Der Anfang der abendländischen Philosophie: Eine vergleichende Untersuchung zu den Parmenides-Auslegungen von Emil Angehrn, Günter Dux, Klaus Held und dem frühen Martin Heidegger [1 ed.] 9783428519125, 9783428119127


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German Pages 257 [258] Year 2006

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Der Anfang der abendländischen Philosophie: Eine vergleichende Untersuchung zu den Parmenides-Auslegungen von Emil Angehrn, Günter Dux, Klaus Held und dem frühen Martin Heidegger [1 ed.]
 9783428519125, 9783428119127

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GÜNTHER NEUMANN

Der Anfang der abendländischen Philosophie

Philosophische Schriften Band 64

Der Anfang der abendländischen Philosophie Eine vergleichende Untersuchung zu den Parmenides-Auslegungen von Emil Angehrn, Günter Dux, Klaus Held und dem frühen Martin Heidegger

Von Günther Neumann

Duncker & Humblot • Berlin

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-6053 ISBN 3-428-11912-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706© Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für meine Frau Elisabeth

Inhaltsverzeichnis Einleitung § 1 Problemstellung und thematische Eingrenzung

13

§2

15

Der Aufriß der Untersuchung 1. Kapitel

Perspektiven und Probleme der neueren Parmenides-Forschung §3

Biographisches - Das Lehrgedicht

§4

Methodologische Grundzüge

18 21

§ 5 Die Attribute des Seienden

28

a) Diskussion möglicher Interpretationen der dem Ausschluß des Werdens zugrunde liegenden Zeit-Bestimmung

29

a)Die zeitliche Deutung der Wegzeichen des einen Seienden (xö ¿öv) bei Parmenides

29

ß) Die Zeit-Problematik in der nachfolgenden Philosophie

35

b) Räumliche Bestimmung, Kugelgestalt und Begrenztheit des einen Seienden (TÖ ¿ÖV)

38

§6

Materialität oder Immaterialität des Seienden? Das Problem der Teilbarkeit . . . 44

§7

Denken und Sein

48

§8

Absolute Wahrheit und Meinung

50 2. Kapitel

Der Schritt zur Metaphysik Die Parmenides-Auslegung von Emil Angehrn §9

Der Mythos als Vorgeschichte der Metaphysik - Mythos und Philosophie als Ursprungsdenken § 10 Der Obergang vom Natur- zum Seinsdenken bei Parmenides a) Die Ausschaltung von Zeit und Bewegung b) Die Merkmale des Seins: Vollendung, Einheit, Identität c) Sein und Nichtsein

53 57 59 61 62

8

Inhaltsverzeichnis d) Die Wege des Erkennens: Denken und Meinung (Doxa)

64

§ 11 Metaphysik als Angstabwehr und Verdrängung - Die Explikation existentieller Motive

65

3. Kapitel Sein und Werden in Parmenides' „Über die Natur" Die strukturlogische Interpretation des Lehrgedichts von Günter Dux in der Perspektive seiner historisch-genetischen Theorie der Geistesgeschichte § 12 Dux' historisch-genetische Theorie der Geistesgeschichte a) Die ontogenetische Wende: die historisch-genetische Theorie als Transformation der genetischen Epistemologie Jean Piagets b) Die Rekonstruktion der Geistesgeschichte und das Problem des Anfangs: das lebensweltliche Apriori - Kritische Anmerkungen aus der Sicht der konstruktiven Wissenschaftstheorie der Erlanger Schule

70

§ 13 Das subjektivische (handlungslogische) Objekt- und Ereignisschema als urwüchsiges Erklärungsschema - Die Handlungslogik als emanative Ursprungslogik

75

§ 14 Werden als Problem

78

§ 15 Wahrheit und Schein

79

§ 16 Der Weg, daß ist

67 67

80

§ 17 Denken und Sein

82

§ 18 Die Abweisung des Nicht-Seins und Werdens

86

§ 19 Der Schein des Werdens: die Doxa

89

§ 20 Abschließende Kritik zu Dux' strukturlogischer Rekonstruktion des Parmenideischen Denkens: Einseitigkeit der strukturlogischen Perspektive - Vergleich mit Hegel

93

4. Kapitel Die Vorbereitung der Metaphysik Die phänomenologisch-wissenschaftliche Parmenides-Auslegung von Klaus Held §21 Die Untersuchung als phänomenologische Besinnung

95

a) Philosophisch-wissenschaftliches Denken und Verhältnisdenken Die Forderung einer historischen Phänomenologie im Anschluß an (den späten) Husserl und Heidegger

95

b) Die vortranszendentale Thematisierung der Welt bei den Vorsokratikern in ihrem Bezug zur „Endstiftung" der Philosophie als transzendentale Phänomenologie - Kritik der teleologischen Geschichtsbetrachtung in Husserls Spätwerk

96

Inhaltsverzeichnis § 22 Der Elenchos: Widerlegung oder Bestreitung einer Gegenposition

99

a) Die beiden Teile des Lehrgedichts und die drei Wege der Forschung

101

b) Die Grundthese der Interpretation, daß der nur fiktiv mögliche Nichts-Gedanke unerkanntermaßen der allgemein-menschlichen Überzeugung (Doxa) zugrunde liege § 23 Die allgemein-menschliche Grundüberzeugung

102 103

a) Die Erfahrung des Werdens

103

b) Das Nichtsein in allgemein-menschlicher und philosophischer Sicht §24 Widerlegung der allgemein-menschlichen Grundüberzeugung

104 106

a) Die Nichtvernehmbarkeit des Nichtseienden

106

b) Die Unaussprechbarkeit des Nichtseienden: kritische Auseinandersetzung mit Ernst Tugendhat

106

§ 25 Die positive und negativ-abwehrende Bestimmung des Seiend (xö eöv) im Aletheia-Teil a) Das erste Wegzeichen (Frgm. 8, 5-21): Unentstandenheit und Unvergänglichkeit

109 111

b) Das zweite Wegzeichen (Frgm. 8,22-25): Ganzheit und Einzigartigkeit... 111 c) Das dritte Wegzeichen (Frgm. 8,26-30): Unbewegtheit

112

d) Das vierte Wegzeichen (Frgm. 8,31—49): Vollendung oder Begrenztheit... 112 §26 Die Erklärung der Doxa

115

§27 Resümee

119

5. Kapitel

Sein und Wahrheit Die phänomenologisch-hermeneutische Parmenides-Auslegung des frühen Martin Heidegger 1. Abschnitt Seinsfrage, Wahrheitsphänomen und das Problem des Zusammenhangs der beiden Teile des Lehrgedichts Eine Vororientierung aus dem Umkreis von „Sein und Zeit" § 28 Seinsfrage und das Problem der Zeit

123

§ 29 Der Satz des Parmenides und die existenzial-ontologische Interpretation des Wahrheitsphänomens

129

§ 30 Das Problem des Zusammenhangs der beiden Teile des Lehrgedichts

138

a) Die Neuinterpretation des Zusammenhangs des Aletheia- und des Doxa-Teils von Karl Reinhardt (1916) in der Auseinandersetzung mit der bisherigen Deutung des Doxa-Teils als bloßer Nachtrag (hypothetische Welterklärung oder Doxographie)

138

10

Inhaltsverzeichnis b) Heideggers existenzial-ontologische Deutung der Aletheia und der Doxa als die dem Dasein aufgegebene Ent-scheidung zwischen In-der-Wahrheit-sein (Eigentlichkeit) und In-der-Unwahrheit-sein (Uneigentlichkeit oder Verfallen)

142

§ 31 Das philosophische Vorverständnis und die hermeneutische Situation der Auslegung - Die Abhebung des Ungesagten als die eigentliche philosophische Aufgabe

148

2. Abschnitt Seinsbegriff und Logos-Problematik im Ausgang von der in der Freiburger Vorlesung vom Sommersemester 1922 gegebenen Interpretation der Aristotelischen Eleaten-Kritik § 32 Die Zurücknahme von Ontologie und Logik in die Ursprungseinheit der Faktizitätsproblematik

158

§ 33 Die Verwandlung der Phänomenologie ins Hermeneutische

159

§ 34 Die Auslegung des Lehrgedichts des Parmenides am Leitfaden der Aristotelischen Philosophie a) Das Zusammentreffen mit der neuesten Parmenides-Forschung: Würdigung und Kritik von Karl Reinhardts Parmenides-Auslegung

161 161

b) Das Bleiben auf dem Pfad der nicrxu; dAr|0r|g, des Wahrheitsbesitzes, als Ausdruck einer ursprünglichen Seinsbegegnung - Das Phänomen der Rück-sicht

164

c) Die in der Parmenideischen Seinsbegegnung liegenden beiden Verfehlungen der Verdeckung und des Zuweitspringens Das Phänomen des Grenzübergangs

167

d) Die Vorzeichnung des Wasseins durch das Daßsein in der Bestimmung als pures Da- oder Vorhandensein

169

e) Die Grundbedeutung von Sein als ständiges Anwesendsein und die Überformung des griechischen Seinsbegriffs am Muster der technischen Verhaftungen (xexvi")) 170 f) Das Verfehlen des dem Menschen eigenen Seinsfeldes in der griechischchristlichen Lebensauslegung 174 § 35 Die Aufweisung der Logos-Problematik im Ausgang von der Aristotelischen Eleaten-Kritik im ersten Buch der „Physik" 177 a) Das Zuweitspringen bei Parmenides als Verfehlen des spezifischen LogosCharakters im An- und Besprechen des Seienden (öv) als einhaft (ev) Das apophantische ,Als4 der Aussage (Aoycx; d7ioc|)avTLKÖg) und das hermeneutische ,Als4 des vorprädikativen Auslegungsverständnisses 177 b) „Das je immer irgendwie das Etwas Sein" (xö Ö7I£Q ÖV) und die Mithaftigkeit (xö cru|iߣßr|KÖU(J£CÜ(;)9 in der Antike vermutlich noch vollständig überliefert gewesen ist, 3

Schon Reinhardt (Parmenides, 1. Aufl. Bonn 1916) wendete sich (ganz im Sinne Heideggers) entschieden gegen den Versuch, das Lehrgedicht aus einem (wie auch immer gearteten),Gegenentwurf' (z. B. gegen Heraklit) heraus zu erklären. 4 Röd: Die Philosophie der Antike 1, S. 115. 5 Zur Deutung der (namenlosen) „Göttin" (0ea) in Frgm. 1,22 s. unten S. 142 f., Anm. 87. 6 Röd: Die Philosophie der Antike 1, S. 116. 7 Die Mtfarwissenschaften werden im Verlauf der Neuzeit zum Paradigma von Wissenschaftlichkeit überhaupt (vgl. dazu G. Neumann: Galilei und der Geist der Neuzeit: Husserls Rekonstruktion der Galileischen Naturwissenschaft in der Krisis-Schrift, in: Phänomenologische Forschungen, Jg. 2001, S. 259-279). 8 Röd: Die Philosophie der Antike 1, S. 116. 9 Die Übersetzung „Über die Natur" ist leicht mißverständlich. Schon Simplicius (der nicht daran zweifelte, daß riepi c^uaecog des Verfassers eigene Überschrift war) äußerte die Ansicht, daß sich dieser Titel nicht unbedingt auf einen ,physikalischen* Sachverhalt beziehen mußte (vgl. Simplicii in Aristotelis De Caelo commentaria, ed. I. L. Heiberg, Berlin 1894 (Commentaria in Aristotelem graeca, Vol. VII), 556, 25 ff.). Seit wann man den philosophischen Lehrschriften diesen Titel gab, wissen wir nicht. In der Literatur wird der Titel unterschiedlich übersetzt. So wählt beispielsweise Uvo Hölscher den Titel „Vom Wesen des Seienden" {Parmenides: Vom Wesen des Seienden. Die Fragmente, griechisch und deutsch, hrsg., übers, und erl. von U. Hölscher, Frankfurt a. M. 1986,

20

1. Kap.: Perspektiven und Probleme der neueren Parmenides-Forschung

warf es schon zu dieser Zeit schwierige Interpretationsprobleme auf (vgl. Piaton, Theaitetos 184 a). Von dem Parmenideischen Lehrgedicht „sind vor allem dank Simplicius verhältnismäßig ausführliche Bruchstücke erhalten, die, anders als bei Heraklit, die Rekonstruktion der wesentlichen Begründungszusammenhänge gestatten".10 Diese Ansicht wird auch von Heidegger geteilt. In seiner Freiburger Parmenides-Vorlesung vom Wintersemester 1942/43 heißt es: „Wir beginnen mit einem Hinweis auf das Wort des Parmenides. Es ist uns in größeren und kleineren Bruchstücken überliefert. Das noch deutlich genug erkennbare Ganze, in das die Bruchstücke gehören, spricht in Versform die Gedanken eines Denkers, also eine philosophische ,Lehre4, aus. Man spricht deshalb vom »Lehrgedicht4 des Parmenides."11 Das noch erkennbare Ganze wird nun von Röd folgendermaßen gedeutet: „Sie [die erhaltenen Bruchstücke] lassen erkennen, daß in einem ersten Teil zunächst mit dem Anspruch unbedingter Wahrheit eine metaphysische Lehre von der Wirklichkeit entwickelt, sodann in einem zweiten Teil, von dem nur spärliche Fragmente auf uns gekommen sind, der Versuch einer hypothetischen Welterklärung unternommen wurde. 4412 Dieser die beiden Teile des Lehrgedichtes (Aletheia- und Doxa-Teil) ansprechende Satz ist eigentlich schon eine Art von vorwegnehmender Zusammenfassung des im weiteren noch näher erörterten Interpretationsansatzes. Auch Röds bes. S. 68, 122 f.) und Hans von Steuben (Parmenides: Über das Sein, griechisch/ deutsch, hrsg. von H. von Steuben, bibliograph. erg. Ausg. Stuttgart 1995) den Titel „Über das Sein44. Zum griechischen Begriff der CJJÙQLÇ vgl. E. Knobloch: Das Naturverständnis der Antike, in: F. Rapp (Hrsg.): Naturverständnis und Naturbeherrschung. Philosophiegeschichtliche Entwicklung und gegenwärtiger Kontext, München 1981, S. 10-35. Zu den Traditionslinien des Natur-Begriffs in der Neuzeit vgl. Th. Leinkauf: Der Natur-Begriff des 17. Jahrhunderts und zwei seiner Interpretamente: „res extensa44 und „intima rerum", in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 23 (2000), S. 399-418. In seinem Aufsatz „Vom Wesen und Begriff der Oucriç. Aristoteles, Physik B, 1" (1939) (in: Wegmarken (GA 9), S. 239-301, bes. S. 259) läßt Heidegger „das Grundwort tyvoiç" bewußt unübersetzt. Oùcriç hat im gewöhnlichen Sprachgebrauch die Doppelbedeutung von 1.,Ursprung 4, ,Geburt4 und 2. ,Natur4 im Sinne von ,Beschaffenheit 4, »Aussehen4 (vgl. (j)UO|iai in: P. Chantraine: Dictionnaire étymologique de la langue grecque. Histoire des mots, Paris 1980). An die beiden Grundbedeutungen knüpfen in gewisser Weise auch noch die neuzeitlichen Interpretamente des Naturbegriffs an. Die beiden Bedeutungen ergeben sich im Griechischen zwanglos aus der cri-Bildung von der Verbalwurzel u- (,wachsen4,,hervorgehen 4), da das Suffix -cri (< indogermanisch -ti) grundsätzlich sowohl im Sinne des nomen actionis als auch des nomen acti verwendet werden kann (vgl. H.-C. Günther: Grundfragen des griechischen Denkens. Heraklit, Parmenides und der Anfang der Philosophie in Griechenland, Würzburg 2001, S. 53,131). 10 Rod: Die Philosophie der Antike 1, S. 116. 11 Parmenides (GA 54), S. 12. 12 Röd: Die Philosophie der Antike 1, S. 116.

§ 4 Methodologische Grundzüge philosophiehistorischer Darlegung liegt ein bestimmtes Vorverständnis de.

21 zugrun-

§ 4 Methodologische Grundzüge Der Gegensatz von unbedingter (metaphysischer) Wahrheit und hypothetischer (empirisch-wissenschaftlicher) Welterklärung wird nun von Röd weiter erläutert: „Die Parmenideische Philosophie ist durch einen bis dahin nicht gekannten Gegensatz von metaphysischer und empirischer Erkenntnis gekennzeichnet. Die metaphysische Einsicht wird der Beobachtung bzw. der wissenschaftlichen Erklärung nicht nur gegenübergestellt, sondern klar übergeordnet. Bei Parmenides scheint das erste Mal in der Geschichte der Philosophie die Metaphysik in Opposition zum empirischen bzw. wissenschaftlichen Denken getreten zu sein. Das empirische Denken ist nach Parmenides durch Gewohnheit bedingt, die wiederholter Erfahrung entspringt (B 7.3: löog 7ioAu7teiQOv). Die Methode der empirischen Generalisation führt aber immer nur zu hypothetischen Resultaten (öö£ai), d. h. die naturphilosophische Welterklärung hat prinzipiell nur provisorischen Charakter. Parmenides kannte selbstverständlich die naturphilosophischen bzw. naturwissenschaftlichen Lehren seiner Vorgänger, die, ausgehend von gewissen Beobachtungen und mit Hilfe außerordentlich kühner Verallgemeinerungen, Theorien entwarfen, die sie mit dem Anspruch absoluter Wahrheit vortrugen. Diesen Anspruch hat Parmenides mit Recht in Frage gestellt, allerdings nur sofern er naturphilosophische Konstruktionen betrifft. Im Hinblick auf seine Metaphysik erhielt er den Anspruch absoluter Wahrheit aufrecht. Der zur metaphysischen Einsicht führende Weg kann seiner Ansicht nach aber nicht der von ihm kritisierte sein, sondern zur absoluten Wahrheit führt nur eine Methode apriorischer, d. h. erfahrungsunabhängiger Erkenntnis. Parmenides sah, daß tautologische Sätze a priori wahr sind, und er glaubte daher, die Metaphysik auf Tautologien wie ,Das Seiende ist' oder ,Das Nicht-Seiende ist nicht' stützen zu können bzw. zu müssen."13 Tautologien stellen nach der traditionellen Logik eine Klasse von Aussagen (und Aussageformen) dar, deren Wahrheit man allein aufgrund logischer Überlegungen nachweisen kann. Für Ludwig Wittgenstein sind Tautologie und Kontradiktion zwar „sinnlos", da keine von beiden „die Wirklichkeit irgendwie bestimmen", aber „nicht unsinnig; sie gehören zum Symbolismus, und zwar ähnlich wie die ,0 4 zum Symbolismus der Arithmetik". 14 Tautologien sind, mit Kant gesprochen, analytisch und a priori. „Analytische Urteile (die bejahenden) sind also diejenigen, in welchen die Verknüpfung des Prädikats mit dem Subjekt durch Identität [...] gedacht wird". 1 5 „Die eigentliche Aufgabe der reinen 13

Rod: Die Philosophie der Antike 1, S. 116 f. L. Wittgenstein: Tractatus logico-philosophicus 4.461,4.4611 und 4.463. 15 1. Kant: Kritik der reinen Vernunft A 7/B 10. 14

1. Kap.: Perspektiven und Probleme der neueren Parmenides-Forschung

22

Vernunft" ist für Kant bekanntlich in der Frage enthalten: „ Wie sind synthetische Urteile a priori möglich? " 16

Um Röds Argumentation konsequenterweise noch ein Stück weiterdenken zu können, soll nun Fragment 8, 38—41 herangezogen werden: 38

Tip 7idvx' övo^i' ecrxai öaoa ßQoxoi KaxeÖevxo, 7i£7ioi0ox£ Sterblichem nicht zu vermeiden schien.4 Reinhardt, Parmenides [und die Geschichte der griechischen Philosophie, Frankfurt a. M. 41985], S. 24. Nur ist das Verhältnis umgekehrt zu sehen: die Wahrheit war alt, das Denken der Sterblichen neu."40

§ 15 Wahrheit und Schein Das Lehrgedicht enthält vor allem die Rede der (namenlos gebliebenen) Göttin (Frgm. 1, 22). Welcher? Dux verweist auf die Aletheia, die am ehesten als die Göttin in Frage kommt. 41 Wichtiger ist für ihn, daß das Wissen in die offenbarende Rede einer Göttin gekleidet ist, wobei aber nicht eine Offenbarung im neuzeitlichen Sinne eines nur Geglaubten gemeint sein kann. Handlungslogisch geht das Denken vom Vorfindlichen zum Absoluten als dessen Grund und Ursprung zurück: „Die Wahrheit ist deshalb etwas, das dem Menschen aus dem Absoluten zukommt; das aber war immer ein Gott oder göttliche Natur." 4 2 Die Offenbarung ist nicht etwa deshalb in die Rede einer Göttin gekleidet, weil menschliches Denken allein für die Erkenntnis der Wahrheit nicht ausreiche. 43

entwickelte, kann der chinesische Buddhist und Begründer der Sanlun-Schule, Seng Zhao (384-414 n. Chr.), genannt werden (vgl. R. Elberfeld: Phänomenologie der Zeit im Buddhismus. Methoden interkulturellen Philosophierens, Stuttgart-Bad Cannstatt 2004, S. 183 ff.; zur Phänomenologie der Zeit bei Husserl, Bergson, Merleau-Ponty und Heidegger vgl. ebd., S. 361 ff.). 40 Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 288 mit Anm. 5. 41 Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 290. 42 Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 290. 43 Gegen K. Held: Heraklit, Parmenides und der Anfang von Philosophie und Wissenschaft, Berlin/New York 1980, S. 472, 566 ff.

80

3. Kap.: Die strukturlogische Interpretation des Lehrgedichts von G. Dux

Die Welt der allgemeinen Erfahrung, die es zu verarbeiten gilt, wird im Lehrgedicht als „Meinungen der Sterblichen" (PQOTGÜV 5o£ai) (Frgm. 1,30) bestimmt. Mit den Sterblichen sind, wie Karl Reinhardt belegt, alle Sterblichen gemeint.44 Wie schon angedeutet, ist das Verhältnis von Grund und menschlichem Wissen problematisch geworden. Erklärungsbedürftig wurde (auch für Reinhardt) vor allem der Schein: „Die Frage nach dem Grunde des Scheins war die eigentlich bedrückende Frage. Die Natur des Seins und die daran gebundene Wahrheit ließen sich buchstäblich in wenigen Zeilen bestimmen. Not machte die dagegenstehende Erfahrung; sie vor allem bedurfte der Erklärung. Das Proömium schließt deshalb mit dem Versprechen, beides zeigen zu wollen [...] Diesem Versprechen folgt der Aufbau des Gedichts in seiner zweiteiligen Gliederung: Teil 1 handelt von der Wahrheit (Aletheia), Teil 2 vom Schein (Doxa). Beide gehören untrennbar zusammen. Das wurde lange Zeit bestritten, darf jetzt aber als erwiesen gelten; vgl. Reinhardt, S. 32 f." 45

§ 16 Der Weg, daß ist...

Das Werden scheint beides zu beinhalten: ein Sein und ein Nicht-Sein. Von diesen beiden Gegensatzpolen wird gesagt, daß nur der erste, „daß ist", ein gangbarer Weg ist (Frgm. 2, 3-4; vgl. 6, 1-2). Im Deutschen ließe sich ccruiv ,impersonal' übersetzen: „es ist" wie z. B. ,es regnet' (griechisch (nur) uei) oder ,es blitzt' 46 . Im Griechischen sind bei der 3. Person „auch leblose Subjekte möglich", jedoch „ursprünglich nicht bei ausgeprägt energetischen Verben". „Doch wird die 3.,Person' auch ,unpersönlich' (OLTIQOOCJTICJQ, impersonaliter) gebraucht (ohne konkret vorgestelltes Subjekt)."47 Der impersonale Ausdruck ,es ist', den es in der griechischen Alltagssprache (anders als den Ausdruck ,es regnet') gerade nicht gibt, ist - wie Klaus Held treffend bemerkt - ein von Parmenides in diesem neuartigen Gebrauch eingeführter „philosophischer Kunstausdruck".48 Das ,es' im ,es ist' (,there is', ,il y a', ,ci sono', ,c'£') fungiert als unbestimmtes Demonstrativum. Dem ecruiv-Satz fehlt nicht das Subjekt überhaupt, sondern nur ein bestimmtes Subjekt. Das Existential ist ein unbestimmter 44

Reinhardt: Parmenides, S. 66; vgl. auch die weiteren Literaturhinweise unten S. 101, Anm. 24. 45 Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 291 f. mit Anm. 15. 46 Beispiel aus § 6 „Das impersonale Urteil" von Heideggers Dissertation „Die Lehre vom Urteil im Psychologismus. Ein kritisch-positiver Beitrag zur Logik" (1913) (in: Frühe Schriften (GA 1), S. 59-188, hier S. 185 f.). 47 E. Schwyzer: Griechische Grammatik. Auf der Grundlage von K. Brugmanns griechischer Grammatik, Bd. 2: Syntax und syntaktische Stilistik, vervollst, und hrsg. von A. Debrunner, 2., unveränd. Aufl. München 1959, S. 244. 48 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 515.

§ 16 Der Weg, daß ist..,

81

(spatialer bzw. temporaler) Lokativ.49 Das mag, rein sprachanalytisch betrachtet, richtig sein. Aber für Held liegt der eigentliche sachliche Gehalt von einem Satz wie „es regnet" zu Recht darin, daß nicht „etwas über etwas" ausgesagt wird, sondern der Satz „das An-sich-selbst-Vorliegen und das Sich-Zeigen des Zustandes ,Regen4 selbst" ausspricht.50 Das „vernehmbar-anwesend-Vorliegen" meint „weder die Existenz im Unterschied zur Essenz noch das kopulative ,ist' noch das veritative ,es ist wahr, daß ...'; es liegt vielmehr allen diesen Bedeutungsmöglichkeiten, von denen man ja allererst mit bezug auf das Auftreten des ,ist' in einem Satz sprechen kann, zugrunde".51

In der sogleich hinzugefügten Negation des Gegenteils scheint das Subjekt genannt zu sein: O U K ICJTI firj elvai (Nicht-Sein) (Frgm. 2, 3). Was ist also als Subjekt zu denken: Sein oder Seiendes?52 Diese Frage läßt sich für Dux aus dem Text allein nicht nur nicht entscheiden, sondern ist falsch gestellt. Parmenides denkt im ist das Sein, aber „dieses Sein als Sein im Seienden"53. Dieser Satz bedarf einer Erläuterung. Der Grund und Ursprung ist im Seienden, er ist im Seienden anwesend. Sein und Seiendes sind zusammengeschlossen und damit kommen ihnen auch dieselben Attribute zu. Aus einer späteren Perspektive betrachtet, liegt hierin eine Engführung, das Seiende in einer derart rigorosen und starren Weise an das Sein zu binden. Das ist für Dux aber strukturlogisch begründet, gewissermaßen in der denkbarrigidesten Form: „Es will mir scheinen, daß die ganze Genialität Parmenides' in der Konstruktion dieses Satzes gelegen ist: daß ist. Denn einfacher und schärfer kann nicht gesagt werden, wie Seiendes und Sein zusammengehalten werden. Das Subjekt ist nur in der 49 Vgl. R. Marten: Existieren, Wahrsein und Verstehen. Untersuchungen zur ontologischen Basis sprachlicher Verständigung, Berlin/New York 1971, S. 23 ff.; ders: Denkkunst. Kritik der Ontologie, Paderborn [u. a.] 1989, S. 41 f. Georg Trakls mit „Es ist ein ..." beginnende Verse in der ersten Strophe des Gedichts „Psalm" (1912) (in: G. Trakl: Sämtliche Werke und Briefwechsel. Innsbrucker Ausgabe, hist.-krit. Ausg. mit Faks. der handschr. Texte Trakls hrsg. von E. Sauermann und H. Zwerschina, Bd. II, Basel/Frankfurt a. M. 1995, S. 13-25), die Heidegger an zwei Stellen zitiert (M. Heidegger: Protokoll zu einem Seminar über den Vortrag „Zeit und Sein", in: ders.: Zur Sache des Denkens, Tübingen 1969, S. 27-^0, hier S. 42; Was heißt Denken? (GA 8), S. 209), sind, sprachanalytisch betrachtet, Beispiele unbestimmter Lokative. (Die Dichtung Hölderlins und Trakls war Heidegger schon in seiner „Studienzeit vor dem ersten Weltkrieg" stets gegenwärtig (Unterwegs zur Sprache (GA 12), S. 88).) 50 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 513 f. 51 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 507, Anm. 1; vgl. dazu die von Röd gegeben Obersicht der in der Literatur vorliegenden Interpretationen (oben S. 26). 52 Vgl. Parmenides: Vom Wesen des Seienden. Die Fragmente, griechisch und deutsch, hrsg., übers, und erl. von U. Hölscher, Frankfurt a. M. 1986, S. 77 ff. 53 Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 294.

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3. Kap.: Die strukturlogische Interpretation des Lehrgedichts von G. Dux Identität der Ursprungslogik zwischen Sein und Seiendem zu bestimmen, eine Identität, die gleichwohl die Differenz zwischen beiden als die zwischen dem Ursprung und seiner Emanation kennt."54

Den einen Weg, „daß ist", den Parmenides als den einzig zu gehenden Weg bezeichnet, den Weg der Wahrheit, belegt er an keiner Stelle. Das ist oft bemerkt worden. Erfolgt dennoch ein indirekter Beweis ex negativo durch Ausschluß der anderen möglichen Wege?55 Dagegen wendet sich Dux: „Daß , ist' ist der einfache, von der Grundstruktur der Logik durchsetzte Tatbestand, in einer Welt zu sein. Und dieser Satz ist keines Beweises bedürftig und auch keines fähig." 56

Dem ist sicherlich zuzustimmen. Auch ist in der Möglichkeit, überhaupt nach dem Nicht-Sein fragen zu können, im Grunde das Sein immer schon vorausgesetzt. Damit ist aber nicht prinzipiell ausgeschlossen, daß Parmenides die anderen sprachlich überhaupt möglichen Wege darüber hinaus noch auf ihre Denkbarkeit hin prüft und so die Verführungen durch falsches Denken zurückweist.

§ 17 Denken und Sein Auf Dux' an Uvo Hölscher angelehnte Übersetzung des zentralen Fragments 3 und der Parallelstelle in Fragment 8, 34-36 soll hier nicht weiter eingegangen werden, da die Fragmente an anderer Stelle ausführlich behandelt werden.57 In der subjektlogischen Fassung des Aufbaus der Welt liegt am Grunde jedes Seins ein Denken. Deshalb gibt es auch keinen Hiatus zwischen Denken und Sein, weil das Sein seinem Grunde und Wesen nach Denken ist. Den Beginn des Johannesevangeliums: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort." 58 hätte Goethe im Faust (Der Tragödie erster 54

Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 295. Held (Heraklit, Parmenides..., S. 512 f.) kommt Dux' Interpretation zwar am nächsten, indem er sich gegen die Eindeutigkeit des im Ausdruck ICJTIV (oder xo ¿öv) Gemeinten, nämlich entweder (nur) das Sein oder (nur) das Seiende, wendet, betont aber gerade die im Icmv (oder TO eöv) liegende „ontologische Indifferenz" als die „Ununterschiedenheit" von Sein und Seiendem, Bestimmtheit(-Gebendem) überhaupt und Bestimmtem, Zustand überhaupt und Zuständlichem. 55 Vertreten u. a. von Uvo Hölscher (Parmenides: Vom Wesen des Seienden, hrsg. von U. Hölscher, S. 80 f.); vgl. auch Wolfgang Röd (oben S. 25 f.). 56 Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 296. 57 Siehe unten S. 131 ff., 181 f., 200 ff. 58 Tïv àQXÎi ° Aôyoç, K A I ô Aoyoç rjv TIQOÇ TÔV 8eöv, Kai 0eôç fjv ô Aoyoç. (Griechischer Text und deutsche Übersetzung nach: Das Neue Testament, Interlinearübersetzung griechisch-deutsch, griechischer Text nach der Ausgabe von Nestle-Aland

§1

e

und Sein

83

Teil, Vers 1224) besser so stehengelassen (wenn man die phänomenologische Struktur der Handlung modo futuri 59 zugrundelegt). Das subjektivische Denken ist seiner Struktur nach identitätslogisch. Deshalb kann Dux schreiben: „Zwischen dem Gegenstand und seiner Erkenntnis, dem Referenten und dem Symbol, kann zwar unterschieden werden, aber immer nur so, daß das eine das andere ist. Das gilt insbesondere für die Identität zwischen dem Gegenstand und seinem Nam A n men. «60 Ein derartiges Denken, für das der Name, das Zeichen untrennbar zum Wesen selbst der seienden Dinge gehört, ist beispielsweise für die altägyptische Geisteswelt belegt. In der Welt jenseits des Todes „sollte nicht nur die Person des Menschen weiterleben, sondern auch ihr Name, der untrennbar zum Wesen aller seienden Dinge gehört". 61 Die Tilgung des Namens kommt somit der Auslöschung der ganzen Existenz gleich: „Umgekehrt hat man immer wieder versucht, durch die Tilgung des Namens eine ganze Existenz auszulöschen, am extremsten in der Verfolgung des Amun durch Echnaton; noch in der römischen Zeit Ägyptens gebraucht man diese Waffe und wendet sie gegen hieroglyphisch geschriebene Namen von verfemten Kaisem (Geta und Philippus Arabs) an." 62 Dux könnte sich in seiner Argumentation auch auf Karl Reinhardts bahnbrechende Untersuchung berufen: „aber die Begriffe waren von den Dingen noch ungesondert". 63 Das Denken ist, wie schon gesagt, von den seienden Dingen (26. Aufl.), übers, von E. Dietzfelbinger, 3., vom Übers, korr. Aufl. Neuhausen-Stuttgart 1989.) 59 Nach Alfred Schütz (s. oben S. 76). 60 Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 297 f. (Hervorh. v. Verf.) 61 E. Hornung: Geist der Pharaonenzeit, Zürich/München 1989, S. 9 f., vgl. S. 193. 62 Hornung: Geist der Pharaonenzeit, S. 194. Zum Problem des Nichtseienden im Rahmen der altägyptischen Jenseits- und Gottesvorstellungen vgl. E. Hornung: Der Eine und die Vielen. Ägyptische Gottesvorstellungen, 2., unveränd. Aufl. Darmstadt 1973, Exkurs: Die ontologischen Grundlagen, S. 166-179. Es wäre eine lohnenswerte Aufgabe, die historischen Befunde mit neueren entwicklungspsychologischen Untersuchungen bei Kindern zu vergleichen. Im zweiten Kapitel „Der Realismus der Namen" (S. 67-89) seiner bekannten Untersuchung „Das Weltbild des Kindes" verweist Jean Piaget auf die Unfähigkeit von Kindern (bis zum Alter von etwa 10 Jahren), „zwischen dem Sein und dem Namen zu unterscheiden" (S. 72). Für das erste Stadium (5-6 Jahre) hält er fest: „Der Name der Dinge gehört ursprünglich zu den Dingen. Das heißt jedoch nicht, er sei materiell in das Ding eingeschrieben oder in ihm abgebildet. Er gehört zum Wesen des Dings." (Ebd., S. 79.) 63 Reinhardt: Parmenides, S. 24; vgl. auch H. Steinthal: Geschichte der Sprachwissenschaft bei den Griechen und Römern mit besonderer Rücksicht auf die Logik, Teil I, Hildesheim 1961 (Nachdr. der 2., verm. u. verb. Aufl. Berlin 1890). Nach Steinthal ist der Name eines Dinges ursprünglich kein „totes Zeichen", weil im lebendigen Gefühle

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3. Kap.: Die strukturlogische Interpretation des Lehrgedichts von G. Dux

nicht durch einen Hiatus wie den der neuzeitlichen Subjekt-Objekt-Spaltung getrennt. Es soll nochmals Reinhardt zitiert werden: „Wer bemüht ist, ihn [Parmenides] in seiner ganzen Kühnheit und Gebundenheit zugleich aus seiner historischen Bedingtheit zu verstehen, wird zunächst feststellen müssen, daß der Eine große Mißstand, unter dem für uns die 6ó£a leidet, daß sie das erkennende Subjekt nicht greifen kann und bei den Dingen selbst sich Rats erholen muß, daß dieser Mißstand für Parmenides kaum sehr empfindlich war, vielleicht kaum überhaupt von ihm empfunden wurde. Er faßt den Satz, daß Gleiches nur durch Gleiches erkennbar sei, so wörtlich und anschaulich auf, daß er nicht anders dachte, als das wahrnehmende Organ und das Objekt beständen nicht nur aus denselben Stoffen, sondern seien auch denselben Formen und Gesetzen unterworfen. Die Denkvorgänge in der Seele erschienen ihm nicht als Übertragungen, sondern als genaue Wiederholungen der Außenwelt. Was für das Denken Gesetz war, mußte auch für die Dinge unbeschränkte Geltung haben. Geriet die Natur mit dem Satze des Widerspruchs selbst in Widerspruch, so war sie eben falsch und nicht vorhanden [...] Umgekehrt gestattete jede Beschaffenheit der Außenwelt den Rückschluß auf das menschliche Erkennen. Ja, sieht man genauer zu, so läßt sich eine Scheidung zwischen Denken und Sein (oder Schein und Vorstellen) in den Fragmenten schlechterdings nicht durchführen." 64 Wenn wir als Charakteristikum des frühen Denkens festhalten, daß dieses sich - eher rezipierend - nach dem (unverborgen) anwesenden Seienden richtet, dann ist nochmals zu betonen, daß das Seiende wiederum handlungslogisch verstanden wird und die Handlungslogik eine Ursprungslogik ist. Alles, was geschieht, wird als eine Heraussetzung (,E-manation') aus einem Ursprung verstanden und ist damit in dem Ursprung immer schon enthalten und mit ihm gleichsam identisch. Der Ursprung mag als Gott anthropomorphe Züge annehmen oder in abstrakter Weise gedacht sein. Das Absolute ist, wie es noch in Hegels Vorrede zur „Phänomenologie des Geistes" (1807) heißt, nicht nur als Substanz, „sondern ebensosehr als Subjekt aufzufassen und auszudrücken". 65 Bewahrt wurde, mit Reinhardt gesprochen, der „Drang zur Subjektivierung" (des Seienden „als Subjekte und Mächte") auch durch den „Geist der Sprache". 66

des Volkes „nämlich ,heißen' und ,sein' zusammenfällt", „Wort und Sache eins" werden (ebd., S. 5). Dem lebendigen Gefühl des Volkes entspricht das, was Piaget in seiner Untersuchung „Das Weltbild des Kindes" als den „Realismus der Namen" bezeichnet (s. oben Anm. 62). 64 Reinhardt: Parmenides, S. 29 f. 65 Hegel: Werke (in 20 Bdn.), Red. Moldenhauer/Michel, Bd. 3, S. 23. 66 Reinhardt: Parmenides, S. 252. In unüberbotener Schärfe hat das Nietzsche zum Ausdruck gebracht (s. oben S. 77, Anm. 35). In der Nachfolge und Kritik Hegels kann schon auf Karl Marx verwiesen werden: „Die Religion ist die allgemeine Theorie dieser Welt [...], ihre Logik in populärer Form" (K. Marx: Zur Kritik der Hegeischen Rechts-

§ 17 Denken und Sein

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An Klaus Heids (an Husserls transzendentaler Phänomenologie orientierter) Interpretation kritisiert Dux nun, daß sie - von einem neuzeitlichen Verständnishorizont aus und in gewisser Weise unhistorisch - zu sehr „den Anteil des erkennenden Subjekts" in den Vordergrund rückt: „Was heißt demnach für Parmenides Erkennen? Held schreibt Parmenides zu, die Erkenntnis stelle schauendes Vernehmen dar (vgl. Held, ebd. [Heraklit, Parmenides und der Anfang von Philosophie und Wissenschaft. Eine phänomenologische Besinnung, Berlin/New York 1980], S. 486,492, 515, passim.). Gewiß, nur ist die Antwort vom neuzeitlichen Interpreten gegeben, der den Anteil des erkennenden Subjekts zu bestimmen sucht. Für Parmenides aber war die Objektseite entscheidend. Für ihn war entscheidend, daß sich jedes Seiende in seinem Sein selbst zu erkennen gibt, Selbsterkenntnis bewirkt. Es bietet sich hier die Gelegenheit, auf die etymologische Grundbedeutung von Aletheia (Wahrheit) hinzuweisen. aArjGr^g bedeutet soviel wie ,unverborgen4. Oberaus charakteristisch ist, daß Aletheia in Wendungen wie aArjÖEia TCJV 7iQay(^XTCüv vorkommt. Die Wahrheit der Dinge ist ihre durch ihr Sein bewirkte Unverborgenheit. Ich denke, es ist nunmehr auch klar, weshalb in diesem Denken Sein und Wahrheit identisch sind: Nichts anderes kann mit dem Begriff der Wahrheit verbunden werden als das sich selbst als Erkenntnis offenbarende Sein. Für Parmenides ist deshalb alle Erkenntnis die Aufdeckung einer ontologischen Realität. Er erliegt also nicht einem Objektivismus, wenn er im Doxa-Teil von der wirklichen Welt der Dinge spricht. (So Held, S. 562. An diesem Vorwurf wird in der Tat die gründliche Verzeichnung des Parmenideischen Denkens in der phänomenologischen Vereinnahmung deutlich.) Von ihr ging er aus; über sie hat er unablässig auch im Aletheia-Teil gehandelt. Erkennen heißt für Parmenides, die erfahrene Wirklichkeit in ihrem objektiven Sein transparent werden zu lassen. Im ist des Seienden ist die Realität auf dem Grunde ihres Seins bestimmt. Und weil das so ist, kann Parmenides das nicht ist abweisen."67

philosophie, Einleitung (1843/44), in: K. Marx/F. Engels: Werke, Bd. 1, Berlin 1970, S. 378-391, hier S. 378). Er spricht auch vom „Verfaulungsprozeß des absoluten Geistes" (K. Marx/F. Engels: Die deutsche Ideologie (1845/46), in: K. Marx/F. Engels: Werke, Bd. 3, Berlin 1969, S. 17). Ähnlich, aber deutlicher heißt es in Nietzsches „Götzen-Dämmerung" (Die „Vernunft" in der Philosophie, § 5) (1889): „Die Sprache gehört ihrer Entstehung nach in die Zeit der rudimentärsten Form von Psychologie: wir kommen in ein grobes Fetischwesen hinein, wenn wir uns die Grundvoraussetzung der Sprach-Metaphysik, auf deutsch: der Vernunft , zum Bewusstsein bringen. Das sieht überall Thäter und Thun [...] Ich fürchte, wir werden Gott nicht los, weil wir noch an die Grammatik glauben..." (Nietzsche: Werke. Kritische Gesamtausgabe, Abt. VI, Bd. 3, S. 71 f.; textgleich in: ders.: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe, Bd. 6, S. 77 f.) 67 Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 299 f. mit Anm. 32.

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3. Kap.: Die strukturlogische Interpretation des Lehrgedichts von G. Dux

§ 18 Die Abweisung des Nicht-Seins und Werdens Dux wendet sich gegen Nietzsches in § 10 seiner nachgelassenen Schrift „Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen" (1873) aufgestellte Behauptung, parmenides sei an der Tautologie A = A zum Sein abgestiegen".68 Er nimmt diese Abweisung zum Anlaß, darüber nachzudenken, wieso bei Parmenides die materiale Logik (als Logik des Seins) problemlos mit der formalen Logik in eins gehen konnte. Die materiale Logik geht als Ursprungslogik vom Vorfindlichen aus, um es (handlungslogisch) nach seinem Grund und Ursprung zu befragen. Was immer über den Grund und Ursprung ausgesagt werden mag, in ihn geht ein das Wissen von der real vorfindlichen Gegenstandswelt. Von einem real vorfindlichen Baum läßt sich aber nicht sagen, er sei auch nicht, oder von einem brennenden Feuer, es brenne auch nicht. Wo immer im Denken diese Eigenständigkeit des vorfindlichen Seienden unmittelbar festgehalten wird, kommen somit der Satz vom Sein: ,daß ist' und der Satz vom Widerspruch (bzw. die Tautologie) zur Deckung. Parmenides' Abweisung des Werdens wird von Dux ebenfalls strukturlogisch beleuchtet. Der Rückgang auf den Grund und Ursprung erfordert - radikal zu Ende gedacht (was als solches erst ein Charakteristikum eben des philo-

sophischen und nicht des alltäglichen Denkens ist) - ein „absolut Letztes", denn sonst könnte man ja wieder nach dem Grund des Grundes zurückfragen. Guido Calogero spricht von einer „reductio ad absolutum jenes reinen Seins".69 Der letzte Grund ist strukturnotwendig ein einzig-einer und allumfassender (iv Kai Tiav) und ruht als solcher in sich selbst, er ist - wie es später (im Anschluß an neuplatonische Traditionen70) insbesondere bei Spinoza71 heißt - causa

68 Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 300; vgl. Nietzsche: Werke. Kritische Gesamtausgabe, Abt. III, Bd. 2, S. 335 (textgleich in: ders.: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe, Bd. 1, S. 841). 69 G. Calogero: Studien über den Eleatismus, S. 33; italienische Ausgabe (1977): Studi suireleatismo, S. 35 f. („riduzione ad assoluto di quel puro essere"). 70 Der Begriff aixiov eauxoü wird von Plotin am Ende des Abschnittes 14 im achten Kapitel des sechsten Buchs der „Enneaden" eingeführt (VI 8: UEQL xoü ¿KOUQLOU Kai öeA^naxog TOU ¿vög, griechisch-deutsche Ausgabe: Plotins Schriften, übers, von R. Härder, Bd. IV a/b, Hamburg 1967, S. 2-61, 355-396 (=Schrift 39 der chronologischen Reihenfolge: Derfreie Wille und das Wollen des Einen), hier S. 42/43). Die Stelle (Enn. VI 8,14,40-42) lautet: „er [der Vater (naxrjQ) als das höchste Prinzip (nach Piaton: 6. Brief, 323 d)] ist, als überhoben allen Ungefährs und blinden Waltens und bloßen ,es trifft sich', die wahrhafte und erste Ursache seiner selbst, und von sich aus und um seiner selbst willen ist er selbst (aixiov eauxoü Kai TUXQ' auxoü Kai ÖL' auxöv auxög); denn primär ist er selbst und über das Sein hinaus er selbst."

§ 18 Die Abweisung des Nicht-Seins und Werdens

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sui. 12 Bei Parmenides wird der ontologische Grund durch Attribute ausgezeichnet, hinter die nicht mehr zurückgegangen werden kann: „Weil in der kosmischen Dimension der Rückgang auf den Ursprung ein absolut Letztes darstellt, gilt das Sein des Seienden als ungeworden und unvergänglich, als anfanglos, als ganz und einheitlich, als unerschütterlich und vollendet und als zusammenhängend und eins (8.2-6). Es muß sich durch alle diese Attribute auszeichnen, weil andernfalls immer noch hinter es zurückgegangen werden könnte und müßte. Damit aber stellt sich strukturlogisch die gleiche Konsequenz für das Werden ein, die wir schon für das nicht ist kennengelernt haben: es findet keinen Platz im Sein, das gerade durch das Attribut des Nicht-Werdens bestimmt ist." 73 Die Argumentation ist zunächst nicht ganz einsichtig. Nach Dux' Ausführungen hätte es bei Parmenides auch heißen können: „Das Sein kennt kein Werden, ergo setzt es auch kein Werden aus sich heraus." 74 Das ist strukturlogisch aber nicht zwingend. 75 Man denke an den „unbewegten Beweger" (TCQOOTOV KLvouv aidvr|TOv) des Aristoteles. 76 Auch Dux sieht sich in seiner Argumentation schließlich genötigt, auf das Nicht-Sein zurückzuverweisen: „Nicht, daß es Werden gibt, will Parmenides in Abrede stellen, sondern daß es so verstanden wird, wie es gemeinhin verstanden wird: in den Kategorien von Sein und Nicht-Sein."77 Widerspricht Dux mit der Aussage, „daß es Werden gibt", nicht sich selbst? Die Frage ist zu verneinen. Er möchte mit diesem Satz keinesfalls zurücknehmen, daß es für Parmenides im eigentlichen Sinne (ähnlich wie Angehrn zur

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B. de Spinoza: Ethica I, Def. 1. In seinem Aufsatz „Das Problem der Logik im historischen Verstehen" (in: Dilthey-Jahrbuch 7 (1990-91), S. 44-70, hier S. 48) schreibt Dux: „Das handlungslogisch initiierte Verfahren, als Grund der Erklärung auf den Ursprung der Handlung im Subjekt zurückzuverweisen, begründete eine Erklärungsstruktur, die sich formalisierte und auch in den Gedankengebäuden behauptete, die sich jeder offen anthropomorphen Deutung der Welt entledigt hatten. Dabei vollzog sich ein Systematisierungsprozeß, der bereits im Mythos erkennbar ist, aber erst in der Philosophie seine volle reflexive Form erhielt: Das Verfahren der Handlungslogik, jedes Vorfindliche auf seinen Ursprung zurückzuführen, vollzog sich auch im Hinblick auf den Ursprung selbst. Ihm wurde deshalb zugeschrieben, sich aus sich selbst zu begründen." 73 Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 303. 74 Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 303. 75 Vgl. §20. 76 Phys. ©, 258 b 12, 259 b 23 f., 266 a 9, 267 b 18 f.; Met T 8,1012 b 31; Met. A 8, 1073 a 27,1074 a 37. 77 Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 303. Die von Held hierzu gegebene Deutung ist deutlicher und prägnanter (vgl. § 22 b). 72

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3. Kap.: Die strukturlogische Interpretation des Lehrgedichts von G. Dux

zeitlichen Tiefenstruktur des Mythos ausführt 78 ) kein Vergehen und Entstehen geben kann: „Das Denken kennt auf dem Grunde der Ursprungslogik das Sein nur im zeitlosen Gegenwärtigsein. Immer ist danach, was überhaupt ist, auch gegenwärtig. Was vergangen ist, das haben wir bei der Erörterung der Zeit in der urzeitlichen Logik gesehen, ist nicht wirklich vergangen, sondern bleibt gegenwärtig; und was wird, ist schon jetzt." 79 Die Bestimmung „zeitloses Gegenwärtigsein" ist wohl so zu verstehen, daß der Ablauf der Zeit (nicht mehr - noch nicht) ausgeschlossen ist (im Sinne der sempiternitas). Gemäß der emanativen Ursprungslogik gilt, daß alles, was entsteht oder überhaupt entstehen kann, an sich im Ursprung schon beschlossen liegen muß - oder negativ formuliert: ex nihilo nihil fit. Aus Seiendem kann niemals irgend etwas entstehen, was über dieses hinausgeht (ouöe T I O T ' CK ( T O U e)övTog ... yiyvcaöaL TL nap' A U T Ö ) , heißt es in Parmenides' Lehrgedicht (Frgm. 8,12-13). 80 Eine evolutionäre Fort- und Höherentwicklung ist jeglichem frühen Denken fremd. „Es gibt nichts Neues unter der Sonne." 81 Auch Werner Marx verweist darauf, daß sich für den überlieferten, auf die griechische Metaphysik zurückgehenden Wesensbegriff (ouaia, substantia) „das schlechthinnige Entstehen von Neuem" verbot. 82 „Wesen ist", wie Heinrich Rombach zur aristotelisch-scholastischen „Substanzontologie" ausführt, „der Grad der Anteilnahme an der Seinsfülle des absoluten Seienden" 83 Das Seiende 78

Siehe oben S. 55 f. Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 303 f. (Hervorh. v. Verf.), vgl. S. 168 ff. 80 Griechischer Text nach der Pariser Ausgabe von P. Aubenque (Études sur Parménide I) (Hervorh. v. Verf.). 81 Altes Testament, Kohelet 1, 9; vgl. auch Dux: Die Logik der Weltbilder, S. 135. Noch Hegel spielt in seinen „Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte" (in: Hegel: Werke (in 20 Bdn.), Red. Moldenhauer/Michel, Bd. 12, S. 74) auf diese Bibelstelle an, ohne sie zu nennen: „Die Veränderungen in der Natur, so unendlich mannigfach sie sind, zeigen nur einen Kreislauf, der sich immer wiederholt; in der Natur geschieht nichts Neues unter der Sonne, und insofern führt das vielförmige Spiel ihrer Gestaltungen eine Langeweile mit sich." 82 Werner Marx schreibt in seinem Buch „Heidegger und die Tradition. Eine problemgeschichtliche Einführung in die Grundbestimungen des Seins" (2., durchges. Aufl. Hamburg 1980, S. 113, vgl. auch S. 45, 69): „Der Grundzug der Selbigkeit der ousia verbot das schlechthinnige Entstehen von Neuem, weil sich - genauso wie bei der Veränderung - ein zugrundeliegendes Wesen als ein beisichselbstbleibender Bezug durchhält." 83 H. Rombach: Substanz, System, Struktur. Die Ontologie des Funktionalismus und der philosophische Hintergrund der modernen Wissenschaft, Bd. I, Freiburg/München 1965, S. 94, vgl. S. 11 ff., 49 ff. 79

§ 19 Der Schein des Werdens: die Doxa

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„ist nicht schon etwas für sich, das dann auch noch teilnimmt, sondern es wird erst, was es ist, dadurch, daß es [am Absoluten, Seingebenden] teilnimmt. Es ist seine Teilnahme, es nimmt nicht teil." 84 Die rein philologische bzw. sprachanalytische Explikation des Zusammenhangs von dArjGcia im Sinne von Offenbarsein und e l v a i im Sinne von Gegenwärtigsein greift zu kurz, wenn Ernst Heitsch feststellt: „Denn was Parmenides dort und hier tut, ist nicht die Konstruktion besonders tiefsinniger und unverständlicher Seinsaussagen, seine Überlegungen sind vielmehr nichts anderes als Explikationen dessen, was gewisse Wörter im Griechischen nun einmal bedeuten."85

§ 19 Der Schein des Werdens: die Doxa Parmenides entwirft eine Kosmogonie, die trotz der fragmentarischen Überlieferung in ihrer Grundstruktur deutlich erkennbar ist. Der Kosmos ist aus den beiden Gegensätzen Licht/Feuer einerseits und Nacht/Kälte andererseits gebildet. Was sonst an Gegensätzen genannt wird, ist in diesen Grundgegensatz integriert. Die Welt, wie wir sie erfahren, ist in allem eine Mischung aus beidem. Die entscheidenden Verse zum „dritten Weg", dem der Doxa, hat Karl Reinhardt zu klären versucht. Zunächst soll der griechische Text 86 (Frgm. 8, 53-59) angegeben werden, dann Reinhardts Übersetzung mit Kommentar: HOQag ydp Kax£Ö£vxo ÖUO yvcofiag övo|iateiv, fiiav ou xpccov ecrnv (¿v cp 7i£7iAavrjfi£voi cicriv). xavxia 6' ¿icpivavxo öejiag Kai crq^ax' IGfvxo [56] x^JQte ¿Ti' dAAf|Acüv, xf) \xev (^Aoycx; aiGepiov TZVQ, [54]

TCÜV

T]7UOV öv, fiey' (apaidv) eAacj>p6v, icovzcf) rcavxoae xawxöv, [58]

X(F) 6' ¿XEQCJL) jaf] XOJUXOV axap laxKelvo K a x ' auxö xavxia, VUKX'

aöarj, TIUKLVÖV

öe^iag ¿(ißpiöeg xe.

„,Denn sie kamen überein, zwei Formen zu benennen, von denen man die eine nicht benennen darf: 87 das ist ihr Irrtum; sie schieden gegensätzlich beider Körper und son84

Rombach: Substanz, System, Struktur I, S. 94. E. Heitsch: Gegenwart und Evidenz bei Parmenides. Aus der Problemgeschichte der Aequivokation, Wiesbaden 1970 (Akademie der Wissenschaften und der Literatur [Mainz], Abh. d. geistes- u. sozialwiss. Kl., Jg. 1970, Nr. 4), S. 24; vgl. auch die Kritik von Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 304, Anm. 36. 86 Griechischer Text im folgenden zitiert nach Reinhardt: Parmenides, S. 69. Der von P. Aubenque (Études sur Parménide I) edierte Text ist bis auf geringfügige Abweichungen damit identisch. 87 Die Übersetzung von Vers 54 trifft allerdings nicht den Sinn, wie Karl Bormann (Parmenides. Untersuchungen zu den Fragmenten, Hamburg 1971, S. 124) überzeugend 85

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3. Kap.: Die strukturlogische Interpretation des Lehrgedichts von G. Dux derten ihre Merkmale voneinander: hier die Flamme des Ätherfeuers, die milde, gar sehr gleiche, sich selbst überall gleiches, dem anderen ungleiche; doch stellten sie auch jenes andere für sich allein, auf die entgegengesetzte Seite, die lichtlose Nacht, einen dichten und schweren Stoff. 4 Diels hat erkannt, daß xdvxia adverbial steht wie xavavxia bei Thukydides VII, 79: xavavxia öiaaxcojicv. Ich ziehe daraus den Schluß, daß Kaxd nicht mit xdvxia zu verbinden ist, daß also auxö nicht Apposition zum Adverbium ist, sondern daß Kax* auxö soviel wie ,allein4, ,für sich4 bedeutet. 88 Wie mir scheint, gewinnt bei dieser Auffassung der ganze Satz an Konzinnität. Zwei Formen werden einander entgegengesetzt, eine jede für sich; es sind die beiden stärksten und durchgängigsten Gegensätze, die Parmenides in der Welt der sinnlichen Erscheinung finden konnte, Finsternis und Licht. Jede dieser Vorstellungen oder Stoffe - denn er hat kein Mittel zwischen beidem zu unterscheiden - ist für sich betrachtet ein xauxöv, sie leidet weder eine Steigerung noch eine Schwächung, sie ist einheitlich und ohne Unterschied; aber sofern sie Gegensatz ist und durch ihr Gegenteil überhaupt erst zustande kommt, ist sie zugleich ein ou xauxöv, das heißt, sie ist und ist doch wiederum nicht. Der Fehler dieser Weltanschauung ist, daß sie zwei Formen setzt statt einer; womit keineswegs gesagt ist, daß eine der beiden, etwa das Licht, dem wahren Wesen näher stände als die Finsternis [ . . . ] " 8 9

darlegt. Er schlägt in Anlehnung an andere Autoren (H. Fränkel: Wege und Formen frühgriechischen Denkens. Literarische und philosophiegeschichtliche Studien, hrsg. von F. Tietze, 3., durchges. Aufl. München 1968, S. 180; Parmenides, a Text with Translation, Commentary, and Critical Essays by L.Tarân, Princeton, N.J. 1965, S. 220; H. Schwabl: Sein und Doxa bei Parmenides, in: Wiener Studien 66 (1953), S. 50-75, hier S. 52 ff.; Wiederabdruck (mit Zusätzen) in: H.-G. Gadamer (Hrsg.): Um die Begriffswelt der Vorsokratiker, Darmstadt 1968, S. 391-422, hier S. 393 ff.) folgende Übersetzung vor: „Von denen eine (einheitliche) zu benennen nicht statthaft ist.44 Inhaltlich ergibt sich dann für ihn folgende Aussage. „Die Menschen setzen zwei Formen an, nämlich Licht und Nacht, und bestreiten, daß sie eine Einheit bilden müssen.44 (Ebd.) Die von Bormann gegebene Obersetzung stimmt auch weit besser mit der weiteren Interpretation Reinhardts überein. Auch ist die Übersetzung von KaxéGevxo ... yvcjfiaç (Vers 53) mit „sie kamen überein44 nicht geglückt. So etwas wie eine .Übereinkunft 4 oder »Konvention4 hat Parmenides, wie Klaus Held in seiner Interpretation klarstellt, sicherlich nicht gemeint (s. unten S. 117). Eine explizit andere Übersetzung und Auslegung von Vers 54 gibt beispielsweise Olof Gigon (Der Ursprung der griechischen Philosophie, S. 271): „Entscheidend ist die Bemerkung, daß die eine der beiden Gestalten nicht hätte einen Namen erhalten sollen; die andere hat also ihren Namen zu Recht. Also vertritt diese das Seiende, jene das Nichtseiende. Der Irrtum der Menschen ist, daß sie auch dem Nichtseienden einen Namen geben.44 Der Name für die Gestalt, die nicht hätte benannt werden sollen, ist für Gigon die Nacht (ebd., S. 272). 88 Die Pariser Ausgabe von P. Aubenque (Études sur Parménide I) schließt sich dieser Deutung an und übersetzt „par lui seul44. 89 Reinhardt: Parmenides, S. 69 f. Ebenso argumentiert Dux (Die Zeit in der Geschichte, S. 308):

§ 19 Der Schein des Werdens: die Doxa

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Dux schließt sich der gegebenen Deutung Reinhardts im wesentlichen an. Er verweist zu Recht darauf, daß das Problem der Doxa nicht etwa dadurch geschaffen wird, „daß die Erkenntnis an der Sinnlichkeit haftet". 90 Das ist auf jeden Fall zu platonisch gedacht.91 Parmenides Vorwurf ist nach Dux folgender (vgl. auch Frgm. 6,4-9): „Menschen [...] lassen Sein und Nichtsein dasselbe sein, so, wenn sie sagen, dieses Ding ist warm und ist (!) nicht kalt, und sie lassen es zugleich nicht dasselbe sein, wenn sie sagen, dieses Ding ist jetzt warm und wird gleich kalt sein. Der Fehler ist doppelt: das erste ist so falsch wie das zweite. Und falsch ist dann auch, wenn bei allem der umgekehrte Weg mitgedacht wird, was jetzt warm ist, kann wieder kalt werden."92

Klaus Held hat das Problem des „gegenwendigen Weges" anhand der von Parmenides (wie im alltäglichen Denken) nicht vollzogenen Differenzierung von Zuständen (,Wärme', ,Kälte') und dem einem Zustandswechsel unterliegenden Seienden (,das Warme', ,das Kalte') weiter erörtert. Das Seiende wird mit seinen Zuständen in eins gesetzt. Das als gegenwärtiges anwesende Seiende wird - so läßt sich ergänzen - nicht als etwas verstanden, das warm oder kalt sein kann. Held erläutert: „Die Identität des Substrats ermöglicht die Nichtidentität des Wechselnden. Aber das bedeutet: das Identische und das Nichtidentische sind etwas Verschiedenes. Parmenides hat noch nicht wie Aristoteles gesehen, daß wir den Zustandswechsel in zwei differenten Hinsichten betrachten können, nämlich im Hinblick auf die Identität des Hypokeimenon, der usia, und auf die Nichtidentität der päthe." 93

Der Fehler der Doxa liegt aber nicht nur in der Namengebung. Die Namen sind in Parmenides' Denken noch gar nicht ablösbar von den Dingen.94 Aber er ist mit ihr verbunden. „Die zweifache Benennimg verleitet dazu, die eine Wirklichkeit für zwei zu nehmen."95 Das Unterschiedene des Doxa-Teils (Licht/Feu„Der Irrweg besteht darin, beide Erscheinungsformen, aus denen die Welt sich in ihrer Stofflichkeit zusammensetzt, nicht als Ausdruck einer einzigen Wirklichkeit gesehen zu haben." 90 Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 306; dagegen argumentiert auch Heitsch: Gegenwart und Evidenz bei Parmenides, S. 60 ff. 91 In diesem Sinne merkt Hans Schwabl (Sein und Doxa bei Parmenides, Anm. 1) an: „Das Wesentliche ist, daß für Parm[enides] die (erst von Piaton stammende) Gleichsetzung: Sein = Welt des voug, Doxa = Welt der Sinne abgelehnt werden muß." 92 Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 302. 93 Held: Heraklit, Parmenides und der Anfang von Philosophie und Wissenschaft, S. 486; vgl. dazu auch die weitere Erörterung in § 23 a. 94 Vgl. obenS. 83 f. 95 Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 308.

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3. Kap.: Die strukturlogische Interpretation des Lehrgedichts von G. Dux

er - Nacht/Kälte) „muß in der Einheit des einen absoluten Seins eins werden". 96 Das fordert die pristine (Ursprungs-)Logik. Diese Logik bestimmt letztlich auch den Doxa-Teil. Auch Reinhardt kommt zu der Einsicht, „daß selbst die Kosmogonie mehr logischen als physikalischen Ursprungs ist 44 . 97 Hans Schwabl bemerkt in der abschließenden Zusammenfassung seines Aufsatzes „Sein und Doxa bei Parmenides": „Die Aufhebung von Licht und Nacht im Sein ist im Sinne einer archaischen ,Logik 4 zu verstehen und hat in der Abstraktionsfreudigkeit der Zeit ihren allgemeinen Hintergrund." 98 Dux' Verdienst ist es, diese archaische Logik gegenüber einem nur ,formalen 4 Verständnis aufgedeckt zu haben. Nun wird verständlich, was damit gemeint sein kann, wenn beispielsweise Walter Bröcker schreibt: „Der erste Teil des Gedichts ist so wenig nur ,Ontotogie', wie der zweite nur ,Physik' ist. Vielmehr ist das ganze Gedicht von Anfang bis Ende ,voll von Göttern'." 99 Die Unterstellung, daß Parmenides noch ganz einem mythologischen Denken verhaftet bleibt, ist nicht gerechtfertigt. Aber er denkt nach wie vor in der Struktur der Handlungslogik. 100 96

Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 309. Reinhardt: Parmenides, S. 71. 98 In: Wiener Studien 66 (1953), S. 75; auch in: Gadamer (Hrsg.): Um die Begriffswelt der Vorsokratiker, S. 422. 99 W Bröcker: Die Geschichte der Philosophie vor Sokrates, Frankfurt a. M. 1965, S. 69 f. 100 Der Struktur der Handlungslogik bleibt auch der Aristotelische Seins- und Naturbegriff noch verhaftet. Auch Heidegger verweist darauf, daß Sein für Aristoteles Hergestelltsein besagt (M. Heidegger: Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles. Ausarbeitung für die Marburger und die Göttinger Philosophische Fakultät (1922), hrsg. von G. Neumann, Stuttgart 2003, S. 41,73, vgl. auch S. 57; der Text ist auch als Anhang III aufgenommen in: Phänomenologische Interpretationen ausgewählter Abhandlungen des Aristoteles zur Ontotogie und Logik (GA 62), S. 373, 398, vgl. auch S. 385. In seiner Leibniz-Vorlesung vom Sommersemester 1928 führt Heidegger im Zusammenhang einer Erörterung der „Idee des Grundes" und der „Idee der Ursache und Verursachung" aus, daß im Horizont von Acryog und T£xvr| „die Idee des Seins zunächst sich ausbildet" (Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Ausgang von Leibniz (GA 26), S. 146). „Dabei ist aber der so verstandene Aöyog mit seinem T I ¿CTTLV [Was-sein, Sosein] auf LÖ£a, auf £iör) bezogen. Auf das eiboc; werden wir zugleich von der Tfxvrj her durch aixiov als aQxn verwiesen." (Ebd.) Dem herstellenden Verhalten liegt also ein intentionaler Entwurf auf das Eidos des Herzustellenden zugrunde, der im Logos vorweg artikuliert ist. (Zur „intentionalen Struktur" des herstellenden Verhaltens, das zugleich „unausdrücklicher Verständnishorizont" für das Seinsverständnis ist, vgl. insbes. Die Grundprobleme der Phänomenologie (GA 24), S. 147,149 ff., 158 ff.) 97

Mit dem Satz: „Im Anfang war das Wort (6 Aoyog), und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort." beginnt bekanntlich das Evangelium nach Johannes. Die handlungslogische Struktur zeigt sich besonders deutlich in Aristoteles' Analyse der Wurfbewegung (vgl. G. Dux: Die ontogenetische und historische Entwicklung des Geistes; U. Wenzel: Dynamismus und Finalismus. Zur Strukturlogik der Aristotelischen Naturphilosophie, (beide) in: G. Dux/U. Wenzel (Hrsg.): Der Prozeß der Geistesgeschichte, Frank-

§ 20 Abschließende Kritik zu Dux' strukturlogischer Rekonstruktion

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§ 20 Abschließende Kritik zu Dux' strukturlogischer Rekonstruktion des Parmenideischen Denkens: Einseitigkeit der strukturlogischen Perspektive Vergleich mit Hegel Es wurde oben schon daraufhingewiesen, daß Dux' Aussage, das Sein setze kein Werden aus sich heraus, in rein strukturlogischer Perspektive nicht zwingend ist. 101 Es kann auf Hegel verwiesen werden, der für Dux noch auf der Folie einer emanativen Ursprungslogik denkt. Hegel wendet sich in seinen „Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte" gegen „apriorische Erdichtungen in der Geschichte": „Die Geschichte aber haben wir zu nehmen, wie sie ist; wir haben historisch, empirisch zu verfahren." 102 Hegel geht vom Vorfindlichen aus, der empirisch erfahrenen Geschichte. Die „Kategorie der Veränderung' wird von Hegel eigens betont.103 Was aber in der Geschichte je zur Entfaltung gelangt, ist im Absoluten des Weltgeistes immer schon angelegt und enthalten: Weltgeschichte ist „der vernünftige, notwendige Gang des Weltgeistes gewesen, des Geistes, dessen Natur zwar immer eine und dieselbe ist, der aber in dem Weltdasein diese seine eine Natur expliziert". 104 Die Weltgeschichte, die „nur die Erscheinung dieser einen Vernunft" ist, bezeichnet Hegel auch als „ein Abbild des Urbildes". 105 Wie ist aber geschichtliche Veränderung und Werden mit dem einen in sich selbigen Absoluten zu vereinbaren? Das Absolute wird historisiert: „Ihre letzte Ausgestaltung als Metaphysik der Geschichte erfährt sie [die Dominanz dieser absolutistischen Begründungslogik als Erklärungsstruktur] in der Hegeischen Geschichtsphilosophie. Unter dem Eindruck der geschichtlich gewordenen Welt wird auch das Absolute historisiert, ohne seiner Absolutheit verlustig zu gehen. Das Absolute bleibt jener Geist, der sich selber schafft und in der Geschichte entfaltet." 106

fort a. M. 1994, S. 173-224, hier S. 216 ff., und S. 336-374; ferner U. Wenzel: Vom Ursprung zum Prozeß. Zur Rekonstruktion des Aristotelischen Kausalitätsverständnisses und seiner Wandlungen bis zur Neuzeit, Opladen 1999. Auf die dem Verständnishorizont des herstellenden Verhaltens entstammenden ontologischen Grundbegriffe und Grundstrukturen ist noch zurückzukommen (s. § 34 e). 101 Siehe S. 87. 102 Hegel: Werke (in 20 Bdn.), Red. Moldenhauer/Michel, Bd. 12, S. 22, vgl. auch S. 558; Textabschnitt auch in: G. W F. Hegel: Die Vernunft in der Geschichte (Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte, Bd. I), hrsg. von J. Hoffmeister, Hamburg 1970 (Nachdr. der 5. Aufl. von 1955), S. 30 f. 103 Hegel: Werke 12, S. 97; vgl. auch Hegel: Die Vernunft in der Geschichte, S. 34. 104 Hegel: Werke 12, S. 22; Textabschnitt mit etwas veränderter Formulierung auch in Hegel: Die Vernunft in der Geschichte, S. 30. 105 Hegel: Die Vernunft in der Geschichte, S. 30. 106 Dux: Das Problem der Logik im historischen Verstehen, S. 49.

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3. Kap.: Die strukturlogische Interpretation des Lehrgedichts von G. Dux

Es sollte hier keinesfalls die Differenz zwischen dem Parmenideischen und dem Hegeischen Denken übersprungen werden, sondern nur dargelegt werden, daß sich (wie gerade der Vergleich mit Hegel zeigt) Parmenides' Ausschluß des Werdens nicht alleine strukturlogisch begründen läßt. Die absolutistische Ursprungslogik kommt bei Parmenides in ihrer denkbar rigidesten Form zum Austrag. Weshalb? Dux weist selbst darauf hin, daß im Übergang von der archaischen zur klassischen Periode das Werden und der geschichtliche Wandel gerade thematisch geworden sind, die Geschichte wie nie zuvor in Bewegung geraten ist. 107 Es soll daher auf die bereits behandelten „existentiellen Motive" hingewiesen werden.108 Der Bedrohimg durch Veränderung, Auflösung und Zerfall bestehender Ordnungen und Sicherheiten versucht sich Parmenides gerade in der Erschütterung durch derartige Erfahrungen mit aller Vehemenz entgegenzustemmen.

107 Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 288; vgl. oben S. 77 ff., vgl. auch S. 66 (Emil Angehrn). 108 Siehe § 11.

4. Kapitel

Die Vorbereitung der Metaphysik Die phänomenologisch-wissenschaftliche ParmenidesAuslegung von Klaus Held § 21 Die Untersuchung als phänomenologische Besinnung Klaus Heids ausführliche und phänomenologisch tiefgreifende Untersuchung zu Parmenides findet sich in dem für die Buchausgabe „Heraklit, Parmenides und der Anfang von Philosophie und Wissenschaft. Eine phänomenologische Besinnung" (1980) seiner Kölner Habilitationsschrift (1969) ergänzten dritten Teil: „Parmenides: Die Vorbereitung der Metaphysik". Die Untersuchung versteht sich gemäß dem Untertitel als eine „phänomenologische Besinnung".

a) Philosophisch-wissenschaftliches Denken und Verhältnisdenken Die Forderung einer historischen Phänomenologie im Anschluß an (den späten) Husserl und Heidegger

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Was Held unter einer „phänomenologischen Besinnung" versteht, wird ausführlich in der Einleitung dargelegt. Es ist insbesondere auf das über die phänomenologische Tradition hinausgehende „Verhältnisdenken" hinzuweisen.1 Dem philosophisch-wissenschaftlichen Denken kommt die Aufgabe zu, das Verhältnis des Denkens zu dem, worüber es sich durch Selbstunterscheidung erhebt (wie Leben, Lebenswelt, Existenz, Präreflexivität, Empfinden, Unmittelbarkeit, gesellschaftliche Praxis, hermeneutische Erfahrung, Alltagssprache und dergleichen) - man könnte auch sagen die verschiedenen ,Diskurse' der modernen Welt und ihrer geschichtlichen Bedingungen als Verhältnis mitzuthematisieren. Heids Ansatz kann zum einen als Weiterführung der von Edmund Husserl in seinem Spätdenken entworfenen genetisch-historischen Phänomenologie angesehen werden, zum anderen werden von ihm aber auch grundlegende Einsich1 Vgl. K Held: Heraklit, Parmenides und der Anfang von Philosophie und Wissenschaft. Eine phänomenologische Besinnung, Berlin/New York 1980, S. 2 ff.

. Kap.: Die Parmenides-Auslegung

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ten des Heideggerschen Denkens aufgegriffen, was seinen Untersuchungen eine gewisse Ambivalenz verleiht: „Auf solche Weise muß die Phänomenologie ,historisch' werden und damit einer Forderung nachkommen, die schon ihr Begründer Edmund Husserl in seinem späten Entwurf einer genetischen Phänomenologie ins Auge gefaßt hatte und die neben ihm vor allem Martin Heidegger sowie nach ihnen mein Lehrer Ludwig Landgrebe und andere maßgebende Vertreter des phänomenologisch orientierten Denkens gestellt haben."2

b) Die vortranszendentale Thematisierung der Welt bei den Vorsokratikern in ihrem Bezug zur „Endstiftung" der Philosophie als transzendentale Phänomenologie - Kritik der teleologischen Geschichtsbetrachtung in Husserls Spätwerk

Es können im folgenden nur einige wesentliche Aspekte von Heids umfangreicher Interpretation herausgehoben werden. Warum sollen wir uns eigentlich überhaupt noch mit den Vorsokratikern auseinandersetzen? Der Anfang von Philosophie fällt für Held bei den Vorsokratikern mit dem Beginn der Wissenschaften zusammen, und zwar in einer noch ungebrochenen Einheit. Auch wenn Philosophie und Wissenschaft dann auseinandergetreten sind, stehen wir noch heute in der Tradition dieses Anfangs. Entscheidend ist die erstmals thematisch werdende Selbstunterscheidung des philosophisch-wissenschaftlichen Denkens von der Erkenntnisart des vorgegebenen Lebens. Heraklit und Parmenides sind für Held „die beiden unbestritten größten Denker in der Anfangszeit von Philosophie und Wissenschaft". 3 Das Neuartige liegt bei Heraklit und Parmenides nicht schon in dem Wahrheits- und Verbindlichkeitsanspruch ihrer Lehre. Einen derartigen Anspruch erhoben auch Dichter und Weise, Religionsstifter und Propheten in Griechenland und in anderen Kulturen. „Das Neuartige des von ihnen erhobenen Verbindlichkeitsanspruchs liegt darin, daß sie die von ihnen kritisierten Positionen Anderer einem vom Denken unterschiedenen Gesamtbereich des bloßen Meinens einordnen."4

Was bei Heraklit und Parmenides als der Beginn philosophisch-wissenschaftlichen Denkens aufbricht, ist in der Deutung Heids die Spannung zwischen Identität der Welt und perspektivischer Mannigfaltigkeit (von Gegebenheitsweisen), eine Spannung die alltäglich in den Krisen des gegenständlichen An-sich-Bewußtseins zwar in gewisser Weise zum Vorschein kommt, aber als 2

Held: Heraklit, Parmenides..., S. 7. Held: Heraklit, Parmenides..., S. 68. 4 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 69. 3

§ 21 Die Untersuchung als phänomenologische Besinnung

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solche nicht thematisch wird. 5 Held spricht von einer „vortranszendentalefn] Thematisierung der Gegebenheitsweisen als solcher" 6 , die sich bei den Vorsokratikern (erstmals in der milesischen »Naturphilosophie 4) aufweisen läßt. Es ist aber nicht unbedenklich von einer „vortranszendentalen Thematisierung 44 im Anfang philosophisch-wissenschaftlichen Denkens zu sprechen. Vortranszendental ist eine Philosophie - mit Husserl gesprochen - mit Blick auf deren „Endstiftung 447 als transzendentale Phänomenologie. Husserl spricht dann auch davon, daß in der griechischen Urstiftung „der teleologische Anfang, die wahre Geburt des europäischen Geistes überhaupt44 liegt. 8 Husserls „teleologische Geschichtsbetrachtung 449 ist vom Ergebnis her nicht weit entfernt von Hegels 10 beispielsweise in dem Text „Die Vernunft in der Geschichte44 zum Ausdruck kommender Geschichtskonzeption, wenn er ausführt: „Die latente Vernunft zum Selbstverständnis ihrer Möglichkeiten zu bringen und damit einsichtig zu machen die Möglichkeit einer Metaphysik als einer wahren Möglichkeit - das ist der einzige Weg, um eine Metaphysik bzw. universale Philosophie in den arbeitsvollen Gang der Verwirklichung zu bringen. Damit allein entscheidet sich, ob das dem europäischen Menschentum mit der Geburt der griechischen Philosophie eingeborene Telos, ein Menschentum aus philosophischer Vernunft sein zu wollen und nur als solches sein zu können - in der unendlichen Bewegung von latenter zu offenbarer Vernunft und im unendlichen Bestreben der Selbstnormierung durch diese seine menschheitliche Wahrheit und Echtheit, ein bloßer historisch-faktischer Wahn ist, ein zufälliger Erwerb einer zufälligen Menschheit, inmitten ganz anderer Menschheiten und Geschichtlichkeiten; oder ob nicht vielmehr im griechischen Menschentum erstmalig zum Durchbruch gekommen ist, was als Entelechie im Menschentum als solchen wesensmäßig beschlossen ist. Menschentum überhaupt ist wesensmäßig Menschsein in generativ und sozial verbundenen Menschheiten, und ist der Mensch Vernunftwesen (animal rationale), so ist er es nur, sofern seine ganze Menschheit Vernunftmenschheit ist - latent auf Vernunft ausgerichtet oder offen ausgerichtet auf die zu sich selbst gekommene, für sich selbst offenbar gewordene und nunmehr in Wesensnotwenigkeit das menschliche Werden bewußt leitende Entelechie. Philosophie, Wissenschaft wäre demnach die historische Bewegung der Offenbarung der universalen, dem Menschentum als solchen eingeborenen' Vernunft"

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Held: Heraklit, Parmenides..., S. 40 ff., 71 f. Held: Heraklit, Parmenides..., S. 70, vgl. S. 76 ff. 7 E. Husserl: Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie (Husserliana, Bd. VI), S. 73 f. 8 Husserl: Die Krisis der europäischen Wissenschaften (Husserliana, Bd. VI), S. 72. 9 Husserl: Die Krisis der europäischen Wissenschaften (Husserliana, Bd. VI), S. 74. 10 Vgl. oben § 20. 11 Husserl: Die Krisis der europäischen Wissenschaften (Husserliana, Bd. VI), S. 13 f. Vgl. auch folgende Textstelle (ebd., S. 17): 6

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Ein Problem der historischen Teleologie, das mit dem Terminus „Endstiftung" bereits angespochen wurde und auf das Paul Janssen in seiner Untersuchung zu Husserls Spätwerk hinweist, liegt darin, daß aus der Zukunft nichts „wesentlich Neues" mehr kommen kann: „So läßt die historische Teleologie die Zukunft wesenlos werden, weil die Gegenwart als aufbewahrende Vollendung der Vergangenheit das Wesen der Zukunft mitenthält, so daß aus ihr nichts ,wesentlich Neues4 mehr kommen kann. Das, was in der Gegenwart ist, erstreckt seine bleibende Herrschaft auch über die Zukunft. Auch dieser Grundzug gilt für die historische Teleologie Hegels wie Husserls.4412

„Die nähere Bestimmung der historischen Teleologie erfolgt bei Husserl", wie Janssen erläutert, „weitgehend nach der Maßgabe des teleologischen Strebens des einzelpersonalen Lebens".13 In einem nachgelassenen Manuskript spricht Husserl von „einer wesensmäßigen Parallele" (oder sieht „ganz ähnliche teleologische Zusammenhänge") zwischen der historischen und der einzelpersonalen Teleologie.14 Das Verhältnis des universalen Lebens (als teleologische Einheit der historischen Subjekte) zum einzelpersonalen Vollzugsich bleibt für Janssen aber problematisch, letztlich unbeantwortet, weil Husserl gerade als Phänomenologe „einen solchen Begriff vom Grunde des geschichtlichen Prozesses als dem einen absoluten Leben nicht mehr [wie Hegel] ,metaphysisch4 begründen und rechtfertigen kann".15 Die Stellung der historischen Teleologie Husserls reiht Janssen daher „zwischen idealistischem und positivistischem Geschichtsdenken" ein.16 Die Positionen der historischen Philosophien werden bei „Es zeigt sich aber auch, daß auf diesen neuen Sinn von Philosophie [nämlich als transzendentale Phänomenologie] die ganze Philosophie der Vergangenheit, obschon ihr selbst unbewußt, innerlich ausgerichtet war.44 12 P. Janssen: Geschichte und Lebenswelt. Ein Beitrag zur Diskussion von Husserls Spätwerk, Den Haag 1970, S. 114 mit Anm. 78. 13 Janssen: Geschichte und Lebenswelt, S. 75. Zu Husserls Teleologiebegriff vgl. neben der Untersuchung Janssens (§§ 12-20) auch G. Hoyos: Zum Teleologiebegriff in der Phänomenologie Husserls, in: U. Claesges/K. Held (Hrsg.): Perspektiven transzendentalphänomenologischer Forschung. Für Ludwig Landgrebe zum 70. Geburtstag von seinen Kölner Schülern, Den Haag 1972, S. 61-84. Zu den Problembereichen Teleologie und Geschichte, Teleologie und Intersubjektivität (Monadenall), Teleologie und Gott vgl. den von Anna-Teresa Tymieniecka als Bd. 9 der „Analecta Husserliana44 herausgegebenen Tagungsband: The Teleologies in Husserlian Phenomenology. The Irreducible Element in Man, Part III: 4Telos' as the Pivotal Factor of Contextual Phenomenology, Dordrecht/Boston/London 1979. 14 Manuskript K III 28 (1935-1937), S. 4 (nach der offiziellen Signierung des Husserl-Archivs in Leuven), zitiert nach: Janssen: Geschichte und Lebenswelt, S. 75 f., Anm. 66. 15 Janssen: Geschichte und Lebenswelt, S. 117, Anm. 81. 16 Janssen: Geschichte und Lebenswelt, § 19 (Titel). Zum Problem der „dialektischen Deutung des Husserlschen Geschichtsdenkens44 vgl. ebd., Exkurs I, S. 203-207.

§ 22 Der Elenchos: Widerlegung oder Bestreitung einer Gegenposition

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Husserl nicht mehr wie bei Hegel „zu Durchgangsstadien einer sich steigernden Vernunftoffenbarung" mediatisiert.17 Vielmehr läßt Husserls Telosbegriff (in gewisser Analogie zum einzelpersonalen Handlungsverlauf) nur „negativ auszuscheidende Faktoren als Grund für die Bewegungen des philosophischen Denkens zu".18 Der Zielpunkt, dem aber auch Husserls Denken verhaftet bleibt, wenn auch als unendliche Aufgabe, ist der einer völligen Selbsttransparenz der Vernunft. Wenn es für Husserl auch die „menschheitliche Wahrheit und Echtheit" ist, die im europäisch-abendländischen Denken erstmalig zum Durchbruch gekommen ist, so ist aus heutiger Sicht ein gewisser Eurozentrismus nicht von der Hand zu weisen. In der „Endstiftung" der transzendentalen Phänomenologie kommt das, was latent immer schon in der Vernunft als solcher beschlossen ist, zu sich selbst. Husserls Geschichtskonzeption seines Spätwerks kann hier nicht weiter verfolgt werden. Es ist aber noch auf die Frage zurückzukommen, ob Heids Vorgriff auf die Transzendentalphilosophie bzw. transzendentale Phänomenologie dem Parmenideischen Denken hermeneutisch angemessen ist.19

§ 22 Der Elenchos: Widerlegung oder Bestreitung einer Gegenposition In der Einleitung zum Parmenides-Teil (III. Teil) verweist Held auf die „fundamentale Übereinstimmung" zwischen dem Parmenideischen und dem Heraklitischen Denken, um aber ebensosehr „vor dem Hintergrund dieser Verwandtschaft ihre entscheidende Differenz herauszustellen".20 Auf diese Gegenüberstellung kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung aber nicht näher eingegangen werden. Der Doppeldeutigkeit der Heraklitischen Grundworte versucht Parmenides durch die Einführung des Seinsgedankens zu entgehen - „aber auf Kosten eines ersten und einschneidenden Verlusts an Lebensweltnähe, d. h. einer Vergessenheit des Zeitcharakters der einzigen Gegenwart".21 Insofern es Parmenides nicht gelingt, sein eigentliches Problem, die Erklärung der Doxa, einer zureichenden Lösung zuzuführen, ist auch die von ihm ermöglichte Fortsetzung philosophisch-wissenschaftlichen Denkens in der abendländischen Tradition mit der Hypothek eines fundamentalen Unverständnisses für die Doxa belastet. Weil 17

Janssen: Geschichte und Lebenswelt, S. 122 f. Janssen: Geschichte und Lebenswelt, S. 123 (Hervorh. v. Verf.). 19 Siehe unten S. 114,192. 20 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 470. 21 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 471. 18

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. Kap.: Die Parmenides-Auslegung

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Pannenides sich nach Held aber noch über das Überlegenheits-Verhältnis des Denkens zur lebensweltlichen Denkart (Doxa) Rechenschaft ablegt (Aöyov 6i6övat), „kommen auch bei ihm noch später verdeckte Züge deijenigen Lebenswelt, von der sich das philosophisch-wissenschaftliche Denken ursprünglich abhebt, zum Vorschein".22 Die Verwandtschaft des Parmenideischen Vorgehens mit demjenigen Heraklits kommt aufs deutlichste zum Vorschein im griechischen Wort lAeyxog, das Held mit „Widerlegung" übersetzt: „Entscheide in einer Rechenschaft die 22

Held: Heraklit, Parmenides..., S. 470. Zur Rehabilitierung der Doxa vgl. auch K Held: Husserls Rückgang auf das phainömenon und die geschichtliche Stellung der Phänomenologie, in: Dialektik und Genesis in der Phänomenologie, Beitr. von E. W. Orth [u. a.], hrsg. von E. W. Orth, Freiburg/München 1980 (Phänomenologische Forschungen 10), S. 89-145. Held verweist in Anlehnung an die neuere philologische Forschung (vgl. u. a. den im folgenden genannten Artikel von K v. Fritz in „Paulys Realencyclopädie") darauf, daß sich Protagoras' homo-mensura-S&tz (80 B 1 nach Diels/Kranz) polemisch gegen Parmenides wendet (ebd., S. 109; vgl. ferner K Held: Husserl und die Griechen, in: Profile der Phänomenologie. Zum 50. Todestag von Edmund Husserl, Beitr. von E. Ströker [u. aj, hrsg. von E. W. Orth, Freiburg/München 1989 (Phänomenologische Forschungen 22), S. 137-176, hier S. 143 ff.). Kurt von Fritz verweist zu Recht darauf, daß der homo-mensura-Satz des Protagoras „ursprünglich nicht einen konsequenten Sensualismus, Relativismus oder Subjektivismus zum Ausdruck bringen sollte", sondern den sich (mit Heidegger gesprochen) von unserer „durchschnittlichen Alltäglichkeit 44 (Sein und Zeit, S. 16 (GA 2, S. 23)) weit entfernenden Philosophien der Eleaten usw. „eine Philosophie des gesunden Menschenverstandes entgegensetzen wollte" (ders.: Art. Protagoras aus Abdera, in: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, neue Bearb. von G. Wissowa, fortgef. von W. Kroll und K. Mittelhaus, hrsg. von K. Ziegler, 45. Halbband, Stuttgart 1957, Sp. 908-921, hier Sp. 916). Wenn Husserl die von Protagoras und der Skepsis „in Erinnerung gehaltene doxa als situatives ,Erscheinen des Erscheinenden4 rehabilitiert 44 (Held: Husserls Rückgang auf das phainömenon, S. 133, vgl. S. 104), dann stellt er sich aber zugleich ausdrücklich in die Nachfolge von Parmenides' und Piatons transzendierender (entperspektivierender) Identitätssetzung. Es geht ihm um die „Versöhnung von episteme und döxd\ indem er zeigt, „daß das doxahafte Erscheinen gerade in seiner Jeweiligkeit die Totalität der Erkenntnismöglichkeiten impliziert44 (ebd., S. 133). Held nennt auch Heidegger, der in seinem Nietzsche-Buch (Nietzsche, Bd. II (GA 6.2), S. 118 ff.; vgl. auch Nietzsche: Der europäische Nihilismus (Freiburger Vorlesung II. Trimester 1940) (GA48), § 16) zu Recht daraufhingewiesen hat, daß man den Satz des Protagoras gründlich mißversteht, wenn man ihn für eine antike Vorwegnahme des mit Descartes beginnenden neuzeitlichen Subjektivismus hält (Held: Husserls Rückgang auf das phainömenon, S. 108 f.). Dieser von Heidegger und Held kritisierten Position bleibt letztlich aber auch Husserl verhaftet, wenn er beispielsweise in der 9. Vorlesung zur „Ersten Philosophie44 (bevor er auf Descartes eingeht) schreibt: „Das Wesen alles Skeptizismus ist Subjektivismus; ursprünglich repräsentiert ist er durch die beiden großen Sophisten Protagoras und Gorgias." (E. Husserl: Erste Philosophie (1923/24), Teil I: Kritische Ideengeschichte, hrsg. von R. Boehm, [Den] Haag 1956 (Husserliana, Bd. VII), S. 58.)

§ 22 Der Elenchos: Widerlegung oder Bestreitung einer Gegenposition

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vielumstrittene Widerlegung!" (Frgm. 7,5.) Die entgegengesetzte Auffassung wird ihrer Unhaltbarkeit überführt: „der Elenchos ist eine Bloßstellung". 23 Die Adressaten von Parmenides' Kritik sind „ ,die Sterblichen', d. h. die Menschen überhaupt". 24 Die Widerlegung oder Bestreitung einer Gegenposition gehört damit für Held entscheidend mit zum Inhalt des Lehrgedichtes: ,»Anders gesagt, die Philosophie des Parmenides ruht nicht ohne jede Beziehung auf eine Auffassung außerhalb ihrer in sich selbst, sondern sie ist zu verstehen als Widerspruch gegen eine ihr entgegengesetzte Denkart. Die Wahrheit des Parmenides ist wie die des Heraklit Bestreitung und Widerlegung einer Unwahrheit."25 Damit betont auch Held die unaufhebbare Zusammengehörigkeit der beiden Teile des Lehrgedichts.

a) Die beiden Teile des Lehrgedichts und die drei Wege der Forschung Karl Reinhardt hat in seinem bahnbrechenden Parmenides-Buch die „Dreiteilung" 26 des Lehrgedichts hervorgehoben und den dritten Weg der Forschung zum Angelpunkt seiner Interpretation genommen. Die Frage, wie die offenkundige Zweiteilung des Lehrgedichts in den Aletheia- und den Doxa-Teil mit der Dreiteilung der Positionen zu vereinbaren ist, hat seitdem die Forschungsliteratur in Atem gehalten: „Hier kann sich kein Interpret einer Stellungnahme entziehen, und die Gesamtdeutungen lassen sich denn auch danach gruppieren, wie in ihnen jeweils das Zweiermit dem Dreier-Schema zusammengebracht [...] wird". 27 Für Held gehören die in Fragment 6 genannten Wege (Weg des Nichtseienden und Weg der Sterblichen) „beide auf die Seite der Unwahrheit und stehen

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Held: Heraklit, Parmenides..., S. 471. Held: Heraklit, Parmenides..., S. 473; vgl. schon Reinhardt: Parmenides, S. 66, 69; femer Heitsch: Gegenwart und Evidenz bei Parmenides, S. 41, vgl. auch S. 56; Bormann: Parmenides, S. 99 f.; J. Mansfeld: Die Offenbarung des Parmenides und die menschliche Welt, Assen 1964, S. 3-41. Mansfeld hat überzeugend gezeigt, daß Charakterisierungen (von Parmenides in Fragment 6 als Verurteilung der „Zweiköpfe" ausgesprochen) wie „Taubheit", „Blindheit", „Unwisssenheit", „Machtlosigkeit" in der frühen Dichtung dann üblich sind, wenn das menschliche Wesen überhaupt vom göttlichen unterschieden werden soll. Das Fragment 6 gibt für Mansfeld „mithin eine beschreibende Anthropologie" (ebd., S. 32). 25 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 472. 26 Reinhardt: Parmenides, S. 36, vgl. S. 42 ff., 65 f. 27 Heitsch: Gegenwart und Evidenz bei Parmenides, S. 40. Auch Heidegger nimmt im Laufe seiner Parmenides-Auslegungen verschiedene Positionen ein (vgl. unten S. 145 f., Anm. 98). 24

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. Kap.: Die Parmenides-Auslegung

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gemeinsam zur wahren Überzeugimg in Opposition". 28 Dann ist nur noch zu fragen, in welcher Beziehung die beiden vom Pfad der Überzeugung abweichenden Wege untereinander stehen.

b) Die Grundthese der Interpretation, daß der nur fiktiv mögliche Nichts-Gedanke unerkanntermaßen der allgemein-menschlichen Überzeugung (Doxa) zugrunde liege Der zweite Weg (des Nichtseienden) ist für Held nicht einmal so etwas wie ein „Abweg" oder „Irrweg", sondern im strengen Sinne überhaupt kein wirklich begehbarer Weg; er „ist also eine Fiktion und sonst nichts". 29 Der dritte Weg der nichtwissenden Sterblichen ist „zugleich der Weg der vorphilosophisch lebenden Menschen überhaupt". 30 Damit ergeben sich zwei Fragen: 1. Warum formuliert Parmenides überhaupt noch eine rein fiktive Unwahrheitsthese? 2. Wie verhält sich die von den unwissenden Sterblichen wirklich vertretene Unwahrheitsthese zu der fiktiven? A u f die in der letzten Frage angesprochene Problematik wurde oben bereits hingewiesen.31 Held knüpft daran an: „Die von den Menschen überhaupt vertretene These lautet: Das Seiende und das Nichtseiende sind identisch und nicht identisch. Diese These enthält aber sachlich eine andere ihr zugrundeliegende These, nämlich daß es das Nichtseiende gibt; denn wenn man der Auffassung ist, daß das Seiende und das Nichts oder Nichtseiende dasselbe und auch wieder nicht dasselbe sind, so operiert man damit jedenfalls - was auch immer jene Konfusion von Sein und Nichts sonst bedeuten mag - überhaupt mit dem Nichts. [...] Diese These [daß das Nichtseiende sei] vertritt in dieser Form kein Mensch, weil das gar nicht möglich ist; aber sie liegt unerkannt derjenigen Überzeugung zugrunde, auf deren Boden der Mensch faktisch lebt, nämlich, daß Seiendes und Nichtseiendes sich unterscheiden und sich auch wieder nicht unterscheiden. Folglich muß der Philosoph, der die unwahre Überzeugung der Sterblichen zu entlarven beabsichtigt, nicht diese faktisch vorkommende Überzeugung prüfen, sondern die These, die dieser zugrundeliegt, auch wenn sie so von keinem Menschen vertreten werden kann."32 28

Held: Heraklit, Parmenides..., S. 476. Held: Heraklit, Parmenides..., S. 477. Dux (Die Zeit in der Geschichte, S. 310) weist darauf hin, daß sich Parmenides über die Frage, ob nicht dem Schein als Schein bzw. dem Nichtseienden als Nichtseienden in einer gewissen Weise doch ein ist zugesprochen werden müßte, noch keine Gedanken gemacht hat. 30 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 477. 31 Siehe § 19. 32 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 477 f. Daß die Doxa von der Nichtseinsthese durchsetzt ist, haben auch andere Autoren gesehen. Beispielsweise bemerkt Olof Gigon (Der Ursprung der griechischen Philosophie, S. 264 f.), daß Diskontinuität „einen Zuschuß von Nichtsein" und Geteiltheit „ein Eindringen von Nichtseiendem" bedeutete 29

§2

ie allgemein-menschliche G r u n d ü b e r z e u g u n g 1 0 3

Damit ist für Held nun aber auch die erste oben gestellte Frage beantwortet: Der nur fiktiv mögliche Nichts-Gedanke liegt unerkanntermaßen der allgemein-menschlichen Grundüberzeugung (der Sterblichen) zugrunde und mit der Aufdeckung von dessen Unwahrheit wird daher auch die Grundüberzeugung der Doxa ihrer Unwahrheit überführt. Mit dieser Deutung drängt sich aber sogleich die Frage auf, wie denn die Doxa überhaupt möglich ist, wenn sie doch gewissermaßen auf der Unbegehbarkeit selbst, dem Ungedanken schlechthin, beruht. Der Doxa-Teil des Lehrgedichts ist für Held nichts anderes „als der Versuch, genau diese Frage zu beantworten".33 Der Doxa-Teil ist für ihn also weder „eine Art Ersatz-Hypothese" noch „eine zweitbeste Erklärung der Wirklichkeit" noch eine Art Doxographie oder Eristik über die Irrlehren seiner Vorgänger.34

§ 23 Die allgemein-menschliche Grundüberzeugung a) Die Erfahrung

des Werdens

Ein zentrales Ergebnis der Explikation des Seinsgedankens ist auch für Held „der Ausschluß des Werdens".35 Damit ist für ihn die Art von Veränderung überhaupt gemeint, die Aristoteles in seiner Physik-Vorlesung als dAAoiüxxig bezeichnet.36 Daß es einen derartigen (qualitativen) Übergang von etwas hinsichtlich seines , Wiebeschaffen 4 von einem Zustand in einen anderen gibt, steht für den natürlichen Menschenverstand außer Frage. Fragwürdig erscheint auf den ersten Blick nur die Parmenideische Unterstellung, es gebe solche Veränderung „von Allem". Auch für den gesunden Menschenverstand muß es etwas Beharrliches (Substanz, Substrat) geben, das sich selbst in diesem Zustandswechsel gerade nicht verändert: eine und selbe ist als unverändert Identisches gerade das dem Wechsel der entgegengesetzten Zustände, die wir mit ,die Wärme4 und ,die Kälte4 bezeichnen, Zugrundeliegende. Die Identität des Substrats ermöglicht die Nichtidentität des Wechselnden. Aber das bedeutet: das Identische und das Nichtidentische sind etwas Verschiedenes.44 3 7 „Dieses

(vgl. auch Angehrn, oben S. 65, Anm. 58). Dennoch deutet Gigon wiederum die Welterklärung des Doxa-Teils als „die auf der Ebene des menschlichen Meinens relativ beste und wahrscheinlichste44 (ebd., S. 274). 33 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 479. 34 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 480; vgl. dazu auch die unten (§ 30 a) gegebenen Hinweise. 35 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 484. 36 Phys.E 1,224 a 21 ff.

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. Kap.: Die Parmenides-Auslegung

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Held möchte aber nicht nur zeigen, daß die Indifferenz von Zustand und Zuständlichem das Bewußtsein des Parmenides und überhaupt seiner Zeit geprägt haben muß, „sondern eine der bleibenden Grundlagen unserer menschlichen Welterfahrung bezeichnet".38 Hier analysiert Held aber, wie auch Dux kritisiert,39 nicht entschieden genug in einer historisch-genetischen Perspektive. Die „substanzlogische" Gleichsetzung von Ursprung und dessen (emanativen) Erscheinungsformen oder Merkmalen40 ist nicht mehr die Denkstruktur eines europäisch geprägten Erwachsenen unserer Zeit. Auch Husserl spricht in der „Krisis"-Schrift vom „Einströmen" wissenschaftlicher und anderer Erwerbe in die Lebenswelt.41 Aber die Lebenswelt ist damit ihrer Struktur nach schon eine andere geworden.

b) Das Nichtsein in allgemein-menschlicher

und philosophischer Sicht

Das von Parmenides thematisierte Nichtsein bedeutet für Held „Abwesenheit von Zuständen".42 Wenn aber die nichtwissenden Menschen auf dem Boden der Doxa vom Werden überzeugt sind, müssen sie Zustände, die gegenwärtig unmittelbar anwesend sind, von ungegenwärtigen Zuständen unterscheiden, d. h. Zuständen, die ihnen gerade nicht als in unmittelbar anwesender Weise gegeben sind. Von den ungegenwärtigen Zuständen müssen sie aber dennoch in irgendeiner Weise ein Wissen haben, sonst könnten sie sich überhaupt nicht auf diese beziehen. Die ungegenwärtigen Zustände wären aus phänomenologischer Perspektive als bloß vergegenwärtigte Zustände zu bezeichnen gegenüber der „Uroriginalität" 43 der „leibhaftigen Selbstgegenwart"44. Der von Husserl ge37

Held: Heraklit, Parmenides..., S. 486. Held: Heraklit, Parmenides..., S. 486. 39 Vgl. Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 297 f., Anm. 26; vgl. auch oben S. 85. 40 Vgl. dazu Dux: Die Logik der Weltbilder, S. 129 (vgl. auch S. 143): „Die subjektivische Logik ist eine emanative Substanzlogik. Die Vorstellung einer emanativen Beziehung zwischen Substanz und Merkmal läßt zwischen beiden ein Verhältnis der (Teil-)Identität entstehen. In der Subjekt/Substanz liegt, was an der Merkmalsseite sichtbar wird." 41 Husserl: Die Krisis der europäischen Wissenschaften (Husserliana, Bd. VI), S. 141, Anm. 1, vgl. S. 115,134, 466; vgl. femer E. Husserl: Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie. Ergänzungsband. Texte aus dem Nachlaß 1934-1937, hrsg. von R.N. Smid, Dordrecht/Boston/London 1993 (Husserliana, Bd. XXIX), S. 77-83 (Text Nr. 7: Einströmen). Der Text aus dem Nachlaß beleuchtet das Problem des Einströmens, des „Einbruchs" der transzendentalen Reduktion selbst und die damit einhergehende Verwandlung des Seinssinns ,Welt\ 42 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 488. 43 Husserl: Die Krisis der europäischen Wissenschaften (Husserliana, Bd. VI), S. 107. 38

§2

ie allgemein-menschliche Grundüberzeugung

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prägte Terminus „i/roriginalität" ist aber kein Pleonasmus, sondern verweist darauf, daß die Vergegenwärtigungsmodifikationen (wie Wiedererinnerung, Gegenwartsvergegenwärtigung, Erwartung) als originäre Modi der Anschauung zu verstehen sind. Parmenides bestreitet aber, daß überhaupt Abwesenheit stattfindet: „In Wahrheit ist alles gegenwärtig. Es herrscht totale Präsenz."45 Damit ergeben sich für Held zwangsläufig zwei Fragen. Wenn nur die ungeteilte Präsenz stattfindet, dann wird die Möglichkeit der Doxa, die (wie oben dargelegt) auf dem Nichts-Gedanken und somit der Abwesenheit beruht, vollends zum Rätsel. Die Lösung dieser ersten Frage steht im Zentrum von Heids Interpretation des Doxa-Teils.46 Die zweite Frage hängt mit der ersten zusammen und läßt sich daher erst im Zusammenhang mit dieser zureichend beantworten: „Gesetzt, daß der Mensch im allgemeinen in der Doxa auf eine noch zu erklärende Weise von der Wahrheit abgeschnitten lebt, wie ist es ihm dann möglich, als Denkender doch die Wahrheit zu erkennen?"47

Wenn der Mensch fähig ist, die Wahrheit zu erkennen, dann muß es in ihm ein Vermögen geben, sich der (von der Göttin verkündeten) Wahrheit zu öffnen. Parmenides nennt in Fragment 4 als ein solches Vermögen den voug 4 8 Der Nus ist das Vermögen, sich der Wahrheit zu öffnen. AAf)0eia bedeutet auch für Held so viel wie „Unverborgenheit, Unverstelltheit, Offenbarkeit", das „unverhüllte Sich-Zeigen", der unverstellte „Einblick in die Gegenwart des Seienden".49

44 E. Husserl: Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Erstes Buch: Allgemeine Einführung in die reine Phänomenologie, neu hrsg. von K. Schuhmann, 1. Halbband, Text der 1.-3. Aufl., Den Hag 1976 (Husserliana, Bd. III/l), S. 81, vgl. S. 142. 45 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 488. 46 Siehe § 26. 47 Held: Heraklit, Parmenides..., S.489. 48 Auf diesen Begriff wird noch näher eingegangen (s. unten S. 144, Anm 94). 49 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 491 f. Heids Argumentation wendet sich gegen Ernst Heitsch (Parmenides: Die Fragmente, hrsg., übers, u. erl. von E. Heitsch, S. 82, 89 ff., 115 ff.), der annimmt, Parmenides verwende das Wort aAT]9eia in gewissen Zusammenhängen nicht in der Grundbedeutung „Un-verborgenheit" (die privative Grundbedeutung von ¿-ÄrjGeia (mit a als a-privativum) betont auch Heitsch; vgl. ders.: Parmenides und die Anfänge der Erkenntniskritik und Logik, S. 36), sondern stillschweigend im Sinne der logischen Aussagewahrheit. Er argumentiert überzeugend gegen Heitschs Lösungsvorschlag, den zweiten der beiden Irrwege, den der zwischen Sein und Nichtsein schwankenden Doxa, als rein logischen Verstoß gegen den „Satz vom ausgeschlossenen Dritten" zu interpretieren. Parmenides hat nach Heitschs Deutung nicht nur die Kontradiktionsregel (Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch), sondern auch das tertium non datur entdeckt:

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§ 24 Widerlegung der allgemein-menschlichen Grundüberzeugung a) Die Nichtvernehmbarkeit

des Nichtseienden

Wie wir gesehen haben, ist - so Heids Grundthese - die Nichtseinsthese in der allgemein-menschlichen Grundüberzeugung (Doxa) verborgenerweise impliziert. Die Begründung mit der Parmenides die Nichtseinsthese widerlegt, findet sich in Fragment 2, 7-8 (vgl. auch die streng parallele Stelle 8, 17: ... avÖTjTOv, avd)vu(-iov): „denn das Nichtseiende kannst du weder erkennen denn das ist unvollziehbar - noch aussprechen" (ouxc yCLQ a v yvotqg TÖ ye 50 JAF] cöv, ou y a p dvuaxöv, OUTE c^pdaaig). Die erste Bestimmung, also die Unmöglichkeit das Nichtseiende zu „erkennen", leuchtet unmittelbar ein, wenn man unter „Erkennen" das schlichte (verknüpfungsfreie) wahrnehmende Vernehmen von etwas versteht: „,Nichts wahrnehmen4 heißt zugleich ,nicht wahrnehmen*. Ohne gegenwärtig vorliegende zuständliche Bestimmtheiten kann kein Vernehmen stattfinden. Dies ist der schlichte und einleuchtende Sinn der parmenideischen Behauptung: Das Nichtseiende kann man nicht,denken'. [...] Wenn wir wahrnehmend bemerken oder vernehmen, dann nur auf die Weise, daß sich uns Seiendes im Sinne des Parmenides, also gegenwärtig Vorliegendes, erschließt."51

b) Die Unaussprechbarkeit des Nichtseienden: kritische Auseinandersetzung mit Ernst Tugendhat Schwieriger ist die zweite Teilbehauptung, das Nichtseiende lasse sich nicht „aussprechen" (cf>Qdcrai). In scharfer und überzeugender Weise widerlegt Held Ernst Tugendhats sprachanalytische Deutung, die in dem genannten Aussprechen ein Sprechen in Aussagesätzen in der Struktur des „etwas über etwas" (xl

„Parmenides hat die Bedeutung des ausschließenden ,oder( und des kontradiktorischen Gegensatzes entdeckt. Und indem er beides - kontradiktorischen Gegensatz und ausschließendes ,oder' - miteinander verbindet, entdeckt er den Satz vom ausgeschlossenen Dritten und damit die Grundlage jeder logischen Argumentation: es ist (so) oder es ist nicht (so); tertium non datur." (Parmenides: Die Fragmente, hrsg. von E. Heitsch, S. 115 f.; zu den logischen Prinzipien vgl. auch die Hinweise oben S. 23 f.) Es ist aber Sven Sellmer zuzustimmen, der darlegt, daß noch nicht von einer (expliziten) ,Logik4 des Parmenides gesprochen werden kann (s. oben S. 25, Anm. 25). 50 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 494. 51 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 496 f.

§ 24 Widerlegung der allgemein-menschlichen Grundüberzeugung

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Kaxa xivog) versteht.52 Wie oben schon angemerkt, gilt für das unmittelbar wahrnehmende (vernehmende) Bemerken (voeiv), daß wer nichts wahrnimmt, nimmt überhaupt nicht wahr. Aber die Struktur der Aussage ist eine andere als die des unmittelbaren Vernehmens.53 Im Falle der Aussage handelt es sich gemäß der Struktur xl Kaxa xivog um ein NichtVorliegen von etwas an etwas bzw. das Ausbleiben einer prädikativen Bestimmung an etwas. Tugendhats Kritik ist nun, daß in dem oben genannten Satz des Parmenides, daß man das Nichtseiende nicht denken und nicht aussprechen kann, beide Vorstellungsarten fälschlich gleichgesetzt werden und die sprachanalytisch illegitime Wortprägung ,das Nichts* seitdem durch die Philosophie geistert. Wenn sich der philosophische Sprachgebrauch, vom ,Nichts' zu reden, legitimieren ließe, dann müßten nach Tugendhat die folgenden vier Sätze äquivalent sein: (1) Ich denke nichts. (2) Ich denke nicht (3) Ich denke, daß x nicht ist. (4) Ich denke ein Nichtseiendes.

Zwischen die paarweise zusammengehörenden Sätze wurde ein Abstand gesetzt, weil die Sätze (1) und (2) ,denken4 im Sinne des unmittelbaren Vernehmens oder Wahrnehmens (voeiv) gebrauchen, die Sätze (3) und (4) aber Zustände oder Merkmale von oder an Dinglichem in Form von Aussagesätzen in der Struktur des etwas über etwas zum Ausdruck bringen. Nun setzt Parmenides aber nach Tugendhat fälschlich den Sachverhalt der Vorstellungsebene (1) und (2) mit dem der Vorstellungsebene (3) und (4) äquivalent. Mit der damit gegebenen Gleichsetzung von Satz (1) mit Satz (4) entsteht aber ein sozusagen neues ,Objekt4, nämlich ,das Nichts4. Das ist aber unerlaubt, weil der Ausdruck ,nichts4 in Satz (1) entsprechend der Vorstellungsebene des schlichten voeiv überhaupt kein Objektausdruck ist. Held formuliert nun folgenden gewichtigen Einwand: „Die Argumentation wird darum durch den einfachen Hinweis hinfällig, daß das in der parmenideischen These genannte »Sprechen4 überhaupt kein Reden in Aussagesätzen meint. 52 Vgl. E. Tugendhat: „Das Sein und das Nichts44, in: V. Klostermann (Hrsg.): Durchblicke, S. 132-161, bes. S. 144 f. (Wiederabdruck in: Tugendhat: Philosophische Aufsätze, S. 36-66, bes. S. 48 f.); vgl. auch ders.: TI KATA TINOZ. Eine Untersuchung zu Struktur und Ursprung aristotelischer Grundbegriffe, 5. Aufl. Freiburg/München 2003 (Studienausgabe mit einem neuen Nachwort); femer ders.: Vorlesungen zur Einführung in die sprachanalytische Philosophie, Frankfurt a. M. 1976. 53 Das liegt schon Piatons Parmenides-Kritik zugrunde (vgl. Sophistes 237 c ff.; Theaitetos 188 e ff.).

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Im Reden in Aussagesätzen bekundet sich unter anderem das Vorstellen von Dinglichem. In den bisher vorgetragenen Interpretationsschritten zu Parmenides und zur Vorsokratik überhaupt hatte sich schon mehrfach die wohlbegründete Hypothese bewährt, daß die doxahafte Erfahrung, gegen die sich die parmenideische ebenso wie die heraklitische Kritik richtet, es mit einer vor-dinglichen Welt reiner zuständlicher Bestimmtheiten zu tun hat. Nun könnte man einwenden, an der vorliegenden Textstelle sei doch nicht auszuschließen, daß Parmenides von der Dingvorstellung Gebrauch mache; denn wen er ein Wort für sprechen* verwende, könne er nichts anderes dabei im Auge haben als alle anderen Menschen auch: ein Sprechen in Sätzen nämlich."54 Den zuletzt genannten Einwand widerlegt Held unter Verweis auf das Prädikat „namenlos" (avo)vu|iov), das in Fragment 8,17 (der bereits genannten Parallelstelle zu Fragment 2, 7-8) rekapituliert wird. Dann sagt Parmenides in Fragment 2, 8 aber nicht, über das Nichtseiende lasse sich keine Aussage machen, sondern: es lasse sich nicht benennen. Held kann sich zudem auf seine eingehende Analyse des Vollzugs der menschlichen Namengebung bei Heraklit beziehen.55 Namen (im Sinne von Bezeichnungen) sind immer einseitig, zugleich angemessen und unangemessen, indem sie immer nur einen Aspekt des Bezeichneten ans Licht bringen. 56 Auch Dux spricht daher richtig von einer „(Teil-)Identität" von Subjekt und Merkmalsseite. 57 Die , Verführung' der Sprache besteht darin, daß die Teilidentität nicht als solche aufgefaßt wird, sondern der Name mit der von ihm bezeichneten Sache unmittelbar gleichgesetzt wird: „Der Name ist die - wegen der Unmittelbarkeit gegenwärtiger Erfahrung vermeintlich »wahre4, vom Standpunkt des Denkens aus aber irrige, weil einseitige - Kennzeichnung einer zuständlichen Bestimmtheit. [...] Die Unwahrheit, von der die Doxa beherrscht wird, besteht nicht in einem falschen Verknüpfen, sondern in der Einseitigkeit, mit der das unmittelbar Sich-Zeigende in seiner Unterschiedenheit festgehalten und das so Festgehaltene im Namen fixiert wird." 58 Dabei sind Namen im Sinne des Parmenides „niemals der leere, unanschaulich meinende Gebrauch von Bezeichnungen, sondern das ursprüngliche Aussprechen der Bestimmtheit des Vorliegenden". 59 Held verweist auf den „ i n einem elementaren Sinne ,phänomenologische[n]4 Zug des parmenideischen Denkens", indem er zeigt, daß sich die primäre Orientierung des Menschen in

54

Held: Heraklit, Parmenides..., S. 500. Vgl. Held: Heraklit, Parmenides..., S. 154 f., 198 ff. 56 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 199. 57 Siehe oben S. 104, Anm. 40. 58 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 503 f. 59 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 504. 55

§ 25 Die positive und negative Bestimmung des Seiend (Tö ¿öv)

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seiner Lebenswelt in einer Weise ausspricht, die „auf einer vorprädikativen Erschlossenheit beruht". 60 Der Terminus „Erschlossenheit" ist Heidegger61 entlehnt und Held verweist auch auf dessen grundlegende Erkenntnis, daß „die Wahrheit als Unverborgenheit die Bedingung der Möglichkeit der Aussagewahrheit ist" 62 . Parmenides hat sachlich recht, solange seine Argumentation auch in der Kritik der Doxa auf die Ebene des unmittelbaren Vernehmens (voclv) und Benennens (övo|Lidteiv), d. h. die Dimension der aAr|0eia, bezogen bleibt. Sein Fehler besteht darin, daß er wieder in die ontische (vergegenständlichende) Auffassung zurückfällt.

§ 25 Die positive und negativ-abwehrende Bestimmung des Seiend (xö ¿öv) im Aletheia-Teil Auf Heids Deutung der im ,es ist' (ccmv) gegebenen Formulierung des Seinsgedankens wurde oben (in der Auseinandersetzung mit Dux) schon eingegangen.63 Heids Grundgedanke liegt darin, daß die Formulierung des Seinsgedankens nicht auf der Grundlage der Aussage in der Struktur des „etwas über etwas" (xl \cazä xivög), nicht als Bestimmung-von-etwas gedeutet werden darf. Das ,es ist' oder ,das Seiend' (TÖ ¿ÖV) bringe vielmehr die rein zuständliche Bestimmtheit in der ontologischen Indifferenz von Sein und Seiendem, Bestimmtheit(-Gebendem) überhaupt und Bestimmtem, Zustand überhaupt und Zuständlichem zum Ausdruck. Wir können uns nun sogleich der Entfaltung dieses Gedankens in den erhaltenen umfangreichen Ausführungen von Fragment 8 zuwenden. Das Leitwort der in Fragment 8 gegebenen Entfaltung ist das crfj(aa, das „Wegzeichen" oder die „Wegmarke". Held wendet sich zunächst dagegen, die or\\iaTa (wie man zunächst meinen könnte) nur auf den Erkenntnisprozeß, nicht aber auf den Erkenntnisgegenständ zu beziehen: „Es ist daran zu erinnern, daß der »Erkenntnisprozeß4 des nus keine Verknüpfungsoperation, sondern ein schlichtes Aufnehmen oder Bemerken des gegenwärtig Vorliegenden darstellt. Die Wahrheit, die wir im noein erfassen, ist das gegenwärtig Stattfinden des Zustands der Indifferenz von Anwesendem und Anwesenheit, dieses Einfache und sonst nichts. Auf dieses Einfache beziehen wir uns als Erkennende, wenn wir es in seiner Wahrheit erfassen, nicht in umständlichen geistigen Operationen, sondern so, daß wir es unmittelbar so, wie es sich gegenwärtig zeigt, vorliegen-lassen (»lassen4 betont gesprochen).4'64 60

Held: Heraklit, Parmenides..., S. 504. Sein und Zeit (GA 2), §44. 62 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 505. 63 Siehe § 16. 61

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Heids Deutung der Wegzeichen ist von seiner Grundthese getragen, daß in der Überlegung, es gebe Werden und Vergehen, der Ungedanke des Nichts immer schon impliziert ist. Damit ergibt sich: „Das ganze Beweisverfahren des Parmenides ist die immer wiederholte Befreiung des unverstellten Blicks auf das Seiende von der drohenden Verstellung durch den Nichtsgedanken."65

Denn das Aufdecken des Ungedanken des Nichts heißt ja: ihn als Ungedanken durchschauen. Wenn Held von „Beweisverfahren" spricht, dann wendet er sich gegen eine Auffassung, die in Parmenides' Argumentation nur die (zwar noch unreflektierte) Anwendung formaler logischer Regeln sieht, deren Aufstellung und Ausarbeitung ein „neutrales Vorfeld" (Propädeutik) vor der konkret betriebenen Philosophie darstellt: „Die Logik des philosophischen Gedankens bestimmt sich von seinem jeweiligen Gegenstand her." 66 Es ist aber unverkennbar, daß Parmenides erstmals in der Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte Beweisgänge im eigentlichen Sinne des Wortes aufstellt, nämlich Gedankengänge und Begründungen mit der Abzielung, den Adressaten durch Argumente zu überzeugen. Das zeigt sich an der Vielzahl der verwendeten syntaktischen Verknüpfungen wie ,also\ ,denn', ,weil' und dergleichen. Geht man von Heids Grundthese aus, dann müssen in Analogie zur Behandlung des Seins- und des Nichtsgedankens auch alle diese Wegzeichen in Fragment 8 sowohl in einer positiven als auch in einer negativ-abwehrenden Form auftreten. Bei einer ausschließlichen ex-negativo-Bestimmung der Wegzeichen kann Parmenides schon deshalb nicht stehenbleiben, weil er sie dann im Grunde schlichtweg vom Ungedanken des Nichts her bestimmen würde. Held unterscheidet vier Gruppen von Wegmarken, die in den Versen 3 und 4 von Fragment 8 zunächst nur aufgezählt werden:67 1. Die Unentstandenheit und Unvergänglichkeit in den Versen 5-21; 2. die Ganzheit und Einzigartigkeit in den Versen 22-25; 3. die Unbewegtheit in den Versen 26-30; 4. die Vollendung oder Begrenztheit in den Versen 31-49. Die jeweiligen positiven und negativen Bestimmungen werden anschließend von Held konkret aufgewiesen. Es können hier nur einige Hinweise gegeben werden. 64

Held: Heraklit, Parmenides..., S. 515. Held: Heraklit, Parmenides..., S. 518. 66 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 518 (Hervorh. v. Verf.) 67 Vgl. Held: Heraklit, Parmenides..., S. 516 f. 65

§ 25 Die positive und negative Bestimmung des Seiend ( ö ¿ v )

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a) Das erste Wegzeichen (Frgm. 8, 5-21): Unentstandenheit und Unvergänglichkeit

Für die erste Gruppe von Wegmarken gilt es - negativ formuliert - „diese Einbrüche des Nichts, genannt: Zukunft und Vergangenheit", abzuwehren. Die positive Formulierung hingegen „lautet: das Seiende ist jetzt". 68 Es bleibt aber unklar, was von Held unter der zeitlichen Form der (ständigen) „Gegenwärtigkeit" oder „Anwesenheit" genau gemeint ist (sempiternitas oder aeternitas).

69

Held verweist darauf, daß mit der positiven Nennung dieses ,Einen' zugleich immer eine Mehrzahl weiterer Wegmarken mitgenannt wird. Unter Berufung auf Eugen Fink führt er aus (man denke etwa auch an die scholastischen Transzendentalien): „Jedes solche Merkzeichen reicht, genau genommen, zur Kennzeichnung des Seiend aus, sofern es alle anderen Zeichen impliziert, und es reicht auch nicht aus, sofern die Nennung bloß eines Zeichens einseitig verstanden werden könnte."70 Held übernimmt bewußt von Eugen Fink 71 die Formulierung „das Seiend" für das eöv, das - mit einer Formulierung Husserls (für den Welthorizont) gesprochen - „nicht seiend [ist] wie ein Seiendes, wie ein Objekt, sondern seiend in einer Einzigkeit, für die der Plural sinnlos ist" 72 .

b) Das zweite Wegzeichen (Frgm. 8, 22-25): Ganzheit und Einzigartigkeit

Zur zweiten Gruppe der Wegmarken bemerkt Held, daß der vorliegende Zustand der Anwesenheit, das ,es ist', „als im Räume stattfindend vorgestellt [wird]: das Seiend liegt räumlich vor". 73 Auf das Problem der räumlichen Ausgedehntheit wurde oben bereits im Zusammenhang mit der Kugelgestalt hingewiesen.74 Die Problematik liegt darin, daß räumlich Ausgedehntes immer auch als teilbar betrachtet werden kann (so explizit später bei Leibniz). Die negative Formulierung „unteilbar" (ou&e &iaiQ£xöv) (Frgm. 8, Vers 22) muß daher nach Heids Deutung durch positive Merkmale ergänzt werden, die jeglicher Zerstückelung, Zerteilung Widerstand leisten. Diese besagen, daß „das Seiend" „ganz zusammenhängend" (£uvex£S näv) (Vers 25) sowie „ganz dasselbe" 68

Held: Heraklit, Parmenides..., S. 520. Vgl. dazu § 5 a a. 70 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 521; vgl. Fink: Zur Ontologischen Frühgeschichte von Raum - Zeit - Bewegung, S. 61. 71 Fink: Zur Ontologischen Frühgeschichte, S. 60 ff. 72 Husserl: Die Krisis der europäischen Wissenschaften (Husserliana, Bd. VI), S. 146. 73 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 526. 74 Siehe § 5 b und § 6. 69

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(nav ¿CTTiv ojaoiov) (Vers 22) ist und daß es „kein Mehr oder Weniger" (ou&£ TLTi] jiäAAov ... ouÖ£ TLxcipÖT£Qov) (Verse 23-24) gibt.75

c) Das dritte Wegzeichen (Frgm. 8, 26-30): Unbewegtheit

Das dritte Wegzeichen betrifft die Unbewegtheit. Da die Bewegung als Übergang von einem Nichtjetzt zum Jetzt des Seiend und umgekehrt bereits bei der Erörterung des ersten Wegzeichens abgewiesen wurde, betrifft die nun vorgenommene Abweisung den Übergang von vermeintlichen Teilen des £Öv. Die Abweisung dieser zweiten Form von Bewegung ist sehr einfach: „Da es die Verschiedenartigkeit bzw. Teilbarkeit innerhalb des Seiend nicht gibt, so entfällt auch jegliche Bewegung zwischen etwaigen verschiedenartigen Teilen des Seiend."76 Positiv ausgedrückt, ist das Seiend in Ruhe, in sich selbst, in seinem einzigen Hier fest an Ort und Stelle stehend.

d) Das vierte Wegzeichen (Frgm. 8, 31-49): Vollendung oder Begrenztheit

Die bisherige Erörterung des Problems der Räumlichkeit ist als vorläufig anzusehen und wird von Held bei der Deutung der vierten Gruppe der Wegmarken nochmals vertiefend aufgegriffen. Das Merkmal der „Vollendung" (in Vers 32 in der doppelten Verneinung: OUK AT£A£UTT|TOV) wird von Held als „Totalität" aufgefaßt: „Das vierte Wegzeichen des Parmenides ist demnach die Totalität im Sinne des schlechthin umfassenden, nichts außerhalb seiner belassenden Ganzen." 11

Heids Deutung der Vollendung als Totalität ist in Übereinstimmung mit der handlungslogischen Struktur desfrühen Denkens, die sich nach Dux als „absolutistische Ursprungslogik" 78 manifestiert. Der Ursprung ist nur insofern absolut, nicht wiederum von anderem abhängig, defizitär, als alle Emanationen in ihm je schon einbehalten sein müssen. Mehrere Absoluta kann es nicht geben.79 75

Vgl. dazu Held: Heraklit, Parmenides..., S. 524 ff. Held: Heraklit, Parmenides..., S. 531. 11 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 533. Auch Heidegger hebt in seiner Vorlesung vom Sommersemester 1926 die Bestimmung der Ganzheit hervor: „Einheit, Ganzheit und Gegenwart sind die drei Bestimmungen (des Seins) bei Parmenides." (Die Grundbegriffe der antiken Philosophie (GA 22), S. 234 f. (Nachschrift Mörchen).) 78 Dux: Historisch-genetische Theorie der Kultur, S. 120 ff.; ders.: Das Problem der Logik im historischen Verstehen, S. 47 ff.; vgl. dazu § 13, femer § 18. 76

§ 25 Die positive und negative Bestimmung des Seiend ( ö öv)

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Wenn Parmenides nach Heids expliziter Deutung „also die Totalität räumlich" bestimmt, 80 dann müßte von ihm auch die Kugelgestalt durchaus im wörtlichen Sinne verstanden werden (und könnte darüber hinaus - wie von David Sedley81 - als ein weiteres Argument gerade gegen die Teilbarkeit herangezogen werden). Die Annahme, Parmenides habe das Seiend wirklich für eine Kugel gehalten, ist für Held aber „abwegig". 82 Dies deutet schon darauf hin, daß die bisherige Erörterung der Räumlichkeit nur als vorläufig zu betrachten ist. Held beruft sich als Ausgangspunkt seiner Untersuchung auf Heidegger und vor allem auf Eugen Finks schon mehrfach genannte Abhandlung „Zur Ontologischen Frühgeschichte von Raum - Zeit - Bewegung". Fink verweist darauf, daß der Kosmos in Piatons „Timaios" 8 3 eine „Vermittlung" zwischen dem immer Seienden (Ideen) und den vergänglichen irdischen Dingen schafft. 84 Der Kosmos vermittelt demnach das Anwesen der Ideen im räumlichen und zeitlichen , Auseinander 4 der sublunaren Welt. Für Parmenides besagt das: „Demnach ist das Seiend nicht räumlich im Sinne des Innerräumlichen, sondern als das umfassend Einräumende selbst, anders gesagt: nicht als Ort im Räume, sondern als der Ort aller Orte." 85 79 Eine solche Einsicht findet sich besonders im Christentum (als monotheistischer Religion). In seinem Hauptwerk „De docta ignorantia" (Buch I, Kap. 8, § 21; vgl. auch Buch II, Kap. 3, § 107) schreibt Nikolaus von Kues: „Nun kann es aber mehrere Ewige (plura aetema) nicht geben. [...] Wenn es [...] mehrere Ewige gäbe, so würde das eine dem anderen mangeln (alterum alten deesset) und damit keines von ihnen vollkommen sein (nullum illorum perfectum esset). Auf diese Weise gäbe es ein Ewiges, das, weil nicht vollkommen, kein Ewiges wäre. Aus der Unmöglichkeit dieser Folgerung ergibt sich, daß es mehrere Ewige nicht geben kann/4 (Deutsche Übersetzung von P. Wilpert in: Nikolaus von Kues: Die belehrte Unwissenheit (De docta ignorantia), Buch I, lateinisch-deutsch, 4., erw. Aufl., besorgt von H. G. Senger, Hamburg 1994, S. 31; vgl. auch ders.: Die belehrte Unwissenheit, Buch II, 3., erw. Aufl., hrsg. von H. G. Senger, Hamburg 1999, S. 25 (etwas andere Übersetzung von D. und W. Duprö in: Nikolaus von Kues: Philosophisch-theologische Schriften (Studien- und Jubiläumsausg.), lateinisch-deutsch, hrsg. von L. Gabriel, Bd. I, Wien 1964, S. 217, vgl. auch S. 333).) 80 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 533. 81 Vgl. das oben (S. 47) bereits angeführte Zitat. 82 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 535. 83 Die von Piaton dem Kosmos zugeschriebenen Merkmale (einschließlich der Kugelform) (Timaios 33 ar-b) stimmen zum Teil mit Parmenides' Wegzeichen überein (s. auch oben S. 39 f., Anm. 82). 84 Fink Zur Ontologischen Frühgeschichte von Raum - Zeit - Bewegung, S. 88 f. Zu Piatons Grundunterscheidung zwischen dem immer Seienden (xö öv dei) und dem immer Werdenden (xö y iyvo|ievov dei) vgl. Timaios 27 d - 28 a. 85 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 537; vgl. dazu Fink Zur Ontologischen Frühgeschichte, S. 162.

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. Kap.: Die Parmenides-Auslegung

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Held verweist nun in seiner Interpretation bezüglich des ursprünglichen Ortes aller Orte auf das einzige, absolute „Hier meiner selbst in meinem leiblichen Da" (das ein Grundthema der Husserlschen Analyse der Leib- und Raumerfahrung bildet), „aber ohne daß wir dabei dem Vollzieher eine Prävalenz zubilligen müßten".86 Aber welches einzige, absolute Hier unter der Vielzahl der Vollzieher in ihrem jeweiligen leiblichen Da soll nun eigentlich gemeint sein? Eine Art primordiale Reduktion auf das je eigene Ich in seiner „Eigenheitssphäre" 87 wird man Parmenides wohl schwerlich zuschreiben können. Wenn Held auch einräumt, daß die unmittelbaren lebensweltlichen Erfahrungsvollzüge bei Heraklit wie bei Parmenides in gewisser Weise zwar vor den Blick gebracht werden, „aber nicht als solche eines - in transzendentaler Reflexion - thematisierten Vollziehers" 88, dann bleibt er einem solchen Ansatz (Vorgriff auf die Transzendentalphilosophie bzw. transzendentale Phänomenologie) der Auslegung letztlich doch verhaftet. Bei Heraklit wie bei Parmenides ließe sich nach Held also eine Art von vor-transzendentaler Thematisierung der Welt aufzeigen. Ein solcher Vorgriff wird dem Parmenideischen Denken nicht gerecht.89 Als signifikanter Zug des mythischen Weltbildes wird vielfach ein gewisser Primat räumlicher Orientierungen und Ordnungen, der sich auch in der Sprache niederschlägt, hervorgehoben.90 Weltentstehung vollzieht sich in den Mythen 86

Held: Heraklit, Parmenides..., S. 538 f. Vgl. dazu Husserl: Cartesianische Meditationen und Pariser Vorträge (Husserliana, Bd. I), V. Meditation, § 44 (Reduktion der transzendentalen Erfahrung auf die Eigenheitssphäre). 88 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 538. An anderer Stelle bei Held ist noch deutlicher (ebd., S. 562 f.): „Um diesen Objektivismus [der im Doxa-Teil entfalteten Kosmologie] vermeiden zu können, hätte Parmenides die Identität von erscheinender Bestimmtheit und subjektivem Vollzug als diese Identität zum Thema seines Denkens machen müssen. Das heißt aber: er hätte auf den menschlichen Erkenntnisvollzug als Bedingung der Möglichkeit von Objektivität reflektieren müssen. Die Möglichkeit dieser Reflexion wird aber erst in der neuzeitlichen Transzendentalphilosophie entdeckt. Weil Parmenides kein Transzendentalphilosoph war, mußten seine Überlegungen, sobald sie sich auf Dingvorstellungen bezogen, in einen naiven Objektivismus abgleiten. [...] Wenn die Grenze des parmenideischen Denkens darin liegt, daß er diese Vollzüge noch nicht transzendentalphilosophisch als solche durchschaut, dann bedeutet das: er kennt noch nicht den reflektierenden Blick in die Innerlichkeit dessen, was wir neuzeitlich »Bewußtsein* nennen. Parmenides meint zwar durchaus Bewußtseinsvollzüge, aber er vermag sie noch nicht als das zu bestimmen." 89 Vgl. auch §21 b. 90 Vgl. Angehm: Die Überwindung des Chaos. Zur Philosophie des Mythos, S. 284 f.; Dux: Die Zeit in der Geschichte, S. 124 f. (Weitere Literaturhinweise bei Angehm und Dux.) Auch Heidegger sieht in „Sein und Zeit" (§ 70, S. 369 (GA 2, S. 488 f.)) einen „Vorrang des Räumlichen in der Artikulation von Bedeutungen und Begriffen". Dieser Vorrang des Räumlichen hat für ihn „seinen Grund nicht in einer spezifischen Mächtig87

§ 26 Die Erklärung der Doxa

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„zuallererst als Trennung", wobei der ursprüngliche Trennungsakt „nicht einfach das Herausgehen eines Zweiten aus einem Ersten [ist], sondern das Hervorgehen der Trennung aus der Einheit".91 Die handlungslogische Grundstruktur der Mythen92 wird auch in der philosophischen Abstraktion nicht verlassen. Es ist durchaus dem Parmenideischen Denken angemessen, den einen identischen (handlungslogischen) Grund und Ursprung aller räumlichen Trennung wie oben als den einen „Ort aller Orte" oder als die eine ursprüngliche und allumfassende „Dimension ohne jede Flexion in zeitlicher oder räumlicher Hinsicht"93 zu bezeichnen. Der Seinsgrund ist in diesem Sinne vor-räumlich und vor-zeitlich. Er ist aber zugleich in allem Seienden anwesend. Angehrn spricht treffend von der „Kopräsenz in einer Zeit des Ursprungs". 94 Die darüber hinausgehenden Deutungen Heids verfehlen aber die geschichtliche Stellung des Parmenideischen Denkens.

§ 26 Die Erklärung der Doxa Held wendet sich im abschließenden Kapitel seiner Parmenides-Interpretation der bereits aufgeworfenen Frage zu, weshalb sich Parmenides nach der vollständigen Explikation der Wahrheit des Seinsgedankens überhaupt noch die Aufgabe stellt, die Doxa zu erklären. Die Doxa besteht nach Heids Deutung nicht im Denken des in ihr implizierten Ungedanken des Nichts - das wäre nicht möglich sondern in der bereits erörterten „Unterscheidung (und Nichtunterscheidung) von Sein und Nichtsein, die in Gestalt der Überzeugung auftritt, es finde Werden statt".95 Die Aufgabe einer „Erklärung" der Doxa kann in zwei Hinsichten gemeint sein. Parmenides weist nach Held nur auf, auf welche Weise Doxa stattfindet, wenn es sie gibt. Daß es Doxa überhaupt gibt, steht für Parmenides gar nicht erst zur Frage:

keit des Raumes, sondern in der Seinsart des Daseins", nämlich dem wesenhaft verfallenden Sich-Verlieren in das Gegenwärtigen des besorgten Zuhandenen (ebd.). 91 Angehrn: Die Überwindung des Chaos, S. 161. 92 Vgl. Dux: Die Spur der Macht im Verhältnis der Geschlechter, S. 22 f. 93 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 540. 94 Angehrn: Die Überwindung des Chaos, S. 67. In diesem Sinne läßt sich verstehen, wenn Heidegger in seiner „Interpretation des Lehrgedichts des Parmenides" (§ 22) vom Sommersemester 1926 schreibt: Anwesenheit des Seienden, mag es gleichwohl abwesend sein." (Die Grundprobleme der antiken Philosophie (GA 22), S. 65 f.) 95 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 545; vgl. dazu § 22 b.

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. Kap.: Die Parmenides-Auslegung

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Hed

„Daß es Doxa nicht nur tatsächlich gibt, sondern daß es sie als tragische Grundverfassung der Sterblichen geben kann und muß, - das ist für Parmenides offenbar überhaupt kein Problem." 96

Die Frage nach der Existenzmöglichkeit der Doxa überhaupt drängt sich allerdings aus dem Doxa-Teil selbst auf. Mit der radikalen Abweisung jeglicher Negativität vom Seinsgedanken „muß Parmenides auf die befriedigende Erklärung der Existenzmöglichkeit der Doxa verzichten, die andererseits durch sein eigenes Vorgehen zwingend erforderlich wird". 97 Auf welche Weise Doxa möglich ist, d. h. wie sie verfaßt sein muß, wenn es sie faktisch gibt, wurde schon vordeutend hingewiesen.98 Die menschliche Festlegung oder Festsetzung bedeutet eine Teilung der einzigen, unzerteilbaren Gegenwart in zwei (gleichrangige) Bereiche (Licht/Feuer - Nacht/Kälte). Damit treten sie aber nicht wirklich aus dem Bereich der einzigen Gegenwart heraus, sondern der Vollzug des Nichtsgedankens ist ein bloßer Schein. Held verweist auf den Doppelsinn des Wortes „Schein". Schein ist einerseits ein privativer Modus von Scheinen (Sichzeigen) in dem Sinne, daß sich ein Sichzeigendes meldet, das so aussieht wie die Wahrheit, ohne sie zu sein („bloßer Anschein"). Doxa ist andererseits Schein im Sinne „des Durchscheinens der wahren Erkenntnis im Modus der Entstellung".99 Damit ist zwar die Frage nach dem Wie des Scheins, nicht aber nach dem zureichenden Grund für die faktische Existenz der Doxa beantwortet. Das Parmenideische Denken „scheitert" für Held „also letztlich deswegen an seiner unzureichenden Erklärung der Doxa, weil es auf die Abweisung des Nichtsgedankens fixiert bleibt". 100 Auf mögliche existentielle Motive für Parmenides' radikale Abweisung jeglicher Negativität wurde oben bereits hingewiesen.101 In Heids Fixierung auf das Aöyov 6iöövai (Rechenschaftsablegung) kommen derartige Motive nicht in Betracht. Es wurde oben davon gesprochen, daß die Teilung der einzigen, unzerteilbaren Gegenwart in zwei Bereiche (Licht/Feuer - Nacht/Kälte) eine „Festlegung" oder „Festsetzung" des Menschen bedeutet. In Vers 53 (von Fragment 8) beginnt Parmenides mit der Erklärung der Doxa selbst. Der folgende Vers 54 ist in seiner Deutung umstritten.102 Die Übersetzung von Vers 53 lautet nach der 96

Held: Heraklit, Parmenides..., S. 578, vgl. auch S. 547 f., 575. Held: Heraklit, Parmenides..., S. 577. 98 Vgl. §19. 99 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 552. Held bezieht sich hier vermutlich (ohne explizite Nennung) unmittelbar auf § 7 A von „Sein und Zeit". 100 Held: Heraklit, Parmenides..., S. 576. 101 Vgl. §11. 102 Vgl. oben S. 89 f. 97

§ 26 Die Erklärung der Doxa

117

Pariser Ausgabe von Pierre Aubenque: „For (mortals) have set their minds on naming two forms (|iOQd6£a ist. Nur weil die öö£a selbst eine einmalige, seither immer fortwirkende Géaiç ist, ist auch die Sprache öeaei (icaxéôevxo)." Das ovojidCciv führte allerdings dazu, wie Heinimann sich ausdrückt, daß es „den Irrtum verewigte" (ebd., S. 50).

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. Kap.: Die Parmenides-Auslegung

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Hed

Den Bereich der Nacht/Kälte bringt Held in Zusammenhang mit dem Zustand des Todes.106 Allerdings ist die Textbasis dazu gering. Die diesbezügliche Untersuchung kann also nur dazu beitragen, die vorliegende Deutung in einer anderen Hinsicht zu bestätigen. Im Zusammenhang mit Fragment 16 des Lehrgedichtes ist von Theophrast107 ein Zeugnis überliefert, das vom Leichnam (o veKQÖg) handelt. Es lautet in der Übersetzung von Jaap Mansfeld: „Daß er [Parmenides] aber auch durch das Entgegengesetzte für sich Wahrnehmungen zustande kommen läßt, wird durch die Stelle klar, an der er sagt, daß ein Toter (xöv VEKQOV) Licht, Heißes und Stimme nicht wahrnehme, da das Feuer ihn verlassen habe, daß er aber Kaltes und Schweigen und die anderen Gegensätze wahrnehme (alcr0dv£ücru; = Aöyog dv0QCü7iov das Sein, das

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5. Kap.: Die Parmenides-Auslegung des frühen Heidegger

Reden als das An- und Besprechen des Seienden in seinem Sein, der daseinsmäßige Leitfaden für die Seinsauslegung, die sich aber bei den Griechen „ohne jedes ausdrückliche Wissen um den dabei fungierenden Leitfaden" und deshalb erst recht „ohne Kenntnis oder gar Verständnis der fundamentalen ontologischen Funktion der Zeit" vollzieht. 41 In diesem Zusammenhang setzt sich Heidegger mit der neukantianischen Aristoteles-Kritik auseinander. 42 Die Platonische »Dialektik4 4 3 , die Aristoteles nicht mehr verstanden haben soll, wird deshalb „überflüssig 44, weil Aristoteles sie „auf einen radikaleren Boden stellte44 und als philosophische Grundwissenschaft „aufhob 44 . 44 Im Zuge dieser Kritik folgt eine unmittelbare Anknüpfung an und Berufung auf den entscheidenden Anfang bei Parmenides. Das ursprüngliche Verstehen der einfachsten Seinsbestimmungen vollzieht sich nicht in einem 5uxA£y£a0ai, sondern im voelv als dem ,,schlichte[n] Vernehmen von etwas Vorhandenem in seiner puren Vorhandenheit, das schon Parmenides zum Leitband der Auslegung des Seins genommen44 hat. 45 Parmenides ist es, der in seinem Lehrgedicht das (in Piatons Dialektik übersprungene) voelv als das schlicht aufdeckende Vernehmen erstmals thematisch in den Blick nimmt.

überwältigende Erscheinen, ernötigt die Sammlung, die das Menschsein (acc.) innehat und gründet" (Einführung in die Metaphysik (GA 40), § 54, S. 184.) Zur Wurzelbedeutung von Àéy£Lv/Àoyoç als „sammeln", „Sammlung", auf die sich Heidegger nun bezieht, vgl. unten S. 144, Anm. 94. Es ist noch darauf zu verweisen, daß die römische »Übersetzung' von Çov Aoyov l x o v als animal rationale (vgl. L. A. Seneca: Ad Lucilium Epistulae morales, Ep. 41, 8) eine geschichtliche Umdeutung im Sinne der rechnenden ratio bedeutet (vgl. Parmenides (GA 54), S. 96 ff.; zum Zeitwort reor vgl. Der Satz vom Grund (GA 10), S. 148 f.). 41 Sein und Zeit, S. 26 (GA 2, S. 35). 42 Vgl. u. a. J. Cohn: Theorie der Dialektik. Formenlehre der Philosophie, Darmstadt 1965 (Nachdr. der Ausgabe Leipzig 1923); N. Hartmann: Piatos Logik des Seins, 2. Aufl. Berlin 1965 (Nachdr. der 1. Aufl. von 1909); P. Natorp: Piatos Ideenlehre. Eine Einführung in den Idealismus, 3. Aufl. Darmstadt 1961 (Nachdr. der 2., durchges. Aufl. Leipzig 1922) (1. Aufl. Leipzig 1903). Vgl. dazu von Herrmann: Hermeneutische Phänomenologie des Daseins I, S. 265. 43 Die Einsicht, daß der Àoyoç (bzw. das Acyeiv) existenzial im Dasein rückverwurzelt ist, ermöglicht Heidegger in der großen Marburger Vorlesung über „Piaton: Sophistes" (GA 19) eine radikalere Interpretation der Dialektik Piatons (vgl. M. J. Brach: Heidegger - Piaton. Vom Neukantianismus zur existentiellen Interpretation des „Sophistes", Würzburg 1996). Der Zugang zur Platonischen Philosophie erfolgt dabei (gegen die übliche Philosophiegeschichte, die von den Vorsokratikern und Sokrates zu Piaton und dann zu Aristoteles fortschreitet) zunächst „am Leitfaden der aristotelischen Philosophie44 (GA 19, S. 11), da Aristoteles in der Ausarbeitung des ontologischen Problems weiter vorgestoßen ist als Piaton. Heidegger folgt „dem alten Satz der Hermeneutik, daß man beim Auslegen vom Hellen ins Dunkle gehen soll" (ebd.). 44 Sein und Zeit, S. 25 (GA 2, S. 34). 45 Sein und Zeit, S. 25 f. (GA 2, S. 34 f.).

§ 29 Der Satz des Parmenides und das Wahrheitsphänomen

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Das Fragment 3 4 6 (5 nach der 3./4. Auflage) des Parmenideischen Lehrgedichtes greift Heidegger zu Beginn des wichtigen, die Wahrheitsproblematik erörternden § 44 auf: „Die erste Entdeckung des Seins des Seienden durch Parmenides identifiziert' das Sein mit dem vernehmenden Verstehen von Sein: TÖ yap auxö voelv eaxiv xe Kai elvat." 47 Heidegger setzt „identifiziert" be-

46

Nach der 6. Auflage (weitere Auflagen dann unverändert) von H. Diels/W. Kranz (Hrsg.): Die Fragmente der Vorsokratiker, nach der heute üblicherweise zitiert wird. Die von Heidegger damals benutzte 3. bzw. 4. Auflage wird bei Abweichungen in Klammem mitangegeben: H. Diels: Die Fragmente der Vorsokratiker, Bd. I, 3. Aufl. Berlin 1912; 4. Aufl. Berlin 1922 (Abdruck der 3. Aufl. mit Nachträgen). Bereits 1916 schlug Walther Kranz eine andere Fragmentanordnung des Parmenideischen Lehrgedichtes vor (ders.: Über Aufbau und Bedeutung des Parmenideischen Gedichtes, in: Sitzungsberichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Jg. 1916, 2. Halbband, S. 1157-1176 (Stück XLVII, Gesamtsitzung vom 16. November 1916)), die Heidegger in seiner Vorlesung vom Sommersemester 1922 ausdrücklich nennt und auch kurz anführt (Phänomenologische Interpretationen ausgewählter Abhandlungen des Aristoteles zur Ontologie und Logik (GA 62), § 25 d, S. 215). Eine Übersicht zur Textgestalt nach den verschiedenen Auflagen der „Fragmente der Vorsokratiker" von Diels/Kranz gibt die Pariser Ausgabe von Pierre Aubenque (Études sur Parménide II, S. 18 f.). 47 Sein und Zeit, S. 212 (GA 2, S. 282). Nach Heidegger kommt derselbe Satz und die Bestimmung des Seins noch „schärfer" in Fragment 8, 34 (xaüxöv ô' ècrxl voeîv x£ Kai OUVCKCV ÊORXL vörj|ia) zum Ausdruck. In der Vorlesung vom Sommersemester 1926 heißt es: „Sein schärfer bestimmt und erneut die obige These aufgenommen: Identität von Sein und Denken. »Dasselbe ist vernehmendes-besinnendes Erfassen des Seienden und das, weswegen das Erfaßte ist, was es ist* (V. 34)." (Die Grundbegriffe der antiken Philosophie (GA 22), S. 69, vgl. S. 235 (Nachschrift Mörchen)) An der Deutung, daß Fragment 8, 34 ff. das Wesen des Seins „schärfer" oder „deutlicher", „eingehender" faßt als Fragment 3 (5 nach der 3./4. Aufl.), hält Heidegger (bei allen Unterschieden zur früheren Deutung) auch noch später fest (vgl. Einführung in die Metaphysik (GA 40), S. 147; Was heißt Denken? (GA 8), S. 243 ff., 258; Moira (Parmenides VIII, 34-41), in: Vorträge und Aufsätze (GA 7), S. 237 ff., 245). Insgesamt schließt sich Heidegger von den bis zu etwa zehn verschiedenen in der Literatur genannten ,Übersetzungs'Varianten (vgl. z. B. Schlüter: Heidegger und Parmenides, § 53; Wiesner: Überlegungen zu Parmenides B 8,34, in: Études sur Parménide II, S. 170-191) dem auf Simplicius (Simplicii in Aristotelis Physicorom libros quattuor priores commentaria, ed. H. Diels, Berlin 1882 (Commentaria in Aristotelem graeca, Vol. IX), 87, 17 f.) zurückgehenden Grundtypus (OUVEKCV = ou lv£Ka) an, indem er das OUVEKCV nicht als ,daß4 (ouv£K£v = öxi), sondern in ur-sächlichem Sinne (als ursprüngliches Ineinanderspielen, Hin- und Herschwingen von ausgänglichem und (final-)verfügendem Sinne von Ur-sache; vgl. die zwiefältige Deutung von aixiov/apxn m : Wegmarken (GA 9), S. 247) übersetzt À Q X H heißt im Griechischen Anfang und Herrschaft. Hans-Christian Günther sieht es zu Recht nicht als Mangel an, wenn in der anfänglichen Sprache noch eine Bedeutungsfülle waltet, die die moderne Begriffsanalyse aus-ein-ander-nimmt und Parmenides als deren logisch noch primitive Vorstufe betrachtet: „Der Gedanke bezieht regelmäßig seine Stringenz aus der Ambiguität des sprachlichen Ausdrucks; oder nein: das was unserer zergliedernden Analyse als Ambiguität erscheint, ist in seiner Bedeutungsfülle in Wirklichkeit ein wesenhaftes Beisammen,

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5. Kap.: Die Parmenides-Auslegung desfrühen Heidegger

wüßt in Anführungszeichen, womit er zum einen auf die überlieferte Interpretation des Satzes anspielt, zum anderen sich kritisch davon abgrenzt, um zugleich den Sinn des xö auxö als ein Problem anzuzeigen, das allererst ein ursprünglicheres Verstehen des Zusammengehörens von Denken und Sein erforderlich macht. In der Vorlesung vom Sommersemester 1926 verweist er in seiner „Interpretation des Lehrgedichts des Parmenides" (§ 22) auf den „Idealismus": Jdentität von Denken und Sein! Idealismus. Seiendes ist nicht das, was erklärt." 4 8 Der Satz des Parmenides darf mm für Heidegger aber keinesfalls, wie er an anderer Stelle schreibt, als eine antike Vorwegnahme des neuzeitlichen Idealismus interpretiert werden: „Allerdings ist dieser Satz frei zu halten von anderen, nach ihren hermeneutischen Grundlagen unkritischen Interpretationen dergestalt, wie sie diesen Satz als erstmalige idealistische Grundeinsicht in Anspruch nehmen: Alles Seiende ist, was es ist, als konstituiert im Denken, Bewußtsein; Objekt im Subjekt".49 Im Rahmen seiner Auslegung der Geschichtlichkeit der Philosophie als der Produktion der Subjektivität des absoluten Subjekts übersetzt und interpretiert Hegel das Fragment 8,34 f. folgendermaßen: „,Das Denken und das, um weswillen der Gedanke ist, ist dasselbe [...]* Das ist der Hauptgedanke. Das Denken produziert sich; was produziert wird, ist ein Gedanke; Denken ist also mit seinem Sein identisch, denn es ist nichts außer dem Sein, dieser großen Affirmation." 50 das für den Gedanken selbst konstitutiv ist." (Ders.: Der Satz des Parmenides von der Identität von Denken und Sein, in: Studi Italiani di filologia classica 15 (1997), S. 135-175, hierS. 174.) Ernst Tugendhat sieht sogar nur für Fragment 8, 34 als „wirklich die wahrscheinlichste Auffassung die, die aus dem Vers eine Identität von Denken und Seiendem herausliest", wohingegen er es für „durchaus möglich" hält, „daß Fr. 3, wenn es an früherer Stelle im Gedicht stand, einen anderen Sinn hatte als 8.34" (ders.: „Das Sein und das Nichts", in: V. Klostermann (Hrsg.): Durchblicke, S. 140, Anm. 12; auch in: Tugendhat: Philosophische Aufsätze, S. 44, Anm. 12). Die Verbindung der Begriffe voelv und vörjf-ia in Fragment 8, 34 birgt aber noch weit mehr als Fragment 3 die Gefahr in sich, das Fragment als ,Vorstufe 4 des neuzeitlichen (subjektiven) Idealismus auszulegen (vgl. im weiteren Text die Ausführungen zu Hegel, der gerade Fragment 8, 34 übersetzt und nicht Fragment 3). Moderne, betont „antiidealistische" Konjekturen und Ausdeutungen, etwa als noch „primitive 44 Vorstufe der Logik, werden dem Satz des Parmenides aber ebensowenig gerecht (vgl. Günther: Der Satz des Parmenides..., bes. S. 138 f.). 48 Die Grundbegriffe der antiken Philosophie (GA 22), S. 66. 49 Ontologie (Hermeneutik der Faktizität) (GA 63), S. 91 f. 50 Hegel: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie I, in: ders.: Werke (in 20 Bdn.), Red. Moldenhauer/Michel, Bd. 18, S.289f.; vgl. auch ders.: Werke 2: Jenaer Schriften (1801-1807), S. 411 (Gott als „die absolute Identität44 von Sein und Denken); vgl. dazu Moira, in: Vorträge und Aufsätze (GA 7), S. 240 f.; Was heißt Denken? (GA 8), S. 247. Zu verweisen ist auch auf Hegels Vorrede zur „Phänomenologie des

§ 29 Der Satz des Parmenides und das Wahrheitsphänomen

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Wie ist aber dann der oben zitierte Verweis auf den „Idealismus" zu verstehen? Gegenüber modernen „antiidealistischen" Deutungen und Übersetzungen des Satzes des Parmenides bemerkt Hans-Christian Günther aber zu Recht: „Unser Verständnis des parmenideischen Gedankens kann sich nur in der Antwort auf und im Rückgang hinter die Hegeische Deutung als dem Rückgang auf den Ursprung des in der Hegeischen Deutung Gedachten vollziehen."51 Wenn Heidegger in obigem Zitat gemäß dem hier nur stichwortartig überlieferten Text auf den „Idealismus" verweist und anfügt „Seiendes ist nicht das, was erklärt", ist zu betonen, daß noch immer Parmenides und nach ihm Piaton als antike Vorwegnahmen Kants und des Deutschen Idealismus angesehen wurden, zumal im Vergleich zu Aristoteles, der als Vorläufer des Mittelalters einen »Realismus4 vertreten habe. 52 Gegenüber einem (naiven) Realismus ist der schon angesprochene Rückgang hinter den Idealismus als Durchgang durch ihn unabdingbar, zumal der Idealismus, wie es im Zusammenhang der Erörterung des dreifachen Realitätsproblems in § 43 von „Sein und Zeit" heißt, „einen grundsätzlichen Vorrang" hat, insofern in ihm (mag er im Resultat noch so der existenzial-ontologischen Erfahrung entgegengesetzt und unhaltbar sein) doch zum Ausdruck kommt, „daß Sein nicht durch Seiendes erklärt werden kann". 53 Geistes" (1807), in der er sagt, „daß das Sein Denken ist" (ders.: Werke 3, S. 53). Es ist auffällig und sicherlich kein Zufall, daß - wie auch in Berkeleys bekannter Formulierung „esse = percipi" (vgl. Moira, in: Vorträge und Aufsätze (GA 7), S. 240, 242; Was heißt Denken? (GA 8), S. 255) - gegenüber Parmenides' Fragment 3 die Wortstellung nun umgedreht ist, „das Sein Denken ist". Was sich nach Heideggers späterer Deutung gegenüber dem neuzeitlichen Primat des ego cogito in Parmenides' Satz noch ausspricht, ist das Verwiesen- und Eingewiesensein des Denkens (voelv) in das Anwesen von Anwesendem. „Beide gehören zusammen, nämlich so, daß das zuerst genannte VOELV sein Wesen darin hat, in das Anwesen von Anwesendem eingewiesen zu bleiben." (Was heißt Denken? (GA 8), S. 245.) Die Tonart, die das Zusammengehören von voclv und civai nun als Zu-gehören des In-die-Acht-nehmens zum An-wesen von Anwesendem hört, zeigt sich aber erst in Heideggers seinsgeschichtlichem oder Ereignis-Denken (vgl. auch I. De Germaro: Logos - Heidegger liest Heraklit, Berlin 2001, §12 (Der tautologische Bezug von Denken und Sein), S. 119; J. Beaufret: Parménide: Le Poème, Paris 1996, S. 70). 51 Günther: Der Satz des Parmenides..., S. 173 f. 52 Vgl. Einführung in die Metaphysik (GA 40), S. 145 f. Zu erwähnen ist wiederum Hegel, der in seinen „Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie II" „die falschesten Vorurteile" kritisiert, „daß Aristotelische und Platonische Philosophie sich geradezu entgegengesetzt seien: diese sei Idealismus, jene Realismus, und zwar Realismus im trivialsten Sinne" (ders.: Werke 19, S. 133). 53 Sein und Zeit, S. 207 (GA 2, S. 275). Das philosophische Realitätsproblem beschäftigte Heidegger seit seiner frühesten Publikation „Das Realitätsproblem in der modernen Philosophie" von 1912 (in: Frühe Schriften (GA 1), S. 1-15; vgl. auch § 16 seiner Vorlesung „Die Idee der Philosophie und das Weltauschauungsproblem" vom Kriegsnotsemester 1919, in: Zur Bestimmung der Philosophie (GA 56/57), S. 77-84).

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5. Kap.: Die Parmenides-Auslegung desfrühen Heidegger

Kurt Riezler verweist in seiner von „Sein und Zeit" inspirierten ParmenidesInterpretation darauf, daß das t ö auxö die ursprüngliche Zusammengehörigkeit und Verwiesenheit, das „Verhältnis des nicht ohneeinander, weil nur ineinander und durcheinander Sein" besagt, nicht aber „die Identität eines gesetzten Einfachen mit sich selbst (A = A ) " . 5 4 Die Nennung des logischen Satzes der Identität (A = A) kann hier als eine Anspielung auf Fichtes „Wissenschaftslehre" und deren ersten Grundsatz „Ich = Ich", „Ich bin Ich" angesehen werden. Nach der Schrift „Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre" von 1794 läßt sich dieser „erste, schlechthin unbedingte Grundsatz" ( § 1 ) der gesamten Wissenschaftslehre auf die Formel bringen: „Das Ich setzt ursprünglich schlechthin sein eigenes Sein" 55 Die angesprochene ursprüngliche Verwiesenheit geht, wie

Heidegger setzt sich in seinem Aufsatz von 1912 vor allem mit den Untersuchungen des Philosophen Oswald Külpe auseinander, der sich in seinem Buch (Vortrag) „Erkenntnistheorie und Naturwissenschaft" (Leipzig 1910) insbesondere mit dem Realitätsproblem in den Naturwissenschaften befaßt. Külpe ist der Begründer der Würzburger Schule der Denkpsychologie und des erkenntnistheoretischen kritischen Realismus (vgl. St. Hammer: Denkpsychologie - Kritischer Realismus. Eine wissenschaftshistorische Studie zum Werk Oswald Külpes, Frankfurt a. M. [u. a.] 1994). Seit den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hat dann vor allem die Entwicklung der Quantenmechanik zu einem neuen Nachdenken über das Realitätsproblem herausgefordert. Eine gute Übersicht zum heutigen Diskussionsstand gibt H Lenk: Interpretation und Realität. Vorlesungen über Realismus in der Philosophie der Interpretationskonstrukte, Frankfurt a. M. 1995, S. 202-244. Eine Auseinandersetzung mit dem englischen Common-sense-Realismus jener Zeit (vgl. z.B. G. E. Moore: The Refutation of Idealism, in: Mind 12 (1903), S. 433-453; deutsche Übersetzung von E. Bubser unter dem Titel „Die Widerlegung des Idealismus" in: G. E. Moore: Eine Verteidigung des Common Sense. Fünf Aufsätze aus den Jahren 1903-1941, mit einer Einl. von H. Delius, Frankfurt a. M. 1969, S. 49-79) fehlt allerdings in Heideggers Aufsatz. Nicht nur der Titel von Moores Aufsatz ist angelehnt an den Abschnitt „Widerlegung des Idealismus" in der zweiten Ausgabe von Kants „Kritik der reinen Vernunft" (B 274 ff.). 54

Parmenides, Übersetzung, Einführung und Interpretation von K. Riezler, bearb. und mit einem Nachwort von H.-G. Gadamer, 3., unveränd. Aufl. Frankfurt a. M. 2001 (1. Aufl. 1934), S. 60 f. Außer auf das bahnbrechende Parmenides-Buch (1. Aufl. 1916) von Karl Reinhardt beruft sich Riezler auf den Anstoß, den er „Sein und Zeit" verdankt (vgl. das Nachwort (1970) von Gadamer, ebd., S. 92-102, bes. S. 93; auch in: Gadamer: Griechische Philosophie II (Gesammelte Werke, Bd. 6), S. 49-57, bes. S. 50; vgl. hier auch Gadamersfrühere Rezension (1936), ebd., S. 30-38; femer ebd., S. 38-49, 278291). 55 Fichtes Werke, hrsg. von Immanuel Hermann Fichte, Bd. I: Zur theoretischen Philosophie I, Berlin 1971 (Nachdr. der Ausg. 1845-1846), S. 98. Zu Heideggers kritischer Auseinandersetzung mit Fichte vgl. F.-W. von Herrmann: Fichte und Heidegger. Phänomenologische Anmerkungen zu ihren Grundstellungen, in: U. Guzzoni/B. Rang/L. Siep (Hrsg.): Der Idealismus und seine Gegenwart. Festschrift für Werner Marx zum 65. Geburtstag, Hamburg 1976, S. 231-256. Nach seinem Durchgang durch die von Fichte klar gegliederten Schritte im Aufweis des Wesens der drei transzendentalen Urhandlun-

§ 29 Der Satz des Parmenides und das Wahrheitsphänomen

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Riezler weiter erläutert, auch über das Verhältnis „der bloßen ,Korrelation'" (auch der Korrelation von Noesis und Noema im Sinne Husserls56) hinaus: „Die Korrelation setzt A und B als getrennte Leerstellen und verknüpft ihre Werte oder Inhalte in gegenseitiger Abhängigkeit."57 Eine ausführliche Auslegung des xö auxö (und anderer zentraler Textstellen des Lehrgedichtes) gibt von Heideggers bislang erschienenen Schriften erstmals die Freiburger Vorlesung „Einführung in die Metaphysik" vom Sommersemester 1935.58 Das ursprünglich

gen des Ich in der genannten Schrift von 1794 stellt von Herrmann zu Recht folgende Frage: „Schließt die von der Ich-Philosophie mit phänomenalem Recht betonte Unableitbarkeit des Ich-Seins aus dem Nicht-Ich, der res cogitans aus der res extensa, aus, daß das ,Ich4 an ihm selbst in seinem Sein den Seinscharakter des Versetztseins in das Ich-Sein bekundet?" (Ebd., S. 248.) Mit dem „Seinscharaker des Versetztseins" ist das angesprochen, was Heidegger als das Existenzial der Geworfenheit bestimmt. Darauf verweist auch von Herrmann: „Der Geworfenheitscharakter ist der existenziale Grund, den das Selbst nicht selbst gelegt hat, der insofern im Existenzvollzug dem das eigene Sein aufschließenden Entwurf vorausspringt. Der Entwurf des Daseins kann niemals seines geworfenen Grundes mächtig werden (Heidegger, Sein und Zeit 19537, p. 284 f. [GA2, S. 377 f.])." (Ebd., S. 254 mit Anm.) Dagegen läßt sich in Husserls „transzendental-phänomenologischem Idealismus" (E. Husserl: Nachwort zu den „Ideen [Erstes Buch]" (1930), in: ders.: Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Drittes Buch, hrsg. von M. Biemel, [Den] Haag 1952 (Husserliana, Bd. V), S. 138-162, hier S. 149 ff.; vgl. auch ders.: Transzendentaler Idealismus. Texte aus dem Nachlaß (1908-1921), hrsg. von R. D. Rollinger in Verb, mit R Sowa, Dordrecht/Boston/London 2003 (Husserliana, Bd. XXXVI)), den er als „die erste streng wissenschaftliche Gestalt dieses Idealismus" charakterisiert (E. Husserl: Erste Philosophie (1923/24), Teil II: Theorie der phänomenologischen Reduktion, hrsg. von R. Boehm. [Den] Haag 1959 (Husserliana, Bd. VIII), 54. Vorlesung, S. 181), eine Nähe des philosophischen Ansatzes zum Fichteschen Denken aufweisen (vgl. H Tietjen: Fichte und Husserl. Letztbegründung, Subjektivität und praktische Vernunft im transzendentalen Idealismus, Frankfurt a. M. 1980). Hartmut Tietjen konstatiert in seiner ,,vergleichend-differenzierende[n] Auslegung der transzendental-idealistischen Ansätze Fichtes und Hussserls" (ebd., S. 1) die „manchmal verblüffende Ähnlichkeit von Formulierungen bei Fichte und Husserl" - „bis hin zur teilweisen Identität" - , die aber erst „auf dem Hintergrund sachlicher oder zumindest formaler Übereinstimmung hinsichtlich einer leitenden Idee von Philosophie" Relevanz gewinnen kann (ebd., S. 29). 56 Vgl. insbes. Husserl: Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Erstes Buch, 1. Halbband (Husserliana, Bd. III/l). 57 Parmenides, Übers., Einf. und Interpr. von K. Riezler, S. 60. 58 Es ist des weiteren die noch nicht erschienene Freiburger Vorlesung „Der Anfang der abendländischen Philosophie (Anaximander und Parmenides)" vom Sommersemester 1932 (vorgesehen als Bd. 35 der Gesamtausgabe, hrsg. von H. Hüni) zu nennen, die sich nach Auskunft Jochen Schlüters besonders eingehend und ausführlich mit Parmeni-

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5. Kap.: Die Parmenides-Auslegung desfrühen Heidegger

Einige der Einheit ist nicht Selbigkeit als „bloße Gleich-gültigkeit", nie „leere Einerleiheit" im Sinne des Zur-Deckung-Kommens, sondern „Zusammengehörigkeit" des Unterschiedenen im Einigen der Einheit.59 Das xc Kai verweist (nach dieser späteren Deutung) darauf, daß „Sein und Denken im gegenstrebigen Sinne einig, d. h. dasselbe sind als zusammengehörig".60 Auf dem Boden des' Lehrgedicht befaßt. Schlüter, der für seine Heidelberger Dissertation „Einsicht in eine ziemlich zuverlässige Nachschrift" hatte, schreibt zu dieser Vorlesung: „Da sie in aller Ausführlichkeit darlegt, was H[eidegger] in den bis jetzt veröffentlichten Werken oft nur andeutet oder gar nicht behandelt, erlaubte sie mir, mich in H[eidegger]s Auslegungsstil bezüglich Parmenides einzuarbeiten und auf dieser Grundlage den Gehalt und die Eigenart der veröffentlichten Texte in einer auf deren Basis allein kaum möglichen Weise herauszuschälen." (Schlüter: Heidegger und Parmenides, S. 2; vgl. auch die kurzen Hinweise von O. Pöggeler: Der Denkweg Martin Heideggers, 3., erw. Aufl. Pfullingen 1990, S. 196,378.) Die 1982 erstmals erschienene Parmenides-Vorlesung vom Wintersemester 1942/43 (GA 54) stand Schlüter noch nicht zur Verfügung. Zu dieser Vorlesung vgl. M. S. Frings: Parmenides: Heidegger's 1942-1943 Lecture Held at Freiburg University, in: Journal of the British Society for Phenomenology 19 (1988), S. 15-33; A. Lowit: Le „principe" de la lecture heideggerienne de Parménide (.Parmenides, GA, 54), in: Revue de Philosophie Ancienne 4 (1986), S. 163-210 (insbesonder zu den Begriffen Aletheia/ Sein: „être = aus-der- Verbergung-her-in-die- Unverborgenheit-vor-währen"). 59 Einführung in die Metaphysik (GA 40), S. 147. Von der grammatischen Struktur her kann darauf verwiesen werden, daß im Griechischen die durch x£ Kai verbundenen Glieder „in einer innigen oder notwendigen Verbindung mit einander stehen" (R. Kühner !B. Gerth: Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache, Teil II, 2. Bd., Hannover 1976 (Nachdr. der 3. Aufl. Hannover und Leipzig 1904), § 522, S. 249). 60 Einführung in die Metaphysik (GA 40), S. 147. Es ist nochmals ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß sich ab etwa 1930 die seinsgeschichtliche Erfahrung vom Wesen des Seins (Seyns) als ein immanenter Wandel der bislang transzendental-horizontal angesetzten Seinsfrage Bahn zu brechen beginnt. Die Freiburger Vorlesungen zwischen 1930 und 1936 stehen somit schon im Horizont des sich entfaltenden seinsgeschichtlichen oder Ereignis-Denkens, lassen aber, wie Friedrich-Wilhelm von Herrmann erläutert, „den Wandel zum seynsgeschichtlichen Denken nur allmählich und in zurückhaltender Weise sehen" (ders.: Wege ins Ereignis. Zu Heideggers „Beiträgen zur Philosophie", Frankfurt a. M. 1994, S. 17; vgl. Beiträge (GA65), S. 59 f.; ferner Heideggers Brief an Elisabeth Blochmann vom 20. Dezember 1935, in: M. Heidegger!E. Blochmann: Briefwechsel 1918-1969, hrsg. von J.W. Storck, Marbach a.N. 1989, S.87). Das „gegenstrebig" Einige von Sein (des Seienden) und Denken deutet voraus auf das („spielt zu"), was Heidegger dann in den „Beiträgen zur Philosophie" als den Gegenschwung (Gegenwendigkeit als „die Kehre im Ereignis") von ereignendem Zuwurf des Seins in seiner Wahrheit und ereignetem Entwurf faßt (Beiträge (GA 65), S. 251, 261 f., 407 ff.) Innerhalb der sechs Fügungen des Ereignisses haben „alle Vorlesungen über »Geschichte4 der Philosophie44 (Beiträge (GA 65), S. 169, vgl. S. 176) und somit auch die Schriften über Parmenides ihren fugenmäßigen Ort in erster Linie in der zweiten Fügung Das Zuspiel, weil sich in ihnen dem Denken der erste Anfang der meta-physischen Antworten auf die (Leit-)Frage nach dem Sein (Seiendheit) des Seienden und der mögliche andere Anfang wechselweise zuspielen.

§ 29 Der Satz des Parmenides und das Wahrheitsphänomen

137

der neuzeitlichen Subjektivität erhält jener Satz des Parmenides die „großartigste Variation" in Kants oberstem Grundsatz aller synthetischen Urteile a priori: „,Die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt sind zugleich Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung...' ([Kritik der reinen Vernunft] A 158, B 197). Das »zugleich' ist die Kantische Auslegung des TÖ auxö, des ,das Selbe'."61 Das V O E I V als das schlicht aufdeckende Vernehmen des Seienden in seinem Sein verweist auf das Wahrheitsphänomen, das für Heidegger in § 44 von „Sein und Zeit" am Leitfaden des seinsverstehenden Daseins ursprünglicher zu fassen ist: „Wenn Wahrheit aber mit Recht in einem ursprünglichen Zusammenhang mit Sein steht, dann rückt das Wahrheitsphänomen in den Umkreis der fundamentalontologischen Problematik." 62 Die Ontotogie des Daseins ist für Heidegger keine regionale Ontotogie neben anderen, sondern die fundamentale Ontotogie. Daher heißt es in einem zentralen, nur aus einem Satz bestehenden Absatz in § 4 von „Sein und Zeit", daß „die Fundamentalontologie, aus der alle andern erst entspringen können, in der existenzialen Analytik des Daseins ge-

In Heideggers Vortrag „Der Satz der Identität" (1957) (in: M. Heidegger: Identität und Differenz, Pfullingen 1957, S. 13-34) wird das xö auxö aus dem Er-eignis erfahren und gedacht. Während der Satz der Identität (A=A) als „der oberste aller ersten Grundsätze" (Der Satz vom Grund (GA 10), S. 10) der neuzeitlichen Metaphysik dem Sein des Seienden die Identität im Sinne der Einheit mit ihm selbst als Grundzug zuspricht, gehört in deren ersten Anfang bei Parmenides die Identität nicht in das Sein, vielmehr gehört dieses zusammen mit dem Vernehmen in eine Identität. Die Zusammengehörigkeit von Denken und Sein ist nicht von der Einheit des Zusammen her bestimmt, vielmehr ist das Zusammen aus dem Gehören zu erfahren (Identität und Differenz, S. 20). „Das VOEIV gehört als voeiv mit dem EIVCU zusammen und gehört so in das eivai selbst." (Was heißt Denken? (GA 8), S. 243) Mit diesem Wink ist der Weg bereitet für den ursprünglichen Einblick in das Ereignis, das Sein und Denken und das heißt Sein und Mensch einander gehören läßt (vgl. auch Beiträge (GA 65), S. 251: „Gegenschwung des Brauchens und Zugehörens "). Mit der Erfahrung dieses Eignens kehrt der Mensch in das ein, was Heidegger das Ereignis nennt (Identität und Differenz, S. 28). Auf diesen Vortrag ist noch zurückzukommen (s. § 37 c). 61 Was heißt Denken? (GA 8), S. 246. Kant selbst verstand seine in der „Kritik der reinen Vernunft" ausgearbeitete neue Grundlegung der Metaphysik und Ontotogie nicht wie die neukantianische Kant-Interpretation als eine (kritische bzw. kritizistische) Erkenntnistheorie oder Theorie der Erfahrung, sondern als Transzendental-Metaphysik und Transzendental-Ontologie (vgl. F-W von Herrmann: Die „Kritik der reinen Vernunft" als Transzendental-Metaphysik, in: N.Fischer (Hrsg.): Kants Metaphysik und Religionsphilosophie, Hamburg 2004 (Kant-Forschungen, Bd. 15), S. 1-20). Als terminologisch scharfer philosophischer Begriff wurde das Wort »Erkenntnistheorie' erstmals um 1830 eingeführt und später vom Neukantianismus übernommen und ausgeformt (vgl. K. Ch. Köhnke: Über den Ursprung des Wortes Erkenntnistheorie - und dessen vermeintliche Synonyme, in: Archiv für Begriffsgeschichte 25 (1981), S. 185-210). 62 Sein und Zeit, S. 213 (GA 2, S. 283).

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5. Kap.: Die Parmenides-Auslegung desfrühen Heidegger

sucht werden" muß. 63 Der Frage, ob auch für die Parmenides-Deutung „geradezu ein Vorbild hermeneutischer ,Horizontverschmelzung'" 64 auszumachen ist, muß noch nachgegangen werden. 65 Heideggers grundlegende Einsicht, daß die Griechen sich über das Wesen der Wahrheit in einem privativen Ausdruck (a-A^Geia 66 ) aussprechen, die jeweilige faktische Entdecktheit des Seienden „gleichsam immer ein Raub" ist, 67 ist auch leitend für seine Deutung des Parmenideischen Lehrgedichts, insbesondere für das Problem des Zusammenhangs der beiden Teile.

§ 30 Das Problem des Zusammenhangs der beiden Teile des Lehrgedichts a) Die Neuinterpretation des Zusammenhangs des Aletheia- und des Doxa-Teils von Karl Reinhardt (1916) in der Auseinandersetzung mit der bisherigen Deutung des Doxa-Teils als bloßer Nachtrag (hypothetische Welterklärung oder Doxographie) Der Zusammenhang der beiden Teile des Lehrgedichtes bildete ein zentrales Problem in der Philosophiegeschichte. Eine Anmerkung in § 44 b) von „Sein und Zeit" verweist auf die bahnbrechende Untersuchung von Karl Reinhardt. 63 Sein und Zeit, S. 13 (GA 2, S. 18). Vordeutend spricht Heidegger schon im sogenanntem „Natorp-Bericht" vom Herbst 1922, der - wie auch diese Stelle bestätigt - zu Recht als „Keimzelle" von „Sein und Zeit" (G. Figal: Martin Heidegger zur Einführung, 4., verb. Aufl. Hamburg 2003, S. 23) bezeichnet werden kann, von einer prinzipiellen Ontologie des faktischen Lebens (oder Daseins): „Die Problematik der Philosophie betrifft das Sein des faktischen Lebens. Philosophie ist in dieser Hinsicht prinzipielle Ontologie, so zwar, daß die bestimmten einzelnen welthaften regionalen Ontologien von der Ontologie der Faktizität her Problemgrund und Problemsinn empfangen." (Heidegger: Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles (1922), hrsg. von G. Neumann, S. 29; auch in: Phänomenologische Interpretationen ausgewählter Abhandlungen des Aristoteles zur Ontologie und Logik (GA 62), Anhang III, S. 364.) 64 Gadamer: Neuere Philosophie I (Gesammelte Werke, Bd. 3), S. 286. 65 Siehe unten S. 192. 66 Daß die privative Deutung von d-Arjöeux als Un-verborgenheit nicht nur der Etymologie entspricht, sondern vor allem auch den ursprünglich im Griechischen empfundenen Wortsinn trifft, kann heute schon fast als die communis opinio gelten (vgl. z. B. dAriöeir) und dArjörjg in: Lexikon desfrühgriechischen Epos, begr. von B. Snell, vorher. u. hrsg. vom Thesaurus Linguae Graecae, Bd. 1, Göttingen 1979, Sp. 476 f.). Vgl. auch H. Helting: a-Ar)0eia-Etymologien vor Heidegger im Vergleich mit einigen Phasen der d-A^öeia-Auslegung bei Heidegger, in: Heidegger Studies 13 (1997), S. 93107. Sein und Zeit, S. 2 (GA 2, S. 4).

§ 30 Der Zusammenhang der beiden Teile des Lehrgedichts

139

Reinhardt war neben Werner Jaeger der bedeutendste deutsche Gräzist seiner Generation.68 In der Nachfolge und kritischen Auseinandersetzung mit seinem Berliner Lehrer Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, bei dem er 1910 promoviert wurde, legte er wegweisende Untersuchungen über Homer, Parmenides, Sophokles und Poseidonios vor. Er gehörte mit anderen Gelehrten (wie dem klassischen Philologen Bruno Snell) zu den bedeutendsten Ordinarien der neu gegründeten Hamburger Universität, an der er von 1919 bis 1922 lehrte. Die Bedeutung von Reinhardts „revolutionierendem Buch" 69 für die damalige Parmenides-Forschung kann heute kaum mehr nachvollzogen werden. In der Anmerkung heißt es: ,JC Reinhardt hat, vgl. Parmenides und die Geschichte der griechischen Philosophie (191670), zum erstenmal das vielverhandelte Problem des Zusammenhangs der beiden Teile des parmenideischen Lehrgedichts begriffen und gelöst, obwohl er das ontologische Fundament für den Zusammenhang von aArjöeia und öo£a und seine Notwendigkeit nicht ausdrücklich aufweist." 71

Mit Reinhardts Interpretation hatte sich Heidegger bereits in der Vorlesung vom Sommersemester 192672 und vor allem in der Vorlesung vom Sommersemester 192273 ausführlicher auseinandergesetzt. Reinhardts Untersuchung ist, wie der Autor in der Einleitung vorausschickt, vom hermeneutischen Ansatz geleitet, „daß Parmenides einmal zu Worte komme", er auch „einmal für sich allein gehört" werde, „ohne Rücksicht auf den Streit der Schulen und den Fortschritt des Gedankens".74 Zu diesem Ansatz gehört die hermeneutische Vorgabe, „daß diese Lehre ein völlig in sich geschlossenes, in sich selbst ruhendes 68 Vgl. die Biographie von W. Unte in: Neue Deutsche Biographie, hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. XXI, Berlin 2003, S. 361-363. Zu Reinhardts philologisch-historischer Denkweise vgl. Uvo Hölschers Gedenkrede, in: Gedenkreden auf Karl Reinhardt, gehalten am 3. Juni 1958 von H. Viebrock, M. Gelzer und U. Hoelscher bei der Gedächtnisfeier der Philosophischen Fakultät der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Frankfurt a. M. 1959, S. 17-30. 69 Gadamer: Griechische Philosophie II (Gesammelte Werke, Bd. 6), S. 30. 70 Bonn 1916; unverändert Frankfurt a. M. 21959, 31977, 41985. Der wichtige 5. Abschnitt „Verhältnis der beiden Teile" (S. 64-88) des Parmenides-Kapitels ist in englischer Übersetzung („The Relation between the Two Parts of Parmenides' Poem") aufgenommen in: A. P. D. Mourelatos (ed.): The Pre-Socratics. A Collection of Critical Essays, rev. ed. Princeton, N. J. 1993, S. 293-311. 71 Sein und Zeit, S. 223, Anm. 1 (GA 2, S. 295, Anm. 20). 72 Die Grundbegriffe der antiken Philosophie (GA 22), § 21 (Problem des Verhältnisses der zwei Teile des Lehrgedichts des Parmenides). 73 Phänomenologische Interpretationen ausgewählter Abhandlungen des Aristoteles zur Ontologie und Logik (GA 62), § 25 (Exkurs: Auszugsweise Auslegung und Übersetzung des Parmenideischen Lehrgedichtes). 74 Reinhardt: Parmenides, S. 4.

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5. Kap.: Die Parmenides-Auslegung des frühen Heidegger

Ganzes ist". 75 Die Alternative, über die man bisher in der Deutung des zweiten Teils nicht hinaus kam, war die zwischen Hypothese und Polemik (Bericht, Doxographie, Eristik). 76 Die von Reinhardt filr unangemessen gehaltene Interpretation aus dem „Fortschritt des Gedankens" trifft vor allem für die „Hypothese" zu, die die Kosmogonie des zweiten Teils aus dem Horizont der modernen Physik als deren Vorstufe deutet. Die Weltordnung, wie sie im zweiten Teil beschrieben wird, ist für Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff (oder -Möllendorff) zwar keine „absolute Wahrheit", aber doch „eine in sich geschlossene und durchaus wahrscheinliche" Hypothese, die „in einer probehaltigen Weise Realität" hat.77 Nach Hans Vaihingers „Philosophie des Als Ob" (1911) können dagegen die Elemente der empirischen, geteilten Welt aufgrund ihres im ersten Teil des Lehrgedichts, der Metaphysik, explizit ausgesprochenen Scheincharakters keine Hypothesen sein, sondern „bloße Fiktionen".78 Gegenüber der Fiktion als reiner Denkfigur, Vorstellungsgebilde geht die Hypothese auf die Wirklichkeit und erfordert Verifikation. Die Hypothese soll bestätigt werden, die Fiktion wieder wegfallen. Solche künstlichen Denkgebilde kennzeichnet Vaihinger als „wissenschaftliche Fiktionen", wenn man sich deren Als-Ob-Charakter bewußt ist. Nicht selten beruhen sie sogar auf bewußtfalschen Annahmen. In

seiner Selbstdarstellung „Wie die Philosophie des Als Ob entstand"79 formuliert er zusammenfassend 15 Thesen, „welche in der Philosophie des Als Ob 75

Reinhardt: Parmenides, S. 17, vgl. S. 43. Vgl. Reinhardt: Parmenides, S. 5 ff., 26 ff. Ein kurzes Referat gibt Heidegger in: Die Grundbegriffe der antiken Philosophie (GA 22), S. 63. 77 U. v. Wilamowitz-Möllendorff: Lesefrüchte, in: Hermes 34 (1899), S. 203-230, hier S. 204 f. Der Deutung des zweiten Teils als eine Art von hypothetischer, problematischer oder wahrscheinlicher (plausibler) Physik schließen sich u. a. an: Th. Gomperz: Griechische Denker. Eine Geschichte der antiken Philosophie, Bd. I, 4. Aufl. Berlin/Leipzig 1922 (Nachdr. Berlin 1973), S. 150; F. Ueberweg: Grundriß der Geschichte der Philosophie, Bd. I: Die Philosophie des Altertums, hrsg. von K. Praechter, Basel/ Stuttgart 1967 (Nachdr. der 12., umgearb. und erw. Aufl. von 1926), S. 85; W. Windelband: Geschichte der antiken Philosophie, 3., von A. Bonhöffer bearb. Aufl. München 1912, S. 47 (4., von A. Goedeckemeyer bearb. Aufl. unter dem Titel: Geschichte der abendländischen Philosophie im Altertum, München 1923, S. 42); E. Zeller: Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Teil I, 1. Abt.: Allgemeine Einleitung. Vorsokratische Philosophie, 1. Hälfte, 7., unveränd. Aufl. Darmstadt 1963 (Nachdr. der 6. Aufl., hrsg. von W. Nestle mit Unterstützung von F. Lortzing, Leipzig 1919), S. 725. Zeller (ebd., 6./7. Aufl., S. 725, Anm. 3) und Windelband (ebd., 4. Aufl., S. 42, Anm. 4) aktualisieren ihre Darstellung, in dem sie auf den Begriff der „Fiktion" aus Hans Vaihingers „Die Philosophie des Als Ob" (1911) verweisen. Gomperz (ebd., 4. Aufl., S. 151) dagegen deutet den eigentlichen Grund für das Auseinanderfallen in zwei Teile vor allem psychologisch als „ein tiefinnerliches Schwanken in der Seele des Dichter-Denkers". 76

78

H. Vaihinger: Die Philosophie des Als Ob. System der theoretischen, praktischen und religiösen Fiktionen der Menschheit auf Grund eines idealistischen Positivismus, Aalen 1986 (Neudr. der 9./10. Aufl. Leipzig 1927), S. 236 f.

§ 30 Der Zusammenhang der beiden Teile des Lehrgedichts

141

zum Ausdruck gebracht werden oder ihr zugrunde liegen oder sich aus ihr ergeben". Die 10. These lautet: „Viele Denkvorgänge und Denkgebilde zeigen sich nun [...] als bewußtfalsche Annahmen, die entweder der Wirklichkeit widersprechen oder sogar in sich selbst widerspruchsvoll sind, die aber absichtlich so gemacht werden, um durch diese künstliche Abweichung Schwierigkeiten des Denkens zu überwinden und auf Umwegen und Schleichwegen das Denkziel zu erreichen. Solche künstliche Denkgebilde heißen wissenschaftliche Fiktionen, die durch ihren Als-Ob-Charakter sich als bewußte Einbildungen kennzeichnen." Die Bedeutung solcher Fiktionen liegt für ihn aber weniger in der Sphäre des Wirklichen als vielmehr in der Sphäre des Ethischen (Religiösen) und Ästhetischen.80 Es ist für ihn insbesondere eine Fiktion, „die Welt so zu betrachten, als ob ein vollkommener höherer Geist sie geschaffen oder wenigstens eingerichtet hätte". 81 Von Vaihingers „positivistischem Idealismus oder idealistischem Positivismus" 82 aus betrachtet, wäre somit weit eher die im Aletheia-Teil verkündete Wahrheit als fiktives Denkgebilde einzustufen als die Kosmogonie des Doxa-Teils. Die Beurteilung des Doxa-Teils als Bericht oder Doxographie wurde vor allem von Hermann Diels vertreten: „Somit ist der zweite Teil des Gedichtes [...] nichts als eine kritische Uebersicht über die strittigen Ansichten der bisherigen Denker, eine Doxographie, die wie im Peripatos lediglich den propädeutischen Zwecken der Schule dienen soll." 83 Karl Joöl verweist in seiner „Geschichte der antiken Philosophie" (wohl unter dem Einfluß Reinhardts, den er mehrfach nennt) auf die angelegte „Antithese der Aletheia und der Doxa" und deren „Spannung" als das „Grunderlebnis", 79

In: R. Schmidt (Hrsg.): Die deutsche Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Bd. II, Leipzig 1921, S. 175-203, hier S. 200 ff. 80 Vgl. Vaihingen Wie die Philosophie des Als Ob entstand, S. 201 f. (11. These); vgl. dazu N. Schneider: Empiriokritizismus und Philosophie des Als Ob. Richard Avenarius, Emst Mach und Hans Vaihinger, in: ders.: Erkenntnistheorie im 20. Jahrhundert, S. 31-41, bes. S. 40 f. Vaihingers Philosophie ist nach Schneider „konsequent antiteleologisch ausgerichtet" (ebd., S. 40). 81 Vaihinger: Wie die Philosophie des Als Ob entstand, S. 202 (14. These). 82 Vaihinger: Wie die Philosophie des Als Ob entstand, S. 202; vgl. auch den Untertitel von Vaihingers Hauptwerk „Die Philosophie des Als Ob" (s. oben Anm. 78). 83 H. Diels: Parmenides Lehrgedicht, griechisch und deutsch, 2. Aufl., mit einem neuen Vorwort von W. Burkert, Sankt Augustin 2003 (1. Aufl. Berlin 1897), S. 63, vgl. S. 101; u. a. übernommen von J. Burnet: Early Greek Philosophy, 2nd ed. London 1908, S. 212 ff. (§ 91 ff.); 3rd ed. London 1920 (reprint 41930), S. 185 ff.; deutsche Ausgabe: ders.: Die Anfänge der griechischen Philosophie, 2. Ausg. [London 1908] aus dem Engl, übers, von E. Schenkl, Leipzig/Berlin 1913, S. 170 ff.

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5. Kap.: Die Parmenides-Auslegung desfrühen Heidegger

aus dem die Schrift hervorging, fällt dann aber in philosophisch wenig erhellende Erklärungen wie die folgende zurück: „Parmenides braucht die Doxa als Folie der Wahrheit, er brauchte sie wie der Kämpfer den Feind." 84 Eristik, Doxographie und Hypothese werden von ihm aber explizit verworfen. 85 Die kurzen Hinweise verdeutlichen, daß die Vorsokratiker-Forschung erst seit Reinhardt begonnen hat, überhaupt einen Stand wissenschaftlicher Forschung zu erreichen, der für Piaton und Aristoteles schon früher eingeleitet worden war. Reinhardt hat für Heidegger „diese Auffassungen mit stichhaltigen Beweisen als unmöglich aus dem Felde geschlagen und zugleich positiv auf eine neue Möglichkeit hingewiesen", wenngleich bei ihm das existenzial-ontologische Fundament des „Wahrheitsproblemfs] im eigensten Zusammenhang mit [dem] Seinsproblem" nicht zur Aufweisung kam. 86

b) Heideggers existenzial-ontologische Deutung der Aletheia und der Doxa als die dem Dasein aufgegebene Entscheidung zwischen In-der-Wahrheit-sein (Eigentlichkeit) undIn-der-Unwahrheit-sein (Uneigentlichkeit oder Verfallen) Die im Proömium eingeführte namenlose Göttin, 0ea (Frgm. 1,22), deutet Heidegger als „die Göttin der Wahrheit". 87 Die Textstelle lautet: 84

K. Joël: Geschichte der antiken Philosophie, Bd. I, Tübingen 1921, S. 436. Joël: Geschichte der antiken Philosophie, Bd. I, S. 435 f., 455. Heideggers nur stichwortartiges Exzerpt in § 21 seiner Vorlesung vom Sommersemester 1926 ist hier mißverständlich: „ Joel: Der zweite Teil nur als Übung fur das Streitgespräch, Eristik. [...] Reinhardt hat diese Auffassungen mit stichhaltigen Beweisen als unmöglich aus dem Felde geschlagen [...]" (Die Grundbegriffe der antiken Philosophie (GA 22), S. 63). Joël schließt sich aber gerade Reinhardts Ablehnung der Deutung des Doxa-Teils als Doxographie oder Eristik (wie auch als hypothetische Welterklärung) an. 86 Die Grundbegriffe der antiken Philosophie (GA 22), S. 63 f. 87 An dieser Deutung hält er auch noch in seiner Parmenides-Vorlesung vom Wintersemester 1942/43 (Parmenides (GA 54), S. 6 ff., 240 ff.) und späteren Texten fest (Moira (Parmenides, Fragment VIII, 34-41) (1952), in: Vorträge und Aufsätze (GA 7), S. 235-261, hier S. 252 f.; Was heißt Denken? (1951/52) (GA 8), S. 213). In § 1 der Parmenides-Vorlesung verweist Heidegger darauf, daß die Redewendung von einer Göttin ,der' Wahrheit mißverständlich ist, da sie die Vorstellung erweckt, daß unter deren göttlichem Schutz und Segen daneben noch ,die Wahrheit' stehe. Vielmehr ist sie selbst ,die Wahrheit' - die Göttin (GA 54, S. 7). Sie ist vor allem auch nicht eine (nachträgliche) Personifikation, „eine poetische Umkleidung abstrakter Begriffsarbeit (GA 7, S. 253; vgl. dazu auch unten S. 145, Anm. 97). Hans-Christian Günther deutet die Göttin gegenüber der communis opinio, daß sie bewußt namenlos geblieben sei, unter Berufung auf Proklos als Nymphe Hypsipyle, die Göttin von der hohen Tür, womit (nicht im Widerspruch zu Heideggers grundsätzlicher Deutung) das Übergängliche und über alles Hinausragende der göttlichen Weisung zum Ausdruck gebracht würde (ders.: Aletheia 85

§ 30 Der Zusammenhang der beiden Teile des Lehrgedichts

143

„Daß die Göttin der Wahrheit, die den Parmenides führt, ihn vor beide Wege stellt, den des Entdeckens und den des Verbergens, bedeutet nichts anderes als: das Dasein ist je schon in der Wahrheit und Unwahrheit. Der Weg des Entdeckens wird nur gewonnen im KQLVELV Aöycp, im verstehenden Unterscheiden beider und Sichentscheiden für den einen."88 Das KQtvciv AöyCjj ist ein Ausschnitt aus Fragment 7, 5 (1,36 nach der 3./4. Auflage) und verweist nach Heideggers Auslegung auf das verstehend-aufschließende Dasein. In der Vorlesung vom Sommersemester 1922 gibt Heidegger eine Übersetzung von Fragment 7,2 - 8,1 (1,33-37 nach der 3./4. Auflage): „Diesem Weg der Forschung aber (der öö£a) verschließe die Hinsicht und nicht soll Dich zwingen (Zwang - Last) vielkundige überlieferte Umgangsgeneigtheit (¿^irceiQia!), den Weg zu gehen: sichloslassen (geschickt) in zielloses Herumsehen (Neugier), in das Hören auf lärmendes Durcheinanderreden und in das Geschwätz, sondern wähle89 vielmehr aus im (ausdrücklichen) Spruch die umstrittene prüfende Vorgabe,90 die von mir gesagte."91 Zum Vergleich sei auch Heideggers spätere Übersetzung aus seiner Vorlesung vom Sommersemester 1935 angeführt: „und gar nicht soll dich die recht gerissene Gewohnheit in die Richtung dieses Weges zwingen, daß du dich verlierst im nicht-sehenden Gaffen und im lärmvollen Hören und in der Zungenfertigkeit, sondern entscheide scheidend, in dem du in eins gesammelt vor dich hinstellst die Aufweisung des vielfachen Widerstreits, die von mir gegeben."92 Maßgeblich ist nur die unterschiedliche Übersetzung von KQLVCXI bk Acrycjj. Heidegger wendet sich im späteren Denken mehr und mehr dem Zuspruch (Wink) der Sprache zu, indem er auf ihre Wurzelbedeutungen hört, in denen noch ein ursprüngliches Verständnis verwahrt ist. Der Aöyog ist das sam-

und Doxa. Das Proömium des Gedichts des Parmenides, Berlin 1998, S. 58 f.; vgl. Procli commentarium in Piatonis Parmenidem, liber I, in: Prodi Philosophi Platonici Opera inedita, ed. V. Cousin, Paris 21864, 640,39; vgl. dazu auch den Kommentar in: Proclus' Commentary on Plato's Parmenides, transl. by G. R. Morrow and J. M. Dillon, Princeton, N. J. 1987, S. 36, Anm. 23). 88 Sein und Zeit, S. 222 f. (GA 2, S. 294 f.). 89 Verbum vom Herausgeber ergänzt. 90 Übersetzung der entscheidenden Worte (Frgm. 7, 5; Frgm. 1, 36 nach der 3./4. Auflage): KQlvai öe Aöyqj noAuörjQiv eAeyxov. 91 Phänomenologische Interpretationen ausgewählter Abhandlungen des Aristoteles zur Ontologie und Logik (GA 62), S. 223. 92 Einführung in die Metaphysik (GA 40), S. 182.

144

5. Kap.: Die Parmenides-Auslegung desfrühen Heidegger

melnd-eröffnende Vernehmen der zugesprochenen Aufweisung durch den Menschen, um sie so wissend zu übernehmen und zu bewahren, und steht hier (als das „avTiK6g) her getragen. Wenn nun, wie es in dem oben zitierten „Rückblick auf den Weg" heißt, die Frage nach dem Da-sein erneut und ursprünglicher, d. h. „aber zugleich im ausdrücklichen Bezug zur Wahrheit des Seyns", angesetzt werden muß, dann ist es nicht verwunderlich, wenn die Vorsokratiker (neben Heraklit und Parmenides vor allem noch Anaximander) mehr und mehr in das Blickfeld des Interesses rücken.

b) Die Entmachtung der physis und die Frage nach der Wahrheit des Seyns

Ein mit der Wahrheitsfrage zusammenhängendes Problem ist das, was Heidegger in den „Beiträgen zur Philosophie" die „Entmachtung der cj)ucrig" nennt. Gemäß seinen Ausführungen im 61. Abschnitt der „Beiträge" mit dem Titel „Machenschaft" kommt es mit dem Vordrängen der Begriffe i&ca (Piaton) und ¿VTeAcxeu* (Aristoteles) zum „Übergewicht in das Machbare und Sich-machende": „Vielmehr soll der Name [Machenschaft] sogleich hinweisen auf das Machen (noirjcru;, xexvr)), was wir zwar als menschliches Verhalten kennen. Allein dieses ist eben selbst nur möglich auf Grund einer Auslegung des Seienden, in der die Machbarkeit des Seienden zum Vorschein kommt, so zwar, daß die Seiendheit gerade sich bestimmt in der Beständigkeit und Anwesenheit. Daß sich etwas von selbst macht und demzufolge für ein entsprechendes Vorgehen auch machbar ist, das Sichvon-selbst-machen ist die von der TEXVT] und ihrem Hinblickskreis aus vollzogene Auslegung der cj)uau; dergestalt, daß nun schon das Übergewicht in das Machbare und Sich-machende zur Geltung kommt (vgl. das Verhältnis von iöea und Texyrj), was kurz die Machenschaft genannt sei. Allein, in der Zeit des ersten Anfangs, da es zur Entmachtung der uaig kommt, tritt noch nicht die Machenschaft in ihrem vollen Wesen an den Tag. Sie bleibt verhüllt in der beständigen Anwesenheit, deren Be-

30 31 32 33

Sein und Zeit, S. 219 (GA 2, S. 290). Sein und Zeit, S. 222 (GA 2, S. 294). Sein und Zeit, S. 226 (GA 2, S. 298). Sein und Zeit, S. 214 (GA 2, S. 284).

198

Schluß

Stimmung in der evxeAexeux die höchste Zuspitzung erreicht innerhalb des anfänglichen griechischen Denkens."34

Das „Sich-von-selbst-machen" verweist darauf, daß auch die herstellungsunbedürftige Natur (cfnicrig) vom Horizont der TCXVT] her ausgelegt wird, nur mit dem Unterschied, daß die Natur für Aristoteles den Grund (aQxr|) der Bewegung (im weiten Sinne von Veränderung, (neTaßoAr)) und der Ruhe „in sich selbst" (ev aorf]) hat.35 Mit dem „Hereinspielen des jüdisch-christlichen Schöpfungsgedankens und der entsprechenden Gottesvorstellung" wird der „Ursache-Wirkungs-Zusammenhang [...] zum allbeherrschenden (Gott als causa sui)".36 „Die Machenschaft als Wesung der Seiendheit"37 kommt in dem zu ihrem vollen Wesen, was Heidegger später als das „Ge-stell"38 bezeichnet. Wenn die Machenschaft als eine bestimmte (geschichtliche) Wesung der Seiendheit erfahren ist, gibt sie für Heidegger aber zugleich „einen ersten Wink in die Wahrheit des Seyns selbst"39, weshalb sie zur ersten Fügung „Der Anklang" gehört.

c) Der Satz des Parmenides (Frgm. 3) als ein Wink für die Einkehr in das aus dem Ereignis erfahrene ursprüngliche Zusammengehören von Mensch (Denken) und Sein: Heideggers Vortrag „ Der Satz der Identität"

Heideggers Denken nach der vielberufenen (im Ereignis spielenden) „Kehre" ist vielfach unverstanden geblieben. Als Beispiel sei Rüdiger Safranski zitiert: „In seinen Beiträgen können wir Heidegger dabei zusehen, wie er sich mit einem Delirium von Begriffen und einer Litanei von Sätzen in den »anderen Zustand4 ver-

34

Beiträge (GA 65), S. 126, vgl. S. 191. Met. E 1,1025 b 18-22; vgl. Phys. B 1,192 b 20 ff. 36 Beiträge (GA 65), S. 126 f., vgl. S. 110; zu causa effxciens und zum summum ens (Gott) als causa prima, causa sui vgl. auch Vorträge und Aufsätze (GA 7), S. 27, 44; Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik, in: M. Heidegger: Identität und Differenz, Pfullingen 1957, S. 35-73, bes. S. 57, 70 f.; vgl. dazu R. Thurnher: Gott und Ereignis - Heideggers Gegenparadigma zur Onto-Theologie, in: Heidegger Studies 8 (1992), S. 81-102. 37 Beiträge (GA 65), S. 127. 38 Vgl. den Bremer Vortrag „Das Ge-Stell" (1949) (in: Bremer und Freiburger Vorträge (GA 79), S. 24—45) und vor allem den Vortrag „Die Frage nach der Technik44 (1953) (in: Vorträge und Aufsätze (GA 7), S. 5-36; auch in: M. Heidegger: Die Technik und die Kehre, Pfullingen 1962, S. 5-36). 39 Beiträge (GA 65), S. 127. 35

§ 37 Ausblick: Heideggers Parmenides-Auslegungen im Ereignis-Denken

199

setzt. Die Beiträge sind ein Laboratorium für die Erfindung einer neuen Rede von Gott." 40 Ebenso oberflächlich charakterisiert der Freiburger Wirtschafts- und Sozialhistoriker Hugo Ott Heideggers Grundwerk des seinsgeschichtlichen oder Ereignis-Denkens. Die „über geraume Zeit als der Geheimtip" gehandelten „Beiträge zur Philosophie" enthalten „über weite Strecken aphorismenartige Entwürfe, Grundrisse, Aufrisse, Andeutungen, Skizzen, Materialsammlung, Lesefrüchte, Definitionsansätze". 41 Von beiden Autoren wird das Werk nicht nur inhaltlich falsch interpretiert, sondern auch sein streng gefügter Aufbau übersehen. Auf ein anderes Mißverständnis, das auch von namhaften Philosophen und Kennern des Heideggerschen Werks vertreten wird, kann hier ebenfalls nur hingewiesen werden. In seinem Aufsatz „Erinnerung an Heideggers Anfänge" (1986) schreibt Gadamer: „Die Geschichte lehrt, was mir in den letzten Jahren zunehmend klarer wird, daß Heideggers sogenannte ,Kehre4 eigentlich nur die Rückkehr zu seiner eigentlichen Intention war, die er manchmal schon in der jugendlichen inneren Auseinandersetzung mit Husserl antizipiert hat. So erinnere ich immer wieder daran, daß der junge Heidegger bereits 1920 vom Katheder den Ausdruck gebraucht hat ,es weitet'." 42 Der Deutung Gadamers, der das Ereignis-Denken als Rückkehr Heideggers zur eigentlichen Intention der frühen Freiburger Vorlesungen betrachtet, hat sich eine Reihe von Interpreten angeschlossen.43 Gegen diese Deutung wendet Hans-Helmuth Gander zu Recht ein: 40

Safranski: Ein Meister aus Deutschland, S. 358. H. Ott: Zu den katholischen Wurzeln im Denken Martin Heideggers, in: Ch. Jamme/K. Harries (Hrsg.): Martin Heidegger. Kunst - Politik - Technik, eingel. von 0. Pöggeler, München 1992, S. 225-239, hier S. 225. 42 In: Gadamer : Hermeneutik im Rückblick (Gesammelte Werke, Bd. 10), S. 3-13, hier S. 10 f.; vgl. auch ders.: Der eine Weg Martin Heideggers (1986), in: ders.: Neuere Philosophie I (Gesammelte Werke, Bd. 3), S. 417-430, hier S.423 („Kehre vor der Kehre"). Zur frühen Wortbildung: „es weitet" vgl. Zur Bestimmung der Philosophie (GA 56/57), S. 73, 94. 43 M. Riedel: Die Urstiftung der phänomenologischen Hermeneutik, S. 226; ders.: Naturhermeneutik und Ethik im Denken Heideggers, in: Heidegger Studies 5 (1989), S. 153-172, hier S. 157; ders.: Hören auf die Sprache. Die akroamatische Dimension der Hermeneutik, Frankfurt a. M. 1990, S. 85 f.; Th Kisiel: Das Entstehen des Begriffsfeldes ,Faktizität' im Frühwerk Heideggers, S. 119; ders.: The Genesis of Heidegger's Being and Time , S. 3,10,16,458; ders.: The Genesis of Being and Time. The Primal Leap, in: Phenomenology, Interpretation, and Community, ed. by L. Langsdorf and St. H. Watson with E. M. Bower, Albany 1996, S. 29-50, hier S. 35; J. van Buren: The Young Heidegger. Rumor of the .Hidden King, Bloomington/Indianapolis 1994, S. 136 f., 289 f.; G. Imdahl: Das Leben verstehen. Heideggers formal anzeigende Hermeneutik in 41

200

Schluß

„Näheres Zusehen zeigt allerdings, daß dies vorschnell so kurzgeschlossen wird. Denn was bei Heidegger mit dem Umstand intendiert ist, daß im Impersonalen der frühen Aussage ,es weitet' weder ein Ich noch ein Subjekt oder Bewußtsein angezeigt wird, ist ebenso wie die Verwendung des Begriffes »Ereignis4 4 4 motiviert durch den Versuch, sich im Zusammenhang der Hermeneutik des historisch faktischen Lebens sprachlich der ,neuen Grundtypik des Erlebens' (GA 56/57, 46) gewachsen zu zeigen, um so der Sache nach im Blick auf das Umwelterlebnis die traditionelle, aber phänomenal inadäquate Aufsplittung in Subjekt- und Objektsphäre zu unterlaufen. In diesem Zusammenhang sollte auch nicht übersehen werden, daß die Frage der impersonalen Urteile Heidegger bereits in seiner Dissertation in der Auseinandersetzung mit Theodor Lipps beschäftigt hat, und zwar im Problemzusammenhang eines ,unbestimmten Subjekts4 (s. dazu: Die Lehre vom Urteil im Psychologismus. In: GA 7,138 u. 186)."45 Heideggers beim fünfhundertjährigen Jubiläum der Universität Freiburg i. Br. zum Tag der Fakultäten am 27. Juni 1957 gehaltener Vortrag „Der Satz der Identität" ist besonders geeignet, ein Verständnis dessen zu geben, worauf er mit dem Terminus „Ereignis" hindeuten möchte. Er geht in diesem Vortrag vom Satz des Parmenides (Frgm. 3) aus, um sich von ihm das „Geleit in die Frage nach einem Zusammengehören" von Mensch und Sein, „darin das Gehören den Vorrang vor dem Zusammen hat", geben zu lassen.46 Während der Satz der Identität ( A = A ) als „der oberste aller ersten Grundsätze" 47 der neuzeitlichen Metaphysik dem Sein des Seienden die Identität im Sinne der Einheit mit ihm selbst als Grundzug zuspricht, gehört in deren ersten Anfang bei Parmenides die Identität nicht in das Sein, vielmehr gehört dieses zusammen mit dem Vernehmen (Denken) „in eine Identität" - „in das Selbe" 48 . To avió, das den frühen Freiburger Vorlesungen (1919 bis 1923), Würzburg 1997, S. 17 f.; In-Suk Kim: Phänomenologie des faktischen Lebens. Heideggers formal anzeigende Hermeneutik (1919-1923), Frankfurt a. M. [u. a.] 1998, S. 66; in leicht modifizierter Form einer „Rückkehr mit einer Differenz 44 R. A. Makkreel: Heideggers ursprüngliche Auslegung der Faktizität des Lebens: Diahermeneutik als Aufbau und Abbau der geschichtlichen Welt, in: D. Papenfuss/O. Pöggeler (Hrsg.): Zur philosophischen Aktualität Heideggers, Bd. 2: Im Gespräch der Zeit, Frankfurt a. M. 1990, S. 179-188, hier S. 187. 44 Vgl. Zur Bestimmung der Philosophie (GA 56/57), S. 75, 78, vgl. S. 85 ff., 91, 94. 45 Gander: Selbstverständnis und Lebenswelt, S. 259, Anm. 55; vgl. auch Xolocotzi: Der Umgang als „Zugang44, § 30, bes. S. 295 ff., 301 f. 46 Der Satz der Identität, in: M Heidegger: Identität und Differenz, Pfullingen 1957, S. 13-34, hier S. 31. (Der veröffentlichte Text ist gegenüber dem nur in einer stark überarbeiteten maschinenschriftlichen Manuskriptabschrift vorliegenden Vortragstext (nun abgedruckt in: Bremer und Freiburger Vorträge (GA 79), S. 115-129) wiederum verändert.) 47 Der Satz vom Grund (GA 10), S. 10 f. 48 Heidegger: Identität und Differenz, S. 18 f. (Hervorh. v. Verf.), vgl. S. 31.

§ 37 Ausblick: Heideggers Parmenides-Auslegungen im Ereignis-Denken

201

Selbe, meint keinesfalls „das Gleiche wie »einerlei'". 49 Heidegger möchte sich vom Satz des Parmenides „einen Wink" 5 0 geben lassen, um ihn zugleich ursprünglicher zu verstehen. Er geht aus vom deutschen Wort „Zusammengehörigkeit": „Wir legen die Selbigkeit als Zusammengehörigkeit aus."51 Was bedeutet das Zusammengehörige? Die Zusammengehörigkeit von Sein und Denken bezieht sich offenkundig auf „nichts dergleichen wie Dinge und Gegenstände, zwischen denen man unangefochten hin und her rechnen dürfte". 52 Die Zusammengehörigkeit von Sein und Denken darf auch „nicht als ihre Synthesis" verstanden werden, „sondern erstlicher noch und anfänglicher denn alle Thesis".53 Das Zusammengehören ist also nicht nach der Gewohnheit vom Zusammengehören als einer Zuordnung, Einordnung (ordo, systema), Verknüpfung (nexus, connexio) her zu bestimmen, sondern anfänglicher als Zusammengehören im Sinne von „Zu-einander-Gehören" zu denken: „Im Menschen waltet ein Gehören zum Sein, welches Gehören auf das Sein hört, weil es diesem übereignet ist." 54 Das „Auszeichnende des Menschen" im Unterschied zu Stein, Baum, Adler, die Heidegger als Beispiele für die unbelebte und belebte Natur (Pflanzen und Tiere) nennt, „beruht darin, daß er als das denkende Wesen, offen [d. h. gelichtet ] dem Sein, vor dieses gestellt ist, auf das Sein bezogen bleibt und ihm so entspricht".55 Für die Einkehr des Menschen in das Zusammengehören ist für Heidegger aber ein Sprung nötig, der zugleich ein Absprung „weg aus der geläufigen Vorstellung vom Menschen als dem animal rationale" ist und weg vom meta-physisch gedachten Sein, das „seit der Frühzeit des abendländischen Denkens als der Grund ausgelegt [wird], worin jedes Seiende als Seiendes gründet". 56 „Der Sprung", heißt es in dem zur (gleichnamigen) dritten Fügung gehörenden 120. Abschnitt der „Beiträge zur Philosophie", „ist die Er-springung der Bereitschaft zur Zugehörigkeit in das Ereignis." 57 Erst mit der Einkehr in das ursprüngliche Wesen dessen, was Mensch und Sein zusammengehören läßt , ist das erfahren, was Heidegger das Ereignis nennt: „Es gilt, dieses Eignen, worin Mensch und Sein einander ge-eignet sind, schlicht zu erfahren, d. h. einzukehren in das, was wir das Ereignis nennen. Das Wort Ereignis ist der gewachsenen Sprache entnommen. Er-eignen heißt ursprünglich: er-äugen, d. h. erblicken, im Blicken zu sich rufen, an-eignen. Das Wort Ereignis soll jetzt, aus 49 50 51 52 53 54 55 56 57

Was heißt Denken? (GA 8), S. 244. Heidegger: Identität und Differenz, S. 19. Heidegger: Identität und Differenz, S. 18. Kants These über das Sein (1961), in: Wegmarken (GA 9), S. 445-480, hier S. 477. Was heißt Denken? (GA 8), S. 244. Heidegger: Identität und Differenz, S. 22. Heidegger: Identität und Differenz, S. 22 (Hervorh. v. Verf.). Heidegger: Identität und Differenz, S. 24. Beiträge (GA 65), S. 235.

202

Schluß

der gewiesenen Sache her gedacht, als Leitwort im Dienst des Denkens sprechen. Als so gedachtes Leitwort läßt es sich sowenig übersetzen wie das griechische Leitwort Aöyog und das chinesische Tao. Das Wort Ereignis meint hier nicht mehr das, was wir sonst irgendein Geschehnis, ein Vorkommnis nennen. Das Wort ist jetzt als Singulare tantum gebraucht."58

Es lassen sich drei Momente am Leitwort „Ereignis" festhalten: „1 - the (sustaining) moment of being's appropriating-throw [ereignender Zuwurf], 2 - the moment of owning in the sense of 'bringing into the ownmost,' 3 - the moment of Eräugnis in Ereignis = of 'laying eyes (German: Augen) on.' " 5 9

Die zweite Bestimmung wurde zuvor näher erläutert: „It [Ereignis ] is appropriating, 'bringing into the ownmost [ins Eigene bringen],' is the counter-sway of appropriating-throw and appropriated projection [Gegenschwung von ereignendem Zuwurf und ereignetem Entwurf]". 58

Heidegger: Identität und Differenz, S. 28 f. Nach der neueren Forschung ist das Verbum ereignen etymologisch nicht mit eignen oder eigen verwandt. Heidegger spielt aber auf beide Bedeutungen an, wenn er von „er-äugen" und „eignen", „an-eignen", „übereignen" usw. spricht. Das Verbum eignen (mittelhochdeutsch eigenen, althochdeutsch eigingn) bedeutet als Ableitung von eigen „in Besitz nehmen, haben, geben", wie es noch die neuhochdeutschen Zusammensetzungen „sich aneignen, zu-, über-, enteignen" zeigen. Das Adjektiv eigen (althochdeutsch eigan, altenglisch ägen) ist das früh verselbständigte zweite Partizip eines im Deutschen untergegangenen gemeingermanischen Verbums mit der Bedeutung „haben, besitzen". Das Verbum ereignen ist dagegen eine Nebenform zum älteren neuhochdeutschen eräug(n)en (mittelhochdeutsch [er]öugen, althochdeutsch [ir]ougen) „vor Augen stellen, zeigen" und hat aus „sich zeigen" die heutige Bedeutung „geschehen" entwickelt. Das Präfix er- (althochdeutsch auch ar-, ir-) ist eine abgeschächte Form des Präfix ur-/Ur- und bedeutet wie dieses eigentlich „heraus, hervor" (vgl. Ursprung, Ursache), dann aber auch „zum Ende hin" und bezeichnet daher übertragen das Einsetzen eines Geschehens. (Vgl. eigen, eignen, ereignen, er... (Präfix), ur.../Ur... (Präfix) in: Duden Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache, 3., völlig neu bearb. und erw. Aufl. Mannheim/Leipzig/Wien/ Zürich 2001 (Duden, Bd. 7) oder Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, bearb. von E. Seebold, 24., durchges. und erw. Aufl. Berlin/New York 2002.) Eine Übersetzung des Leitwortes „Ereignis" ist für Heidegger, streng genommen, nicht möglich und bleibt auch als Annäherung problematisch. Die von Michael Inwood als englische Übersetzung genannten Wörter „event, happening, occurrence" sind aber völlig unangemessen (M Inwood: A Heidegger Dictionary, Oxford/Maiden, Massachusetts 1999, S. 54-57). Alfred Denker schließt sich dagegen der im folgenden genannten Übersetzung „appropriation" an (A. Denker: Historical Dictionary of Heidegger's Philosophy, Lanham, Maryland/London 2000, S. 48-50). 59 P. David: [Essays in Interpretation:] From Fundamental Ontology to Being-historical Thinking, in: Heidegger Studies 17 (2001), S. 157-168, hier S. 167; unter Bezugnahme auf P. Emad: A Conversation with Friedrich-Wilhelm von Herrmann on Heidegger's Beiträge zur Philosophie [Freiburg i. Br. 1993], in: B. C. Hopkins (ed.): Phenomenology: Japanese and American Perspectives, Dordrecht/Boston/London 1999, S. 145166.

§ 37 Ausblick: Heideggers Parmenides-Auslegungen im Ereignis-Denken

203

Das Ereignis der Wahrheit, schreibt Heidegger in „Der Weg zur Sprache" (1959), können wir „nur noch nennen, weil es keine Erörterung duldet; denn es ist die Ortschaft aller Orte und Zeit-Spiel-Räume".60 Das Wahrheits- und Sprachgeschehen ist, wie Otto Pöggeler ausführt, auch nicht mehr im Sinne eines „in sich stehenden Absoluten" oder gar als causa sui begründbar: „Die Frage, worin das Wahrheits- und Sprachgeschehen gründe oder ob es gar als causa sui in sich selbst stehe, wird abgewiesen, da alles Beweisen- und Gründenwollen der Wahrheit als der Unverborgenheit ungemäß bleibt (VA 134 [Vorträge und Aufsätze (GA 7), S. 133 f.])." 61

Es ist abschließend auf die Aktualität des Ereignis-Denkens hinzuweisen. Vor allem in der gegenwärtigenfranzösischen Philosophie ist der Begriff des Ereignisses oder auch Sinnereignisses (im Ausgang u. a. von Husserls genetischer Phänomenologie der Passivität und von Heideggers Ereignis-Denken) in den Mittelpunkt der phänomenologischen Analyse gerückt.62

60

In: Unterwegs zur Sprache (GA 12), S. 227-257, hier S. 246. Pöggeler: Der Denkweg Martin Heideggers, S. 295. 62 Vgl. z. B. den von Marc Rölli herausgegebenen Sammelband „Ereignis auf Französisch. Von Bergson bis Deleuze" (München 2004). Es ist auch auf die von der Deutschen Gesellschaft für phänomenologische Forschung vom 5. bis 8. Oktober 2005 an der Bergischen Universität Wuppertal veranstaltete Tagung zum Thema. „Phänomenologie der Sinnereignisse" hinzuweisen. 61

Literaturverzeichnis Vorbemerkung Eigene Hervorhebungen (Kursivsetzung) in Zitaten werden als solche gekennzeichnet (Hervorh. v. Verf.), Weglassungen von Hervorhebungen des zitierten Autors dagegen nicht. Eigene Anmerkungen, Einschübe und Auslassungen in Zitaten sind durch [ekkige Klammern] gekennzeichnet, Hinzufügungen der Herausgeber der zitierten Texte sind dagegen in (spitze Klammern) gesetzt. Die Fragmente der Vorsokratiker werden, soweit nicht anders angegeben, nach der folgenden Sammlung zitiert: Hermann Diels/Walther Kranz (Hrsg.): Die Fragmente der Vorsokratiker. (3 Bde.) Griechisch und deutsch. 6. Aufl. Berlin: Weidmann 1951-1952. [Weitere Auflagen unverändert.] Das Lehrgedicht (Ylegi (Jwaecoç) des Parmenides wird, soweit nicht anders angegeben, ebenfalls nach der 6. Auflage der von Diels/Kranz herausgegebenen „Fragmente der Vorsokratiker" zitiert. Die Angabe der Fragmente (Frgm. (Fragmentnummer), (Vers)) bezieht sich auf Band I (S. 227 ff.) und trägt dort die Bezeichnung: 28. Parmenides. B. Fragmente. Im 5. Kapitel wird bei Abweichungen zudem die Fragmentnummer der von Heidegger damals benutzten 3. bzw. 4. Auflage angegeben: Hermann Diels: Die Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und deutsch. Bd. I. 3. Aufl. Berlin: Weidmann 1912; 4. Aufl. Berlin: Weidmann 1922 (Abdruck der 3. Aufl. mit Nachträgen). S. 147 ff. (18. Parmenides. B. Fragmente.) In Zweifelsfällen ist als derzeit verläßlichste Ausgabe des Parmenideischen Lehrgedichts die unter der Direktion von Pierre Aubenque edierte Pariser Ausgabe zu nennen: Études sur Parménide. Puhl, sous la direction de Pierre Aubenque. Tom. I: Le Poème de Parménide. Texte, traduction, essai critique par Denis O'Brien. Paris: Vrin 1987. (Bibliothèque d'histoire de la philosophie.) Die Schriften Martin Heideggers werden - soweit möglich - nach der Gesamtausgabe zitiert: Martin Heidegger: Gesamtausgabe (GA mit arabischer Bandzahl). Frankfurt a. M.: Klostermann 1975 ff. Die Bezeichnung „GA" bezieht sich ausschließlich auf die „Martin Heidegger Gesamtausgabe". Die Seitenangabe von „Sein und Zeit" erfolgt sowohl nach der Einzelausgabe (18. Aufl., unveränd. Nachdr. der 15., an Hand d. Gesamtausg. durchges. Aufl. mit d. Randbemerkungen aus d. Handex. d. Autors im Anh., Tübingen: Niemeyer 2001) als auch nach Band 2 der Gesamtausgabe (Hrsg.: Friedrich-Wilhelm von Herrmann. Frankfurt a. M.: Klostermann 1977).

Literaturverzeichnis

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Die Schriften von Emil Angehrn, Günter Dux, Martin Heidegger, Klaus Held und Edmund Husserl werden im folgenden separat aufgeführt. Anschließend sind die wichtigsten Textausgaben, Übersetzungen, Kommentare und Bibliographien zu Parmenides und den Vorsokratikern zusammengestellt. 1. Emil Angehrn Angehrn, Emil: Interpretation und Dekonstruktion. Untersuchungen zur Hermeneutik. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2003. - Die Überwindung des Chaos. Zur Philosophie des Mythos. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1996. (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 1271.) - Ursprung und Gestalt. Die zwiespältige Entstehung der Metaphysik. In: Emil Angehm/Hinrich Fink-Eitel/Christian Iber/Georg Lohmann (Hrsg.): Dialektischer Negativismus. Michael Theunissen zum 60. Geburtstag. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1992. (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 1034.) S. 159-184. - Der Weg zur Metaphysik. Vorsokratik, Piaton, Aristoteles. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2000. - Zeit und Geschichte. In: Emil Angehrn/Christian Iber/Georg Lohmann/Romano Pocai (Hrsg.): Der Sinn der Zeit. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2002. S. 6784. 2. Günter Dux Dux, Günter: Anthropologie als Grundwissenschaft. In: Freiburger Universitätsblätter, Heft 139 (= 37. Jg., 1. Heft/März 1998), S. 9-19. - Anthropologie und Soziologie. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 24 (1972), S. 425-454. - Denken vom Vorrang der Natur. Die Naturalisierung des Geistes. In: Rüdiger Bubner/Burkhard Gladigow/Walter Haug (Hrsg.): Die Trennung von Natur und Geist. München: Fink 1990. S. 161-180. - Historisch-genetische Theorie der Kultur. Instabile Welten. Zur prozessualen Logik im kulturellen Wandel. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2000. - Liebe und Tod im Gilgamesch-Epos. Geschichte als Weg zum Selbstbewußtsein des Menschen. Wien: Passagen-Verlag 1992. (Passagen Philosophie.) - Die Logik der Weltbilder. Sinnstrukturen im Wandel der Geschichte. 3. Aufl. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1990 (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 370.) - Das Problem der Logik im historischen Verstehen. Zur Kritik der Entscheidung als geschichtsphilosophischer und historischer Kategorie. In: Dilthey-Jahrbuch für Philosophie und Geschichte der Geisteswissenschaften 7 (1990-91), S. 44-70. - Die Spur der Macht im Verhältnis der Geschlechter. Über den Ursprung der Ungleichheit zwischen Frau und Mann. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1992. - Die Zeit in der Geschichte. Ihre Entwicklungslogik vom Mythos zur Weltzeit. Mit kulturvergleichenden Untersuchungen in Brasilien (J. Mensing), Indien (G. Dux/K. Kälble/J. Meßmer) und Deutschland (B. Kiesel). Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1989.

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Literaturverzeichnis

Dux, Günter ¡Wenzel, Ulrich (Hrsg.): Der Prozeß der Geistesgeschichte. Studien zur ontogenetischen und historischen Entwicklung des Geistes. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1994. (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 1119.) 3. Martin Heidegger a) Schriften aus der Martin Heidegger Gesamtausgabe (1975 ff) Sämtliche Bände der Martin Heidegger Gesamtausgabe (GA mit arabischer Bandzahl) sind im Verlag Vittorio Klostermann (Frankfurt am Main) erschienen. Eine jährlich aktualisierte Zusammenstellung („Update") der Gesamtausgabe (einschließlich Übersetzungen) erscheint in der Zeitschrift „Heidegger Studies/Heidegger Studien/ Etudes Heideggeriennes", zuletzt in: Heidegger Studies 21 (2005), S. 207-218. I. Abteilung: Veröffentlichte Schriften (1910-1976) GA 1

Frühe Schriften (1912-1916). Hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann. Frankfurt a. M. 1978.

GA 2

Sein und Zeit (1927). Hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann. Frankfurt a. M. 1977. [Seitenangabe nach dieser Ausgabe und nach der Einzelausgabe, 18. Aufl. Tübingen: Niemeyer 2001, unveränd. Nachdr. der 15. Aufl. 1979.]

GA 3

Kant und das Problem der Metaphysik (1929). Hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann. Frankfurt a. M. 1991.

GA 5

Holzwege (1935-1946). Hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann. 2. Aufl. Frankfurt a. M. 2003 (*1977).

GA 6.1 Nietzsche. Erster Band (1936-1939). Hrsg. von Brigitte Schillbach. Frankfurt a. M. 1996. GA 6.2 Nietzsche. Zweiter Band (1939-1946). Hrsg. von Brigitte Schillbach. Frankfurt a. M. 1997. GA 7

Vorträge und Aufsätze (1936-1953). Hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann. Frankfurt a. M. 2000.

GA 8

Was heißt Denken? (1951-1952). Hrsg. von Paola-Ludovika Coriando. Frankfurt a. M. 2002.

GA9

Wegmarken (1919-1961). Hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann. 3. Aufl. Frankfurt a. M. 2004 (11976; 2., durchges. Aufl. 1996).

GA 10

Der Satz vom Grund (1955-1956). Hrsg. von Petra Jaeger. Frankfurt a. M. 1997.

GA 12

Unterwegs zur Sprache (1950-1959). Hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann. Frankfurt a. M. 1985.

GA 13

Aus der Erfahrung des Denkens (1910-1976). Hrsg. von Hermann Heidegger. 2., durchges. Aufl. Frankfurt a. M. 2002 (* 1983).

Literaturverzeichnis

207

GA 15

Seminare (1951-1973). Hrsg. von Curd Ochwadt. 2., durchges. Aufl. Frankfurt a. M. 2005 (11986).

GA 16

Reden und andere Zeugnisse eines Lebensweges (1910-1976). Hrsg. von Hermann Heidegger. Frankfurt a. M. 2000 II. Abteilung: Vorlesungen 1919-1944

Marburger

Vorlesungen 1923-1928

GA 17

Einführung in die phänomenologische Forschung (Wintersemester 1923/24). Hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann. Frankfurt a. M. 1994.

GA 18

Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie (Sommersemester 1924). Hrsg. von Mark Michalski. Frankfurt a. M. 2002.

GA 19

Piaton: Sophistes (Wintersemester 1924/25). Hrsg. von Ingeborg Schüßler. Frankfurt a. M. 1992.

GA 20

Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs (Sommersemester 1925). Hrsg. von Petra Jaeger. 3., durchges. Aufl. Frankfurt a. M. 1994 i11979; 2., durchges. Aufl. 1988).

GA 21

Logik. Die Frage nach der Wahrheit (Wintersemester 1925/26). Hrsg. von Walter Biemel. 2., durchges. Aufl. Frankfurt a. M. 1995 ( l 1976).

GA 22

Die Grundbegriffe der antiken Philosophie (Sommersemester 1926). Hrsg. von Franz-Karl Blust. 2. Aufl. Frankfurt a. M. 2004 (M993).

GA 24

Die Grundprobleme der Phänomenologie (Sommersemester 1927). Hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann. 3. Aufl. Frankfurt a. M. 1997 (*1975; 21989).

GA 25

Phänomenologische Interpretation von Kants Kritik der reinen Vernunft (Wintersemester 1927/28). Hrsg. von Ingtraud Görland. 3. Aufl. Frankfurt a. M. 1995 (r1977; 21987).

GA 26

Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Ausgang von Leibniz (Sommersemester 1928). Hrsg. von Klaus Held. 2., durchges. Aufl. Frankfurt a. M. 1990 ( ] 1978).

Freiburger GA 27

Vorlesungen 1928-1944

Einleitung in die Philosophie (Wintersemester 1928/29). Hrsg. von Otto Saame und Ina Saame-Speidel. 2., durchges. Aufl. Frankfurt a. M. 2001 (11996).

GA 29/ Die Grundbegriffe der Metaphysik. Welt - Endlichkeit - Einsamkeit 30 (Wintersemester 1929/30). Hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann. 3. Aufl. Frankfurt a. M. 2004 (r1983; 21992). GA 31

Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung in die Philosophie (Sommersemester 1930). Hrsg. von Hartmut Tietjen. 2., durchges. Aufl. Frankfurt a. M. 1994 (* 1982).

GA 33

Aristoteles, Metaphysik © 1-3. Von Wesen und Wirklichkeit der Kraft (Sommersemester 1931). Hrsg. von Heinrich Hüni. 2., durchges. Aufl. Frankfurt a. M. 1990 (11981).

Literaturverzeichnis GA 40

Einführung in die Metaphysik (Sommersemester 1935). Hrsg. von Petra Jaeger. Frankfurt a. M. 1983.

GA 45

Grundfragen der Philosophie. Ausgewählte „Probleme" der „Logik" (Wintersemester 1937/38). Hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann. 2. Aufl. Frankfurt a. M. 1992 (* 1984).

GA 48

Nietzsche: Der europäische Nihilismus (II. Trimester 1940). Hrsg. von Petra Jaeger. Frankfurt a. M. 1986.

GA 51

Grundbegriffe (Sommersemester 1941). Hrsg. von Petra Jaeger. 2., durchges. Aufl. Frankfurt a. M. 1991 (h981).

GA 53

Hölderlins Hymne „Der Ister" (Sommersemester 1942). Hrsg. von Walter Biemel. 2. Aufl. Frankfurt a. M. 1993 (* 1984).

GA 54

Parmenides (Wintersemester 1942/43). Hrsg. von Manfred S. Frings. 2. Aufl. Frankfurt a. M. 1992 (11982).

GA 55

Heraklit. 1. Der Anfang des abendländischen Denkens (Sommersemester 1943). 2. Logik. Heraklits Lehre vom Logos (Sommersemester 1944). Hrsg. von Manfred S. Frings. 3. Aufl. Frankfurt a. M.1994 (]1979; 2., durchges. Aufl. 1987).

Frühe Freiburger

Vorlesungen 1919-1923

GA 56/ Zur Bestimmung der Philosophie. 1. Die Idee der Philosophie und das Weltan57 schauungsproblem (Kriegsnotsemester 1919). 2. Phänomenologie und transzendentale Wertphilosophie (Sommersemester 1919). 3. Anhang. Hrsg. von Bernd Heimbüchel. 2., durchges. und erg. Aufl. Frankfurt a. M. 1999 (11987). GA 58

Grundprobleme der Phänomenologie (Wintersemester 1919/20). Hrsg. von Hans-Helmuth Gander. Frankfurt a. M. 1993.

GA 60

Phänomenologie des religiösen Lebens. 1. Einleitung in die Phänomenologie der Religion (Wintersemester 1920/21). Hrsg. von Matthias Jung und Thomas Regehly. 2. Augustinus und der Neuplatonismus (Sommersemester 1921). Hrsg. von Claudius Strube. 3. Die philosophischen Grundlagen der mittelalterlichen Mystik (Ausarbeitungen und Entwürfe zu einer nicht gehaltenen Vorlesung 1918/19). Hrsg. von Claudius Strube. Frankfurt a. M. 1995.

GA 61

Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles. Einführung in die phänomenologische Forschung (Wintersemester 1921/22). Hrsg. von Walter Bröcker und Käte Bröcker-Oltmanns. 2., durchges. Aufl. Frankfurt a. M. 1994 (]1985).

GA 62

Phänomenologische Interpretationen ausgewählter Abhandlungen des Aristoteles zur Ontologie und Logik (Sommersemester 1922). Anhang: Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles (Anzeige der hermeneutischen Situation). Ausarbeitung für die Marburger und die Göttinger Philosophische Fakultät (Herbst 1922). Hrsg. von Günther Neumann. Frankfurt a. M. 2005.

GA 63

Ontologie (Hermeneutik der Faktizität) (Sommersemester 1923). Hrsg. von Käte Bröcker-Oltmanns. 2. Aufl. Frankfurt a. M. 1995 (h988).

Literaturverzeichnis

209

III. Abteilung: Unveröffentlichte Abhandlungen - Vorträge - Gedachtes GA 64

Der Begriff der Zeit (1924). Hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann. Frankfurt a. M. 2004.

GA 65

Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) (1936-1938). Hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann. 3. Aufl. Frankfurt a. M. 2003 C11989; 2., durchges. Aufl. 1994).

GA 66

Besinnung (1938/39). Hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann. Frankfurt a. M. 1997.

GA 77

Feldweg-Gespräche (1944/45). Hrsg. von Ingrid Schüßler. Frankfurt a. M. 1995.

GA 79

Bremer und Freiburger Vorträge (1949 und 1957). Hrsg. von Petra Jaeger. Frankfurt a. M. 1994. b) Einzelausgaben

Heidegger, Martin: Identität und Differenz. Pfullingen: Neske 1957. [Als Bd. 11 der Gesamtausgabe vorgesehen.] - Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles. Ausarbeitung für die Marburger und die Göttinger Philosophische Fakultät (1922). Hrsg. von Günther Neumann. Mit einem Essay von Hans-Georg Gadamer. Stuttgart: Reclam 2003. (Universal-Bibliothek. Nr. 18250.) Per Text ist als Anhang III aufgenommen in den Bd. 62 der Gesamtausgabe.] -

Sein und Zeit. 18. Aufl., unveränd. Nachdr. der 15., an Hand d. Gesamtausg. durchges. Aufl. mit d. Randbemerkungen aus d. Handex. d. Autors im Anh., Tübingen: Niemeyer 2001. [Seitenangabe nach dieser Ausgabe und nach Bd. 2 der Gesamtausgabe.]

- Die Technik und die Kehre. Pfullingen: Neske 1962. (Opuscula 1.) - Wilhelm Diltheys Forschungsarbeit und der gegenwärtige Kampf um eine historische Weltanschauung. 10 Vorträge (Gehalten in Kassel vom 16.IV.-21.IV.1925). Nachschrift von Walter Bröcker. Hrsg. von Frithjof Rodi. In: Dilthey-Jahrbuch für Philosophie und Geschichte der Geisteswissenschaften 8 (1992-93), S. 143-180. [Die Aufnahme in Bd. 80 der Gesamtausgabe, Vorträge, ist vorgesehen.] - Zur Sache des Denkens. Tübingen: Niemeyer 1969. [Als Bd. 14 der Gesamtausgabe vorgesehen.] c) Briefwechsel

und Gespräche

Arendt, Hannah/Heidegger, Martin: Briefe 1925 bis 1975 und andere Zeugnisse. Aus den Nachlässen hrsg. von Ursula Ludz. 3., durchges. und erw. Aufl. Frankfurt a. M.: Klostermann 2002. Heidegger, Martin/Blochmann, Elisabeth: Briefwechsel 1918-1969. Hrsg. von Joachim W. Storck. Marbach a.N.: Deutsche Schillergesellschaft 1989. (Marbacher Schriften.) Heidegger, Martin/Jaspers, Karl: Briefwechsel 1920-1963. Hrsg. von Walter Biemel und Hans Saner. Frankfurt a. M.: Klostermann und München/Zürich: Piper 1990.

210

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Husserl und die Griechen. In: Profile der Phänomenologie. Zum 50. Todestag von Edmund Husserl. Beitr. von Elisabeth Ströker [u. a.]. Einl. von Werner Marx. Hrsg. von Ernst Wolfgang Orth. Freiburg [i. Br.]/München: Alber 1989. (Phänomenologische Forschungen. Bd. 22.) S. 137-176.

-

Husserls Rückgang auf das phainömenon und die geschichtliche Stellung der Phänomenologie. In: Dialektik und Genesis in der Phänomenologie. Beitr. von Ernst Wolfgang Orth [u. aj. Hrsg. von Ernst Wolfgang Orth. Freiburg [i. Br.]/München: Alber 1980. (Phänomenologische Forschungen. Bd. 10.) S. 89-145.

-

Lebendige Gegenwart. Die Frage nach der Seinsweise des transzendentalen Ich bei Edmund Husserl, entwickelt am Leitfaden der Zeitproblematik. Den Haag: Nijhoff 1966. (Phaenomenologica 23.) (Zugl. Diss. Universität Köln 1962.)

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211

5. Edmund Husserl a) Schriften aus Edmund Husserls Gesammelten Werken - Husserliana (1950 ff) Die Husserliana-Ausgabe (Hua mit römischer Bandzahl) wird aufgrund des Nachlasses veröffentlicht vom Husserl-Archiv (Leuven) (begründet von Herman Leo Van Breda) unter (derzeitiger) Leitung von Rudolf Bemet und Ullrich Melle. Die im folgenden angegebenen Bände sind in den Niederlanden erschienen: Martinus Nijhoff Publishers (Bde. I bis XXV) - Kluwer Academic Publishers (Bde. XXDC bis XXXVI). Hua I

Cartesianische Meditationen und Pariser Vorträge. Hrsg. von S. Strasser. 2. Aufl. Pen] Haag 1963 (11950).

Hua III/1 („Ideen I")

Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Erstes Buch: Allgemeine Einführung in die reine Phänomenologie. Neu hrsg. von Karl Schuhmann. 1. Halbband. Text der 1.-3. Aufl. Den Haag 1976.

Hua IV Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen („Ideen II") Philosophie. Zweites Buch: Phänomenologische Untersuchungen zur Konstitution. Hrsg. von Marly Biemel. [Den] Haag 1952. Hua V Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen („Ideen III") Philosophie. Drittes Buch: Die Phänomenologie und die Fundamente der Wissenschaften. Hrsg. von Marly Biemel. Pen] Haag 1952. Hua VI („Krisis")

Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie. Eine Einleitung in die phänomenologische Philosophie. Hrsg. von Walter Biemel. 2. Aufl. [Den] Haag 1962 (]1954).

Hua VII

Erste Philosophie (1923/24). Erster Teil: Kritische Ideengeschichte. Hrsg. von Rudolf Boehm. [Den] Haag 1956.

Hua VIII

Erste Philosophie (1923/24). Zweiter Teil: Theorie der phänomenologischen Reduktion. Hrsg. von Rudolf Boehm. [Den] Haag 1959.

Hua IX

Phänomenologische Psychologie. Vorlesungen Sommersemester 1925. Hrsg. von Walter Biemel. 2. Aufl. Den Haag 1968 (11962).

Hua X

Zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtseins (1893-1917). Hrsg. von Rudolf Boehm. [Den] Haag 1966.

Hua XI

Analysen zur passiven Synthesis. Aus Vorlesungs- und Forschungsmanuskripten 1918-1926. Hrsg. von Margot Fleischer. Den Haag 1966.

Hua XIII

Zur Phänomenologie der Intersubjektivität. Texte aus dem Nachlaß. Erster Teil: 1905-1920. Hrsg. von Iso Kern. Den Haag 1973.

Hua XIV

Zur Phänomenologie der Intersubjektivität. Texte aus dem Nachlaß. Zweiter Teil: 1921-1928. Hrsg. von Iso Kern. Den Haag 1973.

Hua XV

Zur Phänomenologie der Intersubjektivität. Texte aus dem Nachlaß. Dritter Teil: 1929-1935. Hrsg. von Iso Kern. Den Haag 1973.

Hua XVIII

Logische Untersuchungen. Erster Band: Prolegomena zur reinen Logik. Text der 1. und der 2. Aufl. Hrsg. von Elmar Holenstein. Den Haag 1975.

Literaturverzeichnis

212 Hua XIX/1

Logische Untersuchungen. Zweiter Band: Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis. 1. Teil [=1. bis V. Untersuchung]. Text der 1. und der 2. Aufl. Hrsg. von Ursula Panzer. The Hague/Boston/Lancaster 1984.

Hua XIX/2

Logische Untersuchungen. Zweiter Band: Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis. 2. Teil [= VI. Untersuchung]. Text der 1. und der 2. Aufl. Hrsg. von Ursula Panzer. The Hague/Boston/Lancaster 1984.

Hua XXV

Aufsätze und Vorträge (1911-1921). Mit ergänzenden Texten hrsg. von Thomas Nenon und Hans Rainer Sepp. Dordrecht/Boston/Lancaster 1987.

Hua XXIX

Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie. Ergänzungsband: Texte aus dem Nachlaß 1934-1937. Hrsg. von Reinhold N. Smid. Dordrecht/Boston/London 1993.

Hua XXXIII Die Bernauer Manuskripte über das Zeitbewußtsein (1917/18). Hrsg. von Rudolf Bernet und Dieter Lohmar. Dordrecht/Boston/London 2001. Hua XXXVI Transzendentaler Idealismus. Texte aus dem Nachlaß (1908-1921). Hrsg. von Robin D. Rollinger in Verbindung mit Rochus Sowa. Dordrecht/Boston/London 2003. b) Einzelausgaben Husserl , Edmund: Erfahrung und Urteil. Untersuchungen zur Genealogie der Logik. Redigiert und hrsg. von Ludwig Landgrebe. Mit Nachwort und Register von Lothar Eley. 6., verb. Aufl. Hamburg: Meiner 1985. (Philosophische Bibliothek. Bd. 280.) (1. Aufl. Prag 1939.) c) Husserl-Bibliographie Edmund Husserl Bibliography [1887-1997]. Compiled by Steven Spileers. Dordrecht/ Boston/London: Kluwer Academic Publishers 1999. (Husserliana Dokumente. Bd. IV.) 6. Parmenides: Textausgaben, Übersetzungen, Kommentare1 Études sur Parménide. Publ. sous la direction de Pierre Aubenque. Paris: Vrin 1987. (Bibliothèque d'histoire de la philosophie.) Tom. I: Le Poème de Parménide. Texte, traduction [française et anglaise], essai critique par Denis O'Brien en collaboration avec Jean Frère pour la traductionfrançaise. Tom. II: Problèmes d'interprétation. The Fragments of Parmenides. A Critical Text with Introduction, Translation, the ancient testimonia and a Commentary by A. H. Coxon. Assen/Maastricht/Wolfeboro, New Hampshire: van Gorcum 1986. (Phronesis. Suppl. Vol. III.)

1 Siehe auch unter 7. Vorsokratiker (S. 213 f.) und 9. Sonstige benutzte Literatur (S. 216 ff.).

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Farmenides : Die Fragmente. Griechisch-deutsch. Hrsg., übersetzt und erläutert von Emst Heitsch. 2., durchges. und erw. Aufl. München/Zürich: Artemis-Verlag 1991. (Sammlung Tusculum.) - Vom Wesen des Seienden. Die Fragmente. Griechisch und deutsch. Hrsg., übersetzt und erläutert von Uvo Hölscher. Mit einem Nachwort 1986. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1986. (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 624.) - Obersetzung, Einführung und Interpretation von Kurt Riezler. Bearbeitet und mit einem Nachwort von Hans-Georg Gadamer. 3., unveränd. Aufl. Frankfurt a. M.: Klostermann 2001. (Klostermann Texte Philosophie.) (1. Aufl. 1934.) - Über das Sein. Griechisch/Deutsch. Mit einem einführenden Essay hrsg. von Hans von Steuben. [Die Fragmente des Lehrgedichts übersetzt von Jaap Mansfeld.] Bibliograph. erg. Ausg. Stuttgart: Reclam 1995. (Universal-Bibliothek. Nr. 7739.) - A Text with Translation, Commentary, and Critical Essays by Leonardo Tarán. Princeton, New Jersey: Princeton University Press 1965. 7. Vorsokratiker: Textausgaben, Übersetzungen, Kommentare (mit Bibliographien) und Spezialbibliographien Diels, Hermann/Kranz, Walther (Hrsg.): Die Fragmente der Vorsokratiker. (3 Bde.) Griechisch und deutsch. 6. Aufl. Berlin: Weidmann 1951-1952. [Weitere Auflagen unverändert.] Die Vorsokratiker I: Milesier, Pythagoreer, Xenophanes, Heraklit, Parmenides. Griechisch/Deutsch. Auswahl der Fragmente, Übersetzung und Erläuterungen von Jaap Mansfeld. Bibliograph, erg. Ausg. Stuttgart: Reclam 1999. (Universal-Bibliothek. Nr. 7965.) [Allgemeine Bibliographie (mit Nachtrag 1999) S. 34-38; Literaturhinweise zu Parmenides S. 308 f.] Die Vorsokratiker II: Zenon, Empedokles, Anaxagoras, Leukipp, Demokrit. Griechisch/ Deutsch. Auswahl der Fragmente, Übersetzung und Erläuterungen von Jaap Mansfeld. Bibliograph, erg. Ausg. Stuttgart: Reclam 1999. (Universal-Bibliothek. Nr. 7966.) [Bibliographischer Nachtrag (1999) S. 346 f.] Barnes , Jonathan: The Presocratic Philosophers. Vol. I: Thaies to Zeno. London/Henley/Boston: Routledge & Kegan Paul 1979. (The Arguments of the Philosophers.) [Bibliography S. 341-360.] Buchheim , Thomas: Die Vorsokratiker. Ein philosophisches Porträt. München: Beck 1994. [Literatur zur Vorsokratik S. 221-249.] Gadamer , Hans-Georg (Hrsg.): Um die Begriffswelt der Vorsokratiker. Darmstadt: Wiss. Buchges. 1968. (Wege der Forschung. Bd. 9.) Kirk, G[eoffrey] SJ Raven, J. EJSchofleld, M.: The Presocratic Philosophers. A Critical Histoiy with a Selection of Texts. 2nd ed. Cambridge/London/New York/New Rochelle/Melbourne/Sydney: Cambridge University Press 1983. [Selective Bibliography S. 453-460.] Deutsche Ausgabe: Kirk, Geoffrey S./Raven, John EJSchofleld, Malcolm: Die vorsokratischen Philosophen. Einführung, Texte und Kommentare. Ins Deutsche übersetzt von Karlheinz Hülser. Stuttgart/Weimar: Metzler 1994. [Ausgewählte Bibliographie S. 493-501.)]

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Personenregister Bei Personen, die (nur) in den Anmerkungen (Fußnoten) der jeweiligen Seite genannt werden, sind die Seitenzahlen kursiv gesetzt. Die Namen von Autoren, die sich auf einen eher weiterführenden Literaturhinweis beziehen, sind in der Regel nicht berücksichtigt, da sie in der alphabetischen Ordnung des Literaturverzeichnisses (S. 216 ff.) leicht aufzufinden sind. Ebenfalls nicht aufgenommen sind die antiken Autoren bezüglich der Stellen, die bereits im Stellenregister (S. 255 ff.) berücksichtigt sind.

Anaximander 121 f., 161,193,196 f. Angehrn, Emil 14 ff., 34, 52-66, 87, 114 f., 115,189-192 Arendt, Hannah 124,194 Aristoteles (Aristotelisch, aristotelisch, Aristoteliker) 14, 17, 23, 25, 35, 41, 45, 47 f., 57, 58, 59, 61, 76, 77, 87 f., 91, 92f, 103, 121-127, 129, 130, 133, 142, 144, 147, 156 f., 161-166, 169,171,172-188,192, 197 f. Aubenque, Pierre 22, 27, 34, 63, 88ff., 117,131 Augustinus, Aurelius 31,126 Bahnsen, Julius 54 f. Bäumker, Clemens 178 f. Beaufret, Jean 133 Becker, Oskar 22,175 Bergson, Henri 78f., 126,203 Berkeley, George 49 f., 132 f. Billicsich, Friedrich 153 f. Blumenberg, Hans 40 f., 53, 54, 72,190 Boethius, Anicius Manlius Severinus 31 Böhme, Gemot 35 f., 72 Bonitz, Hermann 179,183 Bormann, Karl 89/, 101 Brentano, Franz 22

Bröcker, Walter 92,166 Bruno, Giordano 42 Brunschvicg, Léon 76,172 Burnet, John 44,141 Calogero, Guido 30,31,86 Carnap, Rudolf 62 f. Cherniss, Harold F. 59,171 Cleve, Felix M. 46 Cohn, Jonas 130 Collobert, Catherine 35 Coxon, A. H. 34, 63 Darwin, Charles (Darwinismus) 42 f., 73 De Gennaro, Ivo 132 f. Denker, Alfred 176f., 202 Descartes, René (Cartesianer) 45, 49, 49, 63, 70,100,119,146 Diels, Hermann 27,90,117,131,141,165 Dilthey, Wilhelm 123,156,166 Dingler, Hugo 72 Dodds, Eric R. 53 f. Düring, Ingemar 45,171 Dux, Günter 15 f., 34, 52, 56, 67-94, 102, 104, 108 f., 112, 114 f., 120, 189-193

Personenregister Elberfeld, Rolf 78 f. Engels, Friedrich 84 f. Eudoxos von Knidos 64 f. Fahrenbach, Helmut 67,69, 75 Fetz, Reto Luzius (u. a.) 68, 76 f., 172 Fichte, Johann Gottlieb 49,134,134f. Figal, Günter 138 Fink, Eugen 60,65, 77,111,113,121 f. Foster, John 49 Foucault, Michel 157 Fränkel, Hermann 89 / Franz von Assisi (Franziskaner) 43f., 45 f. Freud, Sigmund 42 f., 53 f. Frings, Manfred S. 135 f. Fritz, Kurt von 39,100,144,187 Gadamer, Hans-Georg 14, 41, 45, 57, 119, 123 f., 134, 138 f., 144, 146, 149-152, 154, 155, 156, 161, 175, 176,185,189,192,195,199 Galilei, Galileo (galileisch) 19, 40f., 47 f., 77,175 Gander, Hans-Helmuth 159,181, 199 f. Gauß, Carl Friedrich 22 Gigon, Olof 30,31,89/, 102/ Gloy, Karen 35, 36,38,39f. Goethe, Johann Wolfgang 82 Gomperz, Theodor 140 Gorgias 100 Grondin, Jean 151 Günther, Hans-Christian 19f., 26, 59, 131 f., 133,142f., 144,145,111 Habermas, Jürgen 55 Hartmann, Eduard von 54 / Hartmann, Nicolai 130,183 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 54f., 60 ff., 71, 84, 88, 93 f., 97 ff., 123, 124,132 f., 175, 180,191 f.

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Heidegger, Martin 13-17 19, 20, 26, 27, 32, 35, 36, 36 f, 38, 41, 45, 48, 52, 56 ff., 61 f., 64, 66, 69, 71 /, 79, 80, 81, 92, 96,100, 109,112, 113,114f., 116,117,121-203 Heinimann, Felix 117 Heitsch, Ernst 63, 89, 91, 101, 105f., 144 Held, Klaus 14 ff, 65, 79, 80 f., 82, 85, 87, 89f., 91, 95-120, 127 f., 148, 151,153,165,189-192 Henrich, Dieter 42 Heraklit (heraklitisch) 18,19, 20, 25, 58, 96, 99 ff, 108, 114, 121 f., 129, 161, 197 Herrmann, Friedrich-Wilhelm von 123, 124, 126, 130, 134f., 136, 137, 145, 159,170,180,185,194,195,202 Hesiod 19,31 Heydorn, Heinz-Joachim 54 f. Höffe, Otfried 22 Hölscher, Uvo 19f., 37, 81, 82, 82, 117, 139,146 Homer 19, 53, 139,144 Hornung, Erik 83 Husserl, Edmund 14, 16, 19, 23, 29, 47f., 60, 71 f., 72, 75, 85, 95-99, 100, 104 f., 111, 114, 123, 126-128, 134 f., 135, 150, 154, 157, 159, 160, 175,179,182,192,199, 203 Inwood, Michael 202 Jaeger, Werner Wilhelm 139 Janich, Peter 22,72 ff Janssen, Paul 98 f. Jaspers, Karl 166 Joöl, Karl 141 f. Jung, Carl Gustav 53 f. Kahn, Charles H. 32 Kanitscheider, Bernulf 42 f., 47f.

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Personenregister

Kant (Kantisch, neukantianisch, Neukantianismus) 21 f., 28, 36, 44, 47, 49, 63, 70f., 126 f., 130, 133, 753/, 137, 137,153f., 158,183 f. Keller, Albert 26 Kepler, Johannes 40 Kierkegaard, Seren 191 Kirk, Geoffrey S. (u. a.) 51 Kisiel, Theodore 158,159,199f. Kodalle, Klaus-M. 191 Kopernikus, Nikolaus (Kopernikanisches Weltbild) 40f., 42 f. Koyré, Alexandre 42 Kranz, Walther 131 Kühner, Raphael (u. a.) 136,182 Kulenkampff, Arend 49 Külpe, Oswald 133 f. Künne, Wolfgang 29,156 Landgrebe, Ludwig 14,29, 96, 98 Lask, Emil 183,184 Leibniz, Gottfried Wilhelm 33, 45, 45f., 111,119,153 f. Lenk, Hans 133 f. Lipps, Theodor 200 Lloyd, Geoffrey E. R. 53 f., 77 Lowit, Alexandre 135 f. Mainländer, Philipp 54 f. Mansfeld, Jaap 39, 59, 60,101,118,182 Marten, Rainer 81 Marx, Karl 84 f. Marx, Werner 88 McTaggart, John McTaggart Ellis 30 Melissos 29,34,39,60 Merleau-Ponty, Maurice 54,190 Mittelstraß, Jürgen 40, 64/, 71, 75, 77 Mondolfo, Rudolfo 39 Moore, George Edward 133 f. Müller, Max 193

Natorp, Paul 121,130,157 Nestle, Wilhelm 53,140,190 Neumann, Günther 19,23,45, 47,54 Nietzsche, Friedrich 42f., 54f., 57, 60, 74, 77, 84f., 86,195 f. Nikolaus von Kues 42, 42f., 113 Ott, Hugo 199 Owen, Gwilym E. L. 32-34,46 Pascal, Blaise 43 f. Patzig, Günther 22,151 Perger, Mischa von 39f., 52,53 Piaget, Jean 16, 68, 69f, 70, 73f., 76, 83 f. Picht, Georg 30,31 Piaton (Platonisch, platonisch) 14, 32, 34f, 35 f., 40f., 45, 91, 100, 122, 122, 124, 130, 133, 142, 156, 164, 168, 172 f., 187,197 Plessner, Helmuth 69 Plotin 34,35,86 Pöggeler, Otto 135f., 145, 150, 152, 154,175, 203 Popper, Karl Raimund 189 Pythagoras (Pythagoreer, pythagoreisch, Pythagoreismus) 18 f., 25, 30, 39 Quine, Willard Van Orman 24 Rapp, Christof 40 Reinhardt, Karl 14 f., 18, 19, 44, 51, 79 f., 83 f., 89 ff., \0\, 117,118, 119, 134, 138-142, 145, 162 f., 168, 174, 189 Rickert, Heinrich 70 f. Riedel, Manfred 159,199 Riezler, Kurt 14, 134 f., 146, 162, 163, 182 Röd, Wolfgang 16,18-51, 77, 118 Rölli, Marc 203 Rombach, Heinrich 88 f.

Personenregister Ryle, Gilbert 175 Safranski, Rüdiger 54f., 195,198 f. Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 129,153/, 191 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst 156 Schlüter, Jochen 48, 131, 135f., 144, 149,151-155 Schneider, Norbert 68, 73f., 141 Schopenhauer, Arthur 54 f. Schumacher, Thomas 153 f. Schüßler, Ingeborg 147 Schütz, Alfred 76, 83 Schwabl, Hans 89f., 91, 92,191 Schwyzer, Eduard 80 Sedley, David 29,46 f., 113 Sellmer, Sven 25,105/ Simplicius (Simplikios) 20,46 Snell, Bruno 53/, 139 Sorabji, Richard 16,29-32,60 Spinoza, Baruch de 86 Steinthal, Heymann 83 f. Stenzel, Julius 118 Steuben, Hans von 19 f., 40 f. Tannery, Paul 38 Tarän, Leonardo 33, 60,89f. Theophrast 28

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Theunissen, Michael 16,29-34,35,36 Thomas von Aquin 45 f. Thumher, Rainer 159,195,198 Tietjen, Hartmut 134 f., 159 Trakl, Georg 81 Tugendhat, Emst 41, 106-109, 120, 131 /, 144 Ueberweg, Friedrich 140 Ulmer, Karl 172 ff., 193 Vaihinger, Hans 140 f. Vollmer, Gerhard 73 f., 74 Wach, Joachim 156 Weiß (Weiss), Helene 32 Wenzel, Ulrich 67,92f., 174 Weyl, Hermann 22 Wieland, Wolfgang 45,174 Wiesner, Jürgen 48, 63,131,144 Wilamowitz-Moellendorf (-Möllendorf), Ulrich von 139 f. Windelband, Wilhelm 140 Wittgenstein, Ludwig 21,33,36 Wright, Georg Henrik von 74, 77 Zeller, Eduard 18,140 Zenon 60, 78f.

Sachregister Bei Begriffen, die (nur) in den Anmerkungen (Fußnoten) der jeweiligen Seite genannt werden, sind die Seitenzahlen kursiv gesetzt. Die relevantesten Abweichungen bzw. verwandte begriffliche Prägungen (sowie die entsprechenden griechischen und lateinischen Termini) sind in Klammern wiedergegeben, Querverweise durch s. (siehe) oder s. a. (siehe auch). Die für die Gliederung der vorliegenden Untersuchung gewählten Überschriften und die Titel der genannten Literatur sind in der Regel nicht berücksichtigt. Bei sehr häufig vorkommenden Begriffen (z. B. Seiendes, Sein, Zeit) sind nur die wichtigeren Stellen angeführt (Angabe: u. a.). absoluter Ursprung (absolut, das Absolute, absoluter Anfang, absolut Letztes ...; s. a. Seiendes, absolutes; Sein, absolutes; Ursprungslogik, absolutistische; Wahrheit, unbedingte) 16, 24 f., 30, 50, 58, 61, 70, 78 f., 84, 86 ff., 93, 98,112,120,132,153,190 ff., 203 Abwesenheit (abwesend, Abwesendes; s. a. Ungegenwärtigkeit) 54, 62/, 64, 104 f., 775, 173 aeternitas s. Ewigkeit aiorv (aicüVLOv) s. Ewigkeit Aletheia/àAT]6£ux (à-ÀT]0eia, àÀr|8éç; s. a. TILCTTLÇ àAr|0r|ç, Wahrheit, Wahrheitsbegriff, Wahrheitsbesitz, Unverborgenheit, Weg der Wahrheit) 14, 22, 24, 59, 63, 79 f., 85, 89, 105, 109, 777, 119, 722, 135f., 138 f., 141, 145 f., 146, 148, 164, 186, 192, 196 Aletheia-Teil s. Teile (des Lehrgedichts) àÀAoioMjiç s. Veränderung Anfangsproblem (Problem des Anfangs) 70 ff. Angst (Angstabwehr, Angstphänomen) 15, 52, 61, 62, 66, 120, 145f., 148, 154,190 ff. Anthropologie (anthropologisch; s. a.

Lebensauslegung, Mensch, menschlich) 15, 53, 67, 69, 101, 176, 190, 191 biologische (biologisch-anthropologisch) 71, 73 anthropologische Wende 68 anthropomorph (s. a. Mensch, menschlich) 78, 84,87,191 antiteleologisch (s. a. Teleologie, Telos) 141 Anwesenheit (Anwesendsein, anwesend; s. a. Gegenwart, Präsenz) 24, 35, 52 64, 81, 84, 91, 104, 109, 111, 113, 115, 129, 132f., 144, 155, 166, 170, 173 (be)ständige (s. a. Ewigkeit) 24, 28, 111,127 f., 170, 193, 197 Äon s. Ewigkeit apriorisch (erfahrungsunabhängige Erkenntnis, (Urteile) a priori) 21 f., 24, 27 f., 51, 93, 137,178 arche/aQxn (