umdeutung der Straftat als Erfolgsverursachung
Schon frühzeitig hatte man erkannt, daß bei den Tötungsdelikten gelegentlich die Verursachung problematisch ist8. Gegen die zahlreichen Versuche, zwischen Ursachen und bloßen Bedingungen zu unterscheiden, entwickelte v. Buri die Lehre von der Gleichwertigkeit aller Bedingungen, die Lehre von der conditio sine qua non9. Im Zuge der zunehmenden Ausweitung des Allgemeinen Teils und der Vorziehung von Problemen aus dem Besonderen Teil in den Allgemeinen10 wurde das Erfordernis eines Kausalzusammenhanges zur allgemeinen Voraussetzung der Straftat erhoben. Daß Berner 1898 diese Generalisierung bezweifelte11, bezeichnete v. Hippel als „böse Verspätung“12. Damit wurde zugleich jede Straftat als Verursachungsvorgang aufgefaßt13. Die tatbestandlichen Handlungsumschreibungen wie „töten“, „beschädigen an der Gesundheit“, „beschädigen einer Sache“, „der Freiheit berauben“ usw. wurden als Verursachung einer Tötung, Gesundheitsbeschädigung, Sachbeschädigung, Freiheitsberaubung usw. gedeutet14. Der Kausalzusammenhang im Sinne der conditio sine qua non wurde erheblich ausgeweitet durch das Abstellen auf den „Erfolg in seiner konkreten Gestalt“15. Allerdings forderte S. z. B. Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V., Art. 147, 148. Zur Lehre von der Tötung, Goltdammer’s Archiv, Bd. 11, S. 753, 797; Bd. 12, S. 1. 10 Schroeder, Die Anziehungskraft vorgelagerter Gliederungselemente, Festschrift für Claus Roxin zum 70. Geburtstag, 2001, S. 33 ff., 43. 11 Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, 18. Aufl., S. 117 Anm. 12 Deutsches Strafrecht, 2. Band, 1930, S. 136. 13 H. Mayer, Das Strafrecht des Deutschen Volkes, 1936, S. 164. 14 Tarnowski, Die systematische Bedeutung der Kausalitätstheorie, 1927, S. 76; Engisch, Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände, 1931, S. 2. 15 M. L. Müller, Die Bedeutung des Kausalzusammenhanges im Strafund Schadensersatzrecht, 1912, S. 10 ff.; Engisch, Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände, 1931, S. 9 ff. 8 9
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auch diese Auffassung, daß die konkreten Tatsachen, deren Bedingtsein zu ermitteln ist, auszuwählen und abzugrenzen seien unter Hinblick auf die juristischen Erfolgskategorien der Tatbestände. Nicht ursächlich seien daher das Bemalen einer später zerstörten Vase und das Einbringen des Inhalts eines Wassertrogs in eine Überschwemmung16. Diese Entwicklung führte dann zu der weiteren Folgerung, daß umgekehrt jede Verursachung eines tatbestandsmäßigen Erfolges eine Erfüllung des Tatbestandes bedeute. So kam man zu der These, daß die Zeugung des Mörders den objektiven Tatbestand der §§ 211 f. StGB erfülle17. Der Kausalzusammenhang verwandelte sich von einem Filter zur Ausscheidung irrelevanter Handlungen in ein Fernglas zur Entdeckung entferntester möglicher Tatbestandshandlungen. IV. Die Adäquanztheorie
Gegen die Ausweitung der Kausalität auf alle Bedingungen für den Erfolg entwickelte der Physiologe v. Kries 1886 die Theorie der „adäquaten Verursachung“18. Neben der Verursachung im konkreten Fall nach der conditio sine qua non gebe es ein Verhältnis ganz anderer Art: daß Handlungen von einer gewissen Art verletzende Erfolge regelmäßig herbeiführen, dazu geeignet seien. Die Theorie der Möglichkeit schaffe hierfür eine bestimmte Unterlage: gewisse Handlungen vermehrten die Möglichkeit eines verletzenden Erfolges. Man könne von einem „generellen ursächlichen ZusammenEngisch, a. a. O., S. 11 f. L. Zimmerl, Grundsätzliches zur Teilnahmelehre, ZStW Bd. 49 (1929), S. 39 ff., 41. Bestätigend Eb. Schmidt, Die mittelbare Täterschaft, Frank-Festgabe Bd. II, 1930, S. 106 ff., 119. 18 Die Prinzipien der Wahrscheinlichkeitsrechnung, 1886; Über den Begriff der objektiven Möglichkeit und einige Anwendungen desselben, Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie, Bd. 12, 1888, S. 179 ff., 287 ff., 393 ff.; Über die Begriffe der Wahrscheinlichkeit und Möglichkeit und ihre Bedeutung im Strafrechte, ZStW Bd. 9 (1889), S. 528 ff. 16 17
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hang“ sprechen. Das allgemeine Rechtsgefühl lasse für die strafrechtliche Zurechnung die konkrete Verursachung nicht ausreichen, sondern verlange den generellen Zusammenhang, nämlich daß das Verhalten generell geeignet sei, bestimmte Folgen herbeizuführen. v. Kries wies daraufhin, daß auch der Begriff der Gefahr auf dem der Möglichkeit beruhe, nämlich als die objektive Möglichkeit eines schädigenden Ereignisses definiert werden könne. Die Theorie von der „adäquaten Verursachung“ fand schnell weite Verbreitung19. Dabei wurde herausgestellt, daß es sich hierbei im Gegensatz zu der Feststellung der Kausalität nach der Äquivalenztheorie um eine normative, wertende Betrachtung der Verursachung handle. Von der h. L. und vor allem den Strafsenaten des Reichsgerichts wurde ihr dagegen ihre Unschärfe vorgehalten. V. Der Verbotsverstoß als Gefährdungsbegründung und -verwirklichung (M. L. Müller 1912)
1912 legte Max Ludwig Müller dar, daß die Verbotsnormen nicht die Verursachung eines Erfolgs, sondern nur ein Verhalten verbieten könnten, das die Möglichkeit des in der Verbotsnorm bezeichneten Erfolges erhöhe. Die adäquaten Kausaltheorien seien als Kausaltheorien falsch und in Wahrheit Theorien der objektiven Rechtsnormwidrigkeit20. Außerdem bezog er v. Kries’ Hinweis auf die Gefahr in den Verbotsverstoß ein und bezeichnete diesen als Begründung der Gefahr der Verwirklichung des Erfolgs; für ein „schuldhaftes Verursachen“ verlangte er eine „Verwirklichung der Gefahr, deretwillen das Verhalten rechtsnormwidrig war“21. Dies sei nicht der Fall, wenn ein Opfer auf der Flucht vor der Erfolgsverursachung durch ein verbotenes Verhalten durch einen Zufall getötet werde. v. Hippel, Deutsches Strafrecht, 2. Band, 1930, S. 144 m. weit. Nachw. Die Bedeutung des Kausalzusammenhanges im Straf- und Schadensersatzrecht, S. 22 ff. 21 S. 57. 19 20
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VI. Die Zurechnung als normative Alternative zur Kausalität (Kelsen 1910)
In seinen „Hauptproblemen der Staatsrechtslehre“ (1910) entwickelte Hans Kelsen die Zurechnung als normative Verknüpfung von Elementen, die für die Rechtswissenschaft das leiste, was das Kausalprinzip für die Naturwissenschaft leiste22. VII. Die „objektive Zurechnung“ als objektive Zweckhaftigkeit ab 1927
1927 stellte Karl Larenz die Zurechnungslehre Hegels dar und griff auf dieser Grundlage die Vorherrschaft der Kausalitätsbeziehung im Recht23 an. Diese sei nicht in der Lage, die Abgrenzung der eigenen Tat vom zufälligen Geschehen zu gewinnen. Bei dem bekannten Gewitterfall (jemand schickt einen anderen bei einem Gewitter aufs Feld in der Hoffnung, er werde von einem Blitz erschlagen, was auch geschieht) bestehe an der Kausalität kein Zweifel; die Frage sei jedoch, ob der Tod objektiv zugerechnet werden könne oder Zufall sei24. Larenz schlug statt dessen den Begriff der „objektiven Zurechnung“ vor als Urteil über die Frage, ob ein Geschehen Tat eines Subjekts sei25. Statt nach der Ursache eines Gesche22 S. 72 ff. Hierzu und zur weiteren Entwicklung der Auffassung Kelsens Hardwig, Die Zurechnung. Ein Zentralproblem des Strafrechts, 1957, S. 107 ff.; Koriath, Grundlagen strafrechtlicher Zurechnung, 1994, S. 146 ff.; Renzikowski, Der Begriff der „Zurechnung“ in der Reinen Rechtslehre Hans Kelsens, in: Alexy u. a. (Hrsg.), Neukantianismus und Rechtsphilosophie, 2002, S. 253 ff. 23 Entgegen Arm. Kaufmann, Festschr. für Jescheck, 1985, S. 251 ff., 252, beschränkt sich Larenz’ Darlegung nicht auf das Zivilrecht. Er erklärt, daß seine Ausführungen über die Zurechnung zur Tat auch nach Einführung subjektiver Voraussetzungen für die erfolgsqualifizierten Delikte für das Strafrecht nicht ohne Belang sein dürften, da die Zurechnung eines Geschehens zur Schuld die zur Tat in sich schließe (S. 96). 24 Hegels Zurechnungslehre und der Begriff der objektiven Zurechnung, S. 61 f. 25 A. a. O. S. 51, 60. Dabei erwähnt er auch Kelsen, zitiert diesen allerdings unrichtig mit „Hauptprobleme des Staatsrechts“ und o. J. (S. 74,108).
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hens zu suchen, sei nach der Wirkung einer Willensbetätigung zu fragen26. Die Zurechnung sei ein teleologischer Begriff, wobei man freilich den Zweckbegriff, um Fahrlässigkeitstaten einbeziehen zu können, nicht subjektiv, sondern objektiv fassen müsse: zugerechnet werden müsse auch, was gewußt und damit vom Willen umspannt werden konnte, was als Gegenstand des Willens möglich war27. Der Begriff des „objektiven Zwecks“ war der deutschen Strafrechtsdogmatik nicht unbekannt. Er war bereits bei der Auseinandersetzung um die Trennung von Unrecht und Schuld aufgetaucht. Dabei hatte Beling 1906 vom „sog. ,objektiven Zweck‘, d. i. die Eignung der Handlung zur Verursachung bestimmter Erfolge“ gesprochen. Diese Frage betreffe nicht die teleologische Finalität, sondern die potentielle Kausalität des Handelns und liege damit auf objektivem Gebiet28. Sauer hatte vom „generellen“, „realen“ Zweck, vom „objektiv auszulegenden“, „immanenten Zweck der Handlung“29 gesprochen, und Mezger hatte dies zum „objektiven Zweck“ verkürzt30. Ohne Beling ausdrücklich zu erwähnen, hielt Larenz dem entgegen, daß es hier nicht um die Möglichkeit eines Kausalverlaufs, sondern um die seiner Beherrschung gehe31. Larenz stellte eine weitgehende Deckung mit der Adäquanztheorie fest. Es handle sich allerdings nicht um eine „objektive Möglichkeit“, sondern um eine subjektive Möglichkeit, die Möglichkeit der Voraussicht für ein Subjekt, allerdings nicht A. a. O. S. 62. A. a. O. S. 63, 68. 28 Die Lehre vom Verbrechen, S. 142 f. Zust. A. Hegler, Subjektive Rechtswidrigkeitsmomente im Rahmen des allgemeinen Verbrechensbegriffs, Festgabe für Reinhard von Frank, Bd. I, 1930, S. 251 ff., 286. 29 Grundlagen des Strafrechts nebst Umriß einer Rechts- und Sozialphilosophie, 1921, S. 346, 350. 30 Die subjektiven Unrechtselemente, Der Gerichtssaal, Bd. 89 (1924), S. 207 ff., 239. 31 A. a. O. S. 68. Gegen Hegler (und damit auch Beling) auch Oehler, Das objektive Zweckmoment in der rechtswidrigen Handlung, 1959, S. 112 ff. 26 27
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für ein individuell bestimmtes Subjekt, sondern für ein gedachtes Subjekt, nämlich den „einsichtigen Menschen“ in der Lage des Täters. Die Theorie der adäquaten Verursachung sei in Wahrheit eine Zurechnungstheorie32. Bei dieser Gelegenheit griff Larenz auch den herrschenden Handlungsbegriff an. Durch die Ausblendung der Beziehung auf den Willen habe man die Handlung nur noch als äußeres Geschehen, als kausale Aufeinanderfolge erfassen können; dieser Handlungsbegriff sei eine leere Abstraktion, nach Beling ein „blutleeres Gespenst“33. In Wahrheit sei die Handlung Willensäußerung, die Tat Willensverwirklichung34. Terminlogisch sprach Larenz neben der Zurechnung der Tat gleichbedeutend von der Zurechnung zur Tat, neben die er die Zurechnung zum Willensbereich als Zurechnung einer fremden Tat stellte35. An diese Ausführungen knüpfte wenig später Richard Honig an36. Zu dem Kausalurteil trete als weiteres selbständiges Urteil das über die objektive Zurechnung37. Ebenso wie Larenz stellte er auf die objektive oder denkbare Zweckhaftigkeit des Verhaltens ab, begründete dies aber nicht mit rechtsphilosophischen Gedankengängen, sondern mit der „teleologischen Eigenart menschlicher Willensäußerungen“ und dem Grundsatz der allgemeinen Rechtslehre, wonach das Recht mit seinen Ge- und Verboten nur dasjenige Verhalten fordern könne, welches im Machtbereich des Menschen liege38. Entgegen seinem weitgehenden Bekenntnis zu Larenz nahm Honig jedoch eine wesentliche Abänderung vor. Bei der objektiven Bezweckbarkeit sei nicht zu generalisieren, sonA. a. O. S. 81 ff. A. a. O. S. 71 f. 34 A. a. O. S. 75. 35 A. a. O. S. 60 ff., 100 ff. 36 Kausalität und objektive Zurechnung, Festgabe für Reinhard von Frank zum 70. Geburtstag, Bd. I, 1930, S. 174 ff. 37 A. a. O. S. 179, 182. 38 A. a. O. S. 183 ff. 32 33
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dern auf die Einmaligkeit des Falles abzustellen; das Urteil beruhe auf den potenziellen intellektuellen und physischen Fähigkeiten des Täters39. Man fragt sich allerdings, was an dieser „objektiven Zurechnung“ noch „objektiv“ war. Honig sah den objektiven Charakter offensichtlich darin, daß mit der Feststellung der objektiven Bezweckbarkeit in seinem Sinne noch nichts darüber ausgesagt sei, ob der Täter absichtlich, bedingt vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt habe40. Bei seiner Polemik gegen die Äquivalenztheorie erklärte Honig, daß es in der Rechtswissenschaft nicht allein auf den Kausalzusammenhang ankomme, sondern auf eine bestimmte, den Anforderungen der Rechtsordnung entsprechende Eigenart des Zusammenhanges zwischen Handlung und Erfolg41. Die Tatbestandsmäßigkeit sei das Fundament des Handlungsbegriffs. Die Tatbestandsmäßigkeit hänge ebenso wie von der Subsumierbarkeit einzelner Tatumstände von der Zurückführbarkeit des Erfolgs auf die Willensbetätigung ab42. Mit diesen Äußerungen legte Honig den Keim zu einer entscheidenden Ausweitung des Begriffs der objektiven Zurechnung. Im Anschluß an Larenz verwarf 1936 auch Hellmuth Mayer den Begriff der Kausalität und wollte nur von der objektiven Zurechnung sprechen. Zurechenbar sei ein Erfolg immer dann, wenn er nicht außerhalb des vernünftigerweise Berechenbaren gelegen habe43. Larenz44 und H. Mayer45 nahmen dabei ausdrücklich auf den überkommenen Begriff der „imputatio facti“ Bezug46. 1936 knüpfte auch Dulckeit weitgehend an Larenz A. a. O. S. 185 f. A. a. O. S. 185. 41 A. a. O. S. 175. 42 A. a. O. S. 195. 43 Das Strafrecht des Deutschen Volkes, 1936, S. 217 ff. 44 A. a. O. S. 60 f., 70. 45 Strafrecht, 1953, S. 131. 46 Scharf dagegen Armin Kaufmann, „Objektive Zurechnung“ beim Vorsatzdelikt?, Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geb., 1. Halbbd., 1985, S. 251 ff., 252 („dogmengeschichtlich ganz irreführend“). Kritisch aus der Sicht Hegels auch G. Dulckeit, Rechtsbegriff und Rechts39 40
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an und beklagte, daß seine Arbeit „viel zu wenig beachtet“ worden sei47. VIII. Welzels „teleologischer Sinnsetzungszusammenhang“ (1931)
Inzwischen hatte Hans Welzel einen Ansatz gewählt, der viele Elemente dieser Lehre in verblüffender Übereinstimmung in sich aufnahm. Er knüpfte an den Aufsatz von Honig an und teilte die Kritik an der Vorherrschaft des Kausalitätsdogmas. Im Anschluß an die Erkenntnisse der neueren Psychologie wies er auf eine neuartige Ablaufsordnung hin, die neben der Kausalität stehe und in die Kausalreihe selbst lenkend eingreifen könne: es handle sich um die Sinn-Intentionalität psychischer Akte48. Im folgenden spricht Welzel von einem „teleologischen Sinnsetzungszusammenhang“; „Sinnintentional“ wird mit „teleologisch“ gleichgesetzt49. Obwohl es sich hierbei nach Welzel um einen „tiefgreifenden ontologischen Unterschied im realen Geschehen“ handelt, geht er im folgenden völlig zu der Terminologie von Larenz über: der Erfolg gehöre dem Subjekt in ganz anderer Weise zu als eine bloße Wirkung ihrer Ursache. Sei die Ursache lediglich Durchgangsglied eines kausalen Prozesses, so sei die Verwirklichung des Erfolges eigene Tat des Subjekts. Soweit diese Abhängigkeit reiche, sei das Geschehen dem Subjekt als eigene Tat zugehörig, oder, um es anders auszudrücken, (objektiv) zurechenbar. Diese (objektive) Zurechnung führe die zur Handlungseinheit zusammengeschlossenen einzelnen Geschehensfakta auf den sie beherrschenden personalen Zentralpunkt zurück. „Als eigene Tat oder Handlung einem Subjekt zugehörig und gestalt. Untersuchungen zu Hegels Philosophie des Rechts und ihrer Gegenwartsbedeutung, 1936, S. 171 Anm. 90. 47 A. a. O. (Anm. 147), S. 168 ff. 48 Kausalität und Handlung, ZStW Bd. 51 (1931), 703 ff., abgedr. auch in: Abhandlungen zum Strafrecht und zur Rechtsphilosophie, 1975, S. 7 ff. 49 Abhandlungen, S. 19 f.
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in diesem Sinne objektiv zurechenbar ist jeder tatbestandlich festgelegte Erfolg, der vom Täter sinnhaft gesetzt oder dessen Abwendung vorhersehbar und sinnhaft setzbar war“50. Allerdings konzediert Welzel Larenz’ „schönen Ausführungen“ nur eine Übereinstimmung „im Endergebnis“, da er, Welzel, von der Transzendentalphilosophie ausgegangen sei, während die metaphysischen Belastungen die Ausführungen Larenz’ beeinträchtigten51. Im Jahre 1935 ging Welzel dann zu den Begriffen der finalen Überdetermination, der „finalen Handlungslehre“ über52. Er berief sich hierfür auf Nicolai Hartmann53; doch war der Begriff der Finalität – wie erwähnt – auch schon von Beling gebraucht worden. 1954 begründete Welzels Schüler Armin Kaufmann die finale Handlungslehre auch mit der Natur der Rechtsnormen54, so daß eine weitere Übereinstimmung mit der Auffassung Honigs erzielt war. A. a. O. S. 20 f. A. a. O. S. 20 Anm. 30. 52 Naturalismus und Wertphilosophie im Strafrecht, S. 79 ff.; Studien zum System des Strafrechts, ZStW Bd. 58 (1939), S. 491 ff. – In dem letzteren Aufsatz will Welzel die Fälle der Verleitung des Erbonkels zu einer Eisenbahnfahrt und des Pflanzens einer Tollkirsche als „sozialadäquat“ aus dem „Unrechtsbegriff“ ausscheiden (S. 517). „Sozialadäquat“ sollten alle Betätigungen sein, in denen sich das Gemeinschaftsleben nach seiner geschichtlich bedingten Ordnung jeweils vollzieht, die sich in der geschichtlich gewordenen Ordnung des sozialen Lebens eines Volkes bewegen (S. 517, 558). Die Versuche, hierin einen Vorläufer der Lehre von der objektiven Zurechnung zu erkennen (Cancio Meliá, Finale Handlungslehre und objektive Zurechnung. Dogmengeschichtliche Betrachtungen zur Lehre von der Sozialadäquanz, GA 1995, 179 ff.; Schünemann, Über die objektive Zurechnung, GA 1999, 207 ff., 211) erscheinen überzogen. Jedenfalls ist kein Einfluß auf die Entwicklung der Lehre von der objektiven Zurechnung zu erkennen. Nur Jescheck bezog später die Lehre von der Sozialadäquanz in die Lehre von der objektiven Zurechnung ein (s. u. VIII). Welzel selbst hat später beim Erbonkelfall den Vorsatz vereint (Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl. 1969, S. 66) und im übrigen die Sozialadäquanz seit 1952 (Das neue Bild des Strafrechtsystems, 2. Aufl.) als gewohnheitsmäßigen Rechtfertigungsgrund angesehen. 53 Ethik 1929 (jetzt 4. Aufl., 1968, S. 664 ff.); Problem des geistigen Seins, 1935, S. 136 f. 54 Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie, S. 46 ff.; s. später Welzel, Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl. 1969, S. 37. 50 51
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Mit dieser weitgehenden terminologischen Übereinstimmung trat die Lehre Welzels in unmittelbare Konkurrenz zu derjenigen von Larenz und Honig. Thierfelder lehnte Larenz’ Zweckbegriff ab, weil er auf den Freiheitsbegriff aufbaue, und Welzels Zweckbegriff, weil er rein individualpsychologisch abgeleitet sei; er schloß sich dem zuletzt von Bienenfeld 55 vertretenen Begriff des objektiven Zwecks an56.
IX. Gefahrverwirklichung und Risikovergleich (Engisch 1931)
1931 hatte K. Engisch zur Lösung des Gewitterfalls und der Abweichung des Kausalverlaufs in weitgehender Anknüpfung an M. L. Müller (o. V) die Adäquanz als neben der Kausalität erforderliche Wahrscheinlichkeit, Gefahr des Erfolgseintritts bezeichnet und ferner das von M. L. Müller entwickelte Merkmal der „Verwirklichung der Gefahr, deretwillen das Verhalten rechtsnormwidrig war“ (o. V), zu einer „spezifischen“ Gefahr, die das gefährliche Handeln als verboten erscheinen ließ, verdeutlicht57. Engisch prägte hierfür den Begriff des „Rechtswidrigkeitszusammenhangs“58. Dieses Merkmal habe auch für den Erfolgseintritt auch bei nichtfahrlässigem Alternativverhalten (Kokainfall) und für Schockschäden Bedeutung. Im Kokainfall dürfte die Verwirklichung des im Kokain liegenden Risikos den Arzt nicht stärker belasten als die Verwirklichung des in der Verwendung von Novokain liegenden „erlaubten Risikos“59. Bei den erfolgsqualifizierten Delikten sprach er von der „Verwirklichung der dem Grunddelikt innewohnenden Gefahr“60. Die Haftung ohne Verschulden, 1933, S. 230 ff., 293 ff. Normativ und Wert in der Strafrechtswissenschaft unserer Tage, 1934, S. 78 ff. 57 Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände, S. 41 ff., 61 ff. 58 A. a. O. S. 61, 67. 59 A. a. O. S. 67. 60 A. a. O. S. 70. 55 56
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Diese Gedanken schlummerten allerdings lange Zeit im Verborgenen, zumal Engisch eine Übereinstimmung mit der Lehre von der Zurechnung Honigs und Larenz’ wegen deren Vermengung von Kausalität, Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit ausdrücklich ablehnte61. 1944 schlug Engisch unter Berufung auf Bienenfeld und Dulckeit einen „Ausbau des allgemeinen finalen Handlungsbegriffs“ in der Richtung vor, daß die Handlung anstelle der vom Täter bezweckten oder für ihn vermeidbaren das willkürliche Bewirken objektiv bezweckbarer Folgen umfasse, „objektiv-finaler Handlungsbegriff“62. X. Die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts
Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches 1945 versuchten H. Mayer63 und Larenz64, ihre Lehre in der Bundesrepublik Deutschland wieder zur Geltung zu bringen, konnten sich damit aber nicht durchsetzen. Welzels finale Handlungslehre trat ihren Siegeszug an. Auf einer Ablehnung des Kausaldogmas baute auch das Buch von Hardwig „Die Zurechnung. Ein Zentralproblem des Strafrechts“ (1957) auf. Doch litt es an einem zu umfassenden Begriff der Zurechnung und blieb deswegen wenig beachtet. 1962 griff Claus Roxin bei der Untersuchung des Verhältnisses zwischen Sorgfaltswidrigkeit und Erfolg bei den fahrlässigen Delikten auf „das von Engisch eingeführte und bisher nirgends aufgenommene Merkmal der ,Gefahrverwirklichung‘“ zurück. Er schlug dabei vor, die Handlungsweise des Angeklagten mit dem erlaubten Risiko zu vergleichen und bei einer Erhöhung der Chance des Erfolgseintritts eine „tatbestandserfüllende Pflichtverletzung“ zu bejahen65. Diese A. a. O. S. 59 Anm. 1. Der finale Handlungsbegriff, in: Probleme der Strafrechtserneuerung, 1944, S. 141 ff., 160 f., 164 f. 63 Strafrecht, 1953, S. 131 ff. 64 Tatzurechnung und „Unterbrechung des Kausalzusammenhanges“, Neue Juristische Wochenschrift, 1955, S. 1009 ff. 61 62
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These entspricht fast wörtlich Engischs Hinweis darauf, daß die Verwirklichung eines gleichen Risikos wie die eines erlaubten den Täter nicht belasten dürfe (o. IX). Zu Unrecht warf Roxin Engisch vor, er habe eine Verwirklichung des Risikos abgelehnt und sein Gedanke müsse anders „gefaßt“ werden66. Roxin bezeichnete diese Lösung wirkungsvoll als „Prinzip der Risikoerhöhung“67. Die Einwände gegen diese These können und sollen hier nicht erörtert werden68. Von „objektiver Zurechnung“ sprach Roxin hierbei nicht.
XI. Die Lehre vom Schutzzweck der Norm
§ 823 Abs. 2 BGB ordnet eine Schadensersatzpflicht für den Verstoß gegen ein den Schutz eines anderen bezweckenden Gesetzes an. Schon frühzeitig verlangte das Schrifttum eine Verletzung des Rechtsguts oder Interesses, zu dessen Schutz die Schutzvorschrift erlassen wurde, und – offensichtlich im Anschluß an M. L. Müller (o. V) –, daß durch den Schaden die Gefahr verwirklicht worden ist, die die Schutzvorschrift verhüten wollte69. Die Zivilrechtswissenschaft entwickelte hieraus allgemein die Lehre vom Schutzzweck und Schutzumfang der die Schadenshaftung begründenden Norm, insbesondere der Verkehrspflichten. Als einer der Begründer gilt Ernst v. Caemmerer mit seiner Freiburger Rektoratsrede „Das Problem des Kausalzusammenhangs im Privatrecht“ (1956). Dabei erwähnte v. Caemmerer insbesondere die schuldlose Verursachung eines Verkehrsunfalls bei Fahren ohne Führerschein und die Nervenschockfälle70. 65 Pflichtwidrigkeit und Erfolg bei fahrlässigen Delikten, ZStW, 74. Bd., S. 411 ff., 430 ff. 66 A. a. O. S. 421, 441. 67 A. a. O. S. 431 f. 68 Näher Schroeder, StGB-Leipziger Kommentar, 11. Aufl. 1994, § 16 Rdn. 190. 69 Reichsgerichtsräte-Kommentar, 8. Aufl., Bd. II, 1934, § 823 Anm. 15. 70 A. a. O., S. 13, 15.
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1965 zog Jescheck für die Fahrlässigkeit die Theorie der Verletzung des Schutzbereichs der Norm heran und sprach in diesem Zusammenhang von der „objektiven Zurechnung“, zu welcher er auch die Voraussehbarkeit des Erfolgs rechnete71. Als Beispiele nannte er – wie von Caemmerer – die Unfallverursachung durch einen Kraftfahrer mit abgelaufener Fahrerlaubnis oder bei verbotenem Transport von Alkohol. Hierbei handelte es sich um ein Hilfsmittel zur Eliminierung des überflüssigen und schädlichen Erfordernisses einer Sorgfaltspflichtverletzung bei der Fahrlässigkeit72. Die deutsche Rechtsprechung wende bei dem Erfolgseintritt durch außergewöhnliche Umstände die Adäquanztheorie an. In Wirklichkeit gäben jedoch normative Erwägungen den Ausschlag, nämlich der Schutzzweck der verletzten Norm, die fehlenden Pflichten gegenüber Helfern, der Erfolgseintritt außerhalb des Rahmens einer pflichtwidrig herbeigeführten Gefährdung und die fehlende Sorgfaltspflichtverletzung73. 1969 plädierte Roxins Schüler Hans-Joachim Rudolphi für eine Übernahme der im Zivilrecht entwickelten Lehre vom Schutzzweck der Norm als „verfeinerten“, rein normativen „Zurechnungsmaßstab“ für die Beziehung zwischen Erfolgseintritt und Sorgfaltspflichtverletzung bei den Fahrlässigkeitsdelikten74. Als Fälle der Nichtverletzung des Schutzzwecks der Norm nannte er die Verursachung unverbotener Erfolge, die Erfolgsverursachung aufgrund besonderer Konstitution des Verletzten, Folge- und Dauerschäden, Folgeverletzungen durch Dritte und die Veranlassung fremder Selbstgefährdung. In diesem Rahmen bezog er auch Roxins Risikoerhöhungs71 Aufbau und Behandlung der Fahrlässigkeit im modernen Strafrecht (Freiburger Universitätsreden, Neue Folge, H. 39), S. 17. 72 Schroeder, Die Fahrlässigkeit als Erkennbarkeit der Tatbestandsverwirklichung, Juristenzeitung 1989, S. 776 ff. (auch in Schroeder, Beiträge zur Gesetzgebungslehre und zur Strafrechtsdogmatik, 2001, S. 134 ff.). 73 A. a. O. S. 18 f. 74 Vorhersehbarkeit und Schutzzweck der Norm in der strafrechtlichen Fahrlässigkeitslehre, Juristische Schulung 1969, S. 549 ff.
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lehre ein75. Es sei der Zweck der Sorgfaltsnormen, eine Erhöhung des erlaubten Risikos zu verhindern.
XII. Die Entstehung der modernen Lehre von der objektiven Zurechnung (1969 / 70)
In den Jahren 1969 / 70 entstand überraschend unabhängig voneinander bei mehreren Autoren eine weitgehend übereinstimmende Lehre von der objektiven Zurechnung. 1. Kompilatorische Lehren
a) In seinem „Lehrbuch des Strafrechts“ (1969) stellte Jescheck neben die Kausalität die „objektive Zurechnung“ (§ 28). Diese verstand er zunächst mit Larenz als Urteil über die Frage, ob ein Geschehnis als die „Tat“ eines bestimmten Menschen anzusehen sei. Die objektive Zurechnung sei vor allem erforderlich bei ganz ungewöhnlichen Erfolgen und abnormen Kausalverläufen76. Die Adäquanztheorie sei heute eine Theorie der Haftung77. Unter Berufung auf Engisch hieß es, die objektive Zurechnung verlange die Setzung einer genügend gefährlichen Bedingung für den Erfolg und sei nur gerechtfertigt, wenn sich in dem Erfolg die spezifische Gefahr verwirklicht habe, die in der Handlung angelegt war78. Außerdem übernahm er hier seine schon erwähnte Lehre von der Fahrlässigkeit und fügte noch die Fälle der fehlenden Beleuchtung eines Fahrrads und Tötung des vorausfahrenden Radfahrers sowie des Erfolgseintritts auch bei nicht fahrlässigem Alternativverhalten hinzu79. Eine „weitere Möglichkeit der Begrenzung der objektiven Zurechnung“ biete der Ge75 76 77 78 79
A. a. O. S. 554 f. S. 188, 192, 194. S. 193. S. 193 f. S. 193, 387 f.
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danke der sozialen Adäquanz i. S. Welzels (o. VII, Anm. 49)80. Das Ausgießen eines Wassertroges in durch einen Damm brechende Fluten und die Verminderung der Wirkung eines Schlages81 erfüllten dagegen bei „materieller Auslegung“ nicht die Tatbestände, die Unterbrechung eines rettenden Kausalverlaufs sei Verursachung durch positives Tun82. b) Auch Wessels verlangte in seinem Kurzlehrbuch von 1970 eine objektive Zurechnung und bestimmte sie konventionell und heterogen: Die Lehre von der objektiven Zurechnung beruhe auf der Relevanztheorie und umfasse: a) die Verursachung b) das Beruhen auf einem relevanten, tatbestandsadäquaten Kausalgeschehen, d. h. die objektive Voraussehbarkeit und Berechenbarkeit c) die objektive Vermeidbarkeit83. 2. Die objektive Zurechnung als Gefahrschaffung und -realisierung
a) 1970 setzte Schmidhäuser an die Stelle des Merkmals des Kausalzusammenhangs völlig das der „objektiven Zurechnung“, da die Lehre vom Kausalzusammenhang einerseits extreme Zufallsketten einbeziehe, andererseits die Verhinderung der Erfolgsabwehr nicht erfassen könne. Die objektive Zurechnung sei daher der Niederschlag der Gefährlichkeit der Handlung, die Realisierung der durch die Handlung geschaffenen Gefahr im Erfolg84. Auch die Unterlassung sei nur zurechenbar, wenn sich ihr Rechtsgutsverletzendes im Erfolg S. 194. E. A. Wolf, Kausalität von Tun und Unterlassen, 1965, S. 17, 23, ersteres Beispiel übernommen von v. Buri, Über Kausalität und deren Verantwortung, 1873, S. 69. Hier hatten schon die ältere abstrahierende Erfolgsauffassung (Traeger, Der Kausalbegriff im Straf- und Zivilrecht, 1904, S. 41), aber auch die Lehre vom Erfolg in seiner konkreten Gestalt den Kausalzusammenhang abgelehnt (o. III). 82 A. a. O. S. 189. 83 Strafrecht. Allgemeiner Teil, 1970, S. 32 ff., 107 ff. 84 Strafrecht. Allgemeiner Teil. Lehrbuch, 1970, 8 / 54 ff., S. 182 ff. 80 81
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niederschlage85. Schmidhäuser sah sich Larenz und H. Mayer nahestehend, letzterem insbesondere wegen der Einbeziehung der Unterlassung86. Die „Veränderung der Wirksamkeit einer Sache“87 formulierte er zur „Gefahrenminderung“ um, schied sie allerdings aus dem Element der objektiven Zurechnung aus, da kein rechtsgutsverletzendes Handeln vorliege88. Auch die sog. Kausalität der Sorgfaltswidrigkeit schied Schmidhäuser aus dem Element der objektiven Zurechnung aus; es handle sich um das erlaubte Risiko als Rechtfertigungsgrund89. b) In der Festschrift für Honig (1970) vertrat Schaffstein die Auffassung, daß die „objektive Zweckhaftigkeit“ bei der Lösung des Erbonkelfalles nichts anderes bedeute, als daß bei nachträglicher Prognose aus der Sicht eines einsichtigen Beobachters die Wahrscheinlichkeit des konkreten Erfolges durch das inkriminierte Verhalten nicht ganz unerheblich erhöht worden sei; die „objektive Zweckhaftigkeit“ heiße im strafrechtlichen Bereich nichts anderes als das objektive Zurechnungsprinzip der Risikoerhöhung90. c) Claus Roxin benutzte die Festschrift für Honig zu einer erheblichen Ausweitung der Lehre von der objektiven Zurechnung und zugleich zu dem Versuch, sie auf einen einheitlichen Grundgedanken zu gründen91. Honigs Definition der objektiven Zurechnung als „Beherrschbarkeit durch den menschlichen Willen“ müsse über die scheinbare Faktizität des Könnens hinausgeführt und auf den normativen Grund geführt werden. Diesen sah Roxin in Anknüpfung an den Gewitter-Fall in der Schaffung eines meßbaren Risikos einer RechtsgüterverA. a. O. 8/57, 16, 71, S. 183, 546. A. a. O. 8/59, S. 183. 87 E. A. Wolf (Anm. 81), 1965, S. 17, 23. 88 A. a. O. 8/87 (S. 195 f.), 48/126 (S. 212). 89 A. a. O. 8/88 (S. 196). 90 Die Risikoerhöhung als objektives Zurechnungsprinzip im Strafrecht, insbesondere bei der Beihilfe, Festschrift für Richard M. Honig, 1970, S. 169 ff., 170. 91 Gedanken zur Problematik der Zurechnung im Strafrecht, S. 133 ff. 85 86
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letzung. Grundlage der objektiven Zurechnung sei „also“ die Schaffung eines rechtlich relevanten Risikos92. Die von M. L. Müller geprägte Formulierung der Gefahrbegründung (o. V) wird also wirkungsvoll zur „Risikoschaffung“ hochstilisiert. Die „Zurückführung“ der objektiven Bezweckbarkeit auf das „Risikoprinzip“ ermögliche eine Auffächerung des Maßstabs und damit für die Erfolgsdelikte eine vom Kausaldogma völlig gelöste allgemeine Zurechnungslehre. Nach Roxin gliedert sich das Risikoprinzip in folgende Unterfälle. 1. Die Risikoverringerung. Wie erwähnt (o. 1a) hatte Jescheck hier von einer „materiellen Auslegung des Tatbestandes“ gesprochen und sprach Schmidhäuser gleichzeitig von einer „Gefahrenminderung“, die nicht die objektive Zurechnung, sondern die Rechtsgutsverletzung ausschließe (o. 2a). Roxin formuliert dies zur „Risikoverringerung“ um und schafft damit eine suggestive Parallele zu dem 1962 von ihm geprägten Prinzip der „Risikoerhöhung“ (o. X). Die „Risikoverringerung“ könne dem Täter daher „nicht als Tatbestandshandlung zugerechnet werden“93. 2. Die Schaffung oder Nichtschaffung eines rechtlich relevanten Risikos mit den Unterfällen des Gewitterfalls, der Abweichung des Kausalverlaufs, der Irrelevanz von Tatbestandshandlungen94, der Kausalität der Beihilfe und der Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch bei den unechten Unterlassungsdelikten. 3. Die Steigerung oder Nichtsteigerung des erlaubten Risikos (Erfolgseintritt auch bei sorgfältigem Verhalten). 4. Der Schutzbereich der Norm mit den Unterfällen des Schutzzweckzusammenhangs, der Folgeschäden (SchockschäA. a. O. S. 135. A. a. O. S. 136. – Eingehend Schroeder in: Hefendehl (Hrsg.), Empir. und dogm. Fundamente, kriminalpol. Impetus (Symp. für B. Schünemann), 2005, S. 151 ff. 94 Einleitung des Inhalts eines Wassertrogs in einer Überschwemmung, o. Anm. 182. 92 93
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den95) und der Schadensverursachung bei Schadensabwendungsversuchen wurde etwas gewaltsam in das „Risikoprinzip“ eingegliedert. Es handle sich um die Nichtzurechnung eines Erfolgs trotz einer nicht gestatteten Risikosetzung96, um die Entlastung des Täters von Risiken, um eine Risikoabnahme97. Aus dem Gesichtspunkt der fehlenden Verletzung des Schutzzwecks der Norm schied Roxin entgegen Jescheck den Fall einer Schädigung durch einen verbotswidrig Alkohol transportierenden Kraftfahrer oder einen Kraftfahrer ohne Fahrerlaubnis aus, da diese Verstöße von vornherein kein Verletzungsrisiko schüfen. Er anerkannte hier nur den Fall der fehlenden Verantwortlichkeit eines Radfahrers ohne Beleuchtung für die Verletzung des vor ihm fahrenden Radfahrers98. Damit waren nicht weniger als zehn dogmatische Problemkomplexe unter den Begriff der objektiven Zurechnung gebracht und für diese zugleich ein eindrucksvolles System entwickelt. Dogmengeschichtlich gesehen erweiterte Roxin den Anfang der dreißiger Jahre entwickelten Gesichtspunkt der Herbeiführung der Gefahr des Erfolgseintritts um die Gesichtspunkte der Steigerung der Gefahr und der Abnahme der Verantwortlichkeit für eine Gefährdung und bezog auch die Fälle der Schadensverringerung und der Irrelevanz der verursachten Schäden in den vorgelagerten Begriff der Gefährdung ein. Das allgemeine System der objektiven Zurechnung nahm eine Reihe von Problemen in sich auf, die nur bei Fahrlässigkeitstaten relevant sind, und verfolgt damit die allgemeine Tendenz zur Vorverlagerung der Probleme in die vorderen Gliederungselemente der Straftat99. 95 Von Engisch (a. a. O. S. 67) zur fehlenden Verwirklichung der Gefahr gerechnet. 96 A. a. O. S. 141. 97 A. a. O. S. 143. 98 A. a. O. S. 141. 99 Dazu Schroeder, Die Anziehungskraft vorgelagerter Gliederungselemente, Festschrift für Claus Roxin zum 70. Geburtstag am 15. Mai 2001, 2001, S. 33 ff.
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Mit der Anknüpfung an das „rechtlich relevante“, das „erlaubte“ Risiko wurde nicht nur der Begriff der Gefahr durch einen attraktiveren ersetzt, sondern wurden auch in Abweichung von der Auffassung von Larenz und Welzel, aber in Weiterverfolgung der Äußerungen von Honig (o. VII) – in starkem Maße Probleme der rechtlichen Wertung einbezogen. Roxin verstand die von ihm entworfene Lehre von der objektiven Zurechnung zugleich als Kampfansage an die finale Handlungslehre. In der Handlungslehre müsse das Schwergewicht vom ontischen in den normativen Bereich verlagert werden, die Finalität sei kein notwendiges Merkmal einer inhaltlich bestimmten Handlung oder Unterlassung100. Hatten Larenz und Honig bei dem Begriff der objektiven Zurechnung die Betonung auf die Zurechnung (statt der Kausalität) gelegt (o. VII), so verlagerte sich die Betonung nunmehr auf das Wort „objektiv“. In der Festschrift für Gallas (1973) bezog Roxin in die Fallgruppe der Nichtverletzung des Schutzzwecks der Norm auch noch die fahrlässige Herbeiführung von Selbstschädigungen, die Gefährdung mit Einverständnis101, die Verursachung von Dauerschäden mit Spätfolgen und die Folgeschäden durch Verschulden anderer ein102. Da in die Veranlassung der Selbstschädigung auch die schon in der Honig-Festschrift berücksichtigte Selbstschädigung bei Rettungsversuchen einbezogen wurde, wurden insgesamt drei weitere Problemgruppen in die Lehre von der objektiven Zurechnung einbezogen. Die von Jescheck genannten Fälle der Unfallverursachung bei Ablauf der Fahrerlaubnis oder verbotswidrigem Alkoholtransport ordnete Roxin nun in die fehlende Risikoerhöhung ein103. 100 101
A. a. O. S. 133, 145 ff. Mißverständlich als „einverständliche Fremdgefährdung“ bezeich-
net. 102 103
Gallas-Festschr. S. 241 ff. A. a. O. S. 242.
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System der (fehlenden) objektiven Zurechnung Roxin 1970 / 73
Rudolphi 1975
1. Risikoverringerung
1. Risikoverringerung
2. Nichtschaffung eines rechtlich relevanten Risikos a) Gewitterfall b) Kausalabweichungen
3. Nichtschaffung einer rechtlich mißbilligten Gefahr a) Gewitterfall b) Schutzbereich der Norm (Abweichung des Kausalverlaufs bei Vorsatz und Fahrlässigkeit)
2. Hypothetische Kausalverläufe
c) Irrelevanz von Handlungen d) fehlende Kausalität der Beihilfe e) Abgrenzung des Versuchs bei Unterlassungsdelikten 3. fehlende Steigerung des erlaubten Risikos
4. fehlender Pflichtwidrigkeitszusammenhang
4. fehlender Schutzbereich der Norm = Risikoabnahme a) 2-Radfahrer-Fall
5. fehlender Schutzbereich der Norm
b) Zweitschäden, insbesondere Schockschäden c) Dauerschäden mit Spätfolgen d) fahrlässige Herbeiführung von Selbstschädigungen und -gefährdungen e) Gefährdung mit Einverständnis
a) unvorsätzliche Ermöglichung vorsätzlicher Handlungen b) Haftung für fahrlässige Zweitschädigung c) Folgeschäden, insbesondere Spätschäden d) Schockschäden
e) Förderung fremder Selbstgefährdung
1975 legte Roxins Schüler Rudolphi in dem von ihm begründeten „Systematischen Kommentar zum Strafgesetzbuch“ ebenfalls eine umfassende Gesamtdarstellung der Lehre von
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der objektiven Zurechnung vor104. Objektiv zurechenbar sei ein durch menschliches Verhalten verursachter Unrechtserfolg nur dann, wenn dieses Verhalten eine rechtlich mißbilligte Gefahr des Erfolgseintritts geschaffen und diese Gefahr sich auch tatsächlich in dem konkreten erfolgsverursachenden Geschehen realisiert habe. In den fünf Komplexen der Risikoverringerung, des Erfolgseintritts auch bei hypothetischem Kausalverlauf, der Schaffung einer rechtlich mißbilligten Gefahr und des Risikozusammenhangs (Realisierung des rechtlich mißbilligten Risikos), der Kausalität der Pflichtwidrigkeit und des Schutzbereichs der Norm behandelte er sämtliche von Roxin einbezogenen Fallgruppen und fügte noch die hypothetischen Kausalverläufe bei Vorsatztaten hinzu. Die Realisierung des rechtlich mißbilligten Risikos und die Kausalität der Pflichtwidrigkeit waren somit aus der früheren Einordnung in den Schutzbereich der Norm (o. XI) herausgenommen. Das Unterfallen unter den Schutzbereich der Norm sah er weitgehend als Problematik des Besonderen Teils105. XIII. Die weitere Entwicklung
Jescheck modifizierte in der 2. Auflage seines Lehrbuchs von 1975 ebenso wie Rudolphi Roxins Formel von der Schaffung eines rechtlich relevanten zu der eines mißbilligten Risikos und dessen Verwirklichung106. Außerdem übernahm er den Fall der „Risikoverringerung“ als Fall der fehlenden objektiven Zurechnung107; den Fall der Irrelevanz des Ablaufs der Fahrerlaubnis oder des verbotenen Alkoholtransports für einen Verkehrsunfall ließ er bei dem Gesichtspunkt des Schutzbereichs der verletzten Norm auf die Kritik Roxins hin fallen108. Jescheck wies darauf hin, daß es sich hierbei um eine 104 105 106 107 108
Band I, Vor § 1, Rdn. 57 ff. A. a. O., Rdn. 71. Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1975, S. 213. A. a. O. S. 215. A. a. O. S. 442.
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generelle Begrenzung der objektiven Zurechnung handle, die auch für Vorsatztaten gelte, und räumte damit eine nicht sachgerechte Einordnung in seinem Lehrbuch ein. Kurz darauf sah auch Harro Otto im Anschluß an Engisch, Roxin und Schaffstein den „Zurechnungsgrund“ in der „Schaffung oder Vergrößerung einer Gefahrensituation für ein tatbestandlich geschütztes Rechtsgut, aus der sich die Rechtsgutverletzung als Realisierung der begründeten Gefahr selbständig entwickelt“. Allerdings handle es sich hierbei nicht um das einzige Prinzip der objektiven Zurechnung. Bei der Zurückführung der objektiven Bezweckbarkeit auf das Risikoerhöhungsprinzip sei das Eigengewicht des „Steuerbarkeitsprinzips“ verkannt worden. Risikoerhöhungsprinzip und Steuerbarkeitsprinzip seien eigenständige, funktional aufeinander bezogene Prinzipien. Die Steuerungsmöglichkeit umfaßt bei Otto neben der Vorhersehbarkeit die „Unterbrechung des Zurechnungszusammenhanges“ durch weitere bewußte Handlungen eines Dritten oder des Täters selbst. Beim Gewitterfall nahm Otto eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhanges durch die freie Entscheidung des Opfers an109. Diese Auffassung baute Otto 1976 in seinem „Grundkurs Strafrecht“ aus110. In der 18. Auflage des verbreiteten Kommentars zum Strafgesetzbuch von Schönke/Schröder von 1976 übernahm Theodor Lenckner weitgehend die Lehre von der objektiven Zurechnung111. Er faßte hierunter die fünf Fallgruppen der Nichtschaffung eines rechtlich relevanten Risikos (Gewitterfall, Schockschäden), der Risikoverringerung, der bloßen Modifizierung einer Naturkausalität, des Erfolgseintritts auch bei hypothetischer Sorgfalt und der Überschreitung des Schutz109 Kausaldiagnose und Erfolgszurechnung im Strafrecht, in: Festschrift für Reinhart Maurach zum 70. Geburtstag, 1972, S. 91 ff., bes. S. 101 Anm. 34. Hardwig (o. II) habe das Steuerbarkeitsprinzip zu sehr in den Vordergrund gestellt. 110 S. 72 ff. 111 Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff., Rdn. 95 ff.
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zwecks der Norm. Er bemerkte allerdings, daß die Diskussion bisher im wesentlichen nur in der Theorie geführt sei; die Fallgruppen seien zum Teil nur von theoretischer Bedeutung, weil es in der Praxis nicht einmal zu einer Anklageerhebung kommen dürfte112. In der 2. Aufl. seines Lehrbuchs des Allgemeinen Teils von 1976 stellte Stratenwerth den bisherigen Abschnitt über die Kausalität113 auf die „objektive Zurechung“ um. Auszugehen sei von dem Grundsatz, daß der Eintritt des Erfolges dem Täter nur dann zugerechnet werden könne, wenn er die Gefahr herbeigeführt oder gesteigert habe, die in den Erfolg umgeschlagen sei. Allerdings behandelte Stratenwerth hierbei nur die Adäquanztheorie, die Verringerung der Gefahr und den Eingriff in rettende Kausalverläufe; das Erfordernis der rechtlichen Mißbilligung der geschaffenen oder gesteigerten Gefahr und der Unerlaubtheit des Risikos seien „zweckmäßigerweise“ nicht als Frage der objektiven Zurechnung, sondern erst bei der Rechtswidrigkeit zu diskutieren114. Auch die Unterscheidung von Handlung und Unterlassung wollte Stratenwerth mit Hilfe der Kriterien der objektiven Zurechnung, d. h. der Gefahrherbeiführung oder -steigerung oder ihrer Verminderung, lösen115. In der 5. Auflage des Lehrbuchs des Strafrechts, Allgemeiner Teil von Maurach (1977) fügte Heinz Zipf auch in dieses Standardwerk die Lehre von der objektiven Zurechnung ein116. Mit Rudolphi sei ein durch menschliches Verhalten verursachter Unrechtserfolg nur dann objektiv zurechenbar, wenn dieses Verhalten eine rechtlich mißbilligte Gefahr des Erfolgseintrittes geschaffen und diese Gefahr sich auch tatsächlich in dem konkreten erfolgsverursachenden Geschehen 112 113 114 115 116
A. a. O. Rdn. 95. 1. Aufl. 1971, Rdn. 217 ff. Rdn. 208 ff., insbesondere 209, 224. A. a. O. Rdn. 976. S. 267 ff.
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realisiert habe. Der – schon vorher von Maurach vertretene – Adäquanzgedanke sei für die objektive Zurechnung des Erfolges ein wichtiger und häufig relevanter Gesichtspunkt, reiche aber nicht aus. Es sei zu prüfen, ob der schließlich eingetretene Erfolg noch in den rechtlich relevanten Verantwortungsbereich des Täters falle. Dies fehle bei atypischem Kausalverlauf. In der 3. Auflage seines Lehrbuchs von 1978 fügte Jescheck in den § 28 „Kausalität und objektive Zurechnung“ einen neuen Abschnitt „Die neuere Lehre von der objektiven Zurechnung“ ein. Diese habe die von der Adäquanztheorie entwickelten Gesichtspunkte aufgenommen und mit weiteren Argumenten verbunden. Grundlage der Lehre von der objektiven Zurechnung sei die aus dem Wesen der Strafrechtsnorm abgeleitete Erkenntnis, daß ein Erfolg nur dann objektiv zurechenbar sei, wenn die Handlung eine rechtlich mißbilligte Gefahr geschaffen und diese Gefahr sich in dem tatbestandsmäßigen Erfolg verwirklicht habe. Für die einzelnen Fallgruppen kämen jeweils noch zusätzliche Gesichtspunkte in Betracht, die sich jedoch sämtlich aus dem gleichen Grundgedanken ergäben. Jescheck behandelte hier nun die sieben Fallgruppen der Risikoverringerung, die hypothetischen Kausalverläufe, den Gewitter- und Erbonkelfall als Fehlen eines rechtlich mißbilligten Risikos, das Fehlen der Verletzung des Schutzbereichs der Norm (außergewöhnliche Kausalverläufe, Erfolgsverursachung durch Verschulden anderer, Förderung fremder Selbstverletzung, Veranlassung einer Selbstverletzung durch Rettungshandlungen), die Fälle des rechtmäßigen Alternativverhaltens bei der Fahrlässigkeit, den Erfolgsreintritt aufgrund abnormer Konstitution des Opfers und schließlich die Unmittelbarkeit des Erfolgseintritts bei den erfolgsqualifizierten Delikten117. Diese Ausführungen brachte er 1979 auch in die 10. Auflage des Leipziger Kommentars zum Strafgesetzbuch, des umfangreichsten, weitgehend von hohen Richtern verfaßten und damit konservativsten Kommentars zum Straf117
S. 230 ff.
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gesetzbuch, ein118. Hierbei schied er allerdings die hypothetischen Kausalverläufe aus; diese Fälle lösten sich bereits nach der Kausalitätsformel von der gesetzmäßigen Bedingung119. Jakobs bezeichnete in seinem Lehrbuch „Strafrecht. Allgemeiner Teil“ von 1983 den gesamten Allgemeinen Teil des Strafrechts als „Zurechnungslehre“. In diesem Rahmen bezeichnete er die neben der Kausalität erforderliche „Zuständigkeit für die Kausalität“ als „mißverständlich sogenannte objektive Zurechnung“120. Unter diesem Begriff behandelte er dann zunächst doch die Kausalität selbst. Die weiteren Institute der objektiven Zurechnung ließen sich auf zwei Wurzeln zurückführen, nämlich die Gewährleistung der Erwartenssicherheit (Sozialadäquanz mit den „Explikationen“ erlaubtes Risiko, Vertrauensgrundsatz, garantenbezogene Begehung und Regreßverbot), zum zweiten die Funktion für das Erfolgsdelikt (Normzweckzusammenhang, Risikokonkurrenz)121. Schließlich behandelte er hier noch den „Ausschluß der Zurechnung“ bei Einverständnis, tatbestandsausschließender Einwilligung und Handeln auf eigene Gefahr122. 1983 / 84 erklärte Wolter auch die aberratio ictus zu einer Frage der objektiven Zurechnung123, nachdem er dies 1977 noch abgelehnt hatte124. Dies war insofern folgerichtig, als die Vor § 13, Rdn. 59 ff. A. a. O., Rdn. 51. 120 S. 155. In der 2. Aufl. (1991) gestrichen (S. 184). 121 S. 163. In der 2. Aufl. (1991) auf alle „Institute der objektiven Zurechnung“ erstreckt und demgemäß an den Anfang des Abschnitts vorgezogen (S. 184). 122 S. 197 f. 123 Vorsätzliche Vollendung ohne Vollendungsvorsatz und Vollendungsschuld? Zugleich ein Beitrag zum „Strafgrund der Vollendung“, Kriminologie – Psychiatrie – Strafrecht, Festschr. f. Heinz Leferenz, 1983, S. 545 ff., 552; Objektive und personale Zurechnung zum Unrecht. Zugleich ein Beitrag zur aberratio ictus, in: Grundfragen des modernen Strafrechtssystems, hrsg. von P. Schünemann, 1984, S. 103 ff., 131. 124 Der Irrtum über den Kausalverlauf als Problem objektiver Erfolgszurechnung, ZStW 89, 649 ff., 650 Anm. 5. 118 119
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aberratio ictus ein Unterfall der Abweichung des Kausalverlaufs ist, die schon von der Ädquanztheorie als Fall der objektiven Zurechnung angesehen wurde. Andererseits handelt es sich um einen spezifischen Fall der Abweichung des Kausalverlaufs, bei welcher häufig dolus eventualis und damit Vorsatz gegeben ist125. XIV. Fazit
Die moderne Lehre von der objektiven Zurechnung erweist sich damit als Ergebnis einer jahrzehntelangen Entwicklung. Als Ausgangspunkt erscheint der Hinweis von v. Kries auf die Theorie der Möglichkeit und die darauf zu stützende Lehre von der Gefahr. Die nächste wichtige Entwicklungsstufe enthält die Einbeziehung der Gefahr in den Verbotsverstoß durch M. L. Müller und dessen Forderung nach einer Verwirklichung der Gefahr, deretwillen das Verhalten rechtsnormwidrig war (o. V). Den Begriff der Zurechnung begründete für die moderne Auffassung Hans Kelsen (o. VI). Larenz und Honig wandten sich ebenso wie die Adäquanztheorie gegen die Lehre von der conditio sine qua non und verlangten eine objektive Zweckhaftigkeit des Verhaltens als Voraussetzung der Strafbarkeit, die sie als „objektive Zurechnung“ bezeichneten (o. VII). Während Hans Welzel in Auseinandersetzung mit Honig die „objektive Zurechnung“ auf einen „teleologischen Sinnsetzungszusammenhang“ gründete (o. VIII), rief Engisch die Thesen M. L. Müllers in Erinnerung und fügte sie neben der Kausalität in die Voraussetzungen der Strafbarkeit ein (o. IX). Nach dem Siegeszug der finalen Handlungslehre Welzels nach dem Zweiten Weltkrieg war es zuerst Jescheck, der in seinem Lehrbuch von 1969 die objektive Zurechnung herausstellte und dabei die Auffassungen von Larenz und Engisch zusammenfaßte und außerdem die inzwischen im Zivilrecht entwickelte Lehre vom Schutzbereich der Norm hinzufügte. 125
BGHSt 34, 53, 55; BGH NJW 1993, 210, 211.
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1970 griff dann Roxin unter äußerlicher Anknüpfung an die Lehre von der objektiven Bezweckbarkeit Honigs auf die Lehre von der Gefahrschaffung M. L. Müllers und Engischs zurück. Die Apotheose von Roxins Beitrag in der Festschrift für Honig als „Geburtsstunde der Theorie der objektiven Zurechnung“ durch Schünemann126 greift damit jedenfalls zu kurz. Mitte der achtziger Jahre war die Lehre von der objektiven Zurechnung in allen größeren Lehrbüchern und Kommentaren zum deutschen Strafrecht anerkannt. Hinzu kamen zahlreiche Monographien127 und Aufsätze. Unterschiedlich war allerdings das Ausmaß der Einordnung von Problemen in die objektive Zurechnung, wobei Roxin und Rudolphi als Maximalisten der objektiven Zurechnung gelten müssen. Unterschiedlich und sogar bei den gleichen Autoren wechselnd und unsicher waren auch das innere System der objektiven Zurechnung und die Einordnung der einzelnen Probleme darin.
Über die objektive Zurechnung, GA 1999, 207 ff., 212. Besonders Rudolphis Schüler Jürgen Wolter, Objektive und personale Zurechnung von Verhalten, Gefahr und Verletzung in einem funktionalen Straftatsystem, 1981. 126 127