Der Beurteilungsspielraum der Verwaltungsbehörden: Zum Verhältnis zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit [1 ed.] 9783428421541, 9783428021543


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Der Beurteilungsspielraum der Verwaltungsbehörden: Zum Verhältnis zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit [1 ed.]
 9783428421541, 9783428021543

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 74

Der Beurteilungsspielraum der Verwaltungsbehörden Zum Verhältnis zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Von

Joachim Schmidt-Salzer

Duncker & Humblot · Berlin

J O A C H I M SCHMIDT-SALZER

Der Beurteilungsspielraum der Verwaltungsbehörden

Schriften

zum öffentlichen Band 74

Recht

Der Beurteilungsspielraum der Verwaltungsbehörden Z u m Verhältnis zwischen Verwaltung und Verwaltungegerichtsbarkeit

Von Dr. Joachim Schmidt-Salzer

D U N C K E R

& H U M B L O T /

B E R L I N

Alle Rechte vorbehalten © 1968 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1968 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis Erster

Teil

Der dogmatische Standort des Problems und die Lösungsversuche der Rechtsprechung I. Das Problem

7

I I . Der dogmatische Standort des Problems

10

1. Gerichtsunterworfenheit der Verwaltung als Ergänzung ihrer Gesetzesunterworfenheit

10

2. Wesen, gesetzestechnische u n d verfassungsrechtliche der unbestimmten Rechtsbegriffe

12

Bedeutung

3. Praktische Probleme der Differenzierung zwischen unbestimmten Rechtsbegriffen u n d Ermessensermächtigungen 20 I I I . Der sog. Beurteilungsspielraum i m Spiegel der Rechtsprechung

26

V I . Rechtsvergleichender Ausblick

38

Zweiter

Teil

Geltungsgrundlagen und Anwendungsbereich des Beurteilungsspielraums I. Materiell-rechtliche Grundlagen des Beurteilungsspielraums

42

1. Faktische Schwankungsbreite der Entscheidungen u n d Prinzip der einen u n d n u r einen „richtigen" Entscheidung

42

2. Die Bedeutung des A r t . 19 Abs. I V GG f ü r die Frage des sog. Beurteilungsspielraums

48

3. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe als generelle Z u billigung eines Beurteilungsspielraums an die Verwaltungsbehörden

51

4. Spezielle materiell-rechtliche Beurteilungsermächtigungen Grundlage des Beurteilungsspielraums

53

als

5. Sachnähe u n d Fachkenntnis der Verwaltungsbehörde sowie die Notwendigkeit prognostischer Beurteilungen als Grundlage eines Beurteilungsspielraums

60

6

Inhaltsverzeichnis 6. Das Fehlen allgemeiner Wertmaßstäbe sowie die Notwendigkeit fachwissenschaftlicher Kenntnisse als Grundlagen des Beurteilungsspielraums

65

7. Notwendigkeit einer „wertenden Erkenntnis" als Grundlage des Beurteilungsspielraums 69 8. Die Notwendigkeit eines „persönlichkeitsbedingten als Grundlage des Beurteilungsspielraums

Werturteils" 70

9. Der Gedanke des verwaltungspolitischen Spielraums als G r u n d lage des Beurteilungsspielraums

73

10. Das Problem des Beurteilungsspielraums als Frage des richterlichen Takts

74

I I . Prozeßrechtliche Grundlagen des Beurteilungsspielraums I I I . Anwendungsbereich des Beurteilungsspielraums

Dritter

76 80

Teil

Rechtsdogmatische Ergebnisse und rechtstheoretische Würdigung I . Rechtsdogmatische Ergebnisse

90

I I . Rechtstheoretische Würdigung

94

I I I . Gesamtergebnis

101

Literaturverzeichnis

102

Abkürzungsverzeichnis Es werden die üblichen Abkürzungen verwendet. Hinsichtlich der ausländischen Zitate bedeutet AGVE

Argauische Gerichts- u n d Verwaltungsentscheide

öJBl

(österreichische) Juristische Blätter

öVerfGH... E

Sammlung der Erkenntnisse des (österreichischen) fassungsgerichtshofes

Ver-

öVerwGH...E

Erkenntnisse u n d Beschlüsse des (österreichischen) waltungsgerichtshofes

Ver-

Recueil

Recueil des Arrêts d u Conseil d'Etat

schwBG... E

Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts, A m t liche Sammlung

ZR

Blätter für Zürcherische Rechtsprechung

Erster

Teil

Der dogmatische Standort des Problems und die Lösungsversuche der Rechtsprechung I. Das Problem Eines der i n der verwaltungsrechtlichen Literatur der Nachkriegszeit meistdiskutierten Probleme betrifft die Frage, i n welchem Umfang die Verwaltungsgerichte das Handeln der Verwaltungsbehörden nachprüfen können. I n den Grundtendenzen stehen sich hier zwei Meinungen gegenüber: Die sog. Gesetzesanwendungstheorie 1 geht davon aus, daß das Verwaltungshandeln an Gesetz und Recht gebunden ist (Art. 20 Abs. I I I GG) und daß die durch Art. 19 Abs. I V GG gewährte Rechtsschutzgarantie einen umfassenden gerichtlichen Rechtsschutz und damit die grundsätzliche volle Nachprüfung des Verwaltungshandelns auf seine Rechtmäßigkeit impliziere 2 . Eine zweite Meinung, die man als Theorie von der eigenständigen Funktion der Verwaltung bezeichnen könnte, geht demgegenüber davon aus, daß die dem deutschen Verfassungsrecht zugrunde liegende Gewaltenteilung i n Wirklichkeit eine Gewaltentrennung 8 und damit ein System dreier selbständiger und gleichrangiger staatlicher Funktionen sei, die sich jeweils durch einen eigenen, unabhängigen Verfassungsauftrag legitimieren: die Verwaltung bedürfe zur Erfüllung der ihr vom Gesetzgeber übertragenen Aufgaben einer Handlungsfreiheit; die extensive Auslegung des Art. 19 Abs. I V GG i m Sinn eines lückenlosen Rechtsschutzsystems und i m Sinn einer vollen gerichtlichen Nachprüfung sei eine positivistische, das Ganze der verfassungsrechtlichen Ordnung verfehlende Verfassungsinterpretation 4 . 1

Ehmke, Ermessen, S. 49. Siehe insb. Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 76 f., 8 5 1 ; Jesch AöffR 82 (1957), 163 ff., insb. S. 234 ff. 8 Peters, Gewaltentrennung, S. 6. 4 Ehmke, Ermessen, S. 49 ff.; siehe weiterhin Peters i n mehreren Schriften (Zitate m i t Textwiedergaben bei Reuss, Gedächtnisschrift Hans Peters [1967], S. 748—752); Rumpf, W d S t L 14 (1956), 136, 1681; Zeidler, Der Staat 1 (1962), 1

8

1. T e i l : Problemstellung u n d Lösungsversuche

Einer der Brennpunkte, an denen diese Frage von unmittelbarer praktischer Bedeutung wird, betrifft den Problembereich des „Entscheidungsspielraums" 5 der Verwaltung bei der Gesetzesanwendung, d. h. die Flage, ob die Rechtsordnung i n bestimmten Fällen die subjektive Entscheidung bzw. das subjektive Erkenntnisbemühen der Verwaltungsbehörde als ausreichend erachtet und ihr insoweit einen Spielraum des eigenverantwortlichen, der gerichtlichen Kontrolle nicht unterworfenen Handelns einräumt. Es handelt sich dabei einerseits um die Ermessensermächtigungen, andererseits um die unter dem Stichwort „Beurteilungsspielraum" behandelten Fälle der sog. unbestimmten Rechtsbegriffe. Hinsichtlich der ersten Frage bestehen für die Praxis keine grundsätzlichen Probleme mehr 6 : Genau genommen stehen zwar Ermessensermächtigungen i m Widerspruch zum Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung 7 . Es w i r d aber von der Rechtsprechung anerkannt, daß es mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar ist, wenn der Gesetzgeber der Verwaltung ein Ermessen einräumt 8 , so daß Ermessensermächtigungen legitimer Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung sind 9 . Eine Ermessensermächtigung ist i m allgemeinen gegeben, wenn es sich um eine „Kann"-Bestimmung handelt, d. h. wenn der Verwaltungsbehörde für den Fall des Vorliegens der tatbestandlich umrissenen Voraussetzungen die Freiheit eingeräumt wird, sich zwischen zumindest zwei denkbaren Möglichkeiten zu entscheiden. I m praktischen Ergebnis 10 geht man davon aus, daß i m Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens mehrere Entscheidungen rechtens sein können 1 1 und damit potentiell rechtmäßig sind. Wenn es aber Aufgabe der Verwaltung ist, zu bestimS. 321 ff., insb. S. 325, 328, 339. Z u m Scheincharakter dieser Fragestellungen siehe Imboden, Montesquieu u n d die Lehre der Gewaltentrennung (Berlin 1959), S. 7—10 sowie S. 23—25. 5 „Entscheidungsspielraum" verstanden als Oberbegriff zu „Ermessensspielraum" u n d „Beurteilungsspielraum" i m Sinn der herrschenden M e i nung. 6 Z u r theoretischen Problemstellung siehe Scheuner V A 33 (1928) 68 ff.; Rupp, Grundfragen, S. 212 ff.; Stern, Ermessen, S. 14ff.; Bettermann, Der Staat 1 (1962) 79, 81—86; Reuss DöV 67/217 ff. Insoweit k a n n nicht verkannt werden, daß die von Scheuner entwickelte prozeßrechtliche Deutung der E r messensermächtigungen dem Strukturmodell des Gesetzmäßigkeitsprinzips eher entspricht, als die von der h. M. vertretene Anerkennung einer (relativen) Bindungsfreiheit. 7 Bettermann, Der Staat 1 (1962) 79, 81 f. 8 BVerfG (12. 11. 58) E 8/274, 326 — BVerwG (24. 9. 59) E 8/272, 274. 9 BVerwG (18. 8. 60) E 11/95, 97. 10 Rechtsdogmatisch allerdings sehr zweifelhaft u n d umstritten: siehe die Zitate i n Fußn. 6). 11 OVG Rheinland-Pfalz (4. 3. 66) GewA 66/274.

9

I. Das Problem

men, welche der mehreren potentiell rechtmäßigen Entscheidungen für den betreffenden Einzelfall verbindlich sein soll, dann hat ihr der Gesetzgeber insoweit ein Recht zur eigenverantwortlichen Entscheidung und damit einen letztverbindlichen Entscheidungsraum 12 eingeräumt. Würde sich das die Ermessensentscheidung überprüfende Gericht für eine andere der potentiell rechtmäßigen Entscheidungen aussprechen, würde jenes Recht der Verwaltung zur eigenverantwortlichen Entscheidung mißachtet 13 . Infolgedessen darf das Gericht i m Rahmen des Ermessensspielraums nicht sein Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen 14 . Dementsprechend ist die gerichtliche Kontrolle auf die Prüfung beschränkt, ob — die verwaltungsbehördliche sachengrundlage hat 1 5 ,

Entscheidung

eine zutreffende

Tat-

— der Ermessensspielraum „zusammengeschrumpft" ist, so daß nur noch eine Entscheidung möglich ist und das dem Ermessen eigene arbiträre Moment nicht zur Auswirkung kommt 1 6 (sog. Ermessensreduzierung), — das Ermessen überhaupt ausgeübt wurde 1 7 (sog. Ermessensunterschreitung), — von der Ermessensermächtigung i n einer dem Zweck des Gesetzes entsprechenden A r t und Weise Gebrauch gemacht wurde (sog. Ermessensüberschreitung), d. h. ob unabhängig vom Einzelfall abstrakte Handlungsfehler ersichtlich werden, — die gesetzlichen Grenzen des Ermessens innegehalten sind (sog. Ermessensmißbrauch), d. h. ob aus den Umständen des Einzelfalles konkrete Handlungsfehler ersichtlich werden. Hinsichtlich des sog. Beurteilungsspielraums dagegen ist auch i n der Rechtsprechung noch ungeklärt, welches die wirkliche Geltungsgrundlage ist. Dies findet seinen Ausdruck darin, daß das Bundesverwaltungsgericht 19 noch i n neuester Zeit Entscheidungen der Berufungsgerichte 12

Stern, Ermessen, S. 10 u n d 21. OVG Berlin (6. 7. 64) E 8/64, 65. 14 BVerwG (11. 10. 56) E 4/89, 92; OVG Rheinland-Pfalz (4. 3. 66) G e w A 66/ 274. — OVG Berlin (2. 8. 67) J Z 67/751, 752. 15 BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 77; BVerwG (14. 10. 65) DöV 66/137, 138. 16 BVerwG (18. 8. 60) E 11/95, 97; BVerwG (12. 7. 63) E 16/214, 218 f. — BVerwG (8. 12. 67) N J W 68/612 — OVG Münster (13. 1. 55) AS 9/218, 220 — OVG Lüneburg (23. 6. 67) DVB1 67/779, 780 — OVG Berlin (2. 8. 67) J Z 67/751, 752. 17 O L G Celle (10. 10. 66) M D R 67/501. 18 BVerwG (28. 1. 66) E 23/194, 200 — BVerwG (7. 7. 66) Z B R 67/370, 371 — BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 78. 18

10

1. T e i l : Problemstellung u n d Lösungsversuche

aufheben mußte, weil diese (teilweise unter konsequenter Weiterentwicklung früherer Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts) fehlerhafterweise einen Beurteilungsspielraum anerkannt und damit eine unzulässige Selbstbescheidung 19 ausgeübt hatten. Trotz der sehr ausführlichen Darlegungen i n den Urteilen des BVerwG und trotz der vielen literarischen Erörterungen moniert der VGH München 20 ausdrücklich das Fehlen objektiver Kriterien, anhand derer die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens eines Beurteilungsspielraums entschieden werden könnte. Die Problematik des gerichtlich nur beschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraums kann nicht ohne Klärung der Frage nach der Stellung der Verwaltung i m Gewaltentrennungssystem der bundesrepublikanischen Verfassung gelöst werden, was aber Gegenstand einer staatsrechtlichen Grundsatzuntersuchung sein müßte. Umgekehrt ermöglicht gerade die Konzentrierung der Untersuchung auf den einen verwaltungsrechtlichen Brennpunkt eine Überprüfung von Argumenten, die bei den gewissermaßen makroskopischen Betrachtungen der Verfassungslehre eine konkrete Würdigung kaum finden können. I m Folgenden soll die Frage des gerichtsfreien Beurteilungsspielraums vom Ausgangspunkt der Rechtsprechung her und i n Verfolgung der sich daraus ergebenden dogmatischen Fragestellungen untersucht werden. Ziel der Arbeit ist einerseits, die innere Widersprüchlichkeit der Argumentationen aufzudecken. Andererseits soll zugleich der Versuch unternommen werden, die wirklich entscheidenden Gesichtspunkte herauszuarbeiten und anhand der Ergebnisse den Geltungsgrund sowie den Anwendungsbereich des der gerichtlichen Vollprüfung entzogenen Beurteilungsspielraums zu präzisieren. Π . Der dogmatische Standort des Problems 1. Gerichtsunterworfenheit der Verwaltung als Ergänzung ihrer Gesetzesunterworfenheit Die derzeitige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu den Fragen des Beurteilungsspielraums ist auf folgender dogmatischer Grundlage zu sehen: Seit den Anfängen der Verwaltungsgerichtsbarkeit war eines ihrer Kernprobleme, welche Reichweite das Nachprüfungsrecht der Gerichte 19

BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 78. VGH München (27. 1. 66) DVB1. 67/89, 90 f.; vgl. auch Müller - Tochtermann SchlHA 62/157, 162 u n d 164 sowie Menger - Erichsen V A 58 (1967) 70, 72. 10

I I . Der dogmatische Standort des Problems

11

hat bzw. wie weit die Gerichte „ i n die Verwaltung hineinregieren" dürfen. Durch A r t . 19 Abs. I V GG hat diese Frage ihre verfassungsrechtliche Beantwortung gefunden. Die Verwaltungsbehörden gehören insoweit zur öffentlichen Gewalt i m Sinn des Art. 19 Abs. I V GG, wie sie i n Ausübung ihrer öffentlich-rechtlichen Funktionen handeln. Infolgedessen kann der Bürger gegen das öffentlich-rechtliche Handeln der Verwaltungsbehörden Gerichtsschutz i n Anspruch nehmen und enthält Art. 19 Abs. I V GG das Grundsatzbekenntnis zur Gerichtsunterworfenheit der Verwaltung. Aus dem dem Grundgesetz zugrunde liegenden Rechtsstaatsprinzip ergibt sich die Forderung nach einem möglichst lückenlosen Schutz der Rechtssphäre des Bürgers gegen Eingriffe der öffentlichen Gewalt 1 . A r t . 19 Abs. I V GG verwirklicht also ein sich aus dem rechtsstaatlichen Leitbild ergebendes Postulat und muß infolgedessen eine über das rein Programmäßige hinausgehende Bedeutung haben. Die demnach gewährte Rechtsschutzgarantie stände nur auf dem Papier, wäre sie auf die bloße Rechtswegeröffnung beschränkt. Hat aber Art. 19 Abs. I V GG eine unmittelbare Garantiewirkung, muß die Zusicherung des Rechtsschutzes nicht nur den Rechtsschutz an sich, sondern vor allem einen tatsächlich wirksamen Rechtsschutz erfassen 2. Eine gerichtliche Kontrolle ist nur dann tatsächlich wirksam, wenn das Gericht aus eigener Entscheidungsverantwortung die Maßnahmen der Verwaltungsbehörden nachvollzieht und auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft. Dies ist nur möglich, wenn sich die Kontrolle auf den gesamten Tätigkeitsbereich der Verwaltungsbehörde erstreckt, der der zu überprüfenden Entscheidung zugrunde liegt. Das aber hat zur Folge, daß ein justizfreier Raum des Verwaltungshandelns grundsätzlich nicht besteht. Art. 19 Abs. I V GG enthält also seiner Funktion nach für die Frage des Verhältnisses zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit das Prinzip der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfungsbefugnis. I m Zusammenhang mit A r t . 20 Abs. I I I GG gelesen bedeutet dies, daß die Gesetzesunterworfenheit der Verwaltung durch eine Gerichtsunterworfenheit ergänzt wird. Die gerichtliche Kontrolle soll die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns gewährleisten. Hat der Gesetzgeber die Verwaltung i n dem Sinn gebunden, daß nur eine Entscheidung „richtig" ist, muß das Gericht die Verwaltungsmaßnahme rechtlich und tatsächlich i n vollem Umfang 1

BVerfG (12. 11. 58) E 8/274, 326 — BVerfG (10. 10. 61) E 13/153, 161. * BVerwG (2. 9. 63) E 16/289, 293 — BVerwG (29. 10. 63) E 17/83, 85; siehe auch BVerwG (22. 11. 65) VRspr. 18 (1967) Nr. 95, S. 365, 366.

12

1. T e i l : Problemstellung u n d Lösungsversuche

überprüfen, denn nur dann w i r d tatsächlich kontrolliert, ob die behördliche Entscheidung rechtmäßig ist und nur unter dieser Voraussetzung w i r d ein wirklicher Rechtsschutz gewährt 3 . Hat der Gesetzgeber der Verwaltung einen „Entscheidungsspielraum" 4 eingeräumt, läßt das Gesetz selbst mehrere „richtige" Entscheidungen zu und muß das Gericht jede dieser Entscheidungen als rechtmäßig anerkennen, weil andernfalls das durch den „Entscheidungsspielraum" der Verwaltungsbehörde eingeräumte Recht der eigenverantwortlichen Entscheidungsauswahl verletzt würde. Die Reichweite der gerichtlichen Nachprüfungsbefugnis entspricht dem „Entscheidungsspielraum" der Verwaltungsbehörde: der vollen Bindung entspricht eine volle gerichtliche Nachprüfung, dem „Entscheidungsspielraum" entspricht eine nur beschränkte Nachprüfung. Mit dieser verfassungsrechtlichen Entscheidung für die grundsätzliche Gerichtsunterworfenheit der Verwaltung ist dem der Verwaltungsgerichtsbarkeit immer wieder entgegengehaltenen Argument der „Doppelverwaltung", d. h. des Ausübens materieller Verwaltungsfunktionen unter dem Deckmantel der richterlichen Kontrolle der Boden entzogen 5: die Kontrolle und gegebenenfalls das Ersetzen der verwaltungsbehördlichen Entscheidung durch eine gerichtliche ist keine Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung, sondern gerade umgekehrt die Konkretisierung des im Rechtsstaatsprinzip enthaltenen Prinzips der Gewaltenhemmung durch gegenseitige Kontrolle 6. Die gerichtliche Kontrolltätigkeit ist kein materielles Verwaltungshandeln, sondern ein spezifisch judikatives Handeln, das seine Legitimation in dem Gedanken der Gewaltenhemmung findet. Indem der Richter eine verwaltungsbehördliche Entscheidung überprüft, handelt er im technischen Sinn nicht als Superbehörde, sondern kraft eines besonderen verfassungsrechtlichen Auftrages, der sich qualitativ von dem der Verwaltung erteilten grundlegend unterscheidet 7.

2. Wesen, gesetzestechnische und verfassungsrechtliche Bedeutung der unbestimmten Rechtsbegriffe Der praktisch wichtigste Bereich, i n dem sich die Frage nach der Reichweite des richterlichen Prüfungsrechts stellt, betrifft die sog. un9

BVerfG (5. 2. 63) E 15/275, 282 — BVerfG (10. 11. 64) E 18/203, 212. Z u r Begriffsbedeutung siehe oben, S. 8, Fußn. 5. 5 B G H (19. 12. 60) B G H Z 34/99, 104 f. — BVerwG (29. 6. 57) E 5/153, 162. « BVerwG (29. 6. 57) E 5/153, 162. 7 Die praktische Tragweite dieser letztlich banalen Feststellung zeigt sich insbesondere beim Problem der gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen weisungsfreier u n d unvertretbarer Gremien. 4

I I . Der dogmatische Standort des Problems

13

bestimmten Rechtsbegriffe 8 , die nach der neueren Rechtsprechung von den Ermessensermächtigungen zu unterscheiden sind 9 . a) Ermessensermächtigungen (Idealtyp: „Kann"-Bestimmungen) räumen der Verwaltungsbehörde für den Fall des Vorliegens der gesetzlich bestimmten Voraussetzungen eine Freiheit des Handelns ein: die Behörde kann sich innerhalb des durch die Ermessensgrenzen bestimmten Bereichs nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten für eine von mehreren i n Betracht kommenden Maßnahmen entscheiden. Bestimmte Rechtsbegriffe (ζ. B. „ i n Ausübung des Amtes") haben einen vom Einzelfall unabhängigen konkreten sachlichen Inhalt, so daß der betreffende Normbefehl abstrakt faßbar und präzisierbar und damit i n gewissem Maß der Verwaltungsbehörde vorgegeben ist. Als Kennzeichen der sog. unbestimmten Rechtsbegriffe („öffentliches Bedürfnis", „Befähigung", „Zuverlässigkeit", „gesunde Bodenverteilung", u. ä.) w i r d demgegenüber angeführt, daß sie als solche, d. h. vor ihrer Anwendung i m Einzelfall keine konkrete Aussage haben und daß sie infolgedessen erst vom Einzelfall her inhaltliche Konturen gewinnen. Sie müssen also vor ihrer Anwendung zu einer konkreten Aussage weitergedacht werden, indem sie zu dem zu regelnden Sachverhalt i n Beziehung gesetzt werden. Der Verwaltung obliegt insoweit nicht nur eine reine Subsumtionstätigkeit, sondern bildlich gesprochen auch eine Konkretisierung des gesetzgeberischen Willens, so daß man funktionell an eine A r t sekundärer Gesetzgebung denken könnte 1 0 . Genau betrachtet haben aber auch unbestimmte Rechtsbegriffe einen abstrakt faßbaren sachlichen Inhalt 1 1 : ζ. B. die „Eignung zu einem A m t " kann definiert werden als Verfügung über fachliches Wissen sowie über berufliches Können, die beide zusammen zur selbstverantwortlichen und einwandfreien Führung des zu übertragenden Amtes befähigen 12 . Die „angemessene" Beschäftigung eines Schwerbeschädigten kann präzisiert werden als Betrauung mit einem Arbeitsplatz, der nach Entgelt und A r t der Tätigkeit seinen Fähigkeiten und seiner Vorbildung entspricht 13 . Angesichts dieser „Definitionsfähigkeit" ist also auch der mittels eines unbestimmten Rechtsbegriffs statuierte Normbefehl unabhängig vom Einzelfall faßbar und präzisierbar. 8 Genauer müßte es heißen: unbestimmte Gesetzesbegriffe; die i m T e x t verwendete Terminologie hat sich aber bereits durchgesetzt. 9 Vgl. statt aller BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 74. 10 Vgl. Krüger, Allg. Staatslehre, S. 794. 11 Bzw. sind unbestimmte Rechtsbegriffe n u r dann m i t dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Normenklarheit vereinbar, w e n n sie inhaltlich präzisierbar sind: siehe BVerfG (12. 1. 67) E 21/73, 79 ff. 12 OVG Münster (27. 1. 54) DVB1. 54/542, 543. 13 BVerwG (12. 1. 66) VRspr. 18 (1967) Nr. 58/S. 229.

14

1. T e i l : Problemstellung u n d Lösungsversuche

Damit ist aber noch nicht gesagt, welche Fähigkeiten und welche Erfahrungen bzw. welche Arbeitsplatzvoraussetzungen i m konkreten Einzelfall erforderlich sind. Diese Frage läßt sich erst vom Einzelfall her beantworten. In der Sache bedeutet also die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, daß der Normbefehl zwar zunächst abstrakt aus dem Gesetz entnommen wird, daß er aber seine endgültige inhaltliche Aussage erst vom Einzelfall her erlangt 14. b) Bei der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe handelt es sich keineswegs um eine Blankettgesetzgebung 15 , denn der Normbefehl ist für eine bestimmte Sachverhaltstypik erlassen. Er steht als solcher fest und kann von dem rechtsanwendenden Organ nicht mehr verändert werden. Vielmehr ist das Wesen der mittels unbestimmter Rechtsbegriffe erfolgenden Rechtssetzung dahingehend zu charakterisieren, daß die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe rechtstechnisch eine Art „gebündelter" Gesetzgebung bedeutet: statt einer Vielzahl von Einzelnormen, die ζ. B. festlegen, welche konkreten Voraussetzungen für die Ernennung zum Regierungsrat, zum Oberregierungsrat oder zum Regierungsdirektor erforderlich sind bzw. unter welchen konkreten Voraussetzungen eine Versetzung i n ein anderes A m t oder eine Namensänderung zulässig sind, w i r d i n die Norm der unbestimmte Rechtsbegriff der „Befähigung zu einem A m t " oder des „wichtigen Grundes" aufgenommen und fällt dadurch den Rechtsanwendungsorganen die Aufgabe zu, den betreffenden Begriff 1 6 inhaltlich auszufüllen. Umgekehrt betrachtet: durch die Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs verzichtet der Gesetzgeber auf eine unübersichtliche Normenkasuistik und läßt dem rechtsanwendenden Organ die Möglichkeit, die Norm je nach den örtlichen, zeitlichen oder anderen rechtlich erheblichen Umständen zu konkretisieren 17 . Da die dem unbestimmten Rechtsbegriff unterfallenden Sachverhalte zahlenmäßig kaum faßbar sind, enthält eine derartige Norm eine potentiell endlose Zahl von Normbefehlen, die lediglich i n der besonderen Form des unbestimmten Rechtsbegriffs erlassen sind. Der Bemerkung, der Gesetzgeber vermeide bei der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe eine Entscheidung, die dann das rechtsanwendende Organ an seiner Stelle treffen muß 1 8 , wodurch es zum „sekun14

Vgl. Bettermann, Der Staat 1 (1962) 79, 84. Dazu siehe Vie DVB1. 53/491, 497 u n d Reuss DVB1. 53/649, 651 f. 16 Reuss bezeichnet die unbestimmten Rechtsbegriffe als „abstrakte" T a t bestandsmerkmale (DVB1. 53/649 u n d 651). Erichsen spricht v o n „ i h r e m I n h a l t nach typisierten" Begriffen. (SchlHA 65/117, 118). Der HessVGH kennzeichnet sie als „Typenbegriffe" (HessVGH [6. 7. 66] VRspr. 18 [1967] Nr. 200, S. 822, 823). 17 Vgl. Müller - Tochtermann N J W 62/1238, 1239 u n d SchlHA 62/157, 159. 18 Vie DVB1. 53/491, 497. 15

I I . Der dogmatische Standort des Problems

15

dären Gesetzgeber" werde 1 9 , kann also eine technische Bedeutung nicht gegeben werden. Die Charakterisierung der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe als „gebündelte" Gesetzgebung zeigt, daß es sich hier nur um eine besondere Rechtssetzungstechnik handelt, die eine unübersichtliche Kasuistik vermeiden soll. c) I m Verhältnis zu den mittels bestimmter Rechtsbegriffe statuierten Normbefehlen erscheint diese Technik der Zusammenfassung einer potentiell endlosen Zahl von Normbefehlen auf den ersten Blick gedanklich als eine völlig andersartige Form der Rechtsetzung. Bei näherem Zusehen zeigt sich allerdings, daß es sich hier nur u m eine gedankliche Kategorienbildung handelt, die zwei qualitativ gleichwertige Erscheinungsformen umfaßt 2 0 . Diese Feststellung ergibt sich aus der Überlegung, daß auch die konkrete Aussage eines bestimmten Rechtsbegriffs immer nur relativ genau ist. Sie muß es einerseits bereits wegen der sprachlichen Vieldeutigkeit der Begriffe, andererseits wegen des ewigen Spannungsverhältnisses zwischen dem unveränderbaren Wortlaut der Norm und der Dynamik der von der Norm geregelten gesellschaftlichen Sachverhalte sein: der Wandel der „Normsituation" 2 1 , d. h. der der Norm neben ihrem speziellen Tatbestand immanenten geistigen und materiellen Grundlagen hat notwendigerweise einen Wandel des Norminhalts und damit ein latentes Fließen des Begriffsinhalts zur Folge 22 . Dies findet seinen prägnanten Ausdruck i n der Erkenntnis der modernen Methodenlehre, daß jeder A k t der Rechtsanwendung zugleich auch ein A k t der Rechtsbildung ist, nämlich entweder eine Bestätigung oder aber eine Veränderung und damit eine Fortbildung des bereits früher ermittelten Norminhalts 2 3 . Wenn aber auch die sog. bestimmten Rechtsbegriffe praktisch nur relativ bestimmt sind, dann ist damit zugleich auch gesagt, daß sie stets 19

Krüger, Allg. Staatslehre, S. 794. Α . A. Henke, Tatfrage, S. 70 ff. 21 Jagusch, SJZ 47/297. 22 Auch der Begriffsinhalt der sog. bestimmten Begriffe ist fließend u n d w i r d von den Wandlungen des Sozialmodells sowie der gesellschaftlichen Verhältnisse betroffen: die Annahme, bestimmte Begriffe seien das statische, unbestimmte Begriffe das dynamische Element der Rechtsordnung (Henke, Tatfrage, S. 68; siehe auch Jesch AöffR 82 (1957) 163, 171 ff.) u n d ließen sich voneinander qualitativ nach ihrer praktischen Brauchbarkeit f ü r den A u f b a u rechtswissenschaftlicher Systeme unterscheiden (so Henke, Tatfrage, S. 72) ist m. E. ebenso eine rein gedankliche Kategorienbildung, w i e die Differenzier u n g nach dem Grad der Bestimmbarkeit, denn auch bei einer Differenzierung nach der praktischen Brauchbarkeit kann es sich n u r u m den Grad der Brauchbarkeit handeln. 20

23 Siehe insb. A . Kaufmann i n Festschrift E r i k Wolf (1962) S. 356, 387 sowie Larenz i n Festskrift Tillägnad K a r l Olivecrona (Stockholm 1964) S. 384 ff., insb. S. 385, 392, 396.

16

1. T e i l : Problemstellung u n d Lösungsversuche

relativ unbestimmt sind. Zwischen den Idealtypen der bestimmten Rechtsbegriffe einerseits, der unbestimmten Rechtsbegriffe andererseits besteht also hinsichtlich der Bestimmtheit oder Unbestimmtheit nur ein gradueller Unterschied. Die theoretisch so klare Unterscheidung zwischen bestimmten und unbestimmten Rechtsbegriffen ist keineswegs qualitativer, sondern lediglich quantitativer Art 24. Bestimmte und unbestimmte Rechtsbegriffe sind zwar Gestaltungsmittel zweier verschiedener Formen der Gesetzgebungstechnik; qualitativ aber, d. h. in ihrer rechtlichen Struktur und in dem Bindungswert des in ihnen enthaltenen Normbefehls sind sie gleichwertig. Hinsichtlich der bestimmten Rechtsbegriffe ist es unbestritten, daß eine und nur eine Entscheidung „richtig", d. h. Verwirklichung des gesetzgeberischen Willens ist. Obwohl ζ. B. Begriffskomplexe wie „eine dem Geschädigten gegenüber obliegende Amtspflicht" 2 5 oder „ i n Ausübung militärischen Dienstes" 26 vielfachen Deutungen zugänglich sind und obwohl deshalb für einen vernünftigen Beurteiler mehrere Auslegungen i m Rahmen des Vertretbaren und damit i m Rahmen des potentiell Rechtmässigen liegen, w i r d es nicht bestritten, daß hier i m Rechtssinn nur eine Entscheidung „richtig" ist und daß diese Entscheidung für die Praxis durch die höchstrichterliche Rechtsprechung getroffen wird. Ist aber bei bestimmten Rechtsbegriffen nur eine Entscheidung „richtig" und besteht zwischen bestimmten und unbestimmten Rechtsbegriffen kein qualitativer Unterschied, dann hat dies zur unausweichlichen Konsequenz, daß auch der mittels Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe statuierte Normbefehl qualitativ eine unbedingte Rechtsfolgenregelung erhält. Auch bei dem erst vom konkreten Einzelfall her inhaltlich präzisierbaren unbestimmten Rechtsbegriff ist also nur eine Entscheidung „richtig" 27 und ist von den mehreren in Betracht kommenden Entscheidungen nur eine einzige die zutreffende Konkretisierung des gesetzgeberischen Willens im Hinblick auf den zu regelnden Sachverhalt (Prinzip der einen und nur einen richtigen Entscheidung). Eben24 Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 81 ; Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 225 u n d AöffR 82 (1957) 163, 167; Bachof JZ 58/290 f. sowie Verfassungsrecht I, S. 231; Reuss DVB1. 53/649, 650, DöV 54/55, 56 sowie DöV 54/557, 559; Jarosch DVB1. 54/521, Fußn. 2; Pötter, Gedächtnisschrift Hans Peters (1967) S. 906, 912. 25

Dazu siehe BGH (26. 5. 66) N J W 66/1456. Dazu siehe BVerwG (17. 3. 65) ZBR 67/21 f. 27 BVerwG (30. 10. 59) E 9/284, 286 — BVerwG (28. 5. 63) E 16/116, 129 — BVerwG (28. 5. 65) E 21/184, 186 — HessVGH (21. 11. 52) E S V G H 2 (1953) 105, 106 — OVG Münster (24. 11. 53) DVB1. 54/229, 234 — OVG Münster (27. 1. 54) DVB1. 54/542, 543 — OVG Münster (20. 7. 54) DöV 55/345, 346 — OVG Münster (22. 9. 58) AS 14/38, 40 — OVG Koblenz (15. 6. 54) AS 2/41, 42; VGH BadenWürttemberg (9. 5. 60) ZBR 61/282, 283 — V G Minden (28. 2. 61) DöV 61/551, 552. 26

I I . Der dogmatische Standort des Problems

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so wie bei den bestimmten ist auch bei den unbestimmten Rechtsbegriffen der Verwaltung ein „Entscheidungsspielraum" nicht eingeräumt 28 . W i r d ζ. B. der Verwaltungsbehörde für den Fall einer Verletzung der „erheblichen Belange der Bundesrepublik" eine bestimmte Handlungsverpflichtung auferlegt (Versagung eines Passes), ist der Behörde ein Bereich, innerhalb dessen sie Zweckmäßigkeitserwägungen anstellen dürfte, nicht gegeben. Der Gesetzgeber hat eine unbedingte Handlungsverpflichtung normiert. Bei Vorliegen eines Sachverhaltes, durch den das Tatbestandsmerkmal der „Verletzung der erheblichen Belange der Bundesrepublik" ausgefüllt wird, muß die i n der Norm ausgesprochene Rechtsfolge zur Anwendung kommen. Obwohl begreiflicherweise bei derart komplexen Begriffen die zu treffende Wertung sehr komplizierte Erwägungen voraussetzt, handelt es sich rechtlich um die Frage, ob der zu beurteilende Lebenssachverhalt das betreffende Tatbestandsmerkmal ausfüllt, also um die Subsumtion von Tatsachen unter einen normativen Begriff und damit um eine Rechtsfrage. Da die Entscheidung von Rechtsfragen und folglich auch die Kontrolle der von der Exekutive vorgenommenen Rechtsanwendung Sache der Gerichte ist, hat das Verwaltungsgericht die von der Behörde vorgenommene Subsumtion voll nachzuprüfen 29 . Zum Wesen des unbestimmten Rechtsbegriffs gehört 28 BVerfG (19. 3. 1959) E 9/223, 229 — BVerfG (19. 7. 67) E 22/254, 261 — BVerwG (1. 7. 55) E 2/184, 185 — BVerwG (14. 12. 62) E 15/207, 212 — BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 74 — BayVGH (30. 9. 66) ZBR 67/55 — HessVGH (21. 11. 52) E S V G H 2 (1953) 105, 106 — O V G Münster (27. 1. 54) DVB1. 54/542, 543 — VGH Baden-Württemberg (21. 1. 66) DöV 67/767 — BSozG (27. 11. 59) E 11/102, 118 — BSozG (27. 10. 60) E 13/110, 113. 29 BVerfG (16. 1. 57) E 6/32, 42 f. — BVerfG (19. 7. 67) E 22/254, 261 — BVerwG (29. 6. 57) E 5/153, 162 — BVerwG (28. 5. 63) E 16/116, 129 f. — BVerwG (30. 8. 63) E 16/285, 287 — BVerwG (30. 6. 65) E 21/282, 284 — BVerwG (12. 1. 66) E 23/123, 125 — BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 74 — BSozG (27. 10. 60) E 13/110, 113 — BSozG (24. 2. 61) E 14/59, 60 — BSozG (29. 5. 62) E 17/80, 84 f. Das BVerfG ist allerdings insoweit inkonsequent, als der Grundsatz der v o l len Uberprüfbarkeit n u r i m Verhältnis zwischen Gesetz, V e r w a l t u n g u n d Rechtsprechung, nicht aber i m Verhältnis zwischen Verfassung, Gesetzgeber u n d Verfassungsgerichtsbarkeit gelten soll: hinsichtlich des i n A r t i k e l 72 Abs. 2 G G genannten „Bedürfnisses" für eine bundesrechtliche Regelung sei die Entscheidung des Gesetzgebers der Nachprüfung durch das BVerfG w e i t gehend entzogen (BVerfG (29. 11. 61) E 13/237, 239): es handele sich dabei u m eine v o m BVerfG grundsätzlich zu respektierende politische Vorentscheidung, w e i l es Aufgabe jedes Gesetzgebers ist, Lebens Verhältnisse gestaltend zu regeln (BVerfG (29. 11. 61) E 13/230, 233; ebenfalls für eine n u r beschränkte Überprüfbarkeit BVerfG (22. 4. 53) E 2/214, 224 f. — BVerfG (1. 12. 54) E 4/115, 127 f. — BVerfG (15. 12. 59) E 10/234, 245). Z u r Problematik siehe Gruson, Die Bedürfniskompetenz (1967). Auch das OVG Münster erkennt die grundsätzliche volle Überprüfbarkeit an: O V G Münster (5. 11. 58) AS 14/170, 180 — OVG Münster (7. 7. 65) DöV 66/765, 766. Soweit es sich dagegen u m das i n § 19 Gemeindeordnung genannte Bedürfnis handelt, stehe der Gemeinde i n ihrer Eigenschaft als Gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum zu: OVG Münster (1. 8. 62) DVB1. 63/66.

2 Schmidt-Salzer

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1. T e i l : Problemstellung u n d Lösungsversuche

seine volle gerichtliche Vollprüfung 3 1 ).

Überprüfbarkeit

80

(sog. These der gerichtlichen

I m Vergleich zu den Ermessensermächtigungen stellt sich der unbestimmte Rechtsbegriff demzufolge als ein aliud dar. Von der Struktur des Normbegriffs her haben Ermessensermächtigungen einerseits, unbestimmte Rechtsbegriffe andererseits grundverschiedene Funktionen und führen sie hinsichtlich der Bindung der Verwaltung zu unterschiedlichen Regelungen. I m praktischen Ergebnis sowie i n der verfahrensrechtlichen Handhabung 32 mögen sich bei Anerkennung eines Beurteilungsspielraumes die dogmatischen Unterschiede verwischen: i n rechtlicher Sicht aber kann von der Struktur des Normbegriffs her von einer Einheitlichkeit des Ermessensproblems 33 nicht gesprochen werden. Zwischen beiden besteht nicht nur ein gradueller 34 , sondern ein qualitativer Unterschied 35 . Infolgedessen stellt sich die eventuelle Anerkennung eines Beurteilungsspielraums der Verwaltungsbehörden bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe i m technischen Sinn nicht als Verschiebung der Grenzen zwischen unbestimmtem Rechtsbegriff und Ermessensermächtigung 36 , sondern als (eventuelles) eigenständiges Korrektiv der Normenlehre dar. Weiterhin ist es rechtlich nicht haltbar, wenn der sog. Beurteilungsspielraum als Ermessensermächtigung i m verfahrensrechtlichen Sinn bezeichnet und dann aus der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Ermessensermächtigungen der Schluß auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Beurteilungsspielraums gezogen w i r d 3 7 . Da Ermessensermächtigungen und unbestimmte Rechtsbegriffe strukturell grundverschieden sind, ist zwischen beiden scharf zu trennen.

80

BVerwG (29. 6. 57) E 5/153, 162 — BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 74. I n n e r prozessuale Konsequenz ist, daß das Revisionsgericht i n vollem Umfang nachprüfen kann, ob der unbestimmte Rechtsbegriff zutreffend angewendet wurde: siehe BVerwG (15. 4. 59) E 8/234, 235 — BVerwG (18. 12. 62) E 15/207, 208 — BVerwG (12. 1. 66) VRspr. 18 (1967) Nr. 58, S. 229. Anders noch BVertüG (1. 7. 55) E 2/184, 185. Z u r zivilprozessualen Diskussion siehe Kuchinke, Grenzen der Nachprüfbarkeit tatrichterlicher Würdigung u n d Feststellungen i n der Revisionsinstanz (1964) u n d Henke, Die Tatfrage (1966). 81 BVerwG (25.1. 67) E 26/65, 77. 82 Vgl. BVerwG (24. 4. 59) E 8/272, 274 f. 33 So insbesondere Ehmke, Ermessen, S. 22 u n d 45 ff.; vgl. auch Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 30 ff.; Lerche, BayVBl. 57/321 f. u n d Staatslexikon, Sp. 12, 14; Stern, Ermessen, S. 20 ff.; Nebinger, Verwaltungsrecht, S. 229; R. K l e i n , AöffR 82 (1957) 75, 118 ff. 84 35 88 87

So aber Jarosch DVB1. 54/521, Fußn. 2. Vgl. BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 74 sowie v o r allem Jesch J Z 61/624, 625. So Pötter, Gedächtnisschrift f ü r Hans Peters (1967) S. 906, 913. So aber BVerwG (24. 9. 59) E 8/272, 274 f.

I I . Der dogmatische Standort des Problems

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d) Verfassungsrechtlich ist die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe grundsätzlich nicht zu beanstanden 38 . Dies ergibt sich einerseits aus der Überlegung, daß die Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe herkömmliche und anerkannte Aufgabe der Rechtsanwendungsorgane ist 3 9 . Zwar gebietet der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, daß der Gesetzgeber Eingriffskompetenzen der Verwaltung selbst normiert 4 0 und nicht ihrem Ermessen überläßt 4 1 bzw. untersagt er dem Gesetzgeber, sich seines Rechts zur Bestimmung der Freiheitsschranken dadurch zu begeben, daß er mittels einer vagen Generalklausel die Grenzziehung i m Einzelnen dem Ermessen der Verwaltung überläßt 42 . Wegen des Prinzips der einen und nur einen richtigen Entscheidung ergibt sich aber trotz der relativ unbestimmten Gesetzesfassung die den konkreten Einzelfall betreffende Regelung aus dem Gesetz selbst und ist ihre Ingeltungsetzung keineswegs der Verwaltung zugeschoben43. Andererseits gestattet gerade die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe der Verwaltung eine Anpassung an die Besonderheiten des Einzelfalles: dies wäre ihr nicht möglich, wenn sie die zu regelnden Sachverhalte i n eine starre, enumerativ kasuistische Form pressen müßte 44 . Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist also die pragmatische Mitte zwischen dem Gedanken der Bindung der Verwaltung an das Gesetz und den Erfordernissen einer möglichst wenig schematischen, dem Einzelfall gerecht werdenden Verwaltungstätigkeit. Es steht i m Ermessen des Gesetzgebers, ob er sich bei der Festlegung eines Tatbestandes eines unbestimmten Rechtsbegriffes bedient oder aber eng umschriebene Tatbestandsmerkmale aufstellt 45 . Verfassungsrechtliche Grenze dieser Gesetzgebungstechnik ist, daß die Norm dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Normenklarheit und der Justiziabilität entsprechen muß4®, was praktisch bedeutet, daß sie richtungsweisende Anhaltspunkte für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs enthalten muß 4 7 . Die Norm muß also trotz des unbestimmten Rechtsbegriffs soweit 88 BVerfG (18. 12. 53) E 3/225, 243 — BVerfG (12. 11. 58) E 8/274, 326 — BVerfG (10. 10. 61) E 13/153, 161 — BVerfG (12. 1. 67) E 21/73, 79 — BayVerfGH (21. 2. 67) AS 20 (1967) 21, 34 — BayObLGSt (27. 9. 66) JR 67/68. 89 BVerfG (12. 1. 67) E 21/73, 82. 40 BVerfG (12. 11. 58) E 8/274, 325 f. — BVerfG (10. 10. 61) E 13/153, 160 f. — B V e r f G (12.1. 67) E 21/73, 79 f. 41 BVerfG (5. 8. 66) E 20/150, 157 f. — BVerfG (12. 1. 67) E 21/73, 80. 42 BVerfG (12. 11. 58) E 8/274, 325 — BVerfG (10. 10. 61) E 13/153, 160. 48 BVerfG (12. 1. 67) E 21/73, 82; siehe auch BVerfG (19. 7. 67) E 22/254, 261. 44 BVerfG (18. 12. 53) E 3/225, 243 — BVerfG (10. 10. 61) E 13/153, 162 — BayVerfGH (21. 2. 67) AS 20 (1967) 21, 34; siehe auch BVerfG (12. 11. 58) E 8/ 274, 326 sowie Jesch AöffR 82 (1957) 163, 240. 45 BVerfG (12. 1. 67) E 21/73, 79. 46 BVerfG (19. 3. 59) E 9/223, 229 — BVerfG (12. 1. 67) E 21/73, 79. 47 Vgl. BVerfG (12. 1. 67) E 21, 73, 79 ff.



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1. Teil: Problemstellung u n d Lösungsversuche

bestimmbar sein, daß sie die Überprüfung ermöglicht, ob der Verwaltungsakt i n ihr seine rechtliche Grundlage findet 48. Ein unbestimmter Rechtsbegriff ist also mit dem Grundsatz der Gesetzesklarheit vereinbar, wenn er definitionsfähig ist 4 9 . 3. Praktische Probleme der Differenzierung zwischen unbestimmten Rechtsbegriffen und Ermessensermächtigungen Die derzeitige Rechtsprechung beruht also auf der scharfen Differenzierung zwischen Ermessensermächtigungen einerseits, unbestimmten Rechtsbegriffen andererseits sowie auf der beschränkten Nachprüfbarkeit der ersteren und der grundsätzlich unbeschränkten, nur i m Ausnahmefall beschränkten Nachprüfbarkeit der letzteren. a) I n der gerichtlichen Praxis ist demzufolge hinsichtlich der „Kann"Bestimmungen zwischen den (voll nachprüfbaren) Voraussetzungen für die Ermessensentscheidung und der (nur beschränkt nachprüfbaren) Ermessensentscheidung selbst zu unterscheiden 50 . Heißt es ζ. B. i n einer Norm, „der Beamte kann bei Vorliegen eines dienstlichen Bedürfnisses versetzt werden", dann enthält die Vorschrift i m Sinne der obigen Unterscheidung zwei grundverschiedene Tatbestandselemente: Voraussetzung für ein Handeln der Verwaltung (nämlich für den Erlaß einer Versetzungsanordnung) ist das Vorliegen eines „dienstlichen Bedürfnisses". Da es sich dabei um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, hat das Gericht i n vollem Umfang nachzuprüfen, ob tatsächlich ein dienstliches Bedürfnis für die Versetzung des Beamten besteht 51 . Ist diese Frage bejaht, sind die Voraussetzungen für eine eventuelle Versetzungsanordnung festgestellt. I m Beispielfall steht die Entscheidung i m Ermessen des Dienstherren („kann"). Da i h m das Gesetz hinsichtlich des Inhalts seiner Entscheidung die Wahl läßt (Versetzen oder Nichtversetzen), kann das Verwaltungsgericht diese Entscheidung nicht nachprüfen. Aus dem Umstand, daß die Versetzung i m Ermessen des Dienstherren steht, kann also nicht darauf 48 ÖVerfGH (30. 3. 62) E 27 (1962) Nr. 4181, S. 176, 180 — ÖVerfGH (14. 10. 65) E 30 (1965) Nr. 5107, S. 641, 643; siehe auch BVerfG (12. 11. 58) E 8/274, 326. 49 BVerwG (27. 4. 67) E 27/21, 25. 50 Siehe insb. BVerwG (9. 5. 56) E 3/279, 284 —· BVerwG (28. 4. 66) ZBR 66/ 280 — BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 73 f. — VGH Baden-Württemberg (10. 9. 59) DöV 59/871 — OVG Rheinland-Pfalz (4. 3. 66) GewA 66/274, 275 — OVG Rheinland-Pfalz (19. 10. 66) ZBR 67/15, 16 — BSozG (24. 2. 61) E 14/59, 60. 51 Α. Α. BVerwG (15. 8. 60) ZBR 61/48, 49 u n d BayVGH (28. 2. 64) BayVBl. 64/228 (Beurteilungsspielraum zugebilligt).

I I . Der dogmatische Standort des Problems

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geschlossen werden, daß auch die Frage des „dienstlichen Bedürfnisses" eine Ermessensentscheidung des Dienstherren ist 5 2 . Würde das Gericht nicht nachprüfen, ob ein „dienstliches Bedürfnis" besteht, würde es seine Nachprüfungspflicht verletzen und eine unzulässige Selbstbescheidung ausüben 53 . Würde der Dienstherr bei Vorliegen eines „dienstlichen Bedürfnisses" automatisch die Versetzung verfügen, hätte er sein Ermessen nicht betätigt und wäre der Beamte durch diese Nichtausübung des Ermessens i n seinem subjektiv-öffentlichen Recht auf fehlerfreie Ermessensbetätigung verletzt 5 4 . Umgekehrt würde das Gericht seine Nachprüfungspflicht verletzen, wenn es bei Bejahung des „dienstlichen Bedürfnisses" die Versetzungsanordnung ohne weiteres für rechtmäßig erklärte, denn es hätte nicht geprüft, ob der Dienstherr sein Ermessen fehlerfrei betätigt hat. b) „Kann"-Bestimmungen enthalten nicht notwendigerweise die Einräumung einer Ermessensbefugnis 55 . Erfassen die i n der Norm aufgeführten tatbestandlichen Voraussetzungen den ganzen Bereich derjenigen Erwägungen, die für die behördliche Entscheidung maßgeblich sein können, dann sind sämtliche Kriterien, die als Voraussetzung der Rechtsfolgenregelung i n Betracht kommen, bereits i n der Norm erfaßt. Da die \ r erwaltungsbehörde Gesichtspunkte, die bereits bei der Ausfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen zu prüfen waren, nicht noch ein zweites Mal i m Zusammenhang mit der Ermessensentscheidung berücksichtigen darf 5 6 , verbleibt kein Raum mehr für weitere Erwägungen. Das aber hat zur Folge, daß bei Vorliegen der i n der Norm genannten tatbestandlichen Voraussetzungen nur eine einzige Entscheidung in Betracht kommt. Obwohl die Vorschrift sprachlich als „Kann"-Bestimmung und damit als scheinbare Ermessensermächtigung gefaßt ist, enthält sie einen uneingeschränkten Normbefehl und sind mehrere potentiell rechtmäßige Entscheidungen nicht denkbar. Die Vorschrift ist also als „Muß"-Bestimmung zu verstehen 57 . 52 So aber noch OVG Rheinland-Pfalz (15. 12. 53) ZBR 54/188 (aufgegeben i n OVG Rheinland-Pfalz [19. 10. 66] ZBR 67/15, 16). Vgl. auch OVG Münster (7. 7. 65) DöV 66/765, 766: f ü r einen Beurteilungsspielraum spreche, daß die betreffende Vorschrift das Einschreiten der Behörde i n i h r pflichtgemäßes Ermessen stellt. 58

BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 78. Siehe die vergleichbare Entscheidung O L G Celle (10. 10. 66) M D R 67/501. 55 BVerwG (18. 1. 63) DVB1. 63/366, 367 — OVG Berlin (12. 3. 59) DöV 59/869 — ÖVerfGH (7. 3. 64) E 29 (1964) Nr. 4644 S. 30, 34. M BVerwG (14. 12. 62) DVB1. 63/443 — O V G Berlin (12. 3. 59) DöV 59/869. 54

57 Besonders k l a r die Rechtsprechung des öVwGH: siehe öVerwGH (31. 1. 64) öJBl. 65/215, 216 f. — ÖVerwGH (8. 7. 64) ÖJB1. 65/159, 160. Siehe auch OVG Berlin (12. 3. 59) DöV 59/869.

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1. T e i l : Problemstellung u n d Lösungsversuche

c) „Soll"-Bestimmungen stehen nach Ansicht der herrschenden Meinung i n ihrer normativen Kraft zwischen den (bindenden) „Muß"-Vorschriften und reinen Ermessensnormen 58 . Sie binden die Verwaltung, wenn nicht besondere Umstände ein ausnahmsweises Abweichen von der Regel zulassen 59 . I n der Sache ist also eine „Soll"-Regelung eine „Muß"Bestimmung mit Vorbehalt eines Ausnahmefalles. Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des Ausnahmefalles ist aber ein unbestimmter Rechtsbegriff und damit voll nachprüfbar. Da auch hinsichtlich des Vorbehalts kein „Entscheidungsspielraum" besteht, gehören die „Soll"-Vorschriften systematisch zu den bindenden Normen und sind sie keineswegs engere, d. h. i m Vergleich zu den „Kann"-Vorschriften der Verwaltung einen geringeren Spielraum lassende Ermessensermächtigungen. d) Ist i n einer Norm die Erteilung einer Genehmigung davon abhängig gemacht, daß „die Wirtschaft Berlins voraussichtlich nicht beeinträchtigt w i r d " , dann handelt es sich zwar um eine prognostische Beurteilung, die als solche stets mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor behaftet sein muß. Trotzdem kann es i m jeweiligen Entscheidungszeitpunkt jeweils nur eine Antwort geben. Die Prognose ist entweder i m bejahenden oder i m verneinenden Sinn zu stellen. Gibt es aber nur eine richtige A n t w o r t 6 0 , enthält das Tatbestandsmerkmal „voraussichtlich" keine Ermessensermächtigung, sondern einen auszufüllenden unbestimmten Rechtsbegriff 61 . Ebensowenig weist die Formulierung „erforderlich erscheinen" auf einen Beurteilungsspielraum hin 6 2 , denn „erforderlich" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, hinsichtlich dessen nur eine, sei es bejahende sei es verneinende Entscheidung in Betracht kommt. Das Wort „scheinen" stellt also nicht mehr als eine sprachliche Ungenauigkeit des Gesetzgebers dar. e) Zu beachten ist auch, daß es sich i m Einzelfall um ungeschriebene und damit „verdeckte" Tatbestandsmerkmale handeln kann. — Ζ. B. heißt es i n § 35 Abs. 1 GewO, die Ausübung eines Gewerbes „ist ganz oder teilweise auf Zeit oder Dauer" zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden dartun. Die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden ist ein unbestimmter Rechtsbegriff und demzufolge voll nachprüfbar. Da die Gewerbeausübung bei Vorliegen einer Unzuverlässigkeit „zu untersagen ist", be58

O V G Berlin (27. 4. 61) E 7/37, 38. BVerwG (2. 12. 59) DVB1. 60/252, 253 — OVG Berlin (27. 4. 61) E 7/37, 38. Die Problematik der i n den Grenzfällen „vertretbaren" Entscheidungen bleibt an dieser Stelle dahingestellt, da es sich lediglich u m die Abgrenzung zwischen unbestimmtem Rechtsbegriff u n d Ermessensermächtigung handelt. 61 OVG Berlin (13. 2. 52) E 1/174, 176. 62 So aber O V G Münster (7. 7. 65) DöV 66/765, 766. 59

I I . Der dogmatische Standort des Problems

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steht eine uneingeschränkte Handlungsverpflichtung der Behörde und hat ihr der Gesetzgeber einen Ermessensspielraum nicht eingeräumt 88 . Damit steht jedoch lediglich fest, daß die Behörde eine Untersagungsverfügung erlassen muß. Aus § 35 Abs. 1 GewO ergibt sich nicht, ob sie die Gewerbeausübung ganz oder teilweise, zeitlich befristet oder auf Dauer untersagen muß. Man könnte also die Vorschrift in dem Sinn interpretieren, daß der Behörde zwar hinsichtlich des Erlasses der Untersagungsverfügung ein Ermessensspielraum nicht zusteht, daß sie aber hinsichtlich des Inhalts der Verfügung eine Ermessensentscheidung treffen kann 6 4 . Bei dieser Auslegung würde § 35 Abs. 1 GewO eine ungeschriebene Ermessensermächtigung enthalten. Dem steht entgegen, daß es sich bei dieser Vorschrift um eine Befugnis zum Eingriff i n das Grundrecht des Art. 12 GG handelt. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebietet insoweit, daß der Gesetzgeber derartige Befugnisse inhaltlich normiert und sie nicht dem Ermessen der Verwaltung anheim gibt 6 5 . Weiterhin folgt aus dem Wesen der Grundrechte als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruches des Bürgers gegen den Staat, daß Grundrechte jeweils nur soweit eingeschränkt werden dürfen, als es zum Schutz der öffentlichen Interessen unerläßlich ist6®. Demzufolge ist das Gebot der Verhältnismäßigkeit jedenfalls i m Bereich der Grundrechtsbeschränkungen ein Grundsatz rechtsstaatlichen Verwaltungshandelns 67 . § 35 Abs. 1 GewO dient der Abwehr konkreter Gefahren. Wird dieses Ziel bereits durch eine teilweise Gewerbeuntersagung erreicht, wäre eine vollständige Untersagung unverhältnismäßig und demzufolge rechtswidrig 68 . Da nur eine verhältnismäßige, die Relation zwischen Gefahr und Eingriff wahrende Regelung rechtmäßig ist, ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, daß der Verwaltungsbehörde hinsichtlich des Umfangs oder der Dauer der Gewerbeuntersagung ein Ermessen nicht zusteht. Obwohl also § 35 Abs. 1 GewO keine ausdrückliche Regelung darüber trifft, wann eine vollständige und wann eine beschränkte (bzw. eine endgültige oder eine befristete) Gewerbeuntersagung auszusprechen ist, ergibt sich aus dem Zweck der Norm sowie aus dem Wesen der Grundrechte und dem daraus folgenden Gebot der 68

BVerwG (24. 2. 66) VRspr. 18 (1967) Nr. 89, S. 348, 351. So BVerwG (23. 2. 62) DVB1. 62/489, 490. " BVerfG (12. 11. 58) E 8/274, 325 — BVerfG (10. 10. 61) E 13/153, 160 — BVerfG (12. 1. 67) E 21/73, 79 f. M BVerfG (15. 12. 65) E 19/342, 349. 67 BVerfG (5. 8. 66) E 20/150, 155 — BVerfG (18. 11. 66) E 20/365, 372 f. 68 Das gleiche gilt f ü r die Frage, ob eine zeitlich befristete oder eine auf Dauer ergehende Gewerbeuntersagung i n Betracht kommt. 64

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1. T e i l : Problemstellung u n d Lösungsversuche

Verhältnismäßigkeit des Eingriffs, daß hier keine ungeschriebene Ermessensermächtigung, sondern eine volle Bindung der Verwaltungsbehörde vorliegt. Die Entscheidung über die Frage, ob die Gewerbeausübung ganz oder nur teilweise (bzw. befristet oder auf Dauer) zu untersagen ist, liegt nicht i m Ermessen der Behörde 89 , sondern ist eine gerichtlich voll nachprüfbare Rechtsfrage 70 . — Als Beispiel für einen verdeckten unbestimmten Rechtsbegriff kommt § 25 Nr. 2 c GVG i n Betracht: während § 24 Abs. 1 Nr. 2 GVG für eine ausnahmsweise beim Landgericht erfolgende Anklage ausdrücklich eine „besondere Bedeutung des Falles" erfordert, enthält § 25 Nr. 2 c GVG eine derartige Einschränkung nicht. Isoliert von § 24 GVG gelesen, könnte die Vorschrift also i n dem Sinn verstanden werden, daß sie der Staatsanwaltschaft einen Ermessensspielraum gewährt 7 1 . Aus dem Vergleich zwischen §§ 24, 25 GVG ergibt sich aber, daß dem Katalog des § 25 GVG erkennbar der Gedanke zugrunde liegt, der Einzelrichter solle nur über diejenigen Strafsachen entscheiden, die von geringerem Gewicht sind. Auf Grund dieses, i n der Rangordnung der amtsgerichtlichen Strafinstanzen begründeten Prinzips ist also § 25 Nr. 2 c GVG i n dem Sinn zu verstehen, daß die Staatsanwaltschaft nur „ i n Sachen von minderer Bedeutung" beim Einzelrichter Anklage erheben darf 7 2 . Die Vorschrift enthält also einen ungeschriebenen unbestimmten Rechtsbegriff, der sich aus dem Vergleich zu § 24 Abs. 1 Nr. 2 GVG ergibt. — Desgleichen kann sich bei einem vorkonstitutionellen Gesetz ein verdeckter unbestimmter Rechtsbegriff i m Wege der verfassungskonformen Auslegung aus dem Schutzzweck der Norm ergeben. Ζ. B. dient das Gesetz über die Führung akademischer Grade 73 dem Schutz der deutschen akademischen Grade vor einer Verwässerung durch die unkontrollierte Führung ausländischer Grade. Es enthält aber keine Regelung über die Voraussetzungen, unter denen die Genehmigung zum Führen eines ausländischen Grades zu erteilen ist. Bei strikter Anwendung des Grundsatzes, daß der Gesetzgeber Eingriffsermächtigungen der Exekutive selbst bestimmen muß und ihre Ausgestaltung nicht dem Ermessen der Verwaltung überlassen darf 7 4 , müßte man zu einer Verfassungsw

So noch BVerwG (23. 2. 62) DVB1. 62/489, 490. BVerwG (24. 2. 66) VRspr. 18 (1967) Nr. 89, S. 348, 351. 71 So OLGSt Köln (22. 12. 61) N J W 62/1358, 1359. 72 BVerfG (19. 7. 67) E 22/254, 261 = N J W 67/2151 f. m. Anm. N J W 68/32. 73 Gesetz v o m 7. 6. 1939: RGBl. I. 985. 74 BVerfG, a.a.O. (Fußn. 65). 70

Schmidt-Salzer

I I . Der dogmatische Standort des Problems

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Widrigkeit der Norm kommen. Aus dem Schutzzweck ergibt sich aber zugleich ein Anhaltspunkt für die rechtsstaatgemäße Auslegung des Gesetzes: Wenn durch das Gesetz einer Verwässerung der deutschen Grade vorgebeugt werden soll, dann ist eine Untersagung des Führens ausländischer Grade nur berechtigt, wenn das erteilende ausländische Institut sowohl hinsichtlich des Ausbildungsniveaus als auch hinsichtlich der Anforderungen den entsprechenden deutschen Bildungsstätten nicht gleichrangig ist. Umgekehrt müßte also nach dem Schutzzweck der Norm i m Fall einer Gleichrangigkeit die Genehmigung zum Führen des i m Ausland erworbenen Grades erteilt werden. Verfassungskonform gelesen, d. h. mit einer aus dem Schutzzweck abgeleiteten tatbestandlichen Regelung über die Voraussetzungen der Genehmigungserteilung versehen, besagt also das Gesetz, daß die Genehmigung zu erteilen ist, „wenn das ausländische Institut in Ausbildungsniveau und Ausbildungsanforderungen den entsprechenden deutschen Ausbildungsstätten gleichrangig ist". Bei verfassungskonformer Auslegung enthält es also einen ungeschriebenen unbestimmten Rechtsbegriff 7 5 . Nach Lage der Dinge sind nur zwei Entscheidungen möglich. Entweder ist das ausländische Institut den deutschen Bildungsstätten vergleichbar, dann ist die Genehmigung zu erteilen; oder aber es ist ihnen nicht vergleichbar, dann ist die Genehmigung zu versagen. Ein Ermessensspielraum der Genehmigungsbehörde kommt nicht i n Betracht. Die Vorschrift enthält zwar einen ungeschriebenen unbestimmten Rechtsbegriff. Sie enthält aber keine ungeschriebene Ermessensermächtigung 76 . — I n älteren Normen des Nebenstrafrechts sind vielfach Ermächtigungen zum Einzug der instrumenta sceleris i n Form von „Muß"-Vorschriften ausgesprochen. Neuere Gesetze dagegen stellen die Entscheidung über die Einziehung derartiger Gegenstände i n das Ermessen des Richters. Erkennt man an, daß die Einziehung von Gegenständen, die einem an der Straftat nicht beteiligten Dritten gehören, mit Art. 14 GG vereinbar ist, sofern ein besonderer rechtfertigender Grund gegeben ist 7 7 , würden die vorkonstitutionellen „Muß"-Vorschriften insoweit unzulässig sein, als sie jenen Vorbehalt des „besonderen rechtfertigenden Grundes" nicht enthalten. Auch hinsichtlich dieser Vorschriften ist aber eine rechtsstaatgemäße Auslegung möglich, indem die Normen durch Interpolierung des ungeschriebenen unbestimmten Rechtsbegriffs auf das rechtsstaatlich zulässige Maß beschränkt werden: trotz tatbestand75 76 77

Ebenso BVerwG (23. 6. 67) DöV 67/685. So aber BVerwG (23. 6. 67) DöV 67/685. BGHSt (10. 5. 66) E 21/66, 67 f.

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1. T e i l : Problemstellung u n d Lösungsversuche

lieh unbeschränkter Fassung sind sie i n dem Sinn zu verstehen, daß sie eine Einziehung gestatten, sofern ein „besonderer Grund" gegeben ist, der einen Vorrang des staatlichen Zugriffs vor der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG rechtfertigt 78 . Bei einer derartigen „aktualisierenden" Auslegung würde allerdings die vorkonstitutionelle Einziehungsermächtigung noch insoweit hinter den vergleichbaren neuzeitlichen Vorschriften zurückbleiben, als letztere keine „Muß"-, sondern „Kann"-Vorschriften sind. Da aber die vorkonstitutionelle Einziehungsnorm als den Richter bindende, ihm ein Ermessen nicht einräumende Vorschrift i n Kraft getreten ist, wäre eine Umdeutung i n eine Ermessensvorschrift keine Auslegung mehr, sondern bereits eine inhaltliche Umgestaltung. Infolgedessen ist m. E. eine Auslegung als Ermessensermächtigung nicht vertretbar 7 9 . f) Die Beispiele zeigen, daß Normen auch ungeschriebene und damit „verdeckte" Ermessensermächtigungen bzw. unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten können und daß sich i m Einzelfall erst aus einer Beachtung allgemeiner Rechtsgrundsätze oder verfassungsrechtlicher Wertentscheidungen ergibt, ob der Verwaltungsbehörde ein Wahlrecht eingeräumt wurde oder nicht. Die vielgebrauchte Formulierung, die Vermutung spreche gegen eine Ermessensermächtigung und für eine Bindung 8 0 , hat keine technische Bedeutung i m Sinn einer in dubio-Regelung, sondern ist lediglich eine Gedankenstütze: es ist jeweils sorgfältig zu prüfen, ob das anzuwendende Gesetz tatsächlich eine Ermessensermächtigung enthält. Die tatbestandliche Fassung als „Kann"-Vorschrift ist nicht mehr als ein Indiz für das Vorliegen einer Ermessensermächtigung.

ΠΙ. Der sog. Beurteilungsspielraum im Spiegel der Rechtsprechung Das Vorstehende ist der — an vielen Punkten allerdings sehr umstrittene — dogmatische Unterbau der derzeitigen Rechtsprechung. Unter dem Einfluß des Grundgesetzes und der darin enthaltenen verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen hat sie einen erheblichen Wandel durchgemacht. Z . B . wurden noch bis spät i n die 50er Jahre Prüfungsentscheidungen 1 , Beurteilungen der „Unwürdigkeit" der Belassung eines 78

Ebenso BGHSt (10. 5. 66) E 21/66, 68. Ebenso BGHSt (10. 5. 66) E 21/66, 68; a. Α. BGHSt (20. 2. 63) E 18/279, 282; BayOblGSt (15. 12. 66) JR 67/108, 109. 80 Forsthoff VerwR, S. 85; Bachof J Z 55/97, 100; Jesch AöffR 82 (1957) 163, 249 u n d Gesetz u n d Verwaltung, S. 225; Bettermann, Handbuch der G r u n d rechte, I I I , 2 (1959) S. 778, 798; gegenteiliger Ansicht Peters, Lehrbuch, S. 10. 1 BVerwG (24. 4. 59) E 8/272, 274 — O V G Berlin (14. 4. 54) DVB1. 54/586 (Quasi-Ermessensentscheidung) — OVG Münster (28. 10. 52) AS 6/150, 151 — O V G Münster (12. 1. 54) DVB1. 54/584, 585 (aufgegeben durch O V G Münster [22. 9. 58] AS 14/38, 39). 79

I I I . Der Stand der Rechtsprechung

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Beamten i m Dienst 2 bzw. seiner dienstlichen Leistungen 3 oder der Interessen des öffentlichen Verkehrs 4 als Ermessensentscheidungen betrachtet und erkannten die Gerichte den Verwaltungsbehörden dementsprechend einen kontrollfreien Raum zu. Diese Qualifizierung ist aber i n der neueren Rechtsprechung aufgegeben. Die angeführten Beispiele werden als Fälle unbestimmter Rechtsbegriffe aufgefaßt, so daß ihre Anwendung voll nachprüfbar sein müßte. Die Rechtsprechung 5 erkennt aber i n beschränktem Umfang das Vorliegen einer sogenannten Beurteilungsermächtigung 6 an, auf Grund derer der Verwaltungsbehörde hinsichtlich der Subsumtion des Sachverhalts unter einen unbestimmten Rechtsbegriff ein gerichtlich nur beschränkt nachprüfbarer „Beurteilungsspielraum" eingeräumt wird. Allerdings gelte dies nicht für alle unbestimmten Rechtsbegriffe: vielmehr seien die Grenzen des richterlichen Nachprüfungsrechts aus der Eigenständigkeit des betreffenden Sachgebiets, also aus der Natur der Sache, zu ermitteln 7 und handele es sich um Ausnahmen von der Regel der vollen Nachprüfbarkeit. Als derartige Ausnahmefälle werden i m Schulbereich die Prüfungs- und Versetzungsentscheidungen sowie i m Beamtenrecht die dienstlichen Befähigungsbeurteilungen genannt 8 . Bei diesen Entscheidungen sei lediglich nachprüfbar 9 , ob die Verwaltungsbehörde — von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, — einen Verfahrensverstoß begangen hat 1 0 , 2

O V G Koblenz (20. 7. 57) J Z 58/289. » BayVGH (29. 9. 58) E 11/115, 117 f. 4 BVerwG (10. 3. 54) E 1/92, 96 — BVerwG (1. 7. 54) E 1/171, 173 — BVerwG (13. 1. 55) E 1/311, 314 — BVerwG (11. 10. 56) E 4/89, 92 f. — BVerwG (13. 12. 56) DVB1. 57/496, 497 — BVerwG (30. 10. 59) DöV 60/150. A . A. insb. OVG Münster (20. 7. 54) DöV 55/345 — BayVGH (18. 2. 55) DVB1. 55/253 ff. 5 Weitergehend teilweise die Rechtslehre; dazu siehe unten, S.42—48,51—53. « BVerwG (13. 5. 65) E 21/127, 130 — BVerwG (22. 4. 66) E 24/60, 64 — BVerwG (23. 11. 66) ZBR 67/146, 147 — BVerwG (12. 1. 67) E 26/8, 11 — BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 74 — OVG Münster (20. 2. 63) Der Städtetag 63/455 — OVG Münster (17. 4. 67) N J W 67/1772, 1774. Diese Terminologie geht zurück auf Kellner DöV 62/572, 576 u n d N J W 66/857, 859. 7 BVerwG (18. 1. 63) DVB1. 63/366, 367. 8 Siehe insb. BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 74. 9 Siehe insb. BVerwG (24. 4. 59) E 8/272, 274 — BVerwG (29. 9. 60) E 11/139, 140 — BVerwG (13. 5. 65) E 21/127, 130 — BVerwG (23. 11. 66) ZBR 67/146, 147 — BVerwG (12. 1. 67) E 26/8, 11. Abweichend HessVGH (6. 7. 66) VRspr. 18 (1967) Nr. 200, S. 822, 823. 10 OVG Münster (8. 9. 66) N J W 67/949, 950 f. — BFinH (24. 10. 67) Betr. 67/ 2201: z. B. Stellen von Fragen aus einem i n dem M e r k b l a t t über die Prüfung nicht angegebenen Sachgebiet (BFinH, a.a.O.) oder Nichtteilnahme eines M i t gliedes des Prüfungsausschusses an der Beschlußfassung (OVG Bremen [21. 5. 64] DVB1. 66/40, 41).

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1. Teil: Problemstellung u n d Lösungsversuche

— den anzuwendenden Rechtsbegriff oder den gesetzlichen Rahmen der Beurteilungsermächtigung verkannt hat 1 0 a , — allgemeingültige Maßstäbe nicht berücksichtigt hat 1 1 , — sachfremde Erwägungen angestellt hat. Der Bundesfinanzhof 12 führt als weiteres Nachprüfungskriterium an, das Gericht könne auch nachprüfen, ob die Prüfungsanforderungen i n Aufgabenstellung und Bewertung überspannt wurden. Von wenigen Gegenstimmen abgesehen13, w i r d diese Rechtsprechung von der herrschenden Meinung anerkannt 14 , wobei allerdings sowohl in den einschlägigen gerichtlichen Entscheidungen als auch i n den literarischen Erörterungen hinsichtlich der Geltungsgrundlagen dieses kontrollfreien Beurteilungsspielraumes sehr widersprüchliche Meinungen vertreten werden. Insbesondere zeigt der Vergleich der einen Beurteilungsspielraum anerkennenden und der einen Beurteilungsspielraum ablehnenden gerichtlichen Entscheidungen eine frappierende Widersprüchlichkeit der Argumentationen, so daß der Einwand, die Lehre vom Beurteilungsspielraum werde vom Ergebnis her bestimmt 1 5 und ermangele der theoretischen Grundlagen 16 , sehr berechtigt erscheint und man sich 10a ζ. B. Versetzung eines Veterinärmediziners i n eine seine Kenntnissen u n d seiner Ausbildung nicht entsprechende Laufbahn (BVerwG [15. 8. 60] ZBR 61/48, 49). 11 Ζ. B. Grundsatz der Chancengleichheit i m Prüfungsrecht: BVerwG (23. 7. 65) D R i Z 66/28. » BFinH (25. 6. 63) H F R 63/375 — BFinH (4. 2. 64) H F R 64/467 — BFinH (2. 8. 67) Betr. 67/1662. 18 Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 85, Fußn. 2; Rupp, Grundfragen, S. 212 ff.; Czermak N J W 61/1905 ff. u n d J Z 63/276 ff.; Kopp DöV 66/317 ff. 14 Bachof JZ 55/97ff.; Jesch AöffR 82 (1957) 163, 237ff.; Jaeger DöV 66/779ff.; Kellner DöV 62/572 ff. sowie N J W 66/857 ff.; Maunz-Dürig, GG, Rd. 47 zu A r t . 19 Abs. I V (anders noch Dürig JZ 53/535 ff.); Menger, Handbuch der G r u n d rechte I I I , 2 (1959) S. 717, 751 f.; Reuss, Gedächtnisschrift Hans Peters (1967) S. 748, 754 f. (entgegen früheren Schriften, i n denen Reuss f ü r eine uneingeschränkte Nachprüfbarkeit eingetreten ist: DVB1. 53/649 ff.; DöV 54/55 ff.; 535 ff.; 557 ff.); Vie i n : Forschungen u n d Berichte aus dem öffentlichen Recht, Gedächtnisschrift f ü r Walter Jellinek (1955) 309 ff. sowie Verwaltungsprozeßrecht S. 7 ff.; Wolff , Verwaltungsrecht, S. 149 f.; Redeker-v. Oertzen V w G O , A n m . 8 zu § 114; Schunck-De Clerk V w G O , A n m . 4 zu § 42/S. 218; Bettermann, Handbuch der Grundrechte, I I I , 2 (1959) S. 779, 797 f. Ebenfalls i n diesem Zusammenhang zu nennen sind Ehmke (Ermessen S. 22, 45 ff.), Eyermann-Fröhler (VwGO, Rnd. 9 zu § 114), R. Klein (AöffR 82 [1957] 75 ff., insb. S. 119—121), Less (DöV 57/418, 422 f.) sowie w o h l auch Stern (Ermessen, S. 20 ff.) u n d Lerche BayVBl. 57/321 f. u n d Staatslexikon, Sp. 12, 14, die zwar von anderen theoretischen Positionen ausgehen, aber i m Ergebnis mittels der Ermessenslehre auch für die hier behandelten Fallgruppen das Bestehen eines gerichtsfreien Raums anerkennen. Vgl. weiterhin Bettermann, Der Staat 1 (1962) 79, 81—86. 15 Ehmke, Ermessen, S. 34. 16 R. Klein, AöffR 82 (1957) 75, 121.

I I I . Der Stand der Rechtsprechung

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tatsächlich fragen muß, ob hier nicht i n vielen Fällen ein vorgefaßtes Ergebnis mit wohlklingenden Formulierungen erläutert wird. a) Eine gedanklich ganz klare Linie weisen drei neuere 17 Entscheidungen des OVG Münster auf: ein Beurteilungsspielraum sei gegeben, wenn eine der Behörde obliegende Wertung vom Gericht mit den i h m zur Verfügung stehenden Beweismitteln nicht nachvollzogen werden kann 1 8 bzw. wenn die dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel eine Ermittlung des für die Entscheidung der Behörde maßgeblichen Tatsachenstoffs nicht zulassen 19 . Sachlich gleichwertig ist die i n einem vereinzelten obiter dictum des Bundesverwaltungsgerichts 20 angeführte Begründung, es sei dem Richter hinsichtlich der Kontrolle von Prüfungsentscheidungen nicht möglich, die Prüfungssituation i n ihrer Einmaligkeit und Gesamtheit zu wiederholen. Einen weiteren Schritt i n diese Richtung bedeutet die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. 1. 196721, daß die Behörde hinsichtlich des für eine Beamtenversetzung erforderlichen „dienstlichen Bedürfnisses" jederzeit i n der Lage sei, die tatsächlichen Umstände darzutun, aus denen sie ein derartiges Bedürfnis ableitet und daß das Gericht die Würdigung dieser Umstände nach vollziehend bestätigen oder auch verwerfen könne 2 2 ; grundsätzlich unterlägen auch die mittels eines unbestimmten Rechtsbegriffs definierten tatbestandlichen Voraussetzungen der i n einer Norm eingeräumten Befugnisse der vollen gerichtlichen Überprüfung 2 8 und sei es eine unzulässige Selbstbescheidung, wenn sich das Gericht von der nachvollziehenden Vollprüfung der behördlichen Entscheidung für entbunden und ausgeschlossen betrachtet 24 . Systematisch gesehen ist dies eine prozeßrechtliche Lösung. Materiellrechtlich w i r d die grundsätzliche volle Überprüfbarkeit der einen unbe17 I n älteren Entscheidungen w i r d die Anerkennung eines Beurteilungsspielraums m i t materiell-rechtlichen Gesichtspunkten begründet: siehe OVG Münster (22. 9. 58) AS 14/38, 41 — OVG Münster (19. 12. 59) DVB1. 60/327 — OVG Münster (20. 4. 60) AS 15/284, 290; vgl. auch OVG Münster (14. 1. 66) ZBR 67/125, 126. I n einer Entscheidung v o m 17. 4. 67 (NJW 67/1772, 1774) w i r d der Terminologie nach die von XJle entwickelte Vertretbarkeitstheorie angewandt. 18 OVG Münster (4. 3. 63) AS 18/273, 278; bestätigt durch OVG Münster (11. 9. 63) VRspr. 16 (1964) 700, 701; vgl. auch OVG Münster (13. 2. 63) AS 18/ 252, 257. 19 Vgl. OVG Münster (13. 2. 63) AS 18/252, 257. 20 BVerwG (28. 1. 66) E 23/194, 200; vgl. auch BVerwG (2. 7. 65) DVB1. 66/ 35, 37. 21 BVerwG (25. 1. 67) E 26/65 ff. 22 BVerwG a.a.O., S. 75. 28 BVerwG a.a.O., S. 74. 24 BVerwG a.a.O., S. 78.

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1. T e i l : Problemstellung u n d Lösungsversuche

stimmten Rechtsbegriff anwendenden behördlichen Entscheidung anerkannt 2 5 . Prozeßrechtlich aber findet sie ihre Schranke an der begrenzten Ermittlungsfähigkeit des Gerichts: I m Hinblick auf Art. 19 Abs. I V GG ist es zwar verfassungsrechtlich verpflichtet, die behördliche Entscheidung unter Benutzung aller zur Verfügung stehender Erkenntnismittel nachzuprüfen 26 . I m Einzelfall kann aber die volle Nachprüfbarkeit ausgeschlossen sein, weil das Gericht die von der Verwaltungsbehörde getroffene Entscheidung nicht in vollem Umfang nachvollziehen kann und eine „exakte" Kontrolle 2 7 bzw. eine „nachvollziehende Vollprüfung" 2 8 nicht möglich ist. Diese Sachlage ist bei Prüfungsentscheidungen gegeben, weil die Prüfungssituation nicht nachträglich rekonstruiert werden kann 2 9 . Bei Entscheidungen der Filmbewertungsstelle 30 , bei Entscheidungen über den künstlerischen Wert einer musikalischen Veranstaltung 3 1 oder über das Vorliegen eines „dienstlichen Bedürfnisses" für die Versetzung eines Beamten 32 kann dagegen das Gericht die von der Behörde getroffene Entscheidung voll nachprüfen, indem es sich den F i l m oder die bei Gelegenheit des Konzertes mitgeschnittenen Tonbandaufnahmen vorspielen bzw. die das dienstliche Bedürfnis begründenden tatsächlichen Umstände darlegen läßt: Es besteht infolgedessen kein Anlaß für die Zubilligung eines Beurteilungsspielraums an die Verwaltung. Diese Rechtsprechung 33 bleibt dem dogmatischen Ausgangspunkt der herrschenden Meinung treu und erkennt lediglich ein tatsächliches K o r rektiv an, nämlich die Unmöglichkeit der vollen Tatsachenermittlung und das dadurch bedingte Auseinanderfallen von behördlicher Entscheidung und Gerichtsurteil hinsichtlich des Sachverhalts. b) Gegenüber dieser prozessualen Version der Lehre vom Beurteilungsspielraum stellt sich die sonstige Rechtsprechung systematisch als 25 BVerwG (29. 6. 57) E 5/153, 162 — BVerwG (28. 1. 66) E 23/194, 200 — BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 74 — OVG Münster (5. 11. 58) AS 14/170, 180 — O V G Münster (20. 4. 60) AS 15/284, 290 — OVG Münster (7. 7. 65) DöV 66, 765, 766. 26 BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 74 u n d 78; — OVG Münster (4. 3. 63) AS 18/ 273, 279. 27 BVerwG (28.1. 66) E 23/194, 200. 28 BVerwG (25.1. 67) E 26/65, 78. 29 BVerwG (28.1. 66) E 23/194, 200. 80 BVerwG (28. 1. 66) E 23/194, 200, sowie obiter d i c t u m O V G Münster (4. 3. 63) AS 18/273, 278 f. A. A. HessVGH (28. 2. 62) DVB1. 62/605 f. sowie obiter d i c t u m OVG Rheinland-Pfalz (24. 3. 66) AS 10 (1967) 36, 40. 81 O V G Münster (4. 3. 63) AS 18/273, 280; bestätigt durch BVerwG (28. 5. 65) E 21/184, 186 f. sowie durch OVG Münster (11. 9. 63) VRspr. 16 (1964) 700, 701. 82 BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 75. 83 Zustimmend Jesch AöffR 82 (1957) 163, 237 ff.; Schick ZBR 67/297, 302; ausdrücklich ablehnend Kellner DöV 62/572, 574.

I I I . Der Stand der Rechtsprechung

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ein m i t vielen Varianten versehener materiell-rechtlicher Lösungsversuch dar. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist es dem Sinn der jeweiligen gesetzlichen Regelung zu entnehmen, ob sie der Behörde einen kontrollfreien Beurteilungsspielraum einräumt 3 4 bzw. ergeben sich die Grenzen des richterlichen Nachprüfungsrechts aus der Eigenständigkeit des betreffenden Sachgebiets35. Nach Ansicht des OVG Münster 35a ist entscheidend, ob i n das Gesetz hineingelesen werden kann, daß die Behörde über das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen nach pflichtgemäßer Beurteilung entscheiden darf. Danach findet also der Beurteilungsspielraum seinen Geltungsgrund i n der materiell-rechtlichen Norm selbst, die der Verwaltungsbehörde einen Bereich der Betätigungsfreiheit einräumt 3 6 bzw. einen immanenten Beurteilungsspielraum 37 i m Sinne des Spielraums i n der sachverständigen Bewertung 3 8 oder aber eine sog. Beurteilungsermächtigung 39 enthält. Unter einer Beurteilungsermächtigung versteht das Bundesverwaltungsgericht eine der Behörde erteilte Ermächtigung, höchstpersönlich über das Vorliegen einer bestimmten tatbestandlichen Voraussetzung dergestalt zu befinden, daß sich die von der Norm angeordnete Rechtsfolge an diese konkretisierende behördliche Beurteilung knüpfen soll 40 . Ζ. B. ergebe sich die beschränkte Nachprüfbarkeit von Prüfungsentscheidungen aus der rechtlichen Natur der Prüfung 4 1 und damit aus der Natur der Sache 42 : die fachlichen Erwägungen seien nicht Gegenstand der Rechtskontrolle 43 ; die bei einer Prüfung zu beachtenden Maßstäbe seien ad personam gestellt und der Richter müsse diesen natürlichen Beurteilungsspielraum anerkennen 44 ; innerhalb der Grenzen des Beurteilungsspielraums bewegten sich Lehrer und Prüfer nach ihrem Wissen und Gewissen 45 ; Prüfungsentscheidungen seien ihrem Wesen nach das höchstpersönliche Urteil eines nach bestimmten Gesichtspunkten zusam84

BVerwG (17.1. 62) BayVBl. 62/320. BVerwG (18.1. 63) DVB1. 63/366, 367. 85a O V G Münster (20. 4. 60) A S 15/284, 290. 86 BVerwG (29. 9. 60) E 11/139, 140 — BVerwG (8. 2. 61) DöV 61/547 — BVerwG (30. 8. 62) E 15/3, 5 — BVerwG (22. 4. 63) DöV 63/764. 87 BVerwG (27. 9. 62) E 15/39, 40 — BVerwG (26. 9. 63) E 17/5, 6 — BVerwG (13. 5. 65) E 21/127, 130 — BVerwG (23. 11. 66) DöV 67/424. 88 BVerwG (27. 2. 59) E 8/192, 195. 89 BVerwG (25.1. 67) E 26/65, 74. 40 BVerwG (25.1. 67) E 26/65, 74. 41 BVerwG (24. 4. 59) E 8/272, 274 — BVerwG (28. 1. 66) E 23/194, 200 — BVerwG (30. 8. 66) DVB1. 66/860, 861 — BFinH (2. 8. 67) Betr. 67/1662. 42 BVerwG (20.12. 63) DVB1. 64/825, 826. 48 BVerwG (22. 4. 63) DöV 63/764. 44 O V G Münster (22. 9. 58) DVB1. 59/72, 73. 45 BVerwG (24. 4. 59) E 8/272, 274. 85

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1. T e i l : Problemstellung u n d Lösungsversuche

mengesetzten Gremiums 4 6 und das Gericht könne die Noten nicht abändern 46 * 1 ; es sei nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte, die fachlichen Leistungen der Prüflinge zu beurteilen 47 , i n die eigentlichen Elemente der pädagogisch wissenschaftlichen Beurteilung einzudringen und eigene Bewertungen anzustellen 48 ; der Richter sei insbesondere bei technischen Prüfungen oder anderen Wissensgebieten, von denen er nichts versteht, nicht i n der Lage, Noten zu geben und wäre auf das Urteil anderer Sachverständiger angewiesen: Sinn der Prüfung sei aber gerade, daß der Prüfling dem für ihn zuständigen Prüfer seine Fähigkeit beweist und daß letzterer auf Grund seiner Erfahrung seine Beurteilung abgibt 4 9 bzw. daß die fachliche Bewertung der Leistungen durch den Prüfungsausschuß, nicht aber durch die Gerichte geschieht 50 . Wolff und Ule präzisieren den hinter diesen Begründungen stehenden Gedanken mit der Formulierung, die beschränkte Nachprüfbarkeit von Prüfungsentscheidungen beruhe u. a. auch auf der Unvertretbarkeit der Persönlichkeiten, aus denen sich die Prüfungskommission zusammensetzt 51 bzw. auf dem Umstand, daß die Entscheidung niemand anderem als den m i t der Prüfung Betrauten überlassen sei 52 . I n anderen, einen Beurteilungsspielraum ablehnenden Entscheidungen wurde demgegenüber betont, daß die Notwendigkeit einer besonderen Wertung (ζ. B. „künstlerisch hochstehend", „denkmalswürdig") per se die Anerkennung eines Beurteilungsspielraums nicht rechtfertige 58 . Dementsprechend überprüft das Bundesverwaltungsgericht ζ. B. die Anwendung ästhetischer Begriffe des Baurechts („anständige Baugesinnung") i n vollem Umfang, ohne auf die Problematik näher einzugehen 54 . Weiterhin entschied das Bundesverwaltungsgericht, es sei für den Umfang des Rechtschutzes unerheblich, ob die Verwaltungsbehörde (in casu: Filmbewertungsstelle) weisungsfrei und unabhängig ist, denn die Ausgestaltung des Verfahrens dürfe nicht zu einer Beschränkung des Rechtsschutzes führen 5 5 ; die Schwierigkeit einer zu treffenden Entscheidung ent46 BVerwG (19. 10. 60) N J W 61/796, 797 — BVerwG (26. 1. 61) N J W 61/1131, 1132 f. — O V G Berlin (8. 5. 63) E 7/134, 135. 4 a ® BVerwG (19. 10. 60) N J W 61/796, 797. 47 OVG Münster (12. 1. 54) DVB1. 54/584, 585 — OVG Berlin (14. 4. 54) DVB1. 54/586. 48 OVG Berlin (8. 5. 63) E 7/134, 135. 49 BVerwG (24. 4. 59) E 8/272, 274. 50 BFinH (25. 6. 63) H F R 63/375 — BFinH (4. 2. 64) H F R 64/467 — BFinH (2. 8. 67) Betr. 67/1662. 51 Ule DVB1. 66/574, 575. " Wolff DVB1. 59/75. " BVerwG (28. 5. 65) E 21/184, 186 — BVerwG (28. 1. 66) E 23/194, 200f.; — B V e r w G (22. 4. 66) E 24/60, 64. 54 BVerwG (28. 5. 65) E 21/184, 186 m. w. Ν . 55 BVerwG (28. 1. 66) E 23/194, 201.

I I I . Der Stand der Rechtsprechung

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binde den Richter nicht von der Verpflichtung, die betreffende Rechtsfrage nach seiner eigenen Überzeugung zu entscheiden 56 , selbst wenn er hinsichtlich fachlicher Fragen auf Sachverständige angewiesen ist 5 7 . Die beschränkte Anerkennung eines Beurteilungsspielraums i m Beamtenrecht w i r d mit der Überlegung begründet, hinsichtlich der Beurteilung eines Beamten bestehe nach der Natur der Sache ein gewisser Spielraum 5 8 : die gerichtliche Nachprüfung unterliege Beschränkungen, die sich aus der rechtlichen Gestaltung solcher Beurteilungen als persönlichkeitsbedingter Werturteile ergeben 59 ; die Entscheidung über die Bewährung eines Beamten sei nur beschränkt nachprüfbar, weil allgemeine, auch von den Gerichten zuverlässig anwendbare Wertmaßstäbe nicht beständen 60 ; sie hänge i n erster Linie von den zahlreichen A n forderungen des konkreten Aufgabenbereichs ab, die zu bestimmen allein Sache des Dienstherren sei. Nur er könne deshalb sachverständig und zuverlässig beurteilen, ob der Beamte dem entspricht; infolgedessen sei die Beurteilung der Bewährung nicht allein eine reine Subsumtion des Sachverhalts unter eine gesetzliche Vorschrift, sondern ein A k t wertender Erkenntnis des Dienstherrn, hinsichtlich dessen ihm innerhalb eines Beurteilungsspielraums eine Betätigungsfreiheit zustehe 61 . Andererseits heißt es in einer einen Beurteilungsspielraum ablehnenden Entscheidung, es sei voll nachprüfbar, ob das für die Versetzung eines Beamten erforderliche „dienstliche Bedürfnis" gegeben ist: es sei nicht zu erkennen, warum die Behörde nicht in der Lage sein sollte, die tatsächlichen Umstände darzutun, aus denen sie ein solches Bedürfnis ableitet; weiterhin sei nicht einzusehen, warum das Gericht nicht die Würdigung dieser Umstände nachvollziehend bestätigen oder auch verwerfen könne 62 . Der VGH Baden-Württemberg 63 und das OVG Rheinland-Pfalz 64 fügen ergänzend hinzu, das Tatbestandsmerkmal des „dienstlichen Bedürfnisses" als Einschränkung der freien Versetzbarkeit könne seine Schutzfunktion (für den Beamten) nur erfüllen, wenn seine 56 Sinngemäß BVerwG (28. 5. 63) E 16/116, 129 f. — BVerwG (18. 1. 67) ZBR 67/263, 264. 57 BVerwG (18.1. 67) ZBR 67/263, 264. 58 BVerwG (27. 2. 59) E 8/192, 195. 59 BVerwG (13. 5. 65) E 21/127, 129; siehe auch BVerwG (23. 1. 61) E 12/20, 28 — BVerwG (13. 12. 63) E 17/267, 271. 60 BVerwG (29. 9. 60) E 11/139 f. — BVerwG (27. 9. 62) E 15/39, 40 f. — BVerwG (13. 5. 65) E 21/127, 130 — BVerwG (23. 11. 66) Z B R 67/147. 61 BVerwG (29. 9. 60) E 11/139, 140; ähnlich BVerwG (30. 8. 62) E 15/3, 5 — BVerwG (27. 9. 62) E 15/39, 40 f. — BVerwG (13. 5. 65) E 21/127, 129 f. — BVerwG (23. 11. 66) Z B R 67/147 f. 82 BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 75. 63 VGH Baden-Württemberg (9. 5. 60) ZBR 61/282, 283; zustimmend BVerwG (25. 1. 67) E 26/65. 64 OVG Rheinland-Pfalz (19. 10. 66) ZBR 67/15, 16.

3 Schmidt-Salzer

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1. Teil: Problemstellung u n d Lösungsversuche

richtige Anwendung i m Einzelfall nachgeprüft werden kann. Ebensowenig wurde ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage anerkannt, ob das Verbleiben eines Soldaten i n seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundesrepublik ernstlich gefährdet 65 : es handele sich nicht um ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil; die Frage sei nicht nach den nur den Behörden der Bundeswehr zugänglichen, sondern nach allgemeingültigen objektiven Maßstäben eindeutig zu beurteilen 6 5 a . Hinsichtlich der „Eignung" eines Bewerbers für die Bundeswehr wurde ein Beurteilungsspielraum anerkannt: die Entscheidung des Personalgutachterausschusses sei als persönlichkeitsbedingtes Werturteil einer Nachprüfung nicht zugänglich, denn sie komme auf Grund persönlichkeitsbedingter Werturteile der Ausschußmitglieder zustande; derartige Entscheidungen eines vielköpfigen Ausschusses seien kaum begründbar, weil sie von durchaus unterschiedlichen Vorstellungen über die persönliche Eignung des Bewerbers getragen sein können 66 . Desgleichen erkannte der HessVGH 67 hinsichtlich der künstlerischen Bewertung eines Films einen Beurteilungsspielraum an: zwar gebe es theoretisch nur eine richtige Entscheidung; die Bewertung habe aber eine gewisse Ähnlichkeit zu Prüfungsentscheidungen, die nur teilweise rational begründbar und bei gleicher Leistung je nach der Ansicht des Prüfers verschieden ausfallen können, ohne daß sich die objektive Richtigkeit der einen oder der anderen Ansicht feststellen ließe; die Bewertung beruhe i m wesentlichen auf einer bestimmten geistigen Grundhaltung des Gutachters und auf emotionalen Momenten, die selbst ihm kaum ins Bewußtsein kommen und die er auch größtenteils mit Mitteln der Logik gar nicht zu erläutern und zu rechtfertigen i m Stande wäre. Das Bundesverwaltungsgericht wies diese Argumentation i n der Revisionsentscheidung zurück: die Zubilligung eines kontrollfreien Raumes könne nicht damit begründet werden, daß bei der Bewertung eines Filmes innere, nur teilweise rational begründbare Bewertungsvorgänge maßgebend sind 68 . Ein weiteres häufig zur Begründung eines Beurteilungsspielraums herangezogenes Argument ist, daß hinsichtlich der Beurteilung der Befähigung eines Beamten die Ersetzung der Entscheidung des Dienstherrn durch ein Gerichtsurteil mit dem Gesetzeszweck unvereinbar sei 69 65

BVerwG (26. 9. 63) E 17/5, 6 — OVG Lüneburg (7. 3. 67) DVB1. 67/739, 740. «5a BVerwG a.a.O., Seite 8. ββ BVerwG (23. 1. 61) E 12/20, 26 ff.; vgl. auch VGH Baden-Württemberg (8. 8. 63) DöV 63/767, 768. 67 HessVGH (28. 2. 62) DVB1. 62/605; zustimmend obiter dictum OVG Rheinland-Pfalz (24. 3. 66) AS 10 (1967) 36, 40. βθ BVerwG (28. 1. 66) E 23/194, 200. 89 BVerwG (27. 9. 62) E 15/39, 41.

I I I . Der Stand der Rechtsprechung

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und daß bei Prüfungsentscheidungen das Ermessen der Justiz nicht an die Stelle des Ermessens der Verwaltung treten dürfe 7 0 . Der HessVGH 71 gibt diesem Gedanken mit der Formulierung Ausdruck, bezüglich der künstlerischen Bewertung eines Films sei es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts, seine eigene Wertung an die Stelle derjenigen des hierfür zuständigen und sachverständigen Gutachterausschusses zu setzen. Der verfassungsrechtliche Kern dieser Argumentation ist i n der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 9 PBefG klar herausgestellt worden: hinsichtlich der „Interessen des öffentlichen Verkehrs" sei es ein unzulässiger Eingriff i n die durch Art. 20 Abs. I I I GG gewährleistete Verteilung der staatlichen Funktionen auf verschiedene Funktionsträger, wenn das Gericht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Verwaltungsbehörde setzt 72 . I n den einen Beurteilungsspielraum ablehnenden Entscheidungen heißt es zu diesem Argument, es sei keine Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung, wenn das Verwaltungsgericht unter Umständen sein Urteil an die Stelle desjenigen der Behörde setzt: vielmehr offenbare sich gerade darin der Rechtsstaat mit seiner wechselseitigen Kontrolle der Gewalten 7 3 ; i m Gegenteil könne das Verfassungsrecht eher dadurch verletzt sein, daß sich die Gerichte an die von der Behörde getroffene Beurteilung gebunden fühlen und sich einer Prüfung enthalten 7 4 . Dementsprechend w i r d i n der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts voll nachgeprüft, ob die Voraussetzungen des § 9 Abs. I I I BFernStrG („Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs") vorliegen, weil es i m Hinblick auf die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie einen gerichtsfreien Beurteilungsspielraum nicht geben dürfe, andernfalls eine Relativierung des Grundrechtsschutzes einträte 75 . Auf der gleichen Linie liegt es, wenn die volle Überprüfbarkeit der künstlerischen Bewertung eines Films u. a. mit der Überlegung begründet wird, es sei Aufgabe der Gerichte, bei der Überprüfung von Maßnahmen des 70

O V G Münster (12. 1. 54) DVB1. 54/584, 585. HessVGH (28. 2. 62) DVB1. 62/605, 606. 72 BVerwG (10. 3. 54) E 1/92, 97. 78 BVerwG (29. 6. 57) E 5/153, 162. 74 BVerwG (29. 6. 57) E 5/153, 162; siehe auch BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 78. 75 BVerwG (28. 5. 63) E 16/116, 129. Dieser P u n k t wurde aber erst erreicht, nachdem das B V e r w G i n mehreren Entscheidungen die „Interessen des öffentlichen Verkehrs" i m Sinn des § 9 PBefG als Ermessensermächtigung betrachtet (vgl. S. 27, Fußn. 4) u n d noch i m Jahre 1959 den Verkehrsbehörden hinsichtlich der „Bedürfnisse des öffentlichen Verkehrs" einen Ermessensspielraum eingeräumt hatte: die Aufgabe der Verkehrsbehörden rechtfertige die Zubilligung eines Ermessens bei einer entscheidenden F u n k t i o n ; weder A r t . 19 Abs. I V noch A r t . 12 GG würden dadurch verletzt (BVerwG [30. 10. 59] DöV 60/150 f.). 71



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1. Teil: Problemstellung u n d Lösungsversuche

Staates darüber zu wachen, daß das Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht beeinträchtigt w i r d 7 6 . Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. I V GG), also der prozessualen Seite der Relativierungsproblematik, heißt es i n den einen Beurteilungsspielraum anerkennenden Urteilen, die Frage nach dem Umfang des gerichtlichen Rechtsschutzes sei von der nach seiner Intensität zu trennen 7 7 ; die Hinderung des Richters an einer vollen Überprüfung der persönlichkeitsbedingten Werturteile verstoße nicht gegen Art. 19 Abs. I V GG 7 8 , weil das Gesetz selbst bei der Subsumtion des Sachverhaltes unter einen auszufüllenden Begriff höchstpersönliche, der gerichtlichen Nachprüfung nicht voll zugängliche Entscheidungen fordere 79 ; das Rechtsstaatsprinzip verlange nicht, daß das Gericht die vollziehende Gewalt i n jedem Punkt nachprüft 8 0 : Art. 19 Abs. I V GG werde nicht beschnitten, wenn das Gesetz der Behörde einen Rahmen gewährt, innerhalb dessen sie sich bewegen kann 8 1 ; das Rechtsstaatsprinzip verlange (im Gegenteil) das Miteinander der Gewalten und lasse die Einräumung eines Beurteilungsspielraums zu 8 2 . Diametral entgegengesetzt heißt es i n einer einen Beurteilungsspielraum ablehnenden Entscheidung 83 , es möge zwar darüber, ob ein Jazzkonzert „künstlerisch hochstehend" ist, verschiedene Ansichten geben; nach der vom Gesetzgeber getroffenen Entscheidung könne es aber nicht mehrere richtige Bewertungen, sondern nur eine richtige Beurteilung geben; aus Art. 19 Abs. I V GG und dem dort vorgeschriebenen umfassenden Rechtsschutz sei zu entnehmen, daß auch derartige Wertungen der gerichtlichen Nachprüfung unterliegen 84 , zumal die Gerichte i n zweifelhaften Fällen Sachverständige hinzuziehen können 85 . I n einer weiteren Entscheidung heißt es, Art. 19 Abs. I V GG werde tangiert, wenn in eine dem Schutz des Beamten dienende Norm eine Beurteilungsermächtigung hineingelesen w i r d 8 6 ; es sei eine unzulässige Selbstbescheidung, wenn sich das Gericht von der nachvollziehenden Vollprüfung für ausgeschlossen betrachtet 87 . 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87

BVerwG BVerwG BVerwG BVerwG BVerwG BVerwG BVerwG BVerwG BVerwG BVerwG BVerwG BVerwG

(28.1. 66) E 23/194, 201. (27. 9. 62) E 15/39, 42. (13. 5. 65) E 21/127, 131. (27. 9. 62) E 15/39, 41 f. (24. 4. 59) E 8/272, 274. (30.10. 59) DöV 60/150, 151. (24. 4. 59) E 8/272, 274. (28. 5. 65) E 21/184, 186. a.a.O., S. 187. a.a.O. (25.1. 67) E 26/65, 74. (25.1. 67) E 26/65, 78.

I I I . Der Stand der Rechtsprechung

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c) Bei einem Vergleich der einschlägigen Entscheidungen zeigt sich also, daß die volle Überprüfbarkeit der unbestimmten Rechtsbegriffe häufig genau mit den Argumenten begründet wird, die im Zusammenhang mit der Anerkennung eines Beurteilungsspielraums als unbeachtlich bezeichnet werden: Außerhalb der besonderen Gewaltverhältnisse w i r d ein Beurteilungsspielraum mit der Begründung abgelehnt, er führe zu einer Relativierung der Grundrechte; bei Prüfungs- und prüfungsähnlichen Entscheidungen des Schulbereichs sowie dienstlichen Befähigungsbeurteilungen i m Beamtenrecht dagegen w i r d auf dieses Problem nicht eingegangen. Bei Prüfungsentscheidungen w i r d die Weisungsfreiheit des Prüfungsausschusses betont und ein Beurteilungsspielraum anerkannt; bei Beurteilungen der Filmbewertungsstelle w i r d der Hinweis auf die Weisungsfreiheit des Gutachtergremiums mit der Bemerkung übergangen, die Ausgestaltung des Verfahrens dürfe nicht zu einer Beeinträchtigung des Rechtsschutzes führen. Bei Prüfungsentscheidungen w i r d die mangelnde fachliche Kompetenz des Richters betont; außerhalb des Schulrechts w i r d der Richter auf die Zuhilfenahme von Sachverständigen verwiesen. Hinsichtlich der beamtenrechtlichen Befähigungsbeurteilungen w i r d die beschränkte Nachprüfbarkeit mit dem Fehlen allgemeiner, auch von den Gerichten zuverlässig anwendbarer Wertmaßstäbe sowie mit der Überlegung begründet, die Entscheidung über die Bewährung hänge von den zahlreichen Anforderungen des konkreten Aufgabenbereichs ab, die zu bestimmen allein Sache des Dienstherrn sei; hinsichtlich des „dienstlichen Bedürfnisses" für die Versetzung eines Beamten dagegen w i r d es als selbstverständlich angesehen, daß der Dienstherr die tatsächlichen Umstände, aus denen sich das dienstliche Bedürfnis ergibt, dem Gericht darlegen und daß dieses die Beurteilung nachvollziehen kann. Der frappierendste Ausdruck dieser inneren Widersprüchlichkeit aber sind die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. 4.1959 88 und vom 29. 6.1957 89 : i n der ersten wurde die Anerkennung eines Beurteilungsspielraums mit der Überlegung begründet, das Rechtsstaatsprinzip verlange das Miteinander der Gewalten und lasse die Einräumung eines Beurteilungsspielraums zu; in der zweiten Entscheidung wurde die Ablehnung eines Beurteilungsspielraums m i t dem Hinweis auf das Prinzip der wechselseitigen Kontrolle der Gewalten begründet. Man kann also der deutschen Verwaltungsrechtsprechung den Vorwurf nicht ersparen, daß sie i n den einen Beurteilungsspielraum anerkennenden Entscheidungen Rechtssätze zu bloßen Programmsätzen degradiert, die sie i n den einen Beurteilungsspielraum ablehnenden Entscheidungen konsequent anwendet. 88 89

BVerwG BVerwG

(24. 4. 59) E 8/272, 274. (29. 6. 57) E 5/153, 162.

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1. Teil: Problemstellung und Lösungsversuche

IV. Rechtsvergleichender Ausblick Der die deutsche Diskussion beherrschende Streit um die Differenzierung zwischen Ermessensermächtigungen und unbestimmten Rechtsbegriffen durchzieht auch die österreichische 1, schweizerische 2 und französische3 Literatur. Der Conseil d'Etat hat i n einer Entscheidung i m Zusammenhang mit Fragen der Staats Verteidigung erklärt, es komme ihm als juge de l'excès de pouvoir nicht zu, sich davon zu überzeugen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die betreffende Entscheidung gegeben seien und seine Einschätzung an die Stelle derjenigen der Regierung zu setzen, die allein berechtigt sei, über jene Voraussetzungen zu urteilen 4 . I m Zusammenhang mit einer das Grundrecht der Versammlungsfreiheit betreffenden behördlichen Maßnahme dagegen entschied der Conseil d'Etat, ein Bürgermeister müsse die Ausübung seiner Befugnisse mit der Achtung vor dem Grundrecht vereinen: zwar habe er die öffentliche Ordnung zu schützen; es sei aber ein excès de pouvoir, wenn die Gefährdung ein Versammlungsverbot nicht rechtfertige 5 . I n einer anderen Entscheidung heißt es, die für die Ausweisung eines Ausländers erforderliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung sei eine Tatsachenwürdigung, die vor dem Conseil d'Etat nicht angegriffen werden könne 8 . Auch soweit einem Franzosen der für eine Auslandsreise benötigte Paß wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit versagt wird, sei dies eine appréciation de fait qui n'est pas susceptible d'être discutée devant le juge de l'excès de pouvoir 7 , es sei denn, der Kläger trüge vor, daß die Paßversagung auf falschen Tatsachen, unzutreffender rechtlicher Würdigung oder einem anderen Umstand beruhte, der vermuten ließe, daß sie auf anderen Gründen als denen der öffentlichen Sicherheit beruht 8 . Hoffmann 9 schreibt hierzu, der Conseil d'Etat beschränke sich bei schwierig auszufüllenden unbestimmten Rechtsbegriffen auf eine vorsichtige Prüfung i m Sinne einer globalen Aufsicht und lasse i n schwierigeren Fällen eine A r t Vermutung für die Einschätzung und Subsumtion der Behörde sprechen, um deren besserer Sachkenntnis gerecht zu werden und um ihre Handlungsfreiheit nicht zu sehr einzuengen. 1 Adamovich, Verwaltungsrecht, S. 16f.; Hellbling, rensgesetze, S. 348 u n d 351; Erhardt, ÖJB1. 1948/465, 467. 2 Imboden, Verwaltungsrechtsprechung, S. 88 ff. 3 Hoffmann, Ermessen, S. 109 ff. m. w. N. 4 Conseil d'Etat (10.1. 36) Recueil 1936/S. 40, 41. 5 Conseil d'Etat (19. 5. 33) Recueil 1933/S. 541. 8 Conseil d'Etat (24.10. 52) Recueil 1952/S. 467. 7 Conseil d'Etat (11. 5. 60) Recueil 1960/S. 319 f. 8 Conseil d'Etat (11.5.60) Recueil 1960/S. 320. 9 Hoffmann, Ermessen, S. 124.

Verwaltungsverfah-

IV. Rechtsvergleichender Ausblick

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Die österreichische Rechtsprechung erkennt die Unterscheidung zwischen den Voraussetzungen der Ermessensentscheidung und der Ermessensentscheidung selbst 10 sowie die volle Nachprüfbarkeit der unbestimmten Rechtsbegriffe 11 grundsätzlich an; durch unbestimmte Rechtsbegriffe räume der Gesetzgeber der Behörde ein Ermessen nicht ein: bei mehrdeutigen Begriffen allerdings billige er ihr einen gewissen Spielraum zu 1 2 , weil i n den Grenzfällen mehrere Beurteilungen in Betracht kommen 1 8 ; dieser Spielraum sei auf die unscharfen Grenzen des vom Gesetzgeber gewählten Ausdrucks zurückzuführen; wegen der undeutlichen Konturen solcher mehrdeutigen Begriffe könne sich die behördliche Willensbildung i n gewissen Grenzen frei entfalten 14 . Auch die schweizerische Rechtsprechung erkennt die grundsätzliche volle Nachprüfbarkeit der unbestimmten Rechtsbegriffe 15 und das Prinzip der einen und nur einen „richtigen" Entscheidung 1 * an. Hinsichtlich technischer Begriffe erlegt sich allerdings das Bundesgericht eine gewisse Zurückhaltung auf 1 7 : den Entscheidungen der Verwaltungsbehörde w i r d eine den Sachverständigenmeinungen vergleichbare Wirkung zugebilligt: sie binden das Gericht nicht, aber es w i r d sie nicht ohne zwingenden Grund beiseite schieben 18 . I m Enteignungsrecht entscheidet das Bundesgericht i n ständiger Rechtsprechung, es prüfe das Vorliegen des „öffentlichen Interesses" nur dann frei, wenn dabei i n erster Linie rechtliche Überlegungen anzustellen sind: stehen die tatsächlichen Verhältnisse i m Vordergrund, beschränke sich die Überprüfung auf die Frage, ob die Verwaltungsbehörde das öffentliche Interesse willkürlich bejaht hat 1 9 ; die Überprüfungsbefugnis sei beschränkt, wenn der Streit10

öVerfGH (1. 7. 65) E 30 (1965) Nr. 5013/S. 351, 355. ÖVerwGH (24. 2. 64) ÖJB1. 1965/380, 381. 12 ÖVerfGH (30. 3. 62) E 27 (1962) Nr. 4181/S. 176, 180 — ÖVerfGH (1. 7. 65) E 30 (1965) Nr. 5013/S. 351, 355 — ÖVerfGH (14. 10. 65) E 30 (1965) Nr. 5107/ S. 641, 644 — ÖVerwGH (25. 11. 55) ÖJB1. 1956/420 — ÖVerwGH (29. 3. 63) E 18 (1963) Nr. 6004/S. 322, 327. Aus der deutschen Rechtsprechung vgl. BVerwG (28. 1. 66) DVB1. 67/822, 825 — OVG Münster (12. 12. 60) DVB1. 62/341 — HessVGH (6. 7. 66) VRspr. 18 (1967) Nr. 200/S. 822, 823. 13 ÖVerwGH (25. 11. 55) ÖJB1. 56/420. 14 ÖVerwGH (25. 11. 55) ÖJB1. 56/420. 15 schwBG (5. 12. 52) E 78. I. 464, 469 — schwBG (27. 11. 53) E 79. I. 378, 383 — schwBG (29. 1. 65) E 91. I. 69, 75 — OG Aargau (20. 2. 59) A G V E 1959/94, 97 — OG Aargau (27. 9. 62) A G V E 1962/169, 174 f. 16 schwBG (29. 1. 65) E 91. I. 69, 75. 17 schwBG (29. 1. 65) E 91. I. 69, 75: le t r i b u n a l fédéral s'est constamment imposé une certaine retenue. 18 schwBG (5. 12. 52) E 78. I. 464, 469 — schwBG (27. 11. 53) E 79. I. 378, 383 — schwBG (29. 1. 65) E 91. I. 69, 75. 19 schwBG (14. 11. 62) E 88. I. 248, 252 — schwBG (12. 12. 62) E 88. I. 289, 294 — schwBG (5. 6. 63) E 89. I. 188, 196 — schwBG (13. 10. 65) E 91. I. 329, 335 — 11

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1. T e i l : Problemstellung u n d Lösungsversuche

fall ein konkretes Problem betrifft und sich vorwiegend als Tatsachenfrage darstellt: „die Gründe, die die Zurückhaltung rechtfertigen, die sich das Bundesgericht i m allgemeinen auferlegt", beständen aber nicht, wenn es sich mehr um eine Rechtsfrage handelt; hier bestehe eine uneingeschränkte Nachprüfungsbefugnis 20 . Weiterhin steht nach Ansicht des Bundesgerichts hinsichtlich der „Beeinträchtigungen des Straßenverkehrs" die Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse i m Vordergrund; die kantonalen Behörden ständen dem näher als das Bundesgericht: es könne nicht seine Aufgabe sein, sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der kantonalen Behörden zu setzen und i m Einzelfall alle für und gegen eine Ausnahmebewilligung sprechenden Gründe gegeneinander abzuwägen 21 ; dies könne es nur, wenn die kantonale Behörde ihr Ermessen offensichtlich überschritten oder mißbraucht, d. h. willkürlich gehandelt hat 2 2 . Weiterhin genieße die Behörde hinsichtlich der Frage, ob das Verhalten eines Ausländers „Anlaß zu Klagen gibt", einen gewissen Spielraum 23 . Das VG Zürich bezeichnet das Tatbestandsmerkmal „Bedürfnis" als Begriff von unbestimmten Inhalt; er schaffe keine vollständige Gebundenheit der Verwaltungsbehörde, sondern verweise diese auf die Ermessensbetätigung 24 ; ob eine für die Erteilung eines Baudispenses erforderliche „Ausnahmesituation" gegeben ist, sei vorwiegend eine Rechtsfrage 25: es sei i n erster Linie Aufgabe der Gemeinde, den Ermessensbescheid über den Baudispens zu treffen, weil sie den örtlichen Verhältnissen näher steht 26 . Auch die Frage des öffentlichen Wohls betreffe zunächst eine Rechtsfrage 27: da jedoch der Begriff sehr unbestimmt und nach Zeit und Ort schwankend sei, seien bei seiner Anwendung Ermessensentscheidungen zu treffen 28 . I m us-amerikanischen Recht w i r d den sog. agencies 29 nach den A n gaben von Riegert 30 bei der Entscheidung vieler Rechtsfragen ein gewisser Spielraum eingeräumt. Der Supreme Court hat aber keine präzisen Maßstäbe herausgearbeitet. I n wissenschaftlichen Untersuchungen schwBG (3. 5. 67) E 93. I. 247, 251. Vgl. aus der deutschen Rechtsprechung BVerwG (1. 3. 57) E 4/305, 307. 20 schwBG (14.11.62) E 88.1.248,252. 21 schwBG (13. 2. 63) E 89.1.11,18. 22 schwBG, a.a.O. 23 schwBG (15. 3. 67) E 93.1.1, 6. 24 V G Zürich (7. 9. 62) ZR 63 (1964) Nr. 65/S. 143. 25 V G Zürich (23.10. 64) ZR 64 (1965) Nr. 185/S. 334,335. 26 V G Zürich (20. 2. 62) ZR 61 (1962) Nr. 121/S. 297, 298. 27 V G Zürich (20. 5. 65) ZR 65 (1966) Nr. 150/347, 348 — V G Zürich (22. 12. 65) ZR 65 (1966) Nr. 151/350, 351. 28 V G Zürich, a.a.O. 29 Dazu s. Riegert, Administrative L a w , S. 32 ff. 30 Riegert, a.a.O., S. 133 ff.

I V . Rechtsvergleichender Ausblick

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werden als Kriterien für eine Aufrechterhaltung der agency-Entscheidung genannt: — bessere Sachkunde der agency: sie sei besonders geeignet, in ihrem speziellen Fachgebiet liegende technische Fragen zu entscheiden 81 ; — die Absicht des Kongresses, die Entscheidung der agency zu übertragen; praktisch werde dies oft i m Hinblick auf die bessere Sachkunde vermutet 8 2 . Riegert 88 führt als eventuellen Leitgedanken dieser Praxis an, daß die agency-Entscheidung an Hand des Vertretbarkeits-Kriteriums überprüft werde 84 .

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Riegert, a.a.O., S. 134 f. m. w. N. Riegert, a.a.O., S. 135. 33 Riegert, a.a.O., S. 135. 34 Siehe weiterhin Roscoe Pound i n Festskrift Tillägnad K a r l Olivecrona (Stockholm 1964) S. 552 ff., 568 ff. sowie zum schwedischen Recht (Folke) Schmidt-Strömholm, Legal Values i n Modern Sweden (Stockholm 1965) S. 26—32. Z u r Rechtsprechung des EuGH siehe Clever, Ermessensmißbrauch u n d détournement de pouvoir nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaften i m Licht der Rechtsprechung ihres Gerichtshofes (1967). 32

Zweiter

Teil

Geltungsgrundlagen und Anwendungsbereich des Beurteilungsspielraums Ergibt sich bereits aus dem materiellen Hecht, daß das Gesetz der Verwaltungsbehörde zwar keinen Ermessensspielraum, aber doch einen „Beurteilungsspielraum" i m Sinn einer Kompetenz zur letztverbindlichen Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen eines unbestimmten Rechtsbegriffs eingeräumt hat, dann muß das Verwaltungsgericht dies respektieren. Ebenso wie es hinsichtlich der Ermessensermächtigungen nicht sein Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen darf, wäre es ihm i m Fall einer derartigen „Beurteilungsermächtigung" versagt, seine Beurteilung an die Stelle der von der Verwaltungsbehörde getroffenen Beurteilung zu setzen, weil sonst jenes Recht der Verwaltungsbehörde zur letztverbindlichen Entscheidung verletzt würde. Ein vom materiellen Recht eingeräumter Beurteilungsspielraum hätte also für den Fall seiner verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eine dem Prozeßrecht vorgegebene Beschränkung des gerichtlichen Nachprüfungsrechts zur Folge. Ausgangspunkt einer Untersuchung der für den sog. Beurteilungsspielraum vorgebrachten Gesichtspunkte müssen infolgedessen die i n Rechtsprechung und Lehre erwähnten materiellrechtlichen Überlegungen sein.

I. Materiell-rechtliche Grundlagen des Beurteilungsspielraums 1. Faktische Schwankungsbreite der Entscheidungen und Prinzip der einen und nur einen „richtigen" Entscheidung I n der logischen Stufenfolge der Argumente betrifft die erste Frage das Problem, ob die i n der Rechtsprechung 1 und auch von der herrschenden Meinung 2 i m Prinzip anerkannte volle Überprüfbarkeit der Anwen1 Ablehnend V G Frankfurt (20. 12. 59) J Z 61/65 — V G Frankfurt (27. 2. 62) J Z 62/504 f. 2 Ablehnend insbesondere Ule i n : Forschungen u n d Berichte aus dem öffentlichen Recht, Gedächtnisschrift f ü r Walter Jellinek (1955) S. 309 ff. sowie Verwaltungsprozeßrecht, S. 7 ff.; Wolff , Verwaltungsrecht, S. 149 f.

I. Materiell-rechtliche Geltungsgrundlagen

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dung unbestimmter Rechtsbegriffe zutreffend ist, d. h. ob die Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs i n einem Gesetz per se dem (erstentscheidenden) Rechtsanwendungsorgan einen Beurteilungsspielraum einräumt und ob die sog. These von der gerichtlichen Vollprüfung unabhängig vom materiellen Verwaltungsrecht anzuerkennen ist. Aus dem vorstehend skizzierten Verhältnis von Normtatbestand, Normbefehl und Tatsachensubsumtion sowie aus dem Wesen der „gebündelten" Gesetzgebungstechnik ergibt sich, daß auch i m Fall der Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs i n einer Norm ein unbedingter Gesetzesbefehl statuiert wurde und daß demgemäß nur eine Entscheidung „richtig", d. h. Verwirklichung des Gesetzes durch A n wendung oder Nichtanwendung auf den betreffenden Sachverhalt ist. Läßt aber das Gesetz nur eine „richtige" Entscheidung zu, sind divergierende Entscheidungen ausgeschlossen. Der unbestimmte Rechtsbegriff als solcher enthält also weder eine Ermessensermächtigung 3 noch räumt er dem rechtsanwendenden Organ einen sonstigen „Entscheidungsspielraum" ein. Unabhängig von den Fragen des materiellen Verwaltungsrechts ergibt sich also aus der Struktur des Normbegriffs die Richtigkeit der von der Rechtsprechung und von der herrschenden Meinung vertretenen grundsätzlichen Überprüfbarkeit. Demgegenüber w i r d insbesondere von Ule 4 und von Wolff mit verschiedenen Begründungen die Ansicht vertreten, unbestimmte Rechtsbegriffe hätten einen kontrollfreien Raum 6 zur Folge. Wolff begründet dies mit der Überlegung, der Gesetzgeber habe die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der besonderen Fachkenntnis und Erfahrung der Behörde anvertraut 7 , leitet also keineswegs aus dem Wesen des unbestimmten Rechtsbegriffs eine immanente Wertungsgsfreiheit der erstentscheidenden Stelle ab. Es handelt sich bei dieser Lehre dogmatisch um eine materiell-rechtliche Lösung, die ihre Grundlage i m materiellen Verwaltungsrecht findet und i n jenem Zusammenhang zu behandeln ist. Ule dagegen leitet aus dem Wesen der unbestimmten Rechtsbegriffe 8 ab, daß i n Grenzfällen mehrere Entscheidungen vertretbar und damit 8 So Eyermann-Fröhler VwGO, Rd. 9 a zu § 114; Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 30 ff.; siehe auch Stern, Ermessen, S. 20 ff.; Ehmke, Ermessen, S. 45 ff.; Lerche, BayVBl. 57/321 f. u n d Staatslexikon, Sp. 12, 14; R. Klein, AöffR 82 (1957) 75, 118 ff. 4 Ule, Verwaltungsprozeßrecht, S. 7 ff. 5 Wolff, a.a.O. (Fußn. 2). 6 Wolff, a.a.O., S. 149. 7 Wolff , a.a.O.; siehe auch Fellner DVB1. 66/161, 164. 8 Ule, Verwaltungsprozeßrecht, S. 7.

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2. Teil: Geltungsgrundlagen

rechtmäßig sein könnten 9 , weil die Subsumtion nicht durch ein logisches (und damit nachprüfbares), sondern nur durch ein Werturteil über den betreffenden Sachverhalt möglich sei 10 ; Werturteile aber enthalten emotionale und irrationale Elemente und seien deshalb i n Grenzfällen mehrdeutig: jede der vertretbaren Würdigungen halte sich dann i m Rahmen des Gesetzes und sei infolgedessen rechtmäßig 11 ; unbestimmte Rechtsbegriffe enthielten also insoweit die Einräumung einer relativen Freiheit 1 2 und würden den theoretischen Gegensatz zwischen der grundsätzlichen Gebundenheit der Verwaltung und der ihr bei Ermessensentscheidungen zugebilligten Freiheit auflockern 13 ; ihre Verwendung führe dazu, daß der Gesetzgeber der Verwaltung eine größere Entscheidungsfreiheit einräumt 1 4 : i n den Grenzbereichen, i n denen mehrere Beurteilungen möglich sind, dürften die Gerichte infolgedessen ihr Urteil nicht anstelle desjenigen der Verwaltung setzen 15 (sog. Vertretbarkeitstheorie). Während also die von Wolff entwickelte Lehre dogmatisch eine Lehre des materiellen Verwaltungsrechts ist, handelt es sich bei der von Ule i n den zitierten Schriften 16 dargelegten Vertretbarkeitstheorie um eine dogmatisch der allgemeinen Rechtslehre zuzurechnende Konstruktion, die einerseits für die Stellung des Richters zum Gesetz 17 , andererseits für das Problem der Revisibilität unbestimmter Rechtsbegriffe 18 von wesentlicher Bedeutung wäre, wobei sich allerdings hinsichtlich des zweiten Problemkreises die Frage nach Sinn und Zweck des Revisionsverfahrens stellt 1 9 und sich aus dieser eventuellen funktionellen Beschränkung besondere Gesichtspunkte ergeben könnten. 9 Ule, Verwaltungsprozeßrecht, S. 8 sowie Jellinek-Gedächtnisschrift (Fußn. 2) S. 325—328 u n d DVB1. 55/257, 258. 10 Ule, Verwaltungsprozeßrecht, S. 7. 11 Ule, DVB1. 55/257, 258. 12 Ule, a.a.O., siehe auch Bachof, Verfassungsrecht I, S. 232. 13 Ule, Verwaltungsprozeßrecht, S. 9. 14 Ule, Jellinek-Gedächtnisschrift (Fußn. 2) S. 314 u n d DVB1. 55/257, 258. 15 Ule, Jellinek-Gedächtnisschrift (Fußn. 2) S. 326 sowie DVB1. 55/257, 258. Zustimmend O V G Lüneburg (22. 8. 58) DVB1. 58/837, 838 — OVG Lüneburg (14. 8. 64) AS 20/379, 381 — Hess VGH (30. 5. 60) VRspr. 14 (1962) 420, 428; Schunck - De Clerk, V w G O , Anm. 6 zu § 42/S. 220 sowie A n m . 3 zu § 114/S. 504; Obermayer N J W 63/1177, 1178; Pötter, Gedächtnisschrift f ü r Hans Peters (1967), S. 906, 912; Bachof, J Z 66/436, 441, siehe auch O V G Münster (17. 4. 67) N J W 67/1772, 1774 sowie BVerwG (29. 6. 57) E 5/153, 162, letzter Absatz. 16 I n DVB1. 66/574, 575 begründet Ule den Beurteilungsspielraum m i t der Unwiederholbarkeit der Prüfungssituation sowie der Unvertretbarkeit der Prüfer. 17 Dazu siehe Larenz, Methodenlehre, S. 222 ff.; Engisch, Einführung, S. 131 f. 18 Dazu siehe Blomeyer, Zivilprozeßrecht, S. 566 ff.; Kuchinke, Grenzen der Nachprüfbarkeit tatrichterlicher Würdigung u n d Feststellungen i n der Revisionsinstanz (1964); Henke, Die Tatfrage (1966). 19 Dazu siehe Henke, a.a.O. (Fußn. 18) S. 191 ff.

I. Materiell-rechtliche Geltungsgrundlagen

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Das entscheidende grundsätzliche Argument gegen diese „allgemeine Vertretbarkeitstheorie" scheint mir zu sein, daß es sich bei dem Problem der Nachprüfbarkeit unbestimmter Rechtsbegriffe um eine Rechtsfrage handelt und daß jede Rechtsanwendung eine Entscheidung zwischen mehreren Möglichkeiten voraussetzt. Aus der Perspektive des objektiven Beurteilers handelt es sich also stets nur um eine dem Bestimmtheitsgrad des Begriffs umgekehrt proportionale Breite der „vertretbaren" Wahlmöglichkeiten. Diese für einen verständigen Beobachter bestehende Schwankungsbreite besagt aber noch nicht, daß das erstentscheidende Organ ein Recht zur verbindlichen Auswahl einer jener Entscheidungsmöglichkeiten hätte. Der Rechtsordnung liegt begrifflich das Ideal objektiver Richtigkeit, d. h. der Richtigkeit einer und nur einer Entscheidung zugrunde, denn für ein konkretes Rechtsverhältnis kann nur eine einzige Entscheidung „rechtens" sein: jede andere Entscheidung ist gerade nicht „rechtens". Vom Wesen des Rechts her ist es also ausgeschlossen, daß für ein konkretes Rechtsverhältnis zwei verschiedene Entscheidungen gleichermaßen „rechtens" sind 2 0 . Da das Recht aber nicht mechanisch von „Entscheidungsautomaten", sondern von Menschen verwirklicht wird, deren Denkprozesse notwendigerweise subjektiv und damit potentiell fehlerbehaftet sind, gibt es i n tatsächlicher Sicht nur eine subjektive Richtigkeit der jeweils getroffenen Entscheidung. Ist aber eine objektive Richtigkeit nicht erreichbar, muß mit jeder gerichtlichen Entscheidung eine mehr oder minder große Schwankungsbreite verbunden sein, weil jeder Richter nur nach seinem subjektiv besten Wissen und Gewissen entscheiden kann, was sich nicht nur i n den Grenzbereichen der mehreren subjektiv „vertretbaren" Entscheidungen, sondern auch bei den nach überwiegender Ansicht der Fachgenossen „falschen" Urteilen auswirkt 2 1 . Konsequent zu Ende gedacht wäre damit die Existenzberechtigung der Gerichte verneint, weil die Richter immer nur subjektiv Recht sprechen können und jedes Urteil demzufolge immer nur ein Streben nach der unerreichbaren objektiven Richtigkeit bleiben muß. Andererseits erkennt aber die Rechtsprechung an, daß rechtskräftige Entscheidungen Ausdruck dessen sind, was für das betreffende Rechtsverhältnis rechtens ist. Institutionell gesehen bedeutet dies die Anerkennung der tatsächlich nur subjektiv richtigen Entscheidung als Ausdruck objektiver Gerechtigkeit bzw. die Aufwertung des nur subjek20 Die Frage der Ermessensentscheidungen gehört nicht hierher, w e i l die Ermessensermächtigungen der Verwaltungsbehörde die Befugnis zur E n t scheidung geben, welche von mehreren denkbaren Regelungen „rechtens" sein soll; ausnahmsweise w i r d hier also die letztverbindliche Entscheidung über die Rechtsfolgenregelung v o m Gesetzgeber an die V e r w a l t u n g delegiert. 21 Enger Larenz, Methodenlehre, S. 226 f. und Engisch, Einführung S. 131 f.

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2. Teil: Geltungsgrundlagen

tiv richtigen Urteils zum für die Gemeinschaft verbindlichen Erkenntnis des objektiv Richtigen. Die Institution der Gerichte hebt also kraft der ihnen zugeordneten Aufgabe zur „Recht-Sprechung" die Entscheidung aus der subjektiv-persönlichen Ebene der Richter auf die institutionell-objektive des gerichtlichen Urteils. Die Personengebundenheit der Rechtsfindung w i r d durch die Institution aufgefangen. Das Verhältnis zwischen Recht, Gericht und Richter stellt sich also i n dem Sinn dar, daß die Entscheidung der jeweiligen Instanz als vom Eintritt der Rechtskraft abhängige Verwirklichung des Rechts, d. h. als objektiv potentiell „richtig" anzusehen ist. Sieht man beide Problembereiche i m Zusammenhang ergibt sich folgendes: Das Spannungsverhältnis zwischen dem Ideal der objektiven Richtigkeit und dem Problem seiner notwendigerweise nur subjektiven Verwirklichung hat eine faktische Schwankungsbreite der zu erwartenden Entscheidung zur Folge. Wäre das zweitentscheidende Organ 2 2 i n beschränktem Umfang an die Beurteilung des erstentscheidenden Organs gebunden (ζ. B. i m Rahmen des „Vertretbaren"), würde letzterem eine entsprechende Befugnis zur verbindlichen Entscheidung gegeben. Diese Bindungsmacht widerspräche aber der der zweitentscheidenden Stelle durch ihre Überprüfungskompetenz gegebenen Entscheidungsbefugnis. Wenn das jeweils entscheidende Organ nach seiner höchstpersönlichen, nach bestem Wissen und Gewissen gewonnenen Rechtsüberzeugung entscheiden soll, dann darf es nicht an die — subjektive — Beurteilung der Vorinstanz 23 gebunden sein, sondern muß es selber entscheiden. Die faktische Schwankungsbreite der Entscheidungen besagt also nicht, daß die erstentscheidende Stelle die Kontrollinstanz ζ. B. im Rahmen des Vertretbaren binden könnte, weil dies mit dem Wesen des Überprüfungsrechts unvereinbar wäre 24. Die Personengebundenheit der Rechtsanwendung und die daraus resultierende Breite und Vielfalt der Rechtsansichten hat im institutionellen Verhältnis zwischen erstentscheidendem Organ und Kontrollinstanz keine Bindung zur Folge. Dies kann sich allenfalls aus den Normen über die Kontrollzuständigkeit ableiten, nicht aber bereits aus der möglichen subjektiven Divergenz der Erkenntnis des Normwillens 2 5 . 22 Ζ. B. das Verwaltungsgericht i m Verhältnis zur Verwaltungsbehörde, das Berufungsgericht i m Verhältnis zur Vorinstanz, das Revisionsgericht i m V e r hältnis zur Tatsacheninstanz. 28 Ζ. B. Verwaltungsbehörde oder untergeordnetes Gericht. 24 Vgl. Rupp, Grundfragen, S. 216 f.; OVG Münster (27. 1. 54) DVB1. 54/ 542, 543. 25 Rupp, a.a.O.

I. Materiell-rechtliche Geltungsgrundlagen

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Die sog. Schwankungsbreite der sich bei unbestimmten Rechtsbegriffen ergebenden Entscheidungen ist also ein rein faktisches, aus der unÜberwindbaren Subjektivität der jeweils entscheidenden Organe entstehendes Moment. Es handelt sich hierbei um eine dem Streben nach objektiver Richtigkeit notwendigerweise innewohnende Unsicherheitsquelle, die aber institutionell von der Rechtsordnung durch die Befugnis und Verpflichtung der jeweils entscheidenden Stelle zur eigenen Beurteilung aufgefangen wird. Unabhängig von der verfassungsrechtlichen Frage nach der Bedeutung des Art. 19 Abs. I V GG für den Bereich des richterlichen Nachprüfungsrechts ergibt sich bereits aus der Struktur des Normbegriffs, daß nur eine Entscheidung „richtig" sein kann. Welche Entscheidung dies ist, stellen die Gerichte letztverbindlich fest. Es ist also logisch zutreffend und überzeugend, wenn gegen das Prinzip der einen und nur einen richtigen Entscheidung eingewandt wird, auch für die Gegenmeinung gebe es nur eine richtige Entscheidung 26 . Hierbei w i r d aber übersehen, daß zwar aus der Sicht eines optimalen Beobachters mehrere Entscheidungen vertretbar und damit innerhalb des bei fehlerloser Rechtsanwendung bestehenden Toleranzbereichs der Norm liegen. Da aber das gerichtliche Urteil trotz aller tatsächlich unvermeidbaren Subjektivität als Erkenntnis des objektiv Richtigen gilt, kann gegen das Prinzip der einen und nur einen richtigen Entscheidung nicht angeführt werden, es bestehe eine gewisse Schwankungsbreite der in Betracht kommenden Entscheidungen und es gebe demzufolge mehrere „vertretbare" und damit potentiell rechtmäßige Beurteilungen. Erkennte man i m Verhältnis zwischen Verwaltungsbehörde und Gericht auf Grund der unvermeidbaren tatsächlichen Schwankungsbreite der Entscheidungen einen rechtlichen Beurteilungsspielraum der Verwaltungsbehörden und eine entsprechende Beschränkung des gerichtlichen Nachprüfungsrechts an, würde das faktische Unsicherheitsmoment normativ i n einer A r t und Weise aufgewertet, die mit der Entscheidungsbefugnis der Gerichte unvereinbar wäre. Zwar wäre es unrealistisch, die insbesondere bei komplizierten unbestimmten Rechtsbegriffen bestehenden Schwierigkeiten der inhaltlichen Ausfüllung zu negieren. Diese Schwierigkeiten dürfen aber nicht dazu führen, daß die von der Rechtsordnung mit der Einführung von Kontrollorganen gewollte Entscheidungsbefugnis der Gerichte beschnitten wird. Allenfalls können die sich ergebenden Bewertungsschwierigkeiten i m Einzelfall wegen tatsächlich unmöglicher voller Überprüfbarkeit de facto zur Einräumung eines kontrollfreien Raums führen. Erst an diesem Punkt, nicht aber schon an der weit vorgelagerten Stufe der „allgemeinen Vertretbarkeitstheorie" muß das institutionelle Gefüge des KontrollmeGhanismus' den 28

So Fellner

DVB1. 66/161, 164.

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2. Teil: Geltungsgrundlagen

Fakten weichen. Die von Ule vertretene Ableitung eines Beurteilungsspielraums aus dem Wesen des unbestimmten Rechtsbegriffs ist m.E. abzulehnen. Trotz der in den Grenzbereichen bestehenden nur beschränkten Überzeugungskraft der richterlichen Entscheidung, die in tatsächlicher Sicht immer nur eine von mehreren denkbaren „vertretbaren" Entscheidungen bleiben muß, ist davon auszugehen, daß dem Wesen des unbestimmten Rechtsbegriffs eine uneingeschränkte richterliche Prüfungs- und Beurteilungspflicht entspricht 27. Ebenfalls abzulehnen ist demzufolge die Ansicht, man müsse hinsichtlich der unbestimmten Rechtsbegriffe zwischen den objektiv auszulegenden und den ein Verwaltungsermessen einräumenden Begriffen unterscheiden 28 . Weiterhin folgt aus der den Gerichten zugewiesenen Aufgabe, daß sie für den Fall eines Fehlens allgemeiner, bei der Ausfüllung der unbestimmten Rechtsbegriffe verwertbarer Maßstäbe diese zu entwikkeln haben. Rechtsbegriffe sind keineswegs nur justiziabel, wenn sie mittels objektiv gegebener Maßstäbe sowie objektiver Wert- und Erfahrungsurteile objektivierbar und konkretisierbar sind 2 9 . Dies ist lediglich der Fall, wenn die Norm überhaupt keine richtungweisenden Anhaltspunkte enthält: das aber führt keineswegs zu einer Bindungsfreiheit der Verwaltung, sondern läßt die Norm nichtig werden 3 0 . Bei Fehlen objektiver Maßstäbe müssen die Gerichte i m Wege des Präjudizienrechts objektive Kriterien zur inhaltlichen Präzisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe entwickeln 31 .

2. Die Bedeutung des Art. 19 Abs. IV GG für die Frage des sog. Beurteilungsspielraums Da das Grundgesetz einen tatsächlich wirksamen und umfassenden gerichtlichen Schutz vor Rechtsbeeinträchtigungen durch die öffentliche Gewalt normiert 1 , muß auch die von der Exekutive vorgenommene Rechtsanwendung i n vollem Umfang nachprüfbar sein, weil andernfalls ein der gerichtlichen Kontrolle entzogener Raum potentieller Rechtsver27 W o m i t lediglich die Grundsatzfrage beantwortet ist u n d n o d i keineswegs zu dem Problem Stellung genommen ist, ob ein „Beurteilungsspielr a u m " der Verwaltungsbehörde i m Verhältnis zum Verwaltungsgericht oder der Tatsacheninstanz i m Verhältnis zum Revisionsgericht (dazu siehe Henke, Tatfrage, S. 188 ff., 258 ff.) anzuerkennen ist. 28 So Nebinger, Verwaltungsrecht, S. 229. 29 So aber Rumpf, V V D S t L 14 (1956) 136, 168 f. 30 Siehe oben, S. 19 bei Fußn. 46. 31 Ebenso Henke, Tatfrage, S. 265 f ü r die insoweit vergleichbare Problemat i k der Revisibilität. 1 Siehe oben, S. 11 f.

I. Materiell-rechtliche Geltungsgrundlagen

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letzungen entstände. Dementsprechend lehnt ζ. B. Forsthoff 2 die Anerkennung eines Beurteilungsspielraums ab, weil die Unterscheidung zwischen Ermessensbegriffen und unbestimmten Rechtsbegriffen durch den verfassungsmäßig gewährleisteten Rechtsschutz bestimmt werde und es daneben kein Drittes gebe3. Das Bundesverwaltungsgericht hat i n einer einen Beurteilungsspielraum anerkennenden Entscheidung ausgesprochen, die Frage nach dem Umfang des gerichtlichen Rechtsschutzes müsse von der nach seiner Intensität getrennt werden 4 ; die Hinderung des Richters an der vollen Überprüfung persönlichkeitsbedingter Werturteile verstoße nicht gegen Art. 19 Abs. I V GG, weil das Gesetz selbst bei der Subsumtion des Sachverhalts unter den ausfüllungsbedürftigen Begriff eine höchstpersönliche, der gerichtlichen Nachprüfung nicht voll zugängliche Entscheidung fordere 5 . Andererseits ist aber i n einer einen Beurteilungsspielraum ablehnenden Entscheidung die volle Nachprüfbarkeit besonderer Wertungen („künstlerisch hochstehend") u. a. mit dem i n Art. 19 Abs. I V GG normierten umfassenden Rechtsschutz begründet worden 6 und heißt es an anderer Stelle, Art. 19 Abs. I V GG könne gerade dadurch verletzt sein, daß sich die Gerichte an die von der Verwaltungsbehörde vorgenommene Beurteilung gebunden fühlen und sich einer Prüfung enthalten 7 . Auch das OVG Münster hat i n zwei einen Beurteilungsspielraum ablehnenden Entscheidungen eine Wertungsfreiheit der Behörde als mit Art. 19 Abs. I V GG unvereinbar bezeichnet8, weil andernfalls der Exekutive eine Machtvollkommenheit übertragen würde, die der Grundgesetzgeber durch A r t . 19 Abs. I V GG verhindert wissen wollte 9 . I m Zusammenhang mit der beschränkten Nachprüfbarkeit pädagogisch-wissenschaftlicher Wertungen dagegen führte das OVG Münster aus, A r t . 19 Abs. I V GG bestätige zwar die gerichtliche Überprüfbarkeit der Verletzung von Individualrechten, besage aber nicht, wie weit diese Rechte gehen 10 . Praktisch w i r d also Art. 19 Abs. I V GG von den Gerichten je nach dem zu begründenden Ergebnis ausgelegt, so daß der Vorwurf der 2 Forsthoff, Verwaltungsrecht/S. 86; siehe auch Jaeger DöV 66/779, 781; Wilhelmi, ZBR 67/211 f.; Gruson, Bedürfniskompetenz, S. 103. 3 Forsthoff, Verwaltungsrecht/S. 85, Fußn. 2; a. A. Jesch JZ 58/705. 4 BVerwG (27. 9. 62) E 15/39, 42; ebenso OVG Münster (22. 9. 58) AS 18/38, 43; Ule W D S t L R 15 (1957) 133, 172; Menger, Handbuch der Grundrechte I I I , 2 (1959) 717, 745 sowie V A 54 (1963) 286, 296; Bachof JZ 66/224, 231. 5 BVerwG (27. 9. 62) E 15/39, 41 f. 6 BVerwG (28. 5. 65) E 21/184, 187. 7 BVerwG (29. 6. 57) E 5/153, 162; siehe auch BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 78 sowie Schick ZBR 67/297, 302. 8 OVG Münster (1. 7. 58) DVB1. 58/840, 841 — OVG Münster (4. 3. 63) AS 18/273, 279. 9 OVG Münster (4. 3. 63) AS 18/273, 279. 10 OVG Münster (22. 9. 58) AS 14/38, 43.

4 Schmidt-Salzer

2. Teil: Geltungsgrundlagen

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Scheinbegründungen hier i n der Tat am Platz ist. Trotzdem steckt hinter den i m Entscheidungsvergleich widersprüchlichen Ausführungen ein zutreffender Kern. Art. 19 Abs. I V GG als verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie enthält lediglich die Garantie eines prozessualen Rechtsschutzes gegenüber Handlungen der öffentlichen Gewalt. Die Vorschrift setzt also das Bestehen subjektiver Rechte voraus 11 und gewährt ihnen lediglich einen prozessualen Schutz. Sollte sich ζ. B. i m Einzelfall ergeben, daß der Gesetzgeber durch die Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs der Behörde einen Bereich kontrollfreier Betätigung zugebilligt hat, dann unterliegen die korrespondierenden subjektiven Rechte von vornherein dieser Einschränkung. Soweit der Behörde ein Spielraum i n der sachverständigen Bewertung zusteht, kann sich der Bürger insoweit nicht auf ein subjektives Recht berufen 12 . Bei Bestehen eines derartigen Beurteilungsspielraums ergäbe sich aus dem materiellen Recht, welche Rechte der Einzelne gegenüber der Verwaltung hat. Die Frage der Zulässigkeit eines Beurteilungsspielraums wäre kein (prozessuales) Rechtsschutzproblem, sondern eine Frage der Auslegung des materiellen Rechts. Ob der Behörde hinsichtlich der „Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs" oder der „Unwürdigkeit" zum Führen eines akademischen Titels ein Beurteilungsspielraum zusteht, kann nicht von Art. 19 Abs. I V GG her entschieden werden, sondern müßte durch Auslegung der betreffenden materiell-rechtlichen Vorschriften ermittelt werden. Da Art. 19 Abs. I V GG dem Schutz subjektiver Rechte dient und infolgedessen deren Bestehen voraussetzt, hat die Vorschrift keine materiell-rechtliche Schrankenfunktion; sie greift erst ein, wenn sich aus dem materiellen Recht ein Beurteilungsspielraum der Verwaltungsbehörde nicht ergibt. I n diesem Fall bestände ein subjektives Recht des Bürgers auf die eine und nur eine richtige Entscheidung und enthält Art. 19 Abs. I V GG die Garantie eines tatsächlich wirksamen Rechtsschutzes bzw. wäre es eine Verletzung des Art. 19 Abs. I V GG, wenn sich die Gerichte an die behördliche Entscheidung gebunden fühlten. Der Gesetzgeber hätte sich für eine Bindung und damit gegen eine „Bewegungsfreiheit" der Verwaltung ausgesprochen, so daß rechtlich keine vorgegebenen Grenzen des Rechtsschutzes bestehen 13 . Die Unbeachtlichkeit des Art. 19 Abs. IV GG für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Beurteilungsspielraums ergibt sich also nicht daraus, daß die Frage nach der Intensität des verwaltungsgerichtlichen 11

BVerfG (5. 2. 63) E 15/275, 281. Besonders k l a r w i r d dieser Gedankengang bei Wolff , Verwaltungsrecht, S. 149 sowie i n der Entscheidung des OVG Lüneburg v o m 22. 8. 58 (DVB1. 58/ 837, 838). Siehe auch BVerwG (29. 6. 57) E 5/153, 162 f. 13 Anders Bachof JZ 66/224, 231. 12

I. Materiell-rechtliche Geltungsgrundlagen

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Rechtsschutzes von der nach seinem Umfang zu trennen ist 1 4 . Sie folgt vielmehr aus der logischen Akzessorietät der prozessualen Norm gegenüber dem materiellen Recht, dessen Durchsetzung, nicht aber dessen Inhaltsbestimmung sie dienen soll 15.

3. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe als generelle Zubilligung eines Beurteilungsspielraums an die Verwaltungsbehörden Während die deutsche Rechtsprechung nur ausnahmsweise einen Beurteilungsspielraum der Verwaltungsbehörden anerkennt 1 , leitet die österreichische Rechtsprechung aus der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe die Einräumung eines Spielraums an die Behörden ab 2 . Danach würde also die Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs durch den Gesetzgeber für das Verhältnis zwischen Verwaltungsbehörde und -gericht die Anerkennung eines Rechts der Verwaltungsbehörde zur letztverbindlichen Entscheidung enthalten. Diese Ansicht w i r d auch i n der deutschen Literatur sowie i n vereinzelten Entscheidungen vertreten. Das OVG Münster 3 bezeichnet die „Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs" als Gesetzesbegriff, bei dem eine Subsumtion des konkreten Sachverhalts i n einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Eindeutigkeit (im Sinn der einzig richtigen Beurteilung) nicht möglich ist; wenn der Gesetzgeber unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet, dann liege dem die Erkenntnis zugrunde, daß sich die betreffenden Lebensverhältnisse wegen ihrer Vielgestaltigkeit einer konkreten Normierung entziehen: damit ergebe sich für die Verwaltung zwangsläufig ein gewisser Beurteilungsspielraum. Ähnlich geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, daß der Begriff „Härte" i m Sinn des § 88 Abs. I I I BSozHilfeG der rechtsanwendenden Stelle einen gewissen Spielraum in der Ausfüllung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals lasse4. Der HessVGH 5 qualifiziert unbestimmte Rechtsbegriffe als sog. Typenbegriffe, die den Behörden einen der richterlichen Nachprüfung entzogenen freien Beurteilungsspielraum lassen. 14 So aber BVerwG (27. 9. 62) E 15/39, 42 — OVG Münster 43; kritisch Jesch AöffR 82 (1957) 163, 244. 15 BVerfG (5. 2. 63) E 15/275, 281.

(22. 9. 58) AS 18/38,

1 Siehe oben S. 27; weitergehend BVerwG (26. 1. 66) DVB1. 67/822, 825 — HessVGH (6. 7. 66); VRspr. 18 (1967) Nr. 200, S. 822, 823. 2 Siehe oben, S. 39. 3 OVG Münster (12. 12. 60) DVB1. 62/341. 4 BVerwG (18. 1. 63) DVB1. 63/366, 367. 5 HessVGH (6. 7. 66) VRspr. 18 (1967) Nr. 200, S. 822, 823.

4'

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2. Teil: Geltungsgrundlagen

Wolff begründet das obige Ergebnis mit der Überlegung, der Gesetzgeber habe die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der besonderen Fachkenntnis und Erfahrung der Behörde anvertraut. Erichseri 7 sieht als entscheidend an, daß dem Gesetzgeber die mit den unbestimmten Rechtsbegriffen verbundene Problematik der mehrdeutigen Aussagen bekannt gewesen sei: es müsse also davon ausgegangen werden, daß er die i n den Randzonen der unbestimmten Rechtsbegriffe möglichen Urteile mehrerer Personen als vertretbar und rechtmäßig ansehen wollte; infolgedessen sei der damit der Verwaltung eingeräumte Beurteilungsspielraum gerichtsfrei. R. Klein 8 betrachtet es dementsprechend als eine nur dem Verwaltungsrecht eigene Entscheidung, daß der unbestimmte Rechtsbegriff der Verwaltung nach dem Willen des Gesetzgebers mehrere gleich rechtmäßige Subsumtionen gestattet. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Ehmke, der die Differenzierung zwischen Ermessensermächtigungen und unbestimmten Rechtsbegriffen ablehnt, von der Einheitlichkeit des Ermessensbegriffs ausgeht 9 und das Problem des Bereichs der gerichtlichen Kontrolle als eine durch den Gedanken der arbeitsteiligen Kooperation bestimmte Frage des Maßes auffaßt 10 . Ähnlich geht Stern von einer Stufenleiter der rechtlichen Gebundenheit aus, bei der eine gewollte Mehrdeutigkeit der vom Gesetzgeber verwendeten Begriffe die Einräumung funktioneller Freiheit bedeute 11 . Ebenso wie die übrigen materiell-rechtlichen Argumentationen gehen diese Auffassungen auf die unterschwellige Abneigung gegen das Ersetzen einer zweifelhaften behördlichen Entscheidung durch ein zweifelhaftes Gerichtsurteil zurück 12 . So berechtigt dieses Argument ist, so zweifelhaft müssen doch die Versuche sein, das dem juristischen Instinkt und der Einsicht i n die praktischen Probleme entspringende Bedenken mittels einer materiell-rechtlichen, den Kontrollbereich der Gerichte von vornherein beschränkenden Lösung zur Geltung zu bringen. Da auch der mittels unbestimmter Rechtsbegriffe erlassene Rechtsbefehl im technischen Sinn eindeutig und bindend ist, wäre es ein Widerspruch in sich, 8

Erichsen, SchlHA 65/117, 119. Wolff, Verwaltungsrecht, S. 149 f. ; i m sachlichen Ergebnis ist hier auch Ule zu nennen, obwohl seine Lösung dogmatisch eine Stufe früher ansetzt (vgl. S. 43 f.). 8 R. Klein, JZ 61/66, 68. 9 Ehmke, Ermessen, insb. S. 22, 45 ff.; ebenso Stern, Ermessen, S. 20; vgl. auch Bettermann, Der Staat 1 (1962) 79, 84—86 sowie Lerche, B a y V B l 57/321 f. u n d Staatslexikon, Sp. 12, 14. 10 Ehmke, Ermessen, S. 47 f. 11 Stern, Ermessen, S. 21 f.; vgl. auch Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 30 f.; R. Klein, AöffR 82 (1957) 75, 118 ff.; Less DöV 57/418, 422 f.; Eyermann-Fröhler VwGO, Rd. 9a zu § 114. 12 Vgl. Ule, Gedächtnisschrift für Walter Jellinek (S. 42, Fußn. 2) S. 328. 7

I. Materiell-rechtliche Geltungsgrundlagen

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wenn der Gesetzgeber einerseits die Verwaltung bindende Vorschriften erläßt, er aber andererseits im gleichen Atemzug dieser Bindung nur eine beschränkte Wirkung gäbe, indem die Verwaltung in den Grenzbereichen letztverbindlich entscheiden sollte 13. Wäre dies zutreffend, enthielte der unbestimmte Rechtsbegriff gerade keinen eindeutigen Rechtsbefehl und wäre er letztlich nichts anderes als eine Rahmenvorschrift, deren Ausfüllung der Verwaltung überlassen bliebe. Gerade dieses Ergebnis aber w i r d durch den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung untersagt: wäre tatsächlich die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe als rechtlich relevante Einräumung eines Beurteilungsspielraums an die Verwaltung zu verstehen, dann wäre nicht das Gesetz der verwaltungsbehördlichen Tätigkeit vorgegeben, sondern würde umgekehrt erst die Verwaltungsbehörde bestimmen, welchen Inhalt die Norm hat. A n die Stelle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung träte i n den Grenzbereichen der unbestimmten Rechtsbegriffe eine Rechtssetzungsbefugnis der Verwaltung, nämlich das Recht zur letztverbindlichen Wertung des Sachverhalts. M i t dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist es aber unvereinbar, daß die Behörde die Grenzen des für sie maßgebenden und sie bindenden Rechts festsetzen kann und daß der Gesetzgeber die Entscheidung über ihre Kompetenzen der Verwaltung zuschiebt 14 . Der Gesetzgeber kann zwar der Verwaltung ein Handlungsermessen einräumen: er kann ihr aber keineswegs bei der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe einen Spielraum lassen 15 . Es widerspräche also dem geltenden Verfassungsrecht, wenn man generell aus der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe eine „Beurteilung sermächtigung" der Verwaltung bzw. (vom Standpunkt der einheitlichen Ermessenslehre:) eine funktionelle Ermessensermächtigung ableitete. Damit würde der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gerade i n den besonders gefährlichen Grenzbereichen ausgehöhlt, i n denen verwaltungsbehördliche Entscheidungen nicht schon evident rechtswidrig sind, sondern die Entscheidung über Rechtmäßigkeit oder -Widrigkeit ein genaues Eingehen auf die Umstände des Einzelfalles erfordert. 4. Spezielle materiell-rechtliche Beurteilungsermächtigungen als Grundlage des Beurteilungsspielraums Wie i m ersten Teil dieser Arbeit dargelegt, geht die Rechtsprechung überwiegend davon aus, das Bestehen eines Beurteilungsspielraums er13

Ule, i n Gedächtnisschrift Walter Jellinek (S. 42, Fußn. 2) S. 329. BVerfG (16. 1. 57) E 6/32, 42 f. — BVerfG (12. 11. 58) E 8/274, 325 — BVerfG (10. 10. 61) E 13/153, 161 — BVerfG (5. 8. 66) E 20/150, 157 f. — BVerfG (12. 1. 67) E 21/73, 79 f. u n d 82. 15 So aber BVerwG (27. 9. 62) DVB1. 63/179. 14

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2. Teil: Geltungsgrundlagen

gebe sich i m Einzelfall aus der anzuwendenden materiell-rechtlichen Norm. Zum Beispiel hat das Bundesverwaltungsgericht aus § 31 Abs. 1 Nr. 2 BBG („mangelnde Bewährung") einen dem Gesetz immanenten Beurteilungsspielraum abgeleitet 1 und soll sich die beschränkte Nachprüfbarkeit von Prüfungsentscheidungen aus der rechtlichen Natur der Prüfung 2 bzw. aus der Natur der Sache3 ergeben. Das materielle Recht würde also eine ungeschriebene Beurteilungsermächtigung enthalten. Abgesehen von der später zu behandelnden Problematik der unvertretbaren Entscheidungen stellt sich hier die Grundsatzfrage, ob dem Dienstherrn hinsichtlich der Beurteilung seiner Beamten eine Betätigungsfreiheit 4 i m technischen Sinn zusteht oder ob sich der Dienstherr nur für eine Beurteilung als das richtige und leistungsgerechte Werturteil entscheiden kann 5 . I m ersten Fall stände dem Dienstherrn materiell-rechtlich ein echtes Beurteilungsermessen zu und käme wegen seiner nur relativen Bindung 6 lediglich eine auf die Verletzung der äußeren Schranken begrenzten Kontrolle i n Betracht. I m zweiten Fall dagegen wäre nur eine einzige Entscheidung richtig und müßte sie infolgedessen voll nachprüfbar sein 7 . a) Für den Beamten ist die Frage seiner Beurteilung von entscheidender Bedeutung für seine dienstliche Verwendung sowie für seine Beförderung. Es handelt sich also keineswegs um zweitrangige Maßnahmen des Betriebsverhältnisses, sondern die Beurteilung des Dienstherrn betrifft i m Sinn der von Ule eingeführten Terminologie das Grund Verhältnis. Das Bundesverwaltungsgericht hat i n anderem Zusammenhang anerkannt, daß ein Beurteilungsspielraum jedenfalls dann nicht i n Betracht komme, wenn dies zu einer Relativierung der Grundrechte führen würde 8 und daß gerade die gerichtliche Kontrolle des Verwaltungshandelns eine Sicherung der Grundrechte darstelle®. Hinter 1

BVerwG (27. 9. 62) E 15/39, 40. BVerwG (20. 12. 63) DVB1. 64/825, 826. 3 BVerwG (22. 4. 63) DöV 63/764. 4 So i n der Terminologie BVerwG (8. 2. 61) DöV 61/547 — BVerwG (30. 8. 62) E 15/3, 5; Ule, Gedächtnisschrift Walter Jellinek (S. 42, Fußn. 2) S. 314 ff.; Wolff , Verwaltungsrecht/S. 149 f.; R. Klein, JZ 61/66, 68; siehe auch BVerwG (29. 9. 60) E 11/139, 140 u n d vor allem BVerwG (22. 4. 63) DöV 63/764. 5 BVerwG (14. 7. 61) E 12/359, 363 (im Zusammenhang m i t Prüfungsentscheidungen); Kellner, N J W 66/857, 861; siehe auch BVerwG (8. 2. 61) DöV 61/547, links unten; BVerwG (13. 12. 63) E 17/267, 270 f. β Ule, a.a.O. (Fußn. 4) S. 315. 7 Vgl. V G Frankfurt (27. 2. 62) JZ 62/504 f. 8 BVerwG (28. 5. 63) E 16/116, 129 — BVerwG (28. 1. 66) E 23/194, 201 — OVG Münster (20. 7. 54) DöV 55/345, 346 — BayVerwGH (18. 2. 55) DVB1. 55/ 253, 255 — VGH München (21. 7. 66) DVB1. 67/89, 90 f. Gegen diese Argumentation Bachof JZ 66/224, 227. 9 BVerwG (29. 4. 66) VRspr. 18 (1967) Nr. 74, S. 292, 293. 2

I. Materiell-rechtliche Geltungsgrundlagen

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dieser Rechtsprechung steht der Gedanke, daß jedenfalls die Grenzziehung zwischen Staat und Bürger nicht der Verwaltung durch Zubilligung eines kontrollfreien Raums überlassen bleiben darf 1 0 und daß ein Beurteilungsspielraum dort nicht i n Betracht kommt, wo ein „Gegenrecht" des Bürgers besteht. Dieser aus dem rechtsstaatlichen Leitbild sich ergebende Gedanke muß m. E. gleichermaßen für das Verhältnis zwischen Dienstherrn und Beamten gelten. Die Vorstellung, daß der Eintritt i n ein besonderes Gewaltverhältnis mit einer Beschränkung der Grundrechte verbunden ist, kann unter der Geltung des Grundgesetzes nicht mehr anerkannt werden 11 . Infolgedessen ist auch die Ansicht nicht haltbar, daß außerhalb der besonderen Gewaltverhältnisse Ausstrahlungen der Grundrechte einem Beurteilungsspielraum entgegenständen, daß sie aber innerhalb der besonderen Gewaltverhältnisse wegen der Freiwilligkeit des Eintritts zu der Ablehnung eines Beurteilungsspielraumes nicht führen könnten 1 2 , und ist es nicht haltbar, wenn ein Beurteilungsspielraum mit der Freiwilligkeit des Eintritts des Beamten in das besondere Gewaltverhältnis begründet w i r d 1 3 . Es ist ein sachlicher Widerspruch, wenn ζ. B. hinsichtlich der dienstlichen Beurteilungen die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses (§ 42 Abs. 2 VwGO) unter Berufung auf ihre entscheidende Bedeutung bejaht, die Beurteilung selbst aber i n das „wertende Ermessen" des Dienstherrn gestellt w i r d 1 4 oder wenn dem „dienstlichen Bedürfnis" für eine Versetzung zugunsten des Beamten eine Schutzfunktion zugebilligt wird, die einem Beurteilungsspielraum entgegenstehe, und wenn andererseits bei den für die Rechtsstellung des Beamten noch viel wichtigeren Befähigungsbeurteilungen eine Betätigungsfreiheit des Dienstherrn anerkannt wird. Ein Bereich der Betätigungsfreiheit des Dienstherrn kann nur dort bestehen, wo die Rechtsstellung des Beamten nicht beeinträchtigt wird. Wenn man anerkennt, daß der Beamte ein subjektives Recht auf berufliches Fortkommen hat 1 5 , dann muß man auch anerkennen, daß er ein subjektives Recht auf eine zutreffende Beurteilung seiner Leistungen hat, und daß dies keineswegs i n das Ermessen des Dienstherrn gestellt bleiben darf. Die Pflicht des Dienstherrn zur Beurteilung der Leistungen des Beamten w i r d durch dessen subjektives Recht auf eine leistungsadäquate Benotung begrenzt. I n tatsächlicher Sicht mag man über die Berechtigung der einen oder der anderen Befähigungsbeurteilung streiten können. 10

Vgl. auch BVerfG (S. 19 bei Fußn. 40). Siehe Maunz-Dürig GG, Rd. 25 zu A r t . 19 Abs. I V ; Ule V V D S t L 15 (1957) 133, 149 f.; OVG Münster (8. 9. 66) N J W 67/949, 952. 12 So aber Kellner DöV 62/572, 579 u n d 582, l i n k e Spalte oben. 13 So aber OVG Lüneburg (10. 9. 59) ZBR 59/393. 14 So aber BayVerwGH (29. 9. 58) E 11/115, 117 f. 15 BVerwG (12. 1. 67) E 26/8, 14 — OVG Münster (14. 1. 66) ZBR 67/125, 126 — OVG Münster (4. 11. 66) ZBR 67/370. 11

2. Teil: Geltungsgrundlagen

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Rechtlich aber gibt es nur eine einzige „richtige", d. h. den Bewertungsvorschriften entsprechende Beurteilung. Eine Betätigungsfreiheit des Dienstherrn im technischen Sinn besteht also nicht Das aber hat zur Folge, daß die Beamtengesetze eine immanente Beurteilungsermächtigung (im technischen Sinn) nicht enthalten. Infolgedessen besteht auch kein materiell-rechtlicher Beurteilungsspielraum. b) Das Gleiche muß für Prüfungs- sowie für schulische Versetzungsentscheidungen gelten, denn auch insoweit stehen sich das subjektive Recht des Prüflings bzw. Schülers auf zutreffende Beurteilung seiner Leistungen und das entsprechende Entscheidungsrecht der Behörde gegenüber 16 . Es widerspräche dem rechtsstaatlichen Leitbild, wenn die entscheidende Person bei Anwendung der gesetzlich festgelegten Prüfungsnoten nach ihrem Ermessen zwischen mehreren Entscheidungen wählen könnte 1 7 . Die Wandlung der Rechtsprechung von der Qualifizierung der Prüfungsentscheidungen als Ermessensermächtigungen zur Qualifizierung als unbestimmte Rechtsbegriffe ist die Folge dieser Erkenntnis. Nach dem derzeitigen Stand beruht die Zubilligung eines Beurteilungsspielraums unter anderem noch auf dem Gedanken der tatsächlichen Subsumtionsschwierigkeiten. Da aber dieses faktische Problem eine Beschränkung des Rechtsschutzes nicht rechtfertigt 18 , ist auch im Bereich des Prüfungsrechts eine sich aus der Natur der Sache ergebende Beurteilungsermächtigung nicht zu rechtfertigen und kann ein materiell-rechtlicher Beurteilungsspielraum nicht anerkannt werden. c) Als Zwischenergebnis ist also davon auszugehen, daß weder hinsichtlich der dienstlichen Befähigungsbeurteilungen noch hinsichtlich der Prüfungsentscheidungen oder der schulischen Versetzungsentscheidungen ein sich aus der Natur der Sache ergebender materiell-rechtlicher Beurteilungsspielraum besteht, weil die entgegenstehenden subjektiven Rechte des Beamten, des Prüflings bzw. des Schülers einer Relativierung ihrer Rechtspositionen entgegenstehen 19. d) Gemäß § 70 Abs. I V Satz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist die Würdigung der gesamtwirtschaftlichen Lage und Entwicklung der gerichtlichen Nachprüfung entzogen. M i t dieser Vorschrift w i r d eine tatbestandliche Voraussetzung des Handelns der Kartellbehörden und damit eine für die Einschränkung der Handlungsfreiheit des Betroffenen wesentliche Frage i n die subjektive Einschätzung 16

Ebenso Kopp DöV 66/317, 321 f.; Jaeger DöV 66/779, 781, linke Spalte. Vgl. OVG Hamburg (26. 12. 58) DVB1. 60/742, 745. 18 Siehe oben, S. 45—48. 19 Ebenso i n der Grundsatzfrage Jesch AöffR 82 (1957) 163, 243 u n d J Z 58/ 705, 706; siehe auch Dürig J Z 53/535 ff.; ablehnend Bachof J Z 66/224, 227. 17

I. Materiell-rechtliche Geltungsgrundlagen

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der Behörde gestellt. Dies aber widerspricht dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sowie dem rechtsstaatlichen Leitbild 2 0 , so daß die Beschränkung der Nachprüfungsbefugnis m. E. verfassungswidrig ist. Auch' die Würdigung der gesamtwirtschaftlichen Lage und Entwicklung muß also ebenso wie die i m fachlich-technischen Schwierigkeitsgrad vergleichbaren tatbestandlichen Voraussetzungen für konjunkturpolitische Maßnahmen nach dem StabilitätsG voll nachprüfbar sein 21 . e) Eine andere Problemstellung ergibt sich i m Kommunalaufsichtsrecht. Hier könnte man argumentieren, daß es sich nicht um die Abgrenzung der Rechte von Staat und Bürger handele und daß das Verbot des Beurteilungsspielraums, das sich für jenen Bereich jedenfalls aus dem rechtsstaatlichen Leitbild ergibt, bei Entscheidungen über Akte der Kommunalaufsicht nicht gelten könne. Zum Beispiel könnte unter Berufung auf das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht mit dieser Begründung aus dem Begriffskomplex „die für das A m t des Bürgermeisters erforderliche Befähigung" ein Beurteilungsspielraum abgeleitet werden 2 2 . Die Normierung jener Voraussetzung soll aber sicherstellen, daß die Gemeinde bestmöglich regiert und verwaltet wird. Ein nicht ausreichend Befähigter würde den gesetzlichen Voraussetzungen nicht entsprechen. Überprüft das Gericht die Befähigung des Gewählten, greift es nicht i n das Recht auf Selbstverwaltung ein, sondern verwirklicht es nur die vom Gesetzgeber aufgestellte Schranke, denn das sich aus dem Selbstverwaltungsrecht ergebende Recht zur persönlichen Auswahl des Bürgermeisters findet seine Grenze in den von der Gemeindeordnung normierten fachlichen Voraussetzungen 23 . Da die Gemeindeordnung mit der Normierung eines unbestimmten Rechtsbegriffs nur eine einzige, sei es bejahende sei es verneinende Entscheidung zuläßt, muß die Befähigung des zum Bürgermeister Gewählten voll nachprüfbar sein 24 . Ermächtigt dagegen eine Verordnung die Gemeinde zur Zahlung einer „vertretbaren Vergütung" für Nebentätigkeiten i m öffentlichen Dienst, dann enthält das Gesetz von vornherein eine Beurteilungsermächtigung. Anders als bei einer Ermächtigung zur Zahlung einer „angemessenen" 25 20

Siehe oben, S. 54 f. Α. A. für das StabilitätsG Stern-Münch, StabG, S. 56 ff. 22 So Gross DVB1. 58/358, 359. 23 BVerwG (18. 11. 55) E 2/329, 339 — O V G Koblenz (18. 7. 58) DVB1 58/353, 354 — OVG Lüneburg (23. 2. 65) DVB1. 65/535, 539 — V G Oldenburg (7. 2. 61) DöV 61/549, 550. 24 Ebenso OVG Koblenz (18. 7. 58) DVB1 58/353, 355; a. A . Gross DVB1. 58/ 358, 359; vgl. auch OVG Lüneburg (23. 2. 65) DVB1. 65/535, 539. 25 Als Beispiel f ü r eine Überprüfung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs siehe BVerwG (24. 2. 66) VRspr. 18 (1966) 297 ff. 21

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2. Teil: Geltungsgrundlagen

Vergütung, hinsichtlich derer i m Einzelfall jeweils nur eine Entscheidung Verwirklichung des gesetzgeberischen Willens sein kann, ist hier dem Selbstverwaltungskörper ein Bewertungsbereich eingeräumt worden, innerhalb dessen er die Wahl zwischen mehreren, jede für sich vertretbaren Vergütungen treffen kann. Grundlage dafür ist, daß die Gemeinde i m Rahmen ihres Haushaltsplanes eine gewisse Bewegungsfreiheit haben soll und wegen der i m Selbstverwaltungsrecht enthaltenen Haushaltsautonomie auch haben muß. Infolgedessen kann die Kommunalaufsichtsbehörde die „vertretbare" Vergütungsfestsetzung nicht aufheben und durch eine eigene Entscheidung ersetzen, weil andernfalls in die haushaltsrechtliche und wirtschaftliche Autonomie der Gemeinde eingegriffen würde 2 6 . Da das Gericht die Verfügung der Aufsichtsbehörde zu überprüfen hat, ist es ebenfalls an diese Beschränkung gebunden 27 . Obwohl unbestimmte Rechtsbegriffe grundsätzlich voll überprüfbar sind, enthält der Begriff der „vertretbaren Vergütung" in dem gegebenen Beispiel eine materiell-rechtliche Beurteilungsermächtigung, die ihre Grundlage im gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht findet und der Gemeinde innerhalb der Grenzen des Vertretbaren die letztverantwortliche Entscheidung überläßt. Ein weiterer derartiger Fall ist gegeben, wenn von der Kommunalaufsichtsbehörde kontrolliert wird, ob die Gemeinde die „Grundsätze der Wirtschaftlichkeit" eingehalten hat. Obwohl sich hier die Frage nach der inhaltlichen Auflösung eines derart komplexen Begriffs stellt und obwohl diese Frage grundsätzlich i m Sinn einer vollen Nachprüfbarkeit beantwortet werden müßte, w i r d sie i m Verhältnis zwischen Kommunalaufsichtsbehörde und Gemeinde von dem Grundsatz der haushaltsrechtlichen und wirtschaftlichen Gemeindeautonomie überlagert. Würde man hier i m Verhältnis zwischen Gemeinde und Kommunalaufsichtsbehörde sowie für die Entscheidung des Gerichts den Grundsatz der Vollprüfung anwenden, würde die haushaltsrechtliche und wirtschaftliche Autonomie der Gemeinde verletzt. I m Hinblick auf das Selbstverwaltungsrecht ist also davon auszugehen, daß die aufsichtsbehördliche Rechtskontrolle auf die Prüfung beschränkt ist, ob die von der Gemeinde getroffenen Maßnahmen mit den Grundsätzen vernünftiger Wirtschaftlichkeit schlechterdings unvereinbar sind 28 . e) Nicht m i t den hier behandelten Fällen vergleichbar ist es, wenn ζ. B. die „Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit" einer Krankenbehandlung von der Behörde geschätzt werden darf. Es ist gerade das Wesentliche eines Schätzungsverfahrens, daß es auf eine volle Nachprüfung des 26 27 28

HessVGH (30. 5. 60) VRspr. 14 (1962) 420, 429. HessVGH, a.a.O., S. 428. OVG Koblenz (1. 3. 55) AS 3/47, 50.

I. Materiell-rechtliche Geltungsgrundlagen

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der Schätzung zugrunde liegenden Sachverhalts und damit auf eine auch nur theoretische Eindeutigkeit der Entscheidung verzichtet. Wenn das Gesetz der Behörde den Verzicht auf eine detaillierte Untersuchung der einzelnen Fälle erlaubt, darf auch das Gericht nur eine Schätzung vornehmen. Da jede Schätzung nur eine Annäherung an die Wirklichkeit darstellt, widerspräche es dem Sinn des Gesetzes, wenn das Gericht seine Schätzung an die Stelle der von der Behörde vorgenommenen setzen dürfte. Soweit letztere sachlich vertretbar ist, besteht ein „Schätzungsspielraum" der Behörde 29 . Soweit dagegen eine Schätzung nicht zulässig ist, können die Gerichte (notfalls mit Hilfe von Sachverständigen) zu einer eindeutigen Entscheidung gelangen und ist hinsichtlich der „Notwendigkeit und Wirtschaf tlichkeit" der Krankenbehandlung ein Beurteilungsspielraum nicht anzuerkennen 30 . d) Der der materiell-rechtlichen Lehre vom Beurteilungsspielraum zu Grunde liegende Gedanke, daß sich aus dem materiellen Recht selbst die Einräumung einer Beurteilungsermächtigung ergeben kann, ist also im dogmatischen Ansatzpunkt zutreffend. Derartige Fälle sind aber äußerst selten, weil sich aus allgemeinen materiell-rechtlichen Grundsätzen ein prinzipielles Verbot des Beurteilungsspielraums ergibt. Dieses grundsätzliche Verbot ergibt sich zunächst aus dem Wesen des unbestimmten Rechtsbegriffs, d. h. aus dem Umstand, daß der Gesetzgeber einen zwar erst vom Einzelfall her konkretisierbaren, aber doch inhaltlich uneingeschränkten Normbefehl statuiert hat, der eine und nur eine „richtige" Entscheidung zuläßt und infolgedessen eine Befugnis der Verwaltung zur Wahl zwischen mehreren Entscheidungen ausschließt. Für das Kommunalauf sichtsrecht kommt als weitere Grundlage des Verbots der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in Betracht. In Einzelfällen kann sich allerdings aus dem Selbstverwaltungsprinzip ergeben, daß den Gemeinden ein von der Aufsichtsbehörde und infolgedessen auch vom Gericht nicht nachprüfbarer Bewertungsspielraum zusteht. Für das Verhältnis zwischen Staat und Bürger findet das Verbot seine weitere Grundlage in dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sowie in dem rechtsstaatlichen Leitbild, d. h. in dem Gedanken, daß der Verwaltung hinsichtlich von Entscheidungen, durch die die Rechtsstellung eines Bürgers betroffen wird, eine Betätigungsfreiheit im materiell-rechtlichen Sinn nicht zustehen kann. Da der Eintritt i n ein besonderes Gewaltverhältnis entgegen früherer Auffassung mit einem Rechtsverzicht nicht verbunden ist, gilt dies auch für dienstliche Befähigungsbeurteilungen und Prüfungsentscheidungen.

29 80

BSozG (27. 11. 59) E 11/102, 117. BSozG, a.a.O.

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2. Teil: Geltungsgrundlagen

5. Sachnähe und Fachkenntnis der Verwaltungsbehörde sowie die Notwendigkeit prognostischer Beurteilungen als Grundlage eines Beurteilungsspielraums Trotz der grundsätzlich anerkannten vollen Überprüfbarkeit der unbestimmten Rechtsbegriffe w i r d von der herrschenden Meinung angeführt, i m konkreten Einzelfall könne sich unter dem Gesichtspunkt der Sachnähe, der besonderen Fachkenntnisse, der Erfahrung, der Vertrautheit mit Land und Leuten sowie mit den örtlichen Verhältnissen zu Gunsten der Verwaltungsbehörden ein Beurteilungsspielraum ergeben. Besondere Fachkenntnisse, langjährige Erfahrung, Sachnähe und alle vergleichbaren, i m konkreten Einzelfall bei der Beschlußfassung über eine behördliche Maßnahme maßgebenden Faktoren betreffen die Erkenntnisfähigkeit der zur Erstentscheidung berufenen Stelle, d. h. die Verwertung der der Behörde aus langjähriger örtlicher und sachlicher Tätigkeit sowie aus dem konkreten Kontakt mit dem betreffenden Sozialsachverhalt erkennbar gewordenen Wissens. Es kann nicht verkannt werden, daß jeder nicht von einem Automaten getroffenen verwaltungsbehördlichen Entscheidung ebenso wie jedem Urteil ein gewisses Maß an Irrationalem anhaftet, das sich aus der Persönlichkeitsstruktur der an der Entscheidung Beteiligten ergibt. Insbesondere bei unbestimmten Rechtsbegriffen, wie „sittenwidrig" oder „künstlerisch hochstehend" w i r d dieses Problem auftreten. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß die Qualifikation zur theoretisch bestmöglichen Entscheidung auch zugleich ein Entscheidungsmonopol, d. h. den Ausschluß einer Kontrolle begründet I m Hinblick auf den aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Begründungszwang 1 ist die Behörde verpflichtet, die für ihre Entscheidung maßgeblichen Gründe i n einem Umfang darzulegen, der dem Betroffenen die gerichtliche Verfolgung seiner Rechte gestattet. Art. 19 Abs. I V GG als prozessuale Grundnorm und Erscheinungsform des Rechtsstaatsprinzips enthält die Garantie eines tatsächlich wirksamen Rechtsschutzes und einer uneingeschränkten rechtlichen und tatsächlichen Überprüfung des Verwaltungshandelns 2 . Die Begründungspflicht der Verwaltung ist gewissermaßen die Vorverlagerung dieses Gedankens i n das Verwaltungsverfahren, denn die Chancengleichheit der Prozeßparteien verlangt, daß der betroffene Bürger vor Erhebung der Klage seine Aussichten beurteilen kann. Dies ist ihm aber nur möglich, wenn er i n vollem Umfang über die tatsächlichen Grundlagen des Verwaltungshandelns informiert ist. Für den Umfang der Begründungspflicht hat dies zur Folge, daß die Verwaltung in tatsächlicher Sicht sämtliche 1 Siehe BVerfG (16. 1. 57) E 6/32, 44 — BVerwG (8. 12. 61) DVB1. 62/562, 563 — BVerwG (14. 10. 65) DöV 66/137 — OVG Koblenz (29. 3. 58) DVB1. 58/835, 836. 2 Siehe oben, S. 11 f.

I. Materiell-rechtliche Geltungsgrundlagen

Grundlagen ihrer Entscheidung angeben muß 3 . Die ist, ob die Verwaltungsbehörde ihre aus Sachnähe, wonnenen Spezialkenntnisse für sich behalten darf betroffenen Bürger insoweit offenlegen muß, wie Entscheidung relevant geworden sind.

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entscheidende Frage Erfahrung usw. geoder ob sie sie dem sie für die einzelne

Das OVG Lüneburg 4 hat hinsichtlich der für die Übernahme des A m tes eines hauptamtlichen Bürgermeisters erforderlichen „notwendigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Selbstverwaltung" der Kommunalaufsichtsbehörde einen Beurteilungsspielraum mit der Begründung zuerkannt, es handele sich um eine rational nicht völlig auflösbare Prognose: dies ergebe sich daraus, daß die Entscheidung neben den rational vermittelbaren Gegebenheiten auch auf Unwägbarkeiten beruht, die als Früchte spezifischer Facherfahrung und als unentbehrliche Momente der verwaltungsmäßigen Verantwortung für die Gestaltung des betreffenden Sozialbereichs nur von der zuständigen Verwaltungsbehörde sachgerecht zu erwarten seien 5 ; zwar könne sich jeder Rechts- und Verwaltungskundige, also auch das Verwaltungsgericht, die für die Anforderungen des hauptamtlichen Bürgermeisters in Betracht kommenden Beurteilungsgrundlagen beschaffen: dies sei aber nur soweit möglich, als es sich hierbei um rational vermittelbare Gegebenheiten handelt; Unwägbarkeiten der Beurteilung, welche die Kommunalaufsichtsbehörde aus langjähriger Beobachtung des Gemeindewesens und aus der Vertrautheit mit Land und Leuten und den gesamten kommunalpolitischen Verhältnissen der Landschaft i n ihr Urteil einfließen läßt, blieben dabei unberücksichtigt: indem das Gesetz die Eignung des Bewerbers von den dafür notwendigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Selbstverwaltung abhängig macht, wolle es gerade der Möglichkeit Raum geben, auch diese nicht mitteilbaren Unwägbarkeiten in die Beurteilung einzubeziehen 6 . Desgleichen hat das VG Oldenburg 7 hinsichtlich der Sachkunde von Wahlbeamten einen Beurteilungsspielraum der Gemeinden wegen deren unmittelbarer Kenntnis der Dinge anerkannt. Unterstellt, ein gewählter Bewerber würde den abstrakten sachlichen Anforderungen des Bürgermeisteramtes entsprechen und die Kommunalaufsichtsbehörde würde lediglich auf Grund ihrer Vertrautheit mit Land und Leuten, mit der Kommunalkörperschaft sowie mit den ge3 Was selbstverständlich nicht bedeutet, daß sie die offensichtlichen bzw. die dem Betroffenen bekannten Umstände darlegen muß: siehe BVerwG (14. 10. 65) DöV 66/137 — O L G Frankfurt (8. 11. 65) N J W 66/465, 466. 4 OVG Lüneburg (22. 8. 58) DVB1. 58/837 ff. 5 OVG Lüneburg, a.a.O., S. 838. « OVG Lüneburg, a.a.O., S. 839. 7 V G Oldenburg (7. 2. 61) DöV 61/549, 550.

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2. T e i l : Geltungsgrundlagen

samten kommunalpolitischen Verhältnissen gegen seine Wahl Widerspruch erheben, dann würde diese Maßnahme letztlich weniger von der abstrakten Eignung des Bewerbers für das Bürgermeisteramt, als vielmehr von geographischen, gesellschaftlichen, bekenntnismäßigen u. ä. Gesichtspunkten abhängen. Wenn die Aufsichtsbehörde nicht nach dem rational unkontrollierten Fingerspitzengefühl, sondern auf Grund konkreter, Land, Leute und Verhältnisse berücksichtigender Überlegungen gehandelt hat, dann muß sie sich über diese konkreten Gesichtspunkte Gedanken gemacht haben. Wenn dies aber der Fall ist, dann muß sie auch imstande sein, ihre Überlegungen i n Form einer Begründung zu objektivieren. Aus dem Begründungszwang folgt, daß sie dem Betroffenen eine Verfolgung seiner Rechte ermöglichen muß. Da für die Entscheidung ihre örtlichen und sachlichen Spezialkenntnisse erheblich waren, muß sie sie in der Begründung angeben, weil der Betroffene andernfalls ein falsches B i l d von den tatsächlichen Grundlagen der behördlichen Entscheidung und damit von seinen Prozeßaussichten gewönne. Gibt aber die Behörde ihre für die Entscheidung relevanten örtlichen und sachlichen Spezialkenntnisse i n der Begründung des Verwaltungsaktes an, sind diese Umstände auch für Dritte erkennbar geworden. Das wiederum ermöglicht dem Gericht, die behördliche Entscheidung i n vollem Umfange nachzuvollziehen. Ist es aber zu einer „nachvollziehenden Vollprüfung" 8 i n der Lage, wäre es ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. I V GG, wenn sich das Gericht an die behördliche Entscheidung gebunden fühlte und ihr einen Beurteilungsspielraum konzedierte. M i t anderen Worten: wenn man mit dem Gedanken der Begründungspflicht Ernst macht und von der Behörde eine Offenlegung der bei der Entscheidung berücksichtigten tatsächlichen Umstände verlangt, zwingt man die Verwaltung zu rationalen Entscheidungen: dies scheidet subjektive und willkürliche Erwägungen aus, ermöglicht dem Betroffenen für den Prozeß eine faire Ausgangsstellung und dem Gericht eine volle Nachprüfung und damit die Erfüllung seiner ihm verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgabe. Ebenso wie sich neu i n die Behörde eintretende Beamte die Kenntnis der besonderen örtlichen und sachlichen Verhältnisse notfalls durch Informationen seitens ihrer Kollegen beschaffen können, ist das Gericht i n der Lage, aus der Begründung sowie notfalls durch Zeugenvernehmung die von der Behörde getroffene Entscheidung nachzuvollziehen. Gewährte man der Behörde einen kontrollfreien Beurteilungsspielraum, ließe man ihr ohne sachlichen Grund einen kontrollfreien Raum, innerhalb dessen sie ungehindert sachfremden (ζ. B. parteipolitischen) Erwägungen nachgehen kann, die jederzeit durch die 8

BVerwG

(25. 1. 67) E 26/65, 75.

I. Materiell-rechtliche Geltungsgrundlagen

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Berufung auf die besonderen örtlichen und sachlichen Verhältnisse verdeckt werden könnten. Die Zubilligung eines Beurteilungsspielraums wegen der Sachferne des Richters bedeutet also eine Vermischung zweier grundverschiedener Problemkreise: Sachnähe, Erfahrung u. ä. legitimieren zwar die betreffende Verwaltungsbehörde als für die Entscheidungsfällung theoretisch bestqualifizierte Stelle. Deswegen sind aber jene Umstände keineswegs rational nicht mitteilbare Gegebenheiten 9 , die deshalb einer gerichtlichen Kontrolle nicht unterlägen. Grundlage der behördlichen Entscheidung dürfen nur rationale Gesichtspunkte sein. Auch wenn sie faktisch häufig i n sehr bedeutsamem Maß durch individuelle, unterschwellige Momente ergänzt werden, muß dies wegen der Personengebundenheit der Verwaltung hingenommen werden. Die Behörden dürfen aber nicht allein auf Grund Fingerspitzengefühls entscheiden und sich der rationalen Selbstkontrolle sowie der gerichtlichen Fremdkontrolle durch die Berufung auf ihre Spezialkenntnisse entziehen. Sofern nicht nur allgemeine, sondern auch spezielle orts- und sachbezogene Erwägungen zu der Entscheidung geführt haben, müssen sie sich darüber schlüssig werden und sie darlegen. Dies aber gibt dem Gericht die tatsächliche Möglichkeit, seiner Pflicht zur Kontrolle der Verwaltungsentscheidung gerecht zu werden. Aus der sachlichen Bestqualifizierung der Verwaltungsbehörde kann also eine „Geheimnissphäre" nicht abgeleitet werden. Die Zubilligung eines Beurteilungsspielraums an die Verwaltungsbehörden kann nicht mit den Gedanken der Sachnähe, der örtlichen und sachlichen Spezialkenntnisse usw. begründet werden. Ergänzend ist noch auf das vom OVG Lüneburg in der zitierten Entscheidung 10 angeschnittene, i n einer Entscheidung vom 19. 1. 195711 eingehender untersuchte Problem der Zukunftsprognosen einzugehen. I n der zweitgenannten Entscheidung wurde bezüglich der „Hilfsschulfähigkeit" eines Kindes ein Beurteilungsspielraum anerkannt, weil es sich um die Aussage einer zukünftigen Entwicklung und damit um eine auf Facherfahrung beruhende Schlußfolgerung handele, deren Beurteilung notwendigerweise subjektiv gefärbt sein müsse: es seien Fälle denkbar, i n denen der eine Fachmann die Aufnahme in eine Hilfsschule bejaht, während sie der andere ablehnt: innerhalb dieses Beurteilungsspielraums sei die Entscheidung der Fachbehörde nicht überprüfbar.

9 So O V G Lüneburg (22. 8. 58) DVB1. 58/837, 839; vgl. auch Jesch AöffR 82 (1957) 163, 232 f. u n d 241. 10 OVG Lüneburg (22. 8. 58) DVB1. 58/837 ff. 11 OVG Lüneburg (19. 1. 57) AS 12/327, 331; zustimmend OVG Hamburg (23. 12. 58) DVB1. 60/742, 745.

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2. Teil: Geltungsgrundlagen

Μ . E. w i r d hiermit der sich aus der Fachqualifikation ergebenden Erkenntnisfähigkeit eine Ausstrahlung gegeben, die mit dem rechtsstaatlichen Begründungszwang und der gerichtlichen Kontrollfunktion unvereinbar ist. Die Fachbehörde muß ihre Prognose nach bestem Wissen unter Verwertung ihrer Spezialkenntnisse stellen. Die Frage, ob eventuell ein anderer Sachbearbeiter zu einer anderen, ebenfalls vertretbaren Entscheidung käme, ist insoweit hypothetischer Natur und betrifft lediglich die aus der Sicht eines Außenstehenden erfaßte Schwierigkeit des Erkenntnisvorganges 12 . Das Gericht ist zur Überprüfung der von der Fachbehörde für ihre Prognose gegebenen Gründe verpflichtet. Ob es sich i m Einzelfall praktisch auf eine A r t Mißbrauchskontrolle beschränkt, indem es sich weitgehend den ihm unterbreiteten Fachkenntnissen der Behörde anvertraut und die Entscheidung nur bei evidenter Fehlerhaftigkeit aufhebt, betrifft das allgemeine Problem, daß Gerichte gegebenenfalls aus eigener Verantwortung über spezialwissenschaftliche Fragen urteilen müssen. Zu den Aufgaben des Richters gehört es auch, die auf schwierigen fachwissenschaftlichen Beurteilungen beruhenden Entscheidungen zu treffen 13 , wobei er gegebenenfalls Sachverständige hinzuziehen muß 1 4 : der Gedanke der fachlichen Schwierigkeiten kann also für sich allein eine Einschränkung des richterlichen Prüfungsrechts nicht rechtfertigen 15. Da sich die Behörde über die sachlichen Grundlagen ihrer Prognose klarwerden und da sie die entscheidenden Erwägungen i n der Begründung ihrer Beurteilung darlegen muß, ist dem Gericht die tatsächliche Möglichkeit zu einem Nachvollziehen der behördlichen Entscheidung gegeben und besteht kein Anlaß für die Zubilligung eines Beurteilungsspielraums. Prognostische Beurteilungen wie „Hilfsschulfähigkeit" 1 6 , „Hochschulreife" 17 , „Eignung zum Besuch eines Gymnasiums" 1 8 , „nicht zu erwartende Wiedererlangung der vollen Verwendungsfähigkeit" eines Beamten 19 oder „Beeinträchtigung der Wirtschaft Berl i n s " 2 0 sind also voll nachprüfbar. 12 OVG Münster (24. 4. 58) AS 13/269, 275 — OVG Münster (22. 9. 58) AS 14/ 38, 43. 13 Siehe insbesondere BVerwG (28. 5. 63) E 16/116, 129 f. — BVerwG (20. 12. 63) E 17/342, 343 — BVerwG (18. 1. 67) ZBR 67/263, 264. 14 BVerwG (18. 1. 67) ZBR 67/263, 264. 15 OVG Münster (24. 4. 58) AS 13/269, 275 — OVG Münster (22. 9. 58) AS 14/38, 43. 16 Ebenso OVG Münster (24. 4. 58) AS 13/269, 272 ff. — OVG Lüneburg (20. 12. 65) M D R 66/445, 446 — HessVGH (17. 12. 54) VRspr. 9 (1957) 12, 16. π V G Frankfurt (27. 2. 62) JZ 62/504 f. 18 OVG Hamburg (23. 12. 58) DVB1. 60/742, 744 — O V G Hamburg DVB1. 60/652 — O V G Hamburg (27. 9. 63) VRspr. 16 (1964) 568, 572 f. 19 BVerwG (30. 8. 63) E 16/285, 287. 20 OVG Berlin (13. 2. 52) E 1/174, 176 f.

(12. 2. 60)

I. Materiell-rechtliche Geltungsgrundlagen

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6. Das Fehlen allgemeiner Wertmaßstäbe sowie die Notwendigkeit fachwissenschaftlicher Kenntnisse als Grundlagen des Beurteilungsspielraums I n vielen Entscheidungen w i r d die Anerkennung eines Beurteilungsspielraums mit dem Hinweis auf das Fehlen allgemeiner, auch von den Gerichten zuverlässig anwendbarer Wertmaßstäbe begründet 1 . Insbesondere hinsichtlich der Befähigung von Beamten könne allein der Dienstherr zuverlässig und sachverständig i m Hinblick auf die Anforderungen des konkreten Amtes bestimmen, ob der Betreffende dem entspricht 2 . Dienstliche Befähigungsbeurteilungen seien Akte wertender Erkenntnis, die nicht von allgemeingültigen Maßstäben abhängig, sondern vom Dienstherren unter Berücksichtigung der zahlreichen Anforderungen der konkreten Laufbahn bestimmt würden 3 . Ein Beurteilungsspielraum sei also anzuerkennen, wenn die Subsumtion Wertungen erfordert, die der Behörde vorbehalten bleiben müssen und die das Gericht nicht nachvollziehen kann 4 . Besteht dagegen hinsichtlich des unbestimmten Rechtsbegriffs eine jahrelange Praxis des Dienstherrn, auf Grund derer auch das Gericht als Außenstehender die sachlichen Gegebenheiten beurteilen kann, sei die Anwendung des Begriffs voll nachprüfbar 5 . Hinsichtlich der Prüfungsentscheidungen ergebe sich der Beurteilungsspielraum aus dem Umstand, daß der Richter mangels Fachkenntnis nicht i n der Lage sei, Noten zu geben® und es sich um einen der richterlichen Überprüfung schwer zugänglichen Bereich handele 7 . Während sich der Beurteiler bei pädagogischen und dienstrechtlichen Bewertungen den Wertmaßstab erst aus dem Vergleich mehrerer Fälle bildet, sei der für die Tauglichkeit eines Wehrpflichtigen anzuwendende Wertungsmaßstab durch das Gesetz vorgeschrieben und komme ein Beurteilungsspielraum nicht i n Betracht 8 . Desgleichen beurteile sich die Unwürdigkeit zum Führen des Doktortitels nach allgemeinen, jedermann zugänglichen Wertmaßstäben, deren Überprüfung infolgedessen einer unbeschränkten Nachprüfung unterliege 9 . 1 BVerwG (29. 9. 60)/E 11/139 f. — BVerwG (27. 9. 62) E 15/39, 40 f. — BVerwG (13. 5. 65) E 21/127, 130 — BVerwG (23. 11. 66) ZBR 67/147; ebenso Wolff DVB1. 59/75, 76; kritisch Jaeger DöV 66/779, 782; siehe auch V G Minden (28. 2. 61) DöV 61/551, 552. 2 BVerwG (29. 9. 60) E 11/139, 140; ähnlich BVerwG (30. 8. 62) E 15/3, 5 — BVerwG (27. 9. 62) E 15/39, 40 f. — BVertüG (13. 5. 65) E 21/129 f. BVerwG (23. 11. 66) ZBR 67/147 f. 3 BVerwG (27. 9. 62) E 15/39, 41. 4 OVG Bremen (9. 7. 63) ZBR 63/350. 5 OVG Bremen, a.a.O. 6 BVerwG (24. 4. 59) E 8/272, 273. 7 BVerwG (18. 1. 63) DVB1. 63/366, 367. 8 So offensichtlich der Gedankengang i n BVerwG (15. 5. 64) M D R 64/703 f. 9 VGH München (21. 7. 66) DVB1. 67/89, 92.

5 Schmidt-Salzer

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2. Teil: Geltungsgrundlagen

Das Bundesverwaltungsgericht i n einer einen Beurteilungsspielraum ablehnenden Entscheidung 10 sowie insbesondere das OVG Münster 11 haben aber demgegenüber klargestellt, daß die tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Anwendung fachwissenschaftlicher Beurteilungen den Richter nicht von seiner Verpflichtung befreien, nach seiner Überzeugung zu entscheiden, was rechtens ist 1 2 , und daß es Aufgabe der Rechtsprechung ist, unbestimmte Rechtsbegriffe inhaltlich zu konkretisieren 13 . Ebenso wie der Richter erforderlichenfalls schwierige technische oder medizinische Denkvorgänge nachvollziehen muß, kann und muß er auch pädagogisch-fachwissenschaftliche Erwägungen in seine Beurteilung einbeziehen bzw. muß er sich gegebenenfalls den für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlichen Erkenntnishorizont verschaffen. Wenn sich die Gerichte in diesem Zusammenhang darauf berufen, ζ. B. der Beschluß der Versetzungskonferenz könne nicht auf die ihm zugrunde liegende fachliche Wertung überprüft werden 14 und es sei nicht Aufgabe der Gerichte, in die eigentlichen Elemente der pädagogischwissenschaftlichen Beurteilung einzudringen und eigene Bewertungen anzustellen 15, geht dies an dem Umstand vorbei, daß die in Betracht kommenden pädagogisch-wissenschaftlichen Wertungen durch die Aufnahme in die Prüfungsordnung zu unbestimmten Rechtsbegriffen geworden sind und daß das Gericht nach eigener Überzeugung entscheiden muß, ob der unbestimmte Rechtsbegriff zutreffend angewendet wurde 19. Ζ. B. ist der Richter eigentlich sachlich überfordert, wenn er beurteilen müßte, ob eine Illustrierte geeignet ist, „Kinder sittlich zu gefährden"· durch den unbestimmten Rechtsbegriff ist aber eine psychologische Fachfrage zum Bestandteil einer Norm und damit zu einem Gesetzesbegriff geworden. Infolgedessen muß der Richter den Begriff anwenden und gegebenenfalls Sachverständige zu seiner Hilfe hinzuziehen 17 . Die Erheblichkeit fachwissenschaftlicher Kenntnisse und Überlegungen befreit ihn nicht von seiner Verpflichtung zum Nachvollziehen der ihm 10 BVerwG (28. 5. 63) E 16/116, 129 f.; vgl. auch BVerwG (18. 1. 67) ZBR 67/ 263, 264. 11 OVG Münster (27. 1. 54) DVB1. 54/542, 543 — OVG Münster (24. 4. 58) AS 13/269, 274 f. — OVG Münster (22. 9. 58) AS 14/38, 43. 12 Siehe auch V G Frankfurt (20. 10. 59) JZ 61/65, 66; Jaeger DöV 66/779, 780 f. 13 OVG Münster (28. 7. 62) AS 6/43, 49; vgl. auch Henke, Tatfrage, S. 265. 14 BVerwG (22. 4. 63) VRspr. 16 (1964) 142, 143 — OVG Münster (12. 1. 54) DVB1. 54/584, 585 — OVG Berlin (14. 4. 54) DVB1. 54/586 — HessVGH (14. 12. 60) DVB1. 62/270 f. — OVG Hamburg (27. 9. 63) VRspr. 16 (1964) 568, 570; ebenso Wolff , Verwaltungsrecht, S. 150. 15 OVG Berlin (8. 5. 63) E 7/134, 135. 16 Ebenso V G Frankfurt (27. 2. 62) JZ 62/504, 505. 17 Vgl. BVerwG (7. 12. 66) E 25/318, 327 — BVerwG (27. 4. 67) E 27/14, 18 — BVerwG (27. 4. 67) E 27/21, 28 f.; vgl. weiterhin OVG Lüneburg (18. 2. 64) AS 20/321, 324 f.

I. Materiell-rechtliche Geltungsgrundlagen

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gegebenenfalls durch einen Sachverständigen unterbreiteten fachwissenschaftlichen Überlegungen und kann infolgedessen eine Beschränkung des richterlichen Kontrollrechts nicht begründen. Ebensowenig wie die von pädagogisch-wissenschaftlichen Gesichtspunkten bestimmten Begriffe „Hilfsschulfähigkeit" 1 8 , „Eignung zum Gymnasiumsbesuch" 19 oder „Hochschulreife" 20 einen Beurteilungsspielraum begründen, kann dies hinsichtlich von Prüfungsleistungen der Fall sein. Der Vergleich der Argumentationen zu den Prüfungsentscheidungen einerseits, den angeführten schulischen Befähigungsprognosen andererseits zeigt, daß es eine Scheinbegründung ist, wenn der bei Prüfungsentscheidungen anerkannte Beurteilungsspielraum mrt dem Gedanken der fachlichen Schwierigkeiten begründet wird. Würde tatsächlich die Erfahrung und Ausbildung der die Verwaltungsentscheidung treffenden Personen durch Anerkennung einer nur beschränkten Nachprüfbarkeit honoriert, dürfte auch hinsichtlich unbestimmter Rechtsbegriffe wie Hilfs-, Gymnasial- oder Hochschulfähigkeit ein Beurteilungsspielraum nicht abgelehnt werden. Hinsichtlich der an pädagogischen Erkenntnissen zu orientierenden unbestimmten Rechtsbegriffe w i r d also bei vergleichbarer Problemstellung innerhalb besonderer Gewaltverhältnisse ein Maßstab angelegt, der bei den einer Begründung des besonderen Gewaltverhältnisses vorangehenden Eignungsbeurteilungen nicht angewandt wird. Unabhängig von den anderen für eine Differenzierung i n Betracht kommenden Gründen stellt sich hier die Frage, ob nicht unter dem Mantel von scheinbar materiell-rechtlichen Erwägungen für den Bereich der besonderen Gewaltverhältnisse ein letzter Rest justizfreien Raums verteidigt w i r d 2 1 . Soweit i m Beamtenrecht das Fehlen allgemeiner Maßstäbe als Grundlage für einen Beurteilungsspielraum des Dienstherrn herangezogen wird, handelt es sich letztlich um eine aus anderer Perspektive erfolgte Formulierung des Beurteilungsspielraums kraft Sachnähe. Gibt der Dienstherr i n seiner Entscheidung an, auf Grund welcher, aus den A n forderungen des konkreten Amtes sich ergebender Umstände er den Beamten für nicht geeignet hält, setzt er das Gericht i n die Lage, seine Beurteilung nachzuvollziehen und zu überprüfen. Der springende Punkt ist also nicht das Fehlen allgemeiner, für einen Dritten erkennbarer 18

Siehe die auf Seite 64 i n Fußn. 16 zitierten Entscheidungen. Siehe die auf Seite 64 i n Fußn. 18 zitierten Entscheidungen. so V G Frankfurt (27. 2. 62) J Z 62/504 f. 19

21 Kellner (DöV 62/572, 579 u n d 582, links oben) f ü h r t die F r e i w i l l i g k e i t des Eintritts i n das besondere Gewaltverhältnis als Rechtfertigung f ü r die Differenzierung zwischen subjektiven Beurteilungen innerhalb besonderer Gewaltverhältnisse einerseits, außerhalb ihrer andererseits an; vgl. auch Redeker-v. Oertzen, V w G O A n m . 9 zu § 114.



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2. Teil: Geltungsgrundlagen

Maßstäbe, sondern die Frage, ob der Dienstherr seine durch die Anforderung des konkreten Amtes bestimmten Maßstäbe dem Beamten in der Begründung des Verwaltungsaktes bzw. dem Gericht darlegen muß. Indem die Gerichte dem Dienstherrn einen Beurteilungsspielraum zuerkennen, geben sie ihm die Möglichkeit, sich hinter den Vorhang der Anforderungen des konkreten Amtes zurückzuziehen und w i r d übersehen, daß damit dem Dienstherrn eine rechtswidrige Reduzierung seiner Begründungspflicht zugestanden w i r d 2 2 . Durch die materiell-rechtliche Lehre zum Beurteilungsspielraum und durch die Rechtsprechung zur angeblichen Betätigungsfreiheit des Dienstherrn w i r d das richterliche Kontrollprinzip geradezu auf den Kopf gestellt: der Dienstherr beruft sich darauf, er habe bei der Beurteilung der Befähigung seine Sachnähe und Detailkenntnis für die Entscheidung verwertet; die Gerichte erkennen einen Beurteilungsspielraum an, weil sie als Außenstehende nicht i n der Lage seien, die Anforderungen des konkreten Amtes zu bestimmen; der Dienstherr aber müßte „von innen her" dazu imstande sein, konkret darzulegen, warum der Beamte den Anforderungen des betreffenden Amtes nicht gewachsen ist: kann der Dienstherr dies nicht, und beruft er sich auf die rational nicht vermittelbaren Gegebenheiten der konkreten Situation, dann ist dies letztlich ein Eingeständnis, daß die Verneinung der Befähigung nicht auf einem sachlich fundierten Urteil beruht, sondern eine rational unkontrollierte „Fingerspitzen"-Entscheidung ist. Da aber der Beamte durch die Verneinung seiner Befähigung i n seiner Individualsphäre betroffen wird, darf die Entscheidung des Dienstherrn nur auf sachlicher Grundlage erfolgen. Das Ergebnis der Gesetzesanwendung darf nicht von dem unkontrollierbaren subjektiven Empfinden Einzelner abhängen, weil sonst eine Bindung an das Gesetz nicht mehr bestände und der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verletzt wäre 2 3 . Der Dienstherr muß sich also selber über die entscheidenden tatsächlichen Umstände klar werden (Problem der Selbstkontrolle) und dies dem Gericht darlegen (Problem der Ermöglichung der Fremdkontrolle). Es ist eine völlige Konturenverwischung, wenn hinsichtlich der dienstlichen Befähigungsbeurteilungen ein Beurteilungsspielraum mit dem Fehlen allgemeiner Maßstäbe oder gar mit der Überlegung begründet wird, der Gesetzgeber könne nicht gewollt haben, daß ein Hoheitsträger den Auffassungen anderer Stellen unterworfen werden soll, wenn er sich über die Brauchbarkeit seiner Beamten schlüssig werden muß 2 4 . Das Bestehen eines Beurteilungsspielraums kann weder mit der Berufung auf die inneren, rational 22

Siehe oben, S. 61—63. Vgl. BVerwG (19. 12. 63) E 17/322, 328 (Beurteilungsmaßstab f ü r Außenwerbung). 24 So Kellner DöV 62/572, 580. 28

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I. Materiell-rechtliche Geltungsgrundlagen

nur teilweise begründbaren Bewertungsvorgänge des Entscheidenden 25 noch mit dem Hinweis auf das Fehlen allgemeiner, auch für einen Dritten erkennbarer Maßstäbe begründet werden. 7. Notwendigkeit einer „wertenden Erkenntnis" Grundlage des Beurteilungsspielraums

als

Der bei dienstlichen Beurteilungen sowie bei Prüfungsentscheidungen anerkannte Beurteilungsspielraum w i r d weiterhin mit der Überlegung begründet, es handele sich um Akte wertender Erkenntnis 1 bzw. um außerrechtliche Wertungen 2 : wegen der notwendigerweise subjektiv ausgerichteten Wertung seien verschiedene Entscheidungen möglich und habe der Gesetzgeber die i n der diffusen Übergangszone möglichen verschiedenen Urteile als vertretbar und rechtmäßig ansehen wollen 3 ; der Wertungskern des unbestimmten Rechtsbegriffs könne nicht soweit eingeengt werden, daß der zu subsumierende Tatbestand nur eine Entscheidung zuläßt 4 . Die Notwendigkeit einer besonderen Wertung ist aber per se zur Begründung eines Beurteilungsspielraums nicht geeignet 5 . Jeder unbestimmte Rechtsbegriff setzt wegen seiner Ausfüllungsbedürftigkeit eine Wertung voraus. Würde das Erfordernis der Wertung einen Beurteilungsspielraum begründen, müßten also sämtliche unbestimmten Rechtsbegriffe nur beschränkt nachprüfbar sein. Wenn man dagegen die grundsätzliche volle Nachprüfbarkeit anerkennt, kann die Notwendigkeit einer Wertung für sich allein gesehen einen Beurteilungsspielraum nicht begründen 6 . Umgekehrt enthält aber der unbestimmte Rechtsbegriff als solcher keinen Beurteilungsspielraum für die Verwaltungsbehörden. Ebenso wie die tatsächliche Schwankungsbreite der vom Standpunkt eines unbefangenen Betrachters aus „vertretbaren" Entscheidun25 So aber insb. OVG Lüneburg (22. 8. 58) DVB1. 58/837 ff. — HessVGH (14. 12. 60) DVB1. 62/270 — HessVGH (5. 7. 63) VRspr. 16 (1964) 575, 576. 1 BVerwG (29. 9. 60) E 11/139, 140 — BVerwG (26. 1. 61) N J W 61/1131, 1133 — BVerwG (8. 2. 61) DöV 61/547 — BVerwG (27. 9. 62) E 15/39, 41 — BVerwG (22. 4. 63) VRspr. 16 (1964) 142 f. — BVerwG (13. 5. 65) E 21/127, 130 — HessVGH (5. 7. 63) VRspr. 16 (1964) 575, 576. 2 Menger-Erichsen V A 58 (1967) 70, 71; siehe auch Menger, Handbuch der Grundrechte, I I I , 2 (1959) S. 717, 751; Bettermann, Handbuch der Grundrechte, I I I , 2 (1959) S. 779, 797 f. 3 Menger-Erichsen, a.a.O., S. 73; Menger, a.a.O., S. 752; Erichsen, SchlHA 1965/117, 119. 4 Pötter, Gedächtnisschrift Hans Peters (1967) S. 906, 912; siehe auch Eyermann-Fröhler VwGO, Rd. 9a zu § 114. 5 BVerwG (28. 5. 65) E 21/184, 186 — BVerwG (22. 4. 66) E 24/60, 64 — OVG Münster (20. 2. 63) Der Städtetag 63/455; Jaeger DöV 66/779, 780. 6 Jaeger DöV 66/779, 780.

2. Teil: Geltungsgrundlagen

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gen zur Zubilligung eines Beurteilungsspielraums nicht führen kann 7 , begründet auch die Notwendigkeit einer besonderen, unter Umständen außerrechtlichen Wertung keine Beschränkung des gerichtlichen Nachprüfungsrechts. 8. Die Notwendigkeit eines „persönlichkeitsbedingten Werturteils" als Grundlage des Beurteilungsspielraums Als weitere materiell-rechtliche Begründung für die Anerkennung eines Beurteilungsspielraums w i r d angeführt, Befähigungsbeurteilungen und Prüfungsentscheidungen seien persönlichkeitsbedingte Werturteile 1 bzw. unvertretbare, nur durch die betreffende Prüfungskommission 2 oder die betreffende Versetzungskonferenz 3 vornehmbare Beurteilungen. Das Bundesverwaltungsgericht qualifiziert die persönliche und fachliche Beurteilung eines Beamten durch seinen Dienstherrn als persönlichkeitsbedingtes Werturteil, weil nur der Dienstherr die Anforderungen des konkreten Amtes bestimmen könne und es sich um einen ihm vorbehaltenen A k t wertender Erkenntnis handele 4 . Ein Ersetzen persönlichkeitsbedingter Werturteile durch ein Gerichtsurteil sei mit dem Gesetzeszweck nicht vereinbar 5 . Weiterhin seien Prüfungsentscheidungen ihrem Wesen nach das höchstpersönliche Urteil eines nach bestimmten Gesichtspunkten zusammengesetzten Gremiums 6 und beruhe ihre beschränkte Nachprüfbarkeit auf der Unvertretbarkeit der Prüfenden 7 : Eingriffe anderer Personen seien illegitim 8 ; das Gericht könne die Benotungen nicht abändern 9 . Nach Ansicht des V G Oldenburg 10 hat die unmittelbare Kenntnis der Gemeinden von den örtlichen und sachlichen Verhältnissen sowie von der Person eines zum Bürgermeister Gewähl7

Siehe oben, S. 45—48. BVerwG (23. 1. 61) E 12/20, 26 f. u n d 28 — BVerwG (27. 9. 62) E 15/39, 41 — BVerwG (13. 5. 65) E 21/127, 129 u n d 131 — BVerwG (22. 4. 66) E 24/60, 64. 2 O V G Hamburg (23. 11. 59) M D R 60/346, 347; Wolff DVB1. 59/75; Bettermann DöV 62/151; Ule DVB1. 66/574, 575. 3 OVG Hamburg (6. 5. 64) N J W 64/2178 — OVG Lüneburg (20. 10. 65) M D R 66/445, 446; siehe auch Menger V A 54 (1963) 88, 101. 4 BVerwG (27. 9. 62) E 15/39, 41. 5 BVerwG (27. 9. 62) E 15/39, 41 — BVerwG (26. 9. 63) E 17/5, 8; siehe auch O V G Hamburg (23. 11. 59) M D R 60/346, 347 — VGH Baden-Württemberg (8. 8. 63) DöV 63/767, 768 — OVG Hamburg (27. 9. 63) VRspr. 16 (1964) 568, 569 f.; Bettermann DöV 61/151 f. 6 BVerwG (19. 10. 60) N J W 61/796, 797 — BVerwG (26. 1. 61) N J W 61/1131, 1132 f. — OVG Berlin (8. 5. 63) E 7/134, 135. 7 Wolff DVB1. 59/75; Ule DVB1. 66/574, 575. 8 BVerwG (27. 9. 62) DVB1. 63/179; — V G H Baden-Württemberg (8. 8. 63) DöV 63/767, 768. 9 BVerwG (19. 10. 66) N J W 61/796, 797. 10 V G Oldenburg (7. 2. 61) DöV 61/549, 550. 1

I. Materiell-rechtliche Geltungsgrundlagen

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ten zur Folge, daß es sich um eine unvertretbare und damit nur beschränkt nachprüfbare Entscheidung handele. Stern-Münch 11 bejahen einen Beurteilungsspielraum der Bundesregierung hinsichtlich der A n wendung des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft mit der Überlegung, nach dem Willen des Gesetzgebers sei die Regierung als der maßgebliche Wächter über die konjunkturelle Stabilität eingesetzt, also spezifisch und unvertretbar mit der Funktion betraut, auf Grund eigener Wertung verbindlich zu entscheiden, ob die tatbestandlichen Kriterien erfüllt sind. a) Wie bereits ausgeführt 12 , besagt die sachliche Kompetenz des Dienstherrn zur Bestimmung der Anforderungen des konkreten Amtes nichts darüber, ob ihm i m technischen Sinn eine Betätigungsfreiheit zusteht bzw. ob er zu einer konkreten Begründung seiner Entscheidung verpflichtet ist. Da Sachnähe, fachliche Kompetenz, u. ä. keine Beurteilungsermächtigung gewähren und weder die Begründungspflicht noch die gerichtliche Kontrolle ausschließen 13, kann für das Beamtenrecht der Kategorie der persönlichkeitsbedingten Werturteile nicht die ihr von den Gerichten beigemessene Bedeutung zuerkannt werden. b) Das Gleiche muß für Versetzungskonferenzen i m Schulrecht sowie für Prüfungsentscheidungen gelten. Allerdings ist es ein logisch eindrucksvolles Argument, daß nur die m i t der Abnahme der Prüfung Beauftragten die Prüfungsleistungen beurteilen sollen 14 und daß es infolgedessen eine Verfälschung des gesetzgeberischen Willens wäre, wenn letztlich nicht die betreffenden Prüfer, sondern die Richter und damit dritte Personen entschieden 15 . Dieses Argument betrifft aber nur das verwaltungsrechtliche Verhältnis zwischen der Prüfungskommission und einer eventuellen Aufsichtsbehörde und damit den Grundsatz der Unabhängigkeit der Prüfer sowie ihre fehlende Austauschbarkeit. Das Verhältnis zwischen Prüfungsausschuß und Gericht dagegen wird durch die richterliche Kontrollaufgabe bestimmt. Da nach dem Grundgesetz jede behördliche Tätigkeit unter dem Vorbehalt der richterlichen Überprüfung steht (arg. Art. 19 Abs. I V GG), muß der Prüfungsausschuß seine Entscheidung vor dem Gericht rechtfertigen. Ändert das Gericht die Entscheidung ab bzw. verweist es unter Aufhebung zurück, setzt es nicht in einer verwaltungsrechtlich unzulässigen Weise seine Entscheidung an die Stelle der vom Prüfung sausschuß getroffenen und ist es keineswegs eine Superprüfstelle 1{ i. Vielmehr spricht das Gericht lediglich 11 12 13 14 15 16

Stern-Münch, StabG, S. 59. Siehe oben, S. 60 ff. Siehe oben, S. 60—63. BVerwG (24. 4. 59) E 8/272, 274 — BVerwG (27. 9. 62) E 15/39, 41. Siehe oben, S. 31 f. ab Fußn. 44. So aber OVG Münster (22. 9. 58) AS 14/38, 44.

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2. Teil: Geltungsgrundlagen

das aus seiner Überprüfung hervorgehende, seine Grundlage im richterlichen Kontrollrecht findende Urteil. Da der Prüfungsausschuß kein Beurteilungsermessen 17 hat, sondern die eine und nur eine „richtige" Entscheidung finden muß 1 8 , ist es für das richterliche Kontrollrecht unerheblich, daß hier eine Austauschbarkeit der mit der Entscheidung befaßten Personen nicht besteht. Auch höchstpersönliche, d. h. von einer weisungsfreien und in ihrer Funktionsausübung nicht austauschbaren Persönlichkeit (bzw. einem Gremium von Persönlichkeiten) getroffene Entscheidungen über die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe unterliegen also der vollen gerichtlichen Nachprüfung. Die Weisungsfreiheit eines Organs der Exekutive bedeutet lediglich, daß der Verwaltungsakt einer weiteren Nachprüfung i m Verwaltungsweg entzogen ist und daß er nur noch i m Rechtsweg einer Nachprüfung unterliegt 1 9 . c) Die Frage der fachlichen Kompetenz und der Weisungsfreiheit der zur Beurteilung berufenen Persönlichkeiten betrifft also ausschließlich die verwaltungsrechtliche Frage der Weisungsgebundenheit und der personellen Austauschbarkeit, besagt aber nichts über den Umfang des richterlichen Nachprüfungsrechts 20 . Ζ. B. die Beurteilung eines Filmes durch die Filmbewertungsstelle ist eine unvertretbare, d. h. verwaltungsrechtlich von keinem anderen Personenkreis erbringbare Leistung. Ob aber das Sachverständigengremium die anzuwendenden unbestimmten Rechtsbegriffe richtig angewandt hat, ist von dem Gericht kraft seiner Kontrollkompetenz zu entscheiden. Würde die A r t und Weise der personellen Besetzung der Verwaltungsbehörde und die Regelung ihrer Weisungsunterworfenheit den Umfang des richterlichen Nachprüfungsrechts bestimmen, würde die Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens zu einer Einschränkung des Rechtsschutzes führen. Dies ist aber mit Art. 19 Abs. I V GG unvereinbar 21 . d) Das Argument, von den Gerichten könne ein besseres oder richtigeres Urteil nicht erwartet werden 2 2 und ein problematisches Urteil der Verwaltungsbehörde werde durch ein gleichfalls problematisches Urteil des Gerichts ersetzt 23 , ist nicht überzeugend. Das Gericht w i r d nicht kraft seiner eventuellen filmisch-sachlichen Qualifikation tätig, sondern

17 OVG Münster (22. 9. 58) AS 14/38, 39f.; anders Wolff D V B l . 59/75 u n d Bettermann DöV 62/151. 18 BVerwG (14. 7. 61) E 12/359, 363. 19 BVerfG (20. 6. 67) Betr. 67/1397, 1398. 20 Vgl. BVerwG (28. 1. 66) E 23/194, 201 — OVG Münster (11. 9. 63) VRspr. 16 (1964) 700, 701. 21 BVerwG, a.a.O., OVG Münster, a.a.O. 22 Ule, D V B l . 66/574, 575. 23 Ule, Gedächtnisschrift Walter Jellinek (S. 42, Fußn. 2) S. 328; Bachof J Z 55/97, 99; Krüger, Allg. Staatslehre, S. 291.

I. Materiell-rechtliche Geltungsgrundlagen

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auf Grund einer ihm durch die Rechtsordnung übertragenen Kontrollkompetenz. M i t der Anerkennung der richterlichen Nachprüfung von Verwaltungsakten ist wegen der häufig gegebenen mangelnden speziellen Fachkenntnis der Richter von vornherein die Gefahr gegeben, daß sachlich inkompetente Stellen über die Rechtmäßigkeit einer von einem sachlich kompetenten Organ getroffenen Maßnahme entscheiden. Konsequent zu Ende gedacht würde der obige Einwand zur Folge haben, daß über zu Gesetzesbegriffen gewordene spezialwissenschaftliche Fachfragen nur Richter urteilen dürfen, die eine entsprechende fachliche Ausbildung besitzen. Dies wäre ein praktisch nicht realisierbares Anliegen. Die Verfahrensgesetze geben dem Gericht die Möglichkeit zur Erweiterung seines Erkenntnishorizontes durch Anhörung von Sachverständigen und halten insoweit die sachliche Inkompetenz des Richters in erträglichen Grenzen. Auch wenn mit jeder richterlichen Entscheidung die Gefahr gegeben ist, daß den Richtern die notwendigen fachlichen Kenntnisse fehlen, ist dies ein von den Prozeßordnungen in Kauf genommener Faktor, der gegenüber einer Verweigerung des Rechtsschutzes durch Anerkennung eines kontrollfreien Raums das kleinere Übel ist 2 4 . Weder aus der mangelnden Austauschbarkeit der an der Behördenentscheidung beteiligten Personen noch aus der besonderen Zusammensetzung des Entscheidungsgremiums kann ein Beurteilungsspielraum abgeleitet werden. 9. Der Gedanke des verwaltungspolitischen Spielraums als Grundlage des Beurteilungsspielraums Hinsichtlich der nach neuerer Erkenntnis als unbestimmte Rechtsbegriffe zu qualifizierenden und grundsätzlich voll nachprüfbaren Begriffe hat das Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsbehörden in früheren Urteilen insoweit eine Ermächtigungsfreiheit zugestanden, als es sich um die Berücksichtigung verkehrswirtschaftlicher und verkehrspolitischer Belange 1 bzw. um die „gestaltende Beeinflussung" der Entwicklung handelte 2 . Auf Grund der in der Folgezeit herausgearbeiteten scharfen Differenzierung zwischen unbestimmten Rechtsbegriffen und Ermessensermächtigungen hätte diese Rechtsprechung eigentlich über24 Allenfalls könnte man noch erwägen, daß die Mitglieder der Filmbewertungsstellen i n einer quasi richterlichen Stellung seien. Auch hieraus k a n n aber ein Beurteilungsspielraum nicht abgeleitet werden: einerseits sind auch Richter von einer Nachprüfung durch eine höhere Instanz nicht befreit; andererseits übt die Filmbewertungsstelle funktionell keine richterliche, sondern eine verwaltungsbehördliche Tätigkeit aus: infolgedessen muß gegen ihre Entscheidungen voller Rechtsschutz gewährt werden. 1 2

BVerwG BVerwG

(11. 10. 56) E 4/89, 92 — BVertuG (30. 10. 59) DöV 60/150. (4. 3. 60) E 10/202, 205.

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2. Teil: Geltungsgrundlagen

holt sein müssen3. Trotzdem hat sich das Bundesverwaltungsgericht in dem wichtigen Urteil vom 25. 1. 1967 einerseits dezidiert zu der sog. These der gerichtlichen Vollprüfung bekannt, andererseits aber auch den Verwaltungsbehörden einen verwaltungspolitischen Spielraum zugebilligt 4 : bei der Besetzung von Schulrats- oder Schulleiterposten handele es sich um wichtige verwaltungspolitische Entscheidungen; das Gericht müsse hinsichtlich des „dienstlichen Bedürfnisses" für die Versetzung einer Konrektorin die Entscheidung der Behörde über die Besetzung der Stelle grundsätzlich respektieren. M i t dieser Argumentation w i r d aber die Rechtsprechung zum Beurteilungsspielraum auf einen Stand zurückgeworfen, der zwar den ersten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts entspricht, aber i n der Folgezeit überholt wurde. Das verwaltungspolitische Ermessen kann sich erst in der Ermessensentscheidung realisieren, d. h. i n der Frage, ob bei einem schlechten Verhältnis zwischen Rektor und Konrektor der eine oder der andere versetzt wird. Die zwischen ihnen bestehenden Spannungen können je nach Lage des Einzelfalles hinsichtlich beider (!) Beamter das „dienstliche Bedürfnis" für eine Versetzung begründen: welchen von beiden der Dienstherr versetzt, das steht i n seinem Ermessen. Erst hier, nicht aber schon bei der Prüfung der für eine Versetzung erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen kann das verwaltungspolitische Ermessen zum Tragen kommen. Entgegen der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts kann der Gedanke des verwaltungspolitischen Ermessens einen Beurteilungsspielraum nicht rechtfertigen 5. 10. Das Problem des Beurteilungsspielraums als Frage des richterlichen Takts Bei näherer Betrachtung zeigt sich also, daß die für einen Beurteilungsspielraum der Behörden angeführten materiell-rechtlichen Überlegungen für sich allein gesehen jeweils einleuchtend erscheinen, daß sie aber bei genauerer Überprüfung nicht überzeugend sind und zum großen Teil i m Widerspruch zu gesicherten allgemeineren Erkenntnissen stehen. Der unvoreingenommene Betrachter stößt immer wieder auf das Trauma vom Ersetzen einer zweifelhaften behördlichen Entscheidung durch ein zweifelhaftes gerichtliches Urteil, das die materiell-rechtlichen Begründungsversuche wie ein roter Faden durchzieht. Die sachliche Berechtigung dieses Bedenkens kann nicht bestritten werden. Die materiell-rechtliche Lehre vom Beurteilungsspielraum ist insoweit Ausdruck eines allgemeinen Unbehagens über die extremen Konsequenzen des 3 4 5

Vgl. BayVerwGH (18. 2. 55) D V B l . 55/253, 256. BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 77. Ebenso BayVerwGH (18. 2. 55) D V B l . 55/253, 256; Jesch, JZ 61/624 f.

I. Materiell-rechtliche Geltungsgrundlagen

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richterlichen Prüfungsrechts. Die sachliche Berechtigung des von dieser Lehre angestrebten Ergebnisses erklärt ihre große Anziehungskraft und letztlich auch die ihr von den Gerichten zuerkannte große praktische Bedeutung. Trotzdem aber haben sich die materiell-rechtlichen Begründungsversuche als nicht überzeugend erwiesen und haftet ihnen in der Tat das Odium der Begründungen für ein vorgefaßtes Ergebnis an. Unter materiell-rechtlichen Gesichtspunkten besteht i m Verhältnis zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit ein uneingeschränktes Nachprüfungsrecht und damit auch eine uneingeschränkte Nachprüfungspflicht der Gerichte und haben diese die rechtliche Befugnis, die verwaltungsbehördliche Entscheidung aufzuheben. Sie können also ihre eigene Entscheidung an die Stelle der verwaltungsbehördlichen setzen, mag auch die eine so zweifelhaft sein wie die andere. Ist ζ. B. darüber zu entscheiden, ob eine Tankstelle zu einer Verkehrsgefährdung führt und sind sich sowohl die Sachverständigen als auch die Mitglieder des erkennenden Gerichts nicht darüber einig, ob dies der Fall ist, spricht vom Ergebnis her alles dafür, die Entscheidung der Verwaltungsbehörde aufrecht zu erhalten. Juristisch kann dies aber nicht in der Form erfolgen, daß der unbestimmte Rechtsbegriff als Ermessensermächtigung mit den sich daraus ergebenden Nachprüfungsbeschränkungen angesehen wird 1. Auch die Zubilligung eines materiellrechtlichen, das richterliche Nachprüfungsrecht a priori beschränkenden Beurteilungsspielraums 2 kommt nach den vorstehenden Überlegungen nicht in Betracht. Die Entscheidung des Problems entzieht sich m. E. der normativen Lösung, weil es die Frage nach dem Selbstverständnis der Verwaltungsgerichte und nach den Selbstbeschränkungen ihrer Kontrollfunktion betrifft. I n dem Beispielfall wäre die sachlich vernünftigste Entscheidung die Aufrechterhaltung der behördlichen Maßnahme. Sich hierfür zu entscheiden und nicht eine von den Richtern selbst als äußerst problematisch erkannte Entscheidung an die Stelle der behördlichen Beurteilung zu setzen, steht i n der Entscheidungsgewalt des Gerichtes und i n seiner Entscheidungsverantwortung. I n welchem Sinn sie sich entscheiden, ist eine höchstpersönliche Verantwortung der Richter, die ihnen nicht abgenommen werden kann und i m Hinblick auf Art. 19 Abs. I V GG nicht abgenommen werden darf. Die praktisch begrenzte Auflösungsfähigkeit vieler unbestimmter Rechtsbegriffe kann also einen materiell-rechtlichen Beurteilungsspielraum der Verwaltungsbehörden nicht rechtfertigen 3, sondern betrifft 1

So noch VGH Württemberg-Baden (13. 4. 50) DVB1. 50/475, 476. So Bachof JZ 55/97, 100 sowie J Z 58/290, 291 u n d JZ 66/224, 231 u n d 227. 3 So aber Jesch AöffR 82 (1957) 163, 230 ff. u n d 241; Bachof JZ 58/290, 291; BVerwG (29. 6. 57) E 5/153, 162, letzter Absatz. 2

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2. Teil: Geltungsgrundlagen

nur die Art und Weise, in der die Gerichte ihre Kontrollbefugnis ausüben und damit den der juristischen Kategorienbildung entzogenen Bereich des richterlichen Takts*. Der Gesichtspunkt, daß eine totale Korrektur keineswegs eine optimale Rechtsprechung bedeutet 5 , kann nur Leitbild der Spruchpraxis, nicht aber materiell-rechtliche Einschränkung des richterlichen Überprüfungsrechts sein. I I . Prozeßrechtliche Grundlagen des Beurteilungsspielraums Bei der Diskussion der Einzelprobleme wurde bereits angedeutet, daß i m Einzelfall tatsächliche Schwierigkeiten zur Beschränkung der richterlichen Nachprüfung führen können. Handelt es sich ζ. B. um die Besetzung einer Schuldirektor-Stelle und ist hierbei die Befähigung eines zur Zeit an einer anderen Schule beschäftigten Bewerbers zu beurteilen, kann das Gericht die für die Entscheidung der Schulverwaltung maßgeblichen tatsächlichen Umstände i n vollem Umfang ermitteln. Die von der derzeitigen Dienststelle erteilten Befähigungsberichte sind hierbei lediglich einige unter mehreren Entscheidungsgrundlagen und werden von der Schülverwaltung i n diesem Zusammenhang nicht auf ihre sachliche Richtigkeit überprüft. Vielmehr werden sie ebenso wie andere Zeugnisse, Bescheinigungen usw. als i n sich abgeschlossene Entscheidungsunterlagen verwertet. Weiterhin sind auch die Anforderungen des konkreten Amtes gegebenenfalls durch Beweiserhebung präzisierbar. Die von der Schulverwaltung getroffene Entscheidung über die Eignung des Bewerbers kann also i n vollem Umfang nachvollzogen werden, weil dem Gericht der hierfür erforderliche Tatsachenstoff zur Verfügung steht 1 . Handelt es sich dagegen um die Überprüfung eines von dem derzeitigen Dienstherrn abgegebenen Befähigungsberichts, können zwar im Wege der Beweiserhebung einzelne prägnante Situationen, i n denen sich der Betreffende bewährt oder in denen er versagt hat, rekonstruiert werden. Die dienstliche Beurteilung ist aber nicht nur auf diese isolierten Vorkommnisse beschränkt, sondern sie erfaßt die gesamte Tätigkeit des Beamten während des Beurteilungszeitraums. Sie ist also nicht nur die Summe mehrerer, jeweils auf bestimmte Vorkommnisse beschränkter Einzelbeurteilungen, sondern eine Gesamtbeurteilung. Würde das 4 Ebenso Steindorff D V B l . 54/110, 114; Bachof JZ 55/97, 100; Czermak N J W 61/1905, 1906 u n d JZ 63/276, 278 f.; Kopp DöV 66/317, 322; Jaeger DöV 66/779, 780. Vgl. auch die Schweizerische Rechtsprechung (siehe oben, S. 39). 5 Ehmke, Ermessen, S. 47; Fellner D V B l . 66/161, 166. 1 Ebenso i n der Grundsatzfrage V G Minden den Beispielfall anderer Ansicht OVG Münster

(28. 2. 61) DöV 61/551, 552; für (19. 12. 59) D V B l . 60/327.

I.

rerechtliche

Geltungsgrundlagen

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Gericht die vom Dienstherrn gegebene Beurteilung auf der Grundlage mehrerer „rekonstruierter", d. h. mittels Beweiserhebung nachträglich ermittelter Einzelsituationen überprüfen, träte ein Auseinanderfallen der der Behörde erkennbaren und von ihr berücksichtigten Tatsachen einerseits, der dem Gericht als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stehenden Tatsachen andererseits ein. Das Gericht würde nicht die von der Behörde auf Grund ihrer laufenden Beobachtung getroffene Gesamtbeurteilung überprüfen, sondern auf der Grundlage mehrerer, aus dem zeitlichen Zusammenhang gerissener Einzelsituationen entscheiden. I n tatsächlicher Sicht kann also dem Gericht nur ein Bruchteil des von der Behörde verwerteten Tatsachenstoffs ersichtlich werden. Infolgedessen wäre seine Entscheidung kein Nachvollziehen der von der Behörde vorgenommenen Beurteilung, sondern praktisch eine selbständige Entscheidung auf der Grundlage eines anderen Sachverhalts 2 . Einer unter diesen Umständen zustande gekommenen gerichtlichen Entscheidung würde das wesentliche Merkmal der Kontrolltätigkeit, nämlich das Überprüfen der behördlichen Entscheidung bzw. das sowohl die tatsächliche als auch die rechtliche Seite umfassende Nachvollziehen fehlen. Das Gerichtsurteil wäre durch die richterliche Kontrollbefugnis nicht gedeckt. Zwar muß die Behörde i n der Lage sein, die für ihre Beurteilung wesentlichen tatsächlichen Umstände anzugeben. Das Gericht kann aber nicht nachprüfen, ob ζ. B. ein von der Behörde entsandter Mitarbeiter bei der Beobachtung einer von dem Direktor geleiteten Schülerversammlung einen zutreffenden Eindruck von seiner Befähigung gewonnen hat, denn dies könnte allenfalls derjenige beurteilen, der ebenfalls an der Versammlung teilgenommen hat. Durch Zeugenaussagen könnten zwar einzelne Vorkommnisse rekonstruiert werden. Für die konkrete Situation der betreffenden Versammlung in ihrer ganzheitlichen Einmaligkeit aber ist dies nicht möglich. Allenfalls könnten grobe Fehlbewertungen als unzutreffend erkannt werden: wenn ζ. B. die Behörde anführt, der Direktor habe völlig versagt, weil die Versammlung einen chaotischen Verlauf genommen habe, und wenn Zeugen glaubhaft bekunden, daß die Versammlung ruhig und diszipliniert abgewickelt worden sei, dann beruht die Beurteilung der Schulverwaltung auf unzutreffenden Tatsachen. Wenn aber die Behörde von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen ist, dann muß ihre Beurteilung falsch sein, weil sie den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht wird. Soweit ihr jedoch nicht nachgewiesen wird, daß sie von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen ist, t r i t t das Problem des unvermeidbaren Auseinanderfallens zwischen dem von der Behörde verwerteten und dem von dem Gericht ermittelten bzw. ermittelbaren Tatsachenstoff auf. 2

Siehe auch Jesch AöffR 82 (1957) 163, 241.

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2. Teil: Geltungsgrundlagen

Unter Anwendung der Grundsätze über die Feststellungslast könnte man davon ausgehen, daß diese mangelnde tatsächliche Aufklärbarkeit zu Lasten des Klägers geht 3 . Diese Lösung ist aber sachlich nicht gerechtfertigt, denn sie würde voraussetzen, daß der betreffende Tatsachenkomplex überhaupt einer Beweisaufnahme unterliegt. Wären tatsächlich die allgemeinen Beweisgrundsätze anwendbar, müßte i m Rahmen des Möglichen über den Verlauf ζ. B. der mündlichen Prüfung Beweis erhoben werden. Es müßten die Mitprüflinge sowie eventuell im Saal anwesend gewesene Zuhörer, kurz: alle Personen vernommen werden, die von Teilabschnitten des betreffenden Tatsachenkomplexes Kenntnis erlangt haben. Das Gericht müßte soweit wie nur möglich Beweis erheben. Werden jene Personen nicht vernommen, müßte konsequenterweise die Rüge der mangelnden Sachaufklärung durchgreifen. Erst wenn jene Beweismöglichkeiten erschöpft sind, dürften die Grundsätze über die Feststellungslast eingreifen. Es steht aber von vornherein fest, daß die mündliche Prüfung bzw. die von den Beamten absolvierte Probezeit i n ihrem konkreten Verlauf und damit i n ihrer tatsächlichen Ganzheit nicht rekonstruierbar sind. Dies kann nur zur Folge haben, daß die betreffenden Tatsachenkomplexe wegen tatsächlicher Unmöglichkeit der vollen Ermittlung ungeprüft bleiben: wenn das Gericht mit den ihm zur Verfügung stehenden Beweismitteln den der behördlichen Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt nicht erfassen kann, muß die Nachprüfung auf die Verletzung rechtlicher Schranken beschränkt sein 4. Abgesehen von der Frage, ob die Behörde von zutreffenden Tatsachen ausgegangen ist, kann das Gericht also lediglich nachprüfen, ob die Behörde einen Verfahrensverstoß begangen hat, ob sie den anzuwendenden Rechtsbegriff verkannt oder allgemeingültige Maßstäbe nicht berücksichtigt bzw. ob sie sachfremde Erwägungen angestellt hat 5 . M i t dem OVG Münster* und dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. 1. 19667 ist also davon auszugehen, daß zwar unbestimmte Rechtsbegriffe grundsätzlich voll überprüfbar sind: trotzdem aber kann sich im Einzelfall aus dem prozeßrechtlichen Grund der unvermeidbaren Tatsachendivergenz zwischen behördlicher Entscheidung und gerichtlichem Urteil eine Beschränkung des gerichtlichen Nachprüfungsrechts 3

So V G Frankfurt (20. 10. 59) JZ 61/65; 66; Vgl. auch Kopp, DöV 66/317, 319. OVG Münster (4.3.63) AS 18/273, 278 — O V G Münster (11.9.63) VRspr. 16 (1964) 700, 701 — OVG Münster (13. 2. 63) AS 18/252, 257. 5 Siehe oben, S. 27 f. 8 OVG Münster, a.a.O. (Fußn. 4). 7 BVerwG (28. 1. 66) E 23/194, 200; siehe auch BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 75 _ BVerwG (26. 1. 61) N J W 61/1131, 1132 f. u n d BVerwG (2. 7. 65) D V B l . 66/ 35, 36. 4

I.

rerechtliche

Geltungsgrundlagen

79

ergeben. Grundlage dafür ist die tatsächliche Unmöglichkeit zur Ermittlung des von der Behörde verwerteten Tatsachenstoffs 8, die sich aus der nachträglich nicht rekonstruierbaren Einmaligkeit der „Bewertung ssituation" ergibt. Die entscheidende Frage für das Bestehen eines der gerichtlichen Nachprüfung nur beschränkt zugänglichen Beurteilungsspielraums ist also, ob die dem Gericht zur Verfügung stehenden Beweismöglichkeiten es in die Lage versetzen, den für die Überprüfung der behördlichen Entscheidung erforderlichen Tatsachenstoff zu ermitteln 9. R. Klein 10 hat gegenüber diesem Ergebnis die Frage gestellt, welchen Wert dann noch das Postulat des vollen gerichtlichen Rechtsschutzes habe. Bei diesem Rechtsschutz handelt es sich um eine Nachprüfungsbefugnis der Gerichte. Innengrenze dieses Rechts ist aber, daß es nur dort bestehen kann, wo eine echte Nachprüfung, d. h. ein echtes Nachvollziehen der behördlichen Entscheidung möglich ist: andernfalls würde unter dem Deckmantel der richterlichen Kontrolle eine auf einem teilweise anderen Sachverhalt beruhende Entscheidung ergehen, die funktionell eine Kontrolle der behördlichen Entscheidung nicht mehr sein kann. Indem die prozessuale Lehre vom Beurteilungsspielraum den Geltungsgrund der beschränkten Nachprüfungsbefugnis in der unüberwindbaren Tatsachendivergenz von behördlicher Entscheidung und gerichtlichem Urteil sieht, erkennt sie lediglich diese sich aus dem Wesen des Nachprüfungsrechts ergebende innere Grenze an 1 1 . Die prozessuale Lehre vom Beurteilungsspielraum ist also mit Art. 19 Abs. IV GG vereinbar 12. Vor den tatsächlichen Grenzen muß das theoretische Strukturmodell der vollen gerichtlichen Kontrolle seine Schranke finden. Die praktische Bedeutung einer Anerkennung der prozessualen Lehre vom Beurteilungsspielraum ist, daß bei Anwendung dieses Kriteriums mehrere Fälle voll nachprüfbar werden, die nach der materiellrechtlichen Lehre vom Beurteilungsspielraum kontrollfrei bleiben. Die vom OVG Münster entwickelte und vom Bundesverwaltungsgericht aufgenommene prozeßrechtliche Version der Lehre vom Beurteilungsspielraum ist insoweit gegenüber dem früheren Stand der Diskussion ein 8

Ebenso Schick ZBR 67/297, 302; vgl. auch Jesch AöffR. 82 (1957) 163, 230 ff., insb. 241 sowie i n JZ 58/705, 706 u n d die beiläufigen Äußerungen bei Fellner DVB1. 66/161, 163; Ule DVB1. 66/574, 575; Jaeger DöV 66/779, 780 f.; EyermannFröhler V w G O Rd. 9a zu § 114; Menger V A 54 (1963) 393, 400 f. 9 OVG Münster 66/35, 37.

(4. 3. 63) AS 18/273, 278; vgl. auch BVerwG

10

(2. 7. 65) DVB1.

R. Klein, JZ 61/66, 68. A. A. Jesch AöffR 82 (1957) 163, 241 f. (Rechtfertigung durch den G r u n d satz impossibilium nulla est obligatio). 11

12

Ebenso Jesch, a.a.O., S. 241.

80

2. Teil: Geltungsgrundlagen

Fortschritt, als sie ein ganz klares K r i t e r i u m gibt, das sich nicht auf deskriptive, ein vorgefaßtes Ergebnis erläuternde Formulierungen beschränkt. Mittels dieses Kriteriums können die Gerichte i m Einzelfall entscheiden, ob die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs voll oder aber nur beschränkt nachprüfbar ist. Die i m Wege der richterlichen Rechtsfortbildung zum Bestandteil des lebenden Verwaltungsrechts gewordene beschränkte Anerkennung von gerichtlich nicht nachprüfbaren Beurteilungsspielräumen findet i n dieser prozeßrechtlichen Lösung ihre tatbestandlich faßbare Erklärung und damit ihre für die künftige Rechtsanwendung praktikable Fassung. Sie beseitigt die aus den Scheinbegründungen der derzeitigen Rechtsprechung resultierenden Unsicherheiten über den Geltungsgrund und damit auch über den A n wendungsbereich des sog. kontrollfreien Beurteilungsspielraums. I I I . Anwendungsbereich des Beurteilungsspielraums Sieht man die Geltungsgrundlage für die Anerkennung eines gerichtlich nur beschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraums i n der Frage der unvermeidbaren Tatsachendivergenz, dann ist entscheidendes Kriterium für die Zubilligung eines derartigen Beurteilungsspielraums die Frage, ob das Gericht mit den ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln den der behördlichen Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt feststellen kann. Bei Anwendung dieses Kriteriums ergibt sich, daß die von der Rechtsprechung anerkannte beschränkte Nachprüfbarkeit von dienstlichen Beurteilungen sowie von Prüfungsentscheidungen und von schulischen Versetzungsentscheidungen i m Ergebnis zutreffend ist. Dienstliche Beurteilungen beziehen sich auf zurückliegende, für das Gericht i n ihrer Gesamtheit bzw. i n ihrer komplexen Einmaligkeit nicht rekonstruierbare Geschehnisse, so daß ein Beurteilungsspielraum anzuerkennen ist. Auch eine Entscheidung über das Vorliegen der Beförderungsvoraussetzungen findet ihre Grundlage in den derzeitigen Leistungen: sie beruht also auf der einen längeren, bereits vergangenen Zeitraum umfassenden Gesamtbeurteilung und ist infolgedessen nur beschränkt nachprüfbar 1 . Weitere Konsequenz ist, daß ein durchsetzbarer Anspruch auf ein Zeugnis mit bestimmtem Inhalt nicht besteht, weil die Vorgänge, auf denen die Benotung beruht, nicht wiederholbar sind l a . Wird dagegen i m Zusammenhang mit einer Bewerbung um Beauftragung mit einem bestimmten A m t (ζ. B. Schuldirektor) die Befähigung des Bewerbers verneint, kann der Dienstherr die für das betreffende 1

O V G Münster (14. 1. 66) ZBR 67/125, 126. BVerwG (26. 1. 61) N J W 61/1131, 1133.

I I I . Anwendungsbereich des Beurteilungsspielraums

81

A m t erheblichen tatsächlichen Umstände sowie die zu stellenden Anforderungen offenlegen: das Gericht kann auf dieser Tatsachengrundlage die behördliche Beurteilung i n vollem Umfang nachvollziehen. Da die Geltungsgrundlage des Beurteilungsspielraums nicht i n dem Fehlen allgemeiner Wertmaßstäbe und i n den besonderen, nur vom Dienstherrn sachverständig bestimmbaren Anforderungen des konkreten Amtes zu sehen ist und da sich der Dienstherr nicht hinter den Schleier jener konkreten Anforderungen zurückziehen darf, sondern die für seine Entscheidung erheblichen tatsächlichen Umstände offenlegen muß 2 , besteht kein Beurteilungsspielraum des Dienstherrn 8 . Aus den genannten Gründen besteht ebenfalls kein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Entscheidung, ob ein Schwerbeschädigter Bewerber die Eignung für das von ihm angestrebte A m t 4 oder ob ein Bewerber die für die Übernahme i n die Bundeswehr erforderliche „persönliche Eignung" 5 besitzt bzw. ob eine gewählte Person für das A m t eines Beigeordneten „geeignet" ist 6 . Ebensowenig kommt ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der „Befähigung" eines Wahlbeamten i n Betracht 7 , denn die Beurteilung seiner Persönlichkeit geschieht nicht auf der Grundlage einer laufenden Beobachtung, sondern ausschließlich unter Bewertung seiner nachweisbaren Kenntnisse, Zeugnisse usw., die dem Gericht voll zugänglich gemacht werden können. Auch der Gesichtspunkt der Sachnähe der Gemeinden i m Hinblick auf ihre unmittelbare Kenntnis der Dinge steht der Verneinung eines Beurteilungsspielraums nicht entgegen 8 : die Gemeinden müssen i n den Fällen, in denen besondere örtliche oder sachliche Umstände für die Beurteilung der Befähigung des Wahlbeamten erheblich werden, dies darlegen; das Gericht kann dann auf Grund der ihm vermittelten Tatsachenkenntnis die Entscheidung der Gemeinde i n vollem Umfang nachvollziehen. Das Problem liegt nicht in der Sachferne des Gerichts, sondern in den an die Begründung der behördlichen Entscheidung zu stellenden Anforderungen. Es wäre ein sachlicher Widerspruch, wenn die Anwendung personenbezogener unbestimmter Rechtsbegriffe wie „Befähigung", „Eignung", usw. dann einer vollen Nachprüfung unterläge, wenn es sich um die Erteilung einer Genehmigung 9 , um die Eintragung i n die Hand2

Siehe oben, S. 60—63. Α. A. OVG Münster (19. 12. 59) DVB1. 60/327. 4 Α. A. BVerwG (12. 1. 67) E 26/8, 11. 5 LVG Köln (25. 2. 58) ZBR 58/207, 209; a. A. BVerwG (23. 1. 61) E 12/20, 28. « O V G Münster (27. 1. 54) DVB1. 54/542, 543. 7 Ebenso V G Minden (28. 2. 61) DöV 61/551, 552; a. A. V G Oldenburg (7. 2. 61) DöV 61/549, 550; widersprüchlich OVG Lüneburg (23. 2. 65) A S 20/486, 493 u n d 495. 8 So aber V G Oldenburg (7. 2. 61) DöV 61/549, 550. 9 BVerwG (30. 10. 59) E 9/284, 285 — BVerwG (26. 1. 62) E 13/326 ff. — OVG Berlin (13. 2. 52) E 1/174, 176 f. 8

6 Schmidt-Salzer

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2. Teil: Geltungsgrundlagen

werksrolle 1 0 oder um die Bewilligung eines Aufbaudarlehens 11 handelt, sie aber innerhalb oder i m Zusammenhang mit der Begründung eines besonderen Gewaltverhältnisses der vollen gerichtlichen Nachprüfung entzogen wäre. Es ist folglich zu unterscheiden zwischen den prognostischen, also zukunftsbezogenen Befähigungsbeurteilungen, die voll nachprüfbar sind, und den einen vergangenen Zeitraum ganzheitlich umfassenden Beurteilungen, die wegen Unmöglichkeit der vollen Sachverhaltsermittlung vom Gericht nur beschränkt nachgeprüft werden können. Ist die „gesundheitliche Eignung" eines Beamten zu beurteilen, handelt es sich keineswegs um eine für das Gericht hinsichtlich ihrer tatsächlichen Grundlagen nicht nachvollziehbare Gesamtwürdigung. Vielmehr läßt sich durch Beweiserhebungen einwandfrei feststellen, ob und weshalb der Beamte häufig arbeitsunfähig war und welches Gewicht A r t und Umfang seiner Erkrankungen für die von ihm gewählte Laufbahn haben. Die Voraussetzungen für einen Beurteilungsspielraum des Dienstherrn sind nicht gegeben. Ebenso wie die Frage der „nicht zu erwartenden Wiedererlangung der vollen Verwendungsfähigkeit" 12 ist auch die Beurteilung der „gesundheitlichen Eignung" voll nachprüfbar 13 . Nach den Beamtengesetzen ist die Versetzung eines Beamten vom Vorliegen eines „dienstlichen Bedürfnisses", also vom Vorliegen bestimmter, mittels eines unbestimmten Rechtsbegriffs umrissener Voraussetzungen abhängig. Zwar steht die Entscheidung über die Versetzung i m Ermessen des Dienstherrn. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, daß der Dienstherr auch über das Vorliegen des „dienstlichen Bedürfnisses" nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu befinden hat 1 4 , denn die betreffende tatbestandliche Voraussetzung schützt den Beamten vor unfreiwilliger Versetzung 15 . Dieses „Gegenrecht" des Beamten steht der Annahme eines Beurteilungsspielraums entgegen. Da der Eint r i t t i n ein besonderes Gewaltverhältnis mit einem Rechtsverzicht nicht verbunden ist, kann die Freiwilligkeit des Eintritts nicht zu einer gegenteiligen Lösung führen 1 6 . 10

BVerwG (26.1. 62) E 13/317 ff. BVerwG (9. 5. 56) E 3/279, 282 f. 12 BVerwG (30. 8. 63) E 16/285, 287. 13 Α. Α. BVerwG (29.10. 64) E 19/344, 346. 14 So aber O V G Rheinland-Pfalz (15. 12. 53) ZBR 54/188 (aufgegeben i n OVG Rheinland-Pfalz (19. 10. 66) ZBR 67/15, 16); OVG Lüneburg (10. 9. 59) ZBR 59/393. 15 VGH Baden-Württemberg (9. 5. 60) ZBR 61/282, 283 — OVG RheinlandPfalz (19. 10. 66) ZBR 67/15, 16. 11

18

So aber OVG Lüneburg

(10. 9. 59) ZBR 59/393.

I I I . Anwendungsbereich des Beurteilungsspielraums

83

Vom Standpunkt der derzeitigen Lehre aus könnte man argumentieren, daß nur der Dienstherr die dienstlichen Belange zuverlässig und sachverständig beurteilen könne und ihm infolgedessen hinsichtlich der Prüfung des „dienstlichen Bedürfnisses" ein Beurteilungsspielraum zustehen müsse 17 . Dieser Gesichtspunkt betrifft aber nur die von dem Dienstherrn bei seiner Entscheidung zu berücksichtigenden Umstände. Er schließt seine Pflicht zur Offenlegung der für seine Entscheidung maßgeblichen Tatsachen nicht aus 18 . Sind aber die betreffenden tatsächlichen Umstände angegeben, ist das Gericht i n der Lage, die Entscheidung des Dienstherrn in vollem Umfang nachzuvollziehen 19 . Ein Beurteilungsspielraum besteht nicht 2 0 . Es ist also unerheblich, ob hinsichtlich der Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffes bereits eine jahrzehntelange Praxis der Behörde besteht 21 : der Gesichtspunkt, daß auf Grund dieser Praxis auch das Gericht als Außenstehender die sachlichen Gegebenheiten beurteilen könne, betrifft lediglich die Frage, ob bzw. inwieweit auch ohne konkrete Stellungnahme des Dienstherrn „von aussen" entschieden werden kann. Sind ζ. B. Nebenbeschäftigungen nur zulässig, wenn sie das „dienstliche Interesse" nicht beeinträchtigen, kommt es i m Hinblick auf die Reichweite des gerichtlichen Nachprüfungsrechts nicht auf die Handhabungspraxis der Behörde an 2 2 . Da die Gefahr einer Tatsachendivergenz nicht besteht, ist die Entscheidung des Dienstherrn unabhängig von der Dauer der Handhabungspraxis voll überprüfbar 2 3 . Ebenfalls voll nachprüfbar sein muß die Entscheidung, ob die für die Reaktivierung eines Ruhestandsbeamten erforderlichen „zwingenden dienstlichen Gründe" vorliegen 24 . Ebenso wie hinsichtlich der beamtenrechtlichen Entscheidungen ist auch hinsichtlich der schulischen Beurteilungen sorgfältig zu prüfen, ob bei der betreffenden Entscheidung die Gefahr einer Tatsachendivergenz 17

So BayVerwGH (28. 2. 64) BayVBl. 64/228. Siehe oben, S. 60—63. vgl. auch BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 75. 19 BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 75. 20 Α. Α. BVerwG (15. 8. 60) ZBR 61/48, 49 — BayVerwGH (28. 2. 64) BayVBl. 64/228 — OVG Münster, zitiert nach BVerwG (25. 1. 67) E 26/65 u n d 73 — OVG (unbekannt), zitiert nach BVerwG (19. 5. 65) DöD 65/117. Wie i m Text V G H Baden-Württemberg (9. 5. 60) ZBR 61/282, 283 — OVG Rheinland-Pfalz (19. 10. 66) ZBR 67/15, 16 — BVerwG (25. 1. 67) E 26/65, 75. 21 So aber OVG Bremen (9. 7. 63) ZBR 63/350. 22 Da die Behörde kein Recht zur „authentischen Interpretation" hat, ist das Gericht auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes nicht daran gebunden: vgl. zum entsprechenden Problem bei den Ermessensentscheidungen BSozG (4. 9. 58) E 8/140, 141 — BSozG (16. 12. 58) E 9/30, 32 — BSozG (22. 4. 59) E 9/295, 300; Bettermann i n : Rechtsschutz i m Sozialrecht (1965) S. 47, 60. 23 Ebenso i m Ergebnis OVG Bremen (9. 7. 63) ZBR 63/350. 24 OVG Münster (8. 8. 67) ZBR 67/367, 369. 18

6*

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2. Teil: Geltungsgrundlagen

zwischen behördlicher Entscheidung und gerichtlichem Urteil besteht. Soweit es sich um eine Beurteilung der während eines Schuljahres erbrachten Leistungen handelt, besteht die Gefahr einer Tatsachendivergenz und ist ein Beurteilungsspielraum anzuerkennen 25 . Erfolgt zwecks Feststellung der Eignung eines Kindes zum Besuch eines Gymnasiums eine mündliche Aufnahmeprüfung oder ein Prüfungsunterricht, besteht hinsichtlich der Eignung ein nur beschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum 26 . Auch wenn sich die Mitglieder des Gerichts subjektiv durchaus zu einer vollen Überprüfung der behördlichen Entscheidung in der Lage fühlen, ist ihnen dies verwehrt 2 7 : zwar ist das Gericht hinsichtlich der Nachprüfung pädagogischer Entscheidungen keineswegs vor größere Anforderungen gestellt als bei der Beurteilung sonstiger subjektiver Voraussetzungen; hierauf kommt es aber nicht an, weil der Beurteilungsspielraum seine Grundlage nicht i n der Unvertretbarkeit der Prüfer 2 8 oder i n dem Fehlen allgemein zugänglicher Wertmaßstäbe 2®, sondern ausschließlich i n der unvermeidbaren Tatsachendivergenz zwischen Verwaltungsentscheidung und Gerichtsurteil findet; soweit es sich um eine mündliche Prüfung handelt, besteht eine derartige Divergenz und damit ein Beurteilungsspielraum der Verwaltungsbehörde. Soweit aber die Entscheidung über die Eignung eines Kindes zum Besuch einer bestimmten Bildungsstätte ohne mündliche Prüfung, d. h. auf der Grundlage der Vorzeugnisse getroffen wird, ist die Beurteilung voll nachprüfbar, weil das Gericht den der behördlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt ermitteln kann 3 0 . Da die aus der Subjektivität der Beurteilenden sowie aus der Notwendigkeit einer Entwicklungsprognose entstehende tatsächliche Schwankungsbreite der Entscheidungen rechtlich unerheblich ist und die Zubilligung eines Beurteilungsspielraums nicht begründen kann 3 1 , sind auch Entscheidungen über die Hilfsschul- 32 , Gymnasial- 3 3 oder Hochschulfähigkeit 34 einer Person voll nachprüfbar 35 . 25 OVG Hamburg (6. 5. 64) N J W 64/2178 — OVG Hamburg (16. 6. 64) DVB1. 66/39; a. A. OVG Hamburg (27. 9. 63) VRspr. 16 (1964) Nr. 170, S. 568, 573. 28 Α. A. OVG Hamburg (23. 12. 58) DVB1. 60/742, 744 — OVG Hamburg (12. 2. 60) DVB1. 60/652. 27 So aber OVG Hamburg, a.a.O. (Fußn. 26) und (27. 9. 63) a.a.O. (Fußn. 25). 28 Siehe oben, S. 70—73. 29 Siehe oben, S. 65—69. 30 Siehe oben, S. 66 f. Die Noten der Vorzeugnisse können allerdings i n dem Prozeß über die Zulassung zu einem anderen Bildungsinstitut nicht angegriffen werden (so aber offensichtlich OVG Hamburg [6. 5. 64] N J W 64/2178, 3. Abs.): diese Frage müßte i n einem Prozeß gegen die alte Schule als diejenige, die die Zensuren gegeben hat, geklärt werden. 31 Siehe oben, S. 63 f. 32 HessVGH (17. 12. 54) VRspr. 9 (1957) 12, 16 — OVG Münster (24. 4. 58) A S 13/269, 272 f. — OVG Lüneburg (20. 10. 65) M D R 66/445, 446.

I I I . Anwendungsbereich des Beurteilungsspielraums

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Kann nach einer Prüfungsordnung ein Kandidat trotz mangelhafter schriftlicher Leistungen wegen guter dienstlicher Leistungen zur mündlichen Prüfung zugelassen werden, dann sind Grundlagen der Entscheidung über die Zulassung die schriftlichen Arbeiten sowie die Dienstzeugnisse: unabhängig von der Frage, wie weit diese beiden Leistungsbeurteilungen rechtlich angreifbar sind, kann jedenfalls der der Entscheidung über die Zulassung zugrunde liegende Sachverhalt vom Gericht ermittelt werden; eine Gefahr der Tatsachendivergenz besteht nicht; ein Beurteilungsspielraum kann nicht anerkannt werden 3 6 ; die Entscheidung, ob auf Grund der dienstlichen Leistungen trotz mangelhafter schriftlicher Prüfungsarbeiten eine Zulassung erfolgen kann, ist voll nachprüfbar. Der Prüfungsausschuß kann sich nicht darauf berufen, es handele sich um einen A k t wertender Erkenntnis, hinsichtlich dessen ihm eine Betätigungsfreiheit zustehe 37 . Konsequenterweise ist auch hinsichtlich der Gesamtbeurteilung eines Dissertationsverfahrens ein Beurteilungsspielraum der Fakultät anzuerkennen 38 . Dies ergibt sich nicht daraus, daß es sich um eine unvertretbare, von keinem anderen Personenkreis als den Fakultätsmitgliedern erbringbare Leistung handelt 3 9 , denn das Unvertretbarkeitsproblem betrifft nur die verwaltungsrechtliche, nicht aber die den Rechtsschutz betreffende Seite 40 . Vielmehr ist entscheidend, daß die Gesamtbeurteilung u. a. auch auf der für das Gericht nicht rekonstruierbaren mündlichen Prüfung beruht und daß insoweit eine Tatsachenkongruenz zwischen Fakultätsbeschluss und Gerichtsurteil nicht erreichbar ist. Kein „pädagogisch wissenschaftlicher Bewertungsspielraum" 41 kommt dagegen für die Entscheidung der Frage i n Betracht, ob ein die Auflösung eines Doktorandenverhältnisses rechtfertigender wichtiger Grund vorliegt: da die Notwendigkeit einer fachlichen Beurteilung für sich allein einen Beurteilungsspielraum nicht rechtfertigt 42 , ist uneingeschränkt nachzuprüfen, ob die Basis des Doktorandenverhältnisses zerstört ist. Das Kriterium der Tatsachendivergenz ist auch hinsichtlich der Teilelemente einer Gesamtbeurteilung anzuwenden. Die bei der Beurteilung 33

OVG Hamburg (6. 5. 64) N J W 64/2178, 2. Abs. V G Frankfurt (27. 2. 62) JZ 62/504 f. 35 Anders noch O V G Lüneburg (13. 1. 57) AS 12/327, 331. Ausdrücklich w i e i m Text OVG Münster (24. 4. 58) AS 13/269, 275. 3β Α. A. BVerwG (22. 4. 63) DöV 63/764. 37 So aber BVerwG, a.a.O. 38 Vgl. BVerwG (26. 8. 66) E 24/355, 360. 39 So Ule DVB1. 66/574, 575. 40 Siehe oben, S. 71 f. 41 So aber BVerwG (26. 8. 66) E 24/355, 360. 42 Siehe oben, S. 66 f. 34

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2. Teil: Geltungsgrundlagen

der Hilfsschulfähigkeit herangezogene Bewertung der derzeitigen Schule beruht auf einer laufenden, tatsächlich nicht rekonstruierbaren Beobachtung und ist infolgedessen nur beschränkt nachprüfbar 43 . Hinsichtlich der Beurteilung einer einzelnen schriftlichen Arbeit dagegen ist der der Beurteilung zugrunde liegende Tatsachenstoff feststellbar, denn es kommt auf den aus der laufenden Beobachtung des Schülers gewonnenen Eindruck nicht an 44 . Soweit von dem Lehrer der generelle Leistungsquerschnitt der Prüflinge bzw. Mitschüler berücksichtigt wurde, ist auch dies durch Heranziehung der anderen Arbeiten feststellbar. Die Bewertung der einzelnen Arbeit ist ohne Beurteilungsspielraum voll nachprüfbar 4 5 . Weiterhin ist hinsichtlich der Begriffe „Interessen des Verkehrs" 4 6 , „Verkehrsgefährdung" 47 , „Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs" 4 8 , ja sogar hinsichtlich der i m Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und i m StabilitätsG 4 9 enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe ein Beurteilungsspielraum ausgeschlossen. Der Gesichtspunkt, daß hinsichtlich so komplexer unbestimmter Rechtsbegriffe mehrere Entscheidungen vertretbar sein mögen 50 , betrifft nur die subjektive Schwierigkeit der Entscheidungsfindung und die sich hieraus aus der Perspektive eines optimalen Beobachters ergebende tatsächliche Schwankungsbreite der Entscheidungen 51 . Die Verwendung unbestimmter, erst vom konkreten Einzelfall her ausfüllbarer und auszufüllender Rechtsbegriffe in einem Gesetz ändert aber nichts daran, daß eine und nur eine Entscheidung „richtig", d. h. Konkretisierung und Anwendung des Gesetzes auf den betreffenden Sachverhalt ist 5 2 . Ob sich das Gericht i m konkreten Fall trotz gewisser Zweifel der „vertretbaren" Entscheidung der Verwaltungsbehörde anschließt, ist eine Frage des richterlichen Takts und der 43

OVG Hamburg (6. 5. 64) N J W 64/2178 — OVG Lüneburg (20. 10. 65) M D R 66/445, 446. 44 Z u m Problem der selbständigen Anfechtbarkeit siehe OVG Hamburg (27. 9. 63) VRspr. 16 (1964) Nr. 170, S. 568, 571 f. — OVG Münster (17. 4. 67) N J W 67/1772, 1774. 45 Α. A. OVG Hamburg (27. 9. 63) VRspr. 16 (1964) 568, 571 f. 46 A.A. BVerwG (11. 10. 56) E 4/89, 91 — BVerwG (30. 10. 59) E 9/284, 285; weitere Nachweise siehe oben, S. 27, Fußn. 4. 47 A. A. Bachof J Z 55/97, 100; siehe auch Bachof JZ 58/290, 291. 48 BVerwG (28. 5. 63) E 16/116, 129 f. — BVerwG (9. 6. 67) D V B l . 67/773, 774, sub. 2; a. A. OVG Münster (12. 12. 60) D V B l . 62/341. 49 Α. A. Stern-Münch, StabilitätsG, S. 59. 50 Siehe insb. BVerwG (11. 10. 56) E 4/89, 92 — BVerwG (30. 10. 59) E 9/284, 285 — V G H Baden-Württemberg (13. 4. 50) D V B l . 50/475, 476 — OVG Lüneburg (19. 1. 57) AS 12/327, 331. 51 Siehe oben, S. 45—48. 52 Siehe oben, S. 15—17.

I I I . Anwendungsbereich des Beurteilungsspielraums

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richterlichen Selbstbeschränkung, die sich einer normativen Erfassung entzieht 53 . Auch hinsichtlich eines von dem anzuwendenden Gesetz geforderten „besonderen Bedürfnisses" 54 bzw. hinsichtlich des für die Erlaubnis zum Führen einer Feuerwaffe 55 , für die Schliessung einer Schule 56 oder für den Erlaß einer gemeindlichen Satzung 57 geforderten Bedürfnisses kommt ein Beurteilungsspielraum nicht i n Betracht. Ebenfalls voll nachprüfbar sein muß die Anwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe „Wohndichte" 5 8 , „Tauglichkeitsgrad eines Wehrpflichtigen" 5 9 , „Beeinträchtigung öffentlicher Belange" 60 , „Verletzung der erheblichen Belange der Bundesrepublik" 6 1 , „gerechte Bodenverteilung" 6 2 , „Denkmalswürdigkeit eines Bauwerks" 6 3 , „künstlerischer Wert" eines Jazzkonzerts 64 oder eines Films 6 5 ; „Unwürdigkeit" zum Führen eines akademischen Titels 6 6 oder der Belassung i m Dienst 67 . Desgleichen unterliegt die Anwendung der i n baurechtlichen Vorschriften enthaltenen ästhetischen Begriffe einer vollen Nachprüfung 68 . Auch hinsichtlich des für eine Namensänderung erforderlichen „wichtigen Grundes" 6 9 oder hinsichtlich eines „zwingenden Grundes" 70 , des 53

Siehe oben, S. 74—76. OVG Koblenz (15. 6. 54) AS 2/41, 42. 55 VGH Baden-Württemberg (21. 1. 66) DöV 66/767. 58 BVerwG (31. 1. 64) E 18/40, 42. 57 A. A. OVG Münster (8. 8. 56) AS 11/196, 197 — OVG Münster (1. 8. 62) DVB1. 63/66 f. 58 Α. A. BVerwG (6. 2. 58) E 6/177, 178 f. 59 BVerwG (15. 5. 64) M D R 64/703, 704. 60 BVerwG (29. 4. 64) N J W 64/1973, 1974. 61 BVerfG (16.1. 57) E 6/32, 42 f. 82 BVerfG (12.1. 67) E 21/73, 82. 63 BVerwG (22. 4. 66) E 24/60, 63 f. 84 O V G Münster (4. 3. 63) A S 18/273, 280 — OVG Münster (11. 9. 63) VRspr. 16 (1964) 700, 701. 85 BVerwG (28. 1. 66) E 23/194, 200 — O V G Münster (4. 3. 63) AS 18/273, 278 f.; a. A. HessVGH (28. 2. 62) DVB1. 62/605 f. — OVG Rheinland-Pfalz (24.3. 66) AS 10 (1967) 36, 40. 88 OVG Münster (25. 1. 55) M D R 55/377, 378 — HessVGH (1. 2. 61) DVB1. 62/ 271 — V G H München (21. 7. 66) DVB1. 67/89 ff. 87 Α. A. O V G Rheinland-Pfalz (20. 7. 57) J Z 58/289. 88 BVerwG (28. 5. 65) E 21/184, 186 — O V G Münster (1. 7. 58) DVB1. 58/840, 841 — OVG Münster (28. 7. 52) AS 6/43, 49. 89 BVerwG (14. 12. 62) E 15/207, 208 u n d 212 — VGH Baden-Württemberg (10. 9. 59) DöV 59/871 — OVG Berlin (12. 3. 59) DöV 59/869 — OVG Berlin (11. 5. 66) JR 67/36, 37. 70 BSozG (24. 2. 61) E 14/59, 60 f. 54

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2. Teil: Geltungsgrundlagen

Vorliegens eines „besonderen Falles" 7 1 , eines „sozialen Härtefalles" 7 2 oder einer „unbilligen Härte" 7 3 bzw. „gewichtiger Gründe der Wohnraumbewirtschaftung" 74 ist eine volle gerichtliche Nachprüfbarkeit zu bejahen. Das Gleiche gilt für die Entscheidung der Frage, ob die „beruf serzieherische Befähigung" zu bejahen ist 7 5 , ob das „geistige oder sittliche Wohl" von Pflegekindern gefährdet w i r d 7 8 oder ob ein Ehrenamt eine „besondere Belastung" bedeutet 77 . Die Mitglieder einer Kollegialbehörde urteilen zwar auf Grund ihrer Erfahrung, sind aber deswegen nicht von der Verpflichtung befreit, sich zu einer gemeinsamen, d. h. von allen gebilligten Begründung ihrer Entscheidung durchzuringen: auch wenn sie über die Voraussetzungen einer künstlerisch hinlänglichen Leistung i m Architektenberuf verschiedener Meinung sein mögen, kann ihnen also ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der für die Eintragung i n die Architektenliste erforderlichen „Berufsbefähigung" nicht zugebilligt werden 7 8 . Weiterhin ist voll nachprüfbar, ob Auslagen „notwendig" 7 9 bzw. ob eine ärztliche Vergütung „angemessen" ist 8 0 oder ob die „Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise" 81 zu bejahen ist. Abzulehnen ist m. E. die Entscheidung des OVG Lüneburg vom 14. 8. Θ482, daß der Begriffskomplex „ i m Interesse der Förderung der Tierzucht" als Voraussetzung für die Anerkennung einer Züchtervereinigung einen Beurteilungsspielraum enthalte. Die Überlegung, daß für Niedersachsen und Schleswig-Holstein wegen der i n den beiden Ländern gegebenen unterschiedlichen Verhältnisse verschiedene Beurteilungen erforderlich seien, bezieht sich lediglich darauf, daß sich die niedersächsische Behörde vor andere tatsächliche Gegebenheiten gestellt sieht, als eine schleswig-holsteinische. Der insoweit zufällige Umstand, daß das OVG Lüneburg über die i m Be71 BSozG (27. 10. 60) E 13/110, 113; a. Α. HessVGH (6. 7. 66) VRspr. 18 (1967) Nr. 200, S. 822, 823. 72 BVerwG (18. 1. 63) D V B l . 63/366, 367. Anders BVerwG (26. 1. 66) D V B l . 67/822, 825: der unbestimmte Rechtsbegriff „ H ä r t e " i. S. des § 88 Abs. 3 B S H G lasse der rechtsanwendenden Stelle einen gerichtlichen Spielraum i n der Ausfüllung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmales. 78 O V G Münster (20. 2. 63) Der Städtetag 63/455 f. 74 BVerwG (29. 2. 56) DöV 56/312, 313. 75 OVG Rheinland-Pfalz (4. 3. 66) GewA 66/274, 275. 76 OVG Berlin (10. 6. 65) E 8/123, 125. 77 A. A. O V G Münster (20. 4. 60) AS 15/284, 290 f. 78 Α. A. V G H Baden-Württemberg (8. 8. 63) DöV 63/767, 768. 79 BVerwG (7. 7. 66) ZBR 67/370, 371. 80 Ebenso OVG Münster (21. 7. 61) Z B R 62/19 — OVG Lüneburg (25. 3. 64) SchlHA 64/291; a. A . BSozG (30. 10. 63) E 20/73, 77. 81 Α. Α. BSozG (29. 5. 62) E 17/80, 88. 82 OVG Lüneburg (14. 8. 64) AS 20/379, 381.

I I I . Anwendungsbereich des Beurteilungsspielraums

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reich beider Länder ergehenden Verwaltungsakte zu entscheiden hat, kann eine Anwendbarkeit der Vertretbarkeitstheorie nicht rechtfertigen, sondern hat lediglich zur Folge, daß wegen der i n beiden Ländern gegebenen unterschiedlichen Bedingungen bei ansonsten gleichem Sachverhalt verschiedene Entscheidungen ergehen können. Soweit ein Beurteilungsspielraum der Verwaltungsbehörden anzuerkennen ist, verbleibt notwendigerweise ein der gerichtlichen Kontrolle entzogener Raum. Prozessuale Konsequenz ist, daß i m Hinblick auf den Beurteilungsspielraum i m Regelfall eine Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. I VwGO) nicht möglich ist und lediglich eine sog. Bescheidungsklage 83 in Betracht kommt 8 4 . Nur i n den Fällen, i n denen nach Lage der Dinge nur eine Entscheidung i n Betracht kommt, kann das Gericht selbst die Beurteilung vornehmen: i n den anderen Fällen muß es die Behörde dazu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden 85 .

83 84 85

Dazu siehe Bettermann N J W 60/649 ff. O V G Hamburg (16. 6. 64) DVB1. 66/39 m. Anm. Bettermann. BVerwG (2. 7. 65) DVB1. 66/35, 37 — BFinH (24. 10. 67) Betr. 67/2201.

Dritter

Teil

Rechtsdogmatische Ergebnisse und rechtstheoretische Würdigung I. Rechtsdogmatische Ergebnisse Die ersten beiden Teile dieser Arbeit haben zu folgenden Ergebnissen geführt: 1. Die sog. unbestimmten Rechtsbegriffe stellen keine selbständige juristische Kategorie dar 1 . Ebenso wie bei den sog. bestimmten Rechtsbegriffen handelt es sich um Rechtsfolgeregelungen für einen bestimmten Sachverhalt. Die Besonderheit der sog. unbestimmten Rechtsbegriffe besteht darin, daß der Begriff zwar als solcher definitionsfähig ist, er aber inhaltliche Konturen erst vom Einzelfall her gewinnt. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist demzufolge eine „gebündelte" Gesetzgebung. Qualitativ entspricht die Intensität des Normbefehls derjenigen einer mittels bestimmter Rechtsbegriffe gesetzten Rechtsfolgeregelung. Infolgedessen gilt auch für die unbestimmten Rechtsbegriffe das Prinzip der einen und nur einen richtigen Entscheidung 121 . 2. Von der Struktur des Normbegriffs her sind Ermessensermächtigungen von den unbestimmten Rechtsbegriffen scharf zu unterscheiden. Da hinsichtlich letzterer eine und nur eine Entscheidung „richtig", d. h. Konkretisierung und Anwendung des Gesetzes auf den zu beurteilenden Sachverhalt ist, steht der Verwaltungsbehörde grundsätzlich ein materiell-rechtlicher Beurteilungsspielraum nicht zu. Das Verwaltungsgericht ist folglich zur uneingeschränkten Nachprüfung berechtigt und verpflichtet 2 . Eine Aufhebung der verwaltungsbehördlichen Entscheidung wäre keine „DoppelVerwaltung" i m technischen Sinn: Grundlage der gerichtlichen Entscheidung ist nicht der der Verwaltung erteilte, sondern der der Rechtsprechung erteilte Verfassungsauftrag; indem das Gericht die behördliche Entscheidung nachvollzieht, übt es keine quasi-administrative, sondern eine spezifisch judikative Tätigkeit aus3. Die Frage der Weisungsfreiheit und Unvertretbarkeit der mit der behördlichen Ent1 2 3

Siehe oben, S. 15 f. Siehe oben, S. 16 f. Siehe oben, S. 17 f. sowie BVerwG (8. 7. 64) E 19/87, 88. Siehe oben, S. 11 f. sowie BVerfG (20. 6. 67) E 22/106, 112.

I. Rechtsdogmatische Ergebnisse

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Scheidung beauftragten Personen ist ein verwaltungsrechtliches Problem, verhindert aber nicht die gerichtliche Kontrolle 4 . Infolgedessen ist es ein Scheinproblem, wenn in der Unvertretbarkeit und Weisungsfreiheit der mit der Entscheidung befaßten Personen eine Beschränkung des richterlichen Prüfungsrechts gesehen wird 5 . 3. Insbesondere unbestimmte Rechtsbegriffe führen zu einer Schwankungsbreite der vom Standpunkt eines optimalen Beobachters aus i n Betracht kommenden Entscheidungen: i n den Randzonen der unbestimmten Rechtsbegriffe werden bei objektiver Bewertung häufig mehrere Entscheidungen „vertretbar" sein. Jede dieser Entscheidungen ist also potentiell rechtmäßig. Diese Schwankungsbreite aber resultiert nur aus der Personengebundenheit der Rechtsfindung und aus der daraus folgenden Subjektivität der Beurteiler. Die Rechtsordnung erkennt gerichtliche Entscheidungen als Ausdruck des objektiv Richtigen an. Infolgedessen ist eine gerichtliche Entscheidung über Anwendung oder Nichtanwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs qualitativ als Erkenntnis des objektiv Richtigen zu verstehen. Damit stellt sich die Schwankungsbreite der Entscheidungen als ein rein tatsächliches Moment dar, das rechtlich durch die Institution der Gerichte aufgefangen wird. Die Subjektivität der vom Richter vorgenommenen Beurteilung w i r d durch die Institution des Gerichts mediatisiert zu der Geltungskraft objektiver Richtigkeit 6 . Ist aber die gerichtliche Entscheidung qualitativ Ausdruck des objektiv Richtigen, hat das Argument, die volle Nachprüfbarkeit der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe führe zum Ersetzen einer zweifelhaften behördlichen Entscheidung durch ein zweifelhaftes gerichtliches Urteil, keinen dogmatischen Wert, weil es zweifelhafte Entscheidungen nur i n tatsächlicher, nicht aber i n rechtlicher Sicht gibt. Infolgedessen kann jenes Argument zu einer materiellrechtlichen Beschränkung des gerichtlichen Nachprüfungsrechts nicht führen 7 . 4. Das sog. rechtsstaatliche Leitbild sowie der sich daraus ergebende Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung haben zur Folge, daß die Bestimmung des sie bindenden Rechts nicht der Verwaltung überlassen bleiben darf. Da auch unbestimmte Rechtsbegriffe rechtlich einen eindeutigen Normbefehl statuieren, führen sie zu einer Bindung der Verwaltung. Infolgedessen widerspräche es dem rechtsstaatlichen Leitbild und dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, wenn 4 5 β 7

Siehe Siehe Siehe Siehe

oben, S. 71 f. oben, S. 71 f. oben, S. 45—48. oben, S. 45—48 sowie S. 72 f.

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3. T e i l : Ergebnisse und rechtstheoretische Würdigung

diese die Kompetenz zur letztverbindlichen Entscheidung hätte 8 . Ein materiell-rechtlicher Beurteilungsspielraum der Verwaltungsbehörden ist verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig 9 . 5. Art. 19 Abs. I V GG garantiert einen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Ein tatsächlich wirksamer Rechtsschutz w i r d nur gewährt, wenn die behördliche Entscheidung sowohl i n tatsächlicher als auch i n rechtlicher Sicht überprüft wird. Soweit ein materiell-rechtlicher Beurteilungsspielraum nicht besteht, müssen die Gerichte die behördliche Entscheidung nachvollziehen. Billigen sie den Verwaltungsbehörden einen Beurteilungsspielraum zu, w i r d Art. 19 Abs. I V GG verletzt 1 0 . 6. Die sog. materiell-rechtliche Lehre vom Beurteilungsspielraum beruht i m Kern auf der instinktiven Abneigung gegen die Möglichkeit des Ersetzens einer zweifelhaften behördlichen Entscheidung durch ein zweifelhaftes gerichtliches Urteil sowie auf der daran anknüpfenden Überlegung, daß dies zwar ein Maximum, nicht aber ein Optimum des Rechtsschutzes wäre. Dieses Problem betrifft die Frage nach den extremen Konsequenzen des richterlichen Prüfungsrechts und damit die A r t und Weise, i n der die Richter ihrer Entscheidungsverantwortung gerecht werden. Dieses Problem kann nicht durch eine materiell-rechtliche Beschränkung des richterlichen Prüfungsrechts gelöst werden, sondern ist eine der normativen Lösung unzugängliche Frage des richterlichen Takts 1 1 . 7. Art. 19 Abs. I V GG überträgt den Gerichten eine Kontrollfunktion, verpflichtet sie also dazu, die verwaltungsbehördliche Entscheidung nachzuvollziehen. Eine derartige nachvollziehende Vollprüfung ist nur möglich, wenn das Gericht den der behördlichen Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachenstoff ermitteln kann. Beruht die behördliche Entscheidung auf einer ganzheitlichen Beurteilung, ist die betreffende Situation i n ihrer historischen Einmaligkeit nicht rekonstruierbar. Dem Gericht ist es nicht möglich, den der behördlichen Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachenstoff in vollem Umfang zu ermitteln. I n diesen Fällen müssen also behördliche Entscheidung und gerichtliches Urteil hinsichtlich ihrer Tatsachengrundlage auseinanderfallen. Würden die Gerichte auf Grund der ihnen erkennbaren Tatsachen entscheiden, würden sie nicht die behördliche Entscheidung nachvollziehen, sondern auf Grund eines anderen Sachverhalts urteilen. A r t . 19 Abs. I V GG ermächtigt sie aber nicht zu einer derartigen Entscheidung, sondern nur zu einem Nachvollziehen der behördlichen Ent8

Siehe oben, S. 52 f. sowie S. 54—57. Siehe oben, S. 52 f. sowie S. 54—57. Siehe oben, S. 48—51. 11 Siehe oben, S. 74—76.

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I. Rechtsdogmatische Ergebnisse

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Scheidung. Da dies aber den Gerichten wegen der unvermeidbaren Tatsachendivergenz nicht möglich ist, findet ihre Kontrollfunktion und damit ihre Entscheidungskompetenz hier eine Schranke. Sie können nur prüfen, ob die behördliche Entscheidung auf falschen Tatsachen beruht oder ob sie allgemeine Rechtsanwendungsfehler (Verkennung des anzuwendenden Begriffs, Mißachtung allgemeiner Grundsätze, Verletzung von Verfahrensvorschriften) enthält 1 2 . 8. Das Problem des Beurteilungsspielraums ist ein Problem der unvermeidbaren Tatsachendivergenz zwischen behördlicher Entscheidung und gerichtlichem Urteil. Entscheidendes Kriterium für diese innere Begrenzung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis ist, ob dem Gericht die volle Ermittlung des der behördlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts möglich ist 1 3 . 9. Zu bejahen ist dies hinsichtlich der beamtenrechtlichen Befähigungsbeurteilungen, der schulischen Versetzungsentscheidungen sowie der ein mündliches Examen umfassenden Prüfungsentscheidungen 14 . 10. Die derzeitige Rechtsprechung führt also i n der Grundtendenz zu Ergebnissen, die den vorstehenden Grundsätzen entsprechen. Diese Grundsätze sind der Versuch einer konsequenten Weiterentwicklung der von der Rechtsprechung anerkannten Ausgangspositionen. Der Vergleich der i n den einschlägigen Entscheidungen angeführten Begründungen zeigt aber, daß die Gerichte i n diesem Bereich überwiegend mit Scheinbegründungen operieren, die einer näheren Überprüfung nicht standhalten. Die mangelnde Klarheit über den Geltungsgrund des Beurteilungsspielraums führt hinsichtlich seiner Anwendbarkeit zu Zweifeln und zu Fehlentscheidungen. Die daraus sich ergebende Rechtsunsicherheit könnte zu einem erheblichen Maß vermieden werden, wenn die Scheinbegründungen aufgegeben werden und wenn die Rechtsprechung die sich aus ihrer dogmatischen Grundlage ergebenden Folgerungen zieht. Die vom OVG Münster begründete und ansatzweise vom Bundesverwaltungsgericht aufgegriffene prozessuale Lehre vom Beurteilungsspielraum ist i m Hinblick auf die mit Scheinbegründungen verbundenen Gefahren i m Interesse der Rechtssicherheit zu begrüssen. 11. Von einzelnen Schwankungen abgesehen verwirklicht die derzeitige deutsche Rechtsprechung mit der These der gerichtlichen Vollprüfung das sich aus dem Gedanken der Gewaltenhemmung ergebende Prinzip der Gerichtsunterworfenheit der Verwaltung innerhalb des funktionell in Betracht kommenden Bereichs. 12 13 14

Siehe oben, S. 76—79. Siehe oben, S. 76—79 sowie S. 80. Siehe oben, S. 80—89.

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3. Teil: Ergebnisse und rechtstheoretische Würdigung

II. Rechtstheoretische Würdigung 1. Von den mit jeder richterlichen Rechtsfortbildung verbundenen Schwankungen abgesehen, bildet also die derzeitige deutsche Rechtsprechung zur grundsätzlichen vollen Überprüfbarkeit der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe i n verwaltungsrechtlicher Sicht ein einheitliches Ganzes, das seine rechtstechnische Grundlage i n der Struktur des Normbegriffs findet. Ihre verfassungsrechtliche Legitimation findet diese Rechtsprechung i m rechtsstaatlichen Leitbild, i m Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. I I I GG), i m Grundsatz der Gerichtsunterworfenheit der Verwaltung (Art. 19 Abs. I V GG) und damit letztlich i m Gedanken der Gewaltenhemmung. Verfassungsrechtliche Ordnungsentscheidungen und verwaltungsrechtliche Problemlösungen verschmelzen zu einer Einheit. Die von den Ausgangspositionen der derzeitigen Rechtsprechung konsequent weitergedachte verwaltungsrechtliche Lösung ist die Konkretisierung verfassungsrechtlicher Grundsätze. Unabhängig von den zurzeit noch weitgehend i n den Urteilen wiedergegebenen Scheinbegründungen ist diese Rechtsprechung i m engsten Sinn des Wortes angewandtes Verfassungsrecht. 2. Die für diese Arbeit zentrale Frage der Differenzierung zwischen nur subjektiv richtiger Erkenntnis des Richters und objektivem Richtigkeitswert des gerichtlichen Urteils überwindet das die Diskussion um die unbestimmten Rechtsbegriffe prägende Argument, daß jene Begriffe nur begrenzt auflösungsfähig seien. Wenn aber die Schwankungsbreite der i n Betracht kommenden Entscheidungen ein nur rein tatsächliches Moment ist, dann muß auch die sich aus der Schwankungsbreite ergebende verringerte Überzeugungskraft der einzelnen Beurteilungen rein tatsächlicher Natur sein. Dies wiederum hat zur Folge, daß es i m rechtlichen Sinn zweifelhafte Entscheidungen nicht gibt. Damit verliert das Argument, die Ersetzung einer zweifelhaften behördlichen Entscheidung durch ein zweifelhaftes gerichtliches Urteil sei kein Optimum des Rechtsschutzes, sein rechtliches Gewicht. a) Die Frage bleibt allerdings, ob diese Lösung „positivistischer" A r t ist. Da jener Differenzierungsvorschlag genau zu dem Ergebnis kommt, das die materiellrechtliche Lehre vom Beurteilungsspielraum ablehnt, leidet er unter der ewigen Schwäche jeder Reduzierung einer vielschichtigen Wirklichkeit auf ein vereinfachendes Denkmodell. M i t jeder normativen Lösung sind aber gerade wegen dieses unvermeidbaren Vereinfachungsprozesses gewisse „Vergewaltigungen" der Tatsachen verbunden, was ein ständiges Spannungsverhältnis zwischen der Idealität des Rechts und der Faktizität seiner Verwirklichung zur Folge hat. U m diese Spannungen weitestmöglich zu reduzieren, kann man an den Einbau von Korrektiven denken, die die Starrheit des Normenkomplexes durch differen-

I I . Rechtstheoretische Würdigung

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zierende Teillösungen auflockern. Da derartige Korrektive eine bestimmte, sich aus der Starrheit des Grundprinzips ergebende Folge abwenden sollen, müssen sie dem zu lösenden Problem adäquat sein, d. h. muß eine sachliche Verhältnismässigkeit zwischen der abzuwendenden Gefahr und dem juristischen Mittel bestehen. Der materiell-rechtlichen Lehre vom Beurteilungsspielraum liegt der Gedanke zugrunde, daß es kein Optimum des Rechtsschutzes sei, wenn eine zweifelhafte behördliche Entscheidung durch eine zweifelhafte gerichtliche Beurteilung ersetzt wird. I m Kern w i r d also die volle gerichtliche Nachprüfbarkeit vorausgesetzt und lediglich eine extreme Konsequenz abgelehnt. Adäquate juristische Lösung dieser Problemstellung wäre, den Richter zum Nachvollziehen der behördlichen Entscheidung zu verpflichten, ihm aber in den Grenzfällen der „vertretbaren" Beurteilung das Recht zum Ersetzen der behördlichen Entscheidung durch seine eigene zu verwehren. Der praktische Unterschied zu der materiellrechtlichen Lehre vom Beurteilungsspielraum bestände bei dieser Lösung darin, daß die Behörde i n verwaltungsverfahrensrechtlicher Sicht die für ihre Entscheidung maßgeblichen Gründe i n vollem Umfang angeben muß (Problembereiche der Fachkenntnis, Sachnähe, usw.) und daß i m Verhältnis zwischen Verwaltung und Verwaltungsgericht eine echte Überprüfung stattfände, ob die konkrete Entscheidung rechtlich vertretbar ist. Damit wäre die mit der materiell-rechtlichen Lehre vom Beurteilungsspielraum verbundene Konsequenz vermieden, daß sich die Behörde von vornherein hinter den Schleier des ihr zugebilligten kontrollfreien Beurteilungsspielraums zurückziehen kann. Wer aber sollte darüber entscheiden, ob die behördliche Beurteilung „vertretbar" ist? Auch diese Entscheidung würde den mit der Personengebundenheit der Rechtsfindung verbundenen subjektiven Faktoren unterliegen. Selbst wenn i n die Verwaltungsgerichtsordnung eine Vorschrift aufgenommen würde, daß unbestimmte Rechtsbegriffe voll überprüfbar seien, daß aber das Gericht seine Entscheidung nicht an die Stelle der behördlichen setzen dürfe, wenn diese „vertretbar" ist, würde dies nicht verhindern, daß die Richter die behördliche Entscheidung aus diesen oder jenen Gründen als für nicht „vertretbar" erklären und sie damit die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Ersetzen der behördlichen Entscheidung durch ihre eigene schaffen. War die behördliche Entscheidung vom Standpunkt eines unvoreingenommenen Beobachters aus „vertretbar", wäre die gerichtliche Entscheidung zwar „falsch". Dies würde aber nichts daran ändern, daß sie bindend ist. Wenn die Richter es tatsächlich wollten, könnten sie jederzeit Wege finden, die behördliche Entscheidung aufzuheben. Letztlich könnte also bei vorhandenem bösem Willen der Richter doch nicht vermieden wer-

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3. T e i l : Ergebnisse u n d rechtstheoretische Würdigung

den, daß eine zweifelhafte behördliche Entscheidung durch eine zweifelhafte gerichtliche ersetzt wird. Da andererseits die von der materiellrechtlichen Lehre vom Beurteilungsspielraum angeführten Argumente einer näheren Überprüfung nicht standhalten, ist es m. E. gerechtfertigt, die mit dem richterlichen Prüfungsrecht verbundenen „Gefahren" anzuerkennen und die Verantwortung für die Art und Weise seiner Handhabung den Richtern zu überlassen, zumal diese sowieso mit dem Recht zur letztverbindlichen Entscheidung eine bedeutende soziale Verantwortung tragen. Warum ausgerechnet an dem Brennpunkt der verwaltungsrechtlichen Diskussion über die gerichtliche Nachprüfung der unbestimmten Rechtsbegriffe jene „Gefahr" zu einer Einschränkung des richterlichen Entscheidungsrechts (und der richterlichen Entscheidungsverantwortung) führen soll, ist nicht ersichtlich. Von keiner Seite w i r d es bestritten, daß den Richtern hinsichtlich der Auslegung der sog. bestimmten Rechtsbegriffe das Recht zur letztverbindlichen Entscheidung gebührt: wenn aber zwischen bestimmten und unbestimmten Rechtsbegriffen kein qualitativer Unterschied besteht, warum sollte dann die Nachprüfung der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe beschränkt sein? Das Argument der Schwankungsbreite und der geringeren Überzeugungskraft derjenigen Urteile, die nur eine von mehreren jeweils „vertretbaren" Entscheidungen sind, gilt sowohl für die sog. bestimmten als auch für die sog. unbestimmten Rechtsbegriffe. Hinsichtlich der letzteren liegt zwar die Problematik besonders klar auf der Hand. Der Evidenzgrad kann aber keine Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behandlung sein. Wenn man die mangelnde tatsächliche Überzeugungskraft der richterlichen Entscheidung als Anlass für eine materiell-rechtliche Beschränkung des Entscheidungsbereichs nimmt, dann zwingt dies zu einer völligen Revidierung der Vorstellungen über die Stellung des Richters. Die von der Rechtsprechung anerkannte These der gerichtlichen Vollprüfung ist also keineswegs eine positivistische Übersteigerung, sondern entspricht dem von der Rechtsordnung anerkannten Recht des Richters zur letztverbindlichen Entscheidung und der damit verbundenen Inkaufnahme der aus der Personengebundenheit der Rechtsfindung entstehenden Zweifel. b) Wenn das Gericht eine „vertretbare" behördliche Entscheidung durch seine eigene ersetzt, mag dies für die Idee des Rechts alles andere als optimal sein. Diese punktuelle Betrachtung vernachlässigt aber die mit einer Rechtsentwicklung verbundenen gesellschaftlichen Ausstrahlungen. Für den Gedanken des Rechtsstaats, verstanden als sozialpsychologisches Faktum (oder Nonfaktum), w i r d es nützlicher sein, wenn sich in der

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Gesellschaft das Bewusstsein verankert, daß die Gerichte gegenüber Akten der öffentlichen Gewalt tatsächlich einen Rechtsschutz gewähren und nicht mit den Behörden „unter einer Decke stecken". Die gesellschaftlichen Ausstrahlungen des Bekenntnisses zur vollen Überprüfung unbestimmter Rechtsbegriffe sind m. E. wichtiger als eine materiellrechtliche, apriorische Einschränkung des gerichtlichen Nachprüfungsrechts, die dem Bürger trotz (oder gerade wegen) aller juristischer Feinheiten praktisch das Gefühl gibt, gegenüber Prüfungskommissionen, Lehrern oder Dienstherrn schütz- und rechtlois zu sein. Das Bewußtsein, daß eine gerichtliche Kontrolle möglich ist und daß im Streitfall eine uneingeschränkte Nachprüfung stattfindet, ist ein wirksameres Mittel gegen willkürliche Amtsausübung als eine ständige Rechtsprechung, die der Verwaltung einen gerichtsfreien Beurteüungsspielraum zubilligt und die darauf hin der Verwaltung im Hinblick auf ihre Begründungspflicht Erleichterungen zugestehtdie ihr praktisch das willkürliche Handeln gestatten. Der nächste Schritt ist, daß die Geheimhaltung der Prüfungsakten i m Prozeß über die Prüfungsentscheidung mit dem Hinweis auf die beschränkte Nachprüfbarkeit begründet 2 und daß die beschränkte Nachprüfbarkeit als Mittel zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der Prüfer bezeichnet wird 8 . Berücksichtigt man weiterhin, daß i n den einen Beurteilungsspielraum anerkennenden Entscheidungen Rechtsprinzipien beiseite geschoben werden, die i n den einen Beurteilungsspielraum ablehnenden Entscheidungen als zwingend bezeichnet werden 4 , und hält man sich vor Augen, daß innerhalb der besonderen Gewaltverhältnisse die Beurteilungsspielräume noch ein weites Feld haben, während sie ausserhalb der besonderen Gewaltverhältnisse grundsätzlich abgelehnt werden, dann muß man sich fragen, was Ursache und was Wirkung ist. Von extremen Fällen abgesehen w i r d der einzelne Beamte lieber eine ungerechte Beurteilung i n Kauf nehmen, als sich seine Vorgesetzten mit einem Prozeß zu verärgern. Der Prüfling w i r d sich i n sehr vielen Fällen sagen, daß er schneller ein zweites M a l die Prüfung abgelegt als ein rechtskräftiges Urteil erstritten haben wird. Dem Schüler w i r d die A n fechtung der einzelnen Klassenarbeiten versagt 5 : wenn aber die Versetzungsenscheidung i n sehr starkem Mass durch die i n den Klassen1 Vgl. BVerwG (23. 1. 61) E 12/20, 26—28 — BVeriüG (23. 2. 62) E 14/31, 35 — HessVGH (28. 2. 62) DVB1. 62/605 f. — VGH Baden-Württemberg (8. 8. 63) DöV 63/767, 768. 2 So BVerwG (23. 2. 62) E 14/31, 35; ausdrücklich ablehnend BFinH (2. 8. 67) Betr. 67/1662. 3 So BFinH (2. 8. 67) Betr. 67/1662. 4 Siehe oben, S. 37. 5 Siehe OVG Münster (17. 4. 67) N J W 67/1772, 1774.

7 Schmidt-Salzer

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3. Teil: Ergebnisse u n d rechtstheoretische Würdigung

arbeiten erhaltenen Noten beeinflusst ist, dann w i r d der Versetzungskommission von den Gerichten ein gerichtsfreier Beurteilungsspielraum zugesprochen. Im Endeffekt läuft dies darauf hinaus, daß die Betroffenen von vornherein den kürzeren Atem haben und daß dann in prozessualer Sicht weitere Beeinträchtigungen ihrer Erfolgsaussichten hinzukommen (Beurteilungsspielraum, Geheimhaltung der Prüfungsakten, reduzierte Begründungspflicht der Verwaltungsbehörde, Feststellungslast). Der Grundsatz der prozessualen Chancengleichheit steht bei alledem nur noch auf dem Papier*. Daß es auch anders geht, als von behördlicher Seite gewünscht, beweist die deutsche Rechtsprechung zur grundsätzlichen vollen Nachprüfbarkeit der unbestimmten Rechtsbegriffe. Soweit ersichtlich ist die Verwaltung durch die seit ca. 8 Jahren anerkannte volle Gerichtsunterworfenheit nicht zusammengebrochen, sondern hat (mit Ausnahme der besonderen Gewaltverhältnisse) der Rechtsstaat sehr viel Kredit gewonnen, weil die Gerichte die Verwaltung i m Rahmen des Möglichen tatsächlich kontrollieren und sich erst an den Grenzen der subjektiven Erkenntnisfähigkeit Schranken selbst auferlegen. Zwar ist dies für die Verwaltung gegenüber dem früheren Rechtsstand mit erheblichen Substanzverlusten verbunden. Gerade diese Substanzverluste aber markieren einen entsprechenden Substanzgewinn des Rechtsstaatsgedankens. Wenn für die relativ wenigen zu einer gerichtlichen Entscheidung führenden Streitfälle zwecks Vermeidung einer vielleicht rechtlich zutreffenden, aber sachlich unzweckmäßigen Entscheidung von vornherein das richterliche Prüfungsrecht beschränkt wird, dann ist dies ein Pyrrhussieg der Rechtsidee, mit dem der Rechtsstaatgedanke einen Schaden erleidet, der m. E. mit dem Schaden, der aus einer einzelnen unzweckmäßigen Entscheidung entsteht, nicht verglichen werden kann. So berechtigt der Einwand gegen das Ersetzen einer zweifelhaften behördlichen Entscheidung durch ein zweifelhaftes gerichtliches Urteil auf den ersten Blick erscheint, so wenig überzeugend ist er doch, wenn man die rechtspolitischen und gesellschaftspsychologischen Ausstrahlungen berücksichtigt. Hinzu kommt, daß noch keine Rechtstatsachenforschung belegt hat, daß die Richter nicht nur in einzelnen, nie ausschaltbaren Fällen, sondern ganz allgemein ihre Entscheidungsmacht „mißbrauchen". Dem Anschein nach ist es m. E. nach dem Studium einer Vielzahl einschlägiger Entscheidungen eher umgekehrt: die Richter kontrollieren außerhalb der besonderen Gewaltverhältnisse die Verwaltung im Rahmen des Möglichen, üben aber in den Grenzbereichen der „vertretbaren" Entschei« Ähnlich Czermak BayVBl. 66/196.

I I . Rechtstheoretische Würdigung

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düngen eine weise Selbstbeschränkung. Das der materiellrechtlichen Lehre vom Beurteilungsspielraum zugrunde liegende Anliegen ist also in der Sache sogar in dem Bereich der gerichtlichen Vollprüfung verwirklicht. Weiterhin ist nicht aus den Augen zu verlieren, daß sich die Behörden vor unsachgemäßen Entscheidungen der Gerichte schützen können, indem sie die tatsächlichen Umstände darlegen, die ihrer Ansicht nach bei der Entschließung zu beachten sind und die das Gericht als sachferne Instanz i m allgemeinen nur beschränkt überblickt. Insgesamt gesehen scheint also die in der Literatur und insbesondere von Seiten der Verwaltung so betonte Gefahr so groß nicht zu sein (bzw. sollte sie erst einmal durch Rechtstatsachenforschungen belegt werden, bevor aus ihr materiell-rechtliche Folgerungen gezogen werden). Da die Verwaltungsbehörden durch Offenlegung der ihrer Ansicht nach zu berücksichtigenden tatsächlichen Umstände jene Gefahr durchaus in den Grenzen halten können, die jeder personengebundenen Rechtsfindung zwangsläufig gesetzt sind, ist im Ergebnis der der materiell-rechtliehen Lehre vom Beurteilungsspielraum zugrunde liegende Einwand nicht überzeugend. 3. I n der verfassungsrechtlichen Literatur w i r d Art. 19 Abs. I V GG von einigen Autoren als Ausdruck eines veralteten Leitbildes 7 bzw. eines überholten und gegenstandslos gewordenen liberal-rechtsstaatlichen Denkens 8 bezeichnet. Andererseits mehren sich die Stimmen, die dçr Exekutive gegenüber der Judikative eine Eigenständigkeit gewähren wollen 9 . Art. 19 Abs. I V GG enthält aber die verfassungsgestaltende Grundentscheidung 10 für die Gerichtsunterworfenheit der Verwaltung. Mag audi der Grundgedanke ideengeschichtlich auf einem veralteten Leitbild beruhen, so verdeckt diese ideengeschichtliche Verbindung doch nur einen sachimmanenten Kern. Wenn eine Verfassung gegenüber Akten der Exekutive das richterliche Prüfungsrecht normiert und sich damit zum Gewaltenhemmungssystem bekennt, dann ist damit konsequenterweise ein volles Nachprüfungsrecht und demzufolge die Verneinung eines Beurteilungsspielraums für die Exekutive verbunden, denn auf Grund der Struktur des Normbegriffs ist auch die Anwendung unbe7

Zeidler, Der Staat 1 (1962) 321, 325. K l e i n , W D S t L 8 (1950) 67, 122. 9 Rumpf, W d S t L 14 (1956) 136, 168 f.; Ehmke, Ermessen, S. 45 ff.; Zeidler, Der Staat 1 (1962) 321, 339; Peters, Die V e r w a l t u n g als eigenständige Staatsgewalt (1965) u n d Lehrbuch, S. 10; siehe auch Less DöV 57/418, 422 f. 10 Maunz-Dürig GG, Rd. 2 zu A r t . 19 Abs. I V . 8



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3. Teil: Ergebnisse und rechtstheoretische Würdigung

stimmter Rechtsbegriffe kein auf Delegation beruhender A k t der Rechtsetzung, sondern ein A k t der Rechtsanwendung: kontrollieren aber die Gerichte die Rechtsanwendung, müssen sie auch die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs überprüfen. Unabhängig von der Aktualität des Leitbildes wäre also jegliche Beschränkung des richterlichen Kontrollrechts i n Bezug auf die sog. unbestimmten Rechtsbegriffe eine verschleierte Aufhebung der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung bzw. der sich aus ihr ergebenden Folgerungen. Umgekehrt bliebe eine Verfassung auf halbem Weg stehen, wenn sie das richterliche Kontrollrecht anerkennen, aber der Verwaltung hinsichtlich der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe einen gerichtsfreien Raum zubilligen würde. Wie weit eine Verfassung die aus der Natur der Sache abzuleitenden Folgerungen einer Grundentscheidung zieht, ist zweifellos eine Frage der Politik und es werden aus Gründen der Politik insbesondere Konsequenzen des Gewaltenhemmungsgedankens oft nicht gezogen werden. Das Grundgesetz hat sich aber zum Prinzip der Gerichtsunterworfenheit der Verwaltung bekannt. Auf die verwaltungsrechtliche Ebene transponiert ist damit die volle gerichtliche Überprüfbarkeit der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe festgelegt. Da dieses Ergebnis auch von weiteren Überlegungen gestützt wird (Struktur des Normbegriffs, rechtsstaatliches Leitbild, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung), ist m. E. gegenüber dieser verfassungsrechtlichen Deutung der verwaltungsrechtlichen Lösung bzw. gegenüber dieser verwaltungsrechtlichen Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung der Vorwurf der positivistischen Verfassung^auslegung nicht gerechtfertigt. Die materiell-rechtliche Lehre vom Beurteilungsspielraum sowie die i n der Literatur vertretene Theorie vom einheitlichen Ermessensbeg r i f f 1 1 führen demgegenüber hinsichtlich der sog. unbestimmten Rechtsbegriffe genau zu dem von Art. 19 Abs. I V GG ausgeschlossenen Ergebnis, nämlich zu einem praktisch formalen, sich auf die Kontrolle der Verfahrensvorschriften beschränkenden Rechtsschutz, der der Verwaltung weiten Spielraum läßt. Die „Entfesselung" des Richters durch Art 19 Abs. IV GG hat zweifellos zu einer sehr viel stärkeren Bindung der Verwaltung und damit zu einer bedeutenden Reduzierung des Bereichs potentieller Willkür geführt. Zu einer „Fesselung" der Verwaltung dagegen ist es offensichtlich nicht gekommen. Bis zum Beweis des Gegenteils besteht kein Anlaß, die Diskussion um die Bindungen der Verwaltung durch das Trauma des entfesselten Richters und der gefesselten Verwaltung bestimmen zu lassen. 11

Siehe oben, S. 28, Fußn. 14.

I I I . Gesamtergebnis

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I I I . Gesamtergebnis I m Gesamtergebnis zeigt sich also, daß die derzeitige deutsche Rechtsprechung zur gerichtlichen Überprüfung der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe dogmatisch i n einer A r t und Weise erfaßbar ist, die den inneren Zusammenhang zwischen Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht wahrt. Die i n den ersten beiden Teilen dieser Arbeit entwickelten Lösungen entsprechen dem sachimmanenten Funktionszusammenhang zwischen richterlichem Nachprüfungsrecht und Gerichtsunterworfenheit der Verwaltung: Sie sind also nicht das Ergebnis einer positivistischen Verfassungsauslegung, sondern finden ihre Rechtfertigung i n der Natur der Sache, nämlich i n der Institution des richterlichen Prüfungsrechts, in der Struktur des Normbegriffs sowie in der dem Richter von der Rechtsordnung zugewiesenen Aufgabe zur verbindlichen Festlegung des objektiv Richtigen. Der Einwand ist berechtigt, daß das Ersetzen einer zweifelhaften behördlichen Entscheidung durch ein zweifelhaftes gerichtliches Urteils keineswegs ein Optimum des Rechtsschutzes ist. Dies ist aber eine zu punktuelle Betrachtung, die über der Diskussion des Einzelfalles die rechtspolitischen und gesellschaftspsychologischen Ausstrahlungen vernachlässigt. Für die verfassungsrechtliche Diskussion um die Stellung der Verwaltung i m Verfassungsaufbau des Grundgesetzes ergibt sich m. E. die Erkenntnis, daß das Verwaltungsrecht als angewandtes Verfassungsrecht i n dem einzelnen Problembereich des Beurteilungsspielraums die Realisierbarkeit des verfassungstheoretischen Strukturmodells der Gewaltenhemmung durch richterliche Kontrolle der Verwaltung beweist. Damit schließt sich der Kreis: was das theoretische Strukturmodell der Gewaltenhemmung fordert, w i r d vom materiellen Verwaltungsrecht verwirklicht; was das materielle Verwaltungsrecht entwickelt hat, entspricht den verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen. Zumindest i n der hier untersuchten Aktualisierung der verfassungsrechtlichen Problematik zeigt sich, daß das Denkmodell der Gewaltenhemmung durch gerichtliche Kontrolle der Verwaltung i n einer A r t und Weise realisierbar ist, die der Verwaltung den Lebensraum läßt und doch das Individuum i m Rahmen des Möglichen schützt. Da das Grundgesetz i n Verfolgung des rechtsstaatlichen Leitbildes den Ausgleich zwischen den Belangen des Einzelnen und denen der Gesamtheit sowie die Mäßigung der Staatsmacht zwecks Schutzes des Einzelnen erstrebt 1 , ist die i n der derzeitigen deutschen Rechtsprechung anerkannte volle gerichtliche Überprüfbarkeit der unbestimmten Rechtsbegriffe m. E. nicht nur eine Anwendung des Wortlauts der Verfassimg, sondern auch eine Verwirklichung ihrer Konzepte. 1

BVerfG

(27. 4. 59) E 9/268, 279 — BVerfG

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