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German Pages 404 [405] Year 1976
Der arm man 1525
A K A D E M I E DER W I S S E N S C H A F T E N DER DDR Z E N T R A L I N S T I T U T FÜR
GESCHICHTE
Veröffentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte B A N D 59
Der arm man 1525 VOLKSKUNDLICHE
HERAUSGEGEBEN
STUDIEN
VON
H E R M A N N STROBACH
AKADEMIE-VERLAG • BERLIN 1975
Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Str. 3—4 Copyright 1975 by Akademie-Verlag, Berlin Lizenznummer: 202 • 100/131/75 Gesamtherstellung: VEB Druckhaus „Maxim Gorki", 74 Altenburg Einbandgestaltung: Rolf Kunze Bestellnummer: 752 695 8 (2034/59) • LSV 0705 Printed in G D R EVP 3 8 , -
Inhaltsverzeichnis Einleitung : Arbeit und Arbeitsgerät der Bauern zur Zeit des deutschen
HERMANN STROBACH: ULRICH BENTZIEN
Bauernkrieges
: Der Kampf der Bauern um Triftgerechtigkeit in Thüringen und Sachsen um 1525 K A R L BAUMGARTEN : Bauer und Bauernhaus im Hochschwarzwald um 1 5 2 0 . . ALFRED FIEDLER : Die Reichskleiderordnungen in der Zeit der frühbürgerlichen Revolution als Instrument zur Stabilisierung der feudalen Ständeordnung HELMUT W I L S D O R F : Kulturelle Entwicklungen im Montanbereich während der Zeit der frühbürgerlichen Revolution E R I K H Ü H N S : Nationale Momente in der deutschen Kultur zur Zeit der frühbürgerlichen Revolution GABRIELE SCHIEB: Zur sprachhistorischen Situation und zu einigen Entwicklungstendenzen der deutschen Sprache in der Zeit der frühbürgerlichen Revolution RUDOLF WEINHOLD: „Wer waiß wers recht verstanden hat!" Das Erfurter Pfaffenstürmen im Spiegel zweier zeitgenössischer Lieder HERMANN STROBACH: Die Bauern sind aufrührig worden. Lieder aus dem Bauernkrieg G I S E L A BURDE-SCHNEIDEWIND : Bauernkriege des 16. Jahrhunderts in der Sagenüberlieferung ERICH STOCKMANN : Trommeln und Pfeifen im deutschen Bauernkrieg . . . . DORIS STOCKMANN : Der Kampf um die Glocken im deutschen Bauernkrieg . . FRIEDRICH SIEBER: Gebärden der Konspiration und der Unterwerfung bei lokalen Bauernunruhen WILHELM FRAENGER : Dürers Gedächtnis-Säule für den Bauernkrieg Verzeichnis der in abgekürzter Form zitierten Literatur RUDOLF QUIETZSCH
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Einleitung In seiner Schrift „Der deutsche Bauernkrieg", die vor genau 125 Jahren erschien und bis heute nichts von ihrer grundlegenden methodologischen Bedeutung und der anschaulichen Frische ihrer Darstellung eingebüßt hat, analysiert Friedrich Engels vor allem, daß es sich in den sogenannten Religionskriegen des 16. Jahrhunderts „um sehr positive materielle Klasseninteressen" handelt und „diese Kriege . . . Klassenkämpfe" waren. 1 Wie er in seiner „Vorbemerkung" zur Neuausgabe von 1870 erläutert, stellte er sich deshalb zum Ziel, den geschichtlichen Verlauf des Kampfes nur in seinen Umrissen zu skizzieren, dagegen aber „den Ursprung des Bauernkriegs, die Stellung der verschiedenen darin auftretenden Parteien, die politischen und religiösen Theorien, in denen diese Parteien über ihre Stellung sich klarzuwerden suchen, endlich das Resultat des Kampfes selbst mit Notwendigkeit aus den historisch vorliegenden gesellschaftlichen Lebensbedingungen dieser Klassen zu erklären; also die damalige politische Verfassung Deutschlands, die Auflehnungen gegen sie, die politischen und religiösen Theorien der Zeit nachzuweisen, nicht als Ursachen, sondern als Resultate der Entwicklungsstufe, auf der sich damals in Deutschland Ackerbau, Industrie, Land- und Wasserstraßen, Waren- und Geldhandel befanden."2 Im Mittelpunkt seiner Darstellung steht daher eine glänzende und sehr lebendig geschriebene Analyse der Klassenverhältnisse in der damaligen historischen Entwicklungsphase des Feudalsystems in Deutschland. Aus ihr heraus erklärt er die Konfrontationen und ihre Ideologien, die Kämpfe und den Verlauf des deutschen Bauernkrieges und konkretisiert damit in überzeugender Weise jene später in der „Vorbemerkung" gegebene prägnante methodologische Beschreibung für die „einzig materialistische Geschichtsanschauung". 3 Neben den in dieser Weise als bestimmend für den Geschichtsverlauf herausgearbeiteten ökonomischen Verhältnissen und den entsprechenden Klassengegensätzen und Klassenbeziehungen zeigt Engels aber auch recht aufschlußreich, wie Verlauf und Formen der Klassenkämpfe durch die konkrete Stufe der jeweiligen Lebensweise bestimmter Klassen mitbedingt und mitgeprägt wurden. Bei der Darstellung der Bauern und der Ursachen ihrer Niederlage zum Beispiel verweist Engels wiederholt auf Beschränktheiten „ihrer ländlichzerstreuten Lebensweise" und die daraus „hervorgehenden Hindernisse einer
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größeren, zentralisierten Verbindung." E r charakterisiert, wie der sehr begrenzte Umfang gesellschaftlicher Beziehungen der Bauern im Feudalismus, der entscheidend durch die historische gesellschaftliche Stufe der Produktion und des Austausches bestimmt war, auch durch diese Lebensweise mitbedingt wurde. Daher kam „die Masse der Bauern . . . nie über die nächsten Lokalbeziehungen und den damit verbundenen lokalen Horizont hinaus." Die Feindschaft der Städte „gegen eine Reihe von Dogmen und Kirchengesetzen" der Papstkirche erklärt sich, schreibt Engels an anderer Stelle, außer aus der von ihm dargelegten gesellschaftlich-politischen Konfrontation gegen die „Kirche als der allgemeinsten Zusammenfassung und Sanktion der bestehenden Feudalherrschaft" auch „teils aus ihren sonstigen Lebensverhältnissen", worüber — etwa hinsichtlich des Zölibats — niemand besser Aufschluß geben könne als Boccaccio. 4 Natürlich können diese Gesichtspunkte in einer auf die Herausarbeitung der determinierenden gesellschaftlichen Faktoren zielenden, relativ knappen Darstellung notwendig nur am Rande berücksichtigt werden. Aber Engels kennzeichnet selbst mit diesen wenigen Äußerungen den konkreten Stellenwert solcher Bereiche des gesellschaftlichen Lebens als treibende oder hemmende Elemente in dem durch Ökonomie, Klassenverhältnisse und Politik bestimmten gesamtgesellschaftlichen Entwicklungszusammenhang. In anderen Schriften geht Engels noch ausführlicher auf Fragen der Lebensweise und Kultur im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Entwicklungen ein, die in Deutschland zur frühbürgerlichen Revolution von 1517 bis 1525/26 führten. 5 Seine Beschreibungen konkreter Lebensverhältnisse und Lebensformen der feudalabhängigen Bauern etwa oder der dialektisch-widersprüchlichen Entwicklung der Lebensbedingungen des Städtebürgertums dieser Periode ebenso wie der parasitären Lebensformen des Adels, die von den determinierenden materiellen gesellschaftlichen Verhältnissen her begriffen und erklärt werden, sind für die maxistisch-leninistische Volkskunde von bedeutendem, bei weitem noch nicht ausgeschöpftem methodologischem Wert. In stärkerem Maße wurden von der neueren marxistischen Forschung seine Darstellungen zu der außerordentlichen Entfaltung von Wissenschaft und Kunst im Vorfeld und während der frühbürgerlichen Revolution beachtet und weitergeführt, eine Entfaltung des kulturellen und geistigen Lebens, die diese gesellschaftliche Entwicklung sowohl reflektierte als auch entscheidend mit vorantrieb. Engels zeigt dies besonders für die Naturwissenschaften sowie für „die Verbreitung der Buchdruckerkunst, die Wiederbelebung des Studiums der antiken Literatur, die ganze Kulturbewegung, die seit 1450 immer stärker, immer allgemeiner wird." 6 Zur historischen Rolle und zu den Leistungen der aufstrebenden bürgerlichen Kultur dieser Periode sind in den letzten Jahren in der D D R wichtige Untersuchungen und allgemeine Darstellungen veröffentlicht worden. Besonders die Feiern zum 450. Jahrestag der Reformation 1967 und die Ehrungen und Ausstellungen zum 500. Geburtstag Albrecht Dürers im Jahre 1971 brachten bedeutende Fortschritte in der Analyse und kritisch-
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produktiven Aneignung dieses bedeutenden Bestandteils unseres humanistischen Kulturerbes. Nur sehr wenige Arbeiten beschäftigten sich dagegen bisher unmittelbar mit Problemen der Lebensweise und Kultur der ausgebeuteten werktätigen Klassen und Schichten in dieser Zeit, der Bauern als der werktätigen Hauptklasse des Feudalismus, der mittleren und kleinen Handwerker, der Handwerksgesellen und der Plebejer. Lediglich einzelne Äußerungen wie z. B. Lieder aus dem Bauernkrieg wurden in Werken allgemeinerer Themenstellung veröffentlicht und analysiert.7 Der erste Versuch einer zusammenhängenden volkskundlich-historischen Darstellung ist im Rahmen eines Abrisses „Zur Geschichte der Kultur und Lebensweise der werktätigen Klassen und Schichten des deutschen Volkes vom 11. Jahrhundert bis 1945" gemacht worden. 8 Die Verfasser sind sich jedoch bei der Ausarbeitung dieses Abrisses mit seiner Notwendigkeit zu Wertungen und Verallgemeinerungen der völlig ungenügenden volkskundlichen Quellenerschließung und Quellenforschung und ihrer theoretisch-konzeptionellen Verarbeitung gerade für diese revolutionäre Periode der deutschen Geschichte deutlich bewußt geworden. Hier besteht eine Lücke, die auch der vorliegende Band noch nicht schließen kann. Sein Ziel ist es jedoch, durch die historische Analyse und Darstellung verschiedener Seiten der Lebensweise und Kultur der werktätigen Klassen und Schichten unter einer einheitlichen Fragestellung, nämlich ihrer Beziehung zur frühbürgerlichen Revolution und besonders dem deutschen Bauernkrieg als einem der revolutionären Höhepunkte der Geschichte des deutschen Volkes, einen Beitrag zur weiteren Konkretisierung des marxistisch-leninistischen Geschichtsbildes dieser Epoche zu leisten. Die hier zusammengefaßten Studien versuchen, bisher nur wenig oder noch gar nicht beachtete Widerspiegelungen der Klassenentwicklung und der Klassenkämpfe in bestimmten Lebensverhältnissen und unmittelbaren Kulturäußerungen der Volksmassen darzustellen sowie die aktive Rolle solcher Kulturerscheinungen aufzuzeigen, die sie für die Kämpfe der „radikalsten Tatsache der deutschen Geschichte"9 vor 1848 spielten, wie Karl Marx den deutschen Bauernkrieg bezeichnete. Es war eine Periode, in der sich im Klassenkampf die schöpferische und geschichtsbildende Kraft des Volkes, des arm man (armen Mann), wie der feudalabhängige werktätige Mensch in der Sprache jener Zeit ständisch-sozial bezeichnet wurde, 10 aufs höchste entfalten konnte. Die bürgerliche deutsche Volkskunde hat zahlreiche Untersuchungen über kulturelle Einzelerscheinungen aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts vorgelegt, auf die zum Teil in den verschiedenen Studien eingegangen wird. Der deutsche Bauernkrieg als Höhepunkt der Aktivität der Volksmassen jener Periode ist jedoch weder als besonderes Thema noch für diese Untersuchungen jemals Gegenstand oder Bezugspunkt gewesen. Eine solche Problemstellung fügte sich offensichtlich nicht in das Konzept von einem „traditionsgebundenen" und „beharrenden" Volke. Es gab in der bürgerlichen Volkskunde auch kaum Versuche einer um-
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fassenderen Darstellung der Volkskultur in ihrer historischen Entwicklung. Die allgemeinen volkskundlichen Standardwerke und Handbücher sind überwiegend unhistorisch-systematisch angelegt. Auch die sich als „historische Volkskunde" 11 bezeichnende Richtung in der BRD, deren bekanntester Vertreter Karl-Sigismund Kramer ist, gründet zwar ihre Darstellungen auf die Verarbeitung historischer Quellen, gibt jedoch ebenfalls kaum Beschreibungen des Volkslebens in seiner historischen Entwicklung, sondern nach — auch in sich nicht historisch abgehandelten — Sachbereichen. Auch die abschließenden Kapitel in den Untersuchungen Kramers über „Volk und Geschichte" versuchen weder wirkliche historische Darstellungen als Zusammenfassung der voraufgehenden Einzelanalysen, noch leisten sie eine theoretische Verallgemeinerung unter dem Aspekt des Titels dieser Kapitel, sondern verlieren sich in Beschreibungen einzelner Phänomene. 12 Der Grund liegt in der konservativbürgerlichen Auffassung von Volk und Geschichte: Geschichte ist hier nicht primär als gesellschaftliche Bewegung und Auseinandersetzung der Klassen, als Geschichte von Klassenkämpfen begriffen, sondern als Aufeinanderfolge von Kriegen, die gleich Elementarereignissen über das Volk hinwegrollen, von außen und von oben auf das Volk einwirken. 13 Das Volk wird daher als „beharrendes", der Geschichte gegenüber weitgehend passives Element aufgefaßt, und die „historische Volkskunde" konzentriert sich deshalb vor allem auf die Darstellung der „beharrenden Wesenszüge", auf die „beständig" bleibenden „wesentlichen Grundzüge des Volkslebens". 14 Der Bauernkrieg kommt in diesen Arbeiten Kramers über das Volksleben in Zentren des bäuerlichen Kampfes von 1525 nur ganz sporadisch in gelegentlichen Bemerkungen vor, obgleich Kramer selbst ein interessantes Zeugnis dafür mitteilt, daß für das Leben der Menschen aus dem Volke dieses Ereignis eine beherrschende Bedeutung besessen hat: Bei der Behandlung des „Zeitbewußtseins" der „einfachen Menschen" bringt Kramer Beispiele dafür, daß für diese Menschen der Bauernkrieg 25 bis 50 Jahre nach seiner Niederschlagung noch immer im Mittelpunkt ihrer historischen Erinnerung stand, indem sie Zeitangaben ihres Lebens auf ihn beziehen und von diesem Ereignis her datieren. 15 Seine Konzeption verstellte ihm die Sicht, solche wichtigen Hinweise für seine Darstellung historisch konkret fruchtbar zu machen. Historische Abrisse mit Abschnitten auch zum Bauernkrieg enthalten die faschistischen „Bauerntums"-Darstellungen von Max Rumpf sowie das von dem Volkskundler Wilhelm Hansen zusammen mit Historikern und Volkskundlern herausgegebene zweibändige Kompendium „Das deutsche Bauerntum. Seine Geschichte und Kultur". Position und Tendenz der Bauern- und Bauernkriegsdarstellung sind in beiden Werken die gleichen. Rumpf verwendet viele Seiten seines dickleibigen Bandes darauf, die faschistische Demagogie der Volksgemeinschaft und der aggressiven Rassenlehre volkskundlich-historisch zu „untermauern". Der auf Ausbeutung beruhende Klassengegensatz zwischen Feudalherren und Bauern wird zum friedlichen Zusammenleben verfälscht, zu einem „Spiel zwischen Grundherrschaft und ihren Hintersassen", das
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natürlich nicht „klassenkämpferisch aufgespalten", sondern vielmehr von einem „volkstümlich-fröhlichen Zug" durchwaltet gewesen sein soll (und zwar „das Frönerleben" 1). Diese Rumpfschen Feudalherren waren geradezu Ausbünde humaner Tugend, voll rührenden Mitgefühls, die „den die Fronabgaben einsammelnden Boten sogar ein Verhalten voll zartester Rücksicht zur Pflicht gemacht" haben sollen. Und so wundert es nicht, daß dieser Apologet faschistischer Herrenmenschenideologie der Feudalklasse die Funktion und Leistung zuschreiben möchte, mit ihrem entwickelten „Fronhofbetriebe dauernd die Mittel zu einer steigenden kultürlichen und zivilisatorischen Entwicklung und Verfeinerung des Volkes im ganzen" gegeben und zumal dafür gesorgt zu haben, daß das „Kernstück" der „werktätigen Unterschichten, . . . das selbständige, für sich wirtschaftende hörige Bauerntum, durchaus nicht in menschenunwürdige Zustände absank, vielmehr auf die Länge die Kraft sowohl zu einem öffentlichen Leben aufrechter Volksmenschen und Rechtsgenossen und zu einem privaten Leben fest zusammenhaltender Familien sich dauernd zu erhalten und dauernd in sich zu erneuern vermochte." Nicht Klassenkampf war deshalb der Inhalt der Auseinandersetzungen um „Fron und Herrenrecht", sondern „hohe Schule", „Lehrgang des Bauernvolkes" — offensichtlich — für die Verfeinerung ihrer Sitten, die nach Rumpf selbstverständlich in der Unterordnung unter die „natürlich-sittliche" Herrschaft der ja so tugendhaft überlegenen Feudalherren bestand. Der Bauer kämpfte nicht, er „spielte" vielmehr nur mit, indem er dem Herrn auch mal ein listiges „Schnippchen" schlug. Das „Bauernleben" der Feudalzeit wird so zu einem volkstümlich-fröhlichen Schwank umstilisiert, damit — im Gegensatz zur historischen Realität des feudalabhängigen und ausgebeuteten Bauern — die Fiktion eines „deutschen Bauerntums" vermittelt werden kann, das durch angebliches „Überwiegen nordischen und fälischen Blutes" und in der „auswärtigen Kolonisation" bewiesenen echten Herrentums als „bodenerobernder . . . wie sich am Boden zäh festklammernder . . . Landnehmer" bezeichnet wird, d. h. als jener „Krieger", wie ihn in der Zeit, als das Rumpfsche Werk erschien, die faschistischen Machthaber für ihre aggressive Eroberungspolitik brauchten. Das deutsche Volk dafür reif und bereit zu machen, diente 1936 der voluminöse „Bauernleben"-Band des Volkskundlers Max Rumpf mit seiner Verfälschung jeglicher Wahrheit und wissenschaftlichen Erkenntnis. Verständlich, daß er „auf die Bauernkriege . . . nicht näher eingegangen" ist, in denen „auf einmal die besondere Not des Bauernstandes" aufleuchtet. Nur erfährt man aus der Darstellung von Rumpf nicht wie — und soll es auch nicht —, da es doch den Bauern angeblich unter der entwickelten Fronherrschaft so „volkstümlich fröhlich" zumute gewesen sei, daß sie hier „durchweg freier aufatmeten". 16 Der erste Band des von Wilhelm Hansen herausgegebenen „Deutschen Bauerntums" enthält nun zwar einen von Ernst Schaper verfaßten besonderen Abschnitt „Der deutsche Bauernkrieg". 17 Tendenz und Inhalt sind aber hier die gleichen einer offenen Propagierung rassistischer und aggressiver faschisti-
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scher Ideologie. „Frühkapitalistischer Judenwucher" und „undeutsche Rechtsanschauung" gelten in dieser Darstellung als Ursachen des Bauernaufstandes, in dem der „germanisch-deutsche" Bauer „keineswegs aus wirtschaftlicher Not handelt", sondern „für Deutschlands Größe und Stärke" kämpft. Die religiösen „Schwarmgeister", d. h. vor allem das konsequentrevolutionäre Lager unter Führung Thomas Müntzers, werden verächtlich als ungermanisch abgewertet. Als Höhepunkt und Kern des Bauernkrieges wird das gemäßigte Lager um Wendelin Hipler mit seiner Reichsreform betrachtet, in der „das bäuerliche Staatsgestaltungsvermögen" zum Ausdruck komme, das sich — getreu dem vorangestellten „Führer"-Geleitwort — angeblich in „der Aufrichtung unseres völkischen Einheitsstaates unter nationalsozialistischer Führung" verwirklicht haben soll. Anbiedernde Widerlichkeit dieses faschistischen Propagandapamphlets spricht sich in der „Beurteilung" des Scheiterns des Bauernkrieges von 1525/26 aus, wenn nach nazistischer Führerideologie „der entscheidende Grund für den Zusammenbruch der Bewegung war, [daß] in entscheidender Stunde jene überragende Führergestalt [fehlte, die] alle wirksamen Kräfte zusammenfaßte und einheitlich einsetzte, wie es in unserer Nationalsozialistischen Revolution Adolf Hitler getan hat." So propagierte hier volkskundliche „Forschung" in sich offen korrumpierender Weise faschistische „Wehrbauern"-Ideologie zur ideologischen Vorbereitung des faschistischen Raubkrieges und gegen die Rolle und Theorie der Arbeiterklasse als der führenden Kraft in der Epoche des Übergangs vom Imperialismus zum Sozialismus. Drei Jahre nach 1945 erschien in Westdeutschland die einzige größere bürgerliche volkskundliche Arbeit, die sich seither mit dieser Zeit der revolutionären Entwicklung am Ende des 15. und Beginn des 16. Jahrhunderts beschäftigt hat: Will-Erich Peuckert, „Die große Wende", mit dem Untertitel „Das apokalyptische Saeculum und Luther". 18 Peuckert sieht in der Wende dieser Zeit nicht eine antifeudale Bewegung, die den Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus einleitet, sondern die „Ablösung einer bäuerlichen durch die bürgerliche Zeit". Bei dieser Beschreibung einer „Zeitwende" werden nun der Klassenbegriff und die Klassengegensätze mystisch — mit einem oft nur schwer zu genießenden mystischen Vokabular — zu „Kulturstufen" verschleiert. Die Bauern sind für Peuckert nicht eine Klasse, sondern er betrachtet „das Bäuerliche", die „bäuerliche Zeit" oder die „bäuerliche Welt" als eine Lebensform, die Bauern, Adel und König gleichermaßen und ununterschieden umschließt. 19 Die so ihres Klasseninhalts entkleidete bäuerliche Bewegung richtet sich nach Peuckert nicht in erster Linie gegen die feudalen Unterdrücker und Ausbeuter, sondern gegen die neuheraufziehende, ebenfalls mystifizierte „bürgerliche Welt". 20 Auch diese aufkommende „bürgerliche Welt" wird nicht klassenmäßig bestimmt als ökonomisch und sozial durch das sich entwickelnde frühkapitalistische Bürgertum geprägte gesellschaftliche Entwicklung, sondern bleibt weitgehend sozial unbestimmte „geistige
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Haltung". Im Untergang der „bäuerlichen Welt" geht nach Peuckert auch „das Reich" unter. 21 Reformation und Bauernkrieg werden auf Grund dieser Konzeption gegeneinandergestellt und nicht als Phasen und Positionen einer einheitlichen, letztlich durch die bürgerlich-frühkapitalistische Entwicklung bedingten revolutionären Bewegung erkannt. Die erste Klassenschlacht im Interesse des europäischen Bürgertums gegen das Feudalsystem ist vielmehr zur Apokalypse mythisiert. Nicht „soziale und wirtschaftliche Not" sei der Inhalt des Bauernkrieges und habe ihn herbeigeführt, sondern „das Aufbegehren aus dem Gefühl". 22 Die mystische Sprache Peuckerts entspricht völlig seiner mystischen Konzeption, reale historische Klassengegensätze und Klassenkonflikte mit einem irrationalen Schleier zu verdecken und die wirkliche Geschichte, die eine Geschichte der Klassen und der Klassenkämpfe ist, zu einer „Reihe aufeinanderfolgender Wachen" in mystisch-religiöser Sicht ideell zu verflüchtigen. 23 Es ist dies eine Geschichtsauffassung, die in ihrem konzeptionellen Kern einer ganzen Richtung nicht nur der westdeutschen Volkskunde, sondern der bürgerlichen deutschen Ideologie nach 1945 überhaupt entsprach, mit der die Niederlage des deutschen Faschismus nicht als Niederlage einer reaktionären Klassenherrschaft begriffen und bejaht, sondern als schicksalhafte Katastrophe mystisch verhüllt und durch die Konstruktion historischer „Parallelen" so auch in die Geschichte rückprojiziert wurde. Im übrigen taucht die Zeit des frühen 16. Jahrhunderts in allgemeineren Arbeiten der bürgerlichen Volkskunde zumeist nur in wissenschaftsgeschichtlichen Darstellungen auf. Nicht Volksleben und Volkskultur selbst, sondern die Beschäftigung mit ihnen in jener Zeit durch die Humanisten werden hier reflektiert. Die jüngste Äußerung dazu findet sich in Hermann Bausingers „Volkskunde". 24 Wie in den meisten Wissenschaftsgeschichten werden auch hier die Humanisten als Vorläufer einer wissenschaftlichen Volkskunde betrachtet. In dem Bestreben, von unhaltbar gewordenen reaktionären Konzeptionen der imperialistischen Geschichtsauffassung abzurücken, das eine ganze, von ihm wesentlich mitbestimmte Richtung in der gegenwärtigen BRDVolkskunde kennzeichnet, 25 versucht Bausinger die Vorläufer-Rolle der Humanisten für die Volkskunde umzukehren: Ihr Wirken für die Herausbildung von Elementen eines bürgerlichen Nationalbewußtseins wird mit dem späteren imperialistischen Chauvinismus weitgehend identifiziert 28 und so als negative „Hypothek der späteren Volkskunde" abgewertet. Das kann natürlich nur dadurch geschehen, daß der konkret-historische Klasseninhalt dieser humanistischen nationalen Bestrebungen wegmanipuliert und eine Verabsolutierung des „Nationalen" vorgenommen wird, das von seiner jeweils konkret-historischen sozialen Determiniertheit, der stets der Primat in der Dialektik von sozialer und nationaler Frage zukommt, abstrahiert erscheint. 27 Eine Analyse und Einschätzung der Volkskultur selbst in dieser Zeit wird nicht gegeben. 27 "
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Wenn wir in diesem Band nun versuchen, verschiedene Bereiche der Lebensweise und Kultur der ausgebeuteten und unterdrückten werktätigen Klassen und Schichten in der Periode jener revolutionären Entwicklung, die im deutschen Bauernkrieg von 1525/26 als einer der größten Klassenschlachten in der Geschichte des deutschen Volkes kulminierte, auf der Grundlage des historischen Materialismus darzustellen, dann müssen wir notwendig ausgehen von einer historischen Einschätzung der Funktion und Perspektive der Kultur dieser Klassen und Schichten, wie sie durch deren Klassenlage im feudalen Gesellschaftssystem auf der konkreten Stufe seiner geschichtlichen Entwicklung in diesem Zeitraum bedingt und bestimmt werden. 28 Gegen Ende des 15. und zu Anfang des 16. Jahrhunderts begann die in Europa bis 1789 reichende Epoche des Verfalls des Feudalismus und der Entstehung und Entwicklung des Manufakturkapitalismus. In den fortgeschrittensten deutschen Territorien setzte gegen Ende des 15. Jahrhunderts auf der Grundlage einer entwickelten Warenproduktion der Prozeß der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals und der Ausbreitung früher kapitalistischer Produktionsverhältnisse ein. Er drängte auf die Herstellung eines nationalen Marktes hin. Durch die Schwäche der Zentralgewalt und die sich festigende Macht der territorialen Feudalfürsten, durch Verstärkung der feudalen Bindung und Ausbeutung der bäuerlichen Produzenten sowie durch Ausplünderung und ideologische Bevormundung des deutschen Volkes seitens der Papstkirche und der hohen Geistlichkeit geriet die Entwicklung von Elementen des Kapitalismus frühzeitig in einen unmittelbaren Konflikt mit den feudalen Produktions- und Machtverhältnissen. Mit den sich verschärfenden Klassenauseinandersetzungen in Stadt und Land reifte im ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhundert in Deutschland eine gesamtgesellschaftliche Krise heran, die in der frühbürgerlichen Revolution kulminierte. Zur hauptsächlichen Triebkraft in diesen revolutionären Klassenkämpfen wurden die Bauern als stärkste und von den Auswirkungen der Feudalherrschaft am unmittelbarsten betroffene Klasse. Sie wurden unterstützt durch die plebejisch-vorproletarischen Schichten, die eigene, sich aus ihrer spezifischen Lage ergebende Forderungen anmeldeten. Die Ausprägung der progressiven Klassenlinie in der Entwicklung der Kultur in der Epoche des Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus wird durch die ökonomisch fortgeschrittenste Schicht des frühkapitalistischen Bürgertums bestimmt. Zwischen der sich herausbildenden bürgerlichen Klassenkultur und der Kultur der werktätigen ausgebeuteten Klassen und Schichten entwickelte sich, durch Rückschritte immer wieder gehemmt, ein Hegemon-Triebkräfte-Verhältnis. Die Entfaltung der bürgerlichen Klassenkultur und die in Wechselwirkung mit ihr sich entwickelnde Kultur des werktätigen Volkes haben in der Epoche des Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus die historisch-politische Funktion, die Beseitigung der Feudalordnung vorzubereiten: Bürgertum und Volksmassen ideologisch sowie geistig-kulturell zu befähigen, diese Aufgabe zu lösen. Dabei vertritt das
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Bürgertum in seiner Opposition gegen die feudale Gesellschaftsordnung den gesamtgesellschaftlichen Fortschritt. Die Herausbildung der bürgerlichen Nationalkultur vollzieht sich in dem Maße, wie das Bürgertum an antifeudaler Stoßkraft und an Einfluß im geistig-kulturellen Leben gewinnt. Die Volksmassen stellen in den Klassenkämpfen gegen die feudale Ordnung die treibende Kraft dar, insbesondere in der frühbürgerlichen Revolution in Deutschland, der ersten der drei großen Entscheidungsschlachten des europäischen Bürgertums gegen das Feudalsystem. Sie entwickeln Elemente einer antifeudalen Kultur, die eine mobilisierende Rolle in ihrem Kampf gegen die herrschende Feudalklasse spielen. Zugleich bilden ihre kulturellen Leistungen eine wichtige Grundlage für die Entwicklung der bürgerlichen Nationalkultur. In den Zentren und Bereichen, in denen sich frühe kapitalistische Produktionsverhältnisse herausbilden — vor allem in Bergbau, Textilmanufaktur und Schiffahrt — entstanden relativ starke vorproletarische Schichten. Ihre Lebensweise wurde bereits wesentlich durch die frühkapitalistische Ausbeutung mitgeprägt. In den sich verschärfenden Klassenkampfaktionen gegen die verstärkte Ausbeutung, einschneidende Arbeitsordnungen, Lohndruck, Not und Elend durch Unfälle, Krankheit, ungenügende Ernährung usw. bewährten sich genossenschaftliche Organisationsformen der Werktätigen wie die bergmännischen Knappschaften. Das Zunfthandwerk, dem die Masse des städtischen Bürgertums angehörte, hatte den Höchststand der Entwicklung der Produktivkräfte im Rahmen des Kleinbetriebs bereits überschritten. Durch weitere Arbeitsteilung und Aufnehmen neuer Gewerbe sowie durch spezialisierte Massenproduktionen versuchte es in größeren Städten, sich der frühkapitalistischen Entwicklung anzupassen und konnte dadurch begrenzt am allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung teilnehmen. Es behielt in dieser Periode noch einen quantitativ großen Anteil an der Produktion und Entwicklung der materiellen Kultur (wofür vor allem Städteausbau, Wohnkultur, Kleidung zu erwähnen sind) und konnte auch der bürgerlich-städtischen geistigen Kultur in ihrer eigenständigen, sich von der Feudalkultur befreienden Entwicklungstendenz noch Inhalte und Impulse vermitteln (Bildungswesen, Lied- und Musikkultur, Herausbildung städtebürgerlich-antifeudaler Volksdichtung). Zur ideologisch und kulturell führenden Kraft wurde jedoch immer mehr das kapitalistisch wirtschaftende Bürgertum — als führende Kraft des gesellschaftlichen Fortschritts — und die seine Interessen vertretende Intelligenz (Juristen, Ärzte, Lehrer, Künstler, Geistliche). Zugleich verschärfte sich der Hauptklassengegensatz des Feudalismus zwischen Feudalherren und Bauern. Die Entwicklung der städtisch-gewerblichen Produktion, die Entfaltung der Ware—Geld-Beziehungen und deren Auswirkungen auf die Agrarproduktion waren nicht mit einer Auflösung der feudalen Produktionsverhältnisse auf dem Lande verbunden, sondern beruhten auf einer stärkeren feudalen Bindung und Ausbeutung der bäuerlichen Produzenten. Die Bauern bildeten noch immer die Hauptmasse der Produzenten. Trotz einiger von den Bauern — meist regional begrenzt — erkämpfter
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und erarbeiteter Fortschritte in ihrem materiellen und geistigen Leben (z. B. auch gewisser Fortschritte in der Rezeption bürgerlichen Kultur- und Ideenguts) blieb das Kulturniveau der werktätigen Landbevölkerung weiter hinter dem der Städtebürger zurück. Infolge der besonderen Zuspitzung der feudalen Klassengegensätze reifte der stärkste revolutionäre Zündstoff in der Masse der bäuerlichen Bevölkerung heran. In der nach 1470 anwachsenden Welle revolutionärer Massenbewegungen spielte auch die Volksdichtung eine mobilisierende ideologische Rolle. Auf dem Höhepunkt der Klassenauseinandersetzungen dieser Periode, der frühbürgerlichen Revolution, und insbesondere dem deutschen Bauernkrieg, trat die Rolle der Volksmassen als entscheidende Kraft für die Durchsetzung des gesellschaftlichen Fortschritts deutlich hervor. Die zunehmende Revolutionierung der werktätigen Klassen und Schichten stellte einen unmittelbar wirkenden Antrieb für die Herausbildung bürgerlich-radikaler Elemente und Werke in Literatur und Kunst dar. Von großer Bedeutung für die kämpferischen Aktionen der Bauern waren die von ihnen bewahrten oder entwickelten und in Klassenkämpfen erprobten genossenschaftlichen Organisationsformen. Tradierte oder neu geschaffene Symbole (z. B. der Bundschuh) drückten die ideologischen Zielvorstellungen aus und dienten dem organisatorischen Zusammenhalt der kämpfenden Volksmassen. Ein Element von bedeutender ideologischer Kraft stellte in den revolutionären Massenbewegungen die Volksdichtung dar (Volksschauspiel, Schwank, protestantisches Gemeindelied, Bauernkriegslied, Sage). Die Niederschlagung der frühbürgerlichen Revolution in Deutschland hatte weitreichende verhängnisvolle Folgen, die in der Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges ihren sichtbarsten Ausdruck fanden. Die Machtfrage war zugunsten der Territorialfürsten entschieden. „ Der großartigste Revolutionsversuch des deutschen Volkes [vor 1848] endigte mit schmählicher Niederlage und momentan verdoppeltem Druck." 29 Die vielfältigen günstigen Bedingungen, die für die Entfaltung einer progressiven bürgerlichen Kultur und für die Herausbildung von Voraussetzungen zur Formierung einer bürgerlichen deutschen Nation bestanden hatten, waren nun erheblich eingeschränkt. Die weiterwirkenden Leistungen in der geistigen Kultur, im Bildungswesen und in den Lebensformen des Bürgertums aus der Zeit vor und während der frühbürgerlichen Revolution verloren zunehmend ihren revolutionären sozialen Inhalt. Die bürgerliche Kultur in Deutschland büßte immer mehr den Anschluß an die progressiven Kulturströmungen der fortgeschrittenen Länder Europas ein. Sie wurde nun in zunehmendem Maße durch eine vom Adel und von den fürstlichen Residenzen bestimmte reaktionäre Entwicklung der Kultur zurückgedrängt. Am nachhaltigsten verschlechterte sich die Klassenlage der Bauern. Auf ihre Lebensverhältnisse wirkte sich die Niederlage der frühbürgerlichen Revolution in Deutschland am unmittelbarsten aus (Erhöhung der Abgaben und Frondienste, Verstärkung der feudalen Bindungen, Einengung oder Zerschla-
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gung der genossenschaftlichen Organisationen, härteste Unterdrückung jeglicher oppositioneller Regungen, Reglementierungen, weitere Rückständigkeit des Bildungswesens). Dennoch hielten die Bauern trotz des Drucks der Feudalherren unter großen Anstrengungen das Produktionsniveau und konnten es unter Bedingungen weniger ausgeprägter Feudalabhängigkeit sogar steigern. Durch ihre Arbeit sicherten sie unter erschwerten Bedingungen weiterhin die hauptsächlichsten materiellen Lebensgrundlagen der Gesellschaft. Für die volkskundliche Forschung in der DDR ist die Untersuchung wesentlicher Leistungen, Traditionen und Erscheinungen des Lebens und der Kultur werktätiger Klassen und Schichten in ihrer Beziehung auf eine Revolution als Höhepunkt des Klassenkampfes ein neuer, wichtiger Schritt zur Erkenntnis und Darstellung historischer Gesetzmäßigkeiten in jenen gesellschaftlichen Bereichen, die ihren Forschungsgegenstand umfassen. Wir lassen uns dabei von der marxistisch-leninistischen Auffassung leiten, daß die Revolutionen Knotenpunkte sind, an denen, gesamtgesellschaftlich gesehen, jeweils der Umschlag zur neuen historischen Qualität erfolgt. Der Inhalt und die Problematik vor allem von Übergangsepochen und der sie prägenden gesellschaftlichen Prozesse und Erscheinungen können daher besonders im Zusammenhang mit der Untersuchung von Revolutionen und der Rolle, die bestimmte Erscheinungen darin spielen, geklärt werden. 30 Dabei kommt der komplexen Sicht auf einen weiten Querschnitt durch das Leben und die Kultur des Volkes in einer solchen Periode ein wesentlicher methodologischer Wert zu. Nur so ist es möglich, die konkreten historisch gesellschaftlichen Möglichkeiten, Funktionen und Grenzen der Volkskultur in ihrer wirklichen Bedeutung für die gesellschaftliche und geistig-kulturelle Entwicklung und in ihrer spezifischen Eigenart aufzuzeigen und zu beurteilen. Eine solche vergleichende und zusammenfassende Darstellung und Beurteilung macht deutlich, daß nicht nur alle wesentlichen Bereiche der Lebensweise und Kultur von den Klassenauseinandersetzungen in der frühbürgerlichen Revolution in irgendeiner Weise erfaßt wurden, sondern daß durch die Entwicklung des revolutionären Bewußtseins und den Aufschwung des revolutionären Kampfes neue Inhalte, Funktionen und Formen der kulturellen Aktivität der Volksmassen entstehen konnten. Der überregionale, nationale Dimensionen annehmende revolutionäre Ansturm des Volkes gegen das Feudalsystem wurde mit zu einer bedeutenden Triebkraft für die Herausbildung von Elementen eines bürgerlichen Nationalbewußtseins und einer einheitlichen deutschen Sprache. Die Volksmassen ergriffen aus ihren eigenen kulturellen Traditionen, aus gesellschaftlicher Organisation, Sitte und Brauch, aus Lied und Dichtung jene Inhalte, Elemente und Formen, die sich als geeignet für die Äußerung und Mobilisierung revolutionären Bewußtseins und zur Unterstützung ihres revolutionären Kampfes erwiesen. Zugleich gelang es ihnen in dieser Periode einer Anspannung und Entfaltung höchster gesellschaftlicher Energien, sich manche der für ihren Kampf notwendigen und 2
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brauchbaren Elemente anzueignen und ihren Bedürfnissen entsprechend einzuformen, die sie aus der höher entwickelten Kultur der führenden, fortgeschrittensten Schichten des Bürgertums aufnahmen wie auch aus der Kultur im Dienst und Bereich der herrschenden Feudalklasse, die vor allem die Medien der kulturellen Kommunikation noch weithin beherrschte. Mit haßerfüllten Verfolgungen und Bestrafungen suchten die Feudalmächte nach der Niederschlagung des Bauernkrieges diese Aneignung von solchen Kulturgütern und Kulturinstrumenten zu verbieten und unmöglich zu machen. Auf eine grausame Art machen diese Verfolgungen die große Bedeutung jener kulturellen Medien und Äußerungen in den Klassenkämpfen deutlich. Im Rahmen ihrer durch Ausbeutung und Unterdrückung eingeschränkten Möglichkeiten und Bedingungen erbrachten die Bauern vor allem auf dem Gebiet der materiellen Kultur beachtliche Beiträge zum kulturellen Fortschritt der Epoche. In der geistigen Kultur bildete für sie die Sage ein wichtiges Mittel zur Äußerung oppositionellen antifeudalen Bewußtseins. Die konsequentesten und unmittelbar mobilisierenden revolutionären Zeugnisse der geistigen Volkskultur kommen in der Periode der frühbürgerlichen Revolution jedoch aus der städtischen kleinbürgerlichen und plebejischen Opposition. Die führende Rolle des Bergbaus für die ökonomische und soziale Entwicklung jener Zeit findet ihren Ausdruck auch in der aktiven und bedeutenden schöpferischen Rolle der Bergleute bei der Weiterentwicklung wesentlicher Bereiche der materiellen und geistigen Kultur. Die Profanierung bergmännischer Sujets in der bildenden Kunst und die sich hier verstärkende Herausbildung realistischer Elemente geschieht auf der Grundlage ihrer Arbeitsverhältnisse und -leistungen und ihres sich entwickelnden sozialen Bewußtseins. Hier formen sich auch über die Kritik an den feudalen Verhältnissen hinausgehende erste bewußte und wirksame kulturelle Äußerungen einer sozialen Anklage frühkapitalistischer Ausbeutungsweisen. Zu den eindrucksvollsten revolutionären und für uns besonders wertvollen Zeugnissen der geistigen Volkskultur aus dem deutschen Bauernkrieg gehören die wenigen erhaltenen Lieder der kämpfenden Massen. Es sind Lieder der städtischen kleinbürgerlichen und plebejischen Opposition. Auch wenn sich infolge der scharfen Verfolgung und Unterdrückung durch die Feudalherren nur sehr wenige solcher Texte erhalten haben, so zeigen sie doch, wie Menschen aus dem Volke ihre kulturelle schöpferische Kraft für die revolutionäre Bewußtseinsbildung im Klassenkampf einzusetzen verstanden und welche aktive Rolle diese Zeugnisse gespielt haben. Zugleich wird aber auch der ungeheure Druck sichtbar, mit dem die herrschende Klasse auch auf dem Gebiet der Kultur das Volk zu überwältigen und zu beherrschen unternahm. So kennen wir revolutionäre Uberlieferungen aus der geistigen Volkskultur jener Zeit vielfach nur aus Gerichts- und Folterprotokollen, unter ihnen zwei Lieder aus dem Kreis der Revolutionäre um Thomas Müntzer. Sie gehören mit ihrer klaren, ungebrochenen Kampfansage gegen die grausamen siegreichen Feudalmächte und ihre Helfershelfer mit zum wichtigsten revolutionären Vermächtnis der
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Kultur dieser Epoche für uns heute. Aus ihnen sprechen jene Kräfte über die Jahrhunderte unmittelbar zu uns, durch die — wie Friedrich Engels einschätzte — „der deutsche Bauernkrieg prophetisch hinfwies] auf zukünftige Klassenkämpfe, indem er nicht nur die empörten Bauern auf die Bühne führte — das war nichts Neues mehr —, sondern hinter ihnen die Anfänge des jetzigen Proletariats, die rote Fahne in der Hand und die Forderung der Gütergemeinschaft auf den Lippen." 31 Zugleich stellt die Gesamtheit der revolutionären und fortschrittlichen kulturellen Äußerungen und Leistungen der werktätigen unterdrückten und ausgebeuteten Volksmassen aus der Zeit des deutschen Bauernkrieges ein wertvolles Erbe dar, das jene progressive Klassenlinie wesentlich mitprägte, die unmittelbar zu unserem Kampf unter der Führung der Arbeiterklasse für die Befreiung der in den Klassengesellschaften ausgebeuteten werktätigen Menschen von jeglicher Ausbeutung durch den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft hinführt. Mit der Analyse und Darstellung dieses Erbes wollen die Volkskundler der DDR einen Beitrag zum 450. Jahrestag des deutschen Bauernkrieges geben. Sie tun das in dem Bewußtsein, daß dieses Erbe heute in unserer sozialistischen Gesellschaft, die die Verkörperung der besten Traditionen des Kampfes der Volksmassen der Geschichte ist, gepflegt und auf höherer Stufe weitergeführt wird. Zur Erarbeitung dieses Bandes haben alle Mitarbeiter über ihren Beitrag hinaus auch kollektiv beigetragen, indem jeder an der Diskussion sämtlicher Manuskripte durch Gutachten und Vorschläge aktiv teilgenommen hat. Dr. habil. Reinhard Peesch betreute die Typographie und den Illustrationsteil. An der Vereinheitlichung der Manuskripte und dem Lesen der Korrekturen hat Frau Waltraut Donath mitgewirkt. Ein herzlicher Dank aller Autoren gilt den Kollegen des Wissenschaftsbereichs Feudalismus am Zentralinstitut für Geschichte der AdW, Dr. Sigrid Looß und Dr. Dietrich Lösche, die unsere Arbeit mit vielen wertvollen Hinweisen wesentlich gefördert haben. Hermann Strobacb Anmerkungen 1 2 3 4 5
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MEW 7, S. 343. Ebda., S. 5 3 1 - 5 3 2 . Ebda., S. 532. Ebda., S. 363, 331, 343 - 3 4 4 . Friedrich Engels, Dialektik der Natur, Einleitung, MEW 20, S. 311—327; ders., Aus dem handschriftlichen Nachlaß: [Über den Verfall des Feudalismus und das Aufkommen der Bourgeoisie], MEW 21, S. 392—401; ders., Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, Einleitung zur englischen Ausgabe von 1892, MEW 22, S. 2 9 9 - 3 0 4 . MEW 21, S. 3 9 9 - 4 0 0 .
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Steinitz I. Siehe ferner die beiden in diesen Band aufgenommenen Arbeiten von Wilhelm Fraenger und Friedrich Sieber. 8 Autorenkollektiv unter Leitung von Bernhard Weißel, Hermann Strobach, Wolfgang Jacobeit. In: Wiss. Mitt. d. Dt. Historiker-Gesellschaft 1972, 1—3. 9 Karl Marx, Einleitung zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie, MEW 1, S. 386. 10 Vgl. Deutsches Rechtswörterbuch (Wörterbuch der ältesten deutschen Rechtssprache), bearbeitet von Richard Schröder und Eberhard Freiherr von Künsberg, Bd. I, Weimar 1914 — 1932, Sp. 823 arm man = unfreier Bauer, später Untertan, aber in der Bedeutung nicht immer scharf zu trennen von Angehöriger der sozial unteren (ärmeren) Schichten, s. ebda., Sp. 821 armen burgern (arme Bürger) 1538, arme burgerschaft 1581 u. a.; Grimm DWb I Sp. 554 arm man oft „im Gegensatz zum Vornehmen bloß der geringe, gemeine Mann"; Lexer, Mhd. Handwörterbuch, I, Leipzig 1872, Sp. 94—95 arm man = armer Mann, bes. der nicht freie Bauer, der Leibeigene, Holde; Trübners Dt. Wörterbuch, I, Berlin 1939, S. 124 „In mhd. Rechtssprache sind die armen liute [Leute] die gedrückte Gesellschaftsklasse"; siehe auch HelmutWilsdorf, Kulturelle Entwicklungen im Montanbereich,in diesem Band S. 142, S. 143, Berggedicht von 1521: arm man = als Eigenlehner arbeitender Bergmann, der von den frühkapitalistischen Verlags-Unternehmen um seine Anteile gebracht wird. 11 Karl-Sigismund Kramer, Bauern und Bürger im nachmittelalterlichen Unterfranken, Würzburg 1957, S. 226. 12 Ebda., S. 211—226; ders., Volksleben im Fürstentum Ansbach und seinen Nachbargebieten (1500-1800), Würzburg 1961, S. 3 1 2 - 3 2 8 ; vgl. auch ders., Volksleben im Hochstift Bamberg und im Fürstentum Coburg (1500 — 1800), Würzburg 1967, S. 264—270, wo nicht eine historische Entwicklung, sondern eine „historische Typologie" der Jahrhunderte zu geben versucht wird. 13 Vgl. vor allem ders., Unterfranken, a. a. O., S. 212, 213, 225; ders., Volksleben im Fürstentum Ansbach, a. a. O., S. 319, 322. 14 Ders., Unterfranken, a . a . O . , S. 226; ders., Volksleben im Hochstift Bamberg, a. a. O., S. 270. 16 Ders., Unterfranken, a.a.O., S. 212. 16 Max Rumpf, Deutsches Bauernleben, Stuttgart 1936, S. 151, 137, 606, 621, 142, 602, 621, 143-144, 155, 146, 154. 17 Berlin-Schöneberg [1938], Bd. I, 9 1 - 1 1 4 . 18 Hamburg 1948. 19 Ebda., vor allem S. 1 1 - 1 3 , 240. 20 Ebda., S. 240 - 2 4 1 , 641 ff. 21 Ebda., S. 635. 22 Ebda., vor allem S. 631ff. 23 Ebda., S. 7. 24 Berlin—Darmstadt—Wien o. J., S. 12 — 17: „Vorspiel: Humanistisches Nationalbewußtsein". 26 Siehe Hermann Strobach, Positionen und Grenzen der „kritischen Volkskunde" in der BRD. JbfVkKg 1 (1973) S. 4 5 - 9 1 . 26 Das kommt auch in der Abwertung des international-vergleichenden Aspekts in der volks- und völkerkundlichen Beschäftigung der Humanisten durch Bausinger zum Ausdruck. Siehe dazu die marxistische Auffassung bei Wolfgang Steinitz, Die volkskundliche Arbeit in der Deutschen Demokratischen Republik, Leipzig 2 1955, S. 8. 7
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Bausinger formuliert seine Position deutlich in seiner „Standort"-Bestimmung am Schluß seines Buches (S. 261ff.): Nach einer Kritik des Klassenbegriffs als Grundlage für eine soziale Abgrenzung des Gegenstandsbereichs der Volkskunde (S. 257 bis 259) beschreibt Bausinger „im Sinne der kritischen Theorie" Adornos die „gesellschaftskritische" Aufgabe einer „kritischen" Volkskunde (S. 272) in der Richtung auf „das utopische Modell, das zu konkretisieren wäre", nämlich „in der Richtung einer wirklich offenen Gesellschaft, in der gesellschaftliche Barrieren weitgehend abgebaut sind und in der unvermeidliche formale Restriktion nicht Entmächtigung und Manipuliertheit einschließt, sondern dazu beiträgt, das Dasein sinnvoll zu strukturieren" (S. 261). Wir greifen hier das Konzept eines sogenannten „dritten Weges" zwischen Kapitalismus und Sozialismus, der in Wirklichkeit auf Reform und Stabilisierung des Kapitalismus hinausläuft, weil er die Eigentumsverhältnisse nicht in die Kritik einschließt geschweige denn antastet. Die ideologische Grundlage für dieses Konzept ist „die philosophisch orientierte Konvergenztheorie" (S. 273), und die ihr entsprechende und propagierte Form der gesellschaftlichen Aktivität ist die reformerische Praxis der „kleinen Schritte" (ebda). 2?a Erst nach Abschluß des Manuskripts für diesen Band erschien: Volkserzählung und Reformation. Ein Handbuch zur Tradierung und Funktion von Erzählstoffen und Erzählliteratur im Protestantismus, hrsg. von Wolfgang Brückner. Berlin 1974. Ich kann dazu jetzt nur auf die Rezension von Gisela Burde-Schneidewind verweisen, die im Jb. f. Volkskunde und Kulturgeschichte erscheinen wird. 28 Zum Folgenden siehe Klassenkampf, Tradition, Sozialismus. Von den Anfängen der Geschichte des deutschen Volkes bis zur Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der DDR. Grundriß. Berlin 1974, S. 131 — 173. Abriß zur Geschichte der Kultur und Lebensweise der werktätigen Klassen und Schichten des deutschen Volkes vom 11. Jahrhundert bis 1945 (Anm. 8). 29 MEW 7, 409. 30 Siehe Gerhard Schilfert, Die Revolutionen beim Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 17 (1969) S. 171. 31 Engels, Dialektik der Natur, a. a. O. (Anm. 5), S. 311.
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Arbeit und Arbeitsgerät der Bauern zur Zeit des deutschen Bauernkrieges Der folgende Beitrag behandelt die produktionstechnische Basis der Bauernwirtschaften um 1525. Er führt damit in die agrarökonomische Problematik der Epoche ein und interpretiert die Entwicklung der agraren Produktivkräfte zugleich als Kulturleistung der bäuerlichen Klasse. Die Frage, wie die deutschen Bauern um 1525 arbeiteten, welche Geräte sie anwendeten, welche Erzeugnisse sie produzierten, schließlich: wie ihr technisch-intellektuelles Produktionsniveau insgesamt beschaffen war, ist von der volkskundlichen und historischen Forschung in der Deutschen Demokratischen Republik bislang kaum erörtert worden. Erste resümierende Einschätzungen finden sich in Gesamtdarstellungen zur Geschichte der frühbürgerlichen Revolution und zur Kultur des werktätigen Volkes in diesem Geschichtsabschnitt. So wurden regional differierende, im ganzen aber unverkennbare Fortschritte in der landwirtschaftlichen Produktion vor und um 1500 konstatiert, die offenbar jedoch nicht auf einer Verbesserung der Produktionsinstrumente beruhten.1 Von volkskundlicher Seite konnten wiederum gerade für die Erweiterung des agraren Gerätefundus einige Beispiele gebracht werden, wobei das technisch-kulturelle Niveau der bäuerlichen Produzenten insgesamt als relativ niedrig im Vergleich zu dem der handwerklichgewerblich tätigen Produzenten eingeschätzt wurde. 2 Dieser — übrigens nur scheinbar kontroverse — Forschungsstand ermangelt zweifellos der Konturen, und sie will der vorliegende Beitrag nachzeichnen, bevor präzisierte Thesen aufgestellt werden. Er verwertet Quellen unterschiedlichster Art, darunter ikonographische Zeugnisse und archivalische Belege, ferner die breite regionalgeschichtliche Literatur sowie überregionale Forschungen zur Geschichte der Agrartechnik und -Ökonomie, die während des letzten Jahrzehnts besonders in einigen westeuropäischen Ländern erschienen sind (Slicher van Bath, Parain, Abel; s. Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur). 3 In allen diesen Darstellungen erscheint die Zeit um 1500 freilich niemals als Zäsur, was die konkret-historische Auswertbarkeit erschwert, und neben der sozialökonomischen bleibt auch die geographische Differenzierung ungenügend. An dem letztgenannten Punkt setzen die Untersuchungen G. Wiegelmanns ein, des führenden Vertreters der „kulturgeographischen" Methode in der Volkskunde der BRD, der sich um die Bestimmung von „Novationszentren" und „Reliktgebieten" im deutschsprachigen Gebiet des 16. Jahr-
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hunderts bemüht hat (Wiegelmann, Ergebnisse; Wiegelmann, Innovationszentren). Mit seinen Ergebnissen wird sich die folgende Darstellung im besonderen auseinandersetzen. An erster Stelle soll jedoch ein Aufriß des technisch-kulturellen Standards der deutschen Landwirtschaft während der Jahrzehnte um 1500, verdeutlicht an ausgewählten Sachbereichen von hinreichender Relevanz, stehen. 1. Der anbaufähige Grund und Boden als das agrare Hauptproduktionsmittel erfuhr während der Jahrzehnte vor und nach dem Bauernkrieg nochmals eine beachtliche Zunahme. Zwar nicht vergleichbar dem Zuwachs des 11. bis 13. Jahrhunderts, dehnte sich doch die landwirtschaftliche Nutzfläche durch bäuerliche Rodungstätigkeit und andere Kultivierungsmaßnahmen nochmals aus.4 Dieser quantitativen Ausdehnung entsprach tendenziell — nicht in Tempo und Umfang — die qualitative Weiterentwicklung der Agrikultur. Sie führte zwar auf dem Gebiet der Feldsysteme über die große Errungenschaft des Mittelalters, die Dreifelderwirtschaft, nicht prinzipiell hinaus und beließ auch anderen, teils älteren Systemen wie der Feldgraswirtschaft in den Alpen, der Zweifelderwirtschaft am Oberrhein oder der Haubergs- und Schiffelwirtschaft (Formen der Brandwirtschaft) in einigen mittelrheinischen Gebieten ihren großenteils ökologisch bedingten Platz. Aber neben die klar dominierenden Zeugnisse für die normale Dreifelderwirtschaft, wie sie aus nahezu allen deutschen Landschaften vorliegen, treten zunehmend Nachrichten über das Besäen des Brachfeldes, die sog. Brachbesömmerung durch Futter- und Handelsgewächse. Dem vorläufig isolierten niederrheinischen Beleg von 1277 (!) und den zahlreichen Nachweisen für die Mitte des 16. Jahrhunderts (Abel 95) sind hinzuzufügen: 1412 Goselitz bei Zschaitz Kr. Döbeln, ca. 1430 Niederich bei Landskron a. d. Ahr, 1480 Pflaumloch bei Nördlingen/Schwaben, 1475/ 1568 Thierhaupten bei Augsburg. 5 Auf das Problem der Brachbesömmerung wird unten im Zusammenhang mit der genossenschaftlichen Komponente des Wirtschaftens nochmals einzugehen sein. Die Tendenz, die Zahl der Bodenbearbeitungsgänge innerhalb des Wirtschaftsjahrs zu erhöhen, hielt im 15. und 16. . Jahrhundert an. Der hochmittelalterliche Trend, das Winterfeld statt zweimal dreimal — in drei Art oder Ert — zu pflügen, wurde jetzt offensichtlich zum Standard. Die drei Pfluggänge zur Wintersaat hießen allgemein Brache, Rore (Rure, Ruhrfalg) und Saat, verbal brachen, ruren (feigen) und ^ur Saat eren (ackern, fahren), im niederdeutschen Sprachgebiet Brake, Wendfahre und Saat bzw. braken, wenden und tor saat plögen (fahren). Sie wurden im Juni, August und September gezogen. Zusätzlich kam in Südwestdeutschland — nach drei mir vorliegenden Belegen aus Württemberg (1402!), dem Elsaß (o. J., 15./16. Jh.) und der badischen Pfalz (1551)6 — ein vierter Bodenbearbeitungsgang zur Wintersaat auf. Es spricht für die geringe Verbreitung der Sache, daß sie offensichtlich noch keine volks-
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sprachliche Bezeichnung besitzt, die übrigens im Niederländischen, wo diese Neuerung schon stärker verbreitet gewesen zu sein scheint, im 15. Jahrhundert vorhanden ist (schuffelvoor). 7 Hier und im eigentlichen norddeutschen Raum wurden auch der Sommersaat statt nur einer zwei Furchen gegeben, davon eine, die stortvoor oder nd. Strekfahre,8 schon im Herbst zuvor, ein Vorgang, den die Quellen im mittel- und oberdeutschen Sprachgebiet vorläufig nicht erkennen lassen. Das Hauptbodenbearbeitungsgerät der Zeit um 1500 war eindeutig der P f l u g (im engeren Sinne), ein hölzernes Gerät mit Eisenschar und -sech, seitlichem Streichbrett und Radvorgestell, dessen stetiges Vordringen die genetisch älteren, den Boden mehr aufreißenden als wendenden Geräte vom Haken-(Arl)-Typ allerdings nicht überall hatte aussterben lassen. Das mittlere Kärnten und einige angrenzende Gebiete scheinen noch im 16. Jahrhundert sogar allein die Arl gekannt zu haben.9 In den Landschaften östlich von Elbe, Saale und Naab sowie im Alpenraum existierten Haken (Arl) und Pflug zumeist nebeneinander,10 wobei die Hakengeräte in der Regel zur zweiten Winterfurche und zum Unterackern der Sommersaat eingesetzt wurden. In den meisten Landschaften westlich der oben grob skizzierten Linie kam der Pflug — ungeachtet einiger Haken-Relikte, die noch im 19. Jahrhundert greifbar waren, — weitgehend allein vor. Aus südwestdeutschen Pflugdarstellungen des 16. Jahrhunderts hat man entnehmen wollen, daß die zweifelsfrei symmetrische Form der Schare für das Fortleben des streichbrettlosen, symmetrisch arbeitenden Hakens in diesem Gebiet spreche.11 Möglicherweise ist die dortige traditionelle Scharsymmetrie ein „Erbe" der Haken-Ära, aber sie hat zugleich Bedeutung für eine Weiterentwicklung des Pfluges, indem sie nämlich eine Prädisposition für die Herausbildung des Kehrpfluges darstellt. Der Kehrpflug vereint bekanntlich die Vorzüge von Pflug und Haken: den bodenwendenden Effekt einerseits und die Möglichkeit, ohne Leerfahrt neben der zuletzt gezogenen Furche zurückackern zu können, andererseits. Er besitzt ein Streichbrett, das die Scholle nach jeweils einer Seite wendet, das aber am Ende der Furche umgesetzt wird und nunmehr — vom Pflüger aus gesehen — nach der anderen Seite wendet, ohne daß die beim Pflug mit starrem Streichbrett jedesmal notwendige Leerfahrt an der Stirnseite des Ackers erfolgen muß. Das Ergebnis ist ein „Ebenpflügen" statt des „Beetbaus". Ein Kehrpflug, der diesen Effekt bewirkt, muß — wenn die Lösung nicht in einer Addition zweier (drehbarer) Beetpflugkörper besteht — außer dem umsetzbaren Streichbrett notwendig eine symmetrische Schar besitzen, welche die Scholle wechselseitig links und rechts anschneiden kann. In diesem Sinne prädisponiert die symmetrische Schar südwestdeutscher Pflüge die Entwicklung des Kehrpfluges, dessen früheste schriftliche Bezeugung durch die Erwähnung von Riesterbaken ,Halterungen des umsetzbaren Streichbretts' aus Württemberg 1425 datiert.12 Abb. 1 verdeutlicht den Unterschied zwischen Haken- oder Kehrpflugschar einerseits und Beetpflugschar andererseits.
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Es steht außer Frage, daß das „Ebenpflügen" besonders in Hanglagen der Gebirge die Bodenbearbeitung wesentlich erleichtert, doch lehrt das Vorkommen eines im Prinzip gleich konstruierten Kehrpfluges in den Ebenen von Flandern und den Niederlanden, 13 daß technischer Fortschritt nicht primär aus dem geographischen Milieu erwächst. Den frühesten schriftlichen niederländischen Beleg bietet m. E. die Nennung von kouter- en ristervederen , Spreizstäbe für umstellbare Seche und Streichbretter' (?) 1410/20 Hattem bei Zwolle 14 (vgl. Taf. 1). Anders konstruiert ist der Kehrpflug im alpinen Raum, er tritt dort in der oben erwähnten zweiten Variante als Doppelpflug mit asymmetrischer
Abb. 1. Symmetrische und asymmetrische Pflugschar (schematisierte Umzeichnungen) a) Oberrhein (Luzern), 1518: Detail aus einer Zeichnung Hans Holbeins d. J. Nach: Hans Holbein d. J., Zeichnungen. Hrsg. v. Curt Glaser, Basel 1924, Taf. 7 b) Niederösterreich (Wien), spätes 15. Jh.; Attribut der Kunigundenstatue im Chorgestühl von St. Stephan. Nach: Joseph Braun, Tracht und Attribute der Heiligen in der dt. Kunst, Stuttgart 1943, Abb. 238
Schar, Streichbrett und Sech in jeweils zweifacher Ausführung an e i n e m Gerät auf; die erste ausdrückliche Erwähnung datiert von 1513 oder 1593. 15 Das im 15./16. Jahrhundert zu verzeichnende, höchst bemerkenswerte Aufkommen des Kehrpfluges ändert nichts an der Dominanz des gewöhnlichen Pfluges, des Beetpfluges, in den meisten deutschen Landschaften. Der Beetpflug selbst (Taf. 2) existierte in einer Fülle von regionalen Typen, deren Gerippevarianten hier, solange es um den technisch-kulturellen Fortschritt allgemein geht, übergangen werden können. Funktional von Belang sind allenfalls die Bemühungen um die Entwicklung eines anspannungs- und arbeitssparenden Geräts in den Niederlanden, wo man die ohnehin schon leichteren einsterzigen Pflüge statt mit einem Radvorgestell zunehmend mit einer Schleifstelze oder einem Stelzrad ausrüstete. 16 Ohne schon voll ausgereift zu sein, reichen auch die ersten Überlegungen und Vorschläge hinsichtlich einer verbesserten Bodenwendung durch das Pflugstreichbrett, einer Arbeitsersparung durch Mehrscharigkeit der Pflüge und sogar einer Teilmechanisierung der Pflugarbeit in das 15. und 16. Jahrhundert zurück. Aufsehen erregt hat vor einigen Jahren die Pflugdarstellung auf einem bisher unbekannten „Ceres"-Bild aus einer um 1410 in Paris illu-
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strierten Boccaccio-Handschrift. 17 Der dort minutiös und offensichtlich ganz naturalistisch wiedergegebene Pflug (Taf. 7) besitzt ein perfekt ausgebildetes gewundenes Streichbrett, mit dem der Boden ungleich besser gewendet wird als mit dem geraden, unverbunden über der Schar sitzenden Streichbrett der normalen älteren Pflüge. Neben der sensationellen Datierung ist die Lokalisierung von selten der Pflugforschung bisher vernachlässigt worden, wie man übrigens auch die Parallelität mit der Pflugdarstellung in den „Très riches heures" des Herzogs von Berry — ebenfalls 15. Jahrhundert —, worauf ein gewundenes Streichbrett von der „Landseite" her zu sehen ist, 18 nicht erkannt hat. Bestimmte Stileigenarten der franko-flämischen Buchmalerei, die Herkunft der Brüder de Limbourg und ihres Auftraggebers de Berry sowie schließlich auch Einzelheiten des Pfluggerippes (besonders auf der Darstellung von 1410: Y-Sterze [Handhabe], weit herabgezogenes Grindel [Pflugbaum]ende) 19 weisen nach Burgund, also in die unmittelbare westliche Nachbarschaft der west- und südwestdeutschen Territorien. Dieser erstaunlich frühe
Abb. 2. Konkav ausgeschmiedete Schar eines Bodenwendepfluges (als Beschlag bis an das Streichbrett auf reichend) sowie Sech und Reuteisen; ehem. Herzogtum Lippe, datiert 1555; Darstellung in einem Waffeleisen. Nach: Wilhelm Hansen, in: Arbeit und Volksleben, Göttingen 1967, S. 122, Sbb. 13
burgundische Doppelbeleg für das gewundene Streichbrett, mit dem die gesamte spätere Entwicklung zum gewundenen stählernen Pflugkörper, der heute das konstruktive Grundprinzip bildet, antizipiert erscheint, ist einmalig und erhält erst 1555 eine — ebenfalls noch ganz vereinzelte — Parallele auf deutschem Boden. 20 Es handelt sich um die stilisierte Darstellung von Pflugzubehör auf einem lippischen Waffeleisen, worunter sich eine Schar befindet
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deren oberer, konkav gebogener Teil bis auf das Streichbrett heraufgereicht haben dürfte und somit einen fließenden Übergang der abgetrennten Scholle von der Schar an das Streichbrett ermöglicht hat (Abb. 2). Es muß betont werden, daß diese Lösung erst im 19. Jahrhundert zum Allgemeingut der Pflugproduzenten in Deutschland geworden ist. Endlich verdient der erste Versuch, das herkömmliche Traktionsprinzip beim Pflügen — Vorspann von Zugtieren — zu verändern, Beachtung. Eine Abbildung im Weimarer „Ingenieurkunst- und Wunderbuch", 81 das zwischen 1430 und 1520 entstanden ist, zeigt einen (im Detail übrigens kläglich verzeichneten) Pflug, der statt durch Zugtiere durch Seile über den Acker hinund zurückgezogen wird, wobei die Seile über am Feldende aufgestellte Trommeln laufen, die von Menschenhand gedreht werden (Taf. 6). Mag es sich hier auch um ein für die agrare Praxis noch bedeutungsloses Stück spätmittelalterlicher Projektemacherei handeln, so muß doch im Auge behalten werden, daß die angedeutet technische Lösung der indirekten Traktion später tatsächlich aufgegriffen und im 19. Jahrhundert in Gestalt des Dampfseilpfluges mit stationären Lokomobilen prinzipiell bestätigt wurde.
Abb. 3. Vierscharpflug, Werkzeichnung eines „Pflugkünstlers" aus dem Braunschweigischen, zwischen 1558 und 1572 an Kurfürst August von Sachsen gesandt. Staatsarchiv Dresden, Geheimes Archiv, Loc. 4418, fol. 254 r
Nur kurz hingewiesen sei noch auf die Bemühungen um die Konstruktion mehrschariger Pflüge, die ebenfalls erst im 19./20. Jahrhundert in breiter Front von Erfolg gekrönt waren, deren Anfänge aber ins 16. Jahrhundert zurückreichen. Die entsprechenden Nachrichten und Werkzeichnungen (Abb. 3) stammen aus Schlesien bzw. dem Braunschweigischen und fanden das Interesse Kurfürst Augusts von Sachsen. 22 Sie werden demnächst an anderer Stelle geschlossen interpretiert werden.
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Das zweitwichtigste Anbaugerät, die E g g e , wurde zunehmend mit eisernen Zinken ausgestattet. Wann und wo diese Entwicklung eingesetzt hat, ist bis heute unbekannt. Daß sie schon im Hochmittelalter sporadisch ihren Anfang genommen hat, ist wahrscheinlich; ebenso daß sie durch das nachfolgende Ansteigen der Eisenpreise stark verzögert worden sein dürfte. Die ersten sicheren schriftlichen Belege, darunter indirekte wie holc^inne eyden und direkte wie eysern eyden oder eyden mit eis^ern %tncken datieren von Anfang des 15. Jahrhunderts aus dem Ordensland Preußen23 sowie 1410/20 vom Wirtschaftshof der Burg Hattem bei Zwolle/Niederlande.24 Sie sind möglicherweise zufällig — da fern der Eisenverhüttungszentren lokalisiert —, sollen hier aber ebenso wie die folgenden aufgezählt werden, weil bisher noch niemand das Belegmaterial ausgebreitet hat: 1500 Ranner Gerichtsbezirk/Steiermark, 1520f£. Görtitz Kr. Meißen/Kursachsen, 1552/53 Wismar/Mecklenburg, 1573 Herrschaft Künegg/Kärnten, 1593 Oberntief/Fürstentum Ansbach, 1597 Sinnbronn Kr. Dinkelsbühl/Mittelfranken, 1599 Kornwestheim/Württemberg, 1609 Tschechnitz Kr. Breslau/Schlesien, 1610 Insel Fehmarn/Holstein.25 Die breite geographische Streuung ausgangs des 16. Jahrhunderts deutet darauf hin, daß die Entwicklung zur eisenzinkigen Egge um 1500 in vollem Gange gewesen sein muß und höchstwahrscheinlich schon viele deutsche Landschaften erreicht hatte. Die verbesserte Arbeitsweise und die größere Widerstandsfähigkeit der eisernen Eggenzinken waren zweifellos evident geworden. Aber die massenhafte Ausbreitung der Novation kam nur zögernd voran, und ihre vollständige Durchsetzung kann in zahlreichen Landschaften erst fürs 19. Jahrhundert festgestellt werden. Ein Großteil der oben genannten Belege weist darüber hinaus nur je eine eisenzinkige Egge pro Wirtschaft aus — die übrigen besaßen wie seit eh und je Holzzinken (vgl. Taf. 2). Bemerkenswerterweise läßt auch keine zeitgenössische Abbildung von Rahmeneggen aus der Zeit um 1500 zweifelsfrei eiserne Zinken erkennen. Eine Neuerung im Fundus der Bodenbearbeitungsgeräte stellt während unserer Untersuchungszeit die W a l z e dar. Als Handgerät außerhalb Deutschlands vereinzelt schon im Spätmittelalter vorkommend (Abbildung im LuttrellPsalter) und als Anspanngerät im 16. Jahrhundert in Frankreich und England literarisch bezeugt (Parain 154f.) sowie auf einem deutschen Druck von 1546 zufrühst abgebildet (Abb. 4), tauchen Hinweise auf die tatsächliche Verwendung der Ackerwalze seit etwa 1500 auf. Der „Heimknecht" des Mainzer Wirtschaftshofs zu Erfurt wird um 1518 angewiesen (Michelsen 40), die Äcker zu weitsten, wobei das Nebeneinander mit dem egen ,eggen' auf Gespannarbeit deutet. Walzen im Wirtschaftsinventar lassen sich wie folgt nachweisen: 1568/71 Ziegenhain und Wahnitz Kr. Meißen/Kursachsen, ohne Datum (16. Jahrhundert) Amt Nienburg/Anhalt, 1603 Siegersleben Kr. Wanzleben/ Magdeburg, 1628 Herrschaft Wechselburg und Penig Kr. Rochlitz/Kursachsen.26 Anfang des 18. Jahrhunderts erreichte die Walze die Ämter am Elm im Braunschweigischen,27 nach 1800 Südthüringen28 und teilweise sogar erst nach 1850 beispielsweise Mecklenburg. 29
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Abb. 4. Schollenbrecher (links) und Walzengespann, Holzschnitt des Hans Sebald Beham zu Walter Ryffs „Lustgarten" der Gesundheit, Frankfurt/Main (Egenolph) 1546. Nach d. Orig.
Die Anfänge auf deutschem Boden reichen also in die Jahrzehnte um 1500 zurück. Aber auch bei der Ackerwalze ist ein außerordentlich langsames Vordringen festzustellen. Dabei handelte es sich um ein rein hölzernes, einfach herzustellendes Gerät (mit oder ohne Längsleisten), das die Zerkleinerung der Erdschollen arbeitsökonomisch wesentlich effektiver besorgte als das Zerschlagen von Hand mit Schollenhämmern. In den Lößzonen nördlich der Mittelgebirge konzentrieren sich die frühen Nachweise. Der regionale Ausgangspunkt dürfte jedoch im südwestdeutschen Bereich zu suchen sein. Dafür spricht außer den Frühbelegen aus der französischen Nachbarschaft (und dem romanisch-mediterranen Raum allgemein) sowie dem oben erwähnten Holzschnitt mit dem Druckort Frankfurt auch die Tatsache, daß sich im Deutschen gemeinsprachlich nicht die mitteldeutsche Lautform Weisse, welken, sondern unumgelautetes oberdeutsch Wal%e, wallen durchsetzte — ein Parallelfall übrigens zur Lautgeschichte von drucken. Laut- und wortgeographische Untersuchungen werden möglicherweise das in Frage kommende Gebiet noch näher eingrenzen können, wobei das ursprüngliche Vorhandensein der Synonyma Walbloch, -ploch, -bruch, -hol^ sowie des Verbums walen (Grimm DWb 13, 1070, 1215ff., 1404f.) zu beachten ist. Hinsichtlich der E r n t e g e r ä t e für Getreide ist in Deutschland um 1500 die landschaftliche Konzentrierung auf Sichel, Sichte oder Sense bezeichnend. 30 Bei der Sichel, meist gezähnt, handelt es sich um das traditionelle Gerät zum Getreideschnitt, das am wenigsten arbeitssparend war, aber ein Minimum an Körnerverlust garantierte. Es herrschte südlich der Mittelgebirge sowie (für die Wintergetreideernte) im mitteldeutschen Raum vor. Die Sichte, eine einarmig gehandhabte Hausense mit kurzem, gewinkeltem Baum, leistete im Verein mit dem dazugehörigen Linkhandgerät Mathaken (zum Abteilen der
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Halme für jeweils einen „Hau") etwa doppelt so effektive Arbeit wie die Sichel. Die Getreidesichte (Taf. 5) verbreitete sich von ihrem spätmittelalterlichen Ausgangsgebiet, Flandern-Niederlande, her um 1500 in den nordwestdeutschen Landschaften, vor allem Niederrhein, Westfalen, Niedersachsen sowie in Teilen Schleswig-Holsteins. Die Sense oder Seisse, ursprünglich und weiterhin das Gerät für die Wiesenmahd, wurde um 1500 ebenfalls schon häufig in der Getreideernte eingesetzt, wo sie eine gegenüber dem Sichelschnitt mindestens verdoppelte Arbeitsproduktivität erzielen half. Die Sensenmahd von Wintergetreide ist in Norddeutschland zu Hause. Am Ende der Entwicklung der schneidenden Erntegeräte bis zum Vorabend der Teilmechanisierung durch Mähmaschinen ausgangs des W. Jahrhunderts steht bekanntlich der Sieg der Sense über die Sichel (und teilweise auch über die landschaftlich zäh behauptete Sichte) als des vergleichsweise entwickelteren Geräts über das einfachere. Dieser „gesetzmäßige" Weg war um 1500 bereits vorgezeichnet, ohne daß sich diese Zeit als besondere Zäsur heraushebt. Die oben skizzierten Verbreitungsstrukturen können durchaus älter sein, sie überschnitten sich außerdem teilweise. In den Marschen erntete man den Weizen noch lange mit der Sichel. In Flandern kam im weiteren Verlauf des 16. Jahrhunderts neben dem Mähen mit der Sichte auch schon die Sensenmahd von Getreide (Roggen) auf, wie die Bilder „Kornernte",; (1565)31 und „Sommer" (1568, Taf. 3) von Pieter Brueghel d. Ä. zeigen. Die Verwendung der Sense zum Mähen von Sommergetreide war darüber hinaus in vielen Landschaften verbreitet, besonders im östlichen Mitteldeutschland, wo man das Wintergetreide noch durchgängig mit der Sichel schnitt. Die Quellen unterscheiden hier ziemlich konsequent zwischen dem Hauen von Hafer und Gerste einerseits und dem Schneiden von Roggen und Weizen andererseits,32 nennen auch gelegentlich direkt eine Habersense wie 1580 Friedland/Nordböhmen.33 In geringerem Maße hatte sich die Sense das „Sommerfeld" in den süddeutschen Territorien erobert. Sensen mit Haberreff, d. h. einer Ablagevorrichtung zum Ausschwaden des gemähten Hafers, kommen zwar im 16. Jahrhundert im neckarschwäbischen Gebiet vor,34 und der — im Frondienst offenbar mit der Sense abzuleistende — Habertag steht in den Quellen dem auf die Sichel bezogenen Schnidtag gegenüber, aber es gibt auch ausdrückliche Belege dafür, daß selbst der Hafer (ganz zu schweigen von der Gerste) noch mit der Sichel geschnitten wurde, besonders aus dem Fränkischen.35 Die Fortdauer des Sichelschnitts in Süddeutschland ist um so auffälliger, als in Steiermark seit 1530 spezielle Sensenhämmer mit steigender Produktionskapazität existierten und um 1585 dort erstmals die Technisierung des Ausschmiedens der Sensenblätter gelang.38 Es war aber Nord(ost)deutschland, wo die Ernte aller Getreidearten im 16. Jahrhundert durch die Sensenmahd geprägt erscheint. Dem vereinzelten frühen neumärkischen Beleg vonl439 37 lassen sich für das 16. Jahrhundert weitere — indirekte und direkte — aus Mecklenburg und seinen.Randgebieten hinzufügen: Detaillierte Schadensrechnungen ratzeburgischer Bauern von 1530 nennen bezeichnenderweise gar keine Sicheln, sondern ausschließlich
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Seit^en und Leeseit^en.3* Die Bauern von Klockenhagen bei Ribnitz/Mecklenburg setzten ihre Forderungen gegen die Klosterverwaltung während der Roggenernte des Jahres 1526 durch, indem sie mit eren sejßen drohten.39 Nach einem uckermärkischen Schloßregister von 1528 geschah das Meyhen aller Getreidearten einheitlich, d. h. offensichtlich mit der Sense.40 Nimmt man — wie im letzten Fall — generell die Wortgeschichte zu Hilfe, was legitim ist, da die zeitgenössischen Quellen sehr genau zwischen schneiden ,mit der Sichel ernten' und mähen bzw. hauen ,mit der Sense ernten' unterscheiden, so zeichnen sich Ostholstein, Mecklenburg und Vorpommern, die Altmark, ferner weite Teile der Kur- und Neumark, Pommerns sowie West- und Ostpreußens klar als Traditionsgebiete der Sensenmahd ab. Weder sniden noch Sekel o. ä. (ein Wort, das z. B. im Mecklenburgischen alt überhaupt nicht belegt ist) spielen hier eine Rolle in der volkssprachlichen Ernteterminologie.41 Damit deutet sich aber auch an, daß dieser Befund möglicherweise älter ist und zeitlich vor das 15./16. Jahrhundert zurückgeht; andernfalls würden nämlich zu dieser Zeit noch Reste einer vorausgegangenen Sichelkultur zumindest im Wortschatz existiert haben. Selbst im Sprichwort gibt es keine Anklänge mehr: Von einem, der sich in eine fremde Sache mischt, sagte man auf der Insel Rügen um 1525/31, daß er seine seisse in eines andern korn (d. i. Roggen!) settet,42 Der Gebrauch der Sense zum Mähen von Brotgetreide war folgerichtig verbunden mit einer funktionalen Umgestaltung des Geräts, nämlich der Entwicklung einer speziellen Roggensense. Dafür dürfte zunächst die — mit einiger Sicherheit ältere — Hafersense das Vorbild abgegeben haben. Um 1500 begegnet uns zum ersten Mal (und vorläufig isoliert) das Bild einer norddeutschen Getreidesense, die eindeutig eine Ablagevorrichtung in Form eines Korbreffs besitzt (Taf. 4); dieses Reff, nd. Haken, besteht aus mehreren gewinkelten Streben, die parallel zum Baum und zum Sensenblatt verlaufen. Daß es sich bei dem Mähgut um Roggen handelt, läßt sich nicht nur aus der Halmhöhe erschließen, sondern auch aus schriftlichen Nachrichten ablesen: Die Sejt^enhaken bzw. die tho Behoff der seissen dienenden par haeken, die 1548/49 bzw. 1575/76 von Wismarer und Rostocker Stadtgütern angeschafft wurden,43 kamen in der Roggenernte zum Einsatz. Der Gebrauch solcher Geräte mit Ablagevorrichtung, Hakenseißen, zeigt übrigens an, daß der Roggen zu dieser Zeit „ausgeschwadet" und noch nicht an das Stehende „herangemäht" wurde. Später ändert sich die Technologie: Die Hakenseiß, das Gerät zum Utswaden, blieb im wesentlichen auf die Hafer- und Weizenernte beschränkt, während man zum Bihaugen des Roggens die Boegelseiß verwendete. Auf Brueghels schon erwähntem „Sommer"-Bild (Taf. 3) ist deutlich eine Bügelsense zu erkennen, die einen dünnen Rutenbogen zwischen Baum und Blatt besitzt, kein Reff. Diese Bügelsensen repräsentieren somit einen abermaligen Fortschritt, der — unter Vermeidung des „mecklenburgischen" Umwegs über die Reffsense — direkt aus einer entwickelten Form der Grassense erwachsen sein kann. Unter anderen Aspekten werden die Erntegeräte unten noch mehrfach zur Sprache kommen. An dieser Stelle sei hinzugefügt, daß sich mit der Durch-
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Setzung der Getreidesense auch neue Formen der geschlechtlichen Arbeitsteilung ergaben: Die Sensenmahd war — im Gegensatz zum Sichelschnitt — fast ausschließlich Männerarbeit,'^wodurch sich die Arbeit der Frau im Rahmen des neuartig gestalteten Ernteverfahrens zunehmend auf Hilfs- und Nebenarbeiten verlagerte. Weniger klar als bei den landwirtschaftlichen Arbeitsgeräten, deren Entwicklungsstand um 1500 sich an einigen aufschlußreichen Beispielen aufzeigen ließ, liegen die Verhältnisse bei den Kulturpflanzen und der Viehwirtschaft, die auf Grund des Standes der Quellenerschließung nur kurz gestreift werden können. Neue Entwicklungstendenzen innerhalb des zweifellos dominierenden Getreidebaus zeichnen sich kaum ab. Gegenüber den voraufgegangenen Jahrhunderten mag allenfalls der Anbau von Weizen auf einem Teil der weizenfähigen Böden zugenommen haben. Wichtigstes Brotgetreide blieb der Roggen {Korn), daneben im Südwesten der Fesen oder Spel%, eine anspruchslosere, genetisch alte Weizenform, die auch in Thüringen — dort meist Dinkel genannt — massenhaft angebaut wurde und wohl gemeint ist, wenn in den dortigen Quellen um 1500 neben Roggen von Korn oder frumentum Brotgetreide' die Rede ist.44 Außerhalb und in Ergänzung des nach wie vor krisenanfälligen Getreidebaus wuchs die Bedeutung des Anbaus von Obst, Gemüse und Handelsgewächsen aller Art. Der Weinbau erreichte die größte geographische Verbreitung, die er jemals in Mitteleuropa hatte (nämlich bis in Ostseeküstennähe); ähnliches gilt vom Hopfen. Von den sonstigen Gewächsen einschließlich Obst, Gemüse, Textilpflanzen usw. sei auf zwei besonders hingewiesen: zunächst den Rübsamen oder Rübsen, der als Frucht für die Gewinnung fetter Öle größte Wichtigkeit erlangte. R ü b s e n (Brassica Rapa oleifera), eng verwandt dem anspruchsvolleren, offenbar noch kaum bekannten Raps (Brassica Napus oleifera), war um 1500 auffällig stark verbreitet. Ohne die folgenden Angaben zu belegen, seien als Verbreitungsgebiete genannt: Flandern und Niederlande, Ordensland Preußen, Mittelelbegebiet, Kursachsen, Thüringer Becken, Badische Pfalz, Schwaben. Möglicherweise hat es sich teilweise um Sommerrübsen gehandelt; ausdrücklich wird nur einmal 1529 Rochlitz/Kursachsen von Winter Rubsamen gesprochen.46 Als zweites, regional noch ausgeprägteres Beispiel ist auf den W a i d (Isatis tinctoria) hinzuweisen, eine Pflanze, aus deren Blättern blauer Farbstoff hergestellt wurde. Großabnehmer waren die Textilzentren Flandern und Oberlausitz, Anbauzentren — außer Flandern und den Niederlanden selbst — das Niederrheingebiet um Jülich und vor allem die Gegend um die thüringischen „Waidstädte" Erfurt, Gotha, Arnstadt, Langensalza.46 Hier bestimmte der Waidanbau, der schon im Spätmittelalter stark verbreitet gewesen war, örtlich die Struktur des Pflanzenbaus überhaupt, wenn er auch nicht Züge einer Monokultur angenommen haben dürfte. Im Bereich der Viehwirtschaft soll kurz auf die S p a n n t i e r frage eingegangen
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werden. Hier set2te sich generell eine Entwicklungslinie fort, die schon seit dem Hochmittelalter eindeutig in Richtung auf den stärkeren Einsatz des Arbeitspferdes gegenüber dem Ochsen verlief. Vor Ackerwagen und Egge hatte sich die Pferdeanspannung bereits allenthalben durchgesetzt, während die Pfluggeräte teilweise noch mit Ochsen bespannt wurden. Das geschah namentlich bei den Arien oder Haken des alpinen Raumes und der ostelbischen Gebiete, während eigentliche (Beet- oder Kehr-)Pflüge ganz überwiegend von Pferden gezogen wurden. So zeigen es auch die zeitgenössischen Abbildungen um 1500, auf denen freilich — besonders bei solchen aus den Druckorten Augsburg und Ulm — das Ochsengespann noch keineswegs völlig fehlt. Aber von einer Dominanz der Ochsen — oder gar von Zugkühen — beim Pfluganspann in den südlichen Territorien kann nicht die Rede sein. Mir scheint, als habe sich die im 19. und frühen 20. Jahrhundert so auffällig quer durch Deutschland verlaufende „Spanntiergrenze" 47 überhaupt erst in jüngerer Zeit ausgebildet. Als vorweggenommenes Einzelbeispiel sei angeführt, daß die Bauern von Gruorn Kr. Urach/Schwäbische Alb im Jahre 1530 zusammen 110 Pferde hielten, 1829 aber nur noch 58 und 1907 44 (wobei die Einwohnerzahl von ca. 160 über 491 bis 706 gestiegen war). 48 Dahinter dürfte eine Reaktivierung des Ochsen- und das Aufkommen des Kuhanspanns stehen, was wiederum durch die Entwicklung der Betriebsgrößenverhältnisse mitverursacht sein kann. Das Kerngebiet der Haltung von Arbeitspferden war um 1500 sicherlich unbestritten Norddeutschland, aber auch in Mittel- und Süddeutschland galt das Pferd zu dieser Zeit als normales Spanntier vor allen Ackergeräten. Davon zeugen die Bilder vieler südwestdeutscher Frühdrucke ebenso wie das regelmäßige Vorhandensein von je zwei bis vier Pferden auf den Vollbauernwirtschaften mitteldeutscher Landschaften im 16. Jahrhundert 49 oder auch die Tatsache, daß das Pferd allenthalben die geforderte Fronleistung beim Pflügen verkörperte und auch sonst in den Weistümern ungleich häufiger genannt wird als das Ochsengespann. Bei Plünderungen von Bauernwirtschaften in den Bauernkriegszentren Südwestdeutschlands fielen den Landsknechtshaufen überall auch Pferde zu. Die Orientierung auf das effektivere, vielseitiger einsetzbare, aber auch kostspieliger zu unterhaltende Arbeitspferd war also recht allgemein vorhanden, blieb aber — wie schon angedeutet — in den folgenden Jahrhunderten nicht überall von Bestand. Die sonstige Viehwirtschaft (vgl. Taf. 8) zeigt wenig Veränderungen in Tendenz und Struktur. Neue Haustierarten waren schon seit dem frühen Mittelalter nicht hinzugekommen. Auffällig ist allenfalls die weitere Zunahme der Schafhaltung um 1500, womit jedoch keine Aufbesserung der heimischen Rasse verbunden war. Die Schweine, den Abbildungen nach zu schließen wildschweinähnliche Tiere mit schmalen Köpfen, spitzen Rüsseln und scharfen Rücken, wurden wie seit eh und je zur Mast in die Buchen- und Eichenwälder getrieben. Auch die Rind Viehhaltung blieb traditionell; normalerweise gab es noch keinerlei Zuchtauswahl, der Stier ging mit der Herde. Aber die aller3
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ersten Anfänge überregionaler Einkreuzungen zeigen sich doch: 1525 wurde erstmals Walser Rindvieh in den tirolischen Vintschgau gebracht, 80 um 1580 kamen holländische Bullen zur Zucht nach Schleswig (Abel 190). Um noch ausgedehntere Fernbeziehungen handelte es sich, wenn auf kursächsischen Vorwerken friesisches und schweizerisches Zuchtvieh eingestellt wurde (Falke 102 f.) — ein noch ganz vereinzelter und überdies ebenfalls erst später, nämlich 1569/75, greifbarer Vorgang, der jedoch eine bedeutende Perspektive besaß. Bei dem vorstehenden Versuch, neue oder modifizierte landwirtschaftliche Geräte und Verfahren, Kulturpflanzen und Haustiere zur Zeit des deutschen Bauernkrieges nach dem Stand und der Tendenz ihrer Entwicklung zu charakterisieren, konnte es sich bei der Eigenart und den Überlieferungsverhältnissen dieses Sektors der materiellen Kultur nicht um ein auf 1525 festgelegtes „Momentbild" handeln. Das 15. und teilweise auch das weitere 16. Jahrhundert mußten mitberücksichtigt werden, um die Schlüsse abzusichern. Trotzdem besteht die Möglichkeit, daß manche hier herausgestellte und zeitlich vage fixierte Neuerung vielleicht nur scheinbar eine solche war — scheinbar deshalb, weil uns das einsetzende „Aktenzeitalter" im 15. und 16. Jahrhundert „Erstbelege" von Dingen vermittelt, die möglicherweise schon vorher vorhanden waren, aber von den noch spröderen älteren Quellen verschwiegen werden. Diesen Unsicherheitsfaktor vorausgesetzt, halte ich für unbedingt dem 15./16. Jahrhundert zugehörig die folgenden Novationen: das gewundene Pflugstreichbrett, die Mehrscharigkeit sowie die Ackerwalze und die Anfänge der Rinderzucht, ferner bedingt die vierte Furche zur Wintersaat, den Kehrpflug und die eisenzinkige Egge sowie den Rübsen- und den massenhaften Waidanbau. Weitere progressive Tendenzen wie das fernere Vordringen von Getreidesichte und -sense, des Beetpfluges und der Pferdeanspannung waren offenbar schon seit langem im Gange und setzten sich kontinuierlich fort. Insgesamt gab es demnach auf deutschem Boden zur Bauernkriegszeit — im zeitlich weitesten Sinne — tatsächlich ein gegenüber dem hochmittelalterlichen Standard fortgeschrittenes Niveau der Agrikultur, ja, es läßt sich sagen, daß viele Verbesserungen, die erst im 19. Jahrhundert endgültig zum Sieg gelangten, um 1500 besonders bei den Produktionsinstrumenten schon antizipiert erscheinen. Dabei ist es keineswegs so, daß etwa vom späteren 16. bis 19. Jahrhundert der Fortschritt dann kontinuierlich verlaufen wäre. Abgesehen von dem Rückschlag, den die Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges brachten, kam es im weitgehend refeudalisierten Deutschland durchaus auch zu sonstigen regressiven Tendenzen in der Agrikultur. Hingewiesen sei nur auf die Reaktivierung des genetisch älteren Hakens gegenüber dem Beetpflug in Mecklenburg und einigen seiner Randgebiete 51 oder auf den oben schon erwähnten Rückgang des Pferdeanspanns, der seine zusätzliche Motivation darin besaß, daß die Bauern das vergleichsweise wertvollere Zugvieh nicht im (gesteigerten) Frondienst ruinieren wollten und sich daher auf Rinder-
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anspannung verlegten. So war es beispielsweise im reußischen Vogtland, wo die Bauern zunächst ausschließlich mit Pferden die Pflugfron verrichteten, sich um 1700 aber auf Ochsenanspannung umstellten. 62 Gegenüber solchen zwar nicht bestimmenden, aber doch vorhandenen späteren Entwicklungstendenzen erscheint die Bauernkriegszeit — wiederum unter Einschluß der voraufgehenden und der folgenden Jahrzehnte — als eine Periode, in der sich das Zusammenlaufen gewisser progressiver Entwicklungslinien in der Agrikultur auffällig abzeichnet. 2.
Nach der zeitlichen Einordnung soll nunmehr eine räumliche Präzisierung des Befundes versucht werden. Als erste Frage stellt sich die nach dem Niveau der deutschen Landwirtschaft insgesamt im Vergleich zu dem in den Nachbarländern bzw. in Europa überhaupt. Die Antwort kann nur sehr pauschal ausfallen, da das europäische Vergleichsmaterial zur Zeit noch nicht exakt überschaubar ist. Sie hängt außerdem davon ab, ob man die Niederlande den deutschen Territorien zurechnet oder nicht: Wenn nicht (wofür die eben zu dieser Zeit einsetzende staatliche Ausgliederung spricht), so gilt weiterhin Engels' schon 1850 getroffene Feststellung, daß nämlich Deutschland am Vorabend des Bauernkrieges hinsichtlich des landwirtschaftlichen Niveaus hinter den Niederlanden zurückgestanden habe (Engels 331). Als nordwesteuropäisches Zentrum des landwirtschaftlichen Fortschritts hat neuerdings der französische Mediävist Charles Parain Ost-England, Nord-Frankreich, Flandern und das Rheinland herausgestellt (Parain 179), also auch im engeren Sinne deutsche Territorien in Grenzlage. England hatte übrigens auch Engels schon neben den Niederlanden als progressives Beispiel hervorgehoben (ebda.). Frankreich, von wo die deutsche Landwirtschaft u. a. die Ackerwalze bezog, kann dem an die Seite gestellt werden, wenn das dortige Niveau auch erst im weiteren Verlauf des 16. Jahrhunderts beispielgebend geworden sein dürfte. 53 Auf eine französisch-burgundische Novation, das gewundene Pflugstreichbrett (Taf. 7), wurde oben schon verwiesen. Ebensowenig darf Oberitalien beiseitegelassen werden, wenn es um fortschrittliche Agrikultur dieser Zeit geht; erwähnt sei die Konstruktion einer Sämaschine durch Giovanni Cavalina in Bologna 1500/1525, also über hundert Jahre vor der bekannter gewordenen Kärntner Erfindung. 64 Auch die „ingenieurtechnischen" Zeichnungen in der Art des Seilpflug-Projekts (Taf. 6) verraten italienischen Einfluß. Solche Beispiele muß man sich vergegenwärtigen, um nicht zu der Meinung zu gelangen, die im Verlauf der vorausgegangenen Sachdarstellung gebrachten, zum Teil unbekannten Fakten würden nunmehr klar eine führende Position Deutschlands auf dem landwirtschaftlichen Sektor beweisen. Andererseits muß regional unbedingt unterschieden werden. Nimmt man „die" deutsche Landwirtschaft als gegeben an, so kann ihr in der Tat keine absolut führende Rolle zuerkannt werden. Aber einen eklatanten Rückstand hat es um 1525 keinesfalls und nirgends in den damaligen Reichsgrenzen gegeben. 3*
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Der stellte sich teilweise erst im Verlauf der folgenden Jahrhunderte ein, als das nach dem Scheitern der frühbürgerlichen Revolution und des Bauernkrieges weitgehend refeudalisierte Deutschland auch in dieser Hinsicht an die Peripherie des Fortschritts geriet. Innerhalb Deutschlands landwirtschaftliche „Innovationszentren" und „Reliktgebiete" nachzuweisen, hat G. Wiegelmann in seinen oben genannten Arbeiten unternommen. Dabei stützt er sich vor allem auf Umfragen für den „Atlas der deutschen Volkskunde", woraus „Raumbilder" erwachsen, die natürlich Zustände des ausgehenden 19. Jahrhunderts fixieren, auf Grund der Literatur und anderer Quellen aber von Wiegelmann bis mindestens ins 16. Jahrhundert und weiter zurückverfolgt werden. Solche eigenwillige Kombinationen „kulturgeographischer" und agrarhistorischer Quellenbefragung will an ihren Ergebnissen gemessen werden. Was deren zeitliche, konkrethistorische Präzisierung angeht, so ergeben sich freilich schon vorab Schwierigkeiten dadurch, daß die Zeit um 1500 nur unscharf ins Blickfeld kommt. Bei Wiegelmann werden nur global „Frühmittelalter", „Hochmittelalter" und „Neuzeit" gegeneinander abgesetzt, wobei die letztere chronologisch undifferenziert das 16. bis 19. Jahrhundert umfaßt. Frühmittelalterliche Innovationszentren waren nach Wiegelmann der Donauraum und Südwestdeutschland (in Verbindung mit römischem Einfluß), im Hochmittelalter dann die städtereichen Landschaften Flandern und — weiterhin — Südwestdeutschland sowie „anscheinend" der westslawische Bereich zwischen Ostseeküste und Böhmen; schließlich „seit dem 16. Jahrhundert" außer dem flandrisch-niederländischen Gebiet „die deutschen Ostseeprovinzen, insbesondere Mecklenburg und Ostholstein" sowie als Nebenzentren das Allgäu, der Wiener Raum, Kursachsen und das Gebiet um Köln (zusammengefaßt Wiegelmann, Innovationszentren 123—128). Wir konzentrieren uns im folgenden allein auf Gebiete, die für das 16. (bis 18.) Jahrhundert als Innovationszentren angesprochen werden. Unter ihnen nimmt sich M e c k l e n b u r g mit seinen Nachbarlandschaften, von Wiegelmann an anderer Stelle sogar als „das mitteleuropäische Innovationszentrum der bäuerlichen Arbeit" bezeichnet (Wiegelmann, Ergebnisse 247), zweifellos am merkwürdigsten aus. Sollten hier in der Tat ganz wesentliche Neuerungen in der Agrikultur des 16. Jahrhunderts beheimatet sein? Wiegelmann führt eine Reihe von Indizien an, die jedoch einer näheren Überprüfung größtenteils nicht standhalten. Einige Erscheinungen müssen sogleich als erst dem 19./20. Jahrhundert zugehörig ausgeschieden werden: Dampfpflüge, Sä-, Mäh- und Dreschmaschinen (ganz abgesehen davon, daß Mecklenburg auch in Bezug auf diese Maschinen niemals ein Exportzentrum gewesen ist). Allein durch Materialien des „Atlas der deutschen Volkskunde" belegt und daher zunächst nur für das 19. Jahrhundert in Anspruch zu nehmen ist ferner die rationelle, arbeitsparende Garbenreihe aus 20 oder 16 Garben. Ins 18. Jahrhundert — aber nicht weiter — zurückdatiert werden mag die Vergrößerung der normalen Dreschflegel;
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dem gleichen Jahrhundert gehört in Mecklenburg die Verbesserung der Milchwirtschaft an, deren Bezeichnung als Holländerei überdies auf außermecklenburgische Herkunft verweist; von 1796 stammt Wiegelmanns Fehmaraner Beleg für das rationalisierte Getreideeinfahren mit zwei Gespannen und drei Erntewagen. Was wirklich bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht und irgendwie für den Sonderrang dieser Landschaften um 1500 geltend gemacht werden könnte, sind allein die Sensenmahd von Wintergetreide und der „Wechselanspann" beim Pflügen. Hinsichtlich der Sensenmahd von Wintergetreide habe ich oben evident zu machen versucht, daß sie in Mecklenburg und im übrigen östlichen Norddeutschland älter sein dürfte als 1500, zu dieser Zeit also keine„Novation" mehr war. Bleibt der Anspannungsmodus beim Pflügen (zwei Gespanne Ochsen arbeiten — alle vier Stunden abwechselnd — bei nicht wechselndem Personal vor demselben Haken; entsprechend zwei Pferdegespanne vor dem Beetpflug), wofür nun in der Tat das 16. Jahrhundert die frühesten Belege liefert.65 Sie stammen aus der Uckermark und aus Nordwestmecklenburg und mehren sich in der Folgezeit besonders im Verbreitungsgebiet des Mecklenburgischen Hakens kontinuierlich; doch gibt es auch westelbische Zeugnisse für das Vorkommen von Wechselgespannen und Wechselpflügen,56 was wiederum gegen die mecklenburgisch-ostelbische These spricht. Gegen die These von dem Innovationszentrum sprechen nun aber vor allem die Ergebnisse unserer eigenen obigen Sachdarstellung. Der größere Teil der dort namhaft gemachten Novationen und sonstigen fortschrittlichen Entwicklungstendenzen ging an Mecklenburg, Ostholstein, Nordbrandenburg, Vorpommern usw. im 16. Jahrhundert (und darüber hinaus) vorbei: die Brachsömmerung, die vierte Furche zur Wintersaat, der Kehrpflug, das gewundene Streichbrett und andere Verbesserungen des Hauptbodenbearbeitungsgeräts, die Ackerwalze, der Anbau von Handelsgewächsen sowie die selektive Rinderzucht. Läßt sich angesichts dieses Tatbestandes die These von dem „Innovationszentrum" Mecklenburg bzw. Nordostdeutschland nicht halten, so verdient Wiegelmanns „sozialgeschichtliche" Erklärung des — wiewohl inzwischen verflüchtigten — Befundes besondere Aufmerksamkeit. Er meint, daß die „großen Gutsbetriebe" dieser Gegenden den betriebstechnischen Fortschritt gefördert hätten (Wiegelmann, Ergebnisse 247; Innovationszentren 129). Das aber trifft ganz und gar nicht zu. Abgesehen davon, daß die ostelbischen gutsherrlichen Eigenwirtschaften im 16. Jahrhundert quantitativ noch keineswegs gegenüber den Bauernwirtschaften dominierten, gingen von ihnen auch keine Impulse für die Verbesserung der Agrikultur aus, sieht man von „Rationalisierungsmaßnahmen" wie dem o. a. „Wechselanspann" ab, die ganz extensiver, auf verstärkter Ausbeutung von Lohn- und Fronarbeit beruhender Natur waren (worauf auch Wiegelmann selbst hinweist). Ich habe an anderer Stelle nachgewiesen, daß z. B. auf dem Sektor der Bodenbearbeitung die gutsherrlichen Eigenwirtschaften den älteren Haken gegenüber dem Beetpflug reaktivierten und ihren eigenen Zugviehstand auf Ochsen statt — wie die
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Bauern — auf Pferde gründeten. 57 Von den „Gutsbetrieben" dieser und der folgenden Zeit ging der Fortschritt nicht ursächlich aus, und es kommt objektiv einer Apologie des ostelbischen Junkertums gleich, solche Behauptungen aufzustellen. Wenn dennoch eine Relation zwischen dem Stand der Agrikultur und der Existenz von feudalen „Gutsbetrieben" besteht, dann diese: Die ostelbischen gutsherrlichen Eigenwirtschaften, gegründet auf ständig gesteigerte bäuerliche Frondienste und die zweite Leibeigenschaft der unmittelbaren Produzenten, l ä h m t e n den Fortschritt der spätfeudalen Landwirtschaft. Es muß betont werden, daß sich diese negative Tendenz deutlich erst nach dem 16. Jahrhundert abzeichnet. Unsere Untersuchungszeit mit ihrem für die bäuerliche Ökonomie in Norddeutschland noch relativ günstigen Entwicklungsbedingungen sieht Mecklenburg und seine Nachbarlandschaften zwar nicht an der Spitze, aber auch nicht völlig im Nachtrab des Fortschritts der deutschen Landwirtschaft. Die progressive Rolle, welche hier gegenüber anderen Territorien die bessere Erntetechnologie (Sensenmahd) spielte, soll in diesem Zusammenhang noch einmal ausdrücklich betont werden, so wenig sie als isoliertes Beispiel mit noch dazu problematischer zeitlicher Einordnung überbewertet werden darf. Ein „Reliktgebiet" war Mecklenburg im 15./16. Jahrhundert also gewiß nicht — ebensowenig übrigens, wie es nach Wiegelmann dann im 16. bis 18. Jahrhundert der fränkisch-bajuwarische Raum gewesen sein soll. Wenn das gegenwärtig vorliegende historisch-geographische Vergleichsmaterial, wie es oben kurz dargeboten wurde, eine Hypothese zuläßt, dann diese: Führend war das flandrisch-niederländische Gebiet. Darüber hinaus besteht eine gewisse räumliche Kongruenz zwischen den Zentren des landwirtschaftlichen Fortschritts um 1500 und den Zentren des Bauernkrieges von 1525/26. Das betrifft vor allem Südwestdeutschland und mehr noch Mitteldeutschland. Es soll damit keinem vorschnellen, automatischen Schluß vom Stand der Produktivkräfte auf die Qualität der Klassenauseinandersetzungen das Wort geredet werden. Aber das Problem sollte man im Auge behalten, bis weitere Quellen erschlossen sind. 3. Das Hauptanliegen des folgenden Kapitels soll es sein, die Beziehungen der unmittelbaren Produzenten — also vornehmlich der Bauern — zu den agrartechnischen Fortschritten der Bauernkriegszeit zu untersuchen. Wir fassen im Anschluß an die sachliche, zeitliche und geographische Zuordnung der entsprechenden Fakten zunächst die äußere sozialökonomische Dimension ins Auge: Welche der Fortschritte gingen auf bäuerliche Initiative zurück, welche wurden überhaupt von den Bauern praktiziert, wie verhielt sich die Masse zum technischen Fortschritt? Der direkte Beweis für das Vorkommen der neuen (und alten) Arbeits-
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gerate, Kulturpflanzen, Haustiere usw. in bäuerlichem Besitz läßt sich oft nur mühevoll führen. Die oben verwertete ältere regionalgeschichtliche Literatur hat die Eigentumsverhältnisse im allgemeinen übergangen. Von den sonstigen entsprechend auswertbaren Quellen sind die wichtigen Inventar- und Nachlaßverzeichnisse äußerst spröde und wenig detailliert; vor allem aber reichen sie — im Gegensatz zu denen von grund- und gutsherrlichen Eigenwirtschaften — nur in Ausnahmefällen bis in die Zeit um 1525 zurück. 68 Rudolf Quietzsch hat Nachlaßverzeichnisse in Gerichtsbüchern der Lommatzscher Pflege/ Kursachsen ermittelt und ausgezogen, die 1520 einsetzen. 69 In diesem Jahr hinterließ der verstorbene Bauer Thomas Teychmann zu Görtitz u. a. 7 Pferde, 1 Fohlen, 4 Milchkühe, 6 Kälber, 10 Schweine, 5 Ferkel, 11 Schafe, 25 Gänse, 16 Hühner, 2 Wagen mit allem Zubehör, 2 Pflüge mit Eisen und Radvorgestellen, 1 Haken mit Eisen, 3 Eggen, 1 Egge mit eisernen Zinken, 3 Sensen. Ähnlich beschaffen sind der Gerätefundus und der Viehbestand anderer Bauern in Görtitz, Wahnitz und Ziegenhain 1526, 1568, 1571, 1572, nur daß an Nutzvieh teilweise wesentlich weniger vorhanden ist. Auffallend sind die beachtlichen Pferdezahlen, das fast völlige Fehlen von Ochsen, das Vorhandensein von Sielengeschirren statt Kummeten, das Nebeneinander von Pflügen und Haken, das Fehlen (?) von Sicheln, das Vorkommen je einer eisenzinkigen Egge neben mehreren hölzernen und schließlich 1568 das erstmalige Auftauchen der Ackerwalze (Eine Walsen) anläßlich einer Gehöftsübergabe in Ziegenhain. 60 Man sieht auf diesen gutausgestatteten Bauernwirtschaften das erreichte landwirtschaftliche Niveau der Region eindrucksvoll repräsentiert. Besonders aus dem Vorhandensein neuartiger Geräte darf auf eine positive Haltung der Bauern zum Fortschritt geschlossen werden. Daß es die Bauern waren, die das Niveau der landwirtschaftlichen Produktion bestimmten, beweisen auch Nachrichten anderer Art. Im oberrheinischen Gemüse- und Obstbau spielten sie um 1500 die führende Rolle. 81 Der marktintensive Waidanbau lag überwiegend in bäuerlicher Hand, und zwar sowohl im Niederrheingebiet, wo die bäuerlichen Untertanen 1540 zu einer Waidsteuer veranschlagt wurden, als auch besonders im Thüringer Becken. 62 Solche direkten Zeugnisse für bäuerliche Aktivitäten gilt es in Zukunft zu mehren, um nicht allein auf die „indirekte" Beweisführung angewiesen zu bleiben, die den bäuerlichen Anteil am landwirtschaftlichen Fortschritt aus der erdrückenden Dominanz der Baüernwirtschaften überhaupt (gegenüber den feudalen Wirtschaftshöfen) ableitet. Dieser Schluß ist gleichwohl logisch, und meines Erachtens erheischt nicht er, sondern die oft geäußerte gegenteilige Behauptung, daß nämlich um 1500 die grund- und gutsherrlichen Eigenwirtschaften den agraren Fortschritt verkörpert hätten, eine Beweisführung. Befragt man unter diesem Gesichtspunkt das oben dargelegte Material, so ergibt sich: Mit einiger Sicherheit n i c h t auf bäuerlichen Produktionserfahrungen beruht der auf dem Weimarer Codex abgebildete „Seilpflug" (Taf. 8), der ein rein ingenieurtechnisches Projekt darstellt; als Produkte absolutistischer Agrarökonomie des kursächsischen Hofes sind die Versuche mit Mehrschar-
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pflügen (Abb. 3) und die Einführung friesischen und schweizerischen Zuchtviehs zu werten. Ihr praktischer Erfolg und ihre tatsächliche Verbreitung sind überaus zweifelhaft. Der normale Betrieb der feudalherrlichen Eigenwirtschaften basierte auf den Frondienstleistungen der feudalabhängigen Bauern, während die eigenen Betriebsmittel nur ein Minimum ausmachten. Kursächsische Rittergüter hielten um 1513 nur je zwei oder gar keine eigenen Gespanne.63 Beim Nutzvieh sah es wohl etwas anders aus, zumal hier die Grund- bzw. Gutsherren seit alters das Faselvieh, d. h. die männlichen Zuchttiere wie Stier und Eber, für die Dorfschaften hielten. Das bedeutet aber zwischen gutsherrlichen und bäuerlichen Viehrassen, keine qualitativ höhere Stufe der ersteren. Ebenso im Feldbau: Hier war es bekanntlich Regel, daß die Bauern mit ihren Gespannen und Geräten den herrschaftlichen Acker bestellen mußten, was wiederum auf die Identität des Niveaus feudaler Eigenwirtschaft und Bauernwirtschaft hinausläuft. Wurden nun keine Frondienste, sondern gutseigene Betriebsmittel eingesetzt, so war deren Beschaffenheit und Effekt nicht notwendig besser: Ochsengespanne arbeiten sogar langsamer als Pferdegespanne, und bessere Geräte dürften dabei ebenfalls nicht verwendet worden sein. Dafür spricht die (örtliche) Verpflichtung der Bauern, im Rahmen des Naturalzinses die gutsherrlichen Gerätschaften mit wichtigem Zubehör wie Pflugscharen und Sechen auszustatten (z. B. 1483/1505 Elbingerode/Harz).64 Alles das zeigt zur Genüge, daß von einer Überlegenheit der feudalen Eigenwirtschaften über die Bauernwirtschaften nicht die Rede sein kann. Quantitativ war dies erst recht nicht der Fall; nur ein Beispiel: Im Jahre 1525 wurden auf den Höfen des Heiligengeistspitals zu Lindau (Bodensee) 211 Malter eigengebautes (d. h. überwiegend durch Frondienste bestelltes) Getreide geerntet, während die Bauern des Spitals auf ihren Feldern etwa 10000 Malter produzierten, wovon 987 als Zehnter, Rente und Gült an das Spital abgeführt wurden. 65 Die bäuerlichen Frondienste sind überhaupt ein Dreh- und Angelpunkt jeglicher Einschätzung des Produktionsniveaus um 1525 und im gesamten Feudalismus, und zwar sowohl hinsichtlich des Niveaus der feudalen Eigenwirtschaften als auch des Niveaus der bäuerlichen Produktion. Der Frondienst wurde widerwillig und schleppend abgeleistet; er beruhte wie die gesamte Arbeitsdisziplin feudalabhängiger Bauern nach einem Wort Lenins „auf der Disziplin des Stocks". Auch die ständigen Ermahnungen, die Bauern sollten in der Fron so arbeiten, „als ob sie an iren aigen eckern arbeiten", sie sollten so „werben vnndt schaffen, gleich vndt in aller maessen sie ihnen in ihren eigenen veldten vndt eckeren gerne thun wollten", sie sollten haltbares Arbeitsgerät mitbringen, das nicht zerbreche und so fort (Mitteidt. 112 f., GW II 151,179,249,571,766), fruchteten offenbar nichts. Berechnungen haben ergeben, daß kursächsische Bauern des 16. Jahrhunderts bei Fronarbeit durchschnittlich 55,34 Ar, auf ihren eigenen Feldern aber 83,06 Ar pro Tag pflügten. 66 Manche Grund- und Gutsherrschaften gaben daher in Teilbereichen der Lohnarbeit den Vorzug. Die Viehwirtschaft wurde im allgemeinen vom guts-
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eigenen Gesinde besorgt, und das Mähen von Gras und Getreide sowie das Dreschen wurden nicht selten an Zehntschnitter und Dreschgärtner, die um die zehnte Garbe mähten bzw. um den 13. bis 16. Scheffel draschen, „verdingt". Die Zusatzarbeiten wie Aufsetzen, Kehren, Einfahren usw. hatten ebenso wie die eigentlichen Bestellarbeiten allenthalben die fronenden Bauern zu leisten. Beeinträchtigte die Fronarbeit einerseits das Produktionsniveau der gutsherrlichen Eigenwirtschaften, so wirkte sie sich vor allem auf die Bauernwirtschaften selbst kraß negativ aus. Dabei soll nicht verkannt werden, daß um 1525 der Höhepunkt der Fronsteigerungen noch keineswegs erreicht war und sich die Belastungen regional sehr unterschiedlich darstellten. In Mittel- und Südwestdeutschland waren es oft nur zwei bis drei Tage Dienst, Schar, Scharwerk, Acht, Tagwan, Robot im Jahr, örtlich jedoch immerhin bis zu 17 Tagen. 67 Aber selbst wenige Tage Frondienst, noch dazu während der Arbeitsspitzen des Wirtschaftsjahrs abgefordert, belasteten die bäuerliche Ökonomie außerordentlich, behinderten die freie Disposition der Bauern und drückten damit auf das Niveau der Produktion. Die „Bauernschinderei" in Gestalt des Frondienstes zu vermindern, war denn auch eines der am häufigsten formulierten Klassenziele der revolutionären Bauernschaft — von den ersten Bekundungen des Bundschuhs im Hegau 1460 bis hin zu den „Zwölf Artikeln" des Jahres 1525. Weitere einschneidende Behinderungen der bäuerlichen Wirtschaft sollen im folgenden wenigstens kurz genannt werden, um den erreichten Stand der Agrikultur richtig, d. h. in seiner historischen Relation, beurteilen zu können. Dabei kann hier aus Raumgründen nicht die gesamte Klassenlage der ausgebeuteten und unterdrückten Bauernschaft dargelegt werden, die selbstverständlich die Grundlage jedes Gesamturteils sein muß. Von den direkt die Wirtschaft der Bauern bedrückenden und behindernden Umständen sei als erster die Inbesitznahme eines Hauptproduktionsmittels, der Allmende, durch die Feudalklasse genannt. Es kam massenweise zur Ausscheidung von „Herrenwäldern" aus den Gemeindewaldungen, wodurch den Bauern die traditionelle Waldweide entzogen und die Möglichkeit des Nutz- und Bauholzeinschlags eingeschränkt wurde. Das unerlaubte Fällen auch nur eines Baumes wurde streng geahndet wie z. B. 1513 in Unterwolfertsweiler, wo der Täter von seiner Herrschaft, dem Heiligengeistspital zu Lindau, außerdem noch für verbotenes Zusammenrechen von Laub (das als Streu unentbehrlich war) bestraft wurde. 68 Auch das normale Weideland, darunter das jeweilige Brachland, wurde zuungunsten der Dorfherden von grund- und gutsherrlichem Vieh, besonders den Schafherden, rücksichtslos übertrieben und kahlgefressen. Selbst die Gewässer okkupierte die Feudalklasse zunehmend, wodurch der freie Fischfang immer mehr in Fortfall kam und auch die genossenschaftliche Wiesenbewässerung wesentliche Einschränkung erfuhr. — Als weitere Behinderung ist der Vorschnitt zu nennen, ein angemaßtes feudales Recht, das es den Bauern verbot, ihre Wiesen und Felder abzuernten, bevor nicht die Ernte auf den herrschaftlichen Ländereien abgeschlossen war (im Weinbau entsprach dem die Vorlese).
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In ähnlicher Weise erschwerte der Modus der Zehntentnahme die bäuerlichen Erntearbeiten: Es durfte — selbst bei drohendem Regen — erst eingefahren werden, nachdem der Zehntherr den ihm zuständigen Anteil auf dem Feld ausgesondert hatte. Im übrigen beeinträchtigte die Ausdehnung des Zehnten auf alle möglichen Früchte (also über das Getreide hinaus) und sogar auf das Vieh (Blut^ehnt) die bäuerlichen Initiativen hinsichtlich der Einführung neuer Kulturpflanzen und der Aufzucht zusätzlicher Tiere erheblich. Erwähnt sei schließlich, daß die regional weitverbreitete Forderung des Sterbfalls die bäuerliche Wirtschaft bei jeder Gehöftsübergabe des jeweils besten Stück Viehs beraubte. Dieser — keineswegs vollständige — Katalog von Behinderungen durch die Feudalklasse will im Auge behalten werden, wenn man über das bäuerliche Produktionsniveau urteilt. Für die Bauern war es unter diesen Bedingungen außerordentlich schwer, neue Kulturen einzuführen, die Viehzucht zu erweitern oder bessere Geräte anzuschaffen und zu erproben. Aber die Grenzen des technisch-kulturellen Fortschritts der Bauern waren nicht nur durch den feudalen Klassengegner gesetzt, sondern hatten auch bestimmte „innere" Ursachen. Die während des frühen und entfalteten Feudalismus zustandegekommene Synthese zwischen individualwirtschaftlichen und genossenschaftlichen Zügen in der bäuerlichen Ökonomie begann Deformierungen zu erleiden. Die genossenschaftliche Komponente, noch kräftig ausgeprägt besonders hinsichtlich der kollektiven Nutzung der Gemeindeländereien auf dem Gebiet der Viehwirtschaft sowie der gemeinsamen Nutzung sonstiger Gemeindeeinrichtungen und unterschiedlich stark wirksam in einem System gegenseitiger Beschränkung und Rücksichtnahme beim eigentlichen Feldbau („Flurzwang"), erwies sich tendenziell bereits fortschritthemmend. Die Brachbesömmerung, d. h. eine sehr wesentliche Initiative zur Erweiterung der jährlichen Anbaufläche, wurde durch sie ebenso gehemmt wie beispielsweise die Anwendung der Getreidesense, da nämlich die Dorfgemeinde Anspruch auf die „lange Stoppel" (von den mit der Sichel abgeernteten Feldern) hatte. Die Allmendenutzung als ganzes dürch die Dorfgemeinden scheint überhaupt recht extensiv-okkupatorische Züge besessen zu haben und widersprach bereits objektiv den Möglichkeiten einer intensiven Bewirtschaftung. Das gilt unter anderem von der Waldnutzung. „Die Gemeinde der Nutzungsberechtigten selbst und ihre autonomen Satzungen wären nicht imstande gewesen, eine für die Zukunft höchst bedenkliche Waldvernichtung zu verhindern."69 Diese Feststellung ist prinzipiell richtig, wenn wir auch die dahinter verborgene Apologie des feudalen Allmenderaubs selbstverständlich nicht unterschreiben, umso weniger, als der einsetzende feudale „Forstschutz" zu einer noch weitgehenderen Verwüstung der Wälder führte und fortan auf eine einzige Holzordnung zehn Jagdordnungen entfielen.70 Die Zukunft lag in einer geregelten, planmäßigen Forstwirtschaft, wie sie als Alternative zur bäuerlichen und feudalherrlichen Waldnutzung die Nürnberger Bürgerschaft seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts praktizierte, die zuerst in
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Deutschland die systematische Nadelholzsaat erprobte. 71 Hier wie auf anderen Gebieten der ländlichen Wirtschaft hatten die genossenschaftlichen Formen vorerst keine Perspektive mehr. Und so sehr sich auch der genossenschaftliche Zusammenhalt der Bauern 1525 noch über alle innerdörflichen Differenzierungen hinweg bewährt haben mag, — er hatte im ökonomisch-technischen Bereich seine progressive Bedeutung eingebüßt. Dessen wurden sich auch manche Bauern selbst bewußt. Die Allgäuer Bauern, die 1525 mit am hartnäckigsten gegen die feudale Unterdrückung und — mittelbar — für die genossenschaftlichen Rechte gestritten hatten, strebten schon um die Jahrhundertmitte nachhaltig aus der traditionellen Feldgemeinschaft heraus und betrieben von da ab konsequent die Separierung („Vereinödung") ihrer Ländereien. 72 Ausgangs des 16. Jahrhunderts folgten die Bauern im östlichen Schleswig, 73 im 17. und 18. Jahrhundert weitere Landschaften, bevor die bürgerlichen Agrarreformen diese historisch gesetzmäßige Entwicklung im großen Stil (und auf Kosten der Bauern) vollends durchsetzten. 4. Wir lenken zur Frage nach dem Niveau der bäuerlichen Wirtschaft um 1525 zurück und haben nunmehr dessen Relation zum Niveau der handwerklichgewerblichen Produktionssphäre herzustellen. Für diese Aufgabe ermangelt es dem auf die ländliche materielle Kultur Spezialisierten freilich der ins einzelne gehenden Kenntnisse. Darum seien im folgenden nur Thesen zur Diskussion gestellt, die das oben ins Auge gefaßte Verhältnis skizzenhaft charakterisieren sollen. 1. Die innerbetriebliche Arbeitsteilung in den Handwerksstätten und vor allem den Manufakturen sowie im Bergbau war weit entwickelt — im bäuerlichen Betrieb gab es so gut wie keine Arbeitsteilung außer der schon altüberlieferten zwischen Männern (Feldarbeit) und Frauen (Vieh- und Hauswirtschaft). 2. Spezialisierte Produktionsprogramme und überbetriebliche Arbeitsteilung waren im handwerklich-gewerblichen Bereich typisch — die Bauernwirtschaften produzierten im wesentlichen undifferenziert. 3. Die Fertigung von Produktionsinstrumenten lag beim Handwerk und bei der Manufaktur zunehmend außerhalb der entsprechenden Gewerbezweige selbst — in der Landwirtschaft wurden die Produktionsinstrumente zumeist im bäuerlichen Betrieb selbst, in geringerem Maße von dörflichen und kleinstädtischen Handwerkern hergestellt, und nur in wenigen Fällen (z. B. Sensenblätter aus Steiermark und Oberösterreich) waren sie überregionale Handelsware. 4. Die Produktionsinstrumente im gewerblich-frühindustriellen Bereich entwickelten sich in Richtung auf eine arbeitssparende Maschinerie — die landwirtschaftlichen Produktionsinstrumente einschließlich der aufgeführten Neuerungen blieben gänzlich auf manuellen Gebrauch zugeschnitten (Aus-
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nähme im weiteren Bereich der Nahrungsgüterwirtschaft: Getreidemühle) und verlangten härteste körperliche Arbeit. 5. Handwerk, Manufaktur und Bergbau nutzten gezielt die natürlichen Ressourcen (Lagerstätten usw.) und machten sich andererseits über den Handel auch unabhängig von deren lokalem Vorkommen (z. B. metallverarbeitendes Handwerk) — die Landwirtschaft war einerseits kraß abhängig von bestimmten bioklimatischen Voraussetzungen, andererseits nutzte sie dieselben nur unvollkommen (z. B. Getreidebau auch in für die reine Viehwirtschaft prädestinierten Klimaten). 6. Das Handwerk baute die zünftige Lehre systematisch aus — die Landwirtschaft entwickelte sich noch in keiner Weise zum Lehrberuf und besaß keine berufsständische Organisationsform. 7. Die schriftliche Übermittlung von Arbeitswissen durch lehrbuchartige Darstellungen nahm in Handwerk und Gewerbe ihren Anfang, in den Städten entstanden erste Elementarschulen — das landwirtschaftliche Wissen wurde unverändert mündlich tradiert, die Bauern blieben die unmittelbaren Produzenten mit dem niedrigsten Bildungsniveau. 8. Bei den freien Handwerkern (usw.) spielten überlokale und überregionale Kontakte und Einflüsse eine gewichtige Rolle (u. a. Gesellenwandern) — die unfreien landwirtschaftlichen Produzenten waren ärmer an Kommunikation, was sich auch in teilweise starren Verbreitungsgrenzen von Geräten, Technologien und Kulturformen widerspiegelt. Die Gegenüberstellung dürfte verdeutlicht haben, daß die Landwirtschaft und — als ihre hauptsächliche Betriebsform — die Bauernwirtschaft im Zeitalter der frühbürgerlichen Revolution und des Bauernkrieges noch in den „engen naturwüchsigen Schranken der Produktion" befangen war, die Marx so charakterisiert: Existenz von Kleinbetrieben, Privateigentum an Produktionsmitteln, Zersplitterung des Bodens, fehlende Kooperation, keine Teilung der Arbeit innerhalb derselben Produktionsprozesse, fehlende gesellschaftliche Beherrschung und Regelung der Natur, keine freie Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte (MEW 23, 789). Es ist also ein objektiver Rückstand der bäuerlichen Produktion und des bäuerlichen Kulturniveaus gegenüber dem handwerklich-gewerblichen Bereich festzustellen. Er war aber keinesfalls so groß, um die Bündnisfähigkeit der Bauern mit dem Städtebürgertum im Verlauf der frühbürgerlichen Revolution in Deutschland auszuschließen. Die Verringerung dieses Rückstandes, die Schaffung günstigerer Bedingungen für die durch das feudale Produktionsverhältnis behinderte bäuerliche Wirtschaft war objektiv das Kampfziel der Bauern, wie es die auf dem Höhepunkt der Klassenauseinandersetzungen 1525/26 formulierten Forderungen ausweisen. Diese reichten z. B. in den „Zwölf Artikeln" (Franz 1963, 174-179) von der Abschaffung des „Kleinzehnten" über die Minderung der Frondienste und die Freigabe der Allmenden bis hin zur Aufhebung der Leibeigenschaft. In Michael Gaismairs tirolischer
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„Landesordnung" (ebda. 288) wurden regional-spezifische bessere Voraussetzungen für eine intensivierte pflanzliche und tierische Produktion der Bauern und erstmals sogar landeskulturelle Maßnahmen (Kultivierung der Auen und Moser) gefordert. So ist v. Maurer zuzustimmen, wenn er urteilt: „In den erwähnten Bauernartikeln haben die Bauern mehr praktischen Verstand und eine weit tiefere und gründlichere Kenntnis der Bedürfnisse des Landes bewiesen, als alle damaligen Doctores der Recht zusammen." 74 5. Im Bauernkrieg selbst war die bäuerliche Arbeit und waren die Früchte der Arbeit in Sieg und Niederlage allgegenwärtig. Die Bauern setzten sich vorübergehend in den Besitz feudaler Produktionsmittel und adliger bzw. klösterlicher Proviantkammern, wobei ihr Vorgehen von den späteren Siegern offenkundig verleumdet wird. Neben derartigen Schilderungen findet sich aber auch das ausdrückliche Eingeständnis, daß die Bauernhaufen auf ihren Zügen die Früchte des Feldes geschont hätten (Mitteidt. I 226). Solche für die bäuerliche Moral selbstverständliche Achtung vor den Ergebnissen bäuerlicher Arbeit lag den feudalen Siegern und ihren Söldnern durchaus fern: Die Quellen, obwohl aus der Sicht der Feudalklasse verfaßt, gestehen hier ein, daß die Rache der Sieger bäuerliche Produktionsmittel massenhaft und blindwütig vernichtete (z. B. Baumann 1876, 94, 103, 109, 387). Den „Landschaden" stiftete nicht die bäuerliche Aktion, sondern die feudale Reaktion. Eine große Rolle spielten bäuerliche Arbeitsgeräte nach allgemeiner Auffassung in den bewaffneten Kämpfen selbst, indem Dreschflegel, umgerüstete Sensen und andere Gerätschaften das kümmerliche Waffenarsenal der Bauern gebildet hätten. Dieses von bürgerlichen Illustratoren des Zeitgeschehens entworfene Bild, das sich bis in die Museumspädagogik unserer Tage hinein zäh erhalten hat, ist sicherlich zu einseitig und darf nicht die authentischeren Quellenaussagen überdecken, nach denen die Bauern im wesentlichen mit regulären Waffen gekämpft haben. Die Verwendung von Gerätschaften aller Art als Waffenbehelf kam selbstverständlich vor, aber die militärische Zielstellung der Bauern war auf regelrechten Waffenbesitz, dessen sie der feudale Staat systematisch und zunehmend beraubt hatte, gerichtet (Bensing-Hoyer 50 f.). Wenig bekannt und erforscht ist die Funktion des landwirtschaftlichen Arbeitsgeräts auf einem ganz anderen Feld, nämlich dem des „ständischen" Zeichengebrauchs. Pflugscharen, Sicheln, Rebmessern und anderen Gegenständen begegnen wir auf zeitgenössischen bäuerlichen Gemeindesiegeln, Bildstöcken und Grabsteinen (Abb. 5), aber auch — gleichsam am „falschen Platz" — in der feudalen Heraldik. 75 Daß sich die Bauern selbst einmal auf den Symbolgehalt ihrer Arbeitswerkzeuge besinnen und daraus eigene Abzeichen gestalten würden, war den Inhabern des feudalen Wappenrechts einst unglaublich und sogar lachhaft erschienen. Heinrich Wittenwiler hatte um 1400
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in seinem „Ring" noch die anmaßenden Bauern verspottet, indem er ihnen satirisch Wappenzerrbilder beigegeben hatte, die Gabeln, Rechen, Pfluggespann und Bauernspeisen wie Rüben, Käse usw. zeigen. 76 Aber aus dieser komischen Szenerie wurde in unmittelbarer geographischer Nähe schon im selben Jahrhundert Ernst: 1460 zogen die Bauern im Hegau „von den Dörfern, sind von freien Willen gen Schaffhawßen gegangen und haben in der Stat ein Fenlein aufgesteckt, darinnen ist gemolt ein P f l u g u n d e i n P u n t s u c h " (Franz 1963, 61). 77 Eine Pflugschar im Panier führten auch die Schwarzwälder Bauern 1525, wie aus dem Titelblatt des „Artikelbriefs" hervorgeht. Die symbolische Vorzeigung ihres Arbeitsgeräts brachte den Charakter der revolutionären Erhebung werktätiger Menschen sinnfällig zum Ausdruck.
Abb. 5. Pflugschar und Sech im „Wappen" bäuerlicher Bildstöcke, Oberschotterlee und Althöflein/Niederösterreichisches Weinviertel. Nach Walter Berger, in: Unsere Heimat/Wien 43 (1972), Abb. 8 - 9 Am 28. April 1525 zogen Tausende von Bauern in Erfurt ein. 78 Gelenkt vom Rat der Stadt, aber auch aus wohlbegründeten eigenen Überlegungen wendeten sie sich zum „Mainzer Hof", dem Sitz der feudalen Herrschaft über Erfurt und Umgebung. Hier befand sich zugleich der herrschaftliche Wirt-
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schaftshof, dessen Praktiken bei der Ausbeutung und Kontrolle der Fronarbeit (übrigens auch schon von Lohnarbeit) durch eine für die feudale Ökonomie wohl einmalige Bürokratisierung — in Gestalt schriftlicher Wirtschaftsanweisungen durch den Küchenmeister — bestimmt waren. 79 Diesen verhaßten Hof, wo sich nicht nur die politische, sondern auch die ökonomische Gewalt der lokalen Feudalherrschaft konzentrierte, besetzten die Bauern und verfügten, „den Ertzbischoffliehen Hoff hinfuro nit änderst dan den l a n d h o f f zu heyßhen" (andere Lesart: „das man denn ertzbischoffliehen hoffe nymer solt Meinczischen hoffe heyssen noch nennen, sunder der gemeynen bäurischen landtschafft hoffe"). Mit dieser Inbesitznahme verbanden die Bauern eine symbolische Handlung. An einem Gebäude des Hofes befand sich das Wappen des Erzstifts bzw. der Martinsbruderschaft Mainz, das den Heiligen Martin zu Pferde zeigte. Die Bauern schlugen das Wappenbild heraus und ersetzten es durch ein neues, das rasch mit Kreide und Kohle aufgemalt wurde. Im Wappenschild präsentierten sich jetzt Pflugschar, Sech und Karst (andere Lesart: Schar, Sech und Reute), den Wappenhelm bekrönte ein Hufeisen. Dieser außerordentliche Vorgang hatte seine Parallele in der Änderung des Siegels der Stadt Erfurt, aus dem der Heilige Martin ebenfalls entfernt wurde. Während ihn aber hier der Erlöser auf dem Regenbogen ersetzte, was dem ideologischen Programm der Aufständischen im allgemeinen entsprach, wurde mit der Wappenänderung am Mainzer Hof die volksrechtliche Inbesitznahme, die Überführung ins Eigentum der bäuerlichen „Landschaft", versinnbildlicht. Bei j ener sorgfältig durchgeführten Siegeländerung, die auch eine neue lateinische Inschrift einschloß, waren bürgerliche Kräfte mit im Spiel — die Zerschlagung des alten und die Aufrichtung des neuen Wappenbildes am Mainzer Hof indessen erfolgte unmittelbar durch die Bauern. Später gestand der Bauer und „Rädelsführer" Hans Becke aus Tonndorf, daß er der Initiator des Vorgangs gewesen sei. Er wurde mit vielen anderen hingerichtet. Nur wenige Tage lang, aber mit aller Deutlichkeit hatten die Symbole bäuerlicher Arbeit öffentlich von bäuerlichem Klassenbewußtsein gekündet.
Anmerkungen 1 2
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Max Steinmetz, Deutschland von 1476 bis 1648, Berlin 1965, S. 25f. Zur Geschichte der Kultur und Lebensweise der werktätigen Klassen und Schichten des deutschen Volkes vom 11. Jahrhundert bis 1945. Ein Abriß. In: Wiss. Mitt. d. Dt. Historiker-Gesellschaft 1972, 1—3, S. 78, 81. Kümmerlich die Angaben bei Karl Hielscher, Fragen zu den Arbeitsgeräten der Bauern im Mittelalter. In: Zeitschrift f. Agrargeschichte u. Agrarsoziologie 17 (1969) S. 6 - 4 3 . Rudolf Berthold, Wachstumsprobleme der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Spätfeudalismus (zirka 1500 bis 1800). In: Jahrbuch f. Wirtschaftsgeschichte 1964, Teil 2/3, S. 13f.
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Eduard Otto Schulze, Die Kolonisierung und Germanisierung der Gebiete zwischen Saale und Elbe, Leipzig 1896, S. 377; Quellen zur Geschichte der Herrschaft Landskron a. d. Ahr, Bonn 1966, Bd. 1, S. 351; GW VI, 203, 265. 6 Willi A. Boelke, Bäuerlicher Wohlstand in Württemberg Ende des 16. Jahrhunderts. In: Jahrbuch f. Nationalökonomie u. Statistik 176 (1964) S. 261 f. (Kornwestheim); GW VI, 411 (Wir zwischen III und Rhein); Badische Weistümer, Bd. 1, Heidelberg 1917, S. 328 (Zuzenhausen). 7 Paul Lindemans, Geschiedenis van de landbouw in Belgie, Antwerpen 1952, Bd. 1, S. 134f. 8 Ebda, S. 136; Ulrich Bentzien, Haken und Pflug, Berlin 1969, S. 110, 182. 9 Karl Dinklage, Geschichte der Kärntner Landwirtschaft, Klagenfurt 1966, S. 71, 145f.; Katalog der Ausstellung „Der steirische Bauer", Graz 1966, S. 72, 267f. 10 Ulrich Bentzien, Slawische Pfluggeräte und ihre jüngeren Traditionen im östlichen Deutschland. In: Lètopis C 15 (1972) S. 2 1 - 3 9 . 11 Ernst Klein, Die Entwicklung des Pflugs im deutschen Südwesten, Stuttgart 1966, S. 16. 12 Hans Jänichen, Über den mittelalterlichen und neuzeitlichen Ackerbau im westlichen Schwaben. In: Jahrbuch f. Statistik u. Landeskunde von Baden-Württemberg 7 (1962) S. 42 f ; für die Rheinpfalz vgl. Walther Klein, Wagen und Pflug im rheinpfälzischen Sprachschatz. In: Bayerischer Heimatschutz 22 (1926) S. 115 (Otternberg, wohl 16. Jahrhundert). 13 Lindemans, a. a. O., S. 167; Ragnar Jirlow; J. M. G. van der Poel, De inheemse nederlandse ploegen, Wageningen 1968, S. 19—24. 14 L. A. J. W. Sloet, Des Hertog's huis te Hattem in het begin der XVde eeuw. In: Bijdragen voor vaderlandsche geschiedenis en oudheidkunde n. r. 9 (1877) S. 55. 16 Hanns Koren, Pflug und Ari, Salzburg 1950, S. 101 f. (eine von beiden Jahreszahlen muß ein Druckfehler sein); zum vermuteten höheren Alter des alpinen Kehrpfluges vgl. ebda., S. 112f., 261 f., 269. 16 Lindemans, a. a. O., S. 174; Slicher van Bath 186; J. M. G. van der Poel, Oude nederlandse ploegen, Arnhem 1967, passim. 17 Nach Lilli Fischel, Bilderfolgen im frühen Buchdruck, Konstanz u. Stuttgart 1963, Abb. 11, publiziert von Ernst Klein, Uber das Alter des gewundenen Streichbretts. In: Zeitschrift f. Agrargeschichte u. Agrarsoziologie 13 (1965) S. 195 — 199. 18 Vgl. André G. Haudricourt; Mariel Jean Brunhes Delamarre, L'homme et la charrue à travers le monde, Paris 1955, S. 360, Taf. X V (vor S. 440). 19 Man vergleiche die vogesischen Pflüge bei Ernst Klein, Die historischen Pflüge der Hohenheimer Sammlung landwirtschaftlicher Geräte und Maschinen, Stuttgart 1967, Abb. 60 und 263. 20 Lippisches Landesmuseum Detmold, veröff. von Wilhelm Hansen. In : Arbeit und Volksleben, Göttingen 1967, S. 122, Abb. 13. 21 Bibliothek d. Nationalen Gedenkstätten d. dt. Klassik, Bestand ehem. Großherzogl. Bibliothek, Codex 328. Hinweis durch Franz Maria Feldhaus, Die Technik der Vorzeit, der geschichtlichen Zeit und der Naturvölker, 2. Aufl. München 1965, Sp. 793, Abb. 510. Nähere Angaben über die Provenienz des Codex wußte die o. a. Bibliothek nicht zu machen. 22 Staatsarchiv Dresden, Geheimes Archiv, Loc. 4418, Nr. 6, fol. 251—260. Neu ermittelt von Rudolf Quietzsch. Erste, unbefriedigende Auswertung durch Falke 100 f. 23 Das große Ämterbuch des Deutschen Ordens, hrsg. von Walther Ziesemer, Danzig 1921, S. 56, 196, 620 und weitere massenhafte Belege. 5
Tafel 1 K e h r p f l u g g e s p a n n , flämisch, 2. Hälfte 15. Jh., aus „ V i e et miracles de Notre D a m e " des Jehan M i è l o t ; Paris, Nat. BibL, ms. lat. 9199. F o t o : Musée des Arts et Traditions Populaires
Tafel 3 R o g g e n m a h d mit Bügelsensen, Flandern, 1568; „ S o m m e r " aus der Jahreszeiten-Folge von Pieter Brueghel
Tafel 4 Mäher mit Reffsense (Hakenseiß), norddeutsch/mecklenburgisch, um 1500; Detail aus einer Darstellung der Kornfeldlegende, Altarbild in St. Marien, Parchim (Lübische Arbeit?). F o t o : D r . Bentzien
Tafel .5 Getreidemahd mit Sichte und Mathaken (im Mittelgrund), flämisch, um 1500/1520; aus dem „Breviarium Grimani", Simon Bening zugeschrieben. N a c h : Brev. Grim., Faks.-Ausg., hg. Domhöffer, Frankfurt a. M. —Amsterdam 1907
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Märkte. Noch im 18. Jahrhundert wurden Ochsen aus dem Hochschwarzwald bis nach Paris zum Verkauf gebracht. 14 Entsprechend groß war die Zahl der auf den Bergweiden gehaltenen Tiere. Bis zu 99 Rindern fanden sich auf einzelnen größeren Höfen, von denen im Herbst die zum Verkauf vorgesehenen Tiere an bestimmten Orten gesammelt und in großen Herden ins Rheintal hinabgetrieben wurden. Trotz seiner Kleinheit war das Vieh „vom Wald" bereits im 16. Jahrhundert weithin bekannt und gesucht — es galt zu dieser Zeit im Fleisch besser „wie alle metzger das bekennen/ dan die Vngerischen/ Polnischen / oder auch die Schweitzerischen ochsen." 15 Wie in anderen Landschaften Deutschlands reichten auch im Hochschwarzwald die Bauerfahrung und das handwerkliche Können der Bauern im Verlauf des 15. Jahrhunderts nicht mehr aus, die auf Grund der gewachsenen ökonomischen Anforderungen gegenüber früher in ihren Abmessungen geweiteten Gebäude zu errichten. Der Bauer vermochte auch beides nun nicht mehr in erforderlichem Maße zu erwerben. Entsprechend ist er auch fortab nicht mehr wie in den Jahrhunderten zuvor selbst Baumeister seines Hauses. Vielmehr wurden von ihm seitdem zunehmend zünftige Zimmerleute mit dieser Aufgabe betraut. Doch — und das ist bezeichnend für seine engen Beziehungen zu Städten und Märkten des südwestlichen Deutschlands — bediente er sich dabei offensichtlich in der Regel nicht der Meister aus den kleinen Orten seiner Umgebung, sondern vor allem der an den reichen Bürgerhäusern oberrheinischer Städte geschulten Handwerker. In ihren Gefügen sind die Heidenhäuser dieser Zeit bereits „die ausgereifte Frucht reicher und langer Erfahrung". 16 Beweis dafür ist vornehmlich die technisch schwierige Konstruktion ihrer mächtigen Dächer. Fanden sich darin um die Mitte des 15. Jahrhunderts noch ausschließlich hohe Säulenkreuze 17 — das Dingrecht von Wyler bei Freiburg (1453—1484) spricht noch von sechs solcher Kreuze im Gebäude (GWI 363), für die nach einer Bauholz-Ordnung von 1498 aus der gleichen Gegend dem Bauern je vier Hölzer zu liefern waren —, so treffen wir dergleichen ältere Gefüge um 1500 meist nur noch innerhalb des Wirtschaftsteiles an. Im Wohnteil sind an ihre Stelle jetzt durchweg bereits sogenannte Liegende Stühle getreten, eine weitaus schwierigere Konstruktion, die nicht von jedem Zimmermann gemeistert wurde und die zweifellos aus dem Kulturbereich der Städte am Oberrhein herzuleiten ist. Dabei findet sich diese städtische Novation nicht etwa nur in den Gebäuden größerer Bauern. Auch das Haus auf dem Höfle in Schönwald, einem bescheideneren Betrieb von nur etwa 17 ha Größe, enthält genauso seine drei Säulenkreuze im Wirtschaftsteil und seine drei Liegenden Stühle über dem Wohnende. (Taf. 4). Allgemein mußten daher damals bereits von den Bauern des Hochschwarzwaldes für den Bau ihrer Häuser erhebliche Mittel aufgebracht werden, wofür allein schon die Zahl der jeweils dabei tätigen Zimmerleute spricht. Bei der Errichtung des Hauses auf dem Delsenhof in Titisee/Altenweg bei Neustadt werden beispielsweise neben den Spannmeistern Johannes Kleiser und Johannes Wengler 6*
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weitere sieben Gesellen, auf dem Zipfelhof im Bärental sogar außer zwei Meistern noch 15 Knechte genannt. Auch in der Ausstattung seiner Stube mit Holztäfelung, behäbigem Kachelofen und gediegener Möblierung dürfte das Bauernhaus des Hochschwarzwaldes um 1520 weitgehend bereits dem Standard damaliger bürgerlicher Wohnkultur entsprochen haben, wenn sich auch sein Wohnende zu dieser Zeit allgemein noch „in den Berg gebaut" fand, so daß Fenster zur Belichtung der Stube immer nur nach einer Seite hin möglich waren. Durchweg wird diese Hanglage des Wohnendes mit dem Wunsch des Bauern nach Schutz vor der rauhen Witterung im Bereich des Hochschwarzwaldes begründet. Doch wird darin fraglos auch eine den wirtschaftlichen Erfordernissen gegenüber gewisse mindere Bewertung der Wohnlichkeit des Hauses gesehen werden dürfen, ein rationaler Zug, wie er auch anderen Bauernhausformen gerade dieses 16. Jahrhunderts offensichtlich eigen ist. Wir denken dabei vor allem an das Gulfhaus, eine Novation dieser Zeit in den Marschlandschaften entlang der Nordseeküste, oder an das Hallenhaus mit der Durchfahrt im Hinterland der getreideexportierenden Hafenstädte Lübeck und Hamburg. Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts erfolgte im Hochschwarzwald zunehmend eine Drehung des Hauses um 180 Grad — seitdem schaut das Bauernhaus auch hier, wie in den anderen Teilen des „Waldes", mit dem Wohnende ins Tal und ermöglicht so eine zweiseitige und damit bessere Belichtung der Stube. Das Bauernhaus des Hochschwarzwaldes um 1520, wie es sich uns noch heute im dortigen Bestand darstellt, entspricht somit nur in geringem Umfang dem Bild, das uns durch Boemus und Münster vom südwestdeutschen Bauernhaus ihrer Zeit vermittelt wird — es ist nicht nur weit größer, es ist auch weit aufwendiger errichtet. Die Erklärung dafür liegt auf der Hand, und Münster selbst gibt sie uns, wenn er in seinem Werk zum „Schwartz wald" feststellt: „Es hat reich bauren". Auch der Grund für die Wohlhabenheit auf dem Wald ist ihm bekannt, weiß er doch, daß dort „einer wol zwölff küw außwintern mag/ darumb so zeücht es vil viech/ vnd besunder gut ochsen ...". Um diese relativ wohlhabenden Bauern aber ging es beiden in ihren Darstellungen nicht, sondern um jene vielen anderen, von denen Munster zu sagen wußte: „Der dritt stodt [Stand] ist der menschen auff dem Feld /... werde genent bauwren/ darum daz sie das feld bauwen/ vnd das zü der frucht bereite. Die füren gar ein schlecht vnnd niederträchtig [armselig] leben ... Iren herren müssen sie offt durch das jar dienen/ das feld bauwen/ säyen/ die frucht abschneiden vnd in die scheüwer füren/ holtz hauwen/ vnd gräben machen. Do ist nichts daß das arm volck nit thun muß/ vnd on Verlust nit auffschieven darff."18 Das Haus dieser ausgebeuteten und verarmten Bauern wurde von ihnen dargestellt und dabei offensichtlich jener Umbruch in der ländlichen Bauweise, wie er durch eine Reihe Gebäude aus den Jahrzehnten um 1500 eindeutig nicht nur für den Hochschwarzwald, sondern auch für weitere Teile des südwestlichen Deutschlands belegt zu werden vermag,19 bewußt übergangen. Und so wollten beide fraglos auch nicht — wie fälschlich oft angenommen wird — mit ihren knappen
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Schilderungen schlechthin das deutsche Bauernhaus ihrer Zeit dokumentieren. Die von ihnen beschriebenen Gebäude sind vielmehr — zusammen mit den um 1500 entwickelten neuen Formen — architektonischer Ausdruck jenes Prozesses, der im Verlaufe des 15. und 16. Jahrhunderts infolge der weiter zunehmenden Marktabhängigkeit der Bauern und deren verschärfter Ausbeutung durch feudale Grundherrschaften vor allem kleinerer Territorien zu verstärkter ökonomischer und sozialer Differenzierung innerhalb der bäuerlichen Klasse führte. Die engen ökonomischen und kulturellen Beziehungen zu den Städten vor allem des Oberrheins und deren Bürgern, wie sie in der Gestaltung des Heidenhauses bereits um 1500 zum Ausdruck gelangten, wurden für den Hochschwarzwald noch in anderer Weise von Bedeutung: sie ließen hier einen eigenwilligen, selbstbewußten Bauern entstehen, von dem der kaiserliche Obervogt zu Triberg ärgerlich als von „niederträchtigem Bauernvolk" nach Wien berichtete. Schon 1517 hatten die Bauern sich hier den Übergriffen adeliger Pfandschaftsinhaber gegenüber energisch zur Wehr gesetzt und von ihnen den Entscheid erzwungen, „den Armen und Reichen gleich zu sein und sie wider Recht und Billigkeit nicht zu beschweren". 20 Da jedoch die Pfandschaftsinhaber versuchten, diese Abmachung nicht wirksam werden zu lassen, die Bauern, die sich selbst als freie Herrschaftsleute betrachteten, als Leibeigene zu behandeln, den „Leibfall" einzutreiben, die Kinder der Bauern zum Zwangsdienst zu verpflichten und selbst in die bäuerliche Hauswirtschaft einzugreifen, 21 kam es erneut zum Aufruhr. Fronfuhren wurden verweigert, Gefangene befreit, weitere Gefangennahmen verhindert und Beamte der Vogtei tätlich angegriffen. Ähnliche Vorfälle ereigneten sich in den benachbarten Gebieten der Klöster St. Peter, St. Georg und St. Märgen. Neben Eingriffen in beschworene alte Dingrodel war hier Ursache dafür u. a. das jetzt strenger gehandhabte Verbot der Ehe mit „Ungenossamen", d. h. mit Hörigen anderer Grundherrschaften, was 1525 der Fürstabt zu Kempten seinen aufständischen Untertanen gegenüber wie folgt zu verteidigen suchte: „Soll nun demselben aigen man zugelassen sein, sich mit ainem andern herrn leibaigen menschen frey on straf sich seins gefallens zu verheyraten, kommen dieselbigen guter durch die erbschaft vnd todsfäll in ander herren gewaltsam vnd [werden] dem, der die yewelten mit der oberkait vnd nutzung, wie obsteet, gehapt, genossen vnd gepraucht hat, entlich entzogen" (Baumann 1877, 59). Das Kloster St. Georg ließ aus diesem Grund die Söhne der ihm untertänigen Bauern bereits mit zwölf Jahren schwören, nicht ohne Erlaubnis des Abts ein Mädchen von außerhalb des Klosterherrschaftsgebiets zu heiraten. 1524 kam es im Amt Furtwangen und in der Vogtei Triberg ein weiteres Mal zu Tätlichkeiten. Als der Vogt Benedikt Wächter öffentlich ein Schreiben des Villinger Rates über die aufrührerischen Bauern im Brigachtal verlas, nannten die Triberger die darin enthaltenen Vorwürfe „Klapper- und Tandmärchen" und griffen ihn persönlich an, als er insbesondere ihre Pfarrer der Anstiftung zum Aufruhr bezichtigte, so daß er sich durch Entlaufen retten mußte und sofort Anstalten traf, einen
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Teil seiner Habe in das ihm sicherer erscheinende Villingen zu schaffen. Selbst noch 1530, als die verschiedenen Haufen der südwestdeutschen Bauern längst geschlagen waren, rotteten sich die Bauern aus Schönwald bei Triberg noch einmal zusammen, was der feudalen Herrschaft G r u n d genug war, drei der als „Rädelsführer" Verurteilten in Freiburg hinrichten zu lassen. D o c h — und das scheint f ü r die teilweise verhältnismäßig wohlhabenden Bauern des Hochschwarzwaldes charakteristisch gewesen zu sein — waren es im G r u n d e immer nur lokale Anlässe, die die Bauern hier aufbegehren ließen. Z u übergreifenden revolutionären Kampfhandlungen, wie sie uns aus anderen Landschaften Südwestdeutschlands bekannt sind, kam es in diesem Bereich ohne Anstoß v o n außen her nicht. 22 Es bedurfte erst des Durchzuges des SchwarzwaldHegauer Haufens unter der F ü h r u n g Hans Müllers v o n Bulgenbach, daß sich die Bauern des Hochschwarzwaldes z u m Beitritt zur „Christlichen Bruderschaft" entschlossen, das Schloß zu Triberg niederbrannten und an dem allerdings erfolglosen Angriff auf Villingen teilnahmen. 2 3 Trotzdem erschienen sie offensichtlich noch lange ihren geistlichen u n d weltlichen Herren supekt. Selbst das Zusammenstehen nach dem Kirchgang zu einem harmlosen Schwatz w u r d e ihnen noch 1568 mit der D r o h u n g untersagt, sie, falls entsprechenden Hinweisen der eigens dafür eingesetzten Beamten v o n ihnen nicht sofort Folge geleistet würde, sogar in die „Katze", d. h. in den Strafkäfig sperren zu lassen. So g r o ß war auch hier im Hochschwarzwald — ein Menschenleben nach dem E n d e der K ä m p f e — noch immer die F u r c h t vor neuerlicher Konspiration der Bauern. Anmerkungen 1
Das Buch der hundert Kapitel und der vierzig Statuten des sog. Oberrheinischen Revolutionärs, hrsg. v. Annelore Franke u. Gerhard Zschäbitz, Berlin 1967. 2 Hingewiesen sei hier vor allem auf Baumann 1876. Hier finden wir eine große Zahl solcher Schilderungen. 3 Joannes Boemus, Mores, leges et ritus omnium gentium, Lugduni [Lyon] 1561, Liber III „De Europa", S. 253. Frei übersetzt lautet diese Stelle: „Die Hütten bestehen aus Lehm und Holz, ragen wenig aus der Erde hervor und sind mit Stroh gedeckt. Das sind ihre Häuser." 4 Sebastian Munster, Cosmographey ..., Basel 1550, 3. Buch „Von dem Teütschen land", S. 466. 6 So nennt Otto Gruber, Bauernhäuser am Bodensee, Konstanz u. Lindau 1961, S. 25 einen interessanten Bauvertrag aus dem Jahr 1501, aus dem sich das zu errichtende Haus weitgehend rekonstruieren läßt. 6 Diese beiden Häuser stehen heute nicht mehr. 7 Diese Bezeichnung ist vom Mundartlichen her übernommen. Mit ihm charakterisierte der Schwarzwälder diese Hausform als sehr alt, als gleichsam noch aus der Heidenzeit stammend. 8 Dergleichen irrige Einschätzung findet sich in fast allen älteren hauskundlichen Publikationen, so u. a. in Rudolf Henning, Das deutsche Haus in seiner historischen Entwicklung, Straßburg 1882, S. 17 oder in Otto Lauffer, Das deutsche Haus in
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Dorf und Stadt, Leipzig 1919, S. 51 f. In populären Darstellungen findet sie sich bisweilen selbst heute noch, so z. B. in Herbert Kürth/Aribert Kutschner, Baustilfibel, Berlin 1965, S. 222. 9 Alle jüngeren Forschungen zum Schwarzwaldhaus gehen im wesentlichen auf jahrelange Untersuchungen Hermann Schillis zurück, der seine Ergebnisse vor allem in seinem umfangreichen Werk: Das Schwarzwaldhaus, Stuttgart 1953, publizierte. Seine Veröffentlichungen waren auch Grundlage dieser meiner Abhandlungen. Überdies schulde ich ihm herzlichen Dank für die stets bereitwillige Beantwortung zusätzlicher brieflicher Anfragen. 10 Unter Oberdeutschen Mittertennhäusern werden Gebäude verstanden, die unter ihrem Dach sowohl Wohnung als auch Stall und Scheune umfassen. Meist sind sie in drei Raumzonen quergestellt, d. h. sie enthalten eine mittlere Tenne, die in älterer Zeit zugleich Hauseingang ist, daran anschließend zur einen Seite den Wohnteil aus Stube und Küche, zur anderen den Stall. Ihr Dachraum, der als Scheune dient, " zeigt im allgemeinen noch recht altertümliche Konstruktionen. "¿Eberhard Gothein, Die Lage des Bauernstandes am Ende des Mittelalters, vornehmlich in Südwestdeutschland. In: Westdeutsche Zeitschrift f. Geschichte u. Kunst 4 (1885) S. 3. 12 Richard Dorer, Schönwald in Vergangenheit und Gegenwart, Villingen 1948, S. 42 f. Das gleiche belegt Eberhard Gothein (Die Hofverfassung auf dem Schwarzwald, dargestellt an der Geschichte des Gebietes St. Peter. In: Zeitschrift f. d. Geschichte d. Oberrheins, NF 1 (1886)) für andere Gemeinden dieser Landschaft. So fiel nach ihm die Zahl der Höfe u. a. in Neukirch von 47 auf 21. 13 Hermann Baier, Zur Vorgeschichte des Bauernkrieges. In: Zeitschrift f. d. Geschichte d. Oberrheins, NF 39 (1926) S. 195. 14 Alle Versuche der Territorialherrschaften, in diese Marktbeziehungen reglementierend einzugreifen, wurden von den Bauern des Hochschwarzwaldes erfolgreich zurückgewiesen. Vgl.: Eberhard Gothein, Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes und der angrenzenden Landschaften, Bd. 1, Städte- und Gewerbegeschichte, Straßburg 1892, S. 453f. 15 Sebastian Münster, a. a. O., S. 856. 16 Hermann Schilli, a. a. O., S. 36. 17 Darunter wird eine Konstruktion verstanden, die aus mittlerer Firstsäule und zwei Hochsäulen beiderseits davon besteht, wobei die Hochsäulen miteinander durch einen waagerechten Balken verbunden sind. Firstsäule und Balken bilden zusammen dann ein Kreuz. 18 Boemus bringt dazu interessante Ergänzungen. Unter den Fronarbeiten erscheint zusätzlich: „Domos aedificant" (sie bauen Häuser) und am Schluß dieses Abschnittes die Aussage: „Delinquens grauiter multatur. Sed nihil est genti durius, àm quòd praediorum, quae possidet, maior pars non sua sit, sed illorum à quibus certa frugum parte quotannis redimere debet." (Der Schuldige [d. h. der Bauer, der seinen Fronarbeiten nicht voll nachkommt] wird schwer bestraft. Aber nichts ist für die Leute härter, als daß der größte Teil der Güter, die sie besitzen, nicht ihnen, sondern jenen [d. h. den Feudalherren] gehört, von denen sie sich jährlich durch einen bestimmten Teil der Ernte loskaufen müssen.). 19 Gerhard Eitzen, Zur Geschichte des südwestdeutschen Hausbaues im 15. und 16. Jahrhundert. In: Zeitschrift f. Volkskunde 59 (1963) S. 32; Heinrich Winter, Das Bauernhaus des südlichen Odenwaldes vor dem 30jährigen Krieg, Essen 1957, S. 24.
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Hermann Baier, a. a. O., S. 189. Diesem Aufruhr waren hier bereits Auseinandersetzungen u. a. in den Jahren 1490, 1501 und 1504 vorausgegangen. So wurde den Bauern verboten, im Stubenofen Brot zu backen und Hanf in der Stube zu dörren. Bei ihnen zeigte sich offensichtlich in besonderem Maße jene „Lokalborniertheit der Bauern", von der Friedrich Engels in seiner Abhandlung über den deutschen Bauernkrieg spricht (MEW 7, 397). Diese Ausführungen zu den Vorgängen im Hochschwarzwald fußen vor allem auf folgenden Darstellungen: Arnold Elben, Vorderösterreich und seine Schutzgebiete im Jahr 1524, Stuttgart 1889; Franz 1933; Franz 1963; Christian Roder, Heinrich Hugs Villinger Chronik von 1455 bis 1533, Tübingen 1883; ders., Villingen und der obere Schwarzwald im Bauernkrieg. In: Zeitschrift f. d. Geschichte d. Oberrheins NF 31 (1918).
Zeitgenössische Darstellung von Bauernhäusern des 16. Jahrhunderts nach Sebastian Münster, Cosmographey, Basel 1550
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